GmbH-Gesetz: Kommentar [19. neu bearbeitete und erweiterte Auflage] 9783504385170

Dieser kompakte Kommentar zum GmbH-Gesetz behandelt Unstreitiges in gebotener Kürze und offene Fragen in angemessener Ti

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GmbH-Gesetz: Kommentar [19. neu bearbeitete und erweiterte Auflage]
 9783504385170

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Lutter . Hommelhoff GmbH- Gesetz

.

Lutter/Hommelhoff

GmbH-Gesetz Kommentar bearbeitet von

Prof. Dr. Walter Bayer Universitätsprofessor in Jena Richter am Thüringer OLG a.D. Mitglied des Thüringer VerfGH

Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Peter Hommelhoff em. Universitätsprofessor in Heidelberg Richter am OLG a.D.

Prof. Dr. Detlef Kleindiek Universitätsprofessor in Bielefeld

Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Marcus Lutter em. Universitätsprofessor in Bonn Rechtsanwalt in Berlin

19. neu bearbeitete und erweiterte Auflage 2016

.

Marcus Lutter dem inspirierenden Freund

Zitierempfehlung: Bearbeiter in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl 2016, § . . . Rn . . .

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-9 43 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-32489-6 ©2016 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung: Jan P. Lichtenford, Mettmann Satz: Schäper, Bonn Druck und Verarbeitung: Kösel, Krugzell Printed in Germany

Vorwort Hervorgegangen aus dem vor bald 70 Jahren begründeten Scholz’schen Kurzkommentar, der danach vom unvergessenen Präsidenten des Bundesgerichtshofs Robert Fischer ganz auf die höchstrichterliche Rechtsprechung ausgerichtet worden war, hat der „Lutter/Hommelhoff“ vor 30 Jahren sein Konzept gefunden und dies auch nach Beitritt weiterer Autoren unverändert gefestigt und ausgebaut: Als vor allem der lebendigen Praxis gewidmeter Kurzkommentar will er über die Erkenntnisse der Gerichte ebenso informieren wie über die Ansichten des Schrifttums. Zugleich jedoch sucht dieser Kommentar den Diskurs mit Rechtsprechung und Literatur, um selbst in Rechtsentwicklungen einzugreifen und um Anstöße für neue Entwicklungen im GmbH-Recht zu geben. Diesem Konzept will unverändert auch die vorliegende 19. Auflage entsprechen. In ihr waren zum einen die Ergänzungen und Veränderungen des GmbH-Gesetzes im Gefolge des Gesetzes zur gleichberechtigten Teilhabe von Männern und Frauen zu berücksichtigen (neuer § 36 und Änderung von § 52). Zum anderen war dem Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz ebenso Rechnung zu tragen wie der reichen Rechtsprechung zur Gesellschafterliste und zur gelockerten Geschäftsführerhaftung nach Insolvenzreife. Zum dritten haben die Autoren die Gelegenheit der Neuauflage genutzt, einige für die Praxis besonders bedeutsame Themen wie die Schiedsvereinbarungen und die Versammlungsleitung weiter zu vertiefen. Kurz vor Drucklegung konnte zudem noch die Abschlussprüfungsreform mit ihren zahlreichen Niederschlägen im GmbH-Recht einschließlich der neuen §§ 86-88 in der Fassung des Reformgesetzes vom 10.5.2016 erstmals kommentiert werden. Auf das Harmonisierungsprojekt einer SUP-Richtlinie ist die Kommentierung hingegen nicht näher eingegangen, da deren Schicksal im Europäischen Parlament momentan noch ganz ungewiss ist. Diese Neuauflage ist die erste, an der Marcus Lutter nicht mehr als Autor beteiligt ist. Seine Nennung als Autor auf dem Umschlag und Titelblatt sowie als Koautor in den Kommentierungen selbst ist der Tatsache geschuldet, dass die betreffenden Kommentarabschnitte immer noch wesentlich auf seinen Vorarbeiten beruhen. Sein Ausscheiden nehmen die Autoren gern zum Anlass, ihm für ihre vertrauensvolle Aufnahme als Mitautoren neben ihm herzlich zu danken, aber auch und vor allem für eine Fülle von Anregungen und (zuweilen auch drängenden) Ermutigungen über Jahre und Jahrzehnte hinweg. Daher widmen die Autoren diese Auflage Marcus Lutter in Freundschaft mit allen guten Wünschen. All’ denen, die uns bei dieser Neuauflage bis hin zum fortgeschriebenen Register vielfältig und engagiert unterstützt haben, sei auch an dieser Stelle sehr herzlich gedankt. Danken möchten wir zugleich den Nutzern des Kommentars, die uns mit VII

Vorwort

Hinweisen geholfen haben. Kritik und Anregungen zu dieser Auflage, um die wir erneut herzlich bitten, richten Sie bitte an den Verlag ([email protected]). Der Kommentar entspricht in allen seinen Teilen dem Stand vom 20. Mai 2016. Jena/Heidelberg/Bielefeld, im Mai 2016 Walter Bayer Peter Hommelhoff

Detlef Kleindiek

Prof. Dr. Walter Bayer, Carl-Zeiss-Str. 3, 07743 Jena (e-mail: [email protected]) Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Peter Hommelhoff, Friedrich-Ebert-Platz 2, 69117 Heidelberg (e-mail: [email protected]) Prof. Dr. Detlef Kleindiek, Universitätstr. 25, 33615 Bielefeld (e-mail: [email protected])

VIII

Inhaltsverzeichnis

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeines Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erläuterungen Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abschnitt: Errichtung der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang zu § 2: Musterprotokoll . . . . . . . . . . . . . Anhang zu § 4a: Zweigniederlassung . . . . . . . . . . Anhang zu § 6: Anstellungsverhältnis . . . . . . . . 2. Abschnitt: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang zu § 13: Die GmbH als verbundenes Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abschnitt: Vertretung und Geschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . Geschäftsführerbestellung nach Vor § 35: Eintragung der GmbH . . . . . . . Vor § 41: Recht der Rechnungslegung . . . Anhang zu § 42a: Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang zu § 47: Nichtigkeit und Anfechtbarkeit von Gesellschafterbeschlüssen . 4. Abschnitt: Abänderungen des Gesellschaftsvertrages . . . . . . . . 5. Abschnitt: Auflösung und Nichtigkeit der Gesellschaft . . . . . . Anhang zu § 64: Insolvenzantragspflicht; Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Abschnitt: Ordnungs-, Straf- und Bußgeldvorschriften . . . . . . Kommentierung des EGGmbHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

§§ 1–12

Seite VII XI XVII

1 23 60 146 255

13–34

409

35–52

436 865 865 1014 1098

53–59 60–77

1263 1457 1643

78–88

1707 1861

1–7

1899 1917

IX

Allgemeines Literaturverzeichnis Adler/Düring/ Schmaltz

Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen. Kommentar. 6. Aufl 1997 ff

Ballerstedt

Kapital, Gewinn und Ausschüttung bei Kapitalgesellschaften. Eine gesellschaftsrechtliche Betrachtung. 1949 BGB. 3. Aufl 2012

Bamberger/Roth (Hrsg) BankrechtsHandbuch Baumbach/Hopt Baumbach/Hueck Baums Baums Bayer/Habersack (Hrsg) Bayer/Koch (Hrsg) Bayer/Koch (Hrsg) Beck’scher BilanzKommentar Beck’sches Handbuch der GmbH Bork/Schäfer Brodmann

Herausgegeben von Schimansky/Bunte/Lwowski. 4. Aufl 2011 Handelsgesetzbuch, Kommentar. 36. Aufl 2014 Kommentar zum GmbH-Gesetz. 20. Aufl 2013 (zit: B/H/Bearbeiter) Der Geschäftsleitervertrag. 1987 Eintragung und Löschung von Gesellschafterbeschlüssen. 1981 Aktienrecht im Wandel. 2007 Das neue GmbH-Recht. 2008 Unternehmens- und Vermögensnachfolge. 2009 Handelsrecht und Steuerrecht. Herausgegeben von Grottel/Schmidt/Schubert/Winkeljohann. 9. Aufl 2014 Gesellschaftsrecht, Steuerrecht. Herausgegeben von Prinz/Winkeljohann. 5. Aufl 2014 Kommentar zum GmbH-Gesetz. 3. Aufl 2015 (zit: B/S/Bearbeiter) Kommentar zum Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung. 2. Aufl 1930

Centrale für GmbH (Hrsg)

Das neue GmbH-Recht in der Diskussion. 1980 (zit: Bearbeiter GmbH-Recht in der Diskussion)

Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn Eickhoff Erman

Handelsgesetzbuch (HGB). Kommentar. 3. Aufl 2014/ 2015 (zit: E/B/J/S/Bearbeiter) Die Praxis der Gesellschafterversammlung. 4. Aufl 2006 BGB. Herausgegeben von Westermann/Grunewald/ Maier-Reimer. 14. Aufl 2014

Feine

Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, in Ehrenberg, Handbuch des gesamten Handelsrechts. Bd 3,3. Leipzig 1929 XI

Allgemeines Literaturverzeichnis

Flume Flume

Gehrlein/Ekkenga/ Simon Gersch (ua) Geßler/Hefermehl/ Eckardt/Kropff GmbH-Handbuch Goette Goette/Habersack (Hrsg) Gottwald (Hrsg) Grigoleit/Rieder Großkommentar zum Aktiengesetz Großkommentar zum Handelsgesetzbuch Grunewald Grunewald Gustavus

Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts. Bd 1 1. Teil. Die Personengesellschaft. 1977 (zit: Flume Personengesellschaft) Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts. Bd 1 2. Teil. Die juristische Person. 1983 (zit: Flume Juristische Person) GmbHG. 2. Aufl 2015 (zit: G/E/S/Bearbeiter) GmbH-Reform 1980. Erläuterung mit praktischen Hinweisen. 1980 Kommentar zum Aktiengesetz. 1973/1984 ff Herausgegeben von der Centrale für GmbH. Loseblatt Die GmbH. 2. Aufl 2002 Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis. 2009 Insolvenzrechts-Handbuch. 5. Aufl 2015 GmbH-Recht nach dem MoMiG. 2009 Herausgegeben von Hirte, Mülbert, M. Roth. 5. Aufl 2014 ff Herausgegeben von Canaris/Schilling/Ulmer. 4. Aufl 1983 ff. Herausgegeben von Canaris/Habersack/Schäfer. 5. Aufl 2009 ff Die Gesellschafterklage in der Personengesellschaft und der GmbH. 1990 (zit: Grunewald Gesellschafterklage) Der Ausschluss aus Gesellschaft und Verein. 1987 (zit: Grunewald Ausschluss) Handelsregister-Anmeldungen, 8. Aufl 2013

Großkommentar zum GmbHG. Begründet von Hachenburg. 8. Aufl herausgegeben von Ulmer. 1990 ff Happ (Hrsg) Die GmbH im Prozeß. 1997 Hauschild/Kallrath/ Notarhandbuch Gesellschafts- und Unternehmensrecht. Wachter 2. Aufl 2016 Heckschen/Heidinger Die GmbH in der Gestaltungs- und Beratungspraxis. 3. Aufl 2014 Hesselmann/Tillmann/ Handbuch GmbH & Co. KG. 21. Aufl 2016 Mueller-Thuns Heidelberger Herausgegeben von Kreft. 7. Aufl 2014 Kommentar zur (zit: HK-InsO/Bearbeiter) Insolvenzordnung

Hachenburg

XII

Allgemeines Literaturverzeichnis

Henze Henssler/Strohn (Hrsg) Hölters (Hrsg) Hoffmann/Preu

Handbuch zum GmbH-Recht. Höchstrichterliche Rechtsprechung. 2. Aufl 1997 Gesellschaftsrecht. 2. Aufl 2014

Hommelhoff Hüffer/Koch

Handbuch Unternehmenskauf. 8. Aufl 2015 Der Aufsichtsrat. Ein Leitfaden für Aufsichtsräte. 5. Aufl 2003 Die Konzernleitungspflicht. 1982 Aktiengesetz. Kommentar. 12. Aufl 2016

Immenga

Die personalistische Kapitalgesellschaft. 1970

Knobbe-Keuk Kölner Kommentar zum Aktiengesetz Koller/Kindler/Roth/ Morck Koppensteiner Krafka/Kühn Krieger/Uwe H. Schneider (Hrsg) Kübler/Assmann Küting/Pfitzer/ Weber (Hrsg) Küting/Weber (Hrsg)

Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht. 9. Aufl 1993 Herausgegeben von Zöllner. 2. Aufl 1988 ff. Herausgegeben von Zöllner/Noack. 3. Aufl 2004 ff Handelsgesetzbuch (HGB). Kommentar. 8. Aufl 2015 (zit: K/K/R/M/Bearbeiter) GmbH-Gesetz (Österr) Kommentar. 2. Aufl Wien 1999 Registerrecht. 9. Aufl 2013 Handbuch Managerhaftung. 2. Aufl 2010

Langenfeld/Miras Leffson/Rückle/ Großfeld (Hrsg) Lutter

GmbH-Vertragspraxis. 7. Aufl 2015 Handwörterbuch unbestimmter Rechtsbegriffe im Bilanzrecht des HGB. 1986 Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat. 3. Aufl 2006 (zit: Lutter Information) Kapital, Sicherung der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung in den Aktien- und GmbH-Rechten der EWG. Karlsruhe 1964 (zit: Lutter Kapital) Limited Liability Companies and Private Companies, in Intern. Encyclopedia of Comparative Law. Bd XIII.1998 (zit: Lutter PrivComp) Umwandlungsgesetz. Herausgegeben von Bayer/J. Vetter. 5. Aufl 2014 Holding-Handbuch. 5. Aufl 2015 Europäisches Unternehmens- und Kapitalmarktrecht. 5. Aufl 2012 (zit: Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR) Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats. 6. Aufl 2014

Lutter Lutter Lutter Lutter/Bayer (Hrsg) Lutter/Bayer/ J. Schmidt Lutter/Krieger/Verse

Gesellschaftsrecht. 6. Aufl 2006 Handbuch der Rechnungslegung. Einzelabschluss. 5. Aufl 2002 ff. (zit: K/P/W) Handbuch der Konzern-Rechnungslegung. 2. Aufl 1998

XIII

Allgemeines Literaturverzeichnis

Lutter/Ulmer/ Zöllner (Hrsg)

Festschrift 100 Jahre GmbHG. 1992

Meyer-Landrut

Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG). Kommentar. 1987 Kommentar zum GmbHG. 2. Aufl 2010 (zit: Michalski/Bearbeiter) Herausgegeben von Römermann. 3. Aufl 2014

Michalski (Hrsg) Münchener Anwalts-Handbuch GmbH-Recht Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts Münchener Kommentar zum Aktiengesetz Münchener Kommentar zum BGB Münchener Kommentar zum GmbHG Münchener Kommentar zum HGB

Bd 3 Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Herausgegeben von Priester/Mayer/Wicke. 4. Aufl 2012 Bd 4 Aktiengesellschaft. Herausgegeben von HoffmannBecking. 4. Aufl 2015 Herausgegeben von Goette/Habersack. 3. Aufl 2008 ff. Herausgegeben von Goette/Habersack. 4. Aufl 2014 ff. Herausgegeben von Säcker/Rixecker. 6. Aufl 2012 ff. Herausgegeben von Säcker/Rixecker/Oetker/Limperg. 7. Aufl 2015 ff. Herausgegeben von Fleischer/Goette. 2. Aufl 2015 (Bd I), 2. Aufl 2016 (Bd II und III) Herausgegeben von Karsten Schmidt. 3. Aufl 2010 ff. Herausgegeben von Karsten Schmidt. 4. Aufl 2016 ff.

Palandt

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). 75. Aufl 2016

Raiser/Veil

Kommentar zum Mitbestimmungsgesetz und Drittelbeteiligungsgesetz. 5. Aufl 2009 Recht der Kapitalgesellschaften. 6. Aufl 2015 GmbH & Co. KG. 7. Aufl 2015 Privatrechtliche Schranken der Perpetuierung von Unternehmen. 1973 (zit: Reuter Perpetuierung) Die werdende juristische Person. 1973 Handelsgesetzbuch (HGB). 4. Aufl 2014

Raiser/Veil Reichert (Hrsg) Reuter Rittner Röhricht/Graf von Westphalen/Haas (Hrsg) Römermann/Wachter (Hrsg) Roth/Altmeppen

XIV

GmbH-Beratung nach dem MoMiG. GmbHR-Sonderheft 2008 (Oktober) Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG). 8. Aufl 2015 (zit: R/A/Bearbeiter)

Allgemeines Literaturverzeichnis

Rowedder/SchmidtLeithoff

Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG). 5. Aufl 2013 (zit: R/S-L/Bearbeiter)

Saenger/Inhester (Hrsg) Schaeberle-Meermann Schiffers/Theile H.M. Schmidt (Hrsg) K. Schmidt K. Schmidt/Lutter (Hrsg) K. Schmidt/Uhlenbruck (Hrsg) Scholz

GmbHG-Kommentar. 2. Aufl 2013 (zit: S/I/Bearbeiter)

Schubert Seibert (Hrsg) Seidel Spindler/Stilz (Hrsg) Staub Staudinger Staudinger/Großfeld

Die Kapitalerhöhung bei einer GmbH. Achim 1985 Bilanzrecht der GmbH. 2016 Pro GmbH. 1980 (zit: Bearbeiter Pro GmbH) Gesellschaftsrecht. 4. Aufl 2002 (zit: K. Schmidt GesR) Aktiengesetz. Kommentar. 3. Aufl 2015 Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz. 5. Aufl 2016 Kommentar zum GmbH-Gesetz. 11. Aufl 2012 (Bd I), 11. Aufl 2014 (Bd II), 11. Aufl 2015 (Bd III) (zit: Scholz/Bearbeiter) Entwurf des Reichsjustizministeriums zu einem Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung von 1939. Heidelberg 1985 MoMiG, 2009 Zu mangelnder Bedeutung mitgliedschaftlicher Treuepflichten im Willensbildungsprozess der GmbH. 1998 Aktiengesetz. Kommentar. 3. Aufl 2015 s. Großkommentar zum Handelsgesetzbuch Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch. 1993 ff Kommentar zum EGBGB. Internationales Gesellschaftsrecht. Begründet von Staudinger. Erläutert von Großfeld. 13. Bearbeitung 1998 (zit: Staudinger/Großfeld InternGR)

Tillmann/Mohr Tillmann/Schiffers/ Wälzholz/Rupp

GmbH-Geschäftsführer. 10. Aufl 2013 Die GmbH im Gesellschafts- und Steuerrecht. 6. Aufl 2015

Ulmer/Habersack/ Henssler Ulmer/Habersack/ Löbbe Ulmer/Habersack/ Winter

Mitbestimmungsrecht. 3. Aufl 2013 Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG). Großkommentar. Bd I: Herausgegeben von Ulmer/Habersack/Löbbe. 2. Aufl 2013. Bd II: Herausgegeben von Ulmer/Habersack/Löbbe. 2. Aufl 2014. XV

Allgemeines Literaturverzeichnis

Bd III: Herausgegeben von Ulmer/Habersack/Winter. 1. Aufl 2008. Ergänzungsband zum MoMiG: Herausgegeben von Ulmer/Habersack/Winter. 2010 (zit: U/H/L/Bearbeiter bzw U/H/W/Bearbeiter) H.P. Westermann Wicke Widmann/Mayer Wiedemann Wiedemann Winter Zöllner

XVI

Vertragsfreiheit und Typengesetzlichkeit im Recht der Personengesellschaften. 1970 Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG). 3. Aufl 2016 Umwandlungsrecht. Loseblatt Gesellschaftsrecht Bd I. Grundlagen. 1980 Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften. 1965 (zit: Wiedemann Übertragung) Treuebindungen im GmbH-Recht. 1988 (zit: Winter Treuebindungen) Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden. 1963 (zit: Zöllner Schranken)

Abkürzungsverzeichnis aA ABlEG; ABlEU Abs. abw AbzG AcP AdöR ADS aE AEUV aF AFG AG AGB AGBG AGG AktG Alt. aM AmtsG Anf AnfG AngKSchG Anh Anm AnwBl AO AP APAReG ApoG ArbG ArbGG ArbZG AReG arg Art. ARUG

anderer Ansicht Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften/Union Absatz abweichend Gesetz betreffend die Abzahlungsgeschäfte Archiv für die civilistische Praxis Anstalt des öffentlichen Rechts Adler/Düring/Schmaltz (s. Allgemeines Literaturverzeichnis) am Ende Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung Arbeitsförderungsgesetz Aktiengesellschaft; Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift) Allgemeine Geschäftsbedingungen Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Allgemeines Gleichbehandlungs-Gesetz Aktiengesetz Alternative anderer Meinung Amtsgericht Anfechtung Anfechtungsgesetz Gesetz über die Fristen für die Kündigung von Angestellten Anhang Anmerkung Anwaltsblatt Abgabenordnung Arbeitsrechtliche Praxis (Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts) Abschlussprüferaufsichtsreformgesetz Apothekengesetz Arbeitsgericht Arbeitsgerichtsgesetz Arbeitszeitgesetz Abschlussprüfungsreformgesetz argumentum Artikel Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie XVII

Abkürzungsverzeichnis

AuA AÜG AufenthG Aufl AuslGewVwV AWG AWV AZO BaFin BAG BankrechtsHdb BAnz BAnzDiG

BAT BauSparkG BayObLG BB BBG Bd Beck BK Beck GmbH BeckRS Begr BegrRegE BetrAVG BetrVG BeurkG BewG BFH BFHE BFH/NV BfJ BGB XVIII

Arbeit und Arbeitsrecht Arbeitnehmerüberlassungsgesetz Aufenthaltsgesetz Auflage Allgemeine Verwaltungsvorschrift für die Anwendung des Gewerberechts auf Ausländer Außenwirtschaftsgesetz Verordnung zur Durchführung des Außenwirtschaftsgesetzes Arbeitszeitordnung Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bundesarbeitsgericht Bankrechts-Handbuch (s. Allgemeines Literaturverzeichnis) Bundesanzeiger Gesetz zur Änderung von Vorschriften über Verkündung und Bekanntmachungen sowie der Zivilprozessordnung, des Gesetzes betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung und der Abgabenordnung Bundesangestelltentarifvertrag Bausparkassengesetz Bayerisches Oberstes Landesgericht; Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Zivilsachen Der Betriebs-Berater Bundesbeamtengesetz Band Beck’scher Bilanz-Kommentar (s. Allgemeines Literaturverzeichnis) Beck’sches Handbuch der GmbH (s. Allgemeines Literaturverzeichnis) Beck-Rechtsprechung Begründung Begründung Regierungsentwurf Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung Betriebsverfassungsgesetz Beurkundungsgesetz Bewertungsgesetz Bundesfinanzhof Entscheidungen und Gutachten des Bundesfinanzhofs Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH Bundesamt für Justiz Bürgerliches Gesetzbuch

Abkürzungsverzeichnis

BGBl BGH BGHSt BGHZ B/H BilKoG BilMoG BilReG BilRUG BiRiLiG BKR BNotO BPatG BPg BRAO BR-Drucks BRRG B/S BSG Bspr BT-Drucks BtG b.v. BVerfG BWNotZ bzgl BZRG bzw

Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Baumbach/Hueck (s. Allgemeines Literaturverzeichnis) Bilanzkontrollgesetz Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz Bilanzrechtsreformgesetz Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz Bilanzrichtlinien-Gesetz Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht Bundesnotarordnung Bundespatentgericht Buchprüfungsgesellschaft Bundesrechtsanwaltsordnung Drucksachen des Deutschen Bundesrates Beamtenrechtsrahmengesetz Bork/Schäfer (s. Allgemeines Literaturverzeichnis) Bundessozialgericht Besprechung Drucksachen des Deutschen Bundestages Betreuungsgesetz besloten vennootschap Bundesverfassungsgericht; Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Baden-Württembergische Notarzeitschrift bezüglich Bundeszentralregistergesetz beziehungsweise

ca CCZ CFL CH c.i.c. CMLR COMI CR CRR

circa Corporate Compliance Zeitschrift Corporate Finance Law (Zeitschrift) Schweiz culpa in contrahendo Common Market Law Review centre of main interests Computer und Recht Capital Requirements Regulation

DAI DAR DAV

Deutsches Anwaltsinstitut Deutsches Autorecht Deutscher Anwaltverein XIX

Abkürzungsverzeichnis

DB DBW DCGK DGB dh DIHT DIS DJT DMBilG DNotZ D&O DR DrittelbG DRiZ DStR DStZ DVO DZWir; DZWIR

Der Betrieb Die Betriebswirtschaft Deutscher Corporate Governance Kodex Deutscher Gewerkschaftsbund das heißt Deutscher Industrie- und Handelskammertag Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit Deutscher Juristentag DM-Bilanzgesetz Deutsche Notarzeitschrift Directors and Officers Deutsches Recht Drittelbeteiligungsgesetz Deutsche Richterzeitung Deutsches Steuerrecht Deutsche Steuerzeitung Durchführungsverordnung Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht; ab 1999: Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht

E, Entw E/B/J/S

Entwurf Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn (s. Allgemeines Literaturverzeichnis) European Company and Financial Law Review Entgeltfortzahlungsgesetz Einführungsgesetz; Europäische Gemeinschaften; Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Aktiengesetz Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Einführungsgesetz zum Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung Einführungsgesetz zum Handelsgesetzbuch Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister Einführung Einleitung Energiewirtschaftsgesetz Europäisches Parlament Europäische Privatgesellschaft Zeitschrift für die gesamte erbrechtliche Praxis

ECFR EFZG EG EGAktG EGBGB EGGmbHG EGHGB EGInsO EGKSV EHUG Einf Einl EnWG EP EPG ErbR XX

Abkürzungsverzeichnis

ErbStG Ergb Erl ESt EStG ESUG etc EU EuGesR EuGH EuGVÜ EuGVVO EUInsVO EuR EuroEG EuropUR EuZRP/EuIPR EuZW EWG EWiR EWIV EWR EWS EzA f, ff FamFG FamRZ FG FGG FGG-RG FGPrax FMStErgG FMStG

Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz Ergänzungsband Erläuterung Einkommensteuer Einkommensteuergesetz Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen et cetera Europäische Union Europäisches Gesellschaftsrecht Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivilund Handelssachen Verordnung (EG) Nr. 44/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Europäische Insolvenzverordnung Europarecht (Zeitschrift) Euro-Einführungsgesetz Europäisches Unternehmensrecht (s. Allgemeines Literaturverzeichnis) Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung Europäischer Wirtschaftsraum Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht Entscheidungen zum Arbeitsrecht folgende Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Freiwillige Gerichtsbarkeit; Finanzgericht; Festgabe Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Praxis der Freiwilligen Gerichtsbarkeit Finanzmarktstabilisierungsergänzungsgesetz Finanzmarktstabilisierungsgesetz XXI

Abkürzungsverzeichnis

Fn FN-IDW FormVAnpG FoSiG FR FreizügG FS G GB GBO GbR GebrMG GenG GES G/E/S GeschäftsO GeschmMG GesRZ GewArch GewO GG ggf G/H/E/K Gj GlTeilhG GmbHG GmbH-Hdb GmbH-Novelle GmbHR GNotKG

XXII

Fußnote IDW-Fachnachrichten Formvorschriftenanpassungsgesetz Forderungssicherungsgesetz Finanz-Rundschau Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern Festschrift Gesetz Großbritannien Grundbuchordnung Gesellschaft des bürgerlichen Rechts Gebrauchsmustergesetz Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften Zeitschrift für Gesellschaftsrecht und angrenzendes Steuerrecht (Österreich) Gehrlein/Ekkenga/Simon (s. Allgemeines Literaturverzeichnis) Geschäftsordnung Geschmacksmustergesetz Der Gesellschafter. Zeitschrift für Gesellschaftsrecht (Österreich) Gewerbearchiv Gewerbeordnung Grundgesetz gegebenenfalls Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff (s. Allgemeines Literaturverzeichnis) Geschäftsjahr Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbH-Handbuch (s. Allgemeines Literaturverzeichnis) Gesetz zur Änderung des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung und anderer handelsrechtlicher Vorschriften vom 4.7.1980 GmbH-Rundschau Gesetz über Kosten der freiwilligen Gerichtsbarkeit für Gerichte und Notare

Abkürzungsverzeichnis

GoB GPR GrEStG Großkomm GRUR GS GüKG GuV GV GVG GWB GWR

Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung Zeitschrift für das Privatrecht der Europäischen Union Grunderwerbsteuergesetz Großkommentar (s. Allgemeines Literaturverzeichnis) Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Gedächtnisschrift Güterkraftverkehrsgesetz Gewinn- und Verlustrechnung Gebührenverzeichnis Gerichtsverfassungsgesetz Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht

HandwO HbRL Hdb HdbIntGmbHR HeilprG HGB HinterlO HK

HV HybBG

Handwerksordnung Handbuch der Rechnungslegung Handbuch Handbuch des internationalen GmbH-Rechts Heilpraktikergesetz Handelsgesetzbuch Hinterlegungsordnung Heidelberger Kommentar zum GmbH-Recht (s. Allgemeines Literaturverzeichnis) Heidelberger Kommentar (s. Allgemeines Literaturverzeichnis) herrschende Meinung Handelsrechtsreformgesetz Handelsregistergebührenverordnung Höchstrichterliche Rechtsprechung Herausgeber Verordnung über die Einrichtung und Führung des Handelsregisters Handwörterbuch unbestimmter Rechtsbegriffe im Bilanzrecht des HGB (s. Allgemeines Literaturverzeichnis unter Leffson/Rückle/Großfeld) Hauptversammlung Hypothekenbankgesetz

IAS IASB idF idR IDW IFRS

International Accounting Standard International Accounting Standards Board in der Fassung in der Regel Institut der Wirtschaftsprüfer International Financial Reporting Standard

HK – InsO hM HRefG HRegGebV HRR Hrsg HRV HURB

XXIII

Abkürzungsverzeichnis

IHK IHKG inkl InsO InsVZ InvG InVO IPR IPRax iSd IStR iSv iVm JA JBl JKomG JR JStG JurA JuS JuSchG JVKostG JVKostO JW JZ KapAEG KapCoRiLiG KapErhG KapErhStG KfH KG KGaA KGJ K/K/R/M KO XXIV

Industrie- und Handelskammer Gesetz zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrieund Handelskammern inklusive Insolvenzordnung Zeitschrift für Insolvenzverwaltung und Sanierungsberatung Investmentgesetz Insolvenz und Vollstreckung Internationales Privatrecht Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts im Sinne der Internationales Steuerrecht im Sinne von in Verbindung mit Jahresabschluss Juristische Blätter Justizkommunikationsgesetz Juristische Rundschau Jahressteuergesetz Juristische Analysen Juristische Schulung Jugendschutzgesetz Gesetz über Kosten in Angelegenheiten der Justizverwaltung Justizverwaltungskostenordnung Juristische Wochenschrift Juristenzeitung Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz Kapitalgesellschaften- und Co-Richtlinie-Gesetz Gesetz über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln und über die Verschmelzung von Gesellschaften mit beschränkter Haftung Gesetz über steuerrechtliche Maßnahmen bei Erhöhung des Nennkapitals aus Gesellschaftsmitteln Kammer für Handelssachen Kammergericht; Kommanditgesellschaft Kommanditgesellschaft auf Aktien Jahrbuch für Entscheidungen des Kammergerichts Koller/Kindler/Roth/Morck (s. Allgemeines Literaturverzeichnis) Konkursordnung

Abkürzungsverzeichnis

KOM KonTraG KoordinierungsG KostO KostRMoG KPW KSchG KSt KStG KStR KSzW KTS KV K/W KWG KzR LAG lfd LG Lit lit LM LMK LöschG LPartG LS Ltd LZ max MDR MedR MgVG MicroBilG MicroRL

Kommission der Europäischen Gemeinschaft Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich Koordinierungsgesetz zur Umsetzung von EG-Richtlinien Kostenordnung Kostenrechtsmodernisierungsgesetz Küting/Pfitzer/Weber (s. Allgemeines Literaturverzeichnis) Kündigungsschutzgesetz Körperschaftsteuer Körperschaftsteuergesetz Körperschaftsteuerrichtlinien Kölner Schrift zum Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Konkurs-, Treuhand- und Schiedsgerichtswesen Kostenverzeichnis Küting/Weber (s. Allgemeines Literaturverzeichnis) Kreditwesengesetz Konzernrecht Landesarbeitsgericht; Lastenausgleichsgesetz laufend Landgericht Literatur litera Lindenmaier-Möhring (Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs) Kommentierte BGH-Rechtsprechung LindenmaierMöhring Löschungsgesetz Lebenspartnerschaftsgesetz Leitsatz Limited Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht maximal Monatsschrift für Deutsches Recht Medizinrecht Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung Gesetz zur Umsetzung der so genannten Micro-Richtlinie 2012/6/EU über Erleichterungen der Rechnungslegung für Kleinstunternehmen Micro-Richtlinie XXV

Abkürzungsverzeichnis

mind MitbestErgG MitbestG MitbestR MittBayNot MittRhNotk MoMiG MontanMitbestG MünchAnwaltsHdb MünchHdb MünchKomm mwN NaStraG nF NJ NJW NJW-RR NL NotBZ Nr. NStZ NVwZ-RR NWB NZA NZA-RR NZG NZI NZWiSt oÄ ÖJZ öOGH OHG XXVI

mindestens Mitbestimmungsergänzungsgesetz Mitbestimmungsgesetz Mitbestimmungsrecht Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins Mitteilungen der Rheinischen Notarkammer Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen Montanmitbestimmungsgesetz Münchener Anwalts-Handbuch (s. Allgemeines Literaturverzeichnis) Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts (s. Allgemeines Literaturverzeichnis) Münchener Kommentar (s. Allgemeines Literaturverzeichnis) mit weiteren Nachweisen Namensaktiengesetz neue Fassung Neue Justiz Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungsreport der Neuen Juristischen Wochenschrift Niederlande Zeitschrift für die notarielle Beratungs- und Beurkundungspraxis Nummer Neue Zeitschrift für Strafrecht Rechtsprechungsreport der Neuen Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Wirtschaftsbriefe für Steuer- und Wirtschaftsrecht Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Rechtsprechungsreport der Neuen Zeitschrift für Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Neue Zeitschrift für Insolvenz und Sanierung Neue Zeitschrift für Wirtschafts-, Steuer- und Unternehmensstrafrecht oder Ähnliches Österreichische Juristenzeitung Oberster Gerichtshof (Österreich) offene Handelsgesellschaft

Abkürzungsverzeichnis

OLG OLGR OLGZ OVG OWiG

Oberlandesgericht; Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte in Zivilsachen Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte auf dem Gebiete des Zivilrechts Entscheidungen des Oberlandesgerichts in Zivilsachen Oberverwaltungsgericht Ordnungswidrigkeitengesetz

PAO/PatAnwO PatG PersbefG PreisklauselG PSV PublG

Patentanwaltsordnung Patentgesetz Personenbeförderungsgesetz Preisklauselgesetz Pensionssicherungsverein Gesetz über die Rechnungslegung von bestimmten Unternehmen und Konzernen

R/A RabelsZ

Roth/Altmeppen (s. Allgemeines Literaturverzeichnis) Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Recht der Arbeit Recht der Wasserwirtschaft; österreich. Recht der Wirtschaft Referentenentwurf eines Gesetzes über Gesellschaften mit beschränkter Haftung Regierungsentwurf eines Gesetzes über Gesellschaften mit beschränkter Haftung vom 5.11.1971. BR-Drucks 595/71 Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung und anderer handelsrechtlicher Vorschriften. BT-Drucks 8/1347 Registerrecht Reichsgericht Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Reichsgesetzblatt Recht der internationalen Wirtschaft Entscheidungen des Reichsjustizamts in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Richtlinie; Rechnungslegung Randnummer Rheinische Notar-Zeitschrift Reichsoberhandelsgericht Der Deutsche Rechtspfleger Rechtspflegergesetz

RdA RdW RefE 69 RegE 71/73 RegE 77

RegisterR RG RGZ RGBl RIW RJA RL Rn RNotZ ROHG Rpfleger RpflG

XXVII

Abkürzungsverzeichnis

R/S-L rSp Rspr RV s. S. SAG/SZW SARL SchiedsVfG SchiedsVZ SchiffsBG SchutzG SE SEAG SEBG SEEG SE-VO SGB SGG S/I Slg sog SPE SpruchG StB StBerG StEntlG StGB stRspr StSenkG StückAG StuW StV SUP SZW THA THG ThürOLG XXVIII

Rowedder/Schmidt-Leithoff (s. Allgemeines Literaturverzeichnis) rechte Spalte Rechtsprechung Reichsverfassung siehe Seite; Satz Die schweizerische Aktiengesellschaft/Schweizerische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Société à responsabilité limitée Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetz Zeitschrift für Schiedsverfahren Schiffsbankgesetz Schutzgesetz Societas Europaea; Europäische Gesellschaft SE-Ausführungsgesetz SE-Beteiligungsgesetz Gesetz zur Einführung der Europäischen Gesellschaft SE-Verordnung Sozialgesetzbuch Sozialgerichtsgesetz Saenger/Inhester (s. Allgemeines Literaturverzeichnis) Sammlung (insbesondere der Entscheidungen des EuGH) sogenannt Societas Privata Europaea Spruchverfahrensgesetz Der Steuerberater Steuerberatungsgesetz Steuerentlastungsgesetz Strafgesetzbuch ständige Rechtsprechung Steuersenkungsgesetz Stückaktiengesetz Steuer und Wirtschaft Strafverteidiger Societas Unius Personae Schweizerische Zeitschrift für Wirtschafts- und Finanzmarktrecht Treuhandanstalt Treuhandgesetz Thüringer Oberlandesgericht

Abkürzungsverzeichnis

TransPuG TSG TVG Tz TzBfG

Transparenz- und Publizitätsgesetz Transsexuellengesetz Tarifvertragsgesetz Textziffer Teilzeit- und Befristungsgesetz

ua ÜbergangsV UBGG UG UGG UMAG

unter anderem; und andere Übergangsvorschriften vom 4.7.1980 Gesetz über Unternehmensbeteiligungsgesellschaften Unternehmergesellschaft Unternehmensgründergesellschaft Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts umstritten Gesetz zur Bereinigung des Umwandlungsrechts Umwandlungsgesetz United States Generally Accepted Accounting Principles Umsatzsteuer und so weiter unter Umständen Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb

umstr UmwBerG UmwG US-GAAP USt usw uU UWG VAG vBP VerbrKrG VereinsG VerschmRiLiG VersR vGA vgl VglO VGR VkBkmG VO Voraufl VorG VorstAG vVG VwGO

Versicherungsaufsichtsgesetz vereidigter Buchprüfer Verbraucherkreditgesetz Gesetz zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts Verschmelzungsrichtlinie-Gesetz Versicherungsrecht verdeckte Gewinnausschüttung vergleiche Vergleichsordnung Gesellschaftsrechtliche Vereinigung Gesetz über die Verkündung von Rechtsverordnungen und Bekanntmachungen Verordnung Vorauflage Vorgesellschaft Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung verdeckte Vorteilsgewährung Verwaltungsgerichtsordnung

WBl WGG

Wirtschaftsrechtliche Blätter (Zeitschrift, Österreich) Gesetz über die Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen XXIX

Abkürzungsverzeichnis

WiB 2. WiKG WiRO wistra WiVerw WM WP WPG WPg WpHG WPO WRP WuB WZG zB ZBB ZD ZErb ZEuP ZEV ZfA ZfbF ZfgG ZGR ZHR ZIAS ZInsO ZIP zit ZJapanR ZKF ZMR ZNotP ZögU ZPO ZRG ZRP ZS XXX

Wirtschaftsrechtliche Beratung (Zeitschrift) Zweites Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität Wirtschaft und Recht in Osteuropa Zeitschrift für Wirtschaft Steuer Strafrecht Wirtschaft und Verwaltung (Beilage zur Zeitschrift Gewerbearchiv) Wertpapier-Mitteilungen Wirtschaftsprüfer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Die Wirtschaftsprüfung Gesetz über den Wertpapierhandel Wirtschaftsprüferordnung Wettbewerb in Recht und Praxis Entscheidungssammlung zum Wirtschafts- und Bankrecht Warenzeichengesetz zum Beispiel Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft Zeitschrift für Datenschutz Zeitschrift für die Steuer- und Erbrechtspraxis Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge Zeitschrift für Arbeitsrecht Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung Zeitschrift für das gesamte Genossenschaftswesen Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für ausländisches und internationales Arbeitsund Sozialrecht Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht zitiert Zeitschrift für Japanisches Recht Zeitschrift für Kommunalfinanzen Zeitschrift für Miet- und Raumrecht Zeitschrift für die Notarpraxis Zeitschrift für öffentliche und gemeinwirtschaftliche Unternehmen Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtsgeschichte Zeitschrift für Rechtspolitik Zivilsenat

Abkürzungsverzeichnis

zT ZVglRWiss ZWH ZwN ZZP

zum Teil Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft Zeitschrift für Wirtschaftsstrafrecht und Haftung im Unternehmen Zweigniederlassung Zeitschrift für Zivilprozess

XXXI

Einleitung I. Die GmbH und die Entwicklung des GmbH-Gesetzes . . . . . 1. Erfolg der GmbH . . . . . . . . . . . 2. Entwicklung des GmbH-Rechts . 3. Die Novelle 1980 . . . . . . . . . . . 4. Die Reform des Jahres 1994 . . . . 5. Die gesetzlichen Änderungen des Jahres 1998 . . . . . . . . . . . . 6. Neuregelung der Unternehmenspublizität . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Das AGG . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Auswirkungen der FGG-Reform auf das GmbHG . . . . . . . . . . . . 9. Die große GmbH-Reform des Jahres 2008: das MoMiG . . . . . . 10. Das BilMoG . . . . . . . . . . . . . . . 11. Neuere Änderungen . . . . . . . . . 12. Lückenfüllung . . . . . . . . . . . . .

1 1 7 8 9 10 15 16 17 25 37 37a 38

II. Mitbestimmung . . . . . . . . . . . III. Einflüsse des Rechts der EU auf das GmbH-Recht . . . . . . . . . . . 1. Die Richtlinien . . . . . . . . . . . . . 2. Die Europäische Privatgesellschaft (SPE) . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Europäische Gesellschaft (SE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ausländisches und internationales GmbH-Recht . . . . . . . . . 1. Die GmbH in den ausländischen Rechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die GmbH im grenzüberschreitenden Bereich . . . . . . . . . . . . . V. GmbH und Insolvenz . . . . . . . VI. Kapitalmarktorientierte GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39 41 41 50 51 52 52 53 59 61

I. Die GmbH und die Entwicklung des GmbH-Gesetzes 1. Erfolg der GmbH Die GmbH ist heute mit Abstand die beliebteste und erfolgreichste Unterneh- 1 mens-Rechtsform in der Bundesrepublik. Mit Anfang 2008 rund 987 000 und zum 1.1.2015 1156434 (davon 105341 UG) bestehenden GmbH1 hat sie nicht nur die AG, sondern auch die „klassischen“ Unternehmensformen des gewerblichen Mittelstandes – OHG und KG – weit hinter sich gelassen2. Sie verdankt diesen Erfolg einer Kombination von Elementen, die deutschen Unternehmern offenbar besonders liegen: (1) Die GmbH ist juristische Person. Sie stellt ihre Gesellschafter frei vom Ri- 2 siko persönlicher Haftung und ist selbst unabhängig von deren persönlichem Schicksal (Tod, Vermögensverfall). Das System der Drittorganschaft unterstützt die Unabhängigkeit der GmbH von den Fähigkeiten ihrer Gesellschafter und gewährleistet damit die Gewinnung professionellen Managements. 1 Kornblum GmbHR 2009, 25, 32 und GmbHR 2015, 687 f, 694. Zur Entwicklung der GmbH in ihrer mehr als 100-jährigen Geschichte Bayer/Hoffmann GmbHR 2009, 1048, speziell zur Entwicklung der UG: Bayer/Hoffmann GmbHR 2012, R 51. 2 Kornblum GmbHR 2008, 19, GmbHR 2009, 25, 29 ff und GmbHR 2015, 687.

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Einleitung 3 (2) Die GmbH ist nach außen hin Kapitalgesellschaft mit strengen und un-

abdingbaren Regeln zum Gläubigerschutz, die einen Mindeststandard an Seriosität im Verhältnis zu Dritten gewährleisten. Im Gegensatz zu den ersten 50 Jahren ihres Lebens wird der GmbH daher heute und durchaus zu Recht kein spezielles Misstrauen mehr entgegengebracht (zu Anfang hatte die GmbH aber auch Pech: So berichtet Neukamp in seinem Kommentar aus dem Jahre 1893 – Vorbem V. –, dass eine der ersten GmbH, die nach dem Inkrafttreten des GmbHG am 10.5.1892 gegründet und am 2.7.1892 mit einem Stammkapital von immerhin 48 000 RM im Handelsregister eingetragen wurde, bereits am 9.8.1892 Konkurs anmelden musste!). Stimmen, die noch vor 70 Jahren ernsthaft für die Abschaffung der GmbH plädiert haben1, sind längst und völlig verstummt – ja muten uns aus heutiger Sicht ganz unverständlich an.

4 (3) Demgegenüber stehen die internen Rechte und Pflichten – anders als bei der

AG – in hohem Maße zur Disposition der Gesellschafter (Satzungsautonomie). Dadurch kann eine GmbH stark personalistisch ausgestaltet werden mit Abtretungsbeschränkung, Vorkaufsrechten und Abfindungsregeln, mit erbrechtlichen Gestaltungen, Stammesprivilegien, Ansprüchen auf Mitwirkung in der Geschäftsführung und unterschiedlichen Stimmrechten etc oder aber neutral-kapitalistisch nach Art der Lösung in einer AG und in jeder beliebigen Spielart zwischen diesen Polen.

5 (4) Die GmbH hat eine einfache Organisation – in der Regel nur zwei Organe:

Geschäftsführung und Gesellschafterversammlung. Das Verhältnis dieser Organe zueinander ist hierarchisch. Die Gesellschafter können mit Beschlüssen in nahezu beliebigem Umfang auf die Geschäftsführer Einfluss nehmen: Die Gesellschafterversammlung ist den Geschäftsführern übergeordnet. Auch das unterscheidet die GmbH nachdrücklich von der AG.

6 (5) Die GmbH ist ein „Allzweck-Möbel“, für Großunternehmen wie Bosch

ebenso geeignet wie für eine Fensterputzer-GmbH, als persönlich haftende Gesellschafterin in der GmbH & Co KG oder als Konzernbaustein (Anh zu § 13 Rn 1) ebenso wie als stiftungsähnliches, gemeinnütziges Gebilde. Und sie ist, was auch immer sie tut, stets Kaufmann. 2. Entwicklung des GmbH-Rechts

7 Das geschriebene Recht der GmbH hat sich als ungewöhnlich stabil erwiesen.

1892 ist das GmbHG nach einer insgesamt nur kurzen Vorbereitung in Kraft getreten2, 1898 wurde es in einigen Teilen rein redaktionell den neuen Vorschriften des BGB angepasst und dann 80 Jahre lang praktisch nicht geändert, trotz

1 C. Fischer und Großmann-Doerth, zitiert nach Schubert Entwurf des RJM zu einem GmbHG 1939, Heidelberg 1985, S. 47. 2 Näher Feine S. 1 ff; s. auch Schubert FS GmbHG, S. 1 ff, 27 ff.

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Einleitung zweier großer Anläufe je in der Nachfolge einer Aktienrechtsreform (1940 und 1969/70)1. Das bedeutet nun aber nicht, dass sich das GmbH-Recht in diesen 80 Jahren nicht verändert hätte; Rspr und Lehre haben für eine kontinuierliche Entwicklung in allen Bereichen gesorgt: von der immer strengeren Handhabung der Regeln zur Aufbringung und Erhaltung des Kapitals über die Regeln zum Gesellschafterdarlehen und die Entwicklung einer Treupflicht unter den Gesellschaftern bis hin zur Entwicklung und Anerkennung von Regeln zum Ausschluss und Austritt einzelner Gesellschafter und zur weitgehenden Übernahme der Grundsätze über die Anfechtung von Beschlüssen der Gesellschafterversammlung aus dem Aktienrecht2. 3. Die Novelle 1980 Die durch den RefE 1969 und den RegE 1971/73 eingeleiteten Reformvorschläge 8 scheiterten, da sie den Charakter der GmbH grundlegend verändert hätten3. Daher war es die richtige Lösung, sich, beginnend mit dem RegE von 1977, auf eine „kleine Reform“ zu beschränken, die dann auch mit der Novelle von 19804 zu Ende geführt werden konnte. Trotz dieses „kleinen Ansatzes“ führte diese Novelle, die am 1.1.1981 in Kraft getreten ist, zu einigen beachtlichen Veränderungen des geltenden Rechts, insbesondere: Anhebung des Mindeststammkapitals von 20 000 DM auf 50 000 DM (heute 25 000 Euro), Anhebung der Mindesteinlageleistung von 5 000 DM auf 25 000 DM (heute 12 500 Euro), Einführung eines Sachgründungsberichtes und der Einpersonen-Gründung, Ausschluss bestimmter (vorbestrafter) Personen von der Geschäftsführung sowie starke Ausweitung des Informationsanspruchs der Gesellschafter (§§ 51a/b). Die GmbHFusion wurde erstmals in den damals eingeführten §§ 19 ff KapErhG und die Umwandlungsmöglichkeit vom Einzelkaufmann in die GmbH in den §§ 56a ff UmwG aF geregelt. Im Übrigen übernahm die Novelle – mehr oder minder geglückt – gefestigte Rspr in das Gesetz, insbesondere die Differenzhaftung der Gründer (§ 9) und die Regeln zum Gesellschafterdarlehen (§§ 32a/b aF). Doch geschah auch das nicht etwa systematisch und mit dem Ziel einer gewissen Vollständigkeit; denn nach wie vor sind im GmbHG ua die Fragen der Anfechtung von Beschlüssen der Gesellschafterversammlung (dazu Anh zu § 47) und vor allem die gewisslich schwierigen Probleme der verbundenen Unternehmen (dazu Anh zu § 13) mit keinem Wort angesprochen: Das führt in diesem wie in anderen Kommentaren zu den vielen notwendigen „Anhängen“; das GmbHG gab das geltende GmbH-Recht auch nach der Novelle 1980 nur sehr unvollständig wieder. 1 Dazu näher Geßler in Pro GmbH, 1980, S. 91 ff. 2 Dazu K. Schmidt JZ 2009, 10, 15. 3 Vgl U/H/L/Ulmer Einl A Rn 57; Scholz/H.P. Westermann Einl Rn 46; Zöllner JZ 1992, 381; Fleischer GmbHR 2009, 1, 6 ff; K. Schmidt JZ 2009, 10, 15. 4 BGBl I 836.

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Einleitung 4. Die Reform des Jahres 1994 9 Sie brachte die seit Langem von Praxis und Wissenschaft gewünschte verein-

fachte Kapitalherabsetzung (vgl 13. Aufl, § 58 Rn 20 f); sie wurde durch das EGInsO1 eingeführt und ist nunmehr in den §§ 58a–f geregelt. Ferner wurde das Gesetz zur Reform des Umwandlungsrechts verabschiedet, dazu Rn 47. 5. Die gesetzlichen Änderungen des Jahres 1998

10 Im Jahre 1998 wurden viele handels-, wirtschafts- und gesellschaftsrechtliche

Gesetze verabschiedet mit zT gravierender Bedeutung für die GmbH und ihr Recht:

11 a) An erster Stelle ist hier das EuroEG2 zu nennen, das zum 1.1.1999 die Um-

stellung aller bisher auf DM lautenden Beträge (Stammkapital, Stammeinlage, Geschäftsanteil) auf die neue Währung regelt. Gesellschaften mbH konnten noch bis zum 31.12.2001 in DM gegründet und im Handelsregister eingetragen werden sowie ihr Kapital in DM erhöhen. Bis zum 1.1.2002 sollte der Vorgang der Umstellung abgeschlossen sein, was bei dem Umrechnungskurs von 1 Euro = 1,955 583 DM bzw 1 DM = 0,51 129 Euro einige Schwierigkeiten machte, weil es bei der Umstellung zu Rundungsdifferenzen kam (§ 1 EGGmbHG). Seit dem 1.1.2002 müssen nun alle GmbH in Euro gegründet werden. Altgesellschaften, also solche, die vor dem 1.1.1999 zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet wurden, dürfen zwar ihre DM-Werte im Kapital beibehalten, Änderungen des Stammkapitals dürfen aber nur noch in Euro erfolgen; außerdem müssen dann gleichzeitig das Stammkapital und die Geschäftsanteile auf Euro umgestellt werden (§ 1 Abs. 1 Satz 4 EGGmbHG).

12 b) An zweiter Stelle ist das HRefG3 zu nennen; es hat das Firmenrecht der

GmbH (§ 4 neu) völlig geändert, die Prüfungspflicht des Registerrichters (nur) bei der Gründung reduziert (§ 9c) und die jährliche Gesellschafterliste abgeschafft und durch die Pflicht zur Meldung jeder Veränderung im Bestand der Gesellschafter durch Einreichung einer aktualisierten Liste der Gesellschafter ersetzt (§ 40 aF).

13 c) Weiter hinzuweisen ist auf das KonTraG und das KapAEG4. Das Erstere hat

Auswirkungen vor allem für den Aufsichtsrat (s. daher bei § 52), zusammen mit Letzterem aber vor allem für eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen. Denn nach § 32a Abs. 3 Satz 3 aF führte der Erwerb eines Geschäftsanteils in der Krise nicht (mehr) zur Umwidmung des Darlehens dieses Gesellschafters 1 2 3 4

BGBl I 1994, 2911. BGBl I 1998, 1242. BGBl I 1998, 1474. BGBl I 1998, 786 und 707. Dazu Zimmer NJW 1998, 3521 und Remme/Theile GmbHR 1998, 909.

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Einleitung (sog Sanierungsprivileg). Und nach § 32a Abs. 3 Satz 2 aF ist – wie in diesem Kommentar stets vertreten wurde, vgl 14. Aufl §§ 32a/b, Rn 56 – der kleine und nicht geschäftsführende Gesellschafter bis zur Grenze einer Beteiligung von 10 % von der Umwidmung seines Darlehens freigestellt. Diese Sonderregeln gelten auch nach „Umsetzung“ der Regeln zu den Gesellschafterdarlehen in die InsO (Rn 33) weiterhin fort (§ 39 Abs. 4 Satz 2 und Abs. 5 InsO). d) Und schließlich sind die InsO1 und das EGInsO2 zum 1.1.1999 auch in ihren 14 Hauptteilen in Kraft getreten. Damit ist das LöschG aufgehoben; seine Regelungen wurden in § 60 (s. § 60 Rn 14) und in § 141a FGG (seit 1.9.2009: § 394 FamFG) integriert. Gewichtige mittelbare (und seit dem MoMiG starke unmittelbare) Auswirkungen hat die InsO auch auf die Interpretation von § 64 (s. § 64 Rn 1 ff). 6. Neuregelung der Unternehmenspublizität Das JKomG3 mit seinem Inkrafttreten zum 1.4.2005 sowie das EHUG4 zum 1.1. 15 2007 haben die Regelungen zur Unternehmenspublizität auch bei der GmbH maßgeblich verändert. Das JKomG bestimmte den elektronischen Bundesanzeiger zum „Gesellschaftsblatt“ iSd § 12 (da der Bundesanzeiger seit 1.4.2012 nur noch in elektronischer Form existiert, wurde das „elektronisch“ durch das BAnzDiG5 gestrichen). Das EHUG stellte das Handelsregister auf den elektronischen Betrieb um (§ 8 HGB), schaffte das (ebenfalls elektronische) Unternehmensregister (§ 8b HGB) und beendete die Pflichtpublizität handelsregisterlicher Bekanntmachungen in Zeitungen (mit Ende der Übergangsfrist zum 1.1. 2009, Art. 61 Abs. 4 EGHGB). Eine Absenkung der Formerfordernisse durch den elektronischen Registerbetrieb ist indes nicht erfolgt: Da Anmeldungen weiterhin in öffentlich beglaubigter Form einzureichen sind, bleibt die handschriftliche Unterzeichnung bei einem Notar erforderlich. Dieser nimmt sodann die nunmehr vorgeschriebene elektronische Anmeldung (§ 12 HGB) vor. Schließlich ist das Medium für die Pflichtveröffentlichung von Rechnungslegungsinformationen (§§ 325 ff HGB) nicht länger das Handelsregister, sondern der (seit 1.4.2012 auf Grund des BAnzDiG nur noch in elektronischer Form existierende, vgl. oben) Bundesanzeiger. 1 2 3 4

BGBl I 1994, 2866. BGBl I 1994, 2911. Justizkommunikationsgesetz vom 22.3.2005, BGBl I 837; dazu Noack DB 2005, 599. Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister vom 10.11.2006, BGBl I 2553; dazu Schlotter BB 2007, 1. 5 Gesetz zur Änderung von Vorschriften über Verkündung und Bekanntmachungen sowie der Zivilprozessordnung, des Gesetzes betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung und der Abgabenordnung (BAnzDiG) vom 22.12.2011 (BGBl I 3044).

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Einleitung 7. Das AGG 16 Am 14.8.2006 ist zur Umsetzung mehrerer europäischer Richtlinien das Antidis-

kriminierungs-Gesetz (AGG)1 in Kraft getreten, welches insbesondere durch seinen § 6 Abs. 3 gesellschaftsrechtliche Relevanz entfaltet. Denn vom Anwendungsbereich des Gesetzes werden nach dieser Vorschrift auch Geschäftsführer, Vorstände und sogar Aufsichtsräte als Organmitglieder erfasst, insoweit Zugang zur Erwerbstätigkeit und beruflicher Aufstieg betroffen sind2.

8. Auswirkungen der FGG-Reform auf das GmbHG 17 a) Mit dem FGG-Reformgesetz vom 17.12.20083 ist zum 1.9.2009 das FGG au-

ßer und das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) in Kraft getreten. Ziel der FGG-Reform ist es, die insgesamt lücken- und bruchstückhaften Regelungen des FGG durch eine in sich stimmige und systematisch aufgebaute Verfahrensordnung zu ersetzen.

18 Für die GmbH relevante Neuerungen haben sich insbesondere in folgenden

Bereichen ergeben: Reform des Rechtsmittelrechts in FG-Verfahren mit der Möglichkeit der Entscheidung von Rechtsfragen durch den BGH; die Einführung des einstweiligen Rechtsschutzes gemäß §§ 49 ff FamFG; im Übrigen: neue „Hausnummern“ im Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit. Ausweislich der Regierungsbegründung enthielt das FamFG keine grundlegenden Änderungen der Regelungen für die einzelnen Register- und die Handelssachen4, auch die Aufgabenverteilung zwischen Rechtspfleger und Richter blieb erhalten5.

19 Gegen die Entscheidung des Rechtspflegers ist gemäß § 11 Abs. 2 RpflG die Er-

innerung statthaft, soweit nicht gemäß § 11 Abs. 1 RpflG das Rechtsmittel, das nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften zulässig ist, statthaft ist. Im Verfahren nach dem FamFG handelt es sich bei Letzterem um die Beschwerde gemäß § 58 Abs. 1 FamFG. Hilft das Gericht dieser oder der Richter der Erinnerung nicht ab, legt es die Sache dem LG zur Entscheidung vor, § 68 Abs. 1 FamFG iVm § 72 Abs. 1 Satz 1 GVG. Dieses entscheidet auch über die Zulassung der Beschwerde zum OLG, § 70 Abs. 1 FamFG, das nur über Rechtsfragen befindet, § 72 FamFG unter den engen Voraussetzungen des § 70 Abs. 2 FamFG. Bei Zulassung durch das OLG ist Rechtsbeschwerde zum BGH möglich.

1 BGBl I 2006, 1897. 2 Vgl im Einzelnen Lutter BB 2007, 725; Horstmeier GmbHR 2007, 125; Esser/Baluch NZG 2007, 321. 3 BGBl I 2586. Dazu etwa Heinemann DNotZ 2009, 6 ff; Heinemann FGPrax 2009, 1 ff; Krafka FGPrax 2007, 51 ff. 4 BegrRegE FGG-ReformG, BT-Drucks 16/6308, S. 171. 5 BegrRegE FGG-ReformG, BT-Drucks 16/6308, S. 322.

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Einleitung b) Bei den Änderungen durch das FGG-Reformgesetz lässt sich im Hinblick auf 20 die Auswirkungen auf das GmbHG zwischen unmittelbaren und mittelbaren Änderungen unterscheiden. aa) Die unmittelbaren Änderungen betrafen zum einen die notwendigen re- 21 daktionellen Änderungen in § 60 Abs. 1 Nr. 6 und 7 sowie die terminologische Änderung in § 71 Abs. 3 Satz 2, in dem „sofortige“ gestrichen wurde. Hintergrund dieser terminologischen Änderung war, wie bereits erwähnt, die Veränderung im Bereich der Rechtsmittel; an die Stelle der sofortigen Beschwerde trat die Beschwerde des § 58 FamFG mit einer Frist von einem Monat (§ 63 FamFG). Zum anderen wurde in § 66 sowie in § 74 die Angabe „(§ 7 Abs. 1)“ gestrichen. Die Zuständigkeit des Gerichts ergibt sich seit dem 1.9.2009 aus § 375 Nr. 6 iVm §§ 376 f FamFG. bb) Das GmbHG verweist an verschiedenen Stellen direkt oder indirekt auf das 22 FGG, so dass sich daraus die mittelbaren Veränderungen ergaben: Für das Verfahren nach § 51b bleibt es weiterhin bei dem Verweis auf das AktG; durch das FGG-Reformgesetz haben sich jedoch dort einige Änderungen ergeben. Betroffen sind davon schwerpunktmäßig nur die Paragraphenziffern. Darüber hinaus haben sich natürlich auch die einzelnen „Hausnummern“ des FGG geändert. Beispielsweise findet sich die Regelung zur Löschung vermögensloser Gesellschaften in § 394 FamFG (bis 1.9.2009: § 141a FGG), die Löschung nichtiger Gesellschaften ist in § 397 FamFG (bis 1.9.2009: § 144 FGG) zu finden. c) Das FamFG enthält den neuen Begriff des „unternehmensrechtlichen Verfah- 23 rens“. Die einzelnen Verfahren sind in § 375 FamFG aufgezählt, in § 375 Nr. 6 FamFG werden genannt: § 66 Abs. 2, 3 und 5 (Bestellung, Abberufen und Ernennung von Liquidatoren), § 71 Abs. 3 (Befreiung von der Prüfungspflicht) sowie § 74 Abs. 2 und 3 (Verwahrung der Bücher und Schriften sowie Einsicht). Für diese Verfahren ist gemäß § 23a GVG idF des FGG-Reformgesetzes das Amtsgericht zuständig, und zwar gemäß § 376 Abs. 1 FamFG das Amtsgericht, in dessen Bezirk ein Landgericht seinen Sitz hat. Die Vorschrift entspricht § 125 Abs. 1 FGG. Jedoch ist, wie bis zum 1.9.2009 in § 125 Abs. 2 FGG, in § 376 Abs. 2 FamFG eine Verordnungsermächtigung für die Landesregierungen enthalten. Verfahrensrechtliche Besonderheiten ergeben sich aus § 402 FamFG und entsprechen § 148 FGG. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Auswirkungen des FGG-Reform- 24 gesetzes auf das GmbHG nur von untergeordneter Bedeutung sind, jedoch die Einführung des FamFG als in sich geschlossene Verfahrensordnung einen Fortschritt im Vergleich zum FGG darstellt.

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Einleitung 9. Die große GmbH-Reform des Jahres 2008: das MoMiG 25 a) Der Anlass für das MoMiG1: Wettbewerb der Rechtsordnungen, Verein-

fachung und Beseitigung von Missbräuchen: aa) Mit den EuGH-Urteilen Centros, Überseering und Inspire Art (näher dazu Anh zu § 4a Rn 9, 13 ff) war die bis dahin dank der Sitztheorie (Anh zu § 4a Rn 11 f) funktionierende Abwehr gegenüber der Niederlassung EU-ausländischer Gesellschaften in Deutschland zusammengebrochen mit der Folge, dass sich in kürzester Zeit die englische Limited als weitere Rechtsform mit ca 40 000 Exemplaren in Deutschland etablieren konnte2 – nachdrücklich gefördert durch Kanzleien, die auf die Gründung solcher Gesellschaften in Großbritannien und ihre Anmeldung als Zweigniederlassung zum deutschen Handelsregister spezialisiert waren3. Diese Entwicklung wurde allgemein bedauert und rundum wurde auf Abhilfe gesonnen. Ein wesentliches Element war dabei der Zeitfaktor: die Gründung einer Limited ist in zwei bis drei Tagen abgeschlossen4, die einer GmbH brauchte im Durchschnitt zwei Wochen und mehr5. Darüber hinaus hat die Limited kein Mindestkapital6, so dass der oder die Gründer frei in der Festlegung der Höhe des Kapitals sind. Und schließlich hatten sich im Laufe der Jahrzehnte sehr schwierige und risikoreiche Rechtsprobleme um die GmbH herum angesiedelt: etwa die verdeckte Sacheinlage7, das Cash-Pooling8 und unzählige Fragen um das Gesellschafterdarlehen9. Diese Probleme haben die Gründung einer GmbH belastet und das Ausweichen in eine andere Rechtsform – wie etwa die Limited – durchaus nahegelegt.

26 bb) Darüber hinaus hatten sich Missbräuche rund um die „Beerdigung“ von

GmbH ergeben. Statt nämlich Insolvenz anzumelden oder wenigstens die förmliche Liquidation durchzuführen, wurden die Geschäftsanteile der sterbenden GmbH verkauft, der Sitz an die östlichen Grenzen Deutschlands verlegt, die letz1 Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23.10.2008, BGBl I 2026, in Kraft getreten am 1.11.2008. 2 Eidenmüller ZGR 2007, 168, 173. 3 Zu den Auswirkungen vgl die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage von Abgeordneten vom 16.12.2005, BT-Drucks 16/283. 4 Lutter BB Beilage 7/2006, 2, 3. Vgl zum Gründungsvorgang ausführlich Just Die englische Limited in der Praxis, 3. Aufl 2008, Rn 29 ff. 5 Eidenmüller ZGR 2007, 168, 195 ff; s. ferner J. Schmidt (2008) 9 GLG 1093, 1100 f. 6 Lutter BB Beilage 7/2006, 2, 3. 7 S. dazu Lutter/Bayer in der 16. Aufl, § 5 Rn 47 ff mit allen Nachweisen aus der Rspr und Literatur; vgl auch die Nachweise bei Veil ZIP 2007, 1241 in Fn 6 und Bayer ZGR 2007, 230 f. 8 Die berühmten „November-Entscheidungen“ des BGH BGHZ 165, 113 und BGHZ 165, 352 = GmbHR 2006, 306 und dazu Goette in VGR, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2006, 2007, S. 1, 25 ff. 9 In der 16. Aufl haben die 65 Seiten Kommentierung der §§ 32a/b 5 % der Gesamtkommentierung eingenommen; bei Ulmer/Habersack sind es 160 und bei Scholz/K. Schmidt in der 10. Aufl 170 Seiten!

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Einleitung ten Aktiva geplündert, die Geschäftspapiere vernichtet und dann der Geschäftsführer abberufen, ohne dass ein neuer bestellt wurde1. Die GmbH war auf diese Weise unauffindbar und nicht erreichbar. Die Gläubiger gaben entnervt das Katz- und Mausspiel auf und irgendwann wurde die GmbH als vermögenslos im Handelsregister gelöscht. b) Die Strategie zur Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit der GmbH 27 mit der Limited: aa) Von Anfang an bestand Einigkeit darüber, dass der Gesetzgeber auf das Phänomen der Limited reagieren müsse2. bb) Ein großer Teil der an der Debatte beteiligten Autoren war der Meinung, dass 28 eine grundlegende Reform des GmbH-Rechts – verbunden mit einer Reduzierung des Mindeststammkapitals auf 10 000 Euro, der Beseitigung der bestehenden Rechtsprobleme und der Reform weiterer Einzelfragen wie etwa dem Ausschluss weiterer Personen von der Geschäftsführung (§ 8 Abs. 3), den Zustellungen an eine führungslose GmbH (§ 35 Abs. 1 Satz 2) und die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs von Geschäftsanteilen (§ 16 Abs. 3) – die Wettbewerbsfähigkeit der GmbH wiederherstellen würde3. Andere Autoren haben das bezweifelt und zusätzlich für die Schaffung einer neuen, besonders leichten Rechtsform plädiert4. cc) Der Gesetzgeber des MoMiG hat sich für einen Kompromiss entschieden: Re- 29 form ja, neue Rechtsform nein, aber Schaffung einer Unterform der GmbH, der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) ohne ein Mindeststammkapital (§ 5a Rn 1, 17 ff); daher auch konnte das Mindeststammkapital der regulären GmbH bei 25 000 Euro bleiben. In engem Zusammenhang damit steht die Einführung des Musterprotokolls (§ 2 Abs. 1a, dazu § 2 Rn 50 ff). c) Maßnahmen gegen den Missbrauch: Die vielfältig über das Gesetz verstreu- 30 ten Maßnahmen betreffen die „Führungslosigkeit“ der GmbH (§ 35 Abs. 1 Satz 2 nF) und die damit zusammen hängende Empfangszuständigkeit jedes einzelnen Gesellschafters. Da deren Namen und Adressen beim Handelsregister vorliegen, kann jeder Gläubiger jedenfalls die Zustellung seiner Mahnung oder Klage heute erreichen. Darüber hinaus sind die gleichen Personen bei „Führungslosigkeit“ berechtigt 31 und verpflichtet, Insolvenzantrag zu stellen (§ 15a Abs. 3 InsO). Neu eingeführt wurde zudem der Haftungstatbestand des § 64 Satz 3 (dazu § 64 Rn 47 ff). 1 Dazu ausführlich Seibert Die rechtsmissbräuchliche Verwendung der GmbH in der Krise, FS Röhricht, 2005, S. 585, 589; vgl auch Kleindiek ZGR 2007, 276 und Weller GmbHBestattungen im Ausland, ZIP 2009, 2029. 2 Vgl nur die Referate von Priester, Wachter, K. Schmidt und Lutter in VGR, Die GmbHReform in der Diskussion, 2006, sowie die Referate und Diskussionen des ZGR-Symposions 2006, ZGR 2006, 259 ff. Vgl auch Kanzleiter FS Buchner, 2009, S. 411 ff. 3 Vgl nur die Beschlüsse des 66. Deutschen Juristentages (DJT), abrufbar unter www.djt.de. 4 Lutter in VGR, Die GmbH-Reform in der Diskussion, 2006, S. 214 ff; ebenso Priester in VGR, Die GmbH-Reform in der Diskussion, 2006, S. 11 ff.

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Einleitung 32 d) Einzelheiten der Reform: aa) Das MoMiG hat versucht, alle hier angespro-

chenen Fragen zu lösen. Abgesehen von den unter Rn 28 bereits angesprochenen Maßnahmen ging es daher vor allem um die verdeckte Sacheinlage, das Cash-Pooling, die Behandlung der Gesellschafterdarlehen und die Lösung des Problems der unauffindbaren GmbH ohne Geschäftsführer. Mit der Neuregelung in § 19 Abs. 4 und 5 (verdeckte Sacheinlage, Hin- und Herzahlen) nimmt das Gesetz den Schutz der Kapitalaufbringung einen wesentlichen Schritt zurück1, indem es von der materiellen Betrachtung ab- und zur bilanziellen Betrachtung übergeht: Beide Vorgänge sind heute rechtlich wirksam, führen zur Befreiung des Gesellschafters von seiner Einlagepflicht je in Höhe des wirtschaftlichen Wertes des betreffenden Gegenstandes bzw der betreffenden Forderung; eine etwa verbleibende Differenz ist bar an die Gesellschaft zu bezahlen.

33 bb) Besonders radikal ist die Behandlung der Gesellschafterdarlehen2: Formal

wurden die Regelungen zu ihnen aus dem GmbHG entfernt (die §§ 32a/b sind aufgehoben) und in die InsO verpflanzt (dort heute §§ 39, 44a und 135). Materiell kommt es auf die Frage, ob das Darlehen in der Krise der Gesellschaft gegeben wurde, nicht mehr an: Alle von Gesellschaftern der Gesellschaft gegebenen Darlehen sind verhaftet inkl aller Darlehen von Gesellschaftern, die bis längstens ein Jahr vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens zurückgezahlt wurden. Die zusätzlich von der Rspr entwickelten Regeln zu den sog RechtsprechungsDarlehen3 sind aufgehoben4; vgl Anh zu § 64 Rn 124.

34 cc) Mit der Aufhebung des § 4a Abs. 2 hat das MoMiG die internationale Wett-

bewerbsfähigkeit der GmbH noch einmal nachdrücklich gestärkt. Bis dahin musste der faktische Verwaltungssitz einer GmbH im Inland liegen; wurde er ins Ausland verlegt, so wurde das von der Rspr als Auflösung interpretiert mit der katastrophalen Folge der Liquidationsbesteuerung5. Die GmbH durfte und konnte also – im Gegensatz zur englischen Limited – nicht auswandern. Diesen Unfug hat das MoMiG beseitigt, so dass deutsche Unternehmen jetzt mit der ihnen vertrauten Rechtsform der GmbH auch ins Ausland gehen und dort tätig werden können; oder sie verwenden eine GmbH als im Ausland tätige Tochtergesellschaft (ausführlich dazu § 4a Rn 15 f).

35 dd) Schließlich hat das MoMiG eine große Zahl von dankenswerten Verein-

fachungen gebracht: Jeder Geschäftsanteil kann auf jeden beliebigen Euro-Betrag lauten, der durch 1 teilbar ist (§ 5 Abs. 2 Satz 1); Mindestbetrag ist 1 Euro. Jeder 1 Eingehend dazu Veil ZIP 2007, 1241 ff. 2 Insofern folgt der Gesetzgeber den Vorstellungen von Huber/Habersack in Lutter (Hrsg), Das Kapital der AG in Europa, 2006, S. 370 ff. 3 Dazu Lutter/Hommelhoff in der 16. Aufl, §§ 32a/b Rn 1, 10 ff, 17, 102 ff. 4 Kritisch hierzu Hommelhoff in VGR, Die GmbH-Reform in der Diskussion, 2006, S. 115 ff. 5 OLG Düsseldorf NJW 2001, 2184 = GmbHR 2001, 438; OLG Hamm ZIP 1997, 1696 = GmbHR 1997, 848; vgl auch Lutter/Bayer in der 16. Aufl, § 4a Rn 20 und 21 und B/H/ Hueck/Fastrich 18. Aufl 2006, § 4a Rn 10 mit allen Nachweisen.

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Einleitung Gesellschafter kann bei der Gründung und der Kapitalerhöhung mehrere Geschäftsanteile übernehmen (§ 5 Abs. 2 Satz 2). Die Einpersonengründung wurde erleichtert (Streichung der § 7 Abs. 3 Satz 3, § 8 Abs. 2 Satz 2, § 19 Abs. 4 aF). Die Beschränkungen bei der Teilung eines Geschäftsanteils sind beseitigt, § 17 aF ist aufgehoben; mit § 55a wurde ein genehmigtes Kapital eingeführt und die Übergangsvorschriften der §§ 86 und 87 wurden aus dem GmbHG herausgelöst und in ein neues Einführungsgesetz zum GmbHG (EGGmbHG) überführt. Signifikant novelliert wurden zudem vor allem auch die Regelungen zur Gesellschafterliste (vgl dazu §§ 16, 40, näher dort). e) Summa: Das MoMiG hat die Struktur der GmbH (Rn 1 ff) nicht verändert, 36 sondern dort, wo sie durch frühere Gesetzgebung und Rspr schwerfällig geworden war, wieder leicht und flexibel gestaltet. Die Reform hat ihre Ziele erreicht: Vereinfachung des GmbH-Rechts, Beseitigung von Missbrauchsmöglichkeiten und Abwehr der Limited1. Man kann diese Reform also nur begrüßen und sich über ihre Bewährung in der Praxis freuen; das Letztere gilt naturgemäß in besonderem Maße für die UG, die mit heute deutlich mehr als 100000 registrierten Exemplaren alle Erwartungen übertroffen hat (Rn 1). 10. Das BilMoG Das BilMoG2 dient der Modernisierung des deutschen HGB-Bilanzrechts sowie 37 der Umsetzung von Änderungs-Richtlinien zur 4. Bilanzrichtlinie, 7. Konzernbilanzrichtlinie und 8. Abschlussprüferrichtlinie. Insofern sei auf Kleindiek Vor § 41 Rn 1 ff verwiesen.

11. Neuere Änderungen Das ARUG3 hat für Kapitalmaßnahmen bis 2009 ggf erforderliche Genehmigun- 37a gen ebenso ersatzlos gestrichen wie das bis dahin bestehende Erfordernis dreimaliger Bekanntmachung bestimmter Maßnahmen in den Gesellschaftsblättern; jederzeitige elektronische Verfügbarkeit der Informationen genügt4. Das GlTeilhG5 verpflichtet Gesellschaften mbH, die gesetzlicher Mitbestim- 37b mung unterliegen, Zielgrößen für den Frauenanteil in Geschäftsführung, Aufsichtsrat (§ 52 Abs. 2) und auf den beiden Führungsebenen unterhalb der Geschäftsführung (§ 36) festzulegen. 1 Per Stand 1.1.2015 ist die Zahl der Limited auf 9703 abgeschmolzen. 2 Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz vom 25.5.2009, BGBl I 1102; dazu Ernst/Seidler BB 2009, 766 ff. 3 Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie vom 30.7.2009, BGBl I 2479. 4 Wicke Rn 26; dort auch zu weiteren kleineren Änderungen aus jüngerer Zeit im GmbHG. 5 Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst vom 24.4.2015, BGBl I 642.

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Einleitung 37c Mit weiteren national getriebenen Initiativen zur Fortschreibung des GmbHG

ist momentan in Deutschland kaum zu rechnen. Zwar ist jüngst, angeregt auch von der großen bv-Reform in den Niederlanden1, für eine grundlegende Ergänzung des GmbH-Rechts geworben worden2; verantwortliche Rechtspolitiker jedoch sehen allenfalls punktuellen Reformbedarf – etwa bei der beschleunigten Registrierung und bei der Beurkundung von Anteilsabtretungen, ggf aber auch im Recht der Sacheinlage3.

12. Lückenfüllung 38 Trotz der großen Reform des Jahres 2008 enthält das GmbHG noch immer

große Lücken wie etwa das fehlende Konzernrecht (Anh zu § 13) und die fehlende Regelung der Beschlussanfechtung (Anh zu § 47). Aber auch bei anderen Lücken kann ergänzend auf das AG-Recht und das Recht der Personengesellschaften zurückgegriffen werden4.

II. Mitbestimmung 39 Von großer Bedeutung für die rechtliche Struktur der GmbH ist das MitbestG

von 1976, das die so wichtige Kompetenz zur Bestellung, Anstellung, Kündigung und Abberufung der Geschäftsführer von der Gesellschafterversammlung zwingend auf den paritätisch besetzten Aufsichtsrat übertragen hat. So stark dieser Eingriff in die traditionelle Struktur der GmbH auch ist, für die Praxis der „breiten Fläche“ ist die geringe Zahl der betroffenen Gesellschaften (343)5 nicht zu übersehen – mögen sie wie die Robert Bosch GmbH oder IBM Deutschland GmbH auch noch so bedeutend sein.

40 Für Struktur und Praxis der GmbH sind aber auch die §§ 4–12 DrittelbG6 mit

der Pflicht zur Bildung eines drittel-mitbestimmten Aufsichtsrats wichtig (laut einer empirischen Studie aus dem Jahr 2009 ca 700 GmbH7; näher dazu bei § 52). Die Zuständigkeiten und der Vorrang der Gesellschafterversammlung werden durch diese Vorschriften aber nicht berührt.

1 Hirschfeld RIW 2013, 134; Zaman GmbHR 2012, 1062. 2 Höfer „Flex-GmbH“ statt UG – Eine attraktive Schwester für die alte GmbH!, 2015; Höfer GmbHR 2016, 398; s. auch Grimm Die Finanzverfassung kleinen Kapitalgesellschaft, 2013. 3 Harbarth ZGR 2016, 84, 95 ff. 4 Näher dazu Fleischer GmbHR 2008, 673 und Fleischer GmbHR 2008, 1121. 5 Ehrenstein Mitbestimmung 2016 Nr. 2 S. 54. 6 Gesetz über die Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat vom 18.5.2004, BGBl I 974; vgl dazu Huke/Prinz BB 2004, 2633 und Ulmer/Habersack/Henssler/Henssler MitbestR, Einl. DrittelbG. 7 Bayer/Hoffmann AG 2010, R 151, 153; zur bemerkenswert umfangreichen Mitbestimmungs-Verweigerung Bayer/Hoffmann GmbHR 2015, 909.

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Einleitung III. Einflüsse des Rechts der EU auf das GmbH-Recht 1. Die Richtlinien Die GmbH stand in den ersten 50 Jahren der EU nicht im Zentrum ihrer Bemü- 41 hungen um eine Angleichung des Gesellschaftsrechts. Gleichwohl ist auch ihr Recht bereits durch eine Vielzahl von Rechtsakten der EU beeinflusst1. Im Vordergrund der europäischen Harmonisierung stehen auf der Grundlage von Art. 50 Abs. 2 lit g AEUV (ex Art. 44 Abs. 2 lit g EG) erlassene Richtlinien (Art. 288 Abs. 3 AEUV, ex Art. 249 Abs. 3 EG): Diese Richtlinien wenden sich nicht unmittelbar an den Bürger – wenngleich im Einzelfall eine sog Direktwirkung in Betracht kommt –, sondern an den nationalen Gesetzgeber und verpflichten diesen, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen2. Für die Auslegung dieses nationalen Rechts europäischen Ursprungs gelten Besonderheiten – insbesondere ist hier der Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung zu beachten3. Daher ist die Kenntnis vom Entstehungs- und Regelungshintergrund einer solchen Norm des EU-Rechts für Rechtsanwendung und Auslegung unerlässlich. Im Einzelnen sind folgende Richtlinien4 von Bedeutung für das Recht der GmbH5: a) Die Publizitäts-RL von 19686 ist durch das Gesetz vom 15.8.1969 umgesetzt 42 worden7. Dadurch erfolgte eine größere Zahl von Ergänzungen und Änderungen im GmbHG, die vor allem die in das Handelsregister einzutragenden Tatsachen und die Angaben auf Geschäftsbriefen betreffen. Die Publizitäts-RL ist durch RL 1 Zu den Anforderungen an den europäischen Gesetzgeber unter dem Aspekt der Erforderlichkeit Schön ZGR 1995, 1 ff. 2 Dazu Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 3 Rn 8 ff. 3 Vgl EuGH Rs 14/83, Slg 1984, 1891 – von Colson und Kamann, und Rs C-106/89, Slg 1990, I-4135 – Marleasing; Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 3 Rn 49 ff und Lutter JZ 1992, 593, 604. 4 Nach dem Vorschlag der EU-Kommission für eine Richtlinie über „bestimmte Aspekte des Gesellschaftsrechts“ (Com (2015) 616 final) sollen eine ganze Reihe bisheriger Einzelrichtlinien in einer allgemeinen Richtlinie zusammengefasst werden; dazu Stiegler AG 2016, R 48. 5 Zu ihrer „Europäisierung“ Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 11. 6 Ursprünglich: RL 68/151/EWG (ABlEG Nr. L 65 v. 14.3.1968, S. 8); seit 21.10.2009: RL 2009/101/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.9.2009 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 48 Absatz 2 des Vertrags im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten, ABlEU Nr. L 258 v. 1.10.2009, S. 11. Text und ausführliche Erläuterungen bei Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 19 mwN. 7 BGBl I 1146 ff.

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Einleitung vom 15.7.20031 geändert worden mit dem Ziel, die Papierform der einzureichenden Unterlagen und der Eintragung selbst durch die elektronische Form zu ersetzen, also ein jederzeit verfügbares umfassendes elektronisches Handelsregister und Unternehmensregister (§ 8b HGB) europaweit aufzubauen. Das ist inzwischen durch das EHUG von 20062 geschehen; näher dazu Rn 15. Die Vorgaben aus der Änderungs-RL 2012/17/EU3 zur Verknüpfung einzelstaatlicher Register in der EU sind in § 9b und § 13e HGB mittlerweile umgesetzt worden. 43 b) Die 4. (Jahresabschluss-)4, 7. (Konzernabschluss-)5 und 8. (Prüferbefähi-

gungs-)EU-Angleichungs-RL6 (zur Rechnungslegung unterdessen in der RL 2013/34/EU7 zusammengefasst) sind durch das BiRiLiG vom 19.12.19858 und die Konzernabschluss-BefreiungsVO vom 15.11.19919 in das deutsche Recht transformiert worden10. Damit sind erhebliche Änderungen des GmbH-Rechts 1 Richtlinie 2003/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.7.2003 zur Änderung der Richtlinie 68/151/EWG des Rates in Bezug auf die Offenlegungspflichten von Gesellschaften bestimmter Rechtsform, ABlEU Nr. L 221 v. 4.9.2003, S. 13. Dazu Scholz EuZW 2004, 172 ff. 2 Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG) vom 10.11.2006, BGBl I 2553. 3 RL 2012/17/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.6.2012 zur Änderung der Richtlinie 89/666/EWG des Rates sowie der Richtlinien 2005/56/EG und 2009/ 101/EG des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die Verknüpfung von Zentral-, Handels- und Gesellschaftsregistern, ABlEU Nr. L 156 v. 16.6.2012, S. 1. 4 Vierte Richtlinie 78/660/EWG des Rates vom 25.7.1978 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages über den Jahresabschluß von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, ABlEG Nr. L 222 v. 14.8.1978, S. 11. Text und Erläuterungen bei Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 24 mwN. 5 Siebente RL 83/349/EWG des Rates vom 13.6.1983 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages über den konsolidierten Abschluß, ABlEG Nr. L 193 v. 18.7. 1983, S. 1. Text und Erläuterungen bei Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 24 mwN. 6 Ursprünglich: Achte RL 84/253/EWG des Rates vom 10.4.1984 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabeg) des Vertrages über die Zulassung der mit der Pflichtprüfung der Rechnungslegungsunterlagen beauftragten Personen, ABlEG Nr. L 126 v. 12.5.1984, S. 20; inzwischen ersetzt durch: RL 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.5.2006 über Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen, zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 84/253/EWG des Rates, ABlEU Nr. L 157 v. 9.6.2006, S. 87. Text und ausführliche Erläuterungen bei Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 27 mwN. 7 RL 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen und zur Änderung der Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinien 78/660/ EWG und 83/349/EWG des Rates, ABlEU Nr. L 182 v. 29.6.2013, S. 19. 8 BGBl I 2355. 9 BGBl I 2122. 10 Text und Begründung des Gesetzes abgedruckt in ZIP 1986, 53 ff, 119 ff.

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Einleitung eingetreten (zu den Einzelheiten s. bei §§ 42 und 42a): Der Jahresabschluss der GmbH ist formalisiert (§§ 42, 42a iVm §§ 242, 264 ff HGB), die Regeln zur Bewertung der Aktiva und Passiva sind genau festgelegt, und die früher bestehende Möglichkeit, stille Reserven zu bilden, wurde auf ein Minimum reduziert (§ 279 Abs. 1 HGB aF [inzwischen aufgehoben durch das BilMoG], §§ 252–256 HGB). Je nach Größe der Gesellschaft (s. § 267 HGB) kommen unterschiedliche Formen der Publizität des Jahresabschlusses zum Tragen (§§ 325 ff HGB); große und mittelgroße GmbH (§ 267 Abs. 2 und 3 HGB) benötigen für ihren Jahresabschluss und Konzernabschluss das Testat eines Wirtschaftsprüfers (§ 316 Abs. 1 und 2 HGB). Die sog Schwellenwerte für die Prüfung und Publizität des Jahresabschlusses einer GmbH sind durch RL 2003/38/EG angepasst und im HGB (§§ 267, 326, 327 HGB) umgesetzt worden. Seither sind die Schwellenwerte durch das Bilanzrechtsreformgesetz und erneut durch Art. 1 des BilMoG von 2009 (Rn 37) sowie durch das BilRUG vom 17.7.20151 geändert worden. Während die Regeln zu Prüfung und Publizität unverändert fortgelten, haben sich die Regeln zur Bilanzierung selbst durch das BilMoG infolge seines Versuchs einer Annäherung an die internationalen Bilanzierungsregeln (IFRS) wesentlich geändert; vgl dazu Kleindiek Vor § 41 Rn 1 ff. c) Die Mittelstands-RL2, die für kleinere und mittlere Gesellschaften Erleichte- 44 rungen von den Anforderungen der 4. und 7. Richtlinie vorsieht, ist durch das DM-Bilanzgesetz vom 25.7.19943 umgesetzt worden. Die sog GmbH & Co KG-RL4, durch die die GmbH & Co KG in den Anwendungsbereich der für Kapitalgesellschaften geltenden Rechnungslegungsvorschriften einbezogen wurde, ist durch das KapCoRiLiG5 in deutsches Recht umgesetzt worden6. Die Richtlinie 2012/6/ EU über den Jahresabschluss von Kleinstbetrieben7 ist mit dem MicroBilG8 1 BGBl I 1245. 2 RL 90/604/EWG des Rates vom 8.11.1990 zur Änderung der Richtlinie 78/660/EWG über den Jahresabschluß und der Richtlinie 83/349/EWG über den konsolidierten Abschluß hinsichtlich der Ausnahme für kleine und mittlere Gesellschaften sowie der Offenlegung von Abschlüssen in Ecu, ABlEG Nr. L 317 v. 16.11.1990, S. 57. Dazu Lutter/ Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 24 Rn 3. 3 BGBl I 1682 ff. 4 RL 90/605/EWG des Rates vom 8.11.1990 zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG über den Jahresabschluß bzw. den konsolidierten Abschluß hinsichtlich ihres Anwendungsbereichs, ABlEG Nr. L 317 v. 16.11.1990, S. 60. Dazu Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 24 Rn 3. 5 BGBl I 2000, 154. 6 Vgl Zimmer/Eckhold NJW 2000, 1361; zum Ganzen Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 24 Rn 3, 5. 7 RL vom 2012/6/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14.3.2012 zur Änderung der Richtlinie 78/660/EWG des Rates über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen hinsichtlich Kleinstbetrieben, ABlEU Nr. L 81 v. 21.3.2012, S. 3. 8 Kleinstkapitalgesellschaften-Bilanzrechtsänderungsgesetz vom 27.12.2012, BGBl I 2615.

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Einleitung umgesetzt worden und verschafft den Kleinstkapitalgesellschaften (§ 267a Abs. 1 HGB) noch weitergehende Erleichterungen in Rechnungslegung und Publizität als den kleinen Gesellschaften (Vor § 41 Rn 24). 45 d) Die 12. RL zur Einpersonen-GmbH1 ist mit Gesetz vom 18.12.19912 in deut-

sches Recht umgesetzt worden. Da das deutsche GmbHG bereits die Einpersonen-GmbH vorsah (§ 1), bedurfte es nur noch weniger Anpassungsregelungen. Im Übrigen führt die Pflicht zur Information des Handelsregisters aus § 40 Abs. 1 zur Offenlegung nachträglich entstehender Einpersonen-Gesellschaften. Schließlich wurde in § 35 Abs. 4 Satz 2 aF (§ 35 Abs. 3 Satz 2 nF) eine Protokollierungspflicht des einzigen Gesellschafters für Rechtsgeschäfte vorgeschrieben, die er mit der von ihm vertretenen Gesellschaft abschließt (ausführlich dazu § 35 Rn 57). Dies gilt auch für einseitige Rechtsgeschäfte3.

Die früher bestehende Pflicht des einzigen Gesellschafters, für offene Einlageverpflichtungen eine Sicherheit zu bestellen (§§ 7 Abs. 2 Satz 3, 19 Abs. 4 aF), ist durch das MoMiG beseitigt worden. 45a Der Vorschlag der EU-Kommission für eine Richtlinie über Gesellschaften mit

beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter (SUP-RL)4, der im EUMinisterrat nach vielfacher Überarbeitung gegen die Stimme Deutschlands und anderer Mitgliedstaaten angenommen worden ist, hängt momentan (April 2016) im Trilog-Verfahren fest; ein Verfahrensabschluss ist nicht absehbar. Damit bleibt auch die rechtspolitisch zunächst so umstrittene elektronische Ferngründung über die Grenze5 in der Schwebe, obwohl für sie eine Notariats-konforme Lösung gefunden worden sein soll6.

46 e) Die 11. RL über die Offenlegung bestimmter Urkunden und Angaben bei der

Errichtung von Zweigniederlassungen europäischer Gesellschaften7 ist durch

1 Ursprünglich: Zwölfte RL 89/667/EWG des Rates vom 21.12.1989 auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechtsbetreffend Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter, ABlEG Nr. L 395 v. 30.12.1989, S. 40. Seit 21.10.2009: RL 2009/ 102/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.9.2009 auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts betreffend Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter, ABlEU Nr. L 258 v. 1.10.2009, S. 20. Text und ausführliche Erläuterungen bei Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 29 mzwN. 2 BGBl I 2206. 3 BT-Drucks 12/625, S. 6. 4 COM (2014) 212 final: dazu die Beiträge in Lutter/Koch (Hrsg), Societas Unius Personae (SUP), 2015, mwN. 5 Bormann und Hommelhoff in Lutter/Koch (Hrsg), SUP, S. 27 ff, 69 ff. 6 BT-Drucks 18/4843, S. 4. 7 Elfte Richtlinie 89/666/EWG des Rates vom 21.12.1989 über die Offenlegung von Zweigniederlassungen, die in einem Mitgliedstaat von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen errichtet wurden, die dem Recht eines an-deren Staates unterliegen, ABlEG Nr. L 395 v. 30.12.1989, S. 36. Text und ausführliche Erläuterungen bei Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, §§ 28 ff.

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Einleitung Gesetz vom 22.7.19931 umgesetzt worden; das Gesetz hat § 12 aufgehoben und alle Fragen zu Zweigniederlassungen in den §§ 13–13h des HGB konzentriert; darüber hinaus wurden § 35a Abs. 4 und § 74 Abs. 1 neu eingefügt; näheres s. § 35a Rn 1 ff, § 74 Rn 1 ff und Anh zu § 4a Rn 1 ff. f) Durch das Gesetz zur Reform des Umwandlungsrechts2 wurden die Vorgaben 47 der 3. und 6. Richtlinie (Verschmelzungs-3 bzw Spaltungs-RL4) sowie die Regeln für die formwechselnde Umwandlung in einem für alle Gesellschaftsformen geltenden Gesetz (UmwG) geregelt5. Die Reform hatte vielfältige Auswirkungen auf das GmbH-Recht. So wurden die Regeln zur Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (praktisch unverändert) aus dem KapErhG als neue §§ 57c–o in das GmbHG übernommen und die früheren Spezialregeln zur GmbH-Fusion (§§ 19 ff KapErhG) zum 1.1.1995 aufgehoben und in das UmwG integriert. Zur grenzüberschreitenden Verschmelzung s. Rn 48 und §§ 122a ff UmwG. g) Schon im November 2003 hatte die Kommission in Brüssel den Vorschlag ei- 48 ner RL zur grenzüberschreitenden Verschmelzung vorgelegt6. Noch vor deren Verabschiedung hatte der EuGH in seiner Entscheidung Sevic vom 13.12.2005 festgestellt, dass das deutsche UmwG durch § 1 Abs. 1 und die Nichtzulassung der Hineinverschmelzung einer EU-ausländischen auf eine deutsche Gesellschaft gegen die Niederlassungsfreiheit aus Artt. 49, 54 AEUV (ex Artt. 43, 48 EG) verstieß7. Nur zwei Tage später, am 15.12.2005, trat dann die Richtlinie über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten8 in Kraft. Deren Umsetzung in das deutsche Recht erfolgte durch die 1 BGBl I 1282. 2 BGBl I 1994, 3210. 3 Ursprünglich: Dritte RL 78/855/EWG des Rates vom 9.10.1978 gemäß Art. 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages betreffend die Verschmelzung von Aktiengesellschaften, ABlEG Nr. L 295 v. 20.10.1978, S. 36. Seit 1.7.2011: RL 2011/35/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5.4.2011 über die Verschmelzung von Aktiengesellschaften, ABlEU Nr. L 110 v. 29.4.2011, S. 1. Text und ausführliche Erläuterungen bei Lutter/ Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 21 mwN. 4 Sechste RL 82/891/EWG des Rates vom 17.12.1982 gemäß Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages betreffend die Spaltung von Aktiengesellschaften, ABlEG Nr. L 378 v. 31.12.1982, S. 47. Text und ausführliche Erläuterungen bei Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 22 mzwN. 5 Vgl dazu Lutter UmwG, 5. Aufl 2014; Ganske Umwandlungsrecht, 1994 sowie Arbeitskreis Umwandlungsrecht ZGR 1993, 321. 6 KOM (2003) 703; vgl dazu Maul/Teichmann BB 2003, 2633. 7 EuGH Slg 2005, I-10805= GmbHR 2006, 140 – Sevic; dazu Bayer/J. Schmidt ZIP 2006, 210 ff; C. Schmidt/Maul BB 2006, 13 f; Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 6 Rn 32 ff. 8 RL 2005/56/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.10.2005 über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten, ABlEU Nr. L 310 v. 25.11.2005, S. 1. Text und ausführliche Erläuterungen bei Lutter/Bayer/ J. Schmidt EuropUR, § 23 mzwN.

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Einleitung Einfügung der §§ 122a ff in das UmwG1. Damit ist heute nicht nur die Verschmelzung einer EU/EWR-ausländischen Kapitalgesellschaft auf eine deutsche GmbH, sondern auch die Herausverschmelzung einer deutschen GmbH auf eine EU/EWR-ausländische Kapitalgesellschaft auf gesicherter gesetzlicher Grundlage möglich2. 49 h) Seit langem angekündigt war schließlich eine 14. RL zur grenzüberschrei-

tenden Sitzverlegung von Gesellschaften in Europa3. Wegen der Rspr des EuGH zur unbehinderten faktischen Sitzverlegung in der EU (Urteile Centros, Überseering und Inspire Art; näher dazu Anh zu § 4a Rn 9, 13 ff) hätte diese Richtlinie Bedeutung vor allem für die grenzüberschreitende Verlegung des Satzungssitzes mit gleichzeitigem Wechsel des auf die betreffende Gesellschaft anwendbaren Rechts: eine deutsche GmbH, die ihren Satzungssitz nach Paris verlegt und dort im Register eingetragen wird, wird dadurch zur französischen SARL. Die Arbeiten an der Sitzverlegungs-RL sind zwar derzeit gestoppt; Europäisches Parlament, Praxis und Schrifttum fordern jedoch zu Recht eine baldige Wiederaufnahme4. Obwohl sich 2011 auch die Reflection Group diesen Forderungen angeschlossen hatte5, erscheint eine baldige „Wiederbelebung“ des Projekts momentan ganz ungewiss; die EU-Kommission scheut, durchaus verständlich, den Stolperstein der Mitbestimmung und den (unberechtigten) Vorwurf, deren Umgehung zu befördern6. 2. Die Europäische Privatgesellschaft (SPE)

50 Schließlich hat die Europäische Kommission am 25.6.2008 den Entwurf für eine

VO über das Statut einer Societas Privata Europaea vorgelegt7. Diese geplante SPE ist als eine der deutschen GmbH vergleichbare Kapitalgesellschaft auf europäischer Rechtsgrundlage konzipiert. Sie ist juristische Person, für deren Ver-

1 Zweites Gesetz zur Änderung des Umwandlungsgesetzes vom 19.4.2007, BGBl I 542. Vgl dazu Bayer/J. Schmidt NZG 2006, 841 ff; Neye/Timm DB 2006, 488 ff sowie die Erläuterungen von Bayer in Lutter, UmwG, 5. Aufl 2014, zu §§ 122a ff. 2 Zu den dabei ggf entstehenden mitbestimmungsrechtlichen Fragen (DrittelbG, MitbestG) vgl das Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung (MgVG) (BGBl I 2007, 3332). 3 Vgl speziell schon 10. Bonner Europa-Symposion ZGR 1999, 1 ff; ausführlich zum Ganzen Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 32 mzwN. 4 Vgl zum Ganzen Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 6 Rn 11, 82 und § 32 Rn 19 ff mwN. 5 Vgl dazu Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 32 Rn 29. 6 S. Hopt ZGR 2013, 165, 201 f. 7 Vorschlag für eine Verordnung des Rates über das Statut der Europäischen Privatgesellschaft, 25.6.2008, KOM(2008) 396. Text und Materialien auch verfügbar unter www. europeanprivatecompany.eu.

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Einleitung bindlichkeiten allein das Gesellschaftsvermögen haftet. Ihrer Ausgestaltung nach ist sie auf einen kleinen Kreis von Gesellschaftern zugeschnitten. Und wie bei der GmbH (und allen ihren Schwestern in Europa) soll sie von der Börse ausgeschlossen sein und in hohem Maße Satzungsfreiheit genießen. Diese SPE wäre supranationale Rechtsform wie die EWIV und die SE. Anders als letztere soll sie aber soweit wie irgend möglich auf europäischem VO-Recht beruhen; nationales (GmbH-)Recht soll so weit wie möglich ausgeschlossen sein. Im EU-Ministerrat ist nach mehreren Kompromissvorschlägen zur SPE-Verord- 50a nung auch der letzte der ungarischen Ratspräsidentschaft 2011 nicht angenommen worden. Daraufhin hat die EU-Kommission ihren Vorschlag (ungeachtet der Frage, ob sie so in die Entscheidungszuständigkeit von Rat und Parlament überhaupt eingreifen kann) zurückgezogen1 und dieses Projekt durch das andere einer SUP-Richtlinie (Rn 45a) ersetzt. Allerdings würde die SUP mit ihrer Leistungskraft als Konzernbaustein in der grenzüberschreitenden Unternehmensgruppe weit hinter der Kraft zurückbleiben, die eine SPE als einheitliche Rechtsform des Unionsrechts hervorbringen könnte. Deshalb hält die deutsche Wirtschaft nicht anders als der Bundestag2 zu recht an ihrer Forderung nach der SPE fest. Für das Problem der Mitbestimmung haben sich in Deutschland CDU/CSU und SPD mit den Gewerkschaften und der Ministerialverwaltung auf einen Kompromiss verständigt3. Er könnte bei einem Neuanlauf zur SPE auf Unionsebene den Durchbruch befördern. 3. Die Europäische Gesellschaft (SE) Die VO der EU über die Europäische Gesellschaft (Societas Europaea, SE) wurde 51 am 8.10.2001 verabschiedet4 und trat am 8.10.2004, das nationale Begleitgesetz SEEG5 mit SEAG (Gesellschaftsrecht) und SEBG (Mitbestimmung) am 29.12. 2004 in Kraft. Das alles hat für die GmbH keine unmittelbare, wohl aber mittelbare Bedeutung; denn eine GmbH kann sich an der Gründung einer SE beteiligen6.

1 S. Begründung zum Vorschlag für eine SUP-Richtlinie (COM (2014) 212 final) S. 3. 2 BT-Drucks 18/4843, S. 4 (Ziff 7). 3 S. BT-Drucks 18/4843, S. 4 f mit den Eckpunkten; dazu Hommelhoff ZIP 2016, FH Knauth Beilage zu Heft 22, S. 31 ff. 4 VO (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8.10.2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE), ABlEG Nr. L 294 v. 10.11.2001, S. 1. Text und ausführliche Erläuterungen bei Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 41 mwN. 5 BGBl I 2004, 3675. 6 Artt. 2 Abs. 2, 32–34 SE-VO und dazu Lutter BB 2002, 1, 4 und Bezzenberger Jura 2003, 229 sowie Bayer in Lutter/Hommelhoff/Teichmann, SE-Kommentar, 2. Aufl 2015, Art. 2 Rn 16 und 22.

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Einleitung IV. Ausländisches und internationales GmbH-Recht 1. Die GmbH in den ausländischen Rechten 52 Die GmbH ist nicht nur bei uns die beliebteste Gesellschaftsform, sie ist auch –

neben der Genossenschaft – unser erfolgreichster Exportartikel auf dem Gebiete des Rechts. Es gibt die GmbH heute praktisch auf dem ganzen Globus1; auch in den Reformstaaten Mittel- und Osteuropas hat die GmbH fröhliche Urständ gefeiert2: Das GmbHG von 1892 hat sich wahrlich als „Kulturleistung ersten Ranges“ erwiesen3; näher dazu Lutter Limited Liability Companies and Private Companies, in International Encyclopedia for Comparative Law, Bd XIII, 1998; Behrens (Hrsg) Die GmbH im internationalen und europäischen Recht, 2. Aufl 1997; Süß/Wachter Handbuch des internationalen GmbH-Rechts, 3. Aufl 2016. Im Übrigen s. Anh zu § 4a Rn 9 ff. 2. Die GmbH im grenzüberschreitenden Bereich

53 Daher kann es nicht verwundern, dass die Rechtsform der GmbH auch im grenz-

überschreitenden internationalen Bereich eine ganz zentrale Rolle spielt: Die meisten Tochtergesellschaften ausländischer Unternehmen in der Bundesrepublik werden als GmbH errichtet; und das Gleiche gilt für deutsche Unternehmen mit Tochtergesellschaften im Ausland4. Dafür sind einige rechtliche Daten von Bedeutung:

54 a) Die ausländische GmbH im Inland: Ausländische natürliche und juristische

Personen können im Inland GmbH gründen und sich an ihnen beteiligen5 (vgl § 1 Rn 16). Die (materielle) „Anerkennung“ einer nach ausländischem Recht wirksam gegründeten und dort registrierten juristischen Person – also auch der GmbH – ist von altersher akzeptiert und macht keine besonderen Schwierigkeiten6, insbesondere bedarf es keines besonderen formellen Anerkennungsverfahrens7. 1 2 3 4

Näher dazu Anh zu § 4a Rn 9. Näher Lutter FS GmbHG, S. 51, 54 f. So treffend Wiedemann S. 557 f. Vgl dazu Lutter (Hrsg) Gründung einer Tochtergesellschaft im Ausland, 3. Aufl 1995; zu den rechtspolitischen Konsequenzen aus diesem Befund Teichmann AG 2013, 184, 190 f. 5 Zur Beteiligung ausländischer juristischer Personen als Komplementär an inländischen Kapitalgesellschaften & Co KG: OLG Saarbrücken DB 1989, 1076 = GmbHR 1990, 348; Haidinger Die ausländische Kapitalgesellschaft & Co. KG, Frankfurt 1990; Kronke RIW 1990, 799; Mülsch/Nohlen ZIP 2008, 1358. Das Urteil „Inspire Art“ des EuGH GmbHR 2003, 1260 mit Anm Meilicke verbietet jede Diskriminierung einer im EU/EWR-Ausland wirksam gegründeten Gesellschaft im Inland. Damit sind letzte Zweifel an der Beteiligungsfähigkeit einer englischen Ltd, französischen oder italienischen SARL, niederländischen B.V. etc im Inland beseitigt. 6 Vgl nur OLG Frankfurt ZIP 1999, 1710 = GmbHR 1999, 1254. 7 Näher Wiedemann S. 777 ff; Staudinger/Großfeld IntGesR Rn 165 ff; R/A/Roth Einl Rn 68. Im Übrigen Anh zu § 4a Rn 10 ff.

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Einleitung b) Die inländische GmbH im Ausland: Das Gleiche gilt für inländische natürli- 55 che oder juristische Personen (inkl GmbH), die im Ausland eine Gesellschaft (insbesondere GmbH) gründen oder sich an ihr beteiligen wollen: Auch insoweit entstehen, auch in den Reformstaaten Mittel- und Osteuropas, keine Schwierigkeiten; die in Deutschland gegründete und dort eingetragene GmbH wird als juristische Person im Ausland fraglos anerkannt. Davon zu unterscheiden ist jedoch die vom jeweiligen nationalen Recht beherrschte Frage der Erlaubnis zur Niederlassung, Beteiligung und gewerblichen Betätigung. Sie ist allen europäischen natürlichen und juristischen Personen in allen Ländern der EU und des EWR aufgrund des AEU-Vertrags (Artt. 49 ff AEUV) erlaubt und heute problemlos. In anderen (Nicht-EU-)Ländern kann sich eine deutsche GmbH von Rechts wegen zwar auch an einer Gesellschaft des fremden Rechts, insbesondere einer GmbH dortigen Rechts beteiligen; doch darf sie es möglicherweise nur nach entsprechender behördlicher Genehmigung. Oder: Eine deutsche GmbH kann sich in Brasilien an einer AG oder GmbH brasilianischen Rechts beteiligen; sie darf es aber nur unter Beachtung bestimmter devisenrechtlicher Bestimmungen1. Zum auf die GmbH anwendbaren Recht ausführlich Anh zu § 4a Rn 9 ff.

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Zum Zuzug von GmbH aus EU-Ländern nach Deutschland s. § 4a Rn 10 ff.

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Zum Wegzug deutscher GmbH ins Ausland s. § 4a Rn 15 f.

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V. GmbH und Insolvenz Als mit weitem Abstand verbreitetste Rechtsform der Handelsgesellschaften 59 (Rn 1: 1 156 434 GmbH bei weniger als 16 000 AG) vor allem für die eher kapitalarmen kleineren und mittleren Unternehmen führt die GmbH naturgemäß auch die Insolvenzstatistik an. In 2011 haben sich 12 165 GmbH für insolvent erklärt, in mehr als der Hälfte der Fälle (7 896) konnte das Verfahren auch eröffnet werden, während es in 4 269 Fällen mangels Masse eingestellt wurde. Die seit 1.1.1999 in Kraft befindliche InsO (vgl Rn 14) versucht, Insolvenzen zu vermeiden, indem sie den Unternehmen Anreize zur Sanierung gibt durch einen möglichst frühen und freiwilligen Gang zum Insolvenzgericht, vgl § 18 InsO. Im Übrigen vgl die Erläuterungen zu § 64. Im Zusammenhang mit der Insolvenz einer Scheinauslandsgesellschaft ist für das Ver- 60 hältnis zu anderen EU-Mitgliedstaaten, mit Ausnahme Dänemarks, die EuInsVO2 1 Vgl dazu bereits Thomas in Lutter (Hrsg), Gründung einer Tochtergesellschaft im Ausland, 3. Aufl 1995, S. 69 ff; s. ferner die Broschüre „Einstieg in Brasilien“ (S. 12 f.) der DeutschBrasilianischen Industrie- und Handelskammer (www.ahkbrasil.com/pdf_public/Ein stieg_in_Brasilien_2011.pdf). 2 VO (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29.5.2000 über Insolvenzverfahren, ABlEG Nr. L 160 v. 30.6.2000, S. 1. Kompakte Erläuterungen bei Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 16 mzwN.

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Einleitung von überragender Bedeutung. Nach dieser sind für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Gerichte des Mitgliedstaates zuständig, in dessen Gebiet der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen (centre of main interests – COMI) hat, Art. 3 Abs. 11. Die Beantwortung der Frage nach der internationalen Zuständigkeit prägt nach Art. 4 Abs. 1 dabei auch die sich anschließende Frage nach dem anzuwendenden materiellen Insolvenzrecht derart, dass nach Art. 4 Abs. 1 ein Gleichlauf von internationaler Zuständigkeit und anzuwendendem Recht vorgesehen ist2. Im Falle einer Scheinauslandsgesellschaft mit Bezug zu einem Drittstaat (oder Dänemark) findet die EuInsVO keine Anwendung, die insolvenzrechtliche Bewertung richtet sich hier nach den §§ 335 ff InsO3.

VI. Kapitalmarktorientierte GmbH 61 Die Geschäftsanteile einer GmbH dürfen an keiner Börse zugelassen und gehan-

delt werden. Aber nichts steht entgegen, dass die GmbH Schuldverschreibungen (Anleihen) begibt und diese Schuldverschreibungen (Anleihen) an einem geregelten Markt iSd § 2 Abs. 5 WpHG zum Handel zugelassen werden (zB Bosch-Anleihen)4. Für solche kapitalmarktorientierten GmbH iSd § 264d HGB (neu eingeführt durch das BilMoG, dazu Rn 37) gelten eine Reihe von Besonderheiten5: Pflicht zur Erstellung einer Kapitalflussrechnung; § 267 Abs. 3 Satz 2 HGB: Eine solche GmbH gilt stets als große; § 293 Abs. 5 HGB: keine Erleichterung für Bilanzgliederung; §§ 289 Abs. 5, 315 Abs. 2 Nr. 5 HGB: Angaben zum internen Kontroll- und zum Risikomanagementsystem im Lage- und KonzernLagebericht; § 324 HGB: Pflicht zur Einrichtung eines Prüfungsausschusses6; § 13 Abs. 1 Satz 2 PublizitätsG: Aufstellung von Konzernabschluss und Konzern-Lagebericht; außerdem: §§ 286 Abs. 3 Satz 3; 313 Abs. 3 Satz 3; 319a Abs. 1; 325 Abs. 4 Satz 1; 340k Abs. 5 HGB. Darauf wird ausdrücklich hingewiesen.

1 Ausführlich Paulus Europäische Insolvenzverordnung, 4. Aufl 2013, Art. 3 Rn 11 ff; Bunnemann/Zirngibl Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung in der Praxis, 2. Aufl 2011, § 3 Rn 152; vgl auch Weller GmbH-Bestattungen im Ausland, ZIP 2009, 2029. 2 EuGH GmbHR 2016, 24, 26 f mit Anm Römermann; ausführlich Paulus Europäische Insolvenzverordnung, 4. Aufl 2013, Art. 4 Rn 1 ff; Bunnemann/Zirngibl Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung in der Praxis, 2. Aufl 2011, § 2 Rn 152. 3 Bunnemann/Zirngibl Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung in der Praxis, 2. Aufl 2011, § 3 Rn 152. Weitergehend Vallender ZGR 2006, 425 ff und U. Huber in Lutter (Hrsg), Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, 2005, S. 307 ff. 4 Für weitere Beispiele s. Bayer/Hoffmann AG 2015, R 92 f. 5 Ausführlich zu Auswirkungen des BilMoG auf die GmbH: Wiese/Lukas GmbHR 2009, 561 ff. 6 Zum Ausbau seiner Pflichten durch das AReG (vom 10.5.2016, BGBl I 1142) Meyer/ Mattheus DB 2016, 695, 696 ff; Schüppen NZG 2016, 247, 254.

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Erster Abschnitt Errichtung der Gesellschaft

§1 Zweck; Gründerzahl Gesellschaften mit beschränkter Haftung können nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Gesetzes zu jedem gesetzlich zulässigen Zweck durch eine oder mehrere Personen errichtet werden. Durch die Novelle 1980 geändert (Einführung der Einpersonen-Gründung); amtliche Überschrift ergänzt durch MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl I 2026). 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 2. Zweck der Gesellschaft, Unternehmensgegenstand . . . . . . . . . . . . . 2 3. Zulässige Zwecke . . . . . . . . . . . . 6 4. Unzulässige Zwecke . . . . . . . . . . 12 5. Rechtsfolgen bei unzulässigem Zweck bzw Gegenstand . . . . . . . . 17

6. Änderungen von Zweck und Gegenstand . . . . . . . . . . . . 7. Heilung . . . . . . . . . . . . . . . 8. Einpersonen-GmbH . . . . . . 9. Zweipersonen-GmbH . . . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

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1. Überblick Mit der Rechtsform der „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ (GmbH) kann 1 jeder gesetzlich zulässige Zweck verfolgt werden (Rn 6 ff). Zulässig ist seit der GmbH-Novelle von 1980 auch die Einpersonen-GmbH (Rn 24 f). Im Gegensatz zur differenzierten Formulierung des AktG, das zwischen der Errichtung der Vor-AG durch Übernahme der Aktien (§ 29 AktG) und der mit erfolgter Eintragung in das Handelsregister beendeten Gründung der AG unterscheidet, formuliert das GmbHG in § 1 (und auch in der Überschrift des ersten Abschnitts) ungenauer, folgt allerdings im Ergebnis gleichen Regeln1: Mit Abschluss des wirksamen (notariellen) Gesellschaftsvertrages wird die Vor-GmbH „errichtet“; mit Eintragung in das Handelsregister die GmbH „gegründet“ (§ 11)2. Zwischenschritte sind Bestellung der Geschäftsführer, Leistung der Einlage, Anmeldung zum Handelsregister und Prüfung durch das Registergericht. Vor der Errichtung der Vor-GmbH kann (muss aber nicht) eine Vorgründungsgesellschaft bestehen (ausführlich § 11 Rn 2 ff).

1 R/A/Roth Rn 2; B/H/Fastrich Rn 2; MünchKomm/Fleischer Rn 4. 2 MünchKomm/Fleischer Rn 4; R/S-L/Schmidt-Leithoff Vor § 1 Rn 4 f.

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§ 1 | Zweck; Gründerzahl 2. Zweck der Gesellschaft, Unternehmensgegenstand 2 a) Unterschiedliche Begriffsverwendung: Das GmbHG verwendet in den §§ 1,

61 Abs. 1 den Begriff (Gesellschafts-)„Zweck“, in den §§ 3 Abs. 1 Nr. 2, 10 Abs. 1, 75, 76 spricht es vom „Gegenstand des Unternehmens“. Beide Begriffe sind nach heute allgemeiner Meinung nicht gleichbedeutend1; über die Abgrenzung besteht indes im Hinblick auf Tatbestand und Rechtsfolgen dogmatischer (weniger praktischer) Streit. Die nachfolgenden Ausführungen beruhen im Wesentlichen auf der von Lutter überzeugend begründeten Konzeption2.

3 b) Abgrenzung: Mit dem Begriff des Zwecks umschreibt das GmbHG – ähnlich

wie § 705 BGB – stets das Ziel der gemeinsamen Tätigkeit iS eines obersten Leitsatzes3. Der Zweck beantwortet stets die Frage nach dem Wozu der GmbH: Soll Gewinn erzielt oder ein gesellschaftliches, karitatives oder anderes ideelles Ziel erreicht werden4? Dagegen ist der Unternehmensgegenstand zunächst nur das Mittel, mit dem das Ziel (der Zweck) erreicht werden soll, dh die konkrete Art der Tätigkeit: Was soll getan werden, und wie soll es getan werden (Betrieb einer Möbelfabrik, Großhandel, Verwaltung von Beteiligungen)5? Regelmäßig (aber nicht zwingend) erstreckt sich der Zweck der GmbH allerdings auch auf den konkreten Unternehmensgegenstand6; daher kann man im Regelfall den Zweck iS eines umfassenden Oberbegriffs verstehen. Zweck und Gegenstand sind dann teilidentisch (zB pädagogischer Zweck durch den Betrieb eines Kindergartens; erwerbswirtschaftlicher Zweck durch den Betrieb des Kongresszentrums X)7.

4 Der Gegenstand des Unternehmens ist im Gesellschaftsvertrag exakt anzugeben

(§ 3 Abs. 1 Nr. 2). Dies gilt auch ohne ausdrückliche gesetzliche Anordnung für den Zweck, wenn er atypischerweise nicht auf Gewinnerzielung gerichtet ist und daher nicht dem Regelfall der Gewinnerzielung durch Betreiben des Unternehmensgegenstandes (Rn 3) entspricht (dazu auch § 3 Rn 8 ff)8.

5 c) Unterschiedliche Gegenstände können mit unterschiedlichen Zielen beliebig

kombiniert werden. So lässt sich der Gegenstand „Export von Know-how“ mit „Gewinnerzielung“ verbinden, aber auch mit dem Ziel „gewinnfreie Entwicklungs-

1 U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 5; Scholz/Emmerich Rn 2a; MünchKomm/Fleischer Rn 6; für AG: Großkomm/Röhricht/Schall § 23 AktG Rn 125 mwN. 2 Zuerst Lutter in Fischer/Lutter in der 11. Aufl, § 1 Rn 2 ff. 3 So BGHZ 96, 245, 251 (zum Verein). 4 R/A/Roth Rn 4; Scholz/Emmerich Rn 4. 5 BayObLGZ 1975, 447 ff; OLG Hamburg GmbHR 1968, 118, 119; Scholz/Emmerich Rn 2b; MünchKomm/Fleischer Rn 9; ebenso hM zur AG: Hüffer/Koch § 23 AktG Rn 22 mwN. 6 So RG HRR 1935 Nr. 1404; wohl auch RGZ 164, 129, 140; B/H/Fastrich Rn 5; R/A/Roth Rn 4. 7 Ebenso U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 9; B/H/Fastrich Rn 5; R/A/Roth Rn 4a. 8 Scholz/Emmerich § 3 Rn 12 aE; MünchKomm/Fleischer Rn 12 f; für AG: Großkomm/ Röhricht/Schall § 23 AktG Rn 127.

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hilfe“. Auch mehrere Ziele können gleichzeitig angestrebt werden (zB Gewinnerzielung und politische Beeinflussung durch Herausgabe einer Tageszeitung)1. Umgekehrt kann auch ein Ziel mittels verschiedener Tätigkeiten – die aber einen einheitlichen Unternehmensgegenstand darstellen – verfolgt werden, zB Kunstförderung durch Ausstellungen und Herausgabe einer Zeitschrift (dazu noch § 3 Rn 8 ff).

3. Zulässige Zwecke Das GmbHG stellt für den Einsatz der GmbH mit Ausnahme der Kapitalauf- 6 bringung keine Hindernisse auf und unterscheidet sich hierdurch sowohl vom Recht der OHG bzw KG (§ 105 HGB: Betrieb eines [Handels-]Gewerbes) als auch vom Recht der Genossenschaft (§ 1 GenG: Förderung des Erwerbs oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder mittels gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebs). Grundsätzlich sind alle wirtschaftlichen und nicht-wirtschaftlichen Zwecke zulässig (Ausnahmen: Rn 12 ff). Stets und ohne Rücksicht auf den Gegenstand des Unternehmens ist die GmbH Handelsgesellschaft (§ 13 Abs. 3) und damit Kaufmann kraft Rechtsform (§ 6 Abs. 1, 2 HGB). a) Im Regelfall verfolgt die GmbH den wirtschaftlichen Zweck der Gewinn- 7 erzielung durch den Betrieb eines Gewerbes2. Hierzu zählt idR (Ausnahme: bei bloßer Verwaltung ohne Gewinnerzielungsabsicht)3 auch die Geschäftsführung als Komplementärin einer GmbH & Co KG bzw einer GmbH & Co KGaA4 oder der (treuhänderische)5 Einsatz als Konzernspitze/Holdinggesellschaft6. b) Aber auch im Rahmen freiberuflicher Tätigkeit kommt der GmbH hohe Be- 8 deutung zu7, so etwa – durch §§ 49 ff StBerG, §§ 27 ff WPO ausdrücklich zugelassen – für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer8 sowie – ohne spezialgesetzliche Regelung – für Architekten9 und Ingenieure10. Dagegen wurde früher die 1 Wiedemann ZGR 1975, 386, 413. 2 Zur traditionellen Definition des Gewerbebetriebs: BGHZ 33, 321, 324; BGHZ 144, 86, 88; weiter gehend die hL: MünchKomm/K. Schmidt § 1 HGB Rn 28 (Auftreten am Markt statt Gewinnerzielungsabsicht). 3 B/H/Fastrich Rn 8; U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 14. 4 Zur Zulässigkeit: BGHZ 134, 392 ff = GmbHR 1997, 595. 5 Speziell hierzu Milatz-Wegmann GmbHR 2013, 1024 ff. 6 Dazu Stephan in Lutter/Bayer, Holding-Hdb, 5. Aufl, Rn 3.5, 3.16 ff; U/H/L/Ulmer/ Löbbe Rn 13 f; R/A/Roth Rn 7. 7 U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 22 ff; MünchKomm/Fleischer Rn 22; vgl bereits Kremer GmbHR 1983, 259 ff. 8 Scholz/Emmerich Rn 14; U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 32. 9 OLG Düsseldorf GRUR 1996, 370 ff; R/A/Roth Rn 9a; aA noch OLG Nürnberg GRUR 1983, 453. 10 Scholz/Emmerich Rn 14a; U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 24; iE auch OLG Zweibrücken NZG 2013, 105 (aber gewerbliche Tätigkeit angenommen).

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§ 1 | Zweck; Gründerzahl Berufsausübung in Form einer GmbH für Ärzte1, Zahnärzte2 und Rechtsanwälte3 aus standesrechtlichen Erwägungen heraus für unzulässig erachtet4. Im Anschluss an das BVerfG5 hat die Rspr zunächst für Heilpraktiker6 und Zahnärzte7, dann auch für Rechtsanwälte8 das Ruder herumgeworfen9. Seit dem 1.3.1999 ist die Anwalts-GmbH in den §§ 59c–m BRAO ausdrücklich zugelassen, allerdings nur unter einschränkenden Voraussetzungen10, die jedoch einer verfassungsrechtlichen Prüfung nicht standhalten können11. Eine entsprechende Regelung gilt für Anwaltsnotare12 (§ 9 BNotO)13 und für Patentanwälte (§§ 52c–m PatAnwO)14. Zum gesetzlichen Verbot für Apotheker und (nach Landesrecht) für Ärzte: Rn 13. Unzulässig sollte nach BGH die mehrheitlich von Patentanwälten beherrschte Anwalts-GmbH sein15, doch hat das BVerfG die einschlägigen Vorschriften der BRAO und PAO teilweise wegen Verstoßes gegen Art. 12 GG für verfassungswidrig erklärt16. Unzulässig ist die Anwalts-GmbH & Co KG17, zulässig hingegen die Steuerberatungsgesellschaft mbH & Co KG mit untergeordneter Treuhandtätigkeit18. Zulässig ist neuerdings auch die interprofessionelle 1 So noch AG Saarbrücken GmbHR 1989, 297 f. 2 BGHZ 124, 224 ff = GmbHR 1994, 325. 3 Taupitz JZ 1994, 1100 ff; Donath ZHR 156 (1992), 134 ff; beiläufig auch noch BGHZ 119, 225, 234 und BGHZ 125, 1, 5; zusammenfassend Scholz/Emmerich Rn 15 ff. 4 So noch Hachenburg/Ulmer 8. Aufl Rn 20. 5 BVerfGE 76, 171 ff (Einschränkungen des anwaltlichen Standesrechts). 6 BGH GRUR 1992, 175 f; OLG Hamm GmbHR 1990, 455 f: Voraussetzung ist aber Erlaubnis gemäß § 1 Abs. 1 HeilprG. 7 BGHZ 124, 224 ff = GmbHR 1994, 325. 8 BayObLG GmbHR 1995, 42; BayObLG GmbHR 1996, 922 f; OLG Köln GmbHR 1997, 945 f. 9 Ausführlich Meyer/Kreft GmbHR 1997, 193 ff; zur Tierarzt-GmbH OLG Düsseldorf FGPrax 2007, 93. 10 Ausführlich Henssler NJW 1999, 241 ff; Römermann GmbHR 1999, 1175 ff (mit Vertragsentwurf 1180); R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 14 ff mzwN. 11 Dazu bereits Kleine-Cosack Beilage zu BB 2008, Heft 2, S. 3, 3 f; Römermann AnwBl 2008, 609, 611; anders noch BGH DStR 2008, 271 mit kritischer Anm Kreibich (zu § 59e BRAO). 12 Zur Zulässigkeit einer Nur-Notar-GmbH: U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 29. 13 Ausführlich U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 28 mwN. 14 Dazu Hübner-Weingarten DB 1998, 2049 ff. 15 BGH GmbHR 2012, 94 = BRAK-Mitt 2011, 302 mit kritischer Anm Kilian/Glindemann; kritisch auch Römermann EWiR 2012, 81. 16 BVerfG BVerfGE 135, 90 = GmbHR 2014, 301 mit zustimmender Anm Henssler EWiR 2014, 203; dazu auch Römermann GmbHR 2014, R 81 f und Römermann NZG 2014, 481 ff. 17 BGH GmbHR 2011, 1036; BVerfG GmbHR 2012, 341; dazu auch U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 33. 18 BGH GmbHR 2014, 1194 mit Anm Römermann gegen OLG Dresden NZG 2013, 873; dazu K. Schmidt ZIP 2014, 2226 ff; Henssler/Markwarth NZG 2015, 1 ff.

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Zusammenarbeit von Anwälten mit Ärzten und Apothekern1. Ein Insolvenzverwalter muss stets eine natürliche Person sein2. Ausführlich zur konkurrierenden Partnerschaftsgesellschaft mbB: Lieder/Hoffmann NZG 2014, 127 ff3, zu Haftungsrisiken Korch GmbHR 2016, 150 ff. c) In Betracht kommen auch sonstige wirtschaftliche, nicht unmittelbar ge- 9 winnorientierte Zwecke (wie zB als Rechtsträger für einen Wirtschaftsverband)4, und zwar insbesondere auch gemeinnützige Zwecke iSd §§ 51 ff AO5 (die nicht bereits wegen der Fremdnützigkeit als ideell qualifiziert werden dürfen)6. d) Verbreitet ist die GmbH auch im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge, 10 insbesondere auf kommunaler Ebene7, sei es ohne Gewinnerzielungsabsicht (Theater, Bücherei), sei es – insbesondere im Rahmen einer private-public-partnership (PPP)8 – mit erwerbsorientiertem Zweck (Verkehr, Müll, Energie). Die Allein- oder Mehrheitsbeteiligung der öffentlichen Hand verschafft dieser GmbH im Bereich des Zivilrechts keine Sonderstellung, insbesondere gelten uneingeschränkt alle Vorschriften des GmbHG9. Der teilweisen Abweichung durch das BVerwG10 (zum Weisungsrecht in der kommunalen GmbH) ist nicht zu folgen (dazu näher § 52 Rn 30a). Allerdings kann die GmbH-Satzung die kommunalrechtlich vorgegebene Gemeinwohlorientierung verbindlich vorgeben, ggf mit Einschränkungen im PPP-Bereich11. e) Auch für Organisationen zur Unterstützung ideeller Zwecke ist die GmbH 11 eine geeignete Organisationsform12. Sollen dagegen gesellige, sportliche, wissen1 BVerfG ZIP 2016, 258 (Verfassungswidrigkeit von § 59a BRAO auf Vorlage gemäß Art. 100 GG des BGH ZIP 2013, 1429 mit Anm Römermann EWiR 2013, 481) mit Besprechung Römermann NJW 2016, 682 ff. 2 BGH GmbHR 2013, 1265 mit ablehnender Anm Römermann; zustimmend R/A/Roth Rn 8 (Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen). 3 Aktuelle Rechtstatsachen bei Lieder/Hoffmann NZG 2016, 287 ff. 4 B/H/Fastrich Rn 10; U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 19 ff. 5 Ausführlich Schlüter GmbHR 2002, 535 ff, 578 ff; Scholz/Emmerich Rn 10; vgl weiter Weidmann/Kohlhepp Die gemeinnützige GmbH, 3. Aufl 2014. 6 Beispiel: Olympische Spiele München 1972 GmbH: BGHZ 66, 48, 51; BFHE 138, 458, 462 = GmbHR 1983, 281; Rechtstatsachen bei Römer Die Eignung der GmbH für Stiftungszwecke, 1990, S. 128 ff. 7 U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 19 ff; MünchKomm/Fleischer Rn 23; zum kommunalen Unternehmen: Keßler GmbHR 2000, 71 ff; Windel ZögU 22 (1999), 52 ff. 8 Dazu nur Kiethe NZG 2006, 45 ff; Schroeder NJW 2002, 1831 ff; Stober ZRP 2001, 260 ff; Habersack ZGR 1996, 544 ff. 9 Streitig; wie hier (für AG) BGHZ 135, 107, 113 ff – VW; MünchKomm/Bayer § 15 AktG Rn 38 mwN; für die GmbH auch U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 19. 10 BVerwG GmbHR 2011, 1205 mit Anm Brötzmann; dazu auch Leitzen ZNotP 2011, 453 ff; Heidel NZG 2012, 48 ff. 11 So auch U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 20. 12 Priester GmbHR 1999, 149 ff; Scholz/Emmerich Rn 13; MünchKomm/Fleischer Rn 25 ff.

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§ 1 | Zweck; Gründerzahl schaftliche, künstlerische1, politische2 oder religiöse3 Zwecke unter Beteiligung einer Vielzahl von Mitgliedern verfolgt werden, dann wird die Rechtsform des eingetragenen oder auch nicht-eingetragenen Vereins vorteilhafter sein, da dort der Eintritt und das Ausscheiden leichter ist als bei der GmbH, wo die Anteilsübertragung vom Gesetz bewusst erschwert wird (ausführlich § 15 Rn 1)4. Möglich ist auch eine Stiftungs-GmbH, die mit ihren Erträgen aus der Unternehmenstätigkeit bestimmten Personen unentgeltliche Zuwendungen macht5, oder auch die gemeinnützige GmbH (non-profit-GmbH)6.

4. Unzulässige Zwecke 12 Zu unterscheiden sind zum einen unzulässige Ziele, zum anderen unzulässige

Unternehmensgegenstände. Eine Abgrenzung ist zT schwierig, im Falle der eingetragenen GmbH jedoch wegen der unterschiedlichen Rechtsfolgen uU erforderlich (Rn 19)7. Die Vornahme einzelner verbotener Geschäfte berührt dagegen weder die Zulässigkeit des Gesellschaftszwecks noch des Unternehmensgegenstands8; allerdings kommt die Amtsauflösung gemäß § 62 in Betracht9.

13 a) Die Rechtsform der GmbH kann aufgrund eines speziellen gesetzlichen Ver-

bots nicht gewählt werden für den Betrieb einer Apotheke (§ 8 ApoG). Auch Versicherungsunternehmen (§ 8 Abs. 2 VAG), private Bausparkassen (§ 2 Abs. 2 Satz 1 BausparkG) und das Versteigerungsgewerbe (§ 34b Abs. 5 Satz 1 GewO) sind von der Rechtsform der GmbH ausgeschlossen. Dagegen ist die GmbH zulässig für Unternehmensbeteiligungs-Gesellschaften (§ 2 Abs. 1 UBGG) und Kapitalverwertungsgesellschaften (§ 18 Abs. 1 KAGB), für sonstige Bankgeschäfte (§ 2b Abs. 1 KWG) sowie für Tierärzte, wenn die Berufsordnung des jeweiligen Bundeslandes insoweit die Anforderungen im Einzelnen festlegt10. Für Ärzte (und Tierärzte11) ist die gemeinsame Berufsausübung in Form der GmbH (oder UG) heute nur noch in Bayern verboten12. Inwieweit dieses Verbot (ebenso wie 1 Beispiel Theater- oder Museums-GmbH; ebenso U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 35. 2 Nach VereinsG vom 5.8.1964 (BGBl I 593) zulässig: U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 37; aA (für AG) Mertens NJW 1970, 1718 ff. 3 Zulässig nach Art. 140 GG iVm Art. 137 Weimarer RV: U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 37. 4 Richtig B/H/Fastrich Rn 12; MünchKomm/Fleischer Rn 25. 5 U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 36; MünchKomm/Fleischer Rn 30 ff. 6 Dazu näher Schlüter GmbHR 2002, 535 ff; MünchKomm/Fleischer Rn 28 f. 7 So hM: Scholz/Emmerich Rn 17; B/H/Fastrich Rn 17. 8 Vgl auch EuGH Slg 1990, I-4135 – Marleasing. 9 R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 53; MünchKomm/Fleischer Rn 36. 10 OLG Düsseldorf NZG 2007, 190, 191; R/A/Roth Rn 9a. 11 OLG München GmbHR 2015, 318. 12 Art. 18 Abs. 1 Satz 2, 51 Abs. 1 BayHKaG; zur Verfassungsmäßigkeit VerfGH Bay NJW 2000, 3418 ff.

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das Verbot gemäß § 8 ApoG) mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar sind, ist noch ungeklärt. Eine Grundrechtsverletzung liegt nahe, weil für den in Form einer objektiven Zulassungssperre erfolgten Eingriff in die Berufsfreiheit eine sachliche Rechtfertigung nicht zu erkennen ist1. Der fachübergreifende Zusammenschluss zu einem „medizinischen Versorgungszentrum“ in der Rechtsform der GmbH ist dagegen durch § 95 Abs. 2 SGB V ausdrücklich gestattet2. b) Gesellschaftszweck bzw Unternehmensgegenstand können gegen ein all- 14 gemeines gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) verstoßen, zB im Falle einer „Schmuggel-GmbH“3, bei Verletzung eines staatlichen Monopols4 oder bei gesetzwidrigem Glücksspiel5. Früher6 war dies auch bei unzulässiger Arbeitsvermittlung der Fall, § 4 ArbFördG aF7. Unzulässig ist ebenfalls ein sittenwidriger Gesellschaftszweck (§ 138 BGB), zB der organisierte Austausch von Finanzwechseln8. Auch der Betrieb eines Bordells oder Sex-Shops in der Rechtsform der GmbH dürfte im Hinblick auf die inzwischen großzügigere Rspr9 bezüglich Bordellkauf und Bordellmietvertrag im Regelfall zulässig sein10. Insbesondere auch das Prostitutionsgesetz vom 20.12.200111 legt eine eher liberale Betrachtungsweise nahe. Unzulässig ist die zum Zwecke der Steuerhinterziehung gegründete GmbH. Hiervon zu unterscheiden ist die Absicht einer legalen Steuervermeidung; deren späteres Fehlschlagen führt nicht zur Unzulässigkeit des Gesellschaftszwecks12. c) Ist für die Tätigkeit der GmbH eine öffentlich-rechtliche Genehmigung erfor- 15 derlich13 (zB nach KWG, GüKG, PBefG, GaststättenG, Spielhallenkonzession14 usw), so führt dies nicht zur Unzulässigkeit des Unternehmensgegenstands bzw Gesellschaftszwecks15.

1 So auch Henssler ZIP 1994, 844, 846; Meyer/Kreft GmbHR 1997, 193 ff; Scholz/Emmerich Rn 14b; Taupitz NJW 1996, 3033, 3038 ff; zweifelnd auch B/S/Schäfer Rn 16; U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 24; aA indes jüngst OLG München GmbHR 2015, 318, 319. 2 B/S/Schäfer Rn 16; Rau MedR 2004, 667 ff; Klose BB 2003, 2702 ff. 3 RGZ 96, 282. 4 So für das inzwischen aufgehobene Zündwarenmonopol: BayObLG DB 1972, 1015; Scholz/Emmerich Rn 18. 5 Scholz/Emmerich Rn 18; U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 41. 6 Vgl Art. 3 Nr. 3 des Gesetzes vom 23.3.2002, BGBl I 1130. 7 BayObLG NJW 1971, 528 ff. 8 BGHZ 27, 172 ff; U/H/L/Löbbe Rn 42; B/H/Fastrich Rn 16. 9 S. nur OLG Karlsruhe ZMR 1990, 300, 301. 10 Scholz/Emmerich Rn 19; MünchKomm/Fleischer Rn 41. 11 BGBl I 3983. 12 U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 42; Scholz/Emmerich Rn 18; B/H/Fastrich Rn 16. 13 Aufzählung bei Gottwald DStR 2001, 944, 945. 14 BGH NZG 2003, 770 f. 15 U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 40; MünchKomm/Fleischer Rn 20.

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§ 1 | Zweck; Gründerzahl 16 d) Im Falle einer GmbH-Gründung durch Ausländer ist zu unterscheiden:

Eine Beteiligung von Ausländern an einer GmbH ist gesetzlich nicht verboten; allein eine Erwerbstätigkeit im Inland kann ihnen auf Grund des für sie maßgeblichen Aufenthaltstitels (§§ 4 ff AufenthG) nicht gestattet sein1. Die Rechtsfolgen bei Verletzung eines ausgesprochenen behördlichen Verbots richten sich grundsätzlich nach den Vorschriften des Ausländerrechts2. Allerdings kann ein sittenwidriger Rechtsformmissbrauch vorliegen, wenn die GmbH zur Umgehung allein oder mehrheitlich von Ausländern gegründet wird, gegen die das Verbot einer inländischen Erwerbstätigkeit ausgesprochen worden war (vgl auch § 2 Rn 4)3.

5. Rechtsfolgen bei unzulässigem Zweck bzw Gegenstand 17 a) Ist die GmbH noch nicht in das Handelsregister eingetragen, so spielt die

Unterscheidung zwischen Zweck und Gegenstand (Rn 2 f) keine Rolle: Sowohl bei unzulässigem Zweck als auch bei unzulässigem Unternehmensgegenstand ist der Gesellschaftsvertrag nichtig4. Das Registergericht muss die Eintragung ablehnen (§ 9c)5. Die Nichtigkeit kann von jedermann geltend gemacht werden6. Das Fehlen einer öffentlich-rechtlichen Genehmigung hindert dagegen nach der Reform durch das MoMiG die Eintragung nicht mehr (vgl § 8 Rn 7); bei endgültiger Verweigerung kommt allerdings eine Auflösung gemäß § 61 in Betracht.

18 Wurde die Vor-GmbH jedoch bereits in Vollzug gesetzt, so finden die Regeln

über die fehlerhafte Gesellschaft Anwendung7. Dies gilt dann nicht, wenn auch die fehlerhafte Gesellschaft rechtlich keinerlei Anerkennung findet, etwa im Fall von Gesetzes- oder Sittenverstößen der Gesellschaft selbst8.

19 b) Die Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrages wird durch die Eintragung in das

Handelsregister nicht geheilt. Jedoch ist die GmbH wirksam entstanden. Es ist zu differenzieren9: Ist – ausnahmsweise – (nur) der Unternehmensgegenstand unzulässig (weil nicht teilidentisch mit dem Zweck: Rn 3), dann kommt einerseits Nichtigkeitsklage nach § 75, andererseits Amtslöschung nach § 397 FamFG 1 Dazu ausführlich Bohlscheid RNotZ 2005, 505 ff. 2 U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 44; B/H/Fastrich Rn 16; Wachter ZIP 1999, 1577, 1582. 3 U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 44; MünchKomm/Fleischer Rn 40. Daher im Ergebnis richtig BayObLG NStZ 1984, 80 f; KG GmbHR 1997, 412, 413; aA Wachter ZIP 1999, 1577, 1584. 4 So für verbotswidrige GmbH-Gründung durch Ausländer: OLG Stuttgart GmbHR 1984, 156 f; KG GmbHR 1997, 412, 413; ebenso MünchKomm/Fleischer Rn 42. 5 Allgemeine Meinung: BayObLG DB 1972, 1015; OLG Celle GmbHR 1978, 132; Scholz/ Emmerich Rn 21. 6 BayObLG DB 1972, 1015 f; Scholz/Emmerich Rn 20; B/H/Fastrich Rn 17. 7 RGZ 166, 51, 59; BGHZ 13, 320, 322 f; Scholz/Emmerich Rn 20. 8 Scholz/Emmerich Rn 20; U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 46. 9 Tieves Unternehmensgegenstand, 1991, S. 221 ff.

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in Betracht, soweit nicht der Mangel durch Beschluss der Gesellschafter geheilt wurde (§ 76)1. Die Nichtigkeitsklage scheidet dagegen nach der lex lata bei (bloßer) Unzulässigkeit des Gesellschaftszwecks aus: Hier kommt stattdessen die Auflösungsklage gemäß § 61 in Betracht2; anstelle von § 397 FamFG ist bei gesetz- oder sittenwidrigem Zweck die Amtsauflösung der GmbH gemäß § 62 möglich3. Darüber hinaus kann jeder Gesellschafter aus wichtigem Grund aus der GmbH ausscheiden4. Sinnhaft ist diese gesetzliche Differenzierung allerdings nicht.

6. Änderungen von Zweck und Gegenstand Der Gesellschaftszweck steht nicht zur Disposition der Mehrheit, sondern kann 20 entsprechend § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB nur mit Zustimmung aller Gesellschafter geändert werden (§ 53 Rn 23)5. Dagegen unterliegt die Änderung des Unternehmensgegenstands den allgemeinen Regeln der Satzungsänderung (§ 53 Rn 2), kann also gemäß § 53 Abs. 2 grundsätzlich mit Dreiviertelmehrheit beschlossen werden6. Dies gilt auch dann, wenn – wie im Regelfall – Gegenstand und Zweck sich teilweise decken. Denn es muss der Mehrheit möglich sein, den Unternehmensgegenstand der aktuellen Entwicklung der GmbH anzupassen. Einzelheiten sind noch nicht sicher geklärt7. Eine nur mit Zustimmung aller Gesellschafter zulässige Zweckänderung ist hingegen stets die Zieländerung (zB Übergang von der Gewinnerzielung zur Gemeinnützigkeit)8. Richtigerweise führen aber auch wesentliche Veränderungen des Gegenstands zu einer qualifizierten Anforderungen unterworfenen Änderung des Zwecks (zB statt Bauunternehmung nun Immobilienhandel, statt Produktionsbetrieb nun Vermögensverwaltung)9. Die Problematik wird allerdings dadurch entschärft, dass in der Satzung ein Mehrheitsentscheidungsrecht für jeden Fall einer Zweckänderung angeordnet werden kann (ausführlich § 53 Rn 23)10. Eine Beschlussfassung, die einen ursprünglich zulässigen Zweck bzw Gegen- 21 stand unzulässig machen würde, ist nichtig und darf daher nicht eingetragen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 47, 50; Scholz/Emmerich Rn 25; R/A/Roth Rn 15. Ebenso U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 47; Scholz/Emmerich Rn 22. MünchKomm/Fleischer Rn 44; B/H/Fastrich Rn 17. U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 47; R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 52. B/H/Zöllner/Noack § 53 Rn 29; Scholz/Priester § 53 Rn 181; für Verein: BGHZ 96, 245, 248. MünchKomm/Fleischer Rn 15; Scholz/Priester § 53 Rn 135. Ähnlich wie hier aber MünchKomm/Fleischer Rn 15; R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 6. R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 6; Scholz/Priester § 53 Rn 182. So auch R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 6; MünchKomm/Fleischer Rn 15; zweifelnd Scholz/ Priester § 53 Rn 182. Scholz/Priester § 53 Rn 181; B/H/Zöllner/Noack § 53 Rn 29.

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§ 1 | Zweck; Gründerzahl werden1. Wird dagegen der zulässige Zweck aufgrund tatsächlicher Handlungen später unzulässig (zB Übergang von der Au-pair-Vermittlung zum Mädchenhandel, vom Betrieb der Gaststätte zur Veranstaltung verbotenen Glücksspiels), so führt dies nicht zur Nichtigkeit der GmbH; zur Anwendung kommen auch hier die §§ 61, 622; ebenso, wenn die tatsächliche Veränderung des Unternehmensgegenstands auf den Zweck durchschlägt (Rn 12 ff, Rn 19)3. Wird dagegen nur der Gegenstand tatsächlich unzulässig, so gelten § 75 und Amtslöschung gemäß § 397 FamFG4. 22 Ebenso ist zu differenzieren, wenn der Zweck (zB keine Gewinnerzielung wegen

andauernder Unrentabilität)5 oder der Gegenstand (zB Untergang des von der GmbH bereederten Schiffes) unmöglich werden6. Bei Zweckunmöglichkeit ist die Gesellschaft gemäß § 61 aufzulösen (§ 61 Rn 9), bzw jeder Gesellschafter kann aus wichtigem Grund austreten (ausführlich § 34 Rn 70 ff). Sind – wie im Regelfall – Unternehmensgegenstand und Zweck teilidentisch (Rn 3), so gilt § 61 auch bei Wegfall des Gegenstandes7. Die alleinige Unmöglichkeit des (austauschbaren) Gegenstandes ist gemäß § 76 durch einstimmigen Gesellschafterbeschluss behebbar.

7. Heilung 23 Durch einstimmigen Beschluss (§ 33 BGB) sind die Gesellschafter auch in der

Lage, den unzulässigen Zweck in einen zulässigen zu ändern8. Insoweit gibt es praktisch keinen Unterschied zwischen der Rechtslage bei unzulässigem Zweck und unzulässigem Gegenstand. Der betreffende Beschluss kann gleichzeitig eine entsprechende Satzungsänderung herbeiführen9, bedarf dann gemäß § 53 Abs. 2 Satz 1 der notariellen Beurkundung (vgl § 53 Rn 16 ff) und wird mit Eintragung im Handelsregister wirksam (§ 54 Rn 18)10.

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BayObLG DB 1972, 1015; U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 49. Scholz/Emmerich Rn 24; B/H/Fastrich Rn 18. Scholz/Emmerich Rn 23. U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 49; MünchKomm/Fleischer Rn 45. RG HRR 1935, 1404; nur im Ergebnis Scholz/K. Schmidt/Bitter § 61 Rn 17. So auch R/A/Roth Rn 18c. Scholz/K. Schmidt/Bitter § 61 Rn 16. Scholz/Emmerich Rn 25; B/H/Fastrich Rn 19. B/H/Fastrich Rn 19; MünchKomm/Fleischer Rn 46. Richtig U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 50.

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Zweck; Gründerzahl | § 1

8. Einpersonen-GmbH Während früher die Einpersonen-GmbH nicht originär, sondern nur durch den 24 nachträglichen Erwerb aller Geschäftsanteile entstehen konnte (so dass für die Gründung regelmäßig ein Treuhänder – sog Strohmann – eingeschaltet wurde)1, ist seit der Novelle von 19802 – in der zu diesem Zweck in §§ 1, 7 Abs. 2 Satz 3 aF, 8 Abs. 2 Satz 2 aF, 19 Abs. 4 aF, 35 Abs. 4 aF, 48 Abs. 3, 56a, 57 Abs. 2 Satz 1 aF, 60 Abs. 1 Nr. 5 aF, 82 Abs. 1 Nr. 1 entsprechende Regelungen getroffen wurden – auch die Einpersonen-Gründung gesetzlich anerkannt3. Im Zuge der Umsetzung der 12. (Einpersonengesellschafts-)RL4 wurde das GmbHG an einigen Stellen angepasst (§§ 19 Abs. 4 aF, 35 Abs. 4 Satz 2 aF, 40 Abs. 2)5. Besondere Bedeutung hat der Gesetzgeber hierbei zunächst dem Gläubigerschutz beigemessen; die fehlende Ausfallhaftung gemäß § 24 sollte im Rahmen der Gründung durch spezielle Regelungen kompensiert werden (§§ 7 Abs. 2 Satz 3 aF, 19 Abs. 4 aF). Da diese Regelungen nach Auskünften aus der Praxis jedoch verzichtbar waren und durch die 12. (Einpersonengesellschafts-)RL auch nicht gefordert wurde, hat der Gesetzgeber im Zuge des MoMiG die dadurch hervorgerufene Verkomplizierung der GmbH-Gründung durch Streichung von §§ 7 Abs. 2 Satz 3 aF, 8 Abs. 2 aF, 19 Abs. 4 aF wieder aufgehoben (dazu § 7 Rn 7 f)6; § 35 Abs. 4 aF wurde nunmehr zu § 35 Abs. 3. Zu Besonderheiten der Haftung in der Phase der Vor-GmbH: § 11 Rn 21. Zu den europäischen Plänen für eine Societas Unius Personae (SUP): Einl Rn 45a. Die praktische Bedeutung der Einpersonen-GmbH ist hoch: Der Einzelunter- 25 nehmer kann seine Haftung durch Zwischenschaltung einer GmbH „abschotten“. Das nach der früheren Rspr gegebene hohe Risiko einer Konzernhaftung besteht bei korrektem Verhalten nicht mehr (ausführlich hierzu § 13 Rn 11 ff, Rn 25 ff). Neben der Neugründung kommt insbesondere auch die Umwandlung eines einzelkaufmännischen Unternehmens in eine GmbH im Wege der Aus1 Dazu ausführlich Flume DB 1980, 1781 ff. 2 Gesetz vom 4.7.1980, BGBl I 836. 3 Zur Novelle von 1980: Lutter DB 1980, 1317 ff; Timm GmbHR 1980, 286 ff; Geßler BB 1980, 1385 ff; K. Schmidt NJW 1980, 1769 ff. 4 Ursprünglich: Zwölfte RL 89/667/EWG (ABlEG Nr. L 395 v. 30.12.1989, S. 40); seit 21.10.2009: RL 2009/102/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.9. 2009 auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts betreffend Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter, ABlEU Nr. L 258 v. 1.10.2009, S. 20. Text und ausführliche Erläuterungen bei Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 29 mzwN. Vgl auch Bayer/J. Schmidt in Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Bd 1, Kap. 18 Rn 109; Lutter FS Brandner, 1996, S. 81 ff. 5 Gesetz vom 18.12.1991, BGBl I 2206; dazu Schimmelpfennig/Hauschka NJW 1992, 942 ff; Driesen MDR 1992, 324 f. 6 Zur Einpersonen-GmbH auch U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 52 ff; MünchKomm/Fleischer Rn 61 ff.

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§ 2 | Form des Gesellschaftsvertrages gliederung nach §§ 152 ff UmwG in Betracht1; dies kann im Einzelfall wegen der Gesamtrechtsnachfolge günstiger sein als die sonst erforderliche Einzelrechtsübertragung aller Gegenstände. Häufig ist die Einpersonen-GmbH auch allein zum Zwecke der Geschäftsführung in einer GmbH & Co KG errichtet (Komplementär-GmbH)2. Vereinfacht und kostengünstiger ist die Gründung durch Musterprotokoll (dazu § 2 Rn 50 ff).

9. Zweipersonen-GmbH 26 Auch die Zweipersonen-GmbH unterliegt einigen rechtlichen Besonderheiten;

zu nennen sind insbesondere Streitigkeiten über die Abberufung als Geschäftsführer oder die Ausschließung als Gesellschafter3.

§2 Form des Gesellschaftsvertrages (1) Der Gesellschaftsvertrag bedarf notarieller Form. Er ist von sämtlichen Gesellschaftern zu unterzeichnen. (1a) Die Gesellschaft kann in einem vereinfachten Verfahren gegründet werden, wenn sie höchstens drei Gesellschafter und einen Geschäftsführer hat. Für die Gründung im vereinfachten Verfahren ist das in der Anlage bestimmte Musterprotokoll zu verwenden. Darüber hinaus dürfen keine vom Gesetz abweichenden Bestimmungen getroffen werden. Das Musterprotokoll gilt zugleich als Gesellschafterliste. Im Übrigen finden auf das Musterprotokoll die Vorschriften dieses Gesetzes über den Gesellschaftsvertrag entsprechende Anwendung. (2) Die Unterzeichnung durch Bevollmächtigte ist nur auf Grund einer notariell errichteten oder beglaubigten Vollmacht zulässig. Abs. 1a (Mustersatzung) sowie amtliche Überschrift neu eingefügt durch MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl I 2026); im Übrigen geringfügig geändert durch die Novelle 1980, zuvor geändert durch BeurkG von 1969.

1 Dazu ausführlich Lutter/Karollus §§ 152 ff UmwG. 2 B/H/Fastrich Rn 52; R/A/Roth Rn 50. 3 Dazu nur BGH GmbHR 1985, 297; BGH GmbHR 1992, 38; OLG Naumburg NZG 2000, 608 ff; OLG Karlsruhe NZG 2000, 264 ff; ausführlich Wolf ZGR 1998, 92 ff; Wolf GmbHR 1998, 1163 ff; monographisch Reher Die Zweipersonen-GmbH – Notwendigkeit eines Sonderrechts?, 2003; vgl weiter MünchKomm/Fleischer Rn 73 ff; zur schwierigen Rolle des anwaltlichen Beraters der GmbH: Keßler GmbHR 2015, 342 ff.

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Form des Gesellschaftsvertrages | § 2 1. 2. 3. 4. 5.

Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . Der Gesellschaftsvertrag (Satzung) Der fehlerhafte Gesellschaftsvertrag Die fehlerhafte Beitrittserklärung . Vorvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 16 35 40 47

6. Änderung des Gesellschaftsvertrages vor Eintragung . . . . . . . . . . . 48 7. Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 8. Vereinfachte Gründung (Musterprotokoll) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50

Literatur: Bohlscheid Ausländer als Gesellschafter und Geschäftsführer einer deutschen GmbH, RNotZ 2005, 505; Lutz Die Ernennung mehrerer Testamentsvollstrecker als Gestaltungsmittel der Unternehmensnachfolge, NotBZ 2016, 16; Philippi Testamentsvollstreckung an GmbH-Anteilen, 2000; Werner Beteiligung Minderjähriger an gesellschaftsrechtlichen Transaktionen im Recht der GmbH und GmbH & Co. KG, GmbHR 2006, 737; Wilde Der unter Betreuung stehende Gesellschafter GmbHR 2010, 123; vgl weiter vor Rn 16 und vor Rn 50.

1. Gesellschafter a) Anzahl: Eine Person genügt (§ 1); die Beteiligung eines Treuhänders (Stroh- 1 mannes) ist unbedenklich zulässig1 (zur Treuhand Rn 15 sowie auch § 14 Rn 26 f). Das Gesetz kennt keine Höchstzahl2. b) Natürliche Personen: aa) Grundsätzlich kann jede natürliche Person un- 2 geachtet ihrer Staatsangehörigkeit, Religion, Beruf3, Familienangehörigkeit usw GmbH-Gesellschafter sein. Doch können im Gesellschaftsvertrag – in den Grenzen des § 138 BGB – persönliche Eigenschaften, speziell auch besondere berufliche Qualifikationen (insbesondere bei den freien Berufen nach Standesrecht), oder die fehlende Konkurrenteneigenschaft festgelegt werden4. Verstöße gegen diese satzungsmäßigen Anforderungen führen jedoch weder zur 3 Unwirksamkeit des Beitritts, noch sind sie ein Eintragungshindernis (daher auch kein Prüfungsrecht des Registergerichts; näher § 9c Rn 5 ff)5; ein satzungswidriger Gesellschafter kann aber nach erfolgter Eintragung der GmbH aus wichtigem Grund ausgeschlossen werden (vgl auch § 3 Rn 39)6. bb) Auch Ausländer können Gesellschafter sein. Die Untersagung einer Er- 4 werbstätigkeit im Inland aufgrund des für sie maßgeblichen Aufenthaltstitels (§§ 4 ff AufenthG)7 führt nicht zur Unzulässigkeit der Beteiligung an einer 1 BGHZ 118, 107, 110 = GmbHR 1992, 525 – Thyssen/Rheinstahl; Scholz/Emmerich Rn 56. 2 MünchKomm/J. Mayer Rn 79; R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 7. 3 S. aber abweichend zu berufsrechtlichen Einschränkungen: BGH ZIP 2007, 2333; B/S/ Schäfer Rn 58; vgl auch bei § 1 Rn 13 ff. 4 R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 25; MünchKomm/J. Mayer Rn 115. 5 MünchKomm/J. Mayer Rn 115; Scholz/Emmerich Rn 60; U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 98. 6 R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 26; U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 98; Scholz/Emmerich Rn 61. 7 Ausführlich Bohlscheid RNotZ 2005, 505 ff.

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§ 2 | Form des Gesellschaftsvertrages GmbH1. Insbesondere greift § 134 BGB nicht ein2. Gründung nur durch Ausländer oder durch eine Mehrheit von Ausländern, gegen die ein Verbot ausgesprochen wurde, ist aber als Rechtsformmissbrauch gemäß § 138 BGB sittenwidrig (vgl § 1 Rn 16 mwN). Für Bürger der EU stellt jede Beschränkung eine unzulässige Diskriminierung und Beschränkung der Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 49, 53 AEUV dar3. 5 cc) Minderjährige werden durch ihren gesetzlichen Vertreter vertreten (vgl

§§ 1626 Abs. 1, 1629 Abs. 1 BGB) oder geben mit dessen Zustimmung eine eigene Erklärung ab (§ 108 Abs. 1 BGB); ohne diese Zustimmung ist eine Erklärung des Minderjährigen stets (schwebend) unwirksam, da aufgrund des Risikos einer Verlustdeckungs- bzw Vorbelastungshaftung sowie des Ausfallhaftungsrisikos gemäß §§ 24, 31 Abs. 3 seine Beteiligung auch dann, wenn die Einlage geschenkt oder drittfinanziert wird, nach ganz hM nicht lediglich rechtlich vorteilhaft iSv § 108 BGB ist4. Ist der gesetzliche Vertreter selbst am Vertragsschluss beteiligt, so ist (vgl § 187 BGB) stets die Bestellung eines Ergänzungspflegers (§ 1909 BGB) erforderlich (§§ 1795 Abs. 2, 1629 Abs. 2 BGB)5; für mehrere vertretene Kinder ist jeweils ein eigener Pfleger zu bestellen6.

6 Soweit die GmbH – wie regelmäßig der Fall – ein Erwerbsgeschäft betreiben

soll7, ist darüber hinaus eine Genehmigung des Familiengerichts nach §§ 1643 Abs. 1, 1822 Nr. 3 BGB erforderlich8. Der Einwand, nicht der Minderjährige betreibe ein Erwerbsgeschäft, sondern die GmbH9, ist zu formal und überzeugt nicht (denn auch die rechtsfähige GbR oder OHG/KG betreibt das Erwerbsgeschäft; die Anwendung des § 1822 Nr. 3 BGB ist dort jedoch unstreitig10). Die 1 R/A/Roth § 1 Rn 22; Scholz/Emmerich Rn 41; MünchKomm/J. Mayer Rn 82; aA allerdings die Rspr, vgl etwa KG GmbHR 1997, 412, 413. 2 Abweichend OLG Stuttgart GmbHR 1984, 156 f; BayObLG NStZ 1984, 80 f; KG GmbHR 1997, 412, 413 f; R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 8. 3 MünchKomm/J. Mayer Rn 82; R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 8. 4 Scholz/Emmerich Rn 42; MünchKomm/J. Mayer Rn 87; B/S/Schäfer Rn 64; U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 84; Bürger RNotZ 2006, 156, 158; vgl auch OLG Stuttgart GmbHR 1980, 102; abweichend Staudinger/Knothe 2012, § 107 BGB Rn 29 mwN. 5 B/S/Schäfer Rn 64; R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 13; ausführlich Werner GmbHR 2006, 737, 738. 6 BGHZ 21, 229, 234; Scholz/Emmerich Rn 42. 7 Dazu zählt auch die Freiberufler-GmbH: KG NJW 1976, 1946; MünchKomm/J. Mayer Rn 89. 8 U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 85; Scholz/Emmerich Rn 43; ausführlich Werner GmbHR 2006, 737, 738. 9 So allerdings die früher hL; vgl nur Hachenburg/Schilling 8. Aufl Anm 23; ausführlich Winkler ZGR 1973, 175, 182 f mwN; aA indes die Rspr; vgl nur KGJ 44 A 142. 10 Für alle: MünchKomm/Ulmer/Schäfer § 705 BGB Rn 70 (GbR); MünchKomm/ K. Schmidt § 105 HGB Rn 145 (OHG); MünchKomm/Grunewald § 161 HGB Rn 23 (KG); grundlegend BGHZ 17, 160 (zur KG) mit Anm R. Fischer LM § 1822 Z. 3 BGB Nr. 3.

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analoge Anwendung des § 1822 Nr. 3 BGB auf alle Formkaufleute unabhängig vom Gesellschaftszweck1 ist erwägenswert, um Schutzlücken zu vermeiden, speziell auch bei ideellem Gesellschaftszweck; denn der von der hM favorisierte (teilweise zusätzliche) Rückgriff auf § 1822 Nr. 10 BGB2 versagt etwa bei der Einpersonengründung3. Zum Erfordernis der familiengerichtlichen Genehmigung beim Erwerb eines Geschäftsanteils: § 15 Rn 8. Fehlt die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters bzw Pflegers oder die erfor- 7 derliche gerichtliche Mitwirkung, so ist die Gründung einer Einpersonengesellschaft nichtig (§§ 111, 1831 BGB), bei der Mehrpersonen-Gesellschaft tritt schwebende Unwirksamkeit ein (§§ 108, 1829 Abs. 1 BGB)4. dd) Für Betreute (§ 1896 BGB) gilt Entsprechendes nur dann, wenn ein Einwil- 8 ligungsvorbehalt angeordnet wurde (§§ 1903, 1908i BGB). Ist der Betreuer gemäß § 181 BGB an der Vertretung gehindert, muss ein Ergänzungsbetreuer bestellt werden5. Ein Gegenbetreuer ist erforderlich (§§ 1908i, 1792 BGB), wenn die Vermögensverwaltung umfangreich und risikobehaftet ist6. Fehlt die erforderliche Zustimmung des Betreuers, so ist die Gründung einer 9 Einpersonengesellschaft nichtig (§§ 111, 1903 Abs. 1 BGB), bei der Mehrpersonen-Gesellschaft tritt schwebende Unwirksamkeit ein (§§ 108, 1903 Abs. 1 BGB). c) Personenhandelsgesellschaften und andere Personenmehrheiten: aa) OHG 10 und KG können sich nach allgemeiner Meinung als Gründer an einer GmbH beteiligen, auch als Einpersonengründer. Gleiches gilt für die Partnerschaft7 und die EWIV, wobei allerdings die Beschränkungen aus dem Konzernleitungs- und Holdingverbot (Art. 3 Abs. 2 EWIV-VO) zu beachten sind8. bb) Auch die BGB-Gesellschaft (GbR) kann selbständig Rechte erwerben und 11 Pflichten begründen9; daher ist heute anerkannt, dass sie auch Gründer einer GmbH (auch einer Einpersonen-GmbH10) sein kann11 (zur namentlichen Auf1 So R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 15. 2 So B/H/Fastrich Rn 27; U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 86; vgl auch OLG Stuttgart GmbHR 1980, 102 f (für Gründung durch Umwandlung). 3 Wie hier B/S/Schäfer Rn 67; Scholz/Emmerich Rn 43a; MünchKomm/J. Mayer Rn 89a; aA R/A/Roth Rn 12: § 1822 Nr. 10 BGB analog. 4 MünchKomm/J. Mayer Rn 91; R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 16. 5 MünchKomm/J. Mayer Rn 90; Wilde GmbHR 2010, 123. 6 MünchKomm/J. Mayer Rn 90; ausführlich Wilde GmbHR 2010, 123, 124 ff. 7 B/H/Fastrich § 1 Rn 32a; Michalski/Michalski Rn 102. 8 Dazu näher Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 40 Rn 10 ff. 9 BGHZ 146, 341; BGH NJW 2002, 1207. 10 B/H/Fastrich § 1 Rn 33; Scholz/Emmerich § 1 Rn 29. 11 BGHZ 78, 311 ff = GmbHR 1981, 188; BGHZ 116, 86; Scholz/Emmerich Rn 52; R/A/ Roth § 1 Rn 30 ff.

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§ 2 | Form des Gesellschaftsvertrages führung aller BGB-Gesellschafter: § 8 Rn 4). Ebenso wie bei der OHG haften alle GbR-Gesellschafter unbeschränkt persönlich für die Einlagepflichten als Gesamtschuldner1. Gleiches gilt auch für den nicht rechtsfähigen Verein (§ 54 BGB)2. 12 cc) Auch eine Erbengemeinschaft kann eine GmbH gründen3; für die Einlage

haften alle Miterben als Gesamtschuldner (näher § 18 Rn 7). Streitig ist allerdings, ob die Miterben stets unbeschränkt persönlich haften4 oder ob die Haftung auf den Nachlass beschränkbar ist (§ 2059 BGB)5. Eine Beschränkung der Erbenhaftung erscheint sachgerecht, wenn die Erbengemeinschaft den vom Erblasser eingeleiteten Gründungsvorgang fortsetzt6, muss jedoch dann ausscheiden, wenn sich die Erbengemeinschaft selbst aktiv an einer GmbH-Gründung beteiligt7. Unanwendbar sind nach allgemeiner Meinung auch die §§ 2060, 2061 BGB (ausführlich § 18 Rn 7).

13 d) Juristische Personen können uneingeschränkt Gründer (auch Einpersonen-

gründer) einer GmbH sein; dies gilt auch für juristische Personen des öffentlichen Rechts, jedoch nur im Rahmen ihres durch Gesetz und Satzung bestimmten Aufgaben- und Wirkungsbereichs8. Das Gleiche gilt für ausländische juristische Personen9; bei ihnen bestimmt sich der Umfang ihrer Rechtsfähigkeit nach ihrem Gesellschaftsstatut, dh dem betreffenden ausländischen Recht. Bei Tätigkeit im Inland stellt sich allerdings das Problem der Anerkennung (ausführlich § 4a Rn 10 ff). Auch eine Vorgesellschaft kann sich an einer GmbH beteiligen10.

14 e) Ein Testamentsvollstrecker11 kann die Erbengemeinschaft nur dann ohne

Weiteres an der Gründung beteiligen, wenn die Erben zustimmen12; denn er darf sie nicht über den Nachlass hinaus verpflichten (§ 2206 BGB). Ohne Zustimmung der Erben kommt ein Handeln des Testamentsvollstreckers daher

1 BGHZ 78, 311 ff = GmbHR 1981, 188; OLG Hamm GmbHR 1996, 363, 364; Scholz/Emmerich Rn 52. 2 U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 92 f; Scholz/Emmerich Rn 53b; so für die AG auch K. Schmidt/ Lutter/Lutter § 2 AktG Rn 6 aE mwN. 3 U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 94; Scholz/Emmerich Rn 53c. 4 So B/H/Fastrich § 1 Rn 36. 5 So die hM: U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 81 mwN. 6 So auch U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 94; Scholz/Seibt § 18 Rn 27. 7 Ebenso R/A/Roth § 1 Rn 32; Scholz/Seibt § 18 Rn 29; für die AG auch K. Schmidt/Lutter/Lutter § 2 AktG Rn 7 mwN. 8 BGHZ 20, 119, 124; R/A/Roth § 1 Rn 27; vgl auch Schön ZGR 1996, 429, 435 ff. 9 OLG Frankfurt DB 2002, 316; R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 22; MünchKomm/J. Mayer Rn 96. 10 B/S/Schäfer Rn 73; U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 92; MünchKomm/J. Mayer Rn 94. 11 Ausführlich Wachter ZNotP 1999, 226; Philippi Testamentsvollstreckung an GmbHAnteilen, 2000, S. 6 ff, 135 ff; Reimann GmbHR 2011, 1297 ff; Lutz NotBZ 2016, 16 ff. 12 Scholz/Emmerich Rn 48; U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 40; MünchKomm/J. Mayer Rn 103.

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nur in Betracht, wenn er entweder als Treuhänder für Rechnung der Erben handelt1 (und in diesem Fall als Gesellschafter auch persönlich haftet; näher Rn 15) oder der Gesellschaftsvertrag zum einen keine Nebenleistungspflicht begründet (§ 3 Abs. 2) und zum anderen sämtliche Einlagen voll geleistet sind, also eine Ausfallhaftung nach § 24 ausscheidet2. Zur Testamentsvollstreckung im Falle der Vererbung eines GmbH-Anteils: § 15 Rn 223. f) Die Beteiligung einer Person als Treuhänder eines Dritten ist zulässig4 (aus- 15 führlich § 14 Rn 26 sowie auch § 15 Rn 104). Die Treuhandposition entsteht durch Beteiligung des Treuhänders an der Gründung oder durch den späteren Erwerb eines Geschäftsanteils durch ihn für einen Dritten, den Treugeber. Allein der Treuhänder ist Gesellschafter mit allen Rechten und Pflichten; die Position des Treugebers beschränkt sich auf seine schuldrechtlichen Rechte und Pflichten aus Vertrag oder Gesetz (§§ 667, 670 BGB) gegenüber dem Treuhänder; dieser ist, soweit nichts anderes vereinbart, verpflichtet, die Weisungen des Treugebers zu beachten, jedoch nur in den Grenzen der Gesetze sowie seiner gesellschafterlichen Treuepflicht (§ 14 Rn 29 ff). Mit der Beendigung des Treuhandverhältnisses ist der Treugeber nicht ipso iure Gesellschafter, vielmehr ist förmliche Abtretung des Geschäftsanteils an ihn erforderlich (§ 15 Rn 107 ff). In Betracht kommt allerdings eine – vor allem haftungsrechtliche – Gleichstellung des Treugebers5 als wirtschaftlichem Gesellschafter (vgl dazu § 9a Rn 13; § 14 Rn 27 ff; § 19 Rn 11; § 24 Rn 13; § 31 Rn 21; § 47 Rn 16). Entgegen verbreiteter Kritik im Schrifttum6 ist diese Rspr des BGH nicht nur zutreffend, sondern sollte speziell im Bereich der Haftung für Verbindlichkeiten der Vor-GmbH noch ausgebaut werden7.

2. Der Gesellschaftsvertrag (Satzung) Literatur: Bayer Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen im Ausland nach der MoMiG-Reform, GmbHR 2013, 897; Benecke Auslandsbeurkundung im GmbH-Recht: Anknüpfung und Substitution, RIW 2002, 280; Dignas Die Auslandsbeurkundung im deut1 MünchKomm/J. Mayer Rn 103; U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 40; ausführlich Staudinger/Reimann 2012, § 2205 BGB Rn 92 ff, 108 ff. 2 BayObLG NJW 1976, 1692, 1693; BayObLG GmbHR 1991, 572; U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 40; MünchKomm/J. Mayer Rn 103 mwN; restriktiver Scholz/Emmerich Rn 48; B/H/ Fastrich § 1 Rn 46; R/A/Roth Rn 26 (generell unzulässig); so auch schon KGJ 33, 135, 137 f. 3 Ausführlich MünchKomm/J. Mayer Rn 104 ff; vgl auch Wälzholz VGR Bd 20 (2015), S. 67, 90 ff. 4 Eingehend MünchKomm/J. Mayer Rn 117 ff; vgl weiter R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 27 ff. 5 BGHZ 31, 258 ff; bestätigt BGHZ 118, 107 ff; vgl weiter Köhl GmbHR 1998, 119. 6 U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 72 ff; B/S/Schäfer Rn 83; Scholz/Emmerich Rn 54. 7 Dazu Bayer/Pielka LM § 11 GmbHG Nr. 42; vorsichtiger BGH GmbHR 2001, 432; differenziert MünchKomm/J. Mayer Rn 141 ff.

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§ 2 | Form des Gesellschaftsvertrages schen GmbH-Recht, GmbHR 2005, 139; Dürr Die nach- bzw nicht-bevollmächtigte Einpersonen-Gründung einer GmbH, GmbHR 2008, 408; Goette Auslandsbeurkundungen im Kapitalgesellschaftsrecht, DStR 1996, 709 = FS Boujong, 1996, S. 131; Grooterhorst Gründungsmängel und ihre Folgen bei der Einmann-GmbH, NZG 2007, 605; Grunewald Die Auslegung von Gesellschaftsverträgen und Satzungen, ZGR 1995, 68; Priester Die Gestaltung von GmbH-Verträgen, 1990; Reithmann Substitution bei Anwendung der Formvorschriften des GmbH-Gesetzes, NJW 2003, 385; Stenzel Formfragen des internationalen Gesellschaftsrechts – Konstellationen, Stellungnahme und Praxisempfehlungen, GmbHR 2014, 1024; Stenzel Vollmachtmängel bei der GmbH-Gründung, GmbHR 2015, 567.

16 a) Rechtsnatur: Bei der Gründung besteht der Gesellschaftsvertrag aus zwei Tei-

len1: (1) Einigung der Gründer über die Errichtung der GmbH; sie ist ein schuldrechtlicher, mehrseitiger, aber nicht gegenseitiger Vertrag, und verpflichtet die Gründer zur Mitwirkung bis zur Eintragung der GmbH im Handelsregister; (2) „Verfassung“ der GmbH, die ihre Organisation und die mitgliedschaftlichen Rechte und Pflichten der Gesellschafter zur GmbH und untereinander regelt (korporative Satzung). Nach Entstehung der Gesellschaft ist nur noch die Satzung – gelegentlich auch Statut genannt2 – von Interesse. Zum Inhalt des Gesellschaftsvertrages: ausführlich § 3 Rn 1, 8 ff.

17 Darüber hinaus kann der Gesellschaftsvertrag (schuldrechtlich) Individualver-

einbarungen einzelner oder auch aller Gesellschafter enthalten, zB Stimmbindung, persönliches Vorkaufsrecht (ausführlich § 3 Rn 59 ff); sie sind nur unechter, formeller, nicht materieller Teil der Satzung. Näher zum zwingenden und fakultativen Inhalt der Satzung § 3 Rn 6 ff, 21 ff.

18 Die Einpersonengesellschaft wird durch einseitige rechtsgeschäftliche Errich-

tungserklärung gegenüber dem Notar gegründet3.

19 b) Auslegung: aa) Die Satzung schafft objektives Recht auch gegenüber Dritten

(Gläubigern, künftigen Gesellschaftern); sie ist daher aus sich selbst heraus und sonst nur nach allgemein zugänglichen, sie betreffenden Unterlagen (Handelsregister und Registerakten)4 auszulegen (objektiver Erklärungswert)5; der Wille der Gründer und ihre für Dritte nicht erkennbaren Vorstellungen können nicht herangezogen werden6; es gelten die gleichen Grundsätze wie bei der Auslegung

So auch MünchKomm/J. Mayer Rn 4; Scholz/Emmerich Rn 3; R/A/Roth Rn 10. Zu Terminologie und Rechtsnatur ausführlich K. Schmidt GesR § 5 I. U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 6; MünchKomm/J. Mayer Rn 10. BGH GmbHR 1983, 196. BGH GmbHR 2012, 92 Rn 8; OLG Köln GmbHR 1999, 712; R/A/Roth Rn 16; B/H/Fastrich Rn 29. 6 BGHZ 116, 359, 364 = GmbHR 1992, 257, 258; für AG auch BGHZ 123, 350 – IBH; OGH AG 1998, 199 f; OLG Nürnberg GmbHR 2014, 310 ; aA Grunewald ZGR 1995, 68, 86 f; Fleischer DB 2013, 1466; Schockenhoff ZGR 2013, 76; Scholz/Emmerich Rn 38; differenzierend Peres FS Spiegelberger, 2009, S. 863 ff.

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von Gesetzen1 und deren freie Nachprüfung durch das Revisionsgericht2. Auf den speziellen Charakter der GmbH („kapitalistisch“ bzw „personalistisch“) kommt es grundsätzlich nicht an3; es ist auch nicht zwischen notwendigen und fakultativen materiellen Satzungsregeln (dazu § 3 Rn 1 ff) zu differenzieren4. Unbeachtlich ist daher vor allem auch die Entstehungsgeschichte der Satzung, ihre Entwürfe etc5, soweit es sich nicht ausnahmsweise (nur) um gesellschaftsinterne Probleme unter Gründungsgesellschaftern handelt6, ein Wechsel der Gesellschafter also noch nicht stattgefunden hat7 oder die betreffende Regelung für später hinzukommende Gesellschafter nicht gelten soll8. Auch für die VorratsGesellschaft (AG) hat der BGH objektive Satzungsauslegung angenommen9. bb) Für schuldrechtliche Nebenabreden (§ 3 Rn 59 ff) gilt das nicht; sie sind 20 nicht Teil der Satzung im materiellen Sinne; maßgebend dafür sind daher die allgemeinen Regeln der Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB), insbesondere also der übereinstimmende Wille der Beteiligten10. Für die Auslegung der Satzung sind solche Nebenabreden indes grundsätzlich unbeachtlich (ausführlich § 3 Rn 68). c) Form: aa) Der Gesellschaftsvertrag bedarf nach § 2 Abs. 1 Satz 1 der notariel- 21 len Form, nach § 2 Abs. 1 Satz 2 der Unterzeichnung durch sämtliche Gesellschafter. Dies bedeutet in Beachtung der §§ 6 ff BeurkG: Der Notar fertigt über den gesamten Gesellschaftsvertrag (inkl der Übernahme- bzw Beitrittserklärungen) eine notarielle Niederschrift an, die nach Verlesen (und Belehrung11) durch den Notar von den Beteiligten (zur Vertretung: Rn 32 ff) zu genehmigen und dann eigenhändig zu unterschreiben ist (vgl §§ 9, 13 BeurkG). Da die Satzungsbestimmungen von den übrigen Vertragsbestimmungen (sog „Mantel“; dazu auch § 3 Rn 17) getrennt werden sollen12, ist es in der Praxis üblich, dass der Gesellschaftsvertrag der Niederschrift als Anlage beigefügt wird13 (vgl § 9 1 NJW 1969, 131; B/H/Fastrich Rn 31; Michalski/Michalski Rn 5; aA R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 78. 2 BGHZ 14, 25, 36; ZIP 1993, 1709, 1711; zustimmend U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 206. 3 GmbHR 1982, 129, 130; GmbHR 1990, 75; OLG Düsseldorf GmbHR 1987, 475; R/A/ Roth Rn 17; U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 195. 4 Ebenso B/H/Fastrich Rn 30; U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 195. 5 BGH GmbHR 1983, 196; kritisch R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 81. 6 Beispiel BGH GmbHR 1990, 77; zustimmend R/A/Roth Rn 17. 7 Insoweit zutreffend Grunewald ZGR 1995, 68, 87; Scholz/Emmerich Rn 38; Oppenländer DStR 1996, 922. 8 Zutreffend Priester FS Claussen, 1997, S. 319 ff. 9 NZG 2008, 309; dazu Haar NZG 2008, 494 ff. 10 WM 1973, 510, 511; BayObLG GmbHR 1979, 139 f; B/H/Fastrich Rn 32; U/H/L/Ulmer/ Löbbe Rn 205. 11 Dazu näher MünchKomm/J. Mayer Rn 34 ff. 12 Vgl auch OLG Frankfurt DB 1981, 1183; Röll GmbHR 1982, 251, 254. 13 Dazu auch Armbrüster/Preuß/Renner/Renner BeurkG, 7. Aufl 2015, § 9 BeurkG Rn 31.

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§ 2 | Form des Gesellschaftsvertrages Abs. 1 Satz 2 BeurkG)1. Durch die Verweisung in der Haupterklärung werden die Erklärungen in der Anlage Bestandteil der gesamten notariellen Niederschrift; sie sind daher ebenfalls zu verlesen und zu genehmigen2. Eine gesonderte Unterschrift der Anlage durch die Beteiligten ist hingegen nicht erforderlich; ausreichend ist die Unterschrift unter das Hauptprotokoll3. Hierdurch wird den Anforderungen des § 2 Abs. 1 Satz 2 genügt4. 22 Beurkunden kann jeder deutsche Notar, und zwar unabhängig davon, ob der Sitz

der GmbH zu seinem Amtsbereich (vgl § 10a Abs. 2 BNotO) gehört5. Gleichzeitige Anwesenheit aller Gründer bzw Vertreter ist nicht erforderlich (vgl § 128 BGB und e contrario § 925 BGB)6; daher ist auch Sukzessiv-Beurkundung7 (ggf auch vor verschiedenen Notaren8) möglich9. Eine Eintragung der GmbH im Handelsregister kann allerdings erst erfolgen, wenn alle Gesellschafter wirksam beigetreten sind; eine sog Stufengründung ist somit nicht möglich10.

23 bb) Zweck der notariellen Form ist einerseits der Schutz des Rechtsverkehrs

durch Rechtssicherheit11, andererseits aber auch Individualschutz durch Warnung und rechtliche Beratung der Gründer12. Seit BGHZ 105, 324 ist anerkannt, dass für Rechtsgeschäfte, welche die Verfassung der Gesellschaft betreffen, die notarielle Beurkundung mit ihrer Belehrungs- und Prüfungspflicht auch den Zweck der materiellen Richtigkeitsgewähr gewährleisten soll13. Daher hat der Gesetzgeber auch bei der „vereinfachten Gründung“ (Rn 50 ff) an der Beurkundungspflicht festgehalten und keine bloße Beglaubigung der Unterschriften (§ 129 BGB) genügen lassen (näher Rn 50, Rn 68)14.

1 MünchKomm/J. Mayer Rn 28; S/I/Pfisterer Rn 16. 2 MünchKomm/J. Mayer Rn 28; U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 18; unscharf Scholz/Emmerich Rn 14. 3 MünchKomm/J. Mayer Rn 28; R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 45. 4 Explizit MünchKomm/J. Mayer Rn 33. 5 MünchKomm/J. Mayer Rn 26; R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 39. 6 R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 37; MünchKomm/J. Mayer Rn 29. 7 Zu Einzelheiten: MünchKomm/J. Mayer Rn 29; U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 15. 8 R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 37; MünchKomm/J. Mayer Rn 29. 9 Zur Dogmatik ausführlich MünchKomm/J. Mayer Rn 30. 10 R/A/Roth Rn 19; Scholz/Emmerich Rn 16; MünchKomm/J. Mayer Rn 31. 11 R/A/Roth Rn 24; Scholz/Emmerich Rn 13; S/I/Pfisterer Rn 13. 12 Wicke ZIP 2006, 977 f; MünchKomm/J. Mayer Rn 22; vgl auch OLG Schleswig NZG 2005, 89. 13 BGHZ 105, 324, 338 = GmbHR 1989, 25, 29; MünchKomm/J. Mayer Rn 22; R/A/Roth Rn 23; U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 13; tendenziell auch Scholz/Emmerich Rn 13; B/S/Schäfer Rn 24. 14 Vgl auch BGHZ 105, 324, 338 = GmbHR 1989, 25, 29; MünchKomm/J. Mayer Rn 22.

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Die notarielle Form kann gemäß § 127a BGB durch einen gerichtlichen Ver- 24 gleich, der die Erklärungen protokolliert1, sowie gemäß § 1053 Abs. 3 ZPO durch einen Schiedsspruch mit vereinbartem Inhalt ersetzt werden2. cc) Die notarielle Form ist maßgebend für alles, was zum Inhalt des Gesell- 25 schaftsvertrages gehört (dazu Rn 16 und § 3), also für alle statutarischen Regelungen inkl mitgliedschaftlicher Sonderrechte3, nicht aber für schuldrechtliche Individualvereinbarungen unter den Gesellschaftern4, zB für Leistungspflichten, die weder Einlage noch Nebenverpflichtung sind (vgl auch § 3 Rn 59)5. Zur Frage der Beurkundungsbedürftigkeit von Schiedsgerichtsklausel bzw Schiedsordnung: § 3 Rn 111 ff. dd) Änderungen und Ergänzungen des Gesellschaftsvertrages bis zur Eintra- 26 gung der GmbH unterliegen nach hM ebenfalls der Form des § 2, dh es gilt stets Einstimmigkeit (Rn 48; vgl auch – zum Gesellschafterwechsel – § 11 Rn 12 ff sowie § 15 Rn 6). ee) Beurkundung im Ausland durch ausländischen Notar6 ist grundsätzlich 27 nicht zulässig, da für die Form der Gründung nach zutreffender hM allein das Gesellschaftsstatut als Wirkungsstatut (= Geschäftsstatut) gemäß Art. 11 Abs. 1 Alt. 1 EGBGB maßgeblich ist7, hingegen nicht wahlweise auch die Ortsform8 gemäß Art. 11 Abs. 1 Alt. 2 EGBGB9 (streitig bei der Parallelproblematik bei der Abtretung des Geschäftsanteils: § 15 Rn 27 ff). Die alleinige Maßgeblichkeit des 1 MünchKomm/J. Mayer Rn 25; Scholz/Emmerich Rn 17. 2 U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 16; anders bei gezielter Umgehung der notariellen Form: OLG München GmbHR 2005, 1568; dazu auch Schroeter SchiedsVZ 2006, 298, 305. 3 BGH NJW 1969, 131; B/H/Fastrich Rn 12; Waldenberger GmbHR 1997, 49 f. 4 U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 27; B/H/Fastrich Rn 12; abweichend MünchKomm/J. Mayer Rn 40 ff. 5 BGH BB 1969, 1410 f; BGH BB 1977, 1729 f; BGH DB 1993, 829 f; vgl auch RG JW 1930, 2676 (Wettbewerbsverbot). 6 Ausführlich zur Problematik Bayer GmbHR 2013, 897 ff; Brück DB 2004, 2409 ff; Dignas GmbHR 2005, 139 ff; MünchKomm/J. Mayer Rn 44 ff. 7 Wie hier B/H/Fastrich Rn 9; R/A/Roth Rn 23; U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 19; MünchKomm/ J. Mayer Rn 44; Bayer/Meier-Wehrsdorfer in Hauschild/Kallrath/Wachter, Notarhdb Gesellschafts- und Unternehmensrecht, § 9 Rn 6; Goette MittRhNotK 1997, 1 ff; Stenzel GmbHR 2014, 1024, 1031; vgl weiter LG Augsburg GmbHR 1996, 941 (Verschmelzung); LG Kiel GmbHR 1997, 952 (Verschmelzung); AG Köln GmbHR 1990, 172 (Gewinnabführungsvertrag); OLG Hamm NJW 1974, 1057 mit zustimmender Anm H. Schmidt DB 1974, 1216 ff (Satzungsänderung); OLG Karlsruhe RIW/AWD 1979, 567, 568 (Satzungsänderung); LG Mannheim IPRspr 1999 Nr. 23 (Kapitalerhöhung); für AG auch Großkomm/Röhricht/Schall § 23 AktG Rn 68 ff; MünchKomm/Pentz § 23 AktG Rn 30; Hüffer/Koch § 23 AktG Rn 10. 8 So explizit jüngst auch AG Charlottenburg GmbHR 2016, 223 mit Anm Wösthoff. 9 So aber MünchKomm/Spellenberg Art. 11 EGBGB Rn 179 ff; Erman/Hohloch Art. 11 EGBGB Rn 3; Palandt/Thorn Art. 11 EGBGB Rn 1 f mwN.

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§ 2 | Form des Gesellschaftsvertrages Gesellschaftsstatuts folgt aus der analogen Anwendung von Art. 11 Abs. 4 EGBGB. Dass die Ortsform bei der Gründung der GmbH dem Schutzzweck des GmbHG nicht genügt, formuliert bereits BegrRegE zum Gesetz vom 25.7.1986, BGBl I 1142 (Änderung Art. 11 EGBGB)1 und wird auch im vorliegenden RefE für ein Gesetz zum Internationalen Privatrecht der Gesellschaften, Vereine und juristische Personen so gesehen2. Soweit die frühere Rechtsprechung gemäß Art. 11 Abs. 1 Satz 2 EGBGB aF die Ortsform für statusrelevante gesellschaftsrechtliche Vorgänge für zulässig erachtet hat3, konnte sie diesen erklärten Willen des Gesetzgebers noch nicht berücksichtigen4. 28 Allerdings ist die Beurkundung im Ausland nach hM dann wirksam, wenn die

inländische Formvorschrift durch die Beurkundung des ausländischen Notars substituiert wird5; dies ist jedoch nur dann möglich, wenn der Beurkundungsvorgang nach dem ausländischen Ortsrecht der inländischen notariellen Beurkundung in etwa gleichwertig ist6. Voraussetzung hierfür sind nach einer auf Vorlage des OLG Stuttgart7 ergangenen (älteren) Grundsatzentscheidung des BGH8 (dazu näher § 15 Rn 28 ff) zum einen dem deutschen Recht ähnliche haftungsrechtliche Regelungen, zum anderen vergleichbare Prüfungs- und Belehrungspflichten, nicht hingegen auch vergleichbare Kenntnisse des deutschen Rechts9. Insbesondere sollen die Gesellschafter nach Ansicht des BGH auf die Belehrung nach § 17 BeurkG verzichten können und dies konkludent durch die Beurkundung im Ausland tun10 (allerdings betraf der Sachverhalt den Sonderfall einer Satzungsänderung durch die einzige GmbH-Gesellschafterin einer AG mit Sitz in Zürich11).

1 BT-Drucks 10/504, S. 49, wonach Art. 11 EGBGB „nicht die Form von Vorgängen regelt, die sich auf die Verfassung von Gesellschaften und juristischen Personen bezieht“. 2 Vgl Leuering ZRP 2008, 73, 77; C. Schneider BB 2008, 566, 574; jüngst wieder Bayer GmbHR 2013, 897, 903 mwN. 3 So dezidiert etwa BayObLG GmbHR 1978, 39; OLG Stuttgart Justiz 1981, 19 = NJW 1981, 1176 (LS); OLG Frankfurt DNotZ 1982, 186; obiter in der Tendenz auch BGHZ 80, 76, 78 = GmbHR 1981, 238 (Satzungsänderung). 4 Ausnahme OLG Düsseldorf GmbHR 1990, 169 (Kapitalerhöhung); dagegen zutreffend die Kritik von Goette MittRhNotK 1997, 1, 3. 5 Zur Substitution näher Bayer GmbHR 2013, 897, 909 ff; MünchKomm/J. Mayer Rn 46 ff. 6 MünchKomm/J. Mayer Rn 46; B/H/Fastrich Rn 9; Scholz/Emmerich Rn 18b. 7 OLG Stuttgart Justiz 1980, 19 = NJW 1981, 1176 (LS) (wegen Abweichung zu OLG Hamm NJW 1974, 1057). 8 BGHZ 80, 76, 78 ff = GmbHR 1981, 238 (für Satzungsänderung). 9 Ebenso: LG Nürnberg GmbHR 1991, 582; B/H/Fastrich Rn 9; MünchKomm/Pentz § 23 AktG Rn 30; Palandt/Thorn Art. 11 EGBGB Rn 10; Bamberger/Roth/Mäsch Art. 11 EGBGB Rn 66; ausführlich Benecke RIW 2002, 280, 283 ff. 10 BGHZ 80, 76, 79 = GmbHR 1981, 238. 11 Dazu Geimer DNotZ 1981, 406 ff.

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Eine Gleichwertigkeit wurde in der Rspr bejaht für Züricher1 und Basler2 Nota- 29 re, für den kalifornischen notary public hingegen zutreffend verneint3. Hingegen betraf die häufig zitierte Entscheidung des OLG München4 die notarielle Beurkundung eines Kaufvertrages über Geschäftsanteile gemäß § 15 Abs. 4 Satz 1 durch einen Basler Notar (dazu ausführlich § 15 Rn 27 ff). Eine allgemeine Aussage, dass Beurkundungen in der Schweiz und in allen Ländern mit sog lateinischem Notariat (romanischer Rechtskreis) das Gleichwertigkeitserfordernis erfüllen5, lässt sich jedoch bereits für die Abtretung eines GmbH-Geschäftsanteils nach dem aktuellen Stand der Diskussion nicht (mehr) aufrechterhalten6 (vgl § 15 Rn 33); erst recht gilt dies für die GmbH-Gründung. Hinzu kommt als genereller Einwand, dass der Standpunkt der bislang hM die 30 bestehenden Rechtsunterschiede zu wenig berücksichtigt. Denn in der neueren Rspr des II. ZS des BGH wird der Zweck der notariellen Beurkundung des Gesellschaftsvertrages mit „Beweissicherungs- und damit Rechtssicherheitsgründen“ sowie der „materiellen Richtigkeitsgewähr“ und weiterhin der „Gewährleistung einer Prüfungs- und Betreuungsfunktion“ gekennzeichnet7. Die bisherige hM wird daher teilweise heftig kritisiert und in Frage gestellt8. Auch einige Instanzgerichte haben die Gleichwertigkeit der Beurkundung bereits verneint9, gerade jüngst wieder das AG Charlottenburg in einem ausführlich begründeten Beschluss10. Im Ergebnis wird man daher nach dem heutigen Stand der Diskussion die Beurkundung der GmbH-Gründung durch den ausländischen Notar im

1 BGHZ 80, 76, 78 = GmbHR 1981, 238, 239 (Satzungsänderung); LG Köln GmbHR 1990, 171 (Verschmelzung). 2 OLG Frankfurt GmbHR 2005, 764, 767 (Treuhand Geschäftsanteil) mit Anm Werner. 3 OLG Stuttgart GmbHR 2000, 721, 724 f mit Anm Emde. 4 OLG München GmbHR 1998, 46. 5 In diesem Sinne Palandt/Thorn Art. 11 EGBGB Rn 9; vgl auch Löber RIW 1989, 94 ff; Engel DStR 2008, 1593 ff; für die AG auch MünchKomm/Pentz § 23 AktG Rn 35. 6 So für die Anteilsabtretung zutreffend MünchKomm/Reichert/Weller § 15 Rn 151; U/H/L/Ulmer/Löbbe § 15 Rn 137 mwN. 7 So BGHZ 105, 324, 338 = GmbHR 1989, 25, 29 (für Satzungsänderung bzw Unternehmensvertrag), allerdings ohne Auseinandersetzung mit der zitierten Entscheidung BGHZ 80, 76 = GmbHR 1981, 238. 8 Vgl U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 20 f; B/S/Schäfer Rn 34; MünchKomm/J. Mayer Rn 46 ff; Goette DStR 1996, 709 ff; Heckschen DB 1990, 161 ff; Reithmann NJW 2003, 385, 386 ff; für die AG auch noch Großkomm/Röhricht 4. Aufl, § 23 AktG Rn 49 ff, 56 (abweichend nunmehr aber Großkomm/Röhricht/Schall § 23 AktG Rn 75 ff); OLG Hamburg DB 1993, 1232, 1233. 9 LG Augsburg GmbHR 1996, 941 (Verschmelzung/Zürich); AG Köln = GmbHR 1990, 171 (Verschmelzung/Zürich); AG Köln GmbHR 1990, 172 (GAV/Zürich); LG Mannheim IPRspr 1999 Nr. 23 (Kapitalerhöhung/Basel). 10 AG Charlottenburg GmbHR 2016, 223, 224 f mit Anm Wösthoff.

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§ 2 | Form des Gesellschaftsvertrages Zweifel für unzulässig erachten müssen1. An diesem Ergebnis hat auch die BGH-Entscheidung vom 17.12.20132 nichts geändert (dazu näher § 15 Rn 34). Zulässig und wirksam ist hingegen die Beurkundung des Gesellschaftsvertrages im Ausland vor einem hierfür zuständigen3 deutschen Konsul4. 31 Ist die Form gewahrt, dann darf der Gesellschaftsvertrag auch in ausländischer

Sprache formuliert sein, sofern dem Registergericht eine Übersetzung beigelegt wird5.

32 d) Abschluss durch Bevollmächtigte ist zulässig (§ 2 Abs. 2). Die Vollmacht be-

darf allerdings – in Abweichung zu § 167 Abs. 2 BGB – notarieller Beurkundung (§ 128 BGB, §§ 8 ff BeurkG) oder Beglaubigung6 (§ 129 BGB, §§ 39, 40 BeurkG)7. Besondere Vollmacht ist nicht erforderlich, Generalvollmacht in entsprechender Form und Prokura genügen8, nicht aber Handlungsvollmacht9. Mehrfachvertretung ist (nur) bei Befreiung von § 181 BGB möglich; dabei ist ebenfalls Form des § 2 Abs. 2 einzuhalten10 und kann nicht dadurch umgangen werden, dass ein nicht befreiter Vertreter einem Dritten Untervollmacht erteilt11.

33 Gesetzliche Vertreter (Eltern, Vormund) und Organe einer juristischen Person

bedürfen keiner Vollmacht, sondern müssen nur ihre gesetzliche Vertretungsmacht nachweisen12 (Bestätigung durch Familiengericht im Original13, Auszug aus dem Handelsregister). Dies gilt grundsätzlich auch für Vertreter der öffentlichen Hand14.

34 Wirksamkeit des Handelns eines Vertreters ohne (wirksame) Vertretungs-

macht hängt von der Genehmigung des Vertretenen ab (§ 177 BGB), die nach

1 Ausführlich Bayer/Meier-Wehrsdorfer in Hauschild/Kallrath/Wachter, Notarhdb Gesellschafts- und Unternehmensrecht, § 9 Rn 7 ff; Bayer GmbHR 2013, 897, 909 ff; aA jedoch Stenzel GmbHR 2014, 1024, 1031 f; R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 42; für AG auch MünchKomm/Pentz § 23 AktG Rn 33 ff; K. Schmidt/Lutter/Seibt § 23 AktG Rn 17. 2 BGH GmbHR 2014, 248; dazu Herrler GmbHR 2014, 225 ff; Albers GmbHR 2014, R 289; Hermanns RNotZ 2014, 229 ff; Lieder/Ritter Notar 2014, 187 ff. 3 Näher U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 12; Scholz/Emmerich Rn 17. 4 Vgl §§ 10, 19, 24 KonsularG v. 11.9.1974, BGBl I 2317. 5 LG Düsseldorf GmbHR 1999, 609 f; B/H/Fastrich Rn 9; R/A/Roth Rn 25. 6 MünchKomm/J. Mayer Rn 65; U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 31. 7 Zur Vollmacht einer Behörde durch öffentliche Urkunde: OLG Düsseldorf GmbHR 1998, 238 f. 8 MünchKomm/J. Mayer Rn 69; R/A/Roth Rn 29. 9 MünchKomm/J. Mayer Rn 69; ähnlich U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 34 mwN. 10 R/A/Roth Rn 31; MünchKomm/J. Mayer Rn 70 mwN. 11 BGHZ 64, 72, 76 f; MünchKomm/J. Mayer Rn 70; Stenzel GmbHR 2011, 1129, 1131; differenzierend Ising NZG 2011, 841 ff. 12 MünchKomm/J. Mayer Rn 71; B/H/Fastrich Rn 24. 13 Richtig MünchKomm/J. Mayer Rn 71. 14 Näher MünchKomm/J. Mayer Rn 71; U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 37.

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heute hM der Form des § 2 Abs. 2 bedarf; § 182 Abs. 2 BGB findet also – anders als bei Gesellschafterbeschlüssen (§ 47 Rn 30) – keine Anwendung1, wohl aber für einen Minderjährigen, der nach Eintritt der Volljährigkeit selbst genehmigt2. Weiterhin kommt Nachgenehmigung durch den nunmehr wirksam bevollmächtigten Vertreter oder erneute Beurkundung in Betracht3. Bei EinpersonenGmbH4 ist zu beachten, dass § 180 Satz 1 BGB die Gründung durch einen vollmachtslosen Vertreter verbietet (§ 180 Satz 2 BGB kommt nicht zur Anwendung); es kommt also keine (rückwirkende) Genehmigung, sondern nur eine (wiederum formbedürftige5) Neuvornahme in Betracht6. Zur abweichenden Rechtslage bei der Satzungsänderung: § 53 Rn 97.

3. Der fehlerhafte Gesellschaftsvertrag Formmängel des Vertrages, seiner Änderung und einer Vollmacht sind unter- 35 schiedlich zu beurteilen, je nachdem, ob die Gesellschaft eingetragen ist oder nicht8. a) Bis zur Eintragung: Hier ist zu unterscheiden, ob die (Vor-)GmbH bereits in 36 Vollzug gesetzt worden ist oder nicht: Vor Invollzugsetzung führt das Fehlen oder die Unwirksamkeit einer notwendi- 37 gen Satzungsbestimmung gemäß § 3 Abs. 1 zur Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrages (§ 125 BGB)9; Gleiches gilt für jeden Formmangel10. Ist lediglich eine sonstige Satzungsbestimmung betroffen, kann der Vertrag ggf entgegen § 139 BGB im Übrigen aufrechterhalten werden11.

1 OLG Köln GmbHR 1995, 725 f; Scholz/Emmerich Rn 31; MünchKomm/J. Mayer Rn 72; aA H. Schmidt MDR 1995, 885, 889. 2 So auch BGH GmbHR 1980, 299; Scholz/Emmerich Rn 31; Michalski/Michalski Rn 34; aA MünchKomm/J. Mayer Rn 72; wohl auch R/A/Roth Rn 30. 3 MünchKomm/J. Mayer Rn 72; U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 32. 4 Dazu ausführlich Wachter GmbHR 2003, 660 ff. 5 OLG Stuttgart GmbHR 2015, 487, 488 mwN. 6 OLG Stuttgart GmbHR 2015, 487; LG Berlin GmbHR 1996, 123 f; R/A/Roth Rn 30; MünchKomm/J. Mayer Rn 74; zu Unrecht kritisch Dürr GmbHR 2008, 408 ff; aA Hasselmann ZIP 2012, 1947. 7 OLG Frankfurt GmbHR 2003, 415; vgl auch LG Hamburg GmbHR 1998, 987. 8 Dazu Anton GmbHR 1973, 75 ff; Paschke ZHR 155 (1991), 1 ff. 9 R/A/Roth Rn 34, 47. 10 MünchKomm/J. Mayer Rn 61; B/H/Fastrich Rn 14. 11 U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 28; B/H/Fastrich Rn 38; Scholz/Emmerich Rn 67; R/A/Roth Rn 47; weitergehend (generell keine Anwendung des § 139 BGB und daher stets für Teilwirksamkeit): MünchKomm/J. Mayer Rn 174; U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 139; B/S/ Schäfer Rn 113.

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§ 2 | Form des Gesellschaftsvertrages 38 Wurde die fehlerhafte Vor-GmbH in Vollzug gesetzt – sei es durch Auftreten

nach außen, sei es durch Einlageleistung, Beschlussfassung oder Registeranmeldung1 –, so finden die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft Anwendung2. Dies bedeutet: Die Gesellschaft wird als bestehend angesehen und die Gesellschafter können Mängel lediglich im Wege einer ex nunc wirkenden Auflösungserklärung (§ 723 Abs. 1 Satz 2 BGB analog3) der Gesellschaft geltend machen, solange die Mängel nicht geheilt wurden (zB durch Bestätigung)4. Bis zur Beseitigung der Mängel durch die Gesellschafter darf das Registergericht die GmbH indes nicht eintragen (§ 9c)5.

39 b) Nach der Eintragung: Formmängel6 – auch der Vollmacht7 – werden ge-

heilt8; die Nichtigkeitsklage nach § 75 kommt nur in den dort genannten Fällen in Betracht (näher § 75); somit berühren alle anderen Mängel die Wirksamkeit und den Bestand der GmbH nicht9. Entsprechendes gilt für die Amtslöschung nach § 397 FamFG sowie für die Auflösung nach § 399 FamFG10.

4. Die fehlerhafte Beitrittserklärung 40 a) Mitwirkung bei der Gründung und Beitritt zur GmbH sind bedingungsfeind-

liche Rechtsgeschäfte11; ein Verstoß dagegen und alle sonstigen rechtsgeschäftlichen Mängel (zB §§ 107, 117, 119 ff, 134, 138 BGB), auch alle Mängel der Vollmacht, können mit der regulären Nichtigkeitsfolge geltend gemacht werden, wenn die GmbH noch nicht in Vollzug gesetzt ist12.

41 b) Nach Invollzugsetzung der Vor-GmbH gelten nur noch die Grundsätze der

fehlerhaften Gesellschaft13 (dazu bereits Rn 38): Der Minderjährige/Geschäftsunfähige, der von einer Fälschung Betroffene und der zu Unrecht Vertretene sind frei (Ausgleich nach Bereicherungsrecht), alle anderen Mängel und ins1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

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Scholz/Emmerich Rn 69; R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 66. BGHZ 13, 320, 324; U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 29, 144; B/H/Fastrich Rn 39. Zum Streitstand MünchKomm/J. Mayer Rn 176. U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 144; Scholz/Emmerich Rn 69 f. Scholz/Emmerich Rn 19; B/H/Fastrich Rn 14; Michalski/Michalski Rn 26. BGHZ 21, 378, 383; R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 68; U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 30. U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 143; Scholz/Emmerich Rn 71, 32. MünchKomm/J. Mayer Rn 181; R/A/Roth Rn 34 (allgemeine Meinung). MünchKomm/J. Mayer Rn 181; S/I/Pfisterer Rn 35. Dies gilt nach KG GmbHR 2001, 33 auch bei Geschäftsunfähigkeit des einzigen Gründungsgesellschafters (dazu noch Rn 44, Rn 46). MünchKomm/J. Mayer Rn 181; Scholz/Emmerich Rn 71. So auch R/A/Roth Rn 13, 41; B/H/Fastrich Rn 44; MünchKomm/J. Mayer Rn 192. Scholz/Emmerich Rn 67 (unstreitig). OLG Dresden GmbHR 1998, 186, 189; ausführlich K. Schmidt GesR § 6 V 1; vgl weiter NJW 1992, 1501, 1502 (zur GbR).

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besondere solche aus §§ 119 ff BGB führen nur noch zur Liquidation der Vorgesellschaft, die von jedem Gesellschafter verlangt werden kann1. Solange der Mangel durch die Gesellschafter nicht behoben ist, hat das Register- 42 gericht die Eintragung abzulehnen2 (§ 9c). Jeder Gesellschafter kann die Eintragung mittels einstweiliger Verfügung (§§ 935 ff ZPO) unterbinden3. c) Ist die GmbH trotz des Mangels im Handelsregister eingetragen, dann sind 43 Formmängel des Beitritts (inkl der formnichtigen Vollmacht) geheilt4 (vgl Rn 39); Bedingungen/Befristungen gelten als nicht vereinbart5. Nicht geheilte materielle Mängel des Beitritts haben weder auf die Existenz der GmbH (§ 75 findet keine Anwendung) noch grundsätzlich auf die Existenz der Mitgliedschaft Einfluss6. Der betroffene Gesellschafter erlangt daher die Rechts- und Pflichtenstellung eines GmbH-Gründers, muss also insbesondere die Einlage leisten (zu Ausnahmen: Rn 44). Allerdings kommt ein Austrittsrecht (dazu § 34 Rn 70 ff) und ggf auch ein Schadensersatzanspruch (zB gegen einen arglistig täuschenden Mitgesellschafter, niemals aber gegen die GmbH) in Betracht7. aa) Diese Grundsätze gelten allerdings nach ganz hM dann nicht, wenn die Bei- 44 trittserklärung von einem Geschäftsunfähigen oder beschränkt Geschäftsfähigen (ohne wirksame Genehmigung) abgegeben wurde8; ebenso nicht im Falle eines durch Drohung oder Gewalt (§ 123 BGB) bewirkten Beitritts9 (unschädlich sind aber Dissens, Irrtum oder arglistige Täuschung10). Zwar kommt auch in diesem Fall die GmbH mit ihrer Eintragung zum Entstehen, allerdings ohne Begründung einer Mitgliedschaft des vorrangigen Schutz genießenden Gesellschafters. Gleiches gilt, wenn ein Vertreter ohne Vollmacht (oder mit gefälschter oder mit Drohung oder Gewalt erzwungener Vollmacht) gehandelt hat11; übrige Anfechtungsgründe bleiben auch hier außer Betracht.

1 Eingehend U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 94 ff; vgl auch BGH GmbHR 1988, 195; teilweise abweichend B/S/Schäfer Rn 115. 2 Scholz/Emmerich Rn 70; R/A/Roth Rn 48; U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 140. 3 Scholz/Emmerich Rn 70. 4 Scholz/Emmerich Rn 71; R/A/Roth Rn 40. 5 R/A/Roth Rn 41; U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 166 ff; Scholz/Emmerich Rn 82. 6 Allgemeine Meinung: Scholz/Emmerich Rn 80 ff; für die AG auch BGH WM 1992, 1812; Großkomm/Röhricht/Schall § 23 AktG Rn 280 ff. 7 Scholz/Emmerich Rn 85; MünchHdbGmbH/Freitag/Riemenschneider § 12 Rn 27; MünchKomm/J. Mayer Rn 181; für AG auch BGH AG 1976, 241 f; Großkomm/Röhricht/Schall § 23 AktG Rn 285. 8 R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 73; Scholz/Emmerich Rn 72; R/A/Roth Rn 39; vgl weiter BGH BGHZ 17, 160, 167 (zur KG); BGH NJW 1992, 1501, 1502 (zur GbR). 9 Scholz/Emmerich Rn 81; B/H/Fastrich Rn 44; R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 73. 10 BGH GmbHR 1975, 154; B/H/Fastrich Rn 44; MünchKomm/J. Mayer Rn 202. 11 U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 153; R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 73; R/A/Roth Rn 38.

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§ 2 | Form des Gesellschaftsvertrages 45 bb) Die Rechtsfolgen eines solchen unwirksamen Beitritts sind im Hinblick auf

die Kapitalaufbringung in der Praxis noch ungeklärt: Überwiegend wird davon ausgegangen, dass der unwirksam übernommene Geschäftsanteil ausfällt und somit das Stammkapital nicht zu 100 % belegt ist1; dem unwirksam beigetretenen Gesellschafter steht ein Bereicherungsanspruch (§ 812 BGB) auf Herausgabe seiner Einlage zu2. Eine Ausfallhaftung der übrigen Mitgesellschafter gemäß § 24 wird überwiegend abgelehnt3. Übernehmen allerdings weder die Mitgesellschafter noch ein Dritter die offene Stammeinlage, so muss das Amtsauflösungsverfahren gemäß § 399 FamFG stattfinden4. Eine Kapitalherabsetzung (unter Beachtung des Sperrjahres) ist zwar möglich5, aber nicht erforderlich; analog § 55 kann vielmehr die offene Stammeinlage durch Beschluss der Gesellschafter einem Erwerber zugewiesen werden, der den Differenzbetrag an die GmbH entrichtet6. Soweit zwischenzeitlich eine Unterbilanz bestand, gilt § 307; darüber hinaus kommt auch eine Haftung gemäß § 9a in Betracht8. An diesem bereits vor dem MoMiG entwickelten Lösungsweg ist trotz der Neuregelung in § 5 Abs. 3 Satz 2, wonach die Summe der Nennbeträge der Geschäftsanteile und des Nennbetrags des Stammkapitals nicht auseinanderfallen dürfen (dazu näher § 5 Rn 6), festzuhalten.

46 cc) Auch wenn alle Beitrittserklärungen unwirksam sind (praxisrelevant vor

allem für die Einpersonen-Gesellschaft)9, ist die im Handelsregister eingetragene GmbH nach hM nicht von Amts wegen mangels Gesellschafter zu löschen; in Betracht kommt auch hier allein eine Auflösung nach § 399 FamFG (streitig, vgl auch § 75 Rn 4)10.

1 R/A/Roth Rn 43; MünchKomm/J. Mayer Rn 197; B/H/Fastrich Rn 45; Scholz/Emmerich Rn 79. 2 R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 75; MünchKomm/J. Mayer Rn 196; Scholz/Emmerich Rn 78. 3 U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 106; B/H/Fastrich Rn 45; R/A/Roth Rn 42; Scholz/Emmerich Rn 79; aA MünchHdbGmbH/Freitag/Riemenschneider § 12 Rn 29. 4 B/H/Fastrich Rn 45; Scholz/Emmerich Rn 79; MünchHdbGmbH/Freitag/Riemenschneider § 12 Rn 29. 5 Dazu U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 112; R/A/Roth Rn 43. 6 Zutreffend U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 110; Scholz/Emmerich Rn 79; im Ergebnis auch B/H/Fastrich Rn 45; R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 75. 7 U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 107; Scholz/Emmerich Rn 79. 8 R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 75. 9 Beispiel KG GmbHR 2001, 33. 10 KG GmbHR 2001, 33; R/A/Roth Rn 45; U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 97; B/S/Schäfer Rn 116; Grooterhorst NZG 2007, 605 f; G/E/S/Schmitz Rn 47; aA B/H/Fastrich Rn 46; R/S-L/ Schmidt-Leithoff Rn 71.

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5. Vorvertrag In einem – nach § 2 formbedürftigen1 – Vorvertrag können sich die künftigen 47 Gesellschafter zur Errichtung einer GmbH verpflichten. Erforderlich ist, dass der Vorvertrag die zwingenden gesetzlichen Erfordernisse des Gesellschaftsvertrages einer GmbH enthält und die beabsichtigte Gründung so konkret bestimmt ist, dass im Streitfall ein Gericht den Inhalt des Gesellschaftsvertrages festlegen kann2. Der Vorvertrag begründet eine GbR mit dem einzigen Zweck, die vorgesehene GmbH zu gründen (sog Vorgründungs-Gesellschaft, dazu § 11 Rn 2 ff)3. Fehlt die Form, so kann sich jede Partei auf die Nichtigkeit des Vorvertrages (§ 125 BGB) berufen4; eine Haftung auf Schadensersatz scheidet in diesem Fall grundsätzlich aus5. Formbedürftig ist ebenso die Vollmacht zum Abschluss eines Vorvertrages6.

6. Änderung des Gesellschaftsvertrages vor Eintragung Die Änderung des Gesellschaftsvertrages vor Eintragung der GmbH im Han- 48 delsregister ist ohne Weiteres möglich, setzt aber nach hM die Mitwirkung aller Gesellschafter – soweit nicht der Gesellschaftsvertrag ausdrücklich hierfür eine Mehrheitsentscheidung ausreichen lässt7 – und die Beachtung der Form des § 2 voraus8. Der Gegenauffassung, wonach auch in der Vorgesellschaft die §§ 53 ff, insbesondere das Mehrheitsprinzip, gelten sollen9, ist aus Gründen des Gesellschafterschutzes nicht zu folgen10 (vgl auch zum Gesellschafterwechsel § 11 Rn 12 und § 15 Rn 6). Diese Grundsätze gelten auch, wenn der Gesellschaftsvertrag der GmbH in der Weise abgeändert wird, dass das Stammkapital auf unter 1 BGH GmbHR 1988, 98 f; Scholz/Emmerich Rn 91; R/A/Roth Rn 63. 2 U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 48, 55; BGH DB 1969, 1336; BGH WM 1976, 180 f; OLG Karlsruhe NJW-RR 1996, 997. 3 R/A/Roth Rn 68; U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 48 f; B/H/Fastrich Rn 36. 4 BGH GmbHR 1988, 98, 99; Scholz/Emmerich Rn 92. 5 B/H/Fastrich Rn 33; Scholz/Emmerich Rn 92; vgl auch BGH NJW 1996, 1884, 1885; zur Parallelproblematik des § 313 BGB aF auch ThürOLG NJW-RR 1999, 1687 ff; zu großzügig BGH GmbHR 1988, 98. 6 Scholz/Emmerich Rn 91 aE; B/H/Fastrich Rn 33; U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 53. 7 Richtig Scholz/Emmerich Rn 21; MünchKomm/J. Mayer Rn 57; R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 47. 8 OLG Köln GmbHR 1995, 725 f; OLG Köln NZG 2002, 870; U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 24; B/H/Fastrich Rn 13; MünchKomm/J. Mayer Rn 57; R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 47; R/A/ Roth Rn 27. 9 Priester ZIP 1987, 280, 282 ff; Scholz/K. Schmidt § 11 Rn 57; MünchHdbGmbH/Riemenschneider/Freitag § 5 Rn 56. 10 Ausführlich Meissner Die zeitliche Komponente der Satzungsänderung bei der GmbH, 2001, S. 44 ff.

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§ 2 | Form des Gesellschaftsvertrages 25 000 Euro reduziert und nunmehr eine UG gegründet wird1. Die hiergegen geltend gemachten Bedenken (Neugründung sei erforderlich)2, sind zu formal. Ist die GmbH bereits beim Handelsregister angemeldet, so genügt es, den neuen, wiederum formpflichtigen Gesellschaftsvertrag (§ 54 Abs. 1 Satz 2 ist entsprechend anzuwenden) formlos nachzureichen; erneute Anmeldung ist nicht erforderlich3.

7. Kosten 49 Für die Beurkundung des Gesellschaftsvertrages ist seit dem Inkrafttreten des

GNotKG zum 1.8.20134 im Falle der Mehrpersonengründung eine 2,0-Gebühr nach KV 21100, mindestens aber 120 Euro, bei einer Einpersonengründung indes nur eine 1,0-Gebühr nach KV 21200, mindestens aber 60 Euro, zu zahlen5. Der Geschäftswert berechnet sich gemäß § 97 Abs. 1 GNotKG nach dem Wert der Einlagen aller Gesellschafter (Besonderheiten bei Grundstückseinbringung gemäß § 46 GNotKG), beträgt mindestens jedoch 30 000 Euro, maximal 10 Mio Euro (§ 107 Abs. 1 Satz 1 GNotKG); Nebenleistungen gemäß § 3 Abs. 2 (dazu § 3 Rn 24 ff) werden hinzugerechnet6. Im Regelfall ist diese Gebührenregelung nicht europarechtswidrig, da es sich nicht um eine Steuer oder Abgabe iSv Art. 5 der Gesellschaftssteuerrichtlinie7 handelt (anders jedoch nach der Rspr des EuGH bei Beurkundung durch beamtete Notare8 – konkret: badischer Amtsnotar)9. Kostenschuldner sind die Gründungsgesellschafter (§§ 29 Nr. 1, 30 Abs. 1 GNotKG). Zu den Kosten für Anmeldung und Eintragung: § 7 Rn 2810.

8. Vereinfachte Gründung (Musterprotokoll) Literatur: Bayer/Hoffmann/J. Schmidt Satzungskomplexität und Mustersatzung. Eine Untersuchung vor dem Hintergrund des Regierungsentwurfs zum MoMiG, GmbHR 2007, 953; Bayer/Hoffmann Die Musterprotokoll-Unternehmergesellschaft (haftungsbe1 2 3 4 5 6 7

OLG Frankfurt GmbHR 2011, 984. So Wachter GmbHR 2011, 986 f. BayObLG DB 1978, 880; MünchKomm/J. Mayer Rn 58 mwN. BGBl I 2586; dazu Pfeiffer NZG 2013, 244; Melchior GmbHR 2013, 853. MünchKomm/J. Mayer Rn 256 f; R/A/Roth Rn 71; B/H/Fastrich Rn 48. Berechnungen bei Wachter GmbHR 2013, R 241. RL 2008/7/EG (ABlEU Nr. L 46 v. 21.2.2008, S. 11); früher: Art. 10 RL 69/335/EWG (ABlEG Nr. L 249 v. 3.10.1969, S. 25). 8 EuGH GmbHR 2002, 486 ff (dazu Römermann DB 2002, 836 ff; Görk ZIP 2002, 667 ff); EuGH GmbHR 2007, 1048. 9 Dazu OLG Karlsruhe GmbHR 2002, 1248 (zur Verschmelzung); OLG Karlsruhe GmbHR 2011, 378 (zur Verschmelzung); Sandweg NJW 2008, 410 ff. 10 Auch dazu Wachter GmbHR 2013, R 241.

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Form des Gesellschaftsvertrages | § 2 schränkt), GmbHR 2009, R 225; Bayer/Hoffmann/Lieder Ein Jahr MoMiG in der Unternehmenspraxis. Rechtstatsachen zu Unternehmergesellschaft, Musterprotokoll, genehmigtes Kapital, GmbHR 2010, 9; Blasche Musterprotokoll und Vertretungsmacht des bei der Gründung bestellten Geschäftsführers sowie etwaiger weiterer Geschäftsführer, GmbHR 2015, 403; Karsten Kann man eine GmbH auf einem Bierdeckel gründen?, GmbHR 2007, 958; Karsten Deregulierung der GmbH-Gründung, GmbHR 2006, 57; Katschinski/Rawert Stangenware versus Maßanzug: Vertragsgestaltung im GmbH-Recht nach Inkrafttreten des MoMiG, ZIP 2008, 1993; Lieder Das neue GmbH-Recht – Zweites Symposium des Instituts für Notarrecht an der Friedrich-Schiller-Universität am 20.4.2007 in Jena, DNotZ 2007, 412; Wälzholz Das MoMiG kommt: Ein Überblick über die neuen Regelungen, GmbHR 2008, 841; Wicke Abweichungen und Änderungen beim Musterprotokoll gemäß § 2 Abs. 1a GmbHG, DNotZ 2012, 15.

a) Überblick: Durch Einführung des Abs. 1a durch das MoMiG wird den Ge- 50 sellschaftern die Möglichkeit eröffnet, sich bei der Gründung eines beurkundungspflichtigen Musterprotokolls zu bedienen1 (Wahlrecht!). Diese Regelung geht auf die Gesetzesberatungen zurück2 und korrigierte insoweit den RegE3, der noch eine beurkundungsfreie Mustersatzung vorsah4. Auf die notarielle Beurkundung wird zutreffenderweise nicht verzichtet5. Das in der Anlage zum GmbHG enthaltene Musterprotokoll (hier im Anh zu § 2) fasst die im RegE vorgesehenen drei Dokumente (Gesellschaftsvertrag, Beschluss über Geschäftsführerbestellung und Gesellschafterliste) in einem Dokument zusammen6. Die Anmeldung ist hingegen nicht vorformuliert7. b) Gesetzeszweck und praktische Bedeutung: Die Einfügung des Abs. 1a und 51 mit ihm die Möglichkeit ein Musterprotokoll zu verwenden, soll zur Erleichterung der GmbH-Gründung bei „unkomplizierten Standardfällen“ führen8 und die Wettbewerbsfähigkeit der GmbH insbesondere gegenüber ausländischen Rechtsformen steigern9. Den Notaren wird ein beurkundungspflichtiges Musterprotokoll an die Hand gegeben, um die Dauer des Verfahrens auf wenige Tage zu verkürzen10. Auch wenn jede GmbH-Gründung im vereinfachten Verfahren erfolgen kann, so konzentriert sich doch die praktische Bedeutung (insbesondere auch aus Kostengründen, vgl Rn 71) auf die Einpersonengründungen von 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Vgl BR-Drucks 354/07(B), S. 1 f. BT-Drucks 16/9737, S. 4. BR-Drucks 354/07. Dazu Bayer/Hoffmann/J. Schmidt GmbHR 2007, 953 ff. In diese Richtung auch Bayer/Hoffmann/J. Schmidt GmbHR 2007, 953, 953; Karsten GmbHR 2007, 958 ff (auch zu den Mustersatzungen in Spanien und Frankreich). BT-Drucks 16/9737, S. 54; Fliegner DB 2008, 1668, 1668. Zur Anmeldung der Vertretungsbefugnis: OLG Stuttgart GmbHR 2009, 827; Wicke NotBZ 2009, 9; ausführlich hierzu § 10 Rn 6 f. BT-Drucks 16/9737, S. 54. BegrRegE BR-Drucks 354/07, S. 60. Gehb/Drange/Heckelmann NZG 2006, 88, 91; vgl aber auch Römermann GmbHR 2006, 673, 674.

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§ 2 | Form des Gesellschaftsvertrages UG1. Denn die Verwendung des Musterprotokolls lässt keine Freiheit für maßgeschneiderte und individuelle Gestaltungen, vor allem in Bezug auf zusätzliche Satzungsklauseln hinsichtlich Vinkulierung, Einziehung2 bzw Mindestquoren für die Beschlussfähigkeit usw, die sämtlich praxisrelevant sind3. Bei mehreren Gesellschaftern besteht die Gefahr, eine nicht den Bedürfnissen angemessene Satzung zu wählen4; dies gilt etwa auch im Hinblick auf den Ausschluss oder den Wechsel von Gesellschaftern (auch im Erbfall)5. Über das Musterprotokoll hinausgehender Regelungsbedarf ist nur durch schuldrechtliche Nebenvereinbarungen möglich6. Durch die Nutzung des Musterprotokolls wird die Gründung kaum erleichtert und vor allem in der Praxis nicht beschleunigt7. Eine fehlende Aufklärung der Gründer hinsichtlich der Kapitalaufbringung und -erhaltung kann später zu Schadensersatz oder strafrechtlicher Ahndung führen8. Es wäre daher besser gewesen, wenn der Gesetzgeber die vereinfachte Gründung auf die Einpersonengesellschaft beschränkt hätte; bereits hierdurch wäre ein großer Teil von GmbH- (oder UG-) Gründungen erfasst worden9. 52 c) Voraussetzungen für die Nutzung des Musterprotokolls ist, dass die Gesell-

schaft nicht mehr als drei Gesellschafter und einen Geschäftsführer hat (§ 2 Abs. 1a Satz 1), weiterhin, dass das in der Anlage bestimmte Protokoll verwendet wird (§ 2 Abs. 1a Satz 2) und dass keine vom Gesetz abweichenden Bestimmungen getroffen werden10 (§ 2 Abs. 1a Satz 3). Keine Abweichung liegt vor, wenn es sich um eine beurkundungsrechtlich gebotene Ergänzung11 oder um „völlig unbe-

1 Vgl die Stichprobe aus Thüringen bei Bayer/Hoffmann, GmbHR 2009, R 225 f: 78 % der UG-Einpersonengründungen im vereinfachten Verfahren; vgl weiter Bayer/Hoffmann/ Lieder GmbHR 2010, 9, 13; U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 137. 2 Daher kritisch, soweit das Musterprotokoll nicht auf Einpersonengesellschaften beschränkt wurde: Bayer/Hoffmann/J. Schmidt GmbHR 2007, 953, 957; Karsten GmbHR 2007, 958, 964; Katschinski/Rawert ZIP 2008, 1993, 1994. 3 Insgesamt entspricht nach einer empirischen Studie die Satzungskomplexität nur bei knapp 15 % der GmbH-Gründungen dem niedrigen Niveau des Musterprotokolls, vgl Bayer/Hoffmann/J. Schmidt GmbHR 2007, 953, 954 f; zustimmend MünchKomm/ J. Mayer Rn 254. 4 So auch Heckschen DStR 2007, 1442, 1444; Freitag/Riemenschneider ZIP 2007, 1485, 1487; kritisch auch Miras NZG 2012, 486, 488 f. 5 Bayer/Hoffmann/J. Schmidt GmbHR 2007, 953, 954; Wälzholz GmbHR 2008, 841, 843; vgl auch Stellungnahme BR, Drucks 354/07(B), S. 2. 6 Vgl auch die Stellungnahme BR, Drucks 354/07(B), S. 1, 61; Heckschen DStR 2007, 1442, 1443; U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 136. 7 MünchKomm/J. Mayer Rn 255; R/A/Roth Rn 57 aE; Miras NZG 2012, 486. 8 Bundesnotarkammer/Götte Stellungnahme 23.1.2008, S. 4; Deutscher Richterbund/ Kamphausen Stellungnahme MoMiG, S. 1. 9 Zahlenangaben bei Bayer/Hoffmann/J. Schmidt GmbHR 2007, 953, 955, 958. 10 OLG Bremen GmbHR 2009, 1210 = NJW 2010, 542 mit Anm Wachter. 11 OLG Düsseldorf GmbHR 2011, 1319, 1320; MünchKomm/J. Mayer Rn 231; U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 107 f, 126; Wälzholz MittBayNot 2008, 425, 427 f.

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deutende Abwandlungen bei Zeichensetzung, Satzstellung und Wortwahl, die keinerlei Auswirkungen auf den Inhalt haben“1, handelt, so etwa die Nennung des Orts der Verhandlung (§ 9 Abs. 2 BeurkG) oder die Angabe des Notars, wie er sich Gewissheit über die Beteiligten verschafft hat (§ 10 Abs. 2 BeurkG)2. Entscheidend ist allein der Zeitpunkt der Eintragung in das Handelsregister; unmittelbar im Anschluss können somit weitere Gesellschafter aufgenommen und/ oder weitere Geschäftsführer bestellt werden (dazu noch Rn 62 f)3. Das Musterprotokoll gliedert sich in einleitende allgemeine Angaben und sieben 53 Unterpunkte, welche Mindestinhalt, Angaben zu Gründungskosten, Abschriften und besondere Ergänzungen abdecken. Im Übrigen sind zwei Varianten zu unterscheiden, abhängig ob nur eine Person oder ob mehrere Gesellschafter (maximal drei) Gründer sind. Gesellschafter können nach dem amtlichen Formular sowohl natürliche als 54 auch juristische Personen sein; doch können auch alle rechtsfähigen Gesamthandsgemeinschaften (GbR, OHG, KG) eine GmbH im vereinfachten Verfahren gründen4, nicht hingegen nicht-rechtsfähige Gemeinschaften (wie zB Erbengemeinschaften; dazu Rn 12)5; ungeregelt ist allerdings, wie bei der GbR die Gesellschafter aufzuführen sind (dazu § 8 Rn 4), da hier keine eigenständige Gesellschafterliste erstellt wird (Rn 69). Stets kommt es nur auf die formale Gesellschafterstellung an6 (etwa im Falle der Treuhand). Bei der Berechnung der Anzahl der GmbH-Gesellschafter spielt die Zahl der Gesellschafter der jeweiligen Gesamthandsgemeinschaft generell keine Rolle7. Es kann entweder eine GmbH mit unbegrenztem Stammkapital8 oder eine UG 55 (haftungsbeschränkt) mit bis zu 24 999 Euro Stammkapital gegründet werden. d) Musterprotokoll für die Gründung einer Einpersonen-Gesellschaft: Einlei- 56 tend sind anzugeben: UR.-Nr., Datum, Name und Amtssitz des Notars, Name der natürlichen/juristischen Person, Angaben zur Identitätsfeststellung, Vertretung und bei natürlichen Personen zum Güterstand/Zustimmung des Ehegatten9. 1 2 3 4

5 6 7 8 9

So OLG München GmbHR 2010, 1262. Dazu näher Wicke DNotZ 2012, 15, 17; MünchKomm/J. Mayer Rn 232a. U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 103; MünchKomm/J. Mayer Rn 229. Heute nahezu unstreitig: MünchKomm/J. Mayer Rn 228; B/H/Fastrich Rn 17; R/A/Roth Rn 58; U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 101; S/I/Pfisterer Rn 46; B/S/Schäfer Rn 89; aA Heckschen DStR 2007, 1442, 1444; Noack DB 2007, 1395, 1398; für GbR auch Wälzholz GmbHR 2008, 841, 842; Scholz/Wicke Rn 99. Ausführlich U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 101 f; Scholz/Wicke Rn 99. U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 101; MünchKomm/J. Mayer Rn 227. MünchKomm/J. Mayer Rn 228; U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 101; S/I/Pfisterer Rn 46; R/A/ Roth Rn 58. MünchKomm/J. Mayer Rn 227. Ausführlich MünchKomm/J. Mayer Rn 236; Tebben RNotZ 2008, 441, 444.

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§ 2 | Form des Gesellschaftsvertrages 57 aa) Nr. 1–4 des Musterprotokolls umfassen den Mindestinhalt, vgl § 3 (s. § 3

Rn 6 ff): Firma, Sitz, Unternehmensgegenstand, Höhe des Stammkapitals, Höhe des Geschäftsanteils und zusätzlich Angaben zum Geschäftsführer.

58 bb) In Nr. 1 sind Firma und Sitz der Gesellschaft festzuhalten. Als statutarischer

Gesellschaftssitz ist ein Ort im Inland anzugeben, vgl § 4a; Verwaltungssitz ist hingegen heute auch im Ausland möglich (ausführlich § 4a Rn 1, Rn 5, Rn 15 f). Für die Firma gelten die allgemeinen Regeln des § 4 (s. § 4 Rn 3). Für die UG ist § 5a Abs. 1 zu beachten.

59 cc) Der Unternehmensgegenstand muss in Nr. 2 konkret benannt werden. Die im

MoMiG-RegE vorgesehene eingeschränkte Wahlmöglichkeit1 wurde nicht Gesetz. Es gelten vielmehr die allgemeinen Bestimmungen des § 3 Abs. 1 Nr. 2 (vgl dort).

60 dd) In Nr. 3 ist die Höhe des Stammkapitals der Gesellschaft einzutragen, wel-

ches bei der UG zwischen 1 Euro und 24 999 Euro liegen kann (vgl § 5a Rn 17) und bei der GmbH mindestens 25 000 Euro betragen muss, nach oben aber nicht begrenzt ist (vgl § 5 Rn 5). Ferner ist der Name desjenigen einzutragen, der den Geschäftsanteil übernimmt; es kann – in Abweichung zur Normalgründung (vgl § 5 Rn 7) – hier nur ein Geschäftsanteil übernommen werden2, dessen Nennbetrag mit der Höhe des Stammkapitals übereinstimmen und auf volle Euro lauten muss (so die allgemeine Regel gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 2).

61 Bei Verwendung des Musterprotokolls ist nur eine Bareinlage möglich. Bei ei-

ner GmbH-Gründung besteht die Wahlmöglichkeit zwischen der sofortigen vollständigen Erbringung und der Aufbringung zur Hälfte; die Reststammeinlage ist dann zu leisten, sobald es die Gesellschafterversammlung beschließt. Bei der UG muss die Einlage sofort in voller Höhe erfolgen. Für die Erfüllung der Bareinlageverpflichtung gelten die allgemeinen Regeln (dazu – auch zur verdeckten Sacheinlage – ausführlich § 19 Rn 12 ff)3.

62 ee) In Nr. 4 ist der Geschäftsführer mit Namen, Geburtstag und Wohnsitz zu

benennen. Es kann nur ein Geschäftsführer – auch ein Fremdgeschäftsführer (vgl § 6 Abs. 3) – bestellt werden; dieser ist zugleich von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit4. Es spricht allerdings nichts dagegen, nach Eintragung der Gesellschaft auch ohne Änderung des Gesellschaftsvertrages weitere Geschäftsführer zu bestellen5; denn die Geschäftsführer-Bestellung ist auch hier – wie im Dazu kritisch Breitenstein/Meyding BB 2007, 1457, 1457; Ries NotBZ 2007, 244. BT-Drucks 16/9737, S. 41; MünchKomm/J. Mayer Rn 242. Wälzholz GmbHR 2008, 841, 842; MünchKomm/J. Mayer Rn 243 f. Für alle: MünchKomm/J. Mayer Rn 247; vgl aus der Praxis Karsten GmbHR 2007, 958, 965. Kritisch Heckschen DStR 2007, 1442, 1444. Der BR plädierte sogar für eine generelle Befreiung von § 181 BGB als gesetzlicher Regelfall, vgl BR-Drucks 354/07(B), S. 16. 5 R/A/Roth Rn 56; B/S/Schäfer Rn 93; R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 95; großzügiger – sofort nach Errichtung des Musterprotokolls – MünchKomm/J. Mayer Rn 245; Wälzholz GmbHR 2008, 841, 842; für bedingte Bestellung, die nach Eintragung wirksam wird, B/H/Fastrich Rn 58.

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Form des Gesellschaftsvertrages | § 2

Fall der regulären Gründung (dazu § 3 Rn 45 sowie § 6 Rn 38) – kein materieller, sondern nur ein unechter Satzungsbestandteil1. Mit der Anmeldung können auch Prokuristen bestellt werden2. Für mehrere Geschäftsführer gilt dann (bis ggf zu einer späteren Satzungsände- 63 rung) zwingend gemäß § 35 Abs. 2 Satz 1 Gesamtvertretung3. Auch eine Befreiung von § 181 BGB kann für die neuen Geschäftsführer nur nach einer Satzungsänderung erfolgen (dazu § 3 Rn 55)4; die im Musterprotokoll für den (ersten) Geschäftsführer erfolgte Befreiung von § 181 BGB wirkt nicht fort im Hinblick auf später bestellte Geschäftsführer5; auch nicht für einen neuen Geschäftsführer, der den bisherigen Geschäftsführer ablöst6. Umgekehrt kann die Befreiung von § 181 BGB jederzeit durch einfachen Gesellschafterbeschluss aufgehoben werden7. Allerdings erscheint es zweifelhaft8, ob mit dem OLG Stuttgart bei der Bestellung weiterer Geschäftsführer auch die für den ersten Geschäftsführer erteilte Befreiung von § 181 BGB entfällt9. Zur Formulierung der Vertretungsregelung in der Anmeldung: § 10 Rn 6 f10. ff) In Nr. 5 erfolgt die Bestimmung, dass die Gesellschaft die Gründungskosten 64 bis zu einer Höhe von 300 Euro trägt, höchstens aber bis zur Höhe des Stammkapitals, wenn dieses (im Falle einer UG) niedriger ist. Darüber liegende Kosten trägt der Gesellschafter. Zu beachten ist folglich, dass ausreichendes Kapital vorhanden ist, da sonst ein Überschuldungstatbestand vorliegt, der zu einer Insolvenzantragspflicht führen kann11. 1 Wie hier OLG Bremen GmbHR 2009, 1210; MünchKomm/J. Mayer Rn 246; Scholz/Wicke Rn 100; ausführlich Blasche GmbHR 2015, 403, 406 mwN; aA noch Weigl Notar 2008, 378 ff. 2 Wicke Rn 17; R/A/Roth Rn 56. 3 OLG Celle GmbHR 2011, 305, 306; OLG Nürnberg GmbHR 2015, 1279, 1280; MünchKomm/J. Mayer Rn 245; Katschinski/Rawert ZIP 2008,1993, 1999. 4 Wälzholz MittBayNot 2008, 425, 427; MünchKomm/J. Mayer Rn 247; Scholz/Wicke Rn 101. 5 OLG Nürnberg GmbHR 2015, 1279, 1280; OLG Hamm GmbHR 2011, 708, 709; OLG Rostock GmbHR 2010, 872; OLG Stuttgart GmbHR 2009, 827; Scholz/Wicke Rn 102; aA MünchKomm/J. Mayer Rn 247 aE. 6 So aber R/A/Roth Rn 56a. 7 Wie hier Tebben RNotZ 2008, 441, 444; Scholz/Wicke Rn 102; R/A/Roth Rn 56a; aA Heidinger/Blath ZNotP 2010, 402, 404; Werner GmbHR 2011, 459, 460. 8 Zur Problematik auch DNotI-Report 2015, 133 f. 9 So OLG Stuttgart GmbHR 2009, 827; jüngst auch OLG Nürnberg GmHR 2015, 1279, 1280 f; zustimmend B/H/Fastrich Rn 59; ablehnend Ries NZG 2009, 739, 740; Wachter GmbHR 2009, 785, 791; MünchKomm/J. Mayer Rn 247; S/I/Pfisterer Rn 50; Scholz/Wicke Rn 102; U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 118; ausführlich Blasche GmbHR 2015, 403, 407 f mwN. 10 Ausführlich auch OLG Stuttgart GmbHR 2009, 827 ff. 11 Heckschen DStR 2007, 1442, 1444; Scholz/Wicke Rn 109; MünchKomm/J. Mayer Rn 248.

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§ 2 | Form des Gesellschaftsvertrages 65 gg) In Nr. 6 wird festgehalten, dass der Gesellschafter eine Abschrift, die Gesell-

schaft eine beglaubigte Ablichtung, das Registergericht eine Ausfertigung in elektronischer Form und das Finanzamt eine einfache Abschrift1 bekommen (vgl § 49 Abs. 4 BeurkG). Zulässig erscheint es, wenn in der Praxis noch weitere Abschriften erteilt werden2.

66 hh) In Nr. 7 des Musterprotokolls ist Platz für besondere Hinweise seitens des

Notars. Dies bietet die Möglichkeit, neben der Standardbelehrung auf besondere Risiken und Mängel des Musters hinzuweisen3, um sich selbst vor möglichen Ansprüchen wegen mangelnder/fehlerhafter Beratung zu schützen.

67 e) Bei Mehrpersonen-Gründungen ergeben sich gegenüber dem Musterproto-

koll für Einpersonen-Gründungen nur marginale Unterschiede. Es sind die Namen der bis zu drei Gesellschaftsgründer anzugeben. In Nr. 3 des Musterprotokolls ist die Höhe des Nennbetrags des jeweiligen Geschäftsanteils festzuhalten; die Nennbeträge können unterschiedlich bestimmt werden, jeder Gesellschafter kann aber auch hier (abweichend von der Normalgründung) nur einen Geschäftsanteil übernehmen. Abhängig von der Gründerzahl können somit bis zu drei Geschäftsanteile eingetragen werden. Bei mehreren Gesellschaftern muss die Summe der Nennbeträge der Geschäftsanteile aller Gesellschafter mit dem Betrag des Stammkapitals identisch sein (vgl § 5 Rn 6).

Wenn die Gründungskosten die zulässige Höhe (Rn 64) übersteigen, tragen die Gesellschafter die darüber hinausgehenden Kosten im Verhältnis ihrer Geschäftsanteile4. 68 f) Es finden die Formvorschriften über den Gesellschaftsvertrag Anwendung

(§ 2 Abs. 1a Satz 5). Notwendig ist daher die notarielle Beurkundung5 (Rn 21).

69 g) Das Musterprotokoll dient zugleich als Gesellschafterliste iSv § 8 Abs. 1

Nr. 3 (§ 2 Abs. 1a Satz 4). Eine zusätzliche, vom Geschäftsführer unterzeichnete Gesellschafterliste ist daher nicht einzureichen, und zwar auch im Falle, dass (nur) ein Fremdgeschäftsführer bestellt wurde; insbesondere ist im Musterprotokoll eine Unterschrift des Geschäftsführers nicht vorgesehen6.

70 h) Fehler des Musterprotokolls: Fraglich ist, was passiert, wenn von den Be-

schränkungen des Musterprotokolls abgewichen wird, wenn zB mehr als drei

1 Dies steht in Widerspruch zu § 54 EStDV (beglaubigte Abschrift) und ist ein Redaktionsversehen: Richtig Heckschen DStR 2009, 166, 167. 2 So MünchKomm/J. Mayer Rn 249. 3 Römermann GmbHR 2008, R 241, 242; Scholz/Wicke Rn 111; MünchKomm/J. Mayer Rn 250. 4 So auch MünchKomm/J. Mayer Rn 251. 5 U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 128 (unstreitig). 6 Ausführlich DNotI-Report 19/2011, 149 f; zustimmend Wicke DNotZ 2012, 15, 23; vgl auch R/A/Roth Rn 62; aA Heidinger/Blath ZNotP 2010, 376, 384.

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Form des Gesellschaftsvertrages | § 2

Gesellschafter oder mehr als ein Geschäftsführer in das Protokoll eingetragen werden. Hier liegen die gesetzlichen Voraussetzungen für das vereinfachte Verfahren nach § 2 Abs. 1a Satz 1 nicht vor (Rn 52). Wird hingegen das Musterprotokoll mit der Variante für eine Mehrpersonen-Gründung auf eine Einpersonengesellschaft mit einem Gesellschafter, der aber mehrere Geschäftsanteile übernimmt, verwendet, dann wird keine vom Gesetz abweichende Bestimmung getroffen, vgl § 2 Abs. 1a Satz 3, denn nach § 5 Abs. 2 Satz 2 darf ein Gesellschafter mehrere Geschäftsanteile übernehmen. Jedoch darf bei der Gründung einer Einpersonen-GmbH im Falle der Nutzung des Musterprotokolls nur ein Geschäftsanteil in das Protokoll eingefügt werden. Somit ist das Protokoll fehlerhaft und die Gründung könnte wegen Formverstoßes nichtig sein. Vorzugswürdiger ist allerdings in Anwendung von § 140 BGB (Umdeutung) die Lösung, dass dann lediglich die vereinfachte Gründung gescheitert ist und eine nicht kostenprivilegierte (Rn 71) „normale GmbH-Gründung“ vorliegt. Denn eine unzutreffende/unzulässige Verwendung des Musterprotokolls rechtfertigt keine weitergehende Sanktion1. Das Registergericht wird dann allerdings eine gesonderte Gesellschafterliste verlangen2 (vgl Rn 69). Ein neuer Gesellschaftsvertrag ist hingegen – entgegen OLG München3 – nicht vorzulegen4.Die Eintragung einer unzulässigen Firma, Unternehmensgegenstandes etc führt zur Anwendung der allgemeinen Fehlerfolgen (dazu Rn 35 ff)5. i) Die vereinfachte Gründung führt zu einer Kostenprivilegierung (aber nur so- 71 weit der Mustertext nicht geändert oder ergänzt wird, Rn 70), die sich durch das am 1.8.2013 in Kraft getretene GNotKG gegenüber der früheren Rechtslage nach KostO6 teilweise verändert hat: Für die vereinfachte Gründung gilt nach § 107 Abs. 1 Satz 2 GNotKG iVm § 105 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 GNotKG der Mindestgeschäftswert von 30 000 Euro nicht, sondern gemäß § 105 Abs. 1 Satz 1 GNotKG der in das Handelsregister einzutragende Betrag der Stammkapitals. § 105 Abs. 6 Satz 2 GNotKG stellt klar, dass dieser Privilegierung vor allem rein sprachliche Abweichungen nicht entgegenstehen. Anders als nach früherem Recht gilt dies nunmehr auch für GmbH mit einem Stammkapital unter 30 000 Euro7. Da das Musterprotokoll zugleich Geschäftsführerbestellung und Gesellschafterliste ist, fallen hierfür keine gesonderten Gebühren an8. 1 Wie hier auch Scholz/Wicke Rn 113; U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 127; Heckschen DStR 2009, 166, 168; MünchKomm/J. Mayer Rn 233; wohl auch OLG Düsseldorf GmbHR 2011, 1319, 1320; abweichend OLG München GmbHR 2010, 755 mit kritischer Anm Wachter. 2 Richtig U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 127; MünchKomm/J. Mayer Rn 233a. 3 OLG München GmbHR 2010, 755 mit kritischer Anm Wachter; ablehnend auch U/H/L/ Ulmer/Löbbe Rn 127; R/A/Roth Rn 52. 4 So auch Wicke DNotZ 2012, 15, 19. 5 MünchKomm/J. Mayer Rn 240; Scholz/Wicke Rn 104. 6 Dazu 18. Aufl Rn 57. 7 MünchKomm/J. Mayer Rn 226. 8 MünchKomm/J. Mayer Rn 226 aE mwN.

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Anh zu § 2 | Musterprotokoll 72 j) Spätere Änderungen des Gesellschaftsvertrages erfolgen im Wege der (nor-

malen) Satzungsänderung gemäß §§ 53 f. Auch hier erfolgt eine kostenrechtliche Privilegierung, soweit die Veränderungen nur Firma, Sitz, Unternehmensgegenstand und Stammkapital im nach wie vor relevanten Musterprotokoll betreffen (§ 108 Abs. 1 Satz 1 iVm § 105 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 GNotKG)1. Ob in diesem Fall eine Notarbescheinigung gemäß § 54 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 beizubringen ist (dazu § 54 Rn 4), ist streitig2. Zu beachten ist § 40, so dass ggf eine neue Gesellschafterliste einzureichen ist3 (ausführlich § 40 Rn 5 ff).

Anhang zu § 2 Musterprotokoll Anlage 1 (zu Artikel 1 Nr. 50 des MoMiG vom 23.10.2008, BGBl I 2026)

a) Musterprotokoll für die Gründung einer Einpersonengesellschaft UR. Nr. … Heute, den …, erschien vor mir, …, Notar/in mit dem Amtssitz in …, Herr/Frau4 …5. 1. Der Erschienene errichtet hiermit nach § 2 Abs. 1a GmbHG eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung unter der Firma … mit dem Sitz in … 2. Gegenstand des Unternehmens ist …. 3. Das Stammkapital der Gesellschaft beträgt … € (i.W. … Euro) und wird vollständig von Herrn/Frau4 … (Geschäftsanteil Nr. 1) übernommen. Die Einlage ist in Geld zu erbringen, und zwar sofort in voller Höhe/zu 50 % sofort, 1 Wicke Rn 19; MünchKomm/J. Mayer Rn 226 aE mwN. 2 Dafür OLG München GmbHR 2010, 40; Wicke DNotZ 2012, 15, 22; dagegen Wälzholz GmbHR 2008, 841, 843. 3 Scholz/Wicke Rn 119; U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 129; R/A/Roth Rn 61. 4 Nicht Zutreffendes streichen. Bei juristischen Personen ist die Anrede Herr/Frau wegzulassen. 5 Hier sind neben der Bezeichnung des Gesellschafters und den Angaben zur notariellen Identitätsfeststellung ggf. der Güterstand und die Zustimmung des Ehegatten sowie die Angaben zu einer etwaigen Vertretung zu vermerken.

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Musterprotokoll | Anh zu § 2

im Übrigen sobald die Gesellschafterversammlung ihre Einforderung beschließt1. 4. Zum Geschäftsführer der Gesellschaft wird Herr/Frau2 …, geboren am …, wohnhaft in …, bestellt. Der Geschäftsführer ist von den Beschränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuchs befreit. 5. Die Gesellschaft trägt die mit der Gründung verbundenen Kosten bis zu einem Gesamtbetrag von 300 €, höchstens jedoch bis zum Betrag ihres Stammkapitals. Darüber hinausgehende Kosten trägt der Gesellschafter. 6. Von dieser Urkunde erhält eine Ausfertigung der Gesellschafter, beglaubigte Ablichtungen die Gesellschaft und das Registergericht (in elektronischer Form) sowie eine einfache Abschrift das Finanzamt – Körperschaftsteuerstelle –. 7. Der Erschienene wurde vom Notar/von der Notarin insbesondere auf Folgendes hingewiesen: …

b) Musterprotokoll für die Gründung einer Mehrpersonengesellschaft mit bis zu drei Gesellschaftern UR. Nr. … Heute, den …, erschienen vor mir,…, Notar/in mit dem Amtssitz in …, Herr/Frau3 …4. Herr/Frau3 …4. Herr/Frau3 …4. 1. Die Erschienenen errichten hiermit nach § 2 Abs. 1a GmbHG eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung unter der Firma … mit dem Sitz in …. 1 Nicht Zutreffendes streichen. Bei der Unternehmergesellschaft muss die zweite Alternative gestrichen werden. 2 Nicht Zutreffendes streichen. 3 Nicht Zutreffendes streichen. Bei juristischen Personen ist die Anrede Herr/Frau wegzulassen. 4 Hier sind neben der Bezeichnung des Gesellschafters und den Angaben zur notariellen Identitätsfeststellung ggf. der Güterstand und die Zustimmung des Ehegatten sowie die Angaben zu einer etwaigen Vertretung zu vermerken.

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§ 3 | Inhalt des Gesellschaftsvertrages 2. Gegenstand des Unternehmens ist …. 3. Das Stammkapital der Gesellschaft beträgt … € (i.W. … Euro) und wird wie folgt übernommen: Herr/Frau1… übernimmt einen Geschäftsanteil mit einem Nennbetrag in Höhe von … € (i.W. … Euro) (Geschäftsanteil Nr. 1), Herr/Frau1 … übernimmt einen Geschäftsanteil mit einem Nennbetrag in Höhe von … € (i.W. … Euro) (Geschäftsanteil Nr. 2), Herr/Frau1 … übernimmt einen Geschäftsanteil mit einem Nennbetrag in Höhe von … € (i.W. … Euro) (Geschäftsanteil Nr. 3). Die Einlagen sind in Geld zu erbringen, und zwar sofort in voller Höhe/zu 50 % sofort, im Übrigen sobald die Gesellschafterversammlung ihre Einforderungen beschließt2. 4. Zum Geschäftsführer der Gesellschaft wird Herr/Frau3 …, geboren am …, wohnhaft in …, bestellt. Der Geschäftsführer ist von den Beschränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuchs befreit. 5. Die Gesellschaft trägt die mit der Gründung verbundenen Kosten bis zu einem Gesamtbetrag von 300 €, höchstens jedoch bis zum Betrag ihres Stammkapitals. Darüber hinausgehende Kosten tragen die Gesellschafter im Verhältnis der Nennbeträge ihrer Geschäftsanteile. 6. Von dieser Urkunde erhält eine Ausfertigung jeder Gesellschafter, beglaubigte Ablichtungen die Gesellschaft und das Registergericht (in elektronischer Form) sowie eine einfache Abschrift das Finanzamt – Körperschaftsteuerstelle. 7. Die Erschienenen wurden vom Notar/von der Notarin insbesondere auf Folgendes hingewiesen: …

§3 Inhalt des Gesellschaftsvertrages (1) Der Gesellschaftsvertrag muss enthalten: 1. die Firma und den Sitz der Gesellschaft, 2. den Gegenstand des Unternehmens, 3. den Betrag des Stammkapitals, 1 Nicht Zutreffendes streichen. Bei juristischen Personen ist die Anrede Herr/Frau wegzulassen. 2 Nicht Zutreffendes streichen. Bei der Unternehmergesellschaft muss die zweite Alternative gestrichen werden. 3 Nicht Zutreffendes streichen.

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Inhalt des Gesellschaftsvertrages | § 3

4. die Zahl und die Nennbeträge der Geschäftsanteile, die jeder Gesellschafter gegen Einlage auf das Stammkapital (Stammeinlage) übernimmt. (2) Soll das Unternehmen auf eine gewisse Zeit beschränkt sein oder sollen den Gesellschaftern außer der Leistung von Kapitaleinlagen noch andere Verpflichtungen gegenüber der Gesellschaft auferlegt werden, so bedürfen auch diese Bestimmungen der Aufnahme in den Gesellschaftsvertrag. Abs. 1 Nr. 4 geändert und amtliche Überschrift eingefügt durch MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl I 2026); im Übrigen seit 1892 unverändert. I. 1. 2. 3.

Überblick . . . . . . . . . . . . . . Satzung und Satzungsfreiheit . Schuldrechtliche Abreden . . . Konfliktprävention und Konfliktlösung als Aufgabe der Kautelarpraxis . . . . . . . . . . . 4. Speziell: Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) und vereinfachte Gründung . . II. Zwingender materieller Satzungsinhalt . . . . . . . . . . . . . 1. Firma . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gegenstand und Zweck . . . . . 4. Betrag des Stammkapitals . . . 5. Zahl und Höhe der Nennbeträge der Geschäftsanteile (Stammeinlage) . . . . . . . . . . 6. Angabe der Gründungsgesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Bundesanzeiger . . . . . . . . . . 8. Mängel . . . . . . . . . . . . . . . .

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III. Fakultativer materieller Satzungsinhalt . . . . . . . . . . . . . . 21 1. Fakultativer Satzungsinhalt gemäß § 3 Abs. 2 . . . . . . . . . . 22 2. Fakultativer materieller Satzungsinhalt außerhalb von § 3 Abs. 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38

IV. Unechte Satzungsbestandteile und schuldrechtliche Nebenvereinbarungen . . . . . . . . . . . 1. Terminologie und Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einzelfragen . . . . . . . . . . . . . . V. Schranken der Satzungsautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zwingende Regeln . . . . . . . . . 2. Sonstige generelle Schranken . . 3. Schranken in der Ausübung gesellschafterlicher Rechte . . . . 4. Rechte Dritter . . . . . . . . . . . . VI. Zur Auslegung der Satzung . . VII. Änderung der Satzung . . . . . . VIII. Vorratsgründung und Verwendung eines gebrauchten GmbH-Mantels (Wirtschaftliche Neugründung) . . . . . . . . 1. Vorratsgründung . . . . . . . . . . 2. Aktivierung eines gebrauchten GmbH-Mantels . . . . . . . . . . . 3. Altfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Schiedsverfahren . . . . . . . . . . 1. Schiedsfähigkeit . . . . . . . . . . . 2. Schiedsvereinbarung . . . . . . . . 3. Problematik des Gläubigerschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Wirkungen des Schiedsspruchs

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§ 3 | Inhalt des Gesellschaftsvertrages I. Überblick 1. Satzung und Satzungsfreiheit 1 Die Satzung (= Gesellschaftsvertrag) ist das zentrale Dokument der Organisati-

onsverfassung der GmbH. § 3 – ergänzt durch §§ 4, 4a und 5 – handelt vom Inhalt des Gesellschaftsvertrages, in § 3 Abs. 1 vom notwendigen, in § 3 Abs. 2 vom nicht notwendigen (fakultativen) Inhalt. § 3 Abs. 2 hat indes nur exemplarischen Charakter und enthält keine abschließende Regelung1. So finden sich weitere Zuweisungen etwa in §§ 5 Abs. 4, 15 Abs. 5, 19 Abs. 2, 26 Abs. 1, 27 Abs. 4, 28, 29, 34 Abs. 1, 35 Abs. 2, 37 Abs. 1, 38 Abs. 2, 45 Abs. 2, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2, 60 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, 66 Abs. 1, 72.

2 Die Satzung kann aber auch darüber hinaus die Regeln des GmbHG in vielfa-

cher Weise ergänzen und ändern, zusätzliche Organe schaffen (Aufsichtsrat, Gesellschafterausschuss, Beirat) und deren Zusammensetzung und Kompetenzen regeln, besondere Rechte und Pflichten der Gesellschafter begründen und allgemeine Regeln für die GmbH und ihr Handeln festlegen2; es gibt keine § 23 Abs. 5 AktG vergleichbare Vorschrift, wonach Änderungen oder Ergänzungen durch die Satzung stets einer Ermächtigung im Gesetz bedürfen (sog Satzungsstrenge des Aktienrechts). Es gilt vielmehr Satzungsfreiheit, wobei der Gestaltungsrahmen der Satzung weit ist, was insbesondere Familienunternehmen zugute kommt3. 2. Schuldrechtliche Abreden

3 Der so bestimmte materielle Satzungsinhalt (zwingender oder fakultativer Na-

tur) ist deutlich zu trennen von schuldrechtlichen Abreden: Diese können wahlweise in die Satzungsurkunde aufgenommen (sog unechte Satzungsbestandteile) oder als schuldrechtliche Nebenvereinbarungen außerhalb der Satzung getroffen werden (ausführlich Rn 59 ff). In der Praxis sind schuldrechtliche Nebenvereinbarungen (etwa Konsortial- oder Poolverträge4 verbreitet und beliebt, weil deren Inhalt – anders als die Satzung (vgl § 9 HGB) – nicht im Handelsregister einsehbar ist. Ob eine Anordnung als materieller oder nur unechter Bestandteil der Satzung getroffen wurde, kann im Einzelfall schwierig abzugrenzen sein (näher Rn 59 ff); materielle Satzungsregelungen und schuldrechtliche Vereinbarungen unterscheiden sich zudem in den Rechtsfolgen (näher Rn 62).

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Unstreitig, vgl nur MünchKomm/Wicke Rn 102. Ausführlich Wicke DNotZ 2006, 419 ff. Dazu Hennerkes/May NJW 1988, 2761 ff. Dazu jüngst H.P. Westermann GesRZ 2015, 161 ff.

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Inhalt des Gesellschaftsvertrages | § 3

3. Konfliktprävention und Konfliktlösung als Aufgabe der Kautelarpraxis Insbesondere im Hinblick auf eine spätere Streitvermeidung1 kommt einer 4 sorgfältigen Satzungsgestaltung größte Bedeutung zu. Durch geeignete Regelungen gilt es speziell im Familienunternehmen zu verhindern, dass eine Zerrüttung der oftmals engen Verhältnisse auf das Gesellschaftsverhältnis durchschlägt. Nach einer neueren Untersuchung werde das Potenzial der Konfliktvermeidung durch Vertragsgestaltung bisher jedoch nur sehr unvollständig genutzt2. Ob dies tatsächlich der Fall ist, muss indes offen bleiben; denn da im Handelsregister nur die GmbH-Satzungen einsehbar sind (vgl Rn 3), ist es durchaus möglich und wahrscheinlich, dass weitergehende Regelungen zwischen den Gesellschaftern in nicht öffentlich zugänglichen schuldrechtlichen Nebenvereinbarungen getroffen werden (Rn 59 ff)3. Betrachtet man Satzung und Nebenvereinbarungen als Gesamtwerk, dann sollten jedenfalls an geeigneter Stelle sowohl Regelungen zur Konfliktprävention – speziell aus Sicht der Minderheit – als auch Regelungen zur Konfliktlösung – wie etwa Schiedsklauseln, Austrittsrechte usw – vereinbart werden4 (dazu näher Rn 38 ff, 109 ff)5. 4. Speziell: Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) und vereinfachte Gründung § 3 gilt ebenfalls für die UG (dazu § 5a Rn 9 ff). Besonderheiten gelten im Falle 5 der vereinfachten Gründung nach dem Musterprotokoll (dazu § 2 Rn 50 ff).

II. Zwingender materieller Satzungsinhalt 1. Firma Zur Firma vgl § 4.

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2. Sitz Zum Sitz vgl § 4a.

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1 Dazu nur Verse Konfliktvermeidung in Familienunternehmen, 2014, S. 33: „Streit ist der größte Wertvernichter im Familienunternehmen“; ähnlich: Hennerkes Die Familie und ihr Unternehmen, 2004 S. 58; Weller ZGR 2012, 386, 393. 2 Ausführlich Wedemann Gesellschafterkonflikte in geschlossenen Gesellschaften, 2013, S. 209 f, 351, 537. 3 Richtig Verse Konfliktvermeidung, 2014, S. 34. 4 Näher Verse Konfliktvermeidung, S. 35 ff. 5 Zu Gesellschafterkonflikten in der GmbH auch Bachmann/Eidenmüller/Engert/Fleischer/ Schön Rechtsregeln für die geschlossene Kapitalgesellschaft (ZGR-Sonderheft 18), 2012, S. 25 ff, zur „Satzungsunterstützung“ durch dispositives Recht und ggf „Regelungsaufträge“ seitens des Gesetzgebers Cziupka GS Unberath, 2015, S. 51 ff.

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§ 3 | Inhalt des Gesellschaftsvertrages 3. Gegenstand und Zweck Literatur: Blasche Individualisierung sowie Über- und Unterschreitung des Unternehmensgegenstandes, DB 2011, 517; Brandner Geschäftsführungsbefugnis, Unternehmensgegenstand und Unternehmenszweck, FS Rowedder, 1994, S. 41; Sina Geschäftstätigkeit und Unternehmensgegenstand der GmbH, GmbHR 2001, 661; Streuer Die Gestaltung des Unternehmensgegenstands in der GmbH-Satzung – Flexibilität versus Fokussierung, GmbHR 2002, 407; Thoma Der Handel mit Waren aller Art als Unternehmensgegenstand einer GmbH, RNotZ 2011, 413; Tieves Der Unternehmensgegenstand der Kapitalgesellschaft, 1998.

8 Gegenstand und Zweck (zur Unterscheidung § 1 Rn 2 ff) sind notwendiger In-

halt, der Zweck gesondert aber nur, wenn er sich nicht bereits aus der Formulierung des Unternehmensgegenstandes ergibt (wichtig für alle GmbH, die nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtet sind, § 1 Rn 4)1. Konkrete Vorgaben, wie genau der Unternehmensgegenstand zu beschreiben ist, enthält das GmbHG nicht; das bisherige Recht ist maßgeblich durch die Rspr geprägt worden. Zweck der Vorschrift2: Unterrichtung der Öffentlichkeit (Publizität), Schutz der (Minderheits-)Gesellschafter gegen willkürliche Ausweitung der Tätigkeiten des Unternehmens3 durch (interne) Begrenzung des zulässigen Handlungsbereichs der Geschäftsführer (Überschreitung des so gesetzten Rahmens ist pflichtwidrig gemäß § 434; die abgeschlossenen Rechtsgeschäfte sind aber wirksam, § 37)5, Sicherung der öffentlich-rechtlichen Genehmigungserfordernisse6 für den Geschäftsbetrieb der Gesellschaft7. Soll der Unternehmensgegenstand tatsächlich verändert werden, so ist dies nur mittels einer Satzungsänderung möglich8 (dazu § 53 Rn 2).

9 Als Unternehmensgegenstand ist der konkrete Tätigkeitsbereich der GmbH

möglichst exakt und individuell und selbstverständlich wahrheitsgemäß (zur Vorrats-GmbH: Rn 79) wiederzugeben, so dass sich die beteiligten Verkehrskreise ein Bild vom Schwerpunkt der Tätigkeit machen können9; allgemeine

1 RGZ 164, 129, 140. 2 Ausführlich Scholz/Emmerich Rn 10. 3 Zur ähnlichen Problematik des „Unterschreitens“ des Unternehmensgegenstandes: OLG Köln AG 2009, 416 – STRABAG mit Anm Pluskat EWiR 2009, 395; dazu auch BVerfG AG 2011, 873. 4 BGH ZIP 2013, 455. 5 R/A/Roth Rn 7; Michalski/Michalski Rn 7. 6 Dazu OLG Düsseldorf GmbHR 2013, 1152. 7 Ausführlich zum Unternehmensgegenstand Sina GmbHR 2001, 661 ff; Streuer GmbHR 2002, 407 ff; Brandner FS Rowedder, 1994, S. 41 ff. 8 OLG Stuttgart BB 2001, 794, 795 (auch zur Abgrenzung der Erheblichkeit der Änderung); vgl weiter G/E/S/Simon Rn 15. 9 BGH WM 1981, 162, 164; BGHZ 117, 323, 334; BayObLG GmbHR 2003, 414, 415; OLG Düsseldorf GmbHR 2010, 1261, 1262.

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Umschreibungen genügen nicht (hM). Im Anschluss an den RegE MoMiG1 angestellte Überlegungen, die Rechtslage künftig zu ändern2, haben sich erledigt, da der Gesetzgeber dem RegE insoweit zu Recht nicht gefolgt ist3. Bei der Individualisierung des Unternehmensgegenstandes ist daher nach wie 10 vor auf die Verkehrsübung abzustellen: „Handel mit Bekleidung“ ist nicht Herstellung von Stoffen, „Hochbau“ nicht Tiefbau, „Herstellung von Maschinen aller Art“ zu nichtssagend, „Betrieb von Gaststätten“ aber ausreichend4. Nicht eintragungsfähig sind „Produktion und Vertrieb von Waren aller Art“5 oder „Handel mit Waren aller Art“6. Auch „Betreiben von Handelsgeschäften“ genügt nicht7; ebenso soll „Handel und Vertrieb von Verbrauchs- und Konsumgütern, soweit der Handel nicht einer besonderen Erlaubnis bedarf“, unzulässig sein8. Anhangsätze („[…] und alle Geschäfte, die diesem Zweck dienlich“; „[…] und alle damit zusammenhängenden Arbeiten“) können den zuvor individualisierten Hauptgegenstand konkretisieren, aber nicht erweitern; dazu sind sie zu unbestimmt9. Erforderlich ist deshalb, dass sie erkennbar auf den Hauptgegenstand Bezug nehmen10. Bei unbestimmtem Unternehmensgegenstand darf das Registergericht nicht von sich aus korrigieren oder nur teilweise eintragen11; er stellt ein Eintragungshindernis (§ 9c Abs. 2 Nr. 1), nicht aber einen Nichtigkeitsgrund dar12. Soll die Beteiligung an anderen Unternehmen gleichen Tätigkeitsbereichs zulässig sein, so ist das anzugeben, genügt aber auch in dieser Form13; erst recht gilt das, wenn die Beteiligung im Zentrum steht (Holding, Venture-CapitalGmbH) oder an solchen mit anderem Gegenstand möglich sein soll. Bei einer GmbH, die (nur) persönlich haftende Gesellschafterin in einer KG werden soll, genügt die Formulierung „Beteiligung als persönlich haftende Gesellschafterin an der X-KG“ (nicht: „einer KG“)14; die Angabe des Gegenstandes der KG ist 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

BR-Drucks 354/07. Dazu kritisch etwa Heckschen GmbHR 2007, 198; Karsten GmbHR 2007, 958, 962 f. Dazu Bericht Rechtsausschuss BT-Drucks 16/9737, S. 54. OLG Frankfurt BB 1979, 1682. BayObLG GmbHR 1994, 705, 706. BayObLG GmbHR 2003, 414, 415. BayObLG GmbHR 1995, 722, 723; Schröder/Cannivé NZG 2008, 1, 2. OLG Düsseldorf GmbHR 2010, 1261, 1262; ablehnend allerdings Wachter EWiR 2010, 779; Thoma RNotZ 2011, 413, 416 f. OLG Köln WM 1981, 805, 806; Priester GmbHR 1999, 149; G/E/S/Simon Rn 13; aA MünchKomm/Wicke Rn 18. B/H/Fastrich Rn 10. LG München GmbHR 1991, 270. B/H/Fastrich Rn 10; Scholz/Emmerich Rn 7. OLG Frankfurt GmbHR 1987, 231, 232; R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 10; kritisch Scholz/ Emmerich Rn 15. B/H/Fastrich Rn 9; U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 20; R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 11; aA MünchKomm/Wicke Rn 20; S/I/Pfisterer Rn 11.

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§ 3 | Inhalt des Gesellschaftsvertrages nicht erforderlich1. Der Hinweis, eine Tätigkeit nach § 34c GewO werde nicht ausgeübt, ist zulässig2. Zum Verstoß des Unternehmensgegenstandes gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten vgl § 1 Rn 13 f. Zum Unternehmensgegenstand der Zweigniederlassung einer ausländischen GmbH s. Anh zu § 4a Rn 24. 11 Zu den firmenrechtlichen Folgen einer faktischen Änderung des statutarischen

Tätigkeitsbereichs (Gegenstands) der GmbH s. § 4 Rn 48. 4. Betrag des Stammkapitals

12 Die Höhe des Stammkapitals – mindestens 25 000 Euro3 – muss zwingend in ei-

nem festen Betrag in der Satzung angegeben sein; die Möglichkeit, es durch einfache Addition aus der Summe der Geschäftsanteile errechnen zu können, genügt nicht4. Eine Änderung vor Eintragung der GmbH im Handelsregister setzt Änderung des Gesellschaftsvertrages unter Mitwirkung aller Gesellschafter in der Form des § 2 voraus (ausführlich § 2 Rn 48)5; nach Eintragung gelten die §§ 55 ff6. Mit dem MoMiG wurde erstmals auch für die GmbH ein genehmigtes Kapital eingeführt (vgl § 55a)7. 5. Zahl und Höhe der Nennbeträge der Geschäftsanteile (Stammeinlage)

13 Durch das MoMiG wurde § 3 Abs. 1 Nr. 4 sprachlich und inhaltlich neu gefasst.

Sprachlich wurde der Begriff der „Stammeinlage“ durch den des „Geschäftsanteils“ ersetzt sowie in Angleichung an die aktienrechtliche Terminologie in § 23 Abs. 3 Nr. 4 AktG auf die Nennbeträge der Geschäftsanteile abgestellt. Diese Änderung wurde notwendig, da ein Gesellschafter seit dem MoMiG gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 bei der Gründung mehrere Geschäftsanteile übernehmen kann. Aus diesem Grund bedarf es auch der Aufnahme der Zahl der von jedem Gesellschafter übernommenen Geschäftsanteile in die Satzung.

14 Durch die MoMiG-Fassung werden die von den Gesellschaftern zu überneh-

menden Geschäftsanteile und somit ihre Beteiligung bzw ihre Mitgliedschaft gegenüber ihrer Einlageverpflichtung in den Vordergrund gerückt, da die Vor-

1 BayObLG GmbHR 1995, 722, 723; BayObLG GmbHR 1996, 360; Scholz/Emmerich Rn 17. 2 BayObLG GmbHR 1994, 60, 62. 3 MünchKomm/Wicke Rn 43 (unstreitig). 4 Heute unstreitig: Scholz/Emmerich Rn 49; MünchKomm/Wicke Rn 45. 5 G/E/S/Simon Rn 18; Scholz/Emmerich Rn 59. 6 B/H/Fastrich Rn 15; Scholz/Emmerich Rn 50. 7 Dazu Bayer/Hoffmann GmbHR 2009, R 161 f.

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schrift die Notwendigkeit einer solchen Beitrittserklärung durch das Erfordernis der Angabe der Nennbeträge der übernommenen Geschäftsanteile besser zum Ausdruck bringt. Zudem diente der Nennbetrag des Geschäftsanteils schon früher als Identitätsbezeichnung (vgl § 14 aF). Inhaltlich normiert § 3 Abs. 1 Nr. 4, dass die Gesellschafter die Geschäftsanteile jeweils gegen eine Einlage auf das Stammkapital zu übernehmen haben. Diese Einlageverpflichtung entsteht nicht mehr mit der Übernahme der Stammeinlage, sondern in Anlehnung an § 2 AktG mit der Aufnahme des Nennbetrags des jeweiligen Geschäftsanteils in die Satzung. Dadurch wird deutlich, dass die Gründer sämtliche Geschäftsanteile sofort übernehmen müssen (Prinzip der Einheitsgründung). Entgegen einer verbreiteten Auffassung im Schrifttum bedeutet die Neufassung indes nicht, dass die Geschäftsanteile in Abweichung zur früheren Rechtslage bereits vor Eintragung der GmbH entstehen (ausführlich § 14 Rn 3 ff). Zur Höhe der Einlageverpflichtung und dem Verhältnis von Nennbetrag des Geschäftsanteils und Einlagepflicht vgl § 14 Rn 2. Die MoMiG-Fassung von § 3 Abs. 1 Nr. 4 führt inhaltlich zu folgender Ände- 15 rung gegenüber der früheren Rechtslage: Der im Gesellschaftsvertrag anzugebende Betrag der Stammeinlage bleibt stets gleich. Im Rahmen einer Kapitalerhöhung übernimmt der Gesellschafter einen neuen Geschäftsanteil und damit eine neue Stammeinlage. Die Höhe der Einlageverpflichtung ist daher stets aus dem Gründungsvertrag und der Übernahmeerklärung im Rahmen von Kapitalerhöhungen ersichtlich. Der Nennbetrag des Geschäftsanteils hingegen kann sich durchaus verändern. So kann er sich durch eine nominelle Aufstockung im Zuge der Einziehung des Geschäftsanteils eines anderen Gesellschafters gemäß § 34, im Zuge einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln gemäß §§ 57c ff sowie durch Sondervergünstigungen erhöhen1. In diesen Fällen wird durch die Erhöhung jedoch keine neue Einlageverpflichtung des Gesellschafters begründet. Die Einlageverpflichtung des Gesellschafters entspricht in ihrer Höhe daher nicht immer dem Nennbetrag des Geschäftsanteils. Der Nennbetrag gibt vielmehr ausschließlich das Maß der Beteiligung jedes Gesellschafters an der GmbH, dagegen nicht notwendig den Umfang seiner mitgliedschaftlichen Rechte und Pflichten wider; diese können durch Nebenleistungen (§ 3 Abs. 2), Sondervergünstigungen sowie unterschiedliche Stimmrechte und Rechte auf Gewinn und Liquidationserlös sehr unterschiedlich gestaltet sein (§§ 29, 45, 72). Sichergestellt bleibt indes, dass jede konkrete Einlageverpflichtung mindestens dem Nennbetrag des Geschäftsanteils entspricht: Auf diese Weise wird gewährleistet, dass die Summe der konkreten Leistungspflichten der Gründer auf das Kapital mindestens der Höhe des Stammkapitals entspricht (Grundsatz der Vollübernahme als Teil der realen Kapitalaufbringung): Wer keinen Geschäfts-

1 Vgl auch BegrRegE MoMiG, BR-Drucks 354/07, S. 64.

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§ 3 | Inhalt des Gesellschaftsvertrages anteil übernimmt, kann originär nicht Gesellschafter werden (sondern allenfalls durch Erwerb eines Geschäftsanteils nach Entstehung der GmbH)1. 16 Bei Gründung und Kapitalerhöhung kann jeder Gesellschafter – entgegen der

früheren Rechtslage – mehrere Geschäftsanteile übernehmen (vgl § 5 Abs. 2 Satz 2)2. Auch ein späterer Hinzuerwerb weiterer Geschäftsanteile ist möglich (§ 15 Abs. 2). Aufgrund der Übernahmemöglichkeit mehrerer Geschäftsanteile wird es schwieriger, bei Anteilsveräußerung dem sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz zu genügen. Daher kommt der Nummerierung der einzelnen Geschäftsanteile in der Gesellschafterliste (§ 8 Abs. 1 Nr. 3) – nicht notwendig in der Satzung! – besondere Bedeutung zu3 (näher § 8 Rn 4). Durch die Beibehaltung der notariellen Beurkundung von Anteilsabtretungen (vgl § 15 Rn 1, 25 ff) ist weiterhin sichergestellt, dass die Beteiligten bei jeder Veräußerung qualifizierten Rechtsrat erhalten.

17 Die Zahl und die Höhe der Nennbeträge der übernommenen Geschäftsanteile

gehören (ebenso wie die Person des Gesellschafters, vgl Rn 18) zur Gründervereinbarung, nicht zur eigentlichen Satzung; dennoch müssen diese Festlegungen kraft der besonderen Anweisung des Gesetzes in § 3 Abs. 1 Nr. 4 auch bei der Gründung in der Satzung enthalten sein; es genügt also nicht, wenn die betreffenden Angaben zwar in der Gründungsvereinbarung (Mantel der Urkunde), nicht aber in der davon getrennten Satzung enthalten sind4. Bei einer späteren Satzungsänderung nach Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister können die Angaben entfallen, und zwar unabhängig davon, ob die Einlagen vollständig geleistet sind5; denn die ursprüngliche Satzung liegt beim Handelsregister und dokumentiert die für den Gläubiger (zB Pfändung) wichtigen (historischen) Angaben6. Dies gilt auch für Sacheinlagen; hier ist allerdings gemäß §§ 26 Abs. 4, 27 Abs. 5 AktG analog die 5-jährige Sperrfrist zu beachten7. 6. Angabe der Gründungsgesellschafter

18 Die Angabe der Gründungsgesellschafter in der Satzung ist notwendig; sie sind

Partner des Gründungsvertrages (§ 2 Abs. 1) und Schuldner der von ihnen zu leistenden Einlage (Rn 14). Die Angaben zu ihrer Person gehören also zur GrünHierzu auch B/H/Fastrich Rn 16; R/A/Roth Rn 17; MünchKomm/Wicke Rn 51, 56. Zur früheren Rechtslage vgl 16. Aufl Rn 22 mwN. R/A/Roth Rn 15; MünchKomm/Wicke Rn 52; B/H/Fastrich Rn 16. MünchKomm/Wicke Rn 6, 55; R/A/Roth Rn 16; vgl auch bereits OLG Hamm GmbHR 1986, 311 f mwN. 5 In diesem Sinne aber OLG München 998; OLG Rostock GmbHR 2011, 710. 6 Früher streitig; wie hier BayObLG GmbHR 1997, 73, 74; Scholz/Emmerich Rn 58; U/H/L/ Ulmer/Löbbe Rn 32; ausführlich Müller GmbHR 1997, 923, 924 ff. 7 So zutreffend hM: R/A/Roth Rn 18; Scholz/Emmerich Rn 57; MünchKomm/Wicke Rn 55; U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 30 mwN; aA G/E/S/Simon Rn 23; Michalski/Michalski Rn 43.

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Inhalt des Gesellschaftsvertrages | § 3

dungsvereinbarung, nicht eigentlich zur Satzung, müssen dort aber ebenso wie ihre Leistungspflichten kraft besonderer gesetzlicher Anweisung angegeben sein. Nach Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister können (nicht müssen!) auch diese Angaben zu den Personen der Gesellschafter durch Satzungsänderung entfallen, unabhängig davon, ob zu dieser Zeit die Einlagen schon voll geleistet sind oder nicht1. 7. Bundesanzeiger Mit dem JKomG2 wurde gemäß § 12 Satz 1 aF der elektronische Bundesanzeiger 19 zum Gesellschaftsblatt für alle gesetzlichen und kraft der Satzung vorgesehenen Pflichtbekanntmachungen der GmbH bestimmt. Mit Wirkung zum 1.4.2012 heißt der elektronische Bundesanzeiger nur noch Bundesanzeiger3, vgl auch § 12 Satz 1 (bei § 12 Rn 1). § 12 Satz 2 ermöglicht es den Gesellschaftern in der Satzung weitere öffentliche Blätter oder elektronische Informationsmedien als Gesellschaftsblätter zu normieren4 (ausführlich § 12 Rn 6 ff). 8. Mängel Fehlen die Mindestangaben gemäß § 3 Abs. 1, so ist der gesamte Gesellschafts- 20 vertrag nichtig5. Die GmbH darf nicht im Handelsregister eingetragen werden6 (näher § 9c Rn 3, 6). Erfolgt dennoch die Eintragung, dann kommt eine Nichtigkeitsklage gemäß § 75 oder ein Amtslöschungsverfahren gemäß § 397 FamFG in Betracht, ggf auch ein Amtsauflösungsverfahren gemäß § 399 FamFG7 (vgl auch § 75 Rn 7). Hingegen führt ein nicht hinreichend individualisierter Unternehmensgegenstand (dazu Rn 10) nach Eintragung nicht zur Nichtigkeit, sondern ist hinzunehmen8.

III. Fakultativer materieller Satzungsinhalt Literatur: Cramer Die Übernahme des Gründungsaufwands durch die GmbH, NZG 2015, 373; Elsing Gründungsaufwand und seine Höchstgrenze?, DNotZ 2011, 245; Haberstock Rückzahlungen an Gesellschafter aus freier Kapitalrücklage, NZG 2008, 220; Heckschen Die 1 Ausführlich Scholz/Emmerich Rn 59; U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 34 mwN. 2 Justizkommunikationsgesetz vom 22.3.2005, BGBl I 837 ff. 3 Gesetz zur Änderung von Vorschriften über Verkündung und Bekanntmachungen sowie der Zivilprozessordnung, des Gesetzes betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung und der Abgabenordnung vom 22.12.2011, BGBl I 3044. 4 U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 37. 5 B/H/Fastrich Rn 22. 6 MünchKomm/Wicke Rn 7; G/E/S/Simon Rn 27. 7 Näher MünchKomm/Wicke Rn 7; U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 7 ff. 8 B/H/Fastrich Rn 3; Scholz/Emmerich Rn 7; R/A/Roth Rn 9.

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§ 3 | Inhalt des Gesellschaftsvertrages Gestaltung der Mitgliedschaftsrechte für den Fall der Insolvenz des GmbH-Gesellschafters, ZIP 2010, 1319; Herchen Agio und verdecktes Agio im Recht der Kapitalgesellschaften, 2004; Janke Nebenleistungspflichten bei der GmbH, 1996; Lüssow Das Agio im GmbHund Aktienrecht, 2005; D. Mayer Die Übernahme des Gründungsaufwandes durch die GmbH – zugleich Besprechung des BGH-Beschlusses vom 20.2.1989 – II ZB 10/88, MittbayNot 1989, 128; Noack Gesellschaftervereinbarungen bei Kapitalgesellschaften, 1994; Priester Kapitalaufbringungspflichten und Gestaltungsspielräume bei Agio, FS Lutter, 2000, S. 617; Reichert Vinkulierung von GmbH-Geschäftsanteilen – Möglichkeiten der Vertragsgestaltung, GmbHR 2012, 713; Rudersdorf Wettbewerbsverbote in Gesellschafts- und Unternehmenskaufverträgen, RNotZ 2011, 509; K. Schmidt Nebenleistungsgesellschaften (§ 55 AktG, § 3 Abs. 2 GmbHG) zwischen Gesellschaftsrecht, Schuldrecht und Kartellrecht, FS Immenga, 2004, S. 705; Schwab Kündigung, Ausschluss und Einziehung in der GmbH, DStR 2012, 707; Wachter Festsetzung des Gründungsaufwands in der GmbH-Satzung, NZG 2010, 734; Wicke Echte und unechte Bestandteile im Gesellschaftsvertrag der GmbH, DNotZ 2006, 419; Wicke Schuldrechtliche Nebenvereinbarungen bei der GmbH – Motive, rechtliche Behandlung, Verhältnis zum Gesellschaftsvertrag, DStR 2006, 1137.

21 Die Gesellschafter können als Ausfluss der Privatautonomie (Rn 2) über den

zwingenden Mindestinhalt des § 3 Abs. 1 (Rn 6 ff) hinaus in der Satzung weitere fakultative Regelungen mit korporativer Wirkung treffen. Zu unterscheiden ist der fakultative Satzungsinhalt gemäß § 3 Abs. 2 vom weiteren fakultativen Satzungsinhalt außerhalb von § 3 Abs. 2 (Rn 38 ff). Auch die Statuierung von Sonderrechten (§ 35 BGB) ist möglich (Rn 38; näher § 14 Rn 12, 19). Davon abzugrenzen sind (fakultative) unechte Satzungsbestandteile und schuldrechtliche Nebenvereinbarungen (Rn 59 ff). Änderungen der materiellen Satzung können stets nur nach Maßgabe der §§ 53 ff vorgenommen werden (näher § 53 Rn 1, 2, 7 ff)1. Zu Änderungen von unechten Satzungsbestandteilen näher § 53 Rn 5; zur Änderung schuldrechtlicher Nebenvereinbarungen Rn 62 und § 53 Rn 4. 1. Fakultativer Satzungsinhalt gemäß § 3 Abs. 2

22 a) Eine Zeitbeschränkung kann nur im Gesellschaftsvertrag wirksam vereinbart

werden2; sie führt ohne Weiteres bei Fristablauf zur Auflösung der GmbH gemäß § 60 Abs. 1 Nr. 1 (vgl § 60 Rn 2 ff). Fehlt – wie regelmäßig – eine solche Regelung, dann kommen für die Beendigung (Auflösung) – außerhalb der gesetzlichen Auflösungsgründe – nur §§ 60 Abs. 1 Nr. 2, 61 in Betracht. Die Zeitbeschränkung braucht nicht kalendermäßig festzustehen, muss aber objektiv bestimmbar sein; das ist gegeben, wenn die Beendigung durch ein Ereignis bestimmt wird, dessen Eintritt sicher, der Zeitpunkt des Eintritts aber ungewiss ist3. Sie ist nach § 10 Abs. 2 Satz 1 einzutragen, wenngleich es sich hierbei aber nicht um eine Wirksamkeitsvoraussetzung handelt4.

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R/A/Roth Rn 41. U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 49; B/H/Fastrich Rn 27. BayObLG GmbHR 1975, 62; Scholz/Emmerich Rn 64. U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 49; MünchKomm/Wicke Rn 60.

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Inhalt des Gesellschaftsvertrages | § 3

Nach Eintragung der GmbH erfolgt die Einfügung der Beschränkung oder ihre 23 Streichung, Verlängerung oder Verkürzung durch satzungsändernden Beschluss (§§ 53, 54); in diesem Fall ist die Eintragung gemäß § 54 Wirksamkeitsvoraussetzung1 (vgl auch § 54 Rn 18). Für Streichung der bisherigen Beschränkung oder für Verlängerung ist Einstimmigkeit im Zweifel nicht erforderlich2. Die schützenswerten Interessen der einer satzungsändernden (3/4-)Mehrheit widersprechenden Gesellschafter werden ausreichend dadurch gewahrt, dass man ihnen ein Austrittsrecht gewährt3. Abweichendes gilt nach ganz hM für den Fall, dass die Gesellschafter Nebenleistungen vereinbart haben und durch die Verlängerung des Gesellschaftsvertrages auch diese Leistungspflichten über einen längeren Zeitraum zu erfüllen sind4. Allerdings wird auch von der hM anerkannt, dass die Treuepflicht (dazu § 14 Rn 29 ff) es gebieten kann, der Fortsetzung der Gesellschaft zuzustimmen und statt dessen aus der GmbH auszutreten5. b) Nebenleistungs-GmbH: aa) Die Gesellschafter können sich über ihre Ein- 24 lagepflicht hinaus zu beliebigen weiteren einmaligen oder wiederkehrenden Leistungen an die GmbH verpflichten6. Im Gegensatz zum Aktienrecht (§§ 54, 55 AktG) bestehen hier keine Schranken. Sollen diese Pflichten an die Mitgliedschaft gebunden sein (zur Abgrenzung von schuldrechtlichen Nebenabreden: Rn 59 ff), so handelt es sich um Nebenleistungspflichten iSv § 3 Abs. 2; die förmliche Festlegung in der Satzung ist dann notwendig7. Nachträgliche Festlegung durch Satzungsänderung ist möglich, doch ist dann gemäß § 53 Abs. 3 die Zustimmung jedes belasteten Gesellschafters erforderlich8 (vgl § 53 Rn 21 f); das gilt jedoch nicht für eine Aufhebung von Nebenleistungspflichten durch Satzungsänderung (nur § 53 Abs. 1, 2)9. Die Satzung kann auch vorsehen, dass die Einforderung der Nebenleistung durch den Geschäftsführer im Innenverhältnis eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung bedarf10. Eine Pflicht, die Gesellschafter gleichmäßig zu behandeln, besteht nicht11. 1 MünchKomm/Wicke Rn 60. 2 Wie hier U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 57; MünchKomm/Wicke Rn 63; R/A/Roth Rn 24. 3 MünchKomm/Wicke Rn 63; R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 25 mwN; deutlich enger B/H/ Fastrich Rn 29; Scholz/Emmerich Rn 66; U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 57. 4 U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 57; MünchKomm/Wicke Rn 63; aA R. Fischer GmbHR 1955, 165, 168. 5 R/A/Roth Rn 25; MünchKomm/Wicke Rn 63 mwN. 6 Ausführlich Noack Gesellschaftervereinbarungen bei Kapitalgesellschaften,1994; vgl weiter Ullrich ZGR 1985, 235 ff. 7 BGH GmbHR 1993, 214, 215; OLG Frankfurt GmbHR 1992, 665, 666; K. Schmidt FS Immenga, 2004, S. 705, 716 f. 8 Wicke DNotZ 2006, 419, 422; B/H/Fastrich Rn 37; nunmehr auch R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 30. 9 B/H/Fastrich Rn 50; MünchKomm/Wicke Rn 96; U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 112. 10 BGH GmbHR 1989, 151, 512; MünchKomm/Wicke Rn 68. 11 R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 29; B/H/Fastrich Rn 36; U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 83.

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§ 3 | Inhalt des Gesellschaftsvertrages 25 Zwingend korporativen Charakter haben Regelungen, welche die Grundlagen

der Gesellschaft, ihre Beziehungen zu den Gesellschaftern sowie die Rechtsstellung ihrer Organe in Abweichung zum gesetzlichen Normalstatut mit unmittelbar dinglicher Wirkung für die GmbH, künftige Gesellschafter und ggf außenstehende Dritte gestalten1. Unter einen Satzungsvorbehalt stellt das GmbHG ferner Vereinbarungen in Abweichung von dispositiven Normen wie zB von §§ 26–29, 35 Abs. 2, 38 Abs. 2, 53 Abs. 2, 60 Abs. 1 Nr. 2, 72 (s. Rn 1)2. Besteht die Nebenleistungspflicht in einer Geld- oder Sachleistung, so muss sie von der „Stammeinlage“ (dazu auch Rn 13) sowie dem Nachschuss abgegrenzt werden. Ergibt sich die Rechtsnatur nicht bereits aus der vereinbarten Entgeltlichkeit, so bedarf es der Ermittlung von Art und Inhalt durch Auslegung der körperschaftlichen Satzungsbestandteile nach objektiven Kriterien3. Ausführlich zur Abgrenzung § 26 Rn 4 f. bb) Die praktische Bedeutung von Nebenleistungspflichten ist sehr groß4. In Betracht kommen vor allem:

26 (1) Zahlungspflichten zB Leistung von (künftigen) Zuschüssen (zu unterschei-

den von Nachschüssen; dazu § 26), Beiträgen und Umlagen, Ausgleich von Verlusten5, Hingabe von Darlehen6, aber auch Übernahme künftiger Einlagen bei Kapitalerhöhung. Die Zahlungspflichten können regelmäßig wiederkehren, von bestimmten Ereignissen abhängen oder einmalig sein.

27 Auch das sog Agio (Aufgeld) kann zu diesen Nebenleistungspflichten gehören,

kann aber auch rein schuldrechtlich zwischen der Gesellschaft und dem (künftigen) Gesellschafter vereinbart sein7. Findet die Pflicht zur Leistung des Agios allerdings Eingang in den satzungsändernden Kapitalerhöhungsbeschluss, so ist regelmäßig von einer korporativen Nebenleistungspflicht iSd § 3 Abs. 2 auszugehen8. Zwar ist eine in der Satzung enthaltene Leistungspflicht nicht immer korporativer Natur; gleichwohl ist dies regelmäßig gegeben, wenn die Gesell-

1 Wicke DNotZ 2006, 419, 427. 2 Ausführlich und mit weiteren Beispielen Wicke DNotZ 2006, 419, 427 f. 3 U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 62 ff; Scholz/Emmerich Rn 75; MünchKomm/Wicke Rn 70 ff, 77 ff. 4 B/H/Fastrich Rn 32; Rechtstatsachen bei Janke Die Nebenleistungspflichten bei der GmbH, 1996, S. 38 ff. 5 Dazu OLG Brandenburg ZIP 2006, 1675, 1676 mit Anm Grunewald EWiR 2006, 619. 6 BGH GmbHR 1989, 151, 152; vgl aber zur Problematik von sog „Finanzplankrediten“ Anh zu § 64 Rn 170. 7 BayObLG AG 2002, 510; bestätigt durch BGH GmbHR 2008, 147, 148; ebenso MünchKomm/Wicke Rn 77; U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 72. 8 BGH GmbHR 2008, 147, 148 (gegen OLG Köln NZG 2007, 108, 109 als Vorinstanz); zustimmend Kort WuB II C. § 3 GmbHG 1.08; ebenso U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 72; Scholz/ Emmerich Rn 74a; kritisch Herchen GmbHR 2008, 149, 150; Schiedsgericht Hamburg GmbHR 2008, 934, 936.

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Inhalt des Gesellschaftsvertrages | § 3

schafter nicht ausdrücklich eine anderweitige Klarstellung vorgenommen haben1. Dies gilt erst recht, wenn das Agio als Entgelt für die Übernahme eines Geschäftsanteils zu leisten war, denn eine Einlagepflicht kann nur korporativ begründet werden2. Ob ein entgegenstehender Wille der Gesellschafter vorliegt, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln. Die Aufnahme einer entsprechenden Leistungspflicht in die Satzung kann daher nur als Indiz angesehen werden. Auch wenn das Agio gemäß § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB als Kapitalrücklage in der Bilanz auszuweisen ist3, so finden doch nach zutreffender Auffassung von Rspr4 und hL5 die gläubigerschützenden Kapitalaufbringungs- und -erhaltungsvorschriften keine Anwendung6. Gleichwohl sind derartige korporative Abreden rechtlich verbindlich. Ergibt daher die Auslegung der betreffenden Satzungsbestimmung, dass das Agio auch in der Insolvenz zu leisten ist, so ist in diesem Fall auch der Insolvenzverwalter für die Einforderung des Agios zuständig, da die Beschlusskompetenz der Gesellschafter gemäß § 46 Nr. 2 mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens entfällt7. Zwar dient das Agio nicht in erster Linie dem Gläubigerschutz, sondern liegt grundsätzlich im Interesse der Gesellschaft. Mit der Insolvenz der Gesellschaft verliert das Agio jedoch seine primäre Funktion als nicht gebundenes Eigenkapital im Interesse der Gesellschaft, weshalb nunmehr der Insolvenzverwalter für die Einforderung zuständig ist8. Damit wird das korporative Agio näher an die Regeln über die Aufbringung des Stammkapitals gerückt. Ausstehende Beträge sind dann in der Insolvenz mit Anforderung durch den Insolvenzverwalter sofort fällig9 (vgl auch § 46 Rn 14). Zur Verjährung des Anspruchs auf das Agio s. Schiedsgericht Hamburg GmbHR 2008, 934, 939; zur sog Bareinlage mit Sachagio ausführlich § 5 Rn 44. (2) Haben die Gesellschafter eine Ansammlung von Gewinnanteilen auf einem 28 Darlehenskonto festgelegt (Rn 40), aus dem in gewissen Abständen eine Kapitalerhöhung erfolgen soll, so ist dann ein Kapitalerhöhungsbeschluss und die Übernahme des erhöhten Kapitals erforderlich: Zu Letzterem können sich die Gesellschafter als Nebenleistung verpflichten10, zur Mitwirkung am Kapital-

1 S. auch Lüssow Agio im GmbH- und Aktienrecht, S. 43; Schiedsgericht Hamburg GmbHR 2008, 934, 936. 2 Vgl OLG Dresden GmbHR 1997, 746, 747 f. 3 Dazu LG Arnsberg DB 2005, 98. 4 BGH GmbHR 2008, 147, 148. 5 R/A/Roth Rn 30; MünchKomm/Wicke Rn 77; ausführlich Priester FS Lutter, 2000, S. 617, 632 ff. 6 Ausführlich Haberstock NZG 2008, 220 ff. 7 BGH GmbHR 2008, 147, 148; aA OLG Köln NZG 2007, 108, 109 (Vorinstanz). 8 BGH GmbHR 2008, 147, 148; aA (für Verlustausgleichspflicht) OLG Brandenburg ZIP 2006, 1675, 1676 f. 9 Schiedsgericht Hamburg GmbHR 2008, 934, 938. 10 R/A/Roth Rn 30.

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§ 3 | Inhalt des Gesellschaftsvertrages erhöhungsbeschluss jedoch nur im Rahmen eines schuldrechtlichen Stimmbindungsvertrages (dazu Rn 59). 29 (3) Sachleistungspflichten wie die Überlassung von Gegenständen zum Ge-

brauch1 (Grundstücke, Fabrikgebäude, gewerbliche Schutzrechte2); vgl aber zur Nutzungsüberlassung Anh zu § 64 Rn 161 ff.

30 (4) Sonstige Leistungspflichten wie etwa Einräumung eines Alleinvertriebs-

rechts, Festlegung von Lieferverpflichtungen3 (zB landwirtschaftliche Vermarktungs-GmbH) oder Informationspflichten (zB Weitergabe von Know-how der Gesellschafter an die GmbH) – stets unter Beachtung des GWB –, aber auch Dienstleistungen (wie Pflicht zur Übernahme der Geschäftsführer)4. In Betracht kommt auch die Pflicht zur Übernahme einer Bürgschaft oder Garantie für die GmbH5 oder auch eine (satzungsmäßige) Stimmrechtsausübungsabrede6 (zur schuldrechtlichen Stimmbindung Rn 59).

31 (5) Unterlassungspflichten7 wie insbesondere Wettbewerbsverbote8 (ausführlich

bei § 14 Rn 38 ff), aber auch die Pflicht, Stimmbindungsverträge zu unterlassen9.

32 (6) Vorkaufsrechte oder sonstige Erwerbsrechte der GmbH an bestimmten Ge-

schäftsanteilen bzw das Recht zur Benennung eines Gesellschafters oder Dritten als Erwerbsberechtigten (zB bei Veräußerung oder Tod eines Gesellschafters)10.

33 cc) Nebenleistungspflichten können entgeltlich oder unentgeltlich sein11; der

marktmäßige Gegenwert darf überschritten werden, doch ist dann insoweit § 30 zu beachten12; auch kommt eine verdeckte Gewinnausschüttung in Betracht (dazu § 29 Rn 48 ff)13. Erfolgt die Gegenleistung in engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der Kapitalaufbringung, so besteht die Gefahr, dass die Nebenleistung unter die Regeln der verdeckten Sacheinlage fällt14 (dazu § 19 Rn 54 ff). Bei Erwerbsrechten unter Lebenden an einem Geschäftsanteil aus An-

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R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 34; MünchKomm/Wicke Rn 78. Dazu OLG Dresden GmbHR 1997, 746, 747; Scholz/Emmerich Rn 76. R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 38. BAG GmbHR 1991, 460; R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 35; U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 77. R/A/Roth Rn 30a. MünchKomm/Wicke Rn 86; U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 79. MünchKomm/Wicke Rn 82; U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 77. Ausführlich Scholz/Emmerich Rn 77, 88 ff; R/A/Roth Rn 37 ff; vgl auch Rudersdorf RNotZ 2011, 509, 516; v.d. Osten GmbHR 1989, 450 f. MünchKomm/Wicke Rn 87; U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 79. Dazu OLG Stuttgart GmbHR 1997, 1108 f; OLG Schleswig GmbHR 1999, 35 (LS); MünchKomm/Wicke Rn 79 ff; U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 73 ff. MünchKomm/Wicke Rn 75; Scholz/Emmerich Rn 78. B/H/Fastrich Rn 36; R/A/Roth Rn 29. R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 32. So auch U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 81 aE; MünchKomm/Wicke Rn 75 .

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lass seiner geplanten Veräußerung darf der Preis nicht so niedrig sein, dass dem Gesellschafter ein Ausscheiden praktisch unmöglich wird. dd) Der Inhalt der Pflicht muss bestimmt oder bestimmbar sein; allgemeine 34 Formulierungen („wird das Erforderliche veranlasst“) reichen nicht aus. Schon bei Festlegung der Nebenleistungspflicht muss ihr Ausmaß und ihr Umfang für den betreffenden Gesellschafter überschaubar sein1. Erforderlich ist insbesondere die Benennung einer Obergrenze oder die Angabe sonstiger Kriterien, die das Risiko für den Gesellschafter eingrenzen2. Nicht ausreichend ist folglich eine Satzungsbestimmung, nach der Verluste in unbestimmter Höhe zeitlich unbegrenzt übernommen werden müssen. Indes ist eine Bestimmung dahingehend möglich, dass die GmbH oder ein Dritter den Umfang der Leistungspflicht festlegt (§§ 315, 317, 319 BGB)3. Die Pflicht kann bedingt oder befristet sein4; die Regeln für Einlageverpflichtungen gelten insoweit nicht. Die Auslegung korporativer Satzungsbestandteile beurteilt sich nach dem objektiven Erklärungswert des beurkundeten Vertragstextes5 (vgl § 2 Rn 19). ee) Die Pflicht endigt nach den Regeln der Satzung; nur personenbezogene 35 Pflichten enden mit dem Tod oder Ausscheiden des betreffenden Gesellschafters6. Keine Möglichkeit des Abandons aus § 27. Erweist sich die Pflicht für den Schuldner als schlechthin ruinös, so steht ihm allenfalls die Kündigung der Gesellschaft (nicht allein der Nebenabrede7) aus wichtigem Grund offen (dazu auch § 34 Rn 70 ff)8. Ob eine Nebenleistungspflicht (insbesondere ein Agio oder eine Verlustausgleichspflicht) auch im Fall der Insolvenz der Gesellschaft zu leisten ist, ist eine Frage des Einzelfalles9. ff) Die Nebenleistungspflicht betrifft den jeweiligen Inhaber des betreffenden 36 Geschäftsanteils, geht also auf den Erwerber über10. Das gilt nur dann nicht, wenn die Nebenpflicht ihrem Inhalt nach personal bestimmt ist, etwa bei besonderen Fähigkeiten des betreffenden Gesellschafters11. Der Erwerber des Geschäftsanteils kann sich auf Unkenntnis nicht berufen; der Satzungsinhalt wird 1 BGH GmbHR 2008, 258; BGH GmbHR 1989, 151; OLG Brandenburg ZIP 2006, 1675, 1676; näher Stein ZGR 1990, 357, 359 ff. 2 BGH GmbHR 2008, 258; Scholz/Emmerich Rn 70 aE. 3 Ausführlich Schilling/Winter FS Stiefel, 1987, S. 665 ff; U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 85. 4 Scholz/Emmerich Rn 72. 5 BGH GmbHR 1999, 911, 914; Wicke DNotZ 2006, 419, 420 f. 6 B/H/Fastrich Rn 49; MünchKomm/Wicke Rn 95. 7 So aber RGZ 128, 1, 17; B/H/Fastrich Rn 51; einschränkend U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 114; MünchKomm/Wicke Rn 96. 8 RGZ 73, 429, 433; R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 49; Scholz/Emmerich Rn 87. 9 Dazu OLG Brandenburg ZIP 2006, 1675, 1676 f mit Anm Grunewald EWiR 2006, 619, 620; vgl weiter U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 104; Scholz/Emmerich Rn 79. 10 R/A/Roth Rn 34; MünchKomm/Wicke Rn 95; OLG Frankfurt GmbHR 1992, 665, 666. 11 U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 103; R/A/Roth Rn 34; MünchKomm/Wicke Rn 95.

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§ 3 | Inhalt des Gesellschaftsvertrages ihm zugerechnet1. Für bereits fällige Leistungspflichten haften Veräußerer und Erwerber gemäß § 16 Abs. 2 (dazu § 16 Rn 54 ff); im Übrigen aber keine Ausfallhaftung aus § 242 (vgl § 24 Rn 1 ff). 37 gg) Bei Nichterfüllung oder sonstiger Verletzung von Nebenleistungspflichten

kommen die allgemeinen schuldrechtlichen Vorschriften zur Anwendung (hM), wobei die Rechte und Pflichten im Einzelfall durch das gesellschafterliche Treueverhältnis (dazu § 14 Rn 29 ff) modifiziert werden können3; dies gilt insbesondere auch für die Frage, ob die Nebenleistungspflichten auch noch in der Insolvenz des Gesellschafters erfüllt werden müssen4 (vgl auch Rn 27). Die Nebenleistungsforderungen gegen den insolventen Gesellschafter sind dann Masseschulden5. Denn es wäre widersprüchlich, die GmbH auf die Insolvenzquote für den Fall zu verweisen, dass der Insolvenzverwalter den Geschäftsanteil im Vermögen des Gesellschafters belässt, im Fall der Veräußerung jedoch ein vollumfängliches Vorgehen gegen den Erwerber zu ermöglichen. Die Rechte der Gesellschaft und den Umfang ihrer Ansprüche könnte so der Insolvenzverwalter des Schuldners bestimmen, was äußerst bedenklich erscheint. Der Insolvenzverwalter hat jedoch die Möglichkeit, den Gemeinschuldner durch Veräußerung des Anteils hiervon zu befreien6. Wird das statuarische Agio als korporative Nebenleistungspflicht durch Eintragung des Kapitalerhöhungsbeschlusses in das Handelsregister verbindlich, so scheidet eine Anfechtung des Inferenten nach bürgerlichrechtlichen Vorschriften gemäß §§ 119 ff BGB wegen eines Willensmangels aus7. Im Einzelfall kann ihre Anfechtung aber einen wichtigen Grund für die anderen Gesellschafter zur Auflösung der Gesellschaft bilden8. 2. Fakultativer materieller Satzungsinhalt außerhalb von § 3 Abs. 2

38 Ebenso wie Nebenleistungspflichten (Rn 24 ff) können in den Gesellschaftsver-

trag auch Sonderrechte9 für einzelne Gesellschafter sowie allgemeine Regelungen zur Organisation der GmbH10, aufgenommen werden. Allerdings stellt sich

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Scholz/Emmerich Rn 81 aE. MünchKomm/Wicke Rn 95; U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 105. Zutreffend U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 87 ff; Scholz/Emmerich Rn 84 ff mwN. B/H/Fastrich Rn 52; U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 102. Wie hier U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 102; B/S/Schäfer Rn 35; aA B/H/Fastrich Rn 52; G/E/S/ Simon Rn 54; MünchKomm/Wicke Rn 97: normale Insolvenzforderung. U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 102. BGH GmbHR 2008, 147, 148 mit zustimmender Anm Kort WuB II C. § 3 GmbHG, 1.08; vgl auch MünchKomm/Wicke Rn 89; einschränkend U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 67. Ausführlich U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 67; ähnlich B/H/Fastrich Rn 48; MünchKomm/ Wicke Rn 89 aE. Dazu Scholz/Emmerich Rn 100; Michalski/Michalski Rn 76 ff. B/H/Fastrich Rn 53; R/A/Roth Rn 40; B/S/Schäfer Rn 37.

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dann häufig das Problem zur Abgrenzung gegenüber schuldrechtlichen Nebenabreden (ausführlich Rn 59 ff). a) Bestimmungen zur Eigenschaft von Gesellschaftern: nur Angehörige einer 39 bestimmten Familie oder eines Familienstammes, Staatsangehörigkeit, Ausbildung. Wird dies bei der Gründung nicht beachtet, so führt das weder zur Unwirksamkeit des Beitritts noch ist es ein Eintragungshindernis. Später ist die Nichtbeachtung ein Grund zur Verweigerung der Abtretungsgenehmigung (§ 15 Abs. 5) an einen Erwerber, der diese Anforderungen nicht erfüllt, bzw für dessen Ausschließung (vgl § 34). b) Regeln zur Gewinnverwendung: Sie können vom Entnahmeverbot über The- 40 saurierungsregeln (Bildung von Rücklagen) bis zur Zuweisung des Gewinns an einen Dritten (zB Rotes Kreuz) reichen. Vorzugsrechte für einzelne Gesellschafter („Vorzugsdividende“) sind zulässig, ebenso (in den Grenzen des § 30) feste monatliche oder jährliche Zahlungen sowie Gewinnvorschüsse1. Auch das Schütt-aus-Hol-zurück-Verfahren ist hier zu erwähnen: Verwendung von Gewinnanteilen zur Kapitalerhöhung unmittelbar oder nach Ansammlung auf einem Rücklagen- oder Darlehenskonto (s. Rn 28 sowie bei § 29 Rn 39 und § 56 Rn 14 ff)2. Bei einer solchen Verwendung von Gewinnanteilen sind stets die Vorschriften über Sacheinlagen zu beachten (vgl § 5 Rn 12 ff). c) Die Anerkennung der Gemeinnützigkeit setzt die entsprechende Festlegung 41 (Verzicht auf Gewinnausschüttung an die Gesellschafter) in der Satzung der betreffenden GmbH voraus, §§ 55 Abs. 1 Nr. 1, 59 AO. d) Regelungen zum Ausscheiden eines Gesellschafters3 (vgl auch Rn 43, 49, 50), 42 speziell auch zu Abfindungsleistungen4 und -beschränkungen5. e) Abtretungsregelungen/-beschränkungen6, nicht selten verbunden mit Vor- 43 kaufs- und Ankaufsrechten; diese werden häufig ergänzt um Regelungen zur Kündigung und zum Ausschluss mit der Folge der Einziehung (§ 34)7. Die Gesamtheit dieser Regeln kann wiederum verbunden werden mit Bestimmungen zur Höhe des Entgeltes und zu seiner Fälligkeit. Durch BGH v. 30.6.20038 ist 1 2 3 4 5 6 7 8

Dazu G. Hueck ZGR 1975, 133 ff. Dazu auch Priester ZGR 1977, 445, 465 ff. Ausführlich Schwab DStR 2012, 707 ff. Zur Ermittlung eines vereinbarten „Verkehrswertes“ für Grundstücke der GmbH: KG GmbHR 2015, 754. Dazu sowie zur Auslegung: BGH GmbHR 2012, 92 ff; zur Unwirksamkeit eines generellen Abfindungsausschlusses auch bei grober Pflichtverletzung (auch nicht als Vertragsstrafe) BGH GmbHR 2014, 811; dazu auch DNotI-Report 2014, 100. Zur Ausgestaltung Reichert GmbHR 2012, 713 ff. Beispiel BGH GmbHR 2003, 1062, 1063 f mit Anm Blöse/Kleinert und Bayer/Graff WuB II C. § 15 GmbHG 1.04. BGH GmbHR 2003, 1062.

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§ 3 | Inhalt des Gesellschaftsvertrages auch anerkannt, dass in der Satzung der GmbH bereits eine aufschiebend bedingte Abtretung des Geschäftsanteils (einschließlich der entsprechenden Verpflichtungen) vereinbart werden kann, so dass die spätere Beurkundung gemäß § 15 Abs. 3 und 4 entfallen kann, wenn der Geschäftsanteil auf einen oder mehrere Mitgesellschafter der Gründungs-GmbH übertragen werden soll; diese Grundsätze gelten allerdings nicht ohne Weiteres bei einer Übertragung auf Dritte (dazu ausführlich § 15 Rn 38, 54). Grundsätzlich zulässig ist auch eine sog. Russian-Roulette-Klausel1. Zur Wirksamkeit von Kundenschutzklauseln: BGH GmbHR 2015, 3082. 44 f) Einsetzung eines (freiwilligen) Aufsichtsrats oder Beirats (§ 52) inkl der Re-

geln für seine Zusammensetzung und Befugnisse. In diesem Zusammenhang können dann auch Sonderrechte einzelner Gesellschafter auf einen Sitz im Aufsichtsrat oder ein Bestellungs-, Präsentations- oder Benennungsrecht (s. Rn 45 und § 46 Rn 25 sowie bei § 52) festgelegt werden3. Jede Einschränkung der Arbeitnehmermitbestimmung ist indes unzulässig4.

45 g) Die Bestellung von Geschäftsführern im Gesellschaftsvertrag (§ 6 Abs. 3

Satz 2) ist im Zweifel kein materieller Satzungsbestandteil (vgl § 6 Rn 37). Doch kann der Gesellschaftsvertrag als materielle Satzungsregelung Kriterien für die Auswahl der Geschäftsführer enthalten: zB Regeln zum Mindest- oder Höchstalter, zur Ausbildung, Familien- oder Staatsangehörigkeit etc. Von Bedeutung sind hier insbesondere auch Sonderrechte einzelner Gesellschafter oder Gesellschafter-Gruppen im Zusammenhang mit der Bestellung und Berufung von Geschäftsführern5. In Betracht kommen: ein Bestellungsrecht, das den Begünstigten unmittelbar und in Abweichung von § 46 Nr. 5 zur Bestellung (und im Zweifel dann auch Abberufung) des oder der Geschäftsführer berechtigt6; ein Präsentationsrecht, welches das Bestellungs- und Abberufungsrecht der Gesellschafterversammlung zwar belässt, diese aber zur Bestellung/Abberufung des Vorgeschlagenen verpflichtet, wenn kein wichtiger Grund in der Person des Geschäftsführers vorliegt7; ein Benennungsrecht, das ebenfalls die Rechte der Gesellschafterversammlung belässt, diese aber zur Bestellung/Abberufung des Vorgeschlagenen verpflichtet, es sei denn, es läge hiergegen ein sachlicher Grund

1 OLG Nürnberg RNotZ 2014, 180 = GmbHR 2014, 310; näher Fleischer/Schneider DB 2010, 2713, 2715 ff. Ausführlich zu Mechanismen zur Lösung von Gesellschaftskonflikten bei Joint Ventures: Grau CF 2015, 39 ff. 2 BGH GmbHR 2015, 308 mit Anm Nolting EWiR 2015, 269. 3 BGH WM 1970, 246, 247; B/H/Fastrich Rn 53. 4 BGH GmbHR 2012, 391; R/A/Roth Rn 40. 5 Dazu OLG Hamm GmbHR 2002, 428 ff mit Besprechung Servatius NZG 2002, 708 ff. 6 BGH GmbHR 1982, 129, 130 f; B/H/Fastrich Rn 46. 7 OLG Düsseldorf GmbHR 1990, 219 f.

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vor1. Möglich sind auch Regelungen zur Vergütung des Geschäftsführers2 sowie zur Regelung der Vertretungsbefugnis (zur Befreiung von § 181 BGB: Rn 55). h) Regeln zur Gesellschafterversammlung (Ort, Einberufung, Teilnahme- 46 berechtigung von Vertretern), zB nur ein Vertreter pro Mitglied3. Dabei ist die Satzung auch bezüglich des Ortes frei (Festlegung, aber auch Zuweisung in die Kompetenz der Geschäftsführer oder eines Aufsichtsrats). Zur Gesellschafterversammlung im Ausland ausführlich § 48 Rn 12. i) Regeln zum Stimmrecht, die stark verändert werden können: allgemeine oder 47 spezielle Entziehung des Stimmrechts, Höchststimmrechte, Mehrstimmrechte, bestimmte Mehrheitserfordernisse und Zustimmungserfordernisse einzelner Gesellschafter4; möglich ist auch die Regelung, wonach die Gesellschaft unter die Weisungen eines herrschenden Gesellschafters gestellt wird5. j) Beschränkte und unbeschränkte Nachschusspflichten (dazu bei §§ 26–28), 48 Verlustdeckungszusagen6. Zur Abgrenzung der Nebenleistungspflicht nach § 3 Abs. 2 von der Nachschusspflicht vgl § 26 Rn 4. k) Regelungen für den Fall der Insolvenz7 sowie den Tod eines Gesellschafters, 49 zB Abtretungsverpflichtung bestimmter Erben bzw Einziehungsbefugnis nach § 34, verbunden mit Bestimmungen zur Höhe und Fälligkeit der Abfindung (näher bei § 15 Rn 15 ff und § 34 Rn 22 ff, 35, 96). l) Allgemeine Gründe zur Einziehung eines Geschäftsanteils (wie zB die Insol- 50 venz eines Gesellschafters oder die Erhebung einer Auflösungsklage8) oder allgemeine Gründe der Ausschließung eines Gesellschafters einerseits9, seiner eigenen Kündigung10 (seiner Mitgliedschaft bzw der Gesellschaft) andererseits; hierbei kann die Satzung etwa anordnen, dass die Ausschließung sofort mit Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung und ungeachtet der (späteren) Abfindungszahlung wirksam wird (näher dazu bei § 34 Rn 48); genauso gut kann die Satzung das Gegenteil vorsehen.

1 OLG Hamm ZIP 1986, 1188, 1194 mit Anm Lutter ZIP 1986, 1195 f; BGH WM 1989, 250, 251 ff. 2 BGHZ 18, 205, 207 f. 3 Vgl BGH GmbHR 1989, 120, 121 f. 4 Dazu BGH GmbHR 1983, 196. 5 K. Schmidt FS Druey, 2002, S. 551, 564; Beuthien ZIP 1993, 1589 ff. 6 BGH GmbHR 1993, 214, 215 f; B/H/Fastrich Rn 39. 7 Eingehend Heckschen ZIP 2010, 1319 ff; vgl auch OLG Schleswig GmbHR 2015, 990. 8 Zu den Grenzen ausführlich KajetanSchuhknecht/Werther/Irmler GWR 2015, 489 ff; für Unzulässigkeit OLG München GmbHR 2010, 870; Volhard GmbHR 1995, 617, 619. 9 Beispiel BGH GmbHR 1984, 74. 10 Beispiel BGH GmbHR 2010, 256 mit Anm Podewils EWiR 2010, 405.

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§ 3 | Inhalt des Gesellschaftsvertrages 51 m) Regelung des Bezugsrechts bei Kapitalerhöhung, ggf auch ein Bezugsrechts-

ausschluss (§ 55 Rn 19 ff).

52 n) Soll die GmbH (oder auch eine UG1) – anstelle der Gründer2 – zur Erstattung

von Gründungsaufwand verpflichtet sein, so ist auf jeden Fall die Festlegung aller Positionen („die Kosten der notariellen Beurkundung und der Eintragung im Handelsregister sowie die sonstigen Steuern und Gebühren der Gründung“) in der Satzung erforderlich3 (arg § 9a); aber das genügt nicht, vielmehr ist analog § 26 Abs. 2 AktG zusätzlich der zu erwartende Gesamtbetrag festzulegen4 („in der geschätzten Höhe von 1 000 Euro“)5. Eine Einzelaufstellung der Beträge ist hier nicht erforderlich (aber möglich); sie erfolgt im Zuge der Anmeldung zum Handelsregister, also nicht in der Satzung6. Gründungsaufwand dieser Art sind auch ein Beratungshonorar (Anwalt) sowie Auslagen eines Gründers, hingegen nicht Aufwendungen der Vor-GmbH für den Betrieb des Unternehmens7. Ist der Gründungsaufwand korrekt festgelegt, so kann er – im Rahmen des Notwendigen und der Angemessenheit8, aber ohne eine in der Praxis verbreitete 10%-Regel9 – zu Lasten der Einlagen von der Vorgesellschaft oder der späteren GmbH beglichen bzw erstattet werden, und zwar auch zu Lasten des Kapitals, ohne dass dadurch die Unterbilanzhaftung der Gründer ausgelöst wird (s. § 11 Rn 44)10.

53 Auch ein sog Gründerlohn, also ein Honorar an einen Gründer für die Bemü-

hungen anlässlich der Gründung, ist zulässig, bedarf aber ebenfalls der ziffernmäßigen Festlegung in der Satzung und kann – anders als der Gründungsauf-

1 Dazu jüngst KG GmbHR 2015, 1158, 1159; vgl auch schon OLG Hamburg GmbHR 2011, 766. 2 Daher keine Satzungsregelung erforderlich, wenn nicht die GmbH den Gründungsaufwand tragen soll: OLG Frankfurt GmbHR 2010, 589; Wachter NZG 2010, 734 ff. 3 BGH GmbHR 1997, 1145; Wachter NZG 2010, 735, 736. 4 BGHZ 107, 1, 3 = GmbHR 1989, 250; zustimmend D. Mayer MittBayNot 1989, 128; kritisch Hüffer EWiR 1989, 479; BGH GmbHR 1997, 1145; Wachter NZG 2010, 734, 735; abweichend R/A/Roth § 5 Rn 74. 5 Nach OLG Zweibrücken GmbHR 2015, 427 soll die Angabe „bis max. 10% des Stammkapitals“ nicht ausreichend sein; kritisch dazu DNotI-Report 2014, 166 ff; zustimmend indes G/E/S/Franzmann/Born § 5 Rn 74. 6 Ausführlich DNotI-Report 2014, 166, 167 mwN. 7 MünchKomm/Wicke § 5 Rn 274; U/H/L/Ulmer/Casper § 5 Rn 206. 8 Dazu OLG Celle GmbHR 2015, 139 mit kritischer Anm Wachter: 15 000 Euro Gründungskosten sind bei 25 000 Euro Stammkapital unangemessen und unzulässig (betr Formwechsel in GmbH); ablehnend Scheibengruber Notar 2015, 292 ff. 9 Ausführlich und mit Nachweisen Cramer NZG 2015, 373 ff. 10 Ebenso U/H/L/Ulmer/Casper § 5 Rn 210; B/H/Fastrich § 5 Rn 57; Scholz/Veil § 5 Rn 114; MünchKomm/Wicke § 5 Rn 277; kritisch Wachter GmbHR 2015, 142 (keine Frage der Kapitalerhaltung); wohl auch Elsing DNotZ 2011, 245, 247.

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wand – nur zu Lasten des freien, also über § 30 hinaus vorhandenen Vermögens erfolgen1. Wird eine Vorrats-GmbH oder ein gebrauchter Mantel erworben, dann dürfen 54 die hierfür notwendigen Gründungskosten nicht – nochmals – zu Lasten des Kapitals erstattet werden (vgl auch Rn 85). o) Sollen Geschäftsführer und insbesondere der Einpersonen-Gesellschafter-Ge- 55 schäftsführer von den Beschränkungen aus § 181 BGB befreit sein oder durch Beschluss der Gesellschafterversammlung befreit werden können, so bedarf das stets der Festlegung in der Satzung2 sowie der besonderen Eintragung im Handelsregister (streitig; ausführlich § 35 Rn 51 f). p) Gerichtsstandsklauseln sind im nationalen Rechtsverkehr wegen §§ 17, 22 56 ZPO unnötig, bei Beteiligung ausländischer Gesellschafter aber sinnvoll und iSv Art. 25 EuGVVO (auch Art. 17 LugÜ) zulässig3. q) Schiedsklauseln sind in der Praxis weit verbreitet und heute auch im Hin- 57 blick auf Beschlussmängelklagen grundsätzlich zulässig: ausführlich Rn 109 ff. Ebenso kann durch eine Mediationsklausel einem Rechtsstreit ein Mediationsverfahren vorgeschaltet werden4. r) Bilanzierungsklauseln sind zulässig, soweit die §§ 264 ff HGB dafür Raum 58 lassen5. Zur Einheitsbilanzklausel (Handelsbilanz = Steuerbilanz), § 42 Rn 256.

IV. Unechte Satzungsbestandteile und schuldrechtliche Nebenvereinbarungen Literatur: Baumann/Reiss Satzungsergänzende Vereinbarungen – Nebenverträge im Gesellschaftsrecht, ZGR 1989, 157; Berger Nebenverträge im GmbH-Recht, 1995; Ehricke Schuldvertragliche Nebenabreden zu GmbH-Gesellschaftsverträgen, 2004; Hoffmann-Becking Der Einfluss schuldrechtlicher Gesellschaftervereinbarungen auf die Rechtsbeziehungen in der Kapitalgesellschaft, ZGR 1994, 442; Jäger Schuldrechtliche Nebenabreden zum Gesellschaftsvertrag der GmbH, DStR 1996, 1935; Joussen Gesellschafterabsprachen 1 Wie hier R/A/Roth § 5 Rn 74; D. Mayer MittBayNot 1989, 128, 129; wohl auch G/E/S/ Franzmann/Born § 5 Rn 74 („Restriktionen des § 30 gelten nicht, soweit es sich um notwendigen Gründungsaufwand handelt.“). Abweichend die hL: R/S-L/Schmidt-Leithoff § 5 Rn 70; U/H/L/Ulmer/Casper § 5 Rn 211; MünchKomm/Wicke § 5 Rn 277; Scholz/ Veil § 5 Rn 114: angemessener Gründerlohn ohne Verstoß gegen § 30 zulässig. 2 BayObLGZ 1989, 375 = GmbHR 1990, 213; OLG Köln GmbHR 1993, 37; OLG Celle GmbHR 2000, 1098; KG GmbHR 2006, 653; aA B/H/Zöllner/Noack § 35 Rn 132 mwN. 3 Vgl dazu auch EuGH; Powell Duffryn ZIP 1992, 472, 473 ff; ausführlich Bork ZHR 157 (1993), 48 ff; vgl weiter BGH ZIP 1993, 1709. 4 Dazu näher Schröder GmbHR 2014, 960 ff. 5 Hommelhoff/Priester ZGR 1986, 463, 472 f. 6 Dazu auch Priester FS Heinsius, 1991, S. 621 ff.

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§ 3 | Inhalt des Gesellschaftsvertrages neben Satzung und Gesellschaftsvertrag, 1995; Lieder Schuldrechtliche Nebenabreden im Gesellschaftsrecht, in Fleischer (Hrsg), Zweites Deutsch-österreichisch-schweizerisches Symposium zum Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht 2011, 2012; Noack Gesellschaftervereinbarungen bei Kapitalgesellschaften, 1994; Noack Satzungsergänzende Verträge der Gesellschaft mit ihren Gesellschaftern, NZG 2013, 281; Priester Rechtskontrolle und Registerpublizität als Schranken satzungsgleicher Gesellschaftervereinbarungen bei der GmbH?, FS Claussen, 1997, S. 319; K. Schmidt Nebenleistungsgesellschaften (§ 55 AktG, § 3 Abs. 2 GmbHG) zwischen Gesellschaftsrecht, Schuldrecht und Kartellrecht, FS Immenga, 2004, S. 705; Ulmer „Satzungsgleiche“ Gesellschaftervereinbarungen bei der GmbH?, FS Röhricht, 2005, S. 623; Ulmer Schuldrechtliche Gesellschafterabrede zugunsten der GmbH, Liber amicorum M. Winter, 2011, S. 687; Wachter Gesellschaftervereinbarungen als Gestaltungsinstrument bei der Rechtsnachfolge in Familienunternehmen (Teil 1), ErbR 2016, 114; Wälzholz Gesellschaftervereinbarungen (side letters) neben der GmbH-Satzung, GmbHR 2009, 1020; H.P. Westermann Das Verhältnis von Satzung und Nebenordnungen in der Kapitalgesellschaft, 1994; Wicke Echte und unechte Bestandteile im Gesellschaftsvertrag der GmbH, DNotZ 2006, 419; Wicke Schuldrechtliche Nebenvereinbarungen bei der GmbH – Motive, rechtliche Behandlung, Verhältnis zum Gesellschaftsvertrag, DStR 2006, 1137; Winter Satzung und schuldrechtliche Gesellschaftervereinbarungen: Die Sicht der Praxis, RWS-Forum 8, Gesellschaftsrecht 1995, 1996, S. 131; Zöllner Wechselwirkungen zwischen Satzung und schuldrechtlichen Gesellschaftervereinbarungen ohne Satzungscharakter, RWS-Forum 8, Gesellschaftsrecht 1995, 1996, S. 89.

1. Terminologie und Abgrenzungen 59 Neben den zwingenden (Rn 6 ff) und weiteren fakultativen materiellen Satzungs-

regelungen (Rn 21 ff) (= echte Satzungsbestandteile)1 kann der Gesellschaftsvertrag auch beliebige schuldrechtliche Abreden zwischen einzelnen oder allen Gesellschaftern (zB Stimmbindungsvertrag2, Regelungen zur Zusammensetzung des Gesellschafterkreises (speziell im Kontext der Rechtsnachfolge im Familienunternehmen3), Abreden über die Vergütung der Organe4) oder auch zwischen den Gesellschaftern und der GmbH (zB Darlehensgewährung auf Anfordern der GmbH5) enthalten6 (sog unechte Satzungsbestandteile)7. Diese schuldrecht-

1 Zur Terminologie: BGHZ 38, 155, 161 = NJW 1963, 202, 204; B/H/Fastrich Rn 54 f; MünchKomm/Wicke Rn 102, 104; teilweise abweichend Priester DB 1979, 681 ff (korporative/nicht korporative Satzungsbestandteile); U/H/L/Ulmer/Löbbe § 2 Rn 9 f (materielle/formelle Satzungsbestandteile). 2 BGH GmbHR 1983, 196; BGHZ 179, 13 = GmbHR 2009, 306; Wicke DStR 2006, 1137. 3 Dazu ausführlich Wachter ErbR 2016, 114 ff. 4 Hoffmann-Becking ZGR 1994, 442, 444. 5 Dazu BGHZ 142, 116 = GmbHR 1999, 911 mit Anm Brauer. 6 Schöner Überblick (auch über die Rechtsprechung) bei Wälzholz GmbHR 2009, 1020 ff; Wachter ErbR 2016, 114, 115 ff. 7 B/H/Fastrich Rn 54; Scholz/Emmerich Rn 103; MünchKomm/Wicke Rn 102, 108.

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lichen Abreden binden grundsätzlich nur die an der Vereinbarung Beteiligten, nicht aber den Nachfolger in den Geschäftsanteil1. Werden diese schuldrechtlichen Abreden nicht (als unechter Satzungsbestand- 60 teil) im Gesellschaftsvertrag vereinbart, sondern außerhalb, so spricht man von schuldrechtlichen Nebenvereinbarungen (oder Gesellschaftervereinbarungen)2. Im Gegensatz zu schuldrechtlichen Abreden in Form unechter Satzungsbestandteile werden schuldrechtliche Nebenvereinbarungen nicht zum Handelsregister eingereicht und sind somit auch nicht der Öffentlichkeit zugänglich3; dies macht solche Gesellschaftervereinbarungen besonders beliebt4. Im Grundsatz können die Gesellschafter frei bestimmen, ob sie eine Regelung 61 mit korporativer Wirkung (materieller Satzungsbestandteil) oder mit schuldrechtlicher Wirkung (alternativ als unechter Satzungsbestandteil oder als schuldrechtliche Nebenvereinbarung außerhalb des Gesellschaftsvertrags) vereinbaren wollen. Die Entscheidung zwischen unechten Satzungsbestandteilen und schuldrechtlichen Nebenabreden hat indes Konsequenzen für den Fall, dass die Gesellschafter satzungskonform, aber unter Verletzung einer schuldrechtlichen Nebenvereinbarung Beschluss fassen (dazu Rn 68 sowie ausführlich § 47 Rn 24 und Anh zu § 47 Rn 44). Auch können schuldrechtliche Vereinbarungen als sog. verdeckte Beherrschungsverträge zu qualifizieren sein5. Allein echte Satzungsbestimmungen können nicht in Form einer bloßen 62 schuldrechtlichen Abrede getroffen werden, sondern bedürfen der Aufnahme in den Gesellschaftsvertrag (Rn 1). Insofern gilt ein organisationsrechtlicher Satzungsvorbehalt6. Die meisten schuldrechtlichen Abreden können ihrem Inhalt nach jedoch sowohl mitgliedschaftliche Sonderrechte als auch schuldrechtliche Nebenpflichten sein (Beispiele: Altersruhegeld7, Deckungsbeiträge der Gesellschafter zu den Kosten der Gesellschaft8); daher kommt der Abgrenzung insoweit große Bedeutung zu9 (Rn 63 f). Mitgliedschaftliche Rechte und Pflichten können nur im Gesellschaftsvertrag begründet werden, unterliegen besonderen Auslegungsregeln, können nur durch förmliche Satzungsänderung geändert oder aufgehoben werden (§ 53 Rn 1 f) und gehen ipso iure auf den Erwerber des Geschäftsanteils über (Rn 36), während schuldrechtliche Rechte und Pflichten

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U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 123; B/H/Fastrich Rn 54. B/H/Fastrich Rn 56; ausführlich MünchKomm/Wicke Rn 128 ff. Dazu Wicke DStR 2006, 1137 ff. Wälzholz GmbHR 2009, 1020, 1021 mwN. Noack NZG 2013, 281, 282; vgl auch OLG München AG 2008, 423. B/H/Fastrich Rn 57. BGHZ 18, 205, 208. BGH GmbHR 1993, 214. Eingehend Priester DB 1979, 681 ff mwN; rechtsvergleichend Ehricke Nebenabreden, S. 81 ff.

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§ 3 | Inhalt des Gesellschaftsvertrages formlos zwischen den Parteien (auch zugunsten Dritter, § 328 BGB1: dazu auch Rn 75) begründet, geändert und aufgehoben werden können2 (§ 53 gilt nicht; vgl § 53 Rn 4), der Auslegung nach dem Willen der Vertragsteile (§§ 133, 157 BGB) und dem Leistungsstörungsrecht des BGB-Schuldrechts unterliegen3 und aufgrund ihrer relativen Wirkung nur durch besondere Abtretung bzw Schuldübernahme auf den Erwerber übergehen4. Den Gesellschaftern steht insoweit – dh außerhalb des zwingenden GmbH-Rechts – ein Gestaltungswahlrecht zu5. 63 Die Abgrenzung im Einzelfall kann schwierig sein: Für das Vorliegen einer

schuldrechtlichen Verpflichtung ist grundsätzlich der Wille der Parteien entscheidend6, während korporative Bestandteile nach dem objektiven Erklärungswert des Vertragstextes auszulegen sind (Rn 68).

64 Anhaltspunkte für rein schuldrechtliche Abreden sind7: Vereinbarungen au-

ßerhalb der Satzung (also Nebenvereinbarungen, vgl Rn 59) sind idR gültige schuldrechtliche, nicht etwa formnichtige mitgliedschaftliche Abreden8 (so etwa bei Stimmbindungs- bzw Schutzgemeinschafts-/Konsortialverträgen9), Festlegungen im Gesellschaftsvertrag dagegen idR mitgliedschaftlicher Natur10; das Letztere gilt jedoch nicht für die Bestellung von Geschäftsführern und einzelnen Abreden dazu im Gesellschaftsvertrag, da § 6 davon ausgeht, dass dies regelmäßig dort erfolgt11. Als wesentliches Charakteristikum echter Satzungsbestandteile ist zudem die rechtliche Wirkung über den Kreis der beteiligten Gesellschafter hinaus hervorzuheben. Zwingend schuldrechtlichen Charakter haben danach Regelungen über Rechte und Pflichten außenstehender Dritter gegenüber der Gesellschaft12.

1 BGH GmbHR 2010, 980 Rn 8; ausführlich Ulmer Liber amicorum M. Winter, 2011, S. 687, 692 ff. 2 RGZ 112, 273, 277; BGHZ 18, 205, 208; BGH GmbHR 1993, 214; Scholz/Emmerich Rn 111. 3 Wicke DNotZ 2006, 419, 421. 4 U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 123; Scholz/Emmerich Rn 112, 119. 5 Scholz/Emmerich Rn 108. 6 Ganz hM: BGHZ 38, 155, 161; BGH BB 1969, 1410 f; Priester DB 1979, 681, 683; Scholz/ Emmerich Rn 107 f. 7 Dazu auch U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 40 ff; MünchKomm/Wicke Rn 114 ff. 8 BGH BB 1969, 1410, 1411; BGH GmbHR 1993, 214, 215 f. 9 Dazu BGH GmbHR 2009, 306 mit Anm Gottschalk – Schutzgemeinschaft II; BGH GmbHR 1994, 871 – Schutzgemeinschaft I. 10 Ebenso Scholz/Emmerich Rn 108; R/A/Roth Rn 48; insoweit aA B/H/Fastrich Rn 55. 11 BGHZ 18, 205, 208; Scholz/Emmerich Rn 109. 12 U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 40 ff; Wicke DNotZ 2006, 419, 431.

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2. Einzelfragen Zulässig ist es im Einzelfall auch, formnichtige Satzungsänderungen bzw Sat- 65 zungsdurchbrechungen (§ 53 Rn 27 ff) in regelmäßig formlos wirksame (Ausnahmen in Rn 69, 72) Nebenabreden umzudeuten1 (vgl – auch zu Einschränkungen – § 53 Rn 33). Sollen Vor-, An- und Erwerbsrechte auf Geschäftsanteile nur schuldrechtlichen 66 Charakter haben, so ist doch stets die nach § 15 Abs. 4 erforderliche notarielle Form zu beachten (§ 15 Rn 53 f)2. Bei der Einbringung von Grundbesitz gilt § 311b BGB. Schuldrechtliche Nebenabreden fallen grundsätzlich nicht unter § 310 Abs. 4 67 Satz 1 BGB, daher ist hier eine Inhaltskontrolle möglich3, es sei denn, aufgrund der Abrede entsteht eine BGB-(Innen-)Gesellschaft; dann ist eine Inhaltsprüfung nach § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB ausgeschlossen4. Eine Inhaltskontrolle auch des materiellen Satzungsinhalts ist abzulehnen (vgl aber auch Rn 70 ff). Es gelten indes generell die Grenzen zwingenden Rechts, speziell §§ 134, 138 BGB. Unzulässig ist eine Vereinbarung über die Ausübung des Gesellschafter-Stimmrechts gegenüber der GmbH und ihren Organen (analog § 136 Abs. 2 AktG)5. Für das Aktienrecht hat der BGH entschieden, dass ein schuldrechtlicher Vertrag zwischen einem Aktionär und der AG, wonach der Aktionär seine Aktien auf die Gesellschaft unentgeltlich zu übertragen hat, wenn der Vertrag beendet wird, dann gemäß § 138 BGB nichtig ist, wenn die Aktien zuvor entgeltlich erworben wurden6; inwieweit diese Rechtsprechung auf die GmbH zu übertragen ist, ist noch ungeklärt7. Problematisch ist, wenn Satzung und schuldrechtliche Nebenvereinbarungen 68 nicht aufeinander abgestimmt sind. Hier gilt: Die Auslegung der Satzung erfolgt nach objektiven Kriterien (§ 2 Rn 19), kann daher durch die schuldrechtliche Nebenvereinbarung nicht berührt werden8 (Trennungsprinzip, vgl bereits § 2 Rn 20). Aus diesem Grund ist auch die ausnahmsweise zugelassene Anfechtung widersprechender Beschlüsse für den Fall, dass alle Gesellschafter die Nebenver1 BGHZ 123, 15, 20; BGH GmbHR 2010, 980; Noack NZG 2010, 1017, 1018; Ulmer Liber amicorum M. Winter, 2011, S. 687, 691 f. 2 Wicke DStR 2006, 1137, 1139. 3 BGH WM 1992, 99, 100; B/H/Fastrich Rn 56; Grunewald FS Semler, 1993, S. 179, 185 (zu § 23 AGBG aF). 4 MünchKomm/Wicke Rn 135; Wälzholz GmbHR 2009, 1020, 1023. 5 Noack NZG 2013, 281, 282; B/H/Zöllner § 47 Rn 115. 6 BGH GmbHR 2013, 301 mit Anm Ulrich und mit Anm Seibt EWiR 2013, 131. 7 Generell kritisch zur BGH-Rspr: Noack NZG 2013, 281 ff; Cziupka/Kliebisch, BB 2013, 715 ff. 8 OLG Stuttgart BB 2001, 794, 797; U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 122, 130; Ulmer FS Röhricht, 2005, S. 633, 644; abweichend Zöllner RWS-Forum 8 (1995), S. 89, 105 ff mwN; differenzierend Noack S. 156 ff.

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§ 3 | Inhalt des Gesellschaftsvertrages einbarung abgeschlossen haben, problematisch (ausführlich § 47 Rn 24 und Anh zu § 47 Rn 44). Wenn der BGH die Anfechtung umgekehrt ausschließt, sofern ein Beschluss sich zur Satzung in Widerspruch setzt, aber mit einer allseitigen Gesellschafterabrede übereinstimmt1, bedeutet dies gleichermaßen einen Verstoß gegen den Trennungsgrundsatz und ist daher abzulehnen.

V. Schranken der Satzungsautonomie Literatur: Drygala Anwendbarkeit des AGB-Gesetzes auch auf Gesellschaftsverträge – eine Nebenwirkung der Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen?, ZIP 1997, 968; Immenga Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1970; Teichmann Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, 1970; Reuter Privatrechtliche Schranken der Perpetuierung von Unternehmen, 1973; Ulmer Begründung von Rechten für Dritte in der Satzung der GmbH?, FS Werner, 1984, S. 911; Ulmer Nochmals: Begründung von Rechten für Dritte in der Satzung einer GmbH?, FS Wiedemann, 2002, S. 1297; Westermann Kautelarjurisprudenz, Rechtsprechung und Gesetzgebung im Spannungsfeld zwischen Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht, AcP 175 (1975), 375; Wiedemann Die Legitimationswirkung von Willenserklärungen im Recht der Personengesellschaften, FS H. Westermann, 1974, S. 585.

1. Zwingende Regeln 69 Zwingende Regeln sind im GmbHG selten; sie betreffen vor allem das Kapital

(§§ 30–32, 34)2, das Gebot der Freiwilligkeit des Beitritts (§ 39 BGB) und das Verbot, einen Gesellschafter in der GmbH „einzumauern“. Weitere Schranken ergeben sich aus dem DrittelbG, dem MitbestG und dem PublG. Selbstverständliche Schranke ist § 138 BGB, hier insbesondere das Verbot völlig unangemessener Abfindung3 (dazu § 34 Rn 84 ff) und der Knebelung eines Gesellschafters; es gewinnt praktische Bedeutung bei Bildung einer GmbH zwischen Kreditgeber und Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. 2. Sonstige generelle Schranken

70 Sonstige Schranken bestehen grundsätzlich nicht. Auch nachteilige und belas-

tende Regeln sind im Regelfall verbindlich, wenn der Gesellschafter an ihrer Formulierung mitgewirkt hat oder in voller Kenntnis der Personen und Verhältnisse aus freiem Entschluss beigetreten ist.

1 So BGH NJW 2010, 3718; zustimmend Noack NZG 2010, 1017. 2 Dazu RG JW 1928, 1533, 1564. 3 Dazu etwa BGH GmbHR 2012, 92; jüngst wieder BGH GmbHR 2014, 811 (keine Abfindung bei grober Pflichtwidrigkeit); zustimmend Seibt EWiR 2014, 509; Lettl WuB II C. § 34 GmbHG 1.14.

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Etwas anderes gilt dann, wenn die GmbH als Anlagegesellschaft ohne persönli- 71 che Beziehungen der Gesellschafter konzipiert und die Satzung ohne Einflussmöglichkeit der Gesellschafter vorformuliert ist; hier fehlt die Richtigkeitsgewähr aus privatautonomer Gestaltung. Der Gesellschaftsvertrag muss dann den Gesellschaftern Mindestinformations-, Kontroll-, Einfluss- und Lösungsrechte belassen; dabei kann die Orientierung am AktG erfolgen1. Insgesamt kommt es dabei weniger auf die Erscheinung als „Massenverträge“ als auf den Charakter eines rein anonymen und einflusslosen Beitritts an. Daher ist die Satzungsautonomie auch bei GmbH eingeschränkt, die zwar keine Anlagegesellschaften sind, denen aber Gesellschafter in typischerweise unfreier Motivationsund Machtlage beigetreten sind (Familiennachfolge). Vormünder, Pfleger und Vormundschaftsgericht haben daher auf Mindestrechten im Gesellschaftsvertrag auch dann zu bestehen, wenn die Mittel zum Beitritt schenkweise überlassen werden. Verletzen Vorschriften des Gesellschaftsvertrages diese Regeln, so sind sie un- 72 wirksam; an ihre Stelle treten die Regeln des GmbHG, ersatzweise die des AktG, ansonsten angemessene Regeln. Eine allgemeine Inhaltskontrolle kommt hingegen nicht in Betracht (zur Aus- 73 nahme für unechte Satzungsbestimmungen s. Rn 67). Die Annahme, die Richtlinie der EG über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen2 gebiete in bestimmten Fällen die Anwendung auf Gesellschaftsverträge3, kann nicht überzeugen4. 3. Schranken in der Ausübung gesellschafterlicher Rechte Im Übrigen bestehen keine Schranken der Gestaltung, wohl aber Schranken in 74 der Ausübung gesellschafterlicher Rechte aus § 242 BGB5 und den Regeln der gesellschafterlichen Treuepflicht (dazu § 14 Rn 29 ff). Da der Gestaltungsrahmen des Gesellschaftsvertrages sehr weit bleibt, kommt diesem Element besondere Bedeutung zu: Die einzelne Bestimmung kann durchaus zulässig sein, die Ausübung des entsprechenden Rechtes bzw ihre Verweigerung im konkreten Einzelfall (zB Auskunftsrecht, Gewinnthesaurierung, Ausschluss von Bezugsrechten) jedoch nicht (vgl hierzu im Rahmen der Abfindung bei Einziehung auch § 34 Rn 83 ff)6.

1 BGHZ 64, 238, 241 ff. 2 ABlEG Nr. L 95 v. 21.4.1993, S. 29; zuletzt geändert durch Art. 32 ÄndRL 2011/83/EU v. 25.10.2011, ABlEU Nr. L 304 v. 22.11.2011, S. 64. 3 So Heinrichs NJW 1996, 2190, 2192. 4 Zutreffend Drygala ZIP 1997, 968 ff. 5 Dazu Lutter JZ 1976, 225 ff. 6 Beispielhaft BGH GmbHR 2012, 92.

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§ 3 | Inhalt des Gesellschaftsvertrages 4. Rechte Dritter 75 Inwieweit Dritten in der Satzung der GmbH eigene Rechte ad personam ein-

geräumt werden können, ist höchst streitig1. Sowohl dogmatisch als auch in praktischer Hinsicht überzeugend erscheint die These von Ulmer2, wonach Drittbegünstigungen als echte Satzungsbestandteile nur zwischen den Gesellschaftern wirken und auch nur von ihnen durchgesetzt werden können, während unechte Satzungsbestandteile (dazu Rn 62) aufgrund ihrer lediglich schuldrechtlichen Wirkung grundsätzlich auch Ansprüche der Dritten begründen können3. Vgl zur Problematik auch § 45 Rn 9, § 46 Rn 1; zur Übertragung einzelner Teile der Mitgliedschaft auf Dritte vgl § 14 Rn 22 und § 47 Rn 4.

VI. Auslegung der Satzung 76 Zur Auslegung der Satzung s. § 2 Rn 19.

VII. Änderung der Satzung 77 Zur Änderung der Satzung vor Eintragung der GmbH im Handelsregister s. § 2

Rn 48. Nach Eintragung der GmbH im Handelsregister regelt sich die Satzungsänderung nach §§ 53 ff (s. dort). Dabei können Sonderrechte einzelner Gesellschafter (Rn 38) nur mit deren Zustimmung verändert oder aufgehoben werden (§ 35 BGB, näher § 53 Rn 24)4. Für schuldrechtliche Nebenabreden (Rn 59 ff) gilt mangels abweichender Vereinbarung ebenfalls das Zustimmungsprinzip.

VIII. Vorratsgründung und Verwendung eines gebrauchten GmbHMantels (Wirtschaftliche Neugründung) Literatur: Adolff Die Haftung des Gesellschafters der eingetragenen GmbH bei wirtschaftlicher Neugründung, VGR Bd 17, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2011, 2012, S. 49; Altmeppen Zur Verwendung eines „alten“ GmbH-Mantels, DB 2003, 2050; Altmeppen Zur Mantelverwendung in der GmbH, NZG 2003, 145; Apfelbaum Die wirtschaftliche Neugründung bei der GmbH, Notar 2011, 279; Bachmann Abschied von der „wirtschaftlichen Neugründung“?, NZG 2011, 441; Bachmann Die Offenlegung der wirtschaftlichen Neu1 Dazu ausführlich Herfs Einwirkung Dritter auf den Willensbildungsprozess der GmbH, 1994; Bürkle Rechte Dritter in der Satzung der GmbH, 1991; Chr. Weber Privatautonomie und Außeneinfluss im Gesellschaftsrecht, 2000. 2 Aktuell U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 43 ff. 3 Ulmer FS Wiedemann, 2002, S. 1297 ff; vgl bereits Ulmer FS Werner, 1984, S. 911 ff; zustimmend B/H/Fastrich Rn 26; MünchKomm/Wicke Rn 120 ff; B/S/Schäfer Rn 24. 4 BGH WM 1989, 250, 252.

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Inhalt des Gesellschaftsvertrages | § 3 gründung und die Folgen ihrer Versäumung, NZG 2012, 579; Bärwaldt/Balda Praktische Hinweise für den Umgang mit Vorrats- und Mantelgeschäften, GmbHR 2004, 50; Bayer Neue und gebrauchte Mäntel, „gestreckte“ und „mutierte“ Gründungen – Die Rechtsfigur der „wirtschaftlichen Neugründung“ in der Rechtsprechung des BGH, FS Goette, 2011, S. 15; Göhmann Sind bei der wirtschaftlichen Neugründung einer GmbH die Sacheinlagevorschriften und § 19 Absatz 5 GmbHG zu beachten?, RNotZ 2011, 290; Goette Haftungsfragen bei der Verwendung von Vorratsgesellschaften und „leeren“ GmbH-Mänteln, DStR 2004, 461; Habersack Wider das Dogma von der unbeschränkten Gesellschafterhaftung bei wirtschaftlicher Neugründung einer AG oder GmbH, AG 2010, 845; Hacker/ Petsch Leere Hülse, volle Haftung? Plädoyer für eine Insolvenzausnahme bei Unternehmensfortsetzung und wirtschaftlicher Neugründung, ZIP 2015, 761; Heidinger Die wirtschaftliche Neugründung – Grenzen der analogen Anwendung des Gründungsrechts, ZGR 2005, 101; Heinze „Präventivkontrolle“ der Kapitalaufbringung bei der wirtschaftlichen Neugründung?, GmbHR 2011, 962; Hermanns Die wirtschaftliche Neugründung von Kapitalgesellschaften – das gedankliche Konzept der Rechtsprechung, FS Brambring, 2011, S. 161; Herresthal/Servatius Grund und Grenzen der Haftung bei der wirtschaftlichen Neugründung einer GmbH, ZIP 2012, 197; Horn Haftung bei wirtschaftlicher Neugründung – Hinweise für die Transaktionspraxis, DB 2012, 1255; Hüffer Die Haftung bei wirtschaftlicher Neugründung unter Verstoß gegen die Offenlegungspflicht, NJW 2011, 1772; Hüffer Wirtschaftliche Neugründung und Haftung des Geschäftsführers, NZG 2011, 1257; Kleindiek Mantelverwendung und Mindestkapitalerfordernis, FS Priester, 2007, S. 369; Krafka Die wirtschaftliche Neugründung von Kapitalgesellschaften, ZGR 2003, 577; Krolop Zur Begrenzung der Unterbilanzhaftung bei der Vorrats- und Mantelgründung, ZIP 2011, 305; Lieder Zur Anwendbarkeit der Grundsätze der Mantelverwendung, NZG 2010, 410; Lieder Wirtschaftliche Neugründung: Grundsatzfragen und aktuelle Entwicklungen, DStR 2012, 137; Peetz Wirtschaftliche Neugründung einer GmbH und Haftung, GmbHR 2011, 178; Peters Der GmbH-Mantel als gesellschaftsrechtliches Problem, 1989; Priester Beginn der Rechtsperson – Vorräte und Mäntel, ZHR 168 (2004), 248; Schall „Cessante ratione legis“ und das Richterrecht zur wirtschaftlichen Neugründung, NZG 2011, 656; K. Schmidt Vorratsgründung, Mantelkauf und Mantelverwendung, NJW 2004, 1345; Swoboda Die Anwendung der Vorschriften zur „verschleierten Sachgründung“ im Zusammenhang mit der „wirtschaftlichen Neugründung“ von Vorratsgesellschaften, GmbHR 2005, 649; Theusinger/Andrä Die Aktivierung unternehmensloser Gesellschaften – Praktische Hinweise zur Verwendung von Vorrats- und Mantelgesellschaften, ZIP 2014, 1916; Ulrich Verwendung von gebrauchten Gesellschaftsmänteln: Die Behandlung von Altfällen, GmbHR 2005, 900; Werner Haftungsvermeidung bei Aktivierung einer Mantelgesellschaft, GmbHR 2010, 804.

1. Vorratsgründung a) Überblick: Die Gründung einer GmbH zur späteren eigenen Verwendung 78 oder zur Weiterveräußerung an einen Dritten „auf Vorrat“ (Vorratsgründung) ist in der Praxis weit verbreitet1: Während Konzerne Vorratsgesellschaften regelmäßig „in der Schublade“ haben, können andere Interessenten diese auch bei 1 Zum Einsatz bei M&A-Transaktionen: Linke/Fröhlich GWR 2014, 277 ff.

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§ 3 | Inhalt des Gesellschaftsvertrages spezialisierten Anbietern (etwa bei DNotV-GmbH, Foratis AG oder Vistra GmbH) erwerben. 79 Die Vorratsgründung ist grundsätzlich zulässig. Rspr und hL folgten insoweit

bereits in der Vergangenheit1 der Grundsatzentscheidung BGHZ 117, 323 zur AG2. Mit Urteil vom 9.12.2002 hat der BGH diese Rspr auch auf die GmbH erstreckt3. Erforderlich ist jedoch, dass der (vorläufige) Unternehmensgegenstand wahrheitsgemäß mit „Verwaltung eigenen Vermögens“ angegeben wird4 (offene Vorrats- oder Mantelgründung)5.

80 Dagegen ist die verdeckte Vorrats- oder Mantelgründung – dh die Angabe ei-

nes fiktiven Unternehmensgegenstandes, der in absehbarer Zeit gar nicht verwirklicht werden soll – unzulässig und führt gemäß § 117 BGB6 zur Nichtigkeit der Satzung, so dass die GmbH nicht eingetragen werden darf7 (dazu Rn 20). Wurde die verdeckt gegründete Vorratsgesellschaft dennoch eingetragen, so kommt bei der AG nach hM eine Klage auf Nichtigerklärung gemäß § 275 AktG in Betracht, sofern der Mangel nicht gemäß § 276 AktG geheilt wird8; vergleichbar ist die Rechtslage bei der GmbH9. Gleichgestellt wird im Schrifttum die Konstellation, dass die Gründer jedenfalls auf absehbare Zeit nicht ernstlich die Absicht haben, den von ihnen angegebenen Unternehmensgegenstand zu verfolgen10.

81 Noch wenig diskutiert wurde bislang die Konstellation, dass eine Gesellschaft

zunächst als aktiv tätiges Unternehmen konzipiert und eingetragen wurde, deshalb auch nicht offen als Vorratsgesellschaft ausgewiesen wurde, nach erfolgter Gründung und Eintragung dann jedoch wegen (zumindest zeitweiliger) Aufgabe dieser Absicht nicht (zeitnah) unternehmerisch tätig wurde, vielmehr eine unternehmerische Tätigkeit – sei es die ursprünglich geplante oder auch eine ganz andere – erst längere Zeit später aufgenommen hat. Hier hätte im Zeitpunkt der

1 Nachweise in 16. Aufl Rn 7. 2 BGHZ 117, 323 = GmbHR 1992, 451. Ebenso für die AG Hüffer/Koch § 23 AktG Rn 25 ff mwN; MünchKomm/Pentz § 23 AktG Rn 91. 3 BGHZ 153, 158 ff = GmbHR 2003, 227 ff mit Anm Peetz = LMK 2003, 65 f mit Anm Noack; zur Entwicklung Bayer FS Goette, 2011, S. 15, 16 ff. 4 B/S/Schäfer Rn 18 mwN; für die AG auch K. Schmidt/Lutter/Seibt § 23 AktG Rn 40 aE. 5 So bereits Priester DB 1983, 2291, 2298. 6 Richtig KG JFG 1, 200; B/H/Fastrich Rn 11; Scholz/Emmerich Rn 26. 7 Scholz/Emmerich Rn 20; für AG auch Hüffer/Koch § 23 AktG Rn 25; Großkomm/Röhricht/Schall § 23 AktG Rn 356; vgl auch Bayer FS Goette, 2011, S. 15, 17. 8 K. Schmidt/Lutter/Seibt § 23 AktG Rn 40; Großkomm/Röhricht 4. Aufl, § 23 AktG Rn 127 mwN; aA Hüffer/Koch § 275 AktG Rn 17 mwN; nunmehr auch Großkomm/ Röhricht/Schall § 23 AktG Rn 359 mwN. 9 BayObLG GmbHR 2000, 872, 873 f; R/A/Roth Rn 11. 10 Scholz/Emmerich Rn 26 aE; MünchKomm/Wicke Rn 28; für die AG: K. Schmidt/Lutter/ Seibt § 23 AktG Rn 40.

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Aufgabe der Absicht zur unternehmerischen Tätigkeit der Unternehmensgegenstand verändert und die Gesellschaft als offene Vorratsgesellschaft deklariert werden müssen (Rn 79). So aber ist im Wege der „Mutation“1 jetzt verdeckt eine Vorratsgesellschaft entstanden; der Vorgang wird als nachträglich verdeckte Vorratsgründung bezeichnet2. Wird nun diese verdeckte Vorratsgesellschaft erstmals mit einem aktiven Geschäftsbetrieb ausgestattet, dann besteht – dogmatisch wie wertungsmäßig – kein Unterschied zur Aktivierung einer offenen Vorratsgesellschaft; es gelten die Ausführungen zu Rn 83 ff3. Der Zweck der (offenen) Vorratsgründung ist darin zu sehen, dass dem späteren 82 Verwender bei Bedarf sofort eine eingetragene Kapitalgesellschaft zur Verfügung steht und er bei Geschäftsaufnahme nicht Gefahr läuft, persönlich aus der Vorbelastungshaftung (dazu § 11 Rn 41 ff) bzw im Zeitraum zwischen Errichtung und Eintragung der GmbH aus der Verlustdeckungshaftung (dazu § 11 Rn 18 ff) bzw aus der Handelndenhaftung des § 11 Abs. 2 (dazu § 11 Rn 28 ff) in Anspruch genommen zu werden4. Die Vorrats-GmbH betreibt kein Gewerbe, ist daher auch nicht zur Entrichtung von IHK-Beiträgen verpflichtet5. Allein das schlichte Bereithalten einer Vorratsgesellschaft erfüllt nicht die Voraussetzungen für die Anordnung eines dinglichen Arrests wegen einer drohenden Kartellbuße6. b) Die Rechtsfigur der „wirtschaftlichen Neugründung“: Den früher gegen 83 die Zulässigkeit der (offenen) Vorratsgründung geltend gemachten Bedenken7 – nämlich Umgehung der Gläubigerschutzvorschriften8 – trägt die neue BGHRspr dadurch Rechnung, dass im Falle der Verwendung des Vorratsmantels die der Gewährleistung der Kapitalausstattung dienenden Gründungsvorschriften des GmbH-Gesetzes einschließlich der registergerichtlichen Kontrolle entsprechend anzuwenden sind9. Dieses Ergebnis wird damit gerechtfertigt, dass der (spätere) Einsatz der Vorratsgesellschaft einer wirtschaftlichen Neugründung der GmbH gleichkomme: Erstmals werde die GmbH mit einem Unternehmen ausgestattet und erstmals werde der Geschäftsbetrieb regulär aufgenommen (der Vorratsmantel wird „aktiviert“). 1 Begriff nach Goette DStR 2010, 764 f; vgl auch DNotI-Report 2011, 1, 3 f. 2 Ausführlich Bayer FS Goette, 2011, S. 15, 17 f, 24 ff; vgl auch Adolff VGR Bd 17 (2012), S. 49, 63 ff. 3 Hierzu und zur Präzisierung des Tatbestands näher Bayer FS Goette, 2011, S. 15, 24 ff. 4 Ausführlich U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 136 ff. 5 VG Mainz NotBZ 2004, 78, 79. 6 BGH WuW/E DE-R 4320-4322. 7 Noch für Unzulässigkeit der Vorratsgründung: KG JFG 1, 200, 201 f; KG JFG 3, 193, 195; KG JFG 10, 152 (alle zur AG); OLG Köln GmbHR 1988, 25 (GmbH). 8 Zusammenfassender Überblick bei Bayer FS Goette, 2011, S. 15, 16 mwN. 9 BGHZ 153, 158, 160 = GmbHR 2003, 227, 228 im Anschluss an BGHZ 117, 323, 333 = GmbHR 1992, 451, 455; bestätigt durch BGHZ 155, 318, 321 = GmbHR 2003, 1125, 1126.

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§ 3 | Inhalt des Gesellschaftsvertrages 84 Mit seiner Entscheidung vom 18.1.20101 hat der BGH den Tatbestand präzisiert

und klargestellt, dass keine Vorratsgründung vorliegt, wenn die Gründer „die Absicht haben, einen dem satzungsmäßigen Unternehmensgegenstand entsprechenden Geschäftsbetrieb innerhalb eines absehbaren Zeitraums zu verwirklichen, wobei die üblichen Anlauf- und Vorlaufzeiten außer Betracht zu bleiben haben“2 (hier: ca 8 Monate). Und im Rahmen einer weiteren Entscheidung vom 12.7.20113 hat der BGH zutreffend ausgeführt, dass im Falle einer Änderung des Unternehmensgegenstandes und weiterer Satzungsänderungen noch vor erfolgter Eintragung auch dann keine wirtschaftliche Neugründung vorliegt, wenn die Änderungen aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht im Handelsregister eingetragen werden4. Mit anderen Worten: Eine wirtschaftliche Neugründung durch Aktivierung der Vorrats-GmbH kommt erst nach Eintragung der Vorrats-GmbH im Handelsregister in Betracht, hingegen nicht, wenn im Stadium der Vor-GmbH (dazu § 11 Rn 5 ff) Veränderungen vorgenommen werden. Denn die Gründungsvorschriften, speziell im Hinblick auf die Kapitalausstattung, wurden hier nicht verletzt5. Zur Problematik der Abweichung vom satzungsmäßigen Unternehmensgegenstand: Bayer GmbHR 2011, 1034, 1035 sowie § 75 Rn 3 mwN.

85 Das Schrifttum und die Instanzgerichte sind dem BGH mehrheitlich6 – und zu

Recht – gefolgt7. Überholt sind heute alle abweichenden Auffassungen, die von der Anwendung des Gründungsrechts generell absehen wollen8 oder jedenfalls eine Prüfung durch den Registerrichter für nicht erforderlich halten9. Die teilweise aus der Praxis geübte Kritik10 ist unbegründet. Insbesondere lassen sich Vorratsgesellschaften nach wie vor ohne persönliches Haftungsrisiko errichten, wenn nur das bei Errichtung der Vorrats-GmbH vorhandene Stammkapital nicht angegriffen wurde oder im Falle einer zeitnahen Rückzahlung der Barein-

1 BGH DStR 2010, 763 mit Anm Goette = GmbHR 2010, 474. 2 BGH GmbHR 2010, 474 im Anschluss an BGHZ 117, 323 = GmbHR 1992, 451; vgl auch Bayer FS Goette, 2011, S. 15, 23 ff; Lieder NZG 2010, 410 ff. 3 BGH GmbHR 2011, 1032, 1033; dazu Bayer GmbHR 2011, 1034 ff; Hüffer NZG 2011, 1257 ff. 4 BGH GmbHR 2011, 1032 Rn 7 ff. 5 Zustimmend daher Bayer GmbHR 2011, 1034, 1035; Hüffer NZG 2011, 1257, 1258; Lieder DStR 2012, 137, 138 f. 6 Altmeppen NZG 2003, 145, 146; Heidenhain NZG 2003, 1051, 1054; U/H/L/Ulmer/ Löbbe Rn 149 ff; B/H/Fastrich Rn 11; ThürOLG GmbHR 2004, 1468, 1469; ablehnend etwa Kallmeyer GmbHR 2003, 322 ff; Schaub NJW 2003, 2125 ff. 7 Überblick bei Bayer FS Goette, 2011, S. 15, 16 ff. 8 So noch BayObLG GmbHR 1999, 607, 609; OLG Frankfurt GmbHR 1992, 456; Banerjea GmbHR 1998, 814, 815 ff; Bärwaldt/Schabacker GmbHR 1998, 1005, 1006; Stein FS Lutter, 2000, S. 749, 750 ff. 9 So noch Werner NZG 1999, 146, 147 f; Meller-Hannich ZIP 2000, 345, 348 f. 10 Vgl Schaub NJW 2003, 2125, 2126 ff; Thaeter/Meyer DB 2003, 539, 541; Kallmeyer GmbHR 2003, 322 ff.

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lage (was grundsätzlich zur Nichterfüllung der Einlageschuld führt: ausführlich § 19 Rn 12 ff) diese nochmals in voller Höhe in die GmbH eingelegt wird1 (zur Erfüllung durch nochmalige Barleistung: § 19 Rn 126), wobei allerdings die Privilegierungen gemäß § 19 Abs. 5 (Hin- und Herzahlen, dazu § 19 Rn 101 ff) und gemäß § 19 Abs. 4 (verdeckte Sacheinlage, dazu § 19 Rn 54 ff) entsprechend anzuwenden sind2, nicht hingegen die allgemeinen Sachgründungsvorschriften (Sachgründungsbericht usw)3. Aufzufüllen sind darüber hinaus uU zur Vermeidung der Vorbelastungshaftung von der Vorrats-GmbH getätigte Geschäftsführungs- und Beratungskosten. Allein die – ursprünglichen – Gründungskosten dürfen bei satzungsmäßiger Festlegung (Rn 52) aus dem Stammkapital gedeckt werden, nicht dagegen die – zusätzlichen – Kosten der erneuten Anmeldung und Eintragung4. Anders wird zu entscheiden sein, wenn „Aktivierungskosten“ erstmalig bei der wirtschaftlichen Neugründung in Ansatz gebracht werden5. c) Einzelheiten6: Konkret bedeutet die BGH-Rspr: Im Falle der Verwendung 86 des Vorratsmantels haben die Geschäftsführer – und zwar alle (vgl § 78)7 – nicht nur gemäß § 54 die zwingend notwendige eintragungspflichtige Änderung des Unternehmensgegenstandes sowie regelmäßig auch die Neufassung der Firma, den neuen Geschäftssitz sowie die neuen Mitglieder des Vertretungsorgans beim Registerrichter anzumelden (dazu § 54 Rn 2 ff), sondern zugleich gemäß § 8 Abs. 2 zu versichern, dass die in § 7 Abs. 2, 3 bezeichneten Leistungen im Anmeldezeitpunkt erbracht sind und sich – weiterhin oder jedenfalls wieder – in ihrer freien Verfügung befinden8. Allein hierzu – und nicht rückbezogen auf den Zeitpunkt der Vorratsgründung – können die aktuellen Geschäftsführer Angaben machen9. Bezugsgröße ist – wie der BGH in seiner nachfolgenden Grundsatzentscheidung zum Erwerb eines gebrauchten Mantels klargestellt hat (Rn 98) – nicht das Mindeststammkapital, sondern die satzungs1 Ausführlich hierzu Bayer GmbHR 2004, 445, 452. 2 Richtig B/S/Schäfer Rn 19; MünchKomm/Wicke Rn 12; ausführlich Göhmann RNotZ 2011, 290 ff; speziell im Zusammenhang mit dem Cash pool auch Müller/Federmann BB 2009, 1375, 1379. 3 So auch Heinze GmbHR 2011, 962, 967 f. 4 So im Anschluss an 16. Aufl auch ThürOLG GmbHR 2004, 1468, 1472; Wälzholz NZG 2005, 203, 205; abweichend wohl Schaub NJW 2003, 2125, 2130; Bärwaldt/Balda GmbHR 2004, 50, 52. 5 So auch Theusinger/Andrä ZIP 2014, 1916, 1919 im Anschluss an OLG Stuttgart GmbHR 2012, 1301. 6 Dazu aus der Praxis auch Theusinger/Andrä ZIP 2014, 1916 ff. 7 Richtig Krafka ZGR 2003, 577, 585; Altmeppen NZG 2003, 145, 146; U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 157. 8 BGH GmbHR 2011, 1032, 1033 mit zustimmender Anm Bayer; OLG Hamburg GmbHR 2005, 164, 166 mit Anm Bayer EWiR 2005, 117 f; U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 157; Scholz/ Emmerich Rn 30; Hüffer NZG 2011, 1257, 1258; Lieder DStR 2012, 137, 139; Göhmann RNotZ 2011, 290, 294 f. 9 So auch U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 157; B/S/Schäfer Rn 19.

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§ 3 | Inhalt des Gesellschaftsvertrages mäßig vereinbarte Stammkapitalziffer1; diese muss im Zeitpunkt der wirtschaftlichen Neugründung wertmäßig gedeckt sein2, weshalb bei ursprünglicher Vereinbarung einer Sacheinlage der Sacheinlagegegenstand nicht mehr zwingend vorhanden sein muss. Zumindest ein Viertel hiervon – mindestens aber 12 500 Euro – müssen sich zur freien Verfügung der Geschäftsführer befinden3. 87 Eine Fortsetzung der Gesellschaft durch schlichten Fortsetzungsbeschluss (und

dessen Eintragung) ohne die bei einer wirtschaftlichen Neugründung erforderliche Registerkontrolle nach §§ 7, 8 ist selbst dann nicht zulässig, wenn die Gesellschaft bereits nach § 60 Abs. 1 Nr. 7 als vermögenslos gelöscht ist; dies gilt nicht nur dann, wenn die gelöschte Gesellschaft tatsächlich vermögenslos ist, sondern auch im Fall der gelöschten, tatsächlich aber nicht vermögenslosen Gesellschaft4.

88 d) Prüfung durch den Registerrichter erfolgt analog § 9c5 und ist ebenso pro-

blemlos durchzuführen wie bei der Anmeldung einer regulären Gründung. Die gegenteilige These des BayObLG6 hat der BGH zu Recht zurückgewiesen7. Unterbleibt die Offenlegung, so hat der Registerrichter die Eintragung der angemeldeten Tatsachen abzulehnen8.

89 e) Haftung: Für unrichtige Erklärungen haften die Geschäftsführer zivilrecht-

lich gemäß § 9a (dazu § 9a Rn 2 ff)9; dies gilt insbesondere auch dann, wenn bei der Anmeldung die Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung völlig unterbleibt10. Darüber hinaus kommt auch die Handelndenhaftung gemäß § 11 Abs. 2 in Betracht11, allerdings – dem Auffangcharakter der Handelndenhaftung 1 Ebenso bereits Ihrig BB 1988, 1197, 1202; Peters GmbH-Mantel, S. 71 ff; vgl weiter Scholz/Emmerich Rn 30; Goette DStR 2004, 461 464; aA noch OLG Schleswig GmbHR 2002, 1135, 1136; kritisch Heidinger ZGR 2005, 101, 132; Wicke NZG 2005, 409, 411 f. 2 ThürOLG GmbHR 2004, 1468, 1470; zustimmend Wälzholz NZG 2005, 203, 204, 205. 3 BGHZ 155, 318 Rn 13 = GmbHR 2003, 1125, 1126; OLG Nürnberg GmbHR 2011, 582 (LS 6). 4 Vgl OLG Celle GmbHR 2008, 211 f. 5 OLG Nürnberg GmbHR 2011, 582 (LS 5). 6 BayObLG GmbHR 1999, 607, 608 f. 7 Zustimmend auch Schaub NJW 2003, 2125, 2127; Krafka ZGR 2003, 577, 584. 8 Wie hier B/H/Fastrich Rn 13a; MünchKomm/Wicke Rn 35; Ulmer ZIP 2012, 1265, 1272; aA Winnen RNotZ 2013, 389, 403; Linke/Fröhlich GWR 2014, 277, 279. 9 BGH GmbHR 2011, 1032 Rn 15 mit zustimmender Anm Bayer und Wachter BB 2011, 2444 ff sowie Anm Nolting EWiR 2011, 639; vgl weiter ThürOLG GmbHR 2004, 1468, 1470; Hüffer NZG 2011, 1257, 1260; Krafka ZGR 2003, 577, 584; Lieder DStR 2012, 137, 141; Scholz/Emmerich Rn 35. 10 Anders Kuszlik GmbHR 2012, 887. 11 Zweifelnd bzw ablehnend U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 161 iVm 187; ebenso OLG Stuttgart GmbHR 1999, 610; KG NZG 1998, 731; jüngst wieder Kuszlik GmbHR 2012, 882, 886 sowie für die AG auch Hüffer/Koch § 23 AktG Rn 27c; wie hier aber B/H/Fastrich Rn 13c; MünchKomm/Wicke Rn 38; für AG auch K. Schmidt/Lutter/Seibt § 23 AktG Rn 45; MünchKomm/Pentz § 23 AktG Rn 105 mwN.

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entsprechend (vgl § 11 Rn 28) – nur dann, wenn sie ihre Vertretungsmacht überschritten haben1, insbesondere im Falle, dass die Gesellschafter der wirtschaftlichen Neugründung nicht zugestimmt haben2, so dass für diese eine Vorbelastungshaftung ausscheidet (näher § 11 Rn 42). Die Handelndenhaftung endet stets im Zeitpunkt der Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung gegenüber dem Registergericht3 (s. auch § 11 Rn 36). Die Gesellschafter schulden nicht die ausstehenden Stammeinlagen, sondern 90 haften nach Maßgabe einer modifizierten Unterbilanzhaftung, wobei nach der Grundsatzentscheidung des BGH vom 6.3.20124 ausschließlich auf den Zeitpunkt abzustellen ist, in dem durch die Anmeldung von Satzungsänderungen oder durch die Aufnahme der (neuen) wirtschaftlichen Tätigkeit die wirtschaftliche Neugründung erstmals nach außen in Erscheinung tritt5. Entgegen der früher hM6 endet die Unterbilanzhaftung also nicht erst mit dem Zeitpunkt der (späteren) Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung. Vielmehr weicht der BGH hier ganz bewusst von den Prinzipien der allgemeinen Vorbelastungshaftung (ausführlich § 11 Rn 41 ff) ab7. Dies bedeutet: Auszugleichen sind zum Stichtag alle Differenzen zum satzungsmäßigen Stammkapital (Rn 86), wobei allerdings zu berücksichtigen ist, dass Verminderungen des Stammkapitals im Zeitraum zwischen Abgabe der Anmeldung und Eintragung der Änderung des Unternehmensgegenstandes – anders als bei der Neugründung (dazu § 11 Rn 41 ff) – keine Rolle spielen8. Diese Haftung trifft auch den Anteilserwerber (vgl § 16 Abs. 2)9.

1 Dazu bereits (zur Vor-AG) BGH GmbHR 2004, 1151 mit zustimmender Anm Bergmann; ebenfalls zustimmend Bayer LMK 2004, 209 f. 2 So BGH GmbHR 2011, 1032 Rn 11 ff mit zustimmender Anm Bayer und Wachter BB 2011, 2444 ff sowie Anm Nolting EWiR 2011, 639; vgl weiter Hüffer NZG 2011, 1257, 1258 f; Lieder DStR 2012, 137, 141; vgl obiter auch schon BGHZ 155, 318, 327 = GmbHR 2003, 1125, 1127 mit Anm Kesseler ZIP 2003, 1790, 1792 f; ebenso ThürOLG GmbHR 2004, 1468, 1470. 3 So auch Hüffer NZG 2011, 1257, 1259; Nolting EWiR 2011, 639 f; Wachter BB 2011, 2444, 2445. 4 BGH GmbHR 2012, 630 mit Anm Giedinghagen/Rulf; dazu (kritisch) Bayer EWiR 2012, 347. Ausführlich Kuszlik GmbHR 2012, 882 ff. 5 BGH GmbHR 2012, 630 (LS 1). 6 So ThürOLG GmbHR 2004, 1468, 1470; OLG München GmbHR 2010, 425; Hüffer NJW 2011, 1772, 1773; Lieder DStR 2012, 137, 140; ausführlich Bayer FS Goette, 2011, S. 15, 20 ff mzwN. 7 BGH GmbHR 2012, 630 Rn 20 ff, 23. 8 BGHZ 155, 318, 327 = GmbHR 2003, 1125, 1127; Bayer GmbHR 2011, 1034, 1035; Scholz/Emmerich Rn 34. 9 BGH GmbHR 2012, 630 (LS 3); Hermanns ZNotP 2010, 242, 245; Herresthal/Servatius ZIP 2012, 197, 203; aA Wahl/Schult NZG 2010, 611, 612.

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§ 3 | Inhalt des Gesellschaftsvertrages 91 Kritik: Die nach der neuen BGH-Konzeption auch im Falle der unterlassenen

Offenlegung eingreifende Differenzhaftung (verbunden mit einer Beweislastumkehr für die Vermögensdeckung)1 wird der Rechtsfigur der wirtschaftlichen Neugründung nicht gerecht2 und ist de lege lata auch dogmatisch widersprüchlich3. Denn für die Neugründer geht jeglicher Anreiz verloren, die neue wirtschaftliche Tätigkeit offenzulegen: Besteht nämlich eine Unterdeckung, so wird zu diesem Zeitpunkt die Unterbilanzhaftung festgestellt und das Registergericht wird die regelmäßig zusätzlich erforderlichen Registereintragungen ablehnen. Daher wird in dieser Situation jeder rational handelnde Neugründer die Offenlegung unterlassen und hoffen, dass die gesetzeswidrig vorgenommene – weil nicht offengelegte und ohne Stammkapitaldeckung erfolgte – wirtschaftliche Neugründung nicht aufgedeckt wird, jedenfalls nicht innerhalb der Verjährungsfrist. Falls dies aber doch geschieht, sind die Neugründer nicht schlechter gestellt als die rechtmäßig Handelnden: sie haften in Höhe der (damals) bestehenden Unterbilanz. Ein konsequentes Haftungsmodell kommt somit gar nicht umhin, eine zeitlich unbefristete Unterbilanzhaftung anzunehmen, die erst im Zeitpunkt der Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung endet (so zu Recht daher die bislang hM, die auch so in BGHZ 155, 3184 angelegt war).

92 Genau diese Rechtsfolge entspricht auch der parallelen Haftung im Falle der re-

gulären GmbH-Gründung (ausführlich § 11 Rn 18 mwN). Warum der BGH meint, dieses Haftungsmodell lasse „sich nicht uneingeschränkt auf die Situation der wirtschaftlichen Neugründung übertragen“5, ist nicht nachvollziehbar. Die von ihm herangezogene Lit und Rspr stützt de lege lata hier seine Position nicht, sondern lehnt die Rechtsfigur der wirtschaftlichen Neugründung im Falle der Aktivierung eines gebrauchten Mantels vielmehr ganz überwiegend generell ab6 oder führt Billigkeitsaspekte ins Feld7, die dogmatisch fragwürdig sind. Auch die Parallele zur Neuregelung der verdeckten Scheinlage durch das MoMiG8 überzeugt nicht, da durch § 19 Abs. 4 zwar die Gesellschafter gegenüber der früheren Rechtslage entlastet werden, die Geschäftsführer bei Nichtaufdeckung der verdeckten Sacheinlage im Rahmen der Anmeldung aber pflichtwidrig handeln 1 So BGH GmbHR 2012, 630 Rn 20 ff, 23; 41 f; ebenso bereits KG GmbHR 2010, 476, 477; vgl auch Adolff VGR Bd 17 (2012), S. 49, 87 f; Habersack AG 2010, 845, 849 f; sowie auch DNotI-Report 2011, 1, 5. 2 So auch Bachmann NZG 2012, 579 ff. 3 Dagegen dezidiert bereits Bachmann NZG 2011, 441 ff; Hüffer NJW 2011, 1772, 1773; Krolop ZIP 2011, 305, 306; Lieder DStR 2012, 137, 138; vgl ausführlich auch Bayer FS Goette, 2011, S. 15, 22. 4 BGHZ 155, 318 = GmbHR 2003, 1125. 5 BGH GmbHR 2012, 630 Rn 16 ff. 6 So etwa Altmeppen DB 2003, 2050 ff; K. Schmidt ZIP 2010, 857 ff; Priester ZHR 168 (2004), 248 ff. 7 So insbesondere KG GmbHR 2010, 476, 477. 8 So etwa Habersack AG 2010, 845, 847.

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und auch strafrechtlich sanktioniert werden können (ausführlich § 19 Rn 85). Dies erkennt auch der II. Zivilsenat, lässt diesen Einwand der fehlenden Präventions- und Steuerungswirkung im Ergebnis aber im Raum stehen1. Denn dass Gläubiger bei einer Unterlassung gesetzlicher Offenlegung besser stehen als im Falle ordnungsgemäßen Handelns (so das Argument des BGH in Rn 27) ist auch in anderen Konstellationen der Fall (und zwar speziell im Fall der Unterlassung der Offenlegung nach § 19 Abs. 5 Satz 2 jedenfalls nach der Rspr des II. Zivilsenats, dazu ausführlich § 19 Rn 122). Einmal mehr zeigt sich hier das Dilemma der durch das MoMiG massiv auf- 93 geweichten Kapitalschutzregelungen (ausführlich bei § 19 Rn 56). Allerdings ist die BGH-Entscheidung unter Billigkeitsgesichtspunkten nachvollziehbar2. Ein an dogmatischer Konsistenz und rechtspolitischer Überzeugungskraft interessierter Gesetzgeber sollte indes de lege ferenda das gesamte Kapitalschutz- und Haftungssystem in der GmbH grundlegend überdenken und im Sinne der mit dem MoMiG begonnenen Deregulierung fortentwickeln („MoMiG II“)3. Fraglich ist nach der Entscheidung des BGH vom 6.3.20124, ob die bislang hM, 94 wonach auch die 10-jährige Verjährungsfrist des § 9 Abs. 2 erst ab der Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung zu laufen beginnt5, noch aufrecht zu erhalten ist6. Anwendbar sind im Hinblick auf die Unterbilanzhaftung des Gesellschafters 95 auch die Vorschriften der §§ 16 Abs. 2, 19, 20 und 247 (vgl bereits Rn 89). Strafrechtlich sanktioniert (vgl § 82 Abs. 1 Nr. 1) ist die Versicherung des Ge- 96 schäftsführers gemäß § 8 Abs. 2 – anders als bei der regulären Gründung (vgl § 8 Rn 27) – aufgrund des strafrechtlichen Analogieverbotes nach Art. 103 Abs. 2 GG aber nicht8. Zur Umsatzsteuervoranmeldung im Zeitpunkt der Aktivierung der Vorrats-GmbH: BMF v. 24.4.2015, BStBl I 456 = GmbHR 2015, 672. 1 BGH GmbHR 2012, 630 Rn 27. 2 Anschaulich auch Hermanns FS Brambring, 2011, S. 161, 168 f; vgl auch Herresthal/Servatius ZIP 2012, 197, 202 ff; zustimmend auch Horn DB 2012, 1255, 1257 f. 3 Hierzu ausführlich Bayer GmbHR 2010, 1289, 1295 ff mwN; vgl bereits Bayer ZGR 2007, 220, 232 ff, 240; Gutachten 67. DJT, 2008, E 118 ff, 128 mwN; vgl auch neuerdings Bayer VGR Bd 18 (2013), S. 25, 47 ff; Bachmann NZG 2012, 579, 581 mwN. 4 BGH GmbHR 2012, 630 mit kritischer Anm Bayer EWiR 2012, 347. 5 So ThürOLG WM 2007, 77, 80; OLG Schleswig ZIP 2007, 279, 281; OLG Köln GmbHR 2008, 704 (gebrauchter Mantel); MünchKomm/Wicke Rn 38 aE. 6 Daher für Verjährung analog § 19 Abs. 6: U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 186. 7 BGH GmbHR 2012, 630 (LS 3); vgl bereits OLG Düsseldorf GmbHR 2003, 1062; OLG Frankfurt GmbHR 1999, 32, 33; OLG Hamburg GmbHR 2005, 164, 166; OLG Celle GmbHR 2005, 1496; zweifelnd OLG Schleswig ZIP 2007, 279, 281 (für § 16 Abs. 3 aF); Scholz/Emmerich Rn 35. 8 So OLG Frankfurt GmbHR 1992, 456; Scholz/Emmerich Rn 32; Krafka ZGR 2003, 577, 584; Thaeter/Meyer DB 2003, 539, 540; Wicke NZG 2005, 409, 414; offen Bärwaldt/Balda GmbHR 2004, 50, 51; zumindest unklar Altmeppen NZG 2003, 145, 146.

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§ 3 | Inhalt des Gesellschaftsvertrages 97 Die Haftung der Gesellschafter der Vorrats-GmbH für die ordnungsgemäße

Kapitalaufbringung in der Vorrats-GmbH bleibt unberührt, dh sie besteht neben der Haftung aus der Aktivierung des neuen GmbH-Mantels1. 2. Aktivierung eines gebrauchten GmbH-Mantels

98 a) Überblick: Wird ein gebrauchter GmbH-Mantel erworben, so stellt sich aus

der Sicht des Gläubigerschutzes die Umgehung der Gründungsvorschriften in verschärfter Form, da im Unterschied zum Erwerb einer Vorrats-GmbH der gebrauchte Mantel idR vermögenslos (häufig gar überschuldet) ist. Auch diese Konstellation wertet der BGH – im Anschluss an eine Vorlage des OLG Brandenburg2 und in Übereinstimmung mit der (damals wie heute) hL3, aber entgegen dem BayObLG4 und dem OLG Frankfurt5 – zu Recht als „wirtschaftliche Neugründung“ und kommt daher auch hier zur analogen Anwendung der Gründungsvorschriften6. Entgegen der früher hM statuiert der BGH allerdings ein wesentlich strengeres Pflichten- und Haftungssystem:

99 b) Tatbestand: So ist zunächst Vermögenslosigkeit der GmbH nicht tatbestand-

liche Voraussetzung für eine wirtschaftliche Neugründung7. Vielmehr ist darauf abzustellen, ob noch aktiv ein Unternehmen betrieben wird oder ob die unternehmerische Tätigkeit eingestellt wurde. Nur wenn ein unternehmensloser („leerer“) GmbH-Mantel wiederbelebt wird, besteht die Pflicht zur Offenlegung, und auch nur in diesem Fall kommen die Gründungsvorschriften analog zur Anwendung8. Für eine wirtschaftliche Neugründung spricht insbesondere, dass die Gesellschaft bei der Veräußerung der Geschäftsanteile nicht mehr werbend tätig ist9. Von indizieller Bedeutung sind ferner die Änderung von Firma, Sitz und Unternehmensgegenstand, insbesondere in Verbindung mit einem Gesell-

1 Zutreffend OLG Hamburg GmbHR 2005, 164, 166; OLG Oldenburg GmbHR 2007, 1043, 1044. 2 OLG Brandenburg GmbHR 2002, 851 ff; ebenso bereits OLG Frankfurt GmbHR 1999, 32, 33; OLG Stuttgart GmbHR 1999, 610, 611. 3 Ausführlich zur Entwicklung U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 141 ff mwN. 4 BayObLG GmbHR 1999, 607, 608. 5 OLG Frankfurt GmbHR 1992, 456. 6 BGHZ 155, 318, 322 = GmbHR 2003, 1125, 1126; zustimmend ThürOLG GmbHR 2004, 1468, 1469 f; OLG Celle GmbHR 2005, 1496, 1497; grundsätzlich auch U/H/L/Ulmer/ Löbbe Rn 146 ff; vgl auch Bayer FS Goette, 2011, S. 15, 19 f. 7 Abweichend noch OLG Düsseldorf ZIP 2003, 1501, 1502 = GmbHR 2003, 1062; OLG Stuttgart GmbHR 1999, 610, 611; nach wie vor abweichend U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 162 ff, 168 mwN. 8 BGHZ 155, 318, 323 f = GmbHR 2003, 1125, 1126; vgl weiter Lieder DStR 2012, 137, 138; Bayer FS Goette, 2011, S. 15, 23; Adolff VGR Bd 17 (2012), S. 49, 76. 9 OLG Celle GmbHR 2005, 1496, 1497.

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schafter- und Geschäftsführerwechsel1; doch kommt eine wirtschaftliche Neugründung auch in Betracht, wenn hier keine Änderungen erfolgen2. In seiner Entscheidung vom 18.1.2010 präzisiert der BGH: Eine wirtschaftliche Neugründung durch Verwendung eines gebrauchten Mantels liegt vor, „wenn die Gesellschaft eine ‚leere Hülse‘ ist, also kein aktives Unternehmen betreibt, an das die Fortführung des Geschäftsbetriebs – sei es auch unter wesentlicher Umgestaltung, Einschränkung oder Erweiterung seines Tätigkeitsgebiets – in irgendeiner wirtschaftlich noch gewichtbaren Weise anknüpfen kann“3. Noch nicht sicher geklärt ist4, ob der Geschäftsbetrieb einer zunächst aktiven GmbH für einen längeren Zeitraum eingestellt sein muss oder ob es ausreicht, wenn bereits für einen kurzen Zeitraum der Betrieb stillgelegt wurde und somit eine „leere Hülse“5 vorliegt6. Die Grundsätze über die wirtschaftliche Neugründung finden auch in der Liquidation der GmbH Anwendung7 (vgl auch § 60 Rn 33); ebenso im Falle der Unternehmensfortführung nach vorangegangener Insolvenz (vgl auch § 60 Rn 31)8. c) Einzelheiten: aa) Um die registergerichtliche Kontrolle zu gewährleisten, ist 100 die wirtschaftliche Neugründung gegenüber dem Registergericht offenzulegen, und zwar in Verbindung mit einer Versicherung gemäß § 8 Abs. 2, dass die in § 7 Abs. 2, 3 bezeichneten Leistungen im Anmeldezeitpunkt9 bewirkt sind10. Die Geschäftsführer müssen zu diesem Zweck zunächst den Wert des noch vorhandenen Vermögens ermitteln (im Sinne einer „Reinvermögensdeckung“ wie bei § 220 UmwG11) und dann uU dafür Sorge tragen, dass eine etwaige Differenz zum satzungsmäßig festgelegten Stammkapital bis zur Grenze des § 7 Abs. 2, 3 aufgefüllt wird12 (dh bis zur Mindesteinlagepflicht). Die Ausführungen zu Rn 86 (Vorratsgründung) gelten entsprechend. bb) Haftung: Die (modifizierte) Unterbilanzhaftung der Gesellschafter 101 (Rn 90 ff) wird allein dadurch vermieden, dass noch vor der tatsächlichen Wie1 BGHZ 155, 318, 322, 325 = GmbHR 2003, 1125, 1127; OLG Schleswig ZIP 2007, 822, 823; OLG Celle GmbHR 2005, 1496, 1497; für die AG auch K. Schmidt/Lutter/Seibt § 23 AktG Rn 42. 2 Vgl den Sachverhalt bei ThürOLG GmbHR 2004, 1468, 1469. 3 BGH GmbHR 2010, 474 im Anschluss an BGHZ 155, 318 = GmbHR 2003, 1125. 4 Dazu Bayer FS Goette, 2011, S. 17, 25. 5 Zum Begriff bereits KG JW 1924, 1535, 1537. 6 So LG Berlin juris mit Anm Korsten/Hennig EWiR 2008, 401; vgl auch OLG Celle GmbHR 2005, 1496, 1497; Scholz/Emmerich Rn 39; Lieder DStR 2012, 137, 138 mwN. 7 BGH GmbHR 2014, 317. 8 Dazu ausführlich und kritisch Hacker/Petsch ZIP 2015, 761 ff. 9 Ebenso ThürOLG WM 2007, 77, 79; Goette DStR 2004, 461, 464; Heidinger ZGR 2005, 101, 107; Schütz NZG 2004, 746, 749 f. 10 U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 170 ff; für AG auch K. Schmidt/Lutter/Seibt § 23 AktG Rn 43. 11 Richtig K. Schmidt/Lutter/Seibt § 23 AktG Rn 43. 12 So auch K. Schmidt/Lutter/Seibt § 23 AktG Rn 43.

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§ 3 | Inhalt des Gesellschaftsvertrages derverwendung des leeren Mantels die „wirtschaftliche Neugründung“ beim Registergericht angemeldet wird1 und in diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen der §§ 8 Abs. 2, 7 Abs. 2, 3 (Rn 100) erfüllt sind; andernfalls gilt auch nach Maßgabe der neuen BGH-Konzeption eine Differenzhaftung (mit Beweislastumkehr), bezogen auf den Zeitpunkt der wirtschaftlichen Neugründung, also nicht – wie nach bislang hM – eine zeitlich unbegrenzte Unterbilanzhaftung bis zur Nachholung der ordnungsgemäßen Anmeldung (ausführlich Rn 90). Ergänzend kommen auch hier die §§ 9a, 11 Abs. 2, 16 Abs. 2, 19, 20, 24 zur Anwendung (Rn 89, 95). Zur Verjährung: Rn 94. 102 d) Kritik: Im Schrifttum wurde die Erstreckung der Rechtsfigur der wirtschaftli-

chen Neugründung auf den Fall des Erwerbs eines gebrauchten Mantels teilweise massiv kritisiert2. Dabei wurde allerdings nicht das Schutzbedürfnis der Gläubiger geleugnet, sondern vorrangig der methodische Ansatz des BGH in Frage gestellt. Kritisiert wurde insbesondere, dass der BGH die Problematik der Abgrenzung zwischen Umstrukturierung und wirtschaftlicher Neugründung unterschätze, und weiterhin, dass die Rechtsfolge der Vorbelastungshaftung bei einer unterlassenen Offenlegung trotz im Zeitpunkt der wirtschaftlichen Neugründung vorhandener Deckung des Stammkapitals eine überzogene Sanktion darstelle3. Dem missbräuchlichen Erwerb eines leeren GmbH-Mantels könne auch mit einer generellen Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung4 oder einer verschärften Insolvenzverschleppungshaftung5 begegnet werden.

103 Stellungnahme: Nachdem der BGH mit seiner Grundsatzentscheidung vom 6.3.

2012 die Haftung der Gesellschafter auch im Falle der unterlassenen Offenlegung auf eine Differenzhaftung zum Stichtag der wirtschaftlichen Neugründung begrenzt hat (Rn 101 mit Rn 90), geht ein Teil der Kritik ins Leere. Im Übrigen ist der Kritik zwar zuzugeben, dass die tatbestandliche Abgrenzung der wirtschaftlichen Neugründung von einer (nicht den Gründungsvorschriften unterfallenden) Umstrukturierung im Einzelfall problematisch sein kann6. Denn im Unterschied zur klar abgrenzbaren erstmaligen Verwendung einer VorratsGmbH ergibt sich eine nicht unerhebliche Grauzone, und zwar insbesondere dann, wenn weder eine vollständige Vermögenslosigkeit der GmbH vorliegt

1 BGHZ 155, 318, 323 = GmbHR 2003, 1125, 1126. 2 Altmeppen DB 2003, 2050, 2051 ff; Kallmeyer GmbHR 2003, 322, 323 ff; Heidenhain NZG 2003, 1051 ff; differenzierend Wicke NZG 2005, 409, 411 f; Priester ZHR 168 (2004), 248, 251 ff; K. Schmidt NJW 2004, 1345, 1348 ff; Heidinger ZGR 2005, 101, 124 ff; Kleindiek FS Priester, 2007, S. 369, 376 ff. 3 Altmeppen DB 2003, 2050, 2051 ff; Thaeter DB 2003, 2112, 2114 f; Habersack AG 2010, 845 ff. 4 So insbesondere Altmeppen NZG 2003, 145, 147 ff; ebenso Herchen DB 2003, 2211, 2216. 5 So insbesondere K. Schmidt ZIP 2010, 857, 861 ff. 6 Vgl das Beispiel LG Berlin GmbHR 2003, 1062 sowie weiter Scholz/Emmerich Rn 43; B/H/Fastrich Rn 11.

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noch das Unternehmen gänzlich eingestellt wurde. Die Rspr ist jedoch gerade dabei, eine pragmatische und in ihren Ergebnissen nicht zu kritisierende einheitliche Linie für die Abgrenzung zu entwickeln1. Die ursprünglich befürchtete Rechtsunsicherheit hat sich in der Vergangenheit jedenfalls im Regelfall nicht bewahrheitet. Indizien für eine wirtschaftliche Neugründung sind insbesondere die Neufassung des Unternehmensgegenstandes, eine Sitzverlegung sowie die Abberufung und Neubestellung von Geschäftsführern2. Eine Privilegierung ist auch für Konzern-Mantelgesellschaften nicht gerechtfertigt3. Nicht zu übersehen ist allerdings, dass die Gläubiger kaum weniger schutzwür- 104 dig sind, wenn bei vorhandenem Restvermögen das aktuell betriebene Unternehmen noch vor sich hin dümpelt. Die Lösung der Problematik dürfte daher trotz der dezidierten Stellungnahme des BGH noch nicht endgültig festgeschrieben sein4. Allein beim Erwerb einer völlig vermögenslosen oder gar überschuldeten GmbH (auch aus der Insolvenz heraus) ist die Rechtslage eindeutig. De lege ferenda ist der Gesetzgeber aufgefordert, das Kapitalschutz- und Haftungssystem in der GmbH auf einen neuen, dogmatisch stimmigen Grund zu stellen (ausführlich Rn 93). 3. Altfälle Problematisch ist, inwieweit die Grundsatzurteile des BGH auch auf Altfälle, die 105 sich vor dem 9.12.2002 bzw dem 7.7.2003 ereignet haben, anzuwenden sind. Hierbei ist zwischen der Vorratsgründung und der Verwendung eines gebrauchten Mantels zu differenzieren: a) Auf eine Vorratsgesellschaft, deren wirtschaftliche Neugründung vor der 106 Leitentscheidung BGHZ 153, 158 stattfand, finden die Gründungsvorschriften einschließlich der Vorbelastungshaftung analog Anwendung, denn angesichts der Ausführungen in BGHZ 117, 3235 muss die generelle Gewährung von Vertrauensschutz ausscheiden6. Bereits vor der Grundsatzentscheidung BGHZ 155, 3187 war anerkannt, dass bei Erwerb einer Vorratsgesellschaft eine Haftung der Gesellschafter in Höhe der Differenz zwischen dem Stammkapital und dem aktuellen Vermögen der GmbH stattfindet. Es wird nämlich auch regelmäßig 1 In diesem Sinne auch Lieder DStR 2012, 137, 138. 2 Jeep NZG 2012, 1209, 1210; Winnen RNotZ 2013, 389, 394; Linke/Fröhlich GWR 2014, 277. 3 Wie hier auch Winnen RNotZ 2013, 389, 399; Linke/Fröhlich GWR 2014, 277, 278; aA U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 140. 4 Wie hier auch Kleindiek FS Priester, 2007, S. 369, 385. 5 BGHZ 117, 323 = GmbHR 1992, 451. 6 ThürOLG WM 2007, 77, 78, 79; aA (für generellen Vertrauensschutz) Bärwaldt/Balda GmbHR 2004, 50, 52 f; Wicke NZG 2005, 409, 414. 7 BGHZ 155, 318 = GmbHR 2003, 1125.

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§ 3 | Inhalt des Gesellschaftsvertrages eine Offenlegung erfolgen, da hier stets zumindest der neue Unternehmensgegenstand zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden und der Sachverhalt daher für das Registergericht idR unverkennbar ist. 107 b) Ob und inwieweit die Gründungsvorschriften bei Verwendung eines ge-

brauchten Mantels zur Anwendung kommen, war indes vor dem rechtsfortbildenden Urteil des BGH vom 7.7.20031 sehr umstritten. Insbesondere die Verpflichtung zur Abgabe der Offenlegungserklärung entsprach nicht der Praxis und wurde von zahlreichen Obergerichten ausdrücklich abgelehnt. Aus Gründen des Vertrauensschutzes erscheint es daher bei der Verwendung eines gebrauchten GmbH-Mantels nicht gerechtfertigt, an die Verpflichtung zur Abgabe der Erklärung nach §§ 7 Abs. 2, 3, 8 Abs. 2 Sanktionen (Vorbelastungshaftung) zu knüpfen2. Die Offenlegungserklärung kann folglich erst nach diesem Zeitpunkt verlangt werden. Da jedoch die hM in Schrifttum und Rspr bereits vor der Grundsatzentscheidung BGHZ 155, 3183 den Standpunkt eingenommen hat, dass bei Wiederbelebung eines leeren Mantels eine Haftung der Gesellschafter in Höhe der Differenz zwischen dem (Mindest-, nicht dem satzungsmäßigen) Stammkapital und dem Vermögen der GmbH stattfinden muss, kann hierfür kein Vertrauensschutz gewährt werden4. Maßgebender Stichtag ist auch hier die Aufnahme der unternehmerischen Tätigkeit, die insbesondere durch die Anmeldung einer etwaigen Satzungsänderung dokumentiert wird5. Dieser Zeitpunkt ist auch für die Verjährung (5 Jahre für Altfälle gemäß § 9 Abs. 2 aF) maßgeblich6.

108 Wurde eine Vorratsgesellschaft vor dem Inkrafttreten des MoMiG am 1.11.2008

errichtet, jedoch erst nach dem 1.11.2008 mit einem Unternehmen ausgestattet oder erfolgte die Aktivierung eines leeren gebrauchten Mantels erst nach dem 1.11.2008, dann finden die Gründungsvorschriften in ihrer aktuellen Fassung Anwendung. Keine Anwendung finden namentlich die durch das MoMiG entfallenen Sonderregelungen für die Einpersonen-GmbH7 (dazu § 7 Rn 7 f).

1 BGHZ 155, 318 = GmbHR 2003, 1125. 2 So ThürOLG GmbHR 2004, 1468, 1470; ThürOLG WM 2007, 77, 78; zustimmend Ulrich GmbHR 2005, 900, 903; Wälzholz NZG 2005, 203, 204. 3 BGHZ 155, 318 = GmbHR 2003, 1125. 4 ThürOLG GmbHR 2004, 1468, 1470; implizit auch BGH GmbHR 2008, 208; aA OLG Köln GmbHR 2008, 704; Wälzholz NZG 2005, 203, 204. 5 ThürOLG GmbHR 2004, 1468, 1470; BGH GmbHR 2008, 208. 6 So BGH GmbHR 2008, 208 mit Anm Ostermeier EWiR 2008, 535; Scholz/Emmerich Rn 35. 7 OLG Nürnberg GmbHR 2011, 582 (LS 6); Lieder DStR 2012, 137, 139.

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IX. Schiedsverfahren Literatur: Bayer Schiedsfähigkeit von GmbH-Streitigkeiten, ZIP 2003, 881; Berger GmbHrechtliche Beschlussmängelstreitigkeiten vor Schiedsgerichten, ZHR 164 (2000), 295; Böttcher/Fischer Einbeziehung von Schiedsordnungen in die Satzung einer GmbH, NZG 2011, 601; Broichmann/Matthäus Beurkundung von Schiedsordnungen, SchiedsVZ 2008, 274; Heidbrink Beurkundung von Schiedsgerichtsordnungen in GmbH-Anteilskaufverträgen, GmbHR 2010, 848; Hilgard/Haubner Beurkundungsbedürftigkeit von Schiedsordnungen?, BB 2014, 970; Kindler Beurkundungsbedürftigkeit von Schiedsgerichtsordnungen beim GmbH-Beteiligungskauf, NZG 2014, 961; Lachmann Klippen für die Schiedsvereinbarung, SchiedsVZ 2003, 28; Reichert Beschlussmängelstreitigkeiten und Schiedsgerichtsbarkeit – Gestaltungs- und Reaktionsmöglichkeiten, FS Ulmer, 2003, S. 511; Schneider Schiedsverfahren in GmbH-Beschlussmängelstreitigkeiten, GmbHR 2005, 86; Tröder Die Einbeziehung von Schiedsabreden in notarielle Urkunden, MittRhNotK 2000, 379; Versin Zur Schiedsfähigkeit von GmbH-Beschlussmängelstreitigkeiten, GmbHR 2015, 969; Wachter Wirksamkeit einer Schiedsklausel in beurkundungspflichtigem Vertrag bei Bezugnahme auf nichtbeurkundete Schiedsgerichtsordnung, GmbHR 2014, 1092.

1. Schiedsfähigkeit Streitentscheidungen durch ein Schiedsgericht (sog Schiedsverfahren) sind 109 grundsätzlich zulässig und heute in der GmbH-Praxis weit verbreitet. Dies gilt – anders als nach § 1025 Abs. 1 ZPO aF – ohne jede Rücksicht auf die objektive Vergleichsfähigkeit des Streitgegenstandes; denn gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten sind generell vermögensrechtlicher Natur und damit gemäß § 1030 Abs. 1 Satz 1 ZPO schiedsfähig1. Dies gilt sowohl für Rechtsverhältnisse zwischen der GmbH und den Gesellschaftern als auch zwischen den Gesellschaftern2. Schiedsfähig sind nach heute herrschender und zutreffender Ansicht auch die Auskunfts- und Einsichtsrechte gemäß §§ 51a, b3, nach hM auch Streitigkeiten über die Aufbringung des Stammkapitals4 (dazu noch Rn 116). 2. Schiedsvereinbarung a) Schiedsabrede und Schiedsklausel: Generelle Voraussetzung eines Schieds- 110 verfahrens ist eine von den Parteien getroffene Schiedsvereinbarung. Diese kann gemäß § 1029 Abs. 2 ZPO entweder in Form einer selbständigen Schiedsabrede oder (unselbständig) in Form „einer Klausel in einem Vertrag“ begründet wer1 MünchKomm/Merkt § 13 Rn 70; U/H/L/Raiser § 13 Rn 39; B/H/Fastrich § 13 Rn 9. 2 MünchKomm/Merkt § 13 Rn 70; Michalski/Funke § 13 Rn 91; Scholz/Emmerich § 13 Rn 29. 3 OLG Hamm GmbHR 2000, 676, 677 mit Anm Emde; OLG Koblenz GmbHR 1990, 556; K. Schmidt ZIP 1987, 219; aA noch LG Mönchengladbach JZ 1987, 99 f mit ablehnender Anm Bork = GmbHR 1986, 390. 4 BGHZ 160, 127 = GmbHR 2004, 1214; U/H/L/Raiser § 13 Rn 39; MünchKomm/Merkt § 13 Rn 71; B/H/Fastrich § 13 Rn 9, § 19 Rn 20; kritisch Scholz/Emmerich § 13 Rn 29.

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§ 3 | Inhalt des Gesellschaftsvertrages den1, für GmbH-rechtliche Streitigkeiten somit insbesondere auch und durch eine satzungsmäßige Schiedsklausel2. In diesem Fall werden nicht nur die Gesellschafter, sondern es wird auch die GmbH gebunden3. Unzulässig und unwirksam sind allerdings heute – anders als früher4 – sog „Kompetenz-KompetenzKlauseln“, die dem Schiedsgericht das Letztentscheidungsrecht über die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung einräumen; dieses Letztentscheidungsrecht ist vielmehr ausdrücklich5 den staatlichen Gerichten vorbehalten6. Die von der „Deutsche(n) Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V.“ (DIS) empfohlene Schiedsklausel lautet: „1. Alle Streitigkeiten zwischen Gesellschaftern oder zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern im Zusammenhang mit diesem Gesellschaftsvertrag oder über seine Gültigkeit werden nach der Schiedsgerichtsordnung (DIS-SchO) und den Ergänzenden Regeln für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten (DIS-ERGeS) der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. (DIS) unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs endgültig entschieden. 2. Die Wirkungen des Schiedsspruchs erstrecken sich auch auf die Gesellschafter, die fristgemäß als Betroffene benannt werden, unabhängig davon, ob sie von der ihnen eingeräumten Möglichkeit, dem schiedsrichterlichen Verfahren als Partei oder Nebenintervenient beizutreten, Gebrauch gemacht haben (§ 11 DISERGeS). Die fristgemäß als Betroffene benannten Gesellschafter verpflichten sich, die Wirkungen eines nach Maßgabe der Bestimmungen in den DIS-ERGeS ergangenen Schiedsspruchs anzuerkennen. 3. Ausgeschiedene Gesellschafter bleiben an diese Schiedsvereinbarung gebunden. 4. Die Gesellschaft hat gegenüber Klagen, die gegen sie vor einem staatlichen Gericht anhängig gemacht werden und Streitigkeiten betreffen, die gemäß Ziffer 1 der Schiedsvereinbarung unterfallen, stets die Einrede der Schiedsvereinbarung zu erheben.“7 111 b) Form: Die Form der Schiedsvereinbarung richtet sich grundsätzlich nach

§ 1031 ZPO, so dass – wenn kein Verbraucher (vgl § 13 BGB) beteiligt ist (vgl § 1029 Abs. 5 ZPO) – entweder ein von den Parteien unterzeichnetes Dokument

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Dazu näher MünchKomm/Münch § 1029 ZPO Rn 93 ff. MünchKomm/Merkt § 13 Rn 67; Scholz/Emmerich § 13 Rn 29; B/H/Fastrich § 13 Rn 9. BGHZ 132, 278, 284 f = GmbHR 1996, 437, 439; Bayer ZIP 2003, 881, 885 f mwN. BGHZ 68, 356, 367 f. RegE BT-Drucks 13/5274 S. 26, 44. BGH GmbHR 2014, 1088 Rn 10 mit dem Hinweis, dass eine unwirksame KompetenzKompetenz-Klausel die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung im Übrigen unberührt lässt (Rn 11 f). 7 http://www.dis-arb.de/de/17/klauseln/dis-musterklausel-für-gesellschaftsrechtliche-streitig keiten-09-id11 (abgerufen: Mai 2016); vgl auch Hilgard/Haubner BB 2014, 970.

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(§ 1029 Abs. 1 ZPO) oder der Austausch gegenseitiger Erklärungen (§ 1029 Abs. 2 ZPO) erforderlich ist; es genügt aber auch die qualifizierte Bezugnahme auf eine anderweitig getroffene Schiedsklausel (§ 1031 Abs. 3 ZPO). Diese Regelung ist gemäß § 1025 Abs. 1 ZPO zwingend, wenn der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens in Deutschland liegt1. Hiervon abweichend erklärt § 1066 ZPO eine als Teil der GmbH-Satzung ver- 112 einbarte Schiedsklausel auch unabhängig von der Form des § 1031 ZPO für wirksam2; alle Nachfolger der Gründungsgesellschafter sowie neu eintretende Gesellschafter sind an die körperschaftliche Schiedsklausel gebunden3. Die Form des § 1031 ZPO gilt somit nur dann, wenn die Schiedsklausel unechter Satzungsbestandteil (zum Begriff: Rn 59) ist4, oder Streitigkeiten außerhalb des Gesellschaftsverhältnisses dem Schiedsgerichtsverfahren unterworfen werden sollen5. Die Schiedsvereinbarung bedarf nach Auffassung des III. ZS des BGH jedenfalls 113 dann nicht der Form des Hauptvertrages (hier: notarielle Beurkundung der Satzung [vgl § 2 Rn 21 f]), wenn dem Schiedsgericht – wie häufig – auch die Entscheidung über die Wirksamkeit des Hauptvertrages übertragen wird. Diesem schiedsfreundlichen Ergebnis6 stehe auch der beurkundungsrechtliche Vollständigkeitsgrundsatz (dazu näher § 15 Rn 39, 57) nicht entgegen7. Diese Rechtsprechung wird auch vom überwiegenden Schrifttum geteilt8. Anders hatte noch das OLG München als Vorinstanz geurteilt: Zwar sei die Form der Schiedsvereinbarung in § 1031 ZPO spezialgesetzlich abschließend geregelt; dies gelte indes nicht, wenn die Schiedsabrede Teil eines einheitlichen formbedürftigen Vertragswerks sei9. c) Schiedsordnung: Die Schiedsvereinbarung muss keine Regeln über das Ver- 114 fahren des Schiedsgerichts enthalten (vgl § 1035 Abs. 3, 1042 Abs. 4, 1053 ff ZPO), wenngleich die Einbeziehung einer solchen Schiedsordnung heute weit verbreitet ist. Diese Einbeziehung der Schiedsordnung ist auch dann wirksam, wenn diese nicht in der Form gemäß § 1031 ZPO noch in der Form des Haupt1 2 3 4 5 6 7 8 9

Dazu näher Hilgard/Haubner BB 2014, 970 ff mwN. RGZ 153, 267, 269 f (zum e.V.); U/H/L/Raiser § 13 Rn 37; Scholz/Emmerich § 13 Rn 29 f. MünchKomm/Merkt § 13 Rn 67; Scholz/Emmerich § 13 Rn 29; R/S-L/Pentz § 13 Rn 29. BGHZ 38, 155, 160 ff zu §§ 1027, 1048 ZPO aF; MünchKomm/Merkt § 13 Rn 67. U/H/L/Raiser § 13 Rn 40; vgl auch BGHZ 38, 155, 162 für den Fall eines zwischen den Gesellschaftern außerhalb der Satzung vereinbarten individualrechtlichen Ankaufsrechts. So Zarth EWiR 2014, 699, 700. BGH GmbHR 2014, 1088 Rn 18 f mit kritischer Anm Wachter. Broichmann/Matthäus SchiedsVZ 2008, 274, 276 ff; Heidbrink GmbHR 2010, 848, 850; Hilgard/Haubner BB 2014, 970, 971 (jew mwN). OLG München GmbHR 2014, 36, 37; ebenso Kindler NZG 2014, 961, 963 ff; Tröder MittRhNotK 2000, 379, 381.

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§ 3 | Inhalt des Gesellschaftsvertrages vertrages erfolgt, also auch dann, wenn die Schiedsordnung im Rahmen der satzungsmäßigen Schiedsklausel nicht mitbeurkundet wird1. Der beurkundungsrechtliche Vollständigkeitsgrundsatz steht diesem Ergebnis nach Auffassung des III. ZS des BGH nicht entgegen2. Ist die Durchführung des Schiedsverfahrens so wie vereinbart nicht möglich (Beispiel: Der vorgesehene Schiedsrichter steht nicht zur Verfügung), so berührt dieses Hindernis die Wirksamkeit der Schiedsabrede grundsätzlich nicht; Lücken werden durch die gesetzlichen Vorschriften ergänzt3. 115 d) Besonderheiten bei Beschlussmängelklagen: Bei Gestaltungsklagen, die ge-

gen die GmbH als beklagte Partei gerichtet sind – dies betrifft neben den Beschlussmängelklagen (§ 246 Abs. 2 AktG analog) zB auch die Auflösungsklage (§ 61 Abs. 2)4 – müssen die speziellen Anforderungen der Grundsatzentscheidung Schiedsverfahren II5 beachtet werden, dh alle Gesellschafter müssen in gleicher Weise auf das Schiedsverfahren und insbesondere die Bestellung der Schiedsrichter Einfluss nehmen können, wobei diese Mitberechtigung abgesichert sein muss, ebenso die Schiedsrichterbestellung durch eine neutrale Instanz bei fehlender Übereinstimmung (dazu ausführlich Anh zu § 47 Rn 95 ff mwN)6. Diese Anforderungen gelten indes nach neuester BGH-Rechtsprechung nicht für die allgemeine Feststellungsklage7. 3. Problematik des Gläubigerschutzes

116 Weder gesetzlich geregelt noch höchstrichterlich geklärt sind bislang die Proble-

matik gläubigerbenachteiligender Schiedssprüche, zB wenn ein Schiedsgericht eine Einlageschuld rechtskräftig verneint, obwohl eine solche Verpflichtung ma-

1 BGH GmbHR 2014, 1088 Rn 15; Böttcher/Fischer NZG 2011, 601, 602; Zöller/Geimer § 1029 ZPO Rn 11, § 1031 ZPO Rn 15. 2 BGH GmbHR 2014, 1088 Rn 16 ff; so im Ergebnis auch das OLG München GmbHR 2014, 36, 37 = DNotZ 2014, 206 mit zustimmender Anm Heskamp für den Fall einer dynamischen Verweisung auf die (nicht mitbeurkundete) DIS-Schiedsgerichtsordnung; zustimmend Hilgard/Haubner BB 2014, 970, 973; ebenso bereits Heidbrink GmbHR 2010, 848, 849 f; Broichmann/Matthäus SchiedsVZ 2008, 274, 276 ff; Lachmann SchiedsVZ 2003, 28, 33; aA Tröder MittRhNotK 2000, 379, 380 f; Kindler NZG 2014, 961, 964 ff; Wachter GmbHR 2014, 1092 ff. 3 So jüngst OLG München BB 2015, 1812 mit Anm Jerczynski; vgl zuvor bereits BGH SchiedsVZ 2014, 254 und BGH SchiedsVZ 2011, 284. 4 Richtig Scholz/K. Schmidt/Bitter § 61 Rn 6 mwN. 5 BGHZ 180, 221 = GmbHR 2009, 705 mit Anm Römermann; dazu jüngst Versin GmbHR 2015, 969 ff. 6 Instruktiv zur Vorgängerentscheidung Schiedsfähigkeit I BGHZ 132, 278 = GmbHR 1996, 437 bereits Reichert FS Ulmer, 2003, S. 511, 522 ff; Bayer ZIP 2003, 881, 886 ff mwN. 7 BGH GmbHR 2015, 1148 – Media Saturn mit kritischer Anm Römermann.

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teriell eindeutig besteht1. Eine Haftung der Gesellschaftsorgane (gemäß § 43 Abs. 2 oder ggf § 826 BGB) lässt sich hier nur insoweit begründen, als die Organe dem Schiedsgericht einen wesentlichen Streitstoff vorenthalten oder auf andere Weise den (negativen) Ausgang des Rechtsstreits herbeiführen2. Gemäß § 1059 Abs. 2 Nr. 2b ZPO können Verstöße gegen gläubigerschützende Vorschriften zwar als Verletzung des ordre public zur Aufhebung des Schiedsspruches führen3, allerdings nur innerhalb einer Frist von 3 Monaten (§ 1059 Abs. 3 ZPO). Als Mittel des Gläubigerschutzes kommt damit primär die Anfechtung gemäß §§ 129 ff InsO oder §§ 2 ff AnfG in Betracht4, wenn man nicht schon den kollusiv bewirkten oder erschlichenen Schiedsspruch als sittenwidrig und nichtig betrachtet5. Nach Wertenbruch soll in anderen Fällen ggf eine Restitutionsklage (§ 580 ZPO) in Betracht kommen6. Insgesamt jedoch ein erhebliches Regelungsdefizit zu konstatieren7. 4. Wirkungen des Schiedsspruchs Der Schiedsspruch hat gemäß § 1055 ZPO die Wirkungen eines rechtskräftigen 117 Urteils (dazu näher Anh zu § 47 Rn 30, 87); der stattgebende Schiedsspruch entfaltet also analog §§ 248 Abs. 1 Satz 1, 249 Abs. 1 Satz 1 AktG nicht nur materielle Rechtskraftwirkung gegenüber den Parteien, allen Gesellschaftern und Gesellschaftsorganen, sondern darüber hinaus auch Gestaltungswirkung erga omnes, dh für und gegen jedermann8.

§4 Firma Die Firma der Gesellschaft muss, auch wenn sie nach § 22 des Handelsgesetzbuchs oder nach anderen gesetzlichen Vorschriften fortgeführt wird, die Bezeichnung „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ oder eine allgemein verständliche Abkürzung dieser Bezeichnung enthalten. Verfolgt die Gesell-

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Dazu ausführlich Bayer ZIP 2003, 881, 891 ff. Bayer ZIP 2003, 881, 891; zustimmend MünchKomm/Wertenbruch Rn 327. Bayer ZIP 2003, 881, 891. Ausführlich Bayer ZIP 2003, 881, 892; aA MünchKomm/Wertenbruch Rn 327. So MünchKomm/Wertenbruch Rn 327. MünchKomm/Wertenbruch Rn 328. Vgl bereits Bayer ZIP 2003, 881, 892. BGH GmbHR 2009, 705, 706 ff; Bayer ZIP 2003, 881, 886 f; Berger ZHR 164 (2000), 295, 317 f; Schneider GmbHR 2005, 86, 89; abweichend Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 171 (Vollstreckbarerklärung erforderlich).

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§ 4 | Firma schaft ausschließlich und unmittelbar steuerbegünstigte Zwecke nach den §§ 51 bis 68 der Abgabenordnung kann die Abkürzung „gGmbH“ lauten. Die Vorschrift ist mit Wirkung vom 1.7.1998 durch HRefG vom 22.6.1998 (BGBl I 1474) vollständig neu gefasst worden; amtliche Überschrift ergänzt durch MoMiG vom 23.10. 2008 (BGBl I 2026). Durch Art. 7 des Gesetzes zur Stärkung des Ehrenamts vom 21.3.2013 (BGBl I 556) ist Satz 2 angefügt worden. I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . II. Firma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gestaltungsmöglichkeiten bei der Firmenbildung . . . . . . . . . IV. Voraussetzungen zulässiger Firmenbildung . . . . . . . . . . . . 1. Gebote . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kennzeichnungs- und Unterscheidungskraft . . . . . . . . . . b) Unterscheidbarkeit . . . . . . . c) Rechtsformzusatz . . . . . . . . 2. Allgemeine Schranken . . . . . . . a) Allgemeines Täuschungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . b) Namensschutz, Markenschutz, Unlauterer Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . c) Öffentliche Ordnung und gute Sitten . . . . . . . . . . . . .

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V. VI. VII. VIII. IX. X. XI. 1. 2. XII. 1. 2.

Abgeleitete Firma . . . . . . . . Die Vorgesellschaft . . . . . . . Die Übertragung der Firma Änderung der Firma . . . . . . Erlöschen und Löschen der Firma . . . . . . . . . . . . . . . . . Europäisches Recht . . . . . . Rechtsfolgen unzulässiger Firmen . . . . . . . . . . . . . . . . Anfängliche Unzulässigkeit . Nachträgliche Unzulässigkeit Schutz Dritter . . . . . . . . . . Selbstschutz . . . . . . . . . . . . Schutz durch das Registergericht . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . .

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Literatur: Beyerlein Die Firm@, WRP 2005, 582; Bokelmann Die Neuregelungen im Firmenrecht nach dem Regierungsentwurf des Handelsrechtsreformgesetzes, GmbHR 1998, 57; Heckschen Firmenbildung und Firmenvertretung – aktuelle Tendenzen, NotBZ 2006, 345; Heidinger Der Name des Nichtgesellschafters in der Personenfirma, DB 2005, 815; Kögel Neues Firmenrecht und alte Zöpfe: Die Auswirkungen der HGB-Reform, BB 1998, 1645; Kögel Sind geographische Zusätze in Firmennamen entwertet?, GmbHR 2002, 642; Kögel Zulässigkeit von Fremdnamen und unrichtigen Personenzusätzen in der Firma einer GmbH, GmbHR 2011, 16; Krause gGmbH als unzulässiger Rechtsformzusatz, NJW 2007, 2156; Lutter/Welp Das neue Firmenrecht der Kapitalgesellschaften, ZIP 1999, 1073; Müther Überlegungen zum neuen Firmenbildungsrecht bei der GmbH, GmbHR 1998, 1058; Schoene Wrdlbrmpfd e.K. – Zur Eintragungsfähigkeit von Buchstabenkombinationen als Firma, GWR 2009, 137; Schulenburg Die Abkürzung im Firmenrecht der Kapitalgesellschaften, NZG 2000, 1156; Wachter Änderungen im Firmenrecht der GmbH, GmbHR 2013, R 145.

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I. Überblick § 4 regelt seit der grundlegenden Handelsrechtsreform vom 1.7.19981 nur noch 1 den Rechtsformzusatz der GmbH. Die Vorschrift ist zwingend. Sie ist eine Konkretisierung des § 3 Abs. 1 Nr. 1 und ergänzt das allgemeine Firmenrecht der §§ 17 ff HGB, insbesondere die Vorschrift des § 18 HGB, in der seit Inkrafttreten des HRefG die Firmenbildung für alle Gesellschaftsformen zentral geregelt ist. Darüber hinaus gelten einzelne spezielle Vorschriften, zB §§ 39–43 KWG zum Schutz der Bezeichnung „Bank“ und „Sparkasse“, § 3 KAGB für „Kapitalverwaltungsgesellschaften“, § 43 Abs. 4 StBerG für „Steuerberatungsgesellschaften“; § 133 WPO für „Wirtschaftsprüfungsgesellschaften“, „Buchprüfungsgesellschaften“ (dazu Rn 5).

II. Firma Die Firma ist der Name der GmbH, mit der sie am Rechtsverkehr teilnimmt (vgl 2 § 17 Abs. 1 HGB). Sie dient der Individualisierung und der Unterscheidbarkeit von gleichartigen Unternehmen (ausführlich Rn 6 ff). Die Firma ist notwendiger Inhalt des Gesellschaftsvertrages (§ 3 Abs. 1 Nr. 1). Mit ihr wird die GmbH in das Handelsregister eingetragen (§ 10 Abs. 1). Dabei ist das Registergericht zwar an den gewählten Firmennamen, nicht aber an die gewünschte Fassung des Schriftbildes gebunden (nur pflichtgemäßes Ermessen)2. Die GmbH kann auch dann, wenn sie mehrere Handelsgeschäfte betreibt, nur 3 eine Firma haben (Grundsatz der Firmeneinheit)3. Nur für eine Zweigniederlassung (dazu Anh zu § 4a) kann sie ihre Firma mit Zusätzen versehen (sog Filialfirma), um zB eine notwendige Unterscheidung mit einer bereits bestehenden Firma am selben Ort sicherzustellen (§ 30 Abs. 3 HGB). Die Zweigniederlassung kann aber auch die bisherige Firma eines hinzuerworbenen Geschäfts fortführen4: Dann aber muss sie durch einen Zusatz den Zusammenhang zwischen der Haupt- und der Zweigniederlassung klar zum Ausdruck bringen5; also zB „Getränkehandel Karl Müller, Zweigniederlassung der Sinziger Quellen GmbH“. Weicht die Firma der Zweigniederlassung in dieser Weise von der Firma der

1 Ausführlich U/H/L/Heinrich Rn 6 ff. 2 OLG München GmbHR 2010, 1155 (TXXX CONSTRUCTION); OLG München GmbHR 2011, 587, 588 (A3 … GmbH); KG GmbHR 2000, 1101; MünchKomm/Heidinger § 18 HGB Rn 14 mwN. 3 Scholz/Emmerich Rn 4, 6; MünchKomm/J. Mayer Rn 9. 4 Ausführlich MünchKomm/J. Mayer Rn 112 ff. 5 BayObLGZ 1990, 151, 158 = BB 1990, 1364; Scholz/Emmerich Rn 59; U/H/L/Heinrich Rn 88; aA K/K/R/M/Roth § 17 HGB Rn 15.

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§ 4 | Firma Hauptniederlassung ab, bedarf sie der Aufnahme in die Satzung1. Eine völlig andere Firma, die der Name einer dritten GmbH sein könnte, darf die Zweigniederlassung nicht führen2.

III. Gestaltungsmöglichkeiten bei der Firmenbildung 4 Es gilt heute der Grundsatz der freien Firmenbildung, und zwar sowohl für die

Gründung als auch für eine etwaige Satzungsänderung. Die GmbH kann eine Personenfirma bilden, die den Namen eines („Müller“; vgl zu sog Allerweltsnamen aber Rn 11), mehrerer („Müller und Meier“) oder aller Gesellschafter enthält; ebenso können der Künstlername oder ein Pseudonym für die Firmenbildung benutzt werden3. Die GmbH kann auch eine Sachfirma wählen, also den Unternehmensgegenstand zur Firmenbildung benutzen („Allgemeines Chirurgisches Krankenhaus“; vgl aber zur „reinen“ Sachfirma Rn 10); ferner kann die GmbH Personen- und Sachfirma in einer Mischfirma verbinden („Müller Getränkehandel GmbH“). Vor allem aber kann jetzt auch die reine Phantasiefirma, also auch von Anfang an die Marke gewählt werden („Meteor“, „Adler“, „Luna“, „Lupo“, „Pratta“, „Star“, „Phönix“, „Orbis“, „billabong“)4.

5 Sondervorschriften gelten indes für Steuerberatungsgesellschaften nach § 53

StBerG und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sowie Buchprüfungsgesellschaften nach §§ 31, 128 Abs. 2 WPO: Sie sind verpflichtet, die Bezeichnung „Steuerberatungsgesellschaft“, „Wirtschaftsprüfungsgesellschaft“ in die Firma aufzunehmen bzw die Bezeichnung „Buchprüfungsgesellschaft“ im beruflichen Verkehr zu führen5. Entsprechendes gilt für Rechtsanwaltsgesellschaften und Patentanwaltsgesellschaften nach § 59k Abs. 1 BRAO6, § 52k Abs. 1 PAO7.

IV. Voraussetzungen zulässiger Firmenbildung 6 Die Gestaltungsfreiheit ist indes keinesfalls schrankenlos. Vielmehr sind firmen-

rechtlich der Phantasie immer noch Grenzen gesetzt, müssen auch weiterhin bestimmte Gebote sowie allgemeine Schranken bei der Firmenbildung beachtet

1 Wie hier Scholz/Emmerich Rn 60; U/H/L/Heinrich Rn 89; für die AG auch Hüffer/Koch § 23 AktG Rn 20; aA Dirksen/Volkers BB 1993, 598, 599. 2 U/H/L/Heinrich Rn 87 mwN. 3 U/H/L/Heinrich Rn 20; Scholz/Emmerich Rn 38. 4 BayObLG ZIP 2000, 835, 837 (PRO-VIDENTIA); Michalski/Michalski Rn 23. 5 U/H/L/Heinrich Rn 57 ff. 6 Zur Zulässigkeit der Rechtsanwaltsgesellschaft in der Form „Rechtsanwalts GmbH“, OLG Rostock GmbHR 2007, 377; zustimmend U/H/L/Heinrich Rn 45. 7 BayObLG ZIP 2000, 835 ff (abweichend für AG); Scholz/Emmerich Rn 3a; Michalski/Michalski Rn 70.

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werden. So sind für die Zulässigkeit und Eintragungsfähigkeit der Firma insbesondere die folgenden Kriterien zu erfüllen: – Kennzeichnungs- und Unterscheidungskraft (§ 18 Abs. 1 HGB; Rn 7 ff); – Unterscheidbarkeit von anderen Firmen im gleichen Registerbezirk (§ 30 Abs. 1 HGB; Rn 20 ff); – Rechtsformzusatz „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ oder eine allgemeinverständliche Abkürzung dieser Bezeichnung (§ 4; Rn 23 ff); zur Unternehmergesellschaft gemäß § 5a vgl § 5a Rn 56. – Beachtung des Täuschungsverbots (§ 18 Abs. 2 HGB; Rn 28 ff). 1. Gebote a) Kennzeichnungs- und Unterscheidungskraft: Die Firma muss zur Kenn- 7 zeichnung der Gesellschaft geeignet sein und Unterscheidungskraft besitzen1. Dieses bereits unmittelbar aus der Namensfunktion der Firma folgende Gebot (vgl § 17 Abs. 1 HGB)2 ist in § 18 Abs. 1 HGB ausdrücklich geregelt und gilt auch für die Firma der GmbH (vgl § 6 Abs. 1 HGB iVm § 13 Abs. 3)3. Die Vorschrift stellt klar, dass die Firma aufgrund der weitgehenden Gestaltungsfreiheit bei der Bildung des Firmenkerns vor allem diese Namensfunktion im geschäftlichen Verkehr erfüllen muss4. aa) Unterscheidungskraft: Die Firma muss als solche geeignet sein, die Gesell- 8 schaft hinreichend von anderen Unternehmen zu unterscheiden und so zu individualisieren, dass sie ihrer Art nach nicht zwangsläufig dem Risiko von Verwechslungen mit anderen, insbesondere branchengleichen oder -ähnlichen Gesellschaften ausgesetzt ist. § 18 Abs. 1 HGB verlangt also eine der Firma innewohnende, ursprüngliche Unterscheidungskraft5; auf das Verhältnis zu bereits eingetragenen Firmen anderer Unternehmen im selben Registerbezirk kommt es hierbei deshalb nicht an6 (zur Unterscheidbarkeit nach § 30 HGB s. Rn 20 ff). Es gilt der Grundsatz: Je origineller und einprägsamer eine Firma ist, desto größer ist auch ihre originäre Unterscheidungskraft.

1 Zum (streitigen) dogmatischen Verständnis der beiden Merkmale zueinander ausführlich MünchKomm/J. Mayer Rn 22; wie hier wohl Scholz/Emmerich Rn 11 und BGH GmbHR 2009, 249 Rn 9 f mit Anm Lamsa. 2 Dazu Kögel BB 1998, 1645 ff; Müther GmbHR 1998, 1058, 1059 ff; Scholz/Emmerich Rn 8; U/H/L/Heinrich Rn 11 ff. 3 BegrRegE BR-Drucks 340/97, S. 52; Scholz/Emmerich Rn 8. 4 BegrRegE BR-Drucks 340/97, S. 52; Kögel BB 1998, 1645 ff; K. Schmidt NJW 1998, 2161, 2167. 5 BGH BB 1997, 2611. 6 Ebenso Bülow DB 1999, 269, 270; Michalski/Michalski Rn 12.

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§ 4 | Firma 9 Unterscheidungskraft besitzen deshalb insbesondere Phantasieworte wie „Stax“,

„Orbis“, „patho“, „Pratta“, „Tappox“ oder „bizzy“, da sie von Natur aus originell und einprägsam sind1.

10 Demgegenüber sind reine Sachfirmen, zB „Eisenhandel GmbH“, „Transport-

beton GmbH“2 oder „Profi-Handwerker GmbH“3 aufgrund ihres von Natur aus schlicht beschreibenden Charakters nicht trennscharf und damit zwangsläufig dem Risiko von Verwechslungen mit Firmen anderer, branchengleicher Unternehmen ausgesetzt4. Solchen Firmen fehlt also gerade die von § 18 Abs. 1 HGB ausdrücklich verlangte, originäre Unterscheidungskraft. Darüber hinaus sperren sie für eine große Zahl von Unternehmen mit vergleichbarer Tätigkeit die Sachfirma, so dass insoweit auch ein sog Freihaltebedürfnis besteht5. Daher sind reine Sachfirmen ohne einen individualisierenden Zusatz (zB Phantasiewort, Buchstabenkürzel etc6, vgl auch Rn 13, 14) nicht eintragungsfähig7. Das Gleiche gilt für rein geographische Bezeichnungen („Bonn GmbH“, „Köln GmbH“)8 oder für der Umgangssprache entnommene Bezeichnungen, die nur das verkaufte oder hergestellte Produkt beschreiben (zB „Buch GmbH“ für eine Buchhandlung; „Schuh GmbH“ für eine Schuhfabrik)9.

11 Allerweltsnamen („Müller GmbH“) sind hingegen eintragungsfähig, wenn sie

mindestens mit dem abgekürzten Vornamen10 oder auch einem (zutreffenden) Titel11 (Dr. Müller GmbH) geführt werden. Zwar sind besonders häufig vorkommende Namen wenig trennscharf, doch sind sie aufgrund des Gesellschafter-Bezugs auch nicht schlicht beschreibend, so dass ihnen – anders als Branchenbezeichnungen – die Unterscheidungskraft insoweit nicht gänzlich abgesprochen werden kann12. Eine Eintragungsunfähigkeit lässt sich auch nicht mit einem Freihaltebedürfnis rechtfertigen. Zwar ist für den wettbewerbsrechtlichen Namensschutz anerkannt, dass Allerweltsnamen mangels Unterscheidungskraft 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

So auch MünchKomm/J. Mayer Rn 45; R/S-L/Schmidt/Leithoff Rn 29 mwN. Dazu OLG Hamm NJW 1961, 2018 f. BayObLG GmbHR 2003, 1003 f. BegrRegE BR-Drucks 340/97, S. 37; Scholz/Emmerich Rn 18a. So auch Müther GmbHR 1998, 1058, 1059; Scholz/Emmerich Rn 18b. Wie hier MünchKomm/J. Mayer Rn 42; Scholz/Emmerich Rn 18a. Ebenso Scholz/Emmerich Rn 18b; Kögel BB 1998, 1645, 1646; Müther GmbHR 1998, 1058, 1059. Lutter/Welp ZIP 1999, 1073, 1075; MünchKomm/J. Mayer Rn 41. Ebenso K/K/R/M/Roth § 18 HGB Rn 4; Müther GmbHR 1998, 1058, 1059; B/H/Fastrich Rn 6b. B/H/Fastrich Rn 6b; K/K/R/M/Roth § 18 HGB Rn 4; auf eine Individualisierung durch Beifügung des Vornamens verzichtend, solange nicht § 30 Abs. 1 vorliegt, U/H/L/Heinrich Rn 19. R/A/Roth Rn 8. Wie hier Lutter/Welp ZIP 1999, 1073, 1075; zustimmend U/H/L/Heinrich Rn 19; idS nunmehr auch K/K/R/M/Roth § 18 HGB Rn 4; zweifelnd B/H/Fastrich Rn 6b.

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nicht schutzfähig sind; doch kann das nicht pauschal auf das Firmenrecht übertragen werden1. Denn im registerrechtlichen Eintragungsverfahren geht es primär um Namensgebung, also um die Festlegung des Namens, unter dem die Gesellschaft im Rechtsverkehr auftritt (vgl § 17 Abs. 1 HGB), und nicht primär um materiellen Namens- und Firmenschutz (vgl auch Rn 30). Im Übrigen ist durch das Führen des abgekürzten Vornamens auch die Sperrwirkung weitgehend entschärft. Eine nur aus einer fremdsprachigen Bezeichnung gebildete Firma ist auch 12 dann eintragungsfähig, wenn sie nicht wie ein Phantasiewort („Buty“, „Rusty“, „billabong“, „Lona“, „Tapas“) klingt, sondern für einen sprachkundigen Teil der in Betracht kommenden Verkehrskreise als eine den Unternehmensgegenstand beschreibende Bezeichnung verständlich ist („Sports Gear“ für einen Sportartikelhersteller; „Buena Vista“ für eine Filmproduktionsgesellschaft)2, denn für den anderen Teil der angesprochenen Verkehrskreise klingt die Firma wie ein Phantasiewort. Etwas anderes gilt hingegen für eine fremdsprachige Bezeichnung, für die kein deutsches Wort gebräuchlich ist („Software“; „Internet“; „Online“) oder die sich in der Umgangssprache durchgesetzt hat („Fast Food“; „Fashion“; „Video Rent“)3: Solche Bezeichnungen sind aufgrund ihrer Allgemeinverständlichkeit – wie „Transportbeton“ – ausschließlich beschreibend und deshalb ohne einen Zusatz nicht eintragungsfähig4. Abkürzungen von Gattungs- und Branchenbezeichnungen, wie zB „Trans- 13 pobet GmbH“ statt „Transportbeton GmbH“ oder „Computech GmbH“ statt „Computertechnik GmbH“ sind eintragungsfähig. Solche einprägsamen Kürzel besitzen, insbesondere auch aufgrund ihrer Annäherung zur Phantasiefirma (Rn 9), von Natur aus größere Unterscheidungskraft als farblose, schlicht beschreibende Branchenbezeichnungen5. Darüber hinaus kann eine Firma auch durch eine Kombination von für sich al- 14 lein nicht zulässigen Bezeichnungen („Bonner Transportbeton“) Unterscheidungskraft erlangen und damit eintragungsfähig sein; das Gleiche gilt für originelle Gestaltungen wie „Softwear GmbH“ für einen Bekleidungshersteller; ebenso sind umgangssprachliche Begriffe in Alleinstellung zulässig, die mit dem Unternehmensgegenstand in einem originellen Zusammenhang stehen (zB

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So aber Müther GmbHR 1998, 1058, 1059. Vgl LG Darmstadt GmbHR 1999, 482, 483: „Printware Supplies“. Hierzu nach früherem Recht bereits BGH NJW 1987, 438 f. Ausführlich hierzu Lutter/Welp ZIP 1999, 1073, 1075 f; Scholz/Emmerich Rn 14; MünchKomm/J. Mayer Rn 43. 5 Vgl BegrRegE BR-Drucks 340/97, S. 37; BayObLG NZG 1999, 761 für MEDITEC; B/H/ Fastrich Rn 6b.

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§ 4 | Firma „Muskelkater GmbH“ für ein Sportgeschäft), da sie insoweit nicht schlicht beschreibend und entsprechend unterscheidungskräftig sind1. 15 bb) Kennzeichnungskraft: Die Firma muss gemäß § 18 Abs. 1 HGB ferner zur

Kennzeichnung geeignet sein. Das setzt voraus, dass die Firma als Hinweis auf ein Unternehmen verstanden wird, dh sie muss auf die beteiligten Verkehrskreise „wie ein Name wirken“2. Das setzt insbesondere voraus, dass der Firmenkern aus einer wörtlichen und aussprechbaren Bezeichnung gebildet wird3. Fremdsprachigen Bezeichnungen, die nicht aus lateinischen Buchstaben gebildet sind, kommt deshalb keine Namensfunktion zu, da sie nicht aussprechbar sind4. Die Namensfähigkeit wurde früher für Bilder5, Zahlen6 oder für nicht als (Phantasie-)Wort aussprechbare Buchstabenfolgen7 ohne entsprechende Verkehrsgeltung verneint8. Um die durch die Handelsrechtsreform bezweckte Liberalisierung des Firmenrechts nicht allzu schnell wieder zunichte zu machen, sollten die Registergerichte großzügig verfahren. Insbesondere sollte die Voraussetzung „wörtliche Bezeichnung“ nicht zu eng ausgelegt werden; denn insbesondere Buchstabenfolgen, die kein aussprechbares (Phantasie-)Wort ergeben („XYZGmbH“, „ABC-GmbH“) und damit keine „wörtliche Bezeichnung“ im strengen Wortsinn sind, werden heute allgemein als Unternehmensname verstanden9. Sie sind im Geschäftsverkehr mittlerweile als Unternehmensname durchaus üblich und weit verbreitet (zB „LTU“, „IBM“, „VW“, „BMW“, „MBB“, „BASF“, „AEG“, „ITS“ etc). Das Argument, dass solche Buchstabenfolgen nicht aus sich heraus verständlich sind10, überzeugt heute nicht mehr; denn dies trifft auf Phantasieworte, wie „Stax“ oder „Pratta“, ebenso wenig zu. Im Gegenteil: Solche Buchstabenkürzel sind besonders einprägsam, so dass sie auch ohne vorherige Verkehrsgeltung namensfähig sind11. Endlose Buchstabenfolgen bzw übertriebene Aneinanderreihungen von Buchstabenblöcken (zB „A-Blöcke“) sind hingegen unzulässig: Sie sind kaum aussprechbar und ebenso wenig unterscheidungskräf1 S. hierzu auch Lutter/Welp ZIP 1999, 1073, 1075 ff mit weiteren Beispielen; Scholz/Emmerich Rn 14. 2 BGHZ 79, 265, 270; BGH BB 1997, 2611 f; Müther GmbHR 1998, 1058, 1059; Michalski/ Michalski Rn 9. 3 BGHZ 14, 155, 159 f; Scholz/Emmerich Rn 13; aA Heckschen NotBZ 2006, 346. 4 MünchKomm/J. Mayer Rn 26; Scholz/Emmerich Rn 12 (insbesondere scheiden etwa japanische oder chinesische Schriftzeichen aus). 5 BGHZ 14, 155, 159 f. 6 BGHZ 8, 387, 389. 7 BGH BB 1997, 2611 f; BGH NJW 1979, 2311 ff. 8 Scholz/Emmerich Rn 12 mwN. 9 Scholz/Emmerich Rn 13; U/H/L/Heinrich Rn 16; aA OLG Celle DB 2006, 1950 f – AKDV; kritisch Heckschen NotBZ 2006, 346 und Lamsa EWiR 2006, 657, 658. 10 So noch BGH BB 1997, 2611 f – RBB. 11 Ebenso BGH GmbHR 2009, 249 mit zustimmender Anm Lamsa (HM&A); vgl auch Scholz/Emmerich Rn 13.

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tig und dienen nur dem Zweck, in alphabetischen Verzeichnissen an erster Stelle geführt werden zu müssen, haben also im Handelsregister nichts zu suchen1. Bei der Beurteilung der Namensfähigkeit muss man wegen der gewollten Libe- 16 ralisierung auch solche Firmen als zulässig ansehen, die im geschäftlichen Verkehr (noch!) unüblich, aber besonders originell und einprägsam sind; denn sie sind entsprechend werbewirksam und besitzen deshalb von Natur aus viel größere Kennzeichnungs- und Unterscheidungskraft als farblose Standardfirmen, wie „Meyer & Schulz Krawatten“. Durch ihre Werbewirksamkeit werden solche Firmen besonders schnell mit einem bestimmten Unternehmen in Verbindung gebracht und erlangen so Verkehrsgeltung und damit Namensfunktion. So sind insbesondere Werbeslogans, zB „fahr in Urlaub“, „nix wie hin“2, „up ’n’ 17 away“, „Na klar!“, „Ruf’ ’mal an!“, sowie originelle Firmenbezeichnungen, wie „Namenlos“ oder „no-name“, eintragungsfähig. Gleiches gilt für (ausgeschriebene) Zahlenbezeichnungen („eins“, „zwölf“, „fifty-one“, „sixty-four“), die heute schon als Unternehmensname verwendet werden, zB „elf“ (für eine Tankstellenkette); denn auch Zahlen sind als Firmenbezeichnung durchaus originell und einprägsam sowie als mathematische Größen von Natur aus unterscheidungskräftig. Deshalb sind auch allein aus Ziffern gebildete Firmen (zB „17-GmbH“, „1 2 3-GmbH“) nunmehr zulässig3, da auch sie klar aussprechbar sind. Nichteintragungsfähig sind hingegen endlose Zahlenketten, wie etwa eine zehnstellige Telefonnummer, da mit zunehmender Anzahl von Ziffern die klare Aussprechbarkeit und die Unterscheidungskraft verloren gehen. Nach OLG Frankfurt ist die Firma „Outlets.de GmbH“ nicht eintragungsfähig4. Auch nur aus Buchstaben und Ziffern/Zeichen gebildete Firmen sind eintra- 18 gungsfähig, wie etwa die bereits verwendeten Bezeichnungen „C & A“, „3M“, „Pro 7“, „Bank 24“, „1 2 fly“ (für ein Reiseunternehmen), „0 10 51-Telecom“ oder „1 & 1 AG & Co. KGaA“ (im Handelsregister Koblenz eingetragen und an der Börse zugelassen); denn auch sie sind aufgrund ihrer Gestaltung besonders einprägsam und originell5. Sie müssen allerdings klar aussprechbar sein, zB „3 mal 3“, „4P“, „R & S“, „A + A“, „B 52“ oder „Pik 7“; deshalb dürften andere als

1 OLG Celle GmbHR 1999, 412; OLG Frankfurt GmbHR 2002, 647 f; Schulenburg NZG 2000, 1156, 1158; U/H/L/Heinrich Rn 16. 2 Zustimmend Scholz/Emmerich Rn 42; B/S/Schäfer Rn 8. 3 Ebenso U/H/L/Heinrich Rn 18; R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 15; MünchKomm/J. Mayer Rn 27. 4 OLG Frankfurt GmbHR 2011, 202; ähnlich LG Köln RNotZ 2008, 553 („brillenshop.de“); vgl zur Differenzierung zwischen Top Level Domain und Second Level Domain auch U/H/L/Heinrich Rn 25 aE; B/S/Schäfer Rn 8, 11; vgl dazu auch OLG Dresden GRUR-RR 2011, 97 (für Top-Level-Domain „eu“). 5 U/H/L/Heinrich Rn 18; MünchKomm/J. Mayer Rn 27; Schoene GWR 2009, 137, 139.

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§ 4 | Firma die mittlerweile anerkannten, das „und“ ersetzende Zeichen (+; &)1 auch weiterhin als Firmenbestandteil unzulässig sein2. 19 Bildzeichen (zB „*“, „§“, „→“ „↑“) sind als Firma bzw als Firmenbestandteil

nicht eintragungsfähig; denn sie sind – auch im weitesten Sinne – keine wörtliche Bezeichnung und selbst nicht sprechbar3, auch wenn für sie ein aussprechbares Wort existiert (Kleeblatt, Herz). Sie können nur als Symbol für eine Firma, zB als bildliche Wiedergabe der Firmenbezeichnung, durch entsprechende Verkehrsgeltung zum Kennzeichen eines Unternehmens werden und dann Namens- und Firmenschutz genießen4. Die Verwendung des Zeichens @ in der Firma wurde früher überwiegend abgelehnt5. Zutreffend haben indes mehrere Instanzgerichte darauf hingewiesen, dass sowohl das Argument der mangelnden Sprechbarkeit als auch das Argument der mangelnden Eindeutigkeit nicht überzeugen6: Nach der Verkehrsauffassung wird das Zeichen @ innerhalb eines Wortes als „a“ gesprochen (Y@llow, Met@box), am Wortende hingegen als „at“. Als etwas engstirnig und nicht mehr den modernen Verhältnissen des InternetZeitalters entsprechend erscheint auch das weitere (ablehnende) Argument, das @-Zeichen sei nicht eintragungsfähig, weil der Firmeninhaber keinen Anspruch auf die von ihm gewählte Schreibweise (@ statt „a“) habe7 (dazu Rn 3). Das @-Zeichen ist ein Wortzeichen mit spezifischer Bedeutung. Die abweichende obergerichtliche Rechtsprechung ist daher heute überholt8.

20 b) Unterscheidbarkeit: Die Firma muss sich von allen anderen Firmen im Re-

gisterbezirk deutlich unterscheiden (§ 30 Abs. 1 HGB). Dieses Kriterium soll Verwechslungen im Rechtsverkehr aufgrund ähnlicher Firmenbezeichnungen im gleichen Registerbezirk vorbeugen. Maßgeblich für die hinreichende Unterscheidbarkeit von anderen Firmen im Registerbezirk ist der Gesamteindruck der

1 Dazu BGHZ 135, 257, 260 = GmbHR 1997, 644; B/H/Fastrich Rn 6a. 2 Abweichend R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 16; wie hier R/A/Roth Rn 26. 3 KG GmbHR 2000, 1101; MünchKomm/J. Mayer Rn 28; Schoene GWR 2009, 137, 138. 4 MünchKomm/Säcker § 12 BGB Rn 50; vgl RGZ 171, 147, 155: Salamander; BGH GRUR 1957, 287, 288 (Zwillingszeichen); BGH GRUR 1958, 393, 394 f (Ankerzeichen). 5 BayObLG GmbHR 2001, 476 (D@B … GmbH) mit kritischer Anm Wachter = NZG 2001, 802 f mit kritischer Anm Wagner; OLG Braunschweig WRP 2001, 287 f mit kritischer Anm Mankowski EWiR 2001, 275 f (Met@box). 6 LG Cottbus CR 2002, 134, 135; LG Berlin GmbHR 2004, 428 f mit zustimmender Anm Thomas/Bergs; LG München MittBayNot 2009, 315; für eine Eintragung auch Beyerlein WRP 2005, 582; Heckschen NotBZ 2006, 346, 347; Clausnitzer DNotZ 2010, 345, 358; U/H/L/Heinrich Rn 17; R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 17; MünchKomm/Heidinger § 18 HGB Rn 13; Michalski/Michalski Rn 11. 7 So BayObLG GmbHR 2001, 476 mit Anm Wachter. 8 Kritisch bereits auch die Vorauflagen; vgl auch R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 17; immer noch abweichend MünchKomm/J. Mayer Rn 29; Scholz/Emmerich Rn 12; R/A/Roth Rn 26.

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Firmenbezeichnung in Sinn, Wort- und Klangbild („wie es sich in Auge und Ohr einprägt“)1; letztlich entscheidend sind aber die Umstände des Einzelfalles2. So werden „attraktive“ Phantasiebezeichnungen rasch in anderen Händen sein 21 – von „Meteor“ bis „Star“ und von „Odysseus“ über „Poseidon“ bis „Orbis“. Hier ist immerhin – auch schon wie früher – ein Ausweichen in entsprechende Zusätze, wie etwa Namen („Müllers Star-Mühlen GmbH“), Ortsangaben, Buchstabenkürzel etc oder aber ein Ausweichen in einen anderen Registerbezirk möglich. Insoweit kann auf die frühere Literatur und Rspr zurückgegriffen werden3. Probleme können insbesondere bei bewusst kurz und in ihrer Aussage einfach 22 gehaltenen Firmenbezeichnungen („Computech“, „Transpobet“, „Systech“, „Fifty-one“, „1 + 1“ etc) entstehen4 (vgl Rn 13); denn solche einprägsamen und deshalb besonders werbewirksamen Kurzbezeichnungen dürften rasch in Mode kommen und insbesondere bei branchengleichen Unternehmen im gleichen Registerbezirk schnell zu Annäherungen führen („Comptech“ und „Compnet“, „Systech“, „Sysdat“ und „Syscom“, oder „Fifty-one“ und „Fifty-two“, „1 + 1“ und „1 + 2“). Derartige Firmenbezeichnungen sind zwar objektiv unterscheidbar, es stellt sich indes die Frage nach der „deutlichen Unterscheidbarkeit“ iSv § 30 Abs. 1 HGB. Bei branchengleichen Unternehmen sind höhere Anforderungen an die notwendige Unterscheidbarkeit zu stellen als bei branchenverschiedenen Unternehmen, da hier die Branchennähe zusätzlich eine Verwechslungsgefahr begründet. Insbesondere bei kurzen Firmenbezeichnungen können bereits geringe Unterschiede das für die hinreichende Unterscheidbarkeit maßgebliche Klangbild bzw den Gesamteindruck der Firmenbezeichnung stark beeinflussen. Da das Klangbild einer Firmenbezeichnung wiederum entscheidend durch deren Silben beeinflusst wird, könnte hier als Maßstab etwa das Verhältnis der Anzahl der unterschiedlichen Silben zur Gesamtanzahl der Silben dienen: Danach genügen zB „Systech“ und „Sysdat“ oder „Comptech“ und „Compnet“ ohne Weiteres dem Gebot der Unterscheidbarkeit, da sich hier jeweils eine von zwei Silben, also immerhin die Hälfte des Firmenwortlauts, und damit auch das Klangbild deutlich unterscheiden; dies gilt hingegen nicht für zB „Comptech“ und „Computech“, „Compatech“ etc. Bei aufeinanderfolgenden Zahlenbezeichnungen, wie „Fifty-one“ und „Fifty-two“, ist die rein objektive Unterscheidbarkeit jedenfalls bei branchenfremden Unternehmen ausreichend, ebenso bei „1 + 1“ und „1 + 2“. c) Rechtsformzusatz: Unabdingbar muss die Firma den Zusatz „Gesellschaft 23 mit beschränkter Haftung“ oder eine allgemein verständliche Abkürzung dieser 1 2 3 4

So zutreffend RGZ 104, 341, 342. Dazu BayObLG GmbHR 1980, 84, 85. Vgl BGH WM 1993, 1006, 1008. So auch Kögel BB 1997, 793, 796; K. Schmidt NJW 1998, 2161, 2167.

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§ 4 | Firma Bezeichnung (in deutscher Sprache) enthalten1; dies gilt auch dann, wenn die Firma nach § 22 HGB oder nach anderen gesetzlichen Vorschriften fortgeführt wird. Dieser Rechtsformzusatz kann auch in Wortverbindungen verwandt werden, etwa „Müller Handelsgesellschaft mit beschränkter Haftung“ (oder: mbH)2. Zum Rechtsformzusatz bei der Unternehmergesellschaft vgl § 5a Rn 56. 24 Ob statt der üblichen Abkürzung „GmbH“ auch eine andere Abkürzung ge-

wählt werden kann (Ges. mbH oder wie in Österreich üblich: Ges.m.b.H.), dürfte wohl zu bejahen sein3; denn das Gesetz lässt Abkürzungen ausdrücklich zu, ohne sie aber im Einzelnen aufzuzählen4. Voraussetzung ist insoweit (nur) die Allgemeinverständlichkeit der Abkürzung. Diese gewährleistet (neben dem allgemeinen Täuschungsverbot; dazu Rn 28 ff) hinreichenden Schutz vor einer Täuschung des Rechtsverkehrs über die Rechtsform5. Was bisher „üblich“ war, ist demnach nicht entscheidend.

25 Das Gebot des Rechtsformzusatzes ist im Übrigen streng zu handhaben; denn

das mit der nunmehr geltenden Wahlfreiheit bei der Gestaltung des Firmenkerns verbundene Defizit an Informationskraft erfordert eine entsprechend gestärkte Aussage- und Informationskraft der Firma über die Gesellschafts- und Haftungsverhältnisse. So ist der alleinige Zusatz „mbH“ unzulässig, auch wenn auf das Gesellschaftsverhältnis in anderer Weise hingewiesen wird6. § 4 verlangt ausdrücklich den Zusatz „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ bzw eine allgemein verständliche Abkürzung dieser Bezeichnung (statt § 4 aF: „mit beschränkter Haftung“): unzulässig ist daher nicht nur „Müller mbH“ oder „Chemische Fabrik mbH“, sondern auch „Müller & Co mbH“ oder „X-Company mbH“. Zulässig ist hingegen „Z-Autohandelsgesellschaft mbH“ (und nicht nur „Z-Gesellschaft für Autohandel mbH“)7.

26 Durch den neuen § 4 Satz 28 ist nunmehr geklärt, dass eine gemeinnützige

GmbH die Abkürzung „gGmbH“ benutzen darf9. In Übereinstimmung mit den

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MünchKomm/J. Mayer Rn 41; R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 55 (unstreitig). R/A/Roth Rn 45; B/H/Fastrich Rn 14. S/I/Pfisterer Rn 17; Scholz/Emmerich Rn 51. Anders noch der RefE ZIP 1996, 1445, 1451: „Gesellschaft m.b.H.“ oder die Abkürzung „GmbH“. Ebenso BegrRegE BR-Drucks 340/97, S. 75. Wie hier B/H/Fastrich Rn 14; Scholz/Emmerich Rn 51; aA zum früheren Recht Hachenburg/Heinrich 8. Aufl Rn 55 mwN. Richtig MünchKomm/J. Mayer Rn 16; Michalski/Michalski Rn 38; aA wohl R/A/Roth Rn 47; U/H/L/Heinrich Rn 36. In Kraft getreten am 29.9.2013 (vgl Art. 12 Abs. 2 des Gesetzes zur Stärkung des Ehrenamts vom 21.3.2013, BGBl I 556). Dazu ausführlich Wachter GmbHR 2013, R 145.

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Voraufl und der hL1 ist die ablehnende Auffassung des OLG München2 – auch für Altfälle3 – überholt4. Die bereits vom Bundesrat in Art. 1 Nr. a seiner Stellungnahme zum MoMiG geforderte Zulässigkeit der abgekürzten Firmierung „gGmbH“5 hat sich nunmehr gegenüber der damals ablehnenden Stellungnahme der Bundesregierung6, durchgesetzt7. Zur registerrechtlichen Prüfung: § 9 Rn 7. Unterbleibt der Rechtsformzusatz im Rechtsverkehr, so kann gemäß § 179 BGB 27 analog eine Rechtsscheinhaftung der handelnden Personen8 – also des Geschäftsführers9 und anderer Vertreter der Gesellschaft10 – in Betracht kommen. Dies gilt auch für die Vor-GmbH11 und soll nach Auffassung des BGH auch gelten, wenn eine UG mit dem Rechtsformzusatz „GmbH“ gehandelt hat12 (sehr streitig; dazu ausführlich § 5a Rn 58). Eine Bezeichnung als „Firmengruppe“ ist nicht ausreichend13. 2. Allgemeine Schranken a) Allgemeines Täuschungsverbot: Die Firma darf „keine Angaben enthalten, 28 die geeignet sind, über geschäftliche Verhältnisse, die für die angesprochenen Verkehrskreise wesentlich sind, irrezuführen“. Der Wortlaut stellt klar, dass das Täuschungsverbot – als wichtigste Schranke – nicht nur für Zusätze, sondern auch für den Firmenkern und den Rechtsformzusatz selbst gilt: Die Firma als Ganzes sowie sämtliche Firmenbestandteile dürfen demnach durch ihre Art und durch die Wahl ihrer Worte nicht über Tätigkeit und Bedeutung bzw Verhält1 Nachweise zum früheren Meinungsstand 18. Aufl Rn 26. 2 OLG München NJW 2007, 1601 mit zustimmender Anm Rhode GmbHR 2007, 268; ebenso B/H/Fastrich Rn 9a; R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 55a mwN. 3 Wie hier Wachter GmbHR 2013 R 145, 146; zustimmend MünchKomm/J. Mayer Rn 4a. 4 So auch U/H/L/Heinrich Rn 37. 5 BT-Drucks 16/6140, S. 62. 6 BT-Drucks 16/6140, S. 74. 7 Vgl nunmehr Gesetzesbegr BT-Drucks 17/11316, S. 24 f. 8 Ausführlich Beuthien GmbHR 2013, 1 ff; U/H/L/Heinrich Rn 39 ff. 9 BGH BGHZ 64, 11; BGH GmbHR 1982, 154; LG Hanau NJW-RR 2000, 1420 f. 10 BGH NJW 1991, 2627 f mit Anm Canaris GmbHR 2007, 593 ff zur Haftung des für die Gesellschaft auftretenden Vertreters bei Weglassung des Rechtsformzusatzes „BV“ einer niederländischen Besloten Vennootschap. 11 BGH GmbHR 1996, 764; Scholz/Emmerich Rn 55. 12 BGH GmbHR 2012, 953 Rn 13 mit zustimmender Anm Weiler Notar 2012, 291, 292; zustimmend auch Miras NZG 2012, 1095, 1096; differenzierend Beuthien GmbHR 2013, 1, 10; eine Rechtsscheinhaftung ablehnend, weil auf die beschränkte Haftung (wenn auch unkorrekt) hingewiesen wurde: Altmeppen NJW 2012, 2833, 2835; Römermann GmbHR 2012, 955, 957; U/H/L/Heinrich Rn 39 mwN. 13 OLG Hamm GmbHR 1998, 890 f; B/H/Fastrich Rn 15.

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§ 4 | Firma nisse der betreffenden GmbH täuschen. Auf eine entsprechende Täuschungsabsicht oder ein entsprechendes Täuschungsbewusstsein kommt es nicht an1. 29 aa) Nach dem Prüfungsmaßstab des § 18 Abs. 2 HGB gilt die materiell-recht-

liche Einschränkung, dass nicht nur die Täuschungseignung der Firma vorliegen muss, sondern es ist darüber hinaus auch erforderlich, dass die zur Irreführung geeignete Angabe sich auf ein geschäftliches Verhältnis bezieht, welches für die angesprochenen Verkehrskreise wesentlich ist, dh von gewisser Bedeutung für die wirtschaftliche Entscheidung der angesprochenen Verkehrskreise oder von gewisser wettbewerblicher Relevanz; das Wesentlichkeitserfordernis wurde § 13a UWG aF entlehnt2. Insoweit ist nicht mehr allein das Verständnis eines „nicht unerheblichen Teils“ der angesprochenen Verkehrskreise (ungefähr 15 %) entscheidend, sondern es kommt objektiv auf die Sicht des durchschnittlichen Angehörigen des betroffenen Personenkreises an3. Abzustellen ist also auf einen verständigen (vgl § 119 Abs. 1 BGB) Verkehrsteilnehmer, der eine Firmenbezeichnung frei von Eigensinn, subjektiven Launen und törichten Anschauungen4 würdigt5. Durch den Prüfungsmaßstab des § 18 Abs. 2 HGB berücksichtigt das Täuschungsverbot auch sich wandelnde Erwartungen der angesprochenen Verkehrskreise. Insoweit sind auch Firmenbezeichnungen zulässig, die möglicherweise abstrakt täuschungsgeeignet sind, die aber vom verständigen Verkehrsteilnehmer tatsächlich nicht missverstanden werden6: Zulässig sind deshalb nicht nur – wie schon früher – Bezeichnungen wie „Markt“7, sondern insbesondere auch „Haus“ oder „Center“ für ein örtliches Durchschnittsgeschäft8 („Jeanshaus“, „Autohaus“, „Möbelcenter“) sowie „Börse“ („Schuh-Börse“, „StrumpfBörse“, „Flugbörse“), auch wenn das Unternehmen nicht über besonders vielseitige und (ausschließlich) preisgünstige Angebote sowie eine große Zahl von Käufern oder Verkäufern verfügt9. Dies gilt nach neuerer Auffassung auch für Bezeichnungen wie „Supermarkt“, „Großmarkt“ oder „Großhandel“10, in Abweichung zur früher hM11 aber auch für geographische Zusätze12, wie etwa

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

BayObLG NJW 1972, 165 f; B/H/Fastrich Rn 8a. BegrRegE BR-Drucks 340/97, S. 53. BegrRegE BR-Drucks 340/97, S. 53; B/S/Schäfer Rn 14. Vgl RGZ 62, 206. Bokelmann GmbHR 1998, 61; Michalski/Michalski Rn 50. Ausführlich Lutter/Welp ZIP 1999, 1079; vgl auch B/H/Fastrich Rn 9 ff. BGH DB 1983, 2753 f: „Schuhmarkt“. Abweichend allerdings OLG Frankfurt NZG 2015, 1239 Rn 31 ff für „Sehzentrum“ bei kleinem Optikergeschäft. Zu den Zusätzen „Börse“ sowie „Broker“ LG Darmstadt GmbHR 1999, 482, 483. Abweichend Bokelmann GmbHR 1998, 57, 63. Dazu näher 17. Aufl Rn 29 mwN. Zusammenfassend OLG München DB 2010, 1284 mwN; vgl bereits Bokelmann GmbHR 1998, 57, 63.

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„deutsch“, „Euro“1, „inter“2 bzw „international“3 oder Ortszusätze4, da der Durchschnittsadressat hiermit heute nicht mehr ein gewisses Warensortiment bzw eine bestimmte Größe und Bedeutung des Unternehmens verbindet5. Unzulässig ist nach OLG Jena indes die Firma „K-Gruppe“ eines Einzelunternehmens6. Als verfahrensrechtliche Einschränkung steht gemäß § 18 Abs. 2 Satz 2 HGB 30 die Täuschungseignung im Verfahren vor dem Registergericht einer Eintragung ins Handelsregister nur dann im Wege, wenn diese darüber hinaus ersichtlich ist. Das Registergericht schreitet daher nur dann ein, wenn die Täuschungseignung nicht allzu fern liegt und ohne umfangreiche Beweiserhebung bejaht werden kann7. Sofern der Verdacht einer Täuschungseignung besteht, kann das Registergericht allerdings im Interesse eines wirksamen Präventivschutzes nach § 26 FamFG auch weiter gehende Amtsermittlungen anstellen. Jedenfalls ist eine Eintragung dann ausgeschlossen, wenn die Firma erwiesenermaßen unwahr und damit zur Täuschung geeignet ist, auch wenn dies aus den Unterlagen nicht „ersichtlich“ sein sollte8: so etwa für eine „Meier europäische Möbelvertriebs GmbH“, die erwiesenermaßen nur ein Geschäft in Bonn unterhält, nur regional tätig ist und sich durch die Aufnahme des Zusatzes „europäisch“ großloben will9. Die Formulierung des § 18 Abs. 2 Satz 2 HGB („im Verfahren vor dem Register- 31 gericht“) stellt ferner klar, dass die verfahrensrechtliche Einschränkung der Ersichtlichkeit auch im registerrechtlichen Firmenmissbrauchsverfahren nach § 37 Abs. 1 HGB sowie im Amtslöschungsverfahren nach § 395 FamFG gilt, nicht aber für zivilrechtliche Unterlassungsklagen Dritter nach § 37 Abs. 2 HGB oder nach § 8 UWG10. bb) Einzelfälle: Titel (Prof., Dr., Konsul) des namensgebenden Gesellschafters 32 darf in der Personen- und Mischfirma geführt werden11; problematisch ist nur, 1 K/K/R/M/Roth § 18 HGB Rn 14b; zur Zulässigkeit der Verwendung beim Verein, OLG Hamm GmbHR 1999, 1254. 2 LG Darmstadt GmbHR 1999, 482, 483; E/B/J/S/Reuschler § 18 HGB Rn 60. 3 LG Stuttgart BB 2000, 1213. 4 OLG München DB 2010, 1284 (Münchener Hausverwaltung GmbH); zur irreführenden Verwendung der Bezeichnung „Hessen-Nassau“, die historische Bezüge impliziert und den Eindruck eines traditionsreichen Unternehmens erweckt, dagegen OLG Frankfurt DB 2005, 1732 f. 5 Eingehend MünchKomm/Heidinger § 18 HGB Rn 147 ff. 6 ThürOLG, GmbHR 2014, 428 mwN. 7 Näher Bokelmann GmbHR 1998, 57, 62; Jung ZIP 1998, 677, 678. 8 Ebenso K. Schmidt NJW 1998, 2161, 2167. 9 Fezer ZHR 161 (1997), 52, 59 ff; Bokelmann GmbHR 1998, 57, 63. 10 BegrRegE BR-Drucks 340/97, S. 54. 11 BGHZ 58, 322 ff; Scholz/Emmerich Rn 40; R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 47.

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§ 4 | Firma ob (wie im Recht der Personengesellschaft)1 bei anderem Gegenstand der GmbH ein Fakultätszusatz erfolgen muss (Dr. theol. Klaus Müller GmbH bei Bauunternehmung)2. Bei Ausscheiden muss der Titel gestrichen werden3, es sei denn, dass ein Titelträger Gesellschafter bleibt oder neu eintritt4. Ob ein Titel auch zusammen mit einer Phantasiefirma geführt werden darf, wenn keiner der Gesellschafter ein Titelträger ist, erscheint eher fraglich; die Frage dürfte allerdings dann zu bejahen sein, wenn der Titelzusatz eindeutig, dh für den maßgeblichen Durchschnittsadressaten unmissverständlich (zB im Zusammenhang mit dem jeweiligen Tätigkeitsbereich) Bestandteil der Phantasiebezeichnung bzw eines (als solchen deutlich erkennbaren) Phantasienamens ist und sich nicht auf den akademischen Grad eines Gesellschafters bezieht (zB „Dr. Mabuse GmbH“ für eine Filmverleihgesellschaft oder „Dr. Jekyll & Mr. Hyde GmbH“ für eine Buchhandlung). 33 Endung „-AG“: Unzulässig ist auch weiterhin die Bildung einer Firma, sofern

diese als Hinweis auf eine andere Gesellschaftsform angesehen werden könnte5. Unzulässig ist deshalb auch eine Häufung von Rechtsformzusätzen, da auch sie zu Irrtümern führen könnte. Die aus „X-KG“ abgeleitete neue Firma kann nicht „X-KG GmbH“ firmieren, sondern nur „X-GmbH“. Grundsätzlich unzulässig ist die Firma „X und Partner GmbH“6 (§§ 2, 11 PartGG), anders nur für Altgesellschaften, die vor Inkrafttreten des PartGG am 1.7.1995 gegründet worden sind7 (vgl § 11 Abs. 1 Satz 2 und 3 PartGG). Zweifelhaft OLG Düsseldorf GmbHR 2010, 38: „Partner Logistics Immobilien GmbH“ sei unzulässig8.

34 Personenfirma ohne Gesellschafter-Bezug: Diese ist jedenfalls nach dem Wort-

laut des § 4 möglich und bei gewöhnlichen Namen (Meier, Schuster, Klein, Schulz etc) ist darin auch kein Verstoß gegen das Täuschungsverbot zu sehen: Zwar ist die Firma in ihrer Aussage ersichtlich unwahr, jedoch sind die Namen der Gesellschafter einer GmbH (beschränkte Haftung!) für den maßgeblichen Durchschnittsadressaten nicht von wesentlicher Bedeutung für seine wirtschaftliche Entscheidung, so dass keine beachtliche Täuschung iSd neugefassten § 18

1 BGHZ 53, 65 ff. 2 Dafür zu Recht B/H/Fastrich Rn 13; K/K/R/M/Roth § 18 HGB Rn 15; E/B/J/S/Reuschler § 18 HGB Rn 62; aA G/E/S/Hecht Rn 73. 3 BGH DB 1992, 519 f; LG Nürnberg-Fürth BB 1990, 732 f. 4 BGH DB 1992, 519, 520; OLG Köln DNotZ 2009, 140, 142; B/H/Fastrich Rn 13; aA U/H/L/Heinrich Rn 62 mwN. 5 KG NJW 1965, 254 – Delbag; BGH GRUR 1957, 195 – INDROHAG; OLG Hamburg GRUR-RR 2005, 199 – tipp. AG; OLG Köln GRUR-RR 2007, 163 – WISAG; einschränkend aber OLG Dresden NZG 2010, 1237 – OBAG; vgl weiter Scholz/Emmerich Rn 24. 6 BGHZ 135, 257 = GmbHR 1997, 644; B/H/Fastrich Rn 9a. 7 BayObLG GmbHR 2003, 475; näher MünchKomm/J. Mayer Rn 67. 8 OLG Düsseldorf GmbHR 2010, 38. Ablehnend auch MünchKomm/Heidinger § 18 HGB Rn 185; zustimmend jedoch MünchKomm/J. Mayer Rn 65 f.

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Abs. 2 Satz 1 HGB gegeben ist1. Es spricht daher also nichts gegen die Eintragungsfähigkeit solcher Firmen2. In der Praxis wird die Bildung einer Personenfirma ohne Gesellschafter-Bezug 35 jedoch trotzdem idR unzulässig sein, da im Hinblick auf ihre Werbewirksamkeit aus Sicht des Unternehmers allenfalls die Verwendung eines Namens einer Person des öffentlichen Lebens „verführerisch“ erscheint, die regional im Registerbezirk, national oder international bekannt ist3. Da diesen Personen von den angesprochenen Verkehrskreisen (insbesondere im Zusammenhang mit einem bestimmten Tätigkeitsbereich) ein gewisses Vertrauen entgegengebracht wird, die Unternehmensträgerschaft hier also von wesentlicher Bedeutung für die wirtschaftliche Entscheidung ist (zB „Claudia Schiffer Kosmetik GmbH“, „Beckenbauer Fußballartikel GmbH“, „Steffi Graf Tennismoden GmbH“), wäre eine solche Firmierung irreführend und deshalb unzulässig4; dies gilt indes nicht für Namen zwar berühmter, aber bereits lange verstorbener Persönlichkeiten, da hier im Hinblick auf den maßgeblichen Durchschnittsadressaten eine Täuschung über eine (ehemalige) Unternehmensträgerschaft nahezu ausgeschlossen ist5: zulässig deshalb etwa „Goethe GmbH“ oder „Beethoven GmbH“ (s. ferner Rn 40). Das Gleiche gilt erst recht für mythologische Namen wie „Odysseus“, „Dionysos“ oder „Zeus“, wobei selbst naheliegende Assoziationen unschädlich sind; es liegt also keine Täuschung vor, wenn eine „Odysseus GmbH“ dem Gegenstand nach nicht mit Reisen oder eine „Dionysos GmbH“ nicht mit Wein verknüpft ist6. Sachfirma ohne (erkennbaren) Bezug zum Unternehmensgegenstand: Die 36 Sachfirma muss zwar auch weiterhin dem Unternehmensgegenstand entnommen sein, allerdings ist nicht erforderlich, dass sie den Unternehmensgegenstand für die beteiligten Verkehrskreise im Wesentlichen erkennbar macht. Zulässig sind deshalb insbesondere Abkürzungen wie „Transpobet“, „Systech“, „Comptech“, „MEDITEC“7 oder „Teleprom“ sowie fremdsprachliche Ausdrücke bzw Bezeichnungen (in lateinischer Schrift!) wie „Sports Gear“ oder „Tapas“ (dazu Rn 12). Unzulässig ist die Sachfirma, wenn sie den Unternehmensgegen1 Ebenso Müther GmbHR 1998, 1058, 1060; ausführlich zur Thematik Heidinger DB 2005, 815 ff; ebenso OLG Karlsruhe GmbHR 2010, 1096; fortgeführt durch OLG Karlsruhe GmbHR 2014, 142; OLG Rostock GmbHR 2015, 37; vgl weiter ThürOLG GmbHR 2010, 1094. 2 Wie hier B/H/Fastrich Rn 12; R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 44; kritisch Kögel GmbHR 2011, 16 ff. 3 Vgl Jung ZIP 1998, 677, 681; K/K/R/M/Roth § 18 HGB Rn 15c; Michalski/Michalski Rn 64. 4 B/H/Fastrich Rn 12; Scholz/Emmerich Rn 37; Müther GmbHR 1998, 1058, 1060; LG Wiesbaden DStR 2004, 1359 für die Verwendung von „Prinz“. 5 Ebenso Jung ZIP 1998, 677, 681; R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 44 aE. 6 MünchKomm/J. Mayer Rn 82. 7 BayObLG NZG 1999, 761; K/K/R/M/Roth § 18 HGB Rn 12g.

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§ 4 | Firma stand unzutreffend darstellt, dh unwahr ist1, oder wenn sie den Unternehmensgegenstand auf eine Art und Weise darstellt, die vom maßgeblichen Durchschnittsadressaten missverstanden werden kann (s. dazu Rn 38). 37 Bei einer wesentlichen faktischen oder statutarischen Änderung des Gegenstan-

des kann die bisherige Sachfirma unzulässig werden, namentlich wenn die Fortführung der bisherigen Firma nach der Vorstellung der maßgeblichen Verkehrskreise die Gefahr einer Täuschung mit sich bringt (ständiger Vorrang des Täuschungsverbotes): So muss etwa eine „Bonner Bau GmbH“, die jetzt nur noch Immobilienverwaltung macht, ihre Firma entsprechend ändern, s. auch Rn 48.

38 Sonstiges: Irreführend sind auch weiterhin Bezeichnungen bzw Zusätze wie „Ins-

titut“, wenn es sich nicht um eine wissenschaftliche Einrichtung der öffentlichen Hand handelt; hier muss durch einen weiteren Firmenbestandteil klargestellt werden, dass es sich nicht um eine öffentliche oder unter öffentlicher Aufsicht stehende Einrichtung handelt2; der Rechtsformzusatz „GmbH“ reicht dafür nicht3; Ähnliches gilt für „Anstalt“. Großzügig gehandhabt werden sollte allerdings die Eintragung der Bezeichnung bzw des Zusatzes „Akademie“ für eine Fortbildungsstätte, auch wenn deren Zweck die Gewinnerzielung und nicht die Förderung der Mitglieder oder Besucher als Selbstzweck ist4; denn hier dürfte sich das Verständnis des maßgeblichen Durchschnittsadressaten gerade ändern; erforderlich ist insbesondere kein Universitätsniveau der Fortbildungsstätte5; sofern sich aber ein einzelner Nachhilfelehrer großloben will, ist die Bezeichnung „Akademie“ natürlich irreführend und deshalb unzulässig6; „Akademie“ ist aber insbesondere auch dann zulässig, wenn sie für den Durchschnittsadressaten erkennbar als Scherzbezeichnung gemeint ist, zB „Bierakademie“ für einen Brauereiausschank; auch „Seminar“ ist nunmehr ohne Weiteres zulässig7, da sich aufgrund der großen Zahl von privaten Seminaren, die heute angeboten werden, das Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise bereits geändert hat. Irreführend und deshalb unzulässig sind „Finanz“ oder „Finanzierung“, da es für die angesprochenen Verkehrskreise von „wesentlicher“ Bedeutung iSd § 18 Abs. 2 Satz 1 HGB ist, ob die Gesellschaft selbst finanziert oder lediglich vermittelt; wenn die Gesellschaft schon eine Sachaussage als Firma wählt, dann muss diese auch genau sein: Die Firma muss also „Finanzierungsvermittlung“, „Fi-

1 Scholz/Emmerich Rn 43; B/S/Schäfer Rn 20; vgl auch OLG Frankfurt DB 1972, 1014 („Ingenieur-Büro“ ohne entsprechendes Personal). 2 Ebenso K/K/R/M/Roth § 18 HGB Rn 12a; Scholz/Emmerich Rn 24; B/H/Fastrich Rn 9b. 3 BayObLG BReg.3 Z 56/85, GmbHR 1985, 394 = ZIP 1985, 861 f. 4 Wie hier MünchKomm/J. Mayer Rn 105 aE; abweichend Bokelmann GmbHR 1998, 57, 63; Müther GmbHR 1998, 1058, 1061. 5 Vgl OLG Rostock GmbHR 2011, 829, 831 („Camping Akademie“). 6 Ähnlich R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 49. 7 Abweichend K/K/R/M/Roth § 18 HGB Rn 12; Bokelmann GmbHR 1998, 57, 63; einschränkend wohl auch MünchKomm/J. Mayer Rn 105.

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nanzdienstleistung“ oder „Finanzberatung“ heißen1. „Revision“ setzt die Fähigkeit und Bereitschaft zu umfassenden Prüfungen voraus, „Treuhand“ die Besorgung fremder Vermögensangelegenheiten mit entsprechender Qualifikation2, „Invest“ einen Geschäftsbetrieb, der zumindest auch auf die Anlage von Geldvermögen gerichtet ist3, der Zusatz „Broker“ setzt hingegen nicht mehr die Eigenschaft als Börsenmakler oder wenigstens die Zusammenarbeit mit solchen voraus4. Ferner setzt „Technik“ nicht voraus, dass auch Ingenieure zum Betriebspersonal gehören; diese Bezeichnung ist auch für reine Handwerksbetriebe zulässig5. b) Namensschutz, Markenschutz, Unlauterer Wettbewerb: Der Schutz vor un- 39 lauterem Wettbewerb sowie vor Namens- und Markenrechtsverletzungen ist nach allgemeiner Meinung nicht Aufgabe des Eintragungsverfahrens einer Firma6. Das Firmenregisterrecht, dh die Vorschriften über die Bildung, Anmeldung und Führung einer Firma, stehen insoweit also mit dem materiellen Firmenschutz nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang: Eine Firma kann registerrechtlich zulässig, aber namensrechtlich, markenrechtlich oder wettbewerbsrechtlich unzulässig sein. Die Vorschriften des materiellen Firmenschutzes sind daher durch das Registergericht grundsätzlich nicht als allgemeine Schranke bei der Firmenbildung zu berücksichtigen. Denn der Registerrichter darf die GmbH nur dann nicht eintragen, wenn die Firma nichtig ist. Sofern eine Firma gegen Vorschriften des materiellen Firmenschutzes verstößt, hat der Inhaber aber (nur) einen Anspruch auf Unterlassung, die Firma ist also anders als bei einem Verstoß gegen Vorschriften des Firmenregisterrechts (§ 4 GmbHG, §§ 18, 30 HGB) gerade nicht nichtig. Die Vorschriften des materiellen Firmenschutzes sind also ihrer Art nach repressive, privatrechtliche (Abwehr-)Ansprüche gegen Beeinträchtigungen eines älteren Rechts und nicht (präventive) Schranken bei der Firmenbildung (s. auch Rn 51). c) Öffentliche Ordnung und gute Sitten: Vor dem Hintergrund der Liberalisie- 40 rung des Firmenrechts erscheinen insbesondere solche Firmen problematisch, die gegen die öffentliche Ordnung und die guten Sitten verstoßen, wie zB „Busengrapscher“7 oder „Mekka“8; da sie schnell in aller Munde und damit besonders werbewirksam sind, dürften sich derartige Firmenbezeichnungen rasch gewisser Beliebtheit erfreuen9. 1 2 3 4 5 6 7 8 9

Ebenso Bokelmann GmbHR 1998, 57, 63; abweichend K/K/R/M/Roth § 18 HGB Rn 12. BayObLG GmbHR 1989, 291. BayObLG GmbHR 1985, 86. LG Darmstadt GmbHR 1999, 482, 483. Ähnlich BayObLG NZG 1999, 761 für MEDITEC. Michalski/Michalski Rn 71. Hierzu zum UWG: BGH GRUR 1995, 592 ff. Hierzu zum WZG: BPatG GRUR 1994, 377 – Messias. So auch MünchKomm/J. Mayer Rn 108.

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§ 4 | Firma Im Gegensatz zu den soeben (Rn 39) behandelten (möglichen) Eingriffen in den privatrechtlichen Namens-, Marken- und Wettbewerbsschutz gilt das Verbot sittenwidrigen Verhaltens und eines Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung allgemein und bedarf keiner besonderen Erwähnung im Firmenrecht. Darüber hinaus finden sich in den § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG, § 2 Abs. 1 PatG, § 2 Nr. 1 GebrMG sowie § 3 Abs. 1 Nr. 3 DesignG entsprechende Eintragungshindernisse, die – für sehr ähnliche Fragen geschaffen – hier entsprechend anzuwenden sind1. Das Registergericht darf also bei ersichtlichen (§ 18 Abs. 2 Satz 2 HGB; s. dazu Rn 30) Verstößen solcher Art nicht eintragen; es kann sich insoweit auf die zu den genannten Vorschriften entwickelten Grundsätze sowie auf bewährte Praxis und Rspr stützen2: Nicht eintragungsfähig sind deshalb Firmen wie „Schlüpferstürmer“, „Busengrapscher“ oder religiöse Bezeichnungen wie „Jesus“, „Mekka“ oder „Messias“; kein sittenwidriger Missbrauch von Kulturgütern und deshalb idR eintragungsfähig sind hingegen Firmen, die Namen berühmter Persönlichkeiten enthalten, zB „Goethe“ oder „Mozart“, „Van Gogh“, „Newton“ oder „Einstein“3.

V. Abgeleitete Firma 41 Bei Erwerb eines Handelsgeschäftes kann die GmbH die Firma mit Zustimmung

des Veräußerers fortführen (§ 22 HGB). Die Firma muss dabei den Rechtsformzusatz „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ oder eine allgemein verständliche Abkürzung dieser Bezeichnung enthalten4. In Betracht kommen der originäre Erwerb der Firma durch Einbringung des Handelsgeschäftes in die GmbH als Sacheinlage (§ 5 Abs. 4) oder später durch Kauf, Formwechsel nach §§ 214 ff UmwG, Verschmelzung nach §§ 2 ff, 46 ff UmwG, Ausgliederung nach § 152 UmwG oder Spaltung nach §§ 123, 138 ff UmwG. Schuldenhaftung nach § 25 Abs. 1 HGB tritt ein, wenn die fremde Firma ganz oder nur mit unwesentlichen Änderungen fortgeführt wird5. Die bisherige Firma muss mit Erwerb der neuen gelöscht werden. In Betracht kommt aber auch die Vereinigung beider Firmen zu einer neuen, sofern das erworbene mit dem zuvor betriebenen Handelsgeschäft verbunden wird6.

1 Ebenso Jung ZIP 1998, 677, 683; K/K/R/M/Roth § 18 HGB Rn 1. 2 Vgl insbesondere zum MarkenG Fezer § 8 MarkenG Rn 584 ff sowie zum PatG und GebrMG Mes § 2 PatG Rn 7 ff und § 2 GebrMG Rn 2 mit zahlreichen Beispielen und Nachweisen aus der Rspr. 3 Wie hier MünchKomm/J. Mayer Rn 108. 4 Scholz/Emmerich Rn 46; U/H/L/Heinrich Rn 54; B/H/Fastrich Rn 21. 5 Dazu BGH NJW 1992, 911 f sowie ausführlich K. Schmidt ZGR 1992, 621 ff mwN; vgl weiter MünchKomm/J. Mayer Rn 121 ff. 6 B/H/Fastrich Rn 22; R/A/Roth Rn 41.

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VI. Die Vorgesellschaft Die Vorgesellschaft ist firmenfähig (§ 11 Rn 9) und kann bereits die Firma der 42 künftigen GmbH führen1, ist allerdings zur Vermeidung von Risiken persönlicher Haftung gehalten, mit einem auf die noch ausstehende Eintragung hinweisenden Zusatz aufzutreten (etwa „X-GmbH in Gründung“ oder auch „X-GmbH i. G.“)2, um den Anschein einer bereits entstandenen GmbH zu vermeiden3. Insoweit genießt die Vorgesellschaft bereits Namensschutz nach § 12 BGB; führt sie ein Handelsgeschäft fort, hat also die Vorgesellschaft insoweit bereits ihre Geschäftstätigkeit in einem Handelsgewerbe aufgenommen, so besteht auch Firmenschutz nach § 37 HGB4. Tritt die Vor-GmbH unter der Firma der eingetragenen GmbH auf, so wird dennoch in aller Regel die Vor-GmbH entsprechend den Grundsätzen unternehmensbezogener Geschäfte verpflichtet (dazu § 11 Rn 10).

VII. Die Übertragung der Firma Die Übertragung der Firma mit dem Handelsgeschäft der GmbH an einen Drit- 43 ten ist möglich (§§ 22 ff HGB); die GmbH muss dann eine neue Firma nach den Regeln des § 4 annehmen. Zur Übertragung ist die Zustimmung des Namensgebers bei Personenfirma nur erforderlich, wenn sich dieser das vorbehalten hat. Das gilt auch bei einer Veräußerung durch den Insolvenzverwalter5, der dann auch zuständig ist für die Bildung und Anmeldung der Ersatzfirma für die ja (noch) fortbestehende GmbH6.

VIII. Änderung der Firma Jederzeit möglich durch Nachtragsvertrag in der Form des § 2 oder, nach Eintra- 44 gung der GmbH, durch Satzungsänderung gemäß §§ 53, 54 unter Beachtung der obigen Regeln. In der Insolvenz ist Zustimmung des Insolvenzverwalters erforderlich7. Keine Änderung ist der Umstand, dass die Zweigniederlassung einen Zusatz erhält (§§ 13, 10, 30 Abs. 3, 50 Abs. 3 HGB; Rn 3). Auch Änderung einer 1 2 3 4 5

MünchKomm/J. Mayer Rn 124; R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 70. So BGH GmbHR 1985, 153 obiter; B/H/Fastrich Rn 18; Scholz/Emmerich Rn 62. BGH GmbHR 1996, 764 = NJW 1996, 2645 f mit Anm Canaris. Weiter gehend B/H/Fastrich Rn 18; BGHZ 120, 103, 106 = GmbHR 1993, 103. BGHZ 85, 221, 224 f = GmbHR 1983, 195; näher dazu Steinbeck NZG 1999, 133 ff; Ulmer NJW 1983, 1697, 1699 f. 6 Ebenso MünchKomm/J. Mayer Rn 125a; Ulmer NJW 1983, 1697, 1698 f; Joussen GmbHR 1994, 159, 162 f; aA Grüneberg ZIP 1988, 1165, 1166 f. 7 OLG Karlsruhe GmbHR 1993, 101 f; B/H/Fastrich Rn 25; R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 64.

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§ 4 | Firma abgeleiteten Firma ist – wie früher – zulässig, wenn dadurch einer tatsächlichen, jahrelangen Übung entsprochen wird, die Änderung im Interesse der Allgemeinheit notwendig oder wünschenswert wird (zB anderer Ortszusatz bei Sitzverlegung; Anpassung an veränderten Unternehmensgegenstand) oder sie bei objektiver Beurteilung aus Sicht der Gesellschaft infolge nachträglicher Veränderung der Verhältnisse gerechtfertigt ist (zB Beifügung einer Marke) und keine Zweifel an der Identität der geänderten und bisherigen Firma aufkommen1; man sollte insbesondere nach Ablauf einer längeren Zeit insoweit nicht zu kleinlich sein2. Insbesondere ist das Hinzufügen von Zusätzen („Star-Krawatten XY-GmbH“; „Verlag XY-GmbH“) ohne Weiteres zulässig.

IX. Erlöschen und Löschen der Firma 45 Erlöschen und Löschen der Firma tritt nicht ein bei Auflösung der GmbH (nur

Zusatz „i. L.“ oÄ erforderlich, § 68); die Firma erlischt vielmehr nur mit dem Erlöschen der GmbH selbst (dazu § 74 Rn 6 f, 10 f) sowie bei Änderung der Firma (dazu Rn 44). Die Zweigfirma erlischt durch Beendigung der Zweigniederlassung. In diesen Fällen hat der Registerrichter die Löschung der Firma einzutragen (§ 31 Abs. 2 HGB). Die bloße Betriebseinstellung führt nicht zum Erlöschen der Firma, kann aber den Fortfall des Firmenschutzes zur Folge haben, wenn die Einstellung nicht nur vorübergehend erfolgt3.

X. Europäisches Recht 46 Europäisches Recht ist zu beachten, wenn eine Gesellschaft aus den EU-/EWR-

Mitgliedstaaten im Inland ihre Firma benutzt oder eine Zweigniederlassung errichten will4. Beschränkungen nach deutschem Firmenrecht können hier mit der Warenverkehrsfreiheit (Art. 34 AEUV)5 sowie vor allem mit der 11. (Zweigniederlassungs-)RL bzw der Niederlassungsfreiheit (Art. 49, 54 AEUV)6 kollidieren. Vgl dazu näher Anh zu § 4a Rn 23.

1 Grundlegend BGHZ 44, 116 ff; vgl weiter LG München I GmbHR 1991, 322 f; LG Hagen GmbHR 1996, 854 f. 2 Vgl LG Berlin GmbHR 1993, 502, 503. 3 BGHZ 21, 66, 73 ff und ständige Rspr; B/H/Fastrich Rn 27 mwN; Michalski/Michalski Rn 94. 4 Dazu ausführlich Clausnitzer NZG 2008, 321, 322 ff; Heckschen NotBZ 2006, 346, 347 ff. 5 EuGH Slg 1984, 3651 = GRUR Int 1985, 110 f; Bokelmann DB 1990, 1021, 1023 und ZGR 1994, 325, 341. 6 EuGH Slg 2003, I-10155 = GmbHR 2003, 1260 – Kamer van Koophandel en Fabrieken voor Amsterdam v. Inspire Art Ltd. Dazu Bayer BB 2003, 2357 ff.

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XI. Rechtsfolgen unzulässiger Firmen 1. Anfängliche Unzulässigkeit Die Vereinbarung einer nach den bisherigen Ausführungen unzulässigen Firma 47 ist nach § 134 BGB nichtig; dies gilt auch bei Verstößen gegen § 30 HGB1 (sehr streitig). Der Registerrichter darf die GmbH nicht eintragen (§ 9c Abs. 2 Nr. 1)2; geschieht das doch und ist die GmbH (trotz des Mangels) damit wirksam entstanden, kommt § 399 FamFG (Amtsauflösungsverfahren) zur Anwendung (§ 60 Rn 11)3. Das Registergericht kann stattdessen aber auch nach § 392 FamFG vorgehen und die Gesellschaft mittels Ordnungsgeldes zur Änderung der Firma anhalten4. Dies gilt auch für Verstöße gegen § 30 HGB5. Der Einwand, dass hier die Nichtigkeitsfolge und die daraus ggf resultierende Anwendbarkeit des § 399 FamFG eine mit der Rechtssicherheit unvereinbare Überreaktion der Rechtsordnung in Fällen darstelle, in denen erst kurz vor Eintragung der GmbH eine gleichlautende andere Firma eingetragen wird6, vermag nicht zu überzeugen, da die zeitgleiche Anmeldung nicht unterscheidbarer Firmen ein seltener Ausnahmefall bleiben dürfte, der gewiss für den Allgemeinfall keine Privilegierung von Verstößen gegen § 30 HGB rechtfertigt. Richtiger Ansatzpunkt dürfte vielmehr eine Ermessensreduzierung dahingehend sein, dass das Registergericht in solchen Fällen der zeitgleichen Anmeldung (und versehentlicher Eintragung) gleichlautender Firmen statt des Amtsauflösungsverfahrens nach § 399 FamFG nur im Wege des Firmenmissbrauchsverfahrens nach § 392 FamFG, § 37 Abs. 1 HGB vorgehen und die Gesellschaft mittels Ordnungsgeldes zur Änderung der Firma anhalten darf7. Die Nichtigkeitsfolge ist im Übrigen unbedenklich, da der Gesellschaftsvertrag problemlos durch einen Fortsetzungsbeschluss der Gesellschafter und die Wahl einer neuen Firma geheilt werden kann. 2. Nachträgliche Unzulässigkeit a) Aufgrund Änderung des Tätigkeitsbereichs: Die Sachfirma kann durch 48 nachträgliche Änderung des Tätigkeitsbereichs der GmbH unzulässig werden (vgl Rn 37) mit der Folge der Anwendbarkeit sowohl des § 392 FamFG als auch des § 399 FamFG8. Nach aA soll das Registergericht nur nach § 392 FamFG vor1 R/A/Roth Rn 58; Scholz/Emmerich Rn 63; MünchKomm/J. Mayer Rn 138; S/I/Pfisterer Rn 23; aA U/H/L/Heinrich Rn 99; B/H/Fastrich Rn 28; R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 66. 2 Allgemeine Meinung U/H/L/Heinrich Rn 100; R/A/Roth Rn 58. 3 U/H/L/Heinrich Rn 101; B/H/Fastrich Rn 30. 4 BayObLG GmbHR 1989, 291; U/H/L/Heinrich Rn 106. 5 Scholz/Emmerich Rn 63; R/A/Roth Rn 59. 6 So B/H/Fastrich Rn 30 iVm Rn 28. 7 So auch MünchKomm/J. Mayer Rn 138; Michalski/Michalski Rn 103. 8 Ebenso Scholz/Emmerich Rn 64 ff; MünchKomm/J. Mayer Rn 140 ff, 143.

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§ 4 | Firma gehen können1. Wieso aber für die nachträgliche Unzulässigkeit etwas anderes gelten soll als für die anfängliche (dazu Rn 47) ist nicht ersichtlich. 49 b) Aufgrund Satzungsänderung: Wird nachträglich im Wege der Satzungs-

änderung eine unzulässige Firma vereinbart, so ist der entsprechende Gesellschafterbeschluss analog § 241 Nr. 3 AktG nichtig; auch hier besteht ein Eintragungshindernis (vgl auch § 54 Rn 9). Wird die neue Firma dennoch eingetragen, so kommt wiederum ein Einschreiten nach § 392 FamFG oder § 399 FamFG in Betracht (Rn 47). § 395 und § 398 FamFG sind auch hier unanwendbar mangels Bestehens einer Firma, die bei Löschung der neuen wieder aufleben könnte2.

XII. Schutz Dritter 1. Selbstschutz 50 Sofern eine Firma in Rechte Dritter eingreift, kann der Inhaber entsprechend

den Voraussetzungen der jeweiligen Vorschriften nach § 12 BGB, §§ 8, 9 UWG, § 15 Abs. 4, 5 MarkenG, § 37 Abs. 2 HGB vorgehen sowie das Registergericht anregen, das Verfahren nach § 392 bzw § 399 FamFG einzuleiten. 2. Schutz durch das Registergericht

51 Oftmals greifen Mängel bei der Firmenbildung gar nicht in die Rechte Dritter

ein; doch können sie – zB § 30 HGB – Rechte Dritter beeinträchtigen. Dann stellt sich die Frage, inwieweit das Registergericht von sich aus zum Schutze der Rechte Dritter einschreiten und die Eintragung der Firma verweigern muss oder kann. Bei einem Verstoß gegen § 30 HGB liegt neben dem Eingriff in die Rechte Dritter auch ein Verstoß gegen ein Gebot der Firmenbildung vor: Das Registergericht darf die (nichtige) Firma nicht eintragen oder muss – sofern sie dennoch eingetragen wurde – nach § 399 bzw § 392 FamFG vorgehen (s. auch Rn 47). Sofern allerdings eine Firma gegen namens-, marken- oder wettbewerbsrechtliche Vorschriften verstößt und insoweit in Rechte Dritter eingreift, liegt darin grundsätzlich kein registerrechtliches Eintragungshindernis (s. bereits Rn 39): Das Registergericht darf auch im Interesse eines effektiven Präventivschutzes der Rechte Dritter die Eintragung nicht verweigern. Dies gilt auch für besonders krasse Verstöße, namentlich für Firmen, die mit allgemein bekannten und sehr berühmten Marken oder Firmen von Unternehmen, die im fraglichen Registerbezirk keine Niederlassung haben, identisch („Persil GmbH“, „NIVEA GmbH“, „4711 GmbH“ oder „HARIBO GmbH“) oder fast identisch sind („Marlburo GmbH“, „nutellah GmbH“, „Mercedes GmbH“). Zwar mag es im Hinblick auf 1 BayObLG GmbHR 1989, 291, 292 f; B/H/Fastrich Rn 33. 2 U/H/L/Heinrich Rn 105; MünchKomm/J. Mayer Rn 146a; so nunmehr auch B/H/Fastrich Rn 34.

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Sitz der Gesellschaft | § 4a

einen effektiven Präventivschutz vor sog Verwässerungsgefahr frappierend erscheinen, wieso eine Firma, die wahrscheinlich zu namens-, marken- oder wettbewerbsrechtlichen Streitigkeiten führen wird, vom Registergericht – gleichsam sehenden Auges – überhaupt erst eingetragen werden sollte; doch wird für den Registerrichter oftmals gar nicht ersichtlich sein, ob sich etwa die Firma Henkel durch die Gründung einer Einpersonen-„Persil GmbH“ im Bayerischen Wald überhaupt in ihren Rechten beeinträchtigt sieht und dagegen vorgehen würde. Insbesondere aber liegt ein derartiger Präventivschutz von Rechten Dritter außerhalb der Funktion der registerrechtlichen Prüfung für die Zwecke des Handelsregisters1: Das Registergericht ist kein Gehilfe zur Verwirklichung zivilrechtlicher Individualansprüche; insoweit muss sich vielmehr jeder selbst schützen. Im Übrigen ergibt sich bei Branchennähe in derart krassen Fällen die Unzulässigkeit ohnehin bereits aus § 18 Abs. 2 HGB (dazu Rn 28 ff). Darüber hinaus erfolgt die „Feinsteuerung“ im Wege der zivilrechtlichen Unterlassungsklage2.

§ 4a Sitz der Gesellschaft Sitz der Gesellschaft ist der Ort im Inland, den der Gesellschaftsvertrag bestimmt. Eingefügt durch HRefG vom 22.6.1998 (BGBl I 1474); Abs. 2 aufgehoben, bisheriger Abs. 1 geändert und zum alleinigen Wortlaut gemacht sowie amtliche Überschrift ergänzt durch MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl I 2026). 1. 2. 3. 4.

Überblick . . . . . Gesetzeszweck . Gesellschaftssitz Doppelsitz . . . .

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5. Sitzverlegung . . . . . . . . . . . . . . . 7 6. Rechtsfolgen bei unzulässiger Sitzbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . 19

Literatur: Bandehzadeh/Thoß Die nachträgliche Verlagerung des tatsächlichen Sitzes einer GmbH, NZG 2002, 803; Blasche Satzungssitz, tatsächlicher Verwaltungssitz und inländische Geschäftsanschrift: neue Gestaltungsmöglichkeiten bei innerdeutschen Sachverhalten, GWR 2010, 25; Kögel Der Sitz der GmbH und seine Bezugspunkte, GmbHR 1998, 1108; Leitzen Der Umzug von Kapitalgesellschaften und seine registerrechtlichen Folgen, RNotZ 2011, 536; Otte Folgen der Trennung von Verwaltungs- und Satzungssitz für die gesellschaftsrechtliche Praxis, BB 2009, 344; Wessel Der Sitz der GmbH, BB 1984, 1057; s. ferner vor Rn 7.

1 Vgl BegrRegE BR-Drucks 340/97, S. 54 sowie bereits RGZ 127, 77, 81. 2 BegrRegE BR-Drucks 340/97, S. 37, 53 f; K. Schmidt NJW 1998, 2161, 2167.

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§ 4a | Sitz der Gesellschaft 1. Überblick 1 § 4a wurde mit Wirkung vom 1.1.1999 durch Art. 10 HRefG neu eingefügt und

zog der freien Sitzwahl der Gesellschaft enge Grenzen (vgl 16. Aufl, Rn 1). Mit der Aufhebung des Abs. 2 durch das MoMiG sind Satzungs- und Verwaltungssitz jedoch nunmehr entkoppelt. Im Hinblick auf die Grundsatzurteile des EuGH in den Rs Centros1, Überseering2 und Inspire Art3 (dazu auch Einl Rn 25, Anh zu § 4a Rn 9) will es der Gesetzgeber im Interesse eines level playing field auch deutschen GmbH ausdrücklich ermöglichen, einen Verwaltungssitz (= Ort der Geschäftsleitung) zu wählen, der nicht notwendig mit dem Satzungssitz übereinstimmen muss und der zudem auch außerhalb des deutschen Hoheitsgebiets liegen kann4 (vgl auch Rn 2). Der Satzungssitz muss dagegen auch stets in Deutschland liegen (Rn 5). Fallen Satzungs- und Verwaltungssitz auseinander, so ist rechtstechnisch der Verwaltungssitz als Zweigniederlassung zu qualifizieren, auch wenn es sich tatsächlich um die Hauptniederlassung handelt5 (dazu noch Anh zu § 4a Rn 2, 13).

2. Gesetzeszweck 2 Mit der Aufhebung der eingeschränkten Wahlfreiheit stärkt der Gesetzgeber

die GmbH im Wettbewerb der Rechtsordnungen und erhöht ihre Attraktivität gegenüber ausländischen Rechtsformen6. Ausländische Unternehmen werden motiviert, die Rechtsform der GmbH für ihre Unternehmenstätigkeit zu wählen7. Umgekehrt wird es deutschen Gesellschaften ermöglicht, ihre Geschäftstätigkeit auch ausschließlich im Rahmen einer (Zweig-)Niederlassung, welche alle Geschäftsaktivitäten erfasst, außerhalb Deutschlands zu entfalten8. Insbesondere besteht auch für eine deutsche Konzernmutter die Option, ihre ausländischen Tochtergesellschaften in Form einer GmbH zu führen9. Ebenso ist für alle inländischen Konzerngesellschaften ein einheitlicher Satzungssitz möglich.

3 Der Satzungssitz muss allerdings weiterhin im Inland liegen (vgl Rn 5). Zudem

muss bei der Anmeldung gemäß § 8 Abs. 4 Nr. 1 eine inländische Geschäfts-

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EuGH Slg 1999, I-1459 = GmbHR 1999, 474 – Centros. EuGH Slg 2002, I-9919 = GmbHR 2002, 1137 – Überseering. EuGH Slg 2003, I-10155 = GmbHR 2003, 1260 – Inspire Art. BegrRegE BR-Drucks 354/07, S. 65; U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 4; Scholz/Emmerich Rn 5. So auch U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 7; Wicke Rn 7; Heckschen DStR 2009, 166, 168; ausführlich, wenngleich kritisch R/A/Roth Rn 5; zweifelnd G/E/S/Schmitz Rn 15. So zutreffend BegrRegE BR-Drucks 354/07, S. 65. BegrRegE BR-Drucks 354/07, S. 65. BegrRegE BR-Drucks 354/07, S. 65. BegrRegE BR-Drucks 354/07, S. 65.

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anschrift angegeben werden, um so die jederzeitige Möglichkeit einer Zustellung an die GmbH zu gewährleisten (näher § 8 Rn 19 f).

3. Gesellschaftssitz a) Bedeutung des Gesellschaftssitzes: Sitz iSd § 4a ist der Satzungssitz1. Er ist 4 nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 notwendiger Satzungsinhalt (§ 3 Rn 7). Nach ihm bestimmt sich die örtliche Zuständigkeit des Registergerichts (§ 7 Abs. 1, dazu § 7 Rn 3)2, der allgemeine Gerichtsstand (§ 17 ZPO)3, die (subsidiäre) Zuständigkeit des Körperschafts-Finanzamtes4 und der Erfüllungsort für die Rechte und Pflichten der GmbH gegenüber ihren Organmitgliedern5. Sieht der Gesellschaftsvertrag nichts anderes vor, so findet die Gesellschafterversammlung im Zweifel am Sitz der Gesellschaft statt, § 121 Abs. 5 AktG analog (s. § 48 Rn 11). b) Mögliche Ortswahl: Sitz im Sinne des Gesetzes ist eine bestimmte, im Inland 5 gelegene politische Gemeinde6; bei einer Großgemeinde mit mehreren Gerichtsbezirken ist eine Konkretisierung notwendig7, dh die Angabe eines Amtsgerichtsbezirks8. Durch das MoMiG wurde explizit aufgenommen, dass der Sitz „im Inland“ liegen muss, um die Gesellschaft in der deutschen Rechtsordnung zu verankern9 (zur Sitzverlegung Rn 7 ff). Ein ausländischer Satzungssitz würde die Durchsetzung des deutschen Gesellschaftsrechts durch deutsche Gerichte und Behörden erschweren oder gar verhindern10. Dagegen ist ein Verwaltungssitz im Ausland unschädlich (vgl bereits Rn 1). Durch die Aufhebung von Abs. 2 ist die Benennung der drei Alternativen des Satzungssitzes am „Ort, an dem die Gesellschaft einen Betrieb hat“, „sich die Geschäftsleitung befindet oder die Verwaltung geführt wird“ (vgl 16. Aufl, Rn 5 ff) entfallen. Da der Satzungssitz nunmehr im Inland frei gewählt werden kann11, ist insoweit ein gewisses „registerrechtliches forum shopping“ möglich12; allein die Tatsache, dass ein Registerge1 B/H/Fastrich Rn 1; U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 5; MünchKomm/J. Mayer Rn 3. 2 Vgl U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 11; MünchKomm/J. Mayer Rn 5; Preuß GmbHR 2007, 57, 58. 3 Vgl B/H/Fastrich Rn 2; MünchKomm/J. Mayer Rn 5. 4 Vorrangig ist nach § 20 Abs. 1 AO der Sitz der Geschäftsleitung. 5 BGH GmbHR 1985, 190. 6 RGZ 59, 106, 109 (AG); BayObLG BB 1976, 622 (Verein); BayObLG GmbHR 1988, 23; U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 27 f. 7 BayObLG GmbHR 1988, 23. 8 Scholz/Emmerich Rn 12; R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 4. 9 Vgl MünchKomm/J. Mayer Rn 4; Bayer/J. Schmidt LMK 2008, 269203; Franz/Laeger BB 2008, 678, 679; Preuß GmbHR 2007, 57, 58 f. 10 Vgl BayObLG GmbHR 2004, 490. 11 B/H/Fastrich Rn 4; Scholz/Emmerich Rn 14; Leitzen RNotZ 2011, 536, 537. 12 Vgl U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 17; Preuß GmbHR 2007, 57 ff.

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§ 4a | Sitz der Gesellschaft richt die Eintragungsvoraussetzungen strenger prüft als ein anderes, rechtfertigt allein indes noch nicht den Schluss auf eine rechtsmissbräuchliche Sitzwahl1 (dazu noch Rn 7). Mit Blick auf die erhebliche Bedeutung auch des Verwaltungssitzes für die Gesellschafter, kann es sich allerdings uU empfehlen, (auch) den Verwaltungssitz statutarisch festzuschreiben2.

4. Doppelsitz 6 Ein Doppelsitz ist grundsätzlich unzulässig; das ergibt sich schon aus dem Ge-

setzeswortlaut3. Ausnahmen sind allerdings zulässig4. Die Gesellschaft kann darüber hinaus eine Zweigniederlassung errichten, vgl Anh zu § 4a.

5. Sitzverlegung Literatur: Bayer Grenzüberschreitende Mobilität europäischer und nationaler Rechtsformen – aktuelle Entwicklungen und Perspektiven, ZHR-Sonderheft 77 (2015), S. 230; Bayer Die EuGH-Entscheidung „Inspire Art“ und die deutsche GmbH im Wettbewerb der europäischen Rechtsordnungen, BB 2003, 2357; Bayer/J. Schmidt Der Schutz der grenzüberschreitenden Verschmelzung durch die Niederlassungsfreiheit, ZIP 2006, 210; Bayer/ J. Schmidt Grenzüberschreitende Sitzverlegung und grenzüberschreitende Restrukturierungen nach MoMiG, Cartesio und Trabrennbahn. Europäischer Rahmen, deutsche lex lata und rechtspolitische Desiderata, ZHR 173 (2009), 735; Bayer/J. Schmidt Das Vale-Urteil des EuGH: Die endgültige Bestätigung der Niederlassungsfreiheit als „Formwechselfreiheit“, ZIP 2012, 1481; Bayer/J. Schmidt BB-Gesetzgebungs- und Rechtsprechungsreport Europäisches Unternehmensrecht 2013/14, BB 2014, 1219; Bayer/J. Schmidt BBGesetzgebungs- und Rechtsprechungsreport Europäisches Unternehmensrecht 2014/15, BB 2015, 1731; Brakalova/Barth Nationale Beschränkungen des Wegzugs von Gesellschaften innerhalb der EU bleiben zulässig, DB 2009, 213; Campos Nave Die Liberalisierung der Wegzugsfreiheit in Europa, BB 2008, 1410; Franz Internationales Gesellschaftsrecht und deutsche Kapitalgesellschaften im In- und Ausland, BB 2009, 1250; Hennrichs/Pöschke/von der Laage/Klavina Die Niederlassungsfreiheit der Gesellschaften in Europa – Eine Analyse der Rechtsprechung des EuGH und ein Plädoyer für eine Neuorientierung, WM 2009, 2009; Hushahn Grenzüberschreitende Formwechsel im EU/EWR-Raum, RNotZ 2014, 137; Hushahn Grenzüberschreitende Sitzverlegung einer luxemburgischen S.à.r.l. nach Deutschland, DNotZ 2014, 150; Kindler Internationales Gesellschaftsrecht 2009: Mo1 Wie hier R/A/Roth Rn 7; U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 16; Meckbach NZG 2014, 526; aA AG Memmingen NZG 2006, 70; ähnlich B/H/Fastrich Rn 4. 2 Vgl Wicke Rn 5; Otte BB 2009, 344, 345; Heckschen DStR 2009, 166, 168. 3 Scholz/Emmerich Rn 16; Michalski/Michalski/Funke Rn 104 mwN; aA Borsch GmbHR 2003, 258 ff; Pluskat WM 2004, 601 ff. 4 OLG Brandenburg NotBZ 2006, 22; LG Potsdam NotBZ 2004, 402; Scholz/Emmerich Rn 16; U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 29 ff; vgl zur AG auch Hüffer/Koch § 5 AktG Rn 10 mwN; zur Verschmelzung LG Essen ZIP 2001, 1632 f; aA B/H/Fastrich Rn 6 mwN. Rechtstatsachen zum Doppelsitz von AG bei Bayer/Hoffmann AG 2010, R 259 ff.

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Sitz der Gesellschaft | § 4a MiG, Trabrennbahn, Cartesio und die Folgen, IPrax 2009, 189; Kögel Was bedeutet „ordnungsgemäße Sitzverlegung“ bei der GmbH?, Rpfleger 2014, 7; Leible Warten auf die Sitzverlegungsrichtlinie, FS Günter H. Roth, 2011, S. 447; Leible/Hoffmann Cartesio – fortgeltende Sitztheorie, grenzüberschreitender Formwechsel und Verbot materiellrechtlicher Wegzugsbeschränkungen, BB 2009, 58; Lieder/Kliebisch Nichts Neues im Internationalen Gesellschaftsrecht: Anwendbarkeit der Sitztheorie auf Gesellschaften aus Drittstaaten?, BB 2009, 338; Lutter „Überseering“ und die Folgen, BB 2003, 7; Lutter/Bayer/J. Schmidt Europäisches Unternehmens- und Kapitalmarktrecht, 5. Aufl 2012, § 6 (zit EuropUR); Mankowski Insolvenzrecht gegen Gesellschaftsrecht – 2:0 im europäischen Spiel um § 64 GmbHG, NZG 2016, 281; Meilicke/Rabback Die EuGH-Entscheidung in der Rechtssache Sevic und die Folgen für das deutsche Umwandlungsrecht nach Handels- und Steuerrecht, GmbHR 2006, 123; Melchior Zuzug einer GmbH aus einem anderen EU-Mitgliedstaat nach Deutschland – leicht gemacht?, GmbHR 2014, R 305; Peters Verlegung des tatsächlichen Verwaltungssitzes der GmbH ins Ausland, GmbHR 2008, 245; Preuß Die Wahl des Satzungssitzes im geltenden Gesellschaftsrecht und nach dem MoMiG-Entwurf, GmbHR 2007, 57; Schaper Grenzüberschreitender Formwechsel und Sitzverlegung: Die Umsetzung der Vale-Rechtsprechung des EuGH, ZIP 2014, 810; Schön Das System der gesellschaftsrechtlichen Niederlassungsfreiheit nach VALE, ZGR 2013, 333; Teichmann Cartesio: Die Freiheit zum formwechselnden Wegzug, ZIP 2009, 393; Teichmann Gesellschaftsrecht im System der Europäischen Niederlassungsfreiheit, ZGR 2011, 639; Verse Niederlassungsfreiheit und grenzüberschreitende Sitzverlegung, ZEuP 2013, 458; Weller Die Rechtsquellendogmatik des Gesellschaftskollisionsrechts, IPrax 2009, 202. Ausführliche Schrifttumsnachweise bei Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 6 (zur grenzüberschreitenden Mobilität) und § 32 (zum Projekt einer Sitzverlegungs-RL).

a) Sitzverlegung (= Verlegung des satzungsmäßigen Sitzes) ist Satzungsände- 7 rung und damit erst mit Eintragung im Handelsregister wirksam (§ 54); das Verfahren richtet sich nach § 13h HGB1. Die Prüfung der Sitzverlegung und die Eintragung erfolgt danach beim Registergericht des neuen Sitzes; bei einer über die Grenzen des Gerichtsbezirks hinausgehenden Sitzverlegung einer Gesellschaft hat das Gericht des bisherigen Sitzes die förmliche Richtigkeit der Anmeldung zu prüfen2. So kann auch dann verfahren werden, wenn gleichzeitig weitere Satzungsänderungen zur Eintragung angemeldet werden3. Die freie Wahl des Sitzes im Inland ist nicht mehr – wie früher durch § 4a Abs. 2 aF – beschränkt (vgl Rn 5). Die allgemeine Schranke des Rechtsmissbrauchs (Beispiel Sitzverlegung im Liquidationsstadium4 oder nach Abgabe der eidesstaatlichen

1 MünchKomm/J. Mayer Rn 11; Scholz/Emmerich Rn 21; aus der Rspr: ThürOLG GmbHR 2006, 765 ff (auch zu den Anforderungen an die Verlegung des Sitzes einer GmbH nach Einstellung des Geschäftsbetriebs); OLG Karlsruhe GmbHR 2011, 308 ff. 2 OLG Köln GmbHR 2005, 236; Scholz/Emmerich Rn 21; R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 11. 3 OLG Hamm GmbHR 1991, 321 f; OLG Zweibrücken GmbHR 1992, 678 f; aA LG Mannheim GmbHR 1991, 24. 4 LG Berlin GmbHR 1999, 720. Ausführlich zur gesamten Problematik: Peterhoff DZWiR 2008, 359 ff.

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§ 4a | Sitz der Gesellschaft Versicherung1) gilt aber nach wie vor2 (Stichwort: Firmenbestattung; vgl dazu noch Anh zu § 47 Rn 203). Hingegen kann nach aktueller Rechtslage in der Verlegung des tatsächlichen Verwaltungssitzes – anders als früher4 – keine faktische Satzungsänderung gesehen werden5. Eine Gewerbeummeldung ist keine Voraussetzung für die Eintragung der Sitzverlegung6. 8 b) Auslandsberührung: Zu unterscheiden ist die Verlegung des satzungsmäßi-

gen Sitzes von der Verlegung des tatsächlichen (Verwaltungs-)Sitzes.

9 aa) Kollisionsrechtlicher Ausgangspunkt war für das deutsche Recht lange Zeit

und in ständiger Rspr die Sitztheorie, nach der sich das auf die Gesellschaft anwendbare (Sach-)Recht (= Gesellschaftsstatut) nach dem Recht des Staates richtet, in dem die Gesellschaft ihren tatsächlichen Sitz (Verwaltungssitz) hat7. Jedenfalls in Bezug auf EU-8 und EWR-Staaten9 sowie auf Grund des Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrags vom 29.10.1954 (BGBl II 487) auch in Bezug auf die USA10 gilt heute jedoch die Gründungstheorie11, nach der sich das Gesellschaftsstatut nach dem Recht des satzungsmäßigen Sitzes der Gesellschaft richtet (= Recht des Registrierungsstaates)12. Auslöser für diesen Wandel waren die EuGH-Entscheidungen Centros vom 9.3.199913, Überseering vom

1 KG GmbHR 2011, 1104. 2 BGH GmbHR 2006, 383 (Insolvenz); vgl dazu auch U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 24 ff; MünchKomm/J. Mayer Rn 12; einschränkend aber Scholz/Emmerich Rn 14. 3 Zur Problematik auch Melchior GmbHR 2013, R 305; zur unzulässigen Mitwirkung des Notars an einer Anteilsabtretung zum Zweck der Firmenbestattung: BGH GmbHR 2016, 114. 4 Vgl zum Streitstand nur 16. Aufl, Rn 25 mwN; zustimmend BGH GmbHR 2008, 990 (gegen BayObLG GmbHR 2002, 490). 5 Vgl U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 24; R/A/Roth Rn 9. 6 LG Augsburg RNotZ 2008, 430 mit zustimmender Anm Freitag WuB IV E. § 13h HGB 1.08; ebenso U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 23; Wicke Rn 4; aA noch LG Hamburg GmbHR 1992, 116. 7 Zuletzt BGH GmbHR 2002, 1021; vgl weiter BGHZ 53, 181, 183; BGH GmbHR 2000, 715; MünchKomm/Kindler BGB IntGesR Rn 358 ff mwN. 8 Grundlegend BGH (VII. ZS) GmbHR 2003, 527 – Überseering II mit Besprechung Leible/Hoffmann ZIP 2003, 925 ff. 9 Grundlegend BGH (II. ZS) GmbHR 2005, 1483 – Liechtenstein. 10 Dazu BGH BB 2002, 1227, 1228; BGH BB 2003, 806, 810; BGH GmbHR 2004, 1225; BGH GmbHR 2005, 51; BGH NJW-RR 2007, 574, 575; vgl auch BFH GmbHR 2003, 722 ff (dazu Meilicke GmbHR 2003, 793 ff); näher U/H/L/Behrens/Hoffmann Einl B Rn 48. 11 Näher Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 6 Rn 30, 50 ff mzwN; vgl auch bereits Bayer BB 2003, 2357, 2363 f. 12 Dazu ausführlich U/H/L/Behrens/Hoffmann Einl B Rn 48 ff. 13 EuGH Slg 1999, I-1459 = GmbHR 1999, 474 – Centros. Dazu Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 6 Rn 19 ff mzwN.

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5.11.20021, Inspire Art vom 30.9.20032 und Sevic vom 13.12.20053. Danach verstößt es gegen die Niederlassungsfreiheit (Art. 49, 54 AEUV), wenn der Zuzugstaat die Verlegung des Verwaltungssitzes von nach dem Recht eines EU-Staates wirksam gegründeten Gesellschaften verweigert oder von der Erfüllung inländischer Rechtsvorschriften abhängig macht, für die es im Unionsrecht keine Grundlage gibt4. bb) Verlegung des tatsächlichen Sitzes vom Ausland ins Inland: Nach früher 10 ganz hM war die Verlegung des tatsächlichen (Verwaltungs-)Sitzes einer im Ausland wirksam errichteten Gesellschaft ins Inland nicht möglich; die in Deutschland vorherrschende Sitztheorie (Rn 9) verlangte eine vollständige Neugründung der Gesellschaft im Inland5. Dass dieses Modell bereits kollisionsrechtlich nicht überzeugt, wurde im Schrifttum zutreffend kritisiert6. Unionsrechtlich verstößt diese Sichtweise gegen Art. 49, 54 AEUV (Rn 9 aE); unvereinbar damit ist aber auch die vom BGH zwischenzeitlich vertretene Auffassung, dass die EU/EWR-ausländische Kapitalgesellschaft mit inländischem Verwaltungssitz in eine Personengesellschaft inländischen Rechts umzuqualifizieren sei (sog „Wechselbalgtheorie“)7. Vielmehr ist heute im Anschluss an die EuGH-Judikatur (vgl Rn 9) sowohl in der Rspr8 als auch im Schrifttum9 nahezu unstrittig, dass eine im EU- bzw EWR-Ausland ordnungsgemäß errichtete Gesellschaft generell als ausländische Gesellschaft im Inland anzuerkennen ist, und zwar auch dann, wenn sie ihren tatsächlichen Sitz ins Inland verlegt oder ihn von Anfang an hier begründet hat, also im Ausland ausschließlich ihre Registrierung vorgenommen wird (sog Scheinauslandsgesellschaft); diese Verfahrensweise ist 1 EuGH Slg 2002, I-9919 = GmbHR 2002, 1137 – Überseering; dazu Lutter BB 2003, 7 ff; Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 6 Rn 23 ff mzwN. 2 EuGH Slg 2003, I-10155 = GmbHR 2003, 1260 – Inspire Art; dazu Lutter/Bayer/ J. Schmidt EuropUR, § 6 Rn 27 ff mzwN; ausführlich bereits Bayer BB 2003, 2357, 2362 ff. 3 EuGH Slg 2005, I-10805= GmbHR 2006, 140 – Sevic (Verweigerung der Eintragung einer grenzüberschreitenden Verschmelzung als Verstoß gegen Art. 43, 48 EG, jetzt Art. 49, 54 AEUV); dazu Bayer/J. Schmidt ZIP 2006, 210 ff; Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 6 Rn 32 ff mzwN. 4 Teilweise abweichend MünchKomm/J. Mayer Rn 17 mwN. 5 Zusammenfassend (kritisch) Bayer BB 2003, 2357, 2359 f mwN. 6 Vgl etwa nur K. Schmidt ZGR 1999, 20, 22 ff; Großfeld/Jaspers RabelsZ 53 (1989), 52 ff. 7 So BGHZ 151, 204 = GmbHR 2002, 1021 – Jersey; kritisch dazu bereits Bayer BB 2003, 2357, 2361 f; zusammenfassend zu diesem „Rettungsversuch“ des II. ZS: Lutter/Bayer/ J. Schmidt EuropUR, § 6 Rn 24, 26 mzwN. 8 BGH GmbHR 2003, 527 Überseering II; BGH AG 2005, 39, 40; BGH GmbHR 2005, 630, 631; BGH GmbHR 2005, 1483 – Liechtenstein; BGH GmbHR 2009, 138 – Trabrennbahn; BGH GmbHR 2010, 211; BGH GmbHR 2010, 819; BGH GmbHR 2011, 1094. 9 Bayer BB 2003, 2357, 2363; Bayer/J. Schmidt ZHR 173 (2009), 735, 739 f; MünchKomm/ Habersack AktG Einl Rn 98; Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 6 Rn 50 f; MünchKomm/Sonnenberger BGB Einl IPR Rn 140 (jeweils mzwN); partiell abweichend jedoch nach wie vor MünchKomm/Kindler BGB IntHGesR Rn 428.

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§ 4a | Sitz der Gesellschaft grundsätzlich nicht als Missbrauch anzusehen. Insoweit folgt aus Art. 49, 54 AEUV nach bislang hM eine versteckte kollisionsrechtliche Anknüpfung an die Gründungstheorie iSd Herkunftslandsprinzips („europarechtliche Gründungstheorie“)1. Inwieweit diese Sichtweise aufgrund des neuen Kornhaas-Urteils des EuGH2 möglicherweise korrigiert werden muss3, bleibt abzuwarten (vgl noch Rn 13). 11 Im Hinblick auf Gesellschaften aus sog Drittstaaten (Nicht-EU/EWR) hält die

Rspr dagegen bislang noch an der Sitztheorie fest4, sofern nicht – wie mit den USA (vgl Rn 9) – spezielle staatsvertragliche Regelungen existieren. Diese „gespaltene Lösung“ sieht sich allerdings zu Recht erheblicher Kritik ausgesetzt5; ein genereller Übergang zur Gründungstheorie, wie er mit dem (nicht über das Entwurfsstadium hinaus gelangten) RefE für eine IPR-Novelle 2008 (dazu noch Anh zu § 4a Rn 14) bereits anvisiert war, steht daher ganz oben auf der Liste rechtspolitischer Desiderata6. Aktuell werden indes die Entwicklungen auf EUEbene abgewartet; die Kommission hat im August 2014 eine Studie „mit dem Ziel einer möglichen Harmonisierung“ der einschlägigen Kollisionsnormen ausgeschrieben7; zudem wurde dieser Punkt auch im Grünbuch zur Schaffung einer Kapitalmarktunion8 aufgegriffen9.

12 Einzelheiten: Verlegt eine im EU-Ausland ordnungsgemäß errichtete Gesell-

schaft ihren tatsächlichen Sitz ins Inland, so ist die Niederlassung im Inland generell – dh unabhängig davon, ob sie im Ausland noch einen weiteren tatsäch-

1 Vgl Bayer/J. Schmidt ZHR 173 (2009), 735, 739; Leible FS G.H. Roth, 2011, S. 447, 450; Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 6 Rn 49; C. Teichmann ZGR 2011, 639, 679 f; Weller FS Goette, 2011, S. 583, 587 f. 2 EuGH ZIP 2015, 2468. 3 Dazu näher Schall ZIP 2016, 289 ff; Weller/Hübner NJW 2016, 223 ff; Kindler EuZW 2016, 136 ff; Mankowski NZG 2016, 281 ff. 4 BGH GmbHR 2009, 138 (Schweiz – „Trabrennbahn“); BGH GmbHR 2009, 1102 (British Columbia); BGH GmbHR 2010, 211 (Singapur); BGH NZG 2010, 712 (Schweiz); BGH GmbHR 2011, 1094 (obiter); OLG Hamburg GmbHR 2007, 763 (Isle of Man); OLG Köln ZIP 2007, 935 f (Südafrika); OLG Düsseldorf GmbHR 2010, 591, 593 (Schweiz); BayObLG RIW 2003, 387 f (Sambia); zustimmend R/S-L/Schmidt/Leithoff Rn 23; aA OLG Hamm GmbHR 2006, 1163 (Schweiz); AG Ludwigsburg ZIP 2006, 1507 ff (Serbien). 5 Zur gesamten Problematik näher Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 6 Rn 53 mzwN; kritisch auch MünchKomm/J. Mayer Rn 31. 6 Dafür etwa Bayer/J. Schmidt ZHR 173 (2009), 735, 773; Ebke FS Thode, 2005, S. 593, 610 ff; Handelsrechtsausschuss des DAV Stellungnahme 13/2008, S. 4; Leible/Hoffmann BB 2009, 58, 62; Lieder/Kliebisch BB 2009, 338, 343; Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 6 Rn 53, 86. 7 Vgl J. Schmidt VGR Bd 20 (2015), S. 25, 56; näher Bayer Grenzüberschreitende Mobilität, S. 230, 251 mwN. 8 COM(2015) 63, S. 27. 9 Vgl dazu J. Schmidt GPR 2015, 129 ff.

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lichen Sitz oder auch nur formal ihre Hauptniederlassung hat – als Zweigniederlassung iSd 11. (Zweigniederlassungs-)RL1 zu betrachten und daher im Inland als Zweigniederlassung einzutragen (s. Anh zu § 4a Rn 13, 15). Die Auslandsgesellschaft muss ihre Rechtsform (nicht aber einen zusätzlichen Nationalitätshinweis2) durch die Firmierung und auf den Geschäftsbriefen kenntlich machen3, andernfalls droht eine persönliche Haftung aus c.i.c. (§ 280 Abs. 1 iVm § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB)4 oder eine Rechtsscheinhaftung analog § 179 BGB wegen Weglassen des Rechtsformzusatzes5. Das Gesellschaftsstatut richtet sich nach dem ausländischen Gründungsrecht, 13 und zwar nicht nur hinsichtlich der Gründungsregeln, sondern auch darüber hinaus (Gesellschafterrechte, Geschäftsführerkompetenzen, Beschlussmängel, Auflösung etc)6. Dies galt nach bislang hM grundsätzlich auch im Hinblick auf gesellschaftsrechtlich verwurzelte Gläubigerschutzvorschriften7. Inwieweit Sonderanknüpfungen in der Weise zulässig sind, dass das ausländische Recht zur Schließung von Schutzlücken punktuell durch Rechtsinstitute des deutschen Rechts ergänzt bzw überlagert oder verdrängt werden darf, speziell auch im Wege einer insolvenz- oder deliktsrechtlichen Anknüpfung bestimmter Regeln (in Betracht kommen hier etwa insbesondere die Insolvenzverschleppungshaftung (dazu Anh zu § 64 Rn 76 ff)8 oder die Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs (dazu § 13 Rn 25 ff), ist noch weitgehend ungeklärt, doch hat der EuGH9 im aktuellen Kornhaas-Urteil überraschend eine großzügige Hand-

1 Elfte Richtlinie 89/666/EWG des Rates vom 21.12.1989 über die Offenlegung von Zweigniederlassungen, die in einem Mitgliedstaat von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen errichtet wurden, die dem Recht eines anderen Staates unterliegen, ABlEG Nr. L 395 v. 30.12.1989, S. 36. Text und ausführliche Erläuterungen bei Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 28 mzwN. 2 Vgl LG Göttingen ZIP 2005, 2019 (das allerdings unzutreffenderweise „Ltd“ nicht für ausreichend hält); Heckschen NotBZ 2006, 346, 348; Römermann GmbHR 2006, 262, 263; aA etwa Kindler NJW 2003, 1073, 1079. 3 Bayer BB 2003, 2357, 2364; Zimmer NJW 2003, 3585, 3587. 4 S. dazu den Parallelfall BGH NJW-RR 2002, 1309 ff. Wie hier auch Paefgen WuB II N. Art. 43 EG 2.04. 5 BGH NJW 2007, 1529 ff (betreffend eine niederländische BV; dazu Altmeppen ZIP 2007, 889 ff; Kindler NJW 2007, 1785 ff; Römermann GmbHR 2007, 595 f); OLG Saarbrücken GmbHR 2009, 209, 210 f (betreffend eine SARL); OLG Rostock GmbHR 2010, 1349 (englische Ltd). 6 Vgl Bayer/J. Schmidt ZHR 173 (2009), 735, 739 f; Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 6 Rn 51 mwN. 7 Überblick bei Bayer BB 2003, 2357, 2364 f. 8 Zur Anwendbarkeit auf Auslandsgesellschaften: Vorlage des BGH an EuGH, BGH GmbHR 2015, 79 mit Anm Römermann; vgl nunmehr Abschlussentscheidung BGH GmbHR 2016, 592. 9 EuGH ZIP 2015, 2468.

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§ 4a | Sitz der Gesellschaft habung erkennen lassen1. Keine Anwendung finden allerdings die im inländischen Recht verankerten, genuin-gesellschaftsrechtlichen Prinzipien der Kapitalaufbringung2 und trotz der neuen EuGH-Entscheidung wohl auch der Kapitalerhaltung3. 14 Unabhängig von der sachrechtlichen Qualifikation muss sich die Anwendung

deutscher Vorschriften aber grundsätzlich stets am Maßstab der Niederlassungsfreiheit (Art. 49, 54 AEUV) messen lassen4.

15 cc) Verlegung des tatsächlichen Sitzes vom Inland ins Ausland: Mit der Neu-

fassung des § 4a wollte der Gesetzgeber es deutschen GmbH ausdrücklich ermöglichen, ihren Verwaltungssitz ins Ausland zu verlegen5 (vgl bereits Rn 1 f). Die im Schrifttum teilweise vertretene Auffassung, dass es sich bei § 4a um eine rein sachrechtliche Regelung handele und der Wegzug einer deutschen GmbH somit bis zu einer vollständigen Aufgabe der Sitztheorie auch weiterhin nicht uneingeschränkt möglich sei6, vermag im Hinblick darauf nicht zu überzeugen. § 4a kommt vielmehr insoweit auch ein kollisionsrechtlicher Gehalt zu7, dh die Verlegung des Verwaltungssitzes einer deutschen GmbH ins Ausland ist grundsätzlich (und ungeachtet des Kollisionsrechts des Zuzugstaats) zulässig8. Allein die Frage, ob der Zuzugstaat die deutsche GmbH als solche anerkennt, hängt vom dortigen Kollisionsrecht ab, wobei allerdings für EU-/EWR-Staaten die Anerkennung auf Grund der neueren EuGH-Rspr vorgegeben ist (vgl ausführlich Rn 9 ff); allein bei Drittstaaten, die der Sitztheorie folgen, kann es indes zu einer „Statutenverdopplung“ mit all ihren misslichen Konsequenzen kommen9.

1 Näher Schall ZIP 2016, 289 ff; Weller/Hübner NJW 2016, 223 ff; Kindler EuZW 2016, 136 ff; Mankowski NZG 2016, 281 ff. 2 Schall ZIP 2016, 289, 291; zuvor bereits Meilicke GmbHR 2003, 1271, 1272; Leible ZGR 2004, 531 ff; Riegger ZGR 2004, 510 ff. 3 Abweichend Altmeppen NJW 2004, 97, 102 (für §§ 30, 31); aA wohl auch Schall ZIP 2016, 289, 292. 4 Vgl Bayer/J. Schmidt ZHR 173 (2009), 735, 740; Kieninger RabelsZ 73 (2009), 607, 614; Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 6 Rn 51. 5 BegrRegE BR-Drucks 354/07, S. 65. 6 IdS etwa Eidenmüller ZGR 2007, 168, 205 f; Kindler IPrax 2009, 189, 198; Peters GmbHR 2008, 245, 249; Preuß GmbHR 2007, 57, 62; MünchKomm/Weller Einl Rn 383 ff. 7 Ausführlich Bayer/J. Schmidt ZHR 173 (2009), 735, 746 ff mzwN. 8 Bayer/J. Schmidt ZHR 173 (2009), 735, 749 ff; Herrler DNotZ 2009, 484, 489; Kobelt GmbHR 2009, 808, 811; Knof/Mock GmbHR 2007, 852, 856; Leible FS G.H. Roth, 2011, S. 447, 455 f; U/H/L/Behrens/Hoffmann Einl B Rn 56 f; MünchHdbIntGesR/Servatius § 10 Rn 12; MünchHdbIntGesR/Kieninger § 52 Rn 20 ff; MünchKomm/J. Mayer Rn 75 f; Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 6 Rn 56; nunmehr auch B/S/Kindler Rn 22; vgl weiter Spindler/Stilz/Drescher § 5 AktG Rn 10; Hüffer/Koch § 5 AktG Rn 3; grundlegend Hoffmann ZIP 2007, 1581, 1585 ff; für eine Beschränkung auf EU-Mitgliedstaaten allerdings Paefgen WM 2009, 529, 530 f. 9 Vgl Bayer/J. Schmidt ZHR 173 (2009), 735, 752; Staub/Koch § 13h HGB Rn 29; Lutter/ Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 6 Rn 56; Tebben RNotZ 2008, 441, 447.

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Obgleich die Gesetzesbegründung zum MoMiG ua auch explizit auf die neuere 16 EuGH-Judikatur und ihre Auswirkungen hinweist, war die Eröffnung der Wegzugsfreiheit allerdings insoweit europarechtlich nicht zwingend geboten. Denn der EuGH hat in seiner Grundsatzentscheidung in der Rs Cartesio ausdrücklich klargestellt, dass es „nach dem gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts“ mit der Niederlassungsfreiheit (Art. 49, 54 AEUV) vereinbar ist, wenn ein Mitgliedstaat es „seinen“ Gesellschaften verwehrt, ihren Verwaltungssitz in einen anderen Mitgliedstaat zu verlegen1. Vor dem Hintergrund der vom EuGH schon in der Daily-Mail-Entscheidung aus dem Jahr 19882 begründeten sog „Geschöpftheorie“, wonach eine auf Grund einer nationalen Regelung gegründete Gesellschaft jenseits der nationalen Rechtsordnung, die ihre Gründung und Existenz regelt, keine Realität hat3, ist dies zwar letztlich konsequent4. Aus rechtspolitischer Perspektive ist die damit vom EuGH angenommene Differenzierung zwischen Zuzugs- und Wegzugsfreiheit – wie auch Generalanwalt Maduro in seinen Schlussanträgen dezidiert dargelegt hat5 – freilich weder sinnvoll noch überzeugend6. Die Eröffnung der Wegzugsfreiheit durch den deutschen Gesetzgeber durch § 4a ist daher nachdrücklich zu begrüßen und sollte auch vor dem Hintergrund der Cartesio-Entscheidung nicht wieder zurückgenommen werden. Dies gilt umso mehr, als der EuGH mit der neuen Entscheidung National Grid Indus7 sein Cartesio-Urteil weiterentwickelt und ausgesprochen hat, dass Beschränkungen des Wegzugs nur in niederlassungskonformer Weise zulässig sind, was in der Sache eine Modifikation von Daily-Mail bedeutet8, die nicht zu kritisieren ist9. dd) Eine Verlegung des satzungsmäßigen Sitzes ist unter Beibehaltung der 17 Identität als deutsche GmbH indes nicht möglich10. Denn Satzungssitz und Ge1 EuGH GmbHR 2009, 86 – Cartesio. Dazu Bayer/J. Schmidt ZHR 173 (2009), 735 ff; Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 6 Rn 37 ff mzwN. Vgl weiter EuGH GmbHR 2012, 56 – National Grid (dazu Bayer/J. Schmidt BB 2012, 3, 11 f). 2 EuGH NJW 1989, 2186 – Daily Mail. Dazu Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 6 Rn 14 ff mzwN. 3 Vgl dazu Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 6 Rn 16 mwN. 4 Vgl Bayer/J. Schmidt ZHR 173 (2009), 735, 744; Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 6 Rn 42. 5 GA Maduro Schlussanträge vom 22.5.2008 in der Rs Cartesio NZG 2008, 498, 502 ff. 6 Vgl Bayer/J. Schmidt ZHR 173 (2009), 735, 743 f; Bayer/J. Schmidt BB 2010, 387, 391; Hennrichs/Pöschke/von der Laage/Klavina WM 2009, 2009, 2012 f; Lutter/Bayer/ J. Schmidt EuropUR, § 6 Rn 42. 7 EuGH GmbHR 2012, 56; dazu Bayer/J. Schmidt BB 2012, 3, 11 f; Stöber ZIP 2012, 1273 ff; Verse ZEuP 2013, 458 ff. 8 In diesem Sinne auch Verse ZEuP 2013, 458, 463 f; Bayer, Grenzüberschreitende Mobilität, S. 230, 247 f. 9 Zu Unrecht aA aber Schall/Barth NZG 2012, 414, 418. 10 U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 3; MünchKomm/J. Mayer Rn 21.

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§ 4a | Sitz der Gesellschaft sellschaftsstatut müssen sowohl nach der Gründungs- als auch nach der Sitztheorie übereinstimmen; ein Wechsel des satzungsmäßigen Sitzes führt daher zwingend auch zu einem Rechtsformwechsel1. Weder das GmbHG (insbesondere auch nicht § 4a) noch das UmwG enthalten indes für einen solchen grenzüberschreitenden Rechtsformwechsel spezielle Regelungen. Der EuGH hat jedoch schon 2008 in der Cartesio-Entscheidung2 (wenngleich noch obiter) judiziert und dann in seinem VALE-Urteil v. 12.7.20123 ausdrücklich bestätigt, dass auch grenzüberschreitende Formwechsel vom Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit iSd Art. 49, 54 AEUV erfasst sind. Der Herkunftsmitgliedstaat darf grenzüberschreitende Formwechsel nicht pauschal verhindern (dh insbesondere nicht mit Auflösung und Liquidation sanktionieren), sondern nur solchen Beschränkungen unterwerfen, die nach Maßgabe der sog. GebhardFormel aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind (Cartesio, in VALE vorausgesetzt). Der Aufnahmemitgliedstaat muss grenzüberschreitende Formwechsel zulassen, wenn und soweit er auch im innerstaatlichen Recht Formwechsel gestattet (an sich bereits Cartesio, nun aber eindeutig VALE). Hinsichtlich des Verfahrens gelten mangels EU-Regelungen die innerstaatlichen Formwechselgründungs- und -funktionsregelungen des Herkunftsmitgliedstaats und des Aufnahmemitgliedstaats; aus Art. 49, 54 AEUV folgt jedoch, dass die jeweiligen nationalen Vorschriften nur im Rahmen des Äquivalenzgrundsatzes (grenzüberschreitende Formwechsel dürfen nicht ungünstiger behandelt werden als innerstaatliche) und des Effektivitätsgrundsatzes (grenzüberschreitende Formwechsel dürfen nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert werden) angewendet werden dürfen (VALE). Spezifische Sonderregeln für grenzüberschreitende Formwechsel sind sowohl seitens des Herkunfts- als auch des Aufnahmemitgliedstaats nur zulässig, wenn und soweit sie durch die speziellen Rechtfertigungsgründe des AEUV, durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses iSd Gebhard-Formel oder – in engen Grenzen – durch den Missbrauchsvorbehalt gerechtfertigt sind (vgl bzgl des Herkunftsmitgliedstaats bereits Cartesio; in VALE nun teils ausdrücklich, teils implizit für beide beteiligte Mitgliedstaaten)4. Aus deutscher Perspektive bedeutet dies5, dass sowohl Herausformwechsel der in § 191 Abs. 1 UmwG genannten deutschen Gesellschaften in eine Rechtsform eines anderen EU-/EWR-Mitgliedstaats als auch Hereinformwechsel von EU-/ EWR-Gesellschaften, die einer der in § 191 Abs. 1 UmwG genannten deutschen Rechtsform entsprechen, in eine in § 191 Abs. 2 UmwG genannte Rechtsform 1 So auch MünchKomm/J. Mayer Rn 21a. Für die Möglichkeit einer Satzungssitzverlegung ohne Statutenwechsel jedoch de lege ferenda: Eidenmüller JZ 2004, 24, 32. 2 EuGH Slg 2008, I-9641= GmbHR 2009, 86 – Cartesio. 3 EuGH GmbHR 2012, 860 – VALE. Dazu Bayer/J. Schmidt ZIP 2012, 1481 ff. 4 Näher auch Bayer, Grenzüberschreitende Mobilität, S. 230, 240 ff. 5 Vgl Bayer/J. Schmidt ZIP 2012, 1481, 1485 ff; ausführlich Hushahn RNotZ 2014, 137 ff.

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zugelassen werden müssen (wobei auch „rechtsformkongruente“ Formwechsel, zB Ltd in GmbH, zuzulassen sind); § 1 Abs. 1 Nr. 4 UmwG ist insofern unionsrechtskonform auszulegen. Hinsichtlich des die deutsche „Sphäre“ betreffenden Verfahrens gelten grundsätzlich die §§ 190 Abs. 2, 192 ff UmwG; soweit sich auf Grund des grenzüberschreitenden Charakters die Notwendigkeit von Anpassungen ergibt, bietet sich eine vorsichtige partielle Analogie zu Art. 8 SE-VO, §§ 12 ff SEAG und §§ 122a ff UmwG an, wobei allerdings stets der Effektivitätsgrundsatz zu beachten ist1. Für einen Hereinformwechsel2 (luxemburgische SARL wechselt in deutsche GmbH) wurde die VALE-Rechtsprechung des EuGH erstmalig durch das OLG Nürnberg anerkannt3. Wünschenswert wäre freilich auch insoweit nicht nur ein Tätigwerden des deut- 18 schen Gesetzgebers, sondern eine spezielle EU-Rechtsgrundlage. Die Kommission hatte das Projekt einer 14. gesellschaftsrechtlichen Richtlinie über die grenzüberschreitende Sitzverlegung4 zwar einstweilen gestoppt5. Schrifttum und Praxis6 sowie das Europäische Parlament7 fordern jedoch schon seit längerem nachdrücklich eine Wiederaufnahme der Arbeiten und auch die Reflection Group hat sich in ihrem Bericht vom April 2011 dezidiert für eine EU-Regelung der grenzüberschreitenden Sitzverlegung ausgesprochen8. Im Jahre 2013 erfolgte eine weitere Konsultation durch die Kommission9. Die „Harmonisierungslücke“ in diesem Bereich wurde jedoch jüngst erneut im Grünbuch zur Schaffung einer Kapitalmarktunion angesprochen10 und soll offenbar auch in der Studie zum Gesellschaftskollisionsrecht (dazu Rn 11) mit abgehandelt werden.

1 Dazu ausführlich Bayer, Grenzüberschreitende Mobilität, S. 230, 240 ff. 2 S. auch aus registerrechtlicher Sicht Melchior GmbHR 2014, R 305. 3 OLG Nürnberg GmbHR 2014, 96 – Moorpark II mit zustimmender Anm Wachter und zustimmender Anm Neye EWiR 2014, 45; dazu ausführlich Hushahn DNotZ 2014, 154 ff; Schaper ZIP 2014, 810 ff; abweichend noch OLG Nürnberg ZIP 2012, 572 mit Anm Drygala EWiR 2012, 263 – Moorpark I; dazu Frenzel NotBZ 2012, 249 ff; Schneider BB 2012, 988 ff; dazu umfassend Bayer, Grenzüberschreitende Mobilität, S. 230, 243 ff. 4 Vgl dazu ausführlich Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 32 mwN und Abdruck Vorentwurf 1997. 5 Vgl dazu Bayer/J. Schmidt BB 2008, 454, 458. 6 Umfassende Nachweise bei Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 32 Rn 22. 7 Entschließung vom 10.3.2009, ABlEU Nr. C 87 E v. 1.4.2010, S. 5. Das EP hat zudem 2011 die Arbeit an einem neuen Initiativbericht aufgenommen (Verfahren 2011/2046 (INI), dazu Bayer/J. Schmidt BB 2012, 3, 7). 8 Report of the Reflection Group On the Future of EU Company Law, 5.4.2011 (abrufbar unter http://ec.europa.eu/internal_market/company/docs/modern/reflectiongroup_report_en.pdf), S. 20 ff; dazu Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 32 Rn 29; allgemein zur Reflection Group und ihren Vorschlägen Bayer/J. Schmidt BB 2012, 3, 13 f; Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 18 Rn 5, 100 ff mwN. 9 Dazu Bayer/J. Schmidt BB 2014, 1219, 1225. 10 COM(2015) 63, S. 27. Dazu J. Schmidt GPR 2015, 129 ff.

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Anh zu § 4a | Zweigniederlassung 6. Rechtsfolgen bei unzulässiger Sitzbestimmung 19 Das Registergericht kann (und muss) die Eintragung der Gesellschaft ins Handels-

register gemäß § 9c Abs. 2 Nr. 1 ablehnen, wenn die Sitzbestimmung wegen Wahl des Satzungssitzes im Ausland unzulässig ist (vgl Rn 5) oder ganz fehlt1. Wird ein unzulässiger Sitz in das Handelsregister eingetragen, dann kann ein Verfahren nach § 60 Abs. 1 Nr. 6 GmbHG, § 399 Abs. 4 Alt. 2 FamFG eingeleitet werden (vgl auch § 60 Rn 11)2. Die Eintragung entfaltet insofern keine präjudizielle Wirkung; gemäß § 48 Abs. 1 FamFG bindet die eigene gesetzwidrige Entscheidung das Registergericht nicht3. Ein Gesellschafterbeschluss, der den Sitz der GmbH nachträglich in unzulässiger Weise ändert, ist gemäß § 134 BGB, § 241 Nr. 3 AktG analog nichtig4. Erfolgt dennoch eine Eintragung des Beschlusses, so greifen § 60 Abs. 1 Nr. 6 GmbHG sowie § 399 Abs. 4 Alt. 2 FamFG ein5.

Anhang zu § 4a Zweigniederlassung Die maßgebliche Vorschrift zur Anmeldung und Eintragung für Zweigniederlassungen von GmbH war ursprünglich § 12; diese Regelung hatte seit 1892 praktisch unverändert gegolten, wurde jedoch mWv 1.11.1993 aufgehoben durch das Gesetz zur Durchführung der 11. (Zweigniederlassungs-)RL vom 22.7.19936. Die Regelungen für Zweigniederlassungen inländischer GmbH fanden sich danach in §§ 13, 13c HGB, die für Zweigniederlassungen ausländischer GmbH in §§ 13d–13g HGB. Durch das EHUG7 wurde § 13 HGB neu gefasst, die §§ 13a–13c HGB wurden aufgehoben. 1. Regelung der §§ 13 ff HGB . . . . . . 2. Begriff der Zweigniederlassung . . . 3. Firma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 2 3

4. Vertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Das registerrechtliche Verfahren .

4 5

1 Scholz/Emmerich Rn 18; MünchKomm/J. Mayer Rn 78; ebenso bei Verstoß gegen § 4a Abs. 2 aF: BGH GmbHR 2008, 990 mit Anm Bayer/J. Schmidt LMK 2008, 269203. 2 BGH GmbHR 2008, 990; Ulmer FS Raiser, 2006, S. 439, 445. 3 Ebenso MünchKomm/J. Mayer Rn 79; zur AG auch Großkomm/Brändel § 5 AktG Rn 40. 4 KG GmbHR 2011, 1104; BGH GmbHR 2008, 990; Scholz/Emmerich Rn 19. 5 U/H/L/Ulmer/Löbbe Rn 33; Wicke Rn 6; aA (Amtslöschung gemäß § 395 FamFG): MünchKomm/J. Mayer Rn 80; für Amtslöschung gemäß § 398 FamFG: B/H/Fastrich Rn 7. 6 Gesetz zur Durchführung der Elften gesellschaftsrechtlichen Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften und über Gebäudeversicherungsverhältnisse vom 22.7.1993 (BGBl I 1282); dazu Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 28 Rn 4 mwN. 7 Gesetz über das elektronische Handelsregister, Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister vom 10.11.2006 (BGBl I 2553).

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Zweigniederlassung | Anh zu § 4a 6. Aufhebung und Verlegung der Zweigniederlassung . . . . . . . . . . . 7. Registerrechtliche Behandlung von inländischen Zweigniederlassungen einer ausländischen GmbH . . . . .

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a) Ausländische GmbH . . . . . . . b) Anerkennung . . . . . . . . . . . . c) Registerrechtliches Verfahren 8. Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. 9 . 10 . 17 . 43

Literatur: Bormann/Diehn/Sommerfeldt Gesetz über Kosten der freiwilligen Gerichtsbarkeit für Gerichte und Notare: GNotKG, 2. Aufl 2016; Hahnefeld Neue Regelungen zur Offenlegung bei Zweigniederlassungen, DStR 1993, 1596; Krafka/Kühn Registerrecht, 9. Aufl 2013; Seibert Die Umsetzung der Zweigniederlassungs-Richtlinie der EG in deutsches Recht, GmbHR 1992, 738; Seibert Neuordnung des Rechts der Zweigniederlassung im HGB, DB 1993, 1705; Voigt Das Handelsrecht der Zweigniederlassung, 2010 (zit: Voigt); vgl auch die Angaben bei Rn 8.

1. Regelung der §§ 13 ff HGB Die Regelung der §§ 13 ff HGB auf Grund der 11. (Zweigniederlassungs)-RL1 be- 1 trifft ganz überwiegend das registerrechtliche Verfahren sowie die Pflichtangaben nach § 35a; es handelt sich der Sache nach um eine Ausdehnung des Schutzes der 1. (Publizitäts-)RL2 auf Zweigniederlassungen, die das materielle Recht der Zweigniederlassung weitgehend unberührt lässt.

2. Begriff der Zweigniederlassung Der Terminus „Zweigniederlassung“ wird nach ganz hM3 durch folgende Merk- 2 male charakterisiert: (1) Räumliche Trennung von der Hauptniederlassung, (2) Nachordnung gegenüber der Hauptniederlassung, (3) selbständige Teilnahme am Rechtsverkehr, (4) personelle Mindestorganisation, (5) sachliche Mindestorganisation. Das (etwas missverständliche) Kriterium der Nachordnung gegen1 Elfte Richtlinie 89/666/EWG des Rates vom 21.12.1989 über die Offenlegung von Zweigniederlassungen, die in einem Mitgliedstaat von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen errichtet wurden, die dem Recht eines anderen Staates unterliegen, ABlEG Nr. L 395 v. 30.12.1989, S. 36. Text und ausführliche Erläuterungen bei Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 28 mzwN. 2 Ursprünglich: RL 68/151/EWG (ABlEG Nr. L 65 v. 14.3.1968, S. 8); seit 21.10.2009: RL 2009/101/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.9.2009 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 48 Absatz 2 des Vertrags im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten, ABlEU Nr. L 258 v. 1.10.2009, S. 11. Text und ausführliche Erläuterungen bei Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 19 mzwN. 3 MünchKomm/J. Mayer Rn 83; vgl weiter B/H/Hopt § 13 HGB Rn 3; Staub/Koch § 13 HGB Rn 20 ff; Voigt S. 41 ff.

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Anh zu § 4a | Zweigniederlassung über der Hauptniederlassung verlangt allerdings nur, dass die Zweigniederlassung den Unternehmenszielen des Kaufmanns bzw der Gesellschaft dienen muss; in wirtschaftlicher Hinsicht kann die Zweigniederlassung aber durchaus größer und wirtschaftlich bedeutender sein als die Hauptniederlassung1. Vor dem Hintergrund der Art. 49, 54 AEUV und der 11. (Zweigniederlassungs-) RL2 ist eine Zweigniederlassung zudem auch dann anzunehmen, wenn die Gesellschaft ihre Tätigkeit hauptsächlich oder ausschließlich von dort aus ausübt, es sich also faktisch um die Hauptniederlassung handelt (näher Rn 13). Der Geschäftsgegenstand von Haupt- und Zweigniederlassung ist ähnlich, muss aber nicht identisch sein3. Trotz dieser gewissen organisatorischen Selbständigkeit bleibt die Zweigniederlassung rechtlich unselbständiger Teil der GmbH, ist selbst weder rechts- noch parteifähig; doch kann die GmbH unter der Firma der Zweigniederlassung klagen und (am Ort der Zweigniederlassung, § 21 ZPO) verklagt werden4. Ist in dieser Weise eine Zweigniederlassung errichtet, so muss sie zum Handelsregister angemeldet werden (§§ 13, 14 HGB, ausführlich Rn 5 ff).

3. Firma 3 Als Teil der GmbH kann die Zweigniederlassung deren Firma führen; sie kann

und muss, wenn sich an ihrem Sitz Verwechselungsgefahren mit anderen Firmen ergeben (§ 30 Abs. 3 HGB), einen Zusatz beifügen (§ 13 Abs. 2 HGB; „Karl Müller GmbH Zweigniederlassung Husum“); sie kann aber auch eine erworbene andere Firma fortführen, soweit nur durch einen Zusatz die rechtliche Identität mit der GmbH offen gelegt wird: Auf diese Weise können die Firmen übernommener Unternehmen „gerettet“ werden, obwohl die GmbH an sich nur eine Firma führen darf (s. § 4 Rn 3); falsche Rechtsformzusätze sind zu beseitigen. Beispiel: Die „Karl Müller GmbH“ in Hamburg erwirbt die „Betonwerke Husum AG“ und führt sie als Zweigniederlassung mit der Firma „Betonwerke Husum Niederlassung Karl Müller GmbH“ fort. Eine solche Firmenbildung führt nicht dazu, dass die Firma der Zweigniederlassung in die Satzung der GmbH aufgenommen werden müsste (streitig)5; die Gründung der Zweigniederlassung ist Geschäftsführungsangelegenheit, daran ändert auch ihre Firmierung nichts6. 1 Vgl Staub/Koch § 13 HGB Rn 24; Oetker/Preuß § 13 HGB Rn 10. 2 Vgl zum europäischen Zweigniederlassungsbegriff näher Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 28 Rn 8 mwN. 3 ThürOLG GmbHR 1999, 822; Staub/Koch § 13 HGB Rn 30. 4 BGHZ 4, 62, 65; BGH NJW 1975, 2142; MünchKomm/J. Mayer Rn 84. 5 Abweichend die hM: BayObLG GmbHR 1992, 619; MünchKomm/J. Mayer Rn 87; MünchKomm/Krafka § 13 HGB Rn 23; wie hier R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 46. 6 Zutreffend Dirksen/Volkers BB 1993, 598, 599.

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4. Vertretung Die Zweigniederlassung ist Teil der GmbH, daher sind die Geschäftsführer je- 4 denfalls extern (zu den internen Beschränkungen vgl § 35) zu allen Maßnahmen für und gegen die Zweigniederlassung berechtigt; eine Beschränkung gemäß § 126 Abs. 3 HGB ist nicht möglich (§ 37 Abs. 2)1. Doch kann Prokura unter Beschränkung auf die Zweigniederlassung erteilt werden, wenn diese eine eigene Firma führt (Zusatz genügt, s. § 50 Abs. 3 HGB und Rn 3).

5. Das registerrechtliche Verfahren a) Anmeldung muss erfolgen (ggf Ordnungsstrafe nach § 14 HGB) durch Ge- 5 schäftsführer nach § 78 in vertretungsberechtigter Zahl (nicht: alle Geschäftsführer)2 elektronisch in öffentlich beglaubigter Form (§ 12 HGB)3. Die Anmeldung muss den Ort und die inländische Geschäftsanschrift der Zweigniederlassung und einen ggf hinzugefügten Zweigstellenzusatz (dazu Rn 3) enthalten (§ 13 Abs. 1 HGB); weitere Angaben sind nicht erforderlich, da die Gesellschaftsunterlagen bei dem für die Eintragung nunmehr zuständigen Gericht der Hauptniederlassung (dazu Rn 6) ohnehin verfügbar sind4. b) Verfahren: Anders als nach früherem Recht, wo alle Anmeldungen bzgl der 6 Zweigniederlassung beim Registergericht des Hauptsitzes erfolgten (§ 13c Abs. 1 HGB aF), welches daraufhin das Gericht der Zweigniederlassung unterrichtete, wurde das Recht der Zweigniederlassung durch das EHUG (vgl vor Rn 1) dahingehend vereinfacht, dass die führende Eintragung seitdem bei dem Gericht der inländischen Hauptniederlassung, dh beim Gericht des Sitzes der Gesellschaft, zu erfolgen hat. Die Eintragung beim Gericht am Ort der Zweigniederlassung hatte ihren Grund darin, dass für die Gläubiger am Ort einer wichtigen Betriebsstätte der Zugang zu den zugehörigen rechtlichen Dokumenten leicht möglich sein sollte. Mit dem elektronischen Handelsregister (§ 8 HGB) sowie dem Unternehmensregister (§ 8b HGB) sind alle Eintragungen ohne Weiteres online bei der Hauptniederlassung abrufbar (§ 9 HGB), so dass eine Eintragung am Ort der Zweigniederlassung nicht mehr erforderlich war5. Auf diese Weise werden zudem Fehlerquellen vermieden und das Verfahren insgesamt beschleunigt und vereinfacht6. 1 K/K/R/M/Roth § 13 HGB Rn 9; Oetker/Preuß § 13 HGB Rn 25. 2 MünchKomm/J. Mayer Rn 89; vgl weiter Staub/Koch § 13 HGB Rn 61; MünchKomm/ Krafka § 13 HGB Rn 40. 3 Muster bei Gustavus Handelsregister-Anmeldungen, A 113. 4 MünchKomm/J. Mayer Rn 90; vgl weiter Oetker/Preuß § 13 HGB Rn 51, 53; Apfelbaum DNotZ 2007, 166, 168. 5 Vgl BegrRegE EHUG BT-Drucks 16/960, S. 46; Bericht RA BT-Drucks 16/2781, S. 80. 6 Vgl BegrRegE EHUG BT-Drucks 16/960, S. 46; Bericht RA BT-Drucks 16/2781, S. 80.

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Anh zu § 4a | Zweigniederlassung Das Registergericht des Hauptsitzes prüft die formelle Ordnungsmäßigkeit der Anmeldung1, in materieller Hinsicht ist die Prüfung dagegen gemäß § 13 Abs. 2 HGB auf die offensichtliche Nichterrichtung beschränkt; insbesondere findet auch keine Prüfung bzgl § 30 HGB mehr statt2. Anschließend trägt das Registergericht die Zweigniederlassung in Spalte 2b des Registerblattes der Hauptniederlassung ein (§ 43 Nr. 2b HRV) und macht die Eintragung bekannt (§ 10 HGB). Eintragungen im Register der Zweigniederlassung erfolgen nicht mehr3.

6. Aufhebung und Verlegung der Zweigniederlassung 7 Die Aufhebung der Zweigniederlassung erfolgt entsprechend der Errichtung:

Anmeldung beim Registergericht des Sitzes der GmbH, Prüfung, Eintrag und Bekanntmachung, § 13 Abs. 3 HGB4. Die Verlegung der Zweigniederlassung an einen neuen Ort ist nicht ausdrücklich geregelt; nach hM kann jedoch auch insoweit § 13 Abs. 1 HGB herangezogen werden5 (Rn 5).

7. Registerrechtliche Behandlung von inländischen Zweigniederlassungen einer ausländischen GmbH 8 Literatur: Bayer Grenzüberschreitende Mobilität europäischer und nationaler Rechtsfor-

men – aktuelle Entwicklungen und Perspektiven, ZHR –Sonderheft 77 (2015), S. 230; Heinze Einreichungs- und Nachweispflichten bei nachträglichen Handelsregisteranmeldungen betreffend Zweigniederlassungen ausländischer Kapitalgesellschaften, RNotZ 2009, 586; Hirte/Bücker Grenzüberschreitende Gesellschaften, 2. Aufl 2006; Hoger Offene Rechtsfragen zur Eintragung der inländischen Zweigniederlassung einer Kapitalgesellschaft mit Sitz im Ausland, NZG 2015, 1219; Klose-Mokroß Die Eintragung der Zweigniederlassung einer englischen „private limited company in das deutsche Handelsregister“, DStR 2005, 971, 1013; Kögel Die deutsche Zweigniederlassung einer GmbH – überreguliert?, GmbHR 2006, 237; Lutter Die Gründung einer Tochtergesellschaft im Ausland, 3. Aufl 1995 (zit Tochtergesellschaft); Lutter/Bayer/J. Schmidt Europäisches Unternehmens- und Kapitalmarktrecht, 5. Aufl 2012, §§ 6, 28; Mankowski Die deutsche Limited im Spannungsverhältnis von Gewerbe- und Registerrecht, BB 2006, 1173; Melchior Die englische Limited in der Praxis – zwei Jahre nach dem MoMiG, AnwBl 2011, 20; Rinne Zweigniederlassungen ausländischer Unternehmen im deutschen Kollisions- und Sachrecht, 1998; J. Schmidt Innovation durch „Innoventif“? Die EuGH-Entscheidung „Inno1 BayObLG DB 1995, 1456; MünchKomm/J. Mayer Rn 91; vgl weiter Krafka/Kühn RegisterR, Rn 299. 2 Vgl Bericht RA BT-Drucks 16/2781, S. 80; B/H/Hopt § 13 HGB Rn 13; Krafka/Kühn RegisterR, Rn 299. 3 Anders noch § 13 Abs. 3 RegE EHUG (BT-Drucks 16/960, S. 7). 4 Näher MünchKomm/J. Mayer Rn 93; vgl weiter Oetker/Preuß § 13 HGB Rn 67 ff. 5 Vgl auch BegrRegE EHUG, BT-Drucks 16/960, S. 46. Näher Staub/Koch § 13 HGB Rn 68; Krafka/Kühn RegisterR, Rn 309 f.

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Zweigniederlassung | Anh zu § 4a ventif“ und die Eintragung der Zweigniederlassung einer englischen Limited ins deutsche Handelsregister, NZG 2006, 899; Seibert Die Umsetzung der Zweigniederlassungs-Richtlinie der EG in deutsches Recht, GmbHR 1992, 738; Süß/Wachter Handbuch des Internationalen GmbH-Rechts, 3. Aufl 2016 (zit HdbIntGmbHR); Wernicke Die Niederlassung der ausländischen Gesellschaft als Hauptniederlassung: Zwangsweise Durchsetzung ihrer Eintragung als Zweigniederlassung widerspricht der Rechtsfähigkeit, BB 2006, 843; Willer/ Krafka Anregungen für eine international zeitgemäße Anwendung des § 181 BGB im Gesellschaftsrecht, NZG 2006, 495. S. ferner die Angaben bei § 4a Rn 7.

a) Ausländisch ist eine GmbH, die einem ausländischen Gesellschaftsstatut un- 9 terliegt, dh wenn deutsches IPR ausländisches Recht für anwendbar erklärt. Dies ist nach der früher in Deutschland vorherrschenden Sitztheorie1 dann der Fall, wenn die GmbH ihren effektiven Verwaltungssitz im Ausland hat2. Jedenfalls innerhalb von EU/EWR findet jedoch im Anschluss an die EuGH-Entscheidungen Centros3, Überseering4 und Inspire Art5 die Gründungstheorie Anwendung, dh eine ausländische Gesellschaft liegt vor, wenn diese Rechtsfolge vom anwendbaren ausländischen Gründungsrecht (= Recht des Registrierungsstaates) angeordnet ist (Rn 11 ff sowie auch § 4a Rn 10 ff). Um eine GmbH iSd 11. (Zweigniederlassungs-)RL bzw der §§ 13d, 13e, 13g HGB handelt es sich, wenn sie unabhängig von ihrer Bezeichnung der deutschen GmbH im Wesentlichen entspricht6. Im Hinblick auf EU/EWR-Gesellschaften ist insoweit auf die Listen in Art. 1 der 1. (Publizitäts-)RL (s. bei Rn 1) sowie bzgl „GmbH“ speziell Anh I der 12. (Einpersonengesellschafts)RL7 abzustellen8. 1 Dazu ausführlich MünchKomm/Kindler IntGesR Rn 420 ff; vgl zur Entwicklung des Gesellschaftskollisionsrechts in Deutschland auch bereits § 4a Rn 9 sowie Lutter/Bayer/ J. Schmidt EuropUR, § 6 Rn 5, 18, 22, 24, 30, 50 ff mzwN. 2 BGH BGHZ 97, 269 = GmbHR 1986, 351; BayObLG GmbHR 1999, 299; OLG Hamm GmbHR 1995, 599; MünchKomm/Kindler IntGesR Rn 420 mwN. 3 EuGH Slg 1999, I-1459 = GmbHR 1999, 474 – Centros. 4 EuGH Slg 2002, I-9919 = GmbHR 2002, 1137 – Überseering. 5 EuGH Slg 2003, I-10155 = GmbHR 2003, 1260 – Inspire Art. 6 Vgl BegrRegE 11.-RL-Gesetz, BR-Drucks 690/92, S. 44; BayObLG GmbHR 1985, 335; Staub/Koch § 13d HGB Rn 11, § 13e HGB Rn 6 f; Voigt S. 130 ff, 135 f mwN. Vgl zum Kriterium der Vergleichbarkeit von Drittstaatengesellschaften iRd 11. (Zweigniederlassungs-)RL näher Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropR, § 28 Rn 7 mwN. 7 Ursprünglich: Zwölfte RL 89/667/EWG (ABlEG Nr. L 395 v. 30.12.1989, S. 40); seit 21.10.2009: RL 2009/102/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.9. 2009 auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts betreffend Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter, ABlEU Nr. L 258 v. 1.10.2009, S. 20. Text und ausführliche Erläuterungen bei Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 29 mzwN. 8 Vgl BegrRegE 11.-RL-Gesetz, BR-Drucks 690/92, S. 44; MünchKomm/J. Mayer Rn 37; vgl weiter Staub/Koch § 13d HGB Rn 14, § 13e HGB Rn 6; MünchKomm/Krafka § 13d HGB Rn 10, § 13e HGB Rn 4. Vgl zur Geltung der 11. (Zweigniederlassungs-) RL für Gesellschaften iSd 1. (Publizitäts-)RL Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 28 Rn 7; Liste der Parallelformen zu AG und GmbH in den EU- und EWR-Staaten dort bei § 11 Rn 6 ff.

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Anh zu § 4a | Zweigniederlassung Der GmbH vergleichbar sind zB1: Argentinien: S.R.L. (Sociedad de Responsabilidad Limitada), ursprünglich geregelt durch Gesetz Nr. 11 645 v. 8.4.1932; seit 3.4.1972 Art. 146 ff des Gesetzes Nr. 19550 über die Handelsgesellschaften (Ley de Sociedades Comerciales)2. Belgien: SPRL (société privée à responsabilité limitée)/BVBA (besloten vennootschap met beperkte aansprakelijkheid); seit 6.2.2001 geregelt im Gesetzbuch über Gesellschaften (Code des Sociétés, Wetboek van Vennootschappen)3. Brasilien: Sociedade Limitada, geschaffen durch Decreto 3 708/1919, seit 12.1. 2003 geregelt in Art. 1052 ff des Novo Código Civil (NCC), Lei 10 406/20024. Bulgarien: OOD (ДРуЖество с огРаничена отговоРност), geregelt im Handelsgesetz (ТъРговски эакон) (1991 verabschiedet, SG Nr. 48/1991)5. China: limited liability company, geregelt im Company Law of the People’s Republic of China (verabschiedet am 29.12.1993)6, mWv 1.1.2006 nahezu vollständig geändert durch Gesetz v. 27.10.20057. Dänemark: ApS (anpartsselskab), eingeführt durch eingeführt durch das Anpartsselskabsloven, Lov Nr. 371 v. 13.6.1973; heute geregelt im Lov nr. 470 af 12/ 06/2009. Lov om aktie- og anpartsselskaber (selskabsloven)8. Estland: osaühing, geregelt im Handelsgesetzbuch (Äriseadustik) v. 15.2.19959. Finnland: Es existiert keine spezielle, der GmbH vergleichbare Rechtsform, sondern nur die – der Aktiengesellschaft entsprechende – Rechtsform der osakeyhtiö/aktiebolag (heute geregelt im Aktiebolagslag (624/2006), wobei das fin-

1 Vgl auch Staub/Koch § 13e HGB Rn 12 f; E/B/J/S/Pentz § 13e HGB Rn 14 f; Lutter/Bayer/ J. Schmidt EuropUR, § 11 Rn 6 ff. 2 Mandry/Berisso in Lutter, Tochtergesellschaft, S. 1 ff; Zschocke Das Gesetz über die Handelsgesellschaften in Argentinien, 1988, S. 4 f, 69 ff; Süß/Wachter/Bascopé HdbIntGmbHR, S. 417 ff. 3 Ausführlich Süß/Wachter/Kocks/Hennes HdbIntGmbHR, S. 465 ff. 4 Curschmann/Jolowicz GmbHR 2003, 1185 ff; Süß/Wachter/Curschmann HdbIntGmbHR, S. 501 ff; Harkard/Forthaus RIW 2005, 524 ff. 5 Ausführlich Süß/Wachter/Doytchinova/Stoyanova HdbIntGmbHR, S. 529 ff. 6 Dazu Stricker RIW 1994, 648 ff. 7 Zur Reform von 2005: Dickinson/Vietz GmbHR 2006, 245 ff; Kroymann RIW 2006, 429 ff; Kessler/Thümmel GmbHR 2012, 384; ausführlich zur private limited company: Süß/Wachter/Scheil HdbIntGmbHR, S. 553 ff. 8 Ausführlich Süß/Wachter/Ring/Olsen-Ring HdbIntGmbHR, S. 581 ff. 9 Dazu Driesen GmbHR 2003, 342, 343 ff; ausführlich Süß/Wachter/Bergmann HdbIntGmbHR, S. 805 ff.

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nische Recht aber zwischen publikt aktiebolag und privat aktiebolag differenziert1. Frankreich: Sarl (Société à Responsabilité Limitée), eingeführt durch Gesetz v. 7.3.19252 nach dem Vorbild der deutschen GmbH, heute geregelt in art. L. 2231 ff C\. com.3. Griechenland: EPE (Etairia periorismenis evthinis – Εταιρεία περιοπισμένης ευθύνης), eingeführt durch das inzwischen mehrfach geänderte Gesetz Nr. 3190/ 19554; seit 2013 zusätzlich die vereinfachende Rechtsform der Privatkapitalgesellschaft (Etairia Periorismenis Euthunis – EPE)5. Indonesien: limited liability company (Perseroan Terbatas – PT), früher geregelt durch Law No. 1/19956, umfassend reformiert durch ein neues Limited Liability Company Law (Law No. 40/2007)7. Irland: private company limited, geregelt im Companies Act 1963 (mit weitgehender Anlehnung an das britische Recht)8. Italien: s.r.l. (società a responsabilità limitata), nach umfassender Reform mWv 1.1.20049 heute geregelt in Art. 2462 ff Codice Civile10. Japan: Die der deutschen GmbH entsprechende yûgen kaisha (eingeführt durch Gesetz Nr. 74 v. 5.4.1938) wurde durch das neue Gesellschaftsgesetz11 mWv 1.5. 2006 abgeschafft; seitdem nur noch die kabushiki kaisha („AG“) als reine Kapitalgesellschaft12. 1 Vgl zu diesem Spezifikum auch Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 11 Rn 7 mwN; ausführlich Süß/Wachter/Faber HdbIntGmbHR, S. 833 ff. 2 Loi du 7 mars 1925 modifiée tendant à instituer des sociétés à responsabilité limitée. 3 Ausführlich Süß/Wachter/Döbereiner HdbIntGmbHR, S. 873 ff mzwN. 4 Ausführlich Süß/Wachter/Ziouvas HdbIntGmbHR, S. 911 ff; s. ferner Soufleros GmbHR 1992, 276 ff; Georgakopoulos in Lutter, Tochtergesellschaft, S. 242 ff. 5 Dazu Tzakas GmbHR 2014, 243 ff. 6 Dazu Stiller/Sommer RIW 1997, 564 ff. 7 Dazu Mills/Syah in Campbell (ed.), Legal Aspects of Doing Business in Asia, 2008, S. 299, 309 ff. 8 Dazu etwa Lynch Fannon/Cuddihy Corporations and partnerships in Ireland, 2010, S. 145 ff. 9 Dazu Bader GmbHR 2005, 1474 ff; Barth MittBayNot 2006, 1 ff; Buenger RIW 2004, 249 ff; Lorenzetti/Strnad GmbHR 2004, 731 ff; Magelli/Masotto RIW 2003, 575 ff; Sangiovanni GmbHR 2007, 584 ff; Sangiovanni GmbHR 2008, 978 ff; Steinhauer EuZW 2004, 364 ff. 10 Ausführlich Süß/Wachter/Fasciani HdbIntGmbHR, S. 947 ff. 11 Kaisha-hô Gesetz Nr. 86/2005. 12 Bayer Gutachten 67. DJT 2008, E 75 ff; Dernauer ZJapanR 20 (2005), 123, 127; Kessler RIW 2007, 658, 662; Süß/Wachter/Menkhaus HdbIntGmbHR, S. 999 ff; Witty ZJapanR 23 (2007), 185 ff.

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Anh zu § 4a | Zweigniederlassung Kanada: private corporation, Inkorporation ist entweder nach Bundesrecht (Canada Business Corporation Act – CBCA) oder nach dem Recht der einzelnen Provinzen (zB Ontario Business Corporation Act – OBCA) möglich1. Korea: Yuhan Hoesa, 1931 eingefügt in das Koreanische HGB, inzwischen mehrfach novelliert, heute geregelt in Art. 543 ff2. Kroatien: GmbH (d.o.o.), geregelt im Gesetz über die Handelsgesellschaften (Zakon o trgovaèkim dru– tvima), in Kraft seit 1.1.19953. Lettland: SIA (Sabiedrība ar ierobežotu atibildību), geregelt im Handelsgesetzbuch (Komerclikums) v. 13.4.2000 (in Kraft seit 1.1.2002)4. Liechtenstein: GmbH, geregelt in Art. 389 ff Personen- und Gesellschaftsrecht (PGR) v. 20.2.1926 (wesentliche Änderungen 2000 und 2001/2003)5. Litauen: UAB (uždara akcinė bendrovė), Gesetz über Aktiengesellschaften v. 13.7.2000 (in Kraft seit 1.7.2001)6. Luxemburg: S.à.r.l. (société à responsabilité limitée), heute geregelt in Art. 179 ff Loi du 10 août 1915 concernant les sociétés commerciales (eingefügt durch Gesetz v. 18.9.1933)7. Mexiko: Sociedad de responsabilidad limitada, geregelt in Art. 58 ff LGSM (Ley General de Sociedades Mercantiles v. 28.7.1934, inzwischen mehrfach novelliert)8. Niederlande: BV (Besloten vennootschap met beperkte aansprakelijkheid), eingeführt durch das Wet houdende regeling van de besloten vennootschappen met beperkte aansprakelijkheid v. 3.5.19719, heute geregelt in Boek 2 Titel 5 (Art. 175 ff) Burgerlijk Wetboek (BW)10.

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Ausführlich Süß/Wachter/Nockelmann HdbIntGmbHR, S. 1021 ff. Dazu Tsché in Lutter, Tochtergesellschaft, S. 399 ff; Lee FS Konzen, 2006, S. 491 ff. Ausführlich Süß/Wachter/Lagler/Crirn Adamcic HdbIntGmbHR, S. 1063 ff. Dazu Driesen GmbHR 2003, 342, 345 f; ausführlich Süß/Wachter/Klauberg HdbIntGmbHR, S. 1099 ff. Ausführlich Süß/Wachter/Wagner/Schwärzler HdbIntGmbHR, S. 1117 ff. Dazu Driesen GmbHR 2003, 342, 346; ausführlich Süß/Wachter/Heemann/Klauberg HdbIntGmbHR, S. 1127 ff. Dazu Neuss GmbHR 1992, 83 ff; ausführlich Süß/Wachter/Simon HdbIntGmbHR, S. 1167 ff. Zimmermann Grundriss des mexikanischen Gesellschaftsrechts, 1985, S. 55 ff, 67 ff. Vgl dazu Lutter FS Sanders, 1972, S. 81 ff; Sanders AG 1971, 389, 393 f; Stein ZHR 138 (1974), 101, 104, 112 ff; van der Grinten/Honée/Gotzen in Lutter, Tochtergesellschaft, S. 504, 505 f. Dazu Efferink/Ebert/Levedag GmbHR 2004, 880 ff; Richter GmbHR 2007, 1316 ff; ausführlich Süß/Wachter/Rademakers/de Vries HdbIntGmbHR, S. 1201 ff.

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Norwegen: Aksjeselskap (AS), geregelt im norwegischen GmbH-Gesetz (= Aksjeloven) von 1997, geändert 2011 und 2013.1 Österreich: GmbH, geregelt im GmbHG (Gesetz v. 6.3.1906 über Gesellschaften mit beschränkter Haftung, RGBl Nr. 58/1906, seitdem vielfach geändert)2. Polen: Sp. z o.o. (Spółka z ograniczoną odpowiedzialnścią), geregelt in Art. 151 ff KSH (Kodeks spółek handlowych, Dz.U. 2000 Nr. 94 poz. 1037 [Gesetz über Handelsgesellschaften], in Kraft seit 1.1.2001, seitdem mehrfach geändert)3. Portugal: sociedade por quotas (limitada – L.da), eingeführt durch Lei v. 11.4. 1901, seit 1.11.1986 geregelt in Art. 197 ff des Código das Sociedades Comerciais (CSC)4. Rumänien: societate cu răspundere limitată (S.R.L.), geregelt im Gesetz Nr. 31/ 1990 über die Handelsgesellschaften (auf Grund des EU-Beitritts signifikant geändert durch Gesetz v. 15. 3.20075)6. Russland: OOO (obschestwo s ogranichennoj otwetstwennostju), geregelt durch das am 1.3.1998 in Kraft getretene GmbH-Gesetz7; modifiziert durch das Reformgesetz v. 25.5.20148. Schweden: Es existiert keine spezielle, der GmbH vergleichbare Rechtsform, sondern nur die – der Aktiengesellschaft entsprechende – Rechtsform der aktiebolag (heute geregelt im Aktiebolagslag (2005:551)), wobei das schwedische Recht aber zwischen publikt aktiebolag und privat aktiebolag differenziert9. Schweiz: GmbH, geregelt in Art. 772 ff OR (Obligationenrecht) (eingefügt durch Gesetz v. 18.12.1936)10; grundlegend reformiert durch das am 1.1.2008 in Kraft getretene Gesetz v. 16.12.2005, welches die GmbH als „personenbezogene Kapitalgesellschaft“ ausgestaltet, Art. 772 Abs. 1 OR11. 1 Ausführlich Mörsdorf RIW 2013, 824 ff. 2 Ausführlich Süß/Wachter/Beer HdbIntGmbHR, S. 1263 ff. 3 Ausführlich Süß/WachterBogen/Siekierzynski HdbIntGmbHR, S. 1343 ff; zur Geschäftsführerhaftung: Meppen NZG 2015, 107 ff. 4 Näher Antunes in Lutter, Tochtergesellschaft, S. 588 ff; Driesen GmbHR 1991, 49 ff; Süß/ Wachter/Stieb HdbIntGmbHR, S. 1377 ff. 5 Dazu Menzer/Chitac GmbHR 2008, 477 ff. 6 Ausführlich Süß/Wachter/Piuk/Lupsan HdbIntGmbHR, S. 1413 ff. 7 Näher Süß/Wachter/Görlitz HdbIntGmbHR, S. 1449 ff; Heidemann GmbHR 2002, 732 ff; Lutter GmbHR 2005, 1 f; Sucharov RIW 1998, 706 ff. 8 Zu den zahlreichen Änderungen Janzen GmbHR 2015, 198 ff. 9 Vgl zu diesem Spezifikum auch Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 11 Rn 7 mwN; ausführlich Süß/Wachter/Foerster HdbIntGmbHR, S. 1477 ff. 10 Vgl Druey in Roth, Das System der Kapitalgesellschaften im Umbruch, 1990, S. 107 ff; Reymond/Hirsch/Macheret in Lutter, Tochtergesellschaft, S. 661 ff. 11 Dazu Ammann RIW 2007, 735 ff; Drenckhan GmbHR 2006, 1190 ff; Grüninger ZEV 2007, 222; ausführlich Süß/Wachter/Schindler/Töndury HdbIntGmbHR, S. 1521 ff.

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Anh zu § 4a | Zweigniederlassung Slowakei: s.r.o. (Spoločnos’ s ručením obmedzenym), geregelt in §§ 105 ff des Handelsgesetzbuches (HGB, Gesetz Nr. 513/1991), umfassend novelliert mWv 1.1.2002 durch Gesetz Nr. 500/20011. Slowenien: d. o.o. (Družba z omejeno odgovornostjo), früher geregelt im ZGD v. 27.5.19932, seit 4.5.2006 im ZGD-1 (Zakon o gospodarskih družbah)3. Spanien: SRL (Sociedad de responsabilidad limitada), zunächst geregelt im LSRL v. 17.7.1951, dann im LSRL v. 23.3.1995, seit 1.9.2010 im Ley de Sociedades de Capital (LSC)4; seit 2003 existiert als Sonderform die SLNE (Sociedad Limitada Nueva Empresa) (sog. „Blitz-GmbH“)5. Tschechische Republik: s.r.o. (Společnost s ručením omezenym), geregelt im tschechischen HGB (Obchodní zákoník, Gesetz Nr. 513/1991, inzwischen mehrfach geändert)6. Türkei: Limited şirket, bis 30.6.2012 geregelt in Art. 503 ff des türkischen HGB (Türk Ticaret Kanunu v. 29.6.1956, zwischenzeitlich mehrfach geändert), ab 1.7. 2012 geregelt in Art. 573 ff nF des türkischen HGB (Türk Ticaret Kanunu, Gesetz Nr. 6102 v. 13.1.2011)7. Ungarn: Kft (Korlátolt felelősségű társaság), seit 1.7.2006 geregelt im Gesetz Nr. 2006/IV über die Wirtschaftsgesellschaften8. USA: Limited Liability Company (LLC), geregelt in den jeweiligen Gesetzen der einzelnen Bundesstaaten (zB Delaware Limited Liability Company Act)9.

1 Speziell dazu Stessl GmbHR 2002, 638 ff. Näher zur s.r.o. Süß/Wachter/Sovova HdbIntGmbHR, S. 1617 ff; Härig WiRO 2007, 364 ff. 2 Dazu Ivanjko/Jessel-Holst in Lutter, Tochtergesellschaft, S. 725 ff; Brus RIW 1994, 557 ff, 910 ff. 3 Näher Painter WiRO 2007, 241 ff, 274 ff, 305 ff, 308 ff; Süß/Wachter/Lagler/Prusnik/ Moggi HdbIntGmbHR, S. 1645 ff. 4 Geschaffen durch Real Decreto Legislativo 1/2010, de 2 de julio, por el que se aprueba el texto refundido de la Ley de Sociedades de Capital, BOE 161 de 3/7/2010. 5 Speziell zur SLNE: Embid Iruyo RIW 2004, 760 ff; Fröhlingsdorf RIW 2003, 584 ff; Vietz GmbHR 2003, 26 ff, 523 ff; ausführlich allgemein zu SRL und SLNE: Süß/Wachter/ Lozano/Hilgers/Löber HdbIntGmbHR, S. 1675 ff. 6 Dazu Holler/Wesbuer WiRO 2002, 202 ff; Kuklis GmbHR 2002, 687 ff; Langner GmbHR 2007, 635 ff; Süß/Wachter/Kubánek/Pálinkás HdbIntGmbHR, S. 1723 ff. 7 Ausführlich Süß/Wachter/Rumpf HdbIntGmbHR, S. 1781 ff. 8 Dazu Küpper WiRO 2006, 189; ausführlich Süß/Wachter/Braner HdbIntGmbHR, S. 1869 ff. 9 Näher zur LLC: Günther GmbH und U.S.-amerikanische Limited Liablity Company, 2007; Reiss/Schneider RIW 2007, 10 ff; Schnittger GmbHR 2001, 382 ff, 420 ff, 478 ff.

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Vereinigtes Königreich: private limited company, geregelt im Companies Act 2006 (CA 2006)1, dem grundlegenden Gesetz für alle englischen Kapitalgesellschaften2, der seit dem 1.10.2009 den Companies Act 1985 (CA 1985) abgelöst hat. b) Eine solche ausländische GmbH wird vom deutschen Recht als juristische 10 Person im Allgemeinen (zu den Ausnahmen Rn 11 ff) ohne Weiteres anerkannt und kann hier auch unmittelbar tätig werden. Ausländische GmbH und ihre hiesige Zweigniederlassung leben nach ihrem ausländischen Recht, das allein über Organisation, Organe und ihre Zuständigkeiten, über Firma und organschaftliche Vertretungsmacht3 etc entscheidet (dh die Anknüpfung folgt stets an das Statut des ausländischen Rechtsträgers)4. aa) Nach der Sitztheorie wurde früher eine ausländische GmbH im Inland nicht 11 anerkannt, wenn sie im Ausland nur ihren statutarischen Sitz, nicht aber ihren effektiven Verwaltungssitz hat5; hieraus wurde die Konsequenz gezogen, dass dann auch eine „Zweigniederlassung“ einer solchen (nicht anzuerkennenden) ausländischen GmbH im Inland nicht eingetragen werden konnte6. Eine Ausnahme wurde in der Rspr allein für eine nach ausländischem Recht gegründete GmbH ohne jeden effektiven Verwaltungssitz gemacht7. Die Nichtanerkennung der ausländischen GmbH im Falle der Verlegung ihres effektiven Verwaltungssitzes ins Inland wurde allerdings stets heftig bestritten; der BGH ist dieser Kritik insoweit gefolgt, dass eine ausländische GmbH (konkret: eine Ltd nach dem Recht der Kanalinsel Jersey) im Inland als rechts- und parteifähige Personengesellschaft anzuerkennen sei (vgl bereits § 4a Rn 10)8. Diese modifizierte Anwendung der Sitztheorie (sog „Wechselbalgtheorie“) – die rechtsdogmatisch nicht überzeugt, an der die Rspr aber für Drittstaatengesellschaften weiterhin festhält (vgl bereits § 4a Rn 11) – änderte allerdings nichts an dem Ergebnis, dass aus 1 2006, c. 46. Überblick bei Davies/Rickford ECFR 2008, 48 ff, 239 ff; ausführlich Steinfeld ua Blackstone’s Guide to the Companies Act 2006, 1. Aufl 2007; in deutsch: Dernedde NJ 2007, 443 ff; Lawlor ZIP 2007, 2202 ff; Meyer RIW2007, 645 ff; Torwegge GmbHR 2007, 195 ff. 2 Der CA 2006 regelt auch die public companies, da das englische Recht private und public companies traditionell lediglich als zwei Varianten derselben Grundform ansieht, vgl dazu Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 8 Rn 3, § 11 Rn 8 mwN. 3 BGHZ 32, 256, 258. In Betracht kommt allerdings die analoge Anwendung von Art. 12 Satz 1 EGBGB: Staudinger/Hausmann Art. 12 EGBGB Rn 13 f. 4 Ausführlich MünchKomm/Kindler BGB IntGesR Rn 542 ff; Staudinger/Großfeld IntGesR Rn 977 mwN. 5 BGHZ 97, 269, 271 = GmbHR 1986, 351 und st Rspr; zuletzt BGH GmbHR 2000, 715 (Vorlagebeschluss „Überseering“); MünchKomm/Kindler BGB IntGesR Rn 358 mwN. 6 So BayObLG GmbHR 1999, 299; KG GmbHR 1997, 708. 7 OLG Frankfurt GmbHR 1999, 1254 (engl Ltd). 8 BGHZ 151, 204 = GmbHR 2002, 1021; zustimmend Kindler NJW 2003, 1073 ff.

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Anh zu § 4a | Zweigniederlassung deutscher Sicht keine ausländische GmbH vorlag, somit auch keine Zweigniederlassung einer ausländischen GmbH eingetragen werden konnte. 12 bb) Ebenso führte die Sitztheorie auch für den Fall, dass eine ausländische Ka-

pitalgesellschaft ihren Verwaltungssitz ins Inland verlegte, zum Verlust der Rechtsfähigkeit (vgl zum „Rettungsversuch“ des BGH mittels der Zuerkennung der Rechtsfähigkeit als Personengesellschaft bereits Rn 11); zur Erlangung der Rechtsfähigkeit als Kapitalgesellschaft war die Neugründung nach deutschem Recht erforderlich1.

13 Handelt es sich um eine Gesellschaft aus einem EU- bzw EWR-Mitgliedsstaat,

so steht diesen Ergebnissen jedoch die Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 49, 54 AEUV (ex-Art. 43, 48 EGV) entgegen. Zwar kann das Gründungsstatut uU aus zwingenden Gründen des (inländischen) Allgemeininteresses (zB Schutz der Gläubiger, Arbeitnehmermitbestimmung) durchbrochen werden2; dies kann aber nicht dazu führen, dass die gewählte ausländische Rechtsform überhaupt nicht anerkannt bzw „umgewandelt“ wird (ausführlich § 4a Rn 12 ff). Die inländische Zweigniederlassung einer ausländischen GmbH, die ihren statutarischen Sitz in einem Mitgliedsstaat der EU hat, ist vielmehr im Inland anzuerkennen und einzutragen, und zwar auch dann, wenn die Errichtung im Ausland allein deshalb erfolgt, um die inländischen Gründungsvorschriften (speziell auch die Kapitalaufbringung) zu vermeiden; hierin liegt grundsätzlich kein Missbrauch der Niederlassungsfreiheit. Dies hat der EuGH in seinen Entscheidungen Centros3, Überseering4 und Inspire Art5 unmissverständlich formuliert. Die deutsche Rspr6 sowie das Schrifttum7 haben diesen Richtungswechsel inzwischen akzeptiert und behandeln daher nun auch die sog Scheinauslandsgesellschaft als ausländische GmbH, die im deutschen Handelsregister einzutragen ist. 1 BGHZ 97, 269, 272 = GmbHR 1986, 351; BGH GmbHR 2000, 715 (Vorlagebeschluss „Überseering“); MünchKomm/Kindler BGB IntGesR Rn 401. 2 Vgl EuGH Slg 2002, I-9919 = GmbHR 2002, 1137 – Überseering; EuGH Slg 2003, I10155 = GmbHR 2003, 1260 – Inspire Art; dazu Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 6 Rn 23 ff mzwN. 3 EuGH Slg 1999, I-1459 = GmbHR 1999, 474 – Centros. 4 EuGH Slg 2002, I-9919 = GmbHR 2002, 1137 – Überseering. 5 EuGH Slg 2003, I-10155 = GmbHR 2003, 1260 – Inspire Art (mit ausführlicher Besprechung Bayer BB 2003, 2357, 2362 ff); dazu zusammenfassend Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 6 Rn 27 ff mzwN. 6 So zuerst BGH GmbHR 2003, 527 = ZIP 2003, 718 ff – Überseering II; vgl weiter BGH AG 2005, 39, 40; BGH GmbHR 2005, 630, 631; BGH GmbHR 2005, 1483 – Liechtenstein; BGH GmbHR 2009, 138 – Trabrennbahn; BGH GmbHR 2010, 211; BGH GmbHR 2010, 819; BGH GmbHR 2011, 1094. 7 Bayer BB 2003, 2357, 2363; Bayer/J. Schmidt ZHR 173 (2009), 735, 739 f; MünchKomm/ Habersack AktG Einl Rn 98; Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 6 Rn 50 f; MünchKomm/Sonnenberger BGB Einl IPR Rn 140 (jeweils mzwN); partiell abweichend jedoch nach wie vor MünchKomm/Kindler BGB IntGesR Rn 428.

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Die Judikatur des EuGH wird von der Überlegung getragen, dass Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit durch eine strikte Anwendung des inländischen Gründungsrechts deshalb zu unterbleiben haben, weil der Schutz von Gläubigern und Rechtsverkehr auch anderweitig gewährleistet ist, nämlich vorrangig durch die Registerpublizität nach Maßgabe der 1. (Publizitäts-)RL1, der Bilanzrichtlinien (früher: 4. (Bilanz-)RL2, nun EU-Bilanz-RL3) und der 11. (Zweigniederlassungs-)RL4 sowie durch die Firmierung der ausländischen Gesellschaft5. Daraus folgt, dass die ausländische Gesellschaft – die im Ausland nach ihrem Gründungsrecht registriert ist – im Inland zwingend als Zweigniederlassung registriert werden muss, und zwar auch dann, wenn es eine Hauptniederlassung überhaupt nicht gibt, die inländische „Zweigniederlassung“ daher in Wahrheit die faktische Hauptniederlassung darstellt. Denn auf Grund der ausländischen Registrierung ist jede inländische Niederlassung der ausländischen Gesellschaft „Zweigniederlassung“ iSd 11. (Zweigniederlassungs-)RL und somit in richtlinienkonformer Auslegung der §§ 13d, 13e, 13g HGB im Inland als Zweigniederlassung eintragungspflichtig nach Maßgabe dieser Vorschriften6. „Sitz“ iSv § 13d Abs. 1 HGB bedeutet somit im Hinblick auf das EU-/EWR-Ausland allein Registrierung und nicht – wie früher von der hM in Deutschland auf Grund der Sitztheorie vertreten – die Existenz eines Verwaltungssitzes; dort wo die ausländische Gesellschaft registriert ist, befindet sich rechtlich (uU fiktiv) auch ihre Hauptniederlassung.

1 Gesetz zur Durchführung der Elften gesellschaftsrechtlichen Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften und über Gebäudeversicherungsverhältnisse vom 22.7.1993 (BGBl I 1282); dazu Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 28 Rn 4 mwN. 2 Vierte Richtlinie 78/660/EWG des Rates vom 25.7.1978 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages über den Jahresabschluß von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, ABlEG Nr. L 222 v. 14.8.1978, S. 11. Text und Erläuterungen bei Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 24 mzwN. 3 RL 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen und zur Änderung der Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinien 78/660/ EWG und 83/349/EWG des Rates, ABlEU Nr. L 182 v. 29.6.2013, S. 19. 4 Elfte Richtlinie 89/666/EWG des Rates vom 21.12.1989 über die Offenlegung von Zweigniederlassungen, die in einem Mitgliedstaat von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen errichtet wurden, die dem Recht eines anderen Staates unterliegen, ABlEG Nr. L 395 v. 30.12.1989, S. 36. Text und ausführliche Erläuterungen bei Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 28 mzwN. 5 EuGH Slg 2003, I-10155 = GmbHR 2003, 1260 – Inspire Art; vgl speziell zu diesem Aspekt Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 6 Rn 29 mwN (auch allgemein zum „Informationsmodell“ im EU-GesR). 6 BGH GmbHR 2005, 630; KG GmbHR 2004, 116; Leible/Hoffmann EuZW 2003, 677, 680; Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 7 Rn 3.

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Anh zu § 4a | Zweigniederlassung 14 Trotz der EuGH-Urteile in Sachen Überseering, Centros und Inspire Art sind Um-

fang, Ausgestaltung und Grenzen der sog Gründungstheorie, insbesondere die Haftung der Gesellschaft und ihrer Mitglieder, in Rspr und Schrifttum im Einzelnen nach wie vor ungeklärt (vgl auch bereits § 4a Rn 13). Diese Unklarheiten sollten durch den im Januar 2008 vom BMJ vorgelegten RefE für eine IPR-Novelle1 beseitigt werden; zudem sollte damit ein genereller Übergang zur Gründungstheorie – dh (anders als nach der derzeitigen Rspr, vgl § 4a Rn 11) auch im Verhältnis zu Drittstaaten – erfolgen; der RefE wurde jedoch auf Grund des Widerstands von Gewerkschaften und Bundesarbeitsministerium zunächst „auf Eis gelegt“2. Aktuell werden indes die Entwicklungen auf EU-Ebene abgewartet; die Kommission hat im August 2014 eine Studie „mit dem Ziel einer möglichen Harmonisierung“ der einschlägigen Kollisionsnormen ausgeschrieben3.

15 Rechtsfolgen: Bejaht man – wie hier – nicht nur ein Recht, sondern auch eine

Pflicht zur Eintragung der inländischen Niederlassung als Zweigniederlassung iSd §§ 13d, 13e, 13g HGB (vgl Rn 13), dann gilt auch § 14 HGB, dh das Registergericht kann die Eintragung durch Zwangsgeld erzwingen4. Hingegen stellt es eine unzulässige Beschränkung der Niederlassungsfreiheit dar, wenn den Geschäftsführer im Falle einer Geschäftsaufnahme im Inland bis zur erfolgten Eintragung eine persönliche Haftung analog § 11 Abs. 2 trifft5.

16 cc) Diese Fragen zur ausländischen GmbH und ihrer inländischen Zweignieder-

lassung dürfen nicht mit Problemen der statutarischen Sitzverlegung über die Grenze verwechselt werden (vgl dazu § 4a Rn 17 f).

17 c) Das registerrechtliche Verfahren nach §§ 13d, 13e und 13g HGB enthält ei-

nige Besonderheiten gegenüber der Eintragung einer deutschen Zweigniederlassung, die maßgeblich auf den entsprechenden Vorgaben der 11. (Zweigniederlassungs-)RL (s. bei Rn 1), beruhen:

18 aa) Liegen die konstitutiven Voraussetzungen einer Zweigniederlassung vor –

wobei sich speziell für Scheinauslandsgesellschaften Unterschiede zur Auslegung des Begriffs für Inlandssachverhalte (Rn 2) ergeben können (s. ausführlich

1 Referentenentwurf Gesetz zum Internationalen Privatrecht der Gesellschaften, Vereine und juristischen Personen, abrufbar unter http://www.gesmat.bundesgerichtshof.de/ gesetzesmaterialien/16_wp/int_gesr/refe.pdf. Dazu 17. Aufl § 4a Anh 1 Rn 14 ff; vgl weiter Altenhain/Wietz NZG 2008, 569 ff; Bayer/J. Schmidt ZHR 173 (2009), 735, 741 f, 762, 772 f; Köster ZRP 2008, 214 ff; Leuering ZRP 2008, 73, 75 ff. 2 Vgl dazu Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 6 Rn 53 mwN. 3 Näher Bayer Grenzüberschreitende Mobilität, S. 230, 251; Bayer/J. Schmidt BB 2015, 1731, 1735 mwN. 4 Vgl BGH GmbHR 2005, 630; Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 7 Rn 3, § 28 Rn 94; zustimmend R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 81; vgl zur Problematik der Vereinbarkeit der Sanktionsmechanismen des deutschen Rechts mit dem effet utile: Lutter/Bayer/ J. Schmidt EuropUR, § 28 Rn 94 mwN. 5 BGH GmbHR 2005, 630; Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 7 Rn 3, § 28 Rn 94 mwN.

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Rn 13) –, so ist die ausländische GmbH zur Anmeldung ihrer hiesigen Zweigniederlassung verpflichtet (vgl Rn 15). bb) Zuständigkeit: Jede Zweigniederlassung einer ausländischen GmbH wird 19 vom inländischen Registergericht wie eine Hauptniederlassung behandelt. Alle die inländischen Zweigniederlassung betreffenden Anmeldungen, Zeichnungen, Einreichungen und Eintragungen haben daher grundsätzlich nur beim Gericht der Zweigniederlassung zu erfolgen (§ 13d Abs. 1 HGB). Hat die ausländische GmbH mehrere inländische Zweigniederlassungen in verschiedenen Registerbezirken, so erfolgen alle diese registerrechtlichen Vorgänge unabhängig voneinander1. Gemäß § 13e Abs. 5 HGB kann die Gesellschaft aber eines der Registergerichte 20 zum „Hauptregister“ bestimmen. Dann müssen Satzung/Gesellschaftsvertrag und deren Änderungen – sowie im Wege der richtlinienkonformen Auslegung auch die Angaben nach § 13g Abs. 2 Satz 3 HGB2 – nur bei diesem eingereicht bzw angemeldet werden. Die sonstigen Einreichungs-/Anmeldepflichten bleiben hingegen unberührt3. Hinsichtlich der Rechnungslegungsunterlagen enthielt § 325a Abs. 1 Satz 2 HGB ursprünglich einen Verweis auf § 13e Abs. 5 HGB, der jedoch iRd generellen Reform der Bilanzpublizität durch das EHUG (vgl vor Rn 1)4 gestrichen wurde; mit Blick auf den – auch § 13e Abs. 5 HGB zu Grunde liegenden – Art. 5 der 11. (Zweigniederlassungs-)RL bedarf es daher nun insoweit einer richtlinienkonformen Auslegung der §§ 325a Abs. 1 Satz 1, 325 Abs. 2, 8b Abs. 2 Nr. 4 HGB5. cc) Die Anmeldung erfolgt durch die Geschäftsführer der ausländischen GmbH 21 (§ 13e Abs. 2 Satz 1 HGB), dh nach § 78 durch die Geschäftsführer in vertretungsberechtigter Zahl6, und in der Form entsprechend § 12 HGB. Sie muss (zumindest auch) in deutscher Sprache erfolgen (§ 184 GVG) (ggf also in beglaubigter Übersetzung)7. Nach ganz hM gilt das auch für die zusätzlich geforderten Dokumente (zu diesen Rn 30 ff)8; bei Dokumenten, die lediglich zum Nachweis 1 2 3 4 5 6 7 8

OLG Schleswig GmbHR 2007, 1223; Staub/Koch § 13d HGB Rn 46. Vgl Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 28 Rn 76 iVm Rn 40 f. MünchKomm/Krafka § 13e HGB Rn 20; Oetker/Preuß § 13e HGB Rn 73. Allgemein zur Reform des Bilanzpublizitätsrechts durch das EHUG und den unionsrechtlichen Hintergründen Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 19 Rn 17, 36, § 24 Rn 20, § 25 Rn 24, § 28 Rn 75 ff mwN. Näher Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 28 Rn 77. BegrRegE BR-Drucks 690/92, S. 44; MünchKomm/J. Mayer Rn 38. R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 65; MünchKomm/J. Mayer Rn 49; vgl weiter Hauschild/Kallrath/Wachter/Kilian Notarhandbuch Gesellschafts- und Unternehmensrecht, § 7 Rn 26; Süß/Wachter/Wachter HdbIntGmbHR, § 2 Rn 215 f. OLG Hamm GmbHR 2011, 310, 311; OLG Zweibrücken GmbHR 2009, 147, 148; LG Chemnitz NZG 2006, 517 f; LG Leipzig NZG 2005, 759, 760; Staub/Koch § 13d HGB Rn 55.

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Anh zu § 4a | Zweigniederlassung sonstiger Tatsachen eingereicht werden, darf und soll das Gericht dagegen von einer Übersetzung absehen können, wenn der Rechtspfleger/Richter der Fremdsprache hinreichend mächtig ist1. Nach § 11 HGB können sämtliche Dokumente aber zusätzlich in jeder EU/EWR-Amtssprache2 eingereicht und offen gelegt werden3. Durchsetzung durch Zwangsgeld nach § 14 HGB (vgl Rn 15); Adressat sind aber nur die Vertretungsorgane (und zwar entgegen früher hM4 schon mit Blick auf effet utile des Unionsrechts unabhängig von Aufenthalt im Inland5), nicht dagegen (mangels Anmeldepflicht) sonstige Personen (zB Bevollmächtigte)6. 22 dd) Zum obligatorischen Inhalt der Anmeldung gehören7:

– Ort und inländische Geschäftsanschrift der Zweigniederlassung (§§ 13d Abs. 2 Halbsatz 1, 13e Abs. 2 Satz 3 Alt. 1 HGB8), – Firma und ein etwaiger Zweigstellenzusatz (§ 13d Abs. 2 Halbsatz 2 HGB, dazu Rn 23 f), – Gegenstand der Zweigniederlassung (§ 13e Abs. 2 Satz 3 Alt. 2 HGB, dazu Rn 24), – Register und Registernummer (soweit existent) (§ 13e Abs. 2 Satz 5 Nr. 1 HGB), – Rechtsform der Gesellschaft (§ 13e Abs. 2 Satz 5 Nr. 2 HGB), – etwaige ständige Vertreter der Zweigniederlassung unter Angabe ihrer Befugnisse (§ 13e Abs. 2 Satz 5 Nr. 3 HGB, dazu Rn 25), – bei Drittstaatengesellschaften das Recht, dem die Gesellschaft unterliegt (§ 13g Abs. 3 HGB iVm § 13e Abs. 2 Satz 5 Nr. 4 HGB), – Legitimation der „Geschäftsführer“, sofern diese nicht im Gesellschaftsvertrag bestellt wurden (§ 13g Abs. 2 Satz 2 HGB iVm § 8 Abs. 1 Nr. 2, dazu Rn 26),

1 OLG Schleswig DNotZ 2008, 709, 710 mit Anm Apfelbaum; Staub/Koch § 13d HGB Rn 55; Geimer IPrax 2009, 58 f. 2 EU ist in richtlinienkonformer Auslegung als „EU und EWR“ zu lesen, vgl Lutter/Bayer/ J. Schmidt EuropUR, § 19 Rn 41. 3 Vgl Staub/Koch § 13d HGB Rn 55; Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 28 Rn 86. 4 So noch BayObLGZ 1978, 121, 128; ebenso Krafka/Kühn RegisterR, Rn 2364. 5 Staub/Koch § 13d HGB Rn 60; MünchKomm/Pentz § 45 AktG Anh § 13 HGB Rn 42. 6 BayObLGZ 1978, 121, 128; BayObLGZ 1982, 198, 201; Staub/Koch § 13d HGB Rn 62. 7 S. auch R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 65 ff; MünchKomm/J. Mayer Rn 41 ff. 8 Das Erfordernis der Angabe der inländischen Geschäftsanschrift ergibt sich darüber hinaus auch nochmals aus § 13g Abs. 2 Satz 2 HGB iVm § 8 Abs. 4 Nr. 1; bei dieser „Doppelung“ dürfte es sich aber um ein Redaktionsversehen handeln.

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– Versicherung zu Bestellungshindernissen (§ 13g Abs. 2 Satz 2 HGB iVm § 8 Abs. 3, dazu Rn 28), – Angaben zur Vertretungsbefugnis der „Geschäftsführer“ (§ 13g Abs. 2 Satz 2 HGB iVm § 8 Abs. 4 Nr. 2, dazu Rn 27), – bei Anmeldung der Errichtung der Zweigniederlassung in den ersten zwei Jahren nach der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister ihres Sitzes: Festsetzungen nach § 5 Abs. 4 (dazu § 5 Rn 12 ff), allerdings nur, soweit nicht das ausländische Gesellschaftsstatut Abweichungen nötig macht (§ 13g Abs. 2 Satz 3 HGB)1, – die nach § 13g Abs. 3 HGB einzutragenden Angaben nach § 10 (dazu noch näher Rn 36), sofern sich diese nicht bereits aus den beizufügenden Dokumenten (dazu Rn 30) ergeben2. Hinsichtlich der Firma der Zweigniederlassung wird das – für die Firma grund- 23 sätzlich maßgebliche Gesellschaftsstatut3 – durch das deutsche Recht (insbesondere auch § 18 HGB) als Marktrecht überlagert4. Im Hinblick auf Art. 49, 54 AEUV ist dieses jedoch unionsrechtskonform auszulegen, dh, die Führung einer nach ausländischem Recht zulässigen Firma darf nur aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses untersagt werden5. Für die Eintragung der Zweigniederlassung ist kein „Nationalitätenhinweis“ erforderlich, der die Zweigniederlassung der ausländischen Gesellschaft als solche kennzeichnet6. Der EuGH geht vielmehr davon aus, dass es für den Schutz des Rechtsverkehrs ausreichend ist, 1 Vgl dazu Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 28 Rn 41 mwN. 2 Vgl Oetker/Preuß § 13g HGB Rn 7. 3 Vgl BGH NJW 1971, 1522, 1523; BayObLG BayObLGZ 1986, 61, 64 = GmbHR 1986, 305; OLG Frankfurt GmbHR 2009, 214, 216; OLG Hamm FGPrax 2008, 262, 263; OLG München GmbHR 2007, 979 f; MünchKomm/Krafka § 13d HGB Rn 18. 4 OLG München GmbHR 2010, 1156, 1157; OLG Frankfurt GmbHR 2009, 214, 216; OLG München GmbHR 2007, 979, 980; KG GmbHR 2008, 146; KG GmbHR 2004, 1024, 1025; Staub/Koch § 13d HGB Rn 23; Voigt S. 158 ff. 5 Vgl OLG München GmbHR 2010, 1156, 1157 („Zahnarztpraxis Ltd“ unzulässig); OLG Frankfurt GmbHR 2009, 214, 216 („Rhein-Main-Hausverwaltung Ltd“ zulässig); OLG München GmbHR 2007, 979 („Planung für Küche und Bad Ltd“ zulässig); LG Aachen ZIP 2007, 1011, 1012 = GmbHR 2007, 982 („Auskunft Ltd“ zulässig); KG GmbHR 2008, 146 („Autodienst Berlin Ltd“ zulässig); KG GmbHR 2004, 1024, 1025 (Zusatz „Partners“ für andere Gesellschaften als Partnerschaften unzulässig); Staub/Koch § 13d HGB Rn 24 f; Wachter GmbHR 2007, 980, 981 f; Süß/Wachter/Wachter HdbIntGmbHR, § 2 Rn 160 ff; kritisch jedoch Drygala/Keltsch EWiR 2007, 435, 436; aA (keine Beschränkung der Art. 49, 54 AEUV) LG Limburg GmbHR 2006, 261, 262. 6 LG Göttingen NotBZ 2006, 34; B/H/Hopt § 17 HGB Rn 49; Staub/Koch § 13d HGB Rn 29; Römermann GmbHR 2006, 261, 263; Süß/Wachter/Wachter HdbIntGmbHR, § 2 Rn 176; Voigt S. 169 ff; aA MünchKomm/Krafka § 13d HGB Rn 21; Ebert/Levedag GmbHR 2003, 1337, 1338; s. ferner auch LG Frankfurt GmbHR 2005, 1135.

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Anh zu § 4a | Zweigniederlassung wenn eine Gesellschaft in einem anderen Mitgliedsstaat als solche auftritt1. Ausreichend (aber auch notwendig) ist daher die Führung des Rechtsformsatzes nach Maßgabe des jeweiligen Gesellschaftsstatuts (zB Ltd., Sarl, Sp. z o. o.)2; auch eine „Langfassung“ kann nicht verlangt werden3. Soll die Firma der inländischen Zweigniederlassung hingegen anders lauten als die der ausländischen Gesellschaft, so muss durch einen Zusatz der Zusammenhang zur ausländischen Firma zum Ausdruck gebracht werden4. 24 Auch der Gegenstand der Zweigniederlassung ist anzumelden (§ 13e Abs. 2

Satz 3 Alt. 2 HGB) und in die Registerakte aufzunehmen. Durch das MoMiG5 ist geklärt6 – Verweisung des § 13g Abs. 3 HGB sowohl auf § 10 Abs. 1 GmbHG (dazu Rn 36) als auch auf § 13e Abs. 2 Satz 3 HGB –, dass sowohl der Gegenstand des Unternehmens (vgl § 10 Abs. 1 Satz 1) als auch derjenige der Zweigniederlassung (vgl § 13e Abs. 2 Satz 3 Alt. 2 HGB) einzutragen und demzufolge auch gemäß § 10 HGB bekannt zu machen sind7. Die Richtlinien-Konformität hat der EuGH in der Rechtssache innoventif8, ausdrücklich bejaht9.

25 Sofern die Gesellschaft von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, einen oder

mehrere ständige Vertreter der Zweigniederlassung10 zu bestellen (eine Pflicht hierzu besteht nicht11), sind auch diese gemäß § 13e Abs. 2 Satz 5 Nr. 3 HGB unter Angabe ihrer Befugnisse anzumelden. Ständige Vertreter sind gewillkürte Vertreter, die die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich vertreten; da ihre

1 EuGH Slg 2003, I-10155 = GmbHR 2003, 1260 – Inspire Art; vgl speziell zu diesem Aspekt auch Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 6 Rn 29 mwN (auch allgemein zum „Informationsmodell“ im EU-GesR). 2 Staub/Koch § 13d HGB Rn 27 ff; Römermann GmbHR 2006, 261, 263; Wachter BB 2005, 1289, 1290 f. 3 B/H/Hopt § 17 HGB Rn 49; Staub/Koch § 13d HGB Rn 28; Römermann GmbHR 2006, 261, 263; aA LG Göttingen NotBZ 2006, 34; Ebert/Levedag GmbHR 2003, 1337, 1338; differenzierend MünchKomm/Krafka § 13d HGB Rn 23. 4 LG Frankfurt GmbHR 2005, 1135; Oetker/Preuß § 13d HGB Rn 35 aE; Klose-Mokroß DStR 2005, 971, 974. 5 Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23.10.2008 (BGBl I 2026). 6 Zum früheren Streit 18. Aufl mwN. 7 Staub/Koch § 13g HGB Rn 8 f; Oetker/Preuß § 13g HGB Rn 20 f; Voigt S. 186; R/S-L/ Schmidt-Leithoff Rn 72; abweichend MünchKomm/J. Mayer Rn 61; Süß/Wachter/ Wachter HdbIntGmbHR, § 2 Rn 155. 8 EuGH Slg 2006, I-4929 = GmbHR 2006, 707 – Innoventif. Dazu J. Schmidt NZG 2006, 899 ff. 9 Vgl Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 28 Rn 40; J. Schmidt NZG 2006, 899, 901; Wachter GmbHR 2006, 709. 10 Vgl zum Konzept des ständigen Vertreters nach der 11. (Zweigniederlassungs-)RL und zur Umsetzung im deutschen Recht näher Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 28 Rn 30 ff, 52 mwN. 11 Vgl OLG München GmbHR 2008, 363, 364; MünchKomm/Krafka § 13e HGB Rn 14.

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Vertretungsbefugnis somit nicht auf ihrer Organstellung, sondern auf rechtsgeschäftlicher Bevollmächtigung beruht, unterliegt ihre Vertretungsmacht dem deutschen Recht als Wirkungsstatut1. Sie können daher grundsätzlich auch wirksam von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit werden2. Im Interesse der Vermeidung von Unklarheiten ist dies aber jedenfalls dann nicht möglich, wenn der ständige Vertreter personenidentisch mit einem Mitglied des Vertretungsorgans der Gesellschaft ist3 (sofern man eine solche Personenidentität überhaupt zulässt; dies ist umstritten4). Angabe und Nachweis der Legitimation der Geschäftsführer (§ 13g Abs. 2 26 Satz 2 HGB iVm § 8 Abs. 1 Nr. 2) ist nur erforderlich, wenn diese nicht im Gesellschaftsvertrag bestellt wurden. Wie der Nachweis zu erfolgen hat, hängt von den jeweiligen Bestellungsmodi des Gesellschaftsstatus ab5 (dh etwa Vorlage des entsprechenden Bestellungsbeschlusses6, bei mündlicher Bestellung durch schriftliche Bestätigung des Bestellungsorgans7, teilweise wird auch ein Nachweis durch Vorlage ein certificate of good standing8 oder eine Bescheinigung eines ausländischen Notars9 für ausreichend erachtet). Im Rahmen der gemäß § 13g Abs. 2 Satz 2 HGB iVm § 8 Abs. 4 Nr. 2 erforderli- 27 chen Angaben zur Vertretungsbefugnis der „Geschäftsführer“ ist jedenfalls die abstrakte Vertretungsbefugnis anzugeben (Gesamtvertretung, Einzelvertretung, unechte Gesamtvertretung)10. Darüber hinaus wird aber vielfach auch die An-

1 OLG München GmbHR 2006, 603, 604; Staub/Koch § 13d HGB Rn 32, § 13e HGB Rn 33; Wachter NZG 2005, 338, 340. 2 R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 67; MünchKomm/J. Mayer Rn 46. 3 OLG Hamm GmbHR 2006, 1198, 1201 f; OLG München GmbHR 2006, 603, 604; Oetker/Preuß § 13e HGB Rn 42; aA MünchKomm/Krafka § 13e HGB Rn 15; Werner GmbHR 2006, 1202. 4 Für Zulässigkeit: LG Chemnitz GmbHR 2005, 691, 692; MünchKomm/Krafka § 13e HGB Rn 15; Oetker/Preuß § 13e HGB Rn 42; Werner GmbHR 2006, 1202; implizit auch OLG Hamm GmbHR 2006, 1198, 1201; OLG München GmbHR 2006, 603, 604; dagegen: OLG Karlsruhe GmbHR 2011, 1324 mit kritischer Anm Anhäusser (jedenfalls bei Identität mit dem einzigen director einer Ltd); Staub/Koch § 13e HGB Rn 33 (für alleinvertretungsbefugtes Organmitglied); Behme ZVglRWiss 108 (2009), 178, 187 ff; Melchior AnwBl 2011, 20, 21; Wachter NZG 2005, 338, 340 f. 5 Vgl E/B/J/S/Pentz § 13g HGB Rn 10; Oetker/Preuß § 13g HGB Rn 11. 6 OLG Hamm GmbHR 2008, 545, 547; OLG Hamm GmbHR 2006, 1198, 1201; KG GmbHR 2004, 116, 118; LG Leipzig NZG 2005, 759, 760; Staub/Koch § 13g HGB Rn 4; aA Süß/Wachter/Wachter HdbIntGmbHR, § 2 Rn 92. 7 KG GmbHR 2004, 116, 118; MünchKomm/J. Mayer Rn 50; Oetker/Preuß § 13g HGB Rn 11. 8 Süß/Wachter/Wachter HdbIntGmbHR, § 2 Rn 91. 9 LG Gießen DB 2005, 2808; Süß/Wachter/Wachter HdbIntGmbHR, § 2 Rn 91. 10 Staub/Koch § 13g HGB Rn 5; Süß/Wachter/Wachter HdbIntGmbHR, § 2 Rn 91.

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Anh zu § 4a | Zweigniederlassung gabe der konkreten Vertretungsbefugnis gefordert1. Nicht eintragungsfähig (und damit auch nicht anmeldepflichtig) ist jedenfalls eine Befreiung des directors einer Limited vom „Verbot des § 181 BGB“. Eintragungsfähig im Registerblatt der Zweigniederlassung ist die auf die Zweigniederlassung einer englischen Limited beschränkte konkrete Einzelvertretungsmacht eines im Übrigen gesamtvertretungsberechtigten directors2. Hinsichtlich der Anforderungen an den Nachweis der Vertretungsbefugnis sind Rechtsprechung und Literatur sehr uneinheitlich3, speziell bei der englischen Limited, so dass in jedem Fall eine Abstimmung mit dem zuständigen Registergericht zu empfehlen ist. Nicht ausreichend ist nach OLG Nürnberg4 die Bescheinigung des deutschen Notars, wenn dieser seine Erkenntnisse nur durch Einsichtnahme in das beim Companies House geführte Register erworben hat. 28 Gemäß § 13g Abs. 2 Satz 2 HGB iVm § 8 Abs. 3 (dazu § 8 Rn 16 ff) müssen die

„Geschäftsführer“ höchstpersönlich versichern, dass „keine Umstände vorliegen, die ihrer Bestellung nach § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und 3 sowie Satz 3 (dazu § 6 Rn 19 ff) entgegenstehen, und dass sie über ihre unbeschränkte Auskunftspflicht gegenüber dem Gericht belehrt worden sind“5. Mit der in § 13e Abs. 3 Satz 2 HGB ausdrücklich normierten Erstreckung der Bestellungshindernisse auch auf die gesetzlichen Vertreter ausländischer Gesellschaften (freilich nur in Bezug auf die inländische Zweigniederlassung) soll – im Anschluss an ein Grundsatzurteil des BGH6 – verhindert werden, dass sie durch die Gründung sog „Scheinauslandsgesellschaften“ unterlaufen werden7. Entgegen der im Schrifttum hiergegen teilweise geltend gemachten Bedenken8, liegt hierin kein Verstoß gegen die 11. (Zweigniederlassungs-)RL (bei Rn 1)9. Die der Regelung inhärente Beschränkung der Niederlassungsfreiheit (Art. 49, 54 AEUV) ist aus 1 OLG Karlsruhe GmbHR 2011, 1324, 1325; OLG Celle GmbHR 2007, 203, 204; OLG Hamm GmbHR 2006, 1198, 1201; MünchKomm/J. Mayer Rn 44 f; differenzierend Oetker/Preuß § 13g HGB Rn 12. 2 OLG Frankfurt GmbHR 2015, 648 mit Anm Lennert. 3 Vgl aus der Rspr etwa: OLG Karlsruhe GmbHR 2011, 1324, 1325; OLG Hamm GmbHR 2008, 545; OLG Dresden GmbHR 2007, 1156, 1157 f; LG Chemnitz GmbHR 2007, 263, 264 f; OLG Hamm GmbHR 2006, 1198, 1201 f; näher zum Ganzen: Hauschild/Kallrath/ Wachter/Schmiegelt Notarhandbuch Gesellschafts- und Unternehmensrecht, § 25 Rn 163 ff. 4 OLG Nürnberg v. 26.1.2015 - 12 W 46/15, GmbHR 2015, 196. 5 Oetker/Preuß § 13e HGB Rn 18 mwN. 6 BGH GmbHR 2007, 870; dazu Bayer/J. Schmidt WuB II Q. § 6 GmbHG 1.07. 7 BegrRegE MoMiG, BR-Drucks 354/07, S. 113. 8 Vgl Bauer/Großerichter NZG 2008, 253, 256 f; Mödl RNotZ 2008, 1, 6; Wachter GmbHR 2006, 796, 798. 9 Näher Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 28 Rn 19; vgl ferner auch BegrRegE MoMiG, BR-Drucks 354/07, S. 114; ThürOLG ZIP 2006, 708, 711; Belgorodski/Friske WM 2011, 251, 253.

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zwingenden Gründen des Allgemeininteresses (Gläubigerschutz) gerechtfertigt1. Ausreichend ist die Versicherung, der Betreffende sei „noch nie, weder im Inland noch im Ausland, wegen einer Straftat verurteilt worden“; es ist weder erforderlich, die in § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 (dazu § 6 Rn 21) genannten Straftatbestände noch die in Rede stehenden vergleichbaren Bestimmungen des ausländischen Rechts in der Versicherung im Einzelnen aufzuführen2. ee) Seit dem MoMiG besteht ferner die Option, einen Empfangsvertreter mit 29 einer inländischen Anschrift anzumelden, der für Willenserklärungen und Zustellungen an die Gesellschaft empfangsberechtigt ist; die Empfangsberechtigung gilt gutgläubigen Dritten gegenüber als fortbestehend, bis sie im Register gelöscht und die Löschung bekannt gemacht worden ist3. Hierdurch soll – ebenso wie durch das Erfordernis der Anmeldung einer inländischen Geschäftsanschrift (dazu Rn 22) – iVm §§ 13e Abs. 3a, 15a HGB, § 185 Nr. 2 ZPO im Interesse der Gläubiger die Zustellung erleichtert werden4. Diese neue Option ist unionsrechtskonform5. ff) Beizufügen sind der Anmeldung ein Existenznachweis (§ 13e Abs. 2 Satz 2 30 HGB, dazu Rn 31) sowie der Gesellschaftsvertrag in öffentlich beglaubigter Abschrift (§ 13g Abs. 2 Satz 1 HGB, dazu Rn 32). Der Existenznachweis (§ 13e Abs. 2 Satz 2 HGB), der hinreichend aktuell sein 31 muss6, ist primär durch eine Registerbescheinigung zu führen7 (zB bei einer englischen Limited durch ein certificate of incorporation8 oder ein certificate of good standing9). Die Registergerichte akzeptieren teilweise aber auch andere Formen

1 Näher Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 28 Rn 19; ebenso im Ergebnis auch BegrRegE MoMiG, BR-Drucks 354/07, S. 115; B/H/Hopt § 13e HGB Rn 3; Melchior AnwBl 2011, 20, 21; aA Belgorodski/Friske WM 2011, 251, 253 ff; Wachter GmbHR 2006, 796, 798 f. 2 BGH GmbHR 2010, 812; OLG Karlsruhe GmbHR 2010, 643; OLG Hamm GmbHR 2011, 587; Hauschild/Kallrath/Wachter/Kilian Notarhandbuch Gesellschafts- und Unternehmensrecht, § 7 Rn 62. 3 Näher dazu Staub/Koch § 13e HGB Rn 26 ff; Oetker/Preuß § 13e HGB Rn 44 ff (jeweils mwN). 4 Vgl BegrRegE MoMiG, BR-Drucks 354/07, S. 112. 5 Näher Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 28 Rn 34 mwN. 6 Er sollte max 4 Wochen alt sein, vgl Hauschild/Kallrath/Wachter/Kilian Notarhandbuch Gesellschafts- und Unternehmensrecht, § 7 Rn 50; Süß/Wachter/Wachter HdbIntGmbHR, § 2 Rn 59. 7 Vgl Staub/Koch § 13d HGB Rn 67; MünchKomm/Pentz § 45 AktG Anh § 13e HGB Rn 23. 8 OLG Hamm GmbHR 2008, 545, 547; OLG Hamm GmbHR 2006, 1198, 1200; KG GmbHR 2005, 771 (bzgl Limited nach dem Recht der Isle of Man); Staub/Koch § 13d HGB Rn 67. 9 LG Berlin NZG 2004, 1014, 1015; Oetker/Preuß § 13e HGB Rn 26; Süß/Wachter/Wachter HdbIntGmbHR, § 2 Rn 63.

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Anh zu § 4a | Zweigniederlassung des Nachweises1, zB bei einer englischen Limited auch die Bescheinigung eines englischen Notars2. Ob auch eine Bescheinigung eines deutschen Notars gemäß § 21 BNotO genügt, erscheint hingegen eher zweifelhaft3. 32 Beizufügen ist gemäß § 13g Abs. 2 Satz 1 HGB weiterhin der Gesellschaftsver-

trag in öffentlich beglaubigter Abschrift (§ 129 BGB, § 12 Abs. 1 HGB, §§ 39a, 42 BeurkG). Sofern der Gesellschaftsvertrag nicht in deutscher Sprache erstellt ist, ist eine beglaubigte Übersetzung beizufügen, dh die Richtigkeit der Übersetzung muss durch einen nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften gerichtlich bestellten oder vereidigten Übersetzer oder Dolmetscher bestätigt werden4. Nicht erforderlich ist die Vorlage der maßgeblichen ausländischen Vorschriften (einschließlich einer etwaigen Mustersatzung) oder einer Übersetzung derselben5.

33 Zum Nachweis der Echtheit bedürfen die jeweiligen ausländischen Urkunden

grundsätzlich einer Legalisation (§ 438 Abs. 2 ZPO). Bei Vertragsstaaten des Haager Übereinkommens6 (zB UK) genügt eine Apostille7. Entbehrlich ist eine Legalisation zudem in den Fällen des Art. 61 EuGVVO nF (= Art. 56 EuGVVO aF), des Europäischen Übereinkommens von 19688 sowie auf Grund zahlreicher bilateraler Verträge9. Im Einzelfall kann das Gericht den Echtheitsbeweis aber auf Grund der Umstände des Einzelfalls auch ohne Legalisation/Apostille als erbracht ansehen (§ 438 Abs. 1 ZPO)10. 1 Dies ist richtlinienkonform, vgl Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 28 Rn 43. 2 Vgl LG Wiesbaden GmbHR 2005, 1134; Staub/Koch § 13d HGB Rn 68; Wachter ZNotP 2005, 122, 127. 3 Dafür Krafka/Kühn RegisterR, Rn 314; Hauschild/Kallrath/Wachter/Schmiegelt Notarhandbuch Gesellschafts- und Unternehmensrecht, § 25 Rn 155; Süß DNotZ 2005, 180, 184 f; dagegen: Mödl RNotZ 2008, 1, 12; Süß/Wachter/Wachter HdbIntGmbHR, § 2 Rn 67 ff; differenzierend Staub/Koch § 13d HGB Rn 68; Oetker/Preuß § 13e HGB Rn 27. 4 OLG Hamm GmbHR 2008, 545, 546 f; LG Chemnitz NZG 2006, 517; Oetker/Preuß § 13g HGB Rn 9. 5 OLG Hamm GmbHR 2011, 310, 311; OLG Zweibrücken GmbHR 2009, 147; Krafka/ Kühn RegisterR, Rn 322; Süß DNotZ 2005, 180, 187 f. 6 Haager Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Legalisation vom 5.10.1961 (BGBl 1965 II 875). 7 Vgl OLG Schleswig FGPrax 2008, 217, 219 (Schweden); LG Chemnitz NZG 2005, 760, 761 f (UK); KG GmbHR 2005, 771, 772 (Isle of Man). 8 Europäisches Übereinkommen zur Befreiung der von diplomatischen und konsularischen Vertretern errichteten Urkunden von der Legalisation vom 7.6.1968 (BGBl 1971 II 86). 9 Überblick bei Hauschild/Kallrath/Wachter/Schmiegelt Notarhandbuch Gesellschaftsund Unternehmensrecht, § 25 Rn 183. 10 Vgl zu solchen möglichen Ausnahmefällen Süß/Wachter/Wachter HdbIntGmbHR, § 2 Rn 211 f mwN. Nach LG Berlin NZG 2004, 1014, 1016 sollen Urkunden des englischen

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Nicht erforderlich sind dagegen: die Vorlage einer ggf erforderlichen staatli- 34 chen Genehmigung (dieses in § 13e Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 HGB aF normierte Erfordernis wurde im Zuge der generellen Entkoppelung von Handelsregistereintragungen von solchen Genehmigungsvorlagen durch das MoMiG (vgl dazu auch § 8 Rn 7) gestrichen; damit haben sich auch die Kontroversen um den maßgeblichen Bezugspunkt – Gegenstand der Zweigniederlassung oder des Unternehmens – und um die RL-Konformität dieser Regelung erledigt1); eine Unterschriftsprobe der „Geschäftsführer“ sowie etwaiger ständiger Vertreter (§ 13g Abs. 2 Satz2 HGB aF iVm § 8 Abs. 5 aF wurden bereits durch das EHUG (dazu vor Rn 1) gestrichen2); die Vorlage eines Jahresabschlusses3; die Vorlage eines Gesellschafterbeschlusses über die Gründung der Zweigniederlassung4. gg) Die Prüfung durch das Registergericht erstreckt sich nicht nur auf die for- 35 melle Ordnungsmäßigkeit der Anmeldung; das Registergericht prüft vielmehr – anders als bei Zweigniederlassungen inländischer Gesellschaften (vgl Rn 6) – auch, ob die Zweigniederlassung im Inland tatsächlich errichtet wurde (vgl § 13e Abs. 2 Satz 1 HGB)5. Nicht Prüfungsgegenstand ist hingegen, ob der Gegenstand der Zweigniederlassung durch denjenigen des Unternehmens gedeckt ist6. hh) Die Eintragung im Handelsregister – und damit gemäß § 10 HGB auch die 36 Bekanntmachung7 – enthalten gemäß § 13d Abs. 2 HGB zunächst Ort, inländische Geschäftsanschrift, Firma und etwaigen Zweigstellenzusatz (vgl § 13d Abs. 2 HGB). Gemäß § 13g Abs. 3 HGB enthalten sie darüber hinaus auch die (weiteren) Angaben nach § 13e Abs. 2 Satz 3 bis 5 HGB (dazu Rn 22, 24 ff) sowie nach § 10 (dh auch (Satzungs-)Sitz der Gesellschaft, Unternehmensgegenstand, die Höhe des Stammkapitals, der Tag des Abschlusses des Gesellschaftsvertrages, Personen der „Geschäftsführer“ und deren Vertretungsbefugnis sowie ggf etwaige Bestimmungen über die Zeitdauer der Gesellschaft und ein etwaiges genehmigtes Kapital).

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Registrar of Companies dagegen offenbar generell ohne Apostille als echt anzusehen sein; zu Recht kritisch dazu Heckschen NotBZ 2005, 25, 27; Süß/Wachter/Wachter HdbIntGmbHR, § 2 Rn 213; s. ferner auch Ries ZIP 2004, 2382, 2383. Näher dazu 17. Aufl Anh I zu § 4a Rn 29, Anh II zu § 4a Rn 25; Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 28 Rn 44 mwN. Näher dazu Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 28 Rn 39, 48 mwN. LG Göttingen NotBZ 2006, 34; Mödl RNotZ 2008, 1, 10. OLG Düsseldorf GmbHR 2006, 548; Krafka/Kühn RegisterR, Rn 326. OLG Karlsruhe GmbHR 2011, 1324, 1325; MünchKomm/J. Mayer Rn 54; Krafka/Kühn RegisterR, Rn 326. Näher zu den insoweit teils sehr unterschiedlichen Anforderungen in der Registerpraxis Süß/Wachter/Wachter HdbIntGmbHR, § 2 Rn 50 f. OLG Düsseldorf GmbHR 2006, 548; OLG Hamm GmbHR 2005, 1130; Krafka/Kühn RegisterR, Rn 327. Vgl Staub/Koch § 13g HGB Rn 9.

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Anh zu § 4a | Zweigniederlassung 37 Mitteilungspflichten gegenüber den Registergerichten etwaiger anderer inländi-

scher Zweigniederlassungen oder gegenüber dem ausländischen Registergericht der Gesellschaft bestehen (bislang) nicht1. Spätestens am 8.6.2017 soll jedoch das neue europäische System der Registervernetzung, das sog Business Registers Interconnection System (BRIS)2, das sich derzeit noch im Aufbau befindet, „live“ gehen. Die maßgebliche Änderungs-RL 2012/17/EU3 wurde in Deutschland jedoch durch Gesetz vom 22.12.20144 bereits umgesetzt (vgl §§ 8b, 13e Abs. 6 HGB nF) und die Kommission hat schon die erforderliche Durchführungs-VO5 erlassen

38 ii) Zweigniederlassungen ausländischer Gesellschaften unterliegen darüber hi-

naus auch einer Reihe von Anforderungen im Hinblick auf die laufende Publizität. Gemäß § 13g Abs. 4 Satz 1 HGB sind Satzungsänderungen anzumelden, wobei gemäß Satz 2 die § 54 Abs. 1 und 2 entsprechend gelten, soweit nicht das ausländische Recht Abweichungen nötig macht. Dh dass die Satzung jeweils im vollständigen neuen Wortlaut einzureichen ist (§ 54 Abs. 1 Satz 1) – und zwar entsprechend § 13g Abs. 2 Satz 1 HGB (dazu Rn 32) ggf mit einer beglaubigten Übersetzung6 – und mit einer notariellen Bescheinigung entsprechend § 54 Abs. 1 Satz 27; eingetragen wird aber – sofern die Abänderung nicht die in § 10 (dazu Rn 36 sowie § 10 Rn 4 ff) bezeichneten Angaben betrifft – nur die Bezugnahme auf die beim Gericht eingereichten Dokumente. Gemäß § 13g Abs. 5 HGB iVm § 39 müssen weiterhin – soweit das ausländische Recht nicht Abweichungen nötig macht – jede Änderung in den Personen der „Geschäftsführer“ sowie die Beendigung der Vertretungsbefugnis eines „Geschäftsführers“ angemeldet werden; neue „Geschäftsführer“ müssen dabei gemäß § 13g Abs. 5 HGB iVm § 39 Abs. 3 eine Versicherung bzgl etwaiger Bestellungshindernisse (s. dazu Rn 28 sowie § 39 Rn 9) abgeben8. Ferner sind gemäß § 13g Abs. 5 HGB zur Ein1 Vgl Süß/Wachter/Wachter HdbIntGmbHR, § 2 Rn 223 f. 2 Näher zur Registerverknüpfung: Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 19 Rn 7, 16, § 28 Rn 2, 73, 92; Bayer/J. Schmidt BB 2012, 3, 4 f; Bayer/J. Schmidt BB 2015, 1731, 1735. 3 RL 2012/17/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.6.2012 zur Änderung der RL 89/666/EWG des Rates sowie der Richtlinien 2005/56/EG und 2009/101/ EG des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die Verknüpfung von Zentral-, Handels- und Gesellschaftsregistern, ABlEU Nr. L 156 v. 16.6.2012, S. 1. 4 Gesetz zur Umsetzung der RL 2012/17/EU in Bezug auf die Verknüpfung von Zentral-, Handels- und Gesellschaftsregistern in der Europäischen Union vom 22.12.2014, BGBl I 2409. Dazu Stiegler NotBZ 2015, 329 ff; Terbrack DStR 2014, 236 f. 5 Durchführungsverordnung (EU) 2015/884 der Kommission vom 8.6.2015 zur Festlegung technischer Spezifikationen und Verfahren für das System der Registervernetzung gemäß RL 2009/101/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, ABlEU Nr. L 144 v. 10.6.2015, S. 1. Vgl dazu Bayer/J. Schmidt BB 2015, 1731, 1735. 6 MünchKomm/J. Mayer Rn 52; MünchKomm/Krafka § 13g HGB Rn 8. 7 Dazu näher Süß/Wachter/Wachter HdbIntGmbHR, § 2 Rn 233. 8 Vgl Staub/Koch § 13g HGB Rn 12; Süß/Wachter/Wachter HdbIntGmbHR, § 2 Rn 229.

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Zweigniederlassung | Anh zu § 4a

tragung anzumelden (wiederum mit dem Vorbehalt der Notwendigkeit etwaiger Abweichungen auf Grund des ausländischen Rechts): Auflösung der Gesellschaft (§ 65 Abs. 1 Satz 1, dazu noch § 65 Rn 1 ff), Liquidatorenbestellung (§ 67 Abs. 1 und 2, dazu noch § 67 Rn 2 ff) und Schluss der Liquidation (§ 74 Abs. 1 Satz 1, dazu noch § 74 Rn 9 ff) gemäß § 13e Abs. 4 HGB ist darüber hinaus auch die Eröffnung oder Ablehnung eines Insolvenzverfahrens oder ähnlichen Verfahren über das Vermögen der Gesellschaft zur Eintragung anzumelden (im Falle der Insolvenz wird Publizität darüber hinaus auch durch Art. 21 f EuInsVO (ab 26.6.2017: Art. 28 EuInsVO nF) iVm Art. 102 §§ 5, 6 EGInsO1 bzw § 345 InsO geschaffen2). Gemäß § 13e Abs. 3 Satz 1 HGB muss außerdem jede Änderung betreffend die Person etwaiger ständiger Vertreter oder ihrer Vertretungsbefugnis zur Eintragung angemeldet werden3; die Anmeldepflicht trifft hier ausnahmsweise nicht die „Geschäftsführer“, sondern die ständigen Vertreter selbst; sofern jedoch der einzige ständige Vertreter ausscheidet, trifft die Anmeldepflicht die „Geschäftsführer“4. Die Rechnungslegungspublizität in Bezug auf inländische Zweigniederlassun- 39 gen ist in § 325a HGB geregelt (dazu – speziell auch mit Blick auf die unionsrechtliche Problematik – Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 28 Rn 23 ff, 57 f mzwN), die Publizität im Hinblick auf die Geschäftskorrespondenz in § 35a Abs. 4 (dazu § 35a Rn 4). jj) Für die Aufhebung einer Zweigniederlassung gelten die Vorschriften über 40 die Errichtung entsprechend (§ 13g Abs. 6 HGB). Besonderheiten gelten, wenn die Zweigniederlassung aufgehoben wird, deren Register die Gesellschaft in Ausübung des Optionsrechts aus § 13e Abs. 5 HGB (dazu Rn 20) zum „Hauptregister“ bestimmt hat, kann die Gesellschaft ein neues „Hauptregister“ bestimmen; andernfalls müssen die Meldungen zu den anderen Registern nachgeholt werden5. Wird die Gesellschaft im ausländischen Register gelöscht, so ist die Zweignie- 41 derlassung gemäß § 395 FamFG grundsätzlich von Amts wegen zu löschen6. Besonderheiten gelten allerdings, soweit eine sog Restgesellschaft besteht. Für die Verlegung einer inländischen Zweigniederlassung gilt § 13h HGB ent- 42 sprechend7. 1 Dazu Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 16 Rn 53 f mwN. 2 Vgl Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 28 Rn 21; Oetker/Preuß § 13e HGB Rn 70 f. 3 Näher dazu Staub/Koch § 13e HGB Rn 36 f; Oetker/Preuß § 13e HGB Rn 65 f; Voigt S. 226 f. 4 BegrRegE 11.-RL-Gesetz, BR-Drucks 690/92, S. 47; OLG München GmbHR 2011, 1043; Staub/Koch § 13e HGB Rn 37. 5 Vgl Staub/Koch § 13g HGB Rn 14; Oetker/Preuß § 13g HGB Rn 34. 6 Krafka/Kühn RegisterR, Rn 337a. 7 OLG München GmbHR 2011, 143; Süß/Wachter/Wachter HdbIntGmbHR, § 2 Rn 239 ff.

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Anh zu § 4a | Zweigniederlassung 8. Kosten 43 Der Geschäftswert für die Notargebühren bestimmt sich nach § 105 Abs. 1

Satz 1 Nr. 1 GNotKG für die erstmalige Anmeldung, für spätere Änderungen, insb Verlegung, nach § 105 Abs. 4 Nr. 1 GNotKG1. Der Geschäftswert beträgt mindestens 30 000 Euro und höchstens 1 Mio Euro (§ 107 Abs. 1 GNotKG). Die Ermäßigung nach § 105 Abs. 5 GNotKG gilt indes nicht für die Zweigniederlassung, da diese Vorschrift sich auf die inländische Geschäftsanschrift nach §§ 8 Abs. 4 Nr. 1, 10 Abs. 1 GmbHG bezieht. Es fällt für die Beurkundung der Anmeldung eine halbe Gebühr nach Zi. 21201 Nr. 5 KV bzw im Regelfall für den Entwurf nach Zi. 24102, 21201 Nr. 5 KV, § 92 Abs. 2 GNotKG an. Zusätzlich entsteht für die Erzeugung der XML-Strukturdaten gemäß Nr. 22114 KV, § 112 GNotKG eine 0,3 Gebühr (höchstens 250 Euro).

44 Die Kosten des Registergerichts betreffend die Zweigniederlassung bestimmen

sich gemäß § 58 Abs. 1 GNotKG nach der HRegGebV2. Für die Ersteintragung einer Zweigniederlassung entsteht die Gebühr Zi. 2200 GV (120 Euro) unabhängig davon, ob die Zweigniederlassung nachträglich oder mit der Hauptniederlassung eingetragen wird, § 2 Abs. 1 HRegGebV. Eine spätere Änderung bzgl der Zweigniederlassung, zB Verlegung, löst die allgemeine Änderungsgebühr nach Zi. 2500 GV (70 Euro) aus. Die Verlegungsgebühr nach Zi. 2300 ist auf die Zweigniederlassung gerade nicht anzuwenden, da diese nur für den Sitz der Gesellschaft, mithin die Hauptniederlassung gilt, vgl § 4a. Für die Löschung der Zweigniederlassung fällt diese Änderungsgebühr ebenfalls an, da dies nicht mit der Löschung der Hauptniederlassung gleichgesetzt werden kann, für die gemäß Vorb 2 Abs. 4 GV keine Gebühr anfällt3. Erfolgt die Anmeldung der Veränderung gemeinsam mit anderen Tatsachen, so ermäßigt sich die Gebühr nach Zi. 2501, 2502 GV. Hat die Gesellschaft ihren Sitz im Ausland, so wird eine Zweigniederlassung in Deutschland bei den Gebühren wie eine inländische Hauptniederlassung behandelt, Vorb 2 Abs. 1 GV.

45 Für die Bekanntmachung fallen nur Kosten an, wenn dem Gericht tatsächlich

Auslagen entstanden, Zi. 31004 GV (GNotKG). Die frühere Pauschale ist entfallen. Der Vorschuss nach §§ 12 ff GNotKG stellt nach zutreffender Rechtsprechung des EuGH keine Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit dar4.

1 Bormann/Diehn/Sommerfeldt/Bormann § 105 GNotKG Rn 21. 2 Vom 30.9.2004; zuletzt geändert durch Gesetz vom 24.4.2015 (BGBl I 642). 3 Ebenso BeckOK Kostenrecht/Thamke, HRegGebV GV 2200 Rn 3; Korintenberg/Thamke GNotKG, 19. Aufl 2015, GV Nr. 2500 GV Rn 5. 4 EuGH Slg 2006, I-4929 = GmbHR 2006, 707 – Innoventif.

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Stammkapital; Geschäftsanteil | § 5

§5 Stammkapital; Geschäftsanteil (1) Das Stammkapital der Gesellschaft muss mindestens fünfundzwanzigtausend Euro betragen. (2) Der Nennbetrag jedes Geschäftsanteils muss auf volle Euro lauten. Ein Gesellschafter kann bei Errichtung der Gesellschaft mehrere Geschäftsanteile übernehmen. (3) Die Höhe der Nennbeträge der einzelnen Geschäftsanteile kann verschieden bestimmt werden. Die Summe der Nennbeträge aller Geschäftsanteile muss mit dem Stammkapital übereinstimmen. (4) Sollen Sacheinlagen geleistet werden, so müssen der Gegenstand der Sacheinlage und der Nennbetrag des Geschäftsanteils, auf den sich die Sacheinlage bezieht, im Gesellschaftsvertrag festgesetzt werden. Die Gesellschafter haben in einem Sachgründungsbericht die für die Angemessenheit der Leistungen für Sacheinlagen wesentlichen Umstände darzulegen und beim Übergang eines Unternehmens auf die Gesellschaft die Jahresergebnisse der beiden letzten Geschäftsjahre anzugeben. Abs. 1 und 4 geändert durch die Novelle 1980; Abs. 1 und 3 nochmals geändert zum 1.1. 1999 durch das Euro-Einführungsgesetz (EuroEG); zur Umstellung des Stammkapitals auf Euro ausführlich § 1 EGGmbHG; gesamte Vorschrift geändert und amtliche Überschrift eingefügt durch das MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl I 2026). I. II. III. IV. 1. 2. 3. 4. 5. 6. V. 1. 2.

Kapitalaufbringung . . . . . . . . . Definitionen . . . . . . . . . . . . . . Stammkapital . . . . . . . . . . . . . Geschäftsanteil . . . . . . . . . . . . Nennbetrag, Summe, Divergenzverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mehrere Geschäftsanteile, Nummerierung . . . . . . . . . . . . . . . . Höhe der Nennbeträge, Agio (Aufgeld) . . . . . . . . . . . . . . . . . Form, Fälligkeit, Erfüllung . . . . Verbot der Selbstzeichnung . . . . Zwingendes Recht . . . . . . . . . . Sacheinlagen (§ 5 Abs. 4) . . . . . Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . Erfüllungsvereinbarung . . . . . . .

1 2 5 6

3. 4. 5. 6.

6

7.

7

8. 9. 10. 11.

8 9 10 11 12 12 13

12. 13. 14.

Einlagefähigkeit . . . . . . . . . . . . Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . Wert- und Mängelhaftung . . . . . Förmliche Voraussetzungen der Sacheinlage . . . . . . . . . . . . . . . Änderungen von Bar- in Sacheinlagen und umgekehrt . . . . . . . . Sachübernahme . . . . . . . . . . . . Gemischte Sacheinlage . . . . . . . Mischeinlage . . . . . . . . . . . . . . Sonstige Vereinbarungen über den Erwerb von Gegenständen ohne Verrechnungsabrede . . . . . Bareinlage mit Sachagio . . . . . . Sonstiges . . . . . . . . . . . . . . . . . Verdeckte Sacheinlage . . . . . . .

14 24 30 31 37 38 41 42 43 44 45 46

Literatur: Bayer „MoMiG II“ – Plädoyer für eine Fortführung der GmbH-Reform, GmbHR 2010, 1289; Bormann Der Entwurf des „MoMiG“ und die Auswirkungen auf die

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§ 5 | Stammkapital; Geschäftsanteil Kapitalaufbringung, GmbHR 2006, 1021; Grunewald/Noack Zur Zukunft des Kapitalsystems der GmbH – Die Ein-Euro-GmbH in Deutschland, GmbHR 2005, 189; Haas Mindestkapital und Gläubigerschutz in der GmbH, DStR 2006, 993; Kleindiek Krisenvermeidung in der GmbH: Gesetzliches Mindestkapital, Kapitalschutz und Eigenkapitalersatz, ZGR 2006, 335; Lutter Sicherung der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung in den Aktien- und GmbH-Rechten der EWG, 1964; Lutter (Hrsg), Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 2006; Lutter Fehler schaffen neue Fehler, GmbHR 2010, 1177; vgl weiter vor Rn 6, 12.

I. Kapitalaufbringung 1 Das Kapital verschafft der GmbH die finanzielle Grundlage für die unternehme-

rische Tätigkeit, sichert damit zugleich die Seriosität der Gründung und fördert den Bestands- und den Gläubigerschutz. Gedanklicher Hintergrund ist die fehlende Haftung der Gesellschafter (§ 13 Abs. 2) und die Pflicht zum Insolvenzantrag (§ 15a InsO, dazu bei Anh zu § 64 Rn 1 ff), wenn die eigenen Mittel der GmbH ihre Schulden nicht mehr decken. Das Gesetz sichert seine Grundentscheidung mit vielen Vorschriften (§§ 5, 7 Abs. 3, 8 Abs. 2, 9–9c, 19 ff), die sich insgesamt im Grundsatz der realen Kapitalaufbringung verbinden: Der GmbH muss Vermögen mindestens in Höhe ihres Stammkapitals auch tatsächlich zufließen1. Durch die Änderungen des MoMiG wird dieses Prinzip allerdings in Zweifel gezogen (§ 19 Rn 101 ff).

II. Definitionen 2 1. Das Stammkapital ist eine auf Euro – oder für Alt-GmbH auch noch auf DM

– lautende Ziffer und bestimmt die Summe von Geld oder geldwerten Einlagen, die von den Gesellschaftern mindestens zu erbringen sind. Da das Stammkapital in der Bilanz der GmbH immer auf der Passivseite stehen muss, ist es weiterhin der rechnerische Teil ihres Vermögens, der nicht an die Gesellschafter verteilt werden darf (Sicherung der Kapitalerhaltung, §§ 30–34).

3 2. Geschäftsanteil ist der mitgliedschaftliche Anteil des einzelnen Gesellschaf-

ters (vergleichbar der Aktie); sein Nennwert bestimmt (von Sonderregeln in der Satzung abgesehen) die Summe seiner Rechte und Pflichten im Verhältnis zur GmbH und zu den anderen Gesellschaftern; die Summe der Nennwerte aller Geschäftsanteile entspricht der Ziffer des Stammkapitals (vgl § 5 Abs. 3 Satz 2).

4 3. Stammeinlage ist der in Euro – oder noch in DM – ausgedrückte Betrag, wel-

chen der einzelne Gesellschafter als Einlage auf das Stammkapital zu erbringen verpflichtet ist. Der Begriff „Stammeinlage“ ist im Zuge des MoMiG weitgehend

1 Lutter Kapital, S. 42 ff.

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Stammkapital; Geschäftsanteil | § 5

durch den Begriff „Nennbetrag des Geschäftsanteils“ ersetzt worden (vgl § 3 Abs. 1 Nr. 4, § 5, § 14)1.

III. Stammkapital Das Stammkapital wird in der Satzung ausdrücklich festgelegt; es beträgt – nach 5 kontroverser Diskussion2 und entgegen dem RegE3 auch nach dem MoMiG unverändert – mindestens 25 000 Euro oder jede beliebige höhere auf volle Euro lautende Summe; die Höhe wird durch die Gesellschafter frei bestimmt4. Seine primäre Funktion ist die Ausstattung der GmbH mit dem für die Verfolgung des Gesellschaftszwecks notwendigen Eigenkapital, insbesondere soll es eine alsbaldige Überschuldung der GmbH und damit ihre Insolvenz vermeiden5. Jede Gründung bewirkt Anlaufverluste; wäre die GmbH nur fremdfinanziert, so wäre sie zwangsläufig kurz nach der Gründung insolvenzreif. Die Kapitalausstattung darf daher nicht völlig unangemessen im Verhältnis zu den Verlustrisiken der GmbH sein6. Das gilt nicht nur für die schwierige Gründungsphase, sondern für die ganze Dauer der GmbH. Diese Ausstattungspflicht über den Mindestbetrag hinaus muss allerdings nicht förmlich durch Stammkapital, sondern kann auch durch Rücklagen oder Gesellschafterdarlehen geschehen. Sog „formelle Unterkapitalisierung“ schadet nicht; jenseits des Mindeststammkapitals steht die Form der Finanzierung den Gesellschaftern frei. Zur kontrovers diskutierten Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung ausführlich § 13 Rn 20 ff.

IV. Geschäftsanteil Literatur: Bayer Gesellschafterliste: Einreichungspflichtige Veränderungen der Beteiligungsverhältnisse, GmbHR 2012, 1; Blath Einziehung und Nennbetragsanpassung, GmbHR 2011, 1177; Cleringhaus, Voraussetzungen und Folgen der Einziehung von GmbH- Geschäftsanteilen, RNotZ 2011, 449; Haberstroh, Nichtigkeit des Beschlusses zur Einziehung von Geschäftsanteilen wegen Verstoßes gegen § 5 III 2 GmbHG, NZG 2010, 1094; Heckschen, Gründungserleichterungen nach dem MoMiG – Zweifelsfragen in der Praxis, DStR 2009, 166; Kleindiek Die Einziehung von GmbH-Geschäftsanteilen und das Konvergenzgebot aus § 5 III 2 GmbHG, NZG 2015, 489; Markowsky, Die Einziehung von GmbH-Geschäftsanteilen, 2013; Römermann Ausschließung von GmbH-Gesellschaftern und Einziehung von Anteilen: Ein Minenfeld, NZG 2010, 96; Schmidt/Stürner Die teleolo1 Dazu BegrRegE, BT-Drucks 16/6140, S. 28. 2 Dazu etwa Grunewald/Noack GmbHR 2005, 189 ff; Haas DStR 2006, 993 ff; Bormann GmbHR 2006, 1021, 1022 f; Kleindiek ZGR 2006, 335, 337 ff. 3 BT-Drucks 16/6140, S. 5. 4 Scholz/Veil Rn 11; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 15. 5 Ausführlich U/H/L/Ulmer/Casper Rn 12 ff. 6 BGHZ 31, 258, 268 – Lufttaxi.

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§ 5 | Stammkapital; Geschäftsanteil gische Reduktion des Konvergenzgebots bei Einziehungsbeschlüssen in der GmbH, ZIP 2015, 1521; Ulmer Die Einziehung von GmbH-Anteilen – ein Opfer der MoMiG-Reform?, DB 2010, 321.

1. Nennbetrag, Summe, Divergenzverbot 6 Jeder Gesellschafter muss mindestens einen Geschäftsanteil und damit die Ver-

pflichtung zu einer Leistung auf das Stammkapital an die GmbH übernehmen (§§ 3 Abs. 1 Nr. 4, 14 Satz 1). Diese Übernahme ist notwendiger Teil der Satzung (s. § 3 Rn 17). Die Höhe der Nennbeträge der einzelnen Geschäftsanteile – auch desselben Gesellschafters – und damit zugleich auch die jeweilige Einlagepflicht (vgl § 14 Satz 2) können unterschiedlich hoch sein (§ 5 Abs. 3 Satz 1); ihre Summe muss allerdings genau der Ziffer des Stammkapitals entsprechen (§ 5 Abs. 3 Satz 2; Grundsatz der notwendigen Vollübernahme des Kapitals). Nach der BegrRegE MoMiG bezieht sich § 5 Abs. 3 Satz 2 „nicht nur auf das Gründungsstadium, sondern auch auf den weiteren Verlauf der Gesellschaft. Bei der Einziehung des Geschäftsanteils eines anderen Gesellschafters gemäß § 34 bleibt daher das Stammkapital gleich, obwohl sich die Summe der Nennbeträge der Geschäftsanteile aufgrund der Einziehung des einen Geschäftsanteils verringert. Ein solches Auseinanderfallen der Summe der Nennbeträge der Geschäftsanteile und des Nennbetrags des Stammkapitals ist künftig im Gegensatz zum geltenden Recht unzulässig.“1 Dieser Auffassung hat sich ein Teil des Schrifttums2 und auch der Rechtsprechung3 angeschlossen. Die Annahme, dass die durch Einziehung eines Geschäftsanteils bewirkte Divergenz nicht mehr zulässig ist (sog Divergenzverbot), wurde indes von der überwiegenden Auffassung in Lit und Rspr mit überzeugenden Argumenten bestritten4: So wurde darauf hingewiesen, dass § 5 Abs. 3 Satz 2 lediglich der Charakter einer Gründungsvorschrift zukomme. Weiterhin habe das in der BegrRegE angesprochene Verbot eines späteren Auseinanderfallens im Wortlaut der Vorschrift keinen Niederschlag gefunden; es sei lediglich im Rahmen der Neuformulierung der Begriff der „Stammeinlagen“ durch den „des Nennbetrags der Geschäftsanteile“ ersetzt worden (vgl Rn 4). Dieser Auffassung hat sich nunmehr auch der BGH ausdrücklich angeschlossen5 und ausgeführt, dass sich durch die Neuregelung die

1 Vgl BegrRegE, BT-Drucks 16/6140, S. 31. 2 Heckschen DStR 2009, 166, 169; Haberstroh NZG 2010, 1094 ff; Römermann NZG 2010, 96, 99; Michalski/Zeidler Rn 34; Scholz/Veil Rn 27. 3 LG Essen GmbHR 2010, 1034, 1036; LG Neubrandenburg GmbHR 2011, 823 = ZIP 2011, 1214. 4 So Ulmer DB 2010, 321 ff; Lutter GmbHR 2010, 1177 ff; OLG Saarbrücken GmbHR 2012, 209, 211 f; OLG Rostock GmbHR 2013, 752, 753 ff; ausführlich 18. Aufl Rn 6 mwN. 5 Ebenso U/H/L/Ulmer/Casper Rn 24; G/E/S/Franzmann/Born Rn 14; B/S/Schäfer Rn 7.

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Rechtslage entgegen den Ausführungen in der BegrRegE nicht geändert habe1. Keineswegs sind daher Einziehungsbeschlüsse, die gegen das Konvergenzgebot verstoßen, nichtig oder anfechtbar. Abgelehnt werden vom BGH auch die vermittelnden Ansichten, wonach eine automatische proportionale Anpassung der Nennbeträge aller verbliebenen Geschäftsanteile erfolgt2, oder die GmbH den Geschäftsanteil automatisch erwirbt3. Vielmehr ist es – wie früher4 – unschädlich, wenn die Summe der Nennbeträge nach der Einziehung nicht mehr dem Betrag des Stammkapitals entspricht; dieser „Schönheitsfehler“ kann nachträglich durch eine Nennbetragsanpassung aufgrund eines Gesellschaftsbeschlusses beseitigt werden (vgl auch § 34 Rn 3 ff). Offengelassen hat der BGH indes die Frage, ob die Tatsache der Einziehung in der Gesellschafterliste zu vermerken ist (wofür gute Gründe sprechen5; vgl näher § 40 Rn 20). 2. Mehrere Geschäftsanteile, Nummerierung Jeder Gesellschafter kann mehrere Geschäftsanteile übernehmen (§ 5 Abs. 2 7 Satz 2), die mit einer fortlaufenden Nummer versehen werden (vgl § 40 Abs. 1 Satz 1; § 40 Rn 5). Das frühere Verbot (§ 5 Abs. 2 aF) wollte die Stückelung von Geschäftsanteilen verhindern und Distanz zur Aktie erreichen. Das MoMiG hält diese Gründe nicht länger für tragfähig, da ein Handel mit GmbH-Anteilen bereits wirksam durch § 15 Abs. 3 ausgeschlossen ist und §§ 40, 16 Abs. 1, 3 für übersichtliche Beteiligungsverhältnisse sorgen6. Teilung und Zusammenlegung von Geschäftsanteilen wurden durch die Neufassung erleichtert (ausführlich § 46 Rn 17 ff mwN). Die allgemeine Empfehlung, künftig bei Neugründung generell 1-Euro-Geschäftsanteile zu bilden7, ist nicht ohne Risiko und hat auch Nachteile8 (daher Vorsicht!).

1 So BGH GmbHR 2015, 416 mit zustimmender Anm Blunk/Rabe; zustimmend auch J. Schmidt WuB 2015, 271; ausführlich Kleindiek NZG 2015, 489 ff („überzeugende Klarstellung“); kritisch hingegen Römermann EWiR 2015, 169, 170 („dogmatisch mehr als fragwürdige Lösung“); zweifelnd auch Schmidt/Stürner ZIP 2015, 1521 ff. 2 So Lutter seit der 13. Aufl; ebenso Priester FS Kellermann, 1991, S. 337, 349 f; Baumann MittRhNotK 1991, 271, 274; vgl auch OLG Düsseldorf v. 7.2.2007 – 15 U 130/06 Rn 24. Zur Kritik Markowsky S. 276 ff mwN. 3 So Meyer NZG 2009, 1201, 1203; Stehmann GmbHR 2013, 574, 576 ff. 4 So BayObLG DNotZ 1992, 182; Scholz/H.P. Westermann 10. Aufl, § 34 Rn 62, 67; U/H/W/ Ulmer 1. Aufl, § 34 Rn 65; Wolff GmbHR 1999, 958, 959 f. 5 Vgl Bayer GmbHR 2012, 1, 3; Wachter BB 2015, 784; J. Schmidt WuB 2015, 271, 274. 6 So BegrRegE, BT-Drucks 16/6140, S. 30. 7 So Förl RNotZ 2008, 409, 417; vgl auch Katschinski/Rawert ZIP 2008, 1993, 1995 f. 8 Richtig Heckschen DStR 2009, 166, 169; zustimmend U/H/L/Ulmer/Casper Rn 22; R/A/ Roth Rn 25.

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§ 5 | Stammkapital; Geschäftsanteil 3. Höhe der Nennbeträge, Agio (Aufgeld) 8 Die Nennbeträge der Geschäftsanteile müssen auf volle Euro lauten (§ 5 Abs. 2

Satz 1); eine Obergrenze gibt es nicht. Entsprechendes gilt für Umwandlungen (§§ 46 Abs. 1 Satz 3, 56, 243 Abs. 3 Satz 2 UmwG); ebenso bei der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (§ 57h Abs. 1 Satz 2) oder der Kapitalherabsetzung (dazu § 58 Rn 11, § 58a Abs. 3 Satz 2). Der Mindestbetrag kennzeichnet die unabdingbare Mindestleistungspflicht auf den betreffenden Geschäftsanteil. Es gilt analog § 9 Abs. 1 AktG das Verbot der Unterpari-Emission1. Ein Mehrbetrag (Agio oder Aufgeld) ist zulässig; dieser ist nicht als Einlageleistung zu qualifizieren2; Fälligkeit, Art der Leistung etc richten sich nach Maßgabe der Satzung, sofern als (korporationsrechtliche) Nebenleistung gemäß § 3 Abs. 2 vereinbart3 (s. § 3 Rn 24 ff, 27), sonst gilt die (schuldrechtliche) Vereinbarung zwischen der Gesellschaft und dem (künftigen) Gesellschafter4. Das Agio ist kein (Stamm-)Kapital (vgl auch § 3 Rn 12, 27), sondern in der Bilanz bei korporationsrechtlicher Verpflichtung gemäß §§ 272 Abs. 2 Nr. 1, 266 Abs. 3 A II HGB5, bei schuldrechtlicher Verpflichtung gemäß § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB6 als Kapitalrücklage auszuweisen. Es gelten grundsätzlich auch nicht die besonderen Grundsätze und Regeln für die Kapitalaufbringung (ausführlich § 3 Rn 27 mwN), daher kann das Agio auch bedingt oder befristet vereinbart werden7. Zu besonderen Problemen bei der Bareinlage mit Sachagio Rn 44. 4. Form, Fälligkeit, Erfüllung

9 Zu den Förmlichkeiten der Übernahme vgl § 3 Rn 13 ff, zu Fälligkeit und Erfül-

lung vgl § 19 Rn 8 ff, 12 ff.

5. Verbot der Selbstzeichnung 10 Die GmbH soll Vermögen in Höhe des Kapitals erhalten, kann an sich selbst

aber nichts leisten; daher kann sie selbst keinen Geschäftsanteil übernehmen8;

1 Scholz/Veil Rn 28; B/S/Schäfer Rn 12; zum früheren Recht bereits BGHZ 68, 191, 195 (allgemeine Meinung). 2 So ganz hM: U/H/L/Ulmer/Casper Rn 174; B/H/Fastrich Rn 11; R/A/Roth Rn 25; aA Herchen Agio und verdecktes Agio im Recht der Kapitalgesellschaften, 2004, S. 139 ff. 3 Scholz/Veil Rn 21; B/H/Fastrich Rn 11. 4 U/H/L/Ulmer/Casper Rn 174 ff. 5 B/H/Fastrich Rn 11; MünchKomm/Schwandtner Rn 50; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 172. 6 MünchKomm/Schwandtner Rn 50a. 7 Dazu Harrer GmbHR 1994, 361 ff; anders in der AG: MünchKomm/Bayer § 63 AktG Rn 5. 8 MünchKomm/Schwandtner Rn 40; Michalski/Zeidler Rn 36; dies gilt auch im Rahmen einer Kapitalerhöhung: BGH AG 2011, 876 Rn 14 mit zustimmender Anm E. Vetter EWiR 2011, 793.

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die Übernahme ist unwirksam. Wird sie dennoch im Handelsregister eingetragen, so ist die GmbH wirksam entstanden; ihr steht der Geschäftsanteil zu, sie muss ihn aber umgehend verwerten oder einziehen (§ 34); für die etwaige Differenz haften die anderen Gesellschafter anteilig entsprechend § 24. Übernimmt ein Dritter für Rechnung der GmbH, so ist allein er verpflichtet (entsprechend § 56 AktG); sein Erstattungsanspruch hängt von § 33 ab. Gleiche Grunderwägungen gelten für ein kapitalmäßig verflochtenes Unternehmen (Beispiel: A bringt als Sacheinlage die von ihm gehaltenen Geschäftsanteile an der X-GmbH ein; sodann übernimmt auch die X-GmbH einen Geschäftsanteil), da es eine teilweise Selbstzeichnung wäre1. Die Grenzziehung ist in Anlehnung an § 71d AktG zu finden: Eine Mehrheitsbeteiligung der GmbH schließt jede Kapitalübernahme durch die Beteiligungsgesellschaft aus. 6. Zwingendes Recht Die Vorschriften der Abs. 1–3 sind gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 und 4 zwingend2; bei 11 Verstoß treten die in § 3 Rn 20 geschilderten Rechtsfolgen ein. Werden durch Gesellschafterbeschluss im Rahmen einer Kapitalerhöhung Geschäftsanteile unter Verstoß gegen § 5 Abs. 2, 3 gebildet, so ist der Beschluss gemäß § 134 BGB nichtig3.

V. Sacheinlagen (§ 5 Abs. 4) Literatur: Bayer/Lieder Einbringung von Dienstleistungen in die AG, NZG 2010, 86; Boehme Kapitalaufbringung durch Sacheinlagen, insbesondere obligatorische Nutzungsrechte, 1999; Boehme Sacheinlagefähigkeit von Lizenzen, GmbHR 2000, 841; Bongen/Renaud Sachübernahmen, GmbHR 1992, 100; Bork Die Einlagefähigkeit obligatorischer Nutzungsrechte, ZHR 154 (1990), 205; Ekkenga Zur Aktivierungs- und Einlagefähigkeit von Nutzungsrechten nach Handelsbilanz- und Gesellschaftsrecht, ZHR 161 (1997), 599; Frey Einlagen in Kapitalgesellschaften, 1990; Giedinghagen/Lakenberg Kapitalaufbringung durch Dienstleistungen?, NZG 2009, 201; Götting Die Einlagefähigkeit von Lizenzen an Immaterialgüterrechten, AG 1999, 1; Habersack Die gemischte Sacheinlage, FS Konzen, 2006, S. 179; Habersack Dienst- und Werkleistungen des Gesellschafters und das Verbot der verdeckten Sacheinlage und des Hin- und Herzahlens, FS Priester, 2007, S. 157; Heinze Der Sacheinlagebegriff des § 20 UmwStG – Neues Gestaltungspotenzial im Kapitalgesellschaftsrecht?, ZNotP 2012, 87; Herrler Erfüllung der Einlageschuld und entgeltliche Dienstleistungen durch Aktionäre, NZG 2010, 407; Hoffmann Die unzulässige Einlage von Dienstleistungen im GmbH- und Aktienrecht, NZG 2001, 433; Hoffmann-Becking Fehlerhafte offene Sacheinlage versus verdeckte Sacheinlage, Liber amicorum M. Winter,

1 Lutter Kapital, S. 100 ff, 187 ff. 2 Scholz/Veil Rn 29; B/S/Schäfer Rn 15. 3 B/S/Schäfer Rn 16; zum früheren Recht: BGH GmbHR 2005, 1494 mit Anm Liese und Anm Lange WuB IV A § 134 BGB 1.06.

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§ 5 | Stammkapital; Geschäftsanteil 2011, S. 237; Hoffmeister Entgeltliche Dienstvereinbarungen und Kapitalaufbringung bei Gründung der AG, AG 2010, 261; Lawall/Wille/Konopatzki Unwirksamkeit der Erbringung einer Sacheinlage bei fehlenden Angaben zu den Gründern der Aktiengesellschaft, AG 2009, 529; Lubberich Sachagio bei GmbH-Gründungen und Kapitalerhöhungen – Gestaltungsmöglichkeiten und Risiken im Überblick, DNotZ 2016, 164; Mülbert Sacheinlagepflicht, Sacheinlagevereinbarung und Sacheinlagefestsetzungen im Aktien- und GmbHRecht, FS Priester, 2007, S. 485; Pentz Genehmigtes Kapital, Belegschaftsaktien und Sacheinlagefähigkeit obligatorischer Nutzungsrechte – das adidas-Urteil des BGH, ZGR 2001, 901; Pentz Gemischte Sacheinlage ohne Offenlegung des Vergütungsbestandteils, Liber amicorum M. Winter, 2011, S. 499; Priester Die Festsetzungen im GmbH-Vertrag bei Einbringung von Unternehmen, BB 1980, 19; Schaefer/Grützediek Die Haftung des Gesellschafters für mangelhafte Sacheinlagen, DB 2006, 1040; Sosnitza Die Einlagefähigkeit von Domain-Namen bei der Gesellschaftsgründung, GmbHR 2002, 821; Steinbeck Obligatorische Nutzungsüberlassung als Sacheinlage und Kapitalersatz, ZGR 1996, 116; Theusinger/ Liese Keine verdeckte Sacheinlage bei der „Einlage“ von Dienstleistungen, NZG 2009, 641; Trölitzsch Differenzhaftung für Sacheinlagen in Kapitalgesellschaften, 1998; Wohlschlegel Gleichbehandlung von Sacheinlagen und Sachübernahmen im Gründungsrecht der GmbH, DB 1995, 2053.

1. Überblick 12 Das Gesetz geht davon aus, dass die in Geld ausgedrückten Nennbeträge der Ge-

schäftsanteile auf das ebenfalls in Euro lautende Stammkapital in Geld geleistet werden, erlaubt aber unter bestimmten Voraussetzungen auch die Leistung anderer Gegenstände statt Geld. Daraus folgt zweierlei: (1) Sacheinlage ist jede befreiende Leistung auf das Stammkapital, die nicht in Geld besteht; (2) eine solche Leistung befreit nur, wenn sie nach den Regeln des § 5 Abs. 4 festgelegt ist. Im Interesse des Gläubigerschutzes (Einbringung überbewerteter oder mangelhafter Sacheinlagen) enthält das GmbHG besondere Vorschriften zur Sachgründung (neben § 5 Abs. 4 auch in §§ 7, 8, 9, 9c, 19, 82).

Zur Sachübernahme Rn 38. Für Sachleistungen als Agio oder sonstige Nebenleistungspflichten (§ 3 Abs. 2) sowie für reguläre Drittgeschäfte zwischen Gesellschaft und Gesellschafter gelten diese Regeln nicht. 2. Erfüllungsvereinbarung 13 Jede wirksame Festlegung einer Sacheinlage ist eine besondere Erfüllungsverein-

barung vor dem Hintergrund einer an sich bestehenden Pflicht zur Geldleistung1. Das wird auch deutlich aus der üblichen und richtigen Formulierung bei der Gründung (vgl § 3 Rn 13 ff), wonach der Gesellschafter A einen Geschäfts-

1 Ebenso U/H/L/Ulmer/Casper Rn 32; Trölitzsch S. 133 ff; unzutreffend differenzierend Michalski/Zeidler Rn 47; vgl auch für die hM zur AG: K. Schmidt/Lutter/Bayer § 27 AktG Rn 8 mwN.

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anteil von X Euro übernimmt und sich verpflichtet, darauf die Gegenstände M, N und O im Werte von zusammen ebenfalls X Euro an die GmbH zu übertragen. Die Vereinbarung einer Sacheinlage ist unselbständiger Teil des Gesellschaftsvermögens und begründet somit einen körperschaftlichen, nicht nur schuldrechtlichen Anspruch auf Leistung der Sacheinlage1. Die Leistung anderer Gegenstände ist daher keine ordnungsgemäße Sacheinlage; Befreiung tritt nur ein, wenn und soweit die GmbH bei der Verwertung dafür Geld erlangt (vgl § 7 Rn 13); zur Wertanrechnung bei Annahme der Sachleistung durch die GmbH: § 19 Rn 70. 3. Einlagefähigkeit Einlagefähig sind analog § 27 Abs. 2 Halbsatz 1 AktG alle Vermögensgegenstän- 14 de, deren wirtschaftlicher Wert feststellbar ist. Dies ist im Falle einer abstrakten Verkehrsfähigkeit (Übertragbarkeit) stets gegeben; die Sacheinlage ist hier auch stets bilanzfähig. Problematisch sind also nur Konstellationen, in denen diese beiden Voraussetzungen nicht vorliegen. Eine generelle Ablehnung der Sacheinlagefähigkeit erfordert auch ein wirksamer Gläubigerschutz nicht. So ist es zB ausreichend, wenn der Vermögensgegenstand – obwohl nicht an Dritte übertragbar und daher auch nicht direkt dem Zugriff der Gläubiger ausgesetzt – für die GmbH wirtschaftlich verwertet werden kann2. Die fehlende Aktivierbarkeit (zB von obligatorischen Nutzungsrechten) steht nicht entgegen, wenn für die GmbH die wirtschaftliche Verwertung in ausreichendem Maße gesichert ist. Nicht ausreichend ist allerdings ein schuldrechtlicher Anspruch gegen den betref- 15 fenden Gesellschafter selbst3. Hier würde nur die gesellschaftsrechtliche Verpflichtung gegen eine schuldrechtliche ausgetauscht; die Sacheinlage muss indes der GmbH endgültig zugeflossen sein (§ 7 Abs. 3). Auch im Cash-Pool gilt grundsätzlich keine Ausnahme (ausführlich § 19 Rn 129). Aufgeweicht4 wird dieser Grundsatz seit dem MoMiG durch den neu geschaffenen § 19 Abs. 5 (§ 19 Rn 101 ff; vgl zur Kapitalerhöhung auch § 56a Rn 5, § 57 Rn 6 ff); ebenso durch den verbreiteten Standpunkt, wonach es ausreichend sei, wenn der Anspruch durch einen Dritten oder vom Gesellschafter selbst dinglich gesichert

1 BGHZ 45, 338, 342 f; B/H/Fastrich Rn 21; R/A/Roth Rn 50; Scholz/Veil Rn 51 ff; aA Mülbert FS Priester, 2007, S. 485, 488 f, 493 f. 2 Wie hier U/H/L/Ulmer/Casper Rn 44 f; B/H/Fastrich Rn 23; Michalski/Zeidler Rn 66 f. 3 BGHZ 180, 38 Rn 10 = GmbHR 2009, 540 – Qivive; dazu Bayer/Lieder NZG 2010, 86 ff; Lieder LMK 2009, 284066; Theusinger/Liese NZG 2009, 641 ff; vgl auch schon BGHZ 165, 113, 116 sowie etwa B/H/Fastrich Rn 24; R/A/Roth Rn 44; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 63. 4 Aber nicht generell aufgehoben: so Seibert/Decker ZIP 2008, 1210; Wälzholz GmbHR 2008, 841, 846; aA Wicke § 19 Rn 33.

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§ 5 | Stammkapital; Geschäftsanteil werde1. Grundsätzlich nicht ausreichend sind Ansprüche gegen einen Mitgesellschafter2. 16 Sachen sind – soweit übertragbar – einlagefähig, künftige nur, soweit zum Zeit-

punkt der Anmeldung existent (arg § 7 Abs. 3); ein Anspruch gegen den Gesellschafter auf Verschaffung genügt nicht. Im Falle der Kapitalerhöhung muss eine der GmbH bereits vorher überlassene Sache im Zeitpunkt der Beschlussfassung entweder noch gegenständlich oder zumindest wertmäßig im Gesellschaftsvermögen vorhanden sein; andernfalls kommt als Sacheinlage lediglich eine uU dem Gesellschafter zustehende Erstattungs- oder Ersatzforderung in Betracht3.

17 Rechte allgemein: Forderungen und Ansprüche aller Art des Gesellschafters ge-

gen Dritte, nicht nur auf Geld, sondern auch auf Übereignung und Verschaffung sind grundsätzlich einlagefähig, soweit sie übertragbar sind (§ 399 BGB). Ob dies auch für Forderungen gilt, die sich gegen verbundene Unternehmen des Inferenten richten, ist noch nicht abschließend geklärt; jedenfalls sind rechtliche und tatsächliche Schwierigkeiten der Forderungsdurchsetzung im Rahmen der Bewertung (dazu Rn 24 ff) zu berücksichtigen. Nicht einlagefähig sind hingegen künftige (zB künftiger Lohn- oder Dividendenanspruch)4 und bedingte5, wohl aber befristete6 Forderungen. Auch eine Forderung gegen die (Vor-)GmbH selbst kann (nur) als Sacheinlage eingebracht werden7; das spielt bei der Gründung nur eine geringe (zB Einbringung einer Hypothekenforderung auf ein von anderer Seite eingebrachtes belastetes Grundstück, Einbringung einer Forderung gegen ein mit Aktiven und Passiven von anderer Seite eingebrachtes Handelsgeschäft), im Rahmen einer Kapitalerhöhung dagegen eine große Rolle (Gewinnanspruch, Darlehensrückzahlungsanspruch)8; nicht zulässig ist damit die Einlage zum Nominalwert (ohne Beachtung der Sachgründungsvorschriften)9. Zum Problem der Werthaltigkeit: Rn 24 ff. Nicht einlagefähig ist der sog Grün-

1 So B/H/Fastrich Rn 24; Scholz/Veil Rn 48; MünchKomm/Schwandtner Rn 111 und auch hM zur AG. 2 B/H/Fastrich Rn 24; MünchHdbGmbH/Freitag/Riemenschneider § 9 Rn 13a; MünchKomm/Schwandtner Rn 113; für die AG auch K. Schmidt/Lutter/Bayer § 27 AktG Rn 15 mwN; aA Scholz/Veil Rn 45; R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 29. 3 BGHZ 145, 150, 154 f = GmbHR 2000, 1198; vgl ausführlich § 56 Rn 19 ff. 4 S/I/Pfisterer Rn 27; Scholz/Veil Rn 45; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 64. 5 BGH BB 1978, 1635 f; B/H/Fastrich Rn 27; teilweise aA Scholz/Veil Rn 45. 6 Scholz/Veil Rn 45; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 64; für AG auch K. Schmidt/Lutter/Bayer § 27 AktG Rn 15 mwN. 7 BGHZ 132, 141, 143 = GmbHR 1996, 351 = JZ 1996, 908 ff mit Anm Lutter; OLG Düsseldorf GmbHR 1997, 606, 608; B/H/Fastrich Rn 28; R/A/Roth Rn 45. 8 Beispiel: BGHZ 132, 141, 143 ff = GmbHR 1996, 351; OLG Brandenburg GmbHR 1998, 1033. 9 Abweichend etwa Karollus ZIP 1994, 589 ff.

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derlohn1 (Honorierung von Gründerdienstleistungen); einlagefähig sind dagegen die Auslagen der Gründer (zB vorgelegte Grunderwerbsteuer). Nicht einlagefähig sind Ansprüche auf Dienstleistungen, und zwar sowohl im 18 Hinblick auf Dienstleistungen des Inferenten (Rn 15) oder eines anderen (Mit-) Gründers als auch im Hinblick auf Dienstleistungen eines Dritten2 (§ 27 Abs. 2 Halbsatz 2 AktG), unabhängig ob der Anspruch übertragbar ist oder nicht3. Das Gleiche gilt für stark personenbezogene Werkverträge, nicht hingegen für Werkleistungen durch Dritte, die auf vertretbare Handlungen gerichtet und nach § 887 ZPO unschwer zu vollstrecken sind4. Nicht sacheinlagefähig ist auch der Anspruch auf die Vergütung für künftig zu erbringende Dienstleistungen5. Auch sonstige Rechte sind einlagefähig, insbesondere beschränkte dingliche 19 Rechte (Erbbaurecht und übertragbarer Nießbrauch, Grundschuld)6 sowie Immaterialgüterrechte, insbesondere Urheberrechte7, Markenrechte, Geschmacksund Gebrauchsmusterrechte, Patente und nicht patentierte Erfindungen8, Lizenzen9, auch Fabrikationsgeheimnisse und das Know-how, soweit sie einen Vermögenswert haben10. Einlagefähig sind nicht nur Anteile an Kapitalgesellschaften, sondern generell alle Mitgliedschaftsrechte, auch an stiller Gesellschaft11 und Verein, soweit sie nur im Einzelfall nach deren Satzung abtretbar sind12. Gleiches gilt auch für den Genossenschaftsanteil (§ 76 GenG) und den Anteil eines Miterben (§§ 2033–2035 BGB)13, nicht aber für einen Geschäftsanteil an der zu gründenden GmbH selbst14 (auch nicht bei Kapitalerhöhung, vgl § 56

1 MünchKomm/Schwandtner Rn 125; für die AG auch MünchKomm/Pentz § 27 AktG Rn 29; Großkomm/Röhricht § 27 AktG Rn 80. 2 Abweichend MünchKomm/Schwandtner Rn 122; Michalski/Zeidler Rn 111 f; für AG auch Spindler/Stilz/Benz § 27 AktG Rn 31. 3 BGHZ 180, 38 Rn 12 = GmbHR 2009, 540 – Qivive; dazu Bayer/Lieder NZG 2010, 86 ff; bestätigt (zur AG) von BGHZ 184, 158 Rn 15 f = GmbHR 2010, 421 – Eurobike mit Anm K. Müller; dazu Bayer/Fiebelkorn LMK 2010, 304619; vgl weiter Habersack FS Priester, 2007, S. 157, 162; ausführlich Giedinghagen/Lakenberg NZG 2009, 201 ff. 4 Habersack FS Priester, 2007, S. 157, 162. 5 Bayer/Lieder NZG 2010, 86, 87; Habersack GWR 2009, 129, 130. 6 B/H/Fastrich Rn 25; Scholz/Veil Rn 40 f; LG Koblenz GmbHR 1987, 482 (Grundschuld). 7 BGHZ 29, 300, 304. 8 RG JW 1936, 42 f. 9 Ausführlich Götting AG 1999, 1 ff; Pentz ZGR 2001, 901, 908 ff. 10 B/H/Fastrich Rn 26; Scholz/Veil Rn 49. 11 So explizit jüngst BGH v. 3.11.2015 – II ZR 13/14, GmbHR 2015, 1315 Rn 18 mit Anm Mock und zustimmenden Anm Bayer LMK 2016, 375494 und Lieder EWiR 2016, 5; dazu auch K. Schmidt NZG 2016, 4, 7 mwN. 12 BGHZ 13, 179, 182 (KG); vgl weiter OLG Celle GmbHR 1988, 398; R/A/Roth Rn 49. 13 Dazu Wolf FS Schippel, 1996, S. 533, 536 ff. 14 BGH ZIP 2011, 2097 (für AG); R/A/Roth Rn 49.

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§ 5 | Stammkapital; Geschäftsanteil Rn 5). In einer GmbH & Co KG ist die Einbringung von Kommanditanteilen in die GmbH möglich1. 20 Sachgesamtheiten können unter ihrer Bezeichnung eingebracht werden. Das gilt

für die Erbschaft (§§ 2371 ff BGB), vor allem aber für Handelsgeschäfte/Unternehmen2, die als eine Summe von Gegenständen (Sachen, Rechte, Verbindlichkeiten) zu denken sind. Handelsgeschäfte/Unternehmen können von jedem Inhaber, also auch von anderen Gesellschaften eingebracht werden. Einzelheiten darüber, welche Gegenstände nicht erfasst sind, welche Schulden übergehen (§ 25 HGB!), sind besonders festzulegen3. Die Einbringung kann auch zu einem früheren Stichtag als dem der Entstehung der GmbH erfolgen; die Geschäfte werden dann von der Vorgesellschaft oder vom Inferenten für Rechnung der künftigen GmbH geführt. Der Inferent trägt allerdings auch dann bis zum Eintragungszeitpunkt das Risiko einer Wertminderung (vgl § 9 Rn 5). Zusammen mit dem Handelsgeschäft kann zB auch die Firma (§ 22 HGB) und der Good-will übertragen werden4.

21 Im Übrigen wird sich statt der Einbringung häufig die Umwandlung empfehlen,

die in Form der Ausgliederung aus dem Vermögen eines Einzelkaufmanns (§§ 152 ff UmwG) oder als Formwechsel von der OHG oder KG (§§ 214 ff UmwG) in die GmbH erfolgen kann mit dem Vorteil der Gesamtrechtsnachfolge statt Einzelübertragung aller Gegenstände des Handelsgeschäfts.

22 Obligatorische Nutzungsrechte wie Gebrauchsüberlassung an Grundstücken,

Gebäuden, Handelsgeschäften und Erfinderrechten (Lizenzen) sind einlagefähig, auch wenn der Inferent selbst Inhaber des Stammrechts ist, stets vorausgesetzt, dass sie gegen Risiken aus der Sphäre des Eigentümers/Inhabers ausreichend gesichert sind: Sie dürfen also nicht nach Belieben (Kündigung) oder durch andere Ereignisse (Insolvenz, Zwangsvollstreckung) untergehen oder sonst entzogen werden können und müssen jedenfalls im wirtschaftlichen Zusammenbruch der GmbH anderweitig verwertet, zB weiter genutzt oder mit dem Handelsgeschäft auf einen Dritten übertragen werden können5. Das verbleibende Verwertungsrisiko ist im Rahmen der Bewertung zu berücksichtigen6. Noch zweifelhaft ist die Einlagefähigkeit von Domain-Namen7.

1 R/A/Roth Rn 49; vgl auch KG ZIP 2007, 1505. Zur Sicherung der Kapitalaufbringung beim Formwechsel einer GmbH & Co KG in eine GmbH ausführlich OLG Frankfurt GmbHR 2015, 808 ff. 2 BGHZ 45, 338, 342. 3 OLG Düsseldorf GmbHR 1996, 214, 215. 4 BGHZ 145, 150, 153 f = GmbHR 2000, 1198; B/H/Fastrich Rn 30; Scholz/Veil Rn 49. 5 Ausführlich Bork ZHR 154 (1990), 205 ff; Steinbeck ZGR 1996, 116 ff; Götting AG 1999, 1 ff; zustimmend BGHZ 144, 290, 294 mit Bespr Pentz ZGR 2001, 901 ff und Boehme GmbHR 2000, 841 ff; aA Ekkenga ZHR 161 (1997), 599 ff mwN. 6 So auch BGHZ 144, 290, 294 f = GmbHR 2000, 870; ähnlich B/H/Fastrich Rn 25; zu Bewertungsmethoden Rohnke DB 1992, 1941 ff. 7 Befürwortend Sosnitza GmbHR 2002, 821.

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Auch das Nutzungsrecht an einem der Gesellschaft gewährten zinslosen Darle- 23 hen hat einen feststellbaren Vermögenswert und ist sacheinlagefähig1. Das Darlehen muss allerdings während seiner Laufzeit unkündbar sein. Vor pfändenden Drittgläubigern ist die Gesellschaft über § 404 BGB, §§ 829, 835, 836 ZPO geschützt2. Abzugrenzen ist diese Sacheinlage allerdings von der zwischen den Gesellschaftern getroffenen Zusage, die Gesellschaft mit Darlehen zu finanzieren (sog Finanzplankredit, dazu Anh zu § 64 Rn 170). 4. Bewertung Die Bewertung erfolgt nach objektiven Kriterien; einen Beurteilungsspielraum 24 „nach oben“, also einen Freiraum für Überbewertungen, gibt es nicht; das folgt aus dem Verbot der Unterpari-Emission sowie aus §§ 8 Abs. 1 Nr. 5, 9c3. Bei (nicht unwesentlicher) Überbewertung darf die GmbH im Handelsregister nicht eingetragen werden (§ 9c Abs. 1 Satz 2, vgl dazu § 9c Rn 17); geschieht das dennoch, so ist die GmbH wirksam entstanden und der betreffende Gesellschafter haftet auf die Differenz (s. § 9 Rn 1). Höchstwert ist der Zeitwert4, möglichst ein Marktpreis5, sonst derjenige Betrag, 25 den die GmbH bei anderweitiger Beschaffung aufwenden müsste6, höchstens aber wiederum der Wert, den sie bei einer Veräußerung erzielen würde. Daher ist bei Forderungen nicht stets der Nennwert, sondern vielmehr der realisierbare Erlös maßgeblich7 (vgl auch § 9 Rn 4). Bei Immobilien ist der Marktpreis, soweit nicht feststellbar, ein Mischwert aus Substanz- und Ertragswert, bei Handelsgeschäften/Unternehmen der Ertragswert oder der Liquidationswert8 nach Teilwerten maßgeblich9. Immaterielle Vermögensgüter, für die kein Marktpreis besteht (Firma, Good-will, Markenrecht, Urheberrecht), sind selbständig, aber mit größter Zurückhaltung zu bewerten10; dabei kann nicht vom Herstellungsauf1 Ebenso Scholz/Veil Rn 44; Michalski/Zeidler Rn 108; ausführlich Döllerer FS Fleck, 1988, S. 35, 44 ff; aA K. Schmidt GesR § 20 II 3. 2 Dazu ausführlich Haas FS Döllerer, 1988, S. 169, 179 f. 3 B/H/Fastrich Rn 33; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 91; Scholz/Veil Rn 56; überholt ist BGHZ 68, 191, 196. 4 OLG Köln GmbHR 1998, 42, 43. 5 Dazu Hennrichs FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 489, 496 ff; W. Müller FS Röhricht, 2005, S. 1015, 1020 ff; Stilz ZGR 2001, 875 ff. 6 OLG Düsseldorf GmbHR 1992, 112. 7 Hannemann DB 1995, 2055 f. 8 Übersteigt der Liquidationswert den Ertragswert, so ist ersterer maßgeblich: OLG Düsseldorf AG 2008, 498, 500; Hennrichs FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 489, 492; vgl zur Berechnung OLG Stuttgart AG 2008, 783 Rn 96. 9 Näher Urban FG Sandrock, 1993, S. 305; A. Reuter BB 2000, 2298, 2299; Pataki GmbHR 2003, 404 ff. 10 Zutreffend U/H/L/Ulmer/Casper Rn 91, 69, 82; B/S/Schäfer Rn 25; problematisch BGHZ 29, 300, 304; vgl auch BGHZ 145, 150, 157 f = GmbHR 2000, 1198.

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§ 5 | Stammkapital; Geschäftsanteil wand ausgegangen werden, sondern nur von dem, was mit ihrer Hilfe an marktwerten Gütern erzeugt werden kann. Das Gebot größter Vorsicht gilt insbesondere auch für obligatorische Nutzungsrechte (dazu Rn 22). 26 Bestehen Unsicherheiten über die endgültige Bewertung, so kann das durch

ausdrückliche Vereinbarung einer evtl Differenzschuld des Einlegers ausgeglichen werden. Die Gefahr der Überbewertung ist damit beseitigt, die Gesellschaft kann im Handelsregister eingetragen werden1.

27 In gleicher Weise kann festgelegt werden, dass eine etwaige Unterbewertung in

bestimmter Weise an den Einleger zu vergüten ist2; das Gleiche gilt erst recht, wenn von vornherein feststeht, dass der Wert der Sacheinlage die nominelle Stammeinlage übertrifft. Unterbewertungen mit der Folge einer Zuviel-Leistung des Inferenten können mithin, müssen aber nicht ausgeglichen werden. Überschreiten sie den vertretbaren Bewertungsrahmen, so ist die positive Differenz nach § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB wie ein ausdrücklich vereinbartes Agio zu behandeln und der Kapitalrücklage zuzuführen3.

28 Bewertungsstichtag müsste an sich der Zeitpunkt der Entstehung der GmbH

sein; auf ihn kann jedoch eine Bewertung nicht stattfinden, da vorweg zu leisten ist; maßgebend ist daher der Zeitpunkt der Anmeldung4. Bewertungen auf einen früheren, nicht zu weit entfernten Stichtag können übernommen werden; ggf muss dann durch die Geschäftsführung eine Nachbewertung erfolgen mit Ausgleich durch Inferenten oder an ihn (Rn 27) in bar (§ 9 Abs. 1).

29 Ziehen die Gründer Sachverständige zur Ermittlung des Wertes hinzu, kommt

es aber dennoch zu einer Überbewertung und mithin zur Differenzhaftung des Inferenten (dazu § 9 Rn 1 ff), so kommt bei schuldhafter Fehlbewertung eine Haftung des Sachverständigen gegenüber dem Inferenten in Betracht. Hat die Zuziehung des Sachverständigen auf Veranlassung des Registergerichts (s. § 9c Rn 18) stattgefunden, so haftet der Sachverständige gemäß § 49 AktG analog iVm § 323 HGB in erster Linie der GmbH selbst auf die Differenz5. 5. Wert- und Mängelhaftung

30 Die Wert- und Mängelhaftung richtet sich nach den vorrangigen Regeln der rea-

len Kapitalaufbringung6 (unbeschränkte, unabdingbare und verschuldensunab-

1 BGH GmbHR 1999, 232; OLG Köln GmbHR 1998, 42, 44; Scholz/Veil Rn 59. 2 OLG Zweibrücken GmbHR 1981, 214 f; B/H/Fastrich Rn 20; Scholz/Veil Rn 58. 3 Wie hier B/H/Fastrich Rn 33; R/A/Roth Rn 54a; Schulze-Osterloh ZGR 1993, 420, 429 ff; Döllerer BB 1986, 1857, 1860; tendenziell nunmehr auch U/H/L/Ulmer/Casper Rn 90. 4 OLG Düsseldorf GmbHR 1992, 112; B/H/Fastrich Rn 34; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 92. 5 So für die AG: BGHZ 64, 52, 57 ff; Hüffer/Koch § 49 AktG Rn 4. 6 Ausführlich (für die AG) K. Schmidt/Lutter/Bayer § 27 AktG Rn 44 ff mwN; vgl weiter MünchKomm/Schwandtner Rn 156 ff.

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hängige Werthaftung des Inferenten, § 9)1. Ist die Sacheinlagevereinbarung nichtig (zB §§ 125, 138 BGB), so ist der betreffende Gesellschafter zur Leistung in bar verpflichtet; das Gleiche gilt bei Unmöglichkeit und Unvermögen2. Denn die Sacheinlagevereinbarung hat die originäre Verpflichtung zur Bareinlage lediglich modifiziert (Rn 13). Ersatzansprüche stehen nur der Gesellschaft, nicht den Mitgesellschaftern zu3. Möglich ist ein gutgläubiger Erwerb der Sacheinlage4 (näher § 19 Rn 12). 6. Förmliche Voraussetzungen der Sacheinlage a) Im Gesellschaftsvertrag müssen enthalten sein (§ 5 Abs. 4 Satz 1): (1) Die 31 Person des Inferenten5 (nicht mehr im Gesetz erwähnt, aber selbstverständlich, da der Inferent sonst zur Barleistung verpflichtet wäre); (2) die genaue Bezeichnung des Gegenstandes6, wobei bei Handelsgeschäften die Formulierung „alle Aktiva und Passiva“ genügt, wenn das Unternehmen der Firma genau bezeichnet wird7; genaue Bezeichnung erforderlich, falls bestimmte Aktiv- oder Passivwerte ausgenommen werden8; (3) der Einlagewert (dazu Rn 24 ff). Soll auf einen Geschäftsanteil (zB 10 000 Euro) teils bar (zB 4 000 Euro) teils in Sache (zB für 6 000 Euro das Kfz A) geleistet werden, so ist auch das genau festzulegen (sog Mischeinlage, dazu näher Rn 42)9, ebenso wie eine unbedingte (zB Einbringung eines Gegenstandes im Werte von 30 000 Euro auf eine Stammeinlage von 20 000 Euro und Festlegung einer Rückzahlungspflicht von 10 000 Euro) oder bedingte (zB Rückzahlung je nach dem Ergebnis des Gutachtens eines Sachverständigen) Ausgleichspflicht der GmbH. Konkretisierungen der Sacheinlage können – fakultativ – in einem separaten Einbringungsvertrag vorgenommen werden10.

1 So auch Scholz/Veil Rn 70; vgl auch R/A/Roth 67. Zu den Rechtsfolgen mangelhafter Sacheinlagen im Innenverhältnis ausführlich Klaiber DZWIR 2007, 313 ff; vgl weiter Schaefer/Grützediek DB 2006, 1040 ff. 2 BGHZ 145, 150, 155 = GmbHR 2000, 1198; BGH GmbHR 1997, 545 f; Scholz/Veil Rn 63 mwN. 3 BGH GmbHR 2003, 39 mit Anm Bayer/Lieder WuB II C § 5 GmbHG 1.04; R/A/Roth Rn 41. 4 BGH GmbHR 2003, 39 mit Anm Bayer/Lieder WuB II C § 5 GmbHG 1.04. 5 MünchKomm/Schwandtner Rn 221; ausführlich Lawall/Wille/Konopatzki AG 2009, 529 ff. 6 Ausführlich Scholz/Veil Rn 88 mit Beispiel; Michalski/Zeidler Rn 126 ff. 7 B/H/Fastrich Rn 45; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 149; ebenso für die AG: Hüffer/Koch § 27 AktG Rn 10; K. Schmidt/Lutter/Bayer § 27 AktG Rn 34. 8 OLG Düsseldorf GmbHR 1996, 214, 215. 9 Nicht zu verwechseln mit der gemischten Sacheinlage; zu dieser Rn 41. 10 Hierzu – insbesondere auch zur Formbedürftigkeit – Mülbert AG 2003, 281, 287 ff.

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§ 5 | Stammkapital; Geschäftsanteil 32 Fehlen diese Angaben oder sind sie unvollständig – dies gilt auch für die ge-

mischte Sacheinlage (dazu Rn 41)1 –, so ist die Abrede unwirksam2, nicht dagegen auch die Beitrittserklärung des betreffenden Gesellschafters; dieser ist vielmehr zur Bareinlage verpflichtet3. Dies ist seit langem anerkannt, wenn die Gesellschaft in das Handelsregister eingetragen ist4, gilt aber auch schon vorher5. Gleichwohl geleistete Sacheinlage befreit dann grundsätzlich nicht6; indes gilt § 19 Abs. 4 analog (arg a maiore ad minus): Der Wert des eingebrachten Vermögensgegenstandes wird angerechnet7 (§ 19 Abs. 4 Satz 3 analog). Die vollzogenen Ausführungsgeschäfte sind wirksam8. Eine Rückabwicklung kommt – entgegen der früheren Rechtslage9 – nicht in Betracht10. Entsprechendes gilt für die Einbringung einer anderen Sacheinlage (dazu § 19 Rn 70).

33 b) Sachgründungsbericht (§ 5 Abs. 4 Satz 2): In Anlehnung an § 32 Abs. 2

AktG haben die Gründer einen besonderen Bericht zu erstatten11. Er soll mindestens plausibel machen, welche Überlegungen für den Einlagewert sprechen. Das können sein: Markt- und Börsenpreise; bei Grundstücken die Unterlagen des gemeindlichen Gutachterausschusses; bei Kfz die von Sachverständigen erstellten Listen; frühere Kaufpreise für den gleichen oder einen vergleichbaren Gegenstand; nachweisbare Herstellungskosten (zB die Baukosten eines konkreten Gebäudes); Schätzung von Sachverständigen.

Bei der Einbringung eines Unternehmens oder -teiles12 ist zusätzlich zur Begründung des Einlagewertes das „Jahresergebnis“ der letzten beiden Geschäftsjahre anzugeben (§ 5 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2): Gemeint ist damit offenbar der Jahresüberschuss bzw Jahresfehlbetrag iS von §§ 266 Abs. 3 A V, 275 Abs. 2 Nr. 20

1 BGHZ 170, 47 Rn 10 ff; BGH AG 2007, 741 Rn 15 f. 2 Scholz/Veil Rn 93 f; R/A/Roth Rn 55; Hoffmann-Becking Liber amicorum M. Winter, 2011, S. 237, 246. 3 B/S/Schäfer Rn 24; B/H/Fastrich Rn 50; R/A/Roth Rn 55, 57. 4 BGHZ 28, 314, 316; B/H/Fastrich Rn 51; MünchKomm/Schwandtner Rn 237. 5 Wie hier auch (für die AG) K. Schmidt/Lutter/Bayer § 27 AktG Rn 37; Spindler/Stilz/ Benz § 27 AktG Rn 77; MünchKomm/Pentz § 27 AktG Rn 79; aA Großkomm/Röhricht § 27 AktG Rn 145. 6 Wie hier: BGH GmbHR 1997, 545, 546; R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 39; B/H/Fastrich Rn 51. 7 Scholz/Veil Rn 95; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 162; ausführlich Hoffmann-Becking Liber amicorum M. Winter, 2011, S. 237, 248 ff; für die AG auch K. Schmidt/Lutter/Bayer § 27 AktG Rn 38; nunmehr auch Hüffer/Koch § 27 AktG Rn 12a. 8 B/H/Fastrich Rn 50; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 162; MünchKomm/Schwandtner Rn 240; für die AG auch K. Schmidt/Lutter/Bayer § 27 AktG Rn 38. 9 S. 16. Aufl Rn 31. 10 Zustimmend Hoffmann-Becking Liber amicorum M. Winter, 2011, S. 237, 251. 11 MünchKomm/Schwandtner Rn 241; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 164 ff. 12 Vgl dazu nur K. Schmidt/Lutter/Bayer § 32 AktG Rn 12 mwN.

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bzw Abs. 3 Nr. 19 HGB1. Besteht das Unternehmen noch nicht lange genug, so reduziert sich die Voraussetzung entsprechend. Der Bericht bedarf (nur) der Schriftform (wegen § 8 Abs. 1 Nr. 4), aber der Un- 34 terzeichnung durch alle Gründer persönlich (Vertretung ist hier ausgeschlossen)2. Maßgebend sind die Personen, die im Zeitpunkt der Anmeldung Gründer sind3. Später vor der Eintragung noch hinzutretende Gesellschafter müssen nicht unterschreiben (hM)4; Ausnahme: Hinzutritt eines Gesellschafters nach Anmeldung gegen Übernahme einer Sacheinlage bei gleichzeitiger Kapitalerhöhung; in diesem Fall müssen alle jetzt beteiligten Gesellschafter unterzeichnen5. Für Gesellschaften handeln deren Organe6. Aufnahme in den Gesellschaftsvertrag ist nicht erforderlich, schadet aber auch nicht. Adressat des Berichtes ist in erster Linie das Registergericht; es darf die GmbH 35 nur eintragen, wenn es von der Deckung der betreffenden Stammeinlage überzeugt ist (§ 9c); andernfalls muss es weitere Aufklärung ggf durch Sachverständige veranlassen7. Da der Wert eines Unternehmens ebenso wie dessen „Jahresergebnis“ auf bilanziellen Überlegungen beruht, ist in aller Regel die Vorlage einer geprüften Bilanz erforderlich. Doch kommt eine Nachweispflicht gegenüber dem Registergericht nur bei erheblichen Zweifeln an der Richtigkeit der Anmeldeversicherung in Betracht (vgl § 8 Abs. 2 Satz 2, § 8 Rn 9). Da der Bericht und die etwaigen zusätzlichen Angaben zu den Registerakten 36 kommen, hat auch jeder Dritte Einsicht (§ 9 HGB). 7. Änderungen von Bar- in Sacheinlagen und umgekehrt Vor Eintragung der GmbH im Handelsregister ist jede Änderung möglich; ist 37 bereits Anmeldung zum Handelsregister erfolgt, dann muss diese wiederholt werden8. Änderung setzt die Mitwirkung aller Gesellschafter in der Form des § 2 voraus9 (ausführlich § 2 Rn 48). Nach Eintragung ist eine Änderung von Bar- zu Sacheinlagen nur unter engen Voraussetzungen möglich10 (dazu § 19 Rn 95). Demgegenüber ist die Änderung von der Sach- zur Bareinlage unproble1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

OLG Naumburg GmbHR 1998, 385; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 170. R/A/Roth Rn 59; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 168 (allgemeine Meinung). U/H/L/Ulmer/Casper Rn 166; MünchKomm/Schwandtner Rn 243 mwN. MünchHdbGmbH/Freitag/Riemenschneider § 9 Rn 40 mwN. B/H/Fastrich Rn 54; R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 63; Scholz/Veil Rn 99; aA (jeder hinzutretende Gesellschafter): R/A/Roth Rn 59. B/H/Fastrich Rn 54; Scholz/Veil Rn 100. Dazu BayObLG GmbHR 1999, 295. Heute unstreitig: B/H/Fastrich Rn 52; R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 24. U/H/L/Ulmer/Casper Rn 42; vgl für die AG: K. Schmidt/Lutter/Bayer § 27 AktG Rn 42 mwN. U/H/L/Ulmer/Casper Rn 45.

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§ 5 | Stammkapital; Geschäftsanteil matisch; denn die Sacheinlagevereinbarung modifiziert nur die originär bestehende Bareinlageverpflichtung (Rn 13)1. Die hierfür erforderliche Satzungsänderung bedarf wegen der Mithaftung aus § 24 der Zustimmung aller Gesellschafter2. Unbedenklich ist es schließlich auch, von vornherein – unter Wahrung der Form des § 5 Abs. 4 – ein Wahlrecht der Gesellschaft oder des Gesellschafters zwischen Bar- und Sacheinlage3 oder zwischen mehreren Sachwerten4 zu vereinbaren; wegen § 7 Abs. 2 und 3 sollte das Wahlrecht allerdings vor Anmeldung zum Handelsregister ausgeübt werden, da andernfalls die Anmeldung wiederholt werden muss5. 8. Sachübernahme 38 Die Sachübernahme ist seit der Novelle 1980 in § 5 Abs. 4 nicht mehr erwähnt;

ob das zweckmäßig ist, mag dahinstehen6; jedenfalls war mit der Novellierung eine inhaltliche Änderung nicht intendiert7 und § 19 Abs. 2 Satz 2 zeigt den Fortbestand dieser Rechtsfigur (vgl § 19 Rn 39): Gemeint ist eine Bargründung (Barkapitalerhöhung) und eine von ihr getrennte (schuldrechtliche) Vereinbarung zwischen der Gesellschaft und einem Gründergesellschafter bzw einem Dritten8, wonach die Gesellschaft einen bestimmten Gegenstand entgeltlich erwirbt in Anrechnung/Verrechnung auf die Bareinlagepflicht des/eines Gesellschafters9 (Beispiel: Sohn übernimmt Bareinlage in Höhe von 10 000; Vater verkauft Grundstück an Gesellschaft für 10 000 und trifft Verrechnungsabrede zugunsten seines Sohnes). In diesem Falle sind nach § 19 Abs. 2 Satz 2 nahezu alle Regeln über die Sacheinlage zu beachten (unstreitig).

39 Das bedeutet: Es muss sich um einlagefähige Gegenstände handeln; die Fest-

legungen über Gegenstand und Preis müssen im Gesellschaftsvertrag/Kapitalerhöhungsbeschluss erfolgen; bei Fehlern greift § 19 Abs. 4 a maiore ad minus (vgl Rn 32). Für die Bewertung gilt das Verbot jeder Überbewertung (Rn 24 ff); der betreffende Gegenstand ist vor Eintragung der Gesellschaft (Kapitalerhöhung) im Handelsregister nach § 7 Abs. 3 zu leisten10 (daher kommen auch hier keine erst noch herzustellenden oder anzuschaffenden Gegenstände in Betracht);

1 U/H/L/Ulmer/Casper Rn 41; B/H/Fastrich Rn 52 mwN; im Ergebnis auch Mülbert FS Priester, 2007, S. 485, 496. 2 B/H/Fastrich Rn 52; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 42; R/A/Roth Rn 62; aA MünchKomm/ Schwandtner Rn 264; Scholz/Veil Rn 109. 3 B/H/Fastrich Rn 48; Scholz/Veil Rn 110; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 46. 4 U/H/L/Ulmer/Casper Rn 47; Scholz/Veil Rn 110. 5 So auch R/A/Roth Rn 62 aE. 6 Kritisch U/H/L/Ulmer/Casper Rn 121. 7 Rechtsausschuss, BT-Drucks 8/3908, S. 69. 8 U/H/L/Ulmer/Casper Rn 110; B/H/Fastrich Rn 16 (allgrmeine Meinung). 9 BGHZ 28, 314, 318 f. 10 U/H/L/Ulmer/Casper Rn 122; B/H/Fastrich Rn 41; MünchKomm/Schwandtner Rn 197.

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der Registerrichter hat zu prüfen (§ 9c) und die Eintragung bei nicht nur unwesentlicher Überbewertung abzulehnen; der begünstigte Gesellschafter wird nur insoweit von seiner Bareinlagepflicht frei, als der Gegenstand den festgelegten Wert hat (andernfalls Gewährleistungs- bzw Schadensersatzansprüche der Gesellschaft, ggf Differenzhaftung gemäß § 9). Besonderheiten bestehen hier unter zwei Aspekten:

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(1) An sich ist ein Sachgründungsbericht hier nicht vorgeschrieben (§ 19 Abs. 2 Satz 2 verweist nur auf § 5 Abs. 4 Satz 1). Das aber kann jedenfalls dann nicht gelten, wenn Leistender ein Gründergesellschafter selbst ist; dann nämlich besteht de facto zur Sacheinlage kein Unterschied, also kein Grund, nur wegen dieser Ausgestaltung auf die Kautelen des Satzes 2 zu verzichten1. (2) Die Leistungsvereinbarung ist hier getrennt vom Gründungsgeschehen; für sie gelten uneingeschränkt die allgemeinen Regeln insbesondere des Kaufrechts für beide Vertragsteile2; in der Höhe des Ausfalls wirkt dann einfach die Verrechnungsabrede nicht; es bleibt insoweit bei der Bareinlagepflicht. 9. Gemischte Sacheinlage Erhält der Inferent für die Einbringung eines Vermögenswerts sowohl einen Ge- 41 schäftsanteil als auch eine sonstige Leistung, zB eine Barzahlung, dann liegt eine gemischte Sacheinlage vor3, die Sacheinlage und Sachübernahme miteinander verknüpft4. Auf die gemischte Sacheinlage finden die Vorschriften über die Sacheinlage – einschließlich der Grundsätze der verdeckten (gemischten) Sacheinlage (dazu § 19 Rn 91) – Anwendung5, und zwar nicht nur, soweit die Sacheinlage unteilbar ist (unstreitig), sondern auch bei deren Teilbarkeit6, auch im Falle der „übertragenden Sanierung“7 und auch soweit der Einlagebetrag weit hinter dem Wert der Gegenleistung des Austauschgeschäfts zurückbleibt8. Stets 1 Generell für Sachgründungsbericht: Scholz/Veil Rn 78; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 123; wohl auch B/H/Fastrich Rn 16; aA R/A/Roth Rn 33. 2 Scholz/Veil Rn 79; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 126. 3 Vgl RGZ 159, 321, 326 f; für AG auch BGHZ 173, 145 Rn 15 – Lurgi I; BGHZ 170, 47 Rn 17 mit Besprechung Rotheimer NZG 2007, 256 ff; vgl weiter Scholz/Veil Rn 81; Habersack FS Konzen, 2006, S. 179, 180. 4 OLG Stuttgart BB 1982, 397, 398; Habersack FS Konzen, 2006, S. 179, 180. 5 Vgl RGZ 159, 321, 326 ff; BGH GmbHR 1998, 588, 590; Scholz/Veil Rn 82; zu den Folgen ausführlich Habersack FS Konzen, 2006, S. 179, 181 ff. 6 KG JW 1928, 1822; Scholz/Veil Rn 82; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 120; im Ergebnis auch BGH AG 2007, 121, 123; aA Habersack FS Konzen, 2006, S. 179, 190 f. 7 BGH WM 2008, 784 LS 1; Lieder WuB II A. § 27 AktG 2.08. 8 BGHZ 175, 265 Rn 14 – Rheinmöve mit zustimmender Anm Lieder WuB II A. § 27 AktG 2.08; BGHZ 173, 145, 152 f Rn 15 – Lurgi I; vgl auch B/S/Schäfer Rn 20; aA Martens AG 2007, 732.

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§ 5 | Stammkapital; Geschäftsanteil ist die gemischte Sacheinlage im Gesellschaftsvertrag als Sacheinlage zu bezeichnen; insbesondere die Gegenleistung der Gesellschaft ist anzugeben1. Sind nach § 5 Abs. 4 erforderliche Festsetzungen fehlerhaft, gilt für das gesamte Geschäft § 19 Abs. 4 analog2 (Rn 32)3. 10. Mischeinlage 42 Von der gemischten Sacheinlage ist die Mischeinlage zu unterscheiden; hier hat

der Inferent auf einen Geschäftsanteil sowohl eine Bar- als auch eine Sacheinlage zu leisten4 (vgl bereits Rn 31). Praktische Bedeutung hat dies insbesondere bei der Einbringung von Unternehmen5. 11. Sonstige Vereinbarungen über den Erwerb von Gegenständen ohne Verrechnungsabrede

43 Sonstige Vereinbarungen über den Erwerb von Gegenständen der (künftigen)

Gesellschaft (ohne Verrechnungsabrede) sind ebenfalls möglich; sollen sie die Gesellschaft nach ihrer Entscheidung nicht nur berechtigen, sondern verpflichten, so bedürfen sie deswegen (Bindung der Gesellschaft) der Aufnahme in den Gesellschaftsvertrag6. 12. Bareinlage mit Sachagio

44 In neuerer Zeit findet sich in der Praxis vermehrt die Bareinlage mit Sachagio,

die (bei korporationsrechtlicher Verpflichtung, dazu Rn 8) vom BFH als Anwendungsfall des § 20 Nr. 1 UmwStG betrachtet wird7. Gesellschaftsrechtlich rückt diese Konstellation in die Nähe einer Mischeinlage (dazu Rn 42)8. Nach Auffassung des BFH sind indes – weil Agio und nicht Einlage (dazu bereits Rn 8) – die Sachgründungsvorschriften nicht anzuwenden, also für das Sachagio kein Sachgründungsbericht zu erstellen und es soll auch keine Wertprüfung durch das Registergericht stattfinden9. Die Nichtanwendbarkeit der Sachgründungsvorschrif-

1 Scholz/Veil Rn 83; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 130. 2 So auch B/S/Schäfer Rn 20; tendenziell auch U/H/L/Ulmer/Casper Rn 132. 3 Ausführliche und differenzierende Betrachtung bei Pentz Liber amicorum M. Winter, 2011, S. 499 ff. 4 Dazu näher MünchKomm/Schwandtner Rn 216; vgl auch OLG Oldenburg GmbHR 1994, 64; ThürOLG AG 2007, 31. 5 Dazu K. Schmidt/Lutter/Kleindiek § 36 AktG Rn 37 mwN. 6 Zutreffend U/H/L/Ulmer/Casper Rn 120; für AG auch K. Schmidt/Lutter/Bayer § 27 AktG Rn 27; kritisch indes R/A/Roth Rn 30, ablehnend B/H/Fastrich Rn 17. 7 BFHE 229, 518 Rn 28 ff = GmbHR 2010, 1104; dazu Wachter DB 2010, 1918 ff. 8 So auch Heinze ZNotP 2012, 87, 89. 9 BFHE 229, 518 Rn 31 = GmbHR 2010, 1104; dazu ausführlich Heinze ZNotP 2012, 87 ff.

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ten ist zutreffend, doch wird man zur Vermeidung „negativer Wertzuflüsse“ die Beifügung eines (positiven) Wertnachweises verlangen müssen, aus dem sich ergibt, dass der Wert der zugeführten Bareinlage nicht durch einen möglicherweise negativen Wert des Sachagios unterschritten wird1 (dazu auch § 9c Rn 17). Ob ein weitergehender Wertnachweis darüber hinaus generell zur Vermeidung einer „Irreführung“ verlangt werden kann2, ist hingegen zweifelhaft. 13. Sonstiges Zu den Gründungskosten und zum Gründerlohn vgl § 3 Rn 52 f; zu Mantelkauf 45 und Mantelgründung s. § 3 Rn 98 ff; Regeln zur Nachgründung (§ 52 AktG) enthält das GmbH-Recht bewusst nicht3. 14. Verdeckte Sacheinlage Ausführlich bei § 19 Rn 54 ff.

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§ 5a Unternehmergesellschaft (1) Eine Gesellschaft, die mit einem Stammkapital gegründet wird, das den Betrag des Mindeststammkapitals nach § 5 Abs. 1 unterschreitet, muss in der Firma abweichend von § 4 die Bezeichnung „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ oder „UG (haftungsbeschränkt)“ führen. (2) Abweichend von § 7 Abs. 2 darf die Anmeldung erst erfolgen, wenn das Stammkapital in voller Höhe eingezahlt ist. Sacheinlagen sind ausgeschlossen. (3) In der Bilanz des nach den §§ 242, 264 des Handelsgesetzbuchs aufzustellenden Jahresabschlusses ist eine gesetzliche Rücklage zu bilden, in die ein Viertel des um einen Verlustvortrag aus dem Vorjahr geminderten Jahresüberschusses einzustellen ist. Die Rücklage darf nur verwandt werden 1. für Zwecke des § 57c; 2. zum Ausgleich eines Jahresfehlbetrags, soweit er nicht durch einen Gewinnvortrag aus dem Vorjahr gedeckt ist;

1 Zweifelnd indes Heinze ZNotP 2012, 87, 89 f; einschränkend (nur in Verdachtsfällen) Lubberich DNotZ 2016, 164, 175 ff. 2 So U/H/L/Ulmer/Casper Rn 172 ff iVm Rn 152. 3 Näher Ulmer ZHR 154 (1990), 128, 143; B/H/Fastrich Rn 17.

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§ 5a | Unternehmergesellschaft 3. zum Ausgleich eines Verlustvortrags aus dem Vorjahr, soweit er nicht durch einen Jahresüberschuss gedeckt ist. (4) Abweichend von § 49 Abs. 3 muss die Versammlung der Gesellschafter bei drohender Zahlungsunfähigkeit unverzüglich einberufen werden. (5) Erhöht die Gesellschaft ihr Stammkapital so, dass es den Betrag des Mindeststammkapitals nach § 5 Abs. 1 erreicht oder übersteigt, finden die Absätze 1 bis 4 keine Anwendung mehr; die Firma nach Absatz 1 darf beibehalten werden. Die Vorschrift ist neu eingefügt worden durch das MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl I 2026). 1. Entstehung und Grundkonzept der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die UG (haftungsbeschränkt) im Gesamtgefüge des GmbH-Rechts . a) Unterform der GmbH . . . . . . . b) Leichte Gründung trotz Haftungsbeschränkung . . . . . . . . . c) Geltung des GmbH-Rechts im Übrigen . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gründung der UG (haftungsbeschränkt) . . . . . . . . . . . . . . . . a) Nur Neugründung . . . . . . . . . b) Gründungsverfahren . . . . . . . . c) Anmeldung . . . . . . . . . . . . . . 4. Kapital der UG (haftungsbeschränkt) . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . b) Sacheinlageverbot (§ 5a Abs. 2 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Volleinzahlungsgebot (§ 5a Abs. 2 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . d) Verdeckte Sacheinlagen (§ 19 Abs. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Hin- und Herzahlungen (§ 19 Abs. 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Gesetzliche Rücklage (§ 5a Abs. 3)

1 7 7 8 9 13 13 14 16

6.

17 17 20 25

7.

27

8.

32 34

9.

a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . b) Rücklagenbildung (§ 5a Abs. 3 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gestaltungsspielräume . . . . . . d) Unzulässige Umgehungsstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Rücklagenverwendung (§ 5a Abs. 3 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . f) Verstöße gegen § 5a Abs. 3 . . . g) Beendigung der Pflicht zur Rücklagenbildung . . . . . . . . . . Firma der UG (haftungsbeschränkt) (§ 5a Abs. 1) . . . . . . . a) Firmenbildung . . . . . . . . . . . . b) Rechtsformzusatz . . . . . . . . . . c) Haftung bei fehlendem oder irreführendem Rechtsformzusatz d) Rechtsformzusatz nach Kapitalerhöhung auf wenigstens 25 000 Euro . . . . . . . . . . . . . . Pflicht zur Einberufung der Gesellschafterversammlung (§ 5a Abs. 4) Umwandlung und Rückumwandlung der UG (haftungsbeschränkt) Die UG (haftungsbeschränkt) im Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34 36 39 42 44 48 52 55 55 56 57 60 63 69 72

Literatur: Fastrich Erste Erfahrungen mit der UG (haftungsbeschränkt), in VGR (Hrsg), Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2010, 2011, S. 119; Holzner Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) im Wettbewerb der Gesellschaftsrechtsformen, 2011; Jerg Eine Analyse der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) unter besonderer Berücksichtigung des Gläubigerschutzes, 2013; Kleindiek Aspekte der GmbH-Reform (Referat), 27. Deutscher Notartag Braunschweig 2007, DNotZ Sonderheft 2007, 200; Lutter Für eine Unternehmer-Gesellschaft (UG) – zur notwendigen Erweiterung der geplanten GmbH-Reform, BB Beilage 2006, Nr. 7, S. 2; Mostertz Die UG (haftungsbeschränkt) & Co.

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Unternehmergesellschaft | § 5a KG, 2014; H.-F. Müller Die gesetzliche Rücklage bei der Unternehmergesellschaft, ZGR 2012, 81; Neideck Rückforderungsansprüche der Unternehmergesellschaft bei Verstoß gegen die Rücklagenverpflichtung, GmbHR 2010, 624; Peetz Gewinnthesaurierung wider Gewinnabsaugung – ein Praxisproblem der Unternehmergesellschaft, GmbHR 2012, 1160; Schwegmann Der Gläubigerschutz in der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt), 2013; Seibert Der Regierungsentwurf des MoMiG und die haftungsbeschränkte Unternehmergesellschaft, GmbHR 2007, 673; Spies Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt), 2010; Ullenboom Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) nach § 5a GmbHG, 2014; Wachter Die neue Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt), in Römermann/ Wachter, GmbH-Beratung nach dem MoMiG, GmbHR-Sonderheft 2008, S. 25; Weiß Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) aus strafrechtlicher Sicht, wistra 2010, 361.

1. Entstehung und Grundkonzept der Vorschrift Mit der Schaffung der „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ rea- 1 gierte der Gesetzgeber des MoMiG auf die in kurzer Zeit sprunghaft gestiegene – zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vorschrift am 1.11.2008 aber längst erkennbar rückläufige1 – Zahl von Unternehmen in der Rechtsform der britischen Limited, die ohne nennenswertes Eigenkapital gegründet wurden, um alsdann (soweit sie eine gewerbliche Tätigkeit auch tatsächlich aufnahmen) allein hierzulande aktiv zu werden (vgl Einl Rn 25). Angesichts des dadurch verbreitet empfundenen „Wettbewerbsdrucks“ auf die deutsche GmbH (und ihr Gesellschaftsrecht) sollte mit § 5a eine (aus Sicht der Gründer) attraktive Alternative geschaffen werden. Das hat zugleich den Weg geebnet, das gesetzliche Mindeststammkapital für die reguläre GmbH unangetastet bei 25 000 Euro zu belassen (§ 5 Abs. 1), um so Seriosität und Prestige der GmbH zu verteidigen2. § 5a ist Ergebnis eines politischen Kompromisses innerhalb der großen Koali- 2 tion während der 16. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages. Im Vorschlag der Arbeitsgruppe Recht der CDU/CSU-Bundestagsfraktion war die „Unternehmergesellschaft“3 konzipiert als „ein aliud zur bestehenden GmbH“4 1 S. dazu die Studie von Ringe, Corporate Mobility in the European Union – A Flash in the Pan? An Empirical Study on the Success of Lawmaking and Regulatory Competition (April 9, 2013), Oxford Legal Studies Research Paper No. 34/2013; zuvor auch schon Niemeier ZIP 2007, 1794 ff; Niemeier FS Roth, 2011, S. 533, 535 ff. 2 Vgl BegrRegE MoMiG, BT-Drucks 16/6140, S. 31. 3 Erstmals vorgestellt – noch unter der Bezeichnung „Unternehmensgründergesellschaft“ – von Gehb/Drange/Heckelmann NZG 2006, 88 ff; s. hierzu schon Kleindiek in 27. Deutscher Notartag Braunschweig 2007, DNotZ Sonderheft 2007, S. 200, 205 f. Rückblick auf die sonstigen im Zuge der Reformdiskussion vorgestellten Alternativkonzepte bei Spies S. 37 ff. 4 Vgl die Erläuterungen in der Ansprache des Abgeordneten Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSUFraktion; Sprecher Arbeitsgruppe Recht), Deutscher Bundestag, Stenografischer Bericht, 45. Sitzung am 5.9.2006, Plenarprotokoll 16/45, S. 4439, 4441 B.

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§ 5a | Unternehmergesellschaft mit selbständiger Kodifikation. Das von der Arbeitsgruppe seinerzeit beschlossene Eckpunktepapier1 sah im Gründerinteresse ua vor: Kurze Gründungszeit (max 24 Stunden); geringe Gründungskosten (max 100 Euro); kein gesetzliches Mindeststammkapital, aber Sacheinlageverbot und Volleinzahlungspflicht; kein Zwang zur notariellen Beurkundung der Satzung. Und begleitend im Gläubigerinteresse: Erweiterte Angaben auf den Geschäftsbriefen und im Internet; verschärfte Ausschüttungsschranken (Ausschüttungen nur aus erwirtschafteten Gewinnen und nach positivem Solvenztest); Gesellschafterhaftung wegen materieller Unterkapitalisierung; Vermutung der Zahlungsunfähigkeit bei Verzug mit Verbindlichkeiten in Höhe von mindestens 600 Euro über mehr als 6 Wochen; Überführung der Unternehmergesellschaft in eine GmbH nur nach den Regeln des Umwandlungsgesetzes. 3 Diese Idee der Unternehmergesellschaft gewann auch in Teilen der Wissen-

schaft Befürworter2, fand allerdings in den Beratungen der wirtschaftsrechtlichen Abteilung des 66. Deutschen Juristentages 2006 kaum Zustimmung. Sie sah kein Bedürfnis für die Schaffung einer neuen Gesellschaftsform und sprach sich mit breiter Mehrheit für die Konzentration auf die Reform der GmbH unter Beibehaltung des Mindestkapitals als zwingende Voraussetzung der Haftungsbeschränkung der GmbH-Gesellschafter aus3. Nachdem eine neue Rechtsform nach dem Vorbild des CDU/CSU-Vorschlags auch beim Koalitionspartner SPD auf Ablehnung stieß, verständigte sich die große Koalition schließlich auf das in § 5a realisierte Kompromissmodell. Es hat mit dem ursprünglichen Konzept der Unternehmergesellschaft immerhin den Namen gemein, folgt im Übrigen aber einer alternativen Konstruktionsidee: Die „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ des § 5a ist eine (Unterform der) GmbH im Sinne des GmbH-Gesetzes, jedoch mit einem (frei wählbaren) Stammkapital unterhalb des gesetzlichen Mindestkapitals nach § 5 Abs. 1. Sie darf allein deshalb nicht GmbH genannt werden, unterliegt den wenigen Sonderbestimmungen des § 5a, im Übrigen allen Vorschriften des GmbHG.

4 Die Legitimation eines gesetzlichen Mindestkapitals4 beruht auf der nach wie

vor zutreffenden Erwägung, dass schon der Eintritt in die Haftungsbeschränkung nur um den „Preis“ eines eigenen Risikobeitrags der Gesellschaftsgründer 1 Beschluss der Arbeitsgruppe Recht der CDU/CSU-Bundestagsfraktion vom 5.9.2006; der darauf aufbauende „Arbeitsentwurf eines Unternehmergesellschaftsgesetzes (UGG)“ von Gehb ist dokumentiert bei Spies S. 417 ff. 2 S. insbesondere Lutter BB-Special 7/2006, S. 2; vgl auch Lutter und Priester in VGR, Die GmbH-Reform in der Diskussion, 2006, S. 211, 218 ff und S. 1, 11 ff. 3 66. DJT, Beschlüsse der Abteilung Wirtschaftsrecht, Ziff. 1. und 2., darin den Referenten Kleindiek und J. Vetter folgend; vgl Verhandlungen des 66. Deutschen Juristentages Stuttgart 2006, Bd II/1, S. P 45 ff, P 75 ff sowie P 141 ff. 4 Dazu näher Kleindiek ZGR 2006, 335, 341 ff; Kleindiek Referat 66. DJT, Verhandlungen des 66. Deutschen Juristentages Stuttgart 2006, Bd II/1, S. P 45, 48 f, je mwN.

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gewährt werden sollte. Die verbreitete Rede vom Mindestkapital als „Seriositätsschwelle“ oder „Seriositätsnachweis“ meint nichts anderes. Das Mindestkapitalerfordernis wirkt darauf hin, die Gründung unsolider, weil unrentabler Unternehmungen zu erschweren. Das gesetzliche Mindestkapital hat eine ordnungspolitische Funktion, auch im Sinne des (wenngleich abstrakten) Gläubigerschutzes. Wer das eigene Vertrauen in die Rentabilität seiner „Geschäftsidee“ nicht mit einem eigenen Risikobeitrag unterlegen will, soll selektiert werden. Im Rahmen der GmbH-Novelle des Jahres 1980 standen diese Zusammenhänge noch außer Streit. Im Bericht des Rechtsausschusses hieß es damals: „Dem einzelnen den Zugang zur Selbständigkeit zu erleichtern, bedeute ja nicht die Verpflichtung, ihm diesen ohne eigenes Risiko oder nur mit einem äußerst geringen eigenen Risiko zu ermöglichen.“1 Eben jene Möglichkeit wird mit § 5a heute gewährt; eine Unternehmergesell- 5 schaft (haftungsbeschränkt) kann auch schon mit einem Stammkapital von nur 1 Euro gegründet werden (s. Rn 17). Die GmbH in der Variante der haftungsbeschränkten Unternehmergesellschaft – so die Begründung des RegE zu § 5a2 – werde es „jungen Existenzgründern sehr einfach machen, ihre unternehmerischen Ziele in Angriff zu nehmen“; in Kombination mit der vereinfachten Gründung unter Verwendung des Musterprotokolls nach § 2 Abs. 1a sei damit „ein der GmbH bisher unbekanntes Maß an Flexibilität, Schnelligkeit, Einfachheit und Kostengünstigkeit erreicht“. Die Option der UG (haftungsbeschränkt) bedient mithin die typischen Primärinteressen von GmbH-Gründern3: nämlich unter minimalem finanziellen Einsatz und bei möglichst geringer regulativer Belastung einen schnellen Weg in die Haftungsbeschränkung zu finden. Die widerstreitenden Gläubigerbelange versucht der Gesetzgeber durch ein „Ansammlungsmodell“ zum Ausgleich zu bringen: Nach § 5a Abs. 3 hat die UG – solange ihr Stammkapital nicht auf 25 000 Euro oder mehr erhöht wird – jeweils ein Viertel eines tatsächlich erzielten Jahresüberschusses in eine gesetzliche Rücklage einzustellen, die zu gegebener Zeit (so die Vorstellung des Gesetzgebers von der idealtypischen Lebensentwicklung der UG) in Stammkapital im Umfang von wenigstens 25 000 Euro umgewandelt wird. Der Idee nach soll damit am Grundkonzept des gesetzlichen Mindestkapitals (wenn auch nicht für den Moment der Gründung) festgehalten werden. Doch werden die Interessen der Gläubiger mit der gesetzlichen Rücklage nach § 5a Abs. 3 nicht in einer Weise geschützt, die der Verpflichtung zur Aufbringung des gesetzlichen Mindeststammkapitals bei Gründung nach §§ 5 Abs. 1, 7 Abs. 2 gleichwertig wäre (näher Rn 35). Vor diesem Hintergrund war die Schaffung einer Rechtsform-

1 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum Entwurf einer Novelle des GmbHG, BT-Drucks 8/3908 v. 16.4.1980, S. 69. 2 BegrRegE MoMiG, BT-Drucks 16/6140, S. 31. 3 Zu ihnen etwa G.H. Roth ZGR 2005, 348, 350.

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§ 5a | Unternehmergesellschaft variante ohne gesetzliches Mindestkapital in der Diskussion um die GmbH-Reform bis zuletzt umstritten1. 6 Die Träger der so geförderten Gründerinteressen haben von der Option des § 5a

– wenig überraschend – regen Gebrauch gemacht. Die Zahl der registrierten Unternehmergesellschaften ist kontinuierlich gestiegen; zum Stichtag 1.1.2015 wurden über 105 000 eingetragene Unternehmergesellschaften (haftungsbeschränkt) gezählt, davon gut 7 700 in der Funktion der Komplementärin von Kommanditgesellschaften2. Schon früh wurde von einer „(zahlenmäßigen) Erfolgsgeschichte“ gesprochen3. Alsbald mehrten sich freilich differenzierte Würdigungen4, die auf die überwiegend sehr geringe Eigenkapitalausstattung der Gesellschaften (als Medianwert aller Stammkapitalia ist ein Betrag von etwa 500 Euro ermittelt worden5) und die daraus resultierende erhöhte Insolvenzanfälligkeit6, eine Häufung negativer Bonitätsmerkmale bei den UG-Gründern7 oder auf Hinweise für eine erhebliche „Frühsterblichkeitsrate“8 aufmerksam gemacht haben. Insgesamt lassen die bislang gewonnenen Daten ein zuverlässiges Urteil über den volkswirtschaftlichen Nutzen (oder auch Schaden) durch die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) noch nicht zu; hier bleibt die weitere Entwicklung abzuwarten.

2. Die UG (haftungsbeschränkt) im Gesamtgefüge des GmbHRechts 7 a) Unterform der GmbH: Die UG (haftungsbeschränkt) ist eine Unterform

(„Rechtsformvariante“9) der GmbH10. Sie ist Gesellschaft mit beschränkter

1 S. zur Kritik etwa Kleindiek in 27. Deutscher Notartag Braunschweig 2007, DNotZ Sonderheft 2007, S. 200, 209 ff; Leyendecker GmbHR 2008, 302; MünchKomm/Rieder Rn 57 ff, je mwN. 2 So Kornblum GmbHR 2015, 687, 688; vgl auch die Daten per 1.11.2014 bei Bayer/Hoffmann GmbHR 2014, R 359. 3 Bayer/Hoffmann GmbHR 2009, R 225. 4 S. dazu auch die bei Fastrich in VGR, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2010, 2011, S. 119, 123 ff mitgeteilten Daten. 5 Vgl Niemeier FS Roth, 2011, S. 533, 547. 6 Gude ZInsO 2010, 2385 ff; Metzger GmbHR 2010, R 342 f; Niemeier S:R 2009, 74; Niemeier FS Roth, 2011, S. 533, 546 ff. – Zu den registrierten „upgrades“ in die „VollGmbH“ s. Gude ZInsO 2010, 2385, 2386 f; Lieder/Hoffmann GmbHR 2011, 561 ff; Niemeier FS Roth, 2011, S. 533, 548. 7 Niemeier S:R 2009, 184 f; Niemeier FS Roth, 2011, S. 533, 548. 8 Dazu Niemeier FS Roth, 2011, S. 533, 549 f sowie (mit unterschiedlichen Bewertungen) Miras NZG 2012, 486, 487; Bayer/Hoffmann NZG 2012, 887 ff. 9 BegrRegE MoMiG, BT-Drucks 16/6140, S. 31. 10 Vgl auch OVG Lüneburg GmbHR 2013, 1323 (zur IHK-Beitragspflicht einer UG).

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Haftung im Sinne des GmbH-Gesetzes (kein aliud!), darf aber – um den Rechtsverkehr warnend darauf hinzuweisen, dass ihr Stammkapital den Mindestbetrag des § 5 Abs. 1 (25 000 Euro) unterschreitet – nicht als „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ bzw „GmbH“ bezeichnet werden, sondern muss mit dem Rechtsformzusatz „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ oder „UG (haftungsbeschränkt)“ firmieren. Dessen ungeachtet unterliegt sie dem GmbHG, soweit sich nicht aus § 5a (einige wenige, nicht dispositive) Abweichungen ergeben. Im Wesentlichen: (1) Die Höhe des Stammkapitals wird in das Ermessen der Gründer gestellt (§ 5a Abs. 1). Da nach § 5 Abs. 2 Satz 1 lediglich der Nennbetrag eines jeden Geschäftsanteils auf volle Euro lauten muss, ist bei der Einpersonen-UG (haftungsbeschränkt) mit nur einem Geschäftsanteil also 1 Euro Stammkapital erforderlich und (wenn anderweitig Vorkehrung gegen den sofortigen Eintritt der Überschuldung getroffen wird; s. Rn 18 f) genügend. Bei zwei Gesellschaftern ist – da jeder Gesellschafter mindestens einen Geschäftsanteil übernehmen muss – eine Verdoppelung des Kapitaleinsatzes auf 2 Euro notwendig und ausreichend usw. (2) Auf das Stammkapital unter 25 000 Euro können nur Bareinlagen geleistet werden, die vor Anmeldung der Gesellschaft zum Handelsregister voll geleistet sein müssen (§ 5a Abs. 2). (3) Aus den jährlichen Jahresüberschüssen (soweit solche ausgewiesen werden) sind jeweils 25 % einer gesetzlichen Rücklage zuzuführen, die nur zum Verlustausgleich und zu einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln verwandt werden darf (§ 5a Abs. 3). (4) Die UG ist zur Führung eines eigenen Rechtsformzusatzes – „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ oder „UG (haftungsbeschränkt)“ verpflichtet. Das Gesetz nennt das in § 5a Abs. 1 – ebenso wie in § 4 oder etwa in § 4 AktG, § 3 GenG, § 19 HGB – „Bezeichnung“; der Sache nach ist es der Rechtsformzusatz einer Unterform (Rechtsformvariante) der GmbH, die aber eben nicht GmbH genannt werden darf. (5) Wird das Kapital auf mindestens 25 000 Euro förmlich erhöht – sei es nach (3), sei es im Wege der effektiven Kapitalerhöhung oder ggf durch Umwandlung sonstiger Rücklagen –, so endet die Pflicht zur jährlichen Bedienung der gesetzlichen Rücklage nach (3) und die Pflicht zur Führung einer besonderen Rechtsformbezeichnung nach (4). Zur Aufhebung der Beschränkungen nach § 5a Abs. 2 (Sacheinlageverbot und Volleinzahlungsgebot) s. Rn 23 ff. (6) Im Übrigen gelten die Vorschriften des GmbHG. b) Leichte Gründung trotz Haftungsbeschränkung: Verbindet man die Rechts- 8 formvariante der UG mit der Gesellschaftsgründung im vereinfachten Verfahren unter Verwendung des – für Mehrpersonengesellschaften freilich kaum geeigneten – Musterprotokolls nach § 2 Abs. 1a (hierzu § 2 Rn 50 ff), so ermöglicht Kleindiek

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§ 5a | Unternehmergesellschaft das heutige Recht die rasche Gründung eines Unternehmensträgers mit Haftungsbeschränkung auf das Gesellschaftsvermögen (§ 13 Abs. 2) unter – darin liegt aus Gründersicht die wesentliche Erleichterung gegenüber einer im vereinfachten Verfahren errichteten GmbH – geringem (ggf verschwindend geringem) Kapitaleinsatz. Gerade das war auch das Ziel des MoMiG-Gesetzgebers (s. Rn 5). 9 c) Geltung des GmbH-Rechts im Übrigen: Von den Sonderregeln des § 5a ab-

gesehen ist auf die UG (haftungsbeschränkt) das gesamte Regelstatut des GmbH-Rechts im weitesten Sinn (alle für die GmbH geltenden Vorschriften) anzuwenden. Das bedeutet ua:

(1) Die Geschäftsführer unterliegen den Ausschlussregeln des § 6 Abs. 2, die Gesellschafter ggf der Haftung aus § 6 Abs. 5. (2) Die Gesellschafterversammlung ist den Geschäftsführern gegenüber weisungsbefugt (§§ 37, 46). (3) Ein Geschäftsführer kann von den Gesellschaftern jederzeit abberufen werden (§ 38 Abs. 1). (4) Jede Änderung der Satzung, sei es die individuelle Satzung nach §§ 2 Abs. 1 und 3 oder sei es die Satzung nach dem Muster des § 2 Abs. 1a, bedarf eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung mit 3/4-Mehrheit und notarieller Beurkundung. Das gilt auch für jede Kapitalerhöhung. (5) Die Abtretung von Geschäftsanteilen bedarf der notariellen Form des § 15 Abs. 3 und 4. 10 Die UG (haftungsbeschränkt) unterliegt als Kapitalgesellschaft – nicht anders als

die reguläre GmbH – der Rechnungslegungspflicht nach Maßgabe der §§ 238 ff, 264 ff HGB. In aller Regel wird es sich bei einer UG (haftungsbeschränkt) um eine kleine Gesellschaft iSd § 267 Abs. 1 HGB handeln (vgl Vor § 41 Rn 37 und 40). Ihre Gesellschafterversammlung beschließt über die Feststellung des Jahresabschlusses wie über die Verteilung des Bilanzgewinns (Ergebnisverwendung; §§ 46 Nr. 1, 29 Abs. 2). Ihre Geschäftsführer haben (sanktionsbewehrt nach §§ 334, 335, 335a HGB) für die fristgerechte Bekanntmachung der publizitätspflichtigen Rechnungslegungsunterlagen im Bundesanzeiger zu sorgen (§ 325 HGB; näher Anh zu § 42a Rn 19 ff und 46 ff). Nicht zuletzt kommen der UG (haftungsbeschränkt) die mit dem MicroBilG für Kleinstkapitalgesellschaften iSd § 267a HGB eingeführten Erleichterungen zugute (s. dazu Vor § 41 Rn 23 ff und Anh zu § 42a Rn 24 ff).

11 Die UG (haftungsbeschränkt) ist Handelsgesellschaft nach § 13 Abs. 3 und

Rechtsperson (juristische Person) iSd § 13 Abs. 1. Sie ist konto- und grundbuchfähig und kann sich an anderen Gesellschaften beteiligen, also zB auch persönlich haftende Gesellschafterin in einer KG sein (UG & Co KG; s. noch Rn 40)1.

1 Dazu Heeg DB 2009, 719 ff; Kock/Vater/Mraz BB 2009, 848 ff; Mostertz S. 66 ff; Stenzel NZG 2009, 168 ff; Wachter DB 2009, 159 ff.

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Auch in der UG (haftungsbeschränkt) gilt § 15a Abs. 1 InsO. Ihre Geschäftsführer (auch ein faktischer Geschäftsführer; vgl Vor § 35 Rn 11 und § 43 Rn 2 ff) sind bei Eintritt von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung (§§ 17, 19 InsO; dazu Anh zu § 64 Rn 9 ff und 17 ff) gesetzlich verpflichtet, den Insolvenzantrag zu stellen (§ 15a Abs. 1 InsO); bei Führungslosigkeit der UG (haftungsbeschränkt) ist auch jeder Gesellschafter zur Antragstellung gehalten (§ 15a Abs. 3 InsO; näher Anh zu § 64 Rn 55 ff). Die schuldhafte Verletzung dieser Pflicht löst zivilrechtliche Haftungsfolgen aus (dazu Anh zu § 64 Rn 76 ff) und ist strafbewehrt (§ 15a Abs. 4 und 5 InsO; s. Anh zu § 64 Rn 107 ff). Masseschmälernde Zahlungen nach Eintritt von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung (Zahlungen an Gesellschafter auch dann, wenn sie die Zahlungsunfähigkeit zur Folge haben) führen zur Erstattungspflicht der Geschäftsführer nach § 64 (s. die Erläuterungen dort). Zur Geschäftsführerhaftung bei Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern s. § 43 Rn 91 ff und 111 ff. – Jene Risiken einer „Krisenhaftung“ von Geschäftsführern und Gesellschaftern sind in der UG (haftungsbeschränkt) von erheblicher Bedeutung. Der Anerkennung eines speziellen Instituts der Haftung des GmbH-Gesellschafters wegen (materieller) Unterkapitalisierung (dazu § 13 Rn 20 ff) steht der BGH1 indes nach wie vor – ersichtlich selbst mit Blick auf die UG2 – ablehnend gegenüber. Im Vergleich zur regulären GmbH beschränken sich die Besonderheiten der UG 12 (haftungsbeschränkt) also im Wesentlichen auf den Verzicht des Gesetzes auf das in § 5 Abs. 1 an sich vorgeschriebene Mindeststammkapital, auf die Pflicht zur jährlichen Bildung einer gesetzlichen Rücklage sowie den Zwang zur Führung des besonderen Rechtsformzusatzes, verbunden mit dem Verbot der Bezeichnung als GmbH. Hinzu kommen das Sacheinlageverbot und das Volleinzahlungsgebot aus § 5a Abs. 2 sowie – freilich nicht von wesentlicher Bedeutung – die Abänderung der Einberufungspflicht nach § 49 Abs. 3 durch § 5a Abs. 4 (dazu Rn 63 ff).

3. Gründung der UG (haftungsbeschränkt) a) Nur Neugründung: Die UG (haftungsbeschränkt) steht – nicht anders als die 13 reguläre GmbH – für jeden gesetzlich zulässigen Zweck zur Verfügung3, auch für nicht unternehmerische und/oder nicht mit Gewinnerzielungsabsicht verbundene Zwecke (s. auch Rn 39)4. Sie kann aber nur durch Neugründung (Erst1 BGH GmbHR 2008, 805 Rn 16 ff – Gamma. 2 Vgl BGH GmbHR 2008, 805 Rn 20; Goette in Goette/Habersack, Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, 2009, Kap. 9 Rn 28. 3 Vgl auch BGH DStR 2012, 1617 Rn 16: keine grundsätzliche Unzulässigkeit der Bestellung einer UG als Verwalter einer Wohnungseigentümergemeinschaft; zur gebotenen Einzelfallprüfung s. etwa LG Frankfurt NZG 2014, 826. 4 U/H/L/Paura Rn 21; MünchKomm/Rieder Rn 7; R/A/Roth Rn 5.

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§ 5a | Unternehmergesellschaft gründung) entstehen (vgl § 5a Abs. 1: „Gesellschaft, die … gegründet wird“). Sie kann deshalb nicht dadurch geschaffen werden, dass (nach § 58) das Kapital einer bestehenden GmbH auf einen Betrag unter 25 000 Euro herabgesetzt wird; insoweit bleibt es bei § 58 Abs. 2 Satz 11. Ebenso wenig ist ein Formwechsel in sie nach §§ 190 ff UmwG möglich (s. Rn 70). 14 b) Gründungsverfahren: Die UG (haftungsbeschränkt) kann, wie die reguläre

GmbH, als Ein- oder Mehrpersonengesellschaft, durch natürliche oder juristische Personen, Personenhandelsgesellschaften oder sonstige Gesamthandsgemeinschaften (vgl § 2 Rn 1 ff) gegründet werden. Gründung entweder mittels Individualvertrages nach § 2 Abs. 1 oder unter den Voraussetzungen des § 2 Abs. 1a im (kostengünstigeren, § 107 Abs. 1 Satz 2 GNotKG2) für Mehrpersonengründungen freilich kaum geeigneten vereinfachten Verfahren unter Verwendung des gesetzlichen Musterprotokolls (dazu näher § 2 Rn 50 ff). Hier wie dort bedarf die Gründung der UG notarieller Beurkundung. Zu allen Einzelheiten s. die Erläuterungen zu § 2. Zu den Risiken einer Gründerhaftung in der Vorgesellschaft s. § 11 Rn 18 ff.

15 Eine UG (haftungsbeschränkt) kann – nach den selben Grundsätzen wie eine

herkömmliche GmbH – als offene Vorratsgesellschaft errichtet werden (vgl § 3 Rn 78 ff). Auch die sog wirtschaftliche Neugründung, sei es in der Form der erstmaligen Aktivierung einer UG-Vorratsgesellschaft, sei es durch Reaktivierung eines UG-Altmantels, folgt den allgemeinen Grundsätzen (zu ihnen § 3 Rn 83 ff, 98 ff).

16 c) Anmeldung: Die Anmeldung der UG (haftungsbeschränkt) zur Eintragung

im Handelsregister unterliegt im Grundsatz den allgemeinen Regeln der §§ 7 und 8 (s. die Erläuterungen dort). In Abweichung von § 7 Abs. 2 muss allerdings das in der Satzung der UG festgelegte Kapital voll (in bar) geleistet sein (§ 5a Abs. 2; s. Rn 20 ff); das ist vom Geschäftsführer gemäß § 8 Abs. 2 gegenüber dem Registergericht zu versichern. Da in den Fällen des sog Hin- und Herzahlens außerhalb einer verdeckten Sacheinlage § 19 Abs. 5 auch in der UG (haftungsbeschränkt) Geltung beanspruchen kann (s. Rn 32), ist auch § 19 Abs. 5 Satz 2 (Pflicht zur Offenlegung gegenüber dem Registergericht) anwendbar; insoweit ist die erforderliche Vollwertigkeit des Rückzahlungsanspruchs (näher § 19 Rn 106 ff, 115) sorgfältig zu bedenken.

4. Kapital der UG (haftungsbeschränkt) 17 a) Grundlagen: Auch die UG (haftungsbeschränkt) hat ein Stammkapital, das

den gesetzlichen Regeln der Kapitalaufbringung (mit den Modifikationen aus

1 Seibert GmbHR 2007, 674, 675; B/H/Fastrich Rn 16; B/S/Schäfer Rn 37 mwN. 2 MünchKomm/J. Mayer § 2 Rn 226; Wachter GmbHR 2013, R 241, 242.

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§ 5a Abs. 2; s. Rn 20 ff) sowie dem Kapitalschutz nach Maßgabe (insbesondere) von §§ 30, 31 unterliegt. Aber im Gegensatz zur regulären GmbH (§ 5 Abs. 1) beträgt dieses nicht mindestens 25 000 Euro; seine Höhe unterliegt vielmehr der freien Entscheidung des oder der Gründer in der Satzung und kann zwischen 1 Euro und 24 999 Euro liegen (§ 5a Abs. 1). Jeder Gesellschafter muss je mindestens einen Geschäftsanteil zumindest zu 1 Euro übernehmen (s. Rn 7). Die Einlagen sind notwendig Bareinlagen (§ 5a Abs. 2 Satz 2; Rn 20 ff) und müssen – anders als nach § 7 Abs. 2 – in voller Höhe eingezahlt sein (§ 5a Abs. 2 Satz 1; Rn 25 f). Das hat der Geschäftsführer bei der Anmeldung (§ 8 Abs. 2) zu versichern. Der oder die Gesellschafter sind rechtlich frei, ihre UG (haftungsbeschränkt) mit 18 auch nur 1 Euro zu gründen. Sie sind aber gut beraten, wenn sie das nicht tun; denn ohne den Puffer von Eigenkapital droht der Gesellschaft die rasche (zumindest rechnerische) Überschuldung; ihre Geschäftsführer sind dann zur Stellung des Insolvenzantrags verpflichtet (vgl schon Rn 11), sofern nicht – was nur ausnahmsweise der Fall sein dürfte – trotz der geringen Eigenkapitalausstattung eine positive Fortbestehensprognose objektiv gerechtfertigt ist (vgl dazu näher Anh zu § 64 Rn 32 ff). Bei (zu) gering bemessenem Stammkapital sind also anderweitige Finanzierungsleistungen erforderlich; Gesellschafterdarlehen helfen gegen drohende Überschuldung freilich nur, wenn dabei ein Rangrücktritt gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO (s. dazu Anh zu § 64 Rn 45 ff) vereinbart worden ist. Zu Nachrang und Insolvenzanfechtung im Zusammenhang mit Gesellschafterdarlehen und wirtschaftlich entsprechenden Finanzierungshilfen näher Anh zu § 64 Rn 115 ff. Existenzgründer sollten also nicht hasardieren oder auf das Glück spekulieren, 19 sondern tun gut daran, sich bei Bedarf von sachverständiger Seite, etwa der IHK oder den öffentlichen Einrichtungen zur Förderung junger Unternehmen, beraten zu lassen. Ihnen muss jedenfalls bewusst sein, dass der Gesetzgeber der UG (haftungsbeschränkt) – sehr zu Recht! – keine (bilanziellen) Erleichterungen bei der Überschuldungsfeststellung (dazu Anh zu § 64 Rn 17 ff) eingeräumt hat. Insbesondere dürfen die Aufwendungen für die Ingangsetzung des Geschäftsbetriebs im Überschuldungsstatus nicht aktiviert werden. Insoweit besteht selbst für den Jahresabschluss ein Aktivierungsverbot (vgl § 42 Rn 35). Es droht also die nachhaltige Gefahr, dass eine unterfinanzierte UG (haftungsbeschränkt) alsbald überschuldet und insolvent ist. Das ist schon im Blick auf die (etwaige) Übernahme des Gründungsaufwands durch die Gesellschaft1 (s. § 3 Rn 52 sowie – für die Gründung im vereinfachten Verfahren nach § 2 Abs. 1a – § 2 Rn 64) zu bedenken. Wird bei materiellem Insolvenzeintritt nicht Insolvenzantrag gestellt, haftet jeder Geschäftsführer (bei Führungslosigkeit: auch jeder Gesellschafter) persönlich (vgl noch einmal Rn 11). 1 Dazu KG GmbHR 2015, 1158.

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§ 5a | Unternehmergesellschaft 20 b) Sacheinlageverbot (§ 5a Abs. 2 Satz 2): Bei der regulären GmbH können die

Gründer/Gesellschafter zwischen Bareinlage und Sacheinlage wählen (§ 5 Abs. 2). Diese Wahl besteht bei der UG (haftungsbeschränkt) nicht: Sacheinlagen sind ausgeschlossen (§ 5a Abs. 2 Satz 2); wird ein Stammkapital von weniger als 25 000 Euro in der Satzung festgelegt, kommt also nur die Bareinlage in Betracht. Sachleistungen können (ohne Anrechnung auf die Kapitaleinlage) nur als Nebenleistungen (§ 3 Abs. 2) bzw als andere Zuzahlungen (Sacheinbringungen) in die Kapitalrücklage iSv § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB vereinbart werden1.

21 Jenes Sacheinlageverbot wird zT kritisch gesehen2. Es dient indes der Verein-

fachung und Beschleunigung des Verfahrens bei Gründung und Kapitalerhöhung (kein Sachgründungsbericht, keine Kontrolle durch den Registerrichter), hat daneben aber auch Gläubigerschutzfunktion3: Die effektive Aufbringung des Stammkapitals von weniger als 25 000 Euro soll nicht durch die Gefahr mangelnder Werthaltigkeit eingebrachter Sacheinlagen gefährdet werden. Einen Konflikt mit den Interessen der Gesellschafter sah der Gesetzgeber insoweit jedenfalls nicht: Die Feststellung in der Begründung zum RegE MoMiG, Sacheinlagen seien in der UG (haftungsbeschränkt) nicht erforderlich4, dürfte auf der Überlegung beruhen, dass es den Gesellschaftern gerade frei steht, das Stammkapital auf einen Betrag festzusetzen, den sie durch Barleistung aufbringen können.

22 Wird dennoch eine Sacheinlage vereinbart, so ist diese Sacheinlagevereinbarung

nach § 134 BGB unwirksam (Rückgewähr nach Bereicherungsrecht); die Eintragung ist abzulehnen (§§ 9c Abs. 1, 57a). Die Satzung ist im Zweifel aber nicht insgesamt nach §§ 134, 139 BGB nichtig5. Wird gleichwohl eingetragen, entsteht eine Bareinlagepflicht6.

23 Bis zur Klärung durch den BGH (s. sogleich Rn 24) umstritten war die Reich-

weite des Sacheinlageverbots aus § 5a Abs. 2 Satz 2 im Falle späterer Kapitalerhöhungen. Gewiss gilt es nicht mehr für weitere Kapitalerhöhungen, nachdem das Stammkapital der Gesellschaft schon zuvor auf den Betrag des § 5 Abs. 1 oder darüber hinaus (dh 25 000 Euro oder mehr) erhöht worden ist; denn jedenfalls dann finden – wie sich aus § 5a Abs. 5 ergibt – die „Absätze 1 bis 4“ der Vorschrift, also auch § 5a Abs. 2, keine Anwendung mehr. Im Umkehrschluss

1 Stellungnahme Handelsrechtsausschuss des DAV zum RegE MoMiG, NZG 2007, 735, 737; Hennrichs NZG 2009, 1161, 1164 f; U/H/L/Paura Rn 41. 2 S. zur Kritik etwa Hennrichs NZG 2009, 1161, 1162; MünchKomm/Rieder Rn 20; Veil ZGR 2009, 623, 630 f. 3 Dazu schon Kleindiek FS Hopt, 2010, S. 941, 943 f. 4 BegrRegE MoMiG, BT-Drucks 16/6140, S. 32. 5 So noch 17. Aufl, Rn 12 (Lutter) im Anschluss an Gehrlein Der Konzern 2007, 771, 779; Freitag/Riemenschneider ZIP 2007, 1485, 1486. 6 U/H/L/Paura Rn 37; MünchKomm/Rieder Rn 21; R/A/Roth Rn 19; B/S/Schäfer Rn 22; Wicke Rn 8.

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gilt das Sacheinlageverbot aber ebenso gewiss noch für jede beschlossene Kapitalerhöhung, nach deren Vollzug der Betrag des statutarischen Stammkapitals nach wie vor unter 25 000 Euro bleibt. Die vereinzelt vertretene Gegenmeinung1, nach der § 5a Abs. 2 nur für die Gründung einer UG (haftungsbeschränkt) soll Geltung beanspruchen können, ist mit § 5a Abs. 5 unvereinbar2. Allein fraglich kann sein, ob das Sacheinlageverbot auch schon für diejenige Kapitalerhöhung aufgehoben ist, nach deren Durchführung das Stammkapital der Gesellschaft den Betrag von 25 000 Euro erreicht oder übersteigt3. Der BGH hat das in seiner Grundsatzentscheidung vom 19.4.2011 mit überzeu- 24 genden Erwägungen bejaht4: Andernfalls würde der Übergang von der UG (mit einem Stammkapital von unter 25 000 Euro) zur „Voll-GmbH“ (mit einem Stammkapital von mindestens 25 000 Euro) in einer den Zielen des Gesetzes widersprechenden Weise erschwert. c) Volleinzahlungsgebot (§ 5a Abs. 2 Satz 1): Entsprechend der des Sachein- 25 lageverbots (Rn 23 f) ist auch die Reichweite des Volleinzahlungsgebots aus § 5a Abs. 2 Satz 1 abzugrenzen: Es gilt sicher nicht mehr für weitere Kapitalerhöhungen nach schon zuvor vollzogener Erhöhung des Stammkapitals auf 25 000 Euro oder mehr (arg § 5a Abs. 5). Es gilt aber durchaus für eine Erhöhung, nach deren Durchführung das Kapital noch immer unter diesem Betrag bleibt. Hier darf die Anmeldung zum Handelsregister – nicht anders als bei der Gründung der UG – erst erfolgen, wenn das erhöhte Kapital in voller Höhe eingezahlt ist. Zwar nimmt § 56a nicht auch § 5a Abs. 2 Satz 1 in seine Verweisung auf; die Geltung jener Vorschrift auch im Rahmen der Kapitalerhöhung folgt jedoch schon unmittelbar aus § 5a Abs. 5. Für eine Kapitalerhöhung indes, nach deren Durchführung das Stammkapital der Gesellschaft den Betrag von 25 000 Euro erreicht oder übersteigt, gilt das Volleinzahlungsgebot aus § 5a Abs. 2 Satz 1 schon nicht mehr5. Auch hier trägt die Erwägung, dass die Gesellschafter beim Übergang von der UG (haftungsbeschränkt) zur „Voll-GmbH“ nicht benachteiligt werden sollen (vgl soeben Rn 24). Ebenso wenig wäre es allerdings gerechtfertigt, sie bei diesem Übergang besser- 26 zustellen als bei der Neugründung einer regulären GmbH. Die bei einer Kapitalerhöhung nach § 56a iVm § 7 Abs. 2 Satz 1 an sich nur erforderliche Einzahlung von einem Viertel des Erhöhungsbetrages reicht deshalb dann (und insoweit) 1 Hennrichs NZG 2009, 1161, 1162 f; ihm folgend Jerg S. 128 ff; Ullenboom S. 153 ff. 2 BGH GmbHR 2011, 699 Rn 14; Kleindiek FS Hopt, 2010, S. 941, 944; Ulmer GmbHR 2010, 1298, 1300. 3 Verneinend etwa 17. Aufl, Rn 12 (Lutter); Fastrich in VGR, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2010, 2011, S. 119, 137 f; Ulmer GmbHR 2010, 1298, 1301; bejahend zB Scholz/ Westermann 10. Aufl, Nachtrag MoMiG Rn 18; Priester ZIP 2010, 2182, 2184. 4 BGH GmbHR 2011, 699 Rn 18 ff. 5 Ebenso OLG Hamm GmbHR 2011, 655; OLG München GmbHR 2011, 1276; OLG Stuttgart GmbHR 2011, 1275.

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§ 5a | Unternehmergesellschaft nicht aus, als die Summe aus schon eingezahlten Einlagen und Erhöhungsbetrag die Hälfte des Mindeststammkapitals nach § 5 Abs. 1 nicht erreicht: Entsprechend § 7 Abs. 2 Satz 2 müssen auf das Stammkapital insgesamt wenigstens 12 500 Euro eingezahlt sein1. – Beispiel: Bei einer Kapitalerhöhung in der UG (haftungsbeschränkt) von 1 Euro um 24 999 auf 25 000 Euro müssen die 24 999 Euro zwar nicht sogleich (voll) eingezahlt werden. Die Einzahlung von einem Viertel des Erhöhungsbetrages (6 250 Euro) würde aber nicht genügen; vor Anmeldung einzuzahlen sind vielmehr wenigstens 12 499 Euro. – Wo die Summe aus schon eingezahlten Einlagen und einem Viertel des Erhöhungsbetrages insgesamt ohnehin 12 500 Euro erreicht oder übersteigt, stellt sich das Problem nicht. Beispiel: Kapitalerhöhung von 10 000 Euro um 15 000 Euro auf 25 000 Euro, ein Viertel des Erhöhungsbetrages (3 750 Euro) wird eingezahlt2. 27 d) Verdeckte Sacheinlagen (§ 19 Abs. 4): Auch in der UG (haftungsbeschränkt)

kann und wird es vorkommen, dass die Gesellschafter eine förmliche Bargründung (oder Barkapitalerhöhung) beschließen und durchführen, bei Licht besehen aber eine verdeckte Sacheinlage vorliegt, dh (vgl § 19 Abs. 4 Satz 1) die Geldeinlage bei wirtschaftlicher Betrachtung und aufgrund einer im Zusammenhang mit ihrer Übernahme getroffenen Abrede vollständig oder teilweise als Sacheinlage zu bewerten ist3. Ob sich die Rechtsfolgen einer solchen verdeckten Sacheinlage, soweit das Sacheinlageverbot aus § 5a Abs. 2 Satz 2 gilt (zu seiner Reichweite in Fällen der Kapitalerhöhung Rn 23 f), nach den Privilegierungen des heutigen § 19 Abs. 4 oder vielmehr weiterhin nach den Regeln des früheren, bis zum Inkrafttreten des MoMiG geltenden Rechts richten, ist sehr umstritten.

28 Eine verbreitete Ansicht4 verneint die Anwendbarkeit des § 19 Abs. 4 und

macht zur Begründung geltend, die privilegierenden Wirkungen jener Regelung hätten keine Berechtigung, wo die Beteiligten den Weg der offenen Sacheinlage

1 Zutreffend OLG Hamm GmbHR 2011, 655, 656; Klose GmbHR 2009, 294, 297; ebenso etwa Berninger GmbHR 2011, 953, 955; Michalski/Miras Rn 112 f; MünchKomm/Rieder Rn 40; R/A/Roth Rn 16; G/E/S/Schmitz Rn 16 f; aA Wachter NJW 2011, 2620, 2623, der Viertel-Einzahlung genügen lassen will. 2 So lagen die Dinge im Fall OLG Hamm GmbHR 2011, 655. – Auch in den Fällen OLG München GmbHR 2011, 1276 und OLG Stuttgart GmbHR 2011, 1275 waren insgesamt jeweils mehr als 12 500 Euro eingezahlt, weshalb in beiden Entscheidungen zu der in Rn 26 erörterten Frage nicht Stellung genommen wurde. 3 Zur Abgrenzung vgl etwa OLG Karlsruhe GmbHR 2014, 752 mit Anm Wachter: Unentgeltliche Übertragung des ehemals einzelkaufmännisch geführten Geschäftsbetriebs auf die neu gegründete UG (haftungsbeschränkt). 4 S. etwa R/S-L/Baukelmann/Schmidt-Leithoff Rn 20; B/H/Fastrich Rn 12; Fastrich in VGR, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2010, 2011, S. 119, 141; Hirte ZInsO 2008, 933, 935; Michalski/Miras Rn 42 ff; Priester FS Roth, 2011, S. 573, 577; B/S/Schäfer Rn 23; Schäfer ZIP 2011, 53, 57 f; Ulmer GmbHR 2010, 1298, 1301 ff; Wachter GmbHR-Sonderheft 2008, S. 25, 33; Wicke Rn 8; F. Wolf Verdeckte Sacheinlage in GmbH und AG, 2013, S. 261 ff.

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gar nicht hätten wählen dürfen. Die Gegenmeinung1 verweist auf das mit dem MoMiG verfolgte Ziel des Gesetzgebers, das Gründungsverfahren zu deregulieren und die früheren (als überschießend empfundenen) Rechtsfolgen einer verdeckten Sacheinlage zu beseitigen. Auch dieser Kommentar hat sich von Anbeginn für die Anwendbarkeit des § 19 Abs. 4 im Geltungsbereich des § 5a Abs. 2 Satz 2 (wie auch bei der GmbH-Gründung im vereinfachten Verfahren unter Verwendung eines Musterprotokolls nach § 2 Abs. 1a, wo ebenfalls ein Sacheinlageverbot gilt; vgl dazu § 2 Rn 61 und § 19 Rn 67 ff) ausgesprochen. So hatte Lutter in der 17. Aufl (§ 5a Rn 13) mit Nachdruck geltend gemacht, es könne nicht sein, die früheren Rechtsfolgen einer verdeckten Sacheinlage ausgerechnet bei der UG fröhliche Urständ feiern zu lassen. Daran ist festzuhalten; § 19 Abs. 4 kommt auch in der UG (haftungs- 29 beschränkt) zur Anwendung2. Zwar verstößt die verdeckte Sacheinlage selbst bei Werthaltigkeit des überlassenen Vermögensgegenstandes nicht lediglich gegen (formelle) Verfahrenskautelen des Gesetzes, wenn die Gründung oder Kapitalerhöhung im Wege offen ausgewiesener Sacheinlagen gar nicht zugelassen ist. Auch dient das Sacheinlageverbot bei der UG nicht allein der Vereinfachung und Beschleunigung des Gründungs- (und Kapitalerhöhungs-) Verfahrens, sondern hat auch Gläubigerschutzfunktion (s. Rn 21). Dennoch wäre es wertungswidersprüchlich, wollte man die Anwendung des § 19 Abs. 4 in der UG versagen3. Denn die in jener Vorschrift angeordnete Wertanrechnung des verdeckt überlassenen Vermögensgegenstandes auf die Geldeinlagepflicht des Gesellschafters führt im Ergebnis – soweit die Anrechnung reicht – zum Erlöschen seiner Barleistungspflicht. Der Neuordnung der Rechtsfolgen verdeckter Sacheinlagen in § 19 Abs. 4 liegt die gesetzliche Wertung zugrunde, dass den Gläubigerinteressen hinreichend Rechnung getragen ist, wenn die Gesellschafter der Gesellschaft Vermögensgegenstände im (nachgewiesenen) Wert des Stammkapitalbetrages (bzw des Kapitalerhöhungsbetrages) überlassen. Diese Wertung unterscheidet nicht danach, ob eine offene Sacheinlage erlaubt oder verboten ist. Eine solche Differenzierung wäre im Übrigen wenig folgerichtig, denn die verdeckte Sacheinlage verletzt auch dann die Vorgaben des Gesetzes, wenn der nämliche Vermögensgegenstand im Wege einer offenen Sacheinlage hätte ein1 Vgl zB Goette in Goette/Habersack, Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, 2009, Kap. 9 Rn 24; Kleindiek FS Hopt, 2010, S. 941 ff; U/H/L/Paura Rn 40; S/I/Pfisterer Rn 14; MünchKomm/Rieder Rn 23; R/A/Roth Rn 21; Veil ZGR 2009, 623, 631 f; Wansleben/Niggemann NZG 2012, 1412, 1413 f; Scholz/Westermann Rn 20; Witt ZIP 2009, 1102; 1105; im Ergebnis auch Pentz FS Goette, 2011, S. 355, 359 ff (analoge Anwendung des § 19 Abs. 4). 2 Ausführlicher zum Folgenden Kleindiek FS Hopt, 2010, S. 941 ff. 3 S. Kleindiek FS Hopt, 2010, S. 941, 944 f; im Ansatz ähnlich schon 17. Aufl, Rn 13 (Lutter) und Goette in Goette/Habersack, Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, 2009, Kap. 9 Rn 24; auch Witt ZIP 2009, 1102, 1105, der freilich die Tilgungswirkung der Anrechnung leugnet.

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§ 5a | Unternehmergesellschaft gebracht werden können. Hier wie dort gibt der Geschäftsführer eine falsche Versicherung ab, wenn er den Tatbestand der verdeckten Sacheinlage bei der Anmeldung zur Eintragung im Handelsregister verschweigt; ihn treffen daraus zivilrechtliche und (bei Vorsatz) strafrechtliche Sanktionen1. Gleichwohl führt die Wertanrechnung nach Eintragung der Gesellschaft (oder der Kapitalerhöhung) in Höhe des anrechenbaren Wertes zur Befreiung des Gesellschafters von seiner Bareinlagepflicht. Wo per se ein Bareinlagegebot gilt, kann das nicht anders sein. 30 Im Übrigen beschränkt der BGH das Rechtsinstitut der verdeckten Sacheinlage

zwar auf die (verdeckte) Einbringung sacheinlagefähiger Gegenstände2: Der den Grundsätzen der verdeckten Sacheinlage inhärente Vorwurf einer Umgehung der Sacheinlagevorschriften setze voraus, dass die Gesellschafter den im Ergebnis erstrebten Erfolg einer Sacheinlage rechtmäßig unter Beachtung der dafür geltenden Vorschriften hätten erreichen können; die dem Bareinlageschuldner nachteiligen Folgen des Rechts der verdeckten Sacheinlage könnten nicht an die Nichteinhaltung eines Verfahrens geknüpft werden, das die Rechtsordnung für den betreffenden Vorgang gar nicht bereitstelle. – Aus solchen Feststellungen ist indes nicht der Schluss zu ziehen, für die Rechtsfolgen der verdeckten Sacheinlage nach § 19 Abs. 4 sei auch dort kein Raum, wo ein zwar sacheinlagefähiger Gegenstand verdeckt eingebracht werde, die Alternative einer offenen Sacheinlage aber gar nicht zur Verfügung stehe3. Für den Fall der Einbringung eines nicht sacheinlagefähigen Gegenstandes verneint der BGH schon den Tatbestand der verdeckten Sacheinlage, so dass Leistungsbefreiung zugunsten des Inferenten auch nicht nach § 19 Abs. 4, sondern – wenn ein Fall des Hin- und Herzahlens gegeben ist – nur unter den (strengeren) Kautelen des § 19 Abs. 5 in Betracht kommt. Ein nicht sacheinlagefähiger Gegenstand ist im Kontext des § 19 Abs. 4 auch nicht anrechnungsfähig, weil er keine „Wertdeckungseignung“ im Sinne dieser Vorschrift hat. Wo trotz bestehenden Bareinlagegebots ein sacheinlagefähiger Gegenstand eingebracht wird, liegen die Dinge durchaus anders. Die Einbringung als offene Sacheinlage wäre hier zwar ebenfalls nicht möglich gewesen. Die „Wertdeckungseignung“ eines solchen Gegenstandes ist aber gegeben. Die Anrechnungswirkung des § 19 Abs. 4 gleichwohl versagen zu wollen, wäre – s. Rn 29 – nicht wertungskonsistent. Die Erkenntnis des BGH, die Anwendung der Grundsätze verdeckter Sacheinlagen iSd § 19 Abs. 4 setze voraus, dass die Gesellschafter den erstrebten Einlageerfolg auch unter Beachtung (Einhaltung) der jeweils bestehenden gesetzlichen Vorschriften hätten erreichen können4, ist deshalb zu weit formuliert: Für die Anwendbarkeit der privilegierenden Wir-

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Vgl Kleindiek FS Karsten Schmidt, 2009, S. 893, 897 f. BGH GmbHR 2009, 540 Rn 11 – Qivive. So aber B/S/Schäfer Rn 23; Schäfer ZIP 2011, 53, 57. BGH GmbHR 2009, 540 Rn 11 – Qivive.

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kungen des § 19 Abs. 4 entscheidend kann allein sein, ob ein zur (wenigstens teilweisen) Wertdeckung geeigneter Gegenstand (verdeckt) eingebracht wird. Auch in der UG (haftungsbeschränkt) richten sich die Rechtsfolgen der verdeck- 31 ten Sacheinlage also, wie bei der regulären GmbH, nach § 19 Abs. 4 (zu Einzelheiten s. § 19 Rn 54 ff) mit der Folge, dass – die Bareinlageverpflichtung des betreffenden Gesellschafters gültig ist und bleibt; – aber auch die Vereinbarungen im Zusammenhang mit der Sache sowie deren Leistung selbst rechtswirksam sind und – der objektive Wert der Sache im Zeitpunkt der Anmeldung der Gesellschaft zum Handelsregister oder ihrer späteren Überlassung an die Gesellschaft auf die Bareinlagepflicht kraft Gesetzes angerechnet wird. e) Hin- und Herzahlungen (§ 19 Abs. 5): In den Konstellationen des Hin- und 32 Herzahlens außerhalb der Fälle einer verdeckten Sacheinlage kommt auch in der UG (haftungsbeschränkt) § 19 Abs. 5 zur Anwendung (zu Einzelheiten s. § 19 Rn 105 ff). Das muss im Übrigen selbst dann gelten, wenn man – entgegen der Rn 29 f vertretenen Position – die Anwendbarkeit des § 19 Abs. 4 bei der UG grundsätzlich verneinen wollte1. Das Volleinzahlungsgebot in der UG (§ 5a Abs. 2 Satz 1) steht der Anwendbarkeit des § 19 Abs. 5 nicht entgegen2. Das Gesetz erkennt heute in § 19 Abs. 5 einen bloß schuldrechtlichen (fälligen und liquiden) Rückgewähranspruch gegen den Inferenten als dem Einlageanspruch gleichwertig an, womit der Gesetzgeber die überkommenen Grundsätze des Kapitalaufbringungsrechts durchbrochen hat; mit der Frage Voll- oder Teileinzahlungsgebot hat das aber nichts zu tun3. Allerdings verlangt § 19 Abs. 5 Satz 2, dass die Vereinbarung des „Hin- und 33 Herzahlens“ gegenüber dem Registergericht angezeigt wird (s. Rn 16). Der BGH versteht diese Anzeige als konstitutive Voraussetzung der Erfüllungswirkung nach Satz 1 der Vorschrift4. Das ist zwar in keiner Weise überzeugend5, für die Praxis aber ein zu beachtendes Datum.

1 Die Anwendbarkeit von § 19 Abs. 5 bejahen denn auch B/H/Fastrich Rn 12; Fastrich in VGR, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2010, 2011, S. 119, 138 f; Michalski/Miras Rn 50; B/S/Schäfer Rn 23. 2 S/I/Pfisterer Rn 11; MünchKomm/Rieder Rn 24; kritisch Wicke Rn 7; nicht konsequent Scholz/Westermann Rn 17. 3 Zutreffend R/A/Roth Rn 22. 4 So, wenn auch jeweils ohne nähere Begründung, BGH GmbHR 2009, 540 Rn 16 – Qivive; BGH GmbHR 2009, 926 Rn 25 – Cash Pool II. 5 S. zur Kritik § 19 Rn 122 f (Bayer); HK-InsO/Kleindiek Anh § 35 Rn 60.

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§ 5a | Unternehmergesellschaft 5. Gesetzliche Rücklage (§ 5a Abs. 3) 34 a) Grundlagen: Für die Gründung der regulären GmbH verlangt das Gesetz in

§ 5 Abs. 1 – wenn auch nicht sofort in voller Höhe (§ 7 Abs. 2) – die Aufbringung eines Mindesteigenkapitals von 25 000 Euro; mit der UG (haftungsbeschränkt) gewährt der Gesetzgeber die Wohltat der Haftungsbeschränkung ohne den „Preis“ eines solchen Risikobeitrags der Gesellschaftsgründer (s. schon Rn 4 f). Jedoch soll im Anschluss an die Gründung das Eigenkapital der Gesellschaft nach § 5a Abs. 3 aus einbehaltenen Gewinnen der Geschäftstätigkeit aufgebaut und – vgl § 5a Abs. 5 – auf die Höhe des Mindestkapitals nach § 5 Abs. 1 gebracht werden. Die Prämisse des § 5 Abs. 1 wird also nicht endgültig, sondern nur für den Zeitpunkt der Gründung der UG aufgegeben, im Übrigen aber zeitlich gestreckt1.

35 Das Leitbild des MoMiG-Gesetzgebers von der idealtypischen Lebensentwick-

lung der UG (haftungsbeschränkt) wird damit durchaus zutreffend beschrieben2, wenngleich der Aufstieg zur „Voll-GmbH“ tatsächlich nur bei einem kleinen Teil der Unternehmergesellschaften realisiert wird3. Jedenfalls hat der Gesetzgeber aber auf jeden Versuch verzichtet, den Aufbau einer Rücklage, die (zusammen mit dem in der Satzung festgelegten Stammkapital) alsbald die Höhe des Mindestkapitals nach § 5 Abs. 1 erreicht, zu forcieren oder die Verwendung der Rücklage zur zeitnahen Erhöhung des Stammkapitals auf insgesamt wenigstens 25 000 Euro zu erzwingen (zB durch Androhung der Auflösung der Gesellschaft, wenn jenes Ziel nicht nach einer bestimmten Zeit verwirklicht ist). Der Aufbau einer höheren Eigenkapitalausstattung kann durch § 5a Abs. 3 auch keineswegs „gesichert werden“4. Die Pflicht zur Rücklagenbildung steht vielmehr unter der Prämisse, dass der aufgestellte Jahresabschluss überhaupt einen Jahresüberschuss aufweist. Dass wirtschaftlicher Erfolg nicht gesetzlich „gesichert“ werden kann, versteht sich ohnehin von selbst. Zudem können zulässige Gestaltungsoptionen einen Jahresüberschuss erst gar nicht entstehen lassen; unzulässige Umgehungsstrategien (Rn 42) sind für außenstehende Dritte (Gläubiger) in der Regel kaum zu erkennen, zumal kleine Kapitalgesellschaften (vgl Rn 10) ihre GuV nicht offenlegen müssen und auch nicht prüfungspflichtig sind (s. Vor § 41 Rn 40). Eine gleichwohl aufgebaute Rücklage darf zur Verlustdeckung verwendet werden, kann also ggf schnell verbraucht sein. Im Übrigen können die Gesellschafter sie in Stammkapital umwandeln, müssen dies aber nicht tun (Rn 45). Die Interessen der Gläubiger werden mit der Rücklage nach Abs. 3 jedenfalls nicht in einer Weise geschützt, die der Ver-

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In diesem Sinne schon 17. Aufl, Rn 14 (Lutter). Vgl auch Begr zu § 5a Abs. 3 RegE MoMiG, BT-Drucks 16/6140, S. 32. Vgl die Zahlen bei Bayer/Hoffmann GmbHR 2014, R 359. So aber Begr zu § 5a Abs. 3 RegE MoMiG, BT-Drucks 16/6140, S. 32.

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pflichtung zur Aufbringung des gesetzlichen Mindesteigenkapitals bei Gründung nach §§ 5 Abs. 1, 7 Abs. 2 gleichwertig wäre. b) Rücklagenbildung (§ 5a Abs. 3 Satz 1): Die UG (haftungsbeschränkt) ist als 36 Handelsgesellschaft (§§ 13 Abs. 3, 6 HGB) und (regelmäßig kleine iSv § 267 Abs. 1 HGB; vgl Rn 10) Kapitalgesellschaft gemäß §§ 242 ff, 264 ff HGB verpflichtet, nach dem Ende ihres Geschäftsjahres durch ihren Geschäftsführer einen Jahresabschluss (JA) mit Bilanz, GuV und (sofern keine Kleinstkapitalgesellschaft iSd § 267a HGB) Anhang aufzustellen (s. schon Rn 10). Erweist dabei die GuV, dass ein Jahresüberschuss (§ 275 Abs. 2 Nr. 17, Abs. 3 Nr. 16 HGB) nach Abzug eines Verlustvortrages aus dem JA des Vorjahres in bestimmter Höhe entstanden ist, so muss der Geschäftsführer 25 % davon bereits in der aufgestellten Bilanz in die gesetzliche Rücklage (§ 266 Abs. 3 A III Nr. 1 HGB) buchen. In Höhe dieser 25 % entsteht dann kein verteilungsfähiger Bilanzgewinn mehr (§ 158 Abs. 1 Nr. 4 und 5 AktG entsprechend). Angesichts der spezifischen Funktion der gesetzlichen Rücklage nach § 5a Abs. 3 ist diese, auch vor dem Hintergrund des Einblicksgebots nach § 264 Abs. 2 HGB, richtigerweise immer gesondert auszuweisen, trotz § 266 Abs. 1 Satz 3 und 4 HGB also auch bei der kleinen UG oder einer solchen, welche die Kriterien der Kleinstkapitalgesellschaft nach § 267a HGB erfüllt (dazu Vor § 41 Rn 23 ff sowie § 42 Rn 4)1. In der Struktur ähnelt die Rücklage nach § 5a Abs. 3, bei Unterschieden im Ein- 37 zelnen, der Regelung des § 150 AktG. Auch bei der dortigen gesetzlichen Rücklage muss der fragliche Betrag bereits bei der Aufstellung der Bilanz berücksichtigt werden2. Die Gesellschafterversammlung darf bei der anschließenden Feststellung der Bilanz an einer gebuchten Rücklage in Höhe der in § 5a Abs. 3 Satz 1 vorgeschriebenen 25 % negativ nichts ändern (s. aber Rn 38). Enthält der vom Geschäftsführer aufgestellte JA (also der JA-Entwurf) die gesetzlich vorgeschriebene Zuweisung nicht oder nicht in der vorgeschriebenen Höhe, so kann die Gesellschafterversammlung das vor Feststellung des JA noch ändern. Tut sie das nicht oder verringert sie gar die vorgeschriebene Zuweisung, so ist der JA nichtig; s. zu den Rechtsfolgen von Verstößen gegen § 5a Abs. 3 Rn 48 ff. Die Satzung oder ein Weisungsbeschluss der Gesellschafterversammlung kön- 38 nen den Geschäftsführer zur Einstellung einer höheren Zuführung3 an die gesetzliche Rücklage anweisen. In gleicher Weise können das die Gesellschafter noch anlässlich der Feststellung des JA tun, indem sie den von den Geschäftsführern aufgestellten Abschluss entsprechend ändern. Jede Reduzierung der gesetzlich vorgeschriebenen 25 % ist jedoch nichtig.

1 Vgl für die kleine UG (haftungsbeschränkt) auch Hennrichs NZG 2009, 921, 924; H.-F. Müller ZGR 2012, 81, 84; Michalski/Miras Rn 69. 2 K. Schmidt/Lutter/Kleindiek § 150 AktG Rn 4. 3 S. auch U/H/L/Paura Rn 50.

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§ 5a | Unternehmergesellschaft 39 c) Gestaltungsspielräume: Die Pflicht zur Rücklagenbildung nach § 5a Abs. 3

steht unter der Voraussetzung, dass das Geschäftsjahr überhaupt mit einem Jahresüberschuss endet. Das Gesetz behandelt den Fall, dass Gewinn erzielt ist, und sagt nicht, es müsse auf jeden Fall Gewinn erzielt werden (s. schon Rn 35). § 5a Abs. 3 steht deshalb der Vereinbarung einer „gewinnlosen“ UG (haftungsbeschränkt) nicht entgegen1. Erst recht zulässig ist auch eine gemeinnützige UG2.

40 Die UG (haftungsbeschränkt) kann als persönlich haftende Gesellschafterin ei-

ner KG – UG (haftungsbeschränkt) & Co KG (s. schon Rn 11) – vertraglich von der Gewinnbeteiligung ausgeschlossen sein3; die Übernahme der Komplementärfunktion durch eine UG ist nicht etwa nur unter der Voraussetzung ihrer Gewinnbeteiligung zulässig4, der KG-Gesellschaftsvertrag andernfalls nicht etwa unwirksam5. Ebenso wenig hängt die Zulässigkeit davon ab, dass die Komplementär-UG wenigstens eine feste Vergütung für die übernommene Haftung (neben der Erstattung ihrer Auslagen) erhält6; die Folgen ausgeschlossener Erstattungs- und Vergütungsansprüche richten sich vielmehr nach den Grundsätzen verdeckter Gewinnausschüttungen (verdeckter Vermögensverlagerungen) zulasten der UG7; dazu Rn 42 f. 1 Übereinstimmend U/H/W/Paura Erg MoMiG Rn 43 und 73; MünchKomm/Rieder Rn 54; R/A/Roth Rn 26; S/I/Pfisterer Rn 20. 2 Dazu Michalski/Miras Rn 100 f; Oberbeck/Winheller DStR 2009, 516 ff; Ullrich GmbHR 2009, 750 ff; U/H/L/Paura Rn 75. – Zur Vereinbarkeit der Rücklagenbildung nach § 5a Abs. 3 mit dem Grundsatz der zeitnahen Mittelverwendung s. BayLfSt, Verfügung v. 31.3.2009, DB 2009, 934 sowie das BMF-Schreiben v. 17.1.2012, DStR 2012, 298 (Anwendungserlass zu § 55 AO). 3 Ebenso etwa Hennrichs NZG 2009, 1161, 1166; H.-F. Müller ZGR 2012, 81, 102 ff; U/H/L/ Paura Rn 73 f; S/I/Pfisterer Rn 29; MünchKomm/Rieder Rn 54 f; Stenzel NZG 2009, 168, 169 ff; Scholz/Westermann Rn 40; im Ergebnis auch Mostertz S. 79 ff, der allerdings für eine „analoge Anpassung“ des § 5a Abs. 3 plädiert (zusammenfassend S. 183 f): Die zu bildende Rücklage sei in der UG (haftungsbeschränkt) & Co KG unter „Gesamtbetrachtung der Jahresüberschüsse von UG und KG zu errechnen“. 4 So jedoch Priester FS Roth, 2011, S. 573, 583 f; Tamm MDR 2010, 1025, 1028; Veil ZGR 2009, 623, 641; Wachter GmbHR-Sonderheft 2008, S. 25, 33; Weber BB 2009, 842, 847; tendenziell auch Wicke Rn 19. Vermittelnd (als Maßstab für die Wirksamkeit des KGGesellschaftsvertrages indes wenig praktikabel) B/H/Fastrich Rn 36: UG müsse die gesetzliche Rücklage kontinuierlich so bedienen können, dass innerhalb von 10 Jahren gebundene Mittel in Höhe des Mindeststammkapitals nach § 5 Abs. 1 aufgebaut seien; ähnlich wohl Priester FS Roth, 2011, S. 573, 584, der aber auf einen Zeitraum von 5 Jahren abstellen will. 5 Nach Priester FS Roth, 2011, S. 573, 584 soll der Vertrag „ergänzend auszulegen“ sein, wenn er eine Gewinnbeteiligung der Komplementärin nicht vorsehe. 6 Anders B/S/Schäfer Rn 9, der eine feste Vergütung für die übernommene Haftung als einer Gewinnbeteiligung „prinzipiell gleichwertig“ anerkennen will; ähnlich Kock/Vater/ Mraz BB 2009, 848, 849. 7 H.-F. Müller ZGR 2012, 81, 107 f.

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Die UG (haftungsbeschränkt) kann auch einen Gewinnabführungsvertrag 41 (Anh zu § 13 Rn 44 f) schließen. § 5a Abs. 3 steht dem nicht entgegen1, denn insoweit sind §§ 300 Nr. 1 und 2, 301 AktG in der Weise entsprechend anwendbar2, dass nur der nach Dotierung der gesetzlichen Rücklage (§ 5a Abs. 3 Satz 1) verbleibende Jahresüberschuss der Gewinnabführung unterliegt. Ebenso sind die zur Dotierung der gesetzliche Rücklage erforderlichen Mittel gegen Zugriffe des herrschenden Unternehmens geschützt, wenn die UG beherrschter Vertragsteil eines (isolierten) Beherrschungsvertrages (Anh zu § 13 Rn 46 f) ist: § 300 Nr. 3 AktG entsprechend3. d) Unzulässige Umgehungsstrategien: Von den zulässigen Gestaltungsoptio- 42 nen sind solche Strategien zu unterscheiden, mit denen die Bildung der gesetzlichen Rücklage unzulässig umgangen werden soll. Durch Ausgestaltung der Austauschbeziehungen zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern (bzw gesellschaftergleichen Dritten) kann die Gewinnentstehung (und in der Folge die Verpflichtung zur Rücklagenbildung) im Interesse der Gesellschafter zwar durchaus zulässig beeinflusst werden: Marktgerechte Vergütungen für den Gesellschafter-Geschäftsführer sind auch dann erlaubt, wenn der Gesellschaft danach kein Gewinn verbleibt4. Aber die Gestaltung der Austauschbeziehungen kann auch missbräuchlich manipuliert werden: zB überhöhte GeschäftsführerVergütung; zu hohe Verzinsung eines Gesellschafterdarlehens; unangemessenes Entgelt für sonstige Leistungen etc. Da die Rücklage nach § 5a Abs. 3 das (bei der UG fehlende) Mindeststammkapital nach § 5 Abs. 1 funktional zu ersetzen sucht und sie nur nach Maßgabe von § 5a Abs. 3 Satz 2 verwendet werden darf (s. Rn 44 ff), sind solche Umgehungsstrategien entsprechend jenen Maßstäben zu bekämpfen, die im Gesellschaftsrecht (s. dazu § 29 Rn 48 ff) wie im Steuerrecht5 zum Problemkreis der verdeckten Gewinnausschüttungen (verdeckten Vermögensverlagerungen) entwickelt worden sind6. Maßgeblich ist auch hier, ob die konkrete Ausgestaltung der Austauschbezie- 43 hungen zwischen der UG (haftungsbeschränkt) und den Gesellschaftern dem Drittvergleich standhält, wobei das für die Gesellschaft handelnde Organ frei1 AA Michalski/Miras Rn 72: nur Teilgewinnabführungsvertrag zu 3/4 zulässig. 2 S. zu einer Analogie schon Stenzel NZG 2009, 168, 171; Waldenberger/Sieber GmbHR 2009, 114, 119 f; ebenso B/H/Fastrich Rn 37; H.-F. Müller ZGR 2012, 81, 110; U/H/L/ Paura Rn 76; MünchKomm/Rieder Rn 56; Römermann/Passarge ZIP 2009, 1497, 1503; Rubel GmbHR 2010, 470, 471 f; aA Spies S. 315 ff. 3 Römermann/Passarge ZIP 2009, 1497, 1503; B/H/Fastrich Rn 37 aE. 4 Unzutreffend Michalski/Miras Rn 90: die Geschäftsführerbezüge dürften „niemals so hoch sein, dass der Gesellschaft keine Gewinne mehr verbleiben“. 5 Vgl etwa Blümich/Rengers § 8 KStG Rn 220 ff (Stand: 123. ErgLfg, Juni 2014). 6 Im Ausgangspunkt ebenso Michalski/Miras Rn 86 ff; U/H/L/Paura Rn 44 f; Peetz GmbHR 2012, 1160, 1162 ff; MünchKomm/Rieder Rn 32 ff; Schäfer ZIP 2011, 53, 58; aA Römermann NJW 2010, 905, 908.

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§ 5a | Unternehmergesellschaft lich einen unternehmerischen Beurteilungsspielraum in Anspruch nehmen kann1. Aufwandswirksame Vergütungen etc, soweit sie unvertretbar überhöht sind, mindern aber (in eben diesem Umfang) den tatsächlich erwirtschafteten Jahresüberschuss als die Bemessungsgrundlage für die gesetzliche Rücklage nach § 5a Abs. 3 gerade nicht2. Unterjährige überhöhte Zuwendungen sind deshalb entsprechend §§ 30, 31 zurückzuerstatten, soweit sie zur Bedienung der (zutreffend ermittelten) Rücklage benötigt werden3. Ein JA, in dem die Rücklage unzutreffend ausgewiesen wird, ist nichtig; s. näher Rn 48. 44 e) Rücklagenverwendung (§ 5a Abs. 3 Satz 2): Die Verwendung der gesetzli-

chen Rücklage ist nur zu den in § 5a Abs. 3 Satz 2 genannten Zwecken erlaubt: außer zur Kapitalerhöhung auch zur Verlustdeckung; denn nach den allgemeinen Vorschriften zur Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln können Rücklagen ohnehin nicht in Stammkapital umgewandelt werden, soweit in der zugrunde gelegten Bilanz ein Verlust, einschließlich eines Verlustvortrags, ausgewiesen ist (§ 57d Abs. 2). Gegen die Verwendungsbeschränkungen des § 5a Abs. 3 Satz 2 verstoßende Ausschüttungen sind entsprechend §§ 30, 31 zu erstatten (Rn 49).

45 Nach dem Leitbild des Gesetzes ist die UG (haftungsbeschränkt) eine Rechts-

formvariante auf dem Wege zur „Voll-GmbH“ (s. Rn 34 f). Daher soll ihr Eigenkapital nicht nur (über die gesetzliche Rücklage nach § 5a Abs. 3 Satz 1) jährlich aufgestockt und erhöht werden, sondern auch das förmliche Stammkapital soll auf die Höhe des Mindestkapitals der regulären GmbH mit 25 000 Euro gebracht werden. Die gesetzliche Rücklage darf nach § 5a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 deshalb gerade zur Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln nach den Regeln der §§ 57c ff verwandt werden; zu Einzelheiten s. die Erläuterungen dort4. Eine Pflicht zu einer solchen (gänzlichen oder teilweisen) Umwandlung in Stammkapital enthält das Gesetz aber nicht; die Entscheidung über eine Kapitalerhöhung auf diesem Wege (oder gegen neue Einlagen, ggf auch durch Umwandlung sonstiger Rücklagen; s. Rn 53) liegt vielmehr – vorbehaltlich abweichender Satzungsklauseln oder einer bindenden Vereinbarung außerhalb der Satzung – im Ermessen der Gesellschafter. In Einzelfällen mag aus der Treuepflicht das Gebot der Mitwirkung an der entsprechenden Maßnahme ableitbar sein5.

1 Vgl § 29 Rn 50 und etwa Scholz/Verse § 29 Rn 116 und § 30 Rn 19; im Zusammenhang mit § 5a Abs. 3 s. etwa Hennrichs NZG 2009, 1161, 1165. 2 S. auch B/H/Fastrich Rn 23; H.-F. Müller ZGR 2012, 81, 98 f: Korrektur des Ausweises von Jahresüberschuss und Rücklage in der Bilanz. 3 B/S/Schäfer Rn 29; so wohl auch H.-F. Müller ZGR 2012, 81, 99; Peetz GmbHR 2012, 1160, 1162, 1164; weiter gehend Schwegmann S. 101 ff: vollständige Erstattungspflicht analog §§ 57, 62 AktG. 4 Vgl auch noch U/H/L/Paura Rn 48. 5 MünchKomm/Rieder Rn 29; Priester FS Roth, 2011, S. 573, 582; tendenziell wohl auch Scholz/Westermann Rn 30; skeptisch H.-F. Müller ZGR 2012, 81, 89 f.

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Ergibt die GuV eines Geschäftsjahres, dass es mit einem Jahresfehlbetrag geendet 46 hat, so darf die bereits bestehende gesetzliche Rücklage zu dessen Ausgleich verwandt werden (§ 5a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2). Der Geschäftsführer darf in seinem Entwurf der Bilanz aus der bestehenden Rücklage einen Betrag ausbuchen und damit den sonst entstehenden Jahresfehlbetrag ganz oder teilweise decken. Die gleiche Befugnis hat die Gesellschafterversammlung im Zusammenhang mit ihrer Feststellung des JA. Diese Befugnis zur Inanspruchnahme der gesetzlichen Rücklage gilt naturgemäß nicht, wenn der Jahresabschluss des Vorjahres einen Gewinnvortrag enthält, soweit aus diesem der Jahresfehlbetrag gedeckt werden kann. Die vorherige Auflösung ggf bestehender anderer, nicht gebundener Rücklagen verlangt § 5a Abs. 3 indes nicht1. Hat die Gesellschaft im letzten JA einen Verlust vorgetragen und kann dieser im 47 jetzigen JA nicht oder nicht ganz aus einem Jahresüberschuss gedeckt werden, so kann dieser Verlustvortrag jetzt aus der gesetzlichen Rücklage beseitigt werden (§ 5a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3). f) Verstöße gegen § 5a Abs. 3: Gegen § 5a Abs. 3 Satz 1 wird verstoßen, wenn 48 im festgestellten JA trotz erzielten Gewinns die gesetzliche Rücklage nicht oder nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Höhe (25 % des um einen Verlustvortrag aus dem Vorjahr geminderten Jahresüberschusses) gebucht wird. Das ist auch dort der Fall, wo aufgrund von verdeckten Gewinnausschüttungen (verdeckte Vermögensverlagerungen) ein zu geringer (oder gar kein) Jahresüberschuss ausgewiesen wird (s. Rn 42 f). In all diesen Fällen ist der Jahresabschluss entsprechend § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG nichtig2. Denn bei Verstoß gegen § 5a Abs. 3 wird eine – für die UG (haftungsbeschränkt) zentrale – Schutzvorschrift zugunsten der Gläubiger verletzt, so dass hier § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG nicht durch § 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG verdrängt wird3; von Bedeutung für die unterschiedlichen Heilungsfristen: § 256 Abs. 6 Satz 1 AktG. Ein auf nichtigem JA beruhender Gewinnverwendungsbeschluss ist entsprechend § 253 AktG ebenso nichtig. Verbotswidrige (weil die Verwendungsbindungen nach § 5a Abs. 3 Satz 2 ver- 49 letzende) Ausschüttungen der aufgebauten gesetzlichen Rücklage sind von den Gesellschaftern entsprechend §§ 30, 31 zurückzuerstatten; Ausfallhaftung entsprechend § 31 Abs. 3; Verjährung entsprechend § 31 Abs. 5. Da die Rücklage nach § 5a Abs. 3 das (bei der UG fehlende) Mindeststammkapital nach § 5 Abs. 1 funktional zu ersetzen sucht und sie nur nach Maßgabe von § 5a Abs. 3

1 B/H/Fastrich Rn 25; U/H/L/Paura Rn 49; H.-F. Müller ZGR 2012, 81, 87 f mwN. 2 S. nur U/H/L/Paura Rn 50 mwN; einschränkend H.-F. Müller ZGR 2012, 81, 98 bezogen auf Nichtigkeit bei falscher Rücklagendotierung wegen verdeckter Gewinnausschüttungen: dann § 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG. 3 Im Ergebnis aA Spies S. 216 f.

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§ 5a | Unternehmergesellschaft Satz 2 verwendet werden darf, ist sie analog §§ 30, 31 zu schützen1. Deshalb sind Ausschüttungen an die Gesellschafter in der UG (haftungsbeschränkt) nur insoweit zulässig, als danach das statutarische Stammkapital und die aufgebaute Rücklage nach § 5a Abs. 3 noch gedeckt sind2. Nach Maßgabe der §§ 812 ff BGB bestehen Kondiktionsansprüche neben dem Erstattungsanspruch entsprechend §§ 30, 313. 50 Ebenso entsteht die Erstattungspflicht entsprechend §§ 30, 31 (sowie nach Berei-

cherungsrecht), wenn die Rücklage im JA nicht oder nicht in der gebotenen Höhe gebucht worden ist und – ungeachtet der daraus resultierenden Nichtigkeit von JA und Gewinnverwendungsbeschluss (Rn 48) – Ausschüttungen an die Gesellschafter vorgenommen werden. S. auch schon Rn 43 zur Erstattungspflicht entsprechend §§ 30, 31 in den Fällen verdeckter Gewinnausschüttungen (verdeckter Vermögensverlagerungen).

51 Gegen die Geschäftsführer bestehen ggf Schadensersatzansprüche, nicht ledig-

lich nach § 43 Abs. 24, sondern (folgerichtig; s. Rn 49) entsprechend § 43 Abs. 35. Zudem droht bei Auszahlungen zulasten der gesetzlichen Rücklage Strafbarkeit wegen Untreue (§ 266 Abs. 1 StGB)6. Jedoch ist § 5a Abs. 3 kein Schutzgesetz iSd § 823 Abs. 2 BGB7.

52 g) Beendigung der Pflicht zur Rücklagenbildung: Die UG (haftungs-

beschränkt) bleibt – insoweit anders als eine AG im Modell des § 150 AktG, vgl § 150 Abs. 2 AktG – den Pflichten zur Rücklagenbildung aus § 5a Abs. 3 (und den darin normierten Schranken für die Rücklagenverwendung) ganz unabhängig von der erreichten Höhe dieser Rücklage so lange unterworfen, bis sie ihr Stammkapital auf 25 000 Euro oder mehr förmlich erhöht hat, diese Erhöhung also im Handelsregister eingetragen ist (§ 54 Abs. 3). So sucht der Gesetzgeber einen Anreiz zu schaffen, das Stammkapital der UG auf wenigstens 25 000 Euro

1 Zutreffend Neideck GmbHR 2010, 624, 626 ff; im Ergebnis ebenso etwa B/H/Fastrich Rn 26; Michalski/Miras Rn 81 ff; U/H/L/Paura Rn 50; MünchKomm/Rieder Rn 30; B/S/Schäfer Rn 29; aA wohl B/S/Thiessen § 30 Rn 9: Rücklage habe „für das Auszahlungsverbot des § 30 Abs. 1 Satz 1 keine Auswirkung“; gleichsinnig Ullenboom S. 124 ff; Ricarda GmbHR 2016, 199, 201; für unmittelbare Ableitung der Erstattungspflicht aus § 5a Abs. 3 indes Heckschen in Heckschen/Heidinger, Die GmbH in der Gestaltungsu. Beratungspraxis, 2. Aufl 2009, § 5 Rn 59; Veil ZGR 2009, 623, 633. 2 Hennrichs NZG 2009, 1161, 1165 f; Joost ZIP 2007, 2242, 2247; H.-F. Müller ZGR 2012, 81, 92 ff. 3 Hennrichs NZG 2009, 1161, 1165; U/H/L/Paura Rn 50; Scholz/Westermann Rn 26; einschränkend H.-F. Müller ZGR 2012, 81, 94: Bereicherungsansprüche werden durch §§ 30, 31 verdrängt. 4 Entgegen Tamm MDR 2010, 1025, 1027; B/S/Thiessen § 30 Rn 10. 5 Neideck GmbHR 2010, 624, 628; H.-F. Müller ZGR 2012, 81, 95. 6 Dazu weiterführend Weiß wistra 2010, 361, 366 f. 7 Neideck GmbHR 2010, 624, 628; H.-F. Müller ZGR 2012, 81, 95 f; Spies S. 218 ff.

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zu erhöhen1. Von diesem Augenblick an ist die Gesellschaft ipso iure „VollGmbH“; die Pflicht zur Bildung der jährlichen Rücklage besteht nicht mehr (§ 5a Abs. 5); etwaig noch verbleibende gesetzliche Rücklagen iSd § 5a Abs. 3 werden frei2. Die UG (haftungsbeschränkt) erlangt die Freiheit in der Verwendung ihrer jährlichen Gewinne also erst mit dieser förmlichen Erhöhung ihres Stammkapitals auf mindestens 25 000 Euro. Ob die Gesellschafter eine solche Kapitalerhöhung vornehmen wollen, liegt freilich in ihrem Entscheidungsermessen (s. Rn 45). Die Erhöhung des Stammkapitals kann durch Kapitalerhöhung aus Gesell- 53 schaftsmitteln unter Verwendung der gesetzlichen Rücklage geschehen; so das Leitbild des Gesetzgebers von der typischen Lebensentwicklung einer UG (haftungsbeschränkt), s. Rn 34 f. Die UG kann ihr Stammkapital alternativ (oder kombiniert, ggf auch unter Umwandlung bestehender weiterer Rücklagen3) aber selbstverständlich auch gegen neue Einlagen erhöhen. Für diese gilt weiterhin § 5a Abs. 2 mit dem Verbot von Sacheinlagen und dem Volleinzahlungsgebot, sofern nicht mit der Erhöhung der Betrag des § 5 Abs. 1 erreicht oder überschritten wird (s. Rn 23 ff). Eine Kapitalerhöhung gegen Einlagen auf einen Stammkapitalbetrag von nach wie vor unter 25 000 Euro kann also weiterhin nur durch Bareinlage geschehen, die vor der Anmeldung zur Eintragung der Kapitalerhöhung im Handelsregister voll geleistet sein muss. Das ursprüngliche Stammkapital muss, soweit es verbraucht ist, im Zuge der Kapitalerhöhung nicht wieder aufgefüllt werden4. Der Übergang in die „Voll-GmbH“ ist im Übrigen keine förmliche (formwech- 54 selnde) Umwandlung iSd UmwG5; die UG (haftungsbeschränkt) ist eine Unterform (Rechtsformvariante) der GmbH, keine von dieser verschiedene Rechtsform.

6. Firma der UG (haftungsbeschränkt) (§ 5a Abs. 1) a) Firmenbildung: Die Bildung der Firma einer UG (haftungsbeschränkt) ist – 55 was den Firmenkern betrifft, dh abgesehen vom Rechtsformzusatz (sogleich Rn 56) – denselben Regeln unterworfen wie die Firmenbildung in der herkömmlichen GmbH. Es gilt der Grundsatz der freien Firmenbildung – auch die Firma der UG kann also als Personen-, Sach-, Phantasie- oder Mischfirma gebil1 Seibert GmbHR 2007, 673, 676. 2 BegrRegE MoMiG, BT-Drucks 16/6410, S. 32; B/H/Fastrich Rn 34; H.-F. Müller ZGR 2012, 81, 86 f; U/H/L/Paura Rn 59; kritisch Freitag/Riemenschneider ZIP 2007, 1485, 1491. 3 Hennrichs NZG 2009, 1161, 1165; B/S/Schäfer Rn 35. 4 Michalski/Miras Rn 114; MünchKomm/Rieder Rn 39. 5 MünchKomm/Rieder Rn 37.

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§ 5a | Unternehmergesellschaft det werden –, jedoch muss die gewählte Firma Kennzeichnungs- und Unterscheidungskraft haben (§ 18 Abs. 1 HGB)1, darf nicht gegen das Irreführungsverbot des § 18 Abs. 2 HGB verstoßen und muss sich von schon bestehenden Firmen nach näherer Bestimmung des § 30 HGB unterscheiden; zu Einzelheiten s. § 4 Rn 4 ff. 56 b) Rechtsformzusatz: Solange die UG ein förmliches Stammkapital unter

25 000 Euro hat, darf sie den Rechtsformzusatz „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ oder „Gesellschaft mbH“, „GmbH“ (vgl § 4) nicht führen. Ihre Firma muss stattdessen zwingend die Bezeichnung „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ oder „UG (haftungsbeschränkt)“ exakt und buchstabengetreu enthalten2; Zwischeneinfügungen sind nicht zulässig3. Irgendeine andere Bezeichnung statt des Rechtsformzusatzes in seiner vorgeschriebenen Form (zB nur „Unternehmergesellschaft“ oder nur „UG“; „UG mbh“ oder „UnternehmerGmbH“ etc4) ist ebenfalls nicht erlaubt und stellt ein Eintragungshindernis dar (§ 9c). Demgegenüber ist die Abkürzung „gUG (haftungsbeschränkt)“ bei gemeinnütziger UG inzwischen – nach Einfügung von § 4 Satz 2 im Zuge des Gesetzes zur Stärkung des Ehrenamtes vom 21.3.2013 (BGBl I 556) – als zulässig anzusehen5. Eine KG mit einer UG (haftungsbeschränkt) als alleiniger Komplementärin darf nicht als „GmbH & Co. KG“, eine OHG, bei der nur Unternehmergesellschaften persönlich haften, nicht als „GmbH & Co.“ firmieren6.

57 c) Haftung bei fehlendem oder irreführendem Rechtsformzusatz: In der regu-

lären GmbH bejaht der BGH bei fehlendem Rechtsformzusatz nach § 4 eine persönliche (Rechtsschein-)Haftung (ausschließlich) des im Geschäftsverkehr für die Gesellschaft Auftretenden – Geschäftsführer oder sonstiger Vertreter – entsprechend § 179 BGB, wenn dieser durch das Weglassen des Rechtsformzusatzes das berechtigte Vertrauen des Geschäftsgegners auf die Haftung mindestens einer natürlichen Person hervorgerufen hat7. Es ist zumindest folgerichtig, nach diesen Rechtsprechungs-Grundsätzen auch den Vertreter einer UG haften zu lassen, wenn der nach § 5a Abs. 1 vorgeschriebene Rechtsformzusatz UG (haftungsbeschränkt) – bzw Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) – gänzlich weggelassen wird8. Entsprechend wäre dann in der Regel dort zu entschei-

1 KG GmbHR 2012, 856 = ZIP 2012, 1123, 1124. 2 BGH GmbHR 2012, 953 Rn 16; OLG Hamburg GmbHR 2011, 657. 3 Vgl OLG Hamburg GmbHR 2011, 657 für „A-Corporation Deutsche Unternehmergesellschaft für … (haftungsbeschränkt)“. 4 Vgl auch OLG Dresden GmbHR 2013, 715: Wettbewerbswidrige Werbung unter Verwendung des Begriffs „1 Euro GmbH“. 5 MünchKomm/J. Mayer § 4 Rn 18a; Wachter GmbHR 2013, R 145, 146. 6 KG GmbHR 2009, 1281. 7 Vgl BGH ZIP 1991, 1004, 1005 = GmbHR 1991, 360; BGH NJW 1996, 2645 = GmbHR 1996, 764; BGH GmbHR 2007, 593 Rn 14; kritisch Altmeppen ZIP 2007, 889, 893 ff; Jerg S. 94 ff. 8 BGH GmbHR 2012, 953 Rn 12.

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den, wo ein Rechtsformzusatz verwendet wird, aus dem sich die Haftungsbeschränkung nicht eindeutig ergibt (zB nur „Unternehmergesellschaft“ oder nur „UG“1; aber auch „UG hftgsbeschr“ oÄ). Davon zu unterscheiden sind die Fälle, in denen der Vertreter einer UG (haf- 58 tungsbeschränkt) unter dem (unzutreffenden) Rechtsformzusatz „GmbH“ zeichnet. Während ein Teil des Schrifttums hier keine Grundlage für eine Rechtsscheinhaftung entsprechend § 179 BGB sieht2, bejahen andere (freilich mit unterschiedlicher Begründung und nicht immer eindeutiger Benennung des Haftungsadressaten) die „Rechtsscheinhaftung“ jedenfalls in Höhe der Differenz zwischen dem statutarischen Stammkapital der UG und dem gesetzlichen Mindestkapital einer regulären GmbH (also 25 000 Euro; § 5 Abs. 1)3. Der II. Zivilsenat des BGH hat eine Rechtsscheinhaftung des für die Gesellschaft agierenden Vertreters analog § 179 BGB bejaht4, zugleich jedoch ausdrücklich offen gelassen, „ob die Haftung … gegenüber dem einzelnen Gläubiger oder gegenüber der Gesamtheit der Gläubiger auf die Differenz zwischen der Stammkapitalziffer der Unternehmergesellschaft und dem Mindeststammkapital der GmbH begrenzt ist“5. Das war im konkreten Fall zwar nicht entscheidungserheblich, weil nur der Kläger (nicht auch weitere Gläubiger) Ansprüche gegen den beklagten Geschäftsführer der UG geltend gemacht hatte(n) und der eingeklagte Betrag zudem unter der Differenz zwischen Stamm- und Mindestkapital blieb; klare Konturen hat das vom BGH befürwortete Haftungskonzept damit freilich noch nicht. Indes ist zu fragen, worauf der Geschäftspartner überhaupt vertrauen darf, wenn 59 der Vertreter einer UG unter dem Rechtsformzusatz „GmbH“ zeichnet. Der BGH stellt fest: Es werde der falsche Eindruck vermittelt, der Vertragspartner habe mit einem Stammkapital in Höhe von (jedenfalls) 25 000 Euro ausgestattet werden müssen, so dass über die tatsächlich geringere „Kreditwürdigkeit“ und „Soliditätsgewähr“ der UG getäuscht werde6. – Die relativ höhere „Soliditäts1 Anders insoweit LG Düsseldorf GmbHR 2014, 33, allerdings im Hinblick auf Besonderheiten des Sachverhalts. 2 Holzner S. 183 ff; Jerg S. 114; U/H/L/Paura Rn 31; Ullenboom S. 46 ff; Scholz/Westermann Rn 14. 3 Für eine auf die Differenz begrenzte Haftung Meckbach NZG 2011, 968, 971 (Haftung der Gesellschafter); Michalski/Miras Rn 57 ff (Haftung des Vertreters); MünchKomm/ Rieder Rn 16 (Haftung des handelnden Geschäftsführers); B/S/Schäfer Rn 18 (Haftung der handelnden Geschäftsführer); Schwegmann S. 62 ff (Haftung des Handelnden); Wicke Rn 6 (Haftung der Geschäftsführer); außerdem etwa R/S-L/Baukelmann/SchmidtLeithoff Rn 14 (Rechtsscheinhaftung des Handelnden „zumindest in Höhe des Mindeststammkapitals“); R/A/Roth Rn 11 („Haftung zumindest in Höhe der Differenz zwischen dem gewählten Stammkapital und 25 000 Euro“); für eine „Rechtsscheinhaftung“ ohne weitere Klarstellung und Einschränkung B/H/Fastrich Rn 9. 4 BGH GmbHR 2012, 953 Rn 15; ablehnend Altmeppen NJW 2012, 2833 ff. 5 So BGH GmbHR 2012, 953 Rn 26. 6 BGH GmbHR 2012, 953 Rn 18 f.

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§ 5a | Unternehmergesellschaft gewähr“ einer GmbH resultiert daraus, dass deren Gründer ihr Geschäftsmodell bei Gründung mit einem eigenen Risikobeitrag in Höhe von mindestens 25 000 Euro (gemäß §§ 5 Abs. 1, 7 Abs. 2) unterlegen mussten (s. dazu Rn 4); der Geschäftspartner darf darauf vertrauen, dass dies geschehen ist. Hingegen kann er (was auch überwiegend akzeptiert ist1) nicht darauf vertrauen, dass der seinerzeit aufgebrachte Risikobeitrag bei Vertragsschluss (oder bei Fälligkeit der Vertragsverbindlichkeit) wertmäßig noch erhalten ist; ein solcher Rechtsschein wird mit der Zeichnung als „GmbH“ gewiss nicht begründet. Richtig ist zwar, dass ein Risikobeitrag in Höhe des gesetzlichen Mindeststammkapitals ein erhöhtes Eigenvertrauen der Gründer in ihre Geschäftsidee belegt, unsolide Gründungen erschwert und gerade deshalb die (abstrakt-generelle) Kreditwürdigkeit der regulären GmbH (verglichen mit der UG) erhöht. Der Geschäftspartner mag also auf die Vortäuschung von (gesteigerter) Kreditwürdigkeit verweisen und geltend machen, dass er den Vertrag bei Kenntnis der wahren Verhältnisse nicht geschlossen hätte. Das kann aber allein eine Haftung aus culpa in contrahendo (regelmäßig gerichtet auf Ersatz des negativen Interesses) tragen (mit freilich strengen Anforderungen an eine Eigenhaftung des Geschäftsführers, vgl § 43 Rn 73 ff), nicht eine „Rechtsscheinhaftung“ analog § 179 BGB in Höhe der Differenz zwischen statutarischem Stamm- und Mindestkapital oder gar in unbegrenzter Höhe. 60 d) Rechtsformzusatz nach Kapitalerhöhung auf wenigstens 25 000 Euro: Hat

die UG (haftungsbeschränkt) ihr Stammkapital förmlich auf mindestens 25 000 Euro erhöht und ist sie auf diese Weise ipso iure zur „Voll-GmbH“ geworden, kann jetzt der Rechtsformzusatz „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ bzw „Gesellschaft mbH“ oder „UG (haftungsbeschränkt)“ in „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ bzw „GmbH“ (vgl § 4) abgeändert werden. Denn von nun an gelten die Beschränkungen des § 5a – also auch die Vorgaben für den Rechtsformzusatz nach Abs. 1 der Vorschrift – nicht mehr (§ 5a Abs. 5 Halbsatz 1).

61 Da der Rechtsformzusatz Bestandteil der Firma (§ 4 Rn 6) und diese wiederum

notwendiger Bestandteil der Satzung ist (§ 3 Abs. 1 Nr. 1; vgl auch Nr. 1 des Musterprotokolls für die Gesellschaftsgründung im vereinfachten Verfahren nach § 2 Abs. 1a), bedarf der Übergang von „UG“ zur „GmbH“ der Satzungsänderung, also einer Entscheidung der Gesellschafter.

62 Das ist auch sachlich richtig. Denn dieser Übergang ist nicht zwingend. Das Ge-

setz erlaubt auch nach vollzogener Kapitalerhöhung auf wenigstens 25 000 Euro ausdrücklich und unmissverständlich (§ 5a Abs. 5 Halbsatz 2) die Fortführung des alten Rechtsformzusatzes „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“

1 Anders aber B/S/Schäfer Rn 18.

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bzw „UG (haftungsbeschränkt)“1. In der Praxis wird davon offenbar auch Gebrauch gemacht2. Die Entscheidung hierüber ist aber Sache der Gesellschafter, nicht der Geschäftsführer. Den Gesellschaftern bleibt es im Übrigen unbenommen, den fortgeführten Rechtsformzusatz zu einem späteren Zeitpunkt in „GmbH“ umzuändern.

7. Pflicht zur Einberufung der Gesellschafterversammlung (§ 5a Abs. 4) Die Gesellschafterversammlung wird auch in der UG (haftungsbeschränkt) 63 durch die Geschäftsführer einberufen: § 49 Abs. 1. Nach § 49 Abs. 2 hat das – in der UG ebenso wie in der regulären GmbH – außer in den ausdrücklich bestimmten Fällen immer dann zu geschehen, „wenn es im Interesse der Gesellschaft erforderlich erscheint“. Nach § 49 Abs. 3 (dazu § 49 Rn 14 ff) muss die Gesellschafterversammlung der GmbH „insbesondere“ unverzüglich einberufen werden, wenn „aus der Jahresbilanz oder einer im Laufe des Geschäftsjahres aufgestellten Bilanz sich ergibt, dass die Hälfte des Stammkapitals verloren ist.“ Diese Regel des § 49 Abs. 3 wird für die UG (haftungsbeschränkt) in § 5a Abs. 4 64 abgeändert, indem auf die „drohende Zahlungsunfähigkeit“ (statt des hälftigen Verlustes des Stammkapitals) umgestellt wird; für die Anwendung des § 49 Abs. 3 neben § 5a Abs. 43 ist deshalb kein Raum, ebenso wenig für eine analoge Heranziehung der Vorschrift4. Der Übergang zur „drohenden Zahlungsunfähigkeit“ verweist in das Insolvenzrecht, wo der Begriff der „drohenden Zahlungsunfähigkeit“ (als Insolvenzeröffnungsgrund im Falle eines Eigenantrags des Schuldners) in § 18 Abs. 2 InsO legal definiert ist. Nach dieser Bestimmung „droht der Schuldner zahlungsunfähig zu werden, wenn er voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen.“ Das bedeutet, dass die Feststellung eine Prognose über die künftige Liquiditäts- 65 entwicklung erfordert; dabei muss der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit wahrscheinlicher sein als deren Vermeidung5. Der Unterschied zur eingetretenen 1 Nahezu einhellige Auffassung; s. etwa B/H/Fastrich Rn 35; U/H/L/Paura Rn 60 f; MünchKomm/Rieder Rn 43 f; R/A/Roth Rn 35 f; B/S/Schäfer Rn 38; Seibert GmbHR 2007, 673, 676; aA Goette in Goette/Habersack, Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, 2009, Kap. 9 Rn 26. 2 Bayer/Hoffmann GmbHR 2009, R 118 f. 3 So aber offenbar („bei einiger Bereitschaft zur Rechtsfortbildung“) Scholz/Westermann Rn 33: „Kumulation“. 4 Anders Geißler DZWIR 2010, 98, 100 f: analoge Anwendung von § 49 Abs. 3, wenn die Summe aus Stammkapital und aufgebauten Rücklagen den Betrag von 25 000 Euro mindestens erreicht. 5 Vgl HK-InsO/Kirchhof § 18 Rn 13.

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§ 5a | Unternehmergesellschaft Zahlungsunfähigkeit (§ 17 Abs. 2 Satz 1 InsO; s. dazu Anh zu § 64 Rn 9 ff) besteht darin, dass nicht nur auf die gegenwärtig fälligen Zahlungspflichten, sondern auch auf künftig fällig werdende Zahlungspflichten abzustellen ist; äußerste Grenze für den Vorhersagezeitraum ist der Zeitpunkt des Fälligwerdens der letzten gegenwärtig bestehenden Verbindlichkeit1. 66 Die Einberufung der Gesellschafterversammlung hat auch unter den Vorausset-

zungen des § 5a Abs. 4 „unverzüglich“ zu erfolgen. Aber auch für die UG (haftungsbeschränkt) in der Krise sagt das Gesetz – ähnlich Art. 19 der Richtlinie 2012/30/EU (Kapitalrichtlinie), jedoch im Gegensatz zu vielen ausländischen Rechtsordnungen2 – mit keinem Wort, was die Gesellschafterversammlung denn zu tun hat. Denkbar wäre zB, einen Beschluss vorzuschreiben: sanieren oder schnellstens liquidieren. Da das Gesetz schweigt, können die Gesellschafter passiv bleiben (näher zum Ganzen § 43 Rn 32 ff, 36 f); die Geschäftsführer trifft eine Insolvenzantragspflicht erst mit Eintritt von Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit (s. Anh zu § 64 Rn 80 ff).

67 Die Abänderung von § 49 Abs. 3 durch § 5a Abs. 4 erklärt sich vor dem Hinter-

grund des rechtstatsächlich in aller Regel (wenn auch nicht zwangsläufig) weit unterhalb von 25 000 Euro liegenden Stammkapitals einer UG (s. Rn 6). Ein sehr niedriges Kapital kann schon kurz nach der Gründung zu wenigstens der Hälfte (oder gar ganz) verbraucht sein. Für Maßnahmen zur Rettung der Gesellschaft ist die drohende Zahlungsfähigkeit freilich gewiss der letzte Zeitpunkt. Doch bleibt es auch in der UG (haftungsbeschränkt) bei der Geschäftsführerpflicht aus § 49 Abs. 2, wonach die Gesellschafterversammlung immer dann einzuberufen ist, wenn es „im Interesse der Gesellschaft erforderlich erscheint“ (s. dazu § 49 Rn 13). Das dürfte in der Krise typischerweise schon vor drohender Zahlungsunfähigkeit der Fall sein.

68 Insgesamt ist § 5a Abs. 4 deshalb nicht von wesentlicher Bedeutung3, zumal das

darin formulierte Handlungsgebot nicht strafbewehrt ist: Zwar hat der Gesetzgeber in § 84 Abs. 1 die unterlassene Anzeige des GmbH-Geschäftsführers gegenüber den Gesellschaftern vom hälftigen Verlust des Stammkapitals unter Strafe gestellt. Den Geschäftsführer einer UG (haftungsbeschränkt) bei Verletzung seiner Pflicht aus § 5a Abs. 4 entsprechend § 84 Abs. 1 zu bestrafen, würde indes gegen das strafrechtliche Analogieverbot verstoßen (s. § 84 Rn 3)4. Und die Verletzung der Einberufungspflicht aus § 49 Abs. 2 ist ohnehin (mit gutem Grund) nicht strafbewehrt. 1 HK-InsO/Kirchhof § 18 Rn 7 f. 2 Vgl dazu Kalss/Adensamer/Oelkers Die Rechtspflichten der Geschäftsleiter in der Krise der Gesellschaft sowie damit verbundene Rechtsfolgen im Rechtsvergleich, in Lutter (Hrsg), Das Kapital der AG in Europa, 2006, S. 134 ff. 3 Ähnlich R/A/Roth Rn 31; B/S/Schäfer Rn 31. 4 S. dazu auch Weiß wistra 2010, 361, 364.

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Unternehmergesellschaft | § 5a

8. Umwandlung und Rückumwandlung der UG (haftungsbeschränkt) Im Ausgangspunkt ist die UG (haftungsbeschränkt) als Unterform (Rechtsform- 69 variante) der GmbH wie diese umwandlungsfähig, kann insbesondere als übertragende Gesellschaft an einer Verschmelzung oder Spaltung beteiligt werden1. Solange das Sacheinlageverbot nach § 5a Abs. 2 Satz 2 gilt (s. zu dessen Reichweite Rn 23 f), kann die UG aber nicht aufnehmende Gesellschaft im Rahmen einer Verschmelzung oder Spaltung unter Anteilsgewährung gegen Sacheinlagen sein2. Nicht möglich ist auch ein Formwechsel in die UG (haftungsbeschränkt)3. Mög- 70 lich ist bei entsprechender Anhebung des Kapitals aber der Formwechsel aus der UG in eine AG oder KGaA, auch in eine Personenhandelsgesellschaft4. Hat die UG erst einmal ihr Stammkapital auf mindestens 25 000 Euro förmlich 71 erhöht und ist sie so ipso iure zur „Voll-GmbH“ geworden, so gibt es keinen Weg zurück (s. schon Rn 13)5. Die Gesellschaft kann also nicht etwa ihr Kapital wieder auf einen Betrag unter 25 000 Euro herabsetzen. Das gilt für sie dann ebenso wie für jede mit mindestens 25 000 Euro Stammkapital gegründete reguläre GmbH: Auch diese kann ihr Kapital nicht unter 25 000 Euro herabsetzen und auf diesem Wege eine UG (haftungsbeschränkt) werden. § 5a Abs. 1 eröffnet nur den Weg zur Gründung einer haftungsbeschränkten Gesellschaft mit einem Stammkapital unterhalb des Mindestbetrages nach § 5 Abs. 1.

9. Die UG (haftungsbeschränkt) im Konzern Die UG (haftungsbeschränkt) ist als eine Unterform (Rechtsformvariante) der 72 GmbH juristische Person und kann sich an anderen Unternehmen (inkl einer anderen UG) beteiligen und so zum herrschenden Unternehmen werden; ebenso können sich andere Unternehmen an ihr beteiligen, so dass die UG (haf1 B/H/Fastrich Rn 19; U/H/L/Paura Rn 63 und 66; S/I/Pfisterer Rn 18; MünchKomm/Rieder Rn 50; R/A/Roth Rn 38; Scholz/Westermann Rn 35. 2 BGH GmbHR 2011, 701 (keine Neugründung einer UG durch Abspaltung); Berninger GmbHR 2010, 63, 68 ff; B/H/Fastrich Rn 17 f; Heinemann NZG 2008, 820, 821 f; S/I/Pfisterer Rn 16 f; MünchKomm/Rieder Rn 51 f; R/A/Roth Rn 8 und 38; B/S/Schäfer Rn 6, 8 und 39; Tettinger Der Konzern 2008, 75, 76 f; aA 17. Aufl, Rn 33 (Lutter); Hennrichs NZG 2009, 1161, 1163 f; wohl auch noch U/H/L/Paura Rn 63. 3 Im Ergebnis wohl allgemeine Ansicht; s. Berninger GmbHR 2010, 63, 67; B/H/Fastrich Rn 17; Heinemann NZG 2008, 820 f; U/H/L/Paura Rn 69; S/I/Pfisterer Rn 16; Tettinger Der Konzern 2008, 75, 77 f; Scholz/Westermann Rn 35. 4 Berninger GmbHR 2010, 63, 67 f; Scholz/Westermann Rn 35. 5 Vgl Freitag/Riemenschneider ZIP 2007, 1485; Tebben RNotZ 2008, 441, 446; Tettinger Der Konzern 2008, 75, 77.

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§ 6 | Geschäftsführer tungsbeschränkt) ggf zum abhängigen Unternehmen wird1. Ebenso kann sie auch persönlich haftende Gesellschafterin in einer UG (haftungsbeschränkt) & Co KG werden (s. schon Rn 11 und 40). Das Gesetz beschränkt ihre Fähigkeit als juristische Person an keiner Stelle. 73 Das alles gilt auch für den Abschluss von Unternehmensverträgen. Die Pflicht

zur Bildung einer gesetzlichen Rücklage nach § 5a Abs. 3 steht weder dem Abschluss eines Gewinnabführungs- noch eines (isolierten) Beherrschungsvertrages entgegen: s. Rn 41.

§6 Geschäftsführer (1) Die Gesellschaft muss einen oder mehrere Geschäftsführer haben. (2) Geschäftsführer kann nur eine natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige Person sein. Geschäftsführer kann nicht sein, wer 1. als Betreuter bei der Besorgung seiner Vermögensangelegenheiten ganz oder teilweise einem Einwilligungsvorbehalt (§ 1903 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) unterliegt, 2. aufgrund eines gerichtlichen Urteils oder einer vollziehbaren Entscheidung einer Verwaltungsbehörde einen Beruf, einen Berufszweig, ein Gewerbe oder einen Gewerbezweig nicht ausüben darf, sofern der Unternehmensgegenstand ganz oder teilweise mit dem Gegenstand des Verbots übereinstimmt, 3. wegen einer oder mehrerer vorsätzlich begangener Straftaten a) des Unterlassens der Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Insolvenzverschleppung), b) nach den §§ 283 bis 283d des Strafgesetzbuchs (Insolvenzstraftaten), c) der falschen Angaben nach § 82 dieses Gesetzes oder § 399 des Aktiengesetzes, d) der unrichtigen Darstellung nach § 400 des Aktiengesetzes, § 331 des Handelsgesetzbuchs, § 313 des Umwandlungsgesetzes oder § 17 des Publizitätsgesetzes oder e) nach den §§ 263 bis 264a oder den §§ 265b bis 266a des Strafgesetzbuchs zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist; dieser Ausschluss gilt für die Dauer von fünf Jahren seit der Rechtskraft des Urteils, wobei die Zeit nicht eingerechnet wird, in 1 U/H/L/Paura Rn 76.

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welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Satz 2 Nr. 3 gilt entsprechend bei einer Verurteilung im Ausland wegen einer Tat, die mit den in Satz 2 Nr. 3 genannten Taten vergleichbar ist. (3) Zu Geschäftsführern können Gesellschafter oder andere Personen bestellt werden. Die Bestellung erfolgt entweder im Gesellschaftsvertrag oder nach Maßgabe der Bestimmungen des dritten Abschnitts. (4) Ist im Gesellschaftsvertrag bestimmt, dass sämtliche Gesellschafter zur Geschäftsführung berechtigt sein sollen, so gelten nur die der Gesellschaft bei Festsetzung dieser Bestimmung angehörenden Personen als die bestellten Geschäftsführer. (5) Gesellschafter, die vorsätzlich oder grob fahrlässig einer Person, die nicht Geschäftsführer sein kann, die Führung der Geschäfte überlassen, haften der Gesellschaft solidarisch für den Schaden, der dadurch entsteht, dass diese Person die ihr gegenüber der Gesellschaft bestehenden Obliegenheiten verletzt. Abs. 1 ist bis heute unverändert geblieben; ebenso in der Sache Abs. 3 und 4 (bis zur Novelle 1980: Abs. 2 und 3). Abs. 2 aF wurde durch die Novelle 1980 eingefügt, Abs. 2 Satz 2 aF durch § 33 BtG vom 12.9.1990 (BGBl I 2002). Mit dem MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl I 2026) wurde Abs. 2 mit Wirkung zum 1.11.2008 neu gefasst und erweitert, nur Abs. 2 Satz 1 blieb unverändert. Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 entspricht Abs. 2 Satz 2 aF, Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 entspricht Abs. 2 Satz 4 aF. Die Regelung im früheren Abs. 2 Satz 3 findet sich jetzt in Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 lit b (allerdings mit Beschränkung auf vorsätzliche Begehungsweise, doch mit der Erweiterung nach Abs. 2 Satz 3). Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 lit a, c-e sind neu. Abs. 5 wurde ebenfalls durch das MoMiG eingefügt, ebenso wie eine amtliche Überschrift ergänzt worden ist. 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der/die Geschäftsführer als Leitungsorgan . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gründungsgeschäftsführer . . . . 4. Person des Geschäftsführers . . . 5. Ausländer . . . . . . . . . . . . . . . 6. Amtsunfähigkeit . . . . . . . . . . .

.. . . . . .

1

. 3 . 8 . 11 . 14 . 16

7. Statutarische Eignungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Verfahren der ersten Bestellung . . 9. Dauer der Bestellung etc . . . . . . . 10. Annahme der Bestellung . . . . . . . 11. Gesellschafterhaftung bei Amtsunfähigkeit eines Geschäftsführers

33 37 41 42 44

Literatur: Bross Vertragshandbuch GmbH-Geschäftsführer, 2013; Hoentzsch Die Anwendung der Benachteiligungsverbote des AGG auf Organmitglieder, 2011; T. Schmidt Die Geschäftsführerbestellung im reformierten GmbH-Recht, 2011; B. Schmitz Der geeignete GmbH-Geschäftsführer, 2006; Uffmann Interim Management, 2015.

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§ 6 | Geschäftsführer 1. Überblick 1 Der oder die Geschäftsführer sind obligatorisches Organ der GmbH bzw UG

(haftungsbeschränkt); sie führen die Geschäfte der Gesellschaft, leiten deren Unternehmen (als Träger der unternehmerischen Initiativ- und Entscheidungsmacht) nach den Vorgaben der Gesellschafter (§ 37) und vertreten die Gesellschaft im Rechts- und Geschäftsverkehr (§ 35). § 6 Abs. 2 und 3 Satz 1 regeln die persönlichen Voraussetzungen für den Geschäftsführer, § 6 Abs. 3 Satz 2 Modalitäten der Geschäftsführerbestellung. § 6 Abs. 4 enthält eine Regel zur Auslegung des Gesellschaftsvertrages. Mit dem MoMiG sind die Ausschlusstatbestände für die Bestellung zum Geschäftsführer (Amtsunfähigkeit) in § 6 Abs. 2 übersichtlicher gefasst und erheblich ausgedehnt worden (Rn 16 ff). § 6 Abs. 5 führt eine Schadensersatzpflicht der Gesellschafter ein, wenn sie vorsätzlich oder grob fahrlässig einer amtsunfähigen Person die Geschäftsführung überlassen (Rn 44 ff). Zur Übergangsregelung des § 3 Abs. 2 EGGmbHG s. Rn 30.

§ 6 spricht nur die Bestellung an, durch die jemand zum Mitglied des Organs „der oder die Geschäftsführer“ (Rn 3) berufen wird. Davon ist das schuldrechtliche Amtswalterverhältnis (Anstellungsverhältnis) zu unterscheiden. Beide Rechtsverhältnisse können sich erheblich aufeinander auswirken1. Der Unterschied liegt vor allem bei der Beendigung der Geschäftsführerposition: Die Organstellung ist grundsätzlich frei widerruflich (§ 38 Abs. 1), dagegen richtet sich die Beendigung des Anstellungsverhältnisses nach dem schuldrechtlichen Organwaltervertrag und den allgemeinen Regeln des bürgerlichen Rechts2. Zur Verkoppelung zwischen Amtsende und Beendigung des Anstellungsverhältnisses s. Anh zu § 6 Rn 44. 2 Auf der Grundnorm des § 6 bauen die übrigen für die Geschäftsführer geltenden

Bestimmungen der §§ 35–44, 46 Nr. 5, 78 ff auf. Die dabei entstehenden Fragen werden in diesem Kommentar wie folgt behandelt: die erstmalige Bestellung in § 6 Rn 37 ff; die späteren Bestellungen nach Eintragung (§§ 10 f) in Vor § 35; das Anstellungsverhältnis inkl seiner Beendigung im Anh zu § 6; der Widerruf der Bestellung in § 38; die interne Organisation des Organs „die Geschäftsführung“ sowie deren Geschäftsführungsbefugnis in § 37; die Vertretung der Vorgesellschaft in § 11 Rn 17, die der (entstandenen) Gesellschaft in § 35; die Handlungspflichten der einzelnen Geschäftsführer und ihre Verantwortlichkeit insbesondere in § 43.

1 BGHZ 79, 38, 41; BGHZ 89, 48, 52 f = GmbHR 1984, 151. 2 BGH GmbHR 2003, 100, 101.

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2. Der/die Geschäftsführer als Leitungsorgan Der/die Geschäftsführer als Leitungsorgan ist/sind das zweite obligatorische Or- 3 gan neben den Gesellschaftern (§ 45 Rn 2 und 4). Ein Aufsichtsrat ist nur unter den besonderen Voraussetzungen eines MitbestG vorgeschrieben. a) Über die Bezeichnung des Leitungsorgans (Geschäftsführung, Geschäftslei- 4 tung, Direktorium, Vorstand) entscheiden die Gesellschafter frei1 im Gesellschaftsvertrag oder durch Gesellschafterbeschluss. Um Verwechselungen zu vermeiden, müssen die Geschäftsführer im Rechts- und Geschäftsverkehr stets ausdrücklich klarstellen, dass sie als Leitungsorgan einer GmbH agieren (zB: Vorstand der X GmbH). Aber stets sind die Geschäftsführer als „Geschäftsführer“ ins Handelsregister einzutragen und nach § 35a auch so auf den Geschäftsbriefen anzugeben. b) Die Zahl der Geschäftsführer ist außer nach § 33 MitbestG (Arbeitsdirektor, 5 also mindestens zwei Geschäftsführer) beliebig. Der Gesellschaftsvertrag kann jede beliebige Bestimmung treffen: eine präzise festgelegte Geschäftsführerzahl, einen Rahmen („mindestens zwei und höchstens fünf Geschäftsführer“) oder eine Kompetenzzuweisung („die Zahl der Geschäftsführer bestimmt der Beirat“). Wenn mehr Geschäftsführer bestellt werden als der Gesellschaftsvertrag erlaubt, ist der Bestellungsbeschluss wegen Satzungsverstoß anfechtbar. – Zur Satzungsdurchbrechung § 53 Rn 27 ff. Ohne (konkrete) Satzungsvorgabe kann die Geschäftsführerzahl durch ein- 6 fachen Gesellschafterbeschluss (§ 47 Abs. 1), getrennt von der Bestellung2 oder incidenter mit ihr3, festgelegt werden (§ 46 Nr. 5). Ob die Bestellungskompetenz eines anderen Organs (§ 46 Rn 23) zugleich die Entscheidung über die Geschäftsführerzahl umfasst, ist durch Auslegung des Gesellschaftsvertrages zu ermitteln4. Sobald ein vorgeschriebener Geschäftsführer (Rn 5 f) weggefallen ist, hat das Be- 7 stellungsorgan, das für ein handlungsfähiges Leitungsorgan sorgen muss5, unverzüglich einen neuen zu bestellen. Diese Pflicht besteht weder gegenüber dem Registergericht noch gegenüber den Gesellschaftsgläubigern6, weil diese die Bestellung eines Notgeschäftsführers beim Registergericht beantragen können (Vor § 35 Rn 13 ff); das Registergericht kann die Bestellung nicht durch Andro1 Einschränkend MünchKomm/Goette Rn 14; U/H/L/Paefgen Rn 8; Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 6; B/H/Zöllner/Noack § 35 Rn 2: nicht „Vorstand“; wie hier S/I/ Pfisterer Rn 5; Michalski/Tebben Rn 10 mwN. 2 S. OLG Stuttgart GmbHR 1999, 537, 538. 3 S. OLG Hamm ZIP 1985, 741, 742. 4 Vgl MünchKomm/Goette Rn 10; U/H/L/Paefgen Rn 12. 5 BGH WM 1985, 52, 53 = GmbHR 1985, 149. 6 BGH WM 1985, 52, 53 = GmbHR 1985, 149.

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§ 6 | Geschäftsführer hung einer Ordnungsstrafe erzwingen1. Während der Vakanz treten die Gesellschafter nicht an die Stelle des fortgefallenen Geschäftsführers.

3. Gründungsgeschäftsführer 8 Schon vor der Anmeldung der Gesellschaft zum Handelsregister (§§ 7, 78) müs-

sen die vorgeschriebenen (Rn 5 f) Geschäftsführer bestellt werden. Ihre Aufgabe ist es, die Gesellschaftereinlagen nach § 7 Abs. 2, 3 entgegenzunehmen, die Versicherungen nach § 8 Abs. 2, 3 abzugeben und die Gesellschaft zum Handelsregister anzumelden (§§ 7 Abs. 1, 8). Sollten noch nicht alle vorgeschriebenen (Rn 5 f) Geschäftsführer bestellt oder sollte ein bereits bestellter vor der Anmeldung wieder weggefallen sein, so muss das Registergericht die Anmeldung zurückweisen (arg §§ 7 Abs. 1, 78, 9c). Zur Geschäftsführerbestellung im vereinfachten Gründungsverfahren unter Verwendung des Musterprotokolls (§ 2 Abs. 1a) s. die Erläuterungen bei § 2 Rn 50 und 62 sowie § 10 Rn 6 f und § 39 Rn 5.

9 Das Registergericht muss auch die Eintragung verweigern, falls ein vorgeschrie-

bener (Rn 5 f) Geschäftsführer nach der Anmeldung wegfällt. Zwar bleibt diese als solche wirksam, vor der Eintragung ist jedoch ein neuer Geschäftsführer zu bestellen, der anschließend erneut die Versicherung nach § 8 Abs. 3 (nicht aber auch die nach Abs. 2; vgl § 8 Rn 10) abgeben muss2. Für den Fortfall nach Eintragung Rn 7.

10 Eine Eintragung trotz fehlender Geschäftsführer ist wirksam, die Gesellschaft

entstanden. Das Registergericht kann unter engen Voraussetzungen die Amtslöschung nach § 395 FamFG betreiben; s. § 7 Rn 3.

4. Person des Geschäftsführers 11 Geschäftsführer kann nach § 6 Abs. 2 Satz 1 nur eine natürliche, unbeschränkt

geschäftsfähige (§§ 104, 106 BGB; bei Ausländern kommt es auf das Recht ihres Heimatstaates an: Art. 7 Abs. 1 EGBGB) Person sein, also nicht eine juristische Person, Personengesellschaft, Erben- oder sonstige Rechtsgemeinschaft. Beschränkt Geschäftsfähige können zur Amtsübernahme nicht nach §§ 112, 113 BGB ermächtigt werden3. Zu den sonstigen Ausschlussgründen nach § 6 Abs. 2 s. Rn 16 ff. – Der Geschäftsführer kann zugleich Gesellschafter oder Dritter, mit1 Vgl schon KG KGJ 45, 178, 180. 2 MünchKomm/Goette Rn 6; anders hier noch 18. Aufl, Rn 9 (auch Versicherung nach § 8 Abs. 2). 3 Zutreffend OLG Hamm GmbHR 1992, 671; heute ganz hM, s. etwa U/H/L/Paefgen Rn 15; T. Schmidt S. 103 ff; aA aber B. Schmitz S. 62 ff.

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hin sog Fremdgeschäftsführer sein (§ 6 Abs. 3 Satz 1). Im Übrigen steht die Auswahl der Person grundsätzlich im Belieben des Bestellungsorgans (§ 46 Nr. 5), es sei denn, diese sei wegen berufsrechtlicher Qualifikationsanforderungen1 eines gesetzlichen Bestellungsverbots ausnahmsweise amtsunfähig (s. auch Rn 31 f); s. aber auch Rn 34 ff zum Benachteiligungsverbot nach dem AGG. – Für den Arbeitsdirektor einer mitbestimmten GmbH (§ 33 MitbestG) gelten keine Besonderheiten. Wird eine amtsunfähige Person (zB juristische Person oder sonstiger Verstoß 12 gegen § 6 Abs. 2 Satz 1 sowie § 6 Abs. 2 Satz 2 und 3) bestellt, so sind Bestellungsbeschluss (Anh zu § 47 Rn 9) und Bestellung nichtig (§ 134 BGB); dieser Mangel ist unheilbar2. Entsprechend verliert die Bestellung eines zunächst wirksam bestellten Geschäftsführers automatisch ihre Wirkung (Wegfall der organschaftlichen Vertretungsmacht), sobald dieser zB geschäftsunfähig3, nach § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 unter Einwilligungsvorbehalt gestellt oder nach § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2, Nr. 3/Satz 3 verurteilt4 oder betroffen wird (dazu näher Rn 16 ff). Wird eine amtsunfähige Person gleichwohl bestellt und im Handelsregister eingetragen oder verliert ein zunächst wirksam bestellter Geschäftsführer seine Amtsfähigkeit, ohne dass der Wegfall der Vertretungsmacht im Handelsregister eingetragen wird5, sind gutgläubige Dritte nach § 15 Abs. 1/3 HGB geschützt. Bei Geschäftsunfähigkeit des Geschäftsführers hilft § 15 HGB indes nicht, weil eine von ihm abgegebene Willenserklärung nichtig (§ 105 BGB) und weder die Geschäftsfähigkeit noch deren Wegfall eine einzutragende Tatsache iSv § 15 Abs. 1/3 HGB ist. Die Rspr6 versagt aber nach allgemeinen Rechtsscheingrundsätzen die Berufung auf die Nichtigkeit, wenn für die Gesellschafter oder Mitgeschäftsführer die fehlende Geschäftsfähigkeit bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennbar war (Tatfrage) und sie dennoch untätig geblieben sind. Zur Haftung einer amtsunfähigen Person als „faktischer Geschäftsführer“ s. im Übrigen § 43 Rn 2. – Nach Wegfall der Amtsunfähigkeit muss der Geschäftsführer neu bestellt werden7.

1 Erdmann NZG 2002, 503, 508 ff. 2 OLG Naumburg GmbHR 2000, 378 für den Fall der Verurteilung wegen Insolvenzstraftat nach §§ 283 ff StGB oder wegen vergleichbarer Straftat durch ausländisches Strafgericht. 3 BGHZ 115, 78, 80 = GmbHR 1991, 358; BayObLG GmbHR 1983, 152; OLG Köln GmbHR 2003, 360, 361; Goette DStR 1998, 938, 939. 4 OLG München GmbHR 2011, 430. 5 Zur Amtslöschung s. OLG München GmbHR 2011, 430; KG GmbHR 2012, 859; OLG Düsseldorf GmbHR 2013, 1152, 1153 f. 6 BGH BGHZ 115, 78, 83 = GmbHR 1991, 358; dazu K. Schmidt JuS 1991, 1004. 7 BayObLG GmbHR 1993, 223, 224; OLG Naumburg ZIP 2000, 622, 625 = GmbHR 2000, 378, 381.

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§ 6 | Geschäftsführer 13 Verfügt ein Gericht einstweilig ein allgemeines Tätigkeitsverbot über den Ge-

schäftsführer, so erlischt nicht dessen Amt; vielmehr ruhen bloß dessen sämtliche Organrechte und -pflichten bis auf Weiteres1. Im Handelsregister ist die Eintragung als Geschäftsführer von Amts wegen zu löschen. Nach Aufhebung des Tätigkeitsverbots muss der Geschäftsführer zwar nicht erneut bestellt, aber neu ins Handelsregister eingetragen werden.

5. Ausländer 14 Ausländer können wie Inländer Geschäftsführer sein. Das Gesetz stellt keine

Anforderungen an Staatsangehörigkeit, Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt; selbst deutsche Sprachkenntnisse sind keine notwendige Bedingung der Geschäftsführer-Amtsfähigkeit. Deshalb steht im Grundsatz auch nichts entgegen, die Geschäfte der Gesellschaft durch einen ausländischen Geschäftsführer vom Ausland aus zu führen, zumal nach Streichung von § 4a Abs. 2 im Zuge des MoMiG (dazu § 4a Rn 15) der Verwaltungssitz auch im Ausland gelegen sein darf2. All das ist unstreitig3. Allerdings muss der ausländische Geschäftsführer tatsächlich und jederzeit in der Lage sein, seine gesetzlichen Mindestpflichten (§§ 41, 43 Abs. 3; § 15a Abs. 1 InsO), unter ihnen namentlich die Buchführungspflicht, zu erfüllen4. Das schränkt die Amtsfähigkeit von EU-Ausländern schon deshalb nicht ein, weil sie nach dem FreizügG5 ohne besondere Erlaubnis im Inland tätig werden können und dort auch keinen Wohnsitz zu begründen brauchen6; unter den Voraussetzungen für Inländer (Rn 11) können sie ohne Weiteres zu Geschäftsführern bestellt werden. Entsprechendes gilt für Angehörige aus jenen Nicht-EU-Staaten, die nach Anhang II der EU-Visum-Verordnung7 („Positivliste“) für Aufenthalte bis zu drei Monaten keinen Aufenthaltstitel benötigen8. Die Geschäftsführerbestellung sonstiger ausländischer Staatsangehöriger will ein Teil der registergerichtlichen Praxis indes von der jederzeitigen Möglichkeit zur Einreise nach Deutschland abhängig machen und die (in der Konzeption 1 S. BayObLG GmbHR 1989, 370 = BB 1989, 1009; MünchKomm/Goette Rn 46. 2 Zu den möglichen Konsequenzen für den Verwaltungssitz der Gesellschaft auf der Basis des früheren Rechts s. etwa Bohlscheid RNotZ 2005, 517; Erdmann NZG 2002, 503, 507 f; Wachter NZG 2001, 858, 859; Wachter GmbHR 2003, 536, 542. Zum inländischen Gerichtsstand nach Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ/LugÜ/EuGVVO für Schadensersatzklagen einer deutschen GmbH gegen ausländische Geschäftsführer s. OLG München GmbHR 1999, 981; OLG Celle GmbHR 2000, 1151. 3 Nachweise bei OLG Hamm GmbHR 1999, 1089, 1090. 4 BGH NJW 1981, 2125, 2126 = GmbHR 1982, 67. 5 Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern vom 30.7.2004 (BGBl I 1986). 6 EuGH NZG 1998, 811. 7 Verordnung (EG) Nr. 539/2001 des Rates vom 15.3.2001, ABlEU Nr. L 81 v. 21.3.2001. 8 Bohlscheid RNotZ 2005, 505, 508; OLG Frankfurt GmbHR 2001, 433.

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des Gesetzes freilich nur deklaratorisch wirkende) Handelsregistereintragung an die Vorlage einer entsprechenden Aufenthalts- bzw Einreiseerlaubnis knüpfen1. Die Begründung für diese Position2 liegt vor allem in der Überlegung, zur Erfüllung der gesetzlichen Pflichten eines Geschäftsführers sei es unerlässlich, jederzeit seinen Betrieb aufzusuchen und unmittelbar Einsicht in Bücher und Schriften der Gesellschaft zu nehmen3. Die Geschäftsführerbestellung einer Person, die jene Voraussetzungen nicht erfüllt, wird als unwirksam angesehen; bei späterem Wegfall jener Voraussetzungen soll die Organstellung erlöschen4. Jene Sichtweise sieht sich seit längerem berechtigter Kritik ausgesetzt5, die inzwi- 15 schen als überwiegende Ansicht im Schrifttum anzusehen ist6 und sich auch in der obergerichtlichen Rspr durchgesetzt zu habenscheint7: Sie verweist auf den Einsatz moderner Kommunikationsmittel (Telefon, Telefax, E-Mail, Videokonferenzen) sowie die Möglichkeit einer Delegation von Leitungsaufgaben. Bei entsprechender Organisation des Geschäftsbetriebs könne ein Geschäftsführer seine Aufgaben auch vom Ausland aus wahrnehmen, ohne dadurch von vornherein seine gesetzlichen Pflichten zu vernachlässigen. Dem ist (zumal nach Streichung von § 4a Abs. 2 aF8; s. Rn 14) zu folgen. Zwar trifft es zu, dass pflichtgemäße Unternehmensleitung durch im Ausland ansässigen Geschäftsführer zu bestimmten Anlässen sein Erscheinen „vor Ort“ erforderlich machen kann. Das rechtfertigt indes nicht, die Organstellung von einem im Voraus erteilten Aufenthaltstitel abhängig zu machen. Dem Geschäftsführer kann die Einreise bei Bedarf auch durch Erteilung eines kurzfristigen Visums ermöglicht werden; hierüber hat die Ausländerbehörde im konkreten Fall nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Die Wirksamkeit der Geschäftsführerbestellung dann an einen Aufenthaltstitel zu knüpfen, wenn im Einzelfall Anhaltspunkte für fehlende 1 OLG Celle GmbHR 2007, 657; OLG Hamm GmbHR 1999, 1089; OLG Köln GmbHR 1999, 182, 183 und OLG Köln GmbHR 2001, 923, 925; OLG Zweibrücken GmbHR 2001, 435; anders aber OLG Zweibrücken GmbHR 2010, 1260. Zu den Konsequenzen für die Belehrungspflichten des Notars s. etwa Schiedermair FS Bezzenberger, 2001, S. 393, 397 ff; Wachter ZNotP 1999, 314 ff. 2 In diesem Sinne etwa Haase GmbHR 1999, 1091; Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 19; Teichmann IPrax 2000, 110, 113 f. 3 S. etwa OLG Celle GmbHR 2007, 657; OLG Zweibrücken GmbHR 2001, 435; OLG Hamm GmbHR 1999, 1089, 1091. 4 Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 20; Teichmann IPrax 2000, 110, 114. 5 Zu Einzelnachweisen s. 17. Aufl, Rn 15. 6 R/A/Altmeppen Rn 41; MünchKomm/Goette Rn 20 f; B/H/Fastrich Rn 9; Henssler/ Strohn/Oetker Rn 18; U/H/L/Paefgen Rn 55 ff; S/I/Pfisterer Rn 11; Ries NZG 2010, 298 ff; B/S/Schäfer Rn 5; B. Schmitz S. 94 ff; Michalski/Tebben Rn 32; B/H/Zöllner/Noack § 39 Rn 21. 7 OLG Düsseldorf GmbHR 2009, 776; OLG Dresden GmbHR 2003, 537, 538; OLG München GmbHR 2010, 210; OLG Zweibrücken GmbHR 2010, 1260. 8 Dazu OLG Düsseldorf GmbHR 2009, 776; OLG München GmbHR 2010, 210; Heßeler GmbHR 2009, 759.

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§ 6 | Geschäftsführer Einreisemöglichkeiten bestehen1, würde die Organbestellung mit Unwägbarkeiten belasten, die sich mit dem gebotenen Verkehrsschutz nicht vereinbaren ließen. Der individuelle aufenthaltsrechtliche Status der zum Geschäftsführer berufenen Person darf die Wirksamkeit der Bestellung nicht beeinflussen.

6. Amtsunfähigkeit 16 a) Übersicht: Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 kann Geschäftsführer nur eine natürliche,

unbeschränkt geschäftsfähige Person sein (s. schon Rn 11). § 6 Abs. 2 Satz 2 und 3 listet sonstige Gründe für die Amtsunfähigkeit auf. Die mit dem MoMiG erweiterten Ausschlusstatbestände gelten auch im Aktienrecht (§ 76 Abs. 3 AktG mit § 19 EGAktG) sowie für die gesetzlichen Vertreter von ausländischen Kapitalgesellschaften mit inländischer Zweigniederlassung: § 13e Abs. 3 Satz 2 HGB2. Zur Übergangsregelung des § 3 Abs. 2 EGGmbHG s. Rn 30. Zur Haftung der Gesellschafter, die vorsätzlich oder grob fahrlässig einer amtsunfähigen Person die Führung der Geschäfts überlassen, Rn 44 ff.

17 In der Anmeldung zum Handelsregister haben die Geschäftsführer (strafbe-

wehrt in § 82 Abs. 1 Nr. 5) die Versicherung abzugeben3, dass keine Umstände vorliegen, die ihrer Bestellung nach § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und 3/Satz 3 entgegenstehen (§§ 8 Abs. 3 Satz 1, 39 Abs. 3 Satz 1; ebenso § 67 Abs. 3 für die Liquidatoren); Versicherung des Nichtvorliegens des Ausschlussgrundes nach § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 (keine Bestellung eines Betreuers) verlangt das Gesetz indes nicht4. Die Versicherung muss die gesetzlichen Bestellungshindernisse nach § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und 3/Satz 3 (Verbot zur Ausübung eines Berufs etc5; Verurteilung wegen einer der Katalogstraftaten bzw wegen vergleichbarer Straftat im Ausland) gesondert nennen und verneinen; eine pauschale Verneinung etwa in dem Sinne, dass „Ausschlussgründe der in § 6 Abs. 2 genannten Art“ nicht vorlägen, genügt nicht6; ebenso wenig – unter bloßer Wiedergabe des Wortlauts von § 8 Abs. 3 Satz 1 – die Versicherung, es lägen „keine Umstände vor, die der Bestellung nach § 6 Abs. 2 Satz 2 und 3 entgegenstehen“7. Denn die Versicherung soll tatsächliche Informationen vermitteln: In ihr ist das Nichtvorliegen 1 In diese Richtung noch OLG Zweibrücken GmbHR 2001, 435. 2 Für das frühere Recht ebenso schon BGH BGHZ 173, 200. 3 Vgl dazu OLG Karlsruhe GmbHR 2012, 797: Zulässigkeit einer dem Wort „versichern“ gleichwertigen Wendung wie „erklären“, „angeben“ etc. 4 OLG Hamm GmbHR 2011, 30; OLG München GmbHR 2009, 830. 5 Dazu OLG Frankfurt GmbHR 2010, 918; OLG Frankfurt GmbHR 2011, 1156; OLG Frankfurt ZIP 2015, 2076; KG GmbHR 2012, 859 f. 6 OLG Karlsruhe GmbHR 2010, 643 f mwN; s. auch schon BayObLG BB 1984, 238; ThürOLG GmbHR 1995, 453. 7 Zutreffend OLG Frankfurt ZIP 2015, 2078; OLG Schleswig GmbHR 2014, 1095, 1097 f gegen OLG Stuttgart GmbHR 2013, 91.

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von Tatsachen zu erklären, die zur Amtsunfähigkeit führen würden. Sie soll dem Registergericht die Prüfung ermöglichen, ob Umstände vorliegen, die der Bestellung entgegenstehen. Die Versicherung darf sich deshalb nicht in der Mitteilung der eigenen rechtlichen Bewertung durch den Versichernden erschöpfen1. Eine andere Frage ist, ob in der Negativerklärung auch die in § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 genannten Straftatbestände einzeln aufgeführt und verneint werden müssen2. Zu Recht lässt der BGH jedenfalls die Versicherung des Geschäftsführers genügen, er sei „noch nie, weder im Inland noch im Ausland, wegen einer Straftat verurteilt worden“3. In einem solchen Fall sind die Verhältnisse in der Tat eindeutig. Anders jedoch, wenn der Geschäftsführer eine solche Versicherung nicht abgeben kann: Etwa weil er innerhalb der kritischen Fünfjahresfrist rechtskräftig verurteilt worden ist, das Urteil aber – nach seiner Einschätzung – keine der in § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3/Satz 3 genannten Straftaten zum Gegenstand hat. Die Gründe der BGH-Entscheidung deuten darauf hin, dass auch eine Geschäftsführer-Versicherung des Inhalts genügt, er sei weder im Inland wegen einer Straftat nach § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 noch im Ausland wegen einer vergleichbaren (Straf-) Tat verurteilt worden4; in der obergerichtlichen Rspr ist das bereits als ausreichend angesehen worden5. Schon angesichts der Strafbewehrung einer vorsätzlich falschen Versicherung in § 82 Abs. 1 Nr. 5 sind derartige pauschale Inbezugnahmen in der Negativversicherung freilich nicht unproblematisch: Bei gebotener ausdrücklicher Nennung der gesetzlichen Straftatbestände würde es dem Versichernden strafrechtlich erschwert, sich auf Irrtümer zu berufen (s. auch § 82 Rn 19). Im Übrigen kommt es für den Ausschlussgrund des § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3/Satz 3 (Verurteilung wegen einer der Katalogstraftaten im Inland bzw wegen vergleichbarer Straftat im Ausland) darauf an, ob das entsprechende Urteil innerhalb der Fünfjahresfrist (§ 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 aE) Rechtskraft erlangt hat. Deshalb genügt eine Versicherung nicht, in der nur auf den Zeitpunkt der Verurteilung selbst abgestellt wird6. – S. zum Ganzen auch die Erläuterungen § 8 Rn 16 und § 9c Rn 4. b) § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1: Vom Geschäftsführeramt ausgeschlossen ist, wer als 18 Betreuter nach § 1896 BGB in seinen Vermögensangelegenheiten zusätzlich ganz oder teilweise einem Einwilligungsvorbehalt nach § 1903 BGB unterliegt. Wer hier nicht ohne Einwilligung seines Betreuers handeln kann, vermag auch die Gesellschaft nicht zu vertreten7. Ermächtigung zur Amtsübernahme entspre1 OLG Schleswig GmbHR 2014, 1095, 1097 f; Weiß GmbHR 2013, 1076, 1081 f. 2 In diesem Sinne noch OLG München GmbHR 2009, 829; OLG München GmbHR 2009, 831. 3 BGH GmbHR 2010, 812 im Anschluss an OLG Karlsruhe GmbHR 2010, 643. 4 BGH GmbHR 2010, 812 Rn 9. 5 OLG Hamm GmbHR 2011, 587. 6 BGH GmbHR 2011, 864; OLG Schleswig GmbHR 2014, 1095, 1098. 7 Näher Jäger DStR 1996, 108; T. Schmidt S. 108 ff.

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§ 6 | Geschäftsführer chend §§ 112, 113 BGB ist ausgeschlossen (s. Rn 11). Wer dagegen als Betreuter keinem Einwilligungsvorbehalt unterliegt, kann als Geschäftsführer fungieren. 19 c) § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2: Ein Verbot zur Ausübung des Berufs etc durch rechtskräftiges Strafurteil (§ 70 StGB) führt für die Dauer seiner Wirksamkeit ebenfalls zur Amtsunfähigkeit (nicht mehr das nach § 70a StGB zur Bewährung ausgesetzte Verbot, auch nicht nach § 132a StPO vorläufig angeordnetes). Dieses wirkt jedoch allein für jene Gesellschaft, deren statutarischer (§ 3 Abs. 1 Nr. 2) oder (wenn davon abweichend) tatsächlicher Unternehmensgegenstand1 ganz oder teilweise mit dem Gegenstand des strafgerichtlichen Berufsverbots übereinstimmt. Deshalb kann zum Geschäftsführer einer Immobiliengesellschaft bestellt werden, wem wegen Verletzung von Betriebsgeheimnissen nach §§ 203, 70 StGB die Ausübung des Steuerberaterberufs für zwei Jahre verboten worden ist. Wenn sich dagegen Unternehmens- und Verbotsgegenstand (auch nur teilweise2) überschneiden, verliert der amtierende Geschäftsführer mit dem Eintritt der Rechtskraft (Rn 21) sein Amt. Ein durch Urteil eines ausländischen Gerichts ausgesprochenes Berufsverbot etc genügt im Übrigen nicht, da der Gesetzgeber des MoMiG eine entsprechende Gleichstellung nur in Bezug auf § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 angeordnet hat (s. Rn 21)3. 20 Das Berufsverbot einer Verwaltungsbehörde (zB nach § 35 Abs. 1, 8 GewO), nicht jedoch eine Untersagungsverfügung nach § 16 Abs. 3 HandwO4, führt zur Amtsunfähigkeit, sobald es vollziehbar ist (dh: sobald das Berufsverbot unanfechtbar ist oder ein Rechtsmittel dagegen keine aufschiebende Wirkung hat). Das Gewerbeverbot gegen eine natürliche Person braucht sich nicht ausdrücklich gegen sie als Vertretungsberechtigte einer gewerbetreibenden Gesellschaft zu erstrecken; das Verbot führt auch insoweit zur Geschäftsführer-Amtsunfähigkeit5. Ein durch eine ausländische Verwaltungsbehörde verhängtes Berufs- oder Gewerbeverbot genügt nicht (vgl Rn 19)6. – Umfang und Dauer der gesellschaftsrechtlichen Amtsunfähigkeit richten sich nach dem Ausspruch der Behörde; insoweit und zu den sonstigen Wirkungen Rn 11. Die Fünfjahresfrist nach § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 aE (Rn 21) ist auf § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 nicht übertragbar7. Das gegen die GmbH verhängte Gewerbeverbot beinhaltet nicht zugleich auch ein Berufsausübungsverbot für den Geschäftsführer. Dessen Amtsfähigkeit wird dadurch nicht berührt8. Anders aber in den Fällen von § 35 Abs. 1 1 R/A/Altmeppen Rn 9; B/H/Fastrich Rn 12; B. Schmitz S. 175; Scholz/Uwe H. Schneider/ Sven H. Schneider Rn 25. 2 Vgl auch KG GmbHR 2012, 91; KG GmbHR 2012, 859. 3 Wie hier U/H/L/Paefgen Rn 25; S/I/Pfisterer Rn 13; aA Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 27. 4 BayObLG GmbHR 1987, 20. 5 OLG Frankfurt GmbHR 1994, 802. 6 Insoweit übereinstimmend Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 27. 7 KG GmbHR 2012, 91. 8 BayObLG GmbHR 1987, 20.

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Satz 2, Abs. 7a GewO: Gewerbeuntersagung an den Geschäftsführer persönlich wegen Unzuverlässigkeit1. d) § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 iVm Satz 3: § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 enthält einen ab- 21 schließenden Katalog von Straftatbeständen; wer rechtskräftig wegen einer oder mehrerer vorsätzlich begangener Katalogstraftaten verurteilt wird (auch wegen Versuchs oder Teilnahme2), gilt für das Geschäftsführeramt für die Dauer von fünf Jahren als generell ungeeignet. Mit dem Eintritt der Rechtskraft verliert ein amtierender Geschäftsführer automatisch seine Position. Jede Bestellung zum Geschäftsführer in diesem Zeitraum ist unheilbar wirkungslos; es kommt weder auf die Branche der Gesellschaft noch auf ihren Unternehmensgegenstand (§ 3 Abs. 1 Nr. 2) noch auf ihren Zweck an. Die Fünfjahresfrist (§ 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 aE) beginnt mit dem Eintritt der Rechtskraft (vgl §§ 314, 341 StPO); die Frist berechnet sich nach §§ 186 ff BGB; nicht eingerechnet wird der Zeitraum, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 gilt kraft ausdrücklicher Anordnung in § 6 Abs. 2 Satz 3 entsprechend bei einer Verurteilung im Ausland wegen einer mit den Katalogstraftaten vergleichbaren Tat (und zwar Straftat3). Im Ergebnis führen zur Amtsunfähigkeit4: § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 lit a: Verurteilung wegen vorsätzlich begangener „Insol- 22 venzverschleppung“, die der Text der Vorschrift als „Unterlassen der Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens“ umschreibt. Insolvenzverschleppung ist heute strafbar nach § 15a Abs. 4 InsO (idF von Art. 9 MoMiG; zu den Straftatbeständen des früheren Rechts s. 18. Aufl, Rn 22). Von § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 lit a nicht erfasst ist eine Verurteilung wegen Verletzung von Insolvenzanzeigepflichten, etwa nach §§ 311 Abs. 1, 331 Abs. 2 Nr. 3 VAG; §§ 46b Abs. 1, 55 Abs. 1 KWG5. Nach § 15a Abs. 4 InsO macht sich strafbar, wer als Träger der Antragspflicht 23 den Antrag „entgegen § 15a Abs. 1 Satz 1 … nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig stellt“. Der frühere § 84 Abs. 1 Nr. 2 bedrohte demgegenüber mit Strafe, wer es „als Geschäftsführer entgegen § 64 Abs. 1 … unterlässt, bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen“. Damit wurde auch die verspätete Stellung des Insolvenzantrages (also die Antragstellung nach Ablauf der dreiwöchigen Höchstfrist des § 64 1 Dazu B. Schmitz S. 216 f. 2 Weiß GmbHR 2013, 1076, 1077. 3 OLG München GmbHR 2014, 869. Kritisch gegenüber dieser Regelung etwa Müller-Gugenberger GmbHR 2009, 578, 581 mN. 4 Zu weiteren Einzelheiten Weiß wistra 2009, 209. 5 Weiß wistra 2009, 209, 210.

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§ 6 | Geschäftsführer Abs. 1 aF) erfasst1. Wenn die heutige Nr. 3 lit a des § 6 Abs. 2 Satz 2 vom „Unterlassen der Stellung des Antrags …“ spricht, ist daraus nicht zu schließen, nur eine Verurteilung wegen gänzlichen Unterbleibens der Antragstellung könne die Amtsunfähigkeit begründen2. Das wäre schon deshalb absurd, weil rechtstatsächlich gerade eine verspätete Antragstellung die Insolvenzverschleppung kennzeichnet. Folgerichtig bedrohte § 148 Abs. 1 Nr. 2 GenG aF mit Strafe, wer die Eröffnung des Insolvenzverfahrens „nicht oder nicht rechtzeitig beantragt (e)“. Die gesetzlich gebotene Antragstellung „unterlässt“, wer der entsprechenden Pflicht nicht innerhalb der gesetzlichen Frist nachkommt. Selbstverständlich führt deshalb auch eine Verurteilung wegen nicht rechtzeitiger Antragstellung (bei Vorsatztat) zum Ausschluss vom Geschäftsführeramt3. Allein zweifeln muss man, ob schon jede „nicht richtige“ Antragstellung, die im Übrigen aber innerhalb der gesetzlichen Frist des § 15a Abs. 1 InsO erfolgt, genügen kann. Doch diese Bedenken treffen schon die Verhältnismäßigkeit der Straftatbestände in § 15a Abs. 4 und 5 InsO, zumal das alte Recht die Strafbarkeit bloß „unrichtiger“ Antragstellung nicht kannte. Dem mag mit restriktiver Auslegung der Tatbestandsvariante „nicht richtiger“ Antragstellung begegnet werden (s. Anh zu § 64 Rn 109). 24 § 15a Abs. 4 InsO knüpft an § 15a Abs. 1 und 2 InsO an, der rechtsformüber-

greifend die Insolvenzantragspflicht der organschaftlichen Vertreter juristischer Personen sowie solcher Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit normiert, bei denen kein Vollhafter eine natürliche Person ist. Auch vergleichbare Auslandsgesellschaften mit Verwaltungssitz in Deutschland sollen nach dem Konzept des Gesetzgebers von § 15a Abs. 1 und 2 InsO erfasst werden4. Im Falle der Führungslosigkeit einer GmbH, AG oder Genossenschaft (dh wenn eine solche Gesellschaft keinen Geschäftsführer bzw Vorstand hat) ist auch jeder Gesellschafter (bei der GmbH) bzw jedes Aufsichtsratsmitglied (bei AG und Genossenschaft) zur Stellung des Insolvenzantrags verpflichtet: § 15a Abs. 3 InsO. Die Verletzung dieser Ersatzverantwortlichkeiten ist gleichfalls nach § 15a Abs. 4 InsO strafbar. – Nicht zur Amtsunfähigkeit führt die Verurteilung wegen fahrlässiger Insolvenzverschleppung (heute § 15a Abs. 5 InsO).

25 § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 lit b: Verurteilung nach §§ 283–283d StGB (Insolvenz-

straftaten), wobei aber nur (noch) die Verurteilung wegen einer entsprechenden Vorsatztat zur Amtsunfähigkeit führt. Erfasst sind: Bankrott (§§ 283, 283a

1 S. 16. Aufl, § 84 Rn 7. 2 So aber Römermann in Römermann/Wachter, GmbH-Beratung nach dem MoMiG, GmbHR-Sonderheft 2008, S. 62, 63; Römermann NZI 2008, 641, 646; Römermann GmbHR 2013, 1140, 1141 f. 3 Zustimmend OLG Celle GmbHR 2013, 1140; MünchKomm/Goette Rn 33; Gundlach/ Müller NZI 2011, 480, 481; U/H/L/Paefgen Rn 30; B/S/Schäfer Rn 9; Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 31. 4 Vgl Begr zu § 15a InsO-RegE MoMiG, BT-Drucks 16/6140, S. 55.

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StGB), Verletzung der Buchführungspflicht (§ 283b StGB), Gläubiger- und Schuldnerbegünstigung (§§ 283c, 283d StGB). § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 lit c: Verurteilung wegen vorsätzlich falscher Angaben 26 als Gesellschafter, Geschäftsführer, Vorstand (ggf als Liquidator) einer GmbH bzw AG oder als Geschäftsleiter/Leitungsorgan einer ausländischen juristischen Person im Zusammenhang mit der Gründung der Gesellschaft, einer Kapitalmaßnahme oder in öffentlichen Mitteilungen nach Maßgabe der Straftatbestände in § 82 GmbHG und § 399 AktG. § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 lit d: Verurteilung wegen vorsätzlich unrichtiger Darstel- 27 lung als Gesellschafter, Geschäftsführer, Vorstand, Aufsichtsrat (ggf als Liquidator) nach Bestimmungen des Gesellschafts- und Bilanzrechts in § 400 AktG (falsche Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft in Übersichten über den Vermögensstand, Auskünften gegenüber der Hauptversammlung, gegenüber einem Prüfer etc), § 331 HGB und § 17 PublG (falsche Angaben im Jahres- oder Konzernabschluss, gegenüber dem Abschlussprüfer etc) sowie § 313 UmwG (falsche Darstellung im Verschmelzungs-, Spaltungsbericht usw, gegenüber einem Prüfer etc). § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 lit e: Verurteilung wegen einer oder mehrerer Vorsatz- 28 taten nach §§ 263–264a StGB oder §§ 265b–266a StGB, jedoch nur wenn auf Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr erkannt wird. Erfasst sind: Betrug (§ 263 StGB), Computerbetrug (§ 263a StGB), Subventionsbetrug (§ 264 StGB), Kapitalanlagebetrug (§ 264a StGB) und Kreditbetrug (§ 265b StGB), außerdem Untreue (§ 266 StGB) sowie das Vorenthalten und das Veruntreuen von Arbeitsentgelt nach § 266a StGB. Die Einjahresgrenze gilt nur für diese in § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 lit e aufgelisteten Straftaten, nicht auch für Verurteilungen wegen einer der übrigen Katalogtaten nach § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3. Wird wegen einer oder mehrerer der in lit e genannten Straftaten und darüber hinaus wegen weiterer Straftaten verurteilt, die keine Katalogtaten nach § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 sind, genügt es nicht, wenn nur die ausgeworfene Gesamtfreiheitsstrafe die Grenze von einem Jahr überschreitet1; vielmehr ist auf die unter § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 lit e fallenden Tatbestände abzustellen und zu fragen, ob sie allein die Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens einem Jahr tragen würden2. Mit der heutigen Abgrenzung der Katalogstraftaten nach § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 29 wird auch einem wesentlichen Teil der verfassungsrechtlichen Bedenken Rech1 So aber offenbar noch Weyand ZInsO 2008, 702, 704. 2 Scholz/Tiedemann/Rönnau § 82 Rn 148; Weiß GmbHR 2013, 1076, 1079 („fiktive Gesamtstrafe“); gleichsinnig R/A/Altmeppen Rn 19; Böttcher/Hassner GmbHR 2009, 1321, 1323; B/H/Fastrich Rn 13; U/H/L/Paefgen Rn 34; U/H/W/Ransiek Erg MoMiG § 82 Rn 20; B/S/Schäfer Rn 9; MünchKomm/Wißmann § 82 Rn 272; offen gelassen von OLG Hamm GmbHR 2011, 307, 308.

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§ 6 | Geschäftsführer nung getragen, die gegenüber der früheren Regelung in § 6 Abs. 2 Satz 3 aF vorgetragen worden waren1. Die Erstreckung auf Verurteilungen wegen §§ 263– 264a StGB (neben §§ 265b–266a StGB; zum Hintergrund s. Rn 21) ist angesichts der eingezogenen Schwelle (Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr) nicht unverhältnismäßig2. Mit der im Gesetz zum Ausdruck kommenden Wertung, wonach auch die Verurteilung wegen jener Betrugstatbestände die mangelnde Eignung zur treuhänderischen Verwaltung fremden Vermögens belegt, hält sich der Gesetzgeber innerhalb des ihm zuzubilligenden Gestaltungsspielraums. Die damit verbundene Generalisierung gegenüber der Alternative eines jeweils individuell zu verhängenden Berufsverbots liegt im Interesse zügiger, einfacher und rechtssicherer Handhabung der gesetzlichen Ausschlussgründe für das Geschäftsführeramt. 30 e) Mit den Bestimmungen in § 6 Abs. 2 Satz 2 und 3 (die auf das MoMiG zu-

rückgehen) sind die Gründe für die Amtsunfähigkeit gegenüber der früheren Rechtslage ausgedehnt worden. Weil an sich jede nach Bestellung zum Geschäftsführer eintretende Amtsunfähigkeit iSd § 6 Abs. 2 automatisch zum sofortigen Amtsverlust führt (s. schon Rn 12), Hätten mit dem Inkrafttreten des MoMiG (am 1.11.2008) deshalb auch jene Geschäftsführer ihr Amt verloren, die in den vergangenen fünf Jahren rechtskräftig wegen einer Straftat verurteilt worden sind, die erst mit dem MoMiG in den Katalog des § 6 Abs. 2 Satz 2/3 aufgenommen wurde. Hier greift die Übergangsregelung in § 3 Abs. 2 EGGmbHG ein; zu ihr näher 18. Aufl, Rn 30.

31 f) Weitere Ausschlussgründe: Unwirksam ist die Bestellung eines Mitglieds der

Bundes- (Art. 66 GG) oder einer Landesregierung (zB Art. 64 Abs. 3 LV NRW), es sei denn, die Gesellschaft sei nach dem Gesellschaftsvertrag nicht erwerbswirtschaftlich tätig3. Geschäftsführer einer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH kann nur sein, wer zur Ausübung einer der in § 59e Abs. 1 Satz 1 BRAO genannten freien Berufe berechtigt ist (§ 59 f Abs. 2 BRAO). Entsprechendes gilt für Geschäftsführer von Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaften (§ 28 Abs. 2 WPO; § 50 Abs. 2/3 StBerG). Andere Verbote des öffentlichen Rechts (zB § 7 Nr. 8 BRAO4) oder entsprechende Genehmigungsvorbehalte (zB § 99 Abs. 1 Nr. 3 BBG) schließen die Bestellung (zB eines Rechtsanwalts oder Beamten) zum Geschäftsführer nicht aus5.

1 Zur Kritik gegenüber dem früheren Recht etwa Stein AG 1987, 165; B. Schmitz S. 138 ff. 2 Verfassungsrechtliche Bedenken allerdings bei Römermann in Römermann/Wachter, GmbH-Beratung nach dem MoMiG, GmbHR-Sonderheft 2008, S. 62, 65; Weiß wistra 2009, 209, 211. 3 S. zu weiteren Einzelheiten etwa Maunz/Dürig/Herzog Art. 66 GG Rn 50 ff. 4 Dazu BGH NJW 1979, 430; s. aber auch BGHZ 114, 343. 5 S. auch Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 13.

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Ein Aufsichtsratsmitglied der Gesellschaft kann nicht gleichzeitig zum Ge- 32 schäftsführer bestellt werden1 (§ 105 Abs. 1 AktG analog mit Ausnahme nach § 105 Abs. 2 AktG); seine Bestellung ist unheilbar unwirksam.

7. Statutarische Eignungsvoraussetzungen Im Gesellschaftsvertrag werden für die Person des Geschäftsführers nicht selten 33 Voraussetzungen persönlicher oder sachlicher Art vorgeschrieben, etwa Zugehörigkeit zu einer Familie oder Gesellschaftergruppe, (Mindest-/Höchst-)Alter, Vorbildung, (Sprach-)Kenntnisse, Erfahrungen, Tätigkeiten, ggf auch Staatsangehörigkeit oder Religion. In Konsequenz der Verbandsautonomie wurden solche statutarischen Vorgaben früher als beliebig zulässig angesehen; auch geschlechtsspezifische Vorgaben galten als möglich2. Heute müssen sich derartige Eignungsvoraussetzungen allerdings an den Be- 34 stimmungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) vom 14.8. 2006 (BGBl I 1897) messen lassen, das Benachteiligungen aus Gründen des Geschlechts, der Religion, des Alters etc (vgl §§ 1, 7 AGG) grds verbietet. Jedenfalls dessen §§ 6–18 gelten kraft ausdrücklicher Anordnung in § 6 Abs. 3 AGG für Organmitglieder, insbesondere Geschäftsführer und Vorstände, entsprechend, soweit es die Bedingungen für den Zugang zur (selbständigen) Erwerbstätigkeit sowie den beruflichen Aufstieg betrifft. Ob der Zugangsbegriff iSd § 6 Abs. 3 AGG nur den „erstmaligen“, auch den „erneuten“ oder sogar den „fortgesetzten“ Zugang zur Tätigkeit meint (so dass die Benachteiligungsverbote des AGG ggf auch für die Entscheidung über eine Beendigung der Geschäftsführertätigkeit gelten), ist freilich umstritten (dazu Anh zu § 6 Rn 46). Der eingeschränkte Anwendungsbereich des § 6 Abs. 3 AGG erfasst aber ohnehin keineswegs alle GmbH-Geschäftsführer. Denn der (freilich nicht einheitliche) Arbeitnehmerbegriff im Gemeinschaftsrecht3 ist, soweit er (neben der Eingliederung in den Betrieb) auf das zentrale Abgrenzungsmerkmal der Weisungsgebundenheit abstellt, weiter gefasst als der Arbeitnehmerbegriff des nationalen deutschen Rechts4, das auch Fremdgeschäftsführer grundsätzlich nicht als Arbeitnehmer 1 Vgl OLG Frankfurt GmbHR 1987, 232. 2 S. 16. Aufl, Rn 20. Zu den zulässigen satzungsrechtlichen Eignungsvoraussetzungen in der mitbestimmten Gesellschaft: Ulmer/Habersack/Henssler § 31 MitbestG Rn 10 ff; Raiser/Veil/Jacobs § 31 MitbestG Rn 9 ff. 3 Dazu etwa EuGH DB 1996, 35; EuGH NJW 2005, 1481; EuGH AG 2011, 165; EuGH GmbHR 2015, 979 Rn 34 ff; EuGH RIW 2015, 816 mit Anm Mankowski; Forst EuZW 2015, 664, 665 ff; Forst GmbHR 2012, 821, 823 f; Kuhn Abgestuftes Arbeitsrecht am Beispiel des abhängigen GmbH-Geschäftsführers, 2006, S. 33 ff; Lunk/Rodenbusch GmbHR 2012, 188, 189; Mankowski RIW 2004, 167; Preis/Sagan ZGR 2013, 26, 45 ff; Sagan in Preis/Sagan, Europäisches Arbeitsrecht, 2015, § 1 Rn 107 ff mwN. 4 S. zu diesem etwa BAG GmbHR 2015, 184 Rn 24 mwN.

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§ 6 | Geschäftsführer qualifiziert (Anh zu § 6 Rn 3 ff). In europarechtskonformer Auslegung des AGG fallen deshalb jedenfalls Fremdgeschäftsführer (und wohl auch geringfügig beteiligte Gesellschafter-Geschäftsführer ohne Sperrminorität) als unselbständig Erwerbstätige ohne jede Einschränkung in den Anwendungsbereich des Gesetzes1. Für sie gilt das Benachteiligungsverbot des AGG dann auch für die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen (einschließlich Entlassungsbedingungen) bei Durchführung und Beendigung ihres Beschäftigungsverhältnisses (so § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG). Soweit das AGG anwendbar ist, erfasst es die Bestellung ebenso wie das Anstellungsverhältnis2; s. zur Unterscheidung schon Rn 1 und Anh zu § 6 Rn 1 f. Denn der Zugang zur Organtätigkeit wird mit dem Bestellungsakt eröffnet, durch den der Geschäftsführer in sein Amt berufen wird. 35 Der potentielle Konflikt von statutarischen Eignungsvoraussetzungen zum AGG

ist vor diesem Hintergrund nicht zu leugnen3. Zur Konfliktlösung belässt das Gesetz jedoch Spielräume, sofern die Differenzierungskriterien durch das Gesellschaftsinteresse legitimiert sind. Das ist für Satzungsklauseln, die nach Rasse, ethnischer Herkunft, Religion, Weltanschauung oder Geschlecht unterscheiden, allenfalls in engen Ausnahmefällen vorstellbar (§§ 8, 9 AGG). Was die praktisch bedeutsamen Altersklauseln betrifft, lässt § 10 AGG aber eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zu, sofern sie angemessen ist und einem legitimen Ziel dient4. Erlaubt ist die Festlegung eines (den Anforderungen an die Tätigkeit entsprechenden) Mindestalters für den Zugang zur Beschäftigung nach Maßgabe von § 10 Satz 3 Nr. 2 AGG5. Möglich ist aber ebenso die Festlegung eines Höchstalters (arg § 10 Satz 3 Nr. 3 und 5 AGG). Jedenfalls soweit sich die Höchstaltersgrenze auf den (erstmaligen) Zugang zur Organtätigkeit bezieht,

1 Übereinstimmend die inzwischen wohl hM, etwa Esser/Baluch NZG 2007, 321, 323 ff; Hoentzsch S. 58 ff, 68 ff, 98 f; Scholz/Uwe H. Schneider/Hohenstatt § 35 Rn 326; Krause AG 2007, 392, 393 f; Lunk/Rodenbusch GmbHR 2012, 188, 193; Preis/Sagan ZGR 2013, 26, 61; Schubert ZIP 2013, 289, 290; MünchKommBGB/Thüsing 7. Aufl 2015, § 2 AGG Rn 8; Reichold/Heinrichs FS H.P. Westermann, 2008, S. 1315, 1322 ff; Wilsing/Meyer DB 2011, 341, 342; aA nach wie vor Bauer Arbeitsvertragliche Aufhebungsverträge, 9. Aufl 2014, Rn D 13; Bauer/Krieger AGG, 4. Aufl 2015, § 6 AGG Rn 35a: Gesetzesänderung abwarten; im Ergebnis auch Mohr ZHR 178 (2014), 326, 340 ff; noch offen gelassen in BGH GmbHR 2012, 845 Rn 17. 2 BGH GmbHR 2012, 845 Rn 19; ebenso etwa Esser/Baluch NZG 2007, 321, 328; Krause AG 2007, 392, 394; Lutter BB 2007, 725, 726; Schubert ZIP 2012, 289, 292 f; Wilsing/ Meyer DB 2011, 341, 342; aA Bauer/Arnold NZG 2012, 921, 922; Bauer/Krieger 4. Aufl 2015, § 6 AGG Rn 27; Mohr ZHR 178 (2014), 326, 343 f; B/H/Zöllner/Noack § 35 Rn 7b; Preis/Sagan ZGR 2013, 26, 65 f. 3 S. auch Henssler/Strohn/Oetker Rn 34. 4 S. dazu auch Scholz/Uwe H. Schneider/Hohenstatt § 35 Rn 334 ff. 5 Zu Mindestaltersgrenzen für den Zugang zur Geschäftsführungstätigkeit weiterführend Hoentzsch Benachteiligungsverbote, S. 132 ff.

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darf sie deutlich unterhalb des regelmäßigen Renteneintrittsalters1 liegen; das folgt schon aus § 10 Satz 3 Nr. 3 AGG2. Eine Altersgrenze unterhalb des Renteneintrittsalters, welche die Beendigung der Geschäftsführertätigkeit erfasst, sollte – sofern die Benachteiligungsverbote des AGG über den Zugang zur Tätigkeit hinaus überhaupt Anwendung finden (s. Rn 34 und Anh zu § 6 Rn 46) – im Ergebnis ebenso als gerechtfertigt angesehen werden können. Das lässt sich auf § 10 Abs. 1 Satz 1 und 2 AGG stützen. Denn zu den legitimen Zielen iSd § 10 Satz 1 AGG zählen „betriebs- und unternehmensbezogene Interessen“3. Angesichts der erhöhten Anforderungen, denen die Tätigkeit als Unternehmensleiter unterliegt, streitet ein schützenswertes Gesellschaftsinteresse für die (typisierende) Festsetzung einer Altersgrenze, die nicht unterhalb von 60 Jahren liegt4. Als gesichert kann dies aber keineswegs gelten5. Nicht zuletzt mit Blick auf die jüngere Rspr des EuGH6 wird die Zulässigkeit einer Altersgrenze unterhalb des Renteneintrittsalters (bzw des Zeitpunkts, ab dem eine angemessene betriebliche Altersversorgung in Anspruch genommen werden kann7) von Teilen des Schrifttums verneint oder zumindest bezweifelt8. – Soweit man Altersgrenzen als durch das Gesellschaftsinteresse legitimiert ansieht, ist den Gesellschaftern bei ihrer Festlegung in der Satzung ein gewisser Gestaltungsspielraum zuzubilligen; denn für die Konkretisierung des Gesellschaftsinteresses haben sie Entscheidungsprärogative. – Statutarische Eignungsvoraussetzungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des AGG verstoßen, sind unwirksam. Sonstige bleiben im Übrigen wie bisher zulässig (s. Rn 33)9: etwa Anforderungen an die fachliche Qualifikation einschließlich Vorbildung, branchenspezifische Berufserfahrung, Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gesellschaftergruppe etc.

1 Zur Zulässigkeit einer im nationalen Recht auf 65 Jahre festgesetzten Altersgrenze für den Eintritt in den Ruhestand s. EuGH ZIP 2007, 2280 – Palacios; EuGH DB 2010, 2339 – Rosenbladt. 2 Dazu auch Mohr ZHR 178 (2014), 326, 365 f; Hoentzsch S. 136 ff: Zugangsbezogene Altersgrenze, die 10 Jahre vor der planmäßigen Beendigung der Geschäftsführertätigkeit liegt, ist zulässig. 3 So BGH GmbHR 2012, 845 Rn 54; zustimmend Paefgen ZIP 2012, 1296, 1298 f; im Ergebnis auch Mohr ZHR 178 (2014), 326, 348 ff; kritisch aber Hohenstatt/Naber ZIP 2012, 1989, 1996; Kort WM 2013, 1049, 1054; Preis/Sagan ZGR 2013, 26, 70 f. 4 Etwas großzügiger Lutter BB 2007, 725, 728 ff: 58 Jahre jedenfalls zulässiger „Scheitelpunkt“; dem folgend Bauer/Arnold ZIP 2012, 597, 600. 5 BGH GmbHR 2012, 845 Rn 57 konnte die Frage offen lassen. 6 EuGH ZIP 2011, 1882 – Prigge hatte eine starre Altersgrenze von 60 Jahren für Piloten der Deutschen Lufthansa AG als diskriminierend verworfen. 7 Vgl Hohenstatt/Naber ZIP 2012, 1989, 1996; Scholz/Uwe H. Schneider/Hohenstatt § 35 Rn 341; MünchKomm/Jaeger § 35 Rn 266; U/H/L/Paefgen § 35 Rn 259. 8 Scholz/Uwe H. Schneider/Hohenstatt § 35 Rn 340; Hoentzsch S. 126; Kort WM 2013, 1049, 1053 f; Wilsing/Meyer DB 2011, 341, 343 f; Ziemons KSzW 2013, 19, 27 f. 9 Hoentzsch S. 141 f.

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§ 6 | Geschäftsführer 36 Falls einem Geschäftsführer statutarische Eignungsvoraussetzungen fehlen, ist er

nicht amtsunfähig, seine Bestellung wirksam. Der Bestellungsbeschluss ist nicht etwa nichtig1 oder sonst wie unwirksam, kann jedoch in einem Mehrheits-/Minderheitskonflikt (wenn die verletzte Satzungsklausel wirksam ist) entsprechend § 243 Abs. 1 AktG wegen Satzungsverstoßes (Satzungsdurchbrechung2) angefochten werden (Anh zu § 47 Rn 38, 43 und 46). Der Registerrichter darf die Übereinstimmung mit dem Gesellschaftsvertrag bei der Eintragung des Geschäftsführer (§§ 8, 39) nicht prüfen. – Verstößt die Auswahlentscheidung der Gesellschafter (ohne dass ein Satzungsverstoß vorliegt) gegen das Benachteiligungsverbot des AGG, folgt allein daraus noch nicht die Anfechtbarkeit des Bestellungsbeschlusses3. Das AGG sanktioniert die diskriminierende Negativauslese mit Entschädigungs- und Schadensersatzansprüchen, schließt einen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses aber aus (§ 15 AGG); vgl Rn 41.

8. Verfahren der ersten Bestellung 37 Hierüber entscheiden regelmäßig die Gesellschafter (zu abweichenden Zustän-

digkeiten § 46 Rn 23 f) im Gesellschaftsvertrag (Rn 39) oder durch Beschluss nach §§ 47 ff: § 6 Abs. 3 Satz 2; das gilt auch für erstmalige Bestellung einer neugegründeten Gesellschaft, die dem MitbestG unterliegt4. Zur Geschäftsführerbestellung im vereinfachten Gründungsverfahren unter Verwendung des Musterprotokolls (§ 2 Abs. 1a) s. die Erläuterungen bei § 2 Rn 50 und 62 sowie § 10 Rn 6 f, § 39 Rn 5.

38 a) Beschlussfassung ist auch schon im Gründungsstadium vor der Registerein-

tragung nach § 10 möglich5. Eine solche Bestellung kann ihren konkludenten Niederschlag in der Registeranmeldung (§§ 7, 78) durch die Gesellschafter finden; dann sind die anmeldenden Gesellschafter zugleich Geschäftsführer6. Die Bestellung eines gesetzlichen Vertreters des Gesellschafters zum Geschäftsführer durch den Vertreter selbst ist nach § 181 BGB schwebend unwirksam7. In der Einmann-Gesellschaft kann der Gesellschafter Beschluss über seine Bestellung ohne Beschränkung nach § 35 Abs. 3, § 181 BGB fassen: körperschaftlicher Akt8;

1 So aber B. Schmitz S. 213 f in Analogie zu § 241 Nr. 2 iVm § 130 Abs. 1, 2 und 4 AktG. 2 Zu den hier geltenden (in Einzelheiten umstrittenen) Grundsätzen s. § 53 Rn 27 ff und etwa U/H/W/Ulmer § 53 Rn 34 ff; B/H/Zöllner § 53 Rn 40 ff. 3 Bauer/Arnold AG 2007, 807 gegen Krause AG 2007, 392, 395; wie hier auch Schubert ZIP 2013, 289, 295. 4 U/H/L/Paefgen Rn 78. 5 BGHZ 80, 212, 214 f = GmbHR 1982, 67. 6 S. U/H/L/Paefgen Rn 72. 7 BayObLG GmbHR 2001, 72; LG Berlin GmbHR 1997, 750, 751; R/A/Altmeppen Rn 63. 8 BGHZ 33, 189, 191, 194; R/A/Altmeppen Rn 63; U/H/L/Paefgen Rn 75.

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Protokollierung nach § 48 Abs. 3 aber erforderlich1. Zum Abschluss des Anstellungsvertrages s. Anh zu § 6 Rn 6 f. b) Wird der Geschäftsführer im Gesellschaftsvertrag selbst bestellt2, so bedarf 39 diese Bestellung ebenfalls der Annahme durch den Bestellten (Rn 42 f). Ihm gibt die Bestellung im Gesellschaftsvertrag sogar dann noch kein Sonderrecht auf das Geschäftsführeramt, wenn der Geschäftsführer zugleich Gesellschafter ist (näher § 38 Rn 10 ff). c) Auslegungsregel des § 6 Abs. 4: Sind nach dem Gesellschaftsvertrag einer 40 nicht mitbestimmten GmbH sämtliche Gesellschafter zur Geschäftsführung berechtigt, so kann die Frage entstehen, ob damit nur die Gründungsgesellschafter oder auch später hinzukommende Gesellschafter gemeint sind. § 6 Abs. 4 hilft im Sinne ersterer Lösung: nur Gründungsgesellschafter. Der Gesellschaftsvertrag kann aber jede andere Regelung treffen.

9. Dauer der Bestellung etc Wie die Bestellung inhaltlich ausgestaltet werden soll, steht im Belieben der Ge- 41 sellschafter. Sie kann zeitlich unbefristet, aber auch befristet sein; dann muss die Bestellung nach Fristablauf entsprechend § 84 Abs. 1 Satz 2 AktG wiederholt werden; anderenfalls endet das Amt von selbst. Nach § 31 MitbestG gilt in der mitbestimmten GmbH § 84 Abs. 1 Satz 1 AktG (Bestellung auf höchstens fünf Jahre) entsprechend. Bewirbt sich der Geschäftsführer nach Ablauf seiner Bestellung (und Anstellung) um die Wiederbestellung (und Wiederanstellung), so sind – soweit es sich nicht um einen Fremdgeschäftsführer oder geringfügig beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführer ohne Sperrminorität handelt, der als unselbständig Erwerbstätiger dem Anwendungsbereich des AGG ohne jede Einschränkung unterliegt – gemäß § 6 Abs. 3 AGG jedenfalls die Bestimmungen der §§ 6–18 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) anwendbar3; näher dazu Anh zu § 6 Rn 46. Im Falle der Ablehnung seiner Bewerbung unter Verstoß gegen die Benachteiligungsverbote des AGG (zB bei Altersdiskriminierung) kann der Bewerber unter den Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 AGG einen Anspruch auf Ersatz seiner entgangenen Erwerbsvorteile sowie (nach § 15 Abs. 2 AGG) auf Ersatz des immateriellen Schadens geltend machen4. Für die Darlegung einer unzulässigen Benachteiligung kommt ihm die Umkehr der Darlegungs- und Beweislast nach § 22 AGG zugute5. Für den Anspruch aus § 15 1 MünchKomm/Goette Rn 75 mN. 2 Eingehend K.D. Müller Die Bestellung des Geschäftsführers im Gesellschaftsvertrag der GmbH als materieller Satzungsbestandteil, 1999. 3 BGH GmbHR 2012, 845 Rn 20 ff. 4 Dazu grundlegend BGH GmbHR 2012, 845 Rn 60 ff. 5 BGH GmbHR 2012, 845 Rn 25 ff.

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§ 6 | Geschäftsführer Abs. 1 AGG muss er allerdings darlegen und beweisen, dass die Benachteiligung für die Ablehnung seiner Bewerbung ursächlich geworden ist; jedoch gewährt der BGH Beweiserleichterungen, wenn nach der Lebenserfahrung eine tatsächliche Vermutung oder Wahrscheinlichkeit für eine Einstellung bei gesetzeskonformem Vorgehen besteht1. 41a Ob die Bestellung mit einer aufschiebenden oder einer auflösenden Bedingung

verbunden werden kann, wird kontrovers gesehen. Gegen die Zulässigkeit einer auflösenden Bedingung spricht, dass für jedermann klar erkennbar sein muss, welche Person die Organstellung inne und die im öffentlichen Interesse stehenden Pflichten aus §§ 41, 43 Abs. 3, § 15a Abs. 1 InsO zu erfüllen hat (s. schon 16. Aufl, Rn 25)2. Der BGH3 hat sich indes der Gegenauffassung4 angeschlossen und verweist darauf, dass es auch in anderen Fällen (Zweifel über die Amtsfähigkeit des bestellten Geschäftsführers; Streit über den Widerruf der Bestellung, wenn dieser nach der Satzung nur aus wichtigem Grund erfolgen darf) zu Rechtsunsicherheiten kommen kann. Solange nach Eintritt der auflösenden Bedingung der Wegfall der Vertretungsmacht nicht im Handelsregister eingetragen und bekannt gemacht wird, sind gutgläubige Dritte nach § 15 Abs. 1 HGB geschützt. Bleibt der ehemalige Geschäftsführer weiterhin aktiv, haftet er als „faktischer“ Geschäftsführer (s. Vor § 35 Rn 11, § 43 Rn 2 ff, § 64 Rn 6 und 23 sowie Anh zu § 64 Rn 59). Hat die Gesellschaft keinen Geschäftsführer (Führungslosigkeit), trifft die Gesellschafter eine Ersatzverantwortlichkeit nach § 35 Abs. 1 Satz 2 und § 15a Abs. 3 InsO (vgl § 35 Rn 43 f und Anh zu § 64 Rn 56 f).

41b Zulässig ist auch die Bestellung unter einer aufschiebenden Bedingung, wenn

der Schwebezustand der Bestellung bis zu ihrer Annahme durch den Geschäftsführer beendet wird: zB Bestellung unter der Bedingung, dass ein anderes Organ (etwa der Beirat) dem zustimmt5.

Ob eine Person ohne nähere Konkretisierung zum Geschäftsführer oder als Geschäftsführer für ein bestimmtes Ressort („kaufmännischer Geschäftsführer“; „Vorsitzender der Geschäftsleitung“) bestellt wird, steht im Belieben des Bestellungsorgans.

1 Näher BGH GmbHR 2012, 845 Rn 62 ff. 2 Ebenso R/A/Altmeppen Rn 68; im Ergebnis auch MünchHdbGmbH/Diekmann/MarschBarner § 42 Rn 39; Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 74 mwN; dagegen aber etwa Uffmann S. 297 ff. 3 BGH GmbHR 2006, 46, 47 f; zustimmend B/S/Jacoby § 38 Rn 3; Henssler/Strohn/Oetker Rn 39; U/H/L/Paefgen § 38 Rn 285. 4 OLG Stuttgart GmbHR 2004, 417, 419; Trölitzsch EWiR 2004, 381; B/H/Zöllner/Noack § 38 Rn 85. 5 Ebenso Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 75; weitergehend Schumacher GmbHR 2006, 924, 925 ff.

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10. Annahme der Bestellung Sie ist für die Wirksamkeit der Bestellung erforderlich, weil mit dem Geschäfts- 42 führeramt eine Vielzahl von Pflichten verbunden ist. Zwar ist der Bestellungsbeschluss der Gesellschafter auch ohne Annahme wirksam, nicht aber die Bestellung als solche: Sie ist schwebend unwirksam, solange die Annahme durch den Geschäftsführer noch aussteht. – Der bestellte Geschäftsführer ist frei darin, ob er annehmen will, es sei denn, er habe die Geschäftsführung als Nebenleistungspflicht im Gesellschaftsvertrag (§ 3 Abs. 2) oder sonstwie schuldrechtlich der Gesellschaft oder den Gesellschaftern versprochen. Die Annahmeerklärung gegenüber der Gesellschaft bedarf keiner besonderen 43 Form. Wird ein Gesellschafter-Geschäftsführer im Gesellschaftsvertrag bestellt (Rn 39), so liegt die Annahme in dessen Unterzeichnung des Gesellschaftsvertrages (§ 2 Abs. 1 Satz 2); bei einem Fremdgeschäftsführer oder Gesellschafter-Geschäftsführer, der durch Beschluss bestellt wurde, ist eine gesonderte Annahme erforderlich, die in der Anmeldung nach §§ 7, 78 konkludent zum Ausdruck kommen kann. Hat der Gesellschafter-Geschäftsführer bei der Beschlussfassung über die Bestellung für sich selbst gestimmt, ist gesonderte Annahme entbehrlich1. – Im Übrigen kann der Geschäftsführer die Erklärung seiner Annahme an die Gesellschafter richten (arg § 46 Nr. 5), wobei Erklärung gegenüber einem Gesellschafter genügt2. Aber auch ein Mitgeschäftsführer ist empfangsberechtigt (§ 35 Abs. 1 und 2 Satz 2)3, da Interessenkollisionen insoweit nicht zu befürchten sind. Zur Registeranmeldung und (lediglich deklaratorischen) Registereintragung s. § 39. Zu den Mängeln einer Bestellung s. auch Vor § 35 Rn 7 ff. Zu ihrer Beendigung durch Abberufung oder aus sonstigen Gründen s. § 38.

11. Gesellschafterhaftung bei Amtsunfähigkeit eines Geschäftsführers a) Entstehungsgeschichte: Der im Zuge des MoMiG neu aufgenommene § 6 44 Abs. 5 dient der Missbrauchsbekämpfung, nicht zuletzt von Praktiken organisierter „Firmenbestattungen“4. Die Vorschrift normiert eine Schadensersatz1 B/H/Zöllner/Noack § 35 Rn 10. 2 Vgl auch BGH GmbHR 2002, 26 (für die Amtsniederlegung). 3 Wie hier U/H/L/Paefgen § 35 Rn 31; MünchKomm/Stephan/Tieves § 35 Rn 49; B/H/Zöllner/Noack § 35 Rn 10; vgl ferner Michalski/Tebben Rn 43; Wicke Rn 10; aA MünchKomm/Goette Rn 58. 4 Dazu näher Seibert FS Röhricht, 2005, S. 585, 587, 590 ff; Kleindiek ZGR 2007, 276, 277 ff; Ehricke FS Hopt, 2010, S. 589 ff; Geißler GmbHR 2013, 1302, 1303 f; Werner NZWiSt 2013, 418 ff, je mwN; monographisch etwa Kilper Unternehmensabwicklung außerhalb des gesetzlichen Insolvenz- und Liquidationsverfahrens in der GmbH, 2009; Kuhn Die GmbH-Bestattung, 2011; Schmutz Die „bestattete“ GmbH im Insolvenzeröffnungsverfahren, 2010.

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§ 6 | Geschäftsführer pflicht (Innenhaftung) der Gesellschafter, wenn sie vorsätzlich oder grob fahrlässig einer amtsunfähigen Person die Führung der Geschäfte überlassen. Sie geht zurück auf den im Juni 2004 vom Bundesrat beschlossenen (mit diesem Inhalt aber nicht Gesetz gewordenen) Entwurf eines ForderungssicherungsG (FoSiG)1. Die schon dort (Art. 11) als § 6 Abs. 2 Satz 5 vorgesehene Innenhaftung der Gesellschafter war gegenüber dem heutigen § 6 Abs. 5 etwas abweichend formuliert: Statt „… die Führung der Geschäfte überlassen …“ hieß es im damaligen Entwurf: „… zum Geschäftsführer bestellen oder nicht abberufen oder ihr tatsächlich die Führung der Geschäfte überlassen …“. Die Gesellschafterhaftung sollte die gleichzeitig vorgeschlagene (s. Rn 21) Erweiterung der Ausschlusstatbestände nach § 6 Abs. 2 ergänzen, „um zu verhindern, dass die Regelungen über den Ausschluss von der Funktion des Geschäftsführers einer GmbH durch die Einschaltung eines Strohmannes umgangen werden“2. Das Bundesjustizministerium hatte jene Initiative in seinem (nur höchst selektiv verbreiteten) RefE eines „Gesetzes zur Bekämpfung von Missbräuchen, zur Neuregelung der Kapitalaufbringung und zur Förderung der Transparenz im GmbH-Recht (MiKaTraG)“ vom November 20043 aufgegriffen und die Einfügung eines neuen Abs. 5 in § 6 vorgeschlagen, der dem Text des BundesratsEntwurfs entsprach. Im RegE MoMiG vom Mai 2007 war eine solche Haftungsregelung nicht mehr enthalten (ebenso wenig im RefE MoMiG vom Mai 2006); sie sei, so die Begründung der Bundesregierung, nicht effektiv und eine Gesellschafterhaftung für geschäftliche Fehlentscheidungen des faktischen Geschäftsführers mit der Gesetzessystematik auch nicht vereinbar4. In seiner Stellungnahme zum RegE MoMiG hatte der Bundesrat an seinem Vorschlag aus dem FoSiG-Entwurf jedoch festgehalten und eine entsprechende Regelung in § 6 Abs. 5 eingefordert: Es handele sich nicht um eine Haftung für geschäftliche Fehlentscheidungen des Geschäftsführers, sondern um eine „die Kapitalerhaltungsinteressen stärkende Haftung der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft für eigenes Auswahl- bzw Handlungs- und Unterlassensverschulden im Rahmen der Geschäftsführer-Bestellung“; zugleich wurde die vorgeschlagene Binnenhaftung wiederum mit der Überlegung gerechtfertigt, sie verhindere eine Umgehung der Ausschlussgründe „durch die Einschaltung eines Strohmannes“5. In ihrer Gegenäußerung stimmte die Bundesregierung dem Bundesrats-Vor-

1 BT-Drucks 15/3594 v. 14.7.2004; vom Bundesrat in der 16. Legislaturperiode erneut eingebracht: BT-Drucks 16/511 v. 2.2.2006. Zu dieser Initiative etwa Drygala ZIP 2005, 423; B. Schmitz S. 17 ff. 2 So die Begr zum Vorschlag des Bundesrats, BT-Drucks 15/3594, S. 25 f. 3 Dazu etwa U/H/W/Ulmer 1. Aufl 2005, Einl, Rn A 101. 4 Begr zu § 6 Abs. 2 GmbHG RegE MoMiG, BT-Drucks 16/6140, S. 33. 5 BT-Drucks 16/6140, Anlage 2, Nr. 9b, S. 64 f.

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schlag daraufhin zu1. Der Bundestags-Rechtsausschuss2 verständigte sich auf die Gesetz gewordene Textfassung von § 6 Abs. 5 (s. dazu Rn 45). Die skizzierte Entstehungsgeschichte der Vorschrift und die referierten Äußerungen von Bundesrat und Bundesregierung im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens sind für die Norminterpretation von erheblicher Bedeutung. Sie können helfen, den neuen § 6 Abs. 5 in einer Weise auszulegen, die mit der Systematik des GmbHG vereinbar bleibt. b) Überlassung der Führung der Geschäfte an amtsunfähige Person: Die Haf- 45 tung knüpft an ein pflichtverletzendes und schadenstiftendes Verhalten einer Person an, die nicht Geschäftsführer der Gesellschaft sein kann, der die Gesellschafter aber vorsätzlich oder grob fahrlässig „die Führung der Geschäfte überlassen“. Anders als vom Bundesrat vorgeschlagen (s. Rn 44), wird nicht auch zusätzlich auf die Bestellung zum Geschäftsführer oder an dessen mangelnde Abberufung abgestellt. Ausweislich der Begründung der Beschlussempfehlung des Bundestags-Rechtsausschusses soll damit dem Umstand Rechnung getragen werden, dass eine unter Verstoß gegen § 6 Abs. 2 vorgenommene Bestellung ohnehin nichtig (eine Abberufung also nicht erforderlich) ist und auch der nachträgliche Eintritt eines Bestellungshindernisses ipso iure zum sofortigen Amtsverlust führt3. Eine Änderung des sachlichen Anwendungsbereichs von § 6 Abs. 5 war mit dieser Korrektur also offenkundig nicht bezweckt. Von § 6 Abs. 5 erfasst wird die förmliche Berufung einer (nach § 6 Abs. 2 oder 46 aus sonstigen gesetzlichen Ausschlussgründen; näher Rn 16 ff) amtsunfähigen Person in die Geschäftsführerfunktion, also deren (freilich nichtige) Bestellung zum Geschäftsführer. Ebenso erfasst werden jene Konstellationen, in denen der zunächst wirksam bestellte Geschäftsführer später amtsunfähig wird (und damit automatisch aus dem Geschäftsführeramt ausscheidet), die Gesellschafter ihm die (jetzt faktische) Geschäftsführung aber gleichwohl belassen. Die Erfassung dieser beiden Fälle dürfte unstreitig sein4. Amtsunfähigkeit iSd § 6 Abs. 5 („nicht Geschäftsführer sein kann“) ist im Übrigen noch nicht gegeben, wenn dem Betreffenden nur eine statutarische Eignungsvoraussetzung fehlt5; denn in einem solchen Fall ist die Geschäftsführerbestellung nicht nichtig oder (sonst) unwirksam (s. Rn 36). § 6 Abs. 5 kennt indes noch eine dritte Fallgruppe, die im Formulierungsvor- 47 schlag des Bundesrats (Rn 44) – neben der „Bestellung“ und der „Nichtabberufung“ – als „tatsächliche“ Überlassung der Geschäftsführung umschrieben wor1 2 3 4 5

BT-Drucks 16/6140, Anlage 3, S. 75. Beschlussempfehlung BT-Drucks 16/9737 v. 24.6.2008. BT-Drucks 16/9737, S. 55. S. nur B/S/Schäfer Rn 20 mwN. Wie hier Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider GmbHR 2012, 365, 368; jetzt auch Henssler/Strohn/Oetker Rn 60.

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§ 6 | Geschäftsführer den war: Einer vom Geschäftsführeramt ausgeschlossenen Person wird die faktische Geschäftsführung übertragen, ohne dass sie förmlich in die Geschäftsführerfunktion berufen wird, also ihre (wenn auch nichtige) Bestellung zum Geschäftsführer erfolgt1. Nur bei Einbeziehung solcher Fälle macht die Bemerkung des Bundesrats Sinn, die Regelung solle eine Umgehung der Ausschlussgründe „durch die Einschaltung eines Strohmannes“ verhindern (s. Rn 44)2. Erfasst sind damit jene Konstellationen, in denen die Gesellschafter zwar eine amtsfähige Person zum förmlichen Geschäftsführer bestellen („Strohmann“), die Geschäftsführerfunktion tatsächlich aber einem Dritten überlassen, der – idR wegen eines Berufsverbots und/oder einschlägiger Vorstrafen – vom Geschäftsführeramt ausgeschlossen ist3. Aus der Praxis organisierter „Firmenbestattungen“, die § 6 Abs. 5 auch und gerade bekämpfen will (s. Rn 44), sind solche Vorgehensweisen wohlbekannt. Mit ihrer Einbeziehung in den Anwendungsbereich des neuen Haftungstatbestandes kann auch jenen Fällen zu begegnen versucht werden, in denen vermögenslose Personen zum Geschäftsführer bestellt werden: Die vorsätzliche oder grob fahrlässige Bestellung einer solchen Person allein kann die Gesellschafterhaftung nach § 6 Abs. 5 noch nicht auslösen, weil Vermögenslosigkeit nicht Amtsunfähigkeit begründet4. Wenn aber die vermögenslose Person (wie bei der „Firmenbestattung“ typischerweise) nur als „Strohmann“ fungiert und die Geschäftsführung tatsächlich einem Dritten überlassen wird, kann dies zur Haftung der Gesellschafter führen – vorausgesetzt, der Dritte ist amtsunfähig im Sinne des Gesetzes, kann also nicht zum Geschäftsführer bestellt werden. Wird die Geschäftsführung einem amtsunfähigen Dritten überlassen, können sich die Gesellschafter auch nicht dadurch von der Haftung befreien, dass sie das Amt des Geschäftsführers selbst unbesetzt, die Gesellschaft also „führungslos“ iSv § 35 Abs. 1 Satz 2 (dazu § 35 Rn 44) lassen. Diese im Rahmen organisierter „Firmenbestattung“ ebenfalls beliebte Praxis wird gleichfalls von § 6 Abs. 5 erfasst. – Ob sich die Rechtsprechung der hier (seit der 17. Aufl5) verfochtenen weiten Abgrenzung des Anwendungsbereichs der Vorschrift anschließen wird, bleibt abzuwarten. Jede engere 1 Im Ergebnis übereinstimmend R/A/Altmeppen Rn 28; MünchKomm/Goette Rn 51; S/I/ Pfisterer Rn 30; B/S/Schäfer Rn 20; R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 30; wohl auch U/H/L/Paefgen Rn 109. 2 Jede Eignung der Gesellschafterhaftung zur Abwehr solcher Umgehungsstrategien zu Unrecht leugnend: Begr zu § 6 Abs. 2 GmbHG RegE MoMiG, BT-Drucks 16/6140, S. 33; ganz ähnlich zuvor schon Drygala ZIP 2005, 423, 429 f; Haas WM 2006, 1369, 1373. 3 AA wohl Michalski/Tebben Rn 101, der solche „Strohmannkonstellationen“ nicht durch § 6 Abs. 5 erfasst sieht. 4 Entsprechende rechtspolitische Vorschläge (die an die Eintragung in das Schuldnerverzeichnis anknüpfen) hat der Gesetzgeber im MoMiG nicht aufgegriffen; zu jenen Vorschlägen etwa Drygala ZIP 2005, 423, 427; Haas WM 2006, 1369, 1371. 5 Zuvor Kleindiek in Goette/Habersack, Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, Kap. 8 Rn 15 ff.

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Eingrenzung würde jedenfalls die Gefahr in sich bergen, das Ziel des Gesetzgebers („Bestattungsbekämpfung“) zu verfehlen; die Gesellschafterhaftung aus § 6 Abs. 5 würde dann schnell zu einem stumpfen Schwert. Im Übrigen wird die „Führung der Geschäfte überlassen“, wenn die betreffende 48 Person als „faktischer Geschäftsführer“ anzusehen ist. Zu den dafür von der Rspr entwickelten Kriterien s. Vor § 35 Rn 11 und § 43 Rn 2 ff. Der Betreffende muss die Geschicke der Gesellschaft maßgeblich in die Hand genommen haben; Allein- oder Mehrheitsgesellschafter, der auf die Geschäftsführer intensiv Einfluss nimmt, wird dadurch noch nicht als faktischer Geschäftsführer zum Träger der Geschäftsführerpflichten. Nach richtiger Ansicht ist „faktischer“ Geschäftsführer auch derjenige, der die Fäden im Hintergrund in der Hand hält, während der „förmlich“ (und wirksam) bestellte Geschäftsführer als bloßer Strohmann fungiert1. In der Praxis organisierter „Firmenbestattungen“ sind solche Konstellationen nicht selten. c) Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit: Gesellschafterhaftung nach § 6 Abs. 5 49 setzt die vorsätzliche oder grob fahrlässige Überlassung der Geschäftsführung im Sinne des oben Rn 45 ff Gesagten voraus. Dieses subjektive Tatbestandselement muss sich (1) auf die tatsächliche Wahrnehmung der Geschäftsführerfunktion durch die amtsunfähige Person und (2) auf deren Amtsunfähigkeit beziehen. Der Gesellschafter muss also auch wissen oder grob fahrlässig nicht erkennen, dass dem faktischen Geschäftsführer die vom Gesetz verlangte Fähigkeit für das Geschäftsführeramt fehlt. Der einzelne Gesellschafter hat keine Erkundigungs-, Prüfungs- oder Nachfor- 50 schungspflichten hinsichtlich der Amtsfähigkeit einer zum Geschäftsführer bestellten Person, sofern es an konkreten Verdachtsmomenten für Amtsunfähigkeit fehlt. Grobe Fahrlässigkeit ist erst dann anzunehmen, wenn Umstände deutlich dafür sprechen, dass der Betreffende nicht amtsfähig ist und der Gesellschafter sich gleichwohl nicht um weitere Sachaufklärung bemüht. Kein Gesellschafter darf die Augen vor der Wirklichkeit verschließen; weiß er etwa von einer Vorstrafe des (faktischen) Geschäftsführers, muss er der Frage nachgehen, ob die Straftat unter den Katalog von § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 fällt und (wenn ja) ob der 5-Jahres-Zeitraum schon abgelaufen ist oder nicht. Wird einer dritten Person ohne förmliche Bestellung zum Geschäftsführer die Führung der Geschäfte übertragen, kann für einen Minderheitsgesellschafter schon das Anlass zu erhöhtem Misstrauen bieten; das gilt erst recht, wenn daneben ein Geschäftsführer bestellt wird, der als bloßer „Strohmann“ fungiert (s. Rn 47)2. 1 S. für die steuerrechtliche Eigenhaftung BFH GmbHR 2004, 833; im Kontext des § 43 ebenso etwa MünchKomm/Fleischer § 43 Rn 229; Scholz/Uwe H. Schneider § 43 Rn 22 aE; B/H/Zöllner/Noack § 43 Rn 3; Michalski/Haas/Ziemons § 43 Rn 30; aA U/H/L/Paefgen § 43 Rn 17. 2 Zustimmend B/S/Schäfer Rn 22.

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§ 6 | Geschäftsführer Erfährt ein Gesellschafter später von der Amtsunfähigkeit desjenigen, dem die Führung der Geschäfte überlassen worden ist, muss er alles ihm Mögliche und Zumutbare tun, um dem Betreffenden die (faktische) Geschäftsführung zu entziehen; dazu muss er (wenigstens) auf unverzügliche Einberufung einer Gesellschafterversammlung drängen oder diese nach § 50 Abs. 1/3 selbst einberufen1. 51 Die subjektiven Voraussetzungen müssen in der Person eines jeden Gesellschaf-

ters vorliegen, der zur Binnenhaftung nach § 6 Abs. 5 herangezogen werden soll; liegen sie nur bei einzelnen Gesellschaftern vor, können nur diese in die Haftung genommen werden. Ist Gesellschafter eine juristische Person oder eine sonstige Personenvereinigung, so kommt es für die Frage vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Übertragung der Geschäftsführung auf amtsunfähige Person auf das (der juristischen Person etc in wertender Betrachtung zuzurechnende) Wissen ihres organschaftlichen Vertreters oder sonstigen Repräsentanten an (zur Wissenszurechnung in einer GmbH näher § 35 Rn 58 ff). In diesem Rahmen kann auch das Wissen eines Gesellschafters der juristischen Person etc zuzurechnen sein, wenn dieser das Geschehen dort steuert (arg § 166 Abs. 2 BGB). Zu Darlegungs- und Beweislast s. Rn 60 f.

52 d) Gesellschafter als Haftungsadressaten: Anknüpfungspunkt für die Haftung

gegenüber der Gesellschaft ist – in den Worten des Bundesrats (s. Rn 44) – „eigenes Auswahl- bzw Handlungs- und Unterlassensverschulden der Gesellschafter im Rahmen der Geschäftsführerbestellung“. Die Vorschrift knüpft an die Gesellschafterkompetenz nach § 46 Nr. 5 an. Auf die Höhe der Beteiligung als Gesellschafter kommt es nicht an; sie kann sich allenfalls im Rahmen der Verschuldensvoraussetzung (s. Rn 50 f) auswirken2. Zur Bekämpfung nahe liegender Umgehungsstrategien kann es geboten sein, auch mittelbare Gesellschafter in die Haftung einzubeziehen3: zB den beherrschenden und aktiv steuernden Gesellschafter einer (schwach kapitalisierten) GmbH oder UG (haftungsbeschränkt), die ihrerseits die unmittelbare Gesellschafterstellung in der nämlichen Gesellschaft innehat. In Gesellschaften, deren Satzung die Kompetenz zur Bestellung der Geschäftsführer auf ein anderes Organ (etwa einen Beirat) übertragen hat, können gleichwohl die (unmittelbaren, ggf mittelbaren) Gesellschafter nach § 6 Abs. 5 verantwortlich sein; die Mitglieder des Beirats etc können ggf zusätzlich (analog § 6 Abs. 5) der Haftung unter-

1 Ebenso R/A/Altmeppen Rn 30; B/H/Fastrich Rn 21; MünchKomm/Goette Rn 53; B/S/ Schäfer Rn 21; Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 45; aA U/H/L/Paefgen Rn 110. 2 Gleichsinnig R/A/Altmeppen Rn 30; B/H/Fastrich Rn 21; MünchKomm/Goette Rn 53; B/S/Schäfer Rn 21; T. Schmidt S. 301 f; R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 30; aA U/H/L/Paefgen Rn 110. 3 Zustimmend R/A/Altmeppen Rn 35; MünchKomm/Goette Rn 53; U/H/L/Paefgen Rn 111.

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liegen. Entsprechendes gilt für die Mitglieder eines Aufsichtsrats, soweit sie nicht schon Organhaftung aus pflichtverletzendem Handeln (§ 52 iVm §§ 116, 93 AktG) trifft1. Würde man hier die Gesellschafter per se aus der Haftung entlassen, wäre Umgehungsstrategien (die „Firmenbestatter“ sofort nutzen würden) Tür und Tor geöffnet (zB durch Einrichtung eines Beirats unter Besetzung mit vermögenslosen Personen). Wo freilich auch in die Gesellschafterposition nur „Strohmänner“ (zB vermögenslose natürliche Personen) entsandt werden (auch das ist der Praxis organisierter „Firmenbestattung“ geläufig), stößt die Haftung aus § 6 Abs. 5 an Grenzen. Ob die Rspr zur Bewältigung solcher Konstellationen künftig die Figur des „faktischen Gesellschafters“ (gewissermaßen analog zum faktischen Geschäftsführer) anerkennen wird2, muss die Zukunft zeigen. Andernfalls bliebe nur der Versuch, die „Hintermänner“ selbst als faktische Geschäftsführer in die Verantwortung zu nehmen. e) Pflichtverletzung und Schadensverursachung durch die amtsunfähige Per- 53 son: Auf der Rechtsfolgenseite verpflichtet § 6 Abs. 5 die Gesellschafter solidarisch zum Ersatz des Schadens, der dadurch entsteht, dass die amtsunfähige Person „die ihr gegenüber der Gesellschaft bestehenden Obliegenheiten verletzt“. Mit den Worten „Obliegenheiten verletzen“ greift das Gesetz die entsprechende Formulierung in § 43 Abs. 2 auf. Das ist konsequent: Amtsunfähige Personen, denen die Geschäftsführung überlassen wird, haften nach gefestigter Rspr als faktische Geschäftsführer der Gesellschaft gegenüber regelmäßig wie wirksam bestellte (näher dazu mit Nachweisen § 43 Rn 2 ff). § 6 Abs. 5 hebt diese Haftung nicht etwa auf, sondern nimmt die Gesellschafter (weil sie vorsätzlich oder grob fahrlässig die Führung der Geschäfte dem faktischen Geschäftsführer überlassen haben) zusätzlich in die Pflicht. Auf der Rechtsfolgenseite mag man § 6 Abs. 5 gewissermaßen als einen gesetzlich angeordneten Schuldbeitritt zu Lasten jener Gesellschafter begreifen, denen „Auswahl- bzw Handlungs- und Unterlassensverschulden im Rahmen der Geschäftsführerbestellung“ (s. Rn 44) vorzuwerfen ist. Allerdings kann die Gesellschafterhaftung auch dort bestehen, wo der pflichtwidrig handelnde faktische Geschäftsführer mangels persönlicher Schuld ausnahmsweise einmal nicht zur Verantwortung gezogen werden kann (s. Rn 61). Haftung aus § 6 Abs. 5 setzt im Übrigen einen Zurechnungszusammenhang zwischen der schadensstiftenden Pflichtverletzung durch die amtsunfähige Person und dem Grund der Amtsunfähigkeit voraus (zB einschlägig vorbestrafter Geschäftsführer löst durch betrügerisches Agieren gegenüber Dritten eine Schadensersatzpflicht der Gesellschaft aus)3.

1 R/A/Altmeppen Rn 34; MünchKomm/Goette Rn 54; Michalski/Tebben Rn 99; aA U/H/L/ Paefgen Rn 112: keine Aufsichtsratshaftung aus § 6 Abs. 5 analog. 2 Dazu etwa (im Kontext der Durchgriffshaftung) KG GmbHR 2008, 703, 704. 3 Zutreffend B/H/Fastrich Rn 23; ebenso etwa R/A/Altmeppen Rn 33; U/H/L/Paefgen Rn 113; T. Schmidt S. 313 ff.

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§ 6 | Geschäftsführer 54 In der Konsequenz eines solchen Ansatzes liegt es, die Gesellschafter nur in dem

Maße nach § 6 Abs. 5 haften zu lassen, in dem seitens des (amtsunfähigen) faktischen Geschäftsführers die Voraussetzungen pflichtwidrigen (wenn auch nicht unbedingt schuldhaften, s. Rn 61) Geschäftsführerhandelns erfüllt sind. Das war zugleich ein Grund für die ursprüngliche Zurückhaltung der BReg gegenüber jener Gesellschafterhaftung1: In der Begründung zum RegE MoMiG wurde ihre Unvereinbarkeit mit der Gesetzessystematik reklamiert (s. Rn 44), weil der Alleingesellschafter oder die einverständlich handelnden Gesellschafter für einen Schaden nicht verantwortlich seien, den sie selbst oder die mit ihrem Einverständnis handelnden Geschäftsführer ihrer eigenen Gesellschaft zufügten. Ausnahmen hiervon bestünden im Wesentlichen nur in Bezug auf die zwingenden Kapitalerhaltungsregeln2.

55 In der Tat entsteht aus § 43 Abs. 2 kein Schadensersatzanspruch gegen einen Ge-

schäftsführer, wenn dessen schadensbegründende Geschäftsführungsmaßnahme auf Weisung der Gesellschafter oder mit ihrer Billigung vorgenommen wird; dabei kann das haftungsausschließende Einverständnis der Gesellschafter mit dem Geschäftsführerhandeln auch stillschweigend erklärt werden (zu Einzelheiten s. § 43 Rn 40 f). Ebenso können die Gesellschafter auf die Durchsetzung eines entstandenen Anspruchs gegen den Geschäftsführer verzichten: sofern Gesellschafter Weisungen mit haftungsbefreiender Wirkung erteilen oder die Geschäftsführungsmaßnahme sonstwie ex ante billigen dürfen, können sie auch in sonstiger Weise ex post über die Geschäftsführerhaftung disponieren (näher § 43 Rn 60 ff, 64). Jedoch besteht diese Dispositionsfreiheit nicht für die Verletzung von Pflichten, die den Geschäftsführern im Interesse der Gesellschaftsgläubiger oder im Allgemeininteresse zugewiesen sind. Für den Fall eines Verstoßes gegen die Kapitalerhaltungsregeln der §§ 30, 33 wird das in § 43 Abs. 3 Satz 3 ausdrücklich klargestellt, ebenso für das Auszahlungsverbot nach § 64 (vgl § 64 Satz 4). Entsprechendes gilt für Geschäftsführungsmaßnahmen, welche die Existenz der Gesellschaft erheblich gefährden (s. § 43 Rn 42) sowie für sonstige nicht dispositive Geschäftsführerpflichten, zB die Buchführungspflicht nach § 41 oder Kreditgewährungen nach § 43a (zu Einzelheiten s. § 43 Rn 42 und 64).

56 Eine systemkonforme Auslegung von § 6 Abs. 5 muss diesen Grundsätzen

Rechnung tragen. Das heißt: Schadenstiftendes Handeln des faktischen Geschäftsführers löst keine Gesellschafterhaftung nach dieser Vorschrift aus, wenn und soweit ihm eine haftungsbefreiende Weisung oder Billigung des Alleingesellschafters oder sämtlicher Gesellschafter zugrunde liegt oder die Gesellschafter wirksam auf einen entstandenen Ersatzanspruch verzichtet haben3.

1 Ganz ähnlich schon Drygala ZIP 2005, 423, 428 ff; Haas WM 2006, 1369, 1373. 2 Begr zu § 6 Abs. 2 GmbHG RegE MoMiG, BT-Drucks 16/6140, S. 33. 3 S. schon 17. Aufl, Rn 56 ff und zuvor Kleindiek in Goette/Habersack, Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, Kap. 8 Rn 25 ff. Zustimmend R/A/Altmeppen Rn 31; MünchKomm/Goette Rn 55; B/S/Schäfer Rn 23; auch Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 41.

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Denn soweit sie hierzu befugt sind, steht der Bestand des Gesellschaftsvermögens zu ihrer Disposition. Ihre Einwilligung schließt die Haftung sowohl eines wirksam bestellten als auch eines faktischen Geschäftsführers aus. Konsequent können sie in diesem Rahmen für das Geschäftsführerhandeln auch nicht selbst nach § 6 Abs. 5 zur Verantwortung gezogen werden. Dem lässt sich nicht entgegen halten, die Haftung nach § 6 Abs. 5 sei als eine die Kapitalerhaltungsinteressen stärkende (oder diesen dienende) Haftung der Gesellschafter konzipiert (vgl Rn 44), weshalb „die in §43 Abs. 3 Satz 3 zum Ausdruck kommende Wertung“ heranzuziehen sei1. Der hier vertretenen systemkonformen Auslegung des § 6 Abs. 5 geht es gerade darum, die Gesellschafterhaftung dort (aber eben auch nur dort) eingreifen zu lassen, wo jene „Kapitalerhaltungsinteressen“ nicht zur Disposition der Gesellschafter stehen. Innerhalb dieses Dispositionsbereichs der Gesellschafter wird eine In- 57 anspruchnahme der Gesellschafter aus § 6 Abs. 5 in der Praxis regelmäßig an ihrem (ggf nachträglich) erklärten Einverständnis scheitern. Im Einzelfall kann es in der mehrgliedrigen Gesellschaft aber am Einverständnis aller Gesellschafter fehlen: Etwa wenn Minderheitsgesellschafter, die sich vom Vorwurf eigenen „Auswahl- bzw Handlungs- und Unterlassensverschulden im Rahmen der Geschäftsführerbestellung“ (s. Rn 44) entlasten können, ihr Einverständnis mit der schadenstiftenden Geschäftsführungsmaßnahme verweigern. Dann bleiben die Geschäftsführer und ebenso die Mitgesellschafter, denen jene Entlastung nicht gelingt, in der Verantwortung. Ihre Wirkung entfaltet die Gesellschafterhaftung nach § 6 Abs. 5 aber außerhalb 58 des Dispositionsbereichs der Gesellschafter: wo der (amtsunfähige) faktische Geschäftsführer eine der Pflichten verletzt hat, die den Geschäftsführern im Interesse der Gesellschaftsgläubiger oder im Allgemeininteresse zugewiesen sind (s. Rn 55). Denn die Geschäftsführerhaftung für die Verletzung solcher Pflichten ist der Gesellschafterdisposition entzogen. Entsteht der Gesellschaft aus der Verletzung einer solchen Pflicht ein Schaden, können sich die Gesellschafter auch der eigenen Haftung aus § 6 Abs. 5 – sofern dessen sonstige Voraussetzungen vorliegen – nicht entziehen. Die vom Bundesrat zur Verteidigung der Binnenhaftung nach § 6 Abs. 5 reklamierte „Stärkung der Kapitalerhaltungsinteressen“ (s. Rn 44) hat also durchaus ihre Berechtigung, freilich – gesetzessystematisch folgerichtig – nur in dem Umfang, wie jenes „Kapitalerhaltungsinteresse“ nicht zur Disposition der Gesellschafter steht. Unter dieser Prämisse hat § 6 Abs. 5 eine plausible Legitimationsgrundlage: Gesellschafter, die einer für die Geschäftsführerfunktion ungeeigneten und deshalb amtsunfähigen (im Kontext einer „Firmenbestattung“ typischerweise mit einem Berufsverbot belegten und/ oder einschlägig vorbestraften) Person die faktische Geschäftsführung überlas1 So aber nach wie vor der Einwand von U/H/L/Paefgen Rn 114; zuvor schon U/H/W/Paefgen Erg MoMiG Rn 24; dagegen auch R/A/Altmeppen Rn 31.

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§ 6 | Geschäftsführer sen, setzen eine signifikant erhöhte Gefahr dafür, dass die den Geschäftsführer im Interesse der Gesellschaftsgläubiger oder im Allgemeininteresse zugewiesenen Pflichten verletzt werden. Wenn sich diese Gefahr realisiert, sollen die Gesellschafter auch persönlich zur Haftung herangezogen werden. 59 f) Verfolgung des Anspruchs gegen die Gesellschafter: Der Anspruch gegen

die Gesellschafter nach § 6 Abs. 5 steht der Gesellschaft zu. Sofern die Gesellschaft (wieder) wirksam bestellte Geschäftsführer hat, sind diese zur Geltendmachung des Anspruchs verpflichtet. Faktisch wird der Anspruch aber vor allem vom Insolvenzverwalter verfolgt werden, wenn es zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens kommt. Insbesondere im Zusammenhang mit organisierten „Firmenbestattungen“ suchen die Beteiligten gerade das gezielt zu verhindern. Deshalb sollte den Gesellschaftsgläubigern (analog §§ 93 Abs. 5 Satz 1, 117 Abs. 5 Satz 1, 309 Abs. 4 Satz 3 AktG) ein eigenes Verfolgungsrecht gewährt werden, wenn sie von der Gesellschaft keine Befriedigung erlangen können1.

60 Die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast folgt den entsprechenden Re-

geln für die Geschäftsführerhaftung (zu ihnen näher mit Nachweisen § 43 Rn 52 ff)2, da es sich bei der Gesellschafterverantwortlichkeit nach § 6 Abs. 5 auf der Rechtsfolgenebene um weitergeleitete Geschäftsführerhaftung wegen schadenstiftender Pflichtwidrigkeit handelt (s. Rn 53). Das heißt: Wer einen Gesellschafter nach § 6 Abs. 5 in Anspruch nimmt, muss darlegen und beweisen, (1) dass einer Person, die nicht Geschäftsführer sein kann, die Führung der Geschäfte übertragen wurde, (2) dass der Gesellschaft ein Schaden entstand, und (3) dass ursächlich für diesen Schaden ein Verhalten des faktischen Geschäftsführers in dessen Pflichtenkreis war (vgl dazu § 43 Rn 54). Der in Anspruch genommene Gesellschafter muss demgegenüber Umstände dafür darlegen und beweisen, (1) dass das schadensauslösende Verhalten des faktischen Geschäftsführers nicht pflichtwidrig war, oder (2) dass es am eigenen Verschulden (also des Gesellschafters) fehlt, was die Übertragung der Geschäftsführer auf die amtsunfähige Person betrifft (Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit; s. Rn 49 ff); auch für Letzteres sind die Gesellschafter (analog § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG) beweisbelastet.

61 Wird der Geschäftsführer selbst in Anspruch genommen, mag er sich in Einzel-

fällen erfolgreich durch den Nachweis entlasten, dass ihn hinsichtlich der ihm unterlaufenen Pflichtverletzung kein Schuldvorwurf trifft (§ 43 Rn 52). Dem nach § 6 Abs. 5 in Anspruch genommenen Gesellschafter kommt eine solche Entlastungsmöglichkeit des Geschäftsführers indes nicht in derselben Weise zugute. Das ist augenfällig, wenn das Verschulden des amtsunfähigen Geschäftsführers an Umständen scheitert, die auch seine fehlende Geschäftsfähigkeit (und damit seine Amtsunfähigkeit) begründen. Ihn gleichwohl mit der Geschäftsfüh1 Zustimmend B/S/Schäfer Rn 24. – Zur vergleichbaren Frage für die Schadensersatzansprüche gegen einen Liquidator nach §§ 73 Abs. 3, 43 s. § 73 Rn 13 mwN. 2 Ebenso U/H/L/Paefgen Rn 118; T. Schmidt S. 322 ff.

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rung betraut (bzw ihm diese nicht entzogen) zu haben, ist hier gerade Bezugspunkt für den Schuldvorwurf gegenüber dem Gesellschafter und rechtfertigt dessen Haftung. Ansprüche aus § 6 Abs. 5 verjähren (wegen ihrer Anknüpfung an die pflicht- 62 widrige Schadensverursachung durch den faktischen Geschäftsführer) analog § 43 Abs. 4 in fünf Jahren1, beginnend mit der Entstehung des Anspruchs, dh mit Schadenseintritt; es gilt das § 43 Rn 67 ff Ausgeführte entsprechend.

Anhang zu § 6 Anstellungsverhältnis 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anstellungsvertrag . . . . . . . . . . . 3. Organisationsrecht und Anstellungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Pflichten des Geschäftsführers . . . 5. Wettbewerbsverbot des Geschäftsführers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Rechte des Geschäftsführers . . . . . 7. Vergütung des Geschäftsführers . . 8. Ruhegehalt und Hinterbliebenenversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 2 10 18 20 28 31 36

9. Sozialversicherung . . . . . . . . . . . 10. Leistungsstörungen . . . . . . . . . . . 11. Beendigung des Anstellungsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12. Ordentliche Kündigung . . . . . . . . 13. Außerordentliche Kündigung . . . . 14. Anstellungsverhältnis in der Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15. Fehlerhafter Anstellungsvertrag . . 16. Gerichtsstand . . . . . . . . . . . . . . .

40 41 44 51 57 69 73 75

Literatur: Bauer/Krieger/Arnold Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge (Handbuch), 9. Aufl 2014; Baums Der Geschäftsleitervertrag, 1987; Brandmüller Der GmbH-Geschäftsführer im Gesellschafts-, Steuer- und Sozialversicherungsrecht, 17. Aufl 2005; Bross Vertragshandbuch GmbH-Geschäftsführer, 2013 (mit Vertragsmustern); Fleck Das Organmitglied – Unternehmer oder Arbeitnehmer, FS Hilger/Stumpf, 1983, S. 197; Goette Die GmbH, 2. Aufl 2002, § 8 III; Goette Der Geschäftsführerdienstvertrag zwischen Gesellschafts- und Arbeitsrecht in der Rechtsprechung des BGH, FS Wiedemann, 2002, S. 873; V. Groß Das Anstellungsverhältnis des GmbH-Geschäftsführers im Zivil-, Arbeits-, Sozialversicherungs- und Steuerrecht, 1987; Hoentzsch Die Anwendung der Benachteiligungsverbote des AGG auf Organmitglieder, 2011; Jaeger Der Anstellungsvertrag des GmbHGeschäftsführers, 5. Aufl 2009 (mit Vertragsmustern); Kuhn Abgestuftes Arbeitsrecht am Beispiel des abhängigen GmbH-Geschäftsführers, 2006; Lunk/Rodenbusch Der unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff und seine Auswirkungen auf das deutsche Recht – Eine Prognose am Beispiel des GmbH-Geschäftsführers, GmbHR 2012, 188; Mildenberger Der Geschäftsführervertrag, 2000; Mirza Khanian Die Inhaltskontrolle von Organanstellungsverträgen am Beispiel des GmbH-Geschäftsführervertrages, 2008; Tillmann/Mohr GmbHGeschäftsführer, 10. Aufl 2013 (mit Vertragsmustern); Tillmann/Schiffers/Wälzholz/Rupp 1 Ebenso R/A/Altmeppen Rn 36; B/H/Fastrich Rn 24; T. Schmidt S. 326 f.

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Anh zu § 6 | Anstellungsverhältnis Die GmbH im Gesellschafts- und Steuerrecht, 6. Aufl 2015; Uffmann Interim Management, 2015.

1. Überblick 1 Mit der Bestellung des Geschäftsführers wird dieser in sein Amt berufen, werden

dessen organschaftliche Rechte und Pflichten sowie dessen organschaftliche Vertretungsmacht begründet. Da die Bestellung viele Punkte wie namentlich die Gegenleistungen an den Geschäftsführer (Gehalt, Tantieme etc) offenlässt, muss sie entsprechend ergänzt werden. Das geschieht durch schuldrechtliche Abreden, idR in gesondertem (Anstellungs-)Vertrag, kann aber auch im Gesellschaftsvertrag (unechter Satzungsbestandteil, § 3 Rn 59) geschehen. Sie begründen ein von der Bestellung getrenntes1 Anstellungsverhältnis (§ 6 Rn 1), das die persönliche Rechtsstellung des Geschäftsführers regelt. Beim GesellschafterGeschäftsführer (§ 6 Rn 11) kann das aber auch Inhalt seiner Mitgliedschaft sein (echter Satzungsbestandteil, § 3 Rn 59). Schließlich können in den Gesellschaftsvertrag auch materielle Vorgaben aufgenommen werden, wie das schuldrechtliche Anstellungsverhältnis zum Gesellschafter-Geschäftsführer oder Fremdgeschäftsführer ausgestaltet werden soll.

2. Anstellungsvertrag 2 Regelmäßig schließt der Geschäftsführer – der Gesellschafter-Geschäftsführer

ebenso wie der Fremdgeschäftsführer – über seine Tätigkeit einen gesonderten Anstellungsvertrag mit der Gesellschaft ab. Dieser bedarf keiner besonderen Form (Rn 6), kommt aber nicht schon mit der Bestellung und ihrer Annahme durch den Geschäftsführer zustande (näher Rn 6 f). Falls der Geschäftsführer unentgeltlich, etwa ehrenamtlich, wirken soll, ist der Anstellungsvertrag als Auftrag (§§ 662 ff BGB) zu qualifizieren. Die Verpflichtung zu unentgeltlicher Tätigkeit muss jedenfalls beim Fremdgeschäftsführer besonders vereinbart werden2, weil von diesem die Geschäftsführung typischerweise nur gegen Vergütung geleistet wird (näher Rn 31). Unter den Voraussetzungen des § 305 Abs. 1 BGB unterliegt der Anstellungsvertrag der AGB-Kontrolle3, wobei das BAG jedenfalls dann, wenn der Geschäftsführer nicht zugleich als Gesellschafter zumindest

1 AA Baums S. 54 ff: Ergänzung des Geschäftsführer-Verhältnisses; relativierend auch Mildenberger S. 17 ff. 2 AA wohl U/H/L/Paefgen § 35 Rn 230. 3 Zur AGB-Inhaltskontrolle vorformulierter Geschäftsführer-Anstellungsverträge s. Mirza Khanian Die Inhaltskontrolle von Organanstellungsverträgen am Beispiel des GmbHGeschäftsführervertrages, 2008; Mirza Khanian GmbHR 2011, 116; Henssler/Strohn/Oetker § 35 GmbHG Rn 87 mwN.

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über eine Sperrminorität verfügt und Leitungsmacht über die Gesellschaft ausübt, einen Verbrauchervertrag iSv § 310 Abs. 3 BGB annimmt1. a) Rechtsnatur: Der Anstellungsvertrag zur entgeltlichen Geschäftsführung ist 3 ein auf besondere Dienstleistungen gerichteter Geschäftsbesorgungsvertrag (§§ 675, 611 BGB)2. Er unterliegt (auch beim abhängigen Fremdgeschäftsführer) den Regeln des freien Dienstvertrages, nicht denen des Arbeitsvertrages3. Der spätere Verlust der Organstellung ändert daran nichts4; auch nicht eine fortgesetzte Tätigkeit während des Insolvenzverfahrens5. Ebenso wenig wird ein geschlossener Geschäftsführer-Anstellungsvertrag schon allein dadurch zum Arbeitsvertrag, dass es nicht zur Organbestellung des Geschäftsführers kommt. Der Qualifikation des Geschäftsführer-Anstellungsverhältnisses als freies Dienstverhältnis folgt der BGH in ständiger Rspr6, das BAG erkennt „in aller Regel“ ebenso7. Allerdings will der 5. Senat des BAG „im Einzelfall“ bei einer Mehrpersonen-Geschäftsführung und weitreichender Weisungsabhängigkeit eines Geschäftsführers auch und gerade hinsichtlich der „konkreten Modalitäten“ seiner Leistungserbringung die Einordnung als Arbeitsverhältnis annehmen8, was für den 2. Senat „allenfalls in extremen Ausnahmefällen“ in Betracht kommt9. Indes sollte in allen Fällen an der Qualifizierung des geschlossenen Geschäfts- 3a führer-Anstellungsvertrages als freier Dienstvertrag festgehalten werden. Maßgeblich dafür sind die gesetzlichen (nicht dispositiven) Mindestpflichten jedes Geschäftsführers (§§ 41, 43 Abs. 3; § 15a Abs. 1 InsO), sowie die typische Unter1 BAG GmbHR 2010, 1142, 1144. 2 Reuter FS Zöllner, 1998, S. 487, 494: Amtswahrnehmungsvertrag. 3 Übereinstimmend die ganz hM, etwa Scholz/Uwe H. Schneider/Hohenstatt § 35 Rn 266; B/H/Zöllner/Noack § 35 Rn 172; Henssler/Strohn/Oetker § 35 GmbHG Rn 77; U/H/L/ Paefgen § 35 Rn 230; Bauer/Gragert ZIP 1997, 2177; Kuhn S. 63 ff; Sandmann Die Haftung von Arbeitnehmern, Geschäftsführern und leitenden Angestellten, 2001, S. 261 f. Für Orientierung am Arbeitsrecht, namentlich für den Fremdgeschäftsführer, hingegen etwa Diller Gesellschafter und Gesellschaftsorgane als Arbeitnehmer, 1994, S. 137 ff; Frisch Haftungserleichterung für GmbH-Geschäftsführer nach dem Vorbild des Arbeitsrechts, 1998, S. 106 ff, 131 ff; Groß S. 219 ff; Wank FS Wiedemann, 2002, S. 587 ff; für den Gesellschafter-Geschäftsführer; Krause Mitarbeit in Unternehmen, 2002, S. 303 ff, 331 ff. S. zum Ganzen auch noch Boemke ZfA 1998, 209 ff; Henssler RdA 1992, 289, 292 ff; Preis/ Sagan ZGR 2013, 26, 27 ff. 4 BGH GmbHR 2003, 472, 473; BAG GmbHR 1997, 837, 838; BAG GmbHR 2013, 83 Rn 16. 5 LAG Rheinland-Pfalz NZG 2009, 195. 6 S. nur BGHZ 49, 30, 31 f; wN zur BGH-Rspr bei Goette DStR 1998, 1137; Goette FS Wiedemann, 2002, S. 873 ff. 7 BAG GmbHR 2006, 592, 593; BAG GmbHR 1999, 816. 8 BAG GmbHR 1999, 925, 926. 9 BAG GmbHR 2006, 592, 503 f.

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Anh zu § 6 | Anstellungsverhältnis nehmerfreiheit des Geschäftsführers, der als das Vertretungsorgan der Gesellschaft nicht Adressat arbeitsrechtlicher Weisungen, sondern seinerseits Träger entsprechender Weisungsbefugnisse ist; der Geschäftsführer übt Arbeitgeberfunktionen aus. Seine organschaftliche Rechtsstellung prägt auch sein Anstellungsverhältnis1; im Anstellungsvertrag werden die Geschäftsführerpflichten und -rechte lediglich konkretisiert und ergänzt (Rn 18). Dahinter tritt die Bindung, die er für seine Arbeitskraft eingeht, in ihrer qualifizierenden Bedeutung zurück. 3b Sie aber rechtfertigt es gleichzeitig, ggf einzelne Vorschriften und Prinzipien

des Arbeitsrechts auf den Geschäftsführer analog anzuwenden2, und zwar dann und insoweit, wie nicht die Funktionen eines gesetzlichen Vertreters und Unternehmensleiters im Vordergrund stehen, sondern die Sicherung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Existenz3, und wenn Funktionsstörungen der Organstellung hierdurch nicht zu befürchten sind4. Das hat Auswirkungen ua auf die Kündigungsfristen (Rn 53 f) oder den Schutz von Versorgungszusagen (Rn 36 ff). Zur Erstreckung einzelner arbeits- und sozialrechtlicher Schutzbestimmungen s. Rn 5, 25, 29, 37, 40, 47 f, 53 f, 61a; zur vertraglich vereinbarten Geltung des KSchG Rn 47. Zu Fragen des Gerichtsstands näher Rn 75 ff.

4 Falls ein Arbeitnehmer der Gesellschaft zum Geschäftsführer bestellt wird, kann

– wenn kein neuer Geschäftsführer-Anstellungsvertrag geschlossen wird – der bestehende Arbeitsvertrag schuldrechtliche Grundlage auch der GeschäftsführerTätigkeit sein5. Wird ein Geschäftsführer-Anstellungsvertrag geschlossen, kann das Arbeitsverhältnis uU fortbestehen: ruhendes Arbeitsverhältnis mit der Konsequenz einer Doppelstellung als Arbeitnehmer und Organvertreter6. Abgesehen vom Fall ausdrücklicher Aufhebung im Einvernehmen hatte das BAG den Willen der Parteien zu einer vollständigen Ersetzung des Arbeitsverhältnisses durch das Geschäftsführer-Anstellungsverhältnis ursprünglich nur dann annehmen wollen, wenn der Verlust des gesetzlichen Kündigungsschutzes durch besondere Vereinbarungen, etwa durch einen materiellen Risikoausgleich, kompensiert wird7. Diese

1 Goette FS Wiedemann, 2002, S. 873, 886. 2 Hueck ZfA 1985, 25, 32; B/H/Zöllner/Noack § 35 Rn 177 f; Goette FS Wiedemann, 2002, S. 873 ff mit Auswertung der BGH-Rspr; im Ansatz ebenso Kuhn S. 93 ff, 187 ff. 3 Fleck WM 1985, 677. 4 Goette FS Wiedemann, 2002, S. 873, 886 f. 5 So etwa in den Fällen BAG GmbHR 2008, 429; BAG GmbHR 2013, 253 Rn 19 f; s. hierzu auch Bauer/Arnold DB 2008, 350; Stagat DB 2010, 2801, 2802 ff. 6 Zu den davon zu unterscheidenden Konstellationen der Begründung eines gesonderten Arbeitsverhältnisses neben dem Geschäftsführerdienstverhältnis s. etwa BAG GmbHR 1987, 265; BAG GmbHR 2003, 765, 769; ferner OLG Schleswig GmbHR 2003, 1130, 1132 f. 7 BAG GmbHR 1986, 263; Zusammenfassung der überwiegend kritischen Reaktion im arbeitsrechtlichen Schrifttum bei Kamanabrou DB 2002, 148, 149; Kitzinger Der GmbHGeschäftsführer zwischen Arbeits- und Gesellschaftsrecht, 2001, S. 38 ff.

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Rspr wurde im Grundsatz zunächst fortgeführt1, zugleich aber für bestimmte Konstellationen relativiert2. Inzwischen geht das BAG in gefestigter Rspr davon aus, dass im Abschluss eines Geschäftsführer-Anstellungsvertrages durch einen leitenden Arbeitnehmer im Zweifel die konkludente Aufhebung des bisherigen Arbeitsverhältnisses liegt3. Mangels weiterer Anhaltspunkte spreche grundsätzlich eine Vermutung dafür, dass nach dem Willen der Parteien neben dem Geschäftsführer-Dienstvertrag nicht auch das alte Arbeitsverhältnis ruhend fortbestehen solle. Bis zur Einführung des Schriftformgebots aus § 623 BGB (Rn 4a) wurde das ggf selbst dort angenommen, wo der Vertragspartner des Geschäftsführer-Vertrages nicht identisch mit dem Arbeitgeber des ursprünglichen Arbeitsverhältnisses ist4; unter der Geltung von § 623 BGB (sogleich Rn 4a) ist eine (schriftliche) Aufhebungsvereinbarung gerade zwischen den Parteien des ursprünglichen Arbeitsverhältnisses erforderlich5. Ein ruhend fortbestehendes Arbeitsverhältnis zieht das BAG (als Ergebnis der Auslegung) nur noch in Ausnahmefällen in Betracht: etwa wo die Geschäftsführerstellung bei sonst unveränderten Vertragsbedingungen lediglich für kurze Zeit befristet übertragen werde oder wo die Bestellung nur „pro forma“ erfolge6. Wird allerdings der (ehemalige) Geschäftsführer nach seiner Abberufung ausnahmsweise in einem neu vereinbarten Arbeitsverhältnis weiterbeschäftigt7, kann die Auslegung der getroffenen Vereinbarungen ergeben, dass jetzt für die Berechnung der Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG die frühere Beschäftigungszeit als Geschäftsführer anzurechnen ist8. Das BAG hält an dieser Rspr auch für jene Fälle fest, in denen der Geschäftsfüh- 4a rer-Anstellungsvertrag ab dem 1.5.2000 geschlossen worden ist9. Zu diesem Datum ist § 623 BGB in Kraft getreten, wonach die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses durch Kündigung oder Auflösungsvertrag zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform (§ 126 BGB) bedarf. Durch lediglich mündlichen Abschluss eines Geschäftsführer-Anstellungsvertrages kann ein bestehendes Arbeitsverhältnis

1 BAG BB 1996, 113, 114. 2 BAG GmbHR 1994, 243: vermuteter Wille zur Aufhebung eines zur Erprobung abgeschlossenen Arbeitsverhältnisses. 3 BAG BB 1997, 998; BAG GmbHR 2000, 1092; BAG NZG 2003, 223, 224; BAG GmbHR 2006, 592, 594; BAG GmbHR 2006, 1101, 1103; BAG DB 2009, 907 = GmbHR 2009, 651; BAG GmbHR 2011, 867 Rn 11; BAG GmbHR 2011, 1200 Rn 14; BAG GmbHR 2013, 253 Rn 14; BAG GmbHR 2014, 137 Rn 18. 4 BAG GmbHR 2000, 1092: Abschluss des Geschäftsführer-Anstellungsvertrages mit einer durch Ausgliederung neu gegründeten GmbH; BAG GmbHR 2006, 1101, 1103. 5 BAG GmbHR 2014, 923 Rn 26. 6 BAG GmbHR 2006, 1101, 1103. 7 Was aber der Vereinbarung bedarf; s. BAG GmbHR 2008, 1259, 1260 f. 8 BAG GmbHR 2006, 592, 595. 9 BAG GmbHR 2007, 1219, 1221.

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Anh zu § 6 | Anstellungsverhältnis nicht mehr wirksam beendet werden1. Aus § 623 BGB ist aber nicht zu folgern, dass (innerhalb oder außerhalb des Geschäftsführer-Anstellungsvertrages) eine ausdrückliche schriftliche Regelung zur Aufhebung des bisherigen Arbeitsverhältnisses getroffen werden muss. Vielmehr ist im Wege der Auslegung zu ermitteln, ob im schriftlich abgeschlossenen Geschäftsführer-Anstellungsvertrag zugleich auch die Aufhebung des bestehenden Arbeitsverhältnisses vereinbart worden ist. Der Aufhebungswille muss in der Vertragsurkunde (wenn auch ggf nur unvollkommen und andeutungsweise) Ausdruck gefunden haben. Das BAG leitet nach wie vor schon allein aus dem Abschluss eines schriftlichen Geschäftsführer-Anstellungsvertrages die Vermutung einvernehmlicher Auflösung des Arbeitsverhältnisses ab, die nur durch klare und eindeutige anderweitige Vereinbarung widerlegt werde2; auch die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB soll daran nichts ändern3. Das trägt den Regelfällen angemessen Rechnung, die durch Abschluss eines neuen Dienstvertrages mit veränderten Regelungen und typischerweise verbesserten Anstellungsbedingungen geprägt sind4. Der übereinstimmende Wille zur Beendigung des bisherigen Arbeitsverhältnisses kommt dadurch hinreichend deutlich zum Ausdruck. In Ausnahmefällen, etwa wenn trotz (befristeter) Bestellung zum Geschäftsführer die Anstellungsbedingungen im Übrigen unverändert bleiben, kann aber ein anderes Auslegungsergebnis näher liegen. – Zu Kompetenzfragen s. Rn 6a; zu den Rechtsfolgen eines ruhend fortbestehenden Arbeitsverhältnisses Rn 45, 47, 49, 75 ff. 5 Im Verhältnis zu den Arbeitnehmern der Gesellschaft fungiert der Geschäftsfüh-

rer als Arbeitgeber und Prinzipal5. Zwar ist nur die Gesellschaft Kaufmann (§ 6 Abs. 1 HGB, § 13 Abs. 3), nicht der Geschäftsführer. Dennoch kann er zum ehrenamtlichen Handelsrichter (§ 109 GVG) sowie auf Arbeitgeberseite zum ehrenamtlichen Arbeits- (§§ 22 Abs. 2 Nr. 1, 37 Abs. 2, 43 Abs. 3 ArbGG) und Sozialrichter (§§ 16 Abs. 4 Nr. 2, 47 Satz 2 SGG) ernannt werden. Zudem schließen einige (teils grundlegende arbeitsrechtliche) Gesetze den Geschäftsführer ausdrücklich aus ihrem Regelungsbereich aus (vgl etwa § 5 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG; § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG; §§ 14 Abs. 1 Nr. 1, 17 Abs. 5 Nr. 1 KSchG; § 3 Abs. 1 Satz 2 MitbestG). Auch § 613a BGB kann für das Anstellungsverhältnis des Geschäftsführers keine Geltung beanspruchen6. Auf der Basis des deutschen Arbeitnehmerbegriffs7 gleichfalls unanwendbar sind die Bestimmungen des ArbZG oder des Teilzeit- und BefristungsG (TzBfG).

1 BAG GmbHR 2011, 867 Rn 12; BAG GmbHR 2011, 1200 Rn 14; BAG GmbHR 2013, 253 Rn 14; BAG GmbHR 2014, 137 Rn 18. 2 BAG GmbHR 2007, 1219, 1221; BAG GmbHR 2009, 651; BAG GmbHR 2011, 867, 868. 3 BAG GmbHR 2007, 1219, 1221; kritisch etwa Gravenhorst GmbHR 2007, 711; Haase GmbHR 2013, 85, 87; Schreiber GmbHR 2012, 929, 934 f. 4 S. dazu auch BAG GmbHR 2006, 592, 594; LAG Stuttgart GmbHR 2007, 707, 708 f. 5 BGHZ 49, 30, 31. 6 BAG GmbHR 2003, 765, 767 ff; Scholz/Uwe H. Schneider/Hohenstatt § 35 Rn 284 mwN. 7 S. zu diesem etwa BAG GmbHR 2015, 184 Rn 24 mwN.

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Allerdings sind in diesem Zusammenhang die Entwicklungen des europäischen Arbeitsrechts von Bedeutung. Da der (freilich nicht einheitliche) Arbeitnehmerbegriff im Gemeinschaftsrecht, soweit er (neben der Eingliederung in den Betrieb) auf das zentrale Abgrenzungsmerkmal der Weisungsgebundenheit abstellt, weiter gefasst ist als der des nationalen deutschen Rechts (vgl § 6 Rn 34), kann es in europarechtskonformer Auslegung ggf geboten sein, jedenfalls Fremdgeschäftsführer (möglicherweise auch gering beteiligte Gesellschafter-Geschäftsführer ohne Sperrminorität) in den Anwendungsbereich eines Gesetzes einzubeziehen, das auf einer europäischen Richtlinie mit unionsrechtlichem Arbeitnehmerbegriff beruht. Die Frage stellt sich etwa für die Bestimmungen des MutterschutzG, nachdem der EuGH1 die Fremdgeschäftsführerin einer lettischen Aktiengesellschaft in den Geltungsbereich der Mutterschutzrichtlinie 92/ 85/EWG einbezogen hat (s. Rn 47b). Jüngst hat der EuGH entschieden, dass ein Fremdgeschäftsführer einer deutschen GmbH bei der Berechnung der Arbeitnehmerzahl (Schwellenwerte nach § 17 Abs. 1 KSchG) für eine Massenentlassungsanzeige nach Maßgabe der Massenentlassungsrichtlinie 98/59/EG zu berücksichtigen ist2. Eine ähnliche Problematik ergibt sich für den Anwendungsbereich des ArbZG3 vor dem Hintergrund der Arbeitszeitrichtlinie (2003/88/ EG) oder des TzBfG4 angesichts der Teilzeitarbeits- und der Befristungsrichtlinie (97/81/EG bzw 199/70/EG). Die Entwicklung ist hier gegenwärtig ganz im Fluss5. – S. auch Rn 29, 47 f. b) Abgeschlossen wird der Anstellungsvertrag im Regelfall zwischen dem Ge- 6 schäftsführer und der Gesellschaft6 (zur Drittanstellung Rn 9), letztere nach § 46 Nr. 5 (dazu § 46 Rn 23) durch die Gesellschafter vertreten und nicht durch die anderen Geschäftsführer7. Das gilt auch für die Vorgesellschaft8. Hat der Gesellschaftsvertrag die Anstellungskompetenz einem anderen Organ, zB einem Bei1 EuGH AG 2011, 165 – Danosa; dazu etwa Fischer NJW 2011, 2329; Lunk/Rodenbusch GmbHR 2012, 188, 191 f; Mohr ZHR 178 (2014), 326, 339 ff; Preis/Sagan ZGR 2013, 26, 33 ff mwN. 2 EuGH GmbHR 2015, 979 – Balkaya (auf Vorlagebeschluss ArbG Verden NZA 2014, 665). 3 Dazu etwa Scholz/Uwe H. Schneider/Hohenstatt § 35 Rn 282; Preis/Sagan ZGR 2013, 26, 55 f. 4 Dazu etwa Scholz/Uwe H. Schneider/Hohenstatt § 35 Rn 291. 5 Weiterführend etwa Lunk/Rodenbusch GmbHR 2012, 188; Oberthür NZA 2011, 253; Preis/Sagan ZGR 2013, 26; Schubert ZESAR 2013, 5; Wank RdA 2011, 178. 6 BGH GmbHR 1997, 547, 548. 7 BGH GmbHR 2000, 876; Lieder NZG 2015, 569, 570 f mwN. Zur entsprechenden Kompetenzverteilung für den Abschluss anderer, mit der Organstellung in unmittelbarem Zusammenhang stehender Rechtsgeschäfte s. OLG Naumburg GmbHR 2014, 985; Lieder NZG 2015, 569, 571 f; speziell zum Abschluss von Beraterverträgen mit ausgeschiedenen Geschäftsführern Leinekugel/Heusel GmbHR 2012, 309 ff. 8 Fleck WM 1985, 677.

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Anh zu § 6 | Anstellungsverhältnis rat, übertragen, so vertritt dieses die Gesellschaft (§ 112 AktG analog)1. Dabei folgt die Anstellungskompetenz im Zweifel der Bestellungskompetenz2. Bei Bestehen eines Sonderrechts auf Geschäftsführer-Bestellung (Bestellungsrecht) ist – soweit eine klare vertragliche Regelung fehlt – durch Auslegung zu ermitteln, ob dessen Inhaber auch zum Abschluss des Anstellungsvertrages befugt sein soll. Eine solche Befugnis auch hier im Zweifel annehmen zu wollen3, überzeugt freilich nicht. Das Bestellungsrecht soll einzelnen Gesellschaftern (bzw Gesellschafterstämmen) die Repräsentation in der Geschäftsführung garantieren, die Entscheidungskompetenz aller Gesellschafter hinsichtlich der Anstellungsbedingungen aber idR nicht einschränken. Es läge ersichtlich auch nicht im Interesse der Gesellschaft, wenn jeder Inhaber eines solchen Sonderrechts die Anstellungsbedingungen „seines“ Geschäftsführers mit Wirkung für die Gesellschaft autonom festlegen könnte. Bei bloßem Benennungs- oder Präsentationsrecht (zu den Unterschieden s. Vor § 35 Rn 3 und § 46 Rn 25) kommt eine solche Vermutung ohnehin nicht in Betracht. Das Anstellungsorgan kann ein oder mehrere Organmitglieder oder Geschäftsführer ermächtigen, die Gesellschaft beim Vertragsabschluss zu vertreten4. Fassen die Gesellschafter keinen dahin gehenden Beschluss, kann die Gesellschaft nur durch sämtliche Gesellschafter handeln5. – Im Geltungsbereich des MitbestG besteht zwingende Aufsichtsratskompetenz6. – Der Anstellungsvertrag ist formfrei7 und kann auch konkludent abgeschlossen werden8. Das gilt auch für den befristeten Vertrag; § 623 BGB findet keine Anwendung (Rn 47). Ist die Höhe der Vergütung nicht festgelegt, bestimmt sich diese nach § 612 Abs. 2 BGB (Rn 31). 6a Wird ein Arbeitnehmer der Gesellschaft unter Beendigung eines bestehenden

Arbeitsverhältnisses zum Geschäftsführer bestellt (s. Rn 4 f), liegt gesellschaftsintern die Vertretungsbefugnis zum Abschluss des Geschäftsführer-Anstellungs-

1 Zur Vertretung der Gesellschaft im Prozess in diesem Falle: BGH GmbHR 2004, 259; BGH GmbHR 1999, 1140; zur unzulässigen Kompetenzübertragung auf die Geschäftsführer: Goette GmbH, § 8 Rn 10. 2 BGHZ 113, 237, 241 f; R/A/Altmeppen § 6 Rn 84; MünchKomm/Jaeger § 35 Rn 254; U/H/L/Paefgen § 35 Rn 325. 3 So Cramer NZG 2011, 171, 171; wohl auch R/S-L/Koppensteiner/Gruber § 35 Rn 17. 4 BGH WM 1968, 1328; OLG Köln GmbHR 1991, 156, 157: stillschweigende Bevollmächtigung zur Ausführung des Beschlusses; zum vollmachtlosen Gesellschafter: BGH GmbHR 1990, 33, 34. 5 Aber streitig; wie hier Gach/Pfüller GmbHR 1998, 64, 67; wohl auch Bauer/Krieger/Arnold Rn D 125 ff; B/H/Zöllner § 46 Rn 40; aA etwa U/H/L/Paefgen § 38 Rn 75; Scholz/ Uwe H. Schneider/Hohenstatt § 35 Rn 312: Mehrheitsvertretung. 6 BGH GmbHR 1984, 151; Bernhardt/Bredol NZG 2015, 419, 421. 7 B/H/Zöllner/Noack § 35 Rn 168; zur vertraglichen Schriftformklausel und ihrer Entkräftung: BGH GmbHR 1997, 547, 548; Schuhmann GmbHR 1993, 79. 8 Aus steuerlichen Gründen ist schriftliche Abfassung aber empfehlenswert; s. dazu Schiffers in Tillmann/Schiffers/Wälzholz/Rupp, Die GmbH im Gesellschafts- und Steuerrecht, Rn 1424.

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vertrages und zur Aufhebung des bestehenden Arbeitsverhältnisses (wenn auch jenes schon mit derselben Gesellschaft bestand) in einer Hand, nach dem Normalstatut in Annexkompetenz zu § 46 Nr. 5 also bei den Gesellschaftern, nicht den anderen Geschäftsführern: der Sachzusammenhang mit der Organbestellung erfasst hier Neubegründung des Geschäftsführer-Anstellungsvertrages und Aufhebung des Arbeitsvertrages gleichermaßen1. War der Arbeitsvertrag mit einem anderen Arbeitgeber geschlossen worden, bleibt dieser für die Vertragsaufhebung zuständig; die Aufhebung kann sich ggf aber im Wege der Vertretung (Bevollmächtigung, Genehmigung) vollziehen. In der Einmann-Gesellschaft2 kann der Gesellschafter-Geschäftsführer den An- 7 stellungsvertrag mit sich nur wirksam abschließen, wenn der Gesellschaftsvertrag ihn von § 181 BGB (§ 35 Abs. 3) befreit hat und dies nach § 10 Abs. 1 Satz 2 ins Handelsregister eingetragen ist (s. § 10 Rn 7)3. Zur Erkennbarkeit nach außen als Wirksamkeitserfordernis eines In-Sich-Geschäfts s. § 35 Rn 71. c) In die Gesellschafterzuständigkeit fallen – vorbehaltlich abweichender Sat- 8 zungsbestimmung4 bzw im Geltungsbereich des MitbestG5 – auch die Abänderung des Anstellungsvertrages und seine Aufhebung, weil diese die Entscheidungen der Gesellschafter über die Organstellung des Geschäftsführers erheblich beeinflussen können6. Die Gesellschafter vertreten die Gesellschaft ebenfalls bei der Kündigung des Anstellungsvertrages (s. auch Rn 52) und bei der Verlängerung eines befristeten Anstellungsvertrages7. – Den Gesellschaftern bleibt unbenommen, die Mitgeschäftsführer im Gesellschaftsvertrag oder durch einfachen Gesellschafterbeschluss (§ 47 Abs. 1) zur Abänderung und zur Vereinbarung über die Aufhebung des Anstellungsvertrages zu ermächtigen. d) Drittanstellung8: Gelegentlich wird der Anstellungsvertrag des Geschäftsfüh- 9 rers nicht mit der Gesellschaft, sondern mit einem Dritten (GmbH & Co KG; 1 Bauer/Baeck/Lösler ZIP 2003, 1821, 1825 f; ebenso etwa Bauer/Krieger/Arnold Aufhebungsverträge Rn D 164; Langner DStR 2007, 535, 537; Moll GmbHR 2008, 1024, 1027 f; U/H/L/Paefgen § 35 Rn 234; aA Hümmerich/Schmidt-Westphal DB 2007, 222, 224 f. 2 Zur ähnlichen Problematik in der GmbH & Co KG s. BGH GmbHR 2014, 817 und dazu Höpfner NZG 2014, 1174. 3 BGHZ 33, 189, 194; Fleck WM 1985, 677 f; Goette GmbH, § 8 Rn 85 ff; U/H/L/Paefgen § 35 Rn 71; aA B/H/Zöllner/Noack § 35 Rn 167; MünchHdbGmbH/Marsch-Barner/ Diekmann § 43 Rn 13: § 35 Abs. 3 unanwendbar. 4 BGH NJW 1997, 2055 und BGH NJW 1999, 3263, 3264 = GmbHR 1999, 1140. 5 Dazu Bernhardt/Bredol NZG 2015, 419, 423 f. 6 BGH GmbHR 1991, 363 unter ausdrücklicher Aufgabe der vorherigen Rspr; Baums ZGR 1993, 141; Goette GmbH, § 8 Rn 79 f. 7 Zu seiner Verlängerung bei Fortsetzung des Geschäftsführeramtes: OLG Frankfurt GmbHR 1994, 549. 8 Dazu eingehend Baums S. 58 ff; Deilmann/Dornbusch NZG 2016, 201; Fleck ZHR 149 (1985), 387; Uwe H. Schneider GmbHR 1993, 10.

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Anh zu § 6 | Anstellungsverhältnis Konzernobergesellschaft; Körperschaft des öffentlichen Rechts; Intermediär, ggf Managementgesellschaft in verschiedenen Gestaltungsformen des Interim Management1) geschlossen. Eine solche Drittanstellung ist grundsätzlich zulässig2, doch müssen die Gesellschafter, schon um mögliche Divergenzen zwischen organ- und anstellungsvertraglichen Pflichten zu begegnen3, durch Mehrheitsbeschluss (§ 47 Abs. 1) dem Geschäftsführer die Drittanstellung eröffnen oder einer bereits vereinbarten zustimmen4. Fehlt dies, so ist die Drittanstellung schwebend unwirksam5. Der Anstellungsvertrag mit dem Dritten braucht nicht nach § 328 BGB zugunsten der Gesellschaft abgeschlossen zu werden. Denn die Organpflichten des Geschäftsführers gegenüber der Gesellschaft bleiben von der Drittanstellung unberührt und können durch sie auch nicht zum Nachteil der Gesellschaft abgeschwächt oder gar ausgeschlossen werden6.

3. Organisationsrecht und Anstellungsvertrag 10 Häufig werden in den Anstellungsvertrag Bestimmungen über den Aufgaben-

bereich des Geschäftsführers aufgenommen, über das Zusammenwirken der Geschäftsführer mit den anderen Organen, vor allem mit den Gesellschaftern, über die Grenzen ihrer Weisungsbefugnisse etc. Das Verhältnis solcher Anstellungsbedingungen zum gesetzlichen Organisationsrecht und zu dem des Gesellschaftsvertrages und der Geschäftsordnung sowie zu den organisatorischen Einzelweisungen der Gesellschafter ist problematisch7.

11 a) Anstellungsbedingungen im Widerspruch zu zwingendem Gesetzesrecht

(zB Freistellung eines Geschäftsführers von der Buchführungs- und Bilanzierungspflicht, § 41 Rn 2 f) sind nach § 134 BGB unwirksam8. Abweichungen vom dispositiven Gesetzesrecht (zB allgemeine Freistellung von Gesellschafterwei-

1 Grundlegend Uffmann S. 133, 185, 313 ff. 2 Fleck ZHR 149 (1985), 387, 391 ff; R/S-L/Koppensteiner/Gruber § 35 Rn 79; U/H/L/Paefgen § 35 Rn 322; Scholz/Uwe H. Schneider/Hohenstatt § 35 Rn 308 f; zweifelnd für Arbeitsvertrag mit Drittem B/H/Zöllner/Noack § 35 Rn 165. – Zur kontrovers beurteilten Zulässigkeit der Drittanstellung in der Aktiengesellschaft und der paritätisch mitbestimmten GmbH weiterführend Hüffer/Koch § 84 AktG Rn 17 ff; Uffmann S. 316 ff. BGH ZIP 2015, 1220 hat die Zulässigkeit (für die AG) jüngst implizit bejaht. 3 Wie hier Henssler RdA 1992, 302. 4 Deilmann/Dornbusch NZG 2016, 201, 204; Fleck ZHR 149 (1985), 387, 388; R/S-L/Koppensteiner/Gruber § 35 Rn 79; B/H/Zöllner/Noack § 35 Rn 165; jetzt auch Scholz/Uwe H. Schneider/Hohenstatt § 35 Rn 309; aA U/H/L/Paefgen § 35 Rn 324; Uwe H. Schneider GmbHR 1993, 15. 5 Insoweit aA Scholz/Uwe H. Schneider/Hohenstatt § 35 Rn 309. 6 Eingehend Fleck ZHR 149 (1985), 387, 393 ff. 7 Eingehend Mildenberger S. 124 ff; Reuter FS Zöllner, 1998, S. 487, 491 ff. 8 OLG Stuttgart DB 1979, 884, 885.

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sungen nach § 37 Abs. 1 und damit eine vorstandsgleiche Position für den Geschäftsführer nach dem Anstellungsvertrag) sind schuldrechtlich wirksam (zu den Rechtsfolgen Rn 15 ff), hindern jedoch die Gesellschafter nicht, dem Geschäftsführer trotzdem eine (organisationsrechtlich mögliche) bindende Weisung zu erteilen1. Das Organisationsrecht der Gesellschaft, das sich insoweit aus dem Gesetz ergibt, hat Vorrang vor dem Anstellungsvertrag, weil die Organstellung in ihrer statutarischen Ausgestaltung dem Anstellungsvertrag vorgegeben ist2 und sich andernfalls neu eintretende Gesellschafter oder sonstige Dritte nicht durch einen Blick in den Gesellschaftsvertrag über die Kompetenzverteilung in der Gesellschaft informieren könnten (Publizität der Organisationsverfassung). – Undurchbrechbare Weisungsfreiheit erlangt der Geschäftsführer nur durch eine dahin gehende Bestimmung im Gesellschaftsvertrag. Wer als Geschäftsführer Wert auf eine bestimmte Organisation seines Amtes 12 legt (zB weitgehende Weisungsfreiheit), muss für eine entsprechende Satzungsklausel sorgen. Aber selbst dann ist er nicht vor einer kassatorischen Satzungsänderung gefeit3, weil ein lediglich mit Zustimmung des Betroffenen entziehbares Sonderrecht (§ 14 Rn 19) allein zugunsten eines Gesellschafters begründet werden kann; konsequent scheidet ein schuldrechtliches Versprechen der Gesellschafter gegenüber einem Fremdgeschäftsführer aus, den Gesellschaftsvertrag hinsichtlich der Organisation (zB Weisungsfreiheit) nicht zu ändern; s. auch § 53 Rn 7 und 40. Gegen Satzungsänderungen lässt sich die momentane Organisation allein dadurch absichern, dass der Fremdgeschäftsführer zum Gesellschafter mit einem entsprechenden Sonderrecht wird. b) Anstellungsbedingungen, die dem Gesellschaftsvertrag widersprechen (zB: 13 Anstellungsvertrag entbindet den Geschäftsführer von einem statutarischen Zustimmungsvorbehalt zugunsten des Beirats), entfalten organisationsrechtlich keine Wirkung; auf dieser Rechtsebene ist der Geschäftsführer an den Gesellschaftsvertrag gebunden (zB Vorlagepflicht an den Beirat). Diesen Vorrang gebietet die Publizität der Organisationsverfassung (Rn 11). Ebenso vorrangig ist der Gesellschaftsvertrag gegenüber Einschränkungen der statutarischen Geschäftsführungsbefugnis im Anstellungsvertrag – so, wenn Gesellschaftsvertrag die Geschäftsführer zur eigenverantwortlichen Unternehmensleitung entsprechend § 76 Abs. 1 AktG verpflichtet, während der Anstellungsvertrag einen Katalog von Zustimmungsvorbehalten zugunsten der Gesellschafter enthält; organisationsrechtlich ist dieser Katalog ohne Bedeutung. Der Vorrang gilt auch für

1 OLG Düsseldorf ZIP 1984, 1476, 1478; Michalski/Tebben § 6 Rn 108 ff; aA Flume Juristische Person, S. 350; van Venrooy GmbHR 1982, 175, 178: Geschäftsführer darf sich weigern. 2 Reuter FS Zöllner, S. 487, 492; Wank FS Wiedemann, 2002, S. 587, 593 f; gegen einen solchen Vorrang indes Mildenberger Geschäftsführervertrag S. 129 ff. 3 Vgl OLG Frankfurt GmbHR 1993, 288, 290.

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Anh zu § 6 | Anstellungsverhältnis das durch Satzungsänderung eingeführte Organisationsrecht1. – Trotzdem behalten solche satzungswidrigen Anstellungsbedingungen Wirkungen auf der schuldrechtlichen Ebene; hierzu und zu den Reaktionsmöglichkeiten des Geschäftsführers und der Gesellschaft Rn 15 ff. 14 c) Der Vorrang des Organisationsrechts erstreckt sich auch auf eine von den Ge-

sellschaftern beschlossene Geschäftsordnung oder konkrete Einzelweisung der Gesellschafter, etwa zur Abgrenzung des Aufgabenbereichs eines Geschäftsführers. Man mag solche Vorgaben zwar als (gegenüber dem Gesellschaftsvertrag) niederrangiges Organisationsrecht begreifen; aber mit der Erteilung einer Einzelweisung oder der Regelung in einer Geschäftsordnung nehmen die Gesellschafter ihre nach dem Organisationsstatut bestehenden Kompetenzen (mit entsprechender Bindung der Geschäftsführer, § 37 Abs. 1) wahr. Vorbehaltlich einer anderweitigen Bestimmung in der Satzung setzt sich deshalb auch das niederrangige Organisationsrecht gegenüber den Anstellungsbedingungen aus dem Anstellungsvertrag durch2.

15 d) Schuldrechtlich bleiben die Anstellungsbedingungen trotz ihres Wider-

spruchs zum (vorrangigen) Organisationsrecht wirksam3. Allerdings hat der Geschäftsführer keinen Unterlassungs- oder Erfüllungsanspruch gegen die Gesellschaft dahin, dass sich die Gesellschafter mit ihren organisationsrechtlichen Vorgaben im Rahmen des Anstellungsvertrages halten. Andernfalls bestände doch kein Vorrang des Organisationsrechts.

16 Im Übrigen kann der Geschäftsführer Konsequenzen aus der organisations-

rechtlichen Verletzung seines Anstellungsvertrages ziehen4: Er kann sein Amt niederlegen (näher § 38 Rn 41 ff), den Anstellungsvertrag außerordentlich kündigen (§ 626 BGB, Rn 58) und Schadensersatz (§ 628 Abs. 2 BGB) verlangen, sofern hierfür die Voraussetzungen (Veranlassung der Kündigung durch vertragswidriges Verhalten des anderen Vertragsteils, sog Auflösungsverschulden) im Einzelnen erfüllt sind5 – so zB ein Geschäftsführer, der sich ständig Gesell-

1 R/S-L/Koppensteiner/Gruber § 35 Rn 82; U/H/L/Paefgen § 35 Rn 241; aA wohl B/H/Zöllner/Noack § 35 Rn 14. 2 Fleck ZGR 1988, 104, 138; MünchHdbGmbH/Marsch-Barner/Diekmann § 43 Rn 6; U/H/ L/Paefgen § 35 Rn 243; ebenso R/S-L/Koppensteiner/Gruber § 35 Rn 82 (mit unzutreffendem Referat der hier vertretenen Position). 3 Michalski/Tebben § 6 Rn 115; wohl auch R/S-L/Koppensteiner/Gruber § 35 Rn 84; aA Fleck ZGR 1988, 104, 136: Wirksamkeit nur bei Einhaltung der Beschluss- und Formvorschriften für Satzungsänderung; U/H/L/Paefgen § 35 Rn 240; MünchKomm/Jaeger § 35 Rn 275: keine Vertretungsmacht für Abschluss eines satzungswidrigen Anstellungsvertrages. 4 OLG Frankfurt GmbHR 1993, 288; R/S-L/Koppensteiner/Gruber § 35 Rn 84; s. auch Leuering/Dornhegge NZG 2010, 13, 16 f mit Hinweis auf deshalb empfehlenswerte Öffnungsklausel im Anstellungsvertrag. 5 Allgemein zu den Voraussetzungen des Anspruchs aus § 628 Abs. 2 BGB: BAG GmbHR 2003, 105, 108.

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schafterweisungen gefallen lassen muss (Rn 11), obwohl ihm eine vorstandsgleiche Stellung (§ 76 Abs. 1 AktG) im Anstellungsvertrag zugesagt worden ist. Maßstab für die Vertragswidrigkeit iSd § 628 Abs. 2 BGB ist nicht etwa allein das vorrangige Organisationsrecht der Gesellschaft1. In nachträglichen massiven Beschränkungen der Geschäftsführungsbefugnisse gegenüber den im Anstellungsvertrag schuldrechtlich eingeräumten liegt vielmehr auch dann ein vertragswidriges Verhalten, wenn jene Beschränkungen organisationsrechtlich zulässig sind2. Sie berechtigen den Geschäftsführer dann nicht nur zur außerordentlichen Kündigung des Anstellungsvertrages, sondern führen idR zugleich zur Entschädigungspflicht der Gesellschaft wegen Auflösungsverschuldens3. Die Gesellschaft kann die Entschädigung nicht mit der Begründung verweigern, die organisationsrechtliche Maßnahme sei sachlich vertretbar, also willkürfrei4. Denn der privatautonomen Selbstbindung der Gesellschaft ist nur insoweit die Rechtswirkung zu versagen, wie dies für den Vorrang des Organisationsrechts zwingend geboten ist; diese Eingrenzung fordern die schutzwürdigen Interessen des Geschäftsführers als Vertragspartner der Gesellschaft: weiche und liquidiere. – Zum Widerruf der Bestellung (Abberufung) unter Verletzung des Anstellungsvertrages s. § 38 Rn 25a. e) Bei den Reaktionsmöglichkeiten der Gesellschaft ist zu unterscheiden: Falls 17 sich der Geschäftsführer an das vorrangige Organisationsrecht hält und damit gegen seinen Anstellungsvertrag verstößt (zB: der statutarisch zu eigenverantwortlicher Leitung verpflichtete Geschäftsführer holt im Widerspruch zum Anstellungsvertrag nicht die Gesellschafterzustimmung für bestimmte Maßnahmen ein), so kann die Gesellschaft aus diesem Vertragsverstoß nichts herleiten5. Anders hingegen, wenn der Geschäftsführer sich an seinen Anstellungsvertrag hält und gegen vorrangiges Organisationsrecht verstößt (zB: der bloß im Anstellungsvertrag zu eigenverantwortlicher Leitung berechtigte Geschäftsführer widersetzt sich permanent organisationsrechtlich bindenden Gesellschafterweisungen). Wer sich so verhält, muss nicht nur seine Abberufung (§ 38) hinnehmen, sondern uU zugleich die außerordentliche Kündigung seines Anstellungsvertrages (§ 626 BGB)6; andernfalls würde die organisationsrechtliche Bindung leerlaufen. Allerdings steht dem Geschäftsführer in diesem Falle als Ausgleich für 1 So aber OLG Karlsruhe GmbHR 2011, 535, 537; dagegen zu Recht Haase GmbHR 2012, 614, 619 f. 2 AA OLG Karlsruhe GmbHR 2011, 535, 538 gegen OLG Frankfurt GmbHR 1993, 288; offen gelassen von BGH GmbHR 2012, 638 Rn 17. 3 Zustimmend MünchHdbGmbH/Marsch-Barner/Diekmann § 43 Rn 7; Michalski/Tebben § 6 Rn 115; ebenso Haase GmbHR 2012, 614, 619 f; Leuering/Dornhegge NZG 2010, 13, 16 f; MünchKomm/Stephan/Tieves § 35 Rn 84 und MünchKomm/Jaeger § 35 Rn 275. 4 AA Fleck ZGR 1988, 104, 126. 5 R/S-L/Koppensteiner/Gruber § 35 Rn 84. 6 AA OLG Düsseldorf ZIP 1984, 1476, 1478 f.

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Anh zu § 6 | Anstellungsverhältnis den Verlust seiner Rechtsposition aus dem Anstellungsvertrag ein Schadensersatzanspruch entsprechend § 904 Satz 2 BGB zu1.

4. Pflichten des Geschäftsführers 18 Primäre Rechtsgrundlage für die Geschäftsführerpflichten2 zur ordnungsgemä-

ßen Geschäftsleitung im Interesse der Gesellschaft (§ 43 Abs. 1; s. die Erläuterungen bei § 43 Rn 10 ff) sind die Bestellung und das darauf beruhende körperschaftliche Organisationsrechtsverhältnis3. Als Verwalter fremder Vermögensinteressen unterliegt der Geschäftsführer im Verhältnis zur Gesellschaft einer besonderen Treupflicht: In allen Angelegenheiten, die das Interesse der Gesellschaft berühren, muss er allein deren Wohl im Auge haben (§ 43 Rn 19)4. Zusätzlich verpflichtet der Anstellungsvertrag den Geschäftsführer schuldrechtlich zur sorgfältigen Führung der übernommenen Geschäfte; er kann die Organpflichten aus § 43 Abs. 1 noch weiter konkretisieren und ergänzen, soweit Gesetz und Gesellschaftsvertrag dafür Raum lassen (Rn 10 ff). Näher ausgestaltet wird der Anstellungsvertrag aber auch schon durch §§ 675, 611 BGB: zB Auskunfts- und Rechenschaftspflicht gegenüber der Gesellschaft (§ 666 BGB)5, Herausgabe von Vorteilen, die Geschäftsführer im Zusammenhang mit seiner Amtsführung erlangt hat (§ 667 BGB)6.

19 Bei Drittanstellung (Rn 9) hängt es von der Gestaltung des Anstellungsvertra-

ges ab, ob der Geschäftsführer schuldrechtlich von der Gesellschaft oder vom Dritten belangt werden kann7. Bei einer Verletzung der Vertragspflichten kann der Dritte keinen Schadensersatz an sich verlangen, soweit sein Schaden bloß mittelbar den Schaden der Gesellschaft widerspiegelt. Andernfalls würde die unabänderbare Haftungskonzentration auf die Gesellschaft außer Funktion gesetzt8. Daher kommt Schadensersatz an den Dritten allein in zwei Fällen in Betracht: für Schadenspositionen, die keinen Gesellschaftsschaden widerspiegeln9, und als Ausgleich für die Verletzung von Vertragspflichten, die über die all-

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AA Michalski/Tebben § 6 Rn 117. S. dazu die „10 Gebote an den Geschäftsführer“ bei Lutter GmbHR 2000, 301. Fleck ZHR 149 (1985), 387, 396 f. Zur etwaigen Umzugspflicht an einen anderen (als im Anstellungsvertrag vereinbarten) Dienstort s. Röhrborn BB 2013, 693. S. Goette DStR 1993, 1752, 1753. Dazu BGH NJW 2001, 2476, 2477 für Schmiergelder. Zur Verantwortlichkeit eines Interim Managers gegenüber der Gesellschaft ausführlich Uffmann S. 418 ff. Vgl BGH ZIP 1987, 29, 32 f; problematisch BGH BGHZ 105, 121. Zu den Einzelheiten: Fleck ZHR 149 (1985), 387, 409.

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gemeinen Organpflichten hinausgehen1. – Zu den Rechten des Geschäftsführers s. im Übrigen Rn 28 ff.

5. Wettbewerbsverbot des Geschäftsführers Literatur: Armbrüster Wettbewerbsverbote im Kapitalgesellschaftsrecht, ZIP 1997, 1269; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote, 6. Aufl 2012, § 24; Gerigk Nachvertragliche Wettbewerbsverbote mit geschäftsführenden Organmitgliedern und Gesellschaftern, 2014; Krahforst Nachvertragliche Wettbewerbsverbote für GmbH-Geschäftsführer – Beurteilungsgrundlagen und Zulässigkeitsmaßstäbe, 2012; Röhricht Das Wettbewerbsverbot des Gesellschafters und des Geschäftsführers, WPg 1992, 766; M. Schmid Probleme beim Zusammentreffen von Freistellung und nachvertraglichem Wettbewerbsverbot bei Arbeitnehmern und Organmitgliedern, 2006; zu weiteren Angaben s. Rn 25. – Zum Wettbewerbsverbot für Gesellschafter § 14 Rn 38 ff. Zu Kollisionsproblemen aus Wettbewerbsverboten zulasten des Gesellschafter-Geschäftsführers im Fall der Anteilsveräußerung Gresbrand GmbHR 2013, 119.

Unabhängig von einer ausdrücklichen Regelung im Gesellschaftsvertrag oder 20 Anstellungsvertrag darf der Geschäftsführer bereits ex lege seine Organstellung nicht für sich zum Nachteil der Gesellschaft ausnutzen und deshalb auch keine Geschäftschancen der Gesellschaft an sich ziehen oder gar ein konkurrierendes Handelsgewerbe betreiben2. Sein auf der Organstellung beruhendes Wettbewerbsverbot während der Dauer seines Amtes3 gründet in seinen genauen Kenntnissen der Gesellschaftsinterna und der Geschäftsbeziehungen und in der für die Gesellschaft besonders gefährlichen Ausnutzung dieser Kenntnisse. Es steht an der Seite der teils engeren, teils weiter reichenden GeschäftschancenLehre4. In der Einmann-Gesellschaft unterliegt der Gesellschafter, wenn er zugleich als Geschäftsführer fungiert, keinem Wettbewerbsverbot gegenüber der Gesellschaft, da das Gesellschaftsinteresse mit dem des einzigen Gesellschafters übereinstimmt5; das liegt auf der Linie der BGH-Rspr zur fehlenden Haftung eines

1 Näher Fleck ZHR 149 (1985), 387, 410. 2 BGH GmbHR 1986, 42; BGH ZIP 1989, 1390, 1394 = GmbHR 1989, 365; KG GmbHR 2010, 869; Michalski/Haas/Ziemons § 43 Rn 97 ff; U/H/L/Paefgen § 43 Rn 82 ff; Scholz/ Uwe H. Schneider § 43 Rn 153 ff; B/H/Zöllner/Noack § 35 Rn 41 ff. 3 BGHZ 49, 30, 31; BGH WM 1964, 1320, 1321: treupflichtbedingt; eingehend Röhricht WPg 1992, 766, 767 f. 4 Zum Verhältnis beider Institute s. etwa Fleischer AG 2005, 336, 337 f; MünchKomm/Fleischer § 43 Rn 176; Grundmann Treuhandvertrag, 1997, S. 443 ff; U/H/L/Paefgen § 43 Rn 97 ff; Verse in Hdb Managerhaftung, § 22 Rn 24 ff, je mwN. – Zur steuerrechtlichen Bedeutung s. etwa Tillmann/Mohr GmbH-Geschäftsführer, Rn 220 ff. 5 Ua Armbrüster ZIP 1997, 1269, 1278; Fleischer DStR 1999, 1249, 1252; Goette DStR 1998, 1137, 1139; Knobbe-Keuk GmbHR 1992, 333, 337; Röhricht WPg 1992, 766, 784 f.

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Anh zu § 6 | Anstellungsverhältnis solchen Gesellschafter-Geschäftsführers aus § 43 Abs. 21. Andererseits bindet ein von der Gesellschaft zu Gunsten eines Drittunternehmens vereinbartes Wettbewerbsverbot auch den Geschäftsführer persönlich, der zugleich Alleingesellschafter der Gesellschaft ist2. 21 a) Das während der Amtszeit des Geschäftsführers geltende Wettbewerbsverbot

beginnt mit der korporationsrechtlichen Amtsübernahme, uU bereits mit der tatsächlichen Aufnahme der Amtsgeschäfte. Es gilt deshalb bereits in der Vorgesellschaft (§ 11 Rn 7) und je nach der konkreten Schutzbedürftigkeit des Gebildes sogar auch schon in der Vorgründungsgesellschaft. Beendet wird das Wettbewerbsverbot in dem Zeitpunkt, da der Geschäftsführer aus seinem Amt rechtswirksam ausscheidet3, auch wenn der Geschäftsführer seine Abberufung durch Pflichtverletzung veranlasst hat. Allerdings ist auch nachorganschaftlich der Versuch unzulässig, Verträge an sich zu ziehen, welche die Gesellschaft während seiner Amtszeit abgeschlossen hatte4 oder hätte abschließen können5. Zudem darf der Geschäftsführer einen Wechsel in die eigene Selbständigkeit nicht unter Mitnahme einer Geschäftschance vollziehen, die er für die GmbH hätte nutzen müssen6. Mit dem Ausscheiden aus dem Amt endet das auf der Organstellung beruhende Wettbewerbsverbot auch dort, wo das Anstellungsverhältnis (etwa bis zur ordentlichen Kündigung) noch fortbesteht7. Jedes nachorganschaftliche Wettbewerbsverbot bedarf einer vertraglichen Grundlage (dazu Rn 25 ff). Für den Freistellungszeitraum zwischen Ende der Organstellung und Beendigung des (ordentlich gekündigten) Anstellungsverhältnisses kann ein Verbot von Wettbewerbstätigkeit (ggf im Wege der Auslegung) aus den Regelungen des Anstellungsvertrages abzuleiten sein8. Ist das Anstellungsverhältnis fristlos gekündigt worden und bestreitet der Geschäftsführer die Wirksamkeit der Kündigung, kann ihm wettbewerbliche Tätigkeit während des Kündigungs1 S. nur BGHZ 119, 257, 261 und die Nachweise bei § 43 Rn 40 f. 2 BGH DStR 2005, 485. 3 S. BGH GmbHR 1988, 100; OLG Frankfurt GmbHR 1998, 376, 378; OLG Oldenburg NZG 2000, 1038, 1039. 4 BGH DB 1977, 158. 5 Vgl BGH GmbHR 1989, 460. 6 BGH GmbHR 1986, 42; zum Ganzen auch Fleischer WM 2003, 1045, 1058; Krahforst S. 63. 7 OLG Oldenburg NZG 2000, 1038, 1039; U/H/L/Paefgen § 38 Rn 250 mwN; aA Baumann in Praxishdb GmbH-Geschäftsführung, § 14 Rn 13: Beendigung des Wettbewerbsverbots erst mit dem rechtlichen Ende des Anstellungsverhältnisses. 8 Fleischer AG 2005, 336, 340; MünchKomm/Jaeger § 35 Rn 362 ff; Thüsing in Hdb Vorstandsrecht, § 4 Rn 85; U/H/L/Paefgen § 43 Rn 88; zu pauschal Bergwitz GmbHR 2006, 1129, 1130 f: Wettbewerbsverbot immer schon allein aufgrund des Anstellungsvertrages bis zu dessen Beendigung; im Ergebnis wie dieser Moll GmbHR 2005, 542, 543; Verse in Hdb Managerhaftung, § 22 Rn 11. – Aufbereitung des Meinungsstandes bei M. Schmid S. 86 ff.

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prozesses – sofern nicht ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart wurde – indes nicht verwehrt werden; ein Zwang zur (vergütungsfreien) „Auszeit“ während des (hinsichtlich Dauer und Ausgang ungewissen) Rechtsstreits ist ihm nicht zuzumuten1. – Ist einem Geschäftsführer nach der Auflösung der Gesellschaft deren Liquidation übertragen worden (§ 66 Abs. 1), so schwächt sich das Wettbewerbsverbot dahin ab, dass der Liquidator keine Konkurrenzhandlungen vornehmen darf, die die geordnete und wirtschaftlich erfolgreiche Abwicklung stören könnten. Nahezu unverändert gegenüber dem ursprünglichen Umfang bleibt das Wettbewerbsverbot, falls das Unternehmen einstweilen fortgeführt wird, um es als Ganzes zu veräußern2. Der Geschäftsführer darf im Geschäftszweig der Gesellschaft3 keine Geschäfte 22 für eigene Rechnung machen4. Damit wird der Umfang des Wettbewerbsverbots durch den statutarischen Unternehmensgegenstand (§ 3 Abs. 1 Nr. 2) unabhängig davon bestimmt, ob die Gesellschaft diesen Gegenstand tatsächlich vollständig ausfüllt5. Darüber hinaus erstreckt es sich auf solche Aktivitätsbereiche, die in der bisherigen Entwicklungslinie der Gesellschaft liegen oder auf die sie mit Blick auf ihre vorhandenen Ressourcen ihre Aktivitäten demnächst erstrecken könnte6. Sogar singuläre Geschäftschancen (zB Erwerb eines Reservebetriebsgrundstücks) unterfallen dem Wettbewerbsverbot7. Im Zweifel hat der Geschäftsführer nach § 49 Abs. 2 die Gesellschafter anzurufen8; das gilt auch, wenn der Gesellschaft die erforderlichen Mittel fehlen; denn es liegt in der Entscheidung der Gesellschafter, ob und wie sie die Mittel beschaffen wollen9. – Der so abgegrenzte Umfang des organschaftlichen Wettbewerbsverbots kann im Anstellungsvertrag erweitert werden. Vom Wettbewerbsverbot für den Geschäftszweig der Gesellschaft (Rn 22) kann 23 dem Geschäftsführer Dispens erteilt werden; ob nur durch Satzungsregelung bzw satzungsändernden Beschluss oder auch durch Gesellschafterentscheid 1 OLG Frankfurt NZG 2000, 738, 740 (für AG); übereinstimmend Fleischer AG 2005, 336, 340 f; Thüsing in Hdb Vorstandsrecht, § 4 Rn 86; Verse in Hdb Managerhaftung, § 22 Rn 12; aA (Konkurrenztätigkeit nur in eng begrenzten Fällen zulässig) Diller ZIP 2007, 201, 206. 2 Salfeld Wettbewerbsverbote im Gesellschaftsrecht, 1987, S. 194 ff. 3 Näher Röhricht WPg 1992, 766, 768 ff. 4 BGH DB 1977, 158. 5 BGHZ 89, 162, 170 = GmbHR 1984, 203; Goette DStR 1998, 1137, 1139; U/H/L/Paefgen § 43 Rn 94; Röhricht WPg 1992, 766, 769; B/H/Zöllner/Noack § 35 Rn 42; aA Tillmann FS Felix, 1989, S. 507, 510 f. 6 Vgl Timm GmbHR 1981, 177, 181. 7 Röhricht WPg 1992, 766, 770. 8 OLG Karlsruhe GmbHR 1988, 484, 485; Schiessl GmbHR 1988, 53, 54. 9 S. aber auch BGHZ 80, 69, 74 f. Dem so beschriebenen Geschäftszweig steht der von Konzerntochter- und -enkelgesellschaft gleich, Uwe H. Schneider GmbHR 1993, 10, 18; weitergehend Röhricht WPg 1992, 766, 770: schon der bloß abhängiger Unternehmen.

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Anh zu § 6 | Anstellungsverhältnis ohne Satzungsänderung, ist streitig. Nach bislang hM genügt ein einfacher Gesellschafterbeschluss (ohne entsprechende Satzungsgrundlage) allenfalls für die Freigabe eines einzelnen Geschäfts, während im Übrigen eine Regelung im Gesellschaftsvertrag (Befreiung vom Wettbewerbsverbot oder Ermächtigung, mit einfacher Mehrheit über den Dispens zu beschließen) für erforderlich gehalten wird1. Andere lassen indes allgemein Befreiung vom Wettbewerbsverbot durch einfachen Gesellschafterbeschluss zu, wobei freilich keine Einigkeit über die erforderliche Beschlussmehrheit besteht2. Dispens ohne förmlichen Beschluss bei Zustimmung aller Gesellschafter soll aber jedenfalls genügen3. – Wenn man Pflichtenbindung des Geschäftsführers außerhalb der gläubigerschützenden Regeln zu Kapitalaufbringung und -erhaltung zur Disposition der Gesellschafter stellt (zur aktuellen Rspr in diesem Sinne eingehend § 43 Rn 63), dürfte auch Befreiung vom Wettbewerbsverbot durch nicht satzungsändernden Gesellschafterentscheid (bei Stimmverbot des begünstigten Gesellschafter-Geschäftsführers nach § 47 Abs. 4 Satz 1) grundsätzlich möglich sein. Beschlüsse gegen eine überstimmte Minderheit bedürfen aber der Rechtfertigung im Gesellschaftsinteresse; jedenfalls die abstrakte, über eine konkrete Einzelmaßnahme hinausreichende Befreiung vom Wettbewerbsverbot gegen die Stimmen einer Gesellschafterminderheit wird vielfach treuwidrig sein. – Eine Gegenleistung des Befreiten ist in aller Regel nicht erforderlich4. – Trotz dieser Voraussetzungen kann sich der Geschäftsführer, der seinen schon vor Amtsantritt ausgeübten und allen bekannten Wettbewerb in Kenntnis der Gesellschafter fortsetzt, uU darauf berufen, diese seien nunmehr schuldrechtlich zur Duldung des Wettbewerbs verpflichtet5. 24 Bei Verstößen gegen das Wettbewerbsverbot kann die Gesellschaft vom Ge-

schäftsführer Unterlassung verlangen; außerdem ist dieser entsprechend § 113 Abs. 1 HGB, § 88 Abs. 2 AktG zum Ersatz des Schadens (einschließlich des aus vorzeitigem Wegfall des Wettbewerbsverbots6) oder (auch ohne Nachweis eines Schadens) zur Herausgabe der Vergütung verpflichtet: internes Eintrittsrecht7. 1 S. schon 15. Aufl, Rn 23 und (mit Unterschieden im Detail) etwa Armbrüster ZIP 1997, 1269, 1277; Michalski/Haas/Ziemons § 43 Rn 108 f; R/S-L/Koppensteiner/Gruber § 43 Rn 19; MünchHdbGmbH/Marsch-Barner/Diekmann § 43 Rn 72; U/H/L/Paefgen § 43 Rn 103; Röhricht WPg 1992, 766, 781 f; Verse in Hdb Managerhaftung, § 22 Rn 35; B/H/ Zöllner/Noack § 35 Rn 43. 2 S. etwa R/A/Altmeppen § 43 Rn 31: einfache Mehrheit; Hellgardt FS Hopt, 2010, S. 765, 782 f; Scholz/Uwe H. Schneider § 43 Rn 192: einstimmiger Beschluss. 3 B/H/Zöllner/Noack § 35 Rn 43; R/A/Altmeppen § 43 Rn 31; s. auch schon Röhricht WPg 1992, 766, 783 f. 4 Röhricht WPg 1992, 766, 783; Wassermeyer GmbHR 1993, 329, 336. 5 Dazu auch Röhricht WPg 1992, 766, 780; Scholz/Uwe H. Schneider § 43 Rn 195. 6 OLG Frankfurt GmbHR 1998, 376, 378. 7 OLG Köln GmbHR 2008, 1103, 1104; U/H/L/Paefgen § 43 Rn 107; Scholz/Uwe H. Schneider § 43 Rn 168 mN.

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Verjährung dieser Ansprüche entsprechend § 113 Abs. 3 HGB, § 88 Abs. 3 AktG1. Dagegen hat die Gesellschaft kein Recht, die vom Geschäftsführer selbst geschlossenen Verträge mit Außenwirkung gegenüber den Dritten zu übernehmen2. Die Gesellschaft darf dem Geschäftsführer wegen des Wettbewerbsverstoßes nicht die Vergütung (Rn 31) verweigern; anders nur bei grob treuwidrigem Verhalten3. Ob der Verbotsverstoß die Abberufung aus wichtigem Grund (§ 38 Abs. 2) und weiter gehend die außerordentliche Kündigung (§ 626 BGB) rechtfertigt, hängt von den konkreten Umständen4, insbesondere von Umfang, Intensität und Dauer des Verstoßes ab5. Im Einzelfall können verbotswidrige Wettbewerbshandlungen eines Gesellschafter-Geschäftsführers in einer personalistischen Gesellschaft sogar zu dessen Ausschluss (näher § 34 Rn 52 ff) oder zur Auflösung der Gesellschaft gemäß § 61 Abs. 1 führen. b) Ein über die Amtszeit hinausreichendes Wettbewerbsverbot6 muss beson- 25 ders im Anstellungsvertrag oder außerhalb desselben7 vereinbart werden8; sein rechtlicher Bestand hängt nicht entsprechend § 74 Abs. 2 HGB zwingend vom Versprechen einer Karenzentschädigung ab9. Allerdings ziehen Art. 12 GG und § 138 BGB einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot enge Grenzen: Es muss dem Schutze eines berechtigten Unternehmensinteresses dienen (1. Prüfungs-

1 Ebenso OLG Köln GmbHR 2008, 1103, 1104; MünchHdbGmbH/Marsch-Barner/Diekmann § 43 Rn 68; Verse in Hdb Managerhaftung, § 22 Rn 48; B/H/Zöllner/Noack § 35 Rn 42; einschränkend Scholz/Uwe H. Schneider § 43 Rn 170. 2 BGH BGHZ 89, 162, 171 = GmbHR 1984, 203. 3 BGH ZIP 1988, 47, 48 = GmbHR 1988, 100; Goette DStR 1998, 1137, 1139. 4 BGH ZIP 1988, 47, 48 = GmbHR 1988, 100. 5 S. OLG Karlsruhe GmbHR 1988, 484, 485; OLG Düsseldorf GmbHR 2000, 1050. 6 Dazu (außer den Angaben vor Rn 20) Bauer FS Schwerdtner, 2003, S. 441; Bauer/Diller GmbHR 1999, 885; Hoffmann-Becking FS Quack, 1991, S. 273; Jaeger S. 166 ff; Kamanabrou ZGR 2002, 898; Kielkowski NZG 2015, 900; Menke NJW 2009, 636; S. Müller GmbHR 2014, 964; Thüsing NZG 2004, 9; zum Konzern-Geschäftsführer: Uwe H. Schneider GmbHR 1993, 10, 18. 7 Zur Auslegung: BGH WM 1990, 13, 15 = GmbHR 1990, 77. Zur AGB-Kontrolle von nachvertraglichen Wettbewerbsverboten s. Diller NZA 2005, 250; Krahforst S. 260 ff; Mirza Khanian S. 195 ff. 8 OLG Frankfurt GmbHR 1998, 376, 378. Zu gängigen Klauseln Krahforst S. 71 ff; zur möglichen Konkludenz Reinfeld Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot im Arbeitsund Wirtschaftsrecht, 1993, S. 71 ff; s. auch Rn 21. 9 BGHZ 91, 1, 4 f = GmbHR 1984, 234; BGH GmbHR 2002, 431, 432; BGH GmbHR 2008, 1032; BGH ZIP 2008, 1379, 1380 = GmbHR 2008, 930; OLG Düsseldorf GmbHR 1996, 931, 933; OLG Düsseldorf NZG 2000, 737; OLG Köln DB 2008, 1791, 1792; OLG Nürnberg GmbHR 2010, 141, 142; aA (Anwendbarkeit der §§ 74 ff HGB wenigstens für arbeitnehmerähnliche Geschäftsführer befürwortend) etwa Bauer/Diller BB 1995, 1134, 1135; Kamanabrou ZGR 2002, 898, 907 ff; wN bei Bauer/Diller Wettbewerbsverbote, Rn 1038.

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Anh zu § 6 | Anstellungsverhältnis stufe)1 und darf nach Ort, Zeit (in der Regel max 2 Jahre) und Gegenstand2 die Berufsausübung und wirtschaftliche Betätigung des Geschäftsführers nicht unbillig erschweren (2. Prüfungsstufe)3. Diesen Kriterien kann ggf auch ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot ohne Karenzentschädigung standhalten (s. aber sogleich Rn 25a); umgekehrt kann ein fehlendes Unternehmensinteresse aber auch durch Vereinbarung hoher Entschädigung nicht kompensiert werden4. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist der des Ausscheidens, nicht der des Vertragsschlusses5. Im Zweifel beginnt die Karenzzeit mit Ende des Anstellungsverhältnisses zu laufen6; früherer Laufzeitbeginn (mit Abberufung aus dem Amt unter Freistellung) bedarf der Vereinbarung. Fehlt es daran, kann sich zwar aus dem Anstellungsvertrag ein Verbot von Wettbewerbstätigkeit ergeben (Rn 21), wodurch die Bindungsdauer des sich anschließenden nachvertraglichen Wettbewerbsverbots aber unangemessen werden kann7. Ein Wettbewerbsverbot mit überlanger Laufzeit soll geltungserhaltend reduziert werden können8, nicht jedoch ein in anderer Hinsicht übermäßiges9. Indes ist auch bei inhaltlich zu weit gefassten Wettbewerbsverboten eine geltungserhaltende Reduktion die angemessene Rechtsfolge, sofern es allein um die Korrektur eines quantitativen Übermaßes (und nicht um rechtsgestaltende Gewichtung verschiedener Kriterien) geht10. – Im Übrigen können die §§ 74 ff HGB auf vereinbarte Wett1 OLG Düsseldorf GmbHR 1999, 120, 121. 2 S. OLG Düsseldorf GmbHR 1998, 180, 181; OLG Nürnberg GmbHR 2010, 141, 142 ff. 3 BGH NJW 1968, 1717; konkretisiert in BGHZ 91, 6 f = GmbHR 1984, 234; OLG Düsseldorf GmbHR 1993, 581; OLG Düsseldorf NZG 2000, 737; OLG Nürnberg GmbHR 2010, 141; zur zweistufigen Prüfung: Bauer/Diller GmbHR 1999, 885, 887 ff; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote, Rn 1046 ff; MünchKomm/Jaeger § 35 Rn 371 ff; Kielkowski NZG 2015, 900 f; U/H/L/Paefgen § 35 Rn 487 ff; ferner etwa Gresbrand GmbHR 2013, 119, 120 f; Menke NJW 2009, 636, 637; S. Müller GmbHR 2014, 964 ff; M. Schmid S. 140 ff; Thüsing NZG 2004, 9, 10 f. 4 OLG Düsseldorf GmbHR 1999, 120, 122. 5 Hoffmann-Becking FS Quack, S. 273, 275; kritisch Bauer/Diller GmbHR 1999, 885, 890; Kamanabrou ZGR 2002, 898, 907 ff; Manger GmbHR 2001, 89. Für eine Differenzierung in Anlehnung an die Rspr-Grundsätze zur Inhaltskontrolle gesellschaftsvertraglicher Abfindungsklauseln U/H/L/Paefgen § 35 Rn 494. 6 BGH GmbHR 2002, 431; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote, Rn 1059; M. Schmid S. 280 f. 7 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote, Rn 1059; Bergwitz GmbHR 2006, 1129, 1131; M. Schmid S. 281 f. 8 BGH GmbHR 1990, 77, 79; aA OLG Düsseldorf GmbHR 1999, 120, 122; OLG Hamm GmbHR 1988, 344, 346: unzulässige Vertragshilfe; näher Wernicke BB 1990, 2209. 9 BGH GmbHR 1991, 15, 17; OLG Nürnberg GmbHR 2010, 141, 143 f; Gehle DB 2010, 1981 mwN; im Ergebnis anders (Anlehnung an die Rspr-Grundsätze zur Inhaltskontrolle gesellschaftsvertraglicher Abfindungsklauseln) U/H/L/Paefgen § 35 Rn 494, 507; zustimmend Bauer/Diller Wettbewerbsverbote, Rn 1049, 1067. 10 Thüsing NZG 2004, 9, 13 in Anknüpfung an BGH NJW 1997, 3089, 3090; iE ähnlich Krahforst S. 349 ff. Zur Wirkung salvatorischer Klauseln s. OLG Nürnberg GmbHR

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bewerbsverbote angewendet werden, soweit diese auf den Schutz der Unternehmensinteressen abzielen1. Auch wenn die Wirksamkeit eines Wettbewerbsverbots nicht zwingend vom Versprechen einer Karenzentschädigung abhängt, wird sich die Gesellschaft gegenüber Fremdgeschäftsführern auf ein umfassendes Verbot wettbewerblicher Tätigkeit regelmäßig nur dann berufen dürfen, wenn sie dem Geschäftsführer eine angemessene Entschädigung anbietet2. – Sollte die Vereinbarung auf die Regelung in §§ 74 ff HGB verweisen oder doch zumindest deren unternehmensschützenden Regeln nachgebildet sein, so ist damit im Zweifel eine Karenzentschädigung in der gesetzlichen Höhe versprochen3. Ohne eine entsprechende Vereinbarung soll anderweitiger Verdienst nicht auf die Karenzentschädigung anrechenbar sein4. Der BGH5 gewährt der Gesellschaft auch ohne entsprechende vertragliche Re- 25a gelung analog § 75a HGB die Möglichkeit, sich einseitig vom Wettbewerbsverbot zu lösen. Ob dessen Jahresfrist gilt, ist dabei offen geblieben6. Verzichtsklauseln mit kürzeren Fristen sind zwar möglich7. Jedenfalls muss dem Geschäftsführer, der auf die Zahlung der Karenzentschädigung zur Deckung seines künftigen Lebensunterhalts vertraut8, eine angemessene, an den Umständen des

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2010, 141, 144 f; Bauer/Diller GmbHR 1999, 885, 890; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote, Rn 1070; Gehle DB 2010, 1981, 1982 f; Kamanabrou ZGR 2002, 898, 927 ff; Thüsing NZG 2004, 9, 14. S. die entsprechende Differenzierung in BGH GmbHR 1992, 263; kritisch Krahforst S. 159 ff, 265 ff. Vgl BVerfG NJW 1990, 1469, 1471; OLG Hamm GmbHR 1988, 344, 345; Bauer/Diller GmbHR 1999, 885, 891 f; anders bei bloßen Kunden-/Mandantenschutzklauseln: Bauer/ Diller GmbHR 1999, 885, 890; MünchKomm/Jaeger § 35 Rn 379; wohl auch B/H/Zöllner/Noack § 35 Rn 202 (trotz ihrer Kritik gegenüber einer solchen Abgrenzung bei § 35 Rn 198). Ausführlich zum Ganzen Bauer/Diller Wettbewerbsverbote, Rn 1071 ff; Krahforst S. 277 ff. BAG WM 1976, 21, 22; Thüsing NZG 2004, 9, 12. BGH ZIP 2008, 1379 = GmbHR 2008, 930 (mangels Anwendbarkeit von § 74c HGB); zustimmend Krahforst Wettbewerbsverbote, S. 401 ff; aA etwa Bauer/Diller Wettbewerbsverbote, Rn 1086 ff; Kukat BB 2001, 951, 952 f; Thüsing NZG 2004, 9, 12. – Für Anrechenbarkeit von während der Karenzzeit bezogenem Arbeitslosengeld, das die Gesellschaft zu erstatten hat, noch BGH GmbHR 1991, 310; dort freilich auf der Basis der seinerzeit geltenden Anrechnungsvorschrift in § 128a AFG (später § 148 SGB III; aufgehoben zum 1.1.2004). BGH GmbHR 1990, 389, 390; BGH GmbHR 1992, 263, 264; kritisch gegenüber einseitiger Verzichtsmöglichkeit aber R/A/Altmeppen § 6 Rn 88; Krahforst S. 382 ff. BGH GmbHR 1992, 263, 264. Bauer/Diller Wettbewerbsverbote, Rn 1092. BGH GmbHR 2002, 431, 432.

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Anh zu § 6 | Anstellungsverhältnis Einzelfalls orientierte Dispositionsfrist verbleiben1. Durch einen Verzicht auf das Wettbewerbsverbot, der erst kurz vor Beendigung des (vor Jahresfrist gekündigten) Anstellungsvertrages erklärt wird, kann sich die Gesellschaft einer vereinbarten einjährigen Karenzentschädigungspflicht deshalb nicht entledigen2. Auch Vereinbarungen über die Möglichkeit eines nachvertraglichen Verzichts sind zulässig, wenn der Anspruch auf Karenzentschädigung noch für einen angemessenen Zeitraum erhalten bleibt3. Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot mit Karenzentschädigungspflicht wird nicht dadurch hinfällig, dass die Gesellschaft den Geschäftsführer nach erklärter ordentlicher Kündigung von seinen Dienstpflichten freistellt4. Bei außerordentlicher Kündigung des Anstellungsvertrages durch den Geschäftsführer kann sich dieser entsprechend § 75 Abs. 1 HGB vom Wettbewerbsverbot lösen5. Der heutige § 314 BGB beseitigt nicht etwa die Analogiefähigkeit von § 75 Abs. 1 HGB6: § 314 BGB enthält eine allgemeine Vorschrift zur Kündbarkeit von Dauerschuldverhältnissen, während § 75 Abs. 1 HGB bei außerordentlicher Kündbarkeit des Anstellungsvertrages (wegen Pflichtverletzung des anderen Vertragsteils) die Möglichkeit gewährt, sich auch vom Wettbewerbsverbot zu befreien. Ist ein Kündigungsrecht analog § 75 Abs. 1 HGB (mangels Verletzung der Pflichten aus dem Anstellungsvertrag) nicht gegeben, kann der Geschäftsführer ggf nach § 314 BGB zur außerordentlichen Kündigung der Vereinbarung über das nachvertragliche Wettbewerbsverbot berechtigt sein; so wenn die Gesellschaft ihre Pflichten gerade aus der Wettbewerbsabrede verletzt, zB die Karenzentschädigung wiederholt nicht termingerecht zahlt7. Im Übrigen steht auch der Gesellschaft in (doppelter) Analogie zu § 75 Abs. 1 HGB das Recht zu, sich vom Wettbewerbsverbot zu lösen, wenn sie den Anstellungsvertrag wegen Pflichtverletzung des Geschäftsführers außerordentlich kündigen kann8. 1 S. auch Goette FS Wiedemann, 2002, S. 873, 885; aus der Rechtsprechung der Instanzgerichte: OLG Düsseldorf GmbHR 1996, 931, 934: drei Monate; OLG München GmbHR 2010, 1031, 1032: für die Dauer der im Einzelfall bestehenden Frist zur ordentlichen Kündigung des Anstellungsvertrages; aA Hoffmann-Becking FS Quack, S. 273, 282: sofortige Befreiung von der Entschädigungspflicht; Menke NJW 2009, 636, 639 ff: jederzeitiger Verzicht unter sofortigem Wegfall der Entschädigung; zum Ganzen auch Bergwitz GmbHR 2007, 523, 526 f. 2 BGH GmbHR 2002, 431, 432; kritisch zu dieser Entscheidung etwa Bergwitz GmbHR 2007, 523, 525; Heidenhain NZG 2002, 605. 3 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote, Rn 1093; Bergwitz GmbHR 2007, 523, 525 f. 4 BGH GmbHR 2002, 431. 5 OLG Celle GmbHR 1980, 32, 36; Bauer/Diller GmbHR 1999, 885, 893. 6 So aber Bauer/Diller Wettbewerbsverbote, Rn 1099 ff; wie hier etwa Bergwitz GmbHR 2006, 1129, 1134; Bergwitz GmbHR 2007, 523, 524 f; Thüsing NZG 2004, 9, 13. 7 Thüsing NZG 2004, 9, 13. 8 Bauer/Diller GmbHR 1999, 885, 893; Bergwitz GmbHR 2007, 523, 524, 528.

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Als Wettbewerbsverbot kann ein Verschwiegenheitsgebot einzuordnen sein, 26 falls dies über den engen Rahmen des § 85 hinausgeht1; das ist so, falls das Gebot dem ehemaligen Geschäftsführer nicht bloß verwehrt, seine Kenntnisse über Gesellschaftsgeheimnisse zu veräußern und auf diese Weise für sich zu verwerten, sondern ihm weiter gehend die Möglichkeit versperrt, die Kunden der Gesellschaft zu umwerben. Ein solches Verschwiegenheitsgebot mit wettbewerbsverbotlichem Charakter ist nur in den zeitlichen, räumlichen und gegenständlichen Grenzen nach Rn 25 wirksam, falls es überdies zum Schutze der berechtigten Unternehmensinteressen gerechtfertigt ist2. Bei einem Wettbewerbsverstoß kann die Gesellschaft Unterlassung und Scha- 27 densersatz verlangen3, aber nicht Herausgabe der Vergütung entsprechend § 113 Abs. 1 HGB, es sei denn, die Voraussetzungen für einen Anspruch nach §§ 687 Abs. 2, 681, 667 BGB sind erfüllt. Daneben kann eine vereinbarte Abfindung verwirkt sein4, aber regelmäßig nicht das Altersruhegeld des Geschäftsführers5.

6. Rechte des Geschäftsführers a) Inwieweit der Anstellungsvertrag dem Geschäftsführer einen Anspruch auf 28 Beschäftigung gewährt, ist streitig; wegen des bindungsfreien Gesellschaftervertrauens (arg § 38 Abs. 1) besteht jedenfalls kein (durchsetzbarer, sondern nur kompensationsfähiger) Anspruch auf Bestellung6. Unterbleibt diese, soll der Geschäftsführer nach früher verbreiteter Ansicht uU eine angemessene Beschäftigung in leitender Position verlangen können7, es sei denn, die Gesellschaft hätte ein berechtigtes Interesse an seiner Nichtbeschäftigung8. Indes hat der Anstellungsvertrag regelmäßig nur die Beschäftigung als Geschäftsführer zum Inhalt; eine Tätigkeit unterhalb der Organebene ist typischerweise nicht vereinbart9, ein entsprechender Anspruch aus dem Anstellungsvertrag nicht ableitbar10 (s. auch § 38 Rn 25). Stattdessen kann der Geschäftsführer außerordentlich kündigen 1 Dazu BAG ZIP 1988, 733, 735; abweichend v.d. Osten GmbHR 1989, 450, 454. 2 S. OLG Düsseldorf GmbHR 1993, 583; zum Ganzen auch Gerigk Wettbewerbsverbote, S. 75 ff. 3 Zur grenzüberschreitenden Durchsetzung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote s. Diller/Wilske DB 2007, 1866. 4 BGH WM 1983, 170. 5 Näher Hoffmann-Becking FS Quack, S. 273, 284. 6 Scholz/Uwe H. Schneider/Hohenstatt § 35 Rn 408. 7 So noch 15. Aufl, Rn 28 und etwa Leuchten GmbHR 2001, 750 mwN. 8 BGH DB 1952, 1035. 9 Moll FS Schwerdtner, 2003, S. 453, 461 f; ferner Buchner/Schlobach GmbHR 2004, 1, 10 f; zu abweichenden Vertragsgestaltungen Bergwitz GmbHR 2006, 1129, 1132. 10 Ebenso BGH GmbHR 2011, 82, 83.

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Anh zu § 6 | Anstellungsverhältnis (§ 626 BGB) und unter den Voraussetzungen des § 628 Abs. 2 BGB (Veranlassung der Kündigung durch vertragswidriges Verhalten des anderen Vertragsteils) Schadensersatz verlangen1. Im Widerruf der Bestellung (Abberufung) des Geschäftsführers (im gesetzlichen Regelfall nach § 38 Abs. 1 organisationsrechtlich jederzeit möglich) liegt ein vertragswidriges Verhalten der Gesellschaft nur unter qualifizierten Voraussetzungen; näher dazu § 38 Rn 25a; s. auch Rn 16 zum Schadensersatzanspruch bei sonstigen organisationsrechtlichen Verletzungen des Anstellungsvertrages. – Die Gesellschaft schuldet ihrem Geschäftsführer Treue und Fürsorge; deren Umfang bestimmt sich nach dem Grad der persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit des Geschäftsführers und seines Einflusses auf die Gesellschaft. Als Pflicht zur Rücksichtnahme kann die Fürsorgepflicht es zB den Gesellschaftern gebieten, über die Angelegenheiten des Geschäftsführers Stillschweigen zu wahren2. – Zur Frage eines Anspruchs auf Entlastung § 46 Rn 28. 29 b) Nach bislang ganz überwiegender Ansicht sollte das BUrlG (vorbehaltlich

vertraglicher Vereinbarung3) für den Geschäftsführer nicht gelten4, sein Urlaubsanspruch sollte sich nach dem Anstellungsvertrag richten5. Fehlt darin eine ausdrückliche Regelung, kann der Urlaubsanspruch aus der Fürsorgepflicht der Gesellschaft (Rn 28) folgen6. Den ihm zustehenden Urlaub muss der Geschäftsführer idR tatsächlich nehmen, notfalls noch im folgenden Kalenderjahr; nicht genommener Urlaub ist uU finanziell abzugelten7. Für die Urlaubszeit hat der Geschäftsführer für eine ausreichende Vertretung in seiner Funktion zu sorgen. – Da im BUrlG die Vorgaben der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung umgesetzt worden sind, ist freilich auch hier die Frage aufgeworfen, ob der jener RL zugrunde liegende Arbeitnehmerbegriff nicht dazu zwingt, jedenfalls Fremdgeschäftsführer (ggf auch Gesellschafter-Geschäftsführer mit Minderheitsbeteiligung) in den Anwendungsbereich des BUrlG einzubeziehen8.

1 S. BAG GmbHR 2003, 105, 107 ff für den Fall der verweigerten Bestellung nach Ablauf einer im Anstellungsvertrag vereinbarten Einarbeitungszeit; dazu kritisch Bauer/Diller/ Krets DB 2003, 2687; Bergwitz GmbHR 2006, 1129, 1133; Moll FS Schwerdtner, S. 453, 457 ff, je unter Hinweis auf BGH GmbHR 2003, 100. 2 B/H/Zöllner/Noack § 35 Rn 50. 3 Etwa OLG Frankfurt GmbHR 2007, 1222. 4 U/H/L/Paefgen § 35 Rn 472; eingehend Haase GmbHR 2005, 265 ff. 5 Haase GmbHR 2005, 338, 339 ff; Jaeger S. 153 ff. 6 BGH WM 1975, 761, 763; Haase GmbHR 2005, 338, 342 ff. 7 BGH LM 5 zu § 35; OLG Düsseldorf GmbHR 2000, 278, 281; s. auch Haase GmbHR 2005, 338, 341 f; Scholz/Uwe H. Schneider/Hohenstatt § 35 Rn 380. 8 In diesem Sinne (im Anschluss an EuGH AG 2011, 165 – Danosa; vgl Rn 5) etwa Forst GmbHR 2012, 821; Scholz/Uwe H. Schneider/Hohenstatt § 35 Rn 287; Mehrens/Witschen in Preis/Sagan Europäisches Arbeitsrecht, 2015, § 7 Rn 13.

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Jeder Geschäftsführer, auch der beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer, hat einen Anspruch auf Zeugniserteilung1; hierüber entscheidet das für die Anstellung zuständige Organ, im Normalfall also die Gesellschafter2. c) Der Geschäftsführer – auch der einer Vorgesellschaft3 – kann Ersatz seiner 30 Auslagen verlangen (§§ 675, 670 BGB): Reisekosten; Bewirtungsspesen, soweit sie steuerrechtlich als Betriebsausgaben anerkannt werden4; Schmiergelder nicht5. – Kosten der Rechtsverteidigung in einem Ermittlungs- oder Gerichtsverfahren erfasst der Auslagenersatzanspruch (in dem Umfang, in dem sie der Geschäftsführer für erforderlich halten durfte6) nur, wenn mit dem zugrunde liegenden Verhalten des Geschäftsführers keine Pflichtverletzung gegenüber der Gesellschaft einhergeht. In einem laufenden Verfahren kann (und sollte) die Gesellschaft Vorschüsse auf den Ersatz der Rechtsverteidigungskosten (§ 669 BGB) deshalb unter den Vorbehalt späterer Rückforderung stellen7. Der freiwillige Ersatz von Rechtsverteidigungskosten ist aber ebenso möglich wie Haftungsansprüche gegen den Geschäftsführer zur Disposition der Gesellschaft stehen (dazu § 43 Rn 60 ff). Hinsichtlich der Erstattung von Geldstrafen und Geldbußen durch die Gesellschaft (worin weder Begünstigung noch Strafvereitelung liegt8) ist zu differenzieren9: Ein gesetzlicher Anspruch auf Übernahme von Geldstrafen und -bußen besteht in aller Regel nicht, weil mit der sanktionierten Tat regelmäßig eine schuldhafte Pflichtverletzung im Innenverhältnis (Verlet-

1 BGHZ 49, 30, 31 (dort allerdings nur für einen Fremdgeschäftsführer entschieden); Brötzmann GmbHR 2016, R 97. 2 Scholz/Uwe H. Schneider/Hohenstatt § 35 Rn 513. 3 BGHZ 86, 122, 126 = GmbHR 1983, 46; dort auch zur Erstattungspflicht der Gesellschafter. 4 Scholz/Uwe H. Schneider/Hohenstatt § 35 Rn 375 ff. 5 BGH NJW 1965, 293; U/H/L/Paefgen § 35 Rn 468; Scholz/Uwe H. Schneider/Hohenstatt § 35 Rn 376. 6 Das schließt die Kostenerstattung auf Grundlage einer Honorarvereinbarung nicht von vornherein aus; s. etwa Heutz DB 2012, 902 f, Werner GmbHR 2012, 1107, 1109; vgl (im Zusammenhang mit der Geschäftsführerinnenhaftung) auch BGH GmbHR 2013, 1044 Rn 29. 7 Zum Ganzen Heutz DB 2012, 902 ff; Marsch-Barner in Hdb Managerhaftung, § 17 Rn 6 ff, 14 ff; Werner GmbHR 2012, 1107, 1109 ff. Speziell zur Frage der Beweislastverteilung im Rückforderungsprozess Lackhoff/Habbe NZG 2012, 616, 618 f; vgl dazu auch BGH ZIP 2014, 1728 Rn 33. 8 Vgl die Nachweise in BGH ZIP 2014, 1728 Rn 12; s. aber auch Hasselbach/Seibel AG 2008, 770, 776 (zum Untreuetatbestand). 9 S. dazu (mit Unterschieden im Detail) Bastuck Enthaftung des Managements, 1986, S. 123 ff; MünchHdbGmbH/Marsch-Barner/Diekmann § 43 Rn 56; Fleischer WM 2005, 909, 916; U/H/L/Paefgen § 35 Rn 467 ff; Scholz/Uwe H. Schneider/Hohenstatt § 35 Rn 377 f; Rehbinder ZHR 148 (1984), 555; Thomas Die Haftungsfreistellung von Organmitgliedern, 2010, S. 403 ff.

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Anh zu § 6 | Anstellungsverhältnis zung der Legalitätspflicht) verbunden ist1. Ein Freistellungsversprechen vor der Tat ist (im Blick auf den Präventionszweck des Straf- oder Bußgeldtatbestands) wegen Sittenwidrigkeit nichtig2, auch soweit es sich auf die fahrlässige Begehung einer Ordnungswidrigkeit bezieht3. Freistellungszusagen nach der Tat sind indes möglich, auch soweit es sich um Geldstrafen handelt4. Die Entscheidungszuständigkeit hierfür liegt (vorbehaltlich abweichender Satzungsgestaltung) bei den Gesellschaftern. Das folgt aus § 46 Nr. 8 und gilt auch für die dem MitbestG unterliegende GmbH. Die Kompetenz dort dem Aufsichtsrat zuweisen zu wollen5, ließe sich auch nicht überzeugend auf die These stützen, in der mitbestimmten GmbH gehe die Beschlusskompetenz nach § 46 Nr. 8 auf den Aufsichtsrat über, weil dieser nach § 31 MitbestG auch über die Personalkompetenz verfüge6. Die Entscheidungskompetenz zur Erstattung von Geldstrafen etc steht in funktionaler Nähe zur Dispositionsbefugnis über die Geschäftsführerhaftung im Innenverhältnis (dazu § 43 Rn 66). Selbst in der Aktiengesellschaft nimmt der BGH hinsichtlich der Übernahme einer Geldsanktion für ein Vorstandsmitglied die Entscheidungszuständigkeit der Hauptversammlung an, wenn die zugrunde liegende Tat auch eine Pflichtverletzung gegenüber der AG darstellt7.

7. Vergütung des Geschäftsführers Literatur: Jaeger Anstellungsvertrag, 5. Aufl 2009, S. 118 ff; Tillmann/Mohr GmbH-Geschäftsführer, 10. Aufl 2013, Rn 227 ff; zu rechtstatsächlichen Daten s. etwa die alljährliche BBE-Studie GmbH-Geschäftsführer-Vergütungen (www.bbe-media.de).

31 a) Der Fremdgeschäftsführer wird im Zweifel nicht unentgeltlich tätig (§ 612

Abs. 1 BGB)8; für den Gesellschafter-Geschäftsführer gilt das nicht ohne Weiteres, denn seine Tätigkeit kann auch über mitgliedschaftliche Bezüge (Dividende

1 Zu erörterten Ausnahmen U/H/L/Paefgen § 35 Rn 467; Scholz/Uwe H. Schneider/Hohenstatt § 35 Rn 377. 2 Fleischer WM 2005, 909, 916; Hasselbach/Seibel AG 2008, 770, 775; Hauger/Palzer ZGR 2015, 33, 63; Thomas Haftungsfreistellung von Organmitgliedern, S. 404 ff. 3 Insoweit anders noch 18. Aufl, Rn 30 sowie B/H/Zöllner/Noack § 35 Rn 66. 4 Heute ganz hM; s. etwa Hasselbach/Seibel GmbHR 2009, 354, 358 f; MünchHdbGmbH/ Marsch-Barner/Diekmann § 43 Rn 56; U/H/L/Paefgen § 35 Rn 471; Scholz/Uwe H. Schneider/Hohenstatt § 35 Rn 378; Thomas Haftungsfreistellung von Organmitgliedern, S. 412 ff; B/H/Zöllner/Noack § 35 Rn 65. 5 So Hasselbach/Seibel GmbHR 2009, 354, 359 (Annex zur Personalkompetenz); ebenso Werner GmbHR 2012, 1107, 1112; dagegen Bunz/Küpper GmbHR 2015, 510, 513. 6 Diese These geht zurück auf Krieger in VGR, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 1998, 1999, S. 111, 113; zustimmend U/H/L/Hüffer/Schürnbrand § 46 Rn 117; ablehnend B/H/ Zöllner/Noack § 46 Rn 59. 7 BGH ZIP 2014, 1728 Rn 17: entsprechend § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG. 8 S. auch KG GmbHR 1996, 613: Sittenwidrigkeit einer auf rechtspraktischen Vergütungsausschluss angelegten Tantieme-Vereinbarung.

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zB) abgegolten sein1. Zusammensetzung und Ausgestaltung der Geschäftsführerbezüge bestimmen sich nach dem Anstellungsvertrag, ohne vertragliche Regelung nach § 612 Abs. 2 BGB. Üblich sind Gehalt2, Sachleistungen, Tantieme und evtl Gratifikationen (freiwillige Leistungen aus besonderem Anlass3); zur Altersversorgung Rn 36 ff. In der Festsetzung der Geschäftsführerbezüge sind die Beteiligten grundsätzlich frei; die gesetzlichen Vorgaben zur Angemessenheit der Vergütung des AG-Vorstands aus § 87 Abs. 1 AktG idF des VorstAG4 kommen in der GmbH nach dem Willen des Gesetzgebers nicht zur Anwendung5. Allerdings dürfen keinem Gesellschafter auf dem Weg über zu hohe6 Geschäfts- 31a führerbezüge einseitig verdeckte Gewinne (s. § 29 Rn 48 ff) ausgeschüttet werden, weil dies das Gleichbehandlungsgebot (§ 14 Rn 46) verletzen würde7; zudem ist das Gebot der Kapitalerhaltung nach § 30 Abs. 1 zu beachten; deshalb sind bei der Festsetzung der Bezüge alle Besonderheiten des konkreten Unternehmens mit zu berücksichtigen, wobei den festsetzenden Gesellschaftern ein Ermessensspielraum verbleibt8. Steuerrechtlich führen überhöhte Bezüge an Gesellschafter-Geschäftsführer zu verdeckten Gewinnausschüttungen (vGA)9; auch die nicht gestattete private PKW-Nutzung ist in Höhe der Vorteilsgewährung vGA10. – Unzulässig ist es auch, einzelne Geschäftsführer (zB Arbeitsdirektor

1 S. OLG Frankfurt GmbHR 1993, 358, 359; Goette DStR 1993, 657, 659; U/H/L/Paefgen § 35 Rn 348; B/H/Zöllner/Noack § 35 Rn 63. 2 Zur Überstundenvergütung OLG Dresden NJW-RR 1997, 1535; Natschke BB 1996, 771. 3 Dazu OLG München WM 1984, 896. 4 Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung vom 31.7.2009, BGBl I 2509. 5 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks 16/13433, S. 10; Seibert WM 2009, 1489, 1490; Wachter GmbHR 2009, 953, 957; zur Rechtslage in der paritätisch mitbestimmten GmbH s. Baeck/Götze/Arnold NZG 2009, 1121, 122 f; MünchKomm/Jaeger § 35 Rn 305; Scholz/Uwe H. Schneider/Hohenstatt § 35 Rn 351 mwN. 6 Tillmann GmbHR 1993, 466: unangemessen-unübliche. 7 BGH GmbHR 1990, 344, 345; BGH GmbHR 2008, 1092, 1094; OLG Frankfurt GmbHR 2005, 550, 554; zu den Beurteilungsmaßstäben für die Angemessenheit der Vergütung s. etwa Janssen GmbHR 2007, 749 ff. S. auch BGH GmbHR 2004, 739 (Unterlassungsanspruch gegen Entgegennahme einer höheren Vergütung als zwischen Gesellschafter-Geschäftsführer vereinbart). 8 OLG Düsseldorf DStR 2012, 309, 311; S/I/Lücke/Simon § 35 Rn 76 ff. 9 Dazu und zu ihrer Vermeidung etwa MünchKomm/Jaeger § 35 Rn 309 ff; Schiffers in Tillmann/Schiffers/Wälzholz/Rupp, Die GmbH im Gesellschafts- und Steuerrecht, Rn 1427 ff; Scholz/Uwe H. Schneider/Hohenstatt § 35 Rn 354 ff; Schwedhelm GmbHR 2006, 281; Tillmann/Mohr GmbH-Geschäftsführer, Rn 238 ff; Übersicht zur jüngeren BFH-Rspr bei Kohlhepp BB 2014, 2910. 10 BFHE 209, 252 = GmbHR 2005, 775; BFH GmbHR 2008, 601; BFH GmbHR 2013, 894; s. auch Briese GmbHR 2005, 1271; Krudewig BB 2013, 220.

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Anh zu § 6 | Anstellungsverhältnis nach § 33 MitbestG) mit Hilfe unterschiedlicher Bezüge zu diskriminieren1. Geschäftsführer, die nicht oder nicht nennenswert an der Gesellschaft beteiligt sind, können unter bestimmten Voraussetzungen Erhöhung ihrer Bezüge aus dem Gesichtspunkt arbeitsrechtlicher Gleichbehandlung beanspruchen2. Zur Gleichbehandlung beim Ruhegehalt Rn 36. 32 b) Eine erfolgsbezogene Vergütung (Tantieme) muss besonders vereinbart wer-

den. § 612 Abs. 2 BGB findet insoweit keine Anwendung (ebenso wenig wie der frühere § 86 Abs. 2 AktG)3; Berechnungsgrundlagen und Höhe der Tantieme bestimmen sich nach der Vereinbarung, wie sie nach deren konkreten Sinn und Zweck auszulegen ist; ggf ist § 315 BGB anzuwenden4. Je nach Vereinbarung kann sich der zu vergütende Erfolg nach dem Ertrag der Gesellschaft (Gewinntantieme5) oder nach ihrem Wert- bzw Leistungsumsatz (Umsatztantieme6) bemessen. Umsatztantiemen sind für die Gesellschaft gefährlich, daher weniger gebräuchlich als Gewinntantiemen, aber nicht unzulässig7 – und zwar sogar dann nicht, wenn die Gesellschaft eine Unterbilanz (§ 30 Rn 10) aufweist8. – Eine Fixoder Mindesttantieme soll eine Mindesterfolgsvergütung garantieren; bei der Tantiemeermittlung wird sie angerechnet. Ihre Bedeutung kann auch darin liegen, die festen Geschäftsführerbezüge in ein ruhegehaltsfähiges Gehalt und in einen für dies nicht anzusetzenden Vergütungsanteil aufzuspalten9. – Bei einer auf das Geschäftsjahr bezogenen Tantieme entsteht der Zahlungsanspruch des Geschäftsführers an dessen Ende; fällig wird der Anspruch erst mit der Feststellung des Jahresabschlusses (§ 46 Nr. 1), es sei denn, diese wird treuwidrig verschleppt10. – Bei unklaren Berechnungsgrundlagen hat der Geschäftsführer die Gesellschafter von sich aus, also auch ungefragt zu informieren11. – Scheidet der Geschäftsführer während des Geschäftsjahres aus, berechnet sich die Tantieme nach einem entsprechenden Bruchteil des Erfolges, nicht nach dem Erfolg seines aktiven Jahresabschnitts12; auch hier wird der Anspruch erst mit der Abschluss1 Eingehend Fleck FS Hilger/Stumpf, 1983, S. 197, 210 ff; OLG Hamm GmbHR 1996, 768, 769 zum Gesellschafter-Geschäftsführer. 2 BGH ZIP 1990, 859, 860 = GmbHR 1990, 389; näher Rn 34. 3 Dazu 15. Aufl, Rn 32; BGH GmbHR 2003, 584. 4 BGH GmbHR 1994, 546, 547; OLG Oldenburg NZG 2000, 939 = GmbHR 2000, 1099. 5 Zur Berechnung MünchKomm/Jaeger § 35 Rn 314 f; U/H/L/Paefgen § 35 Rn 405 ff; Scholz/Uwe H. Schneider/Hohenstatt § 35 Rn 359. 6 Zur Berechnung MünchKomm/Jaeger § 35 Rn 316; Scholz/Uwe H. Schneider/Hohenstatt § 35 Rn 360. 7 BGH WM 1976, 1223, 1226. 8 BGH GmbHR 1992, 605, 606. 9 OLG München GmbHR 1999, 184, 185. 10 OLG Köln GmbHR 1993, 157, 158. 11 Felix GmbHR 1994, 607, 608. 12 S. OLG Hamm GmbHR 1985, 155, 157; Melot de Beauregard/Schwimmbeck/Gleich DB 2012, 2792, 2796; U/H/L/Paefgen § 35 Rn 407.

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feststellung fällig. – Steuerrechtlich kann vGA vorliegen1. – Vergütungen nach dem ArbeitnehmererfindungsG stehen dem Geschäftsführer nicht zu2, sehr wohl jedoch eine übliche Vergütung nach § 612 Abs. 2 BGB als Ausgleich für die Anbietungspflicht des Geschäftsführers3. Vertragliche Vereinbarungen haben aber Vorrang, wobei der Vergütungsanspruch ggf auch stillschweigend ausgeschlossen sein kann: so wenn Geschäftsführer gerade mit dem Ziel entgeltlich angestellt wird, persönlich auf Erfindungen hinzuarbeiten, die zu Schutzrechten führen können4. c) Eine Wertsicherungsklausel, um die Geschäftsführerbezüge an die wirt- 33 schaftliche Entwicklung anzupassen, ist zulässig nach Maßgabe von § 2 PreisklauselG5. Auch ohne Vertragsklauseln kann der Geschäftsführer eine Erhöhung seiner 34 Bezüge verlangen, wenn sich die Verhältnisse nach dem Vertragsabschluss verändert haben und die Geschäftsführerbezüge dadurch unter Berücksichtigung der ursprünglichen Vereinbarung in ein ganz offensichtlich unangemessenes Verhältnis zu den Aufgaben des Geschäftsführers und zur Lage der Gesellschaft geraten sind6. Der Gesellschafter-Geschäftsführer kann dann aus Gesellschaftertreupflicht (§ 14 Rn 29 ff) und aus Fürsorge (Rn 28) angemessene Erhöhung verlangen, weil ihm das Ausscheiden aus Geschäftsführeramt und Gesellschaft regelmäßig nicht zugemutet werden kann. Das gilt grundsätzlich nicht für den Fremdgeschäftsführer7; daher kann dieser nur unter weiteren Voraussetzungen Erhöhung verlangen: Entweder ist ihm die Aufgabe des Geschäftsführeramtes in näherer Zukunft versperrt oder (zB wegen seines Alters) nicht zumutbar8. Bei befristeten Anstellungsverträgen gelten diese Grundsätze idR nicht. UU kann sich ein Erhöhungsanspruch (auch im Vergleich zu in ungefähr vergleichbaren Angestellten) aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung ergeben9. Umgekehrt kann die Gesellschaft vom Geschäftsführer Zustimmung zur Herab- 34a setzung der Bezüge verlangen, falls sich die Verhältnisse nach Vertragsschluss nachteilig verändert haben und deshalb die Fortzahlung der Bezüge in ihrer bis1 S. dazu etwa Schiffers in Tillmann/Schiffers/Wälzholz/Rupp, Die GmbH im Gesellschafts- und Steuerrecht, Rn 1455 ff; vgl auch die Nachweise Rn 31a. 2 Henssler RdA 1992, 289, 296. 3 BGH GmbHR 1990, 160; OLG München DB 2007, 2198; Jestaedt FS Nirk, 1992, S. 493. 4 BGH NJW-RR 2001, 472; BGH NJW-RR 2007, 103; zum Ganzen näher (mit Vorschlägen zur Vertragsgestaltung) Friemel/Kamlah BB 2008, 613. 5 Gesetz vom 7.9.2007 (BGBl I 2246, 2247). 6 Michalski/Tebben § 6 Rn 164 f. 7 Näher OLG Nürnberg NZG 1999, 124, 125 = GmbHR 1999, 344. 8 B/H/Zöllner/Noack § 35 Rn 187. 9 BGH GmbHR 1990, 389; Boemke ZfA 1998, 209, 227; Goette GmbH, § 8 Rn 70, 103; Henssler RdA 1992, 289, 299 f.

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Anh zu § 6 | Anstellungsverhältnis herigen Höhe besonders unbillig wäre, namentlich wenn der Gesellschaft dadurch die Mittel entzogen würden, auf die sie zum Überleben dringend angewiesen ist1; hierfür hat die Gesellschaft die Darlegungs- und Beweislast. Dabei sind noch schärfere Anforderungen als nach § 87 Abs. 2 AktG idF des VorstAG (s. Rn 31) zu stellen, der auf den GmbH-Geschäftsführer keine Anwendung findet2. 35 d) Die Ansprüche auf Geschäftsführerbezüge verjähren in drei Jahren (§ 195

BGB); die Verjährung beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dessen Verlauf der Anspruch entstanden ist und der Anspruchsinhaber Kenntnis hiervon erlangt hat (s. näher § 199 Abs. 1 BGB). Spätestens tritt Verjährung in zehn Jahren ein (§ 199 Abs. 4 BGB). – Die Vergütungsansprüche sind abtretbar; § 85 steht dem allenfalls ausnahmsweise entgegen3. – Pfändungsschutz nach §§ 850 ff ZPO genießen alle Geschäftsführer unabhängig davon, ob Fremdgeschäftsführer, abhängiger Gesellschafter-Geschäftsführer oder beherrschender Gesellschafter-Geschäftsführer, für ihre laufenden Bezüge4.

8. Ruhegehalt und Hinterbliebenenversorgung Literatur: Brandmüller Der GmbH-Geschäftsführer im Gesellschafts-, Steuer- und Sozialversicherungsrecht, 17. Aufl 2005, S. 56 ff; Diller/Arnold/Kern Abdingbarkeit des Betriebsrentengesetzes für Organmitglieder, GmbHR 2010, 281; Goette GmbH, § 8 Rn 106 ff; Jaeger Anstellungsvertrag, 5. Aufl 2009, S. 142 ff; Scholz/Uwe H. Schneider/Hohenstatt § 35 Rn 381 ff.

36 a) Ein Anspruch des Geschäftsführers und nach seinem Tod ein Anspruch der

Hinterbliebenen gegen die Gesellschaft besteht nur bei vertraglicher (nicht formbedürftiger5) Vereinbarung. Aus betrieblicher Übung lassen sich Versorgungsbezüge für Geschäftsführer nur unter sehr engen Voraussetzungen herleiten6. Versorgungszusagen an leitende Angestellte können für einen Anspruch auf Gleichbehandlung uU ausreichen7. – Die Versorgungszusage vergütet dem

1 Vgl BGH GmbHR 1992, 607; BGH GmbHR 1995, 654, 655; OLG Düsseldorf DStR 2012, 309, 313; OLG Köln GmbHR 2008, 1216; OLG Naumburg GmbHR 2004, 423, 424; Goette DStR 1998, 1137, 1138; zu weiteren Einzelheiten Bauder BB 1993, 369; Lindemann GmbHR 2009, 737. 2 Gaul/Janz GmbHR 2009, 959, 961; MünchKomm/Jaeger § 35 Rn 324; Scholz/Uwe H. Schneider/Hohenstatt § 35 Rn 371; S/I/Lücke/Simon § 35 Rn 82; Wurth FS Maier-Reimer, 2010, S. 919, 923 ff; tendenziell anders Baeck/Götze/Arnold NZG 2009, 1121, 1224 f; Henssler/Strohn/Oetker § 35 GmbHG Rn 99; U/H/L/Paefgen § 35 Rn 370. 3 BGH GmbHR 1996, 612; Armbrüster GmbHR 1997, 56. 4 Scholz/Uwe H. Schneider/Hohenstatt § 35 Rn 373; B/H/Zöllner/Noack § 35 Rn 192; noch vorsichtig einschränkend BGH NJW 1978, 756: jedenfalls, wenn Geschäftsführer an Gesellschaft nicht oder nicht wesentlich beteiligt. 5 BGH GmbHR 1994, 112, 113. 6 BGH WM 1969, 686, 688; Fleck FS Hilger/Stumpf, 1983, S. 197, 212 f. 7 Vgl BGH GmbHR 1990, 389.

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Geschäftsführer sein lang andauerndes Ausharren im Betrieb der Gesellschaft, den er nicht wechselt, um seine persönliche Position zu verbessern1; vergütet wird also seine bereits erbrachte und weiterhin erwartete Betriebstreue2. – Steuerrechtlich ist wiederum die Problematik der vGA zu beachten3. b) Versorgungszusagen an abhängige Geschäftsführer (davon abzugrenzen ist 37 ein für die Zeit bis zum Eintritt des Versorgungsfalls versprochenes Übergangsgeld4) sind durch das BetrAVG5 geschützt (§ 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG); das gilt gleichfalls für Zusagen an Gesellschafter-Geschäftsführer, sofern diese nicht als „Unternehmer im eigenen Unternehmen“ anzusehen sind6. Als Unternehmer in diesem Sinne sind der Alleingesellschafter und die Mehrheitsgesellschafter zu betrachten, die als Geschäftsführer tätig gewesen sind7, ferner ein Minderheitsgesellschafter, dessen Beteiligung nicht ganz unbedeutend ist (das kann schon bei einem Anteil von 10 % der Fall sein8) und der zusammen mit einem oder mehreren anderen am Kapital beteiligten Geschäftsführern die Mehrheit der Anteile oder Stimmen besitzt und zusammen mit diesen eine notwendig gleichgerichtet abstimmende Einheit bildet9. – Das BetrAVG regelt dann ua die Unverfallbarkeit von Versorgungsanwartschaft und Ruhegehalt, die Verpflichtung der Gesellschaft zur regelmäßigen Anpassung der Versorgungsbezüge und ihre Insolvenzsicherung durch den PSV10, aber auch die vorgezogene Inanspruchnahme der Betriebsrente ab dem 60. Lebensjahr11. Sind die Voraussetzungen für einen unverfallbaren Versorgungsanspruch (noch) nicht erfüllt, kann die Gesellschaft eine Versorgungszusage freiwillig der Geltung des BetrAVG unterwerfen12, dessen Bestimmungen im Übrigen auch nur Mindest1 BGH NJW 1984, 1529, 1530 = GmbHR 1984, 75. 2 BGH WM 1981, 1344, 1346. 3 Zur BFH-Rspr s. die Übersichten bei Bascopé/Hering GmbHR 2005, 741, 745 ff; Harle/ Kulemann GmbHR 2005, 1275 ff; Kohlhaas GmbHR 2009, 685 ff; Schiffers in Tillmann/ Schiffers/Wälzholz/Rupp, Die GmbH im Gesellschafts- und Steuerrecht, Rn 1510 ff. 4 BGH AG 2001, 46. 5 Dazu Blomeyer/Rolfs/Otto Betriebsrentengesetz: Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung, 6. Aufl 2015; Höfer/Reiners/Wüst Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung, Loseblatt; Höfer Die Besteuerung der betrieblichen Altersversorgung …, 2. Aufl 2000. 6 BGH GmbHR 1981, 241. 7 BGHZ 77, 94, 101 f = GmbHR 1980, 162; BGH DStR 2008, 310, 311 = GmbHR 2008, 256. 8 BGH GmbHR 1997, 843, 844. 9 BGHZ 77, 241; BGH GmbHR 1997, 844; BAG GmbHR 1998, 84, 86; OLG Köln GmbHR 1989, 81, 82; s. dazu etwa Arteaga ZIP 1998, 276; Goette ZIP 1997, 1317; Thüsing AG 2003, 484 sowie die Zusammenfassung der BGH-Rspr bei BGH GmbHR 2003, 472, 473 und BGH GmbHR 2003, 1202, 1203. 10 Zusammenfassend dazu Scholz/Uwe H. Schneider/Hohenstatt § 35 Rn 389 ff und 527 ff. 11 BAG GmbHR 2014, 929. 12 BGH GmbHR 2002, 380; BGH ZIP 2009, 880 mN.

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Anh zu § 6 | Anstellungsverhältnis schutz gewährleisten wollen1. Andererseits kann durch Vereinbarung mit dem Geschäftsführer auch zu seinen Ungunsten von den Schutzbestimmungen des BetrAVG abgewichen werden, soweit dies (nach § 17 Abs. 3 Satz 1 BetrAVG) die Tarifparteien für Arbeitnehmer dürfen2. Praktische Relevanz hat das insbesondere für (von § 3 BetrAVG abweichende) Vereinbarungen zur Abfindung unverfallbarer Anwartschaften bei Beendigung des Anstellungsverhältnisses3. 38 c) Vereinbarte Versorgungsbezüge können allenfalls unter extremen Vorausset-

zungen nachträglich wieder entzogen (oder in ihrer Fälligkeit hinausgeschoben4) werden5. Denn die Versorgungszusage an einen Geschäftsführer hat Entgeltcharakter6 und ist regelmäßig die wesentliche und zumeist nicht wiederbeschaffbare Grundlage der Planungen für den Lebensabend des Geschäftsführers7. In der Regel können allein schwerste Verfehlungen mit existenzbedrohenden Auswirkungen auf die Gesellschaft und ihr Unternehmen8 den Verlust von Ruhegehaltsansprüchen rechtfertigen9. Dagegen reichen Pflichtverletzungen, die nach Art, Ausmaß und Folgen dies Gewicht nicht haben, regelmäßig sogar dann nicht aus, wenn auf sie eine fristlose Kündigung (§ 626 BGB) gestützt werden könnte. Außerdem ist stets zu prüfen, ob nicht das durch die Verfehlung gestörte Gleichgewicht der gegenseitigen Leistungen durch eine bloße Herabsetzung der Versorgungsbezüge wieder ausgeglichen werden kann10. Ob dem Versorgungsberechtigten die Einforderung der Zusage auch ohne Existenzgefährdung der Gesellschaft im Ausnahmefall wegen der besonderen Umstände seines Verhaltens und der extremen Höhe eines verursachten Schadens verwehrt sein kann, hat der BGH wiederholt offengelassen11.

39 d) Sobald sich die Gesellschaft in einer bestandsgefährdenden Notlage befindet,

kann ein Geschäftsführer kraft der ihn bindenden Treuepflicht gehalten sein, eine (einstweilige) Einstellung oder doch Kürzung der Zahlungen hinzunehmen,

1 BGH WM 1998, 1535, 1536. 2 BAG DB 2008, 536 = AP BetrAVG § 1 Beamtenversorgung Nr. 20. 3 Weiterführend zur Abdingbarkeit des BetrAVG für Organmitglieder Diller/Arnold/ Kern GmbHR 2010, 281; MünchKomm/Jaeger § 35 Rn 344 ff; Thüsing/Granetzny NZG 2010, 449. 4 Groß EWiR 1988, 857. 5 Dazu MünchKomm/Jaeger § 35 Rn 355 ff; Scholz/Uwe H. Schneider/Hohenstatt § 35 Rn 401 ff; Bauer/v. Steinau-Steinrück ZGR 1999, 314, 321 ff. 6 Goette FS Wiedemann, 2002, S. 873, 882 f. 7 BGH NJW 1984, 1529, 1530 = GmbHR 1984, 75. 8 Goette DStR 1996, 70, 71. 9 BGH ZIP 2000, 380, 381; BGH DStR 2000, 1783, 1784; BGH GmbHR 2002, 380, 381; BGH NZG 2002, 635, 636; BGH DStR 2007, 2175; OLG München GmbHR 2009, 822. Übereinstimmend damit die Rspr des BAG, s. etwa BAG ZIP 1990, 1612 und 1615; BAG NZA 2013, 1279. 10 Vgl BGH GmbHR 1984, 75; Goette GmbH, § 8 Rn 109. 11 BGH GmbHR 2002, 380, 381; BGH NZG 2002, 635, 636.

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falls diese Maßnahme voraussichtlich zur Gesundung des Unternehmens beitragen kann. Doch kann gegenüber Geschäftsführern, die nicht Unternehmer-Geschäftsführer nach § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG sind (Rn 37), nach Wegfall des Insolvenzsicherungsfalls der wirtschaftlichen Notlage (§ 7 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 BetrAVG aF) zum 1.1.1999 ein Recht zum Widerruf der Versorgungszusage nicht mehr anerkannt werden1. – Sollte die Sanierung gelingen oder scheitern, so leben in jedem Fall die Versorgungsrechte des Geschäftsführers in ihrer ursprünglichen Höhe wieder auf.

9. Sozialversicherung Literatur: Brandmüller Der GmbH-Geschäftsführer im Gesellschafts-, Steuer- und Sozialversicherungsrecht, 17. Aufl 2005, S. 343 ff; Jaeger Anstellungsvertrag, 5. Aufl 2009, S. 61 ff; Klose Die Sozialversicherungspflicht von GmbH-Geschäftsführern, GmbHR 2012, 1097; Reiserer Der GmbH-Geschäftsführer in der Sozialversicherung – Scheinselbständiger, Arbeitnehmer – ähnlicher oder freier Unternehmer, BB 1999, 2026; Reiserer/Schulte Der GmbHGeschäftsführer im Sozialversicherungsrecht, BB 1995, 2162; Stück Der GmbH-Geschäftsführer im Sozialrecht, GmbHR 2007, 1099; Wälzholz/Rupp in Tillmann/Schiffers/Wälzholz/ Rupp, Die GmbH im Gesellschafts- und Steuerrecht, 6. Aufl 2015, Rn 1281 ff; Winkler Die Sozialversicherungspflicht des GmbH-Geschäftsführers, DStR 1997, 289.

Der Geschäftsführer unterliegt als Beschäftigter iSv § 7 SGB IV grundsätzlich 40 der Renten-, Kranken-, Unfall- und Arbeitslosenversicherung. Das gilt insbesondere und in aller Regel für den Fremdgeschäftsführer; anders nur unter besonderen Umständen: so bei mit den Gesellschaftern familiär eng verbundenen Geschäftsführern, die die Geschäfte faktisch wie Alleininhaber nach eigenem Gutdünken führen2. Der Gesellschafter-Geschäftsführer ist dann nicht sozialversicherungspflichtig, wenn er wegen seiner Kapitalbeteiligung ihm nicht genehme Weisungen einer anderen Stelle der Gesellschaft verhindern kann und deshalb in keinem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zur Gesellschaft oder einem Dritten (Rn 9) steht3. Daher sind Gesellschafter-Geschäftsführer mit einer min-

1 BAG DB 2004, 324; BAG DB 2008, 1505 Rn 24 f; weiterführend U/H/L/Paefgen § 35 Rn 461; Scholz/Uwe H. Schneider/Hohenstatt § 35 Rn 401. 2 So BSG GmbHR 2002, 324 mN; s. auch BSG GmbHR 2007, 1324; LSG Bayern GmbHR 2007, 490, 492 f; LSG Hessen GmbHR 2007, 487; wN bei Reiserer BB 2009, 718, 719. Zur Sozialversicherungspflicht eines in Deutschland tätigen director einer irischen Ltd s. BSG GmbHR 2008, 1154. 3 BSG GmbHR 1992, 172, 173; eingehend Grimm DB 2012, 175; Nägele BB 2001, 305, 310; Reiserer/Fallenstein DStR 2010, 2085; speziell zur Ehegattenbeteiligung und ihren Auswirkungen BSG GmbHR 1992, 810, 812; zur Verwaltungspraxis Figge GmbHR 2002, R 269; Grams GmbHR 2003, 29.

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Anh zu § 6 | Anstellungsverhältnis destens 50%igen Kapitalbeteiligung1 regelmäßig2 nicht sozialversicherungspflichtig3 – und zwar selbst dann nicht, wenn sie unter der Oberleitung eines Beirats stehen, sofern nur dieser wiederum den Gesellschaftern nachgeordnet ist und der Gesellschafter-Geschäftsführer auf dieser Ebene der Gesellschafter maßgeblichen Einfluss hat4. Ein Gesellschafter-Geschäftsführer mit einer unterhälftigen Kapitalbeteiligung ist grundsätzlich sozialversicherungspflichtig5, ausnahmsweise aber dann nicht, wenn er im konkreten Einzelfall aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unabhängig gegenüber Mitgeschäftsführern und Gesellschaftern ist6 und seine Tätigkeit im Wesentlichen frei gestalten kann7; als Indiz ist dabei auch zu berücksichtigen, welches Unternehmerrisiko der Gesellschafter-Geschäftsführer trägt8. Zum Insolvenzgeld (§§ 165 ff SGB III) s. Rn 72. 40a § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI idFd HaushaltsbegleitG 2006 stellt – in Reaktion auf die

BSG-Entscheidung vom 24.11.20059 – fest, dass als Auftraggeber der Gesellschafter auch die Auftraggeber der Gesellschaft gelten (näher zum Hintergrund 18. Aufl, Rn 40a).

Bei Abgabe einer Arbeitgebermeldung (§ 28a SGB IV) über die Beschäftigung eines Gesellschafter-Geschäftsführers ist (bei Aufnahme der Beschäftigung seit dem 1.1.2005) ein Statusfeststellungsverfahren von Amts wegen nach § 7a SGB IV durchzuführen (§ 7a Abs. 1 Satz 2 SGB IV), in dem die Deutsche Rentenversicherung Bund entscheidet10.

10. Leistungsstörungen 41 a) Kann der Geschäftsführer sein Amt aus einem Grund, den weder er noch die

Gesellschaft zu vertreten haben, nicht ausüben, so behält er nach § 616 Satz 1 BGB seine Vergütungsansprüche11, sofern er nur eine verhältnismäßig unerheb-

1 Zum Alleingesellschafter: BSG GmbHR 1990, 300 = BB 1990, 783; BSG GmbHR 2006, 645. 2 Ausnahmefall zB BSG GmbHR 1995, 584: besonders gestaltetes Treuhandverhältnis; ähnlich BSG ZIP 1997, 1120, 1122 = GmbHR 1997, 696; BSG GmbHR 2006, 645; LSG NRW GmbHR 1992, 174. 3 Näher Reiserer/Schulte BB 1995, 2162, 2163 f. 4 BSG BB 1984, 1049, 1050. 5 Näher BSG GmbHR 1993, 355 und etwa LSG Saarland DStR 2012, 1038. 6 BSG GmbHR 1991, 461; BSG GmbHR 1998, 1127; LSG NRW GmbHR 1992, 174, 176; LSG Bayern DStR 2015, 241; LSG Darmstadt ZIP 2014, 1931. 7 BSG BB 1987, 406, 407 = GmbHR 1987, 351. 8 BSG BB 1984, 1049, 1050. S. zum Ganzen etwa Klose GmbHR 2012, 1097. 9 BSG GmbHR 2006, 367. 10 Dazu – und zum gemeinsamen Rundschreiben der Sozialversicherungsträger vom 13.4. 2010 – etwa Grimm DB 2012, 175; Reiserer/Fallenstein DStR 2010, 2085. 11 U/H/L/Paefgen § 35 Rn 387.

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liche Zeit verhindert ist1; § 326 Abs. 1 BGB kommt nicht zum Zuge2. Nach §§ 611, 616 Satz 1 BGB bemisst sich auch der Anspruch des Geschäftsführers auf Fortzahlung der Vergütung im Krankheitsfall; das EFZG findet keine Anwendung3. Bei länger andauernder Verhinderung des Geschäftsführers kann unter besonderen Umständen immer noch die Aufrechterhaltung eines Vergütungsteils in Betracht kommen4. – Zur Herabsetzung der Vergütung wegen wirtschaftlicher Notlage der Gesellschaft Rn 34a. b) Hat die Gesellschaft den Verhinderungsgrund zu vertreten oder befindet sie 42 sich im Annahmeverzug (dazu Rn 50), so behält der Geschäftsführer seine Vergütungsansprüche nach Maßgabe der §§ 326 Abs. 2, 615 BGB5. Für die Frage des Betriebsrisikos ist zu unterscheiden: Muss der Betriebsausfall, der den Geschäftsführer von der Amtsführung ausschließt, auf eine Gefahr im eigenen Einflussbereich des Geschäftsführers zurückgeführt werden, so hat sich dieser nach § 326 Abs. 1 BGB zumindest eine Kürzung seiner Bezüge gefallen zu lassen6. Im Übrigen geht das Betriebsrisiko zu Lasten der Gesellschaft; das gilt ebenfalls für die Zeit arbeitskampfbedingten Betriebsausfalls sowie für den Amtswegfall wegen Verschmelzung7. Das Betriebsrisiko braucht sich ein Gesellschafter-Geschäftsführer auch nicht deshalb zurechnen zu lassen, weil er als Gesellschafter das Unternehmerrisiko trägt8; insoweit sind seine beiden Rollen streng voneinander zu trennen. c) Erfüllt der Geschäftsführer seine Dienstleistung schuldhaft schlecht, so haftet 43 er der Gesellschaft nur körperschaftlich aus § 43 Abs. 2 (§ 43 Rn 3), nicht daneben auch vertragsrechtlich wegen Pflichtverletzung (zur Haftungskonzentration auf die Gesellschaft Rn 19). Dagegen kann dem Geschäftsführer die vereinbarte Vergütung allenfalls in Extremfällen (zB völlig wertlose Dienstleistung) vorenthalten oder gekürzt werden9. – Anders, wenn und soweit der Geschäftsführer seine geschuldete Dienstleistung schuldhaft (ganz oder teilweise) gar nicht erbringt (zB die vereinbarten Dienstzeiten nicht einhält); in diesem Fall verliert er seinen Vergütungsanspruch (§ 326 Abs. 1 BGB). Die Gesellschaft kann den Anstellungsvertrag unter den Voraussetzungen von § 626 BGB außer1 2 3 4 5 6 7 8 9

Fleck FS Hilger/Stumpf, 1983, S. 197, 217. BGHZ 10, 187, 193 zu § 323 Abs. 1 BGB aF. Dazu Haase GmbHR 2005, 1260. Fleck FS Hilger/Stumpf, 1983, S. 197, 218; Haase GmbHR 2005, 1260, 1266 f; tendenziell enger BGH ZIP 1988, 569: Vergütung bloß unter qualifizierten Voraussetzungen; ähnlich U/H/L/Paefgen § 35 Rn 389: nur in Ausnahmefällen. Moll FS Schwerdtner, 2003, S. 453, 464 f; U/H/L/Paefgen § 35 Rn 384, 391; Scholz/Uwe H. Schneider/Hohenstatt § 35 Rn 415 ff. Fleck FS Hilger/Stumpf, 1983, S. 197, 218 zu § 323 Abs. 1 BGB aF; ebenso jetzt Scholz/ Uwe H. Schneider/Hohenstatt § 35 Rn 422. Baums ZHR 156 (1992), 248, 251 f. AA Fleck FS Hilger/Stumpf, 1983, S. 197, 218; wie hier Scholz/Uwe H. Schneider/Hohenstatt § 35 Rn 422. Fleck FS Hilger/Stumpf, 1983, S. 197, 219.

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Anh zu § 6 | Anstellungsverhältnis ordentlich kündigen (näher Rn 57 ff) sowie aus §§ 280 ff BGB den Anspruch auf Schadensersatz geltend machen1.

11. Beendigung des Anstellungsverhältnisses Literatur: Neu Die Beendigung der Anstellungsverhältnisse von GmbH-Geschäftsführern, 2000; Reiserer/Peters Die anwaltliche Vertretung von Geschäftsführern und Vorständen bei Abberufung und Kündigung, DB 2008, 167. Zur sonstigen abgekürzt zitierten Literatur s. die Angaben vor Rn 1.

44 a) Die Beendigung des Anstellungsverhältnisses ist vom Widerruf der Bestel-

lung (§ 38) zu unterscheiden – und zwar beim Fremdgeschäftsführer ebenso wie beim Gesellschafter-Geschäftsführer; denn der Verlust der Organstellung führt nicht automatisch zum Ende des schuldrechtlichen Anstellungsverhältnisses (§ 6 Rn 1). Das hat auch Auswirkungen, wo beide Rechtsverhältnisse durch entsprechende Vertragsgestaltung (Koppelungsklausel) miteinander verknüpft sind2. Zwar kann der Bestand des Anstellungsvertrages durch eine auflösende Bedingung an die Organstellung des Geschäftsführers geknüpft3 oder vereinbart werden, dass mit dem Widerruf der Bestellung zugleich das Anstellungsverhältnis als ordentlich oder außerordentlich gekündigt gelten soll. Bei befristeten Verträgen muss aber das Recht zur ordentlichen Kündigung im Falle des Widerrufs der Bestellung vereinbart sein4; andernfalls ist nur eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund (iSv § 626 Abs. 1 BGB; s. Rn 57 ff) möglich5. Da für die ordentliche Kündigung des Geschäftsführeranstellungsvertrages § 622 BGB analog gilt (Rn 53), können mit einer Koppelungsklausel dessen zwingende (§ 622 Abs. 5 BGB)6 Kündigungsfristen im Übrigen nicht unterschritten werden; das muss auch bei Vereinbarung einer auflösenden Bedingung Beachtung finden7. Entsprechendes gilt, wo vereinbart wird, dass im Widerruf

1 U/H/L/Paefgen § 35 Rn 384; vgl auch BGH GmbHR 1988, 138. 2 Zu den unterschiedlichen rechtstechnischen Ausgestaltungen von „Koppelungsklauseln“ Bauer/Diller GmbHR 1998, 809, 810; Bauer/Krieger/Arnold Aufhebungsverträge, Rn D 71 ff. 3 BGH BB 1989, 1577, 1578 = GmbHR 1989, 415; OLG Saarbrücken GmbHR 2013, 758; zu den Anforderungen an die Eindeutigkeit einer solchen Abrede auch Goette DStR 1999, 1537. 4 Formulierungsbeispiel bei Lohr NZG 2001, 826, 832. 5 Dazu BGH NJW 1999, 3263, 3264 = GmbHR 1999, 1140. Zur AGB-Kontrolle von Koppelungsklauseln s. Mirza Khanian S. 169 ff; Bauer/Krieger/Arnold Aufhebungsverträge, Rn D 78 ff; Bauer/Arnold ZIP 2006, 2337, 2342 f; von Westphalen BB 2015, 834. 6 S. dazu auch Goette GmbH, § 8 Rn 43, 152. 7 Zum Ganzen (mit Unterschieden im Detail) Bauer/Diller GmbHR 1998, 809, 810 ff; Bauer/Krieger/Arnold Aufhebungsverträge, Rn D 71 ff; Flatten GmbHR 2000, 922, 924 f; Grumann/Gillmann DB 2003, 770, 772 f; Lunk ZIP 1999, 1777, 1781; U/H/L/Paefgen § 38 Rn 253 ff; grundsätzlich kritisch (weil Analogie zu § 622 BGB ablehnend) Uffmann S. 311 ff.

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der Bestellung ein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung des Anstellungsvertrages liegt (s. Rn 57). Überall dort, wo zwischen dem Bestellungs- und dem Anstellungsverhältnis zu 45 trennen ist, müssen die Tatsachen, die für einen Widerruf aus wichtigem Grund (§ 38 Abs. 2) angeführt werden, eigenständig dahin gewürdigt werden, ob sie ebenfalls die außerordentliche Kündigung des Anstellungsverhältnisses rechtfertigen. Bei dieser ist außerdem zu prüfen, ob ihre Wirksamkeit an § 626 Abs. 2 BGB scheitert (Rn 62 ff). Bei einem (ausnahmsweise vorliegenden) ruhenden „Hintergrund“-Arbeitsverhältnis (Rn 4) ist zu prüfen, ob sich die Kündigung ebenso auf dies erstreckt, und erneut eigenständig, ob die Tatsachen auch diese Kündigung rechtfertigen. Zum Gerichtsstand in diesem Fall Rn 75. Zu den Übergangsfragen für die Zeit zwischen der Geschäftsführerabberufung und der Beendigung seines Anstellungsvertrages s. Rn 21 und 28 sowie § 38 Rn 25. b) Beendigungsgrund für das Anstellungsverhältnis ist etwa der Eintritt eines 46 bestimmten Ereignisses als auflösende Bedingung (vor allem: Beendigung der Geschäftsführerstellung; s. aber Rn 44 und Rn 56) oder seine – uU auch mehrfach verlängerte – Befristung1 (§ 620 Abs. 1 BGB; zur Frage der Anwendbarkeit des TzBfG auf das Geschäftsführeranstellungsverhältnis s. Rn 5). Eine entsprechende Gestaltung des Anstellungsvertrages bedurfte früher keiner sachlichen Rechtfertigung2. Heute sind die Benachteiligungsverbote des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) zu beachten (dazu näher § 6 Rn 34 f), was sich insbesondere auf Altersklauseln im Anstellungsvertrag auswirkt. Soweit Fremdgeschäftsführer (und wohl auch geringfügig beteiligte Gesellschafter-Geschäftsführer ohne Sperrminorität) als unselbständig Erwerbstätige der uneingeschränkten Anwendbarkeit des AGG unterliegen (s. zu dieser Problematik § 6 Rn 34), ist auch die Beendigung ihres Anstellungsverhältnisses dem Benachteiligungsverbot aus Gründen des Alters etc unterworfen (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 iVm §§ 1, 6 Abs. 1, 7 AGG). Im Übrigen soll das Benachteiligungsverbot für Organmitglieder gemäß § 6 Abs. 3 AGG jedoch nur hinsichtlich des Zugangs zur Erwerbstätigkeit gelten. Nach verbreiteter Ansicht sind die Diskriminierungsverbote des AGG deshalb unanwendbar, wo die Beendigung des Anstellungsverhältnisses von Organmitgliedern in Rede steht3. Schon frühzeitig war allerdings geltend gemacht worden, über die (vermeintliche) Freiheit zu diskriminierender Entlassung dürfe nicht das Diskriminierungsverbot hinsichtlich der Zugangsbedingungen konterkariert werden4. Noch weitergehend interpretieren Teile des 1 Formulierungsbeispiele bei Flatten GmbHR 2000, 922. 2 S. 16. Aufl, Rn 46. 3 So etwa Hoentzsch S. 35 ff (zusammenfassend S. 55, 98); Mohr ZHR 178 (2014), 326, 346 f; Henssler/Strohn/Oetker § 35 GmbHG Rn 112 mwN. 4 Lutter BB 2007, 725, 728 f; s. auch Preis/Sagan ZGR 2013, 26, 61 ff.

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Anh zu § 6 | Anstellungsverhältnis Schrifttums den Begriff des Zugangs in § 6 Abs. 3 AGG – vor dem Hintergrund der Vorgaben des europäischen Richtlinienrechts, deren Reichweite allerdings wiederum kontrovers beurteilt wird1 – als „fortgesetzten Zugang“ unter Einbeziehung der Beendigung des Anstellungsverhältnisses2. Wieder andere Stimmen erkennen in § 6 Abs. 3 AGG zwar ein Umsetzungsdefizit, lehnen eine erweiternde (richtlinienkonforme) Auslegung der Vorschrift aber als unzulässig ab, weil deren Wortlaut eindeutig sei und dem tatsächlichen Willen des deutschen Gesetzgebers entspreche3. Der BGH hat vom Begriff des Zugangs in § 6 Abs. 3 AGG (und zwar bezogen auf das Anstellungs- und Bestellungsverhältnis) den Fall als erfasst angesehen, in dem die Bestellung eines Geschäftsführers aufgrund einer Befristung endete und die Stelle neu besetzt werden sollte („erneuter Zugang“)4. Wo hingegen das Anstellungsverhältnis des Geschäftsführers durch Entlassung beendet und seine Bestellung zum Geschäftsführer widerrufen werden solle (Entlassungs- und Widerrufsentscheidung), müsse eine Abwägung nach dem AGG nicht vorgenommen werden5. Ob für Fremdgeschäftsführer – im Wege der Auslegung des § 6 Abs. 1 AGG – etwas anderes zu gelten hat (in diesem Sinne die heute wohl hM; s. § 6 Rn 34), hat der Senat offen gelassen6. Wo die Benachteiligungsverbote des AGG anwendbar sind, erlaubt § 10 AGG im Übrigen eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters, sofern sie angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist (s. schon § 6 Rn 35). Dabei ist auch die Vereinbarung der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses bei Erreichen eines bestimmten Alters zulässig. Angesichts der erhöhten Anforderungen, denen die Tätigkeit als Unternehmensleiter unterliegt, sollte die entsprechende Altersgrenze auch deutlich unterhalb des regelmäßigen Renteneintrittsalters (vgl § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG) markiert werden können; zum Ganzen näher § 6 Rn 35. – Zwar können Verstöße gegen das AGG keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses (sondern nur Entschädigungsund Schadensersatzansprüche) auslösen (§ 15 AGG; vgl § 6 Rn 41). Eine AGGwidrige Befristungsregelung im Anstellungsvertrag ist gleichwohl unwirksam (§ 7 Abs. 2 AGG), das Anstellungsverhältnis besteht dann darüber hinaus fort. – § 41 Satz 2 SGB VI (Vereinbarung über Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu einem bestimmten Zeitpunkt vor Erreichen der Regelaltersgrenze) ist arbeits-

1 S. einerseits Schubert ZIP 2013, 289 ff; andererseits Hoentzsch S. 39 ff. 2 So etwa Horstmeier GmbHR 2007, 125, 126; Schubert ZIP 2013, 289, 290 ff; MünchKommBGB/Thüsing 7. Aufl 2015, § 2 AGG Rn 7. 3 In diesem Sinne Schubert ZIP 2013, 289, 290 ff, die zum Diskriminierungsschutz von Organmitgliedern deshalb auf die allgemeinen Bestimmungen der §§ 138, 242 BGB zurückgreifen will; ein Umsetzungsdefizit, das sich nicht durch richtlinienkonforme Auslegung beseitigen lasse, sieht auch Ziemons KSzW 2013, 19, 23 ff. 4 BGH GmbHR 2012, 845 Rn 20 ff. 5 So BGH GmbHR 2012, 845 Rn 21. 6 BGH GmbHR 2012, 845 Rn 17.

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rechtliche Schutzvorschrift, die auf das Anstellungsverhältnis des Geschäftsführers keine Anwendung findet1. Weitere Beendigungsgründe sind: einvernehmliche Vertragsaufhebung2, ordentliche und außerordentliche Kündigung (Rn 51 ff, 57 ff; bei befristetem Anstellungsvertrag muss das Recht zur ordentlichen Kündigung eigens vereinbart werden3), Tod des Geschäftsführers (§§ 675, 673 BGB; zu den Hinterbliebenenbezügen Rn 36). Kein Beendigungsgrund: der Widerruf der Geschäftsführerbestellung (§ 38, s. aber auch Rn 44 und Rn 58), die Amtsniederlegung4, der Verlust der Organstellung bei formwechselnder Umwandlung5 oder Verschmelzung6 (s. auch dazu noch Rn 58), der Wegfall der Geschäftsgrundlage (bloßer Kündigungsgrund) sowie die Auflösung der Gesellschaft (§ 66 Abs. 1), es sei denn, durch Gesellschaftsvertrag oder Gesellschafterbeschluss sind andere Personen zu Liquidatoren bestellt. Zur insolvenzbedingten Beendigung Rn 69. c) Arbeitsrechtliche Schutzvorschriften kommen bei der Beendigung des An- 47 stellungsverhältnisses (auch beim Fremdgeschäftsführer) regelmäßig nicht zum Zuge7. Nicht anwendbar sind insbesondere §§ 1 ff KSchG, wegen der Anordnung in § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG selbst dann nicht, wenn das der Organstellung zugrunde liegende Anstellungsverhältnis des Geschäftsführers ausnahmsweise (s. Rn 3 ff) als Arbeitsverhältnis ausgestaltet sein sollte8. Insoweit ist entscheidend, ob der Geschäftsführer bei Zugang der Kündigungserklärung noch als solcher bestellt war. Zu beachten sind ggf jedoch ruhende (Rn 4) oder zusätzliche Arbeitsverhältnisse iVm dem Anstellungsverhältnis9. Im Übrigen kann im Ge1 Aber streitig; aA etwa Hägele GmbHR 2011, 190, 192 mN. 2 Neu S. 134 ff; zur Notwendigkeit eines Gesellschafterbeschlusses: OLG Hamm GmbHR 1991, 466; Goette DStR 1998, 938, 941; s. auch OLG Frankfurt GmbHR 1995, 897; zur Auswirkung der Aufhebung auf ein vereinbartes nachvertragliches Wettbewerbsverbot: OLG Köln GmbHR 1997, 743. 3 BGH NJW 1999, 3263, 3264 = GmbHR 1999, 1140; OLG Hamm GmbHR 2008, 542, 543. 4 BGHZ 78, 82, 84 = GmbHR 1980, 270. 5 Ganz hM: BGH GmbHR 1997, 646; ausführlich (und kritisch) Hoger ZGR 2007, 868, 869 ff mwN. 6 BGH ZIP 2000, 508; B/H/Zöllner/Noack § 35 Rn 257; Lutter/Grunewald § 20 UmwG Rn 28; Baums ZHR 156 (1992), 248, 249 mit Erörterung der Folgefragen. Eingehend Buchner/Schlobach GmbHR 2004, 1. 7 Henssler/Strohn/Oetker § 35 GmbHG Rn 114; grundsätzlich aA für den weisungs- und wirtschaftlich abhängigen bzw für den sozial schutzbedürftigen Geschäftsführer: Groß S. 376. 8 BGH ZIP 2000, 508, 510; BGH GmbHR 2007, 606, 607; BAG ZIP 1983, 607, 609 f = GmbHR 1984, 70; BAG GmbHR 2007, 1219, 1220; BAG GmbHR 2008, 429, 431; Bauer/Gragert ZIP 1997, 2181; Bauer/Arnold DB 2008, 350, 351 f; vgl auch OLG Hamburg GmbHR 2013, 580, 582 f. 9 BAG ZIP 1986, 1213, 1215 f = GmbHR 1987, 265; BAG GmbHR 1988, 179; BAG ZIP 2003, 1010, 1013 f = GmbHR 2003, 765; BAG GmbHR 2015, 184 Rn 19 ff.

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Anh zu § 6 | Anstellungsverhältnis schäftsführer-Anstellungsvertrag die Geltung der materiellen Regeln des KSchG vereinbart werden1. Jedoch kommt es dann auf Antrag der Gesellschaft ggf zur Auflösung des Anstellungsverhältnisses durch gerichtliche Entscheidung gegen (richterlich festgesetzte) angemessene Abfindung, wenn der Geschäftsführer zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt ist: §§ 14 Abs. 2, 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG2. 47a Regelmäßig keine Anwendung finden auch die Schutzvorschriften nach SGB

IX3 (früher §§ 12 ff SchwerbehindertenG4). Auch Schriftformgebot aus § 623 BGB (dazu Rn 4a) gilt für Beendigung des Anstellungsverhältnisses des Geschäftsführers durch Kündigung oder Aufhebungsvertrag nicht, auch nicht analog5; Schriftform wird aber häufig vertraglich vereinbart6. Zur Berücksichtigung von Geschäftsführern beim Schwellenwert für eine Massenentlassungsanzeige s. schon Rn 5; zur Anwendbarkeit des MutterschutzG sogleich Rn 47b.

Zum Gerichtsstand s. Rn 75 ff. 47b Angesichts des gegenüber dem nationalen deutschen Recht ggf weiteren Arbeit-

nehmerbegriffs im europäischen Gemeinschaftsrecht (vgl § 6 Rn 34) kann es in europarechtskonformer Auslegung geboten sein, auf Fremdgeschäftsführer (und wohl auch geringfügig beteiligte Gesellschafter-Geschäftsführer ohne Sperrminorität) solche Schutzvorschriften anzuwenden, die auf europäischem Richtlinienrecht beruhen (s. schon Rn 5). Die Frage stellt sich etwa für die Bestimmungen des MutterschutzG, nachdem der EuGH die Fremdgeschäftsführerin einer lettischen Aktiengesellschaft in den Geltungsbereich der Mutterschutzrichtlinie 92/85/EWG einbezogen hat7. Ein genereller Anwendungsausschluss von § 9 Abs. 1 MutterschutzG auf jede GmbH-Geschäftsführerin8 ist mit den

1 BGH GmbHR 2010, 808. 2 BGH GmbHR 2010, 808 Rn 15; Dzida NJW 2010, 2345; Jaeger DStR 2010, 2312, 2317 f; MünchKomm/Jaeger § 35 Rn 405 ff. 3 OLG Düsseldorf GmbHR 2012, 1347, 1349 ff; OLG Hamm GmbHR 2007, 820, 821; Scholz/Uwe H. Schneider/Hohenstatt § 35 Rn 289; Henssler/Strohn/Oetker § 35 GmbHG Rn 114; Preis/Sagan ZGR 2013, 26, 57. 4 BGH NJW 1978, 1435, 1437; OLG Hamm ZIP 1987, 121, 122 = GmbHR 1987, 307; Henssler RdA 1992, 289, 296. 5 OLG Düsseldorf NZG 2004, 478, 490; Goette GmbH, § 8 Rn 90; Scholz/Uwe H. Schneider/Hohenstatt § 35 Rn 285; Lohr NZG 2001, 826, 828; Henssler/Strohn/Oetker § 35 GmbHG Rn 114; Zimmer BB 2003, 1175; B/H/Zöllner/Noack § 35 Rn 217 und 256. 6 Dazu Lohr NZG 2001, 826, 829; Bauer/Krieger ZIP 2004, 1247, 1250 f. Zur AGB-Kontrolle doppelter Schriftformklauseln s. BAG ZIP 2008, 2035 (für Formulararbeitsvertrag) und dazu Schramm/Kröpelin DB 2008, 2362. 7 EuGH AG 2011, 165 – Danosa; dazu etwa Fischer NJW 2011, 2329; Lunk/Rodenbusch GmbHR 2012, 188, 191 f; Mohr ZHR 178 (2014), 326, 339 ff; Preis/Sagan ZGR 2013, 26, 33 ff. 8 Zur Anwendbarkeit des MutterschutzG auf die abhängige Geschäftsführerin auch schon BAG NJW 1999, 3731, 3732 = GmbHR 1999, 925.

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Richtlinienvorgaben jedenfalls nicht in Einklang zu bringen1. Zur Geltung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) s. Rn 46 sowie § 6 Rn 34 f; zu den Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die Benachteiligungsverbote des AGG bei der Entscheidung über die Geschäftsführer(wieder)anstellung und -bestellung s. § 6 Rn 36 und 41. d) Rechtsfolgen der Beendigung: Mit der Beendigung des Anstellungsverhält- 48 nisses finden die Ansprüche auf aktive Bezüge (Rn 31) ihr Ende; das gilt ebenfalls für den Tantiemeanspruch, und zwar selbst dann, wenn nach der Beendigung ein Geschäft erfolgswirksam wird, das der Geschäftsführer vor der Beendigung eingeleitet hat; s. auch Rn 32. Im Zeitraum zwischen Abberufung aus der Organstellung und erst späterer Beendigung des Anstellungsvertrages bleibt indes auch ein vereinbarter Tantiemeanspruch bestehen2. Versorgungsbezüge bleiben von der Beendigung unberührt (s. aber Rn 38). UU haben der Geschäftsführer oder die Gesellschaft einen Schadensersatzanspruch nach § 628 Abs. 2 BGB (s. Rn 28 und § 38 Rn 25)3; zum Anspruch des Geschäftsführers entsprechend § 904 Satz 2 BGB Rn 17. – Im Übrigen kann der Geschäftsführer die Erteilung eines Zeugnisses (Rn 29) verlangen. Zur Frage eines Anspruchs auf Entlastung s. § 46 Rn 28). – Nach Beendigung seiner Amtszeit hat der Geschäftsführer der Gesellschaft Rechnung zu legen und sämtliche Geschäftsunterlagen zurückzugeben (§§ 675, 666 f, 259 BGB); insoweit hat er kein Zurückbehaltungsrecht wegen noch ausstehender Zahlungen, weil die Unterlagen für die Fortführung der Geschäfte benötigt werden; das gilt auch dort, wo ein rein korporationsrechtliches Verhältnis zur Gesellschaft (und nicht auch ein Anstellungsverhältnis im Sinne eines Geschäftsbesorgungsvertrags) besteht4. Zur nachorganschaftlichen Treupflicht sowie zum nachvertraglichen Wettbewerbsverbot Rn 21 und 25 ff. Bei Beendigung des Anstellungsverhältnisses hat der Geschäftsführer keinen 49 Anspruch auf Weiterbeschäftigung in einer anderen nachgeordneten Position – es sei denn, das ursprüngliche Arbeitsverhältnis des Geschäftsführers habe ruhend fortbestanden (Rn 4). S. hierzu und zur umgekehrten Verpflichtung des abberufenen Geschäftsführers, einstweilen in der Gesellschaft fortzuwirken, Rn 28 und § 38 Rn 25. Der Geschäftsführer kann die behauptete Unwirksamkeit einer Kündigung mit 50 Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO geltend machen5. Bei einer unwirksamen 1 S. auch Bauer/Arnold ZIP 2012, 597, 598; Scholz/Uwe H. Schneider/Hohenstatt § 35 Rn 506 ff; MünchKomm/Jaeger § 35 Rn 285; Lunk FS Bauer, 2010, S. 705 ff; U/H/L/Paefgen § 35 Rn 250; Preis/Sagan ZGR 2013, 26, 53 ff. 2 Bauer/Göpfert/Siegrist DB 2006, 1774. 3 BAG GmbHR 2003, 105, 108 ff. 4 BGH WM 1968, 1325, 1328; BGH GmbHR 2008, 1214; Deilmann/Otte BB 2011, 1291, 1292 f; kritisch Freund NZG 2015, 1419, 1420 f. 5 BGH GmbHR 2005, 1049.

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Anh zu § 6 | Anstellungsverhältnis fristlosen Kündigung seitens der Gesellschaft verliert der Geschäftsführer gemäß § 615 BGB trotzdem seine Bezüge, wenn er der Gesellschaft nicht seine Dienstleistung nach §§ 294 ff BGB anbietet1. Selbst ein wörtliches Angebot (§ 295 BGB) soll aber dann entbehrlich sein, wenn die Gesellschaft erkennen lässt, dass sie unter keinen Umständen bereit ist, den Geschäftsführer weiter zu beschäftigen2. Die Vergütungsklage auf Leistung der fälligen Beträge kann im Urkundenprozess erhoben werden3, auch wenn die Urkunde nur den Bruttobetrag ausweist4; zum Gerichtsstand Rn 75. – Kündigt der Geschäftsführer fristlos und stellt er seine Tätigkeit ein, kann er sich später nicht mehr darauf berufen, das Anstellungsverhältnis bestehe mangels Wirksamkeit der Kündigung fort5.

12. Ordentliche Kündigung Literatur: Bauer/Krieger Formale Fehler bei Abberufung und Kündigung vertretungsberechtigter Organmitglieder, ZIP 2004, 1247; Reiserer Kündigung des Dienstvertrages des GmbH-Geschäftsführers, DB 2006, 1787. Zur sonstigen abgekürzt zitierten Literatur s. die Angaben vor Rn 1.

51 a) Das Recht zur ordentlichen Kündigung besteht nach § 620 Abs. 2 BGB im

Zweifel nur bei unbefristetem Anstellungsvertrag; bei befristetem Vertrag bedarf es der Vereinbarung (Rn 44). Die in Geschäftsführer-Anstellungsverträgen verbreiteten Altersklauseln (dazu Rn 46) stehen der Möglichkeit ordentlicher Kündigung aber nicht entgegen; denn die Vertragsparteien haben typischerweise nicht den Willen eine ordentliche Kündigung auszuschließen6. Über die Kündigung entscheidet (Wirksamkeitsvoraussetzung) das für die Beund Anstellung zuständige Organ, nach dem Normalstatut also die Gesellschafter (§ 46 Nr. 5; s. § 46 Rn 23), und zwar selbst dann, wenn die Bestellung schon widerrufen ist und die mit ihr innerlich zusammenhängende Kündigung

1 OLG Koblenz GmbHR 1994, 887, 888; Lunk FS Kreutz, 2010, S. 733, 734 ff; U/H/L/Paefgen § 38 Rn 136; B/H/Zöllner/Noack § 35 Rn 250; s. auch BGH NJW-RR 1997, 537, 538 = GmbHR 1997, 647; OLG Düsseldorf GmbHR 1999, 543, 549: in Klage auf Gehaltsfortzahlung oder anderem Protest gegen die fristlose Kündigung kann wörtliches Angebot liegen. 2 BGH GmbHR 2000, 1256, 1257 bei Abberufung und anschließender Berufung eines anderen Geschäftsführers; aA Lohr NZG 2001, 826, 835. 3 Fischer NJW 2003, 333; Freund GmbHR 2010, 117, 122 f; MünchKomm/Jaeger § 35 Rn 334 f; Pesch NZA 2002, 957; Pröpper BB 2003, 202; Reiserer/Peters DB 2008, 167, 170 ff. 4 Bezogen auf einen Abfindungsanspruch insoweit aA OLG Düsseldorf GmbHR 2005, 991; dagegen zu Recht OLG Celle GmbHR 2009, 825; LG München I GmbHR 2007, 45; Seidel/Schönhöft GmbHR 2005, 1113; Schönhöft GmbHR 2008, 95. 5 BGH ZIP 2000, 75. 6 Zutreffend Hägele GmbHR 2011, 190, 193 ff.

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nun nachfolgt1. Diese Kompetenz kann auch durch einfachen Gesellschafterbeschluss (§ 47 Abs. 1) auf eine andere Stelle der Gesellschaft übertragen werden2. Dagegen ist die Zuständigkeit auf die verbliebenen Geschäftsführer übergegangen, wenn das besondere Anstellungsverhältnis des Geschäftsführers einvernehmlich in ein gewöhnliches Anstellungsverhältnis umgewandelt worden ist (s. dazu Rn 4; Ausnahmefall) und nunmehr gekündigt werden soll3. b) Kündigt die Gesellschaft, so wird diese durch die Gesellschafter vertreten4; 52 diese können einen Gesellschafter oder die Geschäftsführer zur Abgabe der Erklärung ermächtigen5, aber auch eine sonstige Person6. Das Schriftformgebot aus § 623 BGB gilt nicht (Rn 47). Die von einem Unzuständigen ausgesprochene Kündigung kann nachträglich genehmigt werden7 – es sei denn, die Kündigung würde die Abberufung des Geschäftsführers durch das zuständige Organ präjudizieren (§ 38 Rn 6a). – Sobald die Geschäftsführer entscheidungsbefugt sind (Rn 51), vertreten diese die Gesellschaft. – Kündigt der Geschäftsführer, so kann er seine Erklärung an den Mitgeschäftsführer richten (§ 35 Abs. 2 Satz 2)8; dieser hat die Kündigung dann an die Gesellschafter weiterzuleiten. Alternativ reicht es jedenfalls, wenn der Geschäftsführer seine Kündigung an jeden Gesellschafter richtet9; der BGH will es sogar genügen lassen, wenn die Erklärung nur einem einzelnen Gesellschafter gegenüber abgegeben wird, selbst wenn dieser die Mitgesellschafter nicht benachrichtigt10. – Die Kündigung

1 BGH NJW 1991, 1680, 1681 = GmbHR 1991, 363; BGH GmbHR 1995, 373, 375; BGH GmbHR 1997, 1062; BGH ZIP 2007, 910, 911 = GmbHR 2007, 606; OLG Düsseldorf NZG 2004, 478, 479; OLG Frankfurt GmbHR 2006, 650, 651; OLG Köln GmbHR 2000, 432, 433. – Zu den formalen Anforderungen an die Beschlussfassung der Gesellschafter s. Bauer/Krieger ZIP 2004, 1247, 1249 ff. 2 BGH BGHZ 91, 217, 219 = GmbHR 1984, 312; BGH GmbHR 2013, 645 Rn 13. 3 BGH WM 1973, 1320, 1322; BGH WM 1984, 532, 533; OLG Köln GmbHR 2000, 432, 433. 4 Zur Einmann-GmbH: BGH GmbHR 1995, 373; BGH GmbHR 2003, 33; BGH GmbHR 2008, 1316; Löwisch NZG 2013, 121. Zur GmbH & Co KG, wenn die KG alle Anteile der Komplementär-GmbH hält: BGH GmbHR 2007, 606 und 1034; OLG Hamburg GmbHR 2013, 580. 5 BGH WM 1968, 570; BGH GmbHR 2008, 1316, 1317. 6 OLG Celle GmbHR 1995, 728, 729; OLG Frankfurt GmbHR 2006, 650, 651; Bauer/Krieger ZIP 2004, 1247, 1248 f. Zur Genehmigung der Gesellschafter bei Kündigung durch Vertreter ohne Vertretungsmacht s. Kühn BB 2011, 954. 7 Stein AG 1999, 28, 42; aA die hM: BGH WM 1968, 1350; MünchKomm/Jaeger § 35 Rn 415; Henssler/Strohn/Oetker § 35 GmbHG Rn 116; Michalski/Tebben § 6 Rn 213 mwN. 8 BGH GmbHR 1961, 48; Michalski/Tebben § 6 Rn 214; Scholz/Uwe H. Schneider/Hohenstatt § 35 Rn 313. 9 Gach/Pfüller GmbHR 1998, 64, 68. 10 BGH GmbHR 2002, 26, 27 für die Amtsniederlegung.

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Anh zu § 6 | Anstellungsverhältnis trägt ihre Rechtfertigung in sich und braucht von keiner Seite begründet zu werden1. 53 c) Sofern im Anstellungsvertrag keine Vereinbarung (in den Grenzen des § 622

Abs. 5 BGB) getroffen worden ist2, richtet sich die Kündigungsfrist nicht nach § 621 Nr. 3 BGB, sondern wegen der wirtschaftlichen Abhängigkeit des Geschäftsführers und um diesem und der Gesellschaft genügend Zeit zu lassen, sich nach einem Ersatz umzuschauen, für beide Seiten nach § 622 BGB in analoger Anwendung3. Nach § 622 Abs. 1 BGB kann mit vierwöchiger Frist zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats gekündigt werden. Das gilt auch für den beherrschend an der Gesellschaft beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführer4; nach einer differenzierenden Auffassung soll hier indes § 621 Nr. 3 BGB zur Anwendung kommen5. Für den beherrschenden (Unternehmer-)Gesellschafter-Geschäftsführer, der bei der ordentlichen Kündigung mitstimmen kann, hat dies nach dem Normalstatut keine Bedeutung (zur Situation in der Insolvenz Rn 69). Anders hingegen, wenn die Kündigung einem anderen Organ – etwa einem Beirat – übertragen ist, auf das der Unternehmer-Gesellschafter-Geschäftsführer keinen entscheidenden Einfluss nehmen kann; dann gilt für ihn ebenfalls § 622 BGB.

54 Die Kündigungsfrist aus § 622 Abs. 1 BGB verlängert sich nach § 622 Abs. 2

Satz 1 BGB je nach der Beschäftigungsdauer. Das fordert der Schutz des auf längere Zeit mit seinem Hauptberuf in der Gesellschaft tätigen Geschäftsführers; deshalb verlängert sich etwa die Kündigungsfrist bei einem insgesamt zwölf Jahre zuletzt als Geschäftsführer Beschäftigten auf fünf Monate zum Ende eines Kalendermonats. § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB findet wegen des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts (Verbot der Diskriminierung wegen des Alters) auf nach dem 2.12.2006 erklärte Kündigungen keine Anwendung mehr6. Obwohl § 622 BGB die Differenzierungen des früheren AngKSchG mit dessen Verweisung auf das 1 BGH GmbHR 2004, 57; BGHZ 27, 221, 225. 2 BGH WM 1981, 759, 760; BGH GmbHR 1998, 375: Verweis auf Tarifvertrag. 3 BGHZ 91, 217, 220 = GmbHR 1984, 312; bestätigt durch BGH BB 1987, 848, 849 = GmbHR 1987, 263 für den Geschäftsführer einer Komplementär-GmbH; ebenso etwa R/A/Altmeppen § 6 Rn 123; Goette GmbH, § 8 Rn 156; Nägele BB 2001, 305, 309; jedenfalls iE auch B/H/Zöllner/Noack § 35 Rn 243. Gegen Analogie zu § 622 BGB (und dessen Abs. 5) Uffmann S. 302 ff: Anwendung der Fristen des § 622 BGB nur, wenn die Vertragsauslegung im Einzelfall zu ihrer Anwendbarkeit führt. 4 Wie hier etwa R/A/Altmeppen § 6 Rn 123 f; s. zum früheren § 622 BGB – sechs Wochen zum Quartalsende – BGHZ 91, 217, 221 = GmbHR 1984, 312. 5 S. – mit Unterschieden im Detail – OLG Hamm GmbHR 1992, 378, 379; MünchKomm/ Jaeger § 35 Rn 411; Löwisch FS Kraft, 1998, S. 375, 379; MünchHdbGmbH/Marsch-Barner/Diekmann § 43 Rn 94; Neu S. 60 ff, 91 f; U/H/L/Paefgen § 38 Rn 80 f und 84; Reiserer DB 2006, 1787, 1788; Michalski/Tebben § 6 Rn 218 ff. 6 BAG ZIP 2011, 444 im Anschluss an EuGH ZIP 2010, 196 – Kücükdeveci.

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Sozialversicherungsrecht nicht aufgreift, sind die verlängerten Kündigungsfristen nach § 622 Abs. 2 BGB auf beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer nicht anzuwenden1. d) Ob die Kündigung vor Dienstantritt zulässig ist, wenn der Geschäftsführer- 55 Anstellungsvertrag dazu keine Regelung trifft, wird in der Rspr unterschiedlich beurteilt2. Jedenfalls bei Geschäftsführer-Anstellungsverhältnissen mit vereinbarter Probezeit ist im Zweifel davon auszugehen, dass eine Kündigung vor Beginn des Dienstverhältnisses ausgeschlossen sein soll. e) Sollte der Anstellungsvertrag auf die Lebenszeit des Geschäftsführers oder auf 56 länger als fünf Jahre abgeschlossen sein, so kann der Geschäftsführer (nicht die Gesellschaft) den Vertrag gemäß § 624 BGB nach Ablauf von fünf Jahren ordentlich kündigen3. Dies Recht ist zwingend, gilt aber nicht für den Geschäftsführer, der das Amt als statutarische Nebenpflicht (§ 3 Abs. 2) übernommen hat.

13. Außerordentliche Kündigung Literatur: Freund Abberufung und außerordentliche Kündigung des Geschäftsführers, GmbHR 2010, 117; Lohr Die fristlose Kündigung des Dienstvertrages eines GmbH-Geschäftsführers, NZG 2001, 826; Neu Die Beendigung der Anstellungsverhältnisse von GmbH-Geschäftsführern, 2000, S. 69 ff; Voigt Die Entlassung des GmbH-Geschäftsführers aus wichtigem Grund, 2001. Zur sonstigen abgekürzt zitierten Literatur s. die Angaben vor Rn 1.

Wie jedes Dauerschuldverhältnis (s. § 314 BGB) kann der Anstellungsvertrag 57 von beiden Seiten außerordentlich gekündigt werden (§ 626 BGB), wenn dem Kündigenden wegen bestimmter Tatsachen die Fortsetzung des Anstellungsverhältnisses und außerdem nicht zugemutet werden kann, den Ablauf der Befristung (Rn 46) abzuwarten4 oder die Fristen für die ordentliche Kündigung (Rn 53 f) einzuhalten5; dabei sind alle konkreten Umstände des Einzelfalles und die widerstreitenden Interessen der Vertragsparteien gegeneinander abzuwägen6. Die Voraussetzungen für den wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung des Anstellungsvertrages sind tendenziell strenger als die für den wichtigen Grund zur Abberufung aus der Organstellung nach § 38 Abs. 2 (dazu 1 S. schon 15. Aufl, Rn 54 und etwa Löwisch FS Kraft, S. 375, 380 mN; zum früheren AngKSchG: BGH ZIP 1987, 707, 708 = GmbHR 1987, 263. 2 Im Zweifel für Unzulässigkeit: OLG Hamm GmbHR 1985, 155; im Zweifel für Zulässigkeit: KG GmbHR 2010, 37 im Anschluss an die BAG-Rspr zur Kündigung vor Arbeitsantritt eines Arbeitnehmers, BAG NJW 2004, 3444. 3 U/H/L/Paefgen § 38 Rn 86. 4 S. zB den Fall bei Goette DStR 1995, 1359, 1360. 5 Zur Zumutbarkeit trotz wichtigen Grundes BGH NJW 1987, 1889 f. 6 Näher Freund GmbHR 2010, 117, 118 f; Goette DStR 1998, 1137, 1140 f; MünchKomm/ Jaeger § 35 Rn 417 und 425; s. auch OLG Hamm GmbHR 2010, 477, 479.

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Anh zu § 6 | Anstellungsverhältnis § 38 Rn 20 ff)1. Darlegungs- und Beweislast liegt bei dem, der den Kündigungsgrund iSv § 626 BGB geltend macht2. Der Anstellungsvertrag kann dieses Kündigungsrecht nicht erschweren: weder durch den Ausschluss bestimmter Tatsachen als wichtiger Grund noch durch Beschlussqualifikationen (satzungsändernde Mehrheit, einstimmiger Beschluss, Zustimmung bestimmter Gesellschafter)3. Auch mittelbare Beschränkungen des Kündigungsrechts aus wichtigem Grund können nicht wirksam vereinbart werden (zB Anspruch auf Abfindung oder Übergangsgeld im Fall außerordentlicher Kündigung)4. Umgekehrt kann der Anstellungsvertrag bestimmte Umstände als wichtigen Grund qualifizieren5; der Widerruf der Bestellung6 oder Vertrauensentzug durch die Gesellschafter eröffnet der Gesellschaft jedoch nur die ordentliche Kündigung nach § 622 BGB mit dessen (nach § 622 Abs. 5 BGB) zwingenden Kündigungsfristen (Rn 51 ff, 44)7. – UU ist eine kassatorische Kündigung des gesamten Anstellungsverhältnisses übermäßig. Dann muss sich der Kündigungsberechtigte mit einer Änderungskündigung begnügen, die den Kündigungsgrund für die Zukunft beseitigt (zB bei Unfähigkeit zur alleinigen Amtsführung: Umwandlung der Einzel- in Gesamt-Geschäftsführungsbefugnis8). 58 a) Wichtiger Grund für den Geschäftsführer: regelmäßig der Widerruf der Be-

stellung9 sowie der Verlust der Organstellung infolge von Umwandlungsvorgängen10; außerdem zB ungerechtfertigte, insbesondere diskriminierende Einschränkung von Geschäftsführungsbefugnis (insbesondere im Bereich der gesetzlichen Pflichtaufgaben wie Buchführung und Bilanzierung11) oder Vertretungsmacht; massive Beschränkungen der Geschäftsführungsbefugnisse im Widerspruch zu den im Anstellungsvertrag eingeräumten (vgl Rn 16)12; Zuweisung eines neuen unzumutbaren Aufgabenbereichs; Zumutung gesetzwidri-

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Zutreffend Freund GmbHR 2010, 117, 118 f; U/H/L/Paefgen § 38 Rn 34 und 87. Dazu BGH GmbHR 2003, 33, 35. Fleck WM 1985, 677, 680. BGH GmbHR 2000, 876, 877; BGH ZIP 2008, 1114, 1115. S. BGH GmbHR 1998, 534, 535; aA S/I/Lücke/Simon § 35 Rn 109; s. auch MünchKomm/Jaeger § 35 Rn 423. OLG München GmbHR 1995, 232; OLG Hamm GmbHR 2007, 442, 443. BGH WM 1981, 759, 760; BGH NJW 1989, 2683, 2684 = GmbHR 1989, 415; BGH GmbHR 1998, 534, 535. S. auch BGH WM 1976, 77, 78. S. nur B/H/Zöllner/Noack § 35 Rn 219; Haase GmbHR 2012, 614, 617 mwN; aus der Rspr: OLG Karlsruhe GmbHR 2011, 535, 536; wohl auch BGH GmbHR 2003, 100, 101; zum Fall verweigerter Geschäftsführerbestellung nach Ablauf einer im Anstellungsvertrag vereinbarten Einarbeitungszeit s. BAG GmbHR 2003, 105. Moll FS Schwerdtner, 2003, S. 453, 460. BGH GmbHR 1995, 653; OLG Karlsruhe GmbHR 2011, 535, 536. OLG Karlsruhe GmbHR 2011, 535, 536; Haase GmbHR 2012, 614, 619.

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ger Maßnahmen1; haltlose Vorwürfe in überdies beleidigender Form von Gesellschaftern oder Mitgeschäftsführern2; vgl im Übrigen die Kommentierungen zu § 626 BGB. Einen Schadensersatzanspruch nach § 628 Abs. 2 BGB hat der kündigende Geschäftsführer nur bei Veranlassung der Kündigung durch vertragswidriges Verhalten der Gesellschaft; im Widerruf der Bestellung liegt nur unter qualifizierten Voraussetzungen ein vertragswidriges Verhalten (dazu näher § 38 Rn 25a); ebenso wenig etwa in der Verschmelzung mit einer anderen Gesellschaft3. b) Wichtiger Grund für die Gesellschaft: Dieser liegt regelmäßig in der Person 59 des Geschäftsführers oder in seinem Verhalten4; dies braucht weder pflichtwidrig noch schuldhaft zu sein (zB lang andauernde Krankheit des Geschäftsführers5). Indes geht es in den meisten Fällen darum, dass sich die Gesellschaft wegen eines vorwerfbaren Fehlverhaltens vom Anstellungsvertrag lösen will (wobei der Widerruf von Versorgungsbezügen gesondert zu würdigen ist, Rn 38). Nach Maßgabe der Darlegungen Rn 57 zur einzelfallbezogenen Würdigung aller Umstände können wichtige Gründe sein: Verweigerung der Amtsführung (ungerechtfertigte Amtsniederlegung)6 oder Unfähigkeit zu ihr7, ständiger und beharrlicher Widerspruch gegen Gesellschafterweisungen8, insbesondere gegen Gesellschaftervorgaben zur Geschäftspolitik9, schwerwiegende oder gar wiederholte Kompetenzüberschreitung10, Disharmonien zwischen den Geschäftsführern11, vorzeitige unberechtigte Entnahme von Tantiemen12, die inkorrekte Spesenabrechnung13 oder Behandlung von Spesenvorschüssen14, wobei aber keine

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S. etwa BGHZ 13, 188, 194. BGH GmbHR 1992, 301, 302 f. BGH GmbHR 2003, 100; Bauer/Krieger/Arnold Aufhebungsverträge, Rn D 92. Goette GmbH, § 8 Rn 162 ff; Lohr NZG 2001, 826, 829 ff; Voigt S. 98 ff. Zur Kasuistik vgl auch U/H/L/Paefgen § 38 Rn 98 ff; Scholz/Uwe H. Schneider/Hohenstatt § 35 Rn 467 ff; Tschöpe/Wortmann NZG 2009, 161, 162 ff; B/H/Zöllner/Noack § 35 Rn 220. Dazu Picker GmbHR 2011, 629. OLG Celle GmbHR 1995, 728, 729; OLG Celle GmbHR 2004, 425; van Venrooy GmbHR 2011, 283, 286 ff. BGH WM 1976, 379, 380; s. aber auch OLG Düsseldorf BB 1987, 567. OLG Düsseldorf ZIP 1984, 1476, 1478. OLG Frankfurt GmbHR 1997, 346, 349; OLG Celle GmbHR 2004, 425. BGH GmbHR 2001, 1158, 1159; BGH GmbHR 2013, 645 Rn 22 ff; OLG Köln GmbHR 2011, 135, 136; OLG München DB 2009, 1231, 1233 f; s. aber auch BGH GmbHR 2008, 487; OLG Brandenburg GmbHR 2009, 824 (LS); OLG Hamm GmbHR 2010, 477, 479 f. OLG Koblenz ZIP 1986, 1120 f. OLG Hamm GmbHR 1995, 732, 733. Dazu Diller GmbHR 2006, 333. Vgl OLG Köln DB 1994, 471.

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Anh zu § 6 | Anstellungsverhältnis überzogenen Anforderungen gestellt werden dürfen1; zweckwidrige oder gar private Verwendung von Gesellschaftsmitteln2; die Gesellschaft schädigende Geschäfte mit einem Drittunternehmen, an dem Geschäftsführer (oder sein Ehepartner etc) beteiligt ist3; der schwerwiegende und vertrauenserschütternde Verdacht einer Verfehlung4; Fälschung von Buchungsunterlagen5; über einen längeren Zeitraum unterlassene Buchführung6; unterlassene Aufstellung des Jahresabschlusses7 oder Nichteinreichung der Jahresabschlüsse beim Finanzamt8; erhebliche Versäumnisse bei der Überwachung von Tochtergesellschaften9; erhebliche Pflichtverletzungen in der Geschäftsführung einer anderen Konzerngesellschaft10; erhebliche Gefährdung der Vermögenslage der Gesellschaft11; Weigerung, an der Aufklärung möglicher Unterschlagungen mitzuwirken12; schwere Loyalitätsverletzung13; Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot (Rn 20 ff)14; missbräuchliche Ausnutzung von Geschäftschancen der Gesellschaft15; Nichteinschreiten gegen pflichtwidriges Verhalten des Geschäftsführers einer Tochter-GmbH16; sexuelle Belästigungen von Angestellten17, insbesondere Auszubildenden, uU aber auch schon unterlassenes Einschreiten gegen solche Belästigungen durch Mitgeschäftsführer18; Verschwiegenheitsverstoß nach Widerruf der Bestellung19; eigenmächtige Überführung von Gesellschaftsvermögen in die 1 Vgl BGH GmbHR 2003, 33, 34 f ua zur privaten Nutzung eines Dienstwagens; dazu Goette DStR 2003, 43 f; OLG Brandenburg GmbHR 2009, 824 (LS); OLG Celle GmbHR 2003, 775 (LS). 2 BGH GmbHR 1997, 998; BGH DStR 2007, 1358; OLG Brandenburg GmbHR 2007, 874; OLG Hamm GmbHR 2010, 477, 479 f; OLG Koblenz GmbHR 2014, 599, 600 f; LG München I ZIP 2015, 1537. 3 OLG Brandenburg NZG 2000, 143. 4 BGH LM 8 zu § 626 BGB; LAG Berlin GmbHR 1997, 839, 841; OLG Celle GmbHR 2003, 773: allerdings Aufklärungspflicht der Gesellschaft; zur Verdachtskündigung auch Goette DStR 1998, 1137, 1141. 5 OLG Hamm GmbHR 1985, 119. 6 OLG Rostock GmbHR 1999, 344 = NZG 1999, 216, 217. 7 KG GmbHR 2011, 1272, 1274. 8 BGH ZIP 2009, 513, 514 = GmbHR 2009, 434. 9 ThürOLG GmbHR 2010, 483, 484 f (schwerwiegende Unregelmäßigkeiten in der Buchführung der Tochtergesellschaften). 10 BGH GmbHR 2013, 645 Rn 19. 11 BGH GmbHR 2001, 1158, 1159. 12 S. Goette DStR 1993, 1753. 13 BGH GmbHR 2000, 431; KG NZG 1999, 764, 765 = GmbHR 1999, 1143; s. auch OLG Saarbrücken WM 2006, 2364, 2368. 14 Dazu OLG Karlsruhe GmbHR 1988, 484. 15 BGH GmbHR 1995, 297. 16 LG Nürnberg-Fürth DB 2003, 2642. 17 OLG Frankfurt GmbHR 2009, 488, 489. 18 OLG Hamm GmbHR 2007, 823. 19 OLG Hamm GmbHR 1985, 157; s. aber auch Rn 26.

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Privatsphäre des Geschäftsführers zur Sicherung seiner Ansprüche gegen die Gesellschaft1; ggf auch Mitnahme von Geschäftsunterlagen2; schuldhafte Insolvenzverschleppung3; die angeblich ungerechtfertigte Ankündigung (oder Stellung) eines Insolvenzantrags aber nur, wenn die Gesellschaft im Prozess über die Wirksamkeit der Kündigung darlegt und beweist, dass kein Insolvenzgrund vorlag4. – Kein wichtiger Grund ist etwa die kurzfristige Überschreitung des Erholungsurlaubs5; auch nicht der Druck eines Geschäftspartners der Gesellschaft6; nicht die Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Gesellschaft7; nicht die auf veränderter Geschäftspolitik der Gesellschafter beruhende Betriebseinstellung8; nach OLG Köln GmbHR 1992, 674 nicht die Übermittlung von Geschäftsführerbedenken an den Betriebsrat (zweifelhaft). Sollte kein wichtiger Grund vorliegen oder die Kündigungsfrist nach § 626 60 Abs. 2 BGB (Rn 62) versäumt worden sein, so kommt eine Umdeutung der Kündigungserklärung in die einer ordentlichen (Rn 51) nach § 140 BGB in Betracht, wenn die ordentliche Kündigung dem Willen des Kündigenden entspricht und dieser Wille in der Kündigungserklärung erkennbar zum Ausdruck kommt9. Sofern die ordentliche Kündigung aber an qualifizierte Voraussetzungen geknüpft ist (zB Beschlussmehrheit in Gesellschafterversammlung unter Berücksichtigung der Stimmabgabe durch den gekündigten Gesellschafter-Geschäftsführer), müssen diese erfüllt sein10. c) Kündigungskompetenz wie bei ordentlicher Kündigung (Rn 51); allerdings 61 ist der von der außerordentlichen Kündigung betroffene Gesellschafter-Geschäftsführer nach § 47 Abs. 4 (§ 47 Rn 40) von der Abstimmung der Gesellschafter ausgeschlossen11. – Die Wirksamkeit der Kündigung hängt weder von einer vorherigen Anhörung des Betroffenen noch von der Mitteilung der Kündi-

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OLG Köln GmbHR 1996, 290. Weiterführend Tauth/Roeder BB 2013, 1333. BGH GmbHR 2005, 1049, 1051. BGH ZIP 2007, 674, 675 unter Hinweis auf einen gewissen Beurteilungsspielraum des Geschäftsführers bei Feststellung der Überschuldung. S. OLG Hamburg AG 1991, 242; s. aber auch BGH AG 1995, 464, 466. Goette DStR 1999, 1537 f. Im Fall BGH AG 2007, 125 ging es demgegenüber allein um die Abberufung eines AG-Vorstandes aus der Organstellung (auf Druck der Hausbank und nach Stellung des Insolvenzantrags). OLG Naumburg GmbHR 2004, 423; s. auch OLG Stuttgart 2 U 64/81, ZIP 1981, 1337; zur Kündigungsmöglichkeit des Insolvenzverwalters nach § 113 InsO Rn 69. BGH GmbHR 2003, 33, 35. BGH GmbHR 1997, 1062; BGH GmbHR 2000, 376, 377. BGH GmbHR 2000, 376, 377; Goette GmbH, § 8 Rn 159 und Goette DStR 2000, 525 f. OLG Düsseldorf GmbHR 1999, 549; OLG Düsseldorf GmbHR 2000, 1050, 1053; Lohr NZG 2001, 826, 827.

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Anh zu § 6 | Anstellungsverhältnis gungsgründe ab1. Zwar kann der Betroffene ihre schriftliche Mitteilung verlangen (§ 626 Abs. 2 Satz 3 BGB) und ggf einklagen2; die Verletzung dieser Nebenpflicht gibt ihm aber nur einen Schadensersatzanspruch3. Das Schriftformerfordernis aus § 623 BGB gilt nicht (Rn 47). 61a Liegt ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung vor, hat diese nach der Rspr

des BGH im Regelfall auch keine vorherige Abmahnung zur Voraussetzung4. Zu Recht wird daran auch nach dem Inkrafttreten von § 314 Abs. 2 BGB festgehalten5. Die Gegenposition6 vermag nicht zu überzeugen7: § 314 Abs. 2 BGB mit seiner Bezugnahme auf § 323 Abs. 2 BGB beruht auf der Erwägung, dass Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung bei Verletzung einer Vertragspflicht aus einem Dauerschuldverhältnis vielfach erst nach vorheriger Fristsetzung/Abmahnung gegeben ist – wenn nicht im Einzelfall die sofortige Beendigung des Vertragsverhältnisses gerechtfertigt erscheint. Bei groben, vertrauenszerstörenden Pflichtverletzungen bedarf es schon deshalb keiner Abmahnung. Der einzelne minder schwere Pflichtverstoß macht die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses indes noch nicht unzumutbar, wohl aber der Wiederholungsfall. Die in solchen Wiederholungsfällen nach § 314 Abs. 2 BGB typischerweise gebotene Fristsetzung/Abmahnung hat Belehrungs- und Warnfunktion. Organpersonen indes bedürfen einer solchen Warnung – das ist der zutreffende Ansatz der BGH-Rspr zur außerordentlichen Kündigung von Geschäftsführer-Anstellungsverträgen8 – nicht: Sie haben ihre Pflichten und die Folgen pflichtwidrigen Verhaltens zu kennen, so dass ihnen bei wiederholter Pflichtverletzung auch ohne

1 BGH ZIP 1995, 310, 311 = GmbHR 1995, 301; BGH GmbHR 2004, 182, 184; OLG Düsseldorf AG 2008, 166; s. aber Rn 62 aE. 2 LG Zweibrücken GmbHR 2009, 1159. 3 BGH GmbHR 1985, 86. 4 BGH NJW 2000, 1638, 1639 = GmbHR 2000, 431; BGH GmbHR 2001, 1158, 1159; kritisch Gravenhorst EzA § 611 BGB Abmahnung Nr. 43; S/I/Lücke/Simon § 35 Rn 122; Teigelkötter GmbHR 2001, 1160 f. Zu denkbarem Ausnahmefall s. BGH DStR 1993, 134, 135 = GmbHR 1993, 33 und dazu Goette DStR 2000, 696; Goette GmbH, § 8 Rn 161: wenn der Geschäftsführer Grund zu der Annahme hatte, sein Verhalten entspreche den Erwartungen der Gesellschafter. 5 BGH GmbHR 2007, 936. 6 S. etwa Schumacher-Mohr DB 2002, 1606; ferner Grumann/Gillmann DB 2003, 770, 774; v. Haase NJW 2002, 2278, 2281; Horstmeier GmbHR 2006, 400, 403 ff; Winzer GmbHR 2007, 1190. 7 S. zur Begr schon 16. Aufl, Rn 61a; im Ergebnis übereinstimmend R/A/Altmeppen § 6 Rn 134; MünchKomm/Jaeger § 35 Rn 427; U/H/L/Paefgen § 38 Rn 94 ff; Reiserer DB 2006, 1787, 1789; Scholz/Uwe H. Schneider/Hohenstatt § 35 Rn 462; Trappehl/Scheuer DB 2005, 1276. 8 Instruktiv Goette FS Wiedemann, 2002, S. 873, 880 ff.

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Ermahnung gekündigt werden kann1. Der Gesetzgeber des § 314 BGB hat diesen sachgerechten Differenzierungen der Rspr nicht den Boden entziehen wollen; seine Absicht war es vielmehr allein, die vorgefundene Rspr „in das Gesetz zu übernehmen“ und dabei Raum für die Besonderheiten des jeweiligen Vertragstyps zu lassen2. d) Kündigungsfrist: 2 Wochen seit sicherer und umfassender Kenntnis von den 62 für die Kündigung bedeutsamen Tatsachen3: § 626 Abs. 2 BGB; diese Bestimmung ist zwar auf die besonderen Verhältnisse von Gesellschaften nicht zugeschnitten4; sie wird dennoch strikt angewendet5. Um die Kündigungsfrist in Gang zu setzen, genügt nur Kenntnis; Kennenmüssen reicht nicht6. Sobald der Kündigungsberechtigte von den maßgeblichen Tatsachen erfahren hat, welche eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen7, ggf in der Zusammenschau mit anderen, schon zuvor bekannt gewordenen Tatsachen8, muss er sich innerhalb von 14 Tagen über seine Entscheidung schlüssig werden und die Kündigung der anderen Seite erklären (Zugang nach § 130 BGB)9. Beweislast, erst innerhalb der letzten 14 Tage von den maßgeblichen Tatsachen erfahren zu haben, liegt beim Kündigungsberechtigten10. Jede neue Tatsache, die allein oder zusammen mit anderen Tatsachen die außerordentliche Kündigung rechtfertigt, setzt erneut die 14-Tages-Frist in Gang; deshalb muss das zuständige Gesellschaftsorgan sich stets erneut darüber schlüssig werden, ob es die außerordentliche Kündigung auch auf diese Tatsachen stützen und dies dem Geschäftsführer mitteilen (indirekter Begründungszwang) oder in einen bereits anhängigen Prozess einführen will11. Liegt der Grund für die außerordentliche Kündigung in einem Dauerverhalten, beginnt die 14-Tages-Frist nicht vor dessen Beendigung12. 1 Hier liegt der Unterschied zu jenen Stimmen, die bei wiederholten, je für sich aber weniger schweren Pflichtverletzungen eine vorherige Abmahnung des Geschäftsführers verlangen; s. etwa Döge/Jobst GmbHR 2008, 527 ff; Koch ZIP 2005, 1621, 1626 f. 2 BT-Drucks 14/6040 und 14/6857, je S. 177 f. 3 BGH GmbHR 1996, 452, 453; BGH GmbHR 2001, 1158, 1159 f; zur Aufklärungspflicht der Gesellschaft: OLG Celle GmbHR 2003, 773, 774. 4 Kritisch Reuter FS Zöllner, 1998, S. 487, 501 mit dem fristverlängernden und zu Rechtsunsicherheit führenden Vorschlag, auf die allgemeinen Grundsätze zur Verwirkung abzustellen. 5 BGH GmbHR 1981, 157. 6 BAG NJW 1972, 464. 7 OLG Hamm GmbHR 2010, 477, 481; OLG München ZIP 2009, 1377, 1378 f = GmbHR 2009, 937. 8 BGH GmbHR 2001, 1158, 1160. 9 Dazu Freund GmbHR 2010, 117, 120 f; Lohr NZG 2001, 826, 829. 10 OLG München ZIP 2009, 1377, 1378 = GmbHR 2009, 937. 11 BGH GmbHR 2004, 182, 184; BGH GmbHR 2005, 1049, 1051. 12 BGH GmbHR 1995, 653, 654; BGH GmbHR 2005, 1049, 1050; OLG Karlsruhe GmbHR 2011, 535, 537.

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Anh zu § 6 | Anstellungsverhältnis 63 Ein Nachschieben von Gründen im Rechtsstreit um die Wirksamkeit der au-

ßerordentlichen Kündigung1 ist grundsätzlich zulässig, sofern diese Gründe zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung bereits vorlagen. Das gilt unabhängig davon, ob sie dem zur Kündigung zuständigen Organ bei Kündigung schon bekannt waren oder nicht; im Falle der Kenntnis darf diese freilich nicht früher als zwei Wochen vor der Kündigung erlangt worden sein2. Jedenfalls hat das zuständige Organ darüber zu entscheiden, ob diese Gründe zur Stützung der Kündigung herangezogen werden sollen; soweit die Gesellschafter zuständig sind, bedarf es also einer neuerlichen Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung3.

64 Die lange höchst umstrittene Frage, wessen Kenntnis die Ausschlussfrist in

Gang setzt, ist vom BGH4 durch ein kombiniertes Konzept aus Kollektivwissen und Verhaltenszurechnung5 entschärft worden6: Die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB beginnt mit dem Zusammentritt der Gesellschafterversammlung als dem für die Kündigung zuständigen kollegialen Beratungs- und Beschlussorgan und der nach dem Zusammentritt erlangten Kenntnis der Mitglieder der Gesellschafterversammlung von den für die Kündigung maßgeblichen Tatsachen; Kenntniserlangung einzelner (selbst aller) Gesellschafter vor Zusammentritt der Gesellschafterversammlung löst den Fristbeginn noch nicht aus7. Anders allerdings in der Einpersonen-Gesellschaft: Hier kommt es (wegen der jederzeitigen Möglichkeit einer Universalversammlung, § 51 Abs. 3) auf die Kenntnis des Alleingesellschafters bzw dessen organschaftlichen Vertreters an8. Innerhalb der Frist können die Gesellschafter eingehend die widerstreitenden Gesichtspunkte, insbesondere die Prozessrisiken, abwägen und ggf noch zu einer zweiten Gesellschafterversammlung zur endgültigen Entscheidung über die Kündigung zusammenkommen9. Aber im Interesse des Geschäftsführers muss die Gesellschafterversammlung mit der gebotenen Beschleunigung einberufen

1 Zusammenfassend Goette GmbH, § 8 Rn 181 ff. 2 BGH GmbHR 2004, 182, 184; BGH GmbHR 2005, 1049, 1050. 3 BGH GmbHR 2004, 182, 184; BGH GmbHR 1992, 38, 39 ff, dort auch zum Sonderfall der Zweipersonen-GmbH; OLG Brandenburg GmbHR 2009, 824 (LS); OLG Köln GmbHR 2000, 432, 434 f. 4 BGH GmbHR 1998, 827; BGH NJW 2000, 1864, 1866. 5 Eingehend Stein ZGR 1999, 264 ff; U/H/L/Paefgen § 38 Rn 113 ff; zusammenfassend Goette GmbH, § 8 Rn 176 ff. 6 S. auch OLG Düsseldorf GmbHR 2003, 1006, 1008 zum Gesellschafterentscheid an einem unzulässigen Versammlungsort; OLG Köln GmbHR 2000, 432, 433 f. 7 OLG Hamm GmbHR 2010, 477, 481; OLG München ZIP 2009, 1377, 1379 = GmbHR 2009, 937; Goette DStR 1998, 1103, 1104. 8 BGH GmbHR 2013, 645 Rn 12; OLG Düsseldorf NZG 2004, 869, 871. Entsprechend hatte OLG Düsseldorf GmbHR 1999, 549, 550 für eine Zweipersonen-GmbH entschieden, in welcher der Gekündigte Gesellschafter-Geschäftsführer war. 9 Stein ZGR 1999, 264, 289.

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werden, sobald ein zur Einberufung Berechtigter (Mitgeschäftsführer nach § 49 Abs. 1, Gesellschafter nach § 50 Abs. 3) oder ein sonstwie aufgrund Treupflicht zum Betreiben einer Gesellschafterversammlung Verpflichteter1 von den eine Kündigung aus wichtigem Grund rechtfertigenden Umständen Kenntnis erlangt hat. Die Einberufung darf nicht unangemessen verzögert werden2. Deshalb müssen die nach § 50 Abs. 3 einberufungsbefugten Gesellschafter im Verfahren nach § 50 Abs. 1, 3 tätig werden, falls kein Geschäftsführer die Gesellschafterversammlung einberuft. Nicht-Einberufungsberechtigte müssen auf nach Gesetz oder Gesellschaftsvertrag Berechtigte ggf einzuwirken versuchen3. Sollte die Gesellschafterversammlung mit unangemessener Verzögerung ein- 65 berufen worden sein, muss sich die Gesellschaft gegenüber dem Geschäftsführer so behandeln lassen, als wäre die Gesellschafterversammlung mit der billigerweise zumutbaren Beschleunigung einberufen worden4. Nach diesem fiktiven Beginn berechnet sich sodann die Zwei-Wochen-Frist aus § 626 Abs. 2 BGB. Falls die Kündigungskompetenz bei einem Aufsichtsrat oder Beirat liegt5, folgt 66 aus den Grundsätzen Rn 64 f: Die Zwei-Wochen-Ausschlussfrist beginnt mit dem Zusammentritt des Gesamtorgans; allerdings sind sämtliche Organmitglieder verpflichtet, mit zumutbarer Beschleunigung die Einberufung des Organs zu betreiben bzw ihr Einberufungsrecht (§ 52, § 110 Abs. 2 AktG) auszuüben, sobald sie von den Kündigungsgründen erfahren haben6. Andernfalls wird gemäß Rn 65 der Zusammentritt des Organs fingiert. Entsprechendes gilt, wenn die Gesellschafterversammlung vor Beschlussfassung über die Kündigung die Zustimmung eines anderen Organs einholen muss7. – Das zuständige Organ braucht sich die Kenntnis eines Mitgeschäftsführers vom Kündigungssachverhalt nicht zurechnen zu lassen8. Ebenso wenig reicht die Kenntnis seitens des Vorsitzenden des Organs schon aus9. Die Unmöglichkeit der Gesellschaft, augenblicklich einen geeigneten Nachfolger 67 für den zu kündigenden Geschäftsführer zu finden, hemmt den Ablauf der 1 Näher Stein ZGR 1999, 264, 280 ff: idR jeder Gesellschafter und jedes Aufsichtsrats- oder Beiratsmitglied; kritisch Lohr NZG 2001, 826, 833. 2 BGH NJW 1998, 3274, 3275 = GmbHR 1998, 827; BGH ZIP 2007, 674; OLG München ZIP 2009, 1377, 1379 f = GmbHR 2009, 937. 3 Stein ZGR 1999, 264, 280 f. 4 BGH NJW 1998, 3274, 3275 = GmbHR 1998, 827; OLG Hamm GmbHR 2010, 477, 482; OLG München ZIP 2009, 1377, 1379 = GmbHR 2009, 937. 5 Hierzu BGH NJW 1981, 166; BGH NJW 1999, 3263, 3264 = GmbHR 1999, 1140; BGH GmbHR 2001, 1158; OLG Brandenburg NZG 2000, 143; OLG Frankfurt GmbHR 2009, 488, 489. 6 Stein ZGR 1999, 264, 283; Lohr NZG 2001, 826, 833 f. 7 Vgl auch BGH GmbHR 2013, 645 Rn 14. 8 BGH GmbHR 1993, 33, 34 f. 9 BGH GmbHR 2001, 1158, 1160.

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Anh zu § 6 | Anstellungsverhältnis Zwei-Wochen-Frist nicht1; das Organisationsinteresse der Gesellschaft verdient nach § 626 Abs. 2 BGB keinen Vorrang vor dem Interesse an Rechtssicherheit und Betriebsfrieden sowie vor dem Individualinteresse des Geschäftsführers. Dagegen kann dieser im Einzelfall rechtsmissbräuchlich handeln, wenn er sich auf den Ablauf der Ausschlussfrist beruft, obwohl die Gesellschafter auf seinen Wunsch hin oder doch zumindest nachdrücklich durch ihn bestärkt eine einvernehmliche Aufhebung des Anstellungsvertrages zeitaufwendig versucht haben2. 68 e) Zur Anwendung von Arbeitnehmer-Schutzvorschriften Rn 47 und 47a; zu

den Rechtsfolgen der Vertragsbeendigung Rn 48; zur Wettbewerbstätigkeit des außerordentlich gekündigten Geschäftsführers, der im Kündigungsprozess die Unwirksamkeit der Kündigung geltend macht, Rn 21; zum Gerichtsstand für den Kündigungsprozess Rn 75.

14. Anstellungsverhältnis in der Insolvenz 69 a) Dies wird durch die Insolvenzeröffnung weder beim Fremdgeschäftsführer

noch beim Gesellschafter-Geschäftsführer automatisch aufgelöst (arg § 113 InsO, der auf den Anstellungsvertrag anzuwenden ist3); §§ 115, 116 InsO gelten nicht; es bedarf vielmehr einer Gestaltungserklärung, um das Anstellungsverhältnis zu beenden. Der Insolvenzverwalter, der nach § 80 InsO insoweit an die Stelle der Gesellschafter bzw des statutarischen Anstellungsorgans (Rn 51, 61) tritt, kann den Anstellungsvertrag nach § 113 InsO mit längstens dreimonatiger Frist nach Satz 2 ordentlich kündigen. Das gilt in Übereinstimmung mit der inzwischen hM4 auch für den Anstellungsvertrag eines beherrschenden (oder gar Allein-)Gesellschafter-Geschäftsführers (s. schon 16. Aufl, Rn 69), weil die Gegenmeinung (Wahlrecht des Insolvenzverwalters zur fristlosen Kündigung nach § 103 InsO5) einen Wertungswiderspruch zur Geltung des § 622 BGB im Falle der ordentlichen Kündigung außerhalb der Insolvenz (Rn 53 f) auslösen würde: Dessen Fristen (einschließlich der Fristverlängerungen aus § 622 Abs. 2 BGB) sollen dem gekündigten Geschäftsführer, der mit seinem Hauptberuf für die Gesellschaft tätig war, angemessene Zeit für die Suche nach einem neuen Tätigkeitsfeld sichern. Sie schützen deshalb auch den (maßgeblich beteiligten oder gar beherrschenden) Gesellschafter-Geschäftsführer, sofern er die Kündigung

1 BGH GmbHR 1975, 201; U/H/L/Paefgen § 38 Rn 125; aA B/H/Zöllner/Noack § 35 Rn 233. 2 Scholz/Uwe H. Schneider/Hohenstatt § 35 Rn 498; für Hemmung des Fristlaufs für die Dauer von Vergleichsverhandlungen U/H/L/Paefgen § 38 Rn 125. 3 BGH GmbHR 2005, 1049, 1050; BGH GmbHR 2009, 1332. 4 BGH GmbHR 2005, 1049, 1050; ebenso schon BGHZ 75, 209, 210 ff zur KO; B/H/Haas § 60 Rn 50; U/H/L/Paefgen § 38 Rn 266; Scholz/Uwe H. Schneider/Hohenstatt § 35 Rn 520; eingehend H.-F. Müller Der Verband in der Insolvenz, 2002, S. 74 ff. 5 Dafür etwa noch B/H/Zöllner/Noack § 35 Rn 190.

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(wegen atypischer Kompetenzordnung in der Gesellschaft) nicht verhindern kann (Rn 53 aE). Wenn Kündigungszuständigkeit auf den Insolvenzverwalter übergeht, muss ihm mit entsprechender Überlegung jedenfalls der Schutz der Kündigungsfristen nach Maßgabe von § 113 InsO zugute kommen1. Sollte der Anstellungsvertrag eine bestimmte Mindestlaufzeit („Dreijahresver- 70 trag“) vorsehen oder für eine bestimmte Zeit unkündbar gestellt sein, so kann der Insolvenzverwalter ihn trotzdem mit drei Monaten zum Monatsende kündigen (§ 113 InsO). Vom Kündigungsrecht des Insolvenzverwalters unberührt bleibt die Möglichkeit des Geschäftsführers, seinen Schadenersatzanspruch wegen vorzeitiger Beendigung des Anstellungsvertrages (§ 113 Satz 3 InsO) als Insolvenzforderung geltend zu machen2. – Im Übrigen kann auch der Insolvenzverwalter den Anstellungsvertrag außerordentlich nach § 626 Abs. 1 BGB kündigen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt und die 14-Tages-Frist nach § 626 Abs. 2 BGB noch nicht verstrichen ist (näher Rn 59 ff); die Insolvenzeröffnung selbst stellt aber noch keinen wichtigen Grund dar3. Ebenso kann der Insolvenzverwalter einen wichtigen Grund für die von der Gesellschaft zuvor erklärte Kündigung nachschieben4. b) In gleicher Weise wie der Insolvenzverwalter kann der Geschäftsführer nach 71 § 113 InsO mit Dreimonatsfrist kündigen. Schadensersatzansprüche als Insolvenzforderung kommen auch hier nur nach den Grundsätzen Rn 70 in Betracht. c) Rückständige Bezüge sind nach Abschaffung der Konkursvorrechte durch 72 die InsO normale Insolvenzforderungen (§ 38 InsO) und deshalb nicht länger zeitlich begrenzt privilegiert5. Nach Insolvenzeröffnung entstandene Vergütungsansprüche sind Masseverbindlichkeiten (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO)6, nicht aber der Anspruch auf Karenzentschädigung aus vertraglichem Wettbewerbsverbot nach Kündigung des Anstellungsvertrages durch den Insolvenzverwalter7. Zum Insolvenzgeld nach §§ 165 ff SGB III gilt das zur Sozialversicherung Gesagte (Rn 40) entsprechend: Ein Anspruch auf Insolvenzgeld steht dem Fremdgeschäftsführer in aller Regel zu; einem Gesellschafter-Geschäftsführer dann nicht, wenn er aufgrund der Höhe seiner Kapitalbeteiligung Weisungs1 Ähnlich R/A/Altmeppen § 6 Rn 126. 2 Dazu BAG ZIP 2007, 1829: Für die Berechnung des Schadensersatzanspruchs eines unkündbaren Geschäftsführers ist auf die ohne die vereinbarte Unkündbarkeit längste ordentliche Kündigungsfrist abzustellen. 3 U/H/L/Paefgen § 38 Rn 267 mwN. 4 Dazu BGH GmbHR 2005, 1049, 1050 f mit Anm Haase/Sommermeyer und Rn 63. 5 Zur Bevorrechtigung der Gehaltsansprüche von Geschäftsführern unter der Geltung der früheren KO und GesO s. zuletzt BGH GmbHR 2003, 427 und BGH GmbHR 2003, 1202. Zu einem im Anstellungsvertrag vereinbarten Abfindungsanspruch als Insolvenzforderung s. OLG Frankfurt ZIP 2005, 409. 6 B/H/Zöllner/Noack § 35 Rn 190. 7 BGH GmbHR 2009, 1332.

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Anh zu § 6 | Anstellungsverhältnis beschlüsse der Gesellschafterversammlung verhindern kann1. Zur Insolvenzsicherung des Ruhegehalts vgl Rn 37.

15. Fehlerhafter Anstellungsvertrag 73 Sollte der Anstellungsvertrag2 einen Mangel (Unwirksamkeit, Anfechtbarkeit)

aufweisen, so ist für die Rechtsfolgen danach zu unterscheiden, ob der Geschäftsführer seine Tätigkeit bereits aufgenommen hat oder nicht (zu den Mängeln einer Bestellung Vor § 35 Rn 7 ff): Vor der Aufnahme der Dienstgeschäfte kann sich jede Seite jederzeit auf den Vertragsmangel berufen und die ihr uU zustehenden Gestaltungsrechte (zB Anfechtung) ausüben. Sobald jedoch der Geschäftsführer seine Tätigkeit auf der Grundlage des geltungslosen Anstellungsvertrages mit Wissen des für den Vertragsabschluss zuständigen Gesellschaftsorgans oder auch nur eines Organmitglieds3 tatsächlich aufgenommen hat, ist der fehlerhafte Anstellungsvertrag für die Dauer der Geschäftsführerbeschäftigung (s. Rn 74) so zu behandeln, als wäre er mit allen gegenseitigen Rechten und Pflichten (Rn 18 ff, 28 ff) wirksam4. Denn eine Rückabwicklung nach Bereicherungsrecht wäre nicht nur schwierig, sondern würde auch und vor allem den Geschäftsführer, der seinem Amt entsprechend gelebt hat, schwer beeinträchtigen. Dem Geschäftsführer stehen für die Dauer seiner Beschäftigung Geschäftsführerbezüge in der versprochenen und nicht etwa bloß in angemessener Höhe zu5. Versorgungszusagen (Rn 36 ff) sind so zu behandeln, als sei die Zusage wirksam vereinbart, so dass die tatsächliche Beschäftigung anzurechnen ist6. – Dementgegen entfaltet der fehlerhafte Anstellungsvertrag des tätigen Geschäftsführers keine Rechtswirkungen, wenn dies im Interesse der Allgemeinheit oder zum Schutz gesetzlich geschützter Personen (zB geschäftsunfähiger Geschäftsführer) erforderlich ist7.

74 Der fehlerhafte, aber nach Rn 73 als wirksam zu behandelnde Anstellungsvertrag

kann von beiden Seiten jederzeit ohne weitere Voraussetzungen durch aus-

1 BSG ZIP 1983, 103 f; BSG ZIP 1987, 924, 925; BSG GmbHR 1997, 696; BSG GmbHR 2007, 1324; s. auch die Zusammenfassung der BSG-Rspr bei BGH GmbHR 2003, 472, 474; BGH GmbHR 2003, 1202, 1203. 2 Dazu Baums Geschäftsleitervertrag, S. 195. 3 Vgl BGHZ 41, 282, 287. 4 BGHZ 41, 282; BGH GmbHR 1995, 306; BGH GmbHR 2000, 876; BGH GmbHR 2014, 817 Rn 12; KG NZG 2000, 43; Scholz/Uwe H. Schneider/Hohenstatt § 35 Rn 347; zur unzulässigen Berufung auf die Unwirksamkeit: BGH WM 1973, 506, 507. 5 BGHZ 41, 282, 289 f. 6 Näher Hengeler FS Barz, 1974, S. 129, 134 ff. 7 Baums Geschäftsleitervertrag, S. 199 ff; Hengeler FS Barz, 1974, S. 129, 133.

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drückliche oder konkludente Erklärung mit Wirkung ex nunc beendet werden1. Die Rechtsfolgen entsprechen denen bei der Beendigung eines wirksamen Anstellungsvertrages (Rn 48).

16. Gerichtsstand Für Streitigkeiten zwischen Geschäftsführer und Gesellschaft2 (oder Vorgesell- 75 schaft3) aus dem Anstellungsvertrag sind – so lange die Organstellung besteht – die ordentlichen Gerichte zuständig, nicht die Arbeitsgerichte. Denn nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG gelten die Mitglieder des Vertretungsorgans einer juristischen Person in Betrieben der juristischen Person nicht als Arbeitnehmer iSd ArbGG. Die Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG wirkt grds nur im Verhältnis zu der Gesellschaft, deren Vertreter der betreffende Organwalter gerade ist4; in der GmbH & Co KG gilt der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH allerdings auch im Verhältnis zur KG (mit der der Anstellungsvertrag geschlossen worden ist) nicht als Arbeitnehmer5. Die durch § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG errichtete Zugangssperre zur Arbeitsgerichtsbarkeit greift auch dann, wenn der Geschäftsführer behauptet, wegen seiner eingeschränkten Kompetenzen sei er tatsächlich nur Arbeitnehmer oder wenn gar objektiv feststeht, dass das Anstellungsverhältnis ausnahmsweise (s. Rn 3 ff) ein Arbeitsverhältnis ist und deshalb materiellem Arbeitsrecht unterliegt6. Beim LG sind die Kammern für Handelssachen zuständig (§ 95 Abs. 1 Nr. 4a GVG). Vergütungsansprüche können ggf im Urkundenprozess eingeklagt werden (s. Rn 50). Die Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG greift nicht mehr ein, wenn die Organ- 76 stellung des Geschäftsführers beendet worden ist (zu den diversen Beendigungsgründen vgl § 38 Rn 1 und 40 f); sie gilt ebenso wenig, wenn und soweit der Rechtsstreit nicht das der Organstellung zugrunde liegende Rechtsverhältnis, sondern eine weitere Rechtsbeziehung betrifft7. Der Zugang zu den Arbeitsgerichten ist deshalb (nach Maßgabe von § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG) etwa eröffnet, 1 Ebenso etwa Scholz/Uwe H. Schneider/Hohenstatt § 35 Rn 347; U/H/L/Paefgen § 35 Rn 345; teilweise aA Bauer/Gragert ZIP 1997, 2177, 2178: Kündigung. 2 Zur Vertretung der Gesellschaft im Prozess, wenn Anstellungskompetenz bei den Gesellschaftern liegt (und zu den Konsequenzen für das Rubrum der Klageschrift, wenn die Gesellschaft verklagt wird), s. Gach/Pfüller GmbHR 1998, 64, 69 f; Bauer/Krieger/Arnold Aufhebungsverträge, Rn D 137; vgl auch BGH GmbHR 2004, 259 und BGH GmbHR 1999, 1140 für den Fall, dass Anstellungskompetenz auf anderes Organ übertragen ist. 3 BAG GmbHR 1996, 681. 4 Vgl BAG GmbHR 1996, 289 (für den Fall der Drittanstellung im Konzern). 5 Dazu BAG GmbHR 2003, 1208. 6 BAG GmbHR 2003, 1208, 1209; BAG GmbHR 2006, 1101, 1102; BAG GmbHR 2011, 867 Rn 11; BAG GmbHR 2011, 1200 Rn 12; BAG GmbHR 2013, 253 Rn 12; BAG GmbHR 2013, 357 Rn 13 ff; BAG GmbHR 2015, 27 Rn 19; BAG GmbHR 2015, 1211 Rn 14. 7 S. dazu auch Reinecke ZIP 2014, 1057, 1058 f; Schreiber GmbHR 2012, 929, 931 ff.

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Anh zu § 6 | Anstellungsverhältnis wenn der ehemalige Geschäftsführer Rechte auch mit der Begründung geltend macht, nach Beendigung seiner Organstellung sei das nicht gekündigte Dienstverhältnis als Arbeitsverhältnis fortgesetzt worden1. Ebenso sind die Arbeitsgerichte zuständig, wenn ein Arbeitnehmer zum Geschäftsführer bestellt und dabei sein bisheriges Arbeitsverhältnis nicht beendet, sondern (ausnahmsweise) bloß suspensiert worden ist (zum „ruhenden“ Arbeitsverhältnis Rn 4) und nach seiner Abberufung als Geschäftsführer um die Kündigung des wieder aufgelebten Arbeitsverhältnisses (oder um Ansprüche daraus) gestritten wird2. Greift die Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht ein, soll bei streitiger Tatsachengrundlage für die Eröffnung des Rechtswegs zu den Arbeitsgerichten die bloße Rechtsansicht der Klagepartei ausreichen, bei dem Rechtsverhältnis, das dem Rechtsstreit zugrunde liegt, handele es sich um ein Arbeitsverhältnis3. Richtigerweise ist allerdings eine schlüssige Begründung jener Rechtsansicht zu verlangen. 77 Nach Beendigung seiner Organstellung (Abberufung, Amtsniederlegung etc; vgl

§ 38 Rn 1 und 40 f) und damit nach Wegfall der Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG kann der ehemalige Geschäftsführer ggf auch Ansprüche aus dem der Organstellung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis vor den Arbeitsgerichten verfolgen: sofern er (schlüssig) geltend macht, das Anstellungsverhältnis sei (ausnahmsweise) als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren4. Durch den Wegfall der Organstellung wird das Anstellungsverhältnis allerdings nicht zum Arbeitsverhältnis (s. Rn 3). War die Organstellung zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht beendet, sollte nach früherer Rspr die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte auch dort ausgeschlossen bleiben, wo der Kläger später abberufen wird5. Hier hat der 10. Senat des BAG aktuell eine Kurskorrektur vorgenommen, um Manipulationsmöglichkeiten zu begegnen: Die Sperrwirkung des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG entfällt auch dann, wenn die Organstellung erst nach Klageerhebung, aber noch vor einer rechtskräftigen Entscheidung über die Rechtswegzuständigkeit beendet wird6. Damit dürfte der Zugang zu den Arbeitsgerichten deutlich erweitert worden sein7. 1 BAG GmbHR 2011, 1200 Rn 13; BAG GmbHR 2013, 253 Rn 13. 2 BAG GmbHR 1986, 263; BAG GmbHR 1988, 179; BAG ZIP 1999, 1456, 1457 = GmbHR 1999, 816; BAG NZA 2003, 272; BAG GmbHR 2011, 1200 Rn 14; BAG GmbHR 2013, 253 Rn 13. 3 BAG GmbHR 2013, 85 Rn 20; BAG GmbHR 2013, 253 Rn 22; BAG GmbHR 2014, 137 Rn 21; BAG GmbHR 2015, 27 Rn 21. 4 Dazu BAG GmbHR 2011, 1200 Rn 17; BAG GmbHR 2013, 83 Rn 18; BAG GmbHR 2013, 357 Rn 11; BAG GmbHR 2014, 137 Rn 18; BAG GmbHR 2015, 1211 Rn 17 ff; LAG Rheinland-Pfalz GmbHR 2014, 1259, 1261. 5 BAG GmbHR 2013, 253 Rn 23; BAG GmbHR 2014, 137 Rn 22 f. 6 BAG GmbHR 2015, 27 Rn 26 ff und BAG GmbHR 2015, 1211 Rn 17 (für den Fall der Abberufung); BAG GmbHR 2015, 250 Rn 24 f (Amtsniederlegung). 7 S. dazu etwa Dimsic/Link DB 2015, 3063, 3065 f; Geck/Fiedler BB 2015, 1077, 1078 ff; Graef/Heilemann GmbHR 2015, 225, 227 ff; Lunk NJW 2015, 528 f.

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Kleindiek

Anmeldung der Gesellschaft | § 7

§ 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG kommt schließlich auch nicht zur Anwendung, wenn 78 die geplante Bestellung zum Geschäftsführer noch aussteht oder gar aufgegeben wird1. An der Qualifikation eines schon geschlossenen Geschäftsführer-Anstellungsvertrages als (regelmäßig) freier Dienstvertrag ändert das aber nichts (Rn 3). Wo nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG an sich die ordentlichen Gerichte zuständig 79 sind, kann die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte vereinbart (§ 2 Abs. 4 ArbGG) oder durch rügeloses Einlassen (§ 39 ZPO) begründet werden2. Im Übrigen steht der Zugang zur ordentlichen Gerichtsbarkeit unter dem Vorbehalt besonderer Vereinbarungen zur Streitbeilegung, etwa zur Zuständigkeit von Schiedsgerichten3.

§7 Anmeldung der Gesellschaft (1) Die Gesellschaft ist bei dem Gericht, in dessen Bezirk sie ihren Sitz hat, zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. (2) Die Anmeldung darf erst erfolgen, wenn auf jeden Geschäftsanteil, soweit nicht Sacheinlagen vereinbart sind, ein Viertel des Nennbetrags eingezahlt ist. Insgesamt muss auf das Stammkapital mindestens soviel eingezahlt sein, dass der Gesamtbetrag der eingezahlten Geldeinlagen zuzüglich des Gesamtnennbetrags der Geschäftsanteile, für die Sacheinlagen zu leisten sind, die Hälfte des Mindeststammkapitals gemäß § 5 Abs. 1 erreicht. (3) Die Sacheinlagen sind vor der Anmeldung der Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister so an die Gesellschaft zu bewirken, dass sie endgültig zur freien Verfügung der Geschäftsführer stehen. Abs. 3 neu eingefügt durch die Novelle 1980; Abs. 2 geändert durch das EuroEG und das MoMiG sowie Streichung des Abs. 2 Satz 3 und Ergänzung der amtlichen Überschrift durch das MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl I 2026). I. 1. 2. 3.

Anmeldung und Eintragung Verfahren . . . . . . . . . . . . . . Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zuständigkeit . . . . . . . . . . . .

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. . . .

1 1 2 3

II. Voraussetzungen der Anmeldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Umfang der Leistungspflicht . . . 2. Mindest-Gesamtleistung . . . . . .

4 4 5

1 Anders wohl noch BAG GmbHR 1997, 837, 838. 2 Bauer/Krieger/Arnold Aufhebungsverträge, Rn D 153. 3 Hierzu etwa Bauer/Krieger/Arnold Aufhebungsverträge, Rn D 307 ff; Bauer/Arnold/Kramer AG 2014, 677; Wilske/Arnold/Grillitsch ZIP 2009, 2425.

Bayer

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§ 7 | Anmeldung der Gesellschaft III. IV. V. 1. 2. VI. 1.

Einpersonengründung . . . . . . Mehrleistungen . . . . . . . . . . . Art der Leistung . . . . . . . . . . Bareinlagen . . . . . . . . . . . . . . Sacheinlagen . . . . . . . . . . . . . Freie Verfügbarkeit . . . . . . . . Bedeutung nach dem Stand der heutigen Dogmatik . . . . . . . . .

7 9 10 10 17 18

2. 3. 4. VII. VIII.

Einzelheiten . . . . . . Gründungskosten . . Bedingte Leistungen Sanktionen . . . . . . Kosten . . . . . . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

20 25 26 27 28

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I. Anmeldung und Eintragung 1. Verfahren 1 Die Anmeldung ist Voraussetzung für die Eintragung der GmbH im Handels-

register (§ 10) und damit für ihre Entstehung (§ 11). Sie ist Antrag, also Prozesserklärung nach FamFG, dh keine Willenserklärung, sondern ein auf Herbeiführung behördlichen Handelns gerichteter, organschaftlicher Akt1. Dieser Antrag kann bis zur Eintragung der GmbH im Handelsregister ohne Begründung zurückgenommen werden2. Die Anmeldung wird im Namen der Vor-GmbH erklärt3; hierzu berechtigt sind nur die Geschäftsführer4; sie ist nur wirksam, wenn sie von sämtlichen Geschäftsführern erklärt wird (§ 78; dazu gehören gemäß § 44 auch stellvertretende Geschäftsführer)5. Die Rücknahme der Anmeldung durch auch nur einen Geschäftsführer entzieht dieser auch nach ihrem Zugang beim Registergericht die Grundlage (Unterschied zu einer Willenserklärung)6. Vertretung bei der Anmeldung (so § 12 Abs. 1 Satz 2 HGB) ist nach hM wegen § 8 Abs. 2, 3 generell nicht zulässig7. Die Unwirksamkeit der Bestellung zum Geschäftsführer nach § 6 Abs. 2 (zu den Änderungen durch das MoMiG vgl § 6 Rn 16 ff) schließt die Anmeldebefugnis aus8. Eine öffentlich-rechtliche Pflicht zur Anmeldung der GmbH besteht nicht; sie kann daher auch durch Ordnungsstrafen nicht erzwungen werden (§ 79 Abs. 2)9. Der Vorgesellschaft gegenüber

1 2 3 4 5 6 7

U/H/L/Ulmer/Casper Rn 19; Scholz/Veil Rn 12. Scholz/Veil Rn 12; MünchHdbGmbH/Riemenschneider/Freitag § 8 Rn 3. BGHZ 105, 324, 327 = GmbHR 1989, 25; B/H/Fastrich Rn 2; R/A/Roth Rn 7. BGHZ 105, 324, 327 = GmbHR 1989, 25; BGHZ 117, 323, 325; BayObLG DB 1987, 215. BayObLG GmbHR 1984, 343; Scholz/Veil Rn 10; B/H/Fastrich Rn 2. U/H/L/Ulmer/Casper Rn 21; MünchKomm/Herrler Rn 42. BayObLG DB 1987, 215, 216; B/H/Fastrich Rn 3; R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 8; Wicke Rn 2; für Änderung der Geschäftsanschrift gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 4 auch OLG Karlsruhe GmbHR 2014, 1046; aA früher OLG Köln GmbHR 1987, 394; aktuell auch R/A/Roth Rn 7; MünchKomm/Herrler Rn 22 ff: nur Versicherungen gemäß § 8 Abs. 2, 3 GmbHG höchstpersönlich. 8 Scholz/Veil Rn 10; MünchKomm/Herrler Rn 56. 9 BayObLG DB 1978, 880; R/A/Roth Rn 3; Scholz/Veil Rn 5.

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sind die Geschäftsführer jedoch zu ordnungsgemäßer Anmeldung verpflichtet, soweit nicht andere Weisungen der Gesellschafter vorliegen1. Kommen sie dieser Pflicht nicht nach, so können sie von jedem Gesellschafter entsprechend verklagt (Vollstreckung nach § 888 Abs. 1 ZPO)2 oder von der Gesellschafterversammlung aus wichtigem Grund abberufen werden und sind der (Vor-)GmbH gegenüber zum Schadensersatz verpflichtet3. Für die Wirksamkeit der Anmeldeerklärung ist hinsichtlich der Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer (Geschäftsführerwechsel zwischen Abgabe der Erklärung und dem Eingang beim Registergericht) nicht der Zeitpunkt der Abgabe, sondern vielmehr der Eingang beim Registergericht entscheidend4. 2. Form Aufgrund des EHUG5 müssen seit dem 1.1.2007 Anmeldungen zur Eintragung 2 in das Handelsregister gemäß § 12 Abs. 1 HGB elektronisch, in öffentlich beglaubigter Form (§ 39a BeurkG) erfolgen6 (ausführlich zur Eintragung § 9c Rn 3 ff). 3. Zuständigkeit Zuständig für die Eintragung ist das Amtsgericht als Registergericht (aus- 3 schließlich und zwingend); die örtliche Zuständigkeit bestimmt sich nach dem Sitz der GmbH (§ 7 Abs. 1) ggf iVm § 376 Abs. 2 iVm § 374 Nr. 1 FamFG7. Die Eintragung durch das örtlich nicht zuständige Amtsgericht ist unschädlich (§ 2 Abs. 3 FamFG). Auch Mängel im Verfahren hindern die Wirkung der Eintragung (§ 11) nicht; auch eine Amtslöschung gemäß § 395 FamFG kommt nur bei ganz schweren Verfahrensverstößen in Betracht8, zB wenn die Eintragung ohne den Willen aller Geschäftsführer erfolgt9 (ein Geschäftsführer hat nicht angemeldet oder zurückgenommen, der Notar reicht entgegen Anweisung ein).

1 Anderweitige Anweisungen sind vorrangig: MünchKomm/Herrler Rn 33; Michalski/ Tebben Rn 10; aA R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 7. 2 B/H/Fastrich Rn 2; Scholz/Veil Rn 6. Ausführlich zur gerichtlichen Durchsetzung der Anmeldeobliegenheit U/H/L/Ulmer/Casper Rn 8 f. 3 Scholz/Veil Rn 6; B/H/Fastrich Rn 2; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 10. 4 Zutreffend Bärwaldt/Glöckner GmbHR 2004, 1581, 1582; MünchKomm/Herrler Rn 31; aA LG München GmbHR 2004, 1580. 5 Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG) vom 10.11.2006 (BGBl I 2553). 6 Ausführlich Apfelbaum/Rettendorf RNotZ 2008, 89; MünchKomm/Herrler Rn 39 ff. 7 U/H/L/Ulmer/Casper Rn 16 ff; R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 12 ff. 8 Scholz/Veil Rn 16; B/H/Fastrich Rn 4; B/S/Schäfer Rn 9. 9 MünchKomm/Herrler Rn 55; Scholz/Veil Rn 16.

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§ 7 | Anmeldung der Gesellschaft II. Voraussetzungen der Anmeldung 1. Umfang der Leistungspflicht 4 Gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 muss im Zeitpunkt der Anmeldung bei Bareinlagen ein

Viertel des Nennbetrages auf jeden Geschäftsanteil eingezahlt sein. Minderleistungen auf einen Geschäftsanteil können nicht mit Mehrleistungen auf einen anderen Geschäftsanteil verrechnet werden1. Sacheinlagen sind voll zu erbringen (vgl auch § 7 Abs. 3); dazu gehören auch die Sachübernahmen (dazu § 5 Rn 38 ff)2, nicht aber der Erwerb von Gegenständen aufgrund sonstiger Vereinbarungen mit Gesellschaftern (näher § 5 Rn 43). Ist eine Mischeinlage (dazu § 5 Rn 42) geschuldet, so ist der Sacheinlageteil voll, der Bareinlageteil zu 25 % zu erbringen3. Ein vereinbartes Agio unterfällt bei der GmbH – anders als bei der AG – nicht § 7 Abs. 2 (vgl auch § 3 Rn 27); seine Fälligkeit richtet sich allein nach der Satzung oder dem Übernahmevertrag (allgemeine Meinung)4. 2. Mindest-Gesamtleistung

5 Die Mindest-Gesamtleistung „der Hälfte des Mindeststammkapitals gemäß § 5

Abs. 1“ (= 12 500 Euro) wird aus 25 % der Bar- und voller Sacheinlage gebildet und muss zusammen die Hälfte des Mindeststammkapitals ausmachen. Wird das nicht erreicht, so erhöht sich die Bareinlagepflicht entsprechend: Beispiel (1): Stammkapital darauf Sacheinlage Bareinlage Mindesteinlage nach § 7 Abs. 2 Satz 1 und nach § 7 Abs. 3

25 000 Euro 10 000 Euro 15 000 Euro 3 750 Euro 10 000 Euro 13 750 Euro

Die Voraussetzung des § 7 Abs. 2 Satz 2 ist erfüllt. Beispiel (2): Stammkapital darauf Sacheinlage oder Sachübernahme Bareinlage Mindesteinlage nach § 7 Abs. 2 Satz 1 und nach § 7 Abs. 3

25 000 Euro 5 000 Euro 20 000 Euro 5 000 Euro 5 000 Euro 10 000 Euro

Nach § 7 Abs. 2 Satz 2 sind weitere 2 500 Euro als Bareinlage zu leisten. 1 Michalski/Tebben Rn 20; MünchKomm/Herrler Rn 63. 2 U/H/L/Ulmer/Casper Rn 27; MünchKomm/Herrler Rn 70. 3 U/H/L/Ulmer/Casper Rn 28; MünchKomm/Herrler Rn 71; so nunmehr jüngst auch OLG Celle GmbHR 2016, 288, 289 mit Anm Wachter. 4 U/H/L/Ulmer/Casper Rn 26; B/H/Fastrich Rn 5; Wicke Rn 6.

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Das Gesetz sagt bzgl dieser zusätzlichen Bareinlagepflicht nicht, wer von den Gesellschaftern sie zu leisten hat. Das kann inter partes, insbesondere in der Satzung festgelegt werden. Geschieht das nicht, so sind alle Gesellschafter mit Bareinlage gemäß § 19 Abs. 1 (dazu § 19 Rn 5 ff) zu anteiliger Mehrleistung verpflichtet1. Diese Mindest-Gesamtleistungspflichten sind zwingend2; sie können durch die 6 Satzung nicht unterschritten werden (zu Mehrleistungen vgl Rn 9). Ohne diese Mindestleistung darf der Geschäftsführer nicht anmelden, darf er unter Strafdrohung nicht die erforderliche Versicherung abgeben (§§ 8 Abs. 2, 82 Abs. 1 Nr. 1) und darf das Registergericht nicht eintragen. Für die Kapitalerhöhung gelten § 7 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 entsprechend (§ 56a); erforderlich sind also volle Leistung aller Sacheinlagen und mindestens 25 % der Bareinlagen (näher § 56a Rn 2 f).

III. Einpersonengründung Die Vorschriften über die Mindesteinzahlungen auf die Bareinlage sowie die 7 Vollleistung der Sacheinlage gelten uneingeschränkt auch bei der Einpersonengründung. Die nach früherer Rechtslage bestehende Verpflichtung zur Leistung einer Sicherheit in der Form der §§ 232 ff BGB (§ 7 Abs. 3 Satz 3 aF)3 ist durch das MoMiG entfallen4. Eine weitere Deregulierung erfolgte durch Streichung der früher in § 8 Abs. 2 8 Satz 2 aF und § 19 Abs. 4 aF enthaltenen Regelungen5. Die Abkehr von dem Erfordernis zur Sicherheitsleistung stößt auf ein geteiltes Echo. Die Befürworter argumentieren, dass die besonderen Sicherungen bei Gründung einer Einpersonengesellschaft auf Grund von Auskünften der Praxis verzichtbar sind6. Die Rechtslage bei Einpersonen-GmbH sollte zudem nur durch solche Vorschriften verändert werden, die durch die 12. (Einpersonengesellschafts-)RL7 vorgeschrie1 Scholz/Veil Rn 23; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 29; MünchKomm/Herrler Rn 73. 2 So nachdrücklich jüngst OLG Celle GmbHR 2016, 288, 289 mit Anm Wachter. 3 Ausführlich zur Sicherheitsleistung nach der früheren Rechtslage Scholz/H. Winter/Veil 10. Aufl, Rn 48 sowie aus der Rspr OLG Zweibrücken ZIP 2007, 335; OLG Frankfurt GmbHR 2005, 681. 4 BegrRegE MoMiG, BR-Drucks 354/07, S. 76. 5 Zu den dogmatischen und rechtspolitischen Auswirkungen auf die Ausfallhaftung gemäß § 24: Bayer/Scholz GmbHR 2016, 89, 96 mwN. 6 Vgl BegrRegE MoMiG, BR-Drucks 354/07, S. 76. 7 Ursprünglich: Zwölfte RL 89/667/EWG (ABlEG Nr. L 395 v. 30.12.1989, S. 40); seit 21.10.2009: RL 2009/102/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.9. 2009 auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts betreffend Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter, ABlEU Nr. L 258 v. 1.10.2009, S. 20. Text und ausführliche Erläuterungen bei Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 29 mzwN; vgl ferner auch Bayer/J. Schmidt in Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, 2007, Bd 1, Kap. 18 Rn 109.

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§ 7 | Anmeldung der Gesellschaft ben sind; dazu gehörte § 7 Abs. 2 Satz 3 aF indes nicht. Nach der Gegenansicht ist die frühere Sonderbehandlung dadurch gerechtfertigt, dass es bei der Einpersonen-GmbH keinen weiteren Gesellschafter gibt, der für den Ausfall haften könne. Zudem würden hier Missbräuche der Haftungsbeschränkung häufiger auftreten, weshalb sich das Privileg der Haftungsbeschränkung mehr verdient werden müsse1.

IV. Mehrleistungen 9 Ob über die Mindestleistungen hinaus erfolgende Mehrleistungen den Ge-

sellschafter von seiner Leistungspflicht befreien, war lange Zeit umstritten2. Bedenken bestanden insofern, als Mehrleistungen die Gefahr begründeten, dass die Vorgesellschaft diese Leistungen bereits verbraucht haben und der eingetragenen GmbH schließlich nicht genügend Kapital zur Verfügung stehen könnte. Seit Anerkennung der allgemeinen Vorbelastungshaftung der Gründer entsprechend § 9 Abs. 1 (näher dazu bei § 11 Rn 41 ff)3 besteht aber kein Grund mehr, die Möglichkeit von Mehrleistungen in Frage zu stellen4. Denn wenn die Gründer für die volle Kapitaldeckung der GmbH im Augenblick ihrer Entstehung haften, so gilt dies selbstverständlich auch für die Erstattung bereits aufgezehrter Mehrleistungen. Da die Vorbelastungshaftung allerdings alle Gesellschafter gleichermaßen trifft, ist Voraussetzung der Erfüllungswirkung, dass die Mehrleistung in der Satzung festgelegt ist oder alle Gesellschafter der Mehrleistung zugestimmt haben; ebenso ist die Zustimmung zur vorzeitigen Geschäftsaufnahme (als Grundlage für die Vorbelastungshaftung, vgl § 11 Rn 42) erforderlich5. Die Wirkung der Mehrleistung bleibt allerdings auf das Innenverhältnis beschränkt; im Verhältnis zum Registergericht bleibt es bei der Regelung des § 7 Abs. 26.

1 Vgl Bundesrat, BR-Drucks 354/07(B), S. 12. 2 Vgl BGHZ 51, 157, 159; BGHZ 80, 129, 137 = GmbHR 1981, 114; Hachenburg/Ulmer 8. Aufl, Rn 42 ff mwN. 3 BGHZ 80, 129 = GmbHR 1981, 114 und dazu Ulmer ZGR 1981, 593 ff mwN. 4 BGHZ 105, 300 = GmbHR 1989, 74 mit zustimmender Anm Joost ZGR 1989, 544 ff. 5 B/H/Fastrich Rn 5a; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 46 f; B/S/Schäfer Rn 14; vgl auch Melber GmbHR 1991, 563, 565 f; aA MünchHdbGmbH/Gummert § 50 Rn 10; MünchKomm/ Herrler Rn 78; Scholz/Veil Rn 47; R/A/Roth Rn 22 (stets Erfüllung). 6 Scholz/Veil Rn 48; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 30; OLG Stuttgart GmbHR 2011, 1101, 1102 mit zustimmender Anm Wachter EWiR 2011, 777; OLG Nürnberg GmbHR 2011, 582.

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V. Art der Leistung 1. Bareinlagen Bareinlagen sind grundsätzlich in Geld zu erbringen; in Betracht kommen aller- 10 dings auch alle anderen Erfüllungstatbestände. a) Auch wenn die strenge Regelung gemäß § 54 Abs. 2, 3 AktG auf die GmbH 11 keine analoge Anwendung findet1, verpflichtet die Übernahme einer Bareinlage stets zur Leistung von Bar- oder Buchgeld. Nicht ausreichend ist zB die Abtretung einer dem Einleger gegenüber einem Dritten zustehenden Forderung an die GmbH2. Die Zahlungsmittel müssen der Gesellschaft zu Eigentum übertragen werden3. Ausreichend ist: Hingabe von inländischen gesetzlichen Zahlungsmitteln (Bargeld) oder Gutschrift auf dem im Inland befindlichen Konto der Gesellschaft (Vor-GmbH) eines Kreditinstitutes4; dass es sich um ein Konto der Gesellschaft handelt, kann sich auch aus den Umständen ergeben, eine besondere Bezeichnung („Geschäftsführerkonto“) ist nicht erforderlich5. Auch ein eigens vom Geschäftsführer in seiner Organeigenschaft eröffnetes Konto ist ausreichend6, nicht jedoch, wenn hierauf auch der Inferent allein zugreifen kann7. Leistungen an Treuhänder der GmbH (Notar-Anderkonto) befreien ebenfalls8. Kontogutschrift befreit auch dann, wenn Schuldner und kontoführende Bank identisch sind, da auch in diesem Fall die Geschäftsführer den Betrag ohne Einschränkung verwenden können9. Auch bei Leistung auf ein Konto der Vorgründungsgesellschaft (dazu § 11 Rn 2 ff) handelt es sich um keine Sacheinlage, sondern Erfüllung der Bareinlage, wenn die Vorauszahlung mit eindeutiger Zweckbestimmung erfolgte und der Einzahlungsbetrag bei Übernahme durch die VorGmbH noch als Vermögensgegenstand unangetastet und abgrenzbar vorhanden war10 (dazu noch Rn 14).

1 Ausführlich K. Schmidt AG 1986, 106 ff (auch zur Entstehungsgeschichte); B/H/Fastrich Rn 9; einschränkend Scholz/Veil Rn 30: Auslegungshilfe; aA Mülbert ZHR 154 (1990), 145, 158; MünchKomm/Herrler Rn 81. 2 K. Schmidt AG 1986, 106, 109; LG Krefeld GmbHR 1987, 310 (allgemeine Meinung); ausführlich Bayer GmbHR 2004, 445, 451. 3 U/H/L/Ulmer/Casper Rn 33. 4 BGHZ 45, 338, 347; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 34; Michalski/Tebben Rn 29; nach R/A/ Roth Rn 26 und MünchKomm/Herrler Rn 85 ist auch Zahlung auf ein Konto im EUAusland ausreichend. 5 OLG Frankfurt GmbHR 1992, 604; B/H/Fastrich Rn 8. 6 U/H/L/Ulmer/Casper Rn 36. 7 BGH GmbHR 2001, 339; MünchKomm/Herrler Rn 68. 8 U/H/L/Ulmer/Casper Rn 37; Wicke Rn 7; Lutter FS Heinsius, 1991, S. 497, 499 f; Wimmer GmbHR 1997, 827; aA S/I/Pfisterer Rn 13. 9 U/H/L/Ulmer/Casper Rn 35; Scholz/Veil Rn 31; aA R/A/Roth Rn 26. 10 OLG Frankfurt GmbHR 2005, 681; MünchKomm/Herrler Rn 99; Wicke Rn 7.

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§ 7 | Anmeldung der Gesellschaft 12 Ob die Überweisung zur Tilgung der Einlagepflicht oder zu anderen Zwecken

erfolgte, bestimmt sich aus der Sicht eines objektiven Empfängers1. Leistet der Gesellschafter ohne ausdrückliche Tilgungsbestimmung, so spricht es für die Leistung auf die Einlagepflicht, wenn der Gesellschafter genau in Höhe des Betrages der offenen Einlageschuld zahlt und keine anderweitige, etwa dem Betrag entsprechende Verbindlichkeit gegenüber der Gesellschaft besteht2. Bestehen neben der offenen Einlageschuld keine anderen Verbindlichkeiten des Gesellschafters, erfüllt der Inferent sogar dann seine Bareinlagepflicht, wenn er mit der Zahlung eine ausdrückliche Zahlungsbestimmung auf eine – nicht bestehende – Darlehensschuld trifft3 (zur Problematik der Nochmalzahlung bei rückgezahlter Einlage: § 19 Rn 126). Hat der Gesellschafter mehrere offene Verbindlichkeiten, so gilt gemäß § 366 BGB für seine Leistung die Zweckbestimmung durch den Gesellschafter4.

13 b) Andere Leistungen, zB durch Scheck, Wechsel etc, führen zur Schuldbefrei-

ung erst, wenn die zunächst nicht geschuldete (erfüllungshalber hingegebene) Leistung in eine der zulässigen Formen umgesetzt wird (zB Devisen werden in Euro umgetauscht, Wechsel wird bar bezahlt, Scheck endgültig und vorbehaltlos gutgeschrieben)5. Dies gilt ebenso, wenn der Schuldner auf eine vom Gesellschafter an die GmbH abgetretene Forderung zahlt6. In einer anderen Form können die Bareinlagepflichten nicht erfüllt werden (auch keine Annahme an Erfüllungs statt7; vgl zur Wertanrechnung § 19 Rn 70). Aufrechnung mit einer Forderung gegen die GmbH ist ausgeschlossen, soweit nicht Sachübernahme mit Verrechnungsabrede vorliegt (s. § 5 Rn 38 ff und § 19 Rn 39); ebenso Aufrechnung durch die GmbH (weil Forderung des Gesellschafters gegen die Gesellschaft in diesem Fall als Sacheinlage einzubringen ist: § 19 Rn 66)8. Mit welchen Mitteln der Einlagepflichtige leistet, ist gleichgültig. Leistung aus Mitteln Dritter (als Darlehen an den Gesellschafter)9 und durch Dritte ist zulässig10. Grundsätzlich keine Schuldbefreiung tritt allerdings ein, wenn die Mittel von der GmbH selbst stammen11 oder diese für den Kredit des Gesellschafters oder eines leisten1 2 3 4 5 6 7 8

9 10 11

OLG Dresden GmbHR 1999, 233, 234; OLG Hamburg GmbHR 1994, 468, 470. BGH GmbHR 2001, 1114; BGH GmbHR 1991, 152. BGH GmbHR 2006, 43; OLG Hamburg ZInsO 2007, 1115, 1116. BGH GmbHR 2001, 1114. OLG Dresden ZIP 1999, 1885, 1886; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 39; Scholz/Veil Rn 32; ausführlich Bayer GmbHR 2004, 445, 452. R/S-L/Pentz § 19 Rn 48; G/E/S/Link Rn 23; aA MünchKomm/Herrler Rn 95. Scholz/Veil Rn 33; MünchKomm/Herrler Rn 89. Scholz/Veil Rn 33; B/H/Fastrich Rn 9; MünchKomm/Herrler Rn 90; aA R/S-L/SchmidtLeithoff Rn 24. U/H/L/Ulmer/Casper Rn 45. BGH GmbHR 1995, 119, 120; LG Hagen RNotZ 2008, 46; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 44; ausführlich Bayer GmbHR 2004, 445, 454. BGHZ 28, 77 (Darlehen); B/S/Schäfer Rn 18.

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den Dritten Sicherungen zur Verfügung gestellt hat (ausführlich § 19 Rn 13)1; allerdings gelten heute unter den Voraussetzungen des § 19 Abs. 5 Ausnahmen (Rn 24 sowie ausführlich § 19 Rn 101 ff). c) Empfänger der Geldleistung kann stets nur die Vorgesellschaft sein, anders 14 kann Erfüllung nicht eintreten; Geschäftsführer darf andernfalls die Versicherung nach § 8 Abs. 2 nicht abgeben. Daher genügt Leistung an die Vorgründungsgesellschaft (dazu § 11 Rn 2 ff) grundsätzlich nicht2. Erfüllung tritt in diesem Fall jedoch ein, wenn die Geldleistung ungeschmälert auf die Vorgesellschaft übergegangen ist3 (vgl auch Rn 11 aE). Hieraus folgt weiter, dass die Mindestbareinlage weder pfändbar noch ver- 15 pfändbar ist (zu ausstehenden Resteinlageforderungen nach Eintragung der GmbH s. § 19 Rn 49). Abtretung der Mindesteinlage ist hingegen grundsätzlich möglich (ausführlich zu den Voraussetzungen und Rechtsfolgen: § 19 Rn 42 ff). d) Problematisch ist die Leistung an einen GmbH-Gläubiger auf Veranlassung 16 der Gesellschaft. Die ganz hM verneint im Hinblick auf den Mindesteinlagebetrag des § 7 Abs. 2 trotz §§ 362 Abs. 2, 185 BGB jegliche Erfüllungswirkung4; teilweise wurde wenigstens gefordert, dass die erfüllte Forderung vollwertig und fällig sein muss5. Diese restriktive Auffassung überzeugt jedoch nicht. Insbesondere lässt sich nicht leugnen, dass sich die Mittel in der Verfügungsgewalt der GmbH-Geschäftsführer befinden, wenn der Gesellschafter der Weisung der Geschäftsführer nachkommt6. Die Konstellation unterscheidet sich wertungsmäßig nicht von der – unbestritten unbedenklichen – Barzahlung an den GmbH-Geschäftsführer, der die Leistung sofort an den Gläubiger weiterreicht. Der Einwand, hier liege eine Sacheinlage vor und das Registergericht müsse eine Wertprüfung durchführen7, überzeugt daher nicht. Vor einer Minderung des Wertes der aus dem Vermögen des Gesellschafters an die Gesellschaft abgeflossenen Einlage werden die GmbH und ihre Gläubiger auch nicht vorrangig durch die Schutzvorschriften der § 19 Abs. 2 bis Abs. 5, sondern durch das Institut der

1 OLG Köln ZIP 1984, 176; LG Mönchengladbach GmbHR 1986, 312; R/A/Roth Rn 27; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 45. 2 BGH GmbHR 1992, 601; OLG Hamm GmbHR 1992, 750, 751; B/H/Fastrich Rn 8. 3 BGH GmbHR 2001, 339; OLG Düsseldorf GmbHR 1994, 398; OLG Stuttgart GmbHR 1995, 115, 118; Scholz/Veil Rn 27 aE. 4 BGHZ 119, 177, 188 = GmbHR 1993, 225 (AG); BGHZ 150, 197, 200; BGH GmbHR 1986, 115; OLG Naumburg GmbHR 1999, 1037, 1038; Scholz/Veil Rn 33; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 42 mwN. 5 So noch Hachenburg/Ulmer 8. Aufl, Rn 38. 6 Ebenso K. Schmidt GesR § 37 II 2 aE; ausführlich Bayer GmbHR 2004, 445, 454; zustimmend nunmehr B/S/Schäfer Rn 18; MünchKomm/Herrler Rn 91. 7 So MünchKomm/Herrler Rn 75; zust. U/H/L/Ulmer/Casper Rn 42 (kein „unnötiger Formalismus“).

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§ 7 | Anmeldung der Gesellschaft Vorbelastungshaftung (dazu § 11 Rn 41 ff) geschützt. Die hM ist heute dogmatisch überholt (ausführlich Rn 19 ff). 2. Sacheinlagen 17 Sacheinlagen sind ihrer Art entsprechend zu leisten, dh Forderungen sind ab-

zutreten (§ 398 BGB), bewegliche Sachen zu übereignen (§§ 929 ff BGB)1, Schutzrechte zu übertragen (zB § 15 PatG), Belastungen zu bestellen und ggf im Grundbuch einzutragen (zB Nießbrauch), Grundbesitz aufzulassen und für die Vor-GmbH im Grundbuch einzutragen (§§ 873, 925 BGB)2; wegen der oft langen Dauer solcher Verfahren genügen aber auch Auflassung, Eintragungsbewilligung (§§ 19, 20 GBO) und Stellung des Antrags (§§ 13, 17 GBO)3 bzw Eintragung einer entsprechenden Auflassungsvormerkung4 für die GmbH im Grundbuch. Zwar ist in diesem Falle freie Verfügbarkeit ieS noch nicht gegeben, da das Grundstück von der Gesellschaft noch nicht belastet werden kann; andererseits würde das Warten auf die Eintragung des Eigentumsübergangs oder der Belastung zu einer unangemessenen Verzögerung der Eintragung der GmbH und zu hohen Risiken aller Beteiligten aus der Vor-GmbH führen. Wollte man daher anders entscheiden, so würde man die Beteiligten nur in die Aufspaltung des Vorganges in eine Bargründung und einen späteren Kauf drängen, womit der gesamte Vorgang als verdeckte Sacheinlage (dazu § 19 Rn 54 ff) zu qualifizieren wäre. Die auch hier vertretene pragmatische Lösung ist daher vorzugswürdig.

VI. Freie Verfügbarkeit Literatur: Bayer Die Bankbestätigung gem. § 37 Abs. 1 S. 3 AktG, FS Horn, 2006, S. 271; Blecker Die Leistung der Mindesteinlage in Geld zur „(endgültig) freien Verfügung“ der Geschäftsleitung bei Aktiengesellschaft und Gesellschaft mit beschränkter Haftung im Fall der Gründung und der Kapitalerhöhung, 1995; Hallweger Die freie Verfügbarkeit von Bareinlagen aus Kapitalerhöhungen in der Aktiengesellschaft, DStR 2002, 2131; Kersting Verzicht auf den Unversehrtheitsgrundsatz im Recht der GmbH, ZHR 175 (2011), 644; Kleindiek Modalitäten ordnungsgemäßer Bareinlageleistung bei Gründung einer Aktiengesellschaft, FS Westermann, 2008, S. 1073; Lutter Das überholte Thesaurierungsgebot bei Eintragung einer Kapitalgesellschaft im Handelsregister, NJW 1989, 2649; G.H. Roth Die wertgleiche Deckung als Eintragungsvoraussetzung, ZHR 167 (2003), 89; K. Schmidt Bar1 U/H/L/Ulmer/Casper Rn 49. Eine bedingte Übereignung genügt nicht: Scholz/Veil Rn 42; aA BGH GmbHR 1959, 94. 2 Zu Grundbuchfähigkeit der Vor-GmbH: BGHZ 45, 338, 348. 3 So ganz hM: U/H/L/Ulmer/Casper Rn 51; R/A/Roth Rn 34; B/H/Fastrich Rn 14; aA Scholz/Veil Rn 43 (Erfüllung erforderlich). 4 Ebenso U/H/L/Ulmer/Casper Rn 51; ausführlich MünchKomm/Herrler Rn 123 ff; aA B/H/Fastrich Rn 14 aE; S/I/Pfisterer Rn 18; wohl auch R/A/Roth Rn 35; R/S-L/SchmidtLeithoff Rn 36.

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Anmeldung der Gesellschaft | § 7 kapitalaufbringung und „freie Verfügung“ bei der Aktiengesellschaft und der GmbH, AG 1986, 106.

§ 7 Abs. 3 bestimmt für die Sacheinlage, § 8 Abs. 2 Satz 1 auch für die Barein- 18 lage, dass sich die Leistung „endgültig in der freien Verfügung der Geschäftsführer“ zu befinden habe. Im Falle des Formwechsels von KG zur GmbH wird die Vorschrift indes von § 220 UmwG verdrängt1. 1. Bedeutung nach dem Stand der heutigen Dogmatik Hinter der Formulierung („endgültig in der freien Verfügung der Geschäftsfüh- 19 rer“) verbirgt sich richtigerweise allein die Feststellung, dass die Mindesteinlageverpflichtung eines jeden Gesellschafters aus dessen Vermögen endgültig ausgeschieden und ebenso endgültig in das Vermögen der GmbH übergegangen ist. Die Regelung zielt somit auf die Mittelaufbringung2. Dagegen hat die freie Verfügbarkeit keinerlei Bedeutung für die Mittelverwendung; hierüber entscheidet allein die Geschäftsführung3. In der Vergangenheit ist über die Bedeutung dieser Regelung viel diskutiert und manches Missverständnis verbreitet worden4. Die ältere Rspr und ein Teil des Schrifttums haben auch noch nach der durch BGHZ 80, 1295 erfolgten Aufgabe des Vorbelastungsverbots (dazu ausführlich § 11 Rn 41) das Merkmal der freien Verfügbarkeit dahin verstanden, dass die eingezahlten Einlagen bis zur Entstehung der Gesellschaft (Eintragung) unangetastet bleiben müssten, zB nicht an einen Dritten als Darlehen ausgezahlt6 oder zur Anschaffung von Vermögensgegenständen7 verwendet werden dürften. Dieses Thesaurierungsgebot hat BGHZ 119, 1778 dann zu Recht aufgegeben, jedoch in Übereinstimmung mit der hL den Standpunkt eingenommen, dass allein wertneutrale Geschäfte zulässig seien (Prinzip der wertmäßigen Deckung)9. Doch auch diese Beschränkung auf wertneutrale Geschäfte ist unzutreffend. Die Sicherung des Kapitals bei der Gründung ist heute vielmehr Aufgabe der Vorbelastungshaftung10, während das Merkmal „freie Verfügung“ nur die einmal korrekt durchgeführte Mittelauf1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

So OLG Frankfurt GmbHR 2015, 808. U/H/L/Ulmer/Casper Rn 53; ausführlich Bayer GmbHR 2004, 445, 447. Wie hier U/H/L/Ulmer/Casper Rn 58. Zum überholten Thesaurierungsgebot: Bayer FS Horn, 2006, S. 271, 277 f; Kleindiek FS Westermann, 2008, S. 1073, 1079 f (beide mwN). BGHZ 80, 129 = GmbHR 1981, 114. So BayObLG GmbHR 1988, 215. OLG Köln GmbHR 1988, 227; OLG Köln ZIP 1989, 238. BGHZ 119, 177 = GmbHR 1993, 225. BGHZ 119, 177 = GmbHR 1993, 225 und dazu Hüffer ZGR 1993, 474 ff (für Kapitalerhöhung bei AG); allgemein U/H/L/Ulmer/Casper Rn 55; B/H/Fastrich § 8 Rn 13. Lutter NJW 1989, 2649, 2651.

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§ 7 | Anmeldung der Gesellschaft bringung betrifft1. Die Lehre von den „wertneutralen Geschäften“ kommt nämlich bei der Gründung in einen unlösbaren Konflikt mit der Lehre von der Vorbelastungshaftung, deren Aufgabe es ist, negative Ergebnisse aus eben nicht wertneutralen Geschäften durch bare Zuzahlung vor Anmeldung der Gesellschaft zum Handelsregister auszugleichen (näher § 11 Rn 41 ff) und das dem Registerrichter gegenüber auch zu versichern (dazu § 8 Rn 12). Liegt daher freie Verfügbarkeit im materiellen Sinne vor (ausführlich Rn 20 ff), so rechtfertigt die Verwendung des Einlagebetrags, zu welchem Zweck auch immer, nie die Ablehnung des Eintragungsantrags2. Die geleisteten Einlagen müssen weder im Zeitpunkt der Anmeldung noch gar der Eintragung der GmbH in deren Vermögen sein. Daher müssen die Geschäftsführer bei Gründung auch keine Erklärung darüber abgeben, dass die Einlagebeträge noch vorhanden sind bzw gar auf einem Sperrkonto liegen3; sie müssen bei der Gründung nur versichern, dass die Mindestleistungen einmal wirksam erbracht worden sind und die Deckung des Stammkapitals im Zeitpunkt der Anmeldung nicht durch Verluste gemindert ist bzw etwaige Verluste durch anderweitige Vermögenszuwächse4 oder bare Zusatzleistung ausgeglichen sind (näher zu diesem Aspekt bei § 8 Rn 12). Das Risiko, dass die geleisteten Einlagen im Zeitpunkt der Entstehung der GmbH nicht mehr (in Natur oder wertmäßig) vorhanden sind, wird somit durch die Vorbelastungshaftung sowie die daraus abgeleitete Verpflichtung der baren Zuzahlung bei fehlender Wertdeckung kompensiert5. Zum Ausnahmetatbestand des Hin- und Herzahlens: § 19 Rn 101 ff. 2. Einzelheiten 20 a) Freie Verfügbarkeit liegt vor, wenn die Leistungen der GmbH endgültig so

zugeflossen sind, dass die Geschäftsführer sie rechtlich und tatsächlich für die GmbH verwenden können6 (uU Verschaffung besonderer Unterlagen, wie KfzBrief, erforderlich). Gemeint ist damit der endgültige und uneingeschränkte Mit-

1 K. Schmidt AG 1986, 106. 2 Scholz/Veil Rn 35; zustimmend MünchKomm/Herrler Rn 141 ff; ausführlich Kersting ZHR 175 (2011), 644, 651 ff, 680 f; aA U/H/L/Ulmer/Casper Rn 62 mwN. 3 Zutreffend OLG Hamm DB 1990, 1608; auch Ulmer GmbHR 1993, 189, 195 für Kapitalerhöhung. 4 So R/A/Roth § 8 Rn 27; für AG auch Großkomm/Röhricht § 36 AktG Rn 90; Hüffer/Koch § 36 AktG Rn 11; vgl auch Bayer FS Horn, 2006, S. 271, 278. 5 Wie hier dezidiert auch Kleindiek FS Westermann, 2008, S. 1071, 1082 f; ebenso Scholz/ Veil Rn 35; zustimmendB/H/Fastrich Rn 11; grundlegend 16. Aufl Rn 15, 20; vgl weiter Bayer GmbHR 2004, 445, 447 f; Bayer FS Horn, 2006, S. 271, 278; einschränkend U/H/L/ Ulmer/Casper Rn 55; aA G.H. Roth ZHR 167 (2003), 89, 97 f. 6 BGH GmbHR 1962, 233 und BGHZ 96, 231, 241 f; ThürOLG WM 2007, 77, 80; U/H/L/ Ulmer/Casper Rn 59; Scholz/Veil Rn 36; Bayer GmbHR 2004, 445, 447.

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telzufluss1, und zwar in der Weise, wie er geschuldet ist2. Bei Einpersonengesellschaften ist sorgfältig darauf zu achten, dass die Mittel aus dem Vermögen des einzigen Gesellschafters ausgeschieden und in das der Vorgesellschaft geflossen sind3 (vgl auch § 19 Rn 12 mwN). Keine freie Verfügung der Geschäftsführer liegt vor, wenn Gutschrift auf ein 21 gesperrtes4 oder von Pfändung betroffenes Konto5 erfolgt bzw im Falle faktischer Verfügungsbeschränkungen6. Die Zahlung auf ein debitorisches Konto der Vorgesellschaft (dazu auch § 19 Rn 48) wirkt jedoch dann befreiend, wenn über den eingezahlten Betrag innerhalb einer vereinbarten, nicht gekündigten7 Kreditlinie verfügt werden kann8, nicht dagegen bei bereits ausgeschöpfter oder gekündigter Kreditlinie, da hier die Bank die eingezahlten Mittel sofort mit dem Schuldsaldo verrechnen kann9. Dass die Überziehung des Kontos von der Bank lediglich tatsächlich geduldet wird, reicht nicht aus, um freie Verfügung bejahen zu können10; der Geschäftsführer hat in diesem Fall gerade keine rechtlich abgesicherte Verfügungsmacht. Zweifelhaft ist daher auch die Auffassung des BGH, dass Erfüllungswirkung stets dann eintrete, wenn die Bank trotz Erschöpfung der ursprünglichen Kreditlinie der GmbH tatsächlich einen neuen Kredit in Höhe der Einzahlung gewähre11. Zu kritisieren ist, dass hier die Erfüllungswirkung im Belieben der Bank steht, was systemwidrig ist12. Etwas anderes gilt, wenn der Geschäftsführer den Gesellschafter angewiesen 22 hat, auf das debitorische Konto zu leisten (vgl auch § 19 Rn 48). Denn in diesem 1 BGHZ 113, 335, 348 = GmbHR 1991, 255; OLG München AG 2007, 292 – Kirch Media; K. Schmidt AG 1986, 106, 109; Hommelhoff/Kleindiek ZIP 1987, 477, 485; B/H/Fastrich Rn 10. 2 Ausführlich Lutter NJW 1989, 2649, 2650. 3 BayObLG GmbHR 1994, 329; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 68 f; B/H/Fastrich Rn 8. 4 BGH GmbHR 1962, 233; BayObLG GmbHR 1998, 736, 737; Scholz/Veil Rn 40; U/H/L/ Ulmer/Casper Rn 59. 5 BayObLG GmbHR 1998, 736, 737; Scholz/Veil Rn 37. 6 BGHZ 96, 231, 241 f; BGH GmbHR 1991, 152; Hommelhoff/Kleindiek ZIP 1987, 477, 491. 7 Problematisch OLG Stuttgart GmbHR 1995, 666 (konkludente Kündigung); kritisch Goette DStR 1997, 378, 379. 8 BGH WM 1990, 1820; BGH GmbHR 1991, 152; BGH GmbHR 2002, 545; Scholz/Veil Rn 40; B/H/Fastrich Rn 11; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 34, 59. 9 BGH WM 1990, 1820, 1822; OLG Stuttgart GmbHR 1995, 115, 119; Scholz/Veil Rn 40; R/A/Roth Rn 27c. 10 OLG Dresden GmbHR 1999, 1035, 1036; Spindler ZGR 1997, 537, 547; Scholz/Veil Rn 40; Wimmer GmbHR 1997, 827, 828; aA wohl OLG Hamm GmbHR 1992, 750, 751; Priester DB 1987, 1473, 1474. 11 So BGH WM 2002, 963; zustimmend Henze BB 2002, 955, 956 f; Brauer/Manger GmbHR 2002, 548; ebenso OLG Düsseldorf v. 26.10.2006 – 6 U 141/05. 12 Insoweit kritisch daher Bayer/Pielka WuB II C. § 55 GmbHG 1.02; vgl auch R/A/Roth Rn 27c.

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§ 7 | Anmeldung der Gesellschaft Fall bestimmt der Geschäftsführer über die Mittelverwendung, es besteht kein Unterschied zur Barleistung an die GmbH1 (zur Leistung an Dritte Rn 16). Eine solche Anweisung liegt (stillschweigend) auch dann vor, wenn es der Geschäftsführer versäumt, dem Gesellschafter Mitteilung zu machen, dass er auf ein anderes als das überzogene Konto leisten soll; vielmehr darf der Inferent auf das ihm bekannte (zB auf dem Briefbogen der GmbH ausgewiesene) Konto leisten2. Nur bei Kenntnis des Gesellschafters von der Überziehung des Kontos kann daher nach zutreffender Auffassung die Erfüllung scheitern. Eine Verrechnung durch die Bank mit dem Debetsaldo ist aber auch dann ausgeschlossen, wenn der Gesellschafter eine ausdrückliche Zweckbestimmung getroffen hat (nicht nur auf Überweisungsträger!)3. 23 b) Schuldrechtliche Verwendungsbindungen stehen heute nach allgemeiner

Meinung der freien Verfügbarkeit grundsätzlich nicht (mehr) entgegen4 (Beispiel: Absprache, mit dem Einlagebetrag Beteiligung an einer anderen Gesellschaft5 oder eine bestimmte Maschine, ein Patent usw zu erwerben).

24 c) Kein Rückfluss an Einleger: Die eingezahlten Mittel dürfen aber nicht ab-

sprachegemäß unmittelbar oder mittelbar an den Einleger zurückfließen6, sofern nicht der Ausnahmetatbestand gemäß § 19 Abs. 5 gegeben ist7 (ausführlich § 19 Rn 101 ff). Unzulässig sind daher (vgl auch § 19 Rn 13) bloße Scheinoperationen8, die Rückzahlung an eine dem Einlageschuldner zuzurechnende Person9, die Einlageleistung im Rahmen einer verdeckten Sacheinlage (ausführlich § 19 Rn 54 ff)10; die vorherige Erteilung eines unwiderruflichen Verwendungsauftrags an die kontoführende Bank schadet dagegen nur, wenn der Zahlungsempfänger den Einlagebetrag für Rechnung des Inferenten oder in 1 Wie hier B/S/Schäfer Rn 22; B/H/Fastrich Rn 11; MünchKomm/Herrler Rn 134; OLG Bamberg GmbHR 2003, 717 (LS) = OLGR 2003, 126; OLG Oldenburg GmbHR 2008, 1270, 1272; wohl auch R/A/Roth Rn 27b; zweifelnd indes S/I/Pfisterer Rn 16. 2 Bayer/Pielka WuB II C. § 55 GmbHG 1.02; zustimmend B/S/Schäfer Rn 22; MünchKomm/Herrler Rn 134. 3 Ausführlich Brändel ZHR 156 (1992), 187, 191. 4 OLG Dresden GmbHR 2000, 38; K. Schmidt AG 1986, 106, 109; Hommelhoff/Kleindiek ZIP 1987, 477; Scholz/Veil Rn 39 mwN. 5 Zur Kettengründung: BGH GmbHR 1992, 601. 6 BGHZ 113, 335, 347 = GmbHR 1991, 255; BGH GmbHR 1991, 255; OLG München ZIP 2007, 126, 127; ausführlich Bayer GmbHR 2004, 445, 449; vgl auch Scholz/Veil Rn 38; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 56. 7 Wie hier Scholz/Veil Rn 38; B/H/Fastrich Rn 9 mwN. 8 BGH WM 1990, 157, 159; Hommelhoff/Kleindiek ZIP 1987, 477, 490. 9 ThürOLG WM 2007, 77, 80 (Auszahlung an den Treugeber nach Leistung durch den Treuhänder); vgl auch LG Dresden GmbHR 2001, 29. 10 BGHZ 113, 335, 347 = GmbHR 1991, 255; BGHZ 125, 141, 149 ff = GmbHR 1994, 394; BGH GmbHR 2003, 1051; OLG Schleswig GmbHR 2000, 1045; Bayer ZIP 1998, 1985, 1990 mwN.

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dessen Interesse erhält1. Unschädlich ist es auch, wenn Zuzahlungen des Inferenten, die in die freie Kapitalrücklage geflossen ist, anschließend zur Befriedigung einer gegen die Gesellschaft gerichteten Forderung einer Schwestergesellschaft eines anderen Einlegers entsprechend einer vorherigen Absprache zwischen der Gesellschaft und Letzterem verwandt werden, da hier kein mittelbarer Rückfluss der Bareinlage an den Inferenten vorliegt2; auf schuldrechtlich begründete Zuzahlungen finden die Kapitalaufbringungsvorschriften generell keine Anwendung (vgl auch § 3 Rn 27 mwN). 3. Gründungskosten Von den Gründern vorgelegte Kosten dürfen (nur) abgezogen werden, wenn 25 dies in der Satzung angeordnet wurde (ausführlich § 3 Rn 52), Gründerlohn aber in keinem Falle. 4. Bedingte Leistungen Aufschiebend bedingte Leistungen auf den Zeitpunkt der Anmeldung oder (als 26 spätestem Zeitpunkt) der Eintragung der Gesellschaft/Kapitalerhöhung im Handelsregister sind ebenso zulässig wie eine auflösende Bedingung auf einen Zeitpunkt, bis zu dem spätestens die Anmeldung/Eintragung erfolgt sein muss oder diese endgültig gescheitert ist3. All dies ist korrekte Leistung und beeinträchtigt freie Verfügbarkeit der Geschäftsführer spätestens mit Entstehung der Gesellschaft bzw Wirksamkeit der Kapitalerhöhung gerade nicht. Daher ist auch die Leistung an einen Treuhänder mit unwiderruflicher Anweisung, die Leistung nach Anmeldung bzw Eintragung an Geschäftsführer zu geben, korrekt (vgl schon Rn 11)4.

VII. Sanktionen Die inhaltliche Richtigkeit der Anmeldung unterliegt der Strafdrohung des § 82 27 Abs. 1 Nr. 1. Im Übrigen haften die Anmeldenden der GmbH gegenüber nach § 9a (vgl § 9a Rn 1 ff), Gesellschafter nur Dritten gegenüber nach § 823 Abs. 2 BGB iVm § 82 Abs. 1 Nr. 1 (Schutzgesetz) auf Ersatz ihres Schadens (vgl § 82 Rn 31). Amtslöschung wegen fehlender Einlageleistung kommt nicht in Betracht. 1 Scholz/Veil Rn 40; vgl auch LG Mainz AG 1989, 176, 179. 2 Ausführlich OLG München ZIP 2007, 126, 127 mit zustimmender Anm Müller WuB II B. § 54 AktG 1.07; Revision nicht zugelassen durch BGH ZIP 2008, 26 – Kirch Media. 3 So auch ausführlich MünchKomm/Herrler Rn 118 ff. 4 Näher Lutter FS Heinsius, 1991, S. 497 ff.

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§ 7 | Anmeldung der Gesellschaft VIII. Kosten 28 Die Eintragungsgebühren für das Handelsregister bestimmen sich nach der auf-

grund § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 GNotKG erlassenen Handelsregistergebührenverordnung. Die Gebühr für die Eintragung einer GmbH ergibt sich nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GNotKG iVm § 1 HRegGebV, GV Nr. 2100 bzw 2101. Dabei handelt es sich nur noch um Festgebühren, eine Wertermittlung ist nicht mehr notwendig. Diesbezüglich ist zwischen einer reinen Barleistungspflicht und einer Sachleistung zu differenzieren: im ersten Fall beträgt die Gebühr 150 Euro (Nr. 2100), im zweiten Fall (wohl vor dem Hintergrund des größeren Aufwands infolge der Prüfung) 240 Euro (Nr. 2101). Bei einer Entstehung nach dem UmwG erhöht sich die Gebühr auf 260 Euro (Nr. 2104). Daneben werden bei der Erstanmeldung gemäß § 2 Abs. 1 HRegGebV nur Gebühren für die gleichzeitige Errichtung einer Zweigniederlassung und die Eintragung einer Prokura gesondert erhoben. Für die Einreichung der Gesellschafterliste entsteht keine Gebühr nach Nr. 50021, da dort nur der Fall des § 40, mithin einer Änderung, erfasst ist und nicht § 8 Abs. 1 Nr. 3. Dies deckt sich auch mit § 2 Abs. 1 HRegGebV. Gleiches gilt für die UG (vgl Nr. 2100). 29 Hinsichtlich der Notargebühren gilt Folgendes: Beurkundet ein Notar die Gründung einer GmbH mit zwei Gesellschaftern und beglaubigt er die Unterschriften beider Geschäftsführer unter einer von ihm entworfenen Registeranmeldung, fällt zunächst für die Gründung der GmbH gemäß Nr. 21100 KV eine doppelte Gebühr an2. Der Geschäftswert bestimmt sich nach § 97 Abs. 1 GNotKG und beträgt mindestens 30 000 Euro und höchstens 10 Mio Euro (§ 107 Abs. 1 GNotKG). Der Mindestwert gilt jedoch nicht für die Gründung einer Gesellschaft mit Musterprotokoll gemäß § 2 Abs. 1a. Für die Beurkundung des ersten Gesellschafterbeschlusses über die Bestellung des Geschäftsführers ergibt sich der Geschäftswert aus §§ 108 IAbs. 1, 105 Abs. 4 Nr. 1; jedoch werden die Beurkundungsgegenstände gemäß § 35 Abs. 1 GNotKG addiert und eine einheitliche Beurkundungsgebühr berechnet. Für den Entwurf der Registeranmeldung ist als Geschäftswert ebenfalls das einzutragende Stammkapital mind. jedoch 30 000 Euro nach §§ 105 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 1, 106, 119 GNotKG maßgeblich. Gemäß Nr. 21201, 24102 KV wird für die Beurkundung der Anmeldung zum elektronischen Handelsregister eine halbe Gebühr erhoben (62,50 Euro bei höchstens 30 000 Euro Stammkapital). Für die Erzeugung der XML-Strukturdaten mittels der Software XNotar ist Nr. 22114 KV einschlägig (0,3 Gebühr, höchstens 250 Euro). Bei der Übermittlung der elektronischen Abschriften mit Signatur der Gründungsurkunde und der Handelsregisteranmeldung sowie der XML-Strukturdaten handelt es sich um ein gebührenfreies Nebengeschäft gemäß Vorb 2.1 Abs. 2 Nr. 1 KV, und zwar unabhängig davon, ob die Übermittlung in Papierform oder in elektronischer Form erfolgte. 1 MünchKomm/Herrler § 10 Rn 44. 2 Vgl Sikora/Tiedtke NJW 2013, 2310, 2314.

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Inhalt der Anmeldung | § 8

Beispiel1: Für eine GmbH mit einem Stammkapital iHv 25 000 Euro ist gemäß §§ 97 Abs. 1, 107 Abs. 1 GNotKG ein Geschäftswert iHv 30 000 Euro zu Grunde zu legen. Für den Beschluss bezüglich der Bestellung der Geschäftsführer kommen gemäß §§ 108 Abs. 1 iVm § 105 Abs. 4 Nr. 1 GNotKG nochmal 30 000 Euro hinzu. Beide Werte sind gemäß § 35 Abs. 1 GNotKG zu addieren, so dass der Wert des Beurkundungsverfahrens 60 000 Euro beträgt. Hieraus errechnet sich gemäß Nr. 21100 KV eine doppelte Gebühr iHv 384 Euro. Für die Registeranmeldung mit Entwurf entsteht bei einem einzutragenden Stammkapital von 25 000 Euro eine 0,3 bis 0,5 Gebühr (Rahmengebühr gemäß § 92 GNotKG) gemäß Nr. 24102, 21201 KV. Erfolgt die Beurkundung der Unterschriften demnächst, entfällt eine gesonderte Beglaubigungsgebühr, Vorb 2.4.1 Abs. 2 KV. Für den Gründungsvertrag fällt zusätzlich eine Dokumentenpauschale (je nach Seitenzahl) gemäß Nr. 32000 KV an. Für die Erzeugung der XML-Strukturdaten für das Handelsregister beträgt die Gebühr bei einem Stammkapital von 25 000 Euro gemäß Nr. 22114 KV 34,50 Euro. Die Übermittlung der elektronischen Abschriften mit Signatur der Gründungsurkunde ist gemäß Vorb 2.1 Abs. 2 Nr. 1 KV ein gebührenfreies Nebengeschäft. Hinzu kommt nach Nr. 32004, 32005 KV das Entgelt für Post- und Telekommunikationsdienste in voller Höhe oder pauschal 20 % der Gebühren, höchstens 20 Euro. Notarkosten entstehen darüber hinaus ggf auch dann, wenn der Notar einzelne in § 8 bestimmte, beizufügende Anlagen erstellt, insbesondere die Gesellschafterliste (Nr. 22113 KV).

§8 Inhalt der Anmeldung (1) Der Anmeldung müssen beigefügt sein: 1. der Gesellschaftsvertrag und im Fall des § 2 Abs. 2 die Vollmachten der Vertreter, welche den Gesellschaftsvertrag unterzeichnet haben, oder eine beglaubigte Abschrift dieser Urkunden, 2. die Legitimation der Geschäftsführer, sofern dieselben nicht im Gesellschaftsvertrag bestellt sind, 3. eine von den Anmeldenden unterschriebene Liste der Gesellschafter, aus welcher Name, Vorname, Geburtsdatum und Wohnort der Letzteren sowie die Nennbeträge und die laufenden Nummern der von einem jeden derselben übernommenen Geschäftsanteile ersichtlich sind,

1 Nach Sikora/Tiedtke NJW 2013, 2310, 2314.

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§ 8 | Inhalt der Anmeldung 4. im Fall des § 5 Abs. 4 die Verträge, die den Festsetzungen zugrunde liegen oder zu ihrer Ausführung geschlossen worden sind, und der Sachgründungsbericht, 5. wenn Sacheinlagen vereinbart sind, Unterlagen darüber, dass der Wert der Sacheinlagen den Nennbetrag der dafür übernommenen Geschäftsanteile erreicht. (2) In der Anmeldung ist die Versicherung abzugeben, dass die in § 7 Abs. 2 und 3 bezeichneten Leistungen auf die Geschäftsanteile bewirkt sind und dass der Gegenstand der Leistungen sich endgültig in der freien Verfügung der Geschäftsführer befindet. Das Gericht kann bei erheblichen Zweifeln an der Richtigkeit der Versicherung Nachweise (unter anderem Einzahlungsbelege) verlangen. (3) In der Anmeldung haben die Geschäftsführer zu versichern, dass keine Umstände vorliegen, die ihrer Bestellung nach § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und 3 sowie Satz 3 entgegenstehen, und dass sie über ihre unbeschränkte Auskunftspflicht gegenüber dem Gericht belehrt worden sind. Die Belehrung nach § 53 Abs. 2 des Bundeszentralregistergesetzes kann schriftlich vorgenommen werden; sie kann auch durch einen Notar oder einen im Ausland bestellten Notar, durch einen Vertreter eines vergleichbaren rechtsberatenden Berufs oder einen Konsularbeamten erfolgen. (4) In der Anmeldung sind ferner anzugeben: 1. eine inländische Geschäftsanschrift, 2. Art und Umfang der Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer. (5) Für die Einreichung von Unterlagen nach diesem Gesetz gilt § 12 Abs. 2 des Handelsgesetzbuchs entsprechend. Abs. 1 Nr. 4 und 5, Abs. 2 Satz 2 sowie Abs. 3 eingefügt durch die Novelle 1980 und in der Verweisung auf § 6 Abs. 2 Satz 3 und 4 geändert durch § 33 BtG vom 12.9.1990 (BGBl I 2002). Abs. 1 Nr. 3 geändert durch HRefG vom 22.6.1998 (BGBl I 1474). Abs. 4 (früher 3) eingefügt durch das Gesetz zur Umsetzung der 1. EG-RiLi vom 15.8.1969 (BGBl I 1146). Abs. 5 neu gefasst durch EHUG vom 10.11.2006 (BGBl I 2553). Weitere umfangreiche Änderungen (Abs. 1 Nr. 3 und 5 geändert, Nr. 6 aufgehoben, Abs. 2 Satz 1 geändert, Satz 2 neu gefasst, Abs. 3 Satz 1 geändert, Satz 2 neu gefasst, Abs. 4 neu gefasst) sowie amtliche Überschrift ergänzt durch das MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl I 2026). 1. Anlagen zur Anmeldung (§ 8 Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 2. Versicherung über die bewirkten Leistungen (§ 8 Abs. 2) . . . . . . . . 9 3. Die Versicherung nach § 8 Abs. 3 . 16 4. Geschäftsanschrift und Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer 19

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5. 6. 7. 8. 9.

Form der Einreichung (§ 8 Abs. 5) Verstöße gegen § 8 . . . . . . . . . . . Aufbewahrung der Urkunden . . . Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . Mantelkauf, Mantelgründung und Vorrats-GmbH . . . . . . . . . . . . . .

23 24 26 27 28

Inhalt der Anmeldung | § 8

1. Anlagen zur Anmeldung (§ 8 Abs. 1) Sie sollen dem Registergericht die in § 9c vorgeschriebene Prüfung ermöglichen 1 und dienen als Grundlage für die Eintragung gemäß § 10. a) § 8 Abs. 1 Nr. 1: Gesellschaftsvertrag (Satzung) sowie etwaige Vollmachten 2 (s. § 2 Abs. 2) sind elektronisch in Ausfertigung oder beglaubigter Abschrift und grundsätzlich in deutscher Sprache oder bei Beurkundung eines ausländischen Textes in deutscher Übersetzung1 vorzulegen, wobei alle Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages in einer Urkunde enthalten sein müssen2; dazu gehören hier bei der Gründung auch die Person der Gesellschafter und ihre Geschäftsanteile (§ 3 Rn 13 ff, 18). Bei einer Änderung zwischen Anmeldung und Eintragung ist erneut eine vollständige Urkunde vorzulegen (arg § 54 Abs. 1 Satz 2)3; erneute förmliche Anmeldung ist nicht erforderlich, einfache Vorlage genügt4. Rein schuldrechtliche Vereinbarungen bedürfen keiner Aufnahme in den Gesellschaftsvertrag und daher auch keiner Vorlage zum Handelsregister (§ 3 Rn 60). Nachweis für gesetzliche Vertreter (im Falle § 2 Abs. 2)5: Eltern idR nicht, wohl aber, wenn sie ein Alleinvertretungsrecht in Anspruch nehmen; sonstige gesetzliche Vertreter durch Vorlage ihrer Bestellungsurkunde; Organe von Korporationen durch entsprechenden Auszug aus dem Handelsregister bzw Vereinsregister oder Bestätigung des Notars (§ 21 BNotO), Korporationen des öffentlichen Rechts durch entsprechende Bestätigung. b) § 8 Abs. 1 Nr. 2: Legitimation der Geschäftsführer: Sofern Geschäftsführer 3 nicht bereits im Gesellschaftsvertrag bestellt sind, ist Gesellschafterbeschluss oder Erklärung der sonst berechtigten Personen (s. bei § 6) als Original oder beglaubigte Abschrift in elektronischer Form beizufügen. Bei zulässiger mündlicher Bestellung genügt schriftliche Bestätigung durch zuständige Person6. Zur Streitfrage, ob bei ausländischen Geschäftsführern Aufenthaltstitel vorzulegen sind: § 6 Rn 14 f. Anzugeben sind neben dem Vor- und Nachnamen des Geschäftsführers auch dessen Geburtsdatum und Wohnort (§ 43 Nr. 4b HRV)7, nicht hingegen die Privatanschrift8. Verändert der eingetragene Geschäftsführer sein Geschlecht, so erfolgt eine Berichtigung des Vornamens. Eine nachträgliche vollständige Löschung des bisherigen Vornamens hat indes – auch nicht gemäß 1 LG Düsseldorf GmbHR 1999, 609 f; MünchKomm/Herrler Rn 9; Wicke Rn 2. 2 OLG Köln GmbHR 1973, 11; OLG Frankfurt GmbHR 1981, 243; OLG Stuttgart DNotZ 1979, 359; ausführlich Michalski/Tebben Rn 4 f. 3 KG GmbHR 1997, 412; B/H/Fastrich Rn 4; Michalski/Tebben Rn 6. 4 BayObLG DB 1978, 880; MünchKomm/Herrler Rn 11. 5 Ausführlich B/S/Wachter Rn 8 ff. 6 Scholz/Veil Rn 9; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 7; B/H/Fastrich Rn 6; abweichend R/A/Roth Rn 3. 7 BGH GmbHR 2015, 751 Rn 15. 8 Seibert/Wedemann GmbHR 2007, 17; MünchKomm/Herrler Rn 17.

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§ 8 | Inhalt der Anmeldung § 5 TSG – nicht zu erfolgen1; vielmehr hat das Handelsregister alle Eintragungen von Anfang an lückenlos und vollständig zu dokumentieren2. Dieses durch die unionsrechtliche Registerpublizität3 vorgegebene Ergebnis dürfte auch einer verfassungsrechtlichen Überprüfung standhalten4. 4 c) § 8 Abs. 1 Nr. 3: Die Liste der Gesellschafter ist von allen Geschäftsführern

(§ 78) zu unterzeichnen; Stellvertretung ist unzulässig (vgl auch § 40 Rn 47); Beglaubigung ist nicht erforderlich5. Erfolgt die Listenerstellung durch den Notar, der die Veränderung beurkundet hat, so entsteht hierfür eine Vollzugsgebühr nach KV-Nr. 22110 ff GNotKG (vgl KV Vorbem 2.2.1.1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3). Die Liste muss folgende Angaben enthalten (vgl auch § 40 Rn 5): Name, Vorname, Geburtsdatum (früher: Beruf) und Wohnort (aber ohne exakte Adresse, dh keine Straße/Hausnummer6) eines jeden Gesellschafters sowie die Nennbeträge und die laufenden Nummern sämtlicher übernommener Geschäftsanteile; grundsätzlich bedeutet dies, dass nachfolgende Nummern zu verwenden sind (auf 1 folgt 2, dann 3 usw), doch steht es im Falle einer Teilung des Geschäftsanteils im Ermessen des Listenerstellers, ob die neuen Teilgeschäftsanteile mit einer neuen Nummer (Umnummerierung)7 oder mit einer Bruchnummer bzw Abschnittsnummer (zB 1.1., 1.2. usw)8 versehen werden9. Bei juristischen Personen, oHG und KG genügen Firma und Sitz10; bei GbR ist trotz zwischenzeitlicher Anerkennung der Rechtsfähigkeit11 mangels Registereintragung jedes Mitglied aufzuführen12 (§ 162 Abs. 1 Satz 2 iVm § 106 Abs. 2

1 Zum Parallelproblem der rückwirkenden Löschung im Taufbuch nach erfolgtem Kirchenaustritt auch VGH München NJW 2015, 1625. 2 BGH GmbHR 2015, 751 Rn 14 ff; zustimmend Kleefass EWiR 2015, 533; ausführlich J. Schmidt GmbHR 2015, R 209 f. 3 Näher Lutter/Bayer/J. Schmidt Europäisches Unternehmens- und Kapitalmarktrecht, 5. Aufl 2012, § 19 Rn 12 ff. 4 Dazu näher J. Schmidt GmbHR 2015, 209, 210. 5 B/S/Wachter Rn 20. 6 MünchKomm/Herrler Rn 21; B/S/Wachter Rn 23; Michalski/Tebben Rn 12; ausführlich Bayer GmbHR 2012, 1, 2. 7 Dazu etwa Wachter ZNotP 2008, 378, 385; D. Mayer DNotZ 2008, 403, 407; zur Zulässigkeit der Umnummerierung auch BGH GmbHR 2011, 474 gegen OLG Bamberg GmbHR 2010, 594 mit Anm Wachter und Omlor EWiR 2010, 535, 536 (vgl auch § 40 Rn 5). 8 D. Mayer ZIP 2009, 1037, 1042; Katschinski/Rawert ZIP 2008, 1993, 2000. 9 So ThürOLG GmbHR 2010, 598; kritisch allerdings Melchior NotBZ 2010, 213 ff. 10 B/H/Fastrich Rn 7; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 8. 11 BGHZ 146, 341 ff; dazu ausführlich K. Schmidt NJW 2001, 993 ff; Ulmer ZIP 2001, 585 ff; H.P. Westermann NZG 2001, 289 ff. 12 Ausführlich Bayer GmbHR 2012, 1, 2 f; vgl auch BGHZ 148, 291, 295 f mit Anm Ulmer ZIP 2001, 1714 ff (für KG); B/H/Fastrich Rn 7; Scholz/Veil Rn 10; MünchKomm/Herrler Rn 22; Michalski/Tebben Rn 12; Hasselmann NZG 2009, 409, 412; ausführlich auch DNotI-Report 10/2011 S. 73 ff; aA R/A/Roth Rn 4; R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 5.

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Inhalt der Anmeldung | § 8

HGB analog)1, ebenso bei Erbengemeinschaft2 und Gütergemeinschaft3. Maßgebend hierfür ist der Zeitpunkt der Antragstellung, bei Änderung vor Eintragung ist gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 unverzüglich eine neue Gesellschafterliste einzureichen4; ggf durch den Notar5. Bei Gründung mittels Musterprotokoll: § 2 Rn 50 ff. d) § 8 Abs. 1 Nr. 4: Unterlagen zu den Sacheinlagen: Vorzulegen ist in elektro- 5 nischer Form der von allen Gesellschaftern im Zeitpunkt der Anmeldung unterzeichnete Sachgründungsbericht nach § 5 Abs. 4 Satz 2 sowie sämtliche schuldrechtlichen und dinglichen Verträge (zB Auflassung) und sonstige Erklärungen (zB Eintragungsbewilligung bei Nießbrauch) für die Sacheinlage in der für sie jeweils nach allgemeinen Regeln vorgeschriebenen Form (für Auflassung also Nachweis der notariellen Form durch entsprechende Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift). Nr. 4 enthält kein eigenes Schriftformgebot etwa für die Übereignung von Fahrnis oder die Abtretung von Rechten; fehlen schriftliche Erklärungen und Unterlagen, ist darauf hinzuweisen6. Für die Sachübernahme (mit Verrechnungsabrede nach § 19 Abs. 2 Satz 2) gilt weitgehend das Gleiche (näher § 5 Rn 38 ff). Gründungsaufwand muss nicht belegt werden; jedoch kann Registergericht entsprechende Nachweise verlangen7. e) § 8 Abs. 1 Nr. 5: Nachweis zum Wert von Sacheinlagen sollen deren Voll- 6 wertigkeit erweisen. Welche Unterlagen vorzulegen sind, ist gesetzlich nicht geregelt. Hier kommt es entscheidend auf den Einzelfall an: Markt- und Börsenpreise für Rohstoffe und Wertpapiere, Rechnungen über Herstellungskosten von Bauwerken, Kaufverträge beim Erwerb von Dritten. Problematisch sind Forderungen wegen des Nachweises ihrer Existenz und ihrer Vollwertigkeit, problematisch auch Lizenzen, Urheberrechte, sonstige Beteiligungen, Know-how; hier wird idR das Gutachten eines Sachverständigen erforderlich sein8. Problematisch sind auch Handelsgeschäfte und (Teil-)Betriebe; hier ist die Vorlage einer zeitnahen testierten oder auch nur „bescheinigten“ Bilanz erforderlich9, aus der ersichtlich ist, dass keine Überbewertung iSv § 9c Abs. 1 Satz 2 vorliegt. Ändert 1 Dazu nur Staub/Schäfer § 106 HGB Rn 15 mwN; ausführlich Scheuch GmbHR 2014, 568 ff. 2 Bayer GmbHR 2012, 1, 2; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 8 mwN. 3 Bayer GmbHR 2012, 1, 2; MünchKomm/Herrler Rn 22 aE mwN. 4 R/A/Roth Rn 4; Scholz/Veil Rn 12; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 9. 5 MünchKomm/Herrler Rn 20; Wicke Rn 4; B/S/Wachter Rn 19. 6 Scholz/Veil Rn 14; B/H/Fastrich Rn 8; Michalski/Tebben Rn 16. 7 B/H/Fastrich Rn 8; Scholz/Veil Rn 16; MünchKomm/Herrler Rn 29; vgl auch OLG Hamburg DNotZ 2011, 457 mit Anm Weiler = GmbHR 2011, 766. 8 Zum Sachverständigengutachten bei Grundstückseinbringung: BayObLG GmbHR 1995, 52. 9 Eingehend LG Freiburg GmbHR 2009, 1106 mit zustimmender Anm Wachter; vgl weiter OLG Düsseldorf GmbHR 1995, 592 (zu WP-Testat); Michalski/Tebben Rn 18.

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§ 8 | Inhalt der Anmeldung sich der Wert einer Sacheinlage nach Anmeldung, so besteht nach hM keine Berichtigungspflicht1, wohl aber bei nachträglich entdecktem Irrtum2. Auch diese Regeln gelten für Sachübernahmen mit Verrechnungsabrede gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2; die Tatsache der Verrechnung ist nachzuweisen, da anders die Sachübernahme nicht iSv § 7 Abs. 3 als erbracht dargetan ist; Hinweis auf eine entsprechende Regelung im Gesellschaftsvertrag genügt. 7 f) Staatliche Genehmigungen müssen der Anmeldung – entgegen § 8 Abs. 1

Nr. 6 aF – nicht mehr beigefügt sein. Das soll die Unternehmensgründung beschleunigen und verbilligen3. Die GmbH wird daher selbst bei einem genehmigungspflichtigen Gegenstand ohne erteilte Genehmigung eingetragen. Die Genehmigung kann später unmittelbar der GmbH erteilt werden; Behelfskonstruktionen4 sind nicht mehr erforderlich. Im Gegensatz zum RefE5 ist die Eintragung der GmbH vollständig von etwaigen Genehmigungserfordernissen abgekoppelt; insbesondere ist keine Amtslöschung mehr vorgesehen, falls die Genehmigung nicht (oder nicht rechtzeitig) erteilt wird. Die zuständigen Aufsichtsbehörden haben vielmehr über die Genehmigungspflichtigkeit der Unternehmung zu wachen. Zu möglichen Ausnahmen sowie zu notariellen Hinweispflichten: Leitzen GmbHR 2009, 480 ff; Weigl DNotZ 2011, 169 ff.

8 g) Weitere Anlagen: Wurde vor Anmeldung ein Aufsichtsrat gebildet, so müs-

sen nach § 52 Abs. 2 Satz 1 iVm § 37 Abs. 4 Nr. 3 AktG die Urkunden über seine Bestellung eingereicht werden; das gilt sowohl für den fakultativen als auch für einen obligatorischen Aufsichtsrat6. Dabei sind gemäß § 52 Abs. 2 Satz 1 iVm § 37 Abs. 4 Nr. 3a AktG Name, Vorname, ausgeübter Beruf und Wohnort der Aufsichtsratsmitglieder anzugeben.

2. Versicherung über die bewirkten Leistungen (§ 8 Abs. 2) 9 a) Der Gesetzgeber der Novelle 1980 hat vom Erfordernis einer Bankbestätigung

ausdrücklich abgesehen7. Durch das MoMiG wird in § 8 Abs. 2 Satz 2 nun klargestellt, dass eine Versicherung nach § 8 Abs. 2 Satz 1 ausreicht; weitere Nachweise, zB Einzahlungsbelege, sind grundsätzlich nicht notwendig (vgl auch § 9c Rn 3)8;

1 Scholz/Veil Rn 24; B/H/Fastrich Rn 14; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 20, 27; aA R/A/Roth Rn 20 f, 25 f; Lieb FS Zöllner, 1998, S. 347, 360 f. 2 Allgemeine Meinung: Scholz/Veil Rn 21; R/A/Roth Rn 20 f. 3 BegrRegE MoMiG, BR-Drucks 354/07, S. 77. 4 So BegrRegE MoMiG, BR-Drucks 354/07, S. 77. 5 §§ 8 Abs. 1 Nr. 6, 60 Abs. 1 Nr. 7 GmbHG RefE v. 29.5.2006; dazu zB Heidinger in Bayer/ Koch, Das neue GmbH-Recht, 2008, S. 9, 10 ff. 6 R/A/Roth Rn 11; Scholz/Veil Rn 19; MünchKomm/Herrler Rn 38. 7 BT-Drucks 8/3908, S. 71. 8 BegrRegE MoMiG, BR-Drucks 354/07, S. 79.

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nur bei erheblichen Zweifeln an der Richtigkeit der Versicherung kann das Registergericht solche Nachweise verlangen (§ 8 Abs. 2 Satz 2). Die Bezeichnung dieser Erklärung („Versicherung“, „Mitteilung“, „Erklärung“ oÄ) ist unerheblich, ebenso ob sie in der Anmeldung selbst oder in einer eigenen notariell beglaubigten Erklärung (§ 12 HGB) abgegeben wird. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Richtigkeit der Versicherung ist der Zugang der Anmeldung beim Registergericht1. Unschädlich ist es daher, wenn die Versicherung im Rahmen der Beurkundung des Gesellschaftsvertrages abgegeben (und beglaubigt) wird, auch wenn die Leistungen erst nachträglich bewirkt werden, sofern nur die Erklärung vom Notar erst dann an das Handelsregister weitergeleitet wird, wenn ihm die Erbringung der Leistungen nachgewiesen wird2. Die restriktivere Sichtweise des OLG Düsseldorf3 erscheint zu formal4. Verzögert sich allerdings die Eintragung wegen mangelhafter Anmeldung, so kann der Registerrichter die Wiederholung der Versicherung verlangen5. Wird freiwillig oder auf Anforderung des Registergerichts doch eine Bankbestätigung beigebracht, haftet die Bank verschuldensunabhängig für die Richtigkeit der Erklärung, § 37 Abs. 1 Satz 4 AktG analog6. b) Die Versicherung ist eine Tatsachenmitteilung und von sämtlichen (auch 10 den stellvertretenden) Geschäftsführern persönlich in elektronischer Form abzugeben (vgl § 7 Rn 1 f). Bei einem Wechsel der Geschäftsführer zwischen Anmeldung und Eintragung ist eine Wiederholung der Erklärung nach § 8 Abs. 2 durch den neuen Geschäftsführer nicht notwendig7; denn verlangt ist nur die Erklärung, dass im Zeitpunkt der Anmeldung die Leistungen nach § 7 Abs. 2 und 3 zur freien Verfügung der Geschäftsführer stehen oder gestanden haben (Rn 9); für den Zeitpunkt zwischen Anmeldung und Eintragung verzichtet das Gesetz auf eine Kontrolle. Eine Wiederholung ist jedoch erforderlich, wenn die ursprüngliche Anmeldung unvollständig war und bei ihrer Vervollständigung bereits der neue Geschäftsführer mitgewirkt hat. Dann nämlich gehört dieser Geschäftsführer im Zeitpunkt, in dem erstmals eine (vollständige) Anmeldung

1 LG München GmbHR 2004, 1580 mit Anm Bärwaldt/Glöckner; B/H/Fastrich Rn 12; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 22; Wicke Rn 11; aA OLG Düsseldorf GmbHR 2000, 232 ff. 2 So auch LG Gießen GmbHR 2003, 543 f. 3 OLG Düsseldorf GmbHR 2000, 232 ff; zustimmend aber R/A/Roth Rn 19a. 4 Wie hier auch Bärwaldt GmbHR 2000, 421 ff; Kallrath DNotZ 2000, 533 f; U/H/L/Ulmer/ Casper Rn 22; Wicke Rn 11. 5 Zutreffend LG Gießen GmbHR 1995, 453, 454; OLG Düsseldorf GmbHR 1998, 235; Michalski/Tebben Rn 29. 6 BGHZ 113, 335, 346 = GmbHR 1991, 255; vgl auch BGH GmbHR 1997, 255 f und dazu Spindler ZGR 1997, 537 ff; ausführlich zur Bankbestätigung Bayer FS Horn, 2006, S. 271, 287 ff. 7 Scholz/Veil Rn 25; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 21; B/H/Fastrich Rn 11; aA R/S-L/SchmidtLeithoff Rn 16.

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§ 8 | Inhalt der Anmeldung vorliegt, die zur Eintragung der GmbH führen kann, zum Kreis derjenigen, die die Versicherung abzugeben haben1. 11 c) Inhaltlich muss die Versicherung erkennen lassen, was jeder einzelne Gesell-

schafter als Einzahlung auf seinen Geschäftsanteil geleistet hat2 und dass sich alle Leistungen zur freien Verfügung der Geschäftsführer befinden3 oder befunden haben. Denn die Versicherung über die Leistung zur freien Verfügung soll die ordnungsgemäße und vorbehaltslose Erfüllung der Einlageverpflichtung sicherstellen. Unerheblich ist, ob die Einlageleistung im Zeitpunkt der Anmeldung noch immer vorhanden ist (näher § 7 Rn 19 ff); dem entspricht der Wortlaut der Versicherung, also etwa4: „Es haben an die Gesellschaft geleistet: (1) Auf seinen Geschäftsanteil von 20 000 Euro der Gesellschafter A 5 000 Euro; (2) auf seinen Geschäftsanteil von 10 000 Euro der Gesellschafter B den vollen Betrag; (3) auf seinen Geschäftsanteil von 20 000 Euro der Gesellschafter C vereinbarungsgemäß die im Gesellschaftsvertrag festgelegten beweglichen Sachen zu Eigentum. Damit sind insgesamt 35 000 Euro in Geld- und Sacheinlagen an die GmbH geleistet, die sich endgültig in meiner/unserer freien Verfügung befinden.“ Die Versicherung erstreckt sich also nicht nur auf die Geld-, sondern auch auf die Sach- und Mischeinlagen. Hintergrund dieser Angaben ist die Prüfungspflicht des Registerrichters nach § 9c, nicht die potentielle Bestrafung der Geschäftsführer; hat oder erhält der Registerrichter daher auf andere Weise sichere Kenntnis von der Leistung der einzelnen Gesellschafter (zB Bankbestätigung oÄ), so genügt auch die formelhafte Erklärung der Geschäftsführer5. Ist im Gesellschaftsvertrag/Kapitalerhöhungsbeschluss die sofortige vollständige Leistung aller Einlagen festgelegt, so genügt aus diesem Grunde auch die einfache Versicherung, dass alle Einlageverpflichtungen voll erbracht und endgültig in der freien Verfügung der Geschäftsführer sind6. Zu Inhalt und Voraussetzungen der freien Verfügbarkeit vgl § 7 Rn 19 ff. 1 Ähnlich LG Gießen GmbHR 1986, 163; B/H/Fastrich Rn 11; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 21. 2 Dazu näher OLG Celle GmbHR 1986, 309; OLG Hamm GmbHR 2011, 652 mit zustimmender Anm Wachter EWiR 2011, 601. 3 BayObLG DB 1980, 438, 439; OLG Celle GmbHR 1986, 309; OLG Hamm GmbHR 1987, 430. 4 Dazu auch Bayer FS Horn 2006, S. 271, 288 f sowie BGHZ 175, 86 ff (speziell auch zur Bankbestätigung). 5 Zutreffend OLG Düsseldorf GmbHR 1986, 266 f; Michalski/Tebben Rn 33; MünchKomm/Herrler Rn 52; aA B/H/Fastrich Rn 12; R/A/Roth Rn 12. 6 OLG Düsseldorf GmbHR 1986, 266, 267; OLG Frankfurt GmbHR 1992, 531; LG Hannover GmbHR 2000, 1103.

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Inhalt der Anmeldung | § 8

d) Erklärung zur Vorbelastungshaftung: Die Prüfung des Registergerichts hat 12 sich auch darauf zu erstrecken, ob das Stammkapital durch Verluste gemindert und diese Differenz ggf durch Leistungen der Gesellschafter ausgeglichen ist1 (vgl auch § 7 Rn 19 sowie § 11 Rn 51). Die Versicherung der freien Verfügung schließt Angaben dazu nicht ein. Daher ist eine weitere Versicherung erforderlich2; die (vorherrschende) Gegenansicht3 überdehnt den Erklärungsinhalt der gesetzlich vorgeschriebenen Versicherung4. Die Ergänzung der Versicherung kann etwa lauten: „Im Übrigen wird versichert, dass das Nettovermögen der Gesellschaft nicht (bzw: nur in Höhe der übernommenen Gründungskosten) geringer ist als die Ziffer des Stammkapitals.“ oder „Alle Verluste sind, soweit sie zu einer negativen Differenz zwischen dem Wert des Gesellschaftsvermögens und der Ziffer des Stammkapitals geführt haben, durch Zahlungen der Gesellschafter in Höhe von × Euro ausgeglichen, die sich endgültig in meiner/unserer freien Verfügung befinden (ggf Ergänzung: Das gilt nicht für die Gründungskosten).“ Voraussetzung dafür, dass die Gründungskosten zu Lasten des Kapitals geleistet werden dürfen, ist die entsprechende Aufnahme in den Gesellschaftsvertrag (näher § 3 Rn 52 sowie § 9c Rn 9). Da weder eine Prüfungspflicht des Registergerichts für Verluste nach Anmeldung besteht noch erst recht eine Erklärungspflicht der Geschäftsführer (s. bereits Rn 10)5, sind weitere, insbesondere zukunftsorientierte Versicherungen (etwa: „Wir werden den Eintritt künftiger Belastungen bis zur Eintragung der Gesellschaft vermeiden.“ Oder: „Wir werden das Registergericht von etwaigen künftigen Verlusten zu Lasten des Stammkapitals unterrichten.“) nicht erforderlich, unverbindlich und daher unzweckmäßig. Auch können solche zusätzlichen Versicherungen der Geschäftsführer vor Eintragung der GmbH idR nicht verlangt werden, da sich sonst ein circulus vitiosus ständiger neuer Versicherungen entwickeln würde6. 1 BGHZ 80, 129, 143 = GmbHR 1981, 114; BGHZ 119, 177, 188 = GmbHR 1993, 225; BayObLG GmbHR 1992, 109; BayObLG GmbHR 1998, 1225; OLG Frankfurt GmbHR 1992, 531; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 26 mwN. 2 Lutter NJW 1989, 2649, 2653; K. Schmidt AG 1986, 106, 115; B/S/Wachter Rn 61; Scholz/ Veil Rn 26. 3 KG GmbHR 1997, 412; B/H/Fastrich Rn 14; R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 20; MünchKomm/Herrler Rn 56; Michalski/Tebben Rn 35. 4 Zutreffend Gustavus GmbHR 1988, 47, 50. 5 So hM: B/H/Fastrich Rn 14; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 27; Scholz/Veil Rn 24; aA R/A/Roth Rn 26, 28; Lieb FS Zöllner, 1998, S. 347, 360 f. 6 Zustimmend MünchKomm/Herrler Rn 57.

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§ 8 | Inhalt der Anmeldung 13 e) Bei Einpersonen-Gründung ergeben sich seit dem MoMiG keine Besonder-

heiten mehr (ausführlich § 7 Rn 7)1.

14 f) Bei anfänglich vereinbarter Rückzahlung der Einlage (Hin- und Herzahlen,

§ 19 Abs. 5 Satz 1) sind die Leistungen der Gesellschafter oder die entsprechenden Vereinbarungen in der Anmeldung anzugeben2, um dem Registerrichter die Prüfung des Rückgewähranspruchs zu ermöglichen3 (ausführlich § 19 Rn 112). Zur Problematik, ob die Nichtbeachtung von § 19 Abs. 5 Satz 2 die Erfüllungswirkung gemäß § 19 Abs. 5 Satz 1 ausschließt: § 19 Rn 122.

15 g) Im Falle einer verdeckten Sacheinlage (§ 19 Abs. 4) ist die Versicherung, die

(Bar-)Einlage sei ordnungsgemäß und zur freien Verfügung der Geschäftsführer erbracht, falsch (ausführlich § 19 Rn 85), da nach der Konzeption des MoMiG auch bei vollwertiger Sacheinlage keine Erfüllung eintritt, sondern lediglich eine Wertanrechnung erfolgt (anders noch der RegE). Die Vermutungswirkung der Vorabsprache (dazu § 19 Rn 63) gilt allerdings nicht im Hinblick auf die Strafbarkeit des Geschäftsführers nach § 82 Abs. 1 Nr. 1 (§ 82 Rn 12). Zur Kritikwürdigkeit der gesetzlichen Konzeption ausführlich bei § 19 Rn 57.

3. Die Versicherung nach § 8 Abs. 3 16 Die – ebenfalls höchstpersönlich abzugebende4 – Versicherung nach § 8 Abs. 3

Satz 1 Halbsatz 15 erfasst die Ausschlussgründe nach § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und 3 sowie § 6 Abs. 2 Satz 3, nicht jedoch nach § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 16. Auch hier ist Sinn der Erklärung, dem Registergericht die Prüfung zu erleichtern. Daher ist zu versichern – wobei die Hindernisse grundsätzlich einzeln zu verneinen sind7 –, dass (1) keinem Geschäftsführer zur Zeit durch gerichtliches Urteil oder durch vollziehbare Entscheidung einer Verwaltungsbehörde die Ausübung eines Berufs, Berufszweiges, Gewerbes oder Gewerbezweiges untersagt ist oder welche Untersagung vorliegt und weshalb sie nach Auffassung der Geschäftsführer den Gegenstand der GmbH nicht berührt8 (§ 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2) und (2) keiner der Geschäftsführer wegen Insolvenzverschleppung, nach §§ 283–283d StGB,

1 2 3 4 5

Zur früheren Rechtslage s. 16. Aufl, Rn 13. So auch U/H/L/Ulmer/Casper Rn 32; Scholz/Veil Rn 28; B/H/Fastrich Rn 15b. Vgl Rechtsausschuss, BT-Drucks 16/9737, S. 56. OLG München GmbHR 2010, 983; S/I/Pfisterer Rn 16. Ausreichend ist hier, dass jeder Geschäftsführer die Erklärung nur für seine Person abgibt: Scholz/Veil Rn 29; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 39, B/H/Fastrich Rn 16. 6 OLG Hamm GmbHR 2011, 30; ausführlich Weiß GmbHR 2013, 1076 ff. 7 BayObLG WM 1982, 168 ff und BayObLG WM 1983, 1170 f; ThürOLG GmbHR 1995, 453. 8 Dazu OLG Düsseldorf GmbHR 1997, 71; OLG Frankfurt GmbHR 2010, 918 mit Anm Wachter EWiR 2011, 49; OLG Frankfurt GmbHR 2011, 1156, 1157 mwN.

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Inhalt der Anmeldung | § 8

nach § 82 GmbHG oder § 399 AktG, § 400 AktG, § 331 HGB, § 313 UmwG, § 17 PublG oder nach §§ 263–264a oder §§ 265b–266a StGB zu einer Freiheitsstrafe von mindestens 1 Jahr verurteilt worden ist (oder die Verurteilung länger als 5 Jahre zurückliegt) (§ 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3); dabei ist auf die Rechtskraft, nicht auf den Zeitpunkt der Verurteilung selbst abzustellen1. Von Nr. 3 sind dabei gemäß § 6 Abs. 2 Satz 3 ausdrücklich auch Verurteilungen wegen vergleichbarer Straftaten im Ausland erfasst2 (näher § 6 Rn 19 ff), während sich Nr. 2 nach dem Willen des Gesetzgebers ausschließlich auf inländische Urteile und Entscheidungen beziehen soll3. Stets ausreichend ist die Versicherung des Geschäftsführers, er sei „noch nie, weder im Inland noch im Ausland, wegen einer Straftat verurteilt worden“4. Da der durch das MoMiG neu eingefügte § 13e Abs. 3 Satz 2 HGB die Bestel- 17 lungshindernisse der § 76 Abs. 3 Satz 2 und 3 AktG sowie § 6 Abs. 2 Satz 2 und 3 GmbHG ausdrücklich auch auf die gesetzlichen Vertreter ausländischer Kapitalgesellschaften mit Zweigniederlassung im Inland erstreckt, ist zudem auch bei der Anmeldung der Zweigniederlassung ausländischer Kapitalgesellschaften zu versichern, dass keine entsprechenden Bestellungshindernisse bestehen (vgl Anh zu § 4a Rn 28). Das Registergericht kann nach § 41 Abs. 1 Nr. 1 BZRG unbeschränkte Auskunft 18 verlangen; hierfür erforderlich ist jedoch die Belehrung der Geschäftsführer (§ 53 Abs. 2 BZRG)5, die gemäß § 8 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 zu versichern ist6. Die Belehrung kann mündlich oder schriftlich vorgenommen werden; notarielle Form ist also nicht erforderlich7. Wird die Versicherung durch ausländische Personen, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, abgegeben, so bedarf es weder der Vereidigung eines vom beglaubigenden Notar zugezogenen Dolmetschers noch muss der Dolmetscher die Anmeldung mit unterschreiben8. Der die Versicherung beglaubigende Notar ist zur Belehrung nicht verpflichtet9. 1 BGH DNotZ 2011, 790 Rn 12 mit Anm Wohlrab = GmbHR 2011, 864; Wachter GmbHR 2009, 785, 786. 2 Vgl dazu BegrRegE MoMiG, BR-Drucks 354/07, S. 74; dazu auch eingehend OLG München GmbHR 2014, 869 mit Anm Wachter. 3 Vgl Bundesregierung, BT-Drucks 16/6140, S. 75; Wachter NotBZ 2008, 361, 376; Wälzholz MittBayNot 2008, 425, 428. 4 BGH GmbHR 2010, 812; bestätigend BGH GmbHR 2011, 864 mit Anm Wachter; ähnlich OLG Hamm GmbHR 2011, 587; OLG Stuttgart GmbHR 2013, 91 mit Anm Oppenländer; aA noch OLG München GmbHR 2009, 831; einschränkend auch OLG Frankfurt GmbHR 2015, 863 mit Anm Oppenländer; OLG Schleswig GmbHR 2014, 1095. 5 Dazu OLG München GmbHR 2010, 983. 6 U/H/L/Ulmer/Casper Rn 37; B/H/Fastrich Rn 16. 7 LG Bremen GmbHR 1999, 865; vgl näher MünchKomm/Herrler Rn 74. 8 OLG Karlsruhe GmbHR 2002, 1244 f. 9 Michalski/Tebben Rn 46; B/H/Fastrich Rn 16.

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§ 8 | Inhalt der Anmeldung Wird ihm aber eine Erklärung wie oben vorgelegt oder wird er ganz allgemein zur Vorbereitung der Eintragung beauftragt, so ist diese Aufgabe mit enthalten; das sollte dann auch im Text der Versicherung zum Ausdruck kommen („Wir sind vom Notar gemäß § 53 Abs. 2 BZRG darüber belehrt worden, dass wir dem Handelsregister gegenüber unbeschränkt auskunftspflichtig sind“)1. Seit dem MoMiG kann die Belehrung auch durch einen ausländischen Notar2, durch einen vergleichbaren rechtsberatenden Beruf, zB Rechtsanwalt3, oder einen Konsularbeamten vorgenommen werden (§ 8 Abs. 3 Satz 2), um den Geschäftsführern in Zeiten der Globalisierung unverhältnismäßige Reisekosten zu ersparen4. Treten Ausschlussgründe nach Anmeldung auf, sind sie gemäß § 39 Abs. 1 (der gemäß § 13g Abs. 5 HGB sinngemäß auch in Bezug auf Zweigniederlassungen ausländischer Kapitalgesellschaften gilt) anmeldepflichtig5.

4. Geschäftsanschrift und Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer 19 Nach § 8 Abs. 4 sind eine inländische Geschäftsanschrift (Nr. 1) sowie Art und

Umfang der Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer (Nr. 2) anzugeben.

20 a) Die durch das MoMiG neu eingeführte Pflicht, eine inländische Geschäfts-

adresse anzugeben, bezweckt Zustellungsprobleme nach früherem Recht auszuräumen und eine jederzeitige Zustellung an die GmbH zu gewährleisten6. Denkbar sind die Anschrift des Geschäftslokals sowie der Sitz der Hauptverwaltung, aber auch – etwa bei einem Verwaltungssitz der Gesellschaft im Ausland7 – die (inländische) Wohnanschrift des Geschäftsführers, eines Gesellschafters oder eines sonstigen Zustellungsbevollmächtigten (zB Rechtsanwalt, Steuerberater) im Inland8. Erforderlich ist die Angabe von Straße und Hausnummer sowie PLZ und Ort9. Auch ein c/o-Zusatz ist zulässig, sofern die GmbH dort ein Geschäftslokal unterhält oder es sich um die Wohnanschrift des gesetzlichen Vertreters oder eines Zustellungsbevollmächtigten handelt10 (zB gemäß § 378 Abs. 2

1 Zur nachträglichen Ergänzung der Anmeldung: OLG München GmbHR 2010, 983. 2 So bereits die bis dahin hM: LG Nürnberg GmbHR 1994, 706; Bartovics GmbHR 1998, 778 f; R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 25; aA Wolff GmbHR 1998, 35 f. 3 BegrRegE MoMiG, BR-Drucks 354/07, S. 80. 4 BegrRegE MoMiG, BR-Drucks 354/07, S. 79 f. 5 B/H/Fastrich Rn 16; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 36. 6 BegrRegE MoMiG, BR-Drucks 354/07, S. 80 f. 7 Vgl Steffek BB 2007, 2077 ff; Gehrlein Der Konzern 2007, 771, 777. 8 BegrRegE MoMiG, BR-Drucks 354/07, S. 80 f. 9 Steffek BB 2007, 2077; Gehrlein Der Konzern 2007, 771, 777; B/H/Fastrich Rn 17. 10 OLG Hamm GmbHR 2011, 595; OLG Rostock GmbHR 2011, 30; OLG Naumburg GmbHR 2009, 832; dazu Stenzel NZG 2011, 851 ff.

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FamFG bevollmächtigter Rechtsanwalt)1. Änderungen der Anschrift sind nach § 31 HGB anzumelden2; hierbei soll nach neuerer Ansicht – weil zwar keine Satzungsänderung, aber Grundlagengeschäft – Vertretung durch Prokuristen nicht möglich sein3 (vgl auch § 7 Rn 1). Für die Anmeldegebühr ist ein Geschäftswert von 5 000 Euro maßgeblich4 (§ 105 Abs. 5 GNotKG), für die Eintragung im Handelsregister fällt eine Gebühr nach Nr. 2502 GV zur HRegGebV an5. Verstöße können durch Verhängung eines Zwangsgeldes nach § 14 HGB, §§ 388 ff FamFG sanktioniert werden6 und ermöglichen eine öffentliche Zustellung nach § 185 Nr. 2 ZPO7. Für die Angaben zur Geschäftsanschrift gilt § 15 HGB8. Zur Pflicht für Alt-GmbH: § 3 EGGmbHG Rn 1 f9. b) Weiterhin ist genau anzugeben (Verweis auf Satzung genügt nicht)10, ob Ein- 21 zel- oder eine Form der Gesamtvertretung bestimmt ist; das gilt auch, wenn die Vertretung der gesetzlichen Regelung (§ 35 Abs. 2 Satz 1) entspricht11 (vgl § 10 Rn 6 und § 39 Rn 5), auch wenn nur ein einziger Geschäftsführer bestellt ist12. Soll als Regel oder auch nur als Ausnahme ein Geschäftsführer alleinvertretungsberechtigt sein, so ist auch das anzugeben13. Die Begriffe „Alleinvertretung“ und „Einzelvertretungsbefugnis“ werden synonym verwendet14. Anzugeben ist auch, wenn ein Geschäftsführer und insbesondere der alleinige 22 Gesellschafter-Geschäftsführer von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit 1 So OLG Hamm GmbHR 2015, 938. 2 Vgl BegrRegE MoMiG, BR-Drucks 354/07, S. 81; MünchKomm/Herrler Rn 79; U/H/L/ Ulmer/Casper Rn 42. 3 So jüngst OLG Karlsruhe GmbHR 2014, 1046; aA KG GmbHR 2013, 1263; MünchKomm/Herrler Rn 79; Wicke Rn 17; offengelassen von OLG Düsseldorf GmbHR 2014, 373 mit Anm Heinze EWiR 2014, 443. 4 Ländernotarkasse NotBZ 2016, 27. 5 OLG Köln FGPrax 2015, 281; vgl auch Kroiß NJW 2016, 453, 457. Zu den Kosten bei Änderung der Geschäftsanschrift auch Melchior GmbHR 2013, 853, 861. 6 Steffek BB 2007, 2077, 2078; Gehrlein Der Konzern 2007, 771, 777; vgl weiter OLG Düsseldorf I-3 Wx 153/13, GmbHR 2015, 195; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 42. 7 BegrRegE MoMiG, BR-Drucks 354/07, S. 81; Gehrlein Der Konzern 2007, 771, 777; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 42. 8 Heidinger in Bayer/Koch, Das neue GmbH-Recht, S. 9, 25. 9 Vgl auch OLG München GmbHR 2009, 380; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 43; B/H/Fastrich Rn 18. 10 BayObLG DNotZ 1975, 117 ff; BayObLG GmbHR 1981, 59; Scholz/Veil Rn 35; Michalski/Tebben Rn 52; ausführlich Kirberger Rpfleger 1976, 237 ff. 11 U/H/L/Ulmer/Casper Rn 44. 12 EuGH BB 1974, 1500 f; BGHZ 63, 261 ff (allgemeine Meinung). 13 BGHZ 63, 261 ff; LG Wuppertal GmbHR 1993, 99. 14 BGH GmbHR 2007, 704; OLG Frankfurt GmbHR 1994, 118; B/H/Fastrich Rn 19; Michalski/Tebben Rn 53; aA noch OLG Zweibrücken GmbHR 1993, 97; R/S-L/SchmidtLeithoff Rn 28.

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§ 8 | Inhalt der Anmeldung ist1; diese Angabe hat zum Verständnis insbesondere für Ausländer in erläuternden Worten zu erfolgen, ein Verweis auf § 181 BGB allein genügt nicht2; nicht angegeben werden muss die bloße statutarische Ermächtigung zur Befreiung eines oder aller Geschäftsführer von den Beschränkungen des § 181 BGB3 oder die Ermächtigung der Gesellschafterversammlung zur Erteilung von Einzelvertretungsmacht4. Ausführlich zur Eintragung der Vertretungsbefugnis: § 10 Rn 6 f, speziell zur Gründung mittels Musterprotokoll: § 10 Rn 7 aE5.

5. Form der Einreichung (§ 8 Abs. 5) 23 Die Anmeldung ist von allen Geschäftsführern zu unterzeichnen (§ 78) und in

elektronisch beglaubigter Form (vgl §§ 39, 39a BeurkG) einzureichen6. Auch die Einreichung aller weiteren erforderlichen Unterlagen erfolgt zwingend elektronisch (§ 8 Abs. 5 iVm § 12 HGB)7.

6. Verstöße gegen § 8 24 a) Sofern nicht sämtliche Erfordernisse des § 8 erfüllt sind, darf die GmbH im

Handelsregister nicht eingetragen werden8. Das Registergericht hat Mängel zu beanstanden und durch (anfechtbare9) Zwischenverfügung (regelmäßig) mit Fristsetzung und unter Zurückweisungsandrohung auf die Nachholung hinzuwirken (Einzelheiten bei § 10). Die Verhängung von Ordnungsstrafen ist unzulässig, da auch die Anmeldung selbst nicht erzwungen werden kann (s. § 7 Rn 1).

25 b) Wird die GmbH versehentlich trotz solcher Mängel eingetragen, so sind die

fehlenden Unterlagen nachzufordern. In diesem Fall dürfen auch Ordnungsstra-

1 BGHZ 87, 59 ff = GmbHR 1983, 269; OLG Stuttgart GmbHR 2007, 1270; B/H/Fastrich Rn 19. 2 Zutreffend OLG Hamm GmbHR 1987, 430; Scholz/Veil Rn 35; aA MünchKomm/Herrler Rn 84; Michalski/Tebben Rn 53. 3 BayObLG GmbHR 1982, 257; OLG Hamm GmbHR 1993, 500 f; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 44. 4 OLG Frankfurt GmbHR 1984, 184. 5 Dazu auch U/H/L/Ulmer/Casper Rn 45; S/I/Pfisterer Rn 22. 6 B/S/Wachter Rn 85; MünchKomm/Herrler Rn 88. 7 B/H/Fastrich Rn 21; näher B/S/Wachter Rn 85 ff sowie B/H/Hopt § 12 HGB Rn 6 f. 8 U/H/L/Ulmer/Casper Rn 19; MünchKomm/Herrler Rn 90. 9 BayObLGZ 70, 245 f; B/H/Fastrich Rn 2.

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fen gemäß § 14 HGB verhängt werden1. Eine Löschung der GmbH kommt nicht in Betracht2.

7. Aufbewahrung der Urkunden Diese verbleiben bei den Registerakten (elektronischer Registerordner für das 26 Registerblatt der GmbH, §§ 9 Abs. 1, 13 HRV) und können dort gemäß § 9 Abs. 1 HGB von jedermann eingesehen werden3.

8. Sanktionen Falsche Angaben und insbesondere unwahre Versicherungen sind nach § 82 27 strafbewehrt (dazu § 82 Rn 10 ff) und verpflichten zum Schadensersatz (Einzelheiten bei § 9a Rn 1 ff).

9. Mantelkauf, Mantelgründung und Vorrats-GmbH Zu Mantelkauf, Mantelgründung und Vorrats-GmbH s. § 3 Rn 78 ff.

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§9 Überbewertung der Sacheinlagen (1) Erreicht der Wert einer Sacheinlage im Zeitpunkt der Anmeldung der Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister nicht den Nennbetrag des dafür übernommenen Geschäftsanteils, hat der Gesellschafter in Höhe des Fehlbetrags eine Einlage in Geld zu leisten. Sonstige Ansprüche bleiben unberührt. (2) Der Anspruch der Gesellschaft nach Absatz 1 Satz 1 verjährt in zehn Jahren seit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister. Die Vorschrift wurde durch die Novelle 1980 völlig geändert. Der jetzige Text ist ohne Vorbild. Abs. 1 und 2 geändert, Abs. 1 Satz 2 und amtliche Überschrift angefügt durch MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl I 2026). 1 BayObLG GmbHR 1988, 60, 61; OLG Zweibrücken GmbHR 1995, 723, 725. 2 U/H/L/Ulmer/Casper Rn 19. 3 MünchKomm/Herrler Rn 89.

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§ 9 | Überbewertung der Sacheinlagen 1. Das Prinzip der Differenzhaftung für Sacheinlagen . . . . . . . . . . . . . 2. Einzelheiten . . . . . . . . . . . . . . . .

1 3

3. Vorgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . 11 4. Verhältnis zu anderen Ansprüchen (§ 9 Abs. 1 Satz 2) . . . . . . . . . . . . 12

Literatur: Gienow Zur Differenzhaftung nach § 9 GmbHG, FS Semler, 1993, S. 175; Kallmeyer Differenzhaftung bei Verschmelzung mit Kapitalerhöhung und Verschmelzung im Weg der Neugründung, GmbHR 2007, 1121; Sandberger Differenzhaftung, Unterbilanzhaftung und Gründerhaftung bei Umwandlungsvorgängen, FS Westermann, 2008, S. 1401; Trölitzsch Differenzhaftung für Sacheinlagen in Kapitalgesellschaften, 1998; Urban Die Differenzhaftung des GmbH-Gesellschafters im Zusammenhang mit der Überbewertung von Sacheinlagen, FG Sandrock, 1995, S. 307; Wieneke Die Differenzhaftung des Inferenten und die Zulässigkeit eines Vergleichs über ihre Höhe, NZG 2012, 136.

1. Das Prinzip der Differenzhaftung für Sacheinlagen 1 § 9 übernimmt die Ergebnisse von Lehre1 und Rspr2; mit unterschiedlicher Be-

gründung3 war die Pflicht eines Sacheinlegers entwickelt worden, die Differenz zwischen der vereinbarten Kapitaldeckung durch die Sacheinlage und ihrem wirklichen Wert in bar zuzuschießen. Demnach gilt heute: Jede Übernahme eines Geschäftsanteils geht auf Geld und lautet zwangsläufig auf Geld. Diese Geldschuld darf durch andere Gegenstände in den Formen und Grenzen des § 5 Abs. 4 getilgt werden (vgl § 5 Rn 12 ff); Tilgungswirkung tritt aber nur in Höhe des Wertes ein, den der betreffende Gegenstand im Zeitpunkt der Anmeldung objektiv hat4. Die etwa verbleibende Differenz ist und bleibt offene Bareinlage des betreffenden Gesellschafters. Trotz dieses starken Schutzes darf das Registergericht, wenn es eine nicht unwesentliche Überbewertung feststellt, die GmbH im Handelsregister nicht eintragen (§ 9c).

2 Die Vorschrift ist entsprechend anwendbar bei der Kapitalerhöhung mit Sachein-

lagen (§ 56 Abs. 2) – nicht dagegen bei der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln5 (§ 57i Rn 15) –, nach bislang ganz hM auch bei der Kapitalerhöhung zur Durchführung von Verschmelzung oder Spaltung bei der aufnehmenden GmbH6 bzw auf eine neue GmbH7 und beim Rechtsformwechsel eines anderen 1 2 3 4 5 6

Vgl insbesondere Lutter Kapital, S. 283 ff; Wiedemann FS Hirsch, 1968, S. 257, 260 ff. BGHZ 68, 191, 195. K. Schmidt GmbHR 1978, 5 ff. Lutter Kapital, S. 285. Ebenso B/H/Fastrich Rn 1; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 5. Lutter/M. Winter/J. Vetter § 55 UmwG Rn 35 ff mwN; MünchKomm/Schwandtner Rn 4a; Scholz/Veil Rn 4; aA B/H/Fastrich Rn 1; G/E/S/Nießen Rn 4; für AG auch schon BGHZ 171, 293, 296 f, für GmbH jedoch offengelassen; dazu Kallmeyer GmbHR 2007, 1121 ff. 7 Lutter/Priester § 138 UmwG Rn 10; Lutter/M. Winter/J. Vetter § 56 UmwG Rn 49 mwN; MünchKomm/Schwandtner Rn 4a.

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Überbewertung der Sacheinlagen | § 9

Rechtsträgers als einer Kapitalgesellschaft in eine GmbH1. Unanwendbar ist die Vorschrift dagegen gemäß § 254 Abs. 4 Satz 2 InsO beim debt to equity swap in der Insolvenz2.

2. Einzelheiten Sacheinlage ist jede nach § 5 Abs. 4 festgelegte Einlageleistung, die nicht in Geld 3 erfolgt (s. § 5 Rn 12 ff). Dazu gehört auch die Sachübernahme mit Verrechnungsabrede nach § 19 Abs. 2 Satz 2. Bei Mischeinlagen betrifft die Regelung denjenigen Teil, der nicht in Geld zu erbringen ist. Zu den Rechtsfolgen einer verdeckten Sacheinlage s. § 19 Rn 54 ff. a) Zu vergleichen sind der Nenneintrag des übernommenen Geschäftsanteils 4 und der Wert des hierauf erbrachten Gegenstandes. Agio, nimmt – anders als im Aktienrecht3 – am Schutz aus § 9 nicht teil (ganz hM)4; das wird durch die Bemerkungen der Materialien zu § 9 Abs. 1 Satz 2 nochmals bekräftigt5. Entscheidend ist der objektive Wert ohne jeden Bewertungs- oder Beurteilungsspielraum6; auch marginale Abweichungen sind nicht unbeachtlich7. Die vom BGH zum früheren Recht vertretene abweichende Auffassung8 ist überholt. Unwesentliche Überbewertungen hindern indes nicht die Eintragung (§ 9c Abs. 1 Satz 2; § 9c Rn 16 ff). Allerdings wird auch die Festlegung des objektiven Wertes häufig Gegenstand einer – jedoch gerichtlich voll überprüfbaren9 – Einschätzung bzw Prognose sein10. Sollen Unternehmen eingebracht werden, so ist der Ertrags-, nicht der Substanzwert maßgeblich11; da es für den Wert auf die konkrete Gesellschaft ankommt, sind auch zu erwartende Synergieeffekte zu berück1 Scholz/Veil Rn 4; Lutter/Decher/Hoger § 197 UmwG Rn 37, 39 mwN; Sandberger FS Westermann, 2008, S. 1401, 1420 ff; aA Trölitzsch S. 342 ff: Unterbilanzhaftung. 2 B/H/Fastrich Rn 1. 3 Dazu BGHZ 191, 364 Rn 17 = ZIP 2012, 73 – Babcock Borsig; K. Schmidt/Lutter/Bayer § 27 AktG Rn 26 mwN. 4 U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 12; Scholz/Veil Rn 9; obiter auch BGHZ 191, 364 Rn 17 = ZIP 2012, 73 – Babcock Borsig; aA Gienow FS Semler, 1993, S. 165, 175; LG Bonn GmbHR 1999, 1291. 5 BegrRegE MoMiG, BR-Drucks 354/07, S. 81. 6 U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 13; OLG Düsseldorf GmbHR 1992, 112. 7 So aber R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 3; Urban FG Sandrock, 1995, S. 305, 307 f; wie hier OLG Düsseldorf GmbHR 1992, 112; Scholz/Veil Rn 12; R/A/Roth Rn 3a; MünchKomm/ Schwandtner Rn 15. 8 BGHZ 68, 191, 196; dagegen bereits Wiedemann FS Hirsch, 1968, S. 257 ff. 9 OLG Düsseldorf AG 2011, 823, 824; OLG Stuttgart AG 2006, 420, 421. 10 Beispiel: OLG Köln GmbHR 1998, 42 ff (Gebrauchsmuster); zur Prognose auch Hennrichs FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 489, 494 mwN. 11 Ausführlich OLG Düsseldorf AG 2011, 823, 824 (nichtbörsennotierte AG).

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§ 9 | Überbewertung der Sacheinlagen sichtigen1, hingegen nicht Synergievorteile, die lediglich anderen Konzerngesellschaften zugute kommen2. Ist das Unternehmen überschuldet und wird auf diese Weise ein negativer Wert geleistet, so ist auch dies von der Differenzhaftung erfasst; diese kann also höher sein als die dafür übernommene Einlagepflicht3 (s. auch zur Ausfallhaftung der Mitgesellschafter § 24 Rn 8). 5 b) Maßgebender Zeitpunkt für den Vergleich ist der Eingang des Antrags beim

Handelsregister, der zur Eintragung der GmbH geführt hat4.

Werterhöhungen nach Anmeldung kommen der GmbH zugute, ebenso wie Wertminderungen zu ihren Lasten gehen5. Doch kann der Gesellschaftsvertrag eine abweichende Regelung treffen, insbesondere einen Ausgleich zugunsten des Gesellschafters für den Mehrwert im Zeitpunkt der Eintragung der GmbH im Handelsregister vorsehen; das geschieht auch häufig bei Einbringung von Unternehmen. Der Grund für den Minderwert ist völlig gleichgültig (allgemeine Meinung); er mag in einer Fehlbewertung, in rechtlichen Irrtümern (das eingebrachte Recht besteht nicht), in Marktentwicklungen (der Börsen- oder Marktpreis für den betreffenden Gegenstand ist zwischen Abschluss des Gesellschaftsvertrages und dem Zeitpunkt der Antragstellung gesunken) oder im Gebrauch des Gutes zwischen dem Abschluss des Gesellschaftsvertrages und der Antragstellung liegen (eingebrachter Pkw erleidet Unfall). Etwaige Gewährleistungsansprüche der Gesellschaft bleiben bei der Bewertung des erbrachten Gegenstandes außer Betracht6. Verschulden spielt keine Rolle7. Werden mehrere Gegenstände zu einem Gesamtwert eingebracht (zB mehrere Grundstücke oder ein Unternehmen auf den Geschäftsanteil von x Euro), so ist der Gesamtwert maßgebend: Der geringere Wert des einen kann sich mit dem höheren des anderen Gegenstands ausgleichen8. 6 c) Schuldner ist der betreffende Gesellschafter, ggf sein Nachfolger als Inhaber

des Geschäftsanteils. Auf die Gefahr der Differenzhaftung muss der Notar die

1 Zustimmend Hennrichs FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 489, 493 f; abweichend Urban FG Sandrock, 1995, S. 305, 314 f; wie hier zum Parallelproblem des § 255 Abs. 2 AktG bereits Bayer ZHR 163 (1999), 505, 534. 2 Richtig Hennrichs FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 489, 495 f; A. Reuter BB 2000, 2299, 2301. 3 BGHZ 80, 129, 140 = GmbHR 1981, 114; Gienow FS Semler, 1993, S. 165, 171 ff; Scholz/ Veil Rn 17; aA Trölitzsch S. 228 ff. 4 OLG Köln GmbHR 1998, 42, 43; OLG Köln GmbHR 1999, 288, 293; Scholz/Veil Rn 11. 5 U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 16 (abweichend indes Rn 7); B/H/Fastrich Rn 4; S/I/Pfisterer Rn 6; OLG Köln GmbHR 1998, 42, 43; aA Lieb FS Zöllner, 1998, S. 347, 359 f. 6 B/H/Fastrich Rn 3; MünchKomm/Schwandtner Rn 18. 7 U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 10; Hennrichs FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 489, 498. 8 OLG Düsseldorf GmbHR 1992, 112; Scholz/Veil Rn 15 mwN.

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Überbewertung der Sacheinlagen | § 9

Gesellschafter hinweisen, insbesondere bei Zweifel über die Bewertung der Sacheinlage1. d) Die Differenzhaftung wird im Zeitpunkt der Anmeldung begründet (Wort- 7 laut)2; Eintragung im Handelsregister ist nicht erforderlich3, spätere Wertveränderungen unbeachtlich (Rn 5). Wird die Überbewertung der Sacheinlage allerdings bereits vor der Anmeldung festgestellt, so kann die Haftung durch Zahlung der Wertdifferenz vermieden werden4; ein Anspruch der GmbH besteht vor Anmeldung jedoch nicht5. Nicht erforderlich ist ein Gesellschafterbeschluss (weder nach § 46 Nr. 2 noch nach § 46 Nr. 8)6.Verzugszinsen sind nach Maßgabe von § 20 zu leisten7 (näher § 20 Rn 1 aE). e) Der Anspruch verjährt in 10 Jahren (§ 9 Abs. 2)8; die frühere Frist des § 9 8 Abs. 2 aF wurde durch das Gesetz zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 9.12.2004 (BGBl I 3214) verlängert9. Für noch nicht verjährte Ansprüche bleibt es nach der Übergangsvorschrift in Art. 229 § 12 Abs. 1 EGBGB iVm § 6 Abs. 3 EGBGB bei der früheren 5jährigen Verjährungsfrist10. Die Frist beginnt mit dem Tag, der auf die Eintragung folgt (§ 187 Abs. 1 BGB), und endigt idR 10 Jahre später mit Ablauf des gleichen Kalendertages. Zur Hemmung der Verjährung gelten die allgemeinen Regeln gemäß §§ 203 ff BGB11. Die Verjährungsfrist kann durch den Gesellschaftsvertrag zwar verlängert (§ 202 Abs. 2 BGB), jedoch wegen ihrer zwingenden Kapitalschutzfunktion nicht gekürzt werden12. f) Die Differenzhaftung unterliegt allen Beschränkungen des § 19 Abs. 2 und 3 9 (allgemeine Meinung), dh Aufrechnungs- und Erlassverbot13; auch ein Ver-

1 BGH GmbHR 2007, 1331 Rn 10 ff. 2 R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 5; Scholz/Veil Rn 20; Michalski/Tebben Rn 18; S/I/Pfisterer Rn 6; B/S/Wachter Rn 17; aA B/H/Fastrich Rn 8 (mit Leistung Sacheinlage). 3 B/H/Fastrich Rn 8; Scholz/Veil Rn 20; R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 6; R/A/Roth Rn 7; aA MünchHdbGmbH/Freitag/Riemenschneider § 9 Rn 84; MünchKomm/Schwandtner Rn 26 (mit Eintragung). 4 Zutreffend B/H/Fastrich Rn 6; Scholz/Veil Rn 26; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 19. 5 So aber R/A/Roth Rn 7; Michalski/Tebben Rn 18; dagegen U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 9 mwN. 6 R/A/Roth Rn 6; Scholz/Veil Rn 23. 7 B/H/Fastrich Rn 8; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 9aE. 8 U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 17; B/H/Fastrich Rn 10. 9 Dazu U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 17; R/A/Roth Rn 10. 10 R/A/Roth Rn 10; B/H/Fastrich Rn 10. 11 U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 17; MünchKomm/Schwandtner Rn 38. 12 Scholz/Veil Rn 25; R/A/Roth Rn 12; so auch BGHZ 191, 364 Rn 42 = ZIP 2012, 73 – Babcock Borsig. 13 So (für AG) BGHZ 191, 364 Rn 34 = ZIP 2012, 73 – Babcock Borsig.

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§ 9 | Überbewertung der Sacheinlagen gleich ist nur sehr eingeschränkt möglich1 (ausführlich § 19 Rn 20). Anwendbar sind auch § 21 (Kaduzierung) und § 24 (Ausfallhaftung)2. 10 g) Die Beweislast für die fehlende Werthaltigkeit einer Sacheinlage trifft nach

dem Gesetzeswortlaut grundsätzlich die GmbH3; angesichts von Nachweisschwierigkeiten kann – insbesondere in der Insolvenz – eine Beweiserleichterung zugunsten des Anspruchstellers in Betracht kommen. Ausreichend ist regelmäßig indes, dem Gesellschafter eine sekundäre Behauptungslast aufzuerlegen4, die ggf für eine Schätzung gemäß § 287 Abs. 2 ZPO ausreicht5; eine Beweislastumkehr muss die Ausnahme bleiben6. Wird etwa eine ursprünglich an einen Dritten sicherungsübereignete Sache eingebracht, dann muss der Gesellschafter substantiiert darlegen und ggf beweisen, dass er das Eigentum vor der Einbringung wieder erlangt hat7. Dass der Registerrichter vor Eintragung der Gesellschaft die Werthaltigkeit der Sacheinlage bereits geprüft hat (vgl § 9c Abs. 1 Satz 2), spricht nicht gegen diese Beweislastverteilung8.

3. Vorgesellschaft 11 Wird die GmbH nicht eingetragen und die Vor-GmbH nach den Grundsätzen

einer GmbH liquidiert (s. § 11 Rn 23), so ist der betreffende Gesellschafter zu ergänzender Bareinlage verpflichtet, wenn das zur Schuldentilgung erforderlich ist9.

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Hierzu BGHZ 191, 364 Rn 34 = ZIP 2012, 73 – Babcock Borsig. Scholz/Veil Rn 5; B/H/Fastrich Rn 5. OLG Düsseldorf AG 2011, 823, 824; OLG Köln GmbHR 1998, 42, 43; Scholz/Veil Rn 18. Richtig Scholz/Veil Rn 18; Hennrichs FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 489, 500; ausführlich OLG Düsseldorf AG 2011, 823, 824 f; Bayer/Illhardt GmbHR 2011, 505, 512. OLG Düsseldorf AG 2011, 823, 824 f; vgl auch BGH AG 2001, 417. Ausführlich Bayer/Illhardt GmbHR 2011, 505, 512 f; zustimmend U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 14; B/H/Fastrich Rn 8; S/I/Pfisterer Rn 7; großzügiger R/A/Roth Rn 4a; vgl auch OLG Naumburg GmbHR 1998, 385, 386; OLG Düsseldorf GmbHR 1992, 112, 113; OLG München GmbHR 1994, 712. Zutreffend LG Bonn GmbHR 1999, 1291. Bayer/Illhardt GmbHR 2011, 505, 512 f; R/A/Roth Rn 4a; ausführlich Stobbe Die Durchsetzung gesellschaftsrechtlicher Ansprüche der GmbH in Insolvenz und masseloser Liquidation, 2001, S. 367 ff. Wie hier: R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 6; R/A/Roth Rn 7; Michalski/Tebben Rn 18; aA Scholz/Veil Rn 21: Gläubiger seien ausreichend durch Handelnden- und Gründerhaftung geschützt.

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Ersatzansprüche der Gesellschaft | § 9a

4. Verhältnis zu anderen Ansprüchen (§ 9 Abs. 1 Satz 2) Neben § 9 kann der betreffende Gesellschafter der Gesellschaft nach den all- 12 gemeinen Regeln zum Schadensersatz bzw zur Gewährleistung verpflichtet sein. Daneben kommt eine Haftung des Gesellschafters und der anderen Gründer aus § 9a (vgl § 9a Rn 7) und den allgemeinen deliktsrechtlichen Vorschriften (§§ 826, 823 Abs. 2 BGB iVm § 263 StGB) in Betracht; ebenso eine Garantiehaftung für Vollwertigkeit bis zur Eintragung1. Auch Ansprüche auf ein Agio, das durch die Sacheinlage nicht vollständig gedeckt ist, können neben § 9 bestehen2. Zur Vorbelastungshaftung (vormals Differenzhaftung) aus Gründen der vorzeitigen Geschäftsaufnahme und ihrer Abgrenzung zur Differenzhaftung des § 9 vgl § 11 Rn 41 ff.

§ 9a Ersatzansprüche der Gesellschaft (1) Werden zum Zweck der Errichtung der Gesellschaft falsche Angaben gemacht, so haben die Gesellschafter und Geschäftsführer der Gesellschaft als Gesamtschuldner fehlende Einzahlungen zu leisten, eine Vergütung, die nicht unter den Gründungsaufwand aufgenommen ist, zu ersetzen und für den sonst entstehenden Schaden Ersatz zu leisten. (2) Wird die Gesellschaft von Gesellschaftern durch Einlagen oder Gründungsaufwand vorsätzlich oder aus grober Fahrlässigkeit geschädigt, so sind ihr alle Gesellschafter als Gesamtschuldner zum Ersatz verpflichtet. (3) Von diesen Verpflichtungen ist ein Gesellschafter oder ein Geschäftsführer befreit, wenn er die die Ersatzpflicht begründenden Tatsachen weder kannte noch bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes kennen musste. (4) Neben den Gesellschaftern sind in gleicher Weise Personen verantwortlich, für deren Rechnung die Gesellschafter Geschäftsanteile übernommen haben. Sie können sich auf ihre eigene Unkenntnis nicht wegen solcher Umstände berufen, die ein für ihre Rechnung handelnder Gesellschafter kannte oder bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes kennen musste. Die Vorschrift wurde durch die Novelle 1980 eingefügt. Sie enthält eine umfassende, an den §§ 46–51 AktG orientierte Gründerhaftung für GmbH, die nach dem 1.1.1981 im

1 BGH GmbHR 1999, 232; OLG Köln GmbHR 1998, 42, 43 f; B/H/Fastrich Rn 9. 2 Vgl BegrRegE, BR-Drucks 354/07, S. 81; zustimmend S/I/Pfisterer Rn 10.

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§ 9a | Ersatzansprüche der Gesellschaft Handelsregister eingetragen wurden. Abs. 4 Satz 1 geändert sowie amtliche Überschrift ergänzt durch MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl I 2026). 1. Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Haftung für falsche Angaben (§ 9a Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtsfolgen von § 9a Abs. 1 . . . . 5. Voraussetzungen und Rechtsfolge des § 9a Abs. 2 . . . . . . . . . . . . . .

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6. Hintermännerhaftung (offene oder verdeckte Stellvertretung) . . . . . . 12 7. Zwingendes Recht . . . . . . . . . . . . 14 8. Verhältnis der Ansprüche zueinander und zu anderen Ansprüchen . 15

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Literatur: Dreher Die Gründerhaftung bei der GmbH, DStR 1992, 33; Haas/Wünsch Die Haftung der Gesellschafter und Geschäftsführer nach § 9a Abs. 1 GmbHG, NotBZ 1999, 109; Lowin Die Gründerhaftung bei der GmbH nach § 9a GmbHG, 1987.

1. Gläubiger 1 Gläubiger ist nur die entstandene GmbH, nicht die Vor-GmbH. Über die Gel-

tendmachung beschließt die Gesellschafterversammlung (§ 46 Nr. 8), wobei der betreffende Gesellschafter kein Stimmrecht hat (§ 47 Abs. 4 Satz 2)1; ein solcher Beschluss ist nicht erforderlich bei Geltendmachung durch den Insolvenzverwalter oder Pfändungsgläubiger2 oder wenn Hintermänner nach § 9a Abs. 4 in Anspruch genommen werden sollen3.

2. Schuldner 2 Schuldner aller Ansprüche können Gesellschafter und deren Hintermänner sein,

Geschäftsführer unterliegen dagegen nur der Haftung des § 9a Abs. 1. Auch nach Anmeldung, aber vor Eintragung beitretende Gesellschafter und Geschäftsführer haften in vollem Umfang4. Gesellschafter und Geschäftsführer, die vor Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister ausscheiden, haften nicht nach § 9a5; unberührt bleibt jedoch die Haftung (und auch die Strafbarkeit) nach anderen Vorschriften (zB § 823 Abs. 2 BGB iVm § 82 Abs. 1 Nr. 1, 2)6. Im Falle

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U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 10; MünchKomm/Herrler Rn 13 (allgemeine Meinung). Zustimmend Scholz/Veil Rn 5; S/I/Pfisterer Rn 5. B/H/Fastrich Rn 20; MünchKomm/Herrler Rn 14. R/A/Roth Rn 14; Scholz/Veil Rn 24; B/H/Fastrich Rn 2; MünchKomm/Herrler Rn 19, 25; aA MünchHdbGmbH/Freitag/Riemenschneider § 13 Rn 3; differenzierend U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 32 aE, 35. 5 OLG Rostock GmbHR 1995, 658 f; B/H/Fastrich Rn 2; Scholz/Veil Rn 24; B/S/Wachter Rn 19; aA R/A/Roth Rn 14; MünchKomm/Herrler Rn 24. 6 Richtig Scholz/Veil Rn 24 aE.

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Ersatzansprüche der Gesellschaft | § 9a

der Neugründung durch Verschmelzung trifft die Haftung die Mitglieder des Vertretungsorgans der übertragenden Rechtsträger sowie diese selbst als Gründer (§§ 36 Abs. 2 Satz 2, 135 Abs. 2 Satz 2 UmwG), nicht dagegen die Gesellschafter der übertragenden Rechtsträger1; im Falle des Formwechsels aus einer Personengesellschaft gilt § 219 UmwG; wird eine AG bzw KGaA in eine GmbH umgewandelt, so besteht nach zutreffender Auffassung für eine Gründerhaftung kein Bedürfnis2. Die Unwirksamkeit der Bestellung als Geschäftsführer hindert die Haftung nicht, sofern der Geschäftsführer nur tatsächlich als solcher tätig war3.

3. Haftung für falsche Angaben (§ 9a Abs. 1) a) Im Zusammenhang mit der Gründung müssen falsche Angaben gemacht wor- 3 den sein, nicht notwendig gegenüber dem Handelsregister (unstreitig)4, sondern auch gegenüber Geschäftsführern und Sachverständigen5, auch gegenüber Mitgesellschaftern6, sofern ein Bezug zur Gründung besteht (zB Falschinformation für Sachgründungsbericht)7, nicht dagegen gegenüber einer Genehmigungsbehörde (hier gelten eigene Sanktionen)8. Von wem die falschen Angaben stammen, ist gleichgültig: vom Geschäftsführer bei Gelegenheit der Anmeldung (etwa: die Bareinlagen sind nicht in der angegebenen Höhe geleistet oder stehen nicht zur freien Verfügung9, die Sacheinlagen sind zur Sicherung übereignet10; es liegt eine verdeckte Sacheinlage vor, § 19 Rn 54 ff), von Gesellschaftern im Gesellschaftsvertrag oder Sachgründungsbericht11 (etwa: die Verbindlichkeiten eines übernommenen Handelsgeschäftes sind höher als angegeben, das eingebrachte Patent ist angegriffen) oder von Dritten (etwa: Sachverständiger bei der Bewertung von Sacheinlagen, Architekt bestätigt überhöhte Herstellungskosten)12. 1 Kallmeyer ZIP 1994, 1746, 1753; Ihrig GmbHR 1995, 622, 634 f; MünchKomm/Herrler Rn 31; so nunmehr auch Lutter/M. Winter/J. Vetter § 56 UmwG Rn 52. 2 Wie hier Lutter/Decher/Hoger § 197 UmwG Rn 39; Lutter/Göthel § 245 UmwG Rn 26; Scholz/Veil Rn 25 aE. 3 Scholz/Veil Rn 23; B/H/Fastrich Rn 2; G/E/S/Nießen Rn 13. 4 Beispiel: OLG Celle GmbHR 2001, 243 (Falschangabe zur Stammeinlage). 5 OLG Köln GmbHR 1998, 42, 44; Scholz/Veil Rn 11; Michalski/Tebben Rn 10. 6 MünchKomm/Herrler Rn 58; B/H/Fastrich Rn 11; Scholz/Veil Rn 11; nunmehr auch U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 13. 7 B/H/Fastrich Rn 11; Scholz/Veil Rn 11; R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 8. 8 Wie hier Scholz/Veil Rn 11; R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 8; nunmehr auch U/H/L/Ulmer/ Habersack Rn 13. 9 LG Mannheim GmbHR 1996, 118, 121. 10 BGH BB 1958, 891. 11 So auch MünchKomm/Herrler Rn 55. 12 MünchKomm/Herrler Rn 56; Scholz/Veil Rn 10, 23 ff mwN; differenzierend U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 13 aE.

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§ 9a | Ersatzansprüche der Gesellschaft 4 b) Falsch sind die Angaben, wenn sie objektiv unrichtig oder auch nur unvoll-

ständig sind1, soweit dadurch aus der Sicht eines neutralen Dritten ein objektiv falscher Eindruck erzielt wird. Unvollständig ist die Angabe, wenn Leistung von Bareinlagen zutreffend erklärt, aber die Abrede einer alsbaldigen Verwendung zum Ankauf von Gegenständen eines Gründers oder nahen Angehörigen nicht mitgeteilt wird (sog verdeckte Sachgründung)2, oder wenn Gründungsaufwand erstattet werden soll, obwohl das im Gesellschaftsvertrag nicht festgelegt ist (s. § 3 Rn 52)3; falsch sind auch unzutreffende Werturteile („vorzüglicher Bauzustand“, „erstklassige Wohnlage“)4. Schweigen bei Pflicht zu entsprechenden Angaben ist „falsche Angabe“5. Gesellschafter und Geschäftsführer sollen nicht befugt sein, mit einer unvollständigen Anmeldung das Registergericht zu übertölpeln. Falschangaben sind nicht auf Aufzählung gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 AktG begrenzt, sondern erfassen zB auch einen unzutreffenden Unternehmensgegenstand6.

5 Maßgebend ist der Zeitpunkt der Mitteilung, idR also Anmeldung7. Angaben,

die zwischen Anmeldung und Eintragung unrichtig werden, müssen daher nicht berichtigt werden8; denn das Registergericht überprüft Veränderungen nach erfolgter Anmeldung nicht (§ 9c Rn 19), und die Gesellschaft ist durch die Vorbelastungshaftung (ausführlich § 11 Rn 41 ff) ausreichend geschützt. Werden ursprünglich falsche Angaben allerdings bis zur Eintragung (freiwillig) korrigiert, so entfällt die Haftung9.

6 c) Für alle falschen Angaben haften die Gesellschafter und Geschäftsführer,

die Gesellschafter also auch für falsche Angaben des Geschäftsführers in der Anmeldung10; nicht erforderlich ist, dass der Gesellschafter die Falschangabe des Dritten veranlasst hat oder aufgrund seiner Stellung hätte verhindern können11; die Korrektur dieser harten Zurechnung erfolgt nur über das Verschulden, es wird allerdings vermutet (§ 9a Abs. 3). Der Schuldner muss nachweisen, dass er den Mangel in den Angaben nicht kannte (kein Vorsatz) und nicht kennen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

OLG Bremen GmbHR 1998, 40, 41; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 16. LG Heilbronn DB 1993, 1352 f; OLG Köln GmbHR 1999, 663, 664; B/H/Fastrich Rn 8. B/H/Fastrich Rn 9; MünchKomm/Herrler Rn 62. Wie hier auch MünchKomm/Herrler Rn 61. MünchKomm/Herrler Rn 63; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 16. Wie hier B/H/Fastrich Rn 10; R/A/Roth Rn 4; Scholz/Veil Rn 13. Wie hier U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 17; Michalski/Tebben Rn 14; B/H/Fastrich Rn 12; Scholz/Veil Rn 21; MünchKomm/Herrler Rn 64; abw. OLG Rostock GmbHR 1995, 658, 659; R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 12; R/A/Roth Rn 10 (Eintragung). So zutreffend die hM: OLG Bremen GmbHR 1998, 40, 41 f; B/H/Fastrich Rn 12; Scholz/ Veil Rn 21; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 17; aA MünchKomm/Herrler Rn 64 aE. B/H/Fastrich Rn 12; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 18; MünchKomm/Herrler Rn 68. B/H/Fastrich Rn 2; R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 8; Scholz/Veil Rn 10. So aber U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 33; wie hier hM: Scholz/Veil Rn 10, 23; B/H/Fastrich Rn 2; R/A/Roth Rn 11.

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musste (keine Fahrlässigkeit)1. Dabei betont das Gesetz die rein objektive Ausrichtung der Fahrlässigkeit am Standard eines ordentlichen Geschäftsmannes; wer diesen Standard mangels Kenntnis oder Erfahrung nicht erfüllt, ist nicht entschuldigt2. Praktisch bedeutet das, dass der Geschäftsführer den Sachgründungsbericht der Gesellschafter nicht völlig ungeprüft in seiner Anmeldung übernehmen darf; denn auch er haftet für falsche Angaben darin, und zu den Pflichten eines derart verantwortlichen ordentlichen Geschäftsmannes gehört dann wenigstens die Plausibilitätskontrolle. Das Gleiche gilt für Gesellschafter bzgl der Angaben von Dritten (Architekt bzgl Baukosten für Haus, das der Mitgesellschafter als Sacheinlage einbringt). Schwieriger ist das Verschulden der Gesellschafter bzgl falscher Angaben des Geschäftsführers in der Anmeldung festzustellen; jedenfalls müssen die Gesellschafter dessen Angaben nicht etwa durch gezielte Einsicht in seine Anmeldung kontrollieren. Schuldfähigkeit ist erforderlich, die §§ 827, 828 BGB sind anwendbar. Die Beweislastumkehr darf indes nicht zu einer Art Garantiehaftung des Gesellschafters oder Geschäftsführers ausufern3. Der Beweis für Schaden (dazu Rn 7, 8) und Kausalität liegt nach allgemeinen Grundsätzen bei der GmbH4.

4. Rechtsfolgen von § 9a Abs. 1 a) Die Pflicht zur Differenzleistung bzgl der falschen Angaben, also: Hat der 7 Geschäftsführer zu hohe Einzahlungen oder die – nicht erfolgte – Leistung von Sacheinlagen5 versichert, so schulden er und der Gesellschafter bei Verschulden Differenz zwischen wirklicher und behaupteter Einzahlung; hat er zu Unrecht Gründerlohn aus der Gesellschaftskasse gezahlt, so haften er, der Empfänger und andere Gesellschafter bei Verschulden auf Rückeinlage des fraglichen Betrages; haben die Gesellschafter objektiv falsche Angaben im Sachgründungsbericht gemacht (mögen sie aus eigener Fehlerquelle stammen oder durch Übernahme der Daten aus dem unrichtigen Wertgutachten eines Sachverständigen), so haften sie wie der Sacheinleger (§ 9) und mit diesem auf die Wertdifferenz. Mehrere haften als Gesamtschuldner. Diese Differenzhaftung ist ihrem Inhalt nach Einlageschuld, also trotz des deliktischen Aufbaus der Norm nicht Ersatz eines Schadens; sie tritt daher neben die fortbestehende und inhaltsgleiche Einlageschuld des betreffenden Gesellschafters, ist mit dieser (unechte) Gesamtschuld6; die Haftung entfällt nach allgemeiner Meinung mit der (Nach-)Zahlung der Dif-

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Ausführlich Bayer/Illhardt GmbHR 2011, 505, 508. KG GmbHR 2011, 821, 822; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 38. Richtig KG NZG 2000, 841, 843. Bayer/Illhardt GmbHR 2011, 505, 508 mwN. B/H/Fastrich Rn 8; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 42. B/H/Fastrich Rn 6; OLG Hamm GmbHR 1994, 399, 401; Scholz/Veil Rn 42.

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§ 9a | Ersatzansprüche der Gesellschaft ferenz durch den Einlageschuldner1. Im Innenverhältnis ist der betreffende Gesellschafter abweichend von § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB für den auf der Verletzung seiner Einlagepflicht beruhenden Schaden allein verantwortlich; wird von einem nach § 9a Haftpflichtigen geleistet, so erwirbt er neben dem Ausgleichsanspruch gemäß § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB auch die Einlageforderung (§ 426 Abs. 2 Satz 1 BGB)2. 8 b) Über die Differenzhaftung hinaus ist jeder weiter gehende Schaden der

GmbH zu ersetzen. Hier gilt der Schadensbegriff des BGB; zu ersetzen sind also zB Kreditzinsen der GmbH im Hinblick auf den zu Unrecht gezahlten Gründerlohn oder der Schaden aus einem Produktionsausfall, der durch die Unbrauchbarkeit einer eingebrachten Anlage entstanden ist. Kausalität zwischen Fehlverhalten und Schaden ist erforderlich, die Regeln zur Vorteilsausgleichung und zur Schadensminderungspflicht der GmbH sind anwendbar3, nicht aber ein Mitverschulden des Geschäftsführers bei der Entstehung des Schadens vor Entstehung der GmbH4. Die Möglichkeit zur Naturalrestitution ist hier selten, so dass die Ersatzpflicht idR auf Geld geht.

5. Voraussetzungen und Rechtsfolge des § 9a Abs. 2 9 Voraussetzungen und Rechtsfolge des § 9a Abs. 2 entsprechen § 46 Abs. 2 AktG

und betreffen nur Gesellschafter (der Geschäftsführer kann aus § 9a Abs. 2 nicht Schuldner sein) und nur ein schuldhaftes Verhalten, das im Zusammenhang mit Sacheinlage oder Gründungsaufwand zu einem Schaden der GmbH geführt hat. Die Form erfasst also ein Fehlverhalten, das gerade nicht in falschen Angaben nach § 9a Abs. 1 besteht; insofern ist § 9a Abs. 2 subsidiär zu § 9a Abs. 15. In Betracht kommen: Einbringung von Maschinen, die zwar ihren Wert haben, aber für die geplante Position ungeeignet sind; Erstattung von Gründungsaufwand, der zwar im Gesellschaftsvertrag festgelegt ist, aber außer jedem Verhältnis zur GmbH, ihrer Größe und Bedeutung steht6.

10 Die Frage des Verschuldens ist kompliziert: Bei mindestens einem Gesellschaf-

ter ist mindestens grobe Fahrlässigkeit erforderlich, welche die Gesellschaft zu beweisen hat; für die übrigen Gesellschafter, die als Gesamtschuldner mithaften, gilt Verschuldensgrad, Vermutung und Entlastungsbeweis nach § 9a Abs. 37.

1 OLG Düsseldorf GmbHR 1995, 582, 583; R/A/Roth Rn 11. 2 U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 55; Scholz/Veil Rn 42. 3 B/H/Fastrich Rn 21; Scholz/Veil Rn 34; vgl auch BGHZ 64, 52; restriktiver MünchKomm/Herrler Rn 84; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 45. 4 Scholz/Veil Rn 34; MünchKomm/Herrler Rn 83; G/E/S/Nießen Rn 21. 5 KG GmbHR 2011, 821, 822; Scholz/Veil Rn 35; MünchKomm/Herrler Rn 85. 6 Zustimmend S/I/Pfisterer Rn 12 aE. 7 Bayer/Illhardt GmbHR 2011, 505, 508; vgl weiter B/H/Fastrich Rn 17; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 51.

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Rechtsfolge ist Schadensersatz (s. Rn 8), nicht Einlage; daher ist Anspruch 11 (Schaden) hier nur gegeben, wenn nicht ein entsprechender und durchsetzbarer Anspruch auf Einlageleistung besteht (streitig)1.

6. Hintermännerhaftung (offene oder verdeckte Stellvertretung) a) Offene Stellvertreter haften aus § 9a nicht; sie sind nicht Gesellschafter2. Für 12 sie kommt aber eine Haftung gegenüber der GmbH aus § 823 Abs. 2 BGB iVm § 5 Abs. 4 als Schutzgesetz oder § 826 BGB in Betracht. Anstelle des Vertreters haftet der vertretene Gesellschafter (§ 166 Abs. 1 BGB), da es nach § 9a Abs. 1 und 2 nur auf Stellung als Gesellschafter ankommt; dabei muss sich der vertretene Gesellschafter das Verschulden seines Vertreters im Umfang des § 9a Abs. 2 und 3 wie eigenes Verschulden zurechnen lassen (§ 9a Abs. 4 Satz 2 analog), also den Nachweis erbringen, dass sein Vertreter weder vorsätzlich noch fahrlässig gehandelt hat3. b) Liegt verdeckte Stellvertretung vor, so haftet der Strohmann nach den Re- 13 geln von § 9a Abs. 1–3; er ist Gesellschafter. § 9a Abs. 4 erstreckt dann seine Haftung auf die Person des Hintermannes (zB den Treugeber); hier haften also zwei Personen für eine Mitgliedschaft. Genügt für den Strohmann (= Gesellschafter) der Nachweis mangelnden eigenen Verschuldens, so hat der Hintermann das fehlende Verschulden des Strohmannes (§ 9a Abs. 4 Satz 2) und fehlendes Eigenverschulden nachzuweisen. Deshalb wird die Norm von der Literatur restriktiv verstanden und auf solche Hintermänner nicht angewendet, die praktisch keinen Einfluss auf die Gründung genommen haben4; dagegen sprechen aber nicht nur die so entstehenden Abgrenzungsprobleme5, sondern auch, dass sich der Hintermann nicht durch Untätigkeit seiner Verantwortlichkeit aus § 9a entziehen kann; § 9a verpflichtet ihn, seinen Einfluss auf eine korrekte Gründung geltend zu machen, so wie dies auch jeder andere Gesellschafter zu tun hat6.

1 Wie hier R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 25; K. Schmidt GmbHR 1978, 5, 7; aA Scholz/Veil Rn 40; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 52; MünchKomm/Herrler Rn 92. 2 So auch S/I/Pfisterer Rn 13; MünchKomm/Herrler Rn 27. 3 Wie hier Scholz/Veil Rn 27; abweichend R/A/Roth Rn 20 (§ 166 Abs. 2 BGB analog). 4 U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 36; B/H/Fastrich Rn 4; R/A/Roth Rn 19; K. Schmidt NJW 1980, 1769, 1771. 5 R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 28. 6 Wie hier auch Scholz/Veil Rn 26; R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 28; B/S/Wachter Rn 25.

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§ 9b | Verzicht auf Ersatzansprüche 7. Zwingendes Recht 14 Die Vorschrift ist zwingend, kann von den Gesellschaftern nicht abbedungen

werden; sie gilt bis auf § 9a Abs. 2 auch bei Kapitalerhöhung (§ 57 Abs. 4).

8. Verhältnis der Ansprüche zueinander und zu anderen Ansprüchen 15 § 9a Abs. 2 ist subsidiär gegenüber § 9a Abs. 1 (vgl Rn 9). Die Haftung aus § 43

tritt hinter die Gründerhaftung zurück1. Vgl im Übrigen § 9 Rn 12. Zur Notarhaftung vgl BGH AG 1996, 175 f und OLG Düsseldorf GmbHR 1995, 591. Zur Haftung einer Bank bei falscher Bankbestätigung analog § 37 Abs. 1 Satz 4 AktG vgl BGHZ 113, 335, 354 f = GmbHR 1991, 255 sowie § 8 Rn 9.

§ 9b Verzicht auf Ersatzansprüche (1) Ein Verzicht der Gesellschaft auf Ersatzansprüche nach § 9a oder ein Vergleich der Gesellschaft über diese Ansprüche ist unwirksam, soweit der Ersatz zur Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaft erforderlich ist. Dies gilt nicht, wenn der Ersatzpflichtige zahlungsunfähig ist und sich zur Abwendung des Insolvenzverfahrens mit seinen Gläubigern vergleicht oder wenn die Ersatzpflicht in einem Insolvenzplan geregelt wird. (2) Ersatzansprüche der Gesellschaft nach § 9a verjähren in fünf Jahren. Die Verjährung beginnt mit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister oder, wenn die zum Ersatz verpflichtende Handlung später begangen worden ist, mit der Vornahme der Handlung. Die Vorschrift wurde durch die Novelle 1980 eingefügt, entspricht sachlich aber altem Recht (§ 9 Abs. 2 und 3 aF). Durch das EGInsO von 1994 (BGBl I 2911) wurde Abs. 1 Satz 2 mit Wirkung zum 1.1.1999 (Tag des Inkrafttretens der InsO) geändert. Durch das MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl I 2026) wurde eine amtliche Überschrift ergänzt. 1. Verzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beschränkte rechtliche Wirkungen 3. Ausnahme . . . . . . . . . . . . . . . . .

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4. Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Kapitalerhöhung . . . . . . . . . . . . .

1 OLG Rostock GmbHR 1995, 658, 660; Scholz/Veil Rn 47 mwN.

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Verzicht auf Ersatzansprüche | § 9b

1. Verzicht Verzicht etc bzgl der Ansprüche aus § 9a ist möglich, obwohl das nach dem Ge- 1 danken der Kapitalaufbringung nicht unproblematisch ist; für andere Ansprüche in diesem Zusammenhang gelten die Schranken des § 19 Abs. 2 (dazu § 19 Rn 3 f, 18 ff). Gemeint sind der Erlassvertrag nach § 397 BGB, das negative Schuldanerkenntnis („Verzicht“)1, der Vergleich nach § 779 BGB und der Prozessvergleich, in entsprechender Anwendung auch Abtretung ohne hinreichende Gegenleistung oder Annahme unzureichender Leistung an Erfüllungs statt2. Ein Verzicht ua kann nicht bereits im Voraus erklärt werden3. Die Entscheidung über Verzicht und Vergleich über Ansprüche aus § 9a obliegt analog § 46 Nr. 8 stets der Gesellschafterversammlung4. Der schuldende Gesellschafter selbst ist nicht stimmberechtigt5 (§ 47 Abs. 4 Satz 2). Zur Schiedsfähigkeit: § 19 Rn 22.

2. Beschränkte rechtliche Wirkungen Die genannten Maßnahmen haben nach § 9b Abs. 1 Satz 1 nur beschränkte 2 rechtliche Wirkungen; sie sind kraft Gesetzes auflösend bedingt6 und endgültig unwirksam, ohne dass eine Erklärung der GmbH erforderlich wäre: (1) in der Insolvenz der GmbH; (2) in der Einzelvollstreckung eines Gläubigers, soweit dieser dartut, dass ihm anderweitige Befriedigung aus dem Gesellschaftsvermögen nicht möglich ist; (3) in der Liquidation der GmbH, soweit zur Befriedigung der Gläubiger erforderlich; das ist insbesondere bei Ablehnung des Insolvenzantrags mangels Masse von Bedeutung7; (4) bei Zahlungsschwierigkeiten der GmbH auch außerhalb der förmlichen Insolvenz, jedenfalls bei Vorliegen der Insolvenzvoraussetzungen (Zahlungsunfähigkeit, Überschuldung)8; der Geschäftsführer ist dann ohne Weiteres zur Geltendmachung berechtigt oder verpflichtet. § 139 BGB findet Anwendung („soweit“)9. Gläubiger der Gesellschaft kann Anspruch pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen10. 1 Auch durch Entlastung: BGHZ 94, 324, 327 = GmbHR 1985, 356; BGHZ 97, 382, 384 = GmbHR 1986, 260; BGH GmbHR 1986, 302; B/H/Fastrich Rn 2; Scholz/Veil Rn 4. 2 OLG Hamm NZG 2001, 1144; B/S/Wachter Rn 8; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 12. 3 Scholz/Veil Rn 4; R/A/Roth Rn 10 mwN. 4 R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 4; Scholz/Veil Rn 4. 5 U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 6; B/H/Fastrich Rn 2 (unstreitig). 6 R/A/Roth Rn 3; Scholz/Veil Rn 10. 7 So auch MünchKomm/Herrler Rn 21. 8 U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 13; Scholz/Veil Rn 8. 9 U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 16; MünchKomm/Herrler Rn 25. 10 Auch schon vor Bedingungseintritt: MünchKomm/Herrler Rn 26; Haas ZInsO 2007, 464, 467.

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§ 9b | Verzicht auf Ersatzansprüche 3. Ausnahme 3 Ein Rechtsgeschäft (Rn 1) ist entgegen der Regel (Rn 2) ausnahmsweise voll

wirksam (§ 9b Abs. 1 Satz 2), wenn der Schuldner aus § 9a (Geschäftsführer, Gesellschafter oder Hintermann) iSv § 17 Abs. 2 InsO zahlungsunfähig oder (in analoger Anwendung der Vorschrift) überschuldet1 ist und sich zur Abwendung des Insolvenzverfahrens mit seinen Gläubigern vergleicht. Folgende Möglichkeiten bestehen: (1) Einstellung des Verfahrens nach § 213 InsO unter Mitwirkung der GmbH; möglich ist (2) auch der Vergleich außerhalb des Verfahrens, wenn er der Abwendung des drohenden Insolvenzverfahrens dient und die GmbH mit ihren Ansprüchen aus § 9a daran mitwirkt2; (3) das Insolvenzplan-Verfahren gemäß §§ 217 ff InsO3.

4. Verjährung 4 Die Regelung der Verjährung erfasst die Ersatzansprüche aus § 9a und beträgt

5 Jahre ab Eintragung der GmbH. Diese Frist wurde durch das Gesetz zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 9.12.2004 (BGBl I 3214) nicht geändert4. Besonderheit ist hier die Möglichkeit eines späteren Beginns der Verjährung; das betrifft nur Ansprüche aus § 9a Abs. 2 und 4 (zB verspätete Leistung der Sacheinlage mit der Folge der Wertminderung oder des Ausfallschadens), nicht aber Ansprüche aus dem regulären Anwendungsbereich von § 9a Abs. 15, sondern lediglich im Rahmen der analogen Anwendung bei der wirtschaftlichen Neugründung6 (dazu § 3 Rn 78 ff). Auch im Falle einer verdeckten Sacheinlage ist der Zeitpunkt der Eintragung im Handelsregister maßgeblich, nicht der Zeitpunkt der Heilung7. Soweit eine vertragliche Verkürzung der Verjährung – wenngleich unter der Einschränkung des § 9b Abs. 1 Satz 1 analog – früher für zulässig gehalten wurde8, ist dies als Unterminierung des Kapitalschutzes abzulehnen9.

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So zutreffend U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 13; Michalski/Tebben Rn 10. U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 19; G/E/S/Nießen Rn 17. Scholz/Veil Rn 15; ausführlich MünchKomm/Herrler Rn 33. Dazu Thiessen ZHR 168 (2004), 503, 537. Scholz/Veil Rn 17; B/H/Fastrich Rn 4. Richtig U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 25 aE. Dazu KG GmbHR 2011, 821, 822. So noch Hachenburg/Ulmer 8. Aufl, Rn 21. Heute wohl unstreitig: R/A/Roth Rn 8; Scholz/Veil Rn 19; B/H/Fastrich Rn 4.

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Ablehnung der Eintragung | § 9c

5. Kapitalerhöhung Die Vorschrift gilt entsprechend für Kapitalerhöhungen (§ 57 Abs. 4), § 9b 5 Abs. 1 auch für Ersatzansprüche der GmbH gegen ihren Geschäftsführer (§ 43 Abs. 3 Satz 2)1.

§ 9c Ablehnung der Eintragung (1) Ist die Gesellschaft nicht ordnungsgemäß errichtet und angemeldet, so hat das Gericht die Eintragung abzulehnen. Dies gilt auch, wenn Sacheinlagen nicht unwesentlich überbewertet worden sind. (2) Wegen einer mangelhaften, fehlenden oder nichtigen Bestimmung des Gesellschaftsvertrages darf das Gericht die Eintragung nach Absatz 1 nur ablehnen, soweit diese Bestimmung, ihr Fehlen oder ihre Nichtigkeit 1. Tatsachen oder Rechtsverhältnisse betrifft, die nach § 3 Abs. 1 oder auf Grund anderer zwingender gesetzlicher Vorschriften in dem Gesellschaftsvertrag bestimmt sein müssen oder die in das Handelsregister einzutragen oder von dem Gericht bekannt zu machen sind, 2. Vorschriften verletzt, die ausschließlich oder überwiegend zum Schutze der Gläubiger der Gesellschaft oder sonst im öffentlichen Interesse gegeben sind, oder 3. die Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrages zur Folge hat. Abs. 1 wurde durch die Novelle 1980, Abs. 2 durch Art. 10 HRefG mit Wirkung zum 1.7. 1998 neu eingefügt; Abs. 1 Satz 2 geändert sowie amtliche Überschrift ergänzt durch MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl I 2026). 1. 2. 3. 4.

Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . Prüfung der Formalien . . . . . . Eingeschränkte Inhaltskontrolle des Gesellschaftsvertrages . . . .

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5. 6. 7. 8.

Keine weiter gehende Prüfung Sachgründung . . . . . . . . . . . Vorbelastungshaftung . . . . . . Verfahren . . . . . . . . . . . . . .

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Literatur: Keilbach Die Prüfungsaufgaben der Registergerichte, MittRhNotK 2000, 365; Klepsch Prüfungsrecht und Prüfungspflicht der Registergerichte, 2002; Priester Handelsrechtsreformgesetz – Schwerpunkte aus notarieller Sicht, DNotZ 1998, 691; Spiegelberger/ Walz Die Prüfung der Kapitalaufbringung im Rahmen der GmbH-Gründung, GmbHR 1998, 761. 1 Scholz/Veil Rn 2; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 4.

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§ 9c | Ablehnung der Eintragung 1. Überblick 1 a) § 38 AktG formuliert ausdrücklich die Prüfungspflicht des zuständigen Regis-

terrichters oder Rechtspflegers (s. §§ 17 Nr. 1a, 19 RpflG) vor Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister, § 9c Abs. 1 Satz 1 hingegen die gleiche Pflicht („hat abzulehnen“) nur mittelbar; diese Pflicht war schon vor der Novelle 1980 in Lehre und Rspr allgemein anerkannt; eine materielle Änderung der Rechtslage ist also durch die Vorschrift damals nicht eingetreten.

2 b) Die gesetzliche Einfügung des § 9c Abs. 2 geht auf eine Kritik des DIHT zurück,

welcher die zeitliche Verzögerung von Neueintragungen durch das Prüfungsverfahren beklagte. Mit der Änderung durch das HRefG wurden eine Beschleunigung des Verfahrens und eine Entlastung der Registergerichte bezweckt. Die früher (angeblich) bestehenden Rechtsunsicherheiten bezüglich des Prüfungsumfangs sollten durch die gesetzliche Klarstellung beseitigt werden1, wobei die Eintragung rechtswidriger Satzungsbestandteile bewusst in Kauf genommen wurde (dazu noch Rn 13). Eine gleichlautende Regelung enthält das AktG in § 38 Abs. 42.

2. Grundsatz 3 Die Eintragung der GmbH erfolgt in einem gerichtsförmigen Verfahren mit

Amtsermittlung (§ 26 FamFG); es sichert die Legalität der Gründung und der Kapitalaufbringung. Durch die Einfügung des § 9c Abs. 2 wird auch der Prüfungsumfang des Registerrichters teilweise geregelt; er geht aber deutlich über § 9c Abs. 2 hinaus (§ 9c Abs. 1 und die Versicherungen des Geschäftsführers nach § 8 Abs. 2 und 3). Andererseits besteht ein Anspruch auf Eintragung (Art. 9 Abs. 1 GG), so dass deren Ablehnung auch nur auf gesetzlichen Gründen beruhen kann3. Das Registergericht hat im Rahmen der Eintragung der GmbH unter Beachtung der Schranken des § 9c Abs. 2 grundsätzlich ein uneingeschränktes Recht, aber auch eine Pflicht zur Prüfung4; seine Pflicht zur Prüfung und sein Prüfungsrecht sind deckungsgleich5. Ergeben sich bei der Prüfung der vorgelegten Unterlagen allerdings keine Zweifel bzw Bedenken an der Richtigkeit der gemachten Angaben (Plausibilitätskontrolle), so ist die Eintragung vorzunehmen. Allein bei (begründeten) Zweifeln6 ist eine genauere Prüfung an-

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S. BegrRegE BT-Drucks 13/8444, S. 76 ff. Dazu K. Schmidt/Lutter/Kleindiek § 38 AktG Rn 3. U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 11; Scholz/Veil Rn 11. Richtig Staub/Koch § 8 HGB Rn 101; ausführlich Klepsch S. 143 ff mwN. Wie hier U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 8; Scholz/Veil Rn 5; MünchKomm/Wicke Rn 4; ausführlich Klepsch S. 32 ff; aA R/A/Roth Rn 6; offengelassen von BGHZ 113, 335, 351 = GmbHR 1991, 255. 6 Sogar erhebliche Zweifel sind im Hinblick auf die Versicherung nach § 8 Abs. 2 Satz 1 erforderlich; vgl § 8 Rn 9.

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gebracht und sind ggf weitere Unterlagen bzw Nachweise oder Gutachten anzufordern bzw zu beauftragen (vgl auch Rn 18)1. Fragen der Zweckmäßigkeit, sprachlichen Klarheit etc liegen generell außerhalb der Kompetenz des Registergerichts2.

3. Prüfung der Formalien Die Prüfung der Formalien beginnt bei der örtlichen Zuständigkeit des Register- 4 gerichts, führt über die Ordnungsgemäßheit der Anmeldung durch alle Geschäftsführer bis zur Vollständigkeit und Rechtzeitigkeit3 der vorgeschriebenen Anlagen (§ 8) je in der gehörigen Form: Gesellschaftsvertrag4, Vollmachten5, Sachgründungsbericht, Liste der Gesellschafter, erforderliche Versicherungen der Geschäftsführer gemäß § 8 Abs. 2, 3 (ausführlich § 8 Rn 9 ff) sowie die Angabe der inländischen Geschäftsanschrift und der Vertretungsbefugnis (dazu § 8 Rn 19 ff). (Nur) bei Zweifeln an der Richtigkeit der eingereichten Unterlagen ist das Registergericht berechtigt und verpflichtet, nähere Informationen und Nachweise zu verlangen6, zB über die Einzahlungen gemäß § 7 Abs. 2 Satz 17.

4. Eingeschränkte Inhaltskontrolle des Gesellschaftsvertrages Der Katalog des § 9c Abs. 2 ist abschließend. Das Registergericht hat die Prüfung 5 von Satzungsbestimmungen allein auf die in § 9c Abs. 2 genannten Versagungsgründe zu beschränken. Andere Mängel sowie Unklarheiten oder Widersprüche des Gesellschaftsvertrages sind im Eintragungsverfahren nicht (mehr) zu berücksichtigen. a) Nach § 9c Abs. 2 Nr. 1 muss die Satzung auf den durch § 3 Abs. 1 vor- 6 geschriebenen Mindestinhalt überprüft werden, also hinsichtlich Sitz (§ 3 Abs. 1 Nr. 1), Unternehmensgegenstand (§ 3 Abs. 1 Nr. 2), Stammkapital, Anzahl und Nennbetrag der (wirksam übernommenen) Geschäftsanteile (§ 3 Abs. 1 1 Wie hier im Ergebnis auch BGHZ 113, 335, 352 = GmbHR 1991, 255; KG GmbHR 1998, 786; OLG Düsseldorf GmbHR 1995, 592; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 14. 2 Wie hier auch B/S/Wachter Rn 31; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 11; aA OLG München GmbHR 2005, 1492 (zur Veröffentlichungspflicht „im Bundesanzeiger“). 3 OLG Karlsruhe ZIP 1993, 118 f. 4 Auch Genehmigung des Familiengerichts gemäß §§ 1822 Nr. 3, 10 BGB: Scholz/Veil Rn 16; B/H/Fastrich Rn 4. 5 U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 23; Scholz/Veil Rn 16. 6 BGHZ 113, 335, 352 = GmbHR 1991, 255; OLG Düsseldorf GmbHR 1998, 235; KG GmbHR 1998, 786 ff; Scholz/Veil Rn 13 mwN. 7 Dazu BayObLG GmbHR 1988, 215; OLG Frankfurt GmbHR 1992, 531; vgl weiter B/S/ Wachter Rn 19.

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§ 9c | Ablehnung der Eintragung Nr. 3, 4) sowie Anzahl, Namen und Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer (§ 10 Abs. 1). Grundsätzlich nicht erfasst (vgl aber noch Rn 17) ist somit die Prüfung im Hinblick auf Nebenleistungspflichten gemäß § 3 Abs. 2 (dazu § 3 Rn 24 ff). 7 Die volle Inhaltskontrolle erfasst über § 3 Abs. 1 Nr. 1 auch die ordnungs-

gemäße Bildung der Firma: Das Registergericht muss die ordnungsgemäße Bildung der Firma prüfen, hier insbesondere die Kennzeichnungs- und Unterscheidungskraft, Rechtsformzusatz und die Beachtung des Irreführungsverbots nach § 18 Abs. 2 HGB. Bei unzulässiger Firmenbildung hat das Registergericht die Eintragung abzulehnen (§ 4 Rn 28 ff). Die Prüfung beschränkt sich indes auf Fälle, bei denen eine Täuschungsabsicht nicht allzu fern liegt und ihre Feststellung kein umfangreiches Beweisverfahren erfordert1 (näher § 4 Rn 30).

8 b) Gemäß § 9c Abs. 2 Nr. 2 muss das Registergericht auch dann die Eintragung

ablehnen, wenn Vorschriften des Gläubigerschutzes oder andere Normen, die im öffentlichen Interesse gegeben sind, durch Satzungsbestimmungen verletzt werden. Der Wortlaut orientiert sich dabei an § 241 Nr. 3 AktG; dazu Anh zu § 47 Rn 16 ff.

9 aa) Zwingende Vorschriften des GmbHG, die dem Gläubigerschutz dienen,

sind in den Prüfungsumfang mit einbezogen. Diese Normen müssen nicht ausschließlich dem Schutz der Gesellschaftsgläubiger dienen, es reicht aus, wenn sie überwiegend gläubigerschützenden Charakter haben2. Satzungsregelungen, die dem Grundsatz der Aufbringung und Erhaltung des Stammkapitals entgegenstehen oder die Haftung einschränken, dürfen nicht eingetragen werden; keine Eintragung also bei Verstößen gegen §§ 5 Abs. 1, 9, 9b, 16 Abs. 2, 19 Abs. 2–5, 21 ff, 30 ff3, aber auch nicht – entgegen der BegrRegE4 – bei Verstößen gegen § 138 BGB5. Im Hinblick auf Mehrleistungen, die über die Mindestleistungen gemäß § 7 Abs. 2 hinausgehen, trifft das Registergericht hingegen keine Prüfungspflicht6. Satzungsregelungen zum Gründungsaufwand sind nur dann erforderlich und nur dann inhaltlich vom Registergericht zu prüfen, wenn nicht die Gründer selbst alle Kosten tragen7 (vgl auch bei § 3 Rn 52).

10 bb) Die Prüfungspflicht des Registergerichts umfasst weiter alle Verstöße gegen

Ge- und Verbotsnormen, die im öffentlichen Interesse gegeben sind. Der Be-

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Scholz/Veil Rn 20. So für die AG Hüffer/Koch § 241 AktG Rn 18. BGHZ 15, 391, 392 ff; Scholz/Veil Rn 21; MünchKomm/Wicke Rn 33 ff. BegrRegE BT-Drucks 13/8444, S. 78. Richtig U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 53; Michalski/Tebben Rn 19; B/S/Wachter Rn 39; aA Scholz/Veil Rn 21; R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 22. 6 OLG Stuttgart GmbHR 2011, 1101; MünchKomm/Wicke Rn 33. 7 OLG Frankfurt GmbHR 2010, 589 mit Anm Gerber.

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griff des öffentlichen Interesses ist umstritten; nach hM ist er weit zu fassen1. Beispiele für mögliche Ablehnungsgründe nach § 9c Abs. 2 Nr. 2 (2. Alt.): fehlende Eignung des Geschäftsführers nach § 6 Abs. 2; Verstöße gegen zwingende Bestimmungen des Sozial-, Steuer- und Verwaltungsrechts, zB gegen Bestimmung in der Aufenthaltserlaubnis, die eine Erwerbstätigkeit untersagt (streitig)2; Nichtbeachten oder Widerspruch zu den Regelungen des MitbestG, insbesondere §§ 25 ff MitbestG3, und des DrittelbG; Verstöße gegen Bestimmungen des Ordnungswidrigkeitsrechts sowie Vorschriften des Strafrechts, insbesondere §§ 82 ff. Hingegen sind zwingende Vorschriften des GmbHG zugunsten der Gesellschafter nicht im öffentlichen Interesse gegeben und daher vom Prüfungsumfang ausgeklammert4. c) Führt die Unwirksamkeit einer Satzungsbestimmung zur Nichtigkeit des Ge- 11 sellschaftsvertrages insgesamt, so hat das Registergericht die Eintragung abzulehnen, § 9c Abs. 2 Nr. 3. Das ist nach § 139 BGB im Zweifel der Fall (streitig; vgl § 2 Rn 37)5. Fehlt ein möglicher Ausschluss dieser Regelung im Gesellschaftsvertrag, so kann das Registergericht eine Prüfung der gesamten Satzung nicht vermeiden, kann in diesem Fall also nicht von vornherein einzelne Satzungsbestandteile von der Prüfung ausklammern. Hier zeigt sich die ganze Widersprüchlichkeit der Neuregelung, die an sich eine Entlastung des Registergerichts durch Begrenzung der Prüfungspflicht bezweckt, was wegen § 139 BGB aber letztlich von der Gestaltung des Gesellschaftsvertrages abhängt.

5. Keine weiter gehende Prüfung a) Satzungsbestimmungen, die zwingenden Vorschriften des Minderheiten- 12 und Individualschutzes von Gesellschaftern entgegenstehen, wie zB die §§ 48, 50 Abs. 1 und 2, 51a/b, 61 Abs. 2, 66 Abs. 2 und 3, können als solche keine Eintragungssperre auslösen6. Auch Klarstellung widersprüchlicher oder missverständlicher Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag können durch das Registergericht nicht verlangt werden, erst recht nicht Aspekte der Zweckmäßigkeit. Und obwohl sich § 9c Abs. 2 an dem Wortlaut des § 241 AktG orientiert, wur-

1 Großkomm/K. Schmidt § 241 AktG Rn 59; Hüffer/Koch § 241 AktG Rn 19. 2 Wie hier KG GmbHR 1997, 412, 413 f; OLG Köln GmbHR 1999, 182, 183; aA B/H/Fastrich Rn 6 aE. 3 Dazu BGHZ 83, 106, 109 ff. 4 So ausdrücklich BegrRegE BT-Drucks 13/8444, S. 78; ebenso OLG München GmbHR 2010, 870, 871; Scholz/Veil Rn 22 aE. 5 Wie hier Scholz/Veil Rn 23; R/A/Roth Rn 20; Michalski/Tebben Rn 21; B/S/Wachter Rn 45; aA MünchKomm/Wicke Rn 26. 6 OLG München GmbHR 2010, 870 mit zustimmender Anm Wachter EWiR 2010, 609 (unzulässige Einziehungsregelung); vgl auch BegrRegE BT-Drucks 13/8444, S. 78.

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§ 9c | Ablehnung der Eintragung den auch die dortige Nr. 3 (1. Alt. „Wesen der GmbH“) und Nr. 4 (Sittenwidrigkeit) nicht übernommen, da der Prüfungsumfang sonst zu weit gezogen wäre1. 13 b) Kritik: Sinn und Nutzen des § 9c Abs. 2 erscheinen höchst zweifelhaft. So

hängt der Prüfungsumfang wegen § 139 BGB (Teilnichtigkeit = Gesamtnichtigkeit iSv Nr. 3) davon ab, ob diese Vorschrift im Gesellschaftsvertrag abbedungen ist oder nicht (Rn 11). Im Übrigen nimmt es das Gesetz bewusst in Kauf, dass unwirksame Regelungen im Register dokumentiert sind2, und verweist auf die Möglichkeit der gerichtlichen Klärung im Streit unter den Beteiligten. Ob das für diese und die Belange der Justiz besser ist als eine erfahrene Vorweg-Kontrolle, ist mit Recht zu bezweifeln3. Für Satzungsänderungen – und zwar generell, nicht nur für Kapitalerhöhungen4 – gilt die Beschränkung des § 9c Abs. 2 übrigens nicht, da die allgemeine Verweisungsregel des § 57a ausdrücklich nur auf § 9c Abs. 1 verweist (dazu § 57a Rn 1)5. Jedenfalls bleibt es bei der notwendigen Einschaltung eines Notars (§ 2 Abs. 1), der in eigener Verantwortung die rechtliche Wirksamkeit der von ihm beurkundeten Erklärungen zu prüfen und Zweifel ausdrücklich in der Urkunde zu vermerken hat (§ 17 Abs. 2 Satz 2 BeurkG).

6. Sachgründung 14 Mit § 9c Abs. 1 Satz 2, der Pflicht zur Vorlage eines Sachgründungsberichts (§ 5

Abs. 4 Satz 2) und weiterer Unterlagen (§ 8 Abs. 1 Nr. 5), weist das Gesetz dem Registergericht die Pflicht zu eingehender Prüfung von Sacheinlagen zu. Eine Kontrolle von dritter Seite ist (anders § 33 Abs. 2 AktG) nicht vorgeschrieben. Das Registergericht ist daher die einzige Stelle, die eine Überbewertung von Sacheinlagen (auch Sachübernahmen) verhindern kann (der Notar hat hier keine Pflichten!); er ist deshalb zu besonderer Sorgfalt verpflichtet. Das bedeutet:

15 a) Zunächst einmal hat das Registergericht zu prüfen, ob die Summe der von

den Gründern selbst angenommenen Werte überhaupt den betreffenden Nennbeträgen der Geschäftsanteile entspricht (Verbot der Unterpari-Emission).

16 b) Sodann ist die Richtigkeit der Bewertung vor dem Hintergrund des Sach-

gründungsberichts der Gesellschafter und der weiteren Unterlagen (§ 8 Abs. 1 Nr. 5) zu bedenken. Stichtag hierfür ist nicht der Zeitpunkt der Eintragung6,

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Vgl BegrRegE BT-Drucks 13/8444, S. 78. BegrRegE BT-Drucks 13/8444, S. 77. So auch MünchKomm/Wicke Rn 19. Scholz/Priester § 54 Rn 28; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 3. So auch Scholz/Priester § 57a Rn 4; BayObLG GmbHR 2001, 728 f; OLG München GmbHR 2010, 870 mwN. 6 So aber BGHZ 80, 129, 136 f = GmbHR 1981, 114; BayObLG GmbHR 1992, 109 f; U/H/L/ Ulmer/Habersack Rn 21; R/A/Roth Rn 10 f.

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sondern der Zeitpunkt der Anmeldung1; denn Wertveränderungen nach Anmeldung hindern die Eintragung nicht (s. auch Rn 19 sowie § 9 Rn 5, 7), sondern begründen allein eine Vorbelastungshaftung (§ 11 Rn 41 ff). Bei Anmeldung vorliegende Unterdeckung kann allerdings bis zur Prüfung durch das Registergericht ausgeglichen werden2. Wichtigste Überlegung ist dabei die Plausibilität der Argumentation und der sonstigen Unterlagen im Hinblick auf den angenommenen Wert (ausführlich zur Wertbemessung bei § 5 Rn 24 ff). c) Das Registergericht darf nur eintragen, wenn es aufgrund der vorliegenden 17 Unterlagen und ggf eigener Kenntnis keinen Anlass zum Zweifel daran hat, dass die Sacheinlage nicht unwesentlich überbewertet ist. Im Gegensatz zum früheren Recht steht nicht mehr jede auch nur geringfügige Unterdeckung der Eintragung entgegen. Unwesentliche Überbewertungen bleiben außer Betracht, um die Eintragung der GmbH zu beschleunigen3. Unbeachtlich sind – wie bei § 38 Abs. 2 Satz 2 AktG – solche Differenzen, die innerhalb der Bandbreite der üblichen Bewertungsabweichungen liegen4. Ob der Wert des eingebrachten Gegenstandes den Nennwert der Geschäftsanteile überschreitet, ist dagegen unbeachtlich und vom Registerrichter nicht zu prüfen5. Verschulden spielt keine Rolle6 (zB Sinken des Marktpreises). Die Unterdeckung eines etwaigen Agios steht demgegenüber der Eintragung nicht entgegen7. Dies gilt indes nicht bei der Bareinlage mit Sachagio (näher § 5 Rn 8, 44): Hier muss durch einen Wertnachweis belegt werden, dass nicht durch einen möglicherweise negativen Sachwert (zB überschuldetes Unternehmen) der Wert der Bareinlage unzulässig unterschritten wird. Ob weitergehend zur Vermeidung einer „Irreführung“ der nominelle Sachwert erreicht und nachgewiesen werden muss8, ist indes zweifelhaft9 . Nur soweit aufgrund der eingereichten Unterlagen von einer wesentlichen Über- 18 bewertung der Sacheinlage auszugehen ist, muss das Registergericht von seiner 1 Scholz/Veil Rn 33; Michalski/Tebben Rn 34; R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 26; MünchHdbGmbH/Freitag/Riemenschneider § 9 Rn 46; B/H/Fastrich Rn 8; B/S/Wachter Rn 29; MünchKomm/Wicke Rn 40; S/I/Pfisterer Rn 11; Kersting ZHR 175 (2011), 644, 658. 2 So auch B/H/Fastrich Rn 9. 3 BegrRegE MoMiG, BR-Drucks 354/07, S. 82. 4 LG Freiburg GmbHR 2009, 1106, 1108 f mit zustimmender Anm Wachter; ebenso U/H/L/ Ulmer/Habersack Rn 37; vgl weiter für die AG: Hüffer/Koch § 38 AktG Rn 9; MünchKomm/Pentz § 38 AktG Rn 60. 5 LG Augsburg GmbHR 1996, 216, 217; B/H/Fastrich Rn 7a; Spiegelberger/Walz GmbHR 1998, 761, 765. 6 MünchKomm/Wicke Rn 37. 7 Scholz/Veil Rn 32; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 36; OLG Stuttgart GmbHR 2011, 1101 f. 8 So etwa U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 36 mwN. 9 Vgl anders differenzierend auch noch Scholz/Veil Rn 30 aE; MünchKomm/Wicke Rn 33 aE.

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§ 9c | Ablehnung der Eintragung Möglichkeit nach § 26 FamFG Gebrauch machen und die Vorlage weiterer Unterlagen von dem Antragsteller verlangen (zB Gutachten eines Sachverständigen) oder selbst die Prüfung durch Sachverständige anordnen1; bei der Einbringung von Grundstücken oder Unternehmen ist regelmäßig ein Sachverständigengutachten unerlässlich2. Diese Maßnahmen sind rechtsmittelfähige Entscheidungen des Registergerichts (§ 58 FamFG), die zu begründen sind. Bestehen demgegenüber auf der Grundlage der eingereichten Unterlagen keine Zweifel, muss die Werthaltigkeit nicht weiter ermittelt werden3.

7. Vorbelastungshaftung 19 Das Registergericht hat auch zu überprüfen, ob im Zeitpunkt der Anmeldung

keine Unterbilanz vorliegt4. Hierzu haben die Geschäftsführer der GmbH eine Erklärung abzugeben (ausführlich § 8 Rn 12)5. Dagegen ist es entgegen verbreiteter Auffassung nicht Aufgabe des Registergerichts, eine nach Anmeldung eingetretene Unterbilanz festzustellen und in diesem Fall die Eintragung zu verweigern6. Vielmehr wird die Aufbringung des Kapitals im maßgeblichen Zeitpunkt der Eintragung ausschließlich durch die Vorbelastungshaftung gesichert (ausführlich § 11 Rn 41 ff)7. Lediglich wenn absehbar ist, dass die Haftungsansprüche nicht werthaltig sind (zB Vermögensverfall der Gesellschafter)8, kommt eine Verweigerung der Eintragung in Betracht9.

8. Verfahren 20 a) Zuständig für die Eintragung in das Handelsregister ist das Amtsgericht

(§ 376 FamFG iVm § 23a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 3 GVG), in dessen Bezirk die 1 OLG Düsseldorf GmbHR 1995, 592 f; OLG Düsseldorf GmbHR 1998, 235, 236; Scholz/ Veil Rn 14 mwN. 2 So auch BayObLG GmbHR 1995, 52; B/H/Fastrich Rn 2. 3 BegrRegE MoMiG, BR-Drucks 354/07, S. 82. 4 B/H/Fastrich Rn 11; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 34; Scholz/K. Schmidt § 11 Rn 136 mwN. 5 So zutreffend BGHZ 80, 129, 143 = GmbHR 1981, 114. 6 So aber OLG Hamm GmbHR 1993, 95; BayObLG GmbHR 1998, 1225; unklar BGHZ 80, 129, 143 = GmbHR 1981, 114; wie hier B/H/Fastrich Rn 12; Michalski/Tebben Rn 28; R/ S-L/Schmidt-Leithoff Rn 17; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 34; MünchKomm/Wicke Rn 41. 7 So ganz hL: B/H/Fastrich Rn 10, 12; Scholz/Veil Rn 29; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 34; Scholz/K. Schmidt § 11 Rn 138; MünchHdbGmbH/Freitag/Riemenschneider § 8 Rn 34. 8 S. BayObLG GmbHR 1998, 1225. 9 BayObLG GmbHR 1992, 109 f; Scholz/K. Schmidt § 11 Rn 138; MünchKomm/Wicke Rn 43.

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Inhalt der Eintragung | § 10

Gesellschaft ihren Sitz hat (vgl § 4a)1. Bei Streitigkeiten zwischen den Beteiligten kann das Registergericht die Entscheidung über eine Eintragung aussetzen2; sind Mängel nicht oder nicht fristgerecht behoben worden oder überhaupt nicht behebbar, so muss das Registergericht die Eintragung endgültig ablehnen3. Gegen Zwischenverfügung und Eintragungsablehnung steht dem Antragsteller die Beschwerde zum OLG zu (§ 58 FamFG); weitere Beschwerde (mit Anwaltszwang) gemäß § 70 Abs. 2 FamFG zum BGH4 (ausführlich § 10 Rn 2). b) Nicht unwesentliche Überbewertung von Sacheinlagen (§ 9c Abs. 1) und 21 Mängel der Satzung (nach § 9c Abs. 2) hindern die Eintragung. Stellt der Registerrichter behebbare Mängel fest, so hat er dem Antragsteller die Beseitigung durch Zwischenverfügung unter Fristsetzung und Ablehnungsandrohung anheimzugeben5. Das gilt auch bei festgestellter Überbewertung von Sacheinlagen; denn der Mangel kann durch Zuzahlung der Differenz beseitigt werden6 (arg § 9). Die etwaige Leistung der Differenz innerhalb der Frist in bar an die GmbH zur freien Verfügung der Geschäftsführer haben alle Geschäftsführer entsprechend § 8 Abs. 2 ergänzend und in notariell beglaubigter Form dem Registergericht zu versichern7.

§ 10 Inhalt der Eintragung (1) Bei der Eintragung in das Handelsregister sind die Firma und der Sitz der Gesellschaft, eine inländische Geschäftsanschrift, der Gegenstand des Unternehmens, die Höhe des Stammkapitals, der Tag des Abschlusses des Gesellschaftsvertrages und die Personen der Geschäftsführer anzugeben. Ferner ist einzutragen, welche Vertretungsbefugnis die Geschäftsführer haben. (2) Enthält der Gesellschaftsvertrag Bestimmungen über die Zeitdauer der Gesellschaft oder über das genehmigte Kapital, so sind auch diese Bestimmungen einzutragen. Wenn eine Person, die für Willenserklärungen und Zustellungen an die Gesellschaft empfangsberechtigt ist, mit einer inländischen Anschrift zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet wird, sind auch diese Angaben einzutragen; Dritten gegenüber gilt die Empfangsberechtigung als fortbestehend, bis sie im Handelsregister gelöscht und die Löschung 1 2 3 4 5 6 7

Ausführlich MünchKomm/Wicke Rn 46. Näher U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 59; MünchKomm/Wicke Rn 49. MünchKomm/Wicke Rn 48 mwN. Ausführlich MünchKomm/Wicke Rn 51 f. MünchKomm/Wicke Rn 47. So auch U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 43; Scholz/Veil Rn 40. U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 43; Scholz/Veil Rn 40.

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§ 10 | Inhalt der Eintragung bekannt gemacht worden ist, es sei denn, dass die fehlende Empfangsberechtigung dem Dritten bekannt war. Abs. 1 seit 1892 nahezu unverändert (das KoordinierungsG von 1969 brachte eine Modifizierung der Abs. 1 und 2; durch das MoMiG geringfügige Ergänzung des Abs. 1); früherer Abs. 3 aufgehoben durch das EHUG vom 10.11.2006 mit Wirkung vom 1.1.2007; Abs. 2 Satz 2 und amtliche Überschrift eingefügt durch das MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl I 2026). Abs. 2 Satz 1 wurde im Hinblick auf das genehmigte Kapital ergänzt durch das ARUG vom 30.7.2009 (BGBl I 2479). 1. Das Verfahren der Eintragung, Rechtsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . 1 2. Inhalt der Eintragung . . . . . . . . . 4 3. Rechtsfolge der Eintragung . . . . . 10

4. 5. 6. 7.

Die Veröffentlichung Einsicht . . . . . . . . . Haftung . . . . . . . . . Kosten . . . . . . . . . .

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1. Das Verfahren der Eintragung, Rechtsmittel 1 Seit dem 1.1.20071 wird das Handelsregister elektronisch geführt (§ 8 HGB).

Eine Eintragung in das Register wird danach erst wirksam, sobald sie in den für die Handelsregistereintragungen bestimmten Datenspeicher aufgenommen und auf Dauer inhaltlich unverändert in lesbarer Form wiedergegeben werden kann (§ 8a HGB). Auch die Bekanntmachungen der Eintragung erfolgen elektronisch in der Form des von der Landesjustizverwaltung bestimmten elektronischen Informations- und Kommunikationssystems (§ 10 HGB). Im (elektronischen) Bundesanzeiger (dazu näher § 12 Rn 3) sowie in dem ebenfalls neu geschaffenen Unternehmensregister (§ 8b HGB) kann jedermann in die eingereichten Dokumente Einsicht nehmen.

2 Die Eintragung der GmbH im Handelsregister wird durch den Registerrichter

(§§ 3, 17 RpflG) in einem Antragsverfahren der FG (§§ 374 ff FamFG: Anmeldung = Antrag) verfügt. Gegen die ablehnende Entscheidung (endgültige oder vorläufige = Zwischenverfügung)2 ist die fristgebundene Beschwerde zum OLG (§§ 58 ff FamFG)3 und hiergegen die zulassungsabhängige Rechtsbeschwerde zum BGH gemäß §§ 70 ff FamFG möglich. Beschwerdeberechtigt ist die VorGmbH selbst, die dabei von ihren Geschäftsführern (in vertretungsberechtigter Zahl, § 78 gilt nicht) vertreten wird4; Gesellschafter und Geschäftsführer haben kein eigenes Beschwerderecht5. Ein Rechtsmittel gegen die positive Entscheidung 1 Eingeführt durch das EHUG vom 10.11.2006, BGBl I 2553. 2 Vor der endgültigen Ablehnung der Eintragung ist rechtliches Gehör zu gewähren: ThürOLG GmbHR 1994, 330; MünchHdbGmbH/Riemenschneider/Freitag § 8 Rn 44 mwN. 3 B/S/Wachter Rn 27. 4 BGHZ 117, 323, 327 ff = GmbHR 1992, 451, 453. 5 MünchHdbGmbH/Riemenschneider/Freitag § 8 Rn 44; MünchKomm/Wicke § 9c Rn 52.

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Inhalt der Eintragung | § 10

(= Eintragung) gibt es nicht; sie ist wegen der konstitutiven Wirkungen nach § 11 unanfechtbar1; an Stelle eines Rechtsmittels treten nach der Eintragung der GmbH die Verfahren nach §§ 395 ff FamFG (Amtslöschung), deren Einleitung von jedermann angeregt werden kann. In ihnen ist, gleichgültig welche der in § 10 Abs. 1 genannten Eintragungen gelöscht werden soll, immer die Gesellschaft in ihrer Rechtssphäre (materiell) beeinträchtigt (vgl § 59 Abs. 1 FamFG) und daher auch formell zu beteiligen2; soweit es um die Amtslöschung von Geschäftsführern geht, sind diese jedenfalls am Verfahren zu beteiligen3. Macht das Registergericht fehlerhafte oder unvollständige Eintragungen, so können diese von Amts wegen berichtigt werden. Die Antragsteller können durch formlosen Antrag oder durch Beschwerde nach § 59 Abs. 2 FamFG auf eine Berichtigung hinwirken4. Zu Einzelheiten der elektronischen Übermittlung von XML-Dateien mit Strukturdaten und zur Auflösung von Widersprüchen zwischen Anmeldung und Anlagen OLG Nürnberg NotBZ 2015, 196 ff. Die Eintragung der GmbH erfolgt in Abteilung B des Handelsregisters (§§ 3 3 Abs. 3, 43 ff HRV); sie ist mit Datum und Unterschrift des Registerbeamten zu versehen und den Anmeldenden bekanntzumachen (§§ 382 Abs. 2, 383 Abs. 1 FamFG, § 27 Abs. 2 Satz 3 HRV). Das Datum ist für den Zeitpunkt der Entstehung der GmbH als juristischer Person (§ 11) und den Verjährungsbeginn nach §§ 9 Abs. 2, 9b Abs. 2 von Bedeutung.

2. Inhalt der Eintragung a) § 10 Abs. 1, 2 legen den Inhalt der Eintragung abschließend fest5: Einzutra- 4 gen sind danach Firma, Sitz, Unternehmensgegenstand6 und Höhe des Stammkapitals, Tag des Abschlusses des Gesellschaftsvertrages (ergibt sich aus notarieller Urkunde, § 9 Abs. 2 BeurkG) sowie sämtliche Geschäftsführer (auch die stellvertretenden Geschäftsführer, und zwar ohne Stellvertreterzusatz)7 mit Namen, Vornamen, Geburtsdatum und Wohnort (§ 43 Nr. 4b HRV; vgl ausführlich § 8 Rn 4). Einzutragen sind außerdem (§ 10 Abs. 2) alle Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages, die von der gesetzlichen Regel abweichen, dass die GmbH auf

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B/H/Fastrich § 9c Rn 13; U/H/L/Ulmer/Habersack § 9c Rn 63. BayObLG GmbHR 1987, 20, 21. BayObLG GmbHR 1987, 20, 21. U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 22. So auch MünchKomm/Herrler Rn 6; Scholz/Veil Rn 4. In der Praxis aber regelmäßig verkürzt im Hinblick auf floskelhafte Erweiterungen: BayObLG GmbHR 1994, 60, 62; MünchKomm/Herrler Rn 11; vgl aber auch LG Bielefeld RNotZ 2011, 594; LG München GmbHR 1991, 270. 7 BGH GmbHR 1998, 181; Michalski/Tebben Rn 9; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 8.

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§ 10 | Inhalt der Eintragung unbestimmte Zeit errichtet ist1 (dazu § 3 Rn 22); die Eintragung ist allerdings nicht Voraussetzung für die Wirksamkeit der Satzungsregelung2. Nicht einzutragen ist ein satzungsmäßiges Kündigungsrecht eines Gesellschafters3, wohl aber zB die Bestimmung, dass die GmbH beim Ausscheiden des Gesellschafters X aufgelöst ist4. Nach § 10 Abs. 2 Satz 1 ist nunmehr das genehmigte Kapital (ausführlich § 55a) einzutragen5. 5 Neben den Pflichtangaben des § 10 Abs. 1 ist seit der MoMiG-Reform6 auch die

bei der Anmeldung7 anzugebende inländische Geschäftsanschrift in das Handelsregister einzutragen8 (zur Übergangsregelung: vgl Kommentierung von § 3 EGGmbHG). Der frühere Rechtszustand führte häufig zu Zustellungsproblemen zu Lasten der Gläubiger der GmbH.

6 b) Einzutragen ist gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 auch die Vertretungsbefugnis der

Geschäftsführer, und zwar nicht in konkreter, sondern in abstrakt-genereller Form9. Dies gilt unabhängig davon, ob sie dem gesetzlichen Modell der Gesamtvertretung aller Geschäftsführer (§ 35 Abs. 2 Satz 1) entspricht oder davon abweicht10. aa) Enthält der Gesellschaftsvertrag keine Regelung, so lautet die Eintragung etwa: „Die Gesellschaft wird durch ihre Geschäftsführer gemeinschaftlich vertreten. Ist nur ein Geschäftsführer bestellt, vertritt er die Gesellschaft allein.“ bb) Lautet der Gesellschaftsvertrag, wie heute weithin üblich: „Die Gesellschaft hat einen oder mehrere Geschäftsführer. Hat sie mehrere Geschäftsführer, so wird sie durch zwei Geschäftsführer gemeinschaftlich oder durch einen Geschäftsführer in Gemeinschaft mit einem Prokuristen vertreten“, dann lautet die Eintragung etwa:

1 Wie hier RGZ 79, 418, 422; OLG Hamm GmbHR 1971, 57, 59; R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 14; aA U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 16; Scholz/Veil Rn 14. 2 OLG Hamm GmbHR 1971, 57, 59; Scholz/Veil Rn 14. 3 Zutreffend BayObLG BB 1975, 250; B/H/Fastrich Rn 3; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 16. 4 OLG Hamm GmbHR 1971, 57, 59; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 16; aA R/S-L/SchmidtLeithoff Rn 14; Scholz/Veil Rn 14; MünchKomm/Herrler Rn 23; B/S/Wachter Rn 15. 5 MünchKomm/Herrler Rn 24; R/A/Roth Rn 5. 6 Nähere Erläuterungen hierzu in der 18. Aufl. 7 Bei der Änderung der inländischen Geschäftsanschrift ergibt sich die Pflicht zur Anmeldung und Eintragung aus § 31 HGB idF MoMiG; dazu näher § 8 Rn 20. 8 MünchKomm/Herrler Rn 10; B/S/Wachter Rn 6. 9 U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 10; MünchKomm/Herrler Rn 16; BGHZ 87, 59, 63 = GmbHR 1983, 269; OLG Frankfurt GmbHR 1988, 65; OLG Bremen GmbHR 2009, 1210 = NJW 2010, 542 mit Anm Wachter; OLG Zweibrücken RNotZ 2014, 64. 10 BayObLG GmbHR 1997, 741; B/H/Fastrich Rn 2; Michalski/Tebben Rn10.

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Inhalt der Eintragung | § 10

„Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, so wird die Gesellschaft durch zwei Geschäftsführer gemeinschaftlich oder durch einen Geschäftsführer in Gemeinschaft mit einem Prokuristen vertreten. Hat sie nur einen Geschäftsführer, so vertritt dieser die Gesellschaft allein.“ Gerade diese generell bestehende Möglichkeit der Vertretung durch nur einen Geschäftsführer ist besonders einzutragen1. cc) Sieht der Gesellschaftsvertrag vor, dass die Gesellschafterversammlung eine von der üblichen Gestaltung abweichende Vertretungsregelung treffen kann, so ist das nicht eintragungsfähig2; wird dann aber von dieser in der Satzung vorgesehenen Möglichkeit tatsächlich Gebrauch gemacht (Einzel- statt Gesamtvertretung), dann ist ein konkreter Vermerk bei dem betreffenden Geschäftsführer erforderlich3, nicht jedoch bei Geschäftsführern, deren Vertretungsbefugnis der Regel entspricht4. Die Begriffe „Alleinvertretung“ und „Einzelvertretungsbefugnis“ werden synonym verwendet5. Zu den Anforderungen an die Anmeldung der nachträglichen Entziehung der Einzelvertretungsmacht eines Geschäftsführers OLG Frankfurt GmbHR 2006, 764. Zur Anmeldung der Vertretungsbefugnis im Falle der vereinfachten Gründung nach dem Musterprotokoll: OLG Hamm GmbHR 2011, 708. c) Einzutragen ist als Erweiterung der regulären Vertretungsmacht auch die (abs- 7 trakte) Befreiung aller Geschäftsführer vom Verbot des § 181 BGB6, soweit sie sich nicht nur auf ein konkretes Einzelgeschäft bezieht7; das gilt insbesondere im Fall des § 35 Abs. 38, gilt aber auch in der GmbH mit mehreren Gesellschaftern9. Bei der Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot mit Beschränkung auf Geschäfte mit bestimmten Dritten (zB Beteiligungsgesellschaften10), sind diese bei 1 EuGH BB 1974, 1500; BGHZ 63, 261; BayObLG GmbHR 1981, 59; OLG Düsseldorf GmbHR 1989, 421. 2 OLG Frankfurt GmbHR 1994, 118; OLG Hamm GmbHR 1997, 32; MünchKomm/ Herrler Rn 21. 3 BayObLG BB 1974, 291; OLG Hamm GmbHR 1997, 32; OLG Stuttgart GmbHR 2009, 827 Rn 22; OLG Bremen GmbHR 2009, 1210; OLG Zweibrücken RNotZ 2014, 64. 4 S. auch U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 12; Scholz/Veil Rn 12; MünchKomm/Herrler Rn 17. 5 BGH GmbHR 2007, 704; OLG Frankfurt GmbHR 1994, 118; B/H/Fastrich § 8 Rn 19; aA OLG Zweibrücken GmbHR 1993, 97; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 11; R/S-L/SchmidtLeithoff § 8 Rn 28. 6 De lege ferenda für Abschaffung des § 181 BGB im Gesellschaftsrecht: Hauschildt ZIP 2014, 954 ff; zustimmend Ulrich GmbHR 2015, R 86 f. 7 Scholz/Veil Rn 13; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 15; MünchKomm/Herrler Rn 20. 8 BGHZ 87, 59 = GmbHR 1983, 269; OLG Stuttgart GmbHR 2007, 1270 mzwN. 9 OLG Stuttgart GmbHR 1985, 221; OLG Düsseldorf GmbHR 1995, 51; U/H/L/Ulmer/ Habersack Rn 14. 10 Dazu etwa OLG Düsseldorf GmbHR 2010, 313.

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§ 10 | Inhalt der Eintragung der Anmeldung konkret zu benennen und einzutragen1. Denn die Eintragung muss so erfolgen, dass sich die Voraussetzungen und der Eintritt der Befreiung von § 181 BGB allein dem Register entnehmen lassen, ohne dass es des Rückgriffs auf außerhalb des Registers liegende Umstände bedarf. Wird nur ein bestimmter Geschäftsführer befreit, so ist das als Erweiterung seiner Vertretungsmacht ebenso (anzumelden und) einzutragen wie eine spätere Befreiung durch Beschluss der Gesellschafterversammlung aufgrund einer entsprechenden Satzungsermächtigung2. Versäumnis des Notars kann dessen Haftung begründen3. Zur Anmeldung der Vertretung/Befreiung von § 181 BGB bei Gründung mittels Musterprotokoll: OLG Stuttgart GmbHR 2009, 827 sowie bei § 2 Rn 62 f. Die Befreiung von „der Beschränkung“ des § 181 BGB ist nicht eintragungsfähig, es muss vielmehr lauten von „den Beschränkungen“ des § 181 BGB4. 7a d) Jede Änderung des Gesellschaftsvertrages bedarf zu ihrer Wirksamkeit

ebenfalls der Eintragung in das Handelsregister (§ 54 Abs. 3). Wird dabei eine nach § 10 Abs. 1, 2 einzutragende Tatsache geändert (zB Sitzverlegung oder Änderung der Firma), so ist sie mit dem neuen Inhalt einzutragen (§ 54 Abs. 2; dazu § 54 Rn 15)5.

8 e) Nicht einzutragen sind die Namen etc der Gesellschafter sowie die Höhe der

einzelnen Geschäftsanteile (vgl aber § 40 Rn 5 ff). Nicht förmlich einzutragen ist aber auch der gesamte übrige, über § 10 Abs. 1 und 2 (Rn 4–6) hinausgehende Inhalt der Satzung; dieser wird aber durch Bezugnahme materiell Registerinhalt. Das gilt zB für die Art und Weise der Bestellung von Geschäftsführern, die Möglichkeit ihrer Bestellung zu Einzelvertretern, zu Ausschluss und Einziehung etc: Deren Änderung verlangt erneut „Eintragung“ im Handelsregister.

9 f) Weitere Empfangsperson: Zusätzlich zu der zwingenden Eintragung einer in-

ländischen Geschäftsanschrift (Rn 5) ist es den Gesellschaftern gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 gestattet, eine Person in das Handelsregister eintragen zu lassen, die den Gläubigern als zusätzlicher Zustellungsempfänger neben den Vertretern der Gesellschaft dient (Ermessen der Gesellschaft: lediglich eintragungsfähige Tatsache, § 15 HGB gilt nicht)6. Hierbei ist es unerheblich, ob es sich bei dieser weiteren Empfangsperson um einen Gesellschafter oder eine sonstige rechtsgeschäftlich empfangsberechtigte Person (zB StB oder Notar oder Insolvenzverwalter7) handelt; ob hierfür auch eine jur Person in Betracht kommt, ist im

1 BGHZ 114, 167, 177 = GmbHR 1991, 261; OLG Stuttgart GmbHR 2007, 1270 mzwN; Scholz/Veil Rn 12, 13; MünchKomm/Herrler Rn 19; abweichend Altmeppen DNotZ 2008, 305 ff; Kanzleiter DNotZ 1996, 819 ff. 2 OLG Stuttgart GmbHR 1985, 221; BayObLG GmbHR 1990, 213, 214. 3 BGH WM 2000, 35 mit Anm Saenger WuB IV A. § 181 BGB 1.00. 4 OLG Nürnberg GmbHR 2015, 486. 5 U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 6; R/A/Roth Rn 14. 6 Dazu auch Scholz/Veil Rn 16 f; MünchKomm/Herrler Rn 26 ff. 7 So OLG Hamm GmbHR 2011, 595.

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Inhalt der Eintragung | § 10

Schrifttum umstritten1. Von dieser zusätzlichen Option werden indes regelmäßig nur solche Gesellschaften Gebrauch machen, die Bedenken haben, ob die eingetragene Geschäftsanschrift tatsächlich ununterbrochen für Zustellungen geeignet sein wird und sich dadurch Risiken aus öffentlichen Zustellungen ergeben könnten. § 10 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 stellt in Anlehnung an § 15 HGB klar, dass sich die Publizität des Handelsregisters auch auf diese weitere Empfangsperson erstreckt, wenn von der Möglichkeit dieser Eintragung Gebrauch gemacht wird: Dritten gegenüber gilt die Empfangsberechtigung als fortbestehend, bis sie im Handelsregister gelöscht und die Löschung bekannt gemacht worden ist, es sei denn, die fehlende Empfangsberechtigung war dem Dritten bekannt. Hierdurch werden die Gesellschafter dazu angehalten, die Angaben zur Person stets aktuell zu halten, da ansonsten eine Zustellung an eine nicht mehr empfangsberechtigte Person droht, die dem Dritten gegenüber aufgrund des neuen Halbsatz 2 noch als empfangszuständig gilt. Scheitert ein Zustellversuch an diese Person unter der eingetragenen Anschrift indes aus tatsächlichen Gründen, weil die Anschrift nicht mehr existiert, so hilft die Fiktion der fortbestehenden Empfangsberechtigung nicht weiter: die Regelung des § 10 Abs. 2 Satz 2 wird daher um die Möglichkeit der Zustellung nach § 185 Nr. 2 ZPO idF des MoMiG ergänzt. Vgl weiter die Regelung in § 35 Abs. 1 Satz 2, wonach für den Fall der dort legal definierten „Führungslosigkeit“ der Gesellschaft jeder einzelne Gesellschafter bzw die Mitglieder eines ggf gebildeten Aufsichtsrats ersatzweise zu Empfangsvertretern der Gesellschaft werden (dazu § 35 Rn 43 ff).

3. Rechtsfolge der Eintragung Die GmbH entsteht als juristische Person (vgl § 11 Abs. 1); maßgebender Zeit- 10 punkt ist allein das Datum der Eintragung; die Veröffentlichung (Rn 11) ist dafür ohne Bedeutung. Die GmbH entsteht auch, wenn die Eintragung wegen Fehlens von Voraussetzungen nicht hätte erfolgen dürfen; diese Mängel werden durch die Eintragung regelmäßig geheilt, andernfalls Nichtigkeitsklage (§ 75), Amtslöschung §§ 395, 397 FamFG) oder Amtsauflösung nach § 399 FamFG2. Wegen fehlender Unterlagen vgl § 8 Rn 24. Die Entstehung der GmbH wird regelmäßig auch nicht dadurch berührt, dass der Inhalt der Eintragung unvollständig oder fehlerhaft ist3; solche Mängel hat der Registerrichter von Amts wegen zu berichtigen (§ 17 HRV)4. Das gilt nur dann nicht, wenn die Eintragung so unvollständig ist, dass die GmbH im konkreten Einzelfall aus der Eintragung 1 Dafür: MünchKomm/Herrler Rn 27; B/H/Fastrich Rn 5; R/A/Roth Rn 6; dagegen: U/H/L/ Ulmer/Habersack Rn 18; Michalski/Tebben Rn 15. 2 Ausführlich U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 21; MünchKomm/Herrler Rn 34 ff. 3 OLG Hamm GmbHR 1971, 57, 59; Scholz/Veil Rn 21 f. 4 OLG Köln GmbHR 1996, 218; Scholz/Veil Rn 22.

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§ 10 | Inhalt der Eintragung überhaupt nicht identifiziert werden kann1. Mängel des Eintragungsverfahrens haben auf die Entstehung der GmbH keinen Einfluss, selbst wenn die Eintragung durch ein örtlich unzuständiges Registergericht erfolgt ist2 (vgl auch § 7 Rn 3).

4. Die Veröffentlichung 11 Aufgrund der Streichung des § 10 Abs. 3 aF durch das EHUG (Rn 1)3 wird

heute nur noch der im Handelsregister eingetragene Text bekannt gemacht. Durch den Online-Zugang zum Handelsregister kann sich der Rechtsverkehr, sobald er von der Bekanntmachung der Eintragung erfährt, anhand der Originaldokumente unterrichten. Mit dem Verzicht auf die Pflicht zur Veröffentlichung der Zusatzbekanntmachungen wurde auch das Erfordernis zur Veröffentlichung der Namen der Mitglieder eines bereits bestellten Aufsichtsrats gemäß § 52 Abs. 2 Satz 1 iVm § 40 Abs. 1 Nr. 4 AktG aufgehoben.

5. Einsicht 12 Einsicht in das Handelsregister und die eingereichten Urkunden ist jedermann

gestattet (§ 9 Abs. 1 HGB); besondere Voraussetzungen sind (anders als nach § 13 Abs. 2 FamFG) nicht erforderlich4. Auch Abschriften können verlangt werden, wenn ein Dokument nur in Papierform vorhanden ist (§ 9 Abs. 4 Satz 2 HGB); im Übrigen ist ein Ausdruck möglich5.

6. Haftung 13 Fehler bei Eintragung und Veröffentlichung können Amtshaftungsansprüche

(§ 839 Abs. 1 BGB) begründen, wenn der Registerrichter seine Sorgfalts- und Prüfungspflichten verletzt hat6. Anspruchsberechtigt ist jeder, demgegenüber die Prüfungspflicht besteht; das sind alle Personen, für die die Eintragung im Handelsregister wegen ihrer Rechtswirkungen Bedeutung hat oder erlangen kann7; nach BGHZ 84, 285, 2878 besteht kein Schutz der Gesellschaft bei Eintra-

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Scholz/Veil Rn 21; R/A/Roth Rn 11. Scholz/Veil Rn 20; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 17; aA KGJ 31 A 206, 218. Zum Hintergrund: 18. Aufl Rn 11. BGHZ 108, 32, 36 = GmbHR 1989, 369; R/A/Roth Rn 13. MünchKomm/Herrler Rn 41. BGHZ 84, 285, 287; RGZ 127, 153, 156; RGZ 140, 174, 181; MünchKomm/Herrler Rn 42. RGZ 140, 174, 184. BGHZ 84, 285, 287.

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Rechtszustand vor der Eintragung | § 11

gung einer unzulässigen Firma. § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB gilt nicht1. Die Anmeldenden haben Eintragung und Veröffentlichung zu überprüfen, um eigene Ersatzansprüche oder solche der GmbH nicht zu verlieren (§ 839 Abs. 3 BGB iVm § 383 Abs. 1 FamFG)2.

7. Kosten Kosten der Eintragung: ausführlich § 7 Rn 28.

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§ 11 Rechtszustand vor der Eintragung (1) Vor der Eintragung in das Handelsregister des Sitzes der Gesellschaft besteht die Gesellschaft mit beschränkter Haftung als solche nicht. (2) Ist vor der Eintragung im Namen der Gesellschaft gehandelt worden, so haften die Handelnden persönlich und solidarisch. Text seit 1892/1898 unverändert; durch MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl I 2026) amtliche Überschrift ergänzt. I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Vorgründungsgesellschaft III. Die Vorgesellschaft (§ 11 Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff und Rechtsnatur . . . . . 2. Anwendbare Regeln . . . . . . . . 3. Die Vorgesellschaft als Gesellschafterin . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vertretung der Vorgesellschaft . IV. Haftung in der Vorgesellschaft 1. Haftung der Vorgesellschaft . . . 2. Haftung der Gesellschafter . . . 3. Aufgabe der Gründung und unechte Vor-GmbH . . . . . . . . . . 4. Modell der generellen Außenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Persönliche Haftung des Handelnden (§ 11 Abs. 2) . . . . . . .

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1. Zweck der Vorschrift . . . . . . . 2. Voraussetzungen der Handelndenhaftung . . . . . . . . . . . . . . 3. Umfang der Haftung . . . . . . . . 4. Erlöschen der Haftung . . . . . . 5. Erstattungsanspruch . . . . . . . . VI. Die Einpersonen-GmbH vor Eintragung . . . . . . . . . . . . . . VII. Vorbelastungshaftung (vormals Differenzhaftung; auch „Unterbilanzhaftung“) . . . . . . 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einzelfragen . . . . . . . . . . . . . . 3. Vorbelastungshaftung und Eintragung im Handelsregister . . . VIII. GmbH & Co KG . . . . . . . . . .

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1 Allgemeine Meinung; vgl auch BGHZ 10, 55, 60. 2 Scholz/Veil Rn 32; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 33.

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§ 11 | Rechtszustand vor der Eintragung I. Überblick 1 Die GmbH entsteht als juristische Person (nur) durch Eintragung im Handels-

register; § 11 Abs. 1 formuliert das mittelbar. Doch durchläuft sie bis zu diesem Moment ein notwendiges Vorstadium. Darüber hinaus wurde es in der Praxis mehr und mehr üblich, die geplante Tätigkeit mindestens vorzubereiten (zB Anmietung und Ausstattung von Räumen), wenn nicht gar aufzunehmen (insbesondere bei Fortführung eines Handelsgeschäfts). Die dadurch entstehenden Fragen zur sog Vorgesellschaft sind ungemein vielgestaltig und waren in der Vergangenheit heftig umstritten; die Ausgestaltung der Haftung in der VorGmbH (Innen- oder Außenhaftung) ist trotz der Grundsatzentscheidung BGHZ 134, 3331 nach wie vor umstritten (ausführlich Rn 20 ff). Für die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) gelten grundsätzlich keine Sonderregeln (vgl auch § 5a Rn 7).

II. Die Vorgründungsgesellschaft Literatur: Kießling Vorgründungs- und Vorgesellschaften, 1999; Kort Die Haftung der Beteiligten im Vorgründungsstadium einer GmbH, DStR 1991, 1317; Lieder Vorgründungsgesellschaft, Vorbeteiligungsgesellschaft und andere Vorbereitungsgesellschaften, DStR 2014, 2464; Lutter Haftungsrisiken bei der Gründung einer GmbH, JuS 1998, 1073; Merkt Die Einpersonen-Vor-GmbH im Spiegel der rechtswissenschaftlichen Diskussion, FS K. Schmidt, 2009, S. 1161; Michalski/Sixt Die Haftung in der Vorgründungs-GmbH, FS Boujong, 1996, S. 349; Priester Das Gesellschaftsverhältnis im Vorgründungsstadium – Einheit oder Dualismus?, GmbHR 1995, 481; K. Schmidt Haftung aus Rechtsgeschäften vor Errichtung einer GmbH, GmbHR 1998, 613.

2 Schließen sich mehrere Personen zum Zwecke der Gründung einer GmbH

vertraglich zusammen, so entsteht zunächst die sog Vorgründungsgesellschaft. Diese Vorgründungsgesellschaft ist GbR (idR eine Innengesellschaft, oft ohne eigenes Vermögen)2 oder – bei Betrieb eines Handelsgewerbes – OHG (§§ 105 Abs. 1, 1 HGB)3; auf sie findet das Recht der Vorgesellschaft (dazu Rn 5 ff) keine Anwendung. Denn die Vorgründungsgesellschaft ist weder mit der späteren GmbH noch mit der zuvor entstehenden Vorgesellschaft identisch4; zum Übergang der Aktiva und Passiva von der Vorgründungsgesellschaft auf die Vorgesellschaft oder die GmbH ist Einzelübertragung5 – uU

1 BGHZ 134, 333 = GmbHR 1997, 405. 2 U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 30; Scholz/K. Schmidt Rn 10; B/H/Fastrich Rn 36. 3 BGHZ 91, 148, 151 = GmbHR 1984, 316; BGH GmbHR 1998, 633 ständige Rspr; vgl weiter Scholz/K. Schmidt Rn 10, 15; MünchKomm/Merkt Rn 104 f. 4 Scholz/K. Schmidt Rn 15, 26; U/H/L/Ulmer/Habersack § 11 Rn 30. 5 BGHZ 91, 148, 151 = GmbHR 1984, 316; BGH GmbHR 2001, 293; U/H/L/Ulmer/Löbbe § 2 Rn 59.

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auch konkludent1 – und Schuldübernahme gemäß §§ 414, 415 BGB erforderlich2. Auch § 11 Abs. 2 gilt hier nicht3. Die Vorgründungsgesellschaft wird nach den allgemeinen Vorschriften vertreten (OHG gemäß § 125 HGB, GbR gemäß §§ 709, 714 BGB)4, die Gründer haften persönlich (analog) § 128 HGB5, wenn sie mit der Aufnahme des Geschäftsbetriebs einverstanden sind6; Freistellung ist nur durch Vereinbarung mit dem Vertragspartner möglich7, wofür die gemäß § 128 HGB (analog) haftenden Gesellschafter die Beweislast tragen8. Diese persönliche Haftung erlischt auch nicht durch die Eintragung der GmbH im Handelsregister9, vielmehr allein durch Verzicht der Gläubiger oder ihrer Zustimmung zur (befreienden) Schuldübernahme durch die (Vor-) GmbH10. Auftreten im Geschäftsverkehr als „GmbH“ oder „GmbH in Gründung“ reicht 3 als Nachweis der Haftungsbeschränkung nicht aus11; es wird in diesem Fall auch weder die künftige GmbH noch die Vorgesellschaft, sondern nach den Grundsätzen des unternehmensbezogenen Geschäfts der wahre Rechtsträger verpflichtet12. Der als Vertreter Handelnde kann nach § 179 BGB haften13; er haftet aber auch hier nicht nach § 11 Abs. 2 (s. auch Rn 28)14. Wer sich für die Schulden der Vorgründungsgesellschaft verbürgt, haftet auch für den Vertreter ohne Ver-

1 OLG Hamm GmbHR 1997, 602 f (Weiterführung Konto); MünchKomm/Merkt Rn 107, 109; Scholz/K. Schmidt Rn 26 mwN. 2 BGHZ 91, 148, 152 = GmbHR 1984, 316; BGH GmbHR 1998, 633, 634 und dazu K. Schmidt GmbHR 1998, 613 ff; BGH GmbHR 2001, 293; OLG Dresden GmbHR 1997, 215, 216; aA (aber unhaltbar) Kießling S. 342 ff, 352. 3 BGHZ 91, 148, 152 f = GmbHR 1984, 316; LAG Köln ZIP 2005, 2158; OLG Hamm GmbHR 1993, 105; Scholz/K. Schmidt Rn 17 aE, 24 (heute allgemeine Meinung). 4 OLG Stuttgart GmbHR 2002, 1067; teilweise abweichend Scholz/K. Schmidt Rn 17: bei unternehmenstragender GbR stets § 125 HGB analog. 5 BGH GmbHR 1985, 114; LAG Köln ZIP 2005, 2158; Scholz/K. Schmidt Rn 17; R/A/Roth Rn 71, 73. 6 ROHG 12, 406, 409 ff; Staub/Habersack § 123 HGB Rn 20; offen BGH ZIP 2004, 1208, 1209; aA MünchKomm/K. Schmidt § 123 HGB Rn 10. 7 BGHZ 142, 315, 321 = GmbHR 1999, 1134 (zur GbR); B/H/Fastrich Rn 37; Scholz/ K. Schmidt Rn 17. 8 BGH GmbHR 1984, 41 f; BGH GmbHR 1992, 164 f. 9 BGH GmbHR 1992, 164 f; BGH GmbHR 2001, 293; LAG Köln ZIP 2005, 2158; OLG Hamm GmbHR 1993, 105; Scholz/K. Schmidt Rn 26. 10 Scholz/K. Schmidt Rn 26 aE; MünchKomm/Merkt Rn 107. 11 BGH GmbHR 1985, 214 OLG Hamm GmbHR 1993, 105; B/H/Fastrich Rn 37. 12 BGHZ 91, 148, 152 = GmbHR 1984, 316; BGH GmbHR 1998, 633, 634; OLG Stuttgart GmbHR 2002, 1067; Scholz/K. Schmidt Rn 17. 13 BGH GmbHR 1998, 883; OLG Koblenz GmbHR 2002, 1239, 1241; B/H/Fastrich Rn 50; Scholz/K. Schmidt Rn 18; einschränkend BGH NJW 2009, 215. 14 OLG Koblenz GmbHR 2002, 1239, 1241; Scholz/K. Schmidt Rn 24; B/H/Fastrich Rn 37.

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§ 11 | Rechtszustand vor der Eintragung tretungsmacht1. Vermeidung der persönlichen Gesellschafterhaftung ist indes möglich, wenn das Rechtsgeschäft mit dem Vertragspartner unter der aufschiebenden Bedingung der Eintragung der GmbH und deren Genehmigung abgeschlossen wird2. 4 Soweit der Vertrag der Vorgründungsgesellschaft die Gesellschafter zur Errich-

tung der GmbH verpflichten soll, ist er gemäß § 2 formbedürftig3, dh in der dies idR nicht beachtenden Praxis4 häufig nichtig (§ 125 BGB)5. Doch ist der Mangel durch den Abschluss des notariellen GmbH-Vertrags (dazu § 2 Rn 21 ff) geheilt. Auf die Wirksamkeit der zugleich errichteten GbR bzw oHG (Rn 2) hat der Formmangel keinen Einfluss; § 139 BGB gilt insoweit nicht6.

III. Die Vorgesellschaft (§ 11 Abs. 1) Literatur (vgl auch vor Rn 18): Bayer/Lieder Vorbelastungshaftung und Vorbelastungsbilanz, insbesondere bei späterer Auffüllung des Haftungsfonds, ZGR 2006, 875; Goette Zur Rechtsscheinhaftung bei Handeln für eine Gesellschaft unter Weglassung des Rechtsformzusatzes, DStR 1996, 1373; Heidinger Die Haftung und Vertretung in der Gründungsphase der GmbH, GmbHR 2003, 189; Kellermann Zur Gesellschafterhaftung in der VorGmbH, FS Röhricht, 2005, S. 291; Kersting Die Vorgesellschaft im europäischen Gesellschaftsrecht, 2000; Kießling Vorgründungs- und Vorgesellschaften, 1999; Lutter Haftungsrisiken bei der Gründung einer GmbH, JuS 1998, 1073; K. Schmidt Die Übertragung von Vor-Gesellschaftsanteilen, GmbHR 1997, 869; Stoppel Vinkulierungsklauseln in der Vorgesellschaft und bei Umwandlung, WM 2008, 147; Wallner Die Liquidatoren der VorGmbH iL, GmbHR 1998, 1168.

1. Begriff und Rechtsnatur 5 In der Zeit zwischen dem notariellen Abschluss des Gesellschaftsvertrages und

der Entstehung der GmbH als juristische Person durch Eintragung im Handelsregister besteht ein Rechtsgebilde, das § 29 AktG für die AG als die „errichtete Gesellschaft“ bezeichnet. Für sie wird der Geschäftsführer bestellt, und für sie muss auch gehandelt werden (Leistung der Mindesteinlage nach § 7 Abs. 2 bzw Übereignung der Sacheinlage nach § 7 Abs. 3; Zahlung von Gebühren und Steuern). Im Falle der Errichtung der GmbH durch Formwechsel entsteht indes keine Vor-GmbH7. Über die Rechtsnatur der Vorgesellschaft besteht heute weit1 OLG Koblenz GmbHR 2002, 1239, 1242 ff. 2 Scholz/K. Schmidt Rn 23; MünchKomm/Merkt Rn 107; ähnlich bereits BGH GmbHR 1998, 633, 634 f. 3 BGH BB 1988, 159; Scholz/K. Schmidt Rn 13; Michalski/Michalski/Funke Rn 7. 4 Zutreffend Priester GmbHR 1995, 481, 483 f. 5 Scholz/K. Schmidt Rn 13; U/H/L/Ulmer/Löbbe § 2 Rn 51. 6 U/H/L/Ulmer/Löbbe § 2 Rn 51; im Ergebnis auch Scholz/K. Schmidt Rn 15. 7 BGH GmbHR 1999, 612; Scholz/K. Schmidt Rn 28.

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gehende Übereinstimmung: Sie ist als Vorstufe und notwendige Durchgangsstation auf dem Weg zur GmbH ein Rechtsträger sui generis1, der sich wandelt mit der Eintragung ipso iure und mit allen ihren Aktiva und Passiva in die GmbH umwandelt und mit dieser weitgehend, indes nicht vollständig identisch ist2 (zu Unterschieden: Rn 8 ff). Die Vor-GmbH ist rechtsfähig3 und unterliegt heute nicht mehr der Beschränkung durch das frühere Vorbelastungsverbot4. Die an sie geleisteten Einlagen gehen nach zutreffender Auffassung in ihr Vermögen über5, die frühere Annahme, sie würden in ein Gesamthandsvermögen der Gründer übergehen6, war im Hinblick auf die Einpersonengründung schon immer problematisch (näher Rn 38) und ist jedenfalls heute überholt7, nachdem die Rechtsfähigkeit der GbR allgemein anerkannt ist und Beitragsleistungen der Gesellschafter in das Eigentum der GbR übergehen8: Die Rechts- und Vermögensstellung der körperschaftlich strukturierten Vor-GmbH ist sicherlich nicht weniger stark als etwa die einer Vorgründungs-BGB-Gesellschaft!9 Die Vorgesellschaft kann von ihren Handlungsmöglichkeiten Gebrauch machen 6 und riskiert dann, aber auch nur dann die Vorbelastungshaftung ihrer Gesellschafter (Rn 41 ff) und die Haftung der für sie Handelnden nach § 11 Abs. 2 (Rn 28 ff). Beschränken sich die Gründer und Geschäftsführer aber auf diejenigen Maßnahmen, die zur Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister erforderlich sind, so gelten alle diese Sonderregeln nicht10. Beispiel: Die Gesellschafter zahlen auf das Konto der Vorgesellschaft, der Geschäftsführer meldet an, und alle warten auf die Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister; zwei Wochen davor wird die Bank insolvent: keine Haftung des Geschäftsführers und keine Unterbilanzhaftung der Gesellschafter.

1 BGHZ 21, 242, 246; BGHZ 51, 30, 32; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 10 f; MünchKomm/ Merkt Rn 8 ff; Scholz/K. Schmidt Rn 30. 2 Ähnlich wie hier BGHZ 80, 129, 138 = GmbHR 1981, 114; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 12; MünchKomm/Merkt Rn 10 ff; weitergehend Scholz/K. Schmidt Rn 31 (identisch im Sinne „vollständiger Kontinuität der Rechtsverhältnisse“). 3 BGHZ 80, 129, 132 = GmbHR 1981, 114; BGHZ 117, 323, 326; Scholz/K. Schmidt Rn 34; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 59. 4 Dazu ausführlich Scholz/K. Schmidt Rn 44 ff; Ulmer ZGR 1981, 593, 594 mwN. 5 Richtig Scholz/K. Schmidt Rn 35; MünchHdbGmbH/Gummert § 16 Rn 6; wohl auch B/H/Fastrich Rn 7. 6 So noch BGHZ 80, 129, 135 = GmbHR 1981, 114. 7 Abweichend indes nach wie vor U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 41; B/S/Schäfer Rn 13. 8 So explizit etwa MünchKomm/Schäfer § 705 BGB Rn 9. 9 Wie hier für die AG nunmehr auch Hüffer/Koch § 41 AktG Rn 4 f; ähnlich K. Schmidt/ Lutter/Drygala § 41 AktG Rn 14 f (allerdings mit der weitergehenden, hier nicht geteilten Schlussfolgerung, die Vor-AG sei bereits juristische Person). 10 Ähnlich K. Schmidt GesR § 34 III 3c.

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§ 11 | Rechtszustand vor der Eintragung 2. Anwendbare Regeln 7 Auf die Vorgesellschaft sind bereits jetzt die Regeln des GmbH-Rechts anwend-

bar mit Ausnahme der Vorschriften, die ihre Eintragung (nicht: Rechtsfähigkeit) 1 voraussetzen2. 8 a) Allgemein: Die Vorgesellschaft ist (nur) Handelsgesellschaft, wenn sie ein Handelsgewerbe betreibt3; die §§ 343 ff HGB über Handelsgeschäfte, die §§ 238 ff HGB über die Handelsbücher (vgl aber auch § 41 Rn 7) und die §§ 48 ff HGB über Prokura und Handlungsvollmacht sind dann anzuwenden. Allerdings kann die Vorgesellschaft selbst nicht (wohl aber etwa als Komplementärin einer KG oder als Kommanditistin, vgl Rn 16) in das Handelsregister eingetragen werden (unstreitig)4. 9 Die Vorgesellschaft ist namens- bzw firmenfähig5 und nimmt bereits am Prioritätsschutz gegenüber einer späteren anderen Firma teil6. Sie hat ihre GmbHFirma mit entsprechendem Zusatz („in Gründung“, „i.G.“ oÄ) zu führen7 (dazu auch § 4 Rn 42). Sie ist – für die Dauer der Liquidation auch noch nach ihrer Auflösung8 – passiv und auch aktiv parteifähig9 (auch bei Ablehnung der Eintragung: Rn 23), insolvenz-10, grundbuch-11, konto- und wechselfähig12; sie ist ebenso Schuldnerin der Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung13; auch ihre Beteiligungsfähigkeit in FG-Verfahren14 ist zu bejahen. Für die Zwangsvoll1 So aber missverständlich BGHZ 80, 212, 214 = GmbHR 1982, 67 und BGHZ 120, 103, 105 = GmbHR 1993, 103. 2 BGHZ 21, 242, 246; BGHZ 51, 30, 32; BGHZ 169, 270, 273; Scholz/K. Schmidt Rn 47; MünchHdbGmbH/Gummert § 16 Rn 5; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 11; B/H/Fastrich Rn 16. 3 B/H/Fastrich Rn 13; Scholz/K. Schmidt Rn 37; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 61; aA R/A/ Roth Rn 44: jede Vorgesellschaft sei Handelsgesellschaft; unrichtig OLG Düsseldorf NJW-RR 1999, 615, 616. 4 BayObLG NJW 1965, 2254, 2257; Scholz/K. Schmidt Rn 37. 5 R/A/Roth Rn 41. 6 BGHZ 120, 103, 106 = GmbHR 1993, 103; BGH GmbHR 1998, 185; B/H/Fastrich Rn 13; Scholz/K. Schmidt Rn 38. 7 R/A/Roth Rn 42; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 61. 8 BGH GmbHR 2008, 654; BGHZ 169, 270, 281. 9 BGH GmbHR 1998, 185; BGH GmbHR 2008, 654; Scholz/K. Schmidt Rn 42; B/H/Fastrich Rn 17 mwN. Allgemeiner Gerichtsstand ist der Satzungssitz: OLG Brandenburg GmbHR 2003, 1488, 1489. 10 BGH GmbHR 2003, 1488; ausführlich Scholz/K. Schmidt Rn 43 (allgemeine Meinung). 11 BGHZ 45, 338, 348; BayObLG GmbHR 1986, 118; Scholz/K. Schmidt Rn 41. Einzutragen ist der Name/Firma der Vorgesellschaft: B/H/Fastrich Rn 14; MünchKomm/Merkt Rn 53. 12 BGHZ 117, 323, 326 obiter; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 62 f; Scholz/K. Schmidt Rn 39. 13 BSG GmbHR 1986, 228. 14 BGHZ 117, 323, 325 ff = GmbHR 1992, 451, 452; B/H/Fastrich Rn 17; Scholz/K. Schmidt Rn 40.

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streckung ist ein gegen die Vor-GmbH gerichteter Titel erforderlich (§ 735 ZPO)1. Wer als Vertreter der Vorgesellschaft unter Fortlassung des Zusatzes „GmbH“ 10 oder „GmbH i.G.“ zeichnet oder mündlich ausdrücklich (bloßes Verschweigen reicht nicht) das Handeln für eine GmbH verneint, haftet nach allgemeinen Rechtsscheingrundsätzen2. War dagegen die GmbH noch nicht errichtet (hat also noch keine Vorgesellschaft bestanden), so haftet der wahre Rechtsträger (sowie ggf dessen Gesellschafter gemäß § 128 HGB [analog])3 (vgl bereits Rn 3). b) Im Innenverhältnis sind die Gesellschafter der aus dem Gründungszweck 11 folgenden Verpflichtung unterworfen, die vereinbarten (Mindest-)Einlagen vorzunehmen und an allen weiteren Maßnahmen mitzuwirken, die für die Eintragung der GmbH erforderlich sind (zB Sachgründungsbericht gemäß § 5 Abs. 4 Satz 2)4. Die Auslegung der Satzung erfolgt hier noch nicht nach objektiven (dazu § 2 Rn 19), sondern nach subjektiven Grundsätzen5. Satzungsänderungen sind nur nach § 2 unter Mitwirkung aller Gesellschafter, nicht nach § 53 möglich (s. § 2 Rn 48)6. Dies gilt nach hM auch für das Ausscheiden eines Gesellschafters bzw den Ge- 12 sellschafterwechsel (dazu auch § 15 Rn 6)7. Rechtskonstruktiv stützt sich die hM auf das dogmatische Argument, dass vor der Eintragung der GmbH in das Handelsregister noch keine Geschäftsanteile bestehen (dazu auch § 14 Rn 3 ff) und dass deshalb8 ein Gesellschafterwechsel in der Vorgesellschaft nicht durch Abtretung des (noch nicht existierenden) Geschäftsanteils, sondern nur durch Satzungsänderung möglich sei. Diese Prämisse wurde allerdings bereits früher heftig bestritten9; neuerdings findet diese Auffassung unter Hinweis auf den durch das MoMiG veränderten Wortlaut in § 3 Abs. 1 Nr. 4 vermehrt Zustim1 2 3 4 5 6 7

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MünchKomm/Merkt Rn 53 aE; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 64. BGH GmbHR 1996, 764. BGH GmbHR 1998, 633, 634. B/H/Fastrich Rn 8; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 38 f; Scholz/K. Schmidt Rn 52. U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 32; MünchKomm/Merkt Rn 14; so auch ganz hM zur AG: K. Schmidt/Lutter/Drygala § 41 AktG Rn 22; MünchKomm/Pentz § 41 AktG Rn 43; aA Scholz/K. Schmidt Rn 47. OLG Köln GmbHR 1995, 725; OLG Dresden GmbHR 1998, 186, 189; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 47; MünchKomm/Merkt Rn 33 f; B/H/Fastrich Rn 8; aA Scholz/K. Schmidt Rn 57; Priester ZIP 1987, 280 ff. BGHZ 29, 300 (LS 1) = NJW 1959, 934; BGH GmbHR 1997, 405, 406; BGH GmbHR 2005, 354 mit Anm Manger; BGHZ 169, 270, 275 mit Anm Bayer/Graff WuB II. A. § 265 AktG, 1/07 (Ausscheiden aus der Vor-AG); OLG Frankfurt GmbHR 1997, 896; OLG Dresden GmbHR 1998, 186; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 48 ff; R/A/Roth Rn 63; Scholz/Emmerich § 2 Rn 22. So BGHZ 169, 270, 275; BGHZ 29, 300, 303; vgl auch BGHZ 21, 242, 245. Ausführlich K. Schmidt GmbHR 1997, 869 ff.

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§ 11 | Rechtszustand vor der Eintragung mung1. Auf dieser neuen Basis folgen nunmehr zahlreiche weitere Stimmen im Schrifttum der von K. Schmidt begründeten abweichenden Auffassung2 und wenden auf den Gesellschafterwechsel in der Vor-GmbH die Vorschrift des § 15 an3. Nach K. Schmidt sind alternativ der Weg der (einstimmigen) Satzungsänderung oder die Anteilsübertragung gemäß § 15 möglich4. 13 Die Problematik (Schutz der Mitgesellschafter! – näher Rn 14) wird dadurch

entschärft, dass nach K. Schmidt auch im Falle der dogmatischen Konstruktion mittels Übertragung gemäß § 15 diese nur dann zulässig sein soll, wenn sie im Gesellschaftsvertrag gestattet ist oder alle Gesellschafter zustimmen5. Eingeschränkt ist der Schutz allerdings, wenn man der Auffassung folgt, dass (nur) die (regulären) satzungsmäßigen Vinkulierungsklauseln bereits in diesem Stadium der Vor-GmbH vollumfänglich zu beachten seien6 (weil dann ggf Mehrheitsentscheidung möglich, vgl ausführlich § 15 Rn 77). Umgekehrt wurde bereits in der Vergangenheit eine Anteilsübertragung, der alle Gesellschafter formgerecht zugestimmt haben, als Satzungsänderung umgedeutet mit der Folge, dass der Gesellschafterwechsel wirksam war7. Erfolgt allerdings der Gesellschafterwechsel nicht unter Mitwirkung sämtlicher Mitglieder der Vorgesellschaft, so sind nach hM die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft nicht anwendbar; die Anteilsübertragung ist vielmehr von Anfang an unwirksam8.

14 Stellungnahme: Vorzugswürdig ist nach wie vor die Auffassung der hM. Ein Ge-

sellschafterwechsel in der Vor-GmbH erfordert daher eine Änderung des Gesellschaftsvertrags gemäß § 29. Dies gilt unabhängig davon, ob sich durch das MoMiG die Rechtslage im Hinblick auf die Entstehung des Geschäftsanteils wirklich verändert hat (was indes abzulehnen ist, vgl § 14 Rn 3 ff). Da bis zur Eintragung der GmbH die Gesellschafter für alle Verbindlichkeiten unbe-

1 S. etwa U/H/L/Raiser § 14 Rn 8; MünchKomm/Reichert/Weller § 14 Rn 11; B/S/Weller § 14 Rn 2; sympathisierend auch Scholz/Seibt § 14 Rn 4; dagegen für Entstehung des Geschäftsanteils erst mit Eintragung der GmbH: R/A/Altmeppen § 14 Rn 8; Michalski/Ebbing § 14 Rn 40; MünchHdbGmbH/Jasper/Wollbrink § 23 Rn 10; vgl ausführlich bei § 14 Rn 3 ff. 2 Grundlegend Scholz/K. Schmidt 8. Aufl, Rn 41; K. Schmidt GmbHR 1987, 77, 82. 3 S. insbesondere MünchKomm/Reichert/Weller § 14 Rn 11; § 15 Rn 362; MünchKomm/ Merkt Rn 40; abweichend jedoch nach wie vor B/H/Fastrich Rn 8; R/A/Roth Rn 63; B/S/ Schroeter Rn 40; Michalski/Michalski/Funke Rn 51; MünchKomm/J. Mayer § 2 Rn 57. 4 Scholz/K. Schmidt Rn 50. 5 So Scholz/K. Schmidt Rn 50; zustimmend MünchKomm/Merkt Rn 40 aE. 6 So MünchKomm/Reichert/Weller § 15 Rn 362; vgl auch Stoppel WM 2008, 147 ff. 7 So etwa BGH GmbHR 1997, 405, 406 (insoweit in BGHZ 134, 333 nicht ausgeführt); OLG Frankfurt GmbHR 1997, 896; OLG Dresden GmbHR 1998, 186. 8 BGH GmbHR 2005, 354 mit Anm Manger; B/H/Fastrich Rn 8. 9 So auch die einhellige Meinung zum Recht der Vor-AG: Hüffer/Koch § 41 AktG Rn 30; K. Schmidt/Lutter/Drygala § 41 AktG Rn 38; MünchKomm/Pentz § 41 AktG Rn 162 f; im Ergebnis auch Großkomm/K. Schmidt § 41 AktG Rn 65.

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schränkt persönlich haften (ausführlich Rn 20 ff), darf ein Ausscheiden eines Mitgesellschafters bzw ein Neueintritt nur im Einverständnis aller Gesellschafter erfolgen. Abzulehnen ist daher schon aus diesem Grund der Ansatz, die Abtretung von Geschäftsanteilen gemäß § 15 zu gestatten, selbst wenn dann die Vinkulierungsklausel zur Anwendung kommt. Denn selbst in diesem Fall wäre eine (qualifizierte) Mehrheitsentscheidung nicht ausgeschlossen, wenn die Satzung für Abtretungen im Stadium der eingetragenen GmbH eine solche vorsieht. Verlangt man indes eine Zustimmung aller Gesellschafter (Rn 13), dann spricht nichts dagegen, anstelle einer Beurkundung der Abtretung gemäß § 15 Abs. 3 (dazu § 15 Rn 25 ff) eine Beurkundung des Ausscheidens bzw des Gesellschafterwechsels im Rahmen einer Änderung des Gesellschaftsvertrags gemäß § 2 vorzunehmen und dies aus Rechtsgründen auch zu verlangen. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, den künftigen Geschäftsanteil bereits vor Eintragung der GmbH mit Wirkung auf den Eintragungszeitpunkt nach Maßgabe von § 15 abzutreten (ausführlich § 15 Rn 3)1. Daher besteht auch keine Notwendigkeit, bei fehlendem Einverständnis aller Gesellschafter eine vorzeitige Abtretung im Zeitraum der Vor-GmbH im Interesse des veräußerungswilligen Gesellschafters zu ermöglichen. Die Geschäftsführer werden nach den allgemeinen Regeln von Gesetz oder Sat- 15 zung bestellt und abberufen2 und unterliegen intern den Weisungen der Gesellschafter, deren Beschlüsse in Geschäftsführungsangelegenheiten wegen der Gefahren aus der Vorbelastungshaftung (Rn 41 ff) jedenfalls dann einstimmig gefasst werden müssen, wenn sie über den Zweck der konkreten Vor-GmbH hinausgehen3 (anders die hL4: einfache Mehrheit). Damit korrespondiert die ganz hA, wonach der Umfang der Geschäftsführungsbefugnis in gleicher Weise wie die Vertretungsmacht (Rn 17) beschränkt ist5. Die Geschäftsführer haften der Gesellschaft für Mängel der Geschäftsführung nach § 43, soweit nicht schon die strengeren Regeln des § 9a eingreifen6. Extern hat der Geschäftsführer alle Pflichten eines regulären Geschäftsführers, insbesondere muss er bei Insolvenz den Insolvenzantrag stellen (dazu Anh zu § 64 Rn 1 ff). Die Vorschriften über

1 So auch U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 48; R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 68; nunmehr auch hM im Aktienrecht: Hüffer/Koch § 41 AktG Rn 30; K. Schmidt/Lutter/Drygala § 41 AktG Rn 37 mwN. 2 BGHZ 80, 212 = GmbHR 1982, 67; Scholz/K. Schmidt Rn 58. 3 Wie hier R/A/Roth Rn 62 und wohl auch BGHZ 80, 212, 214 f = GmbHR 1982, 67; vgl weiter RGZ 58, 55, 56 sowie Zöllner FS Wiedemann, 2002, S. 1383, 1421. 4 U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 45; MünchKomm/Merkt Rn 31; B/H/Fastrich Rn 9; Scholz/ K. Schmidt Rn 55. 5 BGHZ 80, 129, 139 = GmbHR 1981, 114; insoweit auch Scholz/K. Schmidt Rn 59; B/H/ Fastrich Rn 10; MünchKomm/Merkt Rn 24; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 43, so auch ganz hM zur AG: K. Schmidt/Lutter/Drygala § 41 AktG Rn 20 mwN. 6 BGH GmbHR 1986, 302; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 43; Scholz/K. Schmidt Rn 59.

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§ 11 | Rechtszustand vor der Eintragung den obligatorischen Aufsichtsrat gelten in diesem Stadium (anders als beim fakultativen Aufsichtsrat1) noch nicht2. 3. Die Vorgesellschaft als Gesellschafterin 16 Die Vorgesellschaft kann selbst Gesellschafter in anderen Kapitalgesellschaften

und auch Gesellschafter einer Personengesellschaft sein, daher auch persönlich haftender Gesellschafter einer GmbH & Co KG3 (näher Rn 53); da aber vom Handelsregister noch nicht geprüft wurde, ob der GmbH auch wirklich das festgelegte Kapital zur Verfügung steht (§ 9c), bedürfen die Gläubiger dieser KG eines zusätzlichen Schutzes: Der BGH4 findet ihn in einem extensiven Verständnis der Handelndenhaftung nach § 11 Abs. 2; Geschäftsführer der GmbH haften danach auch den Gläubigern der KG persönlich5; darüber hinaus haften auch die Gesellschafter der Vor-GmbH den Gläubigern der KG (nach BGH im Wege der Innenhaftung, nach aA im Wege der Außenhaftung gemäß § 128 HGB, dazu ausführlich Rn 19 ff). 4. Vertretung der Vorgesellschaft

17 Vertretung der Vorgesellschaft geschieht durch den oder die Geschäftsführer (vgl

§ 7 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3, § 8 Abs. 2) in vertretungsberechtigter Zahl nach den für sie laut Gesellschaftsvertrag oder Gesetz (§ 35) geltenden Regeln. Streitig ist jedoch, ob für den Umfang ihrer Vertretungsmacht die Regel des § 37 Abs. 2 gilt (unbeschränkte Vertretungsmacht); das wird vielfach in der Literatur vertreten6, ist jedoch unzutreffend7. Vielmehr ist mit BGHZ 80, 1298 sowie der hL9 davon auszugehen, dass die Vertretungsmacht grundsätzlich durch den Zweck der Vorgesellschaft begrenzt wird, nämlich notwendige Vorstufe zur juristischen Person zu sein, deren Entstehung zu fördern und bis dahin das schon ein-

1 MünchKomm/Merkt Rn 28; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 44. 2 Näher U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 44; MünchKomm/Merkt Rn 30. 3 BGHZ 80, 129, 132 = GmbHR 1981, 114 f; bestätigt durch BGH GmbHR 1985, 153; vgl weiter U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 159 ff mwN. 4 BGHZ 80, 129 ff = GmbHR 1981, 114. 5 U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 166 ff; B/H/Fastrich Rn 70. 6 Scholz/K. Schmidt Rn 72 f; MünchHdbGesR/Gummert § 16 Rn 51; S/I/Pfisterer Rn 12; W.H. Roth ZGR 1984, 597, 608 f; für die AG auch MünchKomm/Pentz § 41 AktG Rn 35; KölnKomm/Arnold § 41 AktG Rn 32. 7 Dies gilt insbesondere für die Argumentation von Scholz/K. Schmidt Rn 73 gegen den hier seit der 14. Aufl von Lutter begründeten Standpunkt. 8 BGHZ 80, 129, 139 = GmbHR 1981, 114, 116; ebenso BGHZ 80, 182, 183. 9 Wie hier B/H/Fastrich Rn 19 f; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 68 f; R/A/Roth Rn 47; MünchKomm/Merkt Rn 15, 63; Ellers GmbHR 2004, 934, 939; Meyer GmbHR 2002, 1176, 1180 f; ebenso für die AG: Hüffer/Koch § 41 AktG Rn 11; K. Schmidt/Lutter/Drygala § 41 AktG Rn 6 f.

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gebrachte Vermögen zu verwalten und zu erhalten (näher Rn 5). Bei Fortführung eines eingebrachten Handelsgeschäfts bedeutet dies keinen Unterschied (hier gilt § 37 Abs. 2)1, während bei Bargründungen die Vertretungsmacht im Allgemeinen auf solche Rechtshandlungen beschränkt ist, die zur Herbeiführung der Eintragung notwendig sind. Denn eine generelle unbeschränkte Vertretungsmacht würde auch die Gesellschafter mit der unbeschränkten Vorbelastungshaftung bedrohen, die mit der vorzeitigen Geschäftsaufnahme nicht einverstanden sind oder hiervon gar nichts wissen (vgl auch Rn 41 ff)2. Anders indes auch für die Bargründung, wenn die Gründer (was zulässig ist und auch konkludent und damit ohne Einhaltung der Form des § 2 erfolgen kann3) die gesetzliche Vertretungsmacht der Geschäftsführer in der Vorgesellschaft durch übereinstimmende Zustimmung zur vorzeitigen Geschäftsaufnahme erweitert haben. Ist die Vertretungsmacht begrenzt, so werden die Geschäftspartner der Vorgesellschaft ausreichend dadurch geschützt, dass die Vorgesellschaft den Zusatz „i.G.“ verwenden muss, darüber hinaus gelten § 11 Abs. 2 sowie § 179 BGB4. War die Vorgesellschaft dagegen nicht wirksam vertreten, so kommen auch die Regeln über die Gründerhaftung (Rn 19 ff) nicht zur Anwendung, sondern allein § 179 BGB5.

IV. Haftung in der Vorgesellschaft Literatur: Altmeppen Unmittelbare Außenhaftung der Gesellschafter einer Vor-GmbH, ZIP 1997, 1653; Altmeppen Das unvermeidliche Scheitern des Innenhaftungskonzepts in der Vor-GmbH, NJW 1997, 3272; Goette Zur Haftungsverfassung der Vor-GmbH, DStR 1997, 628; Gummert Die Haftungsverfassung der Vor-GmbH, DStR 1997, 1007; Haas Vor-GmbH und Insolvenz, DStR 1999, 985; Kellermann Zur Gesellschafterhaftung in der Vor-GmbH, FS Röhricht, 2005, S. 291; Kleindiek Zur Gründerhaftung in der Vor-GmbH, ZGR 1997, 427; Monhemius Bilanzrecht, Gründerhaftung und Scheitern der Vor-GmbH, GmbHR 1997, 384; Raab Die Haftung der Gesellschafter der Vor-GmbH im System des Gesellschaftsrechts, WM 1999, 1596; Raiser/Veil Die Haftung der Gesellschafter einer Gründungs-GmbH, BB 1996, 1344; K. Schmidt Zur Haftung der Gesellschafter einer VorGmbH, ZIP 1996, 593; K. Schmidt Zur Haftungsverfassung der Vor-GmbH, ZIP 1997, 671; K. Schmidt Unbeschränkte Außenhaftung/unbeschränkte Innenhaftung – Stimmigkeitsprobleme der Haftungsabwicklung, FS Goette, 2011, S. 459; Ulmer Zur Haftungs-

1 BGHZ 45, 338, 343; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 37; MünchKomm/Merkt Rn 65. 2 U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 68; Wiegand BB 1998, 1065, 1071; für die AG auch Hüffer/ Koch § 41 AktG Rn 6. 3 BGHZ 80, 129, 139 = GmbHR 1981, 114; Lutter JuS 1998, 1073, 1076; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 69; MünchKomm/Merkt Rn 65. 4 B/H/Fastrich Rn 19; R/A/Roth Rn 21 ff; für AG auch K. Schmidt/Lutter/Drygala § 41 AktG Rn 29; aA U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 71: nur § 11 Abs. 2; aA auch Fleck GmbHR 1983, 5, 14: nur § 179 BGB. 5 Zur Vertretung der aufgelösten Vorgesellschaft BGH NJW 2008, 2441, 2442.

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§ 11 | Rechtszustand vor der Eintragung verfassung in der Vor-GmbH, ZIP 1996, 459, 733; Zöllner Die sogenannte Gründerhaftung, FS Wiedemann, 2002, S. 1383.

1. Haftung der Vorgesellschaft 18 Für die in ihrem Namen oder im Namen der künftigen GmbH begründeten und

für die sie analog § 31 BGB ex lege treffenden Verbindlichkeiten haftet die VorGmbH mit ihrem Vermögen (allgemeine Meinung)1. Ein Titel gegen sie genügt zur Zwangsvollstreckung (Rn 9). 2. Haftung der Gesellschafter

19 a) Nach früherer Rspr haftete jeder Gründer ähnlich wie ein Kommanditist,

nach außen aber beschränkt auf die Höhe seiner noch offenen Einlagepflicht2; diese Auffassung ist heute überholt. Sie war auch in sich nicht stimmig und beachtete nicht § 13 Abs. 23.

20 b) Nach neuerer Rspr des BGH4 – der ein Teil des Schrifttums5 sowie auch das

BAG6, das BSG7, der BFH8 sowie die Instanzgerichte9 folgen – trifft die Gründer für die Verbindlichkeiten der Vorgesellschaft eine unbeschränkte proratarische Innenhaftung. Die Gründer haften gegenüber der Gesellschaft nach dem Verhältnis ihrer Geschäftsanteile für alle vom Gesellschaftsvermögen nicht abgedeckten Verluste, und zwar unabhängig davon, ob sie ihre Einlagen bereits erbracht haben oder nicht. Für den Ausfall haftet jeder Mitgesellschafter gemäß § 24 (§ 24 Rn 15)10. Die Verjährung richtet sich nach § 9 Abs. 211. Außenstehende Gläubiger können nach diesem Haftungsmodell der hM nicht unmittelbar gegen die Gründer vorgehen, sondern müssen zunächst die Vorgesellschaft in

1 Scholz/K. Schmidt Rn 79 ff; B/H/Fastrich Rn 22; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 73. 2 BGHZ 65, 378, 382 = GmbHR 1976, 65; BGHZ 72, 45, 49 = GmbHR 1978, 232; BGHZ 80, 182, 183 = GmbHR 1981, 192, 193; BGH BGHZ 80, 129, 144 = GmbHR 1981, 114, 115. 3 Ausführlich Scholz/K. Schmidt Rn 86 mwN. 4 BGHZ 134, 333 ff = GmbHR 1997, 405, 406 ff im Anschluss an Stimpel FS Fleck, 1988, S. 358, 361 ff. 5 Kellermann FS Röhricht, 2005, S. 291, 293 ff; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 81 ff; Lutter JuS 1998, 1073, 1077; B/H/Fastrich Rn 25, 29; MünchKomm/Merkt Rn 79; für AG auch K. Schmidt/Lutter/Drygala § 41 AktG Rn 14; Hüffer/Koch § 41 AktG Rn 9a, 14. 6 BAG GmbHR 1996, 763; BAG GmbHR 1998, 39. 7 BSG ZIP 2000, 494, 497. 8 BFH GmbHR 1998, 854. 9 OLG Dresden GmbHR 1998, 186, 188; OLG Koblenz ZIP 1998, 1670, 1671; ThürOLG GmbHR 1999, 772 f; vgl auch OLG Karlsruhe AG 1999, 131, 132; OLG Hamm AG 2003, 278. 10 KG GmbHR 1993, 647; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 82. 11 So BGHZ 149, 273 (für Vor-Genossenschaft).

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Anspruch nehmen und deren Ansprüche gegen die Gründer pfänden und sich überweisen lassen, ehe sie von den einzelnen Gesellschaftern Zahlung verlangen können. Damit entspricht die Haftung in der Vorgesellschaft der nach Eintragung zum Ausgleich von Anlaufverlusten bestehenden Vorbelastungshaftung (auch Unterbilanzhaftung; dazu Rn 41 ff). Lediglich terminologisch wird unterschieden: Vor Eintragung firmiert die Haftung als Verlustdeckungshaftung. Strittig ist, ob der Haftungsanspruch erst mit Scheitern der Eintragung entsteht1 oder jederzeit von den Gläubigern der Vorgesellschaft geltend gemacht werden kann2. Das Innenhaftungsmodell zielt auf die Konstellation, dass die Gesellschafter die 21 Gesellschaft nach der gescheiterten Gründung liquidieren; zu dieser Liquidation sollen alle Gesellschafter pro rata beitragen und an der Haftungsmasse alle Gläubiger pro rata partizipieren. Eine solche Liquidation (außerhalb einer Insolvenz) entspricht indes nicht der Realität der Praxis. Daher sollen Ausnahmen von diesem Haftungskonzept dann gelten3, wenn – was allerdings grds vom Gläubiger darzulegen und zu beweisen ist4 – die Vorgesellschaft vermögenslos ist5 (dh außer dem Verlustdeckungsanspruch gegen die Gesellschafter kein Vermögen hat)6 oder nur einen Gläubiger hat7, darüber hinaus in der masselosen Insolvenz (Einstellung wegen Masseunzulänglichkeit8), aber auch bei faktischer Einstellung des Geschäftsbetriebs9, auch im Falle der Einpersonengesellschaft10. Auch in diesen Ausnahmekonstellationen ist allerdings streitig, ob die unmittelbar gegenüber den Gläubigern der Vorgesellschaft haftenden Gesellschafter – ebenso wie bei der regulären Außenhaftung (dazu Rn 22) – als Gesamtschuldner11 oder ebenfalls nur pro rata12 einstehen müssen. 1 So BGHZ 134, 333, 341 = GmbHR 1997, 405 mit Anm Wilken; für AG auch Hüffer/ Koch § 41 AktG Rn 9a; offen BSG ZIP 2000, 494, 497. 2 So Ulmer ZIP 1996, 733, 738; Lutter JuS 1998, 1073, 1076; für AG auch K. Schmidt/Lutter/Drygala § 41 AktG Rn 14. 3 So auch die Aufzählung bei U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 83; vgl für die AG auch Hüffer/ Koch § 41 AktG Rn 15; K. Schmidt/Lutter/Drygala § 41 AktG Rn 17. 4 MünchKomm/Merkt Rn 86; ausführlich Bayer/Illhardt GmbHR 2011, 505, 506 mwN. 5 BAG GmbHR 1998, 39; BAG GmbHR 2000, 1041 mit Anm Emde; BFH GmbHR 1998, 854; BSG ZIP 2000, 494, 497. 6 So U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 83; B/H/Fastrich Rn 27; MünchKomm/Merkt Rn 84; vgl auch BAG GmbHR 2006, 756, 758. 7 BGHZ 134, 333, 341 = GmbHR 1997, 405, 408 mit Anm Wilken; OLG Dresden GmbHR 1998, 188; Lutter JuS 1998, 1073, 1077; MünchKomm/Merkt Rn 83. 8 BAG GmbHR 2006, 756; B/H/Fastrich Rn 27; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 83. 9 Ulmer ZIP 1996, 733, 735; für AG auch K. Schmidt/Lutter/Drygala § 41 AktG Rn 17. 10 BGHZ 134, 333, 341 = GmbHR 1997, 405, 408 mit Anm Wilken; MünchKomm/Merkt Rn 82; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 84; B/H/Fastrich Rn 27. 11 So LAG Hessen GmbHR 1998, 782, 784. 12 So BAG GmbHR 1997, 694; BFH GmbHR 1998, 854; BSG ZIP 2000, 494, 498; U/H/L/ Ulmer/Habersack Rn 83; MünchKomm/Merkt Rn 85.

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§ 11 | Rechtszustand vor der Eintragung 22 c) Dem Haftungsmodell der hM wird von einer starken Literaturmeinung das

vorzugswürdige Konzept (ausführlich Rn 27) der unbeschränkten Außenhaftung entgegengesetzt (akzessorische Haftung analog § 128 HGB)1. Es vermeidet die unnötige Kompliziertheit der Durchsetzung der Gläubigeransprüche, bedarf keiner Abgrenzung zwischen Regel und Ausnahme – auch nicht gegenüber der unechten Vor-GmbH (Rn 26) – und ist auch rechtsdogmatisch stimmig, da der Schutz der Gesellschafter vor Eintragung der Gesellschaft hinter dem Schutz der Gläubiger zurücktreten muss2. Die hM verkennt darüber hinaus, dass ein Wettlauf der Gläubiger auch im Modell der Innenhaftung außerhalb eines Insolvenzverfahrens nicht vermieden wird, da auch hier letztlich derjenige Befriedigung erlangt, dem es zuerst gelingt, Haftungsansprüche gegen Gesellschafter zu pfänden und durchzusetzen; allein im Rahmen eines Insolvenzverfahrens obliegt gemäß § 93 InsO (analog) die Geltendmachung jeglicher Außenhaftungsansprüche dem Insolvenzverwalter, so dass hier ein Wettlauf der Gläubiger auch bei Anwendung des Außenhaftungsmodells nicht stattfindet3. Für eine Ausfallhaftung der Gesellschafter analog § 24 ist nach dieser Auffassung kein Raum; § 24 kommt allerdings Bedeutung für den Regress im Innenverhältnis der Gesellschafter zu (dazu auch § 24 Rn 16)4. 3. Aufgabe der Gründung und unechte Vor-GmbH

Literatur: Goette Zur Vorgründerhaftung in der unechten Vor-GmbH, DStR 1998, 179; Goette Zur Haftung in der Vorgesellschaft (Vor-GmbH) speziell beim Scheitern der Gründung, DStR 1996, 517; de Lousanoff Partei- und Prozessfähigkeit der unechten und fehlgeschlagenen Vor-GmbH, NZG 2008, 490; Murawo Die unechte Vorgesellschaft im GmbH- und Aktienrecht, 2006; Peetz Die Vor-GmbH und der gewissenhafte Gründer, GmbHR 2003, 933; Schwarz Offene Fragen bei der sogenannten unechten Vor-GmbH, ZIP 1996, 2005; Servatius Der Anfang vom Ende der unechten Vorgesellschaft, NJW 2001, 1696.

23 a) Liquidation: Geben die Gründer ihre Pläne gleich aus welchen Gründen frei-

willig durch Beschluss analog § 60 Abs. 1 Nr. 2 mit 3/4- oder aber satzungsmäßi-

1 K. Schmidt ZIP 1996, 353 ff; K. Schmidt ZIP 1997, 671 ff; vgl auch Scholz/K. Schmidt Rn 91 ff; Michalski/Michalski/Funke Rn 67 ff; Altmeppen NJW 1997, 3272 ff; Flume DB 1998, 45 ff; Wilhelm DB 1996, 921 ff; Kleindiek ZGR 1997, 427, 436; Zöllner FS Wiedemann, 2002, S. 1383, 1406 ff; Raiser/Veil BB 1996, 1344 ff; Beuthien FS Hadding, 2004, S. 309 ff; R/A/Roth Rn 55; Raab WM 1999, 1596, 1604 ff; R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 96 ff; ebenso für AG: MünchKomm/Pentz § 41 AktG Rn 55 ff; Großkomm/K. Schmidt § 41 AktG Rn 84 ff; vgl weiter Kersting GmbHR 2003, 1466 ff (Innenhaftungsmodell sei europarechtswidrig). 2 Dies verkennt MünchKomm/Merkt Rn 79 („Schutz der Investoren“); wie hier aber Scholz/K. Schmidt Rn 92. 3 Zutreffend K. Schmidt ZIP 1997, 671, 673; Scholz/K. Schmidt Rn 92; Altmeppen NJW 1997, 3272; in diese Richtung auch Raab WM 1999, 1596, 1612. 4 Bayer FS Röhricht, 2005, S. 25, 35.

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ger Mehrheit1 (vgl § 60 Rn 6) oder unfreiwillig (endgültige Ablehnung der Eintragung im Handelsregister)2 auf, so ändert sich der Charakter der Vorgesellschaft; diese ist „aufgelöst“ und nach den Regeln der §§ 60 ff zu liquidieren3; die frühere Rspr (§§ 730 ff BGB analog)4 ist überholt durch BGH GmbHR 1998, 1855; Liquidatoren sind daher die Geschäftsführer6. Gleiches gilt bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 60 Abs. 1 Nr. 4) oder Ablehnung mangels Masse (§ 60 Abs. 1 Nr. 5)7, Kündigung der Vorgesellschaft aus wichtigem Grund durch einen Gesellschafter8; ein entsprechendes Kündigungsrecht findet sich in § 723 Abs. 1 Satz 2 bzw 3 Nr. 1 BGB9. Eine Kündigungsklage entsprechend § 61 ist hingegen nicht erforderlich, da § 61 vom Bestehen einer fertigen und rechtsfähigen Gesellschaft ausgeht10. Ausschluss eines Gesellschafters aus wichtigem Grund ist möglich, nach hM durch einstimmigen Beschluss11, nach aA durch Ausschließungsklage12; ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn der Fortgang der Gesellschaftsgründung daran scheitert, dass ein Mitgesellschafter zur Erbringung seiner Einlage außerstande ist13. Eine Aufgabe der GmbH-Gründung ist auch dann anzunehmen, wenn die Gesellschafter die Eintragungsvoraussetzungen nicht mehr herbeiführen können oder die Eintragung in das Handelsregister über längere Zeit nicht mehr ernsthaft betreiben14. Tod oder Insolvenz eines Gründers führen hingegen nicht zur Auflösung. b) Fortsetzung der Tätigkeit führt nach erzwungener oder auch freiwilliger 24 Aufgabe der GmbH-Gründung ipso iure und unabhängig von den Vorstellungen der Gesellschafter zur Umwandlung der Vorgesellschaft in eine OHG oder GbR (sog fehlgeschlagene Vor-GmbH)15. In diesem Fall ist allgemein anerkannt, dass alle Gesellschafter für die Neuverbindlichkeiten unbeschränkt per1 Scholz/K. Schmidt Rn 64; B/H/Fastrich Rn 30; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 53. 2 Dann Zweckverfehlung analog § 726 BGB: B/H/Fastrich Rn 30; R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 66. 3 R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 69 ff; Scholz/K. Schmidt Rn 65. 4 So noch BGHZ 86, 122, 127 = GmbHR 1983, 46. 5 Zustimmend Scholz/K. Schmidt Rn 65; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 55; unklar R/A/ Roth Rn 59. 6 BGHZ 169, 270 (Vor-AG) mit zustimmender Anm Bayer/Graff WuB II. A. § 265 AktG 1/07; ebenso U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 55. 7 B/H/Fastrich Rn 30; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 53; vgl § 60 Rn 8, 9. 8 U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 53; B/H/Fastrich Rn 30. 9 BGHZ 169, 270, 274 = JZ 2007, 995 mit Anm Drygala. 10 BGHZ 169, 270, 275; R/A/Roth Rn 59; Scholz/K. Schmidt Rn 64; aA OLG Hamm GmbHR 1994, 706 f. 11 U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 54; B/H/Fastrich Rn 30; ausführlich Murawo S. 104 ff. 12 OLG Hamm GmbHR 1994, 707 f. 13 So BGHZ 169, 270; Bayer/Graff WuB II. A. § 265 AktG 1/07. 14 OLG Hamm GmbHR 2006, 1044, 1045. 15 U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 27; R/A/Roth Rn 58; Scholz/K. Schmidt Rn 99; MünchKomm/Merkt Rn 173 ff.

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§ 11 | Rechtszustand vor der Eintragung sönlich haften (§ 128 HGB)1; neu eintretende Gesellschafter haften gemäß § 130 HGB2, aus der Personengesellschaft ausscheidende Gesellschafter gemäß § 160 HGB3. Wer vor der Auflösung der Vor-GmbH ausscheidet, haftet nach dem Konzept der Innenhaftung überhaupt nicht gemäß § 128 HGB4, nach der hier vertretenen Auffassung (Rn 22) entfällt – nur – die Haftung für Neuverbindlichkeiten. Für Altschulden der Vorgesellschaft haften die Gesellschafter der umgewandelten OHG/GbR ebenfalls gemäß § 128 HGB5, da die Beschränkungen der GmbH-Haftung in dieser Konstellation rückwirkend entfallen6. Davon zu unterscheiden ist die Problematik, ob Verbindlichkeiten eines Gesellschafters der Vorgesellschaft auf diese gemäß § 28 HGB übergehen; dies ist mit der hM auch dann zu verneinen, wenn die GmbH-Gründung aufgegeben wurde und (rückwirkend) eine OHG bzw GbR entstanden ist7. 25 Indes bleibt die Vorgesellschaft auch nach Aufgabe der Eintragungsabsicht bis

zur Beendigung der Liquidation als Abwicklungs-(Personen)Gesellschaft parteifähig8. Wird die Vorgesellschaft nach Aufgabe der Eintragungsabsicht in das Register eingetragen, so ist die GmbH entstanden. Der Eintragung kommt trotz zwischenzeitlicher Umwandlung zur Personengesellschaft heilende Wirkung zu9.

26 c) War die Eintragung der GmbH von vornherein nicht beabsichtigt (sog unechte

Vor-GmbH)10, dann gelten nach allgemeiner Meinung die Haftungsregeln der §§ 128 ff HGB (analog)11; ebenfalls gilt § 28 HGB12 (zur Abgrenzung: Rn 27). 1 Seit BGHZ 22, 240, 243 ständige Rspr und hL; BGHZ 152, 290, 294 = GmbHR 2003, 97 mit Anm K. Schmidt (mit Aufhebung OLG Bremen GmbHR 2001, 25 mit ablehnender Anm K. Schmidt); OLG Dresden GmbHR 1998, 186, 188; R/A/Roth Rn 58; MünchKomm/Merkt Rn 178. 2 ThürOLG NJW-RR 2002, 970; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 28. 3 ThürOLG GmbHR 1999, 772, 773; MünchKomm/Merkt Rn 178. 4 So OLG Düsseldorf GmbHR 1995, 823, 824; B/H/Fastrich Rn 33 aE; MünchKomm/ Merkt Rn 95. 5 So zutreffend BGHZ 152, 290, 295 = GmbHR 2003, 97 mit Anm K. Schmidt; vgl auch Scholz/K. Schmidt Rn 99. 6 MünchKomm/Merkt Rn 95; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 28. 7 Richtig BGHZ 143, 314, 320 = GmbHR 2000, 276; B/H/Fastrich Rn 33 aE; aA R/A/Roth Rn 58 aE. 8 BGH GmbHR 2008, 654 gegen OLG Hamm GmbHR 2006, 1044 (Vorinstanz); dazu kritisch Lange/Widmann WuB II C. § 11 GmbHG 1.08; vgl auch de Lousanoff NZG 2008, 490 ff. 9 U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 28; ausführlich Murawo S. 214 ff. 10 Vgl auch Scholz/K. Schmidt Rn 100; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 26 f; MünchKomm/ Merkt Rn 81 (mit teilweise abweichender Begrifflichkeit). 11 OLG Koblenz GmbHR 2001, 433; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 26; Scholz/K. Schmidt Rn 100. 12 B/H/Fastrich Rn 33.

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4. Modell der generellen Außenhaftung Da die Aufgabe der Eintragungsabsicht teilweise nur schwer feststellbar sein 27 wird1, die beweisbelasteten Gläubiger (Rn 21) daher häufig auf Indizien und Mutmaßungen angewiesen sind2, hat das hier vertretene Modell der generellen Außenhaftung für Vorgründungsgesellschaft (Rn 2), Vor-GmbH (Rn 20, 22), fehlgeschlagene und unechte Vor-GmbH (Rn 24, 26) den Vorzug, dass jede problematische Abgrenzung und Differenzierung entfällt. Es gilt das einfache und auch dogmatisch überzeugende Prinzip: Alle Gesellschafter haften unbeschränkt persönlich, es sei denn, es wird in einer Rechtsform gehandelt, für die von Gesetzes wegen eine Haftungsprivilegierung gilt. Diese Privilegierung setzt bei der GmbH mit deren Eintragung in das Handelsregister ein (§ 13 Abs. 2).

V. Persönliche Haftung des Handelnden (§ 11 Abs. 2) Literatur: Bergmann Die Handelnden-Haftung als Ausgleich fehlender Registerpublizität, GmbHR 2003, 563; Beuthien Regeln die Vorschriften über die Handelndenhaftung einen Sonderfall des Handelns ohne Vertretungsmacht?, GmbHR 1996, 561; Beuthien Wer sind die Handelnden? Warum und wie lange müssen sie haften?, GmbHR 2013, 1; Jula Gestaltungsmöglichkeiten des Geschäftsführers einer GmbH iG zum Ausschluss oder zur Abschwächung der Handelndenhaftung, BB 1995, 1597; Meyer Die Abhängigkeit der Haftung des Handelnden von der Vertretungsmacht für die Vor-GmbH, GmbHR 2002, 1176; Michalski Haftung nach § 11 Abs. 2 GmbHG für rechtsgeschäftsähnliches Handeln, NZG 1998, 248; Schwab Handelndenhaftung und gesetzliche Verbindlichkeiten, NZG 2012, 481.

1. Zweck der Vorschrift Nach früherer Ansicht sollte § 11 Abs. 2 eine Straf- und Druckfunktion erfüllen, 28 um die Geschäftsführer zur baldigen Anmeldung der durch Abschluss des Gesellschaftsvertrags errichteten Gesellschaft (Rn 5) zu motivieren. Zudem sollten die Gläubiger in dieser Zeitspanne – also keine Haftung aus § 11 Abs. 2 vor Abschluss des Gesellschaftsvertrages3 – ein Minimum an Sicherheit erhalten, da ihnen ansonsten bei Fehlschlagen der Eintragung kein Haftungsobjekt zur Verfügung stünde. Mit Anerkennung der Haftung sowohl der Vorgesellschaft als auch ihrer Gesellschafter sowie des Übergangs der Verbindlichkeiten von der Vorgesellschaft auf die GmbH ist die Vorschrift weitgehend obsolet geworden4. 1 Richtig Zöllner FS Wiedemann, 2002, S. 1383, 1408; Gegenbeispiel: BGHZ 152, 290, 295 = GmbHR 2003, 97 (dazu auch Gehrlein BB 2004, 2361, 2362); ThürOLG NJW-RR 2002, 970. 2 Dazu kritisch Peetz GmbHR 2003, 933 ff. 3 BGHZ 91, 148, 150 ff = GmbHR 1984, 316; Scholz/K. Schmidt Rn 107; MünchKomm/ Merkt Rn 122; aA die frühere Rechtsprechung. 4 U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 124. Zum Funktionswandel der Norm auch Beuthien GmbHR 2013, 1, 2 ff.

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§ 11 | Rechtszustand vor der Eintragung Heute kann ihr Sinn nur noch in einer ergänzenden Sicherung für Konstellationen erblickt werden, in denen eine Haftung der Vorgesellschaft und ihrer Gründer nicht in Betracht kommt, etwa weil der Handelnde seine Vertretungsmacht überschritten hat1 oder ein Rechtsgeschäft abgeschlossen wurde, zu dem die Gründergesellschafter ihre Zustimmung nicht erteilt hatten2. Darüber hinaus greift die Handelndenhaftung, wenn die Verbindlichkeit nicht auf die (eingetragene) GmbH übergeht oder die Vor-GmbH nicht zur Eintragung kommt, da erst dann deren verbliebene Funktion erfüllt ist und eine bloße falsus procurator-Haftung neben § 179 BGB die Existenz nicht zu rechtfertigen vermag3. 29 § 11 Abs. 2 ist nach BGH und hM analog auf die wirtschaftliche Neugründung

anzuwenden (vgl § 3 Rn 89, 101)4. Keine entsprechende Anwendung findet die Norm hingegen auf denjenigen, der für eine ausländische GmbH (zB englische Ltd) handelt, die im Inland ihrer Eintragungspflicht gemäß §§ 13d ff HGB nicht nachgekommen ist, da die analoge Anwendung des § 11 Abs. 2 eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 49, 54 AEUV5 beinhaltet6 (dazu auch Anh zu § 4a Rn 15). 2. Voraussetzungen der Handelndenhaftung

30 Handelnder iSv § 11 Abs. 2 ist nach heutigem Verständnis, wer als Geschäfts-

führer oder wie ein solcher (faktischer Geschäftsführer) tätig wird7, also auch der vermeintliche Geschäftsführer bei unwirksamer Bestellung)8, ein Gründer indes selbst dann nicht, wenn er zwar die Geschäftsaufnahme veranlasst hat, nicht aber zum Geschäftsführer bestellt worden ist9, es sei denn, er ist faktischer

1 BGHZ 155, 318, 327 = GmbHR 2003, 1125; B/H/Fastrich Rn 45; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 123; R/A/Roth Rn 22. 2 BGH ZIP 2004, 1409 (Vor-AG) mit zustimmender Anm Bayer LMK 2004, 209 = GmbHR 2004, 1151 mit Anm Bergmann. 3 U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 123 aE, 125 aE. 4 BGH GmbHR 2011, 1032, 1033 mit Anm Bayer; ebenso B/H/Fastrich Rn 46; R/S-L/ Schmitt-Leithoff Rn 109a; Lieder DStR 2012, 137, 140 mwN; vgl auch schon BGHZ 155, 318, 327; OLG Stuttgart GmbHR 1999, 610; KG GmbHR 1998, 739; aA noch OLG Brandenburg GmbHR 1998, 1031, 1032; OLG Koblenz GmbHR 1989, 374; OLG Hamburg GmbHR 1987, 477; kritisch U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 130; ablehnend Herresthal/Servatius ZIP 2012, 197, 203 f; Scholz/K. Schmidt Rn 109; MünchKomm/Merkt Rn 195 mwN. 5 Dazu näher Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 29 Rn 94. 6 BGH GmbHR 2005, 630; Eidenmüller NJW 2005, 1618 ff; vgl auch Scholz/K. Schmidt Rn 110; MünchKomm/Merkt Rn 125; aA Paefgen GmbHR 2005, 957 ff. 7 BGHZ 47, 25; BGHZ 91, 148, 150 f = GmbHR 1984, 316; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 133; Scholz/K. Schmidt Rn 104, 112 ff. 8 BGHZ 66, 359, 360. 9 Scholz/K. Schmidt Rn 116; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 135; MünchKomm/Merkt Rn 129.

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Geschäftsführer1. Nicht Handelnder sind Hilfspersonen, deren sich der Geschäftsführer bedient, auch nicht Bevollmächtigte, die für den Geschäftsführer handeln2; wohl aber der Geschäftsführer, der einen Bevollmächtigten für sich handeln lässt3. Mehrere Handelnde haften als Gesamtschuldner (§§ 421 ff BGB); Gesamtschuld liegt auch im Verhältnis zur Vorgesellschaft vor, soweit diese wirksam vertreten wurde4. Der Handelnde muss die betreffenden Rechtsgeschäfte durch seine Mitwirkung 31 beeinflusst oder ihren Abschluss zumindest gekannt und hingenommen haben5. Nicht ausreichend ist die nachträgliche Billigung6. Keine Haftung auch für Rechtsgeschäfte nach Amtsniederlegung7, auch nicht für Handlungen des alleinvertretungsberechtigten Mitgeschäftsführers ohne Kenntnis8, anders dagegen bei Ermächtigung des nur gesamtvertretungsberechtigten Mitgeschäftsführers zum alleinigen Handeln9. Erforderlich ist immer ein rechtsgeschäftliches Handeln10; für Verbindlichkei- 32 ten der Vorgesellschaft kraft Gesetzes (Beispiel: Sozialversicherungsbeiträge11 oder Steuern12) kommt eine Haftung nach § 11 Abs. 2 nicht in Betracht13, auch nicht für von Gesetzes wegen übergegangene Verbindlichkeiten (zB Altschulden gemäß § 25 HGB)14. Ausreichend ist aber ein rechtsgeschäftsähnliches Handeln (Beispiel: GoA)15. Dass der Handelnde Vertretungsmacht hat, ist gerade nicht

1 Scholz/K. Schmidt Rn 115; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 135; MünchKomm/Merkt Rn 129. 2 BGHZ 66, 359, 361; B/H/Fastrich Rn 47; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 134; Scholz/ K. Schmidt Rn 116. 3 BGHZ 53, 206, 208; OLG Hamm GmbHR 1997, 602 f; Scholz/K. Schmidt Rn 114 mwN. 4 B/H/Fastrich Rn 51; R/A/Roth Rn 32; aA (subsidiäre Haftung) Bergmann GmbHR 2003, 563 ff. 5 OLG Hamburg GmbHR 1986, 230; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 138. 6 BGHZ 47, 25, 28; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 138; Scholz/K. Schmidt Rn 114, 116. 7 BGH WM 1983, 230; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 138. 8 U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 138; Scholz/K. Schmidt Rn 114. 9 U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 138; Scholz/K. Schmidt Rn 114. 10 R/A/Roth Rn 35; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 136. 11 BAG GmbHR 1997, 694, 695; BSG GmbHR 1986, 228; OLG Saarbrücken GmbHR 1992, 307 mit Anm Jestaedt. 12 BFH GmbHR 1997, 187, 188. 13 Scholz/K. Schmidt Rn 117; B/H/Fastrich Rn 49; aA Jestaedt MDR 1996, 541; Schwab NZG 2012, 481 483 f. 14 LAG Thüringen NZA-RR 2001, 121; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 136; Scholz/ K. Schmidt Rn 117. 15 Michalski NZG 1998, 248 f; R/A/Roth Rn 35; OLG Karlsruhe GmbHR 1998, 239 (Bereicherung); wohl auch U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 136; aA Scholz/K. Schmidt Rn 117.

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§ 11 | Rechtszustand vor der Eintragung erforderlich (ganz hM) bzw ist deren Fehlen gerade Voraussetzung für § 11 Abs. 2 (Rn 28)1. 33 Die Haftung besteht nur gegenüber außenstehenden Dritten2, nicht auch ge-

genüber den Gesellschaftern in Frage, und zwar auch nicht im Falle von Drittgläubigerforderungen3; das folgt aus der Schutzfunktion dieser Haftungsvorschrift. Auch zum Beitritt entschlossene, mit den Verhältnissen der Gesellschaft vertraute Personen haben anders als außenstehende Dritte, die mit der Vorgesellschaft in rechtsgeschäftlichen Kontakt treten und regelmäßig nicht wissen können, ob die handelnden Organe mit Ermächtigung der Gründer handeln, keinen Anspruch gegen die Handelnden aus § 11 Abs. 24.

34 Ob „im Namen der (künftigen) GmbH“ gehandelt wurde oder „im Namen der

Vorgesellschaft“, ist nach heute hM unerheblich5. Die gegenteilige Auffassung6, die Handeln im Namen der künftigen GmbH verlangt, führt zu unhaltbaren Zufallsergebnissen und in der Praxis kaum lösbaren Abgrenzungsschwierigkeiten: denn auch sie hält Auslegung (§§ 133, 157 BGB) mit dem Ergebnis für möglich, dass zugleich im Namen der Vor-GmbH kontrahiert werde7. Haftung kann (nur) durch aufschiebende Bedingung vermieden werden (dh Wirksamkeit des Geschäfts erst mit Eintragung der GmbH)8. Bei Handeln im Rahmen der Vorgründungsgesellschaft gilt § 11 Abs. 2 nicht (Rn 3)9. 3. Umfang der Haftung

35 Für den Umfang der Haftung gilt, dass der Gläubiger nicht schlechter, aber auch

nicht besser gestellt werden soll, als wenn die GmbH bei Vertragsschluss bereits

1 BGHZ 80, 182, 183; Scholz/K. Schmidt Rn 119; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 139; MünchKomm/Merkt Rn 133; aA Beuthien GmbHR 2013, 1, 8 mwN. 2 BGH GmbHR 2004, 1151 mit Anm Bergmann (für Aufsichtsrat gemäß § 112 AktG); vgl weiter BGHZ 76, 320, 325 = GmbHR 1980, 202; OLG Karlsruhe GmbHR 1998, 239 f; BAG GmbHR 2000, 1041; Scholz/K. Schmidt Rn 117; MünchKomm/Merkt Rn 136. 3 BGHZ 76, 320, 325 = GmbHR 1980, 202; B/H/Fastrich Rn 49; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 140; MünchKomm/Merkt Rn 135; zweifelnd indes Scholz/K. Schmidt Rn 120; aA Riedel NJW 1970, 404 ff; wie hier aber auch K. Schmidt/Lutter/Drygala § 41 AktG Rn 28 aE. 4 BGH GmbHR 2004, 1151 (Vor-AG); dazu auch Bayer LMK 2004, 209; Gehrlein BB 2004, 2361; zustimmend U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 140 aE. 5 U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 137; MünchKomm/Merkt Rn 132; Scholz/K. Schmidt Rn 118; für AG auch Hüffer/Koch § 41 AktG Rn 22; MünchKomm/Pentz, § 41 AktG Rn 20, 139; KölnKomm/Arnold, § 41 AktG Rn 72. 6 So die frühere Rspr, zB BGHZ 72, 45, 47; OLG Hamm WM 1985, 658, 660 (Handeln im Namen der GmbH erforderlich); so auch noch R/A/Roth 22 aE, 24. 7 BGHZ 72, 45, 47; wohl auch BGHZ 91, 148, 149 = GmbHR 1984, 316. 8 Zutreffend U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 137; Scholz/K. Schmidt Rn 118. 9 BGHZ 91, 148, 150 f = GmbHR 1984, 316; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 131; B/H/Fastrich Rn 50 mwN.

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eingetragen gewesen wäre (allgemeine Meinung)1. Für die Haftung des Handelnden gilt daher dieselbe Verjährungsfrist wie für die GmbH nach ihrer Eintragung; der Handelnde kann alle ihre Einwendungen und Einreden geltend machen. Bei Dauerschuldverhältnissen haftet der Handelnde nicht für solche Verbindlichkeiten, die in die Zeit nach Entstehung der GmbH fallen2. Die Haftung kann durch Vereinbarung mit dem Gläubiger abbedungen werden3. Ohne Belang für die Haftung ist, ob der Dritte beim Geschäftsabschluss gewusst oder nicht gewusst hat, dass die GmbH noch nicht entstanden ist4. 4. Erlöschen der Haftung Die Haftung erlischt mit der Entstehung der GmbH durch ihre Eintragung im 36 Handelsregister; denn nunmehr wird der Zweck der Norm (Gläubigerschutz) durch die erfolgte Registerkontrolle ausgeglichen5. Ausnahmsweise erlischt die Handelndenhaftung nicht bei Eintragung, wenn der Handelnde die Vorgesellschaft und damit auch die eingetragene GmbH nicht wirksam hat verpflichten können, weil er keine Vertretungsmacht gehabt oder diese überschritten hat; ansonsten würden die betreffenden Gläubiger leer ausgehen6. Das Gleiche gilt, wenn der Handelnde sich für eine Schuld der GmbH i.G. zusätzlich vertraglich verpflichtet hat7. 5. Erstattungsanspruch Ein Erstattungsanspruch des Geschäftsführers gegen die Vorgesellschaft und 37 nach Eintragung gegen die GmbH ist fraglos gegeben (§§ 611, 675, 670 BGB); ebenso ein Freistellungsanspruch gemäß § 257 BGB8, ggf auch Ansprüche aus GoA9. Die Gesellschafter haften hierfür dem Geschäftsführer nach dem Konzept der Innenhaftung dagegen grundsätzlich nicht (hM)10; nur wenn ausnahmsweise eine Außenhaftung eingreift11. Wer dagegen – wie hier – dem Modell der gene1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

BGHZ 53, 210, 214; BGHZ 69, 95, 104; ausführlich MünchKomm/Merkt Rn 137 ff. BGHZ 70, 132, 141; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 143. BGHZ 53, 210, 213; BGH NJW 1973, 798; Scholz/K. Schmidt Rn 122. B/H/Fastrich Rn 48; Scholz/K. Schmidt Rn 105, 121 mwN; wohl auch R/A/Roth Rn 27. BGHZ 80, 182 = GmbHR 1981, 192; Scholz/K. Schmidt Rn 130 mwN. B/H/Fastrich Rn 53; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 147; R/A/Roth Rn 33; teilweise abweichend Scholz/K. Schmidt Rn 132; unentschieden MünchKomm/Merkt Rn 146. OLG Brandenburg GmbHR 2002, 1244. MünchKomm/Merkt Rn 144; Scholz/K. Schmidt Rn 126; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 149. U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 150; B/H/Fastrich Rn 54. B/H/Fastrich Rn 54; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 151; Heidinger GmbHR 2003, 189, 191. BGHZ 134, 333, 341 = GmbHR 1997, 405, 408 mit Anm Wilken; B/H/Fastrich Rn 54, 27; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 151.

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§ 11 | Rechtszustand vor der Eintragung rellen Außenhaftung folgt (Rn 22, 27), wird dem Geschäftsführer auch gegenüber den Gesellschaftern einen unmittelbaren Regress nicht verweigern können1. Nach allgemeiner Meinung kommt eine direkte Gesellschafterhaftung auch dann in Betracht, wenn eine entsprechende Zusage gemacht wurde2. Ob hierfür ausreicht, dass die Gründer die Geschäftsführer ausdrücklich anweisen, die Geschäfte aufzunehmen3, ist zweifelhaft4.

VI. Die Einpersonen-GmbH vor Eintragung Literatur: Heil Die Rechtsnatur der Einpersonen-Vor-GmbH, 2007; Merkt Die Einpersonen-Vor-GmbH im Spiegel der rechtswissenschaftlichen Diskussion, FS K. Schmidt, 2009, S. 1161.

38 Durch die anerkannte Rechtsfähigkeit der Vor-GmbH (Rn 5) entfallen in der

Praxis zahlreiche Probleme, die in der Vergangenheit zum dogmatischen Streit führten5. Im Ergebnis bestand und besteht Einigkeit, dass das Vermögen der Einpersonengesellschaft vom Privatvermögen des Gründers strikt zu trennen ist; die hL und wohl auch die Rspr sieht tendenziell auch die Einpersonengründungsgesellschaft als rechtsfähig an6, während die Gegenauffassung für ein organisatorisch verselbständigtes Sondervermögen des Einpersonengründers plädiert7. Im Ergebnis besteht indes Einigkeit, dass die rechtsgeschäftliche Einlageleistung vom Gründer an die Vorgesellschaft (vertreten durch den Geschäftsführer, ggf den Gesellschafter-Geschäftsführer selbst) in nachvollziehbarer und nach außen hin erkennbarer Weise vorzunehmen ist8. Die strikte Vermögenstrennung bedeutet auch, dass zum einen Verbindlichkeiten des Einpersonengründers, die vor Errichtung der Vor-GmbH entstanden sind, nicht automatisch übergehen9, sondern nur durch besonderes Rechtsgeschäft (vgl Rn 2), zum anderen Privatgläubiger des Gründers nicht direkt auf das Vermögen der Vor-GmbH zugreifen können (dagegen Drittwiderspruchsklage gemäß § 771 ZPO)10; möglich ist aller1 So auch Scholz/K. Schmidt Rn 127 f; R/A/Roth Rn 34. 2 BGHZ 86, 122, 126 = GmbHR 1983, 46; Scholz/K. Schmidt Rn 126; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 149. 3 So noch BGHZ 86, 122, 126 = GmbHR 1983, 46, 47. 4 Ebenso B/H/Fastrich Rn 54. 5 Dazu ausführlich etwa Scholz/K. Schmidt Rn 165 ff; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 21 ff; R/A/Roth Rn 76 ff. 6 BGH GmbHR 1999, 612; LG Berlin GmbHR 2001, 391, 392; B/H/Fastrich Rn 42; Scholz/ K. Schmidt 169; im Ergebnis auch R/A/Roth Rn 76 ff; R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 142; Petersen NZG 2004, 400, 405 ff. 7 So etwa U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 24 f; Ulmer/Ihrig GmbHR 1988, 376 ff. 8 BayObLG GmbHR 1994, 329; B/H/Fastrich Rn 43; Scholz/K. Schmidt Rn 171; im Ergebnis auch U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 95. 9 BGH GmbHR 2001, 293; OLG Hamm GmbHR 1993, 105; B/H/Fastrich Rn 43. 10 R/A/Roth Rn 82; Scholz/K. Schmidt Rn 169.

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dings die Pfändung der „Mitgliedschaft“ des Gründers an der Vorgesellschaft1, wobei die Frage der Verwertung allerdings noch nicht ausdiskutiert ist (Auflösung Vorgesellschaft oder Erwerb Anteil?). Ebenso wie die Mehrpersonen-Vorgesellschaft kann auch die Einpersonen-Vor- 39 gesellschaft unbeschränkt am Rechtsverkehr teilnehmen2. Auch ein Alleingesellschafter kann sich selbst zum Geschäftsführer bestellen, wobei dann aber § 35 Abs. 3 zu beachten ist3. Vor Eintragung gilt Verlustdeckungshaftung des Gesellschafters (dazu Rn 18 ff)4. § 11 Abs. 2 findet Anwendung5. Mit Eintragung wird die Vorgesellschaft zur Einpersonen-GmbH; die Rechts- und Pflichtenstellung geht nunmehr genauso wie bei der Mehrpersonengesellschaft über6. Die direkte Haftung von Gesellschafter und Geschäftsführer erlischt und wird durch die Vorbelastungshaftung ersetzt7 (ausführlich Rn 41 ff). Wird die Gründung aufgegeben oder die beantragte Eintragung im Handels- 40 register endgültig abgelehnt, so fallen alle Aktiva und Passiva der Vorgesellschaft hier ipso iure und ohne Liquidation dem Gründer an8; da dieser sowieso zum Verlustausgleich verpflichtet ist (Rn 24), besteht kein Grund mehr zur Vermögenstrennung.

VII. Vorbelastungshaftung (vormals Differenzhaftung; auch „Unterbilanzhaftung“) Literatur: Bayer/Lieder Vorbelastungshaftung und Vorbelastungsbilanz, insbesondere bei späterer Auffüllung des Haftungsfonds, ZGR 2006, 875; Hüttemann Vorbelastungshaftung, Vorbelastungsbilanz und Unternehmensbewertung, FS Huber, 2006, S. 757; Lieb Zum Spannungsverhältnis zwischen Vorbelastungshaftung und Differenzhaftung – Versuch einer Harmonisierung, FS Zöllner, 1998, S. 347; Lutter Das überholte Thesaurierungsgebot bei Eintragung einer Kapitalgesellschaft im Handelsregister, NJW 1989, 2649; Luttermann/Lingl Unterbilanzhaftung, Organisationseinheit der Vor-GmbH und Haftungskonzept, NZG 2006, 454; Priester Vorbelastungshaftung und anschließende Gewin1 2 3 4 5 6 7 8

LG Berlin GmbHR 1988, 70, 71; Scholz/K. Schmidt Rn 169, 172. OLG Köln GmbHR 1997, 546; B/H/Fastrich Rn 43; Scholz/K. Schmidt Rn 169 f. Scholz/K. Schmidt Rn 170; B/H/Fastrich Rn 43; aA R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 149. Hier stets (auch nach hM) als Außenhaftung: BGHZ 134, 333, 341 = GmbHR 1997, 405, 408 mit Anm Wilken; Scholz/K. Schmidt Rn 175; B/H/Fastrich Rn 44 mwN. BGHZ 91, 148, 149 = GmbHR 1984, 316; Scholz/K. Schmidt Rn 176; MünchKomm/ Merkt Rn 218. R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 151; B/H/Fastrich Rn 43; MünchKomm/Merkt Rn 219; nur i. E. Scholz/K. Schmidt Rn 177. B/H/Fastrich Rn 44; Scholz/K. Schmidt Rn 178; MünchKomm/Merkt Rn 220. BGH GmbHR 1999, 612; LG Berlin GmbHR 2001, 391, 392; BayObLG GmbHR 1987, 393; MünchKomm/Merkt Rn 203; K. Schmidt GmbHR 1988, 89 ff; Ulmer/Ihrig GmbHR 1988, 373, 383; kritisch Petersen NZG 2004, 400, 405 ff; zweifelnd auch B/H/Fastrich Rn 44.

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§ 11 | Rechtszustand vor der Eintragung ne, FS Ulmer, 2003, S. 477; Weitemeyer Die Unterbilanzhaftung bei „Start-Up-Unternehmen“, NZG 2006, 648; Zöllner Die sogenannte Gründerhaftung, FS Wiedemann, 2002, S. 1383.

1. Grundsatz 41 Mit ihrer Eintragung im Handelsregister wird die Vorgesellschaft zur GmbH

mit allen in der Vorgesellschaft bereits entstandenen Rechten und Pflichten. Diese können in der Summe positiv, aber eben auch negativ sein und dann die volle Deckung des Kapitals verhindern. Das Stammkapital muss aber im Augenblick der Entstehung der GmbH (nicht: der Vorgesellschaft) vollständig vorhanden sein (sog Unversehrtheitsgrundsatz)1. Diese Gefahr der Unterdeckung des Kapitals sollte früher durch die Einschränkung der Handlungsfähigkeit der Vorgesellschaft (sog Vorbelastungsverbot) verhindert werden2 und wird jetzt durch eine richterrechtlich begründete Vorbelastungshaftung der Gründer in bar ausgeglichen (allgemeine Meinung)3. Diese Vorbelastungshaftung ist nach allgemeiner Meinung eine Innenhaftung4 und ersetzt nach zutreffender Auffassung die richtigerweise (Rn 22, 27) vorher bestehende Außenhaftung der Gesellschafter. Maßgebend ist nach ganz hM der Zeitpunkt der Eintragung der GmbH im Handelsregister5. Auch für Sacheinlagen gilt keine Ausnahme: Dass die GmbH das Risiko einer Entwertung der Sache zwischen Anmeldung und Eintragung zu tragen hat (vgl § 9 Rn 5), bedeutet nur, dass der einlagepflichtige Gesellschafter befreit ist (er hat erfüllt); die im Interesse der Gläubiger einsetzende Vorbelastungshaftung trifft jedoch nunmehr alle Gesellschafter. Zur Unterbilanzhaftung im Rahmen der wirtschaftlichen Neugründung: ausführlich § 3 Rn 89 ff mwN. 2. Einzelfragen

42 Beträgt im Zeitpunkt der Eintragung (Rn 41) das Nettovermögen der GmbH (zu

sog Fortführungswerten, also Zwischenbilanz nach handelsrechtlichen Grund1 BGHZ 80, 129, 136 = GmbHR 1981, 114, 115; BGHZ 124, 282, 285 = GmbHR 1994, 176; GmbHR 1997, 1145; Lutter NJW 1989, 2649; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 98; Scholz/ K. Schmidt Rn 134. 2 Dazu G. Hueck FS GmbHG, 1992, S. 127, 138 ff; MünchKomm/Merkt Rn 55 ff. 3 BGHZ 80, 129, 140 = GmbHR 1981, 114, 115; BGHZ 105, 300 = GmbHR 1989, 74; BGHZ 134, 333, 338 = GmbHR 1997, 405, 408 mit Anm Wilken; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 100. 4 BGH GmbHR 2006, 88; ausführlich Zöllner FS Wiedemann, 2002, S. 1384, 1413; Scholz/ K. Schmidt Rn 142; B/H/Fastrich Rn 61; kritisch Wilhelm EWiR 2006, 143; aA Kleindiek ZGR 1997, 427, 442. 5 BGH GmbHR 2003, 466; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 104; R/A/Roth Rn 12; differenzierend Scholz/K. Schmidt Rn 141.

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sätzen)1 weniger als die Kapitalziffer, so haften die Gesellschafter – allerdings nur soweit sie der Geschäftsaufnahme zugestimmt haben (!)2 – entsprechend § 9 und nach dem Verhältnis ihrer Geschäftsanteile (pro rata)3 auf die volle Differenz, also (zB bei Überschuldung im Augenblick der Eintragung) ggf auch auf mehr als die Ziffer des Stammkapitals4. Eine Begrenzung der Haftung ist aus Gründen der Gesamtverantwortung der Gesellschafter für die Unversehrtheit des Stammkapitals bis zum Zeitpunkt der Eintragung im Handelsregister abzulehnen (dazu auch § 24 Rn 8)5. Ist die Gesellschaft schon vor der Eintragung unternehmerisch tätig geworden, 43 so stellt die so geschaffene Organisationseinheit einen eigenen Vermögenswert dar; bei positiver Fortbestehensprognose ist daher der Unternehmenswert nach der Ertragswertmethode festzustellen6. Nach zutreffender Auffassung des II. ZS des BGH liegt eine entsprechend strukturierte und in das Marktgeschehen eingebettete Organisationseinheit jedoch nur dann und ausnahmsweise vor, wenn sich das von den Gründungsgesellschaftern der Vorgesellschaft verfolgte geschäftliche Konzept am Markt bewährt hat (sog Markttest)7. Diese strengen Grundsätze gelten auch für Start-Up-Unternehmen8. Eine strukturierte Organisationseinheit liegt hingegen nicht vor, wenn sich das Unternehmen noch in der Vorbereitungsphase (Einstellung von Personal, Anmietung von Büroflächen)9 befindet.

1 Wolfensteiner FS Helmrich, 1993, S. 755; Priester ZIP 1994, 413, 415; ebenso OLG Celle GmbHR 2000, 1265, 1266. 2 Richtig BGHZ 105, 300, 303 = GmbHR 1989, 74; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 102, 107 aE; wohl auch R/A/Roth Rn 12a; für die AG auch OLG Hamm NZG 2002, 867. Daher wichtig: keine generelle Zustimmung der Gesellschafter, sondern Beschränkung der Vertretungsmacht der Geschäftsführer (Rn 17). 3 BGHZ 80, 129, 141 = GmbHR 1981, 114; OLG Köln NZG 2002, 870, 871; Scholz/ K. Schmidt Rn 143. 4 BGH GmbHR 1982, 235; BGHZ 105, 300, 303; Bayer FS Röhricht, 2005, S. 25, 34; R/S-L/ Schmidt-Leithoff Rn 28; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 105, 107; teilweise abweichend Scholz/K. Schmidt Rn 146. 5 Ausführlich Bayer FS Röhricht, 2005, S. 25, 34; zustimmend R/A/Roth Rn 15 ff. 6 BGH GmbHR 1999, 31 und dazu Fleischer GmbHR 1999, 752 ff sowie Habersack/Lüssow NZG 1999, 629 ff; BGH WM 2002, 967 mit insoweit zustimmender Anm Bayer/Pielka WuB II C. § 55 GmbHG 1.02; BGHZ 165, 391, 398 mit ausführlicher Besprechung Bayer/Lieder ZGR 2006, 875, 892; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 108 f; kritisch Werner GmbHR 2006, 486. 7 BGHZ 165, 391, 397 = GmbHR 2006, 482; zustimmend Bayer/Lieder ZGR 2006, 875, 896; kritisch Naraschewski EWiR 2006, 565; teilweise abweichend Hüttemann FS Huber, 2006, S. 757, 770. 8 BGHZ 165, 391 = GmbHR 2006, 482; Bayer/Lieder ZGR 2006, 875, 896; Weitemeyer NZG 2006, 648, 650. 9 Weitere Beispiele bei Luttermann/Lingl NZG 2006, 454, 455.

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§ 11 | Rechtszustand vor der Eintragung 44 Dem Nettowert dürfen die in der Satzung aufgeführten Gründungskosten1 (No-

tar-, Register- und Grundbuchkosten) sowie etwaige Steuern hinzugerechnet werden2. Sehr problematisch aber ist, ob diese Zurechnung auch für die Anlaufkosten gilt; dagegen spricht ihre Wertlosigkeit im Zusammenbruch der GmbH und deshalb wird man sich für Nichtberücksichtigung entscheiden müssen (was dann praktisch bei jeder Geschäftsaufnahme vor Eintragung zur Unterbilanzhaftung führt, soweit nicht durch ein Agio ausgeglichen)3.

45 Gesellschafterdarlehen waren schon nach früherer Rechtslage zu passivieren4;

das war problematisch, da die Gesellschafter für den eingetretenen Verlust doppelt haften mussten: mit dem Gesellschafterdarlehen und für die durch ihre Passivierung erhöhte Unterbilanz5. Selbst ein förmlicher Rangrücktritt konnte die Passivierungspflicht nach hM nicht beseitigen6. Hieran hat sich auch durch das MoMiG nichts geändert7 (vgl aber auch § 42 Rn 60, Anh zu § 64 Rn 41).

46 Hat die Vorgesellschaft schon vor der Anmeldung von ihren Handlungsmög-

lichkeiten Gebrauch gemacht mit der Folge einer Unterdeckung ihres Kapitals, so entsteht der Anspruch der GmbH auf Ausgleich dieser Differenz in seiner dann feststellbaren Höhe bereits mit der eintragungsreifen Anmeldung8 und ist sofort fällig9: Denn für diesen Zeitpunkt muss der Geschäftsführer die vollständige Deckung des Kapitals inkl des Ausgleichs einer Unterbilanz versichern (§ 8 Rn 12), was bedeutet, dass die Gesellschaft in der Lage sein muss, ihren Anspruch zu diesem Zeitpunkt auch realisieren zu können. Der Anspruch der GmbH auf Ausgleich etwaiger weiterer Verluste aus der Tätigkeit der Vorgesellschaft zwischen Anmeldung und Eintragung entsteht dagegen – notwendigerweise – erst mit ihrer Eintragung10:

47 Der Anspruch geht auf Leistung fehlender Einlage und unterliegt nach Auffas-

sung des BGH den strengen Regeln der Kapitalaufbringung11. Das bedeutet: Der 1 BGH GmbHR 1997, 1145. 2 R/A/Roth Rn 13; B/H/Fastrich Rn 64; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 106. 3 So auch U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 109; Zöllner FS Wiedemann, 2002, S. 1384, 1393 f; R/A/Roth Rn 13a; vgl auch LG Berlin GmbHR 1999, 1034; aA Priester ZIP 1982, 1141, 1142 f; einschränkend für Entwertung von Sacheinlagen Lieb FS Zöllner, 1998, S. 347, 353 ff. 4 BGH GmbHR 1994, 176; zustimmend Priester ZIP 1994, 413, 414. 5 Vgl OLG München GmbHR 2001, 628. 6 OLG Naumburg GmbHR 1999, 665; aA Priester ZIP 1994, 413, 417; offen BGH GmbHR 1994, 176. 7 So auch U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 111; vgl weiter Scholz/K. Schmidt Rn 144. 8 Zutreffend Scholz/K. Schmidt Rn 142. 9 Abweichend U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 112: erst im Zeitpunkt der Eintragung. 10 OLG Düsseldorf GmbHR 1993, 104 f. 11 BGHZ 165, 391 = GmbHR 2006, 482; BGHZ 124, 282, 286; Scholz/K. Schmidt Rn 143; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 101.

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Anspruch gegen die Gründungsgesellschafter geht nach hM nicht automatisch unter, wenn die im Zeitpunkt der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister bestehende Unterbilanz zu einem späteren Zeitpunkt anderweitig ausgeglichen wird und die GmbH daraufhin über ein die Stammkapitalziffer deckendes Gesellschaftsvermögen verfügt1. Diese Auffassung überzeugt nicht. Die Argumente des BGH aus den Balsam/Procedo-Entscheidungen2 (dazu § 31 Rn 12 f) treffen auf die Vorbelastungshaftung nicht zu3. Auch der mit der Vorbelastungshaftung bezweckte Gläubigerschutz erfordert dieses strenge Haftungsregime nicht. Vielmehr handelt es sich bei der Vorbelastungshaftung um ein Institut mit eigenständigem Haftungsgrund, was die autonome Behandlung des Anspruches rechtfertigt4. Lediglich einzelne Vorschriften des Kapitalaufbringungsrechts sind daher wegen 48 ihrer vergleichbaren Interessenlage auf die Ansprüche aus Vorbelastungshaftung analog anzuwenden. Hierzu zählen die Verzichts- und Vergleichsverbote der §§ 9b, 19 Abs. 2, die Vorschriften über die Ausfallhaftung der Mitgesellschafter aus § 245 sowie die Verjährungsvorschrift des § 9 Abs. 2 (10 Jahre seit der Entstehung der GmbH)6. Die Vorbelastungshaftung entfällt ex lege, soweit der GmbH Vermögen zugeführt wird, das die Stammkapitalziffer wieder auffüllt. Dies gilt speziell für erwirtschaftete Gewinne. Entgegen der Auffassung des II. ZS des BGH7 und einem Teil des Schrifttums8 ist dem Gesellschafter auch eine Aufrechnung mit dem Anspruch der Gesellschaft aus der Vorbelastungshaftung nicht generell versagt, sondern muss dann zulässig sein, wenn die Gegenforderung des Gesellschafters vollwertig, fällig und liquide ist; denn im Rahmen der Vorbelastungshaftung ist es anders als im Falle der Kapitalaufbringung ohne Be1 BGHZ 165, 391; zustimmend Gehrlein BB 2006, 910; Luttermann/Lingl NZG 2006, 454, 455; Weitemeyer NZG 2006, 648, 650; Werner GmbHR 2006, 486, 487; R/A/Roth Rn 13a; ähnlich B/H/Fastrich Rn 64; aA mit ausführlicher Begründung Bayer/Lieder ZGR 2006, 875, 878 ff; ebenso Scholz/K. Schmidt Rn 150; vgl auch noch U/H/W/Ulmer Rn 105 (anders aber nunmehr U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 105). 2 BGHZ 144, 336 = GmbHR 2000, 771 und BGH ZIP 2000, 1256. 3 Ausführlich Bayer/Lieder ZGR 2006, 875, 883 sowie bereits Priester FS Ulmer, 2003, S. 477 ff; ebenso Scholz/K. Schmidt Rn 150. 4 Bayer/Lieder ZGR 2006, 875, 880; Priester FS Ulmer, 2003, S. 477 ff; vgl auch R/A/Roth Rn 13 aE; unentschieden MünchKomm/Merkt Rn 168. 5 BGHZ 80, 129, 141 = GmbHR 1981, 114; BGH GmbHR 2003, 466; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 101; Scholz/K. Schmidt Rn 150. 6 BGHZ 105, 300, 304 = GmbHR 1989, 74; ThürOLG WM 2007, 77; OLG Köln GmbHR 2008, 704; ausführlich Bayer FS Röhricht, 2005, S. 25, 33; nunmehr auch B/H/Fastrich Rn 64; R/A/Roth Rn 17a. Zum Beginn der fünfjährigen Verjährungsfrist analog § 9 Abs. 2 aF für die Unterbilanzhaftung in Altfällen BGH GmbHR 2008, 208; Schmid GmbHR 2008, 653; aA fünfjährige Verjährung analog §§ 26, 159, 160 HGB, § 736 Abs. 2 BGB) Scholz/K. Schmidt Rn 149. 7 BGHZ 165, 391 = GmbHR 2006, 482. 8 Weitemeyer NZG 2006, 648, 650.

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§ 11 | Rechtszustand vor der Eintragung lang, in welcher Form der durch die Geschäftstätigkeit der Vorgesellschaft entstandene Fehlbetrag ausgeglichen wird1. 49 Die Vorbelastungshaftung erfasst das ganze Vermögen der GmbH, also auch et-

waige Sacheinlagen2, doch hat für Wertverluste bis zum Zeitpunkt der Anmeldung zunächst der betreffende Inferent einzustehen (vgl § 9 Rn 5 f)3. Der Anspruch wird vom Geschäftsführer oder dem Insolvenzverwalter geltend gemacht und ist in der Bilanz zu aktivieren4; in diesem Fall gilt § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB. In der Praxis wird die Aktivierung jedoch meist unterbleiben; der Geschäftsführer haftet dann und generell bei unterlassener Geltendmachung gemäß § 435.

50 Die Darlegungs- und Beweislast für das Eingreifen der Vorbelastungshaftung

liegt grundsätzlich bei der Gesellschaft6 – im Insolvenzfall also beim Insolvenzverwalter. Aus Gründen der Beweissicherung sollten die Gesellschafter allerdings auf einer gesonderten Bilanz zum Tag der Eintragung der GmbH bestehen; andernfalls kann sich die Beweislast zu ihrem Nachteil verändern7 (sog sekundäre Darlegungs- und Beweislast), wenn sich nämlich aus den dem Insolvenzverwalter zugänglichen Unterlagen hinreichende Anhaltspunkte dafür ergeben, dass das Stammkapital der Gesellschaft im Gründungsstadium angegriffen oder verbraucht wurde oder sogar ein darüber hinausgehender Verlust entstanden ist8. Die Gesellschafter müssen in diesem Fall darlegen und beweisen, dass eine Unterbilanz nicht bestanden und hinsichtlich der Bewertungsmethode, dass schon vor der Eintragung eine strukturierte Organisationseinheit mit eigenständigem Unternehmenswert existiert hat9. Für haftungsausschließende Tatsachen (zB fehlendes Einverständnis zur Geschäftsaufnahme) trägt der Gesellschafter die Beweislast10.

1 Dazu ausführlich Bayer/Lieder ZGR 2006, 875, 889; ebenso Luttermann/Lingl NZG 2006, 454, 455; zustimmend Scholz/K. Schmidt Rn 150; wohl auch R/A/Roth Rn 13a. 2 Abweichend – aber unzutreffend – R/S-L/Schmidt-Leithoff Rn 30. 3 Ebenso Scholz/K. Schmidt Rn 148; wohl auch R/A/Roth Rn 9 aE. 4 Richtig Priester FS Ulmer, 2003, S. 477, 484 f. 5 Scholz/K. Schmidt Rn 149 aE. 6 BGH NJW 1998, 233, 234; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 117; Scholz/K. Schmidt Rn 143; ausführlich Bayer/Illhardt GmbHR 2011, 505, 507; Bayer/Lieder ZGR 2006, 875, 897 ff; aA R/A/Roth Rn 18. 7 BGHZ 165, 391, 398 = GmbHR 2006, 482; BGH GmbHR 2003, 466, 467 mit zustimmender Anm Schulze. 8 BGH GmbHR 2003, 466, 467; BGHZ 165, 391, 395 = GmbHR 2006, 482, 484 f; OLG Köln GmbHR 1995, 449, 450; ThürOLG GmbHR 2004, 1468 (LS); OLG Brandenburg GmbHR 2010, 200 f; Bayer/Illhardt GmbHR 2011, 505, 507 mwN. 9 BGHZ 165, 391, 398 = GmbHR 2006, 482; ausführlich Bayer/Lieder ZGR 2006, 875, 878; vgl auch MünchKomm/Merkt Rn 166. 10 U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 117; B/H/Fastrich Rn 65; Bayer/IIlhardt GmbHR 2011, 505, 508.

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Rechtszustand vor der Eintragung | § 11

3. Vorbelastungshaftung und Eintragung im Handelsregister Verluste vor Anmeldung sind zuvor auszugleichen und der Ausgleich vom Ge- 51 schäftsführer zu versichern (Rn 46 und § 8 Rn 12)1. Verluste nach Anmeldung hat das Registergericht hingegen nicht zu prüfen (§ 8 Rn 12)2; denn ein vollwertiger Anspruch der GmbH gegen die Gesellschafter, der zudem §§ 19, 24 unterliegt, sichert hinreichend die wertmäßige Unversehrtheit des Kapitals; das ist hier nicht anders als bei §§ 7 Abs. 2 Satz 1 und 93. Die nach Anmeldung eintretenden Vorbelastungen stehen einer Eintragung demnach nicht entgegen (vgl auch § 9c Rn 19)4; nur ausnahmsweise kann das Registergericht die Eintragung ablehnen, wenn es begründete Zweifel hat, ob die Gründer auch diesen späteren Teil der Vorbelastungshaftung ausgleichen können5.

VIII. GmbH & Co KG Eine GmbH & Co KG kann entweder im Wege der Neugründung von KG und 52 GmbH oder aus einer bestehenden KG heraus erfolgen. Besonderheiten resultieren daraus, dass im ersten Fall sowohl GmbH als auch KG gegründet und eingetragen werden müssen. Die KG entsteht als Personengesellschaft im Innenverhältnis mit Vertragsschluss, nach außen jedoch erst durch die Eintragung oder bereits vorher durch einvernehmliche Aufnahme der Geschäftstätigkeit6. Die Komplementärfähigkeit der Vor-GmbH wird von Rechtsprechung und 53 Schrifttum bejaht (vgl auch Rn 8, 16)7. Handelt es sich bei der Vorgründungsgesellschaft um eine Innen-GbR, ist diese jedoch nicht als Komplementärin geeignet8. Liegt hingegen eine Außen-GbR vor, so kann diese in die Stellung eines Komplementärs eintreten (vgl § 2 Rn 11)9. Die KG kann vor der GmbH in das 1 B/H/Fastrich Rn 63; Scholz/K. Schmidt Rn 138. 2 Wie hier U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 113; Scholz/K. Schmidt Rn 138; B/H/Fastrich Rn 63; aA MünchKomm/Merkt Rn 171; unklar R/A/Roth Rn 20. 3 BGHZ 80, 129, 140 = GmbHR 1981, 114, 115. 4 U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 115; B/H/Fastrich § 11 Rn 63, § 9c Rn 12; R/S-L/SchmidtLeithoff § 9c Rn 30; OLG Düsseldorf GmbHR 1997, 70; für AG auch Hüffer/Koch § 38 AktG Rn 10; KölnKomm/Arnold § 38 AktG Rn 8; K. Schmidt/Lutter/Kleindiek § 38 AktG Rn 7; Großkomm/Röhricht § 38 AktG Rn 13; R/A/Roth § 9c Rn 13; MünchKomm/Merkt Rn 171. 5 B/H/Fastrich Rn 63; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 116; Scholz/K. Schmidt Rn 138 aE. 6 U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 159; MünchKomm/Merkt Rn 223. 7 BGHZ 80, 129, 132 ff = GmbHR 1981, 114, 115; BGH GmbHR 1985, 153; U/H/L/Ulmer/ Habersack Rn 160; Scholz/K. Schmidt Rn 182. 8 Scholz/K. Schmidt Rn 183. 9 U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 160; da die Vor-GmbH jedoch nicht Rechtsnachfolger der Vorgründungsgesellschaft ist (vgl Rn 2), gehen Aktiva und Passiva nicht auf die VorGmbH über; anders wohl MünchKomm/Merkt Rn 227.

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§ 11 | Rechtszustand vor der Eintragung Handelsregister eingetragen werden1, nach der Eintragung der GmbH ist dann das Handelsregister zu berichtigen2. 54 Ist die GmbH bereits eingetragen, die KG hingegen noch nicht, ist zunächst zu

klären, in welcher Rechtsform die Personengesellschaft vorliegt. Die Eintragung der KG ist lediglich deklaratorisch, wenn der Geschäftszweck auf den Betrieb eines Handelsgewerbes iSd § 1 HGB ausgelegt ist3. Wird hingegen ein Gewerbe iSd §§ 2, 3 HGB betrieben, ist die KG bis zur konstitutiv wirkenden Eintragung eine GbR4 (mit allen sich aus der fehlenden Kaufmannseigenschaft und der Haftungsverfassung der GbR ergebenden Konsequenzen)5. Wird ein Gewerbe gemäß § 1 HGB betrieben, ergibt sich die Haftung aus dem Recht der KG6, so dass insbesondere die §§ 161, 128, 176 Abs. 1 HGB zu beachten sind. Die Haftung aus § 176 Abs. 1 HGB kann nach überwiegender Ansicht durch die Verwendung einer GmbH & Co KG-Firma vermieden werden (Rn 16)7. Liegt hingegen ein kannkaufmännisches Gewerbe iSd §§ 2, 3 HGB vor, so findet das Recht der GbR Anwendung.

55 Ist die Eintragung der KG bereits erfolgt, die GmbH hingegen noch nicht ein-

getragen, so haften die Kommanditisten gemäß §§ 171 ff HGB beschränkt. Für die Haftung der Vor-GmbH finden die zuvor dargestellten Grundsätze (s. insbesondere Rn 18 ff und Rn 28 ff) uneingeschränkte Anwendung8. Da zur Aufnahme der Geschäfte der Vor-GmbH vor erfolgter Eintragung die Zustimmung der Gesellschafter nötig ist (Rn 17), bedarf auch die Übernahme der Komplementärfunktion dieser Zustimmung9, da die Vor-GmbH nach der Verfassung der Personengesellschaft für die Verbindlichkeiten der KG haftet.

56 Solange weder die KG noch die GmbH eingetragen sind, liegen die beiden be-

schriebenen Haftungslagen kumulativ vor10. Die GmbH-Gesellschafter haften nach den Regeln der Vor-GmbH, die Gesellschafter der KG bzw GbR nach den entsprechenden Regeln. Sind die Gesellschafter von Vor-GmbH und KG/GbR identisch, so haften sie nach beiden Haftungsregimen.

1 BGH GmbHR 1985, 153; Scholz/K. Schmidt Rn 182; B/H/Fastrich Rn 70; MünchKomm/Merkt Rn 224. 2 MünchKomm/Merkt Rn 224; B/H/Fastrich Rn 70. 3 Scholz/K. Schmidt Rn 181; MünchKomm/Merkt, Rn 223. 4 Scholz/K. Schmidt Rn 185; R/A/Roth Rn 89 f. 5 Dazu MünchKomm/Merkt Rn 233 ff; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 161. 6 B/H/Fastrich Rn 71; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 171. 7 MünchKomm/Merkt Rn 232; B/H/Fastrich Rn 71; Scholz/K. Schmidt Rn 186. 8 R/A/Roth Rn 92, 94; Scholz/K. Schmidt Rn 188; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 166 ff. 9 BGHZ 80, 129, 139 = GmbHR 1981, 114; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 160; für eine Beschränkung lediglich im Innenverhältnis Scholz/K. Schmidt Rn 182; B/H/Fastrich Rn 70. 10 B/H/Fastrich Rn 72; Scholz/K. Schmidt Rn 190 f; MünchKomm/Merkt Rn 236.

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Bekanntmachungen der Gesellschaft | § 12

§ 12 Bekanntmachungen der Gesellschaft Bestimmt das Gesetz oder der Gesellschaftsvertrag, dass von der Gesellschaft etwas bekannt zu machen ist, so erfolgt die Bekanntmachung im Bundesanzeiger (Gesellschaftsblatt). Daneben kann der Gesellschaftsvertrag andere öffentliche Blätter oder elektronische Informationsmedien als Gesellschaftsblätter bezeichnen. Vorschrift eingeführt durch Justizkommunikationsgesetz (JKomG) vom 22.3.2005 (BGBl I 837); früherer Satz 3 eingeführt durch das EHUG vom 10.11.2006 (BGBl I 2553); ehemals Vorschrift über Zweigniederlassung, aufgehoben durch Gesetz zur Durchführung der Elften gesellschaftsrechtlichen Richtlinie vom 22.7.1993 (BGBl I 1282); amtliche Überschrift ergänzt durch MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl I 2026). Satz 1 geändert und früherer Satz 3 aufgehoben durch BAnzDiG vom 22.12.2011 (BGBl I 3044). 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . 3. Bekanntmachung in anderen Blättern . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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4. Anpassung von Satzungsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . .

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6

Literatur: Apfelbaum Wichtige Änderungen für Notare durch das EHUG jenseits der elektronischen Handelsregisteranmeldung, DNotZ 2007, 166; Krafka Gesellschaftsrechtliche Auswirkungen des Justizkommunikationsgesetzes, MittBayNotZ 2005, 293; Noack Pflichtbekanntmachungen bei der GmbH: Neue Regeln durch das Justizkommunikationsgesetz, DB 2005, 599; Noack Neue Publizitätspflichten und Publizitätsmedien für Unternehmen – eine Bestandsaufnahme nach EHUG und TUG, WM 2007, 377; Stuppi Bekanntmachungen der GmbH nach § 12 GmbHG, GmbHR 2006, 138.

1. Überblick Gemäß § 12 Satz 1 haben Bekanntmachungen bei der GmbH seit dem 1.5.2005 1 aufgrund des Justizkommunikationsgesetzes1 zwingend im Bundesanzeiger zu erfolgen2, und zwar in deutscher Sprache3. Die Vorschrift dient der Vereinfachung der Regelungen über die Pflichtbekanntmachungen, indem auch bei der GmbH als Basis-Gesellschaftsblatt der Bundesanzeiger bezeichnet wird4. Damit folgt der Gesetzgeber dem Vorbild des Aktienrechts, welches durch das TransPuG eine entsprechende Pflicht für die AG bereits seit dem 1.1.2003 vorsieht (§ 25 AktG). Die Bekanntmachungen des Registergerichts über den Inhalt der 1 2 3 4

JKomG vom 22.3.2005, BGBl I 837. MünchKomm/Wicke Rn 4; Scholz/Veil Rn 2. R/A/Roth Rn 4; vgl auch Hüffer/Koch § 25 AktG Rn 4. BegrRegE BT-Drucks 15/4067, S. 56 sowie BegrRegE BT-Drucks 17/6610, S. 1.

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§ 12 | Bekanntmachungen der Gesellschaft Eintragungen in das Handelsregister sind aufgrund der durch das EHUG1 erfolgten Umsetzung der reformierten EU-Publizitätsrichtlinie2 seit dem 1.1.2007 gemäß § 10 HGB elektronisch zu veröffentlichen. 2 Über die Pflicht zur Veröffentlichung im Bundesanzeiger hinaus sieht § 12

Satz 2 die Möglichkeit vor, im Gesellschaftsvertrag weitere Medien zu bestimmen, in denen Bekanntmachungen der Gesellschaft erfolgen. Durch das BAnzDiG vom 22.12.2011 (BGBl 1 3044)3 wurde die Parallelität des gedruckten und elektronischen Bundesanzeigers aufgehoben4. Seit dem 1.4.2012 bedeutet Bundesanzeiger also stets elektronischer Bundesanzeiger. § 12 Satz 3 aF hatte damit keinen eigenständigen Inhalt mehr und wurde aufgehoben.

2. Anwendungsbereich 3 Gemäß § 12 Satz 1 müssen die Pflichtbekanntmachungen der Gesellschaft, die

das Gesetz oder die Satzung vorsieht, im Bundesanzeiger erfolgen5. Der Bundesanzeiger wird vom BMJ herausgegeben und durch eine Verlags-GmbH unter der Homepage www.bundesanzeiger.de6 betrieben7. Der Bundesanzeiger gilt aufgrund dieser Legaldefinition nunmehr als „Gesellschaftsblatt“8. Der Zugriff auf den Bundesanzeiger ist jederzeit und kostenfrei möglich (§§ 5 Abs. 1, 6 Abs. 1 VkBkmG).

4 An die Terminologie des JKomG wurden zahlreiche Vorschriften des GmbHG

angepasst. So sind Beschlüsse über Rückzahlungen des Stammkapitals (§ 30 Abs. 2 Satz 2), über eine ordentliche Kapitalherabsetzung (§ 58 Abs. 1 Nr. 1), die Auflösung der Gesellschaft (§ 65 Abs. 2 Satz 1) und die Erhebung der Nichtigkeitsklage (§ 75 Abs. 2 GmbHG iVm § 246 Abs. 4 AktG) im Bundesanzeiger zu

1 Gesetz über das elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG) vom 10.11.2006, BGBl I 2553. 2 Ursprünglich: RL 68/151/EWG (ABIEG Nr. L 65 v. 14.3.1968, S. 8); seit 21.10.2009: RL 2009/101/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.9.2009 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 48 Absatz 2 des Vertrags im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten, ABIEU Nr. L 258 v. 1.10.2009, S. 11. Text und ausführliche Erläuterungen bei Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 19 mzwN. 3 Gesetz zur Änderung von Vorschriften über Verkündung und Bekanntmachungen sowie der Zivilprozessordnung, des Gesetzes betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung und der Abgabenordnung. 4 BegrRegE BT-Drucks 17/6610, S. 1. 5 Scholz/Veil Rn 6; R/A/Roth Rn 3. 6 Vgl § 5 VkBkmG. 7 Scholz/Veil Rn 4; R/A/Roth Rn 4. 8 U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 3; Krafka MittBayNot 2005, 293.

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Bekanntmachungen der Gesellschaft | § 12

veröffentlichen1. Ebenfalls in den Anwendungsbereich der Vorschrift einbezogen wurde durch das EHUG die Vorschrift über den Beginn des Laufs des Sperrjahres bei Verteilung des Vermögens (§ 73 Abs. 1). Indes war die Gläubigerbekanntmachung auch bereits vor dem 1.1.2007 über die Verweisung des § 73 Abs. 1 auf § 65 Abs. 2 im (elektronischen) Bundesanzeiger bekannt zu machen2, weshalb es sich bei der Neufassung durch den Gesetzgeber insoweit lediglich um eine Klarstellung handelt. Von der Veröffentlichung im Bundesanzeiger sind gemäß § 12 Satz 1 darüber 5 hinaus aber auch all die Bekanntmachungen erfasst, die der Gesellschaftsvertrag fordert3. Die Dauer der Abrufbarkeit richtet sich nach der Funktion der jeweiligen Mitteilungsnorm sowie der Länge der dadurch zu laufen beginnenden Fristen4.

3. Bekanntmachung in anderen Blättern § 12 Satz 2 ermöglicht durch eine entsprechende Satzungsregelung ausdrücklich 6 die Publikation in weiteren Medien5. Das Gesetz fasst diese unter dem Oberbegriff „Gesellschaftsblätter“ zusammen und nennt dafür „andere öffentliche Blätter“ sowie „andere elektronische Informationsmedien“. Unter „anderen öffentlichen Blättern“ sind insbesondere regionale oder überregionale Printmedien zu verstehen6. Die alternative Veröffentlichung in anderen „elektronischen Informationsmedien“ ermöglicht insbesondere die Publikation auf der Webseite der Gesellschaft7. In diesen Fällen hat stets eine Mehrfachveröffentlichung zu erfolgen8. Eine Doppel- bzw Mehrfachveröffentlichung ist nach hM ferner aber auch dann 7 erforderlich, wenn der Gesellschaftsvertrag entgegen § 12 Satz 2 ausschließlich solche anderen Blätter bzw Informationsmedien zum Gesellschaftsblatt erklärt9. Die vereinzelt vertretene Ansicht, dass hier allein eine Bekanntmachung im Bundesanzeiger erforderlich sei, weil § 12 Satz 1 entgegenstehende Satzungsregelungen automatisch außer Kraft setze10, missachtet das schutzwürdige Ver1 2 3 4 5 6 7 8 9

Vgl auch MünchKomm/Wicke Rn 5. Dazu Stuppi GmbHR 2006, 138. Scholz/Veil Rn 6; MünchKomm/Wicke Rn 11. Ausführlich U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 7; Scholz/Veil Rn 7. Dazu auch R/A/Roth Rn 5; Scholz/Veil Rn 8. Stuppi GmbHR 2006, 138. U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 8; MünchKomm/Wicke Rn 7. OLG Stuttgart GmbHR 2011, 38; Scholz/Veil Rn 10. Scholz/Veil Rn 10; vgl auch bereits Stuppi GmbHR 2006, 138, 139; Terbrack DStR 2007, 2045, 2047. 10 So Krafka MittBayNot 2005, 293, 294.

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§ 12 | Bekanntmachungen der Gesellschaft trauen der Gläubiger und sonstiger Dritter, die sich darauf verlassen dürfen, dass Bekanntmachungen (zumindest auch) in dem im Register verlautbarten Medium erfolgen. 8 Auch wenn die Regierungsbegründung zum JKomG von einer Auslegung im

Sinne einer parallelen Anwendung der Satzungsregelung neben dem Bundesanzeiger spricht (§ 12 Satz 2), so kommt eine solche Auslegung nur dann in Betracht, wenn die Gesellschafter diese Vorschrift bei der Fassung ihres Willens gekannt haben. Da der Bundesanzeiger bis zum 1.4.2005 nicht existierte, kommt eine solche Auslegung daher nur für nach dem 31.3.2005 neu gefasste Satzungsbestimmungen in Betracht. Abweichendes gilt hingegen für Gesellschaftsverträge, in denen nach dem 31.3.2005 ein anderes Bekanntmachungsblatt als der Bundesanzeiger gewählt wurde. Selbst wenn dies in Unkenntnis von § 12 Satz 1 geschehen ist, muss diese Klausel iSd § 12 Satz 2 als weiteres Bekanntmachungsmedium gedeutet werden, da die Unkenntnis nicht von der Einhaltung des zwingenden Gesetzesrechts entbindet. In diesem Fall ist eine Pflichtbekanntmachung sowohl im Bundesanzeiger als auch in dem in der Satzung festgelegten Medium vorzunehmen.

4. Anpassung von Satzungsregelungen 9 Fehlerhafte Bekanntmachungen entfalten grundsätzlich keine Rechtswirkungen

und vermögen keine Fristen in Gang zu setzen1. Aufgrund der Unklarheiten, ob bei einer Satzungsregelung, die auch andere Medien zur Pflichtbekanntmachung vorsieht, eine Doppelveröffentlichung erforderlich ist (vgl Rn 7), ist der Praxis zu raten, ihre Satzungen entsprechend anzupassen2. Im einfachsten Fall bietet es sich an, die entsprechende Bestimmung zu streichen und damit in der Satzung auf eine Regelung zur Bekanntmachung zu verzichten3, da das die Anwendung zwingenden Gesetzesrechts zur Folge hat. Klarstellende Änderungen, wie sie nach dem EHUG erforderlich waren4, sind seit dem 1.4.2012 aufgrund der Beendigung des gedruckten Bundesanzeigers (Rn 2) nicht mehr geboten. Bereits vorgenommene Anpassungen in dem Sinne, dass „elektronisch“ vor Bundesanzeiger eingefügt wurde, sind nunmehr lediglich tautologisch. Entspricht es dem Willen der Gesellschafter, dass eine doppelte Veröffentlichung in weiteren Medien erfolgen soll, so sollte dies durch einen entsprechenden Beschluss klargestellt werden; hierfür bietet sich die Ergänzung der Satzung durch die Formulierung „neben dem Bundesanzeiger“ an.

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Scholz/Veil Rn 12; B/H/Fastrich Rn 9. Ebenso U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 9. Zutreffend Krafka MittBayNot 2005, 293, 294; Apfelbaum DNotZ 2007, 166, 171. Stuppi GmbHR 2006, 138, 139.

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Zweiter Abschnitt Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

§ 13 Juristische Person; Handelsgesellschaft (1) Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung als solche hat selbständig ihre Rechte und Pflichten; sie kann Eigentum und andere dingliche Rechte an Grundstücken erwerben, vor Gericht klagen und verklagt werden. (2) Für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftet den Gläubigern derselben nur das Gesellschaftsvermögen. (3) Die Gesellschaft gilt als Handelsgesellschaft im Sinne des Handelsgesetzbuchs. Text seit 1892 unverändert; amtliche Überschrift ergänzt durch MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl I 2026). 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Umfang und Grenzen der Rechtsfähigkeit (§ 13 Abs. 1) . . . . . . . . . 3. Grundsatz: Keine Haftung der Gesellschafter für die Schulden der GmbH (sog Trennungsprinzip) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtsgeschäftliche Schuld und Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ausnahme: Der sog Durchgriff . . . a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . b) Zurechnungsdurchgriff . . . . . . c) Haftungsdurchgriff: Diskutierte Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . 6. Haftung aus Existenzvernichtung . a) Rechtsentwicklung und dogmatische Struktur . . . . . . . . . . . .

1 2

5 7 11 11 13 18 25

7. 8. 9. 10. 11.

b) Voraussetzungen der Existenzvernichtungshaftung nach BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verhältnis zu § 31 . . . . . . . . . . d) Haftung des (Fremd-)Geschäftsführers . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Haftung der Gesellschafter von Auslandsgesellschaften . . . . . . f) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . „Umgekehrter“ Durchgriff . . . . . . „Gesellschafterfreundlicher“ Durchgriff; Reflexschäden . . . . . . Gesellschafterklage . . . . . . . . . . . Einpersonen-GmbH . . . . . . . . . . Steuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Überblick Die „altväterlich“ (Fischer) formulierte Vorschrift enthält drei Sachaussagen:

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Abs. 1 normiert die Rechtsfähigkeit der GmbH (Rn 2 ff), die mit ihrer Eintragung im Handelsregister beginnt (§ 11 Abs. 1; zur Vor-GmbH s. § 11 Rn 5 ff) Bayer

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§ 13 | Juristische Person; Handelsgesellschaft und nach Verteilung ihres Vermögens mit Löschung im Handelsregister endet (näher § 74 Rn 6 f, 17 ff). Abs. 2 bestimmt, dass für die Verbindlichkeiten der GmbH nur das Gesellschaftsvermögen den Gläubigern haftet, auf das Privateigentum der Gesellschafter also nicht zurückgegriffen werden kann. Abs. 1 und 2 zusammen ergeben das sog Trennungsprinzip: Das Vermögen der GmbH ist getrennt von dem der Gesellschafter, ihre Schulden sind nicht auch Schulden der Gesellschafter (ausführlich Rn 5 ff). Abs. 3 unterwirft die GmbH unabhängig von ihrer Tätigkeit den Sonderregeln des Handelsrechts, macht sie zum sog Formkaufmann (§ 6 Abs. 1 HGB). Geschäfte der GmbH sind somit stets Handelsgeschäfte gemäß § 343 HGB1. Gesellschafter und Geschäftsführer sind hingegen nicht Kaufmann (auch nicht der Alleingesellschafter-Geschäftsführer)2. Die GmbH ist Unternehmer iSv § 14 BGB3.

2. Umfang und Grenzen der Rechtsfähigkeit (§ 13 Abs. 1) 2 Die der GmbH aus Gründen der Zweckmäßigkeit4 (auch Rn 11) verliehene

Rechtsfähigkeit ist im Prinzip ebenso unbeschränkt wie die Rechtsfähigkeit einer natürlichen Person5. Daher kann die GmbH alle Verträge schließen (auch mit ihren eigenen Gesellschaftern), auch Erbverträge als nicht-verfügender Teil, kann Erbin, Vermächtnisnehmerin, Testamentsvollstreckerin sowie Inhaberin gewerblicher Schutzrechte (Patent, Marke) sein, ist Inhaberin eines eigenen Namensrechtes (s. § 4 Rn 2), hat Anspruch auf Schutz ihrer Ehre6 und ist Trägerin von Grundrechten, Art. 19 Abs. 3 GG7 (zB Schutz ihres Eigentums, Art. 14 GG). Sie kann selbst Mitglied in anderen Verbänden sein (insbesondere GbR, oHG, KG, AG, KGaA, Genossenschaft, Verein) und dort grundsätzlich alle Rechte selbst wahrnehmen. Nur Rechte oder Aufgaben, die auf natürliche Personen zugeschnitten sind, kann die Gesellschaft nicht wahrnehmen; insbesondere kann sie nicht Vorstand, Aufsichtsrat oder Geschäftsführer einer AG, GmbH oder Genossenschaft, Vormund, Pfleger, Insolvenzverwalter (unstreitig) sowie Nachlass-

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MünchKomm/Merkt Rn 81; Scholz/Emmerich Rn 33. R/A/Altmeppen Rn 12; MünchKomm/Merkt Rn 83. R/A/Altmeppen Rn 12; vgl auch Erman/Saenger § 14 BGB Rn 6. Lutter ZGR 1982, 244, 253 f. Einzelheiten bei Scholz/Emmerich Rn 10 ff. BGHSt 6, 191; U/H/L/Raiser Rn 17. Anders nach der Rspr des BVerfG für solche GmbH, deren Anteile ausschließlich oder mehrheitlich von einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft gehalten werden: BVerfGE 45, 63, 78 = NJW 1977, 1960, 1961 – Stadtwerke Hameln; wN bei MünchKomm/Merkt Rn 78.

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Juristische Person; Handelsgesellschaft | § 13

verwalter (streitig)1 sein2. Die GmbH kann ggf selbst deliktsfähig sein3; jedenfalls haftet sie für deliktisches Handeln ihrer Geschäftsführungs-Organe nach § 31 BGB auf Schadensersatz4. Das Besitzrecht der GmbH wird durch die Geschäftsführer ausgeübt, die nicht nur Besitzmittler oder gar nur Besitzdiener sind5. Die GmbH ist aktiv und passiv partei- und prozessfähig6, ggf auch nach ihrer 3 Löschung im Handelsregister und Bestellung eines Nachtragliquidators7. Für Prozesskostenhilfe gelten §§ 114 ff ZPO (Rn 15). Schließlich ist die GmbH insolvenzfähig, § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG, § 11 Abs. 1 4 InsO; in diesem Verfahren kann sie „nahestehende Personen“ iSd § 138 Abs. 2 InsO haben8 und uU selbst „nahestehende Person“ iSd Vorschrift sein; das gilt etwa in der Insolvenz eines nahen Angehörigen des geschäftsführenden Mehrheitsgesellschafters der GmbH9.

3. Grundsatz: Keine Haftung der Gesellschafter für die Schulden der GmbH (sog Trennungsprinzip) § 13 Abs. 2 betont die Freistellung der Gesellschafter von den Verbindlichkeiten 5 der Gesellschaft. Die Freistellung gilt auch, wenn Einlageverpflichtungen noch oder wieder (s. § 31) offen sind: Der Gesellschafter schuldet dann die Einlage, haftet aber – anders als der Kommanditist nach § 171 Abs. 1 HGB – nicht etwa für alle oder bestimmte Verbindlichkeiten der GmbH Dritten gegenüber unmittelbar. Gläubiger der Gesellschaft können auf sein Vermögen nur mittelbar über die Pfändung der Ansprüche der GmbH zurückgreifen, §§ 829, 835 ff ZPO10. 1 Wie hier Scholz/Emmerich Rn 18; R/S-L/Pentz Rn 15; aA B/H/Fastrich Rn 4. 2 Ausführlich MünchKomm/Merkt Rn 23 ff. 3 Scholz/Emmerich Rn 12; U/H/L/Raiser Rn 22; Kleindiek Deliktshaftung und juristische Person, 1997, S. 206 ff, 355 ff. 4 MünchKomm/Merkt Rn 34; U/H/L/Raiser Rn 21. 5 BGHZ 156, 310, 316; R/A/Altmeppen Rn 4. 6 MünchKomm/Merkt Rn 46; Scholz/Emmerich Rn 23; im prozessrechtlichen Schrifttum wird dies zu Unrecht und unter Verkennung des § 52 ZPO im Anschluss an RGZ 63, 371, 372 (für AG) teilweise verneint, allerdings ohne Auswirkungen auf das Ergebnis (Vertretung der GmbH durch ihre Geschäftsführer); vgl etwa – referierend – Zöller/ Vollkommer § 52 ZPO Rn 2 mwN. Zur Frage ihrer Vertretung im Prozess s. § 35 Rn 12 f. 7 BGH GmbHR 1985, 325 und BAG GmbHR 2003, 1009 = DZWIR 2003, 502 mit Anm Lieder. 8 BGHZ 58, 20, 24; OLG Düsseldorf DZWIR 2005, 154; Ropohl NZI 2006, 425. 9 BGHZ 128, 184, 186 = GmbHR 1995, 221; MünchKomm/Gehrlein § 138 InsO Rn 16 ff. 10 R/A/Altmeppen Rn 67; MünchKomm/Merkt Rn 333.

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§ 13 | Juristische Person; Handelsgesellschaft 6 Ist die Gesellschaft vermögenslos oder gar bereits im Handelsregister gelöscht

oder sind offensichtlich keine weiteren Gläubiger vorhanden, so ist es vertretbar, den Gläubiger, der von der Gesellschaft keine Befriedigung erhält, außerhalb des Insolvenzverfahrens analog §§ 93 Abs. 5, 117 Abs. 5, 309 Abs. 4, 310 Abs. 4, 317 Abs. 4, 318 Abs. 4 AktG zu gestatten, den Anspruch der Gesellschaft selbst und ohne vorherige Pfändung als Leistung an sich selbst durchzusetzen1; das entspricht auch der Rspr zur Vorgesellschaft2 (dazu § 11 Rn 18).

4. Rechtsgeschäftliche Schuld und Haftung 7 Rechtsgeschäftliche Schuld und Haftung eines Gesellschafters wird von dieser

Regel nicht erfasst: Jeder Gesellschafter kann für Verbindlichkeiten der GmbH die Mitschuld oder Bürgschaft übernehmen oder garantieren. Ist ein Gesellschafter hierdurch auf unbestimmte Zeit zur Mithaftung für Schulden der Gesellschaft verpflichtet, so kann er sich daraus wie bei allen Dauerschuldverhältnissen durch Kündigung aus wichtigem Grund lösen3. Das Ausscheiden des Gesellschafters aus der Gesellschaft kann solch ein wichtiger Grund sein. Die Kündigung in einem solchen Fall muss jedoch, um wirksam zu sein, die berechtigten Sicherungsinteressen der Gläubiger der Gesellschaft berücksichtigen. Das bedeutet insbesondere, dass eine Kündigungsfrist einzuhalten ist, die den Beteiligten eine angemessene Zeit belässt, um sich der durch die Kündigung geschaffenen veränderten Lage anzupassen4. Da der Gesellschafter diese Möglichkeit hat, kann er sich auf allgemeine Rechtsinstitute wie zB Wegfall der Geschäftsgrundlage nicht berufen5.

8 Ist ein Gesellschafter aus der für die Gesellschaft gegebenen Sicherheit in An-

spruch genommen worden, so muss er bei dieser Rückgriff nehmen und kann sich nur insoweit an seine Mitgesellschafter halten, wie er bei der Gesellschaft ausfällt6. Zum Ausgleich nach § 426 Abs. 1 BGB, wenn Gesellschafter und Dritte eine Darlehensschuld der Gesellschaft mitübernommen haben, vgl BGH GmbHR 1986, 257 und BFH GmbHR 2001, 348, 352 mit Anm Kohlhaas.

1 Lutter/Banerjea ZGR 2003, 402, 427; zustimmend R/A/Altmeppen Rn 68; eingehend zu dieser Anspruchsvervielfältigung Hüffer/Koch § 93 AktG Rn 80 ff; offen MünchKomm/ Merkt Rn 334. 2 BGHZ 134, 333, 341 = GmbHR 1997, 405, 407; BAG GmbHR 2006, 756, 758. 3 BGH GmbHR 1985, 389, 391; OLG Zweibrücken GmbHR 1986, 119. 4 BGH GmbHR 1985, 389, 391. 5 OLG Zweibrücken GmbHR 1986, 119; zur Möglichkeit der Enthaftung ohne Kündigung aufgrund ergänzender Vertragsauslegung vgl Stoltzenburg ZIP 1985, 1189, 1191; zum Ganzen MünchKomm/Merkt Rn 337. 6 BGH GmbHR 1986, 304.

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Juristische Person; Handelsgesellschaft | § 13

Denkbar und rechtswirksam ist auch die Verpflichtung eines (herrschenden) 9 Gesellschafters, dafür Sorge zu tragen, dass die von ihm beherrschte Gesellschaft bestimmte Verbindlichkeiten erfüllt (Patronatserklärung1). Schließlich kommt eine Haftung aus Rechtsschein oder c.i.c. (§§ 311 Abs. 2 10 Nr. 2, Abs. 3, 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB) nach den allgemeinen Regeln in Betracht2.

5. Ausnahme: Der sog Durchgriff Literatur: Bitter Konzernrechtliche Durchgriffshaftung bei Personengesellschaften, 2000; Drobnig Haftungsdurchgriff bei Kapitalgesellschaften, 1959; Eckhold Materielle Unterkapitalisierung, 2002; Ehricke Zur Begründbarkeit der Durchgriffshaftung in der GmbH, insbesondere aus methodischer Sicht, AcP 199 (1999), 257; Heermann in Theobald (Hrsg), Entwicklungen zur Durchgriffs- und Konzernhaftung, 2002, S. 11 ff; Leyendecker Die Anwendung der US-amerikanischen Durchgriffshaftung auf amerikanische Gesellschaften mit Verwaltungssitz in Deutschland, RIW 2008, 273; Raiser Durchgriffshaftung nach der Reform des GmbH-Rechts, FS Priester, 2007, S. 619; G.H. Roth Unterkapitalisierung und persönliche Haftung, ZGR 1993, 182; Serick Rechtsform und Realität juristischer Personen, 1955; Steffek Der subjektive Tatbestand der Gesellschafterhaftung im Recht der GmbH, JZ 2009, 77; Vonnemann Haftung der GmbH-Gesellschafter bei materieller Unterkapitalisierung, 1991; Weitbrecht Haftung der Gesellschafter bei materieller Unterkapitalisierung der GmbH, 1990; Zöllner Gläubigerschutz durch Gesellschafterhaftung bei der GmbH, FS Konzen, 2006, S. 999.

a) Grundlagen Die Haftungsfreistellung der Gesellschafter ist eine Zweckentscheidung der 11 Rechtsordnung zur Förderung unternehmerischen Handelns mit Haftungsprivileg für die Gesellschafter und erhöhten Risiken für die Gläubiger3. Diese Entscheidung reicht nur so weit, wie eben dieser Zweck es rechtfertigt. Ist ein Verhalten der Gesellschafter mit dem Zweck des § 13 Abs. 2 nicht vereinbar, so ist die Anwendung dieser zweckorientierten Norm teleologisch einzuschränken mit der Folge der persönlichen Haftung der Gesellschafter für die Schulden der Gesellschaft entsprechend § 128 HGB4 (Normzwecklehre5; im Ergebnis ebenso die

1 AG 1985, 221, 222; OLG Stuttgart GmbHR 2007, 651, 655; BAG DB 2008, 1163, 1164; R/A/Altmeppen Rn 69. 2 BGH AG 2008, 662; Scholz/Bitter Rn 94 ff; MünchKomm/Merkt Rn 335 ff; R/A/Altmeppen Rn 69 ff; zurückhaltend BGHZ 126, 181 = GmbHR 1994, 539 (zur Insolvenzverschleppung). 3 Eingehend Scholz/Bitter Rn 60 ff. 4 Scholz/Bitter Rn 128 f. 5 Ausführlich Scholz/Bitter Rn 127 mwN.

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§ 13 | Juristische Person; Handelsgesellschaft Lehre vom objektiven Missbrauch der Rechtsform1). Diese Durchbrechung des Trennungsprinzips (Rn 5) ist allgemein anerkannt. Jedoch hat sich – insbesondere in der Rechtsprechung – die dogmatische und rechtskonstruktive Sichtweise eines „Durchgriffs“ im Laufe der Zeit mehrfach verändert (vgl Rn 25 ff). 12 Der in Rn 11 angesprochene Haftungsdurchgriff (näher Rn 18 ff und zur Exis-

tenzvernichtungshaftung Rn 25 ff) ist zu unterscheiden vom sog Zurechnungsdurchgriff2; bei letzterem geht es um die Frage, inwieweit Gesellschaft und Gesellschafter als Adressat bestimmter gesetzlicher Normen in Betracht kommen, mit anderen Worten, ob die Trennung zwischen GmbH und Gesellschafter „überspielt“ wird oder nicht (Rn 13 ff).

b) Zurechnungsdurchgriff 13 Die wichtigsten Fälle, in denen ein Zurechnungsdurchgriff in Betracht kommt3,

sind: (1) Zurechnung von Kenntnissen und Eigenschaften (Rn 14 f), (2) gutgläubiger Erwerb (Rn 16), (3) Vertragsauslegung (Rn 17).

14 aa) Kenntnisse und Eigenschaften: Das Wissen der Organe der GmbH wird

dieser gemäß § 166 Abs. 1 BGB und ihr Verhalten gemäߧ 31 BGB zugerechnet4. Fraglich ist, ob auch die Kenntnis des „hinter der GmbH stehenden Gesellschafters“, der nicht zugleich Geschäftsführer ist, der GmbH zugerechnet werden kann. Dies wird allgemein angenommen, § 166 Abs. 2 BGB analog, jedoch nur, wenn eine Weisung des Gesellschafters vorlag oder diese eine Weisungsmöglichkeit zur Verhinderung nicht wahrgenommen hat5; im Falle einer arglistigen Täuschung des Geschäftspartners durch den (Allein-)Gesellschafter ist dieser nicht Dritter iSv § 123 Abs. 2 BGB, sondern steht im Lager der GmbH6. Gleiches gilt für die Anfechtung wegen Irrtums über die Person des Alleingesellschafters (§ 119 Abs. 2 BGB)7. Gesellschafter und deren nahe Angehörige sind nahestehende Personen iSv § 138 InsO, § 3 Abs. 2 AnfG8 (und umgekehrt9). Vgl weiter die Zurechnungen im Rahmen der Kapitalaufbringung bei § 19 Rn 72 ff sowie der Kapitalerhaltung bei § 30 Rn 18 ff; zum Gesellschafterdarlehen auch Anh zu § 64 Rn 144 ff.

1 Wie hier R/A/Altmeppen Rn 131 ausführlich zu den verschiedenen Ansätzen U/H/L/Raiser Rn 61 ff; Scholz/Bitter Rn 61 ff. 2 Hierzu ausführlich Scholz/Bitter Rn 70 ff; vgl auch B/H/Fastrich Rn 10, 15. 3 Eingehend Scholz/Bitter Rn 75 ff. 4 U/H/L/Raiser Rn 25 ff; Scholz/Bitter Rn 76 ff. 5 MünchKomm/Merkt Rn 348. 6 GmbHR 1990, 162, 164; Scholz/Bitter Rn 77 mwN. 7 RGZ 143, 431; B/H/Fastrich Rn 15; Scholz/Bitter Rn 86. 8 BGHZ 58, 24; OLG Hamm GmbHR 1987, 23; B/H/Fastrich Rn 15. 9 BGH NJW 1986, 1047.

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Juristische Person; Handelsgesellschaft | § 13

Stellt eine GmbH einen Antrag auf Prozesskostenhilfe, so zählen ihre Gesell- 15 schafter zu den „wirtschaftlich Beteiligten“ iSd § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO. Dem Antrag kann also nur dann stattgegeben werden, wenn auch sie die Kosten des Rechtsstreits nicht aufbringen können1. Weitere Voraussetzung gemäß § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO ist, dass die Unterlassung der Rechtsverfolgung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde. Dies kann bei einer GmbH zB dann der Fall sein, wenn vom Ausgang des Rechtsstreits das Schicksal einer größeren Zahl von Angestellten abhängt oder wenn eine Vielzahl von Kleingläubigern betroffen ist2. § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO ist nicht anzuwenden, wenn der Insolvenzverwalter einer GmbH den Antrag auf Prozesskostenhilfe stellt; hier gilt § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO abschließend3. Angaben über die finanzielle Situation einer Einpersonen-GmbH sind datenschutzrechtlich personenbezogene Daten des Alleingesellschafters4. bb) Gutgläubiger Erwerb (zB §§ 892, 932 ff BGB, § 366 HGB, § 16 Abs. 3 16 GmbHG, Art. 16 Abs. 2 WG, Art. 21 ScheckG) setzt stets ein Verkehrsgeschäft voraus: Daran fehlt es, wenn auf der Erwerberseite dieselben Personen beteiligt sind wie auf der Veräußererseite5. Das gilt trotz rechtlicher Selbstständigkeit auch bei der GmbH, wenn alle Gesellschafter auf der Veräußererseite an dem Geschäft beteiligt sind; auf Kenntnis oder Kennenmüssen der Umstände kommt es nicht an (wirtschaftliche Personenidentität). Fehlt ein Gesellschafter auf der Veräußererseite, so wird die wirtschaftliche Personenidentität durchbrochen und ein gutgläubiger Erwerb ist möglich6; dies gilt indes nicht, wenn der Gesellschafter nur einen geringen Anteil an der Gesellschaft hat und seine Mitgliedschaft nur der Vortäuschung eines Verkehrsgeschäfts dient7. Erwirbt ein Gesellschafter von der GmbH, so ist im Regelfall gutgläubiger Erwerb aus den gleichen Gründen ausgeschlossen8; doch kann das dann nicht gelten, wenn der betreffende Gesellschafter eine so geringe Beteiligung hält, dass ihm jede Einflussnahme auf die GmbH unmöglich ist. cc) Vertragsauslegung: Manchmal wird versucht, vertragliche Leistungs- oder 17 Unterlassungspflichten durch Einschaltung anderer Personen auszuhöhlen: Ist die GmbH A verpflichtet, dem Kunden K Meistbegünstigung zu gewähren (oder Wettbewerb zu unterlassen), so wird versucht, die Rechtspflicht durch Verlagerung von Produktion und Vertrieb auf die GmbH B zu unterlaufen (bzw durch B den Wettbewerb vornehmen zu lassen). Hier ist zunächst zu klären, ob neben 1 2 3 4 5 6 7 8

OLG München GmbHR 1986, 46; MünchKomm/Merkt Rn 56. BGH GmbHR 1986, 315. BGH NJW 1991, 40, 41; OLG Naumburg ZIP 1994, 383. BGH GmbHR 1986, 92. Vgl etwa Erman/Bayer § 932 BGB Rn 5 mwN. BGHZ 173, 71, 77 = NJW 2007, 3204; Scholz/Bitter Rn 79 mwN. Lutter AcP 164 (1964), 122, 159 ff; Scholz/Bitter Rn 80. MünchKomm/Kohler § 892 BGB Rn 38; aA Soergel/Stürner § 892 BGB Rn 22.

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§ 13 | Juristische Person; Handelsgesellschaft der GmbH A auch deren Gesellschafter rechtsgeschäftlich mitverpflichtet sind; das wird man beim Vertragsschluss durch den Allein-Gesellschafter-Geschäftsführer (Mehrheits-Gesellschafter-Geschäftsführer) oder bei Mitwirkung solcher Personen an den Vertragsverhandlungen1, aber auch bei anderen personenbezogenen Strukturen (zB GmbH A ist Konzerntochter) durchaus annehmen können2. Sind demnach die Gesellschafter (mit)verpflichtet und versuchen sie ihre Pflicht dadurch zu unterlaufen, dass sie eine neue GmbH gründen3, welche die vertragswidrige Handlung dann ihrerseits vornimmt, so ist zwar nicht die betreffende GmbH verpflichtet, wohl aber haben die betreffenden Gesellschafter Einwirkungsmöglichkeiten (§ 47) auf die GmbH B und entsprechende Pflichten dazu dem Vertragspartner gegenüber, deren Verletzung sie schadensersatzpflichtig macht. Daher können im Konzern entsprechende Pflichten einer Tochter nicht durch Verlagerung der Tätigkeit auf eine andere Tochter unterlaufen werden4. c) Haftungsdurchgriff: Diskutierte Fallgruppen 18 Ein Haftungsdurchgriff kommt speziell dann und deshalb in Betracht, wenn und

weil der (alternative) Ansatz einer Treuepflichtverletzung des Gesellschafters gegenüber seiner GmbH ausscheidet, sofern es sich um eine Einpersonen-GmbH handelt oder weil die Mitgesellschafter mit der Schädigung der GmbH einverstanden sind (vgl § 14 Rn 29 aE)5. Diskutiert werden insbesondere folgende Fallgruppen:

19 aa) Vermögensvermischung: Weitgehend in Rspr6 und Literatur7 anerkannt ist

die Vermögensvermischung als Anwendungsfall des Durchgriffs. Wird das Trennungsprinzip missachtet, dh Privatvermögen und Gesellschaftsvermögen vermischt, so kann sich der betroffene Gesellschafter den Gläubigern gegenüber nicht mehr auf das Prinzip der Vermögenstrennung berufen (hM). Voraussetzung für die Annahme einer solchen Vermögensvermischung ist, dass eine Zuordnung der Vermögensgegenstände in den verschiedenen Rechtsträgern generell unmöglich ist, die Vermögensabgrenzung zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern etwa durch falsche oder unzureichende Buchführung („Waschkörbe“) oder in sonstiger Weise allgemein verschleiert worden ist, so dass insbesondere 1 2 3 4 5 6

Vgl dazu BGHZ 62, 216, 220. B/H/Fastrich Rn 14; Scholz/Bitter Rn 83; MünchKomm/Merkt Rn 359. Instruktiv BGH ZIP 1995, 1755. OLG Karlsruhe GmbHR 1990, 303; Scholz/Bitter Rn 82. Eingehend Scholz/Bitter Rn 124 ff. BGHZ 95, 330, 332 = GmbHR 1986, 78 – Autokran; BGHZ 125, 366, 368 = GmbHR 1994, 390; BGHZ 165, 85 = GmbHR 2006, 426; BGHZ 173, 246 Rn 27 = GmbHR 2007, 927 – Trihotel; BAG GmbHR 1991, 413; BSG GmbHR 1995, 46. 7 U/H/L/Raiser Rn 130 ff; Scholz/Bitter Rn 131 ff; Wiedemann ZGR 2003, 283, 288; Strohn ZInsO 2008, 706, 711; insoweit auch R/A/Altmeppen Rn 136; aA Ehricke AcP 199 (1999), 257, 289 ff; zweifelnd auch Wagner FS Canaris II, 2007, S. 473, 496.

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die Beachtung der Vorschriften zur Kapitalerhaltung unkontrollierbar wird1; bloße Vermögensbewegungen, die ordnungsgemäß verbucht sind, genügen hierfür nicht2. Rechtsfolge: Persönliche Haftung analog § 128 HGB. Die persönliche Haftung trifft aber nur denjenigen, der die Vermischung veranlasst, gefördert oder von ihr Kenntnis hat (auch den Treugeber im Hintergrund!)3, nicht den ahnungslosen Minderheitsgesellschafter4; es handelt sich vielmehr um eine Verhaltenshaftung5. Ob die Stellung als einflussreicher Gesellschafter als solche ausreicht6, erscheint eher zweifelhaft. bb) Unterkapitalisierung: In der Literatur7 kontrovers diskutiert ist weiter die 20 materielle (nicht formelle!) Unterkapitalisierung: Statten die Gesellschafter die Gesellschaft mit völlig unzureichenden Mitteln aus, so dass diese jederzeit und beim kleinsten wirtschaftlichen Stoß insolvent werden kann, so widerspricht das dem objektiven Zweck des § 13 Abs. 2 bzw missbrauchen die Gesellschafter objektiv die Rechtsform der GmbH8; denn normative Funktion des Kapitals ist die Bildung eines Finanzpolsters, mit dem Verluste aufgefangen und ein jederzeitiges Abrutschen der GmbH in die Insolvenz verhindert werden soll. Daher muss die Höhe des Kapitals wenigstens in äußersten Grenzen („völlig unvertretbar“) dem wirtschaftlichen Risiko und Betrieb der betreffenden GmbH entsprechen9. Dieses Verbot völlig unzureichender Kapitalausstattung gilt nicht nur bei Gründung der GmbH; denn auch eine wachsende GmbH benötigt ein mitwachsendes Finanzpolster; wird dem nicht Rechnung getragen, so besteht kein Unterschied zu einer von Anfang an unterkapitalisierten GmbH. Weitere Voraussetzung ist die Insolvenz der Gesellschaft; denn solange diese ih- 21 ren Verpflichtungen nachkommt, besteht kein Bedürfnis nach zusätzlicher Haf1 BGHZ 95, 330, 334 = GmbHR 1986, 78, 81 f – Autokran und BGHZ 165, 85, 91 = GmbHR 2006, 426, 428; OLG Celle GmbHR 2001, 1042; ThürOLG GmbHR 2002, 112, 114; Raiser FS Lutter, 2000, S. 637, 644 ff; Scholz/Bitter Rn 132. 2 BGH GmbHR 1985, 80, 81. 3 BGHZ 125, 366, 369 = GmbHR 1994, 390, 391; KG GmbHR 2008, 703; Scholz/Bitter Rn 133. 4 BGHZ 125, 366, 368 = GmbHR 1994, 390, 391; BGHZ 165, 85 (LS 2) = GmbHR 2006, 426; B/H/Fastrich Rn 45. 5 BGHZ 165, 85 = GmbHR 2006, 426; Raiser FS Lutter, 2000, S. 637, 645; Scholz/Bitter Rn 133 mwN. 6 Wie das der BGH in GmbHR 1994, 390, 391 angedeutet hat; dazu K. Schmidt ZIP 1994, 837, 840. 7 Vgl nur Heermann S. 11 ff; Ehricke AcP 199 (1999), 257, 275 ff; U/H/L/Raiser Rn 136 ff; Scholz/Bitter Rn 138 ff. 8 R/A/Altmeppen Rn 142; Scholz/Bitter Rn 139 ff, 143 ff, 147; U/H/L/Raiser Rn 136 ff; Wiedemann ZGR 2003, 283, 295 f; Stimpel FS Goerdeler, 1987, S. 601, 609 ff; sehr anschaulich mit umfangreichen Nachweisen BSG GmbHR 1985, 294; ablehnend indes etwa Veil NJW 2008, 3264, 3265 f; Weber/Sieber ZInsO 2008, 952, 955 ff. 9 Lutter DB 1994, 129 mwN; vgl weiter Bitter ZIP 2010, 1 ff; Hölzle ZIP 2010, 913 f.

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§ 13 | Juristische Person; Handelsgesellschaft tung der Gesellschafter. Rechtsfolge ist die persönliche Haftung der Gesellschafter den Gläubigern gegenüber entsprechend § 128 HGB1 (Rn 19). 22 Die Rspr war und ist hier zurückhaltend bis ablehnend2. Der BGH hat diese

Fallgruppe stets über § 826 BGB gelöst (vgl Rn 25, 29) und nicht als Durchgriff behandelt3. Diese Sicht hat er in der Gamma-Entscheidung vom 28.4.20084 ausdrücklich bestätigt. Man kann also sagen: Die extreme Unterkapitalisierung wird von der Rspr allenfalls als Pflichtverletzung des oder der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft gesehen und führt nicht zur persönlichen Haftung der Gesellschafter, sondern zu ihrer Schadensersatzhaftung, also zur Leistung des Betrages, der zur vollen Befriedigung aller Gläubiger in der Insolvenz der Gesellschaft erforderlich ist (vgl Rn 41)5. Unterkapitalisierung ist also aus der Sicht der Rspr kein Anwendungsfall des Durchgriffs6, sondern allenfalls der vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung unmittelbar der Gläubiger7.

23 In dieser Form mag die Rechtsfigur der Unterkapitalisierung an Bedeutung ge-

winnen, nachdem für die UG die Notwendigkeit eines Mindeststammkapitals faktisch aufgegeben ist8. Indes ließe sich aus dieser gesetzlichen Konzeption auch das Gegenteil schließen: Besteht schon nicht die Pflicht zu einer Ausstattung der GmbH mit einem betriebsnotwendigen Mindestkapital und somit gar keine normative Vorgabe zur Höhe der Eigenkapitalausstattung, kann a fortiori keine „angemessene“ Kapitalausstattung gefordert werden9.

24 cc) Sphärenvermischung: Dieser praktisch unbedeutende Tatbestand des

Durchgriffs liegt vor, wenn die Trennung von Gesellschaft und Gesellschafter verschleiert wird (Führung ähnlicher Firmen, gleiche Geschäftsräume, gleiches Personal), wenn also im organisatorischen Bereich die Sphären von Gesellschaft und Gesellschafter nicht unterschieden werden können10. Rechtsfolge im Insolvenzfall wie Rn 21. In der Literatur wird indes zunehmend und zu Recht bezwei1 So auch R/A/Altmeppen Rn 151; aA K. Schmidt GesR § 9 IV 5, S. 243; Eckhold S. 621 ff: Innenhaftung der Gesellschaft gegenüber. 2 Zur älteren Rspr vgl 16. Aufl Rn 11 Fn 1. 3 BGHZ 68, 312, 315 = GmbHR 1977, 198, 199. 4 BGHZ 176, 204 = GmbHR 2008, 805 Rn 15 ff und LS 2 – GAMMA; dazu auch Altmeppen ZIP 2008, 1201 ff; Kleindiek NZG 2008, 686 ff; Veil NJW 2008, 3264 ff; Ulrich GmbHR 2008, 810 ff. 5 Kritisch zur Rspr Scholz/Bitter Rn 145, 147. 6 Ebenso Heermann S. 11 ff; ähnlich G.H. Roth ZGR 1993, 170, 198 ff. 7 So Altmeppen ZIP 2008, 1201, 1205 f; Heeg/Manthey GmbHR 2008, 798, 800 f. 8 Ähnlich Raiser FS Priester, 2007, S. 619, 627; vgl auch Habersack ZGR 2008, 533, 559. 9 In diesem Sinne Gloger/Goette/Japing ZInsO 2008, 1051, 1055 f; mit Hinweis auf das Gesetzgebungsverfahren zum MoMiG auch Kleindiek NZG 2008, 686, 688; ausführlich Röck S. 122 ff. 10 BGH WM 1958, 463; OLG Nürnberg WM 1955, 1566; B/H/Fastrich Rn 46; Scholz/Bitter Rn 136.

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felt, ob überhaupt eine Lücke im Gesetz vorliegt, da man die fraglichen Fälle nach den allgemeinen Regeln der Auslegung, der Vertretung und des Rechtsscheins lösen könne1.

6. Haftung aus Existenzvernichtung Literatur: Altmeppen Abschied vom „Durchgriff“ im Kapitalgesellschaftsrecht, NJW 2007, 2657; Bayer/Lieder Ersatz des Vertrauensschadens wegen Insolvenzverschleppung und Haftung des Teilnehmers, WM 2006, 1; Bayer/Lieder Zur Abwicklung der Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs und der Ersatzpflicht aus § 826 BGB in der Insolvenz, WM 2006, 999; Dauner-Lieb Die Existenzvernichtungshaftung als deliktische Innenhaftung gemäß § 826 BGB, ZGR 2008, 34; Förster Der Schwarze Ritter – § 826 BGB im Gesellschaftsrecht, AcP 209 (2009), 398; Gehrlein Die Existenzvernichtungshaftung im Wandel der Rechtsprechung, WM 2008, 761; Grigoleit Gesellschafterhaftung für interne Einflussnahme im Recht der GmbH, 2006; Habersack Trihotel – Das Ende der Debatte?, ZGR 2008, 533; Heeg/Manthey Existenzvernichtender Eingriff – Fallgruppen der Rechtsprechung und Praxisprobleme, GmbHR 2008, 798; Henze Zur Kontinuität der Rechtsprechung im Gesellschaftsrecht, ZHR 172 (2008), 127; Hönn Roma locuta? – Trihotel, die Rechtsfortbildung und die gesetzliche Wertung, WM 2008, 769; Keßler Die Durchgriffshaftung der GmbH-Gesellschafter wegen existenzgefährdender Eingriffe – Zur dogmatischen Konzeption des Gläubigerschutzes in der GmbH, GmbHR 2002, 945; Kleindiek Materielle Unterkapitalisierung, Existenzvernichtung und Deliktshaftung – GAMMA, NZG 2008, 686; Kurzwelly Die Existenzvernichtungshaftung – Entwicklung und Abschluss einer höchstrichterlichen Rechtsfortbildung, FS Goette, 2011, S. 277; Lieder Zur Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs, DZWIR 2005, 309; Lieder Die neue Existenzvernichtungshaftung, DZWIR 2008, 145; Osterloh-Konrad Abkehr vom Durchgriff: Die Existenzvernichtungshaftung des GmbH-Gesellschafters nach „Trihotel“, ZHR 172 (2008), 274; Prütting Der Vermögensschutz von Gesellschaften gegenüber externer Einflussnahme – geprüft am Beispiel der GmbH, ZGR 2015, 849; Röck Die Rechtsfolgen der Existenzvernichtungshaftung, 2011; Schön Zur „Existenzvernichtung“ der juristischen Person, ZHR 168 (2004), 268; Schwab Die Neuauflage der Existenzvernichtungshaftung: kein Ende der Debatte!, ZIP 2008, 341; Strohn Existenzvernichtungshaftung – Vermögensvermischung – Durchgriffshaftung, ZInsO 2008, 706 = ZNotP 2008, 338; Strohn Existenzvernichtungshaftung, §§ 30, 31 GmbHG und § 64 S. 3 GmbHG – Koordinierungsbedarf?, ZHR 173 (2009), 589; Tröger/Dangelmayer Eigenhaftung der Organe für die Veranlassung existenzvernichtender Leitungsmaßnahmen im Konzern, ZGR 2011, 558; J. Vetter Die neue dogmatische Grundlage des BGH zur Existenzvernichtungshaftung, BB 2007, 1965; Wagner Existenzvernichtung als Deliktstatbestand – Einordnung, Ausgestaltung und Anknüpfung der Haftung wegen „existenzvernichtenden Eingriffs“, FS Canaris II, 2007, S. 473; Weller Die Neuausrichtung der Existenzvernichtungshaftung durch den BGH und ihre Implikationen für die Praxis, ZIP 2007, 1681; Wiedemann Existenzvernichtung und Bestandsschutz der GmbH, FS Lüer, 2008, S. 337; Zöllner Gläubigerschutz durch Gesellschafterhaftung bei der GmbH, FS Konzen, 2006, S. 999. 1 Ehricke AcP 199 (1999), 257, 299 f; R/S-L/Pentz Rn 156 f; Scholz/Bitter Rn 137; vgl auch schon Lutter ZGR 1982, 244, 251 f.

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§ 13 | Juristische Person; Handelsgesellschaft a) Rechtsentwicklung und dogmatische Struktur 25 Die Haftung aus Existenzvernichtung war von September 20011 bis Juli 20072

ein Fall der Durchgriffshaftung und daher als Außenhaftung analog § 128 HGB konzipiert; Anspruchsinhaber war der geschädigte Gläubiger der GmbH bzw der Insolvenzinhaber, Anspruchsgegner der für die Schädigung der GmbH verantwortliche Gesellschafter3. Nach der Kehrtwende durch die Trihotel-Entscheidung (ausführlich Rn 29 ff) konstruiert der BGH die Existenzvernichtungshaftung als Fall der Haftung des betreffenden Gesellschafters aus § 826 BGB gegenüber der Gesellschaft (sog Innenhaftung). Im Einzelnen:

26 Es ist seit langem bekannt4 und etwa von Röhricht5 erneut herausgearbeitet wor-

den, dass der (bilanzielle) Kapitalschutz der §§ 30, 31 bestimmte nachteilige Eingriffe in das Vermögen und die Interessen der Gesellschaft nicht abbildet, so dass der insoweit lückenhafte Gläubigerschutz durch andere und zusätzliche Schutzinstrumente ergänzt werden muss. Dies gilt insbesondere im Falle, dass der verursachte Schaden im Vermögen der GmbH bilanziell nicht angemessen abgebildet werden kann sowie im Hinblick auf sog Kollateralschäden6.

27 Diese Schutzlücke sollte zunächst durch das Haftungskonzept des sog qualifi-

zierten faktischen Konzerns geschlossen werden. Aufbauend auf den Vorschlägen des Arbeitskreises GmbH-Reform hat der BGH herausgearbeitet, dass nicht mehr isolierbare Nachteile, die ein herrschendes Unternehmen seinem abhängigen Unternehmen zufügt, zur Verlustausgleichpflicht entsprechend § 302 AktG bzw bei Insolvenz zur persönlichen Haftung entsprechend § 303 AktG führen. Dem Alleingesellschafter einer unabhängigen Gesellschaft hingegen wurden Eingriffe bis zur Grenze des § 30 erlaubt7.

28 Diese teilweise scharf kritisierte Rechtsprechung8 wurde in den Entscheidungen

Bremer Vulkan9 und KBV10 indes aufgegeben und durch die Rechtsfigur des

1 BGHZ 149, 10 = GmbHR 2001, 1036 – Bremer Vulkan; dazu Altmeppen ZIP 2001, 1837; Lutter/Banerjea ZGR 2003, 402; K. Schmidt NJW 2001, 3577; Ulmer ZIP 2001, 2021; Zöllner FS Konzen, 2006, S. 999. 2 BGHZ 173, 246 = GmbHR 2007, 927 mit Anm Schröder – Trihotel; vgl weiter Goette DStR 2007, 1593. 3 BGHZ 151, 181 = GmbHR 2002, 902 – KBV. 4 Vgl schon Lutter/Hommelhoff in Anh zu § 13 Rn 41 in der 15. Aufl und § 13 Rn 16 in der 16. Aufl dieses Kommentars. 5 Röhricht FS 50 Jahre BGH, 2000, S. 83 ff; ebenso Schön ZHR 168 (2004), 268, 285 ff; Zöllner FS Konzen, 2006, S. 999, 1011. 6 BGHZ 173, 246 Rn 21, 24 = GmbHR 2007, 927 – Trihotel. 7 Alle Nachweise in 18. Aufl Rn 27. 8 Alle Nachweise in 18. Aufl Rn 27. 9 BGHZ 149, 10 = GmbHR 2001, 1036 – Bremer Vulkan. 10 BGHZ 151, 181 = GmbHR 2002, 902 mit zustimmender Anm Schröder – KBV; vgl weiter Keßler GmbHR 2002, 945 ff; Schön ZHR 168 (2004), 268.

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existenzvernichtenden Eingriffs ersetzt1. Danach handelt der existenzvernichtend in das Vermögen der GmbH eingreifende Gesellschafter missbräuchlich2. Diese Neuausrichtung der Rechtsprechung ist weithin auf Zustimmung gestoßen. Zu Recht: Denn nunmehr wurde der Untergang der Gesellschaft (Insolvenz) aufgrund von Eingriffen ihres oder ihrer Gesellschafter mit der evident nachteiligen Folge für ihre Gläubiger in das Zentrum der rechtlichen Betrachtung gerückt, ohne dass es auf eine Unternehmensverbindung ankommt3. Rechtskonstruktiv war der existenzvernichtende Eingriff als Durchgriffshaftung in Form einer Außenhaftung analog § 128 HGB ausgestaltet4. Diese Dogmatik hat der BGH indes in seiner Entscheidung „Trihotel“5 zuguns- 29 ten einer jetzt nicht mehr gesellschaftsrechtlich, sondern nunmehr deliktsrechtlich begründeten Haftung des betreffenden Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft wieder aufgegeben6. Die Existenzvernichtungshaftung ist heute lediglich eine besondere Fallgruppe der sittenwidrigen, vorsätzlichen Schädigung der Gesellschaft nach § 826 BGB mit der Folge einer Haftung des betreffenden Gesellschafters auf Schadensersatz gegenüber der Gesellschaft7 (Zerschlagungsschaden; Kollateralschaden). Dieser Anspruch steht der GmbH zu (daher Innenhaftung!) und ist der Höhe nach begrenzt auf dasjenige, was der Insolvenzverwalter zur Befriedigung aller Gläubiger und der Kosten des Insolvenzverfahrens

1 S. auch BGHZ 150, 61 = GmbHR 2002, 549 – L-Kosmetik; BGH GmbHR 2004, 1528 – Rheumaklinik; BGH GmbHR 2005, 225 – BMW-Vertragshändler; BGH GmbHR 2005, 299 – Handelsvertreter; dazu Bayer/Lieder WuB II C. § 13 GmbHG 3.05. 2 Zusammenfassend Lieder DZWIR 2005, 309 ff. Dieser Rechtsgedanke ist in Art. 3.4 des georgischen Gesetzes über die gewerblichen Unternehmen von 1996 ausdrücklich formuliert: „Die Haftungsbefreiung […] tritt nicht für die Person ein, die die […] Haftungsbeschränkung offenkundig missbräuchlich verwendet hat.“ 3 Zustimmend auch Bayer/Lieder WM 2006, 999; Bayer FS Röhricht, 2005, S. 25, 45; Henze NZG 2003, 649, 659; Jacob GmbHR 2007, 796, 799; Keßler GmbHR 2002, 945, 946; Lutter/Banerjea ZGR 2003, 402, 412; Röhricht ZIP 2005, 505, 513. 4 Dazu näher Lieder DZWIR 2005, 309, 314 f mwN. 5 BGHZ 173, 246 = GmbHR 2007, 927 mit Anm Schröder – Trihotel. 6 Kritisch – weil die Vorgaben der Kontinuität der Rechtsprechung gemäß den Grundsätzen des BGH (GSZ) BGHZ 128, 85, 90 f = GmbHR 1995, 301 verletzend – Henze ZHR 172 (2008), 127 ff; dagegen indes Habersack ZGR 2008, 533, 543; zu dieser Entwicklung ausführlich Weiß Der Richter hinter dem Recht, 2014, S. 208 ff, 423 ff. 7 Im Wesentlichen aufbauend auf der Arbeit von Zöllner FS Konzen, 2006, S. 999 ff; zustimmend Förster AcP 209 (2009), 398, 444; Strohn ZNotP 2008, 338; wohl auch im Grundsatz Röck S. 125 f; in der Tendenz ebenso Dauner-Lieb ZGR 2008, 35 ff; Weller ZIP 2007, 1681 ff („dogmatisches Kabinettstück“); kritisch (gegen § 826 BGB, aber für Innenhaftung): Altmeppen NJW 2007, 2657 ff; Habersack ZGR 2008, 533 ff; OsterlohKonrad ZHR 172 (2008), 274 ff; ablehnend etwa: Henze ZHR 172 (2008), 127 ff; Lieder DZWIR 2008, 145 ff; vgl auch K. Schmidt GmbHR 2008, 449, 456 ff („rechtsdogmatisch und rechtspolitisch bedenklich“).

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§ 13 | Juristische Person; Handelsgesellschaft benötigt1. Es geht somit nach wie vor um Gläubigerschutz, nicht um die Wiederherstellung der Gesellschaft als werbendes Unternehmen2. 30 Der BGH hat mit dieser neuen Rechtsprechung nicht nur seine erst 2001 ent-

wickelte eigene gesellschaftsrechtliche Begründung aufgegeben, sondern darüber hinaus ausdrücklich3 auch andere Haftungsansätze (insbesondere aus Verletzung der gesellschaftsrechtlichen Treupflicht gegenüber der Gesellschaft durch den betreffenden Gesellschafter4) abgelehnt5. Im Schrifttum wurde das neue Haftungskonzept überwiegend positiv aufgenommen, insbesondere weil damit das kapitalgesellschaftsrechtliche Trennungsprinzip des § 13 Abs. 2 gefestigt werde6 (zur Kritik aber noch Rn 46).

31 In der Sanitary-Entscheidung7 hat der BGH klargestellt, dass die Trihotel-

Grundsätze erst recht in der Liquidation der Gesellschaft gelten; zudem hat er eine konkurrierende Haftung aus § 826 BGB etabliert, die bei erheblicher Missachtung der Liquidationsvorschriften unabhängig vom Merkmal der Insolvenzverursachung bzw -vertiefung greift. In Gamma8 stellte der BGH klar, dass die Existenzvernichtungshaftung einen „Eingriff“ in das Gesellschaftsvermögen der GmbH voraussetzt, welchem ein Unterlassen hinreichender Kapitalausstattung im Sinne einer „Unterkapitalisierung“ nicht gleich steht9 (dazu bereits Rn 20 ff). b) Voraussetzungen der Existenzvernichtungshaftung nach BGH

32 aa) Die Existenzvernichtungshaftung erfordert einen gezielten, betriebsfremden

Eingriff in das Vermögen oder die Interessen der Gesellschaft ohne Rücksicht auf deren Fähigkeit zur Bedienung ihrer Verbindlichkeiten. Gemeint ist das Vermögen im weiteren Sinne, also auch das, was wie etwa bei Geschäftschancen, dem Abzug notwendigen Personals, der Verlagerung von Produktionen oder der Belastung von Gesellschaftsvermögen für fremde Schulden10 bilanziell nicht in Erscheinung tritt, – mithin §§ 30, 31 nicht auslöst –, gleichwohl aber eine

1 BGHZ 173, 246 = GmbHR 2007, 927 Rn 32 und 55 – Trihotel; vgl auch Strohn ZInsO 2008, 706, 710. 2 Auf der Basis des Innenhaftungsmodells des BGH kritisch hierzu Röck S. 41 ff, 129 ff. 3 BGHZ 173, 246 = GmbHR 2007, 927, Rn 15 („ausschließlich“) und Rn 17 („allein in § 826 BGB“) – Trihotel. 4 So insbesondere Zöllner FS Konzen, 2006, S. 999; Grigoleit S. 283 ff, 321 ff. 5 Eingehend zum neuen Haftungskonzept Kurzwelly FS Goette, 2011, S. 277 ff. 6 S. etwa Altmeppen NJW 2007, 2657; Schröder GmbHR 2007, 934, 936; Theiselmann GmbHR 2007, 904, 906. 7 BGHZ 179, 344 = GmbHR 2009, 601; dagegen Röck S. 98, 134 ff. 8 BGHZ 176, 204 = GmbHR 2008, 805 – GAMMA; dazu etwa Altmeppen ZIP 2008, 1201 ff; Kleindiek NZG 2008, 686 ff; Veil NJW 2008, 3264 ff; Ulrich GmbHR 2008, 810 ff. 9 Bestätigung durch BGH GmbHR 2012, 740 – Wirtschaftsakademie mit teilweise kritischer Anm Röck. 10 BGHZ 173, 246 = GmbHR 2007, 927 Rn 24 – Trihotel.

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wirtschaftlich nutzbare Rechtsposition begründet1. Fallgruppenbildung bei Heeg/Manthey GmbHR 2008, 798 ff. Eingreifender und damit Adressat der Haftung ist in erster Linie der Gesell- 33 schafter der GmbH, häufig der Alleingesellschafter2, hingegen nicht der Geschäftsführer, der nicht zugleich Gesellschafter ist3 (zu dessen Haftung Rn 44). Zudem kommt als originärer Haftungsadressat – also ohne Rückgriff auf § 830 Abs. 2 BGB – der Gesellschafter-Gesellschafter mit beherrschendem Einfluss in Betracht4. Der Eingriff kann auch auf einem Anspruch des Gesellschafters beruhen, dessen 34 jetzige Verwirklichung aber zur Insolvenz der Gesellschaft führen muss, wie das folgende Beispiel zeigt: Aktiva:

8 050 000

Passiva: Stammkapital Rücklagen Verbindlichkeiten

50 000 5 000 000 3 000 000 8 050 000

Werden jetzt die 5 Mio Rücklagen entnommen – was § 30 erlaubt –, so ist die Gesellschaft, wenn ihre Aktivitäten nicht drastisch eingeschränkt werden, bei 3 Mio Verbindlichkeiten trotz ihrer verbliebenen Aktiva von gut ebenfalls 3 Mio im Zweifel in Kürze zahlungsunfähig/insolvent mit der Folge, dass – wegen der Insolvenzschäden – die Gläubiger nicht mehr voll befriedigt werden können5. In diesem Fall kommt nunmehr auch eine Geschäftsführerhaftung nach § 64 Satz 3 in Betracht (dazu näher § 64 Rn 47 ff). Um einen Eingriff handelt es sich auch bei der systematischen Verlagerung von 35 Vermögen auf eine Schwestergesellschaft6 und bei der Eingehung ganz unverhältnismäßiger Schulden und Risiken, wobei letztere nur dann haftungsauslösend sein können, wenn sie in keinem spezifischen Bezug zur Unternehmensführung stehen, also betriebsfremden Zwecken dienen7. Gerade das Letztere muss ins1 Lieder DZWIR 2008, 145, 146. 2 Zur Existenzvernichtung durch den Alleingesellschafter: BGHZ 179, 344 = GmbHR 2009, 601 – Sanitary. 3 BGHZ 173, 246 = GmbHR 2007, 927 Rn 24 ff – Trihotel. 4 BGHZ 173, 246 = GmbHR 2007, 927 Rn 44 – Trihotel. 5 Vgl dazu auch den Fall BGHZ 150, 61, 67 = GmbHR 2002, 549 sowie die Fall-Analysen bei Röhricht FS 50 Jahre BGH, 2000, S. 83, 93. 6 BGH GmbHR 2004, 1528; dazu ausführlich Lieder DZWIR 2005, 309, 312. 7 Die Merkmale der Betriebsfremdheit und Finalität bestätigend BGHZ 173, 246 = GmbHR 2007, 927 Rn 31 – Trihotel; ausführlich dazu Lieder DZWIR 2005, 309, 312; dagegen (keine Existenzvernichtungshaftung, in Extremfällen trotzdem § 826 BGB): J. Vetter BB 2007, 1965, 1966; aA Scholz/Bitter Rn 163: jede Geschäftstätigkeit mit deutlich erhöhter Insolvenzwahrscheinlichkeit, aber Differenzierung nach vertraglichen und Zwangsgläubigern.

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§ 13 | Juristische Person; Handelsgesellschaft besondere bedacht werden, wenn im Rahmen von Unternehmenserwerben die Vermögen der Zielgesellschaften und ihrer Töchter mit sehr hohen Verbindlichkeiten belastet werden, deren Rückzahlung von Anfang an objektiv höchst riskant erscheint. Gerade solche nicht bilanzwirksamen Maßnahmen können besonders nachteilig sein1. Der Eingriff kann mithin auch in einer Belastung des Gesellschaftsvermögens zugunsten des Gesellschafters oder einer ihm verbundenen Person bestehen, wenn dadurch etwa ihre Kreditfähigkeit beschränkt oder gar beseitigt wird2. 36 Der Eingriff kann sich in einem einzelnen Akt erschöpfen oder sich als Dauerein-

griff darstellen, in dem etwa die Interessen der Gesellschaft über einen längeren Zeitraum den Interessen eines Gesellschafters untergeordnet werden. Ein Unterlassen kann indes nur dann die Haftung begründen, wenn es einem finalen und betriebsfremden Eingriff in das Vermögen der GmbH entspricht3; nicht hingegen bei der bloßen „Zulassung“ von Zahlungen auf Forderungen, die nach dem früheren Eigenkapitalersatzrecht „gesperrt“ sind4.

37 Demgegenüber sind unternehmerische Fehlentscheidungen kein Eingriff5. Des-

gleichen liegt kein Eingriff vor, wenn der Gesellschafter zwar Forderungen der Gesellschaft auf sein eigenes Konto einzieht, mit diesen Mitteln aber Verbindlichkeiten der Gesellschaft begleicht6. Eine Veräußerung von GmbH-Vermögen in der Liquidation durch die Gesellschafter-Geschäftsführer stellt auch im Falle der Veräußerung an ein von ihnen abhängiges Unternehmen nur dann einen existenzvernichtenden Eingriff dar, wenn die Veräußerung unter Wert erfolgt7. Auch eine Unterkapitalisierung der Gesellschaft ist kein solcher Eingriff8.

38 bb) Kausale Folge des Eingriffs muss die Insolvenz der Gesellschaft sein9. War

die Gesellschaft bereits vor dem Eingriff insolvent (was häufig der Fall sein wird), so reicht auch die Insolvenzvertiefung zur Begründung der Haftung aus10. 1 Dazu auch Strohn ZInsO 2008, 706, 708. 2 Wiedemann FS Lüer, 2008, S. 337, 342 ff. 3 Zutreffend Lieder DZWIR 2005, 309, 312; vgl auch BGH GmbHR 2005, 299 – Handelsvertreter; dazu Bayer/Lieder WuB II C § 13 GmbHG 3.05. 4 BGH GmbHR 2015, 644. 5 BGH GmbHR 2005, 299 – Handelsvertreter; dazu Bayer/Lieder WuB II C § 13 GmbHG 3.05; vgl auch OLG Köln AG 2007, 371; Dauner-Lieb ZGR 2008, 34, 45; J. Vetter BB 2007, 1965, 1966. 6 Zutreffend BGH GmbHR 2008, 929; vgl bereits Lieder DZWIR 2008, 145, 149 im Anschluss an ThürOLG ZIP 2007, 1758. 7 BGH GmbHR 2012, 740 LS 1 und Rn 18 ff. 8 Zutreffend BGHZ 176, 204 = GmbHR 2008, 805 Rn 15 ff – GAMMA; vgl auch oben Rn 20 ff; dazu näher Gloger/Goette/Japing ZInsO 2008, 1051 ff. 9 BGHZ 173, 246 = GmbHR 2007, 927 Rn 39 – Trihotel; BGH GmbHR 2008, 257 (LS); Röhricht FS 50 Jahre BGH, 2000, S. 83, 113; R/A/Altmeppen Rn 82, 94 ff mwN. 10 BGHZ 173, 246 = GmbHR 2007, 927 Rn 16 – Trihotel.

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Die Haftung tritt mithin nicht ein, wenn die Fähigkeit der Gesellschaft zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten in welcher Weise auch immer (Kapitalerhöhung; Zuschüsse; Gesellschafterdarlehen, Rückgewähr verbotener Auszahlungen) wieder hergestellt wird. cc) Erforderlich ist weiterhin ein sittenwidriges Verhalten des Gesellschafters, 39 das jedoch regelmäßig durch die tatbestandliche insolvenzverursachende oder -vertiefende „Selbstbedienung“ des Gesellschafters vor den Gläubigern der GmbH indiziert wird1. dd) Sehr viel schwieriger festzustellen ist das weitere Erfordernis des mindestens 40 bedingten Vorsatzes. Hierzu betont der BGH im Urteil Trihotel2, dass weder ein Bewusstsein der Sittenwidrigkeit noch eine Schädigungsabsicht erforderlich sind und es genügt, wenn „die faktische dauerhafte Beeinträchtigung der Erfüllung der Verbindlichkeiten die voraussehbare Folge des Eingriffs ist und der Gesellschafter diese Rechtsfolge in Erkenntnis ihres möglichen Eintritts billigend in Kauf genommen hat (Eventualdolus)“. Die rein objektive Tatsache einer Erkennbarkeit der aus dem Eingriff resultierenden Insolvenzfolge ex ante genügt also ebenso wenig wie eine ex post-Betrachtung. Der BGH begrenzt damit den Tatbestand auf „dicke Hunde“ (BGH: „Selbstbedienung“ des Gesellschafters vor den Gläubigern3), bei deren Verwirklichung die Insolvenzgefahr auf der Hand lag („praktisch unausweichlich war“)4 und vom Gesellschafter schlechthin nicht übersehen werden konnte. ee) Der durch den existenzvernichtenden Eingriff kausal verursachte Schaden 41 der GmbH liegt regelmäßig im Wert der entzogenen Vermögensgegenstände (auch entgangener Gewinn), erfasst jedoch auch insolvenzbedingte Kollateralschäden (Zerschlagungsverluste) sowie Verfahrenskosten5. Zu ersetzen sind auch Verzugszinsen ab dem Zeitpunkt des schädigenden Eingriffs6 (§ 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB). Obergrenze ist jedoch der Betrag, welcher zur Gläubigerbefriedigung erforderlich ist (vgl Rn 29)7. ff) Zur Darlegungs- und Beweislast hat der Insolvenzverwalter den Eingriff 42 darzutun und ggf zu beweisen und Umstände darzulegen, weswegen die Insol1 BGHZ 173, 246 = GmbHR 2007, 927 Rn 30 – Trihotel; vgl auch Kurzwelly FS Goette, 2011, S. 277, 283. 2 BGHZ 173, 246 = GmbHR 2007, 927 Rn 30 – Trihotel. 3 BGHZ 173, 246 = GmbHR 2007, 927 Rn 28 – Trihotel. 4 BGHZ 173, 246 = GmbHR 2007, 927 Rn 50 – Trihotel. 5 Kurzwelly FS Goette, 2011, S. 277, 283. 6 BGH GmbHR 2008, 322 mit kritischer Anm Wilhelmi EWiR 2008, 433, der darauf hinweist, dass die Haftung erst mit Eintritt bzw Vertiefung der Insolvenz ausgelöst wird; mit dem BGH indes Lieder DZWIR 2008, 145, 149 f. 7 BGHZ 173, 246 = GmbHR 2007, 927 Rn 32, 55 – Trihotel; vgl auch BGH GmbHR 2012, 740 Rn 13 – Wirtschafts-Akademie.

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§ 13 | Juristische Person; Handelsgesellschaft venz kausale Folge war sowie deren Erkennbarkeit darzulegen1. Zum Vorsatz vgl Rn 40. Die Verjährung richtet sich nach den allgemeinen Regeln der §§ 195, 199 BGB2. c) Verhältnis zu § 31 43 Hat der Gesellschafter zugleich § 31 verletzt, so schließt das den Anspruch der

Gesellschaft aus § 826 BGB nicht aus: beide Ansprüche bestehen nebeneinander. Die frühere, entgegenstehende Rechtsprechung3 ist aufgegeben4. d) Haftung des (Fremd-)Geschäftsführers

44 Der Geschäftsführer ist geradezu notwendigerweise in diese Fälle der Existenz-

vernichtung verwickelt, muss er doch in der Regel den Eingriff verwirklichen. Er ist zwar nicht Adressat der Existenzvernichtungshaftung (Rn 33), doch kommt eine gesamtschuldnerische Haftung gemäß § 43 Abs. 2 sowie gemäß § 64 Satz 3 (§ 64 Rn 47 ff) in Betracht5; aber auch eine Haftung als Gehilfe nach § 830 Abs. 2 BGB ist durchaus möglich6. Darüber hinaus kommt im faktischen GmbH-Konzern auch eine Haftung des Geschäftsleiters der Obergesellschaft neben dieser selbst in Betracht7 (§ 317 Abs. 3 AktG analog, dazu auch Anh zu § 13 Rn 15); diese Haftung ist insbesondere bedeutsam, wenn das herrschende Unternehmen insolvent ist8. Erwogen wird jüngst auch – mit guten Argumenten – eine Haftung analog § 117 Abs. 1 AktG im Falle der schädigenden Einflussnahme Dritter auf die GmbH–Geschäftsführung9. e) Haftung der Gesellschafter von Auslandsgesellschaften

45 Die deliktische Begründung der Existenzvernichtungshaftung ist auch im Hin-

blick auf die in Deutschland tätigen europäischen Auslandsgesellschaften von 1 Nach BGHZ 173, 246 = GmbHR 2007, 927 Rn 41 – Trihotel; ausführlich zur Beweislast Bayer/Illhardt GmbHR 2011, 856, 861 f mwN; speziell zu § 826 BGB Förster AcP 209 (2009), 398, 428 ff. 2 BGH GmbHR 2012, 1070 Rn 14 ff; so bereits BGHZ 179, 344 Rn 34 = GmbHR 2009, 601 – Sanitary. 3 S. noch BGH GmbHR 2005, 299 – Handelsvertreter mit Anm Bayer/Lieder WuB II C. § 13 GmbHG 3.05. 4 BGHZ 173, 246 = GmbHR 2007, 927 Rn 38 – Trihotel; bestätigt durch BGH GmbHR 2012, 740 Rn 22 – Wirtschafts-Akademie. 5 R/A/Altmeppen Rn 114; MünchKomm/Liebscher Anh § 13 Rn 599. 6 Bayer/Lieder WM 2006, 1, 8 f; J. Vetter BB 2007, 1965, 1969; R/A/Altmeppen Rn 104; für eine direkte Haftung aus § 826 BGB BGHZ 151, 181, 185 = GmbHR 2002, 902 ff – KBV. 7 R/A/Altmeppen Rn 105, 115; näher Tröger/Dangelmayer ZGR 2011, 558, 575 ff. 8 Näher Altmeppen ZIP 2009, 49, 53 ff mwN. 9 Ausführlich J. Prütting ZGR 2015, 849 ff.

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Bedeutung1; denn deutsche gesellschaftsrechtliche Ansprüche können hier nicht ohne Weiteres geltend gemacht werden2, da insoweit vorrangig ihr heimisches Gesellschaftsrecht zuständig ist3. Das ist anders bei deliktischen Ansprüchen (Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO), jedoch bislang unklar im Hinblick auf die „gesellschaftsrechtliche Aufladung“ des § 826 BGB im Falle der Existenzvernichtungshaftung4. Die jüngste „Kornhaas“-Entscheidung des EuGH5 hat indes nicht nur keine Einwände gegen eine insolvenzrechtliche Qualifikation des § 64 Satz 1 erhoben (dazu auch § 4a Rn 10, 13), sondern zugleich erkennen lassen, dass außerhalb des Gründungs- und Kapitalaufbringungsrechts die Niederlassungsfreiheit den Mitgliedstaaten im Interesse des Gläubigerschutzes einen größeren Spielraum gibt als lange Zeit angenommen6. f) Kritik Die Rspr des BGH ist durch drei Elemente gekennzeichnet:

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(1) Die Rückkehr zu der schon vor 2001 geltenden Innenhaftung (Rn 25). Das wird im Schrifttum überwiegend begrüßt, weil es sich um Eingriffe in das Vermögen der GmbH handelt7. Indes ist es widersprüchlich, eine (einvernehmliche) Treuepflichtverletzung der Gesellschafter gegenüber „ihrer“ GmbH wegen insoweit fehlenden Eigeninteresses der GmbH abzulehnen (ausführlich bei § 14 Rn 29), im Falle der Existenzvernichtung über den Umweg der „mittelbaren“ Gläubigerschäden aber dennoch einen eigenständigen Vermögensschaden der GmbH zu konstruieren, um schließlich einen hierauf gerichteten Ersatzanspruch der Gesellschaft – wider jede schadensrechtliche Dogmatik im Interesse des Schädigers – der Höhe nach auf den zur Gläubigerbefriedigung notwendigen 1 Dazu LG Berlin ZInsO 2009, 157, 158; vgl weiter Fleischer in Lutter (Hrsg), Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, 2005, S. 49, 97 ff; Wagner FS Canaris II, 2007, S. 473, 497 ff. 2 Näher Fleischer in Lutter (Hrsg), Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, 2005, S. 49, 97 ff. 3 So ganz hM seit den Entscheidungen des EuGH zur Niederlassungsfreiheit: EuGH GmbHR 1999, 474 – Centros; EuGH GmbHR 2002, 1137 – Überseering; EuGH GmbHR 2003, 1260 – Inspire Art. 4 Für die deliktische Qualifikation: LG Berlin ZInsO 2009, 157, 158; Burg/Müller-Seils, ZInsO 2007, 929, 931; Gloger/Goette/van Huet DStR 2008, 1194, 1196; Heitsch ZInsO 2007, 961, 963; skeptisch Goette ZIP 2006, 541, 545; differenzierend Weller ZIP 2007, 1681, 1688; für gesellschaftsrechtliche Qualifikation: Michalski/Michalski/Funke Rn 448; Osterloh-Konrad ZHR 172 (2008), 274, 301 f; Schanze NZG 2007, 681, 686; s. auch Strohn ZInsO 2006, 706, 711, der auf die Vorlagepflicht an den EuGH verweist. 5 EuGH ZIP 2015, 2468. 6 Zur Problematik näher Schall ZIP 2016, 289 ff; Kindler EuZW 2016, 136 ff. 7 So Lutter in der 17. Aufl Rn 48; vgl weiter Altmeppen ZIP 2008, 1201; Habersack ZGR 2008, 533; Förster AcP 209 (2009), 398, 444; Osterloh-Konrad ZHR 172 (2008), 274, 285, 289 f; Röck S. 72; K. Schmidt GmbHR 2008, 449, 457 f.

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§ 13 | Juristische Person; Handelsgesellschaft Betrag zu begrenzen1. Gerade dieses „Einfangen“ der Gläubigerschäden legt es nahe, die Existenzvernichtungshaftung als Fall der Durchgriffshaftung zu qualifizieren mit einem Anspruch der geschädigten Gläubiger analog § 128 HGB (wie dies die frühere Rechtsprechung seit Bremer Vulkan getan hat, vgl Rn 28)2. Hinzu kommt die Erschwerung der Haftungsdurchsetzung im Falle, dass trotz Insolvenz kein Verfahren eröffnet wird. Jedenfalls bei Masselosigkeit der GmbH sollte daher – auch von der heute hM und in Parallele zur Durchbrechung der nach hM als Innenhaftung ausgestalteten Vorbelastungshaftung (§ 11 Rn 21) – eine unmittelbare Außenhaftung befürwortet werden3. (2) Die Herleitung des Schadensersatzanspruchs der GmbH aus § 826 BGB. Will man dessen Erfordernisse der Sittenwidrigkeit und des Vorsatzes nicht überdehnen, ergeben sich Probleme bei Schließung der Gläubigerschutzlücke (Rn 26). Das Anliegen von Röhricht und der nachfolgenden Bremer Vulkanund KBV-Rechtsprechung (Rn 28), „Mindeststandards seriösen kaufmännischen Verhaltens“ zu sichern4, da andernfalls „der von der Zulassung der Rechtsform der GmbH ausgehende ökonomische Schaden […] den ursprünglich erstrebten volkswirtschaftlichen Nutzen spürbar übersteigt“5, droht heute verloren zu gehen6. Zu kritisieren ist insbesondere, dass der existenzvernichtende Eingriff durch seine Einordnung in den deliktischen Tatbestand des § 826 BGB seinen eigenständigen gesellschaftsrechtlichen Charakter verloren hat7: Weder kennen §§ 30, 31, deren offengelassene Schutzlücke die Haftung schließen soll, ein subjektives Element, noch verträgt sich das Auferlegen einer Verhaltenspflicht als das systemimmanente Korrelat der Instrumentalisierung der GmbH als haftungsbegrenzende Institution mit einer Beschränkung im subjektiven Tatbestand. (3) In allen Fällen, in denen der Gesellschafter die Gläubiger oder einen bestimmten Gläubiger etwa durch Verlagerung des Vermögens der Gesellschaft auf eine Schwestergesellschaft direkt schädigen will, muss dem betreffenden Gläubiger – über die Grundsätze der Existenzvernichtungshaftung hinaus – nach allgemeinen 1 Ausführlich Röck S. 55, die darüber hinaus aber bei einer erhaltenden Sanierung für einen zur Wiederherstellung der werbenden Tätigkeit führenden Ersatz des Gesellschaftsschadens plädiert. 2 In diese Richtung auch Scholz/Bitter Rn 159, 171; Waclawik NZI 2009, 291, 296; vgl auch Dauner-Lieb ZGR 2008, 34, 41 ff; Schwab ZIP 2008, 341, 344 f; Lieder DZWIR 2008, 145, 148; vgl aber die Verteidigung des BGH durch R/A/Altmeppen Rn 77 ff. 3 So auch Habersack ZGR 2008, 533, 549; Gehrlein WM 2008, 761, 766; Scholz/Bitter Rn 159; im Ergebnis auch R/A/Altmeppen Rn 108 ff; ausführlich Röck S. 56 ff. 4 So Röhricht FS 50 Jahre BGH, 2000, S. 83, 101. 5 Röhricht FS 50 Jahre BGH, 2000, S. 83, 99. 6 In diesem Sinne auch Altmeppen NJW 2007, 2657, 2659; Habersack ZGR 2008, 533, 559. 7 So ausdrücklich auch Lieder DZWIR 2008, 145, 147 f; Hönn WM 2008, 769, 774; Waclawik NZI 2009, 291, 296; vgl auch Dauner-Lieb ZGR 2008, 35, 41: „es gelten künftig (wieder) ausschließlich die Maßstäbe des allgemeinen Zivilrechts“.

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deliktsrechtlichen Grundsätzen, die nicht zur Disposition durch den II. ZS des BGH stehen, auch ein unmittelbarer Schadensersatzanspruch gegenüber dem betreffenden Gesellschafter aus § 826 BGB zustehen (Außenhaftung)1. Der BGH hat dies in der Sanitary-Entscheidung indirekt auch anerkannt2.

7. „Umgekehrter“ Durchgriff Ein „umgekehrter“ Durchgriff (Beispiel: ein Gläubiger des Gesellschafters ver- 47 langt die Erfüllung seines Anspruchs von der GmbH) ist nicht möglich; das Vermögen der GmbH ist ausschließlich für ihre Gläubiger reserviert3. Der Gesellschaftergläubiger kann allerdings in den Geschäftsanteil seines Schuldners vollstrecken4. Im Einzelfall kann dem Gläubiger aber aus Rechtsgeschäft ein Anspruch auch gegen die GmbH zustehen (dazu Rn 2).

8. „Gesellschafterfreundlicher“ Durchgriff; Reflexschäden Literatur: Ganssmüller Die Rechtsstellung des Gesellschafters in bezug auf Schaden, der am Vermögen der GmbH eintritt, GmbHR 1975, 193; Hüffer Eigener Schaden des Alleingesellschafters, Drittschadensliquidation oder Vertrag mit Schutzwirkung bei Schädigung der Einmann-GmbH, JuS 1976, 83; John Gesellschafterfreundlicher Durchgriff?, JZ 1979, 511; Kowalski Der Ersatz von Gesellschafts- und Gesellschafterschaden, 1990; Lieb Schadensersatzansprüche von Gesellschaftern bei Folgeschäden im Vermögen der Gesellschaft, FS R. Fischer, 1979, S. 385.

a) Es gibt Fälle, in denen der Gesellschafter von einem Dritten verletzt wird, 48 hierdurch aber bei der GmbH ein Schaden eintritt. Beispiel nach BGH GmbHR 1977, 274: Der Gesellschafter-Geschäftsführer wird beim Skifahren schuldhaft verletzt, daher entgehen der GmbH lukrative Aufträge. BGHZ 61, 380 hat dem Gesellschafter erlaubt, den Schaden in sein Privatvermögen zu liquidieren5. Diese Entscheidung ist im Schrifttum auf scharfe Kritik gestoßen; es wurde der Einwand erhoben, dass die GmbH und indirekt ihre Gläubiger auf dem Schaden „sitzenbleiben“, während der verletzte (Allein-)Gesellschafter entschädigt wird6. 1 So richtig Osterloh-Konrad ZHR 172 (2008), 274, 303; Scholz/Bitter Rn 159; Schwab ZIP 2008, 341, 347; vgl auch Röck S. 62 ff, 72. 2 BGHZ 179, 344 = GmbHR 2009, 601 Rn 35 – Sanitary. 3 BGHZ 156, 310, 314 f = GmbHR 2004, 57; Scholz/Bitter Rn 186; R/A/Altmeppen Rn 152; unzutreffend daher OLG Hamm GmbHR 1978, 13 mit ablehnender Anm Wilhelm NJW 1977, 1887; OLG Düsseldorf GmbHR 2000, 283 mit ablehnender Anm Emde. 4 MünchKomm/Merkt Rn 366; Scholz/Bitter Rn 185. 5 Unter Bezugnahme auf BGH GmbHR 1962, 134 mit zustimmender Anm Ganssmüller. 6 Zur Kritik an BGHZ 61, 380: Mann NJW 1974, 492; K. Schmidt GmbHR 1974, 178, 180; Medicus JuS 1974, 613, 621.

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§ 13 | Juristische Person; Handelsgesellschaft Der BGH hat dann in der Skiunfall-Entscheidung dem deliktisch geschädigten Gesellschafter nur noch gestattet, den Schaden für die GmbH geltend zu machen1. Dieser Auffassung hat sich auch die hL angeschlossen mit dem Argument, es handelt sich hier um eine Erscheinungsform der Drittschadensliquidation2 mit der Folge, dass der Gesellschafter mit seinem Anspruch (hier: § 823 Abs. 1 BGB) den Schaden der GmbH zur Leistung an diese liquidiert (und damit zugleich seinen eigenen mittelbaren Schaden durch Wertminderung seines Gesellschafteranteils bereinigt) oder aber die GmbH selbst mit dem (abgetretenen) Anspruch ihres Gesellschafter-Geschäftsführers zur Geltendmachung des eigenen Schadens gegen den Schädiger vorgeht. Dieser Sichtweise wurde indes von anderen Autoren heftig widersprochen3; auch im neueren Schrifttum findet die Auffassung, es handele sich hier um eigenen Anspruch des geschädigten Gesellschafters und (nur) dieser könne Schadensersatz für die Entwertung seines GmbH-Geschäftsanteils verlangen (also kein „Reflexschaden“), vermehrt Anhänger4. Auch neuere BGH-Entscheidungen können so verstanden werden5. 49 Neben diesem GmbH-Schaden bleibt naturgemäß und unverändert der Eigen-

schaden des Verletzten, im Beispiel die Kosten der Heilbehandlung des verletzten Gesellschafter-Geschäftsführers.

50 b) Werden Gesellschaft und Gesellschafter gleichermaßen in ihren Rechten ver-

letzt (was insbesondere der Fall ist, wenn der Schaden von einem Mitgesellschafter verursacht wird, der damit zugleich gegenüber dem Gesellschafter eine Treupflichtverletzung begeht), so besteht hier der Schaden des Gesellschafters in aller Regel in einem bloßen Wertverlust seines Gesellschafteranteils. Diesen sog Reflexschaden6 kann der Gesellschafter wegen der bestehenden Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens nicht in sein persönliches Vermögen erstattet verlangen7. Der Gesellschafter hat aber aus der Treupflichtverletzung einen Anspruch auf Ersatzleistung in das Gesellschaftsvermögen, den er im Wege der sog actio pro socio geltend machen kann8; streitig; näher Rn 51 ff.

1 BGH GmbHR 1977, 274, 276 (Skiunfall). 2 U/H/L/Raiser Rn 60; B/H/Fastrich Rn 16; MünchKomm/Merkt Rn 367. 3 Lieb FS R. Fischer, 1979, S. 385; Wilhelm S. 381 f; vgl auch bereits BGH GmbHR 1966, 35 (Gesellschafter ist geschädigt). 4 So R/A/Altmeppen Rn 155; ebenso mit scharfer Kritik an der hM auch Scholz/Bitter Rn 182 (hM sei „unhaltbar“). 5 BGH ZIP 1989, 98 ff (Entschädigung für unrechtmäßige Strafverfolgungsmaßnahmen); BGH GmbHR 1995, 666 (Amtspflichtverletzung). 6 Näher Kowalski S. 23 ff. 7 BGH WM 1987, 13; BGHZ 105, 121; Brandes FS Fleck, 1988, S. 13, 14 ff; MünchKomm/ Merkt Rn 368; Mertens FS Hermann Lange, 1992, S. 561, 569 ff. 8 BGHZ 65, 15, 18 f; Lutter ZHR 162 (1998), 164, 180.

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Kein Reflex-, sondern ein Eigenschaden des Gesellschafters liegt vor, wenn er – insbesondere durch arglistige Täuschung – zum Beitritt veranlasst wurde1.

9. Gesellschafterklage Literatur: Banerjea Die Gesellschafterklage im GmbH- und Aktienrecht, 2000; Bayer Die Geltendmachung von Sozialansprüchen der GmbH durch den ausgeschiedenen Gesellschafter, GmbHR 2016, 505; Eickhoff Die Gesellschafterklage im Recht der GmbH, 1987; Grunewald Die Gesellschafterklage in Personengesellschaften und GmbHs, 1990; Lutter Treupflichten und ihre Anwendungsprobleme, ZHR 162 (1998), 164; Lutz Prozessvertretung der GmbH gegenüber dem Geschäftsführer und actio pro socio bei einstweiligen Verfügungen, NZG 2015, 424; Raiser Das Recht der Gesellschafterklagen, ZHR 153 (1989), 1; Verse Die actio pro socio im Personengesellschafts- und GmbH-Recht nach der Reform der derivativen Aktionärsklage – Ausstrahlungswirkungen des § 148 AktG auf das allgemeine Verbandsrecht?, FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 1325; Zöllner Die sogenannten Gesellschafterklagen im Kapitalgesellschaftsrecht, ZGR 1988, 392.

Mit der heute2 auch für das Recht der GmbH anerkannten3 actio pro socio kann 51 ein Gesellschafter in besonderen Fällen (näher Rn 53 ff) unmittelbar auf Leistung an die Gesellschaft klagen. Es handelt sich um ein zwingendes Minderheitenschutzrecht in Form eines unentziehbaren Mitgliedschaftsrechts4 (vgl § 14 Rn 16 f). a) Voraussetzungen: Voraussetzungen, Rechtsnatur und prozessuale Auswir- 52 kungen sind sehr umstritten; zur Problemlösung kann heute teilweise auf § 148 AktG als Sonderfall der actio pro socio zurückgegriffen werden5. aa) Nach hM können nur mitgliedschaftliche Ansprüche der GmbH gegen ei- 53 nen Mitgesellschafter oder eine diesem zuzurechnende Person6 (Hintermann, Konzernunternehmen) geltend gemacht werden7 (sog Sozialanspruch), speziell auch wegen pflichtwidriger Geschäftsführung gegen einen Gesellschafter-Geschäftsführer8. Ansprüche gegen Organmitglieder, die nicht zugleich Gesell1 Vgl dazu BGHZ 105, 121, 130 – Kerkerbachbahn und BGH WM 1992, 1812 – Scheich Kamel. 2 Abweichend noch RG JW 1929, 1373 mit Anm W. Schmidt. 3 Für alle: Scholz/Bitter Rn 53; vgl auch Altmeppen FS Musielak, 2004, S. 1 ff; Verse FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 1325 ff; Scholz/K. Schmidt § 46 Rn 161 mwN; jüngst ThürOLG GmbHR 2015, 1267, 1269; OLG Düsseldorf GmbHR 2016, 542; dazu ausführlich Bayer GmbHR 2016, 505 ff. 4 Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 161 aE; Bayer GmbHR 2016, 505, 507 mwN (heute allgemeine Meinung). 5 Richtig Verse FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 1325, 1326 ff; eingehend jüngst Bayer GmbHR 2016, 505, 510. 6 B/H/Fastrich Rn 38; MünchKomm/Merkt Rn 327; Michalski/Ebbing § 14 Rn 101. 7 Wie hier auch Scholz/K. Schmidt § 46 Rn 161. 8 BGH GmbHR 1999, 186; BGH GmbHR 2005, 299, 301, 302; vgl weiter OLG Braunschweig GmbHR 2009, 1276, 1277; jüngst OLG Düsseldorf GmbHR 2016, 542; ausführlich Bayer GmbHR 2016, 505, 506 mwN.

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§ 13 | Juristische Person; Handelsgesellschaft schafter sind, können daher auf diesem Wege nicht verfolgt werden1; vielmehr muss ein Beschluss nach § 46 Nr. 8 herbeigeführt und im Falle der treuwidrigen Ablehnung durch die Mehrheit ggf Anfechtungsklage verbunden mit positiver Beschlussfeststellungsklage erhoben werden2. Dieser Standpunkt der hM ist indes zweifelhaft3; jedenfalls bei einstweiligen Verfügungen der GmbH gegen ihren einzigen vertretungsberechtigten Geschäftsführer4 ist die actio pro socio nicht ausgeschlossen5. Ansprüche aus Drittgeschäften oder gar gegen sonstige GmbH-Schuldner unterfallen hingegen generell nicht der actio pro socio6. Vgl für Ansprüche der Gesellschaft gegen Organmitglieder und deren Geltendmachung auch § 46 Rn 34 ff; zum einstweiligen Rechtsschutz nach erfolgter Abberufung jüngst ThürOLG GmbHR 2015, 1267 sowie § 38 Rn 36 ff. 54 bb) Höchst umstritten ist bislang, ob der Gesellschafter einen eigenen An-

spruch auf Leistung an die Gesellschaft7 kraft der zwischen den Gesellschaftern bestehenden Treupflicht hat8 oder ob er den der GmbH zustehenden Sozialanspruch (Rn 53) im Wege einer (quasi-)gesetzlichen Prozessstandschaft geltend macht; die hM, speziell die Rechtsprechung9, folgt letzterer Auffassung10. Dies entspricht auch der heute ganz hM sowohl im Personengesellschafts- als auch im Prozessrecht11. Der BGH hat die Streitfrage bislang unentschieden ge1 So auch hM: BGH ZIP 1982, 1203 (obiter); Zöllner ZGR 1988, 392, 408 f; B/H/Fastrich Rn 38; Michalski/Ebbing § 14 Rn 101; MünchKomm/Merkt Rn 323; ThürOLG GmbHR 2014, 706, 708; ausführlich Lutz NZG 2015 424, 427; abweichend U/H/L/Raiser § 14 Rn 60; Scholz/K. Schmidt § 46 Rn 161; Verse FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 1325, 1334 mwN (unter Hinweis auf § 148 AktG). 2 OLG Köln GmbHR 1993, 816; R/A/Altmeppen Rn 27; von Gerkan ZGR 1988, 440, 448 f. 3 Zutreffend Verse FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 1325, 1334. 4 Daher nicht bei Vorhandensein eines weiteren (Not-)Geschäftsführers: OLG München GmbHR 2013, 369. 5 Näher Lutz NZG 2015, 424, 428 ff; vgl etwa ThürOLG GmbHR 2014, 706, 708; OLG Braunschweig GmbHR 2009, 1276; OLG München NZG 2013, 947. 6 Nahezu unstreitig: B/H/Fastrich Rn 38; R/S-L/Pentz Rn 129; Michalski/Ebbing § 14 Rn 101. 7 So Lutter ZHR 162 (1998), 164, 180 ff; Raiser ZHR 153 (1989), 1, 9 ff; R/S-L/Pentz Rn 131; R/A/Altmeppen Rn 17 mwN; so früher auch hM im Personengesellschaftsrecht: GroßkommHGB/R. Fischer 3. Aufl 1973, § 124 HGB Rn 11 ff mwN. 8 BGHZ 65, 15 = GmbHR 1975, 269, 270 = BB 1975, 1450 mit Anm Schilling = JZ 1976, 408 mit Anm Wiedemann – ITT. 9 So etwa OLG Düsseldorf GmbHR 1994, 172, 175; OLG Düsseldorf GmbHR 1996, 689, 695; OLG Braunschweig GmbHR 2009, 1276, 1277; OLG Koblenz GmbHR 2010, 1043, 1044. 10 Ebenso B/H/Fastrich Rn 37; MünchKomm/Merkt Rn 323; Michalski/Ebbing § 14 Rn 95 ff; Scholz/K. Schmidt § 46 Rn 161; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand § 46 Rn 113; Verse FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 1325, 1328 ff; vgl bereits Grunewald S. 76 ff; Eickhoff S. 152 ff je mwN. 11 Ausführliche Nachweise bei Bayer GmbHR 2016, 505, 508 f.

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lassen1. Die besseren Gründe sprechen für eine Prozessstandschaft; dieses dogmatische Konzept liegt im Übrigen auch der gesetzlichen Regelung des im Jahre 2005 neu geschaffenen § 148 AktG zugrunde2. Zahlreiche Gegeneinwände3 haben sich durch die in § 148 AktG zum Ausdruck gekommenen Prozessregelungen erledigt (näher Rn 56 f). cc) Für die actio pro socio ist nach allgemeiner Meinung nur Raum, solange 55 nicht die GmbH pflichtgemäß den Anspruch selbst verfolgt. Streitig ist allerdings, ob die Geltendmachung des (eigenen) Anspruchs allein durch die Treuepflicht des klagenden Gesellschafters begrenzt ist4 oder ob die actio pro socio aufgrund der Durchbrechung der regulären Zuständigkeit nur als subsidiäres Notgeschäftsführungsrecht für den Fall in Betracht kommt, dass die reguläre Organisation der GmbH versagt und Sozialansprüche unberechtigterweise nicht geltend gemacht werden. Die hM folgt letzterer Auffassung, was bei der (zutreffenden, Rn 54) Annahme einer Prozessstandschaft auch nahe liegt, und verlangt daher, dass der klagende Gesellschafter zunächst einen Beschluss gemäß § 46 Nr. 2, 8 herbeiführt5. Streitig ist wiederum, was zu tun ist, sofern dieser Beschluss rechtswidrig nicht zustande kommt: Darf dann unmittelbar im Wege der actio pro socio geklagt werden6? Oder muss der Beschluss (zusätzlich) mit der kombinierten Anfechtungs- und positiven Beschlussfeststellungsklage angegriffen werden (dazu Anh zu § 47 Rn 40 f), wobei diese Klage dann mit der actio pro socio verbunden und somit ein einheitlicher Rechtsstreit geführt werden kann7? Anerkannt ist allerdings auch von der hM8, dass der Gesellschafter ausnahmsweise unmittelbar klagen kann, wenn es für ihn „ein unzumutbarer Umweg wäre, müsste er die Gesellschaft erst zu einer (Klage) zwingen“9, so etwa im Falle, dass keine Geschäftsführungsorgane existieren, die GmbH bereits gelöscht ist oder aufgrund der bestehenden Mehrheitsverhältnisse ohnehin nicht mit ei1 So ausdrücklich BGH ZIP 2010, 1232, 1233. 2 Grundlegend Verse FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 1325, 1326 ff; eingehend auch Bayer GmbHR 2016, 505, 510 mwN. 3 Zuletzt ausführlich Altmeppen FS Musielak, 2004, S. 1 ff. 4 So insbesondere Lutter ZHR 162 (1998), 164, 182 f; Raiser ZHR 153 (1989), 1, 22 f. 5 So etwa BGH ZIP 1982, 1203, 1204; BGH GmbHR 1991, 363; BGH GmbHR 2005, 301, 302; OLG Koblenz GmbHR 2010, 1043; Scholz/K. Schmidt § 46 Rn 161; U/H/L/Hüffer/ Schürnbrand § 46 Rn 114 ff; MünchKomm/Merkt Rn 327; vgl auch R/A/Altmeppen Rn 20 ff. 6 So U/H/L/Hüffer/Schürnbrand § 46 Rn 115; Verse FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 1325, 1336 ff. 7 So R/A/Altmeppen Rn 20 ff; B/H/Fastrich Rn 39; MünchKomm/Merkt Rn 331; Grunewald S. 73 ff; Eickhoff S. 122 ff; vgl auch OLG Köln GmbHR 1993, 816. 8 Vgl nur R/A/Altmeppen Rn 23; MünchKomm/Merkt Rn 331; vgl weiter U/H/L/Hüffer/ Schürnbrand § 46 Rn 116. 9 So BGH GmbHR 2005, 301, 302 unter Bezugnahme auf BGHZ 65, 15, 21 = GmbHR 1975, 269 – ITT.

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§ 13 | Juristische Person; Handelsgesellschaft nem positiven Beschluss zu rechnen sei1. Dies gilt auch in der Zwei-PersonenGmbH, wenn der andere Gesellschafter gemäß § 47 Abs. 4 von der Abstimmung ausgeschlossen ist2 (zum Stimmrechtsauschluss § 47 Rn 32 ff). 56 b) Rechtsfolge ist die Befugnis des einzelnen Gesellschafters, im eigenen Namen

und auf eigenes Risiko auf Leistung an die Gesellschaft zu klagen. Die actio pro socio bewirkt allerdings nicht den Einwand der anderweitigen Rechtshängigkeit (§ 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO), wenn nachträglich doch noch die GmbH Klage erhebt (sehr streitig); in Anlehnung an § 148 Abs. 3 AktG ist trotz vorliegender Prozessstandschaft (und entgegen der allgemeinen prozessrechtlichen Lehre) die Klage der GmbH zulässig3 und verdrängt nunmehr die Gesellschafterklage4; der klagende Gesellschafter kann indes als streitgenössischer Nebenintervenient weiter am Prozess teilnehmen5. Die Rechtskraft der im Rahmen der actio pro socio getroffenen Entscheidung wirkt (entsprechend § 148 Abs. 5 AktG) für und gegen die GmbH6; auch diese (heftig umstrittene7) Frage ist nunmehr gesetzlich beantwortet; gegen fehlerhafte Prozessführung ist die GmbH durch die Möglichkeit der streitgenössischen Nebenintervention geschützt8. Ähnliches muss für Verzicht und Vergleich gelten. Die Erfüllung befreit unstreitig gegenüber GmbH und Gesellschafter-Kläger; die Leistung hat stets in das Gesellschaftsvermögen zu erfolgen.

57 Scheidet während einer rechtshängigen actio pro socio der Kläger aus der

GmbH aus, so kann er dennoch den Prozess in Anlehnung an § 265 Abs. 2 ZPO fortführen, wenn er hieran ein besonderes Interesse (insbesondere Auswirkungen auf seinen Anteilswert bzw eine Abfindung) geltend machen kann9.

1 BGH GmbHR 2005, 301, 302. 2 So BGH GmbHR 1991, 363; OLG Düsseldorf GmbHR 1994, 172, 175; Michalski/Ebbing § 14 Rn 104; Zöllner ZGR 1988, 392, 410. 3 So auch bereits – wenngleich mit dogmatischen Friktionen – die hL; vgl nur MünchKomm/K. Schmidt § 105 HGB Rn 203; GroßkommHGB/Schäfer § 105 HGB Rn 263; aA etwa Grunewald S. 57 iVm S. 90; ausführlich Bork/Oepen ZGR 2001, 515, 522 ff, 540 ff; wie hier vom abweichenden dogmatischen Standpunkt auch Altmeppen FS Musielak, 2004, S. 1, 11; R/S-L/Pentz Rn 131. 4 So explizit auch schon MünchKomm/K. Schmidt § 105 HGB Rn 203; GroßkommHGB/ Schäfer § 105 HGB Rn 263. 5 Eingehend Bayer GmbHR 2016, 505, 514 mwN. 6 So bereits Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 161; B/H/Fastrich Rn 39 aE; Michalski/Ebbing § 14 Rn 105; Grunewald S. 57 f; ausführlich Bork/Oepen ZGR 2001, 515, 522 ff, 540. 7 Gegen Rechtskrafterstreckung des klagabweisenden Urteils: R/A/Altmeppen Rn 19; R/SL/Pentz Rn 134; vgl weiter GroßkommHGB/Schäfer § 105 HGB Rn 263 mwN; gegen jede Rechtskrafterstreckung U/H/L/Raiser § 14 Rn 68. 8 Ausführlich Bayer GmbHR 2016, 505, 510 im Anschluss an Verse FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 1325, 1326 ff. 9 So zu Recht jüngst OLG Düsseldorf GmbHR 2016, 542; ausführlich Bayer GmbHR 2016, 505, 511 f mwN.

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Dies gilt nicht nur im Rahmen von Beschlussmängelprozessen im Falle der Anteilsabtretung1 (dazu näher auch Anh zu § 47 Rn 42) oder auch bei einem unfreiwilligen Verlust der Mitgliedschaft2, speziell auch im Falle der Einziehung3 (denn es kommt nicht darauf an, dass der Anteil des klagenden Gesellschafters einen Rechtsnachfolger findet4; streitig), sondern richtigerweise5 auch bei der actio pro socio6, wie jüngst auch das OLG Düsseldorf zutreffend entschieden hat7. Auch für dieses Ergebnis spricht die Parallele in § 148 AktG8.

10. Einpersonen-GmbH Die Einpersonen-GmbH ist in Deutschland (§§ 1, 35 Abs. 3 Satz 1, 48 Abs. 3) 58 und im Anwendungsbereich des AEUV (12. RL9) ausdrücklich anerkannt (Einl Rn 45). Es gelten nur einige wenige Sonderregeln, aber keine prinzipiellen Besonderheiten im Zusammenhang mit § 13. Nur aus tatsächlichen Gründen werden bei ihr Einschränkungen der rechtlichen Selbständigkeit (zB kein gutgläubiger Erwerb vom und durch den Alleingesellschafter) und des Haftungsprivilegs (zB Vermischung mit Vermögen des Alleingesellschafters) häufiger akut. Außerhalb dieser Tatbestände steht ihre rechtliche Selbständigkeit auch gegenüber dem Alleingesellschafter und dessen Gläubigern sowie seine Nichthaftung für die Schulden der GmbH ebenso fest (Rn 5) wie bei einer GmbH mit mehreren Gesellschaftern10. Das Gleiche gilt daher auch erst recht für den „wirtschaftlichen Alleingesellschafter“11. Sonderfragen ergeben sich im Übrigen hinsichtlich der Befugnis zum Selbst- 59 kontrahieren (§ 3 Rn 55, Anh zu § 6 Rn 7, § 35 Rn 50 ff), der Einpersonen-Vor1 Grundlegend BGHZ 43, 261, 267 f = GmbHR 1965, 111. 2 Dazu BGHZ 169, 221 Rn 16 – Massa (Squeeze Out). 3 So auch OLG Düsseldorf GmbHR 2001, 1049, 1052; offen gelassen von BGH AG 1993, 514. 4 Ausführlich Bayer GmbHR 2016, 505, 512 mwN zum Streitstand. 5 Abweichend MünchKomm/Ulmer/Schäfer § 705 BGB Rn 210; Erman/Westermann § 705 BGB Rn 59. 6 So (zur KG) auch schon BGH NJW 1960, 964 f; zustimmend MünchKomm/K. Schmidt § 105 HGB Rn 201; im Ausgangspunkt zustimmend auch Bork/Oepen ZGR 2001, 515, 529. 7 OLG Düsseldorf GmbHR 2016, 542. 8 Eingehend Bayer GmbHR 2016, 505, 510. 9 Ursprünglich: Zwölfte RL 89/667/EWG (ABlEG Nr. L 395 v. 30.12.1989, S. 40); seit 21.10.2009: RL 2009/102/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.9. 2009 auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts betreffend Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter (ABlEU Nr. L 258 v. 1.10.2009, S. 20). Text und ausführliche Erläuterungen bei Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 29 mzwN. 10 Scholz/Emmerich § 1 Rn 45. 11 BGHZ 119, 257 = GmbHR 1993, 38.

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Anh zu § 13 | GmbH als verbundenes Unternehmen gesellschaft (§ 11 Rn 38), des Stimmverbotes (§ 47 Rn 32 ff) und ihres Schutzes als abhängige Gesellschaft (Anh zu § 13 Rn 27 ff, 43 ff).

11. Steuer 60 Gesellschaften und Gesellschafter sind getrennte Steuersubjekte. Die GmbH un-

terliegt der Körperschaftsteuer (§§ 1 und 2 KStG), der Gewerbesteuer (§ 2 GewStG) sowie ggf weiteren speziellen Steuern wie Umsatzsteuer und Grunderwerbsteuer. Wegen der Behandlung der Gewinnausschüttung (Dividende) beim Gesellschafter s. R/S-L/Schmidt-Leithoff Einl Rn 106 ff mwN; natürliche Personen unterliegen im Übrigen (Gehalt, Honorar) der Einkommensteuer.

Anhang zu § 13 Die GmbH als verbundenes Unternehmen I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verbundene Unternehmen . . 1. Unternehmen . . . . . . . . . . . . 2. Herrschaft, Abhängigkeit und Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Auf die GmbH anzuwendendes Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . .

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6 7

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9

. 12

III. Gläubigerschutz in der abhängigen und in der faktisch konzernierten GmbH . . . . . . . . . . . . . 1. Konzern-spezifische Kapitalerhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Existenzvernichtungshaftung im Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Weitere Haftungsgrundlagen zum Schutz der Tochtergläubiger

13 14 20

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Lutter/Hommelhoff

VI. 1. 2. 3.

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IV. Minderheitenschutz in der abhängigen und in der faktisch konzernierten GmbH . . . . . . . 27 1. Selbstgestalteter Minderheitenschutz in der (konzern-)abhängigen Gesellschaft . . . . . . . . . . . . 28 a) Minderheitenschutz durch vorläufige Sicherung der Un-

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2. V.

4.

abhängigkeit im Gesellschaftsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . b) Treupflicht-getragener Verhandlungszwang . . . . . . . . . c) Statutarischer Minderheitenschutz im bestehenden Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesetzlicher Minderheitenschutz Zusammenfassung zur faktisch (konzern-)abhängigen GmbH . Unternehmensverträge . . . . . . Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . Unternehmensverträge mit abhängiger GmbH . . . . . . . . . . . . Das Zustandekommen von Unternehmensverträgen mit einer abhängigen GmbH . . . . . . . . . . Inhalt und Wirkungen von Unternehmensverträgen mit einer abhängigen GmbH im Einzelnen a) Notwendiger Inhalt . . . . . . . b) Ausgleich, Abfindung und Umtausch . . . . . . . . . . . . . . c) Fakultativer Inhalt . . . . . . . . d) Wirkung . . . . . . . . . . . . . . .

29 33 35 39 41a 42 42 43 49 67 67 68 72 74

GmbH als verbundenes Unternehmen | Anh zu § 13 5. Unternehmensverträge mit einer GmbH als herrschendem Unternehmen . . . . . . . . . . . . . 6. Sonstige Unternehmensverträge 7. Unwirksame Unternehmensverträge, insbesondere Altverträge a) Überblick . . . . . . . . . . . . . b) Anwendbarkeit der Regeln über die fehlerhafte Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . c) Voraussetzungen . . . . . . . . d) Folgen . . . . . . . . . . . . . . . .

75 77 81 81 82 83 84

8. Änderung von Unternehmensverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Beendigung . . . . . . . . . . . . . . VII. Der Gleichordnungskonzern . VIII. Eingliederung . . . . . . . . . . . . IX. Konzern-Kollisionsrecht . . . . 1. Unternehmensverträge über die Grenze . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Faktischer Verbund mit einer deutschen abhängigen GmbH .

86 87 93 95 96 96 97

Literatur: Altmeppen in Roth/Altmeppen, 8. Aufl 2015, Anh § 13; Altmeppen Die historischen Grundlagen des Konzernrechts, in Bayer/Habersack (Hrsg), Aktienrecht im Wandel II, 2007; Arbeitskreis GmbH-Reform Thesen und Vorschläge, Bd 2, 1972, S. 47; Assmann Der faktische GmbH-Konzern, FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 657; Bachmann Zum Verbot von Insichgeschäften im GmbH-Konzern, ZIP 1999, 85; Beinert Die Konzernhaftung für die satzungsgemäß abhängig gegründete GmbH, 1995; Beuthien Konzernbildung und Konzernleitung kraft Satzung, ZIP 1993, 1589; Binnewies Konzerneingangskontrolle in der abhängigen Gesellschaft, 1996; Böcker Insolvenz im GmbH-Konzern, GmbHR 2004, 1257; Brickwedde Haftung auf horizontaler Ebene eines GmbH-Unterordnungskonzerns, 2009; Casper in Ulmer/Habersack/Winter, 2008, Anh § 77; Drüke Die Haftung der Muttergesellschaft für Schulden der Tochtergesellschaft, 1990; Ehricke Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, 1998; Ekkenga/Weinbrenner/Schütz Einflusswege und Einflussfolgen im faktischen Unternehmensverbund – Ergebnisse einer empirischen Untersuchung, Der Konzern 2005, 261; Emmerich Konzernbildungskontrolle, AG 1991, 303; Emmerich in Scholz, 11. Aufl 2012, Anh § 13; Emmerich/Habersack Konzernrecht, 10. Aufl 20013 (KonzernR); Emmerich/Habersack Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl 2013; Grigoleit Gesellschafterhaftung für interne Einflussnahme im Recht der GmbH, 2006; Henssler Minderheitenschutz im faktischen GmbH-Konzern, FS Zöllner, 1998, Bd I, S. 203; Hirte/Wiedemann Konzernrecht, FS BGH, 2000, S. 337; Hommelhoff ua (Hrsg) Entwicklungen im GmbH-Konzernrecht, ZGR-Sonderheft 6, 1986; Hommelhoff Förder- und Schutzrecht für den faktischen GmbH-Konzern, ZGR 2012, 535; Jansen Konzernbildungskontrolle im faktischen GmbH-Konzern, 1993; Joussen Die konzernrechtlichen Folgen von Gesellschaftervereinbarungen in einer Familien-GmbH, GmbHR 1996, 574; Jungkurth Konzernleitung bei der GmbH, 2000; J. Kessler Handbuch des GmbHKonzerns, 2004; Kleindiek Strukturvielfalt im Personengesellschafts-Konzern, 1991; Koppensteiner/Schnorbus in Rowedder/Schmidt-Leithoff, 5. Aufl 2013, Anh § 52; Liebscher Konzernbildungskontrolle, 1995; Liebscher in Münchener Kommentar zum GmbHG, 2. Aufl 2015, Anh § 13; Liebscher GmbH-Konzernrecht, 2006; Limmer Die Haftungsverfassung des faktischen GmbH-Konzerns, 1992; Löbbe Unternehmenskontrolle im Konzern, 2003; Lutter Die zivilrechtliche Haftung in der Unternehmensgruppe, ZGR 1982, 244; Lutter Das System des deutschen GmbH-Konzernrechts, ZGR-Sonderheft 6, 1986, S. 192; Lutter Entwicklungen und Tendenzen im Konzerngesellschaftsrecht, in Schaumburg (Hrsg), Steuerrecht und steuerorientierte Gestaltungen im Konzern, 1998; Lutter/ Bayer (Hrsg) Holding-Handbuch, 5. Aufl 2015; Lutter Haftung für Konzernvertrauen?, GS Knobbe-Keuk, 1997, S. 229; Lutter/Timm Konzernrechtlicher Präventivschutz im GmbH-

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Anh zu § 13 | GmbH als verbundenes Unternehmen Recht, NJW 1982, 409; Martens Mehrheits- und Konzernherrschaft in der personalistischen GmbH, 1970; Mülbert Unternehmensbegriff und Konzernorganisationsrecht, ZHR 1999, 1; Müller H.F. Abfindungsansprüche außenstehender Aktionäre in der Insolvenz des herrschenden Unternehmens, ZIP 2008, 1701; Priester Die eigene GmbH als fremder Dritter, ZGR 1993, 512; Renner/Engel Gläubigerschutz bei Gewinnverlagerungen im Konzern, ZIP 2013, 2436; Schilling Grundlagen eines GmbH-Konzernrechts, FS Hefermehl, 1976, S. 387; K. Schmidt Abhängigkeit und faktischer Konzern als Aufgaben der Rechtspolitik, JZ 1992, 856; K. Schmidt Die wundersame Karriere des Unternehmensbegriffs …, AG 1994, 189; Uwe H. Schneider Konzernleitung durch Weisung der Gesellschafter der abhängigen GmbH an ihre Geschäftsführer?, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 1071; Uwe H. Schneider/Burgard Treuepflichten im mehrstufigen Konzern, FS Ulmer, 2003, S. 579; Servatius in Michalski, 2. Aufl 2010, Syst Darst 4; Sonntag Konzernbildungs- und Konzernleitungskontrolle bei der GmbH, 1990; Timm Mehrfachvertretung im Konzern, AcP 193 (1993), 423; Theobald (Hrsg) Entwicklungen zur Durchgriffs- und Konzernhaftung, 2002; Tröger Treupflicht im Konzernrecht, 2000; Ulmer Der Gläubigerschutz im faktischen GmbH-Konzern beim Fehlen von Minderheitsgesellschaftern, ZHR 148 (1984), 391; Ulmer (Hrsg) Probleme des Konzernrechts, ZHR-Beiheft 62, 1989; Ulrich Durchbrechung der Haftungsbeschränkung im GmbH-Unternehmensverbund und ihre Grenzen, GmbHR 2007, 1289; Wehlmann Kompetenzen von Gesellschaftern und Gesellschaftsorganen bei der Bildung faktischer GmbH-Konzerne, 1996; Wiedemann Die Unternehmensgruppe im Privatrecht, 1988; Wimmer-Leonhardt Konzernhaftungsrecht, 2004; Wiedemann/Hirte Konzernrecht, FS 50 Jahre BGH, Bd II, S. 337; Ziemons Haftung der Gesellschafter für Einflussnahmen auf die Geschäftsführung der GmbH, 1996; Zöllner/Beurskens in Baumbach/Hueck, 20. Aufl 2013, SchlussAnh Konzernrecht, zit B/H/Zöllner/Beurskens KzR. Speziell zum Vertragskonzern vgl vor Rn 42. Speziell zum Steuerrecht vgl Lutter/Bayer (Hrsg) Holding-Handbuch, 5. Aufl 2015, Teil V, S. 653 ff; Hasselbach/Nawroth/Rödding (Hrsg) Beck’sches Holding-Handbuch, 2. Aufl 2016, Teil D, S. 439 ff; Kessler/Kröner/Köhler (Hrsg) Konzernsteuerrecht, 3. Aufl 2016; Rödder/Herlinghaus/Neumann (Hrsg) KStG-Kommentar, 2016, §§ 14 ff KStG. Speziell zum Konzern-Arbeitsrecht vgl Braun/Wisskirchen Konzernarbeitsrecht, 2015; Feuerborn Arbeitnehmerüberlassung im Konzern, WiVerw 2001, 190; Heltzel/Schmid Konzernholding als (Mit-)Arbeitgeber?, AuA 2011, 700; Henssler Arbeitsvertrag im Konzern, 1983; Lambrich/Happ/Tucci Flexibler Personaleinsatz im Konzern, 2015; Meyer Von Mehrfachbeschäftigungsverhältnissen bis hin zu Matrix-Strukturen im Konzern – Herausforderungen auch für den Arbeitsrechtler, NZA 2013, 1326; Nink/Müller Beschäftigtendaten im Konzern – Wie die Mutter so die Tochter?, ZD 2012, 505; Junker Internationales Arbeitsrecht im Konzern, 1992; Schlachter Grenzüberschreitende Arbeitsverhältnisse, NZA 2000, 57; Seifert Die Schaffung transnationaler Arbeitnehmervertretungen in weltweit tätigen Unternehmen, ZIAS 2006, 205; Vogt Arbeitsrecht im Konzern, 2014; Windbichler Arbeitsrecht im Konzern, 1989.

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I. Überblick In der Unternehmenspraxis wird die GmbH weit verbreitet als Konzernbau- 1 stein1 verwendet, weil sich über die Haftungsbeschränkung aus § 13 Abs. 2 die vielfältigen Risiken im Konzern innerhalb der einzelnen Gesellschaft einschließen und über diese Segmentierung2 die Gefahr reduzieren lässt, dass Risiken an einer Stelle im Konzern mit ihrer Verwirklichung diesen insgesamt in den Abgrund reißen. Zugleich eignet sich die GmbH mit ihrer einfachen und weithin gestaltungsoffenen Unternehmensverfassung (§§ 373, 45) besonders gut, um Konzerne in ihrem Aufbau individuell zu strukturieren und, sobald notwendig, auch umzustrukturieren. Auf die Geschäftsführung in Konzerntochter- und -enkelgesellschaften und auf deren Ablauf kann die Konzernmutter über das Weisungsrecht (§ 37 Abs. 1) gegenüber den jederzeit frei abberufbaren Geschäftsführern (§ 38 Abs. 1) umfassend prägenden Einfluss nehmen: von generellen Konzernleitlinien4 bis hin zu ad hoc-Vorgaben. Die Konzernpraxis verwendet die GmbH für vielfältig unterschiedliche Zwecke von der rechtlichen Verselbständigung in geschlossenen Unternehmensbereichen samt Entwicklung, Produktion und Vertrieb über die Ausgliederung unternehmerischer Teilfunktionen (zB Konzernfinanzierung im cash management-System)5 und die Organisation von Gemeinschaftsunternehmen6 bis hin zum grenzüberschreitenden Auftritt ausländischer Hersteller in Deutschland über eigenständig organisierte Vertriebs- und Serviceeinrichtungen. In diesen und vergleichbaren Fällen handelt es sich zumeist um Gesellschaften mbH im Alleinbesitz ihrer Konzernmütter7. Nur in Ausnahmefällen sind an konzernierten Tochter- oder Enkelgesellschaften außenstehende (Minderheits-) Gesellschafter beteiligt, obwohl auch solche Konstellationen durchaus bewusst gestaltet vorkommen. Trotz der weit verbreiteten Verwendung der GmbH in Konzernverbindungen 2 hat der Gesetzgeber bis heute davon Abstand genommen, das Recht der verbun1 Hommelhoff in Mestmäcker/Behrens (Hrsg), Das Gesellschaftsrecht der Konzerne im internationalen Vergleich, 1991, S. 91, 126 ff; MünchKomm/Liebscher Rn 8 ff; Reichert/ Liebscher GmbH & Co. KG, 7. Aufl 2015, § 51 Rn 3 ff (zur GmbH & Co KG); Wicke Rn 1; Scholz/Emmerich Rn 1; B/H/Zöllner/Beurskens KzR Rn 2; s. auch die bei U/H/W/ Casper Anh § 77 Rn 10 referierten Schätzungen; in der eingehenden Aufbereitung des Tatsachenmaterials von MünchKomm/Fleischer Einl Rn 198 ff findet sich zur Konzernverflechtung der Gesellschafter keine Sachaussage. 2 Hommelhoff ZIP 1990, 761, 767 ff; MünchKomm/Liebscher Rn 361; s. auch Bayer GmbHR 2009, 1048, 1053; Meyer GmbHR 2002, 177, 182. 3 AA Uwe H. Schneider FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 1081. 4 Zu ihnen Lutter/Bayer/Keller Holding-Hdb, Rn 4.79 ff. 5 U/H/W/Casper Anh § 77 Rn 10; Scholz/Emmerich Rn 2; MünchKomm/Liebscher Rn 9. 6 U/H/W/Casper Anh § 77 Rn 10; B/H/Zöllner/Beurskens KzR Rn 2; Scholz/Emmerich Rn 2. 7 Vgl Wiedemann GmbHR 2011, 1009, 1010.

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Anh zu § 13 | GmbH als verbundenes Unternehmen denen GmbH zu normieren – sieht man von den vor allem definierenden Eingangsbestimmungen der §§ 15 ff AktG ab (Rn 6 ff), die rechtsformneutral ausformuliert sind und deshalb auch für die GmbH gelten1. Der mit dem Anlauf zu einer großen GmbH-Reform im 6. und 7. Bundestag 1971/73 unternommene Versuch, auch das Recht der (konzern-)verbundenen GmbH zu kodifizieren, ist mitsamt dem gesamten Reformvorhaben gescheitert2. An Stelle des Gesetzgebers haben die Lehre und vor allem der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs ein ungeschriebenes Recht des GmbH-Konzerns entwickelt – für die unternehmensvertraglich eingebundene Gesellschaft (Rn 42 ff) ebenso wie für die lediglich faktisch konzernierte3. Sein Unterfangen, zwischen dem Vertrags- und dem (einfachen) faktischen Konzern einen weiteren Typ, den „qualifizierten faktischen Konzern“ zu platzieren, hat der Bundesgerichtshof mittlerweile aufgegeben und schützt die Belange der Gesellschaftsgläubiger stattdessen nun über die Rechtsfigur der „Existenzvernichtungshaftung“ (§ 13 Rn 25 ff) ganz allgemein ohne Rücksicht auf die Konzerneinbindung der Gesellschaft4. Einen „Eingliederungskonzern“ entsprechend §§ 319 ff AktG gibt es im GmbH-Recht nicht; für ihn besteht auch kein Bedarf, weil sich die konzernierte GmbH bereits über das Weisungsrecht (§ 37 Abs. 1) wie eine „Betriebsabteilung“ der Konzernmutter5 führen lässt. 3 Neben diesem ungeschriebenen GmbH-Konzernrecht, das darauf abzielt, über

den Bestand der konzernabhängigen GmbH die Interessen ihrer Gläubiger und ggf die ihrer Minderheitsgesellschafter zu schützen (Konzernbestandsschutz), haben die Rechtsprechung6 und in ihrem Gefolge die Literatur7 einen weiteren Mechanismus innovativ geschaffen, der die Minderheitsgesellschafter auf dem Weg zur Konzernabhängigkeit der GmbH schon vor ihrem Eintritt schützen soll. Aktiviert wird dieser Konzerneingangsschutz8 (Rn 28 ff) durch GmbH-spe-

1 Hüffer/Koch § 15 AktG Rn 6; Emmerich/Habersack/Emmerich § 15 AktG Rn 5; Henssler/ Strohn/Maier-Reimer § 15 AktG Rn 1. 2 Für eine Diskussion der einzelnen konzernrechtlichen Vorschläge s. Gessler DB 1973, 48. 3 Hierzu zuletzt Wiedemann GmbHR 2011, 1009. 4 Näher hierzu R/A/Altmeppen Rn 157 ff; U/H/W/Casper Anh § 77 Rn 100; Scholz/Emmerich Rn 120a. 5 Zu diesem Kennzeichen der eingegliederten AG Emmerich/Habersack/Habersack Einleitung Rn 7; Spindler/Stilz/Singhof § 323 AktG Rn 1; Hüffer/Koch § 323 AktG Rn 1; Henssler/Strohn/Wilsing § 323 AktG Rn 1. 6 BGHZ 80, 69 = GmbHR 1981, 189 – Süssen. 7 Grundlegend Lutter/Timm NJW 1982, 409, insbesondere 417 f. 8 Hierzu Binnewies Die Konzerneingangskontrolle in der abhängigen Gesellschaft, 1996, S. 133 ff, 395 ff; U/H/W/Casper Anh § 77 Rn 55 ff; Grauer Konzernbildungskontrolle im GmbH-Recht, 1991, passim; Emmerich/Habersack/Habersack Anh § 318 AktG Rn 8 ff; R/S-L/Koppensteiner/Schnorbus Anh § 52 Rn 29 ff; MünchKomm/Liebscher Rn 265 ff; Liebscher Konzernbildungskontrolle, 1995, S. 188 ff, 218 ff; Michalski/Servatius Syst Darst 4 Rn 412 ff; B/H/Zöllner/Beurskens KzR Rn 93 ff.

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zifische Rechtshebel wie die Anteilsvinkulierung (§ 15 Abs. 5), das Wettbewerbsverbot (§ 112 HGB analog, § 14 Rn 38 ff) und die Gesellschaftertreupflicht (§ 14 Rn 29 ff). Insgesamt schützt das ungeschriebene GmbH-Konzernrecht die Gläubiger in 4 der konzernabhängigen GmbH und ggf ihre Minderheitsgesellschafter durch den Einsatz des allgemeinen Gesellschaftsrechts1 und, sofern geboten, seine konzernspezifische Konkretisierung und Fortschreibung wie vor allem beim Konzerneingangsschutz. Anders ist dies lediglich bei der (allenfalls steuerrechtlich bedeutsamen)2 unternehmensvertraglichen Konzernierung der GmbH. Mit diesem Schwerpunkt des konzernrechtlichen Außenseiterschutzes im allgemeinen GmbH-Recht verzichten Rechtsprechung und Lehre (anders als der Gesetzgeber des AktG 1965) darauf, den Konzernkonflikten über ein Sonderrecht3 zu begegnen. Mit diesem Verzicht wird das deutsche GmbH-Konzernrecht inmitten der Gesellschaftsrechte anderer EU-Mitgliedstaaten und ihrer Fortentwicklung (unvermerkt) anschlussfähig gehalten. Dem kommt nicht zuletzt deshalb aktuelle Bedeutung zu, weil die Reflection Group on the future of EU Company Law4 eine Richtlinie zur Harmonisierung der mitgliedstaatlichen Rechte für die zweite Kapitalgesellschaftsform (GmbH, Sarl, Ltd etc) mit dem Ziel zur Diskussion gestellt hat, vor allem mittelständischen Unternehmen mit Binnenmarkt-weiten Aktivitäten die Möglichkeit zu eröffnen, konzernindividuell einheitlich strukturierte Tochtergesellschaften im Alleinbesitz ihrer Mütter in mehreren Mitgliedstaaten zu etablieren und zu führen (simplified single member company, SMC). Ausgemündet in den Vorschlag für eine SUP-Richtlinie (Einl Rn 50a) ist deren Verabschiedung momentan (April 2016) noch ungewiss. Aber auch jenseits der gesellschaftsrechtlichen Bewältigung spezifischer Kon- 5 zernkonflikte spielt die Konzerneinbindung einer GmbH im Recht dieser Gesellschaftsform vereinzelt eine Rolle: so ua beim Beteiligungsverbot nach § 33 (§ 33 Rn 40 ff), beim Konzernabschluss und -lagebericht nach § 42a Abs. 4 (§ 42a Rn 47 ff), bei den Geschäftsführer-Anstellungsverträgen im Konzern (Anh zu § 6 Rn 9), bei der Konzerndimensionalität der Informationsrechte aus § 51a (§ 51a Rn 18 ff) sowie der Aufsichtsratsüberwachung (§ 52 Rn 17).

1 Zu diesem Grundkonzept in anderen EU-Mitgliedstaaten Forum Europaeum Konzernrecht ZGR 1998, 672, 676 ff mwN. 2 Zur rechtspraktischen Bedeutung des GmbH-Vertragskonzerns U/H/W/Casper Anh § 77 Rn 11; Scholz/Emmerich Rn 129; MünchKomm/Liebscher Rn 627 ff. 3 Markant BGHZ 69, 334, 337 – VEBA/Gelsenberg mit Besprechung ua von Lutter/Timm BB 1978, 836; Zöllner AG 1978, 40. 4 Report of the Reflection Group On the Future of EU Company Law S. 66 f, abrufbar unter http://ec.europa.eu/internal_market/company/docs/modern/reflectiongroup_report_en.pdf, abgerufen am 15.2.2016.

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Anh zu § 13 | GmbH als verbundenes Unternehmen II. Verbundene Unternehmen 6 Die aktiengesetzlichen Eingangsbestimmungen zu den verbundenen Unterneh-

men (§§ 15 ff AktG) finden wegen ihrer bewusst rechtsformneutralen Formulierung (Rn 2) über die AG hinaus auch auf andere Gesellschaftsformen Anwendung, insbesondere auf die GmbH. Diese kann danach sowohl herrschendes, als auch abhängiges Unternehmen innerhalb eines Abhängigkeitsverhältnisses nach § 17 AktG sein, aber auch innerhalb eines Konzerns (§ 18 AktG) konzernherrschende Mutter oder konzernabhängige Tochter oder Enkelin. 1. Unternehmen

7 Wegen des Rückgriffs auf das allgemeine GmbH-Recht, um Konzern- oder Ab-

hängigkeits-spezifische Konflikte zu bewältigen (Rn 4), kommt dem verbundrechtlichen Unternehmensbegriff der §§ 15 ff AktG bloß noch eingeschränkte Bedeutung zu; ein Zugangsschlüssel zum Konzernrecht als Sonderrecht (Rn 4) wird für den GmbH-Konzern nicht gebraucht. Und falls der Träger nur einer einzigen Aktivität, der nach dem Verbundrecht kein Unternehmen ist (Rn 8), einen Unternehmensvertrag abschließen will, so ist nicht einzusehen, warum ihm dies mangels Unternehmenseigenschaft verwehrt werden sollte1. Rechtspraktisch bedeutsam ist der Unternehmensbegriff daher allein noch für den Einsatz des Konzerneingangsschutzes im GmbH-Konzern (Rn 28 ff).

8 Der Gesellschafter (natürliche oder juristische Person) ist „Unternehmen“ iSd

§§ 15–19 AktG, wenn er neben seiner (maßgeblichen) Beteiligung an der betreffenden GmbH auf mindestens eine weitere Gesellschaft maßgeblich Einfluss ausüben kann2 oder ein eigenes Einzelunternehmen betreibt3 oder als Freiberufler tätig ist4: Nur dann besteht die Gefahr, dass er zum Nachteil der GmbH und zugunsten des anderen Bereichs handelt. Unternehmen kann daher auch die öffentliche Hand sein (Gemeinde, Land, Bund5), aber eben auch eine natürliche Person, deren anderweitige unternehmerische Interessen sich in der Einflussmöglichkeit auf ein anderes Unternehmen erschöpfen6 oder die sonst unternehmerische Interessen außerhalb der Gesellschaft verfolgt7. Dieser Linie des BGH

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Zutreffend K. Schmidt FS Koppensteiner, 2001, S. 191, 207 f. BGHZ 69, 334, 335; B/H/Zöllner/Beurskens KzR Rn 13; MünchKomm/Liebscher Rn 65. BGHZ 115, 187, 191 = GmbHR 1991, 520. ZIP 1994, 1690 = GmbHR 1994, 881 und dazu Lutter in Schaumburg, Rn 87. BGHZ 69, 338 – VEBA/Gelsenberg; BGHZ 135, 107, 113 – VW; BGH NJW 2008, 1583 = AG 2008, 375; hM, vgl etwa Michalski/Servatius Syst Darst 4 Rn 9 mit Nachweisen; kritisch B/H/Zöllner/Beurskens KzR Rn 14. 6 BGH ZIP 1994, 207 = GmbHR 1994, 171; kritisch K. Schmidt AG 1994, 189. 7 Emmerich/Habersack/Emmerich § 15 AktG Rn 10.

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folgen auch das BAG1, das BSG2 und die Instanzgerichte3. Soweit das anderweitige unternehmerische Interesse in der Beteiligung an einer weiteren Gesellschaft besteht, muss es sich um eine maßgebliche Beteiligung handeln. Dies erfordert entweder eine Mehrheitsbeteiligung oder sonstige rechtliche oder tatsächliche Gegebenheiten, aufgrund derer dem Gesellschafter eine beständige und umfassende Einflussnahme möglich ist4. Dagegen ist nicht Unternehmen der private Mehrheitsgesellschafter ohne eine weitere Beteiligung/unternehmerische Tätigkeit oder die eindimensionale Holding mit nur einer Untergesellschaft5; etwas anderes gilt jedoch, wenn die eine Untergesellschaft der Holding ihrerseits Obergesellschaft mehrerer Gesellschaften ist: Die Holding wird dadurch zum Unternehmen, arg § 17 AktG6. 2. Herrschaft, Abhängigkeit und Konzern Ist eine GmbH Unternehmen (Rn 8) und kann sie auf eine andere Gesellschaft 9 (gleich welcher Rechtsform) unmittelbar oder mittelbar (zB über eine Holdinggesellschaft7) beherrschenden Einfluss ausüben, so gilt sie als herrschend, die andere als von ihr abhängig (§ 17 AktG); diese Situation wird vermutet, wenn der GmbH die Mehrheit der Geschäftsanteile oder (nur) der Stimmen (Mehrstimmrechtsgeschäftsanteile, s. § 3 Rn 47) an der anderen Gesellschaft gehört (§§ 17 Abs. 2, 16 Abs. 1 AktG). Gemäß § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG wird weiter vermutet, dass beide Gesellschaften miteinander einen Konzern bilden, also unter der einheitlichen Leitung der herrschenden GmbH zusammengefasst sind (§ 18 Abs. 1 Satz 1 AktG). Gleiches gilt, wenn eine GmbH ihrerseits im Mehrheitsbesitz einer anderen Gesellschaft steht; dann wird vermutet, dass die GmbH abhängig und mit dem herrschenden Unternehmen unter dessen einheitlicher Leitung zu einem Konzern zusammengefasst ist. Abhängige Gesellschaften werden üblicherweise als Unter- oder Tochtergesellschaft, herrschende Gesellschaften als Oberoder Muttergesellschaft bezeichnet (s. § 290 HGB). Bei der GmbH ergeben sich einige Besonderheiten aufgrund der weitgehenden 10 Autonomie ihrer Satzung. Diese kann zB Mehrstimmrechte für einzelne Beschlussgegenstände vorsehen. Stehen solche Mehrstimmrechte einem Gesell1 2 3 4 5

BAG AG 1996, 369. BSG AG 1995, 279, 282 = GmbHR 1995, 46. ZB OLG Düsseldorf AG 1995, 85, 86. BGHZ 148, 123 und dazu Bayer ZGR 2002, 933 mit allen Nachweisen. Lutter/Timm BB 1978, 836, 837; Lutter FS Steindorff, 1990, S. 125, 129 ff; R/S-L/Koppensteiner/Schnorbus Anh § 52 Rn 10; U/H/W/Casper Anh § 77 Rn 20; s. auch B/H/Zöllner/ Beurskens KzR Rn 16. Der Sache nach auch BGH ZIP 1994, 207, 208 = GmbHR 1994, 171, 172. 6 Lutter/Bayer/Lutter Holding-Hdb, Rn 1.36; KölnKomm/Koppensteiner § 15 AktG Rn 62 und 68; Raiser/Veil Kapitalgesellschaften, § 59 Rn 6; R/A/Altmeppen Rn 9. 7 Näher Geitzhaus GmbHR 1989, 455, 456 f.

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Anh zu § 13 | GmbH als verbundenes Unternehmen schafter zu, der nicht über die Mehrheit der Geschäftsanteile verfügt, so ist zunächst zweifelhaft, ob er über eine Mehrheit iSd § 16 Abs. 1 AktG verfügt. Das muss angenommen werden, wenn die Mehrstimmrechte für besonders wichtige Beschlussgegenstände vorgesehen sind, etwa für die Bestellung der Geschäftsführer und für Weisungen zur Geschäftspolitik und Geschäftsführung1. Ähnliches gilt, wenn die Satzung bestimmte Sonderrechte festlegt: Steht etwa einem Unternehmensgesellschafter das alleinige Recht zu, die Geschäftsführer zu bestellen und abzuberufen bzw ihnen Weisungen zu erteilen, so ist die Gesellschaft von ihm auch dann abhängig, wenn er bei keiner Abstimmung über die Mehrheit der Stimmrechte verfügt2. Das Gleiche gilt bei entsprechenden Stimmbindungsverträgen3 und kann – je nach den getroffenen Vereinbarungen – gelten für den Erwerber (zB der Mehrheit) vor dinglichem Vollzug4. 11 Der (beherrschende) Einfluss muss aber stets unmittelbar oder mittelbar gesell-

schaftsrechtlich vermittelt sein, wirtschaftliche Abhängigkeit (zB Lieferant) genügt nicht (hM5). Er kann auch von mehreren Unternehmen ausgehen, wenn sich diese dauerhaft koordiniert haben (zB Stimmbindungsvertrag6).

3. Auf die GmbH anzuwendendes Aktienrecht 12 Einzelne Vorschriften des AktG sind auf die GmbH unmittelbar anwendbar7. So

ist eine GmbH, die den vierten Teil oder die Mehrheit der Aktien einer AG oder KGaA besitzt bzw nicht mehr besitzt, gemäß § 20 AktG verpflichtet, das der betreffenden Gesellschaft unverzüglich schriftlich mitzuteilen. Nach § 56 Abs. 2 AktG darf eine abhängige GmbH keine Aktien ihrer Obergesellschaft zeichnen, und gemäß §§ 71d Satz 1 und 2, 71e Abs. 1 Satz 1 AktG darf sie Aktien ihrer Muttergesellschaft nur insoweit erwerben oder als Pfand nehmen, als diese selbst das tun dürfte. Gemäß § 100 Abs. 2 Nr. 2 AktG darf der Geschäftsführer einer abhängigen GmbH nicht Mitglied im Aufsichtsrat der Muttergesellschaft sein, und gemäß §§ 71b, 71d Satz 4 AktG hat eine abhängige GmbH aus Aktien ihrer Muttergesellschaft keinerlei Rechte, insbesondere weder das Stimm- noch das Dividendenbezugsrecht.

1 Vgl R/S-L/Koppensteiner/Schnorbus Anh § 52 Rn 11; MünchKomm/Liebscher Rn 131; Joussen GmbHR 1996, 574. 2 Vgl Beuthien ZIP 1993, 1589. 3 U/H/W/Casper Anh § 77 Rn 28. 4 Dazu Lutter FS Steindorff, 1990, S. 125; Weber ZIP 1994, 678; aA OLG Düsseldorf ZIP 1993, 1791. 5 BGHZ 90, 381 = GmbHR 1984, 343; Scholz/Emmerich Rn 26a; M. Weber ZIP 1994, 678. 6 Näher Joussen GmbHR 1996, 574. 7 Vgl auch B/H/Zöllner/Beurskens KzR Rn 5 ff.

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III. Gläubigerschutz in der abhängigen und in der faktisch konzernierten GmbH In der (konzern-)abhängigen Gesellschaft werden deren Gläubiger durch das In- 13 strumentarium des allgemeinen Gesellschaftsrechts, des gesellschaftsrechtlich konkretisierten Deliktsrechts und des GmbH-spezifischen Rechts der Kapitalerhaltung geschützt. Um jedoch die Absicht des MoMiG-Gesetzgebers1 zu verwirklichen, die Einrichtung faktischer GmbH-Konzerne zu ermöglichen, zu fördern und zu gewährleisten, muss jenes Instrumentarium konzernspezifisch, soweit erforderlich, fortgeschrieben und angepasst werden, ohne dabei jedoch den gebotenen Gläubigerschutz zu schwächen2. Diese seine Absicht, den faktischen GmbH-Konzern zu gewährleisten, zu fördern und zu legitimieren, hat der MoMiG-Gesetzgeber mit jener Regelung in § 30 Abs. 1 Satz 2 mittelbar zum Ausdruck gebracht, mit der er das konzerninterne cash pooling nach dem entgegengesetzten „November“-Urteil des BGH3 hat rechtsgewiss absichern wollen. Cash pooling ist ein zentrales Element der Konzernfinanzierung4; ihr einen festen Rechtsboden zu legen, macht keinen Sinn, wenn das organisatorische Gebilde, dem diese Finanzierung dient, rechtlich unabgesichert, wenn nicht gar zweifelhaft bliebe. Rechtssicheres cash pooling ist nur innerhalb einer rechtlich anerkannten Verbindung mit der faktisch konzernierten GmbH denkbar5. Für den Schutz ihrer Gläubiger folgt daraus: 1. Konzern-spezifische Kapitalerhaltung a) Das aus § 30 Abs. 1 Satz 2 resultierende Vollwertigkeits- und Deckungsgebot 14 (§ 30 Rn 32 f) muss für die Tochter- oder Enkel-GmbH konzernspezifisch in der Weise fortgeschrieben werden, dass die Einhaltung dieses Gebots nicht auf das einzelne Geschäft innerhalb des Konzerns, auf die einzelne Maßnahme anzuwenden ist, sondern auf die Gesamtsysteme des konzerninternen Leistungsaustauschs6. Das gilt für den Lieferungs- und Leistungsverkehr zwischen der 1 Regierungsentwurf zum MoMiG, BT-Drucks 16/6140, S. 41: „Die Vorschrift [scil. § 30 Abs. 1 GmbHG n.F.] will es den Gesellschaften erleichtern, mit ihren Gesellschaftern – vor allem auch im Konzern – alltägliche und wirtschaftliche Leistungsbeziehungen zu unterhalten und abzuwickeln.“ 2 Hommelhoff ZGR 2012, 535, 537 f. 3 BGHZ 157, 72 = GmbHR 2004, 302; kritisch hierzu ua Hentzen ZGR 2005, 480; positiv demgegenüber ua Habersack/Schürnbrand NZG 2004, 689. 4 Gärtner Rechtliche Grenzen des Cash Pooling, 2011, S. 49 f; Wehlen in Lutter/Scheffler/ U.H. Schneider (Hrsg), Handbuch der Konzernfinanzierung, 1998, § 23 Rn 28. 5 Hommelhoff ZGR 2012, 535, 542; auf diesen Aspekt der MoMiG-Reform geht R/A/Altmeppen in seiner systematischen Kritik am hier vorgestellten Konzept (insbesondere Rn 131 ff/147 f) nicht ein. 6 Näher Hommelhoff ZGR 2012, 535, 539 ff, 544 ff.

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Anh zu § 13 | GmbH als verbundenes Unternehmen Tochter und ihrer Mutter bzw auf deren Veranlassung für den Verkehr mit anderen Konzerngesellschaften ebenso wie für die Konzernfinanzierung, insbesondere das konzerninterne cash pooling. Denn die isolierte Erfassung und Bewertung der innert kurzer Zeit großen Zahl konzerninterner Leistungsbewegungen unter Einschluss der im Moment der Leistung jeweils bestehenden Fähigkeit der Mutter bzw anderer Gesellschaften im Konzern, ihre Gegenleistung in der Zukunft zu erbringen, ist mit einem so großen Informations- und sonstigen Handlungsaufwand verbunden, dass sich die GmbH als Konzerntochter weder von ihrer Geschäftsleitung, noch von der ihrer Mutter pflichtgemäß (§ 43 Abs. 1/§ 93 Abs. 1 Satz 1 AktG) führen ließe. Das aber stünde im Widerspruch zur Absicht des Gesetzgebers, auch die faktische Konzernverbindung mit einer GmbH und deren Betrieb auf rechtssicherem Boden zu ermöglichen (Rn 13). Deshalb ist der zwingend gebotene Gläubigerschutz über die Kapitalerhaltung (§§ 30/31) in konzerninternen Systemen sicherzustellen, die auf einen zeitlich eingegrenzten Gesamtausgleich zwischen allen Leistungen der Konzerntochter und den ihr dafür zufließenden Gegenleistungen abstellen. 15 Für die Einrichtung und Ausgestaltung solcher Ausgleichsysteme, ihren kon-

zernpraktischen Einsatz, ihre Beobachtung sowie ihre Steuerung und ggf Nachsteuerung ist primär die Tochtergeschäftsleitung verantwortlich, daneben aber auch die der Konzernmutter (§ 317 Abs. 3 AktG analog)1. Ziel der Ausgleichsysteme ist effektive Erhaltung des Tochtervermögens im Ablauf der Zeit und mithin effektiver Schutz der Tochtergläubiger. Wie die Ausgleichsysteme mit Blick auf dies Ziel ausgestaltet werden sollen, liegt im unternehmerischen Ermessen der beteiligten Geschäftsleitungen im Konzern.

16 b) Für den konzerninternen Verkehr der Lieferungen und Leistungen ist daher

ein System einzurichten, das im Zeitablauf einen Gesamtausgleich zwischen Aufwänden und Erträgen gewährleistet, der das Tochtervermögen in definierten Zeiträumen trotz möglicher Schwankungen ungeschmälert erhält. In den Tochteraufwand sind deren allgemeine Verwaltungskosten2 anteilig ebenso einzupreisen wie eine mögliche Konzernumlage3. Auszuformen ist dieser Gesamtausgleich in einem Rahmenvertrag zwischen Konzerntochter und -mutter, welcher der Tochtergeschäftsleitung auf rechtlich gefestigter Grundlage die notwendigen Informationen bereitstellt und die erforderlichen Behelfe an die Hand gibt, um den Gesamtausgleich im konzerninternen Lieferungs- und Leistungsverkehr kontrollieren und, soweit notwendig, nachsteuern zu können. Zu 1 Zur Inpflichtnahme der Konzerngeschäftsleitung und ihrer Mitglieder R/A/Altmeppen Rn 169 ff; Tröger/Dangelmayer ZGR 2011, 558, 575 ff. 2 Zum Begriff im Rahmen des Bilanzrechts MünchKommBilanzR/Kessler/Freisleben 1. Aufl 2013, § 275 HGB Rn 282 ff; Förschle/Peun Beck BK, 9. Aufl 2014, § 275 HGB Rn 290 ff; MünchKomm/Reiner/Haußer § 275 HGB Rn 145 ff. 3 Zu ihr ua Emmerich/Habersack/Habersack § 311 AktG Rn 49 ff; MünchKomm/Liebscher Rn 250.

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den Nachsteuerungsmechanismen muss das Recht der Konzerntochter gehören, je nach der Wirkrichtung des Verkehrs die Anpassung der Aufwendungen bzw Erträge von der Konzernmutter zu verlangen. In Anlehnung an § 311 Abs. 2 AktG ist der Referenzzeitraum für den Gesamtausgleich längstens ein Jahr; Kontrollen hat die Tochtergeschäftsleitung längstens alle drei Monate durchzuführen. Zudem sind im Rahmenvertrag Kündigungsrechte vorzusehen, die sich im Extremfall auch auf den Abbruch des gesamten Lieferungs- und Leistungsverkehrs müssen erstrecken können. Ohne eine solche Rahmenvereinbarung zum Gesamtausgleich im Ablauf der 17 Zeit sind die Einzelgeschäfte und -maßnahmen im konzerninternen Lieferungsund Leistungsverkehr von der Tochtergeschäftsleitung jeweils daraufhin zu kontrollieren, ob und inwieweit sie das Tochtervermögen schmälern und ggf nach § 30 Abs. 1 verboten sind, weil sie deren Stammkapital verletzen oder eine bereits eingetretene Verletzung oder gar bestehende Überschuldung der Tochter noch weiter vertiefen. c) Ebenfalls auf der Grundlage eines in der Zeit ausgleichenden Gesamtsystems 18 mitsamt rechtsverbindlichen Informations-, Nachsteuerungs- und Lösungsrechten ist, sofern eingerichtet, das konzerninterne cash pooling abzuwickeln. Allerdings muss wegen der herausragenden Bedeutung, die einer kontinuierlichen Liquiditätsversorgung der Konzerntochter im cash pool zukommt, eine solche Versorgung durch die Garantie eines leistungsfähigen Finanzinstituts außerhalb des Konzerns für zumindest drei Monate für den Fall gewährleistet sein, dass die konzerninterne Versorgung der Tochter ins Stocken gerät. Für alle weiteren Elemente eines auf Gesamtausgleich angelegten cash pool-Systems ist auf § 30 Rn 37 ff zu verweisen. Besteht eine solche Liquiditätsgarantie Dritter, genügt es, die Funktionsfähigkeit des Systems und sein tatsächliches Funktionieren längstens alle drei Monate zu kontrollieren; andernfalls verringern sich die Prüfintervalle auf längstens einen Monat1. Ohne ein rahmenvertraglich abgesichertes System mit Informations-, Nach- 19 steuerungs- und Lösungsrechten zugunsten der Konzerntochter ist deren Geschäftsleitung gehalten, bei jeder Liquiditätsabfuhr im Einzelnen zu kontrollieren, ob diese wegen möglicher Unsicherheit der Rückzahlung und der eigenen Liquiditätsversorgung in der Zukunft nicht den Wert des Tochtervermögens Stammkapital-verletzend schmälert.

1 Vgl J. Vetter/Stadler Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, 2003, S. 129: bei fehlender Besicherung seien ausreichende Informationsrechte und eine regelmäßige Bewertung des Rückzahlungsanspruchs umso wichtiger (erhöhte Sorgfaltspflichten des Geschäftsleiters).

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Anh zu § 13 | GmbH als verbundenes Unternehmen 2. Existenzvernichtungshaftung im Konzern 20 Neben den Regeln des gesetzlichen Kapitalschutzes sichern die Grundsätze der

Existenzvernichtungshaftung (§ 13 Rn 25 ff) die Gläubiger der konzernabhängigen Gesellschaft in ihrem Erfüllungs- und Befriedigungsinteresse. Diese Haftung, die an die Stelle der aus qualifizierter faktischer Konzernierung getreten ist (§ 13 Rn 27) und für alle, also auch die konzernfrei unabhängigen Gesellschaften gilt, sanktioniert im Konzern alle Maßnahmen und Veranlassungen der Mutter in der Tochter-GmbH, welche diese in ihrem Fortleben ernsthaft gefährdet und auf diesem Wege außerstande gesetzt haben, ihre Gläubiger zu befriedigen. Im Konzern hat die Existenzvernichtungshaftung (unabhängig davon, ob die Tochter im Alleinbesitz ihrer Mutter steht oder noch weitere Minderheitsgesellschafter hat) vor allem für jene Maßnahmen und Veranlassungen Bedeutung, die sich nicht im Tochtervermögen und seiner Bilanzierung niederschlagen und sich deshalb nicht über die Regeln zum Kapitalschutz sanktionieren lassen: zB ausgleichsloser Entzug der überlebensnotwendigen Liquidität, der trotz vollwertigen Rückzahlungsanspruchs zur Illiquiditäts-Insolvenz führt (zum cash poolSystem Rn 18); Entzug des für die Aufrechterhaltung der Wettbewerbsfähigkeit unverzichtbaren Personals mitsamt dessen spezifischen Know-hows, so dass die Konzerntochter außer Stande gesetzt wird, ihre Produkte marktadäquat fortzuentwickeln.

21 Über die Grundsätze der Existenzvernichtungshaftung sind namentlich auch die

Geschäftschancen der Konzerntochter geschützt: Sollte die Mutter sie in einem Moment, da sich die Chancen noch nicht in der Tochterbilanz niedergeschlagen haben, an sich ziehen oder auf andere Gesellschaften verlagern („das Russlandgeschäft übernimmt anstelle der deutschen die italienische Tochter“), so haftet das Mutterunternehmen der Tochter, falls ihr ertragloser Personalaufwand sie in die Insolvenz treibt. Zwar sind bloße Geschäftschancen im Wettbewerb nicht geschützt; in ihm kann ein anderer den Zuschlag erringen. Das aber gilt nicht fern vom Wettbewerb für Chancenverschiebungen im Konzern. Dagegen kommt ein Chancenschutz über die Regeln zum Kapitalschutz (§§ 30 f) nicht in Betracht, weil sich die bloße Chance, ein Drittgeschäft abzuschließen, regelmäßig noch nicht derart in ihrem Wert verfestigt hat, dass sie als immaterieller Vermögenswert (§ 248 Abs. 2 HGB) qualifiziert werden kann1. Das gilt unabhängig davon, ob das Stammkapital der Konzerntochter schon angegriffen ist oder nicht.

22 Im Konzern treffen die Sanktionen aus der Existenzvernichtungshaftung (§ 13

Rn 25 ff) über die Konzernmutter hinaus auch jene Mitglieder ihrer Geschäftsleitung persönlich, die an der insolvenzgefährlichen Maßnahme oder Veranlas-

1 Hommelhoff ZGR 2012, 535, 547; gegen die pauschale Behauptung, Geschäftschancen seien Schutzgut der Kapitalschutzregeln auch MünchKomm/Ekkenga § 30 Rn 203.

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sung beteiligt waren. Der Grundgedanke aus § 317 Abs. 3 AktG (Rn 15) macht sie zu Mittätern nach § 830 Abs. 1 BGB. 3. Weitere Haftungsgrundlagen zum Schutz der Tochtergläubiger a) Nach den Regeln der Durchgriffshaftung (§ 13 Rn 11 ff) kann die Konzern- 23 mutter den Tochtergläubigern direkt einstehen müssen, falls die jeweiligen Vermögen der Konzerngesellschaften so miteinander vermischt worden sind, dass die einzelnen Vermögensgegenstände den Gesellschaften nicht rechtlich eindeutig zugeordnet werden können. Ebenso mag im Konzern eine Haftung der Mutter für den Fall in Betracht kommen, dass sie Verwirrung im Rechts- und Geschäftsverkehr auf den nachgeordneten Konzernebenen mit Dritten veranlasst, mit welcher der Konzerngesellschaften diese ihr Geschäft abschließen (§ 13 Rn 24 ff). b) In Fortschreibung der Existenzvernichtungshaftung und ihrer Grundsätze 24 muss die Konzernmutter aber auch schon dann der Tochter haften, wenn die Veranlassung der Mutter und ihre Durchführung die Tochterlage derart dramatisch verschlechtert haben, dass die Gesellschaftsgläubiger auch ohne Lebensgefährdung ihrer Schuldnerin die Rechtsbeziehung zu ihr außerordentlich aufkündigen können – etwa einen Lieferantenkredit fällig stellen oder ein Mietverhältnis mit der Tochter-GmbH aus wichtigem Grunde außerordentlich kündigen können1. Um die Tochtergläubiger in ihrer Gesamtheit effektiv zu schützen, muss es der Konzernmutter schon verwehrt werden, ihre Tochter durch Veranlassungen oder gar Weisungen in eine solche Extremlage zu manövrieren, die deren Gläubiger zu drastischen Reaktionen provoziert. Deren „Abbruchrecht“ zieht den Mutterveranlassungen eine Grenze bereits deutlich vor der Existenzvernichtungshaftung; diese kommt erst bei bedrohter Überlebensfähigkeit zum Zuge. Für die Einhaltung dieser „Abbruchgrenze“ sind beide Geschäftsleitungen im 25 Konzern in grundsätzlich gleicher Weise verantwortlich: Der Konzernleitung sind Veranlassungen oder Weisungen, die diese Grenze überschreiten, verwehrt; und die Tochtergeschäftsleitung muss ihnen widersprechen und sich ihrer Durchführung auch sonst versagen. Andernfalls haften sie ihrer Gesellschaft (§ 43 Abs. 2); die beteiligten Mitglieder der Konzernleitung haften der Tochtergesellschaft nach dem Grundgedanken aus § 317 Abs. 3 AktG (Rn 15). c) Dagegen hat die Konzernmutter der Tochter und ihren Gläubigern nicht aus 26 dem Gesichtspunkt eines „Konzernvertrauens“ einzustehen (s. schon 17. Aufl Rn 31 f). Ebenso wenig kommt in Töchtern im Alleinbesitz ihrer Mutter entgegen vereinzelten Stimmen im Schrifttum2 eine Haftung für betriebswirtschaft1 Hommelhoff ZGR 2012, 535, 548. 2 Schön in Bachmann/Eidenmüller/Engert/Fleischer/Schön (Hrsg), Rechtsregeln für die geschlossene Kapitalgesellschaft, ZGR-Sonderheft 18, 2012, § 5 E I mwN; ähnlich R/A/ Altmeppen Rn 168 ff.

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Anh zu § 13 | GmbH als verbundenes Unternehmen lich fehlerhafte und nachteilige Weisungen in Betracht. Zwar müssten die Tochtergeschäftsführer für Handlungen außerhalb der business judgment rule ihrer Gesellschaft einstehen (§ 43 Rn 23). Das aber lässt sich nicht auf den (oder die) weisenden Gesellschafter übertragen; denn mit einer solchen Weisung schädigt sich der Gesellschafter mittelbar selbst. Nach dem Grundgedanken aus § 93 Abs. 4 Satz 1 AktG kommt in Gesellschaften mbH im Alleinbesitz deshalb eine Haftung des Gesellschafters, der Konzernmutter nicht in Betracht (zur Rechtslage bei Beteiligung von Minderheitsgesellschaftern Rn 39). In einer solchen Konzerntochter sind deren Gläubiger allein durch die Regeln des Kapitalschutzes in konzernspezifischer Fortschreibung (Rn 14 ff), die Grundsätze der Existenzvernichtungshaftung (Rn 20 ff) und ihrer Vorverlagerung durch den Gedanken des „GläubigerAbbruchrechts“ (Rn 24 f) sowie im Ausnahmefall durch die Durchgriffshaftung (Rn 23) geschützt. Das reicht aus; andernfalls ließen sich faktische GmbH-Konzerne entgegen der Absicht des MoMiG-Gesetzgebers (Rn 13) weder bilden, noch führen. Das Prinzip der Haftungstrennung und der Risikosegmentierung (Rn 1) muss auch im Konzern gelten (s. schon 17. Aufl Rn 28 f).

IV. Minderheitenschutz in der abhängigen und in der faktisch konzernierten GmbH 27 Schon der historische Gesetzgeber des Jahres 1892 hatte, von einigen wenigen

Regeln abgesehen (zB §§ 50, 61 Abs. 2 Satz 2), auf einen umfassenden Minderheitenschutz im Gesetz verzichtet und es den Beteiligten überantwortet, selbst für den Schutz ihrer Interessen zu sorgen1. Das gilt unverändert und erst recht für die vielfältigen Gefahren, die der Gesellschafterminderheit aus der (Konzern-)Abhängigkeit ihrer Gesellschaft drohen. Konsequent müssen die Minderheitsgesellschafter die ihnen eröffnete Freiheit, den Gesellschaftsvertrag mitgestalten zu können (Einl Rn 4), schon vor Eintritt der (Konzern-)Abhängigkeit nutzen, um ihre Interessen durch geeignete Instrumente im Gesellschaftsvertrag abzusichern2. Ein gesetzlicher Minderheitenschutz durch gestaltendes Richterrecht kommt nur in Ergänzung dieses statutarischen Eigenschutzes in Betracht (Rn 39 ff)3.

1 Vgl Begründung zum GmbH-Gesetzentwurf, abgedruckt in Entwurf eines Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung nebst Begründung und Anlagen, Amtliche Ausgabe, 1891, S. 45; dazu auch MünchKomm/Fleischer Einl Rn 289; R/A/Altmeppen Einl Rn 35, 37. 2 Deshalb kann es entgegen einer weitverbreiteten Ansicht (s. MünchKomm/Liebscher Rn 373 mwN) nicht Funktion des Minderheitenschutzes sein, reflexiv auch die Gläubigerinteressen bestmöglich zur Geltung zu bringen; die Minderheit fungiert keineswegs als „Sachwalter der Gesellschaftsgläubiger“ (so aber MünchKomm/Liebscher Rn 398). 3 Hommelhoff ZGR 2012, 535, 553 ff; aA Uwe H. Schneider FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 1079 f: Konzerngründungsbeschluss der Gesellschafter notwendig.

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1. Selbstgestalteter Minderheitenschutz in der (konzern-)abhängigen Gesellschaft Für den Selbstschutz der Minderheitsgesellschafter sind statutarische Schutzkau- 28 telen in zwei Wirkrichtungen zu unterscheiden: die einen sollen die Minderheitsgesellschafter in die Lage versetzen, dem drohenden Eintritt einer bevorstehenden (Konzern-)Abhängigkeit zu begegnen; die anderen Kautelen zielen darauf ab, den Minderheitsgesellschaftern den Verbleib in der Tochter-GmbH trotz ihrer Konzernierung zu auskömmlichen Bedingungen zu ermöglichen. a) Minderheitenschutz durch vorläufige Sicherung der Unabhängigkeit im 29 Gesellschaftsvertrag: Für die drohende Beeinträchtigung der Minderheitsinteressen ist nicht erst die Ausübung einheitlicher Leitung, also die Begründung einer Konzernbeziehung mit der GmbH (Rn 9) entscheidend, sondern als „archimedischer Punkt“ bereits der Übergang von der bisherigen Unabhängigkeit zur künftigen Abhängigkeit1. Im Interesse effektiven Minderheitenschutzes muss die Zugangsschwelle zu ihm nach vorne verlagert werden, obwohl die GmbH rechtspraktisch in aller Regel mit der Entstehung von Abhängigkeit zugleich in eine Konzernverbindung eingeflochten wird. Dieser Übergang in die Abhängigkeit kann auf drei Wegen geschehen: (1) Der bisher „einfache“ Mehrheitsgesellschafter (sei er Privatmann oder einfache Holding) nimmt eine weitere wirtschaftliche Tätigkeit auf, wird damit zum Unternehmensgesellschafter und also zum herrschenden Unternehmen2; (2) ein bisher nicht mit Mehrheit beteiligter Unternehmensgesellschafter erlangt die Mehrheit und wird damit zum herrschenden Unternehmen3; (3) die Gesellschaft nimmt einen neuen Gesellschafter auf, der die Voraussetzungen eines herrschenden Unternehmens erfüllt. Mit Blick auf diese Wege in die Abhängigkeit ist es in erster Linie Aufgabe des 30 Gesellschaftsvertrages, Vorsorge gegen einen bedingungslosen Gang in die Abhängigkeit zu treffen. Vertragsklauseln sollten die Minderheit in die Lage versetzen, den (künftig konzernherrschenden) Mehrheitsgesellschafter an den Tisch zu Verhandlungen über neue Vertragsbestimmungen und andere Maßnahmen mehr zu zwingen, die der Minderheit den Verbleib in der dann konzernierten Tochter zu auskömmlichen Bedingungen erlauben. Einen solchen Verhandlungszwang entfalten Abtretungsbeschränkungen (§ 15 Abs. 5). Der beherrschende Einfluss entsteht, wie die drei Wege zeigen (Rn 29), in aller 31 Regel durch rechtliche und nicht nur durch faktische Vorgänge. So kann die Aufhebung eines (ex lege bestehenden, näher § 14 Rn 38) Wettbewerbsverbotes 1 Näher Lutter/Timm NJW 1982, 409, 411, 413; zustimmend Binnewies Die Konzerneingangskontrolle in der abhängigen Gesellschaft, 1996, S. 13; Scholz/Emmerich Rn 41; B/H/ Zöllner/Beurskens KzR Rn 93. 2 So der Fall BGHZ 80, 69 = GmbHR 1981, 189. 3 So der Fall BGH ZIP 2008, 1872 = AG 2008, 779.

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Anh zu § 13 | GmbH als verbundenes Unternehmen den privaten Mehrheitsgesellschafter zum herrschenden Unternehmen machen1; ein gleicher Effekt wird erzielt durch die Aufhebung einer statutarischen Klausel, die den Ausschluss eines Gesellschafters für den Fall anderweitiger unternehmerischer Betätigung vorsah (Rn 29 [1]). Die Stimmenmehrheit eines Unternehmensgesellschafters (Rn 29 [2]) kann durch die Abschaffung von Höchst- oder die Einführung von Mehrfachstimmrechten ebenso erreicht werden wie durch den Ausschluss des Bezugsrechts der übrigen Gesellschafter im Rahmen einer Kapitalerhöhung (dazu § 55 Rn 22 ff). Und schließlich können die Zustimmung zur Veräußerung (§ 15 Abs. 5) oder die Aufhebung einer bestehenden Vinkulierung von Geschäftsanteilen sowie die Aufhebung oder Nichtausübung eines Vorkaufsrechts dazu führen, dass ein neuer Gesellschafter mit den Merkmalen eines herrschenden Unternehmens (Rn 29 [3]) in die Gesellschaft aufgenommen werden kann. Alle diese Beschlüsse – so verschieden ihre Gegenstände sein mögen – haben gemeinsam, dass sie am Anfang einer faktischen Abhängigkeit der betreffenden GmbH stehen2. Da sie deren Struktur ändern, können sie gegen den Willen der Minderheit wirksam allein dann gefasst werden, wenn diese zugleich gegen die Gefahren der Abhängigkeit geschützt wird. 32 Ein Abhängigkeits-stiftender Gesellschafterbeschluss ohne Verhandlungen mit

der Minderheit über deren auskömmliche Sicherung bei bestehender Konzernbeziehung (Rn 30) begründet dessen Anfechtbarkeit. Dem angerufenen Gericht ist es verwehrt, den Beschluss mit der Begründung gutzuheißen, der Weg in die Abhängigkeit liege (etwa zur Anbindung an ein starkes Unternehmen bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Gesellschaft) in deren Interesse3; dies ist eine unternehmensstrukturelle Entscheidung, die kein Gericht anstelle der Gesellschafter fällen darf. Sollten sich die Gesellschafter über einen auskömmlichen Minderheitenschutz im Konzern nicht (gesellschafts-)vertraglich einigen können, so hat jeder Minderheitsgesellschafter nach dahingehender Androhung das Recht, gegen volle Abfindung auszuscheiden4; für die Abfindung hat die Konzernmutter neben der Tochtergesellschaft einzustehen5. Dagegen fehlt dem Min1 BGHZ 80, 69 = GmbHR 1981, 189 für den Fall der Aufhebung eines statutarischen Verbotes. 2 Lutter/Timm NJW 1982, 409, 415 ff. 3 So aber U/H/W/Casper Anh § 77 Rn 58 ff; Emmerich/Habersack/Habersack Anh § 318 AktG Rn 13; MünchKomm/Liebscher Rn 321 ff; kritisch R/A/Altmeppen Rn 132. 4 Im Schrifttum sind die Voraussetzungen für den Austritt streitig: Während etwa Scholz/ Emmerich Rn 56, Verhoeven GmbH-Konzern-Innenrecht, 1978, S. 118 f und Wiedemann Die Unternehmensgruppe im Privatrecht, 1988, S. 67 f den Austritt schon bei Abhängigkeitsbegründung oder Konzernierung eröffnen wollen, verlangen bspw R/S-L/Koppensteiner/Schnorbus Anh § 52 Rn 90, 63; MünchKomm/Liebscher Rn 397 und B/H/Zöllner/Beurskens KzR Rn 89 eine qualifizierte Konzernbeziehung oder gar eine (wiederholte) Schädigung. 5 Insoweit sind die Ansätze aus BGH ZIP 2012, 422 = GmbHR 2012, 387 mit Besprechung ua von Priester, ZIP 2012, 658 fortzubilden.

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derheitsgesellschafter die Rechtsmacht, die Unabhängigkeit der Gesellschaft durch sein Veto auf Dauer zu sichern1 – es sei denn, die andauernde Unabhängigkeit ist ihm durch ein dahingehendes Sonderrecht im Gesellschaftsvertrag (§ 14 Rn 19) verbürgt worden. b) Treupflicht-getragener Verhandlungszwang: Aber auch ohne die Unabhän- 33 gigkeit der Gesellschaft vorläufig sichernde Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag (Rn 30) ist die Gesellschaftermehrheit, die künftig konzernherrschende Mutter verpflichtet, mit der Minderheit über die Anpassung des Gesellschaftsvertrages an die Konzernierung als für die bislang unabhängige Gesellschaft fundamental neue Situation zu verhandeln sowie über die Entschärfung der aus ihr herrührenden Gefahren2. Diese Treupflicht-getragene Verhandlungspflicht ist doppelt begründet: zum einen in der mangelnden Überschaubarkeit künftiger Entwicklungen in der Gesellschaft und in ihrem Recht sowie zum anderen in den gesteigerten Gefahren, denen eine Gesellschafterminderheit in der faktisch konzernierten GmbH ausgesetzt ist. Diese Gefahren lassen sich rechtsverträglich nicht auf dem Weg entschärfen, 33a dass der gesamte Leistungsaustausch mit der Gesellschaftermehrheit (ohne deren Stimme, § 47 Abs. 4 Satz 2) den Entscheiden der Gesellschaftergesamtheit unterstellt würde, wobei die Mehrheit erneut bei den einzelnen Geschäften jeweils von der Abstimmung nach § 47 ausgeschlossen wäre3. Ein solcher Selbstschutz der Minderheit durch kontrollierende Beteiligung an der Konzerngeschäftsführung in der abhängigen GmbH oder gar deren gänzliche Übernahme würde die Minderheit zu fortlaufendem und intensivem Engagement in der Geschäftsführung zwingen; das stände im Widerspruch zur GmbH-spezifischen Fremdorganschaft (§ 6) – zumal der Minderheit in aller Regel Zeit, Kenntnisse, Befähigung und Geld fehlen4, um die Gesellschaft und damit ihre eigenen Interessen vor den Gefahren der Konzernabhängigkeit erfolgversprechend zu bewahren. Stimmverbote (und vorbeugende Unterlassungsklagen, Rn 40) sind keine Konzern-adäquaten Behelfe eines Minderheiten-Selbstschutzes. Dieser Schutz muss früher vor den einzelnen Maßnahmen der Konzernführung einsetzen und möglichst systematisch nach den Vorstellungen der Beteiligten ausgestaltet sein5. Die Treupflicht-getragene Verhandlungspflicht (Rn 33, und umgekehrt das 33b Recht der Minderheitsgesellschafter auf Schutzverhandlungen) entsteht in eben 1 2 3 4

Hommelhoff ZGR 2012, 535, 562 f. Näher Hommelhoff ZGR 2012, 535, 559 f. So auch R/A/Altmeppen Rn 146 ff. Dazu MünchKomm/Liebscher Rn 504, der allerdings der Ansicht ist, die Minderheit sei primär aufgerufen, sich gegen Schädigungen der abhängigen Gesellschaft durch das herrschende Unternehmen zur Wehr zu setzen (Rn 396). 5 Dabei geht es in der Tat nicht um den Verzicht auf Veto- und Kontrollrechte (R/A/Altmeppen Rn 155).

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Anh zu § 13 | GmbH als verbundenes Unternehmen dem Moment, da die Gesellschaft ihre Unabhängigkeit zu verlieren droht (Rn 29); sie besteht unabhängig von der Möglichkeit der Minderheit, die Mehrheit über eine Anfechtungsklage (Rn 32) an den Verhandlungstisch zu drängen. – Sollte die Gesellschaftermehrheit der Minderheit in den Anpassungsverhandlungen substantiellen Minderheitenschutz im Gesellschaftsvertrag oder gar Verhandlungen überhaupt verweigern, so kann jeder Minderheitsgesellschafter nach entsprechender Androhung gegen volle Abfindung ausscheiden (Rn 32). 34 Ebenfalls in der Treupflicht gründet die Verpflichtung jedes Gesellschafters,

seine Mitgesellschafter über die Abhängigkeits-stiftenden Umstände rechtzeitig zu informieren1.

35 c) Statutarischer Minderheitenschutz im bestehenden Konzern: Auch für ih-

ren Eigenschutz in der dann konzernierten Gesellschaft haben die Minderheitsgesellschafter durch geeignete Kautelen im Gesellschaftsvertrag und durch andere Maßnahmen mehr primär selbst zu sorgen. Die den Interessen der Minderheit drohenden Gefahren sind in so hohem Maße unternehmens- und konzernindividuell, dass der Gesetzgeber mit der Schaffung eines umfassenden Schutzrechts zugunsten der Minderheit schlicht überfordert wäre. Aus demselben Grunde verbieten sich ebenfalls generalisierende Vorschläge zur konzernspezifischen Ausgestaltung des Minderheitenschutzes im Gesellschaftsvertrag; deshalb nur einige Eckpunkte2: Im Vordergrund müssen die Interessen stehen, derentwegen der oder die Minderheitsgesellschafter trotz der Konzernverflechtung ihrer Gesellschaft unverändert an dieser beteiligt bleiben wollen (Beteiligungsinteressen) und deren statutarische Absicherung – zB durch ein Sonderrecht auf Geschäftsführung (§ 14 Rn 19), falls der Minderheitsgesellschafter trotz Konzernierung weiterhin sein Einkommen aus der Beschäftigung in der Gesellschaft erzielen will.

36 Sodann sollten die Minderheitsgesellschafter selbst für den Schutz ihrer vielfältig

in der konzernierten Gesellschaft bedrohten Vermögensinteressen sorgen – und zwar durch statutarische Absicherung der Erlöserzielung ebenso wie durch den Schutz der Ergebnisverwendung in der Konzerntochter. Zwar wird die Gesellschafterminderheit bereits durch das zwingende Recht zum Schutze der Gesellschaftsgläubiger (Rn 13 ff) reflexiv mit geschützt. Aus dem Blickwinkel der Minderheit geschaut ist das jedoch bloß ein Minimalschutz; ungeschützt lässt der Gläubigerschutz vor allem das Interesse der Minderheit, dass die TochterGmbH trotz ihrer Konzernierung Erträge erwirtschaften und die Minderheitsgesellschafter an ihnen teilhaben können. Insoweit mag nach dem Vorbild aus § 304 AktG ein garantierter Ausgleich oder ähnliches im Gesellschaftsvertrag zugunsten der Minderheitsgesellschafter vereinbart werden. Sollte sich kein an-

1 R/A/Altmeppen Rn 138; U/H/W/Casper Anh § 77 Rn 65 f; Emmerich/Habersack/Habersack Anh § 318 AktG Rn 15; MünchKomm/Liebscher Rn 326; Wicke Rn 10. 2 S. schon Hommelhoff ZGR 2012, 535, 553 ff.

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gemessener Schutz der Vermögensinteressen vereinbaren lassen, steht den Minderheitsgesellschaftern nach entsprechender Androhung das Recht zu, gegen volle Abfindung aus der Gesellschaft auszuscheiden (Rn 32). Um die Beteiligungs- wie die Vermögensinteressen und deren effektiven Schutz 37 kontrollieren zu können, benötigen die Minderheitsgesellschafter über die Informationen zur Rechnungslegung (§ 42a Abs. 1) und den Informationsanspruch aus § 51a hinaus1 ein konzernspezifisches Informationsrecht im Gesellschaftsvertrag. In Betracht kommen aber auch die Einrichtung eines „Zölibatsgeschäftsführers“2, damit über ihn die Gesellschafterminderheit auf dem Laufenden gehalten wird, oder zusätzlich die Begründung eines Minderheitenrechts auf Sonderprüfung3 unter vertraglich definierten Voraussetzungen. Sollten sich die gesellschaftsvertraglich vereinbarten Schutzbestimmungen und/ 38 oder sonstige Schutzmaßnahmen im Nachhinein als deutlich unzureichend erweisen, so hat jeder Minderheitsgesellschafter einen Treupflicht-getragenen Anspruch gegen die Konzernmutter darauf, den Gesellschaftsvertrag insoweit mit dem Ziel nachzuverhandeln, die unzureichenden Vertragsbestimmungen durch Nachbesserung auf ein angemessenes Schutzniveau zu bringen4. Gelingt dies nicht, so ist auch diese Nachverhandlungspflicht im Regelfall mit dem Austrittsrecht jedes Minderheitsgesellschafters sanktioniert (Rn 32). 2. Gesetzlicher Minderheitenschutz a) Sollte der Gesellschaftsvertrag keine Bestimmungen enthalten, um die Ver- 39 mögensinteressen der Gesellschafterminderheit zu schützen (Rn 36), so gilt das (in Gesellschaften mbH mit Minderheitsgesellschaftern GmbH-spezifische) absolute Schädigungsverbot5: Das herrschende Unternehmen/die Konzernmutter darf selbst dann nicht schädigend in die (konzern-)abhängige GmbH eingreifen, wenn deren Schaden oder sonstiger Nachteil sofort ausgeglichen wird. Der durch dieses Treupflicht-getragene Schädigungsverbot mittelbar zugunsten der 1 Für ein Bedürfnis nach spezifischen Regeln, die den Informationsfluss im Konzern ermöglichen und begrenzen, B/H/Zöllner/Beurskens KzR Rn 104; ausführlich Sven H. Schneider Informationspflichten und Informationssystemeinrichtungen im Aktienkonzern, 2006, S. 310 ff. 2 OLG Hamm ZIP 1986, 1188, 1193. 3 Brandner FS Nirk, 1992, S. 75; Fleischer GmbHR 2001, 45; Peters/Dechow GmbHR 2007, 236. 4 Hommelhoff ZGR 2012, 535, 563 f. 5 BGHZ 65, 15, 18 f = GmbHR 1986, 78 – ITT; BGHZ 95, 330, 340 = GmbHR 1986, 78 – Autokran; BGHZ 115, 187, 193 = GmbHR 1991, 520 – Video; BGHZ 122, 333, 336 = GmbHR 1993, 427; R/A/Altmeppen Rn 152; U/H/W/Casper Anh § 77 Rn 54, 77; MünchHdbGmbH/Decher/Kiefner § 68 Rn 17; Scholz/Emmerich Rn 68, 70, 71 ff; Emmerich/Habersack/Habersack Anh § 318 AktG Rn 23; MünchKomm/Liebscher Rn 401 ff; Michalski/Servatius Syst Darst 4 Rn 402, 408.

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Anh zu § 13 | GmbH als verbundenes Unternehmen Gesellschafterminderheit wirkende Schutz reicht weit über den der Gesellschaftsgläubiger in der (konzern-)abhängigen Gesellschaft (Rn 26 aE) hinaus; dies Mehr an Minderheitenschutz findet seine Rechtfertigung in den Erlösinteressen der Gesellschafterminderheit, die außerhalb des Gläubigerschutzes liegen (Rn 36). Treupflicht-widrig handelt daher das herrschende Unternehmen/die Konzernmutter, wenn sie – zB aufgrund eines anderweitigen unternehmerischen Interesses – dem Geschäftsführer der GmbH nachteilige Weisungen erteilt1, Geschäfte der Gesellschaft auf sich überleitet oder sich in deren Geschäftschancen hineindrängt2; ein hiergegen verstoßender Weisungsbeschluss der Gesellschafter ist anfechtbar. In Übertragung der business judgment rule aus § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG handelt das herrschende Unternehmen/die Konzernmutter allerdings dann nicht pflichtwidrig, wenn sie bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der (konzern-)abhängigen Gesellschaft und damit zugleich zum Wohl der Gesellschafterminderheit zu handeln. 40 b) Gegen eine Treupflicht-widrig schädigende Handlung des herrschenden Un-

ternehmens/der Konzernmutter steht keinem Minderheitsgesellschafter ein vorbeugender Unterlassungsanspruch zu3. Andernfalls würde man die Gesellschafterminderheit in der Ausübung ihres Eigenschutzes überfordern (Rn 33). Außerdem könnte entgegen dem Anliegen des MoMiG-Gesetzgebers, den faktischen GmbH-Konzern und seine Führung zu ermöglichen (Rn 13), ein solcher Konzern unter der andauernden Drohung einer Vielzahl von Unterlassungsklagen rechtspraktisch schwerlich geführt werden; ein überbordendes Kontrollinstrumentarium würde die Konzernfinanzierung ertränken4. Aus diesem Grunde kommt auch keine umfassende Stimmrechtsbeschränkung der Konzernmutter nach § 47 Abs. 45 in Betracht. – Stattdessen hat jeder Minderheitsgesellschafter in der (Konzern-)abhängigen Gesellschaft im Interesse seines effektiven Schutzes einen Treupflicht-getragenen Anspruch gegen die Konzernmutter auf Nachverhandlung des Gesellschaftsvertrages mit dem Ziel, einen angemessenen Schutz der Vermögens- und Ertragsinteressen der Gesellschafter-

1 BGHZ 65, 15, 17 – ITT; Martens GmbHR 1984, 265, 267; B/H/Zöllner/Beurskens KzR Rn 76 ff und eingehend R/S-L/Koppensteiner/Schnorbus Anh § 52 Rn 56 ff; zu den historischen Grundlagen Altmeppen in Bayer/Habersack (Hrsg), Aktienrecht im Wandel, Bd. II, 2007, S. 1027, Rn 31 ff. 2 Einzelheiten bei U/H/W/Casper Anh § 77 Rn 77 ff; zu mehrstufigen Konzernsachverhalten Uwe H. Schneider/Burgard FS Ulmer, 2003, S. 579, 585 ff. 3 Wie 17. Aufl die hM, s. Emmerich/Habersack/Habersack Anh § 318 AktG Rn 30 f mwN; MünchKomm/Liebscher Rn 329, 483 ff. 4 AA R/A/Altmeppen Rn 148 aE/149; s. auch MünchKomm/Liebscher Rn 503 f. 5 So aber R/A/Altmeppen Rn 146 ff; MünchKomm/Liebscher Rn 383 f mwN; Uwe H. Schneider FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 1081; wie hier Emmerich/Habersack/Habersack Anh § 318 AktG Rn 26 Fn 65.

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minderheit im Vertrag zu verankern1. Im Falle des Fehlschlags steht jedem Minderheitsgesellschafter ein Abfindungs-begleitetes Austrittsrecht (Rn 32) zu. – Also hat jeder Minderheitsgesellschafter in Reaktion auf den Verstoß gegen das Schädigungsverbot einen (Nach-)Verhandlungsanspruch, aber keinen Anspruch auf Unterlassung nachteiliger Weisungen oder Veranlassungen. c) Allerdings haften das herrschende Unternehmen/die Konzernmutter der 41 (konzern-)abhängigen Gesellschaft für jeden Treupflicht-widrigen Verstoß gegen das Schädigungsverbot (Rn 39) auf Schadensersatz2. Daneben haben ihr die beteiligten Mitglieder der Konzernleitung aus dem Grundgedanken des § 317 Abs. 3 AktG (Rn 15) einzustehen3. Sollte die Tochtergeschäftsleitung diese Schadensersatzansprüche trotz Aufforderung von Minderheitsgesellschaftern innert angemessener Zeit (aus verständlichen Gründen) nicht geltend machen, so hat jeder Minderheitsgesellschafter nach dem Grundgedanken aus §§ 317 Abs. 4/ 309 Abs. 4 Satz 1/2 AktG das Recht, den Anspruch auf Leistung an die Gesellschaft durchzusetzen4. Eines vorangehenden Gesellschafterbeschlusses nach § 46 Nr. 8 bedarf es nicht; er wäre in diesem Fall bloße Förmelei (anders 17. Aufl, Rn 26). Dagegen können die Gläubiger die Schadenersatzansprüche nicht anstelle der Geschäftsleitung geltend machen; das Treupflicht-getragene Schädigungsverbot (Rn 39) dient nicht ihrem Schutz, sondern allein dem der Minderheitsgesellschafter.

V. Zusammenfassung zur faktisch (konzern-)abhängigen GmbH Unter den nach §§ 15 ff AktG verbundenen Gesellschaften mbH dominieren 41a rechtstatsächlich die Tochter- und Enkelgesellschaften im Alleinbesitz der konzernherrschenden Mutter. Im Vordergrund des GmbH-Rechts der verbundenen Unternehmen steht deshalb der Schutz der Gläubiger in der (konzern-)abhängigen Gesellschaft. Er ist mit allgemeinem GmbH-Recht zu leisten – freilich verbundspezifisch fortgeschrieben und ergänzt, um das Ziel des MoMiG-Gesetz1 Hommelhoff ZGR 2012, 535, 563 f. 2 BGHZ 65, 15, 18 f – ITT; BGHZ 95, 330, 340 = GmbHR 1986, 78 – Autokran; U/H/W/ Casper Anh § 77 Rn 87; MünchHdbGmbH/Decher/Kiefner § 68 Rn 19; Scholz/Emmerich Rn 85; Emmerich/Habersack/Habersack Anh § 318 AktG Rn 30; R/S-L/Koppensteiner/ Schnorbus Anh § 52 Rn 56; MünchKomm/Liebscher Rn 447; Lutter ZGR 1982, 244, 261; Michalski/Servatius Syst Darst 4 Rn 410; B/S/Weller/Discher Rn 50; M. Winter Mitgliedschaftliche Treuebindungen im GmbH-Recht, 1988, S. 83 f. 3 R/A/Altmeppen Rn 168 ff sieht in dieser Bestimmung eine Haftung des herrschenden Unternehmens und der Mitglieder seines Leitungsorgans für pflichtwidrige Geschäftsleitung begründet. 4 U/H/W/Casper Anh § 77 Rn 87; R/S-L/Koppensteiner/Schnorbus Anh § 52 Rn 62; aA (actio pro socio) Scholz/Emmerich Rn 87; MünchKomm/Liebscher Rn 476; B/H/Zöllner/ Beurskens KzR Rn 88.

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Anh zu § 13 | GmbH als verbundenes Unternehmen gebers zu erreichen, den faktischen GmbH-Konzern zu ermöglichen, zu gewährleisten und zu legitimieren: Gläubigerschutz mit den Regeln zur Kapitalerhaltung, zur Existenzvernichtungshaftung und (hier vorgeschlagen) zum „Abbruchrecht“. 41b In Gesellschaften mit mehreren Gesellschaftern sind diese nach den Grundsät-

zen der Gestaltungsfreiheit und Eigenverantwortlichkeit primär selbst aufgerufen, über Regeln im Gesellschaftsvertrag den Gefahren aus möglicher Abhängigkeit und Konzernierung zu begegnen. Dieser statutarische Selbstschutz sollte doppelt wirken: In der bislang unabhängigen GmbH muss er alle Gesellschafter (zB durch eine Vinkulierungsklausel) präventiv in die Lage versetzen, den Gesellschaftsvertrag vor Eintritt der (Konzern-)Abhängigkeit mit Blick auf sie neu durchzuverhandeln. Außerdem muss der Gesellschaftsvertrag an die konkret anstehende (Konzern-)Abhängigkeit über angemessene Kautelen (zB qualifizierte Informations- und Mitwirkungsrechte, Sonderprüfungsrecht etc) im Wege der Eigenvorsorge angepasst werden.

41c Ein gesetzlicher Minderheitenschutz, vornehmlich auf Grundlage der Treu-

pflicht, hat den statutarischen Selbstschutz der Gesellschafter (Rn 41b) zu ergänzen und abzusichern. Dieser gesetzliche Schutz prägt sich in Verhandlungs- und Nachverhandlungsansprüchen aus, im Recht auf Austritt gegen Abfindung sowie in Schadenersatzansprüchen der Gesellschaft gegen das (konzern-)herrschende Unternehmen und pflichtvergessene Organmitglieder.

VI. Unternehmensverträge Literatur: Autenrieth Geschäftsführerhaftung bei fehlerhaftem Gewinnabführungsvertrag, GmbHR 1990, 113; Bitter Das „TBB“-Urteil und das immer noch vergessene GmbH-Vertragskonzernrecht – Zur Unmöglichkeit von Beherrschungsverträgen mit einer 100%igen Tochter-GmbH oder Tochter-GmbH … & Co KG, ZIP 2001, 265; Burg/Westerheide Praktische Auswirkungen des MoMiG auf die Finanzierung von Konzernen, BB 2008, 62; Ederle Verdeckte Beherrschungsverträge, 2010; Emmerich Bestandsschutz im GmbH-Vertragskonzern, ZGR-Sonderheft 6, S. 64; Führling Sonstige Unternehmensverträge mit einer abhängigen GmbH, 1993; Grunewald Verlustausgleich nach § 302 AktG und reale Kapitalaufbringung, NZG 2005, 781; Halm Aktuelle Zweifelsfragen bei der Begründung und Beendigung von Unternehmensverträgen mit der GmbH als Untergesellschaft, NZG 2001, 728; Hennrichs Gewinnabführung und Verlustausgleich im Vertragskonzern, ZHR 174 (2010), 683; Hentzen Atypische Risiken aus der Beendigung von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen, NZG 2008, 201; Hoffmann-Becking Gelöste und ungelöste Fragen zum Unternehmensvertrag der GmbH, WiB 1994, 57; Huber Betriebsführungsverträge zwischen konzernverbundenen Unternehmen, ZHR 152 (1988), 123 (Betriebsführungsverträge); Kleindiek Strukturvielfalt im Personengesellschafts-Konzern, 1991; Kleindiek Entstehung und Fälligkeit des Verlustausgleichsanspruchs im Vertragskonzern, ZGR 2001, 479; Koerfer/Selzner Minderheitenschutz beim Abschluss von GmbH-Beherrschungsverträgen, GmbHR 1997, 285; Kort Der Abschluss von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen im GmbH-Recht, 1986; Kort Zur Vertragsfreiheit bei Unterneh-

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GmbH als verbundenes Unternehmen | Anh zu § 13 mensverträgen, BB 1988, 79; Kreidl/Riehl Tatsächliche Durchführung des Gewinnabführungsvertrags – Gibt es eine Möglichkeit, die „vergessene“ Verlustausgleichspflicht nach § 301 AktG zu heilen?, BB 2006, 1880; Krieger/Jannott Änderung und Beendigung von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen im Aktien- und GmbH-Recht, DStR 1995, 1473; Kuntz Zur Frage der Verantwortlichkeit der Geschäftsleiter der abhängigen Gesellschaft gegenüber dem herrschenden Unternehmen, Der Konzern 2007, 802; Liebscher Die Erfüllung des Verlustausgleichsanspruchs, ZIP 2006, 1221; Liebscher GmbH-Konzernrecht, 2006; Lutter Das System des deutschen GmbH-Konzernrechts, ZGR-Sonderheft 6, S. 151; Neumayer/Imschweiler Aktuelle Rechtsfragen zur Gestaltung und Durchführung von Gewinnabführungsverträgen, GmbHR 2010, 57; Petersen Aufrechnungsverbot gegenüber Verlustausgleichsanspruch im GmbH-Konzern, GmbHR 2005, 1031; Philippi/Neveling Unterjährige Beendigung von Gewinnabführungsverträgen im GmbH-Konzern – Beendigungsgründe und Rechtsfolgen, BB 2003, 1685; Priester Bestimmungen zum Unternehmensvertrag in der Satzung der GmbH, DB 1989, 1013; Priester Liquiditätsausstattung der abhängigen Gesellschaft und unterjährige Verlustdeckung bei Unternehmensverträgen, ZIP 1989, 1301 (insbesondere Satzungsgestaltungen); Priester Herrschaftswechsel beim Unternehmensvertrag, ZIP 1992, 293; Priester Die Aufhebung des Unternehmensvertrages – Nagelprobe der Dogmatik des GmbH-Vertragskonzernrechts, ZGR 1996, 189; Priester Verlustausgleich nach § 302 AktG – zwingend in Geld?, BB 2005, 2483; Priester Unterjährige Aufhebung des Unternehmensvertrags im GmbH-Konzern, NZG 2012, 641; Rehbinder Die Abwicklung fehlerhafter Unternehmensverträge beim GmbH-Vertragskonzern, FS Fleck, 1988, S. 253; Uwe H. Schneider (Hrsg) Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge in der Praxis der GmbH, 1989; Uwe H. Schneider/Reusch Die Vertretung und die Mitwirkung der Gesellschafter bei der Gründung einer GmbH, DB 1989, 713; Schürnbrand „Verdeckte“ und „atypische“ Beherrschungsverträge im Aktien- und GmbHRecht, ZHR 169 (2005), 35; Selzner/Sustmann Der grenzüberschreitende Beherrschungsvertrag, Der Konzern 2003, 85; Simon/Leuering Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge im GmbH-Recht, NJW-Spezial 2006, 363; Stangl/Winter Unternehmensverträge, in Formularbuch Recht und Steuern, 8. Aufl 2014; Timm Unternehmensverträge im GmbH-Recht, GmbHR 1989, 11; Timm Rechtsfragen der Änderung und Beendigung von Unternehmensverträgen, FS Kellermann, 1991, S. 461; Timm/Geuting Gesellschafterbeteiligung bei der Aufhebung von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen im „einheitlichen“ GmbH-Konzern, GmbHR 1996, 229; Ulmer Fehlerhafte Unternehmensverträge im GmbH-Recht – Tragweite und Folgen des BGH-Beschlusses vom 24.10.1988, BB 1989, 10; Veil Unternehmensverträge, 2003; Veith/Schmid Abschluss und Beendigung von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen im GmbH-Konzern, DB 2012, 728; Venzmer Zur Wirksamkeit alter Gewinnabführungsverträge zwischen Gesellschaften mit beschränkter Haftung, WPg 1990, 305; Verse Aufrechnung gegen Verlustausgleichsansprüche im Vertragskonzern, ZIP 2005, 1627; Zöllner Inhalt und Wirkungen von Beherrschungsverträgen bei der GmbH, ZGR 1992, 173. Vgl im Übrigen auch die Übersicht vor Rn 1.

1. Überblick Unternehmensverträge sind in den §§ 291, 292 AktG definiert; sie werden auch 42 von GmbH häufig abgeschlossen. Dass dies zulässig ist, wird heute nicht mehr bezweifelt; Unsicherheit besteht aber bezüglich mancher Voraussetzungen und Lutter/Hommelhoff

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Anh zu § 13 | GmbH als verbundenes Unternehmen Rechtsfolgen. Von Bedeutung ist insoweit, ob die GmbH herrschender oder abhängiger Vertragspartner ist; außerdem kommt es darauf an, um welchen Vertragstyp es sich handelt: Zu unterscheiden sind die Unternehmensverträge des § 291 AktG, also Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag, die „anderen Unternehmensverträge“ des § 292 AktG und der im AktG nicht geregelte Betriebsführungsvertrag. 2. Unternehmensverträge mit abhängiger GmbH 43 Mit der heute unbestrittenen Aussage, dass auch die GmbH als herrschende

oder abhängige Gesellschaft Unternehmensverträge schließen kann, ist noch nicht die Frage beantwortet, nach welchen rechtlichen Regeln das zu geschehen hat. Denn das GmbHG enthält weder Vorschriften noch Hinweise dazu. Zunächst und vor dem AktG 1965 mit den für die AG damals neu geschaffenen Regeln der §§ 291 ff AktG hat man sich an den allgemeinen Regeln für Satzungsänderungen orientiert; nach 1965 wurden dann die §§ 291, 293 ff AktG mehr und mehr und zutreffend als Modell verstanden und weitgehend auch auf die GmbH analog angewandt; das gilt heute vor allem für Fragen der Form und des Registerzwangs. Nach der Änderung dieser Vorschriften durch Einfügung der §§ 293a ff AktG zur Anpassung an die Regeln des UmwG sind diese Regeln heute Teil eines einheitlichen Systems der Strukturänderung von Kapitalgesellschaften geworden; in diesem System ist nur der Unternehmensvertrag mit einer GmbH ungeregelt geblieben. Daher muss man heute diese Vorschriften ganz allgemein analog auf den Unternehmensvertrag mit einer GmbH anwenden und nur solche Regelungsteile unberücksichtigt lassen, die speziell für die GmbH nicht passen: Die weiteren Ausführungen werden zeigen, dass dies nur an sehr wenigen Stellen der Fall ist. Insgesamt kann man damit sagen: Die §§ 291 f, 293, 293a ff AktG sind im Zweifel auf den Unternehmensvertrag mit einer GmbH anwendbar.

44 a) Mit dem für die GmbH wegen §§ 14 Abs. 1 Satz 1, 17 KStG, § 2 Abs. 2

GewStG besonders wichtigen Gewinnabführungsvertrag1 verpflichtet sich die Untergesellschaft, ihren gesamten Bilanzgewinn an das herrschende Unternehmen abzuführen2. Kraft dieser Rechtspflicht entsteht in der Bilanz der abhängigen GmbH kein Gewinn mehr: Er wird stets durch die gleichzeitig entstehende

1 Das Gesetz verlangt hier den Abschluss eines solchen Vertrages und die unmittelbare oder mittelbare Beteiligung der Obergesellschaft an der abhängigen GmbH als Voraussetzung für die Anerkennung der körperschaftsteuerlichen und gewerbesteuerlichen Organschaft; näher BFH GmbHR 2011, 494; Neumayer/Imschweiler GmbHR 2011, 57. 2 Stille Gesellschaftsverträge sind als Teilgewinnabführungsverträge anzusehen, für AG bejahend BGHZ 156, 38 = AG 2003, 625; BGH ZIP 2005, 254; BGH ZIP 2006, 1201 = AG 2006, 546. Zustimmend für GmbH Scholz/Emmerich Rn 213 ff; Emmerich/Habersack/Emmerich § 292 AktG Rn 37; Liebscher GmbH-Konzernrecht, Rn 606. Im Übrigen vgl Rn 77.

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Forderung des herrschenden Unternehmens kompensiert. Unabdingbare Folge des Vertrages ist die Pflicht des herrschenden Unternehmens, jeden Jahresfehlbetrag der abhängigen GmbH entsprechend § 302 AktG auszugleichen1; dadurch kann auch kein Bilanzverlust mehr entstehen; auch er wird stets durch die gleichzeitig entstehende Forderung gegen das herrschende Unternehmen kompensiert. Gewinn und Verlust einer abhängigen GmbH in einem Gewinnabführungsvertrag ergeben sich also nur noch als Rechnungsposten aus der GuV. § 301 AktG formuliert zwingend einen Höchstbetrag der Gewinnabführung2. Umstritten aber ist die Frage, ob das herrschende Unternehmen Einfluss auf die „Bilanzpolitik“ der abhängigen GmbH nehmen darf – sei es kraft seines Weisungsrechts oder kraft vertraglicher Vereinbarung. Das ist der Fall, da die Grenze von § 30 gezogen wird3. In aller Regel besteht in diesen Fällen auch steuerliche Organschaft. Sie führt 45 dazu, dass Steuerschuldner der KSt und der GewSt nur noch die Obergesellschaft hinsichtlich der saldierten Gewinne ist. Eine anteilige Rückbelastung der Tochtergesellschaft kommt wegen der Abführung des gesamten Gewinns nicht in Betracht4. § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG und dem folgend die Finanzverwaltung verlangen eine ausdrückliche Vereinbarung der Verlustübernahme-Verpflichtung „im Sinne der Vorschriften des § 302 AktG“5. b) Kraft des Beherrschungsvertrages unterstellt sich die abhängige GmbH der 46 Leitung des herrschenden Unternehmens. Ein solcher Vertrag erscheint im GmbH-Recht zunächst wenig sinnvoll, da doch die Gesellschafterversammlung mit ihrer Mehrheit dem Geschäftsführer sowieso Weisungen erteilen kann. Tatsächlich vereinfacht ein solcher Vertrag die Situation für das herrschende Unternehmen und erweitert seine Befugnisse: Es kann nämlich nun dem Geschäftsführer der abhängigen GmbH direkt Weisungen erteilen, braucht nicht mehr den sonst notwendigen (Um-)Weg über die Gesellschafterversammlung zu gehen und riskiert auch keine Anfechtungsverfahren entsprechend §§ 243 ff AktG mehr gegen entsprechende Weisungsbeschlüsse; vor allem aber kann die Wei1 Zur Fälligkeit des Anspruchs: BGHZ 142, 382 = GmbHR 1999, 1299 und dazu Altmeppen DB 1999, 2453; zur Aufrechnung mit diesem Anspruch BGHZ 168, 285 mit Anm Theiselmann GmbHR 2006, 931 sowie Schilmar ZIP 2006, 2346. Zur Berechnung des Ausgleichs BGH ZIP 2005, 854 = GmbHR 2005, 628; zum Gewinnabführungsanspruch Wolf NZG 2007, 641. Kritisch zur analogen Anwendung von §§ 302, 303 AktG Ehricke FS Immenga, 2004, S. 537. 2 Dazu eingehend Neumayer/Imschweiler GmbHR 2011, 57 ff mit Berechnungsbeispielen. 3 Veil S. 262 ff; Hüffer/Koch§ 301 AktG Rn 1; H.P. Müller FS Goerdeler, 1987, S. 375, 385; vgl auch Hennrichs ZHR 174 (2010), 683 ff. 4 BGHZ 120, 50 = GmbHR 1993, 92 und BGH ZIP 2004, 164 = GmbHR 2004, 258. 5 Vgl Neumayer/Imschweiler GmbHR 2011, 57, 61 f und AG 2011, 23.

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Anh zu § 13 | GmbH als verbundenes Unternehmen sung auch für die abhängige GmbH nachteilig sein (§ 308 AktG entsprechend)1, was der Gesellschafterversammlung mit Minderheitsgesellschaftern nicht möglich ist. Der Beherrschungsvertrag gewährleistet von Rechts wegen den Vorrang des Konzerninteresses vor dem Interesse der betroffenen Gesellschaft2 und bewirkt damit die Legalisierung der Konzernleitung. Im Übrigen führt er zu einer Veränderung im Organisationsgefüge der abhängigen GmbH, bei der die Weisungsbefugnis der Gesellschafterversammlung ersetzt wird durch diejenige des herrschenden Unternehmens3. Dessen Weisungsbefugnis geht von nun an auch allen in der Satzung der abhängigen GmbH festgelegten Weisungsrechten vor, zB dem eines fakultativen Aufsichtsrats. Zwar gelten die gesetzlichen zwingenden Befugnisse der Gesellschafterversammlung (Satzung!) und eines obligatorischen Aufsichtsrats weiter, er bestellt (nach dem MitbestG) die Geschäftsführer und beruft sie ab; sind sie aber erst im Amt, so kann das herrschende Unternehmen ihnen (in den Schranken des § 308 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 AktG) nahezu jede Weisung erteilen. Unzulässig sind jedoch Weisungen zu einem Verhalten, das nicht mehr vom Gegenstand der beherrschten Gesellschaft gedeckt ist4. 47 Weil der Beherrschungsvertrag dem herrschenden Gesellschafter die „Ausschal-

tung“ der Gesellschafterversammlung ermöglichen soll, wird seine Berechtigung in der Einpersonen-Gesellschaft in Frage gestellt: Es gebe keinen Minderheitenkonflikt, und für den Gläubigerschutz reichten die Stammkapitalregeln aus5. Diese Meinung übersieht, dass der Vertrag mit seiner Folge der Verlustausgleichspflicht (Rn 44), die auch nicht rückwirkend aufgehoben werden kann (Rn 89), zu einem gesteigerten Gläubigerschutz führt, der auch in der Einpersonen-Gesellschaft durchaus sinnvoll ist6.

48 c) Beide Unternehmensverträge (häufig zusammen abgeschlossen und dann

„Organschaftsvertrag“ genannt) markieren eine grundlegende Umstrukturierung der abhängigen GmbH (hM7), indem sie die Weisungsbefugnis und/oder die Gewinnverfassung ändern. Es handelt sich dabei um unternehmensrechtliche Verträge eigener Art, um sog Organisationsverträge8 mit satzungsänderndem oder -überlagerndem Charakter9.

1 Kleindiek Strukturvielfalt, S. 23 ff; Zöllner ZGR 1992, 173, 175; B/H/Zöllner/Beurskens KzR Rn 64; MünchKomm/Liebscher Rn 663; U/H/W/Casper Anh § 77 Rn 221. 2 Zutreffend Kropff FS Semler, 1993, S. 517. 3 Zöllner ZGR 1992, 173, 179 ff; zu den Schranken vgl OLG Stuttgart NZG 1998, 601 = GmbHR 1998, 943 und dazu Rottnauer NZG 1999, 337; zur Verantwortlichkeit des Geschäftsleiters der abhängigen Gesellschaft Kuntz Der Konzern 2007, 802. 4 OLG Nürnberg AG 2000, 228, 229. 5 Bitter ZIP 2001, 227. 6 In diesem Sinne auch Michalski/Servatius Syst Darst 4 Rn 29. 7 Aus der Rspr vgl LG Bochum ZIP 1986, 1386 mit Anm Timm = GmbHR 1987, 23. 8 So auch BGHZ 105, 324, 331 = GmbHR 1989, 25. 9 Zöllner DB 1989, 913; B/H/Zöllner/Beurskens KzR Rn 52; MünchKomm/Liebscher Rn 651. Vertragsmuster bei Stangl/Winter 10.02–10.04.

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3. Das Zustandekommen von Unternehmensverträgen mit einer abhängigen GmbH Die formellen und materiellen Voraussetzungen eines wirksamen Abschlusses 49 von Unternehmensverträgen mit einer GmbH sind sehr umstritten gewesen; dieser Streit hat sich mit BGHZ 105, 324 – Supermarkt, bestätigt durch BGH GmbHR 1992, 253 – Siemens weitgehend erledigt. Erforderlich sind: mindestens schriftlicher Vertragsschluss, Zustimmung mit satzungsändernder Mehrheit der Gesellschafterversammlungen der abhängigen GmbH und der herrschenden AG/GmbH, Eintragung im Handelsregister mindestens der abhängigen GmbH, Schutz der Minderheiten der abhängigen GmbH durch bestimmte Garantien. Im Einzelnen1: a) Der Vertrag wird von den Vertretungsorganen der beteiligten Gesellschaften, 50 insbesondere also vom Geschäftsführer der abhängigen GmbH geschlossen und bedarf mindestens der Schriftform; enthält der Vertrag ein Umtausch- oder Abfindungsangebot bezüglich der Geschäftsanteile außenstehender Gesellschafter (Rn 68), so bedarf der Vertrag wegen § 15 Abs. 4 notarieller Beurkundung. b) Darüber hinaus wird der Vertrag nur wirksam, wenn ihm die Gesellschafter- 51 versammlung der abhängigen GmbH zustimmt2. Der Beschluss bedarf gemäß § 53 Abs. 2 Satz 1 notarieller Beurkundung3; der Unternehmensvertrag ist der Urkunde als Anlage beizunehmen4. Bei diesem Zustimmungsbeschluss gilt § 47 Abs. 4 Satz 2 nicht, das herrschende Unternehmen darf also mitstimmen (hM5). Ist das herrschende Unternehmen unmittelbar oder mittelbar Alleingesellschafter, findet § 47 Abs. 4 Satz 2 per se keine Anwendung6. Diese Frage des Stimmrechts des herrschenden Unternehmens ist naturgemäß 52 aufs Engste verknüpft mit der Frage nach der erforderlichen Mehrheit (s. Rn 65 ff), so dass es der Sache nach in der Literatur heute drei verschiedene Meinungen gibt, über die die Rspr noch nicht entschieden hat7: (1) satzungsändernde Mehrheit mit Stimmrecht des herrschenden Unternehmens (so hier), 1 Dazu Hoffmann-Becking WiB 1994, 57, 58 sowie die Übersicht bei Stangl/Winter 10.00 Rn 52. 2 BGHZ 105, 324, 332 = GmbHR 1989, 25. 3 BGHZ 105, 324, 338 insbesondere S. 342 = GmbHR 1989, 25. 4 BGH GmbHR 1992, 253, 254 – Siemens. 5 Vgl BGH DZWiR 2011, 428 = GmbHR 2011, 922 = WuB II C. § 47 GmbHG 1.11 (Bachmann); Kort S. 105 ff; Scholz/Emmerich Rn 147; Liebscher GmbH-Konzernrecht, Rn 649; MünchKomm/Liebscher Rn 748; Michalski/Servatius Syst Darst 4 Rn 73; R/S-L/Koppensteiner/Schnorbus Anh § 52 Rn 93 je mwN; dezidiert aA Flume Juristische Person, S. 235 f und B/H/Zöllner/Beurskens KzR Rn 55; R/A/Altmeppen Rn 39. 6 Zutreffend B/H/Zöllner/Beurskens KzR Rn 55 sowie § 47 Rn 32 ff. 7 Von BGHZ 105, 324 = GmbHR 1989, 25 und BGH GmbHR 1992, 253, 254 offengelassen.

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Anh zu § 13 | GmbH als verbundenes Unternehmen (2) satzungsändernde Mehrheit ohne Stimmrecht des herrschenden Unternehmens mit der Folge, dass die Minderheit mit 3/4-Mehrheit allein entscheidet1 und (3) Zustimmung aller Gesellschafter (noch hM2) mit der Folge eines Vetorechts jedes Minderheitsgesellschafters. 53 c) Ist (herrschender) Vertragspartner des Unternehmensvertrages eine AG, so

ist die Zustimmung ihrer Hauptversammlung nach § 293 Abs. 2 AktG mit satzungsändernder Mehrheit erforderlich. Das gilt aber auch, wenn herrschender Vertragspartner eine GmbH ist (hM3). Dieser Beschluss der Hauptversammlung/Gesellschafterversammlung der herrschenden AG/GmbH bedarf jedoch nur in der AG, nicht aber in der GmbH der notariellen Beurkundung4; auch dieser Urkunde/diesem Beschlussprotokoll ist der betreffende Unternehmensvertrag als Anlage beizunehmen5.

54 Einer Zustimmung der Gesellschafterversammlung einer Tochter bei Abschluss

eines Unternehmensvertrages zwischen Enkel und Mutter bedarf es regelmäßig nicht6. Ob sich auf Ebene der Tochtergesellschaft ein Zustimmungserfordernis der Gesellschafterversammlung aus „Holzmüller“/„Gelatine“-Grundsätzen ergibt, ist eine Frage des Einzelfalls7, eine Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung der Tochter ist auf Grund der Ungewöhnlichkeit des Rechtsgeschäfts jedoch regelmäßig nötig8.

55 Die Zustimmungsbeschlüsse des herrschenden Vertragspartners AG/GmbH

sind ebenso wie der Zustimmungsbeschluss der Gesellschafterversammlung der abhängigen GmbH Wirksamkeitserfordernis9; die Vertretungsorgane der beteiligten Gesellschaft schließen den Unternehmensvertrag also ohne Vertretungsmacht. Zu den Rechtsfolgen mangelhafter Unternehmensverträge s. Rn 81 ff. Die Zustimmung der Gesellschafterversammlung/Hauptversammlung von beiden Teilen eines Unternehmensvertrages ist auch bei einer GmbH notwendig, deren Geschäftsanteile zu 100 % der Obergesellschaft gehören10.

1 Vgl R/A/Altmeppen Rn 39. 2 Vgl R/A/Altmeppen Rn 36; U/H/W/Casper § 53 Rn 158; Scholz/Emmerich Rn 143 ff mwN; G/E/S/Maul Rn 16. 3 BGHZ 105, 324, 333 = GmbHR 1989, 25; ausdrücklich bestätigt in BGH GmbHR 1992, 253, 254 ff; aA R/A/Altmeppen Rn 44. 4 Ebenso Altmeppen DB 1994, 1273; Hoffmann-Becking WiB 1994, 57, 59. 5 BGH GmbHR 1992, 253, 254. 6 LG Düsseldorf DB 2004, 428, 429; Pentz DB 2004, 1543. 7 Pentz DB 2004, 1543, 1546. 8 Pentz DB 2004, 1543, 1547. 9 BGHZ 105, 324, 334 = GmbHR 1989, 25. 10 BGH GmbHR 1992, 253, 254 f gegen Gäbelein GmbHR 1989, 502.

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d) Vorbereitung der Beschlüsse: Das GmbHG enthält für die erforderlichen 56 Beschlüsse der Gesellschafterversammlung keine besonderen Regeln, und zwar – weil insgesamt ungeregelt – weder zum Beschluss über einen Unternehmensvertrag noch – von Mehrheit und Form abgesehen, § 53 Abs. 2 – für Satzungsänderungen. Das ist heute für das gesamte Umwandlungsrecht (§§ 8 ff UmwG) und den Unternehmensvertrag des Aktienrechts (§§ 293a ff AktG) anders. Die Regeln enthalten mit Vorschriften zum Bericht des Vorstands an die Hauptversammlung (§ 293a AktG), mit der Prüfung des Vertrages durch unabhängige Sachverständige (§ 293b AktG) und ihrem Bericht darüber (§ 293e AktG) sowie mit Vorschriften zur rechtzeitigen Bekanntgabe dieser Unterlagen an die Gesellschafter (§ 293f AktG) ein System sorgfältiger und möglichst objektiver Information der Gesellschafter vor der Abstimmung1. Zu klären ist mithin, ob diese Regeln des Aktien- und Umwandlungsrechts auch 57 hier anzuwenden sind. Diese Frage stellt sich aber vernünftigerweise nur, wenn man – wie hier – die satzungsändernde Mehrheit für ausreichend ansieht und nicht wie die überwiegende Meinung die Mitwirkung aller Gesellschafter verlangt2; denn das Informationssystem der §§ 293a ff AktG, §§ 8 ff UmwG hat seinen Grund im Schutz der ggf überstimmten Minderheit. Vor diesem Hintergrund spricht gegen die entsprechende Anwendbarkeit dieser 58 Regeln auch im Mehrheitssystem nur die Tatsache, dass jeder GmbH-Gesellschafter sowieso ein unbegrenztes Frage- und Informationsrecht aus § 51a hat (und daher3 der förmlichen Information nicht bedürfe). Für die Anwendbarkeit spricht, dass die §§ 293a ff AktG, §§ 8 ff UmwG für eine gleichmäßige Information aller (Minderheits-)Gesellschafter sorgen wollen, unabhängig von deren Fähigkeit, die richtigen Fragen rechtzeitig zu stellen. Wägt man ab, so spricht alles für eine analoge Anwendung dieser heute standar- 59 disierten Information der (Minderheits-)Gesellschafter durch einen ausführlichen und geprüften Bericht der Geschäftsführer4, in dem vor allem auf die wirtschaftlichen Gründe des Unternehmensvertrages und die Berechnung von Ausgleich und Abfindung und die dafür zugrunde gelegten Daten (Prognosen) einzugehen ist5. Das Gleiche gilt für den Bericht des unabhängigen Prüfers, der erneut der Information der (Minderheits-)Gesellschafter, aber auch des Vertragspartners dient, da er das Risiko der Anfechtung des Zustimmungsbeschlusses durch die Minderheit minimiert. Und schließlich sollte man sich von Rechts 1 Vgl Altmeppen ZIP 1998, 1853. 2 Zutreffend B/H/Zöllner/Beurskens KzR Rn 62; MünchKomm/Liebscher Rn 765 f. 3 So B/H/Zöllner/Beurskens KzR Rn 58; R/A/Altmeppen Rn 47 f; MünchKomm/Liebscher Rn 765 f; Hüffer/Koch § 293a AktG Rn 6; Raiser/Veil Kapitalgesellschaften, § 62 Rn 22; Bungert DB 1995, 1449, 1455. 4 Wie hier Michalski/Servatius Syst Darst 4 Rn 81; Humbeck BB 1995, 1893; aA R/S-L/Koppensteiner/Schnorbus Anh § 52 Rn 102. 5 Näher Aha Welche Fakten müssen in den Unternehmensvertragsbericht, 1996.

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Anh zu § 13 | GmbH als verbundenes Unternehmen wegen auch an den Fristen der Information der Gesellschafter vor Beschlussfassung über den Unternehmensvertrag (vier Wochen, § 293 AktG mit § 123 Abs. 1 AktG entsprechend) orientieren, da es um Information und Verständnis über komplexe wirtschaftliche Tatbestände geht. Das bedeutet: Die §§ 293a ff AktG sind heute auch auf den Beschluss über einen Unternehmensvertrag mit einer GmbH anwendbar; sie sind die Basis für dann erst wirklich sinnvolle Frage- und Einsichtsrechte der Gesellschafter aus § 51a. 60 Im Übrigen: Alle diese Erfordernisse sind abdingbar, §§ 293a Abs. 3, 293b

Abs. 2, 293e Abs. 2 AktG. Wo Minderheitsgesellschafter vorhanden sind, bedarf es ihrer förmlichen Erklärung, § 293a Abs. 3 AktG. Ist das herrschende Unternehmen – unmittelbarer oder mittelbarer – 100 %-Gesellschafter der abhängigen GmbH, gibt es in der abhängigen GmbH also keine Minderheitsgesellschafter, so entfallen alle diese Erfordernisse per se, soweit ihr Grund nicht schon in den Anforderungen an die Obergesellschaft besteht (zB wendet sich § 293a Abs. 1 AktG auch an die Obergesellschaft als AG oder GmbH).

61 e) Die durch den Unternehmensvertrag angestrebte Änderung der Struktur der

abhängigen GmbH bedarf zu ihrer Wirksamkeit entsprechend § 54 der konstitutiven Eintragung im Handelsregister der abhängigen GmbH1. Die Anmeldung erfolgt durch den/die Geschäftsführer in vertretungsberechtigter Zahl und in der Form des § 12 HGB (elektronisch mit notarieller Beglaubigung). Der Anmeldung sind die beurkundeten Zustimmungsbeschlüsse der beiden beteiligten Unternehmen sowie der Unternehmensvertrag je in elektronischer Form beizufügen (§ 12 Abs. 2 HGB). Die Eintragung selbst kann lauten:

„Mit der X-AG mit Sitz in … wurde am … ein Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag geschlossen. Die Gesellschafterversammlung hat diesem Vertrag mit Beschluss vom … zugestimmt. Im Übrigen wird auf den Inhalt des Vertrages und des Beschlusses Bezug genommen“. 62 Ist der Zustimmungsbeschluss einer der beteiligten Gesellschaften angefochten,

so entscheidet der Registerrichter nach pflichtgemäßem Ermessen gemäß § 381 FamFG iVm § 21 Abs. 1 FamFG über eine Aussetzung des Eintragungsverfahrens. Er hat dabei die Erfolgsaussichten der Anfechtungsklage gegen das Vollzugsinteresse der beteiligten Gesellschaft abzuwägen2. Ist die Klage ersichtlich

1 BGHZ 105, 324, 342 = GmbHR 1989, 25; ausdrücklich bestätigt vom BGH gegen OLG Düsseldorf in GmbHR 1992, 253, 255 – Siemens; vgl auch OLG Zweibrücken GmbHR 1999, 665. 2 Timm ZGR 1996, 247, 260 unter zutreffender Berücksichtigung des Rechtsgedankens aus § 16 Abs. 3 UmwG. Ein Beschluss des OLG Stuttgart GWR 2011, 545 = GmbHR 2011, 1277 hält den Registerrichter bei Anfechtung generell zur Eintragung verpflichtet. Jedenfalls bei konstitutiven Eintragungen kann das nicht richtig sein.

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unzulässig, unbegründet oder gar missbräuchlich1, so hat er einzutragen; die Registersperre des § 16 Abs. 2 UmwG gilt hier nicht2. Die Eintragung hat auf den Fortgang des Anfechtungsverfahrens keinen Einfluss. Endet dieses erfolgreich, so ist der Eintragung die Grundlage entzogen; sie ist von Amts wegen zu löschen, § 398 FamFG. Der Unternehmensvertrag ist nie wirksam geworden; zu den Folgen Rn 81 ff. f) Der Unternehmensvertrag kann aber auch in das für die herrschende AG/ 63 GmbH zuständige Handelsregister eingetragen werden3; umstritten, aber analog § 294 AktG zu verneinen ist, ob er eingetragen werden muss4. Wirksamkeitserfordernisse sind mithin

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(1) Privatschriftlicher Unternehmensvertrag (notarielle Beurkundung als Ausnahme Rn 50), (2) notariell beurkundeter Zustimmungsbeschluss der Gesellschafterversammlung der abhängigen GmbH, (3) notariell beurkundeter Zustimmungsbeschluss der Hauptversammlung der herrschenden AG (§ 293 Abs. 2 AktG mit § 130 Abs. 1 AktG); bei herrschender GmbH genügt privatschriftliches Protokoll über den ebenfalls erforderlichen Zustimmungsbeschluss der Gesellschafterversammlung, (4) Eintragung im Handelsregister der abhängigen GmbH. g) Erforderliche Mehrheit in der Gesellschafterversammlung der abhängigen 65 GmbH: Sehr umstritten und vom BGH nicht geklärt ist die Frage, mit welcher Mehrheit der Zustimmungsbeschluss in der Gesellschafterversammlung der abhängigen GmbH gefasst werden muss (dazu auch schon Rn 51 ff mit der Frage, ob das herrschende Unternehmen stimmberechtigt ist). Aus der Rechtsnatur der Verträge (Organisationsverträge mit satzungsändernder oder -überlagernder Wirkung) folgt zwar, dass der Beschluss jedenfalls nach § 53 Abs. 2 Satz 1 mit einer Mehrheit von mindestens 3/4 der abgegebenen Stimmen gefasst werden muss; diese unterste Grenze ist unstreitig; fraglich ist aber, ob eine größere Mehrheit erforderlich ist, wie das im Schrifttum überwiegend angenommen wird5:

1 2 3 4

Dazu BGHZ 112, 9, 23. Zutreffend LG Hanau AG 1996, 90, 91; Schmid ZIP 1998, 1057, 1059. Zutreffend Kort S. 133; Priester ZGR-Sonderheft 6, S. 151, 175. Dafür Uwe H. Schneider WM 1986, 181, 186 und LG Bonn GmbHR 1993, 443; dagegen AG Duisburg DB 1993, 2522 = GmbHR 1994, 811; E. Vetter AG 1994, 110; Michalski/ Servatius Syst Darst 4 Rn 90 und U/H/W/Casper Anh § 77 Rn 194. 5 Vgl die Nachweise bei Priester ZGR-Sonderheft 6, S. 151, 160 Fn 44; Koerfer/Selzner GmbHR 1997, 285, 286; B/H/Zöllner/Beurskens KzR Rn 54; U/H/W/Casper § 53 Rn 158 und Anh § 77 Rn 191 und Scholz/Emmerich Rn 146.

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Anh zu § 13 | GmbH als verbundenes Unternehmen (1) Nach einer weit verbreiteten Auffassung ist ein positives Votum aller Gesellschafter erforderlich; man beruft sich dafür auf § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB oder auf § 53 Abs. 3 oder auf die Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes1. (2) Eine in der Sache ähnliche Auffassung verlangt zwar für den Beschluss nur eine 3/4-Mehrheit, jedoch insgesamt die (ggf nachträgliche) Zustimmung aller Gesellschafter2. (3) Nach hier vertretener Auffassung genügt satzungsändernde Mehrheit nach den Regeln der betroffenen GmbH, mindestens 3/4-Mehrheit3. Die hM gewährt jedem Minderheitsgesellschafter ein Veto-Recht. Das ist übertrieben, verführt die Minderheit zum Denken in überhöhten Preisen und zwingt die Mehrheit notfalls in ein langwieriges Verfahren zur Überwindung des Widerspruchs unter Aspekten der Treupflicht. Im Übrigen genügt die satzungsändernde Mehrheit in allen Fällen der Strukturänderung nach dem UmwG. 66 Das Problem liegt im Schutz der maximal 25%igen Minderheit. Die hM kann

diesen Schutz der Minderheit selbst überlassen, da sie vom Zustimmungsrecht jedes Gesellschafters ausgeht. Die hier vertretene Auffassung (75%ige Mehrheit mit Ausgleich, Abfindungs- und Umtauschangebot) sichert die Interessen der Minderheit zwar sehr weitgehend (Rn 68), zwingt ihr aber eine grundsätzliche Änderung der Struktur ihrer GmbH auf. Seit dem UmwG von 1994 genügt für alle gesetzlich geregelten Fälle der Strukturänderung einer GmbH (Fusion, Spaltung, Ausgliederung, Formwechsel) die satzungsändernde Mehrheit per se, ohne dass eine materielle Beschlusskontrolle stattfindet4. Das kann nicht ohne Auswirkung auch auf die rechtlichen Bedingungen beim Abschluss von Unternehmensverträgen mit einer GmbH als abhängige Gesellschaft bleiben. Denn wenn das UmwG in allen Fällen einer von der Strukturänderung betroffenen GmbH die satzungsändernde Mehrheit genügen lässt und dem einzelnen Minderheitsgesellschafter statt eines Veto-Rechts und statt einer materiellen Rechtfertigung der Umwandlung die Möglichkeit des Ausscheidens gegen Abfindung gewährt

1 Vgl etwa Scholz/Emmerich Rn 146; B/H/Zöllner/Beurskens KzR Rn 54; R/A/Altmeppen Rn 39; Raiser/Veil Kapitalgesellschaften, § 62 Rn 25; nach der Realstruktur der GmbH differenzierend MünchKomm/Liebscher Rn 716 ff: Einstimmigkeit im Falle einer strukturtypischen, personalistisch strukturierten GmbH, während bei einer kapitalistisch strukturierten GmbH eine 3/4-Mehrheit ausreichen soll. 2 Etwa K. Schmidt GmbHR 1979, 121, 124; U/H/W/Casper Anh § 77 Rn 191; Ulmer BB 1989, 10, 13; Scholz/Priester § 53 Rn 171 und Priester ZGR-Sonderheft 6, S. 151, 160 Fn 44, S. 162. 3 Ebenso Beck GmbHR 2012, 784; Halm S. 728, 731 ff und R/S-L/Koppensteiner/Schnorbus Anh § 52 Rn 95 mit allen Nachweisen; Richter/Stengel DB 1993, 1861; MünchKomm/ Liebscher Rn 740 ff für kapitalistisch strukturierte GmbH; in diesem Sinne auch Michalski/Servatius Syst Darst 4 Rn 73, wobei für die Praxis bis zu einer Klärung durch den BGH weiterhin das Einstimmigkeitserfordernis maßgeblich sein soll. 4 Lutter/Drygala § 13 UmwG Rn 27 ff.

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(§§ 29, 125, 207 UmwG), so ist das als allgemeine Aussage der Rechtsordnung zu interpretieren: Die von der Literatur entwickelten Lösungen zur Verstärkung des Minderheitsschutzes beim Abschluss (ausgerechnet nur) eines Unternehmensvertrages lassen sich nicht rechtfertigen und sind durch das UmwG hinfällig geworden1. Es genügt die satzungsändernde Mehrheit per se und ohne Wenn und Aber, wobei die Satzung selbstverständlich jede andere Regelung treffen kann – allerdings nur gegen eine obligatorische Kompensation (näher Rn 68). 4. Inhalt und Wirkungen von Unternehmensverträgen mit einer abhängigen GmbH im Einzelnen a) Notwendiger Inhalt eines Unternehmensvertrages ist stets sein oben 67 (Rn 42 ff) beschriebener Vertragskern. Üblich sind Formulierungen2 wie: „Die … GmbH unterstellt hiermit die Leitung ihrer Gesellschaft dem Unternehmen …“ (beim Beherrschungsvertrag) oder: „Die … GmbH verpflichtet sich hiermit, ihren gesamten Gewinn an das Unternehmen … abzuführen; dieses verpflichtet sich, der … GmbH jeden Jahresfehlbetrag im Sinne der Regeln des § 302 AktG auszugleichen“ (beim Gewinnabführungsvertrag). Steuerrechtlich ist es notwendig, exakt am Wortlaut der §§ 301 f AktG (analog) anzuknüpfen (wegen §§ 14 Abs. 1 Satz 1, 17 KStG). Beide Befugnisse (Leitung, Gewinnabführung) können im Vertrag aber auch eingeschränkt werden (zB Teilgewinnabführung; keine Änderung von Produktions- oder Vertriebsstruktur; s. auch Rn 73). Die Auslegung des Unternehmensvertrages erfolgt nach objektiven Kriterien, da regelmäßig auch Interessen Dritter tangiert sind, die sich auf die zum Handelsregister eingereichten Unterlagen verlassen3. b) Ausgleich, Abfindung und Umtausch: Für die Vertreter der hM gibt es kei- 68 nen weiteren notwendigen Vertragsinhalt; denn kraft ihres individuellen Zustimmungsrechtes kann die Minderheit die Bedingungen dafür (zB Abfindung, Umtausch, Ausgleich) selbst festlegen. Nach der hier vertretenen Auffassung ist der Minderheitenschutz im Vertrag selbst festzulegen, um ggf gerichtliche Kontrolle im Anfechtungsverfahren/Spruchverfahren (Rn 71 f) zu ermöglichen. Entsprechend §§ 304, 305 AktG muss der Vertrag daher Regelungen zugunsten der Minderheit in der abhängigen GmbH enthalten: Er muss ihnen einen angemessenen Ausgleich gewähren und (alternativ) eine Abfindungsregelung vorsehen4. 1 Leinekugel Die Ausstrahlungswirkungen des UmwG, 2000, passim. 2 Dazu Hoffmann-Becking WiB 1994, 57, 60 und die Musterverträge von Stangl/Winter 10.02–10.04. 3 BFHE 220, 51 = GmbHR 2008, 778. 4 R/S-L/Koppensteiner/Schnorbus Anh § 52 Rn 98 f; Kort S. 157 ff; MünchKomm/Liebscher Rn 914 ff; für eine entsprechende Anwendung auch im Falle des Einstimmigkeitserfordernisses Michalski/Servatius Syst Darst 4 Rn 98.

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Anh zu § 13 | GmbH als verbundenes Unternehmen Die Höhe von Ausgleich und Abfindung bestimmt sich nach dem Ertragswert der GmbH1, der nach unten durch den Liquidationswert begrenzt wird2. Ein „NullAusgleich“ ist nicht per se unangemessen3. Dieser Ausgleich entsteht und wird fällig mit dem Abschluss der Hauptversammlung/Gesellschafterversammlung, die über das Geschäftsjahr entscheidet, für den der Ausgleich geschuldet ist. Nur wer in diesem Moment Gesellschafter/Aktionär ist, erhält den Anspruch, ein früherer Gesellschafter/Aktionär auch nicht zeitanteilig (allenfalls schuldrechtlich und je nach der Vereinbarung mit dem Erwerber und von diesem). Der Unternehmensvertrag kann andere Regelungen treffen4. Im Übrigen kann auf die reiche Literatur und Rspr zu §§ 304, 305 AktG5 verwiesen werden. Es gelten die dort entwickelten Grundsätze6. 69 Der Abfindungspflicht steht nicht entgegen, dass die betroffenen Gesellschafter

schon nach allgemeinen Regeln (§ 34 Rn 70 ff) ein Austrittsrecht aus wichtigem Grund gegen volle Abfindung haben: Dieses Recht sichert sie zwar; es verlangt ihnen aber die volle Initiative ab und bürdet ihnen ggf das gesamte Prozessrisiko auf; demgegenüber werden bei entsprechender Anwendung der §§ 304, 305 AktG zunächst dem herrschenden Unternehmen Pflichten auferlegt; der außenstehende Gesellschafter der abhängigen GmbH braucht nur dann aktiv zu werden, wenn ihm Ausgleichs- oder Abfindungsangebot zu niedrig erscheinen. Und selbst hierin liegt keine sonderliche Erschwernis: In einem solchen Falle kommt nämlich nicht das komplizierte Verfahren des SpruchG zum Zuge; vielmehr kann der außenstehende Gesellschafter den Zustimmungsbeschluss zum Unternehmensvertrag anfechten.

70 Schließlich muss den außenstehenden Gesellschaftern der abhängigen GmbH

zusätzlich entsprechend § 305 AktG ein Umtauschangebot eingeräumt werden, wenn die Obergesellschaft eine AG oder eine eher kapitalistisch strukturierte GmbH ist; die Pflicht besteht also (nur) nicht bei einer personalistischen GmbH als Obergesellschaft7. Bei der im Rahmen des Umtauschangebots erforderlichen

1 BGHZ 156, 57 = GmbHR 2003, 1362; OLG Düsseldorf WM 1990, 1282; BayObLG AG 1996, 127 und BayObLG AG 1996, 176; keine Bindung des Gerichts an das Ertragswertverfahren: OLG Frankfurt AG 2010, 751 = NZG 2010, 1141. 2 Schulze-Osterloh ZGR 1986, 545, 554 mwN; differenzierend OLG Düsseldorf ZIP 2004, 753, 757 mit Verweis auf BGH NJW 1982, 2497, 2498. 3 Zum „Null-Ausgleich“ BGHZ 166, 195 mit Anm Hirte/Wittgens EWiR 2006, 291; mit Anm Hüffer JZ 2007, 151. 4 BGH NZG 2011, 701 = AG 2011, 514 und BGH NZG 2011, 780 = AG 2011, 517 und dazu Heider/Hirte, GWR 2011, 301. 5 Nachweise bei KölnKomm/Koppensteiner, Hüffer/Koch und Emmerich/Habersack. 6 Vgl nur BVerfG AG 1999, 566 und BVerfG AG 2011, 511; BGH AG 2003, 627 = GmbHR 2003, 1362; OLG Stuttgart AG 2012, 49 = GWR 2011, 498; OLG Frankfurt AG 2012, 417 = GWR 2012, 181. 7 Näher Lutter ZGR-Sonderheft 6, S. 192, 197 ff und Timm GmbHR 1987, 8, 11.

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Unternehmensbewertung stellt der Börsenkurs einer AG, die Obergesellschaft ist, keine Obergrenze des Wertes dar1. Die Kontrolle des der Minderheit angebotenen Ausgleichs (Abfindung, Um- 71 tausch) erfolgt nach hM nicht im Spruchverfahren des SpruchG, sondern durch Anfechtung des Zustimmungsbeschlusses entsprechend § 243 AktG2 (im Übrigen vgl Anh zu § 47). Ob das durch das Angebot eines Schiedsgutachtervertrages an die Minderheit mit der Folge der Missbräuchlichkeit einer dennoch erhobenen Anfechtungsklage vermieden werden kann3, ist gänzlich ungeklärt. Folge der erfolgreichen Anfechtung ist stets die Nichtigkeit des Vertrages; eine Erhöhung der Abfindung ist dem Gericht anders als im Verfahren nach SpruchG verwehrt4. Ist die Anfechtung dagegen erfolglos oder wird sie im Wege des Vergleichs beigelegt, kann der Gesellschafter nun die ursprünglich angebotene oder im Vergleichswege erhöhte Abfindung annehmen. Hat er bereits Ausgleichszahlungen empfangen, sind diese mit den analog § 305 Abs. 3 Satz 3 AktG zu gewährenden Abfindungszinsen zu verrechnen, nicht dagegen mit der Abfindung selbst5. Diese Lehre der hM – Anfechtung, nicht Spruchverfahren – wird zunehmend 71a zweifelhaft. Immerhin sind heute alle Regeln des AktG auf den Abschluss des Unternehmensvertrages einer GmbH entsprechend anwendbar inkl der §§ 304, 305 AktG mit Ausnahme des Spruchverfahrens. Der BGH hat aber schon in seiner Macrotron-Entscheidung vom 25.11.2002 die entsprechende Anwendung des SpruchG auf das Delisting zugelassen6 und ausdrücklich erklärt, dass § 1 SpruchG einer ausdehnenden Auslegung nicht entgegensteht7. Vor diesem Hintergrund mehren sich die Stimmen, die auch im GmbH-Recht die Regeln des SpruchG dann anwenden wollen, wenn man – wie hier – für die Zulässigkeit einer Mehrheitsentscheidung votiert8. Dieser Rechtsmeinung folgen wir unter Aufgabe unserer früher gegenteiligen Auffassung (17. Aufl, Anh zu § 13 Rn 69), weil (1) die Anfechtung nur kassatorisch wirkt, während das Spruchverfahren zur endgültigen Lösung des Konfliktes führt, und 1 BVerfG ZIP 1999, 1804, 1806; E. Vetter ZIP 2000, 561, 566. 2 Koerfer/Selzner GmbHR 1997, 285, 291 mwN; R/A/Altmeppen Rn 87; Spindler/Stilz/Drescher, AktG, § 1 SpruchG Rn 26. 3 So Koerfer/Selzner GmbHR 1997, 285, 291. 4 Koerfer/Selzner GmbHR 1997, 285, 291. 5 BGH ZIP 2002, 1892 = GmbHR 2002, 1120. 6 BGHZ 153, 47 = AG 2003, 273; ihm folgend OLG Frankfurt AG 2012, 330 = GWR 2012, 296, 297. 7 BGH ZIP 2008, 1471, 1472 = GmbHR 2008, 1092; ebenso Lutter/Mennicke UmwG, Anh SpruchG § 1 Rn 16; MünchKomm/Liebscher Rn 954; vgl auch K. Schmidt/Lutter/Klöcker AktG, § 1 SpruchG Rn 22. 8 Emmerich/Habersack/Emmerich, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 1 SpruchG Rn 14 und § 304 AktG Rn 12; Liebscher GmbH-Konzernrecht, Rn 791.

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Anh zu § 13 | GmbH als verbundenes Unternehmen (2) die Anfechtung ein jahrelanges stand-still bewirkt, während das Spruchverfahren auf dem vorgängigen Vollzug der Maßnahme beruht. 72 c) Fakultativer Inhalt: Zunächst ist zu beachten, dass ein Beherrschungsvertrag

nicht durch eine entsprechende Vereinbarung auf einen Zeitpunkt vor seiner Wirksamkeit durch Eintragung im Handelsregister zurückwirken kann1. Das gilt nicht für den Gewinnabführungsvertrag, bei dem vertragliche Rückwirkung auf den Beginn des laufenden Geschäftsjahres möglich und steuerlich anerkannt ist2, wobei die zur Wirksamkeit erforderliche Eintragung im Handelsregister spätestens zum Ende des laufenden Geschäftsjahrs erfolgt sein muss (§ 14 Abs. 1 Satz 2 KStG).

73 Weiterer Inhalt kann die Dauer sein (steuerlich mindestens 5 Jahre; § 14 Abs. 1

Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG)3, in bestimmtem Umfange die Vereinbarung von Kündigungsmöglichkeiten4 und die Reduzierung der sonst umfassenden Weisungsbefugnis (Rn 46 und 67) etwa zugunsten von Mitwirkungsbefugnissen der Gesellschafterversammlung oder eines Aufsichtsrats5.

74 d) Wirkung6: Vgl bereits Rn 43 ff. Im Übrigen kann der Beherrschungsvertrag/

Organschaftsvertrag mit einer abhängigen GmbH über die Pflicht zum jährlichen Verlustausgleich hinaus weitere Haftungsfolgen auslösen: Überschreitet das herrschende Unternehmen seine Leitungsbefugnis entsprechend § 308 AktG7 oder den engeren vertraglichen Regeln (Rn 67), so haftet es der vertraglich konzernierten GmbH aus §§ 280, 249 ff BGB8.

Befolgt der Geschäftsführer der GmbH solche unzulässigen Weisungen, so haftet auch er der GmbH auf Schadensersatz gemäß § 439. Noch weitgehend ungeklärt ist, inwieweit das herrschende Unternehmen die Liquidität der abhängigen GmbH schützen muss10. In Betracht kommen eine unterjährige Verlustausgleichspflicht, aber auch eine Liquiditätshilfe, da § 302 1 OLG Hamburg ZIP 1989, 1326 und OLG Hamburg GmbHR 1991, 417; OLG Karlsruhe AG 1994, 283 = GmbHR 1994, 810; Timm ZIP 1990, 361. 2 BGH ZIP 1993, 751, 755 = GmbHR 1993, 446. 3 Zur Auslegung des Vertrags insbesondere hinsichtlich der Laufzeit BFHE 220, 51 = GmbHR 2008, 778 sowie Rn 67. 4 Vgl BGH ZIP 1993, 751 = GmbHR 1993, 446. 5 Vgl dazu OLG Stuttgart NZG 1998, 601 = AG 1998, 585 = GmbHR 1998, 943. 6 Zöllner ZGR 1992, 173, 176 ff. 7 Dazu Geßler ZHR 140 (1976), 433, 436; Seibt/Cziupka AG 2015, 721; Sina AG 1991, 1; Scholz/Emmerich Rn 174 ff. 8 R/S-L/Koppensteiner/Schnorbus Anh § 52 Rn 116; Liebscher GmbH-Konzernrecht, Rn 720; auch Scholz/Emmerich Rn 183 f. 9 Scholz/Emmerich Rn 184. 10 Dazu ausführlich Kleindiek Strukturvielfalt, S. 162 ff mwN; Kleindiek ZGR 2001, 479, 492 ff; ablehnend Großkomm/Hirte § 302 AktG Rn 62; MünchKomm/Liebscher Rn 822.

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AktG die abhängige GmbH oder AG vor der Insolvenz schützen will1. Daher ist in einer solchen Lage die Leistung des Verlustausgleichs durch Aufrechnung nicht zulässig2, während in normalen Verhältnissen jede Form der Erfüllung zulässig ist. 5. Unternehmensverträge mit einer GmbH als herrschendem Unternehmen a) Alle Streitfragen zur abhängigen GmbH sind dann nicht relevant, wenn die 75 GmbH herrschende und eine AG oder KGaA abhängige Gesellschaft ist: Auf diese Fälle finden die §§ 291 ff AktG unmittelbar Anwendung; die förmlichen (§§ 293 Abs. 1, 3, 293a ff AktG) und inhaltlichen (§§ 304, 305 AktG) Voraussetzungen des Organschaftsvertrages stehen fest, insbesondere sind hier der Bericht des Geschäftsführers, die Prüfung des Vertrages durch einen Sachverständigen und dessen Bericht darunter fraglos erforderlich, soweit nicht ein wirksamer Verzicht nach §§ 293a Abs. 3, 293b Abs. 2, 293e Abs. 2 AktG vorliegt. Aus § 305 Abs. 2 Nr. 3 AktG ergibt sich insbesondere, dass die herrschende GmbH den außenstehenden Aktionären in jedem Fall eine Barabfindung anbieten muss; sie ist nicht gehindert, ihnen auch eine Abfindung in eigenen Geschäftsanteilen anzubieten. Ist auch die abhängige Gesellschaft eine GmbH, so gelten für sie die in Rn 43 ff dargestellten Regeln. b) Ist die GmbH herrschendes Unternehmen, so bedarf es der Zustimmung 76 auch ihrer Gesellschafterversammlung (s. Rn 53); das gilt auch, wenn sie an der abhängigen AG/GmbH zu 100 % beteiligt ist3. Umstritten aber ist, ob die Satzung der GmbH diese Zustimmung „vorformulieren“ bzw die Geschäftsführer ermächtigen kann mit der Wirkung, dass die Zustimmung dann in concreto nicht mehr erforderlich ist. Hier ist zu unterscheiden: (1) Eine Globaleinwilligung zu jedwedem Unternehmensvertrag ist unzulässig4. (2) Zustimmung kann im Prinzip aber auch (vorherige) Einwilligung sein (§ 183 BGB), nur muss sie dann konkret die abhängige Gesellschaft und den geplanten Vertrag mit seinen Bedingungen bezeichnen, darf also der Verwaltung keinen Spielraum einräumen5.

1 Zutreffend Kleindiek Strukturvielfalt, S. 162 ff; Kleindiek ZGR 2001, 479, 492 ff. 2 Insoweit zutreffend ThürOLG ZIP 2005, 531 = GmbHR 2005, 1058 mit kritischer Anm Liebscher ZIP 2006, 1221. 3 BGHZ 105, 324, 333 = GmbHR 1989, 25. 4 Priester DB 1989, 1013, 1016; Scholz/Emmerich Rn 157; aA Michalski/Servatius Syst Darst 4 Rn 69. 5 Zutreffend Priester DB 1989, 1013, 1017; Scholz/Emmerich Rn 157.

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Anh zu § 13 | GmbH als verbundenes Unternehmen (3) Fraglich ist, ob eine Globaleinwilligung wenigstens für Bagatellfälle in Betracht kommt. Das wurde verschiedentlich in anderen Zusammenhängen angenommen1. Das sollte auch hier gelten. Es geht bei der herrschenden GmbH – anders als bei der abhängigen Gesellschaft – nicht um eine Satzungsänderung, sondern um eine Strukturentscheidung mit Risiko (Pflicht zum Verlustausgleich); dann aber ist es konsequent, Bagatellfälle auszunehmen, da sie weder sonderlich riskant sind für die herrschende GmbH noch materiell ihre Struktur stark betreffen. Eine solche Bagatellklausel muss in der Satzung der GmbH enthalten sein und sollte ihre Obergrenze dort haben, wo der Umsatz der abhängigen Gesellschaft 5 % des Umsatzes der Obergesellschaft überschreitet2. 6. Sonstige Unternehmensverträge 77 Sonstige Unternehmensverträge haben für die GmbH nur als Betriebspacht-,

Betriebsüberlassungs- und Betriebsführungsvertrag praktische Bedeutung. Die Definition der beiden ersteren Verträge ergibt sich aus § 292 Abs. 1 Nr. 3 AktG; sie gilt auch für eine GmbH als Vertragspartner. Ein Betriebsführungsvertrag liegt vor, wenn eine Gesellschaft eine andere natürliche oder juristische Person beauftragt, ihren Betrieb für ihre Rechnung zu führen; auch einen solchen Vertrag kann eine GmbH sowohl in aktiver (als Betriebsführer) wie in passiver Position schließen3.

78 Das AktG ist bei seiner Regelung dieser Vertragstypen davon ausgegangen, dass

die Vertragspartner nicht miteinander verbunden sein würden. Es sieht die Verträge als schuldrechtliche Austauschverträge unter „normalen“ Partnern an und hat daher fast keine Vorkehrungen zum Schutze der ggf abhängigen Gesellschaft, ihrer Minderheit und ihrer Gläubiger getroffen (Ausnahme: § 302 Abs. 2 AktG). Diese Prämisse ist verfehlt: Die genannten Verträge werden idR – ebenso wie die Organschaftsverträge des § 291 AktG – zwischen bereits verbundenen Unternehmen geschlossen. Dann aber drohen der abhängigen Gesellschaft dieselben Gefahren, denen sie auch beim Abschluss eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages ausgesetzt ist (hier: fehlende Vertragsgerechtigkeit). In diesen Fällen ist die Regelung des AktG ungenügend. Das bedeutet: Soll einer der genannten sonstigen Unternehmensverträge zwischen herrschendem Unternehmen und der von ihm abhängigen GmbH als Verpächterin/Überlasserin/ Auftraggeberin abgeschlossen werden, so sind die gleichen Regeln zu beachten, die auch beim Abschluss eines Organschaftsvertrages mit einer GmbH gelten4.

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Hommelhoff Konzernleitungspflicht, S. 397 ff; Lutter FS Fleck, 1988, S. 169, 179. So auch Priester DB 1989, 1013, 1017. Vertragsmuster bei Stangl/Winter 10.06. Zustimmend R/S-L/Koppensteiner/Schnorbus Anh § 52 Rn 133; Emmerich/Habersack/ Emmerich § 292 AktG Rn 37; zum Ganzen auch Huber ZHR 152 (1988), 123 ff.

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Diese Regeln gelten schließlich auch für die Aufnahme eines stillen Gesellschaf- 79 ters in die GmbH (= Teilgewinnabführungsvertrag)1. Nach OLG München können Verträge dieser Art aber nicht im Handelsregister eingetragen werden2. Zu „verdeckten“ und „atypischen“ Beherrschungsverträgen kann es kommen, 80 wenn bei den sonstigen Unternehmensverträgen dem Partner der GmbH so starke Eingriffsrechte im Vertrag eingeräumt werden, dass in Wahrheit ein Beherrschungsvertrag vorliegt. Diese Verträge sind dann mangels Eintragung im Handelsregister als Beherrschungsvertrag nichtig3. 7. Unwirksame Unternehmensverträge, insbesondere Altverträge a) Überblick: Wurde der Unternehmensvertrag weder von der Gesellschafter- 81 versammlung der abhängigen GmbH mit der erforderlichen Mehrheit beschlossen noch im Handelsregister eingetragen, so ist er unwirksam; das ist heute unstreitig4. Geht es hingegen (nur) um Mängel im Procedere (zB fehlender Bericht, fehlende Prüfung etc), so ist der Beschluss nur anfechtbar, und es gelten die Regeln dafür (Anh zu § 47). b) Anwendbarkeit der Regeln über die fehlerhafte Gesellschaft: In der Ent- 82 scheidung vom 14.12.19875 hat der BGH die Regeln der fehlerhaften Gesellschaft auf den unwirksamen, aber durchgeführten Unternehmensvertrag angewandt6. Die Literatur ist in breitem Maße gefolgt7. Das ist auch zutreffend, vor allem wenn die Form nicht beachtet wurde oder die Eintragung im Handelsregister nicht erfolgt ist (anders die Praxis der Finanzbehörden)8. Wurde der Vertrag aber nur vom Geschäftsführer und ohne jede Mitwirkung der Gesellschafter der abhängigen GmbH geschlossen und hatten diese bzw einzelne von ihnen auch keine Kenntnis (also keine Möglichkeit zu konkludenter Zustimmung) oder hatten sie der Durchführung des Vertrages gar widersprochen, so 1 BGH NJW 2003, 3412 = AG 2003, 625; Emmerich/Habersack/Emmerich § 292 AktG Rn 29, 37; Uwe H. Schneider/Reusch DB 1989, 713; hM. 2 OLG München ZIP 2011, 811 = GmbHR 2011, 487. 3 Vgl Schürnbrand ZHR 169 (2005), 35; Ederle Verdeckte Beherrschungsverträge, 2010, passim. 4 B/H/Zöllner/Beurskens KzR Rn 59. 5 BGHZ 103, 1 = GmbHR 1988, 174 – Familienheim. 6 Bestätigt in BGHZ 116, 37, 39 = GmbHR 1992, 34 – Stromlieferung und BGH DB 2002, 87 = GmbHR 2002, 62. 7 Rehbinder FS Fleck, 1988, S. 262; Kleindiek ZIP 1988, 613, 623; Timm GmbHR 1989, 8, 17; Ulmer BB 1989, 10, 15; B/H/Zöllner/Beurskens KzR Rn 59; Krieger ZHR 158 (1994), 35, 37 ff; R/S-L/Koppensteiner/Schnorbus Anh § 52 Rn 108; ablehnend Kort AG 1988, 369, 374. 8 Dazu Hirte FS BGH, 2000, Bd II S. 386; aA Michalski/Servatius Syst Darst 4 Rn 245; MünchKomm/Liebscher Rn 712.

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Anh zu § 13 | GmbH als verbundenes Unternehmen ist der Vertrag ex tunc nichtig1. Diese Einschränkung gilt nicht für den fehlenden Beschluss bzw die fehlende Kenntnis der Gesellschafter des herrschenden Unternehmens; denn dort geht es nicht um eine Satzungsänderung. 83 c) Voraussetzungen: Für die Anwendbarkeit der Regeln über die fehlerhafte Gesellschaft ist erforderlich, dass der Unternehmensvertrag in Vollzug gesetzt wurde. Das ist der Fall, wenn das herrschende Unternehmen durch Weisung geleitet oder die Verluste ausgeglichen2 bzw Gewinne aufgrund des Vertrages (also ohne Verteilungsbeschluss) entgegengenommen hat. Handelt es sich um eine stille Beteiligung, die regelmäßig Teilgewinnabführungsverträge darstellen (s. Rn 79), so ist der Vertrag bereits dann vollzogen, wenn der stille Gesellschafter seine Einlageschuld erfüllt hat3. 84 d) Folgen4: Sind die Regeln der fehlerhaften Gesellschaft anwendbar, so hat jeder Geschäftsführer/Vorstand der beteiligten Gesellschaft seine Gesellschafterversammlung/Hauptversammlung einzuberufen, die sodann formgerecht nach obigen Regeln (Rn 49 ff) über die Bestätigung zu beschließen hat; geschieht das, so kann nun die Anmeldung zum und die Eintragung im Handelsregister mit Wirkung materiell ex nunc erfolgen. Lehnt eine der Gesellschafterversammlung/ Hauptversammlung die Zustimmung mit der notwendigen 3/4-Mehrheit ab, so hat der Geschäftsführer/Vorstand unverzüglich und mit sofortiger Wirkung den Unternehmensvertrag dem anderen Vertragspartner gegenüber zu kündigen5. Dazu sind beide Parteien jederzeit berechtigt6. Bleibt der Geschäftsführer untätig, so kann man erwägen, dem einzelnen Minderheitsgesellschafter dieses Recht zur Ausübung für die Gesellschaft einzuräumen (actio pro societate). Die Kündigung kann nur unter ganz besonderen Umständen treuwidrig sein7. 85 Im Übrigen bleiben bis zur Wirksamkeit der Kündigung die Rechte und Pflichten der Partner so bestehen, wie wenn der Vertrag wirksam gewesen wäre: Das herrschende Unternehmen schuldet insbesondere Verlustausgleich8 und haftet 1 Zutreffend Kleindiek ZIP 1988, 613, 618; Timm GmbHR 1989, 8, 19; B/H/Zöllner/Beurskens KzR Rn 59; OLG München AG 2008, 672, 673 zu einem sog „verdeckten“ Beherrschungsvertrag und der Anwendbarkeit des SpruchG; ebenso OLG Schleswig DB 2008, 2076 = AG 2009, 374; aA Ulmer BB 1989, 10, 16; vgl auch LG Frankenthal ZIP 1988, 1460. 2 BGHZ 116, 37, 40 = GmbHR 1992, 34 – Stromlieferung. 3 BGH ZIP 2005, 254. In diesen Fällen kann ein Schadensersatzanspruch des stillen Gesellschafters auf Rückgewähr der Einlage bestehen, die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft stehen dem nicht entgegen, BGH ZIP 2005, 254, 256 f. 4 Vgl dazu Ebenroth/Müller BB 1991, 358. 5 AA B/H/Zöllner/Beurskens KzR Rn 60: förmliche Kündigung nicht nötig. 6 BGH DB 2002, 87 = GmbHR 2002, 62. 7 Kleindiek ZIP 1988, 613, 624; Ulmer BB 1989, 10, 15 und 18. Zur Haftung der Geschäftsführer bei unwirksamen Gewinnabführungsverträgen s. Autenrieth GmbHR 1990, 113; zur Amtslöschung OLG Zweibrücken WM 1988, 1826. 8 BGHZ 116, 37 = GmbHR 1992, 34 – Stromlieferung.

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bei fehlerhafter Konzerngeschäftsführung der abhängigen GmbH aus positiver Vertragsverletzung; diese ihrerseits bleibt zur Gewinnabführung verpflichtet. Trotz Unwirksamkeit des Vertrages und ungeachtet einer späteren Kündigung bleibt der wegen des Vertragsschlusses erfolgte etwaige Austritt von Gesellschaftern (Rn 68 ff und § 34 Rn 70 ff) endgültig. 8. Änderung von Unternehmensverträgen Änderung von Unternehmensverträgen ist möglich (arg § 295 AktG), setzt aber 86 (unabhängig vom Gewicht der Änderung) 1 die volle Beachtung aller Regeln wie beim ursprünglichen Abschluss voraus inkl Eintragung im Handelsregister (hM2). Betrifft die Änderung auch bestehende Ansprüche von Minderheitsgesellschaftern auf Ausgleich oder Abfindung, so ist ihre individuelle Zustimmung erforderlich; ein Sonderbeschluss entsprechend § 295 Abs. 2 AktG genügt nicht. Eine Änderungsermächtigung an die Geschäftsführer in der Satzung ist nur in engen Grenzen und sonst nur entsprechend § 179 Abs. 1 Satz 2 AktG für redaktionelle Änderungen möglich3. Enthält die Änderung weitere Nachteile für die abhängige GmbH (zB Verlängerung des Vertrages), so sind auch die Regeln über Ausgleich und Abfindung (Rn 68) erneut anwendbar. Eine Änderung ist auch der Beitritt eines weiteren (herrschenden) Unternehmens zum Vertrag4 und die Übernahme des Vertrages mit Rechten und Pflichten durch ein (künftig anderes) herrschendes Unternehmen5. In diesen Fällen bedarf es dann keiner Neufestsetzung des Ausgleichs, wenn dieser in einer Festdividende besteht6, wohl aber eines erneuten Abfindungsangebots, soweit nicht das alte noch läuft7. Erlischt die abhängige GmbH durch Verschmelzung, so geht der Abfindungsanspruch dadurch nicht unter8. Ein Wechsel des herrschenden Unternehmens kraft Gesetzes (Gesamtrechtsnachfolge, Formwechsel) führt nicht zu einer erneuten Angebotspflicht bezüglich Ausgleich und Abfindung9. 1 BGH ZIP 2013, 19. 2 Krieger in Uwe H. Schneider, S. 99, 101 ff; Krieger/Jannott DStR 1995, 1473 mwN. Zur Abgrenzung von Vertragsänderung zu Neuabschluss OLG Frankfurt AG 2005, 353, 354; vgl auch OLG Hamburg AG 2005, 355, 360. 3 Weitergehend Krieger in Uwe H. Schneider, S. 99, 101 ff; MünchKomm/Liebscher Rn 964; aA B/H/Zöllner/Beurskens KzR Rn 61; G/E/S/Maul Rn 27: redaktionelle Änderungen nicht ermächtigbar. 4 BGHZ 119, 1; Priester ZIP 1992, 293, 300. 5 Priester ZIP 1992, 293, 300 mwN. 6 BGHZ 119, 1 und BGH DStR 1998, 898 mit Anm Goette gegen OLG Karlsruhe BB 1997, 750 = AG 1997, 270. 7 BGH DStR 1998, 898, 900. 8 BVerfG ZIP 1999, 532 = AG 1999, 218. 9 LG München ZIP 2011, 1511 = AG 2011, 801.

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Anh zu § 13 | GmbH als verbundenes Unternehmen 9. Beendigung 87 a) Der Unternehmensvertrag endigt entweder durch Ablauf der vertraglich vor-

gesehenen Zeit1, durch die im Vertrag vorgesehene Kündigung2 oder durch Kündigung aus wichtigem Grund3, die nicht ausgeschlossen werden kann (zum Steuerrecht s. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 KStG)4. Die Veräußerung der Geschäftsanteile an der abhängigen GmbH durch das herrschende Unternehmen ist im Zweifel kein wichtiger Grund5. Eine fristlose Kündigung ohne wichtigen Grund ist wirkungslos6.

Die Kündigung aus wichtigem Grund kann auch zur unterjährigen Beendigung des Unternehmensvertrages führen7, die Beendigung selbst zu besonderen Risiken für das herrschende Unternehmen8. Die Beendigung des Gewinnabführungsvertrags auf einen Zeitpunkt während des Wirtschaftsjahres der Organschaft wirkt auf den Beginn des Wirtschaftsjahres zurück, ist also steuerrechtlich idR schädlich (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 3 KStG). Die Kündigung des Unternehmensvertrages durch die abhängige GmbH – auch die aus wichtigem Grund – setzt – wie beim Abschluss – die Zustimmung der Gesellschafterversammlung mit satzungsändernder Mehrheit als Grundlagengeschäft voraus9. Wie beim Vertragsabschluss so auch hier ist der Mehrheitsgesellschafter durch § 47 Abs. 4 Satz 2 nicht gehindert mitzustimmen, da es um eine Maßnahme der Organisationsverfassung und nicht um eine Maßnahme der Geschäftsführung geht10. Der Beschluss ist zu beurkunden11.

1 Steuerlich sind mindestens 5 Jahre erforderlich. 2 Dazu BGH ZIP 1993, 751 = GmbHR 1993, 446. 3 Die Auflösung der beherrschten GmbH berechtigt den Organträger (Einzelkaufmann) nicht zur Kündigung aus wichtigem Grund, wenn dieser die Auflösung selbst herbeigeführt hat: OLG München NZG 2011, 867 = DB 2011, 2489 = GmbHR 2011, 871. 4 Laule AG 1990, 145; Philippi/Neveling BB 2003, 1685, 1686. 5 LG Frankenthal ZIP 1988, 1460; OLG Düsseldorf GmbHR 1994, 805; OLG München GmbHR 2014, 535, 539; Wirth DB 1990, 2105; aA MünchKomm/Liebscher Rn 1020; Wicke Rn 7. Zu Ausnahmen von dieser Regel vgl LG Dortmund DB 1993, 1916 = AG 1994, 85 und Timm GmbHR 1987, 8, 15. 6 LG Ingolstadt ZIP 1990, 1128, 1131. 7 Philippi/Neveling BB 2002, 1685; Priester NZG 2012, 641, 643; aA OLG München ZIP 2012, 870 = GmbHR 2012, 645 unter Verweis auf § 296 Abs. 1 AktG. 8 Vgl § 303 AktG und dazu Klöckner ZIP 2011, 1454 und Hentzen NZG 2008, 201. 9 BGH NZG 2011, 902 = GmbHR 2011, 922 und dazu Beck GmbHR 2012, 778 ff; MüllerEising/D. Schmidt, NZG 2011, 1100; kritisch MünchKomm/Liebscher Rn 1005 ff, 1029 ff: schlichte Geschäftsführungsmaßnahme. 10 BGH NZG 2011, 902 = GmbHR 2011, 922 – anders bei AG, vgl § 297 Abs. 2 AktG. 11 Veith/Schmid DB 2012, 728, 731.

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Die Beendigung des Unternehmensvertrages bedarf der Eintragung im Handelsregister mit allerdings nur deklaratorischer Wirkung1. b) Der Unternehmensvertrag endet außerdem von Rechts wegen, wenn einer 88 der Partner in Liquidation tritt, insbesondere also mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über einen der Partner2; der bloße Verzicht auf das Weisungsrecht führt nicht zur Beendigung eines Beherrschungsvertrages3. c) Die Kündigung steht nicht stets zur Verfügung, daher hat der Aufhebungs- 89 vertrag durchaus praktische Bedeutung. Als Möglichkeit steht er außer Streit. Hinsichtlich seiner Voraussetzungen hat die BGH-Entscheidung vom 31.5.20114 weitgehend Klarheit gebracht: Es gelten für die GmbH (anders AG, §§ 296 Abs. 2, 297 Abs. 2 AktG) die gleichen Voraussetzungen wie beim Abschluss (Rn 49 ff), also schriftlicher Aufhebungsvertrag, Zustimmung der Gesellschafterversammlungen beider GmbH mit satzungsändernder Mehrheit sowie Eintragung im Handelsregister. Haben Minderheitsgesellschafter Ausgleichsansprüche (Rn 68), so ist deren Zustimmung erforderlich5. Dieser Aufhebungsvertrag ist auch unterjährig möglich6. § 296 Abs. 1 AktG ist nicht anzuwenden. Auch die weitgehende Übertragbarkeit der aktienrechtlichen Regeln auf Abschluss und Beendigung eines Unternehmensvertrages mit einer GmbH zwingt nicht zur Übernahme aller Regelungen. § 296 Abs. 1 AktG dient nur der Vereinfachung (Rechnungsabschluss zum Jahresende), hat also keinen materiell-rechtlichen Hintergrund. Diese Vereinfachung aber ist nicht nötig, da das Gleiche auch mit einem Zwischenabschluss erreicht werden kann7. Hingegen ist die Aufhebung rückwirkend nicht möglich8. d) Im Aktienrecht ist der Unternehmensvertrag oft schon lange Zeit wirksam, 90 ehe über den Ausgleichs- und Abfindungsanspruch und seine Höhe im sog Spruchverfahren des SpruchG entschieden ist. Daher kann dort die Frage entste1 BGHZ 116, 37 = GmbHR 1992, 34. 2 BGHZ 103, 1, 6 = GmbHR 1988, 174; BayObLG WM 1999, 1571; Emmerich/Habersack KonzernR, S. 325 f; MünchKomm/Altmeppen § 297 AktG Rn 106 ff; zum Ganzen Krieger in Uwe H. Schneider, S. 99 ff; Krieger FS Metzeler, 2003, S. 141 ff, streitig; aA Zeidler NZG 1999, 692, 696; Trendelenburg NJW 2002, 647 ff; Philippi/Neveling BB 2003, 1685, 1690. 3 Zutreffend LG Frankfurt DB 1990, 624. 4 BGH NZG 2011, 902 = GmbHR 2011, 922 und dazu Derlin BB 2011, 2067 sowie MüllerEising/D. Schmitt NZG 2011, 1100. 5 BGH NZG 2011, 902 = GmbHR 2011, 922; Krieger in Uwe H. Schneider, S. 99, 112 f. 6 Zutreffend Priester NZG 2012, 640, 643 f mwN unter Hinweis auf BGHZ 122, 229 = GmbHR 1993, 446; ebenso B/H/Zöllner/Beurskens KzR Rn 72; wie hier für einen Betriebspachtvertrag OLG Zweibrücken GmbHR 2014, 1020; aA BGH GmbHR 2015, 985 (dazu Westermann, ZIP 2016, FH Knauth Beilage zu Heft 22, S. 85 ff); OLG München ZIP 2012, 870 = GmbHR 2012, 645. 7 Priester NZG 2012, 640, 644. 8 BGH DB 2002, 87 = GmbHR 2002, 62; s. aber auch OLG München GmbHR 2015, 368.

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Anh zu § 13 | GmbH als verbundenes Unternehmen hen, wie eine solche Aufhebung auf den Abfindungsanspruch und das Verfahren wirkt1. Diese Frage entsteht beim Unternehmensvertrag mit einer abhängigen GmbH nicht, wenn man der hM folgt (Rn 71), da die Fragen des Ausgleichs und der Abfindung im Anfechtungsverfahren entsprechend § 243 AktG geklärt werden können. Während des Laufs eines solchen Verfahrens aber wird die Eintragung im Handelsregister in aller Regel nicht erfolgen (Rn 62). Geschieht das dennoch, bestehen der Abfindungsanspruch uneingeschränkt2 und der Ausgleichsanspruch für die bisherige Laufzeit des Vertrages fort3. Folgt man hingegen der hiesigen Auffassung, dass auf den Abschluss eines Unternehmensvertrages hinsichtlich der Ansprüche von Minderheitsgesellschaftern das SpruchG anwendbar ist (Rn 71a), so gilt das Gleiche wie nach Eintragung des Vertrages im Handelsregister trotz laufender Anfechtung. 91 e) Der Unternehmensvertrag endigt nicht, wenn das herrschende mit einem drit-

ten aufnehmenden Unternehmen verschmolzen wird, sondern geht kraft Gesamtrechtsnachfolge (§ 20 UmwG) auf dieses über4. Das gilt nicht, wenn die abhängige GmbH durch Verschmelzung erlischt; der Unternehmensvertrag erlischt dann ipso iure. Auch im Falle eines Formwechsels der Ober- und Untergesellschaft nach §§ 190 ff UmwG endet der Vertrag grundsätzlich nicht5.

92 Gleiches gilt im Falle der Spaltung (§§ 123 ff UmwG) und der Ausgliederung

(§§ 152 ff UmwG), nicht jedoch im Falle der Aufspaltung einer Untergesellschaft zur Aufnahme6. Trotz Fortbestehens eines Unternehmensvertrages kann die Umwandlung einen wichtigen Grund zur Kündigung des Vertrages bilden, § 297 Abs. 1 AktG analog.

VII. Der Gleichordnungskonzern Literatur: Lutter/Drygala Grenzen der Personalverflechtung und Haftung im Gleichordnungskonzern, ZGR 1995, 557; K. Schmidt Gleichordnung im Konzern: terra incognita? Vorstudien und Thesen zu einem Recht der Konzernschwestern, ZHR 155 (1991), 417; Wellkamp Der Gleichordnungskonzern – Ein Konzern ohne Abhängigkeit?, DB 1993, 2517; Wimmer-Leonhardt Konzernhaftungsrecht, 2004, § 11.

1 Vgl dazu BGHZ 135, 374; vgl auch BVerfG ZIP 1999, 532 = AG 1999, 218 für den Fall des Untergangs der GmbH durch Verschmelzung. 2 BGHZ 135, 374. 3 Vgl BayObLG WM 1999, 1571 = AG 1999, 43 und BVerfG ZIP 1999, 532 = AG 1999, 218. 4 LG Mannheim ZIP 1990, 379, 381; LG Bonn GmbHR 1996, 774; Priester ZIP 1992, 293, 301. 5 Lutter/Decher/Hoger § 202 UmwG Rn 47. 6 Ausführlich zum Ganzen K.J. Müller BB 2002, 157; insbesondere zur Spaltung Meister DStR 1999, 1741.

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GmbH als verbundenes Unternehmen | Anh zu § 13

Der Gleichordnungskonzern ist im Gesetz nur erwähnt (§ 18 Abs. 2 AktG), 93 nicht aber geregelt1. Er ist dadurch gekennzeichnet, dass die beiden (oder mehr) voneinander unabhängigen Ausgangsgesellschaften übereinkommen, ihre Unternehmen einheitlich zu leiten. Wie das technisch geschehen soll, ist der Phantasie der beteiligten Gesellschaften überlassen: Eine gemeinsam gehaltene GbR als Leitungszentrale kommt ebenso vor wie Personalunion in der Geschäftsführung oder ein gemeinsam besetzter Gesellschafter- oder Geschäftsführungsausschuss etc. Als ungewöhnliche Maßnahme setzt bereits das die Mitwirkung der Gesellschafterversammlung beider Gesellschaften voraus (§ 37 Rn 10 f). Darüber hinaus kommen auch solche Verbindungen grundsätzlich gleicher und gleich starker Partner ohne mindestens gelegentliche nachteilige Maßnahmen zu Lasten des einen oder anderen Partners im Interesse des Gesamtkonzerns nicht aus2. In der GmbH setzt das – auch bei alsbaldigem Ausgleich – die Zustimmung aller Gesellschafter oder den Abschluss eines förmlichen Unternehmensvertrages mit satzungsändernder Mehrheit und Abfindung der widersprechenden Gesellschafter voraus (Rn 68). Im Verhältnis zu den Gläubigern bleibt die Schranke aus § 30; im Übrigen ver- 94 traut das Gesetz darauf, dass die Partner einer solchen Verbindung je ihre Interessen selbst wahren und wahren können.

VIII. Eingliederung Die Möglichkeit der Eingliederung wird in § 319 AktG ausdrücklich auf die AG 95 beschränkt; eine entsprechende Anwendbarkeit auf die GmbH ist nicht möglich (unstreitig).

IX. Konzern-Kollisionsrecht 1. Unternehmensverträge über die Grenze Literatur: Bärwaldt/Schabacker Wirksamkeitserfordernisse grenzüberschreitender Unternehmensverträge iSd § 291 AktG, AG 1998, 182; Bayer Der grenzüberschreitende Beherrschungsvertrag, 1988; Bicker Gläubigerschutz in der grenzüberschreitenden Konzerngesellschaft, 2007; Großfeld Internationales und Europäisches Unternehmensrecht, 2. Aufl 1995; Heckschen Grenzüberschreitende Unternehmensverträge, in Süß/Wachter (Hrsg) Handbuch des internationalen GmbH-Rechts, 3. Aufl 2016; Henssler Mitbestimmungsrechtliche Folgen grenzüberschreitender Beherrschungsverträge, ZfA 2005, 289; Kindler in MünchKommBGB, 6. Aufl 2015, IntWR Rn 681; Liebscher GmbH-Konzernrecht, 2006, S. 363 f; Lutter Mitbestimmung im internationalen Konzern, FS Zweigert, 1981, S. 251; Lutter (Hrsg) Konzernrecht im Ausland, 1994; Selzner/Sustmann Der grenzüberschrei1 Zu den Gründen vgl BegrRegE AktG bei Kropff Aktiengesetz, 1965, S. 377. 2 Zutreffend Wellkamp DB 1993, 2517.

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Anh zu § 13 | GmbH als verbundenes Unternehmen tende Beherrschungsvertrag, Der Konzern 2003, 85; Zimmer Internationales Gesellschaftsrecht, 1996, S. 427.

96 Unternehmensverträge mit einer Gesellschaft, die ausländischem Recht unter-

liegt (dazu Anh zu § 4a Rn 9 ff), sind aus der Sicht des deutschen Rechts möglich und kommen auch praktisch vor1. Ist die deutsche GmbH dabei das vertraglich abhängige Unternehmen, so sind die deutschen konzernrechtlichen Regeln nach allen kollisionsrechtlich vertretenen Auffassungen2 auf sie anwendbar, vom Abschluss und seinen Rechtsfolgen über den Bestand mit den Rechten und Pflichten der Partner bis zur Auflösung. Dabei geht das deutsche Recht davon aus, dass die ausländische Rechtsordnung die Pflichten des ihrem Recht unterliegenden herrschenden Unternehmens akzeptiert, insbesondere also die Pflicht zum globalen und verschuldensunabhängigen Verlustausgleich. Wo das nicht der Fall ist, ist der gesamte Unternehmensvertrag unwirksam, da er nur als Ganzes und nicht in Teilen einer „Rosinentheorie“ Bestand haben kann3. Das deutsche Recht akzeptiert naturgemäß auch den Unternehmensvertrag einer herrschenden deutschen GmbH mit einer ausländischem Recht unterliegenden abhängigen Gesellschaft. Praktisch aber kommt das nicht vor, weil es (fast) keine Rechtsordnung gibt, die überhaupt Unternehmensverträge kennt und für die ihrem Recht unterliegenden abhängigen Gesellschaften akzeptiert4. 2. Faktischer Verbund mit einer deutschen abhängigen GmbH

97 Im faktischen Verbund mit einer deutschen abhängigen GmbH gelten hinsicht-

lich der Rechte und Pflichten des ausländischen herrschenden Unternehmens inkl seiner Treupflicht und den Folgen ihrer Verletzung deutsches Recht, mithin ohne Einschränkungen die oben dargestellten Regeln (hM5).

1 Vgl Sachverhalt LG Mannheim ZIP 1990, 379 und ASEA/BBC BGHZ 138, 136 = AG 1998, 286 (Sachverhalt OLG Karlsruhe ZIP 1997, 507). 2 Näher Bayer Der grenzüberschreitende Beherrschungsvertrag, passim; Selzner/Sustmann Der Konzern 2003, 85, 90; vgl auch BGHZ 119, 1 und BGHZ 138, 136; Liebscher GmbHKonzernrecht, Rn 990; MünchKomm/Kindler BGB IntWR Rn 699. 3 AA MünchKomm/Liebscher Rn 1236. 4 Lutter ZGR 1987, 324; zu den Ausnahmen in Portugal und Brasilien vgl Lutter (Hrsg), Konzernrecht im Ausland; vgl auch MünchKomm/Kindler BGB IntWR Rn 712, der als weitere Ausnahmen Kroatien, Slowenien, Taiwan und Italien nennt (Fn 2870). 5 Vgl BGH NZG 2005, 214, 215 = GmbHR 2005, 299, 300.

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Einlagepflicht | § 14

§ 14 Einlagepflicht Auf jeden Geschäftsanteil ist eine Einlage zu leisten. Die Höhe der zu leistenden Einlage richtet sich nach dem bei der Errichtung der Gesellschaft im Gesellschaftsvertrag festgesetzten Nennbetrag des Geschäftsanteils. Im Fall der Kapitalerhöhung bestimmt sich die Höhe der zu leistenden Einlage nach dem in der Übernahmeerklärung festgesetzten Nennbetrag des Geschäftsanteils. Text neu gefasst und amtliche Überschrift ergänzt durch MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl I 2026); vorher unverändert seit 1892. I. 1. 2. 3. 4. 5. 6. II. 1. 2. 3. 4. III.

Geschäftsanteil . . . . . . . . . . . . Begriff und Bedeutung . . . . . . . Entstehen, Erlöschen . . . . . . . . Nennwert und andere Werte . . . Vorzugs-Geschäftsanteil, Abgrenzung gegenüber Sondervorteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anteilsscheine . . . . . . . . . . . . . Genussrechte . . . . . . . . . . . . . . Die Mitgliedschaft . . . . . . . . . . Begriff und Bedeutung . . . . . . . Sonderrechte/Sonderpflichten . . Nicht zur Mitgliedschaft gehörende Rechte und Pflichten . . . . Abspaltungsverbot . . . . . . . . . . Treuhand . . . . . . . . . . . . . . . .

1 1 3 7 12 13 15 16 16 19 20 22 26

1. 2. 3. IV. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. V.

Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . Haftung des Treugebers . . . . . Unterbeteiligung . . . . . . . . . . Die gesellschafterliche Treuepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . Aktive Förderpflicht . . . . . . . . Unterlassungs- und Loyalitätspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . Wettbewerbsverbote . . . . . . . . Eigeninteresse der GmbH . . . . Treuhand . . . . . . . . . . . . . . . Verletzung der Treuepflicht . . Verjährung . . . . . . . . . . . . . . Gleichbehandlungsgebot . . . .

. 26 . 27 . 28 . 29 . 29 . 33 . . . . . . .

35 38 42 43 44 45 46

I. Geschäftsanteil 1. Begriff und Bedeutung Der Geschäftsanteil ist eine Kurzbezeichnung für die Summe der Rechte und 1 Pflichten des einzelnen Gesellschafters in der GmbH (Mitgliedschaft)1. Zugleich vereinigt er diese Rechte und Pflichten in sich zu einem eigenen Objekt der Rechtsordnung, das selbständig übertragbar und belastbar ist. Der einzelne Geschäftsanteil bestimmt sodann das Maß der Rechte und Pflichten seines Inhabers im Verhältnis zu seinen Mitgesellschaftern; maßgebend ist das Verhältnis

1 BGH DB 1972, 132; Scholz/Seibt Rn 2; B/H/Fastrich Rn 3; U/H/L/Raiser Rn 1.

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§ 14 | Einlagepflicht der Nennwerte1. Dieses Verhältnis ist teilweise unabdingbar (Mindesteinlage und die Pflichten aus §§ 24, 26 Abs. 3, 31 Abs. 3 sowie die Minderheitsrechte aus §§ 50 Abs. 1, 61 Abs. 2, 66 Abs. 2), teilweise kann es durch die Satzung geändert werden (insbesondere Gewinnanteil § 29 Abs. 3, Stimmrecht § 47 Abs. 2, Liquidationsanteil § 72). Begrifflich dient Satz 1 lediglich der Klarstellung (vgl § 3 Abs. 1 Nr. 4), dass der Gesellschafter für die Übernahme eines Geschäftsanteils eine Einlage zu übernehmen hat2. 2 In den Sätzen 2 und 3 wird das Verhältnis zwischen dem bezeichneten Nenn-

betrag des Geschäftsanteils und der Einlagepflicht festgelegt. In der Praxis wurden die Begriffe „Nennbetrag des Geschäftsanteils“ und „Stammeinlage“ oft als Synonyme verwendet. Der durch das MoMiG neu gefasste § 14 soll verdeutlichen, dass sich die Nennbeträge der Geschäftsanteile und die Nennbeträge der Einlagen grundsätzlich entsprechen. Die Einlagepflicht entsteht in der Höhe, in welcher der Nennbetrag des jeweiligen Geschäftsanteils festgesetzt wird3. Der Gesetzgeber stellt bewusst auf den bei Errichtung der Gesellschaft im Gesellschaftsvertrag bzw bei der Kapitalerhöhung in der Übernahmeerklärung festgesetzten Nennbetrag des jeweiligen Geschäftsanteils ab. Dadurch soll klar gestellt werden, dass zB die Erhöhung des Nennbetrags der Geschäftsanteile nach § 57h Abs. 1 im Rahmen einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln oder die Erhöhung des Nennbetrags der Geschäftsanteile im Zuge einer Einziehung gemäß § 34 keine Erhöhung der Einlageverpflichtung nach sich zieht4. 2. Entstehen, Erlöschen

3 Die Mitgliedschaft (ausführlich Rn 16 ff) entsteht (bereits) in der Vorgesellschaft

mit der Errichtung der Gesellschaft (wirksamer Abschluss des Gesellschaftsvertrages, s. § 11 Rn 5 ff); sie ist mit der Mitgliedschaft in der entstandenen GmbH identisch (vgl auch § 11 Rn 11 ff). Weitere Mitgliedschaften können später durch Kapitalerhöhung und deren Eintragung im Handelsregister (§ 54 Abs. 3) oder auch durch die Teilung eines Geschäftsanteils (näher § 46 Rn 17) entstehen5.

4 Zum „Geschäftsanteil“ in der GmbH wird die Mitgliedschaft aber erst mit der

Eintragung der GmbH im Handelsregister (§ 13)6; daher erfolgen VeränderunR/A/Altmeppen Rn 4; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 8, 14. BegrRegE, BT-Drucks 16/6140, S. 37. MünchKomm/Reichert/Weller Rn 5; B/H/Fastrich Rn 2. BegrRegE, BT-Drucks 16/6140, S. 37; Henssler/Strohn/Verse Rn 6. So auch im Ergebnis, aber mit anderen Schlussfolgerungen: MünchKomm/Reichert/Weller Rn 9 ff. 6 So BGHZ 169, 270, 275; vgl auch BGHZ 21, 242, 245; OLG Frankfurt GmbHR 1997, 896; R/A/Altmeppen Rn 8; Michalski/Ebbing Rn 40; Wicke Rn 3; S/I/Saenger Rn 3; Henssler/ Strohn/Verse Rn 35; MünchHdbGmbH/Jasper/Wollbrink § 23 Rn 10; abweichend U/H/L/ Raiser Rn 8; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 9 ff; K. Schmidt GmbHR 1997, 869 ff. 1 2 3 4 5

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gen im Gesellschafterkreis vor Eintragung auch nur gemäß § 2, nicht gemäß § 151 (ausführlich § 2 Rn 48, § 11 Rn 12, § 15 Rn 6). Diese bislang ganz herrschende Auffassung wird seit der Änderung des § 3 Abs. 1 Nr. 4 durch das MoMiG (dazu näher § 3 Rn 13 ff) vermehrt in Frage gestellt2, indes zu Unrecht3: § 3 Abs. 1 Nr. 4 besagt lediglich, dass der Gesellschafter – anstelle bislang die Stammeinlage – einen oder mehrere Geschäftsanteile „übernimmt“, und zwar „gegen“ die noch zu leistende Einlage. Zum einen bedeutet dies, dass der Gesellschafter keinesfalls mit Wirksamwerden des Gesellschaftsvertrags einen Geschäftsanteil erwirbt: Warum sollte er noch vor der Einlagezahlung diesen erwerben? Zum anderen würde ein Widerspruch zur Kapitalerhöhung entstehen: Auch dort erwirbt der Gesellschafter den neu übernommenen Geschäftsanteil erst nach Einlageleistung, Prüfung durch das Registergericht und Eintragung im Handelsregister (vgl § 55 Rn 41). Gleiches gilt daher nach wie vor bei der Gründung: Auch hier entsteht der Geschäftsanteil der GmbH (die Vor-GmbH hat folglich nur eine oder mehrere Mitgliedschaften) erst mit deren Eintragung. Die Rechtslage ist somit im Ergebnis nicht anders als bei der AG, wo die Aktien (ebenfalls als Verkörperung der Mitgliedschaft4) erst nach Eintragung der AG ausgegeben werden dürfen (§ 41 Abs. 4 Satz 1 AktG), so dass das Aktienrecht in der Person des Aktionärs ebenfalls nach Eintragung der AG entsteht5. Im Falle einer wirksamen Teilung oder Zusammenlegung von Geschäftsantei- 5 len (entstehen die neuen Geschäftsanteile unmittelbar mit Wirksamkeit der Teilung bzw Zusammenlegung (dazu § 46 Rn 17 ff), nicht erst mit Einreichung der geänderten Gesellschafterliste (vgl § 16). Die Mitgliedschaft (Geschäftsanteil) erlischt mit dem Erlöschen der GmbH (s. 6 § 74 Rn 6 f), hingegen nicht bereits mit der Auflösung der GmbH6. Zum Erlöschen führt auch die wirksame Einziehung nach § 347, hingegen nicht der Erwerb durch die GmbH (§ 33)8, auch die sog gezielte Kapitalherabsetzung 1 BGHZ 134, 333 = GmbHR 1997, 405; BGH GmbHR 2005, 354; BGHZ 169, 270, 275 mit Anm Bayer/Graff WuB II A § 265 AktG, 1/07 (Ausscheiden aus der Vor-AG); OLG Frankfurt GmbHR 1997, 896; OLG Dresden GmbHR 1998, 186, 188; R/S-L/Schmidt-Leithoff § 11 Rn 63; B/H/Fastrich § 11 Rn 8; R/A/Roth § 11 Rn 63; B/S/Schroeter § 11 Rn 40; MünchKomm/J. Mayer § 2 Rn 5. 2 S. etwa MünchKomm/Reichert/Weller Rn 11; sympathisierend auch Scholz/Seibt Rn 4. 3 So auch R/A/Altmeppen Rn 8: „formalistisches Argument“. 4 K. Schmidt/Lutter/Lutter § 1 AktG Rn 29; Großkomm/Brändel § 1 AktG Rn 81 ff. 5 K. Schmidt/Lutter/Drygala § 41 AktG Rn 32; MünchKomm/Pentz § 41 AktG Rn 161; vgl aber auch Großkomm/K. Schmidt § 41 AktG Rn 65: Sonderregelung des Aktienrechts. 6 MünchKomm/Reichert/Weller Rn 13; Henssler/Strohn/Verse Rn 36. 7 U/H/L/Raiser Rn 21. Zur Zulässigkeit der Einziehung eines GmbH-Anteils wegen Insolvenz des Gesellschafters bei länger zurückliegender Eröffnung des Insolvenzverfahrens: OLG Düsseldorf GmbHR 2008, 262, 263 f. 8 Scholz/Seibt Rn 4; U/H/L/Raiser Rn 8, 21.

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§ 14 | Einlagepflicht (s. § 58 Rn 14)1, nicht dagegen die Kaduzierung (§ 21), das Abandon (§ 27) oder der Austritt bzw Ausschluss aus wichtigem Grund. 3. Nennwert und andere Werte 7 Jeder Geschäftsanteil hat einen Nennwert (Nennbetrag, vgl § 5 Abs. 2 Satz 1);

dieser entspricht bei Entstehung des Geschäftsanteils, bei Gründung oder Kapitalerhöhung der vom betroffenen Gesellschafter übernommenen Einlage2 (nicht also der infolge Agio höheren Leistungspflicht oder der bisherigen Teilleistung). Später kann sich dieser Nennwert ändern durch Teilung (§ 46 Nr. 4), Einziehung (§ 34) oder Zusammenlegung (§ 46 Nr. 4) von Geschäftsanteilen.

8 Der Nennwert ist nicht identisch mit dem wirtschaftlichen Wert des Geschäfts-

anteils; dieser kann schon bei der Gründung darüber (Agio) oder darunter (Gründungskosten) liegen und wird sich im Laufe des Bestehens der GmbH immer mehr vom Nennwert entfernen. Aber selbst diesen „wahren Wert“ gibt es nicht; es gibt verschiedene „Werte“3:

9 Bei dem Buchwert handelt es sich um den Wert, mit dem der Anteil in der Han-

delsbilanz (Buchwert nach Handelsbilanz) oder Steuerbilanz (Buchwert nach Steuerbilanz) aufgeführt ist. Da der Buchwert vom wahren Wert einer Beteiligung erheblich abweichen kann (zB bei Gewinn-/Verlustvortrag), eignet er sich nicht zu ihrer Bewertung4.

10 Der Substanzwert bestimmt sich nach dem Anteil am Netto-Gesamtvermögen,

also was etwa in der Liquidation nach Begleichung aller Schulden und Versilbern aller Aktiva auf den betreffenden Geschäftsanteil entfällt5.

11 Der Verkehrswert berücksichtigt nicht nur den Substanzwert, sondern auch die

künftige Ertragskraft der GmbH6. Darüber hinaus sind hier etwaige Vorrechte (Mehrstimmrecht, erhöhter Gewinnanteil) oder Nachteile von erheblicher Bedeutung. Zur Maßgeblichkeit und zur Errechnung dieses Wertes im Rahmen eines Zugewinnausgleichs vgl BGH GmbHR 1987, 19 mwN, sowie beim Ausscheiden eines Gesellschafters s. § 34 Rn 78 ff.

4. Vorzugs-Geschäftsanteil, Abgrenzung gegenüber Sondervorteil 12 Vorzugs-Geschäftsanteil ist die Bezeichnung für einen Geschäftsanteil, der er-

höhte Mitgliedschaftsrechte (Mehrstimmrecht, Gewinnvoraus) oder Sonder-

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MünchKomm/Reichert/Weller Rn 13; Henssler/Strohn/Verse Rn 36. R/A/Altmeppen Rn 3; B/H/Fastrich Rn 4. Zu deren Ermittlung Scholz/Seibt Rn 11 ff; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 19 ff. MünchHdbGmbH/Jasper/Wollbrink § 23 Rn 24 ff. Näher MünchHdbGmbH/Jasper/Wollbrink § 23 Rn 29 f. Ausführliche Nachweise der Rspr bei Scholz/Seibt Rn 11 ff.

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rechte (Rn 19) vermittelt1. Diese besonderen Rechte sind Inhalt der Mitgliedschaft und gehen auf einen Erwerber über2. Zu ihrer Begründung in der Satzung s. § 3 Rn 21, 38, zu ihrer Einführung oder Aufhebung durch Satzungsänderung § 53 Rn 2, 24. Hiervon zu unterscheiden ist der Sondervorteil, der ebenfalls statutarisch begründet wird, aber an die Person des Begünstigten gebunden ist3. 5. Anteilsscheine Anteilsscheine über den Geschäftsanteil können nicht als Wertpapiere im enge- 13 ren Sinne (Inhaber- oder Orderpapier)4, wohl aber als schlichte Beweisurkunden aufgrund der Satzung oder eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung durch die Geschäftsführer ausgegeben werden5. Sie müssen mindestens Firma und Sitz der GmbH, Nennbetrag sowie Ort und Zeit der Ausstellung enthalten und können maschinell unterschrieben sein. Eine förmliche Kraftloserklärung bei Verlust (§§ 433 ff FamFG) ist nicht möglich6; die Geschäftsführer sind daher gegen Kostenerstattung zur Ausstellung eines neuen Anteilsscheins verpflichtet, soweit der Gesellschafter den Verlust glaubhaft macht. Enthält die Satzung keine Besonderheiten, so wird der Erwerber des Geschäftsanteils gemäß § 952 BGB Eigentümer des Scheines und kann dessen Herausgabe vom Veräußerer nach § 985 bzw §§ 398, 413, 402 BGB verlangen7. Die Satzung kann jedoch nach § 15 Abs. 5 die Übergabe (Übereignung) des Scheines zur weiteren Voraussetzung einer wirksamen Abtretung machen8; dann ist die Übereignung des Scheines zusätzliche und autonome Erwerbsbedingung, die sich nach den allgemeinen Regeln der §§ 929 ff BGB richtet. Der Erwerb des Scheines allein ersetzt aber nie – auch nicht unter den Bedingungen der Gutgläubigkeit – das Erfordernis einer wirksamen Abtretung nach § 15 Abs. 3. Die Ausübung von Mitgliedschaftsrechten aus Anteilsscheinen bedarf im All- 14 gemeinen keiner besonderen Form. Doch kann in der Satzung festgelegt werden, dass zB Teilnahme an Gesellschafterversammlung, Ausübung des Stimmrechts, Bezug von Gewinnanteilen nur gegen Vorlage des Anteilsscheines möglich ist9.

1 Wie hier MünchHdbGmbH/Schiessl/Böhm § 31 Rn 13; U/H/L/Raiser Rn 24; teilweise terminologisch abweichend Scholz/Seibt Rn 63. 2 MünchKomm/Reichert/Weller Rn 95 ff, 107, 118. 3 MünchKomm/Reichert/Weller Rn 107; vgl auch Waldenberger GmbHR 1997, 49, 53. 4 OLG Köln GmbHR 1995, 293; B/H/Fastrich Rn 8 (allgemeine Meinung). 5 U/H/L/Raiser Rn 19; R/S-L/Pentz Rn 40. 6 Scholz/Seibt Rn 15; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 43 aE. 7 U/H/L/Raiser Rn 19; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 44. 8 RGZ 98, 277; B/H/Fastrich Rn 9. 9 U/H/L/Raiser Rn 15; Scholz/Seibt Rn 64a.

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§ 14 | Einlagepflicht 6. Genussrechte 15 Genussrechte begründen keine mitgliedschaftlichen Rechte, sondern allein

schuldrechtliche Ansprüche gegen die GmbH1; durch ihre konkrete Ausgestaltung können sie jedoch dem Inhaber wirtschaftlich eine der Mitgliedschaft ähnliche Rechtsstellung verschaffen2.

II. Die Mitgliedschaft 1. Begriff und Bedeutung 16 Die Mitgliedschaft eines Gesellschafters besteht in Rechten und Pflichten; sie ist

ein sonstiges Recht iSv § 823 Abs. 1 BGB und daher auch deliktsrechtlich geschützt3. Diese Rechte sind Vermögensrechte (Gewinn- und Liquidationsanteil, Bezugsrecht), Mitverwaltungsrechte (Stimmrecht, Anfechtungsrecht) und sonstige Rechte, insbesondere Kontrollrechte (Einsichts- und Auskunftsrecht, Minderheitsrecht, §§ 50, 51a, 61 Abs. 2, 66 Abs. 2). Sie können grundsätzlich sowohl in der ursprünglichen Satzung als auch bei einer späteren Satzungsänderung (§ 53) nach Maßgabe der gesetzlichen oder statutarischen Regelungen eingeschränkt oder gar ausgeschlossen werden. Ausnahme: Unverzichtbare bzw absolut unentziehbare Rechte können nicht, verzichtbare bzw relativ unentziehbare Rechte nur mit Zustimmung des betroffenen Gesellschafters eingeschränkt werden4.

17 Unverzichtbar sind das Teilnahme- und Rederecht auf der Gesellschafterver-

sammlung (dazu § 48 Rn 3)5, die Rechte gemäß § 506, das Anfechtungsrecht7, das Auskunfts- und Einsichtsrecht (§ 51a Abs. 3)8 sowie das Austrittsrecht aus wichtigem Grund9 (dazu § 34 Rn 70 ff).

Mit Zustimmung des Betroffenen können etwa das Stimmrecht10 (zum stimmrechtslosen Geschäftsanteil § 3 Rn 47) oder das Gewinnrecht (§ 29) ein1 So (für AG) BGH AG 1993, 125 – Klöckner; R/A/Altmeppen Rn 11. 2 Einzelheiten bei Scholz/Seibt Rn 67 ff, 74 mwN. 3 B/H/Fastrich Rn 6; Henssler/Strohn/Verse Rn 34; R/A/Altmeppen Rn 4; ausführlich Habersack Die Mitgliedschaft – subjektives und ‚sonstiges‘ Recht, 1996, S. 117 ff. 4 R/S-L/Pentz Rn 17; Henssler/Strohn/Verse Rn 59; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 81; Scholz/Seibt Rn 32, 35; vgl zum früheren Begriff des „Kernbereichs der Mitgliedschaft“ im Personengesellschaftsrecht jüngst BGHZ 203, 77 Rn 12, 19 = GmbHR 2014, 1303; dazu C. Schäfer ZIP 2015, 1313 ff; Altmeppen NJW 2015, 2065 ff. 5 BGH GmbHR 1989, 120, 121; Scholz/Seibt Rn 32. 6 U/H/L/Raiser Rn 38; MünchKomm/Liebscher § 50 Rn 76. 7 MünchKomm/Reichert/Weller Rn 85; U/H/L/Raiser Rn 38. 8 R/S-L/Pentz Rn 18; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 84. 9 BGHZ 116, 359, 360, 369 = GmbHR 1992, 257; Scholz/Seibt Rn 32. 10 BGH GmbHR 1993, 591, 592 (GmbH & Co KG); MünchKomm/Reichert/Weller Rn 91.

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geschränkt bzw entzogen werden1. Nach einer frühen BGH-Entscheidung soll allerdings der gleichzeitige Ausschluss des Stimmrechts und des Anteils an Gewinn und Liquidation nicht zulässig sein2. Umgekehrt stellt sich die Frage, ob jede – etwa nur temporäre oder geringfügige – Einschränkung das Zustimmungserfordernis auslöst bzw ob eine an sich erforderliche Zustimmung unter Umständen entbehrlich sein kann3. Letzteres wird jedenfalls analog der Entziehung von Sonderrechten (dazu Rn 19) bei Vorliegen eines wichtigen Grundes bejaht4. Die Pflichten sind stets unabdingbar und umfassen Vermögenspflichten (Ein- 18 lagepflicht, Haftung nach §§ 24, 31 sowie Differenz- und Vorbelastungshaftung) sowie die gesellschafterliche Treuepflicht (dazu Rn 29 ff). 2. Sonderrechte/Sonderpflichten Zur Mitgliedschaft gehören auch alle statutarischen Sonderrechte (Rn 12), so zB 19 das Recht auf Geschäftsführung, Vorkaufsrecht)5 und Sonderpflichten6 (Nachschusspflicht, Pflicht zur Geschäftsführung); Einzelheiten bei § 3 Rn 24 ff. Die mitgliedschaftlichen Pflichten können nur mit Zustimmung des betroffenen Gesellschafters vermehrt (§ 53 Abs. 3 und § 707 BGB), seine besonderen Rechte nur mit seiner Zustimmung vermindert werden7 (§ 35 BGB); diese Zustimmung kann allerdings bereits in der Satzung niedergelegt sein (vgl § 53 Rn 22). Auch kommt eine Entziehung aus wichtigem Grund in Betracht8. Die Mitgliedschaft geht in dieser ihrer speziellen Form auf den etwaigen Nachfolger (Erwerber, Erbe) über9. Zur Entstehung und zum Erlöschen der Mitgliedschaft s. Rn 3 ff. 3. Nicht zur Mitgliedschaft gehörende Rechte und Pflichten Nicht zur Mitgliedschaft gehören Rechte und Pflichten eines Gesellschafters ge- 20 genüber der GmbH aus Drittgeschäften10 (Kauf, Darlehen, Dienstvertrag) und 1 MünchKomm/Reichert/Weller Rn 90; Scholz/Seibt Rn 37. 2 BGHZ 14, 264, 270, 273; aA MünchKomm/Reichert/Weller Rn 92; Scholz/Seibt Rn 33. 3 Henssler/Strohn/Verse Rn 65; vgl auch – zum Personengesellschaftsrecht – BGHZ 203, 77 Rn 19 = GmbHR 2014, 1303. 4 MünchKomm/Reichert/Weller Rn 93; Scholz/Seibt Rn 38; Henssler/Strohn/Verse Rn 67. 5 BGH WM 1989, 252; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 95 ff; ausführlich Waldenberger GmbHR 1997, 49. 6 Nicht zu verwechseln mit den Nebenleistungspflichten gemäß § 3 Abs. 2; vgl bei § 3 Rn 24. 7 U/H/L/Raiser Rn 28, 33; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 108 mwN. 8 MünchKomm/Reichert/Weller Rn 110 f. 9 Scholz/Seibt Rn 24, 29. 10 Dazu auch Scholz/Seibt Rn 16; U/H/L/Raiser Rn 40.

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§ 14 | Einlagepflicht verselbständigten Gläubigerrechten1 (Gewinnanteil nach entsprechendem Verteilungsbeschluss der Gesellschafterversammlung; Entgelt für Nebenpflichten; Recht aus Genussscheinen2 [dazu Rn 15]) sowie gegenüber Mitgliedern aus besonderen Rechtsgeschäften (Stimmbindungsvertrag, Vorkaufs- und Ankaufsrecht). Die Abgrenzung3 dieser sonstigen Rechte und Pflichten eines Gesellschafters von mitgliedschaftlichen Rechten und Pflichten ist einfach, wenn sie nicht förmlicher Teil der Satzung sind (sondern in Form sog schuldrechtlicher Nebenvereinbarungen getroffen werden, dazu § 3 Rn 59 ff), schwierig hingegen, wenn sie zum förmlichen, nicht aber zum materiellen Inhalt der Satzung gehören (sog unechte Satzungsbestandteile); zur Abgrenzung vgl § 3 Rn 63 f. Diese sog schuldrechtlichen Rechte und Pflichten haben keinen Einfluss auf die Mitgliedschaft; so führt die Verletzung einer schuldrechtlichen Zahlungspflicht weder zur Kaduzierung (§ 21) noch zur Ausfallhaftung der anderen Gesellschafter (§ 24), die Verletzung eines Stimmbindungsvertrages grundsätzlich nicht zur Anfechtbarkeit des betreffenden Beschlusses (Einzelheiten streitig, dazu näher § 3 Rn 68 und Anh zu § 47 Rn 44). 21 Diese lediglich schuldrechtlichen Rechte und Pflichten gehen ipso iure mit der

Mitgliedschaft auf den Erben, nicht aber auf einen rechtsgeschäftlichen Nachfolger über, sondern bedürfen der Abtretung bzw Schuldübernahme. Das kann auch konkludent (stillschweigend) geschehen, setzt jedoch (im Gegensatz zu den mitgliedschaftlichen Rechten und Pflichten) stets Kenntnis des Erwerbers voraus (vgl bereits § 3 Rn 62). 4. Abspaltungsverbot

22 Einzelne Teile (Elemente) der Mitgliedschaft können weder an Dritte noch an

Gesellschafter isoliert übertragen werden4; das gilt insbesondere für das Stimmrecht5, aber auch für die sog Legitimationsübertragung des Stimmrechts an einen Dritten zur Ausübung im eigenen Namen6 (dazu § 47 Rn 4 aE) und für die isolierte unwiderrufliche („verdrängende“) Stimmrechtsvollmacht7 (dazu § 47 Rn 28), da hierdurch de facto – wenn auch nicht de iure – eine Abspaltung des

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Dazu auch Scholz/Seibt Rn 17. U/H/L/Raiser Rn 40. Dazu auch Scholz/Seibt Rn 14 ff mwN. Scholz/Seibt Rn 39a; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 119 ff; MünchHdbGmbH/ Schiessl/Böhm § 31 Rn 39 ff. 5 BGHZ 43, 267; BGH WM 1987, 70; BayObLG GmbHR 1986, 87 mwN. 6 B/H/Zöllner § 47 Rn 41; Scholz/K. Schmidt § 47 Rn 21; U/H/L/Raiser Rn 48; aA OLG Celle GmbHR 2007, 318. 7 BGHZ 3, 354, 356 ff; KG ZIP 2014, 1023, 1024; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 124 mwN.

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Stimmrechts erreicht würde1, hingegen nicht für die einfache, dh widerrufliche Vollmacht2. Nicht vom Abspaltungsverbot erfasst ist die Rechtsausübung, speziell durch 23 unwiderrufliche Vollmacht, dann, wenn sie in sachlicher und zeitlicher Verbindung mit einem schuldrechtlichen oder dinglichen Recht an der Mitgliedschaft steht3, zB bei Nießbrauch oder Pfandrecht: In solchen Fällen ist die Mitgliedschaft sowieso de facto „gespalten“, mit bestimmten Rechten dem Dritten zugeordnet (auch zB Anwartschaft, noch nicht durchgeführter Erwerb), so dass hier das abgeleitete Stimmrecht dem Dritten zugeordnet werden kann4 (s. auch bei § 47 Rn 28). Unzulässig und wirkungslos ist nur die isolierte Abspaltung des Stimmrechts 24 (Rn 22); das betreffende Rechtsgeschäft kann aber ggf in eine einfache Stimmrechtsvollmacht umgedeutet werden5 (vgl auch § 47 Rn 28 aE). Das Recht zum Widerruf der Vollmacht aus wichtigem Grund durch den Gesellschafter bleibt stets erhalten6 (§ 47 Rn 28 mwN). Das Abspaltungsverbot steht auch nicht entgegen, wenn die Satzung die einheitliche Ausübung des Stimmrechts von Gesellschaftern durch einen Gesellschafter bzw einen gemeinsamen Vertreter (vgl § 18 Rn 4, 10) vorschreibt7. Das Abspaltungsverbot gilt aber nicht nur für mitgliedschaftliche Mitverwal- 25 tungs-, sondern auch für Vermögens(stamm)rechte: Es kann also nicht der Gewinn- oder Liquidationsanteil „als solcher“ abgetreten werden, jedoch der schuldrechtliche Anspruch auf Auszahlung des (festgestellten oder auch künftigen) Gewinns8. Ist der abtretende Gesellschafter im Zeitpunkt der Entstehung des konkreten Zahlungsanspruchs nicht mehr Gesellschafter, erhält auch der Zessionar nichts, da der Anspruch dann nie in der Person des Zedenten entstanden ist9.

1 Zutreffend B/H/Zöllner § 47 Rn 40 f und Scholz/K. Schmidt § 47 Rn 21 mwN. 2 MünchKomm/Reichert/Weller Rn 124; U/H/L/Raiser Rn 50. 3 BGH GmbHR 1977, 244, 246 mit Bespr Reuter ZGR 1978, 633 ff; Scholz/K. Schmidt § 47 Rn 83; U/H/L/Raiser Rn 50; aA Scholz/Seibt Rn 39a. 4 So auch MünchKomm/Reichert/Weller Rn 128. 5 OLG Hamburg GmbHR 1990, 42; Scholz/K. Schmidt Rn 83; eingehend Fleck FS Fischer, 1979, S. 107 ff. 6 So auch B/H/Zöllner § 47 Rn 50. 7 BGHZ 46, 291 für KG; vgl auch U/H/L/Raiser Rn 50; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 125. 8 MünchKomm/Reichert/Weller Rn 123; R/A/Altmeppen Rn 15. 9 BGHZ 88, 205, 206 ff = GmbHR 1984, 101 und dazu Müller ZIP 1994, 342 ff.

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§ 14 | Einlagepflicht III. Treuhand Literatur: Armbrüster Treuhänderische GmbH-Beteiligungen, GmbHR 2001, 941; Milde Die Stellung des Treugebers in Kapitalgesellschaften am Beispiel der Anfechtungsbefugnis, FS Konzen, 2006, S. 541.

1. Zulässigkeit 26 Treuhand am Geschäftsanteil, also mitgliedschaftliche Beteiligung als Treuhän-

der eines Dritten, ist zulässig und wirksam1, auch im Hinblick auf einen Teil eines Geschäftsanteils2 (sog Quotentreuhand). Die Treuhandposition entsteht durch Beteiligung des Treuhänders an der Gründung oder durch den späteren Erwerb eines Geschäftsanteils durch ihn für einen Dritten, den Treugeber (zur Formbedürftigkeit der Treuhandabrede § 15 Rn 29, 48, 89 ff). Der Treuhänder allein ist Gesellschafter mit allen Rechten und Pflichten3; soweit er als formaler Alleingesellschafter-Geschäftsführer die GmbH außerhalb des Anwendungsbereichs der Existenzvernichtung schädigt, haftet er dieser nach allgemeinen Grundsätzen (vgl § 13 Rn 25 ff) nicht4. Die Position des Treugebers beschränkt sich grundsätzlich (vgl aber auch Rn 15) auf seine schuldrechtlichen Rechte und Pflichten aus Vertrag oder Gesetz (§§ 667, 670 BGB) gegenüber dem Treuhänder; dieser ist, soweit nicht anders vereinbart, verpflichtet, die Weisungen des Treugebers zu beachten, jedoch nur in den Grenzen seiner gesellschafterlichen Treuepflicht. Mit der Beendigung des Treuhandverhältnisses ist der Treugeber nicht ipso iure Gesellschafter, vielmehr ist förmliche Abtretung des Geschäftsanteils an ihn erforderlich (§ 15 Rn 107). Zur Übertragung des Stimmrechts vom Treuhänder auf den Treugeber Rn 23 sowie § 47 Rn 28; zum Stimmrechtsausschluss in Treuhandverhältnissen § 47 Rn 38. 2. Haftung des Treugebers

27 Den Treugeber trifft in manchen Fällen eine Haftung wie ein Gesellschafter; das

ist in § 9a Abs. 4 ausdrücklich normiert und wird vom BGH auch für §§ 19 und 245 sowie §§ 30, 316 angenommen, dagegen für die Vorbelastungshaftung (dazu § 11 Rn 41 ff) sowie für die Verlustdeckungshaftung in der Vor-GmbH (dazu 1 BGHZ 21, 378 und BGHZ 118, 107, 112 f = GmbHR 1992, 525; Scholz/Seibt § 15 Rn 227; MünchKomm/Reichert/Weller § 15 Rn 192 ff, 208. 2 KG ZIP 2014, 1023 mit Anm L. Weipert (gegen LG Berlin GmbHR 2010, 875 mit zustimmender Anm Schultze-Petzold); grundlegend BGH WM 1962, 415; vgl weiter BFH GmbHR 2010, 485 Rn 17. 3 Instruktiv OLG Köln NZG 2002, 870 (zur Haftung). 4 OLG Brandenburg GmbHR 2015, 353 mit kritischer Anm Peetz. 5 BGHZ 118, 107 ff = GmbHR 1992, 525. 6 BGHZ 31, 258, 266 f; BGHZ 75, 334, 335 f = GmbHR 1980, 28.

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§ 11 Rn 18 ff) abgelehnt1. Die Literatur befürwortet demgegenüber meist eine nach Anspruchsgrundlage und Ausgestaltung der Treuhand differenzierende Lösung2. Grundlage einer Haftung des Treugebers ist das Verbot widersprüchlichen Verhaltens3: Widersprüchlich verhält sich der Treugeber, wenn er die Rechte eines Gesellschafters für sich in Anspruch nimmt, Ansprüche gegen sich aber unter Hinweis auf seine fehlende Gesellschaftereigenschaft abwehrt. Das wird insbesondere dann deutlich, wenn die Mitgesellschafter ihn aufgrund förmlichen Beschlusses intern wie einen Gesellschafter behandeln (offene Treuhand)4; Voraussetzung der Haftung ist das aber nicht5; wer hier einen formellen Gesellschafterbeschluss verlangt, legt den Umfang des Gläubigerschutzes in die Hände der Gesellschafter. Es ist auch nicht eine maßgebliche Einflussnahme des Treugebers auf die Geschicke der Gesellschaft zu verlangen. Vielmehr ist zur Haftungsbegründung ausreichend, dass der Treugeber nach dem Treuhandvertrag jederzeit auch wieder formal in die Gesellschafterstellung einrücken kann. Mit anderen Worten: Der Treugeber kann durch keine noch so geschickte Gestaltung des Treuhandverhältnisses seine Haftung vermeiden6. Der BGH sollte daher trotz der teilweise heftigen Kritik im Schrifttum an seiner strengen Linie festhalten; die für die Verlustdeckungshaftung aufgezeigte Umwegkonstruktion (Pfändung des Aufwendungsersatzanspruchs des Treuhänders gegen den Treugeber durch den Gläubiger der GmbH)7 ist kein gleichwertiger Ersatz8. Ist eine Haftung zu bejahen, wird der Treugeber wie ein Gesellschafter behandelt; ihn trifft daher auch die Kollektivhaftung aus §§ 24 und 31 Abs. 39. Zur Treuepflicht von Treugeber und -händer s. Rn 43. 3. Unterbeteiligung Abzugrenzen von der Treuhand ist die Unterbeteiligung10. Darunter ist die ob- 28 ligatorische Beteiligung am Gewinn (uU auch an anderen Wertveränderungen des Anteils) zu verstehen; nach hM begründet die Unterbeteiligung eine BGB1 BGH GmbHR 2001, 432 mit ablehnender Anm Bayer/Pielka LM Nr. 42 zu § 11 GmbHG; wie der BGH aber Armbrüster GmbHR 2001, 1028. 2 Vgl B/H/Fastrich § 1 Rn 44; Roth/Thöni FS GmbHG, 1992, S. 266 ff. 3 BGHZ 90, 381, 389 = GmbHR 1984, 343 und BGHZ 118, 107, 112 f = NJW 1992, 2023, 2024 = GmbHR 1992, 525. 4 Insoweit zutreffend Ulmer ZHR 156 (1992), 386 ff. 5 Abweichend Ulmer ZHR 156 (1992), 386. 6 So explizit auch MünchKomm/Reichert/Weller § 15 Rn 233. 7 So BGH GmbHR 2001, 432. 8 Kritisch daher Bayer/Pielka LM Nr. 42 zu § 11 GmbHG; aA Armbrüster GmbHR 2001, 1028. 9 BGHZ 118, 107 ff = GmbHR 1992, 525; abweichend B/H/Fastrich § 24 Rn 4; Scholz/Emmerich § 24 Rn 14. 10 Grundlegend BGH NJW 1994, 2886; vgl weiter MünchKomm/Reichert/Weller § 15 Rn 242 ff.

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§ 14 | Einlagepflicht Innengesellschaft (dazu § 15 Rn 110). Ihre Vereinbarung bedarf keiner Form1. Grundsätzlich gilt nur der Hauptgesellschafter als Gesellschafter, in Ausnahmefällen kann jedoch die Behandlung des Unterbeteiligten gleich einem Gesellschafter in Betracht kommen, wenn er wirtschaftlich als ein solcher anzusehen ist2.

IV. Die gesellschafterliche Treuepflicht Literatur: Baumgärtner Rechtsformübergreifende Aspekte der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht, 1990; Henze Treuepflicht der Gesellschafter im Kapitalgesellschaftsrecht, ZHR 162 (1998), 186; Fleischer/Harzmeier Zur Abdingbarkeit der Treuepflichten bei Personengesellschaften und GmbH, NZG 2015, 1289; Immenga Bindung von Rechtsmacht durch Treuepflichten, FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 189; Lutter Theorie der Mitgliedschaft, AcP 180 (1980), 84; Lutter Treupflicht und ihre Anwendungsprobleme, ZHR 162 (1998), 164; Raiser Die Treuepflichten im GmbH-Recht als Beispiel der Rechtsformbildung, ZHR 151 (1987), 422; T. Tröger Treuepflicht im Konzernrecht, 2000; M. Weber Vormitgliedschaftliche Treuebindungen, 1999; M. Winter Mitgliedschaftliche Treuebindungen im GmbH-Recht, 1988; M. Winter Eigeninteresse und Treupflicht bei der Einmann-GmbH in der neueren BGH-Rechtsprechung, ZGR 1994, 570.

1. Grundlagen 29 Mitgliedschaftliche Treuebindungen sind als allgemeines Rechtsprinzip im Ge-

sellschaftsrecht allgemein3 anerkannt und qua richterlicher Rechtsfortbildung speziell für das Recht der GmbH heute unbestritten4 (Gewohnheitsrecht5). Die Treuepflicht ist mitgliedschaftliche Hauptpflicht6, also kein Fall von § 242 BGB, vielmehr Oberbegriff für sehr unterschiedliche (Haupt-)Pflichten der Gesellschafter; Geltungsgrund der Treuepflicht ist die mitgliedschaftlich vermittelte Einwirkungsmöglichkeit auf die Interessen der anderen Gesellschafter in der Gesellschaft7. Inhalt und Intensität der Pflichtenbindung können je nach der Art des Konfliktes von der Realstruktur der betreffenden GmbH abhängen (zB Mit-

1 MünchKomm/Reichert/Weller § 15 Rn 251. 2 Ebenso B/H/Fastrich § 15 Rn 59; MünchKomm/Reichert/Weller § 15 Rn 258. 3 BGHZ 103, 184, 194 f – Linotype (AG); BGHZ 129, 136 = GmbHR 1995, 665 – Girmes (AG); dazu Lutter JZ 1995, 1093; Henze ZHR 162 (1998), 186. 4 BGHZ 65, 15, 18 – ITT; BGHZ 80, 69 = GmbHR 1981, 189; BGHZ 98, 276 = GmbHR 1986, 426; MünchKomm/Merkt § 13 Rn 88 mwN. 5 Lutter ZHR 162 (1998), 164, 166; so auch Scholz/Seibt Rn 50; MünchKomm/Merkt § 13 Rn 95. 6 Lutter AcP 180 (1980), 84, 117 und Lutter ZHR 162 (1998), 164 ff; zustimmend Scholz/ Seibt Rn 51. 7 OLG München NZG 2009, 25, 26; Veil FS Priester, 2007, S. 799, 813; ausführlich M. Winter Treuebindungen, S. 16 ff; vgl auch bereits BGHZ 9, 157, 163.

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unternehmerschaft oder neutrale Veranstaltung)1. Besonders intensive Treuebindungen bestehen in der Zweipersonengesellschaft2; die personalistische Ausgestaltung der GmbH ist jedoch kein konstitutives Erfordernis für Treuepflichten3. In der Einpersonen-GmbH wird eine Treuepflicht zwischen Gesellschafter und GmbH nach zutreffender hM verneint4. Treuepflichten wurden zunächst an den Gesellschafter adressiert und bestanden 30 seitens des Gesellschafters gegenüber der GmbH5. Sie wurden dann jedoch weiterentwickelt für das Verhältnis der Gesellschafter zueinander6. Daher kann auch die Mehrheit nur im Interesse der GmbH und unter Beachtung der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit in die Mitgliedschaft anderer Mitgesellschafter eingreifen7, während der einzelne Gesellschafter seinem(n) Mitgesellschafter (n) zu bestimmten Mitwirkungen verpflichtet sein kann8. Diese Verpflichtung trifft auch Minderheitsgesellschafter bei der Ausübung von Widerspruchsrechten9 oder im Rahmen von Sanierungsmaßnahmen10, insbesondere bei Kapitalmaßnahmen11. Aus der Treuepflicht kann auch ein Anspruch des Gesellschafters gegenüber der 31 Gesellschaft folgen. Diese Richtung der Treuepflicht wird im Schrifttum bislang weitaus weniger breit diskutiert als die Treuepflicht des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft oder die Treuepflicht zwischen den Gesellschaftern12. Dennoch ist die Treuepflicht der Gesellschaft gegenüber ihren Gesellschaftern heute

1 OLG Düsseldorf GmbHR 1994, 172, 175; OLG Naumburg DB 1995, 723; näher Lutter AcP 180 (1980), 84, 105 ff; M. Winter Treuebindungen, S. 75 ff, 185 ff; U/H/L/Raiser Rn 78 mwN. 2 Richtig U/H/L/Raiser Rn 78. 3 BGHZ 9, 157, 163; BGHZ 14, 38; BGHZ 65, 15, 18 f = GmbHR 1975, 269; BGHZ 98, 276, 279 f = GmbHR 1986, 426; OLG Hamm GmbHR 1992, 612; OLG Düsseldorf GmbHR 1994, 172, 175; Scholz/Seibt Rn 50; bedenklich OLG Nürnberg GmbHR 1994, 252, 256. 4 So BGHZ 122, 333, 336 = GmbHR 1993, 427; BGHZ 142, 92, 95 = GmbHR 1999, 921; MünchKomm/Merkt § 13 Rn 106; Scholz/Emmerich § 13 Rn 38b; offen U/H/L/Raiser Rn 83. 5 U/H/L/Raiser Rn 81; R/A/Altmeppen § 13 Rn 28 mwN. 6 Scholz/Seibt Rn 52; R/S-L/Pentz § 13 Rn 37; Lutter AcP 180 (1980), 84, 123 ff und Lutter ZHR 162 (1998), 164. 7 BGHZ 71, 40, 46 zum Bezugsrechtsausschluss – Kali & Salz (AG); Lutter AcP 180 (1980), 84, 114; Scholz/Seibt Rn 53. 8 Lutter ZHR 153 (1989), 458 ff zur AG. 9 Beispiel OLG Stuttgart GmbHR 2000, 288. 10 Beispiel OLG Köln NZG 1999, 1166. 11 BGHZ 98, 276 = GmbHR 1986, 426 und BGH GmbHR 1987, 349; dazu auch v. Schorlemer/Stupp NZI 2003, 345, 347 ff. 12 So auch – in Bezug auf das Aktienrecht – zutreffend Verse in Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Bd II, 2007, Kap. 13 Rn 26.

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§ 14 | Einlagepflicht nahezu unbestritten1. Ausgangspunkt ist hier der Gedanke der Fürsorge- bzw Rücksichtnahmepflicht: Die GmbH ist auf der Grundlage der sie bindenden Treuepflicht gehalten, die im mitgliedschaftlichen Bereich liegenden berechtigten Anliegen eines Gesellschafters, deren Erfüllung sachlich möglich und geboten ist, weil eine sachlich gerechtfertigte Ablehnung nicht in Betracht kommt, zu erfüllen2. Hierin kommt die besondere Loyalität, die nicht nur der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft, sondern auch diese gegenüber dem Gesellschafter schuldet, zum Ausdruck. Die Gesellschaft hat somit auf die berechtigten Belange der Gesellschafter Rücksicht zu nehmen3. Ausdruck einer solchen aktiven Treuepflicht der GmbH gegenüber ihren Gesellschaftern ist heute das Informationsrecht aus § 51a; vor dessen Schaffung im Jahre 1980 (dazu § 51a Rn 1) wurden Informationsansprüche der Gesellschafter vorrangig auf die Treuepflicht der GmbH gestützt4. 32 Die Treuepflicht beginnt grundsätzlich mit der Gründung (also im Zeitraum der

Vor-GmbH, dazu § 11 Rn 5 ff)5 und dauert über das Liquidationsstadium bis zur Auflösung der GmbH bzw bis zum Ausscheiden des Gesellschafters; jedoch kommen darüber hinaus auch noch nachwirkende Treuepflichten in Betracht6, insbesondere Geheimhaltungspflichten und Wettbewerbsverbote7 (dazu auch Rn 38 ff). Ausnahmsweise kommen sogar vormitgliedschaftliche Treuebindungen in Betracht8. Während die Treuepflicht als solche nicht abdingbar ist (streitig)9, tendiert das neuere Schrifttum zur Abdingbarkeit spezieller Ausprägungen (zB im Hinblick auf die Aneignung von Geschäftschancen; dazu Rn 35)10. 1 BGH WM 1972, 931, 933 („beiderseitige Treuepflicht“); BGH GmbHR 1992, 104 (betreffend verdeckte Zuwendung an Mehrheitsgesellschafter); BGH GmbHR 2009, 770 Rn 17 (Terminierung Gesellschafterversammlung); vgl weiter Michalski/Michalski/ Funke § 13 Rn 141; Scholz/Emmerich § 13 Rn 36, 46b; vgl weiter (zur AG) BGHZ 127, 107, 111 – BMW; dazu Gehrlein WM 1994, 2054 ff; vgl weiter K. Schmidt/Lutter/ Fleischer § 53a AktG Rn 48, 55, 59; Lutter AG 2000, 342, 344. 2 So auch (für AG) Großkomm/Henze/Notz Anh § 53a AktG Rn 87. 3 So richtig Lutter AcP 180 (1980), 84, 122 f; vgl weiter (für AG) Spindler/Stilz/Cahn/ v. Spangenberg § 53a AktG Rn 37 aE. 4 Vgl nur BGHZ 14, 53, 56 = GmbHR 1954, 124 mit Anm H. Schneider; vgl auch Fischer GmbHR 1953, 131, 133; vgl so ähnlich bereits RG JW 1898, 15; RGZ 49, 141, 149. 5 Scholz/Emmerich § 13 Rn 30; ausführlich M. Weber Vormitgliedschaftliche Treubindungen, 1999. 6 BGH GmbHR 2006, 531, 533; U/H/L/Raiser Rn 85. 7 R/S-L/Pentz § 13 Rn 39, 45; Scholz/Emmerich § 13 Rn 39. 8 Dazu näher Scholz/Emmerich § 13 Rn 38a; Wittkowski GmbHR 1990, 545, 549; M. Weber Vormitgliedschaftliche Treubindungen, 1999; vgl auch Tröger S. 37 ff; Uwe H. Schneider/ Burgard FS Ulmer, 2003, S. 579, 582 ff. 9 So hM: R/A/Roth § 45 Rn 16; Scholz/Emmerich § 13 Rn 38c; vgl bereits Lutter AcP 180 (1980), 84, 117; ähnlich Wiedemann GesR II § 3 II 3c; aA etwa Hellgardt FS Hopt, 2010, S. 765, 784 ff. 10 Ausführlich Fleischer/Harzmeier NZG 2015, 1289 ff mwN.

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2. Aktive Förderpflicht Gegenüber der GmbH und der Gesamtheit der Mitgesellschafter hat der Gesell- 33 schafter eine aktive Förderpflicht (§ 705 BGB)1, insbesondere zur Mitwirkung an bestimmten Entscheidungen wie Feststellung des Jahresabschlusses, Änderung einer unzureichenden Satzung2 (dazu auch § 53 Rn 37), Sanierung der Gesellschaft3, Liquidation bei nicht behebbaren finanziellen Schwierigkeiten sowie zur Ausübung des Stimmrechts in Angelegenheiten der Geschäftsführung4. Der Gesellschafter muss also an allen Maßnahmen mitwirken, die zur Erhaltung des in der Gesellschaft Geschaffenen und zur Erreichung ihres Zweckes dringend geboten sind (positive Stimmpflicht)5 und dabei notfalls und zeitweise auf (Vermögens-)Rechte verzichten6. Auch darf ein Geschäftsführer, der eine schwere Pflichtverletzung begangen hat, nicht entlastet werden7. Besteht eine Stimmpflicht und würde das treuwidrige Verhalten zu einer beson- 34 ders schweren Beeinträchtigung der Gesellschaft oder der anderen Gesellschafter führen, kann im Wege einstweiliger Verfügung dem Pflichtigen die Teilnahme an der Abstimmung verboten oder die Zustimmung geboten werden8, wobei das Gebot des geringstmöglichen Eingriffs zu beachten ist mit der Folge, dass eine Untersagung der Beschlussausführung (insbesondere Eintragung im Handelsregister) Vorrang vor dem Gebot/Verbot bestimmter Beschlussfassung hat (Kontrolle dann im Anfechtungsverfahren); vgl dazu § 47 Rn 14 ff und ausführlich Anh zu § 47 Rn 89 ff. 3. Unterlassungs- und Loyalitätspflichten Gegenüber der GmbH und der Gesamtheit seiner Mitgesellschafter hat der ein- 35 zelne Gesellschafter vor allem aber auch Unterlassungs- und Loyalitätspflichten9: die GmbH Dritten gegenüber nicht zu diskreditieren; sie nicht zu eigenem Nut1 Dazu Ivens GmbHR 1988, 249. 2 Dazu BGHZ 98, 276, 280 = GmbHR 1986, 426 mit Anm Riegger EWiR 1986, 1107 und Uwe H. Schneider WuB II C § 53 GmbHG 1.87; vgl weiter OLG München DStR 1992, 1102, 1103; ausführlich Nonn Zustimmungspflichten des Kapital-Gesellschafters, 1995, S. 94 ff; Scholz/Seibt Rn 60a; U/H/L/Raiser Rn 95. 3 BGHZ 129, 136 = GmbHR 1995, 665; Häsemeyer ZHR 160 (1996), 109. 4 OLG Hamm GmbHR 1992, 612. 5 BGH GmbHR 1986, 426 = WM 1986, 1348 und BGH WM 1987, 133 zur oHG; OLG Hamm GmbHR 1992, 612; Scholz/Seibt Rn 60; Scholz/Emmerich § 13 Rn 46. 6 BGH GmbHR 1985, 153 zur Publikums-KG. 7 BGH GmbHR 2009, 1327; OLG Nürnberg GmbHR 2014, 1147; OLG Düsseldorf GmbHR 2001, 1049; U/H/L/Raiser Rn 95. 8 OLG Frankfurt GmbHR 1993, 161; OLG Hamm GmbHR 1993, 163 mit Anm Michalski; OLG Hamburg GmbHR 1991, 467; Scholz/Emmerich § 13 Rn 47b; aA OLG Koblenz GmbHR 1991, 21; differenzierend K. Schmidt GmbHR 1991, 469. 9 Lutter AcP 180 (1980), 84, 110 ff mwN.

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§ 14 | Einlagepflicht zen zu schädigen1; vor allem nicht unter Einsatz der eigenen Stimmkraft (Missbrauch der Mehrheitsmacht zum Nachteil der GmbH, dazu § 47 Rn 13 ff)2. Dabei gilt insgesamt bei Maßnahmen der Geschäftsführung (= Interesse aller) ein strengerer Maßstab als bei der Ausübung eigennütziger Rechte3; bei letzteren muss der Gesellschafter seine Interessen nicht ohne Weiteres hinter die der Gesellschaft und der anderen Gesellschafter stellen; hier kommt es auf eine Abwägung der Interessen im Einzelfall an4. Insbesondere darf der Gesellschafter nicht Geschäftschancen der GmbH auf sich selbst oder auf Dritte, an denen er beteiligt ist, umleiten5 (sog Geschäftschancenlehre6). 36 Zum loyalen Verhalten gehört es auch, die Mitgesellschafter über wichtige Ent-

scheidungen aufzuklären, wenn ohne die Aufklärung keine sachgerechte Interessenwahrnehmung möglich ist7. Das betrifft insbesondere geplante Veränderungen der Beteiligungsstruktur (dazu auch Anh zu § 13 Rn 33 f), Aufdeckung von Treuhandverhältnissen8 und bei enger persönlicher Verbundenheit auch die Pflicht, geschäftsunerfahrenen Mitgesellschaftern die Auswirkungen eines Beschlusses zu erläutern9; jedoch nur dann, wenn diese nicht anwaltlich beraten oder gar vertreten sind. Im Einzelfall kann die Loyalitätspflicht auch der Veräußerung des Geschäftsanteils an einen bestimmten Erwerber (vor allem einen Konkurrenten) entgegenstehen10.

37 Ist ein Gesellschafter zugleich Geschäftsführer, so gehört die loyale Befolgung

von Beschlüssen der Gesellschafterversammlung auch zu seinen Treuepflichten gegenüber den Mitgesellschaftern11.

4. Wettbewerbsverbote Literatur: Armbrüster Wettbewerbsverbote im Kapitalgesellschaftsrecht, ZIP 1997, 1269; Claussen/Korth Das Wettbewerbsverbot des Geschäftsführers/Gesellschafters einer GmbH, FS Beusch, 1993, S. 111; Ivens Das Konkurrenzverbot der GmbH, 1987; Lawall Das ungeschriebene Wettbewerbsverbot des GmbH-Gesellschafters, 1996; Merkt Unter1 BGHZ 65, 15 – ITT und BGH WM 1978, 1205. 2 Lutter JZ 1976, 225 und Lutter AcP 180 (1980), 84, 114 ff mwN; vgl weiter U/H/L/Raiser Rn 96. 3 R/S-L/Pentz § 13 Rn 40; Scholz/Emmerich § 13 Rn 41 ff. 4 BGH GmbHR 1991, 362; OLG Frankfurt GmbHR 1993, 659. 5 BGH GmbHR 1977, 129, 130; BGH GmbHR 1989, 460 (zur KG); R/A/Altmeppen § 13 Rn 45; Scholz/Seibt Rn 59; ausführlich MünchKomm/Merkt § 13 Rn 248 ff. 6 Dazu näher Merkt ZHR 159 (1995), 423 ff; Steck GmbHR 2005, 1157 ff; Fleischer NZG 2005, 985 ff; Schiessl GmbHR 1988, 53 ff. 7 Wiedemann FS Heinsius, 1991, S. 954; vgl aber auch KG NZG 2001, 508, 509. 8 OLG Hamburg GmbHR 1993, 507. 9 BGH GmbHR 1991, 569. 10 Näher Ziemons/Jaeger AG 1996, 358. 11 BGH GmbHR 1999, 186.

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Einlagepflicht | § 14 nehmensleitung und Interessenkollision, ZHR 159 (1995), 423; Mertens/Cahn Wettbewerbsverbot und verdeckte Gewinnausschüttung im GmbH-Konzern, FS Heinsius, 1991, S. 545; Röhricht Das Wettbewerbsverbot des Gesellschafters und des Geschäftsführers, WPg 1992, 766; Rudersdorf Wettbewerbsverbote in Gesellschafts- und Unternehmenskaufverträgen, RNotZ 2011, 509; H. Schneider Wettbewerbsverbot und verdeckte Gewinnausschüttung – Ein Lösungsversuch, DB 1993, 1992; Stöcker Kartellrechtliche Zulässigkeit von Wettbewerbsverboten für Minderheitsgesellschafter, GWR 2015, 181; Tiedchen Wettbewerbsverbote im GmbH-Konzern, GmbHR 1993, 616.

Analog § 112 HGB kann als mitgliedschaftliche Unterlassungspflicht auch den 38 Gesellschafter einer GmbH ein Wettbewerbsverbot aus Treuepflicht treffen1. Das gilt aber nicht allgemein2, sondern nur, wenn das Wettbewerbsverbot entweder vertraglich vereinbart ist oder wenn der betreffende Gesellschafter einen bestimmten Einfluss auf die Gesellschaft ausübt3 – etwa als geschäftsführender Gesellschafter4 – oder ausüben kann5 (versteckter Gesellschafter) oder wenn die GmbH insgesamt betont personalistisch strukturiert ist6. Eine 50 %-Beteiligung allein reicht nicht7. Umgekehrt trifft den Alleingesellschafter der GmbH kein Wettbewerbsverbot8, und ebenso wenig den beherrschenden Gesellschafter, wenn alle übrigen Gesellschafter einverstanden sind9. Vgl zur sog Geschäftschancenlehre, die insbesondere den Gesellschafter-Geschäftsführer erfasst, Rn 24 und Anh zu § 6 Rn 20. Zum Wettbewerbsverbot für den GmbH-Geschäftsführer: Kielkowski NZG 2015, 900 und St. Müller GmbHR 2014, 964. Wettbewerbsverbote in GmbH-Satzungen können gegen § 1 GWB verstoßen10. 39 Dies gilt jedoch dann nicht, wenn sie notwendig sind, um das im Übrigen kartellrechtsneutrale Unternehmen in seinem Bestand und seiner Funktionsfähigkeit zu erhalten und davor zu schützen, dass ein Gesellschafter es von innen her aushöhlt oder gar zerstört11. In diesem Fall kann das Wettbewerbsverbot auch 1 BGHZ 89, 162, 166 = GmbHR 1984, 203; U/H/L/Raiser Rn 97; ausführlich Rudersdorf RNotZ 2011, 509, 515 ff. 2 So aber Mertens/Cahn FS Heinsius, 1991, S. 558. 3 BGHZ 89, 162, 166 = GmbHR 1984, 203; OLG Köln GmbHR 1991, 366; OLG Karlsruhe GmbHR 1999, 539; MünchKomm/Merkt § 13 Rn 214 ff. 4 U/H/L/Raiser Rn 104 mwN. 5 R/A/Altmeppen § 13 Rn 46 ff; U/H/L/Raiser Rn 104 mwN. 6 BGHZ 89, 162, 165 f = GmbHR 1984, 203; OLG Karlsruhe GmbHR 1999, 539 f; Scholz/ Seibt Rn 59; MünchKomm/Merkt § 13 Rn 219; abweichend MünchHdbGmbH/Schiessl/ Böhm § 34 Rn 5 ff. 7 OLG Karlsruhe GmbHR 1999, 539; R/A/Altmeppen § 13 Rn 46 aE. 8 BGHZ 122, 333, 336 = GmbHR 1993, 427; R/A/Altmeppen § 13 Rn 48; MünchKomm/ Merkt § 13 Rn 223. 9 BGH GmbHR 1987, 302. 10 Grundlegend BGHZ 68, 6, 11 f; vgl weiter MünchKomm/Merkt § 13 Rn 229; ausführlich Stöcker GWR 2015, 181 ff mwN. 11 BGH ZIP 2009, 2263 (LS 1) – Gratiszeitung Hallo; vgl auch EuGH EuZW 2005, 244; dazu weiter MünchKomm/Merkt § 13 Rn 229, 234 mwN.

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§ 14 | Einlagepflicht gegenüber einem Minderheitsgesellschafter notwendig und daher zulässig sein1. Das Wettbewerbsverbot gilt indes regelmäßig nicht mehr, sobald der Gesellschafter aus der GmbH ausgeschieden ist bzw die GmbH sich mit dem Ausscheiden einverstanden erklärt hat (andernfalls – weil unzulässiges Berufsverbot – Verstoß gegen § 138 BGB iVm Art. 12 GG)2. Vgl zum Wettbewerbsverbot nach Ausscheiden des Gesellschafters auch OLG Hamm GmbHR 1993, 655 sowie OLG Brandenburg v. 23.7.2008 – 7 U 180/07 und OLG Düsseldorf MedR 2007, 478, vgl auch EU-Kommission ABlEU Nr. C 280 v. 15.9.2012, S. 8. 40 Besteht das Wettbewerbsverbot, so bedürfen Einschränkungen oder gar eine

Befreiung der Aufnahme in den Gesellschaftsvertrag (dazu auch Anh zu § 6 Rn 23); widerspricht die Minderheit, so ist dieses durch Satzungsänderung (mit 3/4-Mehrheit gemäß § 53 Abs. 2) nur im Interesse der Gesellschaft möglich3.

41 Das steuerliche Problem der vGA (dazu allgemein § 29 Rn 48 ff) im Zusam-

menhang mit vertragswidrigem Wettbewerb seitens des Gesellschafters entsteht nur, wenn

– das Wettbewerbsverbot überhaupt besteht und nicht in der Satzung bereits beseitigt ist; – es sich um einen einflussreichen Gesellschafter handelt oder unabhängig davon das Wettbewerbsverbot für alle Gesellschafter in der Satzung festgelegt ist und – der Gesellschafter dagegen verstößt und die Gesellschaft keinen Ausgleich nach § 113 HGB verlangt. Entgegen der früheren Rspr des BFH4 bedeutet die entgeltlose Befreiung (insbesondere des beherrschenden Gesellschafters oder des Alleingesellschafters) dagegen nicht per se eine vGA, sondern nur dann, wenn der GmbH unter Verstoß gegen § 30 Vermögen entzogen wird5. Gleiches gilt, wenn bei bestehender Unterdeckung der GmbH eine Geschäftschance genommen wird. Denn in diesen Konstellationen wird die Dispositionsfreiheit der Gesellschafter von den Interessen der Gläubiger überlagert6.

1 BGH ZIP 2009, 2263 (LS 2). 2 BGH GmbHR 2010, 256; vgl weiter U/H/L/Raiser Rn 105. 3 BGHZ 80, 69 = GmbHR 1981, 189 und dazu Lutter ZHR 153 (1989), 455; vgl weiter U/H/L/ Raiser 104. 4 BFH BStBl II 1983, 487, 489 = GmbHR 1983, 250; kritisch Felix NJW 1993, 2288 mwN. 5 BFH BFHE 178, 371 ff = GmbHR 1996, 58 (unter Aufgabe von BFH BFHE 157, 408 = GmbHR 1989, 475 und BFH BFHE 156, 484 = GmbHR 1989, 433). 6 BGHZ 122, 333, 336 ff = GmbHR 1993, 427; U/H/L/Raiser Rn 109.

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Einlagepflicht | § 14

5. Eigeninteresse der GmbH Umstritten war lange Zeit, inwieweit die Treuebindung vom Willen der Gesell- 42 schafter abhängt oder diesen gegenüber verselbständigt ist. Bedeutung erlangt diese Problematik vor allem, wenn ein Gesellschafter im Einvernehmen mit seinen Mitgesellschaftern eine Handlung vornimmt, die an sich treuwidrig wäre. Auch bei der Einpersonen-GmbH stellt sich die Frage, ob der Alleingesellschafter tun und lassen kann, was er will, oder ob auch er einer Treuepflicht gegenüber seiner Gesellschaft unterliegt, ob diese also ein gesellschafterunabhängiges Eigeninteresse hat1. Der BGH hat allerdings zu Recht klargestellt, dass ein gesellschafterunabhängiges Eigeninteresse der GmbH nicht gegeben ist2. Zugriffe auf das GmbH-Vermögen zum Nachteil der Gläubiger sind indes nach Maßgabe der Grundsätze über die Existenzvernichtungshaftung gleichwohl untersagt; insoweit soll nach der Rspr des BGH ein verselbstständigtes Vermögensinteresse der Gesellschaft existieren3 (ausführlich § 13 Rn 25 ff). Mit der Treuepflicht hat die Existenzvernichtungshaftung nach neuerer Dogmatik indes nichts zu tun4 (§ 13 Rn 30). 6. Treuhand Der Treuhänder unterliegt wie jeder andere Gesellschafter auch in vollem Um- 43 fang der Treuepflicht (Rn 26), gleichfalls aber auch den Privilegien im Falle der Treuhand über alle Geschäftsanteile (Rn 26). Die Frage, ob auch der Treugeber der allgemeinen Treuepflicht und damit insbesondere einem Wettbewerbsverbot unterfallen soll, hat bislang keine Beachtung gefunden. Richtigerweise gilt: Da der Treugeber jederzeit in die Rolle des Gesellschafters überwechseln kann (Rn 26), muss er auch in gleicher Weise wie ein Gesellschafter der Treuepflicht unterliegen.

1 Ausführlich etwa Ziemons Die Haftung der Gesellschafter für Einflussnahme auf die Geschäftsführung der GmbH, 1996, S. 94 ff; Winter ZGR 1994, 571 ff; MünchHdbGmbH/ Schiessl/Böhm § 32 Rn 20. 2 BGHZ 119, 257, 259 f; BGHZ 122, 333, 336 = GmbHR 1993, 427; BGHZ 142, 92, 95 f = GmbHR 1999, 921; BGH GmbHR 2008, 1319, 1322; BGH GmbHR 1994, 881, 883; vgl dazu auch B/H/Fastrich § 13 Rn 55; MünchKomm/Merkt § 13 Rn 106; R/A/Altmeppen § 13 Rn 58 f; zur Problematik näher Leuschner FS Ahrens, 2016, S. 637 ff. 3 Explizit: BGHZ 179, 344 Rn 36 f = GmbHR 2009, 601 – Sanitary; implizit schon BGHZ 173, 246 = GmbHR 2007, 927 – Trihotel; kritisch B/H/Fastrich § 13 Rn 55; Hönn WM 2008, 769, 771 ff; Weller DStR 2007, 1166, 1168; aA Grigoleit Gesellschafterhaftung für interne Einflussnahme im Recht der GmbH, 2006, S. 344 ff; Osterloh-Konrad ZHR 172 (2008), 274, 289 ff. 4 So auch MünchKomm/Merkt § 13 Rn 106; R/S-L/Pentz § 13 Rn 38.

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§ 14 | Einlagepflicht 7. Verletzung der Treuepflicht 44 Die Verletzung der Treuepflicht1 – auch eines Wettbewerbsverbots (Rn 38) –

führt ggf zur Anfechtbarkeit entsprechender Beschlüsse der Gesellschafterversammlung (näher Anh zu § 47 Rn 56)2, insbesondere aber zur Schadensersatzpflicht3 gegenüber dem geschädigten Gesellschafter4 bzw der geschädigten GmbH5; der Anspruch der Gesellschaft kann unter der Voraussetzung des § 46 Nr. 8 (s. § 46 Rn 35 ff) von der GmbH selbst, im Übrigen notfalls mit der actio pro socio (s. § 13 Rn 51 ff) auch vom einzelnen Gesellschafter für die GmbH geltend gemacht werden6. Auch Feststellungsklage des betroffenen Gesellschafters gegen die Gesellschaft und die treuwidrig handelnden Gesellschafter ist zulässig, zB wenn diese Regeln der Satzung nicht beachten7. Schwere Verletzungen der Treuepflicht können zum Ausschluss des Gesellschafters führen (s. § 34 Rn 52 ff)8, wenn nicht ein milderes Mittel in Betracht kommt, so etwa die Bestellung eines Treuhänders zur Ausübung der Mitverwaltungsrechte9. Zur Treuepflicht als Anknüpfungspunkt für das GmbH-Konzernrecht: Anh zu § 13 Rn 33, 39 ff. Zur Durchsetzung der Treuepflicht durch einstweilige Verfügung Rn 34. 8. Verjährung

45 Auf Treuepflichtverletzungen findet die Regelverjährung des § 195 BGB An-

wendung. Die Frist beträgt 3 Jahre ab Kenntnis der Pflichtverletzung10.

V. Gleichbehandlungsgebot Literatur: v. Falkenhausen Verfassungsrechtliche Grenzen der Mehrheitsherrschaft nach dem Recht der Kapitalgesellschaften, 1967; Henn Die Gleichbehandlung des Aktionärs in Theorie und Praxis, AG 1985, 240; G. Hueck Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung im Privatrecht, 1958; Konow Der Grundsatz der gleichen Behandlung der GmbH-Gesellschafter bei der Gewinnverteilung, GmbHR 1973, 121; Verse Der Gleichbehandlungsgrundsatz im Recht der Kapitalgesellschaften, 2006; Voges Zum Grundsatz der Gleichbe1 OLG Nürnberg GmbHR 2001, 108 f; OLG Stuttgart GmbHR 2000, 288 = AG 2000, 369. 2 BGHZ 80, 69 = GmbHR 1981, 189; OLG Hamburg GmbHR 1992, 43 – Cats mit Bespr K. Schmidt GmbHR 1992, 9 ff; Scholz/Seibt Rn 61; Scholz/Emmerich § 13 Rn 47 f; MünchKomm/Merkt § 13 Rn 189 ff, 203 ff. 3 Eingehender Scholz/Seibt Rn 62; Scholz/Emmerich § 13 Rn 49 f; MünchKomm/Merkt Rn 196, 199 ff mwN. 4 Lutter AcP 180 (1980), 84, 127; BGH AG 1990, 458 und BGH GmbHR 1992, 104. 5 BGHZ 65, 15 - ITT; Stimpel AG 1986, 117 ff. 6 Scholz/Emmerich § 13 Rn 51; MünchKomm/Merkt § 13 Rn 203 ff. 7 BGH GmbHR 1990, 343; Scholz/Emmerich § 13 Rn 47a. 8 BGH GmbHR 1987, 302, 303; R/S-L/Pentz § 13 Rn 81. 9 BGHZ 16, 317, 322; B/H/Fastrich § 13 Rn 36. 10 U/H/L/Raiser Rn 103; Scholz/Seibt Rn 62.

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Einlagepflicht | § 14 handlung im Aktienrecht, AG 1975, 197; Waldenberger Sonderrechte der Gesellschafter einer GmbH, GmbHR 1997, 49; Zöllner Die Schranken der mitgliedschaftlichen Stimmrechtsmacht bei der privatrechtlichen Personenverbindung, 1963.

Das Gebot, die Gesellschafter (im Zweifel nach dem Verhältnis der Nennwerte1) 46 gleich zu behandeln, ist ein Minderheitenschutzrecht2 und folgt nach hM aus der gesellschafterlichen Treuepflicht3 (Rn 29 ff) und ist heute allgemein anerkannt4; im Aktienrecht ist es mit § 53a AktG vom Gesetz bestätigt. Das Gleichbehandlungsgebot bindet die Geschäftsführer ebenso wie die Gesellschaftermehrheit und verbietet willkürliche Differenzierungen unter den Gesellschaftern5, also etwa die Zuwendung von Vorteilen (nur) an einzelne Gesellschafter (insbesondere vGA)6 und Ausschluss (nur) einzelner Gesellschafter vom Bezugsrecht7. Willkür ist nicht gegeben, wenn die Ungleichbehandlung aus sachlichen Gründen im Interesse der Gesellschaft erforderlich und, gemessen an der Schwere des Eingriffs in die Position des benachteiligten Gesellschafters, noch angemessen ist8. Das Gebot der Gleichbehandlung ist nicht allgemein abdingbar9, wohl aber 47 speziell verzichtbar, sei es im Gesellschaftsvertrag, sei es im speziellen Einzelfall10. So können vielfältige Abweichungen im Gesellschaftsvertrag bestehen (zB Mehrstimmrechte, Gewinnvoraus) oder später mit Zustimmung des Betroffenen festgelegt werden (zB Änderung des Gesellschaftsvertrages; ungleiche Verteilung von Gewinn im Einzelfall): Die Vertragsfreiheit hat insoweit (spezielle Abweichungen) Vorrang (unstreitig)11. Geschäftsführungsmaßnahmen, die gegen das Gebot verstoßen, sind (1) rück- 48 gängig zu machen12 oder (2) dem Benachteiligten in gleicher Weise zu gewähren13 oder (3) in bar auszugleichen. Beschlüsse der Gesellschafterversammlung, 1 Für alle: U/H/L/Raiser Rn 114; MünchKomm/Merkt § 13 Rn 296 mwN. 2 MünchKomm/Merkt § 13 Rn 287. 3 So zutreffend Lutter AcP 180 (1980), 84, 122 f; Scholz/Seibt Rn 41; R/S-L/Pentz § 13 Rn 96; R/A/Altmeppen § 13 Rn 63; ausführlich Verse S. 87 ff; abweichend B/H/Fastrich § 13 Rn 31. 4 Für alle: BGHZ 111, 224, 227; MünchKomm/Merkt § 13 Rn 285; Scholz/Seibt Rn 40 mwN. 5 BGHZ 116, 359, 373 = GmbHR 1992, 257; für AG auch BGHZ 33, 186; OLG Frankfurt WM 1986, 1149; vgl auch Scholz/Seibt Rn 45 ff; R/A/Altmeppen § 13 Rn 61. 6 BGH BB 1972, 894; OLG München GmbHR 1997, 1103; OLG Köln NZG 1999, 1112. 7 BGHZ 71, 40 – Kali & Salz; MünchHdbGmbH/Schiessl/Böhm § 31 Rn 24. 8 BGHZ 71, 40 mit Anm Lutter ZGR 1979, 401 zur AG; vgl auch MünchKomm/Merkt § 13 Rn 296. 9 Unstreitig, vgl nur MünchKomm/Merkt § 13 Rn 292 mwN. 10 MünchKomm/Merkt § 13 Rn 289; B/H/Fastrich § 13 Rn 33. 11 U/H/L/Raiser Rn 113; B/H/Fastrich § 13 Rn 33. 12 MünchKomm/Merkt § 13 Rn 30 mwN. 13 Vgl BGH GmbHR 1992, 104; B/H/Fastrich § 13 Rn 35.

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§ 15 | Übertragung von Geschäftsanteilen welche gegen das Gleichbehandlungsgebot verstoßen, sind anfechtbar (hM)1; greift der Beschluss jedoch in ein Vorzugs- bzw gar Sonderrecht des betreffenden Gesellschafters ein, so ist er (schwebend) unwirksam2, einer Anfechtung bedarf es dann nicht; doch kann der Beschluss wirksam sein/werden durch Zustimmung/Genehmigung des betreffenden Gesellschafters3.

§ 15 Übertragung von Geschäftsanteilen (1) Die Geschäftsanteile sind veräußerlich und vererblich. (2) Erwirbt ein Gesellschafter zu seinem ursprünglichen Geschäftsanteil weitere Geschäftsanteile, so behalten dieselben ihre Selbständigkeit. (3) Zur Abtretung von Geschäftsanteilen durch Gesellschafter bedarf es eines in notarieller Form geschlossenen Vertrages. (4) Der notariellen Form bedarf auch eine Vereinbarung, durch welche die Verpflichtung eines Gesellschafters zur Abtretung eines Geschäftsanteils begründet wird. Eine ohne diese Form getroffene Vereinbarung wird jedoch durch den nach Maßgabe des vorigen Absatzes geschlossenen Abtretungsvertrag gültig. (5) Durch den Gesellschaftsvertrag kann die Abtretung der Geschäftsanteile an weitere Voraussetzungen geknüpft, insbesondere von der Genehmigung der Gesellschaft abhängig gemacht werden. Text in der Sache seit 1892/98 unverändert; Abs. 3 und 4 durch BeurkG 1969 (BGBl I 1513) auf Alleinzuständigkeit des Notars geändert; durch MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl I 2026) amtliche Überschrift ergänzt. I. II. 1. 2.

Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Veräußerlichkeit (§ 15 Abs. 1) . 2 Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Gerichtliche Genehmigung bei der Abtretung . . . . . . . . . . . . . 8 3. Rechtliche Struktur von share deal und asset deal; Haftung für Mängel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 III. Vererblichkeit (§ 15 Abs. 1) . . 12 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . 12

2. Erbfolge in den Geschäftsanteil . 3. Einziehung des Geschäftsanteils 4. Anordnung von Vor- und Nacherbschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Testamentsvollstreckung . . . . . IV. Selbständigkeit jedes Geschäftsanteils (§ 15 Abs. 2) . . . . . . . . V. Abtretung in notarieller Form (§ 15 Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . .

1 BGHZ 116, 359, 372 = GmbHR 1992, 257; Scholz/Seibt Rn 47. 2 MünchKomm/Merkt § 13 Rn 303. 3 MünchKomm/Merkt § 13 Rn 303.

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13 20 21 22 23 25

Übertragung von Geschäftsanteilen | § 15 1. Rechtsgeschäftliche Einzelrechtsnachfolge . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Notarielle Beurkundung . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . b) Auslandsbeurkundung . . . . . aa) Beurkundung gemäß Art. 11 Abs. 1 Alt. 1 EGBGB (Geschäftsstatut) bb) Beurkundung gemäß Art. 11 Abs. 1 Alt. 2 EGBGB (Ortsstatut) . . . 3. Reichweite der Vorschrift . . . . . 4. Wirkung der Abtretung; Einreichung beim Handelsregister . . . 5. Fehlerhafte Abtretung . . . . . . . VI. Formbedürftigkeit des Verpflichtungsvertrags (§ 15 Abs. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verpflichtung zur Abtretung . . 2. Verletzung der Form, Heilung . VII. Beschränkung der Abtretung gemäß § 15 Abs. 5 (Vinkulierung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25 26 26 27 28 35 37 42 48 51 51 63 68

1. 2. 3. 4. 5. 6. VIII. 1. 2. 3. IX. 1. 2. 3. X. XI. 1. 2.

Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . Festlegung in der Satzung . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . Genehmigung iSv § 15 Abs. 5 . . Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . Mittelbare Vinkulierung, Umgehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwangsvollstreckung und Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pfändung . . . . . . . . . . . . . . . . Verwertung . . . . . . . . . . . . . . Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . Treuhand und Sicherungsabtretung . . . . . . . . . . . . . . . . Treuhandvertrag . . . . . . . . . . . Abtretung . . . . . . . . . . . . . . . . Sicherungsabtretung . . . . . . . . Unterbeteiligung . . . . . . . . . . Verpfändung und Nießbrauch Verpfändung . . . . . . . . . . . . . . Nießbrauch . . . . . . . . . . . . . . .

68 71 75 77 90 91 97 97 99 102 103 104 107 109 110 111 115

Literatur: Findeisen Die Sorgfaltspflichten des Erwerbers beim Unternehmenskauf, BB 2015, 2700; Franz/Keune Warranty and Idemnity Insurance – Die Gewährleistungsversicherung bei Unternehmenskäufen ist auch in Deutschland auf dem Vormarsch, VersR 2013, 1371; Hasselbach/Ebbinghaus Vorvertragliche Pflichtverletzung als Haftungsfalle beim Unternehmenskauf, DB 2012, 216; Hennrichs Zur Haftung auf Schadensersatz wegen unrichtiger Bilanzgarantien bei M&A-Transaktionen, NZG 2014, 1001; Hoenig/Klingen Grenzen der Wissenszurechnung beim Unternehmenskauf, NZG 2013, 1046; Koppmann Die gesetzliche Aufklärungspflicht des Verkäufers und ihre Erfüllung beim Unternehmenskauf – ein Praxisleitfaden, BB 2014, 1673; Louven/Mehrbrey Bedeutung aktueller M&A-Streitigkeiten für die Gestaltungspraxis, NZG 2014, 1321; Rodewald/Mentzel Schenkungsteuer und gesellschaftsrechtliche Gestaltungen in der GmbH, GmbHR 2015, 841; Schütt Streitigkeiten über Freistellungsansprüche in Unternehmenskaufverträgen, NJW 2016, 980; Seelinger Abtretung identischer GmbH-Geschäftsanteile und Bestimmtheitsgrundsatz, GmbHR 2014, 119.

I. Überblick Der Geschäftsanteil ist veräußerlich und vererblich. (Nur) die Veräußerung 1 kann erschwert (§ 15 Abs. 5), aber auch – obwohl das im Gesetz nicht ausdrücklich bestimmt ist – ausgeschlossen werden (ausführlich Rn 57); dafür hat der Gesellschafter dann das Recht zum Austritt aus wichtigem Grund (§ 34 Bayer

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§ 15 | Übertragung von Geschäftsanteilen Rn 70 ff). Die Veräußerung ist formbedürftig (§ 15 Abs. 3, 4); nach der gesetzlichen Konzeption besteht der Zweck der Formvorschrift des § 15 Abs. 4 Satz 1 vorrangig darin, einen schnellen, spekulativen Handel mit GmbH-Geschäftsanteilen zu unterbinden1, während hingegen das Formerfordernis des § 15 Abs. 32 insbesondere im Hinblick auf § 16 den wichtigen Beweis der (nicht verbrieften) Anteilsinhaberschaft und damit Rechtssicherheit gewährleisten soll3. Der Schutz der Parteien vor übereilten Entscheidungen (etwa des Erwerbers im Hinblick auf die Haftung gemäß §§ 16, 24) ist nach ganz hM hingegen nicht Normzweck4, sondern bloßer Rechtsreflex5. Zu Recht nicht umgesetzt wurde der Vorschlag, GmbH-Anteile de lege ferenda börsenfähig zu machen (s. auch Einl Rn 61)6. Ebenso wenig ist der Gesetzgeber im Rahmen des MoMiG der von Teilen der Wirtschaft geforderten7 Abschaffung der notariellen Beurkundung8 gefolgt9. Dies wird im Hinblick auf das schuldrechtliche Kausalgeschäft bei einer künftigen GmbH-Reform nochmals zu überdenken sein. Dagegen ist, insbesondere vor dem Hintergrund des durch das MoMiG ermöglichten gutgläubigen Erwerbs von Geschäftsanteilen (vgl § 16 Abs. 3), das Beurkundungserfordernis gemäß § 15 Abs. 3 unverzichtbar10.

1 So deutlich BGH GmbHR 2008, 589 Rn 14; OLG Frankfurt ZIP 2015, 1725, 1727 = GmbHR 2015, 1040; Motive zum GmbHG, Verhandlungen des Reichstages, 8. Legislaturperiode – I Session 1890/1892, 5. Anlagenband, Aktenstück Nr. 660, S. 3729, auszugsweise abgedruckt bei Armbrüster DNotZ 1997, 768. 2 Zur Differenzierung auch U/H/L/Löbbe Rn 43. 3 Diesen Aspekt betonen RGZ 164, 162, 170; BGHZ 13, 49, 52; BGHZ 141, 207, 211; vgl dazu auch Motive zum GmbHG, Verhandlungen des Reichstages, 8. Legislaturperiode – I Session 1890/1892, 5. Anlagenband, Aktenstück Nr. 660, S. 3729; Armbrüster DNotZ 1997, 762, 774; Greitemann GmbHR 2005, 577, 578; König/Götte/Bormann NZG 2009, 881, 882; Pohlmann GmbHR 2002, 41, 43. Nach BGH GmbHR 2008, 589 Rn 14 dient auch § 15 Abs. 4 der Beweiserleichterung. 4 So aber OLG Stuttgart DB 1989, 1817; B/H/Fastrich Rn 21; Walz/Fembacher NZG 2003, 1134, 1140; ähnlich R/A/Altmeppen Rn 66. 5 BGHZ 141, 207, 211 = GmbHR 1999, 707; BGHZ 127, 129, 135 = GmbHR 1994, 869; BGH GmbHR 1997, 605, 606; OLG Frankfurt NZG 2008, 19, 20; U/H/L/Löbbe Rn 43; R/ S-L/Görner Rn 2. 6 Ablehnend bereits Bayer ZGR 2007, 220, 227 mwN. 7 Vgl Stellungnahme BDI v. 7.9.2007; ebenso etwa König ZIP 2004, 1838, 1842; Triebel/ Otte ZIP 2006, 1321, 1325; Happ ZHR 169 (2005), 6, 23 ff. 8 Dagegen nachdrücklich Wicke ZIP 2006, 977 ff; Heckschen NotBZ 2006, 381, 383; vgl bereits Kanzleiter ZIP 2001, 2105 ff. 9 Zur Diskussion seit 1892 näher U/H/L/Löbbe Rn 44 mwN. 10 Vgl bereits Bayer Notar 2007, 41, 43 f; ebenso J. Vetter Notar 2007, 31, 33 f; vgl weiter MünchHdbGmbH/Jasper § 24 Rn 42; Scholz/Seibt Rn 5, 9; ablehnend etwa Apfelbaum BB 2008, 2470, 2476 f.

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Übertragung von Geschäftsanteilen | § 15

II. Veräußerlichkeit (§ 15 Abs. 1) 1. Grundsatz Der Geschäftsanteil ist grundsätzlich veräußerlich; dies gilt auch noch in der Li- 2 quidation der Gesellschaft1. Ausnahmen enthalten teilweise berufsrechtliche Vorschriften für sog Freiberufler-GmbH (vgl § 1 Rn 8), zB § 59e Abs. 1 BRAO, § 50a Abs. 1 Nr. 1, 3 StBerG, § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 WPO (s. zur Vererblichkeit auch Rn 13)2. Beim Erwerb durch Ausländer sind ggf die Schranken des AWG sowie der AWV zu beachten3. Die Veräußerung des Geschäftsanteils erfolgt durch Abtretung (näher Rn 25)4; 3 diese kann auch aufschiebend bedingt/befristet erfolgen (Beispiel: vollständige Kaufpreiszahlung)5; auf Bedingung/Befristung kann der Begünstigte (mit Wirkung ex nunc) einseitig formlos verzichten6. Im Falle einer bedingten Abtretung entsteht ein Anwartschaftsrecht, das selbständig übertragbar und pfändbar ist7. Wird im Falle der bedingten Abtretung durch den Alleingesellschafter der Erwerber zur Beschlussfassung verpflichtet, so ist er im Zweifel hierzu ermächtigt8. Hat der Veräußerer mehrere Geschäftsanteile, so ist die Abtretung nur wirksam9, wenn dem sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz10 Rechnung getragen wird11. Zur Übertragung eines Geschäftsanteils unter Vorbehaltsnießbrauch: BFH GmbHR 2015, 208. Ebenso können auch künftige Geschäftsanteile abgetreten werden, soweit sie 4 bestimmbar sind (Problem bei mehreren Geschäftsanteilen desselben Gesellschafters!)12; diese Abtretung wird im Zeitpunkt der Eintragung der GmbH

1 KG GmbHR 1996, 921; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 43. 2 Dazu MünchKomm/Reichert/Weller Rn 7 f; U/H/L/Löbbe Rn 5 mwN. 3 Dazu näher Hasselbrink GmbHR 2010, 512 ff mit Formulierungshilfen für die Vertragspraxis. 4 Zur schenkungsweisen Übertragung mit Hinweisen zur Gestaltung und Steuer: Rodewald/Mentzel GmbHR 2015, 841 ff. 5 MünchKomm/Reichert/Weller Rn 31 (unstreitig). 6 BGHZ 127, 129, 133 = GmbHR 1994, 869; BGHZ 138, 195 = GmbHR 1998, 635; B/H/ Fastrich Rn 24; zu Unrecht kritisch Pohlmann NJW 1999, 190, 191. 7 BGHZ 132, 218 = GmbHR 1996, 612; Henssler/Strohn/Verse Rn 7; Palandt/Ellenberger Einf v § 158 BGB Rn 9. 8 BGH GmbHR 2008, 702. 9 Zur Nichtigkeit bei Verstoß: BGHZ 14, 25 = GmbHR 1954, 122, 123 mit Anm Schneider; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 26. 10 U/H/L/Löbbe Rn 177; näher Lieder Die rechtsgeschäftliche Sukzession, 2015, S. 296 ff. 11 Dazu näher Seelinger GmbHR 2014, 119 ff. 12 R/A/Altmeppen Rn 17; U/H/L/Löbbe Rn 127.

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§ 15 | Übertragung von Geschäftsanteilen (oder der Kapitalerhöhung) wirksam1, bei vinkulierten Anteilen jedoch nicht vor erteilter Zustimmung2 (dazu näher Rn 88). 5 Gegenstand einer (formbedürftigen) Abtretung können auch Bezugsrechte aus

einer Kapitalerhöhung sein (§ 55 Rn 20)3.

6 Nicht möglich ist hingegen die Abtretung von Anteilen der Vorgesellschaft; ein

Gesellschafterwechsel ist hier nur in Form einer Änderung des Gesellschaftsvertrages gemäß § 2 möglich (vgl ausführlich § 11 Rn 12 ff sowie § 2 Rn 26, 48). Die Gegenauffassung, die § 15 analog anwenden will, vernachlässigt in bedenklicher Weise die Zäsur der Eintragung (§ 11 Abs. 1) und die daran anknüpfende Veränderung der Haftungsverfassung (§ 13 Abs. 2). Sie berücksichtigt weiterhin nicht, dass die Angabe aller Gründer wesentlicher Bestandteil des dem Registerrichter gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 vorzulegenden Gesellschaftsvertrages ist (ausführlich § 11 Rn 12 ff mwN).

7 Von der formbedürftigen Abtretung des Geschäftsanteils zu unterscheiden ist

die zulässige und nicht formbedürftige4 Abtretung einzelner vermögensrechtlicher Ansprüche (zB auf Gewinn, Auseinandersetzungs- oder Abfindungsguthaben, ausführlich § 14 Rn 25). Auch diese Abtretung kann aufschiebend bedingt durch die Entstehung des zedierten Anspruchs erfolgen5. 2. Gerichtliche Genehmigung bei der Abtretung

8 Der entgeltliche Erwerb und die Veräußerung von Geschäftsanteilen durch ei-

nen Minderjährigen6 bedürfen grundsätzlich keiner familiengerichtlichen Genehmigung nach § 1643 Abs. 1 iVm § 1822 Nr. 3 BGB7, auch wenn die GmbH ein Erwerbsgeschäft betreibt8. Eine Ausnahme gilt jedoch dann, wenn sich die Beteiligung des Minderjährigen wirtschaftlich nicht mehr als bloße Kapitalbeteiligung, sondern als Beteiligung an dem von der GmbH betriebenen Erwerbsgeschäft darstellt9. Dies ist nach Auffassung des BGH dann der Fall, wenn die Beteiligung des Minderjährigen an der GmbH 50 % übersteigt oder wenn nur Minderjährige an der GmbH beteiligt sind und alle Anteile veräußert werden10. 1 BGHZ 21, 242, 245; BGH GmbHR 1999, 707, 708 f; BGH GmbHR 2005, 354, 355; Scholz/Seibt Rn 12. 2 Scholz/Seibt Rn 12; RG LZ 1911, 614. 3 MünchKomm/Reichert/Weller Rn 42; U/H/L/Löbbe Rn 129. 4 BGHZ 88, 205 = GmbHR 1984, 101; Scholz/Seibt Rn 20. 5 Ausführlich MünchKomm/Reichert/Weller Rn 48; U/H/L/Löbbe Rn 129. 6 Dazu auch Krauß/Meichelbeck, DB 2015, 2114 ff. 7 Ausführlich Ivo ZNotP 2007, 210 ff. 8 BGHZ 107, 23, 28 = GmbHR 1989, 327; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 501. 9 BGH DNotZ 2004, 152, 153 mwN; vgl weiter Ivo ZNotP 2007, 210, 215. 10 BGH DNotZ 2004, 152, 153; zustimmend R/A/Altmeppen Rn 21; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 502.

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Jedoch ist (auch beim schenkweisen! Erwerb) § 1822 Nr. 10 BGB zu beachten, wenn eine Mithaftung des Minderjährigen nach §§ 24, 31 Abs. 3 in Betracht kommt, weil noch Einlageverpflichtungen (auch aus Differenz- oder Vorbelastungshaftung) bestehen1. Die bloß theoretische Möglichkeit der künftigen Mithaftung aus § 31 Abs. 3 begründet indes noch nicht die Genehmigungspflicht2. Beim Unternehmenskaufvertrag kann auch die gesamtschuldnerische Mithaftung des Minderjährigen auf der Verkäuferseite für Gewährleistungsansprüche des Käufers eine Genehmigung nach § 1822 Nr. 10 BGB erforderlich machen3, es sei denn, der Minderjährige wird von der Haftung freigestellt4. In Zweifelsfällen empfiehlt es sich, ein Negativattest des Familiengerichts einzuholen5. 3. Rechtliche Struktur von share deal und asset deal; Haftung für Mängel Kauf von GmbH-Anteilen (share deal) ist Rechtskauf iSv § 453 Abs. 1 BGB, dh 9 Verkäufer haftet – mangels (zulässiger) abweichender Vereinbarung – einerseits für Rechtsmängel iSv § 435 BGB, andererseits aber auch für Sachmängel (§ 434 BGB). Mangel liegt etwa vor, wenn sich die GmbH in Insolvenz oder Liquidation befindet6, der Anteil nicht die vereinbarte Größe oder Beschaffenheit (zB Umfang von Stimmrecht oder Gewinnbeteiligung) hat7, aber auch, wenn fällige Einlagen nicht geleistet wurden und deshalb Kaduzierung droht8. Kann hingegen Verschaffung des Geschäftsanteils mangels Existenz9 oder aufgrund von Vinkulierung10 nicht erfolgen, so liegt Unmöglichkeit vor (§ 311a BGB). Rechtsfolgen eines Mangels ergeben sich aus §§ 434 ff BGB11; frühere verschuldensunabhängige Garantiehaftung (§§ 437 ff BGB aF) ist entfallen. Daher haben für die Praxis Garantieerklärungen des Verkäufers (speziell: Bilanzgarantien12) be1 BGHZ 107, 23, 26 ff = GmbHR 1989, 327; B/S/Brandes Rn 4; Wicke Rn 3; aA Winkler ZGR 1990, 138 ff. 2 BGHZ 107, 23, 28 = GmbHR 1989, 327; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 503. 3 MünchKomm/Reichert/Weller Rn 503; Michalski/Ebbing Rn 169. 4 Henssler/Strohn/Verse Rn 13; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 503 aE. 5 Vgl OLG München FamRZ 2003, 392; Ivo ZNotP 2007, 210, 215. 6 R/A/Altmeppen Rn 9; Scholz/Seibt Rn 145; vgl auch Palandt/Weidenkaff § 453 BGB Rn 23. 7 Hölters/Semler Hdb Unternehmenskauf, 8. Aufl 2015, Rn 7.193 mwN. 8 RGZ 96, 227, 230; OLG Nürnberg GmbHR 1977, 251; Hölters/Semler Hdb Unternehmenskauf, 8. Aufl 2015, Rn 7.193; aA Grunewald NZG 2003, 372, 373. 9 Grunewald NZG 2003, 372, 373; Bamberger/Roth/Faust § 453 BGB Rn 12, 16; Scholz/ Seibt Rn 146. 10 R/A/Altmeppen Rn 8; Scholz/Seibt Rn 148. 11 Ausführlich Scholz/Seibt Rn 165 ff; Hölters/Semler Hdb Unternehmenskauf, 8. Aufl 2015, Rn 7.198 ff. 12 Dazu jüngst OLG Frankfurt v. 7.5.2015 – 26 U 35/12, GmbHR 2016, 116 mit Anm Bormann/Trautmann; zur Schadensersatzhaftung auch Hennrichs NZG 2014, 1001 ff; vgl weiter Maier-Reimer/Schilling KSzW 2016, 4 ff; Elsing FS Haarmann, 2015, S. 23 ff.

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§ 15 | Übertragung von Geschäftsanteilen sondere Bedeutung1. Weiterhin kommt den Aufklärungspflichten des Verkäufers besondere Bedeutung zu2. In der Praxis empfiehlt sich häufig eine due diligence3 (dazu auch bei § 51a Rn 32, 36) oder eine Gewährleistungsversicherung4. Zulässig ist auch eine Rechtswahl5. Zur Nichtigkeit der Geschäftsanteilsveräußerung wegen sittenwidriger Kollusion BGH GmbHR 2014, 421 ff; wegen unzulässiger „Firmenbestattung“ OLG Zweibrücken GmbHR 2013, 10936. 10 Wird im Gewande der Abtretung des Geschäftsanteils wirtschaftlich das Unter-

nehmen veräußert, so wird die Rechtsposition des Käufers – ebenso wie nach altem BGB7 – dahin erweitert, dass der Verkäufer auch für Mängel des erworbenen Unternehmens selbst nach Gewährleistungsrecht haftet. Einzelheiten sind nach wie vor streitig, insbesondere die Frage, bei welchem Sachverhalt von einem wirtschaftlichen Erwerb des Unternehmens auszugehen war8. Die Problematik liegt darin, dass ein Mangel des Geschäftsanteils von einem Mangel des Unternehmens abgegrenzt werden muss. Besondere Bedeutung haben hier (detaillierte) Beschaffenheitsvereinbarungen sowie vorvertragliche Aufklärungspflichten9. Nach ThürOLG GmbHR 2002, 1022 soll der vertragsmäßig vorbehaltene Rücktritt vom Kauf eines Geschäftsanteils durch den Käufer auch dann noch möglich sein, wenn die GmbH zwischenzeitlich in eine OHG umgewandelt worden war (zweifelhaft). Zum Geschäftswert instruktiv OLG Rostock NotBZ 2011, 66 ff mit kritischer Anm Wudy; ablehnend auch Tiedtke ZNotP 2010, 487.

11 Abzugrenzen ist die Veräußerung von Anteilen an der GmbH von der Unter-

nehmensveräußerung durch die GmbH (asset deal). Hier werden von der GmbH einzelne Gegenstände aus ihrem Vermögen, ggf auch das gesamte Unternehmen, übertragen10. Zu beachten ist, dass der asset deal ggf gemäß § 311b

1 Ausführlich Hölters/Semler Hdb Unternehmenskauf, 8. Aufl 2015, Rn 7.240 ff mwN; vgl auch Scholz/Seibt Rn 160 ff; Scheuffele GmbHR 2010, 965 ff; zur Wissenszurechnung Hoenig/Klingen NZG 2013, 1046 ff; Wendt/Kreiling KSzW 2016, 67 ff; zum Streit über Freistellungsansprüche Schütt NJW 2016, 980 ff. 2 Dazu etwa OLG Brandenburg GmbHR 2011, 375 mit Anm Schodder EWiR 2011, 351 (zur finanziellen Lage der GmbH); Koppmann BB 2014, 1673 ff; ausführlich Hasselbach/ Ebbinghaus DB 2012, 216 ff; Schindler KSzW 2016, 62 ff. 3 Dazu etwa Hölters/Semler Hdb Unternehmenskauf, 8. Aufl 2015, Rn 7.43 ff mzwN; vgl weiter Findeisen BB 2015, 2700 ff. 4 Dazu näher Franz/Keune VersR 2013, 1371 ff; Tüxen/Mentzel KSzW 2016, 49 ff. 5 Zu Rechtswahlklauseln und ihrer kostenrechtlichen Relevanz: Begemann/Nölle BB 2016, 137 ff. 6 Dazu auch MünchKomm/Reichert/Weller Rn 28 mwN. 7 BGHZ 138, 204 = GmbHR 1998, 635 und ständige Rspr. 8 Dazu Hölters/Semler Hdb Unternehmenskauf, 8. Aufl 2015, Rn 7.195 ff mwN. 9 Zur c.i.c. (§ 311 Abs. 2 iVm §§ 280 ff BGB): Hölters/Semler Hdb Unternehmenskauf, 8. Aufl 2015, Rn 7.220 ff mwN; vgl auch: öOGH JBl 2010, 180 (zur Konkurrenzsituation). 10 Ausführlich Hölters/Semler Hdb Unternehmenskauf, 8. Aufl 2015, Rn 7.76 ff mwN; vgl weiter Louven/Mehrbrey NZG 2014, 1321.

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Abs. 3 BGB zu beurkunden ist, wenn nämlich die GmbH ihr gesamtes Vermögen veräußert1.

III. Vererblichkeit (§ 15 Abs. 1) Literatur: Feick/Weber Nachfolgeregelungen in Gesellschaftsverträgen von Familienunternehmen, notar 2014, 395; Heckschen Auswirkungen des MoMiG auf die Übertragung von GmbH-Anteilen von Todes wegen und im Wege der vorweggenommenen Erbfolge, ZErb 2008, 246; Hilger Zur Anwendbarkeit statutarischer Vinkulierungsklauseln bei der Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen in Ausführung letztwilliger Verfügungen, FS Quack, 1991, S. 259; Ivo Die Vererbung von GmbH-Geschäftsanteilen, ZEV 2006, 252; Ivo Die Vererbung von GmbH-Geschäftsanteilen nach Inkrafttreten des MoMiG, ZEV 2009, 333; Langner/Heydel Nachfolgeklauseln im GmbH-Gesellschaftsvertrag, GmbHR 2006, 291; Langner/Heydel Vererbung von GmbH-Geschäftsanteilen – Sicherstellung einer familieninternen Nachfolge, GmbHR 2005, 377; Lutz Die Ernennung mehrerer Testamentsvollstrecker als Gestaltungsmittel der Unternehmensnachfolge, NotBZ 2016, 16; Priester Nachfolgeklauseln im GmbH-Vertrag, GmbHR 1981, 206; Reimann Unternehmensnachfolge und Testamentsvollstreckung, GmbHR 2011, 1297; Wälzholz Rückforderungsrechte bei Gesellschaftsanteilen nach vorweggenommener Erbfolge. Zulässigkeit, Abfindung und Vertragsgestaltung, GmbHR 2007, 1177; Wiedemann Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, 1965.

1. Allgemeines Der Geschäftsanteil des Verstorbenen geht mit dessen Tode ipso iure und mit al- 12 len Rechten und Pflichten (inkl der auf Leistung rückständiger Einlagen) auf den oder die Erben über, gleichgültig ob aufgrund gesetzlicher oder gewillkürter Erbfolge. (Nur) die Haftung für rückständige Einlagen oder Nachschüsse kann der Erbe gemäß §§ 1975 ff BGB beschränken, nach erfolgter Eintragung in die Gesellschafterliste jedoch wegen § 16 Abs. 2 nur noch eingeschränkt (ausführlich § 16 Rn 44 mwN), und generell nicht für Handlungen, die er selbst nach dem Erbfall vorgenommen hat (zB Übernahme eines Geschäftsanteils bei Kapitalerhöhung)2. Die Vererblichkeit des Anteils kann durch die Satzung nicht ausgeschlossen und auch nicht geändert werden3, weder durch einen Übergang auf einen Nichterben im Wege der „Sondererbfolge“ am Nachlass vorbei4 noch durch eine automatische Einziehung des Geschäftsanteils im Fall des Todes des Gesellschafters5. Dagegen ist die Bestimmung wirksam, dass beim Tode eines Gesellschafters die GmbH den Geschäftsanteil einziehen darf oder muss (Rn 20). 1 OLG Hamm ZIP 2010, 2304; dazu Eickelberg/Mühlen NJW 2011, 2476; vgl bereits Werner GmbHR 2008, 1135 ff; Müller NZG 2007, 201, 206; aA Kiem NJW 2006, 2363. 2 U/H/L/Löbbe Rn 21 (allgemeine Meinung). 3 R/A/Altmeppen Rn 28; Scholz/Seibt Rn 27 f mwN (allgemeine Meinung). 4 OLG Koblenz GmbHR 1995, 586, 587; U/H/L/Löbbe Rn 11 mwN. 5 B/H/Fastrich Rn 12; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 441 mwN.

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§ 15 | Übertragung von Geschäftsanteilen Sorgfältige Formulierung der Erbfolge-Regelung in der Satzung ist dringend zu empfehlen1. 2. Erbfolge in den Geschäftsanteil 13 Der Erbe oder die Erben in Erbengemeinschaft werden mit dem Tod des Erblas-

sers materiellrechtlich unmittelbar Gesellschafter2, gegenüber der Gesellschaft jedoch nur nach Maßgabe der §§ 16 Abs. 1 Satz 1, 40, dh durch Eintragung in die in das Handelsregister aufgenommene Gesellschafterliste (dazu ausführlich § 16 Rn 43)3; der GmbH ist die Erbfolge im Zweifel durch Erbschein oÄ nachzuweisen (§ 40 Rn 53)4. Bei mehreren Erben (Erbengemeinschaft) gilt § 185 (nur gemeinschaftliche Ausübung der Rechte, dazu § 18 Rn 2). Verfügungen des Erben über den Nachlass, zu dem ein Geschäftsanteil gehört, werden nicht von § 15 Abs. 5 (analog) erfasst6. Zur Rechtslage bei Ausschlagung der Erbschaft: § 16 Rn 46.

14 Die Erbfolge in den Geschäftsanteil findet in der Freiberufler-GmbH (Rn 2)

auch dann statt, wenn der Erbe nicht die geforderte Qualifikation hat; doch ist dann in angemessener Frist der ordnungsgemäße Zustand herbeizuführen, da andernfalls die Zulassung der GmbH zur Berufsausübung widerrufen werden kann7. Vgl aber auch Rn 15.

15 Statutarische Nachfolgeregelungen8: a) Ob der oder die Erben auch endgültig

Gesellschafter bleiben können, bestimmt die Satzung9 (näher § 3 Rn 39 ff). In engen Grenzen zulässig, aber mit zahlreichen Nachteilen behaftet10, ist die Regelung, wonach der Geschäftsanteil einem Mitgesellschafter, der GmbH oder einem Dritten, der am Gesellschaftsvertrag mitgewirkt hat, noch unter Lebenden, aber aufschiebend befristet auf den Todesfall gemäß § 15 Abs. 3 abgetreten 1 Ausführlich etwa Kurz in Reithmann/Albrecht, Hdb notarielle Vertragsgestaltung, Rn 1267 ff; Langenfeld/Miras GmbH-Vertragspraxis, Rn 335. 2 Zur Erbfolge in den Geschäftsanteil näher Bayer in Bayer/Koch (Hrsg), Unternehmensund Vermögensnachfolge, 2009, S. 169, 172 ff; zur Nachfolge bei internationalen Erbfällen Paulus notar 2016, 3 ff. 3 Scholz/Seibt Rn 24; B/S/Brandes Rn 64. 4 MünchKomm/Reichert/Weller Rn 444; Satzungsregelung empfehlen Langner/Heydel GmbHR 2005, 377, 380. 5 MünchKomm/Reichert/Weller Rn 443; U/H/L/Löbbe Rn 13 ff. 6 BGHZ 92, 386, 393; Langner/Heydel GmbHR 2006, 291, 296; aA Priester GmbHR 1981, 207. 7 BegrRegE BR-Drucks 1002/97, S. 15; R/A/Altmeppen Rn 3; U/H/L/Löbbe Rn 5 mwN. 8 Dazu Flesner DB 2011, 2362 ff. 9 Eingehend BGHZ 92, 386 = GmbHR 1985, 150 (dazu Promberger ZHR 150 [1986], 585 ff); vgl weiter BGH GmbHR 1997, 165; OLG Koblenz GmbHR 1995, 586; Scholz/ Seibt Rn 29 ff. 10 So auch Langner/Heydel GmbHR 2005, 377, 378.

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wird1. Ist die Vererbung des Geschäftsanteils laut Satzung nur an Abkömmlinge und Ehepartner möglich, so kann die (ergänzende) Auslegung ergeben, dass auch der eingetragene Lebenspartner iSd LPartG nachfolgeberechtigt ist2. b) Für Zwecke der Nachfolgeplanung sehr flexibel und daher in der Praxis sehr 16 verbreitet ist hingegen die sog Abtretungsklausel, nach der die Erben verpflichtet sind, den Anteil auf einen Mitgesellschafter, einen Dritten oder auch die GmbH selbst zu übertragen3; es handelt sich hierbei um eine Nebenleistungspflicht iSv § 3 Abs. 2 (vgl § 3 Rn 24 ff)4. Dabei kann für den Drittbegünstigten ein eigenes obligatorisches Recht auf Abtretung gegen den Gesellschafter-Erben begründet werden (§§ 328, 331 BGB)5; insbesondere für die Konstellation, dass der Begünstigte bislang nicht Mitgesellschafter ist, spricht man hier von einer Eintrittsklausel6. Aber auch ohne ein eigenes Recht des Begünstigten (§ 328 Abs. 2 Alt. 1 BGB) können je nach Sachlage die Mitgesellschafter oder die GmbH die Erfüllung der Abtretung verlangen (§ 335 BGB)7. Die Bestimmung, dass nur bestimmte Erben (etwa nur solche mit einer besonderen Qualifikation) Gesellschafter werden dürfen (sog Nachfolgeklausel), kann in eine Abtretungsverpflichtung umgedeutet werden8. Um eine Blockade durch den GesellschafterErben zu verhindern, kann die GmbH gemäß § 185 BGB ermächtigt werden, die Abtretung auch selbst vorzunehmen (sog Zwangsabtretung)9; die Ausübung der Ermächtigung bedarf im Zweifel eines Gesellschafterbeschlusses gemäß § 46 Nr. 410. c) Der Anspruch auf Abtretung kann formlos geltend gemacht werden; die Ab- 17 tretungspflicht unterfällt zwar § 15 Abs. 4 (Rn 51 ff, 54), wurde indes durch § 2 substituiert11. Erfüllung erfolgt durch formgerechte Abtretung (§ 15 Abs. 3)12; Zustimmungserfordernisse nach § 15 Abs. 5 finden keine Anwendung, da die Abtretungsverpflichtung hierzu lex specialis ist und die Gesellschafter mit der satzungsmäßigen Klausel auch schon ihre Zustimmung gegeben haben13. Das Gleiche gilt für die Abtretung an einen Miterben im Rahmen einer Erbaus1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

Dazu MünchKomm/Reichert/Weller Rn 451. Eingehend DNotI-Report 2011, 33 ff. OLG Koblenz GmbHR 1995, 586, 587; B/H/Fastrich Rn 13; Scholz/Seibt Rn 26. BGH ZIP 1985, 548, 549; U/H/L/Löbbe Rn 15 mwN. Ausführlich Bayer Der Vertrag zugunsten Dritter, 1995, S. 166 ff mwN; vgl weiter U/H/L/ Löbbe Rn 15. B/H/Fastrich Rn 13; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 454. Michalski/Ebbing Rn 27; U/H/L/Löbbe Rn 14. Scholz/Seibt Rn 29; B/H/Fastrich Rn 13. BGH GmbHR 1984, 74; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 456. BGH NJW 1983, 2080 f; Scholz/Seibt Rn 32 aE. U/H/L/Löbbe Rn 13. Lenz GmbHR 2000, 927, 929; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 453 mwN. OLG Koblenz GmbHR 1995, 586, 587; Langner/Heydel GmbHR 2006, 291, 293; Blasche RNotZ 2013, 515, 518 f; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 453 mwN.

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§ 15 | Übertragung von Geschäftsanteilen einandersetzung1 (Teilungsanordnung), wenn der Anteil frei vererblich ist (also ohne spezielle Nachfolgeklausel)2, nicht hingegen bei Übertragung auf einen Dritten3. Spezielle Satzungsregelung ist hier zu empfehlen. 18 d) Inwieweit den Gesellschafter-Erben für den Verlust des Geschäftsanteils eine

Abfindung zu leisten ist, wird grundsätzlich durch die Satzung bestimmt; im Zweifel besteht ein sofort fälliger Anspruch auf volle Abfindung zum Verkehrswert4, doch kann die Satzung auch Beschränkungen der Abfindung vorsehen, was in der Praxis sehr verbreitet ist5; dies kann bis zum völligen Ausschluss einer Abfindung gehen6. Inwieweit in diesem Fall ein Schenkungsversprechen von Todes wegen an den Begünstigten vorliegt (§ 2301 Abs. 1 BGB), ist streitig; es liegt jedenfalls Vollzug der Schenkung nach § 2301 Abs. 2 BGB unter Lebenden vor7; in Betracht kommen allerdings Ansprüche nach §§ 2050 ff, 2316, 2325 ff BGB8, wobei entgegen der früheren Rspr des BGH9 maßgeblicher Zeitpunkt der Erbfall, nicht die Abfassung der Satzung ist10. Zu schenkung- und erbschaftsteuerrechtlichen Fragen von Abfindungsbeschränkungen: Ivens GmbHR 2011, 465 ff.

19 e) Die Erfüllung eines Vermächtnisses erfordert die Einhaltung von § 15 Abs.

311 und grundsätzlich (aber Auslegung Gesellschaftervertrag!12) auch von § 15 Abs. 5, wenn dort Beschränkungen allgemein vorgesehen sind13. Der Erbe hat sich um die Zustimmung zu bemühen und muss sein Stimmrecht im Allgemeinen in diesem Sinne ausüben14.

1 Ausführlich Westermann FS Huber, 2006, S. 997, 1015 ff. 2 OLG Düsseldorf GmbHR 1990, 504, 506 (6. Senat) gegen OLG Düsseldorf GmbHR 1987, 475 (7. Senat); wie hier auch Scholz/Seibt Rn 33; R/A/Altmeppen Rn 33; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 471; aA B/H/Fastrich Rn 11 mwN. 3 MünchKomm/Reichert/Weller Rn 471; Scholz/Seibt Rn 36. 4 BGHZ 116, 359, 365, 375 = GmbHR 1992, 257; Scholz/Seibt Rn 33. 5 U/H/L/Löbbe Rn 19. 6 BGH BB 1977, 563, 564 = GmbHR 1977, 81; für OHG auch schon BGHZ 22, 186, 194; OLG Karlsruhe AG 2007, 137 (KG); vgl weiter Scholz/Seibt Rn 31; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 461 mwN; kritisch R/S-L/Görner Rn 136; Lenz GmbHR 2000, 927, 929. 7 MünchHdbGmbH/Jasper/Wollbrink § 25 Rn 40; R/A/Altmeppen Rn 28. 8 Scholz/Seibt Rn 31; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 462 mwN. 9 BGH NJW 1970, 1638. 10 BGHZ 98, 226, 229 ff; bestätigt durch BGH NJW 1993, 2737, 2738; vgl weiter Scholz/ Seibt Rn 31; grundlegend Flume FS Schilling, 1973, S. 59 ff. 11 U/H/L/Löbbe Rn 23; Scholz/Seibt Rn 36. 12 Henssler/Strohn/Verse Rn 34; Blasche RNotZ 2013, 515, 520. 13 Scholz/Seibt Rn 36; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 466 mwN. 14 B/H/Fastrich Rn 15; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 467 mwN; vgl auch BGHZ 32, 35, 41.

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3. Einziehung des Geschäftsanteils Für den Fall des Todes eines Gesellschafters kann in der Satzung auch die Ein- 20 ziehung des Geschäftsanteils (vgl § 34) angeordnet werden1, und zwar allgemein oder nur unter bestimmten Voraussetzungen, etwa wenn die Erben ihrer Verpflichtung zur Abtretung des Anteils nicht nachkommen (Rn 16) oder die Zustimmung zum Eintritt eines Familienfremden als Erben versagt wird; die Satzung kann die Einziehung verpflichtend anordnen oder auch nur als Recht der GmbH begründen2. Wird die Einziehung nicht innerhalb einer angemessenen Frist nach dem Erbfall vorgenommen, ist das Recht ggf verwirkt3 bzw gilt dann § 162 Abs. 1 BGB analog4. Zur Abfindung: § 34 Rn 78 ff, 98. Sofern in der Satzung nicht das Stimmrecht für den betroffenen Gesellschafter ausgeschlossen wird (was zu empfehlen ist), dürfen die Gesellschafter-Erben bei der Beschlussfassung mitwirken5 (vgl § 47 Rn 50). In der Praxis werden Einziehungs- und Abtretungsklauseln häufig kombiniert6. 4. Anordnung von Vor- und Nacherbschaft Anordnung von Vor- und Nacherbschaft ist zulässig7. Unentgeltliche Verfügun- 21 gen des Vorerben über den Anteil werden im Zeitpunkt des Nacherbfalles unwirksam (§ 2113 Abs. 2 BGB)8; die Ausübung von Verwaltungsrechten (zB Stimmrecht) ist im Allgemeinen jedoch keine unentgeltliche Verfügung, auch nicht die Mitwirkung an rechtsändernden Beschlüssen, anders bei Ungleichbehandlung (Schmälerung des Gewinnanteils des Vorerben), bei Aufgabe von Sonderrechten oder bei Zustimmung zur Einziehung ohne angemessenes Entgelt9. Dem Vorerben steht persönlich der Gewinnanspruch (§ 29) als Nutzung zu10, nicht dagegen das Einziehungsentgelt oder der Anspruch auf die Liquidationsquote11: Insofern findet Surrogation statt; das Gleiche gilt für die Anteilsrechte aus einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (§§ 57k, 57o) und für solche aus einer regulären Kapitalerhöhung, die mit Mitteln des Nachlasses bezahlt

1 Näher U/H/L/Löbbe Rn 17; Scholz/Seibt Rn 30. 2 BGH GmbHR 1977, 81, 82 mit Anm Sachs; OLG Brandenburg GmbHR 1999, 540; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 457 mwN. 3 BGH GmbHR 1977, 81, 82 mit Anm Sachs; Scholz/Seibt Rn 30. 4 So OLG Brandenburg GmbHR 1999, 540, 541 (Abfindungspflicht). 5 BGH GmbHR 1977, 81, 82 mit Anm Sachs; Langner/Heydel GmbHR 2006, 291, 293. 6 Langner/Heydel GmbHR 2005, 377, 379 sprechen insoweit vom „Königsweg“. 7 Ausführlich Scholz/Seibt Rn 40 ff; U/H/L/Löbbe Rn 25 ff; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 473 ff. 8 BGHZ 52, 269, 270; B/H/Fastrich Rn 16. 9 Scholz/Seibt Rn 42; zu den Rechtsfolgen Lutter ZGR 1982, 117 ff. 10 U/H/L/Löbbe Rn 30. 11 U/H/L/Löbbe Rn 30.

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§ 15 | Übertragung von Geschäftsanteilen (§ 2111 Abs. 1 Satz 1 BGB)1 oder aufgrund eines Bezugsrechts bezogen wurden: In diesem Falle hat der Vorerbe ggf Anspruch auf Ersatz seiner aus dem persönlichen Vermögen getragenen Aufwendungen2. 5. Testamentsvollstreckung 22 Testamentsvollstreckung für einen Geschäftsanteil kann angeordnet werden3.

Der Testamentsvollstrecker (ggf auch mehrere4) ist im Allgemeinen berechtigt und verpflichtet, alle Rechte aus dem Anteil, auch die Verwaltungsrechte (Stimmrecht5, Minderheitsrechte6, Informationsrechte) wahrzunehmen7; Einschränkungen ergeben sich aus dem Verbot unentgeltlicher Verfügungen (§ 2205 Satz 3 BGB)8 sowie dann, wenn Verpflichtungen (zB Leistungsmehrungen, Übernahme neuer Geschäftsanteile aus Kapitalerhöhung) nicht aus Mitteln der Gesellschaft aufgebracht werden können9. Weitere, im Schrifttum kontrovers diskutierte Beschränkungen10 bestehen nach hM nicht11. Auch ist er berechtigt und ggf verpflichtet, in Vollzug einer testamentarischen Teilungsanordnung/Vermächtnis den Geschäftsanteil an einen Miterben oder Vermächtnisnehmer zu übertragen (zum Erfordernis der Zustimmung nach § 15 Abs. 5 in diesem Fall s. Rn 19)12. Generell kann die Satzung die Ausübung der Verwaltungsrechte (nicht: der Vermögensrechte) durch den Testamentsvollstrecker ausschließen13; sie stehen dann dem/den Erben zu14. Zur Ausübung des Stimmrechts durch den Testamentsvollstrecker bei § 47 Rn 31, 35, 43, 45.

1 MünchKomm/Reichert/Weller Rn 484; näher Hadding GmbHR 1975, 77 ff. 2 B/H/Fastrich Rn 16; U/H/L/Löbbe Rn 30; vgl auch BGHZ 58, 316 (für Nießbrauch). 3 BGH NJW 1959, 1820; U/H/L/Löbbe Rn 31; näher Priester FS Stimpel, 1985, S. 463 ff; Reimann GmbHR 2011, 1297 ff. 4 Dazu näher Lutz NotBZ 2016, 16 ff. 5 BayObLG NJW 1976, 1692 (Umwandlung). 6 Zur Anfechtung: BGHZ 108, 21, 23 = GmbHR 1989, 329; vgl auch OLG Düsseldorf GmbHR 1996, 443, 446 für Insolvenzverwalter bei Insolvenz des Gesellschafters. 7 Mayer ZEV 2002, 209, 210; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 487 ff mwN; zur Haftung bei pflichtwidriger Unterlassung BGH AG 1960, 21 ff. 8 U/H/L/Löbbe Rn 32 mwN. 9 MünchKomm/Reichert/Weller Rn 492 mwN. 10 S. etwa Priester FS Stimpel, 1985, S. 463, 481 ff. 11 Wie hier MünchKomm/Reichert/Weller Rn 491; U/H/L/Löbbe Rn 34 mwN. 12 Zutreffend OLG Düsseldorf GmbHR 1990, 504, 507; Scholz/Seibt Rn 253; teilweise abweichend R/S-L/Görner Rn 143 ff. 13 Dazu OLG Frankfurt GmbHR 2009, 152 mit Anm Floeth EWiR 2009, 93. 14 B/H/Fastrich Rn 17; U/H/L/Löbbe Rn 31 mwN (ganz hM).

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IV. Selbständigkeit jedes Geschäftsanteils (§ 15 Abs. 2) Die Vorschrift hat nach der Änderung des § 5 Abs. 2 Satz 2 durch das MoMiG, 23 wonach jeder Gesellschafter bei der Gründung der GmbH mehrere Geschäftsanteile übernehmen kann (§ 5 Rn 7), nur noch klarstellende Bedeutung. Anders als im Recht der Personengesellschaft bleibt jeder Geschäftsanteil auch bei Vereinigung mehrerer Geschäftsanteile in einer Hand als Folge eines Hinzuerwerbs – sei es durch Veräußerung oder Vererbung – selbständig. Bei nicht voll eingezahlter Einlage oder bei beschränkter Nachschusspflicht (§ 28) ist auf diese Weise der Rückgriff auf die Vormänner (§ 22) und auch der Rückerwerb des Anteils durch einen Vormann (§ 22 Abs. 4) gesichert1. Eine Zusammenlegung2 und auch eine Neustückelung mehrerer Geschäfts- 24 anteile3 durch Beschluss der Gesellschafterversammlung (§ 46 Nr. 4)4 ist jedoch möglich, sofern die Kapitalaufbringung gesichert ist, dh die Einlagen voll eingezahlt sind und keine Nachschusspflicht besteht5; weiterhin dürfen die Anteile keine unterschiedlichen Rechte vermitteln6. Der Beschluss bedarf auch nach der MoMiG-Reform der Zustimmung des betroffenen Gesellschafters, sofern die Erlaubnis zur Zusammenlegung nicht schon Inhalt der Satzung ist7 (hM; ausführlich § 46 Rn 20); eine besondere Gestattung in der Satzung ist aber nicht erforderlich8. Der frühere Streit, ob statt eines Gesellschafterbeschlusses auch eine einseitige Erklärung des betreffenden Gesellschafters ausreicht, hat sich angesichts des klaren Wortlauts des § 46 Nr. 4 erledigt9; die Beschlussfassung kann indes durch die Satzung abbedungen werden, sodass etwa die einseitige Erklärung des betroffenen Gesellschafters für ausreichend erklärt wird10 (vgl auch hierzu ausführlich § 46 Rn 22).

1 BGHZ 42, 91; B/H/Fastrich Rn 18; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 180. 2 Dazu ausführlich Priester GmbHR 1976, 130 ff. 3 Zur Teilbarkeit von Geschäftsanteilen ausführlich Föhrl RNotZ 2008, 409 ff; vgl auch § 46 Rn 17 ff mwN. 4 Scholz/Seibt Rn 46; MünchHdbGmbH/Jasper/Wollbrink § 25 Rn 24. 5 So bislang hM: KG GmbHR 1997, 603, 605; abweichend BegrRegE MoMiG zu § 46 Nr. 4, BT-Drucks 16/6140, S. 45; wie hier aber auch R/A/Altmeppen Rn 40; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 185. 6 Wie hier: MünchKomm/Reichert/Weller Rn 185; Scholz/Seibt Rn 45. 7 Wie hier Scholz/Seibt Rn 46; MünchHdbGmbH/Jasper § 24 Rn 224 aE; MünchKomm/ Reichert/Weller Rn 188; R/A/Altmeppen Rn 41; Liebscher Liber amicorum M. Winter, 2011, S. 403, 411 ff; aA BegrRegE BT-Drucks 16/6140, S. 45. 8 Scholz/Seibt Rn 46; U/H/L/Löbbe Rn 300; vgl auch schon Priester GmbHR 1976, 130, 132. 9 Wie hier Scholz/Seibt Rn 46; B/H/Fastrich Rn 19; R/A/Altmeppen Rn 40. 10 R/A/Altmeppen Rn 41; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 188.

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§ 15 | Übertragung von Geschäftsanteilen V. Abtretung in notarieller Form (§ 15 Abs. 3) Literatur: Albers Kauf und Übertragung von GmbH-Anteilen im Ausland, GmbHR 2011, 1078; Altmeppen Zur Formbedürftigkeit der Veräußerung künftiger GmbH-Anteile, FS H.P. Westermann, 2008, S. 771; Bauer/Anders Beurkundung von GmbH-Anteilsübertragungen in der Schweiz – Rechtsfolgen einer möglichen Unwirksamkeit, BB 2012, 593; Bayer Privatschriftliche Abtretungen deutscher GmbH-Anteile in der Schweiz? – Anmerkungen zum Urt. des LG Frankfurt v. 7.10.2009 – 3–13 O 46/09, DNotZ 2009, 887; Bayer Wieviel Notar braucht das Gesellschaftsrecht?, notar 2007, 41; Benecke Auslandsbeurkundung im GmbH-Recht: Anknüpfung und Substitution, RIW 2002, 280; Binz Beurkundungspflicht bei der Veräußerung von Anteilen an einer GmbH & Co. KG?, NZG 2015, 1136; Borsch Abtretung von GmbH-Anteilen durch Beschlussvergleich, NZG 2013, 527; Braun Die Abtretung von Geschäftsanteilen einer GmbH im Ausland: Wirksam oder nicht?, DNotZ 2009, 585; Gerber Formwirksamkeit der Beurkundung einer Übertragung und Verpfändung in der Schweiz, GmbHR 2010, 96; Goette Auslandsbeurkundungen im Kapitalgesellschaftsrecht, DStR 1996, 709 = FS Boujong, 1996, S. 131; Götze/Mörtel Zur Beurkundung von GmbH-Anteilsübertragungen in der Schweiz, NZG 2011, 727; Hadding Zum gesetzlich notwendigen Umfang der notariellen Beurkundung der „Vereinbarung“, einen GmbH-Geschäftsanteil zu übertragen, ZIP 2003, 2133; Heidenhain Zum Umfang der notariellen Beurkundung bei der Veräußerung von Geschäftsanteilen, NJW 1999, 3073; Hermanns Das Mysterium der Auslandsbeurkundung – Neues aus Düsseldorf, RNotZ 2011, 224; Janßen/Robertz Die Formwirksamkeit des internationalen GmbH-Unternehmenskaufs, GmbHR 2003, 433; König Zur notariellen Beurkundung der Abtretung von GmbH-Geschäftsanteilen – Ein Vorschlag zur Einschränkung des § 15 Abs. 3 und 4 GmbHG, ZIP 2004, 1838; König/Götte/Bormann Das Formstatut für die dingliche Abtretung von GmbH-Geschäftsanteilen nach geltendem und künftigem Recht, NZG 2009, 881; Maier-Reimer Vorwirkung von Formvorschriften – Formzwang aus nicht abgeschlossenen Verträgen?, NJW 2015, 273; K.J. Müller Elektronische Datenträger als Anlagen notarieller Urkunden?, NJW 2015, 3271; Pohlmann GmbH-Anteilskauf: Formzwang für Nebenabreden und Vertragsübernahme; Heilung bei Veräußerungskette, GmbHR 2002, 41; Stoppel Reichweite der Heilung bei fehlender Beurkundung von Anteilsverkäufen, GmbHR 2010, 225; Süß Abtretung von GmbH-Geschäftsanteilen vor dem Basler Notar, DNotZ 2011, 414; Trendelenburg Die Beurkundung von Anteilskaufverträgen und gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen nach der Reform des Schweizer Obligationenrechts, GmbHR 2008, 644; Ulrich/Marniok Kommentar zu OLG Düsseldorf v. 2.3.2011, GmbHR 2011, 420 (Geschäftsanteil: Formwirksamkeit der Beurkundung einer Übertragung in der Schweiz und Einreichung einer neuen Gesellschafterliste); J. Vetter Wieviel Notar braucht das Gesellschaftsrecht?, notar 2007, 31; Walz/Fembacher Zweck und Umfang der Beurkundung nach § 15 GmbHG, NZG 2003, 1134; Weller Die Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen im Ausland: Auswirkungen von MoMiG und Schweizer GmbH-Reform, Der Konzern 2008, 253; Weller GmbH-Anteilsabtretungen in Basel, ZGR 2014, 865; Zimmer Der Beschlussvergleich als Ersatz für die notarielle Beurkundung?, NJW 2013, 3280.

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1. Rechtsgeschäftliche Einzelrechtsnachfolge Abtretung (gemäß §§ 413, 398 BGB) ist die Änderung der dinglichen Zuord- 25 nung des Geschäftsanteils – oder von Anteilen eines Geschäftsanteils1 – durch rechtsgeschäftliche Einzelrechtsnachfolge (ausführlich Rn 37 ff), auch im Zuge der (rechtsgeschäftlichen) Erfüllung eines Vermächtnisses2 (Rn 19) oder einer Erbauseinandersetzung3 (Rn 17). Nicht erfasst von der Formbedürftigkeit des § 15 Abs. 3 ist hingegen jede Art von (partieller) Gesamtrechtsnachfolge (Erbfolge, Umwandlung)4, aber auch nicht der Erwerb eines Anteils an einer Personengesellschaft oder einer sonstigen Gesamthandsgemeinschaft (zB Erbengemeinschaft), die ihrerseits einen GmbH-Geschäftsanteil hält5, und zwar nach zutreffender hM6 grundsätzlich auch dann nicht, wenn sich der Zweck der Gesamthandsgemeinschaft im Halten und Verwalten von GmbH-Geschäftsanteilen erschöpft7. Nicht formbedürftig ist somit auch der Beitritt zu einer BGB-Gesellschaft, die GmbH-Anteile hält8. 2. Notarielle Beurkundung a) Allgemeines Erforderlich ist notarielle Beurkundung (§§ 8 ff BeurkG) des (Abtretungs-)Ver- 26 trages9, dh der Erklärungen beider Parteien10; gemäß §§ 128, 152 BGB ist allerdings getrennte Beurkundung möglich11 (zum Umfang und zu Nebenabreden: ausführlich Rn 39). Das Formerfordernis ist zwingend (zum Schutzzweck: oben Rn 1). Gleichwertig sind gerichtliches Urteil (§ 894 ZPO)12 oder gerichtlicher Vergleich (§ 127a BGB)13, auch im schiedsgerichtlichen Verfahren (§ 1053 ZPO)14; 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

U/H/L/Löbbe Rn 126; RGZ 43, 136. U/H/L/Löbbe Rn 120. U/H/L/Löbbe Rn 120. B/H/Fastrich Rn 26; Scholz/Seibt Rn 93. U/H/L/Löbbe Rn 120. Wie hier auch MünchKomm/Reichert/Weller Rn 49; Scholz/Seibt Rn 50, 93; aA K. Schmidt BB 1983, 1697, 1702; differenzierend U/H/L/Löbbe Rn 56, 20 (nicht § 15 Abs. 3, aber § 15 Abs. 4 Satz 1 analog). So auch BGH GmbHR 2008, 589 Rn 12; zustimmend Wertenbruch NZG 2008, 454 ff; ebenso als Vorinstanz OLG Frankfurt NZG 2008, 19, 20; vgl zur Grundstücks-BGB-Gesellschaft auch schon BGHZ 86, 367 ff. OLG Stuttgart GWR 2014, 88 mit Anm Imhof. RGZ 112, 236, 239; BGHZ 21, 242, 247; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 56. BGH GmbHR 2007, 706 (auch zur Möglichkeit einer Abtretung zugunsten Dritter). OLG Düsseldorf GmbHR 1997, 742; OLG München GmbHR 1996, 607, 608; U/H/L/ Löbbe Rn 90. MünchKomm/Reichert/Weller Rn 59. Scholz/Seibt Rn 80; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 59. B/H/Fastrich Rn 22; Michalski/Ebbing Rn 96.

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§ 15 | Übertragung von Geschäftsanteilen nicht hingegen der Anwaltsvergleich (§ 796a ZPO)1. Auch der Beschlussvergleich (§ 278 Abs. 6 ZPO) sollte im Hinblick auf die Abtretung von GmbH-Anteilen als gleichwertig erachten werden2. b) Auslandsbeurkundung 27 Werden Geschäftsanteile an einer deutschen GmbH im Ausland abgetreten, so

findet auf dieses Rechtsgeschäft nach dem maßgeblichen Gesellschaftsstatut ausschließlich deutsches materielles Recht Anwendung; eine freie Rechtswahl kommt hier (anders als beim Verpflichtungsgeschäft: Rn 51) nicht in Betracht3. Dies gilt auch dann, wenn die GmbH (was zulässig ist, vgl § 4a Rn 1, 10) ihren Verwaltungssitz im Ausland hat4. Hiervon zu unterscheiden ist die seit über 100 Jahren höchst kontrovers beurteilte Frage5, unter welchen Voraussetzungen eine Auslandsbeurkundung der Anteilsabtretung wirksam ist. Diese selbständig anzuknüpfende Formfrage richtet sich für die Abtretung als Verfügungsgeschäft nach Art. 11 EGBGB, so dass zwischen dem Geschäfts- oder Wirkungsstatut einerseits (Rn 28 ff) sowie dem Ortsstatut (Ortsform) andererseits (Rn 35 ff) zu differenzieren ist: aa) Beurkundung gemäß Art. 11 Abs. 1 Alt. 1 EGBGB (Geschäftsstatut)

28 Unstreitig ist die nach dem Geschäftsstatut (Wirkungsstatut) einzuhaltende in-

ländische Formvorschrift ungeachtet der nicht eindeutigen international-privatrechtlichen Qualifikation6 des § 15 Abs. 3 dann gewahrt, wenn diese Norm durch die Beurkundung des ausländischen Notars substituiert wird. Eine solche Substitution7 der inländischen Beurkundungspflicht kommt indes nur in Betracht, wenn der Beurkundungsvorgang nach dem ausländischen Ortsrecht in etwa gleichwertig ist. Dies ist nach der Grundsatzentscheidung des BGH vom 16.2.19818 der Fall, „wenn die ausländische Urkundsperson nach Vorbildung und Stellung im Rechtsleben eine der Tätigkeit des deutschen Notars entsprechende Funktion ausübt und für die Errichtung der Urkunde ein Verfahrensrecht zu beachten hat, das den tragenden Grundsätzen des deutschen Beurkun-

1 MünchKomm/Reichert/Weller Rn 60; Michalski/Ebbing Rn 96. 2 So auch Borsch NZG 2013, 527 ff; Cordes MDR 2016, 64 ff, 68; aA M. Zimmer NJW 2013, 3280 ff. 3 OLG Stuttgart GmbHR 2000, 721, 724; Janßen/Robertz GmbHR 2003, 433, 436; U/H/L/ Löbbe Rn 139 mwN. 4 Henssler/Strohn/Verse Rn 44; Wicke Rn 20. 5 Nachzeichnung der Diskussion bei Bayer GmbHR 2013, 897 ff mzwN. 6 Dazu Bayer GmbHR 2013, 897, 907 ff; aA Weller ZGR 2014, 865, 872 ff; wiederum aA Wicke Rn 20 mwN. 7 Näher zur Substitution Bayer GmbHR 2013, 897, 909 ff; Weller ZGR 2014, 865, 875 ff. 8 BGHZ 80, 76, 78 = GmbHR 1981, 238.

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dungsrechts entspricht“. Dieser dogmatische Ausgangspunkt hat weitgehende Zustimmung erfahren1. Die auf ein unzulängliches Kölner Gutachten2 gestützte Annahme des II. Zivil- 29 senats, dass die Beurkundung durch einen „öffentlichen Urkundsbeamten des Notariats Zürich (Altstadt)“ der inländischen Beurkundung gleichwertig ist3, hat indes lebhaften Widerspruch erfahren. Kritisiert wird insbesondere, dass der BGH den Züricher Notariatsbeamten dem deutschen Notar gleichwertig erachtet4, dies auch für das Beurkundungsverfahren gelten soll, obgleich regelmäßig auf das Vorlesen der Niederschrift – das „Kernstück“ der notariellen Beurkundungshandlung5 – verzichtet wird6, ein Unterlassen, das die inländische Urkunde nichtig machen würde7. Gerügt wird schließlich, dass es der BGH für unschädlich hält, wenn der ausländische Notar mangels ausreichender deutscher Rechtskenntnisse den in § 17 BeurkG als Amtspflicht normierten Prüfungs- und Belehrungspflichten nicht nachkommen könne8; die vom BGH behauptete Verzichtsmöglichkeit9 komme in der notariellen Praxis nicht in Betracht10. Schließlich wird darauf hingewiesen, dass – anders als im BGH-Fall der Satzungsänderung – die §§ 8 ff BeurkG strengere Anforderungen verlangten11. Nach verbreiteter Auffassung12 muss die Gleichwertigkeit bereits deshalb entfallen, weil die Schweizer Notare standardmäßig umfassende Enthaftungserklärungen verlangten13, so dass die Annahme des BGH, der Schweizer Notar habe Einblick in das Handelsregister genommen und die Vertretungsberechtigung der Erschienenen überprüft14, fragwürdig sei. Insbesondere aber werde die „mit der Anordnung der notariellen Beurkundung bezweckte materielle Richtigkeitsgewähr“15 durch eine Schweizer Beurkundung regelmäßig nicht gewährleistet16. Ungeachtet die1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16

Nachweise bei Bayer GmbHR 2013, 897, 909. IPG 1971 Nr. 41. So BGHZ 80, 76, 78 ff = GmbHR 1981, 238. Näher Bredthauer BB 1986, 1864, 1866 f. So Renner in Armbrüster/Preuß/Renner, 7. Aufl 2015, § 13 BeurkG Rn 3. Eingehend Bredthauer BB 1986, 1864, 1867. So Renner in Armbrüster/Preuß/Renner, 7. Aufl 2015, § 13 BeurkG Rn 3; Winkler in Keidel/Winkler, 17. Aufl 2013, § 13 BeurkG Rn 2. Bredthauer BB 1986, 1864, 1867 („Scheinargument“). So BGHZ 80, 76, 79 = GmbHR 1981, 238; zustimmend Kröll ZGR 2000, 111, 135 ff. So Armbrüster in Armbrüster/Preuß/Renner, 7. Aufl 2015, § 17 BeurkG Rn 23; Winkler in Keidel/Winkler, 17. Aufl 2013, § 17 BeurkG Rn 1. Süß DNotZ 2011, 414, 419. So auch Schervier NJW 1992, 593, 596; Pilger BB 2005, 1285, 1288. So Heckschen DB 1990, 161, 165 mit Muster; ähnlich bereits Winkler NJW 1973, 222, 225. So BGHZ 80, 76, 78 = GmbHR 1981, 238. So (zur inländischen Beurkundung) BGHZ 105, 324, 338 = GmbHR 1989, 25; Süß DNotZ 2011, 414, 421 ff. So Goette DStR 1996, 709, 713.

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§ 15 | Übertragung von Geschäftsanteilen ser Kritik und ohne jedwede Auseinandersetzung hat der BGH in einer weiteren Entscheidung vom 22.5.1989 unter Bezugnahme auf BGHZ 80, 76 die Abtretung von GmbH-Geschäftsanteilen durch einen Schweizer Notar gebilligt1, was indes der spätere Senatsvorsitzende Röhricht scharf missbilligt hat2. 30 In der Instanzrechtsprechung3 sowie im Schrifttum wurden die von notarieller

Seite vorgebrachten Bedenken in der Vergangenheit mehrheitlich indes nicht geteilt; und hieran ist trotz der durch das MoMiG erfolgten Einbindung des Notars in die Einreichung der Gesellschafterliste nach einer von ihm protokollierten Anteilsübertragung (§ 40 Abs. 2, näher § 40 Rn 55 ff) auch grundsätzlich festzuhalten4. Nicht zu folgen ist daher einer Gegenauffassung, die im Anschluss an ein obiter dictum des LG Frankfurt5 den Standpunkt einnimmt, der Gesetzgeber habe qua § 40 Abs. 2 die Beurkundung der Anteilsabtretung nunmehr ausschließlich dem deutschen Notar zugewiesen6. Diese Zielrichtung der MoMiG-Reform lässt sich indes weder den Gesetzesmaterialien noch dem Gesetzeswortlaut entnehmen7. Vielmehr ist auch weiterhin davon auszugehen, dass Auslandsbeurkundungen von Anteilsabtretungen nach Maßgabe der von BGHZ 80, 76 = GmbHR 1981, 238 aufgestellten Grundsätze (Rn 27) zulässig sind8. Diese Auffassung hat der II. Zivilsenat in seiner Entscheidung vom 17.12.2013 nochmals bekräftigt9 (zur BGH-Entscheidung ausführlich § 40 Rn 29 ff). Näher zur Beurkundung in der Schweiz: Rn 34.

31 Indes wird man heute bei den Anforderungen an die Gleichwertigkeit zusätzlich

den erweiterten Formzweck des § 15 Abs. 3 GmbHG zu berücksichtigen haben,

1 BGH GmbHR 1990, 25, 28. 2 Großkomm/Röhricht 4. Aufl 2004, § 23 AktG Rn 51 Fn 61: „[…] ohne jedes Problembewußtsein und ohne jede Auseinandersetzung mit der inzwischen erfolgten Kritik des Schrifttums“. 3 OLG München GmbHR 1998, 46; OLG Frankfurt GmbHR 2005, 764, 767 (betr Basler Notar); aA allerdings für den kalifornischen notary public OLG Stuttgart GmbHR 2000, 721, 724 f. 4 Ausführlich Bayer GmbHR 2013, 897, 911; ebenso R/A/Altmeppen Rn 93; U/H/L/Löbbe Rn 142 ff; vgl weiter Bayer/Meier-Wehrsdorfer in Hauschild/Kallrath/Wachter, 2. Aufl 2016, § 9 Rn 12 ff. 5 LG Frankfurt GmbHR 2010, 96 mit Anm Gerber und Besprechung Bayer DNotZ 2009, 887 ff. 6 So aber Bohrer MittBayNot 2010, 17 ff; Böttcher ZNotP 2010, 6, 8 ff; Hermanns RNotZ 2010, 38, 39 ff; dagegen aber Hasselmann ZIP 2010, 2486, 2487 ff; Krause BB 2009, 2502; Mankowski NZG 2010, 201; Peters DB 2010, 97, 99 f. 7 Ausführlich Bayer/Meier-Wehrsdorfer in Hauschild/Kallrath/Wachter, 2. Aufl 2016, § 9 Rn 12 ff, 17; Bayer GmbHR 2013, 897, 911. 8 Bayer/Meier-Wehrsdorfer in Hauschild/Kallrath/Wachter, 2. Aufl 2016, § 9 Rn 12 ff; insoweit zutreffend auch OLG Düsseldorf GmbHR 2011, 417, 419 f; vgl weiter Götze/Mörtel NZG 2011, 727, 729; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 144 mwN. 9 BGHZ 199, 270 = GmbHR 2014, 248.

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der sich aus dem Kontext der §§ 40 Abs. 2, 16 Abs. 1 und 3 ergibt, nämlich die materielle Richtigkeitsgewähr der Gesellschafterliste im Zuge ihrer Veränderung durch die Anteilsabtretung sicherzustellen1. Von der Beurkundung der Anteilsabtretung gemäß § 15 Abs. 3 mittels Substitution zu trennen ist die Problematik der Einreichung einer geänderten Gesellschafterliste durch den ausländischen Notar (dazu ausführlich § 40 Rn 29 ff). Von einer Gleichwertigkeit der Beurkundung wird man daher nur dann aus- 32 gehen dürfen, wenn die Identität der Beteiligten festgestellt, eine Verhandlungsniederschrift erstellt und die zu beurkundende Urkunde verlesen wird2. Keinesfalls gleichwertig ist eine Beurkundung bei Haftungsfreizeichnung/Haftungsverzicht3. Dagegen soll der Verzicht auf die normierten Prüfungs- und Belehrungspflichten des deutschen Notars möglich sein; indem die Beteiligten einen „ausländischen Notar aufsuchen, von dem sie regelmäßig eine genaue Kenntnis des deutschen Gesellschaftsrechts und deshalb eine umfassende Belehrung von vornherein nicht erwarten (können)“, werde ein solcher Verzicht konkludent erklärt4. Die (früher) verbreitete Aussage, dass Beurkundungen in allen Ländern mit sog 33 lateinischem Notariat (romanischer Rechtskreis) das Gleichwertigkeitserfordernis erfüllen, lässt sich nach dem aktuellen Stand der Diskussion nicht (mehr) aufrechterhalten5. Fraglich ist nach den neueren Reformen des Gesellschaftsrechts in der Schweiz, 34 ob die früher vielfach angenommene Gleichwertigkeit auch heute noch bejaht werden kann, insbesondere auch vor dem Hintergrund der MoMiG-Reformen. Denn am 1.1.2008 ist das neue Schweizer Obligationenrecht6 in Kraft getreten; die Anteilsübertragung bedarf nun nicht mehr der notariellen Beurkundung. Der BGH hat in seinem aktuellen Beschluss vom 17.12.20137 aus prozessualen Gründen offengelassen, ob die Beurkundung durch einen in Basel/Stadt ansässigen Notar gleichwertig ist8 (näher § 40 Rn 29 ff). Im Schrifttum wird bezweifelt, 1 Näher Bayer GmbHR 2013, 897, 904 ff, 911. 2 So auch Süß DNotZ 2011, 414, 423 f; Hermanns RNotZ 2014, 229, 231; Bredthauer BB 1986, 1864, 1867; Schervier NJW 1992, 593, 596; Heckschen DB 1990, 161, 163; aA Weller ZGR 2014, 865, 878 f (Option ausreichend). 3 Bayer/Meier-Wehrsdorfer in Hauschild/Kallrath/Wachter, 2. Aufl 2016, § 9 Rn 24; so auch Herrler ZGR 2015, 918, 932 (zur Beurkundung von HV-Beschlüssen im Ausland). 4 So BGHZ 199, 270 Rn 14 = GmbHR 2014, 248; zustimmend Weller ZGR 2014, 865, 879 f; U/H/L/Löbbe Rn 144; kritisch Herrler GmbHR 2014, 225, 230; Seebach DNotZ 2014, 413, 420; Tebben DB 2014, 585, 586. 5 Insoweit richtig MünchKomm/Reichert/Weller Rn 151; U/H/L/Löbbe Rn 137 mwN. 6 Vgl Obligationenrecht (GmbH-Recht sowie Anpassungen im Aktien-, Genossenschafts-, Handelsregister- und Firmenrecht) (OR), Änderung v. 16.12.2005, AS 2007, S. 4791. 7 BGHZ 199, 270 Rn 7 = GmbHR 2014, 248. 8 Kritisch insoweit Heckschen BB 2014, 462, 466; bedauernd auch Weller ZGR 2014, 865, 870.

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§ 15 | Übertragung von Geschäftsanteilen dass Schweizer Notare noch in der Lage seien, den tragenden Grundsätzen des deutschen Beurkundungsrechts hinreichend gerecht zu werden1. Dem ist allerdings entgegenzuhalten, dass das schweizerische Recht nach wie vor Beurkundungen für bestimmte Rechtsgeschäfte vorsieht2. So bedarf etwa nach Art. 780 OR die Satzungsänderung einer schweizerischen GmbH auch weiterhin der notariellen Form. Bedenken können sich indes daraus ergeben, dass die für die Gleichwertigkeit geforderten Verfahrensgrundsätze des deutschen und des Schweizer Rechts sich nunmehr unterscheiden. Denn nimmt man den BGH beim Wort („zu beachten hat“)3, so müsste die Beurkundung nach den abstrakten gesetzlichen Vorgaben des ausländischen Rechts den Standards des deutschen Rechts entsprechen, d h insbesondere eine beweiskräftige Dokumentation und die Richtigkeitsgewähr der Beurkundung sicherstellen (vgl bereits Rn 28 f). Fraglich ist daher, ob ein gewillkürtes Beurkundungsverfahren vor dem Schweizer Notar diesen Anforderungen gerecht wird. Dies wird von einem Teil der Literatur verneint4, von anderen hingegen richtigerweise für möglich gehalten5, so dass eine gleichwertige Beurkundung auch dann in Betracht kommt, wenn der ausländische Notar ungeachtet der fehlenden gesetzlichen Verpflichtung im konkreten Fall die zwingenden Verfahrensprinzipien des deutschen Beurkundungsrechts (Rn 29) beachtet6. Zum Nachweis der Gleichwertigkeit ist zu empfehlen, dass der ausländische Notar die Einhaltung der unverzichtbaren Bestandteile des Formgebots – insbesondere die Verlesung der Urkunde und das Absehen von einer Einschränkung der gesetzlichen Notarhaftung – durch einen Vermerk auf der Urkunde bestätigt7. bb) Beurkundung gemäß Art. 11 Abs. 1 Alt. 2 EGBGB (Ortsstatut) 35 Von der Substitution des § 15 Abs. 3 durch eine gleichwertige Beurkundung des

ausländischen Notars (Rn 27) zu unterscheiden ist die Frage, ob nach Maßgabe von Art. 11 Abs. 1 Alt. 2 EGBGB auch die alleinige Einhaltung der ausländischen Ortsform ausreichend ist. Die Problematik ist höchst streitig. Für die Anteilsabtretung – anders für Gründung (dazu ausführlich § 2 Rn 27) und Sat1 2 3 4

So Braun DNotZ 2009, 585, 588. Dazu Laeger BB 2010, 2647, 2651. So BGHZ 80, 76 Rn 5 = GmbHR 1981, 238. MünchKomm/J. Mayer § 2 Rn 54a; Hermanns RNotZ 2010, 38, 41 f; Hermanns RNotZ 2014, 229, 231; Pilger NJW 2010, 683, 684; Süß DNotZ 2011, 414, 418 ff. 5 U/H/L/Löbbe Rn 144, 146; MünchKomm/Pentz § 23 AktG Rn 35; Herrler GmbHR 2014, 225, 231; Stenzel GmbHR 2014, 1024, 1030. 6 So bereits Bayer GmbHR 2013, 897, 913; ausführlich Bayer/Meier-Wehrsdorfer, in Hauschild/Kallrath/Wachter, 2. Aufl 2016, § 9 Rn 12 ff, 21 ff; abweichend noch 18. Aufl; wie hier zur Beurkundung von HV-Beschlüssen im Ausland auch Bungert/LeyendeckerLangner BB 2015, 268, 271. 7 So auch Bayer/Meier-Wehrsdorfer, in Hauschild/Kallrath/Wachter, 2. Aufl 2016, § 9 Rn 24.

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zungsänderung (dazu § 53 Rn 17) – wurde die Zulässigkeit der Ortsform vor dem MoMiG von der hM bejaht1; auch nach dem MoMiG spricht sich die hM wieder hierfür aus2. Danach ist die Anteilsabtretung bereits dann wirksam, wenn der ausländische Abschlussort ein der Abtretung eines GmbH-Anteils vergleichbares Rechtsgeschäft kennt. Von einer im Vordringen befindlichen Gegenansicht wird die Anwendbarkeit von Art. 11 Abs. 1 Alt. 2 EGBGB allerdings sowohl unter Verweis auf die Funktion des § 15 Abs. 3 (dazu Rn 1) und den Rechtsgedanken des Art. 11 Abs. 5 EGBGB aF3 als auch neuerdings aufgrund der Neuregelung der §§ 16, 40 durch das MoMiG verneint4. Die Rechtsprechung hat die Streitfrage bislang noch nie entscheiden müssen5, tendierte in der Vergangenheit jedoch zur hM6. Die Bedenken gegen die alleinige Einhaltung der Ortsform sind insbesondere 36 dann begründet, wenn diese auf besondere Erfordernisse der Richtigkeitsgewähr generell verzichtet und etwa auch mündliche oder privatschriftliche Abtretungen von GmbH-Anteilen gestattet. In diesem Fall werden die Vertragsbeteiligten zur missbräuchlichen Umgehung des § 15 Abs. 3 geradezu eingeladen, da sie etwa in den Abtretungsvertrag unkontrolliert den ausländischen Abschlussort einsetzen können und überdies auch den Zeitpunkt der Abtretung nach Belieben noch vor- oder rückdatieren können. Daher sollte einer Anteilsabtretung nach Schweizer Ortsform die Anerkennung versagt werden. Denn durch die Reform des Schweizer Obligationenrechts im Jahre 2008 genügt für die Abtretung von GmbH-Geschäftsanteilen gemäß Art. 785 OR die einfache Schriftform; allerdings muss nach Art. 786 OR die Gesellschafterversammlung der (schweizerischen) GmbH zustimmen7. Dieses Zustimmungserfordernis ist jedoch internationalprivatrechtlich nicht als Teil der Form zu qualifizieren, sondern als materielle Gültigkeitsvoraussetzung, und damit auf die deutsche GmbH nicht anwendbar8. Der völlige Verzicht des ausländischen Rechts auf jegliche Erfordernisse der Richtigkeitsgewähr läuft dem Schutzzweck des § 15 Abs. 3 (Rn 1) 1 So RGZ 160, 225, 229 ff; BayObLG DB 1977, 2320, 2321 = GmbHR 1978, 39; OLG Düsseldorf GmbHR 1990, 169; Goette FS Boujong, 1996, S. 131, 138 mwN. 2 B/H/Fastrich Rn 22; Scholz/Seibt Rn 82; Götze/Mörtel NZG 2011, 727, 732 f; tendenziell auch U/H/L/Löbbe Rn 142; aA König/Götte/Bormann NZG 2009, 881, 886; Wicke Rn 20; im Ergebnis auch Kindler BB 2010, 74, 76 f; Laeger BB 2010, 2647, 2648. 3 So Staudinger/Großfeld IntGesR Rn 492 ff mwN; vgl weiter Janßen/Robertz GmbHR 2003, 433, 436. 4 So insbesondere MünchKomm/Kindler BGB, IntGesR Rn 423. 5 Ausführliche Darstellung bei Bayer GmbHR 2013, 897 ff. 6 Vgl etwa BGH GmbHR 2005, 53, 54. 7 Näher zur Reform allgemein: Ammann RIW 2007, 735 ff; Drenckhan GmbHR 2006, 1190 ff. 8 So bereits Bayer DNotZ 2009, 887, 893; vgl weiter Engel DStR 2008, 1593, 1596; Weller BB 2005, 1807, 1808; aA LG Frankfurt GmbHR 2010, 96 mit Anm Gerber; Pilger BB 2005, 1285, 1286.

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§ 15 | Übertragung von Geschäftsanteilen zuwider, insbesondere seit durch das MoMiG der notariellen Beurkundung der Anteilsabtretung im Hinblick auf § 16 Abs. 1, speziell aber auch im Hinblick auf § 16 Abs. 3, nochmals ein erheblich größeres Gewicht für die materielle Richtigkeit beigemessen wird; die Legitimationswirkung gemäß § 16 Abs. 1 und 3 steht iVm § 40 Abs. 2 einer weitgehend formlosen Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen im Ausland heute entgegen1. 3. Reichweite der Vorschrift 37 a) Formbedürftig ist nach dem Zweck der Vorschrift auch die Sicherungs- und

Treuhandabtretung (dazu Rn 103 ff), die Verpfändung (Rn 111) sowie die Einbringung eines Geschäftsanteils in eine Personen- oder Kapitalgesellschaft (auch bei Identität der Gesellschafter)2, ebenso die Auseinandersetzung einer Gesamthand und ihre Überführung in Bruchteilseigentum und umgekehrt3 (Beispiel: Umwandlung Erbengemeinschaft in OHG4). § 15 Abs. 3 findet auch Anwendung auf Abtretungen an Mitgesellschafter5 sowie auf Abtretungen an die GmbH (nicht dagegen beim gesetzlichen Erwerb im Rahmen der Kaduzierung bei Unverkäuflichkeit)6; wird der Geschäftsanteil von der GmbH abgetreten, so gilt § 15 Abs. 3, sofern die Gesellschaft den Geschäftsanteil von einem früheren Gesellschafter erworben hat (§ 33 Abs. 2) und nunmehr weiterveräußert7 oder gemäß §§ 23 Satz 2, 27 Abs. 2 Satz 2 freihändig veräußert8, nicht jedoch im Falle der Versteigerung (weil Hoheitsakt)9. Formbedürftig ist auch die Bestätigung einer unwirksamen Abtretung10 ebenso wie die „Aufhebung“ einer (wirksamen) Abtretung11 (weil – formbedürftige12 – Rückübertragung).

38 b) Nach heute ganz hM ist über den Wortlaut der Vorschrift hinaus auch die

Abtretung des Anspruchs auf Übertragung des Geschäftsanteils nach § 15

1 Ausführlich Bayer GmbHR 2013, 897, 906; vgl weiter Bayer/Meier-Wehrsdorfer in Hauschild/Kallrath/Wachter, 2. Aufl 2016, § 9 Rn 25 mwN; ebenso Süß DNotZ 2011, 414, 416 ff; Wicke Rn 20; aA jedoch Trendelenburg GmbHR 2008, 644 ff; Schlösser GmbHR 2007, 301, 304; Saenger/Scheuch BB 2008, 65, 68; Engel DStR 2008, 1593 ff; Weller Der Konzern 2008, 253 ff. 2 OLG Karlsruhe GmbHR 1995, 824, 825; U/H/L/Löbbe Rn 120. 3 B/H/Fastrich Rn 24; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 29. 4 BGH DStR 1995, 1395 mit Anm Goette; U/H/L/Löbbe Rn 120. 5 OLG München GmbHR 1994, 251; Scholz/Seibt Rn 78. 6 Scholz/Seibt Rn 93 aE; U/H/L/Löbbe Rn 121. 7 MünchKomm/Reichert/Weller Rn 50; Scholz/Seibt Rn 48. 8 RGZ 164, 162, 169 ff; B/H/Fastrich Rn 24. 9 Scholz/Seibt Rn 93; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 50. 10 BGH NJW 1985, 2579. 11 RGZ 68, 397; B/H/Fastrich Rn 25; Scholz/Seibt Rn 89. 12 Scholz/Seibt Rn 91; U/H/L/Löbbe Rn 133. Anders bei Wegfall der Bedingung bei auflösend bedingter Übertragung: KG GmbHR 1997, 603, 605; U/H/L/Löbbe Rn 128.

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Abs. 3 formbedürftig1. Ebenso ist formbedürftig die Abtretung des künftigen und mit Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister entstehenden Geschäftsanteils2 (zu unterscheiden von der unzulässigen Abtretung des Anteils an der Vor-GmbH: Rn 6); dies soll jedoch nicht gelten (also formfrei), wenn die Abtretung vor Beurkundung der GmbH-Satzung erfolgt3 (vgl auch zur Treuhand Rn 103 ff mwN). Formbedürftig ist auch die bedingte oder befristete Abtretung4; bis zum Bedingungseintritt kann der Begünstigte auf die Bedingung einseitig und formlos verzichten5. Weil Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot und Umgehung der Form des § 15 Abs. 3 ist eine aufschiebend bedingte Abtretung in der Satzung für jeden Fall des Ausscheidens nicht möglich; dies gilt insbesondere im Hinblick auf Dritterwerber6. BGH GmbHR 2003, 10627 steht nicht entgegen,8 sondern gestattet allein eine solche Regelung zwischen den ursprünglichen Gesellschaftern9 (vgl auch § 3 Rn 43). c) Das Formerfordernis des § 15 Abs. 3 erstreckt sich auf alle Abreden, die Teil 39 des Abtretungsvertrages sind10, ggf also auf den gesamten Gesellschaftsvertrag einer Personengesellschaft (bei Einbringung) oder einer Auseinandersetzungsvereinbarung mit dem Gesellschafter-Geschäftsführer11, auch auf (nicht allein schuldrechtlich wirkende12) Nebenabreden wie zB eine dinglich wirkende Abtretungsbedingung bzw -befristung13. Hat der Abtretende mehrere Geschäftsanteile, so muss der betroffene Anteil klar individualisiert werden, sonst ist die Abtretung unwirksam14; eine (teilweise) zusammenfassende Bezeichnung mehrerer Anteile genügt, wenn durch sie keine ernstlichen Zweifel am Gegenstand der

1 BGHZ 75, 352, 353 ff = GmbHR 1981, 55; B/H/Fastrich Rn 26; U/H/L/Löbbe Rn70; aA Scholz/Seibt Rn 94. 2 BGHZ 21, 242, 245; bestätigend BGHZ 141, 207, 212 = GmbHR 1999, 707 (Treuhand) mit zustimmender Anm Bayer/Pielka WuB II C. § 15 GmbHG 1.00; B/H/Fastrich Rn 24 mwN. 3 So B/H/Fastrich Rn 35; aA Altmeppen FS H.P. Westermann, 2008, S. 771 ff. 4 BGHZ 127, 129, 133 = GmbHR 1994, 869; U/H/L/Löbbe Rn 128 mwN. 5 BGHZ 127, 129, 133 = GmbHR 1994, 869; BGHZ 138, 195 = GmbHR 1998, 635; R/A/ Altmeppen Rn 83. 6 R/A/Altmeppen Rn 80; U/H/L/Löbbe Rn 119; ausführlich Maier-Reimer FS Röhricht, 2005, S. 383 ff; Ruhwinkel DNotZ 2004, 65 ff. 7 Dazu Bayer/Graff WuB II C. § 15 GmbHG 1.04. 8 So aber Kleinert/Blöse/v. Xylander GmbHR 2003, 1230 ff und GmbHR 2004, 630 ff. 9 Wie hier Barth GmbHR 2004, 383 ff; Maier-Reimer FS Röhricht, 2005, S. 383 ff; Ruhwinkel DNotZ 2004, 65 ff; vgl auch Heckschen ZErb 2008, 246, 247; U/H/L/Löbbe Rn 119. 10 BGHZ 82, 188; OLG Düsseldorf MDR 1978, 668; Scholz/Seibt Rn 40. 11 OLG Hamm GmbHR 1993, 106. 12 Dazu auch OLG Frankfurt DB 2012, 739, 740 = GmbHR 2012, 513. 13 MünchKomm/Reichert/Weller Rn 56; MünchHdbGmbH/Jasper § 24 Rn 119. 14 OLG Düsseldorf MDR 1978, 668; OLG Brandenburg NZG 1998, 951 = GmbHR 1998, 935; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 56.

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§ 15 | Übertragung von Geschäftsanteilen Abtretung hervorgerufen werden können1. Zu Rechtsfolgen bei Verstoß: Rn 48 ff. 40 d) Die Vollmacht und auch die Genehmigung vollmachtlosen Handelns2 bedür-

fen hingegen keiner Form (§§ 167 Abs. 2, 182 Abs. 2 BGB), und zwar auch nicht bei Befreiung von § 181 BGB3, und auch nicht, wenn sie unwiderruflich ist4 (denn Parallele zu § 311b Abs. 1 BGB versagt hier wegen abweichendem Normzweck)5. Etwas anderes gilt nur für die Blankovollmacht; diese ist nicht nur formbedürftig6, sondern wäre auch bei Wahrung der Form wegen Umgehung von § 15 unwirksam7.

41 e) Der Erwerb von Anteilen an einer ausländischen GmbH (zum schuldrecht-

lichen Kausalgeschäft: Rn 62) richtet sich grundsätzlich nach dem (ausländischen) Statut der Gesellschaft8. Für die Form der Abtretung soll nach heute überwiegender, wenngleich zweifelhafter Auffassung – in Parallele zur Abtretung von Anteilen an einer deutschen GmbH (Rn 35 ff) – allerdings auch die Ortsform ausreichend sein (Art. 11 Abs. 1 Alt. 2 EGBGB)9. Dies bedeutet: Bei einer Abtretung in Deutschland, die dem Statut der Gesellschaft entspricht, ist danach die Form des § 15 Abs. 3 nicht erforderlich10; bei einem formstrengeren ausländischen Recht ist die Form des § 15 Abs. 3 aber ausreichend, wenn es sich um die Abtretung von Anteilen an einer Gesellschaft handelt, die als (ausländische) GmbH zu qualifizieren ist (dazu Anh zu § 4a Rn 9)11. Auf die Vergleichbarkeit zwischen der inländischen und der ausländischen Form kommt es dagegen nicht an (diese Vergleichbarkeit wird zB für Österreich bezweifelt12). 4. Wirkung der Abtretung; Einreichung beim Handelsregister

42 a) Gegenüber dem früheren Recht hat das MoMiG einige wichtige Änderungen

gebracht: Mit der (formwirksamen) Abtretung geht der Geschäftsanteil so, wie 1 BGH NJW-RR 1987, 807. 2 BGH GmbHR 1996, 919, 920; BGH GmbHR 2009, 38, 39; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 64. 3 BGHZ 13, 49, 52; BGHZ 19, 69, 72; Scholz/Seibt Rn 95 mwN. 4 RGZ 135, 70; B/H/Fastrich Rn 23; R/A/Altmeppen Rn 88. 5 Ausführlich MünchKomm/Reichert/Weller Rn 62. 6 So aber noch BGHZ 13, 49, 53 (obiter). 7 MünchKomm/Reichert/Weller Rn 63; U/H/L/Löbbe Rn 88 mwN. 8 U/H/L/Löbbe Rn 147; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 170 mwN (allgemeine Meinung). 9 So MünchKomm/Reichert/Weller Rn 173; U/H/L/Löbbe Rn 147; Merkt ZIP 1994, 1417, 1418 ff. 10 Wrede GmbHR 1995, 365, 366; Fetsch GmbHR 2008, 133, 137; Mödl RNotZ 2008, 1, 20. 11 Verneint für kanadische Ltd von OLG München GmbHR 1993, 654; dazu kritisch MünchKomm/Reichert/Weller Rn 174. 12 Dazu Wagner DNotZ 1985, 80 ff.

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er kraft Satzung besteht, mit allen mitgliedschaftlichen Rechten und Pflichten (zB Pflicht zur Leistung noch offener Einlagen [§ 16 Abs. 2]1 oder Pflicht aus einer statutarischen Schiedsklausel2 [dazu § 3 Rn 110 ff]) auf den Erwerber über, ohne dass es auf seine Kenntnis ankommt, nicht dagegen höchstpersönliche Rechte und Pflichten3. Eine Rückwirkung des Zeitpunkts des Übergangs der Mitgliedschaft können die Parteien mit dinglicher Wirkung nicht vereinbaren, wohl aber mit – nur ihr Innenverhältnis betreffend – schuldrechtlicher Wirkung4. Schuldrechtliche Abreden, auch wenn sie von allen Gesellschaftern untereinan- 43 der getroffen wurden (zB Stimmbindung, Konsortialabsprachen), treffen den Erwerber hingegen generell nur, wenn insoweit eine besondere Abtretung bzw Schuldübernahme erfolgt ist5 (vgl auch § 3 Rn 59 aE). Das gilt insbesondere für Pflichten des bisherigen Gesellschafters aus Haftungsübernahmen für Verbindlichkeiten der Gesellschaft6. Sind solche Rechte und Pflichten vom Erwerber übernommen worden, so erstreckt sich die Übernahme auch auf einen diesbezüglichen Schiedsvertrag7. Gewinnansprüche – auch für einen rückwirkenden Zeitraum – gehen mit dem Gewinnstammrecht auf den Erwerber über, soweit noch keine Verselbständigung durch Gewinnfeststellungs- und -verwendungsbeschluss eingetreten ist8. Hiervon unberührt bleibt ein interner Ausgleich zwischen Veräußerer und Erwerber9. b) Die (wirksame) Abtretung entfaltet gegenüber der GmbH erst dann Wir- 44 kung, wenn die Voraussetzungen gemäß §§ 16 Abs. 1 Satz 1, 40 gegeben sind (Einreichung der geänderten Gesellschafterliste zum Handelsregister, näher § 40 Rn 37 ff, 41 ff), dann aber gemäß § 16 Abs. 1 Satz 2 ggf ex tunc (ausführlich § 16 Rn 48 ff). Allerdings kann der Veräußerer den Erwerber auch zur unmittelbaren Rechtsausübung bevollmächtigen (aber Satzungsregelung beachten!, näher § 16 Rn 53). c) Die aufgrund der (wirksamen)10 Abtretung veränderte und aktualisierte Ge- 45 sellschafterliste ist im Regelfall unverzüglich durch den Notar zu unterzeichnen und beim Handelsregister einzureichen (§ 40 Abs. 2 Satz 1 iVm Abs. 1 Satz 1, 1 MünchKomm/Reichert/Weller Rn 65. 2 BGH GmbHR 1979, 202; BGH WM 1998, 129; B/H/Fastrich Rn 28; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 69. 3 B/H/Fastrich Rn 38; R/A/Altmeppen Rn 22; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 68. 4 BGH NJW-RR 1987, 807, 808; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 65. 5 BGHZ 96, 302, 308; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 70. 6 OLG Zweibrücken ZIP 1985, 1195 = GmbHR 1986, 119. 7 BGHZ 71, 162; BGH GmbHR 1979, 202. 8 BGH GmbHR 1998, 538; BGH GmbHR 1998, 1177; B/H/Fastrich Rn 28. 9 BGH GmbHR 1998, 1177; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 67. 10 Bei aufschiebend bedingter Abtretung also erst nach Bedingungseintritt: D. Mayer DNotZ 2008, 403, 409 mwN; vgl weiter bei § 40 Rn 63.

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§ 15 | Übertragung von Geschäftsanteilen näher § 40 Rn 59 ff). Hinzuzufügen ist eine Notarbescheinigung gemäß § 40 Abs. 2 Satz 2; eine Abschrift der Gesellschafterliste ist der GmbH zu übermitteln, § 40 Abs. 2 Satz 1 (§ 40 Rn 66 ff). Zu nicht von einem deutschen Notar beurkundeten Abtretungen: § 40 Rn 29 ff. 46 d) Im Gegensatz zum früheren Recht ist der Erwerb eines Geschäftsanteils unter

besonderen Voraussetzungen auch gutgläubig vom Nichtberechtigten möglich (ausführlich § 16 Rn 63 ff).

47 e) Mit Wirksamkeit der Abtretung wird ein Formmangel des Verpflichtungs-

geschäfts gemäß § 15 Abs. 4 Satz 2 geheilt (dazu Rn 63 ff). 5. Fehlerhafte Abtretung

48 a) Bei Verstoß gegen die Formvorschrift des § 15 Abs. 3 ist die Abtretung nich-

tig (§ 125 Satz 1 BGB)1. Verstöße gegen die Formbedürftigkeit des Verpflichtungsgeschäfts (zB wegen fehlender Verlesung gemäß § 13 BeurkG) gemäß § 15 Abs. 4 Satz 1 (dazu Rn 51 ff) sind hingegen unschädlich (nicht § 139 BGB!), auch wenn Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft in einer Urkunde enthalten sind2 (zur einheitlichen Urkunde: Rn 52).

49 b) Formgerechte Wiederholung der Abtretung3 ist im Zweifel Bestätigung iSv

§ 141 Abs. 1 BGB; im Übrigen gilt § 141 Abs. 2 BGB4.

50 c) Wird der Gesellschafterwechsel trotz Nichtigkeit der Abtretung tatsächlich

vorgenommen und von den Beteiligten „gelebt“, so ist zu unterscheiden: Im Verhältnis zur GmbH gelten die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft nach zutreffender Auffassung nicht5; die Problematik ist vielmehr in § 16 Abs. 1, 2 speziell geregelt (dazu § 16 Rn 29, 31 ff, 60 ff)6. Im Verhältnis zwischen Veräußerer und Erwerber finden überhaupt keine Einschränkungen der allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften statt; insbesondere ist etwa eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung uneingeschränkt zulässig und eine Rückabwicklung auch mit Wirkung ex tunc möglich7.

MünchKomm/Reichert/Weller Rn 71; U/H/L/Löbbe Rn 149. OLG Frankfurt GmbHR 2012, 513, 515 mit Anm Heinze. BGH NJW 1985, 2579, 2580; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 74. BGH NJW 1969, 2049, 2050; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 74. Abweichend noch BGH WM 1975, 512, 514; BGH GmbHR 1983, 42. BGH NJW 1990, 1916; BGH GmbHR 2005, 354, 355; Scholz/Seibt Rn 103; U/H/L/Löbbe Rn 148 ff mwN. 7 BGH NJW 1990, 1915, 1916; BGH GmbHR 2005, 354, 355; BGH (VIII. ZS) GmbHR 2007, 375, 376 (gegen Vorinstanz OLG Hamm GmbHR 2006, 876); ebenso MünchKomm/Reichert/Weller Rn 72.

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VI. Formbedürftigkeit des Verpflichtungsvertrags (§ 15 Abs. 4) 1. Verpflichtung zur Abtretung Ebenso wie die Abtretung (Rn 25 ff) bedarf auch die Verpflichtung zur Abtretung 51 eines Geschäftsanteils der notariellen Form (§ 15 Abs. 4 Satz 1). Zur notariellen Beurkundung: Rn 26. Wird der Verpflichtungsvertrag im Ausland geschlossen, so gilt: Maßgeblich ist nicht (wie im Falle der Abtretung: Rn 28) das Gesellschaftsstatut, sondern das Schuldvertragsstatut1. Dieses bestimmt sich nach Art. 3 ff Rom I-VO, dh die Parteien können für den Kaufvertrag bzw für ein sonstiges Verpflichtungsgeschäft das maßgebliche Recht (ausdrücklich oder konkludent) frei wählen (Art. 3 Abs. 1 Rom I-VO)2; sofern keine Rechtswahl erfolgt, richtet sich die objektive Anknüpfung nach Art. 4 Abs. 2 Rom I-VO3; sollte es sich im Einzelfall um einen Verbrauchervertrag handeln, ist Art. 6 Rom I-VO zu beachten4. Die Form wird allerdings gesondert nach Art. 11 Abs. 1 Rom I-VO angeknüpft5: Nach der Grundregel des Art. 11 Abs. 1 Rom I-VO ist ein Vertrag, bei dessen Abschluss die Parteien (oder ihre Vertreter) sich in demselben Staat befinden, wirksam, wenn er entweder die Formerfordernisse der lex causae (dh des Schuldvertragsstatuts) oder diejenigen des Rechts des Staates, in dem er geschlossen wird (lex loci actus), erfüllt; befinden sich die Parteien bei Vertragsschluss nicht in demselben Staat (sog Distanzgeschäfte), gilt die Sonderregel des Art. 11 Abs. 2 Rom I-VO; für Verbraucherverträge gilt die Sonderregel des Art. 11 Abs. 4 Rom I-VO. Bedenken gegen die Anwendbarkeit des Art. 11 Rom I-VO – speziell gegen das hieraus ggf resultierende Genügen der Ortsform – bestehen aus gesellschaftsrechtlicher Sicht nicht6. Im Übrigen wird ein Formmangel gemäß § 15 Abs. 4 Satz 2 durch wirksame Abtretung geheilt (dazu Rn 63 ff). a) In der Praxis häufig (und wirtschaftlich vorteilhaft, vgl § 109 Abs. 1 52 GNotKG), aber nicht zwingend, werden beide Rechtsgeschäfte zusammen in einer Urkunde vorgenommen. Kosten im Falle gemeinsamer Beurkundung von Kauf- und Abtretungsvertrag: 2,0-Gebühr gemäß KV Nr. 21100 GNotKG (mindestens 120 Euro). Für Geschäftsanteilsübertragung bei Kapitalerhöhung anfallende Gebühren beamteter Notare in BW sind europarechtswidrig wegen Versto1 U/H/L/Löbbe Rn 92 (allgemeine Meinung). 2 Vgl Bayer/Meier-Wehrsdorfer in Hauschild/Kallrath/Wachter, 2. Aufl 2016, § 9 Rn 10; Scholz/Seibt Rn 66d; Götze/Mörtel NZG 2011, 727, 732. 3 U/H/L/Löbbe Rn 92 aE. Nicht Art. 4 Abs. 1 lit. a Rom I-VO, denn dieser gilt nur für den Kauf beweglicher Sachen, vgl auch Götze/Mörtel NZG 2011, 727, 732. 4 Vgl Scholz/Seibt Rn 66d. 5 Vgl Bayer/Meier-Wehrsdorfer in Hauschild/Kallrath/Wachter, 2. Aufl 2016, § 9 Rn 10; Scholz/Seibt Rn 66d; Wicke Rn 20. 6 Vgl Bayer/Meier-Wehrsdorfer in Hauschild/Kallrath/Wachter, 2. Aufl 2016, § 9 Rn 10; U/H/L/Löbbe Rn 93; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 138; Scholz/Seibt Rn 66d; Götze/Mörtel NZG 2011, 727, 732; aA MünchKomm/Kindler BGB, IntGesR Rn 558.

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§ 15 | Übertragung von Geschäftsanteilen ßes gegen Art. 10 Buchst. C der RL 69/335/EWG vom 17.7.19691. Der Geschäftswert für die Beurkundung des Verkaufs von Geschäftsanteilen bestimmt sich nach § 97 Abs. 3 GNotKG. Maßgebend ist der höhere Wert in Gegenüberstellung der Verkäuferleistung (Wert des Geschäftsanteils) und der Gegenleistung2. Letztere ergibt sich nicht lediglich aus dem Kaufpreis, zusätzlich sind die von den Parteien übernommenen sonstigen Verpflichtungen zu berücksichtigen3 (zB Übernahme von Verbindlichkeiten, Bürgschaftsfreistellung4). Der Wert des abgetretenen Geschäftsanteils richtet sich nach dem anteiligen Eigenkapital iSv § 266 Abs. 3 HGB unter Berücksichtigung etwaiger stiller Reserven (§§ 54 Satz 1, 2, 97 GNotKG)5, bei überwiegend vermögensverwaltenden Gesellschaften nach dem anteiligen Aktivvermögen, ohne Abzug der Schulden (§ 54 Satz 3 GNotKG)6. Im Falle einer gemeinnützigen GmbH (dazu § 1 Rn 11) entsprach der Anteilswert unter dem Regime der KostO dagegen (nur) dem Nennwert7. Nach Einführung des GNotKG bestehen jedoch keine Unterschiede mehr zu gewerblich geprägten Gesellschaften. Auch bei Anteilen an einer gemeinnützigen GmbH richtet sich die Wertbestimmung nach § 54 GNotKG, maßgeblich ist damit das Eigenkapital, das auf den betroffenen Geschäftsanteil entfällt8. Für Geschäftsanteilsübertragungen zwischen verbundenen Unternehmen iSv § 15 AktG9 ergibt sich eine weitergehende Begrenzung aus § 107 Abs. 2 GNotKG10. 53 b) Die Formbedürftigkeit erstreckt sich nur auf Vereinbarungen, dh auf Ver-

träge iSd §§ 145 ff BGB, nicht also auf einseitige Rechtsgeschäfte wie zB Auslobung (§ 657 BGB), Stiftungsgeschäft (§§ 81, 82 BGB), Vermächtnis (§ 2174 BGB) oder Teilungsanordnung (§ 2048 Satz 1 BGB)11. Die Rechtsnatur des Vertrags ist egal, neben Kauf oder Schenkung12 wird zB auch der Vergleich (§ 779 BGB) erfasst13. Alle gesetzlichen Erwerbstatbestände (zB Verschmelzung, Spal1 EuGH GmbHR 2007, 1048; vgl weiter OLG Karlsruhe GmbHR 2008, 995 (LS) = BWNotZ 2008, 195. 2 Vgl Korintenberg/Bengel 19. Aufl 2015, § 97 GNotKG Rn 22; Ländernotarkasse, Leipziger Kostenspiegel, 2013, Teil 21 Rn 152. 3 OLG Köln RNotZ 2005, 183, 185. 4 Ausführlich Notarkasse München (Hrsg), Streifzug durch das GNotKG, 11. Aufl 2015, Rn 1128 ff. 5 So auch Wicke Rn 21. 6 Korintenberg/Bengel 19. Aufl 2015, § 98 GNotKG Rn 22. 7 ThürOLG MittBayNot 2011, 426, 427 mit zustimmender Anm Tiedtke. 8 Korintenberg/Tiedtke 19. Aufl 2015, § 54 GNotKG Rn 12. 9 Zum Begriff näher MünchKomm/Bayer § 15 AktG Rn 12 ff, 47 f mwN. 10 Wicke Rn 20. 11 Allgemeine Meinung: Scholz/Seibt Rn 48; B/H/Fastrich Rn 31. 12 Die notarielle Beurkundung allein des Schenkungsversprechens gemäß § 518 BGB ist nicht ausreichend: BGH GmbHR 1963, 188, 189 mit Anm Ganssmüller; U/H/L/Löbbe Rn 49. 13 OLG München GmbHR 1994, 251; OLG Dresden NZG 1999, 170; U/H/L/Löbbe Rn 49.

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tung) sind von § 15 Abs. 4 nicht betroffen (vgl auch Rn 25). Wird eine AG in eine GmbH umgewandelt, so bleibt ein formloser Anteilskaufvertrag (ehemals über Aktien, nunmehr über GmbH-Geschäftsanteile) wirksam; bei der Erfüllung (Abtretung der Anteile) ist aber § 15 Abs. 3 zu beachten1. c) Formbedürftig ist auch die lediglich bedingte2 oder befristete vertragliche 54 Verpflichtung zur Abtretung, auch die Einräumung eines Verkaufs- oder Übernahmerechts (Option)3, nicht dagegen die spätere Erklärung, dieses Recht auszuüben4 (anders jedoch bei Annahme eines bislang allein beurkundeten Angebots)5; hier – und ebenso wie im Falle des erklärten Rücktritts vom Vertrag – ist allein das Erfüllungsgeschäft (Abtretung) nach § 15 Abs. 3 formbedürftig. Erfasst wird auch ein Vorvertrag6 sowie Verträge, die eine bestehende Pflicht verändern7. Formbedürftig ist auch die vertragliche Verpflichtung zur Abnahme (Erwerbspflicht), weil hiermit die Verpflichtung zur Abtretung korrespondiert, und zwar nicht nur gegenüber dem Inhaber des Geschäftsanteils, sondern auch gegenüber einem Dritten8; unerheblich ist auch, ob die Abtretung an den Vertragspartner oder an einen Dritten erfolgen soll9. Unter § 15 Abs. 4 fällt auch die vertragliche Verpflichtung der GmbH zum Erwerb eigener Anteile oder freihändiger Verkauf gemäß §§ 23, 2710. Da auch die Abtretung des Anspruchs auf Übertragung des Geschäftsanteils nach § 15 Abs. 3 formbedürftig ist (Rn 38), kommt für die Verpflichtung hierzu auch § 15 Abs. 4 zur Anwendung11. d) Zu differenzieren ist bei Vereinbarungen in Gesellschaftsverträgen: Grund- 55 sätzlich unterfallen alle Abtretungspflichten in Gesellschaftsverträgen ebenso wie Auseinandersetzungsvereinbarungen der Form des § 15 Abs. 412. Ist eine solche Regelung materieller Satzungsbestandteil, dann gelten allein §§ 2, 3 Abs. 213; im 1 Dazu Eusani/Schaudinn GmbHR 2009, 1125 ff. 2 BGH GmbHR 1989, 194; OLG Karlsruhe GmbHR 1991, 19; MünchKomm/Reichert/ Weller Rn 31. 3 OLG München BB 1995, 427, 428; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 93 ff; ausführlich Mülsch/Penzel ZIP 2004, 1987 ff. 4 U/H/L/Löbbe Rn 52; Scholz/Seibt Rn 54. 5 BGHZ 21, 242, 247; BGH GmbHR 2007, 706, 707; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 96 mwN. 6 MünchKomm/Reichert/Weller Rn 91mwN. 7 BGH GmbHR 1989, 194. 8 OLG München BB 1995, 427, 428; bestätigt OLG München GmbHR 1996, 607, 608 f; Scholz/Seibt Rn 52; ausführlich Schulz GmbHR 2001, 282, 284 f. 9 OLG München GmbHR 1996, 607, 608 f; U/H/L/Löbbe Rn 50. 10 B/H/Fastrich Rn 33; Scholz/Seibt Rn 65 mwN (allgemeine Meinung). 11 BGHZ 75, 352, 354 f; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 91; U/H/L/Löbbe Rn 70; Pohlmann GmbHR 2002, 41, 45 f; aA Scholz/Seibt Rn 58. 12 U/H/L/Löbbe Rn 64; R/A/Altmeppen Rn 78; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 102. 13 RGZ 113, 149; BGH GmbHR 1986, 258; OLG Hamm GmbHR 1979, 59, 60; Scholz/Seibt Rn 51.

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§ 15 | Übertragung von Geschäftsanteilen Falle einer lediglich schuldrechtlichen Verpflichtung (zur Abgrenzung § 3 Rn 59 ff) gilt zwar § 15 Abs. 4, wird jedoch durch die Beurkundung gemäß § 2 ersetzt1; die nachfolgende Abtretung ist dann allerdings in der Form des § 15 Abs. 3 vorzunehmen. Erneute Beurkundung ist allerdings erforderlich, wenn sich die Veräußerungsbedingungen ändern2. 56 e) Vereinbarungen, die nicht unmittelbar eine Abtretungsverpflichtung be-

gründen, erweitern oder verändern, unterliegen grundsätzlich nicht der Form des § 15 Abs. 4. Dies gilt insbesondere für den (unentgeltlichen) Auftrag bzw den (entgeltlichen) Geschäftsbesorgungsvertrag zum Erwerb eines Geschäftsanteils, da hier die Pflicht zur Abtretung allein aus dem Gesetz (§ 667 BGB) folgt3; ebenso der Kommissions-4 und der Maklervertrag5. Eine erweiternde Auslegung der Beurkundungspflicht kommt hier – anders als bei § 311b Abs. 1 BGB – nach hM aufgrund des unterschiedlichen Normzwecks (dazu Rn 1) nicht in Betracht6. Dies gilt in gleicher Weise für die Aufhebung einer Abtretungsverpflichtung7, die somit sogar konkludent erfolgen kann8. Formbedürftig ist allerdings der Treuhandvertrag (ausführlich Rn 104 ff). Die Verpflichtung zur Abtretung einzelner mitgliedschaftlicher Ansprüche (zB Anspruch auf festgestellten Gewinn) fällt nicht unter § 15 Abs. 4 (allgemeine Meinung)9.

57 f) Die Formbedürftigkeit erstreckt sich nicht nur auf die Hauptsache (Pflicht zur

Abtretung), sondern auch auf alle zugehörigen wesentlichen Nebenabreden10, zB eine Sicherungsabrede11, eine Vertragsstrafe12, Andienungsrechte oder -pflichten13 oder eine Schuldübernahme14, insbesondere aber auch auf die Ge-

1 BGH DStR 1998, 539 mit Anm Goette; BGH NJW 1969, 2049; Scholz/Seibt Rn 51; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 102 mwN. 2 BGH GmbHR 1986, 258, 259; B/H/Fastrich Rn 33. 3 BGHZ 19, 69, 70; OLG Rostock GmbHR 1998, 641; Scholz/Seibt Rn 53; B/H/Fastrich Rn 34 mwN. 4 BGHZ 19, 69, 70; Scholz/Seibt Rn 53; U/H/L/Löbbe Rn 74. 5 BGH GmbHR 1997, 605, 606; Michalski/Ebbing Rn 61. 6 BGH GmbHR 1997, 605, 606; U/H/L/Löbbe Rn 74. 7 MünchKomm/Reichert/Weller Rn 104; Scholz/Seibt Rn 61; MünchHdbGmbH/Jasper § 24 Rn 38. 8 U/H/L/Löbbe Rn 72; Michalski/Ebbing Rn 79. 9 BGH ZIP 1983, 1326, 1327; Scholz/Seibt Rn 57. 10 BGH in ständiger Rspr, vgl etwa BGH GmbHR 2001, 815, 816 mwN; ebenso OLG Dresden GmbHR 1997, 746; OLG Düsseldorf GmbHR 1997, 742; OLG Hamburg RNotZ 2007, 415, 417 mit Anm Specks; OLG Frankfurt ZIP 2015, 1725, 1726 = GmbHR 2015, 1040; R/A/Altmeppen Rn 72; Loritz DNotZ 2000, 90, 99 ff. 11 Richtig öOGH NZG 2000, 375. 12 OLG München BB 1995, 427, 428. 13 OLG Frankfurt GmbHR 2015, 1040; U/H/L/Löbbe Rn 68. 14 Beispiel ThürOLG v. 12.12.2007 – 6 U 224/07.

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genleistung (Kaufpreis1) und Kostentragungspflichten2 – sog Vollständigkeitsgrundsatz3. Dies gilt grundsätzlich auch für eine spätere Vertragsänderung, selbst wenn sie 58 nur solche Nebenabreden betrifft4, anders nur, wenn die Übertragung des Geschäftsanteils zu diesem Zeitpunkt bereits erfolgt ist5. Die hiergegen vorgebrachte Kritik6 überzeugt de lege lata nicht und kommt wegen § 139 BGB idR auch nicht zu abweichenden Ergebnissen; de lege ferenda spricht indes viel für eine Einschränkung bzw Aufgabe des § 15 Abs. 47 (dazu schon Rn 1). Formlos möglich ist der Verzicht auf Nebenbedingungen durch den Berechtigten8. Wird zugleich mit der Anteilsveräußerung die Übernahme weiterer Geschäfts- 59 anteile aus einer Kapitalerhöhung zugesagt, so soll diese Übernahmeverpflichtung (näher § 55 Rn 33 ff) trotz der Verknüpfung nicht der Form des § 15 Abs. 4 unterliegen9. Zur Beurkundungsbedürftigkeit in den Anteilskaufvertrag aufgenommener 60 Schiedsgerichtsordnungen: ausführlich § 3 Rn 114; zu Anlagen zum Unternehmenskaufvertrag: Hauschild/Zimmermann FS Brambring, 2011, S. 113 ff; zur Beurkundung des Equity Commitment Letter beim Unternehmenskauf: Leyendecker/Mackensen NZG 2012, 129; vgl auch Duhncrack/Hellmann ZIP 2003, 1425, 1429 (zum „side letter“); zur Formbedürftigkeit von Vollzugsprotokollen ausführlich Stoppel GmbHR 2012, 1481 ff; zum Formerfordernis bei Veräußerung von GmbH & Co KG-Anteilen Binz/Rosenbauer NZG 2015, 1136 ff; zur (verneinten) Frage, ob elektronische Datenträger als Anlagen in Betracht kommen: K.J. Müller NJW 2015, 3271 ff. g) Die Genehmigung eines formwirksam, aber ohne Vertretungsmacht abge- 61 schlossenen Rechtsgeschäfts ist formlos möglich (§ 182 Abs. 2 BGB)10; dies gilt in gleicher Weise für die Verpflichtung zur Genehmigung11. S. zur Vollmacht auch Rn 40.

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MünchKomm/Reichert/Weller Rn 108 mwN. OLG Frankfurt GmbHR 2015, 1040. Hierzu auch Maier-Reimer NJW 2015, 273 ff. BGH NJW 1989, 290, 291; R/A/Altmeppen Rn 73; Scholz/Seibt Rn 66c. MünchKomm/Reichert/Weller Rn 109; U/H/L/Löbbe Rn 109. Pohlmann GmbHR 2002, 41; ausführlich Liese GmbHR 2010, 1256 ff; vgl auch Hadding ZIP 2003, 2133, 2137 ff; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 113 ff mwN. So auch Scholz/Seibt Rn 66b. Scholz/Seibt Rn 66c; Erbacher/Klarmann CFL 2011, 151, 160. OLG Frankfurt GmbHR 2015, 1040 ff (nrkr) mit Anm Beck EWiR 2015, 765. BGH GmbHR 1989, 194, 195. BGH GmbHR 1996, 919, 920.

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§ 15 | Übertragung von Geschäftsanteilen 62 h) Der Verpflichtungsvertrag über den Erwerb von Anteilen an einer auslän-

dischen GmbH (zum Begriff: Anh zu § 4a Rn 9) kann deutschem Sachrecht (zB Kaufvertragsrecht) unterliegen, so insbesondere bei einer – zulässigen1 – Rechtswahl durch die Parteien (Art. 3 Abs. 1 Rom I-VO); ggf aber auch im Falle objektiver Anknüpfung gemäß Art. 4 Rom I-VO2; bei Verbrauchergeschäften ist Art. 6 Rom I-VO zu beachten3. Auf die Form des Verpflichtungsvertrages kann darüber hinaus deutsches Recht zur Anwendung kommen, wenn zB der Kaufvertrag im Inland abgeschlossen wird; denn für die Form des schuldrechtlichen Geschäfts stehen sich nach zutreffender Auffassung lex causae (Geschäftsform/ Wirkungsstatut) und lex loci actus (Ortsstatut) alternativ gegenüber (Art. 11 Abs. 1 Rom I-VO)4 (für Verbrauchergeschäfte gilt allerdings die Sonderregel des Art. 11 Abs. 4 Rom I-VO, dh es gilt zwingend das Recht des Staates, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat5). Gilt daher als lex causae deutsches Recht, dann gilt grundsätzlich auch die Form des § 15 Abs. 4 Satz 1, wenn die ausländische Gesellschaft der deutschen GmbH vergleichbar ist6; in diesem Fall kommt es nicht (noch zusätzlich) darauf an, dass auch das Recht der ausländischen GmbH ein Formerfordernis aufstellt7. Anders ist zu entscheiden bei ausländischem Recht als lex causae: Hier muss die inländische Ortsform (bei Vertragsschluss im Inland) nicht unbedingt beachtet werden; ausreichend ist auch die Einhaltung des ausländischen Rechts, zB formloser Vertragsschluss. Vgl zur Konstellation, dass deutsches Recht als lex causae gilt, der Vertrag über Anteile einer ausländischen GmbH aber im Ausland geschlossen wird: Albers GmbHR 2011, 1266, 1268 f; Falkner NZG 2008, 86 ff.

1 Vgl BGH GmbHR 2005, 53, 54; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 165; Albers GmbHR 2011, 1266, 1268. 2 MünchKomm/Reichert/Weller Rn 176; Wicke Rn 20; Olk NJW 2010, 1639, 1641. 3 Vgl Olk NJW 2010, 1639, 1641. 4 R/A/Altmeppen Rn 92; U/H/L/Löbbe Rn 94; Albers GmbHR 2011, 1266, 1267; Olk NJW 2010, 1639, 1642 mwN; vgl auch BGH GmbHR 2005, 53, 54 mit Anm Kleinert (obiter). 5 Vgl Olk NJW 2010, 1639, 1642 f. 6 So auch Albers GmbHR 2011, 1266; Stenzel GmbHR 2014, 1024, 1032; Fetsch GmbHR 2008, 133, 134; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 176; Henssler/Strohn/Verse Rn 67; in Bezug auf die Vorgängerregelung in Art. 11 Abs. 1 EGBGB: OLG Celle NJW-RR 1992, 1126, 1127 für polnische GmbH; Merkt ZIP 1994, 1417, 1422; ebenso BGH GmbHR 2005, 53, 54 mit Anm Kleinert (für Treuhandvertrag über Geschäftsanteil). 7 Unzutreffend daher Wrede GmbHR 1995, 368; nur im Ergebnis zutreffend OLG München GmbHR 1993, 654.

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2. Verletzung der Form, Heilung a) Nichtbeachtung von § 15 Abs. 4 Satz 1 führt zur Nichtigkeit des Verpflich- 63 tungsvertrags1 (§ 125 Satz 1 BGB), kann jedoch durch formgerechte Abtretung (§ 15 Abs. 3) geheilt werden2 (§ 15 Abs. 4 Satz 2). b) Die Heilung tritt ex nunc ein; jedoch gilt § 141 Abs. 2 BGB3. Zwischenzeitli- 64 che Pfändung (etwa des Kaufpreisanspruchs) geht daher ins Leere4. Unerheblich ist, ob die Abtretung zeitlich früher oder später als das Verpflichtungsgeschäft vorgenommen wird5. Bei bedingter Abtretung wird nicht nur bei Bedingungseintritt, sondern auch dann geheilt, wenn Begünstigter (was zulässig ist) einseitig und formlos auf Bedingung verzichtet6. Allein die formgerechte Gründung der GmbH heilt die formunwirksame Verpflichtung zur Abtretung künftiger Geschäftsanteile (Rn 3) nicht7. Voraussetzung der Heilung ist fortwährende Willensübereinstimmung im Zeitpunkt der Abtretung, bei aufschiebend bedingter Abtretung im Zeitpunkt der Vornahme der Verfügung, nicht erst mit deren Wirksamwerden8. Die Abtretung muss sich auf die nichtige Verpflichtung beziehen9; darf also nicht vom Verpflichtungsgeschäft abweichen10. c) Durch die Abtretung werden nur Formmängel, nicht auch alle sonstigen 65 Mängel des Verpflichtungsvertrags geheilt11. Die Heilung erfasst den gesamten Verpflichtungsvertrag, also auch nicht beurkundete Nebenabreden12. Haben die Parteien anstelle des zu niedrig beurkundeten Kaufpreises (§ 117 Abs. 1 BGB) formunwirksam einen höheren Preis vereinbart, so gilt nun dieser (§ 117 Abs. 2 BGB)13. d) Erfolgt im Rahmen einer Kette formunwirksamer Kaufverträge die Abtre- 66 tung durch den Erstverkäufer an den Letztkäufer, so erfasst die Heilung alle da1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

Scholz/Seibt Rn 68; U/H/L/Löbbe Rn 96. Scholz/Seibt Rn 69; Pohlmann GmbHR 1995, 412, 414. B/H/Fastrich Rn 36; Scholz/Seibt Rn 76; U/H/L/Löbbe Rn 108. MünchKomm/Reichert/Weller Rn 132; U/H/L/Löbbe Rn 108. BGHZ 127, 129, 132; BGH GmbHR 1998, 635; BGH GmbHR 1993, 106; Scholz/Seibt Rn 72. BGHZ 138, 195 = GmbHR 1998, 635; B/H/Fastrich Rn 36; Scholz/Seibt Rn 70. OLG Brandenburg GmbHR 1995, 895; Scholz/Seibt Rn 69. BGHZ 127, 129, 131 = GmbHR 1994, 869; BGHZ 138, 195 = GmbHR 1998, 635; OLG München GmbHR 1996, 607, 609; Scholz/Seibt Rn 71; U/H/L/Löbbe Rn 103. BGH NZG 2001, 940, 941 = GmbHR 2001, 815 (unterschiedliche Vertragsparteien); vgl auch Scholz/Seibt Rn 70. Dazu OLG Hamburg RNotZ 2007, 415 mit Anm Specks. B/H/Fastrich Rn 36; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 125. BGHZ 63, 361; BGH GmbHR 1993, 106; Stoppel GmbHR 2010, 225 ff; Scholz/Seibt Rn 74 mwN. BGHZ 127, 129, 131 = GmbHR 1994, 869; BGH NJW 1983, 1843 = GmbHR 1983, 268; B/H/Fastrich Rn 36; U/H/L/Löbbe Rn 106, 114.

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§ 15 | Übertragung von Geschäftsanteilen zwischen liegenden Kaufverträge jedenfalls dann, wenn die Abtretung an den Letztkäufer mit Zustimmung des Erstkäufers erfolgt (Gedanke des § 362 Abs. 2 iVm § 185 BGB)1. 67 e) Weigert sich der Gesellschafter, den formunwirksamen Vertrag durch Vor-

nahme der Abtretung zu erfüllen und zugleich zu heilen, so ist dies grundsätzlich weder treuwidrig noch kommt eine Schadensersatzhaftung in Betracht2. Beispiel für Ausnahme wegen schwerer Treuepflichtverletzung: BGH DStR 2006, 1378 (formnichtige Treuhandabrede wurde 24 Jahre lang „gelebt“)3; vgl weiter für das Parallelproblem beim formunwirksamen Grundstückskauf: BGH NJW 1996, 25034.

VII. Beschränkung der Abtretung gemäß § 15 Abs. 5 (Vinkulierung) Literatur: Asmus Die vinkulierte Mitgliedschaft: der Schutz mitgliedschaftlicher Vinkulierungsinteressen und das Problem der Gesetzesumgehung, 2001; Binz/Mayer Anteilsvinkulierung bei Familienunternehmen, NZG 2012, 201; Blasche Vinkulierungsklauseln in GmbH-Gesellschaftsverträgen, RNotZ 2013, 515; Falkner Stimmverbote veräußerungswilliger Aufsichtsratsmitglieder bei Zustimmungsbeschlüssen zur Veräußerung von GmbHAnteilen, GmbHR 2008, 458; Frenzel Nachträgliche Vinkulierung von Geschäftsanteilen, GmbHR 2008, 983; Koppensteiner Vinkulierungsklauseln in mittelbaren Beteiligungsverhältnissen, FS Druey, 2002, S. 427; Liebscher Umgehungsresistenz von Vinkulierungsklauseln, ZIP 2003, 825; Lutter/Grunewald Zur Umgehung von Vinkulierungsklauseln in Satzungen von Aktiengesellschaften und Gesellschaften mbH, AG 1989, 109; Lutter/Grunewald Gesellschaften als Inhaber vinkulierter Aktien und Geschäftsanteile, AG 1989, 409; Nodoushani Die Pauschalzustimmung zur Übertragung vinkulierter Anteile, ZGR 2014, 809; Nodoushani Flexibilisierungen bei künftigen Verfügungen über GmbH-Anteile, GmbHR 2015, 617; Reichert Das Zustimmungserfordernis zur Abtretung von Geschäftsanteilen in der GmbH, 1984; Reichert Zulässigkeit der nachträglichen Einführung oder Aufhebung von Vinkulierungsklauseln in der Satzung der GmbH, BB 1985, 1496; Reichert Folgen der Anteilsvinkulierung für Umstrukturierungen von Gesellschaften mit beschränkter Haftung und Aktiengesellschaften nach dem Umwandlungsgesetz 1995, GmbHR 1995, 176; Reichert Vinkulierung von GmbH-Geschäftsanteilen – Möglichkeiten der Vertragsgestaltung, GmbHR 2012, 713; Reichert/Winter Vinkulierungsklauseln und gesellschafterliche Treuepflicht, FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 209; K. Schmidt Aktionärsund Gesellschafterzuständigkeit bei der Freigabe vinkulierter Aktien und Geschäftsanteile, FS Beusch, 1993, S. 759; K. Schmidt Anteilssteuerung durch Vinkulierungsklauseln, 1 BGH GmbHR 2001, 815; ausführlich Pohlmann GmbHR 2002, 44 f; vgl auch RGZ 71, 399, 402 f; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 130; U/H/L/Löbbe Rn 107. 2 Richtig OLG Stuttgart DB 1989, 1817; OLG München GmbHR 1996, 607, 609. 3 Dazu auch Scholz/Seibt Rn 68 mwN. 4 Zur Problematik auch MünchKomm/Reichert/Weller Rn 75 ff mwN sowie Hagen FS Brambring, 2011, S. 99 ff.

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Übertragung von Geschäftsanteilen | § 15 GmbHR 2011, 1289; Schmitz Vinkulierungs- und Ausschließungsklauseln, FS Wiedemann, 2002, S. 1223; A. Teichmann Vinkulierte Gesellschaftsanteile im Vermögen zu spaltender Rechtsträger, GmbHR 2014, 393; Transfeld Anteilsübertragung trotz Vinkulierung – ein vermeintlicher Widerspruch?, GmbHR 2010, 185.

1. Überblick Die grundsätzlich freie Übertragbarkeit von Geschäftsanteilen kann nach § 15 68 Abs. 5 beschränkt und sogar ganz ausgeschlossen werden. Hauptanwendungsfall in der Praxis ist ein Zustimmungsvorbehalt, doch kann die Satzung die Abtretung auch gänzlich ausschließen1 (Fall des § 399 BGB, daher kein Verstoß gegen § 137 Satz 1 BGB2); in diesem Fall steht dem Gesellschafter aber ein Austrittsrecht aus wichtigem Grund zu (dazu ausführlich § 34 Rn 70 ff)3. Zulässig sind nach § 15 Abs. 5 auch Vorkaufs- bzw Vorerwerbsrechte4, in der Praxis häufig kombiniert mit Zustimmungsvorbehalten5. Zur Satzungsgestaltung in der GmbH & Co KG etwa OLG Düsseldorf GmbHR 2002, 169 (LS)6; Hauschild/ Kallrath in Hauschild/Kallrath/Wachter, Notarhandbuch Gesellschafts- und Unternehmensrecht, 2. Aufl 2016, § 13 Rn 308. Die Praxis macht von Vinkulierungsklauseln häufig Gebrauch7. Das ist auch 69 richtig; denn die GmbH mit ihren meist wenigen Gesellschaftern und deren Einfluss auf die Geschäftsführung (vgl § 45 Rn 4 ff) ist idealtypisch stark personenbezogen; daher sollen die Mitgesellschafter Einfluss auf die Auswahl des Nachfolger-Gesellschafters haben (zur Problemlösung im Erbfall: Rn 15 ff). Zweck der Vinkulierung (vinculum = Fessel) ist zum einen der Schutz des Gesellschafterkreises vor nicht gewollten Veränderungen, zum anderen aber auch der Schutz vor ungewollten quantitativen Beteiligungsveränderungen (insoweit also auch Konzerneingangsschutz)8. Gesetzlich vorgeschrieben ist die Vinkulierung für Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungs-GmbH (§ 50 Abs. 5 Satz 2, 3 StBerG, § 28 Abs. 5 Satz 2, 3 WPO). Zur Anteilsvinkulierung in Familienunternehmen: Binz/Mayer NZG 2012, 201.

1 RGZ 80, 175, 179; BayObLG WM 1989, 138, 139, 142; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 393 (allgemeine Meinung). 2 R/A/Altmeppen Rn 107; ausführlich Asmus S. 80 ff. 3 MünchKomm/Reichert/Weller Rn 393; B/H/Fastrich Rn 38. 4 Ausführlich U/H/L/Löbbe Rn 267 ff. 5 OLG Celle GmbHR 1999, 131; R/A/Altmeppen Rn 109; Rechtstatsachen bei Bayer/Hoffmann/J. Schmidt GmbHR 2007, 953 ff. 6 Dazu auch R/A/Altmeppen Rn 111. 7 Vgl nur Bayer/Hoffmann/J. Schmidt GmbHR 2007, 953, 955 f; vgl weiter Reichert/Winter FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 209, 212 ff; Scholz/Seibt Rn 107. 8 Richtig U/H/L/Löbbe Rn 233 im Anschluss an Liebscher Konzernbildungskontrolle, 1995, S. 229 ff.

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§ 15 | Übertragung von Geschäftsanteilen 70 In der Einpersonengesellschaft hat eine Vinkulierung keine Bedeutung (teleolo-

gische Reduktion)1, auch nicht in der Zweipersonengesellschaft bei Abtretung an den Mitgesellschafter2. Das Zustimmungserfordernis entfällt ex post in entsprechender Anwendung des § 185 Abs. 2 BGB, wenn der erwerbende Gesellschafter später den Geschäftsanteil des zustimmungsberechtigten Mitgesellschafters erwirbt; die schwebend unwirksame Erstabtretung (Rn 88) wird dann wirksam3. Wird der Geschäftsanteil von der Gesellschaft erworben, so gilt die Vinkulierung, sofern sie nicht lediglich dem Schutz der GmbH vor dem Beitritt fremder Gesellschafter dient, sondern daneben auch Vorkaufsrechte oder andere Interessen der Mitgesellschafter schützen soll4.

2. Festlegung in der Satzung 71 a) Die Vinkulierung muss in der Satzung angeordnet und klar und eindeutig

formuliert sein5; als Satzungsbestandteil gilt das Prinzip der objektiven Auslegung6 (§ 2 Rn 19). Bei Unklarheit kann die Gesellschafterversammlung über die Zustimmungsbedürftigkeit Beschluss fassen (dazu noch Rn 77). Beschränkende Verabredungen der Gesellschafter außerhalb der Satzung haben nur schuldrechtliche Wirkung7 (dazu auch § 3 Rn 59 ff).

72 b) Bei der Ausgestaltung der Vinkulierung ist die Satzung frei8; sie kann sich

daher auf alle Übertragungen erstrecken, aber auch auf bestimmte Geschäftsanteile oder bestimmte Gesellschafter beschränken9. Auch können bestimmte Übertragungen von der Vinkulierung freigestellt werden (zB Abtretung an Mitgesellschafter oder Angehörige) oder – umgekehrt – nur bestimmte Sachverhalte der Vinkulierung unterworfen werden. Die Satzung kann – muss aber nicht – Kriterien für die Zustimmung (oder auch Zustimmungsverweigerung) aufstellen10 und das Verfahren für die Zustimmungserteilung festlegen11. Streitig ist, ob die Privilegierung der Abtretung an Mitgesellschafter nur Bruchteilseigen-

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BGH GmbHR 1991, 324; R/A/Altmeppen Rn 96. B/H/Fastrich Rn 39; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 367. OLG Hamm GmbHR 1985, 22; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 367 mwN. Dazu BGH WM 1976, 204, 205. BGHZ 48, 141, 144; Michalski/Ebbing Rn 133. MünchKomm/Reichert/Weller Rn 392; U/H/L/Löbbe Rn 227. MünchKomm/Reichert/Weller Rn 392; U/H/L/Löbbe Rn 225. Ausführlich Reichert S. 62 ff. MünchKomm/Reichert/Weller Rn 394; U/H/L/Löbbe Rn 226; ausführlich auch K. Schmidt GmbHR 2011, 1289 ff. 10 Zur Zustimmungsverweigerung nur „aus wichtigem Grund“ OLG Bremen NZG 2008, 225 (zur KG). 11 Scholz/Seibt Rn 120; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 394.

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tümer1 oder auch Mitglieder einer dem § 18 unterfallenden Gesamthand (dazu § 18 Rn 4) erfasst2; Letzteres erscheint vorzugswürdig3. Das Zustimmungserfordernis einzelner oder mehrerer Gesellschafter kann dabei auch als unentziehbares Sonderrecht (§ 35 BGB; vgl dazu § 3 Rn 21, § 14 Rn 12, 19) begründet werden4. c) Nachträgliche Einführung oder Erschwerung durch Satzungsänderung ist 73 möglich, bedarf jedoch analog § 180 Abs. 2 AktG der Zustimmung aller betroffenen Gesellschafter, weil in die freie Veräußerlichkeit und damit in ein relativ unentziehbares Mitgliedschaftsrecht (näher § 14 Rn 16 f) eingegriffen wird5. Die Vinkulierung erfasst dann alle noch nicht wirksam vorgenommenen Anteilsabtretungen, im Zweifel (Auslegung!) also auch den Fall der noch nicht erfolgten Annahme eines unwiderruflichen Abtretungsangebots6. Im Fall einer Kapitalerhöhung werden neue Geschäftsanteile von einer bestehenden Vinkulierung stets erfasst7; ebenso für den Fall der Abtretung das Bezugsrecht8. d) Für nachträgliche Aufhebung oder Erleichterung durch Satzungsänderung 74 ist dagegen nur die gesetzliche oder im Gesellschaftsvertrag vorgeschriebene Mehrheit erforderlich9. Dies gilt entgegen einem Teil der Rspr10 jedoch dann nicht, wenn die Zustimmung zur Abtretung eines einstimmigen Gesellschafterbeschlusses bedarf; denn in diesem Fall stellt die Vinkulierungsklausel für alle Gesellschafter ein relativ unentziehbares Mitgliedschaftsrecht (näher § 14 Rn 16 f) dar11. Dies gilt in gleicher Weise, wenn einzelnen oder allen Gesellschaf-

1 So U/H/L/Löbbe § 18 Rn 10. 2 So MünchKomm/Reichert/Weller § 18 Rn 44. 3 Wie hier auch BGHZ 32, 35, 39 (Erbengemeinschaft); generell gegen jede Privilegierung in diesen Konstellationen indes Scholz/Seibt § 18 Rn 12. 4 Ausführlich dazu Hauschild/Kallrath in Hauschild/Kallrath/Wachter, 2. Aufl 2016, § 13 Rn 359 ff. 5 OLG München GmbHR 2008, 541, 542; OLG Dresden GmbHR 2004, 1080; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 395 mwN; ausführlich Reichert BB 1985, 1496, 1499; vgl weiter R/A/Altmeppen Rn 98; U/H/L/Löbbe Rn 228 (Zustimmung „aller Gesellschafter“); so auch öOGH GesRZ 2015, 259 mit zustimmender Anm Walch; für AG auch BGH NZG 2004, 1109, 1110; kritisch Frenzel GmbHR 2008, 983 ff. 6 Wie hier MünchKomm/Reichert/Weller Rn 395; U/H/L/Löbbe Rn 228; Henssler/Strohn/ Verse Rn 83; aA OLG Brandenburg NZG 1999, 828, 830; R/A/Altmeppen Rn 98; B/S/ Brandes Rn 6. 7 MünchKomm/Reichert/Weller Rn 395; Blasche RNotZ 2013, 515, 524 Fn 121. 8 Scholz/Seibt Rn 110; B/H/Fastrich Rn 39. 9 R/A/Altmeppen Rn 98; ausführlich Reichert BB 1985, 1496, 1498. 10 OLG Hamm GmbHR 2001, 974, 975; OLG Stuttgart NJW 1974, 1566, 1567; hierzu kritisch Reichert BB 1985, 1496, 1498. 11 Richtig OLG Düsseldorf GmbHR 1964, 250 mit Anm H. Winter; OLG Stuttgart NZG 2000, 159, 165; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 396; U/H/L/Löbbe Rn 229 mwN.

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§ 15 | Übertragung von Geschäftsanteilen tern hinsichtlich der Zustimmung ein unentziehbares Sonderrecht (§ 35 BGB, vgl dazu § 3 Rn 21, § 14 Rn 12, 19) eingeräumt wurde1. 3. Anwendungsbereich 75 a) Die Vinkulierung erstreckt sich nur auf rechtsgeschäftliche Übertragungen

im Wege der Abtretung (vgl auch Rn 25), erfasst also nicht gesetzliche Erwerbsfälle wie zB Erbfolge, Verschmelzung, Erwerb gemäß § 140 Abs. 1 HGB. Dagegen können dingliche Belastungen, also Nießbrauch (§ 1069 Satz 1 BGB, dazu Rn 115) und Pfandrecht (§ 1274 Abs. 1 Satz 1 BGB, Rn 111), der Vinkulierung unterworfen sein; ggf auch Übertragungen im Rahmen der Erbauseinandersetzung (ausführlich Rn 7). Entgegen der ganz hM gilt § 15 Abs. 5 auch im Rahmen der Zwangsvollstreckung und auch in der Insolvenz des Gesellschafters (Rn 99, 102). Beachtlich sind Vinkulierungsklauseln im Rahmen von § 13 Abs. 2 UmwG, wenn es auf die Zustimmung des einzelnen Gesellschafters ankommt, nicht hingegen bei Mehrheitsentscheidungen der Gesellschafterversammlung und generell nicht, wenn nur die Zustimmung der GmbH gefordert ist2. Gleiches gilt gemäß § 125 UmwG für Spaltungen; nicht erfasst ist somit auch die Übertragung von vinkulierten GmbH-Geschäftsanteilen im Wege der Abspaltung3 (§ 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG). Die Regelung in § 193 Abs. 2 UmwG für den Formwechsel entspricht § 13 Abs. 2 UmwG4. Vorkaufs- oder Vorerwerbsrechte unterfallen nicht § 13 Abs. 2 UmwG, doch ist hier § 50 Abs. 2 UmwG zu beachten5.

76 b) Erfasst wird von der Vinkulierung nur die Abtretung von Geschäftsanteilen,

auch von Teilen von Geschäftsanteilen oder Mitberechtigungen am Geschäftsanteil (§ 747 BGB)6, nicht jedoch das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft7. Analog findet § 15 Abs. 5 Anwendung auf die Abtretung des Bezugsrechts bei Kapitalerhöhungen (dazu § 55 Rn 20)8.

1 MünchKomm/Reichert/Weller Rn 396; U/H/L/Löbbe Rn 218 mwN; insoweit auch OLG Hamm GmbHR 2001, 974, 975. 2 MünchKomm/Reichert/Weller Rn 368 mwN; vgl auch Lutter/Drygala § 13 UmwG Rn 28 mwN. 3 OLG Hamm GmbHR 2014, 935 mit zustimmender Anm Wachter; teilweise abweichend A. Teichmann GmbHR 2014, 393, 395, 398 ff. 4 Dazu näher MünchKomm/Reichert/Weller Rn 369 mwN. 5 Lutter/Drygala § 13 UmwG Rn 34; Lutter/M. Winter/J. Vetter § 50 UmwG Rn 53 mwN. 6 Michalski/Ebbing Rn 130; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 364. 7 R/A/Altmeppen Rn 100; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 362; eine „Satzungserweiterung“ empfiehlt K. Schmidt GmbHR 2011, 1289, 1290 ff. 8 B/H/Fastrich Rn 39; Scholz/Seibt Rn 110.

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4. Genehmigung iSv § 15 Abs. 5 a) Genehmigung iSv § 15 Abs. 5 meint grundsätzlich Zustimmung der GmbH 77 gemäß §§ 182–184 BGB (allgemeine Meinung); diese kann vor der Abtretung (als Einwilligung gemäß § 183 BGB) oder nachher (als Genehmigung gemäß § 184 BGB) erklärt werden, und zwar selbst dann, wenn die Satzung vorherige Zustimmung verlangt1. Zuständig für die Zustimmungserteilung sind (im Außenverhältnis) die Geschäftsführer in vertretungsberechtigter Zahl2; ist der Geschäftsführer der veräußernde oder erwerbende Gesellschafter, so kommt § 181 BGB nicht zur Anwendung3. Auch bei Schweigen der Satzung müssen die Geschäftsführer jedoch (im Innenverhältnis) im Zweifel zuvor einen Gesellschafterbeschluss einholen (arg e § 46 Nr. 4)4; die Beschlussfassung erfolgt – mangels anderweitiger statutarischer Anordnung – mit einfacher Mehrheit5; Veräußerer (und falls schon Gesellschafter auch Erwerber) haben hierbei Stimmrecht6 (vgl auch § 47 Rn 50). Ist streitig, wie die Satzung auszulegen ist, so kann die Gesellschafterversammlung einen satzungsauslegenden Beschluss fassen, der allerdings auf Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage gerichtlich überprüfbar ist7. Umstritten ist, ob die Zustimmungserteilung bzw -verweigerung durch die Geschäftsführer im Außenverhältnis auch dann wirksam ist, wenn die Gesellschafter nicht oder sogar anders entschieden haben. Dies ist mit der hM zu bejahen (vgl § 37 Abs. 2)8, jedoch werden idR die Grundsätze über den Missbrauch der Vertretungsmacht zur Anwendung kommen9. b) Die Satzung kann aber auch anstelle oder zusätzlich zur Genehmigung durch 78 die GmbH die Zustimmung der Gesellschafterversammlung vorsehen. In diesem Fall ist ein zustimmender Gesellschafterbeschluss auch im Außenverhältnis Voraussetzung für die Wirksamkeit der Anteilsübertragung (hM)10. Die von der

1 BGH NJW 1965, 1366, 1377; OLG Celle GmbHR 1999, 131; MünchKomm/Reichert/ Weller Rn 397. 2 R/A/Altmeppen Rn 103; Scholz/Seibt Rn 128 ff. 3 ThürOLG v. 21.2.2007 – 6 U 283/06; U/H/L/Löbbe Rn 242 mwN. 4 BGH GmbHR 1988, 260, 261; OLG Hamburg GmbHR 1992, 609, 610; U/H/L/Löbbe Rn 243; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 421; wohl auch Scholz/Seibt Rn 123. 5 MünchKomm/Reichert/Weller Rn 422; Scholz/Seibt Rn 123. 6 BGHZ 48, 163, 167; BayObLG GmbHR 1991, 573; Scholz/Seibt Rn 123; U/H/L/Löbbe Rn 245 (hM); zweifelnd Henssler/Strohn/Verse Rn 89. 7 BGH GmbHR 2003, 171; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 419. 8 BGHZ 14, 25, 31; R/A/Altmeppen Rn 97; U/H/L/Löbbe Rn 244 mwN. 9 BGH GmbHR 1988, 260, 261; OLG Hamburg GmbHR 1992, 609, 610 = WuB II C. § 15 GmbHG 2.92 mit Anm Reichert; ThürOLG v. 21.2.2007 – 6 U 283/06; U/H/L/Löbbe Rn 244. 10 OLG Koblenz GmbHR 1990, 39; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 423; U/H/L/Löbbe Rn 246; Wicke Rn 25.

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§ 15 | Übertragung von Geschäftsanteilen Gegenansicht1 angeführte Parallele zum Aktienrecht2 ist bei der GmbH mangels entsprechender Satzungsstrenge (§ 23 Abs. 5 AktG) nicht angezeigt. Die Praxis sollte die Problematik jedoch bei der Ausgestaltung der Vinkulierung berücksichtigen und für eindeutige Regelungen Sorge tragen3. Sofern die Satzung nichts anderes anordnet, gilt für die Beschlussfassung die einfache Mehrheit4; Veräußerer und ggf Erwerber haben Stimmrecht (Rn 77). 79 c) Ist in der Satzung die Zustimmung „der Gesellschafter“ vorgesehen, so be-

deutet dies im Zweifel kein individuelles Zustimmungsrecht aller Mitgesellschafter, sondern zielt ebenfalls auf einen Gesellschafterbeschluss5. Allerdings kann die Auslegung des Gesellschaftsvertrages zu einem abweichenden Ergebnis führen6. Auch hier entscheiden die Gesellschafter im Zweifel mit einfacher Mehrheit7, wobei Veräußerer und ggf Erwerber Stimmrecht haben (Rn 77); auch hier kommt der Entscheidung der Gesellschafter unmittelbare Außenwirkung zu (Rn 78). Bei Insolvenz eines Gesellschafters übt der Insolvenzverwalter gemäß § 80 Abs. 1 InsO dessen Zustimmungsrecht aus8 (vgl auch noch Rn 102).

80 Ergibt die Satzung jedoch, dass alle Gesellschafter zustimmen müssen, so müssen

einen entsprechenden Gesellschafterbeschluss entweder sämtliche (nicht nur die anwesenden9) Gesellschafter fassen oder es muss jeder Gesellschafter gesondert seine Zustimmung erklären10.

81 d) Die Entscheidung über die Zuständigkeit zur Zustimmungserteilung bzw

-verweigerung kann von der Satzung auch auf ein anderes Gesellschaftsorgan (Aufsichtsrat, Beirat) übertragen werden; in diesem – in der Praxis nicht seltenen11 – Fall gelten die Ausführungen zu Rn 78, jedoch mit der Besonderheit, dass der Veräußerer bzw Erwerber als Organmitglied hier einem Stimmverbot unterliegen soll (streitig)12. Wird die Zustimmung verweigert, so kann die Ab1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

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So RGZ 104, 413, 414; RGZ 160, 225, 231; R/A/Altmeppen Rn 106. Dazu ausführlich MünchKomm/Bayer § 68 AktG Rn 63 ff. So auch Reichert GmbHR 2012, 713, 714 f. BGHZ 48, 163, 167; U/H/L/Löbbe Rn 248; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 424 mwN; vgl auch LG Köln GmbHR 1993, 109. Scholz/Seibt Rn 126; B/H/Fastrich Rn 44 mwN. MünchKomm/Reichert/Weller Rn 425; U/H/L/Löbbe Rn 249. OLG Koblenz GmbHR 1990, 39; Scholz/Seibt Rn 93; U/H/L/Löbbe Rn 249; aA R/S-L/ Görner Rn 185. DNotI-Report 2014, 89 ff mwN. U/H/L/Löbbe Rn 249 mwN. BayObLG GmbHR 1991, 572, 573; OLG Hamm GmbHR 1997, 950, 951; U/H/L/Löbbe Rn 249 mwN. Besitzt die GmbH einen Aufsichtsrat bzw Beirat, so ist dieser etwa in der Hälfte der Fälle für die Erteilung der Zustimmung zuständig; Nachweise bei Triebel ZIP 2004, 156 in Fn 3. OLG Schleswig ZIP 2003, 1703; aA ausführlich Falkner GmbHR 2008, 458 ff; vgl weiter MünchKomm/Reichert/Weller Rn 426; U/H/L/Löbbe Rn 251.

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tretung doch durch einen einstimmigen Gesellschafterbeschluss gestattet werden1. Ob der Gesellschaftsvertrag auch anordnen kann, dass die Zustimmung eines Dritten erforderlich ist (zB Bank), ist sehr umstritten2, nach allgemeinen Grundsätzen (näher § 45 Rn 9) wohl eher zu verneinen. e) Bei Fehlen satzungsmäßiger Vorgaben (dazu Rn 72) trifft das zuständige Or- 82 gan (idR Gesellschafterversammlung: Rn 77) die Entscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen3 (streitig)4. Dies folgt aus der gesellschafterlichen Treuepflicht5. Es besteht daher weder ein Anspruch auf Erteilung der Zustimmung, noch steht die Entscheidung im freien, nur durch das Willkürverbot beschränkten Ermessen der Gesellschaft, noch darf die Zustimmung nur im Falle eines wichtigen Grundes verweigert werden6. Es ist vielmehr eine Abwägung durchzuführen, wobei einerseits das Wohl der Gesellschaft, andererseits die Interessen des betroffenen Gesellschafters zu berücksichtigen sind; die Beachtung des Grundsatzes der Gleichbehandlung und der Treuepflicht (dazu § 14 Rn 29 ff, 46 ff) führen idR zu dem Ergebnis, dass die Zustimmung zur Abtretung nur verweigert werden darf, wenn dies erforderlich und verhältnismäßig ist7. Umgekehrt kann die Treuepflicht es gebieten, der Veräußerung an einen Wettbewerber die Zustimmung zu verweigern8. Anders als im Aktienrecht9 kann jedoch die Satzung das Ermessen in den Grenzen von Gleichbehandlung und Treuepflicht zu Lasten des veräußerungswilligen Gesellschafters ausweiten. Denn ebenfalls in Abweichung zum Aktienrecht, wo die mehrfache Verweigerung der Zustimmung zur Vermeidung einer unzulässigen faktischen Unveräußerlichkeit der Aktien zu einer Ermessensreduzierung auf Null führen kann10, steht dem Gesellschafter im Falle einer wiederholten Zustimmungsverweigerung ein Austrittsrecht

1 R/A/Altmeppen Rn 110; R/S-L/Görner Rn 184. 2 Dafür B/H/Fastrich Rn 38; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 428; aA U/H/L/Löbbe Rn 252; Ulmer FS Werner, 1984, S. 911 ff; Ulmer FS Wiedemann, 2002, S. 1297 ff; Scholz/Seibt Rn 122; R/S-L/Görner Rn 184; Wicke Rn 23. 3 OLG Hamm NJW-RR 2001, 109, 111; zur OHG auch BGH NZG 2005, 129; zur AG auch BGH NJW 1987, 1019, 1020; OLG Düsseldorf EWiR 1997, 145 mit zustimmender Anm Kort; LG Aachen AG 1992, 410; OLG Koblenz GmbHR 1990, 39; U/H/L/Löbbe Rn 255; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 409 ff. 4 Für freies Ermessen: B/H/Fastrich Rn 46; Scholz/Seibt Rn 127; H.P. Westermann FS Huber, 2006, S. 997 ff; K. Schmidt GmbHR 2011, 1289, 1293. 5 Ausführlich Reichert S. 224 ff; zustimmend U/H/L/Löbbe Rn 255; Henssler/Strohn/Verse Rn 96. 6 So auch Binz/Mayer NZG 2012, 201, 203. 7 U/H/L/Löbbe Rn 254; ausführlich MünchKomm/Reichert/Weller Rn 409 ff; so im Ergebnis auch OLG Hamm NJW-RR 2001, 109, 111. 8 Reichert GmbHR 2012, 713, 720; U/H/L/Löbbe Rn 256. 9 Dazu ausführlich MünchKomm/Bayer § 68 AktG Rn 72. 10 BGH NJW 1987, 1020; MünchKomm/Bayer § 68 AktG Rn 81.

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§ 15 | Übertragung von Geschäftsanteilen aus wichtigem Grund zu (dazu § 34 Rn 70 ff). Daher ist auch ein genereller Ausschluss der Abtretbarkeit im GmbH-Recht zulässig (Rn 68). 83 f) Der veräußernde Gesellschafter hat einen Anspruch darauf, dass die Zustim-

mungsberechtigten in angemessener Frist eine Entscheidung über die Zustimmung/Verweigerung herbeiführen und das Ergebnis mitteilen. Dem Erwerber steht dieser Anspruch nur zu, wenn er bereits Gesellschafter ist1.

84 Der Veräußerer hat grundsätzlich darauf hinzuwirken, dass die Zustimmung er-

teilt wird; tut er das nicht, so verletzt er seine vertraglichen Pflichten dem Erwerber gegenüber (Rechtsfolge aber nur Schadensersatz, nicht etwa Anfechtbarkeit des Beschlusses). Doch kann es sein, dass dem veräußernden Gesellschafter die positive Stimmabgabe für eine Genehmigung im Verhältnis zu seinen Mitgesellschaftern verboten ist (insbesondere bei Gefahren der Abhängigkeit durch Veräußerung an ein Konkurrenzunternehmen)2; dann ist der Beschluss anfechtbar3.

85 g) Die Zustimmung (Einwilligung und Genehmigung, §§ 182–184 BGB) ist

empfangsbedürftig; die Erklärung des Geschäftsführers kann grundsätzlich sowohl gegenüber dem Veräußerer wie gegenüber dem Erwerber erfolgen4; sie bedarf keiner Form und kann daher auch konkludent erklärt werden, etwa durch Teilnahme der Mitgesellschafter an der Abtretung5, durch widerspruchslose Teilnahme der Gesellschafter und Geschäftsführer an der über die Zustimmung beschließenden Gesellschafterversammlung6 oder durch Behandlung des Erwerbers als Gesellschafter durch die Zustimmungsberechtigten (Gesellschafter oder Geschäftsführer)7; in diesem Fall ist auch eine (missbräuchliche) Überschreitung der Vertretungsmacht des Geschäftsführers (Rn 77 aE) gemäß § 177 Abs. 1 BGB analog geheilt (durch Genehmigung)8; Satzungsregelung (zB schriftliche Zustimmung in Gesellschafterversammlung) betrifft nur Innenrecht und steht Wirksamkeit der Zustimmung im Außenrecht nicht entgegen9. Auch die Eintragung in die Gesellschafterliste durch den Geschäftsführer kann ggf eine konkludente Zustimmung sein10. Hat der Veräußerer an der Entscheidung in der Gesellschafterversammlung mitgewirkt, so ist damit der Zugang erfolgt. Entschei1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

MünchKomm/Reichert/Weller Rn 407; U/H/L/Löbbe Rn 256. Lutter/Timm NJW 1982, 418. BGHZ 80, 69, 74 f = GmbHR 1981, 189; U/H/L/Löbbe Rn 256. MünchKomm/Reichert/Weller Rn 398; B/H/Fastrich Rn 45. BGHZ 15, 324, 329; BayObLG GmbHR 1991, 572, 573; KG GmbHR 2013, 361; U/H/L/ Löbbe Rn 237. BGHZ 22, 101, 108; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 402. BGHZ 22, 101, 108; ThürOLG v. 21.2.2007 – 6 U 283/06; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 402. ThürOLG v. 21.2.2007 – 6 U 283/06. ThürOLG v. 21.2.2007 – 6 U 283/06. MünchKomm/Reichert/Weller Rn 402; U/H/L/Löbbe Rn 237; aA noch RGZ 105, 152, 154.

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det die Gesellschafterversammlung mit Außenwirkung (Rn 78), dann kann der Geschäftsführer oder auch ein Gesellschafter zur Erteilung der Zustimmung ermächtigt werden1. Mit ihrem Zugang ist die Genehmigung unwiderruflich2, die Einwilligung bleibt 86 hingegen bis zum Abschluss des Abtretungsvertrages widerruflich (§ 183 Satz 1 BGB)3. Sowohl Einwilligung als auch Genehmigung können unter einer aufschiebenden Bedingung erfolgen4, jedoch nicht unter einer auflösenden Bedingung5. Die vorherige Zustimmung (Einwilligung) kann zu einer bestimmten Veräuße- 87 rung, aber auch zu einem bestimmbaren Kreis denkbarer Veräußerungen gegeben werden6, nicht aber „blanko“ erfolgen7. Dies ist seit der Victoria-Entscheidung des RG communis opinio8 und trotz jüngst geltend gemachter Bedenken9 auch zutreffend: Aus der gesellschaftsrechtlichen Unzulässigkeit folgt in dieser Konstellation auch die zivilrechtliche Unwirksamkeit der Pauschalzustimmung. Aus BGH GmbHR 2014, 198 (dazu näher § 46 Rn 19) folgt nichts anderes10. h) Bis zur Erteilung/Verweigerung der Zustimmung ist eine bereits erfolgte Ab- 88 tretung schwebend unwirksam11. Wird die Zustimmung erteilt, so wird die Abtretung gemäß § 184 Abs. 1 BGB ex tunc wirksam12; § 16 Abs. 1 steht nicht entgegen13. Zwischenzeitlich getroffene Verfügungen des Veräußerers werden gemäß § 184 Abs. 2 BGB grundsätzlich unwirksam, nicht aber Maßnahmen der Zwangsvollstreckung oder des Insolvenzverwalters14 (dazu Rn 102); auch zwischenzeitliche Satzungsänderung muss der Erwerber gegen sich gelten lassen (vgl § 54 Rn 20). Verfügungen des Erwerbers werden dagegen gemäß § 185 Abs. 2 BGB wirksam15. Bei mehrfacher und sich widersprechender Abtretung 1 B/H/Fastrich Rn 43; Scholz/Seibt Rn 130. 2 RGZ 139, 118, 125 f; U/H/L/Löbbe Rn 240; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 399. 3 BGHZ 48, 163, 166; BGHZ 77, 392, 396 (KG); U/H/L/Löbbe Rn 240; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 399; Henssler/Strohn/Verse Rn 95; Blasche RNotZ 2013, 515, 522; aA Scholz/Seibt Rn 132; B/H/Fastrich Rn 47 (jede Zustimmung unwiderruflich). 4 Scholz/Seibt Rn 132 aE. 5 Scholz/Seibt Rn 132 aE; Wicke Rn 26; generell gegen Bedingung bei Genehmigung: Michalski/Ebbing Rn 142. 6 U/H/L/Löbbe Rn 239; so auch für die Teilung BGH GmbHR 2014, 198 Rn 26 mit zustimmender Anm Bayer; enger Scholz/Seibt Rn 132. 7 MünchKomm/Reichert/Weller Rn 397; Scholz/Seibt Rn 132; U/H/L/Löbbe Rn 239. 8 RGZ 132, 149, 155 (AG); MünchKomm/Bayer § 68 AktG Rn 91 mwN. 9 Ausführlich Nodoushani ZGR 2014, 809, 816 ff. 10 So aber tendenziell Nodoushani GmbHR 2015, 617, 620 f. 11 R/A/Altmeppen Rn 103; U/H/L/Löbbe Rn 258 (allgemeine Meinung). 12 B/H/Fastrich Rn 47; Michalski/Ebbing Rn 156 (allgemeine Meinung). 13 Unzutreffend daher (für die AG) LG Köln AG 1998, 537. 14 MünchKomm/Reichert/Weller Rn 405; Scholz/Seibt Rn 133 (allgemeine Meinung). 15 MünchKomm/Reichert/Weller Rn 404; Scholz/Seibt Rn 133; vgl auch OLG Hamm GmbHR 1985, 22.

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§ 15 | Übertragung von Geschäftsanteilen durch den Gesellschafter wird lediglich die Abtretung wirksam, die (zuerst) genehmigt wird1. Bei (wirksamer) Anfechtung der Zustimmungserteilung wird die Abtretung des Geschäftsanteils wieder schwebend unwirksam (§ 142 Abs. 1 BGB); im Verhältnis zur GmbH ist aber § 16 Abs. 1 zu beachten2. 89 Wird die Zustimmung verweigert, so soll eine bereits erfolgte Abtretung nach

verbreiteter Auffassung generell endgültig unwirksam sein3; dies ist jedoch nur zutreffend, wenn die Verweigerung rechtmäßig war4. Gleiches ist anzunehmen, wenn die Zustimmung nicht innerhalb angemessener Frist erteilt wird und deshalb uU als verweigert gilt5; eine später erklärte Zustimmung ist dann unwirksam (dh Wiederholung erforderlich)6. Eine Zustimmungsverweigerung, die vor der Abtretung erklärt wurde, hindert dagegen die spätere Zustimmung nicht7. Zur Rechtslage, insbesondere Haftung des Veräußerers, im Falle endgültiger Zustimmungsverweigerung: ausführlich MünchKomm/Bayer § 68 AktG Rn 98 ff. 5. Rechtsschutz

90 Der veräußerungswillige Gesellschafter kann im Falle der Verweigerung auf Zu-

stimmung klagen8; im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft wird diese Klage auch der Erwerber erheben können9. Passivlegitimiert ist idR die GmbH; ob dies auch dann der Fall ist, wenn die Gesellschafterversammlung oder ein anderes Gesellschaftsorgan zustimmungsberechtigt sind10, ist umstritten11. Ist die Zustimmung aller Mitgesellschafter erforderlich, so ist jedenfalls die Klage gegen jeden sich weigernden Gesellschafter zu richten12. Das rechtskräftige Urteil ersetzt die fehlende Genehmigung (§ 894 ZPO)13. Auch Schadensersatz kommt in Betracht. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

B/H/Fastrich Rn 47; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 404. MünchKomm/Reichert/Weller Rn 406; U/H/L/Löbbe Rn 260. BGHZ 13, 179, 187; BGHZ 48, 163, 166; Scholz/Seibt Rn 133. So richtig K. Schmidt FS Beusch, 1993, S. 778 ff; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 406; vgl auch BGHZ 108, 380, 384 f (für Grundstückskaufvertrag). Zum Streit bei rechtswidriger Verweigerung ausführlich MünchKomm/Bayer § 68 AktG Rn 99 mwN. MünchKomm/Reichert/Weller Rn 406 mwN; aA R/A/Altmeppen Rn 105 (§§ 177, 178 BGB analog). KG GmbHR 1998, 641; B/H/Fastrich Rn 46; Blasche RNotZ 2013, 515, 528. BGHZ 48, 163, 166; B/H/Fastrich Rn 47. MünchKomm/Reichert/Weller Rn 430; ausführlich Happ Die GmbH im Prozess, 1997, § 15 Rn 57 ff (Zustimmungsanspruch), Rn 91 ff (Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung), Rn 105 ff (Klage gegen erteilte Zustimmung). LG Aachen DB 1992, 1564, 1566; ausführlich Berger ZHR 157 (1993), 41; MünchKomm/Bayer § 68 AktG Rn 110 mwN. So OLG Koblenz GmbHR 1990, 39, 41. Zweifelnd Reichert/Winter FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 209, 227 f. MünchKomm/Reichert/Weller Rn 431. LG Düsseldorf DB 1989, 33; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 436 mwN.

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6. Mittelbare Vinkulierung, Umgehung a) Wird die Zustimmung versagt oder vom veräußernden Gesellschafter wegen 91 der ihm bekannten Zwecklosigkeit erst gar nicht beantragt, so wird häufig versucht, die Vinkulierungsklausel dadurch zu umgehen, dass eine rechtliche Konstruktion gewählt wird, die im wirtschaftlichen Ergebnis der Übertragung (oder Belastung) des Geschäftsanteils ähnlich ist und ohne Zustimmung durchgeführt werden kann1. In Betracht kommen in der Praxis insbesondere zwei wichtige Fallgruppen2: b) Zweifelsfrei vom Anwendungsbereich des § 15 Abs. 5 erfasst ist die sog Über- 92 tragungstreuhand (zum Begriff: Rn 105); denn hier überträgt der Gesellschafter seinen Anteil an den Treuhänder, der damit in die Gesellschaftsstellung einrückt3. Wird allerdings die Zustimmung erteilt, so gilt diese im Zweifel gleichfalls für die ebenfalls zustimmungsbedürftige4 Rückabtretung an den Treugeber5. Aber auch die sog Vereinbarungstreuhand (zum Begriff: Rn 106) unterfällt § 15 Abs. 5; denn obgleich hier keine Übertragung ieS vorliegt, könnte der Treugeber durch Kündigung des Treuhandvertrags den Geschäftsanteil ansonsten zustimmungsfrei erwerben, was Sinn und Zweck der Vinkulierung wiederspricht6. c) Gleiches gilt richtigerweise auch für Stimmbindungen und dauerhaft erteilte 93 Stimmrechtsvollmachten7. Denn all diese Konstruktionen sind als Umgehungen einer angeordneten Vinkulierung zu qualifizieren, wenn sie deren Zweck objektiv aushebeln; eine subjektive Umgehungsabsicht ist nicht erforderlich8. Im Zweifel werden die genannten Vereinbarungen daher von einer Vinkulierungsklausel auch dann erfasst, wenn dies nicht explizit angeordnet ist9. Dies gilt auch dann, wenn der Treugeber Mitgesellschafter ist10. 1 Dazu OLG Naumburg NZG 2004, 775 ff (zur BGB-Gesellschaft); ausführlich Liebscher ZIP 2003, 825 ff; Binz/Mayer NZG 2012, 201, 207 ff. 2 Dazu etwa Transfeld GmbHR 2010, 185 ff; K. Schmidt GmbHR 2011, 1289 ff. 3 RGZ 159, 272, 282; BayObLG GmbHR 1991, 572; U/H/L/Löbbe Rn 262 ff; K. Schmidt GmbHR 2011, 1289, 1291. 4 Richtig RG JW 1931, 2967, 2968; K. Schmidt GmbHR 2011, 1289, 1291. 5 §§§BGH v. 8.4.1965 – II ZR 77/63, GmbHR 1965, 155 mit Anm Gottschling; K. Schmidt GmbHR 2011, 1289, 1291. 6 RGZ 69, 134, 137; OLG Hamburg GmbHR 1993, 507; R/A/Altmeppen Rn 115; K. Schmidt GmbHR 2011, 1289, 1291; ebenso zu § 15 Abs. 4: BGHZ 141, 208, 212 = GmbHR 1999,707; aA OLG Hamm GmbHR 1993, 656, 658. 7 U/H/L/Löbbe Rn 263; näher Lutter/Grunewald AG 1989, 109, 111 ff; Liebscher ZIP 2003, 825, 826; Asmus S. 173 ff; 185 ff; zweifelnd allerdings K. Schmidt GmbHR 2011, 1289, 1291. 8 Ausführlich Lutter/Grunewald AG 1989, 109, 110 ff. 9 Michalski/Ebbing Rn 164; U/H/L/Löbbe Rn 251 (auch zu Ausnahmen); aA Roth/Thöni FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 245, 266 ff. 10 Richtig R/A/Altmeppen Rn 115; U/H/L/Löbbe Rn 264; aA OLG Hamm GmbHR 1993, 656, 658.

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§ 15 | Übertragung von Geschäftsanteilen 94 d) Rechtsfolge ist daher die schwebende Unwirksamkeit des Treuhandvertra-

ges usw1, nicht hingegen die Nichtigkeit2. Weder der Treugeber noch der Treuhänder ist in der Gesellschafterversammlung stimmberechtigt3. Kein Fall der Umgehung ist hingegen die Einräumung einer Unterbeteiligung, sofern es sich nicht in Wahrheit um einen verdeckten Treuhandvertrag handelt4 (dazu noch Rn 110). Je nachdem, wie die Vinkulierung ausgestaltet ist, bedarf nach § 13 Abs. 2 UmwG der Verschmelzungsbeschluss einer GmbH als übertragender Rechtsträger der Zustimmung der privilegierten Gesellschafter5.

95 e) Hält der Gesellschafter seinen Geschäftsanteil über eine Tochtergesellschaft,

speziell eine Zwischenholding6, dann kann eine Vinkulierungsklausel dadurch umgangen werden, dass (zustimmungsfrei) der Anteil an der Tochtergesellschaft (Holding7) übertragen wird. Dies kommt auch dann in Betracht, wenn die Satzung der GmbH konzerninterne Übertragungen generell zulässt, weil der Gesellschafter dann seinen Geschäftsanteil zunächst auf eine Tochtergesellschaft übertragen und dann den Anteil an dieser Tochtergesellschaft weiterübertragen kann8. Inwieweit hier die Übertragung des Anteils an der Tochtergesellschaft von der Vinkulierungsklausel in der GmbH-Satzung erfasst wird9, ist höchst streitig und vom Einzelfall abhängig10. Für die Praxis sind daher (Schutz-)Regelungen in der GmbH-Satzung zu empfehlen, die eine solche Konstellation ausdrücklich regeln11. Kommt man zu dem Ergebnis, dass die mittelbare Anteilsübertragung von der Vinkulierungsklausel in der GmbH erfasst wird (so im Zweifel bei der reinen Holding, in der nur die GmbH-Anteile gehalten werden12), dann stellt sich die weitere, ebenfalls umstrittene Frage nach der Rechtsfolge einer ohne Zustimmung vorgenommenen Übertragung des Anteils an der 1 U/H/L/Löbbe Rn 265; ausführlich MünchKomm/Bayer § 68 AktG Rn 119 ff mwN. 2 So aber RGZ 69, 134, 137. 3 So auch KölnKomm/Lutter/Drygala § 68 AktG Rn 50; MünchKomm/Bayer § 68 AktG Rn 121. 4 Dazu Beispiel OLG Frankfurt GmbHR 1992, 668; vgl weiter R/A/Altmeppen Rn 115; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 366. 5 U/H/L/Löbbe Rn 278; ausführlich Lutter/Drygala § 13 UmwG Rn 28 ff. 6 Zum Holding-Begriff näher Lutter in Lutter/Bayer, Holding-Hdb, Rn 1.11 ff; speziell zur Zwischenholding Rn 1.26 mwN. 7 Zur Holding in der Rechtsform der GmbH: Stephan in Lutter/Bayer, Holding-Hdb, Rn 3.210 ff. 8 Hierzu ausführlich Koppensteiner FS Druey, 2002, S. 427, 433 ff; Reichert Liber amicorum Happ, 2006, S. 241 ff. 9 Dazu auch Koppensteiner FS Druey, 2002, S. 427 ff; K. Schmidt GmbHR 2011, 1289, 1292 mwN. 10 Richtig MünchKomm/Reichert/Weller Rn 370 ff mwN; vgl etwa OLG Naumburg NZG 2004, 775. 11 Hierzu etwa Schmitz FS Wiedemann, 2002, S. 1223 ff; Reichert GmbHR 2012, 713, 723. 12 Wie hier MünchKomm/Bayer § 68 AktG Rn 122; vgl auch MünchKomm/Reichert/Weller Rn 372.

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Tochtergesellschaft (Holding)1: Nach zutreffender Ansicht ist weder die (erste) Übertragung des GmbH-Anteils auf die Tochtergesellschaft noch die (zweite) Übertragung des Anteils an der Tochtergesellschaft auf den Dritterwerber unwirksam (vgl § 137 Satz 1 BGB)2, vielmehr macht sich der betreffende Gesellschafter allein schadensersatzpflichtig (wegen Verletzung der Treuepflicht)3. Ausnahme: Sittenwidrigkeit der Anteilsübertragung (§ 138 BGB)4. Der beabsichtigte Verstoß gegen die mittelbare Vinkulierung kann im Wege der einstweiligen Verfügung untersagt werden5. f) Stimmabgaben des Treuhänders, Stimmrechtsbevollmächtigten usw in der 96 Gesellschafterversammlung der GmbH sind bei Umgehung der Vinkulierungsklausel rechtswidrig (Rn 95), so dass ein Gesellschafterbeschluss ggf anfechtbar ist6. In Bezug auf Vorgänge, durch die die Vinkulierung umgangen werden kann, haben die Mitgesellschafter ein Auskunftsrecht7.

VIII. Zwangsvollstreckung und Insolvenz Literatur: Geißler Statuarische Vorsorge bei der Pfändung eines GmbH-Geschäftsanteils und der Insolvenz eines Gesellschafters, GmbHR 2012, 370.

1. Pfändung Der Geschäftsanteil (auch Teil eines Geschäftsanteils) kann gemäß §§ 857, 829 97 ZPO gepfändet werden8; eine Vinkulierung nach § 15 Abs. 5 (Rn 68 ff) steht der Pfändung nicht entgegen9. Die Zustellung erfolgt an die Gesellschaft als Drittschuldner iSv § 829 Abs. 3 ZPO10. Das Verfügungsverbot gemäß § 829 Abs. 1 Satz 2 ZPO hindert Gesellschafter nicht an der Übertragung des Geschäftsanteils, da das Pfandrecht in diesem Fall stets – auch bei Gutgläubigkeit des Er-

1 Eingehend MünchKomm/Reichert/Weller Rn 376 ff; U/H/L/Löbbe Rn 266, 271 ff. 2 Ausführlich MünchKomm/Bayer § 68 AktG Rn 123 mwN; aA Liebscher ZIP 2003, 825, 831 f. 3 Richtig R/A/Altmeppen Rn 113; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 376, 378; U/H/L/ Löbbe Rn 259, 260. 4 MünchKomm/Reichert/Weller Rn 381; U/H/L/Löbbe Rn 259. 5 LG München I v. 12.9.2002 – 15 HKO 1576/02; Liebscher ZIP 2003, 825, 828. 6 Näher dazu und zur Beweislastverteilung Lutter/Grunewald AG 1989, 109, 114 ff und AG 1989, 409 ff; MünchKomm/Bayer § 68 AktG Rn 121 mwN. 7 OLG Hamburg GmbHR 1993, 507 zur Treuhand. 8 BGHZ 104, 354 = GmbHR 1989, 71; BGHZ 65, 22, 24; Roth ZGR 2000, 187, 212 (allgemeine Meinung). 9 BGHZ 32, 151, 155; BGHZ 65, 22, 26; Scholz/Seibt Rn 202; K. Schmidt GmbHR 2011, 1292, 1294 f; ausführlich Bork FS Henckel, 1995, S. 30 ff. 10 U/H/L/Löbbe Rn 312 mwN (ganz hM).

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§ 15 | Übertragung von Geschäftsanteilen werbers (dazu § 16 Rn 74) – bestehen bleibt (hM)1; Gesellschafter bleibt auch weiter zur Ausübung der Mitgliedschaftsrechte befugt2, darf jedoch keine Zustimmung zur (freiwilligen) Einziehung (§ 34 Abs. 2) und gesellschaftsvertraglich zulässigen Kündigung ohne wichtigen Grund erklären3, auch nicht zu einer Leistungsvermehrung nach § 53 Abs. 34. 98 Die Pfändung erfasst auch alle Surrogate5 wie Abfindungsanspruch, Anteil am

Liquidationserlös, und hat Vorrang vor rechtsgeschäftlichen Verfügungen des Gesellschafters im Wege der Vorausabtretung solcher erfassten künftigen Ansprüche6; dies gilt nach hM jedoch nicht für Gewinnansprüche, und zwar unabhängig, ob sie vor oder nach der Pfändung entstanden sind7; diese hM wird indes mit beachtlichen Gründen in Frage gestellt8. Der Praxis ist daher stets eine selbständige Pfändung der Gewinnansprüche zu empfehlen. 2. Verwertung

99 Die Verwertung erfolgt durch Veräußerung (§ 857 Abs. 5 ZPO) auf Anordnung

des Gerichts (§ 844 ZPO); unzulässig ist die Überweisung zur Einziehung9. Nach ganz hM sollen die Beschränkungen des § 15 Abs. 5 auch hier nicht gelten10. Die hM will den (anerkannten) Schutz vor dem Eindringen Dritter vielmehr mit der statutarischen Einziehung11 (hier ohne Mitwirkung des Pfandgläubigers) oder mit statutarischen Erwerbsrechten12 gewährleisten, allerdings nur gegen volles Entgelt, wenn nur für den Fall der Pfändung angeordnet (vgl auch § 34 Rn 25)13; anders hingegen, wenn die Abfindungsbeschränkung generell gilt14. Sei die Gesellschaft zur Abfindungsleistung finanziell nicht in der Lage (§ 30 ist zu beachten!) und auch die Mitgesellschafter nicht bereit oder fä1 2 3 4 5 6

7 8 9 10 11 12 13 14

R/A/Altmeppen Rn 62; U/H/L/Löbbe Rn 296 mwN. BGH NJW 1967, 1693; Scholz/Seibt Rn 197a; U/H/L/Löbbe Rn 318 mwN. B/H/Fastrich Rn 62; Scholz/Seibt Rn 197. Richtig MünchKomm/Reichert/Weller Rn 535; U/H/L/Löbbe Rn 318; aA Scholz/Seibt Rn 197. U/H/L/Löbbe Rn 313 (allgemeine Meinung). BGHZ 104, 351, 354 = GmbHR 1989, 71; B/H/Fastrich Rn 62; MünchKomm/Reichert/ Weller Rn 529; ablehnend Marotzke ZIP 1988, 1509, 1524. So hM: B/H/Fastrich Rn 62; R/S-L/Görner Rn 155; Michalski/Ebbing Rn 239. Vgl nur Roth ZGR 2000, 187, 212 f mwN; differenzierend U/H/L/Löbbe Rn 315 mwN. MünchKomm/Reichert/Weller Rn 537; Scholz/Seibt Rn 199. BGHZ 32, 151, 155; BGHZ 65, 22, 24 f; Scholz/Seibt Rn 202; K. Schmidt GmbHR 2011, 1292, 1294 f; ausführlich U/H/L/Löbbe Rn 328 mwN. Dazu ausführlich MünchKomm/Reichert/Weller Rn 548 mwN. Dazu MünchKomm/Reichert/Weller Rn 547 mwN. BGHZ 32, 151, 156; BGHZ 65, 22, 26; B/H/Fastrich Rn 61; U/H/L/Löbbe Rn 333. Einzelheiten streitig; vgl BGHZ 65, 22, 26 ff; ausführlich MünchKomm/Reichert/Weller Rn 549, 550; U/H/L/Löbbe Rn 333 mwN; aA (stets volles Entgelt) Roth ZGR 2000, 187, 215 mwN.

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hig, so müsse allerdings den Gläubigerinteressen generell Vorrang eingeräumt werden1. Der hM ist nicht zu folgen: Da es sich bei der Vinkulierung nicht um eine rechts- 100 geschäftliche Verfügungsbeschränkung auf der Ebene der § 137 BGB, § 851 Abs. 2 ZPO – die sich gegenüber der Zwangsvollstreckung nicht behaupten könnten –, sondern um eine inhaltliche Beschränkung des Mitgliedschaftsrechts handelt, muss der Pfändungsgläubiger diese Beschränkung des Vollstreckungsobjekts grds hinnehmen2. Der Schutz der Gesellschaft wäre jedoch nur unzureichend, wenn sie generell nur die Möglichkeit hätte, den Zugriff durch Zahlung gemäß § 267 BGB3 oder durch Erwerb des Anteils im Wege eines abfindungspflichtigen Ausschlusses des Gesellschafters abzuwenden. Die vorzugswürdige und flexible Lösung liegt vielmehr in der Beachtung der Vinkulierung bei gleichzeitiger Berücksichtigung aller beteiligten Interessen im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung4 (so auch die hM im Aktienrecht5). Der Zuschlag des Gerichtsvollziehers in der öffentlichen Versteigerung (§ 817 101 ZPO, § 156 BGB) ersetzt die Form des § 15 Abs. 3, die jedoch bei freihändiger Veräußerung zu beachten ist6. Erwerb gilt gegenüber der Gesellschaft nur unter den Voraussetzungen gemäß §§ 16 Abs. 1, 407 (§ 40 Rn 12). Der Geschäftsanteil geht mit den Lasten aus § 3 Abs. 2 (Nebenleistungen), § 16 Abs. 2 (Rückstände), § 24 (Ausfallhaftung) und § 26 (Nachschuss) auf den Erwerber über8. Gewährleistungsrechte bestehen gemäß § 806 ZPO weder gegen den Pfändungsgläubiger noch gegen den bisherigen Gesellschafter9. 3. Insolvenz In der Insolvenz des Gesellschafters gehört der Geschäftsanteil zur Masse (§ 35 102 InsO); der Insolvenzverwalter übt alle Mitgliedschaftsrechte aus (§ 80 Abs. 1 InsO), wenngleich der Gesellschafter – bis zu einer etwaigen Verwertung oder Einziehung – Inhaber des Geschäftsanteils bleibt10. § 15 Abs. 5 steht insoweit nicht 1 So ganz deutlich Roth ZGR 2000, 187, 212 ff. 2 So auch die hM im Aktienrecht: KölnKomm/Lutter/Drygala § 68 AktG Rn 552; MünchKomm/Bayer § 68 AktG Rn 112 ff mwN. 3 Hierzu (zulässig) MünchKomm/Reichert/Weller Rn 546 mwN. 4 Zutreffend Bork FS Henckel, 1995, S. 32 ff; im Ergebnis auch BGH NJW 1987, 1019 sowie ausführlich Liebscher/Lübke ZIP 2004, 241, 251; zustimmend Blasche RNotZ 2013, 515, 529; Skauradszun NZG 2012, 1244, 1248. 5 Hüffer/Koch § 68 AktG Rn 11; KölnKomm/Lutter/Drygala § 68 AktG Rn 55; ausführlich MünchKomm/Bayer § 68 AktG Rn 112 f mwN. 6 RGZ 164, 162, 170; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 539 mwN. 7 Scholz/Seibt Rn 209; U/H/L/Löbbe Rn 322 (allgemeine Meinung). 8 MünchKomm/Reichert/Weller Rn 540; U/H/L/Löbbe Rn 325. 9 Scholz/Seibt Rn 200; Michalski/Ebbing Rn 242. 10 MünchKomm/Reichert/Weller Rn 556 (allgemeine Meinung).

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§ 15 | Übertragung von Geschäftsanteilen entgegen (allgemeine Meinung). Die Satzung kann allerdings das Ruhen der Mitgliedschaftsrechte anordnen1. Im Hinblick auf die Verwertung der Geschäftsanteile gilt jedoch das Gleiche wie bei der Pfändung (Rn 100): Entgegen der ganz hM2 muss auch der Insolvenzverwalter die Beschränkungen des § 15 Abs. 5 beachten; die Gesellschaft hat bei ihrer Entscheidung jedoch die Interessen ihres Gesellschafters und der hinter ihm stehenden Gläubiger besonders zu berücksichtigen (ausführlich Rn 100)3. Nach allgemeiner Meinung hat der Insolvenzverwalter bei der Verwertung § 15 Abs. 3 und 4 zu beachten; im Verhältnis zur GmbH gilt § 164. Die Aufnahme in einen bestätigten Insolvenzplan (§ 254a Abs. 1 InsO) ersetzt die Formerfordernisse nach § 15 Abs. 3, 45. Ein Pfandrecht am Geschäftsanteil setzt sich am Abfindungsanspruch fort, falls der Geschäftsanteil infolge der Insolvenz des GmbH-Gesellschafters eingezogen wird6.

IX. Treuhand und Sicherungsabtretung Literatur: Armbrüster Die treuhänderische Beteiligung an Gesellschaften, 2001; Beuthien Treuhand an Geschäftsanteilen, ZGR 1974, 26; Gebke Die Treuhand im Gesellschaftsrecht – ein Überblick vertieft anhand von Einzelfällen, GmbHR 2014, 1128; Geyrhalter Grenzüberschreitende Treuhandvereinbarungen bei GmbH-Beteiligungen, ZIP 1999, 647; Greitemann Die Formbedürftigkeit der Erwerbstreuhand an GmbH-Anteilen, GmbHR 2005, 577; Kallmeyer Abtretungsverpflichtung aus formloser Erwerbstreuhand?, GmbHR 2006, 66; Roth/Thöni Treuhand und Unterbeteiligung, FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 245; Schaub Treuhand an GmbH-Anteilen, DStR 1995, 1634; Schulz Zur Formbedürftigkeit von Vereinbarungs- und Erwerbstreuhand an GmbH-Geschäftsanteilen, GmbHR 2001, 282; Sommer/Menzel Sind unwirksame Treuhandverhältnisse an GmbH-Anteilen steuerlich anzuerkennen?, GmbHR 2003, 917.

103 Treuhand und Sicherungsabtretung an Geschäftsanteilen sind uneingeschränkt

zulässig7 (ausführlich § 14 Rn 26 ff). Im Hinblick auf die Formvorschriften von § 15 Abs. 3 und 4 sowie die Beschränkungen gemäß § 15 Abs. 5 ist allerdings wie folgt zu differenzieren:

1 Michalski/Ebbing Rn 250; U/H/L/Löbbe Rn 338 mwN; aA R/S-L/Görner Rn 165. 2 R/A/Altmeppen Rn 64; U/H/L/Löbbe Rn 338 mwN. 3 So die hM im Aktienrecht: MünchKomm/Bayer § 68 AktG Rn 114 mwN; ebenso Liebscher/Lübke ZIP 2004, 241, 251; Blasche RNotZ 2013, 515, 529; für Österreich auch Koppensteiner/Rüffler § 76 Rn 8 mwN. 4 Michalski/Ebbing Rn 251; Wicke Rn 33. 5 Vgl BegrRegE ESUG BR-Drucks 127/11, S. 53; Braun/Braun/Frank 5. Aufl 2012, § 254a InsO Rn 3. 6 Näher Herbst/Harig NZI 2014, 389 ff. 7 MünchKomm/Reichert/Weller Rn 208; U/H/L/Löbbe Rn 198 mwN.

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1. Treuhandvertrag a) Die Vereinbarung zwischen Treugeber und Treuhänder, wonach sich Letzte- 104 rer für den Treugeber an der Gründung einer GmbH beteiligt und somit für den Treugeber künftige Geschäftsanteile erwerben wird (sog Erwerbstreuhand), ist formfrei, obwohl sie ex lege die Pflicht zur Abtretung des Geschäftsanteils nach Beendigung des Treuhandverhältnisses begründet (§ 667 BGB)1. Gleiches gilt für die Abrede, für den Treugeber einen Geschäftsanteil im Rahmen einer künftigen Kapitalerhöhung (also vor Beurkundung des Kapitalerhöhungsbeschlusses) zu übernehmen2. Formbedürftig nach § 15 Abs. 4 ist jedoch entgegen der Auffassung des III. ZS des BGH3 die Verpflichtung des Treuhänders, an den Treugeber Geschäftsanteile herauszugeben, die der Treuhänder mit Mitteln des Treugebers von einem Dritten erworben hat4. Denn diese Konstellation ist der Vereinbarungstreuhand vergleichbar (Rn 106). b) Formbedürftig nach § 15 Abs. 4 ist ebenso die Abrede, wonach der Treugeber 105 einen bestehenden Geschäftsanteil auf den Treuhänder übertragen und dieser ihn treuhänderisch halten wird (sog Übertragungstreuhand)5. c) Formbedürftig (§ 15 Abs. 4) ist auch die Abrede, dass der Gesellschafter einen 106 bereits bestehenden Geschäftsanteil künftig für einen Dritten treuhänderisch halten soll (sog Vereinbarungstreuhand)6; auch hier wird der neue Treugeber wirtschaftlicher Eigentümer des Geschäftsanteils, und für den Gesellschafter und jetzigen Treuhänder wird die Pflicht begründet, den Geschäftsanteil auf Verlangen an den Treugeber zu übertragen. In Abgrenzung zur formlosen Erwerbstreuhand7 (Rn 104) greift das Formerfordernis des § 15 Abs. 4 ab dem Zeitpunkt ein, in dem der GmbH-Vertrag notariell beurkundet wurde, also ab dem Stadium der Vor-GmbH (dazu § 11 Rn 5 ff)8.

1 BGHZ 141, 207, 213 mit Anm Bayer/Pielka = WuB II C. § 15 GmbHG 1.00 = DStR 1999, 861 mit Anm Goette = GmbHR 1999, 707; OLG Celle NZG 2001, 368 (LS); OLG Frankfurt GmbHR 1992, 368; R/A/Altmeppen Rn 52; aA Armbrüster DNotZ 1997, 762, 764 mwN. 2 OLG Köln NZG 2001, 810 (LS); B/H/Fastrich Rn 56; U/H/L/Löbbe Rn 205. 3 BGH GmbHR 2005, 53 mit Anm Kleinert; kritisch, im Ergebnis aber zustimmend, Greitemann GmbHR 2005, 577 ff. 4 Wie hier auch Kallmeyer GmbHR 2006, 66 ff; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 214. 5 R/A/Altmeppen Rn 48; R/S-L/Görner Rn 68. 6 OLG Frankfurt GmbHR 2005, 764, 766; Schulz GmbHR 2001, 282, 283 ff; Scholz/Seibt Rn 230. 7 Zustimmend MünchKomm/Reichert/Weller Rn 214 mwN. 8 So im Ergebnis auch BGHZ 141, 207, 212 = WuB II C. § 15 GmbHG 1.00 mit Anm Bayer/Pielka = DStR 1999, 861 mit Anm Goette = GmbHR 1999, 707; bestätigt durch BGH DStR 2006, 1378.

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§ 15 | Übertragung von Geschäftsanteilen 2. Abtretung 107 a) Die Abtretung eines bestehenden Geschäftsanteils durch den Gesellschafter

(Treugeber) an den Treuhänder macht diesen in jeder Hinsicht zum neuen Gesellschafter und unterliegt daher generell der Form des § 15 Abs. 31 sowie den Beschränkungen des § 15 Abs. 52. Dies gilt grundsätzlich auch für die Rückabtretung nach Beendigung des Treuhandverhältnisses3, es sei denn, die vorherige Abtretung erfolgte auflösend bedingt4; mit der Zustimmung zur offengelegten treuhänderischen Abtretung wird allerdings zugleich die Zustimmung zur Rückabtretung erteilt5.

108 b) Der Form des § 15 Abs. 3 unterliegt auch die Übertragung der Treugeberstel-

lung (= Abtretung des Anspruches auf Rückübertragung) an einen Dritten6. Dies gilt allerdings nach ganz hM nicht, wenn der Rückübertragungsanspruch abgetreten wird, um einen Wechsel des Treuhänders vorzubereiten (Treugeber tritt Rückübertragungsanspruch gegen Treuhänder I an Treuhänder II ab; dieser verlangt von Treuhänder I dann die Übertragung des Geschäftsanteils), da aus der maßgeblichen Sicht des Treugebers kein Anteilswechsel stattfindet7.

3. Sicherungsabtretung 109 Die Sicherungsabtretung ist ein Fall der Sicherungstreuhand; die Ausführungen

zu Rn 107 f gelten daher entsprechend8.

X. Unterbeteiligung Literatur: Blaurock/Berninger Unterbeteiligung an einem GmbH-Anteil in zivilrechtlicher und steuerrechtlicher Sicht, GmbHR 1990, 11, 87; Henn Die Unterbeteiligung in der GmbH, 1996; Krauß/Meichelbeck Unternehmensnachfolge bei minderjährigen Kindern, DB 2015, 2114; Roth/Thöni Treuhand und Unterbeteiligung, FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 245.

110 Unterbeteiligung am Geschäftsanteil begründet eine BGB-Innengesellschaft, auf

die §§ 705 ff BGB, ggf teilweise §§ 230 ff HGB anzuwenden sind9. Gesellschafter der GmbH ist allein der Hauptbeteiligte10. Die Formerfordernisse von § 15 B/H/Fastrich Rn 57; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 214, 215 (allgemeine Meinung). B/H/Fastrich Rn 58; U/H/L/Löbbe Rn 208 (allgemeine Meinung). Scholz/Seibt Rn 235; Michalski/Ebbing Rn 212. KG GmbHR 1997, 603, 605; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 219. BGHZ 77, 392, 395; BGH NJW 1965, 1376; R/A/Altmeppen Rn 50. Scholz/Seibt Rn 230; R/A/Altmeppen Rn 48; aA noch RGZ 80, 99. BGHZ 19, 69, 71; BGHZ 75, 352, 353 = GmbHR 1981, 55; U/H/L/Löbbe Rn 197. MünchKomm/Reichert/Weller Rn 241; R/S-L/Görner Rn 82. BGHZ 50, 316, 320 ff; OLG Frankfurt GmbHR 1987, 57; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 243. 10 Scholz/Seibt Rn 225; R/A/Altmeppen Rn 65; U/H/L/Löbbe Rn 216. 1 2 3 4 5 6 7 8 9

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Abs. 3 und 4 gelten grundsätzlich nicht1; anders jedoch, wenn bei Beendigung der Unterbeteiligung eine Pflicht zur Übertragung oder Teilung des Geschäftsanteils vereinbart wird2. Hauptgesellschafter kann aber auch Treuhänder des Unterbeteiligten sein3; dann gelten Ausführungen zu Rn 104 ff entsprechend4. § 15 Abs. 5 findet keine Anwendung5; jedoch kann Satzung der GmbH Unterbeteiligung verbieten und Gesellschafter kann bei Zuwiderhandeln aus wichtigem Grund ausgeschlossen werden6. Zum Informationsanspruch ausführlich Scholz/ Seibt Rn 225 mwN.

XI. Verpfändung und Nießbrauch Literatur: Barry Nießbrauch an GmbH-Geschäftsanteilen, RNotZ 2014, 401; Berger Notar als Auktionator: Die Versteigerung von Geschäftsanteilen, NotBZ 2011, 8; Bruhns Verpfändung von GmbH-Anteilen in der Finanzierungspraxis, GmbHR 2006, 587; Frank Der Nießbrauch an Gesellschaftsanteilen, MittBayNot 2010, 96; Maier-Reimer Verwertung von Pfandrechten an Unternehmensbeteiligung, BB 2003, 1630; B. Mertens Typische Probleme bei der Verpfändung von GmbH-Anteilen, ZIP 1998, 1787; Meyer Der Nießbrauch an GmbH-Geschäftsanteilen und an Aktien, 2002; Petzoldt Nießbrauch an Kommanditanteilen und GmbH-Geschäftsanteilen – Zivil- und Steuerrecht, GmbHR 1987, 381; Reichert/ Schlitt/Düll Die gesellschafts- und steuerrechtliche Gestaltung des Nießbrauchs an GmbH-Anteilen, GmbHR 1998, 565; Reymann Die Verpfändung von GmbH-Geschäftsanteilen, DNotZ 2005, 425; Rodewald Überlegungen im Zusammenhang mit der Verpfändung von GmbH-Anteilen, GmbHR 1995, 418; v. Rom Zum Umfang der Beurkundungspflicht bei Verpfändung von GmbH-Geschäftsanteilen, WM 2007, 2223; Roth Pfändung und Verpfändung von Gesellschaftsanteilen, ZGR 2000, 187; Schlieter Die Verpfändung von GmbH-Geschäftsanteilen, 2009; K. Schmidt Stimmrecht beim Anteilsnießbrauch, ZGR 1999, 601; Schön Der Nießbrauch am Gesellschaftsanteil, ZHR 158 (1994), 229; Sieger/Hasselbach Praktische Probleme bei der Verpfändung von GmbH-Geschäftsanteilen, GmbHR 1999, 633; Widder Die Aufhebung der Verpfändung von GmbH-Anteilen, GmbHR 2002, 898.

1. Verpfändung Die – zulässige – Verpfändung von Geschäftsanteilen (oder von Teilen von Ge- 111 schäftsanteilen) hat als Mittel zur Kreditsicherung große Bedeutung7. Gemäß 1 OLG Frankfurt GmbHR 1987, 57; OLG Schleswig GmbHR 2002, 652, 654; B/H/Fastrich Rn 59. 2 R/A/Altmeppen Rn 65; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 252. 3 Scholz/Seibt Rn 224; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 256. 4 OLG Schleswig GmbHR 2002, 652, 654 (zur Vereinbarungstreuhand); B/H/Fastrich Rn 59. 5 MünchKomm/Reichert/Weller Rn 253 mwN (allgemeine Meinung). 6 MünchKomm/Reichert/Weller Rn 254; Scholz/Seibt Rn 224. 7 Ausführlich Bruhns GmbHR 2006, 587 ff.

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§ 15 | Übertragung von Geschäftsanteilen § 1274 Abs. 1 Satz 1 BGB gelten § 15 Abs. 3 und § 15 Abs. 5, dh der (dingliche) Verpfändungsvertrag ist formbedürftig1 und es müssen ggf bestehende statutarische Schranken beachtet werden2 (Rn 75); das der Verpfändung zugrunde liegende Kausalgeschäft bedarf hingegen nicht der Form des § 15 Abs. 4 (analog)3. Anzeige gemäß § 1280 BGB ist zur Wirksamkeit der Verpfändung nicht erforderlich4. Soweit jedoch der Pfandgläubiger Rechte gegenüber der Gesellschaft geltend machen will, war nach früherem Recht eine Anzeige analog § 16 Abs. 1 aF erforderlich5. Belastung des Geschäftsanteils kann aber nach neuer Rechtslage nicht in die Gesellschafterliste nach § 40 aufgenommen werden (dazu § 40 Rn 16). Zum Schutz der GmbH ist daher nach wie vor eine Anzeige der Verpfändung erforderlich6. 112 Aufhebung des Pfandrechts sowie Abtretung des gesicherten Anspruchs wer-

den von § 15 Abs. 3 und § 15 Abs. 5 dagegen nicht erfasst7 (allgemeine Meinung); die Aufhebung erfolgt durch einseitige Willenserklärung des Pfandgläubigers gemäß §§ 1255 Abs. 1, 1273 Abs. 2 Satz 1 BGB8. Zur Verpfändung von Kommanditanteilen an einer GmbH & Co KG: Werner GmbHR 2008, 755 ff.

113 Die mitgliedschaftlichen (Verwaltungs-)Rechte (inkl Stimmrecht)verbleiben

beim Gesellschafter; der Pfandgläubiger ist regelmäßig nur zur Verwertung nach Pfandreife (Rn 114) berechtigt9. Eine Ausnahme ist allerdings bei der Zustimmung zur (freiwilligen) Einziehung oder bei der gesellschaftsvertraglich zulässigen Kündigung ohne wichtigen Grund, nicht aber für Auflösungsklage oder Austritt aus wichtigem Grund zu machen10. Ermächtigung an den Pfandgläubiger zur Stimmrechtsausübung im eigenen Namen ist nicht möglich11 (Abspaltungsverbot!12, sehr streitig), jedoch widerrufliche Vollmacht, soweit sie Gesellschafter nicht verdrängt13 (dazu auch § 14 Rn 22 ff und § 47 Rn 28). Pfandrecht erfasst – ebenso wie bei der Pfändung – auch Surrogate (Rn 98) und hat auch 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

RGZ 53, 107 ff; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 280 mwN. B/H/Fastrich Rn 49; Scholz/Seibt Rn 172 ff mwN. RGZ 58, 223, 225; ausführlich v. Rom WM 2007, 2223 ff mwN zum Streitstand. RGZ 57, 414 ff; U/H/L/Löbbe Rn 166 mwN. 16. Aufl, Rn 66. Ausführlich Bayer GmbHR 2012, 1, 5 mwN; Scholz/Seibt Rn 175. MünchKomm/Reichert/Weller Rn 318 mwN. Zutreffend Widder GmbHR 2002, 898, 899; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 318; vgl weiter Scholz/Seibt Rn 190 (aber mit fehlerhaftem Hinweis auf § 1276 BGB). BGHZ 119, 191, 194 f = GmbHR 1992, 656; RGZ 157, 52, 55; R/A/Altmeppen Rn 57; Michalski/Ebbing Rn 227; so auch für verpfändete Aktien: BGH ZIP 2015, 2286 Rn 28 – Schmid/Mobilcom; teilweise aA Roth ZGR 2000, 187, 220. Zutreffend R/A/Altmeppen Rn 60; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 297. R/A/Altmeppen Rn 57; U/H/L/Löbbe Rn 171 mwN; aA RGZ 157, 52, 55 bei Zustimmung Mitgesellschafter. Dazu ausführlich Hermanns ZIP 2005, 2284 ff. Scholz/Seibt Rn 178; Sieger/Hasselbach GmbHR 1999, 633, 637.

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Vorrang vor rechtsgeschäftlichen Verfügungen des Gesellschafters im Wege der Vorausabtretung künftiger Ansprüche (s. auch Rn 98)1, erstreckt sich jedoch nicht automatisch analog § 1289 BGB auf Gewinnanspruch, sondern gewährt nur Recht auf Befriedigung aus dem Geschäftsanteil2 (s. auch Rn 98); doch kann auch ein Nutzungspfand vereinbart3 (§§ 1273 Abs. 2 Satz 2, 1213 Abs. 1 BGB) oder der Gewinnanspruch gesondert abgetreten bzw verpfändet werden4. Verwertung erfolgt nach §§ 1273 Abs. 2, 1228 Abs. 1, 1233 ff, 1277 BGB5 oder 114 nach §§ 1235, 1245 BGB6; in der Zustimmung zur Verpfändung liegt generell auch eine ggf nach § 15 Abs. 5 erforderliche Zustimmung zur Verwertung7. § 15 Abs. 3, 4 finden bei freihändiger Verwertung Anwendung8; vgl im Übrigen Rn 101. 2. Nießbrauch Nießbrauch am Geschäftsanteil ist zulässig9 – insbesondere steht das Abspal- 115 tungsverbot nicht entgegen – und in der Praxis weit verbreitet10, durch die Schnittstellen Gesellschafts-, Sachen- und Steuerrecht können indes komplexe Fragestellungen auftreten11. Bestellung erfolgt nach § 1069 BGB12 gemäß § 15 Abs. 313, Kausalgeschäft fordert hingegen nicht Form des § 15 Abs. 414. Vinkulierungsklausel gemäß § 15 Abs. 5 (Rn 75) erfasst Nießbrauchsbestellung im Zweifel auch ohne ausdrückliche Erwähnung15, doch kann Satzung selbstverständlich auch eine differenzierte Regelung treffen16. Bei Nießbrauchsbestellung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16

Ebenso BGH GmbHR 1989, 71 f; Bruhns GmbHR 2006, 587, 588 mwN. BGHZ 119, 191, 194 = GmbHR 1992, 656; U/H/L/Löbbe Rn 174 mwN. B/H/Fastrich Rn 51; Scholz/Seibt Rn 181. MünchKomm/Reichert/Weller Rn 291; Michalski/Ebbing Rn 223. Ausführlich hierzu Maier-Reimer/Webering BB 2003, 1630 ff; Berger NotBZ 2011, 8 ff. Zur Möglichkeit der Vereinbarung eines Ablösungsrechts für Mitgesellschafter: Lux GmbHR 2003, 938. Wie hier B/H/Fastrich Rn 51; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 322; U/H/L/Löbbe Rn 176 mwN; aA Scholz/Seibt Rn 194 aE; Liebscher/Lübke ZIP 2004, 241, 247. RGZ 164, 162, 170; R/A/Altmeppen Rn 56; U/H/L/Löbbe Rn 175. Schön ZHR 158 (1994), 229; Reichert/Schlitt/Düll GmbHR 1998, 565; U/H/L/Löbbe Rn 179. Zur notariellen Praxis ausführlich Barry RNotZ 2014, 401 ff. Vgl Wälzholz MittBayNot 2009, 129: „Jeder … der sich mit dem Nießbrauch an Gesellschaftsanteilen vertieft beschäftigt hat, weiß, dass es kaum etwas Komplizierteres gibt“. Einzelheiten bei Erman/Bayer § 1069 BGB Rn 6, § 1081 BGB Rn 6 ff. So zutreffend ganz hM: B/H/Fastrich Rn 52; Scholz/Seibt Rn 213 mwN. B/H/Fastrich Rn 52; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 326. OLG Koblenz GmbHR 1992, 464, 465; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 327; U/H/L/ Löbbe Rn 180; B/S/Brandes Rn 58; R/S-L/Görner Rn 70; aA Blasche RNotZ 2013, 515, 516; Barry RNotZ 2014, 401, 406. MünchHdbGmbH/Kraus § 26 Rn 68; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 327 mwN.

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§ 15 | Übertragung von Geschäftsanteilen durch Eltern zugunsten minderjähriger Kinder ist wegen § 181 BGB eine Pflegerbestellung (§§ 1629 Abs. 2, 1795 Abs. 2, 1909 Abs. 1 Satz 1 BGB) notwendig1, regelmäßig indes bei schenkweiser Zuwendung keine Genehmigung des Familiengerichts2. Pflegerbestellung ist im Zweifel auch notwendig, wenn Geschäftsanteile an minderjährige Kinder schenkweise unter Nießbrauchsvorbehalt übertragen werden3. Zur Wirksamkeit ist Anzeige gegenüber GmbH nicht erforderlich, zum Schutz des Nießbrauchers vor befreiender Leistung an Gesellschafter (§§ 1070 Abs. 1, 407 BGB) aber sinnvoll4. Eine Eintragung in die Gesellschafterliste kommt de lege lata indes nicht in Betracht (ausführlich § 40 Rn 16); daher erstrecken sich die Wirkungen des § 16 Abs. 1 (näher § 16 Rn 26 ff) nicht auf die Ausübung des Nießbrauchs5. Gutgläubiger Erwerb gemäß § 16 Abs. 3 erfasst nicht dingliche Belastungen und daher auch nicht den Nießbrauch (§ 16 Rn 74); doch kann der in der Gesellschafterliste eingetragene Nichtberechtigte nach Maßgabe von § 16 Abs. 3 gegenüber einem Gutgläubigen ein Nießbrauchsrecht wirksam bestellen6 (vgl auch § 16 Rn 64, 71). Der Nießbrauch ist grundsätzlich nicht übertragbar (§ 1059 Satz 1 BGB), doch kommt Überlassung zur Ausübung an einen Dritten in Betracht (§ 1059 Abs. 2 BGB)7. Der Nießbrauch erlischt mit dem Tod des Berechtigten (§ 1061 Satz 1 BGB), im Übrigen durch (formlose) Aufhebung bzw Eintritt einer vereinbarten Bedingung bzw Fristablauf8. 116 Von der Interessenlage her sind Vorbehaltsnießbrauch, Zuwendungsnieß-

brauch und Vermächtnisnießbrauch zu unterscheiden9. Neben dem Vollrechtsnießbrauch ist auch sog Quotennießbrauch möglich, dh der Nießbrauch lastet auf dem ganzen Geschäftsanteil, dem Nießbraucher steht jedoch nur das Nutzungsrecht im Hinblick auf eine bestimmte Quote zu; in Betracht kommt weiterhin sog Bruchteilsnießbrauch (an einem ideellen Bruchteil des Geschäftsanteils ohne Realteilung)10.

117 Dem Nießbraucher stehen die Nutzungen (§§ 1030, 100, 99 Abs. 2 BGB) zu,

insbesondere der auf den belasteten Geschäftsanteil entfallende, ggf zeitanteilige Gewinn11, nicht hingegen ein Anteil an den Rücklagen oder den stillen Re1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

Reichert/Schlitt/Düll GmbHR 1998, 565, 566, Barry RNotZ 2014, 401, 407. Wachter NotBZ 2000, 33, 36; Barry RNotZ 2014, 401, 407. Ausführlich Bürger RNotZ 2006, 156, 161 ff. Scholz/Seibt Rn 213; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 329; Barry RNotZ 2014, 401, 407. Abweichend die hM vor dem MoMiG: RG JW 1934, 976; Reichert/Schlitt/Düll GmbHR 1998, 565, 566. Barry RNotZ 2014, 401, 407. Näher Erman/Bayer § 1059 BGB Rn 5 ff mwN. Barry RNotZ 2014, 401, 408; näher Erman/Bayer § 1030 BGB Rn 5. Näher Barry RNotZ 2014, 401, 402 ff (mit Gestaltungsalternativen). MünchKomm/Reichert/Weller Rn 328. Scholz/Seibt Rn 214; Barry RNotZ 2014, 401, 408.

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Übertragung von Geschäftsanteilen | § 15

serven1. Bei Untergang des nießbrauchsbelasteten Geschäftsanteils setzt sich der Nießbrauch an dessen Surrogaten fort, also etwa am Einziehungsentgelt, am Liquidationserlös oder am Abfindungsanspruch2. Der Nießbraucher ist bei Kapitaleröhungen nicht bezugsberechtigt3; bei Kapi- 118 talerhöhung aus Gesellschaftsmitteln erstreckt sich der Nießbrauch allerdings auf hinzuerworbene Anteile des Bestellers4; bei Kapitalerhöhung gegen Einlagen besteht dagegen nur ein Anspruch auf Bestellung eines zusätzlichen Nießbrauchs insoweit, als der belastete Geschäftsanteil einen Wertverlust erlitten hat5. Verwaltungsrechte – insbesondere Stimmrecht – verbleiben grds beim Gesell- 119 schafter (hM)6; dieser hat jedoch auf die Interessen des Nießbrauchers Rücksicht zu nehmen7. Rechtslage ist hoch streitig8; daher vertragliche Regelung ratsam9. Zulässig ist jedenfalls Stimmrechtsvollmacht (auch unwiderrufliche – aber nicht verdrängende10); dem Gesellschafter verbleibt in diesem Fall der Widerruf der Vollmacht aus wichtigem Grund11. Vertragliche Stimmrechtseinräumung soll nach hM unzulässig sein12; dagegen aber mit beachtlichen Argumenten eine starke Mindermeinung13. In Betracht kommen Zustimmungserfordernisse des Nießbrauchers gemäß § 1071 BGB, so etwa bei Kündigung der Gesellschaft14, aber auch bei Umwandlungsmaßnahmen, zB im Hinblick auf Verzichtserklärungen gemäß § 54 Abs. 1 Satz 3 GmbHG15, nicht hingegen im Hinblick auf den Umwandlungsbeschluss als solchen16. 1 BGHZ 58, 316, 320; BFHE 167, 90 ff; Brandi/Mühlmeier GmbHR 1997, 734; Reichert/ Schlitt/Düll GmbHR 1998, 565, 567; Frank MittBayNot 2010, 96, 101; Scholz/Seibt Rn 214; aA Fricke GmbHR 2008, 739, 742 f. 2 MünchKomm/Reichert/Weller Rn 345, 346; näher Barry RNotZ 2014, 401, 413. 3 BGHZ 58, 316, 319; U/H/L/Löbbe Rn 185; Scholz/Seibt Rn 214. 4 B/H/Fastrich Rn 54; Scholz/Seibt Rn 216 mwN. 5 U/H/L/Löbbe Rn 185; Scholz/Seibt Rn 216 mwN. 6 OLG Koblenz GmbHR 1992, 464, 465; Scholz/Seibt Rn 217 mwN; für BGB-Gesellschaft auch BGH NJW 1999, 571 mit zustimmender Besprechung K. Schmidt ZGR 1999, 601 ff. 7 OLG Koblenz GmbHR 1992, 464, 465; Barry RNotZ 2014, 401, 410; Scholz/Seibt Rn 217. 8 Ausführlich MünchKomm/Reichert/Weller Rn 335 ff; U/H/L/Löbbe Rn 187 ff. 9 Dazu ausführlich etwa Frank MittBayNot 2010, 96 ff; Barry RNotZ 2014, 401, 410 ff. 10 Näher Barry RNotZ 2014, 401, 411; vgl weiter OLG Koblenz GmbHR 1992, 464, 465. 11 Dazu Reichert/Schlitt/Düll GmbHR 1998, 565, 573 f; Scholz/Seibt Rn 217. 12 OLG Koblenz GmbHR 1992, 464, 465; B/H/Fastrich Rn 53. 13 K. Schmidt ZGR 1999, 601, 610 f; Reichert/Schlitt/Düll GmbHR 1998, 565, 573. 14 R/A/Altmeppen Rn 59; U/H/L/Löbbe Rn 192. 15 So Barry RNotZ 2014, 401, 412 f; für § 54 UmwG auch KölnKomm/Simon/Nießen § 54 UmwG Rn 47; dagegen indes Lutter/Winter/J. Vetter § 54 UmwG Rn 105. 16 U/H/L/Löbbe Rn 192; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 353; aA Schön ZHR 158 (1994), 229, 269.

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§ 16 | Rechtsstellung bei Wechsel der Gesellschafter

§ 16

Rechtsstellung bei Wechsel der Gesellschafter oder Veränderung des Umfangs ihrer Beteiligung; Erwerb vom Nichtberechtigten (1) Im Verhältnis zur Gesellschaft gilt im Fall einer Veränderung in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung als Inhaber eines Geschäftsanteils nur, wer als solcher in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste (§ 40) eingetragen ist. Eine vom Erwerber in Bezug auf das Gesellschaftsverhältnis vorgenommene Rechtshandlung gilt als von Anfang an wirksam, wenn die Liste unverzüglich nach Vornahme der Rechtshandlung in das Handelsregister aufgenommen wird. (2) Für Einlageverpflichtungen, die in dem Zeitpunkt rückständig sind, ab dem der Erwerber gemäß Absatz 1 Satz 1 im Verhältnis zur Gesellschaft als Inhaber des Geschäftsanteils gilt, haftet der Erwerber neben dem Veräußerer. (3) Der Erwerber kann einen Geschäftsanteil oder ein Recht daran durch Rechtsgeschäft wirksam vom Nichtberechtigten erwerben, wenn der Veräußerer als Inhaber des Geschäftsanteils in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste eingetragen ist. Dies gilt nicht, wenn die Liste zum Zeitpunkt des Erwerbs hinsichtlich des Geschäftsanteils weniger als drei Jahre unrichtig und die Unrichtigkeit dem Berechtigten nicht zuzurechnen ist. Ein gutgläubiger Erwerb ist ferner nicht möglich, wenn dem Erwerber die mangelnde Berechtigung bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist oder der Liste ein Widerspruch zugeordnet ist. Die Zuordnung eines Widerspruchs erfolgt aufgrund einer einstweiligen Verfügung oder aufgrund einer Bewilligung desjenigen, gegen dessen Berechtigung sich der Widerspruch richtet. Eine Gefährdung des Rechts des Widersprechenden muss nicht glaubhaft gemacht werden. Text bis zum MoMiG seit 1892 unverändert, dann grundlegend geändert und unter Einschluss der amtlichen Überschrift neu gefasst durch das MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl I 2026). I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gesellschafterstellung im Verhältnis zur GmbH (§ 16 Abs. 1) 1. Anwendungsbereich . . . . . . . . . a) Rechtslage vor dem MoMiG . b) Rechtslage nach dem MoMiG 2. Eintragung in die Gesellschafterliste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anknüpfungspunkt . . . . . . .

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b) Voraussetzungen . . . . . . . . . c) Nichtigkeit und Anfechtbarkeit der Mitteilung . . . . . . . . d) Rücknahme der Mitteilung . . e) Folgen des Konzeptionswechsels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtswirkungen der Eintragung a) Legitimationswirkung . . . . . . b) Maßgeblicher Zeitpunkt . . . .

11 22 24 25 26 26 28

Rechtsstellung bei Wechsel der Gesellschafter | § 16 c) d) e) f)

4.

III. IV. 1. 2. 3.

Materielle Rechtslage . . . . . . Wirkung gegenüber Dritten . Rechtsverhältnis . . . . . . . . . . Materielle Unwirksamkeit des Kausalgeschäfts . . . . . . . . . . g) Rechtsübertragung materiell unwirksam . . . . . . . . . . . . . h) Dogmatische Erfassung . . . . i) Rechte und Pflichten des Eingetragenen . . . . . . . . . . . . . j) Veräußerer haftet . . . . . . . . . k) Abgetrennte Rechte . . . . . . . l) Rechtshandlungen des Rechtsvorgängers . . . . . . . . . . . . . m)Verhaltenspflichten der GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . n) Speziell: Erbrechtlicher Erwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rückbeziehung der Legitimationswirkung (§ 16 Abs. 1 Satz 2) . a) Inhalt und Zweck der Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unverzügliche Aufnahme . . . c) Schwebend unwirksam bestellter Geschäftsführer . . . . . d) Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . Haftung für rückständige Einlagen (§ 16 Abs. 2) . . . . . . . . . . Gutgläubiger Erwerb (§ 16 Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . Gesellschafterliste als Rechtsscheinträger . . . . . . . . . . . . . . . Erwerb eines Geschäftsanteils oder eines Rechts an einem Geschäftsanteil . . . . . . . . . . . . . . . a) Bezugspunkt des guten Glaubens . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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4. 5. 6.

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b) Rechte an einem Geschäftsanteil . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Nicht existierende Geschäftsanteile . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Unrichtige Stückelung . . . . . e) Kein gutgläubiger lastenfreier Erwerb . . . . . . . . . . . . . . . . f) Verfügungsbeschränkungen . g) Aufschiebend bedingter Anteilserwerb . . . . . . . . . . . . . . Rechtsgeschäftlicher Erwerb . . . Guter Glaube . . . . . . . . . . . . . . Widerspruch . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . b) Wirkung des Widerspruchs . c) Zuordnung eines Widerspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . d) Widerspruch im Einvernehmen von Veräußerer und Erwerber . . . . . . . . . . . . . . . . e) Einstweilige Verfügung . . . . . f) Löschung eines Widerspruchs g) Schadensersatz . . . . . . . . . . . Erwerb vor und nach Ablauf der 3-Jahres-Frist . . . . . . . . . . . . . . a) 3-Jahres-Frist . . . . . . . . . . . . b) Zurechnung: Vor Ablauf der 3-Jahres-Frist . . . . . . . . . . . . Verhältnis Berechtigter – Nichtberechtigter . . . . . . . . . . . . . . . Zeitlicher Anwendungsbereich/ Übergangsvorschrift . . . . . . . . Legitimationswirkung und Haftung (§ 16 Abs. 1 und 2) . . . . . . Gutgläubiger Erwerb (§ 3 Abs. 3 EGGmbHG) . . . . . . . . . . . . . .

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Literatur: Altmeppen Abschied von der „unwiderlegbar vermuteten“ Mitgliedschaft des Scheingesellschafters in der Kapitalgesellschaft, ZIP 2009, 345; Barthel § 16 Abs. 1 S. 2 GmbHG n.F. – Ein neuer Anwendungsbereich für eine wirksame Verpflichtung einer GmbH im Außenverhältnis nach den Grundsätzen der fehlerhaften Organstellung, GmbHR 2009, 569; Bayer Gesellschafterliste und Aktienregister – Gemeinsamkeiten, Unterschiede, Überlegungen de lege ferenda, Liber amicorum für Martin Winter, 2011, S. 9; Bayer Gesellschafterliste: Einreichungspflichtige Veränderungen der Beteiligungsverhältnisse, GmbHR 2012, 1; Begemann/Galla Praxisfragen zur Gesellschafterliste der GmbH

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§ 16 | Rechtsstellung bei Wechsel der Gesellschafter nach dem MoMiG, GmbHR 2009, 1065; Gasteyer/Goldschmidt Der schwebend unwirksam bestellte Geschäftsführer nach einem Gesellschafterwechsel – Wirksamkeit seiner Rechtshandlungen nach § 16 Abs. 1 GmbHG i.d.F. des MoMiG, ZIP 2008, 1906; Hasselmann Die Gesellschafterliste nach dem MoMiG, NZG 2009, 409; Heidinger Der Tod des Gesellschafters bei der GmbH (Gesellschafterliste und Beschlussfassung), ZNotP 2012, 449; Herrler Offene Fragen rund um die Gesellschafterliste: Einreichungszuständigkeit, registergerichtliches Prüfungsrecht und Publizitätswirkungen, GmbHR 2013, 617; Ising Gesellschafterliste nach Umwandlungen: Probleme in der Praxis, NZG 2010, 812; Kort Offene Fragen zu Gesellschafterliste, Gesellschafterstellung und gutgläubigem Anteilserwerb (§§ 40 und 16 GmbHG n.F.), GmbHR 2009, 169; Leyendecker-Langner, Unklare Beteiligungsverhältnisse in der GmbH – Die „Wegverschmelzung“ des tatsächlichen Gesellschafters als Gestaltungsoption, ZGR 2015, 516; Liebscher/Alles Einstweiliger Rechtsschutz im GmbH-Recht, ZIP 2015, 1; Lieder Rechtsschutz gegen die Gesellschafterliste im Hauptsacheverfahren, GmbHR 2016, 189; Lieder Einstweiliger Rechtsschutz gegen die Gesellschafterliste, GmbHR 2016, 271; Löbbe Die GmbH-Gesellschafterliste, GmbHR 2016, 141; D. Mayer Der Erwerb einer GmbH nach den Änderungen durch das MoMiG, DNotZ 2008, 403; D. Mayer Aufwertung der Gesellschafterliste durch das MoMiG – Fluch oder Segen?, ZIP 2009, 1037; Pilger Die Anzeige der Verpfändung eines GmbHG-Geschäftsanteils nach Inkrafttreten des MoMiG, GmbHR 2009, R 193; Preuß Gesellschafterliste, Legitimation gegenüber der Gesellschaft und gutgläubiger Erwerb von GmbH-Anteilen, ZGR 2008, 676; Reymann Zurechnungssystem und Regelungsebenen der GmbH-Gesellschafterliste, BB 2009, 506; Schmich/ Schnabelrauch Die Relevanz der GmbH-Gesellschafterliste für die steuerliche Zurechnung bei Anteilsübertragungen, GmbHR 2015, 517; K. Schmidt Geschäftsanteilsabtretung und Kartellverbot GmbHR 2015, 505; Stadler/Bindl Gesellschafterliste und finanzielle Eingliederung bei der Organschaft, GmbHR 2010, 412; Wachter GmbH-Reform – Auswirkungen auf die Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen, ZNotP 2008, 378; Wiersch Die Vermutungswirkung von Gesellschafterliste und Aktienregister, ZGR 2015, 591; Wiersch Relative Gesellschafterstellung im Kapitalgesellschaftsrecht und Gesamtrechtsnachfolge, NZG 2015, 1336; Wilhelm „Duplizität von Rechten“ und Rechtsschein, FS Picker, 2010, S. 837; s. weiterhin vor Rn 54 und vor Rn 63 sowie bei § 40.

I. Überblick 1 In ihrer Fassung nach der GmbH-Reform (MoMiG) enthält die Vorschrift drei

Regelungsbereiche: Abs. 1 bestimmt, wer im Falle einer Veränderung in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung im Verhältnis zur Gesellschaft als Gesellschafter gilt (dazu Rn 4 ff), Abs. 2 ordnet für rückständige Einlageverpflichtungen eine zusätzliche Haftung des Erwerbers des Geschäftsanteils an (dazu Rn 54 ff) und Abs. 3 ermöglicht unter bestimmten Voraussetzungen den gutgläubigen Erwerb von Geschäftsanteilen oder von Rechten an Geschäftsanteilen (dazu Rn 63 ff).

2 § 16 ist grundsätzlich zwingend1, kann also durch die Satzung nicht abbedungen

werden; jedoch sind Satzungsregelungen möglich, welche förmliche Anforderun-

1 Henssler/Strohn/Verse Rn 95; MünchKomm/Heidinger Rn 103; Scholz/Seibt Rn 13, 51.

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gen an die Mitteilung (zB Schriftform) bzw den Nachweis (zB Erbschein) im Rahmen des § 40 Abs. 1 aufstellen, die dann auch auf die Rechtswirkungen des § 16 Abs. 1 und 2 durchschlagen1 (dazu § 40 Rn 1, 50 f). Im Kontext der Neuregelung des § 16 wurde auch die Vorschrift des § 40 novel- 3 liert, die Anordnungen zur Verantwortlichkeit und zur Art und Weise der Führung der Gesellschafterliste trifft. Die Gesamtkonzeption der §§ 16, 40 ist allerdings unvollständig und lässt zahlreiche Zweifelsfragen offen2. Die vorhandenen Lücken der gesetzlichen Regelung wurden vom BGH nicht immer zweifelsfrei geschlossen, bestehende Unklarheiten nicht stets zufriedenstellend beseitigt (näher Rn 11, 83, 93, 99 sowie § 40 Rn 23 ff, 56, 68 ff). Obgleich daher der Konzeptionswechsel grundsätzlich zu begrüßen ist3, besteht de lege ferenda erheblicher Nachbesserungsbedarf4 (Einzelheiten bei Rn 63, 74, 84 sowie bei § 40 Rn 4 mwN).

II. Gesellschafterstellung im Verhältnis zur GmbH (§ 16 Abs. 1) § 16 Abs. 1 hat durch das MoMiG eine deutliche Veränderung gegenüber der 4 früheren Rechtslage erfahren. Das frühere Anmeldeprinzip wurde in Anlehnung an § 67 Abs. 2 AktG5 ersetzt durch die Eintragung in die in das Handelsregister aufgenommene Gesellschafterliste (Rn 9 ff); in verschiedener Hinsicht hat sich auch der Anwendungsbereich der Vorschrift geändert (Rn 6 ff). Nach wie vor lässt die Eintragung in die Gesellschafterliste die materielle Rechtslage unberührt (Rn 29); dieser Grundsatz wird allerdings durchbrochen im Falle des gutgläubigen Erwerbs gemäß § 16 Abs. 3 (dazu ausführlich Rn 63 ff). Sinn und Zweck der Gesellschafterliste ist – wie auch schon nach früherem 5 Recht – im Hinblick auf die Personen der Gesellschafter und ihre Beteiligung eine höhere Transparenz und zugleich auch ein Mehr an Rechtssicherheit zu schaffen6. Im Verhältnis GmbH – Gesellschafter soll für klare Verhältnisse gesorgt werden. Dadurch sollen zugleich Transaktionskosten bei Unternehmenskäufen gesenkt, aber auch Geldwäsche bekämpft werden7. Unmittelbar sollen 1 Scholz/Seibt Rn 13; U/H/L/Löbbe Rn 12; MünchKomm/Heidinger Rn 103. 2 Scharfe rechtspolitische Kritik an der Neuregelung bereits bei Bohrer DStR 2007, 995, 997, 1002; vgl weiter MünchKomm/Heidinger Rn 348 ff mwN. 3 S. auch Wachter GmbHR 2010, R113 („Erfolgsmodell“); aA D. Mayer MittBayNot 2014, 24, 28 („aus praktischer Sicht verfehlt“). 4 S. auch Bayer Liber amicorum M. Winter, 2011, S. 9, 13 f; Bayer GmbHR 2011, 1254, 1255, 1258; Bayer GmbHR 2012, 1, 5 f mwN; Lieder GmbHR 2016, 271, 278 f; Lieder AcP 210 (2010), 857, 901 ff; vgl in kritischer Auseinandersetzung auch Löbbe GmbHR 2016, 141 ff. 5 BegrRegE BT-Drucks 16/6140, S. 37, dazu näher Bayer Liber amicorum M. Winter, 2011, S. 9 ff (auch zu den Gemeinsamkeiten und Unterschieden zum Aktienregister). 6 U/H/L/Löbbe Rn 6; Henssler/Strohn/Verse Rn 1; R/S-L/Pentz Rn 2. 7 BegrRegE BR-Drucks 354/07, S. 84.

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§ 16 | Rechtsstellung bei Wechsel der Gesellschafter diese Ziele erreicht werden durch die Pflicht, unverzüglich nach Wirksamwerden jeder Veränderung bei den Anteilseignern eine neue Gesellschafterliste zu erstellen und beim Handelsregister einzureichen (§ 40 Abs. 1 und 2); diese Pflicht ist adressiert an die Geschäftsführer bzw an den Notar im Rahmen der jeweiligen Zuständigkeit (ausführlich § 40 Rn 23 ff). Mittelbar soll die gesetzliche Konzeption verwirklicht werden durch die Legitimationswirkung gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 (dazu näher Rn 26 ff). 1. Anwendungsbereich 6 a) Rechtslage vor dem MoMiG: § 16 Abs. 1 aF erfasste nur den Fall einer Ver-

äußerung des Geschäftsanteils; keine Anwendung fand § 16 Abs. 1 aF hingegen auf gesetzliche Erwerbstatbestände wie insbesondere auf die Gesamtrechtsnachfolge durch Erbfall oder die Verschmelzung; doch konnte auch hier der Rechtsnachfolger seine mitgliedschaftlichen Rechte (Stimmrecht, Gewinnbezug) erst geltend machen, nachdem er seine Berechtigung gegenüber der Gesellschaft nachgewiesen hatte1 (vgl auch § 15 Rn 36). Ebenfalls galt § 16 Abs. 1 aF nach ganz hM nicht bei Veränderungen ohne Rechtsnachfolge, wie zB beim Erwerb eines Geschäftsanteils im Rahmen einer Kapitalerhöhung oder beim Formwechsel. Entsprechend ihrem Zweck entbehrlich war die Anmeldung, wenn die GmbH selbst an der Veräußerung beteiligt war2.

7 b) Rechtslage nach dem MoMiG: § 16 Abs. 1 nF hat einen deutlich erweiterten

Anwendungsbereich. Jede Veränderung in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung wird erfasst3 (zu den Einzelheiten: § 40 Rn 5 ff), dh jede Abweichung von den Angaben in der Liste der Gründungsgesellschafter, die gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 3 zusammen mit der Gründungssatzung (§ 8 Abs. 1 Nr. 1) bei der Anmeldung der GmbH zur Eintragung in das Handelsregister eingereicht wird (ausführlich § 8 Rn 4); dann aber auch jede Abweichung von der jeweiligen neuen veränderten Gesellschafterliste. Ausgehend von der ursprünglichen Liste kann bei strikter Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften somit jede Veränderung im Gesellschafterkreis bzw im Umfang der jeweiligen Beteiligung nachvollzogen werden4 (§ 40 Rn 5).

8 Zu unterscheiden sind Veränderungen mit Rechtsnachfolge (ausführlich § 40

Rn 9 ff) und Veränderungen ohne Rechtsnachfolge (§ 40 Rn 8). Die entgegen § 40 unterlassene Änderung der Gesellschafterliste im Falle von Veränderungen in der Person des Gesellschafters ohne Rechtsnachfolge (zB Namensänderung infolge Heirat oder Wohnsitzverlegung) führt jedoch – in teleologischer Reduk-

1 Nachweise 18. Aufl, Rn 4; zusammenfassend Scholz/H. Winter/Seibt 10. Aufl, Rn 31. 2 Vgl nur R/S-L/Pentz 4. Aufl, Rn 21 mwN. 3 S. auch BegrRegE BR-Drucks 354/07, S. 86 („gilt […] bei allen Formen des Anteilsübergangs“). 4 Bayer GmbHR 2012, 1.

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tion des zu weiten Wortlauts des § 16 Abs. 1 Satz 1 – nicht zum Wegfall der Legitimationswirkung, wenn über seine Identität und den Umfang seiner Beteiligung kein Zweifel besteht1. Zum Erbfall: ausführlich Rn 43; zur (nicht möglichen) Eintragung von dinglichen Belastungen und Verfügungsbeschränkungen: § 40 Rn 16. 2. Eintragung in die Gesellschafterliste a) Anknüpfungspunkt für die Rechtswirkungen des § 16 Abs. 1 war nach frühe- 9 rem Recht eine Anmeldung des Erwerbs des Geschäftsanteils bei der GmbH2. Anmeldung und Nachweis des Erwerbs iSv § 16 Abs. 1 aF werden heute durch Mitteilung und Nachweis der Veränderung iSv § 40 Abs. 1 Satz 2 ersetzt. Allein die mitgeteilte und nachgewiesene Änderung ist für die Rechtswirkungen des § 16 Abs. 1 nF jedoch nicht ausreichend; erforderlich ist vielmehr die Eintragung der Veränderung in die im Handelsregister aufgenommene Gesellschafterliste (zum Verfahren der Aufnahme der Liste in das Handelsregister ausführlich § 40 Rn 23 ff). Von der Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 wird trotz des vermeintlich ent- 10 gegenstehenden Wortlauts („Fall der Veränderung“) auch die bei der Anmeldung der GmbH eingereichte Gründungsgesellschafterliste (dazu § 8 Rn 4) bzw im Falle der vereinfachten Gründung das die (erste) Gesellschafterliste ersetzende Musterprotokoll (vgl bei § 2 Rn 69) erfasst3. b) Voraussetzungen: aa) Grundsatz: Voraussetzung für den Eintritt der Wir- 11 kung des § 16 Abs. 1 ist – ebenso wie bei § 67 Abs. 2 AktG4 –, dass die Änderung der Gesellschafterliste und die Einreichung beim Handelsregister in einem im Großen und Ganzen ordnungsgemäßen Eintragungsverfahren erfolgt5. Denn die weitreichende Legitimationswirkung (näher Rn 26 ff) ist rechtspolitisch nur hinnehmbar, wenn die Eintragung in die Gesellschafterliste in einer Art und Weise vorgenommen wird, dass im Regelfall kein Widerspruch zur materiellen Rechtslage auftritt. Im Grundsatz war daher lange Zeit unbestritten, dass zum einen kein schwerwiegender Verfahrensmangel vorliegen darf6 (Rn 13 ff), zum anderen musste die Eintragung aber auch demjenigen zugerech-

1 Bayer GmbHR 2012, 1, 4; Ising NZG 2010, 812, 816; U/H/L/Löbbe Rn 29; Henssler/ Strohn/Verse Rn 7; nunmehr auch Scholz/Seibt Rn 18 aE; R/A/Altmeppen Rn 2. 2 Ausführlich (auch zu allen Streitfragen) 16. Aufl, Rn 8 ff. 3 MünchKomm/Heidinger Rn 30; U/H/L/Löbbe Rn 24. 4 MünchKomm/Bayer § 67 AktG Rn 82 mwN. 5 Ausführlich Bayer Liber amicorum M. Winter, 2011, S. 9, 27 ff. 6 Scholz/Seibt Rn 23 („Eckpunkte des gesetzlichen Eintragungs- und Aufnahmeverfahrens“); ausführlich Bayer Liber amicorum M. Winter, 2011, S. 9, 27, 28 ff.

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§ 16 | Rechtsstellung bei Wechsel der Gesellschafter net werden können, zu dessen Lasten sie wirkt1; ob diese letztere Einschränkung nach BGH GmbHR 2014, 198 (Listenkorrektur durch Geschäftsführer) so noch gilt, ist streitig (näher Rn 13, 18 ff). Generell gilt, dass die Rechtswirkungen einer fehlerhaften Gesellschafterliste bislang höchstrichterlich noch nicht ausreichend geklärt sind2. Erfüllt die Eintragung in der Gesellschafterliste die genannten Voraussetzungen nicht, so kommt dem Eingetragenen nach bislang hM die Legitimationswirkung gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 nicht zu. Umgekehrt kann dem aus der Gesellschafterliste irregulär „Gelöschten“ von Seiten der GmbH nicht entgegen gehalten werden, es fehle ihm die Legitimation3. Dies gilt grundsätzlich ungeachtet der materiellen Rechtslage4. Der Mangel der nicht ordnungsgemäßen, weil nicht zurechenbaren Mitteilung und daher unwirksamen Eintragung des materiell Berechtigten ist allerdings geheilt, sobald er seine mitgliedschaftlichen Rechte ausgeübt hat5. 12 Ist streitig, ob die Änderung der Gesellschafterliste ordnungsgemäß vorgenom-

men wurde, so trägt die GmbH hierfür die Beweislast6; denn der „gelöschte“ oder der zu Unrecht eingetragene Listengesellschafter kann schlecht den gegenteiligen Negativbeweis führen. Daher können zum Schutze der GmbH formelle Anforderungen in der Satzung sinnvoll sein (vgl Rn 1 aE). Zur Beweislast (und zum Rechtsschutz) im Falle der Listenkorrektur gegen den Widerspruch des Listengesellschafters: § 40 Rn 32 ff, 68 ff, 73 ff. Zu weiteren Einschränkungen der Legitimationswirkung bei Rn 14, 16, 34.

13 bb) Eintragungsverfahren: (1) Listenänderung durch Geschäftsführer: Nach-

dem BGH GmbHR 2014, 198 in Abweichung zur bislang hM dem Geschäftsführer das Recht zur jederzeitigen Korrektur einer nach seiner Auffassung unrichtigen Gesellschafterliste eingeräumt hat7 (näher § 40 Rn 32 ff, 68 ff), stellt sich das bisherige Problem einer Zuständigkeitsüberschreitung in der Praxis nur noch in

1 Bayer Liber amicorum M. Winter, 2011, S. 3, 27, 31 ff; R/A/Altmeppen Rn 12 f; Henssler/ Strohn/Verse Rn 29; U/H/L/Löbbe Rn 42; Scholz/Seibt Rn 23; R/S-L/Pentz Rn 22 f; Herrler GmbHR 2013, 617, 625; MünchKomm/Heidinger Rn 60 ff; vgl für die AG auch MünchKomm/Bayer § 67 AktG Rn 82; K. Schmidt/Lutter/Bezzenberger § 67 AktG Rn 8; KölnKomm/Lutter/Drygala § 67 AktG Rn 50. 2 Ähnlich MünchKomm/Heidinger Rn 58. Nach D. Mayer MittBayNot 2014, 24, 28 ist die Rechtslage „völlig ungeklärt“. 3 Bayer Liber amicorum M. Winter, 2011, S. 9, 27; für die AG ebenso bereits RGZ 86, 154, 159; RGZ 123, 279, 285; ThürOLG AG 2004, 268, 270; OLG Zweibrücken AG 1997, 140. 4 So explizit für die AG auch Großkomm/Merkt § 67 AktG Rn 70. 5 MünchKomm/Heidinger Rn 65; U/H/L/Löbbe Rn 56 aE; Henssler/Strohn/Verse Rn 29; für AG auch Spindler/Stilz/Cahn § 67 AktG Rn 72. 6 So zutreffend für die AG: RG JW 1906, 433; Staub/Pinner 11. Aufl 1921, § 223 HGB Anm 6; Bayer Liber amicorum M. Winter, 2011, S. 9, 27; aA (für GmbH) Reymann BB 2009, 506, 509; Henssler/Strohn/Verse Rn 31 aE; zu undifferenziert noch Bayer/Illhardt GmbHR 2011, 638, 639. 7 BGH GmbHR 2014, 198 mit Anm Bayer.

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Ausnahmekonstellationen. Denn regelmäßig ist der Geschäftsführer nunmehr auch im Bereich der Notarzuständigkeit im Grundsatz immer berechtigt1, (dazu auch § 40 Rn 33), so dass bereits denklogisch die Frage, ob es eine Listenerstellung durch einen unzuständigen Geschäftsführer geben kann, regelmäßig zu verneinen ist2. Nimmt der Geschäftsführer die Listenkorrektur ohne Anhörung des betroffenen Listengesellschafters bzw des neu Eingetragenen vor, so betrifft dies nicht die Zuständigkeit, sondern die Frage der Zurechnung (Rn 18 ff). (2) Listenänderung durch Notar: Der Notar ist zur Listenänderung und -einrei- 14 chung nur nach Maßgabe von § 40 Abs. 2 zuständig (näher § 40 Rn 55 ff). Wird die Liste irrtümlich vom Notar statt vom zuständigen Geschäftsführer geändert, so steht dieser Zuständigkeitsmangel angesichts der schwierigen Abgrenzung bei der mittelbaren Notarmitwirkung (dazu näher § 40 Rn 56) der Legitimationswirkung nicht entgegen3. Eine Ausnahme wird nach hM bei einem gezielten Zuständigkeitsverstoß gemacht4. Bedeutungslos ist hingegen das Fehlen der Notarbescheinigung (§ 40 Abs. 2 Satz 2, dazu § 40 Rn 67)5. Ist streitig, ob eine Anteilsübertragung wirksam und damit eine Veränderung 15 eingetreten ist, so weist das gesetzliche Regelungsregime des § 40 Abs. 2 (zunächst) dem Notar die Entscheidung zu: Kommt er nach pflichtgemäßer Prüfung zu dem Ergebnis, dass die umstrittene Rechtsänderung wirksam ist, so darf er die Liste ändern6; andernfalls wäre Obstruktion durch einen materiell nicht (mehr) Berechtigten möglich. Ggf muss bei einer Fehlentscheidung des Notars sogleich einstweiliger Rechtsschutz beantragt werden (dazu näher § 40 Rn 73 ff). Nach BGH GmbHR 2014, 198 ist indes in diesem Fall auch der Geschäftsführer berechtigt, die eingereichte Notarliste seinerseits zu korrigieren (näher Rn 13, § 40 Rn 32 ff, 68 ff). (3) Grobe Verfahrensverstöße: Die Erstellung und Einreichung einer geänder- 16 ten Gesellschafterliste durch eine hierfür generell nicht zuständige Person, zB durch einen Gesellschafter7 (dazu § 40 Rn 1), kann die Legitimationswirkung

1 So auch R/A/Altmeppen 13; Lieder GmbHR 2016, 271, 273 f. 2 So auch MünchKomm/Heidinger Rn 72 im Anschluss an Seebach DNotZ 2014, 413, 417; Leitzen ZNotP 2014, 42, 44. 3 Bayer Liber amicorum M. Winter, 2011, S. 9, 30; R/A/Altmeppen Rn 13; MünchKomm/ Heidinger Rn 69 ff; U/H/L/Löbbe Rn 50; zweifelnd Herrler GmbHR 2013, 617, 626. 4 MünchKomm/Heidinger Rn 72; U/H/L/Löbbe Rn 50; Herrler GmbHR 2013, 617, 626; abweichend Tebben RNotZ 2008, 441, 454. 5 So auch Kort GmbHR 2009, 169, 172; D. Mayer DNotZ 2008, 403, 415; Scholz/Seibt Rn 23; zweifelnd indes MünchKomm/Heidinger Rn 75. 6 U/H/L/Löbbe Rn 52; zustimmend Bayer Liber amicorum M. Winter, 2011, S. 9, 29; aA R/A/Altmeppen Rn 13. 7 Bayer Liber amicorum M. Winter, 2011, S. 9, 29; Scholz/Seibt Rn 23.

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§ 16 | Rechtsstellung bei Wechsel der Gesellschafter nicht begründen1, und zwar auch dann nicht, wenn die Eintragung der materiellen Rechtslage entspricht2. Zur Problematik der Einreichung durch einen ausländischen Notar: § 40 Rn 29 ff. Schädlich ist ebenso die Unterzeichnung der Gesellschafterliste durch nur einen von zwei gesamtvertretungsberechtigten Geschäftsführern3 (vgl auch § 40 Rn 37). 17 Manipulationen, insbesondere eine gefälschte Liste4, oder auch kollusives Han-

deln zum Nachteil des materiell Berechtigten5, entfalten keine Wirkung. Gleiches gilt für eine Eintragung, die nur zum Schein erfolgt6 bzw bewusst mit falschem Inhalt erstellt wird7, etwa weil der Geschäftsführer oder der Notar die Unrichtigkeit der Mitteilung kennt8. Keine Wirkung hat die Liste, wenn entgegen der Mitteilung versehentlich eine falsche Person eingetragen wird9 oder wenn es beim technischen Prozess der Aufnahme der Gesellschafterliste in das Handelsregister zu einer nicht gewollten Datenveränderung kommt10. Dagegen steht ein unrichtiger oder unzulänglicher Nachweis der Legitimationswirkung nicht entgegen11.

18 cc) Zurechnung: Während der Notar losgelöst von jeglicher Mitteilung und

weiteren Nachweisen von Amts wegen tätig wird (ausführlich § 40 Rn 55, 60)12, war eine Listenänderung durch den Geschäftsführer nach bislang hM grundsätzlich nur dann ordnungsgemäß, wenn er die Gesellschafterliste auf Grund einer nachgewiesenen Rechtsänderung und einer zurechenbaren Mitteilung zum Handelsregister eingereicht hat13 (zum Einreichungsverfahren: § 40 1 Bayer Liber amicorum M. Winter, 2011, S. 9, 30; B/S/Brandes Rn 29; Scholz/Seibt Rn 23; U/H/L/Löbbe Rn 46; Wicke Rn 9; Herrler GmbHR 2013, 617, 625; aA Hasselmann NZG 2009, 449, 455 f. 2 Insoweit abweichend R/A/Altmeppen Rn 14 im Anschluss an Spindler/Stilz/Cahn § 67 AktG Rn 40 Fn 151; wie hier Henssler/Strohn/Verse Rn 29; Großkomm/Merkt § 67 AktG Rn 70. 3 Bayer Liber amicorum M. Winter, 2011, S. 9, 30; Michalski/Ebbing Rn 77; Vossius DB 2007, 2299, 2300; Bohrer DStR 2007, 995, 1000; aA Bednarz BB 2008, 1854, 1856; Ising NZG 2010, 812, 814; Tebben RNotZ 2008, 441, 453 f; wohl auch Scholz/Seibt Rn 23 aE. 4 MünchKomm/Heidinger Rn 76; Scholz/Seibt Rn 24. 5 So für die AG: RGZ 123, 279, 285; KölnKomm/Lutter/Drygala § 67 AktG Rn 62; ebenso U/H/L/Löbbe Rn 58; Scholz/Seibt Rn 29. 6 Bayer Liber amicorum M. Winter, 2011, S. 9, 30; MünchKomm/Heidinger Rn 54; U/H/ L/Löbbe Rn 58; ebenso für die AG: RG JW 1934, 363, 365; Spindler/Stilz/Cahn § 67 AktG Rn 72; KölnKomm/Lutter/Drygala § 67 AktG Rn 62; aA Scholz/Seibt Rn 24, 29. 7 MünchKomm/Heidinger Rn 76; Scholz/Seibt Rn 24; Bayer Liber amicorum M. Winter, 2011, S. 9, 29. 8 U/H/L/Löbbe Rn 58; Scholz/Seibt Rn 29; Kort GmbHR 2009, 169, 170. 9 B/S/Brandes Rn 31; MünchKomm/Heidinger Rn 59. 10 U/H/L/Löbbe 65; Scholz/Seibt Rn 30. 11 Bayer Liber amicorum M. Winter, 2011, S. 9, 29; U/H/L/Löbbe Rn 59a. 12 Michalski/Ebbing Rn 35; Hasselmann NZG 2009, 441, 455. 13 Henssler/Strohn/Verse Rn 30; B/H/Fastrich Rn 12.

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Rn 37 ff). Erfolgt die Einreichung nicht aufgrund einer Mitteilung über eine Veränderung1 oder gar gegen den Widerspruch des Listengesellschafters2 oder aufgrund widersprüchlicher Mitteilungen3, so sollte die Listenänderung durch den Geschäftsführer unbeachtlich sein4. Eine Ausnahme galt nur für Veränderungen, von denen der Geschäftsführer von Amts wegen Kenntnis hatte, weil sie durch gesellschaftsinterne Maßnahmen erfolgten (Beispiel: Einziehung); in diesen Konstellationen sind Mitteilung und Nachweis entbehrlich5 (vgl näher § 40 Rn 49). In Folge von BGH GmbHR 2014, 198 stellt sich die Frage, ob diese Vorausset- 19 zungen für die Legitimationswirkung der Gesellschafterliste nach wie vor gelten. Hierfür spricht, dass der BGH explizit nur über die Listenkorrektur nach vorheriger Anhörung der Betroffenen entschieden, den Geschäftsführer im Übrigen also nicht von dem Erfordernis von Mitteilung und Nachweis dispensiert hat; angesichts des klaren Wortlauts von § 40 Abs. 1 Satz 1 erscheint dies auch kaum vorstellbar6 (näher § 40 Rn 28). Daher gelten die Voraussetzungen, die bislang von der ganz hM im Aktien- und GmbH-Recht für eine wirksame Zurechnung zu Recht aufgestellt wurden, nach wie vor7. Offen ist allein, ob die Legitimationswirkung auch dann eintritt, wenn der Geschäftsführer die Listenkorrektur pflichtwidrig ohne Anhörung des betroffenen Listengesellschafters bzw des neu Eingetragenen vornimmt8. Die erforderliche Mitteilung über die Veränderung muss durch einen hierzu Be- 20 fugten erfolgen. Mitteilungen von Unbefugten (insbesondere bei Fälschung der Mitteilung9 oder auch der Vollmacht10) begründen daher – ungeachtet der materiellen Rechtslage11 – keine Legitimationswirkung. Gleiches gilt für Mitteilungen von nicht voll Geschäftsfähigen12 sowie bei Einwirkung von vis absoluta13. Grundsätzlich ist jeder von der Rechtsänderung betroffene Gesellschafter mit- 21 teilungsbefugt. Doch kann im Falle einer nur einseitigen Mitteilung die Legiti1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

U/H/L/Löbbe Rn 56; Scholz/Seibt Rn 24. B/S/Brandes Rn 31; Henssler/Strohn/Verse Rn 31, 42. So B/H/Zöllner/Noack § 40 Rn 21; aA U/H/L/Löbbe Rn 52. MünchKomm/Heidinger Rn 61; Scholz/Seibt Rn 24, 29. So im Ergebnis auch U/H/L/Löbbe Rn 52. Ähnlich Herrler GmbHR 2014, 225, 227 f. So im Ergebnis auch R/A/Altmeppen Rn 12 f, 20. Keine Wirkung: Lieder NZG 2014, 329, 331; aA Tebben DB 2014, 585, 587. MünchKomm/Heidinger Rn 79; Scholz/Seibt Rn 29. B/H/Fastrich Rn 6; Henssler/Strohn/Verse Rn 31; für die AG auch MünchKomm/Bayer § 67 AktG Rn 93; Spindler/Stilz/Cahn § 67 AktG Rn 72. 11 Insoweit abweichend Michalski/Ebbing Rn 72 im Anschluss an Hasselmann NZG 2009, 486, 488; wie hier Henssler/Strohn/Verse Rn 29 aE. 12 R/A/Altmeppen Rn 20; MünchKomm/Heidinger Rn 63; U/H/L/Löbbe Rn 57. 13 R/A/Altmeppen Rn 20; U/H/L/Löbbe Rn 57; Scholz/Seibt Rn 24, 29.

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§ 16 | Rechtsstellung bei Wechsel der Gesellschafter mationswirkung zu Lasten des bislang Eingetragenen nur begründet werden, wenn dieser gegenüber dem Mitteilenden (ggf konkludent) zugestimmt hat, nicht hingegen wenn die Liste aufgrund einer wahrheitswidrigen Mitteilung des nunmehr neu Eingetragenen geändert wird1. Unschädlich ist hingegen nach Auffassung des BGH2 jedenfalls im Falle einer Listenkorrektur der Widerspruch des Listengesellschafters, sofern er Gelegenheit hatte, gegenüber dem Geschäftsführer seinen Rechtsstandpunkt darzulegen3 (näher § 40 Rn 69). 22 c) Nichtigkeit und Anfechtbarkeit der Mitteilung: Sonstige Nichtigkeits- und

Anfechtungsgründe, die gegen die Mitteilung oder die Bevollmächtigung eines Dritten ins Feld geführt werden, berühren die Eintragung der Veränderung in der Gesellschafterliste nicht, sondern können nur ex nunc geltend gemacht werden4 und führen dann bei Nachweis des Mangels zu einer erneuten Änderung der Gesellschafterliste5 (vgl § 40 Rn 32 ff). Zur Nichtigkeit bzw Anfechtbarkeit von Kausalgeschäft bzw Abtretung: Rn 32 ff.

23 Eine solche im Verfahren gemäß § 40 erfolgte Korrektur der Eintragung (näher

§ 40 Rn 32 ff, 68 ff) – nach früherem Recht ermöglicht durch Anfechtung bzw Widerruf der Anmeldung bzw sog Abmeldung6 – wirkt ex nunc7, was bedeutet, dass einerseits Handlungen des Listengesellschafters (zB Beschlussfassung) wirksam bleiben8 und bereits erbrachte Leistungen im Verhältnis zur GmbH nicht rückabzuwickeln sind, da sie aufgrund der Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 Satz 1 in der Vergangenheit mit Rechtsgrund erbracht wurden9 (Ausgleich also allein im Verhältnis des zu Unrecht Eingetragenen zum materiell Verpflichteten10), 1 Bayer Liber amicorum M. Winter, 2011, S. 9, 32; ähnlich B/H/Zöllner/Noack § 40 Rn 20; R/A/Altmeppen Rn 20; Henssler/Strohn/Verse Rn 31. 2 BGH GmbHR 2014, 198, 200 f. 3 So im Ergebnis auch R/A/Altmeppen Rn 16 in Abweichung zur 7. Aufl, als Konsequenz der BGH-Entscheidung. 4 U/H/L/Löbbe Rn 59; Scholz/Seibt Rn 29; MünchHdbGmbH/Jasper § 24 Rn 234; R/A/ Altmeppen Rn 15; für die AG auch MünchKomm/Bayer § 67 AktG Rn 94; Großkomm/Merkt § 67 AktG Rn 69; aA noch RGZ 123, 279, 285 (für Anfechtung); nicht ganz eindeutig RGZ 86, 154, 159. 5 Ausführlich Bayer Liber amicorum M. Winter, 2011, S. 9, 32 f. 6 Ausführlich zur unterschiedlichen Terminologie nach früherem Recht: U/H/W/ M. Winter/Löbbe 1. Aufl, Rn 52 mwN. 7 Henssler/Strohn/Verse Rn 44; Scholz/Seibt Rn 27; MünchKomm/Heidinger Rn 50; B/H/ Zöllner/Noack § 40 Rn 22. 8 U/H/L/Löbbe Rn 85; Scholz/Seibt Rn 36; MünchKomm/Heidinger Rn 50; Henssler/ Strohn/Verse Rn 45. 9 Bayer Liber amicorum M. Winter, 2011, S. 9, 39; Henssler/Strohn/Verse Rn 45; Scholz/ Seibt Rn 29; Wied NZG 2012, 725, 727 f. 10 Bayer Liber amicorum M. Winter, 2011, S. 9, 39; Wied NZG 2012, 725, 728 ff; für die AG auch MünchKomm/Bayer § 67 AktG Rn 146 aE; Spindler/Stilz/Cahn § 67 AktG Rn 101; KölnKomm/Lutter/Drygala § 67 AktG Rn 144.

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andererseits der bislang zu Unrecht Eingetragene nunmehr weder für neue noch für alte Verpflichtungen aus der Mitgliedschaft gegenüber der GmbH haftet1. In Übereinstimmung mit dem Aktienrecht2 hat die Beseitigung der fehlerhaften Mitteilung auch noch die weitergehende Wirkung, dass sie für die Zukunft als nie erfolgt gilt3; der zu Unrecht Eingetragene ist somit im Falle einer künftigen Kaduzierung nicht Rechtsvorgänger und haftet daher nicht nach § 224 (s. auch Rn 62 und § 22 Rn 4). Zur Haftung für rückständige Leistungen: Rn 54 ff; für im Zeitpunkt der Eintragung bereits fällige, aber nicht erbrachte Leistungen: Rn 60 ff. d) Rücknahme der Mitteilung: Die Mitteilung – nach richtiger Auffassung 24 auch die fehlerfreie5 – kann bis zur Änderung der Gesellschafterliste noch zurückgenommen werden6. Wird die Mitteilung gegenüber der GmbH angefochten oder ein Nichtigkeitsgrund geltend gemacht, so ist dies als Rücknahme der Mitteilung zu qualifizieren und ein noch nicht abgeschlossenes Eintragungsverfahren ist zu stoppen7. e) Folgen des Konzeptionswechsels: Der Konzeptionswechsel hat Auswirkun- 25 gen auf die Pflichtenstellung des Geschäftsführers (§ 40 Abs. 1) bzw (§ 40 Abs. 2) des Notars (dazu § 40 Rn 23 ff, 46 ff, 55 ff), zum anderen wird im Falle der Anteilsveräußerung auch die Parteiautonomie zwischen Veräußerer und Erwerber eingeschränkt, da im Unterschied zum früherem Recht8 die Änderung der Gesellschafterliste nicht mehr zur Disposition der Beteiligten steht (vgl ausführlich § 40 Rn 54, 62). 3. Rechtswirkungen der Eintragung a) Legitimationswirkung: Allein durch die Eintragung in die beim Handels- 26 register aufgenommene Gesellschafterliste werden mitgliedschaftliche Rechte gegenüber der GmbH begründet. Nur der Eingetragene ist gegenüber der GmbH legitimiert als Inhaber des (jeweiligen) Geschäftsanteils (oder eines Teils davon); umgekehrt ist der Eingetragene aber auch Träger aller mitgliedschaftlichen Pflichten gegenüber der GmbH (ausführlich Rn 36). Die Legitimationswirkung 1 2 3 4 5 6 7 8

B/S/Brandes Rn 32; MünchKomm/Heidinger Rn 199; Scholz/Seibt Rn 56. Ausführlich MünchKomm/Bayer § 67 AktG Rn 146 mwN. So auch Scholz/Seibt Rn 29 aE; Henssler/Strohn/Verse Rn 45. Bayer Liber amicorum M. Winter, 2011, S. 9, 39; U/H/L/Löbbe Rn 84; Scholz/Seibt Rn 29 aE, 56. Insoweit abweichend Scholz/Seibt Rn 31; MünchKomm/Heidinger Rn 38. Bayer Liber amicorum M. Winter, 2011, S. 9, 33; B/H/Zöllner/Noack § 40 Rn 22; R/A/Altmeppen Rn 15; für die AG auch: KölnKomm/Lutter/Drygala § 67 AktG Rn 99; Spindler/ Stilz/Cahn § 67 AktG Rn 72. U/H/L/Löbbe Rn 59; Scholz/Seibt Rn 31; für die AG auch KölnKomm/Lutter/Drygala § 67 AktG Rn 99; MünchKomm/Bayer § 67 AktG Rn 95. Dazu 16. Aufl, Rn 2 mwN.

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§ 16 | Rechtsstellung bei Wechsel der Gesellschafter ist von der materiellen Rechtslage entkoppelt (Rn 29) und gilt zugunsten wie zulasten des Eingetragenen1 (näher Rn 36). Aus diesem Grund haben sowohl der „wirkliche Gesellschafter“ als auch der materiell zu Unrecht in die Gesellschafterliste Eingetragene einen Anspruch gegen die GmbH auf Korrektur einer unrichtigen Gesellschafterliste (ausführlich § 40 Rn 36). Zum vorläufigen Rechtsschutz ausführlich § 40 Rn 73 ff. 27 Modifiziert werden durch § 16 Abs. 1 die §§ 404 ff, 413 BGB, und zwar sowohl

zum Schutz der GmbH als auch zum Schutz des Eingetragenen2. Insbesondere gilt nicht § 407 BGB, so dass etwa die Kenntnis der GmbH von einer zwischenzeitlich eingetretenen Veränderung die Wirkungen des § 16 Abs. 1 nicht berührt, sondern lediglich im Rahmen des § 40 Abs. 1 die Verpflichtung zur Änderung der Gesellschafterliste und Einreichung beim Handelsregister begründet (vgl § 40 Rn 46 ff). Ebenso unbeachtlich ist grundsätzlich die nachträgliche Kenntnis der GmbH von einer materiellrechtlich unwirksamen Anteilsabtretung (dazu auch Rn 33), die zu einer (fehlerfreien) Änderung der Gesellschafterliste geführt hat3; dieser Mangel kann nur im Verfahren gemäß § 40 Abs. 1 korrigiert werden (§ 40 Rn 32 ff, 68 ff); vgl aber zu Einschränkungen bei der Geltendmachung von Ansprüchen Rn 34, 60 ff. Die Rechtswirkungen des § 16 Abs. 1 Satz 1 gelten indes nicht, sofern die Gesellschafterliste fehlerhaft erstellt wurde (Einzelheiten Rn 11 ff). Zum Verhältnis gegenüber Dritten: Rn 30. Keine Rechtswirkungen hat die Gesellschafterliste hingegen für die steuerliche Zurechnung4.

28 b) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Rechtswirkungen des § 16 Abs. 1 Satz 1 ist

die Aufnahme der geänderten Gesellschafterliste in das Handelsregister5, dh in den für das entsprechende Registerblatt bestimmten Registerordner, vgl § 9 Abs. 1 HRV (ausführlich § 40 Rn 41). Zur Sonderregelung des § 16 Abs. 1 Satz 2: Rn 48 ff. Dies bedeutet, dass der noch nicht eingetragene Neugesellschafter nicht zur Gesellschafterversammlung eingeladen werden muss6 (aber darf7). Denn bis zum Wirksamwerden der Listenänderung ist die GmbH grundsätzlich berechtigt und verpflichtet, allein den bisherigen Listengesellschafter als Gesell-

1 Scholz/Seibt Rn 34; U/H/L/Löbbe Rn 20; ausführlich Bayer Liber amicorum M. Winter, 2011, S. 9, 20 f mwN; jüngst wieder Wiersch ZGR 2015, 591 ff. 2 U/H/L/Löbbe Rn 20; Scholz/Seibt Rn 8; R/A/Altmeppen Rn 6; vgl zum früheren Recht auch BGHZ 84, 47, 49 = GmbHR 1983, 42; BGHZ 112, 103, 113; OLG Düsseldorf GmbHR 1996, 443, 445; OLG Dresden GmbHR 1999, 709, 710; Weiler ZIP 2006, 1754, 1757. 3 So auch OLG Bremen GmbHR 2012, 687 (LS); U/H/L/Löbbe Rn 20. 4 Ausführlich Schmich/Schnabelrauch GmbHR 2015, 516 ff. 5 MünchKomm/Heidinger Rn 80; R/A/Altmeppen Rn 11; Scholz/Seibt Rn 35. 6 OLG Zweibrücken GmbHR 2012, 689; R/A/Altmeppen Rn 6. 7 Richtig Wolff BB 2010, 454, 460; R/A/Altmeppen Rn 7; aA Nolting GmbHR 2010, 584, 585 f.

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schafter anzusehen1. Allerdings macht § 16 Abs. 1 Satz 2 hiervon eine Ausnahme (näher Rn 48 ff). c) Materielle Rechtslage: Für die materielle Rechtslage ist die Eintragung in 29 die Gesellschafterliste ohne jede Bedeutung2; das Rechtsverhältnis zwischen einem entgegen der materiellen Rechtslage Eingetragenen und dem wirklichen Inhaber des Geschäftsanteils wird durch die Eintragung nicht berührt. Die Eintragung ist insbesondere kein Wirksamkeitserfordernis für das Einrücken in die Gesellschafterstellung, heilt aber auch keine materiellrechtlichen Mängel3. Soweit die Eintragung zurechenbar erfolgte (Rn 11 ff), spielen weder Mängel des Kausalgeschäfts noch Mängel des Rechtsübergangs irgendeine Rolle; gegenüber der GmbH gilt allein der Eingetragene als Inhaber des Geschäftsanteils (Rn 26)4. d) Wirkung gegenüber Dritten: Dritten gegenüber ist – wie nach früherem 30 Recht5 – allein der materiell Berechtigte Inhaber des Geschäftsanteils; nur er kann ihn wirksam abtreten oder verpfänden, nur seine Gläubiger können ihn pfänden6; er gehört allein zu seiner Insolvenzmasse. Bei Pfändung durch einen Gläubiger des Eingetragenen steht dem materiell Berechtigten daher die Drittwiderspruchsklage zu; umgekehrt kann der Eingetragene dieses Recht nicht gegenüber der Pfändung durch einen Gläubiger des materiell Berechtigten geltend machen. Allerdings kann die unzutreffende Eintragung eines Nichtberechtigten zum gutgläubigen Erwerb führen (dazu Rn 63 ff). Auch können Dritte durch die Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 reflexartig geschützt werden, nämlich in dem Sinne, dass etwa Beschlüsse, die mit den Stimmen des Eingetragenen gefasst worden sind, nicht mit der Begründung angefochten werden können, der Eingetragene sei nicht Gesellschafter7, während umgekehrt die Stimmabgabe durch den materiell berechtigten, aber nicht in der Liste eingetragenen Gesellschafter einen Anfechtungsgrund darstellt8. Soweit die mitgliedschaftliche Legitimation Voraussetzung für Verfahrenshandlungen betreffend die GmbH ist (zB Anträge gegenüber dem Registergericht)9, gilt § 16 Abs. 1 Satz 1 auch inso1 R/A/Altmeppen Rn 6; Scholz/Seibt Rn 8. 2 Kort GmbHR 2009, 169, 173; D. Mayer DNotZ 2008, 403, 404; Henssler/Strohn/Verse Rn 10; jüngst auch OLG München GmbHR 2015, 1214, 1216 mit Anm Römermann. 3 Ausführlich Bayer Liber amicorum M. Winter, 2011, S. 9, 22 mwN; vgl weiter Kort GmbHR 2009, 169, 173; U/H/L/Löbbe Rn 15. 4 Ausführlich zum Ganzen: Bayer Liber amicorum M. Winter, 2011, S. 9, 20 ff mwN. 5 Scholz/H. Winter/Seibt 10. Aufl, Rn 13. 6 So jüngst auch BGH GmbHR 2015, 526 Rn 16 mit Anm Bayer; vgl weiter Henssler/ Strohn/Verse Rn 10. 7 Scholz/Seibt Rn 36; Lieder GmbHR 2016, 189, 196 f;für die AG auch Leuering ZIP 1999, 1745, 1749. 8 Lieder GmbHR 2016, 189, 197 f;für die AG bereits Lieder NZG 2005, 159, 161 mwN. 9 Dazu Preuß ZGR 2008, 676, 682; Schnorbus ZGR 2004, 126, 133; Stein FS Ulmer, 2003, S. 642, 644; vgl auch OLG Hamm GmbHR 2001, 920, 922.

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§ 16 | Rechtsstellung bei Wechsel der Gesellschafter weit. Im Falle der Verschmelzung gilt § 16 Abs. 1 Satz 1 auch gegenüber dem übernehmenden Rechtsträger; wer daher im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Verschmelzung nicht in der Gesellschafterliste der übertragenden GmbH aufgeführt ist, ist nicht befugt, ein Spruchverfahren einzuleiten1. 31 e) Das Rechtsverhältnis zwischen dem materiell Berechtigten und dem fälsch-

lich in die Liste eingetragenen Gesellschafter bestimmt sich nach den allgemeinen Vorschriften des Bürgerlichen Rechts (§§ 677 ff, 812 ff BGB)2. Zur Korrektur der unrichtigen Liste: § 40 Rn 32 ff, 68 ff.

32 f) Materielle Unwirksamkeit des Kausalgeschäfts: Sie berührt den Rechtsüber-

gang und damit auch die nach Mitteilung erfolgte Änderung der Gesellschafterliste nicht und lässt somit die Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 generell unberührt3.

33 g) Ist die Rechtsübertragung materiell unwirksam (weil die Abtretung nichtig

oder wirksam angefochten ist), so berührt dies ebenfalls die Legitimationswirkung nicht4. Dies gilt auch dann, wenn der Anteilserwerb gegen § 1 GWB verstößt und damit kartellrechtswidrig ist5.

34 Nach früherer Rechtslage berechtigte dieser Mangel aber zum Widerruf der An-

meldung6. Ausnahmsweise konnte der Mangel der Anteilsübertragung dann zur Unwirksamkeit der Anmeldung führen, wenn der Mangel der Geschäftsführung der GmbH im Zeitpunkt der Anmeldung bekannt war7. Diese Grundsätze sind auch für das neue Recht maßgeblich: Hat daher der Geschäftsführer der GmbH von der Unwirksamkeit des Erwerbs Kenntnis, dann darf er trotz erfolgter Mitteilung die Gesellschafterliste nicht ändern; Gleiches gilt für den Notar (vgl § 40 Rn 48, 60, 65). Die trotz Kenntnis der Unwirksamkeit des Rechtsübergangs geänderte Gesellschafterliste entfaltet nach § 16 Abs. 1 keine Wirkung (Rn 13; anders zu § 16 Abs. 3: Rn 68 f). Im Übrigen berechtigen Mängel des Rechtsübergangs allein zur Korrektur der Gesellschafterliste im Verfahren gemäß § 408 (vgl § 40 Rn 32 ff, 68 ff); die Legitimationswirkung entfällt dann ebenso wie im

1 So zutreffend KG AG 2000, 364 f; OLG Hamburg AG 2003, 694 mit zustimmender Anm Leuering EWiR 2003, 1165. 2 Ausführlich Bayer Liber amicorum M. Winter, 2011, S. 9, 22 mwN. 3 Zu § 16 Abs. 1 aF unstreitig: 16. Aufl, Rn 11; vgl weiter U/H/W/Winter/Löbbe, 1. Aufl, Rn 48 mwN. 4 Scholz/Seibt Rn 26; R/A/Altmeppen Rn 17 (unstreitig). 5 So BGH GmbHR 2015, 532 Rn 19 ff mwN = NotBZ 2015, 262 mit Anm Vossius; ausführlich (und zustimmend) K. Schmidt GmbHR 2015, 505, 508 f mwN; aA noch OLG Frankfurt GmbHR 1992, 666. 6 16. Aufl, Rn 19; vgl weiter OLG Dresden GmbHR 1999, 709, 711; U/H/W/M. Winter/ Löbbe 1. Aufl, Rn 49 ff; ausdrücklich offen allerdings BGH GmbHR 2009, 38, 39. 7 16. Aufl, Rn 11; vgl weiter BGH GmbHR 1995, 119, 120; OLG Hamburg GmbHR 1998, 591; R/S-L/Pentz Rn 44; U/H/W/M. Winter/Löbbe 1. Aufl, Rn 50. 8 So auch Scholz/Seibt Rn 27; im Ergebnis auch R/A/Altmeppen Rn 17, 46.

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Falle der Beseitigung einer fehlerhaften Mitteilung ex nunc (dazu ausführlich Rn 23)1. S. aber zur (eingeschränkten) Haftung für rückständige Leistungen Rn 54, 60 ff. h) Dogmatische Erfassung: Die dogmatische Erfassung der gesetzlichen Rege- 35 lung ist zweifelhaft und streitig2. In Anlehnung an den Gesetzeswortlaut („gilt“) wird von der Rechtsprechung und einem Teil des Schrifttums eine Fiktion angenommen3, doch dürfte die Qualifikation als unwiderlegbare Vermutung zutreffender sein4, da die Eintragung im Regelfall die materielle Rechtslage korrekt wiedergibt und somit gerade kein nicht vorliegender Tatbestand fingiert wird5. i) Rechte und Pflichten des Eingetragenen: Erfasst werden von der Legitimati- 36 onswirkung des § 16 Abs. 1 Satz 1 alle mitgliedschaftlichen Rechte und Pflichten6. Allein der Eingetragene ist zur Geltendmachung sämtlicher Verwaltungs- und Vermögensrechte befugt7; die GmbH darf nur ihn als Gesellschafter behandeln8 und nur an ihn leisten9. Umgekehrt kann nur noch der eingetragene Erwerber für alle ab dem Zeitpunkt des Eintritts der Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 fällig werdenden Leistungen haftbar gemacht werden10. Nur für den eingetragenen Gesellschafter besteht die Pflicht zur Insolvenzantragstellung11. Bei Teilerwerb eines Geschäftsanteils haftet der Erwerber pro rata. Ohne Bedeutung ist, wenn der Geschäftsanteil nur zur Sicherung oder zur Treuhand erworben wurde12. 1 Scholz/Seibt Rn 27; zum früheren Recht auch BGH GmbHR 2009, 38, 39. 2 So spricht etwa Knobbe-Keuk nur von „Rechtsscheinwirkung“ (ZIP 1983, 274, 275 f), Wilhelm von einer „Duplizität von Rechten“ (FS Picker, 2010, S. 837 ff). 3 BGHZ 84, 47, 49 = GmbHR 1983, 42; BGHZ 112, 103, 113; BGH GmbHR 1991, 311; BGH GmbHR 2009, 38; ebenso nach neuem Recht Scholz/Seibt Rn 6; Michalski/Ebbing Rn 51. 4 Wie hier OLG Zweibrücken GmbHR 2012, 689 f;R/A/Altmeppen Rn 5; B/S/Brandes Rn 8; B/H/Fastrich Rn 5; MünchKomm/Heidinger Rn 2, 14; Lieder GmbHR 2016, 189, 193. 5 So auch die hM im Aktienrecht; vgl nur MünchKomm/Bayer § 67 AktG Rn 48; KölnKomm/Lutter/Drygala § 67 AktG Rn 46; ausführlich Bayer Liber amicorum M. Winter, 2011, S. 9, 21 mwN. 6 Scholz/Seibt Rn 36; Henssler/Strohn/Verse Rn 11 ff; D. Mayer MittBayNot 2014, 24, 27; vgl zur früheren Rechtslage auch OLG Hamm GmbHR 1985, 22, 23; Schnorbus ZGR 2004, 126, 133 mwN. 7 Henssler/Strohn/Verse Rn 14; OLG Zweibrücken GmbHR 2012, 689; OLG Bremen GmbHR 2012, 687 (LS). 8 Zur Beschlussanfechtung bei Nichtbeachtung: Nolting GmbHR 2010, 584, 585 ff; nach § 16 aF: BGH GmbHR 1969, 11; OLG Düsseldorf GmbHR 1996, 443, 445. 9 R/A/Altmeppen Rn 6; MünchKomm/Heidinger Rn 174, 176. 10 Scholz/Seibt Rn 37; R/A/Altmeppen Rn 27, 34; ausführlich Wiersch ZGR 2015, 591, 604 ff. 11 Henssler/Strohn/Verse Rn 12; Scholz/Seibt Rn 37. 12 RGZ 138, 106, 108; Henssler/Strohn/Verse Rn 15; aA noch RGZ 131, 146.

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§ 16 | Rechtsstellung bei Wechsel der Gesellschafter Schuldrechtliche Verpflichtungen, die nicht mit der Gesellschafterstellung unmittelbar verbunden sind, werden durch Änderungen in der Gesellschafterliste nicht berührt; sie können nur durch Einzelrechtsnachfolge (§§ 414 f BGB) oder durch Gesamtrechtsnachfolge auf den Eingetragenen übergehen1. Dagegen tritt der eingetragene Erwerber auch in die Rechte und Pflichten des Veräußerers aus einem ergänzenden Schiedsvertrag ein, sofern hierauf in der Satzung Bezug genommen wurde2 (zum Schiedsvertrag ausführlich § 3 Rn 109 ff). Zur Wirksamkeit von Strukturmaßnahmen durch einen „Scheingesellschafter“: Schnorbus ZGR 2004, 126 ff; Leyendecker-Langner ZGR 2015, 516 ff. 37 Bei Führungslosigkeit der GmbH (§ 35 Abs. 1 Satz 2) sind indes nicht nur die

Listengesellschafter, sondern auch die wahren Gesellschafter passiv vertretungsberechtigt3 (näher § 35 Rn 43).

38 j) Der Veräußerer haftet ab dem Zeitpunkt der Listenaufnahme für alle noch

nicht fälligen Verbindlichkeiten nur noch als Rechtsvorgänger nach Maßgabe des § 224 (dazu § 22 Rn 2 ff), im Übrigen aber nicht mehr5. Dies gilt auch für ein Wettbewerbsverbot6 sowie für unzulässige Kapitalentnahmen durch den Erwerber7. Die Befreiung des Veräußerers kann von der GmbH nicht verhindert werden8. Im Innenverhältnis kann zwischen Veräußerer und Erwerber etwas Abweichendes vereinbart sein9. Zur Haftung von Veräußerer und Erwerber gemäß § 16 Abs. 2 für rückständige Leistungen ausführlich Rn 54 ff.

39 k) Vor dem Rechtsübergang abgetrennte Rechte (sog Gläubigerrechte; dazu

auch § 14 Rn 25; § 15 Rn 7) gehen nicht auf den Nachfolger über10. Nicht erfasst werden auch vom Veräußerer gegenüber der GmbH geltend gemachte Ansprüche, die noch nicht erfüllt wurden11.

40 l) Rechtshandlungen des Rechtsvorgängers: Rechtshandlungen des (wirksam)

eingetragenen Rechtsvorgängers muss der noch nicht eingetragene Rechtsnachfolger generell gegen sich gelten lassen12. Dies war so in § 16 Abs. 2 aF aus1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

Scholz/Seibt Rn 38. So auch Henssler/Strohn/Verse Rn 17. Henssler/Strohn/Verse Rn 12; Stein FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 1207, 1214 mwN. R/A/Altmeppen Rn 34; U/H/L/Löbbe Rn 109, Scholz/Seibt Rn 55; ausführlich Bayer/ Scholz NZG 2015, 1089, 1094. B/H/Fastrich Rn 22; R/A/Altmeppen Rn 34; zur Rechtslage vor dem MoMiG auch BGHZ 132, 133, 137 = GmbHR 1996, 283. B/H/Fastrich Rn 22; vgl auch RG JW 1899, 444. BGH GmbHR 2006, 306, 308 mit Anm Emde (Ausplünderung Vorrats-GmbH); zustimmend auch B/H/Fastrich Rn 22. So zur Rechtslage vor dem MoMiG: U/H/W/M. Winter/Löbbe 1. Aufl, Rn 41. B/H/Fastrich Rn 25. Henssler/Strohn/Verse Rn 17; Scholz/Seibt Rn 36. Zu § 16 Abs. 1 aF: U/H/W/M. Winter/Löbbe 1. Aufl, Rn 29. R/A/Altmeppen Rn 11 aE; Henssler/Strohn/Verse Rn 18.

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drücklich geregelt, versteht sich jedoch nach der Konzeption des § 16 Abs. 1 von selbst, da es auf die materiellrechtliche Situation nicht ankommt1. Dies gilt etwa hinsichtlich der Auszahlung von Dividenden2, insbesondere aber auch im Hinblick auf die Ausübung des Stimmrechts durch den Eingetragenen3, und zwar auch bei einer Zustimmung nach § 53 Abs. 3 zu einer demnächst erfolgenden Satzungsänderung (dazu § 53 Rn 19 ff), von der der Erwerber noch keine Kenntnis hat4. Auch ein Ausschluss aus wichtigem Grund (dazu ausführlich § 34 Rn 52 ff) oder die Einziehung des Geschäftsanteils (dazu ausführlich § 34 Rn 2 ff) muss der Erwerber gegen sich gelten lassen5. m) Verhaltenspflichten der GmbH: Im Unterschied zur alten Rechtslage kön- 41 nen die Beteiligten nach neuem Recht die Rechtslage nach erfolgter materieller Rechtsänderung nicht mehr frei gestalten (Rn 25). Insbesondere im Falle der Abtretung eines Geschäftsanteils ist der Notar zur unverzüglichen Listenänderung verpflichtet (vgl § 40 Rn 55, 59 f). Bewusst gestaltete Abweichungen zwischen der materiellen Rechtslage und der Gesellschafterliste soll es nach der Konzeption des MoMiG nicht mehr geben. Darauf muss auch bei der Rechtsanwendung Rücksicht genommen werden. Daher darf die GmbH, wenn ihr eine eingetretene Rechtsänderung mitgeteilt und nachgewiesen wurde, im Hinblick auf die Pflicht zur unverzüglichen Änderung der Gesellschafterliste keine vollendeten Fakten schaffen6. Wird dies nicht beachtet, so können etwa Beschlussfassungen, die im Zeitraum zwischen Rechtsänderung und Aufnahme der geänderten Gesellschafterliste zum Nachteil des noch nicht eingetragenen Gesellschafters vorgenommen werden, ggf. wegen Verletzung der mitgliedschaftlichen Treuepflicht (dazu ausführlich § 14 Rn 29 ff) anfechtbar oder nichtig sein; auch kommen Schadensersatzansprüche in Betracht7. Auch einstweiliger Rechtsschutz ist in einem solchen Fall möglich8.

1 Zutreffend BegrRegE BR-Drucks 354/07, S. 84 f. 2 Scholz/Seibt Rn 39; zur Rechtslage vor dem MoMiG: OLG Düsseldorf GmbHR 1996, 443, 446. 3 Scholz/Seibt Rn 39; MünchKomm/Heidinger Rn 127; zur Rechtslage vor dem MoMiG: BGHZ 15, 324, 331. 4 MünchKomm/Heidinger Rn 127; Scholz/Seibt Rn 39; vgl bereits Noack GmbHR 1994, 349, 351. 5 Henssler/Strohn/Verse Rn 18; Scholz/Seibt Rn 39 aE; zum früheren Recht OLG Hamm GmbHR 1993, 660, 661. 6 Hierzu auch Leyendecker-Langner ZGR 2015, 516, 526 f; zweifelnd MünchKomm/Heidinger Rn 135. 7 Bayer Liber amicorum M. Winter, 2011, S. 9, 41 mwN; Wolff BB 2010, 454, 457; zustimmend Scholz/Seibt Rn 40; U/H/L/Löbbe Rn 71 f; im Hinblick auf Schadensersatzansprüche ebenso R/A/Altmeppen Rn 11; MünchKomm/Heidinger Rn 135. 8 U/H/L/Löbbe Rn 72; ausführlich zu Fragen des einstweiligen Rechtsschutzes Lieder GmbHR 2016, 271 ff.

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§ 16 | Rechtsstellung bei Wechsel der Gesellschafter 42 Will die GmbH den Listengesellschafter mit Pflichten belasten, etwa auf Ein-

lageleistung in Anspruch nehmen, so kann sie sich nicht auf § 16 Abs. 1 Satz 1 stützen, wenn sie es trotz Mitteilung und Nachweis pflichtwidrig unterlässt, die Gesellschafterliste zu ändern und zum Handelsregister einzureichen1. Eine Beschränkung auf Fälle von Rechtsmissbrauch ist hier nicht angezeigt2.

43 n) Erbrechtlicher Erwerb: Beim Tod eines Gesellschafters gilt: Die Erben erwer-

ben erst dann die Gesellschafterrechte, wenn sie im Verfahren gemäß § 40 in die Gesellschafterliste eingetragen wurden3. Der MoMiG-Gesetzgeber ist hier – zu Recht4 – nicht der hM zu § 67 Abs. 2 AktG gefolgt5, wonach auch ohne Eintragung in das Aktienregister die Erben in die Aktionärsstellung einrücken. Die gegenteilige Auffassung, wonach auch der nicht in der Gesellschafterliste vermerkte, jedoch etwa durch einen Erbschein ausgewiesene Erbe die materiell gemäß § 1922 BGB erworbenen Gesellschafterrechte des Erblassers ausüben kann6, steht im Widerspruch zu Wortlaut und Sinn des § 16 Abs. 1; auch der Gesetzgeber hat den Erbfall ausdrücklich in den Anwendungsbereich des § 16 Abs. 1 einbezogen7. Zwischen Erbfall und Listenänderung entstandene (Gewinn-)Ansprüche bleiben für den Erben reserviert und können nachträglich geltend gemacht werden8.

44 Für Verbindlichkeiten des Erblassers gegenüber der GmbH haften die Erben

jedoch auch ohne Eintragung in die Gesellschafterliste gemäß §§ 1922, 1967 BGB9, allerdings zu diesem Zeitpunkt noch mit der Möglichkeit, die Haftung gemäß §§ 1975 ff BGB auf den Nachlass zu beschränken10; eine solche Haftungsbeschränkung kommt nach erfolgter Eintragung in die Gesellschafterliste

1 Bayer Liber amicorum M. Winter, 2011, S. 9, 31; B/H/Fastrich Rn 5 aE; für die AG auch Spindler/Stilz/Cahn § 67 AktG Rn 31; zu den prozessualen Implikationen näher Lieder GmbHR 2016, 189, 195 f. 2 So aber RG JW 1931, 2097, 2098 mit zustimmender Anm F. Goldschmitt; so auch KölnKomm/Lutter/Drygala § 67 AktG Rn 62. 3 Scholz/Seibt Rn 41; MünchKomm/Heidinger Rn 145 ff; U/H/L/Löbbe Rn 30; Wolff BB 2010, 454, 456; ausführlich Wiersch NZG 2015, 1336, 1337 ff. 4 So bereits ausführlich MünchKomm/Bayer § 67 AktG Rn 75 ff; zustimmend MünchKomm/Heidinger Rn 144. 5 Dazu Großkomm/Merkt § 67 AktG Rn 76; OLG Brandenburg NZG 2002, 476, 478; ThürOLG AG 2004, 268, 270. 6 So R/A/Altmeppen Rn 21; Ising NZG 2010, 812, 815 f; wie hier dagegen auch Lange GmbHR 2012, 986. 7 Bayer GmbHR 2012, 1, 4; U/H/L/Löbbe Rn 30; Wicke Rn 7; Heidinger ZNotP 2012, 449, 453 ff. 8 Henssler/Strohn/Verse Rn 19; B/H/Fastrich Rn 17; MünchKomm/Bayer § 67 AktG Rn 78; ausführlich jüngst Wiersch NZG 2015, 1336, 1338 f. 9 Wiersch NZG 2015, 1336, 1339 f. 10 U/H/L/Löbbe Rn 106; Scholz/Seibt Rn 41; Henssler/Strohn/Verse Rn 20.

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– anders als im Aktienrecht1 – wegen § 16 Abs. 2 jedoch nur noch sehr eingeschränkt in Betracht: Denn der Erbe haftet als Gesellschafter stets unbeschränkt für die rückständigen Leistungen des Erblassers2 (dazu noch Rn 54 ff). Beim Tod des Alleingesellschafter-Geschäftsführers erreicht das gesetzliche 45 Modell allerdings die Grenze seiner Leistungsfähigkeit3, da kein Geschäftsführer die Listenänderung vornehmen und beim Registergericht einreichen kann4. Hier bietet es sich bei Fehlen einer postmortalen Vollmacht des Erblasser-Geschäftsführers5 oder eines zweiten „Notfall“-Geschäftsführers6 an, entweder durch die Erben einen Notgeschäftsführer bestellen zu lassen7 oder beim Nachlassgericht als Maßnahme des einstweiligen Rechtsschutzes eine Nachlasspflegschaft zu beantragen8. Eine Listeneinreichung durch den Erben in analoger Anwendung des 16 Abs. 1 Satz 29 (näher Rn 48 ff) erscheint hingegen zweifelhaft10. Siehe zur Ladung des unbekannten Erben auch noch § 51 Rn 10. Der Wegfall der Erbenstellung führt zu einer erneuten Veränderung und be- 46 dingt daher eine Korrektur der Gesellschafterliste mit Wirkung ex nunc11. Der Eintritt des Nacherbfalls lässt hingegen die Rechtsstellung des Vorerben (§§ 2106, 2139 BGB) für die Zeit seiner Legitimation unberührt12. Gleiches gilt im Falle der Ausschlagung (§ 1945 BGB) für den eingetragenen vorläufigen Erben13. Die Rückwirkung des § 1953 Abs. 1 BGB betrifft nur das Verhältnis zum wirklichen Erben, nicht das Verhältnis zur GmbH14; dh Rechtsausübungen des Legitimierten bleiben wirksam15, erhaltene Gewinne wurden mit Rechtsgrund geleistet, sind jedoch an den wirklichen Erben gemäß §§ 1959 Abs. 1, 667, 681 1 Zum Streitstand MünchKomm/Bayer § 67 AktG Rn 79 mwN. 2 Wie hier Bayer GmbHR 2012, 1, 4 f; Scholz/Seibt Rn 41; U/H/L/Löbbe Rn 106 aE; MünchKomm/Heidinger Rn 207; B/H/Fastrich Rn 17; G/E/S/Winter Rn 17; aA R/A/ Altmeppen Rn 23. 3 Dazu Heidinger ZNotP 2012, 449, 459 f;Lange GmbHR 2012, 986 ff. 4 Insoweit den Vorzug der Gegenauffassung herausstreichend R/A/Altmeppen Rn 22. 5 Eine solche Vollmacht empfehlend Wachter DB 2009, 159, 161 f; zustimmend B/H/ Fastrich Rn 17 aE. 6 So U/H/L/Paefgen § 40 Rn 75. 7 So D. Mayer MittBayNot 2014, 114, 124; Lange GmbHR 2012, 986, 988. 8 Ausführlich Schlosser FS G.H. Roth, 2011, S. 695, 697 ff. 9 So Lange GmbHR 2012, 986, 989 mwN; U/H/L/Paefgen § 40 Rn 75; Henssler/Strohn/ Verse Rn 19. 10 Ablehnend Ising NZG 2010, 812, 815 f. 11 Scholz/Seibt Rn 42; R/A/Altmeppen Rn 24; Henssler/Strohn/Verse Rn 20. 12 U/H/L/Löbbe Rn 31; Scholz/Seibt Rn 42; R/A/Altmeppen Rn 24. 13 Scholz/Seibt Rn 42; U/H/L/Löbbe Rn 31; R/A/Altmeppen Rn 24. 14 Wie hier B/H/Fastrich Rn 17; Scholz/Seibt Rn 42; U/H/L/Löbbe Rn 31; MünchKomm/ Heidinger Rn 209; Henssler/Strohn/Verse Rn 20; abweichend R/A/Altmeppen Rn 24. 15 U/H/L/Löbbe Rn 31; Wicke Rn 7; B/H/Fastrich Rn 17.

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§ 16 | Rechtsstellung bei Wechsel der Gesellschafter BGB herauszugeben1. Für eine zwischenzeitlich begründete Haftung gelten die allgemeinen Grundsätze2 (Rn 54 ff). 47 Auch die Rechtshandlungen des (zurechenbar) eingetragenen Scheinerben sind

wirksam3; im Verhältnis zum Erben gelten §§ 2018 ff BGB4.

4. Rückbeziehung der Legitimationswirkung (§ 16 Abs. 1 Satz 2) 48 a) Inhalt und Zweck der Regelung: Da ein praktisches Bedürfnis dafür besteht,

dass der Erwerber eines Geschäftsanteils auch bereits vor Aufnahme der geänderten Gesellschafterliste in das Handelsregister Rechtshandlungen in Bezug auf das Gesellschaftsverhältnis vornehmen kann5 – die Begr RegE nennt beispielhaft einen Beschluss zur Satzungsänderung oder die Abberufung und Neubestellung von Geschäftsführern6 –, bestimmt § 16 Abs. 1 Satz 2 im Wege der Fiktion7, dass die im Übrigen wirksame (!), aber allein auf Grund der Rechtswirkungen des § 16 Abs. 1 Satz 1 noch nicht wirksame, sondern zunächst schwebend unwirksame Maßnahme8 des Erwerbers ex tunc als wirksam gilt9, wenn die geänderte Gesellschafterliste unverzüglich nach der Vornahme der Rechtshandlung in das Handelsregister aufgenommen wird. Erfolgt hingegen keine unverzügliche Aufnahme, so wird die Rechtshandlung endgültig unwirksam10. Neben der Abtretung werden auch sonstige Erwerbsfälle (Erbfall, Verschmelzung usw) erfasst11. Eine vom nichteingetragenen, aber tatsächlichen Rechtsinhaber erhobene Beschlussmängelklage ist analog § 16 Abs. 1 Satz 2 ausnahmsweise zulässig, wenn er bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung12 in die Liste eingetragen wird13. Unter den gleichen Voraussetzungen kann der Nichteingetragene auch 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

So auch Scholz/Seibt Rn 42; U/H/L/Löbbe Rn 31; insoweit auch R/A/Altmeppen Rn 24. Scholz/Seibt Rn 42; U/H/L/Löbbe Rn 31; aA R/A/Altmeppen Rn 24. So auch R/A/Altmeppen Rn 25; U/H/L/Löbbe Rn 31; Scholz/Seibt Rn 42. Wie hier Wicke Rn 7; U/H/L/Löbbe Rn 31; Scholz/Seibt Rn 42; teilweise abweichend die Rechtslage bei der AG, vgl nur MünchKomm/Bayer § 67 AktG Rn 80 mwN. BegrRegE BR-Drucks 354/07, S. 85. BegrRegE BR-Drucks 354/07, S. 85; vgl auch D. Mayer DNotZ 2008, 403, 405; ausführlich Nolting GmbHR 2010, 584, 585 ff; Scholz/Seibt Rn 46; kritisch Barthel GmbHR 2009, 569 ff; B/H/Fastrich Rn 21. So auch Scholz/Seibt Rn 45; U/H/L/Löbbe Rn 86. BegrRegE BR-Drucks 354/07, S. 85; Henssler/Strohn/Verse Rn 23; D. Mayer DNotZ 2008, 403, 405. Kort GmbHR 2009, 169, 174; Scholz/Seibt Rn 45. BegrRegE BR-Drucks 354/07, S. 85; D. Mayer DNotZ 2008, 403, 405; Scholz/Seibt Rn 45; Hasselmann NZG 2009, 409, 411. MünchKomm/Heidinger Rn 142; Henssler/Strohn/Verse Rn 24; D. Mayer ZIP 2009, 1037, 1041. Nolting GmbHR 2010, 584, 588; aA Wolff BB 2010, 454, 461: Klageerhebung. Dazu ausführlich Lieder GmbHR 2016, 189, 198.

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Anfechtungsgründe vorbringen1. Zur Anwendung der Vorschrift auf die finanzielle Eingliederung bei der Organschaft: Stadler/Bindl GmbHR 2010, 412 ff. b) Unverzügliche Aufnahme bedeutet nach dem Wortlaut der Vorschrift zu- 49 nächst, dass die geänderte Gesellschafterliste unverzüglich – dh ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB) – in das Handelsregister aufgenommen wird; eine schuldhafte Verzögerung durch den Registerrichter wäre somit schädlich2. Ob dieses Ergebnis dem Zweck der Regelung und der Vorstellung des Gesetzgebers entspricht, ist jedoch fraglich; der Rechtsgedanke des § 167 ZPO spricht dagegen3. Da der Registerrichter die eingereichte Gesellschafterliste auch nicht inhaltlich zu prüfen hat (vgl § 40 Rn 44), dürften sich normalerweise hier auch gar keine Verzögerungen ergeben. Entscheidend ist vielmehr, ob die Änderung der Gesellschafterliste und ihre Weiterleitung an das Handelsregister unverzüglich erfolgen, was bedeutet, dass allein ein schuldhaftes Zögern des zuständigen Geschäftsführers bzw Notars zur endgültigen Unwirksamkeit der Rechtshandlung (Rn 48) führt4. Im Schrifttum diskutierte Fristen von 1–2 Monaten sind wesentlich zu lang5. Zur Haftung von Geschäftsführer bzw Notar: § 40 Rn 80 f. Wird die Anteilsabtretung – wie häufig – unter einer aufschiebenden Bedin- 50 gung iSv § 158 Abs. 1 BGB (zB Kaufpreiszahlung) vorgenommen, dann kann die Gesellschafterliste erst nach Bedingungseintritt geändert und an das Handelsregister weitergeleitet werden (dazu § 40 Rn 63). Hat der Erwerber bereits vor Bedingungseintritt eine Rechtshandlung vorgenommen, dann ist die Aufnahme der geänderten Gesellschafterliste generell nicht unverzüglich iSv § 16 Abs. 1 Satz 2, da vor einer Änderung der Gesellschafterliste stets zunächst der Bedingungseintritt abgewartet werden muss6. Die Rückbeziehung der Legitimationswirkung kommt jedoch nur dann in Betracht, wenn die Einreichung der geänderten Gesellschafterliste unverzüglich nach Vornahme der Rechtshandlung und ohne das Eintreten weiterer Umstände erfolgen kann7. 1 Wie hier auch Nolting GmbHR 2010, 584, 588; Lieder GmbHR 2016, 189, 198. 2 So in der Tat Gasteyer/Goldschmidt ZIP 2008, 1906, 1909; Michalski/Ebbing Rn 129; MünchKomm/Heidinger Rn 144. 3 Wie hier auch Gasteyer/Goldschmidt ZIP 2008, 1906, 1909; Ising NZG 2010, 812, 813; vgl auch Hasselmann NZG 2009, 409, 411; Scholz/Seibt Rn 47; R/A/Altmeppen Rn 10; Henssler/Strohn/Verse Rn 25; D. Mayer MittBayNot 2014, 24, 29; ablehnend MünchKomm/ Heidinger Rn 163. 4 Wie hier: Wachter ZNotP 2008, 373, 382; D. Mayer ZIP 2009, 1037, 1041; Scholz/Seibt Rn 47; R/A/Altmeppen Rn 10; unklar B/H/Fastrich Rn 21. 5 Großzügiger indes Scholz/Seibt Rn 47 aE; wie hier aber Gasteyer/Goldschmidt ZIP 2008, 1906, 1909; Barthel GmbHR 2009, 569, 570 (Obergrenze 2 Wochen). 6 So auch MünchKomm/Heidinger Rn 145 164; D. Mayer DNotZ 2009, 1037, 1041; Scholz/ Seibt Rn 48; R/A/Altmeppen Rn 10. 7 So auch D. Mayer DNotZ 2008, 403, 405.

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§ 16 | Rechtsstellung bei Wechsel der Gesellschafter 51 c) Schwebend unwirksam bestellter Geschäftsführer: Problematisch sind

Rechtshandlungen eines Geschäftsführers, der zunächst schwebend unwirksam durch den Erwerber bestellt wurde. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers (Rn 48) soll der neu bestellte Geschäftsführer offensichtlich handlungsfähig sein1. Dieses Ergebnis lässt sich nur dadurch erreichen, dass mit der rückwirkenden Wirksamkeit der Rechtshandlung des Erwerbers auch alle Handlungen des Geschäftsführers rückwirkend (ex tunc) wirksam werden2. Dennoch schwebt über allen Handlungen des Geschäftsführers das Damoklesschwert der endgültigen Unwirksamkeit3. Besonders problematisch sind einseitige Rechtsgeschäfte des Geschäftsführers; auch ihnen sollte jedoch unter den Voraussetzungen des § 180 Satz 2 BGB iVm § 16 Abs. 1 Satz 2 rückwirkende Wirksamkeit zukommen4. Sofern der Geschäftsführer im Handelsregister eingetragen wird, gilt nicht nur § 15 Abs. 3 HGB (dazu Vor § 35 Rn 9); vielmehr kommt der Bestellung nach der Lehre vom fehlerhaften Organ solange Wirksamkeit zu, bis die Bestellung beendet wird5. Die im Schrifttum diskutierte Frage, ob der (noch schwebend unwirksam bestellte) Geschäftsführer überhaupt wirksam die Gesellschafterliste ändern und an das Handelsregister weiterleiten könne6, stellt sich im Fall der Anteilsabtretung regelmäßig nicht, weil gemäß § 40 Abs. 2 der Notar jedenfalls hierfür zuständig ist (dazu § 40 Rn 55).

52 Wird vom Neugesellschafter der bisherige Geschäftsführer abberufen, so ist

diese Abberufung bis zur Aufnahme der Liste in das Handelsregister schwebend unwirksam, wird dann aber ex tunc wirksam (Rn 48). Die zwischenzeitlich vom noch amtierenden Geschäftsführer getroffenen Maßnahmen genießen allerdings zum einen den Schutz des § 15 Abs. 1 HGB, sollten indes zum anderen auch darüber hinaus aus Gründen des Verkehrsschutzes uneingeschränkt wirksam sein7.

53 d) Die Praxis behilft sich angesichts der unklaren Rechtslage häufig dadurch,

dass der noch eingetragene Veräußerer der Rechtshandlung des Erwerbers zustimmt oder den Erwerber hierzu (auch stillschweigend) bevollmächtigt8. Ebenso kommt in Betracht, dass die alte Geschäftsführung ihre Ämter (erst) auf1 Richtig Gasteyer/Goldschmidt ZIP 2008, 1906, 1907; Scholz/Seibt Rn 49. 2 So im Ergebnis auch Gasteyer/Goldschmidt ZIP 2008, 1906 ff; R/A/Altmeppen Rn 7, 9; Scholz/Seibt Rn 49. 3 Dazu ausführlich Barthel GmbHR 2009, 539, 570 ff; vgl weiter Heidinger ZNotP 2012, 449, 458 f. 4 Ebenso B/H/Fastrich Rn 21; MünchKomm/Heidinger Rn 143; Scholz/Seibt Rn 49. 5 So auch R/A/Altmeppen Rn 8; Barthel GmbHR 2009, 569, 570 ff; ausführlich Bayer/Lieder NZG 2012, 1, 5 mwN. 6 Bejaht von Wicke Rn 11; Scholz/Seibt Rn 49; U/H/L/Löbbe Rn 93; zweifelnd MünchKomm/Heidinger Rn 143. 7 So R/A/Altmeppen Rn 8; Henssler/Strohn/Verse Rn 26; B/S/Brandes Rn 19. 8 S. BGH GmbHR 2008, 702; vgl weiter MünchKomm/Heidinger Rn 146; Scholz/Seibt Rn 50; Wachter ZNotP 2008, 378, 382 mit Formulierungsvorschlag.

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schiebend bedingt durch die Wirksamkeit des Anteilsübergang iSv § 16 Abs. 1 niederlegt1.

III. Haftung für rückständige Einlagen (§ 16 Abs. 2) Literatur: Battke Haftungsrisiken bei Erwerb von GmbH-Geschäftsanteilen und kein Ende?, GmbHR 2014, 747; Krafczyk/Gerlach Keine Haftung des arglistig getäuschten Anteilskäufers für rückständige Stammeinlage, GmbHR 2006, 1038; K. Müller Haftung des Erwerbers von GmbH-Geschäftsanteilen nach Anfechtung der Abtretung, GmbHR 1996, 881; Pentz Anmeldung und Anfechtung des Geschäftsanteilserwerbs, DStR 2006, 855; Schindler/Buchwald Neue Haftungsrisiken des Erwerbers beim Kauf von Geschäftsanteilen? Zur Ausdehnung der Haftung wegen verbotener Einlagenrückgewähr durch das Urteil des OLG Köln vom 31.03.2011 – 18 U 171/10, KSzW 2011, 369; Theiselmann Die Haftung des Scheingesellschafters für rückständige Einlagen, GmbHR 2009, 1260; Weiler Haftung für rückständige Einlagen bei angefochtenem GmbH-Anteilserwerb, ZIP 2006, 1754.

Im Gegensatz zur Haftung für Leistungen, die im Zeitpunkt der Aufnahme der 54 geänderten Gesellschafterliste noch nicht fällig waren und die – ungeachtet der Haftung gemäß § 22 – gemäß § 16 Abs. 1 allein den Erwerber des Geschäftsanteils trifft (Rn 36), ordnet § 16 Abs. 2 für rückständige Einlageverpflichtungen eine Haftung von Veräußerer und Erwerber an. Diese Haftung ist zwingend2. Nach § 16 Abs. 3 aF hafteten sowohl der Veräußerer als auch der (angemeldete) 55 Erwerber (auch Sicherungserwerber3 und Treuhänder4) für alle zur Zeit der Anmeldung auf den Geschäftsanteil rückständigen Leistungen, wobei zwischen der Haftung für Einlagen und sonstigen Haftungstatbeständen, etwa aus Erwerb eines Vorrats- oder gebrauchten Mantels (§ 3 Rn 78 ff)5, aus verdeckter Sacheinlage (§ 19 Rn 54 ff)6, aus Differenzhaftung (§ 9)7, aus Vorbelastungshaftung (§ 11 Rn 41 ff)8, auch aus Nachschuss (§ 26 Rn 7 ff), Nebenleistung (§ 3 Abs. 2, dazu § 3 Rn 24 ff) oder Ausfallhaftung (§ 24)9 kein Unterschied gemacht wurde10. Der Erwerber haftete jedoch nicht für Schadensersatzansprüche der GmbH gegen den Veräußerer aus schuldhaft verletzter gesellschafterlicher Treuepflicht 1 So B/S/Brandes Rn 19. 2 B/S/Brandes Rn 24; R/A/Altmeppen Rn 32; Scholz/Seibt Rn 51. 3 OLG Hamm GmbHR 1985, 22; R/S-L/Pentz Rn 32; Heckschen/Heidinger/Heidinger § 13 Rn 58. 4 R/S-L/Pentz Rn 32; Heckschen/Heidinger/Heidinger § 13 Rn 58. 5 OLG Frankfurt GmbHR 1999, 32, 33; OLG Düsseldorf ZIP 2003, 1501, 1502 = GmbHR 2003, 1062 (LS); OLG Celle GmbHR 2005, 1496, 1497. 6 OLG Schleswig GmbHR 2000, 1045; Scholz/H. Winter/Seibt 10. Aufl, Rn 40. 7 BGHZ 68, 191, 196; Scholz/H. Winter/Seibt 10. Aufl, Rn 40. 8 Scholz/H. Winter/Seibt 10. Aufl, Rn 40. 9 OLG Köln ZIP 1993, 1389, 1393 = GmbHR 1995, 125 (LS); U/H/W/M. Winter/Löbbe 1. Aufl, Rn 43. 10 BGHZ 68, 191, 197; Scholz/H. Winter/Seibt 10. Aufl, Rn 40.

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§ 16 | Rechtsstellung bei Wechsel der Gesellschafter oder aus der Gründerhaftung gemäß § 9a1; auch nicht im Hinblick auf einen Verzugsschaden2. Ebenfalls haftete nach zutreffender Ansicht nicht der Erwerber, sondern nur der Veräußerer als Empfänger auf Erstattung unzulässiger Einlagenrückgewähr gemäß § 31 Abs. 13 (streitig); die Solidarhaftung gemäß § 31 Abs. 3 traf hingegen auch den Erwerber4. Ebenso erstreckte sich die Erwerberhaftung auch auf mitgliedschaftliche Regressansprüche von Mitgesellschaftern5. 56 Nach § 16 Abs. 2 nF haftet der Erwerber eines Geschäftsanteils – sofern und so-

bald er nach § 16 Abs. 1 ordnungsgemäß legitimiert ist6 (Rn 26 ff) – „für Einlageverpflichtungen, die [im Zeitpunkt der Aufnahme der geänderten Gesellschafterliste in das Handelsregister] rückständig sind, […] neben dem Veräußerer“. Obgleich nunmehr (enger) von „Einlageverpflichtungen“ statt von „Leistungen“ gesprochen wird, soll mit der Neuregelung lediglich die frühere Regelung in § 16 Abs. 3 aF „aufgegriffen“ und allein der zeitliche Anknüpfungspunkt geändert werden7. Daher wird im Schrifttum trotz des veränderten Wortlauts nahezu einmütig und zutreffend davon ausgegangen, dass die frühere Rechtslage durch die Umformulierung nicht geändert wurde8. Der Gesetzgeber hat zwar nicht die Formulierung „rückständige Leistungen“ aus § 16 Abs. 2 RefE übernommen, jedoch die Änderung des Wortlauts auch nach Hinweis auf die Problematik9 nicht erläutert. Dies spricht für eine weite Auslegung iSd früheren Rechtslage.

57 Rückständig ist eine Leistung, wenn sie im Zeitpunkt der Aufnahme der Gesell-

schafterliste in das Handelsregister (Rn 28) fällig ist (zur Fälligkeit: § 19 Rn 8 ff) und gleichwohl nicht bewirkt wurde10. Dies gilt auch für eine zu Unrecht nicht

1 U/H/W/M. Winter/Löbbe 1. Aufl, Rn 36; Limmer ZIP 1993, 412, 415; aA Geck DStR 1996, 627, 629; Lergon RNotZ 2003, 213, 244. 2 R/S-L/Pentz Rn 29; U/H/W/M. Winter/Löbbe 1. Aufl, Rn 36 mwN. 3 Scholz/H.P. Westermann 10. Aufl, § 31 Rn 15; R/S-L/Pentz 4. Aufl, § 31 Rn 8; U/H/W/ Habersack 1. Aufl,§ 31 Rn 15; aA U/H/W/M. Winter/Löbbe 1. Aufl, Rn 34; Limmer ZIP 1993, 412, 414; OLG Köln GmbHR 2011, 648, 650 mit Anm Blöse und Anm Schodder EWiR 2011, 667. 4 Scholz/H. Winter/Seibt 10. Aufl, Rn 40; U/H/W/Habersack 1. Aufl, § 31 Rn 46 mwN. 5 Grunewald ZGR 1991, 452, 464; ausführlich U/H/W/M. Winter/Löbbe 1. Aufl, Rn 38. 6 Also keine Haftung des nicht eingetragenen Zwischenerwerbers bei Veräußerungskette: R/A/Altmeppen Rn 32; R/S-L/Pentz Rn 67; Scholz/Seibt Rn 56; Michalski/Ebbing Rn 143, 145; zweifelnd indes U/H/L/Löbbe Rn 105. 7 BegrRegE BR-Drucks 354/07, S. 86 f. 8 So auch B/H/Fastrich Rn 23; R/A/Altmeppen Rn 28; Scholz/Seibt Rn 52; U/H/L/Löbbe Rn 97; MünchKomm/Heidinger Rn 165; D. Mayer DNotZ 2008, 403, 405 f; zweifelnd allerdings MünchHdbGmbH/Jasper § 24 Rn 243; aA Link DNotZ 2009, 193, 213 f. 9 Götze/Bressler NZG 2007, 894 (zum RegE). 10 Scholz/Seibt Rn 53; Henssler/Strohn/Verse Rn 47; MünchKomm/Heidinger Rn 195; Battke GmbHR 2014, 747, 749; zur Rechtslage vor dem MoMiG auch BGHZ 132, 133, 136; BGH GmbHR 1961, 144, 145.

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geleistete Sacheinlage; doch schuldet der Erwerber hier nur Geld1. Bei einheitlichen unteilbaren Leistungen richtet sich die Fälligkeit nach dem vereinbarten Ablieferungstermin2. Dies bedeutet im Einzelnen: Der Erwerber haftet – ungeachtet seiner Kenntnis 58 oder Unkenntnis3 - für alle rückständigen, aus dem erworbenen Geschäftsanteil resultierenden Pflichten, speziell für alle Einlagepflichten, für Differenz- und Unterbilanzhaftung4 (auch im Falle der wirtschaftlichen Neugründung5 oder der verdeckten Sacheinlage6), für Nachschüsse und Nebenleistungen7, auch für alle mitgliedschaftlichen Regressansprüche (§§ 22, 24, 31 Abs. 38)9, nicht hingegen für die Gründerhaftung (§ 9a)10, Verzugszinsen11 oder Sekundäransprüche der GmbH aus der Verletzung der mitgliedschaftlichen Treuepflicht12. Auch die Erstattungshaftung gemäß § 31 Abs. 1 trifft nach hM nur den (empfangenden) Veräußerer13 (vgl auch § 31 Rn 7), was den Erwerber indes nur begrenzt entlastet, da auch er jedenfalls in der Solidarhaftung gemäß § 31 Abs. 3 steht14. Erwerber eines Teils eines Geschäftsanteils haften pro rata15, Veräußerer und 59 Erwerber haften als Gesamtschuldner16; Leistung des einen befreit daher auch den anderen (§ 422 Abs. 1 Satz 1 BGB). Für den Innenausgleich gilt mangels – in der Praxis indes üblicher17 – abweichender Vertragsregelung § 426 Abs. 1 1 Scholz/Seibt Rn 53; U/H/L/Löbbe Rn 99; Henssler/Strohn/Verse Rn 15. 2 Scholz/Seibt Rn 53; MünchKomm/Heidinger Rn 196; vgl weiter RGZ 84, 75, 76 (Rübenanbau und -ablieferung). 3 U/H/L/Löbbe Rn 94; Scholz/Seibt Rn 37. 4 R/A/Altmeppen Rn 28; U/H/L/Löbbe Rn 98; Henssler/Strohn/Verse Rn 15. 5 BGH GmbHR 2014, 317 Rn 8; MünchKomm/Heidinger Rn 190; R/A/Altmeppen Rn 28. 6 U/H/L/Löbbe Rn 99; Scholz/Seibt Rn 52. 7 R/A/Altmeppen Rn 28; MünchKomm/Heidinger Rn 190; U/H/L/Löbbe Rn 98. 8 Zum Problem der Anteilsabtretung vor oder während des Kaduzierungsverfahrens ausführlich Bayer/Scholz NZG 2015, 1089 ff; Bayer/Scholz GmbHR 2016, 89ff; Lieder WuB 2015, 573 ff; vgl weiter § 24 Rn 9 f. 9 R/A/Altmeppen Rn 28; MünchKomm/Heidinger Rn 190; U/H/L/Löbbe Rn 98, 108. 10 MünchKomm/Heidinger Rn 193; Scholz/Seibt Rn 52. 11 U/H/L/Löbbe Rn 103. 12 MünchKomm/Heidinger Rn 191; U/H/L/Löbbe Rn 103; Henssler/Strohn/Verse Rn 16. 13 Wie hier Battke GmbHR 2014, 747, 750; Schindler/Buchwald KSzW 2011, 369 ff; B/H/ Fastrich Rn 23; R/A/Altmeppen Rn 30; Scholz/Seibt Rn 52; G/E/S/Winter Rn 30; Scholz/ Verse § 31 Rn 10; R/S-L/Pentz Rn 57; aA OLG Köln GmbHR 2011, 648; Michalski/Heidinger § 31 Rn 17 ff; U/H/L/Löbbe Rn 101 (gegen U/H/W/Löbbe Erg MoMiG Rn 101). 14 Battke GmbHR 2014, 747, 750; B/H/Fastrich § 31 Rn 21; R/A/Altmeppen Rn 29. 15 MünchKomm/Heidinger Rn 164; B/H/Fastrich Rn 23 mwN. 16 Scholz/Seibt Rn 54; MünchKomm/Heidinger Rn 164; R/A/Altmeppen Rn 27a; Henssler/ Strohn/Verse Rn 48; zur früheren Rechtslage auch BGHZ 68, 191, 197; BGH GmbHR 1995, 119. 17 U/H/L/Löbbe Rn 107 mwN.

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§ 16 | Rechtsstellung bei Wechsel der Gesellschafter Satz 1 BGB1. Bei unentgeltlicher Übertragung kann Auslegung Pflicht zur Haftungsfreistellung des Veräußerers durch Erwerber ergeben2. Zur Frage der (befreienden) Drittleistung des Erwerbers gemäß § 267 BGB bei unwirksamer Anteilsabtretung: BGH GmbHR 1995, 119, 120. Die Beweislast für das Erlöschen der Einlageschuld trifft nach allgemeinen Grundsätzen den Erwerber (vgl § 19 Rn 15)3. 60 Problematisch und streitig war nach früherem Recht die Haftung des Erwerbers

für rückständige, aber noch nicht abgewickelte Leistungen, wenn die Anmeldung wirksam widerrufen bzw angefochten worden war (zum Widerruf Rn 23, 33 f): Während von der hM eine umfassende Haftung des Erwerbers angenommen wurde4, beschränkten ein Teil des Schrifttums5 sowie auch das OLG Hamm6 (und für den Fall des Scheinerwerbers bei unwirksamer Anteilsübertragung auch das OLG Frankfurt7) die Erwerberhaftung in teleologischer Reduktion des § 16 Abs. 3 aF auf bereits abgeschlossene Sachverhalte; im Ergebnis wurde dadurch nur eine Rückabwicklung zwischen GmbH und Erwerber ausgeschlossen (weil mit Rechtsgrund geleistet worden war: Rn 23), aber bis zum Widerruf begründete Ansprüche der GmbH gegen den zwischenzeitlichen Erwerber sollten nicht mehr weiter durchgesetzt werden können. Nach hM war hingegen der Erwerber trotz des erfolgten Widerrufs der Anmeldung auf einen Regress gegen den Veräußerer angewiesen.

61 Die Problematik stellt sich auch nach neuem Recht und sollte entgegen der frü-

her hM entschieden werden: Mit Kenntnis vom unwirksamen Rechtsübergang ist die Gesellschafterliste wieder zu ändern; der materiell-rechtlich zu Unrecht durch den Erwerber ersetzte Veräußerer ist wieder als Inhaber des Geschäftsanteils einzutragen (Rn 22 f, 33 f). Ab diesem Zeitpunkt haftet auch wieder der Veräußerer, und zwar nicht nur für rückständige, sondern auch für alle erst

1 Scholz/Seibt Rn 54; MünchKomm/Heidinger Rn 164; Henssler/Strohn/Verse Rn 48; abweichend R/S-L/Pentz Rn 64: im Zweifel volle Haftung des Veräußerers. 2 Henssler/Strohn/Verse Rn 48; B/H/Fastrich Rn 25; vgl auch OLG Hamm GmbHR 1979, 18. 3 R/A/Altmeppen Rn 31; vgl weiter Battke GmbHR 2014, 745, 751. 4 BGHZ 84, 47, 50 = GmbHR 1983, 42; obiter bestätigt durch BGH GmbHR 1990, 164, 166 und BGH GmbHR 2007, 375, 376 (VIII. ZS); unentschieden hingegen BGH GmbHR 1991, 311, 312 f; vgl weiter OLG Hamm GmbHR 1985, 22, 23; OLG Celle GmbHR 2000, 1099, 1101; R/S-L/Pentz Rn 41; Scholz/H. Winter/Seibt 10. Aufl, Rn 22. 5 K. Müller GmbHR 1996, 881, 884 ff; Limmer ZIP 1993, 412, 417 f; Zutt FS Oppenhoff, 1985, S. 555, 568 ff; auch schon nach 16. Aufl, Rn 19 war die hM „zweifelhaft“. 6 OLG Hamm GmbHR 2006, 252 mit zustimmender Anm K. Müller; dazu auch Krafczyk/ Gerlach GmbHR 2006, 1038 ff; ausdrücklich zustimmend Weiler ZIP 2006, 1754 ff; ablehnend Pentz DStR 2006, 855 ff. 7 OLG Frankfurt GmbHR 2009, 1155 mit zustimmender Anm K. Müller (vgl dazu den bestätigenden Hinweisbeschluss BGH GmbHR 2010, 918).

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nach der Eintragung des Erwerbers fällig gewordenen Leistungen1. Daher ist es nicht mehr gerechtfertigt, den materiell fehlerhaften Erwerber (und sei er noch kurze Zeit eingetragen) im Hinblick auf rückständige Leistungen weiterhin in Anspruch zu nehmen2. Das Argument der Gegenauffassung, dass der Erwerber durch die Verzögerung der fälligen Zahlung sich einen Vorteil gegenüber einer fristgerechten Zahlung verschaffen könne („Belohnung“)3, rechtfertigt es nicht, der GmbH für diesen noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt einen zusätzlichen Schuldner zu verschaffen. Auch die hM folgt der hier vertretenen Auffassung übrigens dann, wenn der Geschäftsführung der GmbH die Anfechtbarkeit der Rechtsübertragung im Rahmen der Anmeldung gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 aF bekannt oder grob fahrlässig unbekannt war4. Für noch nicht fällige Leistungen haftet der Erwerber ab dem Zeitpunkt der 62 Kenntnis der GmbH vom unwirksamen Rechtsübergang unstreitig überhaupt nicht5. In Übereinstimmung mit dem früheren Recht wird der unrichtig in die Gesellschafterliste eingetragene Erwerber auch nicht als Rechtsvorgänger des wieder eingetragenen Veräußerers behandelt und haftet deshalb für künftig fällig werdende Leistungen nicht aus § 226 (dazu bereits Rn 23).

IV. Gutgläubiger Erwerb (§ 16 Abs. 3) Literatur: Altmeppen Der gutgläubige Zwischenerwerb am Beispiel des § 16 Abs. 3 GmbHG, FS Schurig, 2012, S. 1; Apfelbaum Das Merkmal der Zurechenbarkeit beim gutgläubigen Erwerb von GmbH-Anteilen, BB 2008, 2470; Bayer Kein gutgläubiger Erwerb bei aufschiebend bedingter Abtretung eines GmbH-Geschäftsanteils?, GmbHR 2011, 1254; Bayer Verkehrsschutz im Kapitalgesellschaftsrecht. Zugleich ein Beitrag de lege lata und de lege ferenda zum System des gutgläubigen Erwerbs von GmbH-Geschäftsanteilen, in Schröder/Kanzleiter (Hrsg), 3 Jahre nach dem MoMiG, 2012, S. 13; Bednarz Die Gesell1 So zutreffend schon RG JW 1915, 588, 589; insoweit auch BGHZ 84, 47, 50 = GmbHR 1983, 42; vgl weiter Weiler ZIP 2006, 1754, 1756. 2 In diesem Sinne auch Altmeppen ZIP 2009, 345, 352; B/S/Brandes Rn 35; U/H/L/Löbbe Rn 116 ff; R/A/Altmeppen Rn 42 ff; B/H/Fastrich Rn 24; Henssler/Strohn/Verse Rn 45; ausführlich Bayer Liber amicorum M. Winter, 2011, S. 9, 39 f mwN; zustimmend jüngst Wiersch ZGR 2015, 591, 610 ff; Lieder GmbHR 2016, 189, 195 f;aA indes Theiselmann GmbHR 2009, 1260 ff; Scholz/Seibt Rn 56a; Michalski/Ebbing Rn 153; MünchKomm/ Heidinger Rn 226 ff; R/S-L/Pentz Rn 63. 3 So BGHZ 84, 47, 50; nachdrücklich auch Pentz DStR 2006, 855, 857 ff; dagegen jedoch zutreffend K. Müller GmbHR 1996, 881, 885; Weiler ZIP 2006, 1754, 1760; ausführlich Krafczik/Gerlach GmbHR 2006, 1038 ff. 4 So OLG Hamburg GmbHR 1998, 591, 593 f im Anschluss an Knobbe-Keuk ZIP 1983, 274 und K. Schmidt BB 1988, 1053, 1059; aA jedoch auch insoweit Pentz DStR 2006, 855, 859. 5 Scholz/Seibt Rn 56a; R/A/Altmeppen Rn 31; zur Rechtslage vor dem MoMiG: Scholz/ H. Winter/Seibt 10. Aufl, Rn 22 mwN. 6 Zum früheren Recht Scholz/H. Winter/Seibt 10. Aufl, Rn 22; für die AG auch MünchKomm/Bayer § 67 AktG Rn 146.

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§ 16 | Rechtsstellung bei Wechsel der Gesellschafter schafterliste als Rechtsscheinträger für einen gutgläubigen Erwerb von GmbH-Geschäftsanteilen, BB 2008, 1854; Begemann/Galla Praxisfragen zur Gesellschafterliste der GmbH nach dem MoMiG, GmbHR 2009, 1065; Begemann/Grunow Erwerberschutz bei aufschiebend bedingter Abtretung von GmbH-Geschäftsanteilen, DNotZ 2011, 403; Bernauer/Bernauer Praktische Fragen zum Widerspruch gegen die Gesellschafterliste, GmbHR 2016, 621; Beutel Eintragungsfähigkeit des Testamentsvollstreckervermerks in die Gesellschafterliste, NZG 2014, 646; Bohrer Fehlerquellen und gutgläubiger Erwerb im Geschäftsanteilsverkehr – Das Vertrauensschutzkonzept im Regierungsentwurf des MoMiG, DStR 2007, 995; Böhringer Möglicher gutgläubiger Wegerwerb von beschränkten dinglichen Rechten und dessen Ausschluss, BWNotZ 2008, 70; Böttcher/Blasche Gutgläubiger Erwerb von Geschäftsanteilen entsprechend der in der Gesellschafterliste eingetragenen Stückelung nach dem MoMiG, NZG 2007, 565; Brandes Gutgläubiger Erwerb bei bedingter Abtretung von GmbH-Geschäftsanteilen, GmbHR 2012, 545; Dittert Einstweiliger Rechtsschutz gegen falsche GmbH-Gesellschafterliste, NZG 2015, 221; Frenzel Aufschiebend bedingter Erwerb von GmbH-Geschäftsanteilen, NotBZ 2010, 129; Gottschalk Neue Regelungen für die Gesellschafterliste und die Geschäftsanteile sowie der gutgläubige Erwerb von Geschäftsanteilen nach dem MoMiG, DZWiR 2008, 45; Götze/Bressler Praxisfragen der Gesellschafterliste und des gutgläubigen Erwerbs von Geschäftsanteilen nach dem MoMiG, NZG 2007, 894; Greitemann/Bergjan Die Auswirkungen des MoMiG auf die M&A Praxis, FS Pöllath, 2008, S. 271; Grunewald Der gutgläubige Erwerb von GmbH-Anteilen: Eine neue Option, Der Konzern 2007, 13; Grunewald/Gehling/Rodewig Gutgläubiger Erwerb von GmbH-Anteilen, ZIP 2006, 685; Haas/Oechsler Missbrauch, Cash Pool und gutgläubiger Erwerb nach dem MoMiG, NZG 2006, 806; Hamann GmbH-Anteilserwerb vom Nichtberechtigten, NZG 2007, 492; Harbarth Gutgläubiger Erwerb von GmbH-Geschäftsanteilen nach dem MoMiG-RegE, ZIP 2008, 57; Hasselmann Die Zuordnung des Widerspruchs zur Gesellschafterliste, NZG 2010, 207; Heckschen Auswirkungen des MoMiG auf die Übertragung von GmbH-Anteilen von Todes wegen und im Wege der vorweggenommenen Erbfolge, ZErb 2008, 246; Heidinger Zusätzliche Angaben in der Gesellschaftserliste und ihre Wirkung nach § 16 Abs. 1 GmbHG, FS Stilz, 2014, S. 253 Herrler Gutgläubiger Erwerb bei aufschiebend bedingter GmbH-Geschäftsanteilsabtretung – Sicherung durch Vermerk in Gesellschafterliste, BB 2009, 2272; Herrler (Stark) beschränkte Publizitätswirkung der GmbH-Gesellschafterliste? – Schutz des Rechtsverkehrs de lege lata und de lege ferenda, NZG 2011, 1321; Jeep Die ungenutzte Chance des BGH zur Aufwertung der GmbH-Gesellschafterliste. Oder: Heute wissen müssen, was morgen entschieden wird, NJW 2012, 658; Kalbfleisch/Glock Freiwillige Zusatzangaben in der GmbH-Gesellschafterliste, GmbHR 2015, 847; Kanzleiter Die Zuordnung von Verantwortung und Risiko aufgrund der Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb von Geschäftsanteilen an einer GmbH nach deutschem Recht, FS G.H. Roth, 2011, S. 355; Klöckner Praxisprobleme beim gutgläubigen Erwerb von GmbH-Geschäftsanteilen, NZG 2008, 841; Kort Offene Fragen zu Gesellschafterliste, Gesellschafterstellung und gutgläubigem Anteilserwerb (§§ 40 und 16 GmbHG nF), GmbHR 2009, 169; Kort Kein Gutglaubensschutz nach § 16 III GmbHG beim Zweiterwerb eines aufschiebend bedingt abgetretenen Geschäftsanteils, DB 2012, 2481; Kotthaus Die Gewährleistung des Gutglaubensschutzes durch § 16 Abs. 3 GmbHG, 2012; Lieder Die Lehre vom unwirksamen Rechtsscheinträger, AcP 210 (2010), 858; Löbbe Die GmbH-Gesellschafterliste, GmbHR 2016, 141; Maier-Reimer Gutgläubiger Anteilserwerb und Bedingung, FS Graf von Westphalen, 2010, S. 489; D. Mayer Der Erwerb einer GmbH nach den Änderungen durch das MoMiG, DNotZ 2008, 403; Mayer/Färber Gutgläubiger Erwerb von GmbH-Geschäftsanteilen bei aufschie-

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Rechtsstellung bei Wechsel der Gesellschafter | § 16 bend bedingter Anteilsabtretung?, GmbHR 2011, 785; Omlor Verkehrsschutz im Kapitalgesellschaftsrecht, 2010; Omlor Verkehrsschutz im Kapitalgesellschaftsrecht – das System des gutgläubigen Erwerbs von GmbH-Gesellschaftsanteilen, WM 2009, 2105; Omlor Verkehrsschutzfragen zum Anwartschaftsrecht am GmbH-Geschäftsanteil, DNotZ 2012, 179; Oppermann Praktische Gestaltung der bedingten Abtretung von GmbH-Anteilen, ZIP 2009, 651; Osterloh Gutgläubiger Erwerb bei aufschiebend bedingter Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen, NZG 2011, 495; Prasse/Strotmann Die Zuordnung eines Widerspruchs zur Gesellschafterliste im Handelsregister durch einstweilige Verfügung, BB 2010, 1747; Preuß Gesellschafterliste, Legitimation gegenüber der Gesellschaft und gutgläubiger Erwerb von GmbH-Anteilen, ZGR 2008, 676; Reichert Abtretung von GmbH-Geschäftsanteilen und gutgläubiger Erwerb, in Bayer/Koch (Hrsg), Das neue GmbH-Recht, 2008, S. 29; Reymann Gutgläubiger Erwerb und Rechte an GmbH-Geschäftsanteilen, WM 2008, 2095; Reymann Zurechnungssystem und Regelungsebenen der GmbH-Gesellschafterliste, BB 2009, 506; Reymann Aufschiebend bedingte Geschäftsanteilsabtretungen und Zwischenverfügungen bei der GmbH, GmbHR 2009, 343; Reymann Gesellschafterliste mit Vermerk über aufschiebend bedingte Abtretung eines Geschäftsanteils, NJW 2010, 305; Rodewald Gutgläubiger Erwerb von Geschäftsanteilen nach MoMiG – drei Fragen zum Umfang der Legal Due Diligence, GmbHR 2009, 196; Schlosser Einstweiliger Rechtsschutz bei zweifelhaften Übergängen von GmbH-Geschäftsanteilen, FS G. Roth, 2011, S. 695; Schneider Der Widerspruch gegen die Gesellschafterliste zur Sicherung der bedingten Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen, NZG 2009, 1167; Schockenhoff/Höder Gutgläubiger Erwerb von GmbH-Anteilen nach dem MoMiG: Nachbesserungsbedarf aus Sicht der M&A-Praxis, ZIP 2006, 1841; Schüßler Der gutgläubige Erwerb von GmbH-Geschäftsanteilen, 2011; Stenzel Prüfung der Anteilskette nach dem MoMiG, BB 2012, 337; Vossius Gutgläubiger Erwerb von GmbH-Anteilen nach MoMiG, DB 2007, 2299; Wagner Der gutgläubige Erwerb von Geschäftsanteilen im Recht der GmbH, 2011; Wegen Gutgläubiger Erwerb von GmbH-Geschäftsanteilen?, FS Luer, 2008, S. 321; Weigl Gesellschafterliste und Gutglaubenserwerb bei aufschiebend bedingten Geschäftsanteilsabtretungen, NZG 2009, 1173; Werner Der unbekannte oder unerreichbare GmbH-Gesellschafter, GmbHR 2014, 357 Wicke Die GmbH-Gesellschafterliste im Fokus der Rechtsprechung, DB 2011, 1037; Wicke Kein gutgläubiger Erwerb eines bereits zuvor aufschiebend bedingt abgetretenen GmbH-Geschäftsanteils. Vertane Chance des BGH zu einer praxisgerechten Rechtsfortbildung, DStR 2011, 2356; Zessel Gutgläubiger Erwerb von GmbH-Geschäftsanteilen nach dem MoMiG, GmbHR 2009, 303; Ziemons Mehr Transaktionssicherheit durch das MoMiG?, BB 2006, Beil. 7, S. 9.

Das MoMiG hat nach Anregungen aus dem Schrifttum1 erstmals den gutgläubi- 63 gen Erwerb von Geschäftsanteilen und Rechten an Geschäftsanteilen anerkannt2. Damit sollten die mit dem Erwerb von GmbH-Anteilen in der Praxis auf Grund der Notwendigkeit einer due diligence regelmäßig verbundenen hohen Transaktionskosten gesenkt und Rechtssicherheit geschaffen werden3. Die

1 Dazu Grunewald/Gehling/Rodewig ZIP 2006, 685 ff; vgl auch schon Grau FS Oberneck, 1929, S. 173 ff; Hohner FS Barz, 1974, S. 147 ff. 2 Dazu BegrRegE BR-Drucks 354/07, S. 87. 3 Vgl BegrRegE BR-Drucks 354/07, S. 87.

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§ 16 | Rechtsstellung bei Wechsel der Gesellschafter Regelung war im Vorfeld rechtspolitisch heftig umstritten1; verfassungsrechtliche Bedenken2 bestehen indes im Ergebnis nicht3 (dazu auch Rn 68). Allerdings wird vielfach und zutreffend die konkrete Ausgestaltung des gutgläubigen Erwerbs bemängelt4. Die Neuregelung sollte daher vom Gesetzgeber überarbeitet werden5 (Einzelheiten bei Rn 74, 84). 1. Überblick 64 Der Erwerb eines Geschäftsanteils (oder eines Rechts daran) vom Nichtberech-

tigten kommt nach § 16 Abs. 3 in Betracht, wenn der Veräußerer als Inhaber des Geschäftsanteils in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste eingetragen (Rn 9 ff) und der Erwerber gutgläubig (Rn 70, 88 ff) und der Gesellschafterliste kein Widerspruch zugeordnet ist (Rn 91 ff). Weiterhin muss die Liste zum Zeitpunkt des Erwerbs im Hinblick auf den Geschäftsanteil entweder mindestens 3 Jahre unrichtig (Rn 103 f) oder die Unrichtigkeit dem Berechtigten zuzurechnen sein (Rn 105). Nicht erforderlich ist nach allgemeinen Grundsätzen6 auch hier, dass der Erwerber Einblick in die Gesellschafterliste genommen hat7. Rechtsfolge des gutgläubigen Erwerbs ist, dass der Erwerber vollwertiger Gesellschafter mit allen Rechten und Pflichten gemäß § 16 Abs. 1 (Rn 26, 36) wird8.

65 Ungeachtet der Voraussetzungen des § 16 Abs. 3 kann ein Geschäftsanteil vom

Scheinerben gutgläubig erworben werden, der durch einen Erbschein gemäß § 2366 BGB legitimiert ist9.

1 S. zum RegE etwa: Eidenmüller ZGR 2007, 168, 200 ff; Harbarth ZIP 2008, 57 ff; Vossius DB 2007, 2299 ff; zum RefE: Schockenhoff/Höder ZIP 2006, 1841 ff; K. Müller GmbHR 2006, 953 ff. 2 So Harbarth ZIP 2008, 57, 62 ff; D. Mayer DNotZ 2008, 403, 431; ausführlich Omlor Verkehrsschutz 2010 S. 335 ff. 3 Wie hier Scholz/Seibt Rn 62; U/H/L/Löbbe Rn 125; Henssler/Strohn/Verse Rn 50. 4 So dezidiert Bednarz BB 2008, 1854 ff; Klöckner NZG 2008, 841 ff; Stenzel BB 2012, 337 ff; vgl auch Kort GmbHR 2009, 169, 174 ff. 5 S. auch Bayer Liber amicorum M. Winter, 2011, S. 9, 18; Bayer GmbHR 2011, 1254, 1255, 1258; Lieder GmbHR 2016, 271, 278 f; Lieder AcP 210 (2010), 857, 901 ff. 6 Vgl zum Handelsregister K. Schmidt HandelsR 6. Aufl 2015 § 14 Rn 40 mwN; zum allgemeinen Prinzip verdichtend Lieder Die rechtsgeschäftliche Sukzession, 2015, S. 509 ff. 7 Henssler/Strohn/Verse Rn 51; Omlor Verkehrsschutz, 2010, S. 497 ff. 8 Henssler/Strohn/Verse Rn 91. 9 Scholz/Seibt Rn 57; R/A/Altmeppen Rn 75; ausführlich Erman/Simon § 2366 BGB Rn 2.

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2. Gesellschafterliste als Rechtsscheinträger Anknüpfungspunkt für den gutgläubigen Erwerb ist nicht – wie alternativ dis- 66 kutiert – das wertpapierrechtliche oder registerrechtliche Modell1, sondern die zum Rechtsscheinträger aufgewertete Gesellschafterliste. In Betracht kommen sowohl die einfache Gesellschafterliste des Geschäftsführers (§ 40 Abs. 1), die qualifizierte Gesellschafterliste des Notars (§ 40 Abs. 2) sowie die Gesellschafterliste in Form des gesetzlichen Musterprotokolls (§ 2 Abs. 1a Satz 4; dazu § 2 Rn 50, 69). Rechtsscheinträger ist nur eine Gesellschafterliste, die im für den gutgläubigen 67 Erwerb maßgeblichen Zeitpunkt2 (ausführlich Rn 89 f) in das Handelsregister in den für das entsprechende Registerblatt bestimmten Registerordner (vgl § 9 Abs. 1 HRV) aufgenommen wurde3 und auch zumindest ihrem äußeren Anschein nach den formalen Anforderungen des § 40 entspricht4. Sind bereits diese minimalen Formalanforderungen nicht erfüllt, scheidet ein Erwerb vom Nichtberechtigten mangels hinreichenden Rechtsscheinträgers generell aus. Dies bedeutet: Die Liste muss entweder von den Geschäftsführern in vertretungsberechtigter Zahl (dazu § 40 Rn 47) oder von einem Notar (dazu § 40 Rn 55 ff) unterschrieben sein5; das Fehlen der Bescheinigung gemäß § 40 Abs. 2 Satz 2 (dazu § 40 Rn 67) bei Einreichung durch den Notar ist indes nicht per se schädlich6, sollte indes den Registerrichter zur Zurückweisung der Aufnahme in das Handelsregister veranlassen. Sind diese äußeren Formalien gewahrt und ist die Aufnahme der Gesellschafter- 68 liste in das Handelsregister erfolgt, dann steht dem gutgläubigen Erwerb insbesondere auch eine Fälschung der Liste nicht entgegen7. Die Rechtslage ist hier 1 Zu den Alternativen ausführlich Reichert in Bayer/Koch (Hrsg), Das neue GmbH-Recht, 2008, S. 29, 34 f (zum RefE); eingehend (de lege ferenda) auch Schüßler S. 57 ff; zusammenfassend auch Scholz/Seibt Rn 59 ff. 2 So auch Henssler/Strohn/Verse Rn 54; Scholz/Seibt Rn 83. 3 BegrRegE BR-Drucks 354/07, S. 87. 4 So auch Preuß ZGR 2008, 676, 688; D. Mayer DNotZ 2008, 403, 418; Vossius DB 2007, 2299, 2300; Zessel GmbHR 2009, 303; Wicke Rn 14; MünchKomm/Heidinger Rn 216 ff. 5 Preuß ZGR 2008, 676, 688; Vossius DB 2007, 2299, 2300; Zessel GmbHR 2009, 303; Henssler/Strohn/Verse Rn 53. 6 Wie hier OLG Stuttgart GmbHR 2011, 542, 543; D. Mayer DNotZ 2008, 403, 418; Kort GmbHR 2009, 169, 172; Zessel GmbHR 2009, 303; R/A/Altmeppen Rn 59; U/H/L/Löbbe Rn 149; aA Bohrer DStR 2007, 995, 998; offen nunmehr Wicke Rn 14. 7 Bayer Liber amicorum M. Winter, 2011, S. 9, 35; ebenso B/S/Brandes Rn 44 ff; Scholz/ Seibt Rn 83; U/H/L/Löbbe Rn 151 f; B/H/Fastrich Rn 29; MünchKomm/Heidinger Rn 247 ff; Henssler/Strohn/Verse Rn 52; Vossius DB 2007, 2299, 2301; aA R/A/Altmeppen Rn 58; S/I/Pfisterer Rn 32; Wicke Rn 14; Link RNotZ 2009, 193, 216; Stenzel BB 2012, 337, 339; ausführlich Lieder AcP 210 (2010), 857, 898 ff; zweifelnd auch Herrler GmbHR 2013, 617, 627.

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§ 16 | Rechtsstellung bei Wechsel der Gesellschafter wegen des abweichenden Regelungsbereichs1 anders als im Falle der Legitimationswirkung des § 16 Abs. 12 (dazu Rn 26 ff); insbesondere ist es nicht erforderlich, dass die materiell fehlerhafte Liste dem Berechtigten zugerechnet werden kann. Auch eine gefälschte Liste kann vielmehr Rechtsscheinträger für einen gutgläubigen Erwerb nach Ablauf der 3-Jahresfrist sein (dazu Rn 103 f). Dieses Ergebnis mag im Hinblick auf die allgemeine Dogmatik des gutgläubigen Erwerbs zu kritisieren sein3. Es entspricht indes der gesetzlichen Konzeption, dass ein gutgläubiger Erwerb von GmbH-Geschäftsanteilen auch dann möglich sein soll, wenn die Fehlerhaftigkeit der Liste dem Berechtigten nicht zuzurechnen ist (Rn 102 ff)4. Rechtspolitisch zu kritisieren ist allerdings, dass der Gesetzgeber entgegen nachdrücklichen Forderungen auf die notarielle Beglaubigung der Geschäftsführer-Unterschrift bei Einreichung der Liste ausdrücklich verzichtet5 und somit den „Diebstahl einer GmbH“ bewusst in Kauf genommen hat6. Verfassungsrechtliche Bedenken7 dürften angesichts der Selbstschutzmöglichkeiten des Berechtigten (3-Jahres-Frist) indes unbegründet sein8. 69 Da es somit für den gutgläubigen Erwerb allein auf das Vorliegen einer formal

ordnungsgemäßen Gesellschafterliste ankommt, sind auch alle weiteren Mängel, die eine Legitimationswirkung nach § 16 Abs. 1 ausschließen – wie Geschäftsunfähigkeit, Vertretungsmangel, vis absoluta (ausführlich Rn 16 f, 20) –, unbeachtlich9. Unschädlich ist auch das erkennbare Fehlen einzelner Angaben10 (zB Geburtsdatum des Gesellschafters oder HRB-Nummer bei Handelsgesellschaft als Gesellschafter), wenn der (vermeintliche) Inhaber des Geschäftsanteils zweifelsfrei identifiziert werden kann11. Gleiches gilt, wenn der Geschäftsanteil nicht ordnungsgemäß nummeriert wurde (vgl § 40 Rn 5), jedoch anhand der Gesellschafterliste identifizierbar bleibt12.

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MünchKomm/Heidinger Rn 248. Richtig Henssler/Strohn/Verse Rn 52; MünchKomm/Heidinger Rn 248, 255. Dazu ausführlich Lieder AcP 210 (2010), 857, 898 ff. Wie hier auch Kanzleiter FS G.H. Roth, 2011, S. 355, 364; kritisch Preuß ZGR 2008, 676, 701. Erwiderung BReg BT-Drucks 16/6140, Anlage 3, S. 9 f zu Bundesrat, BR-Drucks 354/07 (B), S. 14 f. Bednarz BB 2008, 1854, 1858; Vossius DB 2007, 2299, 2301; D. Mayer DNotZ 2008, 403, 430 ff. So etwa Omlor WM 2009, 2105, 2107 f. So bereits Bayer in Schröder/Kanzleiter (Hrsg), 3 Jahre nach dem MoMiG, 2012, S. 13, 22 f. Bayer Liber amicorum M. Winter, 2011, S. 9, 35; ebenso B/S/Brandes Rn 43 ff; Henssler/ Strohn/Verse Rn 53; U/H/L/Löbbe Rn 149; vgl weiter Kort GmbHR 2009, 169 f. U/H/L/Löbbe Rn 148; Wicke Rn 14. Vossius DB 2007, 2299, 2300; D. Mayer DNotZ 2008, 403, 418 f. Vossius DB 2007, 2299, 2300; D. Mayer DNotZ 2008, 403, 418; U/H/L/Löbbe Rn 148.

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3. Erwerb eines Geschäftsanteils oder eines Rechts an einem Geschäftsanteil a) Bezugspunkt des guten Glaubens: Gutgläubig kann nur ein Geschäftsanteil 70 oder ein Recht an einem Geschäftsanteil erworben werden. Der gute Glaube muss sich auf die materielle Berechtigung beziehen, und zwar präzise auf die Rechtsinhaberschaft, nicht (nur) – wie die BegrRegE missverständlich nahe legt1 – auf die Verfügungsbefugnis2; denn § 16 Abs. 3 liegt auf der Linie von §§ 932 ff BGB, nicht von § 366 HGB. Trotz der terminologischen Unschärfe3 besteht hierüber im Ergebnis Einigkeit4. b) Rechte an einem Geschäftsanteil sind das Pfandrecht (§ 1274 BGB) und der 71 Nießbrauch (§ 1068 BGB)5; diese können vom eingetragenen Nichtberechtigten gutgläubig erworben werden, nicht hingegen die Unterbeteiligung6 oder die Treugeberstellung7 im Rahmen einer Vereinbarungstreuhand. Denn der gutgläubige Erwerb ist generell auf Konstellationen beschränkt, in denen eine Veränderung an der dinglichen Rechtslage stattfindet8. Ein gutgläubiger Zweiterwerb einer dinglichen Belastung ist hingegen nicht möglich9, da die Prämisse – nämlich die Eintragungsmöglichkeit der Belastung in der Gesellschafterliste – de lege lata nicht gegeben ist (ausführlich Rn 74 sowie auch § 40 Rn 16). c) Nicht existierende Geschäftsanteile können nicht gutgläubig erworben wer- 72 den10. Dies ist zwar im Gesetzgebungsverfahren kritisiert worden11, ist jedoch de lege lata nahezu unstreitig12. Der vereinzelten abweichenden Auffassung13 kann de lege lata nicht gefolgt werden14.

1 Vgl BegrRegE BR-Drucks 354/07, S. 88. 2 Zutreffend Götze/Bressler NZG 2007, 894, 897; Bohrer DStR 2007, 995, 998; D. Mayer DNotZ 2008, 403, 417 f; Kort GmbHR 2009, 169, 174. 3 Vgl auch Vossius DB 2007, 2299, 2300; Haas/Oechsler NZG 2006, 806, 812. 4 Wie hier Götze/Bressler NZG 2007, 894, 897. 5 Vgl BegrRegE BR-Drucks 354/07, S. 87; MünchKomm/Heidinger Rn 265; Scholz/Seibt Rn 68; Kort GmbHR 2009, 169, 174. 6 R/A/Altmeppen Rn 65; Scholz/Seibt Rn 68; D. Mayer DNotZ 2008, 403, 419. 7 Michalski/Ebbing Rn 169; Scholz/Seibt Rn 68; D. Mayer DNotZ 2008, 403, 419. 8 D. Mayer DNotZ 2008, 403, 419. 9 Wie hier U/H/L/Löbbe Rn 143; Henssler/Strohn/Verse Rn 58; R/A/Altmeppen Rn 65; zur Problematik ausführlich Reymann WM 2008, 2095, 2103 ff. 10 So ausdrücklich BegrRegE BR-Drucks 354/07, S. 88. 11 S. Grunewald Der Konzern 2007, 13, 14; Klöckner NZG 2008, 841, 844; dagegen zustimmend Haas/Oechsler NZG 2006, 806, 812; Wälzholz MittBayNot 2008, 425, 436. 12 Kanzleiter FS G.H. Roth, 2011, S. 355, 359; Kort GmbHR 2009, 169, 174; R/A/Altmeppen Rn 60. 13 Omlor WM 2009, 2105, 2110. 14 Bayer in Schröder/Kanzleiter (Hrsg), 3 Jahre nach dem MoMiG, S. 13, 17 f.

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§ 16 | Rechtsstellung bei Wechsel der Gesellschafter 73 d) Unrichtige Stückelung: Problematisch und streitig ist, ob ein gutgläubiger

Erwerb nach Maßgabe einer in der Gesellschafterliste aufgeführten unrichtigen Stückelung der Geschäftsanteile möglich ist. Die Problematik wird auch als gutgläubiger Erwerb „so nicht existierender Geschäftsanteile“ diskutiert. Es geht hier um die Fehlerquelle erfolgter Teilungen bzw Zusammenlegungen (vgl dazu § 46 Rn 17 ff). Ausgangspunkt ist die frühere Rechtsprechung, wonach eine fehlerhafte Stückelung die Nichtexistenz der ausgewiesenen Geschäftsanteile zur Folge hat1. Ein Teil des Schrifttums hält es für ausreichend, wenn der in der Gesellschafterliste ausgewiesene, nicht der wahren Stückelung entsprechende Anteil dem verfügenden Gesellschafter zweifelsfrei zugeordnet werden kann und will in diesem Fall den Erwerb ermöglichen2. Insbesondere soll etwa ein einheitlicher Anteil, der in der Liste fälschlich als zwei Anteile ausgewiesen ist (weil die Zusammenlegung versehentlich nicht eingetragen wurde), im Falle der Veräußerung nur eines der aufgeführten Anteile nach Maßgabe grundstücksrechtlicher Rechtsprechung ex lege geteilt werden3. Diese Parallele ist indes zweifelhaft; denn im Unterschied zum Grundbuch, wo der gute Glaube auch im Hinblick auf die Existenz und Selbständigkeit des eingetragenen Grundstücks geschützt wird4, gilt dies für die Gesellschafterliste gerade nicht (Rn 72). Soweit daher der Erwerbsvorgang nicht durch Auslegung der entsprechenden Willenserklärungen zufriedenstellend gelöst werden kann, weil die Parteien den Vertragsgegenstand unschädlich lediglich falsch bezeichnet haben (falsa demonstratio non nocet)5, muss daher de lege lata ein gutgläubiger Erwerb bei unzutreffender Stückelung ausscheiden6.

74 e) Kein gutgläubiger lastenfreier Erwerb: Nicht möglich ist de lege lata ein gut-

gläubiger lastenfreier Erwerb7. Denn Belastungen werden aktuell nicht in die Gesellschafterliste eingetragen (ausführlich § 40 Rn 16)8. Dies wurde bereits im

1 BGH GmbHR 2005, 1494, 1495 mwN. 2 So Böttcher/Blasche NZG 2007, 565, 566 ff; Klöckner NZG 2008, 841, 844 f; B/H/Fastrich Rn 28; Wicke Rn 15; Kanzleiter FS G.H. Roth, 2011, S. 355, 359 f. 3 Ausführlich Böttcher/Blasche NZG 2007, 565, 566 ff mwN; zustimmend Klöckner NZG 2008, 841, 845. 4 S. nur Staudinger/Gursky § 892 BGB Rn 33. 5 Dazu Berger in Bunnemann/Zirngibl/Berger, § 7 Rn 20 ff; vgl auch Henssler/Strohn/Verse Rn 56. 6 So auch D. Mayer DNotZ 2008, 403, 418 („Systembruch“); Wachter ZNotP 2008, 378, 394; R/A/Altmeppen Rn 62; MünchKomm/Heidinger Rn 281 f; differenzierend Scholz/ Seibt Rn 71 ff. 7 BGH GmbHR 2011, 1269 Rn 19; Bayer GmbHR 2011, 1254, 1255; Kanzleiter FS G.H. Roth, 2011, S. 355, 359; Kort GmbHR 2009, 169, 174; Wicke DB 2011, 1037, 1038; Scholz/Seibt Rn 15, 73; R/A/Altmeppen Rn 64; aA Reymann WM 2008, 2095, 2098 ff; vgl auch MünchKomm/Heidinger 314 ff. 8 Bayer GmbHR 2012, 1, 5 mwN auch zu abweichenden Ansichten.

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Gesetzgebungsverfahren – insbesondere von der Transaktionspraxis – kritisiert1, da somit nach wie vor auf eine sorgfältige due diligence nicht verzichtet werden kann; ein Ziel der Neuregelung (Rn 63) wird damit verfehlt. De lege ferenda sollten daher auch Belastungen (wie etwa Pfandrecht und Nießbrauch) in die Gesellschafterliste eingetragen werden können und dann auch vom Anwendungsbereich des § 16 Abs. 3 erfasst werden, so dass nicht eingetragene Belastungen gutgläubig „hinwegerworben“ werden können2. Geheimhaltungsinteressen könnte dadurch Rechnung getragen werden, dass solche Belastungen nur im Falle eines berechtigten Interesses einsehbar wären3. Ebenfalls nicht geschützt wird auch der gute Glaube an die vollständige, schuld- 75 befreiende Leistung aller Einlagen4. f) Verfügungsbeschränkungen (insbesondere durch statutarische Vinkulie- 76 rungsklauseln, dazu § 15 Rn 68 ff, oder auch durch sonstige statutarische Vorkaufs-, Andienungs- oder Miterwerbsrechte, dazu § 3 Rn 43, 49) muss auch der gutgläubige „Erwerber“ gegen sich gelten lassen5; bei einer Vinkulierung verhindert die fehlende Zustimmung der GmbH bzw der Gesellschafter (zur Differenzierung: § 15 Rn 77 ff) daher auch im Falle von § 16 Abs. 3 den wirksamen Erwerb6. Forderungen aus dem Schrifttum, dem gutgläubigen Erwerb hier einen Vorrang einzuräumen7, sind verfehlt; denn auch beim Erwerb vom Berechtigten gelten diese Beschränkungen, und es gibt keinen Grund, den gutgläubigen Erwerber hier besser zu stellen8. Insbesondere kann sich der Erwerber durch den Einblick in den Gesellschaftsvertrag über eine Vinkulierung informieren und sich die Zustimmung ggf nachweisen lassen. 1 Handelsrechtsausschuss des DAV NZG 2007, 211, 215; vgl weiter Reichert in Bayer/Koch (Hrsg), Das neue GmbH-Recht, 2008, S. 29, 43; Grunewald ZIP 2006, 685, 688; Harbarth ZIP 2008, 57, 64. 2 Wie hier einmütig fast das gesamte Schrifttum, vgl neben den in der vorherigen Fn Genannten: Bayer GmbHR 2012, 1, 5 ff; Kort GmbHR 2009, 169, 174; Omlor WM 2009, 2105, 2112; Scholz/Seibt Rn 74; B/H/Zöllner/Noack § 40 Rn 7; R/A/Altmeppen Rn 64; MünchKomm/Heidinger Rn 316; Henssler/Strohn/Verse Rn 93; B/S/Brandes Rn 39; U/ H/L/Löbbe Rn 132; Herrler ZIP 2011, 615, 617; ausführlich Lieder Die rechtsgeschäftliche Sukzession, 2015, S. 629 ff; zu undifferenziert Kanzleiter FS G.H. Roth, 2011, S. 355, 364 („Aufwand, Ertrag und schädliche Nebenfolgen stünden wohl kaum in einem günstigen Verhältnis“). 3 So bereits Handelsrechtsausschuss des DAV NZG 2007, 211, 215; Harbarth ZIP 2008, 57, 64; Scholz/Seibt Rn 74; Wicke Rn 28; ausführlich Schüßler S. 255 f. 4 Stenzel BB 2012, 337, 342; Scholz/Seibt Rn 75; U/H/L/Löbbe Rn 133. 5 BGH GmbHR 2011, 1269 Rn 19; Bayer GmbHR 2011, 1254, 1255; Scholz/Seibt Rn 76 ff; U/H/L/Löbbe Rn 134; vgl bereits Rodewald GmbHR 2009, 196, 197. 6 Zur Vinkulierung auch R/A/Altmeppen Rn 66; MünchKomm/Heidinger Rn 320. 7 So etwa Eidenmüller ZGR 2007, 168, 202; Klöckner NZG 2008, 841, 845; Kanzleiter FS G.H. Roth, 2011, S. 355, 359. 8 Wie hier bereits Hamann NZG 2007, 492, 494.

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§ 16 | Rechtsstellung bei Wechsel der Gesellschafter 77 Unschädlich im Hinblick auf einen gutgläubigen Erwerb ist hingegen die Nicht-

beachtung der Vinkulierung im Rahmen einer früheren Abtretung innerhalb einer Abtretungskette1. Der Geschäftsanteil kann bei Beachtung des Zustimmungserfordernisses bei der aktuellen Abtretung daher gutgläubig erworben werden. Dies bedeutet für die M&A-Praxis, dass in dieser Konstellation nicht mehr die ganze Abtretungskette, sondern lediglich noch die letzte Anteilsabtretung im Hinblick auf die Einhaltung der Vinkulierungsklausel überprüft werden muss2.

78 Kein Gutglaubensschutz besteht auch beim Anteilserwerb vom Gesellschafter im

Falle von dessen Insolvenz3; hier ist ausschließlich der Insolvenzverwalter verfügungsbefugt gem. § 80 InsO, eine analoge Anwendung des § 81 Abs. 1 Satz 2 InsO iVm § 892 Abs. 1 Satz 2 BGB scheidet hier de lege lata aus4. Gleiches gilt beim Erwerb vom Gesellschafter-Erben bei angeordneter Testamentsvollstreckung5; auch hier kommt ein gutgläubiger Erwerb nach Maßgabe von § 2211 Abs. 2 BGB nicht in Betracht6. Anders nur, wenn sich der Erbe durch einen nicht beschränkten Erbschein legitimieren kann (vgl auch Rn 65). De lege ferenda wäre auch insoweit eine Korrektur durch den Gesetzgeber wünschenswert7 (vgl § 40 Rn 18).

79 g) Aufschiebend bedingter Anteilserwerb: Aufschiebend bedingte Übertra-

gungen des Geschäftsanteils sind in der Praxis keine Seltenheit: Steht etwa noch die vollständige Kaufpreiszahlung oder eine kartellrechtliche Genehmigung aus, so wird die Abtretung in aller Regel nur aufschiebend bedingt erklärt mit der Folge, dass im Zeitpunkt des Eintritts der Bedingung der Erwerb gemäß § 158 Abs. 1 BGB ohne weiteres Zutun eintritt (ipso iure)8. Ebenso wird bei der treuhänderischen Anteilsübertragung der Rückerwerb vom Treuhänder häufig dadurch abgesichert, dass dieser aufschiebend bedingt den Anteil an den Treugeber abtritt.

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U/H/L/Löbbe Rn 134; Scholz/Seibt Rn 76. Richtig U/H/L/Löbbe Rn 134 aE. Bayer GmbHR 2015, 529, 530. So hM: U/H/L/Löbbe Rn 135; R/A/Altmeppen Rn 74; MünchKomm/Heidinger Rn 321; Scholz/Seibt Rn 77; nunmehr auch Wicke Rn 20a. BGH GmbHR 2015, 526 Rn 14 mit Anm Bayer. So aber R/A/Altmeppen Rn 71; Michalski/Ebbing Rn 183; Lieder/Scholz WuB 2015, 328, 331 f; Beutel NZG 2014, 646, 648 f; Heidinger FS Stilz, 2014, S. 253, 254, 262; Omlor DStR 2012, 306, 308; Zinger/Urich-Erber NZG 2011, 286, 287; wie hier BGH GmbHR 2015, 526 Rn 14 mit Anm Bayer; B/H/Zöllner/Noack § 40 Rn 7; B/H/Fastrich Rn 26; Herrler GmbHR 2013, 617, 619 f; U/H/L/Paefgen § 40 Rn 45. Vgl Henssler/Strohn/Verse Rn 66; Bayer GmbHR 2012, 1, 6 f; Lieder/Scholz WuB 2015, 328, 332. Palandt/Ellenberger § 158 BGB Rn 2.

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Nach der Regelung des BGB1 wird der (Erst-)Erwerber durch § 161 Abs. 1 80 Satz 1 BGB davor geschützt, dass der Veräußerer in der Schwebezeit bis zum Eintritt der Bedingung weitere Verfügungen über den Geschäftsanteil trifft. Obgleich der Veräußerer formal noch Inhaber des Anteils ist, wird doch seine Zweitverfügung mit Wirkung ex nunc insoweit unwirksam, als sie die Rechtsstellung des Ersterwerbers vereiteln oder beeinträchtigen würde. Im Ergebnis ist daher die Verfügungsbefugnis des noch berechtigten Veräußerers bereits während der Schwebezeit beschränkt2. Der Zweiterwerber wird indes durch § 161 Abs. 3 BGB geschützt: Hätte er den Gegenstand von einem Nichtberechtigten gutgläubig erwerben können, dann konnte er auch vom noch berechtigten Veräußerer gutgläubig erwerben. Rechtskonstruktiv erfolgt dies durch eine entsprechende Anwendung der Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten. Westermann spricht insofern zutreffend von einer „systemgerechten Konsequenz“ innerhalb des Regelungsregimes des § 161 BGB3. Denn wenn der gutgläubige Erwerb vom Nichtberechtigten möglich ist, muss erst recht der gutgläubige Erwerb vom Nochberechtigten möglich sein. Jedes abweichende Ergebnis bricht nach Altmeppen „mit dem klassischen methodischen Argument der Gesetzesauslegung, nämlich dem argumentum a fortiori“4. Für das GmbH-Recht bedeutet dies: Der Zweiterwerber, der einen Geschäfts- 81 anteil vom Nochberechtigten erwirbt, darf nicht weniger geschützt werden, als wenn er vom Nichtberechtigten erworben hätte5. Gestattet somit § 16 Abs. 3 den gutgläubigen Erwerb des Geschäftsanteils vom Nichtberechtigten, so muss im Wege der entsprechenden Anwendung des § 16 Abs. 3 auch der Zweiterwerber geschützt werden, der vom Veräußerer einen Geschäftsanteil erwirbt, den dieser bereits aufschiebend bedingt an den Ersterwerber abgetreten hat. Aufgrund des Verweises in § 161 Abs. 3 BGB ist § 16 Abs. 3 Satz 1 „entsprechend“ daher wie folgt zu lesen: „Der Erwerber kann einen Geschäftsanteil […] durch Rechtsgeschäft wirksam auch von demjenigen erwerben, der bereits aufschiebend bedingt verfügt hat, aber noch als uneingeschränkt Berechtigter in der Gesellschafterliste eingetragen ist“6. Dabei stellen sich indes zwei Probleme: Wie kann dem Ersterwerber, zu dessen 82 Lasten der gutgläubige Zweiterwerb geht, die Unrichtigkeit der Gesellschafterliste als Rechtsscheinträger für den gutgläubigen Erwerb zugerechnet werden, 1 Ausführlich (auch zur Rechtsentwicklung) Altmeppen FS Schurig, 2012, S. 1, 7 ff. 2 Vgl nur MünchKomm/Westermann § 161 BGB Rn 7 mwN. 3 MünchKomm/Westermann § 161 BGB Rn 19; ausführlich zur Dogmatik Altmeppen FS Schurig, 2012, S. 1 ff. 4 Altmeppen FS Schurig, 2012, S. 1, 7; vgl auch Bayer GmbHR 2011, 1254, 1257 f (argumentum a maiore ad minus). 5 So nachdrücklich auch Altmeppen FS Schurig, 2012, S. 1, 12; R/A/Altmeppen Rn 69; Lieder Jura 2010, 801, 806. 6 So bereits Bayer GmbHR 2011, 1254, 1256.

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§ 16 | Rechtsstellung bei Wechsel der Gesellschafter damit nicht der Zweiterwerber während der 3-Jahres-Frist des § 16 Abs. 3 Satz 2 (Rn 102 ff) schutzlos ist? Und vor allem auch: Wie kann sich der Ersterwerber vor einem gutgläubigen Zweiterwerb schützen? Diese Fragen sind vor dem Hintergrund der nur unzureichenden gesetzlichen Regelung in § 16 Abs. 3 nicht einfach zu beantworten. Im Sinne einer positiven, am richtigen (= sachgerechten) Ergebnis orientierten Problemlösung wurden hierzu vom Schrifttum zwei alternative Ansätze vertreten: Zum einen wurde vorgeschlagen, die aufschiebend bedingte Abtretung in einer „zweiten Liste“ zu vermerken (sog Zwei-Listen-Modell)1, zum anderen sollte der Ersterwerber durch die Eintragung eines vom Veräußerers bewilligten Widerspruch (Rn 91 ff) geschützt und der Zweiterwerber dadurch bösgläubig gemacht werden (sog Widerspruchslösung)2. 83 Der BGH hat sich indes dieser bereits in der 17. Aufl vertretenen und vom über-

wiegenden Schrifttum geteilten Auffassung3 in seiner Grundsatzentscheidung vom 20.9.2011 nicht angeschlossen, sondern den gutgläubigen Erwerb eines aufschiebend bedingt abgetretenen Geschäftsanteils durch den Zweiterwerber verneint4. Dabei macht es sich der II. ZS mit der Begründung recht einfach: Der Gesetzgeber habe den gutgläubigen Erwerb von Geschäftsanteilen nur eingeschränkt geregelt5. Der Zweiterwerber sei auch vor einer Belastung des Geschäftsanteils oder dem Bestehen einer Verfügungsbeschränkung nicht geschützt6. Daher sei davon auszugehen, dass der Zweiterwerber nach dem Willen des Gesetzgebers auch vor einer aufschiebend bedingten Abtretung nicht geschützt sei7. Die Vorschrift des § 161 Abs. 3 BGB laufe somit „ins Leere“8. Ausgehend von dieser Prämisse erübrigte sich auch die endgültige Entscheidung zwischen dem Zwei-Listen-Modell9 und der Widerspruchslösung10. 1 So etwa Herrler BB 2009, 2272, 2275 f; Reymann NJW 2010, 306; Wicke DNotZ 2009, 871, 874; vgl auch bei § 40 Rn 19. 2 17. Aufl, Rn 63; ebenso zuvor schon Vossius DB 2007, 2299, 2301; vgl weiter Wachter GmbHR 2009, 1216, 1217; Wicke DB 2011, 1037, 1038; Schneider NZG 2009, 1167 ff; Frenzel NotBZ 2010, 129 ff; Omlor/Spies MittBayNot 2011, 353, 361; LG Köln GmbHR 2009, 1215. Nach Altmeppen FS Schurig, 2012, S. 1, 14 ist die Widerspruchslösung „von zwingender Richtigkeit“. 3 Ausführliche Nachweise in 18. Aufl, Rn 62d. 4 BGHZ 191, 84 = GmbHR 2011, 1269; zustimmend Noack LMK 2012, 326790; Kort DB 2011, 2897 ff; B/H/Fastrich Rn 29a; ausführlich zuvor bereits Mayer/Färber GmbHR 2011, 785 ff. 5 BGH GmbHR 2011, 1269 Rn 17. 6 BGH GmbHR 2011, 1269 Rn 19. 7 BGH GmbHR 2011, 1269 Rn 18, 22. 8 BGH GmbHR 2011, 1269 Rn 21. 9 Abgelehnt durch OLG München GmbHR 2009, 1211 mit Anm Riemenschneider; OLG Hamburg GmbHR 2011, 32; insoweit kritisch auch Jeep NJW 2012, 658 ff. 10 Abgelehnt durch OLG München GmbHR 2011, 425 mit ablehnender Anm Heidinger; positiv hingegen LG Köln GmbHR 2009, 1215 mit Anm Wachter.

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Die BGH-Entscheidung ist zwar für die Praxis maßgeblich, in der Sache jedoch 84 abzulehnen1. Der BGH schützt ausschließlich den Ersterwerber und lässt den gutgläubigen Zweiterwerber schutzlos. Dogmatisch ist die Begründung zweifelhaft2; das Ergebnis überzeugt nicht3. Der BGH hätte die unzulängliche gesetzliche Regelung des § 16 Abs. 3 im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung weiterentwickeln und der Praxis dadurch einen großen Dienst erweisen können4. Daher ist hier nochmals an den Gesetzgeber zu appellieren, den mit § 16 Abs. 3 eingeschlagenen Weg sachgerecht fortzuschreiten5. 4. Rechtsgeschäftlicher Erwerb § 16 Abs. 3 setzt einen „Erwerb durch Rechtsgeschäft“ voraus. Unverständlich 85 ist der im Schrifttum früher vielfach zu lesende Satz, dass es „auf die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts nicht ankomme“6. Das Gegenteil ist der Fall: ohne wirksames Rechtsgeschäft auch kein gutgläubiger Erwerb7. Im Übrigen gelten die aus §§ 892, 932 ff BGB bekannten Grundsätze: Ausgeschlossen ist ein gesetzlicher Erwerb (Rn 86) und es muss ein Verkehrsgeschäft vorliegen (Rn 87)8.

1 Dezidiert ablehnend Altmeppen FS Schurig, 2012, S. 1 ff; Bayer GmbHR 2011, 1254 ff; Brandes GmbHR 2012, 545 ff; Herrler NZG 2011, 1321, 1325 f; Omlor DNotZ 2012, 179 ff; Wicke DStR 2011, 2356 ff; Kalbfleisch/Glock GmbHR 2015, 847 ff; R/A/Altmeppen Rn 69; U/H/L/Löbbe Rn 136 ff; Scholz/Seibt Rn 80 ff; MünchKomm/Heidinger Rn 336 ff; Henssler/Strohn/Verse Rn 65. 2 Scharf ablehnend Altmeppen FS Schurig, 2012, S. 1, 4: Der BGH habe „Grundprinzipen des Bedingungsrechts […] offenkundig nicht zutreffend erfasst“; Altmeppen FS Schurig, 2012, S. 1, 12: Der BGH „stellt […] die Dinge […] auf den Kopf“. 3 Ausführliche Kritik bei Bayer GmbHR 2011, 1254, 1257 ff; Herrler NZG 2011, 1321, 1325 f; Brandes GmbHR 2012, 545, 547 ff; Wicke DStR 2011, 2356 ff; Kalbfleisch/Glock GmbHR 2015, 847 ff; Scholz/Seibt Rn 80 ff; U/H/L/Löbbe Rn 136 ff; MünchKomm/Heidinger Rn 336 ff. 4 Daher wird die BGH-Entscheidung auch als „mutlos“ charakterisiert: Bayer GmbHR 2011, 1254 ff. 5 Wie hier bereits Bayer GmbHR 2011, 1254, 1258; vgl auch Herrler NZG 2011, 1321, 1326; Jeep NJW 2012, 658, 660; U/H/L/Löbbe Rn 140; Henssler/Strohn/Verse Rn 65; jüngst wieder Kalbfleisch/Glock GmbHR 2015, 847, 852; insoweit auch Kort DB 2011, 2897, 2902; zuvor schon Eidenmüller ZGR 2007, 168, 202. 6 So D. Mayer DNotZ 2008, 403, 420; Kort GmbHR 2009, 169, 174; Vossius DB 2007, 2299, 2300. 7 Wie hier Wicke Rn 20; Scholz/Seibt Rn 64; U/H/L/Löbbe Rn 144; R/A/Altmeppen Rn 74; vgl weiter Palandt/Bassenge § 892 BGB Rn 3 mwN: „Das Rechtsgeschäft muss wirksam sein“. 8 So auch Scholz/Seibt Rn 64; MünchKomm/Heidinger Rn 342; B/S/Brandes Rn 38; allgemein Erman/Bayer § 932 BGB Rn 5 mwN; übergreifend Lieder Die rechtsgeschäftliche Sukzession, 2015, S. 496 ff.

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§ 16 | Rechtsstellung bei Wechsel der Gesellschafter 86 Bei gesetzlichem Erwerb findet generell kein gutgläubiger Erwerb statt, ins-

besondere nicht bei Gesamtrechtsnachfolge durch Erbfolge gemäß §§ 1922 ff BGB1, Umwandlung gemäß §§ 2 ff UmwG2 oder bei Begründung von Gütergemeinschaft gemäß § 1416 Abs. 2 BGB3, weiterhin nicht bei Übertragung im Wege der vorweggenommenen gesetzlichen Erbfolge4, auch nicht im Wege der Vollstreckung in den Geschäftsanteil5. Diese Grundsätze gelten auch beim Erwerb durch Gesellschafterbeschluss (etwa nach Einziehung eines Geschäftsanteils und Aufstockung der Anteile der Mitgesellschafter)6, wenngleich der Beschluss heute als Rechtsgeschäft zu qualifizieren ist7 (vgl § 47 Rn 1). Rechtsgeschäftlicher und damit gutgläubiger Erwerb ist hingegen möglich (vgl auch § 23 Rn 10) im Falle der öffentlichen Versteigerung des Geschäftsanteils durch den Gerichtsvollzieher nach § 23 iVm § 383 BGB (dazu § 23 Rn 4)8, auch bei Ersetzung einer Willenserklärung gemäß § 894 ZPO9, hingegen nicht durch Zuschlag in der Zwangsversteigerung gemäß § 857 ZPO10.

87 Ein Verkehrsgeschäft liegt nur dann vor, wenn zwischen Veräußerer und Er-

werber keine Identität gegeben ist; mindestens eine Person der Erwerberseite darf daher nicht der Veräußererseite zuzurechnen sein11. Schädlich ist nicht nur die persönliche Identität (Schenkung an Kind, das durch den Nichtberechtigten vertreten wird)12, sondern auch jede Form von wirtschaftlicher Identität (Übertragung des Geschäftsanteils durch den eingetragenen Nichtberechtigten auf eine in seinem Alleineigentum stehende GmbH)13 (vgl auch § 13 Rn 16).

1 Scholz/Seibt Rn 66; U/H/L/Löbbe Rn 145; R/A/Altmeppen Rn 72. 2 Wicke Rn 18; R/A/Altmeppen Rn 72; Scholz/Seibt Rn 66; U/H/L/Löbbe Rn 145. 3 Palandt/Bassenge § 892 BGB Rn 3; MünchKomm/Kohler § 892 BGB Rn 31; U/H/L/ Löbbe Rn 145; Scholz/Seibt Rn 66. 4 Scholz/Seibt Rn 66; Henssler/Strohn/Verse Rn 60; vgl weiter OLG Zweibrücken FGPrax 1999, 208; vgl auch Palandt/Bassenge § 892 BGB Rn 3. 5 Scholz/Seibt Rn 66; D. Mayer DNotZ 2008, 403, 420; vgl auch Palandt/Bassenge § 892 BGB Rn 2 mwN. 6 Vossius DB 2007, 2299, 2300; MünchKomm/Heidinger Rn 344; U/H/L/Löbbe Rn 145; R/A/Altmeppen Rn 72; aA Wicke Rn 18. 7 Insoweit unrichtig Vossius DB 2007, 2299, 2300; wie hier U/H/L/Löbbe Rn 145; MünchKomm/Heidinger Rn 344. 8 Scholz/Seibt Rn 66 aE; MünchKomm/Heidinger Rn 345; U/H/L/Löbbe Rn 145. 9 Henssler/Strohn/Verse Rn 60 aE mwN. 10 R/A/Altmeppen Rn 72; U/H/L/Löbbe Rn 145; Henssler/Strohn/Verse Rn 60. 11 R/A/Altmeppen Rn 73; Henssler/Strohn/Verse Rn 61; allgemein auch Palandt/Bassenge § 892 BGB Rn 5; übergreifend Lieder Die rechtsgeschäftliche Sukzession, 2015, S. 499 ff; vgl auch BGH GmbHR 2003, 39, 40 (gutgläubiger Erwerb von Sacheinlage durch GmbH; dazu Bayer/Lieder WuB II C. § 5 GmbHG 1.04). 12 D. Mayer DNotZ 2008, 403, 420; Vossius DB 2007, 2299, 2300. 13 D. Mayer DNotZ 2008, 403, 420; Heckschen/Heidinger/Heidinger § 13 Rn 143.

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5. Guter Glaube Gutgläubiger Erwerb ist ausgeschlossen, wenn dem Erwerber die mangelnde Be- 88 rechtigung bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist. Hier kann bedingt auf die zu §§ 892, 932 BGB entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden1. Zunächst darf also der Erwerber die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nicht in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und dasjenige unbeachtet gelassen haben, was sich im gegebenen Fall jedem hätte aufdrängen müssen2. Problematisch ist hier, ob das Unterlassen einer due diligence, bei der die Unrichtigkeit entdeckt worden wäre, zur groben Fahrlässigkeit führt. Wollte man dies im Regelfall annehmen, dann würde die gesetzliche Regelung weitgehend leer laufen und nur dann eingreifen, wenn trotz due diligence die Unrichtigkeit (leicht fahrlässig) nicht erkannt wurde3. Dies würde indes das gesetzgeberische Ziel konterkarieren; der Erwerber soll ja gerade von einer umfangreichen due diligence entlastet werden (Rn 63). Daher wird man eine due diligence nur dann verlangen müssen, wenn Verdachtsmomente vorliegen4. Insgesamt sind Nachforschungspflichten, wie sie die Rspr für den redlichen Mobiliarerwerb entwickelt hat, tendenziell seltener anzunehmen; stattdessen bedarf es deutlicher Anhaltspunkte für die mangelnde Rechtsinhaberschaft des Veräußerers5. Die Beweislast für die Bösgläubigkeit des Erwerbers trägt der wahre Anteilsinhaber6; es gelten weiterhin die allgemeinen Regeln7 der Wissenszurechnung8. Der gute Glaube muss in Anlehnung an die allgemeinen Grundsätze zu §§ 892, 89 932 BGB grundsätzlich im Zeitpunkt der Vollendung des letzten Erwerbsakts vorliegen9, dh im gesetzlichen Regelfall im Zeitpunkt der Beurkundung der Abtretung10. Dies gilt grundsätzlich auch, wenn der Rechtserwerb aufschiebend bedingt iSv § 158 BGB erfolgt; hier ist also grundsätzlich der Zeitpunkt der Einigung, nicht der des Bedingungseintritts maßgeblich11. Der gute Glaube im Zeitpunkt der bedingten Einigung soll in Anlehnung an § 892 Abs. 2 BGB jedoch 1 Allgemeine Ansicht: Scholz/Seibt Rn 87; Henssler/Strohn/Verse Rn 79 f; U/H/L/Löbbe Rn 166; die Unterschiede betonend Lieder Die rechtsgeschäftliche Sukzession, 2015, S. 520. 2 Für alle: Erman/Bayer § 932 BGB Rn 6 ff mzwN und Beispielen. 3 S. Rodewald GmbHR 2009, 196, 199 (strukturelles Dilemma). 4 Kort GmbHR 2009, 169, 176; D. Mayer DNotZ 2008, 403, 422; Zessel GmbHR 2009, 303, 304; U/H/L/Löbbe Rn 169 f; Scholz/Seibt Rn 86. 5 Näher Lieder Die rechtsgeschäftliche Sukzession, 2015, S. 520. 6 MünchKomm/Heidinger Rn 276 aE; Henssler/Strohn/Verse Rn 80; R/A/Altmeppen Rn 79. 7 Dazu näher MünchKomm/Schubert § 166 BGB Rn 43 ff. 8 Henssler/Strohn/Verse Rn 80; zur Verschuldenszurechnung U/H/L/Löbbe Rn 171. 9 Erman/Bayer § 932 BGB Rn 24; Staudinger/Wiegand § 932 BGB Rn 92. 10 U/H/L/Löbbe Rn 173; Scholz/Seibt Rn 87; MünchKomm/Heidinger Rn 278. 11 Erman/Bayer § 932 BGB Rn 24; Palandt/Bassenge § 932 BGB Rn 14; Staudinger/Gursky 2013, § 892 BGB Rn 212; für Eigentumsvorbehalt auch BGHZ 10, 69, 73; BGHZ 30, 374, 377.

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§ 16 | Rechtsstellung bei Wechsel der Gesellschafter dann nicht ausreichen, wenn die Erteilung einer privat- oder öffentlich-rechtlichen Genehmigung als Rechtsbedingung vereinbart wurde1, oder wenn der Eintritt einer sog Wollensbedingung noch in den Händen der Parteien liegt2. 90 Im Kontext des § 16 Abs. 3 bedeutet dies, dass es unschädlich ist, wenn der gute

Glaube zu einem Zeitpunkt zerstört wird, bevor die (häufig) zur Bedingung gemäß § 158 BGB erklärte vollständige Kaufpreiszahlung eingetreten ist3. Dagegen reicht der gute Glaube bei Einigung über die Abtretung nicht aus, wenn eine Rechtsbedingung, zB (kartellrechtliche) Genehmigung gemäß § 40 GWB, aber auch die Zustimmung bei Vinkulierung gemäß § 15 Abs. 5 noch aussteht und erst nach Eintritt der Bösgläubigkeit erteilt wird4. In der Praxis wird eine solche Zahlung regelmäßig erst dann erfolgen, wenn alle Genehmigungen vorliegen; die Streitfrage hat dann keine Auswirkung auf das Ergebnis. 6. Widerspruch

91 a) Allgemeines: Ein gutgläubiger Erwerb ist ausgeschlossen, wenn der Gesell-

schafterliste ein Widerspruch zugeordnet ist. Technisch erfolgt diese Zuordnung dadurch, dass der elektronisch eingereichte (vgl § 12 Abs. 2 Satz 1 HGB) und richtigerweise öffentlich beglaubigte (analog § 12 Abs. 1 HGB5) Widerspruch mit der Gesellschafterliste im Registerordner so verbunden und zudem besonderes herausgestellt wird6 (vgl § 9 Abs. 1 Satz 3 HRV), dass der OnlineAbruf7 der Liste ohne Widerspruch nicht möglich ist8; dieser Vorgabe wird nicht genügt, wenn etwa der Widerspruch nur unter dem Zusatz „Hinweise“ vermerkt ist und dieses separate Dokument dann kostenpflichtig heruntergela1 Grundlegend Lutter AcP 164 (1964), 122, 169 f, 175 f; Staudinger/Gursky 2013, § 892 BGB Rn 211; Palandt/Bassenge § 892 BGB Rn 25; MünchKomm/Kohler § 932 BGB Rn 55. 2 So Larenz/Wolf BGB AT, 8. Aufl, § 50 Rn 21; vgl weiter MünchKomm/Kohler § 892 BGB Rn 55. 3 So richtig U/H/L/Löbbe Rn 177; Scholz/Seibt Rn 87; R/A/Altmeppen Rn 80; Henssler/ Strohn/Verse Rn 82; R/S-L/Pentz Rn 86; B/H/Fastrich Rn 38; aA noch Götze/Bressler NZG 2007, 894, 898; D. Mayer DNotZ 2008, 403, 422; Vossius DB 2007, 2299, 2303; Wachter ZNotP 2008, 378, 396. 4 So richtig U/H/L/Löbbe Rn 175; R/S-L/Pentz Rn 86; B/S/Brandes Rn 63; R/A/Altmeppen Rn 80; Scholz/Seibt Rn 87; B/H/Fastrich Rn 38; Henssler/Strohn/Verse Rn 81; aA noch Götze/Bressler NZG 2007, 894, 898; D. Mayer DNotZ 2008, 403, 422; Vossius DB 2007, 2299, 2303; Wachter ZNotP 2008, 378, 396; Zessel GmbHR 2009, 303, 304; Kort GmbHR 2009, 169, 176. 5 So richtig U/H/L/Löbbe Rn 182; Scholz/Seibt Rn 95; MünchKomm/Heidinger Rn 292; Henssler/Strohn/Verse Rn 86. 6 R/A/Altmeppen Rn 82; Scholz/Seibt Rn 91. 7 S. nur BegrRegE BT-Drucks 16/6140, S. 39. 8 Scholz/Seibt Rn 91; U/H/L/Löbbe Rn 179; Vossius DB 2007, 2299, 2303; ausführlich Hasselmann NZG 2010, 207, 208 mwN.

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den werden muss1. Weiterhin muss technisch sichergestellt sein, dass der Widerspruch im Falle der Einreichung einer geänderten Gesellschafterliste auch diesem neuen Dokument zugeordnet wird, solange keine Löschung des Widerspruchs erfolgt ist (dazu Rn 100)2. Diesen Anforderungen scheint die Praxis derzeit noch nicht zu genügen3. Nach Ansicht des KG Berlin4 hat das Registergericht indes diese Aufrechterhaltung zu gewährleisten5. Zweckmäßigerweise (aber nicht zwingend) sollte der Widerspruch der Liste vo- 92 rangestellt werden6. Im Regelfall wird sich der Widerspruch jedoch nicht gegen die ganze Liste, sondern nur gegen eine bestimmte Eintragung richten; insoweit muss der Widersprechende sein Ziel nicht nur im Eintragungsverfahren (dazu Rn 96 ff) präzisieren7 (vgl § 9 Abs. 1 Satz 3 HRV), sondern diese Präzisierung muss auch im Rahmen der Zuordnung des Widerspruchs zur Gesellschafterliste erfolgen, damit der Rechtsverkehr nicht irritiert wird8 und der gutgläubige Erwerb der nicht vom zugeordneten Widerspruch erfassten Geschäftsanteile möglich bleibt9. b) Wirkung des Widerspruchs: Der zugunsten des wahren Berechtigten10 ein- 93 getragene Widerspruch zerstört den guten Glauben nach § 16 Abs. 3, lässt hingegen die Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 unberührt11 (das ist de lege ferenda nicht überzeugend und sollte durch den Gesetzgeber im Rahmen einer Generalsanierung des § 16 GmbHG geändert werden12). Ebenso wenig wird dem eingetragenen Berechtigten die Möglichkeit genommen, seinen Geschäfts1 Eingehend und kritisch Hasselmann NZG 2010, 207, 209. 2 Dazu Wicke NotBZ 2009, 1, 15; Link RNotZ 2009, 193, 218; Hasselmann NZG 2010, 207, 210; U/H/L/Löbbe Rn 181; MünchKomm/Heidinger Rn 287; Henssler/Strohn/Verse Rn 88; R/A/Altmeppen 84; aA Scholz/Seibt Rn 96 im Anschluss an Wiersch S. 126 ff. 3 Näher MünchKomm/Heidinger Rn 288; vgl zur früheren abweichenden Registerpraxis in Bayern auch Wälzholz MittBayNot 2010, 68, 70. 4 KG GmbHR 2013, 762, 763. 5 Näher MünchKomm/Heidinger Rn 289. 6 Vossius DB 2007, 2299, 2303; U/H/L/Löbbe Rn 179; Scholz/Seibt Rn 91. 7 Heute unstreitig: U/H/L/Löbbe Rn 180; MünchKomm/Heidinger Rn 286; R/S-L/Pentz Rn 104; Scholz/Seibt Rn 89. 8 Näher Hasselmann NZG 2010, 207, 208 mwN. 9 Link RNotZ 2009, 193, 218; Hasselmann NZG 2010, 207, 208; vgl auch Scholz/Seibt Rn 89 f. 10 Hierzu Oppermann ZIP 2009, 651, 654; Maier-Reimer FS Graf von Westphalen, 2010, S. 489, 503; R/A/Altmeppen Rn 81; Henssler/Strohn/Verse Rn 83; allgemein Staudinger/ Gursky § 892 BGB Rn 132 mwN. 11 BegrRegE BR-Drucks 354/07, S. 89 („Ein solcher Widerspruch zerstört die Gutglaubenswirkung […], allerdings nicht die relative Gesellschafterstellung […]“); Kort GmbHR 2009, 169, 175; Harbarth ZIP 2008, 57, 60; D. Mayer DNotZ 2008, 403, 422; U/H/L/Löbbe Rn 178; R/A/Altmeppen Rn 82. 12 Zum Ganzen ausführlich Lieder GmbHR 2016, 271, 279.

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§ 16 | Rechtsstellung bei Wechsel der Gesellschafter anteil materiell wirksam zu veräußern1; in der Praxis können sich dann aber der Nachweis des Rechtsübergangs und die Eintragung des Erwerbers in die Gesellschafterliste gemäß §§ 16 Abs. 1, 40 erschweren (zum Schadensersatzanspruch: Rn 101). 94 Wird der Widerspruch vor der Vollendung des Rechtserwerbs der Gesellschaf-

terliste zugeordnet, dann kann nach den allgemeinen Grundsätzen zu § 892 BGB kein gutgläubiger Erwerb mehr stattfinden2. Zweifelhaft ist, ob diese Grundsätze auf § 16 Abs. 3 übertragen werden können, so dass bei der aufschiebend bedingten Abtretung kein gutgläubiger Erwerb möglich wäre, falls der Widerspruch nach notarieller Abtretung, aber vor Bedingungseintritt eingetragen wird3. Gute Gründe sprechen indes dafür, mit einer im Vordringen befindlichen Ansicht die Grundsätze von § 892 BGB hier nicht anzuwenden und den gutgläubigen Erwerb trotz ausstehender Kaufpreiszahlung zu gestatten4.

95 c) Zuordnung eines Widerspruchs: Die Zuordnung eines Widerspruchs erfolgt

entweder auf Grund einer Bewilligung des Eingetragenen, gegen dessen Eintragung in der Gesellschafterliste sich der Widerspruch richtet (richtigerweise in Form einer öffentlich beglaubigten Bewilligung, § 12 Abs. 1 HGB analog5), oder auf Grund einer einstweiligen Verfügung (§ 16 Abs. 3 Satz 4). Stets ist dabei derjenige zu bezeichnen, zu dessen Gunsten der Widerspruch zugeordnet wird6; allein diese Person ist später dann auch zur Bewilligung der Löschung berechtigt (Rn 100).

96 d) Widerspruch im Einvernehmen von Veräußerer und Erwerber: Auch der

im Einvernehmen zwischen Veräußerer und Erwerber eingetragene Widerspruch (zur Bewilligung: Rn 95) ist zulässig, und zwar auch dann, wenn objektiv keine Unrichtigkeit gegeben ist7, sondern (1) der Erwerber – speziell bei aufschiebend bedingtem Erwerb (dazu bereits Rn 79 ff) vor Zwischenverfügungen

1 BegrRegE BR-Drucks 354/07, S. 89; Harbarth ZIP 2008, 57, 60; Wachter ZNotP 2008, 378, 396; U/H/L/Löbbe Rn 178; R/A/Altmeppen Rn 82. 2 Palandt/Bassenge § 892 BGB Rn 23; Staudinger/Gursky 2013, § 892 BGB Rn 188. 3 So Götze/Bressler NZG 2007, 894, 899; Wachter ZNotP 2008, 378, 397; B/H/Fastrich Rn 37. 4 So Henssler/Strohn/Verse Rn 90; R/A/Altmeppen Rn 81; Wicke Rn 24; wohl auch Michalski/Ebbing Rn 232; differenzierend U/H/L/Löbbe Rn 175 ff; aA B/H/Fastrich Rn 37; MünchKomm/Heidinger Rn 281. 5 So auch Henssler/Strohn/Verse Rn 86; Scholz/Seibt Rn 95; U/H/L/Löbbe Rn 182; zu Prüfzwecken auch B/H/Fastrich Rn 37; aA MünchKomm/Heidinger Rn 282. 6 Weigl MittBayNot 2009, 116, 119; Link RNotZ 2009, 193, 218; Oppermann ZIP 2009, 651, 654; Schneider NZG 2009, 1167, 1168 f; Hasselmann NZG 2010, 207, 209. 7 Wie hier Hasselmann NZG 2010, 207, 208; Schneider NZG 2009, 1167, 1169; Wicke NotBZ 2009, 1, 15; Wachter ZNotP 2008, 378, 397; R/A/Altmeppen Rn 83 f; MünchKomm/Heidinger Rn 291; U/H/L/Löbbe Rn 182; Scholz/Seibt Rn 95; anders Weigl MittBayNot 2009, 116, 117; Link RNotZ 2009, 193, 219; R/S-L/Pentz Rn 102.

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des Veräußerers geschützt sein will1 bzw (2) der Veräußerer einen späteren Rückerwerb sichern möchte, speziell bei der treuhänderischen Abtretung des Geschäftsanteils2 (zur Treuhand: § 15 Rn 103 ff). Das Registergericht beschränkt sich dabei auf die formale Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 16 Abs. 3 Satz 4 vorliegen, insbesondere die in Rn 91 und Rn 95 aufgeführten Angaben vorliegen; ist dies der Fall, ist der Widerspruch unverzüglich zuzuordnen, andernfalls ist der Antrag abzulehnen3. e) Eine einstweilige Verfügung (vgl auch noch bei § 40 Rn 73 ff) hat zur Vo- 97 raussetzung, dass der Antragsteller einen Anspruch auf Einreichung einer korrigierten Liste und damit seine wahre Gesellschafterstellung glaubhaft machen kann4 (sog Verfügungsanspruch). Dabei sind präsente Beweismittel vorzulegen (zB eidesstattliche Versicherung), § 936 iVm §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 2 ZPO5. Wichtigster Anwendungsfall in der Praxis ist die Einreichung einer geänderten Gesellschafterliste durch die Geschäftsführer nach erfolgter Zwangseinziehung, wenn der betroffene Gesellschafter der Einziehung widersprochen hat6. Eine Gefährdung seines Rechts muss der Widersprechende vortragen7, hingegen nicht glaubhaft machen (§ 16 Abs. 3 Satz 5); der Verfügungsgrund (§§ 935, 940 ZPO) wird hier vielmehr gesetzlich vermutet8. Dies gilt auch für die Eilbedürftigkeit9; die Dringlichkeit der Eintragung eines Widerspruchs entfällt insbesondere auch nicht dadurch, dass bei nicht zuzurechnender Fehlerhaftigkeit der Gesellschafterliste ein gutgläubiger Erwerb erst nach Ablauf der 3-Jahres-Frist in Betracht kommt (dazu Rn 103), mithin bei Beantragung der einstweiligen Verfügung

1 So auch Scholz/Seibt Rn 95, 96a; R/A/Altmeppen Rn 84. 2 Wie hier Hasselmann NZG 2010, 207, 208; Scholz/Seibt Rn 95; Weigl MittBayNot 2009, 116. 3 Wie hier MünchKomm/Heidinger Rn 291; U/H/L/Löbbe Rn 182; Henssler/Strohn/Verse Rn 87; ähnlich Link RNotZ 2009, 193, 218 f; Scholz/Seibt Rn 95; aA offenbar Wälzholz MittBayNot 2010, 72: keine Prüfung durch Registergericht. 4 BegrRegE BR-Drucks 354/07, S. 89; Kort GmbHR 2009, 169, 175; Scholz/Seibt Rn 93; U/H/L/Löbbe Rn 183; R/A/Altmeppen Rn 84; MünchKomm/Heidinger Rn 291; Lieder GmbHR 2016, 271, 276; aus der Praxis eingehend KG ZIP 2010, 2047, 2048 ff mit zustimmender Anm Omlor EWiR 2010, 669; ebenso ThürOLG GmbHR 2013, 145, 146; OLG München GmbHR 2015, 1214, 1216 mit Anm Römermann. 5 U/H/L/Löbbe Rn 183; Scholz/Seibt Rn 93; Lieder GmbHR 2016, 271, 276; allgemein MünchKomm/Drescher § 920 ZPO Rn 14, 20. 6 Beispielhaft KG ZIP 2010, 2047. 7 So auch Eickelberg/Ries NZG 2015, 1103, 1107. 8 KG ZIP 2010, 2047, 2050; ThürOLG GmbHR 2013, 145, 146; OLG München GmbHR 2015, 1214, 1216 mit Anm Römermann; Scholz/Seibt Rn 93; R/A/Altmeppen Rn 84; MünchKomm/Heidinger Rn 291. 9 Richtig Prasse/Strotmann BB 2010, 1747, 1749 mwN.

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§ 16 | Rechtsstellung bei Wechsel der Gesellschafter noch in weiter Ferne liegt1. Auch der Umstand, dass der Widersprechende mit der Beantragung der einstweiligen Verfügung über einen längeren Zeitraum zugewartet hat, bedeutet keine sog „Selbstwiderlegung“ der Dringlichkeit2. Entgegen OLG Nürnberg3 entfällt der Verfügungsgrund auch nicht deshalb, weil der Widersprechende zuvor nicht den Versuch einer einvernehmlichen Korrektur unternommen hat4 (zur Abwehr der Kosten: Rn 98). Die einstweilige Verfügung kann uU auch schon vor Einreichung einer (angeblich) unrichtigen Liste beantragt werden, etwa nach Ankündigung durch den Geschäftsführer (sog vorbeugende einstweilige Verfügung)5. 98 Antragsgegner ist der angeblich unrichtig in der Gesellschafterliste Eingetrage-

ne6. Wurde er zuvor nicht kontaktiert, so kann er gemäß § 93 ZPO die Kosten dadurch abwehren, dass er Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung einlegt und seine Bereitwilligkeit zur Bewilligung des Widerspruchs bekundet7. Zuständig ist nach den allgemeinen Vorschriften (§§ 937 Abs. 1, 943 Abs. 1 ZPO) das Prozessgericht der Hauptsache, also regelmäßig das Gericht am Sitz der GmbH (§§ 12, 17, 22 ZPO). Über den Antrag entscheidet das LG, in dringenden Fällen allein der Vorsitzende der zuständigen Kammer (§ 944 ZPO); zulässiges Rechtsmittel ist die sofortige Beschwerde (§§ 567 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, 569 ZPO), über die stets der gesamte Senat des OLG entscheidet (§ 568 Satz 1 ZPO)8. Die vom Prozessgericht erlassene (stattgebende) Entscheidung ist dann mit dem Antrag auf Aufnahme des Widerspruchs zur Gesellschafterliste an das Handelsregister einzureichen9.

99 Antragsberechtigt ist im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens al-

lein derjenige, der geltend macht, er sei anstelle des Eingetragenen der wahre

1 KG ZIP 2010, 2047, 2050 f; U/H/L/Löbbe Rn 183; Kort GmbHR 2009, 169, 175; Lieder GmbHR 2016, 271, 276 f; anders OLG Nürnberg GmbHR 2014, 1253 mit zustimmender Anm Werner. 2 Richtig KG ZIP 2010, 2047, 2050 f; Lieder GmbHR 2016, 271, 277 f. 3 OLG Nürnberg GmbHR 2014, 1153 mit zustimmender Anm Werner. 4 So zutreffend Dittert NZG 2015, 221 ff; Liebscher/Alles ZIP 2015, 1, 6 f; Lieder GmbHR 2016, 271, 276 f; Wettich GWR 2014, 434; vgl zuvor bereits Schlosser FS G. Roth, 2011, S. 695, 701. 5 So auch BGH GmbHR 2014, 198 Rn 39; LG München 7.9.2009 – 29 O 1470/09 (unveröffentlicht); Prasse/Strotmann BB 2010, 1747, 1749 f, zweifelnd indes Henssler/Strohn/ Verse Rn 84. 6 ThürOLG GmbHR 2013, 145, 146; U/H/L/Löbbe Rn 183; Scholz/Seibt Rn 93 aE; MünchKomm/Heidinger Rn 183; Lieder GmbHR 2016, 271, 276 ff; Schlosser FS G. Roth, 2011, S. 695, 701. 7 So zutreffend Schlosser FS G. Roth, 2011, S. 695, 701. 8 KG ZIP 2010, 2047, 2048; vgl auch BGH NJW 2004, 856. 9 Scholz/Seibt Rn 89; R/S-L/Pentz Rn 104 (beide mit Muster).

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Inhaber des Geschäftsanteils1, nicht hingegen ein Mitgesellschafter2 oder der Geschäftsführer3. Die Geschäftsführer haben unter den Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 Satz 1 vielmehr jederzeit das Recht und die Möglichkeit, eine geänderte Gesellschafterliste einzureichen4 und sind darüber hinaus nach Auffassung des BGH zur jederzeitigen Korrektur einer (angeblich) unzutreffenden Gesellschafterliste befugt (näher § 40 Rn 32, 68 ff). Sie können auch nicht einerseits glaubhaft machen, dass ein Anspruch auf Änderung der Gesellschafterliste besteht, andererseits aber unter Hinweis auf eigene Haftungsgefahren die Erfüllung dieses Anspruchs ablehnen und nur „sicherheitshalber“ einen Widerspruch beantragen5. Haben die Geschäftsführer Zweifel an der materiellen Rechtslage, dann sollen sie die Prätendenten zu einer Klärung bewegen und ggf dem Nichteingetragenen empfehlen, selbst einen Widerspruch zu beantragen. De lege lata zu verneinen ist die Widerspruchsberechtigung des Notars nach dem Vorbild des Amtswiderspruchs gemäß § 53 GBO6. Allerdings sprechen gute Gründe dafür, dem Notar die Befugnis zur Eintragung eines solchen Amtswiderspruchs de lege ferenda zu eröffnen7. f) Löschung eines Widerspruchs: In der Praxis wird der Widerspruch nicht nur 100 „gerötet“, sondern effektiv gelöscht8 und ist damit ex tunc nicht mehr einsehbar. Diese Löschung erfolgt indes nicht automatisch9, auch bei Einreichung einer geänderten Liste jedenfalls dann nicht, wenn der Geschäftsanteil, dem der Widerspruch zugeordnet ist, dort (wie es sein soll) wieder aufgeführt wird10 (dazu auch Rn 91). Voraussetzung ist vielmehr (zwingend) entweder die Bewilligung 1 So auch dezidiert Handelsrechtsausschuss des DAV NZG 2007, 735, 739. 2 Insoweit auch Harbarth ZIP 2008, 57, 61; U/H/L/Löbbe Rn 185; B/S/Brandes Rn 71; Henssler/Strohn/Verse Rn 85; Lieder GmbHR 2016, 271, 278; aA Michalski/Ebbing Rn 228. 3 So auch Scholz/Seibt Rn 94; Henssler/Strohn/Verse Rn 85; Lieder GmbHR 2016, 271, 278; Werner GmbHR 2014, 1155; Wiersch Der gutgläubige Erwerb von GmbH-Anteilen 2009 S. 125; abweichend allerdings R/A/Altmeppen Rn 70; U/H/L/Löbbe Rn 184; Michalski/Ebbing Rn 228; MünchKomm/Heidinger Rn 290; Prasse/Strotmann BB 2010, 1747, 1748. 4 So auch Handelsrechtsausschuss des DAV NZG 2007, 735, 739; Lieder GmbHR 2016, 271, 278. 5 So aber Harbarth ZIP 2008, 57, 61; D. Mayer DNotZ 2008, 403, 422 f; Kort GmbHR 2009, 169, 175; Heckschen/Heidinger/Heidinger § 13 Rn 119; U/H/L/Löbbe Rn 184. 6 Wie hier Henssler/Strohn/Verse Rn 85; de lege ferenda Link RNotZ 2009, 193, 217; unentschieden MünchKomm/Heidinger Rn 290 aE. 7 Dazu ausführlich Lieder GmbHR 2016, 271, 279. 8 Henssler/Strohn/Verse Rn 89; kritisch MünchKomm/Heidinger Rn 294 mwN. 9 Der entsprechende Vorschlag des Handelsrechtsausschusses des DAV (NZG 2007, 211, 215) wurde im Gesetzgebungsverfahren abgelehnt; bedauernd Kort GmbHR 2009, 169, 175 f. 10 Richtig Oppermann ZIP 2009, 651, 654; Hasselmann NZG 2010, 207, 209; Schlosser FS G. Roth, 2011, S. 695, 701.

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§ 16 | Rechtsstellung bei Wechsel der Gesellschafter desjenigen, der den Widerspruch erfolgreich beantragt hat1, oder die Aufhebung der einstweiligen Verfügung2. Hingegen kann der Eingetragene, der den Widerspruch bewilligt hat (Rn 96), nicht einseitig die Löschung beantragen3. Im Streitfall muss auf Löschung geklagt werden4. Dieses Verfahren darf auch nicht dadurch „ausgehebelt“ werden, dass eine neue Gesellschafterliste ohne Widerspruch eingereicht wird5. Bei einvernehmlich vorgenommener Widerspruchseintragung (Rn 96) ist daher Vorsorge für den Fall zu treffen, dass der Grund für den Widerspruch entfällt (zB weil der Vertrag aufgehoben oder der Kaufpreis nicht bezahlt wird); dies kann in Form einer vorab erteilten Löschungsbewilligung geschehen, die etwa der Notar nach klar umrissenen Anweisungen nutzen darf6. Wie die Eintragung (Rn 95) sollte auch die Löschung nur nach Vorlage einer öffentlich beglaubigten Bewilligung (§ 12 Abs. 1 HGB analog) erfolgen7. 101 g) Schadensersatz: Erweist sich die Anordnung des Widerspruchs im Wege der

einstweiligen Verfügung als von Anfang an ungerechtfertigt oder wird sie später aufgehoben, kommt § 945 ZPO zur Anwendung, dh der Antragsteller ist dem Antragsgegner (verschuldensunabhängig) zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der durch die Vollziehung der einstweiligen Verfügung entstanden ist8.

7. Erwerb vor und nach Ablauf der 3-Jahres-Frist 102 Die Dauer der Unrichtigkeit der Gesellschafterliste war im Gesetzgebungsver-

fahren heftig umstritten9. Im MoMiG wurden als Kompromiss zwei Alternativen formuliert: So ist ein gutgläubiger Erwerb zum einen möglich, wenn die Gesellschafterliste zum Zeitpunkt des Erwerbs mindestens 3 Jahre unrichtig (Rn 103 f) oder im Falle einer kürzeren Unrichtigkeit diese dem Berechtigten zuzurechnen ist (Rn 105). Zu unterscheiden sind somit zulasten des Berechtigten 1 R/A/Altmeppen Rn 84; U/H/L/Löbbe Rn 186; Scholz/Seibt Rn 97; Henssler/Strohn/Verse Rn 89. 2 Vgl Scholz/Seibt Rn 97; U/H/L/Löbbe Rn 186; MünchKomm/Heidinger Rn 293; zur Parallele bei § 899 BGB: Palandt/Bassenge § 899 BGB Rn 6; MünchKomm/Kohler § 899 BGB Rn 28. 3 So auch KG GmbHR 2013, 762 mit zustimmender Anm Melchior EWiR 2013, 615; zustimmend auch Kilian notar 2014, 14. 4 U/H/L/Löbbe Rn 186; R/S-L/Pentz Rn 105; MünchKomm/Heidinger Rn 292; Scholz/Seibt Rn 97; Herrler BB 2013, 1748. 5 Richtig KG GmbHR 2013, 762; zustimmend MünchKomm/Heidinger Rn 297. 6 Dazu Oppermann ZIP 2009, 651, 654. 7 Richtig MünchKomm/Heidinger Rn 292. 8 Handelsrechtsausschuss des DAV NZG 2007, 735, 739; R/S-L/Pentz Rn 100; U/H/L/Löbbe Rn 183 aE; Wicke Rn 25; Scholz/Seibt Rn 98; MünchKomm/Heidinger Rn 256. 9 Schockenhoff/Höder ZIP 2006, 1841, 1847; Haas/Oechsler NZG 2006, 806, 807, 812; Triebel/Otte ZIP 2006, 1321, 1326 (alle zum RefE).

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einerseits das an die 3-Jahres-Frist gekoppelte Rechtsscheinprinzip sowie andererseits das fristunabhängige, strengere Veranlassungsprinzip1. Allerdings enthält auch der gutgläubige Erwerb nach Ablauf der 3-Jahres-Frist ein verstecktes Zurechnungselement (näher Rn 103). a) 3-Jahres-Frist: Anknüpfungspunkt ist hier formal der Ablauf der 3-Jahres- 103 Frist, materiell indes die (zurechenbare) Verletzung der Obliegenheit des wahren Gesellschafters, die Eintragungen in der Gesellschafterliste routinemäßig wenigstens einmal während der 3-Jahres-Frist zu überprüfen und Fehleintragungen zu monieren2. Die Gesellschafterliste ist nur dann 3 Jahre unrichtig, wenn sie in diesem Zeitraum durchgehend unrichtig war, dh im Hinblick auf den später erworbenen Geschäftsanteil nicht den materiell Berechtigten genannt hat3. Unerheblich ist, ob es sich um eine oder mehrere, jeweils geänderte Gesellschafterlisten handelt. Keine Rolle spielt auch, ob es sich stets um denselben Nichtberechtigten handelt oder ob ein eingetragener Nichtberechtigter den Anteil auf einen anderen Nichtberechtigten übertragen hat und dann dieser eingetragen wurde4. Wird hingegen eine unrichtige Liste durch eine im Hinblick auf den fraglichen Geschäftsanteil richtige Liste ersetzt, dann verfällt die bisher abgelaufene Unrichtigkeitsdauer; wird erneut eine unrichtige Liste eingereicht, beginnt somit die Frist wieder neu zu laufen5. Für den Fristbeginn ist zu unterscheiden: War die Gesellschafterliste bereits bei 104 ihrer Einreichung unrichtig, dann beginnt die Frist mit der Aufnahme in das Handelsregister (Registerordner), nicht schon mit der Einreichung6. Wurde die Gesellschafterliste dagegen erst später unrichtig und nicht durch Einreichung einer geänderten Liste korrigiert, dann beginnt die Frist in dem Zeitpunkt, in dem die Liste unrichtig wurde7; insoweit ist die Gesetzesbegründung missverständlich. Für die Fristberechnung gelten die §§ 187 ff BGB8. Die drei Jahre müssen im Zeitpunkt des Erwerbs verstrichen sein, dh es ist der gleiche Zeitpunkt 1 Apfelbaum BB 2008, 2470; Götze/Bressler NZG 2007, 894, 897; Wachter ZNotP 2008, 378, 395; ausführlich Lieder Die rechtsgeschäftliche Sukzession, 2015, S. 530 ff: „partielles Zurechnungsprinzip“. 2 Vgl auch BegrRegE BR-Drucks, S. 88 f; U/H/L/Löbbe Rn 161; R/A/Altmeppen Rn 77 mwN. 3 So auch Scholz/Seibt Rn 100. 4 BegrRegE BR-Drucks 354/07, S. 88; Scholz/Seibt Rn 100; R/A/Altmeppen Rn 78; Henssler/Strohn/Verse Rn 76; Vossius DB 2007, 2299, 2303 (mit Beispielen). 5 Scholz/Seibt Rn 100 aE; R/A/Altmeppen Rn 78; Henssler/Strohn/Verse Rn 76. 6 Scholz/Seibt Rn 101; U/H/L/Löbbe Rn 157; Henssler/Strohn/Verse Rn 75; Kort GmbHR 2009, 169, 175; Zessel GmbHR 2009, 303, 304. 7 R/A/Altmeppen Rn 71; Scholz/Seibt Rn 101; MünchKomm/Heidinger Rn 265; Kort GmbHR 2009, 169, 175; D. Mayer DNotZ 2008, 403, 420. 8 Ausführlich Scholz/Seibt Rn 102; Henssler/Strohn/Verse Rn 75; MünchKomm/Heidinger Rn 268.

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§ 16 | Rechtsstellung bei Wechsel der Gesellschafter wie für die anderen Voraussetzungen maßgeblich (Rn 89)1. Angesichts dieses Wortlauts ist die Auffassung zweifelhaft, die einen gutgläubigen Erwerb zulassen will, wenn der Erwerb vor Ablauf der 3-Jahres-Frist erfolgte2. Auch eine Analogie vermag nicht zu überzeugen, da sonst der 3-Jahres-Frist weitgehend der Anwendungsbereich entzogen würde, wenn mit deren Ablauf der Eingetragene im Falle seiner Gutgläubigkeit materiell-rechtlicher Inhaber des Geschäftsanteils würde. 105 b) Zurechnung: Vor Ablauf der 3-Jahres-Frist (Rn 103 f) ist ein gutgläubiger

Erwerb nur möglich, wenn dem Berechtigten die Unrichtigkeit der Gesellschafterliste zuzurechnen ist. Dies soll nach der Gesetzesbegründung etwa der Fall sein, wenn der Erbe es versäumt, für die Entfernung des Scheinerben aus der Gesellschafterliste zu sorgen3 (in dieser Allgemeinheit allerdings zweifelhaft)4, nicht hingegen bei Einreichung einer falschen Liste durch den Geschäftsführer ohne Wissen des Berechtigten5. Zurechenbar ist dem Berechtigten die Unrichtigkeit nach zwischenzeitlich gefestigter Literaturmeinung, wenn er die Unrichtigkeit der Liste (mit-)veranlasst oder jedenfalls (mit)zuverantworten hat6; speziell gilt dies bei der Mitwirkung an einer Anteilsabtretung, sei es, weil diese sich später als unwirksam herausstellt (Zurechnung an den Veräußerer), sei es, weil der Erwerber sich nicht um seine Eintragung in die Gesellschafterliste gekümmert hat7, zB dem Notar nicht den Eintritt einer aufschiebenden Bedingung mitgeteilt hat8 (Zurechnung an den Erwerber). Auf ein Verschulden des Berechtigten kommt es hingegen nicht an9. Erforderlich ist jedoch die Zurechnungsfähigkeit, die Geschäftsunfähigen fehlt, bei beschränkt Geschäftsfähigen je nach Einsichtsfähigkeit zu beurteilen ist10. Ebenso scheidet eine Zurechnung bei vis absoluta aus11. Eine Ausnahme aus Verkehrsschutzgründen ist auch nicht anzuerkennen, wenn ein Notar die fehlende (volle) Geschäftsfähigkeit verkennt und die Liste einreicht.12 Dies vermag weder die Schutzbedürftigkeit zu beseiti-

1 Henssler/Strohn/Verse Rn 78; MünchKomm/Heidinger Rn 269. 2 So aber Preuß ZGR 2008, 676, 690; Altgen Gutgläubiger Erwerb S. 278 ff; ablehnend Henssler/Strohn/Verse Rn 78; MünchKomm/Heidinger Rn 269; U/H/L/Löbbe Rn 161. 3 BegrRegE BR-Drucks 354/07, S. 88. 4 Richtig Noack DB 2007, 1395, 1399; D. Mayer DNotZ 2008, 403, 421; MünchKomm/ Heidinger Rn 272. 5 BegrRegE BR-Drucks 354/07, S. 88. 6 Scholz/Seibt Rn 103; D. Mayer DNotZ 2008, 403, 421; Götze/Bressler NZG 2007, 894, 897; Zessel GmbHR 2009, 303, 304. 7 So auch D. Mayer DNotZ 2008, 403, 421. 8 Rousseau GmbHR 2009, R49 f. 9 Vgl Kort GmbHR 2009, 169, 175; Scholz/Seibt Rn 105 aE; MünchKomm/Heidinger Rn 273; Henssler/Strohn/Verse Rn 69. 10 Henssler/Strohn/Verse Rn 73; Scholz/Seibt Rn 105. 11 Scholz/Seibt Rn 105; U/H/L/Löbbe Rn 162; R/A/Altmeppen Rn 75. 12 Wie hier Henssler/Strohn/Verse Rn 73; R/S-L/Pentz Rn 94 Fn 168; aA Scholz/Seibt Rn 105; Wiersch S. 98 ff.

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gen noch eine Zurechnungsfähigkeit, anders als beim gesetzlichen Vertreter, zu begründen. 8. Verhältnis Berechtigter – Nichtberechtigter Der gutgläubige Erwerber ist dem Berechtigten grundsätzlich nicht zum Aus- 106 gleich verpflichtet1 (Ausnahme: ein unentgeltlicher Erwerber haftet ggf gemäß § 816 Abs. 1 Satz 2 BGB2, dann uU auch Haftung eines unentgeltlichen Drittempfängers gemäß § 822 BGB). Vielmehr kann der Berechtigte vom verfügenden nichtberechtigten Listengesellschafter gemäß § 816 Abs. 1 Satz 1 BGB die Herausgabe des durch die Verfügung Erlangten beanspruchen3, dh nach hM die Herausgabe der Gegenleistung einschließlich eines Gewinns, auch wenn dieser Wert über dem wahren Wert des Geschäftsanteils liegt (streitig)4. Weiterhin kommen Ansprüche aus §§ 681, 687 Abs. 2 BGB und Schadensersatzansprüche gemäß §§ 280, 823 ff BGB in Betracht5. Eine Rückabtretung des gutgläubigen Erwerbers an den zuvor nichtberechtigt verfügenden Listengesellschafter führt zu dessen wirksamem Erwerb6.

V. Zeitlicher Anwendungsbereich/Übergangsvorschrift 1. Legitimationswirkung und Haftung (§ 16 Abs. 1 und 2) Im Unterschied zu § 16 Abs. 3 (Rn 109) fehlt für § 16 Abs. 1 und 2 eine Über- 107 gangsregelung. Dies ist höchst bedauerlich, hat die Frage doch zum einen große praktische Bedeutung7, zum anderen ist die Problematik höchst umstritten: Der hier seit der 17. Aufl vertretenen Auffassung, dass mit Inkrafttreten des MoMiG auch die Neuregelung in § 16 Abs. 1 und 2 Anwendung findet8, hat ein 1 So auch Scholz/Seibt Rn 107; Henssler/Strohn/Verse Rn 91; U/H/L/Löbbe Rn 190; vgl zu § 932 BGB: BGH JZ 1956, 490 f; Erman/Bayer § 932 BGB Rn 27; zu § 892 BGB: RGZ 85, 61, 64; RGZ 90, 395, 397 f; MünchKomm/Kohler § 892 BGB Rn 74. 2 Scholz/Seibt Rn 107; vgl zu §§ 892, 932 BGB: Erman/Bayer § 932 BGB Rn 27; MünchKomm/Kohler § 892 BGB Rn 74. 3 Grunewald ZIP 2006, 685, 688 f; Scholz/Seibt Rn 107; U/H/L/Löbbe Rn 190; allgemein Erman/Bayer § 932 BGB Rn 26. 4 BGHZ 29, 159 ff; BGH NJW 1997, 190; Jauernig/Stadler § 816 BGB Rn 8, 9. 5 Scholz/Seibt Rn 107; Henssler/Strohn/Verse Rn 91; allgemein Erman/Bayer § 932 BGB Rn 26. 6 So auch Henssler/Strohn/Verse Rn 92; allgemein Erman/Bayer § 932 BGB Rn 26 mwN; aA früher hM. 7 S. nur MünchKomm/Heidinger Rn 104. 8 So auch Reymann BB 2009, 506, 511; Hasselmann NZG 2009, 409, 412; Wachter ZNotP 2009, 82, 89; Horstkotte ZInsO 2009, 209, 214; Scholz/Seibt Rn 108; ausführlich U/H/L/ Löbbe Rn 192 ff; MünchKomm/Heidinger Rn 108 ff, 130 ff, 365; DNotI-Report 2008, 185 ff; Saenger/Sandhaus DNotZ 2012, 346 ff.

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§ 16 | Rechtsstellung bei Wechsel der Gesellschafter Teil des Schrifttums widersprochen1 und hierin beim LG München I2 Gefolgschaft gefunden, wobei das abweichende Schrifttum allerdings davon ausgeht, dass für Altfälle das seinerzeitige Recht maßgeblich ist und § 16 Abs. 1 nF somit nur für Veränderungen gelten soll, die ab dem 1.11.2008 stattgefunden haben, während das LG München I die frühere „materielle Rechtslage“ für maßgeblich erachtet, wobei unklar ist, ob es wirklich auf die weder für § 16 aF noch § 16 Abs. 1 nF materiell wirksame Innehabung des Geschäftsanteils abstellen möchte oder ob es nur eine nach § 16 Abs. 1 aF ordnungsgemäße Anmeldung bei der GmbH verlangt3. 108 An der bisher vertretenen Auffassung wird festgehalten, da weder das Argu-

ment überzeugt, diese Auslegung führe zu einer Vielzahl von unwirksamen Beschlüssen (weil die aktuell beim Handelsregister vorliegenden Gesellschafterlisten häufig mangels ordnungsgemäßer Listenführung unzutreffend sind), noch verfassungsrechtliche Bedenken (Rückwirkung) durchschlagen. Vielmehr sind alle Geschäftsführer und Gesellschafter gehalten, im eigenen Interesse die beim Handelsregister vorliegende aktuelle Gesellschafterliste zu überprüfen und ggf zu aktualisieren; hierzu hat jeder Geschäftsführer das Recht und die Pflicht, wobei sich die Befugnis nach § 40 Abs. 1 auch ohne erneute Mitteilung daraus ergibt, dass pflichtwidrig die frühere Anmeldung nicht umgesetzt wurde. Fehlte es hingegen überhaupt unter der Geltung des früheren Rechts an einer Anmeldung des (materiellen) Gesellschafters, so ist es (auch) Sache dieses Gesellschafters bzw seiner Rechtnachfolger durch erneute Mitteilung und ggf Nachweis auf eine Korrektur der unrichtigen alten Liste hinzuwirken. Zusammenfassend bedeutet dies: Ungeachtet der Aktualität der Angaben (und generell ungeachtet der materiellen Richtigkeit) der bis zum 1.11.2008 nach § 40 aF zum Handelsregister eingereichten Gesellschafterliste, kommt dieser bis zur Einreichung einer neuen geänderten Liste zum einen die Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 zu, zum anderen haftet aber auch der in der Liste ausgewiesene Gesellschafter für rückständige Leistungen nach § 16 Abs. 2. Voraussetzung ist allerdings auch hier, dass die Eintragung in der Gesellschafterliste dem Eingetragenen zugerechnet werden kann4 (ausführlich Rn 11 ff). Dies ist im Hinblick auf die Vergangenheit für einen eingetragenen Erwerber nur bei einer ordnungsgemäßen Anmeldung nach § 16 Abs. 1 aF der Fall, für einen noch eingetragenen Anteilsveräußerer umgekehrt dann nicht, wenn sich ein Erwerber ordnungsgemäß angemeldet hat; hier kommt für den Veräußerer allein noch eine Haftung nach § 16 Abs. 2 nF, nicht jedoch nach § 16 Abs. 1 nF in Betracht5; dieser Auffassung hat sich

1 D. Mayer ZIP 2009, 1037, 1040; Begemann/Galla GmbHR 2009, 1065, 1066; B/H/Fastrich Rn 13; Michalski/Ebbing Rn 207 f. 2 LG München I GmbHR 2010, 149 mit kritischer Anm Kallweit („kann nicht vollends überzeugen“) = MittBayNot 2010, 147 mit zustimmender Anm Brandmüller. 3 Vgl Heckschen EWiR 2010, 325 f (Anm zu LG München I). 4 So auch Reymann BB 2009, 506, 511 f. 5 Einzelheiten bei Reymann BB 2009, 506, 512.

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Veräußerung von Anteilen des Geschäftsanteils | § 17

auch der BGH angeschlossen1. Stammt die eingereichte Liste hingegen nicht von der zuständigen Geschäftsführung, sondern von einem Dritten (insbesondere gefälschte Liste), dann entfaltet diese gefälschte Liste im Hinblick auf § 16 Abs. 1 und 2 nF gar keine Wirkung (dazu auch Rn 17). 2. Gutgläubiger Erwerb (§ 3 Abs. 3 EGGmbHG) Für alle ab dem 1.11.2008 gegründeten (oder durch Umwandlung entstandenen) 109 GmbH gilt § 16 Abs. 3 nF uneingeschränkt (Umkehrschluss aus § 3 Abs. 3 Satz 1 EGGmbHG). Im Hinblick auf sog Altgesellschaften (die vor dem 1.11.2008 gegründet worden sind) wird hingegen differenziert: Eine Unrichtigkeit in der Gesellschafterliste, die bereits vor dem 1.11.2008 vorhanden war und dem Berechtigten zuzurechnen ist, kann frühestens ab dem 2.5.2009 („nach dem 1. Mai“) zum gutgläubigen Erwerb führen (Satz 1)2. Diese Regelung ermöglicht(e) es den Gesellschaften und ihren Gesellschaftern, die Richtigkeit der Gesellschafterliste zu überprüfen und ggf zu korrigieren; sofern dies nicht einverständlich möglich war/ist, konnte/kann ein Widerspruch im Wege der einstweiligen Verfügung eingetragen und somit ein gutgläubiger Erwerb verhindert werden (ausführlich Rn 91 ff). Kann die Unrichtigkeit dem Berechtigten hingegen nicht zugerechnet werden, so kommt ein gutgläubiger Erwerb iSd 3-Jahres-Frist erst ab dem 2.11. 2011 in Betracht (Satz 2)3. Die Übergangsregelung belegt, dass der Gesetzgeber auch die früheren, nur unzulänglich geführten Gesellschafterlisten (ausführlich § 40 Rn 2) als taugliche Rechtsscheinträger iSv § 16 Abs. 3 ansieht4, was nicht ohne Auswirkungen auf die Beurteilung der Rechtslage zu § 16 Abs. 1 und 2 nF bleiben kann (dazu Rn 107 f). Wird die Gesellschafterliste in einer Altgesellschaft erst nach dem 1.11.2008 unrichtig, so gilt § 16 Abs. 3 uneingeschränkt, dh ohne weitere Karenzzeit5.

§ 17 Veräußerung von Anteilen des Geschäftsanteils (aufgehoben) Vorschrift aufgehoben durch MoMiG vom 23.10.2008, BGBl I 20266. 1 BGH GmbHR 2010, 918 mit ausdrücklichem Zitat der 17. Aufl. 2 Wie hier MünchKomm/Heidinger Rn 363; Scholz/Seibt Rn 109; U/H/L/Löbbe Rn 191. 3 MünchKomm/Heidinger Rn 363; U/H/L/Löbbe Rn 191; B/H/Fastrich Rn 42; Scholz/Seibt Rn 109. 4 So auch MünchKomm/Heidinger Rn 364; kritisch Michalski/Ebbing Rn 204. 5 Richtig B/H/Fastrich Rn 43. 6 S. BegrRegE MoMiG BR-Drucks 354/07, S. 89 f.

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§ 18 | Mitberechtigung am Geschäftsanteil Aufgrund der Regelung in § 5 Abs. 2 (dazu § 5 Rn 7) wurden die Teilung und die Zusammenlegung von Geschäftsanteilen gegenüber der früheren Rechtslage wesentlich erleichtert; eine zusammenfassende Regelung findet sich heute in § 46 (§ 46 Rn 17 ff); vgl zur Anteilsabtretung auch § 15 Rn 24.

§ 18 Mitberechtigung am Geschäftsanteil (1) Steht ein Geschäftsanteil mehreren Mitberechtigten ungeteilt zu, so können sie die Rechte aus demselben nur gemeinschaftlich ausüben. (2) Für die auf den Geschäftsanteil zu bewirkenden Leistungen haften sie der Gesellschaft solidarisch. (3) Rechtshandlungen, welche die Gesellschaft gegenüber dem Inhaber des Anteils vorzunehmen hat, sind, sofern nicht ein gemeinsamer Vertreter der Mitberechtigten vorhanden ist, wirksam, wenn sie auch nur gegenüber einem Mitberechtigten vorgenommen werden. Gegenüber mehreren Erben eines Gesellschafters findet diese Bestimmung nur in Bezug auf Rechtshandlungen Anwendung, welche nach Ablauf eines Monats seit dem Anfall der Erbschaft vorgenommen werden. Text seit 1892 unverändert; amtliche Überschrift ergänzt durch MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl I 2026). 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Anwendungsbereich . . . . . . . 3. Gemeinschaftliche Ausübung der Mitgliedschaftsrechte durch alle Mitberechtigten (§ 18 Abs. 1) . . . .

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4. Haftung der Mitberechtigten (§ 18 Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 5. Rechtshandlungen der Gesellschaft (§ 18 Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . 8 6. Gemeinsamer Vertreter . . . . . . . . 10

Literatur: Raue Die ordnungsgemäße Verwaltung eines GmbH-Anteils durch eine Erbengemeinschaft, GmbHR 2015, 121; J. Schmidt Die gemeinschaftliche Ausübung von Rechten aus einem GmbH-Anteil, NZG 2015, 1049; Schürnbrand Die Ausübung von Gesellschafterrechten in der GmbH durch Erbengemeinschaften, NZG 2016, 241.

1. Überblick 1 Durch die Mitberechtigung mehrerer Personen an einem Geschäftsanteil soll die

Stellung der GmbH nicht verschlechtert oder erschwert werden1. Zu diesem Zweck bestimmen § 18 Abs. 3, dass die GmbH Rechtshandlungen wirksam auch

1 So auch Scholz/Seibt Rn 1: Schutz der GmbH.

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Mitberechtigung am Geschäftsanteil | § 18

nur gegenüber einem Mitberechtigten vornehmen kann, und § 18 Abs. 1, dass mehrere Mitberechtigte die Rechte aus dem Geschäftsanteil nur gemeinschaftlich ausüben können, jeweils sofern nicht ein gemeinsamer Vertreter vorhanden ist. Schließlich bestimmt § 18 Abs. 2, dass Mitberechtigte für die auf den Geschäftsanteil zu bewirkenden Leistungen gesamtschuldnerisch haften.

2. Der Anwendungsbereich § 18 setzt eine gegenüber der Gesellschaft nach § 16 Abs. 1 iVm § 40 wirksame 2 Mitberechtigung voraus, dh eine dingliche Zuordnung des Geschäftsanteils an mehrere Berechtigte in Form der Bruchteils- oder auch der Gesamthandsgemeinschaft nach den §§ 741 ff, 1415 ff und 2038 ff BGB1 (sog „dingliche Beteiligungspluralität“2). Unterbeteiligung3 an einem Geschäftsanteil ist keine Mitberechtigung, da sie nur schuldrechtliche Ansprüche, aber kein Recht am Geschäftsanteil vermittelt4, ebenso wenig Pfandrecht und Nießbrauch, da keine dingliche Mitberechtigung auf gleicher Ebene5. Unerheblich für die Mitberechtigung ist, ob diese originär bei Begründung des Geschäftsanteils oder erst später entstanden ist (zB Erbengemeinschaft nach Erbfall)6. Auch wenn alle Geschäftsanteile der GmbH derselben Rechtsgemeinschaft gehören, gilt § 187. § 18 findet hingegen keine Anwendung, wenn der Geschäftsanteil einem 3 Rechtsträger zusteht; dies ist nicht nur bei natürlicher und juristischer Person der Fall, sondern auch bei oHG und KG8; nachdem auch die Rechts- und Parteifähigkeit der BGB-Außengesellschaft anerkannt ist9, ist auch insoweit für § 18 kein Raum10. Die Auffassung, wonach aufgrund der fehlenden Registerpublizität (im Unterschied zu oHG und KG) gute Gründe dafür sprechen, § 18 Abs. 1 und 3 auf die (rechtsfähige) GbR analog anzuwenden11, wurde bereits in der 17. Aufl aufgegeben; zur Herstellung von Transparenz ist es ausreichend, aber auch erforderlich, die BGB-Gesellschafter in der Gesellschafterliste aufzunehmen (Rn 4). Im Übrigen ist es Sache der BGB-Gesellschaft, aufgrund der fehlenden 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

Allgemeine Meinung: J. Schmidt NZG 2015, 1049; Scholz/Seibt Rn 5 f. So MünchKomm/Reichert/Weller Rn 7. Dazu BGHZ 50, 316; Scholz/Seibt Rn 3, 16; R/A/Altmeppen Rn 7. OLG Frankfurt GmbHR 1987, 57, 58. B/H/Fastrich Rn 2; U/H/L/Löbbe Rn 2. So auch J. Schmidt NZG 2015, 1049; zur Erbengemeinschaft ThürOLG GmbHR 2013, 149, 150 ff. Scholz/Seibt Rn 39; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 120 (ganz hM). U/H/L/Löbbe Rn 14; obiter BGHZ 78, 311, 316 = GmbHR 1981, 188. BGHZ 146, 341; dazu Ulmer ZIP 2001, 585 ff; K. Schmidt NJW 2001, 993 ff. Ebenso R/S-L/Pentz Rn 4; U/H/L/Löbbe Rn 6; Scholz/Seibt Rn 7; R/A/Altmeppen Rn 6; B/S/Brandes Rn 2. So früher hM; vgl nur BGHZ 78, 311, 313 = GmbHR 1981, 188 mwN.

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§ 18 | Mitberechtigung am Geschäftsanteil Registerpublizität auftretende Zweifel an der Vertretungsmacht ihrer geschäftsführenden Gesellschafter, ggf durch ordnungsgemäße Nachweise, auszuräumen1. Gleiches gilt für den nicht-rechtsfähigen Verein2 (§ 54 BGB). Anwendung findet § 18 indes auf die (nicht rechtsfähige) BGB-Innengesellschaft3.

3. Gemeinschaftliche Ausübung der Mitgliedschaftsrechte durch alle Mitberechtigten (§ 18 Abs. 1) 4 Da die Mitberechtigten ihre Rechte aus dem Geschäftsanteil nach der dispositi-

ven Regelung in § 18 Abs. 14 nur gemeinschaftlich ausüben können, ist jeder Mitberechtigte als Gesellschafter anzusehen5, was etwa bedeutet, dass jeder Mitberechtigte in die Gesellschafterliste einzutragen ist6 (vgl § 8 Rn 4, § 40 Rn 10 ff) und ein eigenes Recht auf Teilnahme an der Gesellschafterversammlung hat (Rn 12)7. Vinkulierungsklauseln sind daher im Zweifel (Auslegung!) nicht anzuwenden, wenn Abtretungen an Mitgesellschafter freigestellt sind8 (näher § 15 Rn 72). Die gemeinschaftliche Ausübung gilt nicht nur für sämtliche Mitverwaltungsrechte9 (zB Stimmrecht10), sondern auch für die Geltendmachung vermögensrechtlicher Ansprüche (Gewinnanspruch11), ferner für die Informationsrechte (§ 51a) und die Erhebung einer Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage12. Da die Berechtigten notwendige Streitgenossen (§ 62 ZPO) sind13 (näher Anh zu § 47 Rn 70), ist die Klage nur eines Mitberechtigten unbegründet14. Ist auch nur ein Mitberechtigter bösgläubig (s. § 32 GmbHG und § 932 Abs. 2 BGB), so wirkt das gegen alle15; ist ein gemeinsamer Vertreter bestellt, so 1 So auch überzeugend zur Parallelproblematik der Grundbuchfähigkeit der BGB-Gesellschaft: BGHZ 189, 274 Rn 16 ff; vgl bereits Böttcher/Blasche NZG 2007, 121, 124 f; Heßeler/Kleinhenz NZG 2007, 250, 251. 2 So hM Scholz/Seibt Rn 3a; R/A/Altmeppen Rn 5; U/H/L/Löbbe Rn 14; aA Michalski/Ebbing Rn 33. 3 R/A/Altmeppen Rn 6; Scholz/Seibt Rn 7a; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 25. 4 Für alle: J. Schmidt NZG 2015, 1049 mwN. 5 BGHZ 78, 311 ff = GmbHR 1981, 188; U/H/L/Löbbe Rn 9; B/S/Brandes Rn 3; Scholz/ Seibt Rn 12; Henssler/Strohn/Verse Rn 4. 6 MünchKomm/Reichert/Weller Rn 45; U/H/L/Löbbe Rn 11; Scholz/Seibt Rn 12. 7 B/H/Fastrich Rn 4; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 43. 8 Wie hier MünchKomm/Reichert/Weller Rn 44; aA Scholz/Seibt Rn 12. 9 Ausführlich J. Schmidt NZG 2015, 1049, 1050. 10 Dazu etwa LG Berlin GmbHR 2010, 875 mit Anm Schultze-Petzold. 11 B/H/Fastrich Rn 4; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 66. 12 OLG Nürnberg GmbHR 2014, 1147, 1149; Scholz/Seibt Rn 23 mwN. 13 OLG Nürnberg GmbHR 2014, 1147, 1149; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 128 mwN. 14 B/H/Fastrich Rn 4; Scholz/Seibt Rn 22; R/S-L/Pentz Rn 6 f; aA Michalski/Ebbing Rn 45; abweichend zur Erbengemeinschaft auch BGHZ 108, 21, 30 = GmbHR 1989, 329. 15 Zutreffend B/H/Fastrich Rn 4; U/H/L/Löbbe Rn 37; Scholz/Seibt Rn 34.

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Mitberechtigung am Geschäftsanteil | § 18

kommt es auf ihn an. Gleiches gilt im Zweifel im Hinblick auf die Voraussetzungen für eine Zwangseinziehung (aber Auslegung Gesellschaftsvertrag!)1. Zum Stimmverbot bei Betroffensein eines Mitberechtigten: § 47 Rn 392. Dieser Grundsatz des § 18 Abs. 1 ist für alle, auch für die GmbH, lästig; er kann und sollte durch die Satzung ausgeschlossen werden3 (was – anders als für die AG gemäß § 69 Abs. 1 AktG4 – zulässig ist)5, etwa mit dem Inhalt, dass die Rechtsausübung nur durch einen gemeinsamen Vertreter (dazu Rn 10) möglich ist6. Eine Ausnahme von der nur gemeinschaftlichen Ausübung der Rechte durch 5 die Mitberechtigten ist nach herrschender und zutreffender Auffassung allerdings dann zu machen, wenn nach dem Innenrecht der Rechtsgemeinschaft7 eine Mehrheit der Mitberechtigten oder gar ein Einzelner zur Rechtsausübung für alle befugt ist (sog Lehre von der mittelbar einheitlichen Rechtsausübung8); dies ist zB bei der Erbengemeinschaft gemäß § 2038 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB der Fall9, und zwar auch im Hinblick auf die Beschlussfassung über die Abberufung des GmbH-Geschäftsführers10. § 18 Abs. 1 erfasst nur das Verhältnis zur GmbH, greift also nicht in das Ver- 6 hältnis der Mitberechtigten zueinander ein11. Können diese sich nicht einigen, so kann das Recht grundsätzlich nicht ausgeübt werden12. Handelt einer allein, so ist er falsus procurator; seine Erklärung kann jedoch im Rahmen von §§ 177, 180 BGB genehmigt werden13. Die GmbH ist vor daraus resultierenden Nachteilen durch das Zurückweisungsrecht gemäß §§ 174, 180 BGB bei einseitigen 1 Wie hier B/S/Brandes Rn 15; U/H/L/Löbbe Rn 38; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 105 aE. 2 Dazu auch J. Schmidt NZG 2015, 1049, 1054 mwN. 3 So auch Raue GmbHR 2015, 121, 128; Langner/Heydel GmbHR 2006, 291, 292. 4 Dazu nur MünchKomm/Bayer § 69 AktG Rn 3. 5 BGHZ 49, 183, 191 = GmbHR 1968, 51; OLG Stuttgart GmbHR 2015, 192, 193 mit zustimmender Anm Wachter; ThürOLG GmbHR 2013, 149, 150. 6 So auch R/S-L/Pentz Rn 10; Scholz/Seibt Rn 19. 7 Zum Innenrecht der verschiedenen Rechtsgemeinschaften: J. Schmidt NZG 2015, 1049, 1052 ff; speziell zur Erbengemeinschaft Raue GmbHR 2015, 121 ff; Schürnbrand NZG 2016, 241, 242 ff. 8 Ausführlich J. Schmidt NZG 2015, 1049, 1051. 9 So BGHZ 108, 21, 30 = GmbHR 1989, 329; OLG Nürnberg GmbHR 2014, 1147, 1149 f (beide für Anfechtungsklage); ThürOLG GmbHR 2013, 149, 151 ff (Stimmrechtsausübung/Anfechtungsklage); OLG Stuttgart GmbHR 2015, 192, 193 mit zustimmender Anm Wachter; OLG Karlsruhe GmbHR 1995, 824, 826; Raue GmbHR 2015, 121, 126; Lange GmbHR 2013, 113, 115; U/H/L/Löbbe Rn 23; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 57 ff; aA Michalski/Ebbing Rn 44; Scholz/Seibt Rn 20. 10 So OLG Stuttgart GmbHR 2015, 192, 193 im Anschluss an ThürOLG GmbHR 2013, 149, 150 f. 11 BGHZ 49, 183, 191; B/H/Fastrich Rn 3; Scholz/Seibt Rn 2, 24. 12 U/H/L/Löbbe Rn 23; R/S-L/Pentz Rn 6. 13 Zustimmend B/S/Brandes Rn 6; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 56.

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§ 18 | Mitberechtigung am Geschäftsanteil Rechtsgeschäften (Stimmrechtsausübung!) sowie § 47 Abs. 3 (Textform der Vollmacht) geschützt1.

4. Haftung der Mitberechtigten (§ 18 Abs. 2) 7 Die Mitberechtigten haften nach der zwingenden Regelung2 des § 18 Abs. 2 für

die auf den Geschäftsanteil zu bewirkenden Leistungen der GmbH gegenüber als Gesamtschuldner, auch wenn sie nach dem Recht ihrer Gemeinschaft nur Teilschuldner wären (ebenso für das Aktienrecht § 69 Abs. 2 AktG3). Das gilt für alle Leistungen, welche die Mitberechtigten als Gesellschafter der GmbH schulden. § 18 Abs. 2 schließt aber bei einer Erbengemeinschaft die Anwendung des § 2059 BGB über die Beschränkung der Erbenhaftung nicht aus4, wohl aber die §§ 2060, 2061 BGB über die Pro-rata-Haftung (allgemeine Meinung); wird nicht geleistet, kann die GmbH nach §§ 20 ff vorgehen. Beim Ausscheiden eines Mitberechtigten aus der Gemeinschaft gilt § 16 Abs. 25. Das Innenverhältnis der Mitberechtigten unterliegt nicht § 18; hier gilt der Vertrag, sonst § 426 BGB (entsprechend den internen Anteilen).

5. Rechtshandlungen der Gesellschaft (§ 18 Abs. 3) 8 Zur Erleichterung ist es der GmbH gestattet, Rechtshandlungen gegenüber ei-

nem Mitberechtigten mit Wirkung gegenüber allen vorzunehmen, wenn nicht ein gemeinsamer Vertreter bestellt wurde (dazu Rn 10); das entspricht einem allgemeinen Rechtsprinzip (vgl §§ 69 Abs. 3, 78 Abs. 2 Satz 2 AktG; § 125 Abs. 2 Satz 3 HGB). Rechtshandlungen sind nicht nur einseitige Rechtsgeschäfte, wie Einladung zur Gesellschafterversammlung, Mahnung, Kündigung, Erklärungen im Rahmen von Kaduzierung oder Einziehung,6 sondern auch (arg e § 125 Abs. 2 Satz 3 HGB) die Entgegennahme (Passivvertretung) von Angebot bzw Angebotsannahme7, nicht dagegen der Empfang von Zahlungen durch die GmbH8 und auch nicht der Abschluss von Verträgen (unstreitig).

1 Richtig J. Schmidt NZG 2015, 1049, 1051. 2 BGHZ 78, 311, 316 f = GmbHR 1981, 188; OLG Hamm GmbHR 1996, 363, 364; U/H/L/ Löbbe Rn 30. 3 Dazu ausführlich MünchKomm/Bayer § 69 AktG Rn 28 ff. 4 Scholz/Seibt Rn 27; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 89 ff. 5 U/H/L/Löbbe Rn 31; Scholz/Seibt Rn 28. 6 Dies ist unstreitig; für alle Scholz/Seibt Rn 34; U/H/L/Löbbe Rn 34. 7 Richtig MünchKomm/Reichert/Weller Rn 111; R/A/Altmeppen Rn 17; U/H/L/Löbbe Rn 34; B/S/Brandes Rn 14; Henssler/Strohn/Verse Rn 13; aA Scholz/Seibt 34; R/S-L/Pentz Rn 30; B/H/Fastrich Rn 9. 8 MünchKomm/Reichert/Weller Rn 109; Scholz/Seibt Rn 34; R/S-L/Pentz Rn 29.

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Mitberechtigung am Geschäftsanteil | § 18

Bei einer Erbengemeinschaft gilt insoweit eine Besonderheit nach § 18 Abs. 3 9 Satz 2, als die Erleichterung für die GmbH erst nach Ablauf eines Monats eintritt. Diese Frist ist eine Schonfrist für die Erben (ähnlich §§ 1958, 2015 ff BGB); sie beginnt gleichmäßig für alle Erben mit dem Todestag (Erbfall), nicht etwa mit dem endgültigen (§§ 1942, 1944 BGB) Erbfall (hM)1. Bei Eintritt eines Nacherbfalles gilt die gleiche Frist nochmals2.

6. Gemeinsamer Vertreter Seine Bestellung kommt nicht in Betracht, wenn den Mitberechtigten die Ver- 10 fügungsmacht über den Geschäftsanteil fehlt (Beispiele: Testamentsvollstrecker3, Nachlass- oder Nachlassinsolvenzverwalter); sie ist überflüssig, wo eine Vertretungsmacht schon besteht (vertretungsberechtigter Gesellschafter einer GbR, § 714 BGB). Im Übrigen können die Mitberechtigten für die Vertretung gegenüber der GmbH einen gemeinsamen Vertreter bestellen, müssen es aber nicht tun. Das hat dann nicht nur im Rahmen des § 18 Abs. 3, der ihn ausdrücklich erwähnt, sondern auch im Rahmen des § 18 Abs. 1, also sowohl bei Rechtshandlungen der GmbH als auch bei Ausübung von Mitgliedschaftsrechten praktische Bedeutung. Als gemeinsamer Vertreter kann ein Mitberechtigter, aber auch ein Dritter bestellt werden4. Auch Gesamtvertretung durch mehrere Personen ist zulässig5; die Satzung kann insoweit nähere Bestimmungen und insbesondere Einschränkungen treffen6. Für die Bestellung des gemeinsamen Vertreters gelten die Vorschriften der je- 11 weiligen Rechtsgemeinschaft; ausreichend ist also ggf ein Mehrheitsbeschluss (zB für die Erbengemeinschaft gemäß § 2038 Abs. 2 Satz 1 iVm § 745 Abs. 1 Satz 1 BGB)7. Dies gilt in gleicher Weise für den Widerruf der Bestellung8. Ob der gemeinsame Vertreter gegenüber der GmbH legitimiert sein muss, ist streitig9,

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U/H/L/Löbbe Rn 37; Scholz/Seibt Rn 36. R/A/Altmeppen Rn 19; Scholz/Seibt Rn 37. BGH GmbHR 2014, 863 Rn 14 mit Anm Werner; Meyer ZEV 2002, 209 ff. J. Schmidt NZG 2015, 1049, 1054. Henssler/Strohn/Verse Rn 10; U/H/L/Löbbe Rn 27. Scholz/Seibt Rn 21; Kaya ZEV 2013, 593, 596; Raue GmbHR 2015, 121, 127; aA die früher hM für die AG, welcher heute nicht mehr zu folgen ist, vgl nur MünchKomm/Bayer § 69 AktG Rn 18. 7 BGHZ 49, 183, 191 f = GmbHR 1968, 51; OLG Nürnberg GmbHR 2014, 1147, 1149; Raue GmbHR 2015, 121, 127; Scholz/Seibt Rn 21 mwN. 8 U/H/L/Löbbe Rn 28; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 83. 9 Dafür Scholz/Seibt Rn 21; Michalski/Ebbing Rn 51.

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§ 19 | Leistung der Einlagen jedoch zu verneinen1. Die Gesellschaft kann indes die Vorlage einer Vollmacht in Textform (§ 47 Abs. 3) verlangen2. 12 Ist ein gemeinsamer Vertreter bestellt, so hat dieser Vollmacht zur Ausübung

der gemeinschaftlichen Gesellschafterrechte3 (etwa Stimmrechtsausübung, Prozessführung4). Die Mitberechtigten sind von eigenem gemeinsamen Handeln bzw der gemeinsamen Entgegennahme von Erklärungen etc nicht ausgeschlossen: Der gemeinsame Vertreter ist und bleibt (nur) Vertreter; er „verdrängt“ die Gemeinschaft der Inhaber nicht5 (daher etwa Anwesenheitsrecht!, Rn 4). Anders nur, wenn die Satzung das gemeinsame Handeln aller ausschließt (Rn 4)6.

§ 19 Leistung der Einlagen (1) Die Einzahlungen auf die Geschäftsanteile sind nach dem Verhältnis der Geldeinlagen zu leisten. (2) Von der Verpflichtung zur Leistung der Einlagen können die Gesellschafter nicht befreit werden. Gegen den Anspruch der Gesellschaft ist die Aufrechnung nur zulässig mit einer Forderung aus der Überlassung von Vermögensgegenständen, deren Anrechnung auf die Einlageverpflichtung nach § 5 Abs. 4 Satz 1 vereinbart worden ist. An dem Gegenstand einer Sacheinlage kann wegen Forderungen, welche sich nicht auf den Gegenstand beziehen, kein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht werden. (3) Durch eine Kapitalherabsetzung können die Gesellschafter von der Verpflichtung zur Leistung von Einlagen höchstens in Höhe des Betrags befreit werden, um den das Stammkapital herabgesetzt worden ist. (4) Ist eine Geldeinlage eines Gesellschafters bei wirtschaftlicher Betrachtung und aufgrund einer im Zusammenhang mit der Übernahme der Geldeinlage getroffenen Abrede vollständig oder teilweise als Sacheinlage zu bewerten (verdeckte Sacheinlage), so befreit dies den Gesellschafter nicht von seiner Einlageverpflichtung. Jedoch sind die Verträge über die Sacheinlage und die 1 So auch die hM: U/H/L/Löbbe Rn 26; R/A/Altmeppen Rn 14; Henssler/Strohn/Verse Rn 10; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 78; J. Schmidt NZG 2015, 1049, 1055; Raue GmbHR 2015, 121, 128. 2 U/H/L/Löbbe Rn 26 aE; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 78 aE; so auch für die AG: MünchKomm/Bayer § 69 AktG Rn 20 mwN. 3 MünchKomm/Reichert/Weller Rn 81; U/H/L/Löbbe Rn 27. 4 OLG Nürnberg GmbHR 2014, 1147, 1149. 5 Scholz/Seibt Rn 21; MünchKomm/Reichert/Weller Rn 82; zustimmend ThürOLG GmbHR 2013, 149, 151 mit zustimmender Anm Wachter EWiR 2012, 699, 700. 6 So auch ThürOLG GmbHR 2013, 149, 151.

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Leistung der Einlagen | § 19

Rechtshandlungen zu ihrer Ausführung nicht unwirksam. Auf die fortbestehende Geldeinlagepflicht des Gesellschafters wird der Wert des Vermögensgegenstandes im Zeitpunkt der Anmeldung der Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister oder im Zeitpunkt seiner Überlassung an die Gesellschaft, falls diese später erfolgt, angerechnet. Die Anrechnung erfolgt nicht vor Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister. Die Beweislast für die Werthaltigkeit des Vermögensgegenstandes trägt der Gesellschafter. (5) Ist vor der Einlage eine Leistung an den Gesellschafter vereinbart worden, die wirtschaftlich einer Rückzahlung der Einlage entspricht und die nicht als verdeckte Sacheinlage im Sinne von Absatz 4 zu beurteilen ist, so befreit dies den Gesellschafter von seiner Einlageverpflichtung nur dann, wenn die Leistung durch einen vollwertigen Rückgewähranspruch gedeckt ist, der jederzeit fällig ist oder durch fristlose Kündigung durch die Gesellschaft fällig werden kann. Eine solche Leistung oder die Vereinbarung einer solchen Leistung ist in der Anmeldung nach § 8 anzugeben. (6) Der Anspruch der Gesellschaft auf Leistung der Einlagen verjährt in zehn Jahren von seiner Entstehung an. Wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet, so tritt die Verjährung nicht vor Ablauf von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt der Eröffnung ein. Bereits durch die Novelle 1980 wurde die Vorschrift in Aufbau und Sprache stark verändert: Abs. 1 und 2 wurden neu gefasst und Abs. 3 und 4 neu eingefügt. Eine sachliche Neuregelung enthielt aber lediglich Abs. 4. Der vormalige Abs. 3 wurde zu Abs. 5. Abs. 4 Satz 2 wurde durch Gesetz vom 18.12.1991 zur Durchführung der 12. EG-RL (Einpersonen-RL) aufgehoben (BGBl I 2206); die entsprechende sachliche Regelung befindet sich jetzt in § 40 Abs. 1 Satz 1. Abs. 6 angefügt durch Gesetz vom 9.12.2004 zur Verjährungsanpassung (BGBl I 3214). Das MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl I 2026) führte zu einer grundlegenden Neugestaltung von Abs. 4 und 5 sowie zur Einfügung einer amtlichen Überschrift; Abs. 5 aF findet sich jetzt in Abs. 2 Satz 2 wieder. I. Überblick und Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Leistung der Bareinlage (§ 19 Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gleichbehandlung . . . . . . . . 2. Fälligkeit . . . . . . . . . . . . . . . 3. Schuldner . . . . . . . . . . . . . . 4. Erfüllung . . . . . . . . . . . . . . . 5. Verjährung (§ 19 Abs. 6) . . . . III. Befreiungsverbot (§ 19 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3) . . . . . . . . . . . 1. Befreiung . . . . . . . . . . . . . . . 2. Stundung . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vergleich . . . . . . . . . . . . . . .

1

. 5 . 5 . 8 . 11 . 12 . 16 . . . .

18 18 19 20

4. Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Schiedsgericht . . . . . . . . . . . . 6. Kapitalherabsetzung (§ 19 Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Aufrechnung und Zurückbehaltungsrecht (§ 19 Abs. 2 Satz 2, 3) . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Aufrechnung durch den Einlageschuldner . . . . . . . . . . . . . 2. Aufrechnung durch die GmbH a) Überblick . . . . . . . . . . . . . b) Einzelheiten zur zulässigen Aufrechnung . . . . . . . . . . . 3. Sachübernahmen . . . . . . . . . . 4. Zurückbehaltungsrecht . . . . . .

21 22

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23 24 24 27 27 31 39 41

§ 19 | Leistung der Einlagen V. Abtretung, Leistung an Dritte, Verpfändung, Pfändung . . . . 1. Abtretung . . . . . . . . . . . . . . . 2. Leistung an Dritte . . . . . . . . . . 3. Verpfändung/Pfändung . . . . . . VI. Insolvenz und Liquidation der GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . VII. Verdeckte Sacheinlage (§ 19 Abs. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundlagen und rechtspolitische Kritik . . . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen . . . . . . . . . . a) Grunddefinition . . . . . . . . . b) Abgrenzung bei nicht einlagefähiger Leistung . . . . . . c) Präzisierung des Tatbestands d) Forderungsverrechnung . . . e) Anwendung bei Musterprotokoll und UG (haftungsbeschränkt)? . . . . . . . . . . . f) Leistung an Erfüllungs statt und Leistung erfüllungshalber . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einschaltung Dritter . . . . . . . . 4. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . a) Anrechnungslösung . . . . . . aa) Verdecktes Verkehrsgeschäft . . . . . . . . . . . . bb) Forderungsverrechnung b) Anmeldeverfahren, Haftung für falsche Angaben und weitere Sanktionen . . . . . . . . .

42 42 45 49 52 52 53

5. VIII. 1.

54 54 58 58

2.

59 61 66 67 70 72 75 76 77 84 85

3. 4. IX. 1. 2. 3. 4. 5. 6. X.

c) Teileinzahlung . . . . . . . . . . d) Verdeckte gemischte Sacheinlage . . . . . . . . . . . . . . . e) Verdeckte Mischeinlage . . . f) Mehrere Geschäftsanteile . . Heilung . . . . . . . . . . . . . . . . . Hin- und Herzahlen (§ 19 Abs. 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . a) Frühere Rechtslage . . . . . . . b) Reform durch das MoMiG . c) Rechtspolitische Kritik . . . . Einzelheiten . . . . . . . . . . . . . . a) Subsidiarität der Regelung . . b) Tatbestandliche Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . c) Anwendbarkeit bei Musterprotokoll und UG (haftungsbeschränkt) . . . . . . . . . . . . d) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . Heilung . . . . . . . . . . . . . . . . . Her- und Hinzahlen . . . . . . . . Cash-Pooling . . . . . . . . . . . . . Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . Negativer Saldo für GmbH im Cash-Pool . . . . . . . . . . . . . . . Positiver Saldo für die GmbH im Cash-Pool . . . . . . . . . . . . . Verdeckte Mischeinlage . . . . . Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anfechtbarkeit gemäß § 135 InsO? . . . . . . . . . . . . . . Übergangsvorschriften . . . . . .

89 91 93 94 95 101 101 101 103 104 105 105 106 120 121 126 128 129 129 130 131 132 133 135 136

Literatur: Bayer Abtretung und Pfändung der GmbH-Stammeinlageforderungen, ZIP 1989, 8; Bayer Unwirksame Leistungen auf die Stammeinlage und nachträgliche Erfüllung, GmbHR 2004, 445; Bayer „MoMiG II“ – Plädoyer für eine Fortführung der GmbH-Reform, GmbHR 2010, 1289; Bayer Kapitalschutz in der GmbH – eine Generalkritik, VGR 18 (2012), S. 25; Bormann/Urlichs Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, in Römermann/Wachter, GmbH-Beratung nach dem MoMiG, GmbHR-Sonderheft 2008, S. 37; Cavin Kapitalaufbringung in AG und GmbH, 2012; Habersack/Weber Die Einlageforderung als Gegenstand von Aufrechnung, Abtretung, Verpfändung und Pfändung, ZGR 2014, 509; Hans Christian Körber Neuausrichtung der Kapitalaufbringung in der GmbH, 2015; Rezori Die Kapitalaufbringung bei der GmbH-Gründung, RNotZ 2011, 125; K. Schmidt Die Übertragung, Pfändung und Verwertung von Einlageforderungen,

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Leistung der Einlagen | § 19 ZHR 157 (1993), 291; M. Schwab Die Finanzierungsverantwortung des GmbH-Gesellschafters und ihre Realisierung in der Gesellschaftsinsolvenz, notar 2014, 223; Vollmer Die Pfändbarkeit der Stammeinlageforderung eines GmbH-Gesellschafters, GmbHR 1998, 579; vgl auch vor Rn 16, 54, 101, 129.

I. Überblick und Anwendungsbereich Die Vorschrift gehört zum Abschnitt der §§ 19–25 und ist damit Teil der Nor- 1 mengruppe, deren Zweck die Sicherung der realen Kapitalaufbringung ist. § 19 Abs. 2–5 sind zwingend; dagegen betrifft § 19 Abs. 1 nur das Innenverhältnis der Gesellschafter und ist daher grundsätzlich dispositiv (vgl Rn 6). Ergänzt wurden die nur fragmentarischen gesetzlichen Regelungen (weiter von Bedeutung sind die §§ 7 Abs. 2, 3, 8 Abs. 2, 9, 9a, 9b, 20–25 sowie für Kapitalerhöhung die §§ 55–57) früher durch eine strenge Rechtsanwendung, die Umgehungen durch die Praxis verhindern wollte1. Diese Rechtsprechung wurde durch das MoMiG in weiten Teilen explizit korrigiert2. Ebenso sind die Sonderregelungen für die Einpersonen-GmbH (§ 19 Abs. 4 aF) aufgehoben worden (vgl § 7 Rn 8)3. § 19 Abs. 1 erfasst grundsätzlich nur Bareinlagen4, und zwar unabhängig da- 2 von, ob sie vor der Handelsregistereintragung (Mindesteinlage gemäß § 7 Abs. 2) oder danach (Reststammeinlage) zu leisten sind5. Sacheinlagen sind dagegen stets vollständig vor Eintragung zu erbringen (§ 7 Abs. 3); anwendbar wird § 19 Abs. 1 in diesem Fall nur dann, wenn sich die Sacheinlageverpflichtung in eine Bareinlageschuld umwandelt (dazu § 5 Rn 13, Rn 37)6; bei einer Mischeinlage (zum Begriff: § 5 Rn 42) erstreckt sich § 19 Abs. 1 nur auf den Betrag der Geldleistung. Obwohl nicht Einlage (vgl § 5 Rn 8), erstreckt sich § 19 Abs. 1 auch auf Agio (streitig)7, Nachschüsse8, Differenz-9, Vorbelastungs- und Ausfallhaftung10, nicht dagegen auf Nebenleistungen11, Vertragsstrafe und Verzugszinsen (dort individuelle Betrachtung). Nach einer Kapitalerhöhung gilt 1 Ausführlich Bayer FS Kanzleiter, 2010, S. 75 ff. 2 Vgl BegrRegE BT-Drucks 16/6140, S. 25, 34 f, 39 ff; vgl auch Maier-Reimer/Wenzel ZIP 2008, 1449 ff; Wälzholz GmbHR 2008, 841, 844 ff. 3 Zum früheren Recht 16. Aufl, Rn 41 ff. 4 Scholz/Veil Rn 5 mwN. 5 U/H/L/Ulmer/Casper Rn 23; B/H/Fastrich Rn 4; MünchKomm/Schwandtner Rn 35. 6 Scholz/Veil Rn 6, 18. 7 U/H/L/Ulmer/Casper Rn 27; MünchKomm/Schwandtner Rn 40; Scholz/Veil Rn 19; aA R/A/Roth Rn 1a. 8 MünchKomm/Schwandtner Rn 40; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 27; Scholz/Veil Rn 19. 9 Abweichend MünchKomm/Schwandtner Rn 41; R/S-L/Pentz Rn 15; wie hier MünchHdbGmbH/Gummert § 50 Rn 15; R/A/Roth Rn 1a; Wicke Rn 2. 10 U/H/L/Ulmer/Casper Rn 26; MünchKomm/Schwandtner Rn 40. 11 Michalski/Ebbing Rn 7; aA U/H/L/Ulmer/Casper Rn 27; Scholz/Veil Rn 19 aE.

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§ 19 | Leistung der Einlagen § 19 Abs. 1 für alle Gesellschafteranteile einheitlich mit der Folge, dass zunächst der gleiche Einzahlungsstand herzustellen ist1. 3 Im Gegensatz zu § 19 Abs. 1 (Rn 2) gelten § 19 Abs. 2, 3 für alle Bar- und Sach-

einlagen2, einschließlich aller Neben- und Folgeansprüche (Differenz-3, Vorbelastungs-4, Ausfallhaftung usw)5, auch hier jedoch nicht für Nebenleistungen, Verzugszinsen und Vertragsstrafen6; auch nicht für Agio7. Unerheblich ist, ob die Einlageverpflichtung im Rahmen der Gründung oder einer Kapitalerhöhung begründet wurde8.

4 Nach hL gilt § 19 Abs. 2, 3 nicht nur für Einlageansprüche der (eingetragenen)

GmbH, sondern auch schon im Stadium der Vor-GmbH9 (nicht dagegen für Vorgründungsgesellschaft10). Der BGH hat sich allerdings gegen eine „unmittelbare und uneingeschränkte“ Anwendung der §§ 19, 30 ausgesprochen11. Dies ist zumindest missverständlich. Denn erfasst wird jedenfalls die Vorbelastungshaftung als gesetzlicher Anspruch (dazu § 11 Rn 41 ff)12; unverzichtbar ist ebenfalls die Anwendung des Befreiungs- und Aufrechnungsverbots gemäß § 19 Abs. 213. Nach allgemeiner Meinung gestattet sind dagegen Änderungen des Gesellschaftsvertrags in der Form des § 214 (vgl § 2 Rn 48).

II. Leistung der Bareinlage (§ 19 Abs. 1) 1. Gleichbehandlung 5 Gleichbehandlung bedeutet, dass bei der Einforderung der Bareinlagen hinsicht-

lich Zeitpunkt und Höhe nicht zwischen den Gesellschaftern unterschieden werden darf15. Maßstab ist grundsätzlich das Verhältnis der Nennbeträge16. Zah-

1 B/H/Fastrich Rn 9; MünchKomm/Schwandtner Rn 36. 2 BGHZ 29, 300, 304 f = GmbHR 1959, 149, 150; B/H/Fastrich Rn 4; Scholz/Veil Rn 6. 3 BGHZ 191, 364 = AG 2012, 87 Rn 21 – Babcock Borsig (für § 66 Abs. 1 AktG); Scholz/ Veil Rn 6. 4 U/H/L/Ulmer/Casper Rn 49; ausführlich Bayer/Lieder ZGR 2006, 875, 886 ff. 5 Scholz/Veil Rn 6; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 44. 6 Scholz/Veil Rn 47; MünchKomm/Schwandtner Rn 51. 7 B/H/Fastrich Rn 5; MünchKomm/Schwandtner Rn 51 (unstreitig). 8 BGHZ 29, 300, 304 f = GmbHR 1959, 149, 150; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 44. 9 U/H/L/Ulmer/Casper Rn 48; Scholz/Veil Rn 6, 49; differenzierend MünchKomm/ Schwandtner Rn 54. 10 Scholz/Veil Rn 49; MünchHdbGmbH/Gummert § 50 Rn 62 (unstreitig). 11 BGHZ 80, 129, 133 = GmbHR 1981, 114, 115; BGH WM 1980, 955, 956. 12 So auch U/H/L/Ulmer/Casper Rn 49; aA Priester FS Ulmer, 2003, S. 477, 488. 13 Wie hier MünchHdbGmbH/Gummert § 50 Rn 62; Scholz/Veil Rn 46. 14 Scholz/Veil Rn 34; B/H/Fastrich Rn 17. 15 RGZ 132, 392, 396; B/H/Fastrich Rn 9. 16 Scholz/Veil Rn 21; R/A/Roth Rn 4.

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Leistung der Einlagen | § 19

lungsunfähig- oder -unwilligkeit eines Gesellschafters steht der Heranziehung der übrigen Gesellschafter nicht entgegen1. Das Gleichbehandlungsgebot gilt auch im Hinblick auf einen ausgeschiedenen Gesellschafter2. § 19 Abs. 1 ist dispositiv, dh die Gesellschafter können im Gesellschaftsvertrag 6 bzw im Kapitalerhöhungsbeschluss die Fälligkeit abweichend regeln3; dies ist auch bei Zustimmung aller benachteiligten Gesellschafter nachträglich möglich, darf jedoch in diesem Fall (anders bei ursprünglicher Hinausschiebung der Fälligkeit) nicht gegen § 19 Abs. 2 verstoßen (zur Stundung Rn 19)4. Wird das Gleichbehandlungsgebot verletzt, so ist ein Gesellschafterbeschluss 7 anfechtbar5 (vgl Anh zu § 47 Rn 55) bzw führt die Aufforderung zur Zahlung nicht zur Fälligkeit der Einlage (Rn 8). Trotz Verstoß gegen § 19 Abs. 1 kann gezahlte Einlage nicht zurückgefordert werden, ist allerdings bei späterer Einforderung anzurechnen6. Zur Sicherung der gleichmäßigen Behandlung kann Gesellschafter jederzeit Auskunft über alle Einforderungen verlangen; bis zur Auskunftserteilung darf Zahlung verweigert werden7, dh kein Verzug und keine Verzögerung iSd §§ 20, 218. 2. Fälligkeit Die Fälligkeit der Reststammeinlage (stets Bareinlage) ergibt sich vorrangig aus 8 dem Gesellschaftsvertrag bzw dem Kapitalerhöhungsbeschluss, sofern dort ein Zahlungstermin eindeutig festgelegt wurde9 (fester Zahlungstermin)10. In diesem Fall sind sowohl ein Gesellschafterbeschluss gemäß § 46 Nr. 2 als auch eine Anforderung durch die Geschäftsführer entbehrlich11. Ist kein fester Zahlungstermin vereinbart, dann setzt die Fälligkeit nach ganz hM 9 einen Gesellschafterbeschluss voraus, mit dem die Bareinlage gemäß § 46 Nr. 2 eingefordert wird12; dabei ist jeder Gesellschafter – auch der Betroffene – 1 2 3 4 5 6 7 8 9

RGZ 149, 293, 300; MünchKomm/Schwandtner Rn 32. OLG Hamm NJW-RR 2001, 1182, 1183; R/A/Roth Rn 5. RGZ 149, 293, 300 f; MünchKomm/Schwandtner Rn 45 (allgemeine Meinung). B/H/Fastrich Rn 10; Scholz/Veil Rn 24. U/H/L/Ulmer/Casper Rn 36; Scholz/Veil Rn 25. R/A/Roth Rn 5; Scholz/Veil Rn 27. RGZ 65, 432, 435; MünchKomm/Schwandtner Rn 44; Scholz/Veil Rn 25 aE. B/H/Fastrich Rn 11; R/A/Roth Rn 5. RG JW 1915, 195; OLG Zweibrücken GmbHR 1996, 122; OLG Dresden GmbHR 1997, 946, 947; MünchKomm/Schwandtner Rn 15. 10 Nach OLG Hamburg GmbHR 1991, 578 soll „unverzügliche Einzahlung“ genügen; aA R/A/Altmeppen § 20 Rn 5. 11 OLG Zweibrücken GmbHR 1996, 122; U/H/L/W. Müller § 20 Rn 35 mwN. 12 BGH GmbHR 1961, 144; BGH GmbHR 1987, 224, 225; OLG Celle GmbHR 1997, 748, 749; B/H/Fastrich Rn 6.

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§ 19 | Leistung der Einlagen stimmberechtigt (§ 47 Abs. 4 Satz 2 Alt. 1 gilt also nicht)1 (vgl § 47 Rn 50). Entbehrlich ist der Gesellschafterbeschluss in der Zwangsvollstreckung2 und der Insolvenz3. Zusätzlich ist im Regelfall auch noch eine Zahlungsanforderung durch die Geschäftsführer notwendig, dh die Umsetzung des Gesellschafterbeschlusses im Außenverhältnis durch Mitteilung an den Verpflichteten4; eine Anforderung durch den Geschäftsführer ohne erforderlichen Gesellschafterbeschluss ist unwirksam5. Die Anforderung ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die grundsätzlich keiner Form bedarf6; auch Klage ist ausreichend7. Entbehrlich ist die Anforderung durch den Geschäftsführer (bloße Förmelei), wenn der verpflichtete Gesellschafter bei der Beschlussfassung anwesend war und somit die Entscheidung der Gesellschafterversammlung zur Kenntnis genommen hat8. Weiterhin ist ein förmlicher Beschluss (und gegenüber dem anwesenden Gesellschafter auch die Zahlungsanforderung) entbehrlich, wenn sich die Gesellschafter (auch konkludent) einvernehmlich über den Zahlungstermin verständigt haben9. 10 Der Gesellschaftsvertrag kann die Zuständigkeit zur Beschlussfassung über die

Einforderung auch auf einen Aufsichtsrat, Beirat oÄ delegieren oder auch die Geschäftsführer zur selbständigen Einforderung ermächtigen10. Hierfür ist allerdings eine eindeutige Regelung erforderlich11; die Formulierung, wonach die Reststammeinlage „nach Anforderung durch die Geschäftsführung fällig wird“, reicht im Regelfall nicht aus12. Sofern im Gesellschaftsvertrag nichts Abweichendes vereinbart ist, steht die Einforderung im unternehmerischen Ermessen der Gesellschafter bzw der ermächtigten Geschäftsführer13.

1 BGH GmbHR 1990, 452 f mit Anm Meyer-Landrut EWiR 1990, 1097 und Uwe H. Schneider WuB II C. § 47 GmbHG 3.90. 2 RGZ 138, 106, 111; B/H/Fastrich Rn 44. 3 ThürOLG GmbHR 2007, 982, 984; OLG Hamm GmbHR 1985, 326, 327; U/H/L/Ulmer/ Casper Rn 33 (allgemeine Meinung). 4 OLG München GmbHR 1985, 56, 57; U/H/L/W. Müller § 20 Rn 17. 5 RGZ 138, 106, 111; OLG Celle GmbHR 1997, 748, 749; Scholz/Veil Rn 10. 6 U/H/L/W. Müller § 20 Rn 17 aE; B/H/Fastrich Rn 7. 7 OLG Dresden GmbHR 1998, 884, 886. 8 BGHZ 152, 37, 39 f = GmbHR 2002, 1193 mit Anm Bayer WuB II C. § 19 GmbHG 1.03; OLG Dresden GmbHR 1997, 946, 947; R/A/Altmeppen § 20 Rn 5; Scholz/Veil Rn 14; MünchKomm/Schwandtner Rn 18; aA noch OLG München GmbHR 1985, 56, 57; so auch B/H/Fastrich Rn 7. 9 Sachverhalt BGHZ 152, 37, 39 f; vgl auch BGH GmbHR 2006, 306, 307. 10 RGZ 138, 106, 111 mwN. 11 OLG Celle GmbHR 1997, 748, 749; B/H/Fastrich Rn 6. 12 BGH DStR 1996, 111 mit Anm Goette (Nichtannahme der Revision); vgl aber auch RGZ 65, 432, 433 f. 13 Wie hier Scholz/Veil Rn 15; vgl auch BFHE 93, 414.

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Leistung der Einlagen | § 19

3. Schuldner Schuldner der Einlage ist der Gesellschafter, der im Zeitpunkt der Fälligkeit der 11 Einlageforderung nach Maßgabe der §§ 16 Abs. 1, 40 Inhaber der Geschäftsanteile ist (dazu § 16 Rn 26 ff, 36). Ein früherer Gesellschafter haftet nach § 22, Mitgesellschafter nach § 24. Bei Treuhand haftet neben dem Treuhänder (= formal Gesellschafter) auch der Treugeber (dazu § 14 Rn 27)1. 4. Erfüllung a) Die Einlageverpflichtung ist so zu bewirken, wie sie nach Gesetz oder Gesell- 12 schaftsvertrag/Beschluss geschuldet wird. Ebenso wie die Mindesteinlage (dazu § 7 Abs. 2) muss auch eine Reststammeinlage vollständig und uneingeschränkt in das Vermögen der GmbH übergehen2; eine „Leistung zur endgültigen freien Verfügung der Geschäftsführer“ ist jedoch mangels Anwendbarkeit der §§ 7 Abs. 2, 8 Abs. 2 nicht erforderlich3. Erfüllung ist auch dann eingetreten, wenn der Einleger als Nichtberechtigter eine Sache an die Gesellschaft übereignet4, sofern die in den Erwerb eingeschalteten Geschäftsführer oder die übrigen Gesellschafter gutgläubig waren5; Bösgläubigkeit des Sacheinlegers schadet daher nicht6. Nicht ausreichend ist es, wenn dem Notar anlässlich der Beglaubigung der Anmeldung Bargeld vorgelegt und die Nummern der Geldscheine aufgeschrieben werden; der Geldbetrag muss vielmehr aus dem Privatvermögen des Inferenten ausscheiden und objektiv erkennbar in das Gesellschaftsvermögen übergehen7; eine Kontoeröffnung ist jedoch (anders als im Aktienrecht) nicht zwingend erforderlich8. b) Keine Erfüllung bei Leistung unter Vorbehalt oder Bedingung9, ebenso nicht 13 – weil Umgehung des Befreiungs- und Aufrechnungsverbots gemäß § 19 Abs. 2 (dazu Rn 18 ff, 24 ff) bzw weil verdeckte Sacheinlage (dazu Rn 54 ff) oder unzulässiges Hin- und Herzahlen (dazu Rn 101) – bei Zusage alsbaldiger Rück-

1 BGHZ 31, 258, 266 ff; BGHZ 118, 107, 111 ff = GmbHR 1992, 525; vgl auch ThürOLG ZIP 2007, 124. 2 OLG Hamm GmbHR 1985, 326, 327; OLG Hamm GmbHR 2000, 386 f; Michalski/Ebbing Rn 30 mwN. 3 BGHZ 125, 141, 151 = GmbHR 1994, 394; BGHZ 180, 38 Rn 17 = GmbHR 2009, 540; Scholz/Veil Rn 31 mwN. 4 Beispiele: RGZ 119, 128 ff; RGZ 131, 64 ff. 5 BGH GmbHR 2003, 39. 6 Abweichend Ellers GmbHR 2004, 934, 939; wie hier OLG Köln GmbHR 2002, 648, 651 (Vorinstanz zu BGH); wohl auch R/A/Roth § 5 Rn 41. 7 OLG Oldenburg GmbHR 2007, 1043, 1044 f (für Einpersonengründung). 8 OLG Oldenburg GmbHR 2007, 1043, 1044. 9 B/H/Fastrich Rn 12.

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§ 19 | Leistung der Einlagen gewähr (zB als Darlehen1) oder bei gleichzeitigem Erlass einer anderweitigen Schuld2. Keine Zahlung durch Gesellschafter, sondern wirtschaftlich mit Mitteln der Gesellschaft liegt auch vor, wenn Einlage aus Kredit finanziert wird, den die Gesellschaft dem Gesellschafter gewährt3 oder für den die Gesellschaft die Mithaftung übernimmt4. Einer solchen (Mit-)Finanzierung steht es gleich, wenn die Mittel von einem Unternehmen zur Verfügung gestellt werden, das von der Gesellschaft abhängig ist (Enkelgesellschaft finanziert Gesellschafter der Muttergesellschaft)5 oder wenn die Gesellschaft die Mittel nicht direkt an den Gesellschafter, sondern an einen Dritten leistet, der wirtschaftlich dem Gesellschafter zuzurechnen ist (zB Tochtergesellschaft des Gesellschafters)6; zur Einbeziehung Dritter noch Rn 72 f. Keine Erfüllung, wenn die Einlage durch einzelkaufmännisches Unternehmen geleistet wird, das vereinbarungsgemäß von GmbH übernommen werden soll7. Ebenso wenn Mittel aus unzulässiger Gewinnausschüttung stammt8; entgegen OLG Stuttgart GmbHR 2004, 662, 664 ist Gesellschafter aber nicht zur doppelten Zahlung verpflichtet; denn mit Rückzahlung des zu Unrecht erhaltenen Gewinns wird unwirksame Einlageleistung geheilt (dazu Rn 126). Diese „Nichterfüllungswirkung“ ist allerdings durch das MoMiG verändert und zugunsten des Inferenten entschärft worden (vgl zur verdeckten Sacheinlage gemäß § 19 Abs. 4 Rn 54 ff, zum Hin- und Herzahlen gemäß § 19 Abs. 5 Rn 101 ff, zum Her- und Hinzahlen Rn 128). 14 Bei Zahlung auf ein eigenes Konto des Gesellschafters, das zugleich als Ge-

schäftskonto der (Vor-)GmbH genutzt wird, tritt Erfüllung (erst) ein, wenn und soweit der Geschäftsführer die Mittel tatsächlich zur Begleichung von Gesellschaftsverbindlichkeiten einsetzt9, dies gilt bei GmbH & Co KG auch bei Einzahlung auf ein Konto der KG, wenn Komplementär-GmbH kein eigenes Konto besitzt10. Scheckzahlung ist Leistung erfüllungshalber; Erfüllung tritt daher erst ein, wenn Gesellschaft der Scheckerlös zufließt (vorbehaltslose Gutschrift auf Gesellschaftskonto)11, bei Weiterreichung an einen Dritten (GmbH-Gläubiger) mit Einlösung und dadurch herbeigeführtem Erlöschen der vollwertigen (dazu 1 BGH GmbHR 2001, 1114, 1115 mit Anm K. Müller; BGHZ 153, 107, 110 = GmbHR 2003, 231, 232 f; BGH GmbHR 2011, 705, 706; ausführlich Bayer GmbHR 2004, 445, 451. 2 OLG Hamburg GmbHR 1986, 230, 232. 3 BGHZ 28, 77, 78; Bayer GmbHR 2004, 445, 452 mwN. 4 OLG Köln ZIP 1984, 176, 177 f. 5 BGHZ 28, 77, 78. 6 MünchHdbGmbH/Gummert § 50 Rn 32; vgl auch LG Leipzig EWiR 2002, 575 mit Anm Voß. 7 OLG Hamm NZG 1999, 451 f = GmbHR 1999, 773; B/H/Fastrich Rn 22. 8 Insoweit zutreffend OLG Stuttgart GmbHR 2004, 662, 664. 9 BGH GmbHR 2001, 339, 341 f. 10 OLG Stuttgart DB 1985, 1985 mit kritischer Anm K. Schmidt = GmbHR 1985, 299. 11 OLG Dresden GmbHR 2000, 38, 39; Scholz/Veil Rn 104.

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Rn 45) Gesellschaftsverbindlichkeit1. Wird Scheck bei GmbH & Co KG an einen Gläubiger der KG weitergereicht und eingelöst, so erlischt Einlageschuld bei Komplementär-GmbH auch bei vollwertiger Gläubigerforderung nicht2 (zur GmbH & Co KG auch noch Rn 46). c) Dass eine Zahlung auf die Einlageschuld erfolgt ist, muss der Gesellschafter 15 beweisen3; hierbei hat er im Streitfall detailliert und nachvollziehbar Zeit und Ort der Leistungserbringung, die Empfangsperson sowie sonstige Zahlungsmodalitäten zu benennen. Dies gilt in gleicher Weise, wenn streitig ist, ob auf die Einlage geleistet oder zB ein Darlehen an die Gesellschaft gewährt wurde4. Maßgeblich ist die Sichtweise des Empfängers (Geschäftsführer der GmbH)5. Der bloße Nachweis einer ordnungsgemäßen Buchung der Einlageleistung6 reicht hierfür ebenso wenig aus wie Eigenbelege, aus denen nicht erkennbar ist, dass tatsächlich Gelder zur freien Verfügung geflossen sind7. Ist die Einlageleistung kurze Zeit später in mehreren Teilbeträgen bar abgehoben worden, ohne dass ihre weitere Verwendung geklärt werden kann, so ist der Beweis der ordnungsgemäßen Erfüllung nicht geführt8. Gesellschafter ist auch beweispflichtig bei längere Zeit zurückliegender Zahlung; dann kann Nachweis aber auch aufgrund unstreitiger oder erwiesener Indiztatsachen geführt werden9. Fehlt eindeutige Zweckbestimmung, so ist diese nachholbar, solange die Zahlung der GmbH noch unverbraucht zur freien Verfügung steht10; dies gilt auch bei einer (zulässigen, § 267 BGB) Zahlung durch einen Dritten11. Dagegen ist spätere Zweckumwidmung unzulässig12. Beweisregelung gilt auch im Falle der Erwerberhaftung gemäß § 16 Abs. 213 (dazu § 16 Rn 54). Bei Klage gegen Mitgesell1 OLG Dresden GmbHR 2000, 38, 39; Bayer GmbHR 2004, 445, 452. 2 OLG Köln GmbHR 2002, 168 mit Anm Trapp WuB II G. § 19 GmbHG 1.03. 3 BGH GmbHR 1992, 601; BGH GmbHR 2007, 1042 Rn 2; BGH GmbHR 2014, 319; OLG Karlsruhe GmbHR 2014, 144; ThürOLG ZIP 2013, 1378; ausführlich Bayer/Illhardt GmbHR 2011, 505, 509 mwN. 4 OLG Dresden GmbHR 1999, 233, 234; OLG Oldenburg GmbHR 1997, 69. 5 BGH GmbHR 1992, 601, 603. 6 LG Leipzig InVo 2000, 94; vgl auch OLG Köln GmbHR 1989, 293, 294; OLG Karlsruhe GmbHR 2014, 145 mwN. 7 LG Bonn ZInsO 2001, 972. 8 BGH GmbHR 2014, 319, 320. 9 BGH GmbHR 2007, 1042 Rn 2; vgl auch OLG Köln GmbHR 2009, 1209; ThürOLG ZIP 2013, 1378; strenger OLG Koblenz NZG 2002, 821, 822; ausführlich Bayer/Illhardt GmbHR 2011, 505, 509 f mwN. 10 OLG Köln GmbHR 2001, 627, 628; OLG Hamm GmbHR 1991, 198, 199; MünchKomm/Schwandtner Rn 27. 11 BGH GmbHR 1992, 601, 602 f; BGH GmbHR 1995, 119, 120 f. 12 BGH DStR 1995, 1158. 13 BGH GmbHR 2007, 1042; OLG Düsseldorf GmbHR 2002, 747 (LS); OLG Karlsruhe GmbHR 2014, 144, 145; Bayer/Illhardt GmbHR 2011, 505, 509 mwN.

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§ 19 | Leistung der Einlagen schafter aus § 24 liegt Beweislast hingegen bei GmbH1. Zu steuerrechtlichen Besonderheiten: BFH GmbHR 2011, 773. 5. Verjährung (§ 19 Abs. 6) Literatur: Stenzel Verjährung des Anspruchs von Kapitalgesellschaften auf Erbringung der Gesellschaftereinlage, BB 2008, 1077; Thiessen Zur Neuregelung der Verjährung im Handels- und Gesellschaftsrecht, ZHR 168 (2004), 503.

16 Die Verjährung der Einlageforderung tritt zehn Jahre nach Entstehung des An-

spruchs ein (§ 19 Abs. 6 Satz 1)2. Dies setzt jedoch dessen Fälligkeit (dazu Rn 8 ff) voraus3. Für die Fristberechnung gilt § 187 BGB. Wird über das Gesellschaftsvermögen das Insolvenzverfahren eröffnet, ist die Verjährung gemäß § 19 Abs. 6 Satz 2 ab Eröffnung für mindestens sechs Monate im Ablauf gehemmt (vgl § 211 BGB). Die Frist kann nicht verkürzt werden; eine vertragliche Verlängerung ist möglich (§ 202 Abs. 2 BGB)4. Nebenleistungen und Agio werden nicht erfasst; insoweit gelten §§ 195, 199 BGB5.

17 Für Altfälle ist zum 1.1.2002 zunächst die 3jährige Regelverjährungsfrist

(§§ 195, 199 BGB) in Kraft getreten (Übergangsvorschrift: Art. 229 § 6 Abs. 4 EGBGB). Seit 15.12.2004 gilt die 10jährige Frist des § 19 Abs. 6; Art. 229 § 12 Abs. 2 Satz 2 EGBGB ist so zu interpretieren6, dass lediglich ab 1.1.2002 verstrichene Zeiträume in die Fristberechnung einzubeziehen sind7.

III. Befreiungsverbot (§ 19 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3) 1. Befreiung 18 Der Begriff der Befreiung ist weit auszulegen und erstreckt sich sowohl auf den

Erlassvertrag (auch Teilerlass8) iSd § 397 Abs. 1 BGB9 sowie das negative Schuldanerkenntnis gemäß § 397 Abs. 2 BGB10 als auch auf jede sonstige Vereinbarung, die mit formal anderen Mitteln wirtschaftlich zu dem gleichen Er1 BGH GmbHR 1996, 601, 603; OLG Köln GmbHR 2009, 1209, 1210. 2 Zur Entstehung der Neuregelung Thiessen ZHR 168 (2004), 503, 515 ff; vgl auch Scholz/ Veil Rn 194. 3 U/H/L/Ulmer/Casper Rn 18; Scholz/Veil Rn 196. 4 Scholz/Veil Rn 196; MünchKomm/Schwandtner Rn 374. 5 B/H/Fastrich Rn 86; Schulze-Osterloh FS H.P. Westermann, 2008, S. 1487, 1493 f; Scholz/Veil Rn 196. 6 BGH GmbHR 2008, 483 Rn 18 ff mit Anm Witt; BGH GmbHR 2008, 931; jüngst wieder ausführlich OLG Karlsruhe GmbHR 2014, 144, 147. 7 S. auch MünchKomm/Schwandtner Rn 380; R/A/Roth Rn 123. 8 RGZ 130, 39, 43. 9 B/H/Fastrich Rn 16; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 52. 10 U/H/L/Ulmer/Casper Rn 52; MünchKomm/Schwandtner Rn 59 mwN.

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gebnis führt1 wie zB die befreiende Schuldübernahme gemäß §§ 414, 415 BGB2, ein pactum de non petendo3, die Annahme einer fehlerhaften Sacheinlage oder der Verzicht auf eine Garantie, die Bestandteil der Sacheinlage ist (allgemeine Meinung)4. Auch nach dem MoMiG5 ist die Leistung an Erfüllungs statt (§ 364 Abs. 1 BGB) unzulässig6; allerdings kommt nun eine Anrechnung gemäß § 19 Abs. 4 analog in Betracht (näher Rn 70). 2. Stundung Als Befreiung auf Zeit ist auch die Stundung unzulässig7; dies gilt auch, wenn ei- 19 nem zahlungsunfähigen Gesellschafter ein Moratorium gewährt wird8. Stundung liegt vor, wenn im Gesellschaftsvertrag festgesetzte Fälligkeit hinausgeschoben wird9, nicht aber, wenn bei fehlender Festlegung kein Einforderungsbeschluss gefasst wird10. In diesem Fall auch keine Pflichtverletzung des Geschäftsführer11, anders aber, wenn trotz satzungsmäßiger Fälligkeit Geschäftsführer nicht Zahlung verlangt. 3. Vergleich Ein Vergleich (rechtsgeschäftlich nach § 779 BGB oder auch als Prozessver- 20 gleich) ist ebenfalls grundsätzlich unzulässig, da die Gesellschaft im wirtschaftlichen Ergebnis auf einen Teil der Einlageforderung verzichtet. Er kommt allerdings dann in Betracht, wenn so beachtliche rechtliche oder tatsächliche Unklarheit besteht, dass unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten einer Klage (einschließlich Prozesskostenrisiko) die einverständliche vergleichsweise Einigung der Durchsetzung der Forderung in einem streitigen Verfahren vorzuziehen ist12 (Hauptfall in der Praxis: Streit über ordnungsgemäße Erfüllung einer 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

OLG Köln GmbHR 1989, 293, 294; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 52. RGZ 144, 138, 148; MünchKomm/Schwandtner Rn 59. MünchKomm/Schwandtner Rn 59; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 56. Ausführlich auch Scholz/Veil Rn 52. Zur früheren Rechtslage: OLG Köln GmbHR 1989, 293, 294; Scholz/Uwe H. Schneider/ H.P. Westermann 10. Aufl, Rn 92 f mwN. B/H/Fastrich Rn 28; MünchKomm/Schwandtner Rn 63, 197; R/A/Roth Rn 25; U/H/L/ Ulmer/Casper Rn 54; aA Heinze GmbHR 2008, 1065, 1069; Herrler DB 2008, 2347, 2352. B/H/Fastrich Rn 21; MünchKomm/Schwandtner Rn 76. Scholz/Veil Rn 62; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 63; aA MünchHdbGmbH/Gummert § 50 Rn 71. U/H/L/Ulmer/Casper Rn 64; Scholz/Veil Rn 60. B/H/Fastrich Rn 21; MünchKomm/Schwandtner Rn 78; Scholz/Veil Rn 15, 61; aA R/A/ Roth Rn 9. Richtig Scholz/Veil Rn 61 aE. Ähnlich BGHZ 191, 364 = AG 2012, 87 Rn 22 – Babcock Borsig (für AG); enger B/H/ Fastrich Rn 20; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 60.

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§ 19 | Leistung der Einlagen Sacheinlageverpflichtung)1. Eine restriktive Handhabung ist insbesondere auch deshalb zu empfehlen, weil eine Befreiung des Schuldners auch zugunsten weiterer (Regress-)Schuldner wirkt2. Erforderlich ist – anders als im Aktienrecht3 – die Zustimmung der Gesellschafterversammlung4; § 53 Abs. 3 ist allerdings nicht einschlägig5. Nicht zulässig ist ein Vergleich, der im Hinblick auf eine mögliche Zahlungsunfähigkeit des Gesellschafters abgeschlossen wird, insbesondere wenn Kaduzierung möglich6. 4. Insolvenz 21 Im Falle der Insolvenz des Schuldners (Gesellschafters) ist eine Teilnahme der

Einlageforderung an einem Insolvenzplan (§§ 217 ff InsO) nicht möglich7; der Schuldner kann daher nicht gemäß §§ 227, 286 InsO befreit werden. Denn diese Befreiung würde auch zugunsten der übrigen Regressschuldner wirken und folglich die Kapitalaufbringung gefährden. Vorrang hat vielmehr die Kaduzierung gemäß §§ 21 ff8. Allein im Hinblick auf die Ausfallhaftung nach § 21 Abs. 3 kommt eine vergleichsweise Regelung in Betracht9.

5. Schiedsgericht 22 § 19 Abs. 2 steht einer Übertragung der Entscheidung über Bestand und Inhalt

der Einlageforderung auf ein Schiedsgericht nicht entgegen10. Problematisch ist allerdings, wie verhindert werden kann, dass das Schiedsgericht ggf bewusst unter Verstoß gegen zwingendes GmbH-Recht entscheidet (dazu näher § 3 Rn 116)11. 6. Kapitalherabsetzung (§ 19 Abs. 3)

23 Das Befreiungsverbot gilt bei Kapitalherabsetzung (§ 19 Abs. 3) nur ein-

geschränkt, nämlich nicht in Höhe des Betrages, um den das Stammkapital im Rahmen eines ordnungsgemäßen Verfahrens gemäß § 58 herabgesetzt worden ist; zu beachten ist die Untergrenze gemäß § 58 Abs. 2 Satz 2 (vgl § 58 Rn 11 ff). 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

OLG Hamm GmbHR 1988, 308; Scholz/Veil Rn 64. Zutreffend R/A/Roth Rn 24 aE; Scholz/Veil Rn 65. Dazu BGHZ 191, 364 = AG 2012, 87 Rn 25 – Babcock Borsig. R/S-L/Pentz Rn 63; R/A/Roth Rn 23. Eingehend Cahn Vergleichsverbote, S. 96 ff. BayObLG GmbHR 1985, 215; Scholz/Veil Rn 66. MünchKomm/Schwandtner Rn 72; Scholz/Veil Rn 67; R/S-L/Pentz Rn 62; aA Prager/ Geßler/Heidrich NZI 2000, 63, 64 ff. So auch Scholz/Veil Rn 67; Michalski/Ebbing Rn 75 f. MünchKomm/Schwandtner Rn 72 aE; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 62. BGH GmbHR 2004, 1214; Scholz/Veil Rn 70; ausführlich Bayer ZIP 2003, 881 ff. Erste Überlegungen zur Problemlösung bei Bayer ZIP 2003, 881, 891 f.

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IV. Aufrechnung und Zurückbehaltungsrecht (§ 19 Abs. 2 Satz 2, 3) 1. Aufrechnung durch den Einlageschuldner Die (einseitige) Aufrechnung durch den Einlageschuldner (Gesellschafter) ist 24 grundsätzlich unzulässig1. Unerheblich ist der Charakter der Gegenforderung und der Zeitpunkt der Entstehung2; daher auch keine Aufrechnung mit einem gesellschaftsrechtlichen Anspruch, zB rückständiger Gewinnanspruch3 und Schadensersatzanspruch gegen Gesellschaft aus unerlaubter Handlung4. Wird (im Rahmen der Zulässigkeit, dazu Rn 20) über eine Einlageschuld (oder ähnliche Forderung, zB aus Differenzhaftung) ein Vergleich geschlossen, dann erfasst das Aufrechnungsverbot auch die Forderung der GmbH aus diesem Vergleich; denn der Vergleich hat grundsätzlich keine schuldumschaffende Wirkung5. Das Verbot erstreckt sich auch auf die Ausfallhaftung gemäß § 246. Auch eine abgetretene Forderung kann nicht aufgerechnet werden7. Eine verbotswidrig erklärte Aufrechnung durch den Gesellschafter ist wirkungs- 25 los8; Berufung auf § 242 BGB erfolglos9. Eine Analogie zu § 19 Abs. 4 scheitert an der ausdrücklichen Regelung in § 19 Abs. 2 Satz 2 und dem damit verbundenen Fehlen einer Regelungslücke10 (anders jedoch im Falle einer Aufrechnungsvereinbarung: Rn 36). Eine Ausnahme vom Aufrechnungsverbot gilt, wenn (1) die GmbH vom Ein- 26 lageschuldner nach den Regeln des § 5 Gegenstände erwirbt mit der Abrede, dass der Kaufpreis mit der Bareinlage verrechnet werden soll (Sachübernahme gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2, dazu Rn 39 und § 5 Rn 38 ff) oder (2) der Gesellschafter im Rahmen einer Kapitalerhöhung gerade die Einbringung einer Forderung gegen die Gesellschaft selbst als Sacheinlage unter Beachtung der Regeln der §§ 5, 56 verspricht (dazu § 56 Rn 9). In diesen Fällen darf der Einlageschuldner, wenn Forderung und Gegenforderung nicht schon auf andere Weise unter1 MünchKomm/Schwandtner Rn 81; Scholz/Veil Rn 85. 2 MünchKomm/Schwandtner Rn 82; Scholz/Veil Rn 86. 3 RGZ 47, 180, 185; Michalski/Ebbing Rn 81; zur AG MünchKomm/Bayer § 66 AktG Rn 44. 4 RGZ 93, 326, 330; Michalski/Ebbing Rn 81. 5 BGHZ 191, 364 = AG 2012, 87 Rn 34 mwN – Babcock Borsig (für AG). 6 R/A/Roth Rn 31; Scholz/Veil Rn 46, 88. 7 BGHZ 53, 71, 72; B/H/Fastrich Rn 30. 8 Henssler/Strohn/Verse Rn 23; B/H/Fastrich Rn 32; so auch allgemeine Meinung im Aktienrecht: MünchKomm/Bayer § 66 AktG Rn 44 mwN. 9 BGH GmbHR 1983, 194; OLG Köln WM 1984, 740, 742; R/A/Roth Rn 30. 10 Wie hier MünchKomm/Schwandtner Rn 86; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 76; Henssler/ Strohn/Verse Rn 27; Heinze GmbHR 2008, 1065, 1068; Rezori RNotZ 2011, 125, 142; so auch für die AG MünchKomm/Bayer § 66 AktG Rn 45 mwN; abweichend jüngst indes Habersack/Weber ZGR 2014, 509, 525 ff.

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§ 19 | Leistung der Einlagen gegangen sind (zB durch Abtretung mit Konfusion oder durch dingliche Verrechnungsabrede im Einlagevertrag), selbst die Aufrechnung erklären1. Zur Aufrechnung in Liquidation und Insolvenz der GmbH: Rn 52 f. 2. Aufrechnung durch die GmbH a) Überblick 27 Die Aufrechnung durch die GmbH ist im Gesetz nur für die Gegenleistung aus

einer Sachübernahme eingeschränkt (§ 19 Abs. 2 Satz 2, dazu Rn 39 und § 5 Rn 38 ff). Über den Wortlaut von § 19 Abs. 2 Satz 2 hinaus muss jedoch im Interesse der realen Kapitalaufbringung auch die Gesellschaft das Aufrechnungsverbot beachten und darf daher gegen eine gleichartige Gegenforderung (andernfalls überhaupt keine Aufrechnung, § 389 BGB) des Einlageschuldners nur dann aufrechnen, wenn sie hierdurch den vollen wirtschaftlichen Wert der geschuldeten Leistung tatsächlich erhält. Mit anderen Worten: Die Aufrechnung durch die Gesellschaft ist dann zulässig, wenn auf diese Weise ein unsinniges Hin- und Herzahlen der gleichen Geldleistung vermieden wird2. Diese Grundsätze gelten auch im Falle einer Aufrechnungsvereinbarung3. 28 Diese Prämisse ist nur dann erfüllt, wenn dem Einlageschuldner ein Anspruch gegen die GmbH zusteht, der so gut wie Bargeld ist4. Voraussetzung ist nach ständiger Rspr5 und ganz hL6 das Bestehen einer vollwertigen, fälligen und liquiden Gegenforderung7, und zwar einer sog Neuforderung8 (zum Begriff Rn 66). Denn generell unzulässig ist die Aufrechnung mit einer Gegenforderung, die im Zeitpunkt der Begründung der Einlageschuld bereits bestand (Altforderung); hier muss die Forderung als Sacheinlage eingebracht werden (ausführlich und auch zur Anrechnung gemäß § 19 Abs. 4: Rn 58)9. 1 B/H/Fastrich Rn 31; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 73. 2 So auch RGZ 54, 392 und ständige Rspr; alle Nachweise bei Scholz/Veil Rn 93. 3 Dazu BGHZ 191, 364 = AG 2012, 87 Rn 36 – Babcock Borsig (für AG); vgl auch schon BGHZ 42, 89, 93 sowie U/H/L/Ulmer/Casper Rn 78 aE; Scholz/Veil Rn 93. 4 So plakativ U/H/L/Ulmer/Casper Rn 78. 5 So zum früheren Recht: BGHZ 125, 141, 143 = GmbHR 1994, 394, 395 mit Anm Bayer WuB II C. § 19 GmbHG 1.95 und Besprechung Müller ZGR 1995, 326 ff; BGHZ 152, 37, 44 = GmbHR 2002, 1193, 1195 mit Anm Bayer WuB II C. § 19 GmbHG 1.03; OLG Hamburg GmbHR 2006, 934 (Verrechnung einer Einlageforderung nur mit vollwertiger Neuforderung). 6 B/H/Fastrich Rn 33a; R/A/Roth Rn 35; Michalski/Ebbing Rn 88 mwN. 7 Zuletzt BGHZ 191, 364 = AG 2012, 87 Rn 36 – Babcock Borsig (für AG); vgl weiter BGH GmbHR 2009, 485, 486 mit Anm Podewils. 8 U/H/L/Ulmer/Casper Rn 81; Henssler/Strohn/Verse Rn 28; R/A/Roth Rn 34; aA Schall ZGR 2009, 126, 141 ff. 9 B/H/Fastrich Rn 35; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 89; zum früheren Recht auch BGHZ 153, 107, 109 f = WuB II C. § 19 GmbHG 2.03 mit Anm Bayer/Pielka = GmbHR 2003, 231; abweichend Schall ZGR 2009, 126, 149 f; Scholz/Veil Rn 81.

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Ebenfalls unzulässig ist nach hM die Aufrechnung in Höhe der Mindestein- 29 lage1. Die Einstellung der Einlagenforderung in ein Kontokorrent ist grundsätzlich 30 ebenfalls unzulässig2; erfolgt allerdings unter Missachtung des Verbots eine Verrechnung, so ist diese nach Maßgabe der allgemeinen Regelungen (Rn 31 ff) wirksam3; im Übrigen können ggf die Cash-Pool-Grundsätze (Rn 129 ff) entsprechend herangezogen werden4. b) Einzelheiten zur zulässigen Aufrechnung aa) Vollwertigkeit ist (nur) gegeben, wenn die Gesellschaft im Zeitpunkt der 31 Aufrechnung in der Lage ist, nach Höhe und Liquidität alle fälligen Forderungen ihrer Gläubiger (unter Einschluss der Gegenforderung des Gesellschafters) zu erfüllen5; andernfalls sind alle Gläubigerforderungen in ihrem Wert gemindert. Daher keine Aufrechnung, wenn die GmbH zahlungsunfähig (§ 17 Abs. 2 InsO) oder überschuldet (§ 19 Abs. 2 InsO) ist6. Allein ein kurzfristiger Liquiditätsengpass schadet nicht, allerdings nachhaltige Zahlungsschwierigkeiten7. Die Gegenforderung ist trotz Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit vollwertig, wenn sie durch eine Sicherheit in voller Höhe gedeckt ist8. Dagegen ist ein bloßes Zurückbehaltungsrecht nicht ausreichend9. bb) Das Erfordernis der Fälligkeit (§ 271 BGB) soll einen Liquiditätsverlust ver- 32 meiden10 und bedeutet eine Durchbrechung des § 387 BGB. cc) Die Forderung des Gesellschafters ist liquide, wenn sie nach Grund und 33 Höhe außer Zweifel steht; auch dürfen ihrer Durchsetzung keine Einwendungen oder Einreden der GmbH (zB Verjährung11) entgegenstehen12. 1 U/H/L/Ulmer/Casper Rn 90; R/S-L/Pentz Rn 74; zustimmend Habersack/Weber ZGR 2014, 509, 523; aA Michalski/Ebbing Rn 94. 2 Scholz/Veil Rn 93; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 93. 3 B/H/Fastrich Rn 39; Michalski/Ebbing Rn 96 ff. 4 So bereits MünchKomm/Bayer § 66 AktG Rn 69 mwN; zustimmend U/H/L/Ulmer/ Casper Rn 94. 5 OLG Karlsruhe GmbHR 2014, 144, 146; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 82; vgl weiter Drygala ZGR 2006, 587, 616 ff. 6 BGHZ 125, 141, 145 = GmbHR 1994, 394, 396 mit Anm Bayer WuB II C. § 19 GmbHG 1.95. 7 OLG Köln GmbHR 1987, 478; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 82; MünchKomm/Schwandtner Rn 100. 8 MünchKomm/Bayer § 66 AktG Rn 55 mwN (zur AG); zustimmend BGHZ 191, 364 = AG 2012, 87 Rn 37 – Babcock Borsig. 9 BGHZ 191, 364 = AG 2012, 87 Rn 37 – Babcock Borsig (für AG). 10 BGHZ 15, 52, 57; OLG Hamm GmbHR 1994, 399, 401; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 83. 11 OLG Breslau GmbHR 1915, 87; Scholz/Veil Rn 93. 12 OLG Naumburg GmbHR 1999, 1037, 1038, 1039; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 84.

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§ 19 | Leistung der Einlagen 34 dd) Ob die erforderlichen Voraussetzungen einer vollwertigen, fälligen und li-

quiden Gegenforderung vorliegen, bestimmt sich stets nach objektiven Maßstäben1 im Zeitpunkt der erklärten Aufrechnung2. Die subjektive Sichtweise der Beteiligten ist irrelevant3. Dass die Forderung unbestritten ist, genügt nicht; sie muss unstreitig sein4.

35 ee) Der Geschäftsführer der Gesellschaft entscheidet grundsätzlich nach pflicht-

gemäßem Ermessen, ob er von einer zulässigen Aufrechnungsmöglichkeit Gebrauch macht5. Nach früher hM war die Aufrechnung trotz Befreiung gemäß § 181 BGB allerdings unzulässig, wenn sie vom verpflichteten GesellschafterGeschäftsführer erklärt wurde6; auch ein entsprechender Beschluss der Gesellschafterversammlung wurde als wirkungslos behandelt7. Ohne Begründung hat allerdings der BGH anders entschieden8.

36 ff) Fehlen die erforderlichen Voraussetzungen, so trat nach früherer Rechts-

lage auch keine anteilige Tilgung der Einlageforderung ein9. Heute wird indes verbreitet eine (naheliegende) Parallele zur Einbringung einer Forderung gegen die GmbH gezogen10 und (im vermeintlichen Interesse des Gesellschafters) analog § 19 Abs. 4 Satz 3 in Höhe des Teilwerts der Forderung eine Anrechnung11 vorgenommen (näher Rn 66). Diese – auch noch in der 18. Auflage geteilte – Auffassung ist indes zweifelhaft, da andernfalls die GmbH dem Gesellschafter durch einseitige Erklärung dessen Forderung unter dem Nominalwert entziehen könnte12. Diese Gefahr besteht beim gesetzlichen Anwendungsfall der Anrech1 Ausführlich U/H/L/Ulmer/Casper Rn 87; vgl weiter R/S-L/Pentz Rn 80 ff; B/H/Fastrich Rn 33a. 2 RG JW 1938, 1400, 1401. 3 BGHZ 191, 364 = AG 2012, 87 Rn 36 – Babcock Borsig (für AG); vgl auch schon RGZ 54, 389, 392. 4 Richtig B/H/Fastrich Rn 33a. 5 Scholz/Veil Rn 96; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 91; Hommelhoff FS Kellermann, 1991, S. 165, 175 ff. 6 S. etwa OLG Düsseldorf GmbHR 2000, 564, 567 f; Hachenburg/Ulmer 8. Aufl, Rn 68 mwN. 7 So etwa OLG Hamburg GmbHR 1990, 267, 268. 8 BGHZ 152, 37, 44 = WuB II C. § 19 GmbHG 1.03 mit Anm Bayer = GmbHR 2002, 1193; bestätigt BGHZ 153, 107, 112 = WuB II C. § 19 GmbHG 2.03 mit Anm Bayer/Pielka = GmbHR 2003, 231; zustimmend Michalski/Ebbing Rn 100; MünchKomm/Schwandtner Rn 119; Henssler/Strohn/Verse Rn 29; ablehnend Scholz/Veil Rn 96; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 91; R/A/Roth Rn 37. 9 RGZ 94, 61, 63; Scholz/Uwe H. Schneider/H.P. Westermann 10. Aufl, Rn 68. 10 Dafür bereits früher Priester DB 1976, 1801, 1805; für die KG auch BGHZ 95, 188, 195. 11 B/H/Fastrich Rn 34; R/A/Roth Rn 33, 36; Scholz/Veil Rn 82; MünchKomm/Schwandtner Rn 111; Wicke Rn 14 aE; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 88. 12 So bereits MünchKomm/Lieder § 56 Rn 108; MünchKomm/Bayer § 66 AktG Rn 60; dezidiert aA indes Habersack/Weber ZGR 2014, 509, 518 ff.

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nung gemäß § 19 Abs. 4 Satz 3 (verdeckte Sacheinlage: Rn 76 ff) nicht. Eine anteilige Anrechnung erfolgt daher nur mit Einverständnis des Gesellschafters, somit nur im Falle einer (ggf konkludenten) Aufrechnungsvereinbarung1. gg) Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Aufrechnungs- 37 voraussetzungen trägt der Einlageschuldner2. Denn in der Regel hat der Insolvenzverwalter oder ein Pfändungsgläubiger, der die Einlageforderung geltend macht, keinerlei Informationen zur Vollwertigkeit usw der Gegenforderung. Ebenso hat der Einlageschuldner die Darlegungs- und Beweislast im Falle einer Aufrechnungsvereinbarung zu tragen3. hh) Gefährdung der Einlageforderung: Die Einschränkungen der Aufrechnung 38 gelten nicht, wenn ihre konsequente Anwendung dem Sinn und Zweck der Vorschrift, die reale Kapitalaufbringung im Interesse der Gesellschaftsgläubiger zu sichern, zuwiderliefe4. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn auch die Einlageforderung infolge der wirtschaftlichen Situation des Inferenten nicht vollwertig ist und auch eine Kaduzierung mit anschließender Verwertung keinen Erfolg verspricht5. Grundsätzlich ist jedoch das Betreiben eines Kaduzierungsverfahrens gegenüber einem Abweichen von § 19 Abs. 2 Satz 2 vorrangig6. Ein Abweichen vom Vollwertigkeitserfordernis ist auch dann möglich, wenn der Gesellschaft durch Verzicht auf eine Aufrechnung Schaden droht, der – zumindest teilweise – durch Aufrechnung gegen eine nicht vollwertige Gesellschafterforderung abgewendet werden kann7. 3. Sachübernahmen Das grundsätzliche Aufrechnungsverbot wird für Sachübernahmen nach § 19 39 Abs. 2 Satz 2 modifiziert, und zwar teilweise erweiternd, teilweise einschränkend: Zulässig ist die Aufrechnung sowohl durch die Gesellschaft als auch durch den Gesellschafter im Hinblick auf eine im Gesellschaftervertrag gemäß § 5 Abs. 4 oder im Kapitalerhöhungsbeschluss festgelegte Sachübernahme (zum Begriff: § 5 Rn 38); der Vergütungsanspruch des Gesellschafters darf in diesem Fall mit 1 MünchKomm/Bayer § 66 AktG Rn 66; ebenso MünchKomm/Lieder § 56 Rn 109. 2 OLG Karlsruhe GmbHR 2014, 144, 146; OLG Düsseldorf GmbHR 1994, 247; ausführlich Bayer/Illhardt GmbHR 2011, 505, 510 f. 3 BGHZ 191, 364 = AG 2012, 87 Rn 44 – Babcock Borsig (für AG); BGH ZIP 1992, 992, 995 mit Anm K. Schmidt = GmbHR 1992, 522; BGHZ 153, 107, 112 f = WuB II C. § 19 GmbHG 2.03 mit Anm Bayer/Pielka = GmbHR 2003, 231; vgl auch MünchKomm/Bayer § 66 AktG Rn 67; aA Spindler/Stilz/Cahn § 66 AktG Rn 33. 4 RGZ 141, 204, 212; BGHZ 15, 52, 57 ff; BGH NJW 1979, 216; R/S-L/Pentz Rn 85. 5 U/H/L/Ulmer/Casper Rn 86; R/A/Roth Rn 35b; für AG auch MünchKomm/Bayer § 66 AktG Rn 65, 84; zustimmend BGHZ 191, 364 = AG 2012, 87 Rn 39 – Babcock Borsig. 6 R/S-L/Pentz Rn 85; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 86. 7 BGHZ 15, 52, 57 f; B/H/Fastrich Rn 33a; R/S-L/Pentz Rn 86.

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§ 19 | Leistung der Einlagen seiner Einlageschuld „verrechnet“ werden. Auf die Frage der Vollwertigkeit kommt es hierbei nicht an1; die Wertdeckung wird allerdings im Rahmen der Handelsregistereintragung überprüft (§ 9c) und eine Überbewertung der Einlage begründet eine Differenzhaftung (dazu ausführlich § 9 Rn 4 ff)2. 40 Fehlt es an einer wirksamen Sachübernahmevereinbarung im Gesellschaftsver-

trag bzw Kapitalerhöhungsbeschluss, dann ist jede Aufrechnung/Verrechnung mit Vergütungsansprüchen des Gesellschafters grundsätzlich unzulässig. Dieses Verbot gilt – weil als Prävention konzipiert – auch dann, wenn die Gegenforderung des Gesellschafters vollwertig ist. Mit dieser Regelung wird der Kreis der aufrechenbaren Forderungen vom Gesetz bewusst und gewollt stark eingeschränkt3. Bei Verstoß gegen die förmlichen Voraussetzungen der Sachübernahme greift indes wie bei Fehlen oder Unvollständigkeit der Angaben zur Sacheinlage ieS § 19 Abs. 4 a maiore ad minus (vgl Rn 70 sowie § 5 Rn 32). 4. Zurückbehaltungsrecht

41 Dem Schuldner ist es auch verwehrt, ein Zurückbehaltungsrecht (inklusive des

kaufmännischen Zurückbehaltungsrechts gemäß § 369 HGB) geltend zu machen. Dies gilt nach allgemeiner Meinung generell für Bareinlagen4; für Sacheinlagen gilt gemäß § 19 Abs. 2 Satz 3 die (einzige) Ausnahme, dass der Gesellschafter einen fälligen Anspruch auf Verwendungsersatz gemäß §§ 1000, 1001 BGB oder einen Schadensersatzanspruch gemäß § 273 Abs. 2 BGB hat5.

V. Abtretung, Leistung an Dritte, Verpfändung, Pfändung 1. Abtretung 42 a) Heute ist allgemein anerkannt, dass auch Einlageforderungen abgetreten wer-

den können (§ 398 BGB), vorausgesetzt, dass der für die Forderung erzielt Erlös vollwertig (zum Begriff: Rn 31) ist6. Entgegen früher zT vertretenen Bedenken gilt das nach ganz hM auch für die Mindesteinlage, da zwingende Hinderungsgründe nicht ersichtlich sind7. Insbesondere stehen §§ 7 Abs. 2, 8 Abs. 2 nicht entgegen (weil Abtretung durch Geschäftsführer erfolgt); der Schutz der Gläubi-

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BGHZ 15, 52, 58. B/H/Fastrich Rn 31. BGHZ 15, 52, 58; BGHZ 28, 314, 319. RGZ 83, 266, 268; Scholz/Veil Rn 97. U/H/L/Ulmer/Casper Rn 95; Scholz/Veil Rn 98 (allgemeine Meinung). BGHZ 69, 274, 282; Scholz/Veil Rn 105; Bayer ZIP 1989, 8, 9; für die AG auch MünchKomm/Bayer § 66 AktG Rn 78, 81 ff; K. Schmidt/Lutter/Fleischer § 66 AktG Rn 24, 27 mwN; aA (generell zulässig) K. Schmidt ZHR 157 (1993), 291, 310 ff mwN. 7 B/H/Fastrich Rn 42; Scholz/Veil Rn 105; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 97, 99 mwN.

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ger ist hier sogar doppelt gewährleistet: Zum einen durch das Erfordernis der vollwertigen Gegenleistung, zum anderen durch die Vorbelastungshaftung (dazu § 11 Rn 41 ff). Wirksam wird die Abtretung erst, wenn die Gegenleistung mit dinglicher Wirkung in das Vermögen der GmbH übergegangen ist1. Zulässig ist nach dieser Prämisse auch die Abtretung der Einlageforderung zur Sicherung eines der GmbH gewährten Neukredits, nicht dagegen zur nachträglichen Sicherung eines Darlehens, sofern nicht die Darlehensforderung (nach wie vor) vollwertig ist2. Soweit BGHZ 69, 274, 282 f die Abtretung des Erstattungsanspruchs gemäß § 31 Abs. 1 an einen Gläubiger der in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindlichen GmbH bereits deshalb gestattet, weil dadurch die Gesellschaft nominal in Höhe der abgetretenen Forderung befreit wurde, ist dieser Auffassung nicht zu folgen (und zwar weder für den Erstattungs- noch für den Einlageanspruch)3. Eine Ausnahme vom Vollwertigkeitsgebot gilt nur dann, wenn die Einlageforde- 43 rung wegen der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners selbst nicht vollwertig ist und auch eine Kaduzierung (§§ 21 ff) keinen Erfolg verspricht, ebenso im Falle der Liquidation, wenn alle Gläubiger befriedigt sind4 oder die Forderung an den einzigen noch vorhandenen Gläubiger abgetreten wird (vgl Rn 53)5. b) Rechtsfolgen: Auch nach erfolgter Abtretung bleibt die Bindung an das 44 Gleichbehandlungsgebot bestehen6; ebenso kann der Schuldner alle Einwendungen und Einreden geltend machen, die ihm gegenüber der Gesellschaft zustanden (§ 404 BGB)7. Abtretung allein bewirkt nicht Fälligkeit, ggf also Gesellschafterbeschluss nach § 46 Nr. 2 erforderlich (streitig)8. Forderung unterliegt nach wirksamer Abtretung nicht mehr der strengen Kapitalbindung, daher scheidet Kaduzierung aus (vgl auch § 21 Rn 4)9. Schuldner kann auch mit nicht vollwertiger Gegenforderung gegenüber Zessionar aufrechnen10; nicht jedoch – entgegen § 406 BGB – mit einer Forderung, die ihm gegenüber der GmbH zusteht (wegen Regressmöglichkeit des Zessionars gegenüber Gesellschaft könnte Aufrechnungsverbot nach § 19 Abs. 2 Satz 2 ausgehebelt werden)11. 1 U/H/L/Ulmer/Casper Rn 99. 2 Bayer ZIP 1989, 8, 9; zustimmend U/H/L/Ulmer/Casper Rn 99 aE; Habersack/Weber ZGR 2014, 509, 538 f. 3 Wie hier RGZ 124, 380, 382 f; RGZ 133, 81, 82 f und hM zur AG; ausführlich MünchKomm/Bayer § 66 AktG Rn 83 mwN. 4 RGZ 156, 23, 25; Scholz/Veil Rn 100; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 98 f. 5 BGHZ 53, 71, 72 f; OLG Hamm GmbHR 1992, 370; Bayer ZIP 1989, 8, 10. 6 BGHZ 69, 274, 282; Scholz/Veil Rn 110 mwN. 7 U/H/L/Ulmer/Casper Rn 101; Scholz/Veil Rn 114. 8 RGZ 133, 81; B/H/Fastrich Rn 43; Scholz/Veil Rn 113. 9 Scholz/Veil Rn 115; B/H/Fastrich Rn 43; aA nur K. Müller GmbHR 1970, 57, 60 ff. 10 BGHZ 53, 71, 76; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 100 f. 11 BGHZ 53, 71, 75 gegen RGZ 156, 23, 33, aber wie RGZ 85, 351, 353.

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§ 19 | Leistung der Einlagen 2. Leistung an Dritte 45 a) Zahlung direkt an Gläubiger der GmbH ist mit Ermächtigung der Gesell-

schaft schuldbefreiend wirksam (§§ 362 Abs. 2, 185 BGB), allerdings nur – weil im Ergebnis der Abtretung an einen Gläubiger der GmbH vergleichbar –, wenn der Gesellschaft im Gegenzug der volle wirtschaftliche Wert der Einlageforderung zufließt1. Für Mindesteinlage wird eine solche Direktleistung von der hM allerdings für unzulässig erachtet2. Dies überzeugt nicht – ebenso wenig wie bei der Abtretung der Einlageforderung durch die Gesellschaft (Rn 42): §§ 7 Abs. 2, 8 Abs. 2 stehen der Erfüllung nicht entgegen3, und den erforderlichen Gläubigerschutz gewährleistet bis zur Eintragung der GmbH die Vorbelastungshaftung (dazu ausführlich § 11 Rn 41 ff).

46 b) Wird bei GmbH & Co KG (auf Weisung) direkt an die KG gezahlt, so tritt

Erfüllung ein, wenn der KG ein vollwertiger Anspruch (zB Einlage) gegen die GmbH zusteht4; dies gilt auch bei Leistung an einen Gläubiger der KG, sofern dessen Anspruch gegen die KG vollwertig war, weil die GmbH als Komplementärin gemäß §§ 161 Abs. 2, 128 HGB persönlich für die Erfüllung der Verbindlichkeit haftet5. Entgegen der Grundsatzentscheidung des BGH vom 10.12.20076 steht aufgrund der wirtschaftlichen (Haftungs-)Einheit der GmbH & Co KG auch die Weiterreichung der GmbH-Einlage an die KG eine Erfüllung nicht entgegen (ausführlich Rn 102).

47 c) Erfüllung tritt insbesondere ein, wenn der Gesellschafter die Einlage auf ein

von dem Geschäftsführer ausdrücklich oder konkludent angegebenes Konto der Gesellschaft zahlt. Diese Zahlung ist keine Drittleistung ieS, sondern wird vom Gesetz privilegiert (arg e § 54 Abs. 3 AktG).

48 d) Problematisch ist die Einzahlung (Überweisung), wenn das Konto im Debet

steht; dies ist jedenfalls dann unschädlich, wenn eine eingeräumte Kreditlinie noch nicht ausgeschöpft ist oder die Bank der GmbH die Verwendung der eingezahlten Mittel uneingeschränkt zugesagt hat7. Zweifelhaft ist die Rechtslage, 1 BGH GmbHR 1986, 115; OLG Naumburg GmbHR 1999, 1037, 1038; Scholz/Veil Rn 41; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 57; abweichend Drygala ZGR 2006, 587, 618 f. 2 BGH GmbHR 1986, 115; OLG Naumburg GmbHR 1999, 1037, 1038; Scholz/Veil Rn 41; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 57; nunmehr auch R/S-/L/Pentz Rn 56. 3 So bereits Bayer GmbHR 2004, 445, 456; vgl auch Ulmer GmbHR 1993, 189, 191; im Ergebnis auch Ihrig Die endgültig freie Verfügung …, 1991, S. 276 ff; Wertenbruch Die Haftung von Gesellschaften …, 2000, S. 396 ff; Wilhelm ZHR 152 (1988), 333, 364 ff; neuerdings auch MünchKomm/Schwandtner Rn 155. 4 BGH GmbHR 1986, 115, 116. 5 OLG Hamm BB 2000, 319; B/H/Fastrich Rn 13. 6 BGHZ 174, 370 ff = GmbHR 2008, 203. 7 BGHZ 113, 335, 347 = GmbHR 1991, 255; BGH GmbHR 2002, 545, 546; BGH GmbHR 2005, 229, 230; MünchKomm/Schwandtner Rn 147.

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wenn die Kreditlinie überschritten oder das Konto aus anderen Gründen gesperrt oder das Guthaben gepfändet ist: Unbestritten keine Erfüllung tritt hier ein, wenn die Zahlung ohne Einverständnis der Geschäftsführer erfolgt1 (wegen §§ 7 Abs. 2, 8 Abs. 2 für Mindesteinlage, sonst auch wegen fehlender Ermächtigung gemäß § 185 BGB). Folgt der Gesellschafter indes der Weisung der Geschäftsführer, dann hat nach zutreffender Auffassung auch die Zahlung auf ein debitorisches Konto der Gesellschaft befreiende Wirkung2; denn in diesem Fall wurde an den Geschäftsführer zur freien Verfügung geleistet (vgl § 7 Rn 22); ein eintretender Wertverlust wird bis zur Eintragung der Gesellschaft durch die Vorbelastungshaftung ausgeglichen, so dass die Gläubiger der GmbH im Ergebnis geschützt werden3, den Schaden jedoch nicht der weisungsgemäß leistende Gesellschafter allein trägt (Erfüllung ist eingetreten), sondern die Gesamtheit aller Gesellschafter anteilig (zum anteiligen Innenregress im Rahmen der Vorbelastungshaftung: § 11 Rn 41 ff). Gleiches gilt, wenn der Geschäftsführer einen vom Gesellschafter erhaltenen Scheck auf ein debitorisches Konto einzahlt (vgl § 7 Rn 21). Nach BGH WM 2002, 963, 964 soll Erfüllung auch dann eintreten, wenn die Bank trotz Sperrung des Kontos der Gesellschaft im Nachhinein (also ohne vorherige Absprache) anderweitige Mittel zur Verfügung stellt4. Allein die tatsächliche Duldung der Überziehung durch die Bank soll hingegen nicht ausreichen (streitig)5. 3. Verpfändung/Pfändung Verpfändung/Pfändung sind ebenso wie die Abtretung (nur) zulässig, wenn der 49 Gesellschaft eine vollwertige Gegenforderung zufließt, dh wenn die Forderung des Pfandgläubigers gegen die GmbH vollwertig ist (zum Begriff: Rn 31)6; eine Ausnahme gilt im Falle der Liquidation, wenn alle Gläubiger befriedigt sind oder die Pfändung/Verpfändung durch/an den einzigen Gläubiger erfolgt. Darüber hinaus ist (nur) die Pfändung zulässig (nicht Abtretung, Verpfändung), wenn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Kostendeckung abgewiesen wurde und sich kein (weiterer) Gläubiger bereit erklärt, einen Vorschuss zu 1 So auch U/H/L/Ulmer/Casper Rn 57. 2 OLG Bamberg GmbHR 2003, 717; OLG Oldenburg GmbHR 2008, 1270, 1271; B/H/Fastrich § 7 Rn 11; kritisch Haverkamp ZInsO 2008, 1126 ff; aA MünchHdbGmbH/Gummert § 50 Rn 27. 3 So im Ergebnis auch BGH GmbHR 2001, 339, 342. 4 Dazu Bayer/Pielka WuB II C. § 55 GmbHG 1.02. 5 So LG Frankenthal GmbHR 1996, 356, 358; Wimmer GmbHR 1997, 827, 828; Scholz/Veil § 7 Rn 40; aA OLG Hamm GmbHR 1992, 750, 751. 6 BGH GmbHR 1992, 522; OLG Hamm GmbHR 1992, 370, 371; OLG Celle GmbHR 2000, 240, 241; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 102; Scholz/Veil Rn 105; aA (generell zulässig) Vollmer GmbHR 1998, 579, 580 f; K. Schmidt ZHR 157 (1993), 291, 310 ff; zweifelnd auch R/A/Roth Rn 17.

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§ 19 | Leistung der Einlagen leisten1. Diese Voraussetzung ist bei masseloser Insolvenz zu vermuten. Der Einlageschuldner darf durch das Pfändungsverbot nicht gegenüber dem einzigen aktiven Pfändungsgläubiger begünstigt werden (vgl Rn 53)2. 50 Diese Privilegierung gilt allerdings nicht für einen Gesellschafter, der (seine

eigene oder eine andere) Einlageforderung pfändet und auf diese Weise eine ggf nicht vollwertige Forderung gegen die Gesellschaft zum Nachteil anderer Gesellschaftsgläubiger vorrangig realisiert3. Die Pfändung der Einlageforderung ist auch dann noch möglich, wenn die GmbH bereits gemäß § 394 Abs. 1 Satz 1 FamFG wegen (vermeintlicher) Vermögenslosigkeit gelöscht wurde, da dieser Löschung keine konstitutive, sondern nur deklaratorische Wirkung zukommt4.

51 Anders als die Abtretung (und auch die Verpfändung) führt die Pfändung stets

zur Fälligkeit der Einlageforderung5; auch das Gleichbehandlungsgebot findet jetzt keine Anwendung mehr6. Zur Sicherung der Kapitalaufbringung ist bei der Pfändung nach wie vor die Kaduzierung möglich, nicht dagegen bei der Verpfändung (ausführlich § 21 Rn 4).

VI. Insolvenz und Liquidation der GmbH 1. Grundsatz 52 Die Kapitalbindung des § 19 gilt grundsätzlich auch in der Insolvenz und Liqui-

dation der GmbH. Insbesondere ist dem Gesellschafter entgegen §§ 94 ff InsO die Aufrechnung versagt, und zwar auch gegen eine Masseverbindlichkeit (§ 55 InsO)7. Aber auch der Insolvenzverwalter ist vollumfänglich an § 19 gebunden, so dass insbesondere das Vollwertigkeitsprinzip (dazu Rn 28, 31 ff) zu beachten ist; praktisch dürfte daher weder eine Aufrechnung noch eine Abtretung oder Verpfändung durch die Gesellschaft in Betracht kommen. Zur Fälligkeit der Einlageforderung: Rn 8.

1 BGH NJW 1968, 398, 399; BGH NJW 2001, 304, 305; Bayer ZIP 1989, 8, 10; ausführlich MünchKomm/Bayer § 66 AktG Rn 99 mwN. 2 Ausführlich Bayer ZIP 1989, 8, 10; vgl auch MünchKomm/Bayer § 66 AktG Rn 99 mwN. 3 So auch Scholz/Veil Rn 111; ähnlich RGZ 85, 351, 353; ausführlich MünchKomm/Bayer § 66 AktG Rn 100 mwN. 4 BGHZ 48, 303, 307; OLG Düsseldorf GmbHR 1979, 227, 228; Bayer ZIP 1989, 8, 11. 5 RGZ 149, 293, 301; OLG Köln GmbHR 1989, 293, 294; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 103. 6 BGH NJW 1980, 2253 = GmbHR 1981, 141; B/H/Fastrich Rn 44; Scholz/Veil Rn 110. 7 BGHZ 15, 52, 56; Scholz/Veil Rn 90 mwN.

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2. Ausnahmen In der Liquidation sind alle Verfügungen zulässig, wenn alle Gläubiger befriedigt 53 sind oder zustimmen1. Soweit noch ein einziger Gläubiger vorhanden ist, darf die Einlageforderung an ihn abgetreten oder verpfändet werden; ebenso ist die Pfändung zulässig2. Die Pfändung ist ebenfalls zulässig, wenn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Kostendeckung abgewiesen wurde und kein (weiterer) Gläubiger Vorschuss leistet (was bei masseloser Insolvenz zu vermuten ist); andernfalls würde der Einlageschuldner zu Lasten der Gesellschaftsgläubiger begünstigt3. Dies gilt jedoch nicht für Verfügungen der Gesellschaft (Abtretung, Verpfändung)4; ebenfalls keine Privilegierung genießt der Gesellschafter, der seine eigene (oder eine andere) Einlageforderung pfändet (ausführlich Rn 50).

VII. Verdeckte Sacheinlage (§ 19 Abs. 4) Literatur: Bayer Neue und neueste Entwicklungen zur verdeckten GmbH-Sacheinlage, ZIP 1998, 1985; Bayer Unwirksame Leistungen auf die Stammeinlage und nachträgliche Erfüllung, GmbHR 2004, 445; Bayer Moderner Kapitalschutz, ZGR 2007, 220; Bayer Verdeckte Sacheinlage nach MoMiG und ARUG, FS Kanzleiter, 2010, S. 75; Bayer Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung – was hat das MoMiG verändert?, in Schröder (Hrsg), Die Reform des GmbH-Rechts, 2009, S. 57; Bayer „MoMiG II“ – Plädoyer für eine Fortführung der GmbH-Reform, GmbHR 2010, 1289; Bayer Kapitalschutz in der GmbH – eine Generalkritik, VGR 18 (2012), S. 25; Bayer/Lieder Einbringung von Dienstleistungen in die AG, NZG 2010, 86; Benz Verdeckte Sacheinlage und Einlagenrückzahlung im reformierten GmbH-Recht (MoMiG), 2009; Bormann Die Kapitalaufbringung nach dem Regierungsentwurf des MoMiG, GmbHR 2007, 897; Bormann/Urlichs Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, in Römermann/Wachter, GmbH-Beratung nach dem MoMiG, GmbHR-Sonderheft 2008, S. 37; Büchel Kapitalaufbringung, insbesondere Regelung der verdeckten Sacheinlage, nach dem Regierungsentwurf des MoMiG, GmbHR 2007, 1065; Ekkenga Vom Umgang mit überwertigen Sacheinlagen im Allgemeinen und mit gemischten (verdeckten) Sacheinlagen im Besonderen, ZIP 2013, 541; Giedinghagen/ Lakenberg Kapitalaufbringung durch Dienstleistungen?, NZG 2009, 201; Habersack Dienst- und Werkleistungen des Gesellschafters und das Verbot der verdeckten Sacheinlage und des Hin- und Herzahlens, FS Priester, 2007, S. 157; Habersack Neues zur verdeckten Sacheinlage und zum Hin- und Herzahlen – das „Qivive“-Urteil des BGH, GWR 2009, 129; Heidenhain Katastrophale Rechtsfolgen verdeckter Sacheinlagen, GmbHR 2006, 455; Heidinger/Knaier Die Heilung der verdeckten Sacheinlage und der Austausch des 1 RGZ 149, 293, 298; Scholz/Veil Rn 91. 2 RGZ 149, 293, 298; BGHZ 53, 71, 72 f; OLG Hamm GmbHR 1992, 370, 371; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 98 f mwN. 3 BGH NJW 1963, 102; BGH NJW 1968, 398, 399; ausführlich Bayer ZIP 1998, 8, 10. 4 Abweichend K. Schmidt ZHR 157 (1993), 291, 304, 310 ff; wie hier OLG Hamm NZG 2001, 1144 (zu Anspruch aus § 43 Abs. 3); ausführlich MünchKomm/Bayer § 66 AktG Rn 99.

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§ 19 | Leistung der Einlagen Einlagegegenstandes nach dem MoMiG, GmbHR 2015, 1; Heinze Verdeckte Sacheinlagen und verdeckte Finanzierungen nach dem MoMiG, GmbHR 2008, 1065; Herrler Kapitalaufbringung nach dem MoMiG, DB 2008, 2347; Herrler Erfüllung der Einlageschuld und entgeltliche Dienstleistungen durch Aktionäre, NZG 2010, 407; Kleindiek Verdeckte (gemischte) Sacheinlage nach MoMiG: Rückwirkende Neuregelung und Wertanrechnung, ZGR 2011, 334; Lutter Verdeckte Leistungen und Kapitalschutz, FS Stiefel, 1987, S. 505; Maier-Reimer/Wenzel Kapitalaufbringung in der GmbH nach dem MoMiG, ZIP 2008, 1449; Markwardt Kapitalaufbringung nach dem MoMiG, BB 2008, 2414; Meilicke Die verschleierte Sacheinlage, 1989; H.F. Müller Rechtsfolgen verdeckter Sacheinlagen, NZG 2011, 761; Pentz Die verdeckte Sacheinlage im GmbH-Recht nach dem MoMiG, FS K. Schmidt, 2009, S. 1265; Pentz Verdeckte Sacheinlagen nach dem MoMiG und prozessuale Folgen des Übergangsrechts, GmbHR 2009, 126; Pentz Die Bedeutung der Sacheinlagefähigkeit für die verdeckte Sacheinlage, GmbHR 2009, 505; Pentz Die Anrechnung bei der verdeckten (gemischten) Sacheinlage, GmbHR 2010, 673; Priester Heilung verdeckter Sacheinlagen bei der GmbH, ZIP 1996, 1025; Priester Die gemischte Sacheinlage zwischen Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung, FS Maier-Reimer, 2009, S. 525; Rezori Die Kapitalaufbringung bei der GmbH-Gründung, RNotZ 2011, 125; Riegger/Gayk Zur Dogmatik der Anrechnung nach § 19 Abs. 4 S. 3 GmbHG, FS Maier-Reimer, 2009, S. 557; Schall Kapitalaufbringung nach dem MoMiG, ZGR 2009, 126; K. Schmidt, Mittelaufbringung und Mittelverwendung bei der GmbH & Co KG, ZIP 2008, 481; v. Schnurbein Verdeckte Sacheinlage im Konzern – Vereinfachung durch das MoMiG?, GmbHR 2010, 568; Seibert Die Entstehung der Regelungen zur verdeckten Sacheinlage und zum „Hin- und Herzahlen“ im MoMiG und im Aktienrecht, FS Maier-Reimer, 2009, S. 673; Sernetz Anrechnung und Bereicherung bei der verdeckten Sacheinlage, ZIP 2010, 2173; Stiller/Redeker Aktuelle Rechtsfragen der verdeckten gemischten Sacheinlage, ZIP 2010, 865; Ulmer Der „Federstrich des Gesetzgebers“ und die Anforderungen der Rechtsdogmatik, ZIP 2008, 45; Ulmer Die „Anrechnung“ (MoMiG) des Wertes verdeckter Sacheinlagen auf die Bareinlageforderung der GmbH, ZIP 2009, 293; Ulmer Sacheinlagenverbote im MoMiG – umgehungsfest?, GmbHR 2010, 1298; Wachter Neues zur verdeckten Sacheinlage, ZNotP 2010, 324; M. Winter Die Rechtsfolgen der „verdeckten“ Sacheinlage – Versuch einer Neubestimmung, FS Priester, 2007, S. 867.

1. Grundlagen und rechtspolitische Kritik 54 Nach früherem Recht waren Umgehungen der Sacheinlagevorschriften durch die

Rechtsfigur der verdeckten Sacheinlage scharf sanktioniert. Verstöße führten zum Fortbestehen der Bareinlagepflicht sowie zur Nichtigkeit der Sacheinlagevereinbarung und der dinglichen Vollzugsgeschäfte1. Hierdurch sollte – gleichermaßen für die AG wie für die GmbH – im Interesse der Gläubiger sowie der Mitgesellschafter sichergestellt werden, dass die aufgrund der besonderen Gefährlichkeit von Sacheinlagen bestehenden Vorschriften über eine Offenlegung, Bewertung und Kontrolle durch das Registergericht (§ 9c) eingehalten wurden2. Diese 1 Zum früheren Recht s. 16. Aufl, § 5 Rn 41 ff; zusammenfassend Pentz FS K. Schmidt, 2009, S. 1265, 1269 ff mwN. 2 Dazu ausführlich Lutter FS Stiefel, 1987, S. 505 ff.

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Rechtsfolgen wurden von Lutter als „katastrophal“ gebrandmarkt1 und im Schrifttum zunehmend kritisiert2. Der Gesetzgeber hat auf diese (überzogene) Kritik reagiert und mit § 19 Abs. 4 idF des MoMiG die Rechtslage grundlegend verändert. Im Gegensatz zu der noch im RegE vorgesehenen Erfüllungslösung3, wonach 55 eine verdeckte Sacheinlage der Erfüllung der Einlageschuld nicht entgegenstehen und der Inferent lediglich einem Anspruch auf Ausgleich der Wertdifferenz ausgesetzt sein sollte4, folgte der Gesetzgeber einer verbreiteten Kritik5 und wählte letztendlich eine Anrechnungslösung6: Der Inferent wird von seiner Einlagepflicht zwar nicht befreit; sämtliche schuldrechtlichen und dinglichen Verträge bleiben aber wirksam, und auf die Einlageverpflichtung wird der Wert des eingebrachten Vermögensgegenstands angerechnet7. Damit wird der vielfach erhobenen Forderung8 nach einer Abmilderung der als zu hart empfundenen Rechtsfolgen Rechnung getragen: Der Gesellschafter soll seine Einlage nur einmal aufbringen9. Formulierung des Gesetzes in § 19 Abs. 4 Satz 1 ist allerdings schief: Dass das Vorliegen einer verdeckten Sacheinlage nicht zur Befreiung von der Einlageverpflichtung führt, ist evident; gemeint ist jedoch: Die Geldeinlage befreit nicht; daher muss es statt „dies“ richtigerweise „diese“ heißen. Im Hinblick auf die Transparenz der Sacheinlageeinbringung sowie die Präven- 56 tion der Vorabkontrolle durch das Registergericht ist die Regelung des MoMiG rechtspolitisch fragwürdig, zumal sie zu einer signifikanten Abschwächung des präventiven Gläubigerschutzes führt, die Differenzierung zwischen Bar- und Sacheinlage verwischt und sich mit dem tradierten System der Kapitalaufbringung – an der auch das MoMiG formal ausdrücklich festhalten möchte – nicht in Einklang bringen lässt10. Anstatt mit einer dogmatisch widersprüchlichen 1 Vgl KölnKomm/Lutter 2. Aufl 1988, § 66 AktG Rn 31; vgl weiter Lutter/Gehling WM 1989, 1445, 1453 („verheerend“). 2 Zusammenfassend Heidenhain GmbHR 2006, 455 ff. 3 Zur Entstehungsgeschichte Seibert FS Maier-Reimer, 2009, S. 673, 674 ff. 4 BegrRegE, BT-Drucks 16/6140, S. 40. 5 Veil ZIP 2007, 1241, 1242; Büchel GmbHR 2007, 1065, 1070; Ulmer ZIP 2008, 45, 50; Bormann GmbHR 2007, 897, 900; Priester ZIP 2008, 55, 56. 6 Ähnliche Vorschläge bei M. Winter FS Priester, 2007, S. 867, 876 ff; ausführlich zu den Beratungen im Rechtsausschuss Seibert FS Maier-Reimer, 2009, S. 673, 677 ff. 7 Mit dem ARUG (BGBl I 2009, 2479 ff) hat der Gesetzgeber dieses Modell auch für die AG übernommen; dazu (kritisch) Bayer/J. Schmidt ZGR 2009, 805, 823 ff, 833; Herrler/ Reymann DNotZ 2009, 914 ff; vgl zu Einzelheiten auch K. Schmidt/Lutter/Bayer § 27 AktG Rn 70 ff. 8 Beschluss 8b) der Abteilung Wirtschaftsrecht, 66. DJT, Bd II/2, 2006, P 290; Heidenhain GmbHR 2006, 455, 457 f; aA Habersack ZHR 170 (2006), 607, 609. 9 Vgl Gehrlein Der Konzern 2007, 771, 783. 10 Kritisch daher Bayer ZGR 2007, 220, 234; Bayer VGR 18 (2012), S. 25 ff; Büchel GmbHR 2007, 1065, 1070; Veil ZIP 2007, 1241, 1242 f; Ulmer ZIP 2008, 45, 50 ff; Habersack FS Priester, 2007, S. 157, 158; Pentz GmbHR 2009, 505, 511 f; vgl auch Altmeppen NJW 2010, 1955 („mißlungen“).

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§ 19 | Leistung der Einlagen Lösung hätte der Gesetzgeber dem Anliegen der Praxis nach einer Vereinfachung für die GmbH besser durch eine klare Aufgabe des Prinzips der realen Kapitalaufbringung Rechnung getragen und die Gesellschafter allein dazu verpflichten sollen, die versprochene Einlage zu leisten; ob durch Bar- oder Sacheinlage, hätte der Entscheidung der Gesellschafter überlassen werden können. Vorschläge für eine solche grundlegende Rekonfiguration des Kapitalschutzsystems der GmbH liegen auf dem Tisch1 und sollten künftig vom Gesetzgeber erwogen werden2. Zahlreiche alte wie neue Probleme des Rechts der verdeckten Sacheinlage3 hätten sich im Rahmen einer solchen echten Deregulierung von selbst erledigt4. 57 So bleibt das kritische Fazit: Die aktuelle Gesetzeslage entlastet zwar einerseits

die Gesellschafter, bringt jedoch die Geschäftsführer in die Gefahr der Haftung und der Strafbarkeit5 (näher Rn 85 f). Noch fragwürdiger wird die gesetzliche Regelung durch die Qivive- und Eurobike-Rechtsprechung des BGH (ausführlich bei Rn 59): Erbringt der Gesellschafter im Gegenzug gegen die Rückgewährung der Bareinlage (oder umgekehrt im Vorfeld der Einlageleistung) Leistungen an die Gesellschaft, die nicht einlagefähig sind, so erklärt der BGH insoweit das Kapitalaufbringungsrecht für unanwendbar und beschränkt sich auf die Einhaltung der Vorschriften zur Kapitalerhaltung6. Mit anderen Worten: Gerade die Geschäfte zwischen GmbH und Gesellschafter, die nicht einlagefähige Gegenstände betreffen und daher aus Gläubigersicht am gefährlichsten sind, werden von den Vorschriften zur Kapitalaufbringung ausgenommen. Dies ist kein überzeugendes, sondern ein höchst widersprüchliches Konzept. Eine gesetzliche Neuregelung ist daher dringend geboten.

1 Ausführlich Bayer GmbHR 2010, 1289, 1294 ff; vgl bereits grundlegend Bayer ZGR 2007, 220 ff; Bayer Gutachten 67. DJT 2008, E 118 ff; ähnlich J. Vetter Gutachten 66. DJT 2006, P 75, 89 ff; Vossius NotBZ 2006, 373 ff; vgl weiter Drygala ZIP 2006, 1797, 1800 ff; Noack DB 2007, 1395, 1397; Heckschen DStR 2007, 1442, 1448 f; aA Ulmer ZIP 2008, 45, 52; M. Winter FS Priester, 2007, S. 867, 872 f; Maier-Reimer/Wenzel ZIP 2009, 1185, 1195. 2 Sympathisierend Herrler DB 2008, 2347, 2352; Dauner-Lieb AG 2009, 217, 220 f; Scholz/ Veil Rn 9 aE. 3 Dazu auch Bayer FS Kanzleiter, 2010, S. 75, 85 f. 4 Ebenso Dauner-Lieb AG 2009, 217, 221. 5 So auch Goette WPg 2008, 231, 234, 238; ausführlich K. Schmidt GmbHR 2008, 449 ff. 6 S. auch (zur AG) BGHZ 191, 364 = AG 2012, 87 Rn 32 – Babcock Borsig (keine verdeckte Sacheinlage bei Vergleich über Differenzhaftungsanspruch des Inferenten); vgl weiter BGH GmbHR 2011, 705 mit Anm Cramer EWiR 2011, 669; Tröger WuB II C § 19 GmbHG 1.11: Keine verdeckte Sacheinlage, wenn Bareinlage für Ablösung eines Bankdarlehens der GmbH verwendet wird, für das sich der Inferent verbürgt hat (näher Rn 59).

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2. Voraussetzungen a) Grunddefinition Unverändert geblieben sind die tatbestandlichen Voraussetzungen1 (trotz der 58 Kritik, die Fallgruppen der verdeckten Sacheinlage seien „nicht eindeutig“2). Die neu geschaffene Legaldefinition in § 19 Abs. 4 Satz 1 orientiert sich vielmehr an der früher ständigen Rspr3. Danach liegt eine verdeckte Sacheinlage vor, wenn (1) die Bareinlage des Inferenten bei wirtschaftlicher Betrachtung einer Sacheinlage entspricht (wirtschaftliche Entsprechung) und (2) die Einbringung des Vermögenswerts aufgrund einer im Zusammenhang mit der ursprünglichen Einlageleistung getroffenen Abrede erfolgt (vorherige Absprache)4. Im klassischen Fall einer verdeckten Sacheinlage liefert der Gesellschafter der Gesellschaft Waren oder andere sacheinlagefähige Gegenstände, und der Kaufpreis wird mit der Bareinlageschuld verrechnet5. In der fortschrittlicheren Abwandlung6 findet dagegen keine Verrechnung statt, vielmehr werden hier Kaufpreis und Bareinlage hin- und hergezahlt, wobei die Reihenfolge keine Rolle spielt7; denn in beiden Varianten des Hin- und Herzahlens gleicht die Geldleistung des Einlegers einem „geworfenen Ball, der an einem Gummiband hängt und wieder zurückschnellt“8. Die Regelung findet gemäß § 56 Abs. 2 auch auf Kapitalerhöhungen Anwendung9 (näher § 56 Rn 8). Zur verdeckten gemischten Sacheinlage: Rn 91 f. Zur bislang wenig diskutierten (im Ergebnis aber wohl zu verneinenden) Frage, ob eine sog Stafettengründung als verdeckte Sacheinlage zu qualifizieren ist: DNotIReport 2015, 73, 75 ff mwN.

1 So ausdrücklich auch BGHZ 180, 38 = GmbHR 2009, 540 Rn 8 – Qivive; Pentz GmbHR 2009, 505, 507. 2 So Seibert/Decker ZIP 2008, 1208, 1210. 3 So etwa BGHZ 155, 329, 334 f = GmbHR 2003, 1051, 1053; BGHZ 166, 8 = GmbHR 2006, 477 Rn 11 – Cash-Pool I. 4 BGHZ 185, 44 = GmbHR 2010, 700 Rn 12 – AdCoCom = NJW 2010, 1950 mit Anm Altmeppen; BGHZ 182, 103 = GmbHR 2009, 926 – Cash-Pool II; dazu Altmeppen ZIP 2009, 1545; Maier-Reimer EWiR 2009, 537; BGHZ 180, 38 = GmbHR 2009, 540 – Qivive; dazu Schodder EWiR 2009, 443; BGHZ 166, 8 = GmbHR 2006, 477 – Cash-Pool I; BGHZ 155, 329 = GmbHR 2003, 1051 mit Anm Bormann. 5 Beispiele: BGHZ 132, 141, 143 = GmbHR 1996, 351, 352; BGHZ 152, 37, 42 = GmbHR 2002, 1193, 1194. 6 Weitere Fallgruppen bei Priester ZIP 1991, 345, 352 ff; Ulmer ZHR 154 (1990), 128, 131 ff; von Gerkan GmbHR 1992, 433, 434 ff. 7 Beispiele: BGHZ 155, 329, 333 = GmbHR 2003, 1051, 1052 (Grundstück); BGHZ 28, 314, 316 ff (Lizenz); OLG Hamburg GmbHR 1988, 219, 220 (Waren); OLG Hamm GmbHR 1995, 823 LS (Konstruktionszeichnungen); OLG Köln NZG 2000, 489 f (Wertpapiere). 8 So BGHZ 28, 314, 319 f. 9 Dazu jüngst auch BGH GmbHR 2016, 479 mit Anm Illhardt.

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§ 19 | Leistung der Einlagen b) Abgrenzung bei nicht einlagefähiger Leistung 59 Wird die Bareinlage an den Inferenten (oder einen ihm zuzurechnenden Drit-

ten: näher Rn 72 ff) als Bezahlung für eine nicht einlagefähige Leistung erbracht, so scheidet der Tatbestand der verdeckten Sacheinlage aus1. Dies gilt insbesondere im Falle, dass der Gesellschafter die Bareinlage leistet und anschließend für geleistete Geschäftsführer-Dienste von der GmbH entlohnt wird. Unter Aufhebung der gegenteiligen Rechtsprechung des OLG Düsseldorf2 hat der BGH in der Qivive-Entscheidung für diese Konstellation insoweit zutreffend ausgeführt, dass mangels „Umgehung“ der Sacheinlagevorschriften (Dienstleistungen sind nicht einlagefähig, vgl § 5 Rn 18) die Grundsätze über die verdeckte Sacheinlage nicht zur Anwendung kommen können3. Abgelehnt wurde vom BGH zugleich die vermittelnde Theorie von der „unzulässigen Sacheinlage“, die insbesondere großzügige Ausnahmeregelungen gestatten wollte4. Im Ergebnis sicherlich zutreffend hat der BGH klargestellt, dass die Zahlung einer angemessenen Vergütung an den Gesellschafter-Geschäftsführer auch dann zulässig ist, wenn diese Zahlung im Zusammenhang mit seiner zuvor erbrachten Bareinlage steht5. In der Eurobike-Entscheidung hat der BGH diese Rechtsprechung zutreffend auf (zeitlich vor der Einlageleistung erbrachte) Beratungs-Dienstleistungen erweitert (zum Her- und Hinzahlen: näher Rn 128)6. Zu kritisieren ist daher nicht die Ablehnung der Rechtsfigur der verdeckten Sacheinlage7, jedoch die rechtskonstruktive Bewältigung der Problematik durch den BGH (dazu Rn 60): So wird die Einlageschuld – entgegen Qivive8 – nicht bereits dadurch erfüllt, dass die Einlageleistung nicht für die Geschäftsführervergütung „reserviert“ wurde9. Vielmehr 1 Zusammenfassend Bayer/Lieder NZG 2010, 86, 87 mwN. Nicht einlagefähig ist auch die Einbringung eigener Anteile der GmbH (vgl § 5 Rn 10); dazu BGH AG 2011, 876 Rn 14; Scholz/Veil Rn 127 aE. 2 OLG Düsseldorf GmbHR 1995, 518 sowie mit ausführlicher Begründung OLG Düsseldorf BB 2008, 180 mit Anm Theusinger. 3 BGHZ 180, 38 = GmbHR 2009, 540 – Qivive; dazu Habersack GWR 2009, 129 ff; Lieder LMK 2009, 284066; Wachter DStR 2010, 1240 ff; insoweit ausdrücklich zustimmend Bayer/Lieder NZG 2010, 86, 87 mwN. 4 Hoffmann NZG 2001, 433 ff; vgl auch Hofmeister AG 2010, 261 ff (zur AG). 5 BGHZ 180, 38 = GmbHR 2009, 540 (LS 1) – Qivive; vgl bereits Habersack FS Priester, 2007, S. 157 ff und Giedinghagen/Lakenberg NZG 2009, 201 ff; zustimmend Bayer/Lieder NZG 2010, 86 ff. 6 BGHZ 184, 158 = GmbHR 2010, 421 mit Anm K. Müller = DNotZ 2010, 456 mit Anm Priester = BB 2010 mit Anm Theusinger/Peitsmeyer; vgl auch Bayer/Fiebelkorn LMK 2010, 304619; Lieder EWiR 2010, 169; Wachter NJW 2010, 1715 ff. 7 In diese Richtung aber Pentz GmbHR 2009, 505, 508 f; Priester DNotZ 2010, 456, 463 f; vgl auch Herrler NZG 2010, 407, 409. 8 BGHZ 180, 38 LS 2 und Rn 17 = GmbHR 2009, 540. 9 Ausführlich Bayer/Lieder NZG 2010, 86, 88; vgl auch Beneke ZIP 2010, 105, 108; Herrler NZG 2010, 407, 408 f; zweifelnd auch Habersack GWR 2009, 129, 130 f; dem BGH zustimmend indes M. Schwab notar 2014, 223, 240.

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ist zu verlangen, dass die erbrachte Leistung des Inferenten für die GmbH sinnvoll war und auch nicht unangemessen vergütet wurde1. Die Beweislast hierfür liegt beim Inferenten; dies folgt aus einem arg a maiore ad minus aus der Beweislastregelung in § 19 Abs. 4 Satz 5 (dazu Rn 79)2. Ebenfalls ausgeschlossen ist es – und insoweit seit BGH NJW 1979, 216 unstreitig –, dass die Einlage hier nicht im Wege der Aufrechnung/Verrechnung mit Dienstleistungen erbracht werden kann3. Allein durch dieses Lösungsmodell wird verhindert, dass die Einbringung eines 60 nicht einlagefähigen Gegenstands für den Inferenten günstiger verläuft als die verdeckte Einbringung einer einlagefähigen Sache; aus Sicht der zu schützenden GmbH-Gläubiger wäre dieses Ergebnis widersprüchlich, was im Schrifttum vielfach und zu Recht moniert wurde4. c) Präzisierung des Tatbestands Eine Umgehungsabsicht der Beteiligten ist nicht erforderlich5 (allgemeine Mei- 61 nung). Es reicht aus, dass der Zweck der umgangenen Norm(en) objektiv verletzt wird6. Ob dies bewusst oder unbewusst geschieht, ist ohne Belang7. Dies bedeutet jedoch noch nicht, dass bereits allein ein sachlicher und zeitlicher Zusammenhang zwischen Bareinlage und Gegengeschäft für das Vorliegen einer verdeckten Sacheinlage ausreicht8. Dies würde nämlich bedeuten, dass den Gesellschaftern im kritischen Zeitraum jegliche Rechtsgeschäfte mit der Gesellschaft verboten wären; zutreffend sind jedoch Verkehrsgeschäfte, die nicht mit der Einlage gekoppelt sind, zwischen Gesellschaft und Gesellschafter grundsätzlich zulässig9. Die Abgrenzung kann daher nur unter Einbeziehung eines subjektiven Merkmals erfolgen. 1 Bayer/Lieder NZG 2010, 86, 88, vgl auch Lieder LMK 2009, 284066 (zu Qivive); Bayer/ Fiebelkorn LMK 2010, 304619 (zu Eurobike); im Ergebnis auch BGHZ 184, 158 = GmbHR 2010, 421 – Eurobike; vgl weiter Herrler NZG 2010, 407, 409. 2 Bayer/Fiebelkorn LMK 2010, 304619; unklar BGHZ 184, 158 = GmbHR 2010, 421 – Eurobike. 3 Ausführlich hierzu Habersack FS Priester, 2007, S. 157, 164 ff. 4 Zutreffend Pentz GmbHR 2009, 505, 508 f; vgl auch noch Bayer GmbHR 2004, 445, 451, 453; ähnlich Priester DNotZ 2010, 456, 465; K. Müller GmbHR 2010, 424, 425; MünchKomm/Schwandtner Rn 191 f; ausführlich Bayer/Lieder NZG 2010, 86 ff. 5 BGHZ 175, 265 Rn 13 – Rheinmöve; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 125; MünchKomm/ Schwandtner Rn 224. 6 Ausführlich Teichmann Die Gesetzesumgehung, 1962, S. 67 ff. 7 Vgl BegrRegE, BT-Drucks 16/6140, S. 40. 8 So aber früher etwa OLG Brandenburg GmbHR 1998, 1033; OLG Hamm GmbHR 1995, 821, 823. 9 OLG Hamm BB 1990, 1221, 1222 = GmbHR 1990, 559; OLG Karlsruhe ZIP 1991, 27, 28 = GmbHR 1991, 199; Bayer ZIP 1998, 1985, 1987 f mwN.

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§ 19 | Leistung der Einlagen 62 Zutreffend verlangt daher § 19 Abs. 4 Satz 1 – im Anschluss an die ständige

Rechtsprechung des BGH1 und die herrschende Lehre2 aus der Vor-MoMiGZeit – eine Abrede (iwS), aus der sich ergibt, dass die Bareinlage des Gesellschafters im wirtschaftlichen Ergebnis durch eine andere Leistung als in Geld erbracht werden soll oder kann. Diese Abrede – ausreichend ist auch eine stillschweigende Billigung3 – muss im Zusammenhang mit der Übernahme des Geschäftsanteils (früher: Einlage) entweder zwischen den Gesellschaftern (so stets bei der Gründung, weil der Geschäftsanteil im Rahmen der Satzungsfeststellung übernommen wird4: vgl § 3 Rn 13 ff, 17) oder auch zwischen Inferent und Gesellschaft, vertreten durch den Geschäftsführer (so etwa bei einer Kapitalerhöhung, vgl § 55 Rn 33 ff)5, getroffen worden sein6.

63 Beweislast/Vermutung: Ein konkreter (von der GmbH oder dem Insolvenzver-

walter zu erbringender7) Nachweis ist allerdings in der Praxis oftmals ohne Bedeutung, da bei Vorliegen eines sachlichen und zeitlichen Zusammenhangs8 – meist werden 6 Monate genannt9, 8 Monate sind schon zu lang10 – eine solche Abrede vermutet wird11; der somit beweispflichtige Gesellschafter wird die Vermutung idR nur bei einem eindeutigen Verkehrsgeschäft widerlegen können. Ist die Abrede erwiesen, liegt allerdings eine verdeckte Sacheinlage auch dann vor, wenn der zeitliche Zusammenhang nicht gegeben ist12. Dass es sich bei dem Verkehrsgeschäft um ein „gewöhnliches Umsatzgeschäft im Rahmen des laufenden Geschäftsverkehrs“ handelt, schließt eine verdeckte Sacheinlage nicht aus13;

1 BGHZ 185, 44 = GmbHR 2010, 700 Rn 12 – AdCoCom; BGHZ 182, 103 = GmbHR 2009, 926 – Cash-Pool II; zum früheren Recht auch BGHZ 152, 37, 43 f = WuB II C. § 19 GmbHG 1.03 mit Anm Bayer. 2 Zusammenfassend Bayer/Lieder GmbHR 2006, 449, 450 mwN. 3 So BGHZ 166, 8 = GmbHR 2006, 477 Rn 13 – Cash-Pool I; MünchKomm/Schwandtner Rn 224. 4 So BGHZ 155, 329, 335 = GmbHR 2003, 1051 mit zustimmender Anm Pentz ZIP 2003, 2093, 2096; vgl für AG auch BGHZ 170, 47, Rn 13. 5 So BGHZ 132, 133, 139; vgl auch BGHZ 166, 8 = GmbHR 2006, 477 Rn 13 – Cash-Pool I (steht gleich). 6 Ähnlich Scholz/Veil Rn 128 aE; MünchKomm/Schwandtner Rn 225; R/A/Roth Rn 65. 7 Scholz/Veil Rn 141 aE; MünchKomm/Schwandtner Rn 301; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 126. 8 Dazu näher MünchKomm/Schwandtner Rn 228; Scholz/Veil Rn 129. 9 OLG Köln ZIP 1999, 399, 400 = GmbHR 1999, 663; B/H/Fastrich Rn 49 mwN. 10 BGHZ 152, 37, 45 = GmbHR 2002, 1193; Scholz/Veil Rn 129. 11 BGHZ 166, 8 Rn 13; BGHZ 153, 107, 109; BGHZ 132, 133, 139; BGHZ 125, 141, 143 f; Bayer/Lieder GmbHR 2006, 449, 450. 12 BGHZ 132, 141, 148 = GmbHR 1996, 351, 353; Bayer GmbHR 2004, 445, 448; Bayer/ Lieder GmbHR 2006, 449, 451; Strohn DB 2014, 1535, 1538. 13 BGHZ 170, 47 Rn 21 ff (AG); nochmals bestätigt durch BGH GmbHR 2008, 483 Rn 13; ebenso LG Frankfurt/O ZInsO 2008, 569, 570; aA Henze ZHR 154 (1990), 105, 112 f; sehr großzügig OLG Hamm NZG 2005, 184, 185 mwN.

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bei alltäglichen Umsatzgeschäften greift die Vermutung der Abrede aber nicht in jedem Fall (dazu noch Rn 59 für nicht sacheinlagefähige Leistungen)1. Bei Einpersonen-Gründungen genügt ein entsprechendes „Vorhaben“ des ein- 64 zigen Gesellschafters2. Nachträgliche Abrede: Wegen Verstoßes gegen §§ 7 Abs. 2, 8 Abs. 2 unwirksam 65 – aber kein Fall der verdeckten Sacheinlage (!) – ist auch jede Leistung der Bareinlage, wenn die alsbaldige Rückgewähr gegen eine Sachleistung nicht bei der Übernahme des Geschäftsanteils, sondern erst später (idR mit dem Geschäftsführer der Gesellschaft) verabredet wird (dazu auch § 7 Rn 24)3; in dieser Konstellation gilt jedoch § 19 Abs. 4 analog4 (dazu Rn 70). Wird die Rückzahlung indes erst nach Einlageleistung oder sogar erst nach Eintragung der GmbH (bzw der Kapitalerhöhung) vereinbart (und greift auch nicht eine anders lautende Vermutung, vgl Rn 63), dann gilt nicht § 19 Abs. 4 (analog), sondern § 305. d) Forderungsverrechnung Als verdeckte Sacheinlage zu qualifizieren ist auch (insbesondere bei Kapital- 66 erhöhung) die abredegemäß erfolgte Verrechnung mit Darlehensforderungen6, Gewinnansprüchen7, Miet- und Pachtzinsansprüchen8 oder sonstigen Forderungen9, die dem Gesellschafter im Zeitpunkt der Begründung der Einlageschuld gegen die GmbH zustehen (sog Altforderungen)10. Denn eingebracht wird hier bei wirtschaftlicher Betrachtung kein Bargeld, sondern die gegen die Gesellschaft bestehende Forderung11, und zwar nicht notwendigerweise in Höhe ihres Nominalwerts, sondern nur in Höhe ihres Verkehrswertes (ausführlich § 5 Rn 25). 1 Vgl BGHZ 170, 47 Rn 24; OLG Hamm ZIP 2005, 1138, 1140; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 126. 2 BGHZ 185, 44 = GmbHR 2010, 700 Rn 11 – AdCoCom; BGH GmbHR 2008, 483 f Rn 12 = WuB II C. § 19 GmbHG 1.08 (Westermann); R/S-L/Pentz Rn 111. 3 Wie hier MünchKomm/Schwandtner Rn 226; vgl ausführlich Ulmer ZHR 154 (1990), 128, 140 f; Bayer GmbHR 2004, 445, 450; Pentz ZIP 2003, 2093, 2096. 4 So auch MünchKomm/Schwandtner Rn 226; R/S-L/Pentz Rn 213; B/H/Fastrich Rn 53. 5 So bereits für die AG K. Schmidt/Lutter/Bayer § 27 AktG Rn 61 aE; vgl ebenso MünchKomm/Schwandtner Rn 226; Michalski/Ebbing Rn 142. 6 Grundlegend BGHZ 110, 47, 49; BGHZ 125, 141, 142 = GmbHR 1994, 394; OLG Celle GmbHR 2003, 898; vgl weiter U/H/L/Ulmer/Casper Rn 122; Bayer FS Kanzleiter, 2010, S. 75 ff mwN. 7 BGHZ 113, 335, 336 ff = GmbHR 1991, 255; BGHZ 152, 37 ff = GmbHR 2002, 1193. 8 BGHZ 153, 107, 112 = GmbHR 2003, 231; obiter schon BGHZ 132, 141, 144 = GmbHR 1996, 351. 9 Beispiel: OLG Stuttgart GmbHR 2002, 1123, 1125 ff. 10 Ablehnend Knobbe-Keuk DB 1990, 2573, 2583; Geßler FS Möhring, 1975, S. 173 ff. 11 Scholz/Veil Rn 125; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 122; ausführlich bereits Bayer ZIP 1998, 1985, 1988 f.

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§ 19 | Leistung der Einlagen Gleiches gilt, wenn das Darlehen von der GmbH zurückgezahlt und sogleich wieder als Einlage an die GmbH geleistet wird1 (vgl auch Rn 13). Dies gilt nach bestrittener, aber von BGHZ 132, 141, 145 ff = GmbHR 1996, 351 und BGHZ 152, 37 42 ff = GmbHR 2002, 1193 bestätigter hM auch dann, wenn die Forderung des Gesellschafters im Zeitpunkt der Kapitalerhöhung noch nicht bestand (sog Neuforderung), sie jedoch absehbar war und die Beteiligten zu diesem Zeitpunkt2 bereits das Koppelungsgeschäft verabredet hatten. Eine solche Abrede wird allerdings dann nicht (mehr) vermutet, wenn zwischen dem Kapitalerhöhungsbeschluss und der später erfolgten Verrechnung mehr als 8 Monate verstrichen sind; in diesem Fall galten nach früherem Recht im Hinblick auf eine Forderungsverrechnung die allgemeinen Regeln3. Zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen findet jedoch nach heutigem Recht im Rahmen der Aufrechnungsvereinbarung gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 eine Anrechnung gemäß § 19 Abs. 4 Satz 3 statt4 (vgl Rn 36); der früheren (Abgrenzungs-)Problematik kommt daher heute keine Bedeutung mehr zu. Nicht als verdeckte Sacheinlage qualifiziert wird vom BGH die Leistung einer Bareinlage, mit der ein Bankdarlehen der GmbH abgelöst werden soll, für das sich der Inferent verbürgt hat5. e) Anwendung bei Musterprotokoll und UG (haftungsbeschränkt)? 67 Sowohl bei der vereinfachten Gründung mittels Musterprotokolls (vgl § 2

Abs. 1a Satz 3; § 2 Rn 61) als auch bei der UG (haftungsbeschränkt) (§ 5a Abs. 2 Satz 2; § 5a Rn 20) ist eine Sachgründung nicht möglich. Es stellt sich die Frage nach der Rechtsfolge, wenn die Bareinlage als Gegenleistung für einen Sacherwerb des Inferenten verwendet wird:

68 aa) Bei der vereinfachten Gründung mittels Musterprotokolls ist die entspre-

chende Anwendung der Regeln der verdeckten Sacheinlage einmütig anerkannt6.

1 OLG Köln GmbHR 2010, 1213 mit zustimmender Anm Wachter EWiR 2011, 81. 2 So ausdrücklich BGHZ 152, 37, 43 = GmbHR 2002, 1193, 1194 mit zustimmender Anm Bayer WuB II C. § 19 GmbHG 1.03; Habersack FS Priester, 2007, S. 157, 166; Winter FS Priester, 2007, S. 867, 868. 3 So BGHZ 152, 37 = GmbHR 2002, 1193; kritisch indes Noack LMK 2003, 63. 4 So auch OLG Köln GmbHR 2010, 1213 mit zustimmender Anm Wachter EWiR 2011, 81. 5 BGH GmbHR 2011, 705 mit kritischer Anm Podewils und Anm Cramer EWiR 2011, 669 (mit dem Argument, die aufschiebend bedingte, aber ungewisse Regressforderung des Bürgen sei kein tauglicher Sacheinlagegegenstand, dazu noch bei Rn 59; kritisch auch Tröger WuB II C. § 19 GmbHG 1.11; dem BGH zustimmend aber Scholz/Veil Rn 127). 6 U/H/L/Ulmer/Casper Rn 113; MünchKomm/Lieder § 56 Rn 94; Kersting VGR 14 (2009), S. 101, 124; Herrler DB 2008, 2347, 2349 f; Rezori RNotZ 2011, 125, 141.

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bb) Dagegen wird bei der UG (haftungsbeschränkt) die von der hM vertretene 69 entsprechende Anwendung des § 19 Abs. 41 (vgl schon § 5a Rn 27 ff) von einer breiten Gegenauffassung in Abrede gestellt; sie folgert aus der Unzulässigkeit der Sachgründung das Gegenteil und gelangt im Ergebnis zu einer Fortgeltung der strengen Grundsätze aus der Vor-MoMiG-Zeit2. Diese Auffassung ist indes unhaltbar. Denn sie führt wertungsmäßig zu dem widersprüchlichen Ergebnis, dass die Kapitalbindung in der UG (haftungsbeschränkt) stärker ausgeprägt wäre als in der regulären GmbH. Dies widerspricht dem legislatorischen Anliegen, das Gründungsverfahren zu deregulieren. Im Übrigen können Gläubigerinteressen nicht geltend gemacht werden, da der Ausschluss der Sacheinlage nach § 5a Abs. 2 Satz 2 (genauso wie nach § 2 Abs. 1a Satz 3) allein der erleichterten Gründung dienen soll, nicht aber dem Schutz der Gesellschaftsgläubiger. Das Problem wird im Übrigen auch falsch lokalisiert: Denn dogmatisch bedeutet die Unzulässigkeit der Sachgründung, dass nach Maßgabe der Qivive- und Eurobike-Rechtsprechung (Rn 59) bereits der Tatbestand der verdeckten Sacheinlage hier gar nicht vorliegt. Denn eine „Umgehung“ findet auch hier nicht statt: Niemand verbietet es dem UG-Gesellschafter, nach Gründung der UG eine Sache an die UG zu veräußern, die mit Mitteln der Bareinlage bezahlt wird, vorausgesetzt, sie ist werthaltig. Ebenso wie in den Fällen der nicht-einlagefähigen Sachleistungen (ausführlich Rn 59) ist somit allein die Sinnhaftigkeit und Werthaltigkeit Maßstab für eine ordnungsgemäße Kapitalaufbringung. Daraus folgt weiterhin, dass sich der UG-Geschäftsführer bei Einhaltung dieser Anforderungen weder haftbar noch (wegen falscher Anmeldung) strafbar macht (dazu Rn 85). Will man der hier vertretenen Auffassung nicht folgen, so muss zumindest (arg a maiore ad minus) die Rechtsfolge des § 19 Abs. 4 zur Anwendung kommen. Die Rückkehr in die Vor-MoMiG-Zeit ist anachronistisch. f) Leistung an Erfüllungs statt und Leistung erfüllungshalber Im Falle der unzulässigen (Rn 18) Leistung an Erfüllungs Statt sind die Rechts- 70 folgen des § 19 Abs. 4 analog heranzuziehen3: Die Bareinlagepflicht besteht 1 So etwa MünchKomm/Lieder § 56 Rn 92 ff; nunmehr auch MünchKomm/Schwandtner Rn 182; R/A/Roth § 5a Rn 21; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 112; Bayer/Hoffmann/Lieder GmbHR 2010, 9, 12; Heinze GmbHR 2008, 1065, 1066; Herrler DB 2008, 2347, 2349; Habersack GWR 2010, 107, 109; Kersting VGR 14 (2009), S. 101, 122 f; Waldenberger/Sieber GmbHR 2009, 114, 117; Witt ZIP 2009, 1102, 1104 f; Hennrichs NZG 2009, 921, 923 f; Veil ZGR 2009, 623, 631 ff; Wälzholz GmbHR 2008, 841, 843 f; Tebben RNotZ 2008, 441, 445; ausführlich Pentz FS Goette, 2011, S. 355, 357 ff. 2 So etwa B/H/Fastrich Rn 48; B/S/Schäfer § 5a Rn 23; Wicke § 5a Rn 8; Bormann GmbHR 2007, 897, 901; Schall ZGR 2009, 126, 152; Ulmer GmbHR 2010, 1298, 1299; Rezori RNotZ 2011, 125, 147. 3 R/A/Roth Rn 25, 45; B/H/Fastrich Rn 53; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 55; Scholz/Veil Rn 102; MünchKomm/Schwandtner Rn 63, 220; für direkte Anwendung Heinze GmbHR 2008, 1068, 1069; abweichend Maier-Reimer ZIP 2009, 1185, 1196.

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§ 19 | Leistung der Einlagen fort, wird aber um den Wert des zur Erfüllung hingegebenen Vermögensgegenstandes gemindert. Die Vereinbarung über die Erfüllung der ursprünglichen Schuld und das dingliche Ausführungsgeschäft sind wirksam1. Dies gilt in gleicher Weise, wenn eine andere als die im Gesellschaftsvertrag vereinbarte Sacheinlage eingebracht wird2 oder die Festsetzung im Gesellschaftsvertrag unrichtig oder unvollständig war3 (§ 5 Rn 32). 71 Unproblematisch zulässig ist hingegen die Leistung erfüllungshalber (§ 364 Abs. 2 BGB); denn die Einlageforderung geht erst unter, sobald die Gesellschaft aus der weiteren Verbindlichkeit volle Befriedigung erlangt hat4 (zur Scheckzahlung Rn 14 aE). 3. Einschaltung Dritter 72 Auch bei Einschaltung Dritter – sei es auf Seiten der Gesellschaft, sei es auf Sei-

ten des Gesellschafters – kann eine verdeckte Sacheinlage vorliegen, wenn der Dritte der Gesellschaft oder dem Gesellschafter zugerechnet werden kann. Wann genau dies der Fall ist, ist jedoch noch immer nicht eindeutig geklärt. Es muss hierbei jedoch deutlich zwischen der Zurechnung auf Seiten des Gesellschafters (Inferenten) und der Zurechnung auf Seiten der (neu gegründeten oder ihr Kapital erhöhenden) Gesellschaft unterschieden werden. Denn in der letzteren Konstellation erhält die GmbH anstelle der Barmittel einen Sachwert, wobei die Barmittel lediglich nicht unmittelbar an den Inferenten zurückfließen, sondern an den Dritten, mit dem das Verkehrsgeschäft abgeschlossen wird. Hier stellt sich die Problematik der Zurechnung unter dem Aspekt der Kapitalaufbringung in besonderer Schärfe. Daher haben sich Rechtsprechung und Schrifttum ganz überwiegend mit dieser Alternative beschäftigt. Ein Schattendasein fristet hingegen die Konstellation, dass die neu gegründete oder kapitalerhöhende Gesellschaft die zugesagten Barmittel erhält, diese Mittel jedoch aus einem Verkehrsgeschäft resultieren, das zwischen dem Inferenten und dem Dritten durchgeführt wurde. Eine Zurechnung auf Seiten des Gesellschafters (Inferenten) erfolgt nach der ständigen Rspr des BGH in den Fällen, in denen das Verkehrsgeschäft zwar mit einem Dritten abgeschlossen wird, jedoch „der Einlageschuldner durch die Leistung an den Dritten in gleicher Weise begünstigt wird wie im Falle, dass an ihn selbst geleistet worden wäre“5. Diese Vorausset-

1 Wie hier B/H/Fastrich Rn 53; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 55; MünchKomm/Schwandtner Rn 63, 220. 2 Veil ZIP 2007, 1241, 1246; MünchKomm/Schwandtner Rn 63, 220; R/A/Roth Rn 45; vgl für AG auch K. Schmidt/Lutter/Bayer § 27 AktG Rn 65. 3 U/H/L/Ulmer/Casper Rn 55; Scholz/Veil Rn 102. 4 Scholz/Veil Rn 104; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 54; MünchKomm/Bayer § 66 AktG Rn 26. 5 BGHZ 125, 141, 144 f = GmbHR 1994, 394, 395; nahezu wortgleich auch BGHZ 132, 133, 136 = GmbHR 1996, 283; BGHZ 153, 107, 111 = GmbHR 2003, 231; BGHZ 166, 8 = GmbHR 2006, 477 Rn 18 – Cash-Pool I; BGHZ 170, 47 = AG 2007, 121 Rn 15; BGHZ

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zung ist etwa erfüllt, wenn der Dritte als Treuhänder für Rechnung des Inferenten handelt1 oder umgekehrt der Inferent die Beteiligung an der GmbH für Rechnung des Dritten hält2, aber etwa auch dann, wenn im Rahmen einer Unternehmensverbindung die Leistung aus dem Verkehrsgeschäft einem Unternehmen zufließt, an dem der Einlageschuldner „maßgeblich beteiligt“ ist3, insbesondere an ein „beherrschtes Unternehmen“4. Umgekehrt kann auch die Leistung an ein Unternehmen, von dem der Inferent seinerseits abhängig ist, einer Leistung an den Inferenten gleichstehen5. Keine verdeckte Sacheinlage liegt nach BGHZ 171, 113 ff indes vor, wenn die von einer Zwischenholding an die Tochter geleistete Bareinlage im Rahmen einer Konzernumstrukturierung absprachegemäß zum Erwerb des Unternehmens einer anderen zu 100 % von der Konzernspitze abhängigen Konzerngesellschaft verwendet wird, an welcher die Inferentin weder unmittelbar noch mittelbar beteiligt ist6. Anders als das OLG München (Vorinstanz)7 sah der BGH den mittelbaren Mittelzufluss an die Konzernspitze hier als unschädlich an8. Eine Zurechnung auf Seiten der GmbH erfolgt nach der Rechtsprechung zweifellos dann, wenn zwischen Inferent, GmbH und Tochterunternehmen ein „geschlossener Geldkreislauf“ stattfindet9; in diesem Fall fehlt es indes bereits am Gebot der Einzahlung zur endgültig freien Verfügung (vgl § 7 Rn 18 ff). Im Schrifttum wird teilweise eine weitergehende Zurechnung befürwortet10.

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171, 113 = GmbHR 2007, 433 Rn 8 – Flender; BGHZ 182, 103 = GmbHR 2009, 926 Rn 32 – Cash-Pool II; BGHZ 184, 158 = GmbHR 2010, 421 Rn 13 – Eurobike. BGHZ 152, 37, 45 = GmbHR 2002, 1193, 1194; MünchKomm/Schwandtner Rn 237; vgl zur AG auch K. Schmidt/Lutter/Bayer § 27 AktG Rn 67. BGHZ 110, 47, 66 f; MünchKomm/Schwandtner Rn 237; vgl zur AG auch K. Schmidt/ Lutter/Bayer § 27 AktG Rn 67. BGHZ 125, 141, 144 f = GmbHR 1994, 394, 395; BGHZ 132, 133, 136 = GmbHR 1996, 283; ausführlich MünchKomm/Schwandtner Rn 241 ff; vgl zur AG auch K. Schmidt/ Lutter/Bayer § 27 AktG Rn 67. So BGHZ 166, 8 = GmbHR 2006, 477 – Cash-Pool I; BGHZ 171, 113 = GmbHR 2007, 433 – Flender; BGHZ 182, 103 = GmbHR 2009, 926 Rn 32 – Cash-Pool II; BGHZ 184, 158 = GmbHR 2010, 421 Rn 13 – Eurobike. Befürwortend MünchKomm/Schwandtner Rn 245 ff; Bork NZG 2007, 375, 376; vgl auch BGHZ 171, 113 = GmbHR 2007, 433 Rn 8 – Flender. BGHZ 171, 113 = GmbHR 2007, 433 – Flender; zustimmend Scholz/Veil Rn 123; MünchKomm/Schwandtner Rn 248. OLG München GmbHR 2005, 1606. Im Ergebnis zustimmend, aber kritisch gegenüber Begründung Bork NZG 2007, 375 f; ablehnend indes Bormann GmbHR 2007, 435, 436; Koppensteiner GeS 2007, 280 ff. Vgl BGHZ 155, 329 = GmbHR 2003, 1051; LG Mainz AG 1987, 91. So etwa v. Schnurbein GmbHR 2010, 568, 571 ff.

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§ 19 | Leistung der Einlagen 73 Eine generelle Orientierung an den §§ 89 Abs. 3 Satz 1, 115 Abs. 2 AktG, § 138

Abs. 1 InsO wird vom BGH abgelehnt1. Die Regeln über die verdeckte Sacheinlage finden indes Anwendung, wenn die Gesellschaft die vom Gesellschafter erhaltene Bareinlage an ein Drittunternehmen weiterleitet, dessen Gesellschafterkreis weitgehend identisch mit dem der GmbH ist2. Liegt allerdings eine Nähebeziehung iSd §§ 89 Abs. 3 Satz 1, 115 Abs. 2 AktG, § 138 Abs. 1 InsO vor, so kann den Beweisschwierigkeiten (typischerweise des Insolvenzverwalters der GmbH) dadurch begegnet werden, dass dem Inferenten eine sekundäre Behauptungslast auferlegt wird3.

74 Zulässig ist jedoch für die GmbH & Co KG entgegen der Grundsatzentscheidung

des BGH vom 10.12.20074 die Weitergabe der GmbH-Einlage an die KG (ausführlich Rn 102). Zum Cash-Pool ausführlich Rn 129 ff. 4. Rechtsfolgen

75 Die Rechtsfolgen einer verdeckten Sacheinlage sind durch das MoMiG völlig neu

gestaltet worden (§ 19 Abs. 4)5:

a) Anrechnungslösung 76 Die Leistung der Bareinlage befreit den Inferenten nicht von seiner Einlagever-

pflichtung, wie es noch im RegE zum MoMiG vorgesehen war (Rn 55); indes ist der Wert des eingebrachten Vermögensgegenstandes auf die Einlageverpflichtung anzurechnen. Die Sacheinlagevereinbarung sowie die dinglichen Erfüllungsgeschäfte bleiben im Übrigen wirksam. Das Gebot der Leistung zur freien Verfügbarkeit der Geschäftsführung steht der Anrechnung gemäß § 19 Abs. 4 Satz 3 in teleologischer Reduktion der §§ 7 Abs. 2, 8 Abs. 2 nicht entgegen6. Im Einzelnen bedeutet dies: aa) Verdecktes Verkehrsgeschäft

77 Wurde ein verdecktes Verkehrsgeschäft in unzulässiger Weise mit der Einlage-

pflicht gekoppelt, so ist die an sich versprochene (Bar-)Einlageleistung dinglich

1 BGH GmbHR 2011, 705, 707: „Ein Näheverhältnis des Inferenten zum Darlehensgeber (hier: Ehefrau) allein genügt nicht“; vgl weiter MünchKomm/Schwandtner Rn 239; ausführlich Gruschinske GmbHR 2012, 551 ff. 2 BGHZ 170, 47 Rn 15 (AG); BGHZ 153, 107, 111 = WuB II C. § 19 GmbHG 2.03 mit Anm Bayer/Pielka = GmbHR 2003, 231 (OHG); LG Dresden GmbHR 2001, 29, 30 mit Anm Steinecke; LG Leipzig EWiR 2002, 575 mit Anm Voß. 3 So auch MünchKomm/Schwandtner Rn 240. 4 BGHZ 174, 370 ff = GmbHR 2008, 203. 5 Zum früheren Recht s. 16. Aufl, § 5 Rn 47 ff. 6 Zum RegE ebenso Veil ZIP 2007, 1241, 1243; aA Heinze GmbHR 2008, 1065, 1068.

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wirksam erbracht (näher Rn 80); dennoch tritt wegen § 19 Abs. 4 Satz 1 keine Erfüllungswirkung ein1, der Gesellschafter bleibt – wie früher2 – zur erneuten Leistung der Bareinlage verpflichtet3. Auf die Einlageverpflichtung ist allerdings nach § 19 Abs. 4 Satz 3 der Wert des eingebrachten Vermögensgegenstandes anzurechnen. Diese Anrechnung erfolgt ex lege4 mit Vollzug des verdeckten Verkehrsgeschäftes, frühestens jedoch im Zeitpunkt der Eintragung (§ 19 Abs. 4 Satz 4)5; es bedarf somit keiner besonderen Erklärung einer Partei6. Fraglich ist, ob sich Mitgesellschafter gegen eine absprachewidrige Sachleistung wehren können7, etwa im Wege einer einstweiligen Verfügung (actio pro socio) durch die dem Geschäftsführer der Abschluss des verdeckten Verkehrsgeschäftes untersagt wird (vgl dazu auch Rn 86 und ausführlich zur actio pro socio § 13 Rn 51 ff) oder nachträglich durch Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen8. Strukturell ähnelt die Anrechnungslösung der Differenzhaftung im Falle der Überbewertung einer offengelegten Sachübernahme (ausführlich Rn 83)9. Für die Anrechnung ist der objektive Wert (Nettowert ohne USt)10 maßgeblich, 78 den die Sacheinlage im Zeitpunkt der Anmeldung zur Eintragung in das Handelsregister (§ 19 Abs. 4 Satz 3 Halbsatz 1) hat (vgl § 9 Rn 5); erfolgt die Überlassung danach, ist dieser Zeitpunkt entscheidend (§ 19 Abs. 4 Satz 3 Halbsatz 2). Eine spätere Wertsteigerung bzw ein Mehrerlös im Falle der Veräußerung durch die GmbH wirkt nicht zugunsten des Inferenten11; die Rechtslage ist hier nicht anders als im Falle der Differenzhaftung (vgl § 9 Rn 5). Bei mangelhafter Sacheinlage sind Wertsteigerungen aus möglichen Gewährleistungsansprüchen allerdings zu berücksichtigen, jedoch erst, nachdem sie (etwa durch erfolgreiche Nachbesserung oder Nachlieferung) realisiert wurden12. Zur Wertbemessung bei Forderungsverrechnung: Rn 84.

1 Scholz/Veil Rn 132; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 130. 2 Scholz/H. Winter/H.P. Westermann 10. Aufl, § 5 Rn 80a; Bayer ZIP 1998, 1985, 1989 f mwN. 3 Maier-Reimer/Wenzel ZIP 2008, 1449, 1450; Scholz/Veil Rn 132; MünchKomm/ Schwandtner Rn 263. 4 Rechtsausschuss BT-Drucks 16/9737, S. 56; Scholz/Veil Rn 140; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 138; kritisch noch Ulmer ZIP 2008, 45, 53. 5 MünchKomm/Schwandtner Rn 272; Scholz/Veil Rn 135; R/A/Roth Rn 75; Henssler/ Strohn/Verse Rn 57. 6 Rechtspolitische Kritik bei Ulmer ZIP 2008, 45, 52 f; Veil ZIP 2007, 1241, 1244. 7 Dazu Veil ZIP 2007, 1241, 1244. 8 Dazu Markwardt BB 2008, 2414, 2417; vgl auch Handelsrechtsausschuss des DAV NZG 2007, 735 Rn 35; Veil ZIP 2007, 1241, 1244. 9 Ebenso Oppenhoff BB 2008, 1630, 1631. 10 U/H/L/Ulmer/Casper Rn 142; Scholz/Veil Rn 141. 11 Wie hier U/H/L/Ulmer/Casper Rn 141; Henssler/Strohn/Verse Rn 60. 12 B/H/Fastrich Rn 64; Henssler/Strohn/Verse Rn 59.

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§ 19 | Leistung der Einlagen 79 Beweispflichtig für die Werthaltigkeit ist der Gesellschafter (§ 19 Abs. 4 Satz 5)1;

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Unaufklärbarkeit geht somit zu seinen Lasten. Der Nachweis ist möglich durch ein selbständiges Beweisverfahren nach §§ 485 ff ZPO, ggf auch durch eine Klage auf Feststellung des Sachwerts2. Ein sog „Schubladengutachten“ hat hingegen nur eingeschränkten Beweiswert3. Werden nach allgemeinen Regeln Dritte in Anspruch genommen (dazu Rn 72), so trifft sie in gleicher Weise die Beweislast4. Zur (abweichenden) Beweislast für die Voraussetzungen einer verdeckten Sacheinlage: Rn 63. Der schuldrechtliche Teil des (angeblichen) Umsatzgeschäftes sowie das dingliche Erfüllungsgeschäft sind voll wirksam5. Eine Rückabwicklung nach Bereicherungsrecht (inkl Saldierung) sowie nach §§ 985, 987 ff BGB findet nicht (mehr) statt6. Unterschreitet der Wert der verdeckten Sacheinlage die Bareinlageschuld, so bleibt die ursprüngliche, ggf durch die Anrechnung gekürzte Einlageforderung bestehen. Ihr Schicksal bestimmt sich nach allgemeinen Grundsätzen. Daher haften für die (restliche) Einlageschuld die Mitgesellschafter aus § 247 und der Rechtsnachfolger des Gesellschafters nach § 16 Abs. 2; für die Verjährung gilt § 19 Abs. 6 (Rn 16); für den Restbetrag laufen Zinsen nach § 20. Übersteigt hingegen der Wert der verdeckten Sacheinlage die Bareinlageschuld (Beispiel: Der Inferent hat die Sache der GmbH unter Wert verkauft), so findet ebenfalls nur eine Anrechnung in Höhe der Einlageforderung statt; ein Ausgleich für den „Überschuss“ findet nicht statt8. Die Dogmatik der Anrechnungslösung ist heftig umstritten9. Der gesetzlichen Konzeption entspricht am ehesten eine Parallele zur Differenzhaftung bei der offenen Sachübernahme10. Danach findet bei der Anrechnungslösung eine Ver1 MünchKomm/Schwandtner Rn 302; Scholz/Veil Rn 141. 2 So Gehrlein Der Konzern 2007, 771, 784; zustimmend Bayer/Illhardt GmbHR 2011, 505, 511. 3 Handelsrechtsausschuss des DAV NZG 2007, 735, 740 Rn 54; Heckschen BB 2007, 1442, 1449; MünchKomm/Schwandtner Rn 303 mwN; großzügiger Scholz/Veil Rn 141. 4 R/A/Roth Rn 80; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 167 aE. 5 Ulmer ZIP 2009, 293, 295; MünchKomm/Schwandtner Rn 267. 6 MünchKomm/Schwandtner Rn 267; Ulmer ZIP 2009, 293, 299. 7 Beispiel zum früheren Recht: BGHZ 132, 390, 392 ff mit Anm Bayer WuB II C. § 24 GmbHG 1.96; vgl weiter (zum RegE) Bormann GmbHR 2007, 897, 900; Veil ZIP 2007, 1241, 1243. 8 R/A/Roth Rn 82; Ulmer ZIP 2009, 293, 297 f. 9 Dazu Pentz GmbHR 2010, 673, 680 ff; Ulmer ZIP 2009, 293 ff; Riegger/Gayk FS MaierReimer, 2010, S. 557 ff; Maier-Reimer/Wenzel ZIP 2009, 1185 ff; Sernetz ZIP 2010, 2173 ff; M. Schwab notar 2014, 223, 232 ff; vgl weiter MünchKomm/Schwandtner Rn 272 ff; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 139 ff. 10 So zutreffend und ausführlich Benz Verdeckte Sacheinlage und Einlagenrückzahlung im reformierten GmbH-Recht (MoMiG), 2009, S. 119 ff; zustimmend Heidinger in

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rechnung von Einlageleistung und verdecktem Sachgeschäft zum jeweiligen Nominalwert statt; eine wegen Minderwert der Sache verbleibende Differenz ist nachträglich auszugleichen. Nach diesem Modell wird für den Inferenten durch die zunächst ohne Erfüllungswirkung auf die Einlage erbrachte Barzahlung kein Bereicherungsanspruch wegen Zweckverfehlung gegen die GmbH begründet; denn der Zweck ist mit der späteren Anrechnung auf die Einlageschuld eingetreten, und für den Zwischenzeitraum entsteht noch kein Kondiktionsanspruch, weil der Zweck gerade nicht endgültig verfehlt wurde1. Dies gilt infolge der Anlehnung an die Verrechnungsdogmatik bei der offenen Sachübernahme mit Differenzhaftung insbesondere auch dann, wenn die Sache minderwertig ist. Allein im Ausnahmefall, dass es generell nicht zu einer Anrechnung kommt (weil die Eintragung der GmbH bzw der Kapitalerhöhung nicht erfolgt), kann die Zahlung kondiziert werden2. bb) Forderungsverrechnung Wurde eine Darlehensforderung oder ein Gewinnanspruch verrechnet, so ist 84 diese Verrechnung nach § 19 Abs. 4 Satz 1 ebenfalls unwirksam3; die Verpflichtung des Gesellschafters zur Leistung der Bareinlage mindert sich indes gemäß § 19 Abs. 4 Satz 3 um den realen Wert der Gegenforderung des Gesellschafters, die dafür in nomineller Höhe erlischt (vgl Rn 36)4. Der reale Wert der Forderung des Gesellschafters gegen die GmbH bemisst sich nach den gleichen Maßstäben wie im Falle der Verrechnung gemäß § 19 Abs. 25 (dazu Rn 34 ff). Aufgrund der Mitwirkung des Gesellschafters an der beiderseitigen Verrechnungsabrede sind seine Interessen im Gegensatz zu einer einseitigen Aufrechnung durch die Gesellschaft auch bei Erlöschen der Forderung unter Nominalwert ausreichend gewahrt.

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Heckschen/Heidinger, § 11 Rn 247; Michalski/Ebbing Rn 152; ebenso Koch ZHR 175 (2011), 55, 72 („innere Verwandtschaft“ bzw „modifizierte Form der Differenzhaftung“); Kleindiek ZGR 2011, 334, 350; vgl auch Dauner-Lieb AG 2009, 217, 218; Heinze GmbHR 2008, 1065, 1067. Wie hier auch U/H/L/Ulmer/Casper Rn 133 ff; M. Schwab notar 2014, 223, 236; nur im Ergebnis abweichend Maier-Reimer/Wenzel ZIP 2008, 1449, 1452; Scholz/Veil Rn 132 aE, 138 f; Veil/Werner GmbHR 2009, 729, 732 f; ausführlich Sernetz ZIP 2010, 2173, 2176 ff. So auch Pentz GmbHR 2009, 126, 127; MünchKomm/Schwandtner Rn 269 mwN. Wie hier MünchKomm/Schwandtner Rn 268, 278; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 136; B/H/ Fastrich Rn 51. So auch MünchKomm/Schwandtner Rn 278; Scholz/Veil Rn 141. So auch OLG Köln GmbHR 2010, 1213, 1215 mit zustimmender Anm Wachter EWiR 2011, 81 und Besprechung Hermanns DNotZ 2011, 325 ff; vgl weiter OLG Nürnberg ZIP 2010, 2300 (LS 3); B/H/Fastrich Rn 63.

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§ 19 | Leistung der Einlagen b) Anmeldeverfahren, Haftung für falsche Angaben und weitere Sanktionen 85 aa) Liegt eine verdeckte Sacheinlage tatbestandlich vor (Rn 58), gewährleistet

§ 19 Abs. 4 Satz 4, dass der Geschäftsführer bei der Anmeldung auch dann nicht die vollständige Erfüllung nach § 8 Abs. 2 Satz 1 versichern darf, wenn die Bareinlage geleistet wurde und der später zu erwerbende Vermögensgegenstand vollwertig ist (vgl auch § 8 Rn 15)1. Dies gilt selbst dann, wenn das (verabredete) Austauschgeschäft noch nicht vollzogen wurde2. Tut er dies dennoch, droht die Strafbarkeit nach § 82 Abs. 1 Nr. 13; im Falle einer Verurteilung wird Geschäftsführer für 5 Jahre vom Geschäftsführeramt ausgeschlossen (ausführlich § 6 Rn 21, 26).

86 bb) Für falsche Angaben haften Gesellschafter und Geschäftsführer gemäß

§ 9a Abs. 1, Abs. 2 (§ 9a Rn 3 ff) und ggf § 43 Abs. 2 (vgl § 43 Rn 8, 30 f)4, allerdings nur, soweit ein Schaden entstanden ist5 (Beispiel: Rechtsverfolgungskosten6). Zur Durchsetzung dieser Ansprüche kommt für Minderheitsgesellschafter7 eine actio pro socio (dazu § 13 Rn 51 ff) in Betracht8.

87 cc) Handeln die Beteiligten daher korrekt und legen sie die verdeckte Sachein-

lage bei der Anmeldung offen, erfolgt keine Eintragung der GmbH9 und gesetzgeberisches Ziel, Problem für Praxis zu entschärfen, geht ins Leere. Gesellschafter können von der Gesetzesreform daher nur dann profitieren, wenn Geschäftsführer entweder von verdeckter Sacheinlage vor dem Zeitpunkt der Anmeldung keine Kenntnis hat oder unwahre Angaben macht. Auch dies zeigt Widersprüchlichkeit der Gesetzesreform10 (dazu bereits kritisch Rn 56). Aus dem Nachweisproblem resultiert allerdings eine Strafbarkeitslücke: Der sachliche und zeitliche Zusammenhang kann im Rahmen der Strafvorschrift des § 82 nicht

1 Rechtsausschuss BT-Drucks 16/9737, S. 56; ebenso Maier-Reimer/Wenzel ZIP 2008, 1449, 1454; Kindler NJW 2008, 3249, 3250; Wedemann WM 2008, 1381, 1382; Scholz/Veil Rn 159; anders Wälzholz GmbHR 2008, 841, 845. 2 Abweichend Altmeppen ZIP 2009, 1545, 1549 f; wie hier U/H/L/Ulmer/Casper Rn 168. 3 Seibert/Decker ZIP 2008, 1208, 1210; Ulmer ZIP 2009, 293, 294, 300 f; Scholz/Veil Rn 159; Wachter GmbHR 2009, 935, 936; überholt die zumindest missverständlichen Ausführungen in BegrRegE BR-Drucks 354/07, S. 92 („unangemessen“); ausführlich zur Problematik Ceffinato wistra 2010, 171 ff. 4 Vgl BegrRegE, BT-Drucks 16/6140, S. 40; Bormann GmbHR 2007, 897, 900; Scholz/Veil Rn 159; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 169. 5 So zutreffend U/H/L/Ulmer/Casper Rn 169. 6 U/H/L/Ulmer/Casper Rn 169; Wicke Rn 28. 7 Dazu auch Scholz/Veil Rn 161; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 171. 8 Vgl Handelsrechtsausschuss des DAV NZG 2007, 735, 740 Rn 52. 9 Zutreffend Pentz FS K. Schmidt, 2009, S. 1265, 1275; Ulmer ZIP 2009, 300; Scholz/Veil Rn 159; vgl auch Rechtsausschuss ARUG, BT-Drucks 16/13098, S. 36. 10 Wie hier Herrler DB 2008, 2347, 2352; König/Bormann DNotZ 2008, 652, 672; vgl auch Bayer FS Kanzleiter, 2010, S. 75, 84 ff.

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vermutet werden, sondern hat nur Indizwirkung (vgl § 82 Rn 12); daher bleibt die Praxis der Strafgerichte abzuwarten1. dd) Ebenso wie bei früherer Rechtslage droht Rechtsanwälten und Steuerbera- 88 tern eine Schadensersatzhaftung wegen pflichtwidriger Beratung, sofern durch diese eine verdeckte Sacheinlage veranlasst wurde2; die Problematik des Schadens hat sich allerdings durch die Anrechnungslösung entschärft. c) Teileinzahlung Problematisch ist die Konstellation der Teileinzahlung. Soll ein Teil der Einlage- 89 forderung erst später fällig werden, so kommt für die Anrechnung des Sachwerts zunächst nur der fällige Teil der Einlageforderung in Betracht. Beträgt zum Beispiel die Einlageforderung 25 000 und muss der Inferent hierauf 15 000 leisten, dann kann eine verdeckt eingebrachte Sache zum Kaufpreis von 25 000, aber nur mit einem Wert von 20 000, nur in Höhe von 15 000 angerechnet werden3. In diesem Fall muss im Interesse einer effektiven Sicherung der Kapitalaufbringung § 19 Abs. 4 Satz 3 in der Weise teleologisch reduziert werden, dass die Wertunterdeckung bereits bei der Anrechnung auf den fälligen Teil der Einlageschuld berücksichtigt wird4 (sog Anrechnungssperre iH der aus dem Verkehrsgeschäft resultierenden Wertdifferenz zwischen dem objektiven Wert des Vermögensgegenstandes und Gegenleistung). Im Beispiel wird auf die Teilforderung in Höhe von 15 000 nur ein Wert von 10 000 angerechnet (und damit die Wertunterdeckung bereits jetzt voll ausgeglichen). Übersteigt diese Differenz indes die erbrachte Teileinzahlung, so kann der Mit- 90 telabfluss durch die Anrechnungssperre nicht mehr ausreichend kompensiert werden. In einem solchen Fall haftet der Inferent daher ergänzend nach § 9 Abs. 1 analog iH der Differenz zwischen kompensationslosen Mittelabfluss und erbrachter Teileinzahlung. d) Verdeckte gemischte Sacheinlage Im Falle einer verdeckten gemischten Sacheinlage5 (zum Begriff der gemischten 91 Sacheinlage: § 5 Rn 41) beziehen sich die Rechtsfolgen auf das gesamte Rechts1 Zur Problematik auch Ulmer ZIP 2009, 293, 301. 2 BGH GmbHR 2009, 932 mit Anm Wachter; OLG Naumburg GmbHR 2010, 533; ausführlich Merkner/Schmidt-Bendun NZG 2009, 1054, 1057 ff. 3 Beispiel nach MünchKomm/Schwandtner Rn 289. 4 Heidinger in Heckschen/Heidinger, § 11 Rn 289 ff mit Berechnungsformel; ebenso MünchKomm/Schwandtner Rn 289; ähnlich Maier-Reimer/Wenzel ZIP 2009, 1185, 1192 f mit weiteren Beispielen. 5 Stiller/Redeker ZIP 2010, 865 ff; Koch ZHR 175 (2011), 55 ff; Kleindiek ZGR 2011, 334 ff; Ekkenga ZIP 2013, 541 ff; Scholz/Veil Rn 146 ff.

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§ 19 | Leistung der Einlagen geschäft1. Dies hat der BGH in der Grundsatzentscheidung AdCoCom auch für die Nach-MoMiG-Zeit bekräftigt2. Es gelten bei Anwendung des § 19 Abs. 4 die gleichen Besonderheiten wie bei der Teileinzahlung (vgl auch Rn 89 f). Ergibt sich zwischen Mittelabfluss und objektivem Sachwert eine Differenz zu Lasten der Gesellschaft greift in teleologischer Reduktion des § 19 Abs. 4 Satz 3 eine Anrechnungssperre in dieser Höhe3. 92 Sofern die Differenz zwischen der gezahlten Vergütung und dem tatsächlichen

Wert der Sacheinlage größer ist als der Einlagebetrag, haftet der Inferent für diese Überbewertung gemäß § 9 Abs. 1 analog4. Dogmatisch nicht zu folgen5 ist der Auffassung des BGH, der bei übermäßiger Kaufpreiszahlung eine Erstattung nach Maßgabe der §§ 30, 31 befürwortet6; denn der Mittelabfluss ist Teil eines Sachverhalts, der noch die Zeitspanne der Kapitalaufbringung, nicht der Kapitalerhaltung betrifft7. Eine Konstruktion über Bereicherungsansprüche8 ist dagegen generell abzulehnen (vgl auch Rn 83). Dies gilt auch für den Fall einer übertragenden Sanierung9.

e) Verdeckte Mischeinlage 93 Anderes gilt hingegen für die verdeckte Mischeinlage (zur Mischeinlage: § 5

Rn 42), bei der sich die Rechtsfolgen des § 19 Abs. 4 nach zutreffender Auffassung10 nicht auf die gesamte Einlageleistung erstrecken, sondern nur auf den

1 BGHZ 173, 145 Rn 15; BGHZ 175, 265 Rn 14; Habersack ZGR 2008, 48, 53. 2 BGHZ 185, 44 = GmbHR 2010, 700 – AdCoCom mit Besprechung Pentz GmbHR 2010, 673 ff = NJW 2010, 1950 mit zustimmender Anm Altmeppen; zustimmend auch Illhardt DZWiR 2010, 346; vgl weiter Kleindiek ZGR 2011, 334 ff. 3 So auch BGHZ 185, 44 Rn 58 – AdCoCom; ebenso Veil/Werner GmbHR 2009, 729, 735; Kleindiek ZGR 2011, 334 ff; eingehend Koch ZHR 175 (2011), 55, 66 f; Ekkenga ZIP 2013, 541, 548; nunmehr auch B/H/Fastrich Rn 58; aA Priester FS Maier-Reimer, 2010, S. 525, 532 ff. 4 Zustimmend Stiller/Redeker ZIP 2010, 865, 868; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 155; M. Schwab notar 2014, 223, 234 f; ausführlich Benz S. 179 ff, 183 ff; für die AG auch KölnKomm/Arnold § 27 AktG Rn 115; Hüffer/Koch § 27 AktG Rn 41; Spindler/Stilz/ Heidinger/Benz § 27 AktG Rn 196. 5 Kritisch auch Wenzel EWiR 2010, 421, 422; Wachter ZNotP 2010, 324, 330 f; Kleindiek ZGR 2011, 334, 347 ff; H.F. Müller NZG 2011, 761, 764; ausführlich Koch ZHR 175 (2011), 55, 70 ff. 6 BGHZ 185, 44 Rn 59 ff = GmbHR 2010, 700. 7 Abweichend insoweit und dem BGH folgend Illhardt DZWiR 2010, 346, 347; Ekkenga ZIP 2013, 541, 549 f; ohne nähere Begründung auch Altmeppen NJW 2010, 1955; Pentz GmbHR 2010, 673, 679 f. 8 So Maier-Reimer/Wenzel ZIP 2008, 1449, 1452. 9 So für AG: BGHZ 175, 265 Rn 14 mit zustimmender Anm Lieder WuB II A. § 27 AktG 2.08 – Rheinmöve. 10 Abweichend wohl Krolop NZG 2007, 577, 578; Scholz/Veil Rn 152 f.

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Anteil, der tatsächlich an den Inferenten zurückgeflossen ist (in § 19 Abs. 4 Satz 1 ist hier auf der Rechtsfolgenseite das Wort „insoweit“ hineinzulesen)1. f) Mehrere Geschäftsanteile Übernimmt ein Gesellschafter mehrere Geschäftsanteile (hierzu § 5 Rn 7) und 94 erbringt er eine verdeckte Sacheinlage, so sind alle von diesem Gesellschafter übernommenen Geschäftsanteile betroffen. Der jeweilige Umfang der verdeckten Sacheinlage an den einzelnen Geschäftsanteilen richtet sich nach dem Verhältnis der vom Gesellschafter auf seine Geschäftsanteile geleisteten Einlagebeträge zueinander. Entsprechend wird der objektive Wert des verdeckt eingebrachten Vermögensgegenstandes gemäß § 19 Abs. 4 Satz 3 auf die einzelnen Geschäftsanteile angerechnet; ebenso verteilt sich ein möglicher aus dem Verkehrsgeschäft zu Lasten der Gesellschaft resultierender Vermögensverlust. Es gelten bei Teileinzahlungen oder teilweisen Teil- und Volleinzahlungen die zur Teileinzahlung dargelegten Besonderheiten (dazu Rn 89) im Verhältnis der auf die jeweiligen Geschäftsanteile erbrachten Einlageleistungen zueinander. Leistet ein Gesellschafter bei der Übernahme mehrerer Geschäftsanteile eine verdeckte gemischte Sacheinlage, so gelten die dazu dargelegten Grundsätze (Rn 91 f) entsprechend der Höhe der einzelnen Geschäftsanteile zueinander2. 5. Heilung Nach früherem Recht konnte die Heilung einer verdeckten Sacheinlage (nur) 95 nach Maßgabe der in BGHZ 132, 141, 148 ff3 dargelegten Grundsätze erfolgen4. Nach der Vorstellung der BegrRegE5 bleibt die Neuregelung durch das MoMiG ohne Auswirkungen auf die Möglichkeit der Heilung verdeckter Sacheinlagen. Eine Heilung der verdeckten Sacheinlage ist daher heute auch nach Eintragung der GmbH im Handelsregister im Wege der Satzungsänderung zulässig6. Hierfür kann auch ein praktisches Bedürfnis (Rechtssicherheit, Beseitigung von Zweifeln bei Veräußerung der GmbH)7 geltend gemacht werden. Die Rechtfertigung für eine Heilungsmöglichkeit besteht darin, dass der Schutzzweck der maßgeblichen Vorschriften nach der MoMiG-Konzeption erreicht ist, wenn die 1 Wie hier Heidinger in Heckschen/Heidinger, § 11 Rn 267 ff; MünchKomm/Schwandtner Rn 288; ausführlich Benz S. 173 ff; zweifelnd allerdings U/H/L/Ulmer/Casper Rn 158 ff. 2 Wie hier auch U/H/L/Ulmer/Casper Rn 146. 3 Dazu ausführlich Krieger ZGR 1996, 674 ff. 4 Ausführlich 16. Aufl, § 5 Rn 55 ff. 5 Vgl BegrRegE, BT-Drucks 16/6140, S. 40; vgl auch M. Winter FS Priester, 2007, S. 867, 877 f; Veil ZIP 2007, 1241, 1245. 6 Vgl zur Parallelregelung für die AG durch das ARUG auch Bericht Rechtsausschuss BTDrucks 16/13098, S. 36 sowie ausführlich Lieder ZIP 2010, 964, 970 ff. 7 So auch MünchKomm/Schwandtner Rn 296 mwN.

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§ 19 | Leistung der Einlagen Publizitäts- und Werthaltigkeitsprüfungserfordernisse nachgeholt werden1. Konsequenz der Heilung ist, dass die Beweislastumkehr des § 19 Abs. 4 Satz 5 danach nicht mehr gilt2; inwieweit gesellschaftsrechtliches Verhalten des Geschäftsführer nicht mehr pflichtwidrig ist, folglich nicht mehr sanktioniert werden kann, ist allerdings streitig3. Die Strafbarkeit einer ursprünglichen Falschanzeige entfällt hingegen nicht4. 96 a) Die Heilung erfolgt durch einen mit satzungsändernder Mehrheit5 gefassten

Gesellschafterbeschluss; uU kann Mitwirkung an Heilung aus Treuepflicht geboten sein6. Im Beschluss sind die betroffenen Gesellschafter aufzuführen, die eine verdeckte Sacheinlage erbracht haben, sowie den konkreten Inhalt der jeweiligen Sacheinlage7. Entgegen der früheren Rechtslage ist jedoch aufgrund der Wirksamkeit von Umsatz- und Erfüllungsgeschäft gemäß § 19 Abs. 4 Satz 2 bei einer unzulässigen Forderungsverrechnung die Gesellschafterforderung – sofern ihr tatsächlicher Wert nicht größer der Einlageverbindlichkeit ist – vollständig erloschen; im Falle des verdeckten Verkehrsgeschäfts ist das Eigentum an der eingebrachten Sache wirksam auf die Gesellschaft übertragen worden (Rn 80). Folglich ist kein Einlagegegenstand mehr vorhanden. Es kann vielmehr nur noch die Einbringung des ursprünglichen Vermögenswertes und das hieraus resultierende Erlöschen der Bareinlageverpflichtung gemäß § 19 Abs. 4 Satz 3 ex nunc festgestellt werden8.

97 b) Der Beschluss ist unter Vorlage eines von allen Geschäftsführern und von al-

len durch die Änderung betroffenen Gesellschaftern9 unterzeichneten Berichts über die Einlageänderung, eines die Vollwertigkeit der Vermögenswerte zum ursprünglichen Einlagezeitpunkt testierenden Gutachtens – bei einem eingebrachten Gewinnanspruch einer von einem Wirtschaftsprüfer errichteten, die Vollwertigkeit der einzubringenden Gegenstände testierenden Bilanz10, die nicht älter als 8 Monate sein darf11 – und einer Versicherung der Geschäftsführer 1 Vgl auch Bericht Rechtsausschuss BT-Drucks 16/13098, S. 36; Lieder ZIP 2010, 964, 971. 2 Scholz/Veil Rn 162; Henssler/Strohn/Verse Rn 71. 3 Dafür Veil ZIP 2007, 1241, 1245; Gehrlein Der Konzern 2007, 771, 784; dagegen U/H/L/ Ulmer/Casper Rn 175; unentschieden B/H/Fastrich Rn 67. 4 Wie hier U/H/L/Ulmer/Casper Rn 175; MünchKomm/Schwandtner Rn 296; aA v. Schnurbein GmbHR 2010, 568, 576. 5 U/H/L/Ulmer/Casper Rn 173; R/A/Roth Rn 94; Scholz/Veil Rn 163; Henssler/Strohn/ Verse Rn 69. 6 BGH GmbHR 2003, 1051, 1052; ausführlich Pentz ZIP 2003, 2093, 2096 ff. 7 Lieder ZIP 2010, 964, 971; Michalski/Ebbing Rn 164; Henssler/Strohn/Verse Rn 69. 8 R/A/Roth Rn 92; Scholz/Veil Rn 163; R/S-L/Pentz Rn 187; zweifelnd B/H/Fastrich Rn 68; aA Heidinger/Knaier GmbHR 2015, 1 ff. 9 R/A/Roth Rn 91; R/S-L/Pentz Rn 189; Michalski/Ebbing Rn 164; Henssler/Strohn/Verse Rn 69; abweichend U/H/L/Ulmer/Casper Rn 174 (alle Gesellschafter). 10 Scholz/Veil Rn 163; einschränkend Lutter JZ 1996, 912 f; Habetha ZGR 1998, 305, 331. 11 BGHZ 135, 381, 385 = GmbHR 1997, 788; LG Frankfurt GmbHR 2001, 478.

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hinsichtlich Werthaltigkeit und tatsächlichen Empfangs der Vermögenswerte1 beim Handelsregister anzumelden. Der Beschluss ist durch das Registergericht zu prüfen und schließlich in das Handelsregister einzutragen. c) Maßgebend für die Frage der Vollwertigkeit ist wegen § 19 Abs. 4 Satz 4 nun- 98 mehr ausschließlich der Zeitpunkt der Anmeldung zur Eintragung in das Handelsregister bzw – sofern die Einbringung später erfolgte – der Zeitpunkt der tatsächlichen Überlassung, nicht aber (wie früher) der Zeitpunkt der Heilung2, zwischenzeitliche Wertminderungen sind daher – anders als nach früherem Recht – nicht (mehr) zu berücksichtigen3. Soll eine Forderung eingebracht werden, ist der diese begründende Vertrag ebenfalls beizufügen. d) Mit Eintragung in das Handelsregister wird die verdeckte Sacheinlage ex nunc 99 geheilt4. Ein eventueller Minderwert der Sach- gegenüber der ursprünglich vereinbarten Bareinlage ist vom Inferenten in bar auszugleichen. Die bis dahin nach § 20 entstandene Zinsforderung der GmbH bleibt bestehen5. e) Im Falle der nicht vollwertigen verdeckten Sachleistung kommt neben der spä- 100 teren Leistung der noch offenen (Rest-)Bareinlage nach der zutreffenden Auffassung von BGHZ 153, 107, 112 f = GmbHR 2003, 231 auch die Verrechnung mit einer vollwertigen Neuforderung des Gesellschafters gegen die GmbH in Betracht6 (dazu bereits Rn 66). Ein von der GmbH über die Anrechnung des Sachwerts durch Weiterveräußerung der verdeckt eingebrachten Sache erlangter Zufluss von Barmitteln ist hingegen für die Erfüllungswirkung ohne Belang7 (dazu bereits Rn 78).

VIII. Hin- und Herzahlen (§ 19 Abs. 5) Literatur: Avvento Hin- und Herzahlen: Offenlegung als konstitutive Voraussetzung des Eintritts der Erfüllungswirkung?, BB 2010, 202; Gummert Die Kapitalaufbringung bei der Komplementär-GmbH einer GmbH & Co. KG, DStR 2008, 976; Herrler Handlungsoptionen bei tilgungsschädlicher Einlagenrückzahlung i.S. von § 19 Absatz 5 GmbHG, DStR 2011, 2300; Herrler Erleichterung der Kapitalaufbringung durch § 19 Absatz 5 GmbHG,

1 BGHZ 132, 141, 155 = GmbHR 1996, 351; Scholz/Veil Rn 163. 2 Wie hier M. Winter FS Priester, 2007, S. 867, 878; MünchKomm/Schwandtner Rn 299; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 174; so auch für die AG: K. Schmidt/Lutter/Bayer § 27 AktG Rn 86; KölnKomm/Arnold § 27 AktG Rn 125; Bayer/J. Schmidt ZGR 2009, 805, 830; Lieder ZIP 2010, 964, 971. 3 So aber R/A/Roth Rn 93. 4 U/H/L/Ulmer/Casper Rn 175; Henssler/Strohn/Verse Rn 70. 5 Ausführlich Banerjea AG 1998, 498, 499 ff; zustimmend U/H/L/Ulmer/Casper Rn 175. 6 Dazu ausführlich Bayer GmbHR 2004, 445, 449 f. 7 Vgl zum früheren Recht die Diskussion der Problematik bei Bayer GmbHR 2004, 445, 454.

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§ 19 | Leistung der Einlagen DStR 2011, 2255; Herrler Heilung einer nicht erfüllungstauglichen Einlagenrückzahlung, GmbHR 2010, 785.

1. Grundsatz a) Frühere Rechtslage 101 Der Tatbestand der verdeckten Sacheinlage ist begrifflich nicht verwirklicht,

wenn als Gegenleistung für die Bareinlage ein nicht sacheinlagefähiger Gegenstand eingebracht wird1 (vgl Rn 59). Gleichwohl betrachteten Rspr2 und hL3 früher die Fälle, dass der Einlagebetrag sogleich als Darlehen an den Gesellschafter oder einen ihm zugerechneten Dritten (vgl Rn 13, 72 f) zurückfließt, als einen Verstoß gegen den Grundsatz der realen Kapitalaufbringung; es fehlte insbesondere auch an der freien Verfügung der Geschäftsführer (ausführlich § 7 Rn 20 ff). Rechtsfolge des unzulässigen Hin- und Herzahlens war die Nichterfüllung der Einlagepflicht; daneben bestanden keine Bereicherungsansprüche, da die Vorgänge so beurteilt wurden, als seien zwischen dem Inferenten und der GmbH keine Leistungen geflossen4. Gleiches galt für den umgekehrten Fall des „Her- und Hinzahlens“5 (dazu nunmehr Rn 128).

102 Diese Rechtsfolge wurde vom BGH in seiner Grundsatzentscheidung vom 10.12.

20076 auch auf die Konstellation der Weitergabe der GmbH-Einlage an die KG im Falle der (Einheits-)GmbH & Co KG angewendet. Anders hatte noch (als Vorinstanz) das ThürOLG entschieden7. Das Argument der wirtschaftlichen (Haftungs-) Einheit – die GmbH haftet gemäß §§ 161 Abs. 2, 128 HGB unbeschränkt für alle KG-Verbindlichkeiten – sowie die Unzulässigkeit von Rückflüssen aus dem KG-Vermögen an die Kommanditisten = GmbH-Gesellschafter8 entspricht allerdings stärker dem Verständnis und den Bedürfnissen der Praxis und somit für den Standpunkt des ThürOLG und gegen die rigorose Linie

1 BGHZ 165, 113, 116 f unter Hinweis auf Bayer GmbHR 2004, 445, 451, 453 und klarstellend im Hinblick auf BGHZ 153, 107, 111 = GmbHR 2003, 231, 233; bestätigend BGHZ 165, 352, 356; dazu Bayer/Graff WuB II A. § 54 AktG 1.06; Bayer/Lieder GmbHR 2006, 449, 451; vgl weiter BGHZ 180, 38, 41 Rn 8; BGHZ 166, 8, 12 Rn 12; BGHZ 132, 133, 144. 2 BGHZ 165, 113, 116 = GmbHR 2006, 43; BGHZ 165, 352, 355 f = GmbHR 2006, 306. 3 Ausführlich Bayer GmbHR 2004, 445, 451 mwN. 4 BGHZ 165, 352, 357; vgl auch BGHZ 165, 113, 117; Bayer GmbHR 2004, 445, 452. 5 BGH WM 2006, 1679 mit Anm Bayer/Graff WuB II C. § 55 GmbHG 1.07 mwN = GmbHR 2006, 982. 6 BGHZ 174, 370 ff = GmbHR 2008, 203; zustimmend von Gerkan WuB II G. § 19 GmbHG 1.08. 7 ThürOLG GmbHR 2006, 940 mit ablehnender Anm Werner und zustimmender Anm Priester EWIR 2006, 497; ebenso unter (verneinter) Anwendung von § 30 bereits OLG Köln GmbHR 2002, 968. 8 Dazu OLG Köln GmbHR 2002, 968; K. Schmidt ZIP 2008, 481, 482 mwN.

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des BGH1. Lockerungen bringt nunmehr jedoch die Vorschrift des § 19 Abs. 52 (Rn 103 ff). b) Reform durch das MoMiG Für solche Fälle des Hin- und Herzahlens hat das MoMiG in § 19 Abs. 5 erst- 103 mals eine ausdrückliche Regelung geschaffen, die von der früheren strengen Rspr abweicht3: Ist die wirtschaftlich als Rückgewähr der Einlage zu betrachtende Zahlung an den Gesellschafter nicht als verdeckte Sacheinlage iSd § 19 Abs. 4 zu beurteilen, so ist der Gesellschafter von seiner Einlageschuld befreit, wenn ein fälliger und vollwertiger Rückgewähranspruch besteht. Erleichtert werden soll mit der Neuregelung die Kapitalaufbringung im Cash-Pool, insbesondere im Rahmen von Kapitalerhöhungen. c) Rechtspolitische Kritik In rechtspolitischer Hinsicht ist diese Neuerung nicht überzeugend4, denn sie 104 widerspricht dem Prinzip der realen Kapitalaufbringung, indem sie den Austausch einer gesellschaftsrechtlich durch §§ 16 Abs. 2, 19 Abs. 1–3, 22, 24 gesicherten Einlageforderung gegen einen schwachen schuldrechtlichen Rückzahlungsanspruch zulässt und das Prognoserisiko für den Ausfall des Rückgewähranspruchs vom Gesellschafter auf die Gesellschaft verlagert5 (dazu auch Rn 133). Auch diese Widersprüchlichkeit legt eine Neukonzeption des Kapitalschutzsystems im Recht der GmbH nahe (dazu bereits ausführlich Rn 56); insbesondere wäre es für die GmbH und deren Gläubiger vorteilhafter, wenn bis zur „richtigen“ Erfüllung der Einlageschuld eine der strengen Kapitalbindung unterliegende Forderung der GmbH gegen ihre Gesellschafter bestehen würde6 (vgl noch Rn 121). 1 So auch eingehend K. Schmidt ZIP 2008, 481 ff; kritisch auch Theiselmann GmbHR 2008, 521 ff; Wälzholz MittBayNot 2008, 425, 431 Fn 55; wie das ThürOLG auch H.P. Westermann FS K. Schmidt, 2009, S. 1709, 1727 f. 2 Hierzu Wachter in Römermann/Wachter, GmbH-Beratung nach dem MoMiG, GmbHR-Sonderheft 2008, S. 87, 90 ff; vgl auch Henkel NZI 2010, 84, 88; Rezori RNotZ 2011, 125, 142 ff. 3 Ausführlich zur Entstehungsgeschichte: MünchKomm/Schwandtner Rn 316 ff; U/H/L/ Ulmer/Casper Rn 176 ff. 4 Vgl Breitenstein/Meyding BB 2007, 1457, 1459; Bormann GmbHR 2007, 897, 902; Gehrlein Der Konzern 2007, 771, 782; Heckschen DStR 2007, 1442, 1447; Priester ZIP 2008, 55; MünchKomm/Schwandtner Rn 321 ff; ausführlich Cavin S. 612 ff. 5 Zum Ganzen ausführlich Bayer/Lieder GmbHR 2006, 1121, 1123 und ZGR 2005, 133, 142; zustimmend zur Neuregelung hingegen Saenger FS H.P. Westermann, 2008, S. 1381, 1395 ff; wie hier kritisch K. Schmidt GmbHR 2008, 449, 451 ff; Goette WPg 2008, 231, 235; Wachter NotBZ 2008, 361, 368; Pentz GmbHR 2009, 505, 511 f. 6 So auch Gehrlein Der Konzern 2007, 771, 782.

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§ 19 | Leistung der Einlagen 2. Einzelheiten a) Subsidiarität der Regelung 105 § 19 Abs. 5 ist gegenüber § 19 Abs. 4 formell subsidiär. Liegt also eine verdeckte

Sacheinlage vor1, so findet allein § 19 Abs. 4 Anwendung; § 19 Abs. 5 bleibt außer Betracht2. Dies gilt auch im Cash-Pool (Rn 129 ff). b) Tatbestandliche Voraussetzungen

106 Die Privilegierung nach § 19 Abs. 5 erfordert folgende besondere Vorausset-

zungen:

– Die Bareinlage muss zunächst ordnungsgemäß an die Gesellschaft geleistet worden sein; – es muss zwischen den Gesellschaftern oder zwischen der GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer, und dem Inferenten eine vorherige Absprache vorliegen, und zwar im Zeitpunkt der Einlageleistung3 (vgl bereits Rn 62); – darüber, dass der Gesellschafter die Bareinlage (oder einen Teil der Einlage4) zurückerhält, ohne einen sacheinlagefähigen Vermögenswert einzubringen (ausführlich Rn 107 ff). – Ist der Anspruch der GmbH gegen den Gesellschafter auf Rückgewähr der Bareinlageleistung vollwertig und jederzeit fällig, dann ist trotz vereinbarter Rückgewähr Erfüllung eingetreten (ausführlich Rn 114 ff), sofern – die Vereinbarung bei der Anmeldung gegenüber dem Registergericht offengelegt wurde (streitig, ausführlich Rn 112, 122 f). 107 aa) Zunächst setzt die Vorschrift des § 19 Abs. 5 die ordnungsgemäße Leistung

der Bareinlage voraus5. Zwar wird das Erfordernis effektiver Zahlungsvorgänge vereinzelt als „gekünstelt“ kritisiert6; der Wortlaut von § 19 Abs. 5 zielt jedoch deutlich auf die Einlage des Inferenten ab, die – wenngleich nur wirtschaftlich betrachtet – zurückgezahlt werden soll. Eine solche Rückgewähr bedingt aber, dass zuvor zumindest kurzfristig tatsächlich Barmittel aufgebracht wurden.

1 Eingehend zur Abgrenzung: Blasche GmbHR 2010, 288 ff; MünchKomm/Schwandtner Rn 334 ff. 2 Vgl BegrRegE, BT-Drucks 16/6140, S. 34; Maier-Reimer/Wenzel ZIP 2008, 1449, 1454; Scholz/Veil Rn 177; MünchKomm/Schwandtner Rn 333; kritisch etwa Handelsrechtsausschuss des DAV NZG 2007, 735, 738 Rn 30. 3 MünchKomm/Schwandtner Rn 332; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 182 f. 4 MünchKomm/Schwandtner Rn 326; Scholz/Veil Rn 177 aE. 5 Vgl OLG Stuttgart GmbHR 2012, 215; Illhardt DZWiR 2011, 524, 525; MünchKomm/ Schwandtner Rn 327; wohl auch Scholz/Veil Rn 177 aE; aA Herrler DStR 2011, 2255, 2260. 6 Drygala NZG 2007, 561, 564; Wicke Rn 33.

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Denn der Gesetzgeber wollte das bestehende System der Kapitalaufbringung nur punktuell liberalisieren; ein genereller Verzicht auf die reale Zuführung von Einlagemitteln war nicht angestrebt1. Nicht zuletzt reflektiert das Erfordernis tatsächlicher Zahlungsströme auch den typischen Regelungsfall des Cash-Poolings (dazu Rn 129 ff), den der Gesetzgeber betontermaßen bei der Neuregelung vor Augen hatte. Zur Abweichung beim Her- und Hinzahlen: Rn 128. bb) Eine Vorabsprache wird – ebenso wie bei der verdeckten Sacheinlage 108 (Rn 63) – bei Vorliegen eines engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhangs zwischen Einlageleistung und Rückgewähr vermutet2; bei normalen Umsatzgeschäften kann allerdings die Vermutung entfallen oder jedenfalls unter erleichterten Voraussetzungen widerlegt werden3. Fehlt es gänzlich an einer (vorherigen) Absprache (weil widerlegt oder weil bereits 109 Vermutung nicht greift), so scheidet § 19 Abs. 5 nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Vorschrift aus4; auch das Gebot der Leistung zur freien Verfügbarkeit des Geschäftsführers (dazu § 7 Rn 20 ff) ist dann nach der Wertung des § 19 Abs. 4, 5 nicht tangiert. Stattdessen greift in dieser seltenen Ausnahmesituation nur § 30 Abs. 1 Satz 25 mit der Folge, dass sich bei Vollwertigkeit des Rückgewähranspruchs keine praktischen Unterschiede ergeben, anders hingegen, wenn keine Vollwertigkeit gegeben ist6 (vgl dazu ausführlich § 30 Rn 25 ff). Ebenfalls ist kein Verstoß gegen die Kapitalaufbringung anzunehmen, falls die 110 Rückzahlungsvereinbarung nachweislich erst nach Einlageleistung getroffen wurde; auch in diesem Fall kommt allein ein Verstoß gegen § 30 Abs. 1 Satz 2 in Betracht7; die gegenteilige Auffassung, wonach in diesem Fall die Einlage erst mit erfolgter Rückgewähr der Leistung an die GmbH wirksam erbracht sei8, ist mit der gesetzlichen Konzeption genauso unvereinbar wie die direkte oder analoge Anwendung des § 19 Abs. 59. Für die Beteiligung Dritter gelten die Ausführungen bei Rn 72 f entsprechend10. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Vgl BegrRegE, BT-Drucks 16/6140, S. 1. Scholz/Veil Rn 179; R/A/Roth Rn 97; zum früheren Recht auch BGH GmbHR 2008, 818. S. Habersack FS Priester, 2007, S. 157, 169. Gehrlein Der Konzern 2007, 771, 781; Maier-Reimer/Wenzel ZIP 2008, 1449, 1453; Markwardt BB 2008, 2414, 2420. Ebenso Gehrlein Der Konzern 2007, 771, 781; Wicke Rn 36; MünchKomm/Schwandtner Rn 332. So auch U/H/L/Ulmer/Casper Rn 183. Ebenso Bormann GmbHR 2007, 897, 902; B/H/Fastrich Rn 73; MünchKomm/ Schwandtner Rn 332; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 183. So Wälzholz MittBayNot 2008, 425, 432; wohl auch Büchel GmbHR 2007, 1065, 1067; unklar Markwardt BB 2008, 2414, 2420. So aber Wachter NotBZ 2008, 361, 368. So auch U/H/L/Ulmer/Casper Rn 186; Scholz/Veil Rn 178; R/A/Roth Rn 99; Theiselmann Der Konzern 2009, 460, 464.

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§ 19 | Leistung der Einlagen 111 cc) Kein Fall eines unzulässigen Hin- und Herzahlens liegt vor, wenn die ein-

gezahlte Bareinlage später zur Vergütung einer vom Inferenten erbrachten Dienstleistung, speziell auch für Geschäftsführertätigkeit, verwendet wird1. Der BGH hat dies in der Qivive-Entscheidung allerdings davon abhängig gemacht, dass diese Einlagemittel nicht absprachegemäß hierfür „reserviert“ wurden2. Dieses Abgrenzungsmerkmal ist jedoch ungeeignet3, wie bereits in der nachfolgenden Eurobike-Entscheidung4 ersichtlich wurde: Maßgeblich ist vielmehr, ob die Leistung für die Gesellschaft sinnvoll ist und angemessen vergütet wurde (vgl bereits Rn 59 mwN).

112 dd) Der Geschäftsführer muss die bereits erbrachte Leistung an den Gesellschaf-

ter bzw die entsprechende Vereinbarung nach § 19 Abs. 5 Satz 2 in der Anmeldung nach § 8 angeben (s. schon § 8 Rn 14); diese Angabe sorgt im Rahmen der Publizität des Handelsregisters für Transparenz und relativiert zugleich in zulässiger Weise die Erklärung des Geschäftsführers, dass sich die Einlage endgültig in seiner freien Verfügung befindet5. Anzugeben sind Art und Höhe der Leistung, die an den Gesellschafter erbracht wurde, bzw der Inhalt einer entsprechenden Vereinbarung6; um dem Registergericht die Prüfung der Rückgewährforderung zu ermöglichen, sind weiterhin Angaben des Geschäftsführers zur Vollwertigkeit und Fälligkeit des Rückgewähranspruchs erforderlich7; trotz der durch das MoMiG eingeschränkten Nachweispflicht des § 8 Abs. 2 Satz 2 (vgl dazu § 8 Rn 9) wird hier idR auch ein Werthaltigkeits- und Liquiditätsnachweis beizufügen sein8. Das Registergericht kann insbesondere diese Nachweise und auch die Vorlage der getroffenen Vereinbarungen verlangen9. Ist das Registergericht von der Werthaltigkeit bzw Liquidität des Rückgewähranspruchs nicht überzeugt, wird es die Eintragung ablehnen, da die Einlagepflicht nicht erfüllt 1 Dazu auch Scholz/Veil Rn 179; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 184 aE; BGHZ 180, 38 = GmbHR 2009, 540 Rn 17 – Qivive. 2 BGHZ 180, 38 = GmbHR 2009, 540 Rn 17 – Qivive. 3 So bereits Bayer/Lieder NZG 2010, 86, 87 f; Habersack GWR 2009, 129, 131; Lieder LMK 2009, 284066; Herrler NZG 2010, 407, 408 f; weniger kritisch Pentz GmbHR 2009, 505, 511. 4 BGHZ 184, 158 = GmbHR 2010, 421 – Eurobike. 5 Rechtsausschuss, BT-Drucks 16/9737, S. 56. 6 Wachter NotBZ 2008, 361, 369; Wälzholz MittBayNot 2008, 425, 431; MünchKomm/ Schwandtner Rn 352. 7 Wachter NotBZ 2008, 361, 369; Wälzholz MittBayNot 2008, 425, 431; MünchKomm/ Schwandtner Rn 352. 8 OLG Schleswig-Holstein GmbHR 2012, 908 Rn 20 mit Anm Illhardt; Herrler DB 2008, 2347, 2349; Scholz/Veil Rn 187; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 193; Henssler/Strohn/Verse Rn 187; vgl auch Rechtsausschuss BT-Drucks 16/9737, S. 56; aA Wachter NotBZ 2008, 361, 369; Schall ZGR 2009, 126, 143. 9 Richtig OLG München GmbHR 2011, 422, 423 mit Anm Hangebrauck EWiR 2011, 383; OLG Schleswig-Holstein GmbHR 2012, 908 Rn 21, 35 mit Anm Illhardt; Heckschen DStR 2009, 166, 173.

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wurde. Die Privilegierung des § 9c Abs. 1 Satz 2 gilt nur für Sacheinlagen (vgl § 9c Rn 14, 17), so dass hier auch unwesentliche Abweichungen iSv § 9c Abs. 1 Satz 2 nachteilig sind1. Formulierungsvorschläge für Ergänzung der Anmeldung etwa bei Wälzholz MittBayNot 2008, 425, 431; Wachter NotBZ 2008, 361, 369 f. Unterlässt der Geschäftsführer die Offenlegung, so macht er sich – in gleicher 113 Weise wie bei § 19 Abs. 4 (Rn 85) – strafbar gemäß § 82 Abs. 12 (vgl auch § 8 Rn 27). ee) Der Inferent wird (nur dann: Rn 121 ff) von seiner Einlagepflicht befreit, 114 falls der Rückzahlungsanspruch der GmbH gegen ihn vollwertig und fällig ist bzw mit sofortiger Wirkung durch die GmbH, zB durch fristlose Kündigung, fällig gestellt werden kann. In Übereinstimmung mit § 30 Abs. 1 Satz 2 (§ 30 Rn 25) entscheidet sich das MoMiG – entgegen der früheren Rspr3 – auch bei der Kapitalaufbringung für die bilanzielle Betrachtungsweise4. Dies bedeutet: Vollwertig ist der Rückgewähranspruch nach bilanziellen Grund- 115 sätzen (vgl § 253 HGB), wenn das Vermögen des Inferenten im Zeitpunkt der Rückgewähr5 zur Erfüllung aller Verbindlichkeiten ausreicht (näher Rn 31)6 und auch nicht damit zu rechnen ist, dass zum Zeitpunkt der späteren Fälligkeit der Leistung die Rückgewähr nicht mehr – auch nur teilweise – möglich ist7. Zur Vollwertigkeit gehört nach zutreffender hM auch eine angemessene Verzinsung des Rückgewähranspruchs8; Ausnahmen sind bei kurzzeitiger Überlassung in ei1 Ausführlich und richtig Herrler DB 2008, 2347, 2349. 2 U/H/L/Ulmer/Casper Rn 191; MünchKomm/Schwandtner Rn 353; Heckschen DStR 2009, 166, 173; Lieder GmbHR 2009, 1177, 1179; aA Altmeppen ZIP 2009, 1545, 1550 f; Apfelbaum notar 2008, 161, 167. 3 BGHZ 166, 8 Rn 26 – Cash-Pool I, dazu ausführlich Bayer/Lieder GmbHR 2006, 449 ff; zur Kapitalerhaltung auch BGHZ 157, 72, 76 = GmbHR 2004, 302 – Novemberurteil; dazu ausführlich Bayer/Lieder ZGR 2005, 133 ff. 4 So auch die Wertung durch BegrRegE BT-Drucks 16/6140, S. 35; vgl auch Scholz/Veil Rn 181; MünchKomm/Schwandtner Rn 322, 342. 5 B/H/Fastrich Rn 79; R/A/Roth Rn 106; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 188; Bormann GmbHR 2007, 897, 902; Gehrlein Der Konzern 2007, 771, 782; Blasche GmbHR 2010, 288, 293; vgl auch Habersack FS Schaumburg, 2009, S. 1291, 1302; für Zeitpunkt der Anmeldung: Markwardt BB 2008, 2414, 2420; Herrler DStR 2011, 2255, 2260; Vollwertigkeit im Zeitpunkt der Rückgewähr und der Anmeldung verlangt Scholz/Veil Rn 183. 6 Vgl Büchel GmbHR 2007, 1065, 1067; Lieder GmbHR 2009, 1177, 1181; B/H/Fastrich Rn 76; MünchKomm/Schwandtner Rn 343. 7 OLG Schleswig-Holstein GmbHR 2012, 908 Rn 31; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 187; R/A/ Roth Rn 104; Scholz/Veil Rn 181; deutlich großzügiger Schall ZGR 2009, 126, 141 ff. 8 Altmeppen ZIP 2009, 49, 52; Blasche/König GmbHR 2009, 897, 899; Heckschen DStR 2009, 166, 173; Herrler DStR 2255, 2259; Lieder GmbHR 2009, 1177, 1181; Mülbert/Leuschner NZG 2009, 281, 282; Scholz/Veil Rn 181; vgl auch BGHZ 179, 71, 79 = AG 2009, 81, 82 – MPS mit Anm Bayer LMK 2009, 275577; aA Schall ZGR 2009, 126, 141; R/A/ Roth Rn 104; teilweise abweichend B/H/Fastrich Rn 77.

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§ 19 | Leistung der Einlagen nen Cash-Pool denkbar1 (dazu auch § 30 Rn 30). Keinesfalls lässt sich jedoch ein erhöhtes Ausfallrisiko durch einen höheren (Risiko-)Zins kompensieren2. Bestellte Sicherheiten sind in die Bewertung miteinzubeziehen; notwendig sind sie indes nach der MoMiG-Konzeption – anders als nach früherer Rechtslage3 – nicht4 (dazu auch § 30 Rn 29). 116 Das Merkmal der Fälligkeit (§ 271 BGB) soll Liquiditätsverluste vermeiden.

Denn bei einem länger laufenden Darlehen ist die Prognose über die zukünftige Realisierbarkeit der Forderung sehr unsicher5. Nach der Teleologie der Vorschrift wird man außerdem fordern müssen, dass der Rückgewähranspruch idS liquide ist, dass er nach Grund und Höhe außer Zweifel steht; auch dürfen der Durchsetzung keine Einwendungen oder Einreden (zB Verjährung) entgegenstehen6. Dass die Forderung unbestritten ist, genügt nicht; sie muss unstreitig sein7.

117 Ob der Rückgewähranspruch vollwertig, fällig und liquide ist, bestimmt sich nach

objektiven Maßstäben8 (vgl auch § 30 Rn 28); die subjektive Sichtweise der Beteiligten ist irrelevant9 (vgl auch § 30 Rn 28). Die Beweislast für das Vorliegen eines vollwertigen, fälligen und liquiden Rückgewähranspruchs trägt der Gesellschafter10, wie sich aus der negativen Formulierung des § 19 Abs. 5 Satz 1 ergibt.

118 Der Rückgewähranspruch ist zu bilanzieren11. Der Geschäftsführer haftet in

diesem Zusammenhang, wenn er die anerkannten Grundsätze der Bilanzierung

1 So (für AG) Hüffer/Koch § 57 AktG Rn 26; MünchKomm/Bayer § 57 AktG Rn 169; Wand/Tillmann/Heckenthaler AG 2009, 148, 152. 2 Wie hier U/H/L/Ulmer/Casper Rn 187 Fn 244; R/A/Roth Rn 104; aA Wirsch Der Konzern 2009, 443, 448 f. 3 S. insbesondere BGHZ 157, 72, 76 = GmbHR 2004, 302 – Novemberurteil; ausführlich Bayer/Lieder ZGR 2005, 133. 4 Scholz/Veil Rn 181 aE; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 187; Lieder GmbHR 2009, 1177, 1182. 5 Rechtsausschuss, BT-Drucks 16/9737, S. 56; vgl auch MünchKomm/Schwandtner Rn 349. 6 Lieder GmbHR 2009, 1177, 1183; Scholz/Veil Rn 180; MünchKomm/Schwandtner Rn 350; vgl auch OLG Nürnberg ZIP 2010, 2300 (LS 4); ebenso für die AG: K. Schmidt/Lutter/Bayer § 27 AktG Rn 103. 7 Lieder GmbHR 2009, 1177, 1183; s. auch Büchel GmbHR 2007, 1065, 1067: „Leistungsbereitschaft“; für AG auch Hüffer/Koch § 27 AktG Rn 50. 8 U/H/L/Ulmer/Casper Rn 187; Lieder GmbHR 2009, 1177, 1183; Wiersch Der Konzern 2009, 443, 446 ff. 9 B/H/Fastrich Rn 76. 10 BGHZ 182, 103 Rn 25 = GmbHR 2009, 926 mit Anm Bormann – Cash-Pool II; ebenso Lieder GmbHR 2009, 1177, 1183; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 189; Scholz/Veil Rn 184; ausführlich Bayer/Illhardt GmbHR 2011, 505, 512; aA etwa Büchel GmbHR 2007, 1065, 1067 f; Tessen RNotZ 2008, 441, 461; Ries AnwBl 2011, 13, 14. 11 Ausführlich Wachter NotBZ 2008, 361, 367; vgl weiter Lieder GmbHR 2009, 1177, 1184; MünchKomm/Schwandtner Rn 343; R/A/Roth Rn 104.

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und Bewertung schuldhaft verletzt (§ 43 Abs. 2)1. An die Einhaltung dieser Pflichten sind strenge Maßstäbe zu stellen, insbesondere muss sich Geschäftsführer alle Unterlagen für die Feststellung der uneingeschränkten Kreditwürdigkeit des Gesellschafters besorgen2. Die Frage der Aktivierbarkeit des Rückgewähranspruchs ist sorgfältig zu prüfen. Unterliegt die Aktivierbarkeit nur geringsten Zweifeln, so ist die Rückgewähr der Einlage unzulässig3 (vgl auch § 30 Rn 28). Auch in der Folgezeit muss der Geschäftsführer sich Informationen über die Ver- 119 mögenslage des Gesellschafters verschaffen und die Vollwertigkeit des Anspruchs prüfen, um bei finanziellen Schwierigkeiten die Realisierung der Rückgewähr noch rechtzeitig zu ermöglichen4 (Beobachtungspflicht!). Zur Konkretisierung der Sorgfaltspflicht des Geschäftsführers kann die MPS-Entscheidung des BGH5 herangezogen werden6 (dazu näher und weitergehend bei § 30 Rn 31, 40 ff). c) Anwendbarkeit bei Musterprotokoll und UG (haftungsbeschränkt) Ebenfalls zur Anwendung kommt § 19 Abs. 5 bei der UG (haftungsbeschränkt) 120 und auch bei der vereinfachten Gründung mittels Musterprotokolls7. Schon mangels Sacheinlagefähigkeit der von § 19 Abs. 5 erfassten Leistungen ist das dort geltende Verbot von Sacheinlagen (dazu § 5a Rn 20) in diesem Zusammenhang unerheblich (zur Parallelproblematik bei der verdeckten Sacheinlage: Rn 67 ff). d) Rechtsfolgen aa) Tilgung der Einlageschuld Ist der Rückgewähranspruch der GmbH vollwertig und fällig bzw jederzeit fällig 121 stellbar (Rn 115 f), so ist die Einlageschuld vollständig getilgt8. Auf diesen Anspruch9 finden die §§ 24, 22, 16 Abs. 2, 19 Abs. 1–3 nach der gesetzlichen Kon1 Vgl Saenger FS H. P. Westermann, 2008, S. 1381, 1398; Wachter NotBZ 2008, 361, 368; Lieder GmbHR 2009, 1177, 1184. 2 Zum Sorgfaltsmaßstab: BGH GmbHR 2008, 1033; vgl weiter § 43 Rn 6 ff. 3 So auch hM zu § 57 AktG: MünchKomm/Bayer § 57 AktG Rn 158; K. Schmidt/Lutter/ Fleischer § 57 AktG Rn 47; Hüffer/Koch § 57 AktG Rn 25. 4 MünchKomm/Schwandtner Rn 359; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 188; Scholz/Veil Rn 182. 5 BGHZ 179, 71 = AG 2009, 81 mit Anm Bayer LMK 2009, 275577; vgl weiter Altmeppen ZIP 2009, 49 ff = GmbHR 2009, 199; Wand/Tillmann/Heckenthaler AG 2009, 148 ff; Kropff NJW 2009, 814 ff; Mülbert/Leuschner NZG 2009, 281 ff; Habersack ZGR 2009, 347 ff. 6 Ebenso Blasche GmbHR 2010, 288, 293; Henssler/Strohn/Verse Rn 90. 7 B/H/Fastrich Rn 71; MünchKomm/Schwandtner Rn 324. 8 Scholz/Veil Rn 188; R/A/Roth Rn 108. 9 Nicht hingegen bei nur teilweiser Einzahlung (etwa der Mindesteinlage) im Hinblick auf die restliche Einlageschuld!

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§ 19 | Leistung der Einlagen zeption keine Anwendung1; die GmbH kann daher auf den schuldrechtlichen Anspruch ohne Verstoß gegen das Befreiungsverbot iSd § 19 Abs. 2 Satz 12 oder gegen den Grundsatz der Leistung zur freien Verfügung (§§ 7 Abs. 2, 8 Abs. 2 Satz 1)3 verzichten, da beide Vorschriften nur Einlageforderungen erfassen, hingegen nicht schuldrechtliche Ansprüche der GmbH gegen Gesellschafter. Weiterhin sind auch die übrigen schuldrechtlichen Beziehungen zwischen dem Inferenten und der Gesellschaft wirksam. Hierdurch wird namentlich die Kapitalaufbringung im Cash-Pool4 erleichtert5 (dazu ausführlich Rn 129 ff). Bei Pflichtwidrigkeit haftet allerdings der Geschäftsführer6; ebenso kommt Strafbarkeit wegen Untreue (§ 266 StGB) in Betracht7. Dieser Austausch einer starken Einlageforderung gegen einen schwachen schuldrechtlichen Anspruch ist aus Sicht eines präventiven Kapitalaufbringungsrechts kritikwürdig8, wurde aber vom Gesetzgeber ausdrücklich in Kauf genommen9. bb) Konstitutive Wirkung der ordnungsgemäßen Anmeldung 122 Kontrovers diskutiert wird die Problematik, ob auch die ordnungsgemäße An-

meldung gemäß § 19 Abs. 5 Satz 2 (Rn 112) vorliegen muss, damit die Erfüllungswirkung gemäß § 19 Abs. 5 Satz 1 eintritt, ob also die Anmeldung mit der Möglichkeit des Registergerichts, die Werthaltigkeit des Rückgewähranspruchs zu prüfen, konstitutiv für die Erfüllung ist10. Der Zweck der Regelung scheint hierfür zu sprechen11. Dagegen spricht allerdings die gesetzliche Formulierung, wonach Erfüllung eintritt, wenn (allein) die Voraussetzungen nach § 19 Abs. 5 Satz 1 gegeben sind. Auch systematisch wird die Anmeldung in § 19 Abs. 5 Satz 2 als eigenständige Pflicht angeordnet. Dies spricht in der Tat dafür, dass

1 Herrler DB 2008, 2347, 2348; Pentz GmbHR 2009, 505, 510 f; B/H/Fastrich Rn 83; MünchKomm/Schwandtner Rn 358; für AG auch Hüffer/Koch § 27 AktG Rn 52; ausführlich Cavin S. 626 ff; aA Wicke Rn 37; Heinze GmbHR 2008, 1065, 1071; differenzierend Bormann GmbHR 2007, 897, 902 f; Scholz/Veil Rn 192; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 196; R/A/Roth Rn 108 (§ 19 Abs. 2 kommt zur Anwendung). 2 Vgl BegrRegE, BT-Drucks 16/6140, S. 35. 3 Vgl Rechtsausschuss, BT-Drucks 16/9737, S. 56. 4 Zur früheren Problematik ausführlich Bayer/Lieder GmbHR 2006, 449 ff und GmbHR 2006, 1121 ff. 5 Dazu Saenger FS H.P. Westermann, 2008, S. 1381, 1395 f; vgl BegrRegE, BT-Drucks 16/ 6140, S. 34. 6 Vgl Gehrlein Der Konzern 2007, 771, 782. 7 Vgl für die AG auch K. Schmidt/Lutter/Bayer § 27 AktG Rn 106; KölnKomm/Arnold § 27 AktG Rn 149. 8 Vgl BegrRegE MoMiG, BR-Drucks 354/07, S. 79. 9 So bereits K. Schmidt/Lutter/Bayer § 27 AktG Rn 106 aE. 10 Dafür etwa Wälzholz GmbHR 2008, 841, 846; Heckschen DStR 2009, 166, 173; U/H/L/ Ulmer/Casper Rn 191; Scholz/Veil Rn 187; Wicke Rn 35. 11 Vgl auch Rechtsausschuss, BT-Drucks 16/9737, S. 56.

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ein Unterlassen der Anmeldung nur die Strafbarkeit gemäß § 82 Abs. 1 Nr. 1 sowie Haftungssanktionen gemäß § 9a Abs. 1, 2 nach sich zieht1. Bereits in der 17. Aufl war daher darauf hingewiesen worden, dass sich die Pra- 123 xis darauf einstellen muss, dass trotz abweichender Formulierung und Systematik der gesetzlichen Regelung die Rspr die ordnungsgemäße Anmeldung als zusätzliches Erfordernis verlangen wird, damit bei vollwertigem und fälligem Rückgewähranspruch auch wirklich Erfüllung eintritt. Diese Einschätzung hat sich bestätigt. Denn der BGH hat sowohl in der Qivive- als auch in der CashPool II-Entscheidung dezidiert den Standpunkt eingenommen, dass die ordnungsgemäße Anmeldung Voraussetzung für Erfüllungswirkung und damit konstitutives Erfordernis ist2. Nachdem sich auch die obergerichtliche Rechtsprechung dieser Auffassung einhellig angeschlossen hat3, ist die Streitfrage für die Praxis geklärt. Dass hierdurch die gesetzliche Übergangsregelung des § 3 Abs. 4 Satz 1 EGGmbHG ins Leere läuft, hat der BGH offensichtlich in Kauf genommen und somit auch eine im Schrifttum vertretene differenzierende Betrachtung – nämlich Privilegierung der „Altfälle“ – abgelehnt (näher Rn 138). cc) Nicht vollwertiger Rückgewähranspruch Ist der Rückgewähranspruch nicht vollwertig, fällig und liquide (oder fehlt die 124 Anmeldung, streitig, aber hM, dazu Rn 123), so tritt die Rechtsfolge des § 19 Abs. 5 Satz 1 (Erfüllungswirkung) nicht ein; es findet insbesondere keine anteilige Tilgung der Einlageforderung statt (Alles-oder-nichts-Prinzip)4. Andernfalls hätte es – wie vom Bundesrat empfohlen5 – in § 19 Abs. 5 lauten müssen, dass die Einlageverpflichtung getilgt wird, soweit die genannten Voraussetzungen vorliegen; die Vorschrift spricht aber ausdrücklich davon, dass der Gesellschafter von der Einlageschuld nur dann befreit wird, wenn sämtliche Voraussetzungen vorliegen. Eine anteilige Anrechnung wie bei der verdeckten Sacheinlage (Rn 76, 81 ff) wäre rechtspolitisch auch nicht überzeugend6. Der maßgebliche Unterschied zwischen dem eingebrachten Sachwert, der bei der 1 So B/H/Fastrich Rn 80; R/A/Roth Rn 113; Herrler GmbHR 2010, 785, 786; Henssler/ Strohn/Verse Rn 86; MünchKomm/Schwandtner Rn 355; ausführlich Avvento BB 2010, 202, 203 ff. 2 BGHZ 180, 38 – Qivive; bestätigt durch BGHZ 182, 103 – Cash-Pool II; zustimmend Pentz GmbHR 2009, 505, 511. 3 OLG Koblenz GmbHR 2011, 579, 581 = DZWiR 2011, 303 mit ablehnender Anm Illhardt; OLG Nürnberg DZWiR 2011, 167; OLG München GmbHR 2011, 422; LG Erfurt DZWiR 2010, 525 mit kritischer Anm Illhardt/Fiebelkorn. 4 Handelsrechtsausschuss des DAV NZG 2007, 735, 738 Rn 33; Scholz/Veil Rn 189, 191; Wirsch GmbHR 2007, 736, 739. 5 BT-Drucks 16/6140, S. 66; zustimmend Kallmeyer DB 2007, 2755, 2756. 6 BT-Drucks 16/6140, S. 76; zustimmend Gesell BB 2007, 2241, 2247; Markwardt BB 2008, 2414, 2420.

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§ 19 | Leistung der Einlagen verdeckten Sacheinlage nach § 19 Abs. 4 auch anteilig berücksichtigt wird, und der Rückzahlungsforderung ist, dass der schuldrechtliche Anspruch gegen den Gesellschafter strukturell unsicherer ist; während Gläubigern der Sachgegenstand unmittelbar als Haftungsmasse zur Verfügung steht, hängt der Rückgewähranspruch von der Bonität des Inferenten ab1. 125 Rechtsfolgen in diesem Fall2: Die ursprüngliche Einlageforderung bleibt unge-

kürzt bestehen. Ihr Schicksal bestimmt sich nach den allgemeinen, für die Einlageschuld geltenden Grundsätzen. Daher haften die Mitgesellschafter aus § 24 (vgl § 24 Rn 4 ff) und der Rechtsnachfolger des Gesellschafters nach § 16 Abs. 2 (vgl § 16 Rn 54 ff); für die Verjährung gilt § 19 Abs. 6 (Rn 16); für die Zinsen: § 20 (vgl auch zur verdeckten Sacheinlage: Rn 81). 3. Heilung

126 Ausweislich der Gesetzesmaterialien kann zunächst eine Heilung nach den

Grundsätzen zum früheren Recht erfolgen3: Da die Einlageschuld nicht durch Erfüllung erloschen ist, gelten die ausgetauschten Leistungen als nicht erfolgt; es bestehen insbesondere keine Bereicherungsansprüche (vgl Rn 101). Der Inferent tilgt jedoch die noch offene Einlageschuld durch eine spätere Rückzahlung, und zwar auch wenn er nicht auf die Einlageschuld, sondern auf den vermeintlichen Rückzahlungsanspruch leistet4. Voraussetzung ist allerdings, dass sich die Zahlung der Einlageschuld objektiv zuordnen lässt5; dies dürfte in Konstellationen des Cash-Poolings (ausführlich Rn 129 ff) regelmäßig nicht der Fall sein6. Weiterhin möglich ist auch die Heilung durch Verrechnung mit einer vollwertigen Neuforderung7 (dazu Rn 66).

127 Noch ungeklärt ist allerdings, ob eine Rückzahlung, die unter Verletzung von

§ 19 Abs. 5 erfolgt ist, auch dadurch „geheilt“ werden kann, dass die Bargründung (bzw Barkapitalerhöhung) unter Beachtung der gesetzlichen Erfordernisse vollständig nachgeholt wird8. Eine solche Heilungsmöglichkeit erscheint erwä1 2 3 4 5 6 7 8

Kritisch allerdings etwa K. Schmidt GmbHR 2008, 452. Scholz/Veil Rn 191 f; R/A/Roth Rn 109; B/H/Fastrich Rn 83. Vgl BegrRegE, BT-Drucks 16/6140, S. 39 f; Veil ZIP 2007, 1241, 1247. BGHZ 165, 113, 117; sowie ausführlich Bayer GmbHR 2004, 445, 452; ebenso OLG Hamburg GmbHR 2005, 164 mit zustimmender Anm Bayer EWiR 2005, 117 f; Scholz/Veil Rn 192; anders noch OLG Schleswig GmbHR 2005, 357. BGH GmbHR 2008, 818 mit Anm Müller/Rieg WuB II C. § 19 GmbHG 2.08. BGHZ 182, 103, 110; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 198, 119; Lieder GmbHR 2009, 1177, 1183. BGHZ 153, 107, 112; ausführlich Bayer GmbHR 2004, 445, 449 f; für generelle Zulässigkeit nach neuem Recht Schall ZGR 2009, 126, 148 ff. Dafür insbesondere Herrler DStR 2011, 2300, 2301 ff; vgl bereits Herrler GmbHR 2010, 785, 789 ff; Henssler/Strohn/Verse Rn 93; ablehnend G.H. Roth NJW 2009, 3397, 3399; Ries GWR 2011, 161; M. Schwab notar 2014, 223, 239.

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genswert: Da bereits nach altem Recht für die unzulässige verdeckte Sacheinlage die Möglichkeit der Heilung durch Nachholung bestand1, erscheint dieser Weg für das nunmehr im Rahmen des § 19 Abs. 5 legalisierte Hin- und Herzahlen naheliegend. Zudem bietet diese Variante – gerade aufgrund der BGH-Rspr zum Offenlegungserfordernis (Rn 112, 122) – auch eine praktische Lösungsoption für Altfälle2; auf diese Weise könnte der Rückwirkungsintention des Gesetzgebers (vgl § 3 Abs. 4 EGGmbHG) letztlich doch entsprochen werden. Für eine Heilung durch Nachholung ist aber zu fordern, dass alle Voraussetzungen des § 19 Abs. 5 zum maßgeblichen Zeitpunkt der erneuten (vollständigen) Handelsregisteranmeldung vorliegen, was insbesondere die Offenlegung des Hin- und Herzahlens und die Vollwertigkeit des Rückgewähranspruchs – einschließlich Versicherung – mit umfasst3. 4. Her- und Hinzahlen Nach Wortlaut und Zielrichtung erfasst § 19 Abs. 5 Satz 1 nur den Fall, dass zu- 128 nächst die Einlage geleistet wird und danach eine Rückzahlung erfolgt. Indes ist es für den Normzweck der Vorschrift (inkl der wirtschaftlichen Folgen) ohne Belang, in welcher Reihenfolge die Zahlungsströme zwischen GmbH und Gesellschafter fließen. Soweit der Zahlungsanspruch der Gesellschaft nur vollwertig, fällig und liquide ist, sind keine Gründe ersichtlich, warum der Inferent nicht ebenso privilegiert werden sollte wie beim Hin- und Herzahlen. Andernfalls würde dies zu unbefriedigenden Wertungswidersprüchen beider Konstellationen führen, die bereits nach bisheriger Rechtslage gleich behandelt wurden. In analoger Anwendung erfasst § 19 Abs. 5 Satz 1 demnach auch das absprachegemäße „Her- und Hinzahlen“4; damit werden also auch die Fälle einer Vorfinanzierung der Einlage durch die GmbH erfasst, die nach früherer Rechtslage unzulässig waren5 (Rn 101). Die Vermutung der Vorabsprache (Rn 108) gilt auch hier, wobei die Absprache entweder bereits im Zeitpunkt der Herzahlung (Leistung der GmbH) oder auch noch im Zeitpunkt der Hinzahlung (Einlageleistung) getroffen werden kann. Die „Anmeldeproblematik“ (Rn 122 f) stellt sich hier in gleicher Weise. Nach Auffassung des BGH liegt ein (unzulässiges) 1 Grundlegend BGHZ 132, 141, 150 ff = GmbHR 1996, 351. 2 So auch Illhardt DZWiR 2011, 524, 527; Henkel EWiR 2012, 99, 100; tendenziell auch Rezori RNotZ 2011, 125, 132 f; vgl auch OLG Stuttgart GmbHR 2012, 215 = BB 2011, 2897 mit Anm Herrler (dort offen gelassen). 3 Aus praktischen Gründen ablehnend deshalb U/H/L/Ulmer/Casper Rn 198. 4 Heute ganz hM: BGHZ 184, 158 = GmbHR 2010, 421 Rn 24 – Eurobike mit Anm K. Müller GmbHR 2010, 424 sowie Anm Bayer/Fiebelkorn LMK 2010, 304619 und Lieder EWiR 2010, 169; vgl weiter Bayer/Lieder NZG 2010, 86, 89 f; Maier-Reimer/Wenzel ZIP 2008, 1449, 1454; Herrler DB 2008, 2347, 2348; G.H. Roth FS Hüffer, 2010, S. 853, 856; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 185; Scholz/Veil Rn 177; zum früheren Recht auch: BGH GmbHR 2006, 982, 983 Rn 11 f mit zustimmender Anm Bayer/Graff WuB II C. § 55 GmbHG 1.07. 5 Für alle: BGH GmbHR 2006, 982 mit Anm Bayer/Graff WuB II C. § 55 GmbHG 1.07.

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§ 19 | Leistung der Einlagen Her- und Hinzahlen insbesondere im Zusammenhang mit der Vergütung erbrachter Dienstleistungen aber dann nicht vor, wenn durch die Erbringung von Zahlungen an den (künftigen) Inferenten (1) tatsächlich erbrachte Leistungen entgolten werden, deren Vergütung (2) einem Drittvergleich standhalten und (3) die Leistung objektiv werthaltig und für die GmbH nicht unbrauchbar ist1. Diese Kriterien sollten – anstelle des wenig überzeugenden Reservierungskriteriums – auch für das Hin- und Herzahlen übernommen werden, um Dienstleistungsfälle angemessen zu bewältigen (vgl auch Rn 111)2.

IX. Cash-Pooling Literatur: Altmeppen Die Grenzen der Zulässigkeit des Cash Pooling ZIP 2006, 1025; Bayer Zentrale Konzernfinanzierung, Cash Management und Kapitalerhaltung, FS Lutter, 2000, S. 1011; Bayer/Lieder Darlehen der GmbH an Gesellschafter und Sicherheiten aus dem GmbH Vermögen für Gesellschafterverbindlichkeiten, ZGR 2005, 133; Bayer/Lieder Kapitalaufbringung im Cash-Pool, GmbHR 2006, 449; Bayer/Lieder Der Entwurf des MoMiG und die Auswirkungen auf das Cash-Pooling, GmbHR 2006, 1121; Ekkenga Kapitalaufbringung im konzernweiten Cash-Pool: ungelöste Probleme und verbleibende Gestaltungsspielräume, ZIP 2010, 2469; Klink/Gärtner Versetzt das MoMiG dem Cash-Pooling den Todesstoß?, NZI 2008, 457; Kollrus Cash Pooling – Strategien zur Vermeidung von Haftungsgefahren, MDR 2011, 208; Komo Kapitalaufbringung im Cash Pool – aktuelle Entwicklungen in Rechtsprechung und Literatur, BB 2011, 2307; Kupjetz/Peter Die Kapitalaufbringung der GmbH in Gründung in einem physischen Cash-Pooling-System, GmbHR 2012, 498; D. Mayer Kapitalaufbringungsrisiken bei der GmbH im Rahmen eines sog Cash-Pooling und Heilungsmöglichkeiten, FS Priester, 2007, S. 445; Reuter Die Anfechtbarkeit der Rückzahlung von Gesellschafterdarlehen im Cash-Pool: Explosive Massevermehrung nach § 135 InsO?, NZI 2011, 921; Saenger/Koch Cash-Pooling und Feststellung der Zahlungsunfähigkeit, GmbHR 2010, 113; Seeger/Thier Cash Pooling – Ein sinnvolles Finanzinstrument zur Nutzung von Kostensenkungspotenzialen auch im gemeinnützigen Konzern, DStR 2011, 184; Strohn Cash-Pooling – verbotene und unwirksame Zahlungen, DB 2014, 1535; J. Vetter Konzernweites Cash Management – Rechtliche Schranken und Risiken, in Lutter/Bayer Holding-Handbuch, 5. Aufl 2015, § 11 (S. 473); Wirsch, Kapitalaufbringung und Cash Pooling in der GmbH, 2009 (dazu J. Flume ZHR 175 [2011], 724).

1. Überblick 129 Zur Finanzierungspraxis insbesondere größerer Konzerne gehört idR ein zen-

trales Cash-Management mit einem Liquiditätsausgleich, der unter Beteiligung einer Bank über ein zentrales Konto (sog Zielkonto) bei einer Zentralge1 BGHZ 184, 158 = GmbHR 2010, 421 Rn 24 – Eurobike (für AG) mit Anm K. Müller GmbHR 2010, 424 sowie Anm Bayer/Fiebelkorn LMK 2010, 304619 und Lieder EWiR 2010, 169. 2 So schon Lieder EWiR 2010, 169, 170; zuvor allgemein bereits Bayer/Lieder NZG 2010, 86, 88 f; vgl auch K. Schmidt/Lutter/Bayer § 27 AktG Rn 110.

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sellschaft organisiert wird und an dem die Mutter- sowie sämtliche Tochterund Enkelgesellschaften usw teilnehmen1. Finanzierungstechnisch und wirtschaftlich ist ein solches Cash-Pooling für den Konzern und grundsätzlich auch für alle beteiligten Unternehmen vorteilhaft; in der Krise oder gar der Insolvenz der Mutter oder einzelner Konzernunternehmen kann sich ein solcher Liquiditätsverbund allerdings auch sehr nachteilig auswirken. Rechtliche Bedenken aus der Wissenschaft2 hat die Praxis lange Zeit nicht ernst genommen; dies änderte sich schlagartig, als der BGH zunächst allgemein im sog „Novemberurteil“ vom 24.11.20033 und dann zielgenau auch in der Folgenentscheidung vom 16.1.20064 klargestellt hatte, dass Cash-Pooling-Systeme mit dem geltenden Recht der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung in Konflikt geraden können5; Andeutungen in diese Richtung hatte allerdings bereits die Bremer-Vulkan-Entscheidung des II. ZS des BGH vom 17.9.2001 enthalten6, der sich der 5. StrafS des BGH uneingeschränkt angeschlossen hatte7. Aufgrund massiver, teilweise übertriebener Kritik, die an dieser Rechtsprechung durch die Wirtschaft geübt wurde, hat der Gesetzgeber mit dem MoMiG die Rechtslage verändert8. Die „Rückkehr zur bilanziellen Betrachtungsweise“, die zum einen in § 19 Abs. 5 für die Kapitalaufbringung sowie in § 30 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 für die Kapitalerhaltung normiert wurde9, bezweckt ausweislich der Gesetzesbegründung insbesondere, das „ökonomisch sinnvolle“ Cash-Pooling zu ermöglichen10; der entgegenstehenden Rechtsprechung soll durch die Neuregelung die Grundlage entzogen werden11. In seiner MPS-Entscheidung vom 1.12.200812 hat der BGH bereits klargestellt, dass er dieser gesetzlichen Korrektur seiner Rechtsprechung uneingeschränkt

1 Eingehend J. Vetter in Lutter/Bayer HoldingHdb Rn 11.1. mit umfangreichen Nachweisen. 2 Nachdrücklich Bayer FS Lutter, 2000, S. 1011, 1019 ff. 3 BGHZ 157, 72, 76 = GmbHR 2004, 302 – Novemberurteil im Anschluss an Stimpel FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 335 ff; ausführlich Bayer/Lieder ZGR 2005, 133 ff. 4 BGHZ 166, 8 ff; zustimmend Bayer/Lieder GmbHR 2006, 449 ff. 5 Ausführlich Altmeppen ZIP 2006, 1025 ff; J. Vetter/Schwandtner Der Konzern 2006, 407 ff. 6 BGHZ 149, 10 ff mit Besprechung Altmeppen ZIP 2001, 1837 ff = GmbHR 2001, 1036. 7 BGHSt 49, 147 ff; vgl weiter J. Vetter in Lutter/Bayer HoldingHdb Rn 11.111 ff. 8 Kritisch zum (noch unfertigen) RefE Bayer/Lieder GmbHR 2006, 1121 ff. 9 Zur bilanziellen Betrachtungsweise: BegrRegE BT-Drucks 16/6140, S. 35, 41. 10 BegrRegE BT-Drucks 16/6140, S. 34, 40; vgl aus steuerlicher Sicht auch Seeger/Thier DStR 2011, 184 ff. 11 In dieser Richtung BegrRegE BT-Drucks 16/6140, S. 34 (zu § 8 Abs. 2 Satz 2 idF RegE). 12 BGHZ 179, 71 = AG 2009, 81 mit Anm Bayer LMK 2009, 275577 = GmbHR 2009, 199; vgl auch Altmeppen ZIP 2009, 49 ff; Wand/Tillmann/Heckenthaler AG 2009, 148 ff; Kropff NJW 2009, 814 ff; Habersack ZGR 2009, 347 ff.

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§ 19 | Leistung der Einlagen Folge leisten wird. Im Rahmen der Kapitalaufbringung1 (zur Kapitalerhaltung § 30 Rn 37 ff)2 ist allerdings zu differenzieren3: 2. Negativer Saldo für GmbH im Cash-Pool 130 Ergab sich vor der Einlageleistung (idR im Rahmen einer Kapitalerhöhung) auf

dem Zielkonto für die GmbH ein negativer Saldo, so dass eine Schuld der GmbH gegenüber dem Inferenten (oder der ihr zuzurechnenden Zentralgesellschaft) bestand, so liegt in der Mittelzuführung, die anschließend mit der Schuld verrechnet wird, eine verdeckte Sacheinlage4, die (nach wie vor) unzulässig ist; im Wege der Anrechnung wird die fortbestehende Einlageverpflichtung jedoch gemäß § 19 Abs. 4 Satz 3 und 4 getilgt (ausführlich Rn 76, 81 ff). Im Regelfall wird der Geschäftsführer bei der Anmeldung indes eine falsche Versicherung abgeben5 (dazu Rn 85). Die Praxis wird hierauf bei der technischen Abwicklung der Kapitalerhöhung unbedingt Rücksicht nehmen müssen6. Ein „praxisorientiertes Prüfschema“ findet sich bei Kupjetz/Peter GmbHR 2012, 498 ff7; vgl weiter die Empfehlungen von J. Vetter in Lutter/Bayer HoldingHdb Rn 11.124 ff. 3. Positiver Saldo für die GmbH im Cash-Pool

131 War hingegen der Saldo für die GmbH positiv, so fließt die Einlage zugunsten

des Inferenten bzw anderer Konzerngesellschaften in den Cash-Pool zurück; diese Konstellation führt nach § 19 Abs. 5 zur Erfüllung, sofern die Ansprüche der GmbH gegenüber dem Cash-Pool vollwertig und fällig bzw jederzeit fällig stellbar sind8 (dazu Rn 115 f); hierauf ist in der Cash-Pool-Vereinbarung zu achten. Ein Kündigungsrecht wegen Vermögensverfalls (§ 490 Abs. 1 BGB) oder

1 Zur Kapitalerhöhung im Cash Pool ausführlich J. Vetter in Lutter/Bayer HoldingHdb Rn 11.93 ff. 2 Zur umgekehrten Problematik des Gesellschafterdarlehens (Mutter) an die GmbH (Tochter): Klinck/Gärtner NZI 2008, 457 ff sowie Anh zu § 64 Rn 115 ff. 3 Zur Organhaftung im Falle von Einzahlungen in einen Cash-Pool ohne werthaltigen Erstattungsanspruch: OLG Düsseldorf GmbHR 2015, 303 ff (NZB zurückgewiesen durch BGH); dazu auch L. Beck GmbHR 2015, 287 ff. 4 BGHZ 182, 103 = GmbHR 2009, 926 Rn 9 mit Besprechung Altmeppen ZIP 2009, 1545; zustimmend Ekkenga ZIP 2010, 2469, 2470; Scholz/Veil Rn 166; aA U/H/L/Ulmer/Casper Rn 201 ff. 5 Maier-Reimer/Wenzel ZIP 2008, 1449, 1454; Ekkenga ZIP 2010, 2469, 2470 mwN. 6 Ausführlich Ekkenga ZIP 2010, 2469, 2472 ff. 7 Weitere Gestaltungshinweise bei Theusinger NZG 2009, 1017, 1018; Theiselmann Der Konzern 2009, 460, 465; vgl auch Strohn DB 2014, 1535, 1538. 8 Ebenso Scholz/Veil Rn 166; Henssler/Strohn/Verse Rn 50; Blasche GmbHR 2010, 288, 291; Ekkenga ZIP 2010, 2469 f; Strohn DB 2014, 1535, 1537; praxisorientiert hierzu Kupjetz/Peter GmbHR 2012, 498, 502 f.

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aus wichtigem Grund (§ 314 Abs. 1 BGB) ist nicht ausreichend1. Auf die angemessene Verzinsung kann nur verzichtet werden, wenn dieser Verzicht durch anderweitige Vorteile ausgeglichen wird; allein die Zugriffsmöglichkeit auf den Cash-Pool reicht hierfür nicht aus2 (vgl auch § 30 Rn 37 ff). Bei der Anmeldung gemäß § 19 Abs. 5 Satz 2 werden die Geschäftsführer regelmäßig Angaben zur Vollwertigkeit der gegen den Cash-Pool gerichteten Forderung machen und hierzu Nachweise vorlegen müssen (vgl Rn 112). Liegen die Voraussetzungen des § 19 Abs. 5 Satz 1 nicht vor, so wird die fortbestehende Bareinlageschuld durch nachträgliche Zahlung (nur dann) erfüllt und damit der Verstoß geheilt, sofern die nachträgliche Zahlung der Einlageschuld zugeordnet werden kann (Rn 126); dies ist allerdings nicht der Fall, wenn Zahlungen aus dem Cash-Pool an Gläubiger der GmbH erbracht wurden3. 4. Verdeckte Mischeinlage Wurde ein negativer Saldo durch die Einlageleistung positiv, so liegt ein Fall ei- 132 ner verdeckten Mischeinlage vor (dazu Rn 93). In Höhe des Negativsaldos gilt das unter Rn 130 Gesagte, für den überschießenden, positiven Betrag gelten die Ausführungen zu Rn 1314. 5. Kritik Es ist somit nachdrücklich darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber das Cash- 133 Pooling keineswegs generell für zulässig erklärt hat; Kapitalaufbringung im CashPool bei Sollsaldo der GmbH ist nach wie vor unzulässig (Rn 130). Die Regelung des MoMiG soll allein die nach der früheren Rechtslage bestehenden, faktisch prohibitiven Hürden abbauen und finanziell gesunden Konzernen diese Form der Innenfinanzierung ermöglichen. Wie stets bei Darlehen an Gesellschafter (Rn 104 ff), wird die Hauptverantwortung auf den Schultern von Geschäftsführern abgeladen5, die grundsätzlich weisungsabhängig sind. Es gilt daher auch für das Cash-Pooling: Eine echte Deregulierung und Vereinfachung des Kapitalschutzrechts hat das MoMiG nicht gebracht; auch nicht für den Cash-Pool6.

1 BGHZ 182, 103 = GmbHR 2009, 926 Rn 28 – Cash-Pool II; näher Lieder GmbHR 2009, 1177, 1182 f. 2 Spliedt ZIP 2009, 149, 150; Mülbert/Leuschner NZG 2009, 281, 283; Lieder GmbHR 2009, 1177, 1182; abweichend R/A/Roth Rn 104. 3 BGHZ 182, 103 = GmbHR 2009, 926 – Cash-Pool II; Lieder GmbHR 2009, 1177, 1183. 4 BGHZ 182, 103 = GmbHR 2009, 926 Rn 15 – Cash-Pool II; Maier-Reimer/Wenzel ZIP 2008, 1449, 1454; Scholz/Veil Rn 167. 5 Wie hier auch König/Bormann DNotZ 2008, 652, 662; Weitzel/Socher ZIP 2010, 1069 ff. 6 So auch die Kritik bei Scholz/Veil Rn 168; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 201; Henssler/Strohn/ Verse Rn 52; Lieder GmbHR 2009 1177, 1185; zustimmend Strohn DB 2014, 1535, 1537.

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§ 19 | Leistung der Einlagen De lege ferenda sollte daher dringend über weitere Reformen nachgedacht werden1 (dazu bereits Rn 56 f). 134 Die rechtspolitische Kritik an der Differenzierung gemäß Rn 130 und 131 kann

allerdings nicht dadurch aus dem Weg geräumt werden, dass man – losgelöst von Wortlaut und Systematik der gesetzlichen Regelung – die Vorschrift des § 19 Abs. 5 „einheitlich auf jegliche Form der Einlagenerbringung“ im Zusammenhang mit einem Cash-Pool anwendet, also § 19 Abs. 5 im Verhältnis zu § 19 Abs. 4 stets als lex specialis betrachtet2. Denn in § 19 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 steht explizit ein gegenteiliges Rangverhältnis (zur Subsidiarität Rn 105). 6. Anfechtbarkeit gemäß § 135 InsO?

135 Problematisch ist, ob und inwieweit Rückzahlungen aus dem Cash-Pool nach

§ 135 InsO anfechtbar sind. Auf Grund der revolvierenden Natur der Kredite würde eine wortlautgetreue Anwendung des § 135 InsO dazu führen, dass uU ein Vielfaches dessen zurückerstattet werden müsste, was in gesunden Zeiten zugeführt worden wäre. Dies geht jedoch weit über das Ziel des § 135 InsO hinaus und würde die gesetzgeberische Intention, Cash-Pooling als ökonomisch sinnvolles Instrument zu ermöglichen (vgl Rn 129), geradezu konterkarieren. Im Schrifttum wird zur Lösung der Problematik eine ganze Reihe von Ansätzen diskutiert, so ua eine Anwendung des Bargeschäftsprivilegs des § 142 InsO3 oder eine teleologische Reduktion der Vorschrift, wobei einige Autoren auf die maximale Höhe der Kreditlinie4, andere dagegen auf den Saldo der verrechneten Gut- und Lastschriften5 als Zulässigkeitsgrenze für die Anfechtung abstellen wollen. Angesichts der erheblichen praktischen Bedeutung der Problematik wäre hier dringend ein gesetzgeberisches Eingreifen oder zumindest eine klare höchstrichterliche Stellungnahme zu wünschen. Zur Problematik näher Schubmann GmbHR 2014, 519 ff; vgl auch zurückhaltend BGH ZIP 2013, 1826. S. weiter zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit im Cash-Pool: Saenger/Koch GmbHR 2010, 113 ff.

X. Übergangsvorschriften 136 Nach § 3 Abs. 4 Satz 1 EGGmbHG gelten § 19 Abs. 4 und 5 auch für Einlage-

leistungen, die vor dem 1.11.2008 erbracht wurden, aber (nach früherer

1 So auch Scholz/Veil Rn 168 aE; Drygala ZIP 2006, 1797, 1800 ff; Heckschen DStR 2007, 1442; Lieder GmbHR 2009 1177, 1185. 2 So aber U/H/L/Ulmer/Casper Rn 201; zustimmend M. Schwab notar 2014, 224, 240 f; vgl bereits Schall ZGR 2009, 126, 148 ff. 3 So Willemsen/Rechel BB 2009, 2215, 2218; erwägend auch Klinck/Gärtner NZI 2008, 457, 460 f. 4 So Zahrte NZI 2010, 596, 598. 5 So Reuter NZI 2011, 921, 925 ff.

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Rechtslage) keine Erfüllungswirkung hatten, dh insbesondere für verdeckte Sacheinlagen und Darlehensrückzahlungen an Gesellschafter, die einer realen Kapitalaufbringung entgegen standen. Voraussetzung ist allerdings, dass es sich um einen Sachverhalt handelt, der noch nicht durch rechtskräftiges Urteil oder eine wirksame Vereinbarung (insbesondere Vergleich) zwischen GmbH und Gesellschafter abgeschlossen ist1 (§ 3 Abs. 4 Satz 2 EGGmbHG). Diese Übergangsregelung hat zum Ergebnis, dass im Falle verdeckter Sachein- 137 lagen (auch bei Kapitalerhöhungen) nach früherem Recht begründete Vindikations- und Bereicherungsansprüche entfallen, dafür aber die getroffenen Vereinbarungen ex tunc wirksam werden2 und auf die fortbestehende Einlagenverpflichtung eine gesetzliche Wertanrechnung stattfindet (dazu Rn 76, 81 ff); maßgeblich ist auch in den Altfällen der in § 19 Abs. 4 Satz 3 bestimmte Zeitpunkt (Rn 78), nicht der Zeitpunkt des Inkrafttretens des MoMiG3. Rückwirkend vernichtet wird damit auch eine aus § 20 resultierende Zinsforderung4, nicht hingegen der prozessuale Kostenerstattungsanspruch aus § 91 ZPO5. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Rückwirkung sind nicht begründet6, da der Sachverhalt gerade nicht im Sinne einer Erfüllung der Einlageverpflichtung abgeschlossen und auch kein gesetzlicher Vertrauenstatbestand geschaffen worden war7. In der Praxis stellen sich allerdings zahlreiche sachenrechtliche Fragen8, die der Gesetzgeber nicht bedacht hat, so etwa die Problematik, auf welche Weise und zu welchem Zeitpunkt ein Eigentumsübergang stattfindet, wenn die hierzu abgegebenen Erklärungen nach früherer Rechtslage unwirksam waren9. Im Falle der Weiterübertragung sind von der Beantwortung dieser Frage auch die Rechtspositionen und Interessen Dritter berührt.

1 Zu Einzelfragen ausführlich und kritisch Pentz FS K. Schmidt, 2009, S. 1265, 1282 f; Pentz GmbHR 2009, 126, 130 f; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 209 ff. 2 Zur ex-tunc-Wirkung: Fuchs BB 2009, 170, 173 ff; Herrler/Reymann DNotZ 2009, 914, 918 f; B/H/Fastrich Rn 91; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 212; für die Parallelvorschrift des § 20 Abs. 7 Satz 1 EGAktG: K. Schmidt/Lutter/Bayer § 27 AktG Rn 117 mwN. 3 Wie hier MünchKomm/Schwandtner Rn 307 f; Fuchs BB 2009, 170, 173; U/H/L/Ulmer/ Casper Rn 212; aA Heinze GmbHR 2008, 1065, 1066. 4 BGHZ 185, 44 Rn 29 = GmbHR 2010, 700 – AdCoCom; Wicke Rn 30. 5 BGHZ 185, 44 Rn 24 = GmbHR 2010, 700 – AdCoCom; Wicke Rn 30. 6 So aber Bormann GmbHR 2007, 897, 901; Wälzholz MittBayNot 2008, 431; Pentz GmbHR 2009, 126, 130; Pentz GmbHR 2009, 505, 506 f; zweifelnd wohl auch noch BGHZ 180, 38 Rn 6 – Qivive. 7 Ausführlich BGHZ 185, 44 Rn 20 ff = GmbHR 2010, 700 – AdCoCom; so bereits 17. Aufl; vgl weiter OLG Köln GmbHR 2010, 1213, 1215 mit Anm Wachter EWiR 2011, 81 und Besprechung Hermanns DNotZ 2011, 325 ff; Fuchs BB 2009, 170, 173 ff; eingehend Kleindiek ZGR 2011, 334, 339 ff. 8 Dazu auch Pentz FS K. Schmidt, 2009, S. 1265, 1283 f; Wälzholz GmbHR 2008, 841, 846. 9 Vgl Wälzholz MittBayNot 2008, 431; U/H/L/Ulmer/Casper Rn 213; Scholz/Veil Rn 169.

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§ 20 | Verzugszinsen 138 Darlehen an Gesellschafter werden jedoch auch nach der anwendbaren Neu-

regelung des § 19 Abs. 5 einer Erfüllungswirkung regelmäßig entgegenstehen1. Problematisch ist bereits, wie mit der nach hM konstitutiven (Rn 122 f), in Altfällen jedoch stets fehlenden Anmeldung nach § 19 Abs. 5 Satz 2 umzugehen ist; in der 17. Aufl war noch erwogen worden, dass man für Altfälle hierauf möglicherweise verzichten könne2, um die gesetzliche Übergangsvorschrift nicht gänzlich ins Leere laufen zu lassen3. Diese Lösung hat der BGH indes implizit abgelehnt4. Hinzu kommt, dass der Rückgewähranspruch der GmbH häufig nicht vollwertig und fällig (bzw jederzeit fällig stellbar) sein wird5 (vgl Rn 115 f) oder dem Inferenten ein solcher Nachweis nicht gelingen wird (zur Beweislast: Rn 117). Daher kommt der Übergangsregelung in der Praxis keine Bedeutung zu; es bleibt auch nach der MoMiG-Reform nur – wie auch davor – die Heilung durch Rückzahlung des „Darlehens“ (dazu Rn 126) bzw durch vollständige Neuvornahme der Bargründung (bzw Barkapitalerhöhung) unter Beachtung der gesetzlichen Erfordernisse (streitig, dazu Rn 127).

§ 20 Verzugszinsen Ein Gesellschafter, welcher den auf die Stammeinlage eingeforderten Betrag nicht zur rechten Zeit einzahlt, ist zur Entrichtung von Verzugszinsen von Rechts wegen verpflichtet. Text seit 1892 unverändert; amtliche Überschrift ergänzt durch MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl I 2026). 1. Normzweck und Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendbarkeit . . . . . . . . . . . . . . 3. Fälligkeitszinsen . . . . . . . . . . . . .

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4. Vertragsstrafe . . . . . . . . . . . . . . . 5. Verwendung von Zins- und Vertragsstrafe . . . . . . . . . . . . . . .

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1 So auch Herrler/Reymann DNotZ 2009, 914, 926 (für AG). 2 Dafür etwa auch Wälzholz MittBayNot 2008, 432; Priester DNotZ 2009, 941, 948; Theusinger NZG 2009, 1017, 1018. 3 So auch LG Erfurt DZWiR 2010, 525 mit Anm Illhardt/Fiebelkorn (Darlehen der GmbH an KG innerhalb einer GmbH & Co KG, dazu auch Rn 102); zustimmend Winstel EWiR 2010, 781, 782. 4 BGHZ 180, 38 = GmbHR 2009, 540 Rn 6, 16 – Qivive; BGHZ 182, 103 Rn 24 f = GmbHR 2009, 926 – Cash-Pool II mit Anm Bormann GmbHR 2009, 930; vgl weiter Goette GWR 2009, 333 ff; ebenso OLG Koblenz GmbHR 2011, 579, 581 mit ablehnender Anm Zabel = DZWiR 2011, 303 mit ablehnender Anm Illhardt. 5 So auch Wälzholz GmbHR 2008, 841, 846; Bormann/Urlichs GmbHR in Römermann/ Wachter, GmbH-Beratung nach dem MoMiG, GmbHR-Sonderheft 2008, S. 37, 44.

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1. Normzweck und Anwendungsbereich Die Vorschrift will die rechtzeitige Einlageleistung fördern durch Erleichterung 1 der Verzinsungspflicht gegenüber § 286 BGB. Sie gilt nur für Bareinlagen auf das Kapital1 (sowohl Mindest- wie Resteinlage, auch aus Kapitalerhöhung), also nicht für Sacheinlagen und nicht für alle sonstigen Leistungspflichten (Nebenleistung, Nachschüsse), auch nicht für die Ansprüche aus §§ 22, 242. Die Haftung des Erwerbers aus § 16 Abs. 2 erstreckt sich zwar auf die bereits gegen den Veräußerer entstandene Zinsforderung, der Anspruch aus § 16 Abs. 2 selbst unterliegt dann aber keiner Verzinsung mehr3. Bei gemischten Einlagen ist nur der Geldanteil zu verzinsen4. § 20 findet weiterhin Anwendung auf Ansprüche aus Differenzhaftung, Vorbelastungshaftung und Bareinlagepflichten, die anstelle einer fehlgeschlagenen Sacheinlage treten5.

2. Anwendbarkeit Die Anwendbarkeit der Norm setzt voraus: (1) Fälligkeit der Leistung, (2) Nicht- 2 zahlung bei Ablauf der „rechten Zeit“ und (3) kein Annahmeverzug der GmbH (§ 301 BGB), während Mahnung und Verschulden nicht erforderlich sind6. a) Zur Fälligkeit vgl § 19 Rn 8. Ist dafür Einforderung nötig – nicht, wenn die 3 Zahlungstermine im Gesellschaftsvertrag festgelegt sind7 oder wenn der Gesellschafterbeschluss in Anwesenheit des Einlageschuldners gefasst wurde8 –, so ist der Geschäftsführer zuständig9; die Erklärung selbst ist formlos, aber empfangsbedürftig10. Die Satzung kann abweichen, zB öffentliche Aufforderung vorsehen. Der Grundsatz der Gleichbehandlung (§ 19 Abs. 1) ist zu beachten; die Einforderung nur bei einzelnen Gesellschaftern ist (mangels abweichender Regelung in Gesellschaftsvertrag oder Kapitalerhöhungsbeschluss) unzulässig und macht sie unwirksam (ausführlich § 19 Rn 7).

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RGZ 68, 271, 273; U/H/L/W. Müller Rn 7 (allgemeine Meinung). R/A/Altmeppen Rn 2; U/H/L/W. Müller Rn 12. MünchKomm/Schwandtner Rn 14; Scholz/H.P. Westermann Rn 3. R/S-L/Pentz Rn 1; MünchKomm/Schwandtner Rn 3. Scholz/H.P. Westermann Rn 2, 5; R/A/Altmeppen Rn 2. OLG Brandenburg NZG 2001, 366, 367; Scholz/H.P. Westermann Rn 15; U/H/L/ W. Müller Rn 20; R/A/Altmeppen Rn 6; teilweise abweichend R/S-L/Pentz Rn 19. OLG Zweibrücken GmbHR 1996, 122; OLG Celle GmbHR 1997, 748, 749; OLG Oldenburg GmbHR 2007, 1043, 1047; Scholz/H.P. Westermann Rn 14. OLG Hamburg GmbHR 1991, 578 f; R/A/Altmeppen Rn 5; R/S-L/Pentz Rn 10. Scholz/H.P. Westermann Rn 12; B/H/Fastrich Rn 3. B/H/Fastrich Rn 4; Scholz/H.P. Westermann Rn 12.

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§ 20 | Verzugszinsen 4 b) Nach Eintritt der Fälligkeit ist sofort, dh so schnell wie objektiv möglich, zu

leisten (§ 271 Abs. 1 BGB)1; auf Verschulden kommt es nicht an2.

3. Fälligkeitszinsen 5 Da es sich trotz der irreführenden Formulierung des Gesetzes um Fälligkeitszin-

sen handelt3, kommt nicht § 288 BGB (iVm § 247 BGB) zur Anwendung, sondern § 246 BGB4 (nicht § 352 HGB, weil kein Handelsgeschäft für die GmbH5), dh die Höhe der Zinsen beträgt daher 4 %6 und nicht (gemäß §§ 288, 247 BGB) 5 % über dem Basiszins7 (vgl aber zum Verzugszinsen-Schadensersatz noch Rn 6). Die Satzung kann die Zinspflicht erhöhen (allgemeine Meinung), nicht aber herabsetzen oder beseitigen, da § 20 zwingendes Recht ist8; die Nichterwähnung in § 25 beruht ausweislich der Gesetzesgründung auf einem Redaktionsversehen9 und ist auch deshalb kein Gegenargument, da auch der zwingende Charakter des ebenfalls nicht erwähnten § 19 allgemein anerkannt ist und beide Vorschriften die Kapitalaufbringung sichern sollen; daher auch keine Stundung und kein Erlass, keine Aufrechnung und keine datio in solutum: § 19 ist insgesamt anwendbar10.

6 Die Vorschrift schließt die Geltendmachung eines weiteren Schadens insbeson-

dere bei verspäteter Sacheinlage nicht aus; dafür gelten dann die allgemeinen

1 Vgl OLG Oldenburg GmbHR 2007, 1043, 1047; OLG Brandenburg NZG 2001, 366, 367. 2 U/H/L/W. Müller Rn 20; Scholz/H.P. Westermann Rn 15; B/H/Fastrich Rn 5 (ganz hM); aA R/S-L/Pentz Rn 19. 3 BGHZ 182, 103 Rn 41 = GmbHR 2009, 92 – Cash-Pool II; Scholz/H.P. Westermann Rn 17; für AG auch MünchKomm/Bayer § 63 AktG Rn 48 mwN. 4 B/H/Fastrich Rn 6; ausführlich Wachter GmbHR 2002, 665, 666 ff. 5 OLG Köln GmbHR 1995, 518; R/A/Altmeppen Rn 9; Scholz/H.P. Westermann Rn 17. 6 BGHZ 182, 103 Rn 41 = GmbHR 2009, 926 – Cash-Pool II; OLG Oldenburg GmbHR 2007, 1043, 1047; B/H/Fastrich Rn 6; U/H/L/W. Müller Rn 43; Scholz/H.P. Westermann Rn 17; MünchKomm/Schwandtner Rn 13 mwN. 7 So aber R/S-L/Pentz Rn 19; Wälzholz DStR 2002, 500, 507. 8 Streitig, wie hier R/A/Altmeppen Rn 11; Scholz/H.P. Westermann Rn 18; R/S-L/Pentz Rn 2; MünchKomm/Schwandtner Rn 21; obiter BGHZ 153, 107, 110 = GmbHR 2003, 231; aA U/H/L/W. Müller Rn 44 (auch Herabsetzung möglich); nunmehr offen B/H/Fastrich Rn 1, 6 aE. 9 Vgl BegrRegE zum GmbHG, RT-Drucks 8 (1. Sess.), Nr. 660 (5. Anlagenband), S. 3715, 3742. 10 So auch MünchHdbGmbH/Gummert § 51 Rn 120; Michalski/Ebbing Rn 38; aA B/H/ Fastrich Rn 7; U/H/L/W. Müller Rn 47 ff (auch Verzicht/Erlass zulässig); teilweise aA R/A/Altmeppen Rn 12; Scholz/H.P. Westermann Rn 20 (nur Verzicht/Erlass unzulässig); wieder anders MünchKomm/Schwandtner Rn 23 (Verzicht/Erlass nach Einlageleistung zulässig).

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Vorschriften der §§ 286 ff BGB1. Jetzt kommt – ggf neben einem weiteren Verzögerungsschaden2 – auch die Verzugszinsen-Regelung in § 288 Abs. 1 BGB3 zur Anwendung, dh 5 % über dem Basiszins; obiter und ohne nähere Begründung hat der BGH in der Cash Pool II-Entscheidung allerdings § 288 Abs. 2 BGB genannt4 (was 8% über Basiszins bedeuten würde), was indes angreifbar ist, da die Einlageforderung keine „Entgeltforderung“ iSv § 288 Abs. 2 BGB darstellt. Fälligkeitszinsen sind anzurechnen, können also nicht kumulativ neben Verzugszinsen geltend gemacht werden5.

4. Vertragsstrafe Die Satzung kann für die verzögerte Leistung eine Vertragsstrafe vorsehen; auch 7 die spätere Einführung durch Satzungsänderung ist möglich, setzt aber die Zustimmung aller potentiell betroffenen Gesellschafter voraus (§ 53 Abs. 3). Voraussetzung ist Verzug (§ 339 S. 1 BGB); Herabsetzung nach § 343 BGB ist möglich (allgemeine Meinung), soweit nicht § 348 HGB eingreift6. Die Vertragsstrafe kann in Geld, aber auch im Ausschluss oder in der Beschränkung von Mitgliedschaftsrechten (zB Gewinnbezug, Stimmrecht) bestehen7. Sie ersetzt nicht die Einlagepflicht (§ 19 Abs. 2; § 340 Abs. 1 BGB ist nicht anwendbar)8 und ergänzt die Zinspflicht9; ggf kann sich durch Auslegung aber eine Anrechnungsverpflichtung ergeben10. Für die Vertragsstrafe gilt § 19 Abs. 2 nicht; auch Erlass und Stundung sind zulässig11; doch ist das Gebot der Gleichbehandlung zu beachten12 (streitig).

1 MünchKomm/Schwandtner Rn 26; B/H/Fastrich Rn 8; ausführlich MünchKomm/ Bayer § 63 AktG Rn 50 f iVm 41 ff. 2 U/H/L/W. Müller Rn 59; MünchKomm/Schwandtner Rn 27 aE. 3 So auch MünchKomm/Schwandtner Rn 27; R/A/Altmeppen Rn 9; U/H/L/W. Müller Rn 51. 4 BGHZ 182, 103 Rn 41 = GmbHR 2009, 926 – Cash Pool II; vgl auch Wälzholz DStR 2002, 500, 507. 5 Scholz/H.P. Westermann Rn 21; MünchKomm/Schwandtner Rn 28; U/H/L/W. Müller Rn 50. 6 So zutreffend hM: Scholz/H.P. Westermann Rn 27; U/H/L/W. Müller Rn 58; B/H/Fastrich Rn 9; aA R/S-L/Pentz Rn 25; R/A/Altmeppen Rn 13; MünchKomm/Schwandtner Rn 42. 7 Scholz/H.P. Westermann Rn 26; B/H/Fastrich Rn 9 (allgemeine Meinung). 8 U/H/L/W. Müller Rn 57; B/H/Fastrich Rn 9 (allgemeine Meinung). 9 BGH NJW 1963, 1197; U/H/L/W. Müller Rn 59. 10 R/A/Altmeppen Rn 12; Scholz/H.P. Westermann Rn 28; Henssler/Strohn/Verse Rn 12. 11 Scholz/H.P. Westermann Rn 29. 12 U/H/L/W. Müller Rn 54; Michalski/Ebbing Rn 49.

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§ 21 | Kaduzierung 5. Verwendung von Zins- und Vertragsstrafe 8 In der Verwendung von Zins- und Vertragsstrafe ist die GmbH frei, muss diese

Erträge also nicht etwa wie Agio behandeln, sondern kann sie als außergewöhnliche Erträge über die GuV dem Bilanzgewinn zuführen und entsprechend ausschütten1.

§ 21 Kaduzierung (1) Im Fall verzögerter Einzahlung kann an den säumigen Gesellschafter eine erneute Aufforderung zur Zahlung binnen einer zu bestimmenden Nachfrist unter Androhung seines Ausschlusses mit dem Geschäftsanteil, auf welchen die Zahlung zu erfolgen hat, erlassen werden. Die Aufforderung erfolgt mittels eingeschriebenen Briefes. Die Nachfrist muss mindestens einen Monat betragen. (2) Nach fruchtlosem Ablauf der Frist ist der säumige Gesellschafter seines Geschäftsanteils und der geleisteten Teilzahlungen zugunsten der Gesellschaft verlustig zu erklären. Die Erklärung erfolgt mittels eingeschriebenen Briefes. (3) Wegen des Ausfalls, welchen die Gesellschaft an dem rückständigen Betrag oder den später auf den Geschäftsanteil eingeforderten Beträgen der Stammeinlage erleidet, bleibt ihr der ausgeschlossene Gesellschafter verhaftet. Text seit 1892 unverändert; amtliche Überschrift ergänzt durch MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl I 2026). 1. 2. 3. 4. 5.

Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesellschafter/Geschäftsführer . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . Kein Zwang zum Ausschluss . . . Ablauf der Kaduzierung . . . . . . a) Fruchtloser Ablauf der Zahlungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . b) Setzung einer Nachfrist durch erneute Zahlungsaufforderung

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c) Verlustigerklärung der Mitgliedschaft durch erneuten Einschreibebrief . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Weitere Folgen . . . . . . . . . . . . 6. Die Wirkung des Ausschlusses . . . 7. Die Ausfallhaftung des Ausgeschlossenen nach § 21 Abs. 3 . . 8. Mangelhafte Ausschließung . . . . .

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Literatur: Gehrlein Zum Gewinnbezugsrecht eines GmbH-Gesellschafters nach Einziehung seines Geschäftsanteils, DB 1998, 2355; Hörstel Der Ausschluss des GmbH-Gesellschafters durch Kaduzierung, NJW 1994, 965; Melber Die Kaduzierung in der GmbH, 1 Scholz/H.P. Westermann Rn 31; U/H/L/W. Müller Rn 61.

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Kaduzierung | § 21 1993; Melber Zur Kaduzierung des GmbH-Gesellschafters trotz freiwilliger vollständiger Einlageleistung vor Eintragung der GmbH, GmbHR 1991, 563; Michalski/Schulenburg Pfändung von Kaduzierungsansprüchen und Kaduzierung bei Einmann-Gesellschaften, NZG 1999, 431; Wehrstedt/Füssenich Die Einziehung von GmbH-Geschäftsanteilen – Alternativen und Gestaltungsvorschlag, GmbHR 2006, 698.

1. Überblick Die §§ 21–25 befassen sich mit dem sog Kaduzierungsverfahren, dem zwangs- 1 weisen Ausschluss eines Gesellschafters, der die eingeforderten Einzahlungen auf seine Stammeinlage nicht rechtzeitig erbringt. Das Verfahren ist außerordentlich eingehend, fast minutiös geregelt; seine praktische Bedeutung liegt in der generalpräventiven Wirkung: Die harten Rechtsfolgen (quasi entschädigungslose Enteignung) sollen den zahlungsunwilligen Gesellschafter umstimmen und die Einlage des Zahlungsunfähigen auf andere Weise sicherstellen. Die Vorschrift dient der Kapitalaufbringung; daher kann die Satzung keine Erleichterung (wohl aber eine Verschärfung) schaffen, und Abreden zwischen der GmbH und dem Gesellschafter, dass nicht kaduziert werde, sind unwirksam (§ 25). Daneben ist allerdings auch Ausschließung des Gesellschafters aus wichtigem Grund möglich (ausführlich § 34 Rn 52 ff)1.

2. Gesellschafter/Geschäftsführer Gesellschafter iSd Vorschrift ist nach § 16 Abs. 1 nur der in der Gesellschafter- 2 liste Eingetragene2 (vgl § 16 Rn 4, 26 ff). Fällt dieser fort (durch Tod oder Untergang, zB durch Verschmelzung), so ist das Kaduzierungsverfahren gegen den Gesamtrechtsnachfolger zu führen, nachdem dieser in die Gesellschafterliste eingetragen ist3. Erklärungen, die noch gegenüber dem Rechtsvorgänger abgegeben wurden, bleiben indes ggü dem Rechtsnachfolger wirksam4 (näher § 16 Rn 40). Geschäftsführer müssen stets in vertretungsberechtigter Zahl handeln (§ 35 Abs. 2 Satz 1)5.

1 Zur Abgrenzung Goette DStR 1997, 1257 ff. 2 R/A/Altmeppen Rn 8; B/H/Fastrich Rn 7; MünchKomm/Schütz Rn 40, 80; U/H/L/ W. Müller Rn 14. 3 So auch U/H/L/W. Müller Rn 14a; B/H/Fastrich Rn 7; MünchKomm/Schütz Rn 40; unklar im Hinblick auf Erben R/S-L/Pentz Rn 13; Scholz/Emmerich Rn 13a. 4 U/H/L/W. Müller Rn 15; R/A/Altmeppen Rn 8. 5 MünchKomm/Schütz Rn 75; Scholz/Emmerich Rn 22; R/S-L/Pentz Rn 33.

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§ 21 | Kaduzierung 3. Anwendungsbereich 3 Kaduzierung ist nur für rückständige Bareinlagen möglich, nicht für (entgegen

§ 7) verspätete Sacheinlagen, auch nicht für Schlechtleistung, Nebenleistung und Ansprüche aus §§ 20, 22, 241, wohl aber für Sacheinlagen, die sich zur Bareinlage zurückverwandelt haben (s. § 5 Rn 37)2 und für Differenz- und Vorbelastungshaftung (§ 9 Rn 1 ff und § 11 Rn 41 ff)3 sowie für den Bareinlageteil aus gemischter Einlage, wobei die Kaduzierung aber den ganzen Geschäftsanteil ergreift4.

4 Hat die GmbH die Einlageforderung abgetreten oder verpfändet und hierfür

eine vollwertige Gegenleistung erhalten (andernfalls grds unwirksam, vgl § 19 Rn 42, 49), so kommt eine Kaduzierung nicht mehr in Betracht; denn sie würde nicht mehr der Kapitalaufbringung, sondern der Durchsetzung von Ansprüchen des Zessionars/Pfandgläubigers gegen den Gesellschafter dienen; das ist nicht Aufgabe der Kaduzierung5. Pfändung der Einlageforderung macht das Kaduzierungsverfahren hingegen nicht unzulässig, weil der Gesellschaft der Wert der Forderung erst mit der Einziehung durch den Gläubiger zufließt; erst in diesem Moment wird die Gesellschaft von der gegen sie gerichteten Forderung des pfändenden Gläubigers befreit6 (vgl auch § 19 Rn 49 ff).

5 Die Insolvenz des Gesellschafters hindert die Kaduzierung nicht; sie richtet sich

dann gegen den Verwalter7. In der Insolvenz der GmbH ist allein der Insolvenzverwalter für die Kaduzierung zuständig (§ 80 Abs. 1 InsO)8. Kaduzierung ist zur Verwirklichung der Folgeansprüche (§ 22 und § 24) auch bei insolventer Gesellschaft und auch gegen den Alleingesellschafter erforderlich9.

1 Näher Bayer/Scholz NZG 2015, 1089, 1091 mwN. 2 U/H/L/W. Müller Rn 11; B/H/Fastrich Rn 3; Scholz/Emmerich Rn 5a; aA noch RGZ 68, 271, 273. 3 BGH GmbHR 2003, 466; R/A/Altmeppen Rn 5; Scholz/Emmerich Rn 5a; kritisch Melber GmbHR 1991, 563, 566 f. 4 B/H/Fastrich Rn 3; U/H/L/W. Müller Rn 11; R/S-L/Pentz Rn 27. 5 R/A/Altmeppen Rn 4; MünchKomm/Schütz Rn 18; ausführlich hierzu MünchKomm/ Bayer § 64 AktG Rn 23 f. 6 OLG Celle GmbHR 1994, 801, 802; Scholz/Emmerich Rn 12; Henssler/Strohn/Verse Rn 15; MünchKomm/Bayer § 64 AktG Rn 25 f mwN zur hM im Aktienrecht; differenzierend R/A/Altmeppen Rn 4. 7 B/H/Fastrich Rn 7; R/A/Altmeppen Rn 8; ausführlich MünchKomm/Bayer § 64 AktG Rn 94. 8 OLG Zweibrücken ZIP 2007, 335, 336; OLG Dresden GmbHR 1998, 884, 886; Scholz/ Emmerich Rn 11. 9 öOGH NZG 1999, 444 f mit Anm Michalski/Schulenburg S. 431 ff.

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4. Kein Zwang zum Ausschluss Die Kaduzierung muss nicht erfolgen, ihre Durchführung liegt in jedem Sta- 6 dium des Verfahrens im pflichtgemäßen Ermessen des Geschäftsführers bzw des Insolvenzverwalters (Rn 5, 7) oder Liquidators der GmbH1. Die Grundsätze der Gleichbehandlung sind strikt zu beachten, doch sind sachlich gerechtfertigte Differenzierungen zulässig2. Die Gesellschafterversammlung kann dem Geschäftsführer in diesem Rahmen Weisungen erteilen3. Das Verfahren kann bis zum wirksamen Ausschluss in jedem Zeitpunkt abgebrochen, die einzelnen Schritte müssen dann ggf später wiederholt werden.

5. Ablauf der Kaduzierung a) Fruchtloser Ablauf der Zahlungsfrist: Ein Rückstand der Einlage ist entstan- 7 den, wenn die Leistung fällig ist (s. § 19 Rn 8) und gleichwohl nicht bewirkt wird4. Vor Fälligkeit kann eine wirksame Aufforderung zur Zahlung und damit eine Kaduzierung nicht erfolgen. Die Einlage darf ferner nicht verjährt sein5. Die Fälligkeit wird grundsätzlich durch Beschluss der Gesellschafterversammlung herbeigeführt, der jedenfalls durch Aufforderung durch die Geschäftsführer umgesetzt wird6. Bei einer Einpersonen-Gesellschaft kann der Einforderungsbeschluss durch den allein verbliebenen Gesellschafter formlos gefasst werden7. Eine „erste“ Aufforderung ist allerdings entbehrlich, wenn die Fälligkeitstermine im Gesellschaftsvertrag eindeutig8 festgesetzt sind9. Ebenfalls ausreichend ist gegenüber anwesenden Gesellschaftern ein Gesellschafterbeschluss, der entweder „sofort“ oder bis zu einem bestimmten Zeitpunkt eindeutig zur Zahlung auffordert (ausführlich § 19 Rn 9)10; eine nochmalige besondere Einforderung

1 U/H/L/W. Müller Rn 6; R/S-L/Pentz Rn 32. 2 OLG Hamm GmbHR 2010, 707, 708; Scholz/Emmerich Rn 14; U/H/L/W. Müller Rn 7; ausführlich MünchKomm/Bayer § 64 AktG Rn 34 ff. 3 OLG Düsseldorf GmbHR 1962, 158; R/A/Altmeppen Rn 1; R/S-L/Pentz Rn 23. 4 OLG Zweibrücken ZIP 2007, 335 ff; Scholz/Emmerich Rn 7 (allgemeine Meinung). 5 Hier gilt anders als für Einlageansprüche die dreijährige Regelverjährung des § 195 BGB: ausführlich Thiessen ZHR 168 (2004), 503, 522. 6 OLG Zweibrücken GmbHR 1996, 122 f; auch durch Klageerhebung möglich: OLG Dresden GmbHR 1998, 884, 886. 7 OLG Zweibrücken ZIP 2007, 335 ff. 8 Hierzu Goette DStR 1996, 111, 112. 9 BGH BB 1961, 953; OLG Zweibrücken GmbHR 1996, 122 f; U/H/L/W. Müller Rn 26. 10 Wie hier OLG Hamburg GmbHR 1991, 578 f; OLG Dresden GmbHR 1997, 946, 947; R/S-L/Pentz Rn 9; Scholz/Emmerich Rn 7e; ähnlich U/H/L/W. Müller Rn 26; aA B/H/ Fastrich Rn 4 mwN.

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§ 21 | Kaduzierung ist in diesem Fall nicht vorgeschrieben1. In der Insolvenz der GmbH wird die Resteinlage im Interesse des Gläubigerschutzes auch ohne Gesellschafterbeschluss durch bloße Anforderung des Insolvenzverwalters fällig2. Hat ein Gesellschafter mehrere Geschäftsanteile, so ist darauf zu achten, für welchen Geschäftsanteil die Zahlungsaufforderung erfolgt3; diese ist exakt zu bezeichnen4. 8 b) Setzung einer Nachfrist durch erneute Zahlungsaufforderung mittels Ein-

schreibebriefs (kein Einwurf-Einschreiben!)5 oder durch öffentliche Zustellung6 und der Androhung des Ausschlusses: Zugang ist erforderlich7, daher Rückschein oder gar öffentliche Zustellung empfehlenswert. Veröffentlichung in den Gesellschaftsblättern oÄ genügt nicht8 (anders § 64 AktG), auch nicht ein Beschluss der Gesellschafterversammlung. Diese Aufforderung kann – im Gegensatz zur Fälligstellung – erst nach Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister erfolgen (allgemeine Meinung)9. Der Brief muss enthalten:

9 (1) Eine erneute genau bezifferte Zahlungsaufforderung. Diese kann nicht mit

der Fälligstellung verbunden werden, vielmehr ist der fruchtlose Ablauf der Zahlungsfrist abzuwarten10. Ist der angeforderte Betrag niedriger als der tatsächlich geschuldete, so ist dies unschädlich, die Kaduzierung ist ausgeschlossen, wenn der zu niedrige Teilbetrag der Einlageschuld bezahlt wird11. In Parallele zur Rechtslage bei der Mahnung (§ 286 Abs. 1 BGB)12 gilt dies grundsätzlich auch bei Anforderung eines höheren Betrages13, es sei denn, dieser ist weit überhöht14. Einer erneuten Zahlungsaufforderung bedarf es auch gegenüber einem vermögenslosen Einlageschuldner, der bereits im Handelsregister gelöscht ist15. In

1 MünchKomm/Schütz Rn 31 und ganz hM; abweichend OLG München GmbHR 1985, 56; B/H/Fastrich Rn 4. 2 ThürOLG GmbHR 2007, 982, 983; R/A/Altmeppen Rn 10. 3 Dazu auch U/H/L/W. Müller Rn 14, 36; MünchKomm/Schütz Rn 40. 4 LG Hildesheim GmbHR 1998, 44; Scholz/Emmerich Rn 13a. 5 Wie hier B/S/Bartels Rn 6; U/H/L/W. Müller Rn 37; aA R/S-L/Pentz Rn 18. 6 OLG Zweibrücken ZIP 2007, 335, 336; B/H/Fastrich Rn 8; Scholz/Emmerich Rn 19a. 7 Instruktiv OLG Rostock GmbHR 1997, 449, 450; vgl weiter Michalski/Ebbing Rn 46; Scholz/Emmerich Rn 19. 8 R/A/Altmeppen Rn 14; Scholz/Emmerich Rn 19a (unstreitig). 9 R/A/Altmeppen Rn 7; B/H/Fastrich Rn 4 mwN. 10 B/H/Fastrich Rn 4; Scholz/Emmerich Rn 15. 11 R/A/Altmeppen Rn 11; Scholz/Emmerich Rn 16 (allgemeine Meinung). 12 Dazu etwa BGH WM 2000, 586 f. 13 OLG Hamburg GmbHR 1994, 249; U/H/L/W. Müller Rn 31; MünchKomm/Schütz Rn 57; aA R/A/Altmeppen Rn 11. 14 So auch Scholz/Emmerich Rn 16 aE; vgl auch bereits MünchKomm/Bayer § 64 AktG Rn 44 mwN. 15 ThürOLG GmbHR 2007, 982, 983; U/H/L/W. Müller Rn 18a.

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diesem Fall ist es jedoch ausreichend, wenn die Zahlungsaufforderung an den Verwahrer der Bücher und Schriften gerichtet wird1. (2) Die Setzung einer Nachfrist von mindestens einem Monat seit Zugang der 10 erneuten Zahlungsaufforderung beim Gesellschafter. Aufgabe zur Post setzt die Frist noch nicht in Gang; eine kürzere Frist macht die Aufforderung unwirksam, setzt also nicht die gesetzliche Mindestfrist in Lauf2. Die Frist kann allgemein („innerhalb von einem Monat seit Zugang des Schreibens“) oder speziell („bis zum 1.10.2012“) formuliert sein; eine Aufforderung zu „prompter Zahlung“ genügt nicht. Das Fristsetzungserfordernis ist im Interesse des auszuschließenden Gesellschafters und seines ggf haftenden Rechtsvorgängers selbst im Falle der Insolvenz bzw gegenüber einer auszuschließenden, aber bereits im Handelsregister gelöschten GmbH nicht entbehrlich3. Die Vorschriften zum Schutz der Kapitalaufbringung durch einen Rückgriff auf den Rechtsvorgänger des kaduzierten Gesellschafters gemäß § 22 iVm § 21 stellen zwingendes Recht dar, die nicht aufgrund von Praktikabilitätserwägungen umgangen werden dürfen4. (3) Die Androhung des Ausschlusses unter Verlust des Geschäftsanteils bei 11 fruchtlosem Ablauf der Nachfrist. Die Androhung dieses Nachteils muss deutlich sein5. Hinweise auf die „Wahrung aller Rechte“ oder „bei Gefahr der gesetzlichen Nachteile“ genügen nicht. Die Androhung des Verlustes der bisherigen Zahlungen (§ 21 Abs. 2) ist zweckmäßig, zur Gültigkeit aber nicht erforderlich. c) Verlustigerklärung der Mitgliedschaft durch erneuten Einschreibebrief: 12 Die Erklärung muss den Ausschluss und den Verlust aller Ansprüche („geleistete Teilzahlung“) klar und deutlich machen. Daher empfiehlt es sich, den gesetzlichen Wortlaut in die Erklärung aufzunehmen. Die Ausschlusserklärung darf erst nach Ablauf der Nachfrist zugehen (eine zuvor zugegangene Ausschlusserklärung ist nichtig)6, kann aber schon vorher abgegeben sein7. Dem Säumigen erwächst daraus kein Nachteil. Das Recht zum Ausschluss ist noch nicht verwirkt, wenn zwischen der erneuten Aufforderung zur Zahlung und der Ausschlusserklärung zwar einige Monate vergangen sind, es für den säumigen Gesellschafter aber deutlich geblieben ist, dass sein Ausschluss von der Gesellschaft weiterhin angestrebt wird8. Bis zum Augenblick des Zugangs der Aus1 ThürOLG GmbHR 2007, 982, 984 f; MünchKomm/Schütz Rn 45; vgl weiter Scholz/ K. Schmidt § 74 Rn 20a. 2 OLG Rostock GmbHR 1997, 449, 450; ThürOLG GmbHR 2007, 982, 985; R/A/Altmeppen Rn 12. 3 Ausführlich ThürOLG GmbHR 2007, 982, 985. 4 ThürOLG GmbHR 2007, 982, 985; MünchKomm/Schütz Rn 45. 5 OLG Hamm GmbHR 1993, 360 ff; Scholz/Emmerich Rn 18. 6 U/H/L/W. Müller Rn 48; Michalski/Ebbing Rn 98. 7 U/H/L/W. Müller Rn 48; B/H/Fastrich Rn 9; R/A/Altmeppen Rn 16; R/S-L/Pentz Rn 36; kritisch Scholz/Emmerich Rn 22b; aA MünchKomm/Schütz Rn 82. 8 OLG Hamburg GmbHR 1994, 249 f; OLG Dresden GmbHR 1997, 946 ff; Scholz/Emmerich Rn 22a.

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§ 21 | Kaduzierung schlusserklärung kann der Gesellschafter den Eintritt der Wirkung durch Zahlung verhindern; maßgebend hierfür ist der Zeitpunkt des Eingangs der Zahlung bei der GmbH bzw auf einem ihrer Konten einerseits, der Zugang des Ausschlussschreibens beim Gesellschafter andererseits1. 13 d) Weitere Folgen: Aufgrund anderer Normen (§§ 22–24) kommen dann noch

folgende Schritte hinzu:

(1) Verwertung des Geschäftsanteils nach § 23, (2) ggf Geltendmachung der Ausfallhaftung gegen den Ausgeschlossenen und seine Vormänner (§ 21 Abs. 3 und § 22), (3) ggf Geltendmachung der weiteren Ausfallhaftung gegen die übrigen Gesellschafter nach § 24.

6. Die Wirkung des Ausschlusses 14 a) Mit Zugang der Ausschlusserklärung verliert der betreffende Gesellschafter

die Mitgliedschaft, ohne dass diese selbst damit untergeht (anders bei Einziehung nach § 34) und ohne dass dem säumigen Gesellschafter hieraus irgendwelche Ersatzansprüche erwachsen (auch nicht, wenn die GmbH aus der Verwertung einen Überschuss erzielt): Das ist mit der Formulierung „der geleisteten Teilzahlung verlustig erklären“ gemeint2. Mit Ausnahme der Ausfallhaftung nach § 21 Abs. 3 enden alle Rechte und Pflichten des Ausgeschlossenen für die Zukunft, nicht jedoch rückwirkend, so zB nicht der Anspruch auf die bereits zuvor beschlossene Dividende3 oder Pflichten aus § 20. Rechte Dritter am Geschäftsanteil erlöschen ex lege4, eine Zwangsvollstreckung in den Geschäftsanteil ist aufzuheben (§ 771 ZPO)5.

15 b) Inhaberin des kaduzierten Geschäftsanteils wird die GmbH selbst6; diese ist

gemäß §§ 16 Abs. 1, 40 Abs. 1 als neuer Inhaber des Geschäftsanteils in die Gesellschafterliste einzutragen7. Die früher vertretene Auffassung, dass der Ge-

1 B/H/Fastrich Rn 9; U/H/L/W. Müller Rn 51. 2 Ganz hM: OLG Hamm GmbHR 2010, 707, 709; B/H/Fastrich Rn 11; R/A/Altmeppen Rn 17; ausführlich MünchKomm/Bayer § 64 AktG Rn 59; aA Melber S. 208 ff. 3 OLG Hamm GmbHR 1989, 126 (in der Aussage zutreffend, in der Sache aber unzutreffend, da ein Gewinnverteilungsbeschluss nicht gefasst worden war); vgl auch MünchKomm/Schütz Rn 96; ausführlich Scholz/Emmerich Rn 27a. 4 Ebenso Wehrstedt/Füssenich GmbHR 2006, 698, 700. 5 Scholz/Emmerich Rn 28; R/A/Altmeppen Rn 21; aA Melber S. 174 ff, 208 ff. 6 U/H/L/W. Müller Rn 61; R/S-L/Pentz Rn 44; B/H/Fastrich Rn 12; Scholz/Emmerich Rn 29. 7 So auch B/H/Fastrich Rn 12; U/H/L/W. Müller Rn 61b; MünchKomm/Schütz Rn 101; R/S-L/Pentz Rn 44; einschränkend Scholz/Emmerich Rn 30 („kann“).

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schäftsanteil (vorläufig) niemandem zustehe, vielmehr als herrenloses (subjektloses) Recht fortbestehe1, ist dogmatisch unhaltbar2. Der Geschäftsanteil ist zwingend nach den Regeln der §§ 22, 23 zu verwerten; daher ist vor deren Abschluss eine Zwangsvollstreckung in diesen Geschäftsanteil ebenso unzulässig wie seine Aktivierung in der Bilanz der GmbH. Bis zum Erwerb des Geschäftsanteils im Rahmen der Verwertung ruhen alle Rechte und Pflichten, insbesondere das Stimmrecht; eine Ausnahme gilt allein für die Teilnahme an einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln3. Streitig ist die Behandlung von Gewinnen; sie kommen nach zutreffender Auffassung nicht einem späteren Erwerber4, sondern den übrigen Gesellschaftern zugute (vgl auch § 22 Rn 14)5. c) Der Ausschluss ist unwiderruflich; die Mitgliedschaft geht kraft Gesetzes mit 16 Wirkung ex nunc auf die GmbH über6. Es entsteht allein die Möglichkeit, dass die Gesellschaft mit Zustimmung der anderen Gesellschafter den Geschäftsanteil an den säumigen einstigen Gesellschafter Zug um Zug gegen Leistung der rückständigen Einlage samt Zinsen und Kosten abtritt7 (s. auch § 23 Rn 5).

7. Die Ausfallhaftung des Ausgeschlossenen nach § 21 Abs. 3 Der Ausgeschlossene schuldet keine Einlage mehr, aber er haftet unbefristet für 17 alle noch offenen Einlageverbindlichkeiten, auch für solche, die entgegen §§ 7 Abs. 2, 8 Abs. 2 nicht rechtzeitig geleistet wurden, und auch für solche, die erst nach seinem Ausschluss fällig werden. Die Haftung betrifft aber nur die Einlage, ist subsidiär und greift nur insoweit ein, als die Einlage weder bei Vormännern (§ 22) noch durch Verwertung des Geschäftsanteils (§ 23) realisiert werden kann, setzt aber nicht voraus, dass die Mitgesellschafter nach § 24 vergeblich herangezogen worden sind8. Bei später fälligen Einlageteilen ist außerdem der vorherige Ausschluss des neuen und zunächst schuldenden Inhabers des betreffenden Geschäftsanteils erforderlich9. Für den Haftungsanspruch gilt § 19 Abs. 2 und 310; 1 So noch BayObLG GmbHR 1915, 215; RGZ 98, 276, 278; BGHZ 42, 89, 92. 2 Ausführlich MünchKomm/Bayer § 64 AktG Rn 70 mwN; zustimmend R/A/Altmeppen Rn 19; B/S/Bartels Rn 11; R/S-L/Pentz Rn 44. 3 Scholz/Emmerich Rn 30; R/A/Altmeppen Rn 20; R/S-L/Pentz Rn 46. 4 So aber B/H/Fastrich Rn 12; MünchHdbGmbH/Gummert § 50 Rn 169. 5 U/H/L/W. Müller Rn 62; R/A/Altmeppen Rn 20; R/S-L/Pentz Rn 46; MünchKomm/ Schütz Rn 103; wohl auch Scholz/Emmerich Rn 30a; ausführlich MünchKomm/Bayer § 64 AktG Rn 71 mwN. 6 MünchKomm/Schütz Rn 88; Scholz/Emmerich Rn 31. 7 Wie hier auch R/S-L/Pentz Rn 49; Scholz/Emmerich 31; abweichend MünchKomm/ Schütz Rn 90. 8 B/H/Fastrich Rn 15; U/H/L/W. Müller Rn 76; Scholz/Emmerich Rn 33. 9 Scholz/Emmerich Rn 34; B/H/Fastrich Rn 15; U/H/L/W. Müller Rn 79. 10 RGZ 98, 276, 277; Scholz/Emmerich Rn 33 aE; R/S-L/Pentz Rn 50.

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§ 22 | Haftung der Rechtsvorgänger Gerichtsstand ist auch der Sitz der GmbH: Die §§ 17, 22 ZPO sind auch für Ansprüche aus der früheren Mitgliedschaft anwendbar1. Durch Zahlung des Ausfalls wird der Ausgeschlossene nicht wieder Gesellschafter, es stehen ihm auch keine Ansprüche gegen die GmbH oder den Erwerber des Geschäftsanteils zu (allgemeine Meinung).

8. Mangelhafte Ausschließung 18 Lagen die materiellen Voraussetzungen nicht vor oder wurden die Formalien

nicht exakt beachtet2, so ist die Erklärung des Ausschlusses wirkungslos3 (Ausnahme bei fehlerhafter Angabe des rückständigen Betrages, dazu Rn 9)4, der zu Unrecht Ausgeschlossene bleibt weiterhin Gesellschafter und kann das durch Feststellungsklage gegen die GmbH oder einen zahlenden Vormann (§ 22 Abs. 4) klären lassen5. Umgekehrt ist auch die Klage der GmbH auf Feststellung, dass der Gesellschafter aufgrund der Kaduzierung ausgeschieden ist, zulässig6. Nach Maßgabe von § 16 Abs. 3 (ausführlich § 16 Rn 63 ff, 86) kommt – anders als früher – ggf im Rahmen der Verwertung nach § 23 (§ 23 Rn 10) ein gutgläubiger Erwerb des Geschäftsanteils von der materiell zu Unrecht in die Gesellschafterliste eingetragenen GmbH (Rn 15) in Betracht7.

§ 22 Haftung der Rechtsvorgänger (1) Für eine von dem ausgeschlossenen Gesellschafter nicht erfüllte Einlageverpflichtung haftet der Gesellschaft auch der letzte und jeder frühere Rechtsvorgänger des Ausgeschlossenen, der im Verhältnis zu ihr als Inhaber des Geschäftsanteils gilt. (2) Ein früherer Rechtsvorgänger haftet nur, soweit die Zahlung von dessen Rechtsnachfolger nicht zu erlangen ist; dies ist bis zum Beweis des Gegenteils anzunehmen, wenn der letztere die Zahlung nicht bis zum Ablauf eines Mo1 Scholz/Emmerich 38. 2 Ausführlich MünchKomm/Schütz Rn 132 ff. 3 Scholz/Emmerich Rn 32; R/A/Altmeppen Rn 22; U/H/L/W. Müller Rn 67; s. zur Verletzung des Gleichbehandlungsgebots OLG Hamm GmbHR 2010, 707, 708. 4 OLG Hamburg GmbHR 1994, 249; B/H/Fastrich Rn 17; U/H/L/W. Müller Rn 31. 5 Scholz/Emmerich 32a; MünchKomm/Schütz Rn 142 mwN. 6 OLG Hamm GmbHR 2010, 707, 708. 7 R/S-L/Pentz Rn 61; MünchKomm/Schütz Rn 140; Scholz/Emmerich Rn 30, 32b; nunmehr auch R/A/Altmeppen Rn 22.

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Haftung der Rechtsvorgänger | § 22

nats geleistet hat, nachdem an ihn die Zahlungsaufforderung und an den Rechtsvorgänger die Benachrichtigung von derselben erfolgt ist. (3) Die Haftung des Rechtsvorgängers ist auf die innerhalb der Frist von fünf Jahren auf die Einlageverpflichtung eingeforderten Leistungen beschränkt. Die Frist beginnt mit dem Tag, ab welchem der Rechtsnachfolger im Verhältnis zur Gesellschaft als Inhaber des Geschäftsanteils gilt. (4) Der Rechtsvorgänger erwirbt gegen Zahlung des rückständigen Betrages den Geschäftsanteil des ausgeschlossenen Gesellschafters. Text von Abs. 2 und Abs. 4 seit 1892 unverändert; Abs. 1 und Abs. 3 geändert und amtliche Überschrift ergänzt durch MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl I 2026). 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Überblick . . . . . . . . . . . . Regressschuld . . . . . . . . . Erster Regressschuldner . . Weitere Regressschuldner Haftungszeitraum . . . . . . Ende der Haftung . . . . . .

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. 1 . 2 . 4 . 5 . 8 . 10

7. Der Übergang der Mitgliedschaft (§ 22 Abs. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . 11 8. Erstattungsansprüche des Zahlenden . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 9. Haftung aus § 16 Abs. 2 . . . . . . . . 19

1. Überblick § 22 regelt den Regress der Vormänner des nach § 21 Ausgeschlossenen als 1 1. Abschnitt der Verwertung des kaduzierten Geschäftsanteils (2. Abschnitt: § 23, Versteigerung). Bei den Änderungen in § 22 Abs. 1 und 3 durch das MoMiG handelt es sich lediglich um Folgeänderungen zu § 16 verbunden mit einer sprachlichen Modernisierung. Denn gemäß § 16 Abs. 1 gilt im Verhältnis zur GmbH nur noch der in der Gesellschafterliste nach § 40 Eingetragene als Gesellschafter (näher § 16 Rn 1, 26 ff, 38). § 22 Abs. 1 regelt die Haftung des Rechtsvorgängers des Kaduzierten, der im Verhältnis zur Gesellschaft als Inhaber des Geschäftsanteils gilt; § 22 Abs. 2 bestimmt das Verhältnis der Haftung der Rechtsvorgänger zueinander. Voraussetzung der Haftung ist ein wirksamer Ausschluss1, und zwar auch in der Insolvenz der Gesellschaft2 (dass für die insolvente Gesellschaft und einen insolventen Gesellschafter derselbe Insolvenzverwalter bestellt wurde, schadet nicht)3 und im Falle des Alleingesellschafters4. Die Unwirksamkeit der Kaduzierung bzw auch der Erfüllung der Einlagepflichten kann nicht nur vom Ausgeschlossenen, son1 BGH WM 2002, 555, 556 mit Anm Bayer/Pielka WuB II A. § 65 AktG 1.02; R/A/Altmeppen Rn 2. 2 Auch wenn Verfahren mangels Masse nicht eröffnet: öOGH NZG 1999, 552. 3 öOGH NZG 2001, 754, 755; MünchKomm/Bayer § 65 AktG Rn 14. 4 öOGH NZG 2001, 754, 755.

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§ 22 | Haftung der Rechtsvorgänger dern auch von jedem Regressschuldner (Rn 4 ff) geltend gemacht werden1. Das gilt selbst dann, wenn gegen den Gesellschafter, dessen Anteil kaduziert worden ist, ein rechtskräftiges Urteil ergangen ist, da die Rechtskraft nur zwischen den Parteien des Vorprozesses eintritt (§ 325 ZPO)2. Die Regeln des § 22 können durch die Satzung nicht beseitigt oder abgeschwächt, wohl aber verschärft werden, etwa durch Verkürzung der Frist des § 22 Abs. 2 oder Verlängerung der Frist des § 22 Abs. 3 (vgl § 25)3. § 22 ZPO gilt auch hier.

2. Regressschuld 2 Die Regressschuld entspricht in ihrer Höhe genau der fälligen und rückständi-

gen Bareinlage, die der Ausgeschlossene, wäre er noch Gesellschafter, jetzt als Einlage bezahlen müsste, also unter Anrechnung etwaiger Teilleistungen und ohne die noch nicht fälligen Teile der Einlage, aber unter Einschluss inzwischen (seit der Kaduzierung) weiter fällig gewordener Einlageraten (allgemeine Meinung). In gleicher Weise mindert sich die Schuld späterer Regressschuldner durch Teilleistungen ihrer Vormänner. Sacheinlagen sowie rückständige Nebenleistungen, Zinsen und Vertragsstrafen sind nicht Teil der Regressschuld4. Hat sich eine Sacheinlagepflicht aber ganz (zB Rücktritt) oder teilweise (Differenzhaftung, § 9) in eine Bareinlagepflicht umgewandelt, so besteht die Regressschuld in Höhe der an die Stelle der Sacheinlage getretenen Bareinlageschuld5, keinesfalls aber mehr (auch nicht im Fall einer sog negativen Sacheinlage). Liegt hingegen eine gemischte Einlage vor und ist der Sacheinlageteil nicht geleistet, so erwirbt der Vormann den Geschäftsanteil gemäß § 22 Abs. 4 mit der Last der noch nicht erfüllten Sacheinlagepflicht6. Die Regressschuld erfasst auch die Schuld des Gesellschafters aus der Vorbelastungshaftung7, eine Haftung, welche über die Ziffer des Stammkapital hinausgehen kann (dazu § 11 Rn 41 ff). 3 Für Leistungen auf die Regressschuld gelten die strengen Regeln des § 19 Abs. 2 und 58, das gilt auch für die Darlegung und den Beweis der Zahlung der Stammeinlage an die GmbH9. Sie erlischt im Übrigen auch mit der Versteigerung des Geschäftsanteils nach § 23, weil von diesem Zeitpunkt an ein Erwerb nach § 22 Abs. 4 nicht mehr möglich ist10. Das gilt nicht, wenn das VersteigerungsverfahR/A/Altmeppen Rn 2; Scholz/Emmerich Rn 4. BGH GmbHR 2005, 229; Goette ZIP 2005, 1481, 1483; U/H/L/W. Müller Rn 40. U/H/L/W. Müller Rn 4; Scholz/Emmerich Rn 3. R/S-L/Pentz Rn 21; Scholz/Emmerich Rn 13 f; U/H/L/W. Müller Rn 12 f. MünchKomm/Schütz Rn 20; R/S-L/Pentz Rn 22. Scholz/Emmerich Rn 13a; U/H/L/W. Müller Rn 14. Scholz/Emmerich Rn 13a; MünchKomm/Schütz Rn 19. RGZ 92, 365, 366; RGZ 98, 276, 277; OLG Köln GmbHR 1987, 478; R/S-L/Pentz Rn 23. Dazu BGH GmbHR 2003, 466, 467; OLG Brandenburg GmbHR 2005, 1608 (LS); zustimmend Wicke Rn 2 aE. 10 RGZ 85, 237, 241; U/H/L/W. Müller Rn 23; Scholz/Emmerich Rn 17. 1 2 3 4 5 6 7 8 9

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ren erfolglos (ohne Zuschlag) verläuft; verfügt die GmbH jedoch danach anderweitig über den Geschäftsanteil, so greift der Gedanke aus § 22 Abs. 4 wieder ein.

3. Erster Regressschuldner Erster Regressschuldner ist ipso iure der – wie das Gesetz sagt: „letzte“ – Rechts- 4 vorgänger des Ausgeschlossenen1, und zwar beschränkt auf den konkreten kaduzierten Geschäftsanteil2. Wird ein Gründer kaduziert, so hat er nur dann einen Rechtsvorgänger iSv § 22, wenn er von einem Mitgesellschafter zuvor einen Geschäftsanteil derivativ erworben hat3 (vgl auch Rn 4a). Anders als beim Staffelregress (Rn 5) ist hier die Zahlungsunfähigkeit des kaduzierten Gesellschafters nicht Voraussetzung für die Regresshaftung4. Rechtsvorgänger ist weiterhin nur derjenige, der gemäß § 16 Abs. 1 iVm § 40 4a ordnungsgemäß in die Gesellschafterliste des Handelsregisters eingetragen ist5 (bzw nach früherer Rechtslage gemäß § 16 angemeldet war6), auch ein Treuhänder7 und ggf auch ein gutgläubiger Erwerber gemäß § 16 Abs. 38 (dazu § 16 Rn 63 ff). Nicht in die Gesellschafterliste eingetragene Zwischenerwerber waren nach früherem Recht nicht Regressschuldner9; das galt nach ganz hM jedoch nicht für Zwischenerwerber kraft Gesamtrechtsnachfolge, also insbesondere bei Erbfolge10. Nach heutiger Rechtslage kann dies nicht mehr gelten; denn nunmehr besteht eine gesetzliche Pflicht, jede Veränderung im Gesellschafterkreis in die Gesellschafterliste einzutragen (§ 40 Rn 1, 5 ff); nur auf diese Weise können im Verhältnis zur GmbH Gesellschafterrechte begründet werden (ausführlich § 16 Rn 1, 26 ff). Nicht eingetragene (Zwischen-)Erwerber haften somit generell nicht11, 1 RGZ 85, 237, 241; OLG Köln GmbHR 1987, 478; U/H/L/W. Müller Rn 26; MünchKomm/Schütz Rn 34. 2 BGH GmbHR 2015, 935 Rn 6 f; näher Bayer/Scholz NZG 2015, 1089, 1091; vgl weiter Scholz/Emmerich Rn 6; MünchKomm/Schütz Rn 34 f (unstreitig). 3 MünchKomm/Schütz Rn 35; Scholz/Emmerich Rn 6a; vgl auch BGH GmbHR 2015, 935 Rn 7; Bayer/Scholz NZG 2015, 1089, 1091. 4 OLG Dresden GmbHR 1998, 884, 886; B/H/Fastrich Rn 5; Scholz/Emmerich Rn 8 ff; Michalski/Ebbing Rn 27; U/H/L/W. Müller Rn 9, 37; MünchKomm/Schütz Rn 37; falsch OLG Köln GmbHR 1987, 478 mit ablehnender Anm Roth EWiR 1987, 689. 5 MünchKomm/Schütz Rn 39; R/S-L/Pentz Rn 12. 6 So zum früheren Recht: OLG Hamm GmbHR 1988, 266. 7 OLG Dresden GmbHR 1998, 884, 886; U/H/L/W. Müller Rn 27 (allgemeine Meinung). 8 R/A/Altmeppen Rn 5; U/H/L/W. Müller Rn 35; MünchKomm/Schütz Rn 37; Scholz/ Emmerich Rn 7a. 9 B/H/Hueck/Fastrich 18. Aufl Rn 4. 10 U/H/W/W. Müller 1. Aufl Rn 19. 11 So auch MünchKomm/Schütz Rn 39 f; B/H/Fastrich Rn 4; Michalski/Ebbing Rn 22; U/H/L/W. Müller Rn 34; R/S-L/Pentz Rn 19; aA R/A/Altmeppen Rn 5; zweifelnd Scholz/ Emmerich Rn 6b.

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§ 22 | Haftung der Rechtsvorgänger dh auch nicht der Erbe, solange er nicht in die Gesellschafterliste eingetragen ist1 (zur Rechtsstellung des Erben2: § 16 Rn 43 ff). Regressschuldner ist auch der (originäre) Gründungsgesellschafter nicht nur dann, wenn er seinen Geschäftsanteil weiterveräußert hat3, sondern auch dann, wenn er seinen künftigen Geschäftsanteil mit Wirkung auf Entstehung der Gesellschaft abtritt4; anders jedoch bei Änderung des Gesellschaftsvertrags vor Eintragung gemäß § 2 (vgl dazu § 2 Rn 48)5. Rechtsvorgänger kann auch der Ausgeschlossene selbst sein, wenn er schon früher einmal Mitglied der GmbH war6. Waren mehrere gemeinsam Rechtsvorgänger, so haften sie als Gesamtschuldner (§ 18 Abs. 2)7; das gilt auch für eine Erbengemeinschaft8. War die Eintragung in die Gesellschafterliste materiell fehlerhaft und wurde der Rechtsübergang wirksam in der Weise beseitigt, dass anstelle des Erwerbers wieder der Veräußerer in die Gesellschafterliste eingetragen wird (dazu ausführlich § 16 Rn 61), dann war der Erwerber aufgrund der Eintragung in der Gesellschafterliste zwar für die Vergangenheit „Rechtsvorgänger“ des Veräußerers und geleistete Zahlungen erfolgten mit Rechtsgrund (vgl § 16 Rn 23); im Falle einer erst nach erfolgter Korrektur der Gesellschafterliste vorgenommenen Kaduzierung wird der zwischenzeitliche „Erwerber“ jedoch nicht als Rechtsvorgänger behandelt und haftet daher nicht mehr9 (ausführlich § 16 Rn 23, 62).

4. Weitere Regressschuldner 5 Weitere Regressschuldner sind der Rechtsvorgänger des 1. Regressschuldners

und dessen Rechtsvorgänger unter der Voraussetzung (§ 22 Abs. 2), dass ihr jeweiliger Nachmann zahlungsunfähig ist: sog Staffelregress10; die GmbH kann nicht – wie etwa im Wechselrecht – den jeweils Zahlungskräftigsten aussuchen, sondern muss von Rechtsvorgänger zu Rechtsvorgänger sukzessiv vorgehen11. Die Staffelung bedeutet auch, dass etwaige Teilzahlungen eines näheren Vormanns dem entfernteren Vormann zugute kommen. 1 Wie hier: MünchKomm/Schütz Rn 40; G/E/S/Kantz Rn 3; U/H/L/W. Müller Rn 34; Michalski/Ebbing Rn 22; R/S-L/Pentz Rn 6; abweichend R/A/Altmeppen Rn 4; Henssler/ Strohn/Verse Rn 6; zweifelnd Scholz/Emmerich Rn 6b; B/H/Fastrich Rn 4. 2 Dazu auch ausführlich Bayer GmbHR 2012, 1, 4 f mwN. 3 MünchKomm/Schütz Rn 35; R/S-L/Pentz Rn 8. 4 R/A/Altmeppen Rn 6; Scholz/Emmerich Rn 6 b; aA OLG Köln GmbHR 1997, 546. 5 So auch R/A/Altmeppen Rn 6; Scholz/Emmerich Rn 6b. 6 MünchKomm/Schütz Rn 36; Michalski/Ebbing Rn 16. 7 MünchKomm/Schütz Rn 38; U/H/L/W. Müller Rn 27. 8 R/S-L/Pentz Rn 9; Scholz/Emmerich Rn 7c. 9 R/A/Altmeppen Rn 5; B/H/Fastrich Rn 4; MünchKomm/Schütz Rn 41. 10 MünchKomm/Schütz Rn 46 ff; U/H/L/W. Müller Rn 42 ff. 11 B/H/Fastrich Rn 5; Scholz/Emmerich Rn 8b; U/H/L/W. Müller Rn 43.

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a) Zahlungsunfähigkeit des (je) zunächst Verpflichteten als Voraussetzung der 6 Schuldnerstellung des Vormannes muss von der GmbH dargelegt und ggf bewiesen werden. Dafür sind alle Möglichkeiten offen (Insolvenzeröffnung, fruchtlose Pfändung); vor allem aber hilft die (widerlegliche) Vermutung des § 22 Abs. 2 (Halbsatz 2). Deren Voraussetzungen sind: (1) Die GmbH hat den unmittelbaren Nachmann des jetzt von ihr in Anspruch Genommenen zur Zahlung aufgefordert (vgl § 21 Rn 8); (2) sie hat hiervon den jetzt in Anspruch Genommenen benachrichtigt und (3) seit Zugang von Zahlungsaufforderung und Benachrichtigung (das spätere ist für den Beginn der Frist entscheidend) ist eine Frist von einem Monat fruchtlos, dh ohne volle Leistung des Nachmanns auf die Regressschuld verstrichen. Die Vermutung gilt auch im Hinblick auf den Letzten in der Kette als Grundlage für das weitere Vorgehen nach § 23 (heute allgemeine Meinung)1. Widerlegt ist die Vermutung, wenn vom in Anspruch genommenen Regressschuldner die Zahlungsfähigkeit irgendeines (nicht notwendigerweise des unmittelbaren) Nachmanns bewiesen wird2. b) Die Benachrichtigung des Nachmannes ist nicht Voraussetzung für die 7 Schuldnerstellung des Vormannes. Ihre Nichterfüllung hindert nur die Entstehung der Vermutung aus § 22 Abs. 2 (Halbsatz 2), da der dafür erforderliche Fristablauf nicht in Gang gesetzt wird.

5. Haftungszeitraum Regressschuldner wird ein früherer Gesellschafter nur bezüglich solcher Barein- 8 lagen, die innerhalb von 5 Jahren nach seinem Ausscheiden eingefordert wurden (§ 22 Abs. 3 Satz 1); ebenso wie bei § 21 (§ 21 Rn 7) kann die Aufforderung entfallen, wenn der Zahlungstermin im Gesellschaftsvertrag eindeutig bestimmt oder der Gesellschafter bei der Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung anwesend war (ausführlich § 19 Rn 8 f); dann ist allein der Zeitpunkt der Fälligkeit entscheidend3. Die Frist beginnt (§ 22 Abs. 3 Satz 2) nach § 187 Abs. 1 BGB am Tage nach der wirksamen Eintragung seines Rechtsnachfolgers in der Gesellschafterliste4 (§ 16 Abs. 1 iVm § 40)5 und endet nach § 188 Abs. 2 BGB. Vom Haftungszeitraum des § 22 Abs. 3 (Ausschließungsfrist) zu unterscheiden 9 ist die Verjährung der Regressforderung. Aufgrund des Fehlens eines Verweises 1 Abweichend noch RGZ 85, 237, 241. 2 R/A/Altmeppen Rn 13; R/S-L/Pentz Rn 15. 3 Ebenso für Festsetzung im Gesellschaftsvertrag: Scholz/Emmerich Rn 15a; B/H/Fastrich Rn 9; U/H/L/W. Müller Rn 17. 4 So auch R/S-L/Pentz Rn 17; aA Henssler/Strohn/Verse Rn 11; MünchKomm/Schütz Rn 27; Scholz/Emmerich Rn 16 (§ 187 Abs. 2 BGB). 5 So zum früheren Recht auch OLG Zweibrücken ZIP 2007, 335, 336.

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§ 22 | Haftung der Rechtsvorgänger auf § 9 Abs. 2 oder § 19 Abs. 6 und mangels Vergleichbarkeit der Regressforderung mit dem Einlageanspruch erscheint es sachgerecht, hier die Regelverjährungsfrist des § 195 BGB (3 Jahre) anzuwenden1.

6. Ende der Haftung 10 Die Haftung des Regressschuldners endet mit der Verwertung des Geschäfts-

anteils nach § 23 (da dann Verpflichtungen der Rechtsvorgänger nicht mehr bestehen)2; ebenso mit dem Erlöschen der Regressschuld selbst (vollständige Zahlung) sowie mit Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit eines seiner Rechtsnachfolger und ggf Beseitigung der Vermutung aus § 22 Abs. 2 (hier ist ipso iure die Schuldnerstellung aller Vormänner beseitigt). Demgegenüber beseitigt die Zahlungsunfähigkeit eines Regressschuldners nicht seine Schuldnerstellung, sondern begründet nur die seiner Vormänner.

7. Der Übergang der Mitgliedschaft (§ 22 Abs. 4) 11 a) Die GmbH kann über die ihr durch wirksame Kaduzierung zugefallene Mit-

gliedschaft (§ 21 Rn 15) nicht verfügen; § 22 Abs. 4 wirkt als absolute Verfügungssperre so lange, bis (etwa über § 16 Abs. 2) die fällige Leistung eingegangen ist oder ein fruchtloser Verwertungsversuch nach § 23 stattgefunden hat.

12 b) Der zahlende Regressschuldner erwirbt ipso iure den kaduzierten Geschäfts-

anteil, gleichgültig ob er freiwillig oder nach Zwangsvollstreckung zahlt. Inhaber wird dabei nicht jeder, der die Restschuld zahlt, sondern nur ein zahlender Regressschuldner. Das ist jeder, gegen den die GmbH aufgrund der Vermutung aus § 22 Abs. 2 vorgehen kann, weil seine Nachmänner zahlungsunfähig sind oder gelten (Rn 5)3.

13 Zahlt ein Dritter für einen Regressschuldner gemäß § 267 BGB, so erwirbt nicht

der Zahlende, sondern der Vormann, für den der Dritte leistet. Dies gilt auch, wenn ein Vormann für einen – vorrangig haftenden – zahlungsfähigen Nachmann leistet4 (um zB seinen Erwerb zu vermeiden), nicht dagegen, wenn der Nachmann zahlungsunfähig ist und dadurch aus der Regresskette ausscheidet5.

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Ebenso Scholz/Emmerich Rn 16; U/H/L/W. Müller Rn 22; MünchKomm/Schütz Rn 30. RGZ 85, 237, 241; U/H/L/W. Müller Rn 23; Scholz/Emmerich Rn 17 mwN. OLG Hamm GmbHR 1988, 266; Scholz/Emmerich Rn 19; U/H/L/W. Müller Rn 63 f. Wie hier U/H/L/W. Müller Rn 60; Henssler/Strohn/Verse Rn 18; B/H/Fastrich Rn 10; ähnlich Scholz/Emmerich Rn 19a; aA R/A/Altmeppen Rn 20; R/S-L/Pentz Rn 32. 5 Ausführlich MünchKomm/Bayer § 65 AktG Rn 57 mwN (streitig).

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c) Dieser Erwerb des Geschäftsanteils geschieht kraft Gesetzes, also unabhängig 14 davon, ob Erwerber, Gesellschaft und Satzung das wollen oder nicht; selbst gegen einen zuvor ausgeschlossenen Gesellschafter muss die Gesellschaft vorgehen; zahlt er, so erwirbt er1. Zustimmung der GmbH ist auch bei vinkulierten Geschäftsanteilen nicht erforderlich2 (vgl § 15 Rn 75). Der Erwerb geschieht mit Wirkung ex nunc, nicht rückwirkend auf den Zeitpunkt der Kaduzierung. Zwischenzeitlicher Inhaber war die GmbH (§ 21 Rn 15); zwischenzeitlich erfolgte Satzungsänderungen gelten auch gegenüber dem Erwerber3, beschlossene Dividenden, Bezugsrechte stehen ihm jedoch nach heute hM nicht zu4 (so auch hM im Aktienrecht)5. d) Früher bestehende Rechte am Geschäftsanteil leben nicht wieder auf; der 15 Zahlende erwirbt lastenfrei6. Er erwirbt jedoch aus dem Vermögen der GmbH mit der Folge, dass alle vorherigen Gesellschafter für etwa verbleibende (noch nicht fällige) Resteinlagen verhaftet sind und bei erneutem Ausschluss (sog Zweitkaduzierung) hierfür nach § 22 einzustehen haben, ohne dass die GmbH selbst hierbei als Sperre wirkt. Die weit verbreitete Vorstellung, der Rückerwerb sei so zu behandeln, als „beseitige“ er die einstige Gesellschafterstellung der Nachmänner des Zahlenden7, widerspricht den Schutzgrundsätzen für die vollständige Kapitalaufbringung und ist daher – in Übereinstimmung mit der hM im Aktienrecht8 – abzulehnen9.

8. Erstattungsansprüche des Zahlenden a) Schuldner ist derjenige, gegen den die Vermutung aus § 22 Abs. 2 spricht, 16 und jeder seiner Nachmänner. Jeder von ihnen zahlt, wenn er zahlt, cum causa und erwirbt dann ipso iure den Geschäftsanteil; von jedem dieser Schuldner muss die GmbH auch die Zahlung annehmen10.

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Zutreffend R/S-L/Pentz Rn 33 f; Michalski/Ebbing Rn 89. Scholz/Emmerich Rn 20a; MünchKomm/Schütz Rn 69. B/H/Fastrich Rn 12; Scholz/Emmerich Rn 22; U/H/L/W. Müller Rn 63. U/H/L/W. Müller Rn 64; R/A/Altmeppen § 21 Rn 20; R/S-L/Pentz Rn 33; Scholz/Emmerich Rn 22; aA MünchHdbGmbH/Gummert § 50 Rn 169; wohl auch B/H/Fastrich Rn 12. MünchKomm/Bayer § 65 AktG Rn 53 mwN. R/A/Altmeppen § 21 Rn 21; U/H/L/W. Müller Rn 67; Scholz/Emmerich Rn 22. So BGHZ 42, 89, 92; B/H/Fastrich Rn 12; Scholz/Emmerich Rn 23. Ausführlich MünchKomm/Bayer § 65 AktG Rn 38 ff mzwN. So im Anschluss an die Vorauflagen auch MünchKomm/Schütz Rn 73; R/S-L/Pentz Rn 35; nunmehr auch U/H/L/W. Müller Rn 66a; R/A/Altmeppen Rn 24. Scholz/Emmerich Rn 20; U/H/L/W. Müller Rn 57.

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§ 23 | Versteigerung des Geschäftsanteils 17 b) Der zahlende Regressschuldner hat Erstattungsansprüche (1) gegen seinen

unmittelbaren Nachmann in aller Regel aus dem Erwerbsvertrag1; (2) ebenso gegen den ausgeschlossenen Gesellschafter, wenn dieser unmittelbar Nachmann des zahlenden Regressschuldners ist. Jeder in Anspruch genommene Nachmann kann somit – theoretisch – seine Haftung auf den nächstfolgenden Nachmann abwälzen, daher ist im Wege der Abtretung auch Kettenregress möglich. (3) Einfacher ist Inanspruchnahme aller Nachmänner durch Regressschuldner analog § 774 Abs. 1 BGB2.

18 c) Ein Regressschuldner, der nur einen Teil der Schuld zahlt, hat gegen einen

den Rest zahlenden Vormann keine Erstattungsansprüche3; zahlt der Vormann ganz, so kann der Regressschuldner die Teilleistung von der Gesellschaft nach § 812 BGB zurückfordern4.

9. Haftung aus § 16 Abs. 2 19 Die Haftung aus § 16 Abs. 2 wird durch die Kaduzierung nicht beeinflusst5 (all-

gemeine Meinung). Auch nach der Kaduzierung kann die GmbH noch zwischen einem Vorgehen nach § 16 Abs. 2 und §§ 22, 23 wählen6; geht sie nach § 16 Abs. 2 vor, so erwirbt der Rechtsvorgänger den Geschäftsanteil nicht; vielmehr wird die GmbH selbst nach Eingang der fälligen Restschuld unbeschränkte Inhaberin7.

§ 23 Versteigerung des Geschäftsanteils Ist die Zahlung des rückständigen Betrages von Rechtsvorgängern nicht zu erlangen, so kann die Gesellschaft den Geschäftsanteil im Wege öffentlicher Versteigerung verkaufen lassen. Eine andere Art des Verkaufs ist nur mit Zustimmung des ausgeschlossenen Gesellschafters zulässig. Text seit 1892/1898 unverändert; amtliche Überschrift ergänzt durch MoMiG vom 23.10. 2008 (BGBl I 2026). 1 Seit ROHG 22, 214, 216 ganz hM; Scholz/Emmerich Rn 12a; Michalski/Ebbing Rn 111; ausführlich MünchKomm/Bayer § 65 AktG Rn 64 mwN. 2 Dazu eingehend MünchKomm/Bayer § 65 AktG Rn 67 ff, 69 f (hM im Aktienrecht); aA die hM im GmbH-Recht: U/H/L/W. Müller Rn 56; R/A/Altmeppen Rn 25; ausführlich MünchKomm/Schütz Rn 78 f. 3 R/A/Altmeppen Rn 25; U/H/L/W. Müller Rn 62. 4 Vgl nur R/S-L/Pentz Rn 24; U/H/L/W. Müller Rn 62. 5 R/A/Altmeppen Rn 10; Scholz/Emmerich Rn 5. 6 B/H/Fastrich Rn 2; MünchKomm/Schütz Rn 9 ff. 7 öOGH NZG 1999, 552; Scholz/Emmerich Rn 5; R/S-L/Pentz Rn 5.

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Versteigerung des Geschäftsanteils | § 23 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzung der Verwertung . . 3. Die Verwertung . . . . . . . . . . . . .

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4. Folgen der Verwertung . . . . . . . . 7 5. Mängel im Verfahren . . . . . . . . . 10

1. Überblick Gelingt es der GmbH nicht, durch Ausschließung des säumigen Gesellschafters 1 (§ 21) und Inanspruchnahme seiner Rechtsvorgänger (§ 22) die rückständige Einlage zu liquidieren, so hat sie nunmehr den kaduzierten Geschäftsanteil zu verwerten. Führt auch das nicht zum Erfolg, bleibt noch die Haftung des Ausgeschlossenen aus § 21 Abs. 3 und der Mitgesellschafter aus § 24, und zwar in dieser Reihenfolge. Diese Regelung ist zugunsten der Gesellschaft zwingend (§ 25); die Satzung kann daher die Verwertung nur vereinfachen, nicht verschärfen. Im Falle einer Satzungsänderung ist Zustimmung aller potentiell Betroffenen erforderlich.

2. Voraussetzung der Verwertung Voraussetzung der Verwertung sind (1) die wirksame Kaduzierung, (2) die ver- 2 suchte Inanspruchnahme jedes Regressschuldners und (3) die Nichtleistung der vollen rückständigen Einlage durch einen schuldenden Rechtsvorgänger (s. dazu § 22); dessen Leistung wird durch die Einleitung der Verwertung nicht ausgeschlossen; sie kann bis zum Abschluss der Verwertung (Zuschlag bzw Verkauf) erfolgen mit der Wirkung aus § 22 Abs. 4. Die Vermutung aus § 22 Abs. 2 gilt auch hier und sichert die Voraussetzung (2) der Verwertung. Liegen die Voraussetzungen vor, so muss die GmbH verwerten; der Geschäfts- 3 führer ist grundsätzlich zu unverzüglicher Beitreibung rückständiger Einlagen verpflichtet und muss dazu die Möglichkeiten der §§ 21–24 ausschöpfen, es sei denn, die Veräußerung ist aussichtslos1, insbesondere weil sich die Gesellschaft in der Insolvenz befindet und nicht sanierungsfähig ist2; andernfalls kann er sich gemäß § 43 ersatzpflichtig machen. Der Geschäftsführer hat aber auch auf ein möglichst günstiges Ergebnis zu achten und kann deshalb bei ungünstiger Lage ggf eine angemessene Zeit abwarten3.

1 OLG Köln NJW-RR 1994, 1192, 1194 = GmbHR 1995, 125 (LS); R/S-L/Pentz Rn 4. 2 S. OLG Hamm GmbHR 1993, 360, 362; Scholz/Emmerich Rn 6. 3 Wie hier im Ergebnis auch Scholz/Emmerich Rn 4 ff; MünchKomm/Schütz Rn 16 ff mwN.

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§ 23 | Versteigerung des Geschäftsanteils 3. Die Verwertung 4 a) Die Verwertung geschieht im Wege öffentlichen Versteigerung; die §§ 156,

383 Abs. 3 BGB finden Anwendung1. Versteigerungsort ist im Zweifel der Sitz der GmbH; Festlegung eines anderen Ortes ist aber möglich (§ 383 Abs. 2 BGB). Die Versteigerung ist öffentlich bekanntzumachen; der Ausgeschlossene und die übrigen Mitgesellschafter sind wegen ihrer potentiellen Haftung (§§ 21 Abs. 3, 24) gesondert zu unterrichten (§ 384 Abs. 2 BGB, § 65 Abs. 3 Satz 4 AktG entsprechend)2, doch haben weder sie noch die Rechtsvorgänger des § 22 Einfluss auf das Verfahren. Die Versteigerung erfolgt durch den Gerichtsvollzieher oder eine andere zur Versteigerung befugte Person (zB Notar, öffentlich bestellter Versteigerer)3. Alle Rechtsvorgänger und auch der Ausgeschlossene selbst dürfen mitbieten, nicht aber die GmbH selbst (§ 33 Abs. 1)4. Durch den Zuschlag wird lediglich der Kaufvertrag geschlossen5. Der Erwerber ist nicht generell zu sofortiger Zahlung verpflichtet, wenn andernfalls eine bessere Verwertung ermöglicht wird; § 1238 Abs. 1 BGB findet keine entsprechende Anwendung (aA hM)6. Auch § 15 Abs. 3, 4 und 5 finden im Rahmen der Abtretung des Geschäftsanteils an den Erwerber durch den hierzu ermächtigten Versteigerer7 keine Anwendung8; doch kann sich die GmbH im Versteigerungsauftrag die Genehmigung zum Zuschlag vorbehalten9 (etwa zur Verhinderung des Erwerbs durch einen Wettbewerber), ohne dass der Ausgeschlossene hierzu seine Zustimmung erteilen müsste10. Nach früherer Rechtslage war eine Anmeldung des Erwerbers nach § 16 aF hier nicht erforderlich, da die GmbH selbst veräußert; nach heutiger Rechtslage ist jedoch auch hier gemäß § 16 Abs. 1 iVm § 40 die Veränderung in der Gesellschafterliste vorzunehmen, damit der Erwerber seine Gesellschafterrechte wahrnehmen kann11 (vgl § 16 Rn 26 ff, § 40 Rn 12).

5 b) Mit Zustimmung (allein) des Ausgeschlossenen – die auch schon im Gesell-

schaftsvertrag erklärt werden kann12 (Satzungsänderung aber nur mit Zustim1 2 3 4 5 6

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MünchKomm/Schütz Rn 25; Scholz/Emmerich Rn 8. Ebenso Scholz/Emmerich Rn 9; einschränkend U/H/L/W. Müller Rn 21. R/A/Altmeppen Rn 8; MünchKomm/Schütz Rn 25 ff. RGZ 98, 276, 279; R/S-L/Pentz Rn 15 (allgemeine Meinung). U/H/L/W. Müller Rn 22; MünchKomm/Schütz Rn 33, 36; zur Dogmatik BGHZ 138, 339, 342. Wie hier Michalski/Ebbing Rn 29 und hM im Aktienrecht: MünchKomm/Bayer § 65 AktG Rn 88 mwN; aA Scholz/Emmerich Rn 11; U/H/L/W. Müller Rn 22; R/S-L/Pentz Rn 17; B/H/Fastrich Rn 4. MünchKomm/Schütz Rn 36 mwN. Scholz/Emmerich Rn 13; R/A/Altmeppen Rn 9 (allgemeine Meinung). B/H/Fastrich Rn 4; Scholz/Emmerich Rn 113. So aber U/H/L/W. Müller Rn 25. MünchKomm/Schütz Rn 42; R/S-L/Pentz Rn 30; U/H/L/W. Müller Rn 24. R/A/Altmeppen Rn 10; Scholz/Emmerich Rn 15; U/H/L/W. Müller Rn 27.

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Versteigerung des Geschäftsanteils | § 23

mung des Betroffenen!1) – kann der Geschäftsanteil von der GmbH auch freihändig verwertet werden2; auch dadurch wird die etwaige Ausfallhaftung nach §§ 21 Abs. 3, 24 eröffnet. Hier ist Stundung des Kaufpreises auch nach hM zulässig3; § 15 Abs. 3, 4 und 5 sind in diesem Fall jedoch zu beachten4; ist (bei § 15 Abs. 5) nur Zustimmung der Gesellschaft erforderlich (näher § 15 Rn 77), so wird diese allerdings durch den Verkauf erklärt5. c) Erweist sich der Geschäftsanteil als unverwertbar (kein Gebot und auch kein 6 Angebot bei freier Verwertung), so tritt damit die Ausfallhaftung auf den vollen rückständigen Betrag in Kraft (§§ 21 Abs. 3, 24); der Geschäftsanteil wird endgültig in das Vermögen der GmbH überführt, § 33 Abs. 1 steht in diesem Fall nicht entgegen6. Entgegen einer früher verbreiteten Auffassung tritt jedoch keine Konfusion im Hinblick auf die rückständige Einlageschuld ein7.

4. Folgen der Verwertung a) Mit Zuschlag bzw Abschluss des Kaufvertrages erlischt – unabhängig von der 7 Höhe des Kaufpreises – die Regressschuld aus § 22; gleichzeitig entsteht für eine – nach Abzug aller Kosten etc – verbleibende Deckungslücke (nur) an der rückständigen Einlage die Haftung des Ausgeschlossenen aus § 21 Abs. 3 und der Mitgesellschafter aus § 24. b) Der Erwerber des kaduzierten Geschäftsanteils wird Gesellschafter mit allen 8 Rechten und Pflichten ex nunc (s. § 22 Rn 14) und Schuldner aller noch nicht fälligen Einlageschulden (insoweit ist also uU spätere Kaduzierung möglich)8, aber ohne Pflichten aus der im Augenblick des Zuschlages fälligen und rückständigen Einlage; an ihre Stelle tritt der Kaufpreis9: Der Erwerber wird also bezüglich der Einlageschuld, wegen der kaduziert wurde, nicht Schuldner. Er haftet insoweit auch nicht aus § 2410. Reicht der Erlös zur Deckung nicht aus, so kommt nur die Ausfallhaftung der anderen Gesellschafter aus §§ 21 Abs. 3, 24 1 Richtig R/S-L/Pentz Rn 20. 2 U/H/L/W. Müller Rn 27; Scholz/Emmerich Rn 14; ausführlich Dietsch NotBZ 1999, 201, 203. 3 U/H/L/W. Müller Rn 35 mwN. 4 B/H/Fastrich Rn 5; U/H/L/W. Müller Rn 29; Scholz/Emmerich Rn 17; R/S-L/Pentz Rn 23; zweifelnd im Hinblick auf § 15 Abs. 3 und 4: R/A/Altmeppen Rn 11; aA RG JW 1907, 371 obiter. 5 S. auch R/A/Altmeppen Rn 12; B/H/Fastrich Rn 5. 6 Scholz/Emmerich Rn 32; R/A/Altmeppen Rn 20; Michalski/Ebbing Rn 71 f. 7 Heute ganz hM: R/A/Altmeppen Rn 20; U/H/L/W. Müller Rn 47; nunmehr auch R/S-L/ Pentz Rn 36; ausführlich MünchKomm/Bayer § 65 AktG Rn 98. 8 B/H/Fastrich Rn 7; Scholz/Emmerich Rn 23; U/H/L/W. Müller Rn 33. 9 RG JW 1937, 2284, 2285; BGHZ 42, 89, 93 (allgemeine Meinung). 10 B/H/Fastrich Rn 7; R/S-L/Pentz Rn 30; U/H/L/W. Müller Rn 34.

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§ 23 | Versteigerung des Geschäftsanteils zum Zuge; ein etwaiger Überschuss verbleibt der GmbH und ist weder an den kaduzierten Gesellschafter herauszugeben (hM)1 noch mit einer noch offenen Einlageforderung zu verrechnen2, und zwar auch nicht im Hinblick auf den ausgeschlossenen Gesellschafter für den Fall einer Zweitkaduzierung3 (streitig). Rechte Dritter am Geschäftsanteil sind durch die Kaduzierung erloschen (§ 21 Rn 14)4. 9 c) Da der Kaufpreis an die Stelle der rückständigen Einlage tritt, gelten für ihn

die Verbote aus § 19 Abs. 2 und 55. Wird der Erwerber damit wiederum rückständig, so gelten die §§ 20 ff inkl der Möglichkeit, den Erwerber deswegen auszuschließen und wiederum nach § 22 vorzugehen6.

5. Mängel im Verfahren 10 Fehlende oder unzulässige Kaduzierung hindern grundsätzlich den Erwerb des

Dritten; der Ausgeschlossene bleibt somit Gesellschafter7. Die fehlende Kaduzierung soll allerdings nach hM gemäß § 185 Abs. 2 BGB durch Nachholung geheilt werden können8. Dieser auf RGZ 85, 239 zurückführenden Auffassung – die den atypischen Fall einer mangels Vormänner direkt erfolgten Veräußerung an einen Dritten betraf – ist nicht zu folgen; zu verlangen ist vielmehr die vollständige Neuvornahme aller wesentlichen Verfahrensschritte9. Nach Maßgabe von § 16 Abs. 3 ist im Rahmen der Verwertung ein gutgläubiger Erwerb des unwirksam kaduzierten Geschäftsanteils möglich (dazu auch § 21 Rn 18 aE)10.

11 Unwirksam ist der Erwerb auch, wenn der Rückgriff auf Rechtsvorgänger (Re-

gress) nach § 22 nicht versucht worden ist11. Und schließlich ist der Erwerb auch unwirksam im Falle des Ausschlusses der Öffentlichkeit bei der Versteige-

1 B/H/Fastrich Rn 8; Michalski/Ebbing Rn 60; R/S-L/Pentz Rn 32; kritisch Scholz/Emmerich Rn 26. 2 Wie hier B/H/Fastrich Rn 8; R/S-L/Pentz Rn 32; ausführlich MünchKomm/Bayer § 65 AktG Rn 93 (hM zur AG); aA Scholz/Emmerich Rn 26; R/A/Altmeppen Rn 16 mwN. 3 Wie hier B/H/Fastrich Rn 8; R/S-L/Pentz Rn 32; Henssler/Strohn/Verse Rn 13; aA R/A/ Altmeppen Rn 16; U/H/L/W. Müller Rn 39; MünchKomm/Schütz Rn 69. 4 B/H/Fastrich Rn 7; Scholz/Emmerich Rn 20; U/H/L/W. Müller Rn 36. 5 BGHZ 42, 89, 93; B/H/Fastrich Rn 8; U/H/L/W. Müller Rn 35 (allgemeine Meinung). 6 BGHZ 42, 89, 93; B/H/Fastrich Rn 5 aE; U/H/L/W. Müller Rn 35; ausführlich MünchKomm/Bayer § 65 AktG Rn 95 f mwN. 7 OLG Rostock GmbHR 1997, 449; Scholz/Emmerich Rn 27; Michalski/Ebbing Rn 81. 8 R/A/Altmeppen Rn 2; B/H/Fastrich Rn 10; U/H/L/W. Müller Rn 44. 9 Ausführliche Begründung bei MünchKomm/Bayer § 65 AktG Rn 101 f. 10 So auch Scholz/Emmerich Rn 28; MünchKomm/Schütz Rn 38, 85. 11 OLG Hamm GmbHR 1988, 266; U/H/L/W. Müller Rn 42; R/S-L/Pentz Rn 39; aA noch RGZ 85, 237, 241.

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Aufbringung von Fehlbeträgen | § 24

rung (allgemeine Meinung), nicht jedoch bei sonstigen Mängeln des Versteigerungsverfahrens selbst (arg §§ 1243, 1244 BGB)1. Ist zwar die Kaduzierung wirksam, der Erwerb aber unwirksam, so befindet 12 sich der Geschäftsanteil noch im Verwertungsverfahren. Folge: Die Regressschuld aus § 22 besteht noch, die Haftung aus §§ 21 Abs. 3, 24 aber noch nicht. Soweit die Übertragung des Geschäftsanteils nach vorgenannten Maßgaben un- 13 möglich ist, haftet die Gesellschaft gemäß § 280 Abs. 1, 3 iVm § 283 BGB grundsätzlich wahlweise auf Schadensersatz statt der Leistung bzw auf Ersatz der vergeblichen Aufwendungen nach Maßgabe des § 284 BGB, wobei letztere Alternative infolge der Rentabilitätsvermutung idR vom Schadensersatz statt der Leistung erfasst wird und somit keine echte Wahlmöglichkeit gegeben ist2. Anders als nach früherer Rechtslage ist das Veräußerungsgeschäft jedoch nicht unwirksam. Die Gesellschaft wird lediglich infolge Unvermögens gemäß § 275 Abs. 1 BGB von ihrer Leistungsverpflichtung frei; der Ersteigerer wird von der Pflicht zur Zahlung des Entgelts befreit (§ 326 Abs. 1 BGB)3.

§ 24 Aufbringung von Fehlbeträgen Soweit eine Stammeinlage weder von den Zahlungspflichtigen eingezogen noch durch Verkauf des Geschäftsanteils gedeckt werden kann, haben die übrigen Gesellschafter den Fehlbetrag nach Verhältnis ihrer Geschäftsanteile aufzubringen. Beiträge, welche von einzelnen Gesellschaftern nicht zu erlangen sind, werden nach dem bezeichneten Verhältnis auf die übrigen verteilt. Text seit 1892 unverändert; amtliche Überschrift ergänzt durch MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl I 2026). 1. 2. 3. 4.

Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . Voraussetzungen der Haftung . Art und Umfang der Haftung . . Absicherung der Ausfallhaftung

. . . .

. 1 . 2 . 4 . 14

5. Ausfallhaftung in der Vorgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 6. Ausgleichsansprüche . . . . . . . . . . 16

Literatur: Bayer Die Gesamtverantwortung der Gesellschafter für das Stammkapital und die Existenz der GmbH, FS Röhricht, 2005, S. 25; Bayer/Scholz Ausfallhaftung nach § 24 1 Wie hier auch MünchKomm/Bayer § 65 AktG Rn 108 und hM im Aktienrecht; aA hM zur GmbH: B/H/Fastrich Rn 11; Scholz/Emmerich Rn 29; U/H/L/W. Müller Rn 45 (aber Genehmigung möglich). 2 Ausführlich MünchKomm/Bayer § 65 AktG Rn 100. 3 Ebenso U/H/L/W. Müller Rn 40; vgl auch MünchKomm/Schütz Rn 86.

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§ 24 | Aufbringung von Fehlbeträgen GmbHG nach Anteilsabtretung an später kaduzierten Mitgesellschafter, NZG 2015, 1089; Bayer/Scholz Grundsätzliche und technische Fragen zur Ausfallhaftung der Mitgesellschafter nach § 24 GmbHG, GmbHR 2016, 89; Cahn Die Ausfallhaftung des GmbH-Gesellschafters, ZGR 2003, 298; Gaiser Die Freistellung geringfügig beteiligter Gesellschafter von der Ausfallhaftung nach § 24 GmbHG im Rahmen einer Kapitalerhöhung, GmbHR 1999, 210; Gätsch Ausfallhaftung von Mitgesellschaftern für rückständige Einlagen und verbotswidrige Ausschüttungen – Summenmäßige Beschränkung?, BB 1999, 701; Görner/ Kling Die Ausfallhaftung des GmbH-Gesellschafters – ausgewählte Fragen zum Anwendungsbereich im Rahmen der Kapitalaufbringung und -erhaltung, GmbHR 2004, 714, 778; Goette Die Ausfallhaftung der Mitgesellschafter einer GmbH für verbotene Auszahlungen, DStR 2003, 2131; Köhl Die Ausfallhaftung von Hintermännern bzw Treugebern für nicht geleistete Stammeinlagenzahlungen, GmbHR 1998, 119; Paul Die Ausfallhaftung der Mitgesellschafter nach § 31 Abs. 3 – Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Vorschrift, ZInsO 2003, 454; Robrecht Haftung der Gesellschafter für nicht eingezahlte Stammeinlagen im Konkurs der GmbH, GmbHR 1995, 809; K. Schmidt Summenmäßige Grenzen der Haftung von Mitgesellschaftern aus rückständigen Einlagen (§ 24 GmbHG) und verbotenen Ausschüttungen (§ 31 III GmbHG), BB 1985, 154; K. Schmidt Die begründete Ausfallhaftung nach §§ 24, 31 Abs. 3 GmbHG im System des GmbH-Haftungsrechts – Neuerliches Plädoyer für ein systemstimmiges Haftungsmodell –, FS Raiser, 2005, S. 311; Schütz Ausfallhaftung des ausgeschiedenen GmbH-Gesellschafters, DStR 2015, 2556; Ulmer Zur Treuhand an GmbH-Anteilen: Haftung des Treugebers für Einlageansprüche der GmbH?, ZHR 156 (1992), 377.

1. Überblick 1 Mit der unabdingbaren Ausfallhaftung (§ 25) „der übrigen Gesellschafter“ (nä-

her Rn 9 ff) betont das Gesetz den personenbezogenen Charakter der GmbH und fixiert damit einen deutlichen Unterschied zur AG1. Die Haftung hat vielfältige Auswirkungen (zB für die Beteiligung Minderjähriger und das Erfordernis der Genehmigung nach § 1822 Nr. 3 BGB, vgl § 2 Rn 5) und eine Parallele in § 31 Abs. 3. Sie ist den Beteiligten meistens unbekannt; daher ist die Belehrung durch den Notar nach § 17 Abs. 1 BeurkG erforderlich; Beispiele für das ggf existentielle Risiko der Haftung geben die Sachverhalte von BGHZ 132, 3902 und LG Mönchengladbach ZIP 1986, 306. Hat das bisherige Verfahren (insbesondere Verwertung nach § 23) die rückständige Einlage nicht (voll) erbracht, dann ist die GmbH verpflichtet, aus § 24 vorzugehen; insoweit steht dem Geschäftsführer kein Ermessen zu3. Die bislang wenig in Frage gestellte4 rechts1 Begründung zum GmbHG, RT-Drucks 189/1892 Nr. 660, S. 3730; vgl auch Priester FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 159, 182. 2 BGHZ 132, 390 = GmbHR 1996, 601; dazu etwa Bayer WuB II C. § 24 GmbHG 1.96. 3 Wie hier U/H/L/W. Müller Rn 9. 4 Kritisch allein Lutter, ZGR 2007, 249 im Diskussionsbericht von Lieder ZGR 2007, 241 im Anschluss an das Referat von Bayer ZGR 2007, 220 ff (zum Kapitalschutz in der GmbH).

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politische Berechtigung der Ausfallhaftung1 gehört allerdings auf den Prüfstand2.

2. Voraussetzungen der Haftung Die Haftung setzt voraus:

2

(1) Die wirksame Kaduzierung nach § 21. (2) Die fruchtlose Inanspruchnahme der Rechtsvorgänger nach § 22; der Nachweis darüber kann mit Hilfe der Vermutung aus § 22 Abs. 2 erbracht werden. (3) Veräußerung des kaduzierten Geschäftsanteils ohne volle Deckung des Rückstandes oder erfolgloser Versuch der Veräußerung bzw Aussichtslosigkeit der Veräußerung, etwa wenn über das Vermögen der GmbH ein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist3. Die Veräußerung gilt auch dann als aussichtslos, wenn der ausgeschlossene Gesellschafter zahlungsunfähig iSd § 17 Abs. 2 InsO ist, sich der offene Betrag aber im Wege einer Lohnpfändung über einen längeren Zeitraum beitreiben ließe4. (4) Fruchtlose Inanspruchnahme des Ausgeschlossenen nach § 21 Abs. 35. Liegen alle Voraussetzungen nach Rn 2 vor, so ist die Schuld fällig (§ 271 BGB). 3 Der Gesellschafter kann jedoch gegen seine Inanspruchnahme die vollständige Erfüllung der Einlagepflicht des Ausgeschlossenen einwenden (ausführlich § 19 Rn 12 ff) Dies gilt selbst dann, wenn in einem Vorprozess des Insolvenzverwalters gegen einen GmbH-Gesellschafter rechtskräftig festgestellt wurde, dass der Gesellschafter seine Einlage nicht eingezahlt hat, da das Gericht im Prozess gegen den Mitgesellschafter nicht an die rechtskräftige Feststellung aus dem Vorprozess gebunden ist6. Die genannten Voraussetzungen gelten auch in der Insolvenz der Gesellschaft und müssen vom Insolvenzverwalter beachtet werden, Erleichterungen kommen nur bei (3) in Betracht7, und zwar auch gegen den

1 Vgl nur Michalski/Ebbing Rn 3; MünchKomm/Schütz Rn 3; U/H/L/W. Müller Rn 1 mwN. 2 Eröffnung der Diskussion durch Bayer/Scholz GmbHR 2016, 89, 95 ff, 97 ff („Anachronismus“). 3 OLG Köln ZIP 1993, 1389, 1393 = GmbHR 1995, 125 (LS); LG Mönchengladbach GmbHR 1986, 312, 313 mit Anm Müller-Wüsten EWiR 1986, 161. 4 OLG Köln GmbHR 2004, 1587 (LS) mit Anm Naraschewski EWiR 2004, 1129 (zur Unzumutbarkeit der Beitreibung durch Lohnpfändung in 55 Monaten). 5 Zur Unzumutbarkeit eines Vorgehens im Ausland: OLG Hamm GmbHR 1993, 360, 362 f; die Revision wurde nicht angenommen: BGH DStR 1993, 1528 mit Anm Goette. 6 BGH GmbHR 2005, 229. 7 Vgl auch öOGH NZG 1999, 444 mit Anm Michalski/Schulenburg NZG 1999, 431.

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§ 24 | Aufbringung von Fehlbeträgen Alleingesellschafter1. Zur Darlegungs- und Beweislast: OLG Hamm GmbHR 2011, 588; Bayer/Illhardt GmbHR 2011, 505, 514 mwN2.

3. Art und Umfang der Haftung 4 Typologisch handelt es sich bei der Ausfallhaftung um eine objektive Garantie-

haftung; auf ein Verschulden des Inanspruchgenommenen kommt es nach allgemeiner Meinung nicht an3. a) Der Umfang entspricht der Regressschuld (§ 22 Rn 2) abzüglich des NettoVerwertungserlöses und zuzüglich seither fällig gewordener weiterer Einlageleistungen. Das maximale Ausfallrisiko des in Anspruch genommenen Gesellschafters besteht somit grds in der Höhe des Stammkapitals minus des eigenen Geschäftsanteils (zu Ausnahmen: Rn 8, 15)4.

5 b) Diese Summe schulden die Mitgesellschafter des Ausgeschlossenen nach dem

Verhältnis der Nennbeträge ihrer Geschäftsanteile. Beispiel: verbliebener Rückstand 14 600 Euro; in der GmbH sind noch vorhanden der Gesellschafter A mit einem Geschäftsanteil von 20 000 Euro und die Gesellschafter B und C mit Geschäftsanteilen von je 10 000 Euro. A schuldet 1/2 von 14 600 = 7 300, B und C schulden je 1/4 von 14 600 = je 3 650.

6 Kann von einem Gesellschafter die geschuldete Summe nicht erlangt werden

(Kaduzierung kommt dafür nicht in Betracht5, vgl § 21 Rn 3), so schulden die übrigen Gesellschafter auch diesen Ausfall je nach dem Verhältnis ihrer Geschäftsanteile (§ 24 Satz 2). Beispiel: Von B kann der Betrag von 3 650 Euro nicht erlangt werden; steht das fest, so schuldet davon A 2/3 = 2 434 Euro, B 1/3 = 1 216 Euro (sog Eventualhaftung). Für diese gilt die Vermutung des § 22 Abs. 2 nicht, und die Gesellschaft hat den vollen Nachweis der Uneinbringlichkeit beim Mitgesellschafter zu erbringen6.

7 Hält die GmbH selbst einen Geschäftsanteil, so wird er bei obiger Berechnung

nicht mit berücksichtigt (Beispiel wie oben, doch hält zusätzlich auch die GmbH selbst einen Geschäftsanteil von 20 000 Euro; die Berechnung ändert sich nicht). Dabei kommt es auf Rücklagen der GmbH, aus denen sie „selbst“ leisten könnte, nicht an; jede andere Lösung hätte entgegen §§ 19, 33 Abs. 1 einen Einlageverzicht zur Folge (heute unstreitig)7. 1 öOGH NZG 1999, 552. 2 S. speziell zu § 24 auch OLG Brandenburg v. 4.4.2007 – 7 U 144/06. 3 Ausführlich Bayer FS Röhricht, 2005, S. 25, 27; Ulmer FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 363, 370. 4 Bayer FS Röhricht, 2005, S. 25, 31. 5 Dazu auch R/S-L/Pentz Rn 29; MünchKomm/Schütz Rn 65 mwN. 6 U/H/L/W. Müller Rn 26; R/S-L/Pentz Rn 25; MünchKomm/Schütz Rn 64. 7 U/H/L/W. Müller Rn 41; Scholz/Emmerich Rn 14; R/A/Altmeppen Rn 11.

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Die Ausfallhaftung der Mitgesellschafter erfasst auch die Vorbelastungshaftung 8 (Unterbilanzhaftung; dazu ausführlich § 11 Rn 41 ff)1 sowie die Differenzhaftung (dazu § 9 Rn 1 ff)2. Diese Differenzhaftung kann jedoch über den Betrag der betreffenden Stammeinlage hinausgehen, wenn ein negativer Wert – etwa ein überschuldetes Unternehmen – geleistet wurde: auch dafür haben die Mitgesellschafter einzustehen (zur Zulässigkeit der Kaduzierung § 21 Rn 3), da ihre Haftung die volle Kapitaldeckung zum Ziel hat3. Nicht durchgesetzt hat sich die Beschränkung auf den Betrag der betreffenden Stammeinlage4 bzw auf die Höhe des Stammkapitals5. Im Falle der Haftung aus § 31 Abs. 3 hat sich der BGH für eine Begrenzung der Ausfallhaftung zumindest auf die Höhe des Stammkapitals entschieden (dazu § 31 Rn 22)6; diese Rspr lässt sich jedoch nicht auf die Kapitalaufbringung übertragen und ist für die Haftung aus § 24 abzulehnen7. Da die Gesellschafter im Rahmen der Kapitalaufbringung die uneingeschränkte Gesamtverantwortung für die im Handelsregister ausgewiesene Stammkapitalziffer übernommen haben, müssen sie im Interesse des Gläubigerschutzes hierfür auch ohne die Möglichkeit einer Beschränkung ihrer Ausfallhaftung geradestehen8. c) Schuldner sind gemäß § 16 Abs. 1 iVm § 40 (nur) alle in der Gesellschafter- 9 liste Eingetragenen9 (vgl § 16 Rn 36, 38), soweit sie im Augenblick der Fälligkeit der fraglichen Einlageschuld (s. § 19 Rn 8) die Mitgesellschafter des Kaduzierten waren10; nicht entscheidend ist somit die Fälligkeit der Ausfallhaftung (dazu Rn 3)11. 1 BGHZ 80, 129, 141 = GmbHR 1981, 114; BGH GmbHR 2003, 466; Scholz/Emmerich Rn 2b. 2 BGHZ 80, 129, 140 f = GmbHR 1981, 114; Bayer FS Röhricht, 2005, S. 25, 31; Scholz/ Emmerich Rn 2c. 3 Ausführlich Bayer FS Röhricht, 2005, S. 25, 33; jüngst wieder Bayer/Scholz GmbHR 2016, 89, 93; vgl weiter Görner/Kling GmbHR 2004, 714, 721; R/S-L/Pentz Rn 24; Scholz/Emmerich Rn 2c mwN. 4 So K. Schmidt BB 1985, 154, 155; K. Schmidt BB 1995, 529; K. Schmidt FS Raiser, 2005, S. 311. 5 So noch Hachenburg/W. Müller 8. Aufl 1992, Rn 22; wie hier aber bereits U/H/W/ W. Müller 1. Aufl Rn 23. 6 BGHZ 150, 61 = GmbHR 2002, 549 mit Anm Bender. 7 Näher Bayer/Scholz GmbHR 2016, 89, 93. 8 Ausführlich Bayer FS Röhricht, 2005, S. 25, 33; ähnlich Görner/Kling GmbHR 2004, 714, 719; zustimmend MünchKomm/Schütz Rn 71; zweifelnd Scholz/Emmerich Rn 2d. 9 U/H/L/W. Müller Rn 31; B/H/Fastrich Rn 4, 6; Scholz/Emmerich Rn 11; teilweise abweichend R/A/Altmeppen Rn 10. 10 So bereits BGHZ 132, 390, 393 ff mit zustimmender Anm Bayer WuB II C. § 24 GmbHG 1.96 = GmbHR 1996, 601, 603 = DStR 1996, 157 mit Anm Goette; OLG Köln ZIP 1993, 1389, 1392 = GmbHR 1995, 125 (LS); LG Hildesheim GmbHR 1998, 44. 11 So aber noch (ohne Begründung und Zitat) RG JW 1937, 2284, 2286 mit zustimmender Anm Klausing; in diesem Sinne zuerst Staub 1. Aufl 1903, Anm. 4; fortgeführt von Staub/Hachenburg 5. Aufl 1926 Anm 12.

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§ 24 | Aufbringung von Fehlbeträgen Dieses, auch von der heute1 hL geteilte2 Ergebnis hat der BGH jüngst gegen verbreitete Kritik aus dem Schrifttum3 für die Konstellation bestätigt, dass ein (volleingezahlter) Geschäftsanteil an einen Mitgesellschafter veräußert wird, dessen (nicht volleingezahlter) Geschäftsanteil später kaduziert wird4, mit dem Ergebnis, dass hier eine Ausfallhaftung des Veräußerers ausscheidet5. Abgelehnt hat der BGH nämlich auch eine vom OLG Köln6 für diese Konstellation vertretene Haftungserweiterung7, die einer „Flucht aus der Ausfallhaftung“ entgegenwirken sollte, indem für die Ausfallhaftung nicht einmal die Fälligkeit der Resteinlage zu fordern sei, und zwar zu Recht: Denn Voraussetzung für die Ausfallhaftung ist, dass sie noch in der Person des später ausgeschiedenen Gesellschafters wenigstens „aufschiebend bedingt“ (durch die Nichtleistung der fälligen Einlage) begründet wurde8. Abzulehnen ist die vom BGH erwogene (in casu indes verneinte) Rechtsmissbräuchlichkeit9 einer möglichen „Haftungsentziehung“10. Auf die Art der eigenen Einlagepflicht kommt es nicht an: Auch den Sacheinleger trifft die Ausfallhaftung für die Bareinlage eines Mitgesellschafters11. Nicht Schuldner sind der (nach § 21 Abs. 3 vorrangig haftende) Ausgeschlossene (anders im Fall der Kaduzierung eines Mitgesellschafters12), der Erwerber im Verfahren nach § 23 bezüglich der Restschuld (§ 23 Rn 7 f) sowie (weil nicht mehr Gesellschafter) der Rechtsvorgänger des Ausgeschlossenen. 10 Wird ein Geschäftsanteil nach Fälligkeit der Ausfallhaftung – also nach Ab-

schluss des Kaduzierungsverfahrens (Rn 9) – veräußert, so haften die Rechtsnachfolger desjenigen, der im Zeitpunkt der Fälligkeit Gesellschafter war, gemäß § 16 Abs. 2 neben dem Veräußerer als Gesamtschuldner13 (dazu § 16 Rn 58). Wird der Geschäftsanteil indes vor Fälligkeit der Ausfallhaftung abgetreten, so

1 Zur wechselhaften Rechtsentwicklung ausführlich Bayer/Scholz NZG 2015, 1089, 1092 f mwN. 2 R/A/Altmeppen Rn 14; B/H/Fastrich Rn 6; R/S-L/Pentz Rn 17; Henssler/Strohn/Verse Rn 4; Wicke Rn 4; grundlegend Scholz 4. Aufl 1960 Rn 9. 3 Kritisch Michalski/Ebbing Rn 30; Scholz/Emmerich Rn 15b; U/H/L/W. Müller Rn 29 f; tendenziell auch MünchKomm/Schütz Rn 31. 4 BGH GmbHR 2015, 935 Rn 9 ff; zustimmend etwa Lieder WuB 2015, 573 ff. 5 Ausführlich (und zustimmend) Bayer/Scholz NZG 2015, 1089, 1092 ff. 6 OLG Köln ZIP 1993, 1389 = GmbHR 1995, 125 (LS). 7 BGH GmbHR 2015, 935 Rn 15 ff; auch insoweit zustimmend Lieder WuB 2015, 573 ff. 8 Ausführlich (und dem BGH zustimmend) Bayer/Scholz NZG 2015, 1089, 1095. 9 Vgl BGH GmbHR 2015, 935 Rn 20. 10 Näher Bayer/Scholz GmbHR 2016, 89, 91 f; vgl auch schon zurückhaltend Bayer/Scholz NZG 2015, 1089, 1095 f. 11 Scholz/Emmerich Rn 10; R/S-L/Pentz Rn 15 (allgemeine Meinung). 12 LG Hildesheim GmbHR 1998, 44; U/H/L/W. Müller Rn 39. 13 MünchKomm/Schütz Rn 27, 29; Henssler/Strohn/Verse Rn 4; U/H/L/W. Müller Rn 36, 42; Michalski/Ebbing Rn 31, 70; ausführlich Bayer/Scholz GmbHR 2016, 89, 92 (unstreitig).

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Aufbringung von Fehlbeträgen | § 24

kann für die Haftung von Erwerber und Veräußerer1 (nicht für die gesamte Einlageforderung, sondern nur im Hinblick auf Haftungsanteil pro rata)2 nicht § 16 Abs. 2 gelten, vielmehr ist hier § 22 Abs. 2 analog heranzuziehen3, dh der Rechtsnachfolger haftet vorrangig gegenüber dem Rechtsvorgänger. Mitgesellschafter haften generell erst, wenn der anteilige Betrag weder vom Veräußerer noch vom Erwerber erlangt werden kann4. Einer begründeten (Ausfall-)Haftung kann sich der Erwerber nicht dadurch entziehen, dass er seinerseits den Geschäftsanteil vor Abschluss des Kaduzierungsverfahrens weiterveräußert (streitig)5. Schuldner ist auch der (neue) Gesellschafter aus einer Kapitalerhöhung für alte 11 Einlagepflichten6 ebenso wie der Altgesellschafter für neue Geschäftsanteile aus einer Kapitalerhöhung7. Das gilt unabhängig davon, ob der Altgesellschafter einer Kapitalerhöhung zugestimmt hat (hM); doch haben Altgesellschafter, die der Kapitalerhöhung nicht zugestimmt haben (insbesondere bei Sanierung) und im Falle, dass die neuen Einlagen nicht sofort voll geleistet werden, ein Austrittsrecht aus wichtigem Grund, das sie jedoch unverzüglich nach der Kapitalerhöhung (und nicht erst bei Eintritt der Haftung) ausüben müssen8. Dieser allgemeine Rechtsgedanke ist auch sachgerechter als die eher problematische analoge Anwendung des Kleingesellschafter-Privilegs aus § 32a Abs. 3 Satz 2 aF9 bzw § 39 Abs. 5 InsO10. Schuldner sind im Falle der Verschmelzung auf eine GmbH mit nicht voll ein- 12 gezahlten Geschäftsanteilen auch die Gesellschafter einer übertragenden GmbH11; daher ordnet § 51 Abs. 1 Satz 1 UmwG zu ihrem Schutz besondere Zustimmungserfordernisse an12. Aus § 51 Abs. 1 Satz 3 UmwG folgt, dass der Ge1 Näher Bayer/Scholz GmbHR 2016, 89, 92; so wohl auch R/A/Altmeppen Rn 16; B/H/Fastrich Rn 6; Henssler/Strohn/Verse Rn 4. 2 Richtig Henssler/Strohn/Verse Rn 9; ausführlich Bayer/Scholz GmbHR 2016, 89, 92. 3 Näher Bayer/Scholz GmbHR 2016, 89, 92 f. 4 Wie hier U/H/L/W. Müller Rn 46; vgl weiter Bayer/Scholz GmbHR 2016, 89, 93. 5 Ausführlich Bayer/Scholz GmbHR 2016, 89, 92; so auch Henssler/Strohn/Verse Rn 4; aA aber OLG Celle GmbHR 1995, 124; R/A/Altmeppen Rn 16; B/H/Fastrich Rn 6. 6 RGZ 132, 393, 395; B/H/Fastrich Rn 5; R/A/Altmeppen Rn 17; ausführlich U/H/L/ W. Müller Rn 20. 7 RGZ 93, 251; LG Mönchengladbach GmbHR 1986, 312, 313; Bayer FS Röhricht, 2005, S. 25, 28; Scholz/Emmerich Rn 16. 8 LG Mönchengladbach GmbHR 1986, 312, 313; Bayer FS Röhricht, 2005, S. 25, 29; Görner/Kling GmbHR 2004, 714, 715; R/A/Altmeppen Rn 17; B/H/Fastrich Rn 5; MünchKomm/Schütz Rn 55; enger U/H/L/W. Müller Rn 21: nur bei Unzumutbarkeit; aA Scholz/Emmerich Rn 17: Leistungsverweigerungsrecht. 9 So aber Gaiser GmbHR 1999, 210 ff; Grunewald FS Lutter, 2000, S. 413, 416 ff; wie hier R/S-L/Pentz Rn 16; R/A/Altmeppen Rn 17. 10 Wie hier auch OLG Hamm GmbHR 2011, 588, 590. 11 Unstreitig: R/A/Altmeppen Rn 13; B/H/Fastrich Rn 5. 12 Ausführlich Lutter/M. Winter/J. Vetter § 51 UmwG Rn 16 ff mwN.

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§ 24 | Aufbringung von Fehlbeträgen setzgeber auch für den umgekehrten Fall, dass bei einer übertragenden GmbH nicht alle Anteile voll eingezahlt sind, von einer Ausfallhaftung der Gesellschafter der übernehmenden GmbH ausgeht1 und deshalb auch besondere Zustimmungserfordernisse aufstellt2. Ob dies auch für Mischverschmelzungen gilt (und § 51 Abs. 1 Satz 3 UmwG deshalb analog anzuwenden ist3) ist umstritten4. Nach OLG Köln GmbHR 1997, 546 soll der Gründungsgesellschafter, der seinen künftigen Geschäftsanteil vor Eintragung der Gesellschaft abgetreten hat, nicht nach § 24 haften5, obwohl diese Abtretung erst auf den Zeitpunkt der Eintragung wirkt; dieser Auffassung ist nicht zu folgen: Wer einmal Gesellschafter war, kann sich seiner gesetzlichen Verpflichtungen nicht mehr entledigen; anders nur bei Gesellschafterwechsel vor Eintragung gemäß § 2 (§ 2 Rn 48)6. 13 Schuldner ist nach hM neben dem Treuhänder7 auch der Treugeber8; dieser

Auffassung ist entgegen verbreiteter Kritik aus dem Schrifttum9 zu folgen (vgl auch § 14 Rn 27)10. Der Treugeber haftet zusammen mit dem Treuhänder als Gesamtschuldner. Das entspricht der Rspr zu §§ 30, 3111 und zum Gesellschafterdarlehen (§ 31 Rn 21 und Anh zu § 64 Rn 150)12. Neben dem formellen, unmittelbaren Gesellschafter haftet daher auch der Hintermann, der wirtschaftlich als Gesellschafter anzusehen ist13.

1 So auch hM: R/A/Altmeppen Rn 13; B/H/Fastrich Rn 5; Semler/Stengel/Reichert § 51 UmwG Rn 20. Nachweise zum früheren Meinungsstand bei Lutter/M. Winter 3. Aufl, § 51 UmwG Rn 9. 2 Ausführlich, aber kritisch Lutter/M. Winter/J. Vetter § 51 UmwG Rn 28 mwN. 3 So etwa Bayer ZIP 1997, 1613, 1623; Semler/Stengel/Reichert § 51 UmwG Rn 20. 4 Ausführlich (und verneinend) Lutter/M. Winter/J. Vetter § 51 UmwG Rn 36 f mwN. 5 So auch B/H/Fastrich Rn 4. 6 Wie hier R/A/Altmeppen § 22 Rn 4. 7 BGHZ 132, 390 = GmbHR 1996, 601; LG Ulm EWiR 2000, 29 (Kowalski); R/A/Altmeppen Rn 12; U/H/L/W. Müller Rn 34. 8 BGHZ 31, 258, 267 = GmbHR 1960, 43, 44 mit kritischer Anm Pleyer; bestätigend BGHZ 118, 107, 110 ff = GmbHR 1992, 525, 526 mit zustimmender Anm Timm EWiR 1992, 995 (Thyssen Rheinstahl) gegen OLG Düsseldorf GmbHR 1992, 373; ebenso OLG Hamburg DB 1984, 1515; R/S-L/Pentz Rn 18; R/A/Altmeppen Rn 12; nunmehr auch B/H/Fastrich Rn 4; im Ergebnis auch Köhl GmbHR 1998, 119 ff. 9 Scholz/Emmerich Rn 11; Ulmer ZHR 156 (1992), 377, 382 ff; Michalski/Ebbing Rn 45; differenzierend zwischen offener und verdeckter Treuhand: U/H/L/W. Müller Rn 34; nur in Missbrauchsfällen wie die hM auch MünchKomm/Schütz Rn 47 ff. 10 Ebenso für Haftung in der Vorgesellschaft: Bayer/Pielka LM Nr. 42 zu § 11 GmbHG. 11 BGHZ 81, 365, 368 = GmbHR 1982, 181. 12 Vgl auch Lutter ZIP 1989, 477, 482. 13 BGHZ 31, 258, 267 = GmbHR 1960, 43, 44 mit kritischer Anm Pleyer; bestätigend BGHZ 118, 107, 110 ff = GmbHR 1992, 525, 526 mit zustimmender Anm Timm EWiR 1992, 995 (Thyssen Rheinstahl); R/S-L/Pentz Rn 18; Görner/Kling GmbHR 2004, 714, 717.

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Aufbringung von Fehlbeträgen | § 24

4. Absicherung der Ausfallhaftung Die Haftung dient der realen Kapitalaufbringung; es gelten daher die Regeln aus 14 § 19 Abs. 2 und 5 (allgemeine Meinung). Der zahlende Gesellschafter erwirbt auch dann nicht den kaduzierten Geschäftsanteil, wenn keine Verwertung nach § 23 erfolgt ist; der Geschäftsanteil bleibt im Vermögen der GmbH1; § 22 Abs. 4 findet keine Anwendung. Der Anspruch verjährt in entsprechender Anwendung des § 19 Abs. 6 nach 10 Jahren2.

5. Ausfallhaftung in der Vorgesellschaft Da der BGH entgegen der hier vertretenen Auffassung das Modell der unbe- 15 schränkten Innenhaftung verfolgt (ausführlich § 11 Rn 20), kann auch in der Vorgesellschaft (trotz nicht gegebener Möglichkeit der Kaduzierung gemäß §§ 21–23) der Rechtsgedanke des § 24 auf die Verlustdeckungshaftung entsprechend angewendet werden3. Vom Standpunkt der unbeschränkten Außenhaftung hat die Regelung des § 24 indes nur Bedeutung für den Regress im Innenverhältnis (§ 11 Rn 22 aE)4. Auch hier gilt, dass die Haftung über die Ziffer des Stammkapitals hinausgehen kann (dazu schon Rn 8).

6. Ausgleichsansprüche Ausgleichsansprüche hat der zahlende Gesellschafter zunächst einmal gegen den 16 Ausgeschlossenen entsprechend § 774 BGB bzw aus dem gesellschafterlichen Verhältnis iVm § 426 BGB5, aus den gleichen Erwägungen aber auch gegen Mitgesellschafter und ggf deren Nachfolger gemäß § 16 Abs. 2, für die er Beträge nach § 24 Satz 2 entrichtet hat6. Darüber hinaus haften die Geschäftsführer (nicht die GmbH selbst!) dem Zahlenden entsprechend § 31 Abs. 6 bei Verletzung von Sorgfaltspflichten, die zur Auslösung der Haftung aus § 24 geführt haben7. 1 RGZ 86, 419; U/H/L/W. Müller Rn 61 mwN. 2 Ebenso U/H/L/W. Müller Rn 59; R/A/Altmeppen Rn 20; Scholz/Emmerich Rn 19. 3 BGHZ 134, 333, 340 = GmbHR 1997, 405; KG GmbHR 1993, 647, 649; B/H/Fastrich Rn 2; zustimmend wenn auch mit anderer Begründung Görner/Kling GmbHR 2004, 714, 722; aA Scholz/Emmerich Rn 2b; R/A/Altmeppen Rn 3 (generell ablehnend). 4 Bayer FS Röhricht, 2005, S. 25, 35. 5 OLG Hamm GmbHR 1993, 360, 362; U/H/L/W. Müller Rn 62; MünchKomm/Schütz Rn 90; Scholz/Emmerich Rn 24 mwN; zweifelnd B/S/Bartels Rn 9. 6 R/A/Altmeppen Rn 26; B/H/Fastrich Rn 10; U/H/L/W. Müller Rn 63. 7 U/H/L/W. Müller Rn 65; Scholz/Emmerich Rn 25; R/A/Altmeppen Rn 27; aA nur B/H/ Fastrich Rn 10: § 826 BGB.

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§ 25 | Zwingende Vorschriften

§ 25 Zwingende Vorschriften Von den in den §§ 21 bis 24 bezeichneten Rechtsfolgen können die Gesellschafter nicht befreit werden. Text seit 1892 unverändert; amtliche Überschrift ergänzt durch MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl I 2026).

Die Satzung kann die Regeln zur Kaduzierung (§ 21), zur Regresshaftung der Vormänner (§ 22), zur Verwertung (§ 23) und zur Ausfallhaftung des Ausgeschlossenen (§ 21 Abs. 3) und der Mitgesellschafter (§ 24) zwar für die GmbH erleichtern und damit zugleich die betreffenden Gesellschafter belasten (Verkürzung der Fristen, Einführung der gesamtschuldnerischen Haftung für § 24, Festlegung der freihändigen Verwertung nach § 23 als Regel etc), kann diese Vorschriften aber in keiner Weise für die Gesellschafter erleichtern oder gar aufheben (unstreitig)1. Darüber hinaus sind allerdings auch § 19 Abs. 2–5 (allgemeine Meinung) und richtigerweise auch § 20 (§ 20 Rn 5) als Teil der Kapitalaufbringungsregeln zwingend.

§ 26 Nachschusspflicht (1) Im Gesellschaftsvertrag kann bestimmt werden, dass die Gesellschafter über die Nennbeträge der Geschäftsanteile hinaus die Einforderung von weiteren Einzahlungen (Nachschüssen) beschließen können. (2) Die Einzahlung der Nachschüsse hat nach Verhältnis der Geschäftsanteile zu erfolgen. (3) Die Nachschusspflicht kann im Gesellschaftsvertrag auf einen bestimmten, nach Verhältnis der Geschäftsanteile festzusetzenden Betrag beschränkt werden. Abs. 2 und 3 seit 1892 unverändert; sprachliche Änderung des Abs. 1 und Ergänzung der amtlichen Überschrift durch MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl I 2026). 1. 2. 3. 4.

Überblick . . . . . . . . . . . . Nachschüsse . . . . . . . . . . Abgrenzung . . . . . . . . . . Entstehung und Fälligkeit

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5. Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 6. Beschränkung der Nachschusspflicht (§ 26 Abs. 3) . . . . . . . . . . . 11 7. Verwendung . . . . . . . . . . . . . . . 12

1 Dazu auch ThürOLG ZIP 2007, 1571, 1574 = GmbHR 2007, 982.

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Nachschusspflicht | § 26

1. Überblick Die §§ 26–28 enthalten überaus eingehende Regeln zur Nachschusspflicht in der 1 GmbH. Die sprachliche Änderung des § 26 folgt aus der MoMiG-Fassung des § 3 Abs. 1 Nr. 4 (dazu § 3 Rn 13 ff). Die Regelung spielt in der Gerichtspraxis nur eine geringe Rolle. Dem entspricht die geringe Bedeutung dieser der GmbH (im Gegensatz zur AG) vorbehaltenen Rechtsfigur in der Praxis1.

2. Nachschüsse Nachschüsse sind Geldeinlagen, welche über die Einlageleistungen hinaus kraft 2 Satzung zur Vermehrung des Vermögens der GmbH zu leisten sind. Sie dienen als variables Zusatzkapital, das in den Grenzen des § 30 Abs. 2 auch wieder zurückgezahlt werden kann2, der Stärkung des Eigenkapitals und sind gemäß § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB in der Kapitalrücklage auszuweisen (Rn 12). Werden Nachschüsse festgelegt, so kann das Stammkapital niedrig gehalten und bei Bedarf variabel ergänzt werden. Die Praxis hat diese weitschauende Lösung des Gesetzes nicht angenommen (wahrscheinlich wegen der als negativ empfundenen Publizität des § 30 Abs. 2 und wegen der Notwendigkeit statutarischer Festlegung), sondern durch die Figur des Gesellschafterdarlehens ersetzt (dazu ausführlich Anh zu § 64 Rn 115 ff). Zur Behandlung im Rahmen der Rechnungslegung und Bilanz s. Rn 12.

3. Abgrenzung a) Bei den Nachschüssen unterscheidet man:

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(1) Unbeschränkte Nachschusspflicht mit unbeschränktem (§ 27 Abs. 1) oder beschränktem (§§ 27 Abs. 4, 28 Abs. 1 Satz 2) Preisgaberecht (sog Abandon); (2) beschränkte Nachschusspflicht mit statutarischer Höchstgrenze (§§ 26 Abs. 3, 28) ohne Preisgaberecht und (3) gemischte Nachschusspflicht, dh die Nachschüsse folgen bis zu einer bestimmten Höchstgrenze den Regeln von (2), darüber hinaus denen von (1): §§ 27 Abs. 4, 28 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2. b) Nebenleistungspflichten nach § 3 Abs. 2 stehen den Nachschüssen nahe, 4 können jedoch jede Art der Leistung zum Gegenstand haben (Nachschüsse: nur 1 Vgl Hommelhoff/Kleindiek FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 421 ff; Kornblum ua GmbHR 1985, 42, 47; Winter GmbHR 1969, 146 ff; MünchKomm/Schütz Rn 9; vgl aber auch Weisser GmbHR 2004, 1370 ff. 2 U/H/L/W. Müller Rn 17.

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§ 26 | Nachschusspflicht Geld) und mit unmittelbarer Wirkung in der Satzung begründet werden (Nachschüsse: Beschluss der Gesellschafterversammlung unabdingbar, Rn 7), so dass Geschäftsführer Nebenleistungspflichten idR ohne Gesellschafterbeschluss einfordern können1. Nachschüsse sind zudem in der Bilanz zu passivieren und ihre Rückzahlung ist nur in den Grenzen des § 30 Abs. 2 möglich (Rn 2); Nebenleistungen unterliegen nicht diesen Kapitalbindungsgrundsätzen2 (vgl auch § 3 Rn 24 ff, 27). 5 c) Auch Stammeinlagen (= Zahl und Nennbetrag der Geschäftsanteile, vgl § 3

Abs. 1 Nr. 4) stehen den Nachschüssen nahe, da sie das Vermögen der Gesellschaft erhöhen. Die Zahl und der Nennbetrag der Geschäftsanteile müssen jedoch von vornherein im Gesellschaftsvertrag bestimmt sein und im Handelsregister eingetragen und bekannt gemacht werden (§ 10 Abs. 1)3.

6 d) Gesellschafterdarlehen werden individuell vereinbart (können aber auch

statutarische Nebenpflicht sein); sie werden idR verzinst und zurückgezahlt; ggf stellt die Gesellschaft eine Sicherheit4; für Nachschüsse ist das nicht vorgesehen, aber erlaubt, wobei § 30 Abs. 2 zu beachten ist (während für Gesellschafterdarlehen §§ 135, 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO gelten, dazu ausführlich Anh zu § 64 Rn 125 ff); die Abgrenzung kann im Einzelfall schwierig sein5. Erwerber eines Geschäftsanteils haften nicht für (schuldrechtliche) Darlehen (dazu § 16 Rn 54 ff, 58).

4. Entstehung und Fälligkeit 7 a) Die Nachschusspflicht kann nur in der Satzung begründet werden; Ein-

schränkungen sind möglich6. Bei Einführung durch Satzungsänderung ist § 53 Abs. 3 zu beachten7, ebenso bei Verlängerung oder Erweiterung einer begrenzten Nachschusspflicht (zu Rechtsfolgen bei Verstoß: § 53 Rn 20). Der satzungsändernde Beschluss bedarf der notariellen Beurkundung (§ 53 Abs. 2) und der Eintragung in das Handelsregister (§ 54 Abs. 3); fehlt es daran, kann die GmbH später keinen Nachschuss einfordern8: Eine Umdeutung (§ 140 BGB) in eine – formlos mögliche – schuldrechtliche Nebenvereinbarung (dazu § 3 Rn 59 ff)

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OLG Brandenburg ZIP 2006, 1675, 1676; MünchKomm/Schütz Rn 32 ff. U/H/L/W. Müller Rn 26. Scholz/Emmerich Rn 5; U/H/L/W. Müller Rn 20. Scholz/Emmerich Rn 8; U/H/L/W. Müller Rn 23. Dazu näher MünchKomm/Schütz Rn 39 ff. Beispiel OLG Schleswig-Holstein GmbHR 1994, 250 („nur bei Auflösung“). RGZ 81, 368, 370; KG NZG 2000, 688 = GmbHR 2000, 981 (LS); Scholz/Emmerich Rn 9a (allgemeine Meinung). 8 KG NZG 2000, 688 = GmbHR 2000, 981 (LS); OLG München GmbHR 2000, 981; B/H/ Fastrich Rn 7.

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Nachschusspflicht | § 26

kommt idR nicht in Betracht (insbesondere bei unbeschränkter Nachschusspflicht kommt Warnfunktion der notariellen Beurkundung hohe Bedeutung zu)1. Im Gesellschaftsvertrag können weitere Erfordernisse begründet werden (Zustimmung Aufsichtsrat oder Beirat; Verfahren der Einforderung etc)2. b) Der Anspruch der GmbH (nicht nur – wie bei Einlagen – die Fälligkeit, vgl 8 § 19 Rn 9) entsteht mit dem Einforderungsbeschluss der Gesellschafterversammlung gemäß § 46 Nr. 33 (idR einfache Mehrheit)4; Pfändung und Übertragung daher erst ab diesem Zeitpunkt5. Das gilt auch in der Insolvenz, wobei Gläubiger (Insolvenzverwalter) keinen Anspruch auf positive Beschlussfassung haben6. Der Nachschuss wird ggü anwesenden Gesellschaftern sofort fällig7, soweit Satzung oder Beschluss nichts anderes bestimmen (§ 28 Abs. 2 ist zu beachten, vgl § 28 Rn 6; im Übrigen tritt Fälligkeit mit Zugang der Aufforderung (vgl § 27 Abs. 1 Satz 1) durch Geschäftsführer ein8. Die Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung ist zwingend (allgemeine Meinung), doch kann zusätzlich das Votum eines anderen Organs (zB Aufsichtsrat) verlangt werden9. Die Übertragung der alleinigen Einforderungskompetenz auf ein anderes Organ ist nichtig10. Der Beschluss hat die Regeln der Gleichbehandlung (pro rata und unter Berücksichtigung eigener Geschäftsanteile11) zu wahren (§ 26 Abs. 2), andernfalls ist Zustimmung der Betroffenen allgemein (Satzung) oder individuell erforderlich; Verstoß macht Beschluss anfechtbar (vgl Anh zu § 47 Rn 55) und begründet ein Leistungsverweigerungsrecht12. Wegen des frühesten Zeitpunkts der Beschlussfassung vgl § 28 Abs. 2 sowie RGZ 87, 179, 180 und OLG Köln GmbHR 1915, 258.

1 Richtig KG NZG 2000, 688 = GmbHR 2000, 981 (LS); OLG München GmbHR 2000, 981; so auch R/A/Altmeppen Rn 4; S/I/Saenger Rn 2; aA Bork EWiR 2000, 631; Henssler/ Strohn/Verse Rn 5. 2 Dazu Scholz/Emmerich Rn 10; U/H/L/W. Müller Rn 35 f. 3 OLG Frankfurt GmbHR 1992, 665. 4 Scholz/Emmerich Rn 15; Michalski/Zeidler Rn 18. 5 Scholz/Emmerich Rn 17; R/A/Altmeppen Rn 9. 6 BGH GmbHR 1994, 710 (LS); B/H/Fastrich Rn 7. 7 So explizit B/H/Fastrich Rn 9; ähnlich MünchKomm/Schütz Rn 54; Scholz/Emmerich Rn 18. 8 R/S-L/Pentz Rn 34; R/A/Altmeppen Rn 11; U/H/L/W. Müller Rn 59. 9 MünchKomm/Schütz Rn 56; Müller/Wolff GmbHR 2003, 810, 811 mwN. 10 U/H/L/W. Müller Rn 41 (allgemeine Meinung); zu den Rechtsfolgen einer unwirksamen Übertragung ausführlich Scholz/Emmerich Rn 14a mwN. 11 Scholz/Emmerich Rn 24; B/H/Fastrich Rn 10. 12 R/A/Altmeppen Rn 9, R/S-L/Pentz Rn 33 aE mwN.

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§ 26 | Nachschusspflicht 5. Leistung 9 Die Durchführung des Einforderungsbeschlusses obliegt den Geschäftsführern;

ein Ermessen haben sie nicht1. Die Leistung unterliegt den allgemeinen Regeln, nicht also den Schranken aus § 19 Abs. 2 und 52; daher kann die Gesellschaft auch Sachleistungen an Erfüllungs statt annehmen; doch sind auch hier die Schranken des § 30 Abs. 2 zu beachten; ein Erlass ist also möglich, aber nur in den Grenzen des § 30 Abs. 2, da er das Vermögen der GmbH mindert3. Das Gleiche muss dann auch für eine Aufhebung des Beschlusses der Gesellschafterversammlung (Rn 8) gelten: Er befreit die Gesellschafter nur, wenn dadurch § 30 Abs. 2 (insbesondere in der Krise der Gesellschaft) nicht tangiert wird (dazu § 30 Rn 66 f)4. Auch für den Erlass und die Aufhebung der Nachschusspflicht ist der Gleichbehandlungsgrundsatz zu berücksichtigen.

10 Schuldner der eingeforderten Nachschüsse sind die bei Fälligkeit (Rn 8) in der

Gesellschafterliste nach § 16 Abs. 1 iVm § 40 eingetragenen Gesellschafter5; frühere Gesellschafter haften nicht, Erwerber nach § 16 Abs. 26 (näher § 16 Rn 54 ff, 58); für eigene Geschäftsanteile besteht keine Nachschusspflicht7. Zur Preisgabe und Kaduzierung s. bei §§ 27, 28. Die Ausfallhaftung der Mitgesellschafter aus § 24 gilt hier nicht8.

6. Beschränkung der Nachschusspflicht (§ 26 Abs. 3) 11 Beschränkung der Nachschusspflicht ist möglich; dann besteht kein Preisgabe-

recht (§ 27 Abs. 1); wird die Beschränkung durch Satzungsänderung eingeführt, so ist deshalb § 53 Abs. 3 zu beachten9. Das Gesetz sieht die mögliche Beschränkung im Verhältnis zum Nennbetrag jedes Geschäftsanteils (zB „bis zur Höhe von 50 % des Nominalbetrages“). Doch ist auch jede andere Gestaltung erlaubt (zB „jedoch höchstens pro Gesellschafter 10 000 Euro“). Gemäß § 26 Abs. 3 muss der festgesetzte Höchstbetrag gleichmäßig nach dem Verhältnis der Geschäftsanteile auf die einzelnen Gesellschafter verteilt werden; jedoch ist eine

Scholz/Emmerich Rn 20; U/H/L/W. Müller Rn 58. RGZ 133, 297, 298; U/H/L/W. Müller Rn 61; R/S-L/Pentz Rn 37. Scholz/Emmerich Rn 19; U/H/L/W. Müller Rn 61. R/A/Altmeppen Rn 12; U/H/L/W. Müller Rn 47 mwN. R/A/Altmeppen Rn 13; Scholz/Emmerich Rn 21; R/S-L/Pentz Rn 34. MünchKomm/Schütz Rn 71; U/H/L/W. Müller Rn 49. B/H/Fastrich Rn 10; R/A/Altmeppen Rn 13; im Ergebnis auch U/H/L/W. Müller Rn 50; Scholz/Emmerich Rn 22 aE (Konfusion). 8 Scholz/Emmerich Rn 23; R/S-L/Pentz Rn 35 aE. 9 B/H/Fastrich Rn 7; U/H/L/W. Müller Rn 30 mwN. 1 2 3 4 5 6 7

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Unbeschränkte Nachschusspflicht | § 27

Abbedingung in der Satzung mit Zustimmung des betroffenen Gesellschafters möglich1.

7. Verwendung Gezahlte Nachschüsse sind in die Kapitalrücklage nach § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB 12 einzustellen (§ 42 Abs. 2 Satz 3)2. Soweit sie nicht nach der Satzung bestimmten Zwecken zu dienen haben, können sie in Stammkapital umgewandelt werden3 (§ 57d Rn 5); insofern kann die Figur des Nachschusses mit dem Schütt-ausHol-zurück-Verfahren verbunden werden (näher § 56 Rn 14 ff). Sobald die Einziehung von Nachschüssen beschlossen ist, sie tatsächlich eingefordert sind und ein Abandonrecht nicht besteht, müssen sie auch aktiviert werden (§ 42 Abs. 2 Satz 1 und 2)4.

§ 27 Unbeschränkte Nachschusspflicht (1) Ist die Nachschusspflicht nicht auf einen bestimmten Betrag beschränkt, so hat jeder Gesellschafter, falls er die Stammeinlage vollständig eingezahlt hat, das Recht, sich von der Zahlung des auf den Geschäftsanteil eingeforderten Nachschusses dadurch zu befreien, dass er innerhalb eines Monats nach der Aufforderung zur Einzahlung den Geschäftsanteil der Gesellschaft zur Befriedigung aus demselben zur Verfügung stellt. Ebenso kann die Gesellschaft, wenn der Gesellschafter binnen der angegebenen Frist weder von der bezeichneten Befugnis Gebrauch macht, noch die Einzahlung leistet, demselben mittels eingeschriebenen Briefes erklären, dass sie den Geschäftsanteil als zur Verfügung gestellt betrachte. (2) Die Gesellschaft hat den Geschäftsanteil innerhalb eines Monats nach der Erklärung des Gesellschafters oder der Gesellschaft im Wege öffentlicher Versteigerung verkaufen zu lassen. Eine andere Art des Verkaufs ist nur mit Zustimmung des Gesellschafters zulässig. Ein nach Deckung der Verkaufskosten und des rückständigen Nachschusses verbleibender Überschuss gebührt dem Gesellschafter.

1 Scholz/Emmerich Rn 12; MünchKomm/Schütz Rn 86. 2 OLG Frankfurt GmbHR 1992, 665; Scholz/Emmerich Rn 3; vgl auch OLG Brandenburg ZIP 2006, 1675, 1676. 3 Dazu auch Küting/Weber GmbHR 1984, 165, 173. 4 Ebenso R/S-L/Pentz Rn 41; Scholz/Emmerich Rn 3.

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§ 27 | Unbeschränkte Nachschusspflicht (3) Ist die Befriedigung der Gesellschaft durch den Verkauf nicht zu erlangen, so fällt der Geschäftsanteil der Gesellschaft zu. Dieselbe ist befugt, den Anteil für eigene Rechnung zu veräußern. (4) Im Gesellschaftsvertrag kann die Anwendung der vorstehenden Bestimmungen auf den Fall beschränkt werden, dass die auf den Geschäftsanteil eingeforderten Nachschüsse einen bestimmten Betrag überschreiten. Text seit 1892/1898 unverändert; amtliche Überschrift ergänzt durch MoMiG vom 23.10. 2008 (BGBl I 2026). 1. Recht zum Abandon . . . . . . . . . . 2. Ausübung . . . . . . . . . . . . . . . . .

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3. Verwertung des Geschäftsanteils . 4. Satzungsregelungen . . . . . . . . . . .

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1. Recht zum Abandon 1 Unbeschränkte Nachschusspflicht gewährt unabdingbares1 Preisgaberecht (=

Abandon): GmbH kann nach erklärtem Abandon Befriedigung nur aus dem Geschäftsanteil suchen; der Gesellschafter haftet für den Nachschuss nicht mehr mit seinem sonstigen Vermögen. Dadurch darf aber die Stammeinlage nicht gefährdet werden; diese (nicht sonstige mitgliedschaftliche und schuldrechtliche Pflicht) muss daher, als Voraussetzung wirksamen Abandons, spätestens bis zum Ablauf der Monatsfrist des § 27 Abs. 1 Satz 1 voll eingezahlt sein. Ebenfalls müssen ggf bestehende Differenzhaftungsansprüche (vgl § 9 Rn 1 ff) erfüllt sein2, nicht aber Ansprüche aus Unterbilanz-/Vorbelastungshaftung (dazu § 11 Rn 41 ff)3. Der Abandon ist ein Recht, keine Pflicht. Doch kann die GmbH unter der Voraussetzung des § 27 Abs. 1 Satz 2 den Abandon für sich in Anspruch nehmen. Der Abandon kann selbständig bezüglich jedes von mehreren Geschäftsanteilen eines Gesellschafters erklärt werden4.

2. Ausübung 2 Ausübung des Abandons erfolgt durch formlose empfangsbedürftige Willens-

erklärung an einen Geschäftsführer, die innerhalb eines Monats nach Einforderung des Nachschusses zugehen muss; nach deren Ablauf kein Preisgaberecht mehr, doch kann die GmbH selbst die Initiative ergreifen und durch Erklärung (Wortlaut entsprechend § 27 Abs. 1 Satz 2 zweckmäßig) in eingeschriebenem

1 RGZ 128, 1, 16; B/H/Fastrich Rn 2 (allgemeine Meinung). 2 R/A/Altmeppen Rn 4; U/H/L/W. Müller Rn 17; B/H/Fastrich Rn 4; aA Scholz/Emmerich Rn 7; MünchKomm/Schütz Rn 38. 3 Scholz/Emmerich Rn 7; R/A/Altmeppen Rn 4; nunmehr auch U/H/L/W. Müller Rn 17; aA B/H/Fastrich Rn 4. 4 MünchKomm/Schütz Rn 47; U/H/L/W. Müller Rn 22.

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Unbeschränkte Nachschusspflicht | § 27

Brief gegenüber dem säumigen Gesellschafter den Abandon bewirken; bis zum Zugang dieser Erklärung kann der Gesellschafter durch volle Leistung die Wirkung verhindern, da dann keine Säumnis mehr als Voraussetzung von § 27 Abs. 1 Satz 2 vorliegt; ein Widerruf ist bis zum Zugang möglich, danach ausgeschlossen1. Die Preisgabe beseitigt nicht die Gesellschafterstellung des Betroffenen; sie ist weder Ausschließung noch Einziehung, sondern schafft nur ein Verwertungsrecht der GmbH; daher bleibt der Betroffene Schuldner anderer Pflichten als der Einlage (die erfüllt sein muss) und des Nachschusses (von dem er durch Abandon frei wird), also von Nebenleistung, Zinsen und Haftung (§§ 3 Abs. 2, 16 Abs. 2, 24) und Inhaber aller Rechte (Stimmrecht, Gewinnanteil)2. Deswegen kann er auch bis zur dinglichen Übertragung des Geschäftsanteils durch Zahlung des rückständigen Nachschusses die Wirkung des Abandons beseitigen. Die Möglichkeit endet erst mit dem dinglichen Erwerb des Geschäftsanteils durch den Dritten (Zuschlag oder freihändiger Verkauf). Gleiches gilt mit dem Augenblick des Anfalls nach § 27 Abs. 3; denn die Vorschrift bewirkt die dingliche Zuordnung des Geschäftsanteils an die GmbH ipso iure.

3. Verwertung des Geschäftsanteils Die Einzelheiten der Verwertung (§ 27 Abs. 2) entsprechen praktisch denen aus 3 § 23 (vgl § 23 Rn 4 ff). Allerdings verwertet die GmbH hier keinen eigenen Geschäftsanteil (vgl zur Kaduzierung: § 21 Rn 15), sondern den Geschäftsanteil des Gesellschafters im eigenen Namen, aber auf fremde Rechnung3. Mit der dinglichen Rechtsänderung erlöschen auch hier alle Rechte Dritter am Geschäftsanteil und setzen sich am Anspruch des früheren Gesellschafters am NettoÜberschuss (§ 27 Abs. 2 Satz 3) fort (§§ 1273, 1247 BGB)4.

4. Satzungsregelungen Das Preisgaberecht bei unbeschränkter Nachschusspflicht kann durch die Sat- 4 zung nicht beseitigt, aber beschränkt werden. Davon handelt § 27 Abs. 4 (gemischte Nachschusspflicht, § 26 Rn 11): Unterhalb der statutarischen Grenze gilt dann § 28 Abs. 1, oberhalb § 27. In der Satzung kann der Abandon auch für beschränkte Nachschüsse eingeführt5 oder erleichtert werden, etwa durch Fristverlängerung6. 1 2 3 4 5 6

Scholz/Emmerich Rn 15; U/H/L/W. Müller Rn 33. R/S-L/Pentz Rn 24; ausführlich Scholz/Emmerich Rn 19 f. MünchKomm/Schütz Rn 70 mwN. U/H/L/W. Müller Rn 57; Scholz/Emmerich Rn 28. U/H/L/W. Müller Rn 7; Scholz/Emmerich Rn 2a. U/H/L/W. Müller Rn 3; Michalski/Zeidler Rn 7.

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§ 28 | Beschränkte Nachschusspflicht

§ 28 Beschränkte Nachschusspflicht (1) Ist die Nachschusspflicht auf einen bestimmten Betrag beschränkt, so finden, wenn im Gesellschaftsvertrag nicht ein anderes festgesetzt ist, im Fall verzögerter Einzahlung von Nachschüssen die auf die Einzahlung der Stammeinlagen bezüglichen Vorschriften der §§ 21 bis 23 entsprechende Anwendung. Das Gleiche gilt im Fall des § 27 Abs. 4 auch bei unbeschränkter Nachschusspflicht, soweit die Nachschüsse den im Gesellschaftsvertrag festgesetzten Betrag nicht überschreiten. (2) Im Gesellschaftsvertrag kann bestimmt werden, dass die Einforderung von Nachschüssen, auf deren Zahlung die Vorschriften der §§ 21 bis 23 Anwendung finden, schon vor vollständiger Einforderung der Stammeinlagen zulässig ist. Text seit 1892 unverändert; amtliche Überschrift ergänzt durch MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl I 2026). 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entsprechende Anwendung der §§ 21–23 . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 2

3. Unbeschränkte Nachschusspflicht mit beschränktem Preisgaberecht (§ 28 Abs. 1 Satz 2) . . . . . . . . . . . 4. Nachschüsse vor Einforderung der restlichen Stammeinlage . . . . . . .

5 6

1. Überblick 1 Die Vorschrift regelt zwei Sonderformen der Nachschusspflicht, die neben der

regulären (§§ 26 Abs. 1, 27) durch die Satzung geschaffen werden können (s. § 26 Rn 7). Die unbeschränkte Nachschusspflicht ist nach § 27 unabdingbar mit einem Preisgaberecht verbunden, um eine der Höhe nach unbeschränkte Haftung der Gesellschafter zu verhindern (vgl § 27 Rn 1, 4); dem entspricht hier § 28 Abs. 1 Satz 2. Diese Überlegung gilt für die beschränkte Nachschusspflicht nicht; daher ist hier auch ein Preisgaberecht (= Abandon) nicht vorgesehen. Im Gegenteil: Für diese Nachschusspflicht verstärkt § 28 Abs. 1 die Position der GmbH. Die Satzung kann aber auch hier ein Abandon vorsehen.

2. Entsprechende Anwendung der §§ 21–23 2 Auf die beschränkte Nachschusspflicht finden bei verzögerter Leistung, die

nicht mit Verzug gemäß § 286 BGB identisch ist1, die §§ 21–23 entsprechende

1 MünchKomm/Schütz Rn 12; Michalski/Zeidler Rn 7.

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Beschränkte Nachschusspflicht | § 28

Anwendung. Das bedeutet, dass die GmbH klagen und vollstrecken, aber auch dem säumigen Gesellschafter eine erneute Zahlungsaufforderung mit Fristsetzung und Androhung des Ausschlusses zustellen und ihn nach fruchtlosem Fristablauf ausschließen kann; er verliert damit auch alle bisherigen Leistungen, trägt aber nach § 21 Abs. 3 für alle rückständigen und – soweit bereits eingefordert wurden – zukünftigen Nachschüsse die Ausfallhaftung1. Seine Rechtsvorgänger haften nach § 22 und ggf § 16 Abs. 2 auf den ausstehenden Nachschuss, soweit dieser nicht erst später in der Satzung festgelegt wurde2. Bei Zahlung des rückständigen Nachschusses erwirbt der Rechtsvorgänger den Geschäftsanteil (§ 22 Abs. 4). Ist Zahlung von den Rechtsvorgängern nicht zu erlangen, so kann die GmbH den Geschäftsanteil nach § 23 veräußern; der Erwerber haftet dann nicht für den rückständigen, wohl aber für einen künftigen Nachschuss. Eine Haftung der übrigen Gesellschafter besteht hier nicht, da § 24 in § 28 nicht erwähnt ist3. Problematisch ist die Rechtslage, wenn neben dem Nachschuss auch noch Ein- 3 lagen rückständig sind. Erfolgt in diesem Fall die Kaduzierung gleichzeitig4 wegen der rückständigen Einlage – hier im Gegensatz zu § 27 möglich – (§ 28 Abs. 2, vgl Rn 6), so trifft den Ausgeschlossenen die Haftung gemäß § 21 Abs. 3 auch für die rückständigen Einlageraten und die Nachschüsse; seine Rechtsvorgänger haften ebenfalls für beides und erwerben den Geschäftsanteil nach § 22 Abs. 4 nur, wenn sie beide Rückstände zahlen. Der Erwerber haftet nach § 23 für beides nicht; die Mitgesellschafter nach § 24 nur für den Einlagerückstand5. Die Satzung kann die Kaduzierung wegen verzögerter Nachschüsse ganz aus- 4 schließen oder anders regeln, sei es, dass die Haftung der Rechtsvorgänger oder die des Ausgeschlossenen beseitigt (nicht für rückständige Einlagen!) oder die Haftung aus § 24 eingeführt wird. Es kann aber auch hier ein Preisgaberecht geschaffen werden, dessen Ausübung allerdings unter der Voraussetzung vorheriger Volleinzahlung der Stammeinlage stehen muss6.

3. Unbeschränkte Nachschusspflicht mit beschränktem Preisgaberecht (§ 28 Abs. 1 Satz 2) Die obigen Erläuterungen gelten auch, wenn das Preisgaberecht laut Satzung 5 erst eintritt, wenn die eingeforderten Nachschüsse eine bestimmte Grenze überschreiten (s. § 27 Abs. 4). In diesem Falle findet § 28 Abs. 1 Satz 1 so lange AnSo heute ganz hM: Scholz/Emmerich Rn 5; R/S-L/Pentz Rn 2. Scholz/Emmerich Rn 7; R/A/Altmeppen Rn 5; U/H/L/W. Müller Rn 6. R/S-L/Pentz Rn 3; B/H/Fastrich Rn 6. Unzulässig wäre allein die Kaduzierung wegen rückständiger Nachschüsse: B/H/Fastrich Rn 8 mwN. 5 B/H/Fastrich Rn 6; R/A/Altmeppen Rn 6. 6 Scholz/Emmerich Rn 10; U/H/L/W. Müller Rn 11; vgl auch RGZ 81, 372.

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§ 29 | Ergebnisverwendung wendung, bis die Grenze erreicht ist; danach gilt § 27. Bei der Berechnung sind alle eingeforderten Nachschüsse zu addieren1, ob sie auch gezahlt sind, ist belanglos. Die Festsetzung des Höchstbetrages steht im Ermessen der Gesellschafter. Eine Umgehung von § 27 läge aber vor, wenn die Grenze so hoch festgesetzt wird, dass sie praktisch nicht erreichbar ist2; in diesem Falle ist die Nachschusspflicht als unbeschränkt gemäß § 27 zu behandeln.

4. Nachschüsse vor Einforderung der restlichen Stammeinlage 6 Aus § 28 Abs. 2 ergibt sich, dass Nachschüsse im Grundsatz erst nach Einforde-

rung (nicht: Einzahlung!)3 der gesamten Stammeinlage eingefordert werden dürfen. Die Vorschrift lässt davon eine Ausnahme zu (nur) unter der Voraussetzung, dass (1) die Satzung das vorsieht, (2) es sich um Nachschüsse handelt, auf deren Einzahlung die §§ 21–23 Anwendung finden, die Kaduzierungsvorschriften also weder ausgeschlossen noch abgeschwächt sind. Darüber hinaus bestimmt dann § 30 Abs. 2 Satz 3, dass solche Nachschüsse nicht vor voller Einzahlung der Stammeinlage zurückgezahlt werden dürfen4. Zur Kaduzierung bei Rückstand: Rn 3.

§ 29 Ergebnisverwendung (1) Die Gesellschafter haben Anspruch auf den Jahresüberschuss zuzüglich eines Gewinnvortrags und abzüglich eines Verlustvortrags, soweit der sich ergebende Betrag nicht nach Gesetz oder Gesellschaftsvertrag, durch Beschluss nach Absatz 2 oder als zusätzlicher Aufwand auf Grund des Beschlusses über die Verwendung des Ergebnisses von der Verteilung unter die Gesellschafter ausgeschlossen ist. Wird die Bilanz unter Berücksichtigung der teilweisen Ergebnisverwendung aufgestellt oder werden Rücklagen aufgelöst, so haben die Gesellschafter abweichend von Satz 1 Anspruch auf den Bilanzgewinn. (2) Im Beschluss über die Verwendung des Ergebnisses können die Gesellschafter, wenn der Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt, Beträge in Gewinnrücklagen einstellen oder als Gewinn vortragen. (3) Die Verteilung erfolgt nach Verhältnis der Geschäftsanteile. Im Gesellschaftsvertrag kann ein anderer Maßstab der Verteilung festgesetzt werden. 1 2 3 4

B/H/Fastrich Rn 2; U/H/L/W. Müller Rn 13. Vgl auch U/H/L/W. Müller Rn 15. RGZ 87, 179; Michalski/Zeidler Rn 13; Scholz/Emmerich Rn 12. RGZ 87, 179, 181.

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Ergebnisverwendung | § 29

(4) Unbeschadet der Absätze 1 und 2 und abweichender Gewinnverteilungsabreden nach Absatz 3 Satz 2 können die Geschäftsführer mit Zustimmung des Aufsichtsrats oder der Gesellschafter den Eigenkapitalanteil von Wertaufholungen bei Vermögensgegenständen des Anlage- und Umlaufvermögens in andere Gewinnrücklagen einstellen. Der Betrag dieser Rücklagen ist in der Bilanz gesondert auszuweisen; er kann auch im Anhang angegeben werden. § 29 wurde durch das BiRiLiG 1985 mit Ausnahme des alten Abs. 2, des jetzigen Abs. 3 vollständig verändert; amtliche Überschrift ergänzt durch MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl I 2026); Abs. 4 Satz 1 geändert, Satz 2 neu gefasst mit Wirkung vom 23.7.2015 durch BilRUG (BGBl I 1245). 1. 2. 3. 4. 5.

Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . Jahresabschluss . . . . . . . . . . . . . Abschlussfeststellung . . . . . . . . . Verwendungsbeschluss . . . . . . . Anspruch des Gesellschafters auf Fassung des Verwendungsbeschlusses . . . . . . . . . . . . . . . .

. 1 . 6 . 12 . 16 . 30

6. 7. 8. 9. 10.

Wertaufholung (§ 29 Abs. 4) . . Ergebnisverteilung . . . . . . . . . Zahlungsanspruch . . . . . . . . . Vorschüsse . . . . . . . . . . . . . . . Verdeckte Vorteilsgewährungen (vGA/vVG) . . . . . . . . . . . . . . 11. Altgesellschaften . . . . . . . . . . .

. . . .

. . . .

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. . 48 . . 59

Literatur: Arnold Der Gewinnauszahlungsanspruch des GmbH-Minderheitsgesellschafters, 2001; Ehlke Ergebnisverwendungsregeln in der GmbH nach dem BiRiLiG, DB 1987, 671; Fleischer/Trinks Minderheitenschutz bei der Gewinnthesaurierung in der GmbH, NZG 2015, 289; U. Hartmann Das neue Bilanzrecht und der Gesellschaftsvertrag der GmbH, 1986; Hommelhoff Anmerkungen zum Ergebnisverwendungs-Entscheid der GmbH-Gesellschafter, GmbHR 2010, 1328; Hommelhoff/Priester Bilanzrichtliniengesetz und GmbH, ZGR-Sonderausgabe, 1986; Renkl Gewinnverwendungsverfassung und Abschlußprüfung in der GmbH, GmbHR 1989, 66; Schön Gewinnermittlung, Gewinnverteilung und Gewinnausschüttung im Recht der Personengesellschaften und GmbH, in Hommelhoff ua (Hrsg), 5. Hachenburg-Gedächtnisvorlesung, 2003, S. 17; Walk Die zweckmäßige Gewinnverwendungsklausel in der GmbH, 1993.

1. Überblick a) § 29 ermächtigt die Gesellschafter, mit einfacher Mehrheit zu beschließen, ob 1 und inwieweit das Jahresergebnis nicht an die Gesellschafter ausgeschüttet, sondern in der Gesellschaft einbehalten werden soll (§ 29 Abs. 2). Diese dispositive Regelung (s. § 3 Rn 40)1 gilt nur für die nach dem 1.1.1986 ins Handelsregister 1 Klauselvorschläge für die Satzung bei K/P/W/Bohl/Schamburg-Dickstein Rn 33 ff, 48 ff; Hommelhoff/Hartmann/Hillers DNotZ 1986, 326; Walk S. 275 ff – zusammenfassend; zur Nonprofit-GmbH nach § 51 AO Priester GmbHR 1999, 153. – Allgemein zur Willensbildung zur Ausschüttungspolitik Kormann Gewinnverwendung und Vermögen, 2013, S. 235 ff.

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§ 29 | Ergebnisverwendung eingetragenen Neugesellschaften (Art. 13 BiRiLiG) und soll im Interesse angemessener Innenfinanzierung der Gesellschaft einen Ausgleich für das Verbot stiller Rücklagen schaffen. Obwohl dies Verbot gleichermaßen für die vor dem 1.1.1986 entstandenen Altgesellschaften gilt, unterliegen diese weiterhin dem sachlich unveränderten Vollausschüttungsgebot des alten § 29 Abs. 11, wonach jeder Gesellschafter einen (nur mit seiner Zustimmung entziehbaren) Anspruch auf Ausschüttung des Jahresüberschusses bzw des Bilanzgewinns hat (§ 7 Abs. 1 GmbHGÄndG). Für Altgesellschaften, die nach dieser Bestimmung zur Volloder Teilausschüttung verpflichtet sind, gilt ein kompliziertes und einschneidendes Übergangsrecht (Rn 59). 2 b) Zur Terminologie: § 29 Abs. 1 unterscheidet terminologisch präzise: Jahres-

ergebnis ist die Summe aus Jahresüberschuss (§ 266 Abs. 3 A V HGB) zuzüglich Gewinnvortrag bzw abzüglich Verlustvortrag; dagegen bezeichnet Bilanzgewinn die Summe aus Jahresergebnis abzüglich Rücklagenzufuhr und zuzüglich möglicher Rücklagenauflösung (§ 268 Abs. 1 HGB)2. – Der in § 29 Abs. 1 genannte zusätzliche Aufwand aufgrund des Verwendungsbeschlusses ist ein Körperschaftsteueraufwand; er entsteht, wenn die Gesellschafter einen größeren Ergebnisanteil in der Gesellschaft einzubehalten beschließen, als die Geschäftsführer vorgeschlagen und ihrer Berechnung der Steuer zugrunde gelegt haben3. – § 29 Abs. 3 bestimmt den Maßstab der Ergebnis- oder Gewinnverteilung unter die Gesellschafter (Rn 36). – Der dem § 58 Abs. 2a AktG nachgebildete § 29 Abs. 4 befasst sich mit jenen Ergebnisanteilen, die aus Wertaufholungen nach § 253 Abs. 5 (§ 280 Abs. 1 HGB aF) herrühren (Rn 34).

3 c) Mitgliedschaftliches Gewinnbezugsrecht: § 29 Abs. 1 gibt jedem Gesellschaf-

ter einen „Anspruch“ auf seinen Ergebnis- bzw Gewinnanteil, ermächtigt jedoch zugleich die Gesellschafter, diesen Anspruch in seinem Umfang durch einfachen Gesellschafterbeschluss zu reduzieren oder ihn gar ganz auszuschließen. Nach hM ist dieser „Anspruch“ nichts anderes als das (unselbständige) allgemeine mitgliedschaftliche Gewinnbezugsrecht; dies kann – im Gegensatz zum Geschäftsanteil – auch in einem Dividendenschein förmlich verbrieft werden. Das Gewinnbezugsrecht ist zu unterscheiden vom Anspruch des Gesellschafters auf Auszahlung seines Gewinnanteils; dieser Zahlungsanspruch entsteht nach nahezu einhellig vertretener Ansicht erst mit dem Verwendungsbeschluss der Gesellschafter4, auf dessen Fassung jeder einzelne Gesellschafter einen Anspruch hat (1. allgemeines mitgliedschaftliches Gewinnbezugsrecht; 2. Anspruch auf Fassung des Verwendungsbeschlusses; 3. konkreter Zahlungsanspruch). Das Ge1 2 3 4

BGHZ 105, 210 = GmbHR 1989, 72. S. BGH BB 1994, 2228 = GmbHR 1994, 878. Näher K/P/W/Bohl/Schamburg-Dickstein Rn 75 ff; Scholz/Verse Rn 52. BGHZ 139, 299, 302 f = GmbHR 1998, 1177; näher dazu Arnold Gewinnauszahlungsanspruch, S. 87 ff; Scholz/Verse Rn 37; U/H/L/Müller Rn 114; aA OLG Hamm DB 1989, 167 = GmbHR 1989, 126: fehlende Fälligkeit.

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Ergebnisverwendung | § 29

winnbezugsrecht kann im Gesellschaftsvertrag für alle oder einzelne Gesellschafter ausgeschlossen sein1. Ein nachträglicher Ausschluss durch Satzungsänderung ist nur mit Zustimmung des oder der betroffenen Gesellschafter wirksam2; das aber gilt nicht, wenn etwa die Vertragsänderung nur ein statutarisches Vollausschüttungsgebot aufhebt und damit die Möglichkeit eröffnet, den Ertrag in der Gesellschaft zu thesaurieren, sofern nur der spätere Liquidationserlös an die Gesellschafter verteilt wird. – Hingegen ist die Zustimmung des oder der betroffenen Gesellschafter nach § 35 BGB erforderlich, wenn das statutarische Sonderrecht auf eine Mindestdividende3 im Wege der Satzungsänderung beseitigt werden soll. Vorläufig gehemmter Auszahlungsanspruch4: Bei dem „Anspruch“ aus § 29 4 Abs. 1 handelt es sich um den nach Feststellung des Jahresabschlusses mitsamt Jahresüberschuss und Gewinn-/Verlustvortrag; er beschreibt eine rechtsqualitative Fortentwicklung gegenüber dem allgemeinen mitgliedschaftlichen Gewinnbezugsrecht des Gesellschafters. Mit dem Feststellungsbeschluss (§ 46 Nr. 1) sind die Individualansprüche der Gesellschafter auf Auszahlung ihrer Gewinnanteile, die von ihren Gewinnbezugsrechten zu unterscheiden sind, entstanden5, stehen allerdings in diesem Moment noch unter Vorbehalt (gesetzlich oder statutarisch vorgeschriebener Rücklagendotation, Thesaurierung durch Ergebnisverwendungsbeschluss) und sind daher noch nicht durchsetzbar6. Der allein noch ausstehende Verwendungsbeschluss ist nicht Voraussetzung für die Entstehung der Auszahlungsansprüche dem Grunde nach, sondern bloß für deren Fälligkeit in nunmehr festgeschriebener Höhe7. Diese Interpretation erfordern Wortlaut und Systematik des Gesetzes, die thesaurierungsbezogene Funktion 1 Näher BayObLG NJW 1988, 426, 427; zu den Grenzen einer solchen „Entrechtung“: RGZ 167, 73 f; BGHZ 14, 271 ff; Wiedemann S. 365 ff einerseits, Zöllner FS GmbHG, 1992, S. 122 andererseits; zum Ganzen Scholz/Verse Rn 74 ff mwN. 2 U/H/W/Ulmer § 53 Rn 69; MünchKomm/Ekkenga Rn 175. 3 Dazu K/P/W/Bohl/Schamburg-Dickstein Rn 127; U/H/W/Ulmer § 53 Rn 70. 4 Näher Hommelhoff FS Rowedder, 1994, S. 171; MünchKomm/Ekkenga Rn 78 ff; Erwiderung von Gutbrod GmbHR 1995, 551; Seidel Treupflichten, S. 148; Scholz/Verse Rn 62 f; U/H/L/Müller Rn 74. 5 Wie hier MünchHdbGmbH/Priester § 57 Rn 59; Oppenländer DStR 1996, 927 für die Zweipersonengesellschaft; im Ergebnis übereinstimmend wohl auch Gutbrod S. 557 mit der Überlegung, dass der Abschluss unter bestimmten Voraussetzungen als festgestellt wie aufgestellt gilt; aA hM: BGHZ 139, 299, 303 f (wenn auch offen zum konkreten Sachproblem); BayObLG NJW 1988, 426, 427; im Ergebnis so auch OLG Düsseldorf NZG 2001, 1086; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand § 46 Rn 21; R/A/Roth Rn 49; Hueck FS Steindorff, 1990, S. 52; Zöllner ZGR 1988, 418 f; Arnold Gewinnauszahlungsanspruch, S. 88 ff; Bork/Oepen ZGR 2002, 241, 261. 6 Übereinstimmend MünchKomm/Ekkenga Rn 82; in der Tendenz ähnlich Salje NZG 1998, 987: Anwartschaft. 7 Zutreffend OLG Hamm DB 1989, 167 = GmbHR 1989, 126; aA Ebenroth EWiR 1989, 268; Scholz/Verse Rn 37; Scholz/K. Schmidt § 46 Rn 28; reserviert, wenn auch problemoffen BGHZ 139, 299, 303 f.

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§ 29 | Ergebnisverwendung des Verwendungsbeschlusses (Rn 16) sowie vor allem der Individualschutz der Gesellschafter1. 5 d) Der fällige Zahlungsanspruch des Gesellschafters setzt die Aufstellung des Jahresabschlusses, den Ausweis eines Jahresergebnisses bzw Bilanzgewinns (Rn 2), die Feststellung dieses (wirksamen)2 Jahresabschlusses (s. § 46 Rn 2 ff) sowie regelmäßig (Rn 4) einen Verwendungsbeschluss (näher Rn 16) voraus. Ein weiterer Beschluss dahin, wie der für die Gesellschafter bereitgestellte Ertrag unter diese verteilt werden soll, ist nicht erforderlich (Rn 36)3. Feststellungs- und Verwendungsbeschluss können formal zusammengefasst werden; trotzdem liegen in dem einen Beschluss dann zwei Entscheidungen: die eine über die vergangenheitsbezogene Rechnungslegung und die andere über die zukunftsorientierte Finanzierung der Gesellschaft4. – Fehlt nur eine der drei erstgenannten Voraussetzungen, so ist der Verwendungsbeschluss unwirksam (zum nichtigen Verwendungsbeschluss unten Anh zu § 47 Rn 24). Konsequent sind die Zahlungsansprüche regelmäßig noch nicht fällig (Rn 4).

2. Jahresabschluss 6 a) Überblick: Das Jahresergebnis ergibt sich aus dem nach Gesetz (§§ 249 ff,

264 ff HGB, § 42) inkl GoB und Gesellschaftsvertrag von den Geschäftsführern aufgestellten Jahresabschluss5. Ob die Geschäftsführer das Jahresergebnis schon bei der Abschlussaufstellung ganz oder teilweise verwenden können und dann nur noch einen entsprechend geringeren Bilanzgewinn auszuweisen brauchen (§ 268 Abs. 1 HGB), bestimmt sich nach der Kompetenzordnung der Gesellschaft: Falls die Feststellungs- (§ 42a Abs. 1) und die Verwendungszuständigkeit (§ 29 Abs. 2) bei den Gesellschaftern liegen, können die Geschäftsführer schon bei der Abschlussaufstellung das Jahresergebnisses verwenden; den Gesellschaftern bleibt die Verwendungskompetenz, wenn auch im Gewand des Feststellungsbeschlusses. Anders dagegen, falls die Zuständigkeit für die Abschlussaufstellung, aber nicht die für die Ergebnisverwendung einem anderen Organ (zB Beirat) zugewiesen ist; in diesem Falle dürfen die Geschäftsführer von der Möglichkeit aus § 268 Abs. 1 HGB keinen Gebrauch machen, da sie andernfalls die Kompetenzen zwischen den Gesellschaftsorganen verschieben würden6. Mangels Kompetenz geht ihr Entscheid ins Leere.

1 Insoweit übereinstimmend BGHZ 139, 299, 303 f; aus dem „ist“ in § 29 Abs. 1 Satz 1 lässt sich entgegen Scholz/Verse Rn 37 nichts Entscheidendes herleiten. 2 Der Verwendungsbeschluss zu einem nichtigen Jahresabschluss ist selber nichtig, BFH FR 2007, 430, 431 = BStBl II 2007, 728 = GmbHR 2007, 206; s. auch OLG Frankfurt GmbHR 2005, 550, 556. 3 MünchKomm/Ekkenga Rn 89, 180. 4 Crezelius FS GmbHG, 1992, S. 318. 5 Näher Gutbrod GmbHR 1995, 552 f. 6 Zutreffend R/A/Roth Rn 18; Scholz/Verse Rn 33; aA MünchKomm/Ekkenga Rn 138.

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Ergebnisverwendung | § 29

b) Information der Gesellschafter: Die Gesellschafter können die für ihren Ent- 7 scheid über die Ertragsverwendung wichtigste Information unmittelbar aus der Bilanz erschließen: Im Jahresabschluss (§ 266 HGB) ist das Jahresergebnis (s. Rn 2) die Summe aus den Passivposten A V (Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag) und A IV (Gewinnvortrag/Verlustvortrag). Sollte die Bilanz dagegen unter der Passivposition A IV einen Posten „Bilanzgewinn“ oder „Bilanzverlust“ ausweisen, so können die Gesellschafter hieraus erkennen, dass vor ihrer Verwendungsentscheidung bereits über einen Ergebnisteil disponiert und außerdem ein möglicherweise vorhandener Gewinn- oder Verlustvortrag in diese Passivposition A IV mit einbezogen ist (§ 268 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 HGB). – In prüfungspflichtigen Gesellschaften liefert zusätzlich der Prüfungsbericht des Abschlussprüfers den Gesellschaftern wesentliche Informationen. Zu den prüfungsbedingten Grenzen sachverhaltsgestaltender Jahresabschlusspolitik: Hoffmann BB 1995 Beilage 4. c) Ergebnisverwendung bereits im Jahresabschluss: Abweichend von der 8 Kompetenzregel aus §§ 29 Abs. 2, 46 Nr. 1 kann der Gesellschaftsvertrag die Geschäftsführer ermächtigen, autonom über den Verbleib des Jahresergebnisses ganz oder teilweise zu entscheiden. In diesem Falle ist die Rücklagendotation der Geschäftsführer für diejenigen bindend, die den Abschluss festzustellen und über die Gewinnverwendung zu entscheiden haben; insoweit ist das Weisungsrecht aus § 37 eingeschränkt1. – Entsprechendes gilt, falls der Gesellschaftsvertrag alle Gesellschafter vom Gewinn ausschließt oder ihr Gewinnbezugsrecht (wie etwa in gemeinnützigen Gesellschaften) nach oben begrenzt2. d) Ausschüttungssperre: Dem Verwendungsentscheid des zuständigen Organs 9 (idR also der Gesellschafter) sind alle Erträge entzogen, die nach § 268 Abs. 8 HGB nicht ausgeschüttet werden dürfen, weil sie in selbstgeschaffenen immateriellen Vermögensgegenständen des Anlagevermögens (§ 248 Abs. 2 HGB) wurzeln oder bei Vermögensgegenständen (§ 246 Abs. 2 Satz 2 HGB: Deckungsvermögen bei Pensionsrückstellungen) zu einem höheren Zeitwert geführt haben oder die aus dem Ansatz aktiver latenter Steuern (§ 274 Abs. 1 Satz 2 HGB) resultieren. Diese durch das BilMoG 2009 erweiterte Ausschüttungssperre ersetzt im Interesse der Gesellschaft und ihrer Gläubiger das an den genannten Stellen zurückgenommene Vorsichtsprinzip3. Gesperrt ist der so entstandene Teil des Jahresüberschusses in der Gesellschaft allerdings bloß dann und insoweit nach § 268 Abs. 8 Satz 1 HGB, wie dieser Teil nicht durch Rücklagen der Gesellschaft abgebildet werden kann. Das Handelsrecht betrachtet den so entstandenen Überschussanteil funktional als gesetzliche Zwangsrücklage. Verfügt die Gesellschaft über freie Rücklagen in genügender Höhe, dann werden diese im Umfang des Überschussanteils gemäß § 268 Abs. 8 HGB aufgrund Gesetzes automatisch 1 Wie hier auch Crezelius FS GmbHG, 1992, S. 321; MünchKomm/Ekkenga Rn 145. 2 S. Scholz/Verse Rn 74; U/H/L/Müller Rn 78. 3 Näher ua Gelhausen/Althoff WPg 2009, 584; Hommelhoff ZGR 2008, 257 ff.

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§ 29 | Ergebnisverwendung in gesperrte Rücklagen überführt. Sollte die Gesellschaft dagegen über keine Rücklagen (oder über sie bloß in unzureichender Höhe) verfügen, so ist der entsprechende Anteil des Jahresüberschusses in der Gesellschaft ex lege als Zwangsrücklage gesperrt. Bei der Ermittlung des Aktivsaldos der latenten Steuern dürfen die aufgrund des Ansatzes selbst geschaffener Vermögensgegenstände oder aufgrund des zum höheren Zeitwert bilanzierten Deckungsvermögens gebildeten passiven latenten Steuern nicht ein weiteres Mal berücksichtigt werden1. Zur Information der Publizitätsadressaten bestimmt das BilMoG jedoch nähere Angaben im Anhang (§ 285 Satz 1 Nr. 28 HGB). Für die Ermittlung des Ausschüttungs-gesperrten Teils des Jahresüberschusses sowie für seine Behandlung im Rechenwerk der Gesellschaft ist neben diesem eine gesonderte Vergleichsrechnung geboten. – Zur gesetzlichen Rücklage in der UG § 5a Rn 34 ff. 10 e) Gewinnabführungsvertrag: Hat sich die Gesellschaft rechtswirksam (zu den

materiellen und formellen Voraussetzungen Anh zu § 13 Rn 64, 67) verpflichtet, das erwirtschaftete Jahresergebnis ganz oder teilweise an einen anderen abzuführen, so ist diese Verpflichtung schon bei der Aufstellung des Jahresabschlusses zu passivieren und diese dann entsprechend festzustellen. Beim (Voll-)Ergebnisabführungsvertrag gibt es zur Gewinnverwendung nichts mehr zu beschließen.

11 f) In gleicher Weise mindern die grundsätzlich zulässigen Gewinnbeteiligungen

Dritter (zB Genussrechte2 oder gewinnabhängige Geschäftsführertantieme – Anh zu § 6 Rn 32) den Jahresüberschuss3. Zulässig ist ebenfalls die Gewinnbeteiligung des Gesellschafter-Geschäftsführers; sie kann jedoch im Einzelfall die Grenze zur verdeckten Vorteilsgewährung überschreiten (Rn 51).

3. Abschlussfeststellung 12 a) Überblick: Der in dieser Weise aufgestellte Jahresabschluss ist von den Ge-

sellschaftern festzustellen (§§ 42a, 46 Nr. 1), sofern der Gesellschaftsvertrag die Beschlusskompetenz nicht einem anderen Gesellschaftsorgan zuweist, etwa den Geschäftsführern4; diese haben keine eigene Entscheidungsmacht ex lege, auch nicht bei der Ausübung bestimmter Bilanzierungswahlrechte5. Bei der Entscheidung über die erfolgsrelevante Ausnutzung bilanzpolitischer Gestaltungsspielräume unterliegen die Gesellschafter einem Abwägungsgebot (§ 42a Rn 29). Die 1 Dazu Gelhausen/Althoff WPg 2009, 590 f, 635; Wendholt/Wesemann DB 2009, Beilage 5 zu Heft 23, S. 69. 2 Näher B/H/Fastrich Rn 88 ff; K/P/W/Bohl/Schamburg-Dickstein Rn 16 ff; Claussen FS Werner, 1984, S. 81. 3 BGHZ 18, 208. 4 Zweifelnd U/H/L/Müller Rn 32. 5 AA Schön in Hommelhoff ua (Hrsg), 5. Hachenburg-Gedächtnisvorlesung, S. 26.

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Geschäftsführer haben den Gesellschaftern von sich aus die für eine verantwortliche Abschlussfeststellung erforderlichen Informationen entsprechend § 176 Abs. 1 Satz 2 AktG zu liefern (näher § 42a Rn 33). b) Anspruch auf Abschlussfeststellung: Jeder Gesellschafter hat gegen die Ge- 12a sellschaft einen mitgliedschaftlichen Anspruch auf Feststellung des Jahresabschlusses in der von den Geschäftsführern aufgestellten Fassung sogleich nach Abschluss der Aufstellung, spätestens jedoch in den Fristen aus § 42a Abs. 21. Sollten sich die Mitgesellschafter (oder das nach dem Gesellschaftsvertrag zuständige Organ) der Abschlussfeststellung widersetzen, kann jeder Gesellschafter gegen die Gesellschaft im Wege der Leistungsklage vorgehen; Vollstreckung nach § 894 ZPO. Allerdings bleibt es den Gesellschaftern (oder dem statutarisch zuständigen Organ) unbenommen, im Feststellungsbeschluss vom aufgestellten Jahresabschluss in den Grenzen des Bilanzrechts abzuweichen. c) Aufwandsrückstellungen: In allen Gesellschaften einschließlich der Altgesell- 13 schaften (Rn 1) durften nach näherer Bestimmung des § 249 Abs. 1 Satz 3/Abs. 2 HGB Aufwandsrückstellungen gebildet werden2. Sie hat das BilMoG mit erstmaliger Wirkung für jene Gesellschaften abgeschafft, deren Geschäftsjahr nach dem 31.12.2009 beginnt (§ 249 Abs. 2 Satz 1 HGB/Art. 66 Abs. 3 Satz 1 EGHGB). Das hat in manchen Gesellschaften Anlass gegeben, ihre statutarischen Thesaurierungsklauseln zu überprüfen. Zur alten Rechtslage s. 16. Aufl, Rn 13 ff. d) Mangelhafter Feststellungsbeschluss: Der festgestellte Jahresabschluss ist in 14 entsprechender Anwendung des § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG nichtig, wenn er durch seinen Inhalt Vorschriften verletzt, die im öffentlichen Interesse oder zum Schutze der Gesellschaftsgläubiger gegeben sind (näher Anh zu § 47 Rn 24 ff). Der Feststellungsbeschluss ist außerdem wegen Verstoßes gegen Gesetz oder 15 Gesellschaftsvertrag nach allgemeinen Regeln anfechtbar (s. Anh zu § 47 Rn 57 ff) – zB wegen des Verstoßes gegen das Verbot der Bildung stiller Reserven; für den Ausschluss der Inhaltsanfechtung entsprechend § 257 Abs. 1 Satz 2 AktG ist im GmbH-Recht kein Raum (näher Anh zu § 47 Rn 57).

4. Verwendungsbeschluss a) Überblick: Sofern kein Gewinnabführungsvertrag (Rn 10) besteht, ist nach 16 bislang ganz hL (Rn 3) in jedem Fall ein Ergebnisverwendungsbeschluss erforderlich – und zwar auch, wenn ein statutarisches Vollausschüttungsgebot die Verwendung des Jahresergebnis zwingend vorgibt oder wenn das Gewinnbezugsrecht der Gesellschafter nach oben begrenzt (Rn 8) und schon eine entsprechende Rücklagendotation festgestellt worden ist; denn so die bisher herr1 MünchKomm/Ekkenga Rn 47; Scholz/Verse Rn 20. 2 Näher Schubert Beck BK, § 249 HGB Rn 300 ff.

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§ 29 | Ergebnisverwendung schende Ansicht: Erst mit diesem Beschluss entstehen die Zahlungsansprüche der Gesellschafter. Diese können sogleich Erfüllung verlangen. Einen Aufschub der Fälligkeit können die Gesellschafter darum nicht mit Mehrheit beschließen, wenn ihr Zahlungsanspruch sich dadurch in ein Darlehen umwandeln würde1 – es sei denn, der Gesellschaftsvertrag ermächtigt zur Begründung einer solchen Nebenleistungspflicht (§ 3 Abs. 2). 17 Nach der hier vertretenen Lehre vom vorläufig gehemmten Auszahlungsanspruch

(Rn 4) ist dagegen zu bemerken2: Im Ergebnisverwendungsbeschluss (§ 46 Nr. 1) wird darüber befunden, ob und inwieweit das Jahresergebnis in der Gesellschaft einbehalten werden soll. Erst mit diesem Beschluss werden die bereits mit dem Feststellungsbeschluss entstandenen Zahlungsansprüche der Gesellschafter (Rn 4) in ihrem Umfang endgültig (mittelbar, Rn 36 ff) festgeschrieben und zur Auszahlung fällig. Im Verwendungsbeschluss verwirklicht das zuständige Organ (Rn 19 f) seine Verantwortung für eine angemessene Selbstfinanzierung der Gesellschaft3. Sollte das Organ diesen Beschluss pflichtwidrig verzögern oder gar verweigern, so entfällt der Thesaurierungsvorbehalt (Rn 4), und die Auszahlungsansprüche werden in der Höhe, wie sie aus dem festgestellten Jahresergebnis zu ermitteln sind, automatisch fällig4; abzuziehen ist bloß die gesetzlich oder statutarisch vorgeschriebene Rücklagenzufuhr. Pflichtwidrig verzögert ist der Verwendungsbeschluss regelmäßig, wenn er nicht zeitgleich mit dem Feststellungsbeschluss gefasst wird, in jedem Fall jedoch nach dem in § 42a Abs. 2 zum Ausdruck gebrachten Grundgedanken, dass die Gesellschafter zeitnah über das im vergangenen Geschäftsjahr erwirtschafteten Jahresergebnis zu befinden haben, acht Monate nach Geschäftsjahresschluss, in kleinen Gesellschaften (§ 267 Abs. 1 HGB) elf Monate danach. Das gebietet ein (an gesetzlichen Grundwertungen ausgerichteter) effektiver und zugleich hinreichend zeitnaher Schutz der Mitgliedschaft im vermögensrechtlichen Bereich unter angemessener Berücksichtigung der Gesellschaftergesamtheit und ihres Finanzierungsermessens auch in seiner zeitlichen Erstreckung5.

1 AA U/H/L/Müller Rn 121; Scholz/Verse Rn 79. 2 Hierzu Arnold Gewinnauszahlungsanspruch, S. 88 ff; Bork/Oepen ZGR 2002, 258 ff; MünchKomm/Ekkenga Rn 76 ff; Michalski/Salje Rn 24; Priester in Hommelhoff ua (Hrsg), 5. Hachenburg-Gedächtnisvorlesung, S. 74 ff; R/S-L/Pentz Rn 65 ff. 3 Zur Gesellschafterpflicht zur Thesaurierung näher Seidel Treupflichten, S. 153 f. 4 AA Seidel Treupflichten, S. 149: Anspruch auf Fassung des Verwendungsbeschlusses, innerhalb dessen sich die Gesellschafter mit ihren kontroversen Ansichten zur Ergebnisverwendung aufeinander zubewegen (?) müssen; rechtsstrukturell übereinstimmend ua Scholz/Verse Rn 62 mwN: Anspruch auf Fassung eines auf Vollausschüttung gerichteten Verwendungsbeschlusses. 5 Wie hier Priester in Hommelhoff ua (Hrsg), 5. Hachenburg-Gedächtnisvorlesung, 2003, S. 76 f; aA OLG Düsseldorf NZG 2001, 1086; Schäfer GmbHR 1998, 173: Zweckentfremdung des § 42a Abs. 2; so auch Bork/Oepen ZGR 2002, 260 f; offen OLG Nürnberg DB 2008, 2415 Rn 163.

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Der Gesellschaftsvertrag kann vom Erfordernis des Verwendungsbeschlusses be- 18 freien; die maßgeblichen Entscheidungen fallen dann bereits mit dem Feststellungsbeschluss1: Verabschiedung des Abschlusses, Gewinnaufteilung zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern, entsprechende Begründung ihrer Ausschüttungsansprüche. Oder falls das Gewinnbezugsrecht nach oben beschränkt ist und lediglich ein entsprechender (ausschüttungsfähiger) Bilanzgewinn festgestellt wird: Dann geht dieser voll (s. aber zur teilweisen Ausschüttungssperre Rn 9) an die Gesellschafter; jeder erhält durch den Feststellungsbeschluss seinen entsprechenden (und sogleich fälligen, Rn 4) Zahlungsanspruch. – Gleiches gilt bei einem statutarischen Vollausschüttungsgebot. Hier haben die Gesellschafter bereits im Gesellschaftsvertrag ihre Finanzierungsverantwortung dahin ausgeübt, dass die Gesellschaft sich nicht selbst soll finanzieren können; deshalb bedarf es keines Verwendungsbeschlusses. Die für das gesetzliche Vollausschüttungsgebot aus § 29 aF (Rn 59) entwickelten Regeln sind hierher nicht übertragbar2. b) Zuständigkeit: Zuständig für den Verwendungsbeschluss, der zwingend in- 19 nerhalb von acht Monaten (bei kleinen Gesellschaften nach § 267 Abs. 1 HGB: innerhalb von elf Monaten) gefasst werden muss (§ 42a Abs. 2), sind die Gesellschafter (§§ 29 Abs. 2, 46 Nr. 1). Entscheidungsgrundlage sind Jahresabschluss und Lagebericht (§ 264 Abs. 1 HGB). Die Geschäftsführer haben diese jedem Gesellschafter auf dessen Verlangen in angemessener Frist vor der Beschlussfassung zuzuschicken3; dafür reicht die Wochenfrist des § 51 Abs. 1 regelmäßig nicht aus. Zusätzlich müssen die Geschäftsführer diese Unterlagen den Gesellschaftern entsprechend § 176 Abs. 1 Satz 2 AktG in der Gesellschafterversammlung oder anderweit vorbereitend erläutern und ihre Überlegungen zur Ergebnisverwendung vortragen4. Der Gesellschaftsvertrag kann diese Verwendungszuständigkeit der Gesellschaf- 20 ter auf eine andere Stelle innerhalb der Gesellschaft (zB Geschäftsführer, Beirat oder Aufsichtsrat) verlagern; dies allerdings nur insoweit, wie das Selbstbestimmungsrecht aller Gesellschafter gewahrt bleibt – bei einem Verwendungsorgan, das sich überwiegend aus Nichtgesellschaftern zusammensetzt, etwa durch eine zeitlich beschränkte Amtsdauer dieser Mitglieder5. c) Minderheitenschutz: Darüber, ob und in welchem Umfang das Jahresergeb- 21 nis einbehalten werden soll, entscheiden die Gesellschafter mit Mehrheit nach 1 Zu den verschiedenen Wegen der Ergebnisverwendung Hommelhoff ZGR 1986, 420 ff. 2 AA Scholz/Verse Rn 38; s. aber auch schon Feine S. 364. 3 Näher § 42a Rn 15 f; aA OLG Frankfurt BB 1977, 1016 = GmbHR 1978, 173: ohne besondere Aufforderung. 4 Hommelhoff ZGR 1986, 423. 5 Im Einzelnen Hommelhoff/Priester ZGR 1986, 449 ff; zustimmend Liebs DB 1986, 2424; großzügiger Ehlke DB 1987, 676 Fn 54; Scholz/Verse Rn 40; ohne diese Einschränkung S/I/Langheim/Klingsch Rn 30; B/S/Witt Rn 12.

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§ 29 | Ergebnisverwendung unternehmerischem Ermessen. Im Ergebnisverwendungsentscheid der Gesellschafter prägt sich ihre unternehmerische Entscheidungsfreiheit (insbesondere in Finanzierungsfragen) in ihrem Kern aus1. In der Prozesspraxis führt der Respekt der Gerichte vor ihr regelmäßig dazu, dass die Gesellschaftermehrheit den Angriff der Minderheit auf den Verwendungsentscheid mit Erfolg abwehren kann2. Denn vor dem Verdikt, der Gesellschafterentscheid zur Ergebnisverwendung sei in hohem Maße sachfremd und einseitig auf die Gesellschaftsinteressen ausgerichtet3, scheuen die Gerichte (in der Tendenz durchaus zustimmungswürdig) generell zurück: Unternehmerisch zu entscheiden, sind sie nicht berufen4. Allerdings gelten für den Verwendungsentscheid der Gesellschafter die rechtsstrukturellen Leitlinien der business judgement rule5: Sammlung der notwendigen Informationen, Ausrichtung des Entscheids auf das Gesellschaftsinteresse, Abwägung aller relevanten Gesichtspunkte und widerstreitenden Interessen einschließlich der der Gesellschafterminderheit. Dazu näher: 22 Dem Verwendungsentscheid sind Grenzen nach oben und unten gezogen6: In

ihrer Höhe dürfen Ausschüttungen an die Gesellschafter nicht die Existenz der Gesellschaft gefährden (§ 13 Rn 25 ff), andernfalls würde diese „auf kaltem Wege“ liquidiert, das gilt namentlich für den Entzug ihrer überlebensnotwendigen Liquidität (arg § 64 Satz 3). Umgekehrt sind der Einbehaltung des Jahresergebnisses Grenzen im Gesellschafterinteresse, insbesondere in dem der Minderheit, gezogen (Rn 23 ff). Nicht selten wird das Jahresergebnis mit der Folge thesauriert, dass die Minderheit über Jahre auf eine „Hungerdividende“7 gesetzt werden oder überhaupt keine Ausschüttungen erhalten kann. Durch die erfolgsmindernde Ausnutzung bilanzpolitischer Gestaltungsfreiräume8, die mit dem Inkrafttreten des BilMoG (namentlich wegen des Abschieds von der umgekehrten Maßgeblichkeit, § 5 Abs. 1 EStG) allerdings drastisch reduziert worden sind9, kann diese Gefahr noch gesteigert werden. Sie ist insbesondere dort groß, wo die Gesellschaftermehrheit sonstige Leistungen (Geschäftsführergehälter, Tan-

1 Zutreffend OLG Nürnberg DB 2008, 2415 Rn 136 im Anschluss an LG Amberg; Fleischer/Trinks NZG 2015, 292: unternehmerische Entscheidung par exzellence. 2 Instruktiv OLG Nürnberg DB 2008, 2415 Rn 136, 154 f. 3 Vgl OLG Nürnberg DB 2008, 2415 Rn 186. 4 Insoweit zutreffend OLG Düsseldorf NZG 2001, 1086. 5 Näher Hommelhoff GmbHR 2010, 1329 f; Fleischer/Trinks NZG 2015, 297. 6 Näher Schön in Hommelhoff ua (Hrsg), 5. Hachenburg-Gedächtnisvorlesung, S. 30 ff; s. auch MünchKomm/Ekkenga Rn 169 ff, 177; Scholz/Verse Rn 58 f. 7 OLG Brandenburg ZIP 2009, 1955 = GmbHR 2009, 825; als eine solche lässt sich jedoch eine Jahresdividende, die an eine Mio Euro heranreicht, mit OLG Nürnberg DB 2008, 2415 Rn 156 schwerlich qualifizieren. 8 S. den hilfreichen Überblick bei Mueller-Thuns Gewinnbezugsrecht, S. 14 ff; s. auch Fleischer/Trinks NZG 2015, 296 mwN. 9 Zur ersten Orientierung Hommelhoff GS Schindhelm, 2009, S. 365 ff.

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tiemen, Pachtzinsen etc) von der Gesellschaft bezieht1. Abweichend von den Gesetzentwürfen hat das BiRiLiG keine § 254 AktG entsprechende Regelungen in das GmbH-Recht eingeführt; hieraus darf freilich nicht geschlossen werden, der Gesetzgeber habe die Gesellschafterminderheit insoweit schutzlos stellen wollen2; zu ihren Gunsten beschränkt die Gesellschaftertreupflicht (§ 14 Rn 29 ff) die Entscheidungsmacht der Mehrheit3. – Auch die Überführung eines Gewinnvortrags in die Gewinnrücklagen kann für die Gesellschafterminderheit Nachteile zur Folge haben: Beschlusserschwernisse, Umkehr der Argumentationslast und Verjährung des Auszahlungsanspruchs4. Kontrovers diskutiert werden die konkreten Grenzen: Diese werden am weitesten 23 nach hinten von jenen verschoben, welche die Minderheit lediglich vor eigensüchtigem Ausnutzen der Mehrheitsmacht aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalles schützen wollen5; dies bloße Abwehrkonzept für Extremfälle folgt bereits aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen (§§ 138, 226, 242, 826 BGB), aber verwirklicht keinen qualitativ eigenständigen Minderheitenschutz – insbesondere dann nicht, wenn auch die Gesellschaftertreupflicht als Prüfmaßstab anhand dieser allgemeinen Rechtsgrundsätze materialisiert wird6. – Anders die Konzepte, die den Normalfall vorsteuern wollen: Unzulässig sei jede kaufmännisch nicht mehr vertretbare Rücklagenbildung7. – Noch weiter wird der Minderheitenschutz nach vorn verlagert, wenn man bloß Rücklageneinstellungen von wenigen Prozenten des Jahresergebnisses sowie einmalige besondere Verwendungsbeschlüsse für bedenkenfrei hält8. Für die treupflichtgebotene Abwägung zwischen dem Finanzierungsinteresse 24 der Gesellschaft und dem Dividendeninteresse der Gesellschafter (im Augenblick ihrer Beschlussfassung)9 wird schließlich gefordert, sämtliche Umstände der konkreten Gesellschaft, ihre Lage und Entwicklung sowie die Verhältnisse ihrer Gesellschafter und deren Stellung innerhalb der Gesellschaft zu berück-

1 S. OLG Brandenburg ZIP 2009, 1955 = GmbHR 2009, 825; Hommelhoff BB 1981, 952; Lutter JZ 1981, 216. 2 HM: B/H/Fastrich Rn 29; Scholz/Verse Rn 53; R/A/Roth Rn 20 f. 3 Näher M. Winter Treuebindungen, S. 285, 292 f; Fleischer/Trinks NZG 2015, 296 f; MünchKomm/Ekkenga Rn 167 f; aA Seidel Treupflichten, S. 140 ff. 4 S. OLG Nürnberg DB 2008, 2415 Rn 179; dazu Hommelhoff GmbHR 2010, 1330 f. 5 Liebs DB 1986, 2422; im Ergebnis so auch OLG München BB 1990, 368, 369 = GmbHR 1990, 221; OLG Nürnberg DB 2008, 2415 Rn 137. 6 So OLG Nürnberg DB 2008, 2415 Rn 153 f; s. aber auch Joost FS GmbHG, 1992, S. 304: nachträgliche Überprüfung der tatsächlichen Rücklagenverwendung. 7 Hartmann Das neue Bilanzrecht, S. 221; Renkl DB 1986, 1109; ähnlich Großfeld AG 1991, 40: Grenzen aus § 264 Abs. 1 Satz 1 HGB. 8 Ehlke DB 1987, 678. 9 Zutreffend OLG Nürnberg DB 2008, 2415 Rn 131.

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§ 29 | Ergebnisverwendung sichtigen1. Wenn man dem folgt (Rn 25), sind freilich alle Thesaurierungen unabhängig von ihrer bilanzrechtlichen Gestalt mit einzubeziehen, also ebenfalls Pensionsrückstellungen2 und die erfolgswirksam ausgenutzten Spielräume der Bilanzpolitik3. – Falls jedoch im Beschlussverfahren zur Ergebnisverwendung überhaupt keine Abwägung der widerstrebenden Interessen stattgefunden hat, ist der Verwendungsbeschluss bereits aus diesem Grunde anfechtbar4. Die fehlende Abwägung kann im Anfechtungsprozess nicht nachgeholt werden – insbesondere nicht durch das Prozessgericht; es ist nicht anstelle der Gesellschafter zur Entscheidung berufen (Rn 21). 25 Diesen unternehmensindividuellen und situationsbezogenen Ansätzen ist ihre

permanente Streitträchtigkeit entgegengehalten5 und in Anlehnung an das Aktienrecht (§ 58 AktG) vorgeschlagen worden: 60 % des Jahresergebnisses können so lange auch gegen den Willen der Gesellschafterminderheit einbehalten werden, bis die Gewinnrücklagen die Höhe des statutarischen Stammkapitals erreicht haben. Falls der Verwendungsbeschluss eine dieser beiden Grenzen überschreiten soll, ist das nur zulässig, wenn das Thesaurierungsinteresse der Gesellschaft die sorgfältig dagegen abzuwägenden Ausschüttungsinteressen jedes Gesellschafters übersteigt6. – Zwar ist dieser Vorschlag mit der Begründung abgelehnt worden, exakte Eckwerte festzulegen sei allein Aufgabe des Gesetzgebers und dieser habe sich für die GmbH gerade jeder Regelung enthalten7. Aber dieser Einwand greift zumindest dann nicht durch, wenn man in den vorgeschlagenen Grenzlinien lediglich pauschalierende Richtwerte sieht, die den Gesellschaftern und im Streitfall dem Gericht genügend Raum lassen, um die konkreten Umstände der Gesellschaft, ihres Unternehmens und ihrer Gesellschafter, falls und soweit erforderlich, zu berücksichtigen8.

26 Angesichts der oben Rn 23 ff aufgezeigten großen Rechtsunsicherheit wird es

sich in allen Gesellschaften, in denen zwischen den Gesellschaftern Streit um den Verbleib des Jahresergebnisses entstehen könnte, dringend empfehlen, die

1 R/A/Roth Rn 20; im Einzelnen: BGHZ 132, 263, 274 ff = GmbHR 1996, 456 (für die KG); OLG Hamm BB 1992, 33 = GmbHR 1992, 458; OLG Nürnberg DB 2008, 2415 Rn 133 f; B/H/Fastrich Rn 32; MünchKomm/Ekkenga Rn 169; Scholz/Verse Rn 58 f; grundsätzlich so auch K/P/W/Bohl/Schamburg-Dickstein Rn 55 aE; zu einzelnen Fällen Seidel Treupflichten, S. 153. 2 S. Seidel Treupflichten, S. 138 f. 3 In dieser Richtung auch B/H/Fastrich Rn 34; s. außerdem § 42a Rn 29. 4 Vgl OLG Nürnberg DB 2008, 2415 Rn 175; Hommelhoff GmbHR 2010, 1329. 5 Hommelhoff ZGR 1986, 427. 6 Hommelhoff ZGR 1986, 431 f. 7 Ehlke DB 1987, 678; s. auch MünchKomm/Ekkenga Rn 166; Liebs DB 1986, 2421; R/A/ Roth Rn 20; ähnlich K/P/W/Bohl/Schamburg-Dickstein Rn 55. 8 Auch insoweit kritisch Joost FS GmbHG, 1992, S. 302; U/H/L/Müller Rn 84: rechtspraktisch unbrauchbar; offener wohl Scholz/Verse Rn 57.

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Ergebnisverwendung im Gesellschaftsvertrag vorzustrukturieren1. Bei der Klauselgestaltung sollten auch die Pensionsrückstellungen berücksichtigt und deshalb klar zum Ausdruck gebracht werden, ob sie auf den nach dem Statut zu thesaurierenden Teil des Jahresergebnisses bzw auf die satzungsmäßigen Rücklagen anzurechnen sind. – In Gesellschaften an der Spitze eines Konzerns sollte man hinsichtlich des Ergebnisses nicht auf den Einzelabschluss, sondern auf den konsolidierten Jahresabschluss (Vor § 41 Rn 41) abstellen2. d) Die Auflösung von Rücklagen ist nach der dispositiven Gesetzeslage Gegen- 27 stand des Gewinnverwendungs-, nicht des Feststellungsbeschlusses3; das ist für den Fall bedeutsam, dass die Beschlusskompetenzen abweichend von § 46 Nr. 1 verschiedenen Organen zugewiesen sind. Mit der Rücklagenzufuhr im Verwendungsbeschluss wird über die Eigenkapitalausstattung der Gesellschaft entschieden (s. auch § 46 Nr. 3); die Kompetenzregel des § 46 Nr. 1 Teil 2 umfasst deshalb auch die Schmälerung des Eigenkapitals durch Rücklagenauflösung4. e) Mangelhafter Verwendungsbeschluss: Ein Verwendungsbeschluss, der gegen 28 den gesetzlichen Minderheitenschutz (Rn 21) oder gegen statutarische Verwendungsklauseln (Rn 26) verstößt, ist anfechtbar (näher Anh zu § 47 Rn 53 ff) – Zu Abweichungen von der jeweils gültigen Ergebnisverwendungsregelung im Einvernehmen aller Gesellschafter oder mit satzungsändernder Mehrheit R/A/Roth Rn 41. Zum Recht des Minderheitsgesellschafters zum Austritt gegen Abfindung Fleischer/Trinks NZG 2015, 294 f, 298. f) Änderung von Verwendungsbeschlüssen5: Während Thesaurierungs- 29 beschlüsse frei aufgehoben oder abgeändert werden können, lassen sich Ausschüttungsbeschlüsse nur im Einvernehmen aller Gesellschafter beseitigen, da sie jeweils Inhaber eines unangreifbaren Zahlungsanspruchs gegen die Gesellschaft sind6 – es sei denn, die Abänderung der Ausschüttung bis zum Ablauf der Frist aus § 42a Abs. 2 Satz 1 ist im Beschluss ausdrücklich vorbehalten worden7. 1 Dazu Ehlke DB 1987, 676 f; Hommelhoff/Hartmann/Hillers DNotZ 1986, 326 ff; Walk S. 275 ff – zusammenfassend; skeptisch Fleischer/Trinks NZG 2015, 296 mit Blick auf den Optimismus der Gesellschafter bei Anbahnung des Gesellschaftsvertrages. 2 Henssler FS Zöllner, 1998, S. 232. 3 Wie hier Crezelius FS GmbHG, 1992, S. 329 f; Scholz/Emmerich 10. Aufl, Rn 74; Vonnemann GmbHR 1992, 639; s. auch FG Hamburg GmbHR 2007, 553; aA B/H/Fastrich Rn 11; MünchKomm/Ekkenga Rn 29; Renkl GmbHR 1989, 70; Priester GmbHR 1986, 35; Scholz/Verse 11. Aufl, Rn 34. 4 In diesem Sinne schon Immenga S. 223, der freilich trotzdem die Auflösung der Abschlussfeststellung zurechnet; im Ergebnis wie dieser MünchKomm/Ekkenga Rn 36. 5 Dazu Priester ZIP 2000, 261. 6 Differenzierend danach, ob der zugrundeliegende Jahresabschluss fehlerfrei oder fehlerhaft ist: R/S-L/Pentz Rn 24 f. 7 AA MünchKomm/Ekkenga Rn 149: gesetzlicher, wenn auch dispositiver Abänderungsvorbehalt.

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§ 29 | Ergebnisverwendung 5. Anspruch des Gesellschafters auf Fassung des Verwendungsbeschlusses 30 Weder das allgemeine mitgliedschaftsrechtliche Gewinnbezugsrecht noch die

Feststellung des Jahresabschlusses führen nach bislang hL (Rn 3) zum konkreten Zahlungsanspruch des Gesellschafters; dieser entsteht erst mit dem wirksam gefassten Verwendungsbeschluss. Jeder Gesellschafter hat gegen die Gesellschaft einen mitgliedschaftlichen1 und gegen seine pflichtwidrig sich verweigernden Mitgesellschafter einen in der Treupflicht begründeten Anspruch2 darauf, dass ein Ergebnisverwendungsbeschluss gefasst werde. Andernfalls könnten durch schlichtes Unterbleiben dieses Beschlusses die Regeln des Gesellschaftsvertrages und (cum grano salis) auch die des Minderheitenschutzes (Rn 21) unterlaufen werden.

31 Der Anspruch auf Fassung des Verwendungsbeschlusses kann durch auf Be-

schlussfassung gerichtete Leistungsklage gegen die sich verweigernden Mitgesellschafter geltend gemacht werden; Vollstreckung nach § 888 ZPO. Gegen die Gesellschaft ist eine Gestaltungsklage zu erheben, gerichtet auf einen Verwendungsbeschluss nach billigem Ermessen des Gerichts; Vollstreckung nach § 894 ZPO3.

32 Auch nach der hier vertretenen Lehre vom vorläufig gehemmten Auszahlungs-

anspruch (Rn 4) hat jeder Gesellschafter einen Anspruch auf Fassung des Verwendungsbeschlusses: Zwar lässt ein pflichtwidrig verzögerter oder unterlassener Verwendungsbeschluss die Auszahlungsansprüche der Gesellschafter, wie sie sich auf der Grundlage des festgestellten Jahresergebnisses ergeben, fällig werden (Rn 18). Pflichtwidrig ist es aber schon, die Gesellschafter zu Zahlungsklagen zu zwingen. – Daneben kann der Anspruch auf Fassung des Verwendungsbeschlusses praktisch dann Bedeutung gewinnen, wenn die Gesellschaft auf Selbstfinanzierung angewiesen ist, aber das für den Verwendungsbeschluss zuständige Organ (Rn 19) diesen verweigert, um den Gesellschaftern das festgestellte Jahresergebnis insgesamt zukommen zu lassen.

33 Allerdings fehlt für eine auf Fassung des Verwendungsbeschlusses gerichtete

Leistungs- oder Gestaltungsklage (Rn 31) das Rechtsschutzbedürfnis, falls der klagende Gesellschafter seinen fälligen Zahlungsanspruch (Rn 4, 18) direkt einklagen könnte. Dagegen scheitert diese Klage nicht am fehlenden Rechtsschutzbedürfnis, wenn der Gesellschafter in Ausübung seiner Minderheitsrechte aus § 50 die Gesellschafterversammlung zwingen könnte, sich mit der Ergebnisver-

1 S. Zöllner ZGR 1988, 418 f. 2 S. Hueck FS Steindorff, 1990, S. 53 f. 3 Zöllner ZGR 1988, 417; Hueck FS Steindorff, 1990, S. 54; R/S-L/Pentz Rn 68 aE; aA eine vordringende Lehre: auf Vollausschüttung gerichteter Beschluss (MünchKomm/Ekkenga Rn 47; Scholz/Verse Rn 62 f mwN).

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wendung überhaupt zu befassen1. Aber damit ist noch nicht sichergestellt, dass sich die Gesellschafterversammlung auch inhaltlich mit der Ergebnisverwendung befasst und einen (positiven oder negativen) Sachbeschluss fällt. Denn ob die Gesellschafterminderheit über den Wortlaut des § 50 hinaus das Recht auf einen Sachbeschluss hat, ist höchstrichterlich noch ungeklärt (§ 50 Rn 2). Deshalb kann dem die Leistungs- oder Gestaltungsklage (Rn 31) erhebenden Gesellschafter nicht die unsichere Alternative zugemutet werden, nach Ausübung seiner Minderheitsrechte aus § 50 einen Anspruch auf Sachbeschluss durchzufechten; das wäre ein verzögernder und rechtsverkürzender Umweg.

6. Wertaufholung (§ 29 Abs. 4) Sollte die Gesellschaft nach § 253 Abs. 5 HGB zur Wertaufholung verpflichtet 34 sein2, so richtet sich die Ergebnisverwendung insoweit nach der Spezialvorschrift des § 29 Abs. 43. Im Zusammenhang mit §§ 37, 46, 49 ist diese dahin zu interpretieren, dass die in § 29 Abs. 4 Satz 1 genannten Organe Geschäftsführer und Aufsichtsrat lediglich ein Vorschlagsrecht haben, während der Verwendungsentscheid selbst auch insoweit bei den Gesellschaftern liegt4. In der Sache ermächtigt § 29 Abs. 4 das Verwendungsorgan, also die Gesell- 35 schafter oder ein anderes allgemeines im Gesellschaftsvertrag bestimmtes Organ (Rn 20), über diese speziellen Ergebnisanteile (Rn 34) unabhängig davon zu befinden, wie die Ergebnisverwendung gesetzlich oder statutarisch (Rn 26) vorstrukturiert ist5. Einer Zuweisung an die Rücklagen steht daher auch ein Vollausschüttungsgebot nicht entgegen6 – sogar nicht das aus § 7 Abs. 1 GmbHGÄndG, weil § 29 Abs. 4 auch für Altgesellschaften (Rn 1) gilt (arg § 7 Abs. 3 GmbHGÄndG). – Der so nach § 29 Abs. 4 als Rücklage gebildete Betrag ist in der Bilanz gesondert auszuweisen, kann stattdessen aber auch im Anhang angegeben werden (§ 29 Abs. 4 Satz 2)7.

1 So auch G/E/S/Beckmann/Hofmann Rn 21; aA OLG Düsseldorf NZG 2001, 1085, 1086; OLG Nürnberg DB 2008, 2415 Rn 162. 2 S. Rechtsausschuss BT-Drucks 10/4268, S. 123 f. 3 Eingehend U/H/L/Müller Rn 174 ff. 4 Näher Hommelhoff ZGR 1986, 434; zustimmend B/H/Fastrich Rn 20 f; MünchKomm/ Ekkenga Rn 243 f; U/H/L/Müller Rn 180; Liebs DB 1986, 2423. 5 Hommelhoff ZGR 1986, 437; MünchKomm/Ekkenga Rn 238. 6 K/P/W/Bohl/Schamburg-Dickstein Rn 71; R/S-L/Pentz Rn 97. 7 Näher B/S/Witt Rn 38.

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§ 29 | Ergebnisverwendung 7. Ergebnisverteilung 36 Nach dem Verteilungsmaßstab des § 29 Abs. 3 Satz 1 oder nach dem an seine

Stelle gesetzten statutarischen ist jener Teil des Jahresergebnisses bzw Bilanzgewinns, den die Gesellschafter im Verwendungsbeschluss zur Ausschüttung (unter Beachtung der Ausschüttungssperre Rn 9) bereitgestellt haben, auf die einzelnen Gesellschafter zu verteilen. Dies geschieht automatisch nach dem in der Gesellschaft gesetzlich geltenden Verteilungsschlüssel; ein entsprechender Beschluss ist nicht erforderlich, aber auch nicht schädlich.

37 Gesetzlicher Maßstab ist das Verhältnis der Geschäftsanteile zueinander, und

zwar nach ihrem Nennbetrag (s. § 14 Rn 1). Inwieweit die einzelnen Einlagen bereits geleistet sind1, ist ebenso unbeachtlich wie ein etwaiges Aufgeld2. – Sollte der Geschäftsanteil erst durch eine Kapitalerhöhung im laufenden Geschäftsjahr entstanden sein, so ist dieser dennoch für das ganze Jahr gewinnberechtigt, falls im Erhöhungsbeschluss nichts anderes bestimmt ist.

38 Eigene Anteile der Gesellschaft werden bei der Ergebnisverteilung nicht mit-

gerechnet; entsprechend erhöhen sich die Zahlungsansprüche der übrigen Gesellschafter. Denn solange die Gesellschaft die aus der Mitgliedschaft folgenden Rechte gegen sich selbst hat, ruhen diese (§ 33 Rn 39). Ein Zahlungsanspruch kann aus eigenen Anteilen der Gesellschaft deshalb nur dann entstehen, wenn dieser Anspruch an einen Dritten abgetreten oder diesem ein Anteilsnießbrauch (§ 15 Rn 42, 115) eingeräumt ist.

39 Zu statutarischen Verteilungsregeln vgl § 3 Rn 40 und MünchKomm/Ekkenga

Rn 189; Scholz/Verse Rn 74 ff; ausführlich R/S-L/Pentz Rn 107 ff; K/P/W/Bohl/ Schamburg-Dickstein Rn 129; insbesondere zur Gewinnverteilung nach dem Gewinn einer Konzernschwester Lenz GmbHR 1997, 932; zur quotenabweichenden Rücklagenzuordnung Priester GS Knobbe-Keuk, 1997, S. 293. Zu quotenabweichenden Ausschüttungsklauseln, zu ihrer Motivation s. Groh DB 2000, 1434 und zu entsprechenden Öffnungsklauseln im Gesellschaftsvertrag BayObLG GmbHR 2001, 728; dazu Blumers/Beinert/Witt DStR 2002, 616; Priester FS W. Müller, 2001, S. 116; Schön in Hommelhoff ua (Hrsg), 5. Hachenburg-Gedächtnisvorlesung, S. 46; Priester DStR 2001, 797. Einstimmig können die Gesellschafter beschließen, dass den einen von ihnen ihre Gewinnanteile ausgeschüttet, dagegen die Gewinnanteile anderer Gesellschafter einbehalten und auf personenbezogenen Rücklagekonten diesen gutgeschrieben werden (gespaltene Ausschüttung; näher Schön in Hommelhoff ua [Hrsg], 5. Hachenburg-Gedächtnisvorlesung, S. 44 ff). – Satzungsänderung hinsichtlich des Verteilungsschlüssels – zB Einführung einer Vorzugsdividende für bestimmte Gesellschafter – bedürfen entspre1 Noch immer zweifelnd, aber im Ergebnis jetzt zustimmend R/S-L/Pentz Rn 103; wie hier MünchKomm/Ekkenga Rn 183. 2 So auch Wicke Rn 17.

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chend § 53 Abs. 3 der Einwilligung der dadurch betroffenen anderen Gesellschafter.

8. Zahlungsanspruch a) Als Gläubigerrecht des einzelnen Gesellschafters entsteht der Zahlungs- 40 anspruch (zum davon zu unterscheidenden Gewinnbezugsrecht Rn 3) nach hier vertretener Lehre (Rn 4) schon mit dem Feststellungsbeschluss, wird aber regelmäßig erst mit dem Verwendungsbeschluss in seiner konkreten Höhe fällig. Eine spätere Leistungszeit können die Gesellschafter nur auf der Grundlage einer entsprechenden statutarischen Ermächtigung mit Mehrheit beschließen. Sobald der Zahlungsanspruch (regelmäßig durch den Verwendungsbeschluss, Rn 16) endgültig festgeschrieben ist, kann er dem Gesellschafter bloß mit dessen Einwilligung wieder entzogen werden; deshalb ist ein den Verwendungsbeschluss aufhebender gegenläufiger Gesellschafterbeschluss nur dann wirksam, wenn sämtliche anspruchsberechtigten Gesellschafter zustimmen und damit zugleich auf ihren Zahlungsanspruch verzichten1. Der Zahlungsanspruch kann hingegen nicht durchgesetzt werden, falls der Verwendungsbeschluss nichtig ist oder auf Anfechtungsklage hin für nichtig erklärt wird; während eines schwebenden Verfahrens können die Geschäftsführer die Ausschüttung verweigern. Dagegen können die Gesellschafter Erfüllung ihrer Zahlungsansprüche sogar 40a dann verlangen, wenn nach deren Entstehung in konkreter Höhe (Rn 17), also nachträglich die Gesellschaft eine Unterbilanz aufweist2. Die Wertung des § 30 Abs. 1 Satz 3 relativiert den Stammkapitalschutz3; allerdings gilt dies lediglich für den Vermögens-, aber nicht für den Liquiditätsschutz der Gesellschaft. Deshalb sind die Auszahlungsansprüche der Gesellschafter einstweilen gehemmt, wenn und soweit ihre Erfüllung der Gesellschaft die Existenz-notwendige Liquidität entziehen würde (arg § 64 Satz 3)4. Der Anspruch verjährt in drei Jahren (§ 195 BGB). Im Gesellschaftsvertrag 41 kann diese Frist verkürzt oder in den Grenzen aus § 202 Abs. 2 BGB verlängert werden. Alte Festsetzungen bleiben wirksam5. Sind Dividendenscheine auf das Gewinnbezugsrecht ausgegeben worden, so gilt § 801 Abs. 2 Satz 1 BGB, wonach die Gesellschaft nach längstens vier Jahren die Zahlung verweigern kann. b) Vorbehaltlich einer Vereinbarung nach § 399 BGB sind Zahlungsansprüche 42 frei und auch schon im Voraus abtretbar sowie verpfänd- und pfändbar. Hier1 2 3 4

AA MünchKomm/Ekkenga Rn 75. Scholz/Verse Rn 92. AA MünchKomm/Ekkenga Rn 111 f mwN. AA Scholz/Verse Rn 93 im Anschluss an Desch BB 2010, 2589 Fn 38; ähnlich MünchKomm/Ekkenga Rn 113: Stundung nur in eng begrenzten Ausnahmefällen. 5 Schockenhoff/Fiege ZIP 2002, 923.

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§ 29 | Ergebnisverwendung von zu trennen ist die andere Frage, ob das Gewinnbezugsrecht, das mitgliedschaftsrechtliche Stimmrecht vom Geschäftsanteil abgespalten und auf einen Dritten übertragen werden kann (vgl dazu bei § 14 Rn 25). 43 Wird der auf einen Gesellschafter entfallene Gewinn mit dessen negativem Ver-

rechnungskonto durch den Gesellschafterbeschluss verrechnet, so handelt es sich nicht um einen besonderen Thesaurierungsbeschluss1, sondern um zwei in einem Beschluss zusammengefasste Entscheidungen: um einen Ausschüttungsbeschluss, der den Auszahlungsanspruch des Gesellschafters fällig stellt (Rn 4), sowie um den weiteren Beschluss, mit dem Darlehensanspruch der Gesellschaft aus dem Verrechnungskonto gegen den Auszahlungsanspruch des Gesellschafters in aufrechenbarer Höhe aufzurechnen. Ob eine statutarische Ausschüttungsklausel der Aufrechnung entgegensteht, ergibt die Auslegung des konkreten Gesellschaftsvertrages.

44 Zum Dividendenbezug nach Anteilsübertragung Loritz DStR 1998, 84; Gon-

dert/Behrens GmbHR 1997, 682 (mit Gestaltungsvorschlägen)2; insbesondere bei Übertragung auf die Gesellschaft: BGH ZIP 1998, 384 = GmbHR 1998, 538.

44a Eine Sachdividende kann bloß aufgrund statutarischer Ermächtigung beschlos-

sen werden3.

9. Vorschüsse 45 a) Gewinnvorschüsse4 sind schon während des laufenden Geschäftsjahres

grundsätzlich zulässig5. Sie bedürfen keiner statutarischen Ermächtigung, müssen aber als Maßnahme der Ergebnisverwendung6 von den Gesellschaftern beschlossen werden (§ 46 Nr. 1)7. Ein wirksamer Vorschussbeschluss setzt zweierlei voraus: Im Augenblick der Auszahlung muss zu erwarten sein, dass die Gesellschaft zum Geschäftsjahresende mindestens ein der Summe aller Vorschüsse entsprechendes Jahresergebnis8 erzielen wird9; anders nur bei einer Ergebnis-unabhängigen Entnahme unten Rn 47. In beiden Fällen darf die Vorabausschüttung (oder Entnahme) nicht das nach § 30 geschützte Stammkapital

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So offenbar OLG München NZG 2008, 339, 340 = GmbHR 2008, 362, 363. S. auch Scholz/Verse Rn 82 f. Näher MünchKomm/Ekkenga Rn 127 f; U/H/L/Müller Rn 122 f; Scholz/Verse Rn 80. Renkl BB 1988, 2069; Vonnemann BB 1989, 877. Für die GmbH & Co KG: BGH AG 1978, 106, 107. AA Renkl BB 1988, 2071: außerordentliche Aufwendungen; MünchKomm/Ekkenga Rn 96; zinsloser Überbrückungskredit. 7 OLG Hamm GmbHR 1992, 456, 457; aA MünchKomm/Ekkenga Rn 97. 8 Ggf nach Rücklagenauflösung einen entsprechenden Bilanzgewinn; aA Renkl BB 1988, 2070 f. 9 OLG Hamm GmbHR 1992, 456, 457.

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verletzen1 oder sonst wie die Existenz der Gesellschaft gefährden (§ 13 Rn 25 ff; § 64 Rn 48). – Bei der Ermittlung dieser Voraussetzungen ist die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes zu wahren; deshalb ist wenigstens eine bilanzähnliche Vorausberechnung kombiniert mit einer Liquiditätsprognose (arg § 64 Satz 3) anzustellen2. In Gesellschaften mit einem Finanzplan muss dieser den Gewinnvorschuss rechtfertigen. Der zur Vorabausschüttung durch Beschluss bereitgestellte Gesamtbetrag fällt nach dem in der Gesellschaft geltenden Verteilungsschlüssel (Rn 36 ff) den einzelnen Gesellschaftern zu. – Gewinnvorschüsse dürfen bis zur Feststellung des Jahresabschlusses (§ 46 Nr. 1) beschlossen werden3; danach ist bloß Raum für den Ergebnisverwendungsbeschluss (§ 46 Nr. 1). Sollte sich bei der Aufstellung des Jahresabschlusses herausstellen, dass das vo- 46 raussichtliche Ergebnis die Vorabausschüttungen nicht abdeckt, so sind in Höhe der Vorabausschüttungen freie Rücklagen aufzulösen. Soweit sich auf diesem Wege die ausschüttungsbedingte Unterdeckung nicht ausgleichen lässt, müssen die Gesellschafter ihre Vorabdividenden gemäß dem Verteilungsschlüssel zurückzahlen (§ 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BGB)4. Der Rückforderungsanspruch ist weder wegen gutgläubigen Erwerbs entsprechend § 32 ausgeschlossen noch wegen nachträglicher Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB, weil der Empfänger mit der Möglichkeit einer Rückforderung rechnen musste5. Der Anspruch entfällt auch nicht automatisch nachträglich, wenn sich ein die Vorabausschüttung abdeckendes Ergebnis in späteren Geschäftsjahren ergibt; als Ausweg bleibt dann nur, eine Gewinnausschüttung zu beschließen und den Auszahlungsanspruch anschließend gegen den auf Rückforderung aufzurechnen6. b) Entnahmen und Festbezüge: Ebenso kann ein Entnahmerecht der Gesell- 47 schafter (also ein Recht, Ergebnis-unabhängige Ausschüttungen verlangen zu können) im Gesellschaftsvertrag oder durch Gesellschafterbeschluss begründet werden7; das ist eine wesentliche Abweichung gegenüber § 57 Abs. 3 AktG. Dabei ist das Gleichbehandlungsgebot zu beachten; Ungleichbehandlungen bedürfen der Einwilligung sämtlicher (aktuell oder potentiell) Betroffener (§ 53 Abs. 3 1 Insoweit wie hier Vonnemann GmbHR 1992, 639 f. 2 Näher B/H/Fastrich Rn 61; K/P/W/Bohl/Schamburg-Dickstein Rn 86 f; aA Vonnemann BB 1989, 878: mangels Justitiabilität keine Prognose erforderlich; Scholz/Verse Rn 108: auch die Entnahme erfordere keine Ergebnisprognose. 3 Zu eng OLG Hamm GmbHR 1992, 456, 457: nur bis zur Abschlussaufstellung, § 264 HGB. 4 S. BGH GmbHR 2003, 1420, 1422; Renkl GmbHR 1989, 70; R/A/Roth Rn 57; denkbar ist es auch, einem der Ausschüttung zugrunde liegenden Kausalverhältnis den Erstattungsanspruch zu entnehmen; OLG Hamm GmbHR 1992, 456, 457; K. Schmidt GesR S. 1186. 5 Im Ergebnis so auch MünchKomm/Ekkenga Rn 248. 6 BGH GmbHR 2003, 1420, 1423. 7 Falkenstein Grenzen für die Entnahmerechte der GmbH-Gesellschafter, 1992.

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§ 29 | Ergebnisverwendung analog)1. Bei der Ausübung des Entnahmerechts haben die Geschäftsführer mit Sorgfalt darauf zu achten, dass weder nach § 30 gesperrtes Eigenkapital ausgezahlt, noch Existenz-gefährdend Liquidität abgeführt wird (arg § 64 Satz 3)2. Beiden Gefährdungen müssen die Geschäftsführer auf der Grundlage tagesaktueller Berechnungen begegnen. Weitergehende Voraussetzungen gelten bei Entnahmen nicht3. Unter diesen beiden Vorbehalten steht auch die Erfüllung einer statutarischen Zahlungsregel, nach der zB an alle oder einzelne Gesellschafter monatliche Abschläge von 1 500 Euro zu zahlen sind.

10. Verdeckte Vorteilsgewährungen (vGA/vVG) Literatur: Döllerer Verdeckte Gewinnausschüttungen und verdeckte Einlagen bei Kapitalgesellschaften, 2. Aufl 1990; Schön Die Verdeckte Gewinnausschüttung – eine Bestandsaufnahme, FS Flume, 1998, S. 265; Tries Verdeckte Gewinnausschüttungen im GmbHRecht, 1991 (mit Besprechung Fleck ZHR 156 [1992], 81); M. Winter Verdeckte Gewinnausschüttungen im GmbH-Recht, ZHR 148 (1984), 579.

48 a) Bei Geschäften zwischen Gesellschaft und einzelnem Gesellschafter kann es

geschehen, dass die Gesellschaft über eine Lieferung oder Leistung des Gesellschafters zu viel bezahlt oder umgekehrt für eine eigene Lieferung oder Leistung des Gesellschafters zu wenig in Rechnung stellt4; dann handelt es sich um eine grundsätzlich unzulässige Zuwendung von Gesellschaftsvermögen (vGA/vVG5) außerhalb der von den Gesellschaftern im Verfahren nach §§ 29, 46 Nr. 1 zu beschließenden und deshalb durch jeden Gesellschafter kontrollierbaren Ergebnisverwendung und -verteilung6. Das daraus folgende Verbot gilt uneingeschränkt, soweit die verdeckten Ausschüttungen das nach § 30 geschützte Stammkapital verletzen (dazu § 30 Rn 25, 32 f). Aber selbst wenn die vGA/vVG das Stammkapital unberührt lässt, ist sie unzulässig, weil sie gegen die gesellschaftsinterne Zuständigkeitsordnung verstößt und überdies die Gefahr in sich birgt, dass die Gesellschafter ungleich behandelt werden7. Oberhalb der Stammkapitalziffer sind vGA/vVG deshalb nur unter zwei kumulativen Voraussetzungen zulässig8: Erstens müssen die für die Abschlussfeststellung und für die Gewinnverwen-

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So auch R/A/Roth Rn 56. MünchKomm/Ekkenga Rn 92; Scholz/Verse Rn 112. G/E/S/Beckmann/Hofmann Rn 39. Zu den einzelnen Fallgruppen Kußmaul/Klein DStR 2001, 192; s. auch MünchKomm/Ekkenga Rn 257; Scholz/Verse Rn 115. Dazu Fleck ZHR 156 (1992), 81. AA Fleck ZHR 156 (1992), 83; Tries S. 168 ff: Verstoß gegen das Sondervorteils-Verbot. § 14 Rn 46; s. BGH GmbHR 1996, 111, 112; eingehend MünchKomm/Ekkenga Rn 264; aA Ulmer FS GmbHG, 1992, S. 363/366: primär oder gar allein Gläubigerschutz. Eingehend M. Winter ZHR 148 (1984), 579.

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dung zuständigen Entscheidungsträger diese Gewinnverwendung beschließen oder ihr zustimmen; das setzt eine ordnungsgemäße Ermittlung der momentanen Vermögenslage nach den oben Rn 45 dargelegten Grundsätzen voraus, da insoweit Gesellschaftsvermögen vor Geschäftsjahresschluss vorab ausgezahlt wird1. Zweitens muss bei einseitiger vGA/vVG zugunsten einzelner Gesellschafter jeder Gesellschafter zustimmen, dessen Gewinnbezugsrecht dadurch gefährdet ist2. Ohne diese Voraussetzungen sind vGA/vVG auch oberhalb der Stammkapital- 49 ziffer unzulässig3. b) Vermögensauszahlungen außerhalb der §§ 29, 46 Nr. 1 sind zumeist in Ge- 50 schäften zwischen der Gesellschaft und einzelnen Gesellschaftern versteckt4. Eine vGA/vVG liegt in solchen Geschäften dann vor, wenn es die Gesellschaft unter sonst gleichen Umständen bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters mit einem gesellschaftsfremden Dritten nicht abgeschlossen hätte5; dabei besteht je nach der Art des Geschäfts ein mehr oder minder großer unternehmerischer Ermessensspielraum6. Der Vergleichsmaßstab ist dennoch ein normativ-objektiver7; darauf, dass eine oder beide Geschäftsparteien Leistung und Gegenleistung (subjektiv) für ausgeglichen hielten, kommt es nicht an8. Sollte die Gesellschaft zugunsten eines Gesellschafters auf die Wahrnehmung einer Geschäftschance verzichten, so liegt darin ebenso eine vGA/vVG wie im Entgeltsverzicht für eine dem Gesellschafter erbrachte Leistung, für die die Gesellschaft bei einem Gesellschaftsfremden nach den og Kriterien ein Entgelt gefordert hätte9. Denn gesellschaftsrechtlich ist der Verzicht, das Gesellschaftsvermögen zu mehren, der Auszahlung von Gesellschaftsvermögen gleichzustellen. 1 Zustimmend K/P/W/Bohl/Schamburg-Dickstein Rn 104. 2 Vgl BGH NJW 1984, 1037. – Noch enger Erle Der Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers, 1990, S. 159: zulässig nur als offen ausgewiesene Vorabausschüttung. 3 Scholz/Verse Rn 119 mwN; aA BGH GmbHR 1997, 790, 791. 4 Fallmaterial ua bei Döllerer S. 55 ff; zum Vergleich OLG Dresden GmbHR 2002, 1245, 1246; OLG Brandenburg ZIP 2009, 1955 f = GmbHR 2009, 825. 5 BGH GmbHR 1996, 111, 112; OLG Düsseldorf GmbHR 1990, 134; Fleck ZHR 156 (1992), 82; Henze S. 159; s. aber auch Stimpel FS GmbHG, 1992, S. 354; zum abweichenden Steuerrecht Schön FS Flume, 1998, S. 273 f, 282 ff; Schön GmbHR 2002, 1; Wassermeyer GmbHR 1998, 157; vgl zur Rspr des BFH die Übersichten von Herlinghaus GmbHR 2003, 373, GmbHR 2002, 379 und GmbHR 2002, 471 sowie Schulte/Behnes BB-Special 9/2007, 1 ff. 6 BGH GmbHR 1996, 111, 112; OLG Karlsruhe WM 1984, 656, 660; MünchKomm/Ekkenga Rn 258; Lutter FS Stiefel, 1987, S. 528. 7 BGH BB 1987, 433, 434 = GmbHR 1987, 187; steuerrechtliche Kriterien sind auf die eigenständige vGA/vVG im Gesellschaftsrecht allenfalls ganz begrenzt übertragbar: anschaulich Tries S. 191 f. 8 Zutreffend M. Winter ZHR 148 (1984), 584 ff. 9 Zutreffend Tries S. 195 ff.

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§ 29 | Ergebnisverwendung 51 Die Vergütung eines Gesellschafter-Geschäftsführers muss angemessen sein und

darf in keinem Missverhältnis zur vergüteten Leistung stehen, also zu jenem Entgelt, das ein Fremdgeschäftsführer für die gleiche Tätigkeit erhalten hätte1. Diese Eingrenzung folgt aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz und der Treupflicht unter den Gesellschaftern2.

52 Bei Leistungen der Gesellschaft an Dritte ist eine vGA/vVG nur dann anzuneh-

men, wenn der dritte Empfänger in relevanter Nähe zu einem Gesellschafter steht3; das gilt insbesondere in Treuhandverhältnissen4 sowie bei verbundenen Unternehmen und Konzernen, also bei Leistung statt an die Muttergesellschaft an eine andere Konzerngesellschaft5.

53 c) Rechtsfolge der vGA/vVG ist ein Anspruch der Gesellschaft gegen den Ge-

sellschafter auf Rückgewähr des Ausschüttungsgegenstandes in das Gesellschaftsvermögen6. Der Gesellschafter kann diesen Rückgewähranspruch durch Nachzahlung des die vGA/vVG ausmachenden Spitzenbetrages ablösen, wenn und soweit7 auf diesem Wege der Kapitalschutz uneingeschränkt und ohne Verzögerung verwirklicht werden kann8. Andererseits ist der Gesellschafter ohne Wahlrecht zur Nachzahlung verpflichtet, falls der ausgekehrte Gegenstand nicht mehr an die Gesellschaft zurückgewährt werden kann. Besteht jedoch diese Möglichkeit, so muss sich der Gesellschafter durch Rückgewähr vom Geschäft lösen können und darf nicht an ihm zu Bedingungen festgehalten werden, die über die mit der Gesellschaft vereinbarten hinausgehen.

54 Rechtsgrundlage für diesen Rückgewähranspruch ist § 31 Abs. 1 analog9, nicht

das allgemeine Bereicherungsrecht10. Dieser verschuldensfreie Erstattungs1 BGHZ 111, 227 = GmbHR 1990, 344; OLG Düsseldorf GmbHR 2012, 332. 2 BGHZ 111, 227 = GmbHR 1990, 344; OLG Frankfurt GmbHR 2005, 550, 554. 3 Canaris FS Fischer, 1979, S. 55; Fleck ZHR 156 (1992), 83; M. Winter ZHR 148 (1984), 590 mwN; enger R/A/Roth Rn 63: Einflussnahme des Gesellschafters als zusätzliche Voraussetzung, die allerdings widerlegbar vermutet wird. 4 Henze S. 144 f. 5 Vgl BGH WM 1981, 1200, 1201 = GmbHR 1982, 133 und Lutter FS Stiefel, 1987, S. 530 ff mwN. 6 ZB Rückübereignung einer zu billig veräußerten Sache; Fleck ZHR 156 (1992), 82; vgl auch Stimpel FS GmbHG, 1992, S. 342. – Zur Darlegungs- und Beweislast OLG Stuttgart GmbHR 2013, 468. 7 Näher Stimpel FS GmbHG, 1992, S. 342 f. 8 Im Ergebnis zutreffend insoweit Joost ZHR 148 (1984), 54; Haager ZGR 1989, 93 f. 9 Flume Juristische Person, S. 295; aA Burgard JuS 1997, 1099; MünchKomm/Ekkenga Rn 268; Geißler GmbHR 2003, 401 f; Tries S. 229 f; Ulmer FS GmbHG, 1992, S. 368 f: Erstattung wegen ungerechtfertigter Ungleichbehandlung. 10 AA OLG Brandenburg GmbHR 1997, 750; OLG Frankfurt GmbHR 2005, 550, 558; OLG Stuttgart GmbHR 2013, 468; G/E/S/Beckmann/Hofmann Rn 57; MünchKomm/ Ekkenga Rn 246; B/H/Fastrich Rn 76; Haager ZGR 1989, 71; Scholz/Verse Rn 125; Wittkowski GmbHR 1990, 546; differenzierend R/S-L/Pentz Rn 168.

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anspruch verjährt in zehn Jahren (§ 31 Abs. 5 analog)1; die Ausfallhaftung der Mitgesellschafter aus § 31 Abs. 3 findet hier keine Entsprechung2. Ebenso wenig ist § 31 Abs. 2 – partielle Freistellung gutgläubiger Empfänger – anzuwenden, falls die vGA/vVG andere Gesellschafter schlechter gestellt hat, weil kein Anlass besteht, die Ungleichbehandlung unter den Gesellschaftern durch den guten Glauben des Empfängers zu legitimieren3. Als Rechtsgrundlage für den Rückgewähranspruch kommt neben § 31 Abs. 1 auch ein Schadensersatzanspruch der Gesellschaft gegen den empfangenden Gesellschafter wegen schuldhafter Verletzung seiner ihm der Gesellschaft gegenüber bestehenden Treupflicht in Betracht4. Bei vGA/vVG an gesellschafternahe Dritte (Rn 52) ist Rückgewährschuldner der 55 Gesellschafter, in dessen Nähe der Dritte steht, nicht der Empfänger. Denn dieser steht in keinen von ihm begründeten gesellschaftsrechtlichen Rechtsbeziehungen zur Gesellschaft, die eine objektive Erstattungsschuld oder die Annahme eigener Treupflichtverletzungen gegenüber der Gesellschaft rechtfertigen könnten. Deshalb reichen die Zurechnungsmomente, die den Drittempfang zur vGA/vVG stempeln (Rn 52), nicht in jedem Falle aus, um den Dritten anstelle des Gesellschafters zum unmittelbaren und primären Rückgewährschuldner zu machen. Dafür ist mehr erforderlich: Entweder ist die Nähe zwischen Gesellschafter und Dritten in besonderer Weise qualifiziert5, oder es bestehen über die nähestiftenden Momente hinausgehende Zusatzmomente – wie etwa ein eigener Vermögensvorteil des Dritten6 und dessen Bösgläubigkeit, die ihm im Einzelfall über §§ 166, 278 BGB angelastet werden können7. – Zur zurechnungsstiftenden „offenen“ Treuhand § 14 Rn 26. d) Die einseitige vGA/vVG zulasten des Gesellschaftsvermögens hat regelmäßig 56 eine mittelbare Vermögenseinbuße bei den nicht begünstigten Gesellschaftern zur Folge. Für diesen Schaden im Privatvermögen können die Gesellschafter weder die begünstigten Mitgesellschafter noch die Geschäftsführer noch die Gesellschaft8 in Anspruch nehmen. Diese Ansprüche scheitern nicht unbedingt an einer fehlenden Pflichtverletzung gegenüber den geschädigten Gesellschaftern; 1 Stengel/Scholderer ZGR 1997, 43 (zum alten Recht: fünf Jahre); aA Tries S. 235 f: dreißig Jahre. 2 Insoweit zutreffend M. Winter ZHR 148 (1984), 590. 3 Anders M. Winter ZHR 148 (1984), 591. 4 BGH GmbHR 1996, 111, 112; näher Tries S. 212 ff; Ulmer FS GmbHG, 1992, S. 369 f; M. Winter ZHR 148 (1984), 592 ff. 5 Für die verbundenen Unternehmen vgl BGHZ 81, 315 ff; BGHZ 89, 165 = GmbHR 1984, 203; Fleck FS GmbHG, 1992, S. 415 ff; enger Hommelhoff WM 1984, 1105, 1118; s. BGH ZIP 1991, 366 = GmbHR 1991, 155: Zurechnung wegen der typischen Einflussmöglichkeiten des Mehrheitsgesellschafters; das lässt Raum, die Vermutungskette zu widerlegen. 6 Fleck FS GmbHG, 1992, S. 413. 7 Im Ergebnis zutreffend daher BGHZ 81, 368 ff; zu weitgehend BGH WM 1987, 349. 8 BGH ZIP 1987, 29, 32 f; aA OLG Karlsruhe WM 1984, 656, 661.

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§ 29 | Ergebnisverwendung ihnen steht vielmehr das Erfordernis entgegen, die Rückgewähr-, Ausgleichsoder Ersatzleistungen auf die Gesellschaft zu konzentrieren1. Diese Anspruchskonzentration findet ihre Begründung im Gleichbehandlungsgebot, im Gedanken einer geordneten Abwicklung der unzulässigen Vermögensauszahlung und im Schutz der Gesellschaftsgläubiger2. Deshalb kommen eigene Ansprüche eines Gesellschafters auf Leistung an sich allenfalls dann und insoweit in Betracht, als sein Individualschaden über den der Gesellschaft hinausgeht oder der Gesellschafter den Schaden der Gesellschaft mit eigenen Mitteln beseitigt hat3. In Ausnahmefällen kann der übervorteilte Gesellschafter auf Leistung an die Gesellschaft klagen4. 57 e) Bei einseitigen vGA/vVG braucht die Ungleichbehandlung der Gesellschafter

nicht in jedem Fall durch Rückgewähr bzw Nachzahlung5 ausgeglichen zu werden; es kann den benachteiligten Gesellschaftern auch ein Gewinn vorab oder sonstiges Gesellschaftsvermögen als Kompensation ausgekehrt werden6. Ob dieser Weg gewählt werden soll, entscheidet das für die Gewinnverwendung zuständige Organ frei; die benachteiligten Gesellschafter haben keinen Anspruch auf die Wahl dieses Weges7. Soll der Gewinn vorab im laufenden Geschäftsjahr ausgeschüttet bzw das Gesellschaftsvermögen vergleichbar ausgezahlt werden, müssen die beiden oben Rn 45 genannten Voraussetzungen für Gewinnvorschüsse erfüllt sein.

58 f) Zum zivilrechtlichen Ausgleich des Steuernachteils einer vGA/vVG Münch-

Komm/Ekkenga Rn 272 ff.

11. Altgesellschaften 59 Das in § 29 geregelte Recht der Ergebnisverwendung und -verteilung gilt nicht

für jene Gesellschaften, die bereits am 31.12.1985 bestanden; für diese Altgesellschaften ist das bis dahin geltende (allerdings auch schon früher satzungsdispositive) Vollausschüttungsgebot aus § 29 Abs. 1 aF in Kraft geblieben (§ 7 Abs. 1 GmbHGÄndG). Für die Altgesellschaften und für ihr Übergangsrecht sei auf die Kommentierung in der 16. Aufl, Rn 59 ff verwiesen.

1 2 3 4 5

Zutreffend M. Winter ZHR 148 (1984), 595, 597, 599. BGH ZIP 1987, 29, 32 f. BGH ZIP 1987, 29, 32 f; vertiefend MünchKomm/Ekkenga Rn 270. BGH GmbHR 1996, 111, 112; MünchKomm/Ekkenga Rn 276. Unter Beachtung des Auszahlungsverbots aus § 30, BGH ZIP 1990, 98, 101 = GmbHR 1990, 122. 6 Vgl Fleck ZHR 156 (1992), 85; Lutter ZGR 1978, 347. 7 Zutreffend M. Winter ZHR 148 (1984), 598; weiterführend Scholz/Verse Rn 130.

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Kapitalerhaltung | § 30

§ 30 Kapitalerhaltung (1) Das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen der Gesellschaft darf an die Gesellschafter nicht ausgezahlt werden. Satz 1 gilt nicht bei Leistungen, die bei Bestehen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags (§ 291 des Aktiengesetzes) erfolgen oder durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gegen den Gesellschafter gedeckt sind. Satz 1 ist zudem nicht anzuwenden auf die Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens und Leistungen auf Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entsprechen. (2) Eingezahlte Nachschüsse können, soweit sie nicht zur Deckung eines Verlustes am Stammkapital erforderlich sind, an die Gesellschafter zurückgezahlt werden. Die Zurückzahlung darf nicht vor Ablauf von drei Monaten erfolgen, nachdem der Rückzahlungsbeschluss nach § 12 bekannt gemacht ist. Im Fall des § 28 Abs. 2 ist die Zurückzahlung von Nachschüssen vor der Volleinzahlung des Stammkapitals unzulässig. Zurückgezahlte Nachschüsse gelten als nicht eingezogen. Text in Abs. 2 durch JKomG vom 22.3.2005 (BGBl I 837) geändert; Abs. 1 durch Satz 2/3 sowie amtliche Überschrift durch das MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl I 2026) ergänzt; im Übrigen seit 1892 unverändert. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

Überblick . . . . . . . Existenzschutz . . . Auszahlungen . . . . Auswirkungen . . . Unterbilanz . . . . . Empfänger . . . . . . Auszahlungsverbot

. . . . . . .

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. 1 . 6 . 8 . 9 . 10 . 18 . 23

8. Sicherheitsleistungen zugunsten eines Gesellschafters . . . . . . . . 9. Cash-Pooling . . . . . . . . . . . . . 10. Weitere Durchbrechungen des Auszahlungsverbots . . . . . . . . 11. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . 12. Die GmbH & Co KG . . . . . . . . 13. Nachschüsse . . . . . . . . . . . . . .

. . 34 . . 37 . . . .

. . . .

47 51 60 68

Literatur: Bormann/Urlichs Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, in Römermann/Wachter (Hrsg), GmbH-Beratung nach dem MoMiG, GmbHR-Sonderheft 2008, S. 37; Falkenstein Grenzen für die Entnahmerechte der GmbH-Gesellschafter, 1992; Gärtner Die rechtlichen Grenzen der Zulässigkeit des Cash Pooling, 2011; Goette/ Habersack (Hrsg), Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, 2009; Heckschen Das MoMiG in der notariellen Praxis, 2009; Kleffner Erhaltung des Stammkapitals und Haftung nach §§ 30, 31 GmbHG, 1994; Mülbert/Sajnovits Konzerninterne (Upstream-)Darlehen als unternehmerische Risikoentscheidung, WM 2015, 2345; Nissing Eigeninteresse der Gesellschaft oder Liquidation auf kaltem Wege?, 1993; Schmolke Kapitalerhaltung in der GmbH nach dem MoMiG, 2009; Strohn Cash Pooling-verbotene und unwirksame Zahlungen, DB 2014, 1535; Weitzel/Socher Cash-Pooling-Risiken für die GmbH-Geschäftsführung und ihre Vermeidung, ZIP 2010, 1069; Wilhelmi Grundsatz der Kapitalerhaltung im System des GmbH-Rechts, 1999.

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§ 30 | Kapitalerhaltung 1. Überblick 1 Während die Bestimmungen der §§ 5 Abs. 4, 7 Abs. 2/3, 8 Abs. 2, 9, 9a, 9b und

19 darauf abzielen, die Aufbringung des Stammkapitals sicherzustellen, ist der Zweck des Auszahlungsverbots in § 30 und der ergänzenden §§ 31, 32 sowie der §§ 33, 43a, die Erhaltung des Stammkapitals im Interesse der Gesellschaft1, vorzüglich der Gesellschaftsgläubiger2 und schließlich auch der einzelnen Gesellschafter zu gewährleisten3. Dennoch ist § 30 kein Gesetz, das nach § 823 Abs. 2 BGB die Gläubiger oder Gesellschafter schützt4. Trotz seiner Einschränkung durch das MoMiG (Rn 2) ist das Auszahlungsverbot aus § 30 neben § 19 eine der wichtigsten Regelungen des GmbH-Rechts. Sie geht vom Fortbestand der Gesellschaft aus und nicht von ihrer Liquidation. Die Bestimmung ist zwingend und streng auszulegen. Auch jede Umgehung fällt unter das Verbot; der Zweck des § 30 muss unter allen Umständen gewahrt bleiben5.

2 a) § 30 verbietet es den Geschäftsführern, an Gesellschafter Aktivvermögen der

Gesellschaft wegzugeben, wenn und soweit dadurch eine Unterdeckung herbeigeführt oder noch weiter vertieft oder gar eine Überschuldung herbeigeführt oder vertieft6 wird. Dieses Verbot gilt nach dem durch das MoMiG neu gefassten § 30 Abs. 1 Satz 2/37 in drei Fällen nicht: für Leistungen im Zusammenhang mit einem Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag (Rn 47 ff), für Leistungen, die durch einen vollwertigen Gegenanspruch der Gesellschaft neutralisiert sind (Rn 25 ff), sowie für die Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens und wirtschaftlich entsprechende Handlungen (Rn 50).

3 Das Verbot richtet sich nicht gegen Prokuristen, auch nicht solche mit organ-

schaftlicher Vertretungsmacht8 oder sonstige leitende Angestellte, es sei denn, diese agierten als faktische Geschäftsführer (ua § 43 Rn 2)9. Allerdings haben die Geschäftsführer aufgrund ihrer Überwachungspflicht auch dafür zu sorgen, dass verbotene Auszahlungen nicht von Prokuristen etc, aber auch nicht von Mit1 Stimpel FS GmbHG, 1992, S. 349: bestandsschützendes Mindestbetriebsvermögen; zur rechtspolitischen Kritik am bilanziell ausgerichteten Kapitalschutz zuletzt Höfer „FlexGmbH“ statt UG – Eine attraktive Schwester für die alte GmbH!, 2015, S. 162 ff – zusammenfassend mwN. 2 Hierauf konzentriert Eichele Finanzierungsverantwortung, S. 75; Ulmer FS GmbHG, 1992, S. 363. 3 Zur zeitlichen Abgrenzung zwischen Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung: BGH GmbHR 2001, 1114; OLG Celle GmbHR 2000, 240. 4 BGH GmbHR 2001, 771, 772. 5 BGHZ 75, 334, 335 f = GmbHR 1980, 28; BGHZ 81, 311, 315 = GmbHR 1982, 133. 6 BGH GmbHR 2002, 549, 550; BGH ZIP 1990, 451, 453 = GmbHR 1990, 249, 250. 7 Einführend Bormann/Urlichs in Römermann/Wachter, GmbH-Beratung nach dem MoMiG, GmbHR-Sonderheft 2008, S. 46 ff. 8 OLG Brandenburg GmbHR 2002, 854, 855 f. 9 BGH GmbHR 2001, 771, 772; s. aber auch MünchKomm/Ekkenga Rn 143 f.

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Kapitalerhaltung | § 30

geschäftsführern vorgenommen werden1. Eine Unterdeckung liegt vor, sobald das Nettovermögen der Gesellschaft – also ihr gesamtes Aktivvermögen abzüglich der Summe aller Verbindlichkeiten einschließlich Rückstellungen, aber ohne Rücklagen – in seinem rechnerischen Wert unter die Ziffer des Stammkapitals sinkt. Damit ist das Auszahlungsverbot in zweifacher Richtung relativiert: Es schützt zum einen nicht das Gesellschaftsvermögen in seiner gegenständlichen Zusammensetzung, sondern in seinem rechnerischen Wert2 (BegrRegE MoMiG: Rückkehr zur bilanziellen Betrachtungsweise3). Erst nach einer verbotenen Auszahlung konzentriert sich der Kapitalschutz auf den Auszahlungsgegenstand4, er ist Gegenstand des Erstattungsanspruchs aus § 31 Abs. 15. Zum anderen will das Auszahlungsverbot bloß bestimmte Auszahlungen an Gesellschafter verhindern, nicht aber Geschäfte mit Dritten6; s. auch Rn 53. Die Vermögensbindung in der GmbH bleibt hinter der des Aktienrechts zu- 4 rück7: Während in der GmbH lediglich das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen nicht ausgeschüttet werden darf (zum Gleichbehandlungsgebot und zur Gesellschafterkompetenz § 29 Rn 48), bindet der § 57 AktG das gesamte Gesellschaftsvermögen mit Ausnahme des ordnungsgemäß festgestellten Bilanzgewinns8. Zum gesicherten Vermögen der AG gehört auch die gesetzliche Rücklage (§ 150 AktG), die in der GmbH nicht vorgeschrieben ist9 (zur gesetzlichen Rücklage in der Unternehmergesellschaft haftungsbeschränkt s. § 5a Abs. 3). b) In der Praxis ist das Auszahlungsverbot vornehmlich bei den verdeckten Ge- 5 winnausschüttungen (§ 29 Rn 48 ff) bedeutsam und war es bis zur Geltung des neuen § 30 Abs. 1 Satz 3 für die eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen; dort war das Auszahlungsverbot Bestandteil des zweistufigen Schutzsystems für Eigenkapitalersatz (dazu 16. Aufl, §§ 32a/b Rn 10 ff). – Zur entsprechenden Anwendung des § 30 auf die GmbH & Co KG bei Rn 60.

1 2 3 4 5 6 7 8 9

BGH GmbHR 2001, 771, 772; eingehend Müller ZGR 2003, 441 ff. Grundlegend Lutter Kapital, S. 332 ff; Joost ZHR 148 (1984), 27 ff, 43. BR-Drucks 354/07, S. 94. Hommelhoff FS Kellermann, 1991, S. 168. AA Berg S. 101: Auszahlungsverbot, wenn nach der Auszahlung das Stammkapital verletzt ist. BGH ZIP 1998, 793, 795 = GmbHR 1998, 935; eingehend Mülbert ZGR 1995, 578, 601 ff gegen Schön ZHR 159 (1995), 366. Eingehend ua Scholz/Verse Rn 7 ff; Wilhelmi S. 16 ff. Für eine Verschärfung der Kapitalerhaltungsregeln und Angleichung an aktienrechtliches Schutzniveau sowie an internationale „Entwicklungslinien“ de lege ferenda Fleischer ZGR 2001, 1, 13 f; Michalski/Fleischer Syst Darst 5 Rn 90. BGHZ 90, 381, 386 = GmbHR 1984, 343.

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§ 30 | Kapitalerhaltung 2. Existenzschutz 6 Neben der wertbezogenen Kapitalerhaltung aus §§ 30/31 entwickelte sich im

Anschluss an Strafurteile zu § 266 StGB1 als zusätzlicher Ansatz ein gegenstandsbezogener Vermögensschutz2: Nach diesen Grundsätzen ist es dem Geschäftsführer verboten, Gesellschaftsvermögen (zB Maschinen, Patente, Vormaterial, Forderungen, vor allem aber auch Liquidität) an Gesellschafter wegzugeben, wenn dadurch der wirtschaftliche Zusammenbruch der Gesellschaft in absehbarer Zeit mit hoher Wahrscheinlichkeit heraufbeschworen wird3. Das Verbot existenzgefährdender Auszahlungen4 ergänzt den Schutz des Stammkapitals nach § 305 und ist unabhängig vom Einverständnis sämtlicher Gesellschafter6. Risikogeschäfte mit außenstehenden Dritten unterfallen nicht diesem Verbot7; Ausnahmen Rn 22.

7 Diesen Stammkapital ergänzenden Auszahlungsschutz hat die Rechtsprechung

als Existenzvernichtungshaftung8 (eingehend § 13 Rn 25 ff) deliktsrechtlich fundiert9 und als eigenständiges Rechtsinstitut der Gesellschafter-Innenhaftung mittlerweile weithin konsolidiert.

1 BGH GmbHR 1995, 655; zuvor BGH BGHSt 34, 379, 382 = GmbHR 1987, 464; BGHSt 35, 333; weitere Rspr bei Birkholz Untreuestrafbarkeit als strafrechtlicher „Preis“ der beschränkten Haftung, 1998, S. 50 ff; Gribbohm ZGR 1990, 1; Gribbohm DStR 1991, 249 f; Kohlmann Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des GmbH-Geschäftsführers, 1990, S. 193; kritisch ua Brammsen DB 1989, 1609; Birkholz S. 298 ff zusammenfassend; Radtke GmbHR 1998, 361, 364 f. 2 Fleck ZGR 1990, 31, 36 ff; Fleck FS GmbHG, 1992, S. 398 f; Schnauder/Müller-Christmann JuS 1998, 980, 984; Ulmer FS Pfeiffer, 1988, S. 868 f. 3 Mittlerweile ständige Rspr der Strafsenate, vgl nur BGH StV 2003, 559; BGH NJW 2000, 154, je mwN. 4 Nuanciert anders Falkenstein S. 172 f/185: Verbot solvenzbedrohender Entnahmen; ähnlich auch Nissing S. 94 ff. 5 BGHZ 173, 246, 255 f Rn 23 ff = GmbHR 2007, 927; dazu Schwab ZIP 2007, 341; J. Vetter BB 2007, 1965; Weller ZIP 2007, 1681; Witt DNotZ 2008, 219. 6 BGH GmbHR 1995, 655; s. auch BGH GmbHR 1999, 921, 922; aA OLG Brandenburg GmbHR 1997, 1147. 7 Zutreffend Fleck ZGR 1990, 42; aA Schnauder/Müller-Christmann S. 985; Mülbert DStR 2001, 1942; gefährlich Nissing, S. 115 ff: Verstoß gegen die Regeln sorgfältiger Unternehmensleitung. 8 Bereits angedeutet in BGHZ 142, 92, 95 = GmbHR 1999, 921; ausdrücklich BGHZ 149, 10, 16 = GmbHR 2001, 1036 sowie BGH ZIP 2002, 848, 850 = GmbHR 2002, 549, 551 und BGHZ 151, 181, 186 f = GmbHR 2002, 902, 903 f. 9 BGH GmbHR 2001, 771, 772; s. auch Schmolke Kapitalerhaltung, S. 15 f (Rn 26 ff).

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3. Auszahlungen Auszahlungen iSv § 30 sind nicht allein Geldleistungen, sondern weiter gehend 8 Leistungen aller Art, denen keine gleichwertige Gegenleistung gegenübersteht und die wirtschaftlich das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Gesellschaftsvermögen verringern1 – wie etwa die unentgeltliche Sachübereignung, Abtretung einer Forderung der Gesellschaft2, die Erfüllung einer Verbindlichkeit des Gesellschafters durch die Gesellschaft3, die Verrechnung einer Forderung der Gesellschaft gegen den Gesellschafter mit einer Gegenforderung4, wobei es gleichgültig ist, wer die Aufrechnung erklärt hat oder ob diese auf einer Vereinbarung beruht5, oder gar bloß die tatsächliche Aufgabe oder jede unterlassene Durchsetzung einer Forderung6. Anders als der Verzicht auf ein bereits entstandenes Forderungsrecht sind die Fälle zu beurteilen, in denen aufgrund des Einverständnisses der Gesellschafter (bzw des Allein-Gesellschafter-Geschäftsführers) ein Schadensersatzanspruch der Gesellschaft gegen den Gesellschafter erst gar nicht entsteht7. Eine Auszahlung kann aber auch schon vorliegen, wenn die Gesellschaft zugunsten eines Gesellschafters eine schuldrechtliche Verpflichtung eingeht8, wenn sie etwa einen gegenseitigen Vertrag mit ihm abschließt9 oder zu seinen Gunsten einem Dritten eine Sicherheit an Teilen des Gesellschaftsvermögens zu bestellen verspricht10 oder bestellt11 oder umgekehrt für die Forderung eines Gesellschafters gegen einen Dritten12. Im Einzelnen Rn 34 ff; die Auszahlung liegt also uU nicht erst in der späteren Verwertung der Sicherheit; diese kann aber als zusätzliche Auszahlung zu qualifizieren sein13. Wären dagegen erst die Erfüllungsgeschäfte und nicht schon das Verpflichtungsgeschäft eine „Aus1 BGHZ 31, 276; OLG Dresden GmbHR 2003, 356, 358. 2 BGH WM 1984, 136, 137; OLG Düsseldorf GmbHR 2012, 793, 794. 3 BGHZ 144, 336, 339 f = GmbHR 2000, 771, 772; BGH ZIP 2008, 2217, 2218 = GmbHR 2008, 1319, 1320 Rn 8; BGH LM 3 zu § 30; Schmolke Kapitalerhaltung S. 56 ff (Rn 135 ff). 4 BGH NJW 1984, 1036 = GmbHR 1984, 18. 5 Joost ZHR 148 (1984), 43 ff. 6 BGHZ 179, 344, 357 = GmbHR 2009, 601 – Sanitary; BGHZ 122, 338 = GmbHR 1993, 427; s. auch Mülbert ZGR 1995, 596. 7 BGH NZG 2000, 544 mit zustimmender Anm Haas = GmbHR 2000, 330; aA Altmeppen DB 2000, 657; vgl dazu auch § 43 Rn 60 ff. 8 OLG Rostock GmbHR 1998, 329, 330; Joost ZHR 148 (1984), 31; aA Mülbert ZGR 1995, 587 f. 9 BGH GmbHR 1987, 187. 10 AA MünchKomm/Ekkenga Rn 131; G/E/S/Kuntz Rn 36; Scholz/Verse Rn 21. 11 RGZ 168, 297; vertiefend MünchKomm/Ekkenga Rn 130. 12 OLG München GmbHR 1998, 986. – Zum Buyout Scholz/H.P. Westermann 10. Aufl, Rn 47; Kerber WM 1989, 475 ff; Koppensteiner ZHR 155 (1991), 114 f; Lutter/Wahlers AG 1989, 1, 13 ff; Wittkowski GmbHR 1990, 544. 13 Meister WM 1980, 394; aA G/E/S/Kuntz Rn 35.

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§ 30 | Kapitalerhaltung zahlung“, so würde der über die Drohverlust-Rückstellung (§ 249 Abs. 1 HGB) aktivierte Kapitalschutz zugunsten der Gesellschaftsgläubiger1 ausgehöhlt.

4. Auswirkungen 9 Von der Frage der Auszahlung (Rn 8) ist die andere zu trennen, ob die Leistung

der Gesellschaft kapitalschutzrelevante Wirkungen hervorbringt, die in einem zweiten Schritt daraufhin zu prüfen sind, ob sie zu einem Verstoß gegen § 30, also zu einer verbotenen Auszahlung führen2. So kann in einer Tochter-GmbH die Bestellung einer Kreditsicherheit gegenüber einem außenstehenden Kreditgeber der Konzernmutter als Auszahlung ohne relevante Auswirkungen auf den Kapitalschutz der Tochter bleiben, wenn die so gesicherte Darlehensvaluta konzernintern sogleich an die Tochter weitergeleitet wird3. Ob eine Auszahlung relevante Wirkungen hervorbringt, bemisst sich generell nach dem Niederschlag der Auszahlung in der Bilanz der Gesellschaft, mithin nach ihren Veränderungen im bilanziellen Gesamtwert des Gesellschaftsvermögens. Näher Rn 10 ff.

5. Unterbilanz 10 Nach Rn 9 relevante Auszahlungen sind verboten, wenn durch sie eine Unter-

bilanz herbeigeführt oder weiter vertieft würde oder wenn die Gesellschaft bereits überschuldet ist. In einer solchen Situation muss das Auszahlungsverbot zum Schutz der Gesellschaftsgläubiger erst recht eingreifen4 (s. aber auch Rn 32 f).

11 Die mögliche Unterbilanz ist durch einen aus dem HGB-Jahresabschluss abge-

leiteten Vergleich zwischen dem Nettovermögen der Gesellschaft und ihrem statutarischen Stammkapital (§ 3 Abs. 1 Nr. 3) ausschließlich Rücklagen und Nachschusskapital zu ermitteln5. Inwieweit die Stammeinlagen eingefordert sind und das Stammkapital tatsächlich aufgebracht ist, hat keine Bedeutung6. Das Nettovermögen errechnet sich als die Summe aller in einer Bilanz nach § 42; §§ 246 ff, 266 ff HGB7 angesetzten und (auf den Zeitpunkt der Auszahlung fortgeschrieben) bewerteten Aktiva abzüglich sämtlicher echten Passiva8. Denn die Unwäg1 2 3 4 5

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R/A/Altmeppen Rn 11. S. auch Sonnenhol/Groß ZHR 159 (1995), 400. S. BGH ZIP 1998, 793, 796 = GmbHR 1998, 935; Schön ZHR 159 (1995), 368. Vgl BGHZ 76, 335; Joost GmbHR 1983, 285, 287; s. auch Schmolke Kapitalerhaltung, S. 34 f (Rn 80 ff). BGH ZIP 2008, 2217, 2219 Rn 11 = GmbHR 2008, 1319, 1320; OLG Brandenburg GmbHR 1999, 297, 299; näher Müller DStR 1997, 1577; Wilhelmi S. 102 ff. MünchKomm/Ekkenga Rn 59. Nicht in einem Vermögensstatus, BGH GmbHR 1989, 154. S. BGH WM 1987, 1040 = GmbHR 1987, 390.

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barkeiten bei der Bewertung stiller Rücklagen dürfen nicht dazu führen, dass an die Gesellschafter Gesellschaftsvermögen ausgekehrt wird, welches zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlich ist1: a) Die Aktiva sind dem letzten Jahresabschluss zu entnehmen und nach Bilan- 12 zierungsansatz und Bewertungsgrundsätzen zeitanteilig fortzuschreiben (Zwischenabschluss)2. Für die Unterbilanzrechnung3 gilt das gläubigerschützende Vorsichtsprinzip. Deshalb dürfen schwebende Geschäfte4 und Dauerschuldverhältnisse nur insoweit berücksichtigt werden, wie dies nach den Bilanzierungsgrundsätzen für die Handelsbilanz vorgeschrieben ist, auf der Aktivseite also zB lediglich Vorleistungen der Gesellschaft5. – Außerdem bleiben alle Werte außer Ansatz, die wie etwa selbstgeschaffene Marken, Drucktitel etc nach § 248 Abs. 2 HGB nicht aktiviert werden dürfen, selbst wenn sie bei einer Unternehmensveräußerung entgolten würden. Für den derivativen Firmenwert hat das BilMoG zu einer Änderung gegenüber der bisherigen Rechtslage auch für die Unterbilanzrechnung geführt: Gebot, den derivativen Firmenwert zu aktivieren (§ 246 Abs. 1 Satz 4 HGB), mit anschließender Verpflichtung zu unternehmensindividuell kontinuierlicher Wertabschreibung (§ 253 Abs. 3 HGB). Mit einer Ausschüttungssperre nach § 268 Abs. 8 HGB belegte Vermögenspositionen dürfen in der Unterbilanzrechnung nicht aktiviert werden6. – Ebenso bleibt die Gesellschaft an ihre einmal ausgeübten Bilanzierungswahlrechte gebunden; andernfalls könnte der in § 30 bezweckte Gläubigerschutz manipuliert werden. Der Stetigkeitsgrundsatz gilt auch und gerade für die Unterbilanzrechnung7. In ihr dürfen deshalb auch nicht die stillen Reserven, weder die zwangsweise noch die willkürlich gebildeten, aufgelöst werden8. Insoweit weicht der Überschuldungsstatus (s. Anh zu § 64 Rn 37 ff) von der Unterbilanzrechnung in § 30 ab; das Recht der Kapitalerhaltung hat den Gläubigerschutz nicht zuletzt deshalb nach vorn verlagert, weil die Bewertung stiller Reserven besonders unsicher ist. Umgekehrt brauchen keine Zerschlagungswerte zugrunde gelegt zu werden (ebenso wenig mögliche Sozialplanverpflichtungen); denn die Gesellschaft und ihre Organe benötigen hinreichend klare und einfach zu handhabende Entscheidungsgrundlagen9.

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BGHZ 109, 338. Goette DStR 1997, 1496. Eingehend U/H/L/Habersack Rn 33 ff. Dazu Berg S. 102 f. BGH GmbHR 1989, 154. MünchKomm/Ekkenga Rn 106. AA MünchKomm/Ekkenga Rn 93 mwN. BGH GmbHR 1989, 154; OLG Brandenburg GmbHR 1999, 297, 299; Joost GmbHR 1983, 287; aA Berg S. 86 ff; Meister WM 1980, 394; Sonnenhol/Stützle DB 1979, 927 f. 9 Offengelassen in BGHZ 76, 335.

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§ 30 | Kapitalerhaltung 13 In der Unterbilanzierung sind entgegen § 272 HGB sämtliche noch ausstehen-

den Gesellschaftereinlagen zu aktivieren1. Soweit deren Einbringlichkeit zweifelhaft ist, sind diese entsprechend abzuschreiben2. Zur bilanziellen Behandlung eigener Anteile s. § 33 Rn 26 ff.

14 b) Auf der Passivseite sind sämtliche Verbindlichkeiten der Gesellschaft (nach

dem handelsrechtlichen Gliederungsschema: § 266 Abs. 3 C HGB) mit ihrem aktuellen Nennwert anzusetzen3. Dazu zählen auch die Forderungen einzelner Gesellschafter, etwa die auf Ausschüttung der beschlossenen Dividende oder die aus Verkehrsgeschäften. Zu passivieren sind namentlich die Gesellschafterdarlehen unabhängig von einem vereinbarten Rangrücktritt4; zur Behandlung von eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen nach altem Recht vor MoMiG 16. Aufl, § 42 Rn 41 ff; Verbindlichkeiten sind ebenfalls der Rückzahlungsanspruch des Stillen und der des Genusskapitalgebers5.

15 Anzusetzen sind gleichfalls die in der Bilanz zu bildenden Rückstellungen (vgl

§ 266 Abs. 3 B HGB), insbesondere die aus schwebenden Geschäften6, aber auch die für ungewisse Verbindlichkeiten7, nicht jedoch für Aufwandsrückstellungen nach § 249 Abs. 1 Satz 2 HGB wegen ihres Eigenkapital-Charakters8. In der Unterbilanzrechnung ist die Gesellschaft an ausgeübte Passivierungswahlrechte gebunden, braucht aber andererseits eine zulässigerweise unterlassene Passivierung, etwa für Pensionsrückstellungen, nicht in der Unterbilanzrechnung nachzuholen; denn diese Rechnung ist stetig aus dem Jahresabschluss heraus fortzuschreiben (s. Rn 11).

16 Soweit herabzusetzendes Aktivvermögen nicht auf der Aktivseite abgeschrieben

worden ist, muss auf der Passivseite eine entsprechende Wertberichtigung gebildet werden. Rechnungsabgrenzungsposten bleiben, wie auch auf der Aktivseite9, unberücksichtigt10.

17 c) Die Unterbilanzrechnung ist für den Zeitpunkt aufzustellen, zu dem die Aus-

zahlung an den oder zugunsten des Gesellschafters erfolgt. Das kann der Moment sein, in dem eine Verbindlichkeit der Gesellschaft begründet, oder der, in dem ein dingliches Erfüllungsgeschäft vollzogen, oder der, in dem eine Sicher-

1 Scholz/Verse Rn 63. 2 So auch OLG Bremen DStR 2002, 1407; MünchKomm/Ekkenga Rn 98 f; überzeugend Kropff ZIP 2009, 1137, 1139 f. 3 S. BGH WM 1985, 194 = GmbHR 1985, 191. 4 MünchKomm/Ekkenga Rn 113; Scholz/Verse Rn 69. 5 MünchKomm/Ekkenga Rn 122 ff. 6 BGH GmbHR 1989, 154. 7 Dazu ausführlich BGH GmbHR 2003, 1420, 1421 f. 8 MünchKomm/Ekkenga Rn 118; G/E/S/Kuntz Rn 17. 9 AA Scholz/Verse Rn 66. 10 AA MünchKomm/Ekkenga Rn 125 (anders jedoch für die Aktivseite Rn 108); U/H/L/ Habersack Rn 36.

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heit der Gesellschaft verwertet wird. Bei bestimmten Geschäften (s. etwa zur Bestellung einer Sicherheit Rn 34) ist es deshalb durchaus möglich, dass Unterbilanzrechnungen für mehrere Zeitpunkte nacheinander aufgestellt werden müssen1.

6. Empfänger Empfänger der Auszahlung muss ein (nach § 16 eingetragener) Gesellschafter 18 sein. Dem steht ein Stiller (§ 230 HGB) gleich, wenn er nach dem stillen Gesellschaftsvertrag die Geschicke der GmbH mit beeinflussen kann sowie an deren Vermögen und Ertrag beteiligt, er also in den mitgliedschaftlichen Verband der GmbH mit einbezogen ist2. Ein solcher Einbezug fehlt bei Nießbrauchern oder Pfandgläubigern am Geschäftsanteil3 ebenso wie bei nachgeordneten Mitarbeitern der Gesellschaft (Rn 3). – Zur Erstreckung auf Kommanditisten Rn 60 ff. a) Die Gesellschaftereigenschaft bemisst sich nach dem Zeitpunkt der Auszah- 19 lung im oben Rn 8 genannten Sinne4. Gesellschafter ist deshalb auch derjenige, dem während seiner Zugehörigkeit zur Gesellschaft eine Leistung der Gesellschaft zugesagt worden ist, die erst nach seinem Ausscheiden erbracht wird5; dem steht eine Zusage im Zusammenhang mit dem Ausscheiden gleich, selbst wenn an der Vereinbarung zulasten des Gesellschaftsvermögens nur der Veräußerer und der Erwerber des Geschäftsanteils beteiligt sind, wenn also der Kaufpreis aus der Gesellschaftskasse gezahlt werden soll. Umgekehrt ist auch ein künftiger Gesellschafter möglicher Auszahlungsempfänger, wenn ihm Zusagen im Hinblick auf seinen in Aussicht genommenen Eintritt in die Gesellschaft gemacht werden6. Auszahlungsempfänger ist ein Gesellschafter auch in den Fällen, in denen die 20 Gesellschaft durch eine Zuwendung an Dritte dem Gesellschafter (von seinem Standpunkt aus betrachtet) eine Leistung erbringt7. Das ist etwa bei Zahlungen 1 2 3 4 5

So auch Scholz/H.P. Westermann 10. Aufl, Rn 62. BGH GmbHR 1989, 152, 153; Berg S. 167. Differenzierend MünchKomm/Ekkenga Rn 163 f. S. auch Berg S. 171. BGHZ 13, 49, 54; Goette DStR 1997, 1498; anders hingegen, falls die (noch nicht erbrachte) Leistung zum Zeitpunkt des Ausscheidens und auch noch ein Jahr danach aus dem freien Vermögen der Gesellschaft hätte erbracht werden können; nach Ablauf dieses Zeitraums muss sich der Ausgeschiedene nicht länger als Gesellschafter behandeln lassen, er ist normaler Gläubiger; daher kann ihm § 30 Abs. 1 nach diesem Zeitablauf nicht mehr entgegengehalten werden (KG GmbHR 2015, 657, 658 mit Anm Schmitz-Herscheidt). 6 Canaris FS Fischer, 1979, S. 32 f im Anschluss an Fischer LM 2 zu § 30. – Zur Besicherung beim buyout MünchKomm/Ekkenga Rn 176 f, 254. 7 Geßler FS Fischer, 1979, S. 145; Schmolke Kapitalerhaltung, S. 57 (Rn 136).

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§ 30 | Kapitalerhaltung der Gesellschaft an Dritte im Einverständnis1 oder gar auf Anweisung des Gesellschafters gegeben. Dazu zählen Fälle, in denen die Gesellschaft abredegemäß zugunsten des Gesellschafters mittels Gutschrift auf einem Verrechnungskonto die Verbindlichkeiten eines Dritten (an dem Gesellschafter beteiligt ist) gegenüber der Gesellschaft mindert, ohne dass es darauf ankommt, ob die Gutschrift auf dem Verrechnungskonto dem Gesellschafter tatsächlich vermögensmäßig (zB durch Buchung auf sein Kapitalkonto) zugute kommt2. Gleiches gilt aber auch dann, wenn die Gesellschaft dem Dritten für dessen Forderung gegen den Gesellschafter eine Sicherheit gewährt oder auch nur verspricht; damit erbringt die Gesellschaft zugleich ihrem Gesellschafter eine Leistung. Ebenso, wenn die Gesellschaft auf diese Sicherheit an den Dritten leistet3. 21 b) Anders sind die Fälle einzuordnen, in denen der Dritte und nicht der Gesell-

schafter Adressat der Leistung ist. Hier ist der Gesellschafter nicht Auszahlungsempfänger, so dass die Gesellschaftsleistung nicht gegen das Auszahlungsverbot verstößt und auch nicht – weder vom Dritten noch vom Gesellschafter – zurückverlangt werden kann.

22 Von diesem Grundsatz sind jedoch dann Ausnahmen zu machen, wenn die

Leistung an den Dritten wegen dessen Nähe zum Gesellschafter diesem als Auszahlung zugerechnet werden muss4. Eine solche Nähebeziehung besteht etwa zwischen dem Gesellschafter als Treuhänder und dem Treugeber5, zwischen dem Gesellschafter und seinem Ehegatten, seinen minderjährigen Kindern6 und uU seinen Eltern7 oder Geschwistern8; ebenso kann regelmäßig für verbundene Unternehmen (§ 15 AktG) in der Rechtsform der GmbH9 von ihrer relevanten Nähe ausgegangen werden10. Bei einer solchen Nähebeziehung liegt die Leistung der Gesellschaft als Auszahlung an den Gesellschafter im Regelungsbereich des § 30. Eine andere Frage ist, gegen wen sich der Erstattungsanspruch der Gesellschaft aus § 31 Abs. 1 richtet (dazu bei § 31 Rn 6 f).

1 BGHZ 95, 188, 193 = GmbHR 1986, 21; weitergehend MünchKomm/Ekkenga Rn 170: Vermögensverschiebung zugunsten des Gesellschafters genügt. 2 BGH GmbHR 2000, 771, 774. 3 BGHZ 81, 252, 260 = GmbHR 1982, 19. 4 Brandes WM 1988, Sonderbeilage 2, S. 8; eingehend Altmeppen FS Kropff, 1997, S. 643 ff. 5 Altmeppen FS Kropff, 1997, S. 644; vertiefend Scholz/Verse Rn 39; ausführlich zur Haftung von Treugeber und Treuhänder s bei § 14 Rn 18 sowie R/A/Altmeppen Rn 32 ff; monographisch Armbrüster Die treuhänderische Beteiligung an Gesellschaften, 2001, S. 393 ff. 6 BGH ZIP 1990, 365, 366; offengelassen im Übrigen für sonstige nahe Angehörige; zum Ganzen vertiefend MünchKomm/Ekkenga Rn 159, 162; Gruschinske GmbHR 2012, 551. 7 BGHZ 81, 365, 369 = GmbHR 1982, 181; Fischer Pro GmbH, S. 151. 8 OLG Hamm GmbHR 1999, 1095, 1097. 9 Rechtsform-spezifische Differenzierungen bei Scholz/Verse Rn 44 ff. 10 BGHZ 81, 311, 315 f = GmbHR 1982, 133; näher Altmeppen FS Kropff, 1997, S. 648 ff; R/ A/Altmeppen Rn 64 f; zum Beurteilungszeitpunkt: BGH GmbHR 1996, 111, 112.

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7. Auszahlungsverbot Auszahlungen an Gesellschafter sind erst und auch nur insoweit verboten, wie 23 sie zu einer Unterbilanz oder Überschuldung führen (zu deren Berechnung Rn 10 ff) oder diese weiter vertiefen würden. Deshalb bemisst es sich nach einer rechnerischen Bewertung der Auszahlung, ob und inwieweit diese verboten ist. Hierfür hat grundsätzlich die Gesellschaft die Darlegungs- und Beweislast; der Gesellschafter braucht keinen Negativbeweis dahin zu erbringen, dass eine Auszahlung an ihn unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt verboten ist1. Darlegungsschwierigkeiten bei fehlenden oder ungeordneten Geschäftsaufzeichnungen, denen vor allem der Insolvenzverwalter ausgesetzt sein kann, ist nach den Grundsätzen über die sekundäre Behauptungslast zu begegnen2. a) Das Auszahlungsverbot kommt nicht zum Zuge, wenn der Gesellschafter eine 24 fremde Sache oder eine Sache in anfechtbarer Weise eingebracht hat und der betroffene Dritte nunmehr die Herausgabe der Sache betreibt3. In diesem Falle gehen dessen Interessen denen der Gesellschaftsgläubiger an der Erhaltung des Stammkapitals vor. b) Kompensierender Gegenanspruch: Zu einer nach § 30 verbotenen Auszah- 25 lung kommt es auch dann nicht, wenn die Auszahlung durch einen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch der Gesellschaft kompensiert wird, der im Sinne des Bilanzrechts (§ 253 HGB) und überdies ggf tatsächlich (Rn 32 f) vollwertig ist. Bilanziell führt eine solche vollständig kompensierte Auszahlung bloß zu einem Tausch von Aktivposten (typisch: Forderung statt Kasse) und lässt damit das Kapital der Gesellschaft unverändert. Das hat das MoMiG mit § 30 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 ausdrücklich klargestellt, um alle Bestrebungen zu vereiteln, den bilanziellen Kapitalschutz um eine strukturell-gegenständliche Komponente zu erweitern4 (s. 16. Aufl, Rn 10). Dieser gesetzlichen Vorgabe hat der BGH in seinem „MPS“-Urteil sogleich Rechnung getragen5: Der kompensierende Gegenanspruch der Gesellschaft darf selbst dann nicht als wertlos fingiert werden, wenn die Gesellschaft im Augenblick der Auszahlung eine Unterbilanz (Rn 10 ff) aufweist6. Damit hat das Gericht sein „November“-Urteil7 aufgegeben. Im Ergebnis darf somit die Gesellschaft ihrem Gesellschafter ohne Rücksicht auf 26 das Auszahlungsverbot aus § 30 ein Darlehen gewähren (upstream loan), wenn 1 2 3 4 5

BGH WM 1989, 1166, 1168. BGH GmbHR 2003, 466, 467 mwN. BGH GmbHR 1995, 224; eingehend Hüttemann GmbHR 2000, 357. BegrRegE, BR-Drucks 354/07, S. 94; einführender Überblick auch bei Heckschen S. 265 ff. BGH GmbHR 2009, 199 mit Besprechung von Altmeppen ZIP 2009, 49; Habersack ZGR 2009; Kropff NJW 2009, 814. 6 AA Schmolke Kapitalerhaltung, S. 36 f (Rn 85 ff), s. aber auch unten Rn 32. 7 BGHZ 157, 72 = GmbHR 2004, 302 mit kritischer Analyse ua von Scholz/H.P. Westermann 10. Aufl, Rn 20 ff mwN.

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§ 30 | Kapitalerhaltung nur der Rückzahlungsanspruch im Augenblick der Valuta-Auszahlung vollwertig ist. Sollte dieser Anspruch im Zeitraum nach der Auszahlung an Wert verlieren, so wirkt dieser Umstand nicht zurück und macht die Auszahlung nicht zu einer nach § 30 verbotenen1. Ohne seine ursprüngliche Aktivierung wirkt der gesetzliche Kapitalschutz nicht fortdauernd nach2. Allerdings kann die Ausreichung der Darlehensvaluta trotzdem nach den Regeln der Existenzvernichtungshaftung (§ 13 Rn 25 ff) verboten sein, etwa wenn der Gesellschaft dadurch die überlebensnotwendige Liquidität entzogen wird. – Im Übrigen gilt: Verbotsfrei begründete Verbindlichkeiten (zB eine Kreditzusage) darf die Gesellschaft selbst dann erfüllen, wenn mittlerweile eine Unterbilanz entstanden ist3. 27 Über den (lediglich den Regelfall ansprechenden) Gesetzeswortlaut hinaus ist

unbeachtlich, gegen wen sich der kompensierende Gegenanspruch richtet, ob gegen den die Auszahlung empfangenden Gesellschafter oder gegen einen Dritten4; wesentlich sind allein Existenz und Vollwertigkeit des Gegenanspruchs. Denn maßgeblich für die kapitalschutzrechtliche Neutralität einer Operation ist ihre bilanzielle Neutralität, nicht hingegen, wer für die vollwertige Kompensation eintreten soll. Dagegen kann ein bloß eingeschränkt werthaltiger („teilwertiger“) Gegenanspruch nicht das Auszahlungsverbot aus § 30 überwinden5. Das folgt aus dem Gesetzeswortlaut „vollwertig“, aus der systematischen Verknüpfung zwischen dem Recht der Kapitalaufbringung (§ 19 Abs. 5 Satz 1) und dem der Kapitalerhaltung (§ 30 Abs. 1 Satz 2) sowie daraus, dass eine gesetzliche Sanktion, ein Teilanspruch aus § 31 Abs. 1, nicht den Gesetzesverstoß gegen § 30 salvieren kann. Dagegen darf der Gedanke des Übermaßverbotes (ausgetragen auf dem Rücken übermäßig belasteter Geschäftsführer)6 nicht die Steuerungswirkung des Auszahlungsverbots außer Funktion setzen: GesellschafterKooperation wegen Risikoteilhabe ist unerlässlich.

28 c) Vollwertigkeit: Sie bemisst sich nach § 253 Abs. 1/3 HGB; danach ist eine

Forderung nicht vollwertig, wenn sie mit einem über das allgemeine Kreditrisiko hinausgehenden Ausfallrisiko behaftet ist7, sie mithin ein qualitativ gesteigertes Risiko ihrer Einbringlichkeit aufweist. Die (tatsächliche) Durchsetzbarkeit der 1 BGH GmbHR 2009, 199, 202 Rn 13 aE. 2 AA R/A/Altmeppen Rn 142 f. 3 BGHZ 69, 274, 281; OLG Brandenburg GmbHR 1999, 297, 298; aA Wand/Tillmann/ Heckenthaler AG 2009, 148, 152: Zeitpunkt der Auszahlung. 4 Enger die BegrRegE BR-Drucks 354/07, S. 94 nach ihrem Wortlaut. 5 Zutreffend Bormann/Urlichs in Römermann/Wachter, GmbH-Beratung nach dem MoMiG, GmbHR-Sonderheft 2008, S. 48; aA MünchKomm/Ekkenga Rn 242; G/E/S/Kuntz Rn 51; Mülbert/Leuschner NZG 2009, 284; Scholz/Verse Rn 92; J. Vetter in Goette/Habersack, MoMiG, S. 125 f. 6 So aber und eindringlich Goette in Goette/Habersack, MoMiG, S. 303 f. 7 Scholz/Verse Rn 85; s. auch BGHZ 179, 71, 78 Rn 13 = GmbHR 2009, 199, 201 f; BFH BStBl II 2003, 941, 942 = GmbHR 2004, 134; im Ergebnis so auch schon Großkomm/ Kleindiek 4. Aufl 2002, § 253 HGB Rn 73.

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Forderung definiert ihre Vollwertigkeit mit1. Sie hängt in erster Linie und vor allem von der Bonität des Schuldners ab2: Wird dieser im Augenblick der Anspruchsfälligkeit in der Lage und willens sein, den kompensierenden Gegenanspruch (Rn 25) vollständig zu erfüllen? Hierfür ist zwar eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit der Anspruchserfüllung, weil nur in den seltensten Fällen erreichbar, nicht erforderlich3. Aber schon aus dem Einzelfall konkret begründete Zweifel geringsten Ausmaßes nehmen dem kompensierenden Gegenanspruch seine Vollwertigkeit; für sie langt eine unspezifizierte „Unwahrscheinlichkeit des Forderungsausfalls“ nicht hin. Muss davon ausgegangen werden, dass der Gesellschafter seine Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft nicht recte erfüllen wird, so ist deren Forderung gegen den Gesellschafter in entsprechendem Umfang und unter Berücksichtigung des Vorsichtsprinzips abzuschreiben4. – Ob auch nur geringste Zweifel an der Einbringlichkeit bestehen, bemisst sich für das Auszahlungsverbot allein nach objektiven Kriterien; auf die subjektive Erkennbarkeit der Zweifel begründenden Umstände für den Geschäftsführer kommt es für die Vollwertigkeit des Gegenanspruchs nicht an5. d) Ob eine fehlende Besicherung dem kompensierenden Gegenanspruch 29 (Rn 25) seine Vollwertigkeit nimmt, hängt nicht unmittelbar von der Verkehrsüblichkeit einer solchen Besicherung ab, sondern davon, ob ein objektiver Dritter diesen Anspruch sogleich nach seiner Entstehung bloß mit einem Abschlag wegen fehlender Besicherung erwerben würde. Das bestimmt sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach dem Umfang des Gegenanspruchs, nach seiner Laufzeit sowie nach der Person des Schuldners und seiner voraussichtlichen Bonität im Augenblick der Anspruchsfälligkeit – alles bemessen im Zeitpunkt der Anspruchsentstehung. In gleicher Weise bestimmen sich die Auswirkungen einer fehlenden oder un- 30 zureichenden Verzinsung des Gegenanspruchs auf das Auszahlungsverbot aus § 306 nach dem Verhalten eines objektiven dritten Anspruchserwerbers unter den konkret obwaltenden Umständen: Veranlassen sie diesen, den Anspruch al1 S. BegrRegE BR-Drucks 354/07, S. 94: die Durchsetzbarkeit der Forderung ist Teil der Definition des Begriffs der Vollwertigkeit und bedarf daher keiner besonderen Erwähnung; zutreffend so auch Heckschen S. 265 (Rn 675). 2 Zu den Anzeichen für ein Ausfallrisiko Mülbert/Sajnovits WM 2015, 2347 f. 3 S. BGH GmbHR 2009, 199, 201 Rn 13 zu § 311 AktG. 4 Vgl Großkomm/Kleindiek 4. Aufl 2002, § 253 HGB Rn 73. – Trotz vollwertigen Rückzahlungsanspruchs (also unabhängig von § 30) kann der Geschäftsführer entgegen § 43 Abs. 1 sorgfaltswidrig handeln, wenn er die nahezu gesamte Liquidität der Gesellschaft an einen einzigen Darlehensnehmer ausreicht; das dadurch hervorgerufene Klumpenrisiko („alle Eier in einem Korb“) mag die Gesellschaft in ihrer Existenz gefährden (zutreffend Kropff NJW 2009, 815; Schmolke Kapitalerhaltung, S. 43 [Rn 100]); aA Mülbert/Sajnovits WM 2015, 2355; Scholz/Verse Rn 86. 5 Altmeppen ZIP 2009, 51. 6 Hierzu eingehend Mülbert/Sajnovits WM 2015, 2349 f.

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§ 30 | Kapitalerhaltung lenfalls mit einem Abschlag zu erwerben? Das ist namentlich dann anzunehmen, wenn die Forderung inflationsbedingt wegen fehlender oder unzureichender Verzinsung bei Fälligkeit in ihrem inneren Wert ausgehöhlt sein wird1. Davon ist der kompensierende Gegenanspruch direkt betroffen; das Verzinsungsproblem ist in diesem Falle entgegen dem „MPS“-Urteil2 nicht gesondert zu bewältigen3. 31 e) Informations- und Reaktionssystem: Je nach den konkreten Umständen des

Einzelfalles kann der die Auszahlung kompensierende Gegenanspruch (Rn 25) mit einem qualitativ gesteigerten Risiko seiner Einbringlichkeit schon im Augenblick seiner Begründung behaftet sein (Rn 28), wenn im Hinblick auf die Schuldnerbonität und deren Entwicklung konkreter Anlass besteht, diese fortlaufend zu verfolgen, um ggf bei ihrer Verschlechterung Nachbesicherung zu verlangen oder den Gegenanspruch durch eine außerordentliche Kündigung sogleich fällig zu stellen. Hierfür kann es im Einzelfall geboten sein, ein Informations- und Reaktionssystem mit dem Schuldner zu vereinbaren. Dies ist dann nicht allein (nach § 43 Abs. 2 sanktionierte) Geschäftsführungspflicht, sondern je nach den Umständen des Einzelfalles weitergehend (und über das „MPS“-Urteil hinaus)4 erforderlich, um den Gegenanspruch nicht von Anbeginn in seiner Vollwertigkeit zu beeinträchtigen5. Je weiter dessen vereinbarte Fälligkeit (rechtlich oder tatsächlich) hinausgeschoben ist, desto eher besteht für die Einrichtung eines solchen Informations- und Reaktionssystems Anlass. Fehlt ein so erforderliches System, bleibt die Auszahlung mangels vollwertig kompensierenden Gegenanspruchs nach § 30 Abs. 1 Satz 1 verboten. Auf die aktuelle Bonität des empfangenden Gesellschafters kommt es dann nicht an. Zum Informationsund Reaktionssystem beim Cash Pooling Rn 40 f.

32 f) Entgegen dem ersten Anschein bemisst sich die Vollwertigkeit des Gegen-

anspruchs nicht allein nach der Handelsbilanz der Gesellschaft, sondern nach

1 Wand/Tillmann/Heckenthaler AG 2009, 148, 152; Brocker/Rockstroh BB 2009, 732; Schmolke Kapitalerhaltung, S. 41 (Rn 98) nehmen Verzinsungsgebot bei einer Laufzeit über ein Jahr an; Mülbert/Leuschner NZG 2009, 283: in jedem Falle Risikoaufschlag auf die Kosten des Darlehensgebers. 2 BGH GmbHR 2009, 199, 202 Rn 17; wie dieser die herrschende Lehre (s. nur R/A/Altmeppen Rn 119). 3 Wie der BGH auch Scholz/Verse Rn 94. 4 BGH GmbHR 2009, 199, 203 Rn 20 f; im Ergebnis wie dieser (wohl) Heckschen S. 266 (Rn 679) sowie Mülbert/Leuschner NZG 2009, 283 mit dem verfehlten Argument „keine weiteren Anforderungen neben der Vollwertigkeit“; wie hier aber im Ergebnis schon Hentzen ZGR 2005, 500 f; im Ansatz so auch J. Vetter in Goette/Habersack, MoMiG, S. 125 (4.48). 5 AA S/I/Greitemann/Diers Rn 101; Mülbert/Sajnovits WM 2015, 2345, 2349; R/S-L/Pentz Rn 37, 74 in Verkennung des wertverzehrenden Risikoabschlags wegen mangelnder Handhab- und Durchsetzbarkeit des Gegenanspruchs (s. J. Vetter/Kahnert in Veil, Unternehmensrecht in der Reformdiskussion, 2013, S. 65).

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dem Verkehrswert des Auszahlungsgegenstandes. Das folgt aus dem der Regelung in § 30 Abs. 1 Satz 2 zugrundeliegenden Vollwertigkeits- und Deckungsgebot1: bei Austauschverträgen müsse der Zahlungsanspruch gegen den Gesellschafter nicht nur vollwertig sein, sondern müsse darüber hinaus auch wertmäßig nach Marktwerten (und nicht nach Abschreibungswerten) den geleisteten Gegenstand decken2. Das betrifft neben den nicht bilanzierten Vermögensgegenständen (zB bestimmten Immaterialgütern)3 vor allem die stillen Reserven im Aktivvermögen der Gesellschaft; sie dürfen im Stadium der Unterbilanz (Rn 10 ff) nicht auf die Gesellschafter verlagert werden. Sollte zB das Betriebsgrundstück, mit seinen Anschaffungskosten bilanziert, einen höheren Verkehrs- (gleich Markt-)Wert haben, dann liegt in der Veräußerung an einen Gesellschafter zum Buchwert eine nach § 30 Abs. 1 Satz 1 verbotene Auszahlung, wenn die Gesellschaft im Augenblick der Veräußerung eine Unterbilanz aufweist. Ist dies nicht der Fall, dann führt eine solche Veräußerung nicht zur Unterbilanz und ist auch nicht nach § 30 Abs. 1 Satz 1 verboten (zur Behandlung als verdeckte Vermögenszuwendung § 29 Rn 48 ff); denn bilanziell liegt ein neutraler Aktiventausch vor. Insoweit wirkt sich dann doch die vom MoMiG vollzogene Abkehr von der gegenständlichen Betrachtungsweise (Rn 25) aus4. Das vom Gesetzgeber gewollte Deckungsgebot hat im Wortlaut des Gesetzes ne- 33 ben dem Gebot der Vollwertigkeit keinen eindeutigen Niederschlag gefunden. Es ist damit (entgegen der Formulierung in der Gesetzesbegründung5) in den Begriff der Vollwertigkeit zu integrieren. Daher bemisst es sich, ob der Gegenanspruch im Augenblick der Auszahlung werthaltig ist, nach seiner tatsächlichen Vollwertigkeit; sie ist im Doppelschritt zu prüfen: zum ersten danach, wie sich Auszahlung und Begründung des Gegenanspruchs in der Handelsbilanz der Gesellschaft niederschlagen, und zum zweiten anhand des Verkehrswertes, den der Auszahlungsgegenstand hat, und der Höhe des Gegenanspruchs: deckt dieser den Verkehrswert vollständig ab?

8. Sicherheitsleistungen zugunsten eines Gesellschafters Sicherheitsleistungen zugunsten eines Gesellschafters sind im Recht der Kapital- 34 erhaltung ebenfalls handelsbilanziell nach dem Grundsatz der tatsächlichen 1 Winter DStR 2007, 1486 f; Wand/Tillmann/Heckenthaler AG 2009, 148, 152 und im Ergebnis wohl auch Schmolke Kapitalerhaltung, S. 36 f (Rn 85 ff), interpretieren dies (methodisch verfehlt) als Ausnahme von der bilanziellen Betrachtungsweise. 2 BegrRegE BR-Drucks 354/07, S. 94; näher Eusani GmbHR 2009, 512. 3 Bormann/Urlichs in Römermann/Wachter, GmbH-Beratung nach dem MoMiG, GmbHR-Sonderheft 2008, S. 48; Winter DStR 2006, 1486 f. 4 Im Ergebnis so auch Drygala/Kremer ZIP 2007, 1294; mit struktureller Begründung Eusani GmbHR 2009, 512, 515 f. 5 BegrRegE BR-Drucks 354/07, S. 94.

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§ 30 | Kapitalerhaltung Vollwertigkeit (Rn 33) zu behandeln1. Auf der Passivseite der Unterbilanzrechnung ist die Verpflichtung2 der Gesellschaft gegenüber dem Dritten zu bewerten, auf der Aktivseite der mögliche Freistellungs- oder Regressanspruch gegen den Gesellschafter. Wenn dieser im Moment, da die Sicherheit begründet wird, vollwertig ist, erscheint der Gesamtvorgang vorerst als Unterbilanz-neutral3; der Gesellschafter ist dann in vollem Umfang leistungsfähig, mit einer Inanspruchnahme der Gesellschaft ist nicht zu rechnen. Folglich ist die Zusage oder Gewährung der Sicherheit lediglich außerhalb des Rechenwerkes „unter dem Strich“ zu vermerken (§ 251 Satz 1 HGB), der Gegenanspruch auf Befreiung oder Rückgriff bleibt, um nicht das Rechenwerk zu verzerren, ebenfalls außen vor4. 35 Indes: Damit kann es nicht sein Bewenden haben; vielmehr ist schon im frühen

Zeitpunkt der (rechtsverbindlichen) Sicherheitszusage oder -gewährung5 zu fingieren, dass die Gesellschaft aus der Sicherheit tatsächlich in Anspruch genommen wird6. Denn wenn sich das Risiko der Inanspruchnahme später so steigert, dass die Gesellschaft eine Rückstellung nach § 249 Abs. 1 HGB bilden oder gar die Verpflichtung aus der Sicherheit passivieren muss (§ 247 Abs. 1 HGB), dann finden diese bilanziellen Veränderungen ihren Auslöser in den tatsächlichen Verhältnissen des Gesellschafters, aber nicht in Geschäftsführungshandlungen, die iSd § 30 Abs. 1 Satz 1 als Auszahlungen qualifiziert werden können7; es fehlt die notwendige Veranlassung8 durch die Gesellschaft. Das aber darf die Schutzregeln der Kapitalerhaltung nicht leerlaufen lassen; um sie zu effektuieren, ist deshalb bereits für den Zeitpunkt der Sicherheitszusage oder -gewährung vom Eintritt des Sicherheitsfalls auszugehen und zu prüfen, wie sich dies auf die Vermögenslage der Gesellschaft auswirken würde. Diese würde vom Sicherungsnehmer nicht in Anspruch genommen werden, wenn der Gesellschafter leistungsfähig wäre; daher ist auch der Rückgriffsanspruch der Gesellschaft gegen diesen in aller Regel zumindest nicht vollwertig gemäß § 30 Abs. 1 Satz 2, wenn nicht gar wertlos9.

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Hierzu auch Altmeppen ZIP 2009, 52 f. AA MünchKomm/Ekkenga Rn 140, der auf die Verwertung abstellen will. Drygala/Kremer ZIP 2007, 1295; Flesner NZG 2006, 645 f. Er kann jedoch nach Wahl der Gesellschaft ebenfalls „unter dem Strich“ auf der Aktivseite der Bilanz vermerkt werden (Grottel/Haußer Beck BK, § 251 HGB Rn 12; Großkomm/Kleindiek 4. Aufl 2002, § 251 HGB Rn 28). R/A/Altmeppen Rn 125, 137. Ähnlich B/H/Fastrich Rn 62; aA U/H/L/Habersack Rn 98. Deshalb liegt in dieser Fiktion keine Rückkehr zum „November“-Urteil (Rn 25). Scholz/Verse Rn 24; aA Möller Upstream-Kreditsicherheiten, 2015, S. 112: schon in der Bildung des Passivpostens liege die Geschäftsführer-Handlung. Im Ergebnis so auch Wand/Tillmann/Heckenthaler AG 2009, 148, 152; aA Scholz/Verse Rn 103.

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Konsequent kommt für Sicherheitsleistungen der Gesellschaft zugunsten ihrer 36 Gesellschafter die Ausnahmeregel des § 30 Abs. 1 Satz 2 nicht zum Zuge1; diese sind stets am Grundtatbestand des § 30 Abs. 1 Satz 1 zu messen: Führt die Sicherheit, die Inanspruchnahme der Gesellschaft aus ihr unterstellt, im Augenblick ihrer Zusage oder Gewährung zu einer Unterbilanz der Gesellschaft, zu ihrer Vertiefung oder gar zur Überschuldung? Dabei ist der kompensierende Rückgriffsanspruch aus Vorsichtsgründen (Rn 35) als wertlos zu fingieren. Im Ergebnis bedeutet dies: Falls die Gesellschaft die Sicherheit im Moment ihrer Zusage oder Gewährung vollständig aus ihrem freien Vermögen (oberhalb des Stammkapitals) leisten könnte, steht § 30 Abs. 1 Satz 1 dieser Zusage etc nicht entgegen. Sollten sich die Vermögensverhältnisse der Gesellschaft danach verschlechtern, berechtigt dies den Geschäftsführer nicht, die tatsächliche Leistung der Sicherheit unter Berufung auf § 30 Abs. 1 Satz 1 zu verweigern. Davon unberührt bleibt die Verpflichtung des Geschäftsführers aus § 43 Abs. 1, in einem solchen Fall ggf den Gesellschafter auf Freistellung von der Sicherheitsleistung in Anspruch zu nehmen.

9. Cash-Pooling Die oben für Darlehen der Gesellschaft an ihre Gesellschafter (Rn 25 ff) und für 37 deren Sicherheitsleistungen zugunsten der Gesellschafter (Rn 34 ff) entwickelten Überlegungen gelten in grundsätzlich gleicher Weise für das Cash-Pooling im Konzern, also für die taggenaue Sammlung aller bei den Konzerngesellschaften angefallenen Liquidität an einer zentralen Stelle, zumeist bei der konzernherrschenden Gesellschaft, der zentralen Liquiditätsdisposition durch diese und der täglichen Versorgung der Konzerngesellschaften mit der benötigten Liquidität2. Namentlich den Cash-Poolsystemen will das MoMiG mit der Regelung in § 30 Abs. 1 Satz 2 (vollwertiger Rückgewähranspruch) eine feste Rechtsgrundlage geben3, ohne damit jedoch nähere Vorgaben zur Ausgestaltung solcher Systeme zu machen4. Grundlage für die Zahlungsströme im Konzern sind Darlehensverträge5 der konzernherrschenden Gesellschaft mit den einzelnen Konzerngesellschaften; sie führen regelmäßig zu Rückgewähransprüchen täglich wechselnden Umfangs der konzernabhängigen Gesellschaft gegenüber der konzernherrschenden; denkbar sind aber auch umgekehrt Rückgewähransprüche der herrschen1 AA U/H/L/Habersack Rn 96; G/E/S/Kuntz Rn 46; Möller Upstream-Kreditsicherheiten, 2015, S. 84 ff; B/S/Thiessen Rn 80. 2 Gärtner Cash Pooling, S. 52 ff; Vetter/Stadler Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, 2003, S. 1 ff; Habersack/Schürnbrand NZG 2004, 689, 690; Jula/Breitenbach AG 1997, 256; Strohn DB 2014, 1535. 3 BR-Drucks 354/07, S. 93 f. 4 Dazu Strohn DB 2014, 1535. 5 Henze WM 2005, 717; Strohn DB 2014, 1535, 1536.

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§ 30 | Kapitalerhaltung den Gesellschaft gegenüber allen oder einigen abhängigen. Ob die Rückgewähransprüche zu verzinsen sind, hängt im einzelnen Cash-Poolsystem von dessen Rahmenvereinbarung ab. In aller Regel wird der Kontokorrentsaldo, den das den Gesamtkonzern finanzierende Kreditinstitut gegen die konzernherrschende Gesellschaft hat, durch dingliche Sicherheiten unterlegt, die sämtliche Konzerngesellschaft beibringen1. Am (regelmäßig unabsehbaren) Ende des Cash-Poolsystems sind die dann noch offenen Rückgewähransprüche aus den Darlehensbeziehungen zu erfüllen sowie die Sicherheiten freizugeben, sofern sie nicht noch benötigt werden. 38 a) Schon der Abschluss des Rahmenvertrages für das Cash-Poolsystem2 ist auf

Seiten der konzernabhängigen Gesellschaft eine Auszahlung nach § 30 Abs. 1 Satz 1 und nicht erst die einzelne Liquiditätsabfuhr3. Denn mit dem Vertragsabschluss verpflichtet sich die Gesellschaft auf Dauer und nicht einseitig widerrufbar, ihre Liquidität täglich an die konzernherrschende Gesellschaft abzuführen. Funktional entspricht der Abschluss des Rahmenvertrages einer Kreditzusage der Gesellschaft gegenüber ihrem Gesellschafter; schon dies ist eine Auszahlung iSv § 30 (Rn 8). Das Ziel einer effektiven Kapitalerhaltung (Rn 1) erfordert es, beim Cash-Pooling schon den Abschluss des Rahmenvertrages an § 30 zu messen. Wenn dieser nicht gegen das Auszahlungsverbot verstößt, brauchen die einzelnen Liquiditätsabfuhren im Gefolge des Rahmenvertrages nicht mit Blick auf § 30 qualifiziert zu werden. Denn er verpflichtet die Gesellschaft zur Abfuhr; dem kann sich die Gesellschaft wie bei der Kreditzusage an ihren Gesellschafter (Rn 26 aE) selbst dann nicht entziehen, wenn nach dem Abschluss des Rahmenvertrages die Liquiditätsabfuhr isoliert betrachtet wegen Veränderung der Verhältnisse gegen § 30 verstoßen würde. Hiervon unberührt bleibt die Verpflichtung des Geschäftsführers aus § 43 Abs. 1, den Rahmenvertrag wegen qualifizierter Gefährdung der Gesellschaft Ansprüche aus ihm ggf außerordentlich fristlos mit Wirkung für die Zukunft zu kündigen (Rn 41) – namentlich, wenn sich das Cash-Poolsystemen inhärente Klumpenrisiko zu verwirklichen droht. – Zur Rechtslage bei fehlendem Rahmenvertrag Rn 45.

39 b) Als Auszahlung gewürdigt muss der Rahmenvertrag für das Cash-Poolsystem

in seinem Abschluss den Anforderungen des § 30 Abs. 1 Satz 2 gerecht werden, damit sein Abschluss und die auf seiner Grundlage von der Gesellschaft zu erbringenden Leistungen nicht dem Auszahlungsverbot des § 30 Abs. 1 Satz 1 unterfallen. Dann müssen den Leistungen der Gesellschaft vollwertige Gegenleis-

1 Vgl Altmeppen ZIP 2009, 52; s. auch Habersack/Schürnbrand NZG 2004, 695 f. 2 Für eine Qualifikation als GbR Decker ZGR 2013, 392 ff. 3 AA R/A/Altmeppen Rn 112; Strohn DB 2014, 1535, 1539 (mit der rechtspraktisch unerfüllbaren Verpflichtung sämtlicher Tochtergeschäftsführer, in Konsequenz die Bonität der Mutter täglich zu überprüfen); ähnlich MünchKomm/Ekkenga Fn 774: Möglichkeit der Leistungsverweigerung; aber diese steht mitnichten entgegen, schon den Vertragsabschluss als Auszahlung zu qualifizieren; Scholz/Verse Rn 88.

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tungen der konzernherrschenden Gesellschaft gegenüberstehen. Deren Gegenleistungen sind das Versprechen, die abhängige Gesellschaft mit der benötigten Liquidität taggenau zu versorgen, und dessen Erfüllung1, ggf die Verzinsung bestimmter Guthabenssockel auf einige Dauer sowie die Rückzahlung eines ggf bei Beendigung des Cash-Poolsystems bestehenden Restguthabens. Auf diese Gegenleistungen muss der abhängigen Gesellschaft im Rahmenvertrag ein notfalls auch durchsetzbarer (aber nicht besicherungs-bedürftiger)2 Anspruch gewährt werden, damit ihre Auszahlungen vollwertig kompensiert werden. Eine Guthabensverzinsung wird nicht in jedem Falle zu fordern sein, sondern erst ab einem bestimmten relativen und/oder absoluten Guthaben für einige Dauer; insoweit ist den Geschäftsleitungen ein gewisses unternehmerisches Ermessen einzuräumen3. c) Darüber hinaus erfordert die Vollwertigkeit der Gegenleistungen innerhalb 40 des Rahmenvertrages für das Cash-Poolsystem ein Informations-, Frühwarnund Reaktionssystem als Untersystem zugunsten der konzernabhängigen Gesellschaft4. Denn diese generiert regelmäßig positive Ergebnisse, so dass der Liquiditätsverkehr im Konzern darauf angelegt ist, Darlehensansprüche (Rn 37) gegen die herrschende Gesellschaft zu begründen. Zwar können diese Ansprüche mit den Zahlungsansprüchen der herrschenden Gesellschaft nach Verwendungsentscheid (§ 29 Rn 16 ff) jahresperiodisch verrechnet werden; solange und soweit dies jedoch (noch) nicht geschehen ist, verfügt die abhängige Gesellschaft über einen Rückzahlungsanspruch, dessen Pflege Aufgabe des Geschäftsführers ist. Die tatsächliche Durchsetzbarkeit, also Einbringlichkeit dieses Anspruchs (Rn 28) und die des möglichen Rückgewähranspruchs bei Systembeendigung (Rn 39) muss von Anbeginn gewährleistet sein, ebenso die taggenaue Liquiditätsversorgung der abhängigen Gesellschaft. Ihr Geschäftsführer muss all’ dies von Anbeginn aus eigener Rechtsmacht seiner Gesellschaft sicherstellen können; andernfalls sind die Gegenleistungen der herrschenden Gesellschaft nicht vollwertig iSd § 30 Abs. 1 Satz 2. Insoweit gilt dasselbe wie für isolierte Darlehen der Gesellschaft an ihren Gesellschafter (Rn 31): es muss ein Informations- und Reaktionssystem etabliert werden – beim Cash Poolsystem allerdings wegen der täglichen Entblößung von jeglicher Liquidität und dem daraus herrührenden Klumpenrisiko in jedem Falle und angereichert um Frühwarnkomponenten 1 Skeptisch Mülbert/Leuschner NZG 2009, 283. – Sollte die Liquiditätsversorgung der Gesellschaft zur Disposition der Konzernleitung stehen, so sind die Gegenleistungen nicht vollwertig (im Ergebnis so wohl auch R/A/Altmeppen Rn 122; reservierter Gärtner Cash Pooling, S. 496 f). 2 BGHZ 179, 71, 76 ff = GmbHR 2009, 199 – MPS; R/A/Altmeppen Rn 114. 3 S. von Falkenhausen/Kocher BB 2009, 122; aA Kiefner/Theusinger NZG 2008, 805 f. 4 Ohne Verknüpfung mit der Vollwertigkeit so auch BGH GmbHR 2009, 199, 202 Rn 14; Henze WM 2005, 726; Kropff NJW 2009, 816 f; Vetter/Stadler Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, 2003, S. 114 ff; s. auch Rn 31.

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§ 30 | Kapitalerhaltung wegen der besonderen Gefahren, denen die abhängige Gesellschaft beim CashPooling ausgesetzt ist1. Zugleich schützen die Einrichtung eines solchen Informations-, Frühwarn- und Reaktionssystems sowie dessen tatsächliche Nutzung in all seinen Komponenten den Geschäftsführer vor einer Haftung aus § 64 Satz 3; er hat dann die nach dieser Bestimmung haftungsausschließende Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes gewahrt. 40a Neben der Tochtergeschäftsleitung sollen auch die Mitglieder der Konzern-

geschäftsleitung für die Kontrolle der Gegenleistungen hinsichtlich ihrer Vollwertigkeit verantwortlich sein2 und konsequent (wie zu ergänzen ist) für die Einrichtung des Informations-, Frühwarn- und Reaktionssystems sowie für dessen effektives Funktionieren. Gestützt wird diese Verpflichtung mit beachtlichen Argumenten auf § 317 Abs. 3 AktG in analoger Anwendung.

41 Die Ausgestaltung des Informations-, Frühwarn- und Reaktionssystems un-

terliegt dem unternehmerischen Ermessen der beteiligten Geschäftsleitungen3. Es hat sich an den Systemzielen zu orientieren: den Geschäftsführer der abhängigen Gesellschaft zu befähigen, auf eine sich verschlechternde Lage der herrschenden Gesellschaft, welche die Liquiditätsversorgung der abhängigen und/ oder ihre Rückzahlungsansprüche gefährdet, so rechtzeitig zu reagieren, dass er von seiner Gesellschaft Nachteile und Schäden, soweit es irgend geht, abwenden kann4. Das erfordert zum ersten ein Informationssystem, in dem die Initiative, insbesondere die für ad hoc-Warnungen zwingend der Geschäftsleitung der konzernherrschenden Gesellschaft zugewiesen ist; Auskunftsrechte der abhängigen Gesellschaft müssen ergänzend hinzukommen, langen aber allein für sich genommen nicht aus. Zum zweiten braucht die Gesellschaft effektive Reaktionsbehelfe5: ein Recht, die Liquiditätsabfuhren einstweilen auszusetzen; einen Anspruch auf Besicherung des aktuellen (und ggf des künftigen) Darlehensguthabens; ein Recht, den Darlehensanspruch sofort zur Rückzahlung fällig stellen zu können; das Recht, den Rahmenvertrag außerordentlich mit sofortiger Wirkung zu kündigen. – Zu erwägen ist schließlich als Bestandteil des Rahmenvertrages das Versprechen eines Kreditinstituts, der abhängigen Gesellschaft auf deren Anforderung eine (nach Umfang und Zeitdauer begrenzte) Kreditlinie zu eröff1 So schon Henze WM 2005, 726; Strohn DB 2014, 1535, 1539 f; vom Informations- und Reaktionssystem als unverzichtbarem Bestandteil des Cash Management Systems gehen offenbar auch Vetter/Stadler Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, 2003, S. 111/115 aus. 2 R/A/Altmeppen Rn 108, 134 (überzogen die Primärverantwortung der Konzernleitung); vertiefend Gärtner Cash Pooling, S. 412 ff. 3 Formulierungsvorschläge bei Weitzel/Socher ZIP 2010, 1069, 1070 f. 4 Vgl OLG Düsseldorf GmbHR 2015, 303, 306. 5 Henze WM 2005, 726; Vetter/Stadler Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, 2003, S. 115.

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nen, damit die Gesellschaft den Ausfall der konzerninternen Liquiditätsversorgung überbrücken und ein eigenes Versorgungssystem aufbauen kann. d) Gestellung von Sicherheiten durch die abhängige Gesellschaft, um die Ver- 42 pflichtungen der herrschenden Gesellschaft gegenüber außenstehenden Kreditinstituten abzusichern, ist in Cash-Poolsystemen gebräuchlich. Auch sie unterliegen der Prüfung, ob der Gegenleistungsanspruch der Gesellschaft vollwertig iSd § 30 Abs. 1 Satz 2 ist1. Anders als bei der isolierten Besicherung des Gesellschafters (Rn 34 f) steht bei der im Cash-Poolsystem nicht der Befreiungs- oder Erstattungsanspruch der Gesellschaft im Vordergrund, sondern ihr Anspruch auf Versorgung mit der täglich benötigten Liquidität (Rn 39). Zu seiner Erfüllung tragen die von der abhängigen Gesellschaft mitbesicherten Rechtsbeziehungen der herrschenden zu außenstehenden Kreditinstituten mit bei. Mithin sind diese Sicherheiten Teil des Cash-Poolsystems und müssen innerhalb des Rahmenvertrages gewürdigt werden. Vollwertig muss daher in erster Linie der Anspruch der Gesellschaft sein, die ge- 43 stellten Sicherheiten freizugeben, sobald jene aus dem Cash-Poolsystem ausscheidet – sei es im Wege ordentlicher oder außerordentlicher Beendigung. Im Interesse der Effektivität muss der Freigabeanspruch auch direkt gegenüber den Sicherungsnehmern begründet werden. Das jedoch wird sich in den wenigsten Fällen durchsetzen lassen: Das außenstehende Kreditinstitut wird gerade in dem Moment, in dem die abhängige Gesellschaft das Cash-Poolsystem verlassen will, Wert auf die Kreditsicherheit und ggf auf ihre Verwertung legen. Allerdings ist der Freigabeanspruch der abhängigen Gesellschaft dann und inso- 44 weit „vollwertig“ iSv § 30 Abs. 1 Satz 2, wenn die Sicherheitenverwertung von vornherein in dem Maße eingeschränkt wird, dass das Stammkapital von ihr unberührt bleibt (limitation language)2; ggf muss ein Teil des Verwertungserlöses in das Vermögen der Gesellschaft zurückfließen, um ihr Stammkapital entsprechend aufzustocken. Wenn dies im Rahmenvertrag verankert wird, ist der „Freigabeanspruch“ der abhängigen Gesellschaft „vollwertig“. Im Interesse der Effektivität muss diese jedoch den Sicherungsnehmern diese Einschränkung ihrer Verwertungsbefugnisse auch direkt, also ohne Einschaltung der herrschenden Gesellschaft entgegenhalten können. Das hat diese in ihrer Sicherungsabrede mit den Sicherungsnehmern zu vereinbaren (Einschränkung zugunsten Dritter). – Alternativ kommt für die Sicherungsnehmer ein mittelbarer Zugriff auf das Tochtervermögen auf dem Weg über die Verpfändung oder Sicherungsübertragung der Beteiligung in Betracht, welche die konzernherrschende Gesellschaft an der abhängigen hält, verbunden mit der Abrede, dass die abhängige Gesellschaft Dritten keine Sicherheiten einräumt. 1 R/A/Altmeppen Rn 168. 2 Dazu Wand/Tillmann/Heckenthaler AG 2009, 148, 155; Komo GmbHR 2010, 230, 234 f; Theusinger/Kapteina NZG 2011, 881, 886; aA R/A/Altmeppen Rn 149; Scholz/Verse Rn 103.

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§ 30 | Kapitalerhaltung 45 e) Fehlt für das Cash-Poolsystem ein Rahmenvertrag, so ist für die Vollwertig-

keit iSd § 30 Abs. 1 Satz 2 der Darlehensanspruch der Gesellschaft gegen die konzernherrschende im Augenblick der Liquiditätsabfuhr maßgeblich. Die Vollwertigkeit ist also täglich zu überprüfen. Denn der Weisung der konzernherrschenden Gesellschaft oder auch ihrer bloßen Veranlassung, die Liquidität abzuführen, kann und muss sich der Geschäftsführer der abhängigen entziehen, wenn die Abfuhr mangels Vollwertigkeit des kompensierenden Darlehensanspruchs (Rn 25) zu einem Verstoß gegen das Auszahlungsverbot aus § 30 Abs. 1 Satz 1 führen würde. Die abhängige Gesellschaft ist nicht durch eine vorangehende Verpflichtung, funktional vergleichbar einer Kreditzusage (Rn 26 aE), gebunden.

46 Auf diese tägliche Prüfung sind die Informationen auszurichten, die die kon-

zernherrschende Gesellschaft dem Geschäftsführer der abhängigen für diesen Zweck gewähren muss (Rn 40 ff); sie sind regelmäßig sehr zeitnah beizustellen. Hierauf ist der abhängigen Gesellschaft ein Anspruch zu gewähren. Ohne ihn ist der kompensierende Darlehensanspruch nicht vollwertig, darf sich der Geschäftsführer der abhängigen Gesellschaft auf die angesonnene Liquiditätsabfuhr unter Haftungsandrohung (§ 43 Abs. 2/3) nicht einlassen. – Gleiches gilt für das Recht der abhängigen Gesellschaft, das ggf entstandene Darlehensguthaben bei Gefährdung seiner Einbringlichkeit sofort zurückfordern zu können; das Recht zur außerordentlichen Kündigung des Darlehens muss mit der Verpflichtung der konzernherrschenden Gesellschaft abredegemäß verbunden werden, die Darlehensvaluta auf erstes Anfordern der abhängigen Gesellschaft sogleich zurückzugewähren. – Sicherheiten zugunsten außenstehender Sicherungsnehmer darf die konzernabhängige Gesellschaft nur unter der Voraussetzung gewähren, dass jene ihre Verwertungsbefugnis in einem Versprechen direkt zugunsten der abhängigen Gesellschaft auf deren Vermögen oberhalb des Stammkapitals beschränken (Rn 44).

10. Weitere Durchbrechungen des Auszahlungsverbots 47 a) Das Kapitalerhaltungssystem mit dem Auszahlungsverbot des § 30 Abs. 1

Satz 1 in seinem Zentrum kommt nicht zum Zuge, wenn die Gesellschaft einen Beherrschungs- oder einen Gewinnabführungsvertrag entsprechend § 291 Abs. 1 AktG abgeschlossen hat und deshalb in ihrem Interesse, in dem ihrer Gläubiger und in dem ihrer außenstehenden Gesellschafter durch den Anspruch auf Verlustausgleich entsprechend § 302 AktG geschützt wird1. Das war schon vor dem MoMiG geltendes Recht2 und ist nun in § 30 Abs. 1 Satz 2 ausdrücklich

1 BGHZ 168, 285 = GmbHR 2006, 928. 2 Zutreffender Hinweis bei Goette Einführung in das neue GmbH-Recht, 2008, Einführung, Rn 53.

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verlautbart. Eigenständigen Gehalt hatte die Neuregelung jedoch insofern, als die Leistungen der Gesellschaft bei Bestehen eines solchen Unternehmensvertrages freigestellt sind und nicht bloß wie zuvor auf Grund eines solchen Vertrages1. Damit sind nicht allein Leistungen der Gesellschaft an den Vertragspartner, das herrschende Unternehmen, dem Auszahlungsverbot des § 30 Abs. 1 Satz 1 entzogen, sondern weitergehend ebenfalls Leistungen an andere Unternehmen, die mit dem herrschenden gemäß §§ 15 ff AktG verbunden sind2, also zB an die Konzernschwester der Gesellschaft. Diese erweiterte Freistellung findet ihre Rechtfertigung darin, dass das herrschende Unternehmen auch für solche Leistungen das Einstandsrisiko trägt, wenn sie zu einem Verlust bei der Gesellschaft führen. Diese verdrängende Freistellung aus § 30 Abs. 1 Satz 2 findet ihre immanente 48 Grenze zwar im vertragskonzernrechtlichen Verbot existenzgefährdender Weisungen3, aber nicht in der Unfähigkeit des herrschenden Unternehmens, den jahresperiodischen Verlust der Gesellschaft auszugleichen4. Solange der Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag nicht auf der Grundlage des § 297 Abs. 1 AktG gekündigt ist, bleibt die Freistellung bei Bestand. Das erfordert das Gebot der Rechtssicherheit. Deshalb kommt auch kein suspendierendes Leistungsverweigerungsrecht wegen voraussichtlicher Ausgleichsunfähigkeit des herrschenden Unternehmens in Betracht; Voraussetzung einer Suspension ist die außerordentliche Kündigung. Von der Freistellung aus § 30 Abs. 1 Satz 2 unberührt bleibt die Verpflichtung 49 des Geschäftsführers, fortlaufend zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung des Unternehmensvertrages nach § 297 Abs. 1 AktG eingetreten sind, ob also das herrschende Unternehmen voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, den Verlustausgleich an die Gesellschaft zu leisten5. Sobald die Voraussetzungen nach der pflichtgemäß zu bildenden Überzeugung des Geschäftsführers eingetreten sind, muss er die Kündigung aussprechen und ggf alle weiteren Leistungen seiner Gesellschaft trotz Streits über die Wirksamkeit der Kündigung vorerst verweigern. – Um vom Kündigungsrecht ggf Gebrauch machen zu können, muss sich der Geschäftsführer anhand ihm zugänglicher Quellen informiert halten. Die Einrichtung eines Informations- und Früh1 Vertiefend hierzu MünchKomm/Ekkenga Rn 269; Scholz/Verse Rn 73. 2 Enger wohl Bormann/Urlichs in Römermann/Wachter, GmbH-Beratung nach dem MoMiG, GmbHR-Sonderheft 2008, S. 47 f: dem Gesellschafter gleichgestellter Dritter. 3 OLG Düsseldorf AG 1990, 490, 492; Schmolke Kapitalerhaltung, S. 70 (Rn 168); K. Schmidt/Lutter/Langenbucher § 308 AktG Rn 31 mwN. 4 AA R/A/Altmeppen Rn 100 f; Bormann/Urlichs in Römermann/Wachter, GmbH-Beratung nach dem MoMiG, GmbHR-Sonderheft 2008, S. 47; Scholz/Verse Rn 75; Wand/ Tillmann/Heckenthaler AG 2009, 148, 154. 5 Zutreffend Bormann/Urlichs in Römermann/Wachter, GmbH-Beratung nach dem MoMiG, GmbHR-Sonderheft 2008, S. 47.

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§ 30 | Kapitalerhaltung warnsystems wie beim Cash Pooling (Rn 40 ff) wird allerdings in der Regel nicht erforderlich sein. 50 b) Nach § 30 Abs. 1 Satz 3 findet das Auszahlungsverbot aus § 30 Abs. 1 Satz 1

keine Anwendung auf die Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen und wirtschaftlich entsprechende Handlungen. Damit hat das MoMiG mitsamt dem Eigenkapitalersatzrecht auch dessen frühere sog Rechtsprechungsregeln außer Kraft setzen wollen. Tilgungsgrenzen enthält nunmehr allein § 64 Satz 3.

11. Rechtsfolgen 51 In erster Linie wendet sich § 30 Abs. 1 an die Geschäftsführer; sie dürfen keine

verbotenen Auszahlungen vornehmen (§ 43 Abs. 1, 3); erst wenn diesem vorbeugenden Gebot zuwidergehandelt worden ist, kommt die Ausgleichsregelung des § 31 Abs. 1 zum Zuge, nämlich die Pflicht zur Rückerstattung der Auszahlung an die Gesellschaft. Nicht geregelt ist die Frage, welche Wirkung das Auszahlungsverbot auf das Versprechen einer Leistung und auf die Erfüllung des Leistungsversprechens hat.

52 a) Liegt die verbotswidrige Auszahlung in der Eingehung einer Verbindlichkeit

gegenüber einem Gesellschafter, so ist diese Verbindlichkeit zwar keineswegs nichtig1 – und zwar selbst dann nicht, wenn die Beteiligten auf Umgehung des Kapitalschutzes abzielen2. Vielmehr ist die Verbindlichkeit durchaus entstanden, aber gehemmt: Solange und soweit die Verbindlichkeit zu einer Unterbilanz führt oder diese vertieft, können und müssen die Geschäftsführer die Erfüllung verweigern3. Das ist im Prozess von Amts wegen zu berücksichtigen4. Sollte sich dagegen die Lage der Gesellschaft so verbessern, dass sich die verbindlichkeitsbedingte Unterbilanz auflöst, so wird der Anspruch des Gesellschafters ungehemmt und darf erfüllt werden. Allerdings steht er, solange er nicht erfüllt ist, unter der Drohung wieder eintretender Unterbilanz; demnach besteht die Verbindlichkeit der Gesellschaft zwar während der Unterbilanz, darf jedoch nicht erfüllt werden5. Sollte der Gesellschafter von sich aus die Vollwertigkeit der Gegenleistung nachträglich herstellen (zB durch Erhöhung des Kaufpreises), so hebt dies die Erfüllungssperre auf; die Gesellschaft darf die sie begünstigende Herstellung der Vollwertigkeit nicht verweigern6. – Vom Wegfall des Auszahlungsverbots nach § 30 ist der Wegfall eines bereits entstandenen Erstattungs-

1 B/H/Fastrich Rn 67 mwN; Scholz/Verse Rn 120 ff; Joost ZHR 148 (1984), 30 ff. 2 BGH GmbHR 1997, 790, 791 f. 3 B/H/Fastrich Rn 67; Henze S. 151; anders der Lösungsvorschlag von Joost ZHR 148 (1984), 32: Rangrücktritt. 4 MünchKomm/Ekkenga Rn 282; Scholz/Verse Rn 117. 5 Vgl Meister WM 1980, 394 f. 6 Enger R/A/Altmeppen Rn 156 f.

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anspruchs gemäß § 31 zu unterscheiden. Letzterer geht nach zutreffender Rspr des BGH auch bei „nachhaltiger Wiederherstellung“ des Stammkapitals nicht wieder unter1. b) Geht die Gesellschaft (entgegen dem Eingehungsverbot oben Rn 52) eine 53 Verbindlichkeit gegenüber einem Dritten ein, dann ist diese einwendungsfrei wirksam2. Denn das Auszahlungsverbot richtet sich an die Gesellschafter (neben den Geschäftsführern), nicht aber an Dritte (Rn 2 f); deshalb darf diese kein Nachteil treffen3. Dritten gegenüber ist eine Verbindlichkeit allein unter der Voraussetzung unwirksam (s. aber auch Rn 55), dass der Dritte mit dem Gesellschafter bewusst zum Schaden der Gesellschaft oder ihrer Gläubiger zusammengewirkt hat4. Wirksam ist die verbotswidrige Verbindlichkeit aber nur im Verhältnis zum 54 Dritten, nicht jedoch im Verhältnis zum beteiligten Gesellschafter; er ist nach § 31 Abs. 1 sofort verpflichtet, unter allen Umständen die Entlassung seiner Gesellschaft aus der Verbindlichkeit gegenüber dem Dritten herbeizuführen. In diesem Verhältnis besteht somit eine rechtshemmende Einwendung5. Für einen bereicherungsrechtlichen Ausgleich ist neben dem speziellen § 31 Abs. 1 kein Raum6. Nicht wie eine Verbindlichkeit gegenüber einem Dritten, sondern wie die gegen- 55 über einem Gesellschafter sind Drittschulden zu behandeln, wenn der Dritte als Familienangehöriger oder als verbundenes Unternehmen dem Gesellschafter nahesteht (Rn 22). In einem solchen Fall ist das verbotswidrige Drittgeschäft einwendungsbehaftet (Rn 52). c) Hat sich die Gesellschaft zu einer verbotswidrigen Leistung an ihren Gesell- 56 schafter verpflichtet, so ist das dingliche Erfüllungsgeschäft wirksam, obwohl die Unterbilanz der Gesellschaft dadurch möglicherweise noch weiter verschlechtert wird. Denn der Rückgewähranspruch aus § 31 Abs. 1 und seine Absicherung durch die Solidarhaftung nach § 31 Abs. 3 sichern das Gesellschaftsvermögen und schützen damit die Gläubiger spezialgesetzlich und zudem 1 BGHZ 144, 336 = GmbHR 2000, 771; dazu § 31 Rn 12. 2 So auch Scholz/Verse Rn 105; Steinbeck WM 1999, 888 ff: es sei denn, Missbrauch der Vertretungsmacht, s. § 35 Rn 22. 3 AA Berg S. 108 f. 4 Zum Ganzen BGH WM 1982, 1402; LG Frankfurt ZIP 1997, 1464 = GmbHR 1997, 952; Abramenko GmbHR 1997, 878 ff; Mülbert ZGR 1995, 612; Sonnenhof/Stützle WM 1983, 3, 5; aA öOGH AG 1996, 572, 574: grobe Fahrlässigkeit; Schön ZHR 159 (1995), 366 für den Fall, dass der Gesellschaftsgläubiger sich die Haftungsmassen des Gesellschafters und der Gesellschaft zugleich erschließt; dagegen BGH ZIP 1998, 793, 796 = GmbHR 1998, 935; Sonnenhol/Groß ZHR 159 (1995), 412. 5 S. Berg S. 174. 6 BGH GmbHR 1997, 790, 792.

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nicht erfüllen; sie haben das Recht und die Pflicht (§ 43 Abs. 3), die versprochene Leistung zu verweigern. Eine solche Verweigerungspflicht besteht nicht, wenn die Verpflichtung bei ihrer Begründung unterbilanzneutral war (s. Rn 26 aE).

58 Ist die Verpflichtung einem Dritten gegenüber eingegangen worden und des-

halb wirksam, so können die Geschäftsführer ihm gegenüber die Leistung nicht verweigern2. Sie müssen jedoch vom beteiligten Gesellschafter verlangen, dass dieser die Unterbilanz, welche die Gesellschaft durch die Eingehung der Verbindlichkeit und durch deren Erfüllung erlitten hat und noch erleiden würde, durch eigene Maßnahmen ausgleicht; hierauf haben die Geschäftsführer mit geeigneten Maßnahmen nachdrücklich hinzuwirken. Sollte der Dritte gegen die Gesellschaft gar klagen, so hat diese einen Freistellungsanspruch gegen ihren Gesellschafter.

59 e) Zum Erstattungsanspruch der Gesellschaft, seinem Gegner und seinem In-

halt s. § 31 Rn 3 ff.

12. Die GmbH & Co KG 60 a) In der GmbH & Co KG können Auszahlungen aus dem KG-Vermögen an

einen Kommanditisten das Gesellschaftsvermögen sowohl der KG als auch das ihrer Komplementär-GmbH verkürzen3. Denn eine Schmälerung des KG-Vermögens kann die GmbH dazu zwingen, ihre KG-Beteiligung außerordentlich abzuschreiben, und außerdem führt das möglicherweise gesteigerte Risiko, von den KG-Gläubigern nach §§ 161 Abs. 2, 128 HGB in Anspruch genommen zu werden, zum Zwang, eine Rückstellung zu passivieren, falls der Ersatzanspruch der GmbH gegen die KG (§ 110 HGB) wirtschaftlich gefährdet erscheint. Diese Wertveränderungen im GmbH-Vermögen mögen bei ihr zu einer Unterbilanz führen. Deshalb können Auszahlungen an Kommanditisten nicht nur zum Wiederaufleben der Kommanditisten-Haftung führen (§ 172 Abs. 4 Satz 1 HGB), sondern daneben gegen § 30 verstoßen. Beide Haftungsordnungen kommen nebeneinander zum Zuge4.

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BGH GmbHR 1997, 790, 792; B/H/Fastrich Rn 67; Joost ZHR 148 (1984), 42. Sonnenhol/Stützle WM 1983, 3 f im Anschluss an BGH WM 1982, 1402. Eingehend U/H/L/Habersack Rn 125; Scholz/Verse Rn 130 ff. BGHZ 60, 327 f.

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Kapitalerhaltung | § 30

Wegen des möglichen Rückstellungszwangs ist ein Durchschlag auf das GmbH- 61 Vermögen selbst dann möglich, wenn die GmbH an der KG keine Kapitalbeteiligung hält. b) Würde die Auszahlung aus dem KG-Vermögen zu einer GmbH-Unterbilanz 62 in einer GmbH & Co KG führen, in welcher der empfangende Kommanditist zugleich als GmbH-Gesellschafter beteiligt ist, so handelt es sich um eine nach § 30 verbotene Auszahlung; die Geschäftsführer der geschäftsführenden GmbH müssen in der KG die Auszahlung unterlassen. Ob die Leistung dem Empfänger in seiner Rolle als Kommanditist oder als GmbH-Gesellschafter zufließen würde, ist gleichgültig. – Für Leistungen aus dem KG-Vermögen an Dritte gilt das für die GmbH Bemerkte (Rn 52 ff, 58) entsprechend. Hält die KG sämtliche Anteile an der Komplementär-GmbH (Einheitsgesell- 63 schaft), so gilt das Auszahlungsverbot gegenüber den Kommanditisten, obwohl sie nicht an der GmbH beteiligt sind1. Ein Verbotsverstoß kann insbesondere dann vorliegen, wenn die GmbH den KG-Anteil von ihrem Gesellschafter erwirbt und die Gegenleistung an den Kommanditisten dem KG-Vermögen entnommen wird. Ist der empfangende Kommanditist nicht an der GmbH beteiligt, ohne dass 64 eine Einheitsgesellschaft vorliegt, so gilt ihm gegenüber dennoch das Auszahlungsverbot aus § 302; denn zum einen sind die Kommanditisten in einer solchen Organisationsform mit beschränktem Haftungsfonds für dessen Erhaltung mitverantwortlich3, und zwar unabhängig von bloßem Anlegerinteresse oder von fehlender Einflussmacht auf die Geschäftsführer4. Zum anderen könnten die Geschäftsführer ohne das Auszahlungsverbot zu einer Auszahlung gezwungen werden, ohne dass den Gläubigern in § 172 Abs. 4 Satz 1 HGB ein hinreichender Ausgleich gewährt würde5. – Zur Erstreckung auf Stille Rn 18. Für den Sonderfall einer GmbH & Co KG, an der zusätzlich eine natürliche Per- 65 son als Komplementär beteiligt ist, sollen eigenständige Regeln gelten6: Auch in einer solchen Organisationsform ist jeder Kommanditist, der zugleich an der Komplementär-GmbH beteiligt ist, für deren Ausstattung mit haftendem Kapital mitverantwortlich. Konsequent sind Zahlungen aus dem KG-Vermögen (nicht anders als Zahlungen aus dem GmbH-Vermögen) an einen solchen Kommanditisten verbotene Auszahlungen nach § 30 Abs. 1, wenn dadurch in der 1 U/H/L/Habersack Rn 128. 2 BGHZ 110, 342, 355 ff = GmbHR 1990, 251; OLG Celle NZG 2004, 183 = GmbHR 2003, 900, 901; Schmolke Kapitalerhaltung, S. 90 (Rn 229); Scholz/Verse Rn 131, 133. 3 Berg S. 165; Hunscha GmbHR 1973, 260 f. 4 BGHZ 110, 355; enger U/H/L/Habersack Rn 128: nur bei qualifiziertem Informationsrecht des Kommanditisten. 5 Vgl schon BGHZ 60, 324, 327 f. 6 BGH GmbHR 2015, 248, 249 [10].

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§ 30 | Kapitalerhaltung GmbH eine Unterbilanz herbeigeführt oder noch weiter vertieft wird. Denn aus der doppelten Beteiligung des Gesellschafter-Kommanditisten an beiden Gesellschaften dieser Organisationsform folgt seine Gesamtverantwortung für deren Kapitalausstattung in ihrer Gänze. Daran ändert die zusätzliche Beteiligung einer natürlichen Person an der KG als Komplementär nichts. 66 Dagegen ist der Kommanditist, der ausschließlich an der KG beteiligt ist (Nur-

Kommanditist) in dieser Sonderform der GmbH & Co KG für das Haftkapital der Komplementär-GmbH regelmäßig nicht mitverantwortlich. Die Kapitalausstattung dieser besonderen Organisationsform soll deshalb außerhalb des Verantwortungsbereichs des Nur-Kommanditisten liegen, weil die natürliche Person als (zusätzlicher) Komplementär für die Kapitalausstattung der KG zumindest mitverantwortlich sei1. Deren gesteigerte Haftungsrisiken (lebenslang mit dem gesamten Privatvermögen) sollen mithin die Entlastung des Nur-Kommanditisten in dieser Sonderform der GmbH & Co KG rechtfertigen.

67 c) Zur Erstattungspflicht des Kommanditisten: § 31 Rn 3, 10.

13. Nachschüsse 68 Dem Auszahlungsverbot (§ 30 Abs. 1) unterliegen gleichfalls die eingezahlten

Nachschüsse; sie dürfen an die Gesellschafter nur unter der Voraussetzung zurückgezahlt werden, dass dadurch keine Unterbilanz entsteht oder vertieft wird (arg § 30 Abs. 2 Satz 1). Über das allgemeine Auszahlungsverbot hinaus gibt § 30 Abs. 2 für das Nachschusskapital noch eine zusätzliche Sicherung, die Platz greift, falls die Nachschussrückzahlung nicht gegen das Auszahlungsverbot verstößt. Damit trägt das Gesetz der besonderen Rechtsqualität des Nachschusskapitals Rechnung, das zwar kein Stammkapital, aber dennoch unternehmerisches Risikokapital ist (vgl § 42 Abs. 2 Satz 3; s. auch § 26 Rn 2)2.

69 § 30 Abs. 2 unterliegen nur die Nachschüsse, zu denen sich die Gesellschafter im

Gesellschaftsvertrag verpflichtet haben und die tatsächlich erbracht worden sind. Für den obligatorischen und seit dem JKomG gemäß § 12 bekanntzumachenden Rückzahlungsbeschluss der Gesellschafter (§ 46 Nr. 33) gelten materielle Beschlussvoraussetzungen4, und er darf erst nach einer dreimonatigen Sperrfrist vollzogen werden. – Nachschüsse, die im Einklang mit § 30 Abs. 1/2 zurückgezahlt worden sind, gelten als nicht eingefordert5.

1 BGH GmbHR 2015, 248, 249 [10]. 2 Verbreitet wird in den Verfahrens-Voraussetzungen ein Schutzinstrumentarium zugunsten möglicher Anteilserwerber gesehen (MünchKomm/Ekkenga Rn 293; U/H/L/ Habersack Rn 140). 3 Zu ihm näher Schmolke Kapitalerhaltung, S. 85 f (Rn 214 ff). 4 Näher Scholz/Verse Rn 140 f. 5 Näher U/H/L/Habersack Rn 150.

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Erstattung verbotener Rückzahlungen | § 31

§ 31 Erstattung verbotener Rückzahlungen (1) Zahlungen, welche den Vorschriften des § 30 zuwider geleistet sind, müssen der Gesellschaft erstattet werden. (2) War der Empfänger in gutem Glauben, so kann die Erstattung nur insoweit verlangt werden, als sie zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist. (3) Ist die Erstattung von dem Empfänger nicht zu erlangen, so haften für den zu erstattenden Betrag, soweit er zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist, die übrigen Gesellschafter nach Verhältnis ihrer Geschäftsanteile. Beiträge, welche von einzelnen Gesellschaftern nicht zu erlangen sind, werden nach dem bezeichneten Verhältnis auf die übrigen verteilt. (4) Zahlungen, welche auf Grund der vorstehenden Bestimmungen zu leisten sind, können den Verpflichteten nicht erlassen werden. (5) Die Ansprüche der Gesellschaft verjähren in den Fällen des Absatzes 1 in zehn Jahren sowie in den Fällen des Absatzes 3 in fünf Jahren. Die Verjährung beginnt mit dem Ablauf des Tages, an welchem die Zahlung, deren Erstattung beansprucht wird, geleistet ist. In den Fällen des Absatzes 1 findet § 19 Abs. 6 Satz 2 entsprechende Anwendung. (6) Für die in den Fällen des Absatzes 3 geleistete Erstattung einer Zahlung sind den Gesellschaftern die Geschäftsführer, welchen in betreff der geleisteten Zahlung ein Verschulden zur Last fällt, solidarisch zum Ersatz verpflichtet. Die Bestimmungen in § 43 Abs. 1 und 4 finden entsprechende Anwendung. Abs. 5 geändert und Abs. 6 Satz 2 angefügt durch Gesetz vom 9.12.2004; amtliche Überschrift durch MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl I 2026) ergänzt. Text im Übrigen unverändert sei 1892. 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Erstattungsanspruch . . . . . . 3. Anspruchsreduktion wegen guten Glaubens . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Solidarhaftung der übrigen Mitgesellschafter . . . . . . . . . . . .

. .

1 3

. 16

5. Schmälerungsverbote . . . . . . . . . 26 6. Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 7. Haftung der Geschäftsführer . . . . 33

. 20

Literatur: Vor § 30.

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§ 31 | Erstattung verbotener Rückzahlungen 1. Überblick 1 Die Bestimmung regelt die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen das materielle

(§ 30 Abs. 1) oder gegen das formelle Auszahlungsverbot (§ 30 Abs. 2)1. Der Erstattungsanspruch aus § 31 Abs. 1 und die Solidarhaftung der Mitgesellschafter aus § 31 Abs. 3 haben (zusammen mit dem Auszahlungsverbot des § 30) die Aufgabe, das Gesellschaftsvermögen in Höhe des Stammkapitals2 vor Zugriffen der Gesellschafter zu schützen und so als Mindestbetriebsvermögen zur Bestandssicherung der Gesellschaft und als Befriedigungsreserve zugunsten der Gesellschaftsgläubiger zu erhalten3. Erstattungsanspruch und Solidarhaftung zielen darauf ab, den durch die Auszahlung geminderten Haftungsfonds der Gesellschaft in seinem Wert dadurch auf den alten Stand zu bringen, dass der Gegenstand der Auszahlung zurück ins Gesellschaftsvermögen geführt wird4. Der Erstattungsanspruch soll die Lücke in der Kapitaldeckung der Gesellschaft beseitigen5; das ist sein Ziel. Primäres Mittel zur Erfüllung dieses Anspruchs ist die Rückgabe des im Gewande der Auszahlung weggegebenen Gegenstandes. Nur wenn und soweit dieser gar nicht oder nicht vollwertig zurückgegeben werden kann, muss der Gesellschafter Wertersatz in Geld leisten, um das Gesellschaftsvermögen wertmäßig auf den ursprünglichen Stand zu bringen6. Dieser Anspruch auf Wertauffüllung tritt nicht als weiterer Anspruch zu dem auf Rückerstattung hinzu7, vielmehr sind beide „Ansprüche“ lediglich Ausprägungen des einen Erstattungsanspruchs aus § 31 Abs. 1. Wenn nicht, wie regelmäßig, Geld an den Gesellschafter ausgezahlt, sondern ein sonstiger Gegenstand an ihn geleistet worden ist, kommt eine primäre „Rückgabe“-Pflicht in Geld nicht in Betracht; andernfalls würde dem Gesellschafter ein in § 31 nicht enthaltenes (und nur im Einverständnis mit der Gesellschaft überwindbares8) Verwertungsrisiko aufgebürdet9. Aus dem MoMiG mit seiner „Rückkehr zur bilanziellen Betrachtung“ (§ 30 Rn 3) lässt sich eine Risikoverlagerung zulasten des Gesellschafters 1 2 3 4

5 6 7 8 9

R/S-L/Pentz Rn 7. Zum Schutz der gesetzlichen Rücklage in der UG § 5a Rn 49 f sowie Scholz/Verse Rn 4. BGHZ 157, 72, 75 = GmbHR 2004, 302; BGHZ 176, 62, 65 Rn 10 = GmbHR 2008, 656. Hommelhoff FS Kellermann, 1991, S. 168; Ulmer FS GmbHG, 1992, S. 378; U/H/L/ Habersack Rn 2/23; Schmolke Kapitalerhaltung, S. 109 (Rn 32); unscharf BGHZ 176, 62, 65 Rn 9 = GmbHR 2008, 656: § 31 Abs. 1 sei grundsätzlich nicht auf Wertersatz gerichtet. K. Schmidt JZ 2008, 736. BGHZ 122, 333 = GmbHR 1993, 427; BGHZ 176, 62, 65 Rn 10 = GmbHR 2008, 656; Schmolke Kapitalerhaltung, S. 110 (Rn 33 f). So aber K. Schmidt JZ 2008, 737; K. Schmidt/Uhlenbruck Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn 1.45 f. Vgl K. Schmidt JZ 2008, 736. Anders BGHZ 176, 62, 65 Rn 9 = GmbHR 2008, 656; er stellt auf den Wertnachweis der Gesellschaft und die dadurch bedingte Schwächung des Kapitalschutzes ab.

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nicht herleiten. Außerdem würde eine primäre „Rückgabe“-Pflicht in Geld die § 31 Abs. 1 kennzeichnende Verbindung zwischen dem Ziel der Wertauffüllung und dem Mittel der Rückgabe unzulässig in ein Alternativverhältnis überführen. Der Erstattungsanspruch aus § 31 Abs. 1 ist ein eigenständig gesellschaftsrecht- 2 licher (Rück-)Einlageanspruch1, kein bloßer Bereicherungsanspruch2; deshalb kein Ausschluss des Anspruchs nach §§ 814, 818 Abs. 3 BGB (Kenntnis der Nichtschuld, Wegfall der Bereicherung). Im Einzelfall können bürgerlich-rechtliche Ansprüche, namentlich aus § 826 BGB (Existenzvernichtungshaftung, § 13 Rn 25 ff) neben dem Erstattungsanspruch zum Zuge kommen.

2. Der Erstattungsanspruch a) Inhaber des Erstattungsanspruchs ist die GmbH; ebenfalls, wenn in einer 3 GmbH & Co KG durch Leistungen aus dem KG-Vermögen das Stammkapital der Komplementär-GmbH versehrt wurde3; zum Empfänger der Erstattung Rn 10. Der Anspruch ist abtretbar, verpfänd- und pfändbar. Umstritten ist, ob die 4 Wirksamkeit der Abtretung davon abhängt, dass der Gesellschaft im Gegenzuge eine vollwertige Gegenleistung zufließt4; BGHZ 69, 274, 283 hat dies mit besseren Argumenten5 für den Fall abgelehnt, dass Abtretungsempfänger ein gesellschaftsfremder Dritter ist; erfolgt die Abtretung zum Zwecke der Befriedigung einer fälligen Forderung des Drittgläubigers, kommt es auf die Vollwertigkeit dieser Forderung nicht an6. Die gebotene Gleichbehandlung aller Gesellschaftsgläubiger ist durch Gläubiger- bzw Insolvenzanfechtung zu gewährleisten7. Anders, wenn Abtretungsempfänger Gesellschafter ist8. Eine Ausübungsermächtigung für Gesellschaftsgläubiger entsprechend § 62 5 Abs. 2 Satz 1 AktG kennt das GmbH-Recht nicht9. In Betracht kommt nur die 1 Lutter Kapital, S. 377 ff. 2 BGHZ 31, 258, 265; Scholz/Verse Rn 5 mwN; zutreffend auch K. Schmidt JZ 2008, 736. 3 S. § 30 Rn 60; vorsichtig offen B/H/Fastrich Rn 7; U/H/L/Habersack Rn 6; wie hier MünchKomm/Ekkenga Rn 22; aA R/L-S/Pentz Rn 73; S/I/Greitemann/Diers Rn 13; dagegen will Scholz/Verse Rn 91 neben der GmbH auch der KG den Anspruch zuordnen. 4 Dazu Scholz/Verse Rn 29. 5 S. auch Henze S. 153. 6 So BGHZ 69, 274, 283; bestätigend BGHZ 144, 336, 340 = GmbHR 2000, 771; zustimmend B/H/Fastrich Rn 6; MünchKomm/Ekkenga Rn 19. 7 R/S-L/Pentz Rn 4; aA Ulmer FS GmbHG, 1992, S. 383 wegen der möglichen Umgehung des Erlassverbots aus § 31 Abs. 4. 8 BGHZ 53, 71, 74. 9 So auch: Scholz/Verse Rn 8; B/H/Fastrich Rn 6; aA R/A/Altmeppen Rn 9: bei Insolvenz außerhalb des Insolvenzverfahrens Verfolgungsrecht der Gesellschaftsgläubiger.

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§ 31 | Erstattung verbotener Rückzahlungen actio pro societate eines einzelnen Gesellschafters auf Leistung an die Gesellschaft1. 6 b) Schuldner des Erstattungsanspruchs ist der Gesellschafter, der die verbotene

Auszahlung empfangen hat2 oder dem die Zuwendung der Gesellschaft an einen Dritten zuzurechnen ist (§ 30 Rn 20 ff). Von dritten Zuwendungsempfängern kann die Gesellschaft keine Erstattung verlangen3; ausnahmsweise doch, falls der Dritte in qualifizierter Nähe zum Gesellschafter steht4; der Dritte und der Gesellschafter sind dann Gesamtschuldner. Dagegen will der BGH5 auf qualifizierte Nähe-Voraussetzungen verzichten. – Zur Erstattung nach § 31 Abs. 1 ist ein Dritter verpflichtet, wenn er sich einen entgegen § 30 Abs. 1 begründeten und damit gehemmten Anspruch des Gesellschafters (§ 30 Rn 52) hat abtreten lassen; der Ausschluss gutgläubig einredefreien Forderungserwerbs (§ 404 BGB) verbietet einen Erwerberschutz6. Ob daneben auch der Gesellschafter Erstattung schuldet, ist streitig, aber wegen seiner fehlenden Begünstigung abzulehnen7.

7 Wenn ein Gesellschafter nach Empfang der verbotswidrigen Auszahlung seinen

Geschäftsanteil abtritt, so bleibt der Altgesellschafter zur Erstattung verpflichtet8; der Neugesellschafter bleibt pflichtenfrei, weil der Erstattungsanspruch nicht als „dingliche“ Last entsprechend § 16 Abs. 2 am Geschäftsanteil haftet9 (s. aber zur Solidarhaftung Rn 20). Gesamtschuldnerisch neben dem Altgesellschafter haftet er jedoch, wenn die Gesellschaft die Anteilsübernahme finanziert oder die Finanzierung besichert10.

8 c) Inhaltlich ist der Erstattungsanspruch darauf gerichtet, das Nettoaktivver-

mögen in seinem Wert durch Rückführung des Auszahlungsgegenstandes auf den früheren Stand vor der verbotenen Auszahlung zu bringen11. Das geschieht regelmäßig durch Rückgängigmachung des Auszahlungsgeschäfts: Rückzahlung,

1 MünchKomm/Ekkenga Rn 17/21; Michalski/Heidinger Rn 6. 2 AA U/H/L/Habersack Rn 15. 3 BGH GmbHR 2000, 771, 774; BGH WM 1982, 1402; Sonnenhol/Stützle WM 1983, 4; aA Meister WM 1980, 395. 4 S. § 29 Rn 55; eingehend Michalski/Heidinger Rn 24 mwN; s. auch Scholz/Verse Rn 13. 5 BGHZ 81, 365, 368 f = GmbHR 1982, 181; ZIP 1986, 456, 458 = GmbHR 1986, 113; ablehnend U/H/L/Habersack Rn 19 f, § 30 Rn 75. 6 B/H/Fastrich Rn 11 mwN; im Ergebnis so auch R/A/Altmeppen Rn 4; ablehnend B/S/ Thiessen Rn 20; MünchKomm/Ekkenga Rn 30: bereicherungsrechtlicher Anspruch. 7 Näher U/H/L/Habersack Rn 18 mwN. 8 Zur Reihenfolge der Inanspruchnahme BGH WM 1984, 163, 137. 9 AA wohl B/S/Thiessen Rn 19. 10 BGHZ 173, 1, 5 f Rn 12 = GmbHR 2007, 1102; B/H/Fastrich Rn 8; reserviert demgegenüber MünchKomm/Ekkenga Rn 26. 11 Eingehend MünchKomm/Ekkenga Rn 6; s. auch Hommelhoff FS Kellermann, 1991, S. 168; Ulmer FS GmbHG, 1992, S. 378; aA Koppensteiner/Rüffler GesRZ 1999, 90 Fn 45; Michalski/Heidinger Rn 32; Scholz/Verse Rn 17 f; Eichele Finanzierungsverantwortung, S. 148 f: bloßer Wertausgleich bis zur Höhe des Stammkapitals.

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Erstattung verbotener Rückzahlungen | § 31

Rückübertragung von Gegenständen1, Aufhebung einer Gesellschaftsverbindlichkeit, Wiederbegründung einer Gesellschaftsforderung2, Aufhebung eines beschränkten dinglichen Rechts. Bei leicht wiederbeschaffbaren Erstattungsgegenständen darf der Gesellschafter den Auszahlungsgegenstand durch Barzahlung ersetzen3; praktisch bedeutsam vor allem bei der Anspruchsreduktion nach § 31 Abs. 2 (Rn 16 ff). Seinem Umfang nach ist der Erstattungsanspruch auf Wertausgleich in der vol- 9 len Höhe der verbotenen Auszahlung, aber zugleich auf sie begrenzt4 gerichtet. War die Auszahlung so umfangreich, dass sie nicht bloß das Stammkapital verletzte und aufzehrte, sondern noch weiter gehend zur Überschuldung führte, so hat der Erstattungsschuldner den vollen Wertverlust auszugleichen. Seine Schuld ist nicht etwa auf den Umfang des Stammkapitals begrenzt5. Zur Begrenzung der Solidarhaftung aus § 31 Abs. 3 Rn 22. d) Der Erstattungsgegenstand ist in das Vermögen der Gesellschaft zu leisten; 10 anders nur bei der GmbH & Co KG. Ist das Kapital durch Auszahlung aus dem KG-Vermögen verletzt worden, richtet sich der Anspruch der Gesellschaft aus § 31 Abs. 1 auf Leistung in das Vermögen der KG6. e) Der Erstattungsanspruch ist sogleich mit seinem Entstehen und nicht etwa 11 erst mit einem Gesellschafterbeschluss nach § 46 Nr. 2 fällig7. Der Geschäftsführer muss den Anspruch sofort geltend machen und seine Erfüllung betreiben. Selbst wenn die Gesellschaft in der Zwischenzeit keine Unterbilanz mehr aufweist (Rn 12), kann der Erstattungspflichtige weder aufrechnen (Rn 27 f) noch die Erfüllung einstweilen verweigern. Zinsansprüche stehen der Gesellschaft unter den Voraussetzungen der §§ 286, 288 BGB zu, § 20 ist nicht anwendbar8. f) Nach früherer Rspr des BGH9 entfiel der Erstattungsanspruch, sobald und so- 12 weit die entgegen § 30 eingetretene Unterbilanz zeitlich nach der Auszahlung anderweit nachhaltig wiederhergestellt wird10. Eine solche Sehweise konnte in1 OLG Frankfurt BB 1996, 445, 446 = AG 1996, 324. 2 BGHZ 95, 188, 193 = GmbHR 1986, 21. 3 Geißler GmbHR 2003, 397; ohne diese Einschränkung MünchKomm/Ekkenga Rn 6; Joost ZHR 148 (1984), 43; G/E/S/Kuntz Rn 8; Ulmer FS GmbHG, 1992, S. 379; s. auch R/S-L/Pentz Rn 16; enger Scholz/Verse Rn 17 f. 4 MünchKomm/Ekkenga Rn 8; U/H/L/Habersack Rn 22. 5 BGHZ 60, 324, 331; MünchKomm/Ekkenga Rn 9. 6 BGHZ 60, 324, 329; BGHZ 67, 171, 176; Lutter/Hommelhoff ZGR 1979, 46 f; s. auch B/H/Fastrich Rn 7. 7 BGH ZIP 1987, 371 = GmbHR 1987, 301; R/A/Altmeppen Rn 6. 8 B/H/Fastrich Rn 3; R/A/Altmeppen Rn 7; Carlé/Bauschatz ZIP 2001, 1352 ff; aA Scholz/ H.P. Westermann § 20 Rn 17. 9 BGH ZIP 1987, 1113 mit zustimmender Anm Westermann = GmbHR 1987, 390; s. auch Butzke ZHR 154 (1990), 371; Müller ZIP 1996, 941. 10 Hierzu Goette DStR 1997, 1500; Henze S. 152 f.

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§ 31 | Erstattung verbotener Rückzahlungen des nicht überzeugen: Sie ermuntert die Gesellschafter, die Bilanzpolitik mit dem Ziel zu gestalten, die Erstattung entfallen zu lassen oder auf die Zukunft der Gesellschaft zu spekulieren; sie erschwert dem Geschäftsführer die Wahrung des Kapitalschutzes und gefährdet die nach § 31 Abs. 3 solidarisch verhafteten Mitgesellschafter, die zudem uU ungleich behandelt werden1. Dieser Kritik hat der BGH Rechnung getragen2: Ein einmal entstandener Erstattungsanspruch entfällt nicht von Gesetzes wegen, wenn das Gesellschaftsvermögen zwischenzeitlich anderweitig bis zur Höhe des Stammkapitals wiederhergestellt ist. 13 Die anderweite Wiederherstellung des Stammkapitals gibt dem Gesellschafter

auch kein dauerndes Recht, die Erstattung zu verweigern3; daher muss der Geschäftsführer den Erstattungsanspruch weiterhin gegen den Gesellschafter (näher Rn 6) durchzusetzen versuchen. Nach dessen Erfüllung können die Gesellschafter ggf über die weitere Verwendung der zurückgeflossenen Mittel (zB deren Ausschüttung) beschließen4. – Sollte der Gesellschafter nach der Wiederherstellung einen vollwertigen, aber nicht erfüllten Anspruch gegen die Gesellschaft haben5, so kommt eine Aufrechnung der Gesellschaft mit ihrem Erstattungsanspruch in Betracht, aber keine Aufrechnung des Gesellschafters gegen ihn6.

14 Sollte der Gegenstand des Erstattungsanspruchs (Rn 8) beim Erstattungsschuld-

ner untergegangen sein, so ist die Wertdifferenz im Gesellschaftsvermögen durch Geldzahlung selbst dann auszugleichen, wenn den Schuldner am Untergang des Gegenstandes kein Verschulden trifft. Diese Änderung des Anspruchsinhalts folgt aus dem Ziel des Erstattungsanspruchs aus § 31 Abs. 1, den durch die Auszahlung geminderten Haftungsfonds der Gesellschaft in seinem Wert wieder auf den alten Stand zu bringen (Rn 1)7. Sollte der Gegenstand nach seiner Auszahlung an Wert verloren haben, so muss der Gesellschafter ggf zusätzlich bare Zuzahlungen leisten, um das Stammkapital wiederherzustellen8. Ab-

1 Mit diesen Argumenten setzt sich die dogmatisch begründete Kritik von Altmeppen ZIP 2015, 1658 nicht auseinander. 2 BGHZ 144, 336, 341 f = GmbHR 2000, 771 (bestätigt inBGHZ 193, 96, 104 f [29]); zustimmend zB Benecke ZIP 2000, 1969; Kort ZGR 2001, 615; ablehnend Tillmann FS Hübner, 2002, S. 425; kritisch Altmeppen ZIP 2015, 1657; Servatius GmbHR 2000, 1028. 3 Zutreffend Ulmer FS GmbHG, 1992, S. 387; aA Kleffner S. 165 f. 4 BGHZ 144, 336, 342 = GmbHR 2000, 771; differenzierend Kort ZGR 2001, 632 ff. 5 S. Butzke ZHR 154 (1990), 369 f; ausführlich zur Frage der Wirksamkeit des Auszahlungsbeschlusses und der Erfüllungswirkung der verbotswidrigen Auszahlung: Benecke ZIP 2000, 1972 ff; Kort ZGR 2001, 629 ff; R/S-L/Pentz Rn 18 f. 6 BGH GmbHR 2000, 771, 773, 775; BGHZ 146, 105, 107 f; Scholz/Verse Rn 26; aA R/A/ Altmeppen Rn 17 f; Ulmer FS GmbHG, 1992, S. 388: kein Schutzbedürfnis der Gesellschaft; eingehend Rn 27 f. 7 Ulmer FS GmbHG, 1992, S. 381; Schmolke Kapitalerhaltung, S. 110 f (Rn 34); s. auch MünchKomm/Ekkenga Rn 11 f. 8 S. BGHZ 122, 333, 339 = GmbHR 1993, 427; BGHZ 176, 62, 65, Rn 10 = GmbHR 2008, 656; zustimmend Michalski/Heidinger Rn 35.

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weichend hiervon braucht Wertersatz in Geld bloß dann nicht geleistet zu werden, falls die Wertminderung in gleicher Weise eingetreten wäre, wenn der Vermögensgegenstand der Gesellschaft bei dieser verblieben und nicht an den Gesellschafter gegeben worden wäre1; hierfür trägt dieser die Darlegungs- und Beweislast. g) Zur allgemeinen Darlegungs- und Beweislast bei § 31 s. § 30 Rn 23.

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3. Anspruchsreduktion wegen guten Glaubens § 31 Abs. 1 verwirklicht abstrakten Gläubigerschutz; verbotswidrige Auszahlun- 16 gen sind unabhängig davon auszugleichen, ob die Gesellschaftsgläubiger konkret und aktuell auf die Wertrestitution angewiesen sind. Für gutgläubige Auszahlungsempfänger nimmt § 31 Abs. 2 den Gläubigerschutz ein Stück zurück: Wertrestitution nur dann und soweit, wie für die Gläubigerbefriedigung notwendig. Praktisch bedeutsam ist dies vornehmlich für Gesellschaften mit relativ hohem Stammkapital und guter Liquiditätsverfassung. a) Der gute Glaube des Empfängers bezieht sich auf die Unversehrtheit des 17 Stammkapitals. Er darf im Augenblick des Leistungsempfangs2 weder positiv wissen noch entsprechend § 932 Abs. 2 BGB grob fahrlässig3 verkennen, dass die Auszahlung eine Unterbilanz herbeiführt oder vertieft. Hierfür hat der Empfänger die Beweislast. Von der Integrität des Stammkapitals darf der Gesellschafter beim gegenseitigen Vertrag ausgehen, falls dessen Bedingungen sich nicht von denen eines Fremdgeschäfts unterscheiden4. – Im Übrigen muss sich der Gesellschafter aus den ihm zugänglichen Informationsquellen selbst hinreichende Gewissheit darüber verschaffen, dass das mit ihm abzuschließende Geschäft für das Stammkapital gefahrlos ist5. Ist die Zuwendung an einen Dritten als Auszahlung an den Gesellschafter zu 18 qualifizieren (§ 30 Rn 20), so kommt es allein auf die Gutgläubigkeit des Gesellschafters und nicht auf die des Dritten an6. Anders, falls die Zuwendung an den Dritten wegen dessen Nähe zum Gesellschafter diesem zuzurechnen ist (§ 29 Rn 55); dann schadet alternativ die Bösgläubigkeit des Gesellschafters oder die

1 BGHZ 176, 62, 65, Rn 11 = GmbHR 2008, 656; OLG Celle ZIP 2006, 1399, 1400 f; aA K. Schmidt JZ 2008, 737. 2 B/H/Fastrich Rn 18a; Michalski/Heidinger Rn 54; B/S/Thiessen Rn 42. 3 Weitergehend Peltzer/Bell ZIP 1993, 1764: leicht fahrlässig. 4 Meister WM 1980, 398 f; weitergehend G/E/S/Kuntz Rn 19: falls der Gesellschafter dies hat annehmen dürfen. 5 Wie hier auch B/S/Thiessen Rn 40; tendenziell enger MünchKomm/Ekkenga Rn 45; R/S-L/Pentz Rn 22; Scholz/Verse Rn 39. 6 Differenzierend dagegen Schmolke Kapitalerhaltung, S. 117 (Rn 50).

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§ 31 | Erstattung verbotener Rückzahlungen des Dritten1. Tritt ein bösgläubiger Gesellschafter seinen Auszahlungsanspruch an einen gutgläubigen Dritten ab, so bleibt der Erstattungsanspruch dennoch unverkürzt2. 19 b) Rechtsfolge der Gutgläubigkeit ist, dass der Erstattungsanspruch von der

Gesellschaft nur unter qualifizierten Voraussetzungen geltend gemacht werden kann: Er besteht nur dann, insoweit und solange, wie die Wertrestitution erforderlich ist, um die Gesellschaftsgläubiger zu befriedigen3. Hierfür trägt die Gesellschaft ebenso wie für die Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 die Beweislast. Für die Befriedigung erforderliche Mittel fehlen der Gesellschaft stets im Falle ihrer Überschuldung und der Illiquidität, aber auch schon bei der bloßen Zahlungsstockung4. Solange jedoch die Gesellschaft ihre augenblicklichen und in der nächsten Zukunft fälligen Verbindlichkeiten aus eigenen Mitteln erfüllen kann, ist der Erstattungsanspruch dem gutgläubigen Gesellschafter gegenüber schwebend unwirksam; der Gesellschafter kann die Erstattung verweigern. Maßgeblich zur Feststellung der Überschuldung bzw Zahlungsunfähigkeit ist wiederum eine bilanzielle Sichtweise, wobei es im Rahmen von § 31 Abs. 2 nicht auf den Vermögensstatus zum Zeitpunkt der verbotenen Auszahlung, sondern auf den der tatrichterlichen Verhandlung über diesen Anspruch (aus § 31 Abs. 2) ankommen soll5.

4. Die Solidarhaftung der übrigen Mitgesellschafter 20 a) Die Solidarhaftung6 aller übrigen Mitgesellschafter setzt nach § 31 Abs. 3 vo-

raus, dass die Gesellschaft einen durchsetzbaren Erstattungsanspruch gegen den oder die Auszahlungsempfänger hat (s. Rn 6, 11), der Anspruch aber nicht verwirklicht werden kann. Deshalb keine Solidarhaftung, wenn, soweit und solange der Anspruch gegen den oder die Primärschuldner schwebend unwirksam ist (s. Rn 19). – Die Solidarhaftung ist doppelt subsidiär; die Gesellschaft trägt die Beweislast dafür, dass sie auf die Wertrestitution für die Gläubigerbefriedigung angewiesen ist (s. Rn 19) und die Erstattung von Primärschuldnern nicht oder voraussichtlich nicht erlangt werden kann7 – zB erfolgloser Vollstreckungsversuch,

1 So auch R/S-L/Pentz Rn 25; aA B/H/Fastrich Rn 18a: G/E/S/Kuntz Rn 21 gesonderte Beurteilung für jeden Empfänger; wiederum anders U/H/L/Habersack Rn 37. 2 Arg § 404 BGB; ebenso R/S-L/Pentz Rn 25. 3 S. auch R/S-L/Pentz Rn 26/28. 4 AA MünchKomm/Ekkenga Rn 48; G/E/S/Kuntz Rn 20; B/S/Thiessen Rn 46; wie hier Scholz/Verse Rn 43; Wicke Rn 5: nicht nur vorübergehende Stockung. 5 BGH GmbHR 2003, 1420, 1423; zweifelnd B/H/Fastrich Rn 19. 6 Zu ihrer Legitimation MünchKomm/Ekkenga Rn 52; Scholz/Verse Rn 47. 7 Geißler GmbHR 2003, 394, 398.

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Insolvenzantrag oder gar -eröffnung, Flucht ins Ausland unter Vermögensmitnahme etc1. b) Anspruchsgegner sind die übrigen Mitgesellschafter des Auszahlungsemp- 21 fängers. Wer Gesellschafter im Moment der Auszahlung nach § 302 ist, bestimmt sich nach § 16. Bei „offener“ (dh von den Mitgesellschaftern formwahrend konsentierter, § 14 Rn 27) Treuhand richtet sich der Anspruch sowohl gegen den Treuhänder als auch gegen den Treugeber3. Veräußerer und Erwerber haften als Gesamtschuldner nebeneinander (§ 16 Rn 54 f). c) Ihrem Umfang nach entspricht die Solidarhaftung der Primärschuld des Aus- 22 zahlungsempfängers; sie kann jedoch dahinter zurückbleiben – etwa, wenn an den Empfänger mehr Aktivvermögen ausgezahlt worden ist, als der Stammkapitalziffer entspricht4. Hier muss die Solidarhaftung begrenzt werden, um das Risiko der Mitgesellschafter von vornherein in kalkulierbaren Grenzen zu halten; denn es gibt keine Nachschusspflicht der Gesellschafter aus Gesetz5. Daher ist die Solidarhaftung auf Wertausgleich in maximaler Höhe des Stammkapitals in der Weise begrenzt, dass die Solidarhaftung des Mitgesellschafters sich in jedem Fall auf das Stammkapital abzüglich seiner eigenen Einlage (§ 5 Abs. 3 Satz 1) beschränkt. Der BGH will einen solchen Abzug freilich nicht anerkennen6 und verpflichtet den in Solidarhaft genommenen Gesellschafter damit, ggf einen das Stammkapital übersteigenden Gesamtbetrag zu leisten7. Dagegen besteht kein Anlass, das Haftungsrisiko des Mitgesellschafters noch weiter gehend (wie nach § 24) dadurch einzuschränken, dass er nur in Höhe der Stammeinlage des ausfallenden Empfängers verbotener Ausschüttungen in Anspruch genommen werden kann8. Auch der BGH folgt dem nicht9. Im Verhältnis zum Empfänger stehen die Mitgesellschafter, die ihr maximales und mit der Mitgliedschaft übernommenes Risiko aus der Stammkapitalziffer ablesen können, näher als die Gesellschaftsgläubiger; diesen darf das Ausfallrisiko oberhalb der Empfängereinlage nicht zugeschoben werden10. 1 S. auch Scholz/Verse Rn 50. 2 B/H/Fastrich Rn 21; MünchKomm/Ekkenga Rn 57; s. aber auch R/S-L/Pentz Rn 35; Scholz/Verse Rn 56 ff. 3 AA Scholz/Verse Rn 54. 4 AA Gätsch BB 1999, 704; Kleffner S. 182 f: unbeschränkte Solidarhaftung. 5 BGH GmbHR 2002, 549, 551; bestätigt durch BGH GmbHR 2003, 1420, 1424; s. schon Ulmer FS GmbHG, 1992, S. 371. 6 BGH GmbHR 2003, 1420, 1424; zustimmend B/H/Fastrich Rn 24; MünchKomm/Ekkenga Rn 63; Scholz/Verse Rn 61. 7 Dagegen zutreffend K. Schmidt BB 1995, 532; B/S/Thiessen Rn 73; aA Bender GmbHR 2002, 549, 553. 8 So K. Schmidt BB 1995, 530 f; Blöse GmbHR 2002, 1107; Geißler GmbHR 2003, 394, 399; ablehnend Cahn ZGR 2003, 307; R/S-L/Pentz Rn 38. 9 BGH GmbHR 2003, 1420, 1424. 10 Insoweit im Ansatz richtig Gätsch BB 1999, 705 f; wie hier Bender GmbHR 2002, 553.

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§ 31 | Erstattung verbotener Rückzahlungen 23 Die Mitgesellschafter haften pro rata ihrer Geschäftsanteile, nicht gesamtschuld-

nerisch. Soweit ein Mitgesellschafter ausfällt, haben die anderen Mitgesellschafter diesen Ausfall ebenfalls pro rata zu übernehmen. Darauf, ob der einzelne Gesellschafter selbst gutgläubig (Rn 17) war, kommt es für seine Solidarhaftung nicht an. – Die in Mithaft genommenen Gesellschafter können vom wegen Auszahlung in Anspruch genommenen Gesellschafter Regress aus §§ 670, 683 Satz 1 BGB/§ 31 Abs. 1 iVm § 774 Abs. 1 Satz 1 BGB analog verlangen1.

24 Über die Solidarhaftung des Gesellschafters hinausgehend hatte der BGH2 eine

Schadensersatzhaftung wegen schuldhafter, also sogar leicht fahrlässiger Verletzung eigener Gesellschafterkontrollpflichten statuiert3: Beim Verwendungsbeschluss (§ 46 Nr. 1) habe jeder Gesellschafter die aus dem letztjährigen Jahresabschluss ersichtlichen Ausschüttungsspielräume einzuhalten und dürfe auch im Übrigen nicht die Geschäftsführer zu verbotswidrigen Auszahlungen veranlassen4. – Diese Rspr hat das Gericht zu Recht unter Hinweis auf die spezielle Regelung in § 31 Abs. 3 mit ihrem tendenziellen Schutz der Mitgesellschafter aufgegeben5; konsequent ist neben der Solidarhaftung aus § 31 Abs. 3 allein Raum für eine Haftung aus § 826 BGB bei aktiver Beteiligung an fremder Pflichtverletzung mit Vorsatz6 bzw eine Haftung der Mitgesellschafter wegen Mitwirkung an einem existenzvernichtenden Eingriff7.

25 d) In der GmbH & Co KG haften die nichtempfangenden Kommanditisten,

auch die Nur-Kommanditisten (§ 30 Rn 64) solidarisch8. Der Umfang ihrer pro rata-Haftung bemisst sich nach dem Anteil ihres Haftkapitals am gesamten gebundenen Haftkapital der GmbH & Co KG.

5. Schmälerungsverbote 26 a) Erlass, Stundung: Weder der Erstattungsanspruch gegen den Auszahlungs-

empfänger (§ 31 Abs. 1 und 2) noch die Ansprüche aus Solidarhaftung (§ 31

1 MünchKomm/Ekkenga Rn 66; U/H/L/Habersack Rn 58; R/S-L/Pentz Rn 41 (wegen Treupflichtverletzung); Scholz/Verse Rn 67. 2 BGHZ 93, 146, 150 = GmbHR 1985, 191; näher Ulmer FS GmbHG, 1992, S. 373 ff. 3 Ablehnend ua B/H/Fastrich Rn 25. 4 Zu besonders gesteigerten Gesellschafterkontrollpflichten Ulmer FS GmbHG, 1992, S. 375. 5 BGH GmbHR 1999, 921, 923 mit zustimmender Anm Müller; bestätigt in BGHZ 150, 61, 67; kritisch Altmeppen ZIP 1999, 1355; R/A/Altmeppen Rn 26 ff. 6 Michalski/Heidinger Rn 77; reserviert gegenüber dem Rechtsprechungs-Schwenk U/H/L/ Habersack Rn 60; s. auch B/S/Thiessen Rn 74: bloßes Einverständnis. 7 BGH GmbHR 1999, 921, 922; BGHZ 150, 61, 67; s. dazu auch § 13 Rn 25 ff und eingehend Cahn ZGR 2003, 310 ff. 8 S. BGH ZIP 1995, 738; aA MünchKomm/Ekkenga Rn 60; Schnelle GmbHR 1995, 853, 854 f.

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Abs. 3) können den Verpflichteten erlassen werden; auch nicht nach dem Entstehen der Ansprüche. Ebenso scheidet ein Vergleich aus1, es sei denn, der Verpflichtete ist zahlungsunfähig und vergleicht sich mit seinen Gläubigern zur Abwendung oder zur Beseitigung des Insolvenzverfahrens (§ 93 Abs. 4 Satz 4 AktG analog)2; da der Vergleich die möglichen Regressansprüche der Mitgesellschafter berührt, bedarf er für seine Wirksamkeit der Zustimmung sämtlicher Gesellschafter; denn sie müssen durch ihre Beteiligung die Wahrung ihrer Interessen sicherstellen können3. Stundungsvereinbarungen über bereits fällige Ansprüche widersprechen § 31 Abs. 1 und sind deshalb, wie auch im Rahmen des § 19, unwirksam4. b) Das Aufrechnungsverbot aus § 19 Abs. 2 Satz 2 gilt für den Erstattungs- 27 anspruch entsprechend5. Den Empfänger einer verbotswidrigen Auszahlung besser zu stellen als den bloßen Einlageschuldner kehrt die Wertungen des Kapitalschutzes um. Wortlautunterschiede zwischen § 19 Abs. 2 und § 31 Abs. 4 beruhen bloß auf mangelnder redaktioneller Abstimmung schon 1891. Zulässig ist daher allein die Aufrechnung der GmbH mit dem Erstattungsanspruch 28 unter den Voraussetzungen für die Einlageverrechnung (§ 19 Rn 24 ff), also wenn die Gegenansprüche des Gesellschafters vollwertig, fällig und liquide sind6. Ob für Leistungen anstelle der Erfüllung des Erstattungsanspruchs aus § 31 eine 28a Wertanrechnung entsprechend § 19 Abs. 4 in Betracht kommt7, ist zweifelhaft8.

6. Verjährung a) Die früher einheitliche Verjährung des Erstattungsanspruchs (§ 31 Abs. 1) 29 und die der Solidarhaftung (§ 31 Abs. 3) hat das Verjährungsanpassungsgesetz 1 So auch B/H/Fastrich Rn 26 aE; R/S-L/Pentz Rn 45; s. auch B/S/Thiessen Rn 79 ff; aA MünchKomm/Ekkenga Rn 71; R/A/Altmeppen Rn 36. 2 Enger aufgrund Ausfallhaftung der Mitgesellschafter R/S-L/Pentz Rn 45; U/H/L/Habersack Rn 65. 3 AA Schmolke Kapitalerhaltung, S. 131 (Rn 85); G/E/S/Kuntz Rn 30; U/H/L/Habersack Rn 65. 4 BGHZ 157, 72, 77 = GmbHR 2004, 302; Goette DStR 1997, 1499; U/H/L/Habersack Rn 63; Stimpel und Ulmer FS GmbHG, 1992, S. 351/382; B/H/Fastrich Rn 26; Scholz/ Verse Rn 71; aA R/S-L/Pentz Rn 44 für den Fall beseitigter Unterbilanz. 5 BGH GmbHR 2001, 142, 143 (mit kritischer Anm Peus GmbHR 2001, 655); Wilken NJW 2002, 2293; Lutter Kapital, S. 238 Fn 205; B/H/Fastrich Rn 26; Ulmer FS GmbHG, 1992, S. 382; aA OLG Naumburg GmbHR 1998, 1180, 1181 f; R/A/Altmeppen Rn 32. 6 S. dazu auch BGH GmbHR 2000, 771, 775 mwN; B/H/Fastrich Rn 17; Michalski/Heidinger Rn 87; geringere Anforderungen bei G/E/S/Kuntz Rn 28. 7 So B/H/Fastrich Rn 26; G/E/S/Kuntz Rn 29; Scholz/Verse Rn 76; s. auch MünchKomm/ Ekkenga Rn 74. 8 S. aber auch Michalski/Heidinger Rn 89.

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§ 31 | Erstattung verbotener Rückzahlungen aufgespalten und den Primäranspruch gegen den Auszahlungsempfänger auf zehn Jahre verlängert (§ 31 Abs. 5 Satz 1), um die Verjährung bei der Kapitalerhaltung mit der bei der Kapitalaufbringung (§ 19 Abs. 6 Satz 1) zu harmonisieren1. Entfallen ist zugleich die verjährungsrechtliche Unterscheidung zwischen gut- und bösgläubigen Empfängern (§ 31 Abs. 5 Satz 2 aF); damit wird dem allgemeinen Trend im bürgerlichen Recht entsprochen, Verjährungsfristen nicht nach subjektiven Kriterien abzustufen. Speziell im Kapitalgesellschaftsrecht ist es den Gesellschaftsgläubigern nach der Vorstellung des Gesetzgebers gleichgültig, aus welchen Motiven die Gesellschafter der Gesellschaft Haftkapital entzogen haben2. Mit dieser Neuregelung sind zugleich jene Verwerfungen beseitigt, die zwischen der Verjährung bei böslichem Leistungsempfang auf der einen Seite und der Solidarhaftung auf der anderen im Gefolge des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes entstanden waren3. 30 b) Der Erstattungsanspruch aus § 31 Abs. 1 verjährt zwingend4 in zehn Jahren

beginnend mit dem Eintritt des Leistungserfolges der verbotswidrigen Auszahlungen (§ 31 Abs. 5 Satz 1/2)5, die Solidarhaftung (§ 31 Abs. 3) dagegen wie früher ebenso zwingend in fünf Jahren. Diese Besserstellung der Mitgesellschafter lässt sich mit deren bloß subsidiärer Haftung begründen6 und findet ihre weitere Ausformung in der Anordnung, dass beim Anspruch aus Solidarhaftung der Ablauf der Verjährungsfrist nicht durch Eintritt der Insolvenz gehemmt wird. Denn allein der Erstattungsanspruch gegen den Auszahlungsempfänger ist von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Gesellschaftsvermögen an für die Zeit von sechs Monaten in seiner Verjährung gehemmt (§§ 31 Abs. 5 Satz 3/19 Abs. 6 Satz 2)7.

31 Falls in einem zeitlich gestreckten Gesamtgeschäft – etwa: vom Sicherheitsver-

sprechen bis zur Verwertung der bestellten Sicherheit – mehrere verbotene Auszahlungen liegen (§ 30 Rn 8), so beginnt für den jeweiligen Wertverzehr eine eigenständige Verjährungsfrist zu laufen8. – Daneben uU bestehende bürgerlichrechtliche Ansprüche verjähren eigenständig, so der aus ungerechtfertigter Bereicherung regelmäßig in drei Jahren nach Maßgabe der §§ 195, 199 Abs. 1 BGB9.

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Thiessen ZHR 168 (2004), 503, 529 f. Thiessen ZHR 168 (2004), 503, 531 f. Näher Mansel/Budzikiewicz NJW 2005, 327. Abweichend R/A/Altmeppen Rn 38; MünchKomm/Ekkenga Rn 76: keine Fristverkürzung. AA Michalski/Heidinger Rn 96: bei Sicherheitenbestellung erst im Moment, da Rückstellung gebildet werden muss. Thiessen ZHR 168 (2004), 503, 533. B/S/Thiessen Rn 95 f. AA RGZ 168, 300; wie hier Scholz/Verse Rn 77. R/S-L/Pentz Rn 50.

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Erstattung verbotener Rückzahlungen | § 31

c) Übergangsrecht1: Stichtag für das neue Verjährungsrecht aus § 31 Abs. 5 ist 32 der 15.12.2004 (Art. 229 § 12 Abs. 1 Satz 2 EGBGB). Alle Ansprüche auf Erstattung oder aus Solidarhaftung, die vom Stichtag an entstanden sind, unterliegen diesen Verjährungsregeln. Umgekehrt bleiben von der Regelung sämtliche Ansprüche unberührt, die vor dem Stichtag entstanden und deren Verjährungsfrist zu diesem Zeitpunkt vollständig abgelaufen war. – Anders dagegen jene Ansprüche, die zwar vor dem Stichtag entstanden, deren Verjährung aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht eingetreten war; zu diesen Ansprüchen zählen Erstattungs- und Haftungsansprüche, die zB am 1.12.2004 entstanden sind. Bei den Haftungsansprüchen wirft der Übergang keine Probleme auf, weil ihre Verjährung unverändert fünf Jahre beträgt. Dagegen verlängert sich bei einem solchen Erstattungsanspruch gegen einen (nach altem Recht) gutgläubigen Auszahlungsempfänger die Verjährung während ihres Ablaufs von fünf auf zehn Jahre (Art. 229 § 12 Abs. 1 Satz 1/§ 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB), im Beispiel läuft sie also am 30.11.2014 ab. Für den (nach altem Recht) böslichen Empfänger gilt eine Sonderregelung, da der Anspruch gegen ihn bis zum 14.12.2004 der bürgerlichrechtlichen Regelverjährung unterlag (Art. 229 § 12 Abs. 2 EGBGB). Welche Konsequenzen hieraus2 über die zehnjährige Verjährungsfrist hinaus im Einzelnen zu ziehen sind, ist umstritten3.

7. Haftung der Geschäftsführer a) Die Geschäftsführer haften der Gesellschaft aus § 43 Abs. 3 (näher dort) und, 33 falls sie zugleich Gesellschafter sind, außerdem aus § 31 Abs. 1 bzw § 31 Abs. 3. Falls ein Gesellschafter, der nicht Geschäftsführer ist, diese zur verbotswidrigen Auszahlung veranlasst hat, kommt nach der Rspr des BGH eine (über § 31 Abs. 3 hinaus reichende) Schadensersatzhaftung des Gesellschafters nur noch unter der Voraussetzung der Haftung aus existenzvernichtendem Eingriff (s. § 13 Rn 25 ff und oben Rn 24) in Betracht4. b) Der aus Solidarhaftung in Anspruch genommene Mitgesellschafter (Rn 21), 34 nicht der erstattungspflichtige Primärschuldner, kann (unabhängig von der Berechtigung der Inanspruchnahme)5 von dem oder den Geschäftsführern nur6 1 Eingehend hierzu Scholz/Verse Rn 79 ff. 2 BGH ZIP 2008, 2217, 2219 = GmbHR 2008, 1319; vgl noch BGH GmbHR 2008, 483, 484 zur Verjährung des Anspruchs aus § 19 Abs. 1. 3 Näher hierzu Mansel/Budzikiewicz NJW 2005, 328; Stenzel BB 2008, 1078 ff; Scholz/Verse Rn 80 f mwN. 4 BGHZ 142, 92, 96 = GmbHR 1999, 921 gegen BGHZ 93, 146, 149 f = GmbHR 1985, 191; BGHZ 150, 61, 67 = GmbHR 2002, 549; näher dazu Cahn ZGR 2003, 310 ff. 5 AA Scholz/Verse Rn 83. 6 Zutreffend Michalski/Heidinger 1. Aufl, Rn 94; aA hM s. MünchKomm/Ekkenga Rn 87 mwN; Michalski/Heidinger Rn 113; R/S-L/Pentz Rn 66; B/S/Thiessen Rn 113; Scholz/ Verse Rn 86.

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§ 32 | Rückzahlung von Gewinn Ersatz seines Haftbeitrags verlangen (§ 31 Abs. 6). Nach Fälligkeit, aber vor Erfüllung des Solidaranspruchs hat der Mitgesellschafter gegen die Geschäftsführer einen Freistellungsanspruch. Voraussetzung ist in jedem Falle, dass die Geschäftsführer schuldhaft gehandelt haben; Sorgfaltsmaßstab ist § 43 Abs. 1 auch gegenüber den Gesellschaftern. Ihnen gegenüber haben die Geschäftsführer allerdings nicht schuldhaft gehandelt, wenn sie die Gesellschafter auf die Unzulässigkeit der Auszahlung hingewiesen haben1. Mehrere schuldhaft handelnde Geschäftsführer haften als Gesamtschuldner. Sie können ihrerseits den Erstattungsschuldner (§ 31 Abs. 1) in Regress nehmen. Der Regressanspruch aus § 31 Abs. 6 verjährt in fünf Jahren (§§ 31 Abs. 6 Satz 2/43 Abs. 4), beginnend mit der Zahlung der auf Solidarhaftung in Anspruch genommenen Mitgesellschafter2.

§ 32 Rückzahlung von Gewinn Liegt die in § 31 Abs. 1 bezeichnete Voraussetzung nicht vor, so sind die Gesellschafter in keinem Fall verpflichtet, Beträge, welche sie in gutem Glauben als Gewinnanteile bezogen haben, zurückzuzahlen. Text seit 1892 unverändert; amtliche Überschrift ergänzt durch MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl I 2026). 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Tatbestand des Anspruchsausschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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3. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Überblick 1 § 32 schützt den gutgläubigen Dividendenempfänger vor bereicherungs- oder

gesellschaftsrechtlichen Rückforderungsansprüchen der Gesellschaft über § 31 Abs. 2 hinaus, wenn und soweit3 das Stammkapital durch die Dividendenzahlung nicht betroffen ist4; Beispiel: nichtiger oder anfechtbarer Gewinnverwendungsbeschluss nach Anfechtung5. Da die Bestimmung den Gläubigerschutz

1 Im Ergebnis so auch R/A/Altmeppen Rn 42; B/H/Fastrich Rn 30; MünchKomm/Ekkenga Rn 85; Michalski/Heidinger Rn 110; R/S-L/Pentz Rn 60; Scholz/Verse Rn 83/85: unzulässige Rechtsausübung; wie hier wohl B/S/Thiessen Rn 108 f. 2 U/H/L/Habersack Rn 75; Scholz/Verse Rn 87: Zeitpunkt der Zahlung aufgrund Solidarhaftung. 3 MünchKomm/Löwisch Rn 2; R/S-L/Pentz Rn 4. 4 B/H/Fastrich Rn 2; U/H/L/Habersack Rn 11. 5 B/H/Fastrich Rn 5.

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Rückzahlung von Gewinn | § 32

einschränkt, kann sie zugunsten der Gesellschaft statutarisch aufgehoben oder eingeschränkt werden1.

2. Tatbestand des Anspruchsausschlusses a) Erfasst ist allein die Rückforderung bezogener Gewinnanteile; dh von Divi- 2 denden, die auf der Grundlage eines Gewinnverwendungsbeschlusses der Gesellschafter (§ 46 Nr. 1) oder eines anderen im Gesellschaftsvertrag berufenen Organs ausgeschüttet worden sind. Gewinnanteile sind ebenfalls statutarisch legitimierte Gewinnvorschüsse, wenn ein sie erfassender Gewinnverwendungsbeschluss nachfolgt2. Keine Gewinnanteile sind Zinsen, zurückgezahlte Nachschüsse und sonstige Zahlungen an Gesellschafter, selbst wenn sie gewinnabhängig sind (zB gewinnabhängige Tantiemen an Gesellschafter-Geschäftsführer). – Verdeckte Vorteilsgewährungen fallen nicht unter § 32, weil sie nicht aufgrund eines Gewinnverwendungsbeschlusses bereitgestellt wurden (hM). b) Der Rückforderungsausschluss kommt dem empfangenden Gesellschafter 3 zugute oder demjenigen, der an seine Stelle getreten ist – sei es durch Abtretung des Gesellschafter-Zahlungsanspruchs (s. § 29 Rn 40 ff), sei es durch Abtretung des Geschäftsanteils. Wer als Gesellschafter Dividenden bezogen hat, behält das Privileg aus § 32 auch dann, wenn er anschließend seinen Geschäftsanteil verliert. Zur Person des Gutgläubigen Rn 5. c) Der Gesellschafter muss im Augenblick des Dividendenbezugs gutgläubig 4 sein. Beziehen muss sich der gute Glaube auf die Ordnungsmäßigkeit des gesamten Verfahrens der Gewinnverteilung (s. § 29 Rn 5): Abschlussaufstellung und -feststellung, Gewinnverwendung und Verteilung des für die Gesellschafter bereitgestellten Gewinnanteils auf diese. Sollten hier Mängel bestehen, so darf der Gesellschafter sie weder kennen noch grob fahrlässig verkennen; leichte Fahrlässigkeit schadet nicht. Der Gesellschafter muss gewiss sein und sein dürfen, die empfangene Dividende nicht wieder zurückzahlen zu müssen. Diese Gewissheit hat er gerade nicht bei den unter Vorbehalt geleisteten Gewinnvorschüssen (s. § 29 Rn 45 ff) sowie bei einem gewinnbezogenen Entnahmerecht (s. § 29 Rn 47); für sie kommt § 32 deshalb nicht zum Zuge. Hat ein Gesellschafter seinen (aktuellen oder künftigen) Zahlungsanspruch an 5 einen gesellschaftsfremden Dritten abgetreten, so kommt es allein auf die Gutgläubigkeit des Gesellschafters im Augenblick der Ausschüttung an, nicht auf die des Dritten3. Der gutgläubige Dritte eines bösgläubigen Gesellschafters muss zahlen, der bösgläubige Dritte eines gutgläubigen Gesellschafters nicht. 1 MünchKomm/Löwisch Rn 3; Scholz/Verse Rn 2. 2 Zutreffend MünchKomm/Löwisch Rn 10; Scholz/Verse Rn 6; aA R/S-L/Pentz Rn 6. 3 Scholz/Verse Rn 13; aA R/S-L/Pentz Rn 17.

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§§ 32a/b | Eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen 3. Rechtsfolge 6 Rechtsfolge ist der Ausschluss des (zumeist bereicherungsrechtlichen)1 Rückforde-

rungsanspruchs gegenüber dem gutgläubigen Gesellschafter bzw gegenüber dem Dritten (Rn 5), falls dieser Anspruch in Mängeln des Gewinnverteilungsverfahrens seine Wurzel hat: fehlender oder nichtiger Jahresabschluss; nichtiger oder erfolgreich angefochtener Gewinnverwendungsbeschluss; Gewinnzuteilung im Widerspruch zum Verteilungsschlüssel2 (s. § 29 Rn 36).

7 Nicht durch § 32 ausgeschlossen sind Rückforderungsansprüche der Gesell-

schaft, die ihren Grund in Mängeln außerhalb des Gewinnverteilungsverfahrens haben – zB bei versehentlicher Doppelleistung; allerdings können insoweit die bürgerlich-rechtlichen Ausschlussgründe (etwa §§ 814, 818 Abs. 3 BGB) eingreifen.

4. Beweislast 8 Die Beweislast für die Gutgläubigkeit hat nach dem Gesetzeswortlaut und dem

Gedanken der Informationsnähe der Gesellschafter3; dabei kann er sich allerdings für seinen guten Glauben zunächst darauf berufen, das Gewinnverteilungsverfahren (Rn 6) sei formell ordnungsgemäß abgelaufen.

§§ 32a/b Eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen (aufgehoben) Die (mit der GmbH-Novelle 1980 eingefügten und zwischen 1994 und 1998 mehrfach geänderten) §§ 32a, 32b kodifizierten einen Teil des früheren Rechts eigenkapitalersetzender Gesellschafterleistungen (vgl 16. Aufl Erläuterungen zu §§ 32a/b). Die beiden Vorschriften sind durch Art. 1 Nr. 22 MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl I 2026) mit Wirkung zum 1.11. 2008 aufgehoben worden. Im Zuge des MoMiG hat der Gesetzgeber das bisherige Eigenkapitalersatzrecht konzeptionell neu ausgerichtet und die einschlägigen Bestimmungen rechtsformübergreifend in der InsO gebündelt. Zur Übersicht über die Struktur des neuen Rechts sowie zum Übergangsrecht s. die Erläuterungen Anh zu § 64 Rn 115 ff.

1 Michalski/Heidinger Rn 4. 2 AA U/H/L/Habersack Rn 5; MünchKomm/Löwisch Rn 9; differenzierend Scholz/Verse Rn 5. 3 So auch U/H/L/Habersack Rn 14; B/H/Fastrich Rn 6; R/A/Altmeppen Rn 5; Scholz/Verse Rn 17.

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Erwerb eigener Geschäftsanteile | § 33

§ 33 Erwerb eigener Geschäftsanteile (1) Die Gesellschaft kann eigene Geschäftsanteile, auf welche die Einlagen noch nicht vollständig geleistet sind, nicht erwerben oder als Pfand nehmen. (2) Eigene Geschäftsanteile, auf welche die Einlage vollständig geleistet ist, darf sie nur erwerben, sofern sie im Zeitpunkt des Erwerbs eine Rücklage in Höhe der Aufwendungen für den Erwerb bilden könnte, ohne das Stammkapital oder eine nach dem Gesellschaftsvertrag zu bildende Rücklage zu mindern, die nicht zur Zahlung an die Gesellschafter verwandt werden darf. Als Pfand nehmen darf sie solche Geschäftsanteile nur, soweit der Gesamtbetrag der durch Inpfandnahme eigener Geschäftsanteile gesicherten Forderungen oder, wenn der Wert der als Pfand genommenen Geschäftsanteile niedriger ist, dieser Betrag nicht höher ist als das über das Stammkapital hinaus vorhandene Vermögen. Ein Verstoß gegen die Sätze 1 und 2 macht den Erwerb oder die Inpfandnahme der Geschäftsanteile nicht unwirksam; jedoch ist das schuldrechtliche Geschäft über einen verbotswidrigen Erwerb oder eine verbotswidrige Inpfandnahme nichtig. (3) Der Erwerb eigener Geschäftsanteile ist ferner zulässig zur Abfindung von Gesellschaftern nach § 29 Abs. 1, § 122i Abs. 1 Satz 2, § 125 Satz 1 in Verbindung mit § 29 Abs. 1 und § 207 Abs. 1 des Umwandlungsgesetzes, sofern der Erwerb binnen sechs Monaten nach dem Wirksamwerden der Umwandlung oder nach der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung erfolgt und die Gesellschaft im Zeitpunkt des Erwerbs eine Rücklage in Höhe der Aufwendungen für den Erwerb bilden könnte, ohne das Stammkapital oder eine nach dem Gesellschaftsvertrag zu bildende Rücklage zu mindern, die nicht zur Zahlung an die Gesellschafter verwandt werden darf. Abs. 1 bezüglich des Erwerbes seit 1892 praktisch unverändert, aber durch die Novelle 1980 auf das Pfandrecht ausgedehnt; Abs. 3 mit Wirkung ab 1.1.1995 eingefügt durch Art. 4 Nr. 1 UmwBerG und erweitert durch das 2. UmwÄndG; Abs. 2 und 3 grundlegend geändert durch BilMoG vom 25.5.2009 (BGBl I 1102); amtliche Überschrift ergänzt durch MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl I 2026). 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 2. Die Änderungen des § 33 Abs. 2 und 3 durch das BilMoG . . . . . . . 5 3. Das Erwerbsverbot des § 33 Abs. 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 4. Der Erwerb nach § 33 Abs. 2 . . . . 14 5. Erwerb durch Dritte für Rechnung der GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

6. Die bilanzielle Darstellung von Erwerb und Veräußerung der eigenen Geschäftsanteile . . . . . . . 26 7. Inpfandnahme eigener Geschäftsanteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 8. Erwerb im Rahmen von Fusion, Spaltung und Umwandlung (§ 33 Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

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§ 33 | Erwerb eigener Geschäftsanteile 9. Interne Voraussetzungen für Erwerb und Veräußerung durch die Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . 33 10. Rechte und Pflichten aus dem eigenen Geschäftsanteil . . . . . . . . . 39

11. Erwerb durch Tochtergesellschaft und wechselseitige Beteiligung . . 40

Literatur: Balz Die Beendigung der Mitgliedschaft in der GmbH, 1984; Bloching/Kettinger Kapitalerhaltung oder Kapitalquelle? – Eine Analyse des § 33 Abs. 2 GmbHG im Licht der aktuellen Rechtsprechung zum Kapitalschutz, BB 2006, 172; Bretschneider Die gesellschafterlose GmbH, 1994; Breuninger Zur Rechtsnatur eigener Anteile und ihre ertragssteuerrechtliche Bedeutung, DStZ 1991, 420; Geißler Der Erwerb eigener GmbH-Anteile zur Realisierung von Strukturmaßnahmen, GmbHR 2008, 1018; Kreutz Von der Einmannzur „Keinmann“-GmbH?, FS Stimpel, 1985, S. 379; Kropff Nettoausweis des Gezeichneten Kapitals und Kapitalschutz, ZIP 2009, 1137; Lieder Eigene Geschäftsanteile im GmbHRecht, GmbHR 2014, 57; Lieder Eigene Geschäftsanteile im Umwandlungsrecht, GmbHR 2014, 232; Oldenburg Die Keinmann-GmbH, 1985; Oser/Kropp Eigene Anteile im Gesellschafts-, Bilanz- und Steuerrecht, Der Konzern 2012, 185; Rodewald/Pohl Neuregelungen des Erwerbs von eigenen Anteilen durch die GmbH im BilMoG, GmbHR 2009, 32; Rück Die Keinmann-Gesellschaft mit beschränkter Haftung, 1994; Schultze-Petzold Die GmbH als Trägerin eigener Geschäftsanteile, 1991.

1. Überblick 1 Die Vorschrift bestätigt die Möglichkeit des (derivativen) Erwerbs eigener Ge-

schäftsanteile durch die GmbH selbst1, beschränkt diesen Erwerb jedoch unter Aspekten des Kapitalschutzes. Dementsprechend dient § 33 Abs. 1 der Sicherung realer Kapitalaufbringung; denn die GmbH kann sich selbst nichts schulden oder leisten, also auch nicht die restliche Einlage; daher ist es hier ohne Belang, ob die GmbH entgeltlich oder unentgeltlich erwirbt. A priori ausgeschlossen ist der originäre Erwerb bei der Gründung und vor allem bei der Kapitalerhöhung: Die Übernahme ist unwirksam, Eintragung im Handelsregister darf nicht erfolgen2.

2 § 33 Abs. 2 hingegen ist eine Vorschrift zur Kapitalerhaltung3; neben der

schlichten Auszahlung gebundenen Vermögens an die Gesellschafter (s. § 30) ist der entgeltliche Erwerb von Geschäftsanteilen die einfachste Form der Einkleidung des gleichen Vorgangs in ein anderes Gewand4. Im Übrigen ist der Erwerb eigener Geschäftsanteile deutlich von der Einziehung des § 34 zu unterscheiden: Hier bleibt der Geschäftsanteil existent, dort geht er unter.

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Zu den wirtschaftlichen Erwerbsmotiven Lieder GmbHR 2014, 57. Lutter Kapital, S. 101 ff. BGHZ 139, 132, 136 = GmbHR 1998, 933. Näher Lutter Kapital, S. 430 ff.

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§ 33 Abs. 3 enthält einen Kompromiss zwischen dem strengen Verbot des Ab- 3 satzes 1 und dem Austrittsrecht widersprechender Gesellschafter bei Umwandlung ihrer GmbH. Trotz der vielen Änderungen der Norm sind gewichtige Fragen weiterhin offen; 4 das gilt insbesondere für den Komplex der wechselseitigen Beteiligung; zu den Rechtsfolgen des Erwerbs sämtlicher Geschäftsanteile durch die GmbH („Keinmann GmbH“) s. § 60 Rn 24.

2. Die Änderungen des § 33 Abs. 2 und 3 durch das BilMoG a) Internationalem Brauch folgend hat sich der Gesetzgeber im BilMoG ent- 5 schlossen, durch Änderung des § 272 HGB den Erwerb eigener Geschäftsanteile bilanziell wie eine Kapitalherabsetzung zu behandeln. Dementsprechend wird der Nennbetrag der erworbenen eigenen Geschäftsanteile vom Posten „gezeichnetes Kapital“ in einer Vorspalte abgesetzt und der etwaige Mehrbetrag des Erwerbspreises mit frei verfügbaren Rücklagen verrechnet, § 272 Abs. 1a HGB (vgl Rn 26 ff). Damit das möglich ist, verlangt das Gesetz in § 33 Abs. 2 Satz 1, dass die GmbH im Zeitpunkt des Erwerbs eine entsprechende Rücklage aus freien Mitteln hätte bilden können. Im Gegensatz zu früher muss die Rücklage aber in der nächsten Jahresbilanz 6 nicht gebildet werden, denn auch auf der Aktivseite der Bilanz erscheinen die eigenen Geschäftsanteile nicht mehr, während die aktiven Mittel für ihren Erwerb aus der Bilanz verschwinden. Durch den Erwerb eigener Geschäftsanteile tritt also eine Bilanzverkürzung ein. b) Bei einer Veräußerung der Geschäftsanteile ist umgekehrt zu verfahren: die 7 Absetzung in der Vorspalte des gezeichneten Kapitals wird um den Nominalbetrag des/der veräußerten Geschäftsanteile(s) verringert, die verbleibende Differenz des Erlöses bis zu den ursprünglichen Anschaffungskosten wird der freien Rücklage zugeführt, während ein darüber hinausgehender Erlös der Kapitalrücklage zuzuführen ist, § 272 Abs. 1b HGB.

3. Das Erwerbsverbot des § 33 Abs. 1 a) Offene Einlage: Das Erwerbsverbot des § 33 Abs. 1 gilt zwingend, solange auf 8 den betreffenden Geschäftsanteil noch Einlage offen ist, gleich ob Geld- oder Sacheinlage. Es ist also unerheblich, ob noch Agio, Nebenleistungen, Zinsen oder Nachschüsse offen sind: diese sind nicht Einlage1. Andererseits ist ohne Belang, warum die Einlage noch geschuldet ist, ob mangels Fälligkeit, wegen un1 R/A/Altmeppen Rn 9.

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§ 33 | Erwerb eigener Geschäftsanteile wirksamer Leistung (zB verbotene Aufrechnung oder Leistung an Erfüllungs statt, s. § 19 Rn 18 ff, 45 ff), ungenügender Leistung, Unterbilanzhaftung aus Vorgesellschaft1 oder wegen Pflicht zur Rückeinlage aus § 31: Diese erlischt zwar nicht durch Konfusion; der Gesetzgeber hat aber durch die Ausdehnung des Verbots auf die Pfandnahme deutlich gemacht, dass es auf diese Konfusion nicht unbedingt ankommt2. Maßgebend ist allein die objektive Rechtslage; auf Kenntnis oder Unkenntnis der Beteiligten kommt es nicht an. Das Verbot des § 33 Abs. 1 gilt ohne Ausnahme, also auch, wenn der Erwerb zur Abwendung eines schweren Schadens für die Gesellschaft (§ 71 Abs. 1 Nr. 1 AktG) erfolgen soll3. 9 Ist die Einlageverpflichtung erfüllt, ist es gleich, weshalb der Gesellschafter die

Einlage nicht mehr schuldet: Leistung durch Dritte oder Erlass der Einlageforderung nach Kapitalherabsetzung (§ 19 Rn 23; § 58 Rn 1 und 38) beseitigen die Einlageschuld und damit das Hindernis aus § 33 Abs. 1. Es steht nichts entgegen, wenn der Gesellschafter die Resteinlage aus dem Kredit eines Dritten leistet und diesen anschließend aus dem Kaufpreis ablöst. Fallen Kausalgeschäft und spätere Abtretung zeitlich auseinander, genügt die Erfüllung der Einlage vor der Abtretung: Diese ist dann als Bestätigung des zunächst nichtigen Kausalgeschäfts zu werten4.

10 b) Erwerbsvorgang: Dem Verbot des § 33 Abs. 1 unterliegt jede Form des Er-

werbs, also auch der unentgeltliche (zB Schenkung oder Vermächtnis), da es diesbezüglich allein auf das rechtlich nachteilige Erlöschen des Anspruchs auf die restliche Einlagepflicht durch Konfusion ankommt; ausgenommen ist nur der Erwerb bei der Kaduzierung, da die §§ 21 ff insoweit leges speciales sind5; für den Erwerb im Rahmen der Gesamtrechtsnachfolge gilt § 71 Abs. 1 Nr. 5 AktG analog6, da die Probleme identisch sind und die Rechtsfolge (Rn 11) schlicht nicht passt: Man kann den Verstorbenen auch mit Nichtigkeitsfolge nicht mehr zum Inhaber des Geschäftsanteils machen; die GmbH hat den Geschäftsanteil also wirksam erworben; der restliche Einlageanspruch geht unter.

11 c) Rechtsfolgen: Ist auch nur ein geringer Teil der Einlage offen, so ist der Er-

werb gemäß § 134 BGB nichtig; dh beim rechtsgeschäftlichen Erwerb die causa

1 B/H/Fastrich Rn 2; Scholz/H.P. Westermann Rn 6; U/H/L/Paura Rn 28; R/A/Altmeppen Rn 9; aA Meyer-Landrut Rn 3. 2 Wie hier Scholz/H.P. Westermann Rn 5; aA B/H/Fastrich Rn 2; U/H/L/Paura Rn 29; MünchHdbGmbH/Kort § 27 Rn 4; R/A/Altmeppen Rn 9; R/S-L/Pentz Rn 7; Henssler/ Strohn/T. Fleischer Rn 5; B/S/Thiessen Rn 9. Differenzierend MünchKomm/Löwisch Rn 25. 3 R/A/Altmeppen Rn 33. 4 B/S/Thiessen Rn 19; R/A/Altmeppen Rn 10; MünchKomm/Löwisch Rn 29. 5 B/H/Fastrich Rn 4; MünchKomm/Löwisch Rn 15. 6 Vgl KölnKomm/Lutter/Drygala, § 71 AktG Rn 228; MünchKomm/Löwisch Rn 33; aA U/H/L/Paura Rn 11 mwN.

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und das dingliche Geschäft1. Der Gesellschafter bleibt Schuldner der betreffenden Einlage und ist Rückgewähr-Schuldner des etwa gezahlten Kaufpreises, idR aus § 812 BGB mit dem Risiko des § 818 BGB; für einen etwaigen Ausfall haftet der Geschäftsführer nach § 43 und – wenn gleichzeitig gegen § 33 Abs. 2 verstoßen wurde – aus § 31. Die Gesellschaft wird nicht Inhaberin des Geschäftsanteils; veräußert sie ihn weiter, so gab es für den Dritten früher keinen Gutglaubensschutz. Das hat sich mit dem neuen § 16 Abs. 3 geändert. Näher s. § 16 Rn 63 ff. Eine Heilung ist nicht möglich; auch nicht durch nachträgliche Leistung der Einlage. Es bleibt nur die Neuvornahme des Erwerbs durch die Gesellschaft nach vollständiger Leistung der Einlage. Möglich und zulässig ist es jedoch, das schuldrechtliche wie das dingliche Geschäft unter der aufschiebenden Bedingung der Volleinzahlung zu schließen2 unter sorgfältiger Beachtung von Rn 13. d) Gestaltungsmöglichkeiten: Die Finanzierung der ausstehenden Resteinlage 12 durch ein Darlehen der Gesellschaft ist grundsätzlich möglich und führt nicht zwingend zur Nichtigkeit des gesamten Vorgangs (anders die 18. Aufl). Denn die Bereichsausname des § 19 Abs. 5 strahlt mit ihren Grundwertungen auf die Regelung des § 33 Abs. 1 aus3. Deshalb ist ein von der Gesellschaft vorfinanzierter Anteilseigenerwerb rechtsbeständig, wenn der Gesellschafter mit Blick auf das Gesellschaftsdarlehen zweifelsfrei kreditwürdig sowie der Rückzahlungsanspruch der Gesellschaft angemessen verzinst ist und jederzeit zur effektiven Leistung gegenüber dem Darlehensnehmer den Gesellschafter fällig gestellt werden kann4. Denn § 19 Abs. 5 erlaubt die Substitution des Einlageanspruchs durch den Darlehensrückzahlungsanspruch. Erst recht unproblematisch ist Vorfinanzierung der ausstehenden Resteinlage durch den Kredit eines gesellschaftsfremden Dritten (zur Zurechnung bei verbundenen Unternehmen Rn 40 ff); jener kann anschließend rechtsverträglich aus dem von der Gesellschaft bezahlten Kaufpreis getilgt werden. Als unzulässige Umgehungen des Erwerbsverbots aus § 33 Abs. 1 sind dagegen 13 alle Gestaltungen zu qualifizieren, nach denen die Resteinlageschuld aus dem (künftigen) Veräußerungserlös beglichen werden soll; insbesondere wenn der Anteilskauf unter der aufschiebenden Bedingung vollständiger Leistung der Resteinlage abgeschlossen wird, um sodann die noch offene Einlage mit dem Kaufpreis zu verrechnen und danach den Geschäftsanteil auf die Gesellschaft zu übertragen5. Diese und vergleichbare Gestaltungen scheitern sogar unter der Be1 BFH GmbHR 2015, 546, 547. 2 R/S-L/Pentz Rn 16; Henssler/Strohn/T. Fleischer Rn 6; B/S/Thiessen Rn 11; U/H/L/Paura Rn 35. 3 Zutreffend Lieder GmbHR 2014, 60 f; aA B/H/Fastrich Rn 8 mwN. 4 Lieder GmbHR 2014, 61. 5 So aber noch RGZ 93, 326, 329; wie hier auch R/S-L/Pentz Rn 17; R/A/Altmeppen Rn 11; B/S/Thiessen Rn 11; MünchKomm/Löwisch Rn 26, 29.

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§ 33 | Erwerb eigener Geschäftsanteile reichsausnahme des § 19 Abs. 5 und ihren Grundwertungen daran, dass die Resteinlageschuld hier (anders als bei der Vorfinanzierung nach Rn 12) nicht durch einen wertgleichen Zahlungsanspruch der Gesellschaft substituiert wird1. Daher sind die so gestalteten Vorgänge wegen Verstoßes gegen § 33 Abs. 1 insgesamt nichtig.

4. Der Erwerb nach § 33 Abs. 2 14 a) Voraussetzung des Erwerbs: Ist die Einlage wirksam voll geleistet (dazu § 7

Rn 4, 18 ff), wobei die Regeln des § 19 Abs. 4 und 5 auch in diesem Zusammenhang anzuwenden sind, so kann die GmbH ihre eigenen Geschäftsanteile ohne Höchstgrenze und ohne Bindung an sachliche Gründe (anders § 71 AktG) unter heute nur noch einer Voraussetzung erwerben:

15 Die GmbH darf für den Erwerb ihr gesetzlich (§ 30) oder statutarisch gebunde-

nes Vermögen nicht einsetzen; denn eine GmbH mit 50 000 Euro Stammkapital und 50 000 Euro Vermögen, die ihre eigenen Geschäftsanteile zum Nominalwert kauft, gibt mit jedem Erwerb gebundenes Vermögen an ihre Gesellschafter (zurück) und ist zum Schluss vermögenslos. Dieses Gebot ist bei allen unentgeltlichen Erwerben (Schenkung, Vermächtnis, Übertragungsverpflichtung laut Satzung) per se erfüllt2. Insoweit hat sie keine „Aufwendungen für den Erwerb“ iSv § 33 Abs. 2 Satz 1. Bei jedem entgeltlichen Erwerb hingegen lautet die Kontrollfrage: Könnte die GmbH in Höhe der Gegenleistung auch eine Ausschüttung an die Gesellschafter tätigen (dazu näher bei §§ 29, 30), verfügt die GmbH insoweit über ausschüttungsfähige Rücklagen oder festgestellten, aber noch nicht verteilten Bilanzgewinn? Maßgebend für diese Feststellung ist die (fortgeschriebene) Ertragsbilanz nach §§ 264 ff HGB3, nicht eine Vermögens- oder Liquidationsbilanz. Der Geschäftsführer muss hier mit besonderer Sorgfalt handeln und ggf sachverständigen Rat einholen4; denn ist die Voraussetzung des § 33 Abs. 2 nicht erfüllt, so ist der Erwerb nichtig und er haftet für jeden Schaden der Gesellschaft. Hätten in dieser Bilanz Rückstellungen gebildet werden müssen, die das frei Verfügbare überschritten hätten, kann der Erwerb nicht stattfinden bzw ist nichtig5.

16 Maßgebender Zeitpunkt für diese Feststellung ist nach dem Wortlaut von § 33

Abs. 2 der „Zeitpunkt des Erwerbs“. Damit ist offenbar die schuldrechtliche Ei1 2 3 4 5

Richtig Lieder GmbHR 2014, 63. OLG Hamm GmbHR 1994, 179, 180. BGH ZIP 1996, 1984, 1986 = GmbHR 1997, 171. BGH ZIP 2011, 2097 = AG 2011, 876 und dazu Bergmann VGR Bd 17 (2012), S. 1, 14 f. OLG Zweibrücken NZG 2001, 569.

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nigung mitsamt ihrem Wirksamwerden gemeint (ggf also nach Bedingungseintritt); denn in diesem Moment entsteht die Pflicht zur Zahlung des Erwerbspreises, die (nur) aus freien Mitteln möglich sein soll1. Das Gesetz formuliert die Kontrollfrage (Rn 15) etwas anders, nämlich ob die 17 GmbH in Höhe der Aufwendungen für den Erwerb in diesem Zeitpunkt eine Rücklage in Höhe der Aufwendungen für den Erwerb bilden könnte, berücksichtigt mit dieser Formulierung aber nicht den Fall, dass frei verfügbare2 Rücklagen (Gewinnrücklagen) oder gar Rücklagen für den Erwerb eigener Geschäftsanteile bereits gebildet sind. Doch ist das nicht entscheidend; denn der Sinn dieser Voraussetzung ist klar: Es geht um den Schutz des gesetzlich oder statutarisch gebundenen Vermögens, das für den Erwerb eigener Geschäftsanteile nicht eingesetzt werden darf. Hat die Gesellschaft mehrere Geschäftsanteile erworben und übersteigt die 18 Summe der Kaufpreise das frei verfügbare Vermögen, so muss der Geschäftsführer in der Reihenfolge der Fälligkeit erfüllen und im Übrigen den Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 14 Rn 46) beachten, darf also nicht beliebig vorgehen3. Ist die Gesellschaft hingegen insolvent, so erfolgt Zusammenrechnung aller Zahlungsansprüche4. b) Im Gegensatz zum alten Recht5 muss die GmbH nicht mehr in ihrem 19 nächsten Jahresabschluss zusätzlich aus freien Mitteln eine besondere Rücklage bilden. Denn nach § 272 HGB wird der Geschäftsanteil heute nicht mehr aktiviert, so dass auch kein passiver Gegenposten mehr gebildet werden muss. Außerdem spricht § 33 Abs. 2 Satz 1 nur davon, dass eine Rücklage gebildet werden könnte, und nicht davon, dass sie auch tatsächlich gebildet wird. c) Rechtsfolgen bei Verstoß: Hat die Gesellschaft im Zeitpunkt des Erwerbs 20 keine oder keine ausreichenden freien Mittel, so ist der dingliche Erwerb hier (anders als bei § 33 Abs. 1) doch wirksam. Im Übrigen sagt das Gesetz, das schuldrechtliche Rechtsgeschäft sei entsprechend der objektiven Vermögenslage der Gesellschaft nichtig. Aber ganz so einfach ist die Rechtslage nicht. Allerdings: Fehlt die Voraussetzung ausreichenden freien Vermögens, so darf 21 die Gesellschaft nicht zahlen (wäre Verstoß gegen § 30!) und muss das etwa be1 Früher kam es allein auf den Zeitpunkt der Zahlung an; vgl 16. Aufl Rn 9; vgl dazu aber auch unten Rn 24: liegt diese Voraussetzung im Zeitpunkt der Zahlung nicht (mehr) vor, darf nicht gezahlt werden. Die Zahlung verstieße gegen § 30, BGH ZIP 1996, 1984, 1986 = GmbHR 1997, 171; OLG Rostock GmbHR 2013, 305 (nrk; kritisch Wicke Rn 6); R/A/ Altmeppen Rn 15, 20. 2 Die Kontrollfrage lautet, ob die fraglichen Rücklagen ausgeschüttet werden könnten. Das ist bei statutarisch oder gesetzlich (Rn 47) gebundenen Rücklagen nicht der Fall. 3 Vom BGH GmbHR 1998, 933 offen gelassen. 4 BGH GmbHR 1998, 933. 5 S. 16. Aufl, Rn 11.

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§ 33 | Erwerb eigener Geschäftsanteile reits Gezahlte zurückfordern. Dafür gelten die strengen Regeln des § 31 (Rückeinlage); denn tatsächlich wurde ja zu Lasten des Kapitals an einen Gesellschafter geleistet. Die §§ 812 ff BGB sind hier zusätzlich anwendbar1. Zur Rückabtretung des Geschäftsanteils an den Gesellschafter ist die Gesellschaft nur Zug um Zug gegen Zahlung des Geleisteten verpflichtet, § 273 BGB. Hat die Gesellschaft den Geschäftsanteil (wirksam; denn sie ist Inhaberin geworden!) weiter übertragen, so gilt § 818 Abs. 2 BGB, nicht aber die sog Saldotheorie, da § 31 Vorrang hat und Aufrechnung nur der Gesellschaft erlaubt ist, § 19 Abs. 22. 22 Die Geschäftsführer haften der GmbH aus § 43 für den Ausfall und den Gesell-

schaftern ggf aus § 31 Abs. 6.

23 § 33 Abs. 2 erlaubt auch bei Gefahr eines Nachteils für die GmbH keine Aus-

nahme von diesen Regeln3.

24 Fraglich aber ist, ob „nichtig“ die schuldrechtliche Rechtslage zutreffend wieder-

gibt. Denn nichts steht ja entgegen, die schuldrechtliche Vereinbarung mit der Maßgabe zu treffen, dass die Leistungspflichten erst wirksam werden, wenn die Voraussetzung erfüllt ist: Vorher darf von der Gesellschaft nicht geleistet und vom Gesellschafter kann Leistung nicht gefordert werden; geschieht das doch, so ist in der geschilderten Weise rückabzuwickeln. In dieser Weise sollte auch das „nichtig“ des Gesetzes verstanden werden. Solange sich Gesellschafter und Geschäftsführer an die gesetzlichen Vorgaben halten und ggf warten, gibt es keinen Grund, das schuldrechtliche Rechtsgeschäft zu vernichten; und selbst wenn dann doch entgegen § 33 Abs. 2 abgewickelt (und rückabgewickelt) wurde, mag das Rechtsgeschäft – noch nicht wirksam und nicht erfüllbar – in die Warteposition zurückfallen. Das scheint auch der BGH4 so zu sehen; denn unter II, 3 der Gründe spricht er nicht von „nichtig“, sondern dass „die Verträge nicht erfüllt werden dürfen“5. Zu ähnlichen Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag, wonach ein Gesellschafter „monatlich Euro 1 000 erhält“, deren Wirksamkeit einerseits und Erfüllbarkeit andererseits nur im Rahmen von § 30 möglich ist, vgl § 29 Rn 47. „Nichtig“ ist das schuldrechtliche Rechtsgeschäft also nur, wenn bei seinem Abschluss feststeht, dass die Gesellschaft nicht in zulässiger Weise wird erwerben

1 AA BGH ZIP 1997, 1450 = GmbHR 1997, 790 für die reinen §§ 30, 31-Fälle. 2 B/S/Thiessen Rn 45; G/E/S/Sandhaus Rn 26; aA R/A/Altmeppen Rn 35 f; S/I/Langheim/ Klingsch Rn 22. 3 R/A/Altmeppen Rn 33; Scholz/H.P. Westermann Rn 30; B/H/Fastrich Rn 12; MünchHdbGmbH/Kort § 27 Rn 21; MünchKomm/Löwisch Rn 10. 4 BGHZ 139, 132, 137 = GmbHR 1998, 933, 934. 5 Im Ergebnis ebenso B/H/Fastrich Rn 14; U/H/L/Paura Rn 58; R/A/Altmeppen Rn 20.

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können1; anderenfalls bleibt es in der Schwebe2 und darf im vereinbarten Leistungszeitpunkt ggf nicht oder eben doch erfüllt werden3. Entscheidend für die Erfüllbarkeit ist also der Zeitpunkt der Zahlung4: Hat die Gesellschaft jetzt die erforderlichen freien Mittel, ist Erfüllbarkeit gegeben, anderenfalls nicht, auch wenn sie im Zeitpunkt des schuldrechtlichen Vertragsabschlusses (Rn 16) vorhanden waren.

5. Erwerb durch Dritte für Rechnung der GmbH Hierfür gelten die Grundsätze aus § 33 Abs. 1 und 2: Im Außenverhältnis (Drit- 25 ter/Veräußerer) gelten die allgemeinen Regeln: Der Dritte erwirbt und wird Gesellschafter; im Innenverhältnis (Dritter/GmbH) gilt § 33 analog mit der Folge, dass die GmbH aus § 670 BGB zur Zahlung an den Dritten nur verpflichtet und ihrerseits aus § 667 BGB nur berechtigt ist, wenn § 33 es erlaubt.

6. Die bilanzielle Darstellung von Erwerb und Veräußerung der eigenen Geschäftsanteile Wie oben Rn 5 bereits gesagt, hat das BilMoG die Bilanzierung eigener Ge- 26 schäftsanteile völlig umgestaltet und behandelt den Vorgang jetzt wie eine Kapitalherabsetzung, obwohl sie keine Kapitalherabsetzung ist5. Diese Lösung ist nicht völlig neu für das deutsche Recht. Denn schon das KonTraG von 19986 hatte genau diese Lösung für wenige Sonderfälle bei eigenen Aktien getroffen (§ 272 Abs. 1 Sätze 4 bis 6 HGB aF). Daran hat sich der Gesetzgeber des § 272 HGB nF orientiert7. a) Angenommen, die GmbH mit einem Stammkapital von 50 000 Euro erwerbe 27 einen Geschäftsanteil von nominal 10 000 Euro zum Preis von 40 000 Euro und veräußere ihn nach einiger Zeit für 50 000 Euro, dann stellt sich die bilanzielle Situation wie folgt dar8:

1 Priester GmbHR 2013, 1123 f. 2 Henssler/Strohn/T. Fleischer Rn 18; ähnlich R/S-L/Pentz Rn 24; B/S/Thiessen Rn 41 f und U/H/L/Paura Rn 58. 3 AA Wicke Rn 11. 4 Eingehend Lieder GmbHR 2014, 67 ff. 5 Dazu eingehend der RefE BilMoG S. 135 ff und der RegE BilMoG v. 30.7.2008, BTDrucks 16/10067, S. 65 f. 6 Vgl RegE KonTraG, BT-Drucks 13/9712, S. 25. 7 Dazu MünchKomm/Reiner § 272 HGB Rn 26 ff; Staub/Hüttemann/Meyer § 272 HGB Rn 26; Baumach/Hopt/Merkt § 272 HGB Rn 4; K/K/R/M § 272 HGB Rn 7. 8 Näher Kropff ZIP 2009, 1137.

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§ 33 | Erwerb eigener Geschäftsanteile Erwerb: 150 000

vorher Bank

50 000 100 000 150 000

150 000

Stammkapital Gewinn RL

Buchungssatz per 10 000 Absetzung für eigene Anteile per 30 000 Gewinn RL per 40 000 Bank nachher 110 000

Bank

50 000

(Stammkapital nominal) –10 000 (Absetzung für eigene Anteile)

110 000

Veräußerung:

40 000 Stammkapital eff. 70 000 Gewinn RL 110 000

Buchungssatz per 10 000 Auflösung der Absetzung per 30 000 Zuführung zur Gewinn RL per 10 000 Zuführung zur Kapital RL

160 000 Bank 160 000

Stammkapital Kapitalrücklage Gewinnrücklage

50 000 10 000 100 000 160 000

28 b) Diese von § 272 Abs. 1a HGB erzwungene bilanzielle Absetzung des Nomi-

nalbetrages eigener Geschäftsanteile vom Stammkapital führt dazu, dass die Bilanz keine sichere Aussage mehr zulässt zum Umfang der nach § 30 zulässigen Ausschüttung1. So sind zwar oben Rn 27 nach dem Erwerb noch 70 000 Euro Gewinn RL ausgewiesen; von ihnen dürfen aber höchstens 60 000 Euro ausgeschüttet werden, weil das Stammkapital 50 000 Euro beträgt und nicht etwa nur 40 000 Euro, wie in der Bilanz rechnerisch ausgewiesen2.

1 Darauf weist auch Kropff ZIP 2009, 1137 mit Nachdruck hin. 2 HM, vgl R/A/Altmeppen Rn 32; B/H/Fastrich Rn 10; MünchKomm/Löwisch Rn 46; Verse VGR Bd 15 (2009), S. 83 ff; zur Verwendbarkeit der nach § 268 Abs. 8 HGB gesperrten Mittel Kropff FS Hüffer, S. 545 ff.

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Erwerb eigener Geschäftsanteile | § 33

7. Inpfandnahme eigener Geschäftsanteile Die beschränkenden Regeln zur Inpfandnahme eigener Geschäftsanteile sind 29 durch die Novelle 1980 neu aufgenommen worden und folgen aktienrechtlichem Vorbild (Gleichstellung von Erwerb und Inpfandnahme); dadurch soll eine Umgehung des Erwerbsverbotes verhindert werden1. Gemeint ist nur der rechtsgeschäftliche Erwerb eines Pfandrechts2. Er ist schuldrechtlich wie dinglich nichtig, wenn auf den verpfändeten Geschäftsanteil noch Einlage offen ist (Rn 11). Er ist dinglich wirksam, schuldrechtlich aber nichtig, wenn die gesicherte Forderung (oder der geringere Wert des Geschäftsanteils) nicht durch „freies Vermögen“ (dazu Rn 14 ff) gedeckt ist: Die Rückabwicklung folgt hier den Regeln aus §§ 812 ff BGB, da § 30 im Zweifel nicht betroffen ist (anders wenn vGA).

8. Erwerb im Rahmen von Fusion, Spaltung und Umwandlung (§ 33 Abs. 3) a) Grundsatz: § 33 Abs. 3 ist viel zu aufwändig formuliert; denn die Vorschrift 30 enthält – wie auch der frühere Abs. 3 – sachlich nur eine Ausnahme von Abs. 13; im Übrigen gelten die Regeln von § 33 Abs. 2 Satz 1, die hier wortgleich wiederholt werden. Innerhalb der genannten Frist von sechs Monaten seit Eintragung der betreffenden Strukturänderung im Handelsregister („Wirksamwerden“, §§ 20, 131, 202 UmwG) darf die Gesellschaft also zum Zwecke der Abfindung widersprechender Gesellschafter auch nicht voll eingezahlte Geschäftsanteile erwerben, wenn sie im Zeitpunkt des Erwerbs eine Rücklage in Höhe des Erwerbspreises (= Höhe des Angebots im Umwandlungsplan) aus freien Mitteln bilden könnte (näher Rn 14 ff). § 33 Abs. 3 opfert mithin für sechs Monate den Gedanken realer Kapitalaufbringung, hält aber am Gedanken realer Kapitalerhaltung fest. b) Einzelheiten: Die Ausnahme ist beschränkt auf die vier im Text genannten 31 Fälle des UmwG, also die nationale und internationale Verschmelzung, die Spaltung und den Formwechsel. Die Ausnahme gilt also zB nicht für Abfindungen im Zusammenhang mit Unternehmensverträgen (Anh zu § 13 Rn 68).

1 KölnKomm/Lutter/Drygala, § 71e AktG Rn 6. 2 B/H/Fastrich Rn 5 mwN; S/I/Langheim/Klingsch Rn 8; aA MünchHdbGmbH/Kort § 27 Rn 13; Scholz/H.P. Westermann Rn 8; Michalski/Sosnitza Rn 9; Henssler/Strohn/T. Fleischer Rn 9; MünchKomm/Löwisch Rn 34. 3 R/A/Altmeppen Rn 50 f; aA MünchKomm/Löwisch Rn 54, 57: Ausnahme von Abs. 2 Satz 1 aF.

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§ 33 | Erwerb eigener Geschäftsanteile Liegen die Voraussetzungen des § 33 Abs. 3 vor und ist die Frist noch nicht abgelaufen, so ist der Geschäftsführer verpflichtet, die fraglichen Geschäftsanteile der widersprechenden Gesellschafter zu dem im Umwandlungsplan festgelegten Preis für die Gesellschaft zu erwerben, auch wenn diese nicht voll eingezahlt sind. Der Abfindungsanspruch wird mithin von vornherein um die ausstehende Einlage gekürzt1. Fehlt hingegen auch die Möglichkeit zur Bildung einer Rücklage aus freiem Vermögen in Höhe des Erwerbspreises, dann scheitert die fragliche Strukturmaßnahme2 (zur ähnlichen Situation beim Ausschluss eines Gesellschafters vgl § 34 Rn 22 und 26). Der Erwerbspreis kann sich durch gerichtliche Entscheidung im Spruchverfahren erhöhen (§§ 34, 125, 212 UmwG); insoweit ist die Gesellschaft dann zur Nachzahlung verpflichtet. 32 Mit dem Erwerb der nicht voll geleisteten Geschäftsanteile durch die Gesell-

schaft erlischt der restliche Zahlungsanspruch der Gesellschaft, er geht durch Konfusion unter3. Veräußert die Gesellschaft den Geschäftsanteil später, erhält der Erwerber einen voll geleisteten Geschäftsanteil, auf den keine Einlageleistungen welcher Art auch immer noch geschuldet sind.

32a c) Sollten die Voraussetzungen des § 33 Abs. 3 nicht vollständig erfüllt sein, so

sind beim nicht voll eingezahlten Geschäftsanteil sowohl das Kausalgeschäft als auch das auf Anteilserwerb gerichtete Verfügungsgeschäft unwirksam4; beim voll eingezahlten Anteil dagegen ist das Kausalgeschäft wirksam, muss jedoch bei einem Verstoß gegen § 30 Abs. 1 nach § 31 Abs. 1 rückabgewickelt werden5.

9. Interne Voraussetzungen für Erwerb und Veräußerung durch die Gesellschaft 33 Durch Erwerb und Veräußerung von Geschäftsanteilen kann sich die interne

Struktur von Macht und Einfluss in der Gesellschaft stark verändern. Weil das Stimmrecht aus eigenen Geschäftsanteilen ruht (Rn 39), wirkt sich der Erwerb zwangsläufig auf das interne Verhältnis der Gesellschafter aus (Beispiel: Geschäftsanteil A zu 20 000 Euro, B zu 15 000 Euro, C zu 15 000 Euro; erwirbt die Gesellschaft den Anteil von C, so verschafft sie A die Mehrheit; veräußert sie den Anteil später an B, so verliert A die Mehrheit und B gewinnt sie). Es ist aber nicht Sache der Geschäftsführer, diese Verhältnisse zu beeinflussen.

1 Lieder GmbHR 2014, 235. 2 Lieder GmbHR 2014, 234. 3 Näher Lieder GmbHR 2014, 234 f; KölnKomm/Lutter/Drygala § 71 AktG Rn 17; MünchKomm/Oechsler § 71 AktG Rn 20; B/S/Thiessen Rn 56 f; MünchKomm/Löwisch Rn 61; aA R/A/Altmeppen Rn 52. 4 Lieder GmbHR 2014, 235 f. 5 Lieder GmbHR 2014, 236 f.

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Erwerb eigener Geschäftsanteile | § 33

a) Fraglich ist daher, ob die Gesellschafter einem Erwerb bzw einer Veräußerung 34 zustimmen müssen, wenn dies nicht schon in der Satzung vorgesehen oder im Gesetz vorgeschrieben ist. Im Falle des Erwerbs ist eine Vorweg-Zustimmung der Gesellschafter nicht erforderlich; doch muss der Geschäftsführer die Gesellschafter rechtzeitig über den geplanten Erwerb so informieren, dass diese von ihrem Einberufungsrecht nach § 50 Gebrauch machen können, um in einer Gesellschafterversammlung den Geschäftsführer mit einfacher Mehrheit entsprechend anzuweisen1. Bei einer Veräußerung ist nicht nur ein Gesellschafterbeschluss erforderlich2, sondern darüber hinaus der Gedanke des Bezugsrechts zu beachten (s. § 55 Rn 19 ff)3 und der Geschäftsanteil zunächst den Gesellschaftern entsprechend ihren Beteiligungsquoten anzubieten, mehreren Interessenten ggf durch Teilung oder gemeinsamen Erwerb4. Der Geschäftsführer ist jedenfalls gut beraten, die Gesellschafterversammlung entscheiden zu lassen, nicht zuletzt um die Höhe des Kaufpreises zu klären; andernfalls liegt der Vorwurf nahe, er habe einen überhöhten Preis akzeptiert und damit eine verdeckte Gewinnausschüttung unternommen. b) Sieht der Gesellschaftsvertrag entsprechend § 15 Abs. 5 eine Zustimmung der 35 Gesellschaft für Erwerb bzw Veräußerung von Geschäftsanteilen vor, kann der Geschäftsführer diese Zustimmung für den Erwerb eigener Geschäftsanteile oder deren Veräußerung nicht erteilen5. Anders als bei der Veräußerung eines Geschäftsanteils durch einen Gesellschafter an einen Dritten liegt hier im Erwerb bzw in der Veräußerung eine Änderung der Beteiligungsstruktur – mithin eine Maßnahme, die nicht von der Geschäftsführungsbefugnis gedeckt ist6. Ein solches fait accompli erlaubt das Innenrecht der GmbH nicht7. Hier entscheidet die Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit8. c) Beim Erwerb eigener Geschäftsanteile haben Geschäftsführer und die Gesell- 36 schafterversammlung (s. soeben Rn 34 und 35) den Grundsatz der Gleichbe1 Scholz/H.P. Westermann Rn 27; Michalski/Sosnitza Rn 24; weitergehend U/H/L/Paura Rn 45: Beschluss der Gesellschafterversammlung mit qualifizierter Mehrheit; aA MünchHdbGmbH/Kort § 27 Rn 20; Henssler/Strohn/T. Fleischer Rn 21. 2 B/H/Fastrich Rn 28; MünchHdbGmbH/Kort § 27 Rn 41. 3 OLG Hamm ZIP 1983, 1332; aA R/S-L/Pentz Rn 52; R/A/Altmeppen Rn 55; B/H/Fastrich Rn 28. 4 U/H/L/Paura Rn 89 ff; im Ergebnis auch R/S-L/Pentz Rn 52; aA B/H/Fastrich Rn 28; Scholz/H.P. Westermann Rn 38; Michalski/Sosnitza Rn 67; MünchHdbGmbH/Kort § 27 Rn 41. 5 Michalski/Sosnitza Rn 24; Scholz/H.P. Westermann Rn 38; aA U/H/L/Paura § 33 Rn 50, § 15 Rn 220: ggf besteht eine Schadensersatzpflicht des Geschäftsführers nach § 43 Abs. 1; MünchKomm/Löwisch Rn 74. 6 R/S-L/Pentz Rn 52. 7 Michalski/Sosnitza Rn 69. 8 AA U/H/L/Paura Rn 41: qualifizierte Mehrheit.

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§ 33 | Erwerb eigener Geschäftsanteile handlung zu beachten (§ 14 Rn 46). Bei Nichtbeachtung führt das zur Anfechtbarkeit eines entsprechenden Beschlusses der Gesellschafterversammlung1. Darüber hinaus hat U. Huber für die AG den Gedanken eines Andienungsrechtes entwickelt2, das Habersack3 und Paura4 für die GmbH übernommen haben: Ähnlich wie beim Bezugsrecht soll es mit der Entscheidung zum Erwerb eigener Geschäftsanteile ipso iure als proportionales mitgliedschaftliches Recht entstehen und wie dort auch nur aus sachlichen Gründen im Interesse der Gesellschaft durch die Gesellschafterversammlung ausgeschlossen werden können. Für diesen Gedanken spricht viel; denn für GmbH-Anteile gibt es keinen Markt; wer veräußern will, hat also schon einmal in der Gesellschaft einen Erwerber. Darüber hinaus würden sich auf diesem Wege die Probleme der möglichen Machtverschiebung (Rn 33) lösen. Stimmt die Gesellschafterversammlung dem geplanten Erwerb eines Geschäftsanteils zu, so liegt darin zugleich der Ausschluss des Andienungsrechtes5. In dem etwa folgenden Anfechtungsverfahren kann dann über die Frage des Interesses der Gesellschaft am Erwerb gerade nur dieses Geschäftsanteils entschieden werden6. 37 d) Im Außenverhältnis schlägt die Beschränkung der Geschäftsführungsbefugnis

nach allgemeinen Regeln durch: Wer die Beschränkung kennt oder kennen muss, insbesondere also ein Gesellschafter, kann sich nicht auf die unbeschränkte Vertretungsmacht des Geschäftsführers berufen7.

38 Hat die Gesellschaft nur einen Gesellschafter, so ist dieser nach Ansicht des

BGH zur Verfügung über einen eigenen Geschäftsanteil der Gesellschaft befugt, auch wenn er selbst nicht Geschäftsführer ist8.

10. Rechte und Pflichten aus dem eigenen Geschäftsanteil 39 Die Rechte und Pflichten aus dem eigenen Geschäftsanteil ruhen9, insbesondere

Stimmrecht, Bezugsrecht, Gewinnanteil10; bereits begründete Rechte Dritter auf

1 BGHZ 116, 359, 372 = GmbHR 1992, 257; BGHZ 120, 141; hM. 2 U. Huber FS Kropff, 1997, S. 116; ihm folgend Benckendorf Erwerb eigener Aktien, 1998, S. 247 ff; T. Bezzenberger Erwerb eigener Aktien, 2002, Rn 142; Paefgen AG 1999, 68 f; MünchKomm/Oechsler § 71 AktG Rn 22. 3 Habersack ZIP 2004, 1127. 4 U/H/L/Paura Rn 47, 48. 5 Zutreffend U/H/L/Paura Rn 47, 48. 6 Etwa im Zusammenhang mit dem Ausschluss eines Gesellschafters aus der Gesellschaft; dazu § 34 Rn 52 ff. 7 U/H/L/Paura Rn 46. 8 BGH NZG 2003, 1164 = GmbHR 2003, 1426. 9 B/H/Fastrich Rn 23; R/A/Altmeppen Rn 31; hM. 10 BGH NJW 1995, 1027 = GmbHR 1995, 291; hM; vgl nur U/H/L/Paura Rn 77 ff mit allen Nachweisen.

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Erwerb eigener Geschäftsanteile | § 33

den Gewinnanteil (zB Nießbrauch, Pfandrecht, Vorausabtretung des Gewinnbezugsrechts) bleiben bestehen, können von der GmbH aber nicht neu begründet werden1. Diese kann auch nicht den mit ihrem Geschäftsanteil verbundenen Gewinnanspruch oder bei einer Kapitalerhöhung das Bezugsrecht abtreten: Das Recht besteht nicht2. Der der Gesellschaft rechnerisch zustehende Anteil am Gewinn ist also nicht per se in die Rücklagen einzustellen, vielmehr ist mit dem gesamten Jahresüberschuss nach Gesetz und Satzung gemäß § 29 so zu verfahren, wie wenn der betreffende Geschäftsanteil nicht existent wäre3. In gleicher Weise steht den restlichen Gesellschaftern im Verhältnis ihrer Geschäftsanteile bei einer Kapitalerhöhung das Bezugsrecht auf alle neuen Geschäftsanteile zu4. Die GmbH nimmt jedoch mit dem eigenen Geschäftsanteil an einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln teil (§ 57l Abs. 1). Tritt die Gesellschaft den Geschäftsanteil an einen Dritten ab (auch: zur Sicherheit), so leben alle mitgliedschaftlichen Rechte und Pflichten wieder auf.

11. Erwerb durch Tochtergesellschaft und wechselseitige Beteiligung Heute ist nicht mehr streitig, dass diese Vorgänge5 als mittelbare Selbstbetei- 40 ligung für das gebundene Vermögen (Kapital) einen ähnlichen Effekt haben wie der direkte Erwerb eigener Geschäftsanteile (wenn A-GmbH und B-GmbH mit Kapital und Vermögen von je 50 000 Euro wechselseitig ihre Geschäftsanteile aufkaufen, hat am Ende keiner mehr etwas)6; wegen dieser Gefahr verbieten §§ 56 Abs. 2, 71d AktG auf der Grundlage von Art. 24a der 2. RL der abhängigen Gesellschaft (also auch einer abhängigen GmbH!) die Zeichnung und den Erwerb von Aktien der herrschenden AG. Dieses Verbot mittelbarer Selbstbeteiligung entspricht jedenfalls seit der Verschärfung von § 33 durch die Novelle 1980 durchaus dem Schutzgedanken dieser Norm, muss daher auch hier angewandt werden (heute hM); streitig ist nur, ob in Analogie zum Aktienrecht auf den Begriff der Abhängigkeit (§ 17 AktG7) oder aber auf den Kapitalschutz und

1 B/H/Fastrich Rn 25; MünchHdbGmbH/Kort § 27 Rn 13 – allerdings mit der Einschränkung, dass Rechte Dritter beim Ergebnisverwendungsbeschluss nicht berücksichtigt werden müssen. 2 U/H/L/Paura Rn 80; aA Scholz/H.P. Westermann Rn 33; B/H/Fastrich Rn 26. 3 BGH GmbHR 1995, 291, 292 und BGH DStR 1998, 498 = GmbHR 1998, 538; Scholz/H.P. Westermann Rn 33; U/H/L/Paura Rn 78 f mwN; teilweise abweichend B/H/Fastrich Rn 25; MünchHdbGmbH/Kort § 27 Rn 29. 4 AA Scholz/H.P. Westermann Rn 35 mwN. 5 Vgl dazu Emmerich Wechselseitige Beteiligungen bei AG und GmbH, NZG 1998, 622. 6 Näher Lutter Kapital, S. 453 ff; U/H/L/Paura Rn 110. 7 So im Prinzip Verhoeven GmbHR 1977, 97, 100.

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§ 33 | Erwerb eigener Geschäftsanteile daher zutreffend auf die Beteiligung abzustellen ist1, wobei dann deren Höhe wiederum aus dem Gedanken des Kapitalschutzes mit mindestens 25 % festzulegen ist2. Im Einzelnen bedeutet das: 41 a) Verboten ist der Untergesellschaft (also der Gesellschaft, an der die unmittel-

bare oder mittelbare Beteiligung von mindestens 25 % besteht – Beteiligungsgesellschaft) der originäre Erwerb von (neuen) Geschäftsanteilen der Obergesellschaft (also der GmbH, die zu mindestens 25 % unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist – beteiligte Gesellschaft) im Rahmen einer Kapitalerhöhung gegen Einlagen3. Geschieht das dennoch, so darf der Registerrichter die Kapitalerhöhung im Handelsregister nicht eintragen4. Geschieht auch das, so sind die Kapitalerhöhung und der neue Geschäftsanteil wirksam; für Schäden daraus bei der GmbH (Obergesellschaft) aber sind deren eigene Geschäftsführer und die Geschäftsführer/Vorstand der Untergesellschaft ersatzpflichtig. Dieses Verbot gilt auch für die KG in der sog „Einheits-GmbH & Co. KG“5, jedoch nicht für eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln, arg § 57l.

42 b) Verboten ist auch die originäre Herstellung einer wechselseitigen Beteiligung

durch gleichzeitige Kapitalerhöhung und wechselseitige Übernahme6.

43 c) Verboten ist der Untergesellschaft (Beteiligungsgesellschaft) entsprechend

§ 33 Abs. 1 auch der derivative Erwerb nicht voll eingezahlter Geschäftsanteile der Obergesellschaft (beteiligte GmbH); geschieht es doch, so ist der Erwerb hier nicht nichtig, da § 33 Abs. 1 die – hier nicht eintretende – Konfusion verhindern will7; doch haftet die Geschäftsleitung der Untergesellschaft auf Ersatz des etwaigen Schadens der Ober-GmbH8.

44 d) Darüber hinaus hat eine iSv § 17 AktG abhängige GmbH die ggf weiter ge-

henden Verbote aus §§ 56 Abs. 2, 71d AktG zu beachten, wenn herrschendes Unternehmen eine AG ist9.

1 Lutter Kapital, S. 198, 463; Lieder GmbHR 2014, 64; Scholz/H.P. Westermann Rn 13; Scholz/Priester § 55 Rn 110; so war es auch in § 69 RefE GmbHG geplant. 2 Ebenso Scholz/Emmerich Anh KonzernR Rn 36; U/H/L/Paura Rn 121; mit 50 % zu hoch Scholz/Priester § 55 Rn 110. Gegen 25 % Grenze B/H/Fastrich Rn 21; Henssler/Strohn/ T. Fleischer Rn 11; S/I/Langheim/Klingsch Rn 38. 3 Verhoeven GmbHR 1977, 97, 102 mwN. 4 AA MünchKomm/Löwisch Rn 85. 5 Zutreffend LG Berlin ZIP 1986, 1564 = GmbHR 1987, 395. 6 Lutter Kapital, S. 191; Verhoeven GmbHR 1977, 97, 102; Scholz/Emmerich Anh KonzernR Rn 36. 7 AA B/H/Fastrich Rn 21; Scholz/H.P. Westermann Rn 13. 8 Abweichend R/A/Altmeppen Rn 42: lediglich Weiterhaftung des Veräußerers nach § 16 Abs. 2, da § 33 Abs. 1 mangels Konfusion nicht anwendbar; ähnlich U/H/L/Paura Rn 116. 9 R/A/Altmeppen Rn 45 f; KölnKomm/Lutter/Drygala § 71d AktG Rn 18; MünchKomm/ Löwisch Rn 83.

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Erwerb eigener Geschäftsanteile | § 33

e) Erlaubt ist der Untergesellschaft (Beteiligungsgesellschaft, abhängige Gesell- 45 schaft) entsprechend § 33 Abs. 2 der derivative Erwerb von voll eingezahlten Geschäftsanteilen der Ober-GmbH aus frei verfügbaren Mitteln. Außerdem muss die abhängige GmbH in der Lage sein, in ihrer nächsten Bilanz eine Sonderrücklage in Höhe des Erwerbspreises oder des niedrigeren Wertes des Geschäftsanteils an der Obergesellschaft aus frei verfügbaren Mitteln zu bilden, § 272 Abs. 4 HGB; Rn 47. f) Das Gesetz ordnet in §§ 71b und 71d AktG nur das Ruhen aller Rechte aus 46 einem Geschäftsanteil in Händen einer abhängigen AG an; ungeregelt sind hingegen die Fälle, in denen sich der Geschäftsanteil in der Hand einer abhängigen GmbH oder GmbH & Co KG befindet. Das aber hängt nur mit der Technik der Gesetzgebung zusammen (das AktG handelt von AGen), ist also nicht etwa als bewusste Entscheidung des Gesetzgebers zu verstehen. Die §§ 71b/d AktG sind daher entsprechend auf Geschäftsanteile in den Händen einer abhängigen GmbH oder GmbH & Co KG anzuwenden; auch in deren Händen ruhen alle Rechte aus dem betreffenden Geschäftsanteil1. g) Bildung und Auflösung einer Sonderrücklage nach § 272 Abs. 4 HGB 47 beim Erwerb durch Tochtergesellschaft: Im Gegensatz zur Lösung bei einem unmittelbaren Erwerb eigener Geschäftsanteile (Rn 14 ff), bleibt das Gesetz (§ 272 Abs. 4 HGB) hier bei der bisherigen Lösung: Die abhängige GmbH bucht den Geschäftsanteil an ihrer Muttergesellschaft zum Erwerbspreis oder seinem geringeren Marktwert im Aktivum ihrer Bilanz, muss aber zur Neutralisierung dieser Aktivierung gleichzeitig auf der Passivseite eine Sonderrücklage in gleicher Höhe aus frei verfügbaren Mitteln (kein Kapital, keine gesetzliche oder statutarisch gebundene Rücklage) bilden. Ist sie dazu nicht in der Lage, ist der Erwerb schuldrechtlich nichtig und muss nach den Regeln der §§ 812 ff BGB rückabgewickelt werden. Wird der Geschäftsanteil veräußert oder eingezogen, ist diese Sonderrücklage aufzulösen. Enthält die Satzung oder ein früherer Beschluss der Gesellschafterversammlung keine besondere Anweisung, so ist sie nicht etwa automatisch einer anderen Rücklage zuzuführen, sondern sie mehrt den Bilanzgewinn des betreffenden Geschäftsjahres und steht damit zur Disposition der Gesellschafter/ Satzung nach den Regeln des § 29. Zu den Steuerfragen bei der Behandlung eigener Anteile vgl Breuninger/Müller 48 Erwerb und Veräußerung eigener Anteile nach dem BilMoG – steuerliche Behandlung – Chaos perfekt?, GmbHR 2011, 10.

1 Ebenso OLG München GmbHR 1995, 590; B/H/Zöllner § 47 Rn 57; Scholz/K. Schmidt § 47 Rn 24; R/S-L/Koppensteiner/Schnorbus Anh § 52 Rn 23.

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§ 34 | Einziehung von Geschäftsanteilen

§ 34 Einziehung von Geschäftsanteilen (1) Die Einziehung (Amortisation) von Geschäftsanteilen darf nur erfolgen, soweit sie im Gesellschaftsvertrag zugelassen ist. (2) Ohne die Zustimmung des Anteilsberechtigten findet die Einziehung nur statt, wenn die Voraussetzungen derselben vor dem Zeitpunkt, in welchem der Berechtigte den Geschäftsanteil erworben hat, im Gesellschaftsvertrag festgesetzt waren. (3) Die Bestimmung in § 30 Abs. 1 bleibt unberührt. Text seit 1892 unverändert; amtliche Überschrift ergänzt durch MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl I 2026). I. II. 1. 2. 3. 4. 5. III. 1. 2. 3. IV.

Überblick . . . . . . . . . . . . . . Einziehung . . . . . . . . . . . . . Wirkung der Einziehung . . . . Einziehung eigener Geschäftsanteile . . . . . . . . . . . . . . . . . Freiwillige Einziehung . . . . . Zwangseinziehung . . . . . . . . Mängel der Einziehung . . . . . Ausschluss . . . . . . . . . . . . . Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . Voraussetzungen . . . . . . . . . Verfahren und Vollzug . . . . . Abtretungsverpflichtung; Abtretungsermächtigung . . .

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1 2 2

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13 18 27 51 52 52 53 59

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. . 67

V. 1. 2. 3. VI. 1. 2. 3. 4. 5. 6. VII.

Austritt/Kündigung . . . . . . . Überblick . . . . . . . . . . . . . . . Wichtiger Grund . . . . . . . . . . Austrittserklärung und Vollzug Abfindung . . . . . . . . . . . . . . Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . Statutarische Abfindungsbeschränkungen . . . . . . . . . . . Gleichbehandlung . . . . . . . . . Weitere Auswirkungen . . . . . . Ausnahmefälle . . . . . . . . . . . . Beratungspflichten . . . . . . . . . Steuerfolgen . . . . . . . . . . . . .

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70 70 71 75 78 78

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81 96 97 97a 99 100

Literatur Altmeppen Die Dogmatik des Abfindungsanspruchs und die offenen Fragen zum Ausscheiden aus der GmbH, ZIP 2012, 1685; Blath Der Vollzug des Ausscheidens aus der GmbH – dogmatische und praktische Fragen, GmbHR 2012, 657; Clevinghaus Voraussetzungen und Folgen der Einziehung von GmbH-Geschäftsanteilen, RNotZ 2011, 449; Fritz Die Zwangseinziehung von GmbH-Geschäftsanteilen, 2015; Goette Zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Zwangseinziehungsbeschlusses, FS Lutter, 2000, S. 399; Grunewald Die Zwangseinziehung von GmbH-Geschäftsanteilen, GmbHR 2012, 769; Grunewald Der Ausschluss aus Gesellschaft und Verein, 1987; Grunewald Wer kann ohne besonderen Anlass seine Gesellschafterstellung verlieren?, FS Priester, 2007, S. 123; Kleindiek Die Einziehung von GmbH-Geschäftsanteilen und das Konvergenzgebot aus § 5 III 2 GmbHG, NZG 2015, 489; Klöckner Aktuelle Praxisfragen zum Ausscheiden eines GmbHGesellschafters, GmbHR 2012, 1325; Knöchlein Der Ausschluss des unverträglichen Mitgesellschafters, 1996; Kranz Der GmbH-Geschäftsanteil in Pfändung und Insolvenz, Diss Köln 1998; Lorenz Zivilprozessuale Probleme der Zwangseinziehung von GmbH-Anteilen, DStR 1996, 1774; Lutter Ausschluss von Gesellschaftern, Einziehung von Geschäftsanteilen und gesellschaftsrechtliche Treupflicht, GmbHR 1997, 1134; Markowsky Die Einzie-

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Einziehung von Geschäftsanteilen | § 34 hung von GmbH-Geschäftsanteilen, 2013; Mayer/Elfring Das zwangsweise Ausscheiden eines Gesellschafters – Machtkämpfe in der GmbH, GmbHR 2004, 869; Niemeier Rechtstatsachen und Rechtsfragen der Einziehung von GmbH-Anteilen, 1982; Niemeier Rechtsschutz und Bestandsschutz bei fehlerhafter Einziehung von GmbH-Anteilen, ZGR 1990, 314; Nolting Disquotale Aufstockung der Nennbeträge von GmbH-Geschäftsanteilen bei der Einziehung, ZIP 2011, 1292; Priester Einziehungsbeschluss trotz Zahlungssperre aus § 30 GmbHG!, ZIP 2012, 658; Priester Anteilsnennwert und Anteilsneubildung nach Einziehung von Geschäftsanteilen, FS Kellermann, 1991, S. 337; Reymann Risikominimierung bei der Gestaltung von GmbH-Hinauskündigungsklauseln, DNotZ 2006, 252; Rosner Streitvermeidung beim Austritt von GmbH-Gesellschaftern, ZGR 2011, 732; J. Schmidt Einziehung von GmbH-Geschäftsanteilen, GmbHR 2013, 953; Schockenhoff Rechtsfragen der Zwangseinziehung von GmbH-Geschäftsanteilen, NZG 2012, 449; Sosnitza Managerund Mitarbeitermodelle im Recht der GmbH, DStR 2006, 99; Tröger Anteilseinziehung und Abfindungszahlung, in: Gesellschaftsrechtliche Vereinigung (VGR), Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2013, VGR Bd 19 (2014), S. 23; Ulmer Höchstrichterliche Rechtsfortbildung als Durchhauen des gordischen Knotens?, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 1261; Wagner Der Status des GmbH-Gesellschafters nach der Zwangseinziehung, 2015; Wagner Einstweiliger Rechtsschutz gegen den Verlust der formellen Gesellschafterstellung nach der Zwangseinziehung von GmbH-Geschäftsanteilen, GmbHR 2016, 463; Westermann Einziehung und Abfindung (§ 34 GmbHG), FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 447; Wolff Das Schicksal eingezogener GmbH-Geschäftsanteile, GmbHR 1999, 958.

I. Überblick Die Einziehung, früher auch Amortisation genannt, die in der Satzung zugelas- 1 sen sein muss, kommt als freiwillige Einziehung (§ 34 Abs. 1) inkl der Einziehung eigener Geschäftsanteile (Rn 13 ff, 18 ff) nur selten vor. Große praktische Bedeutung hat demgegenüber die sog „Zwangseinziehung“ (§ 34 Abs. 2; Rn 27 ff)1. Ihr Ziel ist oft die Klärung erbrechtlicher Fragen (§ 15 Rn 12) oder die Lösung von Problemen bei der drohenden Verwertung eines Geschäftsanteils durch Gläubiger des Gesellschafters. Vor allem aber gibt sie der Gesellschaftermehrheit die Möglichkeit, sich von unliebsamen Partnern zu trennen. Das führt zur Frage der Abgrenzung gegenüber dem Ausschluss eines Gesell- 1a schafters aus wichtigem Grund (Rn 59 ff). Die Einziehung zielt auf die Vernichtung des Geschäftsanteils (der Geschäftsanteile), für den (die) ein Einziehungsgrund eingetreten ist; das wird zwar häufig, muss aber nicht notwendig sämtliche Anteile eines Gesellschafters betreffen (zB im Falle der Anteilspfändung). Demgegenüber zielt der Ausschluss auf die Person des betroffenen Gesellschafters. Zum Vollzug des Ausschlusses bedarf es der Verwertung seines Geschäftsanteils (seiner Geschäftsanteile), die technisch auf verschiedene Weise durchgeführt werden kann: durch Einziehung des Anteils oder durch Abtretung an einen oder mehrere Gesellschafter, Dritte oder die Gesellschaft selbst (Rn 66). 1 Niemeier S. 57 ff; Harst GmbHR 1987, 183 ff; S/I/Greitemann/Klingsch Rn 3.

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§ 34 | Einziehung von Geschäftsanteilen Kraft Satzungsbestimmung kann der Gesellschafterversammlung die Wahl überlassen sein, ob sie zur Trennung von einem Gesellschafter in concreto die Einziehung (Folge: Untergang des Geschäftsanteils und Schutz des Betroffenen im Anfechtungsverfahren), den Ausschluss mit anschließender Verwertung des Geschäftsanteils (Schutz des Betroffenen wiederum durch Anfechtung und das ggf erforderliche Gestaltungsurteil, Rn 64) oder aber die Pflicht zur Anteilsabtretung (Rn 67 ff) wählt. Fehlt es an entsprechender Satzungsvorsorge, bleibt der Ausschluss aus wichtigem Grund in der Person des Gesellschafters gleichwohl und unabdingbar zulässig. Spiegelbildlich dazu liegen die Probleme im Zusammenhang mit einem vom Gesellschafter selbst gewünschten Austritt aus der GmbH (Rn 70 ff).

II. Einziehung 1. Wirkung der Einziehung 2 a) Durch den wirksamen Gesellschafterbeschluss über die Einziehung wird der

betreffende Geschäftsanteil vernichtet; er geht mit allen mit ihm verbundenen Mitgliedschaftsrechten und -pflichten (inkl der etwaigen Pflichten aus §§ 24, 27, 28, 31 Abs. 3) unter, soweit sie sich nicht schon vor dem Wirksamwerden der Einziehung verselbständigt hatten1. Mit ihm alle etwaigen dinglichen Rechte an ihm; diese können sich aber gemäß §§ 1075, 1287 BGB am Abfindungserlös als Surrogat fortsetzen2. Indes wird der Betrag des Stammkapitals durch die Einziehung (soweit nicht gleichzeitig eine Kapitalherabsetzung [§ 58] vorgenommen wird) nicht berührt3, die Bezugsgröße der Kapitalerhaltungskautelen (§§ 30, 31) bleibt unverändert. Der Wegfall des eingezogenen Geschäftsanteils führt automatisch zu einem Zuwachs der Beteiligungsquoten der verbleibenden Gesellschafter im Verhältnis ihrer Beteiligungen; dementsprechend mehren sich die Gesellschafterrechte und -pflichten4. Die Einziehung kann deshalb eine Verschiebung der Stimmenmacht einzelner Gesellschafter zur Folge haben („Minderheitsfraktion“ wird zur „Mehrheitsfraktion“; Beispiel: Beträgt das Stammkapital 70 000 Euro und haben die Gesellschafter A und B je einen Geschäftsanteil von 20 000 Euro, C einen solchen von 30 000 Euro, so wird C durch die Einziehung des Geschäftsanteils von A zum Mehrheitsgesellschafter).

1 S. nur BGHZ 139, 299, 302 = GmbHR 1998, 1177; OLG Dresden GmbHR 2016, 56, 57 und etwa Markowsky S. 237 ff; Niemeier S. 350 ff; MünchKomm/Strohn Rn 59 ff; U/H/L/ Ulmer/Habersack Rn 57 ff. 2 RGZ 142, 373, 378 f; BGH JZ 1989, 252, 253 = GmbHR 1989, 71; Niemeier S. 355; Scholz/ H.P. Westermann Rn 68. 3 So schon BGHZ 9, 157, 168. 4 S. BGH GmbHR 2015, 416 Rn 26 f und etwa Markowsky S. 245 ff, 273; Niemeier S. 95 ff, 360 ff; MünchKomm/Strohn Rn 64; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 66 f.

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b) Diese internen Wirkungen der Einziehung sind unstreitig. Darüber hinaus 3 hat Lutter1 eine automatische Nennbetragsanpassung jedes verbleibenden Anteils angenommen (so auch 18. Aufl, Rn 2 f); Beispiel: Stammkapital 100 000 Euro; Geschäftsanteile zu je 20 000 Euro; wird einer von ihnen eingezogen, so haben die verbliebenen vier jetzt einen Nennbetrag von je 25 000 Euro2. Der BGH teilt die Lehre von der automatischen Nennbetragsanpassung indes nicht3. Sie hat sich auch im Schrifttum nicht durchzusetzen vermocht. Die Kritik4 macht geltend, ein solcher Automatismus würde in vielen Fällen die zwingende Vorgabe des § 5 Abs. 2 Satz 1 verletzen, wonach der Nennbetrag jedes Geschäftsanteils auf volle Euro lauten muss. Die zur Lösung dieses Problems vorgeschlagene Bildung eines allen verbleibenden Gesellschaftern im Verhältnis ihrer Quoten zu Bruchteilen zufallenden Geschäftsanteils, in dem die jeweiligen Spitzenbeträge zusammengeführt werden5, würde keineswegs automatisch zu einem Ergebnis führen, das § 5 Abs. 2 Satz 1 entspricht; ein Anpassungsbeschluss (jedenfalls aber die Zustimmung benachteiligter Gesellschafter) ist dann nicht entbehrlich (vgl insoweit auch 18. Aufl, Rn 5). c) Folgt man der Lehre von der automatischen Erhöhung der Nennwerte der 4 verbleibenden Geschäftsanteile (Rn 3) nicht, stimmt nach Einziehung eines Anteils die Summe der Nennbeträge der verbleibenden Anteile nicht länger mit der Stammkapitalziffer überein, sofern nicht durch gleichzeitige Anpassungsmaßnahmen für den Fortbestand der Konvergenz gesorgt wird. Das führt zur Frage, ob das Konvergenzgebot des § 5 Abs. 3 Satz 2 idFd MoMiG („Die Summe der Nennbeträge aller Geschäftsanteile muss mit dem Stammkapital übereinstimmen.“) – über das Gründungsstadium und die Kapitalerhöhung (Verweisung in § 55 Abs. 4) hinaus – auch im Zusammenhang mit der Einziehung eines Geschäftsanteils Geltung beanspruchen kann. In der Begründung des RegE zum MoMiG war das („im Gegensatz zum geltenden Recht“) bejaht und auf die Notwendigkeit geeigneter Anpassungsmaßnahmen verwiesen worden6: insbesondere Kapitalherabsetzung, nominelle Aufstockung der Nennbeträge der verbleibenden Geschäftsanteile oder Bildung eines neuen Geschäftsanteils7. 1 Grundlegend Lutter Kapital, Sicherung der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung in den Aktien- und GmbH-Rechten der EWG, 1964, S. 414 Fn. 115; Fischer/Lutter, GmbHG, 11. Aufl 1985, § 34 Rn 2; dem folgend Priester FS Kellermann, S. 337, 349 f. 2 Zu den praktischen Problemen der Nennwertaufstockung vgl Sieger/Mertens ZIP 1996, 1493, 1496 ff; Müller DB 1999, 2045, 2046 f. 3 Vgl BGH GmbHR 2015, 416 Rn 26: unveränderte Anteilsnennbeträge der verbleibenden Gesellschafter. 4 Zusammenfassend mit Einzelnachweisen Kleindiek NZG 2015, 489, 491. 5 Grundlegend Priester FS Kellermann, S. 337, 350 f. 6 BT-Drucks 16/6140, S. 31. 7 Zu den Problemen, die mit diesen Optionen verbunden sein können, s. etwa Markowsky S. 282 ff mwN.

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§ 34 | Einziehung von Geschäftsanteilen Daraus wurde im Schrifttum1 wie in Teilen der Rechtsprechung2 verbreitet gefolgert, ein Einziehungsbeschluss sei nichtig, wenn die Konvergenz nicht durch gleichzeitige Anpassungsmaßnahmen gewährleistet bleibe. Das stieß freilich früh auf Vorbehalte (eine nachträgliche „Reparatur“ müsse genügen) bis hin zu grundsätzlichem Widerspruch3, auch in der Rechtsprechung4: Weil die Vorstellung der Entwurfsverfasser im Text des reformierten GmbHG keinen Niederschlag gefunden habe, gelte das Konvergenzgebot auch weiterhin nur im Gründungsstadium der Gesellschaft sowie bei der Kapitalerhöhung; eine durch Einziehung eines Geschäftsanteils ausgelöste Divergenz verletze die Vorgabe des § 5 Abs. 3 Satz 2 hingegen nicht (so auch 18. Aufl, Rn 4)5. 5 Der zuletzt genannten Auffassung hat sich der BGH in seiner klärenden Ent-

scheidung vom 2.12.2014 im Grundsatz angeschlossen6: Der Beschluss über die Einziehung eines GmbH-Geschäftsanteils sei nicht deshalb nichtig, weil die Gesellschafterversammlung nicht gleichzeitig Maßnahmen ergriffen habe, um ein Auseinanderfallen der Summe der Nennbeträge der nach der Einziehung verbleibenden Geschäftsanteile und dem Stammkapital der Gesellschaft zu verhindern. Dem ist zuzustimmen7. Soweit in der Begründung zum RegE MoMiG formuliert worden war, das Konvergenzgebot nach § 5 Abs. 3 Satz 2 nF müsse (im Gegensatz zum früheren Recht) auch nach Einziehung eines Geschäftsanteils gewahrt bleiben (Rn 4), lag dem eine Fehlinterpretation der Norm zugrunde. Denn jene Vorstellung der Entwurfsverfasser hat im Gesetz selbst keinen Niederschlag gefunden. Die aus der Anteilseinziehung resultierende Divergenz zwischen der Summe der Nennbeträge der verbleibenden Geschäftsanteile einerseits und dem Stammkapitalbetrag andererseits ist deshalb nach wie vor kein gesetzeswidriger (gegen § 5 Abs. 3 Satz 2 verstoßender) Zustand. Damit beantwortet sich zugleich eine vom Senat ausdrücklich offen gelassene Frage8: De lege lata ist den Gesellschaftern nicht die Pflicht auferlegt, die aus der Anteilseinziehung resultierende Divergenz innerhalb eines bestimmten Zeitraums zu beseitigen. Ob und ggf wann sie das tun wollen, bleibt vielmehr nach wie vor ihnen überlassen. Das Re1 Stellvertretend R/S-L/Görner Rn 26. 2 LG Essen GmbHR 2010, 1034, 1035, 1036; LG Neubrandenburg ZIP 2011, 1214 = GmbHR 2011, 823. 3 Grundlegend Ulmer DB 2010, 321; frühzeitig auch schon Braun GmbHR 2010, 82, 83; Lutter GmbHR 2010, 1177, 1178. 4 OLG Rostock GmbHR 2013, 752, 753 ff; OLG Saarbrücken GmbHR 2012, 209, 211 f; LG Dortmund ZIP 2012, 1247, 1248. 5 Zusammenfassend zur Diskussion, mit allen Nachweisen, Kleindiek NZG 2015, 489, 491 f. 6 BGH GmbHR 2015, 416. 7 Ausführliche Entscheidungsbesprechung bei Kleindiek NZG 2015, 489 ff. 8 Vgl BGH GmbHR 2015, 416 Rn 26.

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gistergericht darf den Vollzug eines späteren Eintragungsantrags nicht davon abhängig machen, dass zunächst eine noch bestehende Divergenz zwischen der Summe der Nennbeträge der Geschäftsanteile und dem Stammkapital beseitigt wird, die auf einer zurückliegenden Einziehung beruht. Auch wenn auf Anpassungsmaßnahmen verzichtet wird, macht die (wirksam 5a gewordene) Einziehung eines Geschäftsanteils die Einreichung einer aktualisierten Gesellschafterliste erforderlich, in der dann die verbliebenen Gesellschafter mit den unveränderten (nicht automatisch angepassten) Nennbeträgen ihrer Geschäftsanteile aufzuführen sind1; dabei ist auch die Tatsache der Einziehung eines bestimmten Geschäftsanteils in der Liste zu vermerken (s. § 40 Rn 20)2. Nach § 16 Abs. 1 (dazu § 16 Rn 26 ff) ist (und bleibt) grundsätzlich (nur) der in der (beim Handelsregister aufgenommenen) Gesellschafterliste Eingetragene der Gesellschaft gegenüber als Gesellschafter legitimiert3. d) In einem Gesellschafterbeschluss über die verhältnismäßige Aufstockung 6 der verbleibenden Geschäftsanteile, liegt – das ist allgemein anerkannt – materiell keine Satzungsänderung4. Dem mit einfacher Stimmenmehrheit5 gefassten Aufstockungsbeschluss kommt nur deklaratorische Bedeutung zu6. Einer Eintragung des Beschlusses ins Handelsregister bedarf es nicht7. Er ist aber analog § 54 eintragungsfähig, wenn die aufgestockten Geschäftsanteile und ihre Inhaber in den Satzungstext aufgenommen werden8; vgl auch § 53 Rn 35 ff. Kann die Aufstockung nicht verhältnismäßig geschehen9, so ist die Anpassung – sofern man die Zulässigkeit disquotaler Aufstockung nicht schon generell verneint – eine Satzungsänderung, für die die Regeln der §§ 53, 54 zu beachten sind; außerdem bedarf der Beschluss der Zustimmung der ggf benachteiligten Gesellschafter (Rn 10). e) Zeitpunkt der Wirksamkeit der Einziehung: Mit dem Zugang des Beschlus- 7 ses der Gesellschafterversammlung über die Einziehung beim betroffenen Gesellschafter ist der fragliche Geschäftsanteil untergegangen, der Betroffene (ma1 So BGH GmbHR 2015, 416 Rn 26; s. dazu auch Strohn DB 2015, 675. 2 Dies ist in BGH GmbHR 2015, 416 Rn 26 unentschieden geblieben. 3 Näher hierzu (im Zusammenhang mit der Anteilseinziehung) Wagner GmbHR 2016, 463, 464 ff; Wagner S. 168 ff. 4 BayObLG GmbHR 1992, 42, anknüpfend an BGH NJW 1989, 168, 169 = GmbHR 1989, 337, 338; Markowsky S. 283 f; Priester FS Kellermann, S. 337, 352; MünchKomm/Strohn Rn 68; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 68; Tschernig GmbHR 1999, 691, 695; Michalski/Sosnitza Rn 120; Scholz/H.P. Westermann Rn 67. 5 U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 69; MünchKomm/Strohn Rn 68. 6 So auch Priester FS Kellermann, S. 337, 351. 7 BayObLG GmbHR 1992, 42; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 69; MünchKomm/Strohn Rn 68; Scholz/H.P. Westermann Rn 67. 8 BayObLG GmbHR 1992, 42; Priester FS Kellermann, S. 337, 352. 9 Dazu Nolting ZIP 2011, 1292 ff; Markowsky S. 285 ff mwN.

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§ 34 | Einziehung von Geschäftsanteilen teriell) nicht mehr Gesellschafter: Die Einziehung wird – wenn der Einziehungsbeschluss weder von Anbeginn nichtig ist (vgl dazu Rn 26 und 46) noch für nichtig erklärt wird – mit der Beschlussmitteilung an den betroffenen Gesellschafter wirksam, nicht erst mit der Leistung der Abfindung. So hat der BGH in seiner Grundsatzentscheidung vom 24.1.2012 geurteilt1 und damit die bis dahin verbreitet verfochtene „Bedingungslehre“ verworfen. 7a Jene frühere „Bedingungslehre“ (oder „Bedingungslösung“) geht zurück auf

eine Entscheidung des BGH aus dem Jahre 1953, in der der II. Zivilsenat festgestellt hatte, dass ein GmbH-Gesellschafter bei Vorliegen eines in seiner Person gegebenen wichtigen Grundes auch dann aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden könne, wenn die Satzung zu dieser Möglichkeit schweige2; näher Rn 52 ff. Zur Durchführung der Ausschließung bedürfe es der von der Gesellschaft zu erhebenden Ausschlussklage und eines rechtsgestaltenden Urteils, wobei der Gesellschaft ein Wahlrecht hinsichtlich der konkreten Verwertung des Geschäftsanteils des Ausgeschlossenen – Übertragung (an Gesellschafter, Dritten oder die Gesellschaft selbst) oder Einziehung des Anteils – einzuräumen sei3. Weil dem Auszuschließenden der volle Wert des Geschäftsanteils vergütet werden müsse, sei der Urteilsausspruch aber an die Bedingung zu knüpfen, dass der betroffene Gesellschafter von der GmbH oder durch sie binnen einer für den Einzelfall angemessen festzusetzenden Frist den im Urteil zu bestimmenden Gegenwert für seinen Geschäftsanteil erhalte4.

Der Senat hatte das Junktim zwischen dem Verlust der Gesellschafterstellung einerseits und der vollständigen Abfindung andererseits freilich vor dem Hintergrund der konkret zu beurteilenden Konstellation formuliert: Nämlich für den Ausschluss eines GmbH-Gesellschafters, ohne dass die Satzung eine solche Möglichkeit vorsieht5. Gleichwohl entwickelte sich im Anschluss an diese Entscheidung (auch in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung6) die überwiegende Ansicht, jene „Bedingungslehre“ finde auf sämtliche Fälle der Entfernung eines Gesellschafters aus der GmbH Anwendung; sie gelte also auch für die (immer nur bei entsprechender Satzungsregelung mögliche) Zwangseinziehung des Geschäftsanteils nach § 34 Abs. 1 und 2, die ebenfalls unter der aufschiebenden Bedingung der Abfindungszahlung aus freiem Vermögen stehe. In diesem Kommentar hatte sich Lutter früher der Auffassung angeschlossen, die Einziehung 1 2 3 4 5

BGH GmbHR 2012, 387; ebenso OLG Dresden GmbHR 2016, 56, 57. BGHZ 9, 157, 161 ff. BGHZ 9, 157, 169 f. BGHZ 9, 157, 174. Vgl BGHZ 9, 157, 170 („ohne freiwillige Unterwerfung“) und dazu die Analyse von Goette FS Lutter, S. 399 ff; Goette DStR 2006, 1901. 6 S. stellvertretend OLG Düsseldorf GmbHR 2007, 538, 539; weitere Nachweise bei Tröger VGR Bd 19 (2014), S. 23, 24 Fn 4; anders aber schon OLG Hamm GmbHR 1993, 743, 746; KG ZIP 2006, 1098; OLG Frankfurt GmbHR 2011, 1320, 1323 f.

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stehe unter der auflösenden Bedingung der (mangels freien Vermögens) ausbleibenden Abfindungszahlung zum Fälligkeitszeitpunkt (vgl 17. Aufl Rn 481). Der BGH hatte im Übrigen schon frühzeitig und wiederholt festgestellt, die Sat- 7b zung könne (jedenfalls) für den Fall des Ausschlusses eines Gesellschafters durch Gesellschafterbeschluss den Verlust der Gesellschafterstellung mit sofortiger Wirkung anordnen2; ebenso könne die Satzung bestimmen, dass ein kündigender Gesellschafter auch schon vor Zahlung seiner Abfindung endgültig aus der Gesellschaft ausscheidet3. Mehrfach offen lassen (weil nicht entscheidungserheblich) konnte der II. Zivilsenat zunächst indes die Frage, ob die aus BGHZ 9, 157 abgeleitete „Bedingungslehre“ auf Fälle beschlossener Zwangseinziehung zu übertragen ist, wenn eine Satzungsregelung zum Wirksamkeitszeitpunkt der Einziehung fehlt4. Eben dies ist seit der oben Rn 7 zitierten Grundsatzentscheidung des BGH vom 24.1.20125 geklärt: Die Wirkung des Einziehungsbeschlusses tritt mit seinem Zugang beim betroffenen Gesellschafter ein, nicht erst mit der Leistung der Abfindung. Zum Schutz des Abfindungsanspruchs genüge es, die verbleibenden Gesellschafter selbst in die Haftung zu nehmen, wenn sie nicht auf andere Weise für die Auszahlung der Abfindung sorgten: Die Gesellschafter, die den Einziehungsbeschluss gefasst haben, haften dem ausgeschiedenen Gesellschafter anteilig, wenn sie nicht dafür sorgen, dass die Abfindung aus dem ungebundenen Vermögen der Gesellschaft geleistet werden kann, oder sie die Gesellschaft nicht auflösen6; s. Rn 49. Die Einziehung kann nach der Rspr des BGH allerdings nicht wirksam beschlossen werden, wenn die Gesellschaft Schuldnerin der Abfindung ist (vgl Rn 48a) und bereits im Zeitpunkt des Beschlusses feststeht, dass die fällige Abfindung nicht aus freiem, durch § 30 nicht gebundenem Vermögen geleistet werden kann: Dann nämlich ist der Einziehungsbeschluss nichtig (vgl Rn 26 und 46; zur Kritik Rn 49a). f) Alternative zur Einziehung mit ihren möglichen Nachteilen (Rn 2) ist die 8 statutarisch festgelegte Abtretung oder Abtretungsverpflichtung; dazu Rn 67. g) Zulässig ist auch die Neubildung eines Geschäftsanteils anstelle des ein- 9 gezogenen Anteils7. Während diese unter der Prämisse automatischer Nenn1 Im Anschluss an Ulmer FS Rittner, 1991, S. 748 ff; Ulmer FS Priester, 2007, S. 775 ff. 2 BGHZ 32, 17, 23; BGH NJW 1983, 2880, 2881 = GmbHR 1984, 74; BGH GmbHR 2009, 313. 3 BGH DStR 2003, 1717 = GmbHR 2003, 1062. 4 S. etwa BGHZ 139, 299, 301 f = GmbHR 1998, 1177; BGH DStR 2006, 1900 Rn 3. 5 BGH GmbHR 2012, 387. 6 So BGH GmbHR 2012, 387, Leitsatz 2. 7 U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 68, 70; Scholz/H.P. Westermann Rn 70; B/H/Fastrich Rn 20; Michalski/Sosnitza Rn 117; Steiner MittBayNot 1996, 68 f.

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§ 34 | Einziehung von Geschäftsanteilen werterhöhung (Rn 3) technisch aber nur durch Teilabtretung und Zusammenlegung (dazu § 15 Rn 24) der den Gesellschaftern zugewachsenen Quoten möglich ist (s. 18. Aufl, Rn 9)1, reicht nach hM ein mit qualifizierter Mehrheit2 gefasster Beschluss zur Anteilsneubildung aus. Der neu gebildete Geschäftsanteil muss eine Nummer erhalten. 10 Die gleichen Überlegungen gelten für eine disquotale Aufteilung. Unter der

Prämisse automatischer Nennwerterhöhung (Rn 3) hat die Aufteilung ipso iure stattgefunden und kann nur durch Teil-Abtretung(en) und ggf Zusammenlegung von Geschäftsanteilen geändert werden. Wenn man dieser Prämisse nicht folgt und eine disquotale Verteilung im Aufstockungsbeschluss nicht als generell unzulässig verwirft3, bedarf es eines Beschlusses mit satzungsändernder Mehrheit und Zustimmung des/der benachteiligten Gesellschafter4.

11 h) Bereits zur Ausschüttung beschlossene, aber noch nicht ausgezahlte Gewinn-

anteile werden vom Untergang des Geschäftsanteils nicht berührt, bleiben als Zahlungsanspruch des betroffenen Gesellschafters also bestehen. Das ist anders, wenn der Jahresabschluss noch nicht festgestellt und ein Gewinnverteilungsbeschluss noch nicht gefasst worden ist, auch wenn das Geschäftsjahr bereits abgeschlossen war5.

12 Hatte der Inhaber des eingezogenen Geschäftsanteils für Schulden der Gesell-

schaft eine Bürgschaft (Mitschuld, Garantie) übernommen, so kann er idR von seinen verbleibenden Mitgesellschaftern Freistellung verlangen6.

2. Einziehung eigener Geschäftsanteile 13 Hat die Gesellschaft allgemein nach § 33 oder im Rahmen des Ausschlusses oder

Austritts eines Gesellschafters (dazu Rn 52 ff und 70 ff) einen Geschäftsanteil erworben, so kann es zweckmäßig sein, diesen einzuziehen; zwar stehen der Gesellschaft an solchen eigenen Geschäftsanteilen keine Mitgliedschaftsrechte zu, insbesondere kein Stimmrecht und kein Dividendenbezugsrecht, doch kann die endgültige Anpassung an die neue Lage intern zweckmäßig sein.

1 Im Ergebnis auch Priester FS Kellermann, S. 337, 357 ff. 2 Scholz/H.P. Westermann Rn 70; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 70; wohl auch B/H/Fastrich Rn 20 mwN; aA (Einstimmigkeit) Klaus J. Müller DB 1999, 2045, 2048; Tschernig GmbHR 1999, 691, 695. 3 Übersicht zum Meinungsstand bei Markowsky S. 285 ff. 4 Vgl Nolting ZIP 2011, 1292 ff. 5 BGHZ 139, 299 = GmbHR 1998, 1177 und dazu G.H. Roth ZGR 1999, 715 ff; Gehrlein DB 1998, 2355 f: der Betroffene hat keinen Anteil am Gewinn dieses Geschäftsjahrs; dieser geht jedoch ein in den Ertragswert des Gesellschaftsvermögens bei Berechnung der Abfindung (Rn 78 ff), zutreffend Altmeppen FS G.H. Roth, 2011, S. 1, 8. 6 OLG Hamburg GmbHR 1985, 58, 59; vgl dazu auch Kautzsch, NZG 2011, 736; zur anderen Situation bei Abtretung s. § 15 Rn 43.

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Diese Einziehung ist einfach zu bewirken; für sie sind nur erforderlich:

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(1) Die Zulassung in der Satzung (§ 34 Abs. 1); fehlt es daran, so genügt die Mitwirkung aller Gesellschafter am Beschluss (2), ohne dass die Satzung förmlich geändert werden müsste. (2) Ein Beschluss der Gesellschafterversammlung nach § 46 Nr. 4 mit einfacher Mehrheit. Diese Befugnis kann durch die Satzung einem anderen Organ übertragen werden (näher dazu Rn 20). Einer besonderen Einziehungserklärung bedarf es hier nicht. Normalerweise setzt die Einziehung die volle Leistung der Einlage auf den be- 15 treffenden Geschäftsanteil voraus (Rn 22). Das wird hier weitgehend durch § 33 Abs. 1 sichergestellt. Aber auch wenn die Gesellschaft nach § 33 Abs. 3 in zulässiger Weise (§ 33 Rn 30) nicht voll eingezahlte Geschäftsanteile erworben hat, ist die Einziehung möglich, da die offene Einlagepflicht mit dem Erwerb durch die Gesellschaft durch Konfusion erloschen ist, der Geschäftsanteil also als voll geleistet gilt. Eine besondere Zustimmung der verbliebenen Gesellschafter ist nicht erforder- 16 lich (allgemeine Meinung); die Frage der Abfindung stellt sich nicht. Die Einziehung eigener Anteile ist bilanzneutral und kann daher nicht zu einer Unterbilanz führen; Probleme aus § 30 Abs. 1 entstehen deshalb nicht: Nach früherer Rechtslage (vor BilMoG) führte sie zur gleichzeitigen Auflösung der nach § 272 Abs. 4 HGB aF gebildeten Sonderrücklage; nach heutigem Recht (§§ 266 Abs. 2 B III, 272 Abs. 1a HGB) wird der eigene Geschäftsanteil nicht aktiviert und mithin auch keine Sonderrücklage gebildet1. Dennoch ist die hM zutreffend der Ansicht, dass bei bereits bestehender Unter- 17 bilanz nicht eingezogen werden darf. Zwar wird diese durch die Einziehung nicht etwa verstärkt; doch repräsentiert der fragliche Geschäftsanteil als Aktivposten die Chance günstiger Verwertung, die in dieser Situation nicht vernichtet werden darf2. 3. Freiwillige Einziehung Aus den unterschiedlichsten Gründen kann sich die Einziehung eines Geschäfts- 18 anteils mit Zustimmung seines Inhabers empfehlen, etwa wenn seinem Wunsch zum Austritt (Rn 70 ff) entsprochen werden soll, aber kein Mitgesellschafter den Geschäftsanteil erwerben will oder kann. 1 S. dazu B/H/Fastrich Rn 13; MünchKomm/Strohn Rn 79. 2 B/H/Fastrich Rn 13; Henssler/Strohn/T. Fleischer Rn 12; Scholz/H.P. Westermann Rn 54; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 25; MünchHdbGmbH/Kort § 28 Rn 46; aA R/A/Altmeppen Rn 15; Michalski/Sosnitza Rn 76.

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§ 34 | Einziehung von Geschäftsanteilen 19 Ihre Voraussetzungen sind:

(1) Zulassung in der Satzung: Die freiwillige Einziehung muss in der Satzung zugelassen sein (§ 34 Abs. 1); das kann auch nachträglich im Wege der Satzungsänderung erfolgen, die aber trotz der stets erforderlichen Zustimmung des Betroffenen (Rn 23) der Zustimmung aller Gesellschafter bedarf1. In der Erhöhung des Haftungsrisikos aus § 31 Abs. 3 und der Veränderung des Stimmengewichts (Rn 2) liegt eine zustimmungspflichtige Leistungsvermehrung (§ 53 Abs. 3), die nicht mit den Risiken aus einer Kapitalerhöhung vergleichbar ist: Jeder Gesellschafter kann und muss bei seinem Eintritt in die Gesellschaft mit erhöhtem Eigenkapitalbedarf rechnen und den aus einer Kapitalerhöhung folgenden Haftungsrisiken, nicht aber mit der Zulassung einer freiwilligen Einziehung und den damit verbundenen nachteiligen Folgen; das erkennt auch die Gegenmeinung an, wenn sie im Falle von erhöhten Nebenleistungs-, Nachschusspflichten etc Einstimmigkeit verlangt. Wird der Beschluss von allen Gesellschaftern gefasst, so genügt dies, ohne dass die Satzung förmlich geändert werden müsste (vgl Rn 14). 20 (2) Beschluss der Gesellschafterversammlung gemäß § 46 Nr. 4 mit einfacher

Mehrheit, soweit die Satzung kein anderes Mehrheitserfordernis aufstellt. Ob die Satzung diese Befugnis auch einem anderen Organ übertragen kann (Aufsichtsrat, Beirat oder ggf sogar dem Geschäftsführer), ist streitig, dürfte aber zu bejahen sein2, da damit keine Verkürzung der Rechtsschutzmöglichkeiten des Betroffenen verbunden ist: statt sich mit der Anfechtungsklage gegen den Gesellschafterbeschluss zu wenden, kann in diesem Fall eine Gesellschafterfeststellungsklage gegen die Gesellschaft erhoben werden3.

21 Unzulässig ist die Übertragung der Entscheidung auf außenstehende Dritte4.

Ferner gibt es keine statutarische Einziehung ipso iure5; denn die Gesellschafter

1 BGHZ 9, 157, 160; BGH NJW 1977, 2316 = GmbHR 1978, 131; BayObLG DB 1978, 2164 = GmbHR 1978, 269; R/S-L/Görner Rn 10; Paulick GmbHR 1978, 121, 123 f; Henssler/ Strohn/T. Fleischer Rn 7; aA (3/4-Mehrheit grds ausreichend) B/H/Fastrich Rn 5; B/H/ Zöllner § 53 Rn 36; R/A/Altmeppen Rn 8; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 17 f; MünchHdbGmbH/Kort § 28 Rn 5; B/S/Thiessen Rn 5; Scholz/H.P. Westermann Rn 10 f. 2 B/H/Fastrich Rn 14; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 115; Scholz/H.P. Westermann Rn 42; Michalski/Sosnitza Rn 100; Tschernig GmbHR 1999, 693; einschränkend: R/S-L/Görner Rn 14; Mayer/Elfring GmbHR 2004, 869, 872: nicht auf Geschäftsführer; LG Heilbronn GmbHR 1994, 322, 323: nur in kapitalistisch strukturierter GmbH; aA Balz S. 132; Mertens FS Stimpel, 1985, S. 418, 421. 3 Scholz/H.P. Westermann Rn 42. 4 MünchKomm/Strohn Rn 26; MünchHdbGmbH/Kort § 28 Rn 13. 5 B/H/Fastrich Rn 17; R/S-L/Görner Rn 13; Michalski/Sosnitza Rn 96; aA Grunewald Ausschluss, S. 203 f; Niemeier S. 338 ff; in engen Grenzen U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 118; MünchHdbGmbH/Kort § 28 Rn 14; MünchKomm/Strohn Rn 28; offengelassen BGH GmbHR 1977, 81, 82.

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oder das von ihnen benannte Organ müssen ad hoc entscheiden können, ob sie die ggf gravierenden Nachteile (Ausbluten durch Abfindungslasten; Änderung der Mehrheitsverhältnisse etc) tragen wollen, und prüfen können, ob die Voraussetzungen der Einziehung (Volleinzahlung, freies Vermögen für Abfindungszwecke) vorliegen. (3) Die volle Leistung der Einlage auf den betreffenden Geschäftsanteil1, da 22 sonst die noch offene Einlagepflicht untergehen würde; das aber wäre ein Verstoß gegen das Gebot realer Kapitalaufbringung, § 19 Abs. 2. (4) Die Zustimmung des Betroffenen: Sie unterliegt den §§ 182 ff BGB, ist 23 formlose Willenserklärung, die der GmbH (einem Geschäftsführer oder aber auch der Gesellschafterversammlung; hM) zugehen muss. Sie kann konkludent erfolgen und vor, bei oder nach dem Beschluss der Gesellschafterversammlung abgegeben werden; positive Mitwirkung des Betroffenen beim Beschluss der Gesellschafterversammlung ist als seine Zustimmung zu werten. Im Fall des § 18 müssen alle Mitberechtigten zustimmen. Zustimmen müssen aber auch alle am betreffenden Geschäftsanteil dinglich Berechtigten, soweit sie der Gesellschaft durch Anmeldung oder Anzeige bekannt sind2. (5) Einziehungserklärung: Liegen die Voraussetzungen vor, so erklären nach 24 hier vertretener Ansicht die Geschäftsführer in vertretungsberechtigter Zahl3 durch einseitig empfangsbedürftige und rechtsgestaltende Willenserklärungen gegenüber dem oder den (in die Gesellschafterliste aufgenommenen) Inhaber(n) des betreffenden Geschäftsanteils die Einziehung. Mit dem Zugang ist diese wirksam und unwiderruflich4. Hat der betroffene Gesellschafter an der beschließenden Gesellschafterversammlung teilgenommen, ist eine gesonderte Einziehungserklärung idR entbehrlich, da sie im Zweifel in der Mitteilung des Abstimmungsergebnisses liegt5. (6) Entgelt: Die Einziehung ist im Zweifel entgeltlich (dazu näher Rn 78 ff). 25 Aber die vielen damit verbundenen Fragen spielen in diesem Zusammenhang keine Rolle. Denn der betreffende Gesellschafter ist wegen des Erfordernisses seiner Zustimmung in der Lage, alle Einzelheiten seines Entgelts (Höhe, Fälligkeit, Sicherheit, Verzinsung etc) durch Vereinbarung mit der Gesellschaft zu 1 S. nur BGHZ 9, 157, 168 f; BGH GmbHR 2015, 416 Rn 31 und etwa MünchHdbGmbH/ Kort § 28 Rn 3; Markowsky S. 144 ff; Niemeier S. 291 ff; Scholz/H.P. Westermann Rn 52; kritisch Brete/Trümper GmbHR 2015, 1262, 1264. 2 Ebenso B/S/Thiessen Rn 9; differenzierend MünchKomm/Strohn Rn 17; U/H/L/Ulmer/ Habersack Rn 23; Scholz/H.P. Westermann Rn 38; Wicke Rn 14. 3 Ebenso Sieger/Mertens ZIP 1996, 1493, 1494; anders die hM: Kompetenz der Gesellschafterversammlung; s. etwa B/H/Fastrich Rn 16; R/S-L/Görner Rn 15; Scholz/H.P. Westermann Rn 46; R/A/Altmeppen Rn 71; MünchHdbGmbH/Kort § 28 Rn 16; Michalski/Sosnitza Rn 113; Gehrlein ZIP 1996, 1157, 1158. 4 BFH Der Konzern 2008, 596, 597 = GmbHR 2008, 1232. 5 S. hierzu und zu Ausnahmefällen MünchKomm/Strohn Rn 36 mwN.

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§ 34 | Einziehung von Geschäftsanteilen klären, ehe er seine Zustimmung erteilt. Ohne diese Klärung wird kein Gesellschafter sein Einverständnis zur Einziehung geben. Es besteht daher auch hier kein Grund, den Betroffenen besonders zu schützen (anders bei Zwangseinziehung, Rn 27 ff). 26 Sorgfältig beachtet werden muss aber § 34 Abs. 3: Der BGH leitet daraus in ge-

festigter Rspr ab, dass im Augenblick der Beschlussfassung die Voraussetzungen der §§ 19 Abs. 2 Satz 1, 30 Abs. 1 erfüllt sein müssen, dh das Entgelt muss aus dem freien Vermögen der GmbH (§ 30) gezahlt werden können; anderenfalls ist der Einziehungsbeschluss nichtig (Nachweise Rn 46; zur Kritik s. Rn 49a). Wird das nicht beachtet und doch gezahlt, so treten die strengen Rechtsfolgen des § 31 ein mit der Pflicht des Betroffenen, der die Leistung der Gesellschaft als (einstiger) Gesellschafter erhalten hat, zur Rückeinlage nach § 31 unter Mithaft nicht nur der Geschäftsführer (§ 43 Abs. 3), sondern auch der anderen Gesellschafter (§ 31 Abs. 3). 4. Zwangseinziehung

27 Diese Art der Einziehung bedeutet praktisch: Entzug der Mitgliedschaft gegen

den Willen des Betroffenen. Daher bedarf dieser des besonderen Schutzes aus § 34 Abs. 21.

28 Voraussetzungen sind hier:

(1) Zulassung in der Satzung: Die Voraussetzungen der Zwangseinziehung müssen vor dem Beitritt des betroffenen Gesellschafters (gleich, ob durch Einzeloder Gesamtrechtsnachfolge) in der Satzung mit hinreichender Bestimmtheit festgelegt sein2; formelle Änderungen schaden nicht. Eine Bestimmung der Satzung, wonach ein Gesellschafter aus wichtigem Grund aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden kann und dann nach Wahl der Gesellschafterversammlung die Einziehung seines Geschäftsanteils zu dulden hat, soll nach BGH nicht ohne Weiteres eine wirksame Ermächtigung zur Zwangseinziehung sein3. Das erscheint sehr zweifelhaft. 29 Nachträgliche Einführung der Zwangseinziehung in der Satzung oder deren

Verschärfungen4 durch Satzungsänderung sind möglich, bedürfen aber der Zustimmung aller Gesellschafter (§ 53 Abs. 3; vgl Rn 19); dadurch ist jeder Gesell-

1 Im österreichischen Recht ist es genau umgekehrt als bei uns. Dort kann der 90%ige Gesellschafter die restlichen Gesellschafter zur Übertragung an ihn zwingen, es sei denn, die Satzung schließe das aus oder verlange mehr, also zB 95 %, § 1 Abs. 1 des GesellschafterAusschluss-Gesetzes vom 20.5.2006, BGBl I 2006, 75. 2 S. nur BGH GmbHR 2013, 1315 Rn 13; wohl aA Knöchlein S. 39 ff. 3 BGH DStR 2001, 1898; ebenso deutlich Henssler/Strohn/T. Fleischer Rn 3. 4 ZB Abfindungsbeschränkungen BGHZ 116, 359, 363 = GmbHR 1992, 257; s. auch S/I/ Greitemann/Klingsch Rn 10.

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schafter hinreichend geschützt1. Haben lediglich 3/4 aller Gesellschafter der Satzungsänderung zugestimmt, ist diese insgesamt gescheitert und gilt nicht etwa jedenfalls zum Nachteil der Befürworter2 oder gegenüber späteren Anteilserwerbern3. § 34 Abs. 2 schützt auch die dinglich Berechtigten an einem Geschäftsanteil; ihre Zustimmung ist zu einer derartigen Satzungsänderung erforderlich4. Nicht ausreichend ist es, dass der Gesellschafter dem Berechtigten gegenüber verpflichtet ist, die Zustimmung zur Satzungsänderung zu verweigern, da diese Verpflichtung im Verhältnis zur Gesellschaft ohne Belang ist. Zum Schutz der Gesellschaft gilt dieses Zustimmungserfordernis aber nur für ihr bekannte dinglich Berechtigte. Unter „Voraussetzung der Einziehung“ sind in jedem Falle deren exakt formu- 30 lierte Gründe zu verstehen5; ohne sie ist die Zwangseinziehung unzulässig, die dennoch erfolgte wirkungslos. Doch können hier auch (zusätzlich) besondere Beschlussmehrheiten und insbesondere das Stimmrecht des Betroffenen selbst geregelt werden (s. auch Rn 43). Regelungen über die Höhe und die Zahlungsweise der Abfindung sind sinnvoll, aber nicht Voraussetzung6. Zum Zeitpunkt der Wirksamkeit der Einziehung vgl schon Rn 7 ff. Die Gründe müssen so genau formuliert sein, dass sie die mit der Klausel kon- 31 kret verbundenen Risiken für den einzelnen Gesellschafter deutlich machen7 und ihr Vorliegen gerichtlich überprüfbar ist8. Das ist etwa der Fall, wenn Pfändung9, Insolvenz des Gesellschafters10, Beerbung durch andere Personen als im Gesellschaftsvertrag vorgesehen11, Verlust bestimmter Eigenschaften (deutsche Staatsangehörigkeit, Zulassung zur Anwaltschaft), Alter, Niederlegung der Geschäftsführung oder Mitarbeit12, Verstoß gegen ein zulässiges Wettbewerbsver1 BGH GmbHR 1978, 131; Scholz/H.P. Westermann Rn 21 f; B/H/Fastrich Rn 8; R/A/Altmeppen Rn 9; R/S-L/Görner Rn 11; im Ergebnis auch Mayer/Elfring GmbHR 2004, 869, 870 f. 2 R/A/Altmeppen Rn 9; B/H/Fastrich Rn 8; im Ergebnis auch U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 36 f; aA Paulick GmbHR 1978, 121, 124 für den Fall, dass eine freiwillige Einziehungsklausel bereits vorhanden ist. 3 So Scholz/H.P. Westermann Rn 22 mit erwägenswerten Gründen. 4 Niemeier S. 188 ff; R/A/Altmeppen Rn 11; aA B/H/Fastrich Rn 8; MünchHdbGmbH/ Kort § 28 Rn 8; Michalski/Sosnitza Rn 34. 5 Paulick GmbHR 1978, 121, 124 mwN. 6 U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 39; Scholz/H.P. Westermann Rn 25; R/S-L/Görner Rn 29. 7 Scholz/H.P. Westermann Rn 13. 8 BGH NJW 1977, 2316 = GmbHR 1978, 131; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 38. 9 Dazu Michalski ZIP 1991, 147; OLG Hamburg BB 1997, 431 mit Anm Fingerhut = GmbHR 1996, 610. 10 Vgl hierzu OLG Frankfurt = ZIP 1998, 1107 = NZG 1998, 595 mit Anm Eckhardt = GmbHR 1998, 786 sowie ausführlich Heckschen NZG 2010, 521. 11 OLG München ZIP 1984, 1349. 12 BGH NJW 1983, 2880, 2881 = GmbHR 1984, 74; OLG Hamm GmbHR 1998, 1081, 1082; B/S/Thiessen Rn 13; MünchKomm/Strohn Rn 52.

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§ 34 | Einziehung von Geschäftsanteilen bot1 genannt sind. Es genügt aber auch eine Satzungsklausel, die die Einziehung aus „wichtigem Grund in der Person des Betroffenen“ zulässt2, wie es das Gesetz auch an anderer Stelle formuliert (zB § 133 Abs. 2 HGB); ebenso eine sonst übliche oder leicht nachvollziehbare allgemeine Umschreibung („Vermögensverfall“, „Unzumutbarkeit weiterer Zusammenarbeit“). Es sind dann insoweit die von Lehre und Rspr dazu entwickelten Einzelheiten gemeint, wobei zu berücksichtigen ist, dass derartige Regelungen aufgrund des Ausnahmecharakters der Zwangseinziehung eng auszulegen sind3. Es bedarf immer einer umfassenden Prüfung aller Umstände des Einzelfalls unter Gesamtabwägung der beteiligten Interessen sowie des Verhaltens auch der übrigen Gesellschafter4. Nach BGH5 liegt selbst bei Erstattung einer Strafanzeige gegen einen Mitgesellschafter kein wichtiger Grund zur Einziehung vor, wenn der Anzeiger nicht leichtfertig und nicht wider besseren Wissens gehandelt, sondern den Sachverhalt sorgfältig geprüft hat. Auch das Weiterhandeln eines wirksam abberufenen Gesellschafter-Geschäftsführers soll keinen wichtigen Grund zur Einziehung seines Geschäftsanteils bilden, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer vom Fortbestand seines Anstellungsvertrages ausgehen durfte6. 32 Die Gründe für die Zwangseinziehung müssen in der Person des Gesellschaf-

ters vorliegen. Dies gilt auch dann, wenn dieser teilweise bezüglich des Geschäftsanteils einer treuhänderischen Bindung unterliegt; zusätzlich kann ihm allerdings ein treuwidriges Verhalten des Treugebers zugerechnet werden7; bei einer Geschäftsanteilsübertragung gilt aber der Veräußerer der Gesellschaft gegenüber so lange als Gesellschafter, solange der Erwerber nicht in die zum Handelsregister eingereichte Gesellschafterliste (§ 40) eingetragen ist, § 16 Abs. 18. Im Zweifel sind Einziehungsklauseln eng auszulegen und die Gesellschaft auf den Weg der Ausschließungsklage zu verweisen9. Die Einziehung ist jedoch stets gerechtfertigt, wenn die Pflichtverletzung des betroffenen Gesellschafters so schwer wiegt, dass eine andere Lösung den Mitgesellschaftern nicht zugemutet 1 BGH ZIP 2010, 324 = GmbHR 2010, 256; OLG Nürnberg GmbHR 1994, 252, 253 ff. 2 Vgl BGH GmbHR 1978, 131; BGH GmbHR 2013, 1315 Rn 13; OLG Stuttgart GmbHR 1989, 466, 467. 3 OLG Hamburg ZIP 1996, 962, 963; Mayer/Elfring GmbHR 2004, 869, 871. 4 BGH GmbHR 2013, 1315 Rn 15 mwN; OLG Frankfurt GmbHR 1993, 659; OLG Celle GmbHR 1998, 140, 142. 5 BGH GmbHR 2003, 583. 6 So OLG Dresden NZG 1999, 29, 30 = GmbHR 1999, 234, 236; vgl auch OLG Hamm NZG 1999, 599, 600. 7 BGHZ 32, 17, 33; OLG München GmbHR 1997, 451. 8 Vgl OLG Hamm GmbHR 1993, 660 zum alten Recht. 9 So BGH bei Goette DStR 1993, 1266 für eine Satzungsbestimmung, die im Fall eines Verstoßes gegen ein satzungsrechtliches Wettbewerbsverbot die Zwangseinziehung des Geschäftsanteils vorsah; s. auch MünchKomm/Strohn Rn 42.

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werden kann1. Vorrangig ist zu versuchen, einen Missstand durch weniger einschneidende Maßnahmen zu beheben: Auch die Zwangseinziehung aus wichtigem Grund kommt nur als ultima ratio in Betracht2; s. im Übrigen auch Rn 53 ff, 57 zum Ausschluss aus wichtigem Grund. Kein freies Belieben: Die Satzung darf die Zwangseinziehung nur aus bestimmten 33 sachlichen Gründen vorsehen. Nicht ausreichend als Zwangs-Einziehungsgrund ist das freie Belieben der (einfachen oder qualifizierten) Mehrheit; andernfalls wäre der betroffene Gesellschafter der Willkür der Mehrheit unterworfen; das aber will § 34 Abs. 2 gerade verhindern3. Daher hat der BGH in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass Klauseln, die es der Mehrheit der Gesellschafter ermöglichen, einen Mitgesellschafter ohne sachlichen Grund aus der Gesellschaft auszuschließen (sog Hinauskündigungsklauseln) grundsätzlich nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig sind. Dies gilt ausnahmsweise dann nicht, wenn „außergewöhnliche Umstände“4 bzw „besondere Umstände“5 eine solche Klausel sachlich rechtfertigen6. Umstritten ist, wann derart beschaffene Umstände vorliegen. Ausnahme Probezeit: Der BGH hält eine Regelung für wirksam, die es den Mit- 34 gesellschaftern einer Personengesellschaft erlaubt, neu aufgenommene Gesellschafter für die Dauer einer angemessenen „Probezeit“ jederzeit ohne Angabe von Gründen zu kündigen7. Die Dauer der Probezeit hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Der BGH hielt im Fall einer Zweipersonengesellschaft, die durch den Eintritt eines Arztes in eine Einzelpraxis gegründet wurde, unter Hinweis auf das seinerzeit geltende Berufsrecht drei Jahre für angemessen8. Diesen Überlegungen ist zu folgen. Sie sind auf eine Mitarbeiter-Gemeinschaft in Form der GmbH (zB Anwalts- oder Ärzte-GmbH) übertragbar. Ausnahme Testamentarische Verfügung: Gleiches gilt, wenn die im Gesell- 35 schaftsvertrag vereinbarte Hinauskündigungsklausel auf der testamentarischen 1 OLG München DB 1994, 320, 321 = GmbHR 1994, 406, 409. 2 BGH GmbHR 2015, 416 Rn 37. 3 So BGHZ 112, 103, 107 = GmbHR 1990, 449 und zur stillen Gesellschaft BGH DB 1994, 829; B/H/Fastrich Rn 9a; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 42; Scholz/Seibt Anh § 34 Rn 57 sowie Scholz/H.P. Westermann Rn 17; Michalski/Sosnitza Rn 41; Grunewald FS Priester, 2007, S. 123 ff; Goette VGR Bd 10 (2006), S. 17 ff; Benecke ZIP 2005, 1437 ff je mwN im Anschluss an die Rspr zu Hinauskündigungsklauseln im Personengesellschaftsrecht; hM; aA R/A/Altmeppen Rn 44: regelmäßig gültig, nur ausnahmsweise ungültig bei Verstoß gegen § 242 BGB oder § 138 BGB. 4 So BGHZ 81, 263. 5 So BGHZ 112, 103 für eine neben dem Gesellschaftsvertrag getroffene schuldrechtliche Vereinbarung, die zu demselben Ergebnis führen soll wie eine Hinauskündigungsklausel. 6 Vgl Nachweise bei Scholz/H.P. Westermann Rn 17; kritisch Grunewald FS Priester, 2007, S. 123 ff. 7 BGH ZIP 2004, 903 ff: sog Laborärztefall; vgl auch S/I/Greitemann/Klingsch Rn 39. 8 BGH ZIP 2007, 1309 ff.

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§ 34 | Einziehung von Geschäftsanteilen Verfügung des ursprünglichen Unternehmensinhabers beruht, der seinen Erben aufgegeben hatte, sein einzelkaufmännisches Unternehmen in Form einer Kommanditgesellschaft fortzuführen1. In diesem Fall ist der Testierfreiheit des Erblassers Vorrang zu geben vor dem Schutz des gekündigten Gesellschafters2. 36 Ausnahme Manager-Modell: Anerkannt ist in der Rechtsprechung des BGH

weiterhin, dass sich Geschäftsführer wirksam dazu verpflichten können, den ihnen eingeräumten Geschäftsanteil zurückzuübertragen, wenn ihre Geschäftsführerstellung endet. Voraussetzung ist, dass der Geschäftsführer in der Gesellschafterversammlung keinen nennenswerten Einfluss hat und sein wirtschaftliches Risiko gering ist, weil er den Geschäftsanteil zum Nennwert erworben hat3. Zur Zulässigkeit von Abfindungsbeschränkungen in diesen Fällen Rn 98a.

37 Ausnahme Mitarbeiter-Modell: Erst recht gilt dies für die Rückübertragungs-

verpflichtung eines Mitarbeiters, der seinen Geschäftsanteil beim Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis zurückzuübertragen hat, wenn dieses Arbeitsverhältnis nur unter den Voraussetzungen des KSchG einseitig beendet werden kann4.

38 Ausnahme Venture-Capital: Im Rahmen von sog Venture-Capital-Verträgen

können vor allem der Verwässerungsschutz (anti-dilution), etwaige Vorrechte bei Liquidation oder Verkauf der Gesellschaft (liquidation preference) oder der Zwang zum Mitverkauf (drag-along) eine der Hinauskündigung vergleichbare Wirkung entfalten. Dennoch verstoßen auch diese Maßnahmen nicht gegen das grundsätzlich bestehende Verbot der Hinauskündigung5.

39 Keine Ausnahme Schenkung: Nach BGHZ 112, 103 ff ist es nicht ausreichend,

dass der betroffene Gesellschafter für den Erwerb seines Geschäftsanteils keine eigenen Geldmittel aufgewandt hat; anders aber ist es dann, wenn hinzukommt, dass der die Einziehung Betreibende dem Betroffenen die Gesellschafter- (und ggf Geschäftsführer-)Stellung nur aufgrund enger persönlicher Bindungen eingeräumt hat, die dann später wegfallen. Für die „außergewöhnlichen Umstände“ ist es (positiv und negativ) ohne Bedeutung, ob der Ausgeschlossene zugleich

1 BGH ZIP 2007, 862 ff = GmbHR 2007, 644 ff. 2 Die Besonderheit bestand darin, dass die Gesellschaft von jedem der beiden Gesellschafter ohne sachlichen Grund gekündigt werden konnte, der Gesellschaftsvertrag aber vorsah, dass in jedem Fall nur der persönlich haftende Gesellschafter zur Fortführung des Unternehmens und der Firma berechtigt sein sollte. 3 BGH ZIP 2005, 1917 ff = GmbHR 2005, 1558 ff: sog Manager-Modell mit Besprechungen bei Soznitza DStR 2006, 99 ff; Schneider/Wiechers DB 2005, 2450 ff und Gehrlein BB 2005, 2433 f; Goette VGR Bd 10 (2006), S. 19 f; Goette DStR 2006, 139 ff; Schockenhoff ZIP 2005, 1009 ff. 4 BGH ZIP 2005, 1920 ff = GmbHR 2005, 1561 ff: sog Mitarbeitermodell mit Besprechungen bei Sosnitza DStR 2006, 99 ff und Schneider/Wiechers DB 2005, 2450 ff; Goette VGR Bd 10 (2006), S. 19; Goette DStR 2006, 139 ff. 5 Vgl Martinius/Stubert BB 2006, 1977 ff.

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der alleinige Geschäftsführer ist, weil die Mehrheit jederzeit einen neuen Geschäftsführer bestellen kann. Enthält die Satzung nur die Klausel des „freien Beliebens“ bzw „freien Ermessens“ 40 und ist sie mithin im Prinzip unwirksam, so kann sie idR mit dem Inhalt „mindestens aus wichtigem Grund“ verstanden werden und dann insoweit gültig sein1. Verbindet die Satzung ein festes Merkmal (zB Tod eines Gesellschafters) mit der 41 Befugnis zur Einziehung, so handelt es sich nicht um einen Fall freien Ermessens2. Unzulässig ist eine Klausel, die generell die Einziehung als Folge der Erhebung 42 der Auflösungsklage durch den Gesellschafter vorsieht, weil sie dadurch das in § 61 statuierte Klagerecht der Minderheit de facto beseitigt (s. auch § 61 Rn 2). (2) (Wirksamer) Beschluss der Gesellschafterversammlung gemäß § 46 Nr. 4: 43 Auch hier genügt einfache Mehrheit, soweit die Satzung kein anderes Mehrheitserfordernis aufstellt. Soll die Einziehung erfolgen, weil in der Person eines Gesellschafters ein wichtiger Grund vorliegt, so ist dieser (zwingend; vgl § 47 Rn 33) vom Stimmrecht ausgeschlossen3; gleichwohl ist er berechtigt, an der Gesellschafterversammlung teilzunehmen, und ihm muss vor der Beschlussfassung Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden4. Von der Stimmabgabe sind aber auch die Gesellschafter ausgeschlossen, die in ihrer Person ebenfalls einen zur Einziehung berechtigenden, wichtigen Grund verwirklicht haben. Liegt ein wichtiger Grund vor und sprechen keine überwiegenden Gründe im Interesse der Gesellschaft doch für ein Verbleiben des betroffenen Gesellschafters in der Gesellschaft5, so ist die ablehnende Stimmabgabe eines Mitgesellschafters rechtsmissbräuchlich und der Beschluss ist anfechtbar, wenn er auch nach Abzug der rechtsmissbräuchlichen Stimmen nicht mehr mit der erforderlichen Mehrheit zustande gekommen ist6. Auch die Verbindung mit einer positiven Beschlussfeststellungsklage ist dann möglich. Das kann im Einzelfall dazu führen, dass allein ein Splitter-Geschäftsanteil über die Einziehung entscheidet7. 1 Zutreffend BGH GmbHR 1989, 462, 463 f; so auch MünchKomm/Strohn Rn 57. 2 BGHZ 105, 213 = GmbHR 1989, 117. 3 BGHZ 9, 157, 176; BGH GmbHR 1977, 81, 82; BGH GmbHR 2010, 977 Rn 13; BGH GmbHR 2015, 416 Rn 16; Mayer/Elfring GmbHR 2004, 869, 872 f; MünchKomm/Strohn Rn 20 mwN. 4 BGH GmbHR 1971, 207; BGH bei Goette DStR 1997, 1257, 1259; Gehrlein ZIP 1996, 1157, 1159 f. 5 Vgl dazu für den Fall der Einziehung wegen Insolvenz des Gesellschafters van Venrooy GmbHR 1995, 339. 6 BGH WM 1987, 1011, 1013 = GmbHR 1987, 424 und BGH WM 1990, 677, 678 = GmbHR 1990, 162. 7 So im Fall BGH WM 1990, 677, 678 = GmbHR 1990, 162.

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§ 34 | Einziehung von Geschäftsanteilen 44 Im Übrigen kann die Satzung Bestimmungen zur Beschlussmehrheit und zum

Stimmrecht des Betroffenen treffen. Schreibt die Satzung Einstimmigkeit vor, so bedeutet das nur die Zustimmung aller Erschienenen, nicht aller Gesellschafter überhaupt: Zustimmung ist nicht Einmütigkeit1. Zur Möglichkeit der Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf ein anderes Organ vgl Rn 20. Die Satzung kann auch Fristen zur Geltendmachung der Zwangseinziehung festlegen. Im Übrigen sieht das Gesetz zeitliche Schranken nicht vor, sie ergeben sich aber insbesondere aus dem jeweiligen Einziehungsgrund selbst, wie etwa bei Anteilspfändung oder Insolvenz die Verwertung des betreffenden Geschäftsanteils2. Darüber hinaus kann das Recht auf Zwangseinziehung bei Nichtgeltendmachung über einen längeren Zeitraum trotz Kenntnis des Grundes auch verwirkt sein3.

45 Der Beschluss muss ggf iVm der Satzung erkennen lassen, dass er die Einzie-

hung zum Gegenstand hat4. Eine Regelung der Satzung, die den „Erwerb zur Einziehung“ gestattet, erfasst auch die unmittelbare Einziehung5. Enthält die Satzung genaue Regeln zur Höhe des Abfindungsanspruchs, so braucht der Beschluss keinen diesbezüglichen Inhalt zu haben6.

46 Nach gefestigter Rspr des BGH ist der Einziehungsbeschluss entsprechend

§ 241 Nr. 3 AktG nichtig, wenn Abfindungsschuldnerin die Gesellschaft ist und bereits bei Beschlussfassung feststeht, dass die Gesellschaft als Schuldnerin des Entgelts (Rn 48a) dieses bei Fälligkeit nicht aus freiem, die Stammkapitalziffer nicht beeinträchtigenden Vermögen zahlen kann (§ 34 Abs. 3)7. Damit scheitert die Einziehung; s. zur Kritik Rn 49a. – Der Einziehungsbeschluss ist im Übrigen anfechtbar, wenn sich die anderen Gesellschafter in diesem Zusammenhang treuwidrig verhalten8.

47 (3) Volleinzahlung: vgl dazu Rn 22.

(4) Einziehungserklärung: vgl dazu Rn 24.

1 Zutreffend OLG Hamm NZG 1999, 599. 2 U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 53; OLG Frankfurt NZG 1998, 595 = GmbHR 1998, 786. 3 Hierzu OLG Frankfurt NZG 1998, 595 = GmbHR 1998, 786: Einziehung über ein Jahr nach Eröffnung des Vergleichsverfahrens über das Vermögen des Gesellschafters noch zulässig; OLG Celle NZG 1999, 167 = GmbHR 1999, 551; OLG Düsseldorf DB 2007, 2308, 2309 = GmbHR 2008, 262, 263; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 53 mwN. 4 BGH ZIP 1995, 835, 836 = GmbHR 1995, 377. 5 Zutreffend OLG Hamm NZG 1999, 599. 6 BGH ZIP 1995, 835, 836 = GmbHR 1995, 377; OLG Hamm NZG 1999, 599. 7 Dazu schon BGHZ 9, 157, 173 f und etwa BGHZ 144, 365, 369 f = GmbHR 2000, 822; BGH GmbHR 2009, 313 Rn 7; BGH GmbHR 2011, 761 Rn 13; BGH GmbHR 2012, 387 Rn 7; dazu etwa MünchKomm/Strohn Rn 31; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 20 und 30. 8 OLG Hamm GmbHR 2009, 1161.

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(5) Entgelt: Die Einziehung ist auch hier im Zweifel entgeltlich (dazu Rn 78 ff). 48 Ein gesellschaftsvertraglicher Abfindungsausschluss ist grundsätzlich sittenwidrig und nichtig (Rn 78); er ist bei der Einziehung wegen pflichtwidrigen Verhaltens des betroffenen Gesellschafters auch nicht etwa als Vertragsstrafe zulässig1. Schuldner des Abfindungsanspruchs ist die Gesellschaft, doch kann die Satzung 48a etwas anderes bestimmen, insbesondere allein die begünstigten Gesellschafter zu Schuldnern erklären. Zwangseinziehung, Ausschließung und Austritt beruhen auf extremen Interessengegensätzen zwischen dem Betroffenen und den bleibenden Gesellschaftern: Soll der Ausscheidende bis zur letzten Centime seiner Abfindung durch die Fortdauer seiner Gesellschafterstellung geschützt oder soll die Gesellschaft von ihm befreit sein und der Ausgeschiedene als ungesicherter Gläubiger klagen und vollstrecken müssen? Unter der Prämisse der früher herrschenden „Bedingungslehre“ (Rn 7a) lag die Lösung des Konflikts in den Händen der Satzung2, die die sofortige Wirksamkeit des Ausscheidens anordnen konnte (Rn 7b). Seit der Grundsatzentscheidung des BGH vom 24.1.20123 steht fest, dass jedenfalls der Einziehungsbeschluss auch ohne entsprechende Satzungsvorsorge sofort wirksam und der Betroffene mit Zugang der Einziehungserklärung nicht mehr Gesellschafter ist, näher zum Ganzen schon Rn 7 ff. Das Entgelt ist fällig wie in der Satzung geregelt4, anderenfalls im Zweifel sofort. 49 Zahlt die Gesellschaft das fällige Entgelt nicht, kann sie oder darf sie mangels freien Vermögens (§ 34 Abs. 3) nicht (vollständig) zahlen, so haften die verbleibenden Gesellschafter nach der BGH-Entscheidung vom 24.1.2012 – sofern sie weder dafür sorgen, dass die Abfindung aus ungebundenem Vermögen geleistet werden kann, noch die Gesellschaft auflösen5 – anteilig (entsprechend ihrer Beteiligungsquote) persönlich6; richtigerweise verbunden mit einer wechselseitigen Ausfallhaftung untereinander7.

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BGH GmbHR 2014, 811 Rn 12, 14 ff; aA U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 104 mwN. Zu Konfliktvermeidungsstrategien der Satzung vgl Ulmer FS Priester, 2007, S. 775, 796 ff. BGH GmbHR 2012, 387. Im Falle BGH GmbHR 2012, 387 nach zwei Jahren, in der Praxis häufig in drei bis fünf Jahresraten. 5 Zu diesen Optionen der Haftungsvermeidung und den daraus resultierenden Voraussetzungen für die Geltendmachung des Anspruchs gegen die verbleibenden Gesellschafter (Fristsetzung!) etwa J. Schmidt GmbHR 2013, 953, 958 f; Sven H. Schneider/Hoger NZG 2013, 502, 506; Tröger VGR Bd 19 (2014), S. 23, 61 ff; Ulmer FS Hoffmann-Becking, S. 1261, 1271 f; s. auch Fritz S. 152 ff. 6 BGH GmbHR 2012, 387 Rn 21 ff; zuvor schon R/A/Altmeppen 3. Aufl 1997, Rn 22; Goette FS Lutter, S. 399, 410; MünchKomm/Strohn 1. Aufl 2010, Rn 76. Kritisch B/S/ Thiessen Rn 38; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 63. 7 Schockenhoff NZG 2012, 449, 451; Ulmer FS Hoffmann-Becking, S. 1261, 1269 f; aA Tröger VGR Bd 19 (2014), S. 23, 59 f.

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§ 34 | Einziehung von Geschäftsanteilen All das gilt selbst für einen Gesellschafter, der nachweislich gegen den Einziehungsbeschluss gestimmt hat1: Dass er nicht gegen seinen Willen in die persönliche Haftung genommen werden könne, ist kein überzeugender Einwand. Zum einen muss die Zwangseinziehung ohnehin auf einer legitimierenden Satzungsklausel beruhen. Zum andern wächst jedem verbleibenden Gesellschafter ipso iure der wirtschaftliche Wert des Geschäftsanteils des Ausscheidenden anteilig zu. Gerade dieser Vermögenszuwachs zu Gunsten der Verbleibenden – sowie die ihnen zukommenden Einwirkungsmöglichkeiten auf die Entwicklung des Gesellschaftsvermögens bis zum Zeitpunkt der (ggf um Jahre hinausgeschobenen) Fälligkeit der Abfindung2 – rechtfertigen es, den Abfindungsanspruch des Ausscheidenden durch eine pro ratarische Ausfallhaftung der verbleibenden Gesellschafter zu sichern. Im Übrigen erwächst den auf subsidiäre Haftung in Anspruch genommenen Gesellschaftern ein Rückgriffsanspruch gegen die Gesellschaft, der zu bedienen ist, wenn wieder freies Vermögen zur Verfügung steht3. Ob auch zwischenzeitlich neu hinzukommende Gesellschafter (etwa der Rechtsnachfolger eines Gesellschafters oder der Erwerber eines nach der Einziehung neu gebildeten Anteils) von der subsidiären Haftung betroffen sind, bedarf noch vertiefter Diskussion4. 49a Im Übrigen sprechen die besseren Gründe dafür, den in der BGH-Entscheidung

vom 24.1.2012 beschrittenen Lösungsweg (soeben Rn 49) auch dort einzuschlagen, wo schon bei Beschlussfassung feststeht, dass das Einziehungsentgelt nicht aus freiem Vermögen der Gesellschaft gezahlt werden kann5: auch hier dann also pro ratarische Ausfallhaftung der Mitgesellschafter statt (wie von der Rspr bislang verfochten, s. Rn 46) Beschlussnichtigkeit. Die Gläubigerbelange bleiben damit ebenso gewahrt wie das Abfindungsinteresse des Ausscheidenden.

50 Notwendigkeit klarer Satzungsgestaltung: All das zeigt, dass die Voraussetzun-

gen und Folgen der Einziehung einschließlich der Regeln zur Berechnung des Entgeltes nicht klar und einfach genug in der Satzung festgelegt sein können. So

1 Im Ergebnis wie hier Fritz S. 168 ff; Markowsky S. 198 ff; J. Schmidt GmbHR 2013, 953, 957 f; Sven H. Schneider/Hoger NZG 2013, 502, 505 f; MünchKomm/Strohn Rn 77; Tröger VGR Bd 19 (2014), S. 23, 57; Ulmer FS Hoffmann-Becking, S. 1261, 1269; aA Gubitz/ Nikoleyczik NZG 2013, 727, 729 ff; Schockenhoff NZG 2012, 449, 451; tendenziell auch Grunewald GmbHR 2012, 769, 770 f. 2 Die gebotene Absicherung der daraus resultierenden Opportunismusgefahren betont Tröger VGR Bd 19 (2014), S. 23, 46 ff. 3 Zutreffend MünchKomm/Strohn Rn 77. 4 Verneinend etwa Fritz S. 170; MünchKomm/Strohn Rn 77; bejahend Tröger VGR Bd 19 (2014), S. 23, 57. 5 Aber ebenfalls streitig; befürwortend etwa Altmeppen ZIP 2012, 1685, 1691; B/H/Fastrich Rn 47; Fritz S. 92 ff; Markowsky S. 209 ff; Priester ZIP 2012, 658, 659 f; Schockenhoff NZG 2012, 449, 452; Tröger VGR Bd 19 (2014), S. 23, 69 ff; dagegen J. Schmidt GmbHR 2013, 953, 961 f; MünchKomm/Strohn Rn 31 und 175; Ulmer FS Hoffmann-Becking, S. 1261, 1263.

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kann die Satzung für die Überprüfung der Einziehung und des Einziehungsentgeltes ein Schiedsgericht festlegen. Möglich ist auch die Einziehung unter gleichzeitiger Kapitalherabsetzung; dadurch werden Mittel für das Einziehungsentgelt frei; die Höhe der Bindung aus § 30 sinkt1. Ebenso möglich ist eine Vereinbarung über die Leistung des Entgelts nur durch die anderen Gesellschafter, sei es unter Übernahme des Geschäftsanteils, sei es als Zahlung für die GmbH, jedoch – wegen der Gefahr aus § 30 – unter Verzicht auf Erstattung2. Auch ist weiterhin – schon vor dem Hintergrund der aus § 34 Abs. 3 bislang abgeleiteten „Nichtigkeitsfalle“ (Rn 46 und 49a) – eine Satzungsbestimmung zu erwägen, nach der der betroffene Gesellschafter auf Weisung der Gesellschaft seinen Anteil an einen Mitgesellschafter oder einen von ihr bestimmten Dritten (gegen vom Erwerber aus dessen Vermögen zu tragende Abfindung) zu übertragen hat3. Ob die subsidiäre Haftung der verbleibenden Gesellschafter nach Maßgabe der BGH-Entscheidung vom 24.1.2012 (Rn 49) zur Disposition der Satzung steht, ist umstritten4, dürfte vor dem Hintergrund der Rechtsprechungsentwicklung aber tendenziell zu bejahen sein. Dem lässt sich jedenfalls noch nicht überzeugend entgegenhalten, im Konzept des BGH solle jene Haftung für einen angemessenen Interessenausgleich angesichts der sofort wirksamen Einziehung sorgen5. Denn die statutarische Anordnung der sofortigen Wirksamkeit hatte der BGH schon bislang anerkannt (Rn 7b), ohne damit die subsidiäre Haftung der verbleibenden Gesellschafter zu verbinden. 5. Mängel der Einziehung Fehlt auch nur eine der oben genannten Voraussetzungen, so ist die Einziehung 51 wirkungslos6; das kann vom Betroffenen im Allgemeinen durch Feststellungsklage gegen die GmbH geklärt werden7. Nur dann, wenn der Beschluss der Gesellschafterversammlung selbst mangelhaft ist, muss das durch Anfechtungsbzw Nichtigkeitsklage innerhalb angemessener Fristen geltend gemacht werden8, wobei die Monatsfrist des § 246 AktG (nur) Leitbildcharakter hat (zu allen Ein1 S. auch R/S-L/Görner Rn 24. 2 Vgl Harst GmbHR 1987, 183, 185 f. 3 S. dazu etwa BGH NJW 1983, 2880; Mayer/Elfring GmbHR 2004, 869, 880; Goette DStR 2006, 1901. 4 Befürwortend R/S-L/Görner Rn 68; H.-F. Müller WuB II C. § 34 GmbHG 1.12; Tröger VGR Bd 19 (2014), S. 23, 74 f; ablehnend B/H/Fastrich Rn 48; Fritz S. 179 ff; Markowsky S. 215 ff; J. Schmidt GmbHR 2013, 953, 960. 5 So aber J. Schmidt GmbHR 2013, 953, 960. 6 Näher BGH NJW 1999, 3779 = GmbHR 1999, 1154; B/H/Fastrich Rn 15; MünchKomm/ Strohn Rn 12; R/A/Altmeppen Rn 67; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 29 ff; Niemeier ZGR 1990, 314, 349. 7 Wagner S. 148 f mwN. 8 AA OLG Schleswig GmbHR 2000, 935, 936 f = NZG 2000, 703, 704 mit Anm Sosnitza: negative Feststellungsklage über Unwirksamkeit des Beschlusses möglich.

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§ 34 | Einziehung von Geschäftsanteilen zelheiten der Nichtigkeit und Anfechtbarkeit von Gesellschafterbeschlüssen Anh zu § 47)1. Angesichts der Legitimationswirkung der Eintragung in die (beim Handelsregister aufgenommene) Gesellschafterliste (§ 16 Abs. 1; s. Rn 5a) kann sich der Betroffene gegen die Änderung der Gesellschafterliste im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes wehren2. Im Einzelfall kann die Anfechtung3, aber auch die Berufung auf die Wirkung der Unanfechtbarkeit rechtsmissbräuchlich sein4. Die Nichtigkeit des Beschlusses kann gemäß § 242 Abs. 2 Satz 1 AktG analog nicht mehr geltend gemacht werden, wenn der Beschluss im Handelsregister eingetragen wurde und seither drei Jahre vergangen sind5.

III. Ausschluss Literatur: Battke Der Ausschluss von Gesellschaftern aus der GmbH, GmbHR 2008, 850; Baumann Die Ausschließung von GmbH-Gesellschaftern – Möglichkeiten der Satzungsgestaltung, MittRhNotK 1991, 271; Blath Der Vollzug des Ausscheidens aus der GmbH – dogmatische und praktische Fragen, GmbHR 2012, 657; Fritz Die Zwangseinziehung von GmbH-Geschäftsanteilen, 2015; Gehrlein Ausschluss und Abfindung von GmbH-Gesellschaftern, 1997; Goette Ausschließung und Austritt aus der GmbH in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, DStR 2001, 533; Grunewald Der Ausschluss aus Gesellschaft und Verein, 1987; Kesselmeier Ausschließungs- und Nachfolgeregelung in der GmbH-Satzung, 1989; Klöckner Aktuelle Praxisfragen zum Ausscheiden eines GmbH-Gesellschafters, GmbHR 2012, 1325; Markowsky Die Einziehung von GmbH-Geschäftsanteilen, 2013; Mayer/Elfring Das zwangsweise Ausscheiden eines Gesellschafters – Machtkämpfe in der GmbH, GmbHR 2004, 869; Priester „Sanieren oder Ausscheiden“ im Recht der GmbH, ZIP 2010, 497; Schröer Der wichtige Grund für den Ausschluss eines Gesellschafters aus der GmbH, 1995; Tröger Anteilseinziehung und Abfindungszahlung, in Gesellschaftsrechtliche Vereinigung (VGR), Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2013, VGR Bd 19 (2014), S. 23; Tschernig Der Ausschluss eines GmbH-Gesellschafters durch Gesellschafterbeschluss, GmbHR 1999, 691; Wolf Abberufung und Ausschluss in der Zweimann-GmbH, ZGR 1998, 92.

1. Zulässigkeit 52 Regelt die Satzung weder die Zwangseinziehung noch eine Abtretungsverpflich-

tung noch eine Ermächtigung zur Abtretung des betreffenden Geschäftsanteils oder lässt sie eine solche Maßnahme nur unter (zu) engen Voraussetzungen zu, dann ist der Ausschluss bei Vorliegen eines wichtigen Grundes in der Person 1 Monographisch zu den Rechtsschutzmöglichkeiten gegen fehlerhafte Einziehungsbeschlüsse Wagner S. 128 ff. 2 Dazu Hoffmann/Rüppel BB 2016, 1026, 1031 f; Wagner GmbHR 2016, 463, 466 ff; Wagner S. 150 ff, 187 ff. 3 OLG Hamm GmbHR 1994, 256 und dazu Goette DStR 1994, 368. 4 So BGHZ 101, 113, 120 = GmbHR 1988, 18 bei einer sittenwidrig herbeigeführten Einziehung. 5 BGHZ 144, 365, 367 = GmbHR 2000, 822 und BGHZ 80, 212 = GmbHR 1982, 67 sowie BGH AG 1984, 149.

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Einziehung von Geschäftsanteilen | § 34

des Gesellschafters (Rn 53 ff) gleichwohl und unabdingbar zulässig1: Die anderen Gesellschafter müssen sich und die Gesellschaft schützen können, wenn ein Gesellschafter untragbar geworden ist2; auch der Mehrheitsgesellschafter kann ausgeschlossen werden. Der Ausschluss setzt einen entsprechenden Gesellschafterbeschluss und sodann Ausschlussklage und Gestaltungsurteil voraus; ein Ausschluss allein durch Gesellschafterbeschluss ist nur bei entsprechender Satzungsbestimmung zulässig (Rn 63 ff). Zum Vollzug des Ausschlusses, der auf die Person des betroffenen Gesellschafters und den Verlust seiner Gesellschafterstellung zielt (s. hierzu und zur Abgrenzung gegenüber der Einziehung schon Rn 1a), bedarf es der Verwertung des Geschäftsanteils, die durch Einziehung des Anteils oder durch Abtretung an einen oder mehrere Gesellschafter, Dritte oder die Gesellschaft selbst bewirkt werden kann (Rn 66). 2. Voraussetzungen (1) Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn die Person oder das Verhalten des aus- 53 zuschließenden Gesellschafters die Erreichung des Gesellschaftszwecks erheblich gefährdet oder gar unmöglich macht und deswegen sein Verbleib in der Gesellschaft untragbar erscheint3. Verschulden des Betroffenen ist nicht vorausgesetzt4; schuldhaftes Verhalten der übrigen Gesellschafter aber kann die Annahme eines wichtigen Grundes ausschließen5, muss es aber nicht6. Auch ein tiefgreifendes Zerwürfnis zwischen den Gesellschaftern ist daher nur dann ein wichtiger Grund zum Ausschluss, wenn es überwiegend vom Auszuschließenden verursacht ist, bei den anderen Gesellschaftern nicht ebenfalls Ausschlussgründe vorliegen und die Zusammenarbeit in der Gesellschaft unzumutbar geworden ist, insbesondere die Spannung sich auf den Geschäftsbetrieb auswirkt7. 1 BGHZ 9, 157; BGHZ 16, 317, 322; BGHZ 80, 346, 349 = GmbHR 1981, 290; BGH WM 1990, 677, 678 = GmbHR 1990, 162; OLG München DB 1994, 320, 321; Grunewald Ausschluss, S. 45 ff; Schröer S. 26 ff; Wolf ZGR 1998, 92, 95; U/H/L/Ulmer/Habersack Anh § 34 Rn 9; R/A/Altmeppen § 60 Rn 61; Michalski/Sosnitza Anh § 34 Rn 6; Battke GmbHR 2008, 850, 852. 2 BGHZ 9, 157, 159 spricht vom „Störenfried“. 3 BGH GmbHR 1991, 362; OLG Hamm GmbHR 1993, 660, 662; OLG Frankfurt GmbHR 1993, 659; vgl auch Schröer S. 64 ff; MünchKomm/Strohn Rn 123 ff. 4 BGHZ 9, 157, 164. 5 BGHZ 16, 317, 323; BGHZ 32, 17, 31; BGH WM 1990, 677, 678 f = GmbHR 1990, 162; BGH GmbHR 1995, 296, 298; BGH BB 1997, 2339, 2340 f. 6 BGHZ 80, 346, 351 = GmbHR 1981, 290. 7 S. BGH GmbHR 2013, 1315 Rn 17 mwN; auch BGH ZIP 2003, 1037 (für BGB-Gesellschaft); OLG Brandenburg GmbHR 2016, 357; OLG Dresden NZG 2001, 809; OLG Frankfurt GmbHR 1993, 659, 660; OLG Hamm GmbHR 1998, 1081, 1083; OLG München GmbHR 1994, 251, 252; OLG Naumburg GmbHR 2014, 714, 716.

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§ 34 | Einziehung von Geschäftsanteilen Die Struktur der GmbH ist zu berücksichtigen1; ist sie kapitalistisch, wird ein wichtiger Grund für die Ausschließung eher selten vorliegen, zumal diese immer nur als letztes Mittel in Betracht kommt. Wie bei der Zwangseinziehung (Rn 31) bedarf es immer einer umfassenden Prüfung aller Umstände des Einzelfalls unter Gesamtabwägung der beteiligten Interessen sowie des Verhaltens auch der übrigen Gesellschafter2. 54 Beispiele für einen wichtigen Grund: Denunziation eines Mitgesellschafters3;

Verlust einer gesellschaftsvertraglich geforderten, persönlichen Eigenschaft4; finanzielle Unregelmäßigkeiten5; unsittliches Verhalten gegenüber Mitarbeiterin6; schwerer Verstoß gegen die gesellschafterliche Treupflicht7 oder schwere Störung des gesellschaftlichen Vertrauensverhältnisses, so dass den Mitgesellschaftern die Fortsetzung der Gesellschaft mit dem Auszuschließenden nicht mehr zugemutet werden kann8.

55 Die Einräumung einer Unterbeteiligung am Geschäftsanteil an ein Konkurrenz-

unternehmen soll allein noch keinen wichtigen Grund darstellen: Eine Ausschließung komme erst dann in Betracht, wenn der Gesellschafter dem unterbeteiligten Konkurrenten in gesellschaftsschädlicher Weise zu Diensten sei9. Bei Familiengesellschaften kann ein Fehlverhalten einerseits einen wichtigen Grund darstellen, andererseits können die verwandtschaftlichen Bindungen aber auch gerade eine Pflicht begründen, über gewisse gesellschaftswidrige Verhaltensweisen hinwegzusehen und mit milderen Maßnahmen zu begegnen10. Die gerichtliche Geltendmachung berechtigter Zahlungsansprüche des Gesellschafters gegen die GmbH bedeutet keinen Verstoß gegen die Treupflicht und rechtfertigt daher keinen Ausschluss aus wichtigem Grund11. Kein wichtiger Grund liegt in der Geltendmachung von Rechten inkl der (gerichtlichen) Betreibung des Aus-

1 Ebenso Hoffmann/Rüppel BB 2016, 1026. 2 BGH GmbHR 2013, 1315 Rn 15 mwN; OLG Brandenburg GmbHR 2016, 357; OLG Stuttgart GmbHR 2013, 414, 417 ff; OLG Stuttgart NZG 2013, 1146, 1149 f = GmbHR 2013, 803. 3 BGH NJW 1969, 794; OLG Hamm GmbHR 1993, 743; vgl aber auch BGH NZG 2003, 530 = GmbHR 2003, 583, wo eine nicht leichtfertige Strafanzeige gegen einen Mitgesellschafter nicht als wichtiger Grund angesehen wurde. 4 BGHZ 9, 157, 159. 5 BGHZ 16, 317, 319 und BGHZ 32, 31. 6 BGHZ 16, 317, 319. 7 OLG München DB 1994, 320, 321 = GmbHR 1994, 406 und OLG Dresden NZG 2001, 809. 8 OLG Dresden NZG 2001, 809. 9 So OLG Frankfurt DB 1992, 2489, 2491 = GmbHR 1992, 668; sehr problematisch! 10 So BGH BB 1997, 2339, 2341. 11 OLG Hamm GmbHR 1993, 656, 658.

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schlusses von Mitgesellschaftern, es sei denn, das geschehe aus Schikane, mutwillig oder in erkennbar gesellschaftsfeindlicher Gesinnung1. Sanierung: Außerordentlich schwierig ist die Frage zu beantworten, wie sich ein 56 Gesellschafter in der notwendigen Sanierung der Gesellschaft zu verhalten hat. Wird im Rahmen eines Kapitalschnitts das Kapital auf Null herabgesetzt, sodann durch die sofort anschließende Kapitalerhöhung wieder geschaffen (vgl dazu § 58a Rn 24) und beteiligt er sich an dieser Kapitalerhöhung nicht, so ist er ausgeschieden; sein Geschäftsanteil ist durch die Kapitalherabsetzung auf Null untergegangen2. Ist eine Kapitalherabsetzung auf Null nicht möglich, da das Kapital noch nicht völlig aufgezehrt ist, so bleibt der beiseite Stehende Gesellschafter und hat die Chance, bei gelungener Sanierung durch den finanziellen Einsatz der anderen Gesellschafter an der Sanierung zu gewinnen, da sein Anteil wieder werthaltig wird. Dies nährt die Frage, ob ein sanierungsunwilliger Gesellschafter aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden kann. Fest steht, dass er sich nicht an einer weiteren (erneuten) Finanzierung beteiligen muss, § 707 BGB3; vgl auch § 58a Rn 4 und 20 f. Ebenso wenig durfte er wegen einer Nichtteilnahme an der Kapitalerhöhung aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden4. In der Entscheidung „Sanieren oder Ausscheiden“ hat der BGH dies für das Recht der Publikumspersonengesellschaften deutlich eingeschränkt5. Hiernach kann die Treupflicht dem Gesellschafter gebieten, entweder an der Sanierung teilzunehmen oder aus der Gesellschaft auszuscheiden. Die allein auf dem Einsatz der sanierungswilligen Gesellschafter beruhenden künftigen Unternehmenserfolge dürfen dem sanierungsunwilligen Gesellschafter nicht zugutekommen6. Sofern schützenswerte Belange nicht entgegenstünden, könne dieser nicht zu rechtfertigende Vorteil nur durch ein Ausscheiden aus der Gesellschaft verhindert werden7. Das mag für eine Publikumspersonengesellschaft zutreffen,

1 OLG Dresden NZG 2001, 809. 2 MünchKomm/J. Vetter § 58a Rn 101; Priester ZIP 2010, 497, 500 formuliert, „sämtliche Mitgliedschaften beseitigt“. 3 So explizit BGHZ 183, 1, 12 = GmbHR 2010, 32 – Sanieren oder Ausscheiden; BGH ZIP 2009, 1373, 1375; BGH ZIP 2007, 766, 767 = GmbHR 2007, 535; BGH ZIP 2007, 1458, 1459. 4 S. etwa KG WM 2009, 2174; OLG München NZG 2004, 807; Armbrüster ZGR 2009, 1, 23 f; Müller DB 2005, 95, 96. 5 BGHZ 183, 1 = GmbHR 2010, 32; dazu Goette GWR 2010, 1; K. Schmidt JZ 2010, 125; Priester ZIP 2010, 497; Wagner NZG 2009, 1378. 6 Der BGH BGHZ 183, 1, 11 = GmbHR 2010, 32 verweist dabei insbesondere auf die Befreiung von auf sie entfallenden Gesellschaftsschulden; zustimmend Bitter ZGR 2010, 147, 165 ff, der in der Verhinderung eines „Trittbrettfahrertums“ das Verdienst des Urteils sieht; ebenso Priester ZIP 2010, 497, 501. 7 BGHZ 183, 1, 11 = GmbHR 2010, 32.

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§ 34 | Einziehung von Geschäftsanteilen bleibt aber insbesondere bei einer personalistisch geprägten GmbH fraglich1. Es wird stets eine Abwägung nach der Gesamtheit der Umstände und Interessen erforderlich sein. Grundvoraussetzung, die zu einem möglichen Ausschluss eines Gesellschafters wegen Nichtteilnahme an der Sanierung führen kann, muss daher eine sorgfältige Analyse der Sanierungssituation sein. Eine vorgeschobene Sanierung darf nicht zum Anlass genommen werden, sich unliebsamer Gesellschafter zu entledigen2. Es gilt zu bedenken, dass zur Begründung einer Sanierungsbedürftigkeit die Verluste der Gesellschaft nicht sehr hoch sein müssen. Dazu kommt, dass eine Bilanz durchaus einer gewissen Steuerung zugänglich ist. Zur richtigen Einschätzung der wirtschaftlichen Lage wird zur Feststellung der Sanierungsbedürftigkeit und -fähigkeit der Rat eines sachverständigen Dritten erforderlich sein3. Kommen wegen der treuwidrigen Haltung des Gesellschafters die erforderlichen satzungsändernden Beschlüsse nicht zustande, können die anderen Gesellschafter durch positive Beschlussfeststellungsklage das richtige Ergebnis feststellen lassen4. 57 Der Ausschluss aus wichtigem Grund ist ultima ratio und daher nur dann zuläs-

sig, wenn der den wichtigen Grund bildende Anlass nicht auf andere Weise beseitigt werden kann5.

58 (2) Weitere Voraussetzung des Ausschlusses ist nach der Rspr des BGH die

Möglichkeit, die Abfindung aus dem freien Vermögen der Gesellschaft zu zahlen (s. dazu Rn 22, 26 und 46); beschließt die Gesellschafterversammlung (auf der Grundlage entsprechender Satzungsbestimmung6) zugleich mit dem Ausschluss die Einziehung des Geschäftsanteils, so soll nach BGH auch die Ausschließung nichtig sein, wenn schon bei der Beschlussfassung feststeht, dass die Abfindung nicht aus freiem Vermögen der Gesellschaft gezahlt werden kann7; vgl zur Kritik Rn 49a. 3. Verfahren und Vollzug

59 a) Die Durchführung der Ausschließung beruht (vorbehaltlich abweichender

Satzungsgestaltung) auf einem zweistufigen Verfahren (Gesellschafterbeschluss

1 Kritsch MünchKomm/J. Vetter Vor § 58 Rn 74 f; Priester ZIP 2010, 497, 500 ff. 2 Eingehend zu Rahmenbedingungen eines Ausschlusses Priester ZIP 2010, 497, 502. 3 So lag es auch dem Sachverhalt von BGHZ 183, 1 ff = GmbHR 2010, 32 – Sanieren oder Ausscheiden zu Grunde. 4 S. dazu MünchKomm/Hüffer/Schäfer § 246 AktG Rn 84. 5 Allgemeine Meinung, vgl nur BGH GmbHR 2011, 539 Rn 30; B/H/Fastrich Anh § 34 Rn 6; MünchHdbGmbH/Kort § 29 Rn 40 ff; Mayer/Elfring GmbHR 2004, 869, 875. 6 S. dazu auch Mayer/Elfring GmbHR 2004, 869, 879. 7 BGH GmbHR 2011, 761 Rn 19 ff.

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und Ausschlussklage), angelehnt an das Recht der Personenhandelsgesellschaft (§ 140 HGB)1. (1) Sie erfordert einen Beschluss der Gesellschafterversammlung, der mit in 60 der Satzung vorgesehener Mehrheit, anderenfalls mit 3/4-Mehrheit (§ 60 Abs. 1 Nr. 2) gefasst werden muss2. Das von der Gegenansicht3 zu Gunsten der einfachen Mehrheit vorgebrachte Argument aus § 61 Abs. 2 überzeugt nicht, da die Erhebung der Auflösungsklage durch die Minderheit einen wichtigen Grund voraussetzt, der der Unmöglichkeit der Zweckerreichung gleichkommt – eine Schwere, die beim Ausschluss selten vorkommen wird. Der vom Ausschluss bedrohte Gesellschafter kann gegen den Beschluss mit der 61 Anfechtungsklage (ggf Nichtigkeitsklage) vorgehen. Die trennungswilligen Gesellschafter können die Ausschließung beim Vorliegen eines wichtigen Grundes auch dann, wenn die 3/4-Mehrheit nicht erreicht wird, im Wege der Anfechtungs- und positiven Beschlussfeststellungsklage gegen den gescheiterten Beschluss betreiben4. Bei der Beschlussfassung sind alle betroffenen Gesellschafter vom Stimmrecht 62 ausgeschlossen, doch ist ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (vgl Rn 43)5. In der Zweipersonen-Gesellschaft ist ein Beschluss entbehrlich, wenn die Klage durch den verbleibenden Gesellschafter erhoben wird6. (2) Die Ausschlussklage (Beschluss der Gesellschafterversammlung allein ge- 63 nügt, vorbehaltlich abweichender Satzungsbestimmung – Rn 65 – nicht7) wird durch die GmbH, vertreten durch ihren Geschäftsführer, erhoben, in der Zweipersonen-Gesellschaft jedoch auch durch den verbleibenden Gesellschafter8. Dadurch lässt sich erreichen, dass der Konflikt unter den eigentlich Betroffenen 1 U/H/L/Ulmer/Habersack Anh § 34 Rn 20 ff; Mayer/Elfring GmbHR 2004, 869, 875 ff. 2 BGHZ 9, 157, 177; BGH GmbHR 2003, 351 und BGH GmbHR 2003, 355; ebenso U/H/L/ Ulmer/Habersack Anh § 34 Rn 26; R/S-L/Görner Rn 90; Battke GmbHR 2008, 850, 853; Gehrlein BB 2004, 2361, 2367; Tschernig GmbHR 1999, 691, 696. 3 Etwa Scholz/H.P. Westermann Rn 42; Scholz/Seibt Anh § 34 Rn 39; Mayer/Elfring GmbHR 2004, 869, 877; tendenziell auch MünchHdbGmbH/Kort § 29 Rn 43. 4 BGH GmbHR 2003, 355, 356; Mayer/Elfring GmbHR 2004, 869, 875 f. 5 BGHZ 9, 157, 178; B/H/Fastrich Anh § 34 Rn 9; MünchKomm/Strohn Rn 153; Mayer/ Elfring GmbHR 2004, 869, 877 f. 6 Vgl BGH GmbHR 1999, 1194, 1196; ThürOLG GmbHR 2005, 1566; Battke GmbHR 2008, 850, 853; U/H/L/Ulmer/Habersack Anh § 34 Rn 28; R/S-L/Görner Rn 93; Wolf ZGR 1998, 92, 104 f; Scholz/Seibt Anh § 34 Rn 40; B/S/Thiessen Rn 65; aA noch BGHZ 9, 157, 177 und BGHZ 16, 317, 322. 7 BGH GmbHR 1999, 1194, 1195; ebenso schon BGHZ 9, 157, 165. 8 Henssler/Strohn/T. Fleischer Rn 31; B/H/Fastrich Anh § 34 Rn 8 mwN; Battke GmbHR 2008, 850, 854; Wolf ZGR 1998, 92, 106 ff; aA OLG Nürnberg BB 1970, 1371; nach Joost ZGR 1984, 71, 80, 100, soll das für jede personalistische GmbH unabhängig von ihrer Gesellschafterzahl gelten.

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§ 34 | Einziehung von Geschäftsanteilen ausgetragen wird; auch lassen sich dadurch im gleichen Prozess als Klage und Widerklage die durchaus üblichen gegenseitigen Ausschlussbegehren abhandeln1. 64 b) Durch Satzungsgestaltung kann, unter Verzicht auf die Ausschlussklage, die

Befugnis zum Ausschluss aus wichtigem Grund auf die Gesellschafterversammlung übertragen (und das Mehrheitserfordernis konkretisiert) werden2. In diesem Fall ist über die Anfechtungsklage analog § 243 AktG (Initiativlast liegt jetzt beim ausgeschlossenen Gesellschafter) eine gerichtliche Kontrolle dahin möglich, ob die satzungsmäßigen Voraussetzungen eingehalten wurden3. Die gerichtliche Kontrolle der Ausschließung kann nicht abbedungen werden; doch ist die Vereinbarung eines Schiedsgerichts zulässig.

64a c) Ordnet die Satzung an, dass der Ausschluss allein durch Beschluss der Ge-

sellschafterversammlung erfolgt (Ausschlussklage und Gestaltungsurteil also entbehrlich sind), so wurde – soweit die Satzung keine anderweitige Bestimmung trifft – schon bislang die sofortige Wirksamkeit des Ausschlusses (Verlust der Gesellschafterstellung) zum Zeitpunkt der (wirksamen) Beschlussfassung angenommen4, ohne dass es auf die Abfindungszahlung ankommt. Daran hat sich nichts geändert. Die vom BGH5 im Falle der Zwangseinziehung verfochtene subsidiäre Haftung der Mitgesellschafter auf die Abfindung (s. Rn 49) wird man aber auch hier annehmen müssen (vgl Rn 65a aE)6.

65 Fehlt es an einer Satzungsregelung und bedarf die Ausschließung des Gesell-

schafters einer Ausschlussklage, so erging das Urteil nach bisheriger Praxis als bedingtes Gestaltungsurteil: Der Urteilsausspruch war nach BGHZ 9, 157 an die Bedingung zu knüpfen, dass der betroffene Gesellschafter von der GmbH oder durch sie binnen einer für den Einzelfall angemessen festzusetzenden Frist den Gegenwert für seinen Geschäftsanteil erhält (s. Rn 7a)7. Die dem ausgeschlossenen Gesellschafter in der Schwebezeit bis zum Eintritt der Bedingung noch ver1 Vgl dazu auch OLG München GmbHR 1994, 251; U/H/L/Ulmer/Habersack Anh § 34 Rn 33. 2 BGH GmbHR 1991, 362; BayObLG BB 1993, 1547 = GmbHR 1993, 741; OLG Oldenburg GmbHR 1992, 667; LG Köln GmbHR 1998, 1083, 1084; Scholz/Seibt Anh § 34 Rn 57; U/H/L/Ulmer/Habersack Anh § 34 Rn 40; R/A/Altmeppen § 60 Rn 72; Michalski/Sosnitza Anh § 34 Rn 42; Mayer/Elfring GmbHR 2004, 869, 879 f; Battke GmbHR 2008, 850, 856. 3 BGH GmbHR 1991, 362. 4 BGHZ 32, 17, 23 = GmbHR 1960, 85; BGHZ 88, 320, 324 = GmbHR 1984, 93; BGH GmbHR 2003, 1062, 1063; Goette DStR 2001, 533, 540; Scholz/Seibt Anh § 34 Rn 58; MünchKomm/Strohn Rn 176; Tschernig GmbHR 1999, 691, 696. 5 BGH GmbHR 2012, 387. 6 Übereinstimmend Fritz S. 196 f; Klöckner GmbHR 2012, 1325, 1328; MünchKomm/ Strohn Rn 177. 7 So BGHZ 9, 157, 174.

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bleibenden Mitgliedschaftsrechte wurden kontrovers abgegrenzt: Der BGH hatte seinerzeit lediglich festgestellt, der Auszuschließende sei zwar noch Gesellschafter, könne aber keine Maßnahmen vereiteln, die der Durchführung seines Ausschlusses dienten1. Im Schrifttum ist angenommen worden, ab Rechtskraft des Urteils verliere der betroffene Gesellschafter die Befugnis zur Ausübung aller seiner Gesellschafterrechte2 oder es seien doch jedenfalls die nichtvermögensrechtlichen Mitgliedschaftsrechte und -pflichten suspendiert3. In diesem Kommentar (17. Aufl, Rn 64) hatte Lutter demgegenüber eine Anknüpfung an die beim Austritt geltenden Grundsätze (Rn 76) befürwortet: Der betroffene Gesellschafter müsse bei einer Abstimmung Zurückhaltung üben und dürfe nicht ohne triftigen Grund gegen Maßnahmen stimmen, die seine Vermögensinteressen nicht beeinträchtigen. In seiner Entscheidung vom 24.1.2012 hat der BGH die Geltung der „Bedin- 65a gungslösung“ im Fall der Zwangseinziehung zwar verneint (Rn 7 und 7b), sich im Übrigen aber eines Hinweises enthalten, ob er für den Fall des Ausschlusses durch Urteil (und ohne Satzungsgrundlage) an der bisherigen Rspr (BGHZ 9, 157) festhalten will4. Indes wird man davon ausgehen können, dass das Gestaltungsurteil nunmehr unbedingt ergeht, so dass der Ausgeschlossene seine Gesellschafterstellung mit Rechtskraft des Urteils verliert (so auch schon 18. Aufl, Rn 64). Denn auch hier gilt es den „erheblichen Nachteilen“ zu begegnen, die aus der Schwebelage nach der Bedingungslösung entstehen5. Anders als bei der Einziehung fehlt es zwar an der antizipierten Zustimmung kraft Satzungsregelung. Aber die Möglichkeit zum Ausschluss aus wichtigem Grund folgt schon aus dem allgemeinen Rechtsgrundsatz, „dass ein in die Lebensbetätigung der Beteiligten stark eingreifendes Rechtsverhältnis vorzeitig gelöst werden kann, wenn ein wichtiger Grund vorliegt“ 6; hierauf muss sich jeder Gesellschafter (erst recht sechs Jahrzehnte nach BGHZ 9, 157) auch ohne Satzungsvorsorge einstellen7, zumal der wichtige Grund zum Ausschluss gerade in der Person des Auszuschließenden verwirklicht sein muss. Auf der anderen Seite haften die verbleibenden Gesellschafter persönlich und anteilsmäßig auf die Abfindung,

1 BGHZ 9, 157, 176. 2 So B/H/Hueck/Fastrich 19. Aufl, § 34 Anh Rn 15; im Ergebnis ähnlich U/H/W/Ulmer 1. Aufl, Anh § 34 Rn 37: Eintritt der Ausschließungswirkungen mit Rechtskraft des Urteils, aber auflösend bedingt für den Fall der Nichtzahlung einer zu beziffernden vorläufigen Abfindung innerhalb der im Urteil festzusetzenden Frist. 3 So Scholz/Seibt Anh § 34 Rn 51. 4 Vgl BGH GmbHR 2012, 387 Rn 16; andere Bewertung (keine Änderung der Rechtslage beim klageweisen Ausschluss) bei Klöckner GmbHR 2012, 1325, 1327. 5 Zu ihnen BGH GmbHR 2012, 387 Rn 15 f. 6 So BGHZ 9, 157, 161. 7 S. schon Goette DStR 2001, 533, 539.

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§ 34 | Einziehung von Geschäftsanteilen wenn sie der Ausgeschlossene nicht fristgerecht erhält1. Denn ebenso wenig wie im Fall der Zwangseinziehung darf ihnen der wirtschaftlichen Wert des Anteils des ausgeschlossenen Gesellschafters ohne kompensierende Abfindung zufallen; und hier wie dort können die verbleibenden Gesellschafter die Entwicklung des Gesellschaftsvermögens bis zur Fälligkeit des Abfindungsanspruchs beeinflussen (s. Rn 49). 66 d) Hinsichtlich der (zum Vollzug des Ausschlusses erforderlichen) Verwertung

des Geschäftsanteils des Ausgeschlossenen besteht ein Wahlrecht der Gesellschaft2, das durch Gesellschafterbeschluss ausgeübt wird: Einziehung des Anteils oder Übertragung an Gesellschafter, Dritten oder die GmbH selbst, wobei Einziehung (hier auch ohne Satzungsvorsorge zulässig3) und Anteilsübertragung auf die Gesellschaft aber nur bei voll eingezahlten Anteilen zulässig sind (vgl Rn 22)4. Im Übrigen können die Verwertungsmodalitäten in der Satzung näher konkretisiert werden5.

IV. Abtretungsverpflichtung; Abtretungsermächtigung 67 Statt der (Zwangs-)Einziehung und unter den gleichen Voraussetzungen zum

Schutze des Betroffenen (Rn 27 ff) kann die Satzung (ggf wahlweise) auch vorsehen, dass der Betroffene zur Abtretung seines Geschäftsanteils an die GmbH oder einen Dritten verpflichtet ist (Abtretungsverpflichtung)6. Fraglich ist, ob das auch bei Pfändung oder Insolvenz des betroffenen Gesellschafters gilt, ob diese statutarische Pflicht also „insolvenzfest“ ist; das wird mit guten Gründen (Abtretungspflicht als mitgliedschaftliche, also quasi „dinglich“ wirkende Pflicht am Geschäftsanteil) bejaht, ist aber umstritten7. Erwirbt dabei ein anderer als die GmbH selbst den betreffenden Geschäftsanteil, so hat dies den Vorzug, dass auch ein Gesellschafter mit einem noch nicht voll einbezahlten Geschäftsanteil ausgeschlossen werden kann. Die Satzung kann in einem solchen Falle darüber hinaus die Geschäftsführer oder auch die Gesellschafterversammlung ermächti-

1 Im Ergebnis übereinstimmend Altmeppen ZIP 2012, 1685, 1692; Fritz S. 193 ff; Markowsky S. 221 f; Sven H. Schneider/Hoger NJW 2013, 502, 504 f; MünchKomm/Strohn Rn 174; Tröger VGR Bd 19 (2014), S. 23, 68; aA Scholz/Seibt Anh § 34 Rn 44; U/H/L/Ulmer/Habersack Anh § 34 Rn 37. 2 S. schon BGHZ 9, 157, 169 f. 3 Vgl BGH GmbHR 1978, 131, 132. 4 Battke GmbHG 2008, 850, 852 f, 855. 5 Vgl etwa Battke GmbHR 2008, 850, 856 f; Blath GmbHR 2012, 657, 659 ff; Tschernig GmbHR 1999, 691, 696. 6 BGH NJW 1983, 2880; Bader/v. Blumenthal NZG 2008, 406, 408 f; Blath GmbHR 2012, 567, 660. 7 Vgl BGH NJW-RR 2003, 1265, 1267 = GmbHR 2003, 1062; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 120 f; MünchKomm/Strohn Rn 99; Blath GmbHR 2012, 567, 663, je mwN.

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gen, ihrerseits die Abtretung (ggf zusammen mit dem Beschluss über den Ausschluss) zu bewirken (Abtretungsermächtigung)1. Für die spätere Anteilsabtretung muss jeweils die Form des § 15 Abs. 3 gewahrt sein2. In der Satzung kann aber auch schon der dingliche Übergang des Geschäftsanteils des Betroffenen auf den oder die Erwerbsberechtigten aufschiebend bedingt und formwirksam (§ 15 Abs. 3!) festgelegt werden (vorweggenommene Verfügung3), ohne dass es dabei auf die Zahlung der Abfindung ankäme4. Der Rechtsschutz des Betroffenen erfolgt auch hier im Anfechtungs-, ggf (nach Abtretung) im Feststellungsprozess. Schließlich kann die Satzung aber auch die Kaduzierungsregeln (§§ 21 ff) für 68 anwendbar erklären5: Das hat den Vorzug, dass die GmbH die Disposition über den Geschäftsanteil erhält, und den Nachteil, dass auf diesem Wege nur wegen voll eingezahlter Geschäftsanteile ausgeschlossen werden kann. Zum Rechtsschutz des Betroffenen s. § 21 Rn 18. Die Satzung stellt heute in aller Regel mehrere Wege des Ausschlusses in die 69 Disposition der Gesellschafterversammlung6.

V. Austritt/Kündigung Literatur: Altmeppen Die Dogmatik des Abfindungsanspruchs und die offenen Fragen zum Ausscheiden aus der GmbH, ZIP 2012, 1685; Becker Der Austritt aus der GmbH, 1986; Blath Der Vollzug des Ausscheidens aus der GmbH – dogmatische und praktische Fragen, GmbHR 2012, 657; Fritz Die Zwangseinziehung von GmbH-Geschäftsanteilen, 2015; Goette Ausschließung und Austritt aus der GmbH in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, DStR 2001, 533; Grunewald Probleme bei der Aufbringung der Abfindung für ausgetretene GmbH-Gesellschafter, GmbHR 1991, 185; Hülsmann Rechtspraktische Probleme beim Austritt von Gesellschaftern aus der GmbH, GmbHR 2003, 198; Klöckner Aktuelle Praxisfragen zum Ausscheiden eines GmbH-Gesellschafters, GmbHR 2012, 1325; Markowsky Die Einziehung von GmbH-Geschäftsanteilen, 2013; Müller Das Austrittsrecht des GmbH-Gesellschafters, 1996; Röhricht Zum Austritt des Gesellschafters aus der GmbH, FS Kellermann, 1991, S. 361; Rosner Streitvermeidung beim Austritt von GmbH-Gesellschaftern, ZGR 2011, 732; Schindler Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999; Topf-Schleuning Einfache Kündigungsklauseln in GmbH-Satzungen, 1993; Wellhöfer Ausscheiden eines GmbH-Gesellschafters in der Gesellschafterpraxis, GmbHR 1994, 212.

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BGH NJW 1983, 2880; Blath GmbHR 2012, 567, 660 f. Blath GmbHR 2012, 567, 660 f. Vgl Blath GmbHR 2012, 567, 661. BGH GmbHR 2003, 1062. Dazu etwa Melber Die Kaduzierung in der GmbH, 1992, S. 259 ff. Vgl den vom BGH NJW 1983, 2880 = GmbHR 1984, 74 entschiedenen Fall sowie die Musterklausel bei v. Reinersdorff WiB 1994, 414 ff.

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§ 34 | Einziehung von Geschäftsanteilen 1. Überblick 70 Abgesehen von § 27 Abs. 1 ist ein Austrittsrecht des einzelnen Gesellschafters

vom GmbHG nicht vorgesehen, jedoch seit RGZ 128, 1, 17 bei Vorliegen eines wichtigen Grundes anerkannt1. Es kann durch die Satzung weder ausgeschlossen noch eingeschränkt, sondern nur erweitert und im Hinblick auf seine Durchführung geordnet werden2. Es ist ein Notrecht, das nur dann ausgeübt werden kann, wenn weder eine Fortsetzung der Mitgliedschaft noch eine andere Form der Beendigung derselben zumutbar und möglich ist3. Ein ordentliches Kündigungsrecht analog § 723 BGB gibt es bei der GmbH nicht4, kann jedoch durch die Satzung geschaffen werden5. Besteht ein solches statutarisches Kündigungsoder Austrittsrecht nicht, so können die anderen Gesellschafter die Kündigung doch akzeptieren6. 2. Wichtiger Grund

71 Enthält die Satzung kein Kündigungs- oder Austrittsrecht, ist stets ein wichtiger

Grund Voraussetzung für den Austritt (s. aber auch Rn 74a zum akzeptierten Austritt ohne wichtigen Grund). Als wichtige Gründe kommen sowohl Gründe in der Person des Gesellschafters, in den Verhältnissen der Gesellschaft sowie im Verhalten der Mitgesellschafter in Betracht7.

72 Zu den Gründen in der Person des Gesellschafters zählt etwa der Ausschluss

der Abtretung des Geschäftsanteils in der Satzung8, die regelmäßige Verweigerung der Genehmigung der Gesellschaft nach § 15 Abs. 5 (§ 15 Rn 68 ff) oder die Verpflichtung zu erheblichen, auf Dauer untragbaren Nebenleistungen9.

1 Vgl nur BGH GmbHR 2014, 534 Rn 12; BGHZ 116, 359, 369 = GmbHR 1992, 257; OLG München WM 1990, 556, 558 = GmbHR 1990, 221; OLG Hamm GmbHR 1993, 656, 657; B/H/Fastrich Anh § 34 Rn 18; U/H/L/Ulmer/Habersack Anh § 34 Rn 46 mwN; vgl zur Entwicklung der Rspr und Literatur Müller Austrittsrecht, S. 8 ff; Heidinger/Blath GmbHR 2007, 1184, 1188; Bösert GmbHR 1994, 293, 295; Wellhöfer GmbHR 1994, 212, 213. 2 Scholz/Seibt Anh § 34 Rn 24; satzungsmäßige Abfindungsbeschränkungen sind zulässig, dazu Rn 81. 3 Vgl MünchHdbGmbH/Kort § 29 Rn 15 ff; B/H/Fastrich Anh § 34 Rn 22. 4 Scholz/Seibt Anh § 34 Rn 9; Röhricht FS Kellermann, S. 361, 374. 5 Goette DStR 2001, 533, 549; Scholz/Seibt Anh § 34 Rn 9 ff; MünchHdbGmbH/Kort § 29 Rn 28 f. 6 BGH GmbHR 2010, 256 und dazu Wilsing/Ogorek NZG 2010, 379; OLG Köln GmbHR 1996, 609, 610. 7 U/H/L/Ulmer/Habersack Anh § 34 Rn 51 ff; MünchHdbGmbH/Kort § 29 Rn 6 ff; MünchKomm/Strohn Rn 180 ff; Röhricht FS Kellermann, S. 361, 378 ff; ausführlich Müller Austrittsrecht, S. 52 ff. 8 OLG Karlsruhe BB 1984, 2015, 2016. 9 RGZ 128, 1, 17.

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Auch ein dringender, anderweitig nicht zu befriedigender, persönlicher Geldbedarf für schutzwürdige wirtschaftliche Interessen eines Gesellschafters (zB Existenzgründung; Ausbildung der Kinder) kann ein wichtiger Grund sein1. Wichtige Gründe aus dem Bereich des Verhaltens der Mitgesellschafter sind wiederholter Missbrauch der Mehrheitsmacht2 oder Nichtvorgehen gegen schwerwiegende Treupflichtverletzungen anderer Gesellschafter3. Voraussetzung ist aber immer, dass dieses Verhalten gesellschaftsbezogen ist4. Aus der Sphäre der Gesellschaft stammende wichtige Gründe sind etwa für den 73 Austrittswilligen unzumutbare grundlegende Änderungen der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Gesellschaft5, wie erhebliche Ausweitung der Geschäftstätigkeit6. Ob schon jede Änderung der Mehrheitsverhältnisse, wenn die Gesellschaft dadurch abhängiges Unternehmen iS der §§ 15 ff AktG wird, genügt (so 18. Aufl Rn 73), ist umstritten7; zum Austrittsrecht beim Abschluss eines Unternehmensvertrages mit der Gesellschaft als abhängigem Unternehmen vgl Anh zu § 13 Rn 68 ff. Entscheidend für das Vorliegen eines wichtigen Grundes ist aber stets, dass diese Sachgründe bei einer Gesamtabwägung mit den Interessen der Gesellschaft einen weiteren Verbleib des Gesellschafters in der Gesellschaft unzumutbar erscheinen lassen8. Keine wichtigen Gründe sind das Misslingen der Veräußerung des Geschäfts- 74 anteils aus tatsächlichen Gründen9, eine im Verhältnis zum Verkehrswert des Geschäftsanteils unangemessen niedrige Dividendenausschüttung10 oder fehlerhafte bzw fehlende Rechnungslegung11. Auch bei fehlendem wichtigen Grund kann der Gesellschafter dann wirksam aus 74a der Gesellschaft austreten, wenn diese den Austritt annimmt; akzeptiert die Gesellschaft eine Austrittserklärung ohne wichtigen Grund, so ist diese wirksam und die daraufhin erfolgte Einziehung unanfechtbar12. 1 U/H/L/Ulmer/Habersack Anh § 34 Rn 52; R/S-L/Görner Rn 102; Balz S. 107; aA B/H/ Fastrich Anh § 34 Rn 20; explizit Scholz/Seibt Anh § 34 Rn 12. 2 U/H/L/Ulmer/Habersack Anh § 34 Rn 54. 3 MünchHdbGmbH/Kort § 29 Rn 10. 4 BGH WM 1995, 250, 251 = GmbHR 1995, 131. 5 B/H/Fastrich Anh § 34 Rn 20; Scholz/Seibt Anh § 34 Rn 13; Röhricht FS Kellermann, S. 361, 379. 6 MünchHdbGmbH/Kort § 29 Rn 9. 7 S. dazu etwa MünchKomm/Strohn Rn 184 mwN. 8 B/H/Fastrich Anh § 34 Rn 19. 9 OLG Hamm GmbHR 1993, 656, 657; R/A/Altmeppen § 60 Rn 108; differenzierend B/H/ Fastrich Anh § 34 Rn 22. 10 OLG München WM 1990, 556, 558 = GmbHR 1990, 221. 11 So, durchaus problematisch, OLG Hamm GmbHR 1993, 656, 657. 12 BGH GmbHR 2014, 534 Rn 14; BGH GmbHR 2010, 256 Rn 10; OLG München GmbHR 2011, 1040.

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§ 34 | Einziehung von Geschäftsanteilen 3. Austrittserklärung und Vollzug 75 Der Gesellschafter erklärt seinen Austritt (Kündigung) gegenüber der GmbH;

diese Erklärung ist nicht formbedürftig1.

75a Zum Vollzug des Austritts bedarf es (wie beim Ausschluss) der Verwertung

des Geschäftsanteils des Ausgetretenen, indem die GmbH – nach ihrer Wahl – den Anteil einzieht oder die Abtretung an einen Gesellschafter, einen Dritten oder an sich selbst verlangt; das oben Rn 66 Gesagte gilt entsprechend. Nicht voll eingezahlte Geschäftsanteile darf die GmbH auch hier nicht erwerben oder einziehen. Im Übrigen können Einzelheiten des gesetzlichen (oder statutarisch erweiterten) Austritts- bzw Kündigungsrechts einschließlich der Verwertungsmodalitäten in der Satzung näher konkretisiert werden. Diese kann auch den dinglichen Übergang des Geschäftsanteils selbst formwirksam (§ 15 Abs. 3!) vornehmen (vgl Rn 67 aE)2.

76 Für die Zeit zwischen (wirksamer) Austrittserklärung („Kündigung“) und Ein-

ziehung bzw Abtretung des Anteils behält der Betroffene – wenn in der Satzung nicht anders geregelt – seine Gesellschafterstellung, hat jedoch bei allen Abstimmungen, die nicht seine Vermögensinteressen betreffen, größte Zurückhaltung zu üben; er darf seine Mitspracherechte in der Gesellschaft nur noch insoweit ausüben, wie sein wirtschaftliches Interesse an der Durchsetzung des Abfindungsanspruchs betroffen ist3. Ein im Gesellschaftsvertrag vereinbartes Wettbewerbsverbot greift in diesem Zeitraum nicht mehr ein4.

76a Der den Austritt erklärende Gesellschafter hat einen Abfindungsanspruch (s.

Rn 78 ff), der sich – vorbehaltlich abweichender Satzungsgestaltung – gegen die Gesellschaft richtet. Bei Fehlen einer statutarischen Austrittsklausel stand der Gesellschaft nach jedenfalls bislang hM (vor dem Hintergrund der „Bedingungslösung“; Rn 7a) das Dispositionsrecht über den Anteil (Einziehung oder Abtretungsverlangen) nur Zug um Zug gegen Zahlung der Abfindung zu (s. 17. Aufl, Rn 75)5. Nach der BGH-Entscheidung vom 24.1.20126 zur sofortigen Wirksamkeit des Zwangseinziehungsbeschlusses (Rn 7 und 7b) stellt sich die Frage, ob damit auch das Zug-um-Zug-Gebot entfällt. Das ist hier (18. Aufl, Rn 75) angenommen worden; ebenso die pro ratarische Ausfallhaftung der anderen Ge-

1 Scholz/Seibt Anh 34 Rn 16. 2 BGH GmbHR 2003, 1062; Rosner ZGR 2011, 732, 737. 3 BGH GmbHR 2010, 256 Rn 17; s. zuvor BGHZ 88, 320, 328 = GmbHR 1984, 93; BGH WM 1983, 1354, 1355; dazu auch Blath GmbHR 2012, 657, 662 f; MünchKomm/Strohn Rn 198; demgegenüber wollen U/H/L/Ulmer/Habersack Anh § 34 Rn 60 f, davon ausgehen, dass die Mitgliedschaftsrechte im Wesentlichen ruhen. 4 BGH GmbHR 2010, 256 Rn 17. 5 Vgl U/H/L/Ulmer/Habersack Anh § 34 Rn 59; MünchKomm/Strohn Rn 198 und etwa OLG Köln GmbHR 1998, 641, 644; s. auch OLG Celle GmbHR 2002, 1063. 6 BGH GmbHR 2012, 387.

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sellschafter bei Nicht-Leistung der Abfindung durch die Gesellschaft1. Dem wird freilich entgegengehalten, beim Austritt gehe die Initiative vom ausscheidungswilligen Gesellschafter aus, so dass sich die BGH-Rspr zum Wirksamkeitszeitpunkt der Einziehung und zur Ausfallhaftung der verbleibenden Gesellschafter nicht übertragen lasse2. Ein durchgreifendes Argument gegen die Ausfallhaftung im Falle des Austritts ist damit aber noch nicht benannt. Die eine Ausfallhaftung tragenden Erwägungen – Vermögenszuwachs zu Gunsten der verbleibenden Gesellschafter, die zudem auf die Entwicklung des Gesellschaftsvermögens bis zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Abfindung einwirken können (s. Rn 49 und 65a) – erlauben jedenfalls keine Differenzierung danach, ob der Abfindungsanspruch durch Einziehung des Geschäftsanteils, durch Ausschluss des Gesellschafters oder durch seinen Austritt aus wichtigem Grund entstanden ist. Findet nicht innerhalb angemessener Frist seit Austrittserklärung die Einzie- 77 hung bzw Abtretung statt, so kann der betroffene Gesellschafter Auflösungsklage in Anlehnung an § 61 erheben3. Dasselbe gilt, wenn die Gesellschaft die Abfindung nicht zahlt bzw nicht zahlen darf4 und auch die Haftung der anderen Gesellschafter (soeben Rn 76a) nicht zum Erfolg führt.

VI. Abfindung Literatur: Bacher/Spieth Fehlerhafte Abfindungsklauseln in GmbH-Satzungen, GmbHR 2003, 517; Bacher/Spieth Die Anfechtbarkeit oder Nichtigkeit fehlerhafter Abfindungsklauseln in der GmbH-Satzung, GmbHR 2003, 973; Casper/Altgen Gesellschaftsvertragliche Abfindungsklausel – Auswirkungen der Erbschaftsteuerreform, DStR 2008, 2319; Fleischer/Hüttemann (Hrsg) Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, 2015; Fromm Die Einziehung von Geschäftsanteilen: Risiken und Nebenwirkungen, GmbHR 2005, 1477; Geißler Rechtsgrundsätze und Bewertungsfragen zur angemessenen Abfindung des ausscheidenden GmbH-Gesellschafters, GmbHR 2006, 1173; Großfeld Recht der Unternehmensbewertung, 7. Aufl 2012; Habersack Die unentgeltliche Einziehung des Geschäftsanteils beim Tod des GmbH-Gesellschafters, ZIP 1990, 625; Heß Die Nichtigkeit von Abfindungsklauseln betreffend den Geschäftsanteil ausgeschiedener Gesellschafter nach § 138 BGB, NZG 2001, 648; Hülsmann Buchwertabfindung des GmbH-Gesellschafters im Lichte aktueller Rechtsprechung, GmbHR 2001, 409; Ivens Gesellschaftsvertragliche Abfindungsbeschränkungen im Schenkungs- und Erbschaftsteuerrecht, GmbHR 2011, 465; Lange Neues zu Abfindungsklauseln, NZG 2001, 635; Lux Gesellschaftsrechtliche Abfindungsklauseln – Feststellung der Unwirksamkeit oder Anpassung an veränderte Verhält1 Im Ergebnis gleichsinnig Altmeppen ZIP 2012, 1685, 1693; Markowsky S. 222 f. 2 So Lieder GmbHR 2014, 232, 237 im Anschluss an Scholz/Seibt Anh § 34 Rn 22 und B/H/ Fastrich Anh § 34 Rn 24; ablehnend auch Fritz S. 198 f. 3 Zutreffend Scholz/Seibt Anh 34 Rn 21; aA Balz S. 123: Klage auf Einziehung bzw Erwerb. 4 Vgl BGHZ 88, 320, 326 = GmbHR 1984, 93; U/H/L/Ulmer/Habersack Anh § 34 Rn 59; einschränkend MünchHdbGmbH/Kort § 29 Rn 31; MünchKomm/Strohn Rn 204 mwN: nur Zahlungsklage, wenn die Gesellschaft aus freiem Vermögen zahlen könnte, aber tatsächlich nicht zahlt; so auch OLG Celle GmbHR 2002, 1063, 1064.

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§ 34 | Einziehung von Geschäftsanteilen nisse?, MDR 2006, 1203; Mecklenbrauck Die Abfindung zum Buchwert beim Ausscheiden eines Gesellschafters, 2000; Peemöller (Hrsg) Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, 6. Aufl 2015; Peetz Voraussetzungen und Folgen der Einziehung von GmbH-Geschäftsanteilen – Gesellschafts- und steuerrechtliche Gesichtspunkte, GmbHR 2000, 749; Piltz Unternehmensbewertung in der Rechtsprechung, 3. Aufl 1994; Rodewald Abfindungsprobleme bei Unternehmen in der Sanierungsphase, GmbHR 1996, 736; Sanfleber Abfindungsklauseln in Gesellschafterverträgen, 1990; Sigle Gedanken zur Wirksamkeit von Abfindungsklauseln in Gesellschaftsverträgen, ZGR 1999, 659; Ulmer Abfindungsklauseln in Personengesellschafts- und GmbH-Verträgen – Plädoyer für die Ertragswertklausel, FS Quack, 1991, S. 477; Ulmer Die vertragliche Beschränkung des Austrittsrechts und der Abfindungsansprüche ausscheidenswilliger Gesellschafter in der großen, generationsübergreifenden Familien-KG, ZIP 2010, 805; Ulmer/Schäfer Die rechtliche Beurteilung vertraglicher Abfindungsbeschränkungen bei nachträglich eintretendem grobem Missverhältnis, ZGR 1995, 134; H.P. Westermann Einziehung und Abfindung (§ 34 GmbHG), FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 447; Ziegler Gesellschaftsvertragliche Abfindungsklauseln mit Ratenzahlung, DB 2000, 2107.

1. Grundsatz 78 Bei allen soeben behandelten Formen der zwangsweisen Ausschließung eines

Gesellschafters (Zwangseinziehung, Zwangsabtretung, Ausschluss durch Gestaltungsurteil oder schon durch Gesellschafterbeschluss) sowie beim Austritt eines Gesellschafters stellt sich stets die Frage nach der Abfindung des Betroffenen und ihrer Höhe. Der BGH sieht im Recht des ausscheidenden Gesellschafters auf Abfindung ein „Grundmitgliedsrecht“1; ein gesellschaftsvertraglicher Abfindungsausschluss ist grundsätzlich sittenwidrig und nichtig2 (§ 138 Abs. 1 BGB, § 241 Nr. 4 AktG analog; s. schon Rn 48 und 58); er wird nur in Ausnahmefällen als zulässig angesehen (Rn 98 f). Enthält die Satzung keine abweichende, die Höhe des Abfindungsanspruchs beschränkende Abfindungsklausel (dazu Rn 81 ff), so ist der Abfindungsbetrag nach dem vollen wirtschaftlichen Wert des Geschäftsanteils (Verkehrswert) zu bemessen3. Darunter ist der anteilige Betrag des Preises zu verstehen, den ein Dritter im Zeitpunkt der Wirksamkeit des Ausscheidens (wirksamer Beschluss und Zugang beim Ausscheidenden, Rn 7) bzw Klageerhebung4 als Erwerber des gesamten Unternehmens zahlen würde5. Nach ganz hM erfolgt die Anteils-

1 BGH GmbHR 2012, 92 Rn 8; BGH GmbHR 2014, 811 Rn 12. 2 BGH GmbHR 2014, 811 Rn 12. 3 BGHZ 9, 157, 168; BGHZ 16, 317, 322; BGHZ 65, 24; BGHZ 116, 359, 370 = GmbHR 1992, 257; unstreitig. 4 BGHZ 9, 157, 168; BGHZ 16, 317, 322; BGHZ 32, 17, 23; hM; vgl auch BGH GmbHR 1992, 757; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 78; Michalski/Sosnitza Rn 50. 5 BGHZ 116, 359, 370 = GmbHR 1992, 257; Fleischer in Fleischer/Hüttemann § 22 Rn 10 und 12 f; Hüttemann in Fleischer/Hüttemann § 1 Rn 26 f; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 77.

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bewertung im hier gegebenen Kontext der Abfindung eines GmbH-Gesellschafters vom ganzen Unternehmen her (indirekte Anteilsbewertung), da es für GmbH-Anteile keinen geregelten Markt gibt1. Die Bestimmung des Anteilswertes setzt deshalb die Ermittlung des Unterneh- 79 menswertes (im Wege der Schätzung2) voraus, wozu es der Einholung eines Sachverständigengutachtens bedarf3. Von den in der Praxis existierenden Bewertungsverfahren hat die Rspr bisher keines als allein und uneingeschränkt maßgeblich angesehen4; der BGH stellt entscheidend darauf ab, „dass die jeweilige Methode in der Wirtschaftswissenschaft oder Betriebswirtschaftslehre anerkannt und in der Praxis gebräuchlich ist“5. Das in der Praxis vorherrschende Ertragswertverfahren ist im Regelfall geeignet6; grundsätzlich ebenso geeignet ist das konzeptionell verwandte Discounted Cash Flow-Verfahren7, das hierzulande allerdings nur geringe praktische Bedeutung hat. Die Substanzwertmethode8 ist nach heutigem Erkenntnisstand grundsätzlich kein geeignetes Verfahren zur Unternehmenswertermittlung9; sie kann aber in Sonderfällen, wie etwa bei der Bewertung gemeinnütziger oder ertragsschwacher Unternehmen10, relevant sein. Der Liquidationswert spielt als Wertuntergrenze bei der Bewertung eine

1 Dazu etwa Fleischer in Fleischer/Hüttemann § 22 Rn 32; Hüttemann in Fleischer/Hüttemann § 1 Rn 40, je mwN. 2 Vgl BGH ZIP 2016, 110 = AG 2016, 135 Rn 33 mwN. 3 BGHZ 116, 359, 371 = GmbHR 1992, 257; BGH NJW 1985, 192, 193 = GmbHR 1985, 113. 4 BGHZ 116, 359, 371 = GmbHR 1992, 257; BGH DB 1993, 1614, 1616 (zur oHG) = GmbHR 1993, 505; BGH ZIP 2016, 110 = AG 2016, 135 Rn 33; BayObLG BB 1995, 1759 = GmbHR 1995, 662; so auch Fleischer in Fleischer/Hüttemann § 22 Rn 18 und Müller FS Bezzenberger, 2000, S. 715, 718. 5 Vgl BGH ZIP 2016, 110 = AG 2016, 135 Rn 33; BGH ZIP 2016, 666 Rn 21. 6 U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 77; Scholz/H.P. Westermann Rn 25; Michalski/Sosnitza Rn 47; aus der Rspr etwa BGH NJW 1985, 192, 193 = GmbHR 1985, 113; BGH ZIP 2016, 110 = AG 2016, 135 Rn 33; BGH ZIP 2016, 666 Rn 21; OLG Düsseldorf DB 1988, 1109; OLG Köln GmbHR 1998, 641, 642 f; LG Frankfurt WM 1987, 559, 560. 7 Vgl IDW S 1: Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen (Stand 2.4.2008; WPg Supplement 3/2008, S. 68 ff) Tz 101; Fleischer in Fleischer/Hüttemann § 22 Rn 21; Hüttemann in Fleischer/Hüttemann § 1 Rn 52. Zu Einzelheiten der DCFMethode s. etwa IDW S 1 Tz 124 ff; Baetge/Niemeyer/Kümmel/Schulz in Peemöller S. 353 ff; Jonas/Wieland-Blöse in Fleischer/Hüttemann § 9. 8 Dazu Franken/Schulte in Fleischer/Hüttemann § 10 Rn 75 ff; Piltz S. 181 ff; WP-Hdb 2014 (14. Aufl), Bd II, A 443 ff. 9 IDW S 1 Tz 171; Fleischer in Fleischer/Hüttemann § 22 Rn 23 f; Hüttemann in Fleischer/Hüttemann § 1 Rn 57. 10 Dazu Franken/Schulte in Fleischer/Hüttemann § 10 Rn 79; Peemöller/Bömelburg DStR 1993, 1036; WP-Hdb 2014 (14. Aufl), Bd II, A 421.

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§ 34 | Einziehung von Geschäftsanteilen Rolle1. Ungeeignet ist eine Anteilsbewertung nach dem sog Stuttgarter Verfahren (vgl Rn 91). 80 Die Berechnung des Unternehmenswerts nach dem Ertragswertverfahren2 wird

hierzulande ganz überwiegend nach der IDW-Verlautbarung IDW S 1 (Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen) vorgenommen3. Diese Grundsätze sind nicht bindend, aber ihre Anwendung „begegnet aus Rechtsgründen keinen Bedenken“4. Das Ertragswertverfahren schließt auf Basis der in der näheren Vergangenheit tatsächlich erzielten Erträge sowie von (vorausschauenden) Planungsrechnungen5 auf die künftig nachhaltig erzielbaren Erträge und kapitalisiert diese6; in dieser Prognose sind erkennbare positive und negative Aspekte der Zukunft zu berücksichtigen. Der Wert des nicht betriebsnotwendigen Vermögens ist hinzuzurechnen7.

2. Statutarische Abfindungsbeschränkungen 81 Aufgrund der Satzungsautonomie ist es zur Einschränkung des Kapitalabflusses

bzw zur Vereinfachung der Berechnung der Abfindungshöhe zulässig, den Abfindungsanspruch eines GmbH-Gesellschafters durch den Gesellschaftsvertrag (oder in einer schuldrechtlichen Nebenabrede8) zu beschränken9. Dabei müssen dem Anlass nach vergleichbare Abfindungsvorgänge gleich geregelt werden10. Sofern durch Satzungsänderung eine nachträgliche Schlechterstellung der Gesellschafter erfolgt, liegt darin nach Ansicht des BGH eine Erweiterung der Voraussetzungen für die Zwangseinziehung nach § 34 Abs. 2, die der Zustimmung aller (betroffenen) Gesellschafter bedarf11. 1 Weiterführend (mit Unterschieden im Einzelnen) Fleischer in Fleischer/Hüttemann § 8 und § 22 Rn 22; Hüttemann in Fleischer/Hüttemann § 1 Rn 38 f; MünchKomm/Strohn Rn 214. 2 Übersicht über das Ertragswertverfahren etwa bei Böcking/Nowack in Fleischer/Hüttemann § 4 Rn 30 ff; Hüttemann in Fleischer/Hüttemann § 1 Rn 52 ff; Mandl/Rabel in Peemöller S. 57 ff; ausführlich Peemöller/Kunowski in Peemöller S. 281 ff. 3 Stand 2.4.2008; WPg Supplement 3/2008, S. 68 ff; s. dort Tz 102 ff. 4 So BGH ZIP 2016, 666 Rn 31. 5 Zu Einzelheiten Franken/Schulte in Fleischer/Hüttemann § 5 Rn 5 ff; WP-Hdb 2014 (14. Aufl), Bd II, A 220 ff. 6 Zur Ableitung des Kapitalisierungszinssatzes näher Franken/Schulte in Fleischer/Hüttemann § 6 Rn 7 ff; WP-Hdb 2014 (14. Aufl), Bd II, A 305 ff. 7 Dazu weiterführend IDW S 1 Tz 59 ff; Hüttemann/Meinert in Fleischer/Hüttemann § 7. 8 Dazu BGH GmbHR 2010, 980. 9 Allgemeine Meinung; BGHZ 65, 22, 24; BGHZ 116, 359, 368 = GmbHR 1992, 257; BGH GmbHR 1993, 505 = DB 1993, 1614, 1616; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 82; B/H/Fastrich Rn 25; Großfeld AG 1988, 217; Jaeger DB 1997, 1607; ausführlich Goette StbJb 1996/97, 221 ff und Lange NZG 2001, 635 ff sowie Michalski/Sosnitza Rn 55. 10 BGHZ 65, 22, 28 f; B/H/Fastrich Rn 29 mwN. 11 BGHZ 116, 359, 363.

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Die den Gesellschaftern zur Verfügung stehenden Gestaltungsmöglichkeiten 82 sind groß1. Neben der Höhe des Abfindungsanspruchs (sogleich Rn 84 ff) können auch die Auszahlungsmodalitäten geregelt werden. Ratenzahlungs- und Stundungsfestlegungen sind nur wirksam, wenn sie einen fairen Ausgleich zwischen den Interessen der Gesellschaft und des Ausgeschiedenen anstreben. Ein Auszahlungszeitraum zwischen 5 und 7 Jahren ist jedenfalls als regelmäßig zulässig anzusehen; im Übrigen kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an2. Eine Klausel, nach der der Gesellschafter seine Abfindung in drei Raten erst nach 5, 8 und 10 Jahren erhält, ist als sittenwidrig beurteilt worden3. Im Übrigen unterliegt das Ausmaß der Beschränkungen in doppelter Hinsicht 83 einer gerichtlichen Kontrolle4. a) Anfängliches Missverhältnis: Eine statutarische Beschränkung ist gemäß 84 § 138 BGB nichtig, wenn sie bereits bei ihrer Einführung5 grob unbillig ist, weil die mit ihr verbundene Beschränkung des Mittelabflusses vollkommen außer Verhältnis zu einer im Interesse der Gesellschaft notwendigen Beschränkung steht und der wirtschaftliche Wert des Anteils den Abfindungsbetrag erheblich, möglicherweise um ein Vielfaches übersteigt6. Anders gewendet: Die Wertdifferenz muss sich als willkürlich und bar jeder sachlichen Rechtfertigung darstellen7. Einzelfälle: Ein Ausschluss der Abfindung ist daher nur in ganz besonderen 85 Ausnahmefällen akzeptabel, etwa bei Gesellschaften mit ideellem Zweck8 oder wenn der Geschäftsanteil des auszuschließenden Gesellschafters wertlos war9. Eine Abfindung zum Nennwert ist idR dann sittenwidrig, wenn der Verkehrswert ein Vielfaches des Nennwerts beträgt10. Etwas anderes kann sich jedoch aus 1 Vgl B/H/Fastrich Rn 34 ff; Goette StbJb 1996/97, 226 ff und Lange NZG 2001, 635 ff zu den einzelnen Klauseln. 2 S. auch B/H/Fastrich Rn 38; MünchKomm/Strohn Rn 229. 3 OLG Dresden NZG 2000, 1042, 1043 = GmbHR 2000, 718, 719 (für eine Gesellschaft, die durch Umwandlung einer ehemaligen PGH entstanden war); kritisch dazu Lange NZG 2001, 635, 638. 4 Büttner FS Nirk, S. 119, 120 ff; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 105 ff; Ulmer FS Quack, S. 477, 485 ff. 5 Aber auch nur dann: BGHZ 123, 281, 284; BGHZ 126, 226, 233, 240 = GmbHR 1994, 871; BGH GmbHR 2012, 92 Rn 12; B/H/Fastrich Rn 28; R/A/Altmeppen Rn 53; U/H/L/ Ulmer/Habersack Rn 91; Büttner FS Nirk, S. 124 f; Geißler GmbHR 2006, 1177; Lux MDR 2006, 1204; Ulmer/Schäfer ZGR 1995, 134, 140; Jaeger DB 1997, 1607; Goette StbJb 1996/97, 231 ff; Scholz/H.P. Westermann Rn 31. 6 BGHZ 116, 359, 376 = GmbHR 1992, 257; Scholz/H.P. Westermann Rn 31. 7 BGHZ 116, 359, 376 = GmbHR 1992, 257. 8 BGH ZIP 1997, 1453 f = GmbHR 1997, 939 (GbR); BayObLG GmbHR 1983, 270 = DB 1983, 99; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 103 f; R/S-L/Görner Rn 55; ausführlich Schöne S. 125 ff. 9 OLG Brandenburg ZIP 2002, 1806 = GmbHR 2002, 1066. 10 BGHZ 116, 359, 376 = GmbHR 1992, 257.

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§ 34 | Einziehung von Geschäftsanteilen dem besonderen, nicht unbedingt in der Verfolgung ideeller Zwecke liegenden Charakter der Gesellschaft ergeben, etwa wenn nach der Satzung ausschließlich Mitarbeiter Gesellschafter werden können und diese nur eine treuhandähnliche Stellung haben sollen1 oder wenn die Satzung einer gemeinnützigen Wohnungsbau-Gesellschaft selbst für den Fall der Liquidation vorsieht, dass die Gesellschafter aus dem nach der Tilgung der Schulden verbleibenden Vermögen lediglich ihre Stammeinlage zurückerhalten sollen2. Die oben erörterten Mitarbeiterund Managermodelle (Rn 36 f) erlauben auch eine Beschränkung auf die Rückgabe des für den Geschäftsanteil Geleisteten3. Klauseln, die eine Abfindung zum Buchwert – also ohne Berücksichtigung stiller Reserven4 – vorsehen, sind zumeist nicht anfänglich sittenwidrig, weil jedenfalls bei der Gründung der Gesellschaft solche stillen Reserven noch nicht existieren (darin liegt ja auch der Sinn der Unterscheidung zwischen anfänglichem und nachträglichem Missverhältnis)5, können aber im Laufe der Zeit unanwendbar werden6. Anders hingegen, wenn der Abfindungsbetrag auf die Hälfte des Buchwerts festgesetzt wird – eine derartige Klausel ist sittenwidrig7. 86 Rechtsfolge der Sittenwidrigkeit der Klausel ist ihre Nichtigkeit. Geschuldet ist

daher dann analog § 738 Abs. 1 BGB eine Abfindung zum vollen wirtschaftlichen Wert des Geschäftsanteils8. Ein Gesellschafterbeschluss zur nachträglichen Einführung einer Abfindungsbeschränkung ist nichtig als solcher, wenn er durch seinen Inhalt (§ 241 Nr. 4 AktG), hier also die übermäßige Abfindungsbeschränkung, sittenwidrig ist; beruht die Sittenwidrigkeit auf den Umständen, die zur Satzungsänderung geführt haben, ist er nur anfechtbar9. Nach Ablauf der Frist analog § 242 Abs. 2 AktG kann die Nichtigkeit von nachträglich eingeführten, aber auch bei von Anfang an vereinbarten gesellschaftsvertraglichen Abfindungsbeschränkungen nicht mehr geltend gemacht werden10: Es gilt dann 1 Dazu BGH bei Goette DStR 1997, 336, 338 und Goette StbJb 1996/97, 233: keine Sittenwidrigkeit, obwohl der Verkehrswert des Geschäftsanteils das Entgelt um mehr als das 200fache (!) überstieg. 2 OLG Hamm DB 1997, 1612, 1613 = GmbHR 1997, 942 und dazu Jaeger DB 1997, 1607. 3 BGH GmbHR 2010, 980; R/S-L/Görner Rn 57. 4 Zur Berechnung des Buchwerts vgl OLG München GmbHR 1997, 167. 5 Rasner ZHR 158 (1994), 292, 302; allgemein zu Buchwertabfindungsklauseln D. Mayer DB 1990, 1319; Piltz BB 1994, 1021. 6 B/H/Fastrich Rn 35 sowie Rn 87 ff. 7 BGH GmbHR 1989, 508, 509 (zur KG); Rasner ZHR 158 (1994), 292, 302; MünchKomm/Strohn Rn 227 f. 8 BGHZ 116, 359, 376 = GmbHR 1992, 257; BGH GmbHR 2012, 92 Rn 12; U/H/L/Ulmer/ Habersack Rn 110; Wiedemann EWiR 1992, 321, 322; Geißler GmbHR 2006, 1177. 9 BGHZ 116, 359, 374 f = GmbHR 1992, 257. 10 BGHZ 116, 359, 368 = GmbHR 1992, 257; BGHZ 144, 365, 367 = GmbHR 2000, 822; Ebenroth/Müller BB 1993, 1153, 1157; zu Letzterem kritisch Kleindiek WuB II C. § 34 GmbHG 2.92; Winkler GmbHR 2016, 519, 520 ff; vgl Anh zu § 47 Rn 1.

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der Satzungstext mit der Maßgabe, dass er der Ausübungskontrolle (sogleich Rn 87 ff) unterliegt1. b) Nachträgliches Missverhältnis: Wenn die in der Satzung festgelegte Abfin- 87 dung ursprünglich angemessen war und das Missverhältnis zwischen Anteilswert und Abfindungshöhe erst im Laufe der Zeit aufgrund einer positiven Entwicklung der Gesellschaft entstanden ist, bleibt die ehemals gültige Abfindungsklausel auch weiterhin gültig2. Eine nach der Verankerung der Klausel in der Satzung einsetzende Entwicklung kann nicht nachträglich zu ihrer Sittenwidrigkeit führen3. Gleichwohl kann in einem derartigen Fall nicht an der ursprünglichen Klausel festgehalten werden. Einem Gesellschafter kann nach dem unter Gesellschaftern in verstärktem Maße geltendem Grundsatz von Treu und Glauben ein Festhalten an der ursprünglich vereinbarten Abfindungsbeschränkung nicht zugemutet werden, wenn sich vereinbarter Abfindungsbetrag und Anteilswert stark auseinanderentwickelt haben4. Die notwendige Anpassung der Abfindungsklausel nimmt der BGH im Wege der 88 ergänzenden Vertragsauslegung vor5. Das Ausmaß der Abfindungsbeschränkung soll unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, einschließlich solcher in der Person des Gesellschafters und des Grundes für sein Ausscheiden6, neu ermittelt werden, wobei die von den Gesellschaftern getroffenen Regelungen so weit als möglich zu Ende gedacht werden müssten7. Diese Rspr des BGH ist auf starke Kritik gestoßen8, die sich teils auf die recht- 89 liche Konstruktion, teils auf das Ergebnis bezieht. So wird vielfach das Vorhandensein einer Lücke bezweifelt, die im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung 1 BGH GmbHR 2012, 92; vgl auch MünchKomm/Strohn Rn 239 mwN. 2 BGHZ 123, 281, 284 = GmbHR 1993, 806; BGHZ 126, 226, 233 f, 241 = GmbHR 1994, 871; Michalski/Sosnitza Rn 88 f; Büttner FS Nirk, S. 119, 124 f; Lux MDR 2006, 1205; Jaeger DB 1997, 1607; S/I/Greitemann/Klingsch Rn 50; aA noch BGHZ 116, 359, 369 ff = GmbHR 1992, 257; zur Entwicklung der BGH-Rspr vgl Goette StbJb 1996/97, 235 f. 3 Rasner ZHR 158 (1994), 292, 300; Ulmer/Schäfer ZGR 1995, 134, 139. 4 BGHZ 123, 281, 285 ff = GmbHR 1993, 806; BGHZ 126, 226 = GmbHR 1994, 871; BGHZ 144, 365, 369 = GmbHR 2000, 822. 5 BGHZ 123, 281, 284 = GmbHR 1993, 806; BGHZ 126, 226, 241 f = GmbHR 1994, 871; BGH BGHZ 144, 365, 369 = GmbHR 2000, 822; BGH GmbHR 2012, 92 Rn 13; Henssler/ Strohn/T. Fleischer Rn 21. 6 Insbesondere BGHZ 123, 281, 288. 7 BGHZ 123, 281, 285 ff; BGHZ 126, 226, 242 ff = GmbHR 1994, 871; BGHZ 144, 365, 369 = GmbHR 2000, 822; BGH GmbHR 2012, 92 Rn 15. 8 Heidenhain LM § 242 BGB (Ba) Nr. 90; Rasner ZHR 158 (1994), 292; Dauner-Lieb ZHR 158 (1994), 271; Dauner-Lieb GmbHR 1994, 836; Mark JZ 1994, 1125 ff; Müller ZIP 1995, 1561; Volmer DB 1998, 2507, 2508; Michalski/Sosnitza Rn 92; zustimmend: Büttner EWiR 1993, 1179, 1180; Goette DStR 1993, 1790, 1792; Goette DStR 1995, 462 und Goette StbJb 1996/97, 236 f.

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§ 34 | Einziehung von Geschäftsanteilen zu schließen sei1. Stattdessen sei eine am Einzelfall orientierte Vertragskorrektur vorzugswürdig, deren Rechtsgrundlage in der auf den Einwand unzulässiger Rechtsausübung gestützten Ausübungskontrolle anhand von Treu und Glauben zu sehen sei2. Unter dem Aspekt der Rechtssicherheit stößt das Abstellen des BGH auf den wirklichen bzw hypothetischen Willen der Gesellschafter, vor allem aber auf die Umstände des Einzelfalls bei der Bemessung des tatsächlichen Abfindungsanspruchs auf Bedenken3, da dieser dann einzelfallbezogen nach freier richterlicher Entscheidung ermittelt würde. Daher wird vorgeschlagen, der Richter solle sich am Vertragsinhalt und dem (hypothetischen) Parteiwillen orientieren, insbesondere aber am konkreten Zweck der Abfindungsbeschränkung4, während die konkreten Einzelumstände nicht in einer offenen Interessenabwägung zu berücksichtigen seien5. 90 Richtigerweise wird man differenzieren müssen: In den Fällen, in denen der Ge-

sellschafter die Gesellschaft aus Gründen verlässt, die dem Ausschluss verwandt sind, muss sein Interesse an einer angemessenen Abfindung hinter das Interesse der Gesellschaft an der Bindung des Kapitals6 zurücktreten7. Hier sind durchaus Abschläge von 50 % des Verkehrswerts als Orientierungswert für die Anpassung gerechtfertigt8. Anders ist zu entscheiden, wenn sein Ausscheiden unter Umständen erfolgt, die einem Austritt aus wichtigem Grund ähneln – dann überwiegt der hinter § 723 Abs. 3 BGB stehende Gedanke9. Als Anhaltspunkt für eine dann (noch) angemessene Abfindung dürfte ein Abschlag von 30 % vom Verkehrswert dienen10. Eine darüber hinausgehende Berücksichtigung der Interessenlage, zB besondere Verdienste dieses Gesellschafters für die Gesellschaft, 1 Dauner-Lieb ZHR 158 (1994), 271, 283 f; Dauner-Lieb GmbHR 1994, 836, 839; Kort DStR 1995, 1961, 1966; Müller ZIP 1995, 1561, 1569; Rasner ZHR 158 (1994), 298 f; Volmer DB 1998, 2507, 2510. 2 B/H/Fastrich Rn 28; Scholz/H.P. Westermann Rn 35; Michalski/Sosnitza Rn 92; Kort DStR 1995, 1961, 1966; Müller ZIP 1995, 1561, 1570; Ulmer/Schäfer ZGR 1995, 134, 144; aA Büttner FS Nirk, S. 119, 128 ff: Wegfall der Geschäftsgrundlage. 3 B/H/Fastrich Rn 28; R/A/Altmeppen Rn 54; Dauner-Lieb ZHR 158 (1994), 286 f; Dauner-Lieb GmbHR 1994, 836, 840 ff; Ulmer/Schäfer ZGR 1995, 134, 149 f; Volmer DB 1998, 2508. 4 Ulmer/Schäfer ZGR 1995, 134, 151 f. 5 Müller ZIP 1995, 1566; Ulmer/Schäfer ZGR 1995, 134, 151 f. 6 BGHZ 123, 281, 286; BGHZ 126, 226, 240 = GmbHR 1994, 871. 7 Scholz/H.P. Westermann Rn 35; MünchHdbGmbH/Kort § 28 Rn 26. 8 Ulmer/Schäfer ZGR 1995, 134, 153; zustimmend Kort DStR 1995, 1961, 1967. 9 Im Ergebnis ähnlich: R/A/Altmeppen Rn 54; für vertragliche Gestaltungen Rasner ZHR 158 (1994), 292, 301; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 97; aA Müller ZIP 1995, 1561, 1567: keine Berücksichtigung des Grundes. 10 Ulmer/Schäfer ZGR 1995, 134, 153; zustimmend Kort DStR 1995, 1961, 1967; diese Werte sind keine starren Grenzen, die vom BGH DB 1993, 1614, 1615 f = GmbHR 1993, 505; BGHZ 126, 226, 243 f = GmbHR 1994, 871 und Büttner FS Nirk, S. 129 abgelehnt werden.

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Einziehung von Geschäftsanteilen | § 34

Dauer der Mitgliedschaft ist problematisch, da die Gesellschafter durch die Vereinbarung einer einheitlichen Abfindungsklausel zu erkennen gegeben haben, dass sie gleichartige Abfindungsfälle gleichbehandeln wollen1; vgl auch Rn 96 aE. c) Um den der Einführung einer Abfindungsklausel zugrundeliegenden Anlie- 91 gen – schnelle Berechnung des Abfindungsguthabens einerseits, Verhinderung übermäßigen Substanz- und Liquiditätsentzugs andererseits – gerecht zu werden, empfiehlt sich die Aufnahme dynamischer Regelungen, die ein überproportionales Auseinanderdriften von Abfindungsanspruch und Verkehrswert des Anteils verhindern2: Ungeeignet sind deshalb insbesondere Abfindungsklauseln, die auf eine Bewertung nach dem sog Stuttgarter Verfahren3 abstellen, das idR zu einer krassen Fehlbewertung des Geschäftsanteils im Verhältnis zum wirklichen Wert führt4. Um den Interessen von ausscheidendem Gesellschafter und Gesellschaft gerecht zu werden, sollten darüber hinaus für die einzelnen Fallgruppen des Ausscheidens unterschiedliche Regelungen getroffen werden5. Soweit dieser aus wichtigem Grund in der Person des Betroffenen erfolgt, kann eine Abfindung zu Buchwerten erfolgen (wenn dadurch jedenfalls 50 % des wirklichen Wertes erreicht werden), da nur auf diese Weise dem Bestandsinteresse der verbleibenden Gesellschafter Rechnung getragen werden kann. Umgekehrt wird die Schutzbedürftigkeit des ausscheidenden Gesellschafters zu berücksichtigen sein, wenn er sich vertragstreu verhält, der Grund des Ausscheidens nicht in seiner Sphäre liegt. Das ist insbesondere im Zusammenhang mit dem Austritt wegen unzumutbaren Verhaltens der Mitgesellschafter zu beachten: Satzungsmäßige Beschränkungen sind hier nur sehr eingeschränkt zulässig, da andernfalls das Fehlverhalten der Mitgesellschafter noch prämiert würde6, während man sich in neutralen Fällen an einem Abschlag von etwa einem Drittel orientieren kann. d) Die derzeitige Rechtslage ist für die Praxis wenig erfreulich: Die Unsicherhei- 92 ten über die Voraussetzungen eines wirksamen Ausschlusses/Austritts setzen sich fort in den Unsicherheiten der Rechtslage zur Zahlung der Abfindung und kumulieren in der Feststellung ihrer Höhe. Bei Gesellschaften, die länger als 10 Jahre bestehen und über ein größeres Anla- 93 gevermögen verfügen, lassen sich vertraglich feste Zahlen wie insbesondere der 1 S. dazu auch Rasner ZHR 158 (1994), 292, 306; B/H/Fastrich Rn 29; Scholz/H.P. Westermann Rn 35; MünchHdbGmbH/Kort § 28 Rn 33. 2 Ebenso MünchKomm/Strohn Rn 242 aE. 3 Dazu zusammenfassend Franken/Schulte in Fleischer/Hüttemann § 10 Rn 89 ff. 4 OLG Köln GmbHR 1998, 641, 643; Casper/Altgen DStR 2008, 2319, 2322; Fleischer in Fleischer/Hüttemann § 22 Rn 27; Göllert/Ringling DB 1999, 516; Hülsmann GmbHR 2007, 290; MünchKomm/Strohn Rn 211. 5 So im Ergebnis auch Volmer DB 1998, 2507, 2511. 6 Vgl dazu Geßler GmbHR 1984, 29, 32.

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§ 34 | Einziehung von Geschäftsanteilen Buchwert kaum ohne ein neutrales Wertgutachten zum Vergleich mit dem wirklichen Wert des Anteils halten. Bei Abfindungsregelungen im Vertrag sollte also zusätzlich und für den Fall mangelnder Einigung zwischen der Gesellschaft und dem Ausgeschiedenen Vorsorge getroffen werden, etwa durch – die Benennung einer neutralen Person/Stelle, die den Wertgutachter verbindlich benennt; – die Festlegung, dass der Wertgutachter verbindlich als Schiedsgutachter entscheidet, und – eine Schiedsklausel, welche die Entscheidung durch ein Schiedsgericht vorsieht, wenn auch nach Vorliegen des verbindlichen Wertgutachtens eine Einigung zwischen dem Ausgeschiedenen und der Gesellschaft nicht zustande kommt1. 94 Die Gesellschaft sollte daher die Abfindung nach den Regeln des Gesellschafts-

vertrages bzw der erforderlichen Anpassung und ggf aufgrund der sachverständigen Wertfeststellung berechnen und Zahlung in den vertraglich festgelegten Fristen anbieten. Beharrt der Ausgeschiedene auf einer erhöhten Abfindung und kommt es nicht zu einer Einigung, steht seine Klage vor dem Schiedsgericht zur Verfügung. Das alles hindert die Wirksamkeit des Ausschlusses/Austritts heute nicht mehr2. Dennoch sollte die Gesellschaft das Angebotene in den vertraglich festgelegten Fristen (zu den Grenzen der Gestaltungsfreiheit s. Rn 82) zahlen.

95 Die Gesellschafter können in einem schuldrechtlichen Vertrag eine Absenkung

der gesellschaftsvertraglich vereinbarten Abfindung festlegen. Klagt ein ausgeschiedener Gesellschafter dennoch auf den höheren Betrag, kann ihm die Gesellschaft das schuldrechtlich Vereinbarte nach § 328 BGB entgegenhalten3. 3. Gleichbehandlung

96 Willkürliche Ungleichbehandlungen von Gesellschaftern in Abfindungsklauseln

ohne sachliche Rechtfertigung führen idR nur zur Anfechtbarkeit der Klauseln bei ihrer Schaffung durch Satzungsänderung (vgl § 14 Rn 46)4; nach Ablauf der Anfechtungsfrist sind sie grundsätzlich wirksam, unterliegen aber der gerichtlichen Ausübungskontrolle5. Willkürlich ist etwa ein Nebeneinander von Verkehrswertabfindung und Nennwertabfindung6. Abfindungsbeschränkungen zu Lasten von Pfändungs- und Insolvenzgläubigern sind nichtig, wenn sie sich 1 2 3 4

Etwa weil mehrere Gesellschafter gleichzeitig ausscheiden; dazu BGH DB 2008, 1203. BGH GmbHR 2012, 387. BGH ZIP 2010, 1541 = GmbHR 2010, 980. BGHZ 116, 359, 372 = GmbHR 1992, 257; BGHZ 111, 224, 227 = GmbHR 1990, 344; S/I/ Greitemann/Klingsch Rn 52. 5 S. vor allem BGHZ 116, 359 = GmbHR 1992, 257. 6 BGHZ 116, 359, 365 = GmbHR 1992, 257.

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Einziehung von Geschäftsanteilen | § 34

nicht in gleicher Weise gegen ausscheidende Gesellschafter richten1, und werden zu Gunsten der Gläubiger nicht von der Heilungswirkung des § 242 Abs. 2 AktG analog erfasst2. Nicht willkürlich ist es, wenn in einer die Abfindungshöhe beschränkenden Klausel danach differenziert wird, wie lange das Kapital eines Gesellschafters der Gesellschaft zur Verfügung gestanden hat3. 4. Weitere Auswirkungen Von einer unwirksamen Abfindungsklausel bleiben sowohl die Gültigkeit einer 97 darauf beruhenden Einziehungsklausel als auch der auf sie gestützten Gesellschafterbeschlüsse unberührt4. 5. Ausnahmefälle In bestimmten Ausnahmefällen gelten für die Abfindung und ihre Gestaltungs- 97a möglichkeiten in der Satzung andere Grundsätze, die eine Einschränkung des Abfindungsrechts weit über die sonst geltenden Grenzen hinaus zulassen und sogar einen völligen Abfindungsausschluss ermöglichen5: Erfolgt die Einziehung/Abtretungsverpflichtung im Zusammenhang mit dem 98 Tod eines Gesellschafters6, so geht es nicht mehr um die Sicherung der freien Entfaltung des Gesellschafters in der Gesellschaft, sondern um – im weitesten Sinne – erbrechtliche Gestaltungen7. Da aber muss es einem Gesellschafter auch freistehen, seinen Geschäftsanteil nicht nur zu vermachen, sondern ihn auch an seine Mitgesellschafter durch den vereinbarten Ausschluss der Abfindung wertmäßig zu verschenken8. Dem Formerfordernis einer solchen unentgeltlichen Zuwendung (§ 518 Abs. 1 BGB) wird durch die Satzung bzw die Satzungsänderung genügt (§ 2 Abs. 1)9. Falls der Abfindungsausschluss unter der aufschie1 BGHZ 144, 365, 366 = GmbHR 2000, 822; BGHZ 65, 22; OLG Hamburg ZIP 1982, 1327 = GmbHR 1983, 126; OLG Celle ZIP 1985, 1392, 1393 = GmbHR 1986, 120; B/H/Fastrich Rn 30; R/A/Altmeppen Rn 57; Scholz/H.P. Westermann Rn 30; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 95; aA Heuer ZIP 1998, 405, 412 f; Heckelmann ZZP 1992, 57, die in diesen Fällen vollwertige Abfindung verlangen. 2 AA BGHZ 144, 365, 366 = GmbHR 2000, 822; kritisch gegen BGH auch Lange NZG 2001, 635, 640. 3 BGHZ 116, 359, 374 = GmbHR 1992, 257; zustimmend etwa Kleindiek WuB II C. § 34 GmbHG 2.92; MünchHdbGmbH/Kort § 28 Rn 33; R/A/Altmeppen Rn 60. 4 HM, BGH NJW 1977, 2316, 2317; OLG Hamm NZG 1999, 599; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 107; Scholz/H.P. Westermann Rn 36; Harst GmbHR 1987, 183, 184. 5 BGH GmbHR 2014, 811 Rn 12 f; BGHZ 135, 387, 390 = GmbHR 1997, 939. 6 Dazu BGHZ 105, 213 = GmbHR 1989, 117. 7 BGH bei Goette DStR 1997, 336, 338; MünchKomm/Strohn Rn 246. 8 BGH GmbHR 2014, 811 Rn 13 und etwa Habersack ZIP 1990, 625; Scholz/H.P. Westermann Rn 26 ff; auch B/S/Thiessen Rn 82. 9 U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 102; Habersack ZIP 1990, 625, 629.

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§ 34 | Einziehung von Geschäftsanteilen benden Bedingung des Überlebens der Bedachten erfolgt, so ist zwar ein Fall des § 2301 Abs. 1 Satz 1 BGB gegeben; die Schenkung ist dann aber idR schon durch die Satzungsregelung aufschiebend bedingt vollzogen (§ 2301 Abs. 2 BGB)1. Die Satzung kann auch hier bereits formwirksam das Angebot des Verstorbenen an den oder die Begünstigten enthalten2. 98a Ebenso lässt der BGH einen gesellschaftsvertraglichen Abfindungsausschluss zu,

wenn die Gesellschaft ideelle Zwecke verfolgt oder wenn Mitarbeiter-/Managerbeteiligungen (vgl Rn 36 f) auf Zeit ohne Kapitaleinsatz (bei entgeltlichem Anteilserwerb zum bloßen Nennwert wird man freilich kaum anders entscheiden können) abgeschlossen wurden3. 6. Beratungspflichten

99 Nimmt ein Gesellschafter anwaltlichen Rat im Zusammenhang mit seinem Aus-

scheiden aus der Gesellschaft und ihren Folgen in Anspruch, so hat der Anwalt mit besonderer Sorgfalt zu handeln und insbesondere die Fragen der Bindung an eine Buchwertklausel zu erörtern4.

VII. Steuerfolgen Literatur: Hohage Erwerb eigener Anteile, Einziehung, Aufstockung und vGA bei der GmbH, DB 2009, 1033; Ivens Gesellschaftsvertragliche Abfindungsbeschränkungen im Schenkung- und Erbschaftsteuerrecht, GmbHR 2011, 465; Jonas Abfindung und Besteuerung ausgeschlossener Gesellschafter, FS Wienand Meilicke, 2010, S. 271; Klose Die schenkungsteuerliche Behandlung der Einziehung und Zwangsabtretung von GmbH-Geschäftsanteilen beim Erwerber, GmbHR 2010, 300; Moog/Schweizer Abfindungsregelung in Gesellschaftsverträgen und das Ende des Stuttgarter Verfahrens, GmbHR 2009, 1198; Rosner Streitvermeidung beim Austritt von GmbH-Gesellschaftern, ZGR 2011, 732; Wollweber/ Ruske Steuerfolgen eines Gesellschafter-Ausschlusses, GmbHR 2015, 785.

100 In Höhe der Differenz zwischen dem Abfindungsbetrag (oder Kaufpreis im Fall

der Verpflichtung zur Übertragung der Geschäftsanteile) einerseits sowie den Anschaffungskosten und Veräußerungskosten andererseits entsteht in der Person des betreffenden Gesellschafters ein Veräußerungsgewinn oder Veräußerungsverlust. Ist eine natürliche Person der Gesellschafter der GmbH und hält diese ihre Geschäftsanteile im Privatvermögen, greift bei einer Beteiligungsquote von mindestens 1 % innerhalb der letzten fünf Jahre das Teileinkünfteverfahren ein (§ 17 Abs. 1 Satz 1 iVm § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c EStG, § 3c Abs. 2 Satz 1 1 Scholz/H.P. Westermann Rn 28; B/H/Fastrich Rn 34a; U/H/L/Ulmer/Habersack Rn 102; Habersack ZIP 1990, 625, 629 f; Niemeier S. 120. 2 Vgl den Fall des OLG Bremen GmbHR 2003, 717. 3 BGH GmbHR 2014, 811 Rn 13; BGH GmbHR 2010, 980 Rn 11. 4 BGH NJW 1994, 1472: Verhältnis Buch-/Verkehrswert 25 000 DM : 150 000 DM.

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Einziehung von Geschäftsanteilen | § 34

EStG)1, dh, der Veräußerungsgewinn ist iHv 60 % steuerpflichtig (mit dem individuellen Einkommensteuersatz zzgl Solidaritätszuschlag und ggf Kirchensteuer) und iHv 40 % steuerfrei; Freibetrag nach § 17 Abs. 3 EStG. Der Veräußerungsgewinn unterliegt nicht der Gewerbesteuer (R 7.1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GewStR 2009). Ebenso unterfällt – unabhängig von einer Mindestbeteiligungsquote – der Veräußerungsgewinn als laufender Gewinn dem Teileinkünfteverfahren, wenn der Gesellschafter eine natürliche Person ist und diese ihre Geschäftsanteile im Betriebsvermögen hält (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. a EStG, § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG). Hält der Gesellschafter seine Geschäftsanteile im Privatvermögen und beläuft sich seine Beteiligung auf weniger als 1 %, greift bei einem Erwerb ab dem 1.1.2009 grundsätzlich die Abgeltungsteuer ein (§ 20 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 8 Satz 1, § 32d Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9, Abs. 5 EStG). Die Einkommensteuer auf den Veräußerungsgewinn beträgt in diesem Fall 25 % (zzgl Solidaritätszuschlag und ggf Kirchensteuer). Ist eine Körperschaft (Kapitalgesellschaft) Gesellschafter der GmbH, bleibt der Veräußerungsgewinn im Ergebnis grundsätzlich iHv 95 % körperschaftsteuerfrei (§ 8b Abs. 2 Satz 1 iVm Abs. 3 Satz 1 KStG). Das gilt auch für die Gewerbesteuer. Ein Veräußerungsverlust ist steuerrechtlich ohne Auswirkung (§ 8b Abs. 3 Satz 3 KStG). Für die verbleibenden Gesellschafter ist eine Einziehung auch bei Anpassung der Nennbeträge ihrer Geschäftsanteile kein steuerpflichtiger Vorgang2. Übersteigt jedoch der sich aus § 12 ErbStG ergebende Steuerwert der eingezogenen (oder abgetretenen) Geschäftsanteile den Abfindungsanspruch, gilt die insoweit bewirkte Werterhöhung der Geschäftsanteile der verbleibenden Gesellschafter als Schenkung des ausgeschiedenen Gesellschafters (§ 7 Abs. 7 Satz 1/2 ErbStG)3.

1 So die hM; Herrmann/Heuer/Raupach § 17 EStG Rn 85 und § 20 EStG Rn 431; Kirchhof/ Gosch 15. Aufl 2016, § 17 EStG Rn 54; MünchKomm/Strohn Rn 81; Peetz GmbHR 2000, 749, 754; aA für Einziehung Schmidt/Weber-Grellet 35. Aufl 2016, § 17 EStG Rn 101: Teilliquidation analog § 17 Abs. 4 EStG; so auch Fromm GmbHR 2005, 1477, 1481; s. zum Streitstand auch Wollweber/Ruske GmbHR 2015, 785, 787 f. 2 BFHE 85, 90; Herrmann/Heuer/Raupach § 20 EStG Rn 77. 3 R/S-L/Görner Rn 125; Ivens GmbHR 2011, 465, 470 f.

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Dritter Abschnitt Vertretung und Geschäftsführung Vor § 35 Geschäftsführerbestellung nach Eintragung der GmbH 1. 2. 3. 4.

Überblick . . . . . . . . . . . . . . . Bestellungsverfahren . . . . . . . Mängel der Bestellung . . . . . . Verlust der Geschäftsfähigkeit

. . . .

. . . .

. 1 . 3 . 7 . 10

5. Faktischer Geschäftsführer . . . . . . 11 6. Notgeschäftsführer . . . . . . . . . . . 13 7. Prozesspfleger . . . . . . . . . . . . . . . 26

1. Überblick Von der Bestellung des Gründungsgeschäftsführers (dazu § 6 Rn 8 ff) vor Eintra- 1 gung der Gesellschaft (§ 10) ist die Geschäftsführerbestellung in der entstandenen Gesellschaft nach Registereintragung (§ 11 Abs. 1) zu unterscheiden. Für diese spätere Geschäftsführerbestellung gelten dieselben Regeln wie für die der Gründungsgeschäftsführer, also etwa die über ihre Bezeichnung (§ 6 Rn 4) und ihre Zahl (§ 6 Rn 5 ff), die Bestimmung über die persönlichen Voraussetzungen des Geschäftsführers (§ 6 Rn 11), namentlich über seine Amtsunfähigkeit (§ 6 Rn 12, 16 ff; zur Bestellung von Ausländern § 6 Rn 14 f) sowie die Regeln über Verfahren und Inhalt der Bestellung (Rn 3 ff). Im Wesentlichen unterscheidet sich die spätere Bestellung von der der Gründungsgeschäftsführer nur dadurch, dass die späteren Geschäftsführer durch Berufungsbeschluss des zuständigen Bestellungsorgans berufen werden, während dies für die Gründungsgeschäftsführer nicht selten schon im Gesellschaftsvertrag geschieht (§ 6 Rn 39). Zur Bestellung eines weiteren Geschäftsführers nach Gründung der Gesellschaft 2 im vereinfachten Verfahren (Musterprotokoll) nach § 2 Abs. 1a s. die Erläuterungen § 2 Rn 62 und § 10 Rn 6 f. Zur Anstellung des Geschäftsführers Anh zu § 6.

2. Bestellungsverfahren a) Zuständig für die Bestellung sind die Gesellschafter in ihrer Gesamtheit (§ 46 3 Nr. 5); der Gesellschaftsvertrag kann jedoch Abweichendes bestimmen (§ 46 Rn 23), insbesondere einem Aufsichtsrat, Beirat oder Gesellschafterausschuss oder gar einem einzelnen Gesellschafter die Bestellungskompetenz übertragen (zum Benennungs- und zum Präsentationsrecht eines Gesellschafters: § 46 Rn 25). Bestellt sich ein von anderen Gesellschaftern zu ihrer Vertretung in der Kleindiek

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Vor § 35 | Geschäftsführerbestellung nach Eintragung der GmbH Gesellschafterversammlung bevollmächtigter Gesellschafter mit den Stimmen seiner Vollmachtsgeber selbst zum Geschäftsführer, so findet § 181 BGB Anwendung; in der Vollmachtserteilung kann allerdings die Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens liegen1. – Über die Bestellung entscheiden die Gesellschafter durch einfachen Beschluss (§ 47 Abs. 1), sie können dies aber auch im Wege der Satzungsänderung (§ 53) beschließen; diese Bestellung im Gesellschaftsvertrag gibt dem Geschäftsführer jedoch selbst dann noch kein Sonderrecht auf das Geschäftsführungsamt, wenn er zugleich Gesellschafter ist (näher § 38 Rn 10 ff). 4 b) Über den Inhalt der Bestellung (Dauer, Ressort etc) befinden die Gesell-

schafter oder das an ihrer Stelle berufene Bestellungsorgan – im Rahmen möglicher Vorgaben des Gesellschaftsvertrags, zB zur Amtsdauer – grds nach Belieben (näher § 6 Rn 41).

5 c) Der gesellschaftsinterne Beschluss des Bestellungsorgans muss gegenüber dem

berufenen Geschäftsführer erklärt werden (§ 130 Abs. 1 BGB)2; dies kann auch konkludent geschehen, etwa durch die Aufforderung des Berufenen durch den von den Gesellschaftern beauftragten amtierenden Geschäftsführer zur Abgabe der Versicherung nach § 39 Abs. 3. Sollte der Gesellschaftsvertrag die Geschäftsführerbestellung einem einzelnen Gesellschafter übertragen haben (§ 46 Rn 23), so übt dieser sein Recht durch Erklärung gegenüber der Gesellschaft, diese vertreten durch den oder die übrigen Geschäftsführer, aus, nicht gegenüber der zu bestellenden Person; denn diese Kompetenzausübung ist (wie der Bestellungsbeschluss der Gesellschafter) ein gesellschaftsinterner Vorgang. Der oder die Gesellschafter erklären dann namens der Gesellschaft die Bestellung gegenüber dem zu Berufenden3. – Falls die Gesellschaft keinen amtierenden Geschäftsführer hat, braucht deshalb allein für die Abgabe der Bestellungs- und die Entgegennahme der Annahmeerklärung (Rn 6) kein Notgeschäftsführer gerichtlich bestellt zu werden. Dann erklärt der bestellungsbefugte Gesellschafter seine Entscheidung gegenüber allen Gesellschaftern sowie die Bestellung durch die Gesellschaft als ihr Vertreter gegenüber dem zu Berufenden; ebenso ist der bestellungsbefugte Gesellschafter (§ 164 Abs. 3 BGB), aber auch jeder andere Gesellschafter (§ 35 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2) Empfangsvertreter der Gesellschaft für die Annahmeerklärung.

6 d) Für die Wirksamkeit der Bestellung ist ihre Annahme erforderlich, weil mit

dem Geschäftsführungsamt eine Vielzahl von Pflichten verbunden ist. Zur Annahmeerklärung im Einzelnen: § 6 Rn 42 f.

6a e) Zur Geltung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) s. § 6

Rn 34 f und Anh zu § 6 Rn 46. Zu den Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die 1 BGH WM 1991, 73 f; s. auch BayObLG GmbHR 2001, 72. 2 Dazu OLG Köln GmbHR 1991, 156, 157 f. 3 Unscharf insoweit BGH WM 1973, 1296: Bestellungsakt der Gesellschaft.

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Geschäftsführerbestellung nach Eintragung der GmbH | Vor § 35

Benachteiligungsverbote des AGG bei der Entscheidung über die Geschäftsführer(wieder)bestellung und -anstellung s. § 6 Rn 41.

3. Mängel der Bestellung a) Diese ist unwirksam, wenn sie gegen ein gesetzliches Bestellungsverbot (§ 6 7 Rn 11 f) verstößt oder wenn der Geschäftsführer die Bestellung nicht angenommen hat und die Annahme auch nicht nachgeholt werden kann. Außerdem ist die Bestellung unwirksam, wenn der ihr zugrundeliegende Gesellschafterbeschluss (Rn 3) nichtig (Anh zu § 47 Rn 9 ff) oder auf Anfechtungsklage hin rechtskräftig für nichtig erklärt worden ist – zB wegen treuwidriger Wiederbestellung eines zuvor aus wichtigem Grund abberufenen Geschäftsführers1. Ob der Beschluss über die Bestellung eines neuen Geschäftsführers schon des- 7a halb nichtig sein kann, weil er im Zuge einer organisierten „Firmenbestattung“2 getroffen worden ist, wird in der (obergerichtlichen) zivilrechtlichen Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt3: Während einerseits Nichtigkeit angenommen wurde4, ist dies andererseits mit dem Hinweis verworfen worden, die Nichtigkeit müsse sich aus dem Inhalt oder dem inneren Gehalt des Beschlusses ergeben und könne nicht schon aus den zugrunde liegenden (sittenwidrigen) Motiven oder Zwecken abgeleitet werden5. Dem ist (bezogen auf § 241 Nr. 4 AktG) zu Recht entgegengehalten worden6, nach der Rechtsprechung des BGH reiche es aus, dass der Beschluss „seinem inneren Gehalt nach in einer sittenwidrigen Schädigung nicht anfechtungsberechtigter Personen besteht“7; das wiederum könne nicht ohne Berücksichtigung von Motiv oder Zweck des Beschlusses be1 BGH GmbHR 1991, 62. 2 Dazu näher Seibert FS Röhricht, 2005, S. 585, 587, 590 ff; Kleindiek ZGR 2007, 276, 277 ff; Ehricke FS Hopt, 2010, S. 589 ff; Geißler GmbHR 2013, 1302, 1303 f; Werner NZWiSt 2013, 418 ff, je mwN; monographisch etwa Kilper Unternehmensabwicklung außerhalb des gesetzlichen Insolvenz- und Liquidationsverfahrens in der GmbH, 2009; Kuhn Die GmbH-Bestattung, 2011; Schmutz Die „bestattete“ GmbH im Insolvenzeröffnungsverfahren, 2010. 3 In mehreren strafgerichtlichen Entscheidungen des BGH ist die Frage offen geblieben; s. BGH GmbHR 2013, 477, 480 mwN (3. Strafsenat). 4 So OLG Zweibrücken GmbHR 2013, 1093, 1094 (gestützt auf § 241 Nr. 3 Fall 3 AktG analog). – Im Ergebnis ebenso schon LG Potsdam wistra 2005, 193, 195 f (§ 241 Nr. 4 AktG analog); AG Memmingen GmbHR 2004, 952, 954 f (unter Anknüpfung an § 138 BGB). 5 So OLG Karlsruhe GmbHR 2013, 1090, 1092 unter Hinweis auf BGHZ 15, 382; zustimmend Wertenbruch EWiR 2013, 721 f. 6 Weng NZI 2013, 656 f; wie dieser Werner NZWiSt 2013, 418, 421. 7 In diesem Sinne (noch bezogen auf § 195 Nr. 4 AktG 1937) BGHZ 15, 382, 385 f unter Anknüpfung an RGZ 161, 129, 144 f.

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Vor § 35 | Geschäftsführerbestellung nach Eintragung der GmbH urteilt werden1. Für die Feststellung, der Bestellungsbeschluss verstoße gegen die guten Sitten, streitet jedenfalls die Tatsache, dass die organisierte Unternehmensbestattung nach dem Willen der Beteiligten darauf angelegt ist, die insolvenzreife Gesellschaft unter Missachtung aller gesetzlichen Vorgaben über das geordnete Insolvenzverfahren zu liquidieren: noch vorhandenes Restvermögen soll dem Gläubigerzugriff gezielt entzogen, den Verantwortlichen soll ein Weg gewiesen werden, sich zum Schaden der Gläubiger aus der Haftung zu stehlen2. Die Bestellung eines neuen, nicht selten vermögenslosen und typischerweise tatsächlich unerreichbaren Geschäftsführers ist ein wesentliches Element dieser Strategie3. 8 b) Aus einer unwirksamen Bestellung folgen für den Bestellten keinerlei Rechte

und Pflichten; dies unabhängig davon, ob er oder die Gesellschaft um die Unwirksamkeit wissen oder auch nur hätten wissen können. Der unwirksam Bestellte kann jedoch als faktischer Geschäftsführer anzusehen sein; s. sogleich Rn 11 f.

9 c) Dritte, die mit der Gesellschaft über den unwirksam bestellten, aber für diese

auftretenden Geschäftsführer in Verbindung treten, werden – vorbehaltlich der Fälle des geschäftsunfähigen Geschäftsführers (sogleich Rn 10) – nach § 15 Abs. 1/3 HGB, im Übrigen nach den Grundsätzen der Duldungs- und Anscheinsvollmacht geschützt4.

4. Verlust der Geschäftsfähigkeit 10 Wird der Geschäftsführer nach Bestellung geschäftsunfähig, so ist das von ihm

vorgenommene Vertretergeschäft nach §§ 105, 165 BGB nichtig5. Eine Berufung von Dritten auf § 15 Abs. 1/3 HGB scheitert daran, dass es sich beim Wegfall der Geschäftsfähigkeit (§ 6 Abs. 2 Satz 1) um keine eintragungspflichtige Tatsache handelt6. Die Rspr7 versagt aber nach allgemeinen Rechtsscheingrundsätzen der Gesellschaft die Berufung auf die Nichtigkeit, wenn für die Gesellschafter die fehlende Geschäftsfähigkeit bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennbar gewesen wäre und sie trotzdem untätig geblieben sind. Bei Wiedererlangung der Geschäftsfähigkeit lebt das Amt nicht von selbst wieder auf, sondern es bedarf einer erneuten Bestellung zum Geschäftsführer8.

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Ebenso schon B/H/Zöllner Anh § 47 Rn 55. Kleindiek ZGR 2007, 276, 291. Vgl nur die Tatsachenschilderung in OLG Zweibrücken GmbHR 2013, 1093. Allgemeine Meinung; R/S-L/Koppensteiner/Gruber § 35 Rn 75. BGHZ 53, 210, 215. BGHZ 115, 78, 81 = GmbHR 1991, 358. BGHZ 115, 78, 83 = GmbHR 1991, 358; dazu K. Schmidt JuS 1991, 1004. BayObLG GmbHR 1993, 223, 224; s. auch § 6 Rn 12.

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5. Faktischer Geschäftsführer a) Voraussetzungen: Scharf von den fehlenden Rechtswirkungen der unwirk- 11 samen Bestellung an sich (Rn 8) ist die andere Frage zu trennen, unter welchen Voraussetzungen und mit welchen Folgen ein unwirksam Bestellter, aber auch jemand, der ohne jedweden Bestellungsakt geschäftsführend tätig wird, dennoch aus anderen Gründen die Rechte und Pflichten eines wirksam bestellten Geschäftsführers haben kann (dazu auch § 43 Rn 2 ff). Dabei sind die Pflichten, insbesondere aus §§ 41, 43 Abs. 3; § 15a Abs. 1 InsO einerseits und der Schutz des in diesem Sinne als faktischer Geschäftsführer Handelnden andererseits, zu berücksichtigen. Der fehlerhaft bestellte, aber als Geschäftsführer Handelnde trägt die gesetzlichen Pflichten eines ordnungsgemäß bestellten Geschäftsführers1. Als faktischer Geschäftsführer mit Pflichten (aber auch mit Rechten) zu behandeln ist jedoch auch, wer ohne förmlichen Bestellungsakt mit Wissen der Gesellschaft2 für diese wie ein Geschäftsführer tätig wird. Der BGH sieht es zwar nicht als erforderlich an, dass der Handelnde die gesetzliche Geschäftsführung völlig verdrängt. Entscheidend sei aber, dass der Betreffende nach dem Gesamterscheinungsbild seines Auftretens die Geschicke der Gesellschaft maßgeblich in die Hand genommen habe; dazu reiche eine bloß interne Einwirkung auf die satzungsmäßigen Geschäftsführer nicht aus, sondern es müsse auch ein eigenes, nach außen hervortretendes Geschäftsführerhandeln gegeben sein, das die Tätigkeit des Geschäftsführungsorgans gerade nachhaltig präge3. – Das Erfordernis eines Handelns im Außenverhältnis ist freilich im Schrifttum umstritten; ein schlechterdings zwingendes Tatbestandsmerkmal faktischer Geschäftsführung liegt hierin nicht (näher zum Ganzen § 43 Rn 2 ff). Auch im Fall des fehlerhaften Bestellungsaktes genügt die Annahme der Bestellung noch nicht; ebenso wenig ist die Kenntnis des Handelnden oder der Gesellschaft um die Unwirksamkeit der Bestellung entscheidend4. Gleichfalls ohne Bedeutung bleibt im anderen Fall, aus welchen Motiven von vornherein eine Bestellung unterblieben ist5 und das Tätigwerden des als Organ Handelnden von der Gesellschaft gebilligt wird: Dieser ist faktischer Geschäftsführer.

1 MünchKomm/Fleischer § 43 Rn 219; Strohn DB 2011, 158 f. 2 Ablehnend gegenüber dieser Voraussetzung MünchKomm/Fleischer § 43 Rn 234; Schürnbrand Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 306 f; differenzierend Strohn DB 2011, 158, 162 f. 3 BGHZ 104, 44, 48 = GmbHR 1988, 299; BGHZ 150, 61, 69 f = GmbHR 2002, 549; BGH GmbHR 2005, 1126, 1127; BGH GmbHR 2005, 1187, 1188; BGH ZIP 2008, 364, 367; BGH ZIP 2008, 1026, 1027 = GmbHR 2008, 702. 4 AA U. Stein Das faktische Organ, 1984, S. 125. 5 S. dazu die Beispiele bei Geißler GmbHR 2003, 1106, 1107 f.

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Vor § 35 | Geschäftsführerbestellung nach Eintragung der GmbH 12 b) Ein faktischer Geschäftsführer hat nicht unbedingt dieselben Pflichten und

Rechte wie ein wirksam bestellter. Insofern kommt es auf die konkrete Geschäftsführungspflicht, zB identische Pflicht zur Buchführung und zur Stellung des Insolvenzantrags (dazu § 41 Rn 2 und Anh zu § 64 Rn 59), aber nicht Pflicht zur Geschäftsführung, und auf das einzelne Geschäftsführungsrecht an (zB identische Kompetenz zur Einberufung der Gesellschafterversammlung)1; zur Haftung nach § 43 s. § 43 Rn 2 ff.

6. Notgeschäftsführer 13 „Der oder die Geschäftsführer“ sind notwendiges Gesellschaftsorgan (§ 6 Rn 3).

Bei seiner fehlenden oder unzureichenden Besetzung drohen der Gesellschaft Schäden, ist – soweit nicht die Ersatzverantwortlichkeit der Gesellschafter in führungslosen Gesellschaften eingreift (s. § 35 Rn 43 ff und auch Anh zu § 64 Rn 56 f) – die Erfüllung der Geschäftsführungsmindestpflichten (vor allem §§ 41, 43 Abs. 3) gefährdet oder die Erfüllung sonstiger Gesellschaftspflichten (zB Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung, §§ 807, 883 ZPO) ausgeschlossen. Um die Vakanz zu überbrücken, kann das Amtsgericht auf Antrag einen Notgeschäftsführer2 bestellen. Voraussetzung und Verfahren richten sich, da eine § 85 AktG bzw § 15a ÖGmbHG entsprechende Regelung fehlt, nach § 29 BGB3. Die gerichtliche Notbestellung greift tief in Gesellschafterkompetenzen (§ 46 Nr. 5) ein; deshalb sind sowohl die Eingriffsvoraussetzungen (Rn 14 ff) eng auszulegen4 als auch hohe Anforderungen an Glaubhaftmachung (Rn 17) und Bestellungsverfahren zu stellen.

14 a) Voraussetzungen: Ein Geschäftsführer fehlt, wenn er verstorben ist, sein Amt

niedergelegt hat, amtsunfähig geworden ist oder durch Krankheit etc auf Dauer gehindert ist, als Geschäftsführer tätig zu werden5. Dem steht die tatsächliche, selbst pflichtwidrige Weigerung gleich, das Amt selbst zu führen. Nicht ausreichend ist die Weigerung des Geschäftsführers, an einzelnen Geschäftsführungsakten mitzuwirken6. Notfalls müssen die Gesellschafter den Geschäftsführer abberufen und einen neuen bestellen. Der Geschäftsführer fehlt nicht, wenn seine

1 S. Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider § 6 Rn 115. 2 Zum Notgeschäftsführer Hohlfeld GmbHR 1986, 181; Gustavus GmbHR 1992, 15; Westermann FS Kropff, 1997, S. 682; Helmschrott ZIP 2001, 636 ff; Bergwitz GmbHR 2008, 225, 228 ff; monographisch Bauer Der Notgeschäftsführer in der GmbH, 2006. 3 Ganz hM; s. etwa BGHZ 82, 182; OLG Frankfurt GmbHR 2014, 929, 930; Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider § 6 Rn 94; aA Kögel NZG 2000, 21: § 85 AktG analog; Kögel GmbHR 2012, 772. 4 OLG Frankfurt GmbHR 1986, 432; OLG Frankfurt GmbHR 2014, 929, 930; OLG München GmbHR 2007, 1271, 1272. 5 OLG Frankfurt GmbHR 2014, 929, 930 mwN. 6 OLG Frankfurt GmbHR 1986, 432; OLG Frankfurt GmbHR 2014, 929, 930.

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Abberufung unwirksam1 oder die Amtsniederlegung des alleinigen Geschäftsführers rechtsmissbräuchlich war (vgl § 38 Rn 43)2. Im Übrigen ist es nicht die Funktion der Notbestellung, in Gesellschaften mit untereinander zerstrittenen Gesellschaftern an deren Stelle für die Wettbewerbsfähigkeit der Gesellschaft zu sorgen3. Ersatz für den fehlenden Geschäftsführer ist erforderlich, wenn überhaupt kein 15 Geschäftsführer vorhanden ist oder bei Gesamtvertretung (§ 35 Abs. 2 Satz 1) nicht die hierfür notwendige Anzahl. Kann die Gesellschaft trotz des fehlenden Geschäftsführers immer wirksam (aktiv und passiv) vertreten werden, so ist eine Notbestellung unzulässig; ebenso falls die Folgen des Fehlens durch weniger einschneidende Maßnahmen beseitigt werden können: zB Bestellung eines Prozesspflegers4 oder Bestellung eines Verfahrenspflegers nach § 57 ZPO, § 4 InsO5, Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens (§ 181 BGB) durch Beschluss des Bestellungsorgans6. Beim Selbstkontrahieren in der Einpersonen-Gesellschaft kommt eine Notbestellung nicht in Betracht, weil der Gesellschafter den Konflikt im Wege der Satzungsänderung (§§ 35 Abs. 3, 53) oder nach den Regeln für eine Satzungsdurchbrechung (§ 53 Rn 27) bereinigen kann. Für die Dringlichkeit der Notbestellung ist zwischen dem Eingriff in die Gesell- 16 schafterkompetenz und den Beeinträchtigungen abzuwägen, die das Fehlen des Geschäftsführers voraussichtlich mit sich bringt. Wesentlich ist, ob ohne die Notbestellung einem Beteiligten oder der Gesellschaft ein Schaden entstehen würde oder eine alsbald erforderliche Handlung nicht vorgenommen werden könnte7. Deshalb fehlt die Dringlichkeit, wenn die Gesellschafter nach den gesellschaftsvertraglichen Regelungen weiterhin einen neuen Geschäftsführer bestellen können8. Können sich die Gesellschafter nicht auf die Bestellung eines 1 BayObLG GmbHR 1997, 1002; BayObLG ZIP 1999, 1845, 1846 = GmbHR 1999, 1291, 1292. 2 OLG Düsseldorf GmbHR 2001, 144. 3 Vgl OLG Frankfurt NJW 1966, 505; OLG Frankfurt GmbHR 2006, 204, 205; OLG Frankfurt GmbHR 2011, 1151, 1152; OLG Zweibrücken GmbHR 2012, 691; s. aber auch BayObLG GmbHR 1999, 1291. 4 OLG Dresden GmbHR 2002, 163; OLG Zweibrücken GmbHR 2007, 544; Bergwitz GmbHR 2008, 225, 228 f; s. Rn 26. 5 Dazu Kutzer ZIP 2000, 654; Hohlfeld GmbHR 2001, 571, 574; s. aber noch Hohlfeld GmbHR 1986, 182; aA KG Berlin GmbHR 2000, 660; OLG Köln GmbHR 2000, 390, 391; BayObLG GmbHR 1998, 1123, 1125; U/H/L/Paefgen § 6 Rn 31 mwN: der Prozessvertreter oder Verfahrenspfleger nach § 4 InsO schließt Notgeschäftsführer nicht aus; differenzierend OLG Zweibrücken GmbHR 2001, 571, 573. 6 Aber streitig: nach der Rspr genügt Befreiungsbeschluss nur, wenn Gesellschaftsvertrag dazu ermächtigt; näher § 35 Rn 52. 7 S. OLG Zweibrücken GmbHR 2001, 571, 572; OLG Frankfurt GmbHR 2014, 929, 930 f; U/H/L/Paefgen § 6 Rn 87; MünchKomm/Stephan/Tieves § 35 Rn 61. 8 OLG Frankfurt GmbHR 2001, 436, 437; BayObLG GmbHR 1995, 896.

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Vor § 35 | Geschäftsführerbestellung nach Eintragung der GmbH Geschäftsführers verständigen, ist zu unterscheiden: Ein Gesellschafter kann grundsätzlich keinen Notgeschäftsführer bestellen lassen; das Gericht darf sich nicht in den Streit der Gesellschafter einmischen1. Anders, wenn wegen der Vakanz die Erfüllung der Pflichten aus §§ 41, 43 Abs. 3 gefährdet ist2. Falls dagegen ein Dritter (zB Gläubiger) die Notbestellung betreibt, um seine berechtigten Interessen zu wahren, so steht ein Streit unter den Gesellschaftern der Dringlichkeit nicht entgegen3. 17 b) Verfahren4: Zuständig ist das Amtsgericht des Gesellschaftssitzes, das bloß

auf Antrag tätig wird. Ihm sind Voraussetzungen für die Notbestellung (Rn 14 ff) glaubhaft zu machen (§ 31 FamFG). Der Antrag der Gesellschafter kann einen (für das Gericht unverbindlichen) Personalvorschlag enthalten.

18 Antragsberechtigt ist jeder Gesellschafter sowie jedes Organmitglied (Ge-

schäftsführungs-, Aufsichtsrats- oder Beiratsmitglied), außerdem jeder Dritte, der sein Recht nicht gegen die Gesellschaft durchsetzen kann, weil diese nicht wirksam vertreten ist5. Dritte müssen ihr (angebliches) Recht konkretisieren, ohne es jedoch glaubhaft machen zu müssen. Nur wenn dieses Recht offensichtlich nicht besteht, hat das Gericht den Antrag des Dritten als unzulässig zurückzuweisen.

19 Vor seiner Entscheidung hat das Gericht sämtlichen Gesellschaftern mit Aus-

nahme des oder der Antragsteller Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben6. Weicht das Gericht vom Antrag oder von der Person des Vorgeschlagenen ab oder entspricht es einer Einwendung nicht, so hat es seine tragenden Erwägungen im Bestellungsbeschluss, wenn auch nur knapp, bekanntzugeben7.

20 Bei Auswahl der Person des Notgeschäftsführers ist das Gericht nur an die ge-

setzlichen (§ 6 Rn 11 ff) und statutarischen (§ 6 Rn 33 ff) Eignungsvoraussetzungen gebunden; der Gesellschaftsvertrag bindet jedoch dann nicht, wenn dessen Einhaltung (zB Zugehörigkeit zu einer Familie) die Notbestellung ausschließen würde8.

1 OLG Frankfurt GmbHR 2006, 204, 205; OLG Frankfurt GmbHR 2011, 1151, 1152; OLG Zweibrücken GmbHR 2012, 691. 2 S. auch BayObLG GmbHR 1999, 1291, 1292; U/H/L/Paefgen § 6 Rn 87. 3 Hohlfeld GmbHR 1986, 182; vgl auch OLG Frankfurt GmbHR 2014, 929, 930 f, 934, das im Übrigen eine Beeinträchtigung gerade der Interessen des jeweiligen Antragstellers verlangt. 4 Näher hierzu Helmschrott ZIP 2001, 636 f; Kögel GmbHR 2012, 772, 774 ff; MünchKomm/Stephan/Tieves § 35 Rn 66 ff. 5 Näher Hohlfeld GmbHR 1986, 183; Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider § 6 Rn 99; s. auch OLG Frankfurt GmbHR 2014, 929, 931 ff (zur Frage der Antragsberechtigung der Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit Maßnahmen zur Vermögensabschöpfung). 6 BayObLG NJW 1981, 996. 7 BayObLG NJW 1981, 996. 8 BayObLG NJW 1981, 996.

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Das Gericht kann die Bestellung abhängig machen vom Einverständnis des vorgeschlagenen Notgeschäftsführers, dessen Versicherung nach § 39 Abs. 3 und der Zahlung eines Kostenvorschusses durch den Antragsteller1. c) Durch seinen Bestellungsbeschluss entscheidet das Amtsgericht über die Per- 21 son des Notgeschäftsführers, seine Vertretungsmacht und Geschäftsführungsbefugnis. Auch die Vertretungsmacht des Notgeschäftsführers ist unbeschränkbar (§ 37 Abs. 2), angeordnet werden kann nur Einzel- oder Gesamtvertretungsmacht; insoweit ist das Amtsgericht frei2. Trifft der Bestellungsbeschluss hierüber keine Bestimmung, so richtet sich die Vertretungsmacht des Notgeschäftsführers nach dem Gesellschaftsvertrag bzw nach dem Gesetz (§ 35 Abs. 2). Das Amtsgericht kann und muss3 die Geschäftsführungsbefugnis ausdrücklich auf den Bereich derjenigen Handlungen und Rechtsgeschäfte beschränken, deren Wahrnehmung im Interesse des Antragstellers unumgänglich ist4. Zur Einhaltung dieser internen Beschränkungen ist der Notgeschäftsführer der Gesellschaft gegenüber verpflichtet5. Sieht die Satzung die Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB vor, so kann auch der Notgeschäftsführer hiervon durch Gerichtsbeschluss befreit werden6. Um wirksam zu werden, muss der Bestellungsbeschluss dem bestellten Not- 22 geschäftsführer, allen in der Gesellschafterliste (§ 40 Abs. 1) eingetragenen Gesellschaftern und, sofern noch weitere Geschäftsführer vorhanden, der Gesellschaft bekanntgemacht werden7. Bekanntgabe gegenüber dem Antragsteller ist kein Wirksamkeitserfordernis. – Gegen den Bestellungsbeschluss ist die Beschwerde nach § 58 FamFG gegeben. Beschwerdeberechtigt sind die Gesellschaft, Geschäftsführer und Gesellschafter; in der Zweipersonen-Gesellschaft auch der abberufene Gesellschafter-Geschäftsführer, solange seine Anfechtungsklage gegen den Abberufungsbeschluss anhängig ist8. d) Stellung des Notgeschäftsführers: Zum Gesellschaftsorgan wird der bestellte 23 Notgeschäftsführer erst durch seine Annahme; hierzu ist niemand, auch nicht der Mehrheitsgesellschafter gezwungen9; eine dennoch vorgenommene Bestellung durch das Gericht ist rechtsfehlerhaft – der zu Unrecht Bestellte beschwer-

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OLG Frankfurt GmbHR 2001, 436, 437; LG Essen GmbHR 1991, 368. BayObLG GmbHR 1998, 1123, 1125. Hohlfeld GmbHR 1986, 182. BayObLG GmbHR 1998, 1123, 1126; LG Frankenthal GmbHR 2003, 586, 587. BayObLG GmbHR 1986, 190; s. aber auch Westermann FS Kropff, 1997, S. 691 ff. OLG Düsseldorf 3 Wx 239/00, GmbHR 2002, 158. Hohlfeld GmbHR 1986, 184; Kögel GmbHR 2012, 772, 775; aA Helmschrott ZIP 2001, 638; MünchKomm/Stephan/Tieves § 35 Rn 68. 8 BayObLG GmbHR 1998, 1123, 1124. 9 S. BGH GmbHR 1985, 149; KG GmbHR 2000, 660, 661 mit zustimmender Anm Hohlfeld; OLG Frankfurt GmbHR 2001, 436, 437; OLG Hamm GmbHR 1996, 210, 211.

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Vor § 35 | Geschäftsführerbestellung nach Eintragung der GmbH debefugt1. Erklärt wird die Annahme gegenüber den oben § 6 Rn 43 Genannten oder gegenüber dem Amtsgericht. Der Notgeschäftsführer ist als normaler Geschäftsführer, also ohne seine besondere Funktion zu kennzeichnen, ins Handelsregister einzutragen. Unabhängig von den Beschränkungen der Geschäftsführungsbefugnis (Rn 21) hat jeder Notgeschäftsführer die gesetzlichen Mindestpflichten wahrzunehmen (§§ 41, 43 Abs. 3; § 15a Abs. 1 InsO), es sei denn, seine Aufgabe ist zeitlich ganz eng begrenzt (zB Mitwirkung bei nur einem Geschäft mit dem Gesellschafter in der Einpersonen-Gesellschaft). 24 Die gerichtliche Bestellung und ihre Annahme begründen zugleich ein Ge-

schäftsbesorgungsverhältnis (§§ 611, 675 BGB) zwischen dem Notgeschäftsführer und der Gesellschaft2; gegen diese (nicht etwa gegen die Gesellschafter3 oder das Bundesland des Amtsgerichts) richtet sich sein Anspruch auf Vergütung und Ersatz angemessener barer Auslagen4. Bei einer vermögenslosen Gesellschaft wird deshalb der Antragsteller dem bestellten Notgeschäftsführer Zahlung einer Vergütung zusagen oder einen Vorschuss auf die Vergütung leisten müssen, um diesen zur Amtsübernahme zu veranlassen5; s. auch Rn 20. Über die Höhe der Vergütung haben sich der vorhandene Geschäftsführer bzw die Gesellschafter für die Gesellschaft zu verständigen. Andernfalls legt das Amtsgericht entsprechend § 85 Abs. 3 AktG Vergütung und Auslagen fest. Dem widerstreiten6 weder die fehlende Voraussetzung einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung an den Richter im FG-Verfahren noch die (in diesem Punkt irrelevanten) Strukturunterschiede zwischen AG und GmbH7. Andernfalls bliebe als zweckmäßige und sinnvolle Lösung nur § 612 Abs. 2 BGB mit der Konsequenz, dass der Notgeschäftsführer seine Vergütung nach § 316 BGB selbst bestimmen könnte8. Für die Gesellschaft ist das im Rahmen einer Prozessvorbereitung des Notgeschäftsführers entstandene Vergütungshonorar nicht im Kostenfestsetzungsverfahren erstattungsfähig9.

25 e) Bestellungsende: Das Amt des Notgeschäftsführers endet von selbst mit der

Erledigung seiner gerichtlich zugewiesenen Aufgabe10 oder mit dem Wegfall der

1 KG GmbHR 2000, 660 f. 2 OLG Hamm GmbHR 1996, 210, 211; Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider § 6 Rn 104. 3 BGH GmbHR 1985, 149. 4 AA Helmschrott ZIP 2001, 639 f: subsidiäre Haftung der Staatskasse; dagegen auch MünchKomm/Stephan/Tieves § 35 Rn 74. 5 OLG Frankfurt GmbHR 2001, 436, 437. 6 Entgegen BayObLG DB 1988, 1946: Zivilprozess gegen die Gesellschaft. 7 Wie hier Westermann FS Kropff, 1997, S. 687, 689; R/A/Altmeppen § 6 Rn 57; U/H/L/ Paefgen § 6 Rn 100. 8 So Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider § 6 Rn 105; R/S-L/Schmidt-Leithoff § 6 Rn 48. 9 OLG Karlsruhe GmbHR 2003, 39. 10 MünchKomm/Stephan/Tieves § 35 Rn 75.

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Vertretung der Gesellschaft | § 35

Vakanz (Rn 15), wenn also ein ordentlicher Geschäftsführer bestellt bzw im nachhinein sich die Existenz eines solchen herausstellt1 oder – bei nicht praktizierbarer Gesamtvertretung – durch Satzungsänderung Einzelvertretung eingeführt worden ist2. Die Gesellschaftergesamtheit hat weder die Möglichkeit, den Notgeschäftsführer nach § 38 Abs. 2 aus wichtigem Grunde vorzeitig abzuberufen3, noch gar die zum freien Widerruf nach § 38 Abs. 14. Ein freies Abberufungsrecht hat auch nicht das Amtsgericht; es ist auf die Abberufung aus wichtigem Grunde beschränkt5, braucht dafür aber keinen Antrag eines Beteiligten, weil es schon für die Auswahl des Notgeschäftsführers verantwortlich war und weiter bleibt6. Allerdings kann ein Gesellschafter die Abberufung aus wichtigem Grunde beantragen7; diesem Antrag kann das Amtsgericht nur durch Bestellung eines anderen Notgeschäftsführers entsprechen8. – Die Beendigung des Amtes ist zur Eintragung ins Handelsregister anzumelden (§ 39 Abs. 1).

7. Prozesspfleger Ist die Gesellschaft verklagt, aber nicht ordnungsgemäß vertreten, so muss ihr 26 der Vorsitzende des Prozessgerichts auf Antrag einen Prozesspfleger bestellen, falls mit dem Verzug Gefahr verbunden ist (§ 57 Abs. 1 ZPO)9. Dieser besondere Vertreter hat nicht die Stellung eines Notgeschäftsführers, so dass es im Einzelfall notwendig werden kann, neben dem Prozesspfleger noch einen Notgeschäftsführer zu bestellen. Zum Verhältnis von Prozesspfleger, Verfahrenspfleger und Notgeschäftsführer zueinander s. Rn 15.

§ 35 Vertretung der Gesellschaft (1) Die Gesellschaft wird durch die Geschäftsführer gerichtlich und außergerichtlich vertreten. Hat eine Gesellschaft keinen Geschäftsführer (Führungslosigkeit), wird die Gesellschaft für den Fall, dass ihr gegenüber Wil1 BayObLG GmbHR 1999, 1292, 1294. 2 Für einen konstitutiven Gerichtsentscheid auch in diesen Fällen: Westermann FS Kropff, 1997, S. 687. 3 OLG München GmbHR 1994, 259. 4 AA Hohlfeld GmbHR 2002, 158, 162. 5 OLG Düsseldorf GmbHR 2002, 158. 6 Ebenso U/H/L/Paefgen § 6 Rn 98. 7 BayObLG DB 1978, 2166. 8 OLG Düsseldorf GmbHR 1997, 549, 550. 9 S. für Fälle des Prozesses der Gesellschaft gegen einen ihrer Geschäftsführer Bergwitz GmbHR 2008, 225, 228.

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§ 35 | Vertretung der Gesellschaft lenserklärungen abgegeben oder Schriftstücke zugestellt werden, durch die Gesellschafter vertreten. (2) Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, sind sie alle nur gemeinschaftlich zur Vertretung der Gesellschaft befugt, es sei denn, dass der Gesellschaftsvertrag etwas anderes bestimmt. Ist der Gesellschaft gegenüber eine Willenserklärung abzugeben, genügt die Abgabe gegenüber einem Vertreter der Gesellschaft nach Absatz 1. An die Vertreter der Gesellschaft nach Absatz 1 können unter der im Handelsregister eingetragenen Geschäftsanschrift Willenserklärungen abgegeben und Schriftstücke für die Gesellschaft zugestellt werden. Unabhängig hiervon können die Abgabe und die Zustellung auch unter der eingetragenen Anschrift der empfangsberechtigten Person nach § 10 Abs. 2 Satz 2 erfolgen. (3) Befinden sich alle Geschäftsanteile der Gesellschaft in der Hand eines Gesellschafters oder daneben in der Hand der Gesellschaft und ist er zugleich deren alleiniger Geschäftsführer, so ist auf seine Rechtsgeschäfte mit der Gesellschaft § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuchs anzuwenden. Rechtsgeschäfte zwischen ihm und der von ihm vertretenen Gesellschaft sind, auch wenn er nicht alleiniger Geschäftsführer ist, unverzüglich nach ihrer Vornahme in eine Niederschrift aufzunehmen. Abs. 1 Satz 2 eingefügt, Abs. 2 neu gefasst, Abs. 3 aF aufgehoben und amtliche Überschrift ergänzt durch MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl I 2026); der bisherige Abs. 4 (dessen Satz 1 durch die Novelle von 1980 und Satz 2 durch das Gesetz zur Durchführung der 12. RL vom 18.12.1991, BGBl I 2206, eingefügt worden sind) wurde zu Abs. 3. 1. 2. 3. 4.

Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . Vertretererklärung . . . . . . . . . . Umfang der Vertretungsmacht . . Missbrauch der Vertretungsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Gesetzliche Gesamtvertretung . . 6. Statutarisch geregelte Vertretung 7. Passivvertretung durch Gesellschafter bei Führungslosigkeit . .

. . .

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. 22 . 26 . 36

8. Zustellungen an inländische Geschäftsanschrift . . . . . . . . . . . . . . 9. Passivvertretung durch zusätzliche empfangsberechtigte Person mit inländischer Anschrift . . . . . . . . . 10. In-Sich-Geschäfte . . . . . . . . . . . . 11. Wissens-, Irrtums- und Verhaltenszurechnung . . . . . . . . . . . . .

46 49 50 58

. 43

1. Überblick 1 Der oder die Geschäftsführer (im Folgenden: der Geschäftsführer) sind das not-

wendige und zugleich einzige Vertretungsorgan der Gesellschaft; nur durch ihn ist die Gesellschaft (vorbehaltlich der sektoral begrenzten Ersatzverantwortlichkeiten der Gesellschafter in führungslosen Gesellschaften) handlungsfähig und kann im Rechtsverkehr auftreten. Deshalb hat der Geschäftsführer organschaft-

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liche Vertretungsmacht1 und nicht bloß rechtsgeschäftliche2. – Nach der Auflösung der Gesellschaft richtet sich die Vertretungsmacht der Liquidatoren nach der Spezialvorschrift des § 68. – In vereinzelten Ausnahmefällen wurde die Gesellschaft schon vor dem Inkrafttreten des MoMiG (1.11.2008) nicht durch den Geschäftsführer, sondern durch ein anderes Gesellschaftsorgan vertreten (Rn 11, 17, 19 und 20 ff). Darüber hinaus hat das MoMiG in führungslosen Gesellschaften (zum Begriff Rn 44) eine Ersatzverantwortlichkeit der Gesellschafter zum Empfang von Willenserklärungen und Schriftstücken (Passivvertretung) eingeführt (§ 35 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 und 3; s. Rn 43 ff); es hat außerdem die Möglichkeit zur Eintragung einer empfangsberechtigten Person (§ 10 Abs. 2 Satz 2; s. § 10 Rn 9) für die Abgabe von Willenserklärungen gegenüber der Gesellschaft und die Zustellung von Schriftstücken geschaffen (§ 35 Abs. 2 Satz 4; s. Rn 49). Die organschaftliche Alleinzuständigkeit des Geschäftsführers schließt die Ertei- 2 lung rechtsgeschäftlicher Vertretungsmacht an Prokuristen3 oder Handlungsbevollmächtigte4 nicht aus. Problematisch ist indes die Erteilung einer Generalvollmacht. Der BGH5 hat wiederholt entschieden, die Befugnis des Geschäftsführers einer GmbH zur organschaftlichen Willensbildung und -erklärung und die damit verbundene Verantwortung seien unübertragbar; wegen dieses Verbots der umfassenden Übertragung der organschaftlichen Vertretungsmacht könne der Geschäftsführer seine Vertretungsmacht nicht im Ganzen durch einen anderen ausüben lassen. Das schließe es aber nicht aus, eine weitreichende Generalvollmacht als (zulässige) Generalhandlungsvollmacht nach § 54 HGB anzusehen, die „auf ein Handeln in (Unter-)Vollmacht des oder der Geschäftsführer“ gerichtet sei6. Zweifellos kann ein Geschäftsführer seine Befugnisse und Pflichten nicht in einer Weise auf einen Dritten übertragen, dass dieser ihn ersetzt und von seiner Organverantwortung befreit. Die dem Geschäftsführer zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung gesetzlich zugewiesenen Pflichtaufgaben (zu ihnen § 37 Rn 5) können nicht einmal durch Satzungsbestimmung einer anderen gesellschaftsinternen Stelle (zB Beirat) übertragen werden (näher § 37 Rn 12 ff). Es bleibt indes zulässig, einen Dritten (auch einen externen, zB Interim Manager7) bei der Wahrnehmung der Geschäftsführungsaufgaben hinzuzuziehen. 1 2 3 4 5

Fundamentalkritisch Beuthien NJW 1999, 1142. Zur Unterscheidung und ihrer Bedeutung: K. Schmidt GesR S. 254 ff. Dazu BGH GmbHR 1987, 301. BGH GmbHR 2008, 1316, 1317. BGH GmbHR 2002, 972; BGH NJW 1977, 199 f; s. auch KG GmbHR 1991, 579; OLG Frankfurt GmbHR 2012, 751, 753; OLG Naumburg GmbHR 1994, 556; LG Köln NJW-RR 2001, 1692 f; ferner BFH GmbHR 2002, 803, 805. 6 BGH GmbHR 2002, 972, 973. 7 Dazu eingehend Uffmann Interim Management, 2015, S. 360 ff, 441 ff.

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§ 35 | Vertretung der Gesellschaft Der Geschäftsführer kann ihm zu diesem Zweck Vollmachten erteilen, auch (vorbehaltlich der vom Geschäftsführer höchstpersönlich wahrzunehmenden Aufgaben, zB Unterzeichnung des Jahresabschlusses nach § 245 HGB) eine umfassende Generalvollmacht. Die rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht des Dritten tritt dann neben die (fortbestehende) organschaftliche Vertretungsmacht des Geschäftsführers, der auch nicht aus seiner Organverantwortung entlassen wird1. Die Erteilung der Generalvollmacht bedarf freilich (intern) eines zustimmenden Gesellschafterbeschlusses (entspr § 46 Nr. 7) und muss widerruflich ausgestaltet sein; die Tätigkeit des Dritten ist vom Geschäftsführer zu überwachen2. 3 § 35 Abs. 1 Satz 1 regelt, dass der Geschäftsführer die Gesellschaft nach außen

gegenüber Dritten mit bindender, verfügender oder gestaltender Wirkung vertreten kann; demgegenüber bestimmt § 37, ob, inwieweit und unter welchen Voraussetzungen der Geschäftsführer dies auch im Innenverhältnis zur Gesellschaft, ihren Organen und zu den Gesellschaftern darf (s. noch Rn 20). § 35 Abs. 2 Satz 1 befasst sich mit der (Gesamt-)Vertretung der Gesellschaft im Allgemeinen (Rn 26 ff), während § 35 Abs. 2 Satz 2 eine Bestimmung zur (Einzel-) Vertretung bei Abgabe einer Willenserklärung gegenüber der Gesellschaft im Besonderen trifft (Rn 27 und 45). § 35 Abs. 2 Satz 3 enthält eine (mit dem MoMiG eingeführte) unwiderlegliche Vermutung der Erreichbarkeit der Empfangsvertreter der Gesellschaft unter der im Handelsregister eingetragenen Geschäftsanschrift, sofern dort überhaupt Empfangsvorkehrungen vorgehalten werden (näher Rn 46 ff).

4 § 35 Abs. 3 (früher Abs. 4) ordnet den Sonderfall eines In-Sich-Geschäfts zwi-

schen der Gesellschaft und ihrem Alleingesellschafter, der zugleich Geschäftsführer ist (Rn 50 ff). Die Ordnungsvorschrift des früheren § 35 Abs. 3 ist mit dem MoMiG aufgehoben worden (vgl Rn 6).

2. Vertretererklärung 5 Erklärungen des Geschäftsführers müssen, damit sie für und gegen die Gesell-

schaft wirken, in deren Namen abgegeben werden. Das war im früheren § 36 Halbsatz 1 ausdrücklich ausgesprochen, ergibt sich jedoch schon aus den allgemeinen Grundsätzen des Vertretungsrechts (§ 164 Abs. 1 BGB). § 36 aF wurde deshalb zu Recht durch Art. 1 Nr. 25 MoMiG mit Wirkung zum 1.11. 2008 gestrichen.

1 Zum Verantwortlichkeitsgefüge näher Uffmann Interim Management, S. 382 ff. 2 Zum Ganzen zutreffend schon Geitzhaus GmbHR 1989, 229, 230 ff; B/H/Zöllner/Noack Rn 76; Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 18 ff; ebenso Uffmann Interim Management, S. 368 ff, 377 ff.

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Zur schriftlichen Geschäftsführererklärung enthielt § 35 Abs. 3 aF eine besonde- 6 re, im Zuge des MoMiG gestrichene Ordnungsvorschrift: Zeichnung in der Weise, dass die Zeichnenden zur Firma der Gesellschaft ihre Namensunterschrift beifügen. Selbstverständlich waren und sind auch mündliche Erklärungen des Geschäftsführers wirksam, soweit nicht durch Gesetz oder Vereinbarung nach § 127 BGB eine andere Form vorgeschrieben ist. Im Gesellschaftsvertrag kann eine Form (Schriftform usw) der einzelnen Erklärung nur als Anweisung an den Geschäftsführer mit Innenwirkung vorgeschrieben werden; die Form der rechtsgeschäftlichen Erklärung nach außen richtet sich nach BGB. Dasselbe gilt für den Inhalt der Vertretererklärung: Der Geschäftsführer muss 7 seine Vertreterstellung aufdecken (§ 164 BGB). Wie in § 36 Halbsatz 2 aF (mit dem MoMiG aufgehoben; s. Rn 5) festgestellt, ist aber gleichgültig, ob der Geschäftsführer ausdrücklich im Namen der Gesellschaft auftritt, oder ob die Umstände ergeben, dass das Geschäft für die Gesellschaft vorgenommen werden soll. Statt Zeichnung mit der Firma oder mit Firmenstempel und Unterschrift bei schriftlichen Erklärungen1 kann sogar die bloße Namenszeichnung des Geschäftsführers ohne Hinweise auf die Gesellschaft diese nach den Grundsätzen über unternehmensbezogenes Handeln verpflichten2. Wenn der Geschäftsführer hinreichend deutlich macht, dass er für ein Unternehmen auftritt, kommt es nicht mehr darauf an, dass er dabei die Gesellschaft firmenrechtlich korrekt bezeichnet3. Daneben ist persönliche (ggf gesamtschuldnerische4) Haftung des handelnden5 Geschäftsführers möglich, falls der Erklärungsgegner darauf vertrauen durfte, mit einem unbeschränkt haftenden Unternehmensträger abzuschließen6; vgl auch § 5a Rn 57 ff. Im Wechsel- und Scheckverkehr muss aus der Urkunde oder den Umständen 8 der Begebung deutlich werden, dass der Geschäftsführer für die Gesellschaft gehandelt hat. Bei einem vom Alleingesellschafter und -geschäftsführer auf sein Privatkonto gezogenen und ohne Vertretungszusatz unterschriebenen Scheck wird die Gesellschaft daher nicht schon deshalb nach den Grundsätzen für un1 OLG Köln GmbHR 2000, 383, 384. 2 BGH BB 1990, 653, 654 = GmbHR 1990, 212; BGH GmbHR 1991, 360 f; OLG Düsseldorf GmbHR 2011, 767, 768; OLG Köln GmbHR 1994, 123; OLG Naumburg GmbHR 1997, 445; OLG Hamm GmbHR 1998, 890 – Firmengruppe; OLG Hamm VersR 2001, 978, 979; anders aber OLG Düsseldorf GmbHR 2003, 295. 3 Näher K. Schmidt HandelsR, 6. Aufl 2014, S. 142 ff; Tiedtke GmbHR 1995, 336; s. auch OLG München NZG 2000, 1037. 4 BGH GmbHR 1990, 212. 5 BGH ZIP 1996, 1512. 6 BGH BB 1990, 653, 654 = GmbHR 1990, 212; dies gilt für alle Vertreter der Gesellschaft, nicht nur für den Geschäftsführer, BGH GmbHR 1991, 360, 361; bestätigend BGH ZIP 1996, 1512; BGH GmbHR 2007, 593 Rn 14; BGH GmbHR 2012, 953 Rn 9; s. auch OLG Köln GmbHR 2002, 1074, 1075 allgemein zur Abgrenzung zwischen Eigen- und Vertretergeschäft.

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§ 35 | Vertretung der Gesellschaft ternehmensbezogenes Handeln verpflichtet, weil der Scheck zur Begleichung von Gesellschaftsschulden begeben wird1.

3. Umfang der Vertretungsmacht 9 a) Grundsätze: Die Vertretungsmacht des Geschäftsführers ist in ihrem Umfang

grundsätzlich unbeschränkt (zu bestimmten Grenzen Rn 11, 17, 19 und 20 f) und überhaupt nicht beschränkbar (arg § 37 Abs. 2; s. aber auch § 37 Rn 2 aE): weder durch Gesellschaftsvertrag noch durch Gesellschafterbeschluss oder Anstellungsvertrag2 etc. Das gilt für die Abgabe von Willenserklärungen für die Gesellschaft (Aktivvertretung) ebenso wie für die Entgegennahme von an die Gesellschaft gerichteten Erklärungen (Passivvertretung, arg § 35 Abs. 2 Satz 2)3. Überdies erstreckt sich die Vertretungsmacht auf Prozesshandlungen (Rn 12), geschäftsähnliche Handlungen wie die Mahnung und Realakte (zB Inbesitznahme einer an die Gesellschaft übereigneten Sache). Diese unbeschränkte und unbeschränkbare Vertretungsmacht des Geschäftsführers ist im Interesse des europaweiten Rechtsverkehrs notwendig. Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Geschäftsführers beeinträchtigt die Vertretungsmacht nicht4. – Der Wirksamkeit der Geschäftsführererklärung steht nicht entgegen, dass sie außerhalb des statutarischen Unternehmensgegenstandes der Gesellschaft (§ 3 Rn 9) liegt5 oder diese gar schädigt. Insofern stellt sich zunächst nur die Frage, ob der Geschäftsführer diese Erklärung im Innenverhältnis zur Gesellschaft abgeben durfte (§ 37 Rn 3 ff) oder ob er damit pflichtwidrig (§ 43 Abs. 1) handelte. Erst wenn das so ist, stellt sich die Folgefrage, ob dem Geschäftsführer nach den Grundsätzen über den Missbrauch der Vertretungsmacht (Rn 22 ff) diese ausnahmsweise für die konkrete Erklärung gefehlt haben sollte.

10 Vertreten wird die Gesellschaft durch den Geschäftsführer bei allen Geschäften

mit Dritten6, also auch bei der Erteilung von Vollmachten (§ 167 BGB) einschließlich der Bestellung von Prokuristen und General(handlungs)bevollmächtigten; § 46 Nr. 7 weist den Gesellschaftern lediglich die gesellschaftsinterne Entscheidungszuständigkeit zu (s. Rn 2 und § 46 Rn 32 f). Innerhalb der Geschäftsführervertretungsmacht liegen Beteiligungserwerb und Gründung von Tochtergesellschaften7. – Dritte können ebenfalls Gesellschafter, Geschäftsführer

1 BGH GmbHR 1992, 298; OLG Brandenburg GmbHR 1998, 742. 2 BFH GmbHR 1993, 239; Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 26. 3 BGH NJW 2003, 3270 bejaht Zugang eines Schriftstückes an die Gesellschaft auch dann, wenn es in ein privates Postfach des Geschäftsführers gelegt wird. 4 OLG Düsseldorf GmbHR 2011, 252. 5 OLG München GmbHR 1992, 533, 534; R/A/Altmeppen Rn 17; B/H/Zöllner/Noack Rn 80. 6 Kunden, Lieferanten, Arbeitnehmern, Kreditgebern, Prozessvertretern; OLG München GmbHR 1992, 533. 7 BGH GmbHR 1979, 245.

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(näher Rn 11) und andere Organmitglieder sein, wenn die Gesellschaft mit ihnen ein Geschäft (zB Kauf- oder Mietvertrag) wie mit einem Außenstehenden abschließen soll (Außengeschäfte); freilich ist hierbei mit Sorgfalt auf das Verbot des Selbstkontrahierens (Rn 50 ff) und auf die Grundsätze zum Missbrauch der Vertretungsmacht (Rn 22 ff) zu achten. – Zur organschaftlichen Vertretungsmacht des Geschäftsführers bei gesellschaftsinternen Innengeschäften s. Rn 19. Bei Rechtsgeschäften mit dem Geschäftsführer1 ist zu unterscheiden: Bei Ver- 11 kehrsgeschäften wird die Gesellschaft auch ihm gegenüber durch den anderen Geschäftsführer (arg § 181 BGB) vertreten. Bei Abschluss, Änderung, Kündigung und einvernehmlicher Aufhebung des Anstellungsvertrags2 sowie sonstigen Vereinbarungen im Zusammenhang mit dem Anstellungsverhältnis3 wird die Gesellschaft indes durch die Gesellschafterversammlung oder ein anderes (nach Gesetz oder Gesellschaftsvertrag) für die Anstellung zuständiges Organ (zB Beirat oder Aufsichtsrat4) vertreten. Beim Abschluss von Kreditverträgen zwischen Gesellschaft und einem Geschäftsführer vertreten die übrigen Geschäftsführer unbeschadet der gesellschaftsinternen Entscheidungszuständigkeit (s. § 43a Rn 2) die Gesellschaft. Dagegen sind die Gesellschafter zur Vertretung berufen, wenn die Kreditvergabe Teil (§ 139 BGB) des Anstellungsverhältnisses ist. – Zur Vertretung der Gesellschaft im Prozess mit einem Geschäftsführer s. Rn 17. b) Prozessvertretung: Der Geschäftsführer vertritt die Gesellschaft ebenfalls ge- 12 richtlich, dh in den Verfahren aller Gerichtsbarkeiten, in denen die Gesellschaft als Klägerin, Beklagte, Beteiligte (§ 10 FamFG) oder Betroffene nach OWiG auftritt (zu den Ausnahmen Rn 17). Zustellungen an die Gesellschaft sind deshalb an die Geschäftsführer als gesetzliche Vertreter (Zustelladressaten) zu richten (§ 170 Abs. 1 ZPO), wobei Zustellung an einen Geschäftsführer genügt (§ 170 Abs. 3 ZPO). Nach den einschlägigen gesetzlichen Vorgaben (vgl §§ 182 Abs. 2 Nr. 1, 130 13 Nr. 1, 253 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 ZPO) scheint wirksame Zustellung die namentliche Benennung der gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft vorauszusetzen (in diesem Sinne noch 16. Aufl Rn 6), doch legt die Rechtsprechung insoweit sehr großzügige Maßstäbe an: So lässt es der II. ZS des BGH, wenn an die gesetzlichen Vertreter einer AG in deren Geschäftslokal zugestellt werden soll, genügen, dass die Gesellschaft in der Zustellungsurkunde bezeichnet wird; Vorstandsmitglieder bräuchten nicht aufgeführt zu werden, weil bei der Zustellung im Geschäftslokal als Zustellungsempfänger nur die Mitglieder des Vorstands in Be1 S. Gach/Pfüller GmbHR 1998, 64; MünchKomm/Stephan/Tieves Rn 99 ff. 2 BGH WM 1991, 852 = GmbHR 1991, 363; OLG Düsseldorf ZIP 1993, 1547, 1550 = GmbHR 1994, 247; Baums ZGR 1993, 148; näher U/H/L/Hüffer/Schürnbrand § 46 Rn 61 f und Anh zu § 6 Rn 6. 3 OLG Nürnberg GmbHR 1999, 344. 4 Dazu BGH GmbHR 1984, 151.

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§ 35 | Vertretung der Gesellschaft tracht kämen1. Auch der X. ZS des BGH sieht (im Fall einer GmbH & Co KG) jedenfalls die namentliche Benennung der gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft als entbehrlich an: Adressierung an die Gesellschaft, „vertreten durch die Geschäftsführer“, reiche aus2. Und das OLG München hat für das GmbH-Recht ähnlich entschieden: Die gesetzlichen Vertreter bräuchten nicht „zur Gänze“ als Zustellungsadressaten aufgeführt zu werden, wenn das Geschäftslokal als Zustellungsadresse genannt sei, alle gesetzlichen Vertreter an diesem Ort ihrer Tätigkeit für die Gesellschaft auch tatsächlich nachgingen und damit „als Zustellungsempfänger“ real in Betracht kämen3. – Zu den daraus zu ziehenden Folgerungen bei Zustellungen an die gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft unter der eingetragenen inländischen Geschäftsanschrift (§§ 8 Abs. 4 Nr. 1, 35 Abs. 2 Satz 3) s. Rn 48. 14 Eidesstattliche Versicherungen (§§ 807, 883 Abs. 2 ZPO) haben für die Gesell-

schaft jene Geschäftsführer abzugeben, die im Zeitpunkt des Abgabetermins die Gesellschaft vertreten; dieser Verpflichtung kann sich ein Geschäftsführer nicht durch Amtsniederlegung, Abberufung oÄ entziehen, wenn die Amtsaufgabe hierauf abzielt4.

15 Im Prozess der Gesellschaft können amtierende Geschäftsführer nicht als Zeu-

ge, sondern nur als Partei vernommen werden5. Anders ehemalige Geschäftsführer: Sie sind Zeugen und können nach § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO das Zeugnis verweigern, falls die Gesellschafter sie nicht nach § 385 Abs. 2 ZPO von der Verschwiegenheitspflicht entbunden haben; in Aktivprozessen gegen Gesellschafter oder Geschäftsführer (§ 46 Nr. 8) liegt diese Freistellung in der notwendigen (s. § 46 Rn 42 f) Zustimmung der Gesellschafter zur Prozessführung6.

16 Die Geschäftsführer können einen Gesellschafter ermächtigen, den Anspruch

der Gesellschaft im Wege der Prozessstandschaft, also im eigenen Namen geltend zu machen. Hierfür braucht der Gesellschafter allerdings ein eigenes schutzwürdiges Interesse an der Durchsetzung von Gesellschaftsrechten; dazu wird eine Allein- oder dem nahekommende Beteiligung des Gesellschafters an der Gesellschaft erforderlich sein7.

17 Beschränkt ist die gerichtliche Vertretungsmacht im Prozess der Gesellschaft

gegen einen Geschäftsführer. Hat die Gesellschaft einen Aufsichtsrat, so liegt die Prozessvertretung bei diesem (§ 52 Abs. 1, § 112 AktG), damit eine unbefangene 1 2 3 4 5

BGHZ 107, 296, 299. BGH NJW 1993, 2811, 2813. OLG München GmbHR 2004, 584, 586. OLG Hamm GmbHR 1985, 219. OLG Koblenz WM 1987, 481; zur Rechtsmissbräuchlichkeit einer Abberufung aus diesem Grund s. Schmitz GmbHR 2000, 1140, 1143. 6 Hommelhoff EWiR 1987, 514. 7 S. BGH WM 1986, 1201.

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und von sachfremden Erwägungen freie Vertretung der Gesellschaft rechtsklar sichergestellt ist1. Diese liegt deshalb nicht nur gegenüber einem amtierenden Geschäftsführer beim Aufsichtsrat, sondern auch gegenüber einem ehemaligen Geschäftsführer2. – In der aufsichtsratsfreien Gesellschaft entscheiden die Gesellschafter nach Maßgabe von § 46 Nr. 8 über die Prozessvertretung der Gesellschaft3; s. zu den (strittigen) Einzelheiten § 46 Rn 42 ff. Zur Vertretung der Gesellschaft im Prozess um die Wirksamkeit der Abberu- 18 fung eines Geschäftsführers § 38 Rn 24. Zu ihrer Prozessvertretung bei Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen Anh zu § 47 Rn 31. c) Innengeschäfte: Umstritten ist die Vertretungsmacht des Geschäftsführers 19 bei den Geschäften, die das Innenverhältnis der GmbH betreffen, also Zustimmung zur Veräußerung nach § 15 Abs. 5, Erwerb und Veräußerung eigener Geschäftsanteile, Einziehung von Geschäftsanteilen, Verpflichtung zur Satzungsänderung und Abschluss des Übernahmevertrages bei der Kapitalerhöhung nach § 55. Innengeschäfte, bei denen nur die Gesellschafter (oder ein von ihnen Bevollmächtigter) die Gesellschaft vertreten, sind jedenfalls der Abschluss des Übernahmevertrages bei der Kapitalerhöhung nach § 554 und die Verpflichtung zur Satzungsänderung5. Die anderen Fälle werden kontrovers erörtert6. Von besonderer Wichtigkeit ist die Frage nach der Vertretungsmacht für die Zustimmung nach § 15 Abs. 5 (s. § 15 Rn 77 ff). Die Problematik ist systematisch von Bedeutung; praktisch muss, wer Vertretungsmacht des Geschäftsführers bejaht, die Grundsätze über den Missbrauch der Vertretungsmacht berücksichtigen7, so dass sich die Ergebnisse häufig nicht wesentlich unterscheiden dürften. d) Bei den mitwirkungsbedürftigen Vertretungsgeschäften hat der Geschäfts- 20 führer zwar organschaftliche Vertretungsmacht, kann die Gesellschaft aber nur auf der Grundlage eines wirksamen Gesellschafterbeschlusses vertreten. Als Wirksamkeitsvoraussetzung stellt der Gesellschafterbeschluss sicher, dass der Gesellschafterwille auch noch bei Ausführung des Entscheids präzise eingehalten und verwirklicht wird, ohne dass die Gesellschafter bei der Ausführung selbst tätig werden müssen. Umgekehrt können die Gesellschafter den Geschäftsführer nicht aus seiner organschaftlichen Vertretungsmacht entsetzen 1 2 3 4 5

BGH WM 1990, 630, 631; Bergwitz GmbHR 2008, 225, 230 f. BGH GmbHR 2004, 259, 260. BGH NZG 2016, 429 Rn 13 mwN = GmbHR 2016, 545. Unstreitig: BGHZ 49, 117, 119; s. § 55 Rn 34. In diesem Sinne auch die hM: RGZ 162, 374 (für die oHG); B/H/Zöllner/Noack Rn 93 f; aA Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 47: mitwirkungsbedürftiges Vertretungsgeschäft (unten Rn 21). 6 S. einerseits Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 54, andererseits MünchKomm/Stephan/Tieves Rn 98; B/H/Zöllner/Noack Rn 92, je mwN. 7 So etwa OLG Hamburg GmbHR 1992, 609 und Rn 22 ff.

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§ 35 | Vertretung der Gesellschaft und selbst die Gesellschaft vertreten; insofern muss der Geschäftsführer die Gesellschafter bevollmächtigen (§ 167 BGB). 21 Zu solchen mitwirkungsbedürftigen Vertretungsgeschäften des Geschäftsführers

zählen zB: Abschluss des Verschmelzungsvertrages nach §§ 4 ff UmwG; Abschluss eines Organschafts- (dh Gewinnabführungs- und/oder Beherrschungs-) Vertrages mit einer abhängigen GmbH (Anh zu § 13 Rn 48); für die Verpflichtung der Gesellschaft zur Satzungsänderung (§ 53 Rn 37 ff) s. Rn 19.

4. Missbrauch der Vertretungsmacht 22 Nach diesen Grundsätzen ist eine konkrete Erklärung, die der Geschäftsführer

im Rahmen seiner an sich nach Rn 9 f bestehenden Vertretungsmacht abgibt oder entgegennimmt, ausnahmsweise mit der Folge unwirksam, dass die Erklärung nicht für und gegen die Gesellschaft wirkt. Sie ist vielmehr nach §§ 177 ff BGB schwebend unwirksam1. Denn beim Missbrauch der Vertretungsmacht ist der Geschäftsgegner weder schutzbedürftig noch -würdig. – Die Erklärung kann von anderen Geschäftsführern innerhalb ihrer Vertretungsmacht nach pflichtgemäßem Ermessen oder von den Gesellschaftern durch Erklärung gegenüber dem zunächst pflichtwidrig handelnden Geschäftsführer (s. aber § 177 Abs. 2 BGB) oder gegenüber dem Geschäftsgegner der Gesellschaft genehmigt werden.

23 Voraussetzung eines Missbrauchs ist auf Seiten des Geschäftsführers eine ledig-

lich objektive Pflichtverletzung im Verhältnis zur Gesellschaft bzw zu den Gesellschaftern, zB verbotenes oder gegen den Gesellschaftszweck (§ 1 Rn 2) verstoßendes2 oder in die Entscheidungszuständigkeit aller Gesellschafter fallendes3 oder mutmaßlich von ihnen nicht gebilligtes4 Geschäft5. Weiteres ist nicht erforderlich, also weder ein Schaden der Gesellschaft noch subjektive Momente bei dem Geschäftsführer, wie etwa bewusstes Handeln zum Nachteil der Gesellschaft6. 1 Heute hM; s. OLG Hamm NZG 2006, 827, 828 f; OLG Stuttgart NZG 1999, 1009 f = GmbHR 1999, 1295; Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 200; U/H/L/Paefgen § 37 Rn 92; MünchKomm/Stephan/Tieves § 37 Rn 176 ff mwN; anders noch BGHZ 50, 112, 114: Dem Dritten kann die Gesellschaft die exceptio doli (§ 242 BGB) entgegensetzen; offener BGH GmbHR 1984, 96: Der Geschäftsgegner kann hieraus keine Rechte oder Einwendungen herleiten. 2 RGZ 145, 311. 3 BGH GmbHR 1988, 260; OLG Koblenz ZIP 1990, 1570, 1572 und 1575 = GmbHR 1991, 264. 4 BGH GmbHR 1984, 96; kritisch gegenüber der Mutmaßlichkeit Roth ZGR 1985, 275. 5 BGH GmbHR 1996, 111, 113. 6 BGH GmbHR 1996, 111, 113; BGH GmbHR 2006, 876, 877; B/H/Zöllner/Noack § 37 Rn 48; R/A/Altmeppen § 37 Rn 43; Brandes WM 1998, 13: Überschreitung der Geschäftsführungsbefugnis; Steinbeck WM 1999, 891; aA OLG München GmbHR 1996, 207; Vedder GmbHR 2008, 736: Vorsatz; Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 199: grob anstößiges Geschäftsführerverhalten erforderlich.

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Auf Seiten des Geschäftsgegners muss die objektive Pflichtwidrigkeit des Ge- 24 schäftsführerhandelns für jedermann klar und sofort erkennbar auf der Hand liegen (Evidenz)1; bloß fahrlässige Unkenntnis der Pflichtwidrigkeit genügt schon deshalb nicht, weil andernfalls der Geschäftsgegner die Vertretungsmacht des Geschäftsführers positiv prüfen müsste2. Objektiver Evidenz steht die positive Kenntnis des Geschäftsgegners gleich, wobei die Grundsätze der Wissenszurechnung (s. Rn 58 ff) Anwendung finden3. Der Nachweis von Kenntnis als eine innere Tatsache wird der Gesellschaft nur schwer gelingen. Möglich und ausreichend zur Ermittlung des Kenntnisstands des Geschäftsgegners soll es daher sein, Umstände festzustellen, die den Schluss hierauf zulassen4. Sollte der Geschäftsgegner mit dem Geschäftsführer zum Nachteil der Gesellschaft zusammengewirkt haben (Kollusion)5, so ist das Geschäft trotzdem nicht nach §§ 138, 826 BGB nichtig6, sondern schwebend unwirksam und damit für die Gesellschaft genehmigungsfähig (Rn 22)7. Ist der Geschäftsgegner eines Verkehrsgeschäfts Gesellschafter oder Organmit- 25 glied (Geschäftsführer, Aufsichtsratsmitglied etc), so ist der Grundsatz der Unbeschränkbarkeit der Vertretungsmacht gegenüber Dritten (§ 37 Abs. 2) nicht etwa unanwendbar8. Da hier der Verkehrsschutzgedanke keine oder allenfalls eine zurückgenommene Rolle spielt, genügt für den Missbrauch der Vertretungsmacht jedoch statt Evidenz9, dass sich der Pflichtverstoß des Geschäftsführers aus dem Gesellschaftsvertrag ergibt10. Wenn der Pflichtverstoß aus einem einfachen Weisungsbeschluss der Gesellschafter (§ 37 Abs. 1) oder eines anderen weisungsbefugten Organs folgt, kommt es darauf an, ob der Geschäftsgegner 1 BGHZ 113, 315, 320; OLG Stuttgart NZG 1999, 1009, 1010 = GmbHR 1999, 1295; OLG Stuttgart DB 2009, 445, 446; OLG Stuttgart GmbHR 2013, 535, 541; John GmbHR 1983, 91; MünchKomm/Stephan/Tieves § 37 Rn 174 f und 182 ff mwN. 2 BGH NJW-RR 1989, 642: „ersichtlich verdächtiges“ Verhalten erforderlich. 3 OLG Hamm GmbHR 2011, 1099. 4 BGH NZG 2004, 139, 140 mit Hinweis auf BVerfG NJW 1993, 2165. 5 OLG Hamm GmbHR 1997, 999, 1000. 6 Anders die hM; BGH GmbHR 2014, 421 Rn 10; BGH NZG 2004, 139, 140; BGH WM 1988, 1381; K. Schmidt GesR S. 259 f; Hüffer/Koch § 82 AktG Rn 6; MünchKomm/Stephan/Tieves § 37 Rn 180. 7 Wie hier U/H/L/Paefgen § 37 Rn 95; B/H/Zöllner/Noack § 37 Rn 50; Lieder JuS 2014, 681, 685 f; vgl auch BGH GmbHR 1984, 96 und OLG Hamburg GmbHR 1992, 609. 8 So aber BGH GmbHR 1997, 836, 837: Keine Anwendung des § 37 Abs. 2 auf Rechtsbeziehungen, die Gesellschaft mit einem Gesellschafter eingehe; wie der BGH etwa OLG Stuttgart GmbHR 2013, 535, 541; Henssler/Strohn/Oetker § 37 GmbHG Rn 19; U/H/L/ Paefgen § 37 Rn 73; Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 30; B/H/Zöllner/ Noack § 35 Rn 85 f und § 37 Rn 41; im Ansatz wie hier hingegen R/A/Altmeppen § 37 Rn 48; MünchKomm/Stephan/Tieves § 37 Rn 168. 9 Demgegenüber am Erfordernis der Evidenz festhaltend R/A/Altmeppen § 37 Rn 48, jedoch mit der Einschränkung, sie sei im Zweifel zu vermuten. 10 BGHZ 38, 26, 32; OLG Zweibrücken NZG 2001, 763.

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§ 35 | Vertretung der Gesellschaft die Weisung kennen musste1; insoweit sind Rechtssicherheit und Vertrauensschutz des Gesellschafters/Organmitglieds nachrangig. – Diese Grundsätze gelten auch für Rechtsgeschäfte innerhalb des Konzerns2.

5. Gesetzliche Gesamtvertretung 26 a) Nach der dispositiven (Rn 36 ff) Vorschrift des § 35 Abs. 2 Satz 1 müssen alle

amtierenden Geschäftsführer einschließlich der stellvertretenden (§ 44 Rn 1) zusammenwirken, um die Gesellschaft aktiv zu vertreten: mehrere Geschäftsführer sind (wenn der Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt) nur gemeinschaftlich zur Aktivvertretung befugt. Die Zahl der mitwirkungsbedürftigen Geschäftsführer bestimmt sich nach der Zahl der in jenem Moment vorhandenen, da die Willenserklärung abgegeben wird: Bei vier Geschäftsführern müssen diese vier zusammenwirken; bei nur einem Geschäftsführer hat dieser Alleinvertretungsmacht. Sind von mehreren Geschäftsführern alle bis auf einen ausgeschieden (etwa durch Abberufung oder Tod), so wird, wenn nach der Satzung die Möglichkeit besteht, auch nur einen Geschäftsführer zu bestellen, aus der bisherigen Gesamtvertretungsmacht Alleinvertretungsmacht des Verbliebenen3 – und umgekehrt4: mit der Bestellung eines weiteren Geschäftsführers wird der vorhandene Alleingeschäftsführer zum Gesamtvertreter5. Bloße tatsächliche Verhinderung des Gesamtvertreters führt nicht zur Alleinvertretungsmacht des erreichbaren Geschäftsführers6. Fällt bei statutarisch angeordneter Geschäftsführung durch zwei Geschäftsführer mit Gesamtvertretung der zweite Geschäftsführer weg, muss ein neuer, notfalls im Wege der Notbestellung (Vor § 35 Rn 13), berufen werden7; s. Rn 38.

27 Passivvertreter ist jeder amtierende Geschäftsführer allein (§ 35 Abs. 2 Satz 2,

§ 170 Abs. 3 ZPO). Im Interesse des Rechts- und Geschäftsverkehrs ist diese Bestimmung zwingend und erfasst über Willenserklärungen hinaus auch geschäftsähnliche Handlungen wie Mahnung, Mängelanzeige etc8. Passivvertreter der Gesellschaft ist außerdem jeder Prokurist. Beschränkung auf Entgegennahme bestimmter Erklärungen ist bei Prokuraerteilung unwirksam (arg § 50 HGB);

1 Ähnlich MünchKomm/Stephan/Tieves § 37 Rn 168 f. 2 OLG Frankfurt GmbHR 1989, 255; OLG Koblenz GmbHR 1991, 264, 268; MünchKomm/Stephan/Tieves § 37 Rn 169. 3 BGH GmbHR 2007, 824, 825; OLG Schleswig GmbHR 2011, 253, 254 f. 4 OLG Köln NZG 1999, 773. 5 B/H/Zöllner/Noack Rn 103. 6 BGHZ 34, 27, 29. 7 OLG Schleswig GmbHR 2011, 253, 254; Goette DStR 1998, 939; aA B/H/Zöllner/Noack Rn 103; zur möglichen Anscheinsvollmacht in solchen Fällen OLG Rostock GmbHR 2002, 974. 8 R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 49.

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anders aber, wenn der Geschäftsführer bei Abgabe eines Angebots festlegt, dass dies nur ihm gegenüber angenommen werden kann1. Zur Ersatzverantwortlichkeit jedes Gesellschafters in einer führungslosen Gesellschaft s. Rn 43 ff. b) Erklärung der Gesamtvertreter: Für ihr notwendiges Zusammenwirken bei 28 der Aktivvertretung stehen den Geschäftsführern vier Rechtsformen zur Verfügung: (1) Gemeinsame Abgabe einer einheitlichen Erklärung, zB das von beiden Ge- 29 schäftsführern unterschriebene Angebot der Gesellschaft2. (2) Abgabe von getrennten Teilerklärungen der einzelnen Geschäftsführer; dabei 30 genügt bloße Bezugnahme des einen Geschäftsführers auf die Erklärung des anderen (etwa: Geschäftsführer A übergibt dem X schriftliches Angebot des Geschäftsführers B mit dem Bemerken, hiermit bietet die Gesellschaft … an), es sei denn, die Erklärung wäre formbedürftig (zB Einigung nach §§ 20, 29 GBO): dann müssen sämtliche Teilerklärungen je für sich die Form wahren. Ist nur eine Teilerklärung unwirksam, so ist es auch die Gesamterklärung der Gesamtvertreter3. (3) Ein Geschäftsführer gibt die Erklärung ab, welcher die Mitgeschäftsführer 31 entsprechend § 183 BGB zuvor zugestimmt haben (Einwilligung) oder die sie entsprechend § 177 Abs. 1 BGB genehmigen, und zwar gegenüber dem erklärenden Geschäftsführer oder gegenüber dem Erklärungsempfänger (§ 182 Abs. 1 BGB analog) und in vertretungsberechtigter Anzahl (unter Einrechnung des die Erklärung abgebenden Geschäftsführers)4. Mit der Genehmigung wird die Erklärung auch dann wirksam, wenn jener Geschäftsführer, der die Erklärung zunächst abgab, diese später widerruft5. Eine Genehmigung allein durch die Gesellschafter ist nicht möglich6. Auf einseitige Rechtsgeschäfte (zB Kündigung) ist § 180 BGB entsprechend anzuwenden. (4) Ermächtigung unter Gesamtvertretern7: Die bloß mit Gesamtvertretungs- 32 macht ausgestatteten Geschäftsführer können sich (durch Erklärung in vertretungsberechtigter Anzahl) untereinander8 mit der Folge ermächtigen, dass die 1 So auch Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 61. 2 Speziell zur Ausübung des arbeitsrechtlichen Direktionsrechts van Venrooy GmbHR 2001, 7. 3 BGHZ 53, 210, 215. 4 Blasche/König NZG 2013, 1412, 1418; U/H/L/Paefgen Rn 111. 5 B/H/Zöllner/Noack Rn 119; Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 100; aA BGH LM § 164 BGB Nr. 15. 6 BGH AG 1972, 350; U/H/L/Paefgen Rn 112; Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 98; MünchKomm/Stephan/Tieves Rn 162; aA Blasche/König NZG 2013, 1412, 1417 f. 7 Dazu Schwarz NZG 2001, 530 ff und Schwarz ZGR 2001, 744 ff. 8 Davon zu unterscheiden ist eine einzelfallbezogene Ermächtigung durch die Gesellschafter im Rahmen eines Gesellschafterbeschlusses; s. OLG München ZIP 2011, 2466, 2468; Blasche/König NZG 2013, 1412, 1414 ff.

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§ 35 | Vertretung der Gesellschaft Ermächtigenden bei der Abgabe der Vertretererklärung nicht mehr mitzuwirken brauchen (§ 78 Abs. 4 Satz 1 AktG analog). Die Ermächtigung befreit den ermächtigten Geschäftsführer von der „Mitwirkungslast“ der ermächtigenden Geschäftsführer, so dass für den Ermächtigten dessen organschaftliche Gesamtvertretungs- zu Alleinvertretungsmacht erstarkt1; eine nachträgliche Ermächtigung ist möglich2. Die Ermächtigung ist gegenüber dem zu ermächtigenden Geschäftsführer oder dem Dritten (§ 167 Abs. 1 BGB entsprechend) selbst dann formfrei zu erklären, wenn die vom Ermächtigten für die Gesellschaft abzugebende Erklärung formbedürftig ist (entsprechend § 167 Abs. 2 BGB)3; daher genügt auch eine konkludente Ermächtigung4. Eine formunwirksame Teilerklärung oder Zustimmung (Rn 30 f) kann in eine formwirksame Ermächtigung unter den Voraussetzungen des § 140 BGB umgedeutet werden5. Geben zwei Gesamtvertreter gemeinsam eine Vertragserklärung ab und verstößt die Mitwirkung des einen gegen § 181 BGB, so soll dessen Erklärung nicht in eine Ermächtigung des anderen Geschäftsführers zur Alleinvertretung umgedeutet werden können6. 33 Die (nicht eintragungsfähige, vgl § 39 Rn 4) Ermächtigung kann nur für be-

stimmte Geschäfte oder für bestimmte Arten von Geschäften erteilt werden (§ 78 Abs. 4 Satz 1 AktG analog), also nicht unbeschränkt für alle Geschäfte schlechthin7. Andernfalls könnten die Geschäftsführer ihre von § 35 Abs. 2 Satz 1 beabsichtigte gegenseitige Kontrolle, die nur zur Disposition der Gesellschafter steht (Rn 37), selbst vollständig ausschalten8. Daher ist auch eine gegenseitige Ermächtigung der Geschäftsführer des Inhalts unwirksam, dass jeder Geschäftsführer sein Ressort nach außen allein vertreten solle9. Anders wird man nur dort entscheiden können, wo die sich derart wechselseitig ermächtigenden Geschäftsführer zugleich die Gesellschafter der GmbH sind10. Eine zu weit gehende Ermächtigung lässt sich aus Gründen der Rechtssicherheit und des Schutzes der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter auch nicht in den Grenzen des

1 BGHZ 64, 72, 75; BGH GmbHR 1992, 107; näher Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 93; s. noch B/H/Zöllner/Noack Rn 120; aA Schwarz NZG 2001, 535 f: Ausübungsermächtigung. 2 S. R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 44. 3 Vgl BGH WM 1982, 426. 4 OLG München GmbHR 2013, 1208, 1209. 5 R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 44. 6 BGH GmbHR 1992, 107 f. 7 Näher Schwarz ZGR 2001, 756 ff. 8 BGH GmbHR 1979, 272. 9 BGH GmbHR 1988, 101; G/E/S/Buck-Heeb Rn 45; B/S/Jacoby Rn 27; U/H/L/Paefgen Rn 116; MünchKomm/Stephan/Tieves Rn 157; B/H/Zöllner/Noack Rn 121; aA R/A/Altmeppen Rn 64; Henssler/Strohn/Oetker Rn 55; Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 95; Schwarz ZGR 2001, 766 ff. 10 So OLG München GmbHR 2013, 1208, 1209; zustimmend U/H/L/Paefgen Rn 116.

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noch Zulässigen aufrechterhalten. Allerdings ist die vom unwirksam ermächtigten Geschäftsführer abgegebene Erklärung bloß schwebend unwirksam und kann von den übrigen Geschäftsführern noch genehmigt werden (Rn 31)1. – Im Übrigen steht es den Geschäftsführern entsprechend § 167 BGB frei, wie sie die Ermächtigung inhaltlich ausgestalten und an welche Voraussetzungen sie sie knüpfen wollen (zB Zustimmung des Beirats); § 37 Abs. 2 soll insoweit keine Anwendung finden2. – Für einseitige Erklärungen gilt § 182 Abs. 3 BGB entsprechend3. Nach den Grundsätzen Rn 33 trägt der Geschäftspartner der Gesellschaft das Ri- 34 siko, ob die Ermächtigung wirksam ist und ob sich der ermächtigte Geschäftsführer in den Grenzen seiner Ermächtigung hält. Trotz einer erteilten Ermächtigung kann der Geschäftspartner zu seiner Sicherheit die Teilerklärung oder Genehmigung nach Rn 30 f verlangen und sollte dies bei bedeutsamen Geschäften auch. – Nach den Regeln zur Anscheins- und Duldungsvollmacht ist der Geschäftspartner nur begrenzt geschützt. Tritt nämlich von mehreren Gesamtvertretern einer ohne hinreichende Vertretungsmacht allein auf, so ist die Gesellschaft nicht schon deshalb nach diesen Regeln an dessen Erklärung gebunden, weil die Gesellschaft vom Auftreten dieses Gesamtvertreters weiß. Vielmehr muss zur Kenntnis der Entschluss zumindest eines anderen Gesamtvertreters hinzukommen, gegen die Verhaltensweise dieses Gesamtvertreters, der außerhalb seiner Vertretungsbefugnis handelt, nicht einzuschreiten4. Die Ermächtigung unter Gesamtvertretern kann jederzeit, frei und ohne Angabe 35 von Gründen durch einseitige Erklärung des ermächtigenden Geschäftsführers widerrufen werden5; haben mehrere Geschäftsführer einen Geschäftsführer ermächtigt, genügt der Widerruf nur eines ermächtigenden6, um die Alleinvertretungsmacht des ermächtigten Geschäftsführers entfallen zu lassen. Widerrufsadressat ist der ermächtigte Geschäftsführer. Falls die Tatsache der Ermächtigung von dem ermächtigenden Geschäftsführer einem Dritten mitgeteilt worden ist, bleibt sie diesem gegenüber entsprechend § 171 Abs. 2 BGB solange bestehen, bis der ermächtigende Geschäftsführer dem Dritten den Widerruf kundgegeben hat7.

1 Ebenso MünchKomm/Stephan/Tieves Rn 157; aA B/H/Zöllner/Noack Rn 121: Wirksamkeit im Außenverhältnis. 2 Vgl BGH WM 1982, 426; R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 45: Ermächtigungsumfang variabel; Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 95. 3 R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 46. 4 BGH GmbHR 1988, 101. 5 MünchKomm/Stephan/Tieves Rn 160; näher Schwarz ZGR 2001, 774 ff. 6 U/H/L/Paefgen Rn 120 mwN. 7 U/H/L/Paefgen Rn 120.

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§ 35 | Vertretung der Gesellschaft 6. Statutarisch geregelte Vertretung 36 a) Die dispositive Aktivvertretung der Gesellschaft nach dem Gesetz ist nur sel-

ten sachgerecht und wird daher zumeist in der Form der Alleinvertretung, der echten Gesamtvertretung (Rn 38) oder unechten Gesamtvertretung (Rn 39 ff) abweichend geregelt. Ins Handelsregister müssen dazu zur Unterrichtung von Dritten ausreichende, inhaltlich dem Gesellschafterbeschluss entsprechende1 Angaben eingetragen werden2. Die einzelnen Vertretungsformen lassen sich personell kombinieren3: Alleinvertretungsmacht für A, echte Gesamtvertretungsmacht für B und C, unechte Gesamtvertretungsmacht für B (hier kann B die Gesellschaft zusammen mit C oder mit A oder zusammen mit einem Prokuristen vertreten; demgegenüber kann C nur zusammen mit A oder B auftreten). Auch ist die Festlegung konkreter, namentlich benannter Vertretungspaare unter Gesamtvertretern möglich4 (nur A zusammen mit C oder B mit D). Dagegen gibt es keine sachlichen Abstufungen (für Geschäfte über 5 000 Euro oder im Ausland Gesamtvertretungsmacht, im Übrigen Alleinvertretungsmacht), weil dies zu Lasten des Verkehrs und der Rechtssicherheit gehen würde5. Deshalb ist es gleichfalls unzulässig, einzelne Vertretungsformen von bestimmten Voraussetzungen abhängig zu machen (zB Alleinvertretungsmacht, falls der andere gesamtvertretungsberechtigte Geschäftsführer verhindert ist). – Keinem Geschäftsführer, auch nicht einem stellvertretenden, kann die Vertretungsmacht völlig entzogen werden6; eine solche Regelung ist unwirksam und wird (freilich nur für diesen Geschäftsführer) durch die gesetzliche Bestimmung aus § 35 Abs. 2 Satz 1 ersetzt: Gesamtvertretungsmacht zusammen mit allen anderen Geschäftsführern. Die Bestimmung einer „Befugnis zur alleinigen Vertretung“ soll missverständlich und daher nicht eintragungsfähig sein7. – Die Passivvertretung nach § 35 Abs. 2 Satz 2 ist unabänderlich (Rn 27).

37 b) Abänderbar ist die gesetzliche Aktivvertretung allein durch den Gesellschafts-

vertrag; entweder durch eine eigene Regelung in ihm selbst (zB: jeder Geschäftsführer vertritt die Gesellschaft allein) oder – erheblich flexibler – durch eine Ermächtigung an ein Gesellschaftsorgan8, die Vertretung zu regeln (etwa: die Form der Vertretung bestimmt der Beirat). Ermächtigt werden können die Gesellschafter, die hierüber dann mit einfacher Mehrheit (§ 47 Abs. 1) beschließen9, oder ein 1 2 3 4 5 6 7

LG Neubrandenburg NotBZ 2000, 199. BGHZ 63, 261, 264. Goette DStR 1998, 943. U/H/L/Paefgen Rn 97. U/H/L/Paefgen Rn 99; Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 109. B/H/Zöllner/Noack Rn 108. OLG Zweibrücken GmbHR 1993, 97; OLG Naumburg GmbHR 1994, 119; aA Kanzleiter DNotZ 1993, 201; s. auch § 10 Rn 6. 8 BGH NJW 1975, 1741; OLG Düsseldorf GmbHR 1991, 20. 9 Vgl BGH DB 1988, 1944 = GmbHR 1988, 337.

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Aufsichtsrat oder Beirat; nicht die Geschäftsführer selbst1: Gesamtvertretung ist ein Instrument gegenseitiger Geschäftsführungskontrolle (Rn 33); auf seinen Einsatz können die Gesellschafter zwar verzichten, nicht aber die Entscheidung darüber den Geschäftsführern überlassen2; andernfalls würden die Kontrollierten selbst über ihre Kontrolle befinden. Der Umfang der Ermächtigung steht im Belieben des Satzungsgebers (zB für alle Geschäftsführer, für den Inhaber eines bestimmten Ressorts oder für einen namentlich genannten Geschäftsführer). Das ermächtigte Gesellschaftsorgan ist an den durch die Satzung gegebenen Rahmen gebunden; es darf die Vertretungsbefugnis nicht darüber hinaus erweitern, aber auch keine zusätzlichen Restriktionen vornehmen3. Eine Vertretungsregelung ohne oder außerhalb der Ermächtigung ist ohne Einhaltung der für eine Satzungsänderung geltenden Formvorschriften unwirksam4 und wird durch die des § 35 Abs. 2 Satz 1 ersetzt (Rn 36 aE)5. – Die vom ermächtigten Organ bestimmte Vertretung ist ins Handelsregister einzutragen (§ 39 Abs. 1). c) Echte Gesamtvertretung ist angeordnet, wenn die Gesellschaft nur durch zwei 38 (oder mehr) Geschäftsführer gemeinschaftlich vertreten werden kann; Zahl ist festzuschreiben, andernfalls gilt § 35 Abs. 2 Satz 1. Fällt ein Geschäftsführer fort, so erwirbt der verbliebene Geschäftsführer (anders als bei der gesetzlichen Gesamtvertretung, wenn die Satzung auch die Möglichkeit der Bestellung nur eines Geschäftsführers vorsieht6; s. Rn 26) nicht etwa automatisch Alleinvertretungsmacht7; hier muss entweder ein neuer Geschäftsführer (oder Notgeschäftsführer, Vor § 35 Rn 13 ff) bestellt oder die Vertretungsmacht des verbliebenen nach den Regeln oben Rn 37 abgeändert werden. – Echte Gesamtvertretung lässt sich auch in der Weise anordnen, dass ein Geschäftsführer Alleinvertretungsmacht hat, während der andere Geschäftsführer nur zusammen mit diesem handeln kann8. 1 Streitig; wie hier MünchKomm/Stephan/Tieves Rn 136; aA U/H/L/Paefgen Rn 93a; Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 106, je mwN. 2 BGH GmbHR 1988, 101. 3 Letzteres ist allerdings streitig: wie hier LG Mönchengladbach RNotZ 2009, 350, 351; DNotI DNotI-Report 2015, 44, 45; U/H/L/Paefgen Rn 93a; aA Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 104; MünchKomm/Stephan/Tieves Rn 134. 4 BGH GmbHR 1993, 497; OLG Hamm GmbHR 1992, 807; aA wohl OLG Hamburg GmbHR 1988, 67; zur Möglichkeit von Satzungsdurchbrechungen vgl § 53 Rn 27. 5 Frenzel GmbHR 2011, 515, 518. 6 So im Fall BGH GmbHR 2007, 824, 825; s. dazu auch MünchKomm/Stephan/Tieves Rn 140. 7 Zutreffend B/S/Jacoby Rn 30; Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 119: nur wenn Satzung Anhaltspunkte für eine solche Auslegung bietet; aA aber MünchKomm/ Stephan/Tieves Rn 144: Alleinvertretungsbefugnis des verbleibenden Geschäftsführers nur dann ausgeschlossen, wenn Satzung ausdrücklich bestimmt, dass Gesellschaft durch mindestens zwei (oder mehr) Geschäftsführer vertreten wird; ebenso R/A/Altmeppen Rn 47 f; s. zum Ganzen Buß GmbHR 2002, 374 ff. 8 RGZ 90, 23.

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§ 35 | Vertretung der Gesellschaft 39 d) Bei unechter Gesamtvertretung wird die Gesellschaft organschaftlich durch

Geschäftsführer zusammen mit einem Prokuristen vertreten, § 78 Abs. 3 Satz 1 AktG analog; Ermächtigung (Rn 32 ff) entsprechend § 78 Abs. 4 Satz 2 AktG. Auch die Anordnung unechter Gesamtvertretung bedarf einer entsprechenden Grundlage im Gesellschaftsvertrag; die Anordnung (echter) Gesamtvertretung genügt hierfür nicht1; denn auch insofern entscheiden die Gesellschafter, wem sie inwieweit Vertrauen schenken wollen. – Dem Prokuristen darf keine Vetoposition zufallen. Deshalb ist die Anordnung unechter Gesamtvertretung unzulässig, wenn die Gesellschaft nur einen (nicht wenigstens auch alleinvertretungsbefugten) Geschäftsführer hat2. Ebenso unzulässig ist jede andere Regelung, nach der die organschaftliche Vertretung der Gesellschaft nicht ohne Mitwirkung eines Prokuristen möglich ist. Der Registerrichter muss die Anmeldung nach § 39 zurückweisen. Eine solche Vertretungsregelung ist, auch wenn sie eingetragen wird, unwirksam3. Der Prokurist kann dann (nur, aber immerhin) als rechtsgeschäftlicher Vertreter agieren, unterliegt als solcher freilich den Beschränkungen aus § 49 HGB. Wo es organschaftlicher Vertretung bedarf, ist ggf ein Notgeschäftsführer zu bestellen4. Der Rechtsverkehr kann hier nicht über eine analoge Anwendung von § 15 HGB geschützt werden5, weil das Vertrauen in eine per se unzulässige Vertretungsregelung nicht geschützt ist. Anders liegen die Dinge dort, wo unechte Gesamtvertretung angeordnet ist, die Gesellschaft daneben aber auch durch mehrere Geschäftsführer (echte Gesamtvertretung) vertreten werden kann. Eine solche Vertretungsregelung ist zulässig. Fallen dann von mehreren zu echten Gesamtvertretern berufenen Geschäftsführen bis auf einen alle weg und kommt (angesichts der Satzungsgestaltung) auch eine Alleinvertretungsbefugnis des verbleibenden Geschäftsführers nicht in Betracht, so wird der Rechtsverkehr durch § 15 Abs. 1 HGB geschützt6: So lange nicht bekanntgemacht worden ist, dass echte Gesamtvertretung nicht mehr möglich ist, können gutgläubige Dritte darauf vertrauen, dass die unechte Gesamtvertretung nach wie vor zulässig und wirksam angeordnet ist.

40 In ihrem Umfang entspricht die unechte Gesamtvertretungsmacht des Prokuris-

ten, weil organschaftliche, der eines Geschäftsführers und ist nicht nach § 49 Abs. 1, 2 HGB beschränkt7. Daher kann jemandem, der nicht Prokurist ist (zB Handlungsbevollmächtigter, Gesellschafter oder sonstiges Organmitglied), keine unechte Gesamtvertretungsmacht eingeräumt werden.

1 Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 111 (ergänzende zusätzliche Satzungsbestimmung); aA R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 57: lediglich praktische Erleichterung. 2 OLG Schleswig GmbHR 2011, 253, 254. 3 Anders hier bis zur 17. Aufl, Rn 39 im Anschluss an Scholz/Uwe H. Schneider 9. Aufl, Rn 72: Zwar unzulässige, aber gleichwohl wirksame Anordnung organschaftlicher unechter Gesamtvertretung, um den Rechtsverkehr zu schützen. 4 U/H/L/Paefgen Rn 105. 5 So aber R/A/Altmeppen Rn 72. 6 U/H/L/Paefgen Rn 105; MünchKomm/Stephan/Tieves Rn 127. 7 BGHZ 13, 61, 64 f.

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Von der organschaftlichen ist die rechtsgeschäftliche Gesamtvertretungsmacht 41 des Prokuristen (§ 49 HGB) zu unterscheiden. Die Ausübung der rechtsgeschäftlichen Vertretungsmacht kann an die Mitwirkung eines Geschäftsführers gebunden werden; dann kommt es nicht darauf an, welchen Inhalt die organschaftliche Vertretungsmacht des Geschäftsführers (Allein- oder echte [und unechte] Gesamtvertretungsmacht) hat1. Für diese Ausgestaltung der Gesamtprokura (§ 48 Abs. 2 HGB) bedarf es keiner Regelung oder Ermächtigung im Gesellschaftsvertrag. e) Die Vertretungsmacht der Geschäftsführer ist ins Handelsregister einzutra- 42 gen: § 10 Abs. 1 Satz 2 und dazu, auch zum Fall der Gesellschaftsgründung im vereinfachten Verfahren (Musterprotokoll) nach § 2 Abs. 1a, die Erläuterungen § 10 Rn 6 f.

7. Passivvertretung durch Gesellschafter bei Führungslosigkeit § 35 Abs. 1 Satz 2 idF des MoMiG hat mit Wirkung ab 1.11.2008 eine Ersatzver- 43 antwortlichkeit jedes Gesellschafters einer führungslosen GmbH bzw UG (haftungsbeschränkt) eingeführt: Ist der führungslosen Gesellschaft gegenüber eine Willenserklärung abzugeben oder sind ihr Schriftstücke zuzustellen, so wird sie durch die Gesellschafter vertreten (Passivvertretung). In diesem Sinne vertretungsbefugt sind die nach § 16 Abs. 1 mit Eintragung in der zum Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste legitimierten2, bei unrichtiger Gesellschafterliste aber auch die wahren Gesellschafter3. Auf die Kenntnis der Gesellschafter von der Führungslosigkeit kommt es nicht an4. Die Ersatzverantwortlichkeit der Gesellschafter führungsloser Gesellschaften ist unabhängig von der Höhe ihrer Beteiligung5, besteht jedoch nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen: Neben der Passivvertretung nach § 35 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 betrifft das die Pflicht zur Stellung des Insolvenzantrags gemäß § 15a Abs. 3 InsO (dazu Anh zu § 64 Rn 56 f); ferner: § 10 Abs. 2 Satz 2 InsO (Anhörung im Insolvenzverfahren) und § 15 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 InsO (Insolvenzantragsrecht). Zur Prozessführung berechtigt die Ersatzverantwortlichkeit der Gesellschafter indes nicht6; zur Erlangung der Prozessfähigkeit 1 BGH ZIP 1987, 372 f; R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 59; kritisch B/H/Zöllner/Noack Rn 113. 2 Wie hier U/H/L/Paefgen Rn 140. 3 B/S/Jacoby Rn 47; wie dieser U. Stein FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 1207, 1214; MünchKomm/Stephan/Tieves Rn 244; U/H/L/Paefgen Rn 140. 4 R/A/Altmeppen Rn 11; B/S/Jacoby Rn 45; Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 76. 5 Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 76. 6 BGH GmbHR 2011, 83 Rn 13; BFH GmbHR 2013, 167 Rn 11 f.

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§ 35 | Vertretung der Gesellschaft bedarf es der Bestellung eines Prozesspflegers (§ 57 Abs. 1 ZPO; s. Vor § 35 Rn 26)1 bzw eines Notgeschäftsführers (s. Vor § 35 Rn 13 ff). 44 Führungslosigkeit liegt vor, wenn die Gesellschaft keinen Geschäftsführer (oder

Liquidator2) hat: Etwa wenn keiner der (formell bestellten) Geschäftsführer rechtswirksam in das Amt berufen worden ist (zB weil ein Bestellungsverbot vorlag), wenn der einzige Geschäftsführer stirbt oder alle abberufen werden, ihr Amt niederlegen oder aus anderem Grund (zB bei nach der Bestellung eintretender Amtsunfähigkeit) aus dem Amt ausscheiden und jeweils kein neuer Geschäftsführer (wirksam) bestellt wird. Unerreichbarkeit eines wirksam bestellten Geschäftsführers („unbekannter Aufenthalt“) macht die Gesellschaft nicht führungslos3; ebenso wenig ein rechtswirksam bestellter, aber faktisch unfähiger und/oder unwilliger „Strohmanngeschäftsführer“. Andererseits ist eine Gesellschaft im Rechtssinne auch dann führungslos, wenn die Bestellung ihres einzigen Geschäftsführers nichtig ist, der Betreffende die Geschäfte aber gleichwohl faktisch führt4. Auch steht es der Führungslosigkeit (und damit der Ersatzverantwortlichkeit der Gesellschafter) nicht entgegen, wenn die früheren Geschäftsführer noch im Handelsregister eingetragen sind5; zugunsten gutgläubiger Dritter wirkt dann zudem § 15 Abs. 1 HGB6. Die Führungslosigkeit dauert an, bis wenigstens ein Geschäftsführer (Liquidator) wirksam (neu) bestellt wird7.

45 Für die Abgabe von Willenserklärungen gegenüber führungslosen Gesellschaf-

ten besteht passive Einzelvertretungsmacht des einzelnen Gesellschafters: § 35 Abs. 2 Satz 2; entsprechend verhält es sich für die Zustellung von Schriftstücken nach § 170 Abs. 3 ZPO. Zustellung kann aber daran scheitern, dass die Gesellschaft unter ihrer Geschäftsanschrift keine Empfangsvorkehrungen mehr unterhält (s. Rn 47 f) und eine aktuelle (Privat-)Adresse des Gesellschafters nicht be-

1 K. Schmidt GmbHR 2011, 113, 114 f. 2 Wicke Rn 26. 3 AG Hamburg ZIP 2009, 333; AG Potsdam ZIP 2013, 1638; ebenso etwa Berger ZInsO 2009, 1977, 1980 f; Brand/Brand NZI 2010, 712, 714; B/S/Jacoby Rn 45; Henssler/ Strohn/Oetker Rn 31; Römermann NZI 2010, 241, 243; anders bei „endgültigem Abtauchen“ des Geschäftsführers K. Schmidt FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 1157, 1160; U/H/L/ Paefgen Rn 130; ähnlich Passarge GmbHR 2010, 295, 297; Passarge/Brete ZInsO 2011, 1293, 1297 ff: wenn Geschäftsführer „handlungsunwillig“, „nachrichtenlos abgetaucht“ oder „nachhaltig nicht erreichbar“ bzw „planvoll unerreichbar“ sei; Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 74 wollen „mehrmonatige Weltreise“ genügen lassen. 4 Ebenso R/A/Altmeppen Rn 10; B/S/Jacoby Rn 44; U/H/L/Paefgen Rn 131; insoweit aA Schmahl NZI 2008, 6, 7; Berger ZInsO 2009, 1977, 1981; Brand/Brand NZI 2010, 712, 714 f. 5 Horstkotte ZInsO 2009, 209, 211. 6 U/H/L/Paefgen Rn 129; K. Schmidt FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 1157, 1162; B/H/Zöllner/Noack Rn 105a. 7 Vor dessen Eintragung wirkt ggf wieder § 15 Abs. 1 HGB; B/H/Zöllner/Noack Rn 105a.

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kannt ist1; denn in die Gesellschafterliste nach § 40 Abs. 1 Satz 2 ist zwingend nur der Wohnort aufzunehmen.

8. Zustellungen an inländische Geschäftsanschrift Abgabe von Willenserklärungen und Zugang von Schriftstücken können an den 46 Geschäftsführer (bei Führungslosigkeit: an jeden Gesellschafter) unter der gemäß § 8 Abs. 4 Nr. 1 in das Handelsregister eingetragenen inländischen Geschäftsanschrift (s. § 8 Rn 19 f) vorgenommen werden: § 35 Abs. 2 Satz 3 (idF des MoMiG; Übergangsvorschrift in § 3 Abs. 1 EGGmbHG). Zustellungen an die inländische Geschäftsanschrift sind allerdings nur möglich, 47 solange die Gesellschaft unter dieser Anschrift auch tatsächlich noch Empfangsvorkehrungen unterhält. Mit dem Zugang bzw der Zustellung unter der Geschäftsanschrift (vom Absender im Streitfall zu beweisen) haben dann die empfangsberechtigten Vertreter der Gesellschaft die unwiderleglich vermutete Möglichkeit der Kenntnisnahme. Sind jedoch die hier ehemals eingerichteten Geschäftsräume aufgegeben worden und ist selbst eine Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten (§ 180 ZPO) nicht möglich, können weder Willenserklärungen zugehen noch Schriftstücke zugestellt werden2. Dann aber können die (mit dem MoMiG ebenfalls geschaffenen) Erleichterungen öffentlicher Zustellungen nach § 15a HGB, § 185 Nr. 2 ZPO, § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwZG wirksam werden3. Die Inhaftierung des einzigen Geschäftsführers steht einer Zustellung an die Geschäftsanschrift aber noch nicht entgegen4. Auch Zustellungen unter der inländischen Geschäftsanschrift der Gesellschaft 48 sind Zustellungen an den oder die (typischerweise gesetzlichen) Vertreter der Gesellschaft als Zustellungsadressaten (§§ 170 Abs. 1, 171 ZPO), also an ihre Geschäftsführer oder (bei Führungslosigkeit) Gesellschafter (s. Rn 43 ff); eine Zustellung an die Gesellschaft als solche könnte nicht wirksam vorgenommen werden. In Konsequenz der oben Rn 13 skizzierten Rechtsprechungsgrundsätze ist die namentliche Benennung der gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft aber entbehrlich, weil – solange unter der eingetragenen inländischen Geschäftsanschrift überhaupt Empfangsvorkehrungen unterhalten werden – unwiderleglich vermutet wird, dass die gesetzlichen Vertreter unter dieser Anschrift er1 Kruck ZIP 2011, 1550, 1552. 2 Dazu Kruck ZIP 2011, 1550, 1552; Steffek BB 2007, 2077, 2078 ff; wie hier auch R/A/Altmeppen Rn 67; U/H/L/Paefgen Rn 150, 154; MünchKomm/Stephan/Tieves Rn 171; aA Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 63; S/I/Lücke/Simon Rn 45: wirksame Zustellung wegen zurechenbaren Rechtsscheins. 3 S. etwa Horstkotte ZInsO 2009, 209, 215 ff; Kleindiek in Goette/Habersack, Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, 2009, Kap. 8 Rn 48 ff; B/S/Jacoby Rn 48. 4 S. zum alten Recht BGH NJW-RR 2008, 1565.

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§ 35 | Vertretung der Gesellschaft reichbar sind, Willenserklärungen an sie abgegeben und Schriftstücke zugestellt werden können. Jedenfalls die Bezeichnung der Gesellschaft, ergänzt (bei Führungslosigkeit) um die Angabe „vertreten durch die Gesellschafter“, würde deshalb genügen. Da aber schon die Tatsache der Führungslosigkeit für die Zustellungsveranlasser nicht immer leicht zu erkennen ist, sollte für Zustellungen unter der inländischen Geschäftsanschrift (soweit die dortige Erreichbarkeitsvermutung schon greift: § 3 Abs. 1 EGGmbHG) die Bezeichnung der Gesellschaft als ausreichend und die zutreffende Bezeichnung ihrer gesetzlichen Vertreter als unerheblich angesehen werden1.

9. Passivvertretung durch zusätzliche empfangsberechtigte Person mit inländischer Anschrift 49 § 10 Abs. 2 Satz 2 gewährt der Gesellschaft (über die Rechtspflicht zur Anmel-

dung einer inländischen Geschäftsanschrift hinaus; s. Rn 46) die Option, eine für Willenserklärungen und Zustellungen empfangsberechtigte Person mit inländischer Anschrift in das Handelsregister eintragen zu lassen (s. § 10 Rn 9). Auch an die Anschrift dieses Empfangsberechtigten können gegenüber der Gesellschaft Willenserklärungen abgegeben und Schriftstücke zugestellt werden: § 35 Abs. 2 Satz 4. Dritten gegenüber gilt die Empfangsberechtigung als fortbestehend, bis sie im Handelsregister gelöscht und die Löschung bekannt gemacht worden ist, es sei denn, dass die fehlende Empfangsberechtigung dem Dritten bekannt war (§ 10 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2).

10. In-Sich-Geschäfte 50 Für In-Sich-Geschäfte zwischen Gesellschaft und Geschäftsführer ist zwischen

den Anforderungen für den Normalfall, wie sie sich aus der (rechtspolitisch nicht unumstrittenen2) Vorschrift des § 181 BGB ergeben, und den qualifizierten Anforderungen für den Gesellschafter-Geschäftsführer in der EinpersonenGesellschaft nach § 35 Abs. 3 (dazu Rn 53 ff) zu unterscheiden.

51 a) Für den Geschäftsführer als Vertreter der Gesellschaft gilt das allgemeine

Verbot des Selbstkontrahierens (§ 181 BGB). Deshalb kann ein Geschäftsführer ein eigenes Geschäft mit der Gesellschaft3 nur vornehmen, wenn dies der Er1 Ausführlicher Kleindiek in Goette/Habersack, Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, Kap. 8 Rn 45 f; zustimmend etwa B/S/Jacoby Rn 33; U/H/L/Paefgen Rn 153; K. Schmidt FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 1157, 1173. 2 Aus der Perspektive des Gesellschaftsrechts Hauschild ZIP 2014, 954, 957 ff; Willer/ Krafka NZG 2006, 495 ff. 3 Speziell zur GmbH & Co KG s. BGH GmbHR 2014, 817; KG GmbHR 2013, 204; Höpfner NZG 2014, 1174; Bacher/v. Blumenthal GmbHR 2015, 457.

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füllung einer bereits bestehenden Verbindlichkeit dient (zB Gehaltsauszahlung des Geschäftsführers an sich selbst) oder wenn das Geschäft für die Gesellschaft rechtlich nur vorteilhaft ist1. Dabei ist das In-Sich-Geschäft nach allgemeinen Grundsätzen nur wirksam, wenn es nach außen erkennbar vorgenommen worden ist2. Insoweit hatte der BGH bei In-Sich-Geschäften zwischen einer GmbH und ihrem Alleingesellschafter in einer älteren Entscheidung für den Regelfall verlangt, dass sich Zeitpunkt und Inhalt des Geschäfts aus schriftlichen Aufzeichnungen ergeben3; ein späteres Urteil ist in dieser Frage weit weniger streng4. Dient das Geschäft nicht der Erfüllung einer bereits bestehenden Verbindlichkeit oder ist es für die Gesellschaft nicht nur rechtlich vorteilhaft, so ist die Geschäftsführererklärung schwebend unwirksam5 und bedarf der Genehmigung durch die übrigen Geschäftsführer (§ 177 Abs. 1 BGB), die selbst die erforderliche Vertretungsmacht haben müssen6, oder durch die Gesellschafter (im Wege eines Mehrheitsbeschlusses nach § 47 Abs. 17 oder durch schlüssige Handlung aller Gesellschafter8 oder des Alleingesellschafters9). Gleiches gilt für die Erklärung eines gesamtvertretungsberechtigten Geschäftsführers; daran ändert sich auch nichts, wenn der ausgeschlossene Geschäftsführer den Mitgeschäftsführer ermächtigt (Rn 32 ff)10; andernfalls könnten die Geschäftsführer bei einem besonders gefährlichen Geschäft die vom Gesetz (§ 35 Abs. 2 Satz 1) oder vom Gesellschaftsvertrag beabsichtigte gegenseitige Kontrolle ausschalten. Deshalb reicht auch nicht die Mitwirkung eines Prokuristen11, Handlungsbevollmächtigten oder sonst wie Unterbevollmächtigten für die Wirksamkeit des InSich-Geschäfts aus. Scheidet aber ein nach § 181 BGB ausgeschlossener gesamtvertretungsberechtigter Geschäftsführer nach Vertragsschluss aus und wird dadurch der andere, ebenfalls am Vertragsschluss beteiligte Geschäftsführer alleinvertretungsberechtigt, so kann dieser den Vertragsschluss genehmigen12. § 181 1 BGHZ 59, 236; Einzelheiten bei Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 142 mwN. 2 BGH NJW 1991, 1730; BGH NJW 1962, 587, 589; OLG Düsseldorf GmbHR 1993, 583. 3 BGHZ 75, 358, 363 = GmbHR 1980, 166; ebenso OLG Rostock NZG 2016, 382 Rn 29. 4 BGH NZG 2004, 667, 668 = GmbHR 2004, 949 (tatsächliche Geltendmachung eines Anspruchs durch den Alleingesellschafter als hinreichendes Indiz für die vorausgegangene Abtretungsvereinbarung zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter). 5 U/H/L/Paefgen Rn 79a; B/H/Zöllner/Noack Rn 131. 6 Dazu Blasche/König NZG 2012, 812, 815 ff; Robles y Zepf BB 2012, 1876, 1882 f. 7 Vgl BGHZ 75, 358, 362 = GmbHR 1980, 166. 8 BGH WM 1971, 1084. 9 KG GmbHR 2002, 327. 10 Zutreffend B/S/Jacoby Rn 27; MünchKomm/Stephan/Tieves Rn 204; B/H/Zöllner/ Noack Rn 135; ferner G/E/S/Buck-Heeb Rn 22; aA BGHZ 64, 72, 76 f; R/A/Altmeppen Rn 96; Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 139. 11 AA BGHZ 91, 334, 336 f = GmbHR 1985, 79; Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 136; wie hier R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 34. 12 BGH DB 1994, 270, 271 = GmbHR 1994, 122.

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§ 35 | Vertretung der Gesellschaft BGB gilt auch bei der Mehrvertretung, insbesondere bei konzerninternen Rechtsgeschäften, bei denen der Geschäftsführer für zwei Gesellschaften handelt1. 52 Von Anbeginn wirksam ist das In-Sich-Geschäft indes, wenn der Geschäftsfüh-

rer vom Verbot des Selbstkontrahierens befreit ist (§ 181 BGB). Die Befreiung kann im Gesellschaftsvertrag, aber – vorbehaltlich der Besonderheiten in der Einpersonen-Gesellschaft (Rn 53) – auch durch Gesellschafterentscheid (Mehrheitsbeschluss oder Zustimmung aller Gesellschafter, Rn 51) geschehen2. Entscheidend ist, dass die Gesellschafter ihren Willen zur Befreiung (hinreichend deutlich3) zum Ausdruck bringen. Richtigerweise kann ein Gesellschafterbeschluss das Selbstkontrahieren deshalb nicht nur im Einzelfall4, sondern immer auch generell gestatten5. Die Rspr verlangt für die generelle Gestattung hingegen eine entsprechende Ermächtigung in der Satzung6; dem sollte die Gestaltungspraxis vorsorglich Rechnung tragen7. Falls für Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer ein anderes Gesellschaftsorgan (zB Aufsichtsrat, Beirat) zuständig ist, soll dieses nach hM auch über die Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot entscheiden8. Hierzu kann der Gesellschaftsvertrag auch eine andere gesellschaftsinterne Stelle ermächtigen. – Umfang (gegenüber bestimmten Dritten9), Voraussetzungen und Adressat des Dispenses (alle Geschäftsführer oder nur bestimmte) stehen im Ermessen des für den Dispens zuständigen Organs. Besonderheiten gelten für statutarische Freistellungen. Da diese ins Handelsregister einzutragen sind (§§ 10 Abs. 1 Satz 2, 39)10, muss die Freistellung nach Voraussetzungen und Inhalt eintra1 Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 174 ff; aA Bachmann ZIP 1999, 85; differenzierend Timm AcP 193 (1993), 423, 449 ff. 2 Zu den verschiedenen Fallvarianten bei nachträglich genereller Befreiung: Lohr RNotZ 2001, 403 ff. 3 Daran mangelte die Beschlussfassung im Fall OLG Nürnberg GmbHR 2015, 486: „Befreiung von der Beschränkung des § 181 BGB“ statt „… von den Beschränkungen“. 4 KG GmbHR 2002, 327: „ad hoc“-Befreiung; Blasche/König NZG 2012, 812, 819. 5 LG Köln RNotZ 2001, 402, 403: einfacher Gesellschafterbeschluss auch bei nachträglich genereller Befreiung im Fall diesbezüglich fehlender Satzungsbestimmung ausreichend; ebenso etwa R/A/Altmeppen Rn 90; B/S/Jacoby Rn 37; MünchKomm/Stephan/Tieves Rn 184; B/H/Zöllner/Noack Rn 132. 6 BGHZ 87, 59, 60; BayObLG GmbHR 1985, 116 = DB 1984, 1517; KG GmbHR 2006, 653; OLG Celle GmbHR 2000, 1098; OLG Köln GmbHR 1993, 37; OLG Nürnberg GmbHR 2015, 486, 487; ebenso wohl R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 35; Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 145. 7 S. auch die Empfehlung bei MünchKomm/Stephan/Tieves Rn 191. 8 Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 144 mwN. 9 OLG Düsseldorf GmbHR 1995, 51. 10 BGHZ 87, 59, 60 = GmbHR 1983, 269; Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 143 mwN; aA R/A/Altmeppen Rn 94; Altmeppen NZG 2013, 401, 408; vgl § 10 Rn 6 f.

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gungsfähig sein; dazu gehört nicht – weil nicht rechtssicher genug – die Befreiung für den Fall, dass nur ein Gesellschafter vorhanden ist1; allerdings ist ein eintragungsunfähiger Dispens als Befreiung durch einfachen Gesellschafterbeschluss wirksam. Ist die Befreiung auf bestimmte Arten von Geschäften oder auf solche mit bestimmten Dritten (zB Konzerngesellschaften) beschränkt, so ist dies konkret einzutragen2. Zur Frage der Weitergeltung der Befreiung im Liquidationsstadium s. § 68 Rn 4. Im Falle der Gesellschaftsgründung im vereinfachten Verfahren (Musterprotokoll) nach § 2 Abs. 1a ist der (ex lege einzige) Geschäftsführer zwingend von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Wird später ein weiterer Geschäftsführer bestellt oder der erste Geschäftsführer durch einen neuen ersetzt (dazu § 39 Rn 5 aE), ist umstritten, ob die Gesellschafter durch einfachen Beschluss von den Beschränkungen des § 181 BGB befreien können oder eine Satzungsänderung erforderlich ist; ebenso wird kontrovers erörtert, ob bei Bestellung weiterer Geschäftsführer die Befreiung des Gründungsgeschäftsführers vom Verbot des Insichgeschäfts entfällt. S. zum Ganzen die Erläuterungen zu § 2 Abs. 1a, insbesondere § 2 Rn 62 f. b) Gesellschafter-Geschäftsführer in der Einpersonen-Gesellschaft: Dessen 53 In-Sich-Geschäfte unterwirft § 35 Abs. 3 Satz 1 ebenfalls dem Selbstkontrahierungsverbot. Entsprechendes muss im Fall der Mehrvertretung gelten, wenn der Geschäftsführer (unmittelbar oder mittelbar) alle Anteile der anderen Vertragspartei hält3. Für die Befreiung gelten nach dem Willen des Gesetzgebers4 qualifizierte Voraussetzungen, die über die für die mehrgliedrige Gesellschaft (Rn 51 f) hinausgehen: Dispens kann nur durch den Gesellschaftsvertrag (Rn 52), nicht aber durch einfachen Gesellschafterbeschluss erteilt werden5 – es sei denn, der Gesellschaftsvertrag ermächtigt hierzu6. Bei der „üblichen notariellen Satzungsgestaltung“ soll eine Vermutung für die Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot sprechen7. Zur Einschaltung von Prokuristen etc Rn 518. Für die Mitwirkung am Einzelgeschäft einen Notgeschäftsführer (Vor § 35 Rn 15) zu bestellen 1 2 3 4 5

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BGHZ 87, 59, 62 f = GmbHR 1983, 269. OLG Düsseldorf GmbHR 2010, 313, 314; OLG Stuttgart GmbHR 2007, 1270. Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 154; B/H/Zöllner/Noack Rn 137. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zur GmbH-Novelle 1980, BTDrucks 8/3908, S. 74. BGHZ 87, 59, 60 = GmbHR 1983, 269; OLG Köln GmbHR 1993, 37; Lohr RNotZ 2001, 406; U/H/L/Paefgen Rn 78; B/H/Zöllner/Noack Rn 140; aA R/A/Altmeppen Rn 93; Altmeppen NZG 2013, 401, 402 ff; MünchKomm/Stephan/Tieves Rn 187; s. auch Bachmann ZIP 1999, 85, 88; Blasche/König NZG 2012, 812, 814 f. OLG Hamm GmbHR 1998, 683; enger BGH II ZR 379/99 bei Goette DStR 2000, 697: zusätzlich Bestellung vor dem Notar und Eintragung in das Handelsregister; kritisch B/H/Zöllner/Noack Rn 140. So BGH GmbHR 2004, 949, 950; kritisch B/S/Jacoby Rn 38. S. auch Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 159.

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§ 35 | Vertretung der Gesellschaft scheidet regelmäßig aus, da der Einpersonen-Gesellschafter sich im Wege der Satzungsdurchbrechung helfen kann (Rn 55). 54 Wenn in einer vormals mehrgliedrigen Gesellschaft einem Gesellschafter-Ge-

schäftsführer nach Rn 51 wirksam Dispens im Gesellschaftsvertrag erteilt worden war, so bleibt die Befreiung im Interesse des Verkehrsschutzes auch dann noch wirksam, wenn die Gesellschaft nachträglich zur Einpersonen-Gesellschaft wird1. Andernfalls würde der mit der Registereintragung beabsichtigte Verkehrsschutz beeinträchtigt. Falls jedoch die Befreiung durch einfachen Gesellschafterbeschluss erteilt worden war, erlischt diese, sobald die Gesellschaft zur eingliedrigen wird2.

55 Ein nach §§ 181, 177 Abs. 1 BGB schwebend unwirksames In-Sich-Geschäft des

Geschäftsführers der Einpersonen-Gesellschaft lässt sich – folgt man den Grundsätzen Rn 533 – nicht außerhalb des Gesellschaftsvertrages genehmigen. Für den statutarischen Dispens kommen mehrere Möglichkeiten in Betracht. Entweder befreit sich der Einpersonen-Gesellschafter im Wege der Satzungsänderung4 und genehmigt nach deren Eintragung (§ 54) das schwebend unwirksame Geschäft5. Oder er räumt durch Satzungsänderung die bloße Ermächtigung ein, den Gesellschafter-Geschäftsführer durch einfachen Ausführungsbeschluss von § 181 BGB zu befreien6; dann muss vor der Genehmigungserklärung des Gesellschafter-Geschäftsführers dieser Ausführungsbeschluss gefasst werden. Oder der Einpersonen-Gesellschafter befreit sich im Wege der Satzungsdurchbrechung (§ 53 Rn 27) für das einzelne Geschäft und erklärt damit sogleich dessen Genehmigung konkludent7.

56 Entgegen dem Wortlaut des § 35 Abs. 3 Satz 1 gelten dessen Rechtsfolgen auch

dann, wenn neben dem Gesellschafter-Geschäftsführer noch weitere Fremd-Geschäftsführer vorhanden sind8. Für das In-Sich-Geschäft des Gesellschafter-Geschäftsführers gelten selbst in diesem Fall die qualifizierten Voraussetzungen für eine Befreiung (Rn 55), wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer das Geschäft genehmigen will. Falls jedoch der/die übrigen Fremd-Geschäftsführer das Geschäft auch ohne Mitwirkung des Gesellschafter-Geschäftsführers hätten wirk1 Zutreffend BGHZ 114, 167, 171 = GmbHR 1991, 261; BFH GmbHR 1991, 332, 333; Tiedtke ZIP 1991, 335; aA noch BayObLG DB 1989, 2530. 2 Ebenso B/S/Jacoby Rn 38; Tiedtke GmbHR 1993, 385, 387; aA R/A/Altmeppen Rn 106. 3 AA konsequent MünchKomm/Stephan/Tieves Rn 200. 4 BGH GmbHR 2000, 136, 137; BayObLG GmbHR 1981, 195; OLG Köln GmbHR 1993, 37. 5 B/H/Zöllner/Noack Rn 139. 6 BayObLG GmbHR 1985, 116. 7 Gegen diese Option U/H/L/Paefgen Rn 79a. 8 Ekkenga AG 1985, 40, 43; B/H/Zöllner/Noack Rn 138; Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 153; MünchKomm/Stephan/Tieves Rn 181; aA R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 28; U/H/L/Paefgen Rn 70.

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sam abschließen können, lässt es sich auch von ihnen nachträglich genehmigen1. Dagegen genügt keine Ermächtigung des Gesellschafter-Geschäftsführers an den gesamtvertretungsberechtigten Fremd-Geschäftsführer. c) Protokollierungspflicht: Nach § 35 Abs. 3 Satz 2 ist von allen Rechtsgeschäf- 57 ten, also insbesondere allen Verträgen zwischen dem Alleingesellschafter-Geschäftsführer und der Gesellschaft, unverzüglich nach ihrer Vornahme eine Niederschrift anzufertigen, selbst wenn der Alleingesellschafter nicht der einzige Geschäftsführer ist2. Eine bestimmte Form der Dokumentation ist nicht vorgeschrieben (EDV-Datenträger reicht3), ebenso wenig bedarf es einer Unterschrift (arg § 48 Abs. 3); entscheidend ist, dass das Rechtsgeschäft bei einer Prüfung nachvollzogen werden kann. Fehlende Dokumentation des Geschäfts führt nicht zu dessen Nichtigkeit4, kann aber Schadensersatzansprüche auslösen5 und zum Vorwurf verdeckter Gewinnausschüttungen führen. Unberührt bleiben im Übrigen die allgemeinen Anforderungen, welche die Rspr an In-Sich-Geschäfte stellt: Sie sind nur wirksam, wenn sie nach außen erkennbar vorgenommen worden sind (Rn 51).

11. Wissens-, Irrtums- und Verhaltenszurechnung Literatur: Buck Wissen und juristische Person, 2001; Grunewald Wissenszurechnung bei juristischen Personen, FS Beusch, 1993, S. 301; Raiser Kenntnis und Kennenmüssen von Unternehmen, FS Bezzenberger, 2000, S. 564; Schilken Wissenszurechnung im Zivilrecht, 1983, S. 127 ff; Schüler Die Wissenszurechnung im Konzern, 2000; Waltermann Zur Wissenszurechnung – am Beispiel der juristischen Personen des privaten und des öffentlichen Rechts, AcP 192 (1992), 181; Westerhoff Organ und (gesetzlicher) Vertreter, 1993.

a) Die Rspr hat früher angenommen, dass das Wissen eines Organmitglieds (Ge- 58 schäftsführers) das Wissen der Gesellschaft sei6. Heute ist dagegen anerkannt, dass es sich um eine Frage wertender Zurechnung handelt7. Zwar erfasst die Regelung des § 166 BGB unmittelbar nur die Zurechnung der Kenntnisse rechtsgeschäftlicher Vertreter; ihr kann jedoch der allgemeine Rechtsgedanke entnommen werden, dass derjenige, der sich bei der Erledigung bestimmter Angelegenheiten eines solchen Vertreters oder vergleichbarer Personen (dh erst recht seiner Organe) bedient, die Kenntnisse und das Kennenmüssen dieser Personen

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Insoweit aA Ekkenga AG 1985, 40, 44. Schimmelpfennig/Hauschka NJW 1992, 944; Schwarz DStR 1992, 221, 222. Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 185. Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 186 mwN. U/H/L/Paefgen Rn 74; Schwarz DStR 1992, 221, 222. BGHZ 41, 282, 287. BGHZ 83, 293, 296; BGHZ 109, 327, 331; BGHZ 132, 30, 34 ff = GmbHR 1996, 373; K. Schmidt GesR S. 288; Waltermann AcP 192 (1992), 218; Westerhoff S. 79.

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§ 35 | Vertretung der Gesellschaft gegen sich gelten lassen muss1. Denn der Vertragspartner einer juristischen Person darf nicht schlechter, aber auch nicht besser gestellt sein als der einer natürlichen. Für die Geschäftsführer folgt hieraus die Pflicht, die gesellschaftsinterne Kommunikation ordnungsgemäß zu organisieren2. 59 b) Vor diesem Hintergrund rechnet der BGH3 einer juristischen Person das

Wissen aller ihrer vertretungsberechtigten Organwalter innerhalb ihrer Zuständigkeit zu; auch das Wissen des Aufsichtsrats oder eines seiner Mitglieder soll ausreichen4. Das geht zu weit.

60 c) Es gilt zu unterscheiden5: aa) Der Gesellschaft sind sowohl bei Willenserklä-

rungen (zB §§ 932 ff BGB) als auch außerhalb des rechtsgeschäftlichen Bereichs (zB §§ 626 Abs. 2, 852 BGB)6 die Kenntnisse bzw das Kennenmüssen eines jeden einzel-, aber auch jedes gesamtvertretungsberechtigten Geschäftsführers7 zuzurechnen, wenn diese beim konkreten Geschäft (zB Erwerb einer Sache) oder Ereignis (zB Schädigung der Gesellschaft) für die Gesellschaft aufgetreten oder später involviert worden sind8. Dabei kommt es nicht darauf an, ob ein Geschäftsführer die Kenntnis in seiner Eigenschaft als Organ oder privat erlangt9.

61 bb) Der Gesellschaft sind weiter all die Kenntnisse (auch ausgeschiedener Ge-

schäftsführer oder faktischer Geschäftsführer10) zuzurechnen, die der intern zuständige Geschäftsführer oder eine andere für die Gesellschaft handelnde Person bei einer ordnungsgemäß geführten Organisation kennen würde oder kennen müsste11. Dies ist insbesondere der Fall bei Informationen, die „typischerweise aktenmäßig festgehalten werden“12.

1 BGHZ 55, 329, 331 f; BGHZ 83, 293, 296; BGHZ 117, 104, 106 und BGH AG 1994, 224; aA Schilken S. 138, 144; K. Schmidt GesR S. 288: Grundlage sei § 31 BGB; vgl auch § 35 Abs. 2 Satz 3 und § 28 Abs. 2 BGB. 2 Brandes WM 1998, 12. 3 BGHZ 109, 327, 330; BGHZ 117, 104. 4 BGHZ 41, 282, 287. 5 S. auch Kieser/Kloster GmbHR 2001, 176. 6 B/H/Zöllner/Noack Rn 147 und 152; Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 121 ff. 7 BGHZ 20, 149, 153; BGH ZIP 1988, 371; BGH NJW-RR 1990, 1330, 1332. 8 Zu Letzterem s. MünchKomm/Stephan/Tieves Rn 219. 9 G/E/S/Buck-Heeb Rn 61; Fleischer NJW 2006, 3239, 3242; Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 127. 10 ThürOLG InVO 2002, 122. 11 Medicus und Taupitz Karlsruher Forum 1994, 4 ff, 15 ff; Taupitz JZ 1996, 734; Bohrer DNotZ 1991, 129 f; vgl BGHZ 132, 30, 34 = GmbHR 1996, 373; BGH WM 1989, 1364; BGH WM 1989, 1368; BGH WM 1997, 1092 sowie LG München ZIP 1988, 925; kritisch dazu Reinking/Kippels ZIP 1988, 895; R/A/Altmeppen Rn 114 ff. 12 Vgl BGHZ 109, 327, 332; BGH GmbHR 1995, 522; BGH GmbHR 1996, 294; zustimmend Flume JZ 1990, 550; ebenso etwa MünchKomm/Stephan/Tieves Rn 218 und 220.

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cc) Darüber hinaus ist der Gesellschaft über ihre Organe und rechtsgeschäftli- 62 chen Vertreter hinaus auch das Wissen von Repräsentanten (iSv § 31 BGB)1 oder Bediensteten zuzurechnen. Voraussetzung war dabei nach früherer Rspr, dass es sich um sog „Wissensvertreter“ handelt2, dh solche Personen, die von der Gesellschaft mit der Erledigung bestimmter Aufgaben in eigener Verantwortung betraut worden und in diesem Sinne zuständig sind3. Heute stellt der BGH4 nicht mehr entscheidend auf die Stellung des Informationsträgers ab, sondern auf die Bedeutung der Information selbst – ob nämlich der Rechtsverkehr erwarten durfte, dass die Information intern gespeichert, aufbereitet, weitergegeben und in der konkreten Situation abgefragt wird5. Die Gesellschaft ist auch insoweit verpflichtet, die interne Kommunikation ordnungsgemäß zu organisieren6; es gelten also die Grundsätze Rn 61 auch für nachgeordnete Mitarbeiter. dd) Bei § 626 Abs. 2 BGB genügt nur Kenntnis, um die Kündigungsfrist in Gang 63 zu setzen, Kennenmüssen reicht nicht aus. Entscheidend ist die Kenntnis des zur Kündigung berechtigten Organs; dies ist bei der Kündigung des Anstellungsverhältnisses der Geschäftsführer idR die Gesellschafterversammlung; s. zu Einzelheiten Anh zu § 6 Rn 62 ff. ee) Die Wissenszurechnung im Konzern ist in den Einzelheiten noch un- 64 geklärt7. Die Rspr stellt auf die Möglichkeit des Datenzugriffs ab8; ob dazu schon Organidentität genügt, ist strittig9. d) Für die Irrtumszurechnung (§ 119 BGB) kommt es auf den Irrtum des erklä- 65 renden Geschäftsführers an (§ 166 Abs. 1 BGB analog; ggf kommt der Rechtsgedanke des § 166 Abs. 2 zur Anwendung); bei Gesamtvertretung reicht schon der Irrtum eines an der Willenserklärung beteiligten Geschäftsführers aus, da durch den Irrtum eines Gesamtvertretungsberechtigten die für die Gesellschaft 1 2 3 4 5 6 7

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BGHZ 49, 19, 21. BGH WM 1994, 750, 751; BGH NJW 1996, 1205 = GmbHR 1996, 294. BGHZ 117, 104. BGHZ 132, 30, 35 ff = GmbHR 1996, 373 im Anschluss an Medicus und Taupitz, Karlsruher Forum 1994, 4 ff, 15 ff. Ähnlich bereits Grunewald WuB IV A § 852 BGB 2.94; s. auch Schüler S. 79 f; kritisch Koller JZ 1998, 75. S. zu den Anforderungen an ein „Informationsmanagement“ im Unternehmen Rodewald GmbHR 2014, 639 ff und etwa Buck S. 409 ff; Schultz NJW 1996, 1393; Scheuch GmbHR 1996, 828, 831. Dazu aktuell Buck-Heeb AG 2015, 801 ff; Gasteyer/Goldschmidt AG 2016, 116 ff; Schirmer AG 2015, 666 ff; Schwintowski ZIP 2015, 617 ff; Verse AG 2015, 413, 418 ff und etwa U/H/L/ Paefgen Rn 210; Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 132; Schüler S. 128 ff; MünchKomm/Stephan/Tieves Rn 224 ff. Vgl BGHZ 123, 224, 229. Dafür Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 132; anders BGH BB 2000, 2592, 2593; U/H/L/Paefgen Rn 210; MünchKomm/Stephan/Tieves Rn 225; Verse AG 2015, 413 ff.

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§ 35 | Vertretung der Gesellschaft abgegebene Willenserklärung insgesamt irrtumsbehaftet ist1. Beteiligt ist auch der Geschäftsführer, der einem oder mehreren Geschäftsführern eine Spezialermächtigung (Rn 33 f) gegeben hat2. Allerdings kann die Berufung der Gesellschaft auf den Irrtum im Einzelfall treuwidrig sein, wenn ein Gesamtvertreter den Irrtum des anderen bewusst nicht aufgeklärt hat3. 66 e) Besitzzurechnung: Besitz wird der Gesellschaft durch ihre Organe verschafft;

sie erlangt durch die Organwalter unmittelbaren (nicht lediglich mittelbaren) Besitz4.

67 f) Haftungsbegründende Verhaltenszurechnung in der GmbH: Von der

rechtsgeschäftlichen Vertretung, durch welche die GmbH (und nicht etwa daneben auch der Geschäftsführer; Ausnahme in § 11 Abs. 2 und uU auch bei Verschulden bei Vertragsverhandlungen, s. § 43 Rn 64 ff) berechtigt und verpflichtet wird, ist die haftungsbegründende Zurechnung schadensstiftenden Verhaltens des Geschäftsführers zu unterscheiden. Die Gesellschaft haftet für ein Verschulden des Geschäftsführers bei Leistungsstörungen innerhalb bestehender Schuldverhältnisse nach verbreiteter Ansicht ausschließlich nach § 31 BGB; die Gegenmeinung begründet die Zurechnung (in Übereinstimmung mit der Konzeption des historischen Gesetzgebers) indes mit § 278 Satz 1 Alt. 1 BGB („gesetzlicher Vertreter“). Weil dabei § 278 Satz 2 BGB keine Anwendung findet, ist der Meinungsstreit ohne praktische Relevanz5. Außervertraglich wird die Gesellschaft entsprechend § 31 BGB ersatzpflichtig für den Schaden, den ein Geschäftsführer „durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtung begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zugefügt“ hat; § 831 BGB gilt nur für nachgeordnetes Personal6; vgl auch § 43 Rn 70 ff. Die Gesellschaft haftet ebenfalls für das Geschäftsführerverhalten, falls ein lediglich gesamtvertretungsberechtigter Geschäftsführer dem Geschäftsgegner geflissentlich, etwa unter Vorlage unzutreffender Unterlagen, die rechtswirksame Mitwirkung des anderen Geschäftsführers vorspiegelt7. Aber diese Haftung greift nicht schon dann ein, wenn der eine Geschäftsführer die fehlende Vertretungsmacht des anderen dem Geschäftsgegner lediglich verschweigt8.

1 HM; RGZ 78, 354; R/A/Altmeppen Rn 111; B/H/Zöllner/Noack Rn 146; aA Grunewald S. 308. 2 B/H/Zöllner/Noack Rn 146 f. 3 Vgl R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 67; Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 126. 4 BGHZ 57, 166, 167; R/A/Altmeppen § 13 Rn 4; B/S/Jacoby Rn 5; Westerhoff S. 158 ff. 5 Weiterführend (mit Einzelnachweisen) Kleindiek in Hdb Managerhaftung, § 10 Rn 6 ff. 6 Zu Einzelheiten Kleindiek in Hdb Managerhaftung, § 10 Rn 9 ff. 7 BGHZ 98, 148 = GmbHR 1986, 380. 8 AA wohl BGHZ 98, 148 = GmbHR 1986, 380.

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Angaben auf Geschäftsbriefen | § 35a

§ 35a Angaben auf Geschäftsbriefen (1) Auf allen Geschäftsbriefen gleichviel welcher Form, die an einen bestimmten Empfänger gerichtet werden, müssen die Rechtsform und der Sitz der Gesellschaft, das Registergericht des Sitzes der Gesellschaft und die Nummer, unter der die Gesellschaft in das Handelsregister eingetragen ist, sowie alle Geschäftsführer und, sofern die Gesellschaft einen Aufsichtsrat gebildet und dieser einen Vorsitzenden hat, der Vorsitzende des Aufsichtsrats mit dem Familiennamen und mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen angegeben werden. Werden Angaben über das Kapital der Gesellschaft gemacht, so müssen in jedem Falle das Stammkapital sowie, wenn nicht alle in Geld zu leistenden Einlagen eingezahlt sind, der Gesamtbetrag der ausstehenden Einlagen angegeben werden. (2) Der Angaben nach Absatz 1 Satz 1 bedarf es nicht bei Mitteilungen oder Berichten, die im Rahmen einer bestehenden Geschäftsverbindung ergehen und für die üblicherweise Vordrucke verwendet werden, in denen lediglich die im Einzelfall erforderlichen besonderen Angaben eingefügt zu werden brauchen. (3) Bestellscheine gelten als Geschäftsbriefe im Sinne des Absatzes 1. Absatz 2 ist auf sie nicht anzuwenden. (4) Auf allen Geschäftsbriefen und Bestellscheinen, die von einer Zweigniederlassung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz im Ausland verwendet werden, müssen das Register, bei dem die Zweigniederlassung geführt wird, und die Nummer des Registereintrags angegeben werden; im Übrigen gelten die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 für die Angaben bezüglich der Haupt- und der Zweigniederlassung, soweit nicht das ausländische Recht Abweichungen nötig macht. Befindet sich die ausländische Gesellschaft in Liquidation, so sind auch diese Tatsache sowie alle Liquidatoren anzugeben. Abs. 1–3 der Vorschrift wurden eingefügt durch das Gesetz zur Durchführung der 1. RL von 1969; Abs. 4 angefügt durch das Gesetz zur Durchführung der 11. RL vom 22.7.1993 (BGBl I 1282, 1285), in Kraft seit dem 1.11.1993. Abs. 1 Satz 1 mit Wirkung zum 1.1.2007 geändert durch EHUG vom 10.11.2006 (BGBl I 2553). Abs. 4 Satz 1 geändert und amtliche Überschrift ergänzt durch MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl I 2026). 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Geschäftsbriefe . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwingende Angaben . . . . . . . . . .

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4. Bedingt vorgeschriebene Angaben 5. Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 35a | Angaben auf Geschäftsbriefen 1. Allgemeines 1 Die auf Richtlinienvorgaben zurückgehende Vorschrift1 dient der Harmonisie-

rung des Rechts der EU-Mitgliedstaaten (vgl Einl Rn 41 ff). Sie soll Dritten im zwischenstaatlichen Verkehr die Möglichkeit bieten, sich vor der Aufnahme von Geschäftsbeziehungen mit der Gesellschaft eines anderen Mitgliedstaates über alle bedeutsamen Verhältnisse zu unterrichten, und übernimmt auch die im AktG (§ 80) vorgeschriebene Pflicht zur Angabe der leitenden Persönlichkeiten. Funktional erleichtert die Bestimmung den Geschäftsverkehr zwischen allen Partnern und der Gesellschaft. Wegen ihres Drittbezuges gilt sie allerdings nicht für den (internen) Schriftverkehr zwischen den Gesellschaftern und dem Geschäftsführer ihrer Gesellschaft2.

2. Geschäftsbriefe 2 a) Geschäftsbriefe sind schriftliche Mitteilungen der Gesellschaft gegenüber ex-

ternen Dritten, also auch an verbundene Unternehmen (§ 15 AktG)3 und an einzelne Arbeitnehmer (zB Kündigung)4, es sei denn, es handelte sich um eine Weisung etc. Keine Geschäftsbriefe sind dagegen schriftliche Mitteilungen an die Gesellschafter in dieser Eigenschaft (zB Ladung nach § 51 Abs. 1)5 sowie sonstige innerbetriebliche Mitteilungen, auch nicht solche, die an Zweigniederlassungen gerichtet sind.

Auf die äußere Form oder den inhaltlichen Umfang der Korrespondenz kommt es ausdrücklich nicht an. Briefe sind daher auch Preislisten, Bestellscheine6, Rechnungen und Quittungen; ebenso Schreiben, die per Telefax, E-Mail7 oder Fernschreiben8 übermittelt werden. Keine Geschäftsbriefe iSd § 35a Abs. 1 sind jedoch Telegramme und Postkarten9, da solche im Geschäftsverkehr nicht üblich und auch nicht zu erwarten sind; Entsprechendes gilt (jedenfalls noch) für SMS10 und

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Dazu auch Einmahl AG 1969, 133; Kreplin BB 1969, 1112 und GmbHR 1991, R 3. BGH GmbHR 1997, 548. AA R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 6 für Konzernunternehmen. Zutreffend Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 4. B/H/Zöllner/Noack Rn 21. LG Frankfurt NJW-RR 2001, 1425. Dazu Glaus/Gabel BB 2007, 1744. AA Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 4; wie hier jetzt auch R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 6. 9 AA MünchKomm/Stephan/Tieves Rn 8. 10 B/S/Jacoby Rn 2; Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 6; aA MünchKomm/ Stephan/Tieves Rn 8; B/H/Zöllner/Noack § 35 Rn 19.

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Angaben auf Geschäftsbriefen | § 35a

Twitter-Mitteilungen1. Keine Geschäftsbriefe sind auch Schecks2, da sie keine über die Funktion des Schecks hinausgehende Mitteilungen an einen bestimmten Empfänger enthalten; für die Bezeichnung des Ausstellers sind die Angaben nach Art. 1 ScheckG ausreichend und abschließend. Führen falsche Angaben auf einem Scheck zu Schäden beim Schecknehmer3, so hat dieser Ansprüche aus culpa in contrahendo (§ 311 Abs. 2 BGB) gegen den Aussteller (Rn 6). b) Die Mitteilung muss an einen bestimmten Empfänger gerichtet sein; die An- 3 gabepflicht besteht deshalb nicht bei Werbeschriften und Anzeigen, die sich an einen unbestimmten Personenkreis wenden. Außerdem schränkt § 35a Abs. 2 die Angabepflicht ein; danach bedarf es der Angabe nicht bei Mitteilungen oder Berichten im Rahmen einer bestehenden Geschäftsverbindung, wenn für solche Mitteilungen etc üblicherweise bestimmte Vordrucke verwendet werden (zB Rechnungen, Lieferscheine, Mahnungen). Diese Ausnahme erstreckt sich aber nach § 35a Abs. 3 nicht auf Bestellscheine; für sie gilt die Anzeigepflicht immer.

3. Zwingende Angaben Zwingend vorgeschrieben ist die Angabe von Rechtsform (s. § 4 Rn 23 ff) und 4 Sitz der Gesellschaft (§ 3 Nr. 1; bedeutsam etwa für den Gerichtsstand nach § 17 ZPO4), des Registergerichts und der Nummer des Eintrags im Handelsregister sowie die Angabe aller Geschäftsführer (einschließlich der stellvertretenden Geschäftsführer, § 44) mit Familiennamen und mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen5. § 35a Abs. 4 stellt klar, dass auf Geschäftsbriefen und Bestellscheinen inländischer Zweigniederlassungen ausländischer Gesellschaften mbH die gleichen Angaben nach § 35a Abs. 1–3 sowohl im Hinblick auf die ausländische Haupt- als auch auf die inländische Zweigniederlassung gemacht und zusätzlich das Register und die Nummer des Eintrags der Zweigniederlassung angegeben werden müssen (vgl auch § 80 Abs. 4 AktG). Diese Angabepflicht besteht in allen Fällen; sie ist durch den Geschäftsführer zu erfüllen6 und kann nach § 79 Abs. 1 durch Zwangsgeld erzwungen werden (Rn 6).

4. Bedingt vorgeschriebene Angaben Bedingt vorgeschrieben ist die Angabe des Aufsichtsratsvorsitzenden, dh nur 5 dann, wenn ein solcher bestellt ist. Die Angabe des Stammkapitals sowie des Ge1 2 3 4 5 6

S/I/Lücke/Simon Rn 3. AA LG Detmold GmbHR 1991, 23. So der Fall des LG Detmold GmbHR 1991, 23. Dazu BGH WM 1977, 1427 und LG Detmold GmbHR 1991, 23. S. auch FG Thüringen EFG 2000, 230. Vgl BGH GmbHR 1991, 360 für das Gebot der Firmierung mit Rechtsformzusatz nach § 4.

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§ 36 | Zielgrößen und Fristen zur gleichberechtigten Teilhabe samtbetrages der noch ausstehenden (Bar-)Einlagen (§ 35a Abs. 1 Satz 2) ist für den Fall vorgeschrieben, dass in der Korrespondenz (s. Rn 2) Angaben über das Kapital der Gesellschaft gemacht werden.

5. Sanktionen 6 Die Vorschrift ist nicht Formvorschrift nach § 125 BGB; Erklärungen, die gegen

§ 35a verstoßen, sind wirksam, können dem Erklärungsgegner uU jedoch ein Recht zur Anfechtung oder einen Anspruch aus culpa in contrahendo (§ 311 Abs. 2 BGB) oder Rechtsscheinhaftung1 gewähren oder der Gesellschaft unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben die Berufung auf die Einrede der Verjährung versagen2. Die Verletzung führt jedoch nicht automatisch zu einem Wettbewerbsverstoß nach UWG3. Außerdem ist § 35a SchutzG iSv § 823 Abs. 2 BGB4, auch gegenüber dem Geschäftsführer5. – Möglichkeit der Zwangsgeldfestsetzung nach § 79 Abs. 1, gilt auch für die bedingte Angabepflicht nach Rn 5; die Vorlage eines Musters des aktuellen Geschäftsbriefes kann aber nicht im Zwangsgeldverfahren durchgesetzt werden6.

§ 36

Zielgrößen und Fristen zur gleichberechtigten Teilhabe von Männern und Frauen Die Geschäftsführer einer Gesellschaft, die der Mitbestimmung unterliegt, legen für den Frauenanteil in den beiden Führungsebenen unterhalb der Geschäftsführer Zielgrößen fest. Liegt der Frauenanteil bei Festlegung der Zielgrößen unter 30 Prozent, so dürfen die Zielgrößen den jeweils erreichten Anteil nicht mehr unterschreiten. Gleichzeitig sind Fristen zur Erreichung der Zielgrößen festzulegen. Die Fristen dürfen jeweils nicht länger als fünf Jahre sein. § 36 wurde durch das Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst vom 24.4.2015 1 S. LG Heidelberg GmbHR 1997, 447. 2 LG Frankfurt NJW-RR 2001, 1425. 3 LG Berlin MDR 1991, 857; KG GmbHR 1991, 470; OLG Düsseldorf NJW-RR 2004, 41; näher Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 29 ff mwN. 4 R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 10; U/H/L/Paefgen Rn 63; Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 28. 5 Insoweit zutreffend LG Detmold GmbHR 1991, 23. 6 OLG Frankfurt GmbHR 2016, 366.

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Zielgrößen und Fristen zur gleichberechtigten Teilhabe | § 36 (BGBl I 642) eingeführt und ist nach Art. 24 Abs. 2 Satz 1 dieses Gesetzes am 1.5.2015 in Kraft getreten. 1. Ziel der Regelung . . . . . . . . . . 2. Erfasste Gesellschaften . . . . . . 3. Die Handlungspflichten der Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . 4. Festlegung der Zielgrößen . . . .

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5. 6. 7. 8.

Erreichungsfristen . . . . . . . Rechenschaft und Publizität Sanktionen . . . . . . . . . . . . Konzern . . . . . . . . . . . . . .

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Literatur: Fromholzer/Simons Die Festlegung von Zielgrößen für den Frauenanteil in Aufsichtsrat, Geschäftsleitung und Führungspositionen, AG 2015, 457; Müller-Bonanni/Forst Frauenquoten in Führungspositionen der GmbH, GmbHR 2015, 621; Teichmann/Rüb Der Regierungsentwurf zur Geschlechterquote in Aufsichtsrat und Vorstand, BB 2015, 259; Teichmann/Rüb Die gesetzliche Geschlechterquote in der Privatwirtschaft, BB 2015, 898; Weller/Benz Frauenförderung als Leitungsaufgabe, AG 2015, 467.

1. Ziel der Regelung Ziel von § 36 ist es, die verfügbare Anzahl hochqualifizierter Frauen mit Erfah- 1 rung im operativen Geschäft auch in größeren Gesellschaften mbH zu steigern, um aus ihrem Kreis die Spitzenpositionen in der Wirtschaft besetzen zu können1. Damit zielt die Regelung auf den obersten weiblichen Führungsnachwuchs und seine Förderung in der Weise ab, dass sein prozentualer Anteil kontinuierlich vergrößert werden soll. Allerdings trifft die Gesellschaften keine dahingehende Rechtspflicht2; vielmehr setzt das Gesetz insoweit auf den Druck der Öffentlichkeit3, also der Allgemeinheit (Rn 20). Eine so gestaltete Förderung des auf den obersten Führungsebenen der Wirtschaft unterrepräsentieren Bevölkerungsteils begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken4, muss jedoch in ihrem Vollzug streng dahin angelegt sein, Frauen nicht entgegen § 2 AGG allein wegen ihres Geschlechts in Führungspositionen zu berufen, sondern auch unter Heranziehung sonstiger Positions-relevanter Kriterien5.

2. Erfasste Gesellschaften Die Verpflichtungen aus dieser Bestimmung treffen nicht sämtliche Gesellschaf- 2 ten mbH schlechthin, sondern lediglich diejenigen, die gesetzlicher Mitbestim1 S. BegrRegE BT-Drucks 18/3784, S. 134 iVm S. 119. 2 R/A/Altmeppen Rn 14; aA Teichmann/Rüb BB 2015, 263; Weller/Benz AG 2015, 472; Wicke Rn 10. 3 BegrRegE BT-Drucks 18/3784, S. 119. 4 R/A/Altmeppen Rn 5; Habersack/Kersten BB 2014, 2828; MünchKomm/Fleischer Rn 1. 5 Eingehend B/S/Rieble Rn 26 ff, 30.

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§ 36 | Zielgrößen und Fristen zur gleichberechtigten Teilhabe mung nach dem DrittelbG oder dem MitbestG1 unterliegen, also in aller Regel (arg § 1 Abs. 2 DrittelbG, § 1 Abs. 4 MitbestG) Gesellschaften mit mehr als 500 Arbeitnehmern. Maßgeblich ist ihre gesetzliche Verpflichtung, einen auch mit Arbeitnehmervertretern besetzten Aufsichtsrat einzurichten2; darauf, ob sie es im Einzelfall getan haben, kommt es nicht an. Zur Frauenförderung nach § 36 sind daher mitbestimmungspflichtige Gesellschaften auch dann angehalten, wenn sie keinen Aufsichtsrat gebildet3 oder diesen nicht mit Arbeitnehmervertretern besetzt haben. Sollte die Gesellschaft nach Festlegung der Zielgrößen aus der Mitbestimmung herauswandern, so ist sie an die getroffenen Festlegungen nicht länger gebunden; die Geschäftsführer können diese zurücknehmen4. 3 Ob in Gesellschaften mit Zweigniederlassungen im EU/EWR-Ausland die

dort beschäftigten Arbeitnehmer mitzuzählen sind, um sie unionsrechtlich nicht entgegen Art. 18 AEUV zu diskriminieren, ist im Mitbestimmungsrecht umstritten5 und wird vom EuGH im Zusammenhang mit dem Vorlageverfahren „TUI“6 demnächst zu entscheiden sein; dabei ggf auch, ob die ausländischen Arbeitnehmer schon jetzt mitzuzählen sind oder erst auf der Grundlage einer noch zu schaffenden Regelung im deutschen Recht.

3. Die Handlungspflichten der Geschäftsführer 4 a) Nach seinem Wortlaut begründet § 36 lediglich die Verpflichtung, Zielgrö-

ßen für den Frauenanteil festzulegen (§ 36 Satz 1). Da aber ein jedes Ziel einen Ausgangspunkt erfordert, ist in die Festlegung der Zielgrößen implicite die vorhergehende Verpflichtung eingeschlossen, den relevanten Frauenanteil, wie er momentan besteht, zu ermitteln. § 36 verpflichtet somit zur Feststellung des status quo7 sowie zur anschließenden Festlegung der Zielgrößen. Darüber hinaus sind die erfassten Gesellschaften verpflichtet, über die festgelegten Zielgrößen und ihre Erreichung jährlich in ihrer Erklärung zur Unternehmensführung (§ 289a HGB; Rn 16 ff) zu berichten und diese zu veröffentlichen (Rn 20), um gegenüber der Allgemeinheit über die tatsächliche Frauenförderung in der Gesellschaft und das Ausmaß ihrer Erfolge Rechenschaft abzulegen.

1 Aus der aktuellen Unternehmenspraxis sind Gesellschaften mbH, die dem MontanMitbestG oder dem MitbestErgG unterliegen, (außer der Salzgitter Klöckner Werke) nicht bekannt, R/A/Altmeppen Rn 1. 2 Schüppen/Walz WPg 2015, 1157; aA Bayer/Hoffmann GmbHR 2015, 915; Fromholzer/Simons AG 2015, 458; Seibt ZIP 2015, 1204. 3 Zum erstaunlich hohen Prozentsatz pflichtvergessener Gesellschaften näher Bayer/Hoffmann GmbHR 2015, 909. 4 B/S/Rieble Rn 5 f. 5 S. Heuschmid/Ulber NZG 2016, 102 mwN zum Widerstreit. 6 KG NZG 2015, 1311 = AG 2015, 872. 7 BegrRegE BT-Drucks 18/3784, S. 134 iVm S. 119.

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Zielgrößen und Fristen zur gleichberechtigten Teilhabe | § 36

b) Die Verpflichtung zur Festlegung der Zielgrößen auferlegt das Gesetz aus- 5 drücklich den Geschäftsführern1 und unterstreicht damit deren Verantwortung für die Frauenförderung in der Gesellschaft. Sie können die Festlegungs-Entscheidung daher weder einem von ihnen zum Alleinentscheid zuweisen, noch gar diese Entscheidung auf nachgeordnete Stellen im Unternehmen delegieren. Für die Beteiligung der einzelnen Geschäftsführer am Festlegungs-Entscheid gelten die allgemeinen Grundsätze zur Organisation der Geschäftsführung (§ 37 Rn 26 ff): Ohne abweichende Regelung in der Gesellschaft müssen sämtliche Geschäftsführer dem Entscheid zustimmen2. Freilich kann die Vorbereitung der Geschäftsführer-Entscheidung einschließlich der Feststellung des status quo (Rn 4) einem von ihnen oder nachgeordneten Stellen übertragen werden. c) Trotz der Verantwortung aller Geschäftsführer für die Frauenförderung 6 (Rn 5) unterliegt ebenfalls deren Festlegungs-Entscheid dem Weisungsrecht der Gesellschafter nach § 37. Zwar findet dies seine Grenze im öffentlich-rechtlichen Charakter der Frauenförderung; deshalb entfaltet eine Gesellschafterweisung an die Geschäftsführer, keinen Festlegungs-Entscheid zu fällen, keinerlei Bindungskraft. Aber hiervon unbenommen bleibt das Recht der Gesellschafter, den Geschäftsführern für die Ausnutzung des Gestaltungsspielraums, den ihnen § 36 eröffnet (Rn 8), bindende Vorgaben zu machen. Die Geschäftsführer-Verantwortung prägt sich dann in deren Vorschlag für die Zielgrößen aus und ggf in ihrer Remonstration gegen die Gesellschafter-Vorgabe. Vom Weisungsrecht der Gesellschafter ist die andere Frage zu unterscheiden, ob 7 die Geschäftsführer verpflichtet sind, von sich aus den beabsichtigten Festlegungs-Entscheid samt Begründung den Gesellschaftern zu deren Entschließung vorzulegen. Das ist anzunehmen, da der zu veröffentlichende (§ 289a Abs. 4 HGB) Entscheid, welche Zielgrößen für die Gesellschaft festgelegt werden sollen, nicht von der Geschäftsführungsbefugnis der Geschäftsführer gedeckt ist. Dieser Entscheid ist wegen der gesetzlich gezielten Außenwirkungen (Rn 4) von wesentlicher Bedeutung für die Gesellschaft und ihr Ansehen in der Öffentlichkeit3; der Festlegungs-Entscheid ist daher eine ungewöhnliche Maßnahme, zu der die Gesellschafter berufen sind (§ 37 Rn 10 f)4. Aus § 36 mit seiner Inpflichtnahme der Geschäftsführer folgt nichts anderes; sie sind und bleiben dafür verantwortlich, dass überhaupt die gebotenen Festlegungs-Entscheide getroffen werden. Sollten sich im Einzelfall die Gesellschafter verweigern, so haben die Geschäftsführer den Entscheid zu fällen (Rn 5); das aber auch, wenn die Gesellschafter den Entscheidungsvorschlag der Geschäftsführer lediglich zur Kenntnis nehmen oder diesen die Festlegung anderweit überlassen. Die Gesell1 Zur Mitverantwortlichkeit des Aufsichtsrats Drygala Audit Committee Quarterly 2015 Extra „Woman of work“ S. 27. 2 So wohl auch R/A/Altmeppen Rn 6. 3 R/A/Altmeppen Rn 10. 4 AA R/A/Altmeppen Rn 10; Wicke Rn 4: Maßnahme der Unternehmenspolitik.

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§ 36 | Zielgrößen und Fristen zur gleichberechtigten Teilhabe schafter sind nicht gezwungen, von ihrer Entscheidungszuständigkeit Gebrauch zu machen.

4. Festlegung der Zielgrößen 8 a) Welchen konkreten Inhalt die Zielgrößen haben sollen, steht im grundsätz-

lich freien Belieben (zu Eingrenzungen Rn 12) der Geschäftsführer bzw der Gesellschafter (Rn 6). Zwar ist es das allgemeine Ziel des Gesetzgebers, im Verlaufe der Zeit für eine paritätische Besetzung der oberen und obersten Führungspositionen in den erfassten Gesellschaften mit Frauen und Männern zu sorgen1. Daraus folgt jedoch keine rechtliche Verpflichtung, die Zielgrößen von Erreichungsperiode zu Erreichungsperiode (Rn 13 ff) zu steigern; insoweit setzt das Gesetz allein auf den Mechanismus aus Ansehen der Gesellschaft und Druck der Öffentlichkeit. Insbesondere ist den Gesellschaften nicht der dreißigprozentige Frauenanteil auf den beiden oberen Führungsebenen als Mindestzielgröße vorgegeben (arg § 36 Satz 2)2. Im Übrigen steht es den Geschäftsführern/Gesellschaftern frei, wie sie die Zielgrößen und ihre Erreichung im Zeitablauf konzipieren wollen3: ob etwa nur für jeweils eine Erreichungsperiode oder innerhalb einer langfristig mehrjährigen Planung von Stufe zu Stufe.

9 Anders als der gesellschaftsinterne Festlegungs-Vorschlag der Geschäftsführer

gegenüber den Gesellschaftern (Rn 7) bedarf der Festlegungs-Entscheid selbst keinerlei Begründung nach außen gegenüber der Allgemeinheit. Nach § 289a Abs. 4, Abs. 2 Nr. 4 HGB sind ausschließlich die Festlegungen zu veröffentlichen, also nicht die ihnen zugrundeliegenden Erwägungen; gegenüber der Allgemeinheit begründungspflichtig sind erst die anschließend möglichen Zielverfehlungen (§ 289a Abs. 2 Nr. 4 aE HGB, Rn 18). Konsequent zur fehlenden Begründungspflicht für den Festlegungs-Entscheid brauchen auch nicht die Annahmen und Grundlagen veröffentlicht zu werden, die dem Entscheid zugrunde gelegt worden sind4.

10 b) Zielgrößen für den Frauenanteil und seine mögliche Steigerung sind nicht

für alle Hierarchiestufen im Unternehmen der Gesellschaft festzulegen, sondern bloß für die beiden Führungsebenen direkt unterhalb der Geschäftsleitung (§ 36 Satz 1). Für eine jede Ebene ist die Zielgröße eigenständig zu be-

1 BegrRegE BT-Drucks 18/3784, S. 134 iVm S. 119. 2 Im Ergebnis so auch R/A/Altmeppen Rn 8; zur Zulässigkeit einer Zielgröße „Null“ Wasmann/Rothenburg DB 2015, 295; einschränkend Weller/Benz AG 2015, 471 (nur in Ausnahmefällen); aA Teichmann/Rüb BB 2015, 902 f: kein „Null“-Ziel, solange der tatsächliche Frauenanteil unterhalb der 30%-Schwelle liege. 3 Gestaltungsvarianten in BegrRegE BT-Drucks 18/3784, S. 119. 4 R/A/Altmeppen Rn 9.

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Zielgrößen und Fristen zur gleichberechtigten Teilhabe | § 36

stimmen1. Nach der Gesetzesbegründung ist eine Hierarchieebene als Gesamtheit jener organisatorischen Einheiten im Unternehmen definiert, die zueinander gleichberechtigt, aber einer gemeinsamen Führung untergeordnet sind2, also unter dem technischen Geschäftsführer zB die Bereiche „Entwicklung und Konstruktion“ einerseits und „Produktion“ andererseits. Welche der so definierten Hierarchieebenen die beiden nächsten unter der Geschäftsleitung sind, bestimmt sich nach den konkreten Verhältnissen des einzelnen Unternehmens und nicht etwa nach organisationswissenschaftlicher Kennzeichnung der Betriebswirtschaftslehre (Top-, Middle- und Low-Management)3. Nach Vorstellung des Gesetzgebers besteht angesichts der vielgestaltigen Unternehmenswirklichkeit ein sehr großer Spielraum für die Festlegung der beiden Führungsebenen: Jedes Unternehmen könne die für seine Gegebenheiten passende und angemessene Lösung wählen4. Da § 36 an die konkret bestehenden Hierarchiestufen anknüpft, folgt aus die- 11 ser Bestimmung keine Verpflichtung der Geschäftsleitung, das Unternehmen so zu organisieren, dass in ihm zwei Führungsebenen unterhalb der Geschäftsführer gebildet werden5. Falls nur eine nachgeordnete Führungsebene existiert oder gar (etwa in einer konzernführenden Holding, Rn 22 ff) überhaupt keine, so entfällt konsequent die Verpflichtung, Zielgrößen für zwei oder auch nur eine (inexistente) Führungsebene festzulegen6. Dennoch ist in der Erklärung zur Unternehmensführung (§ 289a Abs. 4 HGB, Rn 17) über die Zielgrößen zu berichten; in diesem Falle allerdings dahin, dass im Unternehmen der Gesellschaft bloß eine oder gar überhaupt keine nachgeordnete Führungsebene besteht. c) Dem grundsätzlich freien Festlegungs-Entscheid ist in § 36 Satz 2 eine Grenze 12 gezogen: Seine Zielgrößen dürfen nicht unterhalb des auf der jeweiligen Führungsebene tatsächlich erreichten Frauenanteils liegen, solange dieser geringer als 30 Prozent ist. Dies Verschlechterungsverbot gilt für die erste Festlegung und ebenso für alle nachfolgenden Festlegungen nach Fristablauf (Rn 13). Eine Zurücknahme des Frauenanteils kommt erst in Betracht, wenn der tatsächliche Anteil oberhalb von 30 Prozent liegt; aber auch in einem solchen Fall darf die festgelegte Zielgröße nicht die Dreißigprozent-Schwelle unterschreiten7. Das folgt aus Sinn und Zweck des Verschlechterungsverbots: Bis zur Höhe von 30 Prozent 1 Müller-Bonanni/Forst GmbHR 2015, 623; Fromholzer/Simons AG 2015, 463 f; B/S/Rieble Rn 12; Wicke Rn 5; aA K. Schmidt/Lutter/Seibt, § 76 AktG Rn 47. 2 BegrRegE BT-Drucks 18/3784, S. 119. 3 BegrRegE BT-Drucks 18/3784, S. 119. 4 Beschlussempfehlung und Bericht des 13. Bundestagsausschusses, BT-Drucks 18/4227, S. 21. 5 R/A/Altmeppen Rn 7; Teichmann/Rüb BB 2015, 253. 6 13. Bundestagsausschuss, BT-Drucks 18/4227, S. 22. 7 R/A/Altmeppen Rn 8; ungenau BegrRegE, BT-Drucks 18/3784, S. 119: darauf, ob der Frauenanteil dann tatsächlich unter 30 Prozent sinkt, kommt es nicht an.

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§ 36 | Zielgrößen und Fristen zur gleichberechtigten Teilhabe soll der tatsächlich erreichte Frauenanteil geschützt, soll die Entscheidungsfreiheit der Geschäftsführer/Gesellschafter (Rn 8) entsprechend beschnitten werden.

5. Erreichungsfristen 13 Zusammen mit den Zielgrößen, die nach § 5 Satz 1 EGGmbHG erstmals spätes-

tens zum 30.9.2015 festzulegen waren, müssen die Geschäftsführer/Gesellschafter (Rn 7) festlegen, bis zu welchem Zeitpunkt die jeweiligen Zielgrößen erreicht sein sollen (§ 36 Satz 3). Diese Fristsetzung hat auch für die Erklärung zur Unternehmensführung nach § 289a Abs. 4 HGB (Rn 16 f) Bedeutung und in ihr vor allem für die Begründung, warum die selbst festgelegte Zielgröße innert der festgelegten Frist nicht erreicht worden ist. Auf diesem Weg will das Gesetz den Aufwuchs des Frauenanteils stimulieren, ohne jedoch die Geschäftsführer/Gesellschafter auf einen solchen Aufwuchs zu verpflichten (Rn 8).

14 Welche Fristen die Geschäftsführer/Gesellschafter festlegen und wie sie diese

mit den jeweiligen Zielgrößen verbinden wollen, steht in deren grundsätzlich freiem Belieben. Dies findet seine Grenze erst in der gesetzlichen Höchstfrist von fünf Jahren (§ 36 Satz 4). Allerdings gilt für die erste Zielgrößen-Festlegung eine stark reduzierte Höchstfrist: Diese darf nicht länger als bis zum 30.6.2017 dauern (§ 5 Satz 2 EGGmbHG). Auf diese Weise soll das Zielgrößen-System sogleich in Schwung gebracht werden1. Sollte mithin eine Gesellschaft entgegen § 5 Satz 1 EGGmbHG die Zielgrößen erst in 2016 festgelegt haben, so verkürzt sich die Erreichungsfrist auf unter anderthalb Jahre.

15 Die einmal festgelegte Frist entfaltet keine Sperrwirkungen gegen eine Neufest-

legung noch vor Fristablauf – etwa auf der Grundlage neu gewonnener Erkenntnisse. Weder die Zielgrößen, noch die Erreichungsfristen sind indisponibel. Die neu festgelegten Fristen müssen lediglich die gesetzlich vorgegebene Höchstdauer von fünf Jahren einhalten (§ 36 Satz 4). Der bisherige Ablauf der Altfrist braucht in die neue Frist nicht eingerechnet zu werden2, weil die Geschäftsführer/Gesellschafter (Rn 7) mit der neuen Festlegung das Ziel des Gesetzes erfüllt haben, spätestens alle fünf Jahre die Zielgrößen neu festzulegen, und dies auch nach Ablauf der neuen (Höchst-)Frist tun werden. Um Umgehungen zu vermeiden, ist zu begründen, warum die ursprüngliche Fristsetzung nicht ausgeschöpft und durch eine neue Frist ersetzt worden ist.

1 R/A/Altmeppen § 5 EGGmbHG Rn 1; so aber auch Fromholzer/Simons AG 2015, 457, 460; Wicke Rn 7. 2 AA R/A/Altmeppen Rn 11.

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6. Rechenschaft und Publizität a) Die Geschäftsführer haben im Rahmen der jährlichen Rechnungslegung in- 16 nerhalb der Erklärung zur Unternehmensführung in einem gesonderten Abschnitt zu den festgelegten Zielgrößen nach näherer Bestimmung des § 289a Abs. 2 Nr. 4 HGB (Rn 17 f) zu berichten (§§ 289a Abs. 4 Satz 1, 264 Abs. 1 HGB)1 und diesen Bericht zu veröffentlichen (Rn 20). Diesen Bericht müssen auch kleine Gesellschaften iSd § 267 Abs. 1 HGB aufstellen (§§ 289a Abs. 4 Satz 2, 326 Abs. 1 HGB); für sie gelten jedoch Publizitäts-Erleichterungen (Rn 20)2. Allerdings werden sich in der Unternehmenspraxis schwerlich Gesellschaften mit mehr als 500 Arbeitnehmern (Rn 2), aber weniger als 9,7 Mio Euro Umsatzerlöse oder 4,9 Mio Euro Bilanzsumme finden. Erstmals ist der Bericht über die festgesetzten Zielgrößen etc für Geschäftsjahre mit einem nach dem 30.6.2015 liegenden Abschlussstichtag zu erstatten (Art. 73 Satz 1 EGHGB), mithin in aller Regel in 2016 für das Geschäftsjahr 2015. b) Für den Inhalt des gesonderten Berichts ist danach zu unterscheiden, ob im 17 Berichtsjahr die selbstgesetzte Frist (Rn 13) abgelaufen ist oder nicht. Vor Fristablauf brauchen lediglich die konkret bestimmten Führungsebenen und die für diese festgelegten Zielgrößen (Rn 4, 10) angegeben zu werden – dies freilich für jedes abgelaufene Geschäftsjahr aufs Neue. Dagegen sind die Geschäftsführer nicht verpflichtet, vor Fristablauf einen Zwischenbericht dahingehend zu erstatten, welcher Stand auf dem Weg zum selbstgesetzten Ziel mittlerweile erreicht worden ist3. Nach Fristablauf ist über die festgelegten Zielgrößen und darüber zu berichten, 18 ob die Zielgrößen innerhalb der selbst gesetzten Frist erreicht worden sind. Wenn das der Fall ist, genügt die Angabe dieser Tatsache verbunden mit der Mitteilung des tatsächlichen Frauenanteils auf der jeweiligen Führungsebene4. Wurde dagegen eine der Zielgrößen innerhalb der festgesetzten Erreichungsfrist verfehlt, so sind die Gründe für die Zielverfehlung im Bericht anzugeben (§ 289a Abs. 4 Satz 1, Abs. 2 Nr. 4 HGB). Sie können etwa darin liegen, dass bestimmte Führungspositionen im Bezugszeitraum entgegen der Personalplanung nicht frei geworden waren oder sich auf vakante Führungspositionen nicht genügend geeignete Frauen beworben hatten oder die weiblichen Kandidaten unter strenger Berücksichtigung des Diskriminierungsverbots aus § 2 AGG ihren männlichen Mitbewerbern unterlegen waren5. Diese Angaben sind mit dem relevanten Zahlenmaterial zu fundamentieren, aber nicht mit den Gründen für die

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Grottel/Röhm-Kottmann Beck BK, 10. Aufl 2016, § 289a HGB Rn 10 ff. BegrRegE BT-Drucks 18/3784, S. 133. 13. Bundestagsausschuss BT-Drucks 18/4227, S. 26. R/A/Altmeppen Rn 14. S. B/S/Rieble Rn 28.

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§ 36 | Zielgrößen und Fristen zur gleichberechtigten Teilhabe Ablehnung konkreter Bewerberinnen1. Die Berichtspflicht zwingt die Geschäftsführer (und eventuell die Gesellschafter, § 37 Rn 11) nicht, ihre Personalentscheidungen zu rechtfertigen. 19 c) Als Teil der Erklärung zur Unternehmensführung unterliegt der Zielgrößen-

Bericht mitsamt seinen Angaben (Rn 17 f) nicht der gesetzlichen Abschlussprüfung (arg §§ 289a, 317 Abs. 2 Satz 3 HGB); diese beschränkt sich auf die Feststellung, ob der erforderliche Zielgrößen-Bericht überhaupt erstattet worden ist2 und die vorgegebenen Pflichtbestandteile enthält3. Sollten die Geschäftsführer dies pflichtwidrig unterlassen haben, so muss es in den Prüfungsbericht aufgenommen werden (§ 321 Abs. 2 HGB)4; darüber hinaus ist der Bestätigungsvermerk mit Begründung einzuschränken (§ 322 Abs. 4 iVm § 317 Abs. 2 Satz 3 HGB)5. Kleine Gesellschaften (Rn 16) sind nicht prüfungspflichtig (§ 316 Abs. 1 Satz 1 HGB).

20 d) Eingebettet in die Erklärung zur Unternehmensführung ist der Zielgrößen-

Bericht über den Lagebericht (§§ 289a, 289 HGB) im Bundesanzeiger zu veröffentlichen (§ 325 Abs. 1 HGB). Stattdessen kann die Gesellschaft den Zielgrößen-Bericht auch auf ihrer Internetseite zugänglich machen; dann hat sie hierauf gemäß § 289a Abs. 1 Satz 3 HGB in ihrem Lagebericht hinzuweisen (§ 289a Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2, Abs. 1 Satz 2, 3 HGB). Kleine Gesellschaften (Rn 16) müssen den Zielgrößen-Bericht auf ihrer Internetseite zugänglich machen (§ 289a Abs. 4 Satz 2 HGB); sie können dies aber auch auf dem Wege ihres nach § 325 Abs. 1 HGB freiwillig veröffentlichten Lageberichts tun (§ 289a Abs. 4 Satz 3 HGB).

7. Sanktionen 21 Mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro sind die Geschäftsführer der

Gesellschaft und die Mitglieder ihres Aufsichtsrats allein für pflichtwidrige Berichterstattung nach § 289a Abs. 4 HGB bedroht (§ 334 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 HGB)6 – sei es, weil sie den obligatorischen Zielgrößen-Bericht (Rn 17 f) überhaupt nicht oder unvollständig oder fehlerhaft erstattet haben7. Überdies ist den pflichtvergessenen Organmitgliedern die Entlastung zu versagen, falls sie vor-

1 Ähnlich R/A/Altmeppen Rn 15; aA wohl Begr RegE BT-Drucks 18/3784, S. 120: „… weshalb er keinen Erfolg hatte!“; das gibt der Gesetzeswortlaut nicht her. 2 R/A/Altmeppen Rn 18. 3 Huber-Straßer Audit Committee Quarterly 2015 Extra „Women at work“ S. 48. 4 Näher Schüppen/Walz WPg 2015, 1157 f; aA Seidler BB 2016, 939 in Verkennung des Konzepts auf öffentlichen Druck zu setzen (Rn 1). 5 Schüppen/Walz WPg 2015, 1160. 6 BegrRegE BT-Drucks 18/3784, S. 132. 7 R/A/Altmeppen Rn 19.

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sätzlich fehlerhaft berichtet haben oder haben berichten lassen1. Unsanktioniert bleiben dagegen die primär mit der Zielgrößen-Festlegung verbundenen Pflichten (Rn 4); insoweit hat der Gesetzgeber stattdessen auf die Veröffentlichung des Zielgrößen-Berichts und auf den Druck der Allgemeinheit gesetzt. Zwar ist die Verweigerung, Zielgrößen festzulegen, eine Pflichtverletzung; wie diese Verfehlung jedoch zu einem nach § 43 Abs. 2 kompensationsfähigen Schaden der Gesellschaft sollte führen können, ist schwer vorstellbar2.

8. Konzern a) Für die GmbH an der Spitze eines Konzerns richtet es sich nach den diffe- 22 renzierenden Regeln der Mitbestimmungsgesetze (Rn 2), ob ihr die Arbeitnehmer der konzernabhängigen Gesellschaften zugerechnet werden (zu denen im EU/EWR-Ausland Rn 3). Nach § 5 Abs. 1 MitbestG kommt es auf die Konzernierungsform nicht an; als Arbeitnehmer der konzernherrschenden Gesellschaft zählen daher die der unternehmensvertraglich konzernierten Gesellschaften ebenso wie die der bloß faktisch abhängigen. Erreicht die konzernherrschende Gesellschaft dadurch mehr als 2000 Arbeitnehmer (zu solchen im Ausland Rn 3), so unterliegt sie damit der Mitbestimmung nach dem MitbestG und hat für den Frauenanteil Zielgrößen festzulegen. Anders hingegen nach § 2 Abs. 2 DrittelbG: Hier werden die Arbeitnehmer der konzernabhängigen Gesellschaften der konzernherrschenden bloß dann zugerechnet, wenn zwischen den Gesellschaften ein Beherrschungsvertrag besteht, also nicht im lediglich faktischen Konzern. In diesem hat die konzernherrschende Gesellschaft, weil drittelbeteiligt mitbestimmt, nur dann Zielgrößen festlegen zu lassen, wenn sie selbst mehr als 500 Arbeitnehmer hat (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG). b) Im Konzern sind für jede konzernverbundene Gesellschaft, sei sie Mutter-, 23 Tochter- oder Enkelgesellschaft, jeweils eigene Zielgrößen für ihre jeweils beiden obersten Führungsebenen unterhalb der Geschäftsleitung festzulegen (Rn 4, 10) – dies allerdings allein in jenen konzernverbunden Gesellschaften, die selbst der Mitbestimmung unterliegen, also nicht in einer Tochter KG und auch nicht in einer Enkel GmbH mit weniger als 500 Arbeitnehmern. Von der Verpflichtung, eigene Zielgrößen festzulegen, werden nachgeordnete Konzerngesellschaften nicht durch die Verpflichtung der Gesellschaft an der Konzernspitze befreit, dort Zielgrößen zu bestimmen. Eine solche Freistellung enthält das Gesetz nicht. c) Ebensowenig hat der Gesetzgeber die Konzernverbindung bei der Bestim- 24 mung der Führungsebenen berücksichtigt; im Gegenteil hat er von ihrer konzernweiten Fassung „unter Einbeziehung von Führungskräften im In- und Ausland abgesehen, da dadurch die Zielgrößen intransparent und vage geworden 1 Weller/Benz AG 2015, 474 f. 2 Ähnlich R/A/Altmeppen Rn 12; B/S/Rieble Rn 23.

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§ 37 | Beschränkungen der Vertretungsbefugnis wären“1. Deshalb sind für jede Zielgrößen-pflichtige Konzerngesellschaft (Rn 23) isoliert deren oberste Führungsebenen zu ermitteln. Das gilt auch für streng zentralistisch organisierte Konzerne mit einer durchgehenden Hierarchisierung über die Konzerngesellschaften hinweg2. In einem solchen Konzern mag die Ebene der Tochtergeschäftsleitung organisatorisch die zweite Führungsebene unterhalb der Konzernleitung sein; deshalb hat die Gesellschaft an der Spitze des Konzerns rechtlich nur eine nachgeordnete Führungsebene (Rn 11). Die Tochtergeschäftsführer amtieren auf keiner nachgeordneten Führungsebene der Konzernmutter. Frauenförderung findet hier in der Tochter-Geschäftsleitung ggf nach § 52 Abs. 2 statt.

§ 37 Beschränkungen der Vertretungsbefugnis (1) Die Geschäftsführer sind der Gesellschaft gegenüber verpflichtet, die Beschränkungen einzuhalten, welche für den Umfang ihrer Befugnis, die Gesellschaft zu vertreten, durch den Gesellschaftsvertrag oder, soweit dieser nicht ein anderes bestimmt, durch die Beschlüsse der Gesellschafter festgesetzt sind. (2) Gegen dritte Personen hat eine Beschränkung der Befugnis der Geschäftsführer, die Gesellschaft zu vertreten, keine rechtliche Wirkung. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass die Vertretung sich nur auf gewisse Geschäfte oder Arten von Geschäften erstrecken oder nur unter gewissen Umständen oder für eine gewisse Zeit oder an einzelnen Orten stattfinden soll, oder dass die Zustimmung der Gesellschafter oder eines Organs der Gesellschaft für einzelne Geschäfte erfordert ist. Text seit 1892 unverändert; amtliche Überschrift ergänzt durch MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl I 2026). 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Geschäftsführungsbefugnis nach dem Gesetz . . . . . . . . . . . . . . 3. Grenzen der gesetzlichen Geschäftsführungsbefugnis . . . . . 4. Übertragung der Geschäftsführungsbefugnis auf andere . . . . . 5. Zustimmungsvorbehalte . . . . .

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6. Weisungen . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Statutarisch erweiterte Geschäftsführungsbefugnis . . . . . . . . . . . 8. Organisation der Geschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. „Zölibatsgeschäftsführer“ . . . . . . 10. Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . .

1 13. Bundestagsausschuss, BT-Drucks 18/4227, S. 22. 2 Dazu Insam Audit Committee Quarterly 2015 Extra „Woman at work“ S. 36 f.

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. 17 . 25 . 27 . 39 . 40

Beschränkungen der Vertretungsbefugnis | § 37

1. Überblick Die Bestimmung regelt einen Teilaspekt der Geschäftsführungsbefugnis, also des 1 Innenverhältnisses zwischen Gesellschaft und Geschäftsführung. Die Gesellschafter haben das Recht, durch Weisungen und sonstige Vorgaben die Geschäftsführer nahezu in ihren gesamten Geschäftsführungsaktivitäten – also nicht nur hinsichtlich der Vertretung der Gesellschaft nach außen – (positiv) zu steuern und (negativ) zu begrenzen1. Anders als in der hierarchisch nicht geschichteten AG mit ihrem eigenverantwortlichen Vorstand (§ 76 Abs. 1 AktG) sind die Gesellschafter den Geschäftsführern übergeordnet; das kommt außer in §§ 45 f, 49 Abs. 2, 3 auch in § 37 zum Ausdruck. Davon kann der Gesellschaftsvertrag in zwei Richtungen abweichen: So lässt sich den Geschäftsführern einerseits eine autonome Stellung eröffnen, die noch über § 76 Abs. 1 AktG hinausgeht; andererseits können die Geschäftsführer im Wesentlichen auf die Funktion eines reinen Ausführungsorgans für die Gesellschafterentscheide zurückgedrängt werden2. – In Gesellschaften mit einem Aufsichtsrat haben die Geschäftsführer außerdem dessen Zustimmungsvorbehalte zu beachten (Rn 16). – Der Text des § 37 regelt nicht das gesellschaftsinterne Zusammenwirken mehrerer Geschäftsführer (Rn 27 ff). § 37 Abs. 2 stellt klar, dass Einschränkungen der gesellschaftsinternen Ge- 2 schäftsführungsbefugnis die Vertretungsmacht der Geschäftsführer nach außen gegenüber Dritten unberührt lassen. Diese Trennung zwischen Innen- und Außenverhältnis dient dem Verkehrsinteresse im handelsrechtlichen Geschäftsverkehr (arg § 13 Abs. 3 GmbHG/§ 6 Abs. 1 HGB) und gilt auch für die Beschränkungen, die der Unternehmensgegenstand (§ 3 Abs. 1 Nr. 2) den Geschäftsführern auferlegt: Die vom Geschäftsführer einer Weinhandelsgesellschaft abgeschlossenen Warentermingeschäfte in Kupfer berechtigen und verpflichten die Gesellschaft. Zur Durchbrechung dieses Prinzips durch die Regeln des Missbrauchs der Vertretungsmacht § 35 Rn 22 ff. Möglich ist auch die individuelle Vereinbarung mit einem Dritten, das Geschäft solle nur mit Gesellschafterzustimmung wirksam sein3. Zu Rechtsgeschäften mit Gesellschaftern oder Organmitgliedern, wo der Verkehrsschutzgedanke keine oder allenfalls eine zurückgenommene Rolle spielt, s. § 35 Rn 25.

2. Geschäftsführungsbefugnis nach dem Gesetz Der statutarische Unternehmensgegenstand (§ 3 Abs. 1 Nr. 2) verpflichtet und 3 berechtigt die Geschäftsführer, sämtliche Maßnahmen zu beschließen und aus1 Hommelhoff ZGR 1978, 119, 121. 2 Dazu betriebswirtschaftlich: v. Werder DBW 1987, 151. 3 BGH GmbHR 1997, 836, 837.

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§ 37 | Beschränkungen der Vertretungsbefugnis zuführen, die erforderlich sind, um den Unternehmensgegenstand mit den zur Verfügung stehenden personellen, sachlichen und finanziellen Ressourcen nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Geschäftsleitung (§ 43 Abs. 1) fortwährend zu verwirklichen. Dabei haben die Geschäftsführer allerdings Entscheidungszuständigkeit und Mitwirkungsrechte anderer Gesellschaftsorgane, namentlich die der Gesellschafter (Rn 7 ff), zu wahren. 4 a) In diesen in Rn 3 genannten Grenzen sind die Geschäftsführer die Träger der

unternehmerischen Initiativ- und Entscheidungsmacht in der Gesellschaft und ihrem Unternehmen1, fallen in ihre Zuständigkeit vor allem die originären Führungsfunktionen auf den Gebieten der Unternehmensplanung, -koordinierung und -kontrolle sowie die Besetzung von Führungsstellen im Unternehmen2. Soweit den Geschäftsführern diese Führungsfunktionen zugewiesen sind, müssen sie sie selbst wahrnehmen und dürfen sie nur aufgrund eines Gesellschafterentscheids auf nachgeordnete Stellen übertragen (vgl Rn 12). Sie haben außerdem das laufende Tagesgeschäft zu planen, einzuleiten, abzuwickeln und zu kontrollieren3.– Soweit Entscheidungen der Gesellschafter im Unternehmen oder gegenüber außenstehenden Dritten auszuführen sind, fällt dies in den Aufgabenbereich der Geschäftsführer (§ 83 Abs. 2 AktG analog). – Zum Weisungsrecht der Gesellschafter und zur Folgepflicht der Geschäftsführer s. Rn 17 ff.

5 b) Den Geschäftsführern ist ausdrücklich eine Vielzahl von gesetzlichen Einzel-

aufgaben zugewiesen – darunter vor allem die, das Stammkapital vor verbotenen Auszahlungen zu bewahren (§§ 30, 43 Abs. 3), einen unzulässigen Erwerb eigener Anteile zu verhindern (§§ 33, 43 Abs. 3), für eine ordnungsgemäße Buchführung der Gesellschaft zu sorgen (§ 41), den Jahresabschluss aufzustellen (§ 264 Abs. 1 HGB), die Gesellschafterversammlung einzuberufen (§§ 5a Abs. 4, 49 Abs. 2/3) und, sobald erforderlich, Insolvenzantrag zu stellen (§ 15a Abs. 1 InsO). Diese, ihnen im öffentlichen Interesse auferlegten Aufgaben haben die Geschäftsführer eigenverantwortlich zu erfüllen; die Gesellschafter können keine Weisungen erteilen, die den Geschäftsführer zwingen würden, seine ihm im öffentlichen Interesse zugewiesenen Pflichten zu verletzen (arg § 43 Abs. 3 Satz 3)4.

6 c) In GmbH an der Spitze eines Konzerns haben die Leitungsaufgaben der Ge-

schäftsführer eine konzernweite Dimension5; sie müssen daher innerhalb ihrer Kompetenzgrenzen (Rn 7 ff) die originären Führungsfunktionen im Gesamtkonzern (Leitung und Überwachung; s. Rn 4) ebenso wahrnehmen wie die Leitung

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OLG Karlsruhe GmbHR 1996, 208, 209. Semler Leitung und Überwachung der Aktiengesellschaft, 2. Aufl 1996, S. 11 f. BFH GmbHR 1993, 239; R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 6. R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 6 und 18; MünchKomm/Stephan/Tieves Rn 25 f und 34. Für die Pflicht zur Überwachung der Tochtergesellschaften s. ThürOLG GmbHR 2010, 483, 484 und dazu Wilsing/Ogorek NZG 2010, 216.

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Beschränkungen der Vertretungsbefugnis | § 37

etc des laufenden Tagesgeschäfts der Obergesellschaft1. – Hält die Gesellschaft eine unternehmerische Beteiligung (§ 271 Abs. 1 HGB) an einer anderen Gesellschaft, so liegt grundsätzlich auch das Beteiligungsunternehmen im Aufgabenbereich der Geschäftsführer; welche konkreten Pflichten für sie hieraus folgen, bestimmt sich nach den geschäftlichen Zwecken, welche die Gesellschaft mit ihrer Beteiligung nach der Vorgabe der Gesellschafter verfolgen soll2.

3. Grenzen der gesetzlichen Geschäftsführungsbefugnis a) Eine Reihe von Entscheidungen behält das Gesetz, sofern der Gesellschafts- 7 vertrag (§ 46 Rn 1) nichts anderes bestimmt, ausdrücklich den Gesellschaftern vor: zB Abschlussfeststellung (§§ 42a Abs. 2, 46 Nr. 1), Ergebnisverwendung (§§ 29 Abs. 2, 42a Abs. 2, 46 Nr. 1), Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer (§ 46 Nr. 5) einschließlich aller auf ihre Anstellung bezogener Rechtsgeschäfte (s. Anh zu § 6 Rn 6, 8), Bestellung von Prokuristen und Generalhandlungsbevollmächtigten (§ 46 Nr. 7). Zu den sog Innengeschäften vgl näher bei § 35 Rn 19. Vom Gesellschafterentscheid ist seine Ausführung zu unterscheiden (zB Erklärung der Prokuristenbestellung gegenüber dem Bestellten); sie ist Geschäftsführungsaufgabe (anders bei Geschäftsführerabberufung und -kündigung: § 38 Rn 6; Anh zu § 6 Rn 52). b) Unternehmenspolitik: Über die Grundsätze der Unternehmenspolitik befin- 8 den nicht die Geschäftsführer, sondern nach überwiegender Lehre die Gesellschafter3. Diese Entscheidungszuständigkeit folgt aus der Gesamtschau einzelner Kompetenznormen (§§ 42a Abs. 2, 29 Abs. 2, 46 Nr. 5/7, 49 Abs. 2). Ihr kann nicht ihre begriffliche Unschärfe entgegengehalten werden. Denn worauf sich die unternehmenspolitischen Grundsätze in der einzelnen Gesellschaft beziehen und welchen Umfang sie haben sollen, legen die Gesellschafter im konkreten Beschluss fest. Die anschließenden Gesellschafterbeschlüsse, welche die Grundsätze 1 S. – mit Unterschieden im Detail – Drygala in PraxishdbGmbH-Geschäftsführung § 42 Rn 74 ff; Jungkurth Konzernleitung bei der GmbH, 2000, S. 57 ff; U/H/L/Paefgen Rn 16 f; Rottnauer NZG 1999, 337 ff; Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider GmbHR 2010, 1313 ff; MünchKomm/Stephan/Tieves Rn 19 ff; vgl für das Aktienrecht auch Hommelhoff/Hopt/ v. Werder/Kleindiek Hdb Corporate Governance, 2. Aufl 2009, S. 787, 796 ff. Zur Erstreckung der Geschäftsführungsbefugnis der Konzerngeschäftsführung auf die nachgeordneten Tochter- und Enkelgesellschaften: Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 80 ff; Altmeppen FS Lutter, 2000, S. 975 ff. 2 S. Hommelhoff FS Stimpel, 1985, S. 613 ff. 3 BGH GmbHR 1991, 197; OLG Düsseldorf ZIP 1984, 1479; Goette DStR 1998, 942; B/S/ Jacoby Rn 3; S/I/Lücke/Simon Rn 4; U/H/L/Paefgen Rn 18; Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 5 ff; MünchKomm/Stephan/Tieves Rn 62 ff, 132 mwN; aA B/H/Zöllner/ Noack Rn 13 ff; Kort ZIP 1991, 1276; R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 8; vermittelnd R/A/ Altmeppen Rn 22 f: je nach der tatsächlichen Handhabung in der Vergangenheit.

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§ 37 | Beschränkungen der Vertretungsbefugnis fortführen, zeichnen eine Linie, aus der die Geschäftsführer entnehmen können, was in ihrer Gesellschaft zur Geschäftspolitik zählt. Selbstverständlich steht es den Gesellschaftern frei, in einer Geschäftsordnung (Rn 36 f) oder Einzelweisung zu präzisieren, was in der Gesellschaft zur Unternehmenspolitik gehört. – Sollten die Gesellschafter ihre unternehmenspolitische Kompetenz (ausdrücklich oder tatsächlich) nicht wahrnehmen, so müssen die Geschäftsführer freilich von sich aus aktiv werden und selbst die Unternehmenspolitik formulieren und festsetzen. 9 Damit die Gesellschafter über die Grundsätze der Unternehmenspolitik ent-

scheiden können, haben die Geschäftsführer ihnen hierfür die notwendigen Vor- und Unterlagen sowie sonstige Informationen zu liefern1.

10 c) Ungewöhnliche Maßnahmen2: Über sie entscheiden gleichfalls die Gesell-

schafter und wegen ihrer Einberufungspflicht aus § 49 Abs. 2 nicht die Geschäftsführer3. Der Kreis ungewöhnlicher Maßnahmen darf freilich nicht zu weit gezogen werden, da die gesetzliche Gesamtgeschäftsführungsbefugnis (Rn 28) bereits die Gesellschafterinteressen in gewissem Umfang schützt.

11 Ungewöhnliche Maßnahmen4 sind solche, die außerhalb des statutarischen Un-

ternehmensgegenstandes (§ 3 Abs. 1 Nr. 2) oder die im Widerspruch zur festgelegten Unternehmenspolitik stehen5, sowie Maßnahmen, die wegen ihrer Bedeutung (für Gesellschaft oder Gesellschafter) oder ihres unternehmerischen Risikos Ausnahmecharakter haben6. Ungewöhnlich ist etwa die Unternehmensveräußerung7, aber auch die Ausgliederung wesentlicher Unternehmensteile8, wie im „Holzmüller“-Fall9, allerdings wegen der Weisungsmöglichkeiten der Gesellschafter nach § 37 Abs. 1 (Rn 17 ff) dann nicht, wenn die Gesellschaft allein an der ausgegliederten Gesellschaft beteiligt ist und bleibt10; dagegen ist die

1 Hommelhoff ZIP 1983, 385 ff; Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 10. 2 Vgl Zitzmann Die Vorlagepflichten des GmbH-Geschäftsführers, 1990. 3 BGH NJW 1973, 1039; BGH NJW 1984, 1462; OLG Karlsruhe NZG 2000, 267; Eisenhardt FS Pfeiffer, 1988, S. 842 ff; U/H/L/Paefgen Rn 19; R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 10 f; Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 15 ff; zur Begründung: Hommelhoff ZGR 1978, 119, 123 f, 126 f; aA B/H/Zöllner/Noack Rn 7; Wiedemann S. 336 Fn 24. 4 S. zu ihrer Abgrenzung auch R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 11; Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 16 ff. 5 S. BGH GmbHR 1991, 197; OLG Düsseldorf ZIP 1984, 1479; OLG Stuttgart GmbHR 2013, 535, 540; LG Berlin WM 1992, 25 = AG 1992, 91; oben Rn 8; teilweise aA B/H/ Zöllner/Noack Rn 8 f. 6 Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 19 mit Beispielen. 7 Näher Koppensteiner FS Sigle, 2000, S. 171 f. 8 Näher Lutter/Leinekugel ZIP 1998, 225, 231 f. 9 BGHZ 83, 122. 10 S. OLG Koblenz ZIP 1990, 1570, 1572 = GmbHR 1991, 264; weitergehend B/H/Zöllner/ Noack Rn 11; Priester FS H.P. Westermann, 2008, S. 1281, 1286 ff; s. zur Konzerngründung auch Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 77 ff.

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Ausgliederung auch in eine 100%ige Tochtergesellschaft ungewöhnlich, wenn sich wegen der Zahl der Tochterarbeitnehmer deren eigenständige Interessen in einem Aufsichtsrat nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG (dazu § 52 Rn 37 ff) verfestigen. – Schließlich ist eine Maßnahme ungewöhnlich, wenn die Geschäftsführer an ihrer Billigung durch die (im konkreten Fall stimmberechtigten1) Gesellschafter zweifeln müssen; denn gegen deren mutmaßlichen Willen dürfen die Geschäftsführer nicht handeln2.

4. Übertragung der Geschäftsführungsbefugnis auf andere a) Der Aufgabenbereich, der den Geschäftsführern nach dem Normalstatut zur 12 Wahrnehmung zugewiesen ist (Rn 4 ff), kann ihnen weitgehend entzogen und auf eine andere gesellschaftsinterne Stelle (zB Beirat) übertragen werden3. Selbst das laufende Tagesgeschäft ist dem Geschäftsführer nicht als unentziehbarer Kernbereich zugewiesen; dieser Kernbereich beschränkt sich vielmehr auf die Vertretung sowie auf bestimmte gesetzliche Aufgaben (zB §§ 30, 31, 33, 40, 41, 49 Abs. 3, § 15a Abs. 1 InsO, § 264 Abs. 1 HGB, § 34 AO), für deren (eigenverantwortliche) Wahrnehmung die Geschäftsführer zwingend zuständig sind (Rn 5)4. Jenseits dieser Pflichtaufgaben können die Geschäftsführer, freilich nur durch entsprechende Regelung im Gesellschaftsvertrag (insoweit aber streitig; s. sogleich Rn 14 und Rn 18a), zum reinen Exekutivorgan (mit Mindestkontrollpflichten) herabgestuft werden5, zugleich muss ihnen diese Funktion dann aber auch wegen der unentziehbaren Vertretungsmacht zumindest bleiben. Soweit eine solche Organisation die reibungslose Zusammenarbeit stört, gehen die Auswirkungen zu Lasten der für die Organisationsverfassung verantwortlichen Gesellschafter. Um die ihnen verbleibenden gesetzlichen Pflichtaufgaben (Rn 12) zu erfüllen, 13 brauchen die Geschäftsführer von der geschäftsführungsbefugten Stelle Informationen. Soweit die Geschäftsführer diese Informationen nicht schon im Zusammenhang mit den ihnen (kraft ihrer Vertretungsmacht) obliegenden Ausführungshandlungen erhalten, können und müssen sie von der geschäftsführungsbefugten Stelle all jene Auskünfte verlangen, die sie im Rahmen und zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Pflichtaufgaben benötigen6; dieser Anspruch wur1 OLG Stuttgart GmbHR 2013, 535, 540 f. 2 BGH GmbHR 1984, 96; OLG Frankfurt GmbHR 1989, 255; OLG Stuttgart GmbHR 2013, 414, 419; OLG Stuttgart GmbHR 2013, 535, 540. 3 Uffmann Interim Management, 2015, S. 349 f („geschäftsführender Beirat“). 4 OLG Nürnberg NZG 2000, 154, 155 = GmbHR 2001, 73; OLG Düsseldorf ZIP 1984, 1478. 5 So schon Hommelhoff ZGR 1978, 119, 129; Wank GmbHR 1980, 121, 123; wie hier etwa U/H/L/Paefgen Rn 28; MünchKomm/Stephan/Tieves Rn 68; Uffmann Interim Management, S. 350 ff mwN; aA B/H/Zöllner/Noack Rn 18. 6 Vgl Lutter ZIP 1986, 1195, 1196.

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§ 37 | Beschränkungen der Vertretungsbefugnis zelt im Gebot loyalen Zusammenwirkens unter den Gesellschaftsorganen (vgl auch § 43 Rn 17). Die erforderliche Mit- und Zuarbeit nachgeordneter Stellen können die Geschäftsführer als Inhaber der Vertretungsmacht dadurch sicherstellen, dass sie das Direktionsrecht der Gesellschaft ausüben. – Zu den Informationsrechten des von der Geschäftsführung ausgeschlossenen „Zölibatsgeschäftsführers“ gegenüber den übrigen Geschäftsführern Rn 39. 14 Mit der Übertragung der Geschäftsführungsbefugnis auf eine andere gesell-

schaftsinterne Stelle wird die Organisationsverfassung nach dem Normalstatut einschneidend verändert. Schon deshalb ist für eine solche Übertragung eine Satzungsänderung erforderlich (vgl auch Rn 18a); ein einfacher Gesellschafterbeschluss genügt dafür nicht1; ebenso wenig die Kompetenzverschiebung in einer Geschäftsordnung (Rn 36). Außerdem müssen sich neu eintretende Gesellschafter und sonstige Publizitätsadressaten ohne Schwierigkeiten darüber informieren können, dass die Geschäftsführungsbefugnis in dieser Gesellschaft nicht bei den Geschäftsführern liegt. Sollte ein Gesellschafter ein Sonderrecht auf Geschäftsführung haben (§ 14 Rn 12 und 16), so bedarf die statutarische Übertragung der Geschäftsführungsbefugnis der Zustimmung des Sonderrechtsinhabers (§ 35 BGB).

15 b) Gesellschaftsexternen Dritten kann die Geschäftsführungsbefugnis im Ge-

sellschaftsvertrag dann übertragen werden, wenn der Dritte gleichzeitig statutarisch in die Organisation der Gesellschaft einbezogen und auf deren Interessen ausgerichtet wird; denn damit wird der Dritte zum Gesellschaftsorgan2. Allerdings folgt die Organeigenschaft des Dritten nicht allein und automatisch aus der Kompetenzübertragung. Zur Wahrung der Verbandssouveränität muss der Gesellschaftsvertrag vielmehr den Dritten strikt in die Organisationsverfassung der Gesellschaft einbinden3 und zudem den Gesellschaftern genügend Rechte geben, um das Drittverhalten innerhalb der Gesellschaft beeinflussen zu können4. – Außerhalb des Gesellschaftsvertrages kann die Geschäftsführungsbefugnis auf der Grundlage eines Betriebsführungsvertrages auf einen Dritten übertragen werden (Anh zu § 13 Rn 75).

15a c) Von der ersetzenden Übertragung der Geschäftsführungsaufgaben nach Maß-

gabe des in Rn 12–15 Gesagten strikt zu unterscheiden ist im Übrigen die (zulässige) Hinzuziehung eines Dritten (auch eines externen, zB Interim Manager5) bei der Wahrnehmung der Geschäftsführungsaufgaben durch die Geschäftsführer. Letztere können ihm zu diesem Zweck Vollmachten erteilen, auch eine umfassende Generalvollmacht. Die rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht des Drit1 2 3 4 5

Anders MünchKomm/Stephan/Tieves Rn 73. S. auch Fleck ZGR 1988, 133. Näher Teubner ZGR 1986, 568 ff. Insoweit anders Teubner ZGR 1986, 568 ff. Dazu eingehend Uffmann Interim Management, S. 360 ff, 441 ff.

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ten tritt dann neben die (fortbestehende) organschaftliche Vertretungsmacht der Geschäftsführer, die auch nicht aus ihrer Organverantwortung entlassen werden. Die Erteilung einer solchen Generalvollmacht bedarf freilich (intern) eines zustimmenden Gesellschafterbeschlusses (entspr § 46 Nr. 7) und muss widerruflich ausgestaltet sein; die Tätigkeit des Dritten ist von den Geschäftsführern zu überwachen. Näher zum Ganzen § 35 Rn 2.

5. Zustimmungsvorbehalte Zustimmungsvorbehalte zugunsten aller oder einzelner Gesellschafter, des Auf- 16 sichtsrats/Beirats oder einer sonstigen gesellschaftsinternen Stelle sind als Minus im Vergleich zur Kompetenzübertragung zulässig (arg § 37 Abs. 2 aE), zugunsten externer Dritter sind sie es wohl allenfalls für eng begrenzte Geschäftsarten (vgl auch Rn 21). Das Recht (bezogen auf solche des Aufsichtsrats ggf die Pflicht), Zustimmungsvorbehalte zu statuieren, folgt für die Gesellschaftergesamtheit aus ihrem Weisungsrecht (§ 37 Abs. 1), für den fakultativen und den obligatorischen Aufsichtsrat aus § 52 Abs. 1 GmbHG/§ 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG/§ 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MitbestG/§ 111 Abs. 4 Satz 2 AktG; nur beim fakultativen Aufsichtsrat kann dieses Recht ausgeschlossen oder beschränkt werden (arg § 52 Abs. 1 aE). Andere Stellen (zB Beirat1) oder einzelne Gesellschafter benötigen eine besondere Vorbehaltsermächtigung im Gesellschaftsvertrag; falls ihnen eine Ermächtigung oder Zustimmungsvorbehalte in der Geschäftsordnung der Geschäftsführer (Rn 36) gewährt werden sollen, bedürfen diese eines Gesellschafterbeschlusses mit qualifizierter Mehrheit (§ 53 Abs. 2). – Hat das zur Zustimmung berufene Organ dies verweigert, müssen die Geschäftsführer die geplante Maßnahme unterlassen. Ob sich das Veto durch einen Gesellschafterbeschluss überwinden lässt, bestimmt sich grds nach dem Gesellschaftsvertrag bzw nach der Geschäftsordnung; für Gesellschaften mbH mit obligatorischem Aufsichtsrat sind die Einzelheiten zur Überwindung eines Aufsichtsratsvetos (§ 111 Abs. 4 Satz 2–4 AktG) indes umstritten (vgl die Verweise Rn 19 aE).

6. Weisungen a) Das Weisungsrecht der Gesellschafter und die korrespondierende Folge- 17 pflicht der Geschäftsführer kennzeichnen das Organisationsstatut der GmbH (Rn 1). Statutarischer Unternehmensgegenstand (§ 3 Abs. 1 Nr. 2) und unternehmenspolitische Vorgaben der Gesellschafter (Rn 8) kanalisieren und steuern das Handeln der Geschäftsführer. Darüber hinaus können die Gesellschafter (also nicht der einzelne Gesellschafter) durch einfachen Gesellschafterbeschluss (§ 47 Abs. 1) den Geschäftsführern generelle (zB: keine Neuabschlüsse mit säu1 Dazu etwa Uffmann Interim Management, S. 348 f mwN.

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§ 37 | Beschränkungen der Vertretungsbefugnis migen Schuldnern) oder spezielle Weisungen (das Angebot des X wird angenommen) erteilen. Weisungen können sich auch auf die Unternehmenspolitik oder ungewöhnliche Maßnahmen (Rn 10 f) beziehen. In der GmbH & Co KG erstreckt sich das Weisungsrecht auch auf die Geschäfte in der KG1. – Über Weisungen außerhalb des Gesellschaftsvertrages entscheiden die Gesellschafter durch Beschluss nach § 472; Weisungen einzelner Gesellschafter (von mehreren) sind unbeachtlich (s. aber auch Rn 21). 18 b) Umfang und Grenzen des Weisungsrechts: Ob, wann und auf welche Maß-

nahmen bezogen die Gesellschafter Weisungen erteilen wollen, steht in ihrem Belieben. Das schließt wirtschaftlich unzweckmäßige Weisungen mit ein (s. aber auch Rn 23) – es sei denn, der Weisungsbeschluss der Gesellschafter ist treuwidrig oder verstößt gegen die guten Sitten. Seine Grenze findet das Weisungsrecht im Übrigen dort, wo die Geschäftsführer bei Befolgung der Weisung Pflichten verletzen würden, die ihnen im Interesse der Gesellschaftsgläubiger oder im Allgemeininteresse zugewiesen sind (Rn 5 und 12 sowie § 43 Rn 64); das betrifft etwa die Kapitalerhaltungsgebote nach §§ 30, 31, 33. Solcherart rechtswidrige Weisungen dürfen die Geschäftsführer nicht befolgen. Gleiches gilt, wenn die angewiesene Maßnahme die Gesellschaft mit überwiegender Wahrscheinlichkeit in die Insolvenz führen und die Gesellschaftsgläubiger schädigen würde3. Die Gesellschafter können die Geschäftsführer deshalb nicht wirksam zu einer Maßnahme anweisen, durch welche die Existenz der Gesellschaft erheblich gefährdet oder gar vernichtet würde4. Gesellschafterweisungen, welche diese Grenzen überschreiten, haben für die Geschäftsführer keine haftungsausschließende Wirkung (dazu § 43 Rn 40 ff). Jene Grenzen des Weisungsrechts gelten auch in der Einpersonen-Gesellschaft5, zumal der BGH selbst den Alleingesellschafter der Haftung wegen existenzgefährdenden Eingriffs (sog Existenzvernichtungshaftung aus § 826 BGB, dazu § 13 Rn 25 ff) unterwirft6.

Solange diese Grenzen jedoch gewahrt bleiben (insbes weil weder die Vermögensbindung nach §§ 30 ff verletzt noch die Existenz der Gesellschaft gefährdet wird), haben die Geschäftsführer selbst für die Gesellschaft nachteilige Maßnahmen umzusetzen, die vom Willen sämtlicher Gesellschafter bzw des Alleingesellschafters getragen werden (vgl auch § 43 Rn 43). Vor diesem Hintergrund sind Weisungsrecht der Gesellschafter und Folgepflicht der (jederzeit frei abberufbaren, § 38 Abs. 1) Geschäftsführer zentrale Instrumente zur Einbin1 2 3 4

AA Esch NJW 1988, 1556. Zutreffend Konzen NJW 1989, 2977, 2979. Zutreffend schon OLG Frankfurt GmbHR 1997, 346, 348. BGHZ 176, 204 Rn 39 = GmbHR 2008, 805; BGHZ 197, 304 Rn 33 = GmbHR 2013, 1044; B/H/Zöllner/Noack Rn 24; Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 61 mwN. 5 Noch offen gelassen von BGHZ 122, 333, 336 = GmbHR 1993, 427; BGH ZIP 2000, 493, 494 = GmbHR 2000, 330. 6 BGHZ 179, 344 Rn 18 und 23 = GmbHR 2009, 601.

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dung der GmbH in einen faktischen Konzern; s. dazu Anh zu § 13 Rn 1 und 26. Ohne weitere Einschränkung gilt das allerdings nur für 100%ige Tochtergesellschaften, denn in Gesellschaften mbH mit Minderheitsgesellschaftern setzt das dort zu beachtende Schädigungsverbot der Konzernintegration Schranken (näher Anh zu § 13 Rn 39). – Zum Weisungsrecht auf Grundlage eines Beherrschungsvertrages s. Anh zu § 13 Rn 46 ff und § 30 Rn 47 ff. Sofern die Gesellschafter ihre Weisungen derart intensivieren wollen, dass sie 18a dadurch die Geschäftsführer – jenseits der diesen ohnehin zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung zugewiesenen Pflichtaufgaben (Rn 5) – zum reinen Exekutivorgan herabstufen, ist dazu nach hier vertretener Auffassung eine Satzungsänderung erforderlich (vgl auch Rn 12 und 14)1. Andernfalls könnte der Mehrheitsgesellschafter, der für eine Verlagerung der Geschäftsführungsbefugnis die qualifizierte Mehrheit verfehlt hat, dasselbe Ergebnis über eine Vielzahl von Einzelweisungen erreichen; und der Minderheitsgesellschafter, der sich gerade nicht um das laufende Tagesgeschäft kümmern will, wäre gezwungen, seine Interessen durch permanente Teilnahme an der Entscheidungsfindung zu sichern. Zusätzlich sind neu eintretende Gesellschafter zu schützen (Rn 14). Schließlich gefährdet die in Einzelweisungen versteckte Übertragung der Geschäftsführungsbefugnis eine ordnungsgemäße Unternehmensführung durch die Geschäftsführer und die verantwortliche Erfüllung ihrer gesetzlichen Pflichtaufgaben (Rn 5 und 12)2. c) Weisungsberechtigte; Adressaten der Weisung: Träger des Weisungsrechts 19 sind die Gesellschafter in ihrer Gesamtheit (Rn 17). Diese Weisungsbefugnis besteht gleichermaßen in der mitbestimmten GmbH3, auch dort allerdings nur gegenüber den Geschäftsführern der Gesellschaft, nicht hingegen gegenüber dem (obligatorischen) Aufsichtsrat (§ 111 Abs. 5 AktG iVm § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MitbestG, § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG), s. § 52 Rn 69b; zur (umstrittenen4) Möglichkeit der Weisungsunterwerfung eines fakultativen Aufsichtsrats s. § 52 Rn 30a und 69b. Der Gesellschaftsvertrag kann eine andere gesellschaftsinterne Stelle (Beirat, einzelnen Gesellschafter) zu Weisungen ermächtigen5, nicht hingegen einen obliga1 Eingehend schon Hommelhoff ZGR 1978, 119, 127 ff; zustimmend S/I/Lücke/Simon Rn 23; aA aber etwa R/A/Altmeppen Rn 4; B/S/Jacoby Rn 15 f; Konzen NJW 1989, 2979; R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 21; Mennicke NZG 2000, 622, 623; U/H/L/Paefgen Rn 46; MünchKomm/Stephan/Tieves Rn 117; Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 46 mwN. 2 S. auch Geißler GmbHR 2009, 1071, 1074 f; Michalski/Lenz Rn 18; B/H/Zöllner/Noack Rn 21 und 18. 3 Statt aller Oetker ZIP 2015, 1461, 1464 mwN. 4 Dazu etwa Rodewald/Wohlfarter GmbHR 2013, 689, 690 f. 5 S. Konzen NJW 1989, 2980; MünchKomm/Stephan/Tieves Rn 113 f; Uffmann Interim Management, S. 349.

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§ 37 | Beschränkungen der Vertretungsbefugnis torischen Aufsichtsrat wegen des hier zwingenden § 111 Abs. 4 Satz 1 AktG; s. auch § 52 Rn 69b. Ob das Weisungsrecht der Gesellschafter neben dem der anderen Stelle fortbestehen und diesem im Konfliktfalle vorgehen soll, ist dem Gesellschaftsvertrag zu entnehmen. Eine Satzungsklausel, welche die Gesellschafterweisung ausschließt, kann wegen Verletzung der Verbandssouveränität rechtswidrig sein, wenn dadurch das Gesellschaftsgeschehen dem Einfluss der Gesellschafter auf Dauer entzogen wird1. Zum (in der mitbestimmten GmbH umstrittenen2) Verhältnis zwischen den Weisungsbefugnissen der Gesellschafter und Zustimmungsvorbehalten des Aufsichtsrats nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG s. § 52 Rn 15, 47 und 49. 20 Für ein statutarisches Weisungsrecht zugunsten Dritter gelten die besonderen

Voraussetzungen oben Rn 153. – Auch außerhalb des Gesellschaftsvertrages kann eine allgemeine Verpflichtung der Gesellschaft (oder aller Gesellschafter), den auf den Geschäftsführer bezogenen Weisungen eines Dritten zu folgen, wirksam begründet werden4; dies aber nur unter den Voraussetzungen und mit den Rechtsfolgen eines Beherrschungsvertrages5, weil das allgemeine Folgeversprechen ein solcher Organisationsvertrag ist: Das Weisungsrecht der Gesellschafter und ihre damit verbundene Entscheidungsfreiheit werden außer Funktion gesetzt.

21 So, wie die Gesellschafter auf die Ausübung ihres Weisungsrechts verzichten

können (Rn 26), ist es ihnen nicht verwehrt, die Ausübung des Weisungsrechts auf einen einzelnen Gesellschafter oder eine andere gesellschaftsinterne Stelle durch einfachen Gesellschafterbeschluss (§ 47 Abs. 1) zu übertragen6. Das ist für einzelne Maßnahmen zulässig und wohl auch für eng begrenzte Geschäftsarten, aber keinesfalls für alle Weisungen schlechthin. – Für konkret eingegrenzte Einzelmaßnahmen kann die Ausübung sogar einem gesellschaftsexternen Dritten übertragen werden. Zur Übertragung des Weisungsrechts auf einen von mehreren Geschäftsführern: Rn 34.

22 d) Ist eine Weisung nach den Grundsätzen Anh zu § 47 Rn 9 ff nichtig oder

würde ihre Ausführung gar gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen (zB aus §§ 30 oder 33) oder öffentlich-rechtlichen Pflichten zuwiderlaufen7, so dürfen die Geschäftsführer der Weisung nicht nachkommen; Gleiches gilt für Gesell-

1 Näher Voormann Der Beirat im Gesellschaftsrecht, 2. Aufl 1990, S. 111 ff. 2 Aufbereitung des Meinungsstandes etwa bei Oetker ZIP 2015, 1461. 3 Wohl noch strenger als hier Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 42: überhaupt kein Weisungsrecht für Dritte; zutreffend differenzierend Fleck ZHR 149 (1985), 404. 4 Eingehend Fleck ZGR 1988, 104, 133 ff. 5 OLG Nürnberg NZG 2000, 154, 155 = GmbHR 2001, 73; s. auch Anh zu § 13 Rn 44. 6 Enger MünchKomm/Stephan/Tieves Rn 112: Übertragung immer nur bei entsprechender Satzungsermächtigung; so jetzt auch U/H/L/Paefgen Rn 49 f. 7 Ebert GmbHR 2003, 444, 445 f mit Beispielen; Goette DStR 1998, 942.

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schafterweisungen, die die Existenz der Gesellschaft erheblich gefährden oder gar vernichten (zum Ganzen schon Rn 18). Dagegen sind die Geschäftsführer zur Ausführung verpflichtet, wenn ein lediglich anfechtbarer Weisungsbeschluss unanfechtbar geworden ist1. Bei einer anfechtbaren, aber noch nicht angefochtenen Weisung müssen die Geschäftsführer die widerstreitenden Interessen gegeneinander abwägen und können je nach dem Ergebnis die Ausführung vorläufig verweigern; insoweit steht ihnen ein gewisser Ermessensspielraum zu2. Gleiches gilt für die Zeit eines schwebenden Anfechtungsprozesses3. Treuwidrige Weisungsbeschlüsse sind anfechtbar (Anh zu § 47 Rn 56); für sie gilt das soeben Gesagte. Zur Anfechtungsbefugnis der Geschäftsführer s. Anh zu § 47 Rn 73; zur Geschäftsführerhaftung s. § 43 Rn 40 ff. e) Abweichung: Wenn die Geschäftsführer die Unzweckmäßigkeit einer Gesell- 23 schafterweisung erkennen, dürfen sie deren Ausführung nicht verweigern, müssen sie jedoch einstweilen aussetzen, um den Gesellschaftern ihre Bedenken vorzutragen. Ebenso, falls sich die der Weisung zugrundeliegenden Umstände zwischenzeitlich so verändert haben, dass die Ausführung unzweckmäßig wird. Sollte ein neuer Gesellschafterentscheid nicht erreichbar sein, kommt nach dem Grundgedanken des § 665 BGB und unter seinen Voraussetzungen eine von der Weisung abweichende Ausführungshandlung in Betracht; uU sind die Geschäftsführer dazu sogar verpflichtet4. f) Zum Verhältnis von Weisung und Anstellungsvertrag: Anh zu § 6 Rn 10 ff, 24 16.

7. Statutarisch erweiterte Geschäftsführungsbefugnis a) Nach dem Normalstatut sind die Geschäftsführer den Gesellschaftern nach- 25 geordnet und weisungsabhängig (Rn 1); diese Stellung kann der Gesellschaftsvertrag in einzelnen Beziehungen (bloßer Zustimmungsvorbehalt, kein Weisungsrecht für bestimmte Maßnahmen) oder insgesamt ausbauen (zB: die Geschäftsführer haben die Gesellschaft unter eigener Verantwortung zu leiten5). Wird den Geschäftsführern eine vorstandsgleiche Stellung eingeräumt, entscheiden sie auch über Unternehmenspolitik (Rn 8) und ungewöhnliche Maßnahmen 1 BGHZ 76, 154, 159 = GmbHR 1980, 295; Scholz/Uwe H. Schneider § 43 Rn 130. 2 R/S-L/Koppensteiner/Gruber § 43 Rn 35; vgl auch Scholz/Uwe H. Schneider § 43 Rn 131 und B/H/Zöllner/Noack Rn 23: keine Folgepflicht; zT kritisch U/H/L/Paefgen § 43 Rn 242 f. 3 Vgl R/A/Altmeppen Rn 17. 4 B/H/Zöllner/Noack Rn 25. 5 Zur Eigenverantwortlichkeit des Geschäftsführers in einer Steuerberatungs-GmbH BGH ZIP 1991, 1006, 1007.

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§ 37 | Beschränkungen der Vertretungsbefugnis (Rn 10), es sei denn, es handelt sich um solche, die unmittelbar und tief in die Mitgliedschaftsrechte der Gesellschafter eingreifen1, oder die Gesellschafter haben sich Zustimmung oder Weisung für bestimmte Maßnahmen vorbehalten. – Der Gesellschaftsvertrag kann aber die Geschäftsführerkompetenzen noch über die eines Vorstands hinaus erweitern2: zB Feststellung des Jahresabschlusses (§ 42a Rn 10), Entscheidung über die Ergebnisverwendung (§ 29 Rn 20). 26 b) Soll die GmbH-spezifische Organisationsverfassung (Rn 1) durch eine zumin-

dest aktienrechtsähnliche ersetzt werden, so muss das im Gesellschaftsvertrag geschehen; Geschäftsordnung oder gar Anstellungsvertrag reichen dafür nicht aus. Das gebieten die Publizität der Organisationsverfassung, der Schutz künftiger Gesellschafter und das Informationsinteresse sonstiger Publizitätsadressaten. Dagegen sind Geschäftsordnung oder Anstellungsvertrag dann wirksame Rechtsgrundlage, wenn die Gesellschafter dieser Abweichung vom gesetzlichen Normalstatut mit satzungsänderndem und beurkundetem Mehrheitsbeschluss (§ 53 Abs. 2) zugestimmt haben3 und dieser im Handelsregister eingetragen wurde4. Unberührt bleibt jedoch das Normalstatut, falls die Geschäftsführer bloß in einzelnen Beziehungen (zB Formulierung der Absatzpolitik) weisungsfrei gestellt, im Übrigen aber die GmbH-spezifische Organisationsstruktur beibehalten werden soll; hier genügen Geschäftsordnung oder einfacher Gesellschafterbeschluss. – Zur schuldrechtlichen Zusage der Gesellschaft gegenüber einem Geschäftsführer, ihm eine solche Stellung zu gewähren: Anh zu § 6 Rn 15 f.

8. Organisation der Geschäftsführung 27 Vom Verhältnis der Geschäftsführer zu anderen Gesellschaftsorganen, nament-

lich zu den Gesellschaftern, ist das Verhältnis der Geschäftsführer untereinander zu unterscheiden. Dabei geht es im Wesentlichen um drei Fragenkreise: Was dürfen und müssen die einzelnen Geschäftsführer allein unternehmen? Was müssen sie gemeinsam unternehmen? Welche zwingenden Mindestpflichten und -befugnisse hat der einzelne Geschäftsführer? Zu alledem sagt das Gesetz nach seinem Text nichts.

28 a) Gesetzliche Geschäftsführungsbefugnis: Für sie gilt nach hM § 35 Abs. 2

Satz 1 entsprechend mit der Folge, dass sämtliche vorhandenen Geschäftsführer einschließlich der stellvertretenden (§ 44) auch innerhalb der Gesellschaft zusammenwirken müssen (Gesamtgeschäftsführung)5; das gilt für Entscheidun-

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S. BGHZ 83, 122, 131; zu den Abgrenzungsschwierigkeiten: Heinsius ZGR 1984, 390 ff. Zutreffend aus betriebswirtschaftlicher Sicht v. Werder DBW 1987, 154. Fleck ZGR 1988, 104, 135 f. Insoweit aA Fleck ZGR 1988, 104, 135 f. RGZ 98, 100; R/A/Altmeppen Rn 33; im Ergebnis so auch B/H/Zöllner/Noack Rn 29; Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 25: § 77 Abs. 1 Satz 1 AktG analog.

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gen und Ausführungshandlungen der Geschäftsführer in gleicher Weise. Deshalb müssen alle Geschäftsführer, nicht nur die in der Geschäftsführersitzung anwesenden, der beabsichtigten Maßnahme zustimmen1; dies kann auch konkludent geschehen. Jeder Geschäftsführer hat also eine Veto-Position. aa) Die Geschäftsführer können, sofern dem nicht der Gesellschaftsvertrag oder 29 eine Gesellschafterweisung (zB in der Form einer Geschäftsordnung) entgegensteht (s. Rn 33 ff), auch ohne dahin gehende Ermächtigung die Geschäftsführungsaufgaben untereinander aufteilen (etwa Geschäftsführungsressorts bilden)2; hierfür bedarf es der Zustimmung aller Geschäftsführer3. Werden die Geschäfte in dieser Weise unter den Geschäftsführern aufgeteilt, so ist jeder Geschäftsführer in erster Linie für das ihm zugewiesene Ressort verantwortlich. bb) Daneben bleibt aber die unentziehbare und unverzichtbare Verantwortung 30 jedes einzelnen Geschäftsführers für die Führung der Geschäfte im Ganzen unberührt: Grundsatz der Gesamtverantwortung4. Sollte die Gesellschaft zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet sein (zB Rückruf eines Gesundheits-gefährdenden Produkts), ist deshalb trotz der Ressortaufteilung jeder Geschäftsführer selbst gehalten, unter vollem Einsatz seiner Mitwirkungsrechte das ihm Mögliche und Zumutbare zu tun, um einen Beschluss aller Geschäftsführer über die gebotenen Geschäftsführungsmaßnahmen (zB Anordnung und Vollzug des Rückrufs) zustande zu bringen5. Dabei hängt das Ausmaß des Zumutbaren von der Intensität der Gesellschaftsverpflichtung ab; im Extremfall kann dies die Vorlage des einzelnen Geschäftsführers an die Gesellschafter sowie dessen Drohung mit der Amtsniederlegung (§ 38 Rn 41) und deren Vollzug einschließen. – Eine so begründete Geschäftsführerpflicht, die gebotene Kollegialentscheidung herbeizuführen, entfällt nicht etwa von vornherein deshalb, weil der Geschäftsführer keine Chance hat, sich bei den anderen Geschäftsführern durchzusetzen6; er muss dann die Mitgeschäftsführer wenigstens mit Nachdruck zu überzeugen versuchen. Für ihn wird es sich dabei empfehlen, auf namentlicher Abstimmung und Protokollierung der Beschlussfassung zu bestehen. Treu- und Geheimhaltungspflichten bestehen bei mehreren Geschäftsführern stets nur im Verhältnis 1 Grundsatz der allseitigen und einstimmigen Mitwirkung: Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 26; MünchKomm/Stephan/Tieves Rn 79. 2 S. Leuering/Dornhegge NZG 2010, 13, 14; Sina GmbHR 1990, 65, 66. 3 Ebenso U/H/L/Paefgen § 35 Rn 190 f; B/H/Zöllner/Noack Rn 29: § 77 Abs. 2 Satz 3 AktG analog; wohl auch R/A/Altmeppen Rn 35; Leuering/Dornhegge NZG 2010, 13, 14; MünchKomm/Stephan/Tieves Rn 101: einstimmiger Beschluss. 4 Dazu eindringlich BGHZ 133, 370, 376 ff = GmbHR 1997, 25; s. Goette DStR 1998, 942; Uwe H. Schneider FS GmbHG, 1992, S. 478 ff zur Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Pflichten; zum Ganzen auch Frühauf ZGR 1998, 409 ff; Hoffmann-Becking ZGR 1998, 506 ff. 5 BGH GmbHR 1990, 500, 503. 6 Vgl BGH GmbHR 1990, 500, 503.

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§ 37 | Beschränkungen der Vertretungsbefugnis zur Gesellschaft, nicht unter Mitgeschäftsführern1; eine Beeinträchtigung seiner Rechtsstellung durch einen Mitgeschäftsführer kann ein Geschäftsführer daher nur gegenüber der Gesellschaft geltend machen und diese wiederum gegenüber dem Mitgeschäftsführer2. 31 cc) Bestimmte Maßnahmen, die für die Gesellschaft von besonderem Gewicht

sind, dürfen nur und müssen (wegen der Gesamtverantwortung und trotz Ressortaufteilung oÄ) von allen Geschäftsführern zusammen getroffen werden3. Dazu zählen insbesondere: Vorschläge der Geschäftsführer an die Gesellschafter für die Unternehmenspolitik und ihre Fortschreibung (Rn 8 f) sowie für ungewöhnliche Maßnahmen (Rn 10 f)4; herausragend bedeutsame, etwa weil besonders schwierige oder risikoreiche Ausführung von gewichtigen Gesellschafterentscheidungen; Buchführung, Bilanzierung und Abschlussaufstellung5; Entscheidung über Maßnahmen, die nach §§ 30, 34 bedeutsam sein können. – Gleichermaßen kommt die Allzuständigkeit sämtlicher Geschäftsführer und ihre Generalverantwortung zum Zuge, sobald die Gesellschaft in eine Krise oder sonstige Ausnahmesituation gerät und diese, da die Gesellschaft als Ganzes betroffen ist, ressortübergreifend bereinigt werden muss6.

32 dd) Außerdem folgt aus der Gesamtverantwortung jedes Geschäftsführers, dass

er auch die ressortbezogene Tätigkeit der Mitgeschäftsführer beobachtend kontrollieren muss7 – in gesteigerter Intensität, falls die Gesellschaft in die Krise geraten ist8; s. auch § 43 Rn 29 und 97. Zum Zweck beobachtender Kontrolle ist uU ein geschäftsführungsinternes System gegenseitiger Ressortberichte einzurichten. Es besteht aber keine umfassende Überwachungspflicht bei jeder einzelnen Handlung eines Mitgeschäftsführers9. Jedenfalls hat jeder Geschäftsführer, auch der ressortlose10, gegenüber jedem anderen Geschäftsführer ein umfas-

1 Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 31. 2 OLG Frankfurt WM 1992, 1914; s. auch BGH WM 1992, 734. 3 Dazu BGH GmbHR 1990, 500, 503 mit Besprechung von Schmidt-Salzer NJW 1990, 2966; Leuering/Dornhegge NZG 2010, 13, 15; s. auch noch Heisse Geschäftsführerhaftung, S. 82 f; offen gelassen von BGH GmbHR 2012, 638 Rn 23. 4 S. dazu OLG Karlsruhe NZG 2000, 266. 5 BGH GmbHR 1995, 654; Miller EWiR 1995, 1099; näher § 41 Rn 2 f. 6 BGH GmbHR 1990, 500, 503; zur Insolvenzantragspflicht BGH ZIP 1994, 891 = GmbHR 1994, 460. 7 RGZ 98, 100; BGHZ 133, 370, 378 = GmbHR 1997, 25; BGH WM 1992, 2144; OLG München GmbHR 2015, 1324, 1328; MünchKomm/Fleischer § 43 Rn 119 ff; Scholz/ Uwe H. Schneider § 43 Rn 39; MünchKomm/Stephan/Tieves Rn 83; Peters GmbHR 2008, 682, 684; Leuering/Dornhegge NZG 2010, 13, 15. 8 BGH GmbHR 2001, 236, 237 mit überscharfen Anforderungen in concreto; dazu Frings GmbHR 2001, 238, 241; OLG Düsseldorf GmbHR 1996, 368. 9 OLG Karlsruhe NZG 2000, 264, 266; OLG Düsseldorf GmbHR 1992, 675, 677 für Zahlungen eines Mitgeschäftsführers nach Insolvenzreife. 10 OLG Karlsruhe NZG 2000, 264, 266.

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Beschränkungen der Vertretungsbefugnis | § 37

sendes Auskunftsrecht1; dies schließt (soweit erforderlich) das Recht zur Befragung nachgeordneter Mitarbeiter ein2. Der Geschäftsführer muss sein Auskunftsrecht ausüben, sobald er genügend Anlass zu der Annahme hat, um die betreffende Ressortangelegenheit müssten sich sämtliche Geschäftsführer kümmern3. Deshalb hat jeder Geschäftsführer ein Interventionsrecht. Er kann verlangen, dass sich alle Geschäftsführer mit einer (zu treffenden oder unterlassenen) Maßnahme im anderen Ressort befassen und dass der Ressortleiter solange nichts Weiteres unternimmt4. – Dementsprechend kann jeder Geschäftsführer eine Angelegenheit seines eigenen Ressorts allen anderen Geschäftsführern zur Mitentscheidung antragen; er muss dies bei herausragend bedeutsamen Entscheidungen5 oder dann, wenn mit dem Widerspruch anderer Geschäftsführer zu rechnen ist. b) Abweichende Regelung6: aa) Die Gesellschafter7 können die Geschäftsfüh- 33 rungsbefugnis abweichend regeln, zB: Einzelgeschäftsführungsbefugnis für alle Geschäftsführer, für namentlich benannte (Geschäftsführer X und Geschäftsführer Y) oder für die Leiter bestimmter Ressorts (zB Vertriebschef); (echte oder unechte) Gesamtgeschäftsführungsbefugnis nur für bestimmte Geschäftsführer (entsprechend der Gesamtvertretungsmacht: § 35 Rn 38 f), für den Rest Einzelgeschäftsführungsbefugnis; für Geschäfte bis zu einer bestimmten Wertgrenze (zB 25 000 Euro) Einzelgeschäftsführungsbefugnis, darüber hinaus Gesamtgeschäftsführungsbefugnis eines Geschäftsführers zusammen mit einem anderen Geschäftsführer oder mit einem Prokuristen/Handlungsbevollmächtigten; Gesamtgeschäftsführungsbefugnis aller Geschäftsführer mit Mehrheitsbeschluss. Die Gesellschafter können einen Vorsitzenden oder Sprecher der Geschäftslei- 34 tung ernennen; ihm obliegt es, die Arbeit der einzelnen Geschäftsführer zu koordinieren8. Im Handelsregister kann diese Funktion aber nicht eingetragen werden9. Der Vorsitzende/Sprecher hat auch keine besonderen Vorrechte gegenüber den Mitgeschäftsführern wie etwa Stichentscheid oder Zustimmungsvorbehalt; auch in der GmbH gilt das Kollegialitätsprinzip (§ 77 Abs. 1 Satz 2 AktG analog), freilich nicht zwingend. Deshalb können die Gesellschafter dem 1 Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 31; Peters GmbHR 2008, 682, 685. 2 OLG Koblenz GmbHR 2008, 37. 3 Heisse Geschäftsführerhaftung, S. 88 f. S. zur angemessenen Balance zwischen gegenseitigem Vertrauen und wechselseitiger Kontrolle auch Löbbe/Fischbach AG 2014, 717, 718 ff (für den AG-Vorstand). 4 S. Erle AG 1987, 9; Peters GmbHR 2008, 682, 685 f; van Venrooy GmbHR 2001, 7, 12; sowie Rn 30. 5 Rn 31; Scholz/Uwe H. Schneider § 43 Rn 42 f. 6 Aus betriebswirtschaftlicher Sicht: v. Werder DB 1987, 2265; zur Einrichtung eines board-Systems Loges ZIP 1997, 437. 7 OLG Stuttgart GmbHR 1992, 48. 8 Vgl Krieger Personalentscheidungen des Aufsichtsrats, 1981, S. 244 ff. 9 OLG München GmbHR 2012, 750 = ZIP 2012, 672.

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§ 37 | Beschränkungen der Vertretungsbefugnis Vorsitzenden, aber auch jedem anderen Geschäftsführer den Stichentscheid oder ein allgemeines auf bestimmte Maßnahmen beschränktes Vetorecht einräumen1; aber kein Vetorecht in Gesellschaften, die dem MitbestG unterliegen2. Ist einer von mehreren Geschäftsführern der Gesellschaft zugleich auch der Geschäftsführer des Alleingesellschafters, so soll es auch zulässig sein, ihm in der (vom Alleingesellschafter beschlossenen) Geschäftsordnung ein Weisungsrecht gegenüber den Mitgeschäftsführern einzuräumen3. 35 bb) Die Gesellschafter können keinen Geschäftsführer von seiner kontrollieren-

den Gesamtverantwortung (Rn 32) und von seinen gesetzlichen Pflichtaufgaben (Rn 5) entbinden4. Deshalb gelten die obligatorischen Mitentscheidungsund Kontrollpflichten (Rn 31 f) auch bei einer Aufgabenzuweisung durch die Gesellschafter5. Sollte diese Zuweisung die zwingenden gesetzlichen Vorgaben verletzen, so ist sie insoweit unwirksam, nicht etwa bloß anfechtbar.

36 cc) Den Gesellschaftern steht es frei, wo und wie sie die Geschäftsführungs-

befugnis (Organisation der Geschäftsführung) regeln wollen: im Gesellschaftsvertrag (s. Rn 14, 15, 18a, 25) und durch einfachen Gesellschafterbeschluss ad hoc oder in einer mit einfacher Mehrheit (§ 47 Abs. 1) zu beschließenden Geschäftsordnung6. Ebenso steht es im Belieben der Gesellschafter, ein anderes Gesellschaftsorgan (zB Beirat) zur Bestimmung der Geschäftsführungsbefugnis zu ermächtigen oder den Geschäftsführern den Erlass einer eigenen Geschäftsordnung7 aufzugeben.

37 Eine Geschäftsordnung muss im Regelfall schriftlich abgefasst sein, damit sich

die Geschäftsführer nicht gegenseitig die Verantwortung zuschieben8. Überzogen wäre es freilich, die Schriftform der Ressortaufteilung zur zwingenden Voraussetzung für die eingeschränkte Verantwortung (Rn 29 ff) zu machen9; es genügt, dem für die Einschränkung beweispflichtigen Geschäftsführer den Nachteil des non liquet aufzuerlegen – andernfalls gerät man zu leicht in den Bereich einer Einstandshaftung aller Geschäftsführer füreinander.

1 B/H/Zöllner/Noack Rn 30; Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 35. 2 BGHZ 89, 58 f = GmbHR 1984, 151. 3 BGH GmbHR 2012, 638 Rn 24; noch weitergehend OLG Karlsruhe GmbHR 2011, 535, 538: Bestellung eines weisungsberechtigten Vorsitzenden der Geschäftsführung ist generell unbedenklich. 4 BGH GmbHR 1994, 460, 461. 5 BGH GmbHR 1994, 460, 461. 6 OLG Stuttgart GmbHR 1992, 48; OLG Hamm GmbHR 2010, 1033; OLG Karlsruhe GmbHR 2011, 535, 538; R/A/Altmeppen Rn 33; Leuering/Dornhegge NZG 2010, 13, 14; MünchKomm/Stephan/Tieves Rn 98; B/H/Zöllner/Noack Rn 29; aA Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 71: qualifizierte Mehrheit nach § 53 Abs. 2 Satz 1. 7 Näher Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 75 f. 8 BFH GmbHR 1986, 288. 9 AA Heisse Geschäftsführerhaftung, S. 84; MünchKomm/Fleischer § 43 Rn 114 f mwN.

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Beschränkungen der Vertretungsbefugnis | § 37

dd) Regelt der Gesellschaftsvertrag die Geschäftsführungsbefugnis nicht und fin- 38 det sich auch sonst hierzu keine Bestimmung der Gesellschafter, so können statutarische Bestimmungen zur Aktivvertretung auf die Geschäftsführungsbefugnis übertragen werden (zB Schluss von der Einzelvertretungsmacht auf die Einzelgeschäftsführungsbefugnis)1. Es bleibt den Gesellschaftern dann unbenommen, die Geschäftsführungsbefugnis durch einfachen Gesellschafterbeschluss (§ 47 Abs. 1) abweichend von der statutarischen Vertretungsmacht zu regeln2.

9. „Zölibatsgeschäftsführer“ So wie die Stellung einzelner Geschäftsführer im Kreise aller Geschäftsführer 39 ausgebaut werden kann (Rn 34), lassen sich die Aufgaben und Befugnisse einzelner Geschäftsführer auf das rechtlich noch zulässige Minimum (also die Wahrnehmung der obligatorischen Mindestaufgaben nach §§ 41, 43 Abs. 3, 49 Abs. 3, § 15a Abs. 1 InsO etc) reduzieren3. Funktion eines solchen „Zölibatsgeschäftsführers“ kann es etwa sein, als Repräsentant der Gesellschafterminderheit am Informationsstrom auf der Geschäftsführerebene teilzuhaben, die Minderheitsbelange einzubringen4 und die aktiven Mitgeschäftsführer dort auch im Minderheitsinteresse zu kontrollieren5. Daher hat der „Zölibatsgeschäftsführer“ Einsichts-, Auskunfts-, Teilhabe- und Interventionsrechte (Rn 32) wie jeder andere Geschäftsführer auch6.

10. Sanktionen Geschäftsführer, die gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Geschäftsführung 40 verstoßen, haften der Gesellschaft im Rahmen des § 43. – Kommen sie einer bindenden Weisung nicht nach, kann die Gesellschaft sie auf Leistung bzw Unterlassung verklagen; in Betracht kommt auch eine einstweilige Verfügung7. Zur Prozessvertretung: § 35 Rn 12 ff. – Außerdem kann der widersetzliche Geschäftsführer nach § 38 Abs. 1 uU aus wichtigem Grunde nach § 38 Abs. 2 abberufen werden. Davon zu trennen ist die außerordentliche Kündigung des Anstellungsverhältnisses; dazu Anh zu § 6 Rn 57 ff. 1 BGHZ 119, 379, 381 f; B/S/Jacoby Rn 4; MünchKomm/Stephan/Tieves Rn 96 f. 2 AA B/H/Zöllner/Noack Rn 36: Satzungsänderung. 3 OLG Hamm ZIP 1986, 1193; OLG Karlsruhe NZG 2000, 264, 269; OLG Koblenz GmbHR 2008, 37, 38; Lutter ZIP 1986, 1196; Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 45; MünchKomm/Stephan/Tieves Rn 94; Ulmer FS Schwark, 2009, S. 271 ff; skeptisch R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 22. 4 Vgl BGH WM 1989, 251 f. 5 Vgl auch BGHZ 104, 246, 252 f = GmbHR 1988, 334. 6 Näher Lutter ZIP 1986, 1196; einschränkend Ulmer FS Schwark, 2009, S. 271, 281 f. 7 Näher U/H/L/Paefgen Rn 64.

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§ 38 | Widerruf der Bestellung

§ 38 Widerruf der Bestellung (1) Die Bestellung der Geschäftsführer ist zu jeder Zeit widerruflich, unbeschadet der Entschädigungsansprüche aus bestehenden Verträgen. (2) Im Gesellschaftsvertrag kann die Zulässigkeit des Widerrufs auf den Fall beschränkt werden, dass wichtige Gründe denselben notwendig machen. Als solche Gründe sind insbesondere grobe Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung anzusehen. Text seit 1892 unverändert; amtliche Überschrift ergänzt durch MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl I 2026). 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 2. Jederzeitige freie Abberufung . . . . 2 3. Einschränkungen der freien Abberufung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 4. Entscheidung über Abberufung aus wichtigem Grund (§ 38 Abs. 2) . . 16 5. Wichtiger Grund . . . . . . . . . . . . 20

6. Folgen der Abberufung nach § 38 Abs. 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Folgen einer Abberufung aus wichtigem Grund . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Einstweiliger Rechtsschutz . . . . . . 9. Sonstige Beendigungsgründe, insbesondere Amtsniederlegung . . . .

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Literatur: Fischer Der Rechtsstreit über die Abberufung des GmbH-Geschäftsführers, BB 2013, 2819; Grunewald Die Abberufung von Gesellschafter-Geschäftsführern in der GmbH, FS Zöllner, 1998, S. 177; Kubis Geklärte und ungeklärte Fragen bei der Geschäftsführer-Abberufung aus wichtigem Grund, Liber amicorum Martin Winter, 2011, S. 387; Lotz Die Abberufung des GmbH-Geschäftsführers, 2014; Voigt Die Entlassung des GmbH-Geschäftsführers aus wichtigem Grund, 2001; Wedemann Gesellschafterkonflikte in geschlossenen Kapitalgesellschaften, 2013; Werner Abberufung des Gesellschafter-Geschäftsführers aus wichtigem Grund, GmbHR 2015, 1185; Werner Gerichtlicher Rechtsschutz im Streit über die Abberufung des GmbH-Geschäftsführers, GmbHR 2015, 1297. Vgl auch die Hinweise vor Rn 35a zum einstweiligen Rechtsschutz.

1. Überblick 1 Die Bestimmung befasst sich mit der Abberufung der Geschäftsführer aus ihrem

Amt („Widerruf der Bestellung“), mit der Beendigung ihrer Stellung als (mit-) unternehmerisches Leitungsorgan in der Gesellschaft1 ex nunc. Von der Abberufung zu unterscheiden ist die Beendigung des Anstellungsverhältnisses, namentlich durch Kündigung (Anh zu § 6 Rn 44 ff, 51 ff und 57 ff). Wie diese, so ist auch die Abberufung ein einseitiges Rechtsgeschäft, an dem der betroffene Geschäftsführer nicht mitwirkt. Neben ihr gibt es noch weitere Möglichkeiten, 1 OLG Karlsruhe GmbHR 1996, 209.

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Widerruf der Bestellung | § 38

welche die Organstellung eines Geschäftsführers beenden (Rn 40 f). – In der GmbH bzw UG (haftungsbeschränkt) ist die jederzeitige und von jeglichem Begründungszwang freie Abberufung (wie beim Entzug der Prokura, § 52 Abs. 1 HGB) der gesetzliche Regelfall (anders § 84 Abs. 3 AktG für den AG-Vorstand und § 31 MitbestG für die Geschäftsführer einer paritätisch mitbestimmten GmbH). Im Gesellschaftsvertrag kann das Abberufungsrecht beschränkt und an das Vorliegen eines wichtigen Grundes gebunden werden (§ 38 Abs. 2; Rn 7 ff). Das Gesetz macht für die Abberufung keinen Unterschied, ob es sich um eine Gesellschaft mit kapitalistischer oder personalistischer Struktur handelt1, ob der Geschäftsführer Fremd-Geschäftsführer oder Gesellschafter-Geschäftsführer (§ 6 Rn 11) ist, und auch keinen Unterschied, ob der Geschäftsführer ein statutarisches Sonderrecht zur Geschäftsführung (Rn 10 ff) hat oder nicht.

2. Jederzeitige freie Abberufung Sie ist der Ausgleich dafür, dass die Vertretungsmacht der Geschäftsführer un- 2 beschränkt und unbeschränkbar ist (§ 35 Rn 9); deshalb begnügt sich das Gesetz nicht mit dem Weisungsrecht der Gesellschafter (§ 37 Rn 17), sondern lässt die Geschäftsführer vom fortwährenden vollen Vertrauen der Gesellschafter in eine erfolgreiche Leitungstätigkeit der Geschäftsführer abhängen2; das gilt auch im eröffneten Insolvenzverfahren3. Da es in ihrem Belieben steht, ob der Geschäftsführer abberufen werden soll, und diese Entscheidung auch nicht begründet zu werden braucht4, hat der betroffene Geschäftsführer keinen Anspruch auf rechtliches Gehör vor der Beschlussfassung der Gesellschafter5. – Beim Gesellschafter-Geschäftsführer ohne Geschäftsführungssonderrecht kann aber die Treuepflicht eine (eingeschränkte) Rücksichtnahme auf die Belange des Gesellschafter-Geschäftsführers gebieten und damit im Einzelfall zur Beschränkung des Grundsatzes freier Abberufbarkeit führen6; s. auch Rn 7 aE. a) Wie die Zuständigkeit zur Bestellung, so liegt ebenfalls die Abberufungs- 3 zuständigkeit – auch in Gesellschaften mit einem freiwilligen oder einem nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG obligatorischen Aufsichtsrat – bei den Gesellschaftern (§ 46 Nr. 5), sofern nicht der Gesellschaftsvertrag ein anderes Organ (Aufsichtsrat, Beirat, Gesellschafterausschuss) dafür bestimmt. Ebenso zulässig ist, einem Gesellschafter das Abberufungsrecht hinsichtlich aller oder bestimmter einzelner Geschäftsführer zu eröffnen. Für die paritätisch mitbestimmte GmbH: § 31 1 2 3 4 5 6

OLG Naumburg NZG 2000, 608, 609. B/H/Zöllner/Noack Rn 3. BGH ZIP 2016, 817 Rn 19 = GmbHR 2016, 587. OLG Zweibrücken NZG 1999, 1011. Vgl BGH GmbHR 1960, 220. OLG Saarbrücken GmbHR 2007, 143, 146 und 150; Grunewald S. 177, 178 f; Lotz S. 21 ff; B/H/Zöllner/Noack Rn 20; kritisch MünchKomm/Stephan/Tieves Rn 14 ff mwN.

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§ 38 | Widerruf der Bestellung MitbestG1. Falls der Gesellschaftsvertrag die Bestellung einem anderen Organ übertragen hat, ist im Zweifel anzunehmen, dass dieses Organ (zB Beirat) zugleich für die Abberufung zuständig sein soll2. Entsprechendes gilt, wenn einem Gesellschafter (oder Gesellschafterstamm) ein Geschäftsführer-Bestellungsrecht zusteht für die Abberufung „seines“ Geschäftsführers (s. auch Rn 4 zum davon zu unterscheidenden Fall eines Benennungs- oder Präsentationsrechts). Sollte das statutarische Abberufungsorgan handlungsunfähig sein, so lebt, falls weiteres Abwarten unzumutbar, die Zuständigkeit aller Gesellschafter wieder auf3. Zur Zuständigkeit für die Abberufung aus wichtigem Grund s. Rn 16. – Einem gesellschaftsexternen Dritten kann die Abberufungskompetenz nicht eingeräumt werden, es sei denn, der Dritte wird zum Organ der Gesellschaft und in deren Organisation fest eingebunden (s. § 37 Rn 15; § 45 Rn 9)4; zur Abberufungszuständigkeit aus wichtigem Grund in einem solchen Fall ebenfalls Rn 16. In der GmbH & Co KG kann die Abberufung des Geschäftsführers der Komplementär-GmbH ggf von der Zustimmung der Kommanditisten abhängig sein5. 4 Falls sämtliche Gesellschafter für die Abberufung zuständig sind (§ 46 Nr. 5),

kann ein einzelner Gesellschafter den Geschäftsführer selbst dann nicht abberufen, wenn mit seinem Verbleib Gefahr im Verzuge ist6. Sollte der Geschäftsführer jedoch für die Gesellschaft und alle Gesellschafter nach objektiven Kriterien eindeutig unzumutbar sein, so kann jeder Gesellschafter von seinen Mitgesellschaftern aus dem Gesichtspunkt der Treupflicht (§ 14 Rn 29 ff) deren Zustimmung zur Abberufung verlangen7. Haben einzelne Gesellschafter oder Gesellschafterstämme ein Benennungs- oder Präsentationsrecht (§ 46 Rn 25), so können sie von der Gesellschaftergesamtheit die Abberufung „ihres“ Geschäftsführers verlangen8, es sei denn, das Gesellschaftsinteresse erforderte dringend den Verbleib des betroffenen Geschäftsführers9. Entsprechendes gilt bei einem isolierten Abberufungsrecht für einzelne Gesellschafter oder Gesellschafterstämme.

1 Dazu etwa Bernhardt/Bredol NZG 2015, 419, 422 f. 2 OLG Düsseldorf GmbHR 1990, 219, 220; OLG Saarbrücken GmbHR 2005, 546, 547 aE; R/A/Altmeppen Rn 12; B/H/Zöllner/Noack Rn 24. 3 Vgl BGHZ 12, 337, 340; BGH WM 1970, 251; ähnlich B/H/Zöllner/Noack Rn 25 und B/H/ Zöllner § 46 Rn 94; Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 26: Ersatzkompetenz der Gesellschafter bei Funktionsunfähigkeit des statutarischen Abberufungsorgans. 4 Streitig; wie hier MünchKomm/Stephan/Tieves Rn 29 mwN. 5 So OLG München GmbHR 2004, 587 für eine Familien-KG, in der alle wesentlichen Entscheidungen den Kommanditisten vorbehalten sind. 6 OLG Hamburg BB 1954, 978; R/A/Altmeppen Rn 11; Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 20. 7 Zutreffend Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 20; s. auch OLG Stuttgart GmbHR 2006, 1258, 1260. 8 S. auch BGH GmbHR 1990, 75, 76. 9 OLG Düsseldorf GmbHR 1990, 219, 220; OLG Saarbrücken GmbHR 2005, 546, 548; Wedemann S. 268.

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Widerruf der Bestellung | § 38

Für die Zeit vor dem Entscheid aller Gesellschafter über die gebotene Abberu- 5 fung aus wichtigem Grund kann auch ein einzelner Gesellschafter einstweiligen Rechtsschutz nach §§ 916, 940 ZPO mit dem Ziel beantragen, dem betroffenen Geschäftsführer ein gänzliches oder teilweises Tätigkeitsverbot aufzuerlegen1; ein nach Abwägung der widerstreitenden Interessen und ihrer Gefährdung2 vom Gericht ausgesprochenes vorläufiges Verbot reicht als das gebotene mildeste Mittel3 nur bis zu jenem Zeitpunkt, da die Gesellschafter über die Abberufung spätestens hätten beschließen können. – Umgekehrt kann auch ein Schutzantrag des abberufungsbedrohten Gesellschafter-Geschäftsführers gerechtfertigt sein, wenn ein Zuwarten bis zum Beschluss über die Abberufung nicht angemessen wäre4. b) Vorbehaltlich abweichender Regelung im Gesellschaftsvertrag entscheiden 6 die Gesellschafter mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen (§ 47 Abs. 1). Der Gesellschafter-Geschäftsführer ist bei seiner Abberufung nach § 38 Abs. 1 stimmberechtigt5; anders jedoch, wenn er aus wichtigem Grund abberufen werden soll (Rn 17). Der Gesellschafterbeschluss allein führt noch nicht zur Beendigung des Bestellungsverhältnisses; die Abberufung muss vielmehr dem Geschäftsführer gegenüber erklärt werden. Dazu können die Gesellschafter einen von ihnen oder einen anderen Geschäftsführer bevollmächtigen6. Die Mitteilung an den Geschäftsführer, welches Gremium ihn abberufen hat, ist kein Wirksamkeitserfordernis der Abberufung7. Sollten die Gesellschafter in Gegenwart des betroffenen Geschäftsführers beschließen, so ist die Abberufung ihm gegenüber erklärt, wenn und sobald er das Beschlussergebnis eindeutig wahrnehmen konnte8. c) Sollte eine unzuständige Stelle die Abberufung gegenüber dem Geschäftsfüh- 6a rer ausgesprochen haben, so ist deren Erklärung nichtig und kann nicht von den Gesellschaftern (oder von dem nach dem Gesellschaftsvertrag zuständigen Or-

1 OLG Frankfurt GmbHR 1998, 1126; Fischer BB 2013, 2819, 2827; Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 20 und 72; Lotz S. 266 ff; Lutz NZG 2015, 428; Lutz BB 2000, 838; Werner GmbHR 2015, 1297, 1299 f; aA OLG Hamburg BB 1954, 978: nur das Abberufungsorgan; ebenso Schnurbein/Neufeld BB 2011, 585, 588. 2 Dazu OLG Frankfurt GmbHR 1998, 1126; Eckardt NZG 1999, 215. 3 Näher Damm ZHR 154 (1990), 419 ff. 4 OLG Düsseldorf NZG 2005, 633; OLG Stuttgart GmbHR 1997, 312; weiterführend Beyer GmbHR 2001, 467 ff; Damm ZHR 154 (1990), 429 f; Fischer BB 2013, 2819, 2827; Lutz BB 2000, 836 f; Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 73 f. 5 BGHZ 18, 205, 210; BGH NJW 1969, 1483; OLG Düsseldorf GmbHR 2000, 1050, 1053; OLG Düsseldorf GmbHR 1989, 468. 6 BGH BB 1968, 560; anders MünchKomm/Stephan/Tieves Rn 40, 43 und 47: Botenschaft. 7 AA MünchKomm/Stephan/Tieves Rn 44; B/H/Zöllner/Noack Rn 43. 8 B/H/Zöllner/Noack Rn 42; vgl auch BGH ZIP 2003, 1293, 1294 = GmbHR 2003, 954.

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§ 38 | Widerruf der Bestellung gan) nachträglich genehmigt werden. Denn die nicht delegierbare Entscheidungskompetenz des zuständigen Gesellschaftsorgans muss geschützt werden1.

3. Einschränkungen der freien Abberufung 7 a) Gegenüber dem gesetzlichen Normalstatut (Rn 2) lässt sich die Stellung aller

oder einzelner (namentlich oder funktional bezeichneter) Geschäftsführer dadurch ausbauen, dass der Gesellschaftsvertrag (zu schuldrechtlichen Abreden Rn 13 f) ihre Abberufbarkeit an qualifizierte Voraussetzungen beliebigen Inhalts knüpft (zB Abberufung nur aus sachlichen Gründen)2. Geläufig ist die Einschränkung, dass ein Geschäftsführer nur aus einem wichtigen Grund abberufen werden kann (Rn 9 und eingehend Rn 20 ff). In einer paritätisch mitbestimmten GmbH gilt diese Einschränkung schon von Gesetzes wegen (§ 31 Abs. 1 MitbestG). Diese Möglichkeit zur Abberufung aus wichtigem Grund ist zwingend3: Der Gesellschaftsvertrag kann weder bestimmen, dass ein Geschäftsführer sogar aus wichtigem Grunde nicht abberufen werden kann, noch kann er die wichtigen Gründe abschließend aufzählen; ebenso wenig lässt sich die Abberufung bei Umständen ausschließen, die objektiv einen wichtigen Grund darstellen4. Hingegen kann der Gesellschaftsvertrag Umstände, die an sich unwichtig sind, als wichtigen Grund bezeichnen5; denn die Gesellschafter können es auch bei der freien Abberufung (Rn 2) belassen.

Jedenfalls für die Abberufung eines nahezu hälftig beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführers einer Zweipersonen-GmbH (49 % zu 51 %), die im Zuge einer Betriebsaufspaltung aus einer OHG (mit identischer Beteiligung) entstanden war, hat der BGH6 (abgeleitet aus dem Treuepflichtgebot) eine sachliche Rechtfertigung verlangt7. 8 b) Regelung im Gesellschaftsvertrag: Einschränkungen der freien Abberufung,

namentlich ihre Beschränkung auf Tatbestände des wichtigen Grundes müssen sich, wenn auch nicht ausdrücklich, aus dem Gesellschaftsvertrag ergeben (zu schuldrechtlichen Abreden Rn 13 f); Auslegung genügt8, ist aber zumindest er-

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Stein AG 1999, 42. S. auch Lutter ZIP 1986, 1195 f. BGH NJW 1969, 1483. RG JW 1939, 492; s. auch MünchKomm/Stephan/Tieves Rn 103. Haase GmbHR 2012, 614, 615; Henssler/Strohn/Oetker Rn 13; B/H/Zöllner/Noack Rn 6. BGH bei Goette DStR 1994, 214; ebenso OLG Zweibrücken GmbHR 2003, 1206 für einen zu 1/ 3 beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführer; s. ferner OLG Saarbrücken GmbHR 2007, 143, 150. 7 Im Ansatz übereinstimmend etwa MünchKomm/Fleischer § 43 Rn 77; Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 18; kritisch Meilicke DB 1994, 1761; Kreklau GmbHR 2007, 365; Lotz S. 25 ff. 8 Vgl BGH GmbHR 1982, 130; OLG Naumburg NZG 2000, 608, 609.

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forderlich, weil die Einschränkungen vom gesetzlichen Grundsatz der freien Abberufung (Rn 2) abweichen1. – Eine solche Abweichung ist zugunsten von Fremd-Geschäftsführern ebenso zulässig wie zugunsten von Gesellschafter-Geschäftsführern2. Denn es steht den Gesellschaftern frei, ob und welchem Geschäftsführer sie eine vorstandsähnliche oder -gleiche Stellung gewähren wollen. Die Abberufbarkeit ist auf das Vorliegen wichtiger Gründe reduziert, wenn der 9 Geschäftsführer nach dem Gesellschaftsvertrag3 zB auf Lebenszeit oder bis zu einem bestimmten Lebensjahr, auf die Dauer der Gesellschaft oder auf die Zeit seiner Zugehörigkeit als Gesellschafter4 bestellt worden ist. Auch eine Satzungsbestimmung, die für alle nachhaltigen Änderungen der hergebrachten Organisationsstruktur der Gesellschaft einen qualifizierten Mehrheitsbeschluss der Gesellschafterversammlung verlangt, kann im Einzelfall so auszulegen sein, dass eine Abberufung nur beim Vorliegen eines wichtigen Grundes oder eines entsprechend qualifizierten Mehrheitsbeschlusses möglich ist5. Umgekehrt genügen für die Reduktion der Abberufbarkeit folgende Umstände je für sich nicht: Bestellung des Geschäftsführers im Gesellschaftsvertrag (§ 6 Rn 39)6; Geschäftsführer ist Gesellschafter7; Erfordernis qualifizierter Beschlussmehrheiten8; Einzelgeschäftsführungsbefugnis, selbst wenn die anderen bloß Gesamtgeschäftsführungsbefugnis haben. – Die Gesellschafter können die Reduktion der Abberufbarkeit durch Satzungsänderung verändern oder aufheben, ohne auf die Zustimmung der betroffenen Geschäftsführer angewiesen zu sein; anders nur, falls ein Geschäftsführer zugleich Gesellschafter ist und ein Sonderrecht auf das Geschäftsführeramt hat (Rn 10 ff). – Zur Möglichkeit des Geschäftsführers, sich gegen eine satzungswidrige Abberufung zu wehren, Rn 26 ff. c) Geschäftsführungssonderrecht: Von der Frage, ob der Gesellschaftsvertrag 10 die Abberufbarkeit einschränkt, ist die andere streng zu trennen, ob das Statut damit dem einzelnen Geschäftsführer eine eigene Rechtsposition einräumt, die nur mit seiner Zustimmung beeinträchtigt, verkürzt oder aufgehoben werden kann. Eine solche Position lässt sich allein als mitgliedschaftliches Sonderrecht auf das Geschäftsführeramt zugunsten eines Gesellschafters begründen (dazu näher § 46 Rn 25), aber nicht für einen Fremd-Geschäftsführer9. Zu seinen Gunsten lassen sich bloß schuldrechtliche Absprachen treffen. Sie aber können die Gesellschafter nicht hindern, einen Fremd-Geschäftsführer abzuberufen; ihm 1 Fischer GmbHR 1953, 133 Fn 23; Fleck GmbHR 1970, 221. 2 B/H/Zöllner/Noack Rn 8; Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 40; aA Reuter GmbHR 1981, 129; Schönle/Ensslin GmbHR 1969, 104. 3 AA wohl Goette DStR 1994, 1747: Relevanz auch außervertraglicher Umstände. 4 RG LZ 1914, 1762. 5 OLG Düsseldorf GmbHR 1994, 245, 246. 6 BGH GmbHR 1982, 129. 7 OLG Naumburg NZG 2000, 608, 609. 8 BGH WM 1984, 29; B/H/Zöllner/Noack Rn 8. 9 BGH GmbHR 2012, 638 Rn 21.

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§ 38 | Widerruf der Bestellung bleiben dann allenfalls Entschädigungsansprüche (s. Anh zu § 6 Rn 16). – Die Gesellschafter können ein statutarisches Geschäftsführungssonderrecht nur mit Zustimmung des betroffenen Gesellschafter-Geschäftsführers durch Satzungsänderung aufheben oder einschränken (§ 35 BGB). Ohne sie ist ebenfalls der Abberufungsbeschluss schwebend unwirksam, es sei denn, die Gesellschafter haben einen wichtigen Grund (Rn 20 ff)1. Zu den Abwehrmöglichkeiten des betroffenen Gesellschafter-Geschäftsführers Rn 34 ff. 11 Aus der statutarischen Einschränkung der Abberufbarkeit (Rn 8 f) folgt nicht

ohne Weiteres, der Gesellschafter-Geschäftsführer sei Sonderrechtsinhaber. Sofern der Gesellschaftsvertrag diese Frage nicht ausdrücklich regelt, sind sämtliche Anhaltspunkte in ihm2 einschließlich derer, aus denen sich die Einschränkung der Abberufbarkeit ergibt, eigenständig daraufhin zu würdigen, ob dem Gesellschafter-Geschäftsführer ein Geschäftsführungssonderrecht eingeräumt ist3. So hat OLG Hamburg4 für eine Gesellschaft, in der die beiden Gesellschafter zugleich die Geschäftsführer waren, Geschäftsführungssonderrechte angenommen, weil der Gesellschaftsvertrag die Abberufbarkeit auf wichtige Gründe beschränkt und den Gesellschafter-Geschäftsführer während der Dauer ihrer Gesellschaftereigenschaft jeweils Alleinvertretungsmacht verliehen hatte. – Umgekehrt erlaubt nicht schon der Umstand, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer im Gesellschaftsvertrag bestellt wurde, den Schluss auf sein Sonderrecht5.

12 Falls hingegen der Gesellschaftsvertrag (ausdrücklich oder nach seinen näheren Um-

ständen) ein Sonderrecht gewährt, kann der Gesellschafter-Geschäftsführer – wie schon oben Rn 10 dargelegt – nur noch aus wichtigem Grund abberufen werden.

13 d) Schuldrechtliche Absprachen: Einschränkungen der Abberufbarkeit und des

Geschäftsführungssonderrechts müssen im Gesellschaftsvertrag geregelt werden6. Das schließt schuldrechtliche Abreden hierüber nicht aus7; sie wirken jedoch nur begrenzt: Eine Abrede zwischen Gesellschaft und Fremd-Geschäftsführer (etwa im Anstellungsvertrag) dahin, dass der Geschäftsführer nur unter bestimmten Voraussetzungen, insbesondere nur aus wichtigem Grund soll abberufen werden können, hindert die Gesellschafter nicht, den Geschäftsführer frei nach § 38 Abs. 1 abzuberufen8. Das folgt aus dem organisationsrechtlichen Vor1 2 3 4 5 6

OLG München GmbHR 2011, 1102, 1103. Vgl BGH GmbHR 1982, 129. OLG Naumburg NZG 2000, 608, 609. OLG Hamburg BB 1954, 978. OLG Naumburg NZG 2000, 608, 609; Fleck GmbHR 1970, 223. Vgl BGH DB 1968, 2166; B/H/Zöllner/Noack Rn 21; Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 55. 7 B/H/Zöllner/Noack Rn 23; Haase GmbHR 2012, 614, 616; offen gelassen in BGH GmbHR 2003, 100, 101. 8 BGH GmbHR 2003, 100, 101; OLG Stuttgart GmbHR 1995, 229, 230; R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 4.

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rang von Gesetz und Gesellschaftsvertrag vor schuldrechtlichen Abreden. Daran ändert sich auch nichts, wenn die Gesellschafter der schuldrechtlichen Abrede zugestimmt haben1. Andernfalls könnte außerhalb des Gesellschaftsvertrages zugunsten gesellschaftsexterner Dritter (zu Vereinbarungen des Gesellschafter-Geschäftsführers mit den Mitgesellschaftern Rn 15) im sachlichen Ergebnis eine Rechtsposition begründet werden, die sich nach den körperschaftsrechtlichen Grundsätzen der GmbH ausschließlich für Gesellschafter, und zwar nur im Gesellschaftsvertrag, schaffen lässt. – Die schuldrechtliche Abrede ist für den Fremd-Geschäftsführer bloß Grundlage eines Entschädigungsanspruchs (näher Rn 25a und Anh zu § 6 Rn 16). Anders hingegen, falls die schuldrechtliche Einschränkung, einen Fremd-Ge- 14 schäftsführer nicht frei abberufen zu können, von einer entsprechenden Regelung im Gesellschaftsvertrag begleitet wird. Dann hat der Fremd-Geschäftsführer einen Anspruch auf Wiederbestellung2, allerdings selbst in diesem Fall kein eigenes Recht zur Anfechtung des Gesellschafterbeschlusses. Sollte ein Gesellschafter-Geschäftsführer mit den übrigen Gesellschaftern au- 15 ßerhalb des Gesellschaftsvertrages eine Vereinbarung über seine Abberufbarkeit getroffen haben3, so ist es jenen Gesellschaftern verwehrt, die an der Vereinbarung beteiligt waren oder ihr später beigetreten sind, den Gesellschafter-Geschäftsführer entgegen der Abrede abzuberufen4, es sei denn, es läge ein wichtiger Grund vor5. Zur Anfechtbarkeit des abredewidrigen Abberufungsbeschlusses Anh zu § 47 Rn 44. – Abstimmungsvereinbarungen zwischen Gesellschaftern und einem Fremd-Geschäftsführer gewähren diesem zwar kein Anfechtungsrecht, möglicherweise jedoch einen Anspruch auf Wiederbestellung6.

4. Entscheidung über Abberufung aus wichtigem Grund (§ 38 Abs. 2) a) Über die Abberufung aus wichtigem Grund entscheiden nach dem Normal- 16 statut die Gesellschafter mit einfacher Mehrheit (§§ 46 Nr. 5, 47 Abs. 1)7. Sollte 1 Fleck ZGR 1988, 104, 123; aA Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 55; S/I/Lücke/Simon Rn 29. 2 Näher Fleck ZGR 1988, 104, 129 gegen RGZ 170, 371 f. 3 S. BGH GmbHR 1987, 96. 4 Übersehen in OLG Stuttgart GmbHR 1995, 229, 230. 5 OLG Frankfurt NZG 2000, 378. 6 S. OLG Köln GmbHR 1989, 78. 7 Zur Vorbereitung und Einberufung der Gesellschafterversammlung s. Rüppell/Hoffmann BB 2016, 645, 647 f; zur Anfechtbarkeit des Abberufungsbeschlusses wegen Einladungsmängeln s. BGH ZIP 2016, 817 Rn 18 ff = GmbHR 2016, 587 (dort Einberufung der Versammlung in Räumen eines verfeindeten Gesellschafters).

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§ 38 | Widerruf der Bestellung die Abberufungskompetenz einem anderen Gesellschaftsorgan zugewiesen sein (Rn 3), so ist dies nach dem Gesellschaftsvertrag auch für die Abberufung aus wichtigem Grunde regelmäßig schon deshalb zuständig, weil in diesen Fällen zumeist schnell entschieden werden muss und ein Gesellschafterentscheid nur schwerfällig zustande kommt1. Den Gesellschaftern bleibt es unbenommen, sich die Zuständigkeit für die Abberufung aus wichtigem Grund im Gesellschaftsvertrag vorzubehalten2. Zur Ersatzzuständigkeit der Gesellschafter bei Handlungsunfähigkeit des Abberufungsorgans Rn 3. Ist die Beschlusskompetenz einem einzelnen Gesellschafter (oder einer Gesellschaftergruppe) übertragen worden, bleibt das Recht der Gesellschafterversammlung zur Abberufung aus wichtigem Grund unberührt3. – Der Gesellschaftsvertrag kann den Gesellschafterbeschluss nicht von einer qualifizierten Mehrheit abhängig machen4. Andernfalls wäre die Gesellschaft uU auf Dauer an einen Geschäftsführer gebunden, der nach Ansicht der Gesellschaftermehrheit untragbar ist, weil er grob pflichtwidrig gehandelt oder sich als unfähig erwiesen hat. Eine dem entgegenstehende Satzungsbestimmung ist unwirksam. – Ebenso wenig rechtfertigt ein statutarisches Geschäftsführungssonderrecht (Rn 10 ff) Beschlussqualifikationen im Gesellschaftsvertrag5; denn auch hier gebührt dem Gesellschaftsinteresse der Vorrang (s. aber auch Rn 34). 17 b) Bei der Abberufung aus wichtigem Grund durch die Gesellschafter hat der

betroffene Gesellschafter-Geschäftsführer kein Stimmrecht6; anderenfalls könnte er entgegen § 38 Abs. 2, etwa als Mehrheitsgesellschafter, seine Abberufung aus wichtigem Grund verhindern. Zudem entspricht es einem allgemeinen Grundsatz, dass ein Gesellschafter als „Richter in eigener Sache“ vom Stimmrecht ausgeschlossen ist, wenn über bedeutsame Maßnahmen gegen ihn beschlossen werden soll (§ 47 Rn 28, 38). Aus dem Stimmrechtsausschluss folgt für den betroffenen Gesellschafter-Geschäftsführer weder der Verlust des Teil1 Im Ergebnis wie hier U/H/L/Paefgen Rn 151; B/H/Zöllner/Noack Rn 25. 2 Anders Fleck ZGR 1988, 104, 122: Abberufungskompetenz der Gesellschafter bleibt von der statutarischen Zuständigkeit des anderen Organs unberührt; ähnlich R/A/Altmeppen Rn 13; MünchKomm/Stephan/Tieves Rn 31. 3 Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 23; U/H/L/Paefgen Rn 152; B/H/Zöllner/ Noack Rn 25; aA S/I/Lücke/Simon Rn 33; Wedemann S. 270. 4 BGHZ 86, 177, 179 = GmbHR 1983, 149; KG GmbHR 2011, 1272, 1274; OLG Düsseldorf GmbHR 1994, 245, 246; R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 19; Henssler/Strohn/Oetker Rn 32; aA B/H/Zöllner/Noack Rn 30; Kubis Liber amicorum Martin Winter, 2011, S. 387, 392 f; Wedemann S. 234 ff. 5 AA Scholz/K. Schmidt § 46 Rn 73. 6 BGHZ 86, 177, 178 = GmbHR 1983, 149 und BGH ZIP 1992, 760, 761 = GmbHR 1992, 299, 300; OLG Düsseldorf GmbHR 1994, 884, 886 und OLG Düsseldorf GmbHR 2000, 1050, 1053; OLG Stuttgart GmbHR 2006, 1258, 1260 (für Erfordernis der notariellen Beurkundung des Abberufungsbeschlusses in diesen Fällen OLG Nürnberg GmbHR 2000, 563, 564); zur Begründung s. auch Grunewald S. 177, 183; Lotz S. 112 ff; kritisch R/A/Altmeppen Rn 46 ff.

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nahme- noch der des Rederechts in der Gesellschafterversammlung1. – Die übrigen Gesellschafter haben auf diesem Wege die Möglichkeit, den betroffenen Gesellschafter-Geschäftsführer mit der bloßen (substantiierten) Behauptung eines wichtigen Abberufungsgrundes vom Stimmrecht auszuschließen2. Der Gesellschafter-Geschäftsführer ist dadurch nicht schutzlos: Er kann sofort gerichtlich klären lassen, ob wirklich ein wichtiger Grund vorlag3. Speziell zur ZweipersonenGesellschaft Rn 31. – Demgegenüber will die Gegenmeinung den Stimmrechtsausschluss davon abhängig machen, dass der wichtige Grund tatsächlich vorliegt4. Indes sind die von ihr angebotenen Lösungswege – vor allem: Entscheidung des Versammlungsleiters5 – in der Praxis, weil zu fein ausdifferenziert, kaum handhabbar und überantworten zudem (wenigstens bis zur Rechtskraft eines Urteils) die Rechtsstellung des betroffenen Gesellschafter-Geschäftsführers dem unkontrollierbaren Belieben des Versammlungsleiters. – Soll der Geschäftsführer wegen einer Pflichtverletzung aus wichtigem Grund abberufen werden, so ist auch ein Gesellschafter von der Abstimmung ausgeschlossen, dem eine gemeinsam mit dem Geschäftsführer begangene Pflichtverletzung vorgeworfen wird6. Sollte die Abberufung über den wichtigen Grund hinaus auf weitere Gründe ge- 17a stützt werden, die keine wichtigen iS des Gesetzes sind, so ist der GesellschafterGeschäftsführer insoweit nicht von der Abstimmung ausgeschlossen (zB hilfsweise Abberufung aus sonstigen Gründen)7. Konsequent kann der Betroffene diesen Abberufungsbeschluss mit der Begründung anfechten, sein Stimmrechtsausschluss sei unzutreffend hierauf erstreckt worden8. c) Anders als bei der Kündigung des Anstellungsverhältnisses (§ 626 Abs. 2 18 BGB; Anh zu § 6 Rn 62 ff) braucht über die Abberufung nicht innerhalb der Zweiwochenfrist seit Kenntnis vom Vorliegen des wichtigen Grundes entschieden zu werden9. Allerdings muss die Abberufung innerhalb angemessener Frist ausgesprochen werden10. Zur Erklärung gegenüber dem Geschäftsführer Rn 6. Falls wichtige Gründe das weitere Verbleiben des Geschäftsführers in seiner Organstellung für die Gesellschaft objektiv unzumutbar machen, muss jeder Ge1 Dazu Goette DStR 1998, 940. 2 Wie hier Henssler/Strohn/Oetker Rn 35; MünchKomm/Stephan/Tieves Rn 78; Michalski/Terlau Rn 61. 3 Rn 30 ff; umgekehrt wertend R/A/Altmeppen Rn 57: Beschlussfeststellungsklage auf Betreiben der Gesellschaft. 4 Etwa Fischer BB 2013, 2819, 2820 f; Lotz S. 121 ff, 127; S/I/Lücke/Simon Rn 50; B/H/Zöllner/Noack Rn 35; auch § 47 Rn 40 (Bayer). 5 B/H/Zöllner/Noack Rn 35. 6 BGH GmbHR 2009, 770, 773. 7 Ebenso Rüppell/Hoffmann BB 2016, 645, 649. 8 Im Ergebnis so auch B/H/Zöllner/Noack Rn 35. 9 OLG Düsseldorf GmbHR 2000, 1050, 1055; OLG Naumburg NZG 2000, 47. 10 BGHZ 13, 188, 194; OLG Stuttgart GmbHR 2006, 1258, 1260.

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§ 38 | Widerruf der Bestellung sellschafter der Abberufung zustimmen (positive Stimmpflicht); das folgt aus der Treupflicht1. Wer dennoch für Verbleiben stimmt, handelt rechtsmissbräuchlich. Seine Stimmen sind daher mit der Folge nichtig, dass sie bei der Beschlussfeststellung nicht mitgezählt werden dürfen2; die Beschlussfeststellung ist andernfalls anfechtbar, dh wirksam, bis sie durch rechtskräftiges Urteil für unwirksam erklärt wird (Anh zu § 47 Rn 38)3; die Anfechtungsklage gegen den die Abberufung ablehnenden Gesellschafterbeschluss kann mit einer positiven Beschlussfeststellungsklage verbunden werden4. Ebenfalls handelt rechtsmissbräuchlich, wer eine Person in das Amt des Geschäftsführers wählt, die für die Gesellschaft untragbar ist5. Das ist namentlich anzunehmen, wenn ein Geschäftsführer, der aus wichtigem Grunde abberufen worden ist, sogleich anschließend wiederbestellt wird. 19 Das Recht der Gesellschaft auf Abberufung eines Geschäftsführers aus wichti-

gem Grund kann allerdings verwirkt sein, wenn die Vorgänge, auf denen der wichtige Grund beruhen soll, bereits bei der Bestellung des Geschäftsführers vorlagen und den Gesellschaftern bekannt waren6. Dies gilt sogar dann, wenn die Bestellung des Geschäftsführers wegen Missbrauchs der Mehrheitsmacht rechtswidrig war, aber von der Minderheit nicht oder erfolglos angefochten wurde7. Verwirkung des Abberufungsrechts ist weiter dann gegeben, wenn die Gesellschaft den Geschäftsführer in Kenntnis des wichtigen Grundes über längere Zeit hinweg weiter im Amt belässt und der Geschäftsführer daher davon ausgehen darf, sie wolle auf diese Umstände nicht zurückkommen8; reiner Zeitablauf führt dagegen ebenso wenig zu Verwirkung wie der Versuch einer letzten Aussprache mit dem Geschäftsführer9.

5. Wichtiger Grund 20 a) Wichtiger Grund zur Abberufung ist gegeben, wenn der weitere Verbleib

des Geschäftsführers in seinem Amt der Gesellschaft und den Gesellschaftern bei Würdigung aller Umstände unter Berücksichtigung der betroffenen Interes-

1 BGH GmbHR 1991, 62; OLG Stuttgart NZG 2013, 1146, 1148 = GmbHR 2013, 803; weiterführend Kubis Liber amicorum Martin Winter, 2011, S. 387, 389 ff. 2 BGH GmbHR 1991, 62 und BGH GmbHR 1993, 579, 581. 3 U/H/L/Raiser Anh § 47 Rn 97 f; kritisch Kubis Liber amicorum Martin Winter, 2011, S. 387, 397. 4 Fischer BB 2013, 2819, 2822 f; Werner GmbHR 2015, 1297, 1298. 5 BGH GmbHR 1991, 62 und BGH GmbHR 1993, 579, 581. 6 BGH GmbHR 1993, 579, 580; BGHZ 13, 188, 194 (zur AG). 7 BGH GmbHR 1993, 579, 581. 8 BGH GmbHR 1992, 38, 39; OLG Stuttgart GmbHR 2006, 1258, 1260. 9 BGH GmbHR 1992, 38, 39; OLG Zweibrücken NZG 1999, 1011; Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 46b.

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sen (insbesondere von Gesellschaft und Gesellschaftern, denn die persönlichen Interessen des Geschäftsführers sind unerheblich)1 nicht länger zugemutet werden kann2. Dabei kommt es weder beim Geschäftsführer zwingend darauf an, ob dieser pflichtwidrig oder gar schuldhaft gehandelt, noch bei der Gesellschaft zwingend darauf, ob diese einen Schaden erlitten hat3. Daher ist auch bei einem Zerwürfnis unter mehreren Geschäftsführern die Abberufung jedes Geschäftsführers möglich, der durch sein – nicht notwendig schuldhaftes – Verhalten zu diesem beigetragen hat, sofern das Zerwürfnis unheilbar ist und keine gedeihliche Zusammenarbeit der Geschäftsführer mehr erwarten lässt4. Im Grundsatz nichts anderes gilt in der Zweipersonen-Gesellschaft, wo strenge 20a Anforderungen an den wichtigen Grund gestellt werden (s. auch Rn 31)5. Hat eine solche Gesellschaft gleich beteiligte Gesellschafter-Geschäftsführer, kann bei einem unheilbaren Zerwürfnis jeder der beiden Gesellschafter den anderen abberufen, wenn sie wechselseitig wesentliche Ursachen für das Zerwürfnis gesetzt haben6. Im Übrigen ist das Vorliegen wichtiger Gründe stets eine Frage des Einzelfalls7. 20b Dabei sind die Voraussetzungen für den wichtigen Grund zur Abberufung aus der Organstellung nach § 38 Abs. 2 (weil es auf die persönlichen Interessen des Geschäftsführers hier nicht ankommt) tendenziell weniger streng als die für eine außerordentliche Kündigung des Anstellungsvertrages nach § 626 BGB (dazu Anh zu § 6 Rn 57 ff)8. § 38 Abs. 2 Satz 2 gibt mit der groben Pflichtverletzung und mit der Unfähigkeit zu ordnungsmäßiger Geschäftsführung zwei Beispiele, die stets ein wichtiger Grund sind. Allerdings ist einmaliges Versagen nicht unbedingt als Unfähigkeit zu werten9; ein wichtiger Grund kann sich jedoch aus der Gesamtheit der Verfehlungen ergeben10. Auch ist der wichtige Grund zur Abberufung zwar typischerweise, nicht aber notwendig an ein solches „Negativ-

1 MünchKomm/Stephan/Tieves Rn 83 f. 2 OLG Braunschweig GmbHR 2009, 1276, 1278; OLG Karlsruhe NZG 2000, 264, 265; OLG Naumburg NZG 2000, 46; OLG Hamburg GmbHR 1992, 43, 45; OLG Stuttgart GmbHR 2013, 803; Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 43. 3 OLG Düsseldorf GmbHR 1988, 484 = NJW 1989, 172; OLG Stuttgart GmbHR 2013, 803 = NZG 2013, 1146. 4 BGH GmbHR 1992, 299, 300; BGH GmbHR 2009, 434 Rn 15; OLG Brandenburg NZG 2009, 269; OLG Düsseldorf GmbHR 1994, 884, 885 f; OLG München DB 2010, 2162, 2164; OLG Stuttgart ZIP 2015, 873, 876 = GmbHR 2015, 192. 5 Dazu auch OLG Stuttgart GmbHR 2013, 803; Oppenländer DStR 1996, 924 ff. 6 BGH GmbHR 2009, 434 Rn 15; OLG Stuttgart GmbHR 2013, 414, 423. 7 Systematisierung bei Voigt S. 167 ff. 8 Zutreffend Freund GmbHR 2010, 117, 118 f; U/H/L/Paefgen Rn 34 und 87; MünchKomm/Stephan/Tieves Rn 93. 9 OLG Köln GmbHR 1989, 79. 10 OLG Naumburg NZG 2000, 44, 46.

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§ 38 | Widerruf der Bestellung merkmal“ in der Person des Abzuberufenden geknüpft; er kann im Einzelfall auch einen betriebsbedingten Hintergrund haben1. 21 b) Weitere Beispiele (vgl auch Anh zu § 6 Rn 59): Annahme von Schmiergel-

dern, Unredlichkeit, Fälschung von Buchungsunterlagen2, langjährige Bilanzmanipulationen und Steuerhinterziehung3, schwerer Vertrauensbruch4, andauernde Krankheit, Unverträglichkeit oder gar persönliches Zerwürfnis der Geschäftsführer untereinander5, Tätlichkeiten gegenüber Mitgeschäftsführern6, nachdrückliche und andauernde Widersetzlichkeit gegenüber Gesellschafterweisungen, schwerwiegende oder gar wiederholte Kompetenzüberschreitung7, uU Überschuldung (Verbraucherinsolvenzverfahren)8; geschäftsschädigendes Verhalten gegenüber Dritten oder Eigenmächtigkeiten zu Lasten der Gesellschafter9; massiver Verstoß gegen ein Wettbewerbsverbot10; Beeinflussung der Machtverhältnisse in der Gesellschaft im eigenen Interesse11; Verletzung von Buchführungspflichten, insbesondere die unterlassene Aufstellung des Jahresabschlusses12 oder die Nichteinreichung der Jahresabschlüsse beim Finanzamt13; kein wichtiger Grund dagegen Nichtunterzeichnung des Jahresabschlusses nach Aufstellung14. – Das Gericht, das zur Überprüfung behaupteter wichtiger Gründe angerufen ist, darf seine Entscheidung nicht auf andere Gründe stützen, als es die Gesellschafter bei ihrem Abberufungsbeschluss getan haben15.

22 Anders als in der AG ist der Vertrauensentzug durch die Gesellschafter, dem

kein pflichtwidriges Verhalten des Geschäftsführers zugrunde liegt, allein kein

1 2 3 4 5 6 7

8 9 10 11 12 13 14 15

Uffmann Interim Management, 2015, S. 292 ff. OLG Hamm GmbHR 1985, 119. OLG Düsseldorf GmbHR 1992, 670. BGH GmbHR 1968, 141. OLG Brandenburg NZG 2009, 269; OLG Düsseldorf GmbHR 1988, 484; OLG Naumburg GmbHR 1996, 934, 937. OLG Stuttgart GmbHR 1995, 229, 230. BGH GmbHR 2001, 1158, 1159; OLG Braunschweig, GmbHR 2009, 1276, 1278 f; OLG Köln GmbHR 2011, 135; OLG München DB 2009, 1231, 1232 f; s. aber auch BGH GmbHR 2008, 487; OLG Brandenburg GmbHR 2009, 824 (LS); OLG Hamm GmbHR 2010, 477, 479 f. OLG Hamburg BB 1954, 978; OLG Stuttgart GmbHR 2006, 1258, 1259; wohl eher zu großzügig B/H/Zöllner/Noack Rn 14. OLG Naumburg GmbHR 1996, 934, 937. OLG Naumburg GmbHR 2014, 714, 716. OLG Nürnberg NZG 2000, 703. KG GmbHR 2011, 1272, 1274. BGH GmbHR 2009, 434. BGH GmbHR 1985, 256. BGH GmbHR 1985, 259.

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wichtiger Grund1; andernfalls hätte es der Gesellschaftsvertrag bei der Regelung des § 38 Abs. 1 belassen können (Rn 2) und die Abberufbarkeit nicht einzuschränken brauchen: Die Einschränkung auf den wichtigen Grund soll dem Geschäftsführer idR ein gewisses Gegengewicht gegenüber den Gesellschaftern verleihen. Andererseits geht es auch in der GmbH nicht an, dass die Geschäftsführer deren Geschäfte auf Dauer ohne das Vertrauen der Gesellschaftermehrheit führen. Deshalb ist der Vertrauensentzug dann ein wichtiger Grund, wenn die Gesellschafter ihn auf Umstände stützen, die auch für einen objektiven Dritten den Verbleib des Geschäftsführers unzumutbar erscheinen lassen2; ein nur sachlich nachvollziehbarer Umstand genügt nicht3. Es läuft darauf hinaus, dass bereits die den Vertrauensentzug stützenden Umstände einen wichtigen Grund abgeben müssen, da anderenfalls die Einschränkung der Abberufbarkeit im Gesellschaftsvertrag allzu leicht umgangen werden könnte4. Die Gesellschaft kann den Widerruf zunächst auf bestimmte Umstände beschränken und erst dann weitere Gründe nachschieben, wenn jene sich im Prozess nicht als ausreichend erweisen5. Dazu bedarf es aber eines zusätzlichen Beschlusses der Gesellschafterversammlung6. Das gilt nicht in der Zweipersonen-Gesellschaft7. c) Bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer mit Geschäftsführungssonder- 23 recht (Rn 10 ff) reicht ein wichtiger Grund allein nicht zur Abberufung aus; hinzukommen muss, dass auch der Einsatz eines milderen Mittels (zB echte Gesamtgeschäftsführungsbefugnis [§ 37 Rn 28] und -vertretungsmacht [§ 35 Rn 38] anstelle bisheriger Alleingeschäftsführungsbefugnis und -vertretungsmacht; Reduktion auf die Stellung eines „Zölibatsgeschäftsführers“ [§ 37 Rn 39] etc) nicht in Betracht kommt – entweder, weil es ungeeignet erscheint, den wichtigen Grund (zB unternehmerische Überforderung) auszuschalten, oder weil auch das mildere Mittel der Gesellschaft und den übrigen Gesellschaftern nicht zugemutet werden kann (zB bei versuchter Unterschlagung Gesamtvertretungsmacht) und daher der Gesellschafter-Geschäftsführer aus seiner Geschäftsführerposition entfernt werden muss8. – Auf die Abberufung kann der Gesell-

1 OLG Köln GmbHR 1989, 79; OLG Saarbrücken GmbHR 2007, 143, 147; OLG Stuttgart GmbHR 2013, 803. 2 Vgl OLG Köln WM 1988, 974, 979 = GmbHR 1989, 79; OLG Köln NZG 1999, 773. 3 AA B/H/Zöllner/Noack Rn 15; auch Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 52 f, die nur in der zweigliedrigen Gesellschaft oder für die Abberufung eines mehrheitlich beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführers gesteigerte Anforderungen stellen wollen. 4 Vgl BGH DB 1968, 2271. 5 BGH GmbHR 1992, 38, 39 f; Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 46a. 6 BGH GmbHR 1992, 38, 39. 7 BGH GmbHR 1992, 38, 40. 8 Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 41; s. auch BGHZ 4, 108, 111 f; Kubis Liber amicorum Martin Winter, 2011, S. 387, 395 f; Meyer-Hayoz/Zweifel FS Harry Westermann, 1974, S. 390 ff; Werner GmbHR 2015, 1185, 1187 f; aA R/S-L/Koppensteiner/

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§ 38 | Widerruf der Bestellung schafter-Geschäftsführer uU mit seinem Austritt aus der Gesellschaft reagieren (§ 34 Rn 70 ff). – Umgekehrt braucht seine Abberufung nicht mit seinem Ausschluss als Gesellschafter (§ 34 Rn 52 ff) verbunden zu werden1, kann dies aber.

6. Folgen der Abberufung nach § 38 Abs. 1 24 a) Für die Amtsposition: Mit der Erklärung der Abberufung (Rn 6) entfallen

Geschäftsführungsbefugnis und (vorbehaltlich § 15 Abs. 1 HGB) Vertretungsmacht, im Unternehmen der Gesellschaft die unternehmerische Leitungsfunktion2. Bei gesetzlicher Gesamtvertretung (§ 35 Rn 26) vertreten der/die verbliebenen Geschäftsführer die Gesellschaft; sollte der letzte Geschäftsführer abberufen worden sein, kann unter den Voraussetzungen des § 29 BGB ein Notgeschäftsführer bestellt werden (Vor § 35 Rn 13 ff). Bei statutarischer Gesamtvertretung (§ 35 Rn 36 ff) hängt die Rechtsmacht des verbliebenen Geschäftsführers von der Regelung im Gesellschaftsvertrag ab: Sind zwingend mehrere Geschäftsführer vorgeschrieben, ist die Gesellschaft ohne Vertretung (§ 35 Rn 38); es ist dann ein weiterer Geschäftsführer zu bestellen, notfalls gerichtlich nach § 29 BGB (Vor § 35 Rn 13 ff). Sollte dagegen im Gesellschaftsvertrag Gesamtvertretung nur für den Fall vorgeschrieben sein, dass mehrere Geschäftsführer bestellt sind (Klausel: „Die Gesellschaft hat einen oder mehrere Geschäftsführer; mehrere Geschäftsführer handeln als Gesamtvertreter“), so hat der einzige Geschäftsführer, der nach der Abberufung verbleibt, Einzelvertretungsmacht. Ein Weiterhandeln des ehemaligen Geschäftsführers kann der Gesellschaft allerdings nach den Grundsätzen von Anscheins- oder Duldungsvollmacht3 zuzurechnen sein. Im Prozess um die Wirksamkeit der Abberufung4 wird die Gesellschaft – solange die Gesellschafter keinen Prozessvertreter bestellt haben (§ 46 Nr. 8)5 – von verbleibenden vertretungsberechtigten Geschäftsführern vertreten6; existiert ein Aufsichtsrat, vertritt dieser die Gesellschaft7. S. dazu sowie zum Fall des Fehlens eines gesetzlichen Vertreters auch Rn 30.

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Gruber Rn 11; MünchKomm/Stephan/Tieves Rn 95: Fehlen eines milderen Mittels nicht erforderlich. OLG Hamm GmbHR 1985, 120. OLG Karlsruhe GmbHR 1996, 208, 209; ThürOLG GmbHR 2014, 706, 707. Dazu OLG Koblenz GmbHR 1991, 315. Zur Streitwertfestsetzung s. BGH GmbHR 2009, 995; zu Problemen der anwaltlichen Vertretung in Zweipersonen-Gesellschaften s. Keßler GmbHR 2015, 342. Dazu BGH GmbHR 2012, 638 Rn 11 ff. BGH GmbHR 1992, 299, 300; BGH GmbHR 2012, 638 Rn 12; OLG Zweibrücken GmbHR 2015, 1047; Fischer BB 2013, 2819, 2825 f; Lutz NZG 2015, 424, 425 f. Fischer BB 2013, 2819, 2825; Lutz NZG 2015, 424, 426, je mwN.

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Die Abberufung ist zum Handelsregister anzumelden (§ 39), selbst wenn ihre Wirksamkeit streitig ist. Die Wirksamkeit der Abberufung hängt nicht von der Eintragung ab1. Solange die Beendigung der Vertretungsbefugnis des Abberufenen nicht im Handelsregister eingetragen und bekannt gemacht worden ist, kann sie gutgläubigen Dritten jedoch nicht entgegengehalten werden: § 15 Abs. 1 HGB2. b) Für das Anstellungsverhältnis: Organ- und Anstellungsverhältnis des Ge- 25 schäftsführers sind rechtlich zu trennen3. Bleibt der Anstellungsvertrag des Geschäftsführers trotz seiner Abberufung (wie regelmäßig, Anh zu § 6 Rn 44 f) vorläufig bei Bestand, so behält dieser grundsätzlich seinen Vergütungsanspruch4 und ist im Übrigen nicht gehalten, seine bisherige Tätigkeit in der Gesellschaft bereichlich unverändert (zB als Vertriebsleiter) fortzusetzen5; denn der Geschäftsführer-Anstellungsvertrag wird nach der Abberufung nicht als normaler Anstellungsvertrag fortgesetzt6. Wenn die Gesellschaft zu erkennen gibt, dass sie unter keinen Umständen bereit ist, den Geschäftsführer weiter zu beschäftigen, braucht der ehemalige Geschäftsführer der Gesellschaft nicht seine Dienste anzubieten, um nicht seinen Vergütungsanspruch zu verlieren (Anh zu § 6 Rn 50). Andererseits soll er nach teilweise vertretener Auffassung im Einzelfall (insbesondere bei selbst verursachter Abberufung) gehalten sein, eine andere leitende Stellung im Unternehmen, die seinen Kenntnissen und Fähigkeiten angemessen7 ist, bis zum Ablauf seines Geschäftsführer-Anstellungsvertrages anzunehmen; andernfalls laufe der ehemalige Geschäftsführer Gefahr, über eine außerordentliche Kündigung der Gesellschaft seinen Vergütungsanspruch für die Restlaufzeit des Anstellungsvertrages zu verlieren8. Indes hat der Anstellungsvertrag regelmäßig nur die Beschäftigung als Geschäftsführer zum Inhalt; eine Tätigkeit unterhalb der Organebene ist typischerweise nicht vereinbart9 und vom ehemaligen Geschäftsführer dann auch nicht geschuldet10 (s. auch Anh zu § 6 Rn 28).

1 BGH GmbHR 2003, 544; OLG Dresden GmbHR 2015, 484, 485. 2 OLG Oldenburg GmbHR 2010, 1093; OLG Köln GmbHR 2015, 1156 = ZIP 2015, 1831. 3 S. etwa BGH GmbHR 2003, 100, 101; Haase GmbHR 2012, 614; Moll FS Schwerdtner, 2003, S. 453, 454 ff. 4 Greger FS Boujong, 1996, S. 154; MünchKomm/Jaeger § 35 Rn 328. 5 OLG Karlsruhe GmbHR 1996, 208, 209. 6 BGH GmbHR 1995, 373, 375. 7 Dazu Fonk NZG 1998, 410. 8 Vgl BGH WM 1966, 969; BGH GmbHR 1978, 85; BAG GmbHR 2003, 105, 109; OLG Karlsruhe GmbHR 1996, 208, 209; Greger FS Boujong, 1996, S. 155; Lunk ZIP 1999, 1786; U/H/L/Paefgen Rn 244 f. 9 Ebenso nunmehr BGH GmbHR 2011, 82. 10 Moll FS Schwerdtner, 2003, S. 453, 461 ff; s. außerdem etwa Kothe-Heggemann/Schelp GmbHR 2011, 75, 77 f; Bauer/Gragert ZIP 1997, 2183; Baums Der Geschäftsleiterver-

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§ 38 | Widerruf der Bestellung 25a Die Gesellschaft kann das Dienstverhältnis des abberufenen Geschäftsführers or-

dentlich kündigen (dazu Anh zu § 6 Rn 51 ff); diese Kündigung trägt ihre Rechtfertigung in sich1. Zu wettbewerblicher Tätigkeit zwischen Ende der Organstellung und Beendigung des Anstellungsverhältnisses s. Anh zu § 6 Rn 21. Den Geschäftsführer berechtigt die Abberufung aus dem Amt regelmäßig zur außerordentlichen Kündigung des Anstellungsvertrages nach § 626 BGB (Anh zu § 6 Rn 58); nach Maßgabe von § 628 Abs. 2 BGB (Veranlassung der Kündigung durch vertragswidriges Verhalten des anderen Vertragsteils; sog Auflösungsverschulden) kann er Schadensersatz verlangen. In der Abberufung (im gesetzlichen Regelfall nach § 38 Abs. 1 organisationsrechtlich jederzeit möglich) liegt ein vertragswidriges Verhalten der Gesellschaft allerdings nur unter qualifizierten Voraussetzungen: Wo weder die Satzung (§ 38 Abs. 2) noch der Anstellungsvertrag die Abberufung von Einschränkungen (Vorliegen eines wichtigen Grundes) abhängig macht, ist die Abberufung nicht vertragswidrig2. Anders aber ggf dort, wo das Recht zur Abberufung nach dem Anstellungsvertrag Beschränkungen unterliegt3: Wird der Geschäftsführer abberufen, ohne dass die Abberufungsvoraussetzungen des Vertrages vorliegen, kann er nach § 628 Abs. 2 BGB Schadensersatz beanspruchen. Zwar lässt sich ein Recht auf weiteren Verbleib im Amt aus dem Anstellungsvertrag nicht ableiten, weil sich der Widerruf der Bestellung allein nach dem (vorrangigen) Organisationsrecht in Gesetz (§ 38) und Satzung richtet (Rn 13)4. Deutlich zu weit geht indes die Feststellung, in der Abberufung des Geschäftsführers liege „unabhängig vom Inhalt des Anstellungsvertrages“ kein vertragswidriges Verhalten iSd § 628 Abs. 2 BGB5. S. auch Anh zu § 6 Rn 16 zum Schadensersatzanspruch des Geschäftsführers bei sonstigen organisationsrechtlichen Verletzungen seines Anstellungsvertrages.

7. Folgen einer Abberufung aus wichtigem Grund 26 Die Folgen einer Abberufung aus wichtigem Grund entsprechen denen nach

Rn 24 f, falls die Abberufung hingenommen wird; sie sind jedoch höchst kompli-

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trag, 1987, S. 338; Buchner/Schlobach GmbHR 2004, 1, 10 f; MünchKomm/Jaeger § 35 Rn 330 und 397; Reuter FS Zöllner, 1998, S. 487, 490, 498; zu abweichenden Vertragsgestaltungen Bergwitz GmbHR 2006, 1129, 1132. BGH GmbHR 2004, 57 = DStR 2003, 2174 mit Anm Goette. So im Fall BGH GmbHR 2003, 100: Kein Schadensersatzanspruch des Geschäftsführers aus § 628 Abs. 2 BGB bei dessen fristloser Kündigung des Anstellungsvertrages wegen Widerrufs der Bestellung; Gehrlein BB 2004, 2585, 2591; B/H/Zöllner/Noack § 35 Rn 239; zur klarstellenden Klausel im Anstellungsvertrag s. MünchKomm/Jaeger § 35 Rn 422. Bauer/Diller/Krets DB 2003, 2687, 2689; Bergwitz GmbHR 2006, 1129, 1133 f; Haase GmbHR 2003, 102, 103 ff; Haase GmbHR 2012, 614, 618. In diesem Sinne auch BGH GmbHR 2003, 100, 101. So aber BGH GmbHR 2012, 638 Rn 15 unter Hinweis auf BGH GmbHR 2003, 100, 101; dagegen zu Recht Haase GmbHR 2012, 614, 616 ff, 618.

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ziert, wenn diese angegriffen wird. Es sind dann vier Fälle der Abberufung aus wichtigem Grund zu unterscheiden: a) die eines Fremd-Geschäftsführers (Rn 27), b) die eines Gesellschafter-Geschäftsführers ohne Geschäftsführungssonderrecht (Rn 30), c) die eines Gesellschafter-Geschäftsführers ohne Geschäftsführungssonderrecht in der personalistischen Gesellschaft (Rn 31 ff), d) die eines Gesellschafter-Geschäftsführers mit Geschäftsführungssonderrecht (Rn 34 ff). a) Fremd-Geschäftsführer: Wird in einer Gesellschaft, deren Gesellschaftsver- 27 trag die Abberufbarkeit auf Fälle des wichtigen Grundes reduziert hat (Rn 18 f), ein Fremd-Geschäftsführer abberufen, obwohl kein wichtiger Grund vorliegt, so ist die Abberufung mit Zugang der Erklärung wirksam (§ 84 Abs. 3 Satz 4 AktG analog)1 und muss ins Handelsregister eingetragen werden. Der Fremd-Geschäftsführer kann sich dagegen nicht aus eigenem Recht (es sei denn Nichtigkeitsklage, Rn 28) wehren: Für eine Anfechtungsklage fehlt ihm die Anfechtungsbefugnis (Anh zu § 47 Rn 73, 65)2. Ebenso wenig kann ein Fremd-Geschäftsführer den Fortbestand seines Geschäftsführeramtes klagweise mit der Begründung feststellen lassen, der anfechtbare Abberufungsbeschluss mache die ihm gegenüber abzugebende Abberufungserklärung unwirksam, denn die Satzungsklausel zur eingeschränkten Abberufbarkeit ist keine Regelung zugunsten außenstehender Fremd-Geschäftsführer entsprechend § 328 BGB3; zu ihren Gunsten wirkt die Klausel bloß reflexiv4. Der Fremd-Geschäftsführer hat aber ggf einen Anspruch auf Wiederbestellung (s. Rn 14)5. Ist der Abberufungsbeschluss jedoch nichtig (Anh zu § 47 Rn 9 ff) oder auf An- 28 fechtungsklage für nichtig erklärt worden (Anh zu § 47 Rn 38 ff), fehlt der Abberufung der notwendige wirksame Gesellschafterentscheid mit der Folge, dass der Geschäftsführer seine Stellung nie verloren hatte6. Das kann auch der unwirk1 R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 26; Uwe H. Schneider ZGR 1983, 535, 542 f; Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 63 f; MünchKomm/Stephan/Tieves Rn 153; wohl auch B/S/Jacoby Rn 47. Gegenmeinung lehnt (außerhalb des Geltungsbereichs von § 31 MitbestG) Analogie zu § 84 Abs. 3 Satz 4 AktG ab und leitet Wirksamkeit des (nur) anfechtbaren Abberufungsbeschlusses, soweit verbindlich festgestellt, aus den allgemeinen Grundsätzen des Beschlussmängelrechts ab; s. ua U/H/L/Paefgen Rn 197 und 209; B/H/Zöllner/Noack Rn 44 und 56 ff. Demgegenüber lehnt Fischer BB 2013, 2819, 2826, vorübergehende Beschlusswirksamkeit (außerhalb des MitbestG) ab: abzustellen sei auf die materielle Rechtslage zum Zeitpunkt der Beschlussfassung. 2 BGH GmbHR 2008, 426 Rn 26; Fischer BB 2013, 2819, 2825; Fleck GmbHR 1993, 550, 555; Heller GmbHR 2002, 1227, 1229; Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 58b; B/H/Zöllner/Noack Rn 45; aA Raiser/Veil Recht der Kapitalgesellschaften, § 42 Rn 62. 3 S. auch Goette FS Wiedemann, S. 1297 ff. 4 AA Fleck GmbHR 1993, 550, 555; im Ergebnis wie hier Fischer BB 2013, 2819, 2825; R/S-L/ Koppensteiner/Gruber Rn 26; Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 60a. 5 R/A/Altmeppen Rn 66; B/H/Zöllner/Noack Rn 67. 6 B/H/Zöllner/Noack Rn 44 f.

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§ 38 | Widerruf der Bestellung sam abberufene Geschäftsführer durch eine Feststellungsklage gegen die Gesellschaft gerichtlich klären lassen1. Davon zu unterscheiden ist die (Beschluss-) Feststellungsklage (§ 256 ZPO), die die Betroffenen bei fehlender förmlicher Feststellung des (Abberufungs-)Beschlusses erheben können2; sie steht (da nur begründetes Feststellungsinteresse erforderlich) auch dem Fremd-Geschäftsführer zu3. 29 Falls der Fremd-Geschäftsführer trotz fehlenden wichtigen Grundes oder durch einen sonstwie anfechtbaren Gesellschafterentscheid (Anh zu § 47 Rn 43 ff) abberufen worden ist, kann jeder Gesellschafter den Abberufungsbeschluss anfechten4 und ggf einstweiligen Rechtsschutz beantragen (zB auf Unterlassung des Eintragungsantrags; s. Rn 36 ff). Dagegen fehlt dem – nicht anfechtungsbefugten (Rn 27) – Fremd-Geschäftsführer sogar dann ein eigener Verfügungsanspruch nach §§ 916, 940 ZPO, wenn ein Gesellschafter Anfechtungsklage erhoben hat5. – Zu schuldrechtlichen Absprachen Rn 13. 30 b) Gesellschafter-Geschäftsführer ohne Geschäftsführungssonderrecht: Für den Gesellschafter-Geschäftsführer, der ohne Geschäftsführungssonderrecht (Rn 10 ff) amtiert, gelten – soweit es sich nicht um eine personalistische Gesellschaft handelt (zu dieser Rn 31 ff) – die Darlegungen Rn 27 ff. Mit Zugang der Abberufungserklärung verliert er entsprechend § 84 Abs. 3 Satz 4 AktG sein Amt, was nach § 39 ins Handelsregister einzutragen ist6. In seiner Gesellschafterrolle kann der Gesellschafter-Geschäftsführer jedoch den Abberufungsbeschluss mit der Begründung anfechten, es fehle am wichtigen Grund oder der Beschluss sei aus anderen Gründen anfechtbar. Will sich der Gesellschafter-Geschäftsführer auf die Nichtigkeit des Abberufungsbeschlusses stützen, muss er eine Feststellungsklage gegen die Gesellschaft dahin erheben, dass er weiterhin Geschäftsführer ist. Schon vor Erhebung der Anfechtungsklage, aber auch noch während des schwebenden Anfechtungsprozesses kann der abberufene Gesellschafter-Geschäftsführer als Gesellschafter (mit Verfügungsantrag gegen die Gesellschaft) einstweiligen Rechtsschutz (Rn 36 ff) begehren, um seine bisherigen Organbefugnisse vorläufig zu sichern7. Umgekehrt kann die Gesellschaft gegen den 1 BGH GmbHR 2008, 426, 428; vgl auch OLG Brandenburg GmbHR 2005, 993, 995; Fischer BB 2013, 2819, 2823 f, 2825; MünchKomm/Stephan/Tieves Rn 133. 2 S. BGH GmbHR 1996, 47, 48; BGH GmbHR 1999, 477 f; BGH GmbHR 2008, 426 Rn 22. 3 B/S/Jacoby Rn 54; U/H/L/Raiser Anh § 47 Rn 98; B/H/Zöllner/Noack Rn 68; aA Lotz S. 236 f. 4 Fischer BB 2013, 2819, 2825. 5 S. auch OLG Hamm GmbHR 2002, 327, 328; U/H/L/Paefgen Rn 226. 6 OLG Stuttgart GmbHR 2011, 1277; wohl auch B/S/Jacoby Rn 47. 7 Lutz NZG 2015, 424, 425; Lutz BB 2000, 837 f; Liebscher/Alles ZIP 2015, 1, 5; U/H/L/Paefgen Rn 225; Werner GmbHR 2015, 1297, 1300 ff; aA Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 79; MünchKomm/Stephan/Tieves Rn 158: kein einstweiliger Rechtsschutz im Anwendungsbereich von § 84 Abs. 3 Satz 4 AktG analog.

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abberufenen Geschäftsführer im Wege der einstweiligen Verfügung vorgehen, etwa um ein vorläufiges Tätigkeitsverbot zu erwirken1. Die Gesellschaft wird – solange die Gesellschafter keinen Prozessvertreter bestellt haben (§ 46 Nr. 8)2 – von verbleibenden vertretungsberechtigten Geschäftsführern vertreten3; existiert ein Aufsichtsrat, vertritt dieser die Gesellschaft4. Fehlt es an einem gesetzlichen Vertreter, so ist im Passivprozess ein Prozesspfleger gemäß § 57 Abs. 1 ZPO zu bestellen5. Für Aktivprozesse kommt zwar die Bestellung eines Notgeschäftsführers in Betracht (dazu Vor § 35 Rn 13 ff). Für den einstweiligen Rechtsschutz ist das entsprechende Verfahren (Vor § 35 Rn 17 ff) aber regelmäßig zu zeitaufwendig; zudem ist die Dringlichkeit der Notbestellung (Vor § 35 Rn 16) zweifelhaft, weil die Gesellschafter einen Prozessvertreter (§ 46 Nr. 8) bestellen können6. Im Falle der Handlungsunfähigkeit oder -unwilligkeit der Gesellschaft ist schließlich auch dem einzelnen Gesellschafter das Recht zuzugestehen, im Wege der actio pro socio eine einstweilige Verfügung gegen den Geschäftsführer zu beantragen, um etwa ein Tätigkeitsverbot (vgl Rn 36 ff) zu erwirken7. c) Gesellschafter-Geschäftsführer ohne Geschäftsführungssonderrecht in der 31 personalistischen Gesellschaft, namentlich in der Zweipersonen-Gesellschaft8: In einer solchen Gesellschaft gilt Besonderes, wenn in ihr – wie in der Praxis häufig – ein oder alle Gesellschafter als Geschäftsführer fungieren, keiner ein statutarisches Geschäftsführungssonderrecht (Rn 10 ff) hat und kein von den Gesellschaftern verschiedenes Bestellungsorgan existiert. Für das Vorliegen eines wichtigen Grundes bestehen hier strenge Anforderungen: Es müssen Umstände vorliegen, die bei objektiver Betrachtung das Ergebnis rechtfertigen, dass der Geschäftsführer (typischerweise wegen grober Pflichtverletzungen) für die Gesellschaft untragbar geworden ist9; s. auch Rn 20a zu einem unheilbaren Zer1 OLG Braunschweig GmbHR 2009, 1276, 1277; KG GmbHR 2011, 1272, 1273; OLG München GmbHR 2013, 714; ThürOLG GmbHR 2014, 706, 708; ThürOLG GmbHR 2015, 1267, 1268 f; Lutz NZG 2015, 424 f; Rüppell/Hoffmann BB 2016, 645, 650; Werner GmbHR 2015, 1297, 1300. 2 Dazu BGH GmbHR 2012, 638 Rn 11 ff. 3 BGH GmbHR 2012, 638 Rn 12; Fischer BB 2013, 2819, 2825 f; Lutz NZG 2015, 424, 425 f. 4 Fischer BB 2013, 2819, 2825; Lutz NZG 2015, 424, 426, je mwN. 5 Dazu Lutz NZG 2015, 424, 427 sowie Vor § 35 Rn 26. 6 Lutz NZG 2015, 424, 427; Werner GmbHR 2015, 1297, 1298. 7 OLG Braunschweig GmbHR 2009, 1276, 1277; OLG Naumburg GmbHR 2014, 714, 715; ThürOLG GmbHR 2014, 706, 708; ThürOLG GmbHR 2015, 1267, 1269; s. für die Zweipersonen-Gesellschaft auch schon BGHZ 86, 177, 183; OLG Karlsruhe GmbHR 1993, 154, 155; tendenziell enger wohl Lutz NZG 2015, 424, 428: nur für die Dauer objektiver Handlungsunfähigkeit. 8 Dazu Oppenländer DStR 1996, 924; Uwe H. Schneider FS Kellermann, 1991, S. 403. 9 S. etwa OLG Düsseldorf WM 1992, 19; OLG Stuttgart GmbHR 2013, 803; Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 53; vgl auch BGHZ 80, 346, 351 f und § 34 Rn 52 zum Ausschluss aus der Gesellschaft.

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§ 38 | Widerruf der Bestellung würfnis zwischen den beiden Gesellschaftern einer Zweipersonen-Gesellschaft. In diesen Gesellschaften ist die Abberufung aus wichtigem Grunde nicht in entsprechender Anwendung des § 84 Abs. 3 Satz 4 AktG sofort wirksam1. Ebenso wenig tritt Wirksamkeit der Abberufung in entsprechender Anwendung der §§ 117, 127 HGB erst mit rechtskräftiger Entscheidung ein2. Hier gebührt weder dem Interesse der Gesellschaft und der übrigen Gesellschafter noch dem Schutz des abberufenen Gesellschafter-Geschäftsführers typisierter Vorrang; deshalb hängt die Abberufung in ihrer Wirksamkeit von der materiellen Rechtslage ab3: Ist die Abberufung unberechtigt, so hat der Gesellschafter-Geschäftsführer nie seine Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht verloren; bei berechtigter Abberufung hingegen sind diese Rechtswirkungen mit der Abberufungserklärung gegenüber dem Geschäftsführer (Rn 6) eingetreten. Solange die rechtskräftige Entscheidung noch aussteht, scheidet die Eintragung ins Handelsregister aus4. 32 Diese besonderen Grundsätze gelten für alle Gesellschafter-Geschäftsführer in

personalistischen Gesellschaften, also auch für den MinderheitsgesellschafterGeschäftsführer und nicht etwa nur für den Gesellschafter-Geschäftsführer, der mit Mehrheit oder hälftig an der Gesellschaft beteiligt ist5. Anderenfalls würde der Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer unter Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot (§ 14 Rn 33) diskriminiert6.

33 Bis zur rechtskräftigen Klärung der materiellen Rechtslage können Gesellschaft,

abberufener Gesellschafter-Geschäftsführer und ggf der (bzw die) weitere(n) Gesellschafter einstweiligen Rechtsschutz (Rn 36 ff) beantragen; näher Rn 30.

34 d) Gesellschafter-Geschäftsführer mit Geschäftsführungssonderrecht: Ge-

währt der Gesellschaftsvertrag dem abberufenen Gesellschafter-Geschäftsführer ein Sonderrecht auf die Geschäftsführerposition (Rn 10 ff), so greift die Abberufung, die nicht durch wichtigen Grund gerechtfertigt ist, in das Mitgliedschaftsrecht des Gesellschafter-Geschäftsführers ein und ist wegen fehlender Zustimmung nach § 35 BGB unwirksam. Daher enden Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht des sonderberechtigten Gesellschafter-Geschäftsführers, der sich nicht mit seiner Abberufung abfindet, erst in dem Zeitpunkt, in dem deren

1 BGHZ 86, 177, 181 = GmbHR 1983, 149; OLG Stuttgart NZG 2013, 1146, 1148 = GmbHR 2013, 803. 2 BGHZ 86, 177, 180 = GmbHR 1983, 149; aA Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 80; Grunewald S. 177, 185 f. 3 BGHZ 86, 177, 181 ff = GmbHR 1983, 149; OLG Köln GmbHR 1995, 299; OLG München GmbHR 2011, 1102, 1103 f; OLG Schleswig OLGR Schleswig 2007, 734 Rn 22. 4 S. OLG München GmbHR 2011, 1102 (Aussetzung des Eintragungsverfahrens); ebenso B/S/Jacoby Rn 49. 5 Insoweit anders Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 67 und 79 f; MünchKomm/Stephan/Tieves Rn 153: dann Analogie zu § 84 Abs. 3 Satz 4 AktG. 6 Vgl B/H/Zöllner/Noack Rn 62.

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Berechtigung rechtskräftig festgestellt ist1. Das ist dann zwar nicht das Ergebnis eines gestaltenden Entziehungsurteils entsprechend §§ 117, 127 HGB, läuft aber in der Sache darauf hinaus. – Diese Feststellungsklage kann von der Gesellschaft und von den übrigen Gesellschaftern gegen den abberufenen Gesellschafter-Geschäftsführer, aber auch umgekehrt vom Gesellschafter-Geschäftsführer gegen die Gesellschaft erhoben werden2. – Vor Rechtskraft des Urteils kommt die Eintragung ins Handelsregister nicht in Betracht. Trotz Vorliegens eines wichtigen Grundes kann die Abberufung uU in das Mit- 35 gliedschaftsrecht des sonderberechtigten Gesellschafter-Geschäftsführers eingreifen, weil die Abberufung nicht das mildeste Mittel ist (Rn 23). Auch in diesem Fall können die Beteiligten (Rn 32) die Wirksamkeit der Abberufung im Wege der Feststellungsklage klären lassen. Das angerufene Gericht ist nicht befugt, selbst die Abberufung durch eine mildere Maßnahme (zB Einführung echter Gesamtgeschäftsführungsbefugnis und -vertretungsmacht) zu ersetzen. – Überdies bleibt dem Gesellschafter-Geschäftsführer die Nichtigkeitsfeststellungs- bzw Anfechtungsklage, falls der Abberufungsbeschluss nach allgemeinen Regeln nichtig oder anfechtbar sein sollte (Anh zu § 47 Rn 9 ff, 43 ff).

8. Einstweiliger Rechtsschutz Literatur: Beyer Vorbeugender Rechtsschutz gegen die Beschlussfassung der GmbH-Gesellschafterversammlung, GmbHR 2001, 467; Damm Einstweiliger Rechtsschutz im Gesellschaftsrecht, ZHR 154 (1990), 413; Heller Die Rechtsverhältnisse der GmbH nach streitiger Abberufung des Geschäftsführers, GmbHR 2002, 1227, 1231; Littbarski Maßnahmen einstweiligen Rechtsschutzes zum Zwecke der Abberufung eines GmbH-Geschäftsführers, DStR 1994, 906; Lutz Einstweiliger Rechtsschutz bei Gesellschafterstreit in der GmbH, BB 2000, 833; Lutz Prozessvertretung der GmbH gegenüber dem Geschäftsführer und actio pro socio bei einstweiligen Verfügungen, NZG 2015, 424.

a) Für die Zeit vor dem Gesellschafterbeschluss über die Abberufung aus 35a wichtigem Grund kann ggf auch ein einzelner Gesellschafter (und nicht nur die Gesellschaft) einstweiligen Rechtsschutz nach §§ 916, 940 ZPO beantragen; umgekehrt kann auch ein Schutzantrag des abberufungsbedrohten GesellschafterGeschäftsführers gerechtfertigt sein: näher Rn 5. b) Nach beschlossener Abberufung kann bis zur Rechtskraft des Urteils über 36 die Berechtigung der Abberufung ggf eine einstweilige Verfügung (§§ 916, 940

1 R/A/Altmeppen Rn 63 f; U/H/L/Paefgen Rn 216; Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 66; im Ergebnis so auch Grunewald S. 177, 189 f; Kubis Liber amicorum Martin Winter, 2011, S. 387, 402; ausdrücklich offen gelassen in BGHZ 86, 177, 181 = GmbHR 1983, 149. 2 R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 24; U/H/L/Paefgen Rn 16 mwN.

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§ 38 | Widerruf der Bestellung ZPO) erlassen werden1; das gilt auch bei einer entsprechend § 84 Abs. 3 Satz 4 AktG sofort wirksamen (Rn 26, 29) Abberufung2. Dem Zweck des § 84 Abs. 3 Satz 4 AktG, im Gesellschaftsinteresse schnell klare Verhältnisse zu schaffen, ist dabei im Rahmen einer summarischen Abwägung aller für die Begründetheit des Verfügungsantrags relevanten Umstände im gebotenen Maße ebenso Rechnung zu tragen wie dem Charakter des vorläufigen Rechtsschutzes, der endgültige Regelungen verbietet3. Hinsichtlich der Aktivlegitimation im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gilt das oben Rn 30 Ausgeführte: Ein abberufener Gesellschafter-Geschäftsführer kann einen Verfügungsantrag gegen die Gesellschaft richten, um seine bisherigen Organbefugnisse vorläufig zu sichern. Die Gesellschaft wiederum kann bis zur Klärung der Wirksamkeit des Abberufungsbeschlusses einen Verfügungsanspruch gegen den abberufenen Geschäftsführer verfolgen, wenn dieser seine Organtätigkeit nicht einstellen will; bei Handlungsunfähigkeit oder -unwilligkeit der Gesellschaft hat auch der einzelne Gesellschafter das Recht, im Wege der actio pro socio eine einstweilige Verfügung gegen den Geschäftsführer zu beantragen4. Die Glaubhaftmachungslast im einstweiligen Verfügungsverfahren folgt der Beweislastverteilung im ordentlichen Verfahren (Hauptsacheverfahren)5. 37 Ihrem Inhalt nach kann die einstweilige Verfügung darauf gerichtet sein, be-

stimmte Tätigkeiten zu unterlassen6. Dabei kann sich das Tätigkeitsverbot auch auf die Pflichtaufgaben (§ 37 Rn 5) erstrecken, allerdings hat das Gericht hierbei die Auswirkungen auf die Gesellschaft mit besonderer Sorgfalt zu prüfen. Außerdem kann dem Geschäftsführer der Zugang zu den Geschäftsräumen einstweilen untersagt oder die Herausgabe bestimmter Geschäftsunterlagen aufgege-

1 S. etwa OLG Braunschweig GmbHR 2009, 1276, 1277; KG GmbHR 2011, 1272, 1273; OLG München GmbHR 2013, 714; OLG Naumburg GmbHR 2014, 714, 715; OLG Stuttgart GmbHR 1997, 312, 313; OLG Stuttgart GmbHR 2006, 1258, 1260 f; ThürOLG GmbHR 2014, 706, 707; ThürOLG GmbHR 2015, 1267, 1268. 2 OLG Celle GmbHR 1981, 264 f; OLG Frankfurt GmbHR 1982, 237; Vollmer GmbHR 1984, 10 f; aA OLG Braunschweig GmbHR 1977, 61; Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 79; MünchKomm/Stephan/Tieves Rn 158. S. aber auch Rn 29 zum Fremdgeschäftsführer. 3 MünchKomm/Drescher § 935 ZPO Rn 73; von Gerkan ZGR 1985, 187 ff; s. auch OLG München NZG 2010, 185 (LS). – Zum einstweiligen Rechtsschutz durch Schiedsgerichte nach § 1041 ZPO Trittmann ZGR 1999, 360 ff. 4 Zu Einzelnachweisen s. Rn 30. 5 OLG Naumburg GmbHR 2014, 714, 715. 6 BGHZ 86, 177, 183 = GmbHR 1983, 149; OLG Braunschweig GmbHR 2009, 1276, 1277; KG GmbHR 2011, 1272, 1273; OLG München GmbHR 2013, 714; OLG Naumburg GmbHR 2014, 714, 715; OLG Stuttgart GmbHR 2006, 1258, 1260 f; ThürOLG GmbHR 2014, 706, 707, 711 f; ThürOLG GmbHR 2015, 1267, 1268; Lutz BB 2000, 837 f; Lutz NZG 2015, 424 f.

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ben werden. Schließlich kann das Gericht einem Geschäftsführer, dessen Vertreterhandeln für die Gesellschaft gefährlich werden könnte, einstweilen Gesamtvertretungsmacht anstelle bisheriger Einzelvertretungsmacht zuweisen. Noch weiter gehend mag ggf sogar die einstweilige Abberufung als Geschäftsführer in Betracht kommen1; in diesem Falle muss das Gericht jedoch mit Sorgfalt prüfen, ob dem abberufenen Geschäftsführer nicht innerhalb der Gesellschaft eine Rechtsstellung einstweilen zuzuweisen ist, die der eines Geschäftsführers nahe kommt. Das ist namentlich anzunehmen, wenn der betroffene Geschäftsführer nach den Absichten der Gesellschafter als Informations- und Überwachungsstelle auf der Ebene der Geschäftsführer dienen sollte (s. § 37 Rn 39). – Umgekehrt kann der Gesellschaft und den Gesellschaftern durch einstweilige Verfügung aufgegeben werden, dem Geschäftsführer den Zugang zu den Geschäftsräumen, den Einblick in bestimmte Unterlagen zu ermöglichen, bestimmte Tätigkeiten fortzuführen2 oder die Anmeldung zur Eintragung der Abberufung ins Handelsregister vorläufig zu unterlassen3. In einer Zweipersonen-Gesellschaft ist nach der Abberufung eines gesamtvertre- 38 tungsberechtigten Gesellschafter-Geschäftsführers eine einstweilige Regelung der Geschäftsführungsbefugnis für die Dauer des Rechtsstreits möglich4. Jedoch dürfen einem Gesellschafter-Geschäftsführer nicht einseitig Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht vorläufig entzogen werden, wenn zwar seine Abberufung aus wichtigem Grunde voraussichtlich wirksam ist, dies aber ebenso für die Abberufung des anderen Gesellschafter-Geschäftsführers gilt5. Hier kommen im Interesse gerichtlicher Neutralität bloß vorläufige Maßnahmen gegen beide Geschäftsführer mit der Folge in Betracht, dass für die Übergangszeit bis zur Entscheidung in der Hauptsache ein Notgeschäftsführer (Vor § 35 Rn 13 ff) bestellt werden kann. Dasselbe gilt, falls der Geschäftsführer zwar nicht Gesellschafter ist, aber wegen seiner Beziehung zu ihm (zB Ehegatte) zum Geschäftsführer berufen worden war. – Möglich ist auch vorbeugender einstweiliger Rechtsschutz gegen eine drohende Abberufung – zB wenn die Abberufungsgründe nicht substantiiert aufgedeckt werden6. c) Die vorläufige Amtsenthebung (Suspendierung) eines Geschäftsführers 39 durch die Gesellschafter ist unzulässig7. Sie wäre ein Selbsthilferecht der Gesellschafter, für das wegen der vielfältigen Möglichkeiten einstweiligen Rechtsschutzes (Rn 36 ff) kein Bedarf besteht. Außerdem stehen die gesetzlichen Pflichtauf1 2 3 4 5 6 7

S. B/H/Zöllner/Noack Rn 75. OLG Celle GmbHR 1981, 265; Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 81. B/H/Zöllner/Noack Rn 75. OLG Karlsruhe GmbHR 1993, 154, 155; dazu Littbarski DStR 1994, 906 ff. OLG Düsseldorf GmbHR 1988, 484. LG München ZIP 1994, 1858. R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 32; U/H/L/Paefgen Rn 264; Scholz/Uwe H. Schneider/ Sven H. Schneider Rn 95.

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§ 38 | Widerruf der Bestellung gaben (§ 37 Rn 5) und Mitwirkungsbefugnisse (§ 37 Rn 30 und 32) nicht zur Disposition der Gesellschafter. Freilich können diese dem Geschäftsführer im Wege der Weisung aufgeben, sich vorläufig aller Tätigkeiten zu enthalten, soweit diese nicht mit den unentzieh- und unverzichtbaren Pflichtaufgaben des Geschäftsführers zusammenhängen1.

9. Sonstige Beendigungsgründe, insbesondere Amtsniederlegung a) Übersicht 40 Außer durch Abberufung oder Amtsniederlegung (zu ihr sogleich Rn 41 ff)

kann das Geschäftsführeramt durch eine Vielzahl anderer Gründe enden: Befristung im Gesellschaftsvertrag oder im Bestellungsbeschluss, wobei dem Bestellungsorgan keine gesetzlichen Mindest- oder Höchstfristen vorgegeben sind; Tod des Geschäftsführers (Gedanke des § 673 Satz 1 BGB); Verlust der unbeschränkten Geschäftsfähigkeit (§ 6 Abs. 2 Satz 1 und Vor § 35 Rn 10) oder der gesetzlichen oder statutarischen Eignungsvoraussetzungen nach § 6 Abs. 2 Satz 2/3 (s. § 6 Rn 16 ff) sowie bei formwechselnder Umwandlung2 und Verschmelzung3 (vgl dazu auch Anh zu § 6 Rn 46 und 58). Auch eine auflösende Bedingung im Bestellungsbeschluss (zB Verlust der Vorstandsposition in der Konzernspitze) wird von der Rspr4 zugelassen (dazu und zur Kritik näher § 6 Rn 41). – Dagegen endet die Geschäftsführerbestellung nicht automatisch mit der Insolvenzeröffnung, der Auflösung der Gesellschaft nach § 60 (es sei denn, es werden besondere Liquidatoren berufen, § 66 Rn 3 ff), der Bestellung eines Notgeschäftsführers (vgl Vor § 35 Rn 13 ff)5 oder der Beendigung des Anstellungsverhältnisses. b) Amtsniederlegung Literatur: Khatib-Shahidi/Bögner Die rechtsmissbräuchliche oder zur Unzeit erklärte Amtsniederlegung des Geschäftsführers einer GmbH, BB 1997, 1161; Kießling/Eichele Amtsniederlegung des GmbH-Geschäftsführers und Registerlöschung, GmbHR 1999, 1165; Link Die Amtsniederlegung durch Gesellschaftsorgane, 2003; Lohr Die Amtsniederlegung des GmbH-Geschäftsführers, DStR 2002, 2173; Lohr Die Amtsniederlegung des GmbH-Geschäftsführers, RNotZ 2002, 164; H. Schneider/U. H. Schneider Die Amtsniederlegung durch den Geschäftsführer einer GmbH, GmbHR 1980, 4; Schuhmann Amtsnie1 OLG Köln GmbHR 1997, 30, 31. 2 Ganz hM: BGH GmbHR 1997, 645, 646; ausführlich (und kritisch) Hoger ZGR 2007, 868, 869 ff mwN. 3 BGH ZIP 2000, 508; B/H/Zöllner/Noack § 35 Rn 257; Lutter/Grunewald § 20 UmwG Rn 28; Baums ZHR 156 (1992), 248, 249 mit Erörterung der Folgefragen. Eingehend Buchner/Schlobach GmbHR 2004, 1. 4 BGH GmbHR 2006, 46, 47 f. 5 OLG München GmbHR 1994, 406, 408.

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Widerruf der Bestellung | § 38 derlegung des GmbH-Geschäftsführers, GmbHR 2007, 305; Stenzel/Lühr Zum richtigen Erklärungsempfänger der Amtsniederlegung eines Geschäftsführers bei einem Gesellschafterwechsel, NZG 2015, 743; Wachter Amtsniederlegung von GmbH-Geschäftsführern, GmbHR 2001, 1129.

Der Geschäftsführer kann im Grundsatz1 jederzeit, form- und fristlos seine Or- 41 ganstellung durch einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung wirksam beenden, ohne dass ein wichtiger Grund objektiv vorliegen oder er einen solchen in seiner Erklärung angeben müsste2; s. auch Rn 47. Mit der Amtsniederlegung des einzigen Geschäftsführers verliert die Gesellschaft ihren gesetzlichen Vertreter und ist nicht mehr prozessfähig3. Da die Ersatzverantwortlichkeit der Gesellschafter bei Führungslosigkeit nach § 35 Abs. 1 Satz 2 nicht zur Prozessführung berechtigt, bedarf es zur Erlangung der Prozessfähigkeit der Bestellung eines Prozesspflegers bzw eines Notgeschäftsführers (s. § 35 Rn 43). Die Möglichkeit zur Amtsniederlegung besteht auch für den Gesellschafter-Ge- 42 schäftsführer einer Einpersonen-Gesellschaft, der schon nach § 38 Abs. 1 in seiner Rolle als Gesellschafter seine Bestellung zum Geschäftsführer widerrufen kann. Insbesondere in der Einpersonen-Gesellschaft erfährt der Grundsatz der körperschaftsrechtlich jederzeit wirksamen Amtsniederlegung (oder der eigenen Abberufung4) jedoch zu Recht eine Einschränkung in den Fällen des Rechtsmissbrauchs sowie der Amtsniederlegung zur Unzeit: Sie wird nach verbreiteter Ansicht mit guten Gründen als unwirksam angesehen5. Die mit dem MoMiG eingeführte Ersatzverantwortlichkeit der Gesellschafter führungsloser Gesellschaften lässt nicht den Schluss zu, dass der Gesetzgeber einer solchen Einschränkung den Boden hat entziehen wollen6, zumal die Ersatzverantwortlichkeit nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen besteht: Passivvertretung nach 1 Zu satzungsmäßigen Beschränkungen Lohr DStR 2002, 2175 f; MünchKomm/Stephan/ Tieves Rn 56. 2 BGHZ 78, 82, 92 = GmbHR 1980, 270; BGHZ 121, 257, 262 = GmbHR 1993, 216; BGH GmbHR 2011, 925, 926; BAG GmbHR 2015, 250 Rn 25; BFH GmbHR 2013, 167 Rn 16; KG GmbHR 2012, 517, 518; OLG Naumburg GmbHR 2001, 569; LG Frankenthal GmbHR 1996, 939, 940; Goette DStR 1998, 941 f; Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 87; MünchKomm/Stephan/Tieves Rn 53; B/H/Zöllner/Noack Rn 86; einschränkend Link S. 55 ff: nur bei wichtigem Grund. 3 BGH GmbHR 2011, 83. 4 OLG München GmbHR 2011, 486, 487. 5 BayObLG NZG 1999, 1003 = GmbHR 1999, 980; OLG Düsseldorf GmbHR 2001, 144, 145; OLG Düsseldorf GmbHR 2015, 1271, 1272 f; OLG Dresden GmbHR 2015, 484, 485; OLG Frankfurt GmbHR 2015, 363, 364; OLG München GmbHR 2011, 486, 487; OLG München GmbHR 2012, 796 f; OLG Zweibrücken GmbHR 2006, 430; R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 35; Lohr DStR 2002, 2177; Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 90; weitere Nachweise bei Link S. 75 f. BGHZ 121, 257, 262 konnte die Frage offenlassen. 6 Zutreffend OLG München GmbHR 2012, 796 f; OLG Düsseldorf GmbHR 2015, 1271, 1273; aA B/S/Jacoby Rn 5 mN, der eine zur Unzeit erklärte Amtsniederlegung aber

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§ 38 | Widerruf der Bestellung § 35 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 und Pflicht zur Stellung des Insolvenzantrags gemäß § 15a Abs. 3 InsO (s. § 35 Rn 43). Freilich ist die Wirksamkeitsbeschränkung einer rechtsmissbräuchlichen Amtsniederlegung oder einer solchen zur Unzeit schon unabhängig von den Neuregelungen des MoMiG nicht unbestritten; auch wird geltend gemacht, dass jene Einschränkung – wenn man ihr folgen wolle – kaum auf die Einpersonen-Gesellschaft begrenzt bleiben könne1. Manche Stimmen im Schrifttum lehnen Wirksamkeitsbeschränkungen der Amtsniederlegung denn auch generell ab und verweisen stattdessen auf Schadensersatzansprüche gegen den Geschäftsführer, der sein Amt pflichtwidrig (zur Unzeit) niederlegt2. 43 Die Abgrenzung zwischen rechtsmissbräuchlicher Amtsniederlegung und einer

solchen zur Unzeit ist schwierig; beide Fallgruppen dürften sich weitgehend decken. Rechtsmissbrauch liegt ua idR vor, wenn der niederlegende Geschäftsführer als einziger und zugleich (ggf nur mittelbarer3) Alleingesellschafter keinen neuen Geschäftsführer bestellt4; hieran mag auch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung der Gesellschaft sowie die infolgedessen nicht sichere Vergütung für den Geschäftsführer nichts ändern5. Denn ein solcher Geschäftsführer kann sich gerade in einer wirtschaftlich schwierigen Situation – im Interesse der Handlungsfähigkeit der Gesellschaft – der freiwillig übernommenen Verantwortung für die Einhaltung der öffentlich-rechtlich gründenden Geschäftsführerpflichten nicht ohne Weiteres entziehen6. Aufgrund gleichgelagerter Interessenlage ist Rechtsmissbräuchlichkeit in diesem Sinne auch im Fall einer Zweipersonen-Gesellschaft anzunehmen, in der beide Gesellschafter gleichzeitig ihr Geschäftsführeramt niederlegen7; ebenso, wenn der Mehrheitsgesellschafter als alleiniger Geschäftsführer fungiert und sein Amt ohne Bestellung eines neuen Geschäftsführers niederlegt8.

44 Amtsniederlegung zur Unzeit (Rechtsgedanke der §§ 627 Abs. 2, 671 Abs. 2

BGB) ist anzunehmen, wenn der Geschäftsführer die Gesellschaft handlungs-

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nach wie vor als unwirksam ansieht; ähnlich R/A/Altmeppen Rn 80 ff; MünchKomm/Stephan/Tieves Rn 61. Link S. 79 f. Etwa B/H/Zöllner/Noack Rn 90; R/A/Altmeppen Rn 83; Hohlfeld GmbHR 2001, 144, 146 f; Wachter GmbHR 2001, 1129, 1133; wohl auch Henssler/Strohn/Oetker Rn 49. Wie im Fall OLG München GmbHR 2012, 796. OLG Dresden GmbHR 2015, 484, 485 (wo Rechtsmissbrauch im konkreten Fall aber verneint wurde, weil für den Geschäftsführer Betreuung im Bereich der Vermögensfürsorge angeordnet worden war). OLG Düsseldorf GmbHR 2001, 144, 145; OLG Frankfurt GmbHR 2015, 363, 364 ff; anders in der Mehrpersonengesellschaft, s. KG GmbHR 2000, 660, 662. OLG Düsseldorf GmbHR 2001, 144; BayObLG GmbHR 1999, 980; eingehend Lohr DStR 2002, 2177 ff und Lohr RNotZ 2002, 168. KG GmbHR 2001, 147. OLG Köln GmbHR 2008, 544.

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unfähig macht und sie damit der Erfüllung öffentlich-rechtlicher Pflichten entzieht. Der Geschäftsführer kann sich aus diesen Pflichten nicht durch Amtsniederlegung wegstehlen, also etwa sein Amt in der Krise der Gesellschaft niederlegen1. Etwas anderes gilt aber, wenn in einer mehrgliedrigen GmbH angesichts einer Krise schwerwiegende Differenzen zwischen Geschäftsführer und Gesellschaftern hinsichtlich eines Sanierungskonzepts bestehen (vgl Anh zu § 64 Rn 105). Hier würde der Geschäftsführer, dem man die Möglichkeit der Amtsniederlegung versagt, in unauflösbare Konflikte zwischen seinen öffentlichrechtlichen und organschaftlichen Pflichten und den Weisungen der Gesellschafter geraten2; er kann daher sein Amt in einer solchen Situation niederlegen. Offengelassen hat der BGH3, ob der Grundsatz der sofortigen Wirksamkeit der 45 Amtsniederlegungen auch bei Geschäftsführern gilt, die ihrerseits nur bei Vorliegen wichtiger Gründe abberufen werden können; doch sind für eine Sonderbehandlung dieser Fallgruppe keine Gründe ersichtlich4. Ob in der Amtsniederlegung durch Gesellschafter-Geschäftsführer mit satzungsmäßig eingeräumtem Geschäftsführungssonderrecht zugleich ein Verzicht auf jenes Sonderrecht liegt, ist durch Auslegung zu ermitteln5. Ob mit der Amtsniederlegung auch die Kündigung des Anstellungsvertrages 46 verbunden ist, ist Auslegungsfrage6. Liegt für die (sofortige) Amtsniederlegung kein wichtiger Grund vor, so macht sich der Geschäftsführer gegenüber der Gesellschaft, insbesondere wegen der Verletzung seiner Pflichten aus dem Anstellungsvertrag, schadensersatzpflichtig7. Will der Geschäftsführer das Anstellungsverhältnis ungeachtet der Amtsniederlegung aufrechterhalten, berechtigt die Niederlegung jedoch die Gesellschafter zur fristlosen Kündigung des Dienstverhältnisses aus wichtigem Grund, wenn die Amtsniederlegung nicht ihrerseits durch wichtigen Grund gerechtfertigt ist (Anh zu § 6 Rn 59); einer vorherigen Abmahnung bedarf es zur fristlosen Kündigung grundsätzlich nicht (Anh zu § 6 Rn 61a). Eine Fortsetzung des Anstellungsverhältnisses wird idR unzumutbar sein8.

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OLG Koblenz GmbHR 1995, 730, 731; Trölitzsch GmbHR 1995, 857, 859 f. Vgl auch Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 87. BGHZ 121, 257, 262 = GmbHR 1993, 216. Ebenso Lohr DStR 2002, 2175; s. auch OLG Hamm GmbHR 2002, 428, 429 zur Frage, ob einem mitgliedschaftlichen Sonderrecht auf Geschäftsführung eine Einschränkung des Rechts zur jederzeitigen Amtsniederlegung zu entnehmen ist. OLG Düsseldorf GmbHR 2007, 90. BGHZ 78, 82, 84 = GmbHR 1980, 270 und BGH DB 1978, 878; OLG Düsseldorf GmbHR 1989, 469; s. auch Lohr DStR 2002, 2179. BGHZ 78, 82, 87/92 = GmbHR 1980, 270; Reuter FS Zöllner, 1998, S. 499; Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 89. S. aber OLG Celle GmbHR 1995, 728.

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§ 39 | Anmeldung der Geschäftsführer 47 Die Erklärung der Amtsniederlegung ist formfrei, kann also auch mündlich er-

folgen1. Ihre Wirksamkeit hängt regelmäßig nicht von der Eintragung im Handelsregister ab2; Amtsniederlegung unter der aufschiebenden Bedingung der Registereintragung (s. § 39 Rn 2 und 7 f) ist jedoch möglich3. Richtige Adressaten sind jedenfalls das Bestellungsorgan, also idR die Gesellschafterversammlung, nicht jedoch andere Geschäftsführer4. Unproblematisch ist daher der Zugang der Erklärung, wenn sie gegenüber der Gesellschafterversammlung oder gegenüber allen Gesellschaftern (bzw allen Mitgliedern des anderen für die Bestellung zuständigen Organs) erfolgt oder doch jedenfalls allen nachrichtlich übersandt wird5. Es genügt aber auch die Erklärung gegenüber einem der Gesellschafter6. Erklärung der Amtsniederlegung allein dem Handelsregister gegenüber reicht indes nicht7.

§ 39 Anmeldung der Geschäftsführer (1) Jede Änderung in den Personen der Geschäftsführer sowie die Beendigung der Vertretungsbefugnis eines Geschäftsführers ist zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. (2) Der Anmeldung sind die Urkunden über die Bestellung der Geschäftsführer oder über die Beendigung der Vertretungsbefugnis in Urschrift oder öffentlich beglaubigter Abschrift beizufügen. (3) Die neuen Geschäftsführer haben in der Anmeldung zu versichern, dass keine Umstände vorliegen, die ihrer Bestellung nach § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und 3 sowie Satz 3 entgegenstehen und dass sie über ihre unbeschränkte Auskunftspflicht gegenüber dem Gericht belehrt worden sind. § 8 Abs. 3 Satz 2 ist anzuwenden. 1 BGHZ 121, 257, 262 = GmbHR 1993, 216; BGH GmbHR 2002, 26, 28; zur Auslegung einer Erklärung als Amtsniederlegung s. BGH GmbHR 2003, 544, 545. 2 BAG GmbHR 2015, 250 Rn 25. 3 BGH GmbHR 2011, 925, 926. 4 OLG Hamm GmbHR 2010, 1092, 1093; OLG Düsseldorf GmbHR 2005, 932; Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 91; Stenzel/Lühr NZG 2015, 743, 744; aA Maurer RNotZ 2001, 352. 5 BGHZ 121, 257, 260 = GmbHR 1993, 216. Zum richtigen Adressaten der Niederlegungserklärung bei gleichzeitigem Gesellschafterwechsel s. Stenzel/Lühr NZG 2015, 743, 744 ff. 6 BGH GmbHR 2002, 26, 27; BGH GmbHR 2011, 925, 926; BAG GmbHR 2015, 250 Rn 25; OLG Düsseldorf GmbHR 2015, 1271, 1272; s. auch OLG Hamm GmbHR 2010, 1092: Gesellschafter-Geschäftsführer als Erklärungsempfänger. 7 KG GmbHR 2012, 795.

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Anmeldung der Geschäftsführer | § 39 Abs. 1 Text von 1892, geändert 1898. Abs. 2 1898 eingefügt, geändert 1937 sowie durch EHUG vom 10.11.2006 (BGBl I 2553). Abs. 3 durch die Novelle 1980 eingefügt. Abs. 3 Satz 1 geändert durch Gesetz vom 12.9.1990 sowie durch MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl I 2026) (redaktionelle Anpassung an § 6 Abs. 2 nF). Der frühere Abs. 4, der die Geschäftsführer zur Zeichnung ihrer Unterschrift zur Aufbewahrung beim Registergericht verpflichtete, wurde durch EHUG vom 10.11.2006 (BGBl I 2553) aufgehoben. Amtliche Überschrift ergänzt durch MoMiG. 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anmeldungsanlässe . . . . . . . . . . . 3. Anmelder . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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4. Anmeldungsunterlagen . . . . . . . . 8 5. Eintragungsverfahren . . . . . . . . . 10

1. Überblick Die Bestimmung soll dem Rechts- und Geschäftsverkehr ermöglichen, sich über 1 die aktuelle (organschaftliche) Vertretung der Gesellschaft Gewissheit zu verschaffen. Deshalb sind schon bei der Gründung der Gesellschaft nach § 10 Abs. 1 die Vertretungsverhältnisse ins Handelsregister einzutragen und später dann auch alle Änderungen. Zu den zur Eintragung anzumeldenden Änderungen zählen über den insoweit zu engen Wortlaut des § 39 Abs. 1 hinaus auch Änderungen in der Art der Vertretungsmacht (zB Übergang von Einzel- zu Gesamtvertretung zweier Geschäftsführer). Die Eintragung nach § 39 ist nicht konstitutiv1; so ist, wer zum Geschäftsführer bestellt wird, mit der Annahme (§ 6 Rn 42) und nicht erst mit seiner Eintragung Geschäftsführer und kann nach § 43 haften; anders nur, falls die Vertretungsverhältnisse durch Satzungsänderung abgeändert werden (arg § 54 Abs. 3; etwa Einführung statutarischer Einzelvertretungsmacht). Bedeutsam sind Eintragung bzw Nichteintragung nach § 39 für die Gutglaubensregeln des § 15 HGB (Rn 2) und die sie ergänzenden Rechtsscheingrundsätze2. Unabhängig von einer Anmeldung ist die Eintragung von Amts wegen zu löschen, falls über den Geschäftsführer ein einstweiliges Tätigkeitsverbot verhängt worden ist (§ 6 Rn 13) oder er geschäftsunfähig oder sonst nach § 6 Abs. 2 Satz 2/3 amtsunfähig geworden ist.

2. Anmeldungsanlässe a) Veränderungen in der Person des Geschäftsführers: Dazu zählen einerseits 2 die Neubestellung von Geschäftsführern3 inkl stellvertretendem Geschäftsführer 1 BGH GmbHR 1996, 49, 50; OLG Hamburg NZG 2000, 698; OLG Köln GmbHR 1993, 155; OLG Köln ZIP 2015, 1831 = GmbHR 2015, 1156. 2 Vgl BGHZ 115, 78, 81 = GmbHR 1991, 358; s. auch Vor § 35 Rn 9. 3 Nicht aber die zukünftige Geschäftsführerbestellung: OLG Düsseldorf GmbHR 2000, 232, 233.

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§ 39 | Anmeldung der Geschäftsführer (§ 44) und Notgeschäftsführer (Vor § 35 Rn 13 ff) sowie andererseits die Beendigung des Geschäftsführeramtes (§ 38 Rn 2 ff, 40 ff) insbesondere durch Abberufung oder Amtsniederlegung; eingetragen werden muss auch das Ende der Notgeschäftsführung (Vor § 35 Rn 25). Die Anmeldungs-/Eintragungspflicht für eine Amtsbeendigung entfällt nicht etwa deshalb, weil schon die Bestellung nicht eingetragen worden war1. Ua wegen der Haftungsgefahr aus §§ 177 ff BGB hat der ausgeschiedene Geschäftsführer einen Anspruch gegen die Gesellschaft auf Anmeldung seiner Amtsbeendigung, der klagweise durchgesetzt und nach § 894 ZPO vollstreckt werden kann2. Der Gesellschaft droht bei fehlender Eintragung der Amtsbeendigung ggf Rechtsscheinshaftung aus § 15 Abs. 1 HGB, auch wenn schon die Bestellung nicht eingetragen worden war3. – Nicht einzutragen und daher auch nicht anzumelden sind die Verlängerung der Amtsdauer und die Wiederbestellung entsprechend § 84 Abs. 1 Satz 2 AktG, da sie die kontinuierlich fortwirkenden Vertretungsverhältnisse unverändert lassen. 3 Änderung in der Person eines Geschäftsführers sind ebenfalls Veränderungen

des Vor- oder Familiennamens einschließlich sonstiger Namensbestandteile; insoweit besteht Anmeldungspflicht4. Bei Änderung des Vornamens eines Geschäftsführers nach dem Gesetz über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen (Transsexuellengesetz – TSG) hat der BGH einen Anspruch auf vollständige Löschung des ehemaligen (in diesem Fall männlichen) Vornamens verneint5. Bloß eintragungsfähig, aber nicht -pflichtig sind Beruf, Wohnort und nicht zum Namen gehörende Titel6. Nicht eintragungsfähig ist die Funktion eines Vorsitzenden oder Sprechers der Geschäftsführung (s. dazu § 37 Rn 34)7.

4 b) Über den Gesetzeswortlaut hinaus ist jede Veränderung der Vertretungs-

macht anmeldungs-/eintragungspflichtig, zB Übergang von der gesetzlichen Gesamt- zu statutarischer Einzelvertretungsmacht für alle Geschäftsführer; die Gesamtvertretungsmacht der Geschäftsführer wird von echter auf unechte erweitert (s. § 35 Rn 39). Ebenso ist zur Eintragung anzumelden, wenn von mehreren gesamtvertretungsbefugten Geschäftsführern alle bis auf einen ausscheiden und

1 KG GmbHR 2012, 518; OLG Köln GmbHR 2015, 1156; B/S/Jacoby Rn 2; Wachter EWiR 2015, 633, 634; aA R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 3; Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 3; MünchKomm/Stephan/Tieves Rn 19: keine Anmeldungspflicht, nur Empfehlung zur Vermeidung der Folgen von § 15 Abs. 1 HGB. 2 KG RJA 10, 253; kritisch Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 14. 3 BGHZ 116, 37, 44 = GmbHR 1992, 34; KG GmbHR 2012, 518, 519; OLG Köln ZIP 2015, 1831 = GmbHR 2015, 1156. 4 Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 4; MünchKomm/Stephan/Tieves Rn 5; B/H/Zöllner/Noack Rn 4. 5 BGH GmbHR 2015, 751; im Ergebnis zustimmend J. Schmidt GmbHR 2015, R 209. 6 Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 4; MünchKomm/Stephan/Tieves Rn 6. 7 OLG München ZIP 2012, 672 = GmbHR 2012, 750.

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der Verbliebene einzelvertretungsbefugt wird (s. § 35 Rn 26)1. Weder anmeldungspflichtig noch -fähig nach § 39 ist die Ermächtigung unter Gesamtvertretern (§ 35 Rn 32 ff). Wurde die Vertretungsmacht durch Satzungsänderung verändert, so genügt die Anmeldung nach § 54 Abs. 1, es sei denn, die Satzungsänderung sollte die nunmehr bestehende Vertretungsmacht nicht positiv verlautbaren (zB Streichung der statutarischen Einzelvertretungsmacht und damit Rückkehr zur gesetzlichen Gesamtvertretungsmacht nach § 35 Abs. 2 Satz 1); sollte der satzungsändernde Gesellschafterbeschluss die neue Form der Vertretungsmacht nicht positiv verlautbaren, so ist diese nach § 39 zusätzlich zur Satzungsänderung anzumelden. In welcher Weise die Vertretungsmacht der Geschäftsführer anzumelden und 5 einzutragen ist, hängt von der jeweils in der Gesellschaft getroffenen Regelung ab2: Sollte die Vertretungsmacht für die einzelnen Geschäftsführer unterschiedlich bestimmt sein, so ist entsprechend anzumelden (Geschäftsführer A Einzelvertretungsmacht; Geschäftsführer B Gesamtvertretungsmacht zusammen mit einem anderen Geschäftsführer; Geschäftsführer C Gesamtvertretungsmacht zusammen mit einem anderen Geschäftsführer oder mit einem Prokuristen). Sollte dagegen die Vertretungsmacht für alle Geschäftsführer in gleicher Weise bestimmt sein (zB Gesamtvertretungsmacht jeweils zweier Geschäftsführer), so kann dies konkret für jeden Geschäftsführer angemeldet werden (Geschäftsführer A Gesamtvertretungsmacht zusammen mit einem anderen Geschäftsführer; Geschäftsführer B…); es steht jedoch der Gesellschaft nach hM3 auch eine generelle Anmeldung frei (jeder Geschäftsführer hat zusammen mit einem anderen Geschäftsführer Gesamtvertretungsmacht). Sollte schließlich nur für einzelne (etwa stellvertretende) Geschäftsführer eine von der generellen abweichenden Vertretungsmacht bestimmt sein, so braucht nur deren Vertretungsmacht konkret eingetragen zu werden (zB die Geschäftsführer haben Einzelvertretungsmacht, Geschäftsführer D hat zusammen mit einem anderen Geschäftsführer Gesamtvertretungsmacht). – Kann eine Gesellschaft nach ihrer Satzung einen oder mehrere Geschäftsführer haben, so muss für den Fall der Bestellung nur eines Geschäftsführers mit statutarischer oder gesetzlicher (§ 35 Rn 26) Einzelvertretungsmacht dies konkret angemeldet und eingetragen werden4. Im Falle der Gesellschaftsgründung im vereinfachten Verfahren (Musterprotokoll) nach § 2 Abs. 1a ist nach gefestigter Rechtsprechung5 neben der konkreten 1 2 3 4

OLG Schleswig GmbHR 2011, 253, 255. Dazu Kanzleiter Rpfleger 1984, 1. S. Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 6 mwN zum Meinungsstand. BGHZ 63, 261, 264 f: Falls nur ein Geschäftsführer bestellt ist, vertritt dieser die Gesellschaft allein; oder: Geschäftsführer A vertritt die Gesellschaft allein; s. auch OLG Zweibrücken GmbHR 2013, 1094, 1095. 5 OLG Bremen GmbHR 2009, 1210; OLG Celle GmbHR 2011, 305; OLG Düsseldorf GmbHR 2011, 1319; OLG Hamm GmbHR 2009, 1334; OLG Stuttgart GmbHR 2009, 827; LG Stralsund NZG 2009, 915 = GmbHR 2009, 829.

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§ 39 | Anmeldung der Geschäftsführer Vertretungsbefugnis des gemäß Musterprotokolls bestellten einzigen Geschäftsführers (der zwingend von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit ist) im Hinblick auf die mögliche spätere Bestellung eines anderen oder weiterer Geschäftsführer als abstrakt allgemeine Vertretungsregelung die Gesamtvertretung entsprechend § 35 Abs. 2 Satz 1 anzumelden und einzutragen1. Da Vertretungsregelung im Musterprotokoll unechter Satzungsbestandteil ist, kann spätere Bestellung weiterer Geschäftsführer durch einfachen Gesellschafterbeschluss erfolgen2; s. auch § 2 Rn 62. Anzumelden ist dann nur Geschäftsführer-Neubestellung (und ggf Abberufung des ersten Geschäftsführers); einer besonderen Anmeldung und Eintragung der Vertretungsregelung bedarf es hingegen nicht3. Ist jedoch eine von § 35 Abs. 2 Satz 1 abweichende Vertretungsbefugnis gewollt, ist Änderung der Satzung im regulären Verfahren der §§ 53 f erforderlich.

3. Anmelder 6 Anmeldungspflichtig ist die Gesellschaft, diese vertreten durch ihre organ-

schaftlichen Vertreter, also die Geschäftsführer in vertretungsberechtigter Zahl, wie sie im Augenblick der Anmeldung nach Gesetz oder geltender Fassung des Gesellschaftsvertrages bestimmt ist (§ 78, nicht durch alle), oder bei unechter Gesamtvertretung durch einen Geschäftsführer zusammen mit einem Prokuristen4. Prokuristen, Handlungs- und sonstige Bevollmächtigte (zB Notar, Rechtsanwalt) können ebenfalls aufgrund einer besonders formbedürftigen Anmeldungsvollmacht (§ 12 Abs. 1 Satz 2 HGB, § 167 BGB; s. Rn 8) tätig werden5; vgl auch § 78 Rn 2. – Ist ein Geschäftsführer neu bestellt worden, so kann er an seiner eigenen Anmeldung, insbesondere durch Unterzeichnung der Anmeldeerklärung, mitwirken6, weil die Eintragung seiner Bestellung nicht konstitutiv ist (Rn 1). Bestellung zum Geschäftsführer muss aber schon bei Abgabe der Anmeldeerklärung erfolgt sein7.

1 2 3 4 5

S. etwa den Formulierungsvorschlag bei Wachter OLG Frankfurt NJW 2010, 543. OLG Bremen GmbHR 2009, 1210, 1211; OLG Rostock GmbHR 2010, 872, 873. OLG Hamm GmbHR 2009, 1334, 1335. Vgl BayObLG GmbHR 2003, 1356; KG JW 1938, 3121. OLG Düsseldorf GmbHR 2012, 690 (für die Anmeldung durch Prokuristen); OLG Frankfurt GmbHR 2012, 751, 752 f; OLG Hamm GmbHR 2012, 903 (für die Anmeldung durch einen Dritten); näher hierzu Schaub DStR 1999, 1699 ff; Eickhoff GmbHR 2012, 903 ff. 6 OLG Köln GmbHR 2001, 923, 924. 7 OLG Düsseldorf GmbHR 2000, 232, 233 f, dort auch zur Abgrenzung zwischen Abgabe der Erklärung durch den Geschäftsführer und ihrer Einreichung beim Registergericht; insoweit kritisch Böcker MittRhNotK 2000, 62 f; Waldner NZG 2000, 264; Kallrath DNotZ 2000, 534: Abgabe erst mit Einreichung der Anmeldung bei dem Registergericht.

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Demgegenüber ist ein ausgeschiedener Geschäftsführer1 nicht mehr im Amt, so 7 dass er grundsätzlich als Anmelder nach § 39 ausscheidet. Allerdings kann das Amtsende unter eine aufschiebende Bedingung gestellt werden. So kann der Geschäftsführer seine Amtsniederlegung unter der aufschiebenden Bedingung der Eintragung des Ausscheidens im Handelsregister2 bzw des Eingangs der Handelsregisteranmeldung beim Registergericht3 erklären und somit selbst sein Ausscheiden anmelden. Ob der einzige Geschäftsführer einer GmbH zudem trotz seines Ausscheidens noch anmeldebefugt ist, soweit ein enger zeitlicher Zusammenhang mit der Amtsniederlegung besteht, wird unterschiedlich beurteilt. Die obergerichtliche Rspr lehnt auch in diesem Fall seine Anmeldebefugnis ab4; die besseren Gründe sprechen indes nach wie vor dafür sie zu bejahen5. Dies folgt aus der Funktion des Handelsregisters, den Rechtsverkehr zeitnah über das Ausscheiden zu informieren. Sollten in der Insolvenz der Gesellschaft alle Geschäftsführer ausgeschieden sein, so ist ausnahmsweise der Insolvenzverwalter (§ 80 InsO) zur Anmeldung verpflichtet6. Sind jedoch noch Geschäftsführer vorhanden, bleiben diese zur Wahrnehmung der Anmeldepflichten aus § 39 Abs. 1 berufen7.

4. Anmeldungsunterlagen Die Anmeldung ist von dem Anmeldungspflichtigen (Rn 6) elektronisch in öf- 8 fentlich beglaubigter Form gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 HGB, § 129 BGB, §§ 39, 39a, 40 BeurkG (elektronische Übermittlung der Erklärung der Anmeldung unter – elektronischer – Beglaubigung der Unterschriften durch einen Notar) beim Handelsregister einzureichen. § 39 Abs. 2 schreibt vor, welche Urkunden dieser Anmeldung beizufügen sind; es sind die nach näherer Bestimmung des § 12 Abs. 2 HGB ebenfalls elektronisch einzureichenden Urschriften (Übermittlung einer elektronischen Aufzeichnung genügt8) oder öffentlich beglaubigten Abschriften (mit einfachem elektronischen Zeugnis – § 39a BeurkG – versehenes Dokument): zB für die Begründung der Vertretungsmacht der Gesellschafterbeschluss über die Bestellung9, für deren Beendigung etwa die Sterbeurkunde 1 Hierzu Kießling/Eichele GmbHR 1999, 1165; Bärwaldt GmbHR 2001, 290. 2 BGH GmbHR 2011, 925, 926; OLG Düsseldorf GmbHR 2015, 1271, 1272; OLG Zweibrücken GmbHR 1999, 479. 3 Bärwaldt GmbHR 2001, 290, 291. 4 OLG Bamberg GmbHR 2012, 1241, 1242; OLG Frankfurt GmbHR 2006, 1151, 1153; ebenso B/S/Jacoby Rn 7; MünchKomm/Stephan/Tieves Rn 26; B/H/Zöllner/Noack Rn 9. 5 LG Köln GmbHR 1998, 183; LG Berlin GmbHR 1993, 291, 292; R/A/Altmeppen Rn 8; Kießling/Eichele GmbHR 1999, 1173; Wachter GmbHR 2001, 1129, 1136. 6 LG Baden-Baden GmbHR 1996, 682; kritisch MünchKomm/Stephan/Tieves Rn 28. 7 OLG Rostock GmbHR 2003, 1133; OLG Köln GmbHR 2001, 923, 924. 8 ThürOLG GmbHR 2011, 28. 9 S. auch OLG Hamm GmbHR 2011, 29 (für den Fall einer BGB-Gesellschaft als alleiniger Gesellschafterin der GmbH); LG München GmbHR 2000, 664.

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§ 39 | Anmeldung der Geschäftsführer des durch Tod ausgeschiedenen Geschäftsführers; bei der Veränderung der Vertretungsmacht durch Beschluss des ermächtigten Aufsichtsrats (s. § 35 Rn 37) dessen Beschluss. Im Falle der Amtsniederlegung durch den Geschäftsführer verlangt die obergerichtliche Rspr1, den Zugang seiner Erklärung beim zuständigen Gesellschaftsorgan urkundlich zu belegen; für den Zugang der an einen Gesellschafter gerichteten Erklärung (s. § 38 Rn 47) ist auch dann deutsches Recht maßgeblich, wenn der Gesellschafter seinerseits eine Gesellschaft mit Sitz im Ausland ist2. Wenn der Geschäftsführer durch Gesellschafterbeschluss abberufen wird, ist die Mitteilung dieses Beschlusses an den Geschäftsführer selbst nicht zu belegen3. 9 Für neubestellte Geschäftsführer ist nach § 39 Abs. 3 deren Versicherung4 über das

Fehlen von Bestellungshindernissen und über ihre Belehrung (s. dazu § 6 Rn 17 und § 8 Rn 16 ff) beizufügen5. – Der frühere § 39 Abs. 4, wonach der neubestellte Geschäftsführer seine Unterschrift öffentlich beglaubigt zu zeichnen und zur Aufbewahrung beim Registergericht vorzulegen hatte, ist durch EHUG vom 10.11. 2006 (s. BGBl I 2553) mit Wirkung zum 1.1.2007 aufgehoben worden.

5. Eintragungsverfahren 10 Die Anmeldung mitsamt den Unterlagen (Rn 8 f) ist beim Registergericht des

Sitzes der Gesellschaft (§ 3 Abs. 1 Nr. 1) einzureichen, nicht auch beim Gericht der etwaigen Zweigniederlassung (§ 13 HGB konzentriert die Eintragung der Zweigniederlassung eines inländischen Unternehmens auf das Gericht des Sitzes oder der Hauptniederlassung). – Der Registerrichter hat zu prüfen, ob die Urkunden die beantragte Eintragung rechtfertigen6; nach obergerichtlicher Rspr7

1 OLG Düsseldorf GmbHR 2004, 1532, 1533; OLG Frankfurt GmbHR 2006, 1151, 1152; OLG Hamm GmbHR 2010, 1092, 1093; KG GmbHR 2012, 795; ThürOLG GmbHR 2011, 31, 32; OLG Naumburg GmbHR 2001, 569, 571; aA Wachter GmbHR 2001, 1129, 1137; Lohr DStR 2002, 2181 f; Wicke Rn 4; MünchKomm/Stephan/Tieves Rn 41; offen gelassen in BGH GmbHR 2011, 925, 927. 2 BGH GmbHR 2011, 925, 926. 3 OLG Hamm GmbHR 2003, 111, 112; noch weitergehend ThürOLG GmbHR 2003, 113: Bei Abberufung durch einen Alleingesellschafter ist selbst Vorlage eines Gesellschafterbeschlusses entbehrlich. 4 Vgl dazu OLG Karlsruhe GmbHR 2012, 797: Zulässigkeit einer dem Wort „versichern“ gleichwertigen Wendung wie „erklären“, „angeben“ etc. 5 S. auch OLG Hamm GmbHR 2010, 1092 (Geschäftsführer-Erklärung, die schon drei Wochen vor Eingang beim Registergericht ausgestellt worden war). 6 Hierzu Wachter GmbHR 2001, 1129, 1137 f. 7 OLG Köln GmbHR 2002, 492, 494; OLG Köln GmbHR 1990, 83; ebenso BayObLG GmbHR 1992, 304, 305; KG GmbHR 2012, 907, 908; KG GmbHR 2012, 798; OLG München GmbHR 2011, 1102, 1103 mwN.

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schließt das jedenfalls die Prüfung mit ein, ob das Rechtsgeschäft, das der Änderung der Vertretungsverhältnisse zugrunde liegt, formell rechtswirksam ist – etwa, ob die an der Beschlussfassung beteiligten Personen überhaupt als Gesellschafter nach § 16 legitimiert waren1, der Inhalt eines vorgelegten Gesellschafterbeschlusses der einzutragenden Veränderung entspricht2 oder die beantragte Eintragung überhaupt zulässig ist3. Indes erstreckt sich die Kompetenz des Registergerichts nicht auf eine allgemeine und umfassende Prüfung der materiellen Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts (zB Nichtigkeit des Abberufungsbeschlusses)4. Etwas anderes gilt jedoch für Unwirksamkeitsgründe, die aus den beigefügten Unterlagen hervorgehen5, oder für Angaben, an deren Richtigkeit oder Wirksamkeit der Registerrichter begründet zweifeln muss6 – zB über die Angaben nach §§ 39 Abs. 3, 6 Abs. 27 oder die Stellung als Alleingesellschafter8. Wollte man auch insoweit eine (überschlägige) Prüfungspflicht verneinen, wäre die Pflicht zur Beifügung von Unterlagen und Erklärungen sinnlos. Nach der obergerichtlichen Rspr hat das Registergericht die Eintragung zu verweigern, wenn es die Unwirksamkeit eines zur Eintragung angemeldeten Beschlusses erkennt, ohne dass hierfür weitere Tatsachenfeststellungen erforderlich sind9. Bei begründeten Zweifeln wird ihm das Recht zugestanden, die Rechtsgültigkeit eines Gesellschaftsvertrages oder Gesellschafterbeschlusses zu prüfen10. Dagegen hat der Registerrichter bei einer Abberufung aus wichtigem Grund nicht, auch nicht überschlägig zu prüfen, ob ein wichtiger Grund tatsächlich vorlag11. Auch die Wirksamkeit des Gesellschafterbeschlusses über die Geschäftsführerbestellung wegen angeblich treuwidriger Stimmabgabe ist vom Registerrichter nicht zu überprüfen12. – Gegen die Ablehnung der Eintragung ist der Anmeldende nach § 59 FamFG beschwerdeberechtigt; bei Zurückweisung der Anmeldung eines 1 2 3 4 5

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OLG Hamm GmbHR 2001, 920. KG GmbHR 2012, 798; KG GmbHR 2012, 907, 908. BayObLG GmbHR 1992, 672: keine Bedingungen oder Befristungen. OLG München GmbHR 2012, 796, 797; OLG Zweibrücken GmbHR 2006, 430. OLG München GmbHR 2010, 532, 533; OLG Naumburg GmbHR 2001, 570; OLG Hamm GmbHR 1996, 615; zB Auszug aus dem Sitzungsprotokoll, wonach der Antrag, den Geschäftsführer X abzuberufen, mit vier Ja- gegen sechs Neinstimmen angenommen worden sein soll. BGH GmbHR 2011, 925 Rn 10; OLG Düsseldorf GmbHR 2001, 243, 244. OLG Hamm GmbHR 2010, 1091, 1092. OLG Düsseldorf GmbHR 2001, 243, 244; OLG München GmbHR 2009, 663, 665. KG GmbHR 2012, 798, 799; KG GmbHR 2012, 907, 908. Vgl auch OLG Zweibrücken GmbHR 2013, 1093 (für den Fall der nichtigen Geschäftsführerbestellung im Zuge einer organisierten „Firmenbestattung“; dazu Vor § 35 Rn 7a). KG GmbHR 2011, 1104; OLG München GmbHR 2011, 1102, 1103 mwN. B/H/Zöllner/Noack Rn 19; U/H/L/Paefgen Rn 70; Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Rn 22; MünchKomm/Stephan/Tieves Rn 47. OLG Frankfurt GmbHR 2009, 378, 379, wo eine Ausnahme für den Fall in Betracht gezogen wird, dass die Treuwidrigkeit eindeutig zu Tage tritt oder sich aufdrängt.

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§ 40 | Liste der Gesellschafter neuen Geschäftsführers hat dieser ein eigenes Beschwerderecht1. Die gleichzeitige Anmeldung der Abberufung und der Neubestellung stellen jeweils kostenrechtlich mehrere Gegenstände dar2.

§ 40 Liste der Gesellschafter (1) Die Geschäftsführer haben unverzüglich nach Wirksamwerden jeder Veränderung in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung eine von ihnen unterschriebene Liste der Gesellschafter zum Handelsregister einzureichen, aus welcher Name, Vorname, Geburtsdatum und Wohnort der letzteren sowie die Nennbeträge und die laufenden Nummern der von einem jeden derselben übernommenen Geschäftsanteile zu entnehmen sind. Die Änderung der Liste durch die Geschäftsführer erfolgt auf Mitteilung und Nachweis. (2) Hat ein Notar an Veränderungen nach Absatz 1 Satz 1 mitgewirkt, hat er unverzüglich nach deren Wirksamwerden ohne Rücksicht auf etwaige später eintretende Unwirksamkeitsgründe die Liste anstelle der Geschäftsführer zu unterschreiben, zum Handelsregister einzureichen und eine Abschrift der geänderten Liste an die Gesellschaft zu übermitteln. Die Liste muss mit der Bescheinigung des Notars versehen sein, dass die geänderten Eintragungen den Veränderungen entsprechen, an denen er mitgewirkt hat, und die übrigen Eintragungen mit dem Inhalt der zuletzt im Handelsregister aufgenommenen Liste übereinstimmen. (3) Geschäftsführer, welche die ihnen nach Absatz 1 obliegende Pflicht verletzen, haften denjenigen, deren Beteiligung sich geändert hat, und den Gläubigern der Gesellschaft für den daraus entstandenen Schaden als Gesamtschuldner. Vorschrift bereits völlig geändert durch das HRefG 1998 (BGBl I 1474); wiederum weitgehende Neufassung und Ergänzung um amtliche Überschrift durch das MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl I 2026). I. Überblick und Normzweck . . . . . II. Inhalt der Gesellschafterliste und Veränderungen im Gesellschafterkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . .

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2. Veränderung in den Personen der Gesellschafter . . . . . . . . . . a) Veränderungen ohne Rechtsnachfolge . . . . . . . .

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1 OLG Hamm GmbHR 2010, 1091, 1092; OLG Köln GmbHR 2001, 923; 924; OLG München GmbHR 2009, 663, 664 f. 2 BGH ZIP 2003, 476 (noch zu § 44 Abs. 2 KostO).

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Liste der Gesellschafter | § 40 b) Veränderungen mit Rechtsnachfolge . . . . . . . c) Juristische Personen und Personengemeinschaften als GmbH-Gesellschafter . 3. Veränderung des Umfangs der Beteiligung . . . . . . . . . . . 4. Dingliche Belastungen . . . . . . 5. Ergänzende Angaben: Rechtsgrund und Zeitpunkt? . . . . . . III. Einreichung der Gesellschafterliste und Aufnahme beim Handelsregister . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zuständigkeiten . . . . . . . . . . a) Abgrenzung Geschäftsführer/Notar . . . . . . . . . b) Zuständigkeit bei Auslandsbeurkundung . . . . . c) Zuständigkeit zur Korrektur fehlerhafter Listen . . . 2. Einreichungspflicht/Anspruch auf Listenänderung . . . . . . . . 3. Einreichung beim Handelsregister . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Aufnahme der Gesellschafterliste in das Handelsregister . . IV. Geschäftsführer-Liste (§ 40 Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Einreichung durch Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Mitteilung und Nachweis der Veränderung/Prüfungspflicht des Geschäftsführers . . . . . . . 3. Mitwirkungspflicht der Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . V. Notarielle Gesellschafterliste (§ 40 Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . 1. Zuständigkeit des Notars . . . . 2. Pflichten des Notars (§ 40 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2) . . . . 3. Übermittlung der Gesellschafterliste an die GmbH (§ 40 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2) . . . . 4. Notarbescheinigung (§ 40 Abs. 2 Satz 2) . . . . . . . . . . . . VI. Korrektur einer (angeblich) unrichtigen Gesellschafterliste durch den Geschäftsführer und Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . 1. Durchführung einer Listenkorrektur . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . VII. Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schadensersatzpflicht der Geschäftsführer (§ 40 Abs. 3) . 2. Notarhaftung . . . . . . . . . . . .

46 48 54 55 55 59 66 67

68 68 73 80 80 81

Literatur: Bayer Gesellschafterliste: Einreichungspflichtige Veränderungen der Beteiligungsverhältnisse, GmbHR 2012, 1; Bayer Gesellschafterliste und Aktienregister – Gemeinsamkeiten, Unterschiede, Überlegungen de lege ferenda, Liber amicorum M. Winter, 2011, S. 9; Bednarz Die Gesellschafterliste als Rechtsscheinträger für einen gutgläubigen Erwerb von GmbH-Geschäftsanteilen, BB 2008, 1854; Berninger Gesellschafterliste und Übergangsproblematik der Einreichungsverantwortlichkeit bei nachträglicher Berichtigung, GmbHR 2009, 679; Berninger Zuständigkeit des Notars zur Einreichung einer aktualisierten Gesellschafterliste bei sog. „mittelbarer Mitwirkung“?, DStR 2010, 1292; Berninger Pflicht zur Einreichung mehrerer Gesellschafterlisten bei unmittelbar aufeinanderfolgenden Änderungen, die sich aus ein und derselben notariellen Urkunde ergeben?, GmbHR 2014, 449; Bohrer Geschäftsanteilsverkehr, Beschlussfassungskompetenz und Gesellschafterliste, MittBayNot 2010, 17; Bussian/Achenbach Haftung des GmbH-Geschäftsführers für die Gesellschafterliste trotz Mitwirkung des Notars?, BB 2010, 778; Eikelberg/ Ries, Bedingt listenfähig – Aktuelles von der GmbH-Gesellschafterliste, NZG 2015, 1103; Elsing Gesellschafterliste und Anzeigen von Gesellschaftsanteilsabtretungen mit Blick auf das MoMiG, ZNotP 2007, 332; C. Goette/Liebscher Korrektur einer von einem Notar eingereichten Gesellschafterliste, DStR 2010, 2038; Gottschalk Neue Regelungen für die Gesellschafterliste und die Geschäftsanteile sowie der gutgläubige Erwerb von Geschäfts-

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§ 40 | Liste der Gesellschafter anteilen nach dem MoMiG, DZWiR 2008, 45; Götze/Bressler Praxisfragen der Gesellschafterliste und des gutgläubigen Erwerbs von Geschäftsanteilen nach dem MoMiG, NZG 2007, 894; Hasselmann Die Gesellschafterliste nach dem MoMiG – Überblick und Gesellschaftsgründung, NZG 2009, 409; Hasselmann Die Gesellschafterliste nach § 40 GmbHG: Erstellung und Einreichung durch Geschäftsführer und Notare, NZG 2009, 486; Hauschild Die Pflichten des Notars bei Erstellung der Gesellschafterliste: Mittelbare Verschärfung der Formerfordernisse?, ZIP 2012, 660; Heckschen Auswirkungen des MoMiG auf die Übertragung von GmbH-Anteilen von Todes wegen und im Wege der vorweggenommenen Erbfolge, ZErb 2008, 246; Heidinger Zusätzliche Angaben in der Gesellschaftserliste und ihre Wirkung nach § 16 Abs. 1 GmbHG, FS Stilz, 2014, S. 253; Heilmeier Listeneinreichungszuständigkeit bei mittelbarer Mitwirkung eines Notars nach § 40 GmbHG, NZG 2012, 217; Ising Gesellschafterliste nach Umwandlungen: Probleme in der Praxis, NZG 2010, 812; Kalbfleisch/Glock Freiwillige Zusatzangaben in der GmbH-Gesellschafterliste, GmbHR 2015, 847; Kort Offene Fragen zu Gesellschafterliste, Gesellschafterstellung und gutgläubigem Anteilserwerb (§§ 40 und 16 GmbHG n.F.), GmbHR 2009, 169; Liebscher/Alles Einstweiliger Rechtsschutz im GmbH-Recht, ZIP 2015, 1; Lieder Rechtsschutz gegen die Gesellschafterliste im Hauptsacheverfahren GmbHR 2016, 189; Lieder Einstweiliger Rechtsschutz gegen die Gesellschafterliste, GmbHR 2016, 271; Löbbe Zuständigkeit von Geschäftsführer und Notar für Inhalt und Einreichung der GmbH-Gesellschafterliste, GmbHR 2012, 7; Löbbe Die GmbH-Gesellschafterliste, GmbHR 2016, 141; D. Mayer Aufwertung der Gesellschafterliste durch das MoMiG, ZIP 2009, 1037; D. Mayer Der Erwerb einer GmbH nach den Änderungen durch das MoMiG, DNotZ 2008, 403; Melchior Die GmbH-Gesellschafterliste – ein Zwischenstand, GmbHR 2010, 418; Omlor Verkehrsschutzfragen zum Anwartschaftsrecht am GmbH-Geschäftsanteil, DNotZ 2012, 179; Omlor/Spies Grundfragen der Gesellschafterliste, MittBayNot 2010, 353; Peetz Wie komplex darf das GmbH-Gesetz sein – Überlegungen am Beispiel der Gesellschafterliste, GmbHR 2014, 1289; Preuß Gesellschafterliste, Legitimation gegenüber der Gesellschaft und gutgläubiger Erwerb von GmbH-Anteilen, ZGR 2008, 676; Preuß Die Mitwirkung des Notars bei Veränderungen des Gesellschafterbestandes nach dem MoMiG, FS Spiegelberger, 2009, S. 876; Reymann Zurechnungssystem und Regelungsebenen der GmbH-Gesellschafterliste, BB 2009, 506; Ries Never ending story, die Gesellschafterliste, NZG 2010, 135; T. Roth Die mittelbare Mitwirkung des Notars an Veränderungen in der Person oder der Beteiligung des GmbH-Gesellschafters, RNotZ 2014, 470; Schlosser Einstweiliger Rechtsschutz bei zweifelhaften Übergängen von GmbH-Gesellschaftsanteilen, FS Roth, 2012, S. 695; H. Schmidt Gesellschafterliste iSv § 40 GmbHG – Unendliches Thema, RNotZ 2011, 148; Uwe H. Schneider Neue Haftungsrisiken für GmbH-Geschäftsführer bei Erstellung und Einreichung der Gesellschafterliste, GmbHR 2009, 393; Sikora/Tiedtke Kostenfragen im Zusammenhang mit der Gesellschafterliste nach § 40 II S. 2 GmbHG, ZNotP 2009, 432; Süß Abtretung von GmbH-Geschäftsanteilen vor dem Basler Notar, DNotZ 2011, 414; Terbrack Veränderung oder nicht? – Zur Reichweite notarieller Pflichten bei der Beurkundung von Umfirmierungen oder Sitzverlegungen einer GmbH, NotBZ 2014, 455; Wachter GmbH-Reform: Auswirkungen auf die Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen, ZNotP 2008, 378; Wachter Unternehmensnachfolge bei der GmbH und GmbH & Co. KG nach dem MoMiG, DB 2009, 159; Wachter Aktuelle Praxisprobleme mit der neuen Gesellschafterliste, NZG 2009, 1001; Wagner Einstweiliger Rechtsschutz gegen den Verlust der formellen Gesellschafterstellung nach der Zwangseinziehung von GmbH-Geschäftsanteilen, GmbHR 2016, 463; Wilhelm „Duplizität von Rechten“ und Rechtsschein –

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Liste der Gesellschafter | § 40 Zu den Gesellschafterlisten des Kapitalgesellschaftsrechts, FS Picker, 2010, S. 837; Zinger/ Urich-Erber Der Testamentsvollstreckervermerk in der Gesellschafterliste, NZG 2011, 286.

I. Überblick und Normzweck Neben der Satzung ist die Gesellschafterliste neuerdings das wichtigste GmbH- 1 Dokument1. Denn im Verhältnis zur GmbH gilt seit der MoMiG-Reform grundsätzlich nur noch die Person als Gesellschafter, welche in die beim Handelsregister aufgenommene Gesellschafterliste eingetragen ist (§ 16 Abs. 1 Satz 1, ausführlich § 16 Rn 26 ff). § 40 nF bestimmt, dass die Geschäftsführer (Abs. 1) bzw der Notar (Abs. 2) unverzüglich bei jeder Veränderung in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung eine korrigierte Gesellschafterliste zum Handelsregister einzureichen haben (ausführlich Rn 46 ff, 55 ff). In Abs. 3 ist eine Haftung der Geschäftsführer für Pflichtverstöße angeordnet (Rn 80). Die Rechtslage wird somit der Regelung bei der Gründung (vgl § 8 Abs. 1 Nr. 3) angepasst (dazu § 8 Rn 4). Die Vorschrift des § 40 ist zwingend. Satzungskonkretisierungen zur Mitteilung und zum Nachweis von Veränderungen (vgl § 40 Abs. 1 Satz 2: Rn 50) sind jedoch möglich (auch Rn 50 f). Eine Einreichung durch die Gesellschafter selbst kommt hingegen nicht in Betracht2 (vgl auch § 16 Rn 16). Eine ähnliche Verpflichtung bestand zwar auch schon nach § 40 aF. Doch fris- 2 tete die Gesellschafterliste in der Vergangenheit ein Schattendasein. Denn weder waren an den Inhalt der Gesellschafterliste irgendwelche Rechtsfolgen geknüpft3, noch führten in der Praxis Nachlässigkeiten der Geschäftsführung bei der Einreichung einer neuen Gesellschafterliste im Falle von Änderungen zu Sanktionen4; eine Haftung des Notars war im Regelfall bereits von Gesetzes wegen ausgeschlossen. Die Intransparenz von GmbH-Beteiligungen wurde teilweise auch bewusst herbeigeführt5. Die beim Handelsregister eingereichten Gesellschafterlisten waren daher „vielfach unvollständig, veraltet und lückenhaft“6. Ein erklärtes und auf Anregungen aus dem Schrifttum zurückgehendes Ziel des 3 MoMiG war die Aufwertung der zum Handelsregister einzureichenden Gesellschafterliste7. Der Gesellschafterbestand soll für alle Beteiligten, insbesondere 1 Zustimmend Löbbe GmbHR 2012, 7; Liebscher/Alles ZIP 2015, 1; U/H/L/Paefgen Rn 22; Lieder GmbHR 2016, 189. 2 BegrRegE BR-Drucks 354/07, S. 99; MünchKomm/Heidinger Rn 87. 3 Ausführlich U/H/L/Paefgen Rn 18 f. 4 So Bednarz BB 2008, 1854, 1855; Uwe H. Schneider GmbHR 2009, 393 mwN. 5 Bundesrat, BR-Drucks 354/07(B), S. 18. 6 So Wachter in Römermann/Wachter, GmbH-Beratung nach dem MoMiG, GmbHRSonderheft 2008, S. 51, 52; ähnlich Harbarth ZIP 2008, 57, 58; Berninger GmbHR 2009, 679 f. 7 BegrRegE BR-Drucks 354/07, S. 57; näher U/H/L/Paefgen Rn 20 ff.

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§ 40 | Liste der Gesellschafter auch für die Öffentlichkeit, transparenter werden, was durch die Möglichkeit des (kostenpflichtigen) Online-Abrufs (näher Rn 42) zusätzlich gefördert wird1. Insbesondere aber steht nach neuer Rechtslage die Rechts- und Pflichtenstellung eines Gesellschafters nach § 16 Abs. 1 Satz 1 in direktem Zusammenhang mit dessen Eintragung in die Gesellschafterliste (Rn 1 und ausführlich § 16 Rn 26 ff). Weiterhin ist die Gesellschafterliste Anknüpfungspunkt für den durch das MoMiG eingeführten gutgläubigen Erwerb von GmbH-Geschäftsanteilen (§ 16 Abs. 3; ausführlich § 16 Rn 63 ff). Dies bedeutet insbesondere für die Geschäftsführer neue und erhebliche Haftungsrisiken2. 4 Die Einzelheiten der an die Vorschriften zum Aktienregister (§ 67 AktG) ange-

lehnten Neuregelung (näher § 16 Rn 4) waren im Gesetzgebungsverfahren umstritten. Zu Recht wurde und wird darauf hingewiesen, dass die Geschäftsführung bei der Listenänderung oftmals überfordert sein wird3 (ausführlich Rn 51). Die aus diesem Grund vorgenommene Ausweitung der Notarzuständigkeit im Rahmen der Beratungen4 hat nur einen Teil der Schwierigkeiten gelöst; zusätzliche Fragen wirft die Ausweitung der Geschäftsführer-Zuständigkeit für alle Listenkorrekturen durch BGH GmbHR 2014, 198 (ausführlich Rn 32 ff, 68 ff) sowie einer Einreichungszuständigkeit für ausländische Notare qua Annexkompetenz durch BGH GmbHR 2014, 248 (ausführlich Rn 30) auf. Angesichts der ganz überwiegend geteilten rechtspolitischen Forderung nach einer weiteren Aufwertung der Gesellschafterliste durch die Aufnahme ergänzender Informationen (näher Rn 16) hätte eine ausschließliche Zuständigkeit des deutschen Notars für die Listenänderung und Einreichung deutliche Vorteile5, würden auf diese Weise doch zum einen das Fälschungsrisiko bei Geschäftsführer-Listen (dazu unten Rn 37) beseitigt und zum anderen problematische Zuständigkeitsabgrenzungen (näher Rn 23 ff, 56 f) sowie sogar teilweise wechselnde Zuständigkeiten innerhalb eines einheitlichen Vertrages (dazu Rn 23 ff) vermieden werden.

1 Wie hier auch Berninger GmbHR 2014, 449, 456; zu Unrecht insoweit kritisch Noack DB 2006, 1475, 1477; Ziemons BB 2006, Beil. 7, S. 9, 13 f. 2 Ausführlich hierzu Uwe H. Schneider GmbHR 2009, 393 ff. 3 Ausführlich Bayer Liber amicorum M. Winter, 2011, S. 9, 13 f mwN. 4 Dazu Handelsrechtsausschuss des DAV NZG 2007, 735, 741. 5 So bereits 18. Aufl; im Gesetzgebungsverfahren schon Flesner NZG 2006, 641, 643; Grunewald ZIP 2006, 685, 686; Heckschen DStR 2007, 1442, 1450; Bednarz BB 2008, 1854, 1859, 1861; Schockenhoff/Höder ZIP 2006, 1841, 1845; vgl weiter Wachter GmbHR 2010, R 338 (mit Formulierungsvorschlag); weiterhin Bayer Liber amicorum M. Winter, 2011, S. 9, 13 f; MünchKomm/Heidinger Rn 140, 280; Lieder GmbHR 2016, 271, 278 f.

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Liste der Gesellschafter | § 40

II. Inhalt der Gesellschafterliste und Veränderungen im Gesellschafterkreis 1. Überblick § 40 soll gewährleisten, dass ausgehend von der Liste der Gründungsgesellschaf- 5 ter jede Veränderung in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung lückenlos nachvollzogen werden kann1 (vgl auch Rn 22, 59, § 16 Rn 7). Daher steht die Regelung in § 40 auch in einem direkten Zusammenhang mit der Regelung in § 8 Abs. 1 Nr. 3: Identisch sind zunächst die Angaben, die beide Vorschriften verlangen, nämlich Name, Vorname, Geburtsdatum und Wohnort (nicht Adresse!) der Gesellschafter sowie die Nennbeträge und die laufenden Nummern2 der jeweils übernommenen Geschäftsanteile (dazu näher § 8 Rn 4). Veränderung meint zunächst jede Abweichung von den Angaben in der Gesellschafterliste, die gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 3 zusammen mit der Gründungssatzung (§ 8 Abs. 1 Nr. 1) bei der Anmeldung der GmbH zur Eintragung in das Handelsregister eingereicht, aber selbst nicht eingetragen, sondern bei den Registerakten zur Einsicht für jedermann verwahrt wird (§ 8 Rn 26); dann aber auch jede Abweichung von der jeweiligen neuen veränderten Gesellschafterliste3. Soweit bei Altgesellschaften auf Grund der früheren Rechtslage noch keine Nummerierung erfolgt war, ist dies (erst) bei der Einreichung der ersten nach dem 1.11.2008 geänderten Liste nachzuholen4. Zu Besonderheiten bei der Gründung durch Musterprotokoll: Rn 67 aE. Verändert hingegen die GmbH selbst ihre Firma oder ihren Sitz, so sind diese 6 Änderungen zwar beim Handelsregister zur Eintragung anzumelden (§§ 8 Abs. 1 Nr. 1, 10 Abs. 1 Satz 1)5, betreffen indes nicht direkt die Gesellschafterliste. Um Irritationen des Rechtsverkehrs zu vermeiden (Beispiel: Der Registerordner, in dem die Gesellschafterliste gemäß § 9 HRV bislang für die A-GmbH geführt wird [Rn 41], gehört nach der Firmenänderung plötzlich zur B-GmbH), erscheint es sinnvoll, auch Firmen- und Sitzänderungen der GmbH selbst durch eine Korrektur der Gesellschafterliste transparent zu machen6. 1 OLG München GmbHR 2012, 399, 400; OLG Köln GmbHR 2014, 1206, 1207; R/A/Altmeppen Rn 8; vgl auch LG München GmbHR 2010, 151, 152 mit Anm Wachter; MünchKomm/Heidinger Rn 10. 2 Zur Nummerierung nach erfolgter Teilung: BGH GmbHR 2011, 474 mit Anm Heidinger (gegen OLG Bamberg GmbHR 2010, 594 mit Anm Wachter); ThürOLG GmbHR 2010, 598, 599; vgl auch R/A/Altmeppen Rn 9 sowie § 8 Rn 4. 3 Wie hier MünchKomm/Heidinger Rn 10; ausdrücklich zustimmend OLG Köln GmbHR 2014, 1206, 1207. 4 Wachter DB 2009, 159, 161; Greitemann/Bergjan FS Pöllath, 2008, S. 271, 282; R/A/Altmeppen Rn 9. 5 Dazu bei § 8 Rn 20 sowie § 10 Rn 4. 6 So zutreffend MünchKomm/Heidinger Rn 86; ausführlich Terbrack NotBZ 2014, 455 ff.

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§ 40 | Liste der Gesellschafter 2. Veränderung in den Personen der Gesellschafter 7 Zu unterscheiden ist zwischen Veränderungen mit und Veränderungen ohne

Rechtsnachfolge:

a) Veränderungen ohne Rechtsnachfolge 8 Hierzu zählen die Namensänderung1 (zB durch Heirat), bei kaufmännischen

Unternehmen somit die Änderung der Firma2, aber auch der identitätswahrende Formwechsel3, weiterhin die Wohnortänderung bzw Sitzverlegung4, hingegen nicht die bloße Adressänderung5, denn eingetragen wird bereits in die Liste der Gründungsgesellschafter nach dem expliziten Wortlaut der Vorschrift nur der Wohnort6 (§ 8 Rn 4). Auch für die Rechtswirkungen des § 16 Abs. 1 unbedeutende Veränderungen erfordern wegen der Richtigkeitsgewähr der Liste nach § 40 eine Korrektur; die dennoch unterlassene Korrektur der Liste im Falle solcher Veränderungen in der Person des Gesellschafters ohne Rechtsnachfolge führt jedoch dann nicht zum Wegfall der Legitimationswirkung, wenn über seine Identität und den Umfang seiner Beteiligung kein Zweifel besteht (näher § 16 Rn 8). b) Veränderungen mit Rechtsnachfolge

9 Hier ist zwischen dem rechtsgeschäftlichen Erwerb und dem Erwerb kraft Geset-

zes zu unterscheiden:

10 aa) Rechtsgeschäftlicher Erwerb: Im Vordergrund steht die Veräußerung von

Geschäftsanteilen, aber auch jede weitere Form der Einzelrechtsnachfolge durch Abtretung gemäß § 15 Abs. 37 (dazu § 15 Rn 25 ff), insbesondere auch die treuhänderische Übertragung und Sicherungsübertragung8 (nicht aber die Vereinbarungstreuhand, denn hier ändert sich an der Rechtsinhaberschaft nichts9; vgl näher § 15 Rn 106), auf Grund eines Vermächtnisses10 oder im Rahmen einer Erbauseinandersetzung11, auch der Erwerb eines Geschäftsanteils durch ei1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

R/A/Altmeppen Rn 6; MünchKomm/Heidinger Rn 84. R/A/Altmeppen Rn 6; MünchKomm/Heidinger Rn 84. B/S/Wachter Rn 6; MünchKomm/Heidinger Rn 84; R/S-L/Pentz § 16 Rn 17. R/A/Altmeppen Rn 6; Henssler/Strohn/Oetker Rn 5; MünchKomm/Heidinger Rn 84. Wie hier B/H/Zöllner/Noack Rn 6, 12; MünchKomm/Heidinger Rn 84. Wie hier Bayer GmbHR 2012, 1, 2; Link RNotZ 2009, 193, 203; Mayer DNotZ 2008, 403, 406. Ausführlich Bayer GmbHR 2012, 1, 2 f. OLG Hamm GmbHR 1985, 22; B/H/Fastrich § 16 Rn 2; Michalski/Ebbing § 16 Rn 5. U/H/L/Löbbe § 16 Rn 25; Bayer GmbHR 2012, 1, 2. R/A/Altmeppen § 16 Rn 2; MünchKomm/Heidinger Rn 49. Scholz/Seibt § 16 Rn 28, MünchKomm/Heidinger Rn 49.

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Liste der Gesellschafter | § 40

nen Neugesellschafter im Rahmen einer Kapitalerhöhung1. Erfasst werden weiterhin die Realteilung eines gemeinschaftlichen Anteils oder die Veräußerung einer Mitberechtigung nach Bruchteilen gemäß §§ 741, 747 Satz 1 BGB2. Insbesondere unterfällt der Regelung in § 40 nunmehr auch der Erwerb von Geschäftsanteilen durch die GmbH selbst3. Keine Veränderung iSv § 40 Abs. 1 Satz 1 ist nach der lex lata die aufschiebend 11 bedingte Abtretung; denn die Veränderung tritt erst ein, wenn die Abtretung wirksam ist. Dies bedeutet im Falle der Vinkulierung, dass die Gesellschafterliste erst dann verändert und neu eingereicht werden darf, wenn die erforderliche Zustimmung vorliegt4 (dazu näher noch Rn 62 f). bb) Erwerb kraft Gesetzes: Weiterhin erstreckt sich § 40 auch auf Veränderun- 12 gen im Wege der Kaduzierung5, beim Abandon6, im Falle der Begründung einer Gütergemeinschaft (§ 1416 Abs. 1 Satz 1 BGB)7 oder auch der Erwerb in der Zwangsvollstreckung durch öffentliche Versteigerung8 (vgl § 15 Rn 101). Wichtigster Anwendungsfall des gesetzlichen Erwerbs ist jedoch die Gesamtrechtsnachfolge durch Erbfall (§ 1922 BGB)9, im Wege der übertragenden Umwandlung (Verschmelzung und Spaltung nach UmwG)10 oder im Falle der Anwachsung gemäß § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB11. c) Juristische Personen und Personengemeinschaften als GmbH-Gesellschafter Ist Gesellschafter der GmbH eine juristische Person oder eine Personenhandels- 13 gesellschaft, so bedeutet ein Wechsel der Anteilsinhaber keine Veränderung im Hinblick auf die Gesellschafterstellung in der GmbH; dies ist jedoch anders bei der GbR, wo Veränderungen im Gesellschafterkreis auch eine Korrektur der

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MünchKomm/Heidinger Rn 58; U/H/L/Löbbe § 16 Rn 34; Scholz/Seibt § 16 Rn 19. U/H/L/Löbbe § 16 Rn 27; ausführlich Preuß RNotZ 2009, 529, 533 mwN. R/A/Altmeppen Rn 6; Scholz/Seibt § 16 Rn 18. B/H/Zöllner/Noack Rn 9. Scholz/Seibt § 16 Rn 18; U/H/L/Löbbe § 16 Rn 26. Scholz/Seibt § 16 Rn 18; U/H/L/Löbbe § 16 Rn 26. D. Mayer DNotZ 2008, 403, 407; Kort GmbHR 2009, 169, 173; Vossius DB 2007, 2299; U/H/L/Löbbe Rn 28. MünchKomm/Heidinger Rn 53; vgl weiter B/H/Zöllner/Noack Rn 6; Scholz/Seibt § 16 Rn 21. Uwe H. Schneider GmbHR 2009, 393, 394; Scholz/Seibt § 16 Rn 18; ausführlich zur Problematik im Erbfall: Heckschen ZErb 2008, 246 ff; Wachter DB 2009, 159 ff sowie § 16 Rn 43. Scholz/Seibt § 16 Rn 18; MünchKomm/Heidinger Rn 55; Hasselmann NZG 2009, 409, 410. MünchKomm/Heidinger Rn 57; Scholz/Seibt § 16 Rn 18; U/H/L/Löbbe § 16 Rn 28.

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§ 40 | Liste der Gesellschafter GmbH-Gesellschafterliste erfordern1 (streitig; ausführlich § 8 Rn 4). Gleiches gilt unstreitig bei Veränderungen im Personenkreis einer nicht rechtsfähigen Erbengemeinschaft bzw Gütergemeinschaft, die GmbH-Anteile besitzt2 (dazu bereits Rn 10). 3. Veränderung des Umfangs der Beteiligung 14 Eine solche wird sich häufig mit einer Veränderung in der Person des Gesell-

schafters überschneiden, so etwa bei der Abtretung eines Teils eines Geschäftsanteils oder eines von mehreren Geschäftsanteilen an einen Dritten, ebenso beim Hinzuerwerb oder auch im Falle von Kapitalveränderungen nach Einziehung eines Geschäftsanteils (§ 34)3. Insoweit hat diese Alternative keine gesonderte Bedeutung4. Dies ist anders im Falle einer Beteiligungsveränderung ohne Gesellschafterwechsel5, mithin bei der Zusammenlegung oder Teilung von Geschäftsanteilen6 sowie im Falle von Kapitalmaßnahmen der GmbH unter ausschließlicher Beteiligung der Altgesellschafter.

15 Im Falle der Teilung oder Zusammenlegung von Geschäftsanteilen (näher § 46

Rn 17 ff) ist darauf zu achten7, dass die Nummerierung der Anteile nunmehr so erfolgt, dass ihre Veränderung aus den vorherigen Geschäftsanteilen transparent bleibt8, insbesondere dürfen „verbrauchte Nummern“ nicht „reaktiviert“ werden9. Im Falle einer Kapitalerhöhung muss der neu geschaffene Geschäftsanteil stets eine neue Nummer erhalten, und zwar ungeachtet, ob er von einem Altoder einem Neugesellschafter übernommen wird10 (vgl auch § 57 Rn 11). Dagegen bleibt bei einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (§§ 57c ff) die 1 Bayer GmbHR 2012, 1, 2 mwN; vgl auch DNotI-Report 2011, 73, 74 f mwN; Scheuch GmbHR 2014, 568, 572 f; so auch Henssler/Strohn/Oetker Rn 5; Michalski/Terlau Rn 8; U/H/L/Löbbe § 16 Rn 27; U/H/L/Paefgen Rn 30; aA etwa R/A/Altmeppen Rn 9; B/H/Zöllner/Noack Rn 10. 2 Scholz/Seibt § 16 Rn 18; ausführlich Bayer GmbHR 2012, 1, 3 mwN; vgl auch schon OLG Hamm BB 1975, 292, 293 (Erbengemeinschaft). 3 D. Mayer DNotZ 2008, 403, 407; Vossius DB 2007, 2299; Hasselmann NZG 2009, 409, 410. 4 Bayer GmbHR 2012, 1, 3. 5 D. Mayer DNotZ 2008, 403. 407; Vossius DB 2007, 2299; Hasselmann NZG 2009, 409, 410. 6 Dazu ThürOLG GmbHR 2010, 598; vgl auch MünchKomm/Heidinger Rn 61; G/E/S/ Winter Rn 18; ausführlich Peetz GmbHR 2014, 1289, 1290 f. 7 Ausführlich auch Omlor/Spieß MittBayNot 2011, 353, 358 f. 8 MünchKomm/Heidinger Rn 33; U/H/L/Paefgen Rn 34. 9 Richtig U/H/L/Paefgen Rn 34; vgl weiter MünchKomm/Heidinger Rn 35, 42; Wachter ZNotP 2008, 378, 385; Hasselmann NZG 2009, 449, 450; vgl auch BGH GmbHR 2011, 474. 10 U/H/L/Paefgen Rn 35; MünchKomm/Heidinger Rn 43; vgl auch MünchKomm/Lieder § 57 Rn 21a.

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Nummerierung des identischen, lediglich nominal erhöhten Anteils unverändert1. 4. Dingliche Belastungen Verpfändung und Nießbrauch2 sind nach dem eindeutigen Wortlaut der Vor- 16 schrift keine Änderungen iSv § 40 und werden daher auch nicht vom Anwendungsbereich des 16 Abs. 1 erfasst3. Auch eine analoge Anwendung mit der Folge, dass eine Eintragungspflicht besteht, kommt nicht in Betracht4. Zu erwägen ist eine fakultative Eintragung5. Doch obgleich eine Eintragung dinglicher Belastungen rechtspolitisch wünschenswert wäre6 (s. auch § 16 Rn 74), kommt eine solche de lege lata nicht in Betracht; es fehlt insoweit an der Eintragungsfähigkeit dieser Angaben7. Hintergrund ist, dass zunächst die Wirksamkeit der Bestellung eines Pfandrechts oder eines Nießbrauchs an einem Geschäftsanteil materiellrechtlich nicht von einer Anzeige gegenüber der GmbH abhängig ist (dazu auch § 15 Rn 111 mwN). Leistungen der GmbH an den Gesellschafter oder Handlungen des Gesellschafters gegenüber der GmbH wurden gemäß § 16 Abs. 2 aF analog zwar auch dann als wirksam erachtet, wenn sie in die Rechte des Pfandgläubigers oder Nießbrauchsberechtigten eingreifen8; um diese negative Folge zu vermeiden, wurde – ebenso wie aktuell auch im Aktienrecht9 – § 16 Abs. 1 aF analog auf den Fall der Bestellung eines Pfandrechts oder eines Nießbrauchs erstreckt und somit zur Rechtswahrung eine Anmeldung gefordert10. Nur in diesem Fall sollten auch die Verfügungsbeschränkungen des Gesellschafters gemäß §§ 1071, 1276 BGB gegenüber der GmbH gelten11. Auch nach dem ersatzlosen Wegfall des § 16 Abs. 2 aF ist daher im Hinblick auf den Rechtsgedanken des § 407 BGB zur Wahrung der Rechte des Pfandgläubigers bzw des Nießbrauchsberechtigten eine Anzeige an die GmbH erforderlich (vgl bereits 1 U/H/L/Paefgen Rn 36; Wicke MittBayNot 2010, 283, 285; Hasselmann NZG 2009, 449, 450. 2 Zur Bankpraxis: Pilger GmbHR 2009, R 193 f. 3 R/A/Altmeppen Rn 9; Scholz/Seibt § 16 Rn 20; U/H/L/Paefgen Rn 42; U/H/L/Löbbe § 16 Rn 37; ausführlich Bayer GmbHR 2012, 1, 5 ff. 4 Insoweit so auch Scholz/Seibt § 16 Rn 20. 5 Dafür etwa MünchKomm/Heidinger Rn 67; Scholz/Seibt § 16 Rn 15a, 20 mwN. 6 Dazu Bayer Liber amicorum M. Winter, 2011, S. 9, 18; Bayer GmbHR 2012, 1, 5 ff. 7 Bayer GmbHR 2012, 1, 5; D. Mayer ZIP 2009, 1037, 1043; Omlor DNotZ 2012, 179, 181 (beide mwN); vgl für die Unzulässigkeit des Testamentsvollstreckervermerks (Rn 18) auch BGH GmbHR 2015, 526 mit Anm Bayer. 8 U/H/W/M. Winter/Löbbe 1. Aufl, § 16 Rn 64; Scholz/H. Winter/Seibt 10. Aufl, § 16 Rn 44. 9 Dazu MünchKomm/Bayer § 67 AktG Rn 29 ff. 10 U/H/W/M. Winter/Löbbe 1. Aufl, § 16 Rn 64. 11 Scholz/H. Winter/Seibt 10. Aufl, § 16 Rn 44; U/H/W/M. Winter/Löbbe 1. Aufl, § 16 Rn 64.

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§ 40 | Liste der Gesellschafter § 15 Rn 111)1, aber auch ausreichend. Eine (auch nur fakultative) Eintragung in die Gesellschafterliste kommt dagegen (auch bei einer entsprechenden Satzungsbestimmung) nicht in Betracht2; der Freiraum, den das Aktienregister gemäß § 67 Abs. 2 AktG lässt3, besteht hier im Rahmen des § 40 nicht, da die Gesellschafterliste beim Handelsregister verwahrt wird und in öffentliche Register nur solche Informationen aufgenommen werden dürfen, die eine gesetzliche Grundlage haben4. Gegen die Eintragungsfähigkeit spricht insbesondere, dass sich der Gesetzgeber im Rahmen des § 16 Abs. 3 eindeutig gegen einen gutgläubigen lastenfreien Erwerb ausgesprochen hat, weil nämlich die Belastung des Geschäftsanteils de lege lata gerade nicht in die Gesellschafterliste eingetragen werden kann5. Dieses Ergebnis ist rechtspolitisch zu kritisieren (ausführlich dazu § 16 Rn 74), de lege lata indes hinzunehmen6. 17 Bei der Pfändung ist die Zustellung des Pfändungsbeschlusses an die GmbH

Voraussetzung für die Wirksamkeit der Pfändung (vgl auch § 15 Rn 97); daher wurde bereits nach früherem Recht auf eine (weitere) Anzeige verzichtet7. Eine Eintragung in der Gesellschafterliste kommt daher nicht in Betracht8. Im Falle der Verwertung des Geschäftsanteils durch den Gerichtsvollzieher im Wege der Zwangsvollstreckung (näher § 15 Rn 99 ff) gelten hingegen §§ 16 Abs. 1, 40 (vgl Rn 12). Wird der Geschäftsanteil eines in der Liste eingetragenen Scheingesellschafters durch dessen Gläubiger gepfändet, so kann sich der wahre Gesellschafter mit der Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) wehren9 (vgl auch § 16 Rn 30).

18 Nicht in die Gesellschafterliste einzutragen – auch nicht fakultativ – sind de lege

lata Verfügungsbeschränkungen, also weder die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters10 noch die Anordnung einer Tes-

1 Ausführlich Bayer GmbHR 2012, 1, 5 mwN. 2 Bayer GmbHR 2012, 1, 5 f mwN; vgl auch D. Mayer DNotZ 2008, 403, 407; Preuß ZGR 2008, 676, 684; Uwe H. Schneider GmbHR 2009, 393, 394; aA LG Aachen GmbHR 2009, 1218 mit ablehnender Anm Omlor = NZG 2009, 1157 mit ablehnender Anm Fritsch; MünchKomm/Heidinger Rn 67; Reymann WM 2008, 2095, 2102 (zum Nießbrauch). 3 Dazu näher MünchKomm/Bayer § 67 AktG Rn 29 ff, 32 ff mwN; vgl auch Bayer GmbHR 2012, 1, 5 ff. 4 Bayer Liber amicorum M. Winter, 2011, S. 9, 17; vgl auch OLG München GmbHR 2012, 39; vgl für die Unzulässigkeit des Testamentsvollstreckervermerks (Rn 18) auch BGH GmbHR 2015, 526 mit Anm Bayer. 5 BGH GmbHR 2011, 1269, 1271 f; Bayer Liber amicorum M. Winter, 2011, S. 9, 18 mwN. 6 Ausführlich Bayer GmbHR 2012, 1, 6 mwN. 7 Scholz/H. Winter/Seibt 10. Aufl, § 16 Rn 45. 8 So auch MünchKomm/Heidinger Rn 68; U/H/L/Löbbe § 16 Rn 38. 9 U/H/L/Löbbe § 16 Rn 38. 10 B/S/Wachter Rn 9; aA MünchKomm/Heidinger Rn 81.

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tamentsvollstreckung1. Dieser bereits bislang hM hat sich – in Abgrenzung zu BGH GmbHR 2012, 510 (Zulässigkeit der Eintragung eines Testamentsvollstreckervermerks betreffend Kommanditanteil)2 – nunmehr auch der BGH angeschlossen3 (dazu auch § 16 Rn 78). De lege ferenda sind solche zusätzlichen Angaben ohne jeden Zweifel sinnvoll und sollten vom Gesetzgeber gestattet werden4. Im Schrifttum war erwogen worden, zur Kenntlichmachung eines aufschiebend 19 bedingten Erwerbs einen Listenzusatz in die Gesellschafterliste aufzunehmen, die einen künftigen Erwerber bösgläubig machen soll 5. Diese kautelarjuristische Lösung (sog Zwei-Listen-Modell) ist jedoch von der Rechtsprechung abgelehnt worden6 (vgl auch § 16 Rn 82 ff). Die (alternativ) erwogene Eintragung eines Anwartschaftsrechts7 ist de lege lata nicht möglich8. Zulässig ist allein die Eintragung eines Widerspruchs (dazu § 16 Rn 91 ff). 5. Ergänzende Angaben: Rechtsgrund und Zeitpunkt? Nicht vermerkt wird in der korrigierten Gesellschafterliste grundsätzlich der 20 Rechtsgrund der Veränderung; daher brauchen auch Abtretungsvereinbarungen, Erbschein usw nicht beigefügt zu werden9. Eine Ausnahme gilt im Falle des Untergangs eines Geschäftsanteils durch Einziehung10. Im Falle einer Kaduzierung ist der bisherige Gesellschafter unter Hinweis auf die Kaduzierung aufzuführen, nach Verlust des Geschäftsanteils ein Erwerber bzw die GmbH11. Er1 Bayer GmbHR 2012, 1, 5; U/H/L/Paefgen Rn 44; OLG München GmbHR 2012, 39, 40 f = RNotZ 2012, 134 mit kritischer Anm Link und zustimmender Anm Paefgen/Wallisch WuB II C. § 40 GmbHG 1.12; ebenso Omlor/Spieß MittBayNot 2011, 353, 364; Wachter DB 2009, 159 ff; aA Scholz/Seibt Rn 29; B/H/Zöllner/Noack Rn 15 ff; ausführlich Zinger/ Urich-Erber NZG 2011, 286 ff; Heidinger FS Stilz, 2014, S. 253, 259 ff; Beutel NZG 2014, 646 ff. 2 Dazu auch Vossius NotBZ 2012, 167 sowie Werner GmbHR 2012, 512. 3 BGH GmbHR 2015, 526 mit zustimmender Anm Bayer; insoweit zustimmend auch Lieder/Scholz WuB 2015, 328; kritisch Heckschen/Strnad EWiR 2015, 303; wie der BGH auch schon das OLG Köln GmbHR 2014, 1206 mit zustimmender Anm Wachter EWiR 2014, 615 als Vorinstanz. 4 So auch Bayer GmbHR 2015, 529 f im Anschluss an Bayer GmbHR 2011, 1254, 1255 (mwN); Lieder/Scholz WuB 2015, 328, 332; Wachter EWiR 2015, 615, 616; vgl im Übrigen ausführlich Herrler GmbHR 2013, 617. 5 Befürwortend Herrler BB 2009, 2272, 2275 ff; Wicke DNotZ 2009, 869, 873. 6 OLG München GmbHR 2009, 1211 mit Anm Riemenschneider; bestätigend OLG München GmbHR 2010, 873, 874; vgl auch OLG Hamburg GmbHR 2011, 32, 33. 7 So insbesondere Omlor DNotZ 2012, 179, 188 ff. 8 So bereits Bayer in Schröder/Kanzleiter (Hrsg), 3 Jahre nach dem MoMiG, 2012, S. 13, 24. 9 Bayer GmbHR 2012, 1, 3. 10 B/H/Zöllner/Noack Rn 14. 11 Bayer GmbHR 2012, 1, 3.

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§ 40 | Liste der Gesellschafter läuterungen zur durchgeführten Veränderung (sog „Veränderungsspalte“) sind daher in engen Grenzen zulässig1; nicht eintragungsfähig sind hingegen dingliche Belastungen, Verfügungsbeschränkungen usw (dazu bereits Rn 16 ff). 21 Der genaue Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Veränderung muss nach dem

Wortlaut der Vorschrift nicht angegeben werden. Doch muss die Gesellschafterliste unverzüglich nach jeder Veränderung aktualisiert werden (Rn 36).

22 Mehrere Veränderungen, die gleichzeitig wirksam geworden sind, können in ei-

ner korrigierten Liste zusammengefasst werden2. Stets ist jedoch eine lückenlose Nachvollziehung der Entwicklung (dazu Rn 5, 59) zu gewährleisten3. Daher kann sich (etwa bei gemeinsamer Beurkundung mehrerer Veränderungen) in Zweifelsfällen die Angabe einer Uhrzeit4 empfehlen, bei mehreren Listen auch eine „Segelanweisung“ an das Registergericht, in welcher Reihenfolge die Listen aufzunehmen sind5. Namentlich bei Kettenabtretungen müssen auch die Zwischenerwerber ersichtlich sein; daher sind hier mehrere Gesellschafterlisten einzureichen6. Wurde ein Geschäftsanteil ohne Mitwirkung des Notars durch einfachen Gesellschafterbeschluss geteilt (näher § 46 Rn 18) und ein bisheriger Teilgeschäftsanteil dann abgetreten, so ist zum einen eine aktualisierte Gesellschafterliste durch den zuständigen Geschäftsführer (Rn 49) und sodann eine weitere (und neuere) Liste durch den die Abtretung beurkundenden Notar einzureichen7.

III. Einreichung der Gesellschafterliste und Aufnahme beim Handelsregister 1. Zuständigkeiten a) Abgrenzung Geschäftsführer/Notar 23 Anders als beim aktienrechtlichen Vorbild, wo allein der Vorstand das Aktien-

register führt und auch keine Aufnahme zum Handelsregister erfolgt8, hat der

1 Vgl ThürOLG GmbHR 2010, 598, 599 (Erläuterung zur Teilung und Nummerierung). 2 MünchKomm/Heidinger Rn 246. 3 R/A/Altmeppen Rn 8; Scholz/Seibt Rn 36; MünchKomm/Heidinger Rn 248; ausführlich DNotI-Report 2011, 25 ff. 4 So auch Wachter GmbHR 2014, 30, 33; Berninger GmbHR 2014, 449, 453; R/A/Altmeppen Rn 8. 5 Hasselmann NZG 2009, 449, 450; Melchior GmbHR 2010, 418, 419. 6 LG München GmbHR 2010, 151 mit Anm Wachter; R/A/Altmeppen Rn 8 aE; MünchKomm/Heidinger Rn 249. 7 Beispiel nach U/H/L/Paefgen Rn 67; vgl weiter Link RNotZ 2009, 193, 195; Wachter DB 2009, 159, 165 f. 8 Zu den Unterschieden ausführlich Bayer Liber amicorum M. Winter, 2011, S. 9, 28.

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Gesetzgeber die Zuständigkeiten zwischen Geschäftsführer und Notar zur Listenänderung und -einreichung aufgeteilt, und zwar grundsätzlich wie folgt: Der (deutsche) Notar ist nach § 40 Abs. 2 Satz 1 zuständig, wenn er (nach Inkrafttreten des MoMiG1) in amtlicher Eigenschaft „an Veränderungen nach Absatz 1 Satz 1 mitgewirkt“ hat; dies gilt gemäß § 15 Abs. 3 speziell im Falle der Anteilsabtretung (näher Rn 55). Aufgrund Wortlaut („anstelle“)2 und Gesetzgebungsgeschichte3 hat die bislang hM angenommen, dass sich die Zuständigkeit von Notar und Geschäftsführer im Grundsatz wechselseitig ausschließen, der Notar somit in exklusiver Verdrängung der Geschäftsführer für die Änderung und Einreichung der Gesellschafterliste zuständig ist4. Abweichende Weisungen der Beteiligten sollten grundsätzlich unzulässig sein5. Diese Konzeption stieß indes bereits in der Vergangenheit an Grenzen: So wurde 24 zum einen im Rahmen der problematischen Zuständigkeitsabgrenzung zwischen Geschäftsführer und Notar bei der sog mittelbaren Notarmitwirkung an Veränderungen ein zuständigkeitsbegründender Vollzugsauftrag zur Auflösung der Problematik anerkannt (näher Rn 55, 57). Zum anderen war unklar und umstritten, inwieweit der Geschäftsführer als unrichtig erkannte Listen auch ohne Mitteilung und Nachweis selbstständig ändern darf, insbesondere auch im Hinblick auf eingereichte Notarlisten (näher Rn 32 ff). Schließlich stellte sich die im Aktienrecht nicht bekannte Problematik, wer im Falle einer (unterstellt zulässigen) Auslandsabtretung zur Listenänderung und -einreichung zuständig ist. Der BGH hat in zwei Parallelentscheidungen vom 17.12.20136 eine Neuinter- 25 pretation der gesetzlichen Konzeption vorgenommen. Die Annahme einer exklusiven, sich wechselseitig ausschließenden Zuständigkeit sei „rechtsirrig“7, da diese Sichtweise fälschlich von der Prämisse ausgehe, dass nur zuständig sein könne, wer auch zur Listenänderung und -einreichung verpflichtet sei. Richtigerweise sei in § 40 Abs. 1 indes nur die Verpflichtung des Geschäftsführers geregelt, während die Berechtigung des Geschäftsführers auch dann gegeben sein 1 KG GmbHR 2012, 686, 687; Wachter ZNotP 2008, 378, 392. 2 Nicht „in Vertretung“ der Geschäftsführung wie noch im RefE vorgesehen; vgl dazu nur Bohrer DStR 2007, 995, 999. 3 BegrRegE BR-Drucks 354/07, S. 101. 4 So die bislang ganz hM: OLG München GmbHR 2009, 825; OLG Hamm GmbHR 2010, 430 mit Anm Herrler; OLG München GmbHR 2013, 269; Kort GmbHR 2009, 169, 171 („keine Hilfs- oder Ersatzkompetenz“); Herrler GmbHR 2014, 225, 227; Löbbe GmbHR 2012, 7, 8; D. Mayer DNotZ 2008, 403, 408; Bednarz BB 2008, 1854, 1860; Hasselmann NZG 2009, 449, 452; MünchKomm/Heidinger 1. Aufl, Rn 117; Uwe H. Schneider GmbHR 2009, 393, 396; abweichend Scholz/Seibt Rn 28 ff; für den Fall der Auslandsbeurkundung abweichend auch BGH GmbHR 2014, 248 Rn 12 (dazu ausführlich Rn 29 ff). 5 MünchKomm/Heidinger 1. Aufl, Rn 117; Scholz/Seibt Rn 55. 6 BGH GmbHR 2014, 192 mit Anm Bayer; BGH GmbHR 2014, 248 mit Anm Herrler GmbHR 2014, 225. 7 So BGH GmbHR 2014, 248 Rn 12.

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§ 40 | Liste der Gesellschafter könne, wenn der Notar nach § 40 Abs. 2 verpflichtet sei1. Eine solche Berechtigung hat der BGH speziell für die Korrektur einer (vermeintlich) fehlerhaften Notar-Liste angenommen2 (näher Rn 32 ff). Weitergehend hat der BGH aber auch keine Bedenken, einem nicht gemäß § 40 Abs. 2 zuständigen ausländischen Notar die Einreichung der Liste zu gestatten, sofern er im Ausland wirksam die Anteilsabtretung beurkundet hat3 (näher Rn 29 ff). 26 Diese Neukonzeption der §§ 16, 40 durch den BGH hat im Schrifttum, teilweise

zwischen beiden Entscheidungen differenzierend, sowohl Zustimmung als auch Kritik erfahren (näher Rn 71 und Rn 30 f, 70). Die Auswirkungen auf den Meinungsstand zu zahlreichen Einzelfragen sind, insbesondere über die Zuständigkeitsfrage hinaus, noch nicht geklärt, teilweise noch gar nicht als Problem formuliert. Jedenfalls verbietet es sich, Rechtsprechung und Literatur zur Aktienregister-Vorschrift des § 67 AktG schematisch auf das Regelungsmodell der §§ 16, 40 zu übertragen. Zwar wurde auch schon in der Vergangenheit auf Unterschiede hingewiesen4; doch zwingt die für die Praxis maßgebliche neue BGH-Rechtsprechung zu weiteren Überprüfungen und Differenzierungen (vgl auch § 16 Rn 13).

27 Insbesondere ist auch nach Maßgabe der BGH-Rechtsprechung noch nicht aus-

gelotet, ob eine Zuständigkeit des Geschäftsführers zur Einreichung einer geänderten Liste nur im Falle einer Listenkorrektur im Sinne der Wiederherstellung der vorhergehenden Liste („Altliste“) gegeben sein soll oder ob der BGH der Auffassung zuneigt, dass entgegen der Formulierung in § 40 Abs. 1 der Geschäftsführer generell ohne Mitteilung und Nachweis zur Listenänderung und -einreichung befugt sein soll5; konstruktiv ließe sich eine solche weitergehende Sichtweise zwar durch die bereits erwähnte Reduzierung der Vorschrift auf die Verpflichtung des Geschäftsführers begründen, doch bestehen erhebliche Zweifel, ob sich der BGH mit einer solchen Betrachtung nicht viel zu weit vom Willen des Gesetzgebers entfernen und sich zudem in einen völligen Widerspruch zur jahrzehntelangen Entwicklung im Aktienrecht setzen würde. Ausgeschlossen ist dies jedoch nicht, da der BGH in GmbHR 2014, 198 auch das aktienrechtliche Verfahren zur Listenkorrektur (§ 67 Abs. 5 AktG) – weil für die GmbH zu umständlich und langwierig – verworfen hat (näher Rn 69).

28 Die nachfolgende Kommentierung versucht einen Mittelweg, indem unter Zu-

grundelegung der Listenkorrektur-Entscheidung BGH GmbHR 2014, 198 der bisherige Standpunkt der exklusiven, verdrängenden Notarzuständigkeit6 modifiziert wird; Auswirkungen und möglichen Weiterentwicklungen der Rechtspre1 2 3 4 5 6

BGH GmbHR 2014, 248 Rn 12. BGH GmbHR 2014, 198 Rn 33. BGH GmbHR 2014, 248 Rn 12 ff. Näher Bayer Liber amicorum M. Winter, 2011, S. 9, 36 ff. So auch MünchKomm/Heidinger Rn 119, 226. Näher 18. Aufl, Rn 23.

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chung, die nicht sachgerecht sind, indes die Gefolgschaft verweigert wird. Dies bedeutet: Der Geschäftsführer darf zwar auch eine notarielle Liste korrigieren, er darf aber nicht den Notar aus seiner Zuständigkeit verdrängen und etwa anstelle des beurkundenden Notars im Anschluss an eine ihm mitgeteilte Anteilsabtretung eine neue Gesellschafterliste einreichen (etwa mit der Begründung der „Untätigkeit“ des den Nachweis einer aufschiebenden Bedingung abwartenden Notars); im Zuständigkeitsbereich des Notars besteht somit keine generelle „Auffangzuständigkeit“ des Geschäftsführers1. Weiterhin darf der Geschäftsführer eine neue Gesellschafterliste grundsätzlich nur nach Mitteilung und Nachweis der Veränderung einreichen (ausführlich – auch zu den Ausnahmen – Rn 48 ff). Ob eine Notarzuständigkeit besteht, haben die Geschäftsführer eigenverantwortlich zu prüfen2. Da die Zuständigkeitsabgrenzung in Grenzfällen (Rn 29 ff, 32 ff, 56 ff, 68 ff) indes zweifelhaft sein kann, ist die Einreichung einer sowohl vom Geschäftsführer als auch vom Notar unterzeichneten Liste zulässig3. b) Zuständigkeit bei Auslandsbeurkundung Erfolgt eine Mitwirkung durch einen ausländischen Notar, so trifft diesen – bei 29 (unterstellter) Zulässigkeit der Auslandsbeurkundung (zur Anteilsabtretung ausführlich § 15 Rn 27 ff) – die öffentlich-rechtliche Pflicht aus § 40 Abs. 2 nicht. Dies ist unstreitig4 (Territorialitätsprinzip)5. Verpflichtet ist zur Listenänderung und -einreichung in diesem Fall – auch das ist unstreitig – allein der Geschäftsführer6, der den ausländischen Notar allerdings als Boten (nicht als Vertreter7)8 einsetzen kann9. 1 So aber B/H/Zöllner/Noack Rn 57; Henssler/Strohn/Oetker Rn 26; wohl auch Scholz/Seibt Rn 28 f; wie hier R/A/Altmeppen Rn 17; U/H/L/Paefgen Rn 107; MünchKomm/Heidinger Rn 117. 2 Hasselmann NZG 2009, 449, 452; U/H/L/Paefgen Rn 71. 3 Heidinger Rn 158; U/H/L/Paefgen Rn 73; Wachter GmbHR 2010, 205, 207; Ries NZG 2010, 135. 4 MünchKomm/Heidinger Rn 256; R/A/Altmeppen Rn 20; Scholz/Seibt Rn 89; U/H/L/ Paefgen Rn 109; U/H/L/Löbbe § 16 Rn 48; B/H/Zöllner/Noack Rn 69; insoweit auch OLG Düsseldorf GmbHR 2011, 417, 418 mit Anm Ulrich/Marniok; jüngst wieder Herrler GmbHR 2014, 225, 229; vgl bereits D. Mayer DNotZ 2008, 403, 411; Grunewald ZIP 2006, 685, 688; Uwe H. Schneider GmbHR 2009, 393, 396; offen gelassen von BGH GmbHR 2014, 248 Rn 12. 5 Der ausländische Notar hat auch keine Bescheinigung entsprechend § 40 Abs. 2 Satz 2 (Rn 67) auszustellen; für alle Scholz/Seibt Rn 89; MünchKomm/Heidinger Rn 256; aA allein Reithmann GmbHR 2009, 699, 701. 6 R/A/Altmeppen Rn 20; U/H/L/Paefgen Rn 109; Scholz/Seibt Rn 90. 7 So aber R/A/Altmeppen Rn 21 aE; U/H/L/Paefgen Rn 110 iVm Rn 70. 8 Zur Unzulässigkeit der rechtsgeschäftlichen Vertretung des Geschäftsführers: Rn 47. 9 Richtig OLG München GmbHR 2013, 269; Hasselmann NZG 2013, 325, 327 f; Scholz/ Seibt Rn 90.

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§ 40 | Liste der Gesellschafter 30 Umstritten war in der Vergangenheit hingegen, ob dem ausländischen Notar ein

Recht zur Einreichung der geänderten Gesellschafterliste im Anschluss an eine von ihm beurkundete Anteilsabtretung, ggf unter Einschaltung eines deutschen Notars als „Boten“, zusteht1. Der BGH hat die Streitfrage mit Beschluss vom 17.12.2013 für die Praxis geklärt und entschieden, dass ein ausländischer Notar dann qua „Annexkompetenz“ zur Einreichung einer geänderten Gesellschafterliste berechtigt ist, wenn seine Beurkundung (weil gleichwertig, vgl § 15 Rn 28 ff) im Inland wirksam ist2. Unter welchen Voraussetzungen dies der Fall ist, konnte indes weiterhin offenbleiben3, da das Registergericht die Liste des ausländischen Notars nach Auffassung des BGH nur dann zurückweisen dürfe, wenn für das Registergericht ohne Weiteres feststeht, dass die ausländische Beurkundung der deutschen nicht gleichwertig ist4. Diese pragmatische Sichtweise vermag indes nicht zu überzeugen5, da sie das gesetzliche Konzept der Haftung gegenüber den Betroffenen bei pflichtwidrig fehlerhafter Listeneinreichung über Bord wirft (Rn 80 f)6. Der Hinweis des BGH7 auf das Recht des Geschäftsführers zur Korrektur einer (angeblich fehlerhaften) Gesellschafterliste beachtet nicht, dass den ausländischen Notar – anders als den Geschäftsführer – die Haftung des deutschen Rechts unstreitig nicht trifft; der BGH hat auch nicht – wie teilweise im

1 Dafür OLG Düsseldorf GmbHR 2011, 417, 418 mit Anm Ulrich/Marniok; Vossius DB 2007, 2299, 2304; Uwe H. Schneider GmbHR 2009, 393, 396; Wälzholz MittBayNot 2008, 425, 435; Kanzleiter FS Roth, 2011 S. 355, 357; Landbrecht/Becker BB 2013, 1290, 1292: dagegen die früher hM: OLG München GmbHR 2013, 269, 269 f mit zustimmender Anm Gerber EWiR 2013, 549; Scholz/Seibt Rn 90; R/A/Altmeppen 7. Aufl, Rn 18; B/H/Zöllner/ Noack Rn 71; Hasselmann NZG 2013, 325, 327 f; Preuß FS Spiegelberger, 2009, S. 876, 888; S/I/Lücke/Simon Rn 22; MünchKomm/Heidinger 1. Aufl, Rn 225; Henssler/Strohn/ Verse § 16 Rn 22; Michalski/Terlau Rn 27; B/S/Wachter 2. Aufl, Rn 33; Löbbe GmbHR 2012, 7, 14; Olk NZG 2011, 381, 383; Begemann/Galla GmbHR 2009, 1065, 1069; D. Mayer ZIP 2009, 1037, 1046; Noack FS Hüffer, 2010, S. 723, 726; Süß DNotZ 2011, 414, 422 ff; ausführlich Bayer/Meier-Wehrsdorfer in Hauschild/Kallrath/Wachter, Notarhandbuch Gesellschafts- und Unternehmensrecht, 1. Aufl 2011, § 9 Rn 20; vermittelnd für den Fall, dass sich der ausländische Notar vertraglich den gleichen Pflichten (einschließlich Haftung) unterwirft wie der deutsche Notar, Wicke DB 2013, 1099, 1101; ähnlich Herrler GmbHR 2013, 617, 628 f. 2 BGH GmbHR 2014, 248 Rn 13 mit zustimmender Anm H.F. Müller WuB II C. § 40 GmbHG 1.14; zustimmend Götze/Mörtel NZG 2014, 369, 370; nur im Ansatz zustimmend auch Herrler GmbHR 2014, 225, 227, 229; unentschieden R/A/Altmeppen Rn 21. 3 Kritisch Albers GmbHR 2014, R 289; vgl weiter MünchKomm/Heidinger Fn 739; kritisch zu diesem Offenhalten in der Vergangenheit bereits Bayer GmbHR 2013, 897, 910 ff. 4 Kritisch Herrler GmbHR 2014, 225, 229 ff; MünchKomm/Heidinger Rn 257, 275; Lieder/ Ritter notar 2014, 187, 189. 5 Ablehnend auch MünchKomm/Heidinger Rn 260 ff; U/H/L/Paefgen Rn 110. 6 In diese Richtung auch die zutreffende Kritik von Herrler GmbHR 2014, 225, 228 f. 7 Anders BGH GmbHR 2014, 248 Rn 12 aE.

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Schrifttum vorgeschlagen1 – die vertragliche Vereinbarung einer „gleichwertigen“ Haftung verlangt. Ebenso wie die Auslandsbeurkundung im Wege der Substitution nur bei „Gleichwertigkeit“ zulässig ist (näher § 15 Rn 28 ff), hätte der BGH angesichts der weitreichenden Rechtswirkungen (näher § 16 Rn 26 ff) auch die Änderung und Einreichung einer korrigierten Liste durch den ausländischen Notar nur bei Auferlegung eines gleichwertigen Pflichten- und Haftungsregimes gestatten dürfen2. So besteht für den ausländischen Notar nicht einmal die Pflicht, eine Kopie der neuen Liste an die Gesellschaft zu senden, damit die Geschäftsführer mögliche Fehler in der Liste korrigieren können3. Richtigerweise muss es daher – entgegen BGH GmbHR 2014, 248 – auch bei ei- 31 ner zulässigen Auslandsbeurkundung der Anteilsabtretung bei der Zuständigkeit allein des Geschäftsführers verbleiben (der vom Gesellschafter unverzüglich zu informieren ist, vgl Rn 46), mag dieser sich auch des ausländischen Notars als Gehilfen bedienen (wobei der Geschäftsführer von seiner persönlichen Verpflichtung und Haftung allerdings nicht befreit ist)4. Unstreitig ist – auch nach der BGH-Entscheidung – stets der Geschäftsführer, nie der deutsche Notar, zur Listenerstellung und -einreichung verpflichtet, wenn der mitwirkende ausländische Notar diese Aufgabe nicht übernimmt5; der deutsche Notar kann dann – wie sonst auch – die Liste des ausländischen Notars oder des Geschäftsführers als Bote überbringen6. Dass das OLG Düsseldorf insoweit „die Gesellschafter“ für zuständig erklärt7, dürfte ein redaktionelles Versehen sein8. c) Zuständigkeit zur Korrektur fehlerhafter Listen Aufgrund eines Irrtums oder unzutreffender rechtlicher Beurteilung kann eine 32 zum Handelsregister aufgenommene Gesellschafterliste fehlerhaft sein. Häufig wird sich die Fehlerhaftigkeit durch einen Hinweis des betroffenen Gesellschafters ergeben. Doch kommt auch die Möglichkeit in Betracht, dass der Geschäftsführer – etwa nach Erhalt der Notarbescheinigung gemäß § 40 Abs. 2 Satz 1 (dazu Rn 67) einen Fehler bemerkt. Zwar besteht eine Verpflichtung zur eigenständigen Nachprüfung einer beim Handelsregister aufgenommenen früheren Geschäftsführer-Liste oder auch einer Notar-Liste für den Geschäftsführer grundsätzlich nicht. Erlangt er jedoch (auf andere Weise als durch Mitteilung 1 So etwa Wicke DB 2013, 1099, 1101; ähnlich Herrler GmbHR 2014, 225, 229; D. Mayer MittBayNot 2014, 114, 118; vgl weiter Lieder/Ritter notar 2014, 187, 193. 2 Ähnlich die Kritik von Herrler GmbHR 2014, 225, 229. 3 Richtig MünchKomm/Heidinger Rn 275 aE. 4 So auch R/A/Altmeppen Rn 18. 5 Vossius DB 2007, 2299, 2304; Uwe H. Schneider GmbHR 2009, 393, 396; Wicke Rn 12; MünchKomm/Heidinger Rn 261; Scholz/Seibt Rn 90 aE; B/H/Zöllner/Noack Rn 70. 6 MünchKomm/Heidinger Rn 261. 7 OLG Düsseldorf GmbHR 2011, 417, 420. 8 So richtig Ulrich/Marniok GmbHR 2011, 420, 421.

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§ 40 | Liste der Gesellschafter und Nachweis) positive Kenntnis von der Unrichtigkeit der Gesellschafterliste (ggf auch aufgrund einer zwischenzeitlichen rechtlichen Prüfung im Rahmen einer Due Diligence) – sei es, weil die materielle Rechtsänderung, die zur Erstellung der jetzigen Liste geführt hat, nicht stattgefunden hat (Beispiel: Gesellschafter ist auf Auslandsreise gar nicht verstorben), unwirksam war (Beispiel: unwirksame Einziehung oder nicht ordnungsgemäß beurkundeter Anteilserwerb) oder nachträglich vernichtet wurde (Beispiel: Anfechtung des Anteilserwerbs wegen arglistiger Täuschung), so ist er im Zweifel berechtigt und verpflichtet, die fehlerhafte Gesellschafterliste zu ändern und die geänderte Liste beim Handelsregister einzureichen. Dies gilt indes nicht, wenn die Gesellschafterstellung streitig bzw unklar ist. Hier kann der Geschäftsführer nach Maßgabe von § 67 Abs. 5 Satz 2 AktG die Klärung auch den Prätendenten um die Gesellschafterstellung überlassen1 (näher Rn 69, 72). Zum einstweiligen Rechtsschutz in diesem Fall: Rn 74. 33 Die Korrekturmöglichkeit durch den Geschäftsführer besteht unstreitig für die

von ihm zuvor selbst erstellte Liste2. Aber auch im Hinblick auf eine (vermeintlich) fehlerhafte Notar-Liste ist der Geschäftsführer nicht nur berechtigt (und ggf verpflichtet), den Notar auf die Unrichtigkeit hinzuweisen und diesem so die Möglichkeit zur eigenen Korrektur der eingereichten Notar-Liste zu geben (zur Korrekturzuständigkeit des Notars in diesem Fall: Rn 65), sondern er darf die unrichtige Liste auch selbst korrigieren3, jedoch bei richtiger Lesart von BGH GmbHR 2014, 198 nur insoweit, als er eine (neue) Liste mit dem Status quo ante beim Handelsregister einreicht. Unzulässig ist es hingegen, wenn der Geschäftsführer unter dem Vorwand einer „Listenkorrektur“ ohne Mitteilung und Nachweis die Gesellschafterliste im Hinblick auf eine „neue“ Veränderung eigenmächtig verändert und so dem Listengesellschafter seine Rechtsstellung als Gesellschafter streitig machen könnte4 (dazu Rn 71).

34 Einzelheiten zum Verfahren der Listenkorrektur, zur Beweislast und zum

Rechtsschutz Rn 68 ff, 73 ff. Zur Geschäftsführerzuständigkeit bei der Korrektur von (fehlerhaften) Altlisten (die vor dem 1.11.2008 eingereicht worden waren): Berninger GmbHR 2009, 679 ff. 2. Einreichungspflicht/Anspruch auf Listenänderung

35 Die Pflicht zur Listenänderung und Einreichung zum Handelsregister ist eine

gesetzliche Verpflichtung, die vom Registergericht – etwa nach Hinweis durch 1 So jüngst OLG München GmbHR 2015, 1214 ff mit Anm Römermann; dazu aber kritisch Kleefass EWiR 2015, 763. 2 So auch MünchKomm/Heidinger Rn 121. 3 BGH GmbHR 2014, 198 mit Anm Bayer; Lieder, NZG 2014, 329, 331; B/H/Zöllner/Noack Rn 40 (nur bei Mitwirkung kraft Amtes); aA MünchKomm/Heidinger Rn 124 ff. 4 In diese Richtung auch MünchKomm/Heidinger Rn 91.

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betroffene Gesellschafter1 – gegenüber dem Geschäftsführer mit Zwangsgeld (§ 14 HGB) durchgesetzt werden kann (§§ 388 ff FamFG)2. Ob auch gegen den Notar ein Zwangsgeld verhängt werden kann, weil er nach Auffassung des Registergerichts die ihm obliegende Listeneinreichung nicht, nicht rechtzeitig oder nicht in der „richtigen“ Art und Weise vornimmt, wird überwiegend verneint3; anders hat aber jüngst das OLG Köln entschieden4. Korrespondierend mit der Verpflichtung besteht ein Anspruch jedes Gesell- 36 schafters gegenüber der Gesellschaft5, dass im Falle einer mitgeteilten und nachgewiesenen Veränderung (dazu Rn 48 ff) unverzüglich eine neue Gesellschafterliste erstellt und zum Handelsregister einreicht wird6 (zu Prozessfragen: Rn 73 ff); in Vertretung der GmbH wird dieser Anspruch vom Geschäftsführer höchstpersönlich erfüllt (Rn 47, 76). Im Falle der Weigerung kann der Gesellschafter die GmbH verklagen bzw seinen Anspruch auch im Wege der einstweiligen Verfügung durchsetzen (ausführlich Rn 74). Ist der Notar gemäß § 40 Abs. 2 zuständig, handelt es sich bei der Verpflichtung zur Einreichung der Notarliste um eine Amtspflicht des Notars7. Unterlässt der Notar die Einreichung, begründet dies Schadensersatzansprüche gemäß § 19 BNotO8. Ein Anspruch auf Erfüllung gegen den Notar besteht indes nicht9. Weigert sich der Notar, der Pflicht zur Erstellung und Einreichung der Liste nachzukommen, ist eine Be-

1 So BegrRegE BR-Drucks 354/07, S. 100. 2 BayObLG DB 1979, 1981; Scholz/Seibt Rn 53; R/A/Altmeppen Rn 12; U/H/L/Paefgen Rn 102 mwN. 3 OLG München GmbHR 2009, 825; U/H/L/Paefgen Rn 108. 4 OLG Köln GmbHR 2014, 28 mit ablehnender Anm Wachter = DNotZ 2014, 387 mit ablehnender Anm Heinemann; so bereits MünchKomm/Krafka § 388 FamFG Rn 22; kritisch MünchKomm/Heidinger Rn 281. 5 Abweichend Preuß ZGR 2008, 676, 679: Anspruch gegenüber Geschäftsführung; so auch Hasselmann NZG 2009, 486, 489; OLG Brandenburg GmbHR 2013, 309 Rn 12; KG GmbHR 2016, 416, 417; unentschieden Liebscher/Alles ZIP 2015, 1, 8 (Passivlegitimation der Geschäftsführer nicht abwegig); für ergänzenden Anspruch auch gegenüber Geschäftsführer MünchKomm/Heidinger Rn 88. 6 BegrRegE BR-Drucks 354/07, S. 86; OLG München GmbHR 2011, 429 und GmbHR 2015, 1214, 1215 mit Anm Römermann; ThürOLG GmbHR 2013, 1258, 1260 mit Anm Heinze; Kort GmbHR 2009, 169, 172 f; D. Mayer DNotZ 2008, 403, 414; Uwe H. Schneider GmbHR 2009, 393, 395; Omlor/Spieß MittBayNot 2011, 353, 362 f; Scholz/Seibt Rn 53; U/H/L/Paefgen Rn 104; B/H/Fastrich § 16 Rn 8; ausführlich Lieder GmbHR 2016, 189, 190 ff. 7 R/A/Altmeppen Rn 28; Wicke Rn 21; MünchKomm/Heidinger Rn 241. 8 R/A/Altmeppen Rn 28; Wicke Rn 21; MünchKomm/Heidinger Rn 241; zu den Voraussetzungen der Haftung s. Schippel/Bracker/Schramm § 19 BNotO Rn 9 ff. 9 In diesem Sinne wohl auch BeckOKGmbHG/Heilmeier Rn 212.

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§ 40 | Liste der Gesellschafter schwerde wegen Untätigkeit des Notars gemäß § 15 Abs. 2 BNotO möglich1; diese ist jedoch auch ausschließlich auf Geldersatz gerichtet; eine Klage auf Vornahme der Amtshandlung ist nicht unzulässig2. 3. Einreichung beim Handelsregister 37 Die Einreichung der Gesellschafterliste beim Handelsregister durch die Ge-

schäftsführer in vertretungsberechtigter Zahl (Rn 47) – sog einfache Gesellschafterliste – erfolgt schriftlich (§ 126 Abs. 1 BGB) bzw in elektronischer Form (§ 126 Abs. 3 iVm § 126a Abs. 1 BGB), wobei nach § 12 Abs. 2 Satz 2 HGB eine einfache elektronische Aufzeichnung ausreicht3. Eine qualifizierte elektronische Signatur ist entgegen den Forderungen des Bundesrats4 nicht erforderlich, was im Hinblick auf das Fälschungsrisiko rechtspolitisch zu kritisieren ist5 und auch Auswirkungen auf die Rechtswirkungen einer gefälschten Gesellschafterliste hat (ausführlich und differenzierend § 16 Rn 17, 68, 108 mwN). Die Einreichung zum Handelsregister erfolgt über das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (www.egvp.de) in eingescannter Form (vgl zB § 9 RegVO NRW).

38 Die notarielle Gesellschafterliste nach § 40 Abs. 2 Satz 1 (sog qualifizierte Ge-

sellschafterliste) ist vom Notar zu unterschreiben („anstelle der Geschäftsführer“) und zusammen mit der Notarbescheinigung gemäß § 40 Abs. 2 Satz 2 beim Handelsregister einzureichen6. Dabei ist zu unterscheiden7: Eine Gesellschafterliste in Papierform bedarf als öffentliche Urkunde der eigenhändigen Unterschrift und des Siegels des Notars; wird sie dann eingescannt und eingereicht, bedarf sie der öffentlichen Beglaubigung8 (§ 39a BeurkG). Wird die Liste indes sogleich elektronisch erstellt, so hat der Notar dieses Dokument qua-

1 BeckOKGmbHG/Heilmeier Rn 212; die Listenbescheinigung ist als Pflicht iSd § 21 BNotO (Schippel/Bracker/Reithmann § 21 BNotO Rn 1) von § 15 Abs. 2 BNotO erfasst, Schippel/Bracker/Reithmann § 15 BNotO Rn 16, 44. 2 Beck’sches Notar-Handbuch/Hogl, K. V. Rn 58. 3 LG Gera BB 2009, 2337 mit Anm Wachter; LG Trier NZG 2010, 233; MünchKomm/Heidinger Rn 118, 121. 4 Vgl Bundesrat, BR-Drucks 354/07(B), S. 17; dazu Erwiderung BReg BT-Drucks 16/6140, Anlage 3, S. 9 f. 5 Zutreffend Bednarz BB 2008, 1854, 1858; Bohrer DStR 2007, 995, 999 f; Heckschen DStR 2007, 1442, 1450; Vossius DB 2007, 2299, 2301; D. Mayer DNotZ 2008, 403, 413, 430 ff; MünchKomm/Heidinger Rn 118 aE, 280. 6 Ist die nicht unterzeichnete Gesellschafterliste mit der unterzeichneten Bescheinigung nach § 40 Abs. 2 Satz 2 dergestalt verbunden, dass letztere der ersteren unmittelbar nachfolgt, dann ist die Liste korrekt (unterzeichnet) eingereicht: LG Dresden ZIP 2009, 1765, 1766 mit zustimmender Anm Wachter EWiR 2009, 641; U/H/L/Paefgen Rn 50. 7 Ausführlich Bettendorf/Mödl DNotZ 2010, 795 ff. 8 ThürOLG DNotZ 2010, 793 mit zustimmender und ausführlicher Anm Bettendorf/Mödl; MünchKomm/Heidinger Rn 222.

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lifiziert elektronisch zu signieren (§ 39a Satz 2 BeurkG); Siegel und Unterschrift sind dann ebenso entbehrlich (denn es gilt § 126a BGB) wie eine (nochmalige) Beglaubigung1. Nicht ausreichend ist es, wenn der Notar einer lediglich vom Geschäftsführer unterzeichneten Liste nur die Notarbescheinigung (unterzeichnet) beifügt2. Sowohl die von der Geschäftsführung als auch die vom Notar anzufertigende 39 Liste ist unverzüglich nach Wirksamwerden jeder Veränderung beim Handelsregister einzureichen, dh ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB)3, sobald sichere Kenntnis von der tatbestandsmäßigen Änderung besteht4 (dazu Rn 48, 56). Wie lange eine solche Prüfzeit besteht, ist eine Frage der Komplexität und des Einzelfalls5; 14 Tage werden im Schrifttum indes als Höchstfrist angesehen6. Inhaltlich muss die Liste dem Sachstand am Tage der Einreichung entspre- 40 chen7. Wurde nach einer früheren Veränderung die Einreichung einer neuen Liste versäumt, dann ist nicht nur der aktuelle Stand, sondern zusätzlich auch die frühere Veränderung anzugeben, so dass bruchlos die Entwicklung nachvollzogen werden kann8 (zur Prüfung durch das Registergericht: Rn 44 f). Zulässig ist es, wenn der beurkundende Notar die Liste – sowie auch die Notarbescheinigung gemäß § 40 Abs. 2 Satz 2 (Rn 67) – schon vor dem Wirksamwerden der Veränderung erstellt, sofern nur die Einreichung an das Registergericht nach deren Wirksamwerden erfolgt9. 4. Aufnahme der Gesellschafterliste in das Handelsregister Die Gesellschafterliste wird – im Ergebnis aus Kostengründen10 – nicht in das 41 Handelsregister eingetragen11; § 15 HGB kommt somit nicht zur Anwendung. Vielmehr wird die geänderte Gesellschafterliste – ebenso wie die Liste der Grün1 Ausführlich KG GmbHR 2011, 982, 983 mwN im Anschluss an OLG Schleswig DNotZ 2008, 709 ff; MünchKomm/Heidinger Rn 223. 2 U/H/L/Paefgen Rn 50. 3 D. Mayer DNotZ 2008, 403, 414; Wachter DB 2008, 159, 160; R/A/Altmeppen Rn 5. 4 U/H/L/Paefgen Rn 51; R/A/Altmeppen Rn 5. 5 Richtig Scholz/Seibt Rn 49; MünchKomm/Heidinger Rn 113. 6 Vgl U/H/L/Paefgen Rn 51; MünchKomm/Heidinger Rn 113; Wachter ZNotP 2008, 378, 391; im Grundsatz auch Scholz/Seibt Rn 49. 7 ThürOLG GmbHR 2010, 1038, 1039 (betreffend Kapitalerhöhung); D. Mayer ZIP 2009, 1037, 1046 ff; B/H/Zöllner/Noack Rn 33; R/A/Altmeppen Rn 9; MünchKomm/Heidinger Rn 114. 8 So auch U/H/L/Paefgen Rn 29; Wicke Rn 4. 9 ThürOLG GmbHR 2010, 1038, 1039 (betreffend Kapitalerhöhung); ausführlich MünchKomm/Heidinger Rn 218. 10 Dazu Noack FS Hüffer, 2010, S. 723, 727; R/A/Altmeppen Rn 2. 11 Preuß ZGR 2008, 676, 677; Kort GmbHR 2009, 169, 171; R/A/Altmeppen Rn 2.

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§ 40 | Liste der Gesellschafter dungsgesellschafter gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 3 (dazu § 8 Rn 4, 26) – nur in das Handelsregister aufgenommen, und zwar in dem für das entsprechende Registerblatt bestimmten Registerordner (vgl § 9 Abs. 1 HRV) durch Speicherung1. Im Registerportal wird dabei lediglich das Datum ausgewiesen, an dem die Liste erstellt wurde, sowie das Datum des Eingangs beim Handelsregister, hingegen nicht das – für § 16 wichtige – Datum der Aufnahme in den Registerordner2. Dies ist kritikwürdig3. 42 Die Liste ist (über www.handelsregister.de) online zugänglich4, und zwar auch

in ihrer historischen Entwicklung seit 2007. Gesellschafterlisten, die noch in Papierform eingereicht wurden, werden – sofern nicht älter als 10 Jahre – auf Antrag beim Registergericht kostenpflichtig online zur Verfügung gestellt (§ 9 Abs. 2 HGB, Art. 61 Abs. 3 EGHGB).

43 Die Aufnahme in den Registerordner ist Aufgabe des Registerrichters5. Ge-

schäftsführer bzw Notar haben indes zu überprüfen, ob die Aufnahme korrekt erfolgt ist6, wobei sich jedenfalls der Notar auf den Bericht über die elektronische Datenübermittlung verlassen kann7.

44 Eine Pflicht zur inhaltlichen Prüfung besteht für das Registergericht nicht8.

Denn angesichts der weitreichenden Wirkungen gemäß § 16 soll die Aktualisierung der Liste keine Verzögerungen erfahren9. Es besteht indes das Recht (und richtigerweise auch die Pflicht10) zur formalen Prüfung, ob die nach § 40 erfor-

1 KG GmbHR 2012, 686, 687; MünchKomm/Heidinger Rn 265. 2 Für Angabe des Datums der Aufnahme: Henssler/Strohn/Verse § 16 Rn 21; MünchKomm/Heidinger Rn 31. 3 Zu Recht kritisch Hasselmann NZG 2010, 207, 210; D. Mayer ZIP 2009, 1037, 1039; Bohrer MittBayNot 2010, 17, 18; Wachter GmbHR 2010, R 113, 114; U/H/L/Paefgen Rn 59. 4 Hasselmann NZG 2009, 409, 414; D. Mayer DNotZ 2008, 403, 413; R/A/Altmeppen Rn 2; U/H/L/Paefgen Rn 56. 5 OLG München GmbHR 2009, 825; Melchior GmbHR 2010, 418. 6 Richtig Wicke NotBZ 2009, 1, 15; Scholz/Seibt Rn 52; U/H/L/Paefgen Rn 58; aA B/H/ Zöllner/Noack Rn 67; MünchKomm/Heidinger Rn 90 mwN. 7 Wicke NotBZ 2009, 1, 15; U/H/L/Paefgen Rn 58 mwN. 8 BegrRegE BR-Drucks 354/07, S. 100; BGH GmbHR 2014, 248 Rn 7; OLG Bamberg GmbHR 2010, 594 mit Anm Wachter; Kort GmbHR 2009, 169, 171; Uwe H. Schneider GmbHR 2009, 393, 394; für ein generelles materielles Prüfungsrecht bei Geschäftsführerlisten indes Omlor/Spieß MittBayNot 2011, 357. 9 MünchKomm/Heidinger Rn 277; Wachter ZIP 2009, 1001, 1003; D. Mayer MittBayNot 2014, 24, 26; abzulehnen ist daher OLG Nürnberg GmbHR 2011, 582 (so auch Heinze GmbHR 2011, 962, 966). 10 Wie hier auch OLG München GmbHR 2013, 269; U/H/L/Paefgen Rn 61; Herrler GmbHR 2013, 617, 623; U/H/L/Löbbe GmbHR 2012, 7, 14; Wicke DB 2013, 1099 (jeweils mwN; offengelassen von BGH GmbHR 2014, 248 Rn 9 („kann das RegG die Liste zurückweisen“) und BGH GmbHR 2015, 526 Rn 7 mit Anm Bayer.

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derlichen Angaben gemacht wurden1, ob unzulässige Angaben unterblieben sind2, ob die neue Liste bruchlos an die vorangehende Liste anknüpft3 und ob die geänderten Eintragungen von dem Geschäftsführer oder einem Notar stammen4. Ist dies nicht der Fall, wird regelmäßig eine Beanstandung durch Zwischenverfügung erfolgen5; gegen die Nichtaufnahme kann – vom Notar gemäß § 59 Abs. 1 FamFG aufgrund eigenen Rechts6 – Beschwerde eingelegt werden; § 382 Abs. 4 FamFG steht trotz seines Wortlauts nicht entgegen7. Wird nicht abgeholfen, entscheidet das OLG (§ 119 GVG)8. Nicht zu klären sind im Registerverfahren Zweifel an der konkreten Befugnis des einreichenden Geschäftsführers oder Notars9 (vgl auch § 16 Rn 13 ff). Hat das Registergericht sichere Kenntnis von der inhaltlichen Unrichtigkeit 45 der eingereichten Liste10, so ist auch in diesem (Evidenz-)Fall eine Beanstandung zulässig11. Noch nicht geklärt ist, inwieweit das Registergericht hierbei seine Auffassung gegenüber der Einschätzung des einreichenden Notars durchsetzen 1 OLG Bamberg GmbHR 2010, 594 mit Anm Wachter (betr Nummerierung); Hasselmann NZG 2009, 486, 490; D. Mayer MittBayNot 2014, 24, 26 f; U/H/L/Paefgen Rn 61. 2 BGH GmbHR 2015, 526 Rn 7 mit Anm Bayer; OLG München GmbHR 2009, 1211, 1212; D. Mayer MittBayNot 2014, 24, 27. 3 OLG München GmbHR 2012, 399, 400; U/H/L/Paefgen Rn 61. 4 So BGH GmbHR 2014, 248 Rn 9; insoweit übereinstimmend mit OLG München GmbHR 2013, 269 (als Vorinstanz); Herrler GmbHR 2013, 617, 623. 5 Melchior GmbHR 2010, 418; Wachter ZNotP 2008, 378, 386; vgl auch OLG Frankfurt GmbHR 2011, 198, 199 mit Anm Biebinger; ähnlich MünchKomm/Heidinger Rn 282 (sonstige gerichtliche Verfügung). 6 BGH GmbHR 2011, 474 mit Anm Heidinger; ThürOLG GmbHR 2010, 598, 599; OLG Hamburg GmbHR 2011, 32; KG GmbHR 2011, 982; aA noch OLG Köln GmbHR 2011, 141. 7 Melchior GmbHR 2010, 418; MünchKomm/Heidinger Rn 282 mwN; vgl auch OLG Frankfurt GmbHR 2011, 823, 825. 8 MünchKomm/Heidinger Rn 282; U/H/L/Paefgen Rn 54. 9 BGH GmbHR 2014, 248 Rn 10 mwN; zustimmend Lieder/Ritter notar 2014, 187, 189; abweichend indes noch OLG Hamm GmbHR 2010, 205 206; Löbbe GmbHR 2012, 1, 14; Herrler GmbHR 2013, 617, 623 f mwN. 10 Zur Problematik „krummer“ Eurobeträge der Geschäftsanteile: Heidinger GmbHR 2011, 476 (nicht per se unrichtig). 11 OLG Frankfurt GmbHR 2011, 198, 200 f mit Anm Biebinger; OLG Frankfurt GmbHR 2011, 823, 826; ThürOLG GmbHR 2010, 598, 599 mit Anm Wachter EWiR 2010, 423; OLG München GmbHR 2009, 1211 mit Anm Riemenschneider; OLG Köln GmbHR 2014, 28; Uwe H. Schneider GmbHR 2009, 393, 395; Herrler GmbHR 2013, 617, 622; D. Mayer MittBayNot 2014, 24, 27; R/A/Altmeppen Rn 13; U/H/L/Paefgen Rn 63; B/H/Zöllner/Noack Rn 75; einschränkend aber MünchKomm/Heidinger Rn 277 ff mwN; unentschieden BGH GmbHR 2011, 474 Rn 13 mit Anm Heidinger und Anm Wachter EWiR 2011, 279; BGH GmbHR 2014, 248 Rn 23; OLG Hamburg GmbHR 2014, 1321, 1322.

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§ 40 | Liste der Gesellschafter darf1 (dazu Rn 55 f). Eine Aussetzung durch das Registergericht gemäß § 21 Abs. 1 FamFG im Hinblick auf einen anhängigen Rechtsstreit über die Wirksamkeit der Veränderung (zB Anfechtung des Einziehungsbeschlusses) kommt allerdings nicht in Betracht2. Möglich ist hingegen eine einstweilige Verfügung gegen die Aufnahme einer (angeblich) unrichtigen Liste (näher Rn 73 f).

IV. Geschäftsführer-Liste (§ 40 Abs. 1) 1. Einreichung durch Geschäftsführer 46 In der Praxis ist der Geschäftsführer insbesondere zuständig3 im Falle der Ver-

erbung von Geschäftsanteilen sowie bei privatschriftlichen Beschlüssen zur Zusammenlegung, Teilung und Einziehung von Geschäftsanteilen, ferner im Fall der Kaduzierung (§§ 21 Abs. 2, 23), aber auch beim Wechsel im Gesellschafterkreis einer beteiligten GbR (dazu Rn 13). Bei Anteilsabtretungen besteht eine Zuständigkeit zur Einreichung einer neuen Liste für die Geschäftsführung allein dann, wenn kein Notar iSv § 40 Abs. 2 hieran mitgewirkt hat; dies kommt (nur) in der Konstellation einer Auslandsbeurkundung in Betracht (Rn 29 ff). Weiterhin ergibt sich eine gesetzliche Geschäftsführer-Zuständigkeit (auch im Falle der Anteilsabtretung) bei Wirksamwerden einer auflösenden Bedingung (ausführlich Rn 64) sowie generell im Rahmen einer Nachkontrolle vorangegangener Änderungen, insbesondere auch nach Tätigwerden des Notars und Übermittlung der Listenabschrift gemäß § 40 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 24 (ausführlich Rn 33). Zur Problematik der Nachfolge beim Tod des einzigen Gesellschafter-Geschäftsführers: § 16 Rn 45. Zur Geschäftsführerzuständigkeit bei der Korrektur von (fehlerhaften) Altlisten (die vor dem 1.11.2008 eingereicht worden waren)5: Berninger GmbHR 2009, 679 ff; zur Zuständigkeit, wenn die Anteilsabtretung vor dem Inkrafttreten des MoMiG erfolgt ist: KG GmbHR 2012, 686.

47 Anders als bei der Liste der Gründungsgesellschafter (vgl § 8 Rn 4 iVm § 7

Rn 1) reicht hier die Unterzeichnung und Einreichung durch die Geschäftsführer in vertretungsberechtigter Zahl (arg § 78)6. Auch in der Insolvenz sind die Ge-

1 Dafür OLG Köln GmbHR 2011, 141, 142; U/H/L/Paefgen Rn 63; dagegen Wachter GmbHR 2009, 785, 793. 2 OLG Hamburg GmbHR 2014, 1321. 3 Vgl auch U/H/L/Paefgen Rn 68; Scholz/Seibt Rn 33. 4 BegrRegE BR-Drucks 354/07, S. 101; OLG Frankfurt GmbHR 2011, 823, 826; Götze/ Bressler NZG 2007, 894, 896; Wicke Rn 16; ausführlich Bussian/Achenbach BB 2010, 778 ff. 5 Dazu auch MünchKomm/Heidinger Rn 131 ff mwN. 6 ThürOLG GmbHR 2011, 980 mit zustimmender Anm Bayer; B/H/Zöllner/Noack Rn 35; Scholz/Seibt Rn 32; R/A/Altmeppen Rn 13; MünchKomm/Heidinger Rn 116; aA H. Schmidt NotBZ 2013, 13 (alle Geschäftsführer).

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schäftsführer, nicht der Insolvenzverwalter verpflichtet1, im Rahmen der Liquidation hingegen der Liquidator2. Hierbei handelt es sich um eine Pflicht der GmbH (näher Rn 75), die höchstpersönlich durch die Geschäftsführer zu erfüllen ist3; denn ihnen wurde die individuelle Verantwortung für die Richtigkeit der Gesellschafterliste übertragen und allein sie haften nach § 40 Abs. 3 für Verletzungen ihrer Pflichten nach § 40 Abs. 1 (ausführlich Rn 80). Daher ist eine Vertretung – anders als etwa bei der Anmeldung nach § 39 (§ 39 Rn 6) – weder bei der Erstellung noch bei der Einreichung der Liste gestattet4, auch nicht unechte Gesamtvertretung mit einem Prokuristen5. Allein die Beiziehung fachlicher Hilfe (Rechtsanwalt, Notar) und die Einschaltung von Hilfspersonal (Bote usw) bei der Einreichung sind zulässig6. Ebenso besteht kein Weisungsrecht der Gesellschafter7 (dazu allgemein § 37 Rn 17 ff). Zu den Auswirkungen einer fehlerhaften, insbesondere gefälschten Listeneinreichung ausführlich und differenzierend § 16 Rn 17, 68, 108. 2. Mitteilung und Nachweis der Veränderung/Prüfungspflicht des Geschäftsführers Die Änderung der Liste durch die Geschäftsführung erfolgt nach dem Wortlaut 48 von § 40 Abs. 1 Satz 2 nur „auf Mitteilung und Nachweis“. Diese Formulierung ist an § 67 Abs. 3 AktG angelehnt8, geht aber inhaltlich schon auf § 16 Abs. 1 aF zurück, wonach im Falle eines Anteilserwerbs nur derjenige gegenüber der GmbH als Erwerber galt, „dessen Erwerb unter Nachweis des Übergangs bei der Gesellschaft angemeldet ist“. Dieses Anmeldeprinzip wurde durch die Pflicht zur Einreichung einer geänderten Gesellschafterliste beim Handelsregister ersetzt (ausführlich § 16 Rn 4). Voraussetzung ist, dass die Geschäftsführung sichere Kenntnis von einer eingetretenen Änderung erhält (Rn 39). Diese Kenntnis von der Veränderung wird der Geschäftsführung grundsätzlich (nur) durch die Mitteilung seitens der Gesellschafter (Rn 50, § 16 Rn 21) sowie durch einen 1 MünchKomm/Heidinger Rn 87; Scholz/Seibt Rn 32. 2 MünchKomm/Heidinger Rn 87 mwN. 3 So ThürOLG GmbHR 2011, 980 mit zustimmender Anm Bayer; Lieder GmbHR 2016, 189, 191 f; vgl weiter Scholz/Seibt Rn 32; B/H/Zöllner/Noack Rn 35; vgl auch D. Mayer DNotZ 2008, 403, 413; MünchKomm/Heidinger Rn 116. 4 Wie hier ThürOLG GmbHR 2011, 980 mit zustimmender Anm Bayer; D. Mayer DNotZ 2008, 403, 413; Hasselmann NZG 2009, 486, 487; Link RNotZ 2009, 193, 198; Wachter ZNotP 2008, 378, 386; Scholz/Seibt Rn 32; MünchKomm/Heidinger Rn 116; Lieder GmbHR 2016, 189, 191 f; zweifelnd B/H/Zöllner/Noack Rn 35; aA Wicke Rn 7; U/H/L/ Paefgen Rn 70. 5 ThürOLG GmbHR 2011, 980 mit zustimmender Anm Bayer. 6 Zutreffend B/S/Wachter Rn 21; Scholz/Seibt Rn 32; MünchKomm/Heidinger Rn 120. 7 So auch MünchKomm/Heidinger Rn 87 mwN; ähnlich, aber schwächer Scholz/Seibt Rn 39. 8 BegrRegE BR-Drucks 354/07, S. 99 = BT-Drucks 16/6140, S. 44.

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§ 40 | Liste der Gesellschafter überzeugenden Nachweis (Rn 51) verschafft. Eine Nachforschungspflicht der Geschäftsführer im Hinblick auf mögliche Veränderungen besteht nicht1. 49 Eine Ausnahme vom Erfordernis von Mitteilung und Nachweis wird allein im

Falle einer Kenntnis von Amts wegen gemacht2, die sich insbesondere aus der Mitwirkung des Geschäftsführers an der Veränderung ergibt, wie beispielsweise regelmäßig im Falle von Teilung und Zusammenlegung, Kaduzierung, (Zwangs-) Einziehung3, Kapitalerhöhung4. Denn die vom Gesellschafter in diesen Konstellationen zu erbringenden Mitteilungen und Nachweise (vgl Rn 28) sind im Regelfall entbehrlich5.

50 Einer besonderen Form bedarf die Mitteilung als geschäftsähnliche Handlung

nicht; sie kann daher auch konkludent erfolgen6. Die Satzung kann dies jedoch anders regeln7 (vgl auch Rn 1, 51). Bis zur Änderung der Gesellschafterliste kann die Mitteilung auch wieder zurückgenommen werden8 (dazu näher § 16 Rn 24). Zur Mitteilungsbefugnis: ausführlich § 16 Rn 219.

51 Spezielle Anforderungen an den Nachweis stellt das Gesetz nicht; Konkretisie-

rungen in der Satzung sind jedoch auch hier möglich und zur künftigen Streitvermeidung auch sehr zweckmäßig10 (vgl auch Rn 1, 50, § 16 Rn 2). Angesichts der Aufwertung der Gesellschafterliste, speziell im Hinblick auf die Rechtswirkungen des § 16 (Rn 3), wird man heute strengere Anforderungen als zum früheren Recht (§ 16 aF) an die Nachweisführung stellen müssen11. Die Geschäftsführung trifft eine inhaltliche Prüfungspflicht12, die jedoch mangels juristischer Kenntnisse auch nicht überspannt werden darf13, sich aber auch nicht allein auf

1 Wachter ZNotP 2008, 378, 383, MünchKomm/Heidinger Rn 91; U/H/L/Paefgen Rn 76 mwN. 2 MünchKomm/Heidinger Rn 102, 109; Scholz/Seibt Rn 40. 3 Beispiel: KG ZIP 2010, 2047; OLG Hamburg GmbHR 2014, 1321. 4 Noack FS Hüffer, 2010, S. 723, 730 f; R/A/Altmeppen Rn 11; Scholz/Seibt Rn 40 aE. 5 Zur parallelen Rechtslage bei der AG MünchKomm/Bayer § 67 AktG Rn 72. 6 U/H/L/Paefgen Rn 81; R/A/Altmeppen Rn 10; MünchKomm/Heidinger Rn 93; aA (Schriftform) B/S/Wachter Rn 18. 7 Kort GmbHR 2009, 169; Wachter ZNotP 2008, 378, 383; Scholz/Seibt Rn 41. 8 Abweichend MünchKomm/Heidinger Rn 101. 9 S. auch MünchKomm/Heidinger Rn 95 ff. 10 Scholz/Seibt Rn 45; MünchKomm/Heidinger Rn 103, 110; vgl weiter Heckschen ZErb 2008, 246, 251; Wachter ZNotP 2008, 378, 384 (mit Formulierungsvorschlag). 11 So auch D. Mayer DNotZ 2008, 403, 413; Heckschen ZErb 2008, 246, 251; Wachter DB 2009, 159, 160. 12 BegrRegE BR-Drucks 354/07, S. 99; Götze/Bressler NZG 2007, 894, 895; Kort GmbHR 2009, 169, 171; Scholz/Seibt Rn 35; MünchKomm/Heidinger Rn 103; zu § 67 Abs. 2 AktG auch BGHZ 160, 253, 257; MünchKomm/Bayer § 67 AktG Rn 90. 13 So auch nachdrücklich Uwe H. Schneider GmbHR 2009, 393, 395; vgl auch Bednarz BB 2008, 1854, 1856, 1858; Kort GmbHR 2009, 169, 171.

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die bloße Plausibilität der mitgeteilten Veränderung erstrecken kann1, sondern zumindest eine „auf Tatsachen beruhende qualifizierte Plausibilitätsprüfung“ erfordert2. Diese Problematik hat der Gesetzgeber offensichtlich unterschätzt3. Die Geschäftsführung wird jedenfalls in Zweifelsfällen häufig überfordert sein4. Zu Recht wird daher am gesetzlichen Modell Kritik geübt5. Schon zur Haftungsvermeidung dringend anzuraten ist daher zumindest in Zweifelsfällen eine Benachrichtigung des aktuell eingetragenen Gesellschafters von einer bevorstehenden Änderung6 und die Aufforderung zur Stellungnahme7 (vgl auch noch Rn 68); ggf ist auch (auf Kosten der GmbH) eine rechtliche Beratung erforderlich8. Bestehende Zweifel müssen jedenfalls ausgeräumt sein, bevor der Geschäftsführer eine geänderte Liste einreichen darf9. Verletzungen der Prüfungspflicht und auch im Ergebnis materiell unzutreffende 52 Angaben haben jedoch keinerlei Auswirkungen auf die Rechtswirkungen der in das Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste10 (dazu näher § 16 Rn 22), sondern können nur Schadensersatzansprüche nach § 40 Abs. 3 begründen (dazu Rn 80). Der Standpunkt des früheren Rechts, wonach die Gesellschaft nach pflichtgemäßem Ermessen der Geschäftsführer auf Nachweise verzichten konnte11, lässt sich nach neuer Rechtslage nicht mehr aufrechterhalten12. Dies bedeutet: Bei nicht notariell beurkundeten Gesellschafterbeschlüssen, die 53 nicht in Anwesenheit des Geschäftsführers gefasst wurden (dazu Rn 49), ist regelmäßig die Vorlage der betreffenden Beschlussfassungen in Urschrift oder beglaubigter Kopie erforderlich13, im Erbfall die Vorlage eines Erbscheins oder die notarielle Verfügung von Todes wegen mit Eröffnungsniederschrift14; nicht aus-

1 So auch MünchKomm/Heidinger Rn 103; für Plausibilitätsprüfung indes U/H/L/Paefgen Rn 89. 2 So zutreffend Scholz/Seibt Rn 44; in diese Richtung auch R/A/Altmeppen Rn 11. 3 Zu Recht kritisch deshalb Bednarz BB 2008, 1854, 1856, 1858; König/Bormann DNotZ 2008, 652, 669; Kort GmbHR 2009, 169, 171; U/H/L/Paefgen Rn 89 mwN. 4 Richtig Bednarz BB 2008, 1854, 1856, 1859; Kort GmbHR 2009, 169, 171; MünchKomm/Heidinger Rn 140; Wicke Rn 10. 5 Bednarz BB 2008, 1854, 1856, 1859; Kort GmbHR 2009, 169, 171; Flesner NZG 2006, 641, 643; Schockenhoff/Höder ZIP 2006, 1841, 1845. 6 So auch Bednarz BB 2008, 1854, 1856, 1858; vgl auch Noack FS Hüffer, 2010, S. 723, 734; U/H/L/Paefgen Rn 90; MünchKomm/Heidinger Rn 89. 7 Scholz/Seibt Rn 39; MünchKomm/Heidinger Rn 101; Wicke § 16 Rn 5. 8 Bednarz BB 2008, 1854, 1858; U/H/L/Paefgen Rn 91; Scholz/Seibt Rn 45. 9 U/H/L/Paefgen Rn 91; Scholz/Seibt Rn 45; Uwe H. Schneider GmbHR 2009, 393, 395 f. 10 Kort GmbHR 2009, 169, 171. 11 BGH GmbHR 2009, 38, 39 (allgemeine Meinung). 12 So auch Preuß ZGR 2008, 676, 678; D. Mayer ZIP 2009, 1037, 1044; Scholz/Seibt Rn 48. 13 Wicke Rn 10; Wachter ZNotP 2008, 378, 383; B/H/Zöllner/Noack Rn 26. 14 BGH NJW 2005, 2779; Wachter DB 2009, 159, 160; Scholz/Seibt Rn 46.

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§ 40 | Liste der Gesellschafter reichend ist hingegen ein privatschriftliches Testament1 und auch nicht ohne weiteres ein ausländisches Erbzeugnis2. Die Geschäftsführung kann bei bestehenden Zweifeln weitere Nachweise verlangen; dies folgt schon aus ihrem Haftungsrisiko3 (dazu Rn 80). Soweit dies für die Veränderung iSv § 40 Abs. 1 ohne Bedeutung ist, dürfen vorgelegte Urkunden teilweise geschwärzt werden (zB Kaufpreishöhe usw). 3. Mitwirkungspflicht der Gesellschafter 54 Auf Grund ihrer Treuepflicht (dazu allgemein § 14 Rn 29 ff) sind alle Gesell-

schafter (aufgrund nachwirkender Pflicht auch ein Altgesellschafter nach seinem Ausscheiden) verpflichtet, an der Aktualisierung der Gesellschafterliste mitzuwirken4; eine Dispositionsfreiheit ist – anders als früher – nach der heutigen gesetzlichen Konzeption nicht mehr anzuerkennen5. Bei schuldhafter Weigerung kommt eine Schadensersatzhaftung in Betracht. Zu empfehlen ist weitergehend eine Satzungsregelung, die jeden Gesellschafter verpflichtet, den Geschäftsführer umgehend über Veränderungen iSv § 40 zu informieren und die Wirksamkeit nachzuweisen6 (vgl auch Rn 1, 50 f).

V. Notarielle Gesellschafterliste (§ 40 Abs. 2) 1. Zuständigkeit des Notars 55 Der Notar ist gemäß § 40 Abs. 2 Satz 1 qua Amtspflicht7 für die Änderung und

Einreichung der Gesellschafterliste zuständig, sofern er in amtlicher Eigenschaft an einer Veränderung iSv § 40 Abs. 1 Satz 1 mitgewirkt hat. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn er eine Anteilsabtretung8 oder eine Kapitalmaßnahme9

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U/H/L/Paefgen Rn 94; Scholz/Seibt Rn 46. Wachter DB 2009, 159, 160; U/H/L/Paefgen Rn 94. D. Mayer DNotZ 2008, 403, 413. R/A/Altmeppen Rn 12; U/H/L/Löbbe § 16 Rn 8; MünchKomm/Heidinger Rn 101; Henssler/Strohn/Verse § 16 Rn 37. So aber B/H/Zöllner/Noack Rn 24; Scholz/Seibt Rn 40; zweifelnd auch Bednarz BB 2009, 1854, 1857. Zutreffend Hasselmann NZG 2009, 486, 489; Katschinski/Rawert ZIP 2008, 1993, 1999; Wachter ZNotP 2008, 378, 384. Scholz/Seibt Rn 55; Noack FS Hüffer, 2010, S. 723, 731; Preuß FS Spiegelberger, 2009, S. 876, 879; OLG Köln GmbHR 2011, 141. Für alle: U/H/L/Paefgen Rn 113; Scholz/Seibt Rn 57. Nicht hingegen bei bloßer Beurkundung des schuldrechtlichen Geschäfts gemäß § 15 Abs. 4 Satz 1: MünchKomm/Heidinger Rn 159; aA Hasselmann NZG 2009, 449, 452. Dazu auch OLG München GmbHR 2010, 921; Scholz/Seibt Rn 58. Allerdings ist der Notar nach wie vor nicht zuständig für die Erstellung der Liste der Übernehmer gemäß § 57 Abs. 3 Satz 2: MünchKomm/Heidinger Rn 142 mwN; vgl auch bei § 57 Rn 11.

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oder eine Umwandlung1 beurkundet hat2. Dies gilt auch im Falle einer aufschiebend bedingten Anteilsabtretung3, jedenfalls dann, wenn zusätzlich ein Vollzugsauftrag (Rn 57 f) zur Überwachung des Bedingungseintritts (näher Rn 63) erteilt wurde4. Die Mitwirkung ist auch nicht deshalb zu verneinen, weil eine der beteiligten Parteien vollmachtlos vertreten wird und die Abtretung infolgedessen zunächst schwebend unwirksam ist5. Mitwirkung ist auch bei der Protokollierung nicht beurkundungsbedürftiger Beschlüsse (zB bei Zusammenlegung, Teilung, Einziehung) gegeben6. Gleiches gilt, wenn der Notar den zu Veränderungen führenden privatschriftlich getroffenen Gesellschafterbeschluss entworfen und sodann die Unterschriften beglaubigt hat7 (anders somit bei Entwurfsanfertigung ohne Beglaubigung8), ebenso im Falle der Einreichung einer Anmeldung zur Durchführung einer Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital, wenn zuvor die Unterschrift beglaubigt wurde9 (vgl auch § 55a Rn 28). Im Übrigen dürfte die bloße Unterschriftsbeglaubigung nicht ausreichen, da hier den Notar nur eine eingeschränkte Prüfungspflicht trifft (vgl § 40 BeurkG)10. Diese Zuständigkeit des Notars steht grundsätzlich nicht zur Disposition der Beteiligten11. Hoch umstritten ist die Beurkundung von Rechtsgeschäften, die lediglich mit- 56 telbar, quasi als zwingende gesetzliche Nebenfolge, zum Eintritt einer Ver-

1 U/H/L/Paefgen Rn 115; Scholz/Seibt Rn 58; T. Roth RNotZ 2014, 470, 472 mwN. Die frühere (doppelte) Verpflichtung zur Listeneinreichung durch die Geschäftsführer gemäß § 52 Abs. 2 UmwG aF wurde durch das 3. UmwGÄndG vom 11.7.2011 (BGBl I 1338) gestrichen. 2 Tebben RNotZ 2008, 441, 454; Reymann BB 2009, 506, 508; Harbarth ZIP 2008, 57, 59; Wicke Rn 13. 3 So richtig MünchKomm/Heidinger Rn 160 ff; Herrler GmbHR 2013, 617, 621 f; Scholz/ Seibt Rn 57, 71. 4 Nur mit dieser Einschränkung OLG Brandenburg GmbHR 2013, 309, 310 mit ablehnender Anm Peetz und ablehnender Anm Wachter EWiR 2013, 375; ablehnend auch D. Mayer MittBayNot 2014, 114, 118. 5 So aber OLG Hamm GmbHR 2014, 424 = DNotZ 2014, 539 mit ablehnender Anm Wachter und ablehnender Anm Cramer EWiR 2014, 477; wie hier auch MünchKomm/Heidinger Rn 161. 6 Vossius DB 2007, 2299, 2304; D. Mayer DNotZ 2008, 403, 408; Wicke Rn 13; T. Roth RNotZ 2014, 470, 472; Scholz/Seibt Rn 58. 7 Vossius DB 2007, 2299, 2304; D. Mayer DNotZ 2008, 403, 408; Wälzholz MittBayNot 2008, 425, 435; Wicke Rn 13; OLG München DNotZ 2011, 63. 8 Tebben RNotZ 2008, 441, 452; Wicke NotBZ 2009, 1, 13; MünchKomm/Heidinger Rn 164. 9 So auch R/A/Altmeppen Rn 22; Scholz/Seibt Rn 58; Wicke Rn 13. 10 OLG Hamm NZG 2010, 113, 114 = GmbHR 2010, 205; Vossius DB 2007, 2299, 2303 f; D. Mayer DNotZ 2008, 403, 408; Wicke Rn 13; Scholz/Seibt Rn 59; aA U/H/L/Paefgen Rn 121 mwN. 11 MünchKomm/Heidinger Rn 141; Löbbe GmbHR 2012, 7, 8.

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§ 40 | Liste der Gesellschafter änderung führen1 (zB eine Verschmelzung, bei der zum Aktivvermögen des übertragenden Rechtsträgers eine GmbH-Beteiligung gehört: Anteilsinhaber ist nunmehr der übernehmende bzw der neue Rechtsträger)2: Die Meinungen reichen von einer generellen Zuständigkeit des Notars3 (ungeachtet seiner Kenntnis über den Gesellschafterbestand), für die vor allem das Argument der Rechtssicherheit angesichts der schwierigen Abgrenzung zwischen unmittelbarer und mittelbarer Mitwirkung geltend gemacht wird, über vermittelnde Auffassungen („finale Mitwirkung“4 bzw „Sachnähe und Kenntnis“5) bis hin zur Ablehnung der Zuständigkeit6. So soll sich nach Auffassung des 15. Zivilsenats des OLG Hamm die Notarzuständigkeit nach § 40 Abs. 2 auch für mittelbare Veränderungen qua Umwandlung ergeben7, da dem Gesetz eine Differenzierung zwischen unmittelbaren und mittelbaren Mitwirkungen fremd sei8. Keine (mittelbare) Zuständigkeit des Notars wird nach Auffassung des 27. Zivilsenats des OLG Hamm begründet, wenn der Notar lediglich an der Änderung der Firma des GmbH-Gesellschafters mitgewirkt hat9. Beide Entscheidungen sind indes zweifelhaft: So ist die Firmenänderung des GmbH-Gesellschafters (vgl Rn 8) eine Änderung, die den Notar bereits unmittelbar gemäß § 40 Abs. 2 zuständig macht10. In Umwandlungskonstellationen11 ist es hingegen stets zwingend erforderlich, dass sich der nach § 40 Abs. 2 beurkundende Notar sichere Kenntnis 1 Ausführlich Löbbe GmbHR 2012, 7, 11 ff; T. Roth RNotZ 2014, 470, 472 ff; vgl weiter MünchKomm/Heidinger Rn 171 ff; U/H/L/Paefgen Rn 123 ff; Scholz/Seibt Rn 61 ff. 2 Für diese Konstellation verneinend Vossius DB 2007, 2299, 2304; Wicke Rn 14; Hasselmann NZG 2009, 449; R/A/Altmeppen Rn 16; differenzierend Tebben RNotZ 2008, 441, 452; aA Wälzholz MittBayNot 2008, 425, 435. 3 So H. Schmidt RNotZ 2011, 148, 149; Ising DNotZ 2012, 384, 387; Herrler GmbHR 2010, 431, 432; Bednarz BB 2008, 1854, 1859; OLG Hamm GmbHR 2010, 205 mit Anm Wachter. 4 So Löbbe GmbHR 2012, 7, 11 f; B/H/Zöllner/Noack Rn 56. 5 So D. Mayer ZIP 2009, 1037, 1045; G/E/S/Lücke/Simon Rn 23; OLG Hamm GmbHR 2010, 38, 39 („nur dann sinnvoll, wenn [der Notar] die Beteiligungsverhältnisse zuverlässig kennt“). 6 So T. Roth RNotZ 2014, 470, 474; wohl auch R/A/Altmeppen Rn 23. 7 So auch Wicke NotBZ 2009, 13; Klöckner NZG 2009, 842; Meister NZG 2008, 770; Link RNotZ 2009, 193; Herrler DNotZ 2008, 903; Harbarth ZIP 2008, 57, 59. 8 OLG Hamm GmbHR 2010, 205 mit zustimmender Anm Wachter; zustimmend auch Omlor EWiR 2010, 251 und Herrler/Blath ZIP 2010, 129, 130; vgl weiter Ising DNotZ 2010, 214; Ries NZG 2010, 135 f; zustimmend auch MünchKomm/Heidinger Rn 175, 177; ablehnend indes Berninger DStR 2010, 1292, 1293. 9 OLG Hamm GmbHR 2012, 38 = notar 2012, 63 mit zustimmender Anm Goetze/Zimmermann = DNotZ 2012, 382 mit Anm Ising; zustimmend auch Heilmeier NZG 2012, 217 ff. 10 Richtig MünchKomm/Heidinger Rn 168, 176. 11 Wie hier auch B/H/Zöllner/Noack Rn 56; Berninger GmbHR 2009, 679, 681 f; ausführlich Löbbe GmbHR 2012, 7, 11 ff.

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von allen Drittbeteiligungen verschaffen müsste1. Ähnliche Abgrenzungsschwierigkeiten stellen sich bei einer bloß mittelbaren Mitwirkung im Rahmen einer erbrechtlichen Veränderung (zB Beurkundung des Testaments oder des Erbscheinantrags)2. Wird dem Notar allerdings ein entsprechender Vollzugsauftrag erteilt, dann 57 wird eine Zuständigkeit auch bei mittelbaren Veränderungen regelmäßig angenommen werden können3. Der Praxis zu empfehlen ist in solchen Konstellationen, dass sowohl der Geschäftsführer als auch der Notar die Liste unterzeichnen (gemeinsame Liste) und einreichen4, was zulässig ist5. Nicht zulässig ist hingegen die Einreichung einer vom Geschäftsführer kompetenzwidrig erstellten und unterzeichneten Gesellschafterliste durch den Notar6. Auch die schwierige Bewältigung dieser Problematik zeigt, dass die konkurrierende Doppelzuständigkeit von Geschäftsführer und Notar ein rechtspolitischer Fehler war, der de lege ferenda dringend zugunsten einer generellen Notarzuständigkeit zu korrigieren ist (dazu bereits Rn 4). Bei Mitwirkung mehrerer Notare an einem Vorgang (zB Beurkundung von 58 Angebot und Annahme durch verschiedene Notare) ist vorrangig der entsprechende Vollzugsauftrag maßgeblich7, hilfsweise der Notar, der den letzten für die Wirksamkeit der Veränderung maßgeblichen Akt beurkundet hat8. 2. Pflichten des Notars (§ 40 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2) Die Gesellschafterliste ist vom Notar unverzüglich (Rn 1, 21, 39) „nach Wirk- 59 samwerden der Veränderungen“ zu unterschreiben und beim Handelsregister einzureichen. Um der von § 40 geforderten lückenlosen Transparenz der Beteiligungsveränderungen zu genügen (dazu Rn 5, 22), hat der Notar im Falle mehrerer beurkundeter Veränderungen ggf im Hinblick auf jede Veränderung eine gesonderte Gesellschafterliste einzureichen, und zwar auch dann, wenn diese mehreren Veränderungen nahezu zeitgleich zusammenfallen (zB Teilung und 1 So aber in der Tat D. Mayer DNotZ 2008, 403, 408; Omlor EWiR 2010, 251 f; Heckschen NotBZ 2010, 151 f; Leitzen BB 2010, 985 f. 2 Heckschen ZErb 2008, 246, 251; vgl auch Scholz/Seibt Rn 67; U/H/L/Paefgen Rn 127 ff. 3 So auch D. Mayer DNotZ 2008, 403, 408; Wicke NotBZ 2009, 14; obiter tendenziell auch OLG Hamm GmbHR 2012, 38, 39; aA Heilmeier NZG 2012, 217, 219. 4 R/A/Altmeppen Rn 24; MünchKomm/Heidinger Rn 189 f. 5 Zutreffend OLG Hamm GmbHR 2010, 430 mit zustimmender Anm Herrler = BB 2010, 985 mit zustimmender Anm Leitzen; vgl auch Herrler/Blath ZIP 2010, 129, 130. 6 OLG München GmbHR 2009, 825, 827; dazu auch Gottschalk NZG 2009, 896 ff. 7 Wicke Rn 14a; Wachter ZNotP 2008, 378, 388; R/A/Altmeppen Rn 25; aA U/H/L/Paefgen Rn 133. 8 Dafür generell Vossius DB 2007, 2299, 2304; D. Mayer DNotZ 2008, 403, 408; MünchKomm/Heidinger Rn 162; einschränkend auch OLG München GmbHR 2012, 1367, allerdings in einer Sonderkonstellation.

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§ 40 | Liste der Gesellschafter nachfolgende Übertragung des Geschäftsanteils)1. In Betracht kommt allerdings auch die Einreichung einer einheitlichen Liste mit präzisen „Segelanweisungen“ des Notars an das Registergericht (Rn 22)2. Hilfreich sind in diesem Fall auch Erläuterungen in einer sog Veränderungsspalte (Rn 20). 60 Nach dem Wortlaut von § 40 Abs. 2 besteht die Verpflichtung des Notars – an-

ders als (grds, dazu Rn 49) für die Geschäftsführung nach § 40 Abs. 1 (Rn 48) – losgelöst von jeglicher Mitteilung und weiteren Nachweisen3. Jedoch wird der Notar häufig ohne weitere, ergänzende Informationen keine sichere Kenntnis von der Wirksamkeit der Veränderung erlangen können. Auf Grund seiner Prüfungspflicht (zur Überwachung: Rn 63) darf er jedoch ebenso wie die Geschäftsführung eine geänderte Liste erst dann zum Handelsregister einreichen, wenn er sich vom Wirksamwerden der Änderung sicher überzeugt hat4; wann dieser Grad an sicherer Überzeugung gegeben ist, muss der Notar mangels gesetzlicher Vorgaben nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden5.

61 Zu prüfen hat der Notar insbesondere auch die Voreintragung des Veräußerers

(vgl § 16 Abs. 1 Satz 1)6 und weiterhin, ob es sich bei einer von den Beteiligten vorgelegte Gesellschafterliste um die zuletzt in das Handelsregister aufgenommene Liste handelt7. Zu weitergehenden Nachforschungen im Hinblick auf die inhaltliche Richtigkeit dieser bisherigen Gesellschafterliste ist er indes grundsätzlich nicht verpflichtet8. Stellt sich heraus, dass die Voreintragung nicht mit der aktuell zu beurkundenden Abtretung übereinstimmt, so sollte der Notar grundsätzlich auf die Herbeiführung einer entsprechenden Voreintragung durch die Geschäftsführung der GmbH drängen9.

62 Da ihm gegenüber betroffene Gesellschafter usw nicht zur Auskunft und ggf

auch Nachweisführung verpflichtet sind10, muss der Notar die Beteiligten darauf

1 Hierzu OLG Köln GmbHR 2014, 28 mit Anm Wachter; Scholz/Seibt Rn 30, 73. 2 Zum Ganzen Peetz GmbHR 2014, 1289 ff; Berninger GmbHR 2014, 449 ff. 3 D. Mayer ZIP 2009, 1037, 1047; Hasselmann NZG 2009, 486, 490; Preuß ZGR 2008, 676, 680; aA Reymann BB 2009, 506, 507 f; Wachter ZNotP 2008, 378, 390. 4 ThürOLG GmbHR 2010, 1038; Scholz/Seibt Rn 68; D. Mayer ZIP 2009, 1037, 1046 ff; Wachter ZNotP 2008, 378, 388; weitergehend Herrler DNotZ 2008, 903, 910. 5 Richtig D. Mayer ZIP 2009, 1037, 1047; Scholz/Seibt Rn 68; Hauschild ZIP 2012, 660, 664 f; vgl auch DNotI-Report 2010, 53, 54. 6 Preuß ZGR 2008, 676, 681; D. Mayer ZIP 2009, 1037, 1046; Scholz/Seibt Rn 68; U/H/L/ Paefgen Rn 155; vgl auch DNotI-Report 2010, 53, 54. 7 U/H/L/Paefgen Rn 157; Link RNotZ 2009, 193, 205; vorsichtiger Wachter ZNotP 2008, 378, 392; Wicke NotBZ 2009, 1, 14. 8 Vossius DB 2007, 2299, 2304; Harbarth ZIP 2008, 57, 59; Katschinski/Rawert ZIP 2008, 1993, 2002; Uwe H. Schneider GmbHR 2009, 393, 396. 9 Wie hier Scholz/Seibt Rn 68; U/H/L/Paefgen Rn 156; eingehend DNotI-Report 2010, 53, 54 ff mwN. 10 D. Mayer DNotZ 2008, 403, 409; Vossius DB 2007, 2299, 2304; Preuß ZGR 2008, 676, 681; Scholz/Seibt Rn 69.

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hinweisen, dass er die geänderte Gesellschafterliste erst nach Vorliegen der von ihm benötigten Informationen und Nachweise einreichen kann und wird1, etwa wenn die Zustimmung der GmbH im Falle einer Vinkulierung erforderlich ist2. Aus Gründen der Praktikabilität sollte daher in jeden Abtretungsvertrag eine entsprechende Verpflichtung aufgenommen werden3. Auf die Echtheit und Richtigkeit vorgelegter „Bescheinigungen“ usw darf sich der Notar grundsätzlich verlassen; nur bei Zweifeln4 oder bei spezieller Auftragserteilung (vgl § 24 Abs. 1 BNotO) ist er zu weiteren Nachforschungen verpflichtet5. Verweigert sich ein Neu- bzw Altgesellschafter einer solchen Mitwirkung, dann verstößt er allerdings gegen seine Treuepflicht (dazu bereits Rn 54 sowie allgemein § 14 Rn 29 ff) und kann für eingetretene Schäden haftbar gemacht werden6. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn – wie häufig – aufschiebende Bedin- 63 gungen für den Eintritt der Veränderung vereinbart werden (insbesondere Kaufpreiszahlung, kartellrechtliche Genehmigung usw). Eine Pflicht zur Überwachung im Hinblick auf den Eintritt der Bedingung besteht grundsätzlich nicht7; soweit hierzu kein spezieller Auftrag erteilt wurde, ist für den Notar die Mitteilung durch den Betroffenen (bei Kaufpreiszahlung: Veräußerer) bzw eine einvernehmliche Bestätigung durch den noch eingetragenen Veräußerer und den Erwerber über das Wirksamwerden der Veränderung maßgeblich8. Zur Formulierung einer Vertragsklausel: Wicke NotBZ 2009, 1, 14; D. Mayer ZIP 2009, 1037, 1047. Wird hingegen eine auflösende Bedingung (oder auch eine Rückübertragungs- 64 klausel) vereinbart, dann ist die Veränderung aktuell eingetreten und der Notar hat eine geänderte Liste einzureichen9. Denn mögliche spätere Unwirksamkeitsgründe sind nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Vorschrift unbeachtlich10. Dies bedeutet zugleich, dass den Notar insoweit keine Pflicht zur Überwachung trifft11. Tritt die auflösende Bedingung ein (oder stellt sich im Nachhinein ein 1 D. Mayer DNotZ 2008, 403, 409; Kort GmbHR 2009, 169, 172. 2 D. Mayer ZIP 2009, 1037, 1046; U/H/L/Paefgen Rn 140. 3 D. Mayer DNotZ 2008, 403, 409; Scholz/Seibt Rn 69; DNotI-Report 2010, 53, 54; Ries Liber amicorum Mock, 2009, S. 217, 222; zum Unternehmenskaufvertrag auch Schockenhoff/Höder ZIP 2006, 1841, 1846; Götze/Bressler NZG 2007, 894, 896. 4 Beispiel nach BegrRegE BR-Drucks 354/07, S. 101: fehlende Geschäftsfähigkeit. 5 Vossius DB 2007, 2299, 2304; D. Mayer DNotZ 2008, 403, 409; Kort GmbHR 2009, 169, 172; U/H/L/Paefgen Rn 142. 6 So auch Reymann BB 2009, 506, 509; Scholz/Seibt Rn 70. 7 Wicke Rn 15; Bednarz BB 2008, 1584, 1860; Kort GmbHR 2009, 169, 172; vgl auch D. Mayer DNotZ 2008, 403, 409. 8 Bednarz BB 2008, 1854, 1861; Scholz/Seibt Rn 71; ausführlich Greitemann/Bergjan FS Pöllath, 2008, S. 271, 277 ff. 9 U/H/L/Paefgen Rn 143; Scholz/Seibt Rn 72. 10 D. Mayer DNotZ 2008, 403, 410; Bednarz BB 2008, 1854, 1860; Wicke Rn 15. 11 D. Mayer DNotZ 2008, 403, 410; Kort GmbHR 2009, 169, 172; Wicke Rn 15.

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§ 40 | Liste der Gesellschafter anderer Unwirksamkeitsgrund heraus), dann ist allein die Geschäftsführung im Rahmen ihrer allgemeinen Pflicht zur Nachkontrolle vorangegangener Änderungen (Rn 46) nach § 40 Abs. 1 zur Listenkorrektur verpflichtet1. 65 Hat der Notar eine geänderte Gesellschafterliste eingereicht und nachträglich

eine Unrichtigkeit (ggf durch Hinweis seitens der GmbH: dazu Rn 33) bemerkt, dann hat er zunächst alle Beteiligten zu informieren und um eine Stellungnahme zu bitten2. Ergeben sich dabei erhebliche Zweifel an der Wirksamkeit der Veränderung, dann hat er – ungeachtet der parallelen Zuständigkeit des Geschäftsführers (Rn 32 ff) – die frühere Liste durch Einreichung einer neuen Liste zu korrigieren3. 3. Übermittlung der Gesellschafterliste an die GmbH (§ 40 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2)

66 Der Notar hat die geänderte Gesellschafterliste in Abschrift zeitnah an die

GmbH zu übermitteln4, ggf auch durch Telefax oder E-Mail5. Auf diese Weise kann sich die Geschäftsführung über die Veränderungen informieren6 und bei einer Unrichtigkeit auf eine Korrektur durch den Notar hinwirken (dazu Rn 65, 68)7 oder – so der BGH – auch eigenständig korrigieren (Rn 32 ff, Rn 68 ff). Für die Übermittlung der Liste gilt § 35 (dazu ausführlich § 35 Rn 27, 43 ff) bzw § 10 Abs. 2 Satz 2 (dazu § 10 Rn 9)8. Eine Übermittlung an die beteiligten Gesellschafter ist nicht vorgeschrieben, aber sinnvoll9. 4. Notarbescheinigung (§ 40 Abs. 2 Satz 2)

67 Die vom Notar eingereichte Gesellschafterliste ist zusätzlich mit der Bescheini-

gung des Notars zu versehen, „dass die geänderten Eintragungen den Veränderungen entsprechen, an denen er mitgewirkt hat, und die übrigen Eintragungen mit dem Inhalt der zuletzt im Handelsregister aufgenommenen Liste übereinstimmen“10. Diese Bescheinigung ist ein Vermerk iSv § 39 BeurkG11 – die nicht

1 BegrRegE BR-Drucks 354/07, S. 101; Wicke Rn 11; Scholz/Seibt Rn 72. 2 Zweifelnd im Hinblick auf diese Pflicht MünchKomm/Heidinger Rn 127a. 3 Preuß ZGR 2008, 676, 681; Hasselmann NZG 2009, 486, 492; Herrler NZG 2011, 536, 538; MünchKomm/Heidinger Rn 127; vgl auch Bayer Liber amicorum M. Winter, 2011, S. 9, 37. 4 MünchKomm/Heidinger Rn 224. 5 R/A/Altmeppen Rn 26; U/H/L/Paefgen Rn 163 mwN. 6 U/H/L/Paefgen Rn 164; R/A/Altmeppen Rn 26; Scholz/Seibt Rn 76. 7 BegrRegE BR-Drucks 354/07, S. 101; Wicke Rn 16; Wachter ZNotP 2008, 378, 393. 8 BegrRegE BR-Drucks 354/07, S. 101; D. Mayer DNotZ 2008, 403, 410; Wicke Rn 16. 9 So auch U/H/L/Paefgen Rn 165; B/H/Zöllner/Noack Rn 82; MünchKomm/Heidinger Rn 224. 10 Zu Abweichungen im Wortlaut: D. Mayer ZIP 2009, 1037, 1049. 11 ThürOLG GmbHR 2010, 760 = DNotZ 2010, 793 mit Anm Bettendorf/Mödl.

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wortlautgetreu, aber ihrem Sinn nach der Formulierung in § 40 Abs. 2 Satz 2 entsprechen muss1 – und an die Satzungsbescheinigung gemäß § 54 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 angelehnt2 (dazu § 54 Rn 4); zusammen mit der Kompetenzzuweisung an den Notar soll sie – trotz der abweichenden Beurteilung durch den BGH (Rn 25 f) – die Richtigkeitsgewähr der Gesellschafterliste erhöhen3. Eine Erweiterung der Prüfungspflicht (dazu Rn 60 ff) ergibt sich hieraus für den Notar nicht4. Die Einreichung der Notarbescheinigung erfolgt in der Form des § 39a BeurkG (elektronische Signatur)5 (Rn 38). Eine Unterschrift des Notars unter der Liste und Bescheinigung ist ausreichend6 (vgl auch Rn 38). Die Bescheinigung nach § 40 Abs. 2 Satz 2 ist auch dann zu erteilen, wenn die vorhergehende Liste vor dem 1.11.2008 (Inkrafttreten MoMiG) eingereicht worden ist7. Wird bei der Gründung ein Musterprotokoll verwendet, so ersetzt dieses eine gesonderte Liste der Gründungsgesellschafter (näher § 2 Rn 69), der Notar muss die Angaben in die zu erstellende Liste übertragen8.

VI. Korrektur einer (angeblich) unrichtigen Gesellschafterliste durch den Geschäftsführer und Rechtsschutz 1. Durchführung einer Listenkorrektur Stellt der Geschäftsführer eine Unrichtigkeit der Gesellschafterliste fest oder hat 68 er zumindest begründete Zweifel, so kann ein Recht bzw eine Pflicht zur Listenkorrektur bestehen (vgl bereits Rn 32 ff). Zunächst hat der Geschäftsführer den oder die Betroffenen von der (vermeintlichen) Unrichtigkeit in Kenntnis zu setzen und zur Stellungnahme aufzufordern9. Auch die Gesellschafterver-

1 Dazu OLG Stuttgart GmbHR 2011, 542 mit Anm Wachter EWiR 2011, 501; vgl auch DNotI-Report 2011, 86 f. 2 So auch MünchKomm/Heidinger Rn 226. 3 BegrRegE BR-Drucks 354/07, S. 101; D. Mayer DNotZ 2008, 403, 410 f; ausführlich Wicke BNotZ 2009, 1, 14; Wachter ZNotP 2008, 378, 391 f; MünchKomm/Heidinger Rn 225. 4 Kort GmbHR 2009, 169, 172; Vossius DB 2007, 2299, 2304; D. Mayer DNotZ 2008, 403, 411. 5 ThürOLG GmbHR 2010, 760 = DNotZ 2010, 793 mit zustimmender und ausführlicher Anm Bettendorf/Mödl. 6 LG Dresden ZIP 2009, 1765; Wachter ZNotP 2008, 378, 392; MünchKomm/Heidinger Rn 226; DNotI-Report 2010, 53, 56. 7 OLG München GmbHR 2009, 825 mit Anm Blasche EWiR 2009, 713. 8 MünchKomm/Heidinger Rn 227. 9 BegrRegE BR-Drucks 354/07, S. 102; so nunmehr auch BGH GmbHR 2014, 198 Rn 36 mit Anm Bayer; R/A/Altmeppen Rn 7; Scholz/Seibt Rn 39; vgl bereits Bayer Liber amicorum M. Winter, 2011, S. 9, 38 mwN.

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§ 40 | Liste der Gesellschafter sammlung kann mit der Problematik befasst werden1, jedoch der Geschäftsführung keine Weisungen erteilen2 (dazu bereits Rn 47). Wird über die Korrektur der Gesellschafterliste Einigkeit erzielt, dann hat der Geschäftsführer die Liste zu ändern und zum Handelsregister einzureichen3. 69 Erfolgt indes ein Widerspruch eines Betroffenen – insbesondere des Listenge-

sellschafters – gegen die Korrektur der Gesellschafterliste, dann sollte nach der in der 18. Aufl vertretenen und damals auch herrschenden Auffassung4 der Geschäftsführung eine eigenmächtige Korrektur verwehrt sein, und zwar insbesondere dann, wenn an der vorangegangenen Änderung ein Notar mitgewirkt hat5. Vielmehr sollte der Streit in entsprechender Anwendung von § 67 Abs. 5 AktG grundsätzlich zwischen den Betroffenen ausgetragen werden. Gleichfalls sollte auch die GmbH Klage gegen den nach ihrer Ansicht fehlerhaft Eingetragenen auf Zustimmung zur Änderung der Gesellschafterliste (bzw Rücknahme seines Widerspruchs) erheben können6. Dieser hL7 ist der BGH8 indes nicht gefolgt, sondern hat in freizügiger Auslegung der Gesetzesmaterialien9 (Vorrang des Notars aus § 40 Abs. 2 Satz 1 [Rn 25, 32 ff] betreffe nur „Einreichung“ der Liste, nicht deren „Korrektur“) dem GmbH-Geschäftsführer das Recht zur Listenkorrektur ggf auch gegen den Widerspruch des Listengesellschafters eingeräumt10 (zur Neukonzeption der §§ 16, 40 durch den BGH bereits ausführlich Rn 25). Die Analogie zu § 67 Abs. 5 AktG wird (weil zu umständlich und langwierig) abgelehnt, dem Geschäftsführer im Ergebnis das (vorläufige) Letztentscheidungsrecht über die aktuelle Gesellschafterliste eingeräumt, da andernfalls erhebliche Beeinträchtigungen der GmbH durch einen „unerwünschten Schein1 Uwe H. Schneider GmbHR 2009, 393, 395; zu eng U/H/L/Paefgen Rn 101 und unter Hinweis auf das fehlende – hier nicht bestrittene – Weisungsrecht; offen MünchKomm/Heidinger Rn 120. 2 Wie hier B/H/Zöllner/Noack Rn 38; ausführlich Bayer Liber amicorum M. Winter, 2011, S. 9, 38; großzügiger Scholz/Seibt Rn 39. Abschreckend der Sachverhalt in BGH GmbHR 2014, 198 Rn 36 mit Anm Bayer: Weisung zur Einreichung einer (im Ergebnis unrichtigen) Gesellschafterliste durch die Gesellschaftermehrheit unter Haftungsfreistellung des Geschäftsführers. 3 Bayer Liber amicorum M. Winter, 2011, S. 9, 38; R/A/Altmeppen § 16 Rn 49; ebenso OLG München GmbHR 2012, 398; nunmehr auch BGH GmbHR 2014, 198 Rn 36. 4 So auch R/A/Altmeppen 7. Aufl, § 16 Rn 46; Michalski/Ebbing § 16 Rn 42; Michalski/ Terlau Rn 47; ausführlich Herrler GmbHR 2013, 617, 620 ff. 5 Anders bereits OLG Frankfurt GmbHR 2011, 198, 200 mit zustimmender Anm Biebinger; ausführlich C. Goette/Liebscher DStR 2010, 2038, 2042 ff. 6 Bayer Liber amicorum M. Winter, 2011, S. 9, 38 mwN. 7 So auch OLG Karlsruhe (als Vorinstanz). 8 BGH GmbHR 2014, 198 mit Anm Bayer; zustimmend Lieder NZG 2014, 329, 331; Lieder GmbHR 2016, 271, 273 ff; Paefgen/Franke EWiR 2014, 205. 9 Zu Recht kritisch insoweit Wiersch GWR 2014, 117, 118; vgl weiter Tröger/Scheibenpflug WuB II C. § 46 GmbHG 1.14. 10 BGH GmbHR 2014, 198 Rn 33 ff.

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gesellschafter“ drohen1. Den Schutz des bisherigen Listengesellschafters sieht der BGH dadurch gewährleistet, dass er versuchen könne, die Einreichung der vom Geschäftsführer geänderten Liste im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verhindern (näher Rn 73 ff); gegen einen gutgläubigen Anteilserwerb könne er sich durch einen Widerspruch gemäß § 16 Abs. 3 Satz 3–5 schützen (näher § 16 Rn 91 ff)2. Die Entscheidung ist teilweise kritisch gewürdigt worden3. In der Tat stellt sich 70 die Frage, ob nicht doch der fachkundige und unabhängige Notar besser geeignet ist, den Streit über die Wirksamkeit einer Veränderung iSv § 40 Abs. 1 Satz 1 vorläufig zu entscheiden, als der insoweit zwar formal weisungsfreie (Rn 47), aber faktisch abhängige Geschäftsführer, der ggf als Gesellschafter-Geschäftsführer auch noch eigene Interessen verfolgt. Kritisiert wird auch, dass der BGH den vor der Aktienrechtsreform 1965 bestehenden Streit über die Berechtigung zur Korrektur des Aktienbuches4 in das GmbH-Recht transportiert und die Tür für ein missbräuchliches Verhalten des Geschäftsführers bzw der hinter ihm stehenden Gesellschaftermehrheit öffnet. Auch die Berufung auf die Gesetzesmaterialien überzeugt nicht ganz, heißt es dort im Hinblick auf die Überprüfungspflicht des Geschäftsführer doch nur, dass dessen Pflicht „zur Korrektur einer aus anderen Gründen unrichtigen Liste … unberührt (bleibt)“5, was nichts anderes heißt, als dass dem Geschäftsführer gerade nicht aufgetragen ist, eine Liste des Geschäftsnotars eigenmächtig zu ändern.6 Auch rechtspolitisch ist nicht unbedenklich, wenn der BGH entgegen der gesetzgeberischen Grundentscheidung in § 67 Abs. 5 AktG die Rechtsposition sowohl des Listengesellschafters (als Erwerber) als auch des Veräußerers (durch „Wiedereintragung“) schwächt und ihnen (statt der GmbH) das aktive Handeln (Rechtsweg) aufzwingt7. Die pragmatischen Gegenargumente des BGH sind indes nicht ganz von der 71 Hand zu weisen und sollen – weil auch für die Praxis maßgeblich – hier der weiteren Kommentierung zugrunde gelegt werden. Die bestehende Gefahr für die Rechtsstellung des Listengesellschafters muss daher zu einer Beschränkung des Rechts zur Listenkorrektur in dem Sinne führen, dass der Geschäftsführer eigenmächtig allein den Status quo ante wiederherstellen darf (vgl bereits Rn 33). 1 BGH GmbHR 2014, 198 Rn 37 ff. 2 BGH GmbHR 2014, 198 Rn 39. 3 Seebach DNotZ 2014, 413, 414 ff; Leitzen ZNotP 2014, 42 ff; Tebben DB 2014, 585 ff; Wiersch GWR 2014, 117 ff; Weiler notar 2014, 406, 414 f; gegen Recht zur Listenkorrektur auch U/H/L/Paefgen Rn 99 aE; zustimmend hingegen Lieder NZG 2013, 329 ff; Lieder GmbHR 2016, 271, 273 ff; wohl auch MünchKomm/Heidinger Rn 121; noch abwägend Bayer GmbHR 2014, 202 ff. 4 Nachweise bei MünchKomm/Bayer § 67 AktG Rn 101. 5 BegrRegE BT-Drucks 16/6140, S. 44. 6 Anders Liebscher/Goette DStR 2010, 2038, 2040. 7 Wie hier auch R/A/Altmeppen § 16 Rn 51; Wiersch GWR 2014, 117, 120.

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§ 40 | Liste der Gesellschafter Auch darf die vorläufige Streitentscheidung durch den Geschäftsführer nicht dazu führen, dass im Falle der Rechtswegbeschreitung durch die Listenkorrektur die Beweislast für die Unrichtigkeit der Liste zum Nachteil des widersprechenden (Listen- oder Alt-)Gesellschafters verändert wird1. 72 Zu beachten ist, dass der Geschäftsführer die Liste bei bestehenden Zweifeln

nicht korrigieren muss. Vielmehr kann er die Betroffenen auch darauf verweisen, den Streit entsprechend § 67 Abs. 5 Satz 2 AktG2 untereinander auszutragen3 (Rn 32 aE und Rn 78). So hat jüngst auch das OLG München entschieden und die beantragte einstweilige Verfügung auf Durchführung einer Listenkorrektur (näher Rn 73 ff) abgelehnt4. 2. Rechtsschutz

73 Einen gutgläubigen Erwerb gemäß § 16 Abs. 3 verhindern kann der materiell be-

rechtigte, aber aus der Liste „gelöschte“ Gesellschafter durch einen Widerspruch, der im Wege einer einstweiligen Verfügung durchgesetzt werden kann (näher § 16 Rn 97 ff).

74 Aber auch zur Wahrung seiner Gesellschafterrechte gemäß § 16 Abs. 1 (näher

§ 16 Rn 26 ff) ist für den von der Korrektur betroffenen Gesellschafter die Möglichkeit eröffnet, „ggf im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes (zu) erreichen, dass dem Geschäftsführer die Einreichung der geänderten Gesellschafterliste vorläufig untersagt wird“5. Dies wird regelmäßig der Fall sein, wenn der glaubhaft gemachte Verfügungsanspruch zur Überzeugung des Prozessgerichts besteht6; der Verfügungsgrund, also Rechtsgefährdung und Dringlichkeit, wird angesichts der drohenden Beschneidung der Gesellschafterrechte gemäß § 16 Abs. 1 dann regelmäßig auch vorhanden sein7. Keineswegs wird gesagt werden können, dass der Verfügungsgrund deshalb entfällt, weil in dieser Konstellation die Rechtswirkungen des § 16 (möglicherweise) sowieso nicht zum Zuge kommen8

1 So auch R/A/Altmeppen § 16 Rn 51 („indiskutables Ergebnis“). 2 Dazu ausführlich MünchKomm/Bayer § 67 AktG Rn 113. 3 Richtig R/A/Altmeppen § 16 Rn 48; B/S/Brandes § 16 Rn 6; Henssler/Strohn/Verse § 16 Rn 41. 4 OLG München GmbHR 2015, 1214 mit Anm Römermann. 5 So BGH GmbHR 2014, 198 Rn 39; vgl weiter BegrRegE BR-Drucks 354/07, S. 86; Noack FS Hüffer, 2010, S. 723, 733; U/H/L/Paefgen Rn 104; ausführlich Dittert NZG 2015, 221, 223; Schlosser FS G. Roth, 2011, S. 695, 704; zurückhaltender Liebscher/Alles ZIP 2015, 1, 7 ff; Lieder GmbHR 2016, 271, 272 f. 6 Dazu auch Musielak/Voit/Huber § 935 ZPO Rn 12; Saenger/Rainer/Kemper § 935 ZPO Rn 11; Zöller/Vollkommer § 935 ZPO Rn 6 ff. 7 Ebenso Dittert NZG 2015, 221, 223; aA Lieder GmbHR 2016, 271, 272 f. 8 So aber Liebscher/Alles ZIP 2015, 1, 8.

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(dazu auch § 16 Rn 97 ff). Ausnahmsweise1 kann sogar – trotz (teilweiser) Vorwegnahme der Hauptsache (vgl Anh zu § 47 Rn 90) – auch eine einstweilige Verfügung Erfolg haben, mit der dem Geschäftsführer die Einreichung einer geänderten Liste auferlegt wird. Häufig wird es allerdings auch ausreichen, wenn dem Listengesellschafter bis zum Abschluss eines Hauptsacheverfahrens die Ausübung seiner Gesellschafterrechte untersagt bzw beschränkt wird (vgl auch noch Rn 77)2. Die Pflicht zur Einreichung einer geänderten Liste trifft die GmbH, so dass der 75 wahre Gesellschafter im Hauptsacheverfahren mittels Leistungsklage gegenüber der GmbH (Rn 47) verlangen kann, dass er in einer geänderten Liste als Gesellschafter aufgeführt und diese Liste eingereicht wird3. Dagegen ist eine Feststellungsklage mit dem Ziel, die Gesellschafterstellung gegenüber der GmbH feststellen zu lassen, unzulässig4. Zulässig und ratsam ist hingegen im Rahmen der Leistungsklage eine Zwischenfeststellungsklage gemäß § 256 Abs. 2 ZPO, mit der die Gesellschafterstellung gerichtlich geklärt werden kann5. Waren Klage oder einstweilige Verfügung erfolgreich, so erfolgt die Zwangsvoll- 76 streckung nach Maßgabe von § 888 Abs. 1 ZPO (nicht § 894 ZPO)6 gegenüber der GmbH, die aufgrund der höchstpersönlichen Verpflichtung des Geschäftsführers nunmehr gegen diesen vorgehen müsste (ggf Klage gemäß § 46 Nr. 8, dort Rn 30). Richtigerweise kann jedoch das gegen die GmbH ergangene Urteil bzw die einstweilige Verfügung auch unmittelbar gegenüber dem zum organschaftlichen Handeln verpflichteten Geschäftsführer durchgesetzt werden7. Der wahre Gesellschafter kann indes nicht nur Rechte gegenüber der GmbH gel- 77 tend machen, sondern kann auch von dem (materiell nicht berechtigten) Listengesellschafter Unterlassung bzw Beseitigung der Beeinträchtigung (= Geltendmachung der Gesellschafterstellung) verlangen8. Dieser Anspruch ist verschul1 So auch Liebscher/Alles ZIP 2015, 1, 8 f; großzügiger indes Lieder GmbHR 2016, 271, 272 f; aA KG GmbHR 2016, 417. 2 Dazu ausführlich Lieder GmbHR 2016, 271, 272 f. 3 Scholz/Seibt Rn 45; MünchKomm/Heidinger Rn 88; ausführlich Lieder GmbHR 2016, 189, 190 ff. 4 OLG Hamm GmbHR 2014, 935; zustimmend MünchKomm/Heidinger Rn 88; ausführlich Lieder GmbHR 2016, 189, 193; zweifelnd indes R/A/Altmeppen Rn 5 aE. 5 So OLG Hamm GmbHR 2014, 935 Rn 60 f; ausführlich Lieder GmbHR 2016, 189, 194 f. 6 Die Listeneinreichung ist mehr als die bloße Abgabe einer Willenserklärung, die Einreichung stellt eine höchstpersönliche und damit nicht vertretbare Handlung dar, welche gemäß § 888 ZPO durch die Festsetzung eines Zwangsgelds bzw ersatzweise Zwangshaft zu vollstrecken ist: Musielak/Voit/Lackmann § 888 ZPO Rn 5; Zöller/Stöber § 888 ZPO Rn 2. 7 Zum Ganzen Lieder GmbHR 2016, 189, 192; im Ergebnis ebenso OLG Brandenburg GmbHR 2013, 309 Rn 12. 8 Richtig Schlosser FS G. Roth, 2011, S. 695, 703; ausführlich Lieder GmbHR 2016, 189, 194.

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§ 40 | Liste der Gesellschafter densunabhängig und kann auch gegenüber einem Listengesellschafter geltend gemacht werden, der ohne sein Zutun in die Liste aufgenommen wurde1. Daher hat der BGH recht, wenn er ausführt, dass (hilfsweise) auch im Falle, dass die (unzutreffende) Liste in das Handelsregister aufgenommen wird, dem Listengesellschafter im Wege der einstweiligen Verfügung untersagt werden kann2, Gesellschafterrechte nicht oder nur mit Zustimmung des widersprechenden Verfügungsgläubigers auszuüben3 (dazu bereits Rn 36, 72). 78 Ist ein Listengesellschafter fälschlich eingetragen und widerspricht er einer Lis-

tenkorrektur, so ist der Geschäftsführer auch nach Auffassung des BGH lediglich berechtigt, aber nicht verpflichtet eine korrigierte Liste einzureichen. Auch die GmbH kann in diesem Fall – parallel zur Rechtslage gemäß § 67 Abs. 5 AktG4 – von dem widersprechenden Listengesellschafter die Beseitigung der falschen Eintragung, mithin die Zustimmung zur Listenänderung, klageweise geltend machen5.

79 Klagt die Gesellschaft gegen den eingetragenen Gesellschafter auf Zustimmung

zur Listenänderung, so kann der die Eintragung Ersuchende dem Prozess im Wege der Nebenintervention beitreten. Dazu muss der Beitritt wirksam gemäß § 70 ZPO erklärt werden. Klagt ein möglicher Gesellschafter gegen die Gesellschaft auf Einreichung einer korrigierten Liste, so steht dem derzeit eingetragenen Gesellschafter die Möglichkeit der Nebenintervention auf der Seite der GmbH zu. Die Interventionswirkung kann auch durch Streitverkündung der Gesellschaft gegenüber dem eingetragenen Gesellschafter gemäß §§ 74 Abs. 3, 68 ZPO herbeigeführt werden, Auf diese Weise können sich möglicherweise anschließende Schadensersatzforderungen des ausgetragenen Gesellschafters aufgrund der Interventionswirkung bereits im Ausgangsverfahren unterbunden werden6.

VII. Haftung 1. Schadensersatzpflicht der Geschäftsführer (§ 40 Abs. 3) 80 Während nach § 40 aF bei schuldhafter Pflichtverletzung der Geschäftsführer

nur eine Haftung gegenüber den Gläubigern der GmbH in Betracht kam, nicht aber gegenüber Anteilserwerbern7, haften nunmehr die Geschäftsführer, die ihre

1 Schlosser FS G. Roth, 2011, S. 695, 703; ausführlich Lieder GmbHR 2016, 189, 194. 2 Beispiel KG ZIP 2010, 2047, 2051 f. 3 BGH GmbHR 2014, 198 Rn 39; so auch Liebscher/Alles ZIP 2015, 1, 8 ff; Schlosser FS G. Roth, 2011, S. 695, 703; ausführlich Lieder GmbHR 2016, 271, 272 ff. 4 Für alle: MünchKomm/Bayer § 67 AktG Rn 114 f. 5 Richtig Schlosser, FS G. Roth, 2011, S, 695, 704. 6 Dazu Saenger/Bendtsen § 74 ZPO Rn 2 ff. 7 Für alle Scholz/Uwe H. Schneider 10. Aufl, Rn 26.

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Liste der Gesellschafter | § 40

Pflicht zur Einreichung einer aktualisierten Gesellschafterliste überhaupt nicht, verspätet oder inhaltlich unrichtig erfüllt haben1, zum einen den Gläubigern, zum anderen auch denjenigen Personen, deren Beteiligung sich geändert hat. Geschützt wird dadurch etwa der wahre Anteilsinhaber, der seinen Geschäftsanteil auf Grund einer fehlerhaften Liste nach § 16 Abs. 3 verloren hat, aber auch jeder Gesellschafter (etwa auch der Erbe2), der seine Rechte nach § 16 Abs. 1 nicht geltend machen konnte3. Nicht erfasst ist nach dem Wortlaut der Vorschrift hingegen ein Nichtgesellschafter, der auf Grund einer fehlerhaften Eintragung in die Haftung genommen wurde; er bleibt auf Ansprüche gegen den materiell richtigen Haftungsschuldner beschränkt4. Ein Schadensersatzanspruch von Gläubigern kommt in Betracht, wenn diesen auf Grund der fehlerhaften Liste ein Schaden entsteht, etwa weil sie einen unrichtig Eingetragenen erfolglos in Anspruch nehmen oder den wahren Schuldner erst kostenaufwändig ermitteln müssen oder infolge Verjährung einen Anspruch nicht mehr durchsetzen können5. Erforderlich ist Kausalität zwischen der Pflichtverletzung und dem Schaden6; erforderlich ist auch ein Verschulden7, doch wird dieses analog § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG vermutet8. Es fehlt indes regelmäßig, wenn der Geschäftsführung die Veränderung nicht ordnungsgemäß mitgeteilt und nachgewiesen wurde9. Zur Haftung des Geschäftsführers wegen Pflichtverletzungen im Rahmen der Nachkontrolle einer vom Notar eingereichten Gesellschafterliste einerseits Wachter ZNotP 2009, 82, 91; Preuß ZGR 2008, 676, 701; andererseits Bussian/ Achenbach BB 2010, 778, 780 ff. 2. Notarhaftung Verletzt der Notar schuldhaft seine Amtspflicht aus § 40 Abs. 2 Satz 1, so 81 kommt (allein) eine Haftung nach § 19 BNotO in Betracht10, wobei im Einzelfall zu prüfen ist, wer in den Schutzbereich der Haftung einbezogen ist11. § 40 Abs. 2 1 B/H/Zöllner/Noack Rn 44; R/A/Altmeppen Rn 27. 2 MünchKomm/Heidinger Rn 136. 3 D. Mayer DNotZ 2008, 403, 414; Wicke Rn 18; aA B/H/Zöllner/Noack Rn 47; U/H/L/ Paefgen Rn 183. 4 Wie hier auch MünchKomm/Heidinger Rn 135; R/A/Altmeppen Rn 27; aA B/H/Zöllner/Noack Rn 47 (analoge Anwendung). 5 R/A/Altmeppen Rn 27; Henssler/Strohn/Oetker Rn 21; B/H/Zöllner/Noack Rn 45. 6 B/H/Zöllner/Noack Rn 44; R/A/Altmeppen Rn 27. 7 Uwe H. Schneider GmbHR 2009, 393, 396; Kort GmbHR 2009, 169, 173; MünchKomm/ Heidinger Rn 136. 8 Wie hier R/A/Altmeppen Rn 27; Scholz/Seibt Rn 96; MünchKomm/Heidinger Rn 137. 9 D. Mayer DNotZ 2008, 403, 414; MünchKomm/Heidinger Rn 1362. 10 D. Mayer DNotZ 2008, 403, 415; Vossius DB 2007, 2299, 2304; Kort GmbHR 2009, 169, 173; R/A/Altmeppen Rn 28. 11 Hierzu ausführlich D. Mayer DNotZ 2008, 403, 415; vgl auch Wicke Rn 21; MünchKomm/Heidinger Rn 241.

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Vor § 41 | Recht der Rechnungslegung ist jedoch kein Schutzgesetz iSv § 823 Abs. 2 BGB1. Zweifelhaft – weil Einordnung als Amtspflicht fraglich – ist eine Haftung, wenn die Notarbescheinigung gemäß § 40 Abs. 2 Satz 2 fehlerhaft ist2.

Vor § 41 Recht der Rechnungslegung 1. Normative Grundlagen der Rechnungslegung . . . . . . . . . . . . . . . . 1 2. Ziel der Rechnungslegungsregeln . 32 3. Struktur der Rechnungslegung: Kleine, mittelgroße und große Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . 35

4. Konzernrechnungslegung . . . . . . 45 5. Abschlussprüfung . . . . . . . . . . . . 60 6. GmbH-spezifische Norminterpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88

Im Folgenden abgekürzt zitierte Literatur: Adler/Düring/Schmaltz Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen (A/D/S), 6. Aufl 1995 ff; Baetge/Kirsch/Thiele Bilanzrecht, Kommentar, 2002 ff (B/K/T BilR); Baetge/Kirsch/Thiele Bilanzen, 13. Aufl 2014; Baetge/ Kirsch/Thiele Konzernbilanzen, 11. Aufl 2015; Baumbach/Hopt HGB, 35. Aufl 2012, §§ 238 ff HGB; Beck’scher Bilanz-Kommentar (Beck BK), 9. Aufl 2014; Beck’sches Handbuch der Rechnungslegung (Beck Hb), 1986 ff; Biener/Berneke Bilanzrichtlinien-Gesetz, 1986; Erle Der Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers, 1990; Großkommentar zum HGB (GroßkommHGB), 5. Aufl 2009 ff; Ernst/Seibert/Stuckert KonTraG, KapAEG, StückAG, EuroEG, Textausgabe, 1998; Hartmann Das neue Bilanzrecht und der Gesellschaftsvertrag der GmbH, 1986; IDW (Hrsg), Kapitalgesellschaften- und Co-Richtlinie-Gesetz (KapCoRiLiG), Textausgabe, 2000; Kleindiek Die Zukunft der Rechnungslegung in kleinen und mittleren Unternehmen, in VGR (Hrsg), Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2002, 2003, S. 115; Kölner Kommentar zum Rechnungslegungsrecht (KölnKommRLR), §§ 238342e HGB, 2011; Küting/Pfitzer/Weber Handbuch der Rechnungslegung, Einzelabschluss, 5. Aufl 2002 ff (K/P/W HbRL); Küting/Weber Handbuch der Konzern-Rechnungslegung, 2. Aufl 1998 (K/W HbKonzernRL); Mueller-Thuns Gewinnbezugsrecht und bilanzpolitische Gestaltungsmöglichkeiten in der GmbH, 1989; Münchener Kommentar zum Bilanzrecht (MünchKommBilanzR), Bd 2 (§§ 238-342e HGB), 2013; Russ/Janssen/Götze BilRUG – Auswirkungen auf das deutsche Bilanzrecht, Kommentar zum Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz, 2015; Russ/Janssen/Götze BilRUG – Auswirkungen auf das deutsche Bilanzrecht, 2015; Schiffers/Theile Bilanzrecht der GmbH, 2016; M. Schmidt/Prinz BilRUG in der Praxis, 2016; Witte Der Prüfungsbericht als Informationsträger im Konzern, 1996.

1 B/H/Zöllner/Noack Rn 47; R/A/Altmeppen Rn 28; D. Mayer DNotZ 2008, 403, 415. 2 Wicke Rn 21; MünchKomm/Heidinger Rn 242; D. Mayer DNotZ 2008, 403, 415.

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1. Normative Grundlagen der Rechnungslegung a) In Umsetzung der damals gültigen 4. (BilanzRL), 7. (KonzernbilanzRL) und 1 8. (PrüferbefähigungsRL) gesellschaftsrechtlichen EG-Richtlinie hatte das BiRiLiG vom 19.12.1985 (BGBl I 2355)1 mit Wirkung ab 1.1.1986 für alle Vollkaufleute, darunter auch für die GmbH (§ 6 Abs. 1 HGB, § 13 Abs. 3), ein völlig neues Recht der Rechnungslegung geschaffen (§§ 238 ff HGB). Es wird durch spezielle Bestimmungen zur Bilanzierung, Prüfung und Publizität in Kapitalgesellschaften, also auch in der GmbH ergänzt (§§ 264 ff HGB). Diese kann als Mutterunternehmen zusätzlich zur Konzernrechnungslegung verpflichtet sein (§§ 290 ff HGB). GmbH-spezifische Vorschriften zur Rechnungslegung enthalten die §§ 41–42a2. Soweit sich das PublG auf die GmbH bezog, sind seine Bestimmungen außer Kraft getreten; auch Rechnungslegung und Publizität von Großunternehmen in der Rechtsform der GmbH richten sich seither ausschließlich nach den allgemeinen Bestimmungen. b) Nach ersten Erleichterungen im Zuge des 2. DMBilGÄndG vom 25.7.1994 2 (BGBl I 1682) brachte das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) vom 27.4.1998 (BGBl I 786, 789)3 auch eine Reihe von Änderungen im Recht der Rechnungslegung mit sich, deren Ziel die Stärkung des Instruments Rechnungslegung für die Risikovorsorge und Risikotransparenz in der Kapitalgesellschaft sowie für eine effektivere Kontrolle der Unternehmensleiter war: Verschärfung der inhaltlichen Anforderungen an den Lagebericht (§ 289 Abs. 1 HGB); Neugewichtung der Aufgaben im Verhältnis Vorstand (Geschäftsführer)/Aufsichtsrat/Abschlussprüfer; Neuformulierung der Vorgaben für Gegenstand und Umfang der Abschlussprüfung (§ 317 HGB), für den Prüfungsbericht (§ 321 HGB) und für den Bestätigungsvermerk (§ 322 HGB). Leitlinie des KonTraG war dabei der Ausbau der Abschlussprüfer-Funktion als „Hilfsperson“ des Aufsichtsrats; in prüfungspflichtigen GmbH ohne Aufsichtsrat/Beirat wurden auf diesem Wege die Überwachungsmöglichkeiten der Gesellschafter gestärkt. c) Zeitlich nahezu parallel zum KonTraG beschloss der Gesetzgeber das Kapital- 3 aufnahmeerleichterungsgesetz (KapAEG) vom 20.4.1998 (BGBl I 707)4. Der damit ua neu eingefügte § 264 Abs. 3 HGB befreit unter bestimmten Voraussetzungen Kapitalgesellschaften, die Tochterunternehmen (TU) eines nach § 290 HGB zur Aufstellung eines Konzernabschlusses verpflichteten Mutterunternehmens (MU) sind (dazu Rn 49), von den verschärfenden RL-Vorschriften für Kapitalgesellschaften: jene TU können, wenn sie in den Konzernabschluss des MU ein1 Zum europarechtlichen Hintergrund und zur Gesetzesgeschichte des BiRiLiG zusammenfassend Baumbach/Hopt/Merkt Einl vor § 238 HGB Rn 1 ff. 2 Zur Rechnungslegung der gemeinnützigen GmbH s. Hüttche GmbHR 1997, 1095. 3 Gesetzestext und Materialien bei Ernst/Seibert/Stuckert S. 12 ff. 4 Gesetzestext und Materialien bei Ernst/Seibert/Stuckert S. 125 ff.

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Vor § 41 | Recht der Rechnungslegung bezogen worden sind, ihren Einzelabschluss nach den allgemeinen Bestimmungen der §§ 238–263 HGB aufstellen, müssen §§ 264–289 HGB also nicht beachten. Außerdem entfällt für sie die Verpflichtung zur Abschlussprüfung und zur Publizität nach §§ 316 ff/§§ 325 ff HGB. 4 Die Voraussetzungen der Befreiungsmöglichkeit nach § 264 Abs. 3 HGB sind

später im Zuge des MicroBilG (dazu Rn 23) und des BilRUG (Rn 28) modifiziert worden (s. zur früheren Rechtslage 18. Aufl, Rn 5). Nach der jüngsten Änderung durch das BilRUG, erstmals anwendbar auf das nach dem 31.12.2015 beginnende Geschäftsjahr (Art. 75 Abs. 1 EGHGB), setzt die Befreiung voraus: (1) Zustimmung aller Gesellschafter des TU für das betreffende Geschäftsjahr; (2) Erklärung der Bereitschaft des MU, für die von dem TU bis zum Abschlussstichtag eingegangenen Verpflichtungen im folgenden Geschäftsjahr einzustehen; (3) Einbeziehung des TU in den Konzernabschluss eines MU mit Sitz in einem Mitgliedstaat der EU oder einem anderen EWR-Vertragsstaat1; dieser Konzernabschluss muss im Einklang mit den Vorgaben der BilanzRL 2013/34/EU (dazu Rn 26) und der AbschlussprüferRL 2006/43/EG (Rn 62) aufgestellt und geprüft worden sein; (4) Angabe der Befreiung des TU im Anhang zum Konzernabschluss des MU. Schließlich (5) müssen die publizitätspflichtigen KonzernRLUnterlagen des MU sowie der Zustimmungsbeschluss nach (1) und die Erklärung nach (2) für das TU gemäß § 325 Abs. 1–1b HGB offengelegt worden sein. Diese Offenlegungspflicht seitens des TU entfällt jedoch, soweit bereits das MU die genannten Unterlagen offengelegt hat und sie im BAnz unter dem TU auffindbar sind2. S. auch Rn 9 zur Befreiungsvorschrift des § 264b HGB3 sowie Anh zu § 42a Rn 61 zur Publizitätsvermeidung.

5 d) Als Kapitalgesellschaften sah der Gesetzgeber des BiRiLiG allein AG,

GmbH und KGaA an, nicht die Kapitalgesellschaft & Co, namentlich nicht die GmbH & Co KG. Innerhalb dieser Kombinationsform musste im Konzept des Gesetzes allein die GmbH nach §§ 264 ff HGB Rechnung legen, sich prüfen lassen und publizieren; auch das KonTraG (Rn 2) hatte hieran noch nichts geändert. Nach mehreren Anläufen hatte der EG-Ministerrat jedoch schon Ende 1990 eine ErgänzungsRL (GmbH & CoRL) mit dem Ziel verabschiedet, die Pflichten zur Rechnungslegung, Prüfung und Publizität aus der 4. (Bilanz-) und 7. (Konzernbilanz-)RL zu erweitern: für Deutschland auf offene Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften, sofern deren unbeschränkt haftende 1 Zur Europarechtswidrigkeit der früheren Fassung des § 264 Abs. 3 HGB, soweit nur MU mit Sitz im Inland erfasst waren, s. EuGH GmbHR 2014, 361. 2 Zu weiteren Einzelheiten s. etwa Deubert DB Beilage Nr. 5/2015, S. 41 ff; Oser/Orth/ Wirtz DB 2015, 1729 f; Russ/Tenzer in Russ/Janssen/Götze, BilRUG, Abschnitt D Rn 16 ff; Schiffers GmbHR 2015, 1018, 1020 ff; Schiffers/Theile/Schiffers BilanzR der GmbH, Rn 150 ff. 3 Zum Zusammenspiel der §§ 264 Abs. 3, 264b HGB in mehrstufigen Konzernen s. Scholz BB 2012, 107.

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Gesellschafter sämtlich Gesellschaften in der Rechtsform der AG, KGaA oder GmbH bzw bestimmte Gesellschaften ausländischer Rechtsformen sind. Der deutsche Gesetzgeber kam der Verpflichtung zur Umsetzung jener RL (spätestens bis zum Jahresende 1992) nicht nach, so dass die Kommission im Jahre 1997 gegen die Bundesrepublik ein Vertragsverletzungsverfahren vor dem EuGH einleitete; der Klage wurde mit EuGH-Urteil vom 22.4.19991 stattgegeben. e) Noch im Vorfeld dieser Entscheidung hatte das BMJ den Referentenentwurf 6 eines Kapitalgesellschaften- und Co-Richtlinie-Gesetzes vorgelegt, dessen spätere Realisierung durch das KapCoRiLiG vom 24.2.2000 (BGBl I 154)2 zur bilanzrechtlichen Gleichstellung der Kapitalgesellschaften & Co (genauer: der Personenhandelsgesellschaften ohne mindestens eine natürliche Person als Vollhafter) mit den Kapitalgesellschaften geführt hat (näher Rn 7). Weitere Schwerpunkte jener Novelle waren vor allem die Verschärfung der Sanktionen bei Verletzung der Publizitätspflichten (dazu 16. Aufl, Anh zu § 42a Rn 36 ff) sowie eine Erweiterung der Möglichkeit zum befreienden Konzernabschluss durch Änderung des § 292a HGB (dazu Rn 11). Nach §§ 264a, 335b HGB sind die Vorschriften der §§ 264–335a HGB auch an- 7 zuwenden auf offene Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften, bei denen nicht wenigstens ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person oder offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft oder andere Personengesellschaft mit einer natürlichen Person als persönlich haftender Gesellschafter ist oder sich die Verbindung von Gesellschaften in dieser Art fortsetzt. Dabei enthält § 264c HGB gewisse Anpassungsregelungen, soweit die für Kapitalgesellschaften geltenden RLVorschriften wegen der unterschiedlichen gesellschaftsrechtlichen Strukturen der Personenhandelsgesellschaften auf diese nicht uneingeschränkt übertragen werden können. Der Umfang der so vollzogenen Gleichstellung reicht gleichwohl weiter als es nach dem Wortlaut der Richtlinienvorgabe (s. Rn 6) geboten ist: Neben Personenhandelsgesellschaften, deren persönlich haftende Gesellschafter ausschließlich Kapitalgesellschaften sind, werden auch solche OHG und KG erfasst, bei denen die Funktion des Vollhafters (ggf neben einer Kapitalgesellschaft) von einer Stiftung, einer Genossenschaft oder einem wirtschaftlichen Verein wahrgenommen wird3. Diese Erweiterung ist konsequent, wenn man (wie es jedenfalls dem Konzept des Gesetzgebers entspricht4) die Abschlusspublizität (§§ 325 ff HGB, dazu Anh zu § 42a) als Korrelat der Haftungsbeschränkung auffasst. Sie muss dann für alle Personenhandelsgesellschaften ohne mindestens eine natürliche Person als Vollhafter gelten. 1 2 3 4

EuGH GmbHR 1999, 605. Gesetzestext und Materialien bei IDW (Hrsg) KapCoRiLiG, S. 5 ff. Dazu Ernst DStR 1999, 903 f; Stuckert StuB 1999, 483. S. Begründung zum RegE KapCoRiLiG BR-Drucks 458/99, S. 33.

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Vor § 41 | Recht der Rechnungslegung 8 In der Folge von § 264a HGB ist das formelle und materielle Bilanzrecht des

Zweiten Abschnitts des Dritten Buchs im Grundsatz heute auf alle GmbH & Co KG (und gleichgestellte Gesellschaftsformen) anwendbar. Jene Gesellschaften unterliegen damit zugleich der Publizitätspflicht (s. Anh zu § 42a); die großen und mittelgroßen unter ihnen sind zudem prüfungspflichtig (Rn 60 ff). Und schließlich sind damit auch Konzernspitzen in der Rechtsform der GmbH & Co KG konsolidierungspflichtig, sofern die Schwellenwerte des § 293 HGB (Rn 50) erfüllt sind.

9 Vor dem Hintergrund der bilanzrechtlichen Verschärfungen für Personenhan-

delsgesellschaften ohne eine natürliche Person als Vollhafter gewinnt die Befreiungsmöglichkeit nach § 264b HGB besondere Bedeutung, die im Zuge des BilRUG (Rn 28) leicht modifiziert worden ist. Nach ihr entfallen alle Konsequenzen aus der Regelung des § 264a HGB, wenn die Personenhandelsgesellschaft ohne eine natürliche Person als Vollhafter (1) in den Konzernabschluss eines Unternehmens, das persönlich haftender Gesellschafter dieser Gesellschaft ist, einbezogen ist oder (2) in den Konzernabschluss eines anderen inländischen oder ausländischen (EU/EWR) Mutterunternehmens (MU) einbezogen ist, wenn in diesen Konzernabschluss „eine größere Gesamtheit von Unternehmen einbezogen ist“ (so § 264b Nr. 1 lit b HGB idFd BilRUG), (3) der Konzernabschluss im Einklang mit den Vorgaben der BilanzRL 2013/34/EU (dazu Rn 26) und der AbschlussprüferRL 2006/43/EG (Rn 62) aufgestellt und geprüft worden ist, (4) die Befreiung der Personenhandelsgesellschaft im Anhang des Konzernabschlusses angegeben ist und (5) für die Personenhandelsgesellschaft die publizitätspflichtigen KonzernRL-Unterlagen gemäß § 325 Abs. 1–1b HGB offengelegt worden sind. Diese Offenlegungspflicht seitens der Personenhandelsgesellschaft entfällt jedoch, soweit bereits der persönlich haftende Gesellschafter bzw das MU die genannten Unterlagen offengelegt hat und sie im BAnz unter der Personenhandelsgesellschaft auffindbar sind1. – Der Befreiungstatbestand ähnelt § 264 Abs. 3 HGB (dazu Rn 3 f)2, hat aber weniger strenge Voraussetzungen; er soll auch bei einer Konsolidierung auf freiwilliger Basis Geltung beanspruchen können. Vor diesem Hintergrund ist die Option des § 264b HGB schon früh als ein möglicher Weg beschrieben worden, unerwünschter Jahresabschlusspublizität zu begegnen3.

1 Zu weiteren Einzelheiten s. etwa Deubert DB Beilage Nr. 5/2015, S. 41, 47 f; Russ/Tenzer in Russ/Janssen/Götze, BilRUG, Abschnitt D Rn 148 ff; Schiffers GmbHR 2015, 1018, 1022; Schiffers/Theile/Schiffers BilanzR der GmbH, Rn 3037 ff. 2 Zum Zusammenspiel der §§ 264 Abs. 3, 264b HGB in mehrstufigen Konzernen s. Scholz BB 2012, 107. 3 Heni DStR 1999, 912; Theile GmbHR 2000, 215, 216 ff; s. zu weiteren „Vermeidungsstrategien“ etwa GroßkommHGB/Hüttemann/Meyer § 264a HGB Rn 5 und unten Anh zu § 42a Rn 61.

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f) Das am 26.7.2002 in Kraft getretene Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- 10 und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität (Transparenz- und PublizitätsG – TransPuG) vom 19.7.2002 (BGBl I 2681)1 setzte einen Teil jener Empfehlungen um, die von der Regierungskommission Corporate Governance unterbreitet worden sind2. Es hat seinen Regelungsschwerpunkt im Aktienrecht, brachte allerdings auch neuerliche Änderungen im Recht der Rechnungslegung. Sie betreffen insbesondere die Vorschriften über den Konzernabschluss (§§ 290 ff HGB) und die Abschlussprüfung (§§ 316 ff HGB). Mit § 42a Abs. 4 (dazu § 42a Rn 47 ff) wurde auch im GmbH-Recht das Institut einer förmlichen Billigung des Konzernabschlusses geschaffen. g) Die Internationalisierung der Rechnungslegung macht auch vor der GmbH 11 nicht halt. Der mit dem KapAEG (Rn 3) eingefügte § 292a HGB befreite von der KonzernRL-Pflicht nach §§ 290 ff HGB, wenn das (kapitalmarktaktive) Mutterunternehmen einen Konzernabschluss nach international anerkannten RLGrundsätzen (US-GAAP oder IAS) aufgestellt und nach §§ 325, 328 HGB offengelegt hatte. Die (zeitlich befristete) Befreiungsregelung in § 292a HGB wurde überflüssig, 12 nachdem Europäisches Parlament und Rat die Verordnung zur Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards vom 19.7.2002 (ABlEG Nr. L 243 v. 11.9.2002, S. 1) erlassen hatten (IAS-Verordnung)3. Sie verpflichtet in Art. 4 für die nach dem 31.12.2004 beginnenden Geschäftsjahre alle nach EG-Recht konsolidierungspflichtigen Gesellschaften, ihre Konzernabschlüsse nach internationalen Rechnungslegungsstandards aufzustellen, wenn am jeweiligen Bilanzstichtag ihre Wertpapiere in einem beliebigen Mitgliedsstaat zum Handel in einem geregelten Markt zugelassen sind (kapitalmarktorientierte Gesellschaften). Internationale Rechnungslegungsstandards in diesem Sinne sind nur noch die International Accounting Standards (IAS) bzw – wie alle vom International Accounting Standards Board (IASB) seit dem 1.4.2001 veröffentlichten Regelungen heißen – International Financial Reporting Standards (IFRS)4. Üblicherweise wird zur Bezeichnung jener Standards heute einheitlich von den „IFRS“ gesprochen, worin dann auch die IAS eingeschlossen sind. Voraussetzung für die Anwendbarkeit jener IFRS ist freilich ihre vorherige förmliche Anerkennung durch die Kommission im (reformierten) Regelungsverfahren (Komitologieverfahren) – „endorsement“5. Im Interesse von kapitalmarktorientierten Muttergesellschaften, deren Wertpapiere zum öffentlichen Handel in einem Nichtmitgliedstaat 1 Die Gesetzesmaterialien sind dokumentiert bei Seibert Das Transparenz- und Publizitätsgesetz (TransPuG), 2002. 2 S. Baums (Hrsg), Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001. 3 Dazu etwa van Hulle WPg 2003, 968 ff. 4 Dazu näher Heuser/Theile IFRS-Handbuch, 5. Aufl 2012. 5 Zur Implementierung der IFRS in das europäische (Rechnungslegungs-)Recht s. etwa Buchheim/Knorr/Schmidt KoR 2008, 334 ff; Inwinkl WPg 2007, 289 ff.

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Vor § 41 | Recht der Rechnungslegung der EU zugelassen sind und die zu eben diesem Zweck bislang einen (befreienden) Konzernabschluss nach US-GAAP aufgestellt hatten, gewährte die Verordnung den Mitgliedstaaten freilich das Recht, die zwingende Umstellung auf IFRS um zwei Jahre hinauszuschieben, also erst für die nach Ende 2006 beginnenden Geschäftsjahre vorzusehen (Art. 9). Für die Konzernrechnungslegung nicht kapitalmarktorientierter Gesellschaften sowie für den Einzelabschluss rechnungslegungspflichtiger Gesellschaften (seien sie am Kapitalmarkt aktiv oder nicht) räumt die IAS-Verordnung den Mitgliedstaaten ein mehrdimensionales Wahlrecht ein: Sie können gestatten oder vorschreiben, dass auch nicht kapitalmarktorientierte Gesellschaften nach den IFRS konsolidiert Rechnung legen; und ebenso können die Mitgliedstaaten gestatten oder vorschreiben, dass die Jahresabschlüsse nach jenen internationalen Standards aufzustellen sind (Art. 5). 13 h) Der deutsche Gesetzgeber hat die IAS-Verordnung (Rn 12) mit dem „Gesetz

zur Einführung internationaler Rechnungslegungsstandards und zur Sicherung der Qualität der Abschlussprüfung“ (BilanzrechtsreformG – BilReG) vom 4.12. 2004 (BGBl I 3166) umgesetzt1. Danach sind, über die Regelung in Art. 4 der IAS-Verordnung hinaus, auch jene Mutterunternehmen der Pflicht zur Konzernrechnungslegung nach IFRS unterworfen, die zum Bilanzstichtag die Zulassung ihrer Wertpapiere zum Handel in einem geregelten Markt erst beantragt haben (§ 315a Abs. 2 HGB). Von der Option nach Art. 9 IAS-Verordnung (Rn 12) hatte der deutsche Gesetzgeber Gebrauch gemacht (Art. 57 Satz 1 EGHGB); seit Ablauf der Karenzzeit (für nach dem 31.12.2006 beginnende Geschäftsjahre) sind alle konsolidierungspflichtigen kapitalmarktorientierten Mutterunternehmen kraft europäischen Rechts gezwungen, ihre Konzernabschlüsse einheitlich nach IFRS aufzustellen. S. im Übrigen Rn 58 f.

14 Nicht kapitalmarktorientierten Mutterunternehmen – also solchen, die ih-

ren Konzernabschluss nicht schon zwingend auf der Grundlage von IFRS aufstellen müssen – gewährt der deutsche Gesetzgeber im BilReG ein Wahlrecht gemäß § 315a Abs. 3 HGB: Sie können entweder nach IFRS (mit den darin geregelten Berichtsinstrumenten) oder nach §§ 290 ff HGB konsolidiert Rechnung legen (§ 315a Abs. 3 HGB). Ein Unternehmen, das von seinem Wahlrecht zugunsten der IFRS-Konzernrechnungslegung Gebrauch macht, hat die internationalen Standards und die durch § 315a Abs. 1 HGB für anwendbar erklärten Vorschriften des HGB (näher Rn 58) vollständig zu befolgen (§ 315a Abs. 3 Satz 2 HGB).

15 Demgegenüber hat das BilReG für den HGB-JA (Einzelabschluss) aller rech-

nungslegungspflichtigen Kapitalgesellschaften an der zwingenden Bilanzierung nach HGB festgehalten. Zu Recht: Andernfalls würde dem tradierten System des Gläubigerschutzes in der Kapitalgesellschaft mit seinen Verknüpfungen zwi1 Erläuterungen und Materialien bei Biener Bilanzrechtsreform 2005, BilReG/BilKoG, 2005.

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schen Bilanz- und Gesellschaftsrecht das Fundament entzogen1. Einem nach IFRS (freiwillig) erstellten Einzelabschluss kommt befreiende Wirkung deshalb nur in sehr engem Rahmen zu: Kapitalgesellschaften können statt ihres HGB-JA einen Einzelabschluss nach IFRS im BAnz bekannt machen lassen (§ 325 Abs. 2a HGB; näher Anh zu § 42a Rn 36). Auf diese Substitutionsfunktion hinsichtlich der Publizität bleibt der IFRS-Abschluss dann aber auch beschränkt. Die Zahlungsbemessung richtet sich weiterhin ausschließlich nach dem (obligatorischen) HGB-JA; s. § 42a Rn 51. i) Nur wenige Tage nach dem BilReG trat das „Gesetz zur Kontrolle von Unter- 16 nehmensabschlüssen“ (BilanzkontrollG – BilKoG) vom 15.12.2004 (BGBl I 3408) in Kraft. Es hat der (privatrechtlich organisierten) „Prüfstelle für Rechnungslegung“ die Befugnis zur Kontrolle der Rechnungslegung börsennotierter Unternehmen zugewiesen (§§ 342b ff HGB). Werden die von der Prüfstelle unterbreiteten Vorschläge zur Fehlerbeseitigung nicht umgesetzt, so wird (auf einer zweiten Stufe) die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht tätig (§§ 37n ff WpHG). Wegen ihrer betont kapitalmarktbezogenen Ausrichtung ist auf jene Gesetzesbestimmungen in dieser Kommentierung nicht weiter einzugehen. j) Seit dem 1.1.2007 gelten die Vorgaben des „Gesetzes über elektronische Han- 17 delsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister“ (EHUG) vom 10.11.2006 (BGBl I 2553)2. Sie haben – neben der Umstellung auf die elektronische Führung des Handelsregisters – zu erheblichen Änderungen hinsichtlich der Jahresabschlusspublizität (§§ 325 ff HGB) geführt, die erstmals für das nach dem 31.12.2005 beginnende Geschäftsjahr Anwendung fanden3. Damit wurde die AbänderungsRL 2003/58/EG vom 15.7.2003 in Bezug auf die Offenlegungspflichten von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen umgesetzt. Seither sind alle offenzulegenden RLUnterlagen beim Betreiber des (heute nur noch elektronisch geführten) BAnz einzureichen und im BAnz bekannt machen zu lassen (§ 325 HGB). Auch das Sanktionssystem wurde neu geordnet: Bei Verletzung der gesetzlichen Publizitätspflicht leitet das seinerzeit neu geschaffene Bundesamt für Justiz von Amts wegen ein Ordnungsgeldverfahren ein (§ 335 HGB). Einzelheiten der Publizitätspflicht werden im Anh zu § 42a erläutert. k) Das Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisie- 18 rungsG – BilMoG) vom 25.5.2009 (BGBl I 1102)4, dessen RegE vom Mai 20085 im Zuge der parlamentarischen Beratung noch einige Änderungen erfahren 1 Nähere Begründung bei Kleindiek VGR Bd 6, 2003, S. 115 ff. 2 Erläuterungen und Materialien bei Noack Das neue Gesetz über elektronische Handelsund Unternehmensregister – EHUG, 2007. 3 Hierzu etwa Clausnitzer/Blatt GmbHR 2006, 1303, 1306 ff; Liebscher/Scharff NJW 2006, 3745, 3749 ff; Seibert/Decker DB 2006, 2446, 2450 f. 4 Erläuterungen und Materialien bei Ernst/Naumann Das neue Bilanzrecht, 2009. 5 BT-Drucks 16/10067; einführend zum RegE BilMoG etwa Ernst ZGR 2008, 631.

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Vor § 41 | Recht der Rechnungslegung hatte1, hat zu einer nachhaltigen Reform des HGB-Bilanzrechts geführt. Im Zentrum des BilMoG stehen die modernisierten Ansatz- und Bewertungsvorschriften für den JA (HGB-Einzelabschluss), mit denen das HGB-Bilanzrecht – so die Begründung zum RegE – zu einer im Verhältnis zu den internationalen Rechnungslegungsstandards „gleichwertigen (vollwertigen), aber kostengünstigeren und einfacheren Alternative“ weiterentwickelt und dauerhaft aufrechterhalten werden soll. Bezugspunkt jener Voll- bzw Gleichwertigkeit ist die Informationskraft der beiden Regelwerke. Ziel des BilMoG ist der nachhaltige Ausbau der Informationsfunktion des HGB-Abschlusses. Es will die Prinzipien und Grundsätze des deutschen Bilanzrechts nicht aufgeben, die handelsrechtliche Rechnungslegung aber „maßvoll an die IFRS annähern“; dabei soll die HGB-Bilanz weiterhin Grundlage der gesellschaftsrechtlichen Ausschüttungsbemessung und der steuerlichen Gewinnermittlung bleiben. Vor diesem Hintergrund versteht der Gesetzgeber das BilMoG als Alternative zu dem (im Februar 2007 vom IASB vorgelegten) Standardentwurf „IFRS für kleine und mittlere Unternehmen“2, den die Begründung zum RegE angesichts seiner Komplexität und Regelungsdichte zu Recht als „ungeeignet“ angesehen hat, den Bedürfnissen des Mittelstandes in ausreichender Weise Rechnung zu tragen3. 19 Die Stärkung der Informationsfunktion handelsrechtlicher Rechnungslegung

sucht das BilMoG ua durch Beseitigung bestehender Ansatz-, Ausweis- und Bewertungswahlrechte zu erreichen, etwa durch die Aufhebung der umgekehrten Maßgeblichkeit (früher § 5 Abs. 1 Satz 2 EStG), durch die Abschaffung der früheren Aufwandsrückstellungen nach § 249 Abs. 2 HGB aF oder durch die Pflicht zur Aktivierung eines entgeltlich erworbenen Geschäfts- oder Firmenwertes, der im Wege einer Fiktion zum Vermögensgegenstand erklärt wird (§ 246 Abs. 1 Satz 4 HGB) und planmäßiger Abschreibung unterliegt. Die im RegE noch vorgesehene Pflicht zur Aktivierung selbst geschaffener immaterieller Vermögensgegenstände des Anlagevermögens ist allerdings durch ein entsprechendes Wahlrecht ersetzt worden (§ 248 Abs. 2 Satz 1 HGB), das an die Stelle des früheren Aktivierungsverbots (§ 248 Abs. 2 HGB aF) getreten ist; werden solche Vermögensgegenstände im JA (nach wie vor nicht in der Steuerbilanz: § 5 Abs. 2 EStG) aktiviert, geht damit eine Ausschüttungssperre einher (§ 268 Abs. 8 HGB).

20 Änderungen hat das BilMoG auch für die Bewertungsvorschriften des HGB-Bi-

lanzrechts mit sich gebracht. An den Anschaffungs- und Herstellungskosten als

1 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses v. 24.3.2009, BT-Drucks 16/ 12407; hierzu etwa Ernst/Seidler BB 2009, 766. 2 Der IFRS for Small and Medium-sized Entities (IFRS for SMEs) wurde im Juli 2009 verabschiedet; dazu etwa Beiersdorf/Eierle/Haller DB 2009, 1549; Winkeljohann/Morich BB 2009, 1630. 3 Alle Zitate aus der Begründung zum RegE BilMoG, BT-Drucks 16/10067, S. 1 und 33 f. Vgl auch Kleindiek GmbHR 2010, 1333, 1336 ff.

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Obergrenze der Bewertung ist aber festgehalten worden; allein Kreditinstitute haben ihre zu Handelszwecken erworbenen Finanzinstrumente mit dem beizulegenden Zeitwert (fair value) zu bewerten (§ 340e Abs. 3 und 4 HGB mit § 255 Abs. 4 HGB). Die auf den JA (HGB-Einzelabschluss) bezogenen Reformmaßnahmen des BilMoG umfassen zudem ausgebaute Angabepflichten im Anhang, die zum Teil Vorgaben der AbänderungsRL 2006/46/EG umsetzen. Sie werden durch Neuerungen in der HGB-Konzernrechnungslegung ergänzt. Die mit dem BilMoG vollzogenen Rechtsänderungen waren überwiegend erst- 21 mals für nach dem 31.12.2009 beginnende Geschäftsjahre zwingend anzuwenden (Art. 66 Abs. 3 Satz 1 EGHGB); freiwillig konnten sie (dann aber nur insgesamt, nicht partiell) auch schon vorzeitig auf nach dem 31.12.2008 beginnende Geschäftsjahre angewandt werden (Art. 66 Abs. 3 Satz 6 EGHGB); s. näher 17. Aufl, Rn 26. – Die wesentlichen Neuerungen im Recht des Einzelabschlusses, die das BilMoG mit sich brachte, werden im Rahmen der Erläuterungen zu § 42 (insbesondere § 42 Rn 25 ff) skizziert. l) Im März 2012 ist die Richtlinie 2012/6/EU (MicroRL; ABlEU Nr. L 81 v. 22 21.3.2012, S. 3) verabschiedet worden, die den Mitgliedstaaten die Option gewährt, Kleinstunternehmen (micro entities) die Aufstellung einer verkürzten Bilanz sowie GuV zu erlauben und sie von bestimmten weiteren, vor allem in der (seinerzeit noch geltenden) 4. (Bilanz-)RL normierten Pflichten zu befreien: ua Erstellung eines Anhangs, generelle Bekanntmachung des Jahresabschlusses. Die MicroRL ist durch das Kleinstkapitalgesellschaften-Bilanzrechtsänderungs- 23 gesetz (MicroBilG) vom 20.12.2012 (BGBl I 2751)1 umgesetzt worden. Dessen Regelungen gewähren Erleichterungen für Kleinstkapitalgesellschaften, welche (an den Abschlussstichtagen von zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren; zu weiteren Einzelheiten s. § 267a Abs. 1 iVm § 267 Abs. 4–6 HGB) mindestens zwei dieser drei Größenmerkmale nicht überschreiten: (1) 350 000 Euro Bilanzsumme; (2) 700 000 Euro Umsatzerlöse in den zwölf Monaten vor dem Abschlussstichtag; (3) im Jahresdurchschnitt zehn Arbeitnehmer. Zur Ermittlung der Bilanzsumme s. § 267 Abs. 4a HGB idFd BilRUG (Rn 28); zur Neuabgrenzung der Umsatzerlöse durch § 277 Abs. 1 HGB idFd BilRUG s. die Erläuterungen § 42 Rn 7. Solche Kleinstkapitalgesellschaften können die für kleine Gesellschaften iSd 24 § 267 Abs. 1 HGB (s. Rn 37 und 40) bestehenden Erleichterungen weiterhin nutzen (so ausdrücklich § 267a Abs. 2 HGB; mit Einschränkung nach § 276 Satz 2 HGB, s. § 42 Rn 9). Ihnen werden aber zusätzliche Erleichterungen gewährt: 1 Dazu etwa Küting/Eichenlaub DStR 2012, 2615 ff; Wader/Stäudle WPg 2013, 249 ff.

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Vor § 41 | Recht der Rechnungslegung Kleinstkapitalgesellschaften (a) dürfen unter bestimmten Voraussetzungen auf einen Anhang verzichten (s. § 42 Rn 11), (b) brauchen nur eine weiter verkürzte Bilanz aufzustellen (s. § 42 Rn 6), (c) dürfen ihre GuV vereinfacht darstellen (s. § 42 Rn 9) und (d) können ihrer Pflicht zur Offenlegung der Bilanz – statt durch Bekanntmachung im (elektronisch geführten) Bundesanzeiger – auch durch Hinterlegung beim Betreiber des Bundesanzeigers (in elektronischer Form) nachkommen. Interessenten wird dann auf Antrag eine Kopie der Bilanz (über das Unternehmensregister in ebenfalls elektronischer Form) übermittelt (näher Anh zu § 42a Rn 26 ff). Diese Erleichterungen konnten erstmals für Jahresabschlüsse in Anspruch genommen werden, die sich auf einen nach dem 30.12.2012 liegenden Abschlussstichtag beziehen (Art. 70 EGHGB). 25 Durch das BilRUG (Rn 28) ist § 267a HGB um einen neuen Abs. 3 erweitert

worden. Er bestimmt, dass die Erleichterungen für Kleinstkapitalgesellschaften keine Anwendung finden auf Investmentgesellschaften, Unternehmensbeteiligungsgesellschaften sowie andere Unternehmen, deren einziger Zweck Erwerb, Verwaltung und Verwertung von Unternehmensbeteiligungen sind, ohne dass dabei in die Verwaltung dieser Unternehmen eingegriffen wird1.

26 m) Mittlerweile sind die 4. (Bilanz-)RL und die 7. (Konzernbilanz-)RL (Rn 1)

aufgehoben und in der neuen BilanzRL 2013/34/EU (ABlEU Nr. L 182 v. 19.6. 2013, S. 19) zusammengeführt worden2. Die BilanzRL 2013/34/EU wurde alsbald durch die (Änderungs-)RL 2014/95/EU (ABlEU Nr. L 330 v. 15.11.2014, S. 1) novelliert; die ÄnderungsRL enthält Vorgaben zur Berichterstattung insbesondere über Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelange, über die Beachtung der Menschenrechte sowie über Maßnahmen zur Korruptions- und Bestechungsbekämpfung (sog CSR-Reporting, Corporate Social Responsibility) als Teil der Lageberichterstattung großer Unternehmen von öffentlichem Interesse mit mehr als 500 Mitarbeitern3.

27 Seit März 2016 liegt der Referentenentwurf für ein CSR-Richtlinie-Umset-

zungsgesetz vor, das (für die betroffenen Unternehmen) die Einführung einer Pflicht zur Abgabe einer nichtfinanziellen Erklärung innerhalb oder außerhalb des Lageberichts vorsieht4.

1 Weiterführend Henckel/Rimmelspacher DB Beilage Nr. 5/2015, S. 37 ff; Schiffers GmbHR 2015, 1018, 1019 f. 2 Dazu etwa Velte GmbHR 2013, 1125 ff. 3 Dazu etwa Spießhofer NZG 2014, 1281 ff. 4 Einführend dazu Kumm/Woodtli Der Konzern 2016, 218 ff.

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n) Den Vorgaben der BilanzRL 2013/34/EU (Rn 26) trägt das Bilanzrichtlinie- 28 Umsetzungsgesetz – BilRUG vom 17.7.2015 (BGBl I 1245) Rechnung1. Im Zuge des BilRUG sind – ua – die Schwellenwerte zur Abgrenzung der Größenklassen nach § 267 HGB sowie für die größenabhängigen Befreiungen im Rahmen der Konzernrechnungslegung (§ 293 HGB) angehoben und eine Reihe von Änderungen in den gesetzlichen Vorgaben für den Jahresabschluss (Bilanz, GuV und Anhang) vorgenommen worden. Weitere Korrekturen betreffen Prüfung und Offenlegung, die Abgrenzung der zur Konzernrechnungslegung verpflichteten Unternehmen sowie einzelne Bestimmungen für den Konzernabschluss2. Schließlich ist durch die neu eingefügten §§ 341q–341y HGB – ebenfalls in Umsetzung entsprechender Richtlinienvorgaben und mit dem Ziel der Korruptionsbekämpfung – eine jährliche Berichtspflicht über Zahlungen an staatliche Stellen (sog Country-by-Country-Reporting) für solche Unternehmen geschaffen worden, die in der mineralgewinnenden Industrie tätig sind oder Holzeinschlag in Primärwäldern betreiben, sofern sie den Bestimmungen für große Kapitalgesellschaften oder Personenhandelsgesellschaften iSd § 264a HGB unterliegen3. Die durch das BilRUG geänderten Bestimmungen sind ganz überwiegend erst- 29 mals anzuwenden auf die Rechnungslegung für das nach dem 31.12.2015 beginnende Geschäftsjahr (Art. 75 Abs. 1 EGHGB). Die angehobenen Schwellenwerte zur Abgrenzung der Größenklassen nach § 267 HGB (s. Rn 37) sowie für die größenabhängigen Befreiungen im Rahmen der Konzernrechnungslegung nach § 293 HGB (Rn 50) und der geänderte Begriff der Umsatzerlöse gemäß § 277 Abs. 1 HGB (s. § 42 Rn 7) können – allerdings nur insgesamt – wahlweise auch schon vorzeitig, nämlich auf die Rechnungslegung für ein nach dem 31.12.2013 beginnendes Geschäftsjahr angewendet werden (Art. 75 Abs. 2 EGHGB). Einzelheiten der mit dem BilRUG geänderten Vorschriften werden im jeweiligen thematischen Zusammenhang – insbesondere im Rahmen der Erläuterungen zu § 42 und Anh zu § 42a – skizziert. o) Zu den normativen Grundlagen der Abschlussprüfung, zur EU-Abschluss- 30 prüfungsreform 2014 und ihrer Umsetzung durch Abschlussprüferaufsichtsreformgesetz (APAReG) und Abschlussprüfungsreformgesetz (AReG) s. Rn 62 f. p) Die Darstellung des Rechts der Rechnungslegung von der Buchführung bis 31 zur Publizität geschieht in diesem Kommentar wie folgt: Überblick über die 1 Gesetzesmaterialien bei M. Schmidt/Prinz BilRUG in der Praxis, 2016; einführend zum BilRUG etwa Oser/Orth/Wirtz DB 2015, 1729 ff; Schiffers GmbHR 2015, 1018 ff. – S. auch den RegE BilRUG v. 26.7.2013, BT-Drucks 18/4050 (dazu Blöink/Knoll-Biermann Der Konzern 2015, 16 ff) sowie Bericht und Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses v. 17.6.2015, BT-Drucks 18/5256. 2 Speziell dazu etwa Zwirner/Busch Der Konzern 2016, 113. 3 Näher etwa Blöink/Knoll-Biermann Der Konzern 2015, 16, 75 ff; Keller/Schmid BB 2014, 2283 ff; Oser/Orth/Wirtz DB 2015, 1729, 1738; Oser/Straß DB 2015, 2825, 2826 f; Zwirner/Vodermeier DB 2016, 965 ff.

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Vor § 41 | Recht der Rechnungslegung Ziele der Rechnungslegung und ihre Struktur einschließlich der Konzernrechnungslegung und der Abschlussprüfung1 hier Vor § 41; Buchführungspflicht der Geschäftsführer in § 41; Aufstellung des Einzel- und des Konzernabschlusses, Grundsätze der Bilanzierung nach HGB und besondere Bestimmungen zur Rechnungslegung in der GmbH in § 42; Feststellung des JA etc in § 42a; Publizität im Anh zu § 42a. – S. auch § 46 Rn 2 ff zur Gesellschafterkompetenz für die Feststellung des JA sowie Anh zu § 47 Rn 24 und 57 f zur Nichtigkeit bzw Anfechtbarkeit des Feststellungsbeschlusses.

2. Ziel der Rechnungslegungsregeln 32 Ziel der Rechnungslegungsregeln für Kapitalgesellschaften ist es insbesondere,

die Informationsbelange sowohl der Gesellschaftsgläubiger, der Arbeitnehmer und sonstiger Dritter als auch die der Gesellschafter, namentlich die der nicht an der Geschäftsführung beteiligten oder sonstwie außenstehenden Gesellschafter zu befriedigen; zudem wird mit der Rechnungslegung die gute Unternehmensführung (corporate governance) unterstützt (vgl Erwägungsgründe 3 und 4 der BilanzRL 2013/34/EU, Rn 26). – Die Gesellschafter sollen durch die Rechnungslegung in die Lage versetzt werden, die Geschäftsführung zu überwachen und ggf ihre Rechte nach § 51a auszuüben; Rechnungslegung ist Rechenschaftslegung2. Bedeutsam ist die Rechnungslegung überdies für die Bewertung der Geschäftsanteile. – Den aktuellen und den potentiellen Gesellschaftsgläubigern dient die Rechnungslegung als wichtige Unterlage bei der Prüfung der bestehenden und fortbestehenden Kreditwürdigkeit der Gesellschaft. Dabei geht es, wie § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB zeigt, nicht bloß um die Frage, ob das Aktivvermögen der Gesellschaft ihre Schulden übersteigt, sondern weiter gehend um die augenblickliche und überschaubar künftige Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage der Gesellschaft. – In der Tradition des deutschen Bilanzrechts stehend zielen die Bestimmungen schließlich auch (direkt und nicht bloß reflexiv) darauf ab, die Selbstinformation der Geschäftsführer durchgreifend zu verbessern3. Über diese Informationsfunktionen hinaus sind die gesetzlich kodifizierten Rechnungslegungsregeln für den Einzelabschluss zugleich Bestandteil eines ausgefeilten Gesamtsystems des Unternehmensrechts, das durch die Maßgeblichkeit der Handels- für die Steuerbilanz und durch enge Verzahnungen von Bilanz- und Gesellschaftsrecht (etwa im Rahmen von §§ 29, 30, 31) gekenn-

1 Ausführlicher zur Abschlussprüfung noch 18. Aufl, Anh zu § 42. 2 Dazu Busse v. Colbe in Sandrock/Jäger (Hrsg), Internationale Unternehmenskontrolle und Unternehmenskultur, 1994, S. 37; Kleindiek ZGR 1998, 466; Kleindiek GmbHR 2010, 1333, 1337; Lutter in IDW (Hrsg), Bericht über die Fachtagung 1991 des IDW, 1992, S. 409. 3 Dazu Lutter DB 1979, 1285, 1287; Priester in Bierich ua, Rechnungslegung nach neuem Recht, 1980, S. 227.

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zeichnet ist1. Dabei stellt der Gesetzgeber den JA in den Dienst eines mehrdimensionalen Interessenausgleichs im Blick auf Gesellschaft, Gesellschafter und Gläubiger. Insbesondere wo Akteure unter dem Schutz der Haftungsbeschränkung wirtschaften, kommt der regelkonform erstellten HGB-Bilanz eine zentrale Funktion bei der gläubigerschützenden Sicherung der Unternehmenssubstanz zu. – Um all diese Ziele zu erreichen, sind die gesetzlichen Bestimmungen „halbzwingend“ (s. Rn 88) ausgestaltet: Es sind dies zwingende Mindestregelungen, die der Gesellschaft Raum lassen, darüber hinauszugehen; der Gesellschaftsvertrag kann dies den Geschäftsführern auch vorschreiben2. Diese Ziele lassen sich allenfalls eingeschränkt erreichen, wenn die GmbH als 33 Mutter- oder Tochterunternehmen in einen Konzern einbezogen ist. Der Lieferungs- und Leistungsverkehr zwischen den Konzernunternehmen ist anders zu beurteilen als der über den Markt3. Um die wirtschaftliche Situation einer konzernverflochtenen GmbH beurteilen zu können, benötigen die Adressaten der Rechnungslegung zusätzliche Informationen über die Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage des Gesamtkonzerns (vgl § 297 Abs. 2 Satz 2 HGB), welche der Konzernabschluss liefern soll (dazu Rn 45 ff). Seine Adressaten sind auf den Ebenen der Mutter- und der Tochtergesellschaft deren jeweilige Gesellschafter, Mitglieder der Geschäftsleitung, Gläubiger und sonstige Dritte. In den prüfungspflichtigen Gesellschaften (dazu Rn 60), deren Rechnungslegung 34 von einem Abschlussprüfer geprüft werden muss (§§ 316 ff HGB), verfolgt das Gesetz weitere Ziele: Die obligatorische Abschlussprüfung soll den Aussagewert der Rechnungslegung absichern und damit die in ihr enthaltenen Informationen qualitativ verbessern. Daneben will das Gesetz diejenigen, denen innerhalb der Gesellschaft die Überwachung der Geschäftsführung zugewiesen ist, also die Gesellschaftergesamtheit und ggf den Aufsichtsrat, durch den Abschlussprüfer fachkundig unterstützen lassen (arg § 321 HGB, § 42a); eben jenes Ziel war auch Leitidee der mit dem KonTraG eingeführten Änderungen (Rn 3). Damit kommt die Abschlussprüfung insbesondere den nicht an der Geschäftsführung beteiligten und den sonstwie außenstehenden Gesellschaftern zugute.

3. Struktur der Rechnungslegung: Kleine, mittelgroße und große Kapitalgesellschaften a) Unabhängig von ihrer Größe hat jede GmbH einen aus der Bilanz sowie GuV 35 bestehenden (§ 242 Abs. 3 HGB) und um einen Anhang erweiterten JA aufzustellen (§ 264 Abs. 1 Satz 1 HGB). Im Zuge des BilMoG (Rn 18) wurde der JA kapitalmarktorientierter Kapitalgesellschaften (zum Begriff Rn 38), die nicht zur 1 Näher Kleindiek VGR Bd 6, 2003, S. 115, 124 ff. 2 A/D/S Vor § 41 GmbHG Rn 3; Hommelhoff/Priester ZGR 1986, 463, 472 f. 3 S. nur Baetge/Kirsch/Thiele Konzernbilanzen, S. 41 ff.

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Vor § 41 | Recht der Rechnungslegung Aufstellung eines Konzernabschlusses verpflichtet sind, um Kapitalflussrechnung und Eigenkapitalspiegel (wahlweise zusätzlich: Segmentberichterstattung) erweitert: § 264 Abs. 1 Satz 2 HGB. – Zu den im MicroBilG realisierten Erleichterungen für Kleinstkapitalgesellschaften s. schon Rn 24. 36 Keine GmbH braucht die Gesamtbezüge der Geschäftsführer, Aufsichtsrats-

oder Beiratsmitglieder im Anhang (§ 285 Nr. 9 lit a/b HGB) anzugeben, wenn sich auf diesem Wege die Bezüge der einzelnen Organmitglieder ermitteln lassen (§ 286 Abs. 4 HGB); damit entfällt die Angabepflicht in Gesellschaften mit nur einem Geschäftsführer und ggf auch in Gesellschaften mit zwei Geschäftsführern; aber regelmäßig nicht in Gesellschaften mit drei- und mehrköpfigen Organen1. Für kleine GmbH entfällt die Pflicht zur Angabe der Organbezüge schon nach § 288 Abs. 1 HGB; sie müssen auch nicht länger die in § 285 Nr. 10 HGB vorgesehenen Angaben zu den Mitgliedern des Geschäftsführungsorgans und eines etwaigen Aufsichtsrats machen (§ 288 Abs. 1 HGB idFd BilRUG, s. Rn 40).

37 b) Das Gesetz unterscheidet in § 267 HGB drei Größenklassen von Gesellschaf-

ten (kleine, mittelgroße und große Kapitalgesellschaften) und verbindet damit größenspezifisch gesteigerte Anforderungen an Intensität und Umfang der jeweiligen Pflichten. Die Größe bemisst sich nach den Kriterien Bilanzsumme, Umsatzerlöse und Arbeitnehmerzahl, wobei für jeweils zwei dieser Kriterien die Schwellenwerte nicht überschritten sein dürfen (s. Rn 39). Der Gesetzgeber hat die einschlägigen Schwellenwerte (in Übereinstimmung mit den jeweils geänderten Richtlinienvorgaben) in der Vergangenheit mehrfach angehoben (dazu 18. Aufl, Rn 34), zuletzt im Zuge des BilRUG (Rn 28). Die jüngst geänderten (für die mittelgroße gegenüber der kleinen Gesellschaft erheblich angehobenen) Schwellenwerte sind zwingend erstmals anzuwenden auf die Rechnungslegung für das nach dem 31.12.2015 beginnende Geschäftsjahr (Art. 75 Abs. 1 EGHGB). Sie können wahlweise – dann aber nur insgesamt mit den weiteren Rn 29 genannten Änderungen – auch schon vorzeitig, nämlich auf die Rechnungslegung für ein nach dem 31.12.2013 beginnendes Geschäftsjahr angewendet werden (Art. 75 Abs. 2 EGHGB)2. Die aktuell (auf Basis des BilRUG; zur bis dahin geltenden Rechtslage s. 18. Aufl, Rn 34) gültigen Schwellenwerte sind in der nachfolgenden Tabelle zusammengefasst. – Zur Ermittlung der Bilanzsumme s. § 267 Abs. 4a HGB idFd BilRUG; zur Neuabgrenzung der Umsatzerlöse durch § 277 Abs. 1 HGB idFd BilRUG s. die Erläuterungen § 42 Rn 7.

1 Weiterführend A/D/S § 286 HGB Rn 15 ff; MünchKommBilanzR/Kessler, § 286 HGB Rn 19 ff; B/H/Schulze-Osterloh 18. Aufl, § 42 Rn 528. 2 Zu weiteren Einzelheiten s. Reitmeier/Rimmelspacher DB Beilage Nr. 5/2015, S. 1, 6 f; Schiffers GmbHR 2015, 1018, 1019.

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Größenklasse

Kriterium Bilanzsumme

Umsatzerlöse

Arbeitnehmer

kleine Kapitalgesellschaft (§ 267 Abs. 1 HGB)

≤ 6 Mio

≤ 12 Mio

≤ 50

mittelgroße Kapitalgesellschaft (§ 267 Abs. 2 HGB)

6–20 Mio

12–40 Mio

51–250

große Kapitalgesellschaft (§ 267 Abs. 3 HGB)

> 20 Mio

> 40 Mio

> 250

Unabhängig von der so definierten Größe gilt im Übrigen jede Gesellschaft als 38 große, die einen organisierten Markt iSd § 2 Abs. 5 WpHG durch von ihr ausgegebene Wertpapiere iSd § 2 Abs. 1 WpHG in Anspruch nimmt oder die Zulassung zum Handel an einen organisierten Markt beantragt hat (§ 267 Abs. 3 Satz 2 HGB). § 264d HGB idFd BilMoG hat für eine solche Kapitalgesellschaft den Begriff „Kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaft“ eingeführt. Im Übrigen werden diese Schwellenwerte für die größenspezifischen Rech- 39 nungslegungs-, Prüfungs- und Publizitätspflichten einer konkreten Gesellschaft erst dann relevant, wenn sie in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren überschritten oder unterschritten worden sind (§ 267 Abs. 4 Satz 1 HGB); dann gelangt die Gesellschaft bereits für die Rechnungslegung des zweiten Geschäftsjahres in die entsprechende Größenklasse. Im Fall der Umwandlung oder Neugründung greift die Größenklassifizierung schon ein, wenn ihre Merkmale am ersten Abschlussstichtag nach der Umwandlung oder Neugründung vorliegen (§ 267 Abs. 4 Satz 2 HGB). Einschränkend stellt § 267 Abs. 4 Satz 3 HGB idFd BilRUG aber nunmehr klar, dass es im Fall des Formwechsels beim Zwei-Jahres-Erfordernis bleibt, wenn der formwechselnde Rechtsträger eine Kapitalgesellschaft oder eine Personenhandelshandelsgesellschaft iSd § 264a Abs. 1 HGB ist. Führt die Anhebung der Schwellenwerte dazu, dass eine bislang mittelgroße Gesellschaft im ersten Geschäftsjahr nach Inkrafttreten der höheren Werte nur noch die Merkmale einer kleinen Gesellschaft erfüllt, kann sie sogleich die für diese geltenden Erleichterungen nutzen, sofern sie die neuen Schwellenwerte für kleine Gesellschaften auch im Jahr zuvor nicht überschritten hatte (Rückbezug)1. Kleine Gesellschaften (Rn 37) brauchen nur eine verkürzte Bilanz nach näherer 40 Bestimmung des § 266 Abs. 1 Satz 3 HGB aufzustellen und können in der GuV bestimmte Ertrags- und Aufwandsposten zu einem einzigen Posten „Rohergebnis“ zusammenfassen (§ 276 Satz 1 HGB), um das Ausmaß ihrer Wettbewerbsfähigkeit verdeckt zu halten. Für den Anhang gelten die Erleichterungen nach § 288 Abs. 1 HGB, die durch das BilRUG (Rn 28) ausgeweitet worden sind: es 1 Mohr GmbHR 2007, 86, 87 ff; Tonolini in Russ/Janssen/Götze, BilRUG, Abschnitt E Rn 14 ff; s. auch BegrRegE BilRUG, BT-Drucks 18/4050, S. 60.

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Vor § 41 | Recht der Rechnungslegung entfällt die Pflicht zu Angaben nach §§ 264c Abs. 2 Satz 9; 265 Abs. 4 Satz 2; 284 Abs. 2 Nr. 3; 284 Abs. 3; 285 Nr. 2, 3, 4, 8, Nr. 9 lit a–b, Nr. 10-12, 14, 15, 15a, 17–19, 21, 22, 24, 26–30, 32–34 HGB. Außerdem gelten die Erleichterungen nach § 274a HGB. Ein Lagebericht ist nicht zwingend vorgeschrieben (§ 264 Abs. 1 Satz 4 HGB); zur Berichterstattung über die festgelegten Zielgrößen zum Frauenanteil im Aufsichtsrat und Management mitbestimmungspflichtiger Gesellschaften mbH s. Rn 43. Kleine Gesellschaften sind nicht prüfungspflichtig (§ 316 Abs. 1 Satz 1 HGB) und unterliegen überdies bloß einer deutlich eingeschränkten Publizität (§ 326 HGB): Weder ihre GuV noch ihr (freiwilliger) Lagebericht brauchen beim Betreiber des BAnz eingereicht zu werden (§ 326 Abs. 1 Satz 1 HGB). Ebenso können aus dem einzureichenden Anhang die Angaben eliminiert werden, die die GuV betreffen (§ 326 Abs. 1 Satz 2 HGB). Zu den Einzelheiten der Publizitätspflicht s. Anh zu § 42a Rn 20 ff). – Vgl im Übrigen auch § 42 Rn 4 ff. 41 Das MicroBilG (Rn 23) gewährt zusätzliche Erleichterungen für Kleinstkapital-

gesellschaften: Eine GmbH bzw UG (haftungsbeschränkt) iSd § 267a HGB (s. schon Rn 23 ff) kann die in Rn 24 skizzierten Erleichterungen in Anspruch nehmen. Weitere Einzelheiten werden im jeweiligen thematischen Zusammenhang erläutert; speziell zur Publizitätspflicht s. Anh zu § 42a Rn 26 f.

42 Für die Rechnungslegung mittelgroßer Gesellschaften (Rn 37) sieht das Gesetz

nur geringfügige Erleichterungen vor; erlaubt ist wie bei kleinen Gesellschaften (Rn 40) die Zusammenfassung des „Rohergebnisses“ in der GuV (§ 276 Satz 1 HGB). Im Anhang kann auf die Aufgliederung der Umsatzerlöse (§ 285 Nr. 4 HGB) verzichtet werden; die Angaben nach § 285 Nr. 29 und 32 HGB müssen ebenfalls nicht, jene nach § 285 Nr. 21 HGB nur eingeschränkt gemacht werden (vgl näher § 288 Abs. 2 HGB idFd BilRUG). Mittelgroße Gesellschaften haben einen Lagebericht aufzustellen (§ 264 Abs. 1 Satz 1 HGB) und sind prüfungspflichtig (§ 316 Abs. 1 Satz 1 HGB). Ihre Publizität ist eingeschränkt: Zwar müssen der gesamte JA einschließlich GuV sowie der Lagebericht beim Betreiber des BAnz eingereicht werden, die Bilanz jedoch nur in der nach § 327 Nr. 1 HGB verkürzten Form. Beim Anhang können in der einzureichenden Fassung weitere Einzelangaben nach Maßgabe des § 327 Nr. 2 HGB fortgelassen werden. Beim Betreiber des BAnz einzureichen ist auch der Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers oder der Vermerk über dessen Versagung (§ 325 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB idFd BilRUG), ggf der Prüfungsbericht des Aufsichtsrats (§ 325 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB) und außerdem der Beschluss über die Ergebnisverwendung (§ 325 Abs. 1b Satz 2 HGB); näher zur Publizitätspflicht mittelgroßer Gesellschaften Anh zu § 42a Rn 29 ff.

43 Das KonTraG (Rn 2) hatte die inhaltlichen Anforderungen an den Lagebericht1

verschärft und den Lagebericht deutlich aufgewertet. Im Rahmen des BilReG 1 Zu Einzelheiten der Lageberichterstattung s. die Erläuterungen bei MünchKommBilanzR/Kleindiek § 289 HGB.

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(Rn 13) wurde die Lageberichterstattung weiter ausgebaut: Der Bericht muss ua eine Darstellung und Analyse des Geschäftsverlaufs und der Lage der Gesellschaft enthalten und die voraussichtliche Entwicklung mit ihren wesentlichen Chancen und Risiken erläutern; außerdem soll er auf die Risikomanagementziele und -methoden der Gesellschaft sowie auf bestimmte Risiken, jeweils in Bezug auf die Verwendung von Finanzinstrumenten, eingehen (§ 289 HGB). Das BilMoG (Rn 18) hat für den Lagebericht kapitalmarktorientierter Gesellschaften (zum Begriff s. Rn 38) die Verpflichtung eingeführt, auch die wesentlichen Merkmale des internen Kontroll- und des Risikomanagementsystems im Hinblick auf den RLProzess zu beschreiben (§ 289 Abs. 5 HGB). Im Zuge des BilRUG (Rn 28) ist die Berichterstattung über Vorgänge von besonderer Bedeutung, die nach dem Geschäftsjahr eingetreten sind, aus dem Lagebericht (früher § 289 Abs. 2 Nr. 1 HGB aF) gestrichen und nunmehr dem Anhang zugewiesen worden (§ 285 Abs. 1 Nr. 33 HGB mit Befreiung kleiner Gesellschaften nach § 288 Abs. 1 HGB). Seit Inkrafttreten des GlTeilhG vom 24.4.2015 (BGBl I 642) müssen Gesellschaften mbH, die der gesetzlichen Mitbestimmungspflicht unterliegen, und die deshalb Zielgrößen für den Frauenanteil im Aufsichtsrat und unter den Geschäftsführern (§ 52 Abs. 2; dazu § 52 Rn 64a ff) sowie in den beiden Führungsebenen unterhalb der Geschäftsführer (§ 36; s. die Erläuterungen dort) festzulegen haben, in den Lagebericht als gesonderten Abschnitt eine Erklärung zur Unternehmensführung mit den entsprechenden Festlegungen und Angaben, ob die Zielgrößen erreicht wurden, aufnehmen (§ 289a Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 1 HGB). Dies gilt erstmals für Lageberichte, die sich auf Geschäftsjahre mit einem nach dem 30.9.2015 liegenden Abschlussstichtag beziehen (Art. 73 EGHGB; § 5 EGGmbHG). Die Erklärung zur Unternehmensführung kann auch auf der Internetseite der Gesellschaft veröffentlicht werden; dann ist in den Lagebericht eine entsprechende Bezugnahme aufzunehmen (§ 289a Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm Abs. 1 Satz 2 und 3 HGB). Die Publizität des Zielgrößenberichts vollzieht sich über die Offenlegung des Lageberichts im Bundesanzeiger nach § 325 HGB; s. Anh zu § 42a Rn 11 ff. Mitbestimmungspflichtige kleine Gesellschaften (die nicht lageberichtspflichtig sind; Rn 40) haben eine Erklärung mit den Festlegungen über die genannten Zielgrößen und den Angaben zu deren Erreichen auf ihrer Internetseite zu veröffentlichen; alternativ können sie auch freiwillig einen Lagebericht mit den gebotenen Angaben offenlegen (§ 289a Abs. 4 Satz 2 und 3 HGB). Näher zum Ganzen § 52 Rn 64o ff und § 36 Rn 16 ff. Große Gesellschaften (Rn 37 f) haben ihren JA ohne jede Kürzungsmöglichkeit 44 in Bilanz, GuV oder Anhang sowie den Lagebericht aufzustellen (§ 264 Abs. 1 Satz 1 HGB) und diese Unterlagen ebenfalls durch Abschlussprüfer prüfen zu lassen (§ 316 Abs. 1 Satz 1 HGB). JA und Lagebericht mit dem Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers oder mit dem Vermerk über dessen Versagung (ggf zusammen mit dem Prüfbericht des Aufsichtsrats) sowie der Ergebnisverwendungsbeschluss sind nach § 325 Abs. 1–2 HGB idFd BilRUG beim Betreiber des Kleindiek

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Vor § 41 | Recht der Rechnungslegung BAnz einzureichen und im BAnz bekannt machen zu lassen (näher Anh zu § 42a Rn 33 ff).

4. Konzernrechnungslegung 45 Steht die GmbH als Mutterunternehmen an der Spitze eines (größeren) Kon-

zerns oder kann es wenigstens über ein Tochterunternehmen beherrschenden Einfluss ausüben (näher Rn 49 f), so hat sie neben dem Jahres(einzel)abschluss nach §§ 264 ff HGB zusätzlich und gesondert einen Konzernabschluss aufzustellen. S. zur Legitimation der KonzernRL schon Rn 33.

46 a) Der Konzernabschluss nach HGB (zur Konzernrechnungslegung nach IFRS

s. Rn 13 f und Rn 58 f) besteht aus der Konzernbilanz, der Konzern-GuV, dem Konzernanhang sowie der Kapitalflussrechnung und dem Eigenkapitalspiegel (§ 297 Abs. 1 Satz 1 HGB). Er kann um eine Segmentberichterstattung erweitert werden (§ 297 Abs. 1 Satz 2 HGB); dann entfallen die Pflichtangaben zur Aufgliederung der Umsatzerlöse im Konzernanhang (§ 314 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 HGB). Der Konzernabschluss muss um den Konzernlagebericht ergänzt werden (§§ 290 Abs. 1 und 2, 315 HGB).

47 Anders als der Einzelabschluss dient der Konzernabschluss weder dem unmittel-

baren Schutz des Eigenkapitals in den einzelnen Konzerngesellschaften noch bietet er den Gesellschaftern in der Mutter-GmbH eine unmittelbare Grundlage für deren Beschluss zur Ergebnisverwendung1; Konzernabschluss und -lagebericht haben ausschließlich die Funktion, den Adressaten der Rechnungslegung zusätzliche Informationen zu liefern.

48 Im Rahmen der Konzernrechnungslegung sind alle Einzelabschlüsse der ein-

bezogenen Konzerngesellschaften zu einem Gesamtabschluss zusammenzufassen. Die einzelne Gesellschaft wird im Konzernabschluss so gezeigt als wäre sie bloß unselbständige Betriebsabteilung der Muttergesellschaft (§ 297 Abs. 3 HGB; Konsolidierung). Sinn der Regelung ist es, wirtschaftliche Innenbeziehungen des Konzerns zu eliminieren.

49 b) Eine GmbH ist zur Konzernrechnungslegung verpflichtetes Mutterunter-

nehmen, wenn sie auf ein anderes Unternehmen (Tochterunternehmen, unabhängig von Rechtsform und Sitz) unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann: Konsolidierungskonzept des beherrschenden Einflusses gemäß § 290 Abs. 1 und 2 HGB idFd BilMoG, womit (für nach dem 31.12.2009 beginnende Geschäftsjahre; Art. 66 Abs. 3 Satz 4 EGHGB) das bisherige Konzept der „einheitlichen Leitung“ und der „tatsächlichen Kontrolle“ iSv

1 S. nur A/D/S Vor § 290 HGB Rn 16; GroßkommHGB/Kindler Vor § 290 HGB Rn 3 ff; zur zentralen Bedeutung des Konzernabschlusses für die Außendarstellung des Unternehmens s. Kropff FS Claussen, 1997, S. 659.

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§ 290 Abs. 1 und 2 HGB aF (s. 16. Aufl, Rn 32) abgelöst worden ist1. Sollte die an sich zur Konzernrechnungslegung verpflichtete GmbH zugleich gemäß § 290 Abs. 1 und 2 HGB Tochterunternehmen in einem mehrstufigen Unterordnungskonzern sein, so kann ihr Mutterunternehmen unter den Voraussetzungen der §§ 291, 292 HGB idFd BilRUG einen befreienden Konzernabschluss und -lagebericht aufstellen und veröffentlichen2; dann entfällt für die GmbH die Pflicht zur Konzernrechnungslegung, aber nicht die zum Einzelabschluss. Zum Befreiungstatbestand des § 264 Abs. 3 HGB, der an der Aufstellung eines Konzernabschlusses anknüpft, s. Rn 4; zu § 264b HGB Rn 9. Nicht jede GmbH an der Spitze eines Unterordnungskonzerns ist zur Konzern- 50 rechnungslegung verpflichtet; vielmehr sind Kleinkonzerne befreit (§ 293 HGB). Diese Freistellung bemisst sich nach den drei Kriterien Bilanzsumme, Umsatzerlöse und Zahl der Arbeitnehmer. Dabei müssen mindestens zwei der drei Schwellenwerte an zwei aufeinander folgenden Abschlussstichtagen unterschritten sein (s. aber auch Rn 39 zur rückwirkenden Anwendung angehobener Schwellenwerte). Der Gesetzgeber hat die einschlägigen Schwellenwerte (in Übereinstimmung mit den jeweils geänderten Richtlinienvorgaben) in der Vergangenheit mehrfach angepasst (dazu 18. Aufl, Rn 45), zuletzt im Zuge des BilRUG (Rn 28). Die jüngst geänderten Schwellenwerte sind zwingend erstmals anzuwenden auf die Rechnungslegung für das nach dem 31.12.2015 beginnende Geschäftsjahr (Art. 75 Abs. 1 EGHGB). Sie können wahlweise – dann aber nur insgesamt mit den weiteren Rn 29 genannten Änderungen – auch schon vorzeitig, nämlich auf die Rechnungslegung für ein nach dem 31.12.2013 beginnendes Geschäftsjahr angewendet werden (Art. 75 Abs. 2 EGHGB; s. schon Rn 37). Auf der Basis des BilRUG (zu den zuvor geltenden Werten s. 18. Aufl, Rn 45) sind die folgenden Parameter zu unterscheiden: addierte Bilanzsumme aller in den Konzernabschluss einzubeziehenden Konzerngesellschaften (Rn 52) höchstens 24 Mio Euro; addierte Umsatzerlöse aller Konzerngesellschaften höchstens 48 Mio Euro; Zahl aller Arbeitnehmer in diesen Konzerngesellschaften höchstens 250. Diese bloß addierten Schwellenwerte lassen sämtliche Eigen- und Fremdkapitalverflechtungen im Konzern ebenso unberücksichtigt wie den konzerninternen Lieferungs- und Leistungsverkehr (§ 293 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB; Bruttomethode). Aber man kann die konzerninternen Beziehungen auch berücksichtigen und die Freistellung alternativ anhand der konsolidierten Bilanzsumme im Konzern und anhand der konsolidierten Umsatzerlöse bemessen (§ 293 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB; Nettomethode). Dann müssen an zwei aufeinanderfolgenden Abschlussstichtagen mindestens zwei dieser drei Schwellenwerte unterschritten sein: 20 Mio Euro Bilanzsumme, 40 Mio Euro Umsatzerlöse, 250 1 Hierzu etwa Baetge/Kirsch/Thiele Konzernbilanzen, S. 90 ff; Schiffers/Theile/Theile BilanzR der GmbH, Rn 5050 ff. 2 Näher Baetge/Kirsch/Thiele Konzernbilanzen, S. 100 ff; Schiffers/Theile/Theile BilanzR der GmbH, Rn 5105 ff.

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Vor § 41 | Recht der Rechnungslegung Arbeitnehmer. Die Prüfung nach konsolidierten Zahlen kommt vornehmlich bei schrumpfenden Konzernen in Betracht, die bislang zur Konzernrechnungslegung verpflichtet waren und die konsolidierte Zahlen deshalb verfügbar haben. Zur Ermittlung der Bilanzsumme s. §§ 267 Abs. 4a, 293 Abs. 2 HGB idFd BilRUG; zur Neuabgrenzung der Umsatzerlöse durch § 277 Abs. 1 HGB idFd BilRUG s. die Erläuterungen § 42 Rn 7. 51 Diese Freistellungen gelten gemäß § 293 Abs. 5 HGB idFd BilRUG nicht, falls

das Mutterunternehmen oder ein in dessen Konzernabschluss einbezogenes Tochterunternehmen am Abschlussstichtag kapitalmarktorientiert iSv § 264d HGB (Rn 38) ist oder den Sondervorschriften der §§ 340–341p HGB (für Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen etc) unterliegt.

52 c) In den Konzernabschluss einer konzernrechnungslegungspflichtigen GmbH

sind diese und sämtliche Tochterunternehmen (TU) einzubeziehen ([Voll-] Konsolidierungskreis)1, auf welche die GmbH unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann (Rn 49). Dabei kommt es weder auf die Rechtsform des (unmittelbaren oder mittelbaren) TU an noch auf seinen Sitz im Inland, im EU-Ausland oder sonstwo auf der Welt (Weltabschluss; vgl § 294 Abs. 1 HGB) noch auf die Konzernstufe, auf der es unterhalb der GmbH steht.

53 Außerhalb des Konsolidierungskreises darf ein TU nach § 296 HGB bleiben,

wenn die Mutter-GmbH in der Ausübung ihrer vermögens- oder mitverwaltungsrechtlichen Mitgliedschaftsrechte in diesem TU erheblich und auf Dauer beeinträchtigt ist oder wenn die für den Konzernabschluss notwendigen Tochterangaben nur zu unverhältnismäßig hohen Kosten oder mit unangemessenen Verzögerungen zu erhalten sind oder wenn die Mutter-GmbH die Beteiligung ausschließlich zum Zwecke der Weiterveräußerung hält oder wenn das TU das Gesamtbild von der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Konzerns ganz unwesentlich beeinflusst (materiality-Prinzip)2. Sollte die Mutter-GmbH auf die Einbeziehung nach § 296 HGB verzichten, so muss dies im Konzernanhang unter Nennung des TU und der gesetzlichen Variante begründet werden, auf welche die Mutter-GmbH ihren Verzicht stützt (§ 296 Abs. 3 HGB). Hat die Mutter-GmbH nur TU, die gemäß § 296 HGB nicht in den Konzernabschluss einbezogen werden brauchen, so ist sie von der Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses und -lageberichts befreit: § 290 Abs. 5 HGB.

54 d) Anteile an einem Gemeinschaftsunternehmen sind sowohl im Einzel-

abschluss (§ 266 Abs. 2 A III Nr. 3 HGB) als auch im Konzernabschluss (§§ 300

1 Dazu Baetge/Kirsch/Thiele Konzernbilanzen, S. 110 ff; Schiffers/Theile/Theile BilanzR der GmbH, Rn 5120 ff. 2 Zum Ganzen Baetge/Kirsch/Thiele Konzernbilanzen, S. 113 ff; Schiffers/Theile/Theile BilanzR der GmbH, Rn 5128 ff.

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Abs. 1, 266 Abs. 2 A III Nr. 3 HGB) unter Beteiligungen zu bilanzieren. Alternativ kann die GmbH das Gemeinschaftsunternehmen in ihrem Konzernabschluss gemäß § 310 HGB in der Weise konsolidieren, dass die Vermögensgegenstände, Schulden etc des Gemeinschaftsunternehmens entsprechend den Anteilen einbezogen werden, die der GmbH am Kapital des Gemeinschaftsunternehmens gehören1. Ist eine GmbH lediglich an einem Gemeinschaftsunternehmen, daneben aber 55 nicht auch an TU (§ 290 Abs. 1 und 2 HGB, Rn 49) beteiligt, so besteht ein Wahlrecht aus § 310 HGB nicht. Denn nach dem klaren Wortlaut der Vorschrift knüpft die Option zur Quotenkonsolidierung an die Einbeziehung eines Mutteroder TU in einen Konzernabschluss an und setzt damit die Aufstellung eines Konzernabschlusses voraus2. e) Sollte die Mutter-GmbH oder ein in den Konzernabschluss einbezogenes TU 56 (Konzernunternehmen) eine Beteiligung (§ 271 Abs. 1 HGB) an einem assoziierten Unternehmen halten, so ist diese in der Konzernbilanz gesondert als „Beteiligung an assoziierten Unternehmen“ auszuweisen (§ 311 Abs. 1 Satz 1 HGB). Auf die Einbeziehung kann verzichtet werden, wenn diese Beteiligung für das Gesamtbild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Konzerns von untergeordneter Bedeutung ist (§ 311 Abs. 2 HGB). Assoziierte Unternehmen werden durch zwei Merkmale bestimmt3: Einerseits steht ein solches Unternehmen in keinem Tochter-/Mutterverhältnis zum Konzernunternehmen nach § 290 Abs. 1 und 2 HGB. Andererseits nimmt das Konzernunternehmen maßgeblichen Einfluss auf die Geschäfts- und Finanzpolitik des anderen Unternehmens; Grundlage der Einflussnahme müssen Mitgliedschaftsrechte sein, die dazu bestimmt sind, dem eigenen Geschäftsbetrieb des Konzernunternehmens durch Herstellung einer dauernden Verbindung zu dem anderen Unternehmen zu dienen (§§ 311 Abs. 1 Satz 1, 271 Abs. 1 Satz 1 HGB). Diese schwierigen Feststellungen erleichtert das Gesetz zweifach durch die eine Vermutung des § 271 Abs. 1 Satz 3 HGB (Beteiligung einer Kapitalgesellschaft von mehr als 20 % des Nennkapitals), falls das andere Unternehmen eine Kapitalgesellschaft ist, und durch die andere Vermutung nach § 311 Abs. 1 Satz 2 HGB (maßgeblicher Einfluss bei mindestens 20 % der Stimmrechte). Nach näherer Bestimmung des § 312 HGB ist die Beteiligung am assoziierten Unternehmen in der Konzernbilanz heute zwingend mit dem Buchwert anzusetzen4; das früher bestehende Wahlrecht (Ansatz mit dem Buchwert oder dem Eigenkapitalanteil zu Zeitwerten) ist mit dem BilMoG (Rn 18) entfallen.

1 Näher zu dieser Quotenkonsolidierung Baetge/Kirsch/Thiele Konzernbilanzen, S. 327 ff; Schiffers/Theile/Theile BilanzR der GmbH, Rn 5501 ff. 2 Baetge/Kirsch/Thiele Konzernbilanzen, S. 328; GroßkommHGB/Kraft § 310 HGB Rn 38. 3 Näher K/W/Küting/Köthner/Zündorf HbKonzernRL, § 311 HGB Rn 8 ff. 4 Eingehend B/K/T/Hachmeister/Beyer BilR, § 312 HGB Rn 21 ff (Stand Juni 2013).

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Vor § 41 | Recht der Rechnungslegung 57 Die gesonderte Bilanzierung als „Beteiligung an assoziierten Unternehmen“ setzt

einen (obligatorisch oder fakultativ) aufgestellten Konzernabschluss voraus. Deshalb folgt die Verpflichtung zur Konzernrechnungslegung nicht schon aus der Tatsache allein, dass die GmbH Anteile an einem Unternehmen hält. Vielmehr setzt die Beteiligung weiter voraus, dass die GmbH einen Konzernabschluss schon anderweit nach § 290 HGB aufzustellen hat. Im Einzelabschluss der GmbH werden Beteiligungen nach § 271 Abs. 1 HGB und Beteiligungen iSd § 311 Abs. 1 HGB ohne Unterscheidung zusammengefasst unter den Finanzanlagen bilanziert (§ 266 Abs. 2 A III Nr. 3 HGB). 58 f) Konzernrechnungslegung nach IFRS: Vor dem Hintergrund der IAS-Verordnung (Rn 12) sind heute alle kapitalmarktorientierten Mutterunternehmen – also solche, die für ihre Wertpapiere einen organisierten Markt in Anspruch nehmen oder eine entsprechende Zulassung beantragt haben; vgl § 264d HGB – zur Konzernrechnungslegung nach IFRS verpflichtet; s. schon Rn 13. Die maßgeblichen Vorgaben für die IFRS-Konzernrechnungslegung sind wie folgt abzugrenzen: Die IAS-Verordnung regelt das Rechnungslegungssystem, nach dem der konsolidierte Abschluss aufzustellen ist. Die Konsolidierungspflicht selbst und etwaige Befreiungen davon ergeben sich auch weiterhin aus den (durch Richtlinienrecht harmonisierten) nationalen Bilanzrechten der Mitgliedstaaten, für die GmbH also aus §§ 290 ff HGB (§ 315a Abs. 1 HGB). Für den Konsolidierungskreis, die Ansatz- und Bewertungsregeln sowie die Berichtselemente der Konzernrechnungslegung gelten indes die Vorgaben der IFRS. Die Pflicht zur Aufstellung eines Konzernlageberichts nach Maßgabe von § 315 HGB bleibt hingegen auch für solche Gesellschaften bestehen, die nach IFRS konsolidiert Rechnung legen (vgl § 315a Abs. 1 HGB: „Bestimmungen des Neunten Titels“). Darüber hinaus gelten auch für den Konzernabschluss nach IFRS die Vorgaben in § 297 Abs. 1a HGB (Angabe von Firma, Sitz und HRegNr des Mutterunternehmens), § 297 Abs. 2 Satz 4 HGB (Versicherung), § 298 Abs. 1 HGB iVm §§ 244, 245 HGB (Abfassung in deutscher Sprache; Unterzeichnung durch die gesetzlichen Vertreter) sowie die Verpflichtung zu ergänzenden Angaben im Anhang nach Maßgabe der §§ 313 Abs. 2 und 3, 314 Abs. 1 Nr. 4, 6, 8, 9, Abs. 3 HGB (zum Ganzen § 315a Abs. 1 HGB idFd BilRUG). 59 Für alle anderen (nicht kapitalmarktorientierten) konzernrechnungslegungspflichtigen Mutterunternehmen besteht ein Wahlrecht zur Konzernrechnungslegung nach IFRS statt nach HGB (§ 315a Abs. 3 HGB; s. Rn 14). Ein Unternehmen, das von seinem Wahlrecht zugunsten der IFRS-Konzernrechnungslegung Gebrauch macht, hat die internationalen Standards und die durch § 315a Abs. 1 HGB für anwendbar erklärten Vorschriften des HGB (soeben Rn 58) vollständig zu befolgen (§ 315a Abs. 3 Satz 2 HGB). – Zu den weiteren Einzelheiten der Konzernrechnungslegung nach den IFRS ist auf das einschlägige Spezialschrifttum zu verweisen1. 1 Einführend Heuser/Theile IFRS-Handbuch, 5. Aufl 2012.

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5. Abschlussprüfung a) Grundlagen: In großen und mittelgroßen GmbH (s. Rn 37) sind JA und La- 60 gebericht zwingend der Prüfung durch den Abschlussprüfer (Abschlussprüfungspflicht) unterworfen1; hat keine Prüfung stattgefunden, kann der JA nicht festgestellt werden (§ 316 Abs. 1HGB). Ein gleichwohl festgestellter Abschluss ist entsprechend § 256 Abs. 1 Nr. 2 AktG nichtig (s. Rn 79). Nur für die kleinen Gesellschaften (auch zu ihnen Rn 37) ist die Prüfung ihres Einzelabschlusses nicht obligatorisch; ihre Gesellschafter können jedoch eine freiwillige Prüfung anordnen (Rn 85 f). Zur Befreiungsmöglichkeit nach § 264 Abs. 3 HGB s. Rn 4. – Obligatorische Konzernabschlüsse und -lageberichte (§§ 290, 293 HGB; dazu Rn 45 ff) sind in jedem Falle prüfungspflichtig (§ 316 Abs. 2 HGB). Im Bereich der Konzernrechnungslegung gelten die größenspezifischen Erleichterungen nur für die Pflicht zur Aufstellung, nicht für die zur Prüfung. – Gleichfalls prüfungspflichtig sind große und mittelgroße Gesellschaften in der Liquidation; hiervon kann sie das Registergericht nach näherer Bestimmung des § 71 Abs. 3 befreien (s. § 71 Rn 10). Zur Abschlussprüfung während des Insolvenzverfahrens s. Anh zu § 64 Rn 70. Die Abschlussprüfung ist ein bedeutsames und wirksames Mittel, um die Aus- 61 sagekraft von JA und Lagebericht gegenüber den Adressaten der Rechnungslegung innerhalb und außerhalb der Gesellschaft (s. Rn 32) sicherzustellen. Außerdem verbessert die Abschlussprüfung über den Prüfungsbericht (§ 321 HGB) die Selbstinformation der Geschäftsführer sowie zugunsten der Gesellschafter deren Möglichkeit, die Aktivitäten der Geschäftsführung zu überwachen und zu steuern. S. zur Legitimation der Abschlussprüfung schon Rn 34. Die gesetzlichen Regelungen zur Abschlussprüfungspflicht, zur Auswahl, Be- 62 stellung und Abberufung des Prüfers (einschließlich der hier zu beachtenden Ausschlussgründe) sowie zur Durchführung der Abschlussprüfung und zur Verantwortlichkeit des Prüfers finden sich insbesondere in §§ 316–324a HGB. Diese Bestimmungen beruhen auf den Vorgaben der AbschlussprüferRL 2006/ 43/EG (ABlEU Nr. L 17 v. 9.6.2006, S. 87), die im Zuge der EU-Abschlussprüfungsreform 2014 durch die ÄnderungsRL 2014/56/EU (ABlEU Nr. L 158 v. 27.5.2014, S. 196) novelliert und durch die (zeitgleich mit der ÄnderungsRL verkündete) EU-Verordnung Nr. 537/2014 – Abschlussprüfer-VO (ABlEU Nr. L 158 v. 27.5.2014, S. 77) über die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse ergänzt worden ist. Unternehmen von öffentlichem Interesse sind – nach näherer Begriffsbestimmung in Art. 2 Nr. 13 AbschlussprüferRL – Unternehmen, die unter das Recht eines Mitgliedstaats fallen und deren übertragbare Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt eines Mitgliedstaates zugelassen sind, außerdem bestimmte Kreditinstitute und Versicherungs1 Ausführlicher dazu noch 18. Aufl, Anh zu § 42.

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Vor § 41 | Recht der Rechnungslegung unternehmen sowie (wie Art. 2 Nr. 13 lit d AbschlussprüferRL formuliert) solche „Unternehmen, die von Mitgliedstaaten als Unternehmen von öffentlichem Interesse bestimmt werden, beispielsweise Unternehmen, die aufgrund der Art ihrer Tätigkeit, ihrer Größe oder der Zahl ihrer Mitarbeiter von erheblicher öffentlicher Bedeutung sind“. Die Bestimmungen der Abschlussprüfer-VO gelten seit dem 17.6.2016 unmittelbar. 63 Der Umsetzung jener RLVorgaben (sowie der notwendigen Anpassung des na-

tionalen Rechts an die Abschlussprüfer-VO) dienen das Abschlussprüferaufsichtsreformgesetz – APAReG vom 31.3.2016 (BGBl I 518)1 und das Abschlussprüfungsreformgesetz – AReG vom 10.5.2016 (BGBl I 1142)2; dabei hat der deutsche Gesetzgeber die Vorgaben des europäischen Rechts im Wesentlichen 1:1 umgesetzt. Zu den Schwerpunkten des AReG zählen Regelungen zur (weiteren) Stärkung der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers sowie zur (veränderten) Ausgestaltung des Bestätigungsvermerks und des Prüfungsberichts, um deren Aussagekraft zu erhöhen. Zudem sind die Bestimmungen zur Bildung und zu den Aufgaben eines Prüfungsausschusses (§§ 107 Abs. 3 Satz 2 und 3; 107 Abs. 4 iVm § 100 Abs. 5; 124 Abs. 3 Satz 2; 171 AktG und § 324 HGB) modifiziert worden. Vor diesem Hintergrund erklären sich auch die mit dem AReG (Art. 8 und 9) realisierten Änderungen im GmbHG und EGGmbHG: Die Verweisung in § 52 Abs. 1 GmbHG erstreckt sich nunmehr auf § 107 Abs. 3 Satz 2 und 3 AktG (mit Übergangsregelung in § 7 EGGmbHG). Außerdem sind §§ 86, 87 und 88 in das GmbHG eingefügt worden, um Vorgaben der Abschlussprüfer-VO und der ÄnderungsRL 2014/56/EU (Rn 62) im Blick auf Unternehmen von öffentlichem Interesse in der Rechtsform einer GmbH Rechnung zu tragen. Diese neu eingefügten Vorschriften sanktionieren die Verletzung bestimmter prüfungsbezogener Pflichten der Aufsichtsrats- und Prüfungsausschussmitglieder einer solchen GmbH (insbesondere einer kapitalmarktorientierten Gesellschaft iSd § 264d HGB); s. dazu die Erläuterungen zu §§ 86–88.

64 b) Prüferperson; Bestellung des Abschlussprüfers: Eine obligatorische Ab-

schlussprüfung können nach § 319 Abs. 1 Satz 1 HGB einzelne Wirtschaftsprüfer (§ 15 WPO) oder Wirtschaftsprüfungsgesellschaften (§§ 27 ff WPO) durchführen. Daneben sind in mittelgroßen GmbH (und nur dort) vereidigte Buchprüfer (§§ 128 ff WPO) und Buchprüfungsgesellschaften (§ 128 Abs. 1 Satz 2 WPO) für den Einzelabschluss prüfungsberechtigt (§ 319 Abs. 1 Satz 2 HGB), nicht hingegen für den Konzernabschluss (arg §§ 319 Abs. 1 Satz 2, 316 Abs. 2 HGB). In der Person des Abschlussprüfers darf kein Ausschlussgrund nach §§ 319 Abs. 2–5, 319a, 319b HGB (Gefährdungen der Prüferunabhängigkeit)

1 Hierzu einführend Kelm/Schneiß/Schmitz-Herkendell WPg 2016, 60 ff. 2 Dazu etwa Zwirner/Boecker DStR 2016, 984; zum RegE AReG (BT-Drucks 18/7219) instruktiv Blöink/Woodtli Der Konzern 2016, 75; ferner Blöink/Wolter BB 2016, 107 ff; zum vorausgegangenen RefE Blöink/Kumm BB 2015, 1067 ff.

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vorliegen. Dabei normiert § 319a HGB besondere Ausschlussgründe bezogen auf die Abschlussprüfung bei einem kapitalmarktorientierten Unternehmen iSd § 264d HGB, während § 319b HGB die Ausschlussgründe der §§ 319, 319a HGB auf das Netzwerk eines Abschlussprüfers ausdehnt. Der Abschlussprüfer wird durch das korporationsrechtliche Rechtsgeschäft der 65 Bestellung in sein Amt berufen. Voraussetzungen für eine wirksame Bestellung sind: Wahl durch die Gesellschafter (§ 318 Abs. 1 Satz 1 HGB); Erklärung dieser Wahl gegenüber dem Gewählten durch Erteilung des Prüfungsauftrags (§ 318 Abs. 1 Satz 4 HGB); Annahme der Bestellung durch den Gewählten in der Form der Annahme des Prüfungsauftrags (arg § 318 Abs. 6 Satz 1 HGB). Die Bestellungskompetenz liegt (vorbehaltlich abweichender Satzungsgestaltung) bei den Gesellschaftern (§ 318 Abs. 1 HGB), die mit einfacher Mehrheit entscheiden (§ 47 Abs. 1). Gesellschafter-Geschäftsführer sind dabei nicht nach § 47 Abs. 4 von der Abstimmung ausgeschlossen1. Zu wählen ist der Abschlussprüfer innerhalb des zu prüfenden Geschäftsjahres (s. § 318 Abs. 1 Satz 3 HGB)2; gewählt und bestellt werden kann er immer nur für die Prüfung eines einzigen JA. Von der gesetzlichen Kompetenzzuweisung können die Gesellschafter durch 66 Satzungsregelung, nicht durch einfachen Gesellschafterbeschluss abweichen: Zum einen kann der Gesellschaftsvertrag höhere Beschlussanforderungen stellen: zB qualifizierte Mehrheit, Zustimmung eines bestimmten Gesellschafters, Einstimmigkeit3. Zum anderen kann der Gesellschaftsvertrag die Bestellungskompetenz einer anderen gesellschaftsinternen Stelle (zB Aufsichtsrat, Beirat oder einem einzelnen Gesellschafter) übertragen (§ 318 Abs. 1 Satz 2 HGB), allerdings nur in gewissen Grenzen: Unzulässig ist die Zuständigkeit der Geschäftsführer oder des Mehrheitsgesellschafters, falls dieser zugleich Geschäftsführer ist; denn der vom Geschäftsführer aufgestellte JA und die dem zugrundeliegende Buchführung ist gerade Gegenstand der Abschlussprüfung4; eine dem widersprechende Bestimmung des Gesellschaftsvertrags ist nichtig (§ 241 Nr. 3 AktG analog). c) Erteilung des Prüfungsauftrags: Für die Abgabe der Bestellungserklärung 67 gegenüber dem gewählten Abschlussprüfer (Erteilung des Prüfungsauftrags) sind in Gesellschaften ohne Aufsichtsrat (bzw Beirat mit Überwachungsfunktion) die Geschäftsführer zuständig (§ 318 Abs. 1 Satz 4 HGB), nicht die Gesellschafter. Die Geschäftsführer haben in mitwirkungsbedürftiger Zahl (§ 35 Rn 26 ff) den Prüfungsauftrag ohne schuldhaftes Zögern zu erteilen und bei der Bestel1 Vgl BGH BB 1980, 695; A/D/S § 318 HGB Rn 118; B/H/Schulze-Osterloh 18. Aufl, § 41 Rn 83 mwN. 2 Dazu etwa GroßkommHGB/Habersack/Schürnbrand § 319 HGB Rn 14 f. 3 Näher A/D/S § 318 HGB Rn 117; Hartmann S. 92 f. 4 Näher Hommelhoff/Priester ZGR 1986, 463, 485; B/H/Schulze-Osterloh 18. Aufl, § 41 Rn 84; GroßkommHGB/Habersack/Schürnbrand § 318 HGB Rn 8; aA A/D/S § 318 HGB Rn 126; Schmidt/Heinz Beck BK, § 318 HGB Rn 6.

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Vor § 41 | Recht der Rechnungslegung lung keinerlei Entscheidungsermessen, sie handeln als reines Exekutivorgan der Gesellschafter. In Gesellschaften mit Aufsichtsrat (bzw Beirat mit Überwachungsfunktion) wird der Auftrag an den Abschlussprüfer nach § 111 Abs. 2 Satz 3 AktG (iVm § 52 Abs. 1 bzw § 25 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG/§ 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG) vom Aufsichtsrat erteilt, für den der Aufsichtsratsvorsitzende handelt1. Damit wird die Hilfsfunktion des Prüfers für den Aufsichtsrat unterstrichen und letzterem zugleich die Gelegenheit gegeben, eigene Prüfungsschwerpunkte mit dem Prüfer zu vereinbaren. 68 Eine etwaige gerichtliche Bestellung/Ersetzung des Abschlussprüfers unterliegt

den Regelungen in § 318 Abs. 4 und 3 HGB; Amtsniederlegung nach Maßgabe von § 318 Abs. 6 HGB (s. dazu näher 18. Aufl, Anh zu § 42 Rn 20 ff).

69 d) Durchführung der Prüfung: Die gesetzliche Pflichtprüfung gemäß §§ 316 ff

HGB ist nach Gegenstand und Umfang zwingend festgeschrieben; sie kann im Gesellschaftsvertrag weder reduziert noch erweitert werden. In ihrem Umfang erstreckt sich die Pflichtprüfung auf den JA (Bilanz, GuV und Anhang, §§ 242 Abs. 3, 264 Abs. 1 HGB; ggf auch den IFRS-Einzelabschluss nach § 325 Abs. 2a HGB, s. §§ 324a Abs. 1, 325 Abs. 2b Nr. 1 HGB), den Lagebericht (§§ 316 Abs. 1 Satz 1, 317 Abs. 2 HGB) sowie auf die Buchführung (§ 317 Abs. 1 Satz 1 HGB). Prüfungsmaßstab (Gegenstand der Prüfung) ist, ob Buchführung und JA den gesetzlichen Vorschriften und den sie uU ergänzenden Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags entsprechen; Einzelheiten zu Gegenstand und Umfang der Prüfung – auch der des Lageberichts – sind in § 317 HGB normiert. Zur Prüfung von Konzernabschluss und Konzernlagebericht s. Rn 80 ff. Zur Prüfung der Zielgrößenberichterstattung über den Frauenanteil im Aufsichsrat und Management mitbestimmungspflichtiger Gesellschaften mbH (Rn 43) s. die Erläuterungen § 52 Rn 64.

70 Sobald JA und Lagebericht aufgestellt sind, haben die Geschäftsführer diese dem

Abschlussprüfer ohne schuldhaftes Zögern zur Prüfung vorzulegen (§ 320 Abs. 1 Satz 1 HGB). Ansprechpartner des Abschlussprüfers während der Prüfungsdurchführung sind die Geschäftsführer. In Gesellschaften mit Aufsichtsrat/Beirat verlagert sich diese Zuständigkeit aber auf den Aufsichtsrat/Beirat, der den Prüfungsauftrag erteilt (Rn 67) und den Prüfungsbericht entgegennimmt, s. § 42a Rn 2.

71 Um die Prüfung ordnungsgemäß durchführen zu können, geben § 320 Abs. 1

Satz 2, Abs. 2 Satz 1 HGB dem Abschlussprüfer bestimmte Informationsrechte (Einsicht und Auskunft) gegenüber den Geschäftsführern der zu prüfenden Gesellschaft. Die Aufklärungs- und Nachweisrechte nach § 320 Abs. 2 Satz 1 HGB (nicht die Einblicksrechte nach § 320 Abs. 1 HGB) hat der Abschlussprüfer zusätzlich gegenüber den Geschäftsleitern von Mutter- und Tochterunternehmen der Gesellschaft (dazu Rn 49), wenn und soweit dies für eine sorgfältige Prüfung

1 Näher A/D/S § 318 HGB Rn 142 ff.

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des Einzelabschlusses und insbesondere des Lageberichts notwendig ist (§ 320 Abs. 2 Satz 3 HGB). Unzutreffende Informationen sind nach näherer Bestimmung des § 331 Nr. 4 HGB mit Kriminalstrafe bedroht. Sollten die Geschäftsführer ihren Informationspflichten nach Rn 71 nicht oder 72 nicht vollständig nachkommen, so kann sich der Abschlussprüfer an die Gesellschafter wenden, damit diese die Geschäftsführer zur Information anweisen (§ 37 Abs. 1). In Gesellschaften mit einem Aufsichtsrat (oder überwachenden Beirat) kann dieser im Rahmen seiner Überwachungspflicht (§ 111 Abs. 1 AktG analog) die Geschäftsführer zur Information anhalten, weil die Abschlussprüfung auch dazu dient, die Überwachung vorzubereiten (arg § 321 HGB, § 42a Abs. 1). Umgekehrt können die Gesellschafter die Geschäftsführer nicht anweisen, dem Prüfer Informationen zu verweigern, auf die dieser einen Anspruch hat; die Weisung ist unwirksam und darf nicht befolgt werden1. Der Abschlussprüfer berichtet über Art und Umfang sowie über das Ergebnis 73 der Prüfung schriftlich in einem Prüfungsbericht nach näherer Bestimmung des § 321 HGB. Nach Unterzeichnung hat der Abschlussprüfer seinen Bericht den Geschäftsführern vorzulegen. Bei Gesellschaften mit Aufsichtsrat/Beirat, bei denen jenes Organ den Prüfungsauftrag erteilt (s. Rn 67), ist der Bericht dem Aufsichtsrat/Beirat vorzulegen2; den Geschäftsführern ist vor der Zuleitung jedoch Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (§ 321 Abs. 5 HGB). Auf Verlangen eines Gesellschafters hat der Abschlussprüfer an den Verhandlungen des Aufsichtsrats/Beirats über den JA teilzunehmen (§ 42a Abs. 3; s. § 42a Rn 36 ff). – Im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft (oder bei Ablehnung des Eröffnungsantrags mangels Masse) hat jeder Gläubiger und jeder Gesellschafter ein Einsichtsrecht in die Prüfungsberichte der drei zurückliegenden Geschäftsjahre nach Maßgabe von § 321a HGB. Entsprechendes gilt für den Fall der Nichteröffnung mangels Masse. Der Abschlussprüfer fasst das Ergebnis der Prüfung in einem Bestätigungsver- 74 merk nach Maßgabe von § 322 HGB zusammen. Der Bestätigungsvermerk muss eine von vier Möglichkeiten der Tenorierung des Schlussvermerks zweifelsfrei erkennen lassen (§ 322 Abs. 2 Satz 1 HGB): (1) uneingeschränkte Erteilung des Bestätigungsvermerks, (2) eingeschränkte Erteilung, (3) Versagung des Bestätigungsvermerks auf Grund von Einwendungen, (4) Versagung wegen nicht möglicher Abgabe eines Prüfungsurteils durch den Abschlussprüfer. Voraussetzungen und näherer Inhalt der jeweiligen Tenorierung werden in § 322 Abs. 3–5 HGB weiter konkretisiert. Falls nach Beendigung der Abschlussprüfung der Bestätigungsvermerk ein- 75 geschränkt oder versagt wird, hat dies keine unmittelbaren rechtlichen Wirkungen; die Gesellschafter können trotzdem den JA feststellen (§§ 42a Abs. 2, 46 1 BGH GmbHR 1974, 131, 132; BGH GmbHR 1980, 127, 129. 2 Vgl OLG Stuttgart DB 2009, 1521, 1525 f.

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Vor § 41 | Recht der Rechnungslegung Nr. 1), die Geschäftsführer die Dividende an die Gesellschafter ausschütten. Für die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln ist nach § 57e Abs. 1 ein uneingeschränkter Bestätigungsvermerk erforderlich1. – Mittelbar hält ein eingeschränkter oder versagter Bestätigungsvermerk die Geschäftsführer sowie die Gesellschafter zur Prüfung an, ob nicht entsprechend § 256 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 4, Abs. 5 AktG2 die rechtswirksame Feststellung des JA ausgeschlossen ist. In Gesellschaften mit einem Aufsichtsrat/Beirat hat dieser sich nach § 52 iVm § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG/§ 25 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG iVm § 171 AktG zur Versagung/Einschränkung des Bestätigungsvermerks und ihrer Begründung gegenüber den Gesellschaftern (§ 42a Abs. 1 Satz 3) zu äußern. Außerdem ist auf die Möglichkeit einer Kriminalstrafe nach § 331 Nr. 1 und 4 HGB hinzuweisen. 76 e) Nachtragsprüfung: Die Geschäftsführer können JA und Lagebericht noch bis

zur Feststellung durch die Gesellschafter (§§ 42a Abs. 2, 46 Nr. 1) abändern3. In prüfungspflichtigen Gesellschaften hat das jedoch gemäß § 316 Abs. 3 HGB eine sog Nachtragsprüfung durch den Abschlussprüfer des ursprünglichen JA zur Folge, falls dieser seine ordentliche Prüfung bereits abgeschlossen hatte. Wenn der Gesetzeswortlaut des § 316 Abs. 3 HGB demgegenüber auf den Moment der Berichtsvorlage abstellt, so ist dies nach Sinn und Zweck der Nachtragsprüfung unpräzise4. Denn diese soll vermeiden, dass ein in den geänderten Teilen ungeprüfter JA/Lagebericht festgestellt wird. – Einer Nachtragsprüfung bedarf es auch nach Änderung der Rechnungslegung durch die Gesellschafter (§ 42a Rn 44)5.

77 Nach Abschluss der ordentlichen Prüfungsarbeiten führt jede, und sei es noch

so unbedenkliche Änderung im JA oder Lagebericht zur Nachtragsprüfung; der „soweit“-Satz in § 316 Abs. 3 Satz 1 HGB bezieht sich auf den Umfang der Nachtragsprüfung, nicht auf ihren Anlass. Auch für den Lagebericht und seine Veränderung gilt nichts anderes6; freilich wird man Textänderungen, die zweifelsfrei rein redaktioneller Art sind, als Anlass einer Nachtragsprüfung ausscheiden können.

78 Die Nachtragsprüfung ist in ihrem Umfang nicht auf die konkrete Änderung

beschränkt. Vielmehr sind nach § 316 Abs. 3 Satz 1 HGB „diese Unterlagen“, also JA und Lagebericht, insgesamt zu prüfen; allerdings nur, soweit es die Änderung mit ihren Ausstrahlungen auf JA und Lagebericht erfordert7. – Über das Ergebnis der Nachtragsprüfung hat der Abschlussprüfer in einer Ergänzung

1 S. A/D/S § 322 HGB Rn 34; B/H/Schulze-Osterloh 18. Aufl, § 41 Rn 162. 2 S. Geßler FS Goerdeler, 1987, S. 127, 135 ff. 3 Zu möglichen Anlässen: K/P/W/Baetge/Fischer/Sickmann HbRL, § 316 HGB Rn 16 (Stand November 2009). 4 Im Ergebnis ganz hM, s. nur A/D/S § 316 HGB Rn 66. 5 Zur Prüfung eines neuen JA, der einen nichtigen alten JA ersetzt, s. einerseits Kowalski AG 1993, 502, 506; andererseits Forster FS W. Müller, 2001, S. 183, 187 ff. 6 A/D/S § 316 HGB Rn 65. 7 S. A/D/S § 316 HGB Rn 67.

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zum Prüfungsbericht zu berichten (§ 316 Abs. 3 Satz 2 HGB), es sei denn, dies Ergebnis kann noch in den ordentlichen Prüfungsbericht (§ 321 HGB) eingearbeitet werden. Außerdem ist der ursprünglich erteilte Bestätigungsvermerk entsprechend zu ergänzen. f) Sanktionen bei fehlender Prüfung1: Ein ungeprüfter, aber prüfungsbedürfti- 79 ger JA kann nicht festgestellt werden (§ 316 Abs. 1 Satz 2 HGB); dasselbe gilt für einen abgeänderten und deshalb nach den Grundsätzen Rn 77 nachträglich prüfungsbedürftig gewordenen JA/Lagebericht (arg § 256 Abs. 1 Nr. 2 AktG). Wird ein solcher JA trotzdem festgestellt, so ist er entsprechend § 256 Abs. 1 Nr. 2 AktG nichtig. Entsprechendes gilt für einen JA, dessen Prüfung zwar nicht vollständig unterblieben ist, aber den Mindestanforderungen ordnungsgemäßer Prüfung nicht genügt2. Nichtigkeit entsprechend § 256 Abs. 1 Nr. 3 AktG bei mangelnder Prüferbefähigung oder fehlender Prüferbestellung3 (s. auch Anh zu § 47 Rn 24). Konsequent nichtig ist dann auch der auf Grundlage eines solchen JA gefasste Ergebnisverwendungsbeschluss (§§ 42a Abs. 2, 46 Nr. 1) mit der Folge, dass kein Gesellschafter den Zahlungsanspruch gegen die Gesellschaft (vgl § 29 Rn 5) erworben hat. Die zu Unrecht ausgeschütteten Dividenden können nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB von den Gesellschaftern zurückverlangt werden; zu beachten ist dabei jedoch § 32. g) Prüfung der Konzernrechnungslegung: Konzernabschlüsse und -lageberich- 80 te, die nach §§ 290 ff HGB obligatorisch sind (s. Rn 60), müssen durch einen Abschlussprüfer (Einzelprüfer oder WPG; nicht vBP, arg § 319 Abs. 1 HGB) geprüft werden (§ 316 Abs. 2 HGB); die Prüfungspflicht besteht ohne Einschränkung auch für einen nach IFRS aufgestellten Konzernabschluss iSv § 315a HGB (s. Rn 58 f). Im Zuge des TransPuG (Rn 10) hat der Gesetzgeber – auch für Muttergesellschaften in der Rechtsform der GmbH (§ 42a Abs. 4, s. (§ 42a Rn 47 ff; für MutterAG: §§ 170 Abs. 1 Satz 2, 171 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, 173 Abs. 1 Satz 2 AktG) – ein förmliches Billigungsverfahren4 für den Konzernabschluss eingeführt. § 316 Abs. 2 Satz 2 HGB macht die Billigung von der vorherigen Prüfung durch den Abschlussprüfer abhängig: Hat keine Prüfung stattgefunden, so kann der Konzernabschluss nicht gebilligt werden. – Gewählt wird der Konzernprüfer von den Gesellschaftern der Mutter-GmbH (§ 318 Abs. 1 Satz 1 HGB), sofern der Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt (§ 318 Abs. 1 Satz 2 HGB). Falls das Wahlorgan keine eigenständigen Konzernprüfer bestimmt, ist der Prüfer für den Einzelabschluss der Mutter-GmbH zugleich der Prüfer für den Konzernabschluss (§ 318 Abs. 2 HGB); die Geschäftsführer (bzw Aufsichtsrat/Beirat, § 111 Abs. 2 Satz 3 AktG – s. Rn 67) haben dementsprechend zwei Prüfungsaufträge zu erteilen. Die gesetzlichen Vorgaben zur Prüferunabhängig1 2 3 4

S. auch Rauch BB 1997, 35; Schlagheck GmbHR 2002, 682. OLG Stuttgart DB 2009, 1521. BGH GmbHR 2013, 993 Rn 7 mwN. Zur Terminologie s. Seibert NZG 2002, 608, 612.

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Vor § 41 | Recht der Rechnungslegung keit nach §§ 319 Abs. 2–4, 319a Abs. 1 HGB gelten auch für den Konzernprüfer (§§ 319 Abs. 5, 319a Abs. 2 HGB). 81 Konzernabschluss und -lagebericht sind neben dem JA der Muttergesellschaft

und eigenständig zu prüfen (§ 317 Abs. 1 und 2 HGB). Zusätzlich müssen die im Konzernabschluss zusammengefassten JA (begrenzt) daraufhin überprüft werden, ob sie den GoB entsprechen und ob die für die Übernahme in den Konzernabschluss maßgeblichen Vorschriften beachtet sind (§ 317 Abs. 3 Satz 1 HGB). Sind die JA von einem anderen Abschlussprüfer geprüft worden, hat der Konzernabschlussprüfer dessen Arbeit zu überprüfen und dies zu dokumentieren (§ 317 Abs. 3 Satz 2 HGB).

82 Die Mutter-GmbH hat gegenüber ihren Tochterunternehmen die umfassenden

Informationsrechte aus § 294 Abs. 3 HGB; einen entsprechenden Informationsanspruch hat der Konzernprüfer gegenüber dem Geschäftsführer der Muttergesellschaft (§ 320 Abs. 3 HGB): Diese haben dem Konzernprüfer nicht nur die Unterlagen zur Konzernrechnungslegung von sich aus, also ohne besondere Aufforderung vorzulegen, sondern auch sämtliche Unterlagen zu den Einzelabschlüssen einschließlich eventueller Prüfungsberichte.

83 Der Konzernprüfer schließt seine Tätigkeit mit einem eigenständigen Konzern-

prüfungsbericht (§ 321 HGB) und mit dem Bestätigungsvermerk für Konzernabschluss und -lagebericht ab (§ 322 HGB).

84 h) IFRS-Einzelabschluss: Beschließen die Gesellschafter (gemäß § 46 Nr. 1a) die

Offenlegung eines IFRS-Einzelabschlusses nach § 325 Abs. 2a HGB (dazu Rn 16, § 42a Rn 50 ff und Anh zu § 42a Rn 36), so sind für dessen (obligatorische, vgl § 325 Abs. 2b Nr. 1 HGB) Prüfung die Bestimmungen der §§ 316–324 HGB, die sich auf den JA beziehen, entsprechend anzuwenden (s. § 324a Abs. 1 HGB). Als Abschlussprüfer des IFRS-Einzelabschlusses gilt der für die Prüfung des JA bestellte Prüfer als bestellt (§ 324a Abs. 2 Satz 1 HGB); die Prüfungsberichte zu beiden Abschlüssen können zusammengefasst werden (§ 324a Abs. 2 Satz 2 HGB).

85 i) Freiwillige Prüfungen1: Kleine Gesellschaften, die nach § 316 Abs. 1 Satz 1

HGB nicht der gesetzlichen Pflichtprüfung unterliegen, können ihren JA und Lagebericht freiwillig prüfen lassen – auf der Grundlage einer entsprechenden Bestimmung in der Satzung oder eines Gesellschafterbeschlusses. Ist die Abschlussprüfung durch einen WP oÄ vorgesehen, so ist dies im Zweifel dahin auszulegen, dass für Art und Umfang der Prüfung grundsätzlich die Vorgaben aus §§ 317 ff HGB zur gesetzlichen Pflichtprüfung maßgeblich sein sollen2. An diese gesetzlichen Vorgaben sind die kleinen Gesellschaften freilich nicht gebunden: Gegenstand und Umfang des Prüfungsauftrags stehen ebenso zu ihrer Disposition wie die Person des Abschlussprüfers. 1 Dazu etwa B/H/Schulze-Osterloh 18. Aufl, § 41 Rn 184 ff; Erle S. 337 ff; Goerdeler FS Fischer, 1979, S. 149; Hartmann S. 64 ff. 2 BGH GmbHR 1991, 568, 569.

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Über die Durchführung der Prüfung dürfen Bescheinigungen ausgestellt wer- 86 den, die sich aber nur dann an die Formel des gesetzlichen Bestätigungsvermerks (§ 322 HGB) anlehnen dürfen, wenn der JA zusätzliche Angaben zur Finanz- und Ertragslage enthält1 und ein nach § 319 Abs. 1 HGB befähigter, nicht nach § 319 Abs. 2 und 3 HGB ausgeschlossener Abschlussprüfer die Rechnungslegung der kleinen Gesellschaft nach den gesetzlichen Prüfungsmaßstäben (§§ 316 Abs. 1, 317 HGB) und in dem für Pflichtprüfungen vorgegebenen Verfahren geprüft hat2. Aber selbst dann muss im Testat hinreichend deutlich zum Ausdruck kommen, dass es sich nicht um eine Pflichtprüfung gehandelt hat, sondern um eine freiwillige. In mittelgroßen und großen Gesellschaften sind freiwillige Zusatzprüfungen 87 (etwa zur Geschäftsführung oder zur Lage der Gesellschaft) ohne Einschränkung zulässig. Allerdings finden die §§ 318 ff HGB auf sie keine Anwendung. So gelten für diese Zusatzprüfungen zB nicht die gesetzlichen Informationsrechte aus § 320 HGB. Der gesetzliche Bestätigungsvermerk (§ 322 HGB) ist gegenüber der Zusatzprüfung vollständig freizuhalten: Zulässig ist dagegen ein zweiter Bestätigungsvermerk, wenn er deutlich als „freiwilliger“ Bestätigungsvermerk gekennzeichnet und außerdem klar gegenüber dem gesetzlichen abgesetzt ist. – Entsprechendes gilt für das Verhältnis zwischen dem gesetzlichen und dem freiwilligen Prüfungsbericht. Grundlage der Zusatzprüfung ist ein gesonderter Geschäftsbesorgungsvertrag3, für dessen Abschluss die Geschäftsführer den Auftrag der Gesellschafter benötigen. – Näher zum Ganzen 18. Aufl, Anh zu § 42 Rn 62 ff.

6. GmbH-spezifische Norminterpretation Obwohl die §§ 264 ff HGB nach ihrem Text für alle Kapitalgesellschaften in glei- 88 cher Weise gelten, sind bei ihrer Anwendung auf die GmbH die Besonderheiten dieser Rechtsform, vor allem deren Satzungsfreiheit (s. Einl Rn 4 und § 46 Rn 1 f) insoweit zu berücksichtigen, wie der Gesetzestext sowie Sinn und Zweck des HGB-Bilanzrechts dies zulassen4. Andernfalls würde man die GmbH unvermerkt der aktienrechtlichen Satzungsstrenge (§ 23 Abs. 5 AktG) unterstellen5. Daraus folgt: Wegen der Informationsziele der gesetzlichen Rechnungslegungsvorschriften (Rn 32) müssen sämtliche HGB-Vorschriften, die sich unmittelbar 1 Näher K/P/W/Hell/Küster HbRL, § 322 HGB Rn 74 ff (Stand Oktober 2010); B/H/Schulze-Osterloh 18. Aufl, § 41 Rn 185 mwN. 2 S. auch IDW PS 400 (Grundsätze für die ordnungsmäßige Erteilung von Bestätigungsvermerken bei Abschlussprüfungen, WPg Supplement 4/2010, S. 25 ff). 3 Zutreffend Hartmann S. 70 f. 4 Näher Hartmann S. 240 ff. 5 Zu diesem Unterschied näher Hommelhoff in Roth (Hrsg), Das System der Kapitalgesellschaften im Umbruch, 1990, S. 46 ff.

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§ 41 | Buchführung auf die Rechnungslegung beziehen, für alle Kapitalgesellschaften einheitlich und gesellschaftsvertraglich unabänderbar ausgelegt werden. Hierzu zählen neben den Bestimmungen zur Buchführung, Bilanzierung und Bewertung auch alle diejenigen, die eine unabhängige Abschlussprüfung garantieren sollen, sowie die Normen zur Veröffentlichung von JA und Lagebericht. Freilich sind diese Vorschriften nur „halbzwingend“: Dem Satzungsgeber bleibt es unbenommen, die gesetzlichen Pflichten noch weiter zu verschärfen – indem etwa im Statut einer kleinen Gesellschaft ein Lagebericht oder eine Abschlussprüfung vorgeschrieben wird. – Disponibel sind dagegen die bloßen Organisationsvorschriften, die auf den Aussagegehalt der Rechnungslegung keinen unmittelbaren Einfluss haben und nur ihren ordnungsgemäßen Ablauf sicherstellen sollen. Hierzu sind namentlich die Kompetenzregeln zur Abschlussfeststellung und zur Ergebnisverwendung (§ 46 Nr. 1; § 46 Rn 2 ff) zu rechnen.

§ 41 Buchführung Die Geschäftsführer sind verpflichtet, für die ordnungsmäßige Buchführung der Gesellschaft zu sorgen. Vorschrift (früher Abs. 1) unverändert seit 1892; frühere Abs. 2 und 3 gestrichen aufgrund des BiRiLiG 1985; amtliche Überschrift ergänzt durch MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl I 2026). 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Pflichtenträger . . . . . . . . . . . . . . 3. Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . .

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4. Inhalt der Buchführungspflicht . . 5. Dauer der Buchführungspflicht . .

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Zur abgekürzt zitierten Literatur s. Vor § 41 vor Rn 1.

1. Allgemeines 1 Als Handelsgesellschaft (§ 13 Abs. 3) ist auch jede GmbH Adressatin jener Rech-

nungslegungspflichten, die durch das Dritte Buch des HGB (§§ 238 ff) jedem Kaufmann auferlegt sind (§ 6 Abs. 1 HGB); darauf, ob die Gesellschaft ein Gewerbe oder gar ein Handelsgewerbe nach § 1 HGB betreibt, kommt es nicht an. § 41 setzt die Buchführungspflicht aus §§ 238 ff HGB (s. Rn 6) in Pflichten sämtlicher Geschäftsführer um und ergänzt damit jene HGB-Vorschriften, die Pflichtenzuweisungen an die Adresse der gesetzlichen Vertreter einer Kapitalgesellschaft enthalten: insbesondere § 264 Abs. 1 iVm § 242 HGB (Aufstellung des um den Anhang erweiterten und ggf um den Lagebericht ergänzten Einzel1046

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abschlusses), § 290 Abs. 1 und 2 HGB (Aufstellung des Konzernabschlusses) sowie § 325 HGB (Offenlegung der Rechnungslegungsunterlagen); s. außerdem § 318 Abs. 1 Satz 4 HGB (Erteilung des Prüfungsauftrags), § 320 Abs. 1 und 3 HGB (Vorlage an den Abschlussprüfer). Die Verpflichtung der Geschäftsführer, die Rechnungslegungsunterlagen den Gesellschaftern zum Zwecke der Feststellung des JA vorzulegen, ist in § 42a geregelt; s. die Erläuterungen dort. Zur Rechnungslegung in der Liquidation und den entsprechenden Pflichten der Liquidatoren s. § 71 und die Erläuterungen dort. – Anders als die aktienrechtliche Komplementärvorschrift (s. § 91 Abs. 2 AktG) enthält das GmbHG keinen ausdrücklichen Auftrag an die Geschäftsführer zur Einrichtung eines Risikoüberwachungssystems. Eine entsprechende Organisationspflicht ist gleichwohl Bestandteil der Pflicht zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung (näher § 43 Rn 31).

2. Pflichtenträger Pflichtenträger für die Erledigung der Buchführungs-, Bilanzierungs- und Publi- 2 zitätsaufgaben ist jeder einzelne Geschäftsführer, nicht die Gesamtheit der Geschäftsführer als Organ1. Verantwortlich sind damit auch jene Geschäftsführer, denen ein anderes Fachressort (zB Technik) zugewiesen ist (näher zur Geschäftsführungsorganisation § 37 Rn 27 ff); diese Pflichtenstellung ist unabhängig von den individuellen Fähigkeiten des einzelnen Geschäftsführers. Das Gesetz hat die höchstpersönlichen Amtspflichten jedem Geschäftsführer im öffentlichen Interesse vornehmlich am Gläubigerschutz auferlegt. Daher können jene Pflichten auch nicht durch den Gesellschaftsvertrag, durch Vereinbarung der Geschäftsführer untereinander oder sonstwie eingeschränkt oder gar ausgeschlossen werden; s. auch § 42 Rn 18. Die Pflicht zur ordnungsmäßigen Buchführung trifft auch den nicht wirksam bestellten, aber gleichwohl tätigen Geschäftsführer oder denjenigen, dem die Gesellschafter ohne förmliche Bestellung tatsächlich die Geschäftsführung überlassen (faktischer Geschäftsführer; s. zum Begriff Vor § 35 Rn 11 und § 43 Rn 2 ff)2. Diese höchstpersönlichen Amtspflichten schließen es jedoch nicht aus, die Auf- 3 gaben der Buchführung etc innerhalb der arbeitsteilig organisierten Geschäftsleitung in erster Linie einem (sachgerecht ausgewählten) Geschäftsführer zur Erledigung zuzuweisen3. Bei einer solchen Ressortaufteilung tritt die Verantwortung der übrigen Geschäftsführer zurück – allerdings nur insoweit und solange, wie für diese kein Anlass zur Annahme besteht, die Buchführungsaufgaben etc würden nicht pflichtgemäß (§ 43 Abs. 1) erfüllt. Über die pflichtgemäße Erledi1 BGH GmbHR 1986, 21 = DB 1985, 2292. 2 Scholz/Crezelius § 41 Rn 4a mwN. 3 BGH GmbHR 1995, 653, 654; OLG Koblenz NZG 1998, 953, 954 = GmbHR 1999, 122; MünchKomm/Fleischer Rn 13; B/H/Haas Rn 3; R/S-L/Tiedchen Rn 4.

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§ 41 | Buchführung gung haben sich die übrigen Geschäftsführer auf der Grundlage regelmäßiger Berichte des zuständigen Geschäftsführers kontinuierlich ein Bild zu verschaffen1. Sollten sich ihnen dabei oder aus sonstigem Anlass Zweifel an der pflichtgemäßen Aufgabenerledigung aufdrängen, so müssen sie dem nachgehen und sich – ggf unter Einschaltung externer Dritter – selbst um die Buchführung kümmern. Enthält der für die Buchführung zuständige Geschäftsführer seinen Mitgeschäftsführern die zu seiner Überwachung notwendigen Informationen systematisch vor, ist dies für die Mitgeschäftsführer ein wichtiger Grund zur Amtsniederlegung und Kündigung2.

3. Sanktionen 4 Pflichtwidrig handelnde Geschäftsführer haften der Gesellschaft nach § 43

Abs. 23; außerdem kann die Verletzung der Buchführungspflichten etc ein wichtiger Grund zur Abberufung nach § 38 Abs. 2 (vgl § 38 Rn 21) und zur fristlosen Kündigung des Anstellungsvertrages (§ 626 BGB; s. Anh zu § 6 Rn 59) sein4. Den Gesellschaftsgläubigern gegenüber haften die Geschäftsführer aber nur unter den Voraussetzungen von § 826 BGB, nicht nach § 823 Abs. 2 BGB, weil § 41 kein Schutzgesetz zugunsten individueller Dritter ist5: Wegen des ungezielten Schutzes sämtlicher Gesellschaftsgläubiger fungieren die Vorschriften zur Buchführung, Bilanzierung und Publizität nicht als Schutzbestimmungen zugunsten einzelner Gläubiger. Allerdings kann dem Geschäftsführer die persönliche Haftung im Außenverhältnis drohen, wenn er den JA einem Gesellschaftsgläubiger aus konkretem Anlass gezielt ausgehändigt und dieser im Vertrauen hierauf Vermögensdispositionen getroffen hat, die anschließend wegen unzutreffender JA-Angaben fehlgeschlagen sind: dann kommt ggf eine Haftung wegen in Anspruch genommenen besonderen persönlichen Vertrauens (§ 311 Abs. 3 BGB) in Betracht (§ 43 Rn 73 ff). Steuerrechtlich ist die Verletzung der Buchführungspflicht (§ 140 AO) nach §§ 34 Abs. 1, 69 AO sanktioniert, weil danach der Geschäftsführer persönlich für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten der Gesellschaft haftet (§ 43 Rn 111 ff). Bestimmte Verstöße gegen Buchführungs- und Bilanzierungspflichten sind ggf als Ordnungswidrigkeiten bußgeld-

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BGH GmbHR 1995, 653, 654 mwN. BGH GmbHR 1995, 653, 654. BGH NJW 1974, 1468. S. OLG Rostock NZG 1999, 216 = GmbHR 1999, 344; ferner BGH GmbHR 1995, 299; KG GmbHR 2011, 1272, 1274. 5 BGH BB 1964, 1273; BGHZ 125, 366, 377 ff = GmbHR 1994, 390; OLG Hamm GmbHR 2014, 1044, 1045; R/A/Altmeppen Rn 12; Grigoleit Gesellschafterhaftung für interne Einflussnahme im Recht der GmbH, 2005, S. 135 ff; B/H/Haas Rn 20 ff; R/S-L/Tiedchen Rn 12 f; B/S/Witt Rn 18; aA Biletzki ZIP 1997, 9; Biletzki BB 2000, 521, 524 ff; Merkt S. 249 ff; Scholz/Uwe H. Schneider § 43 Rn 332; Schnorr ZHR 170 (2006), 9, 26 ff; zweifelnd Scholz/Crezelius Rn 8; MünchKomm/Fleischer Rn 29 ff.

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Buchführung | § 41

bewehrt (§ 334 HGB). Unter den Voraussetzungen von § 331 HGB (s. auch § 82 Abs. 2 Nr. 2) und §§ 283 Abs. 1 Nr. 5–7, Abs. 6, 283a, 283b StGB drohen zudem die Sanktionen des Kriminalstrafrechts1. Ob die Strafvorschriften der §§ 283 ff StGB als Schutzgesetze iSv § 823 Abs. 2 BGB anzusehen sind2, hat der BGH bislang ausdrücklich offengelassen3.

4. Inhalt der Buchführungspflicht Die Geschäftsführer müssen die Bücher nicht eigenhändig führen, sondern 5 brauchen bloß für eine ordnungsgemäße Buchführung zu sorgen4. Sie können sich also darauf beschränken, durch den zuständigen Geschäftsführer (Rn 3) eine Buchhaltung einrichten und personell besetzen, diese anleiten und überwachen zu lassen5. Dabei müssen die Geschäftsführer (vornehmlich durch den zuständigen Geschäftsführer repräsentiert6) in der Lage bleiben, jederzeit in die Buchführung einzugreifen und diese wieder in der Weise an sich zu ziehen, dass Mängel umgehend abgestellt werden können. Eine jahresperiodische Prüfung durch den Abschlussprüfer (vgl § 317 Abs. 1 Satz 1 HGB) kann die eigene Überwachung durch die Geschäftsführer nicht ersetzen. Diese Grundsätze gelten in gleicher Weise, falls die Buchführung außerhalb der Gesellschaft, etwa bei ihrem Steuerberater, erledigt wird. Um auch in diesem Fall eine verantwortliche Sorge der Geschäftsführer sicherzustellen, wird man freilich für den Regelfall fordern müssen, dass der Externe dem zuständigen oder allen Geschäftsführern regelmäßig über die Erledigung der an ihn delegierten Aufgaben berichtet. Dafür ist in dem Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen dem Externen und der Gesellschaft ebenso zu sorgen wie dafür, dass der für die Buchführung zuständige Geschäftsführer jederzeit Zugang zu den Büchern und Buchungsunterlagen hat und, falls erforderlich, Weisungen erteilen kann. Hinsichtlich der Pflicht aus § 41 ist der Externe jedoch ebenso wenig Erfüllungsgehilfe der Geschäftsführer wie das eigene Personal der Gesellschaft. Das Ver1 Überblick über die strafrechtlichen Sanktionen von Verstößen gegen RL-Vorschriften bei Müller Beck Hb, D 20 (Stand Dezember 2011); Spatscheck DStR 2003, 173; Weyand INF 2000, 149; zusammenfassend R/S-L/Tiedchen Rn 21 ff. 2 Bejahend etwa Haas Geschäftsführerhaftung und Gläubigerschutz, 1997, S. 137 f; R/S-L/ Tiedchen Rn 16; ebenso MünchKomm/Fleischer Rn 31; Fleischer WM 2006, 2021, 2029; eingehend Grigoleit Gesellschafterhaftung, S. 141 ff; verneinend OLG Hamm GmbHR 2014, 1044, 1045; kritisch auch Schnorr ZHR 107 (2006), 9, 16 f. 3 BGH ZIP 1985, 29, 30 = GmbHR 1985, 80; BGHZ 125, 366, 378 f = GmbHR 1994, 390. 4 S. zur Organisation der Buchführung schon Hommelhoff/Priester ZGR 1986, 463, 465 f und etwa Scholz/Crezelius Rn 6; MünchKomm/Fleischer Rn 17 f; B/H/Haas Rn 4; R/S-L/ Tiedchen Rn 7 ff. 5 BGH GmbHR 1985, 143 f. 6 Näher Erle S. 69 f.

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§ 41 | Buchführung schulden des Externen (oder von Angestellten der Gesellschaft) wird dem Geschäftsführer nicht haftungsbegründend zugerechnet; dieser haftet vielmehr nur für eigenes schuldhaftes Fehlverhalten, im Falle der Aufgabendelegation nach den Kriterien des Organisationsverschuldens1. 6 Im Übrigen werden die inhaltlichen Anforderungen an die Buchführungspflicht

durch §§ 238 ff HGB konkretisiert2. Nach § 239 Abs. 2 HGB müssen die Eintragungen in den Büchern und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorgenommen werden. Um den gesetzlichen Anforderungen an die GuV (§§ 242 Abs. 2, 264 Abs. 2 Satz 1, 275 HGB) gerecht zu werden, sind die Bücher der Gesellschaft zwingend in Form der doppelten Buchführung zu führen; auch für Kleinbetriebe sind insoweit keine Ausnahmen anzuerkennen3.

5. Dauer der Buchführungspflicht 7 Sie beginnt nach Abschluss des Gesellschaftsvertrages mit dem ersten buchungs-

pflichtigen Geschäftsvorfall unabhängig davon, ob die Gesellschaft schon nach §§ 10, 11 ins Handelsregister eingetragen ist. Erster Geschäftsvorfall ist die Entstehung der Einlageforderungen4. Buchführungspflichtig sind demnach schon die Vorgesellschaft und ihre Geschäftsführer5; diese im Augenblick ihrer Bestellung oder der tatsächlichen Aufnahme der Geschäfte (näher Vor § 35 Rn 11). In der Abwicklung der Gesellschaft obliegen diese Aufgaben den Liquidatoren (§ 71 Abs. 4); die Buchführungspflicht der Geschäftsführer und Liquidatoren endet mit der Beendigung der Liquidation6. Zur Buchführungspflicht im Insolvenzverfahren s. Anh zu § 64 Rn 70; zur RLPublizität in der Insolvenz s. Anh zu § 42a Rn 15 und 58 ff).

8 Handelsbücher, Inventare, Eröffnungsbilanzen sowie die JA und Lageberichte

sind zehn Jahre geordnet aufzubewahren; für die empfangenen und abgesandten Handelsbriefe sowie für die Buchungsbelege verkürzt sich der Aufbewahrungszeitraum auf sechs Jahre (§ 257 HGB). Beim Erlöschen der Gesellschaft bestimmen sich die Verwahrungspflichten nach § 74 Abs. 2 (dazu § 74 Rn 12 ff).

1 Näher Hommelhoff Konzernleitungspflicht, S. 484 f; ebenso etwa Scholz/Crezelius Rn 6; R/S-L/Tiedchen Rn 9. 2 Übersicht bei B/H/Schulze-Osterloh 18. Aufl, Rn 38 ff. 3 Wie hier etwa Scholz/Crezelius Rn 9; MünchKomm/Fleischer Rn 6; B/H/Haas Rn 9; R/S-L/Tiedchen Rn 55; aA etwa GroßkommHGB/Pöschke § 239 HGB Rn 7 mwN. 4 Zutreffend B/H/Haas Rn 7; R/S-L/Tiedchen Rn 41 f; B/S/Witt Rn 4. 5 Einschränkend R/A/Altmeppen Rn 7: Vorgesellschaft nur nach Maßgabe ihrer kaufmännischen Qualifikation. 6 MünchKomm/Fleischer Rn 20; B/H/Haas Rn 8; R/S-L/Tiedchen Rn 43.

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Bilanz | § 42

§ 42 Bilanz (1) In der Bilanz des nach den §§ 242, 264 des Handelsgesetzbuchs aufzustellenden Jahresabschlusses ist das Stammkapital als gezeichnetes Kapital auszuweisen. (2) Das Recht der Gesellschaft zur Einziehung von Nachschüssen der Gesellschafter ist in der Bilanz insoweit zu aktivieren, als die Einziehung bereits beschlossen ist und den Gesellschaftern ein Recht, durch Verweisung auf den Geschäftsanteil sich von der Zahlung der Nachschüsse zu befreien, nicht zusteht. Der nachzuschießende Betrag ist auf der Aktivseite unter den Forderungen gesondert unter der Bezeichnung „Eingeforderte Nachschüsse“ auszuweisen, soweit mit der Zahlung gerechnet werden kann. Ein dem Aktivposten entsprechender Betrag ist auf der Passivseite in dem Posten „Kapitalrücklage“ gesondert auszuweisen. (3) Ausleihungen, Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber Gesellschaftern sind in der Regel als solche jeweils gesondert auszuweisen oder im Anhang anzugeben; werden sie unter anderen Posten ausgewiesen, so muss diese Eigenschaft vermerkt werden. Bestimmung neu gefasst durch das BiRiLiG 1985; amtliche Überschrift ergänzt durch MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl I 2026). 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Aufstellung des Einzelabschlusses . a) Kleine Gesellschaften und Kleinstkapitalgesellschaften . . . b) Mittelgroße Gesellschaften . . . c) Große Gesellschaften . . . . . . . 3. Gesellschaftsinterne Zuständigkeit 4. Bilanzierung und Bewertung nach HGB: Strukturmerkmale . . . . . . . a) Bilanzansatz . . . . . . . . . . . . . . b) Allgemeine Bewertungsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bewertung von Vermögensgegenständen und Schulden . . .

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d) True and fair view . . . . . . . . . e) Abwägungsgebot . . . . . . . . . . 5. GmbH-spezifische Bilanzierungsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gezeichnetes Kapital (§ 42 Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Nachschüsse (§ 42 Abs. 2) . . . . c) Rechtsbeziehungen zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern (§ 42 Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . 6. Aufstellung des Konzernabschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Abänderung des JA . . . . . . . . . . .

51 52 53 54 56 57 65 67

Zur abgekürzt zitierten Literatur s. Vor § 41 vor Rn 1.

1. Überblick Die Bestimmung baut auf den allgemeinen Regeln zur Rechnungslegung 1 (§§ 242 ff HGB) sowie auf den speziellen Regeln für Kapitalgesellschaften (§§ 264 ff HGB) auf und ergänzt diese durch einige Sonderregeln, die ausschließKleindiek

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§ 42 | Bilanz lich für die GmbH gelten. § 42 Abs. 1 stellt klar, dass das statutarische Stammkapital der Gesellschaft das gezeichnete Kapital (§ 272 Abs. 1 Satz 1 HGB) bildet, welches gemäß § 266 Abs. 3 HGB als erster Posten des Eigenkapitals auf der Passivseite der Bilanz auszuweisen ist (Rn 54 f). Die weiteren Bestimmungen regeln, wie Nachschüsse in der Bilanz (§ 42 Abs. 2) und wie die Geschäftsbeziehungen zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern in der Rechnungslegung zu behandeln sind (§ 42 Abs. 3). Diese GmbH-spezifischen Bilanzierungsgrundsätze werden unten Rn 53 ff erläutert. Vorab werden zunächst die (nach Größenklassen differenzierenden) Vorgaben des HGB-Bilanzrechts über die Aufstellung des JA nebst Lagebericht (Rn 2 ff) sowie die gesellschaftsinterne Zuständigkeit für die Abschlussaufstellung und -unterzeichnung erörtert (Rn 18 ff). Sodann werden die zentralen Strukturmerkmale der Bilanzierung und Bewertung nach HGB skizziert (Rn 25 ff). – Zur Abgrenzung der drei Größenklassen (kleine, mittelgroße und große Kapitalgesellschaften) s. schon Vor § 41 Rn 37 ff; zum Konzernabschluss nach HGB sowie zur KonzernRL nach IFRS s. Vor § 41 Rn 11 ff und 45 ff sowie unten Rn 65 f; zur Abschlussprüfung s. Vor § 41 Rn 60 ff; zur RLPublizität s. Anh zu § 42a.

2. Aufstellung des Einzelabschlusses 2 Die Pflicht, einen JA und ggf Lagebericht aufzustellen, ergibt sich aus §§ 6

Abs. 1, 242, 264 Abs. 1 HGB, § 13 Abs. 3. Danach muss jede Gesellschaft das Ergebnis ihrer Buchführung zum Geschäftsjahresschluss in einem JA zusammenfassen und zumindest ihre wirtschaftlichen Verhältnisse sowie den Geschäftsverlauf im vergangenen Geschäftsjahr verbal darstellen. Dieser Einzelabschluss jeder GmbH besteht regelmäßig – unabhängig von ihrer Größe – aus dem Rechenwerk der Bilanz und dem der GuV, erweitert um einen Anhang (§§ 242 Abs. 3, 264 Abs. 1 Satz 1 HGB), der Einzelangaben in den Rechenwerken erläutert, ergänzt und zusätzliche Informationen liefert (§§ 284 ff HGB); allein Kleinstkapitalgesellschaften iSd § 267a HGB können auf einen Anhang verzichten, wenn sie die in § 264 Abs. 1 Satz 5 HGB genannten Angaben stattdessen unter der Bilanz ausweisen (s. Rn 11). Im Übrigen stellt das HGB größenspezifisch differenzierte Mindestanforderungen an den Inhalt des JA (zu den drei Größenklassen nach § 267 HGB Vor § 41 Rn 37). Einen Lagebericht (s. Vor § 41 Rn 43) müssen allein große und mittelgroße Gesellschaften aufstellen, nicht hingegen kleine (§§ 264 Abs. 1, 289 HGB); für mittelgroße Gesellschaften sieht das Gesetz insofern keine Erleichterungen vor.

3 Die Aufstellungsfrist beträgt für alle Gesellschaften drei Monate nach Ge-

schäftsjahresende (§ 264 Abs. 1 Satz 3 HGB). In kleinen Gesellschaften kann diese Frist bis zu maximal sechs Monaten verlängert werden; dies allerdings nur, wenn und soweit es einem ordnungsgemäßen Geschäftsgang in der konkreten Gesellschaft und im einzelnen Geschäftsjahr entspricht (§ 264 Abs. 1 Satz 4 1052

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Halbsatz 2 HGB)1. Deshalb darf die Höchstfrist von sechs Monaten nicht von vornherein als statutarische Regelfrist eingeführt werden2; nicht zu beanstanden ist, wenn nur der Text des Gesetzes in den Gesellschaftsvertrag übernommen wird3. Zur Frist für die Feststellung des JA s. § 42a Abs. 2 und die Erläuterungen § 42a Rn 31. Zur fristgerechten Offenlegung der RLUnterlagen über den BAnz nach §§ 325 ff HGB s. Anh zu § 42a Rn 19 ff. a) Kleine Gesellschaften (§ 267 Abs. 1 HGB; dazu Vor § 41 Rn 37 und 40) und 4 Kleinstkapitalgesellschaften (§ 267a HGB; dazu Vor § 41 Rn 23 ff): Wie für alle GmbH schlechthin beschreiben §§ 242 ff, 265 f HGB Gliederung, Art und Umfang der Bilanz auch für die kleine Gesellschaft; danach braucht diese aber nur eine verkürzte Version des in § 266 Abs. 2 HGB abgedruckten Bilanzspiegels anzufertigen (§ 266 Abs. 1 Satz 3 HGB: nur die mit Buchstaben und römischen Zahlen bezeichneten Bilanzposten; s. dazu das Bilanzschema auch für die kleine Gesellschaft S. 1056). In der Sache werden die kleinen Gesellschaften ermächtigt, die Einzelinformationen, die in den mit arabischen Zahlen gekennzeichneten Posten enthalten sind, zu weniger aussagekräftigen Informationsblöcken über den Gesamtwert zB der Sachanlagen oder über den Gesamtumfang zB der Verbindlichkeiten der Gesellschaft zusammenzufassen. Von dieser Ermächtigung dürfen kleine Gesellschaften nur insgesamt und nicht etwa in der Weise Gebrauch machen, dass sie zum einen Teil nach den ihnen offenstehenden Regeln bilanzieren, zum anderen Teil nach denen für mittelgroße Gesellschaften und in einem dritten Teil nach den Regeln für große. Andernfalls wäre die Klarheit und Übersichtlichkeit des JA (§ 243 Abs. 2 HGB) beeinträchtigt. In der Bilanz einer Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) ist die hier zu bildende gesetzliche Rücklage (§ 5a Abs. 3; vgl § 5a Rn 34 ff) aber richtigerweise immer gesondert auszuweisen (s. dazu § 5a Rn 36). Im Übrigen steht in einer kleinen Gesellschaft nichts entgegen, im Gesellschafts- 5 vertrag oder durch Gesellschafterbeschluss anzuordnen, dass nach den Regeln für große Gesellschaften zu bilanzieren oder das Bilanzschema für kleine Gesellschaften durch bestimmte Zusatzinformationen außerhalb der Bilanz im Anhang zu ergänzen ist4. – Wenn die Gesellschaft von den Erleichterungen nach § 266 Abs. 1 Satz 3 HGB Gebrauch macht, kann der einzelne Gesellschafter in Ausübung seines Auskunftsrechts nach § 51a Aufklärung über die Aufschlüsselung der zusammengefassten Bilanzposten verlangen5. Das MicroBilG hat zusätzliche Erleichterungen für Kleinstkapitalgesellschaften 6 geschaffen (vgl schon Vor § 41 Rn 23 ff): Eine GmbH bzw UG (haftungs1 Zu den strafrechtlichen Folgen nicht rechtzeitiger Bilanzaufstellung s. Reck GmbHR 2001, 424. 2 BayObLG GmbHR 1987, 391 = WM 1987, 502, 503; A/D/S § 264 HGB Rn 28 ff. 3 OLG Stuttgart GmbHR 1989, 418. 4 B/H/Schulze-Osterloh 18. Aufl, Rn 24; Hommelhoff/Priester ZGR 1986, 463, 473. 5 B/H/Schulze-Osterloh 18. Aufl, Rn 69 mwN.

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§ 42 | Bilanz beschränkt), welche die Größenmerkmale nach § 267a Abs. 1 HGB nicht überschreitet und auch keine Investment- oder Unternehmensbeteiligungsgesellschaft etc iSd § 267a Abs. 3 HGB ist, braucht nur eine weiter verkürzte Bilanz nach Maßgabe von § 266 Abs. 1 Satz 4 HGB aufzustellen: In diese müssen nur die in § 266 Abs. 2 und 3 HGB mit Buchstaben bezeichneten Posten gesondert und in der vorgeschriebenen Reihenfolge aufgenommen werden. 7 Für die GuV räumt § 275 Abs. 1 Satz 1 HGB der Gesellschaft (unabhängig von

ihrer Größenklasse) ein Wahlrecht ein: Diese kann entweder nach dem Gesamtkostenverfahren (§ 275 Abs. 2 HGB) oder nach dem Umsatzkostenverfahren (§ 275 Abs. 3 HGB) aufgestellt werden. Im Zuge des BilRUG (Vor § 41 Rn 28) ist der Begriff der Umsatzerlöse (mit Auswirkungen ua auf die Schwellenwerte nach §§ 267, 267a, 293 HGB) in § 277 Abs. 1 HGB neu definiert worden1: Als Umsatzerlöse sind nunmehr die Erlöse aus dem Verkauf und der Vermietung oder Verpachtung von Produkten sowie aus der Erbringung von Dienstleistungen der Kapitalgesellschaft nach Abzug von Erlösschmälerungen und Steuern auszuweisen; diese Neuabgrenzung stellt also nicht mehr auf für die gewöhnliche Geschäftstätigkeit der Gesellschaft typische Waren und Dienstleistungen ab. Mit dem BilRUG sind außerdem die gesetzlichen Vorgaben zur Gliederung der GuV in § 275 Abs. 2 und 3 HGB geändert worden: Zum einen entfällt in der GuV der bisherige Ausweis des Ergebnisses der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit sowie der außerordentlichen Erträge/Aufwendungen und des außerordentlichen Ergebnisses. Stattdessen sind im Anhang der Betrag und die Art der einzelnen Erträge und Aufwendungen von außergewöhnlicher Größenordnung oder außerordentlicher Bedeutung anzugeben (§ 285 Nr. 31 HGB). Zum anderen ist nach Steuern vom Einkommen und vom Ertrag eine neue Zwischensumme („Ergebnis nach Steuern“) auszuweisen. S. die beiden GuV-Schemata S. 1058 f.

8 Kleinen Gesellschaften gestattet § 276 HGB, in beiden Darstellungsverfahren

(Gesamtkostenverfahren; Umsatzkostenverfahren) bestimmte Aufwands- und Ertragsposten (abweichend vom Verrechnungsverbot aus § 246 Abs. 2 HGB) in einem Posten „Rohergebnis“ zusammenzufassen (vgl dazu die in Fettdruck gekennzeichneten Posten in den beiden GuV-Schemata S. 1058 f). Auf diese Weise kann Wettbewerbern der Einblick in Umsatzerlöse und Kostenstruktur der Gesellschaft verbaut werden. Dagegen sind Gesellschafter nach § 51a berechtigt, die Einzelposten, aus denen sich das Rohergebnis zusammensetzt, zu erfragen2. Außerdem können die Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag oder durch Gesellschafterbeschluss anordnen, nach welchem Verfahren die GuV aufzustellen ist und ob die Aufwands- und Ertragsposten gesondert auszuweisen sind. Diese 1 Dazu weiterführend Baumann in Russ/Janssen/Götze, BilRUG, Abschnitt F Rn 67 ff; Kolb/ Roß WPg 2015, 869 ff; Oser/Orth/Wirtz DB 2015, 1729, 1731 ff; Peun/Rimmelspacher DB Beilage Nr. 5/2015, S. 12 ff; Richter DB 2015, 385 ff; Schiffers GmbHR 2015, 1018, 1024 ff. 2 K/P/W/Budde HbRL, § 276 HGB Rn 4 (Stand Dezember 2013); B/H/Schulze-Osterloh 18. Aufl, Rn 465.

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Vorgaben für die GuV brauchen nicht den anderen für die Bilanz zu entsprechen; denn in kleinen Gesellschaften ist es zulässig, die Bilanz nach dem Schema für große Gesellschaften aufzustellen, während in der GuV die Einzelposten zum Rohergebnis zusammengefasst werden. Verwirrungen, welche die Klarheit und Übersichtlichkeit einschränken, sind von einer solchen Kombination nicht zu besorgen. Kleinstkapitalgesellschaften iSd § 267a HGB (Rn 6) haben eine Option zur ver- 9 einfachten Darstellung der GuV: Nach § 275 Abs. 5 HGB können sie anstelle der Staffelungen nach § 275 Abs. 2 und 3 HGB die GuV wie folgt darstellen: (1) Umsatzerlöse; (2) sonstige Erträge; (3) Materialaufwand; (4) Personalaufwand; (5) Abschreibungen; (6) sonstige Aufwendungen; (7) Steuern; (8) Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag. Eine GmbH bzw UG (haftungsbeschränkt), die hiervon Gebrauch macht, kann nicht zusätzlich die Erleichterungen nach § 276 Satz 1 HGB (Zusammenfassung bestimmter Posten der GuV unter „Rohergebnis“, s. Rn 8) in Anspruch nehmen (§ 276 Satz 2 HGB). Im Anhang sind Bilanz sowie GuV nach näherer Maßgabe der §§ 274a; 288 10 Abs. 1 HGB, also in insgesamt (im Zuge des BilRUG weiter) erleichterter Form zu erläutern; s. dazu schon Vor § 41 Rn 40. Soweit das Gesetz den Verzicht auf bestimmte Angaben erlaubt, können diese insgesamt oder auch nur einzeln im Anhang ausgespart bleiben1. Kleinstkapitalgesellschaften (Rn 6) sind unter bestimmten Voraussetzungen 11 von der Verpflichtung zur Erstellung eines Anhangs befreit: Eine GmbH bzw UG (haftungsbeschränkt) iSd § 267a HGB darf nach § 264 Abs. 1 Satz 5 HGB auf einen Anhang verzichten, sofern die Angaben nach § 268 Abs. 7 HGB (Haftungsverhältnisse) und § 285 Nr. 9 lit c HGB (Vorschüsse und Kredite zugunsten von Geschäftsführern, Aufsichtsräten und Beiräten) unter der Bilanz ausgewiesen werden. Obwohl der Lagebericht kleiner Gesellschaften ohnehin nicht veröffentlicht zu 12 werden braucht (vgl § 326 Abs. 1 HGB) und er deshalb ausschließlich gesellschaftsintern und hier namentlich als Kontrollinstrument in den Händen der Gesellschafter wirken soll2, ist seine Aufstellung den kleinen Gesellschaften durch das 2. DMBilGÄndG (s. Vor § 41 Rn 2) freigestellt worden (§ 264 Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 1 HGB). Mit Blick auf diese Kontrollfunktion sollte seine Anordnung im Gesellschaftsvertrag für rein gesellschaftsinterne Zwecke erwogen werden; in einem solchen Fall muss der Lagebericht dem Berichtsleser einen aussagefähigen Eindruck von der wirtschaftlichen Gesamtsituation der Gesellschaft vermitteln und darf sich nicht in unscharfen Generalklauseln erschöpfen. [Fortsetzung S. 1060] 1 Grottel Beck BK, § 288 HGB Rn 1 mit zutreffendem Hinweis auf das fortbestehende Auskunftsrecht aus § 51a. 2 Hartmann S. 27 f.

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§ 42 | Bilanz Bilanz der GmbH Aktivseite* A. I. 1. 2. 3. 4. II. 1. 2. 3. 4. III. 1. 2. 3. 4. 5. 6. B. I. 1. 2. 3. 4. II. 1. 2. 3. 4. III. 1. 2. IV. C. D. E.

Anlagevermögen Immaterielle Vermögensgegenstände: Selbst geschaffene gewerbliche Schutzrechte und ähnliche Rechte und Werte; entgeltlich erworbene Konzessionen, gewerbliche Schutzrechte und ähnliche Rechte und Werte sowie Lizenzen an solchen Rechten und Werten; Geschäfts- oder Firmenwert; geleistete Anzahlungen. Sachanlagen: Grundstücke, grundstücksgleiche Rechte und Bauten einschließlich der Bauten auf fremden Grundstücken; technische Anlagen und Maschinen; andere Anlagen, Betriebs- und Geschäftsausstattung; geleistete Anzahlungen und Anlagen im Bau. Finanzanlagen: Anteile an verbundenen Unternehmen; Ausleihungen an verbundene Unternehmen; Beteiligungen; Ausleihungen an Unternehmen, mit denen ein Beteiligungsverhältnis besteht; Wertpapiere des Anlagevermögens; sonstige Ausleihungen. Umlaufvermögen Vorräte: Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe; unfertige Erzeugnisse, unfertige Leistungen; fertige Erzeugnisse und Waren; geleistete Anzahlungen. Forderungen und sonstige Vermögensgegenstände: Forderungen aus Lieferungen und Leistungen; Forderungen gegen verbundene Unternehmen; Forderungen gegen Unternehmen, mit denen ein Beteiligungsverhältnis besteht; sonstige Vermögensgegenstände. Wertpapiere: Anteile an verbundenen Unternehmen; sonstige Wertpapiere. Kassenbestand, Bundesbankguthaben, Guthaben bei Kreditinstituten und Schecks Rechnungsabgrenzungsposten Aktive latente Steuern Aktiver Unterschiedsbetrag aus der Vermögensverrechnung * Kleine Gesellschaften müssen nur die in Fettdruck

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Bilanz der GmbH Passivseite* A. I. II. III. 1. 2. 3. 4. IV. V. B. 1. 2. 3. C. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. D. E.

Eigenkapital Gezeichnetes Kapital; Kapitalrücklage; Gewinnrücklage; gesetzliche Rücklage; Rücklage für Anteile an einem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten Unternehmen; satzungsmäßige Rücklagen; andere Rücklagen. Gewinnvortrag/Verlustvortrag; Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag. Rückstellungen Rückstellungen für Pensionen und ähnliche Verpflichtungen; Steuerrückstellungen; sonstige Rückstellungen. Verbindlichkeiten Anleihen, davon konvertibel; Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten; erhaltene Anzahlungen auf Bestellungen; Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen; Verbindlichkeiten aus der Annahme gezogener Wechsel und der Ausstellung eigener Wechsel; Verbindlichkeiten gegenüber verbundenen Unternehmen; Verbindlichkeiten gegenüber Unternehmen, mit denen ein Beteiligungsverhältnis besteht; sonstige Verbindlichkeiten, davon aus Steuern, davon im Rahmen der sozialen Sicherheit. Rechnungsabgrenzungsposten Passive latente Steuern

gesetzten Bilanzposten ausweisen (§ 266 Abs. 1 Satz 3 HGB).

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§ 42 | Bilanz GuV der GmbH GuV-Gesamtkostenverfahren* 1. Umsatzerlöse; 2. Erhöhung oder Verminderung des Bestands an fertigen und unfertigen Erzeugnissen; 3. andere aktivierte Eigenleistungen; 4. sonstige betriebliche Erträge; 5. Materialaufwand: a) Aufwendungen für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe und für bezogene Waren; b) Aufwendungen für bezogene Leistungen; 6. Personalaufwand: a) Löhne und Gehälter; b) soziale Abgaben und Aufwendungen für Altersversorgung und für Unterstützung, davon für Altersversorgung; 7. Abschreibungen: a) auf immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens und Sachanlagen; b) auf Vermögensgegenstände des Umlaufvermögens, soweit diese die in der Kapitalgesellschaft üblichen Abschreibungen überschreiten; 8. sonstige betriebliche Aufwendungen; 9. Erträge aus Beteiligungen, davon aus verbundenen Unternehmen; 10. Erträge aus anderen Wertpapieren, Ausleihungen und sonstigen Finanzanlagen, davon aus verbundenen Unternehmen; 11. sonstige Zinsen und ähnliche Erträge, davon aus verbundenen Unternehmen; 12. Abschreibungen auf Finanzanlagen und auf Wertpapiere des Umlaufvermögens; 13. Zinsen und ähnliche Aufwendungen, davon an verbundene Unternehmen; 14. Steuern vom Einkommen und vom Ertrag; 15. Ergebnis nach Steuern; 16. sonstige Steuern; 17. Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag.

* Kleine und mittelgroße Gesellschaften dürfen die in Fettdruck gekennzeichneten

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GuV der GmbH GuV-Umsatzkostenverfahren* 1. Umsatzerlöse; 2. Herstellungskosten der zur Erzielung der Umsatzerlöse erbrachten Leistungen; 3. Bruttoergebnis vom Umsatz; 4. Vertriebskosten; 5. allgemeine Verwaltungskosten; 6. sonstige betriebliche Erträge; 7. sonstige betriebliche Aufwendungen; 8. Erträge aus Beteiligungen, davon aus verbundenen Unternehmen; 9. Erträge aus anderen Wertpapieren und Ausleihungen des Finanzanlagevermögens, davon aus verbundenen Unternehmen; 10. sonstige Zinsen und ähnliche Erträge, davon aus verbundenen Unternehmen; 11. Abschreibungen auf Finanzanlagen und auf Wertpapiere des Umlaufvermögens; 12. Zinsen und ähnliche Aufwendungen, davon an verbundene Unternehmen; 13. Steuern vom Einkommen und vom Ertrag; 14. Ergebnis nach Steuern; 15. sonstige Steuern; 16. Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag.

Posten unter der Bezeichnung „Rohergebnis“ zusammenfassen (§ 276 HGB).

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§ 42 | Bilanz 13 b) Mittelgroße Gesellschaften (§ 267 Abs. 2 HGB; dazu Vor § 41 Rn 37 und

42): Für die Bilanz mittelgroßer Gesellschaften sind keine Erleichterungen vorgesehen; sie müssen den vollen Bilanzspiegel nach § 266 Abs. 2 und 3 HGB (s. S. 1056 f) ausfüllen (so ausdrücklich § 266 Abs. 1 Satz 1 HGB). Daraus folgt: Die gesellschaftsinternen Adressaten der Rechnungslegung (insbesondere Gesellschafter, ggf der Aufsichtsrat/Beirat, s. auch Vor § 41 Rn 32) können in dieser Größenklasse schon nach dem Gesetz aufgegliederte Informationen zB über die Sach- und Finanzanlagen sowie zB über die Rückstellungen und Verbindlichkeiten beanspruchen. Dagegen haben die gesellschaftsexternen Adressaten (Gläubiger; sonstige Dritte) diesen umfassenden Informationsanspruch nicht, weil die mittelgroßen Gesellschaften die Bilanz in einer verkürzten Form zum BAnz einreichen dürfen (§ 327 Nr. 1 HGB; näher Anh zu § 42a Rn 29 ff); die externen Adressaten haben sich dann im Grundsatz mit den weniger aussagekräftigen Informationsblöcken wie bei der kleinen Gesellschaft zu begnügen (Rn 4).

14 In der GuV hingegen dürfen mittelgroße Gesellschaften in gleicher Weise wie

die kleinen einen Sammelposten „Rohergebnis“ bilden (§ 276 Satz 1 HGB; näher dazu Rn 8).

15 Zwischen internen und externen Publizitätsadressaten wird auch für den An-

hang der mittelgroßen Gesellschaften unterschieden: Den internen Adressaten (Rn 13) ist der Anhang mit den Erläuterungen nach § 284 HGB in unverkürztem Umfang vorzulegen. Von den sonstigen Pflichtangaben nach § 285 HGB sind mittelgroße Gesellschaften (nur) nach Maßgabe von § 288 Abs. 2 HGB befreit; s. dazu schon Vor § 41 Rn 42. – Die externen Publizitätsadressaten (Rn 13) erhalten einen weniger informativen Anhang (ohne die Angaben nach § 285 Nr. 2 und Nr. 8 lit a, Nr. 12; s. § 327 Nr. 2 HGB).

16 Durch den Lagebericht nach §§ 264 Abs. 1 Satz 1, 289 HGB (s. Vor § 41 Rn 43)

werden die internen und die externen Publizitätsadressaten mittelgroßer Gesellschaften in gleicher Weise informiert, ohne dass die gesetzlichen Vorgaben an die inhaltliche Ausgestaltung der Lageberichterstattung (§ 289 HGB) zwischen verschiedenen Gruppen von Publizitätsadressaten differenzieren. Sollten diese Informationen den Gesellschaftern nicht ausreichen, so können sie im Gesellschaftsvertrag vorschreiben, dass der Lagebericht auf bestimmten Gebieten über das gesetzliche Mindestmaß hinausgehen muss1.

17 c) Große Gesellschaften (§ 267 Abs. 3 HGB; dazu Vor § 41 Rn 37 und 44): Für

große Gesellschaften gilt das zu den mittelgroßen Ausgeführte (Rn 13 ff) entsprechend mit folgenden Abweichungen: Die unverkürzte Bilanz nach § 266 Abs. 2 und 3 HGB ist nicht nur den gesellschaftsinternen Adressaten der Rechnungslegung 1 B/H/Schulze-Osterloh 18. Aufl, Rn 28; vgl auch MünchKommBilanzR/Kleindiek § 289 HGB Rn 150 ff.

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zu eröffnen, sondern unverändert auch extern über den BAnz nach Maßgabe von §§ 325 ffHGB zu publizieren (s. Anh zu § 42a Rn 33 ff). In der GuV darf kein Sammelposten „Rohergebnis“ gebildet werden; vielmehr sind alle Aufwendungen und Erträge nach § 275 Abs. 2 oder 3 HGB gesondert auszuweisen (arg § 276 HGB). Die für den Anhang in §§ 284 f HGB vorgeschriebenen Mindestinformationen sind ohne jede Einschränkung sämtlichen Publizitätsadressaten innerhalb und außerhalb der Gesellschaft zugänglich zu machen (arg §§ 288, 326 f HGB).

3. Gesellschaftsinterne Zuständigkeit Die Aufgabe, den JA nebst Lagebericht aufzustellen, weisen § 264 Abs. 1 Satz 1 18 HGB, § 6 zwingend allen Geschäftsführern als höchstpersönliche Amtspflicht zu. Insoweit gilt das zur Buchführungspflicht Ausgeführte (§ 41 Rn 2 f) entsprechend; zur Pflichtenlage in der Liquidation s. schon § 41 Rn 7, zur Insolvenz s. Anh zu § 64 Rn 70. Zu den gesetzlichen Vertretern iSd § 264 HGB zählen nicht die Prokuristen, Handlungs- und Generalbevollmächtigten der Gesellschaft, auch nicht die Prokuristen mit unechter Gesamtvertretungsmacht (§ 78 Abs. 3 AktG analog, § 35 Rn 39 ff). Die im öffentlichen Interesse zugewiesene Aufstellungspflicht kann weder im 19 Gesellschaftsvertrag noch durch Gesellschafterbeschluss auf andere Stellen übertragen werden. Mit der technischen Aufgabe, das Zahlenwerk für Bilanz und GuV zusammenzustellen und die Texte für Anhang und Lagebericht zu entwerfen, können aber der für die Buchhaltung zuständige Geschäftsführer und ihm nachgeordnete Mitarbeiter betraut werden. Für das Ergebnis dieser Aufgabe haben jedoch alle Geschäftsführer die Verantwortung (Gesamtverantwortung); bei ihnen liegt deshalb auch die Entscheidung über den Vorschlag an die Gesellschafter (näher § 42a Rn 6 f), welche Bilanzpolitik verfolgt und wie bestehende Bilanzierungswahlrechte ausgeübt werden sollten (zum Abwägungsgebot Rn 52). Anders, falls die Gesellschafter den Geschäftsführern vorab bestimmte Grundsätze für die Bilanzpolitik vorgegeben haben1. Sollte sich im Nachhinein die Nichtigkeit des festgestellten JA herausstellen 20 (Anh zu § 47 Rn 24 ff)2, so dürfen die Geschäftsführer nicht bis zum Eintritt der Heilung (§ 256 Abs. 6 AktG analog) zuwarten, sondern müssen sogleich einen mangelfreien neuen JA aufstellen3; denn mit der Rechtsfolge der Nichtigkeit hat 1 S. Hommelhoff/Priester ZGR 1986, 463, 473. 2 Dazu auch Brete/Thomsen GmbHR 2008, 176; B/H/Haas § 42a Rn 24 ff. 3 Streitig; im Ergebnis wie hier etwa Balthasar Die Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse, 1999, S. 219 ff; Geist DStR 1996, 306, 307 ff; andere wollen Verzicht auf Aufstellung (und Feststellung) eines neuen JA zulassen, wenn mit Heilung durch Zeitablauf alsbald zu rechnen ist: s. – mit Unterschieden im Einzelnen – A/D/S § 172 AktG Rn 39; Kowalski AG 1993, 502, 504 f; Lutter FS Helmrich, 1994, S. 685, 691; B/H/Schulze-

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§ 42 | Bilanz der Gesetzgeber einen mit solchen Mängeln behafteten JA gerade der Disposition der Beteiligten entziehen wollen. – Zur Abänderung des fehlerfreien JA s. Rn 67; zur obligatorischen Prüfung des neuen JA Vor § 41 Rn 76 ff. 21 In Konsequenz ihrer Verantwortung müssen alle Geschäftsführer (einschließlich

der Stellvertreter, § 44) den JA (bestehend aus Bilanz, GuV und Anhang) unterzeichnen (§ 264 Abs. 1 Satz 1; § 245 HGB). Die (bußgeldbewehrte: § 334 Abs. 1 Nr. 1 lit a HGB) öffentlich-rechtliche Zeichnungspflicht aus § 245 HGB bezieht sich richtigerweise auf den JA nach seiner Feststellung durch die Gesellschafter oder ein anderes statutarisch bestimmtes Feststellungsorgan1; fehlende Unterzeichnung allein beeinträchtigt die Wirksamkeit des (festgestellten) JA jedoch nicht. Unabhängig von der Unterzeichnung des festgestellten Abschlusses ist in geeigneter Weise zu dokumentieren, ob die Geschäftsführer ihrer Verpflichtung zur zeitgerechten Aufstellung des JA (§ 264 Abs. 1 Satz 3 und 4; dazu Rn 2) nachgekommen sind; das kann durch Unterzeichnung (auch) schon des aufgestellten Abschlusses, aber ebenso in sonstiger Weise (Aktenvermerk oÄ) geschehen.

22 Im Übrigen bezieht sich § 245 HGB auf den JA, nicht auf den hiervon zu unter-

scheidenden (§ 264 Abs. 1 Satz 1 HGB) Lagebericht. Eine Rechtspflicht zur gesonderten Unterzeichnung des Lageberichts wird deshalb überwiegend zu Recht verneint2. Der Funktion des Lageberichts als eigenständigem Informationsinstrument der RL wird der enge Geltungsbereich des § 245 HGB zwar nicht mehr gerecht. Auch empfiehlt sich seine Unterzeichnung aus Beweisgründen. Die unterlassene Unterzeichnung kann jedoch keinesfalls entsprechend § 334 HGB als ordnungswidrig angesehen werden (Analogieverbot).

23 Jeder Geschäftsführer kann und muss seine Unterschrift verweigern, falls nach

seiner pflichtgemäß gewonnenen Überzeugung der Abschluss nicht im Einklang mit den geltenden Bestimmungen der Gesetze steht3. Ein bloßer Verstoß gegen gesellschaftsvertragliche Bilanzierungsregeln etc rechtfertigt dagegen nicht die Verweigerung der im öffentlichen Interesse geforderten Unterschrift4.

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Osterloh 18. Aufl, Rn 568; B/H/Haas § 42a Rn 22 mwN; tendenziell auch („allenfalls dann“) Schön FS 50 Jahre BGH, Festgabe aus der Wissenschaft, 2000, S. 153, 163. BGH BB 1985, 567 = GmbHR 1985, 256; OLG DB 2009, 1521, 1522; MünchKommBilanzR/Kleindiek § 245 HGB Rn 6; GroßkommHGB/Pöschke § 245 HGB Rn 5, je mwN zum Meinungsstand. MünchKommBilanzR/Kleindiek § 245 HGB Rn 5; GroßkommHGB/Pöschke § 245 HGB Rn 4; aA B/H/Schulze-Osterloh 18. Aufl, § 41 Rn 74; R/S-L/Tiedchen § 41 Rn 135: Analogie zu § 245 HGB. Zustimmend Oser/Eisenhardt DB 2011, 717, 718. Zu weiteren Detailfragen im Zusammenhang mit der Unterzeichnung des JA s. etwa MünchKommBilanzR/Kleindiek § 245 HGB Rn 8 ff; GroßkommHGB/Pöschke § 245 HGB Rn 11 f.

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Allein in einer kapitalmarktorientierten Kapitalgesellschaft, die Inlandsemittent 24 iSd § 2 Abs. 7 WpHG und keine Kapitalgesellschaft iSd § 327a HGB ist, haben die gesetzlichen Vertreter bei der Unterzeichnung schriftlich zu versichern, dass nach bestem Wissen der JA dem true and fair view-Gebot (s. Rn 51) entspricht: sog „Bilanzeid“ nach § 264 Abs. 2 Satz 3 HGB; entsprechende Regelungen für den Lagebericht, den Konzernabschluss und den Konzernlagebericht sowie einen etwaigen IFRS-Einzelabschluss solcher Gesellschaften enthalten §§ 289 Abs. 1 Satz 5, 297 Abs. 2 Satz 4, 315 Abs. 1 Satz 6, 325 Abs. 2a Satz 3 HGB. Jene Erklärungspflichten sind strafbewehrt nach § 331 Nr. 3 lit a HGB.

4. Bilanzierung und Bewertung nach HGB: Strukturmerkmale Das im Dritten Buch des HGB kodifizierte Bilanzrecht enthält umfassende Vor- 25 schriften zur Gliederung des JA sowie zum Ansatz und zur Bewertung. Aus dem bisherigen Bilanzrecht der AG heraus entwickelt, hatten die HGB-Bestimmungen zur Rechnungslegung die Rechtsform der GmbH zur Hauptbetroffenen des BiRiLiG (Vor § 41 Rn 1) gemacht. Sie stehen nur in engen Grenzen zur Disposition des Gesellschaftsvertrages1. Dieser kann daher nicht vorschreiben, allein eine Steuerbilanz aufzustellen2. Unschädlich sind dagegen sog Einheitsbilanzklauseln: Der JA sei als steuer- und handelsrechtlicher Einheitsabschluss unter Beachtung zwingenden Handelsrechts aufzustellen, oder die Handelsbilanz sei aus der Steuerbilanz abzuleiten. Denn damit bleibt erklärtermaßen Raum, die zwingenden Vorgaben des Handelsrechts zu erfüllen. Jedoch schränken solche Klauseln die bilanzpolitischen Möglichkeiten ein und sollten deshalb, zumal vor dem Hintergrund der BilMoG-Reform (s. Vor § 41 Rn 18), – soweit noch nicht geschehen – überdacht werden3. Die Gliederungs-, Ansatz- und Bewertungsvorschriften, mit denen das HGB die 26 Rechnungslegung auch der GmbH regelt, können in diesem Kommentar nicht ausführlich erläutert werden; insoweit ist auf das bilanzrechtliche Spezialschrifttum zu verweisen4. Im Folgenden werden lediglich die prägenden Strukturmerkmale des HGB-Bilanzrechts zusammenfassend skizziert, wie es sich nach der Reform im Zuge des BilMoG (s. Vor § 41 Rn 18) darstellt; auf die jüngst mit dem BilRUG (s. Vor § 41 Rn 28) realisierten Änderungen wird dabei jeweils hingewiesen. 1 Näher Hommelhoff/Priester ZGR 1986, 463, 472 f. 2 BayObLG DB 1988, 171 = GmbHR 1988, 185; s. auch B/H/Schulze-Osterloh 18. Aufl, Rn 23 mwN. 3 S. dazu etwa Herzig/Briesemeister WPg 2010, 63; Zwirner BB 2010, 491, 494; Zwirner/ Mugler DStR 2011, 1191. 4 Weiterführend – schon unter Berücksichtigung des BilRUG – Schiffers/Theile BilanzR der GmbH, 2015.

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§ 42 | Bilanz 27 a) Bilanzansatz: An der Spitze der Ansatzvorschriften (§§ 246–251 HGB) steht

das Vollständigkeitsgebot des § 246 Abs. 1 Satz 1 HGB, nach dem sämtliche Vermögensgegenstände, Schulden, Rechnungsabgrenzungsposten, Aufwendungen und Erträge in den JA aufgenommen werden müssen, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Aktivposten dürfen nicht mit Passivposten, Aufwendungen nicht mit Erträgen verrechnet werden (Verrechnungsverbot, § 246 Abs. 2 Satz 1 HGB). Im Grundsatz ist alles, was abstrakt bilanzierungsfähig ist, auch bilanzierungspflichtig: Aktivierungspflichtig ist jeder Vermögensgegenstand, welcher der Gesellschaft zuzurechnen ist (§ 246 Abs. 1 Satz 2 HGB). Passivierungspflichtig sind alle der Gesellschaft zuzurechnenden Schulden, dh sämtliche in Bestand und Höhe gewisse Verpflichtungen gegenüber Dritten (Passivierung als Verbindlichkeit) sowie alle in Bestand oder Höhe noch ungewisse Verpflichtungen, wenn mit einer Inanspruchnahme hinreichend wahrscheinlich zu rechnen ist (Bildung einer Verbindlichkeitsrückstellung, § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB); dafür ist maßgeblich, ob der Bilanzierungspflichtige bei sorgfältiger Abwägung aller in Betracht zu ziehenden Umstände eine Rückstellungspflicht nicht verneinen dürfte1.

28 Schwebende Geschäfte sind grundsätzlich nicht zu bilanzieren; wo jedoch bis

zum Abschlussstichtag ein Verlust aus ihnen entstanden ist oder zu entstehen droht, ist eine Drohverlustrückstellung in Höhe des Verpflichtungsüberschusses zu passivieren (§ 249 Abs. 1 Satz 1 HGB); das steuerbilanzrechtliche Verbot der Bildung von Drohverlustrückstellungen (§ 5 Abs. 4a EStG) gilt für den handelsrechtlichen JA gerade nicht.

29 Nicht auf der Passivseite der Bilanz auszuweisende Verbindlichkeiten und Haf-

tungsverhältnisse iSv § 251 HGB, aus denen mit einer Inanspruchnahme noch nicht hinreichend wahrscheinlich zu rechnen ist, sind im JA von Kapitalgesellschaften zwingend im Anhang (nicht mehr wahlweise unter der Bilanz oder im Anhang) auszuweisen: § 268 Abs. 7 HGB idFd BilRUG; dabei sind die Haftungsverhältnisse jeweils gesondert unter Angabe der gewährten Pfandrechte und sonstigen Sicherheiten anzugeben, wobei Verpflichtungen betreffend die Altersversorgung und Verpflichtungen gegenüber verbundenen oder assoziierten Unternehmen jeweils gesondert zu vermerken sind2; die Gründe der Einschätzung des Risikos der Inanspruchnahme sind im Anhang zu erläutern (§ 285 Nr. 27 HGB). Wenn Kleinstkapitalgesellschaften iSd § 267a HGB (Rn 6) auf einen Anhang verzichten (dazu Rn 11), müssen sie „die in § 268 Abs. 7 genannten Angaben“ unter der Bilanz machen (so § 264 Abs. 1 Satz 5 Nr. 1 HGB idFd BilRUG). Die Regelung des § 268 Abs. 7 HGB ist (nach wie vor) nicht in den Katalog der Erleichterungen für kleine Gesellschaften nach § 274a HGB aufgenommen worden. Gleichwohl bleibt zweifelhaft, ob kleine (und Kleinst-)Gesellschaften auch

1 BGH GmbHR 2003, 1420. 2 Zu Einzelheiten s. Rimmelspacher/Meyer DB Beilage Nr. 5/2015, S. 23, 24 f.

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zur Aufgliederung der nicht auf der Passivseite der Bilanz auszuweisenden Verbindlichkeiten und Haftungsverhältnisse iSd § 268 Abs. 7 Nr. 1 HGB verpflichtet sind1. Denn nach ausdrücklicher Bestimmung des § 266 Abs. 1 Satz 3 HGB müssen sie auch ihre in der Bilanz ausgewiesenen Verbindlichkeiten nicht aufgliedern. Das spricht dafür, dass von ihnen auch kein gesonderter Ausweis (Aufgliederung) der Verbindlichkeiten und Haftungsverhältnisse nach § 268 Abs. 7 Nr. 2–3 HGB verlangt werden kann2. Im Zuge des BilMoG wurde das Verrechnungsverbot nach § 246 Abs. 2 HGB 30 (ohne steuerliche Wirkung: § 5 Abs. 1a Satz 1 EStG) durch die Verpflichtung zur Saldierung von Schulden mit Planvermögen eingeschränkt: Dem Zugriff aller übrigen Gläubiger entzogene Vermögensgegenstände, die ausschließlich der Erfüllung von Schulden aus Pensionsverpflichtungen oder vergleichbaren langfristig fälligen Verpflichtungen dienen, sind mit diesen Schulden zu verrechnen; entsprechend ist mit den zugehörigen Aufwendungen und Erträgen aus der Abzinsung und aus dem zu verrechnenden Vermögen zu verfahren (§ 246 Abs. 2 Satz 2 HGB). Die zu verrechnenden Vermögensgegenstände sind dabei mit ihrem beizulegenden Zeitwert zu bewerten (§ 253 Abs. 1 Satz 4 HGB). Übersteigt der beizulegende Zeitwert der Vermögensgegenstände den Betrag der Schulden, ist der übersteigende Betrag unter dem gesonderten Posten „Aktiver Unterschiedsbetrag aus der Vermögensverrechnung“ (§ 266 Abs. 2 E HGB) zu aktivieren (§ 246 Abs. 2 Satz 3 HGB); etwaige Bewertungsgewinne unterliegen der Ausschüttungssperre nach Maßgabe von § 268 Abs. 8 Satz 3 HGB. Im Anhang ist die Verrechnung zu erläutern (§ 285 Nr. 25 iVm Nr. 20 lit a HGB). Die bis zum Inkrafttreten des BilMoG geltenden Ansatzverbote und Ansatz- 31 wahlrechte (zusammenfassend 18. Aufl, Rn 22) bestehen heute nur noch in erheblich modifizierter Weise: Beibehalten wurden die gesetzlichen Aktivierungsverbote für Aufwendungen zur Gründung des Unternehmens und Beschaffung des Eigenkapitals (§ 248 Abs. 1 Nr. 1 und 2 HGB) sowie für Aufwendungen für den Abschluss von Versicherungsverträgen (§ 248 Abs. 1 Nr. 3 HGB). Das frühere Aktivierungsverbot nach § 248 Abs. 2 HGB aF ist durch ein Wahl- 32 recht zur Aktivierung selbst geschaffener immaterieller Vermögensgegenstände des Anlagevermögens im JA (nach wie vor nicht in der Steuerbilanz: § 5 Abs. 2 EStG) ersetzt worden (§ 248 Abs. 2 Satz 1 HGB); dabei sind nur die bei der Entwicklung anfallenden Herstellungskosten aktivierungsfähig, nicht also die Forschungskosten (§ 255 Abs. 2a HGB mit begrifflicher Abgrenzung von Forschung und Entwicklung). Können Forschung und Entwicklung nicht ver1 Bejahend Schiffers/Theile/Schiffers BilanzR der GmbH, Rn 2367; verneinend Rimmelspacher/Meyer DB Beilage Nr. 5/2015, S. 23, 33. 2 S. zur Freistellung kleiner Gesellschaften von der Pflicht zum gesonderten Ausweis auf der Basis von § 268 Abs. 7 HGB aF schon Grottel/Haußer Beck BK, § 268 HGB Rn 123; GroßkommHGB/Kleindiek § 251 HGB Rn 3, je mwN.

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§ 42 | Bilanz lässlich voneinander unterschieden werden, ist eine Aktivierung ausgeschlossen (§ 255 Abs. 2a Satz 4 HGB). Wird von der Aktivierungsmöglichkeit Gebrauch gemacht, ist dies mit einer Ausschüttungssperre gekoppelt (§ 268 Abs. 8 Satz 1 HGB). 33 Das Aktivierungswahlrecht findet nur auf selbst geschaffene immaterielle Ver-

mögensgegenstände Anwendung, deren Entwicklung in nach dem 31.12.2009 beginnenden Geschäftsjahren in Angriff genommen worden ist (Art. 66 Abs. 7 EGHGB). Ausdrücklich nicht aktivierungsfähig sind im Übrigen nicht entgeltlich erworbene Marken, Drucktitel, Verlagsrechte, Kundenlisten oder vergleichbare immaterielle Vermögensgegenstände (§ 248 Abs. 2 Satz 2 HGB), weil deren Wert angesichts der nicht möglichen Zurechnung der Entwicklungskosten (in Abgrenzung zu den Kosten für die Entwicklung des Unternehmens als Ganzes) kaum zu objektivieren ist. Die aktivierten selbst geschaffenen immateriellen Vermögensgegenstände des Anlagevermögens sind im Gliederungsschema nach § 266 Abs. 2 HGB gesondert auszuweisen unter dem Posten A. I.1.: „Selbstgeschaffene gewerbliche Schutzrechte und ähnliche Rechte und Werte“. Im Anhang ist dann – allerdings unter Befreiung kleiner Gesellschaften, § 288 Abs. 1 HGB – der Gesamtbetrag der Forschungs- und Entwicklungskosten des Geschäftsjahres sowie der davon auf selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens entfallende Betrag anzugeben (§ 285 Nr. 22 HGB).

34 Das frühere Wahlrecht nach § 255 Abs. 4 HGB aF ist von der Pflicht zur Akti-

vierung eines entgeltlich erworbenen Geschäfts- oder Firmenwertes abgelöst worden, der im Wege einer Fiktion zum Vermögensgegenstand erklärt wird (§ 246 Abs. 1 Satz 4 HGB mit Übergangsvorschrift nach Art. 66 Abs. 3 Satz 2 EGHGB: Erwerbsvorgänge aus nach dem 31.12.2009 beginnenden Geschäftsjahren) und der planmäßigen Abschreibung unterliegt (mit Erläuterungspflicht im Anhang nach § 285 Nr. 13 HGB idFd BilRUG). Kann in Ausnahmefällen die voraussichtliche Nutzungsdauer nicht verlässlich geschätzt werden, sind planmäßige Abschreibungen über einen Zeitraum von zehn Jahren vorzunehmen (§ 253 Abs. 3 Satz 3 und 4 HGB idFd BilRUG). Demgegenüber gilt für den selbst geschaffenen Geschäfts- oder Firmenwert, weil kein Vermögensgegenstand, weiterhin ein Ansatzverbot.

35 Die frühere Aktivierungsmöglichkeit (Bilanzierungshilfe) für Ingangsetzungs-

und Erweiterungsaufwendungen (§§ 269, 282 HGB aF) ist entfallen; ebenso die Rückstellungswahlrechte aus § 249 Abs. 1 Satz 3 HGB aF und § 249 Abs. 2 HGB aF (Aufwandsrückstellungen). Rückstellungen sind heute nur noch im Rahmen der Rückstellungspflichten nach § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB (für ungewisse Verbindlichkeiten und für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften) sowie nach § 249 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 HGB (für unterlassene Aufwendungen für Instandhaltung bzw Abraumbeseitigung; für Gewährleistungen ohne rechtliche Verpflichtung) zu bilden. Das Wahlrecht hinsichtlich der Bildung von Rückstellungen für Pensionsverpflichtungen nach Art. 28 EGHGB besteht freilich fort. 1066

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Das frühere Wahlrecht zur aktivischen Rechnungsabgrenzung (§ 250 Abs. 1 36 Satz 2 HGB aF) ist heute ebenso weggefallen wie die Möglichkeit zur passivischen Bildung eines Sonderpostens mit Rücklagenanteil (§§ 247 Abs. 3, 273 HGB aF). § 274 HGB (mit Übergangsregelung in Art. 67 Abs. 6 EGHGB) hat die Abgrenzung (aktiver und passiver) latenter Steuern neu geregelt; die aktiven und passiven latenten Steuern sind heute in gesonderten Posten auszuweisen (§ 266 Abs. 2 D HGB und § 266 Abs. 3 E HGB) und im Anhang zu erläutern (§ 285 Nr. 29 und 30 HGB mit Befreiung für kleine Gesellschaften gemäß § 288 Abs. 1 HGB). Für nach einer Saldierung verbleibende aktive latente Steuern besteht nach § 274 Abs. 1 Satz 2 HGB allerdings keine Aktivierungspflicht, sondern ein Aktivierungswahlrecht; alternativ können Steuerbe- und -entlastung auch unverrechnet angesetzt werden (§ 274 Abs. 1 Satz 3 HGB). Erträge aus der Aktivierung latenter Steuern (also der Betrag, um den die Aktivierung die passiven latenten Steuern übersteigt) sind ausschüttungsgesperrt nach § 268 Abs. 8 Satz 2 HGB. Kleine Gesellschaften sind im Übrigen von der Verpflichtung zur Ermittlung und zum Ausgleich latenter Steuern nach § 274 HGB befreit (§ 274a Nr. 5 HGB); sie müssen nur passive latente Steuern ausweisen, wenn die Voraussetzungen von § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB erfüllt sind. Schließlich hat das BilMoG zur Aufhebung der umgekehrten Maßgeblichkeit 37 (früher § 5 Abs. 1 Satz 2 EStG) geführt; die damit im Zusammenhang stehenden handelsrechtlichen Vorschriften (außer §§ 247 Abs. 3, 273 HGB aF vor allem §§ 254, 279 Abs. 2, 280 Abs. 2 und 3, 281, 285 Satz 1 Nr. 5 HGB aF) sind entfallen. Steuerliche Wahlrechte können für die steuerliche Gewinnermittlung unabhängig von ihrer (nicht länger möglichen) Wahrnehmung in der Handelsbilanz ausgeübt werden (dazu nunmehr Vorgaben in § 5 Abs. 1 EStG: Aufnahme der betreffenden Wirtschaftsgüter in besondere, laufend zu führende Verzeichnisse). Die mit dem BilMoG realisierten Änderungen (zur erstmaligen Anwendbarkeit 38 s. Vor § 41 Rn 21) wurden begleitet von weiteren detaillierten Übergangsregelungen in Art. 67 EGHGB mit erheblichen Wahlrechten zur Fortführung der Wertansätze, die in vor dem Inkrafttreten des reformierten Rechts begonnenen Geschäftsjahren gebildet worden sind1. b) Allgemeine Bewertungsgrundsätze: In den Vorschriften zur Bewertung der 39 bilanzierten Vermögensgegenstände und Schulden (§§ 252–256 HGB) sind zunächst zentrale allgemeine Bewertungsgrundsätze kodifiziert (§ 252 HGB). Sie waren bereits vor ihrer gesetzlichen Normierung durch das BiRiLiG (s. Vor § 41 Rn 1) als Grundsatz ordnungsmäßiger Buchführung und Bilanzierung anerkannt und prägen zT auch schon den Bilanzansatz: Der Grundsatz der Periodenabgrenzung (§ 252 Abs. 1 Nr. 5 HGB), wonach Aufwendungen und Erträge 1 Übersicht bei Ernst/Seidler BB 2009, 766, 770 f; Kirsch DStR 2009, 1048; zu den damit verbundenen bilanzpolitischen Implikationen s. Zwirner/Künkele DB 2009, 1081.

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§ 42 | Bilanz des Geschäftsjahres unabhängig von den Zeitpunkten der entsprechenden Zahlungen im JA zu berücksichtigen sind, ist ein Ansatzgrundsatz. Das in § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB umschriebene Vorsichtsprinzip und seine konkretisierenden Ausprägungen (Gebot der Bewertungsvorsicht, Realisationsprinzip, Imparitätsprinzip) hat sowohl für den Bilanzansatz als auch für die Bewertung Bedeutung. Das Gebot der Bewertungsvorsicht zwingt zur vorsichtigen Wahrnehmung von Bewertungsspielräumen; das Realisationsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 HGB) verbietet den Ausweis von Gewinnen, die am Markt noch keine Bestätigung gefunden haben; und das Imparitätsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 1 HGB) verlangt die Antizipation noch nicht realisierter, aber vorhersehbarer Verluste, die dem abgelaufenen Geschäftsjahr zuzuordnen sind. 40 Nach dem Grundsatz der Bilanzidentität (§ 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB) müssen die

Wertansätze in der Eröffnungsbilanz des Geschäftsjahres mit denen der Schlussbilanz des vorhergehenden Geschäftsjahres übereinstimmen. Davon zu unterscheiden ist das Gebot der Bewertungsstetigkeit nach § 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB, das die Beibehaltung der Bewertungsmethode verlangt (materielle Bilanzkontinuität); es wird durch das Gebot der Ansatzstetigkeit ergänzt (§ 246 Abs. 3 HGB). Die Gliederungsstetigkeit oder Ausweisstetigkeit nach § 265 Abs. 1 HGB wiederum zwingt zur Kontinuität in der Form der Darstellung in Bilanz sowie GuV.

41 Bei der Bewertung der Vermögensgegenstände und Schulden ist von der Fort-

führung der Unternehmenstätigkeit auszugehen, sofern dem nicht tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten entgegenstehen (§ 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB, GoingConcern-Prinzip). Gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB sind die Vermögensgegenstände und Schulden nach den Verhältnissen zum Stichtag des JA (Stichtagsprinzip) einzeln zu bewerten (Grundsatz der Einzelbewertung). Der Grundsatz der Einzelbewertung verbietet, Wertminderungen bei einem einzelnen Bewertungsobjekt mit Wertsteigerungen bei einem anderen zu kompensieren und findet für den Bilanzansatz seine Entsprechung im Verrechnungsverbot aus § 246 Abs. 2 Satz 1 HGB (s. Rn 27). Nach dem Stichtagsprinzip haben bei der Bewertung solche Ereignisse außer Betracht zu bleiben, die erst nach dem Abschlussstichtag eingetreten sind (wertbeeinflussende Tatsachen); zu berücksichtigen sind jedoch sog wertaufhellende Tatsachen, dh solche Umstände, die schon zum Stichtag vorgelegen haben, aber erst im Zeitraum zwischen dem Stichtag und der Feststellung des JA bekannt wurden.

42 Abweichungen von all jenen allgemeinen Bewertungsgrundsätzen sind nach

§§ 252 Abs. 2, 246 Abs. 3 Satz 2 HGB nur in begründeten Ausnahmefällen erlaubt. In der Konzeption des Gesetzes haben die zulässigen Abweichungen Ausnahmecharakter und sind (einzelfallbezogen) begründungsbedürftig. Zudem sind die Berichts- und Begründungspflichten aus § 284 Abs. 2 HGB zu beachten: Nach § 284 Abs. 2 Nr. 1 HGB sind im Anhang die in Bilanz und GuV angewandten Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden anzugeben; nach § 284 1068

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Abs. 2 Nr. 3 HGB sind Abweichungen von Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden anzugeben und zu begründen; ihr Einfluss auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage ist gesondert darzustellen. c) Bewertung von Vermögensgegenständen und Schulden: Neben die all- 43 gemeinen Bewertungsgrundsätze aus § 252 HGB treten die Bestimmungen der §§ 253–256a HGB, die spezielle Normen zu den Wertansätzen der Vermögensgegenstände und Schulden, einschließlich Abschreibungen und Bewertungsvereinfachungsverfahren, enthalten. Grundlage der Bewertung von Vermögensgegenständen bildet das in § 253 Abs. 1 Satz 1 HGB niedergelegte Anschaffungswertprinzip. Danach markieren die Anschaffungskosten Ausgangspunkt und Obergrenze der Bewertung all jener Vermögensgegenstände des Anlageoder Umlaufvermögens, die von Dritten erworben worden sind; die Herstellungskosten sind Einstandswert für alle Vermögensgegenstände, die im Unternehmen selbst hergestellt wurden. Begriff und Bestandteile der Anschaffungsund Herstellungskosten werden in § 255 Abs. 1–3 HGB konkretisiert. § 256 HGB erlaubt, den Wertansatz für Vermögensgegenstände nicht nach individueller Ermittlung der Anschaffungs- und Herstellungskosten, sondern auf der Grundlage von bestimmten Bewertungsvereinfachungsverfahren (Verbrauchsfolgeverfahren, Festbewertung, Gruppenbewertung) zu bestimmen. Der Gesetzgeber des BilMoG hat an den Anschaffungs- und Herstellungskosten 44 als Obergrenze der Bewertung festgehalten; allein Kreditinstitute können (und müssen) zu Handelszwecken erworbene Finanzinstrumente mit dem beizulegenden Zeitwert (fair value) bewerten (s. Vor § 41 Rn 20). Die durch die Anschaffungs- und Herstellungskosten markierten Einstands- 45 werte der Vermögensgegenstände sind um Abschreibungen nach Maßgabe von § 253 HGB zu mindern, wobei zwischen Vermögensgegenständen des Anlagevermögens (§ 247 Abs. 2 HGB) und solchen des Umlaufvermögens zu unterscheiden ist. Bei Vermögensgegenständen des Anlagevermögens, deren Nutzung zeitlich begrenzt ist, sind die Anschaffungs- oder Herstellungskosten um planmäßige Abschreibungen zu vermindern, die den während der Nutzung eintretenden Wertverzehr widerspiegeln (§ 253 Abs. 3 Satz 1 und 2 HGB). Kann in Ausnahmefällen die voraussichtliche Nutzungsdauer nicht verlässlich geschätzt werden, sind planmäßige Abschreibungen über einen Zeitraum von zehn Jahren vorzunehmen (§ 253 Abs. 3 Satz 3 und 4 HGB idFd BilRUG). Im Übrigen sind bei allen Vermögensgegenständen des Anlagevermögens, auch wenn ihre Nutzung nicht zeitlich begrenzt ist, (außerplanmäßige) Abschreibungen vorzunehmen, sofern ihr Wert zum Abschlussstichtag voraussichtlich dauerhaft unter die (ggf planmäßig abgeschriebenen) Anschaffungs- und Herstellungskosten gesunken ist (§ 253 Abs. 3 Satz 5 HGB; Niederstwertprinzip). Bei Vermögensgegenständen des Umlaufvermögens müssen Abschreibungen 46 vorgenommen werden, um diese mit einem gegenüber den Anschaffungs- oder Herstellungskosten niedrigeren Stichtagswert anzusetzen (§ 253 Abs. 4 HGB). Kleindiek

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§ 42 | Bilanz Während darüber hinaus früher (nach § 253 Abs. 3 Satz 3 HGB aF) Abschreibungen vorgenommen werden durften (nämlich soweit diese nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendig waren, um zu verhindern, dass in der nächsten Zukunft der Wertansatz dieser Vermögensgegenstände aufgrund von Wertschwankungen geändert werden musste), ist dieses Wahlrecht heute entfallen. 47 Mit dem BilMoG ist schließlich rechtsformübergreifend ein Wertaufholungs-

gebot eingeführt worden (§ 253 Abs. 5 Satz 1 HGB; vgl zur früheren Rechtslage 18. Aufl, § 42 Rn 35). Davon ausgenommen wird der niedrigere Wertansatz eines entgeltlich erworbenen Geschäfts- oder Firmenwertes; insofern schreibt § 253 Abs. 5 Satz 2 HGB ein Wertaufholungsverbot vor, weil die Wertaufholung auf eine – auch weiterhin unzulässige – (Teil-)Aktivierung des selbst geschaffenen Geschäfts- oder Firmenwertes hinausliefe.

48 Die Bewertung von Verbindlichkeiten und Rückstellungen (Oberbegriff:

Schulden) ist heute in § 253 Abs. 1 Satz 2 und 3, Abs. 2 HGB geregelt. Für die Bewertung von Verbindlichkeiten schreibt § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB den Ansatz des „Erfüllungsbetrages“ vor. Ebenso ist die Rückstellungsbewertung zum Erfüllungsbetrag (und damit unter Berücksichtigung künftiger Preis- und Kostensteigerung) ausdrücklich im Gesetz verankert worden (§ 253 Abs. 1 Satz 2 HGB); Rückstellungen für wertpapiergebundene Altersversorgungsverpflichtungen sind zum beizulegenden Zeitwert dieser Wertpapiere anzusetzen (§ 253 Abs. 1 Satz 3 HGB). Rückstellungen mit einer Restlaufzeit von mehr als einem Jahr sind einer Abzinsungspflicht entsprechend dem durchschnittlichen Marktzinssatz der vergangenen sieben Geschäftsjahre bzw zehn Geschäftsjahre (nämlich bei Rückstellungen für Altersversorgungsverpflichtungen; dann Angabe des Unterschiedsbetrags und Ausschüttungssperre nach § 253 Abs. 6 HGB1) unterworfen (§ 253 Abs. 2 Satz 1 HGB); Vereinfachung bezüglich der Rückstellungen für Altersversorgungsverpflichtungen oder vergleichbare langfristig fällige Verpflichtungen nach § 253 Abs. 2 Satz 2 HGB). Entsprechendes gilt für auf Rentenverpflichtungen beruhende Verbindlichkeiten, für die eine Gegenleistung nicht mehr zu erwarten ist (§ 253 Abs. 2 Satz 3 HGB). Erträge und Aufwendungen aus der Abzinsung sind gesondert in der GuV auszuweisen (§ 277 Abs. 5 HGB). Im Anhang sind zu den Rückstellungen für Pensionen und ähnliche Verpflichtungen die angewandten versicherungsmathematischen Berechnungsverfahren sowie die Berechnungsgrundlagen (Zinssatz, erwartete Lohn- und Gehaltssteigerungen, zugrunde gelegte Sterbetafeln) darzulegen (§ 285 Nr. 24 HGB). 1 S. zu diesen durch Art. 7-9 des Gesetzes zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie und zur Änderung handelsrechtlicher Vorschriften vom 11.3.2016 (BGBl I 396) eingeführten Änderungen näher etwa Kuhn/Moser WPg 2016, 381; Zwirner DStR 2016, 929.

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Für Pensionsrückstellungen enthält Art. 67 Abs. 1 EGHGB eine Übergangs- 49 regelung: Soweit aufgrund der mit dem BilMoG geänderten Rückstellungsbewertung eine Zuführung zu den Rückstellungen für laufende Pensionen oder Anwartschaften auf Pensionen erforderlich ist, ist dieser Betrag bis spätestens 31.12.2024 in jedem Geschäftsjahr zu mindestens 1/5 anzusammeln (Art. 67 Abs. 1 Satz 1 EGHGB); im umgekehrten Fall – Erforderlichkeit der Auflösung gebildeter Rückstellungen – gewährt Art. 67 Abs. 1 Satz 2 und 4 EGHGB ein Beibehaltungswahlrecht, sofern bis spätestens zum 31.12.2024 Zuführungen in Höhe der Auflösung erforderlich wären. Mit dem heutigen § 254 HGB wird schließlich – der schon bestehenden Bilan- 50 zierungspraxis Rechnung tragend – die ausdrückliche Erlaubnis zur Bildung von Bewertungseinheiten gewährt, um Risiken abzusichern: Vermögensgegenstände, Schulden, schwebende Geschäfte oder mit hoher Wahrscheinlichkeit erwartete Transaktionen (absicherungsfähige Grundgeschäfte) können zum Ausgleich gegenläufiger Wertänderungen oder Zahlungsströme aus dem Eintritt vergleichbarer Risiken mit Finanzinstrumenten (mögliche Sicherungsinstrumente) zu einer Bewertungseinheit zusammengefasst werden. In dem Umfang und für den Zeitraum, in dem die gegenläufigen Wertänderungen oder Zahlungsströme sich ausgleichen (was zu dokumentieren und zu überwachen ist), sind die §§ 249 Abs. 1 (Rückstellungsbildung), 252 Abs. 1 Nr. 3 und 4 (Grundsatz der Einzelbewertung; Vorsichtsprinzip), 253 Abs. 1 Satz 1 (Anschaffungswertprinzip) sowie § 256a HGB (Währungsumrechnung) nicht anzuwenden (§ 254 HGB aE); nicht realisierte Verluste dürfen also durch nicht realisierte Gewinne kompensiert werden. In den Anhang sind (soweit sie nicht im Lagebericht gemacht werden) umfangreiche erläuternde Angaben nach Maßgabe von § 285 Nr. 23 HGB aufzunehmen. d) True and fair view: Nach § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB muss der JA aller Kapital- 51 gesellschaften unabhängig von ihrer Größenklasse ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft vermitteln – allerdings unter Beachtung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung. Informationen für dieses Gesamtbild liefern nicht nur die Rechenwerke Bilanz und GuV, sondern auch der Anhang als Bestandteil des JA (§ 264 Abs. 1 Satz 1 HGB). In seinem obligatorischen Inhalt (§§ 284 f HGB) ist er schon vom Gesetzgeber daraufhin angelegt, Informationsdefizite der Rechenwerke auszugleichen oder doch zumindest abzuschwächen. Dabei dürfen die Beteiligten freilich für den Regelfall von einem zutreffenden vermittelten Gesamtbild der Gesellschaft ausgehen, wenn Bilanz und GuV nach den gesetzlichen Vorschriften und im Einklang mit den Grundsätzen ordnungsgemäßer Bilanzierung aufgestellt sind und der Anhang die vom Gesetz geforderten Angaben enthält. Im Übrigen ist die hierzulande einflussreiche These, das Gebot des true and fair view sei im Konflikt divergierender RLZiele von der Bilanz „abgekoppelt“ und dem Anhang zugewiesen, freilich nicht zu halten; dem true and Kleindiek

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§ 42 | Bilanz fair view ausschließlich mit zusätzlichen Angaben im Anhang Genüge tun zu wollen, ist mit den europarechtlichen RLVorgaben nicht zu vereinbaren1. Gleichwohl kann das true and fair view-Gebot de lege lata keine Anerkennung als overriding principle im Bilanzrecht der Kapitalgesellschaften finden2. Es vermag als Auslegungshilfe und Lückenfüller dienen, wo eine gesetzliche Regelung mehrdeutig oder unvollständig ist; die Befugnis zur zweckkonformen Ausübung von gesetzlichen (heute noch gewährten) Ansatz- und Bewertungswahlrechten im jeweiligen Einzelfall wird durch das Einblicksgebot des § 264 Abs. 2 HGB und seinen europarechtlichen Ursprung aber regelmäßig nicht eingeschränkt3. 52 e) Abwägungsgebot: Schon bei der Abschlussaufstellung ist zu berücksichtigen,

dass sich die Ausnutzung bilanzpolitischer Gestaltungsspielräume4 einschneidend auf die Dividendeninteressen der Gesellschafter, insbesondere der Gesellschafterminderheit auswirken kann. Deshalb haben die Geschäftsführer bei ihrem Vorschlag zur Bilanzpolitik eingehend abzuwägen zwischen diesen Gesellschafterinteressen und dem Gesellschaftsinteresse, ihre finanzielle Lebens- und Widerstandsfähigkeit für die kommenden zwei/drei Jahre zu sichern. Denn zu einer solchen Abwägung sind die gegenseitig treupflichtigen Gesellschafter beim Feststellungsbeschluss verpflichtet (§ 42a Rn 29) und brauchen hierfür Vorschläge und Argumente von den Geschäftsführern5. Diese Informationen haben die Geschäftsführer den Gesellschaftern regelmäßig in einer schriftlichen Stellungnahme zur Bilanzpolitik (§ 42a Rn 7) vorab zu liefern. – Sollte die Abschlussfeststellung einem anderen Organ übertragen sein, so ist dies zum Schutze der Gesellschafterinteressen in gleicher Weise zur Abwägung verpflichtet und daher auf Vorab-Informationen der Geschäftsführer angewiesen.

5. GmbH-spezifische Bilanzierungsgrundsätze 53 Nach dem Regelungskonzept des BiRiLiG „vom Allgemeinen zum Speziellen“

enthält § 42 Vorschriften, die nicht für alle Kapitalgesellschaften in grundsätzlich gleicher Weise gelten, sondern allein für die GmbH: Kennzeichnung des

1 Dazu näher – noch unter der Geltung der 4. (Bilanz-)RL – Kleindiek ZGR 1998, 466, 473 ff. 2 Kleindiek ZGR 1998, 466, 480 ff; optimistischer wohl Hennrichs Wahlrechte im Bilanzrecht der Kapitalgesellschaften, 1999, S. 127 ff; von einem „fundamentalen Grundsatz“ spricht EuGH JZ 2003, 413, 414. 3 Winkeljohann/Schellhorn Beck BK, § 264 HGB Rn 25 ff; Kleindiek ZGR 1998, 466, 483, je mwN; einschränkend GroßkommHGB/Hüttemann/Meyer § 264 HGB Rn 43. 4 Zu ihnen nach der Rechtslage vor dem BilMoG näher Kleindiek ZGR 1998, 466, 485 f mwN; mit Blick auf die Wahlrechte im Bilanzrecht eingehend Hennrichs Wahlrechte, S. 23 f und passim; zu den auch nach Inkrafttreten des BilMoG verbleibenden Gestaltungsspielräumen s. etwa Göllert DB 2008, 1165. 5 Eingehend Mueller-Thuns Gewinnbezugsrecht, S. 64 ff.

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Stammkapitals (§ 42 Abs. 1), Behandlung der Nachschüsse in §§ 26 ff (§ 42 Abs. 2), Ausweis der Rechtsbeziehungen zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern (§ 42 Abs. 3). a) Gezeichnetes Kapital (§ 42 Abs. 1): In der Bilanz ist das Stammkapital in der 54 im Gesellschaftsvertrag festgelegten Höhe (§ 3 Abs. 1 Nr. 3) als erster Posten der Passivseite unter der Bezeichnung gezeichnetes Kapital (§ 272 Abs. 1 Satz 1 HGB) auszuweisen (§ 266 Abs. 3 A I HGB), um die Verständlichkeit dieser Bilanzposition zu verbessern. Falls noch Einlagen auf das gezeichnete Kapital ausstehen, die auch noch nicht eingefordert sind (s. § 46 Rn 12), so ist seit Inkrafttreten des BilMoG (zum bis dahin bestehenden Wahlrecht zwischen Bruttoausweis oder Nettoausweis s. 18. Aufl, Rn 46) der Nettoausweis nach Maßgabe des heutigen § 272 Abs. 1 Satz 2 HGB zwingend vorgeschrieben. Im Posten „Gezeichnetes Kapital“ dürfen weder das Aufgeld noch sonstige Zu- 55 bußen der Gesellschafter verbucht werden. Zwar haften sie auch mit diesen Leistungen für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft; aber diese Beträge sind zwingend der Kapitalrücklage zugewiesen (§ 272 Abs. 2 HGB)1. b) Nachschüsse (§ 42 Abs. 2): Die Tatsache allein, dass der Gesellschaftsvertrag 56 die Gesellschafter ermächtigt, die Einforderung von Nachschüssen zu beschließen (§ 26 Abs. 1), findet im JA keinen Niederschlag; anders erst dann, wenn die Gesellschafter die Einforderung vor dem Bilanzstichtag beschlossen haben. – Bei beschränkter Nachschusspflicht (§§ 26, 28) muss dann der nachzuschießende Betrag unter den Forderungen (§ 266 Abs. 2 B II HGB) gesondert als „Eingeforderte Nachschüsse“ aktiviert und entsprechend als „Eingeforderte Nachschüsse“ gesondert in der Kapitalrücklage (§ 266 Abs. 3 A II HGB) passiviert werden; dabei muss die Nachschussforderung in ihrer Werthaltigkeit beurteilt und ggf (bis auf 1 Euro hinab) wertberichtigt werden (§ 42 Abs. 2 Satz 2). Nach der Einzahlung der Nachschüsse sind die aktivischen und passivischen Nachschussposten in entsprechender Höhe aufzulösen: Auf der Aktivseite wird in einen anderen Vermögensgegenstand (zB Bank) umgebucht; auf der Passivseite sind eingezahlte Nachschüsse innerhalb der Kapitalrücklage in die „anderen Zuzahlungen“ nach § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB einzustellen2. – Bei unbeschränkter Nachschusspflicht (§§ 26 ff) bestehen diese Bilanzierungspflichten erst dann und insoweit, wie Gesellschafter ihr Abandonrecht (§ 27 Abs. 1) verloren haben. c) Rechtsbeziehungen zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern (§ 42 57 Abs. 3): Sie sind gesondert auszuweisen, um die Beziehungen zu jenen Gesell1 Zur Bilanzierung ausstehender Einlagen auf Agiobeträge s. K/P/W/Küting/Reuter HbRL, § 272 HGB Rn 39 (Stand November 2009). 2 Ebenso K/P/W/Küting/Reuter HbRL, § 272 HGB Rn 129 (Stand November 2009); R/A/ Altmeppen Rn 44; nach überwiegender aA ist (mit Blick auf § 30 Abs. 2) die Kennzeichnung als Sonderposten beizubehalten: A/D/S Rn 25; Scholz/Crezelius Rn 17; R/S-L/Tiedchen Rn 11; MünchKomm/Fleischer Rn 16 mwN.

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§ 42 | Bilanz schaftern darzustellen, mit denen die Gesellschaft zusätzlich geschäftliche Verbindungen hat. Nach früherem, bis zum Inkrafttreten des MoMiG am 1.11.2008 geltenden Recht war Gesellschafter iS dieser Bestimmung, wer am Bilanzstichtag Mitglied war und dies der Gesellschaft nach § 16 Abs. 1 aF angezeigt hatte; ebenso, wer den Geschäftsanteil bis zum Bilanzstichtag erworben, sich aber erst danach angemeldet hatte. Weil es bei § 42 Abs. 3 nicht um eine Regelung des Innenverhältnisses zwischen Gesellschaft und Gesellschafter, sondern um die Informationsinteressen der RLAdressaten geht, war nach hier vertretener (allerdings streitiger) Auffassung zudem auch derjenige Gesellschafter, der den Geschäftsanteil wirksam erworben, die Anmeldung jedoch unterlassen hatte (materieller Gesellschafterbegriff): Die anderweitige Kenntnis der Gesellschaft von einem Gesellschafterwechsel war im Rahmen von § 42 Abs. 3 zu berücksichtigen1, zumal jene Vorschrift (im Gegensatz etwa zu § 22 Abs. 1) für den Bilanzausweis gerade nicht allein auf die Rechtsbeziehungen der Gesellschaft zu ihren „angemeldeten“ Gesellschaftern abstellte. 58 Nach dem heutigen § 16 Abs. 1 idF des MoMiG gilt im Falle einer Veränderung

in den Personen der Gesellschafter der Gesellschaft gegenüber nur als Gesellschafter, wer als solcher in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste (§ 40) eingetragen ist; eine vom Erwerber in Bezug auf das Gesellschaftsverhältnis vorgenommene Rechtshandlung gilt jedoch als von Anfang an wirksam, wenn die Liste unverzüglich nach Vornahme der Rechtshandlung in das Handelsregister aufgenommen wird (zu Einzelheiten s. § 16 Rn 48 ff). Die Neuregelung will die Transparenz über die Anteilseignerstrukturen verbessern. Ebenso wenig wie die Anmeldung nach altem Recht sind aber die Eintragung in die Gesellschafterliste und die Aufnahme der Liste in das Handelsregister nach neuem Recht Wirksamkeitsvoraussetzung des Anteilserwerbs; zwischen dem formalen (§ 16 Abs. 1) und dem materiellen Gesellschafterbegriff ist nach wie vor zu unterscheiden. Weil § 42 Abs. 3 den Informationsinteressen der RLAdressaten dienen soll (Rn 57), kommt es im Rahmen jener Vorschrift nach wie vor auf den materiellen Gesellschafterbegriff an2. Deshalb sind ggf auch die Rechtsbeziehungen der Gesellschaft zu einem noch nicht in die Gesellschafterliste eingetragenen Gesellschafter entsprechend darzustellen, wenn die Geschäftsführer Kenntnis von der Gesellschafterstellung (bezogen auf den Bilanzstichtag) haben.

59 Von den Ansprüchen der Gesellschaft gegen Gesellschafter sind jeweils geson-

dert auszuweisen Ausleihungen und sonstige Forderungen. Ausleihungen sind insbesondere auf längere Zeit ausgereichte Darlehen; auf ihre konkrete Restlaufzeit kommt es nicht an3. Forderungen sind alle übrigen Ansprüche auf Geldzah-

1 Ebenso etwa A/D/S Rn 44; aA Scholz/Crezelius 10. Aufl, Rn 22. 2 Ebenso Wicke Rn 4 und etwa R/A/Altmeppen Rn 43; B/H/Haas Rn 13; MünchKomm/ Fleischer Rn 19 mwN; so nunmehr auch Scholz/Crezelius Rn 22. 3 A/D/S Rn 29 mN.

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lung oder in Geld bewertbare Ansprüche, insbesondere aus Lieferungen und Leistungen, aber auch Ansprüche aus kurzfristigen Kreditierungen. – Gesondert auszuweisen sind außerdem die Verbindlichkeiten der Gesellschaft gegenüber Gesellschaftern; Verbindlichkeiten sind alle Verpflichtungen der Gesellschaft, die ihr Vermögen belasten (also zB nicht Wettbewerbsverbot); sie müssen am Bilanzstichtag nach ihrer Höhe feststehen, nicht aber nach ihrer Fälligkeit. Die Verbindlichkeiten der Gesellschaft gegenüber Gesellschaftern brauchen 60 nicht näher aufgegliedert zu werden. Die zum früheren Recht bestehende Streitfrage, ob eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen (und ihnen gleichgestellte Leistungen) im JA als solche kenntlich zu machen waren (dazu 16. Aufl, Rn 43 ff), hat sich mit dem Inkrafttreten des MoMiG zum 1.11.2008 erledigt: Das aktuelle Recht der Gesellschafterfremdfinanzierung kennt die Kategorie eigenkapitalersetzender Gesellschafterdarlehen nicht mehr. Den Bindungen analog § 30 sind Gesellschafterdarlehen (einerlei ob in der Krise gewährt oder nicht) nicht mehr unterworfen (§ 30 Abs. 1 Satz 3). Im Insolvenzfall treten, soweit nicht das Sanierungs- oder Kleinbeteiligungsprivileg greift (§ 39 Abs. 4 Satz 2, Abs. 5 InsO), alle Darlehensansprüche eines Gesellschafters im Rang zurück (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO); auch insoweit unterscheidet das Gesetz nicht mehr zwischen eigenkapitalersetzenden und sonstigen Gesellschafterdarlehen (zum Ganzen näher Anh zu § 64 Rn 115 ff). – Gesellschafterdarlehen sind im JA auch dann zu passivieren, wenn sie mit einem Rangrücktritt verbunden sind1. Zur Passivierung im Überschuldungsstatus (§ 19 Abs. 2 Satz 2 InsO) s. Anh zu § 64 Rn 45 ff. Für Art und Ort des Ausweises von Ausleihungen, Forderungen und Verbind- 61 lichkeiten im JA nennt § 42 Abs. 3 drei Möglichkeiten. In Betracht kommt einerseits der gesonderte, aber als „Gesellschafterposten“ zusammengefasste Ausweis: „Ausleihungen an Gesellschafter“ (§ 266 Abs. 2 A III Nr. 6 HGB); „Sonstige Forderungen gegen Gesellschafter“ (§ 266 Abs. 2 B II Nr. 4 HGB); „Verbindlichkeiten gegenüber Gesellschaftern“ (§ 266 Abs. 3 C Nr. 8 HGB). Andererseits ist ebenfalls der gesonderte „davon“-Ausweis bei den einzelnen Bilanzposten möglich, zB: „Forderungen aus Lieferungen und Leistungen, davon gegen Gesellschafter“ (§ 266 Abs. 2 B II Nr. 1 HGB). Obligatorisch sind „davon“-Vermerke in der Bilanz kleiner Gesellschaften, da diese zwar die Bilanz auf Sammelposten verkürzen dürfen (Rn 4), aber nicht von der Verpflichtung zum gesonderten Ausweis nach § 42 Abs. 3 freigestellt sind; Entsprechendes hat für Kleinstkapitalgesellschaften iSd § 267a HGB zu gelten2. Schließlich nennt § 42 Abs. 3 noch die Angabe der Ausleihungen, Forderungen und Verbindlichkeiten im Anhang. 1 R/A/Altmeppen Rn 52; Scholz/Crezelius Rn 33; näher Kleindiek in von Gerkan/Hommelhoff, Handbuch des Kapitalersatzrechts, 2. Aufl 2002, Rn 7.18 ff mwN. 2 Aber streitig; wie hier Kolb/Roß WPg 2014, 991, 993; B/S/Witt Rn 21; aA etwa K/P/W/ Dusemond/Heusinger-Lange/Knop HbRL, § 266 HGB Rn 8a (Stand Oktober 2013); Riepolt DStR 2014, 113, 114.

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§ 42 | Bilanz 62 Das Rangverhältnis zwischen diesen drei Ausweisungsmöglichkeiten wird nach

wie vor kontrovers diskutiert1. Nach der hier vertretenen Ansicht beschreiben die Worte „in der Regel“ den Rang zwischen dem Ausweis in der Bilanz und der (alternativen) Angabe im Anhang, nicht das Rangverhältnis zwischen dem (gesamten) 1. und dem 2. Halbsatz von § 42 Abs. 3. Der Ausweis muss deshalb in der Regel bilanziell erfolgen; nur ausnahmsweise kommt auch die Angabe dieser Ausleihungen, Forderungen und Verbindlichkeiten im Anhang in Betracht, falls der Ausweis in der Bilanz deren Klarheit und Übersichtlichkeit beeinträchtigen würde oder andere Gründe die Darstellung im Anhang zwingend erfordern: Der Gesellschaft steht also keine freie Wahl zwischen Bilanz und Anhang zu2. Auch bei der Angabe im Anhang sind die drei Gruppen Ausleihungen, Forderungen und Verbindlichkeiten scharf voneinander zu trennen, können jedoch unter einer Überschrift – etwa: „Geschäftliche Verbindungen zu Gesellschaftern“ – zusammengefasst werden.

63 Sollten der oder die Gesellschafter verbundene Unternehmen (§ 271 Abs. 2

HGB) sein, so sind die Ausleihungen etc ausschließlich nach § 266 Abs. 2 A III Nr. 2/B II Nr. 2/Abs. 3 C Nr. 6 HGB zu bilanzieren. Ein Wahlrecht zur Bilanzierung nach § 42 Abs. 3 steht der Gesellschaft nicht zu, weil die Information nach § 266 HGB die aussagekräftigere ist, die nicht zur Disposition der Gesellschaft steht3. Konsequent ist in kleinen Gesellschaften der obligatorische „davon“-Vermerk (Rn 61) mit „verbundenen Unternehmen“ zu kennzeichnen.

64 Sollten dagegen neben dem oder den verbundenen Unternehmen noch außen-

stehende Gesellschafter beteiligt sein, so müssen die Geschäftsverbindungen entsprechend aufgeteilt werden. Um dies an den Ausleihungen zu verdeutlichen: Entweder werden nacheinander zwei Bilanzpositionen „Ausleihungen an verbundene Unternehmen“ und „Ausleihungen an sonstige Gesellschafter“ gebildet oder eine kombinierte Bilanzposition (§ 266 Abs. 2 A III Nr. 2 HGB) „Ausleihungen an Gesellschafter, davon an verbundene Unternehmen“. Unter den Voraussetzungen (Rn 62) kommt für die Ausleihungen an außenstehende Gesellschafter, aber nur an diese, eine Anhangsangabe in Betracht. Je nach Umfang und Bedeutung der jeweiligen Ausleihungen kann sogar ein zwingender Grund vorliegen, die Ausleihungen an die außenstehenden Gesellschafter durch Anhangsangaben von den Ausleihungen an verbundene Unternehmen abzutrennen, um den JA klar und übersichtlich zu halten.

1 S. schon A/D/S Rn 48 mN. 2 Wie hier MünchKomm/Fleischer Rn 23; B/S/Witt Rn 21; tendenziell wohl auch R/A/Altmeppen Rn 48; R/S-L/Tiedchen Rn 17; aA A/D/S Rn 48; Scholz/Crezelius Rn 19; B/H/ Schulze-Osterloh 18. Aufl, Rn 57. 3 Ebenso MünchKomm/Fleischer Rn 19; B/S/Witt Rn 19; aA A/D/S Rn 50; Scholz/Crezelius Rn 20, je mwN.

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6. Aufstellung des Konzernabschlusses Größere GmbH (vgl Vor § 41 Rn 50) an der Spitze eines Konzerns oder mit 65 mindestens einem Tochterunternehmen unter ihrer beherrschenden Einflussmöglichkeit haben nach § 290 Abs. 1 und 2 HGB einen Konzernabschluss, ergänzt um einen Konzernlagebericht aufzustellen (dazu näher Vor § 41 Rn 45 ff). Innerhalb der Muttergesellschaft weist § 290 Abs. 1 HGB die Aufgabe, die Kon- 66 zernrechnungslegung aufzustellen, allen Geschäftsführern als höchstpersönliche Amtspflicht zu. Für die weiteren Einzelheiten kann auf die Ausführungen zum JA (HGB-Einzelabschluss, s. Rn 18 f) verwiesen werden. – Die Aufstellung muss in den ersten fünf Monaten nach Ende des Konzerngeschäftsjahres abgeschlossen sein, wobei der Konzernabschluss auf den Stichtag des JA des Mutterunternehmens aufzustellen ist: § 299 Abs. 1 HGB. Eine Verlängerung nach dem Vorbild aus § 264 Abs. 1 Satz 3 HGB für kleinere Konzerne gewährt das Gesetz nicht. Für kapitalmarktorientierte Mutterunternehmen ist die Aufstellungsfrist um einen Monat verkürzt (§ 290 Abs. 1 Satz 2 HGB mit Einschränkung nach § 327a HGB).

7. Abänderung des JA Einen festgestellten, aber fehlerhaften JA (zu Nichtigkeit bzw Anfechtbarkeit feh- 67 lerhafter Feststellungsbeschlüsse s. Anh zu § 47 Rn 24 und 57) können die Gesellschafter durch Beschluss nach § 46 Nr. 1 (bzw ein anderes, nach der Satzung zur Abschlussfeststellung berufenes Organ) berichtigen; wurde der Gewinnverwendungsbeschluss bereits gefasst und würde die Berichtigung den ausgewiesenen Gewinn reduzieren, bedarf es – sofern die Voraussetzungen des § 32 vorliegen – der Zustimmung aller betroffenen Gesellschafter. Von der (möglichen) Berichtigung des fehlerhaften Abschlusses zu unterscheiden ist die (grundsätzlich gebotene; s. Rn 20) Ersetzung eines nichtigen JA durch einen neuen. Demgegenüber ist eine Änderung zulässiger Ansätze (also die Abänderung des fehlerfreien, dh pflichtgemäß und gewissenhaft erstellten1 JA nach Feststellung) nur aus wichtigem Grund zulässig. Ist sie mit einem Eingriff in die individuellen Gewinnansprüche der Gesellschafter verknüpft, bedarf es der Zustimmung jedes Betroffenen2. – Zur gebotenen Nachtragsprüfung und Nachtragsveröffentlichung s. Vor § 41 Rn 76 ff, § 42a Rn 46 und Anh zu § 42a Rn 23, 32. 1 Zum Maßstab „subjektiver Richtigkeit“ in diesem Sinne Schön FS 50 Jahre BGH, 2000, S. 153, 155 f mwN. 2 Näher zum Ganzen IDW RS HFA 6, Änderung von Jahres- und Konzernabschlüssen (WPg Supplement 2/2007, S. 77) und im Schrifttum etwa H.-P. Müller FS Quack, 1991, S. 345, 359; Priester ZIP 2000, 261 ff; B/H/Schulze-Osterloh 18. Aufl, Rn 567 ff; Schön FS 50 Jahre BGH, S. 153, 163 ff; Jacobs Beck Hb, B 102 (Stand März 2011), je mwN.

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§ 42a | Vorlage des Jahresabschlusses und des Lageberichts

§ 42a Vorlage des Jahresabschlusses und des Lageberichts (1) Die Geschäftsführer haben den Jahresabschluss und den Lagebericht unverzüglich nach der Aufstellung den Gesellschaftern zum Zwecke der Feststellung des Jahresabschlusses vorzulegen. Ist der Jahresabschluss durch einen Abschlussprüfer zu prüfen, so haben die Geschäftsführer ihn zusammen mit dem Lagebericht und dem Prüfungsbericht des Abschlussprüfers unverzüglich nach Eingang des Prüfungsberichts vorzulegen. Hat die Gesellschaft einen Aufsichtsrat, so ist dessen Bericht über das Ergebnis seiner Prüfung ebenfalls unverzüglich vorzulegen. (2) Die Gesellschafter haben spätestens bis zum Ablauf der ersten acht Monate oder, wenn es sich um eine kleine Gesellschaft handelt (§ 267 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs), bis zum Ablauf der ersten elf Monate des Geschäftsjahrs über die Feststellung des Jahresabschlusses und über die Ergebnisverwendung zu beschließen. Der Gesellschaftsvertrag kann die Frist nicht verlängern. Auf den Jahresabschluss sind bei der Feststellung die für seine Aufstellung geltenden Vorschriften anzuwenden. (3) Hat ein Abschlussprüfer den Jahresabschluss geprüft, so hat er auf Verlangen eines Gesellschafters an den Verhandlungen über die Feststellung des Jahresabschlusses teilzunehmen. (4) Ist die Gesellschaft zur Aufstellung eines Konzernabschlusses und eines Konzernlageberichts verpflichtet, so sind die Absätze 1 bis 3 entsprechend anzuwenden. Das Gleiche gilt hinsichtlich eines Einzelabschlusses nach § 325 Abs. 2a des Handelsgesetzbuchs, wenn die Gesellschafter die Offenlegung eines solchen beschlossen haben. Abs. 1–3 in der jetzigen Fassung eingeführt durch BiRiLiG 1985. Abs. 4 neu gefasst durch TransPuG vom 19.7.2002 (s. Vor § 41 Rn 12); Abs. 4 Satz 2 eingefügt durch BilReG vom 4.12.2004 (s. Vor § 41 Rn 16); amtliche Überschrift ergänzt durch MoMiG vom 23.10. 2008 (BGBl I 2026). 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vorlage an die Gesellschafter . . 3. Aushändigungsrecht des einzelnen Gesellschafters . . . . . . . . . 4. Beschlussverfahren . . . . . . . . . 5. Teilnahme des Abschlussprüfers . . . . . . . . . . . . . . . . . .

.. ..

1 3

. . 15 . . 28 . . 36

6. Inhaltliche Vorgaben für den Feststellungsbeschluss (§ 42a Abs. 2 Satz 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 7. Konzernabschluss und Konzernlagebericht (§ 42a Abs. 4 Satz 1) . . 47 8. IFRS-Einzelabschluss nach § 325 Abs. 2a HGB (§ 42a Abs. 4 Satz 2) 50

Zur abgekürzt zitierten Literatur s. Vor § 41 vor Rn 1.

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Vorlage des Jahresabschlusses und des Lageberichts | § 42a

1. Überblick a) Die Vorschrift regelt wesentliche Einzelheiten der Beschlussverfahren zur 1 Feststellung des JA und zur Ergebnisverwendung; damit steht sie in systematischen Zusammenhängen zur Kompetenzbestimmung des § 46 Nr. 1 (und zur Verwendungsregelung in § 29), wonach – vorbehaltlich abweichender Zuständigkeitsverteilung in der Satzung – die Gesellschafter den JA feststellen. Auch in der (mitbestimmten) GmbH mit Aufsichtsrat/Beirat ändert sich daran nichts: weder § 52 Abs. 1 noch § 25 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG/§ 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG verweisen auf § 172 AktG. Feststellung ist der konstitutiv wirkende Akt der Billigung des (durch die Geschäftsführer; s. § 42 Rn 18) aufgestellten Jahresabschlusses im Sinne einer Verbindlicherklärung jedenfalls im Innenverhältnis der Gesellschafter zur Gesellschaft sowie der Gesellschafter untereinander1. In § 42a Abs. 1 und 4 ist festgelegt, welche Unterlagen die Geschäftsführer den Gesellschaftern vorzulegen haben. Dabei sind diese in ihrer Gesamtheit, also als Organ angesprochen, so dass gesondert zu erörtern bleibt, ob und unter welchen Voraussetzungen der einzelne Gesellschafter von den Unterlagen Kenntnis nehmen darf (Rn 15 ff). § 42a Abs. 2 regelt (differenziert nach der Größe der Gesellschaft) den Zeitraum, innerhalb dessen über Abschlussfeststellung und Ergebnisverwendung entschieden sein muss. Damit knüpft diese Bestimmung an die zeitliche Vorgabe für die Abschlussaufstellung einerseits (§ 264 Abs. 1 Satz 3 und 4 HGB) an und schafft andererseits den Zusammenhang mit der Veröffentlichung der Rechnungslegung (§ 325 HGB). § 42a Abs. 3 regelt die Teilnahme des Abschlussprüfers (zu ihm Vor § 41 Rn 60 ff) an der Entscheidungsfindung der Gesellschafter und übernimmt damit in modifizierter Form die für die Beratungen im Aufsichtsrat geltende Vorschrift des § 171 Abs. 1 Satz 2 AktG. § 42a Abs. 4 normiert die Vorlagepflichten in einer GmbH, die zur Aufstellung eines Konzernabschlusses verpflichtet ist (zur KonzernRL s. Vor § 41 Rn 41 ff), und begründet zugleich – über den Verweis auch auf § 42a Abs. 2 – das Erfordernis förmlicher Beschlussfassung über die Billigung des Konzernabschlusses durch die Gesellschafter (näher Rn 47 ff). b) Wege der Beschlussunterlagen: § 42a Abs. 1 regelt unmittelbar nur die Vor- 2 lage der Beschlussunterlagen an die Gesellschafter, nicht jedoch, welchen Weg sie bis dahin nehmen müssen. Das folgt zT aus anderen Bestimmungen und ist differenziert geregelt: (1) In kleinen Gesellschaften ohne Aufsichtsrat/Beirat haben die Geschäftsführer JA und Lagebericht (sofern ein solcher freiwillig aufgestellt wird, § 42 Rn 12) unmittelbar den Gesellschaftern vorzulegen (§ 264 Abs. 1 HGB; § 42a Abs. 1 Satz 1); (2) in kleinen Gesellschaften mit Aufsichtsrat/Beirat dagegen (ergänzt um den Vorschlag zur Ergebnisverwendung; s. Rn 6) zunächst diesem (§ 52 Abs. 1 iVm § 170 AktG). Der Aufsichtsrat/Beirat 1 S. nur BGH GmbHR 2009, 712, 714.

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§ 42a | Vorlage des Jahresabschlusses und des Lageberichts leitet dann den JA etc zusammen mit seinem Prüfungsbericht den Geschäftsführern zu (§ 52 Abs. 1 iVm § 171 Abs. 3 Satz 1 AktG), damit diese die Beschlussunterlagen den Gesellschaftern vorlegen (§ 42a Abs. 1 Satz 3). (3) In mittelgroßen und großen Gesellschaften ohne Aufsichtsrat/Beirat sind JA und Lagebericht zunächst dem Abschlussprüfer vorzulegen (§ 320 Abs. 1 HGB); dieser legt dann den JA etc zusammen mit dem Prüfungsbericht den Geschäftsführern vor (§ 321 Abs. 5 Satz 1 HGB); diese Beschlussunterlagen haben die Geschäftsführer sodann den Gesellschaftern vorzulegen (§ 42a Abs. 1 Satz 2). (4) In mittelgroßen und großen Gesellschaften mit Aufsichtsrat/Beirat haben die Geschäftsführer den JA etc unverzüglich nach ihrer Aufstellung auch dem Aufsichtsrat/ Beirat vorzulegen; das gilt auch in der mitbestimmten GmbH (§ 25 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG/1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG iVm § 170 AktG). Der Abschlussprüfer leitet seinen Prüfungsbericht direkt dem Aufsichtsrat/Beirat zu, der ihm den Prüfungsauftrag erteilt hat (§ 321 Abs. 5 Satz 2 HGB; s. schon Vor § 41 Rn 73). Nach Abschluss seiner Prüfung leitet der Aufsichtsrat/Beirat sämtliche Beschlussunterlagen (JA, Lagebericht, Vorschlag zur Ergebnisverwendung, Prüfungsbericht des Abschlussprüfers und Prüfungsbericht des Aufsichtsrats/Beirats) den Geschäftsführern zu (§ 52 Abs. 1 iVm § 171 Abs. 3 Satz 1 AktG), damit diese die Unterlagen den Gesellschaftern vorlegen (§ 42a Abs. 1).

2. Vorlage an die Gesellschafter 3 a) Gegenstand der Vorlagepflicht: Vorzulegen sind der JA bestehend aus Bi-

lanz, GuV nebst Anhang (§§ 242 Abs. 3, 264 Abs. 1 Satz 1 HGB) sowie der Lagebericht (sofern die Geschäftsführer – weil Organ einer kleinen Kapitalgesellschaft – nicht nach § 264 Abs. 1 Satz 4 HGB von der Pflicht zur Aufstellung eines Lageberichts befreit sind). Kleinstkapitalgesellschaften iSd § 267a HGB (s. Vor § 41 Rn 23) können nach Maßgabe von § 264 Abs. 1 Satz 5 HGB auf die Aufstellung eines Anhangs verzichten (dazu § 42 Rn 11). Im Zuge des BilMoG (s. Vor § 41 Rn 18) ist der JA kapitalmarktorientierter Kapitalgesellschaften (§ 264d HGB), die nicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses verpflichtet sind, um Kapitalflussrechnung und Eigenkapitalspiegel (wahlweise zusätzlich: Segmentberichterstattung) erweitert worden: § 264 Abs. 1 Satz 2 HGB. – In prüfungspflichtigen Gesellschaften (mittelgroße und große; s. Vor § 41 Rn 60) ist außerdem der Prüfungsbericht (§ 321 HGB) vorzulegen. Das Gleiche gilt bei freiwilligen Prüfungen (Vor § 41 Rn 85); hier wie dort sind der Prüfungsbericht bzw der Bericht über das Ergebnis einer etwaigen Nachtragsprüfung (s. Vor § 41 Rn 76) vorzulegen1. Dieser erweiterten Vorlagepflicht steht der Wortlaut des § 42a Abs. 1 Satz 2 (ist … zu prüfen) nicht entgegen. Denn schon mit dem auf-

1 B/H/Haas Rn 3; einschränkend K/P/W/Bohl/Schamburg-Dickstein HbRL Rn 10 (Stand November 2012).

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gestellten und noch nicht festgestellten JA etc legen die Geschäftsführer gesellschaftsintern Rechnung1. Damit die Gesellschafter die Rechnungslegung beurteilen können, leistet der Abschlussprüfer ihnen mit seiner Prüfung Hilfe. Deshalb ist den Gesellschaftern alles zu eröffnen, was der Abschlussprüfer zum Ergebnis seiner Prüfung verlautbart hat2. – In Gesellschaften mit einem Aufsichtsrat ist auch dessen Prüfungsbericht vorzulegen (§ 42a Abs. 1 Satz 3). Sollte die Gesellschaft einen Beirat, Verwaltungsrat oÄ haben, so sind dessen Verlautbarungen zur Rechnungslegung vorzulegen. Darauf, ob dem eine Prüfung entsprechend § 171 Abs. 1 Satz 1 AktG zugrunde liegt, kommt es nicht an; es genügt zB, wenn das Gremium die Aufgabe hat, sich zum Lagebericht beratend zu äußern. Sämtliche Unterlagen sind zusammen vorzulegen und nicht etwa sukzessive. Die 4 Gesellschafter sollen sich ihr Meinungsbild auf der Grundlage aller vorgesehenen Unterlagen zur Rechnungslegung schaffen können. Unberührt bleibt freilich das Recht der Gesellschafter, Vorabvorlage (zB den Prüfungsbericht des Abschlussprüfers sogleich nach Eingang) im Gesellschaftsvertrag oder durch Gesellschafterweisung anzuordnen3. In Gesellschaften, in denen Konzernabschluss und Konzernlagebericht auf- 5 gestellt werden müssen oder freiwillig aufgestellt werden (zur KonzernRL näher Vor § 41 Rn 45 ff), sind diese Unterlagen zusammen mit den entsprechenden Prüfungsberichten des Abschlussprüfers und ggf des Aufsichtsrats vorzulegen (§ 42a Abs. 4)4. Die Vorlagepflicht erstreckt sich nicht auf die Einzelabschlüsse der in den Konzernabschluss einbezogenen Tochterunternehmen. Anders als §§ 170 Abs. 2, 175 Abs. 2 Satz 1 AktG gibt § 42a nach seinem Wort- 6 laut den Geschäftsführern keinen Vorschlag zur Ergebnisverwendung auf. Deshalb bejaht die hM5 eine entsprechende Geschäftsführerverpflichtung regelmäßig (soweit kein fakultativer oder obligatorischer Aufsichtsrat besteht6) nur bei statutarischer Anordnung oder auf der Grundlage einer Gesellschafterweisung. Nach der in diesem Kommentar (seit der 12. Aufl) vertretenen Auffassung sind die Geschäftsführer zur Abgabe eines Vorschlags zur Ergebnisverwendung indes schon immer dann verpflichtet, wenn Gesellschaftsvertrag oder Gesellschafterbeschluss sie nicht davon befreien7. Denn mit Vorlage des JA unterbreiten die (fachkundigen) Geschäftsführer dem Feststellungsorgan, das dem laufen1 2 3 4 5

Vgl Erle WPg 1987, 637, 642. S. auch BGH ZIP 2015, 778 Rn 13. Im Einzelnen streitig; wie hier Scholz/Crezelius Rn 28; anders A/D/S Rn 12, je mwN. Näher Witte S. 102 ff und Rn 47 ff. S. – mit Unterschieden im Detail – etwa A/D/S Rn 15; K/P/W/Bohl/Schamburg-Dickstein HbRL Rn 12; Scholz/Crezelius Rn 16; Goerdeler ZIP 1988, 610, 611; Grottel Beck BK § 325 HGB Rn 14; B/H/Schulze-Osterloh 18. Aufl, Rn 6; R/S-L/Tiedchen Rn 2. 6 Zu diesen Fällen s. GroßkommHGB/Kersting § 325 HGB Rn 25. 7 Hartmann S. 161 f; zustimmend B/S/Witt Rn 6; im Ergebnis ebenso R/A/Altmeppen Rn 33; in der Tendenz auch A/D/S § 278 HGB Rn 23.

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§ 42a | Vorlage des Jahresabschlusses und des Lageberichts den Geschehen in der Gesellschaft regelmäßig ferner steht, ua Vorschläge über die einzuschlagende Bilanzpolitik (s. sogleich Rn 7). Schon in diesen Teilvorschlägen kommen Vorstellungen der Geschäftsführer darüber zum Ausdruck, wie der erwirtschaftete Erfolg zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern aufgeteilt werden sollte. Für das Feststellungsorgan, also im Normalfall die Gesellschafter, sind diese Teilvorschläge nur dann verständlich, wenn sie mit einem Vorschlag zur Ergebnisverwendung verbunden werden. Bilanzpolitik, Thesaurierung und Ausschüttung bilden eine funktionale Einheit. Daher ergibt sich die Pflicht der Geschäftsführer, einen Verwendungsvorschlag zu machen, als Folgepflicht aus ihrer Aufstellungspflicht1. – Teilt man (entgegen der hM) diese Prämisse, so ist der Vorschlag zur Ergebnisverwendung bei mittelgroßen und großen Gesellschaften schon in den Anhang aufzunehmen: § 285 Nr. 34 HGB idFd BilRUG (mit Befreiung kleiner Gesellschaften nach § 288 Abs. 1 HGB); die Anhangsangaben müssen jedoch keine Zuordnung der Ergebnisverwendung zu einzelnen Gesellschaftern umfassen2. Zur Offenlegung des Beschlusses über die Ergebnisverwendung s. Rn 32. 7 Um den Gesellschaftern bei ihrer Beschlussfassung zur Abschlussfeststellung die

Erfüllung des Abwägungsgebots (Rn 29; s. auch § 42 Rn 52) bei Ausnutzung bestehender bilanzpolitischer Gestaltungsspielräume3 zu erleichtern, haben die Geschäftsführer zusätzlich zum JA etc (und zusammen mit diesen Unterlagen) eine regelmäßig schriftliche Stellungnahme zur Bilanzpolitik zuzuleiten4. In ihr sind die wesentlichen Maßnahmen der Bilanzpolitik und ihre konkreten Auswirkungen auf das ausgewiesene Jahresergebnis darzustellen. Außerdem ist anzugeben, ob und inwiefern sie geeignet und erforderlich sind, um die finanzielle Widerstandskraft der Gesellschaft zu stärken. Schließlich müssen die Geschäftsführer hinreichend intensiv5 auf die einzelnen Abwägungsmomente und ihre (vorgeschlagene) Gewichtung (§ 42 Rn 52) eingehen.

8 b) Adressat der Unterlagen zur Rechnungslegung (Rn 3 ff) sowie der Stellung-

nahme zur Bilanzpolitik (soeben Rn 7) sind die Gesellschafter in ihrer Gesamtheit, also die Gesellschafter als Organ, nicht sogleich und ohne weiteres der ein-

1 Ähnlich Hartmann S. 161 f: Teil der Pflicht zur ordnungsgemäßen Geschäftsleitung. 2 Begründung zum RegE BilRUG, BT-Drucks 18/4050, S. 67 f; Beschlussvorschlag und Bericht des Rechtsausschusses zum BilRUG, BT-Drucks 18/5256, S. 85; Rimmelspacher/ Meyer DB 2015, Beilage Nr. 5, S. 23, 29 f. 3 Zu den auch nach Inkrafttreten des BilMoG verbleibenden Gestaltungsspielräumen s. etwa Göllert DB 2008, 1165; Kühnberger DStR 2012, 1149, 1151 ff. 4 Mueller-Thuns Gewinnbezugsrecht, S. 83 ff; zustimmend B/S/Witt Rn 6; einschränkend U/H/L/W. Müller § 29 Rn 46: soweit die Erklärungen im Anhang nicht ausreichen und bei Gesellschaften mit Minderheit; ablehnend B/H/Schulze-Osterloh 18. Aufl, Rn 6: keine zwingende Form für das notwendige Zusammenwirken von Geschäftsführung und Gesellschafterversammlung bei der Gestaltung der Bilanzpolitik; im Ergebnis wie dieser R/S-L/Tiedchen Rn 2. 5 Näher Mueller-Thuns Gewinnbezugsrecht, S. 86.

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zelne Gesellschafter (dazu Rn 15 ff). Hat die Gesellschaft nur einen Gesellschafter, so haben die Geschäftsführer diesem die Unterlagen zuzuschicken. Das Gleiche gilt, falls die Gesellschafter sich organisiert und einen Sprecher der Gesellschafter gewählt oder einen Gesellschafterausschuss mit einem Vorsitzenden gebildet haben; dann sind die Unterlagen diesem zuzusenden. Anders, falls die Gesellschafterebene wie im Regelfall unorganisiert ist: In diesem Falle wird die Vorlagepflicht gegenüber der Gesellschaftergesamtheit dadurch erfüllt, dass die Geschäftsführer die Unterlagen in den Geschäftsräumen der Gesellschaft zur Einsichtnahme auslegen und jeden Gesellschafter über die Auslage informieren1. – Bei der Einsichtnahme darf sich jeder Gesellschafter durch einen zur Verschwiegenheit verpflichteten Bilanzkundigen – Rechtsanwalt, Steuerberater, WP oder vBP – unterstützen lassen2. – Über die Auslage zur Einsichtnahme brauchen die Geschäftsführer die Gesellschafter nicht zu informieren, wenn sie jedem Gesellschafter eine Abschrift sämtlicher Unterlagen zur Rechnungslegung (Rn 3 ff) zuschicken, was sie aber zur Erfüllung der Vorlagepflicht nicht müssen3. Zum Aushändigungsrecht des einzelnen Gesellschafters Rn 15 ff. § 42 Abs. 1 Satz 1 verbindet die Vorlage der Unterlagen an die Gesellschafter 9 mit der Feststellung des JA; hieraus darf jedoch nicht geschlossen werden, die Gesellschafter wären dann nicht Adressaten der Unterlagen zur Rechnungslegung, wenn der Gesellschaftsvertrag die Feststellungskompetenz einer anderen Stelle zugewiesen hat4. Anderenfalls würde man verkennen, dass die Geschäftsführer den Gesellschaftern schon mit dem aufgestellten JA und Lagebericht Rechnung legen (Rn 3). Allein aus dem statutarischen Entzug der Feststellungskompetenz lässt sich nicht der Gesellschafterwille ableiten, dass die Geschäftsführer ihnen gegenüber nicht anders Rechnung zu legen bräuchten als gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft, ihren Arbeitnehmern und gegenüber der Allgemeinheit5. Eine solche Gleichstellung ist erst dann gerechtfertigt, wenn der Gesellschaftsvertrag zusätzlich die Überwachung der Geschäftsführung (§ 46 Nr. 6) einer anderen Stelle (zB Beirat) übertragen hat. Nur in einer so organisierten Gesellschaft brauchen die Geschäftsführer den Gesellschaftern nicht die

1 Insoweit zutreffend K/P/W/Bohl/Schamburg-Dickstein HbRL Rn 24; ebenso R/S-L/Tiedchen Rn 10; A/D/S Rn 20 mwN; aA Henssler/Strohn/Büteröwe Rn 10: Übersendung erforderlich. BGH ZIP 2015, 778 Rn 12 hat die Frage offenlassen können. 2 A/D/S Rn 22; B/H/Haas Rn 11, je mwN; vgl zum ähnlich gelagerten Fall in der Personengesellschaft BGHZ 25, 115, 123; BGH BB 1962, 900; die für Aufsichtsratsmitglieder aufgestellten Grundsätze – BGHZ 83, 293, 295; Hommelhoff ZGR 1983, 551 – gelten hier nicht. 3 A/D/S Rn 20. 4 So aber Scholz/Crezelius Rn 7; R/S-L/Tiedchen Rn 8; wie hier K/P/W/Bohl/SchamburgDickstein HbRL Rn 22. 5 Im Ergebnis wie hier A/D/S Rn 17; B/H/Haas Rn 5; R/A/Altmeppen Rn 32.

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§ 42a | Vorlage des Jahresabschlusses und des Lageberichts Unterlagen zur Rechnungslegung von sich aus vorzulegen1. Unberührt bleibt das Einsichtsrecht des einzelnen Gesellschafters auf dessen Verlangen, § 51a. 10 Falls der Gesellschaftsvertrag die Abschlussfeststellung einer anderen Stelle

(zB einem Beirat, dem Bilanzausschuss des Aufsichtsrats oder einem Gesellschafterausschuss) überwiesen hat, ist diese (neben den Gesellschaftern in ihrer Gesamtheit; s. soeben Rn 8 f) zugleich Adressat sämtlicher Unterlagen zur Rechnungslegung etc (Rn 3 ff). Das folgt aus der Verknüpfung zwischen Vorlagepflicht und Abschlussfeststellung in § 42a Abs. 1 Satz 12. Über seinen Wortlaut hinaus sind die Unterlagen aber auch einem statutarischen Verwendungsorgan (s. § 29 Rn 20) vorzulegen, falls der Gesellschaftsvertrag die Verwendungskompetenz den Gesellschaftern entzogen hat. Denn ohne Kenntnis sämtlicher Unterlagen zur Rechnungslegung lässt sich in der GmbH kein verantwortlicher Beschluss zur Ergebnisverwendung fassen. Diese Vorlagepflicht ist unabhängig von der gegenüber dem Feststellungsorgan. Deshalb kann es im Extremfall je nach der Gestaltung des Gesellschaftsvertrages drei Endadressaten der Unterlagen zur Rechnungslegung geben: Feststellungsorgan, Verwendungsorgan und Gesellschaftergesamtheit3.

11 Auf welche Weise dem Feststellungs- bzw Verwendungsorgan die Unterlagen

vorzulegen sind, richtet sich nach der Binnenstruktur des Organs: In Organen mit einem Vorsitzenden sind die Unterlagen diesem zuzuleiten; bei fehlender Binnenstruktur gelten die Darlegungen in Rn 8 entsprechend.

12 c) Schuldner der Vorlagepflicht sind die Geschäftsführer – und zwar als Organ

(§ 6 Rn 3 ff), nicht die einzelnen Geschäftsführer persönlich4. § 42a regelt (unmittelbar und mittelbar) das Zusammenwirken mehrerer Gesellschaftsorgane; mit den in § 42a Abs. 1 genannten Unterlagen legen die Geschäftsführer als Organ gegenüber den Gesellschaftern, dem anderen Gesellschaftsorgan, Rechnung (Rn 3). – Diese Organpflicht schließt nicht aus, dass die Geschäftsführer einen von ihnen (zB den Vorsitzenden der Geschäftsleitung oder den Leiter des Finanzressorts) mit der Durchführung der Vorlagemaßnahmen betrauen.

13 d) Erfüllung und Durchsetzung der Vorlagepflicht: Die Geschäftsführer haben

die Unterlagen zur Rechnungslegung sowie die Stellungnahme zur Bilanzpolitik (Rn 7) nach Abschluss der Aufstellungsarbeiten (in der prüfungsfreien Gesellschaft), nach Eingang des Abschlussprüfer-Prüfungsberichts (in der prüfungspflichtigen Gesellschaft) bzw nach Eingang des Aufsichtsrats-Prüfungsberichts (in der Gesellschaft mit Aufsichtsrat/Beirat, Rn 2) unverzüglich, also ohne

1 Hartmann S. 160; Hommelhoff/Priester ZGR 1986, 463, 479; B/S/Witt Rn 8; weitergehend R/A/Altmeppen Rn 32. 2 Zutreffend A/D/S Rn 16 mN; s. auch BGH ZIP 2015, 778 Rn 13. 3 Enger Scholz/Crezelius Rn 8 ff. 4 AA K/P/W/Bohl/Schamburg-Dickstein HbRL Rn 7; Scholz/Crezelius Rn 5; wie hier A/D/S Rn 4; MünchKomm/Fleischer Rn 10 mwN.

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schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 BGB), den Gesellschaftern bzw den anderen Feststellungs- und Verwendungsorganen (Rn 10) vorzulegen. Diese Vorlagepflicht ist zwingend1. Mithin müssen die Geschäftsführer von sich aus tätig werden; ein besonderes Vorlageverlangen anderer Organe ist nicht erforderlich. „Unverzüglich“ erlaubt den Geschäftsführern lediglich, die technischen Maßnahmen, die für die Vorlage der Unterlagen erforderlich sind (zB ihre Zusammenstellung und Ordnung, Vervielfältigungen, Absendung der Benachrichtigungen etc), mit der gebotenen Eile durchzuführen. Hierfür kann die Frist von höchstens zwei Wochen2, aber gewiss nicht die eines Monats3 Richtschnur sein. – Diese Frist reicht auch, damit die Geschäftsführer ggf zum Prüfungsbericht des Abschlussprüfers und/oder zu dem des Aufsichtsrats/Beirats Stellung nehmen können. Zu einer solchen Stellungnahme sind die Geschäftsführer von sich aus verpflichtet, falls der Bestätigungsvermerk eingeschränkt oder versagt worden ist (§ 322 Abs. 4 und 5 HGB). Sollten die Geschäftsführer ihrer Pflicht, die bei ihnen verfügbaren Unterlagen 14 zur Rechnungslegung vorzulegen, nicht rechtzeitig nachkommen, so können die Gesellschafter sie zur Vorlage anweisen. Das kollektive Recht der Gesellschafter auf Vorlage kann weder durch Zwangsmittel (etwa Ordnungsgeld, s. § 335 HGB) noch im Wege des Auskunftserzwingungsverfahrens entsprechend § 51b durchgesetzt werden, da es sich hier um einen Organstreit und nicht darum handelt, den Individualanspruch eines einzelnen Gesellschafters (dazu Rn 15 ff) durchzusetzen. Darum bleibt den Gesellschaftern nur die Leistungsklage4. In Betracht kann auch eine entsprechende einstweilige Verfügung (§§ 935, 940 ZPO) kommen. Sollte sich die Gesellschaftermehrheit weigern, gegen die pflichtvergessenen Geschäftsführer vorzugehen, so kann der einzelne Gesellschafter im Wege der actio pro socio gegen die Geschäftsführer (s. dazu auch § 43 Rn 50 und § 46 Rn 41) auf Vorlage an die Gesellschaftergesamtheit klagen. – Zur Durchsetzung des Aushändigungsrechts des einzelnen Gesellschafters Rn 27.

3. Aushändigungsrecht des einzelnen Gesellschafters Es ist vom Organrecht (Rn 3 ff, insbesondere Rn 8) deutlich zu unterscheiden 15 und besagt: a) Aus der Pflicht, der Gesellschaftergesamtheit die Unterlagen zur Rechnungs- 16 legung etc vorzulegen (Rn 8), folgt für den einzelnen Gesellschafter lediglich 1 2 3 4

Hommelhoff/Priester ZGR 1986, 463, 479. Ähnlich A/D/S Rn 13; B/H/Haas Rn 7; enger (eine Woche): R/S-L/Tiedchen Rn 6. In dieser Richtung K/P/W/Bohl/Schamburg-Dickstein HbRL Rn 13. Für Anwendung von § 51b Scholz/Crezelius Rn 19; wie hier A/D/S Rn 18; MünchKomm/ Fleischer Rn 19 mwN; ebenso auch LG München I GmbHR 2005, 937 f.

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§ 42a | Vorlage des Jahresabschlusses und des Lageberichts dessen Recht, diese Unterlagen einzusehen und sich Abschriften anzufertigen. Da § 42d Abs. 2 RegE1 mit seinem Aushändigungsanspruch nicht Gesetz geworden ist, stellt sich die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der einzelne Gesellschafter welche Unterlagen in Abschrift oder vervielfältigt verlangen kann. Der Stand der Diskussion lässt sich wie folgt zusammenfassen: 17 aa) Jeder Gesellschafter hat einen Anspruch auf Aushändigung der Unterlagen

zur Rechnungslegung2; dies schließt die Stellungnahme zur Bilanzpolitik (Rn 7) mit ein. Denn allein auf diese Weise lässt sich in Gesellschaften, die nach dem gesetzlichen Normalstatut organisiert sind (zu Abweichungen Rn 19), sicherstellen, dass der einzelne Gesellschafter mit der gebotenen Sorgfalt und Ruhe eingehend prüfen kann, ob die Geschäftsführer ihren Aufgaben nachgekommen sind (s. Rn 3), und sich außerdem auf die Beschlussfassungen zur Abschlussfeststellung und Ergebnisverwendung vorzubereiten vermag. – Der Aushändigungsanspruch tritt neben das Recht des Gesellschafters auf Einsicht in den JA nach § 51a3. Er besteht auch dann, wenn die Unterlagen zur Rechnungslegung pflichtwidrig der Gesellschaftergesamtheit noch nicht vorgelegt wurden. Mit Aushändigung erfüllen die Geschäftsführer sowohl den Individualanspruch als auch den Anspruch auf die Vorlage an die Gesellschafter, soweit es diesen Gesellschafter betrifft.

18 Dieser Aushändigungsanspruch entsteht erst auf Verlangen des Gesellschafters.

Er hat ein Recht auf unternehmerisches Desinteresse und braucht sich deshalb auch nicht die Unterlagen „aufdrängen“ zu lassen – zumal mancher Gesellschafter uU befürchten mag, die Unterlagen nicht hinreichend vertraulich verwahren zu können (zur Geheimhaltungspflicht des Gesellschafters Rn 21).

19 Statutarische Regelung: Dieses Aushändigungsrecht besteht in jeder Gesell-

schaft unabhängig von Größe und Zusammensetzung ihres Gesellschafterkreises4; als mitgliedschaftsrechtliches Individualrecht kann es dem Gesellschafter auch nicht einseitig durch Satzungsänderung entzogen werden (arg § 35 BGB)5. Hiervon sind organisatorische Maßnahmen zu unterscheiden, in deren Gefolge das Aushändigungsrecht zur Disposition einer satzungsändernden Mehrheit steht6. 1 Abgedruckt bei Biener/Berneke BiRiLiG, S. 550. 2 Im Grundsatz übereinstimmend OLG Köln GmbHR 1985, 358, 360; A/D/S Rn 21; B/H/ Haas Rn 10; R/A/Altmeppen Rn 14; R/S-L/Tiedchen Rn 11; Scholz/Crezelius Rn 11; MünchKomm/Fleischer Rn 16; Witte S. 70 f. 3 Dazu BayObLG GmbHR 1999, 1296; OLG München GmbHR 2008, 104; zur Frage, ob sich dieses Einsichtsrecht aus § 51a in der Mutter-GmbH auch auf die RLUnterlagen der Tochterunternehmen bezieht, eingehend Witte S. 155 ff. 4 Insoweit einschränkend Scholz/Crezelius Rn 11: „zumindest“ bei Gesellschaften mit überschaubarer Mitgliederzahl; wie hier A/D/S Rn 21; MünchKomm/Fleischer Rn 16; R/S-L/Tiedchen Rn 11. 5 S. Hommelhoff/Priester ZGR 1986, 463, 495. 6 Dazu Hartmann S. 179 ff.

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So lässt sich annehmen: Der Gesellschaftsvertrag kann einen Gesellschafterausschuss oder Beirat einsetzen, dessen Mitglieder für eine begrenzte Amtszeit von den Gesellschaftern gewählt werden und deren Organbefugnisse wahrnehmen. In diesem Fall lässt sich wohl das Aushändigungsrecht statutarisch vom einzelnen Gesellschafter auf die Ausschussmitglieder übertragen. Aber selbst dann bleibt dem einzelnen Gesellschafter das Recht unbenommen, in die Unterlagen zur Rechnungslegung einzublicken (arg § 51a). bb) Für den Gegenstand des Aushändigungsanspruchs kann nicht zwischen 20 dem Prüfungsbericht des Abschlussprüfers und den sonstigen Unterlagen zur Rechnungslegung unterschieden werden. Dieser Bericht ist das zentrale Hilfsmittel, um die Rechnungslegung der Geschäftsführer zu durchdringen und verständlich zu würdigen. In prüfungspflichtigen Gesellschaften ist jeder Gesellschafter auf den Prüfungsbericht (in Abschrift oder Fotokopie) angewiesen, um seine auf die Rechnungslegung bezogenen Befugnisse wahrnehmen zu können1. Allerdings gebietet die Treupflicht (§ 14 Rn 29 ff) jedem Gesellschafter, die Un- 21 terlagen, vor allem aber den Prüfungsbericht verschlossen und seinen Inhalt gegenüber Außenstehenden geheimzuhalten. Andernfalls drohen der Gesellschaft und den Mitgesellschaftern wegen der hochsensiblen Berichtsinformationen große Gefahren und Nachteile. Deshalb dürfen die Gesellschafter Bestimmungen zur Behandlung der Unterlagen beschließen: zB über ihre Verwahrung, ein ausdrückliches Weitergabe- und Vervielfältigungsverbot, die Anordnung, dass Prüfungsberichte nach den Beschlussfassungen zur Feststellung und Ergebnisverwendung den Geschäftsführern zur Vernichtung zurückzugeben sind. Der Gesellschaftsvertrag kann dieses Recht, auch die Aushändigung des Prü- 22 fungsberichts verlangen zu können, als solches nicht ohne Zustimmung jedes betroffenen Gesellschafters entziehen. Anders uU bei entsprechenden organisatorischen Maßnahmen zur Binnenstruktur der Gesellschaft (Rn 19). cc) Verweigerung der Aushändigung: Die Gesellschafter können (nach §§ 47 f) 23 beschließen, die Aushändigung (nicht aber die Einsichtnahme) bestimmter Unterlagen (insbesondere: Prüfungsbericht des Abschlussprüfers) in Bezug auf einzelne Gesellschafter zu verweigern – allerdings nicht frei, sondern allein unter den Voraussetzungen des analog anzuwendenden § 51a Abs. 22. Denn für die Befugnisse des einzelnen Gesellschafters und ihre Wahrnehmung sind die Unterlagen zur Rechnungslegung (einschließlich der Stellungnahme zur Bilanzpolitik) und unter diesen vor allem der Prüfungsbericht wesentliche Hilfsmittel 1 Im Ergebnis ebenso A/D/S Rn 21; B/H/Haas Rn 10; MünchKomm/Fleischer Rn 16 mwN. 2 Hartmann S. 175 ff; Hommelhoff/Priester ZGR 1986, 463, 480, 495; Witte S. 72; ebenso MünchKomm/Fleischer Rn 17; B/H/Haas Rn 12; weitergehend A/D/S Rn 25; auch Scholz/Crezelius Rn 13 ff, wo die Anwendung des § 51a Abs. 2 auf die Informationsverweigerung (wohl Aushändigung und Einsichtnahme) befürwortet wird; generell ablehnend R/S-L/Tiedchen Rn 12.

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§ 42a | Vorlage des Jahresabschlusses und des Lageberichts (Rn 20). Das verbietet die Annahme, die Aushändigung ließe sich frei und allenfalls auf Missbrauch hin nachprüfbar verweigern. – Wegen ihrer übergeordneten Stellung namentlich im Verhältnis zu den Geschäftsführern (§ 37 Rn 1) beschließt hierüber die Gesellschafterversammlung, wobei der von der Verweigerung betroffene Gesellschafter als „Richter in eigener Sache“ nach § 47 Abs. 4 kein Stimmrecht hat (§ 51a Rn 38)1. 24 Materielle Voraussetzung für die Verweigerung ist die objektive Besorgnis, dass

der betreffende Gesellschafter die ausgehändigten Unterlagen zu gesellschaftsfremden Zwecken verwenden und dadurch der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen einen nicht unerheblichen Nachteil zufügen wird (dazu § 51a Rn 35 ff). – Die Aushändigung von JA und Lagebericht, die nach Maßgabe von § 325 HGB idFd BilRUG zu veröffentlichen sind (dazu Anh zu § 42a Rn 19 ff), lässt sich allenfalls in kleinen und mittelgroßen Gesellschaften in Ausnahmefällen mit der Begründung verweigern, aus der gesellschaftsinternen Rechnungslegung würden Informationen aufgedeckt, die nach §§ 326 f HGB nicht veröffentlicht zu werden brauchen; hier kommt die neutralisierende Einschaltung eines zur Berufsverschwiegenheit Verpflichteten (RA, WP oÄ) in Betracht2.

25 Will die Gesellschafterversammlung die Aushändigung des Prüfungsberichts

verweigern, so kommt es allein auf die objektive Besorgnis zweckfremder Verwendung an; denn die Aufdeckung des Prüfungsberichts mit seinen hochsensiblen Informationen gegenüber Dritten ist für die Gesellschaft stets nachteilig. § 51a Abs. 2 erfasst nach seiner eigenen Regelung nicht die Aushändigung; um ihren spezifischen Gefahren zu begegnen, ist eine zweckfremde Verwendung sogar anzunehmen, wenn Dritte sich beim Gesellschafter auch gegen dessen Willen Zugang zum Prüfungsbericht verschaffen können. Deshalb kann die Gesellschafterversammlung im Einzelfall die Aushändigung des Prüfungsberichts schon mit der Begründung versagen, für seine sichere Verwahrung bestehe keine ausreichende Gewähr. Dem kann der Gesellschafter ggf durch Einschaltung eines zur Berufsverschwiegenheit Verpflichteten (RA, WP oÄ) begegnen. – Zur Besorgnis zweckfremder Verwendung im Übrigen s. § 51a Rn 35 ff.

26 Sofern der einzelne Gesellschafter ein eigenes Aushändigungsrecht hat

(Rn 15 ff), kann ihm dies nicht durch Satzungsänderung ohne seine Zustimmung entzogen werden (arg § 35 BGB)3.

27 b) Sanktionen: Sollte einem einzelnen Gesellschafter die Aushändigung von

Unterlagen zur Rechnungslegung zu Unrecht verweigert werden, so kann dieser wohl in entsprechender Anwendung des § 51b das Erzwingungsverfahren nach

1 Ebenso MünchKomm/Fleischer Rn 17; B/H/Haas Rn 12. 2 S. Hartmann S. 176; zum Ganzen auch Mueller-Thuns Gewinnbezugsrecht, S. 92 ff. 3 Ähnlich Hartmann S. 179 ff mit freilich fragwürdigem Ausschluss der kapitalistisch beteiligten Gesellschafter.

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FG-Grundsätzen einleiten1; andernfalls wäre der Gesellschafter auf die umständliche, zeitraubende und publizitätsträchtige Leistungsklage gegen die Gesellschaft, diese vertreten durch ihre Geschäftsführer, angewiesen. – Überdies kann der Gesellschafter uU den Feststellungs- und den Ergebnisverwendungsbeschluss mit der Begründung anfechten, er habe auf der Grundlage unzureichender Informationen (dazu Anh zu § 47 Rn 51 f) votieren müssen.

4. Beschlussverfahren Die nach § 42a Abs. 1 der Gesellschaftergesamtheit vorzulegenden und nach den 28 Grundsätzen Rn 17 den einzelnen Gesellschaftern auszuhändigenden Unterlagen zur Rechnungslegung dienen den Gesellschaftern auch (s. Rn 3) dazu, über die Feststellung des JA und über die Ergebnisverwendung zu beschließen. Rechtlich sind beide Beschlüsse voneinander zu trennen, wenn sie auch funktional aufeinander bezogen sind2 und in der Praxis nicht selten simultan gefasst werden. Über die Ergebnisverwendung kann nicht vor der Abschlussfeststellung entschieden werden. Der ohne Feststellung getroffene Verwendungsbeschluss ist unwirksam. – Zur Beschlussfassung über den Konzernabschluss s. Rn 47 ff. a) Abwägungsgebot: Mit der Abschlussfeststellung entscheiden die Gesellschaf- 29 ter auch über die Ausnutzung bestehender bilanzpolitischer Gestaltungsspielräume (Rn 7) und damit über das ausgewiesene Jahresergebnis. Das kann sich einschneidend auf die Dividendeninteressen der Gesellschafter, insbesondere auf die der nicht an der Geschäftsführung beteiligten Minderheitsgesellschafter auswirken. Deshalb sind sämtliche Gesellschafter aus dem Gesichtspunkt der Gesellschaftertreupflicht (§ 14 Rn 29 ff) gehalten, die Dividendeninteressen der einzelnen Gesellschafter sorgfältig gegen das Interesse der Gesellschaft abzuwägen, ihre finanzielle Lebens- und Widerstandsfähigkeit für die kommenden zwei/drei Jahre zu sichern3. Für diese Abwägung liefern die Geschäftsführer in ihrer Stellungnahme zur Bilanzpolitik (Rn 7) die erforderliche Hilfe. – Eine fehlende oder offensichtlich unzureichende Abwägung macht den Feststellungsbeschluss anfechtbar (Anh zu § 47 Rn 57). b) Gesellschafterentscheid zum Lagebericht: Festgestellt wird nur der JA, nicht 30 der Lagebericht (§ 42a Abs. 2 Satz 1); dh: Die Gesellschafter setzen allein Bilanz, GuV und Anhang mit Außenwirkung in Geltung4. Das bedeutet freilich nicht, dass die Geschäftsführer in jedem Fall eigenverantwortlich über den Inhalt des Lageberichts entscheiden können. Vielmehr sind die Gesellschafter kraft ihres 1 Zustimmend B/H/Haas Rn 13. 2 S. Hommelhoff ZGR 1986, 418, 420 ff; A/D/S Rn 32. 3 Mueller-Thuns Gewinnbezugsrecht, S. 64 ff; zu einzelnen Gesichtspunkten B/H/Fastrich § 29 Rn 32. 4 B/H/Haas Rn 18; MünchKomm/Fleischer Rn 22 mwN; aA Hartmann S. 166 ff.

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§ 42a | Vorlage des Jahresabschlusses und des Lageberichts Weisungsrechts in der Lage, auf die Lageberichterstattung Einfluss zu nehmen1. Die Geschäftsführer haben entsprechende Weisungen zu befolgen, soweit sich diese im Rahmen der einschlägigen bilanzrechtlichen Bestimmungen halten. Ein die Geschäftsführer bindendes Gebot, den Lagebericht nicht von sich aus, sondern nur mit der gesellschaftsinternen Zustimmung der Gesellschafter zu veröffentlichen, ist aber nicht schon ex lege (so noch 15. Aufl, Rn 29: außergewöhnliche Maßnahme), sondern nur bei statutarischer Anordnung oder Gesellschafterweisung anzuerkennen2. 31 c) Zeitpunkt der Beschlüsse: Nach § 42a Abs. 2 Satz 1 müssen sowohl der Fest-

stellungs- als auch der Verwendungsbeschluss spätestens bis zum Ablauf des achten Monats nach Geschäftsjahresschluss gefasst sein; nur für kleine Gesellschaften (§ 267 Abs. 1 HGB; Vor § 41 Rn 37) sieht das Gesetz eine Erleichterung vor: bis zum Ablauf des elften Monats. Diese Endtermine sind satzungsfest (§ 42a Abs. 2 Satz 2), können aber im Gesellschaftsvertrag nach vorn verlagert werden3. Die Gesellschaften dürfen diese Termine voll ausnutzen, brauchen sich also nicht übermäßig zu sputen, weil in § 42a keine etwa § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO vergleichbare Regelung formuliert worden ist. Bei der Gestaltung des Zeitplans für Rechnungslegung und Beschlussfassung4 haben die Geschäftsführer zum ersten die Ladungsfrist (§ 51 Abs. 1) zu beachten und zum zweiten, dass die Gesellschafter für die Bearbeitung der Unterlagen zur Rechnungslegung idR nicht viel weniger als einen Monat5 benötigen; das gilt erst recht in kleinen Gesellschaften, in denen kein Prüfungsbericht als Hilfsmittel zur Verfügung steht.

32 Aufgabe der Geschäftsführer ist es, für zeitgerechte Beschlussfassungen zu sor-

gen (arg § 43 Abs. 1). Beschlüsse, die nicht innerhalb der Frist aus § 42a Abs. 2 Satz 1 gefasst werden, sind allein wegen der Fristversäumung weder nichtig noch anfechtbar6. Ebenso wenig können die Gesellschafter mit Zwangsmitteln (etwa Ordnungsgeld; § 335 HGB) zur rechtzeitigen Beschlussfassung angehalten werden7. – Allerdings sind die Geschäftsführer nach § 325 HGB idFd BilRUG (s. Vor § 41 Rn 28) verpflichtet, den festgestellten JA sowie (in lageberichts- und prüfungspflichtigen Gesellschaften) den Lagebericht und den Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers (bzw den Vermerk über dessen Versagung) spätestens ein Jahr nach dem Abschlussstichtag zur Bekanntmachung im BAnz einzureichen. Allein der Beschluss über die Ergebnisverwendung, zu dessen Offen-

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B/H/Haas Rn 18; R/A/Altmeppen Rn 34. Scholz/Crezelius Rn 38. A/D/S Rn 42. S. die Übersicht bei K/P/W/Bohl/Schamburg-Dickstein HbRL Rn 52. So auch A/D/S 40; K/P/W/Bohl/Schamburg-Dickstein HbRL Rn 51; B/H/Schulze-Osterloh 18. Aufl, Rn 20. 6 A/D/S Rn 41; Scholz/Crezelius Rn 43. 7 Zur klageweisen Erzwingung von Feststellungs- (und Verwendungs-)Beschlüssen s. § 46 Rn 7 f; B/H/Haas Rn 20 mwN.

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legung mittelgroße und große Gesellschaften (nicht aber kleine) verpflichtet sind (Anh zu § 42a Rn 20 und 29), kann nachgereicht werden; die offengelegten Angaben müssen jedoch keine Zuordnung der Ergebnisverwendung zu einzelnen Gesellschaftern umfassen1. Zur Erfüllung der gesetzlichen Publizitätspflicht (zu ihr näher Anh zu § 42a Rn 19 ff) können die Geschäftsführer (oder die Gesellschaft selbst) nach §§ 335, 335a HGB durch Verhängung eines Ordnungsgeldes angehalten werden (zu Einzelheiten s. Anh zu § 42a Rn 46 ff). d) Erläuterungspflicht der Geschäftsführer: In der AG hat der Vorstand seine 33 Vorlagen der Hauptversammlung zu erläutern (§ 176 Abs. 1 Satz 2 AktG). Eine solche Bestimmung enthält das GmbHG nach seinem Text nicht. Dennoch sind die Geschäftsführer in entsprechender Anwendung der aktienrechtlichen Vorschrift gehalten, den Gesellschaftern die Unterlagen zur Rechnungslegung (Rn 3 ff) zur Vorbereitung ihrer Beschlüsse von sich aus zu erläutern2. Damit wird die Aussprache unter den Gesellschaftern eröffnet; somit folgt die Erläuterungspflicht aus allgemeinen Grundsätzen eines geordneten Beschlussverfahrens. Freilich können die Gesellschafter mit Mehrheit auf die Erläuterungen verzichten. – Erläuterungen bedeutet nicht Wiederholung dessen, was bereits in den Unterlagen steht. Vielmehr haben die Geschäftsführer die schriftliche Berichterstattung unter Bildung von Schwerpunkten zusammenzufassen, sie durch einen Bericht über jüngste Vorgänge zu aktualisieren und auf Fragen und Einwendungen einzugehen, die ihnen bereits aus dem Gesellschafterkreis bekannt geworden sind3. Näherer Darlegungen vor den Gesellschaftern bedarf in aller Regel auch die voraussichtliche Entwicklung der Gesellschaft – zumal in kleinen Gesellschaften ohne Lagebericht (§ 264 Abs. 1 Satz 4 HGB). Aber selbst in mittelgroßen und großen Gesellschaften, in deren Lagebericht die Entwicklung bereits angesprochen ist (§ 289 Abs. 1 Satz 4 HGB), oder in kleinen Gesellschaften mit statutarischer Lageberichts-Pflicht sind zusätzliche Darlegungen der Geschäftsführer erforderlich. e) Umlaufverfahren: Unter den Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 brauchen die 34 Gesellschafter über Abschlussfeststellung und Ergebnisverwendung nicht in einer Gesellschafterversammlung abzustimmen, sondern können schriftlich votieren. Allerdings müssen den einzelnen Gesellschaftern dann die Unterlagen zur Rechnungslegung vorab ausgehändigt worden sein (Rn 17); andernfalls sind die Beschlüsse regelmäßig anfechtbar. Außerdem wird sich ein schriftlicher Erläuterungsbericht der Geschäftsführer (Rn 33) empfehlen.

1 Begründung zum RegE BilRUG, BT-Drucks 18/4050, S. 67 f; Beschlussvorschlag und Bericht des Rechtsausschusses zum BilRUG, BT-Drucks 18/5256, S. 85; Rimmelspacher/ Meyer DB 2015, Beilage Nr. 5, S. 23, 29 f. 2 Ebenso A/D/S Rn 45; aA R/S-L/Tiedchen Rn 60. 3 Vgl auch MünchKommAktG/Hennrichs/Pöschke 3. Aufl, § 176 AktG Rn 13.

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§ 42a | Vorlage des Jahresabschlusses und des Lageberichts 35 f) Verlautbarung der Beschlüsse: Das Ergebnis der jeweiligen Beschlussfassung

ist förmlich festzustellen, weil die Veröffentlichung des JA und des Beschlusses über die Ergebnisverwendung (§ 325 Abs. 1–2 HGB) insoweit klare Verhältnisse erfordert. Jedoch sind die Gesellschafterbeschlüsse nicht etwa unwirksam, falls das Beschlussergebnis nicht förmlich festgestellt wurde. – Zu Nichtigkeit bzw Anfechtbarkeit fehlerhafter Feststellungs- und Ergebnisverwendungsbeschlüsse s. Anh zu § 47 Rn 24 ff und 57.

5. Teilnahme des Abschlussprüfers 36 Zur Teilnahme an einer Gesellschafterversammlung sind aus eigenem Recht

nur die Gesellschafter berechtigt (näher § 48 Rn 2 ff), nicht dagegen die Abschlussprüfer oder sonstige Dritte. Allein wenn ein Gesellschafter es verlangt, ist der Abschlussprüfer, der den JA geprüft hat, zur Teilnahme verpflichtet (§ 42a Abs. 3). Ihm ist dann entsprechender Zugang zur Gesellschafterversammlung zu gewähren. Bei Prüfungsgesellschaften trifft die Teilnahmepflicht den verantwortlichen Prüfungsleiter1. Mit dem Teilnahmeverlangen hat das Gesetz sicherstellen wollen, dass ein Gesellschafter, dem die Unterlagen zur Rechnungslegung etc und deren Erläuterungen durch die Geschäftsführer (Rn 33) nicht ausreichen, die Vorbereitung seiner Entschließungen zur Feststellung des JA noch weiter verbessern kann2. Weist der Gesellschaftsvertrag die Feststellungskompetenz einem anderen Gesellschaftsorgan zu, so hat jedes Organmitglied das Recht aus § 42a Abs. 3. In Gesellschaften mit Aufsichtsrat/ Beirat hat der Abschlussprüfer schon nach § 171 Abs. 1 Satz 2 AktG (iVm § 52 Abs. 1 bzw § 25 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG, § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG) an dessen Sitzungen teilzunehmen, wenn dort über die Rechnungslegung verhandelt wird.

37 a) Das Verlangen auf Teilnahme des Abschlussprüfers ist Individualrecht jedes

Gesellschafters und kann ihm durch den Gesellschaftsvertrag weder entzogen noch an weitere Voraussetzungen (zB Mehrheitsbeschluss) geknüpft werden3. Ob solche Satzungsbestimmungen dann zulässig sind, wenn sämtliche Gesellschafter zugestimmt haben4, ist jedenfalls im Blick auf spätere Rechtsnachfolger zweifelhaft5.

MünchKomm/Fleischer Rn 38; B/H/Haas Rn 44. Näher A/D/S Rn 53; K/P/W/Bohl/Schamburg-Dickstein HbRL, Rn 76. Hartmann S. 187. Dafür Hommelhoff/Priester ZGR 1986, 463, 496; ebenso hier bis 18. Aufl Rn 37; dagegen (einschränkende Satzungsbestimmung generell nicht möglich) A/D/S Rn 54; R/S-L/Tiedchen Rn 91; B/S/Witt Rn 18. 5 S. auch Scholz/Crezelius Rn 48.

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Das Recht auf Teilnahmeverlangen entfällt erst, falls der einzelne Gesellschafter weder an der Abschlussfeststellung beteiligt noch unmittelbar ihm gegenüber Rechnung zu legen ist (s. Rn 19, 22); allein die Verlagerung der Feststellungskompetenz auf eine andere Stelle nimmt dem einzelnen Gesellschafter noch nicht das Recht auf Teilnahmeverlangen1. Zwar spricht § 42a Abs. 3 nur von den Verhandlungen über die Abschlussfeststellung; aber die Erörterung der Rechnungslegung ist zugleich ein wesentlicher Aspekt der Rechenschaft, welche die Geschäftsführer jedem Gesellschafter schulden (Vor § 41 Rn 32). Ungeachtet der engen sachlichen Verknüpfung zwischen Abschlussfeststellung und Ergebnisverwendung (Rn 29) erstreckt sich das Recht auf Teilnahmeverlangen angesichts des eindeutigen Wortlauts von § 42a Abs. 3 nicht auf die Verhandlungen über die Ergebnisverwendung2. Bei freiwilligen Prüfungen (dazu Vor § 41 Rn 85 ff) steht dem einzelnen Gesell- 38 schafter ebenfalls das Recht zu, die Teilnahme des Abschlussprüfers zu verlangen3. Darauf, ob diese Prüfung der gesetzlichen Abschlussprüfung entspricht oder hinter ihr zurückbleibt, kommt es für die Teilnahmepflicht des Abschlussprüfers nicht an. b) Sein Verlangen hat der einzelne Gesellschafter an die Geschäftsführer, nicht 39 direkt an den Abschlussprüfer zu richten4. Denn dieser steht bloß zur Gesellschaft in einem Rechtsverhältnis, nicht aber zu den einzelnen Gesellschaftern. Außerdem brauchen sich Geschäftsführer und Mitgesellschafter vom plötzlichen Erscheinen des Abschlussprüfers nicht überraschen zu lassen5. – Das Teilnahmeverlangen sollte möglichst geraume Zeit vor der Gesellschafterversammlung, kann aber noch in ihr gestellt werden6, namentlich wenn erst die Verhandlungen haben offenbar werden lassen, dass die Prüferteilnahme notwendig ist. UU müssen die Verhandlungen einstweilen ausgesetzt werden. – Sobald das Teilnahmeverlangen den Geschäftsführern zugegangen ist, haben diese ohne schuldhaftes Zögern den Abschlussprüfer zur Gesellschafterversammlung zu laden. – Sollten sich alle Gesellschafter bereits mit dem schriftlichen Umlaufverfahren nach § 48 Abs. 2 einverstanden erklärt haben (Rn 34), so liegt in dem Teilnahmeverlangen zugleich der wirksame Widerruf des Einverständnisses. Die Geschäftsführer haben sodann zu einer Gesellschafterversammlung nach §§ 49, 51 zu laden.

1 Zutreffend Hartmann S. 189 f; zweifelnd A/D/S Rn 56. 2 A/D/S Rn 63; B/H/Haas Rn 44 mwN; noch weitergehend indes Hartmann S. 190: Teilnahme sogar dort, wo es um die Geschäftsführerentlastung geht. 3 Hommelhoff/Priester ZGR 1986, 463, 496; Scholz/Crezelius Rn 47; B/H/Haas Rn 42. 4 AA Scholz/Crezelius Rn 50a: direkte Ladung möglich. 5 Ebenso A/D/S Rn 57; B/H/Haas Rn 43. 6 Hartmann S. 184 f.

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§ 42a | Vorlage des Jahresabschlusses und des Lageberichts 40 c) Prüferpflichten in der Gesellschafterversammlung: Sinn und Zweck der

Prüferteilnahme an der Gesellschafterversammlung zur Feststellung des JA ist es, die Entschließungsgrundlage der Gesellschafter, namentlich die des verlangenden Gesellschafters, zu verbessern (Rn 36). Hieraus folgt die Verpflichtung des Prüfers, zu Fragen einzelner Gesellschafter (auch derjenigen, die kein Teilnahmeverlangen erhoben haben) Stellung zu nehmen, Passagen seines Prüfungsberichts zu erläutern etc1. Diese Auskunftspflicht ist in ihrem Umfang durch die (gesetzlich oder vertraglich umrissene) Prüfungsaufgabe beschränkt (s. Vor § 41 Rn 69). – Auskünfte braucht der Abschlussprüfer einzelnen Gesellschaftern nur in der Gesellschafterversammlung zu erteilen; außerhalb dieser ist er nur der Gesellschaft verpflichtet. In diesem Fall muss deshalb der einzelne Gesellschafter sein Auskunftsbegehren an die Geschäftsführer richten (§ 51a), damit diese die Frage dann als Frage der Gesellschaft an den Abschlussprüfer weiterleiten2.

41 So wie die Geschäftsführer kann gleichfalls der Abschlussprüfer die Auskunft

unter den Voraussetzungen des § 51a Abs. 2 (dazu § 51a Rn 34 ff) verweigern; allerdings nicht aus eigenem Recht, sondern nur, wenn die Gesellschafter dies so mit einfacher Mehrheit beschließen3. Der Geschäftsführer allein kann dem Prüfer nicht die Auskunft verbieten4.

42 d) Sanktionen: Weigert sich der Abschlussprüfer trotz eines wirksamen Teil-

nahmeverlangens, an der Gesellschafterversammlung teilzunehmen, so kann die Gesellschaft, diese vertreten durch ihre Geschäftsführer, den Prüfer auf Teilnahme verklagen. Sollten sich die Geschäftsführer weigern, den Anspruch gegen den Prüfer durchzusetzen, und sollte überdies die Gesellschaftermehrheit eine entsprechende Weisung an die Geschäftsführer verweigern, so kommt uU eine Klage jenes Gesellschafters im Wege der actio pro socio in Betracht, der das Teilnahmeverlangen gestellt hat5. Ein schuldhaft pflichtwidrig sich verweigernder Prüfer haftet der Gesellschaft wegen Verletzung seiner Vertragspflichten aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag, wohl nicht aus § 323 Abs. 1 HGB. – Außerdem kann der einzelne Gesellschafter eventuell Feststellungs- und Verwendungsbeschluss mit der Begründung unzureichender Information anfechten, falls der Abschlussprüfer überhaupt nicht an der Gesellschafterversammlung teilnimmt oder die dort gestellten Fragen zu Unrecht nicht beantwortet6.

1 So auch Scholz/Crezelius Rn 52; B/H/Haas Rn 44. 2 Zu Einzelheiten K/P/W/Bohl/Schamburg-Dickstein HbRL, Rn 86. 3 Hartmann S. 193; A/D/S Rn 61; B/H/Haas Rn 45; aA Scholz/Crezelius Rn 54: Weigerung aus ausschließlich eigenem Recht des Prüfers. 4 Zutreffend K/P/W/Bohl/Schamburg-Dickstein HbRL, Rn 85: nur bei Gesellschafterbeschluss nach § 51a Abs. 2. 5 AA Hartmann S. 187. 6 S. auch A/D/S Rn 65.

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e) Zur Teilnahme sonstiger Dritter an den Verhandlungen über die Abschluss- 43 feststellung und die Ergebnisverwendung gelten die allgemeinen Grundsätze, s. § 48 Rn 5 ff.

6. Inhaltliche Vorgaben für den Feststellungsbeschluss (§ 42a Abs. 2 Satz 3) a) Die Gesellschafter brauchen den JA nicht in genau der Form zu beschließen, 44 wie ihn die Geschäftsführer ihnen vorgelegt haben; Abänderungen stehen den Gesellschaftern grundsätzlich frei – und zwar sogar dann, wenn JA und Lagebericht vom Abschlussprüfer zuvor geprüft worden sind. Dann ist allerdings nach § 316 Abs. 3 HGB eine Nachtragsprüfung durchzuführen (Vor § 41 Rn 76 ff). Eine Abänderung kommt insbesondere in Betracht, wenn die Gesellschafter eine andere bilanzpolitische Linie verfolgen wollen. In prüfungspflichtigen Gesellschaften (§ 316 Abs. 1 HGB) tun die Gesellschafter freilich gut daran, solche Grundfragen noch vor der endgültigen Aufstellung des JA mit den Geschäftsführern zu erörtern und diese ggf nach § 37 Abs. 1 anzuweisen, um eine Nachtragsprüfung zu vermeiden. Bei der Abänderung des aufgestellten JA müssen sich die Gesellschafter inner- 45 halb der Grenzen halten, die das Gesetz auch schon den Geschäftsführern bei der Aufstellung gezogen hat (§ 42a Abs. 2 Satz 3; §§ 242 ff, 264 ff HGB; s. dazu den Überblick § 42 Rn 25 ff). Zur Abänderung festgestellter Abschlüsse s. § 42 Rn 67. b) Offenzulegen (durch Einreichung zum und Bekanntmachung im BAnz) sind 46 der festgestellte JA mit den sonstigen RLUnterlagen: § 325 Abs. 1–2 HGB idFd BilRUG (dazu Anh zu § 42a Rn 19 ff); die Geschäftsführer müssen dieser Publizitätspflicht spätestens ein Jahr nach dem Abschlussstichtag nachkommen (Rn 32). Die bisherige gesetzliche Vorgabe in § 325 Abs. 1 HGB aF, den JA unverzüglich nach seiner Vorlage an die Gesellschafter beim Betreiber des BAnz einzureichen, ist (mit erstmaliger Wirkung auf Abschlüsse für das nach dem 31.12.2015 beginnende Geschäftsjahr) entfallen (Anh zu § 42a Rn 19).

7. Konzernabschluss und Konzernlagebericht (§ 42a Abs. 4 Satz 1) Auf Mutterunternehmen in der Rechtsform der GmbH, die zur Aufstellung ei- 47 nes Konzernabschlusses und eines Konzernlageberichts verpflichtet sind (zu den Voraussetzungen der KonzernRL näher Vor § 41 Rn 45 ff), sind die Bestimmungen des § 42a Abs. 1–3 insgesamt entsprechend anzuwenden (§ 42a Abs. 4 Satz 1). Nach früherem Recht war der Konzernabschluss nicht Gegenstand eines Gesellschafterentscheids, da er – im Gegensatz zum JA – nicht förmlich festKleindiek

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§ 42a | Vorlage des Jahresabschlusses und des Lageberichts zustellen und auch nicht zu billigen war. Im Zuge des TransPuG (Vor § 41 Rn 10) hat der Gesetzgeber – einer Empfehlung der Regierungskommission Corporate Governance1 folgend – auch für den Konzernabschluss ein förmliches Billigungsverfahren eingeführt. Für Mutter-Aktiengesellschaften ergibt sich das aus §§ 170 Abs. 1 Satz 2, 171 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, 173 Abs. 1 Satz 2 AktG; für das GmbH-Recht erfolgte die Umsetzung durch die Neufassung von § 42a Abs. 4 iSd heutigen Satzes 1. 48 Die Verweisung in § 42a Abs. 4 auf § 42a Abs. 1–3 bedeutet nicht, dass der Kon-

zernabschluss – wie der JA – „festzustellen“ wäre. Weil der Konzernabschluss allein Informationsfunktion hat und sonstige Rechtsfolgen mit ihm nicht verbunden sind (s. Vor § 41 Rn 47), hat der Gesetzgeber im seinerzeit novellierten AktG bewusst den Begriff der „Billigung“ des Konzernabschlusses2 verwandt (§§ 171 Abs. 2 Satz 5, 173 Abs. 1 Satz 2 AktG; ebenso § 316 Abs. 2 HGB). In diesem Sinne haben auch die GmbH-Gesellschafter – oder ein anderes, nach der Satzung dazu berufenes Organ – über die Billigung des Konzernabschlusses zu beschließen. Dabei können sie auch eine vom Vorschlag der Geschäftsführer abweichende Fassung des Konzernabschlusses billigen3. Da nach § 316 Abs. 2 Satz 2 HGB idFd TransPuG die Billigung aber an die vorherige Prüfung durch den Konzernabschlussprüfer geknüpft ist (s. dazu Vor § 41 Rn 80 ff), kann eine Nachtragsprüfung nach § 316 Abs. 3 HGB erforderlich werden. An eine ausbleibende Billigung ist keine Sanktion geknüpft, weil der Konzernabschluss bloße Informationsfunktion hat4; freilich wird nur mit der Offenlegung des gebilligten Konzernabschlusses die Publizitätspflicht aus § 325 Abs. 3 iVm Abs. 1 HGB idFd BilRUG erfüllt (s. Anh zu § 42a Rn 37 ff). – Der Billigungsbeschluss nach § 42a Abs. 4 iVm § 42a Abs. 1 und 2 betrifft nur den Konzernabschluss; für die Einflussmöglichkeiten der Gesellschafter auf den Konzernlagebericht gelten die Darlegungen in Rn 30 entsprechend.

49 Im Übrigen gehen Konzernabschluss und -lagebericht identische Wege zu den

Gesellschaftern wie JA und Lagebericht (Rn 2). Auch die Darlegungen zum Aushändigungsrecht des einzelnen Gesellschafters sowie zur Teilnahme des Konzernabschlussprüfers an der Gesellschafterversammlung, die über die KonzernRL berät, gelten entsprechend. Hat die Mutter-GmbH einen Aufsichtsrat/ Beirat, sind von diesem auch Konzernabschluss und -lagebericht zu prüfen (§ 171 Abs. 1 AktG idFd KonTraG iVm § 52 Abs. 1; § 25 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG/ § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG).

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Baums (Hrsg), Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001, Rn 27a. Zur Terminologie s. Seibert NZG 2002, 608, 612. BegrRegE TransPuG, BR-Drucks 109/02 v. 8.2.2002, S. 78. Theile GmbHR 2002, 231, 234; ebenso B/K/T/Ruhnke/Schmidt BilR, § 316 HGB Rn 52 f (Stand Juni 2010).

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8. IFRS-Einzelabschluss nach § 325 Abs. 2a HGB (§ 42a Abs. 4 Satz 2) Das zu Konzernabschluss und Konzernlagebericht Gesagte (Rn 47 ff) gilt glei- 50 chermaßen für den IFRS-Einzelabschluss nach § 325 Abs. 2a HGB (zu diesem schon Vor § 41 Rn 15), wenn die Gesellschafter (nach § 46 Nr. 1a) dessen Bekanntmachung im BAnz (§ 325 Abs. 2a HGB; s. dazu Anh zu § 42a Rn 36) beschlossen haben (§ 42a Abs. 4 Satz 2). Die im Zuge des BilReG (dazu Vor § 41 Rn 13) zunächst nur großen Kapitalge- 51 sellschaften iSv § 267 Abs. 3 HGB eingeräumte Option aus § 325 Abs. 2a HGB (zu dessen heutigem Anwendungsbereich s. Anh zu § 42a Rn 36) befreit nach wie vor nur von der Pflicht, den HGB-JA gemäß § 325 Abs. 2 HGB im BAnz bekannt machen zu lassen. An der gesetzlichen Verpflichtung, einen HGB-JA aufzustellen und prüfen zu lassen, ändert das nichts; auch ist dieser JA mit dem Bestätigungsvermerk oder dem Vermerk über dessen Versagung gemäß § 325 Abs. 1 HGB beim Betreiber des BAnz einzureichen (§ 325 Abs. 2b Nr. 3 HGB) und damit ebenfalls über das Unternehmensregister zugänglich (§ 8b Abs. 2 Nr. 4 HGB); die Zahlungsbemessung richtet sich weiterhin ausschließlich nach dem HGB-JA. Gesellschaften, die von der Option nach § 325 Abs. 2a HGB Gebrauch machen, 52 müssen die IFRS vollständig befolgen; ergänzend sind die in § 325 Abs. 2a Satz 3 HGB aufgeführten Bestimmungen des HGB-Bilanzrechts anzuwenden, nämlich §§ 243 Abs. 2, 244, 245, 257, 264 Abs. 1a, Abs. 2 Satz 3, 285 Nr. 7, 8 lit b, 9–11 lit a, 14–17, §§ 286 Abs. 1, 3 und 5 HGB. Der Lagebericht nach § 289 HGB muss in dem erforderlichen Umfang auch auf den IFRS-Einzelabschluss Bezug nehmen (§ 325 Abs. 2a Satz 4 HGB). Die Bekanntmachung des IFRS-Einzelabschlusses im BAnz befreit von der entsprechenden Offenlegung des HGB-JA im Übrigen nur unter den weiteren Voraussetzungen des § 325 Abs. 2b HGB: außer der Einreichung des testierten HGB-JA beim Betreiber des BAnz ist ua die Bekanntmachung des Bestätigungsvermerks (bzw des Versagungsvermerks) zum IFRS-Einzelabschluss im BAnz erforderlich. Gesellschaftsintern nimmt der IFRS-Einzelabschluss dieselben Wege wie der 53 Konzernabschluss. Das stellt § 42a Abs. 4 Satz 2 fest. Wie jener ist auch der IFRS-Einzelabschluss zu „billigen“ (nicht festzustellen), da ihm allein Informationsfunktion zukommt (vgl Rn 48).

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Anh zu § 42a | Publizität

Anhang zu § 42a Publizität 1. Publizitätspflicht: Grundlagen . . 2. Einreichung und Bekanntmachung der Rechnungslegungsunterlagen . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Veröffentlichung in kleinen Gesellschaften und Kleinstkapitalgesellschaften . . . . . . . . . 4. Veröffentlichung in mittelgroßen Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . . 5. Veröffentlichung in großen Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . . 6. IFRS-Einzelabschluss . . . . . . . . .

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. 11 . 20 . 29 . 33 . 36

7. Veröffentlichung der Konzernrechnungslegung (§ 325 Abs. 3 und 3a HGB) . . . . . . . . . . . . . . . 8. Prüfungspflicht des Betreibers des Bundesanzeigers (§ 329 HGB) . . . 9. Sanktionen bei Verstoß gegen die Publizitätspflicht . . . . . . . . . . . . . 10. Publizitätspflicht in Liquidation und Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . 11. Vermeidungsstrategien . . . . . . . .

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Literatur: Apelt Die Publizität der GmbH, 1991; Christ/Müller-Helle Veröffentlichungspflichten nach dem neuen EHUG, 2007; Fehrenbacher Registerpublizität und Haftung im Zivilrecht, 2004; Hellermann Die Publizität des Jahresabschlusses geschlossener Kapitalgesellschaften, 2004; Jansen Publizitätsverweigerung und Haftung in der GmbH, 1999; Kießling Das Ordnungsgeldverfahren wegen Verletzung von Jahresabschlusspublizitätspflichten gemäß § 335 HGB, 2014; Merkt Unternehmenspublizität, 2001. Zur sonstigen abgekürzt zitierten Literatur s. Vor § 41 vor Rn 1.

1. Publizitätspflicht: Grundlagen 1 a) Nach §§ 325 ff HGB sind alle Kapitalgesellschaften und damit gleichfalls

sämtliche GmbH einschließlich UG (haftungsbeschränkt) unabhängig von ihrer Größe verpflichtet, ihre Rechnungslegung gegenüber der Allgemeinheit – über den Bundesanzeiger (BAnz) – offenzulegen: externe Publizität1. Auch diese einschneidende Änderung hatte das BiRiLiG (s. Vor § 41 Rn 1) – in Umsetzung entsprechender Richtlinienvorgaben (heute Art. 30-33 BilanzRL 2013/34/EU) – für die GmbH mit sich gebracht. Seit dem Inkrafttreten des KapCoRiLiG (Vor § 41 Rn 6 ff) sind auch Personenhandelsgesellschaften ohne mindestens eine natürliche Person als Vollhafter publizitätspflichtig. Zu den Befreiungsmöglichkeiten nach §§ 264 Abs. 3, 264b HGB s. Rn 61 sowie Vor § 41 Rn 3 f und 9. Zur Publizitätspflicht der inländischen Zweigniederlas1 Zur Herleitung der Publizitätspflichten: Apelt S. 32 ff; Jansen S. 34 ff; Hellermann S. 31 ff; rechtsvergleichend C. Walter Publizität der Rechnungslegung im internationalen Vergleich, 2012.

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Publizität | Anh zu § 42a

sung einer Kapitalgesellschaft mit Sitz in einem anderen EU-Staat oder EWRVertragsstaat s. § 325a HGB. b) Ziel externer Publizität ist es, aktuellen und potentiellen Gesellschaftsgläubi- 2 gern, den Arbeitnehmern und ihren Repräsentanten, sonstigen Dritten sowie der Allgemeinheit die Möglichkeit zu eröffnen, sich aus allgemein zugänglichen Quellen in grundsätzlich gleicher Weise über die Lage der Gesellschaft und deren Entwicklung zu informieren1. Zugleich ist die externe Publizität – in größenspezifischer Abstufung – darauf angelegt, dass die zu veröffentlichenden Gesellschaftsinformationen kritisch analysiert und kommentiert sowie die Ergebnisse dieser Würdigung (zB über die Wirtschaftspresse) in Kreisen wirtschaftlich Interessierter verbreitet werden. Auf diesem Wege sollen die publizitätspflichtigen Gesellschaften nach dem Gesetzesplan zur Selbstkontrolle2 und zu seriösem Geschäftsgebaren angehalten werden, um auch so den Gefahren einer lediglich beschränkten Haftung in Kapitalgesellschaften (sowie in gleichgestellten Personenhandelsgesellschaften iSd § 264a HGB) zu begegnen3. Diese Selbststeuerungsmechanismen der im Gemeinschaftsrecht gründenden und handelsrechtlich vorgeschriebenen externen Publizität, namentlich für große Kapitalgesellschaften, hatte der BGH in seiner „Herberger Bau“-Entscheidung4, welche die Weitergabe eines im BAnz (Papierausgabe) veröffentlichten JA als Verletzung des Persönlichkeitsrechts des betroffenen Unternehmens wertete, nicht gewürdigt5. Stellt der Abschlussprüfer Verletzungen der gesetzlichen Offenlegungspflichten 3 im Zusammenhang mit Vorjahresabschlüssen fest, hat er hierüber gemäß § 321 Abs. 1 Satz 3 HGB zu berichten6. Zur Sanktionierung von Publizitätspflichtverletzungen näher Rn 46 ff. c) Die externe Publizität durch Einreichung der RLUnterlagen beim Betreiber 4 des BAnz sowie Bekanntmachung im BAnz (näher Rn 11 ff) ist nach dem Umfang der zu veröffentlichenden Rechnungslegung größenspezifisch abgestuft: §§ 326, 327 HGB sehen Erleichterungen für die kleine und für die mittelgroße Gesellschaft vor (s. Rn 20 ff und 29 ff)7. Kleinstkapitalgesellschaften iSd § 267a

1 S. dazu auch EuGH NJW 1998, 129, 130 = GmbHR 1997, 1150; GroßkommHGB/Kersting § 325 HGB Rn 8 ff. 2 Zutreffend OLG Frankfurt GmbHR 1994, 186, 189. 3 OLG Frankfurt GmbHR 1994, 186, 188; zum Ganzen ausführlich Jansen S. 34 ff; zur Dogmatik der RLPublizität Merkt S. 249 ff, 316 ff; ferner Fehrenbacher S. 287 ff; kritisch Hellermann S. 163 ff. 4 BGH ZIP 1994, 648, 650 = GmbHR 1994, 330; in der Sache übereinstimmend BVerfG GmbHR 1994, 476, 477. 5 S. dazu etwa Lutter AG 1994, 347; J. Hager ZHR 158 (1994), 675. 6 WP-Hdb 2012 (14. Aufl) Bd I, Q 135. 7 Zur Legitimation dieser Abstufung Apelt S. 90 ff.

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Anh zu § 42a | Publizität HGB können ihrer Offenlegungspflicht – statt durch Bekanntmachung im BAnz – auch durch dauerhafte Hinterlegung beim Betreiber des BAnz (in elektronischer Form) nachkommen (§ 326 Abs. 2 HGB); Interessenten wird dann auf Antrag eine Kopie der hinterlegten RLUnterlagen (über das Unternehmensregister in ebenfalls elektronischer Form) übermittelt (näher Rn 24 ff). 5 d) In ihrer heutigen Ausgestaltung – Einreichung der RLUnterlagen beim Be-

treiber des BAnz mit dem Auftrag zur Bekanntmachung im BAnz – beruht die Rechnungslegungspflicht auf den Vorgaben des zum 1.1.2007 in Kraft getretenen EHUG1 (s. auch Vor § 41 Rn 17), mit dem die einschlägigen Bestimmungen in §§ 325 ff, 335 ff HGB erheblich geändert worden waren; sie fanden erstmals für das nach dem 31.12.2005 begonnene Geschäftsjahr Anwendung.

6 Auch seither sind die §§ 325 ff HGB mehrfach – teils in Umsetzung europäi-

schen Richtlinienrechts – geändert worden: Mit dem Kleinstkapitalgesellschaften-Bilanzrechtsänderungsgesetz (MicroBilG) vom 20.12.2012 (BGBl I 2751; s. dazu Vor § 41 Rn 23) wurde eine Hinterlegungsoption für Kleinstkapitalgesellschaften eingeführt (§ 326 Abs. 2 HGB; näher Rn 24 ff). Das HGB-Änderungsgesetz vom 4.10.2013 (BGBl I 3746) hat die Bestimmungen zum Ordnungsgeldverfahren (§§ 335, 335a HGB) novelliert (Herabsetzung des angedrohten Ordnungsgeldes bei Nachholung der Publizität vor dessen Festsetzung; Einführung einer eigenständigen Regelung zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand; Einführung einer zulassungsabhängigen Rechtsbeschwerde gegen die Entscheidungen des Landgerichts); dazu Rn 47 ff. Im Zuge des Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (BilRUG) vom 17.7.2015 (BGBl I 1245; dazu Vor § 41 Rn 28) sind schließlich die offenzulegenden RLUnterlagen mit den hier geltenden Fristen neu abgegrenzt worden (Rn 19).

7 e) Die Bestimmungen der §§ 325 ff HGB sind „halbzwingend“ (Vor § 41 Rn 88):

Von ihnen kann der Gesellschaftsvertrag bloß insofern abweichen, als er sie verschärft (zB für eine mittelgroße Gesellschaft die Publizitätserleichterungen nach § 327 HGB ausschließt). Dies stellt § 325 Abs. 5 HGB ua klar.

8 f) Von der externen ist die gesellschaftsinterne Publizität gegenüber den Ge-

sellschaftern und anderen Gesellschaftsorganen (zB Aufsichtsrat/Beirat) zu unterscheiden. Auch insoweit trifft das Gesetz abgestufte Regelungen; in kleinen und mittelgroßen Gesellschaften darf die externe hinter der internen Publizität zurückbleiben (arg §§ 326 f HGB).

9 Dieser Differenzierung zwischen gesellschaftsexterner und gesellschaftsinterner

Publizität hätte schon der europäische Richtlinien-Geber gerade für die GmbH stärkeres Augenmerk schenken müssen, ohne dass diese rechtspolitische Kritik 1 Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister vom 10.11.2006, BGBl I 2553; zu den Änderungen für die Publizitätspflicht einführend etwa Grashoff DB 2006, 2641.

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aber den Vorwurf der Verfassungswidrigkeit tragen kann1. Mit einem Vorlageersuchen des LG Wels (Österreich) als Handelsregistergericht, das die Vereinbarkeit der entsprechenden Richtlinienbestimmungen mit dem europäischen Primärrecht in Frage stellte, hatte sich der EuGH – weil die Registerführung keine Rechtsprechungstätigkeit ist – in der Sache nicht befasst2. Für die ErgänzungsRL 90/605/EWG (GmbH & CoRL; s. Vor § 41 Rn 6) hat der EuGH aber später die Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht festgestellt3. Von der hier erörterten externen Publizität der handelsrechtlichen Rechnungs- 10 legung zu unterscheiden ist im Übrigen die durch § 5b EStG eingeführte E-Bilanz: Unternehmen, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 1, § 5 oder § 5a EStG ermitteln, sind für nach dem 31.12.2011 beginnende Wirtschaftsjahre (§ 52 Abs. 15a EStG) zur elektronischen Übermittlung ihrer Bilanzen sowie Gewinnund Verlustrechnungen im XBRL-Format an das Finanzamt verpflichtet (s. § 5b Abs. 1 EStG). Für Einzelheiten ist auf das einschlägige Spezialschrifttum zu verweisen4.

2. Einreichung und Bekanntmachung der Rechnungslegungsunterlagen a) Die gesetzlichen Vertreter einer publizitätspflichtigen Gesellschaft (s. Rn 14) 11 haben die offenzulegenden RLUnterlagen beim Betreiber des (seit dem 1.4. 2012 nur noch elektronisch geführten5) BAnz einzureichen (§ 325 Abs. 1–1b HGB) und die eingereichten Unterlagen unverzüglich nach der Einreichung im BAnz bekannt machen zu lassen (§ 325 Abs. 2 HGB)6; Betreiber des Bundesanzeigers ist die Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Köln7 – www.bundes1 BVerfG GmbHR 2011, 528 (die Rechtslage nach dem EHUG betreffend); ebenso OLG Köln GmbHR 2015, 1086 f mwN. Verfassungswidrigkeit der Publizitätsvorschriften idFd EHUG bejahen indes (mit Unterschieden im Detail) Starck DStR 2008, 2035; Kuntze-Kaufhold GmbHR 2009, 73; Brete GmbHR 2009, 617. – Zur Diskussion um die Verfassungsmäßigkeit der Publizitätspflicht s. schon Jansen S. 117 f mwN; vgl auch BayObLG GmbHR 1995, 307 und zur Debatte in Österreich OGH NZG 2000, 1045 sowie OGH NZG 2000, 1234. 2 EuGH NZG 2002, 127 im Anschluss an EuGH EuZW 2001, 499. 3 EuGH GmbHR 2004, 1463 (ua auf Vorlagebeschluss LG Essen ZIP 2003, 31). 4 Weiterführend (mit zahlreichen Nachweisen) Schubert/Adrian Beck BK, § 266 HGB Rn 300 ff. 5 Gesetz zur Änderung von Vorschriften über Verkündung und Bekanntmachungen sowie der Zivilprozessordnung, des Gesetzes betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung und der Abgabenordnung v. 22.12.2011, BGBl I 3044. 6 Vgl dazu LG Bonn NZG 2009, 1078 (LS): konkludent erteilter Veröffentlichungsauftrag durch Übersendung der JA-Unterlagen. 7 HReg AG Köln HRB 31248.

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Anh zu § 42a | Publizität anzeiger.de und www.publikations-plattform.de. Die RLUnterlagen und deren Bekanntmachung sind auch über die Internetseiten des (ebenfalls elektronisch geführten) Unternehmensregisters (www.unternehmensregister.de)1 zugänglich (§ 8b Abs. 2 Nr. 4 HGB); die entsprechenden Daten werden vom Betreiber des BAnz dem Betreiber des Unternehmensregisters zur Einstellung dort übermittelt (§ 8b Abs. 3 Nr. 1 HGB)2. 12 Die (in deutscher Sprache, § 325 Abs. 1 Satz 1 HGB) offenzulegenden RLUnter-

lagen sind elektronisch und in einer Form einzureichen, die ihre elektronische Bekanntmachung ermöglicht (§ 325 Abs. 1 Satz 2, Abs. 6 HGB)3.

13 Diese Bekanntmachungswege gelten für alle publizitätspflichtigen Gesellschaften

gleichermaßen. Größenspezifisch wird allerdings hinsichtlich des Umfangs bzw Inhalts der zum BAnz einzureichenden Unterlagen differenziert (dazu Rn 20 ff). Zudem können Kleinstkapitalgesellschaften iSd § 267a HGB ihrer Offenlegungspflicht – statt durch Bekanntmachung im BAnz – auch durch dauerhafte Hinterlegung der RLUnterlagen beim Betreiber des BAnz (in elektronischer Form) nachkommen (zu Einzelheiten s. Rn 24 ff). Zur befreienden Wirkung der Bekanntmachung eines IFRS-Einzelabschlusses nach Maßgabe von § 325 Abs. 2a/b HGB s. Rn 36.

14 b) Die publizitätspflichtigen RLUnterlagen sind nach § 325 Abs. 1 Satz 1 HGB

von den gesetzlichen Vertretern der Kapitalgesellschaft (oder gleichgestellten Personenhandelsgesellschaft iSd § 264a HGB) zum BAnz einzureichen, in der GmbH also von den Geschäftsführern als Organ (§ 6 Rn 3 ff). Sie können damit einen Geschäftsführer (zB den Leiter des Finanzressorts) betrauen; in diesem Fall müssen die übrigen Geschäftsführer die zeitgerechte und vollständige Einreichung in angemessener Weise überwachen4.

15 In der Insolvenz der Gesellschaft bleiben die Rechnungslegungspflichten im All-

gemeinen und die Offenlegungspflichten im Besonderen bestehen (§ 155 Abs. 1 Satz 1 InsO), doch treffen den Insolvenzverwalter die entsprechenden Pflichten in Bezug auf die Insolvenzmasse (§ 155 Abs. 1 Satz 2 InsO); dabei ist die Geschäftsjahr-Abgrenzung nach § 155 Abs. 2 InsO zu beachten (vgl Anh zu § 64 1 Die Führung des Unternehmensregisters ist durch § 1 der Verordnung über die Übertragung der Führung des Unternehmensregisters und die Einreichung von Dokumenten beim Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers v. 15.12.2006, BGBl I 3202 der Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Köln, übertragen worden. S. zum Unternehmensregister einführend Clausnitzer/Blatt GmbHR 2006, 1303, 1304 f; Seibert/Decker DB 2006, 2446, 2449 f. 2 Einführend Seibert/Decker DB 2006, 2446, 2449 f. 3 Näher dazu K/P/W/Haller/Hütten/Löffelmann HbRL, § 325 HGB Rn 74 ff (Stand Mai 2014); GroßkommHGB/Kersting § 325 HGB Rn 31 ff; zur Auftragsübernahme durch den Steuerberater s. Look DStR 2007, 2231. 4 GroßkommHGB/Kersting § 325 HGB Rn 46.

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Rn 70). Zur Sanktionierung von Publizitätspflichtverletzungen in der insolventen Gesellschaft s. Rn 58 ff. c) Für den Zeitpunkt der Einreichung und Bekanntmachung bestimmte § 325 16 Abs. 1 Satz 2 und 3 (iVm Abs. 2) HGB in der bis zum Inkrafttreten des BilRUG (Rn 6) geltenden Fassung, die RLUnterlagen seien unverzüglich nach jenem Augenblick beim Betreiber des BAnz einzureichen, da der JA den Gesellschaftern vorgelegt worden sei; sie seien aber spätestens vor Ablauf des zwölften Monats des dem Abschlussstichtag nachfolgenden Geschäftsjahres einzureichen und unverzüglich nach der Einreichung im BAnz bekannt zu machen. Nach den durch § 42a Abs. 1 vorgegebenen Wegen (§ 42a Rn 2) bedeutete das: In prüfungspflichtigen Gesellschaften Einreichung nach Beendigung der Abschlussprüfung1, in Gesellschaften mit einem Aufsichtsrat/Beirat, sobald dieser seinen Prüfungsbericht vorgelegt hat; ist die Abschlussprüfung vor Ablauf der Zwölf-Monats-Frist (in kapitalmarktorientierten Gesellschaften: Verkürzung der Frist auf vier Monate; § 325 Abs. 4 HGB) noch nicht beendet (oder liegt der Prüfungsbericht des Aufsichtsrats/Beirats noch nicht vor), ist der aufgestellte JA vorab offenzulegen, die fehlenden Unterlagen sind nachzureichen. In allen übrigen Gesellschaften: Einreichung der RLUnterlagen zum BAnz nach der Aufstellung von JA und ggf Lagebericht (§ 264 Abs. 1 Satz 4 HGB). Im Konzept des § 325 Abs. 1 HGB aF waren in der GmbH die Unterlagen zur Rechnungslegung somit regelmäßig vor dem Feststellungsbeschluss der Gesellschafter einzureichen; anders zumeist in der AG, in der Vorstand und Aufsichtsrat den JA bereits nach § 172 AktG festgestellt haben, bevor er nach §§ 175 Abs. 2, 176 Abs. 1 AktG den Aktionären zur Kenntnis gegeben und zeitgleich beim BAnz eingereicht wird. Die Veröffentlichung vor Feststellung verfehlt die Besonderheiten der GmbH. 17 Hier treffen die Gesellschafter als oberstes Gesellschaftsorgan mit ihrem Feststellungsbeschluss einen materiellen Entscheid über Bilanzpolitik und Publizität (§ 42a Rn 28 ff, 44 f); sie segnen den Geschäftsführervorschlag nicht bloß formal ab. Falls die Gesellschafter den JA abweichend vom Geschäftsführervorschlag feststellen, muss diese Änderung nachträglich veröffentlicht werden (§ 325 Abs. 1 Satz 6 HGB aF, jetzt § 325 Abs. 1b Satz 1 HGB); der vor seiner Feststellung publizierte JA einer GmbH ist daher immer nur vorläufig. Hiervon ist Verwirrung für die externen Publizitätsadressaten zu besorgen. In Konsequenz dieses Befundes hat ein erheblicher Teil des Schrifttums2 die ge- 18 setzliche Vorgabe „unverzüglich“ extensiv interpretieren und es den Geschäftsführern erlauben wollen, zunächst den Feststellungsbeschluss der Gesellschafter 1 LG Berlin GmbHR 1992, 55. 2 A/D/S § 325 HGB Rn 22; Biener/Berneke BiRiLiG, S. 439; Hartmann S. 238 f; Kropff FS Peltzer, 2001, S. 219, 233; zu weiteren Nachweise S. 18. Aufl, Rn 11.

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Anh zu § 42a | Publizität abzuwarten, um dann den festgestellten JA einzureichen; das sollte jedenfalls zulässig sein, wenn der JA innerhalb angemessener Zeit nach seiner Vorlage festgestellt wird1. – Indes widerstritt diese Interpretation der bisherigen Fassung des Gesetzes. Der Wortlaut des § 325 Abs. 1 Satz 2 HGB aF („unverzüglich nach … Vorlage an die Gesellschafter“) war eindeutig und entsprach im Übrigen auch dem Willen des Rechtsausschusses (s. 18. Aufl, Rn 11). Auf Basis von § 325 Abs. 1 HGB aF hatten in der GmbH die Geschäftsführer die Unterlagen zur Rechnungslegung also praktisch zeitgleich mit der Vorlage an die Gesellschafter auch zum BAnz einzureichen; dabei war nach § 328 Abs. 1 Nr. 2 HGB aF bei der (Einreichung und) Veröffentlichung auf die Tatsache hinzuweisen, dass die Abschlussfeststellung noch aussteht2. 19 Mit dem BilRUG (Rn 6) sind – in Umsetzung der Vorgaben aus Art. 30 ff Bi-

lanzRL 2013/34/EU (s. Vor § 41 Rn 26) – die publizitätspflichtigen RLUnterlagen und die Einreichungsfristen neu abgegrenzt worden; zugleich wurde der bisherige § 325 Abs. 1 HGB umstrukturiert, nämlich in drei Absätze „aufgespalten“ (§ 325 Abs. 1, Abs. 1a und Abs. 1b HGB): Die gesetzliche Vorgabe, den JA „unverzüglich nach seiner Vorlage an die Gesellschafter“ beim Betreiber des BAnz einzureichen, ist gestrichen worden. Offenzulegen sind nunmehr der festgestellte JA mit dem Lagebericht und dem Bestätigungsvermerk oder dem Vermerk über dessen Versagung (s. zur Beschlussfassung über die Feststellung des JA § 42a Rn 28 ff). Diese (in § 325 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB genannten) Unterlagen sind spätestens ein Jahr nach dem Abschlussstichtag des Geschäftsjahres einzureichen, auf das sie sich beziehen (§ 325 Abs. 1a Satz 1 HGB). Die Offenlegung des ungeprüften (oder jedenfalls noch nicht festgestellten) Abschlusses reicht zur Wahrung der Jahresfrist also nicht mehr aus; die insoweit bislang in §§ 325 Abs. 1 Satz 5, 328 Abs. 1 Nr. 2 HGB aF gewährten Spielräume sind entfallen.

Allein die sonstigen offenzulegenden RLUnterlagen können, soweit sie innerhalb der Jahresfrist noch nicht vorliegen, sanktionslos noch nach Ablauf dieser Frist offengelegt werden, was nach ihrem Vorliegen zu geschehen hat. Das gilt für die in § 325 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB genannten Unterlagen, die gemäß § 325 Abs. 1a Satz 2 HGB „unverzüglich nach ihrem Vorliegen“ offenzulegen sind (in der GmbH: Bericht des Aufsichtsrats, soweit hier ein solcher besteht). Es gilt ebenso für den Beschluss über die Ergebnisverwendung (für die GmbH: § 42a Abs. 2 GmbHG; s. § 42a Rn 28 ff), der gemäß § 325 Abs. 1b Satz 2 HGB „nach seinem Vorliegen“ offenzulegen ist, soweit er sich nicht schon aus dem JA 1 A/D/S § 325 HGB Rn 22 nannten einen Zeitraum von 6–8 Wochen; tendenziell ähnlich B/H/Schulze-Osterloh 18. Aufl, § 41 Rn 202: sofern Feststellungsverfahren „zügig abläuft“. 2 Im Ergebnis wie hier etwa Scholz/Crezelius 9. Aufl, Anh § 42a Rn 268; MünchKommHGB/Fehrenbacher § 325 HGB Rn 58; GroßkommHGB/Kersting § 325 HGB Rn 40; R/S-L/Tiedchen § 41 Rn 142.

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ergibt. Der in § 325 Abs. 1 Satz 3 HGB aF unter den publizitätspflichtigen Unterlagen aufgeführte Vorschlag für die Ergebnisverwendung wird in der Neufassung der Vorschrift nicht mehr genannt, weil insoweit eine Pflichtangabe im Anhang eingeführt worden ist: § 285 Nr. 34 HGB idFd BilRUG mit Befreiung kleiner Gesellschaften nach § 288 Abs. 1 HGB (s. auch Rn 20). Die offengelegten Angaben zum Vorschlag bzw Beschluss über die Ergebnisverwendung müssen jedoch keine Zuordnung zu einzelnen Gesellschaftern umfassen (s. Rn 29). – In einer kapitalmarktorientierten Gesellschaft gilt statt der Jahresfrist (nach wie vor) eine Höchstfrist von vier Monaten (§ 325 Abs. 4 HGB; s. Rn 35). Die geänderten §§ 325 ff HGB idFd BilRUG sind erstmals anzuwenden auf Abschlüsse für das nach dem 31.12.2015 beginnende Geschäftsjahr (Art. 75 Abs. 1 EGHGB). Auf der Basis des BilRUG (zur früheren Rechtslage s. 18. Aufl, Anh zu § 42a Rn 5 ff) ist für die Publizitätspflicht damit wie folgt zu differenzieren:

3. Veröffentlichung in kleinen Gesellschaften und Kleinstkapitalgesellschaften a) Gegenstand der Offenlegung: Kleine Gesellschaften nach § 267 Abs. 1 HGB 20 (Vor § 41 Rn 37 und 40) müssen nach § 326 Abs. 1 iVm § 325 Abs. 1 HGB idFd BilRUG nur ihre nach § 266 Abs. 1 Satz 3 HGB verkürzte Bilanz und den bereinigten Anhang zum BAnz einreichen; der Anhang darf vor seiner Einreichung um jene Angaben bereinigt werden, die sich auf die GuV beziehen (§ 326 Abs. 1 HGB). Nicht eingereicht zu werden brauchen: die GuV; ein freiwillig aufgestellter Lagebericht; in freiwillig geprüften Gesellschaften: der Bestätigungsvermerk; in Gesellschaften mit Aufsichtsrat/Beirat: dessen Prüfungsbericht. Auch ein Vorschlag über die Ergebnisverwendung ist in kleinen Gesellschaften nicht zu publizieren (arg §§ 288 Abs. 1, 285 Nr. 34 HGB). Nach wie vor nicht offenlegen müssen kleine Gesellschaften auch den Beschluss über die Ergebnisverwendung. § 326 Abs. 1 HGB erklärt – unverändert – § 325 Abs. 1 HGB (nur) mit der Maßgabe für anwendbar, dass die gesetzlichen Vertreter kleiner Gesellschaften „nur die Bilanz und den Anhang“ einzureichen haben. Zwar verlangt § 325 Abs. 1b Satz 2 HGB idFd BilRUG die Offenlegung des Beschlusses über die Ergebnisverwendung, sofern im JA nur der Vorschlag für die Ergebnisverwendung enthalten ist. Diese Bestimmung ist aber vor dem Hintergrund der neuen Pflichtangabe im Anhang nach § 285 Nr. 34 HGB idFd BilRUG zu sehen (s. schon Rn 19), wonach dort „der Vorschlag für die Verwendung des Ergebnisses oder der Beschluss über seine Verwendung“ anzugeben ist. Einer entsprechenden Angabepflicht sind nach der Vorgabe in Art. 17 Abs. 1 lit o der BilanzRL 2013/34/EU aber nur mittelgroße und große Gesellschaften unterworfen, weshalb § 288 Abs. 1 HGB kleine Gesellschaften davon befreit. Nach Art. 16 Abs. 3 der BilanzRL 2013/34/EU dürfen die Mitgliedstaaten von kleinen GesellKleindiek

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Anh zu § 42a | Publizität schaften keine Angaben verlangen, die über die in der Richtlinie von kleinen Gesellschaften verlangten hinausgehen. Es wäre deshalb richtlinienwidrig, würde das nationale Recht kleine Gesellschaften zur Offenlegung ihres Ergebnisverwendungsbeschlusses verpflichten. Bei richtlinienkonformer Auslegung ist eine solche Verpflichtung aus § 325 Abs. 1b HGB nicht abzuleiten. 21 Die vom Gesetz gewährten Erleichterungen für kleine Gesellschaften sind nicht

zwingend. Ob und inwieweit von ihnen Gebrauch gemacht werden soll, entscheiden die Gesellschafter (mit qualifizierter Mehrheit) im Gesellschaftsvertrag oder (mit einfacher Mehrheit) in einer Geschäftsordnung oder durch Gesellschafterbeschluss ad hoc. Sollte die Gesellschaft von Erleichterungen, die das Gesetz für die Aufstellung des JA gewährt (Vor § 41 Rn 40), keinen Gebrauch gemacht haben, so kann sie diese Erleichterungen vor der Einreichung zum BAnz nachholen.

22 b) Verfahren: Die Geschäftsführer (Rn 14) haben die Unterlagen zur Rech-

nungslegung nach Rn 20 gemäß näherer Bestimmung des § 328 HGB idFd BilRUG beim Betreiber des BAnz einzureichen und im BAnz bekannt machen zu lassen (§ 325 Abs. 1–2 HGB). Bilanz und Anhang sind (nach der Feststellung) spätestens vor Ablauf des 12. Monats nach Geschäftsjahresende einzureichen, in Gesellschaften, in denen das Geschäftsjahr dem Kalenderjahr entspricht, also im Dezember des nachfolgenden Geschäftsjahres (§ 325 Abs. 1a Satz 1 HGB idFd BilRUG); s. schon Rn 19. Für die Wahrung der Frist ist der Zeitpunkt der Einreichung der Unterlagen beim Betreiber des BAnz maßgeblich (§ 325 Abs. 4 Satz 2 HGB). Der bis zum Ablauf der Jahresfrist noch nicht gefasste Beschluss der Gesellschafter über die Ergebnisverwendung ist nach seinem Vorliegen offenzulegen (§ 325 Abs. 1b Satz 2 HGB idFd BilRUG; s. Rn 19); bei der (fristwahrenden) Offenlegung von Bilanz und Anhang ist auf die noch ausstehende Veröffentlichung hinzuweisen (§ 328 Abs. 1a Satz 3 HGB idFd BilRUG). Die „unverzügliche“ Offenlegung verlangt die Formulierung des § 325 Abs. 1b Satz 2 HGB (anders als § 325 Abs. 1a Satz 2 HGB) zwar nicht; doch dürfen die Geschäftsführer auch bei der (nachholenden) Einreichung des Verwendungsbeschlusses nicht etwa schuldhaft zögern1.

23 Sollten Bilanz oder Anhang nach Feststellung und Offenlegung geändert wer-

den, so ist auch die Änderung offenzulegen (§ 325 Abs. 1b Satz 1 HGB).

24 c) Die am 14.3.2012 verabschiedete Richtlinie 2012/6/EU (MicroRL; ABlEU Nr.

L 81 v. 21.3.2012, S. 3; s. Vor § 41 Rn 22) gewährt den Mitgliedstaaten die Option, Kleinstunternehmen (micro entities) von der Pflicht zur generellen Bekanntmachung des Jahresabschlusses zu befreien, sofern der JA bei einem öffentlichen Register hinterlegt wird, wo er ggf angefordert werden kann. Die mit 1 Die Begründung zum RegE BilRUG, BT-Drucks 18/4050, S. 78, geht auch insoweit von einer Verpflichtung zur „unverzüglichen“ Offenlegung aus.

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dem MicroBilG (Rn 6) eingeführten Regelung des § 326 Abs. 2 HGB setzt diese Option um. Die Bestimmung richtet sich an Kleinstkapitalgesellschaften gemäß § 267a HGB. Kleinstkapitalgesellschaften idS sind solche, die (an den Abschlussstichtagen 25 von zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren; zu weiteren Einzelheiten s. § 267a Abs. 1 iVm § 267 Abs. 4-6 HGB) zwei der drei Schwellenwerte nicht überschreiten: (1) 350 000 Euro Bilanzsumme; (2) 700 000 Euro Umsatzerlöse in den zwölf Monaten vor dem Abschlussstichtag; (3) im Jahresdurchschnitt zehn Arbeitnehmer. Ausgenommen sind Investmentgesellschaften, Unternehmensbeteiligungsgesellschaften sowie andere Unternehmen, deren einziger Zweck Erwerb, Verwaltung und Verwertung von Unternehmensbeteiligungen sind, ohne dass dabei in die Verwaltung dieser Unternehmen eingegriffen wird (§ 267a Abs. 3 HGB idFd BilRUG). Zur Ermittlung der Bilanzsumme s. § 267 Abs. 4a HGB idFd BilRUG; zur Neuabgrenzung der Umsatzerlöse durch § 277 Abs. 1 HGB idFd BilRUG s. die Erläuterungen § 42 Rn 7. Solche Kleinstkapitalgesellschaften – denen grds weiterhin die für kleine Gesell- 26 schaften iSd § 267 Abs. 1 HGB (s. Vor § 41 Rn 37 und 40) bestehenden Erleichterungen offen stehen (so ausdrücklich § 267a Abs. 2 HGB) und die unter den Voraussetzungen des § 264 Abs. 1 Satz 5 HGB von der Verpflichtung zur Erstellung eines Anhangs befreit sind (näher § 42 Rn 11) – haben die Option nach § 326 Abs. 2 HGB: Ihre gesetzlichen Vertreter (Rn 14) können ihre sich aus § 325 Abs. 1–2 HGB ergebenden Pflichten auch dadurch erfüllen, dass sie die offenzulegenden RLUnterlagen in elektronischer Form zur dauerhaften Hinterlegung beim Betreiber des BAnz einreichen und einen Hinterlegungsauftrag erteilen. Dazu muss die Gesellschaft gegenüber dem Betreiber des BAnz mitteilen, dass sie die Größenmerkmale einer Kleinstkapitalgesellschaft erfüllt (s. § 326 Abs. 2 Satz 3 HGB). Zu hinterlegende Bestandteile des JA sind – wenn die Voraussetzungen der Be- 27 freiung von der Verpflichtung eines Anhangs erfüllt sind (§ 264 Abs. 1 Satz 5 HGB) – nur die nach § 266 Abs. 1 Satz 4 HGB weiter verkürzte Bilanz (s. § 42 Rn 6), da zur Offenlegung der GuV selbst kleine Gesellschaften nicht verpflichtet sind (Rn 20). Aus den in Rn 20 genannten Gründen erstreckt sich die Hinterlegungspflicht auch nicht auf den Beschluss über die Ergebnisverwendung; die in § 326 Abs. 2 Satz 2 HGB idFd BilRUG angeordnete entsprechende Anwendung (auch) des § 325 Abs. 1b HGB kann sich deshalb nur auf dessen Satz 1 (nicht auch auf Abs. 1b Satz 2) beziehen. Hinsichtlich der einzuhaltenden Fristen gilt das in Rn 22 Gesagte (§ 326 Abs. 2 Satz 2 iVm § 325 Abs. 1a Satz 1 HGB). S. auch Rn 40 zur Offenlegung der KonzernRL, wenn es sich bei dem Mutterunternehmen um eine Kleinstkapitalgesellschaft handeln sollte. Kleindiek

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Anh zu § 42a | Publizität 28 Macht eine GmbH oder UG (haftungsbeschränkt) von dem Recht aus § 326

Abs. 2 HGB Gebrauch, so übermittelt der Betreiber des BAnz dem Unternehmensregister unverzüglich die zur Hinterlegung eingereichten Unterlagen in einem Dateiformat, das die Archivierung der Daten ermöglicht (§ 8b Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 HGB iVm § 10 Abs. 2 URV). Beim Unternehmensregister kann dann jeder Interessent die Übersendung einer Kopie in elektronischer Form – gegen eine Gebühr von Euro 4,50 pro Bilanz (Kostenverzeichnis Anlage zu § 4 Abs. 1 JVKostG, Gebührentatbestand Nr. 1124) – beantragen (§ 9 Abs. 6 Satz 3 HGB iVm § 13 Abs. 4 URV).

4. Veröffentlichung in mittelgroßen Gesellschaften 29 a) Gegenstand der Offenlegung: Mittelgroße Gesellschaften nach § 267 Abs. 2

HGB (Vor § 41 Rn 37 und 42 f) haben den gesamten JA (Bilanz, GuV, Anhang) sowie den Lagebericht zusammen mit dem Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers oder mit dem Vermerk über seine Versagung zum BAnz einzureichen; außerdem sind in Gesellschaften mit einem Aufsichtsrat/Beirat dessen Prüfungsbericht hinzuzufügen (§ 325 Abs. 1 Satz 1 HGB). Über die Offenlegung des Lageberichts vollzieht sich auch die Publizität des Zielgrößenberichts zum Frauenanteil im Aufsichtsrat und Management mitbestimmungspflichtiger Gesellschaften mbH; s. dazu Vor § 41 Rn 43 und ausführlich § 52 Rn 64o ff, § 36 Rn 16 ff. Sofern man auch für die GmbH – wie hier (anders aber die hM; s. § 42a Rn 6) – eine ex lege bestehende Pflicht der Geschäftsführer bejaht, einen Vorschlag zur Ergebnisverwendung zu unterbreiten, ist dieser schon in den Anhang aufzunehmen (§ 285 Nr. 34 HGB idFd BilRUG; s. Rn 19). Ergibt sich aus dem JA nicht auch schon die Verwendung des Ergebnisses, ist der Beschluss über die Ergebnisverwendung (§ 42a Abs. 2) ebenfalls offenzulegen (§ 325 Abs. 1b Satz 2 HGB idFd BilRUG). Die frühere Vorschrift des § 325 Abs. 1 Satz 4 HGB aF (wonach eine GmbH keine Angaben zur Ergebnisverwendung zu machen brauchte, wenn sich anhand dieser Angaben die Gewinnanteile von natürlichen Personen feststellen ließen, die Gesellschafter waren) ist im Blick auf die (mittelgroße und große Gesellschaften betreffende) Vorgabe in Art. 30 Abs. 1 iVm Art. 17 Abs. 1 lit o der BilanzRL 2013/34/EU (s. Rn 20) entfallen1. Die offengelegten Angaben zum Vorschlag bzw Beschluss über die Ergebnisverwendung müssen jedoch keine Zuordnung zu einzelnen Gesellschaftern umfassen2.

Für den Inhalt des einzureichenden JA gewährt § 327 HGB bestimmte Erleichterungen vor: Die Bilanz braucht nur in der verkürzten Form, wie sie kleinen 1 S. dazu Beschlussvorschlag und Bericht des Rechtsausschusses zum BilRUG, BT-Drucks 18/5256, S. 85; Voigt in Russ/Janssen/Götze, BilRUG, Abschnitt M Rn 8. 2 Begründung zum RegE BilRUG, BT-Drucks 18/4050, S. 67 f; Beschlussvorschlag und Bericht des Rechtsausschusses zum BilRUG, BT-Drucks 18/5256, S. 85; Rimmelspacher/ Meyer DB 2015, Beilage Nr. 5, S. 23, 29 f.

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Gesellschaften nach § 266 Abs. 1 Satz 3 HGB erlaubt ist, eingereicht zu werden; dann müssen jedoch in der eingereichten Bilanz oder im eingereichten Anhang bestimmte in § 327 Nr. 1 HGB aufgelistete Posten gesondert angegeben werden. Beim einzureichenden Anhang können bestimmte Einzelangaben nach Maßgabe des § 327 Nr. 2 HGB fortgelassen werden (s. § 42 Rn 15). Diese Erleichterungen für mittelgroße Gesellschaften sind wiederum nicht zwin- 30 gend; auch im Übrigen gelten die Darlegungen in Rn 21 für das Wahlrecht der Gesellschafter und für die Nachholung von Erleichterungen (s. auch Vor § 41 Rn 42) entsprechend. b) Verfahren: Die Geschäftsführer (Rn 14) haben die Unterlagen zur Rech- 31 nungslegung nach Rn 29 gemäß näherer Bestimmung des § 328 HGB idFd BilRUG beim Betreiber des BAnz einzureichen und im BAnz bekannt machen zu lassen (§ 325 Abs. 1–2 HGB). Der festgestellte JA, der Lagebericht und der Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers (oder der Vermerk über dessen Versagung) sind spätestens vor Ablauf des 12. Monats nach Geschäftsjahresende einzureichen, in Gesellschaften, in denen das Geschäftsjahr dem Kalenderjahr entspricht, also im Dezember des nachfolgenden Geschäftsjahres (§ 325 Abs. 1a Satz 1 HGB idFd BilRUG); s. schon Rn 19. Für die Wahrung der Frist ist der Zeitpunkt der Einreichung der Unterlagen beim Betreiber des BAnz maßgeblich (§ 325 Abs. 4 Satz 2 HGB). Ein bis zum Ablauf der Jahresfrist noch nicht vorliegender Prüfungsbericht des Aufsichtsrats/Beirats ist unverzüglich nach seinem Vorliegen offenzulegen (§ 325 Abs. 1a Satz 2 HGB idFd BilRUG); ebenso ist ein noch nicht gefasster Beschluss der Gesellschafter über die Ergebnisverwendung nach seinem Vorliegen offenzulegen (§ 325 Abs. 1b Satz 2 HGB idFd BilRUG; s. Rn 19). Bei der (fristwahrenden) Offenlegung von JA, Lagebericht und Bestätigungsvermerk ist auf die noch ausstehende Veröffentlichung der anderen Unterlagen hinzuweisen (§ 328 Abs. 1a Satz 3 HGB idFd BilRUG). Sollten die Gesellschafter bei der Abschlussfeststellung von der Beschlussvorlage 32 der Geschäftsführer zum JA oder Lagebericht abweichen, so sind diese geänderten Unterlagen in einer Nachtragsprüfung nach § 316 Abs. 3 HGB (dazu Vor § 41 Rn 76 ff) erneut zu prüfen. Erst danach können die Gesellschafter den geänderten Abschluss etc feststellen (§ 316 Abs. 1 Satz 2 HGB) und über die Ergebnisverwendung beschließen. Vor der Feststellung kann ein Abschluss nicht fristwahrend eingereicht werden (s. schon Rn 19). – Sollten JA oder Lagebericht nach Feststellung und Offenlegung geändert werden, so ist auch die Änderung nach Maßgabe von § 325 Abs. 1 Satz 1 HGB offenzulegen (§ 325 Abs. 1b Satz 1 HGB).

5. Veröffentlichung in großen Gesellschaften a) Gegenstand der Offenlegung: Große Gesellschaften nach § 267 Abs. 3 HGB 33 (Vor § 41 Rn 37, 38 und 44) haben den gesamten JA (Bilanz, GuV, Anhang) soKleindiek

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Anh zu § 42a | Publizität wie den Lagebericht (ggf einschließlich des Zielgrößenberichts zur Frauenquote, s. Rn 29) zusammen mit dem Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers oder mit dem Vermerk über seine Versagung zum BAnz einzureichen; außerdem sind in Gesellschaft mit einem Aufsichtsrat/Beirat dessen Prüfungsbericht hinzuzufügen (§ 325 Abs. 1 Satz 1 HGB). Sofern man auch für die GmbH – wie hier (anders aber die hM; s. § 42a Rn 6) – eine ex lege bestehende Pflicht der Geschäftsführer bejaht, einen Vorschlag zur Ergebnisverwendung zu unterbreiten, ist dieser schon in den Anhang aufzunehmen (§ 285 Nr. 34 HGB idFd BilRUG; s. Rn 19 und 29). Ergibt sich aus dem JA nicht auch schon die Verwendung des Ergebnisses, ist der Beschluss über die Ergebnisverwendung ebenfalls offenzulegen (§ 325 Abs. 1b Satz 2 HGB idFd BilRUG; s. Rn 29). Dabei sind den großen Gesellschaften keinerlei Erleichterungen gewährt; ihre externe Publizität entspricht nach Inhalt und Umfang ohne jedes Gefälle der internen (zur Unterscheidung Rn 8 f). Kapitalmarktorientierte Gesellschaften haben auch die Erklärung nach § 264 Abs. 2 Satz 3 HGB (sog „Bilanzeid“; dazu § 42 Rn 24) nach § 325 HGB offenzulegen1. 34 b) Verfahren: Die Geschäftsführer (Rn 14) haben die Unterlagen zur Rechnungs-

legung nach Rn 34 gemäß näherer Bestimmung des § 328 HGB idFd BilRUG beim Betreiber des BAnz einzureichen und im BAnz bekannt machen zu lassen; es gelten die Darlegungen oben Rn 31 f gleichfalls für große Gesellschaften.

35 Wiederum sind der festgestellte JA, der Lagebericht und der Bestätigungsver-

merk des Abschlussprüfers (oder der Vermerk über dessen Versagung) spätestens vor Ablauf des 12. Monats nach Geschäftsjahresende zum BAnz zur Veröffentlichung einzureichen (§ 325 Abs. 1a Satz 1 HGB idFd BilRUG). Bei einer kapitalmarktorientierten Gesellschaft (§ 264d HGB) ist diese 12-Monats-Frist jedoch nach wie vor auf höchstens vier Monate verkürzt: § 325 Abs. 4 Satz 1 HGB. Eine solche Gesellschaft gilt stets als große iSv § 267 Abs. 3 HGB (vgl § 267 Abs. 3 Satz 2 HGB). Begibt die Gesellschaft ausschließlich zum Handel an einem organisierten Markt zugelassene Schuldtitel iSd § 2 Abs. 1 Nr. 3 WpHG mit einer Mindeststückelung von 50 000 € oder dem am Ausgabebetrag entsprechenden Gegenwert einer anderen Währung, ist auf sie die Fristverkürzung nach § 325 Abs. 4 Satz 1 HGB jedoch nicht anwendbar: § 327a HGB; hier bleibt es also bei der 12-Monats-Höchstfrist nach § 325 Abs. 1a Satz 1 HGB. Für die Wahrung der jeweils geltenden Frist ist der Zeitpunkt der Einreichung der Unterlagen beim Betreiber des BAnz maßgeblich (§ 325 Abs. 4 Satz 2 HGB).

6. IFRS-Einzelabschluss 36 Für die Zwecke der Offenlegung durch Bekanntmachung im BAnz nach § 325

Abs. 2 HGB (und nur dafür) kann nach § 325 Abs. 2a Satz 1 HGB an die Stelle

1 MünchKommBilanzR/Drinhausen § 325 HGB Rn 50; Grottel Beck BK, § 325 HGB Rn 6.

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des HGB-JA ein Einzelabschluss nach den übernommenen IFRS (s. § 42a Rn 50 ff) treten, sofern die Vorgaben aus § 325 Abs. 2a und Abs. 2b HGB befolgt worden sind: näher zu diesen schon § 42a Rn 51 f. Diese Option stand ursprünglich (§ 325 Abs. 2a HGB idFd BilReG; dazu Vor § 41 Rn 13) nur großen Kapitalgesellschaften offen, weil in der Bezugsnorm des § 325 Abs. 2 HGB seinerzeit nur die BAnz-Publizität für große Gesellschaften geregelt war (vgl 18. Aufl, Rn 26). Die Neufassung von § 325 Abs. 2a/2b HGB im Rahmen des EHUG (s. Vor § 41 Rn 17) knüpft für die Befreiungswirkung nach wie vor an die Bekanntmachungspflicht nach § 325 Abs. 2 HGB an, wo nunmehr aber die für alle Kapitalgesellschaften geltende Pflicht zur Bekanntmachung des JA im BAnz normiert ist. Daraus wird verbreitet geschlossen, die Option aus § 325 Abs. 2a/2b HGB stehe heute allen Kapitalgesellschaften (selbst kleinen Gesellschaften) zur Verfügung1. Inwieweit die Ausweitung des Anwendungsbereichs der Vorschrift (über große Gesellschaften hinaus) dem Willen des EHUG-Gesetzgebers entspricht, ist unklar; die Begründung zum RegE EHUG verhält sich hierzu nicht2. Jedenfalls aber ist die Befreiungswirkung weiterhin an einen testierten IFRS-Einzelabschluss geknüpft (§ 325 Abs. 2b Nr. 1 HGB); außerdem macht § 325 Abs. 2b Nr. 3 HGB sie davon abhängig, dass der JA der Gesellschaft (also der HGB-JA) „mit dem Bestätigungsvermerk oder dem Vermerk über dessen Versagung“ nach § 325 Abs. 1 HGB beim Betreiber des BAnz eingereicht wird. Der Gesetzgeber hat die Option nach § 325 Abs. 2a/2b HGB also offensichtlich nur Gesellschaften gewähren wollen, die der gesetzlichen Pflicht zur Abschlussprüfung unterliegen. In der Konsequenz sind kleine Gesellschaften vom Anwendungsbereich des § 325 Abs. 2a/2b HGB richtigerweise ausgenommen3.

7. Veröffentlichung der Konzernrechnungslegung (§ 325 Abs. 3 und 3a HGB) Für die Veröffentlichung des Konzernabschlusses (mit seinen Bestandteilen 37 nach Maßgabe von § 297 Abs. 1 HGB; s. Vor § 41 Rn 46) sowie des Konzernlageberichts (§ 315 HGB) finden die gesetzlichen Vorgaben in § 325 Abs. 1–2 und 4 HGB idFd BilRUG entsprechende Anwendung: § 325 Abs. 3 HGB. Gegenstand der Offenlegung ist also der gebilligte Konzernabschluss mit Konzernlagebericht und Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers (bzw Vermerk über 1 So etwa GroßkommHGB/Kersting § 325 HGB Rn 53; Vespay NZG 2008, 134 f; KölnKommRLR/Zetzsche § 325 HGB Rn 104. 2 Vgl BT-Drucks 16/960, S. 49. 3 In diesem Sinne schon MünchKommHGB/Fehrenbacher § 325 HGB Rn 83; ebenso K/P/W/Haller/Hütten/Löffelmann HbRL, § 325 HGB Rn 117, soweit sich kleine Gesellschaften nicht freiwillig allen Anforderungen nach § 325 Abs. 2a/2b HGB unterwerfen.

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Anh zu § 42a | Publizität dessen Versagung) sowie in Gesellschaften mit Aufsichtsrat/Beirat der Bericht des Aufsichtsrats/Beirats über den Konzernabschluss und -lagebericht (s. dazu auch § 42a Rn 49). Die Geschäftsführer des Mutterunternehmens haben die Unterlagen zur Konzernrechnungslegung gemäß näherer Bestimmung des § 328 HGB idFd BilRUG beim Betreiber des BAnz elektronisch einzureichen und im BAnz bekannt machen zu lassen; für das Verfahren der Veröffentlichung kann auf die Darlegungen in Rn 31 verwiesen werden; in kapitalmarktorientierten Mutterunternehmen ist die 12-Monats-Frist nach § 325 Abs. 1a Satz 1 HGB auch für die Veröffentlichung der Konzernrechnungslegung auf höchstens vier Monate verkürzt: § 325 Abs. 3 HGB iVm §§ 325 Abs. 4 Satz 1, 327a HGB vgl Rn 35). 38 Billigen die Gesellschafter den Konzernabschluss in einer gegenüber der Vorlage

abgeänderten Fassung (s. § 42a Rn 48), so sind die Änderungen einschließlich des Berichts über die Nachtragsprüfung (§ 316 Abs. 3 HGB) zum BAnz nachzureichen (§ 325 Abs. 3, Abs. 1b Satz 1 HGB).

39 Sollte die Gesellschaft von der Möglichkeit Gebrauch gemacht haben, Jahres-

und Konzernanhang und (oder) Lagebericht und Konzernlagebericht nach §§ 298 Abs. 2, 315 Abs. 3 HGB zusammenzufassen, so müssen JA und Konzernabschluss bzw Lagebericht und Konzernlagebericht gemeinsam offengelegt werden: §§ 298 Abs. 2 Satz 2, 315 Abs. 3 HGB. Ist das Mutterunternehmen kleine oder mittelgroße Gesellschaft, bleiben ihr hinsichtlich ihres JA und Lageberichts allerdings die größenabhängigen Erleichterungen aus §§ 326, 327 HGB erhalten1. Bei der gemeinsamen Bekanntgabe von Konzernabschluss und JA des Mutterunternehmens können die Vermerke des Abschlussprüfers (§ 322 HGB) zu beiden Abschlüssen zusammengefasst werden: § 325 Abs. 3a HGB. Entsprechendes gilt, wenn statt des JA des Mutterunternehmens ein IFRS-Einzelabschluss (§ 325 Abs. 2a/2b HGB; dazu Rn 36) bekannt gemacht wird.

40 Ist das Mutterunternehmen (was im Einzelfall vorkommen mag) eine Kleinst-

kapitalgesellschaft, die für die Offenlegung des Einzelabschlusses die Hinterlegungsoption aus § 326 Abs. 2 HGB nutzt (Rn 26), so bleibt die Verpflichtung zur Offenlegung der KonzernRL nach dem in Rn 37 Gesagten unberührt. Denn mit der Hinterlegung können nur die sich aus § 325 Abs. 1–2 HGB ergebenden Pflichten erfüllt werden, nicht auch die aus § 325 Abs. 3 HGB2.

8. Prüfungspflicht des Betreibers des Bundesanzeigers (§ 329 HGB) 41 a) Vollzähligkeitsprüfung und Prüfung der Fristeinhaltung: Der Betreiber des

BAnz (Rn 11) hat die Prüfungs- und Unterrichtungspflicht nach § 329 HGB.

1 A/D/S § 325 HGB Rn 125. 2 S. dazu Begründung zum RegE BilRUG, BT-Drucks 18/4050, S. 78.

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Die Prüfungspflicht ist eng begrenzt; sie erstreckt sich lediglich darauf, ob die zum BAnz einzureichenden Unterlagen fristgemäß (nach § 325 Abs. 1a/1b, 2 oder – in der kapitalmarktorientierten Gesellschaft – nach § 325 Abs. 4 HGB) und vollzählig (§ 325 Abs. 1–1b, Abs. 3 HGB) eingereicht worden sind. Für die Erfüllung dieser Aufgabe stellt der Betreiber des Unternehmensregisters (Rn 11) dem Betreiber des BAnz die von den Landesjustizverwaltungen übermittelten Gesellschaftsdaten (§ 8b Abs. 3 Satz 2 HGB) zur Verfügung. – Der Betreiber des BAnz ist weder berechtigt noch verpflichtet, die Unterlagen zur Rechnungslegung materiell zu überprüfen1, insbesondere ist nicht zu prüfen, ob der JA offensichtlich nichtig ist2. Auch ist nicht zu prüfen, ob die RLUnterlagen den Vorgaben nach § 328 HGB genügen3 (ggf ist aber Bußgeldtatbestand nach § 334 Abs. 1 Nr. 5 HGB erfüllt). Wird ein IFRS-Einzelabschluss zur Bekanntmachung mit befreiender Wirkung nach § 325 Abs. 2a HGB eingereicht (Rn 36), sind allein die formellen Voraussetzungen der Befreiungswirkung nach § 325 Abs. 2b HGB zu prüfen. b) Unterrichtungspflicht: Falls eine Gesellschaft in Ausnutzung der Erleichte- 42 rungen aus § 326 HGB nicht sämtliche nach § 325 Abs. 1–1b HGB vorgegebenen Unterlagen zur Rechnungslegung einreicht, kann der Betreiber des BAnz verlangen, dass ihm die Geschäftsführer innerhalb einer angemessenen Frist die Umsatzerlöse und die durchschnittliche Zahl der Arbeitnehmer mitteilen (§ 329 Abs. 2 Satz 1 HGB); auf diese Weise kann geprüft werden, ob die Gesellschaft ihre Pflichtunterlagen vollzählig eingereicht hat. Die entsprechenden Mitteilungen dienen allein zur Unterrichtung des Betreibers des BAnz und dürfen nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden4. Ebenso können Angaben zur Eigenschaft als Kapitalgesellschaft nach § 327a HGB verlangt werden, wenn eine kapitalmarktorientierte Gesellschaft die RLUnterlagen nicht in der Vier-Monats-Höchstfrist nach § 325 Abs. 4 HGB eingereicht hat. Der Betreiber des BAnz kann jene Mitteilungen einfordern, wenn die Prüfung Anlass zu der Annahme gibt, dass die Erleichterungen zu Unrecht in Anspruch genommen wurden. Die Prüfungspflicht des Betreibers des BAnz erstreckt sich (ebenso wenig wie 43 die des Registergerichts nach früherem Recht) nicht darauf, ob kleine oder mittelgroße Gesellschaften die inhaltlichen Erleichterungen aus §§ 326, 327 HGB zutreffend wahrgenommen haben. Deshalb kann nicht von einer Gesellschaft, die Bilanz und Anhang in der verkürzten Form des § 327 HGB eingereicht hat, die Mitteilung der Umsatzerlöse und Arbeitnehmerzahlen verlangt werden. Denn eine solche Verkürzung lässt die Vollzähligkeit der Unterlagen unberührt. 1 Grottel Beck BK, § 329 HGB Rn 5; K/P/W/Haller/Hütten/Löffelmann HbRL, § 329 HGB Rn 10 ff (Stand Mai 2014); GroßkommHGB/Kersting § 329 HGB Rn 1 f. 2 S. (auf der Basis der früheren Prüfungskompetenz des Registergerichts) schon Begründung zum RegE BiRiLiG in Biener/Berneke BiRiLiG, S. 462 f. 3 Grottel Beck BK, § 329 HGB Rn 5. 4 S. schon Begründung zum RegE BiRiLiG in Biener/Berneke BiRiLiG, S. 463.

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Anh zu § 42a | Publizität Die Mitteilungspflicht aus § 329 Abs. 2 HGB dient allein der Prüfung von Vollzähligkeit bzw Fristeinhaltung nach § 329 Abs. 1 Satz 1 HGB1. 44 c) Folgen: Teilt die Gesellschaft die verlangten Angaben nicht innerhalb an-

gemessener Frist mit, gelten die größenabhängigen Erleichterungen als zu Unrecht in Anspruch genommen (§ 329 Abs. 2 Satz 2 HGB), die RLUnterlagen also als nicht fristgerecht oder nicht vollzählig eingereicht. Eine Gesellschaft, die nur JA und Anhang eingereicht hat, kann sich nicht mehr darauf berufen, als kleine Gesellschaft von der Offenlegung der GuV befreit zu sein. Diese gesetzliche Fiktion lässt die materiellen Voraussetzungen der RLPflicht aber unberührt2; die Gesellschaft hat einen Bestätigungsvermerk etc zum JA nach wie vor nur dann vorzulegen, wenn sie wegen ihrer Größe nach § 316 Abs. 1 HGB prüfungspflichtig ist, einen Prüfungsbericht des Aufsichtsrats/Beirats nur dann, wenn bei ihr ein solches Gesellschaftsorgan eingerichtet ist.

45 Ergibt die Prüfung, dass die offenzulegenden Unterlagen nicht, nicht vollständig

oder nicht fristgerecht eingereicht wurden, teilt der Betreiber des BAnz dies der nach § 335 HGB zuständigen Behörde (Bundesamt für Justiz) mit (§ 325 Abs. 4 HGB), die von Amts wegen ein Ordnungsgeldverfahren durchführt (näher sogleich Rn 47 ff).

9. Sanktionen bei Verstoß gegen die Publizitätspflicht 46 a) Ein vorsätzlicher Verstoß der Geschäftsführer gegen § 328 HGB (Form und

Inhalt bei Offenlegung usw) erfüllt ggf den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit nach § 334 Abs. 1 Nr. 5 HGB und kann mit einer Geldbuße bis 50 000 Euro geahndet werden (§ 334 Abs. 3 HGB; Anwendung auf den Kapitalgesellschaften gleichgestellte Personenhandelsgesellschaften nach § 335b HGB).

47 b) Bei Verletzung der gesetzlichen Pflichten zur Offenlegung des JA etc kommt

es zu einem Ordnungsgeldverfahren nach Maßgabe der §§ 335–335b HGB. § 335 HGB war im Zuge des EHUG (Rn 5) ebenfalls erheblich geändert worden3 (zum früheren Recht s. zusammenfassend 18. Aufl, Rn 35 f); im Zuge des HGBÄnderungsG vom 4.10.2013 (Rn 6) wurde die Vorschrift – im Anschluss an vorbereitende Erörterungen im BT-Rechtsausschuss aus Anlass des MicroBilG (Rn 6)4 – erneut novelliert und in die beiden Bestimmungen der §§ 335, 335a

1 Ebenso für das frühere Recht 16. Aufl, Rn 34; B/H/Schulze-Osterloh 18. Aufl, § 41 Rn 215; wie hier etwa Grottel Beck BK, § 329 HGB Rn 5; GroßkommHGB/Kersting § 329 HGB Rn 11. 2 MünchKommHGB/Fehrenbacher § 329 HGB Rn 12 und 15. 3 Dazu einführend Schlauß DB 2007, 2191; monographisch Kießling S. 193 ff. 4 S. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum RegE MicroBilG, BTDrucks 17/11702.

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HGB „aufgespalten“1. Die novellierten Bestimmungen fanden erstmals Anwendung auf Jahres- und Konzernabschlüsse, die sich auf einen nach dem 30.12. 2012 liegenden Abschlussstichtag beziehen (Art. 70 Abs. 3 Satz 1 iVm Abs. 1 EGHGB); zur erstmaligen Anwendbarkeit der Rechtsbeschwerde nach § 335a Abs. 3 HGB s. Rn 54. Die aktuelle Rechtslage stellt sich wie folgt dar: Vom zuständigen Bundesamt für Justiz (BfJ) mit Sitz in Bonn wird von Amts 48 wegen ein Ordnungsgeldverfahren (§ 335 HGB) gegen die Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs einer GmbH – selbstverständlich einschließlich einer UG (haftungsbeschränkt)2 – gemäß § 335 Abs. 1 Satz 1 HGB (bei Verstoß gegen Offenlegungspflicht einer inländischen Zweigniederlassung iSv § 325a HGB: gegen die ständigen Vertreter nach § 13e Abs. 2 Satz 4 Nr. 3 HGB) oder alternativ3 gegen die Gesellschaft selbst (§ 335 Abs. 1 Satz 2 HGB4) eingeleitet, wenn die gesetzlichen Publizitätspflichten verletzt werden; auf die den Kapitalgesellschaften gleichgestellten Personenhandelsgesellschaften iSv § 264a HGB finden §§ 335, 335a HGB ebenfalls Anwendung (§ 335b HGB). Bei mehreren Geschäftsführern der GmbH bzw UG (haftungsbeschränkt) ist das Ordnungsgeldverfahren, wenn es gegen die Geschäftsführer (vertretungsberechtigtes Organ) geführt wird, gegen alle Geschäftsführer einzuleiten. Die Festsetzung des Ordnungsgeldes nach § 335 HGB knüpft an die schuldhafte5 49 Nichtbefolgung der Offenlegungspflichten aus §§ 325, 325a HGB an, also an die nicht fristgemäße oder nicht vollzählige Offenlegung der RLUnterlagen (Einreichung zum und Bekanntmachung im BAnz; dazu Rn 11 ff)6. Das Ordnungs1 Dazu etwa Schülke NZG 2013, 1375 ff; Stützel DB 2013, 2345 ff. 2 S. zu dieser OLG Köln GmbHR 2016, 61. 3 So ausdrücklich die Begründung zur Beschlussempfehlung des BT-Rechtsausschusses zum EHUG, BT-Drucks 16/2781, S. 82 („Verhängung des Ordnungsgeldes alternativ auch gegen die Kapitalgesellschaften selbst“); ebenso Müller-Helle in Christ/Müller-Helle S. 175; Wenzel BB 2008, 769, 770; aA (für Möglichkeit kumulativer Festsetzung des Ordnungsgeldes gegen Gesellschaft und Organmitglieder) Schlauß DB 2007, 2191, 2194. 4 Die Regelung soll Zustellproblemen Rechnung tragen; ihre Verfassungsmäßigkeit bezweifelt Grashoff DB 2006, 2641, 2642 (Verstoß gegen Übermaßverbot). 5 Hierzu und zur sekundären Darlegungslast der offenlegungspflichtigen Gesellschaft etwa LG Bonn GmbHR 2008, 593, 595 f; LG Bonn DStR 2011, 780, 781; nähere Hinweise auf die Spruchpraxis des LG Bonn bei Kaufmann/Kurpat MDR 2014, 1, 3 f; ferner Schlauß DB 2010, 153, 155 f; Stützel DB 2013, 2345, 2348 f. Bestätigend zum Verschuldenserfordernis OLG Köln GmbHR 2016, 63, 65; OLG Köln GmbHR 2015, 1219, 1220; s. aber auch OLG Köln GmbHR 2015, 860, 861 f; OLG Köln GmbHR 2016, 367, 368 f zu den Folgen nach § 335 Abs. 5 Satz 9 HGB, wenn Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht beantragt wurde oder der Wiedereinsetzungsantrag bestandskräftig abgelehnt worden ist (Rn 53). 6 S. dazu auch LG Bonn NZG 2008, 517: kein Ordnungsgeld bei bloßer Schlechterfüllung (statt Nichterfüllung) der Offenlegungspflicht.

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Anh zu § 42a | Publizität geldverfahren ist selbst dann einzuleiten, wenn eine der Offenlegung vorausgehende Pflicht noch nicht erfüllt, etwa der JA etc bis zum Ablauf der maßgeblichen Frist noch nicht festgestellt, möglicherweise noch gar nicht aufgestellt oder etwa (in mittelgroßen und großen Gesellschaften) der Prüfauftrag noch nicht erteilt wurde; das wird in § 335 Abs. 1 Satz 3 HGB ausdrücklich klargestellt. Sind die zum BAnz eingereichten Unterlagen unvollzählig, etwa weil der Anhang zum JA nicht publiziert wird oder eine objektiv mittelgroße Gesellschaft ihre GuV nicht offenlegt, wird die gesetzliche Publizitätspflicht nicht vollständig befolgt. Anders liegt es bei der fristgemäßen Offenlegung zwar vollzähliger, aber inhaltlich mangelhafter RLUnterlagen; hier ist ggf der Tatbestand einer bußgeldbewehrten Ordnungswidrigkeit nach § 334 Abs. 1 Nr. 5 HGB (Rn 46) verwirklicht1. Das LG Bonn hat Nichtbefolgung einer Offenlegungspflicht iSd § 335 Abs. 1 HGB aF (vor dem Inkrafttreten des BilRUG) selbst für den Fall verneint, in dem die vorgelegte Bilanz keine einzige Ziffer außer Null enthielt („Nullbilanz“)2; tatsächlich liegt dann aber eine nur in den äußeren Bilanzrahmen gekleidete „Nichtbilanz“ vor. Hat eine Gesellschaft pflichtwidrig keinen Aufsichtsrat gebildet und wird deshalb auch kein (nach § 325 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB offenzulegender) Aufsichtsratsbericht publiziert, darf wegen dieses Versäumnisses (da die Vorlage des Berichts nicht nachholbar ist) freilich kein Ordnungsgeld verhängt werden3. 50 Die Höhe des (ggf wiederholt, s. sogleich Rn 51) festzusetzenden Ordnungsgel-

des beträgt nach § 335 Abs. 1 Satz 4 HGB mindestens 2 500 Euro und höchstens 25 000 Euro (bei kapitalmarktorientierten Gesellschaften: 250 000 Euro), jedoch kommt es ggf zur Herabsetzung nach § 325 Abs. 4 Satz 2 HGB (Rn 52). Das (automatisierte) Verfahren zu seiner Festsetzung wird durch die Mitteilung des Betreibers des BAnz über die Verletzung der Publizitätspflicht (§ 329 Abs. 4 HGB, s. Rn 45) ausgelöst und gestaltet sich (als Justizverwaltungsverfahren) nach § 335 Abs. 2–6 HGB mit den dort in Bezug genommenen Vorschriften zum FGVerfahren: §§ 15–19, 40 Abs. 1, 388 Abs. 1, 389 Abs. 3, 390 Abs. 2–6 FamFG und zum Verwaltungsverfahren, die (freilich nur nach Maßgabe der Abs. 2a–6 des § 335 HGB: so Abs. 2 Satz 1 aE) entsprechend anzuwenden sind4. Zur Vertretung der Verfahrensbeteiligten sind auch WP und vBP, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte etc befugt (§ 335 Abs. 2 Satz 3 HGB).

51 Den Geschäftsführern (alternativ der Gesellschaft) ist unter Androhung eines

Ordnungsgeldes in bestimmter Höhe aufzugeben, innerhalb einer Frist von

1 S. BayObLG GmbHR 2000, 1103 zum früheren Recht. 2 LG Bonn GmbHR 2013, 986. 3 BVerfG GmbHR 2014, 366 (für nach dem DrittelbG mitbestimmungspflichtige GmbH); Manthey/Hinrichs/Hörtz NZG 2013, 1370 ff. 4 Dazu Schulte-Bunert/Weinreich/Rausch FamFG, 4. Aufl 2014, Anh zu §§ 388-392 FamFG (Das Verfahren nach § 335 HGB).

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sechs Wochen ihrer Offenlegungspflicht nachzukommen1 oder die Unterlassung mittels Einspruchs gegen die Verfügung zu rechtfertigen (§ 335 Abs. 3 Satz 1 HGB). Mit der Androhung des Ordnungsgeldes sind zugleich die Kosten des Verfahrens (gegenwärtig2: 100 Euro pro Person, gegen die das Verfahren durchgeführt wird, zzgl Zustellkosten) aufzuerlegen (§ 335 Abs. 3 Satz 2 HGB). Ggf fordert das BfJ auch dazu auf, Angaben mitzuteilen, die eine größenspezifische Einstufung der Gesellschaft ermöglichen (s. näher § 335 Abs. 6 HGB). Wenn nicht spätestens sechs Wochen nach dem Zugang der Androhung der ge- 52 setzlichen Verpflichtung entsprochen oder die Unterlassung mittels Einspruchs gerechtfertigt wird, ist nach § 335 Abs. 4 Satz 1 HGB das Ordnungsgeld festzusetzen; zugleich ist die frühere Verfügung unter Androhung eines erneuten (typischerweise höheren3) Ordnungsgeldes zu wiederholen – und zwar ggf so lange, bis die Offenlegungspflicht erfüllt wird. Das Ordnungsgeld kann nur gegenüber den Beteiligten festgesetzt werden, denen die Festsetzung zuvor angedroht worden ist4. Ist es gegenüber den Geschäftsführern angedroht worden und kommen die Geschäftsführer der Offenlegungspflicht vor Ablauf der Sechs-Wochen-Frist nach, sind lediglich die Verfahrenskosten zu zahlen. Kommen die Geschäftsführer der Offenlegungspflicht erst nach Ablauf der Sechs-Wochen-Frist nach, wird gleichwohl ein Ordnungsgeld festgesetzt5; der Betrag des Ordnungsgeldes ist aber nach Maßgabe von § 335 Abs. 4 Satz 2 und 3 HGB idFd HGB-ÄnderungsG vom 4.10.2013 (s. Rn 6) herabzusetzen: (1) für Kleinstkapitalgesellschaften, die einen Hinterlegungsauftrag nach § 326 Abs. 2 HGB erteilt haben, auf 500 Euro; (2) für kleine Kapitalgesellschaften auf 1 000 Euro; (3) auf 2 500 Euro, wenn ein höheres Ordnungsgeld angedroht worden ist und die Voraussetzungen nach (1) und (2) nicht vorliegen; (4) jeweils auf einen geringeren Betrag, wenn die Sechs-Wochen-Frist nur geringfügig überschritten worden ist6. Nach § 335 Abs. 4 Satz 3 HGB sind bei der Herabsetzung nur Umstände zu berücksichtigen, die vor der Entscheidung des BfJ eingetreten sind; die Herabsetzung des (angedrohten)

1 S. zur Praxis des BfJ Fieberg WPg 9/2008, S. I; Schlauß BB 2008, 938; Schlauß DB 2008, 2821; hilfreich auch die Hinweise unter www.bundesjustizamt.de. 2 Kostenverzeichnis Anlage zu § 4 Abs. 1 JVKostG, Gebührentatbestand Nr. 1210. 3 S. zur Praxis des BfJ (2 500 Euro für das erste, 5 000 Euro für das zweite Ordnungsgeld) OLG Köln GmbHR 2016, 367, 370 („bedenkenfrei“). 4 LG Bonn NZG 2013, 1347. 5 BVerfG ZIP 2009, 2094 = GmbHR 2009, 1282; OLG Köln GmbHR 2015, 858; OLG Köln GmbHR 2016, 367, 368 und 370; LG Bonn DStR 2011, 780, 782; LG Bonn GmbHR 2012, 803, 804; LG Bonn DStR 2014, 156, 157. 6 Das LG Bonn sieht eine Fristüberschreitung von maximal zwei Wochen als geringfügig an: LG Bonn DStR 2011, 780, 782; LG Bonn GmbHR 2012, 803, 804; LG Bonn GmbHR 2013, 986, 987 und ständig.

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Anh zu § 42a | Publizität Ordnungsgeldes ist deshalb nur bei Erfüllung der Offenlegungspflicht (zwar nach Fristablauf, aber) vor der Ordnungsgeldfestsetzung möglich1. 53 Der Einspruch gegen die Androhung des Ordnungsgeldes und gegen die Ent-

scheidung über die Kosten hat keine aufschiebende Wirkung (§ 335 Abs. 3 Satz 4 HGB)2; er kann auf Einwendungen gegen die Kostenentscheidung beschränkt werden (§ 335 Abs. 3 Satz 3 HGB). Führt der Einspruch zu einer Einstellung des Verfahrens, ist zugleich auch die Kostenentscheidung nach 335 Abs. 3 Satz 2 HGB (Rn 51) aufzuheben (§ 335 Abs. 3 Satz 5 HGB); die außergerichtlichen Kosten des Betroffenen sind indes nicht erstattungsfähig3. Waren die Beteiligten unverschuldet gehindert, in der Sechs-Wochen-Frist (Rn 52) Einspruch einzulegen oder ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Offenlegung nachzukommen, hat ihnen das BfJ auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren; Einzelheiten gemäß § 335 Abs. 5 HGB, dessen Bestimmungen auf das HGB-ÄnderungsG vom 4.10.2013 (Rn 6) zurückgehen4. Ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht (auch nicht stillschweigend mit der Beschwerde5) beantragt oder der Wiedereinsetzungsantrag bestandskräftig abgelehnt worden, können sich die Beteiligten mit der Beschwerde (Rn 54) nicht mehr darauf berufen, dass sie unverschuldet gehindert waren, in der Sechs-Wochen-Frist Einspruch einzulegen oder ihrer Offenlegungsverpflichtung nachzukommen (§ 335 Abs. 5 Satz 9 HGB)6.

54 Die Vollstreckung festgesetzten Ordnungsgeldes erfolgt nach der Justizbeitrei-

bungsordnung7. Die Festsetzung des Ordnungsgeldes oder die Verwerfung des Einspruchs oder des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nach Maßgabe von § 335a HGB mit der Beschwerde nach §§ 58 ff FamFG angegriffen werden, die von den Geschäftsführern8 nach § 335a Abs. 2 Satz 1 HGB binnen zwei Wochen einzulegen ist; über sie entscheidet das für den Sitz des BfJ zuständige Landgericht, also das LG Bonn (Kammern für Handelssachen; § 335a

1 OLG Köln GmbHR 2015, 858, 859 f; OLG Köln GmbHR 2015, 860, 863; OLG Köln GmbHR 2016, 367, 370; ebenso Begründung zum RegE, BR-Drucks 323/13, S. 12 und etwa Kaufmann/Kurpat MDR 2014, 1, 6; kritisch Kuntze-Kaufhold GmbHR 2015, 1177, 1180 ff; Stützel DB 2013, 2345, 2347. 2 Vgl Wenzel BB 2008, 769, 771 f. 3 Dazu LG Bonn GmbHR 2009, 96; Stollenwerk GmbHR 2009, R17. 4 Weiterführend Kaufmann/Kurpat MDR 2014, 1, 5 f; Schülke NZG 2013, 1375, 1377 ff; Stützel DB 2013, 2345, 2346 f. 5 Hierzu OLG Köln GmbHR 2015, 1219, 1220; OLG Köln GmbHR 2016, 367, 369. 6 Dazu instruktiv OLG Köln GmbHR 2015, 860, 861 ff; s. auch OLG Köln GmbHR 2016, 367, 368 f. 7 OLG Köln GmbHR 2013, 94. 8 S. dazu LG Bonn NZG 2009, 1077: keine Befugnis der Gesellschafter zur Einlegung der Beschwerde bei Führungslosigkeit der Gesellschaft.

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Abs. 2 Satz 1 und 4 HGB)1; zu weiteren Einzelheiten, auch zur Kostenentscheidung, s. § 335a Abs. 2 und 4 HGB2. Gegen die Beschwerdeentscheidung ist – seit dem HGB-Änderungsgesetz vom 55 4.10.2013 (s. Rn 6) und für nach dem 31.12.2013 eingeleitete Ordnungsgeldverfahren (Art. 70 Abs. 3 Satz 2 EGHGB) – die Rechtsbeschwerde nach §§ 70 ff FamFG statthaft, wenn das Landgericht sie (wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache oder zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung; § 70 Abs. 2 FamFG3) zugelassen hat (§ 335a Abs. 3 Satz 1 und 2 HGB); eine Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht statthaft, da vom Gesetzgeber nicht vorgesehen4. Über die Rechtsbeschwerde, die auch dem BfJ zusteht, entscheidet das OLG Köln (s. § 335a Abs. 3 Satz 3 und 4 HGB). Abgesehen vom BfJ müssen sich die Beteiligten vor dem OLG durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen (§ 335a Abs. 3 Satz 5 HGB). Zu weiteren Einzelheiten s. § 335a Abs. 3 Satz 6 iVm Abs. 2 Satz 6 und 8 HGB. Die Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (Rn 53) durch das Landgericht kann (da unanfechtbar; § 19 Abs. 2 FamFG) vom BfJ nicht angegriffen werden5. c) Den Geschäftsführern der Gesellschaft droht im Falle der Publizitätsverweige- 56 rung uU auch eine deliktische Schadensersatzhaftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern aus § 823 Abs. 2 BGB iVm § 325 HGB, wenn man (was freilich zweifelhaft ist) § 325 HGB den Charakter eines SchutzG zubilligt6; die Gesellschafter haften dann ggf als Mittäter oder Beteiligte (§ 830 BGB). Auf dieses zivilrechtliche Haftungsrisiko hatte die Bundesregierung schon vorzeiten aufmerksam gemacht7. 1 Zur Spruchpraxis des LG Bonn s. die Rechtsprechungsreporte von Kaufmann/Kurpat MDR 2014, 1; Stollenwerk/Kurpat BB 2009, 150; ferner Schlauß DB 2008, 2821 und DB 2010, 153, 154 ff. 2 Zur elektronischen Aktenführung auf der Basis der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr bei den ordentlichen Gerichten in Beschwerdeverfahren gemäß § 335a HGB (ERVVO EHUG) v. 17.11.2014 (GV NRW S. 762) s. Dötsch GmbHR 2015, R241 f. 3 Dazu etwa OLG Köln GmbHR 2015, 1086, 1087 f. 4 OLG Köln GmbHR 2015, 1088. 5 OLG Köln GmbHR 2016, 63. 6 Dafür Fehrenbacher S. 457; ein subjektives Recht auf effektive staatliche Durchsetzung der Offenlegungspflichten bejaht BGH GmbHR 2006, 151, 152. 7 Mitteilung der Regierung der Bundesrepublik Deutschland an die EG-Kommission v. 30.7.1990, dokumentiert in Oelmaier/Lehwald Neue Rechnungslegungs-, Prüfungsund Publizitätspflichten für die GmbH nach dem Bilanzrichtliniengesetz, 1983 ff, Teil 6, Kap. 10.2, S. 1/3; eingehend zu diesem Haftungsrisiko Jansen S. 170 ff; dort S. 161 ff auch zu denkbaren sonstigen Haftungsgrundlagen; zusammenfassend Jansen DStR 1999, 1490, 1495 ff; den Zusammenhang zwischen Publizität und Haftungsbeschränkung betont auch Schnorr ZHR 170 (2006), 9, 26 f.

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Anh zu § 42a | Publizität 10. Publizitätspflicht in Liquidation und Insolvenz 57 a) Rechnungslegungs- und publizitätspflichtig ist auch eine Gesellschaft in der

Liquidation (dazu § 71 Rn 9 f); die (sanktionsbewehrte) Pflicht zur Offenlegung der RLUnterlagen unterliegt den hier erläuterten allgemeinen Regeln1.

58 b) Ebenfalls rechnungslegungspflichtig ist eine Gesellschaft in der Insolvenz

(§ 155 Abs. 1 Satz 1 InsO)2; in Bezug auf die Insolvenzmasse hat der Insolvenzverwalter die Offenlegungspflichten zu erfüllen, § 155 Abs. 1 Satz 2 InsO (Rn 15). Allerdings sieht § 335 Abs. 1 HGB nur ein Ordnungsgeld gegen die Mitglieder eines vertretungsberechtigten Organs einer Kapitalgesellschaft (§ 335 Abs. 1 Satz 1 HGB) oder gegen die Gesellschaft selbst vor, für die jene Organmitglieder die Offenlegungspflichten zu erfüllen haben (§ 335 Abs. 1 Satz 2 HGB). Vertretungsberechtigtes Organ der GmbH sind aber auch in der Insolvenz die Geschäftsführer, nicht der Insolvenzverwalter; die Geschäftsführer indes haben die Publizitätspflichten nicht mehr zu erfüllen, soweit dies nach § 155 Abs. 1 Satz 2 InsO (nämlich in Bezug auf die Insolvenzmasse) dem Verwalter obliegt. Hieraus wird verbreitet gefolgert, dass ein Ordnungsgeld – sofern es nicht um die Rechnungslegung in Bezug auf nicht beschlagnahmtes oder freigegebenes Vermögen geht – weder gegen die Gesellschaft in der Insolvenz noch gegen die Mitglieder des Vertretungsorgans oder den Insolvenzverwalter festgesetzt werden kann3.

59 Das LG Bonn hat sich dem angeschlossen4. Die Geschäftsführer der insolventen

Gesellschaft wurden jedoch als verpflichtet angesehen, einen Abschluss hinsichtlich etwaigen nicht vom Insolvenzbeschlag erfassten Vermögens offenzulegen; bei Verletzung dieser Pflicht sei ein Ordnungsgeldverfahren gegen sie oder die Gesellschaft einzuleiten; wenn es (wie im Regelfall) überhaupt keine insolvenzfreien Vermögensgegenstände der Gesellschaft gibt, wurde die Offenlegung einer sog „Nullbilanz“ verlangt5. Jedoch hat das LG Bonn die Festsetzung eines Ordnungsgeldes in einer späteren Entscheidung am mangelnden Verschulden hinsichtlich der Offenlegungssäumnis scheitern lassen6: Nach Eröffnung des In-

1 S. dazu LG Bonn GmbHR 2008, 593,594 f; LG Bonn NZG 2010, 156, 157; LG Bonn GmbHR 2010, 986, 987; Kaufmann/Kurpart MDR 2014, 1, 2 mwN. 2 Näher hierzu etwa B/H/Haas § 41 Rn 10 ff. 3 KölnKommRLR/Altenhain § 335 HGB Rn 23 ff; Grashoff NZI 2008, 65, 69; Holzer ZVI 2007, 401, 404; Kübler/Prütting/Bork/Kübler § 155 InsO Rn 79 ff (Stand November 2013); Maus ZInsO 2008, 5, 9; Pink/Fluhme ZInsO 2008, 817, 822 f; Stollenwerk/Krieg GmbHR 2008, 575, 579; MünchKommBilanzR/Waßmer § 335 HGB Rn 28 ff. 4 LG Bonn GmbHR 2009, 94; s. zuvor auch schon LG Bonn Musterbeschluss ZIP 2008, 1082 = GmbHR 2008, 593. 5 LG Bonn GmbHR 2009, 94, 95. 6 LG Bonn NZI 2009, 781. – S. zuvor schon das Hinweisschreiben des LG Bonn im Verfahren 38 T 42/08, dokumentiert in ZIP 2009, 1387 f, sowie LG Bonn ZIP 2009, 1242: kein Verschulden bei finanzieller Leistungsunfähigkeit der offenlegungspflichtigen (insolventen) Gesellschaft.

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solvenzverfahrens könne aufgrund des Insolvenzbeschlags auf rechtzeitig zurückgelegte Mittel zur Finanzierung von Rechnungslegung und Publizität ohnehin nicht mehr zugegriffen werden. Die Insolvenzgesellschaft treffe an der Unterlassung der Rechnungs- und Offenlegung deshalb kein Verschulden, zumal ihre Geschäftsführer nicht gehalten seien, die Kosten für die Erfüllung der Rechnungslegungs- und Publizitätspflichten aus ihrem Privatvermögen zu tragen. – Die Rechtsprechung des LG Bonn hat im Ergebnis dazu geführt, dass Verstöße gegen Offenlegungspflichten in der Insolvenz nicht mit der Festsetzung von Ordnungsgeld nach §§ 335 ff HGB geahndet werden können; das BfJ führt bei bekannter Insolvenzeröffnung oder Abweisung des Eröffnungsantrags mangels Masse grundsätzlich keine Ordnungsgeldverfahren nach § 335 HGB durch1. Das ist verfehlt; richtigerweise ist zu differenzieren2: Die Festsetzung von Ord- 60 nungsgeld gegen den Insolvenzverwalter persönlich ist unzulässig, weil er nicht „Mitglied des vertretungsberechtigten Organs“ der Gesellschaft ist und eine Anwendung des § 335 Abs. 1 Satz 1 HGB zu seinen Lasten wegen des Sanktionscharakters des (repressiven) Ordnungsgeldes am Bestimmtheitsgebot und dem daraus abgeleiteten Analogieverbot (Art. 103 Abs. 2 GG)3 scheitern muss4. Der Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen die insolvente Gesellschaft selbst (im Wege einer normzweckbezogenen Auslegung von § 335 Abs. 1 Satz 2 HGB) können solche Überlegungen aber nicht mit derselben Überzeugungskraft entgegengehalten werden. Die Ordnungsgeldfestsetzung gegen die Kapitalgesellschaft wegen Verletzung von Offenlegungspflichten, deren Erfüllung in der Insolvenz dem Insolvenzverwalter obliegt, ist durch § 335 Abs. 1 Satz 2 HGB iVm § 155 InsO hinreichend legitimiert. Denn insoweit geht es nicht um eine Sanktion zu Lasten eines im Gesetz nicht genannten Ordnungsgeldadressaten. Es sind allein die insolvenzbedingten (und in § 155 Abs. 1 Satz 2 InsO gesetzlich normierten) Zuständigkeitsverschiebungen nachzuvollziehen, die das ordnungsgeldbewehrte Pflichtenprogramm sowie den Ordnungsgeldadressaten – beides gleichfalls gesetzlich bestimmt: § 335 Abs. 1 Satz 2 iVm § 325 HGB – unberührt lassen. Eine Gesellschaft in Insolvenz trotz fortbestehender gesetzlicher Publizitätspflicht (§ 155 Abs. 1 Satz 1 InsO) besser zu stellen als die werbend tätige Gesellschaft, ist sachwidrig. Damit würde zudem die (auch europarechtlich) gebo1 Vgl die in ZInsO 2009, 2187 dokumentierte Einstellungsverfügung des BfJ. 2 S. schon Kleindiek FS Hüffer, 2010, S. 431, 443 ff. 3 Zur Anwendbarkeit von Art. 103 Abs. 2 GG auf den Ordnungsgeldtatbestand des § 335 HGB s. BVerfG GmbHR 2014, 366, 367; OLG Köln GmbHR 2016, 61, 62; aA KölnKommRLR/Altenhain § 335 HGB Rn 16. 4 Ebenso zum alten Recht (§ 335a HGB aF) schon LG Frankfurt ZIP 2007, 2325; zu Unrecht aA Kießling S. 295 f; MünchKomm/H.-F. Müller § 64 Rn 113; de Weerth NZI 2008, 711, 712 ff, der jedoch den Unterschied zwischen Ordnungsgeld und Zwangsgeld verkennt: allein auf das nicht-repressive Beugemittel Zwangsgeld findet Art. 103 Abs. 2 GG keine Anwendung; s. näher Kleindiek FS Hüffer, 2010, S. 431, 443 f.

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Anh zu § 42a | Publizität tene effektive Sanktion von Publizitätspflichtverletzungen in einem wesentlichen Teilbereich, nämlich in allen insolventen Gesellschaften, praktisch beseitigt; die Aufsichtspflicht des Insolvenzgerichts und dessen Recht zur Festsetzung eines Zwangsgeldes gegen den Insolvenzverwalter (§ 58 InsO)1 könnte daran nichts ändern. Die vom LG Bonn verfochtene „Bilanzierung“ des nicht zur Insolvenzmasse gehörenden (weil vom Verwalter ggf freigegebenen2) Vermögens, in der die „handelsrechtliche Rechnungslegung von Insolvenzgesellschaften“ gesehen worden ist3, führt zu einer gespaltenen Rechnungslegung, die der Funktion des JA nicht gerecht wird. Auch in der insolventen Kapitalgesellschaft kann es nur einen einheitlichen Abschluss geben; dieser ist Gegenstand der gesetzlichen Offenlegungspflicht nach § 325 HGB, die der Insolvenzverwalter zu erfüllen hat (ausführlicher 18. Aufl, Rn 41)4. Bei Verletzung dieser Pflicht ist ein Ordnungsgeld gegen die Gesellschaft nach § 335 Abs. 1 Satz 2 HGB festzusetzen, womit eine Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO entsteht. Der Insolvenzverwalter ist der richtige Adressat einer solcher Ordnungsgeldverfügung: Zustellungen, welche die Insolvenzmasse betreffen, sind an den Verwalter zu richten5.

11. Vermeidungsstrategien 61 Angesichts der schon mit dem KapCoRiLiG (Vor § 41 Rn 6) erweiterten Offen-

legungspflichten und im Zuge des EHUG (Rn 5) noch einmal deutlich verschärften Sanktionen sind mögliche Strategien zur Publizitätsvermeidung in den Blick der Beratungspraxis geraten6. In der GmbH kommen dabei – neben der Einbeziehung der Gesellschaft in einen Konzernabschluss und der daran anknüpfenden Befreiungsmöglichkeit unter den engen Voraussetzungen des § 264 Abs. 3 HGB (näher Vor § 41 Rn 3 f)7 – etwa solche Gestaltungsmaßnahmen in Betracht, welche die GmbH zur kleinen Gesellschaft iSv § 267 Abs. 1 HGB

1 Hierauf verweisen etwa Grashof NZI 2008, 65, 69; Holzer ZVI 2007, 401, 405; Pink/ Fluhme ZInsO 2008, 817, 823. 2 Der BGH erkennt auch in der Insolvenz von Kapitalgesellschaften ein entsprechendes Freigaberecht des Verwalters an: BGHZ 163, 32. 3 So LG Bonn GmbHR 2009, 94, 95. 4 Insoweit zustimmend KölnKommRLR/Altenhain § 335 HGB Rn 24; auch KölnKommRLR/Zetzsche § 325 HGB Rn 27. 5 Kuleisa in Hamburger Kommentar Insolvenzrecht, 5. Aufl 2015, § 80 InsO Rn 26 mwN. 6 Ausführlich Winkeljohann/Schindhelm Das KapCoRiLiG, 2000, S. 243 ff; Schindhelm/ Hellwege/Stein StuB 2000, 72 ff; Kaya/Scherr BBK 2010, 755 ff. 7 Speziell unter dem Aspekt der Publizitätsvermeidung s. etwa LG Bonn Der Konzern 2010, 434; LG Bonn GmbHR 2012, 803; LG Bonn GmbHR 2013, 651; LG Bonn AG 2014, 130; Haller/Löffelmann/Schlechter DB 2013, 1917; Nachweise auf das ältere Schrifttum 18. Aufl, Rn 47.

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Haftung der Geschäftsführer | § 43

„schrumpfen“ lassen, um die Erleichterungen insbesondere der §§ 266 Abs. 1 Satz 3, 274a, 326 HGB in Anspruch zu nehmen1; ebenso werden strategische (Vorab-)Ausschüttungen2 oder die zielgerichtete Nutzung von bilanzpolitischen Spielräumen erörtert. Bei einem Rechtsformwechsel in die GmbH & Co KG mögen die Befreiungsmöglichkeiten nach § 264b HGB (Vor § 41 Rn 9) erwogen werden3. Zum Wegfall der Publizitätspflicht führt auch die Aufnahme einer einzelnen na- 62 türlichen Person als „Vollhafter“4. Allemal gefährlich ist aber die verbreitet erörterte Empfehlung, eine mittellose Person gezielt mit dieser Rolle zu betrauen oder den Vollhafter jeweils kurz vor dem Bilanzstichtag ein- und alsbald danach wieder aus der Gesellschaft austreten zu lassen5. Die Praxis muss sich der hohen Risiken bewusst bleiben, die mit derartigen Ratschlägen verbunden sind: Wo ein Engagement als Vollhafter durch Freistellungsansprüche gegenüber den (Mit-) Gesellschaftern erkauft wird, ist der Freistellungsanspruch dem Gläubigerzugriff durch Pfändung ausgesetzt. Die jeweils nur kurzzeitige Hereinnahme einer natürlichen Person als Vollhafter verändert nicht das Gepräge der Kapitalgesellschaft & Co, an das die Publizitätspflicht anknüpft6. Und wo die Gesellschafter der Publizitätspflicht durch den gezielten Einsatz eines vermögenslosen „Strohmanns“ als weiterem Komplementär zu entgehen suchen, müssen sie einkalkulieren, dass die Rechtsprechung mit einer unbeschränkten persönlichen Haftung der Kommanditisten reagieren könnte7.

§ 43 Haftung der Geschäftsführer (1) Die Geschäftsführer haben in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden. 1 Dazu etwa Hafner/Spitz DStR 2015, 2623 ff; Schindhelm/Hellwege/Stein StuB 2000, 72, 79 f. 2 Sattler/Meeh DStR 2007, 1595 und 1643. 3 Dazu LG Bonn ZIP 2010, 675; LG Bonn BB 2010, 1208; Haller/Löffelmann/Schlechter DB 2013, 1917; Nachweise auf das ältere Schrifttum 18. Aufl, Rn 47. 4 LG Bonn NZG 2010, 36; LG Osnabrück GmbHR 2005, 1618; Giedinghagen NZG 2007, 933. 5 Winkeljohann/Schindhelm KapCoRiLiG, S. 243 ff; ferner etwa Bitter/Grashoff DB 2000, 833, 838 f; Herrmann WPg 2001, 271 ff; Schiedermair/Maul FS W. Müller, 2001, S. 503, 518 ff; eingehend auch Waßmer GmbHR 2002, 412 ff: „GmbH & Stroh KG“. 6 Im Ergebnis ebenso Waßmer GmbHR 2002, 412, 419 f. 7 S. zur Kritik gegenüber den hier nur grob skizzierten, mitunter geradezu skurril anmutenden Vermeidungsratschlägen der Beratungspraxis auch Hommelhoff FS W. Müller, 2001, S. 449, 459 f.

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§ 43 | Haftung der Geschäftsführer (2) Geschäftsführer, welche ihre Obliegenheiten verletzen, haften der Gesellschaft solidarisch für den entstandenen Schaden. (3) Insbesondere sind sie zum Ersatz verpflichtet, wenn den Bestimmungen des § 30 zuwider Zahlungen aus dem zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögen der Gesellschaft gemacht oder den Bestimmungen des § 33 zuwider eigene Geschäftsanteile der Gesellschaft erworben worden sind. Auf den Ersatzanspruch finden die Bestimmungen in § 9b Abs. 1 entsprechende Anwendung. Soweit der Ersatz zur Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaft erforderlich ist, wird die Verpflichtung der Geschäftsführer dadurch nicht aufgehoben, dass dieselben in Befolgung eines Beschlusses der Gesellschafter gehandelt haben. (4) Die Ansprüche auf Grund der vorstehenden Bestimmungen verjähren in fünf Jahren. Abs. 1, 2 und 4 seit 1892 unverändert; Abs. 3 Satz 2 geändert durch die Novelle 1980; amtliche Überschrift ergänzt durch MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl I 2026). 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . a) Regelungsgegenstand . . . . . . . b) Geltungsbereich; faktischer Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . c) Konkurrenzen . . . . . . . . . . . . d) Versicherbarkeit . . . . . . . . . . . e) Haftungsfreistellung . . . . . . . . 2. Pflichten und Sorgfaltsmaßstab (§ 43 Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . b) Pflicht zur ordnungsgemäßen Unternehmensleitung . . . . . . . c) Ermessensspielraum des Geschäftsführers (Business Judgment Rule) . . . . . . . . . . . d) Aufgabenteilung und Delegation e) Risikoüberwachung . . . . . . . . f) Geschäftsführerpflichten in Krise und Insolvenz . . . . . . . . 3. Allgemeiner Haftungstatbestand (§ 43 Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . b) Freistellung bei Weisung und Billigung der Gesellschafter . . . c) Schaden der Gesellschaft . . . . . d) Haftungskonzentration über die Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . e) Haftungsprozess; Darlegungsund Beweislast . . . . . . . . . . . .

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4. Besondere Haftungstatbestände bei Verstoß gegen §§ 30, 33 (§ 43 Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Einschränkbarkeit der Geschäftsführerhaftung . . . . . . . . . . . . . . . a) Besondere Haftungstatbestände (§ 43 Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . b) Allgemeiner Haftungstatbestand (§ 43 Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . 6. Verjährung (§ 43 Abs. 4) . . . . . . . 7. Außenhaftung des Geschäftsführers auf vertraglicher Grundlage . . a) Haftungsversprechen . . . . . . . b) Verschulden bei Vertragsschluss c) Rechtsscheinhaftung . . . . . . . . 8. Außenhaftung des Geschäftsführers auf deliktsrechtlicher Grundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundtatbestände des Deliktsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Geschäftsführer-Eigenhaftung aus Verkehrspflichtverletzung . c) Wettbewerbs- und Markenrecht 9. Geschäftsführerhaftung für nicht abgeführte Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung . . . . . . . . . 10. Steuerrechtliche Haftung des Geschäftsführers . . . . . . . . . . . . . . .

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Haftung der Geschäftsführer | § 43 11. Haftung der Gesellschafter wegen Einflussnahme auf die Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119

12. Strafrechtliche Verantwortlichkeit des Geschäftsführers . . . . . . . . . 120

Literatur: Bayer Die Innenhaftung des GmbH-Geschäftsführers de lege lata und de lege ferenda, GmbHR 2014, 897; Decker Organhaftung und Expertenrat, GmbHR 2014, 72; Kübler (Hrsg) Handbuch Restrukturierung in der Insolvenz, 2. Aufl 2015; Lutter Haftung und Haftungsfreiräume des GmbH-Geschäftsführers: 10 Gebote an den Geschäftsführer, GmbHR 2000, 301; Porzelt Die Außen- und Innenhaftung im Recht der GmbH, 2013; Sandmann Die Haftung von Arbeitnehmern, Geschäftsführern und leitenden Angestellten, 2001; K. Schmidt/Uhlenbruck (Hrsg) Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, 5. Aufl 2015; Uwe H. Schneider Die Pflichten des Geschäftsführers in der Krise der GmbH, GmbHR 2010, 57; Schürnbrand Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007. Praxisorientierte Einführungen in die Haftungsrisiken des Geschäftsführers bei Krieger/ Uwe H. Schneider (Hrsg) Handbuch Managerhaftung, 2. Aufl 2010; Münchener Anwaltshandbuch/Terlau/Hürten GmbH-Recht, 3. Aufl 2014, § 10; Tillmann/Mohr GmbH-Geschäftsführer, 10. Aufl 2013, Rn 476 ff; Ziemons in Oppenländer/Trölitzsch, Praxishandbuch der GmbH-Geschäftsführung, 2. Aufl 2011, §§ 21–31.

1. Allgemeines a) Regelungsgegenstand: Die Vorschrift regelt die Organhaftung der Ge- 1 schäftsführer (einschließlich der stellvertretenden, § 44) gegenüber der Gesellschaft1. § 43 Abs. 1 konkretisiert den (Pflichten- und) Sorgfaltsmaßstab, § 43 Abs. 2 ist Grundlage der Geschäftsführerhaftung für jeden Schaden, den sie durch Verletzung ihrer Pflichten der Gesellschaft schuldhaft zugefügt haben. Mehrere Geschäftsführer haften als Gesamtschuldner („solidarisch“), sofern ein jeder von ihnen pflichtwidrig und schuldhaft gehandelt hat. Zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen aktive oder ehemalige Geschäftsführer, wozu es in der werbend tätigen Gesellschaft (zur Insolvenz s. Rn 51) eines (während des Prozesses ggf nachholbaren2) Gesellschafterbeschlusses nach § 46 Nr. 8 bedarf3, s. § 46 Rn 35 ff. § 43 Abs. 3 enthält spezielle Haftungstatbestände bei Verstoß gegen die gläubigerschützenden Bestimmungen der §§ 30, 33 und beschränkt in diesen Fällen die Disponibilität der Haftung (dazu Rn 60 ff). § 43 Abs. 4 unterwirft die Geschäftsführerhaftung aus § 43 Abs. 2 und 3 einer fünfjährigen Verjährungsfrist. – Von der Organinnenhaftung nach Maßgabe dieser Vorschrift strikt zu trennen ist die Geschäftsführerhaftung gegen1 Lutter GmbHR 2000, 301, 302 spricht von der „Magna Charta der Innenhaftung des Geschäftsführers“. 2 BGH GmbHR 1999, 714, 715; BGH GmbHR 2008, 144, 145. 3 Zusammenfassend BGH GmbHR 2004, 1279, 1282; Bayer GmbHR 2014, 897, 901 f; Lieder NZG 2015, 569, 577 f. Zur Rechtslage in der GmbH mit Aufsichtsrat s. Kleindiek FS Graf von Westphalen, 2010, S. 387, 388 ff.

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§ 43 | Haftung der Geschäftsführer über Dritten; diese Außenhaftung bedarf einer eigenständigen Grundlage (näher Rn 71 ff, 79 ff). 2 b) Geltungsbereich; faktischer Geschäftsführer: Die Geschäftsführer unterlie-

gen der Organhaftung mit der Annahme des Amtes, nicht erst mit der Eintragung ins Handelsregister1. Die Haftung endet mit dem Abschluss der Tätigkeit als Geschäftsführer, geht also uU über die Beendigung des Anstellungsvertrages hinaus2. Sie trifft die Geschäftsführer auch, wenn ihre Bestellung fehlerhaft war, sie aber gleichwohl als (förmlich, wenn auch wirkungslos bestellter) Geschäftsführer tätig geworden sind. Hierunter fallen auch solche Personen, deren wirksame Bestellung an einem der Hindernisse nach § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und 3 (s. dazu § 6 Rn 16 ff) scheitert (fehlerhaft bestellter Geschäftsführer). Allein die mangelnde Geschäftsfähigkeit des (unwirksam) Bestellten (§ 6 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 1) vermag dessen Haftung entgegen zu stehen3.

3 Ebenso ist als faktischer Geschäftsführer Pflichtenträger und Haftungsadressat

nach Maßgabe des § 43, wer mit Wissen der Gesellschaft4 tatsächlich Geschäftsführungsaufgaben wahrnimmt, ohne formell zum Geschäftsführer bestellt worden zu sein5. Das gilt auch, wo der in diesem Sinne faktische Geschäftsführer (etwa weil er selbst einem Bestellungsverbot nach § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und 3 unterliegt) die Fäden im Hintergrund in der Hand hält, während der förmlich (und wirksam) bestellte, nicht selten geschäftsunerfahrene und vermögenslose Geschäftsführer (der auch selbst nach § 43 haftet6) als bloßer Strohmann fungiert7. Eine entsprechende Abgrenzung liegt der Haftungsregelung in § 6 Abs. 5 zugrunde (s. näher § 6 Rn 47). Allerdings bedarf es konkretisierender Kriterien, die der Kompetenzordnung im GmbH-Recht Rechnung tragen: Der Alleinoder Mehrheitsgesellschafter, der auf die bestellten Geschäftsführer intensiv (Anweisungen) Einfluss nimmt, wird dadurch noch nicht zum Träger der Geschäftsführerpflichten: denn er überschreitet die ihm im Kompetenzgefüge der GmbH zugewiesene Rolle noch nicht8. Der BGH sieht es zwar nicht als erforderlich an, dass der Handelnde die gesetzliche Geschäftsführung völlig verdrängt. 1 2 3 4 5 6 7

8

BGH GmbHR 1986, 302. BGHZ 47, 341, 343. Zutreffend B/H/Zöllner/Noack Rn 2. Ablehnend gegenüber dieser Voraussetzung MünchKomm/Fleischer Rn 234; Schürnbrand S. 306 f; differenzierend Strohn DB 2011, 158, 162 f. Eingehend MünchKomm/Fleischer Rn 220 ff. Zur Haftung des „Strohmann-Geschäftsführers“ etwa OLG Frankfurt GmbHR 2009, 317, 318. S. für die steuerrechtliche Eigenhaftung BFH GmbHR 2004, 833; wie hier im Ergebnis auch Geißler GmbHR 2003, 1106, 1110, 1112; K. Schmidt GesR § 14 IV 4a; Scholz/Uwe H. Schneider Rn 22 aE; B/H/Zöllner/Noack Rn 3; Michalski/Haas/Ziemons Rn 30; aA U/H/L/Paefgen Rn 17. MünchKomm/Fleischer Rn 227 und 240 f; Strohn DB 2011, 158, 161; eingehend Schürnbrand S. 315 ff.

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Entscheidend sei aber, dass der Betreffende nach dem Gesamterscheinungsbild seines Auftretens die Geschicke der Gesellschaft maßgeblich in die Hand genommen habe; dazu reiche eine bloß interne Einwirkung auf die satzungsmäßigen Geschäftsführer nicht aus, sondern es müsse auch ein eigenes, nach außen hervortretendes Geschäftsführerhandeln gegeben sein, das die Tätigkeit des Geschäftsführungsorgans gerade nachhaltig präge1. Das Erfordernis eines Handelns im Außenverhältnis (im Schrifttum umstrit- 4 ten2) kann helfen, die nicht von § 43 erfasste Ausübung der Einflussmöglichkeiten eines (Allein-)Gesellschafters auszugrenzen3. Ein zwingendes Tatbestandsmerkmal faktischer Geschäftsführung liegt hierin aber nicht4. So ist aus der Praxis organisierter „Firmenbestattung“5 geläufig, dass der hinter einem Strohmann-Geschäftsführer agierende Drahtzieher für den Außenkontakt der Gesellschaft den Strohmann vorschiebt. Er versucht so, seine eigene Verantwortlichkeit zu verschleiern, hält tatsächlich aber alle organtypischen Fäden in der Hand. Der Hintermann ist deshalb (neben dem Strohmann) selbst Pflichtenträger und Haftungsadressat nach § 43. Ebenso wenig wie eine in der Geschäftsfähigkeit beschränkte natürliche Person 5 (§ 6 Abs. 2 Satz 1; s. Rn 2) kann eine juristische Person als faktischer Geschäftsführer Pflichtenträger und Haftungsadressat nach § 43 sein6, wohl aber ggf ihr Organvertreter (oder sonstiger Repräsentant)7. Im Übrigen sind die skizzierten Kriterien für den faktischen Geschäftsführer nicht deshalb restriktiv zu handhaben, weil der Betreffende die Geschäftsführungsaufgaben in der Absicht an 1 BGHZ 104, 44, 48 = GmbHR 1988, 299; BGHZ 150, 61, 69 f = GmbHR 2002, 549; BGH GmbHR 2005, 1126, 1127; BGH GmbHR 2005, 1187, 1188; BGH ZIP 2008, 364, 367; BGH ZIP 2008, 1026, 1027 = GmbHR 2008, 702; OLG Köln GmbHR 2012, 1358, 1359 ff; OLG München ZIP 2010, 2295, 2296; zustimmend zB Geißler GmbHR 2003, 1106, 1111 f; B/H/Zöllner/Noack Rn 3; U/H/L/Paefgen Rn 20 ff, je mwN; einschränkend Strohn DB 2011, 158, 161 f. 2 Kritisch etwa MünchKomm/Fleischer Rn 231 ff; Grigoleit Gesellschafterhaftung für interne Einflussnahme im Recht der GmbH, 2006, S. 117; B/S/Klöhn Rn 12; Schürnbrand S. 307 ff; jedenfalls für den gebundenen Bereich der Geschäftsführung ablehnend auch Haas NZI 2006, 494, 497 ff. 3 S. etwa die Fallgestaltung BGH GmbHR 2005, 1126. 4 Zutreffend Fleischer AG 2004, 517, 525. 5 Dazu näher Seibert FS Röhricht, 2005, S. 585, 587, 590 ff; Kleindiek ZGR 2007, 276, 277 ff; Ehricke FS Hopt, 2010, S. 589 ff; Geißler GmbHR 2013, 1302, 1303 f; Werner NZWiSt 2013, 418 ff, je mwN; monographisch etwa Kilper Unternehmensabwicklung außerhalb des gesetzlichen Insolvenz- und Liquidationsverfahrens in der GmbH, 2009; Kuhn Die GmbH-Bestattung, 2011; Schmutz Die „bestattete“ GmbH im Insolvenzeröffnungsverfahren, 2010. 6 BGHZ 150, 61, 68 = GmbHR 2002, 549; B/S/Klöhn Rn 7; aA MünchKomm/Fleischer Rn 235 mwN. 7 Strohn DB 2011, 158, 163.

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§ 43 | Haftung der Geschäftsführer sich zieht, eine in die Krise geratene Gesellschaft zu sanieren1; ein „Sanierungsprivileg“ ist für die faktische Geschäftsführung jedenfalls nicht anzuerkennen2. – Zur Haftung faktischer Geschäftsführer nach § 64 sowie wegen Insolvenzverschleppung (§ 823 Abs. 2 BGB iVm § 15a InsO) s. § 64 Rn 6 und 50 sowie Anh zu § 64 Rn 59 und 83; zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit s. § 84 Rn 6 f. 6 c) Konkurrenzen: Außer nach § 43 haften die Geschäftsführer der Gesellschaft

gegenüber ggf aus § 64, während §§ 9a, b, 57 Abs. 4 als leges speciales (arg § 9b Abs. 2) Vorrang haben3. Die Organhaftung aus § 43 nimmt als Spezialregelung die Haftung des Geschäftsführers aus seinem schuldrechtlichen Anstellungsvertrag oder Auftrag in sich auf4. Nach der Rspr bezieht die Organhaftung damit zugleich Verstöße des Geschäftsführers gegen sein Wettbewerbsverbot (Anh zu § 6 Rn 20) und Ansprüche der Gesellschaft aus angemaßter Eigengeschäftsführung des Geschäftsführers (§ 687 Abs. 2 BGB) mit ein, weil dieser auch insoweit vertrags- und organpflichtwidrig handele5. – Unberührt von der Organhaftung bleibt die deliktische Haftung des Geschäftsführers gegenüber der Gesellschaft, etwa aus § 826 BGB6 oder iVm Schutzgesetz iSv § 823 Abs. 2 BGB7; s. auch Rn 68 zur Frage der Verjährung. Auch die Haftung eines Gesellschafter-Geschäftsführers aus dem Gesichtspunkt der Existenzvernichtung (§ 826 BGB; dazu § 13 Rn 25 ff), die nach den Grundsätzen der Teilnehmerhaftung (§ 830 BGB) selbst den Nur-Geschäftsführer treffen kann, tritt neben seine Verantwortlichkeit aus § 43 Abs. 28. Zur Handelndenhaftung nach § 11 Abs. 2 s. § 11 Rn 28 ff. – Zur Schadensersatzhaftung der Geschäftsführer nach § 40 Abs. 3 wegen Verletzung ihrer Pflicht zur Einreichung der aktualisierten Gesellschafterliste (Haftung gegenüber Gesellschaftsgläubigern und denjenigen, deren Beteiligung sich geändert hat) s. § 40 Rn 3, 80 mwN.

7 d) Versicherbarkeit: Den Risiken aus pflichtwidrigem Geschäftsführerhandeln

lässt sich durch eine sog D&O-Versicherung (Directors and Officers Liability Insurance) begegnen, die von der Gesellschaft abgeschlossen wird und als Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für Organmitglieder Ansprüche der Gesellschaft oder Dritter gegen die Geschäftsführer (einschließlich der Rechts-

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AA OLG München ZIP 2010, 2295, 2297 f = GmbHR 2011, 28. Fleischer/Schmolke WM 2011, 1009, 1013 ff; s. auch Strohn DB 2011, 158, 163 f. OLG Celle NZG 2000, 1178; OLG Rostock BB 1995, 1920, 1921 = GmbHR 1995, 658. BGH ZIP 1989, 1390, 1392 = GmbHR 1989, 365; BGH GmbHR 1997, 163, 164; BGH GmbHR 2008, 144, 145; B/H/Zöllner/Noack Rn 4; Schürnbrand S. 346 ff; aA Fleck ZIP 1991, 1269, 1270; K. Schmidt FS Georgiades, 2006, S. 689, 698 ff; Scholz/Uwe H. Schneider Rn 18: Anspruchskonkurrenz; dagegen Jacoby Das private Amt, 2007, S. 545. BGH ZIP 1989, 1390, 1393 = GmbHR 1989, 365; dagegen Fleck ZIP 1991, 1269, 1272 f; B/ S/Klöhn Rn 6. BGH ZIP 1989, 1390, 1394, 1397 = GmbHR 1989, 365; BGH GmbHR 1992, 303. BGH GmbHR 2005, 544, 545. BGH GmbHR 2007, 927, 933.

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schutzkosten) abdeckt1. Bedingungen der am Markt angebotenen Versicherungen sind nach wie vor nicht einheitlich; genauer Vergleich vor dem Hintergrund der unternehmensspezifischen Risikostrukturen ist deshalb notwendig2. Der Versicherungsfall wird an die Anspruchserhebung geknüpft (Anspruchserhebungsprinzip/Claims-made-Prinzip)3; konkrete Ausgestaltung nach Maßgabe der jeweiligen Vertragsbedingungen4 (etwa: Voraussetzung einer Einbeziehung von schadenstiftenden Pflichtverletzungen aus der Zeit vor Vertragsbeginn; Vereinbarung von Nachmeldefristen bei Pflichtverletzungen während der Vertragslaufzeit, aus denen Ansprüche aber erst nach Vertragsbeendigung geltend gemacht werden). Die Bedingungen enthalten regelmäßig erhebliche Einschränkungen zum Leistungsumfang5: Sie sehen Ausschluss des Versicherungsschutzes nicht nur bei vorsätzlicher Schadensverursachung (vgl § 103 VVG), sondern häufig auch bei vorsätzlichen bzw wissentlichen Pflichtverletzungen vor, decken nur reine Vermögensschäden im Rahmen typischer Organtätigkeiten und nehmen bei Gesellschafter-Geschäftsführer mit nicht lediglich unwesentlicher Beteiligung häufig den der Beteiligungsquote entsprechenden Haftungsanteil von der Versicherung aus; zudem sehen die Vertragsbedingungen unterschiedliche Instrumente zur Missbrauchsabwehr durch kollusives Zusammenwirken zwischen Gesellschaft (Versicherungsnehmerin) und Geschäftsführer (versicherte Person) zum Nachteil des Versicherers vor6. Wegen des Trennungsprinzips in der Haftpflichtversicherung (Fragen der Haftpflicht und der Deckung sind in getrennten Prozessen zu klären) und des Wahlrechts des Versicherers, Versicherungsschutz durch Unterstützung der versicherten Person bei der Abwehr als unberechtigt angesehener Ansprüche oder durch Befriedigung berechtigter Ansprüche zu gewähren, hat die Gesellschaft in den Fällen der Innenhaftung vor Abschluss des Haftpflichtprozesses gegen den Geschäftsführer – vorbehaltlich abweichender Vereinbarung im Versicherungsvertrag – keinen unmittelbaren Direktanspruch gegen den Versicherer7. Der Geschäftsführer kann jedoch seinen Freistellungs1 Weiterführend – mit Nachweisen auf das Spezialschrifttum – Sieg in Hdb Managerhaftung, § 15; MünchKomm/Fleischer Rn 374 ff; monographisch Lange D&O-Versicherung und Managerhaftung, 2014; Thomas Die Haftungsfreistellung von Organmitgliedern, 2010. Zu den steuerrechtlichen Implikationen Küppers/Dettmeier/Koch DStR 2002, 199 ff; Schüppen/Sanna ZIP 2002, 550 ff; Notthoff NJW 2003, 1350, 1354 f; Thomas Haftungsfreistellung, S. 517 ff. 2 Instruktiv Seibt/Saame AG 2006, 901, 903 ff; Thomas Haftungsfreistellung, S. 346 ff. 3 Dazu etwa Heße NZI 2009, 790; Lange D&O-Versicherung und Managerhaftung, § 9 Rn 9 ff, § 10 Rn 2 ff; Thomas Haftungsfreistellung, S. 374 ff. 4 S. exemplarisch OLG München NZG 2009, 714. 5 Dazu etwa Koch GmbHR 2004, 18 ff, 160 ff, 288 ff; Lange D&O-Versicherung und Managerhaftung, §§ 11, 15, 16; Seibt/Saame AG 2006, 901, 907 ff; Thomas Haftungsfreistellung, S. 356 ff. 6 Näher Graf von Westphalen VersR 2006, 17 ff. 7 OLG München AG 2005, 817; dazu Dreher DB 2005, 1669; Seibt/Saame AG 2006, 901, 907; Thomas Haftungsfreistellung, S. 443 ff.

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§ 43 | Haftung der Geschäftsführer anspruch gegen den Versicherer (vgl § 106 Abs. 1 Satz 1 VVG) an die Gesellschaft abtreten, soweit die Abtretung nicht wirksam (§ 108 Abs. 2 VVG: Verbot der Abtretung an einen Dritten1 bedarf Individualabrede) ausgeschlossen worden ist; weil sich Schadensersatzanspruch gegen den Geschäftsführer und Freistellungsanspruch gegen den Versicherer in der Folge in einer Hand vereinigen, hat die Gesellschaft einen Zahlungsanspruch gegen den Versicherer2. 8 Der Abschluss von D&O-Versicherungen ist gesellschaftsrechtlich unbedenk-

lich, da sie zugleich im Interesse der Gesellschaft und ihrer Gläubiger liegen; nachhaltige Schwächung der verhaltenssteuernden Wirkung der Geschäftsführerhaftung ist mit ihnen angesichts der typischen Einschränkungen des Versicherungsschutzes nicht verbunden, auch nicht bei Ausschluss eines Selbstbehalts der Geschäftsführer3; der gesetzliche Mindestselbstbehalt nach § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG idF des VorstAG gilt nur in der Aktiengesellschaft, nicht aber (auch nicht analog) in der GmbH. Im Innenverhältnis der Gesellschaft bedarf der Abschluss einer D&O-Versicherung des Gesellschafterentscheids (arg § 46 Nr. 5 und 8), dessen Fehlen die Wirksamkeit des von den Geschäftsführern vereinbarten Versicherungsvertrages aber unberührt lässt4. Eine allgemeine Rechtspflicht der Gesellschaft zum Abschluss einer D&O-Versicherung besteht nicht; ebenso wenig besteht (vorbehaltlich einer entsprechenden Klausel im Anstellungsvertrag) ein Anspruch des Geschäftsführers zum Abschluss der Versicherung durch die Gesellschaft5.

9 e) Haftungsfreistellung: Aus vertraglicher Vereinbarung mit einem Dritten,

insbesondere einem herrschenden Gesellschafter, kann sich ein Anspruch des Geschäftsführers auf Freistellung von der Organinnenhaftung ergeben6. Der von einem Dritten in Anspruch genommene Geschäftsführer (Außenhaftung) kann nach den Grundsätzen des Auftragsrechts (§§ 670, 675 BGB) einen Anspruch auf Haftungsfreistellung gegen die Gesellschaft haben, wenn sein haftungs-

1 Zur weiten Auslegung des Begriffs des „Dritten“ s. BGH ZIP 2016, 976 Rn 19 f. 2 Dazu etwa BGH ZIP 2016, 976 Rn 22 und Böttcher NZG 2008, 645 ff; Dreher/Thomas ZGR 2009, 31, 40 ff; Lange D&O-Versicherung und Managerhaftung, § 21; Thomas Haftungsfreistellung, S. 449 ff. 3 Zum Selbstbehalt näher Lange D&O-Versicherung und Managerhaftung, § 16; Thomas Haftungsfreistellung, S. 213 ff. 4 Henssler in Henze/Hoffmann-Becking (Hrsg), Gesellschaftsrecht 2001, S. 131, 155; Lohr NZG 2000, 1204, 1212; U/H/L/Paefgen Rn 425; Scholz/Uwe H. Schneider Rn 438; B/H/ Zöllner/Noack Rn 112; aA Möhrle Gesellschaftsrechtliche Probleme der D&O-Versicherung, 2007, S. 210 ff; Thomas Haftungsfreistellung, S. 315 f, die Zuständigkeit der Geschäftsführer annehmen. 5 Näher dazu MünchKomm/Fleischer Rn 379 ff; Thomas Haftungsfreistellung, S. 258 ff, je mwN. 6 Zu den Wirksamkeitsgrenzen solcher Vereinbarungen s. Westermann FS Beusch, 1993, S. 871; Habersack FS Ulmer, 2003, S. 151; Thomas Haftungsfreistellung, S. 75 ff.

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begründendes Verhalten im Gesellschaftsinteresse lag1. Zur Einschränkbarkeit der Organhaftung gegenüber der Gesellschaft Rn 60 ff.

2. Pflichten und Sorgfaltsmaßstab (§ 43 Abs. 1) a) Grundlagen: § 43 Abs. 1 unterwirft den Geschäftsführer der Sorgfalt eines or- 10 dentlichen Geschäftsmannes, zu verstehen als die Sorgfalt eines selbständigen, treuhänderischen Verwalters fremder Vermögensinteressen2 in verantwortlich leitender Position3. Dabei können Art und Größe des Unternehmens für diesen Maßstab von Bedeutung sein. Persönliche Eigenschaften des Geschäftsführers (Alter, mangelnde geschäftliche Erfahrung etc) sind indes ohne Belang; der Geschäftsführer kann sich nicht darauf berufen, seiner Aufgabe nicht gewachsen gewesen zu sein4; verfügt der Geschäftsführer aber über besondere individuelle Fähigkeiten, bestimmen diese den für ihn geltenden Sorgfaltsmaßstab mit5. § 43 Abs. 1 umschreibt einen Verschuldensmaßstab, liefert aber zugleich den 11 Maßstab für die Konkretisierung der dem Geschäftsführer obliegenden Organpflichten, soweit sie nicht schon gesetzlich ausformuliert sind (zu den gesetzlich zugewiesenen Einzelaufgaben s. die Beispiele § 37 Rn 5). Denn die Verhaltenspflichten gegenüber der Gesellschaft (§ 43 Abs. 2 spricht von „Obliegenheiten“) lassen sich nur vor dem Hintergrund des in § 43 Abs. 1 umschriebenen Sorgfaltsmaßstabs eingrenzen6. Auch wenn man § 43 Abs. 1 nicht schon unmittelbar die Funktion einer Pflichtenquelle zubilligen mag7, wird in der Systematik des Gesetzes die Pflicht des Geschäftsführers zur ordnungsgemäßen (dem Standard der „Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes“ entsprechenden) Unternehmensleitung doch vorausgesetzt. b) Pflicht zur ordnungsgemäßen Unternehmensleitung ist dem Ziel der best- 12 möglichen Förderung des Gesellschaftszwecks gewidmet, und zwar in allen zen1 Näher Bastuck Enthaftung des Managements, 1986, S. 108 ff; Marsch-Barner in Hdb Managerhaftung, § 17 Rn 6 ff; Thomas Haftungsfreistellung, S. 239 ff; zu Regressansprüchen gegen die Gesellschafter s. Hommelhoff/Schwab FS Kraft, 1998, S. 263. 2 Zur Treuhänderstellung des Geschäftsführers Grundmann Der Treuhandvertrag, 1997, S. 421 ff. 3 OLG Brandenburg NZG 2001, 756; OLG Celle NZG 2000, 1178, 1179; OLG Koblenz GmbHR 1991, 416, 417; OLG Oldenburg GmbHR 2006, 1263, 1264; OLG Zweibrücken NZG 1999, 506 f. 4 BGH WM 1971, 1548; BGH GmbHR 1983, 300; OLG Schleswig GmbHR 2010, 864, 867; Sandmann S. 326 f; U/H/L/Paefgen Rn 38; MünchKomm/Fleischer Rn 255. 5 Bayer GmbHR 2014, 897, 898; Scholz/Uwe H. Schneider Rn 232; B/H/Zöllner/Noack Rn 11. 6 Zutreffend B/H/Zöllner/Noack Rn 18. 7 So aber etwa U/H/L/Paefgen Rn 3 und 166; dagegen B/H/Zöllner/Noack Rn 8; R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 8.

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§ 43 | Haftung der Geschäftsführer tralen unternehmerischen Funktionsbereichen1 und unter Einhaltung des durch Gesetz, Satzung und ggf Anstellungsvertrag gesteckten Rahmens2. Zur Erfüllung der Legalitätspflicht3 hat der Geschäftsführer nicht nur die an ihn persönlich adressierten gesetzlichen Verhaltensanforderungen zu befolgen, etwa zur Kapitalbindung (vgl § 43 Abs. 3) oder zur Insolvenzantragspflicht (§ 15a Abs. 1 InsO). Er hat kraft seiner Organfunktion auch für die Erfüllung von Pflichten der Gesellschaft zu sorgen, welche dieser etwa im einschlägigen Verbandsrecht, im Bürgerlichen Recht (rechtsgeschäftliche Pflichten sowie Verkehrspflichten), im Wirtschaftsrecht (zB Kartellrecht4) oder auf (sonstiger) öffentlich-rechtlicher Grundlage5 auferlegt sind. Das schließt die Verpflichtung ein, durch geeignete organisatorische Vorkehrungen auch ein rechtskonformes Verhalten nachgeordneter Unternehmensmitarbeiter zu gewährleisten (dazu Rn 30). Die Legalitätspflicht hat der Geschäftsführer der Gesellschaft gegenüber, so dass diese ihn nach § 43 Abs. 2 in Regress nehmen kann, wenn sie von Dritten wegen Pflichtverletzung in Anspruch genommen wird oder ihr ein sonstiger Schaden aus der Pflichtwidrigkeit des Geschäftsführers entsteht6; s. auch Rn 46. Den Geschäftsführerpflichten gegenüber der Gesellschaft treten aber keineswegs notwendig und automatisch entsprechende Verhaltenspflichten (zB Verkehrspflichten oder Garantenpflichten) des Geschäftsführers gegenüber (geschädigten) Dritten an die Seite, die zur Außenhaftung des Geschäftsführers führen; näher dazu Rn 48, 71 ff, 79 ff. 13 Bei zweifelhafter Rechtslage hat der Geschäftsführer, dessen eigene Sachkunde

zur Klärung nicht ausreicht, fachkundigen Rat Dritter einzuholen und sodann eine abgewogene Entscheidung zu treffen7. Welche Anforderungen an die Einholung solchen Rats zu stellen sind, um dem Risiko (schuldhaft) pflichtwidrigen Handelns zu begegnen, ist Gegenstand jüngerer BGH-Entscheidungen. So hatte

1 S. die Unterscheidung bei MünchKomm/Fleischer Rn 56 ff: Planungs- und Steuerungsverantwortung, Organisationsverantwortung, Finanzverantwortung und Informationsverantwortung. Speziell zu den Anforderungen für ein „Informationsmanagement“ im Unternehmen Rodewald GmbHR 2014, 639. 2 Systematisierungsversuch bei Lutter GmbHR 2000, 301 ff: „10 Gebote an den Geschäftsführer“; s. ferner die „12 goldenen Regeln“ bei Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider GmbHR 2005, 1229 ff. 3 MünchKomm/Fleischer Rn 21 ff; U/H/L/Paefgen Rn 49 ff. 4 Vgl LAG Düsseldorf GmbHR 2015, 480, 481; zum – dort allerdings abgelehnten – Innenregress wegen Unternehmenskartellbußen s. Rn 46. 5 Zu den öffentlich-rechtlichen Organisationspflichten umfassend Spindler Unternehmensorganisationspflichten, 2001, S. 15 ff; zur verbleibenden Verantwortlichkeit von Gesellschaft und Geschäftsführung bei Aufgabendelegation s. Uwe H. Schneider/Brouwer FS Priester, 2007, S. 713. 6 Fleischer ZIP 2005, 141, 144; R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 10; U/H/L/Paefgen Rn 65; B/H/Zöllner/Noack Rn 17. 7 MünchKomm/Fleischer Rn 36 ff; U/H/L/Paefgen Rn 68; Scholz/Uwe H. Schneider Rn 79.

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der II. Zivilsenat schon im Jahre 2007 geurteilt, ein organschaftlicher Vertreter verletzte seine Insolvenzantragspflicht jedenfalls dann nicht schuldhaft, wenn er bei fehlender eigener Sachkunde zur Klärung des Bestehens der Insolvenzreife der Gesellschaft den Rat eines unabhängigen, fachlich qualifizierten Berufsträgers einhole, diesen über sämtliche für die Beurteilung erhebliche Umstände ordnungsgemäß informiere und nach eigener Plausibilitätskontrolle der ihm daraufhin erteilten Antwort dem Rat folge und von der Stellung eines Insolvenzantrags absehe1. Daran anknüpfend hat der Senat im Jahre 2011 die Anforderungen umschrieben, denen der Vorstand einer AG bei Prüfung einer Rechtsfrage (in casu: Kapitalerhöhung unter Einbringung eigener Aktien der Gesellschaft) unterworfen ist2: Um den strengen Anforderungen an die Prüfung der Rechtslage und die Beachtung von Gesetz und Rechtsprechung zu genügen, reiche eine schlichte Anfrage bei einer vom Vertretungsorgan für fachkundig gehaltenen Person durch die Gesellschaft nicht aus. Erforderlich sei vielmehr, dass sich das Vertretungsorgan, das selbst nicht über die erforderliche Sachkunde verfüge, unter umfassender Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft sowie Offenlegung der erforderlichen Unterlagen von einem unabhängigen, für die zu klärende Frage fachlich qualifizierten Berufsträger beraten lasse und die erteilte Rechtsauskunft einer sorgfältigen Plausibilitätskontrolle unterziehe3. Die entsprechende Darlegungs- und Beweislast trägt im Haftungsprozess das in Anspruch genommene Organmitglied4. Sind die skizzierten Anforderungen an die Einholung fachkundigen Rats erfüllt, fehlt es schon an der Pflichtwidrigkeit des Geschäftsführerhandelns, nicht erst am Verschulden5. Jene Anforderungen an die Entlastung von Organpersonen dürfen rechtsform- 14 übergreifend Geltung beanspruchen. Aus ihnen ist aber nicht abzuleiten, dass zwingend externer Rat eingeholt werden müsste. Unabhängigkeit des Beraters ist vielmehr im Sinne „innerer Unabhängigkeit“ und „Unvoreingenommenheit“ zu verstehen: es muss ergebnisoffen beraten werden6. Übereinstimmend hat im Jahre 2015 der II. Zivilsenat des BGH klargestellt, dass der Berater nicht persönlich unabhängig sein müsse; er müsse seinen Rat vielmehr sachlich unabhängig, dh unbeeinflusst von unmittelbaren oder mittelbaren Vorgaben hinsichtlich des

1 BGH GmbHR 2007, 757; bestätigend BGH GmbHR 2012, 746 Rn 16 f mit der Klarstellung, dass die zur Prüfung des Insolvenzeintritts fachlich qualifizierte Person nicht notwendig ein Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwalt sein müsse; s. ferner OLG Stuttgart ZIP 2009, 2386 zu den Anforderungen an die Auswahlentscheidung über den Berater. 2 BGH AG 2011, 876 – Ision; aus der umfangreichen Diskussion im Anschluss an diese Entscheidung s. stellvertretend Decker GmbHR 2014, 72 ff; Sander/S. Schneider ZGR 2013, 725 ff. 3 Bestätigend BGH ZIP 2015, 1220 Rn 28. 4 BGH ZIP 2015, 1220 Rn 35. 5 MünchKomm/Fleischer Rn 42f; Sander/S. Schneider ZGR 2013, 725, 731, 738 ff. 6 So zutreffend auch schon Strohn ZHR 176 (2012), 137, 141.

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§ 43 | Haftung der Geschäftsführer Ergebnisses erteilt haben1. Unter dieser Voraussetzung darf die Expertise der fachlich qualifizierten (Konzern-)Rechtsabteilung ebenso herangezogen werden wie die (entsprechend qualifizierter) externer Berater. Das Gebot unabhängiger Beratung ist im Übrigen gewiss noch nicht als verletzt anzusehen, wenn aufkommende Zweifel an der Belastbarkeit eines Vertrags- oder Konzeptentwurfs mit dem Entwurfsverfasser erörtert und im Zuge von überarbeiteten Entwürfen behoben werden. Demgegenüber ist die Schlussfolgerung, schon bei einem irgendwie gearteten Anlass zum Misstrauen gegenüber dem Entwurf eines externen Anwalts müsse der Geschäftsleiter – wenn er die Überprüfung nicht selbst vornehmen könne – einen anderen Berater (und ggf einen Dritten) beauftragen2, aus den aktuell publizierten BGH-Entscheidungen nicht ableitbar. Zweifelhaft ist im Übrigen die vom BGH verlangte „sorgfältige Plausibilitätskontrolle“3. Hieraus war gefolgert worden, der Geschäftsleiter müsse etwa ein Gutachten gründlich lesen und dabei überlegen, ob er die Darlegungen verstehe und sie ihm einleuchten würden; ihm sei zudem zu empfehlen, die Art seiner Plausibilitätskontrolle und deren Ergebnis zu dokumentieren4. Freilich wird ein Geschäftsleiter, sofern er im konkreten Zusammenhang nicht selbst fachlich qualifiziert ist, kaum zu einer Kontrolle in der Lage sein, die über äußere Merkmale (etwa: fehlende oder unzureichende Wiedergabe der zugrundeliegenden Tatsachen; erkennbar einseitige und oberflächliche Bearbeitung der Fragestellung) hinausreicht. Bei dem Kriterium der Plausibilitätskontrolle wird es deshalb va um die Ausgrenzung von „Gefälligkeitsgutachten“5 (Gutachten mit bloßer „Feigenblattfunktion“6) gehen, die zweifellos nicht entlasten. Tendenziell gleichsinnig hat auch der BGH mittlerweile klargestellt, dass die gebotene Plausibilitätsprüfung (der erteilten Auskunft) allein zum Gegenstand habe, ob dem Berater alle erforderlichen Informationen zur Verfügung gestanden hätten, er diese verarbeitet und dabei alle sich einem Rechtsunkundigen aufdrängenden Fragen beantwortet habe7. – Ein aus der normativen Sicht eines „ordentlichen Geschäftsleiters“ (s. § 43 Abs. 1) objektiv plausibler Rat sollte freilich auch dann haftungsentlastend wirken, wenn der Geschäftsführer im späteren Haftungsprozess nicht durch entsprechende Dokumentation belegen kann, auf welche Art und mit welchem Ergebnis er die Beratung seinerzeit einer „sorgfältigen Plausibilitätskontrolle“ unterzogen hatte; s. zum (zulässigen) Einwand pflichtgemäßen Alternativverhaltens Rn 52 aE. 1 BGH ZIP 2015, 1220 Rn 36. 2 So Strohn ZHR 176 (2012), 137, 140; dagegen auch Kiefner/Krämer AG 2012, 498, 499 f; Krieger ZGR 2012, 496, 500 f. 3 Dazu etwa Fleischer FS Hüffer, 2010, S. 187, 194 ff; Merkt/Mylich NZG 2012, 525, 529; Sander/S. Schneider ZGR 2013, 725, 752 ff. 4 Strohn ZHR 176 (2012), 137, 142. 5 Vgl BGH GmbHR 2007, 757 Rn 17. 6 Fleischer FS Hüffer, 2010, S. 187, 194. 7 BGH ZIP 2015, 1220 Rn 33.

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Verstöße gegen die Legalitätspflicht kann ein Geschäftsführer nicht mit dem 15 Vorbringen rechtfertigen, sie lägen (objektiv oder subjektiv) im Interesse der Gesellschaft („nützliche Pflichtverletzungen“)1; denn das Gesellschaftsinteresse als Verhaltensmaßstab ist im Rahmen der zwingenden Gesetzesvorgaben zu definieren2. Pflichtwidrig sind heute deshalb auch sog „nützliche Aufwendungen“3 in Form von Schmiergeldzahlungen an in- wie ausländische Amtsträger oder Private4; vgl im Einzelnen §§ 299, 333, 334, 335, 335a StGB iVm Art. 2 IntBestG5. Spielraum für eine Abwägung mit dem Gesellschaftsinteresse verbleibt dem Geschäftsführer aber für die Nichteinhaltung von privatrechtlichen Pflichten der Gesellschaft; vertraglich begründete Verpflichtungen und privatrechtliche Pflichten aus gesetzlichen Schuldverhältnissen nehmen am unbedingten Vorrang der Legalitätspflicht nicht teil6. Ein Geschäftsführer, der durch Vertragsbruch eine Schadensersatzpflicht der Gesellschaft veranlasst, handelt deshalb noch nicht per se pflichtwidrig. Die Legalitätspflicht schließt die Bindung an die innerverbandliche Kom- 16 petenzordnung ein7 und verpflichtet in diesem Sinne insbesondere zur Einhaltung der Satzungsvorgaben über den Unternehmensgegenstand8, zur Beachtung von Zuständigkeitsvorbehalten zugunsten von Gesellschaftern9 oder eines ggf 1 Fleischer ZIP 2005, 141, 145; MünchKomm/Fleischer Rn 43 ff; Fleischer in Hdb Vorstandsrecht, § 7 Rn 22 ff; Lutter ZIP 2007, 841, 843 f; U/H/L/Paefgen Rn 66; Michalski/ Haas/Ziemons Rn 50 ff; s. aus aktienrechtlicher Perspektive auch Thole ZHR 173 (2009), 504, 512 ff. 2 Ebenso Fleischer GmbHR 2010, 1307, 1311; Fleischer ZIP 2005, 141, 148: Einhaltung der Gesetzesbestimmungen ist dem Gesellschaftsinteresse vorgeordnet. 3 Dazu Riegger/Götze in Hdb Managerhaftung, § 26 Rn 36 ff. 4 Fleischer ZIP 2005, 141, 145; MünchKomm/Fleischer Rn 33 f; U/H/L/Paefgen Rn 66; Scholz/Uwe H. Schneider Rn 76. – Die ältere Entscheidung BGHZ 94, 268, 271 f ist angesichts der zwischenzeitlichen Gesetzgebungsinitiativen zur Bestechungsbekämpfung im internationalen Geschäftsverkehr (s. Riegger/Götze in Hdb Managerhaftung, § 26 Rn 40) überholt. 5 Zu den aktuellen Änderungen im Zuge des Gesetzes zur Bekämpfung der Korruption vom 20.11.2015 (BGBl I 2025) s. etwa Grützner ZIP 2016, 253; F. Walther DB 2016, 95. 6 Im Ansatz gleichsinnig Fleischer ZIP 2005, 141, 144, 150; MünchKomm/Fleischer Rn 40; S/I/Lücke/Simon Rn 22; Lutter ZIP 2007, 841, 843; Michalski/Haas/Ziemons Rn 51; Uwe H. Schneider FS Hüffer, 2010, S. 905, 910 ff; Thole ZHR 173 (2009), 504, 518 f; vgl aber auch U/H/L/Paefgen Rn 67; Scholz/Uwe H. Schneider Rn 79a; B/H/Zöllner/Noack Rn 23a/b, die (mit unterschiedlicher Abgrenzung) auch bestimmte zivilrechtliche oder öffentlich-rechtliche Pflichten in diesen Ausschluss einbeziehen wollen. Gegen eine Einschränkung der Verantwortlichkeit bei Vertragsverletzungen zudem Wiedemann ZGR 2011, 183, 199. 7 MünchKomm/Fleischer Rn 26 f; U/H/L/Paefgen Rn 53. 8 BGHZ 119, 305, 332; BGH AG 2013, 259 Rn 14. 9 KG GmbHR 2005, 477, 478; KG GmbHR 2011, 477, 483; OLG Naumburg GmbHR 2014, 985, 987.

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§ 43 | Haftung der Geschäftsführer bestehenden Aufsichtsrats1 oder Beirats2 sowie des Weisungsrechts der Gesellschafter (zu Einzelheiten § 37 Rn 17 ff). Kompetenzwidriges Geschäftsführerhandeln ist stets pflichtwidrig3; ein daraus resultierender Schaden der Gesellschaft ist nach § 43 Abs. 2 zu ersetzen (s. Rn 45 f sowie – zum Einwand pflichtgemäßen Alternativverhaltens – Rn 53). 17 Innerhalb der Gesellschaft muss jeder Geschäftsführer mit den anderen Geschäftsführern sowie mit den anderen Gesellschaftsorganen (Aufsichtsrat, Beirat etc) und mit allen Gesellschaftern loyal zusammenarbeiten4. Auch dabei sind die Bindungen an Gesetz und Satzung zu beachten. Verstößt die mehrheitlich getroffene Entscheidung eines Geschäftsführerkollegiums gegen diese Bindungen, kann ein einzelner Geschäftsführer dem Vorwurf eigener Pflichtwidrigkeit noch nicht mit dem Hinweis begegnen, er habe gegen die Maßnahme gestimmt oder sich der Stimme enthalten5. Er hat vielmehr ggf die Verpflichtung, gegen geplante Maßnahmen oder Entscheidungen anderer zu remonstrieren, uU auch durch Einschaltung der Gesellschafter (§ 37 Rn 30). Umgekehrt handelt der Geschäftsführer pflichtwidrig, wenn er den Mitgeschäftsführern – bzw den Gesellschaftern – wichtige Informationen vorenthält. Zur Aufgabenteilung unter mehreren Geschäftsführern (Ressortbildung) und zur Delegation an nachgeordnete Mitarbeiter Rn 29 f. 18 In konzernleitenden Gesellschaften hat die Geschäftsführerpflicht zur ordnungsgemäßen Unternehmensleitung eine konzernweite Dimension; s. auch § 37 Rn 6. Leitung und Überwachung der Tochtergesellschaften gehören zu den Organpflichten des Geschäftsführers einer konzernleitenden Gesellschaft6. Dessen Verantwortlichkeit wächst in dem Maße, in dem die Töchter in die konzernstiftende einheitliche Leitung durch die Obergesellschaft eingebunden werden. Für die Verletzung seiner Leitungspflicht ist er der eigenen Gesellschaft gegenüber verantwortlich7. 19 Als Verwalter fremder Vermögensinteressen unterliegt auch der Geschäftsführer im Verhältnis zur Gesellschaft einer besonderen Treupflicht. In allen Angelegenheiten, die das Interesse der Gesellschaft berühren, muss jeder Geschäftsführer allein deren Wohl und nicht seinen eigenen Nutzen im Auge haben8. Er muss dafür sorgen, dass Ansprüche der Gesellschaft (auch solche gegen verbun1 2 3 4 5 6 7

OLG Oldenburg GmbHR 2006, 1263, 1266. OLG Köln NZG 2009, 1223. Vgl BGH AG 2015, 535 Rn 24 (für den Vorstand der AG). U/H/L/Paefgen § 43 Rn 58; Scholz/Uwe H. Schneider Rn 140 ff. Fleischer BB 2004, 2645, 2647 ff. ThürOLG GmbHR 2010, 483, 484 und dazu Wilsing/Ogorek NZG 2010, 216. Näher zu den Geschäftsführerpflichten in einer konzernleitenden GmbH Jungkurth Konzernleitung bei der GmbH, 2000, S. 57 ff; Drygala in Praxishdb der GmbH-Geschäftsführung, § 42 Rn 74 ff; Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider GmbHR 2010, 1313 ff. 8 BGH WM 1983, 498, 499 = GmbHR 1983, 300; BGH NJW 1986, 585, 586 = GmbHR 1986, 42; BGH GmbHR 2008, 144, 145; OLG Koblenz GmbHR 1999, 1201; OLG Naumburg GmbHR 2014, 985, 987 f; s. aber auch BGH GmbHR 1995, 446; BGH ZIP 1997,

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dene Unternehmen) tatsächlich durchgesetzt werden1; er muss die Ansprüche rechtzeitig geltend machen und im Falle einer Vermögensverschlechterung des Schuldners rechtzeitig geeignete Maßnahmen ergreifen, um einem Ausfall des Anspruchs entgegenzuwirken2. Der Geschäftsführer unterliegt für die Dauer seiner Amtsstellung einem Wettbewerbsverbot (näher Anh zu § 6 Rn 20 ff) und hat Geschäftschancen (vgl Anh zu § 6 Rn 20) allein für die Gesellschaft wahrzunehmen, darf sie nicht im eigenen Interesse nutzen3. Der Geschäftsführer darf nicht veranlassen, dass eine ihm nach dem Anstellungsvertrag nicht zustehende Vergütung gezahlt wird4; erkennbar pflichtwidrige Auszahlungen an einen Mitgeschäftsführer muss er unterbinden5. Empfangene Provisionen, Schmiergelder etc hat er an die Gesellschaft herauszugeben6. Über vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft, namentlich über 20 Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, hat jeder Geschäftsführer gegenüber Außenstehenden Stillschweigen zu bewahren (Verschwiegenheitspflicht)7. Zu diesen Außenstehenden zählen weder die einzelnen Gesellschafter noch die Mitglieder des Aufsichtsrats oder Beirats, wenn diese auf dem gesetzlich oder gesellschaftsvertraglich vorgesehenen Wege informiert werden; ebenso wenig Betriebsrat oder Wirtschaftsausschuss bei der Unterrichtung nach § 106 BetrVG8. Dabei ist in mehrköpfigen Geschäftsleitungen allerdings die Gesamtzuständigkeit des Organs zu respektieren9. Die Weitergabe vertraulicher Informationen an externe Dritte (zB Berater) kann im Gesellschaftsinteresse gerechtfertigt sein; ist der Informationsempfänger nicht seinerseits von Berufs wegen zur Verschwiegenheit verpflichtet, ist ggf eine Vertraulichkeitsvereinbarung abzuschließen10. Will ein Gesellschafter seinen Anteil veräußern, so darf der Geschäftsführer den 21 Erwerbsinteressenten nicht aus eigener Rechtsmacht, sondern allein auf der

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

1063, 1064; weiterführend MünchKomm/Fleischer Rn 152 ff; Palzer Fortwirkende organschaftliche Pflichten des Geschäftsführers der GmbH, 2001, S. 15 ff. KG GmbHR 1959, 257; OLG Koblenz v. 26.2.2007 – 12 U 1597/05, GmbHR 2007, 827 (LS); Ebenroth/Lange GmbHR 1992, 69, 72; MünchKomm/Fleischer Rn 101; Michalski/ Haas/Ziemons Rn 77 f. MünchKomm/Fleischer Rn 101. BGH GmbHR 1986, 42; KG GmbHR 2010, 869; s. zur sog Geschäftschancenlehre etwa MünchKomm/Fleischer Rn 175 ff; U/H/L/Paefgen Rn 97 ff; Verse in Hdb Managerhaftung, § 22 Rn 24 ff. BGH GmbHR 2008, 144, 145. OLG München WM 2016, 164. OLG Düsseldorf GmbHR 2000, 666; zur Herausgabepflicht nach § 667 BGB s. Anh zu § 6 Rn 18 mN. Bank NZG 2013, 801, 802 ff; MünchKomm/Fleischer Rn 199 ff; U/H/L/Paefgen Rn 149 ff; Scholz/Uwe H. Schneider Rn 144 ff; Michalski/Haas/Ziemons Rn 127 ff; Palzer Fortwirkende Pflichten, S. 21 ff. Ebenso U/H/L/Paefgen Rn 156; insoweit zu eng Scholz/Uwe H. Schneider Rn 144 f. U/H/L/Paefgen Rn 155. Michalski/Haas/Ziemons Rn 132.

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§ 43 | Haftung der Geschäftsführer Grundlage eines Gesellschafterbeschlusses (arg §§ 49 Abs. 2, 51a Abs. 2 Satz 2) Einblick in die Gesellschaftsinterna (zB im Rahmen einer due diligence) eröffnen; Gesellschafterbeschluss ist an der Treupflicht zu messen, Mehrheitsentscheidung genügt dabei jedoch nicht1. Zum Informationsanspruch des veräußerungswilligen Gesellschafters und seinem Recht zur Weiterleitung der empfangenen Informationen s. § 51a Rn 31. 22 Spenden aus Gesellschaftsmitteln an karitative oder parteipolitische Einrichtun-

gen etc sowie andere soziale Aktivitäten wie Zuwendungen zur Förderung sportlicher, wissenschaftlicher, sozialer oder kultureller Veranstaltungen sind mit dem Gesellschaftswohl (Gesellschaftsinteresse) keineswegs von vornherein unvereinbar. Geschäftsführer, die solche Zuwendungen veranlassen, handeln deshalb nicht per se pflichtwidrig; insoweit gilt im Recht der GmbH nichts anderes als im Aktienrecht2. Übersteigt der Aufwand für solche Zuwendungen das Angemessen-Vernünftige3, bedürfen die Geschäftsführer aber der Gesellschafterzustimmung4; denn die Ausgaben hierfür berührt das Gewinnbezugsrecht der Gesellschafter (§ 29 Rn 3). Unter dieser Voraussetzung unterliegen nicht nur unentgeltliche Zuwendungen in Form von Spenden, sondern auch das (entgeltliche) Sponsoring (etwa Sport- oder Kultursponsoring) dem Vorbehalt der Gesellschafterzustimmung; denn der wirtschaftliche Nutzen der erwarteten Gegenleistung (Werbeeffekt einschließlich Imagegewinn) ist typischerweise ungewiss und nicht verlässlich kalkulierbar5. Ebenso müssen die Gesellschafter eingeschaltet werden, wenn Anlass zu Zweifeln besteht, ob diese in ihrer Mehrheit die beabsichtigten Zuwendungen billigen. Das Handlungsermessen der GmbH-Geschäftsführer ist deshalb enger als das des AG-Vorstandes. Hier wie dort aber

1 Streitig; wie hier etwa LG Köln GmbHR 2009, 261, 262; Lutter ZIP 1997, 613, 616; R/A/ Altmeppen Rn 25; Scholz/Uwe H. Schneider Rn 148; Michalski/Haas/Ziemons Rn 132b. Andere wollen, zT unter Befürwortung eines Stimmrechtsausschlusses des veräußerungswilligen Gesellschafters, ggf Mehrheitsentscheidung genügen lassen: Bihr BB 1998, 1198, 1200; Engelhardt GmbHR 2009, 237, 242; MünchKomm/Fleischer Rn 208; Götze ZGR 1999, 202, 224 f; Körber NZG 2002, 263, 268; Mielke/Molz DB 2008, 1955, 1956; U/H/L/Paefgen Rn 158; Volhard/Weber FS Semler, 1993, S. 387, 409 ff; MünchKomm/ Wißmann § 85 Rn 41; Ziegler DStR 2000, 249, 251 f; auch MünchKomm/Stephan/Tieves § 37 Rn 137 f, die einen Gesellschafterentscheid unter bestimmten Voraussetzungen sogar als entbehrlich ansehen. 2 Zum Aktienrecht BGH AG 2002, 347 – 1. StrafS. Aus dem Schrifttum s. insbesondere Fleischer AG 2001, 171; Fleischer in Hdb Vorstandsrecht, § 1 Rn 36 ff; Laub AG 2002, 308; Mülbert AG 2009, 766; Ransiek AG 2009, 782; Riegger/Götze in Hdb Managerhaftung, § 26 Rn 6 ff; Säcker BB 2009, 282, je mwN. 3 Näher Scholz/Uwe H. Schneider Rn 71 ff, freilich mit problematischer Orientierung an einer festen Bezugsgröße: 2 % des Bilanzgewinns. 4 S. schon Vorderwülbecke BB 1989, 505; Westermann ZIP 1990, 771; Kind NZG 2000, 567, 572 f; im Ergebnis übereinstimmend MünchKomm/Fleischer Rn 104 ff, der ebenfalls Geschäftsführerzuständigkeit (nur) bei Spenden „im Rahmen des Angemessenen“ anerkennt. 5 Riegger/Götze in Hdb Managerhaftung, § 26 Rn 10.

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lassen sich keine festen Grenzen hinsichtlich der noch erlaubten Größenordnung einer Zuwendung formulieren. Die Unternehmensleiter müssen sich in ihren sozialen Aktivitäten am Gesellschaftsinteresse und der aktuellen Ertragslage orientieren sowie Aufwand und erhofften Nutzen der Zuwendung abwägen1; dabei steht ihnen ein unternehmerisches Entscheidungsermessen zu. Jedoch dürfen sie die sozialen Aktivitäten der Gesellschaft nicht an ihren eigenen persönlichen Präferenzen ausrichten. Überschreiten die Geschäftsführer die skizzierten Kompetenzgrenzen, so handeln sie allein deshalb pflichtwidrig und müssen der Gesellschaft uU Schadensersatz leisten. c) Ermessensspielraum des Geschäftsführers (Business Judgment Rule): Bei 23 unternehmerischen Entscheidungen der Geschäftsführer, dh soweit die Geschäftsführung nicht durch Gesetz, Satzung oder Vorgaben der Gesellschafter determiniert ist2, steht den Geschäftsführern ein der gerichtlichen Kontrolle entzogener Handlungsspielraum zu, der durch geschäftliches Entscheidungsermessen geprägt ist3. Die in der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung des BGH4 für den AG-Vorstand aufgestellten – seit 2005 in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG5 kodifizierten – Grundsätze gelten entsprechend für die GmbH-Geschäftsführer6: Bei der Führung der Geschäfte des Unternehmens ist ihnen ein weiter Handlungsspielraum zuzubilligen, zu dem neben dem bewussten Eingehen geschäftlicher Risiken auch die Gefahr von Fehlbeurteilungen und Fehleinschätzungen gehört. Bewegen sich die Geschäftsführer im Rahmen dieses Handlungsspielraums, so handeln sie nicht pflichtwidrig; eine Schadensersatzpflicht kann erst dann in Betracht kommen, wenn jene Grenzen deutlich überschritten sind, in denen sich ein verantwortungsbewusstes, ausschließlich am Unternehmensinteresse orientiertes, auf sorgfältigen Ermittlungen beruhendes Handeln bewegen muss7. – Der BGH und (in der Folge) der Gesetzgeber des AktG (§ 93 Abs. 1 Satz 2 AktG) haben sich damit an der Business Judgment Rule des US-amerikanischen Rechts orientiert, wobei die hierzulande maßgebliche Verteilung der Darlegungs- und Beweislast (dazu Rn 43 ff) aber unberührt bleibt8. Im GmbH-Recht 1 Riegger/Götze in Hdb Managerhaftung, § 26 Rn 27 und 35 mwN. 2 Zu diesen Geschäftsführungspflichten ohne Handlungsermessen s. etwa Goette FS 50 Jahre Bundesgerichtshof, 2000, S. 123, 130 ff. 3 Zusammenfassend und instruktiv Lutter ZIP 2007, 841 ff. 4 BGHZ 135, 244. 5 Die Vorschrift lautet: „Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln.“ 6 BGH GmbHR 2003, 113, 114; BGH ZIP 2008, 1675, 1676 f = GmbHR 2008, 1033; BGH GmbHR 2013, 1044 Rn 27; OLG Oldenburg GmbHR 2006, 1263, 1264; OLG Stuttgart GmbHR 2003, 835, 836; KG GmbHR 2011, 477, 479; LG Berlin ZIP 2004, 73, 74; Bayer GmbHR 2014, 897, 898 f; MünchKomm/Fleischer Rn 71; B/H/Zöllner/Noack Rn 22; U/H/L/Paefgen Rn 48. 7 BGHZ 135, 244, 253 f. 8 Lutter ZIP 2007, 841, 846; s. auch Heermann ZIP 1998, 761, 765 ff.

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§ 43 | Haftung der Geschäftsführer ist zudem stets die Kompetenzverteilung in der jeweiligen Gesellschaft zu berücksichtigen: In dem Maße, in dem die Geschäftsführer – ggf nach vorheriger Anrufung der Gesellschafter (zu deren Zuständigkeit für die Grundsätze der Unternehmenspolitik sowie für ungewöhnliche Maßnahmen s. § 37 Rn 8 ff)1 – aufgrund von Weisungen der Gesellschafter agieren (s. § 37 Rn 1 und 17 ff), reduziert sich das ihnen einzuräumende Entscheidungsermessen2. 24 Zentraler Maßstab für die pflichtkonforme Wahrnehmung des Ermessensspiel-

raums bei unternehmerischen Entscheidungen ist

(1) die Orientierung am Gesellschaftsinteresse: der Geschäftsführer muss vernünftigerweise annehmen dürfen, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln; und (2) die angemessene Vorbereitung der Geschäftsführungsentscheidung. 25 Wegen der Bindung an das Gesellschaftsinteresse kann sich ein Geschäftsfüh-

rer auf das Privileg unternehmerischen Entscheidungsermessens nicht berufen, wo er etwa unverantwortliche Risiken eingeht (s. Rn 28). Entsprechendes gilt, wenn er unter dem Einfluss von Drittinteressen agiert, die mit dem Gesellschaftsinteresse (potentiell) konfligieren3; dann nämlich ist die Annahme nicht gerechtfertigt, sein Handeln sei allein am Wohl der Gesellschaft ausgerichtet. Der einem Interessenkonflikt unterliegende Geschäftsführer handelt deshalb zwar noch nicht notwendig pflichtwidrig, aber sein Handeln bleibt der uneingeschränkten gerichtlichen Überprüfung unterworfen. Für die Entscheidungen eines Geschäftsführerkollegiums wird das für alle Mitglieder des Kollegiums gelten müssen, wenn zwar nur einzelne der mitberatenden und mitentscheidenden Geschäftsführer befangen sind, die anderen aber um diesen Interessenkonflikt wussten4 – es sei denn, man wollte darauf vertrauen, dass die anderen Geschäftsführer die Argumente ihres befangenen Kollegen besonders sorgfältig geprüft und kritisch hinterfragt haben5. Ist der Interessenkonflikt einzelner Geschäftsführer (treu- und deshalb pflichtwidrig6) überhaupt nicht offengelegt

1 Fleischer NZG 2011, 521, 524 f. 2 MünchKomm/Fleischer Rn 72 ff; Goette DStR 2003, 887, 894 f; Kuntz GmbHR 2008, 121, 123 f. 3 Dazu MünchKomm/Fleischer Rn 86; U/H/L/Paefgen Rn 112 ff; Lutter ZIP 2007, 841, 844; Lutter FS Canaris Bd II, 2007, S. 245; Lutter FS Priester, 2007, S. 417; Michalski/Haas/ Ziemons Rn 71 ff. 4 So mit guten Gründen schon Lutter FS Canaris Bd II, 2007, S. 245, 249 f. 5 Mit dieser Begründung will ein großer Teil des Schrifttums das Entscheidungsermessen der nicht befangenen Organmitglieder weiterhin schützen; s. etwa Blasche AG 2010, 692, 698; MünchKomm/Fleischer Rn 86a; Löbbe/Fischbach AG 2014, 717, 727 f; U/H/L/Paefgen Rn 115; im Ergebnis auch Michalski/Haas/Ziemons Rn 71c. 6 Vgl Löbbe/Fischbach AG 2014, 717, 725; Lutter FS Priester, 2007, S. 417, 420; U/H/L/ Paefgen Rn 109 mwN.

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worden, werden die anderen in der Regel schon keinen Anlass zu solch einer kritischen Prüfung sehen können. Das spricht dann erst recht dafür, das Handeln aller Mitglieder des Kollegiums der uneingeschränkten gerichtlichen Kontrolle zu unterwerfen1. Teile des Schrifttums wollen den nicht befangenen (gutgläubigen) Kollegiumsmitgliedern hier gleichwohl den Schutz des Geschäftsleiterermessens gewähren, weil es insoweit entscheidend auf die subjektive Perspektive des einzelnen Geschäftsleiters (und nicht auf einen objektiv bestehenden Interessenkonflikt) ankomme2. Hat hingegen der befangene Geschäftsleiter weder an der Beratung noch an der Entscheidung teilgenommen, bleibt den übrigen Kollegiumsmitgliedern nach allen Ansichten der Schutz der Business Judgment Rule erhalten3. Die Übernahme der Geschäftsführung durch einen Gesellschafter4 begründet freilich noch keinen Interessenkonflikt, der der Business Judgment Rule entgegen steht5; anders aber, wenn der (Gesellschafter-)Geschäftsführer zugleich anderweitige unternehmerische Interessen außerhalb der Gesellschaft verfolgt. Die angemessene Vorbereitung der Ermessensentscheidung setzt, ganz nach 26 den Umständen des jeweiligen Einzelfalls, sorgfältige Recherche der maßgeblichen Entscheidungsgrundlagen mit Abschätzung der Entscheidungsfolgen und Abwägung denkbarer Entscheidungsalternativen voraus6. Das kann ggf auch die Verpflichtung einschließen, speziellen Rat eines unabhängigen, fachlich qualifizierten Beraters innerhalb oder außerhalb des Unternehmens einzuholen, falls die eigene Fachkunde der Geschäftsführer nicht hinreicht (s. schon Rn 13 f)7. Freilich ist der Gefahr zu begegnen, die Anforderungen an den Prozess sorgfältiger Entscheidungsvorbereitung aus der ex post-Perspektive richterlicher Beurteilung überzogen zu formulieren8; die Formulierung, der Geschäftsführer habe „alle verfügbaren Informationsquellen tatsächlicher und rechtlicher Art“ auszuschöpfen9, 1 S. schon Blasche AG 2010, 692, 694 ff; Lutter FS Canaris Bd II, 2007, S. 245, 248 f. 2 So etwa MünchKomm/Fleischer Rn 86b; Löbbe/Fischbach AG 2014, 717, 727. 3 MünchKomm/Fleischer Rn 86a; Löbbe/Fischbach AG 2014, 717, 725; Lutter FS Canaris Bd II, 2007, S. 245, 250. 4 Dazu auch Kuntz GmbHR 2008, 121, 124 ff. 5 Möglicherweise aA Lutter ZIP 2007, 841, 848. 6 BGH GmbHR 2008, 1033, 1034; OLG Oldenburg GmbHR 2006, 1263, 1265; MünchKomm/Fleischer Rn 84 ff; Lutter ZIP 2007, 841, 844 f; U/H/L/Paefgen Rn 123 ff. – S. zu diesem betont verfahrensbezogenen Ansatz aus aktienrechtlicher Perspektive schon Paefgen Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe in der AG, 2002, S. 154 ff, 177 ff, 222 ff. Speziell zur Entscheidungsvorbereitung durch einen „Berichterstatter“ im Geschäftsleiterkollegium Löbbe/Fischbach AG 2014, 717, 722 ff. 7 KG GmbHR 2011, 477, 480 und 482; MünchKomm/Fleischer Rn 84. 8 Gleichsinnig Redeke NZG 2009, 496. 9 So BGH GmbHR 2008, 1033, 1034; bestätigend BGH GmbHR 2013, 1044 Rn 30; daraus hat Strohn ZInsO 2009, 1417, 1420 die Feststellung abgeleitet: „I.d.R. scheidet eine Anwendung der business judgement rule … aus“.

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§ 43 | Haftung der Geschäftsführer ist zu weit geraten und zumindest missverständlich1. Denn als Entscheidungsgrundlage sind diejenigen Informationen einzuholen, die ein verantwortungsvoll (§ 43 Abs. 1: mit der „Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes“) handelnder Geschäftsleiter in der konkreten Entscheidungssituation als entscheidungserheblich ansehen und deshalb (in der zur Verfügung stehenden Zeit) beschaffen würde. Das ist ein normativer (objektivierter) Maßstab, der dem Geschäftsführer aber gleichwohl schon bei der Konkretisierung des Informationsbedarfs einen gewissen Ermessensspielraum belässt2; denn auch die Informationsbeschaffungspflicht zur Vorbereitung unternehmerischer Entscheidungen lässt sich in der Regel nicht „punktgenau“ umgrenzen3. Wenn der Geschäftsführer – was im Streitfall von ihm darzulegen und zu beweisen ist (s. Rn 52) – bei der Recherche seiner Entscheidungsgrundlagen (einschließlich der gebotenen Abwägung von Entscheidungsfolgen und Entscheidungsalternativen) die normative Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters wahrt, handelt er pflichtgemäß; es sei denn (theoretisch immerhin denkbar), er träfe trotz pflichtgemäßer Entscheidungsvorbereitung eine schlechterdings unvertretbare Entscheidung. Je höher das mit der intendierten Geschäftsführungsmaßnahme verbundene Risiko ist, um so strenger sind die Anforderungen an den Prozess sorgfältiger Entscheidungsfindung. Ein Unternehmens- oder Beteiligungserwerb erfordert in aller Regel die vorherige Prüfung der damit verbundenen Risiken im Zuge einer due diligence, deren konkrete inhaltliche Anforderungen von der Größenordnung des intendierten Geschäfts und dem zur Verfügung stehenden Zeitrahmen bestimmt werden4; verzichtet der Geschäftsführer auf eine angemessene Prüfung, unterliegt die Geschäftsführungsmaßnahme der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle. Späterer Fehlschlag einer sorgfältig vorbereiteten Maßnahme begründet indes nicht den Vorwurf pflichtwidrigen Geschäftsführerverhaltens. Mögliche Fehlbeurteilungen oder Fehleinschätzungen sind unternehmerischer Leitungstätigkeit im Wettbewerb eigen. 27 Einen so abgegrenzten, der weiteren gerichtlichen Kontrolle entzogenen Hand-

lungsspielraum kann es aber nur bei unternehmerischen Entscheidungen der Geschäftsführer geben. Diese sind durch die Existenz eines geschäftlichen Ent1 Kritisch etwa auch Balthasar/Hamelmann WM 2010, 589 und 591; MünchKomm/Fleischer Rn 85a; B/S/Klöhn Rn 39; U/H/L/Paefgen Rn 127; Redeke ZIP 2011, 59, 60, je mwN. 2 Ebenso Bunz Der Konzern 2012, 444, 447 ff; MünchKomm/Fleischer Rn 85a; Redeke ZIP 2011, 59, 60 ff; aA Freund GmbHR 2011, 238, 239. 3 Entsprechende Überlegungen lagen auch der Konzeption des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG nF zu Grunde; vgl Begründung § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG RegE UMAG, BT-Drucks 15/5092, S. 11 f und dazu Seibert/Schütz ZIP 2004, 252, 253 f. 4 S. etwa OLG Oldenburg GmbHR 2006, 1263, 1265; Böttcher NZG 2005, 49, 54; Böttcher NZG 2007, 481, 482 ff; C. Goette DStR 2014, 1776, 1777 f; MünchKomm/Fleischer Rn 100; Hemeling ZHR 169 (2005), 274, 277; U/H/L/Paefgen Rn 144; Werner GmbHR 2007, 678, 679.

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scheidungsermessens geprägt (Rn 23). Demgegenüber unterliegen (nach Gesetz, Satzung sowie durch Gesellschafterweisungen oder aufgrund von Vorgaben des Anstellungsvertrages) gebundene Entscheidungen1 der uneingeschränkten Überprüfung. Verstoßen die Geschäftsführer mit ihrem Handeln gegen gesetzliche Ge- bzw Verbote, die keinen Ermessensspielraum gewähren, oder verletzen sie die innerverbandliche Kompetenzordnung (Legalitätspflicht; s. Rn 12 ff), können sie sich auf das Privileg unternehmerischen Entscheidungsermessens nicht berufen; ihr Handeln ist vielmehr pflichtwidrig2. Noch einmal ist aber darauf hinzuweisen, dass der Geschäftsführer auch bei unternehmerischen Entscheidungen nur privilegiert ist, solange sich die Geschäftsführungsentscheidung noch innerhalb des unternehmerisch Vertretbaren, dh innerhalb des Ermessensspielraums hält. So darf der Geschäftsführer keine nicht zu rechtfertigenden und deshalb unverantwortlichen Risiken eingehen3; das wäre mit der Bindung an das Gesellschaftsinteresse (Rn 24) unvereinbar und deshalb pflichtwidrig. Der Geschäftsführer ist aber von Rechts wegen nicht zwingend gehalten, unter mehreren Optionen die für die Gesellschaft kostengünstigste zu wählen; entscheidend ist vielmehr, ob er bei Ausübung seines Ermessens vernünftigerweise annehmen durfte, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln4. Risikoreiche Geschäfte sind dem Geschäftsführer also nicht verwehrt; unter- 28 nehmerisches Handeln ist stets risikobehaftet. Erst wenn die Grenzen des erlaubten Risikos überschritten werden, handelt der Geschäftsführer pflichtwidrig. Das ist anzunehmen, wenn der Geschäftsführer die Bereitschaft, unternehmerische Risiken einzugehen, in nicht verantwortlicher Weise überspannt5: Etwa wenn er Waren auf Kredit an ein unbekanntes Unternehmen verkauft, ohne dessen Bonität zu prüfen und ohne die Gesellschaft genügend zu sichern6, insbesondere wenn durch dieses Geschäft das Stammkapital der Gesellschaft verletzt wird7. – Generalisierungsfähige Kriterien dafür, wie lange ein Risiko1 Zur Unterscheidung zwischen unternehmerischen und gebundenen Entscheidungen s. etwa MünchKomm/Fleischer Rn 81 ff; Lutter ZIP 2007, 841, 843; U/H/L/Paefgen Rn 47 und 117; Sven H. Schneider DB 2005, 707, je mwN. 2 Vgl etwa Fleischer ZIP 2005, 141, 145 f, 149; U/H/L/Paefgen Rn 53. 3 BGHZ 135, 244, 253 f; OLG Celle AG 2008, 711. 4 Vgl BGH GmbHR 2013, 1044 Rn 29 f: Abschluss einer über den gesetzlichen Gebühren liegenden Honorarvereinbarung mit einem anwaltlichen Berater. 5 BGHZ 135, 244, 253. 6 BGH GmbHR 1981, 191; s. auch BGH ZIP 2002, 213, 214 und ZIP 2005, 981, 982 f: nicht hinreichend gesicherte Kreditvergabe durch Genossenschaftsbank; OLG Koblenz GmbHR 2015, 357, 360: Leistung von Anzahlungen ohne Absicherung; ThürOLG NZG 2001, 86: Exportgeschäfte ohne die übliche Absicherung; OLG Düsseldorf GmbHR 1995, 227, 228: ungesichertes Arbeitnehmerdarlehen an die Ehefrau des Geschäftsführers. 7 Vgl BGH GmbHR 1986, 302, 303; s. noch ThürOLG NZG 1999, 121, 122; zur kostenaufwendigen Beauftragung eines evident ungeeigneten Beraters BGH GmbHR 1997, 163, 164.

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§ 43 | Haftung der Geschäftsführer geschäft noch erlaubt ist, lassen sich nicht formulieren1. Auch das Eingehen von Risiken, die sich ggf bestandsgefährdend auswirken können, ist nicht per se pflichtwidrig2, aber in besonderem Maße rechtfertigungsbedürftig; Entsprechendes gilt für Konzentrationsrisiken („Klumpenrisiken“)3. Die Geschäftsführer dürfen aber nicht gegen die in der betreffenden Branche anerkannten Erkenntnisse und Erfahrungsgrundsätze verstoßen4. Im Übrigen kommt es für die Beurteilung auch hier wesentlich darauf an, wie die Entscheidung, das Risikogeschäft einzugehen, vorbereitet wurde: ob also alle entscheidungserheblichen Erkenntnisquellen erschlossen, ob alle Möglichkeiten zur Risikosenkung wahrgenommen wurden, ob das Für und Wider intensiv genug abgewogen wurde. Entscheidendes Gewicht kommt dabei dem Umstand zu, welche Chancen mit dem risikoträchtigen Geschäft verbunden sind, welche Schäden die Gesellschaft erleidet, wenn sich das Risiko verwirklicht, und wie sich diese auf die Gesellschaft und deren Marktstellung, insbesondere auf deren Überlebensfähigkeit, auswirken5. Zur Risikoüberwachung s. Rn 31. 29 d) Aufgabenteilung und Delegation: Haben mehrere Geschäftsführer die lau-

fenden, nicht zwingend der Gesamtzuständigkeit unterliegenden Geschäftsführungsaufgaben (etwa durch Bildung von Ressorts) untereinander aufgeteilt, ist jeder Geschäftsführer in erster Linie für den ihm zugewiesenen Bereich verantwortlich. Angesichts der daneben bestehenden Gesamtverantwortung aller Geschäftsführer (näher § 37 Rn 29) muss aber jeder Geschäftsführer die ressortbezogene Tätigkeit der anderen Geschäftsführer beobachtend überwachen (s. auch § 37 Rn 32 und unten Rn 97)6. Schon um dieser Verpflichtung nachkommen zu können, ist jeder Geschäftsführer gehalten, sich über alle wesentlichen Angelegenheiten der Gesellschaft – auch außerhalb seines eigenen Ressorts – stetig7 zu informieren. Er hat ein dementsprechendes Recht8 gegenüber dem Geschäftsleitungsorgan „die Geschäftsführer“ (§ 6 Rn 3 ff) und ein Auskunftsrecht gegenüber jedem anderen Geschäftsführer (§ 37 Rn 32); das schließt ein zwin-

1 S. auch Scholz/Uwe H. Schneider Rn 99 ff; B/H/Zöllner/Noack Rn 22; Aufbereitung des Rechtsprechungsmaterials bei MünchKomm/Fleischer Rn 92 ff. 2 Balthasar/Hamelmann WM 2010, 589, 590; MünchKomm/Fleischer Rn 94; Florstedt AG 2010, 315, 319 ff; Redeke ZIP 2010, 159, 160 ff mwN. 3 Fleischer/Schmolke ZHR 173 (2009), 649, 673 ff; MünchKomm/Fleischer Rn 96; Florstedt AG 2010, 315, 320; zu pauschal OLG Düsseldorf ZIP 2010, 28, 32. 4 BGH ZIP 2002, 213, 214 für den Vorstand einer Genossenschaftsbank; zu den Anforderungen an eine Kreditvergabe s. auch Graef GmbHR 2004, 327. 5 Ebenso Balthasar/Hamelmann WM 2010, 589, 590; Freund GmbHR 2011, 238, 242 f. Für eine Übertragung dieser Grundsätze auf die Gewährung von Kulanzleistungen gegenüber Vertragspartnern Wiersch NZG 2013, 1206. 6 Ausführlich MünchKomm/Fleischer Rn 109, 111 ff; zusammenfassend Lohr NZG 2000, 1204, 1210; E. Vetter in Hdb Managerhaftung, § 18 Rn 4 ff, 85. 7 BGH GmbHR 1995, 299, 300. 8 BGH GmbHR 1977, 198; Lutter ZIP 1986, 1195, 1196.

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gendes Recht zur Bucheinsicht mit ein. Das Informationsrecht des einzelnen Geschäftsführers kann nur aus sachlichem Grund, etwa wegen andernfalls eintretender Interessenkollision, eingeschränkt werden; hierüber entscheiden die Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag oder durch einfachen Gesellschafterbeschluss1. Soweit es zur Wahrnehmung seiner gesetzlichen Mindestpflichten (vor allem §§ 41, 43 Abs. 3, 64; § 15a InsO) erforderlich ist, können dem einzelnen Geschäftsführer die Informationsrechte nicht entzogen werden; es bleibt allenfalls Abberufung aus wichtigem Grund (§ 38 Rn 16 ff). Verletzt der Geschäftsführer seine Beobachtungs- und Überwachungspflichten gegenüber dem Mitgeschäftsführer, kann dieses Versäumnis seine Haftung nach § 43 Abs. 2 begründen; zum Innenausgleich unter mehreren, als Gesamtschuldner haftenden Geschäftsführern s. Rn 38. Die Haftung beruht aber immer auf persönlicher Verantwortung kraft eigener Pflichtverletzung. Eine haftungsbegründende Zurechnung der Pflichtverletzungen eines Mitgeschäftsführers nach § 278 BGB scheidet aus; ebenso eine Haftung aus § 831 BGB: Mehrere Geschäftsführer sind im Verhältnis zueinander weder Erfüllungs- noch Verrichtungsgehilfen2. Zu den Haftungsrisiken des überstimmten Geschäftsführers bei pflichtwidrigen Entscheidungen des Geschäftsführerkollegiums s. Rn 16. Selbstverständlich ist den Geschäftsführern eine Aufgabendelegation auf nach- 30 geordnete Mitarbeiter nicht verwehrt. Zu den Pflichten ordnungsgemäßer Geschäftsführung gehören deren sorgfältige Auswahl, Anleitung und Kontrolle, wozu wiederum jeder Geschäftsführer primär innerhalb des eigenen Aufgabenbereichs berufen ist3. Freilich hat der Geschäftsführer für das Fehlverhalten von Mitarbeitern der Gesellschaft nicht nach § 278 BGB zu haften, da sie nicht Erfüllungsgehilfen des Geschäftsführers gegenüber der Gesellschaft sind4; ebenso wenig haftet er aus § 831 BGB, weil nur die Gesellschaft Geschäftsherr ist und auch eine Geschäftsführerhaftung aus § 831 Abs. 2 BGB ausscheidet5; näher Rn 85. Eine Haftung des Geschäftsführers kommt nur in Betracht, wenn er eigene Pflichten zur ordnungsgemäßen Unternehmensleitung (Organisation, Anleitung, Kontrolle) verletzt hat6, so zB wenn unzureichende Geschäftsführerkontrollen Mitarbeitern die Unterschlagung von Warenbeständen ermöglicht oder auch nur erleichtert haben oder wenn der Geschäftsführer trotz erkannter Fehlhandlungen einzelner Mitarbeiter nichts gegen diese unternimmt7. Vor diesem 1 S. B/H/Zöllner/Noack § 35 Rn 62. 2 Michalski/Haas/Ziemons Rn 176; U/H/L/Paefgen Rn 32 mwN. 3 Ausführlich MünchKomm/Fleischer Rn 110, 126 ff; zusammenfassend E. Vetter in Hdb Managerhaftung, § 18 Rn 63 ff, 87. 4 MünchKomm/Fleischer Rn 126; U/H/L/Paefgen Rn 30 f. 5 Kleindiek Deliktshaftung und juristische Person, 1997, S. 437 f; Sandmann Haftung, S. 304 f; Michalski/Haas/Ziemons Rn 175. 6 BGHZ 127, 336, 347 = GmbHR 1995, 38. 7 OLG Koblenz GmbHR 1991, 416, 417; s. auch Rn 88.

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§ 43 | Haftung der Geschäftsführer Hintergrund bedarf es auch in der GmbH der Corporate Compliance1; die Implementierung geeigneter (an den tatsächlichen Gegebenheiten des jeweiligen Unternehmens orientierter) organisatorischer Vorkehrungen zur Gewährleistung rechtskonformen Verhaltens der Unternehmensmitarbeiter zählt zum Pflichtenkreis der Geschäftsführer. 31 e) Risikoüberwachung: Entgegen § 91 Abs. 2 AktG idF des KonTraG (dazu Vor § 41 Rn 2) enthält das GmbHG keinen ausdrücklichen Auftrag an die Geschäftsführer, ein Überwachungssystem einzurichten, um den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen frühzeitig erkennen zu können. Indes sind auch die GmbH-Geschäftsführer verpflichtet, für eine Organisation innerhalb der Gesellschaft zu sorgen, die sie in die Lage versetzt, die wirtschaftliche und finanzielle Lage der Gesellschaft, insbesondere anhand der Buchführung2, jederzeit zu überblicken und Risiken so rechtzeitig zu erkennen, dass wirksame Maßnahmen zu ihrer Steuerung ergriffen werden können3. Das gilt auch innerhalb einer zentralistisch konzernierten Tochtergesellschaft4. Die Geschäftsführer sind deshalb von sich aus (und nicht erst nach Gesellschafterentscheid) gehalten, ein geeignetes Risikokontrollsystem einzurichten, das den Gegebenheiten der jeweiligen Gesellschaft Rechnung trägt. Jene Organisationspflicht ist Bestandteil der Pflicht zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung5. 32 f) Geschäftsführerpflichten in Krise und Insolvenz: Im Vorfeld einer (drohenden) Insolvenz bestehen krisenorientierte Pflichten der Geschäftsführer, die in der Kodifikation allerdings nur unvollkommen und vielfach auch nur mittelbar zum Ausdruck kommen. Sie bedürfen der Ableitung auf der Grundlage der allgemeinen Organpflicht zur Geschäftsführung unter Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes (§ 43 Abs. 1) und vor dem Hintergrund spezifischer Organpflichten, die das Gesetz an anderen Stellen normiert. 33 Bereits die haftungsbewehrte Insolvenzantragspflicht nach § 15a Abs. 1 InsO (s. Anh zu § 64 Rn 55 ff), das Masseerhaltungsgebot ab materieller Insolvenzreife nach Maßgabe von § 64 Satz 1 und 2 (s. § 64 Rn 2 ff) sowie die Informationspflicht bei hälftigem Verlust des Stammkapitals (§ 49 Abs. 3) bzw – in der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) – bei drohender Zahlungsunfähig1 Hierzu weiterführend etwa Campos Nave/Zeller BB 2012, 131; Fissenewert NZG 2015, 1009; MünchKomm/Fleischer Rn 142 ff; Kiethe GmbHR 2007, 393; Kort GmbHR 2013, 566; Merkt ZIP 2014, 1705; Rodewald GmbHR 2014, 639; Rodewald/Unger BB 2006, 113; Römermann GmbHR 2014, 1; Scholz/Uwe H. Schneider Rn 96a ff; MünchKomm/ Stephan/Tieves § 37 Rn 25 ff. 2 S. Goette DStR 1995, 1640. 3 Ebenso BGH GmbHR 2012, 964 Rn 13. 4 BGH GmbHR 1995, 299, 300. 5 Im Ergebnis wie hier BegrRegE KonTraG, BT-Drucks 13/9712, S. 15; Altmeppen ZGR 1999, 291, 301 f; Bork ZIP 2011, 101, 105 ff; MünchKomm/Fleischer Rn 61; Lutter GmbHR 2000, 301, 305; Scholz/Uwe H. Schneider Rn 96; enger Hommelhoff FS Sandrock, 2000, S. 373, 376 ff.

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keit (§ 5a Abs. 4) halten den Geschäftsführer zu kontinuierlicher Beobachtung der Finanz- und Vermögenslage der Gesellschaft an1. Mit § 64 Satz 3 (dazu § 64 Rn 47 ff) und dem ihm zugrunde liegenden Verbot von Zahlungen an Gesellschafter, soweit diese (erkennbar) zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen mussten, wird jene Verpflichtung noch einmal nachdrücklich unterstrichen. Denn vor Auszahlungen an die Gesellschafter hat der Geschäftsführer eine auf den Zahlungszeitpunkt bezogene Solvenzprognose vorzunehmen; er muss die Auszahlung ablehnen, wenn diese Prognose bei objektiver Betrachtung zu dem Ergebnis führt, dass nach dem Vollzug der Leistung an den Gesellschafter der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit überwiegend wahrscheinlich ist (s. § 64 Rn 62 ff). Eine derartige Amtspflicht der Geschäftsführer, Auszahlungen an die Gesellschafter bei negativem Ausgang einer entsprechenden Solvenzprüfung nicht zu vollziehen, wurde verbreitet auch schon vor dem Inkrafttreten des MoMiG aus der allgemeinen Organpflicht gemäß § 43 Abs. 1 und den gesetzlichen Vorgaben zur Kapitalerhaltung abgeleitet2. Schon die den Geschäftsführer nach §§ 5a Abs. 4, 49 Abs. 3 treffende Informati- 34 onspflicht schließt die Einrichtung eines geeigneten Risikokontrollsystems ein, das den Gegebenheiten der jeweiligen Gesellschaft Rechnung zu tragen hat (Rn 31). Da die Verpflichtung zur Verlustanzeige bzw zur Information über die drohende Zahlungsunfähigkeit aber lediglich die schon in § 49 Abs. 2 normierte allgemeine Verpflichtung des Geschäftsführers konkretisiert, die Gesellschafter immer dann einzuberufen, wenn es im Interesse der Gesellschaft erforderlich erscheint, kann eine entsprechende Kriseninformation der Gesellschafter – je nach der individuellen Höhe des Stammkapitals und der Risikostruktur der Gesellschaft – ggf auch schon vor den im Gesetz benannten Ereignissen bestehen. Ob und welche begleitenden Handlungspflichten die Geschäftsführer dabei tref- 35 fen, sagt das Gesetz schon nicht mehr. Da aber gerade ihnen die unternehmerische Leitung der Gesellschaft zugewiesen ist, haben sie die Möglichkeiten zur Krisenreaktion einschließlich einer umfassenden betrieblichen und finanziellen Sanierung zu prüfen, Sanierungskonzepte zu entwickeln und ggf – freilich unter dem Vorbehalt entsprechender Entscheidungskompetenz der Gesellschafter (s. Rn 36) – Sanierungsschritte einzuleiten3. Geschieht all das nicht oder nicht 1 BGH GmbHR 1999, 299, 300; BGH DB 2016, 1245 Rn 33; Bork ZIP 2011, 101, 102 ff; Haas in Heintzen/Kruschwitz (Hrsg), Unternehmen in der Krise, 2004, S. 73, 74 f; S/I/Kolmann Vor § 64 Rn 11 ff; Lange GmbHR 2015, 1133 ff; Schluck-Amend in K. Schmidt/Uhlenbruck, Rn 1.121 ff; Veil ZGR 2006, 374, 375. 2 Vgl K. Schmidt GmbHR 2007, 1, 6; Hennrichs Der Konzern 2008, 42, 48 mwN. 3 Bork ZIP 2011, 101, 106 ff; Haas in Unternehmen in der Krise, S. 73, 87; Haas Gutachten E zum 66. Deutschen Juristentag 2006, in Verhandlungen des 66. DJT, Band I, 2006, S. E 114; Schluck-Amend/Walker GmbHR 2001, 375, 376 ff; Veil ZGR 2006, 374, 378 ff; Westermann DZWiR 2006, 485, 487 ff; monographisch Drenckhan Gläubigerschutz in der Krise der GmbH, 2006, S. 38 ff; Roßkothen Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers im Spannungsfeld zwischen Sanierungspflicht und Insolvenzantragspflicht, 2015, S. 146 ff.

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§ 43 | Haftung der Geschäftsführer rechtzeitig, verletzt der Geschäftsführer seine regulären Pflichten aus § 43 und ist der Gesellschaft gegenüber zum Ersatz eines etwa entstandenen Schadens gemäß § 43 Abs. 2 verpflichtet; in der Praxis hat das bislang freilich keine nennenswerte Bedeutung erlangt1. Ersatzpflichtig wird der Geschäftsführer auch für die Verletzung der Pflicht zu rechtzeitiger Stellung des Insolvenzantrags (Insolvenzverschleppung), soweit daraus der Gesellschaft ein Schaden erwächst2; beruht die Insolvenzverschleppung auf einer Weisung oder dem Einverständnis aller Gesellschafter, soll seine Inanspruchnahme aus § 43 Abs. 2 allerdings rechtsmissbräuchlich sein3. Bei „unternehmerischen Entscheidungen“ im Sinne des oben Rn 27 Gesagten steht den Geschäftsführern auch in der Krise geschäftliches Entscheidungsermessen nach Maßgabe der Business Judgment Rule (Rn 23 ff) zu4. Zu den Grenzen der haftungsfreistellenden Wirkung etwaiger Gesellschafterweisungen und zur Einschränkbarkeit der Geschäftsführerhaftung auf sonstigem Wege näher Rn 40 ff und 60 ff. 36 Die grundlegenden Sanierungsentscheidungen sind im Kompetenzgefüge des

GmbH-Rechts allerdings den Gesellschaftern vorbehalten5, die den Geschäftsführern gegenüber ihre Bereitschaft zur Sanierung (oder ggf ihren mangelnden Sanierungswillen) kundtun müssen: Hierüber müssen die Geschäftsführer Klarheit haben, da sie sowohl im Rahmen der laufenden Bilanzierung (§ 41 iVm § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB) als auch der Überschuldungsprüfung (§ 19 Abs. 2 InsO; vgl Anh zu § 64 Rn 17 ff) vor der Frage stehen, ob sie noch die Fortführung des Unternehmens zugrunde legen dürfen6. Was die Handlungsoptionen der Gesellschafter in der Unternehmenskrise betrifft, haben sie keine allgemeine Sanierungspflicht, weder gegenüber der Gesellschaft noch gar gegenüber den Gesellschaftsgläubigern7. Die Gesellschafter sind nicht zur Unternehmenserhaltung verpflichtet; und sie sind erst recht nicht verpflichtet, die Ertragskraft des Unternehmens durch Investitionen wiederherzustellen8. In Mehrheits-/Minderheitskonflikten kann die Minderheit kraft der Treuepflicht gegenüber den Mit1 S. hierzu und zu den Gründen dafür Kleindiek FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 617, 620; Spliedt InsVZ 2010, 27, 32. 2 U/H/W/Casper § 64 Rn 100; Haas/Wigand in Hdb Managerhaftung, § 16 Rn 11; Heitsch ZInsO 2015, 1375, 1377; Scholz/K. Schmidt § 64 Rn 220; Veil ZGR 2006, 374, 380. 3 So BGH NJW 1974, 1088, 1089; kritisch Heitsch ZInsO 2015, 1375, 1377 ff. 4 Kebekus/Zenker FS Maier-Reimer, 2010, S. 319, 332 ff. 5 Haas Gutachten E zum 66. DJT 2006, S. E 108 f; Veil ZGR 2006, 374, 380; Westermann DZWiR 2006, 485, 487; im Ergebnis ebenso Bork ZIP 2011, 101, 108. 6 Dazu etwa Bork ZIP 2000, 1709, 1713; Veil ZGR 2006, 374, 385 mwN. 7 S. etwa Haas Gutachten E zum 66. DJT 2006, S. E 114 f; Kleindiek in Bayer/Koch (Hrsg), Das neue GmbH-Recht, 2008, S. 89, 103 ff; Veil ZGR 2006, 374, 383 f; Westermann DZWiR 2006, 485, 490 f, je mwN. 8 Dazu auch BGH GmbHR 2005, 225, 226.

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gesellschaftern im Einzelfall allerdings verpflichtet sein, mehrheitlich gewollte Sanierungsmaßnahmen nicht zu verhindern1. Die demgegenüber entwickelte These, die Gesellschafter seien (mit der Konsequenz einer etwaigen Schadensersatzpflicht) kraft ihrer Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft zur Sanierung verpflichtet, wenn diese notwendig und zumutbar sei (wovon sie sich nur befreien könnten, indem sie die Gesellschaft durch Beschluss auflösen und liquidieren)2, überzeugt nicht3. Denn die Auflösung der Gesellschaft durch Gesellschafterbeschluss steht im Ermessen der dafür erforderlichen Gesellschaftermehrheit. Zum erzwungenen Marktaustritt kommt es erst mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (oder dessen Ablehnung mangels Masse), was die Verwirklichung eines Insolvenzgrundes voraussetzt. Eine Verpflichtung der Gesellschafter, vor dessen Eintritt entweder Sanierungsmaßnahmen zu ergreifen oder unverzüglich die Liquidation einzuleiten, ist de lege lata nicht zu begründen. Bei Eintritt von Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit (dazu Anh § 64 Rn 9 ff 37 und 17 ff) hat jeder Geschäftsführer die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags nach Maßgabe von § 15a Abs. 1 InsO; hierzu (und zur maximal dreiwöchigen Karenzfrist) ausführlich Anh § 64 Rn 55 ff, zur Haftungs- und Strafbewehrung Anh § 64 Rn 76 ff, 107 ff. Zudem entsteht die Ersatzpflicht der Geschäftsführer nach § 64 Satz 1 und 2 für alle pflichtwidrigen (dh mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns nicht zu vereinbarenden) Zahlungen nach Eintritt der materiellen Insolvenzreife, also auch schon für solche Zahlungen, die in die (maximal) Dreiwochenfrist des § 15a Abs. 1 InsO fallen (näher § 64 Rn 2 ff). Ebenso sind die Geschäftsführer nach § 64 Satz 3 zum Ersatz aller (pflichtwidrigen) Zahlungen an Gesellschafter verpflichtet, die zwar vor Insolvenzreife vorgenommen wurden, aber zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen mussten (dazu § 64 Rn 47 ff). Maßstab für die Verhaltenspflichten des Geschäftsführers ab materieller Insolvenzreife (Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns iSd § 64 Satz 2) ist der ordentliche Geschäftsleiter in der Unternehmenskrise; hatte sich der Geschäftsführer zuvor am Zweck der werbenden GmbH auszurichten, so haben jetzt die Interessen der Gläubiger am Erhalt des Gesellschaftsvermögens (und das öffentliche Interesse am Bestand überlebensfähiger Betriebe) Vorrang (s. § 64 Rn 33). Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens bleibt der Geschäftsführer im Amt; seine 37a Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse beschränken sich aber regelmäßig auf etwaiges insolvenzfreies Vermögen (s. Anh § 64 Rn 72). Denn im Regelinsolvenzverfahren geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das zur Insol1 Nach den Grundsätzen BGHZ 129, 136, 142 ff = GmbHR 1995, 665. 2 Drenckhan Gläubigerschutz, S. 193 ff; zusammenfassend S. 325 ff; s. auch Drenckhan GmbHR 2006, 1296, 1298 ff. 3 S. zur Kritik schon Kleindiek in Bayer/Koch (Hrsg), Das neue GmbH-Recht, S. 89, 104 f.

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§ 43 | Haftung der Geschäftsführer venzmasse gehörende Vermögen spätestens mit Verfahrenseröffnung (bei Anordnung vorläufiger Sicherungsmaßnahmen auch schon im Eröffnungsverfahren, vgl § 21 InsO) auf den Insolvenzverwalter über (§ 80 Abs. 1 InsO). 37b Anders liegen die Dinge im Insolvenzverfahren der Eigenverwaltung, wo der

Insolvenzschuldner – unter Aufsicht eines Sachwalters – verwaltungs- und verfügungsberechtigt ist (§§ 270 ff InsO); ist Schuldnerin eine GmbH, wird deren Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis durch ihr Vertretungsorgan (Geschäftsführer) ausgeübt, gemäß § 276a InsO unbeeinflusst durch die Gesellschafter oder einen etwaigen Aufsichtsrat. Es obliegt dem Geschäftsführer, für die Erfüllung der insolvenzrechtlichen Pflichten zu sorgen, welche die Gesellschaft als eigenverwaltende Schuldnerin treffen; auch seine Verhaltenspflichten werden somit von den gesetzlichen Zielen des Insolvenzverfahrens (bestmögliche Gläubigerbefriedigung nach Maßgabe von § 1 Satz 1 InsO) unter Vorrang der Gläubigerinteressen geprägt1. Kommt er seinen Aufgaben schuldhaft pflichtwidrig nicht nach, haftet er der Gesellschaft im Innenverhältnis auf Schadensersatz nach § 43 Abs. 2. Freilich setzt diese Haftung einen Schaden der Gesellschaft voraus, der nach der Differenzhypothese zu berechnen ist (dazu unten Rn 45 f). Die Beeinträchtigung der Befriedigungsinteressen der Gläubigergesamtheit führt im Eigenverwaltungs(eröffnungs)verfahren nicht etwa automatisch zu einem ersatzfähigen Gesellschaftsschaden2: So resultiert aus der Zahlung auf eine einzelne Verbindlichkeit der Gesellschaft – da die Verbindlichkeit damit entfällt – noch kein Schaden im Gesellschaftsvermögen3; s. auch § 64 Rn 4. Zur Ersatzpflicht aus § 64 Satz 1 und 2 im vorläufigen (nicht aber im eröffneten) Eigenverwaltungsverfahren s. die Erläuterungen § 64 Rn 10 ff; zur Diskussion möglicher Grundlagen für eine Außenhaftung des Geschäftsführers (den Gläubigern gegenüber) im Eigenverwaltungs(eröffnungs)verfahren s. § 64 Rn 11.

3. Allgemeiner Haftungstatbestand (§ 43 Abs. 2) 38 a) Grundlagen: Vorbehaltlich der in § 43 Abs. 3 gesondert geregelten Schadens-

ersatzhaftung wegen Verletzung der Kapitalerhaltungsregeln haftet der Geschäftsführer nach § 43 Abs. 2 für jede schuldhafte Pflichtverletzung, die er bei der Ausführung seiner Tätigkeit als Mitglied des Organs „die Geschäftsführer“ (§ 6 Rn 3 ff) begeht: die Gesellschaft hat gegen ihn einen Anspruch auf Ersatz des hieraus entstandenen Schadens. Adressat der Pflicht zur ordnungsgemäßen Unternehmensleitung nach dem Maßstab des § 43 Abs. 1 (Rn 10 ff) ist der ein-

1 Weiterführend Bierbach in Kübler § 11 Rn 169; Haas FS Stürner, 2013, S. 749, 760 ff; Kebekus/Zenker FS Kübler, 2015, S. 331, 338 f. 2 Anders indes Haas ZHR 178 (2014) 603, 613. 3 BGH GmbHR 2010, 1200 Rn 14; BGH GmbHR 2015, 79 Rn 8; BGH ZIP 2016, 821 Rn 15.

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zelne Geschäftsführer. Grundlage seiner Haftung ist dementsprechend die individuelle (schuldhafte) Pflichtverletzung. Verschuldensmaßstab ist der typisierte Maßstab der „Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes“ gemäß § 43 Abs. 1 (s. Rn 10), wonach Geschäftsführer für fahrlässige oder vorsätzliche Pflichtverletzung gleichermaßen (auch für leichte Fahrlässigkeit) einzustehen haben. Beruht der Schaden auf pflichtwidrigem Verhalten mehrerer Geschäftsführer, haften diese als Gesamtschuldner1. Der Innenregress2 richtet sich nach § 426 Abs. 1 und 2 BGB (Ausgleichungspflicht; Forderungsübergang). Ausgleich zu gleichen Teilen, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Letzteres kann sich (außer aus Vorgaben in der Satzung oder im Anstellungsvertrag) aus unterschiedlich zu gewichtenden Verantwortlichkeitsbeiträgen ergeben, so etwa zwischen dem in erster Linie verantwortlichen Ressortinhaber einerseits und dessen Geschäftsführerkollegen andererseits, wenn diese ihre Überwachungspflichten vernachlässigt haben; s. Rn 29. Zur Verjährung des Ausgleichsanspruchs Rn 70. Für die Konkretisierung der Pflichten- und Sorgfaltsstandards ist die besondere 39 Vertrauensstellung zu berücksichtigen, die ein Geschäftsführer bei der Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen innehat (s. Rn 10). Das sowie die dem Geschäftsführer kraft seiner Funktion als Unternehmensleiter (und Repräsentant der Gesellschaft) obliegenden Organisationspflichten stehen jenen Vorschlägen3 entgegen, nach denen die Geschäftsführerhaftung unter Anwendung der (arbeitsrechtlichen) Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs (Haftungsfreistellung des Arbeitnehmers bei leichtester Fahrlässigkeit, Einzelfall-bezogene Schadensteilung bei mittlerer Fahrlässigkeit) zu mildern sein soll4. Ausnahmen sind auch im Falle der Verletzung von Pflichten ohne unmittelbaren „Amtsbezug“ (zB Beschädigung des Dienstwagens bei Dienstfahrt5) nicht anzuerkennen6. Ebenso wenig kann sich ein ehrenamtlich tätiger Geschäftsführer (zB in gemeinnütziger GmbH) auf eine Haftungsmilderung analog § 31a 1 BGH GmbHR 1983, 300; BGH GmbHR 2008, 144; MünchKomm/Fleischer Rn 318; B/H/ Zöllner/Noack Rn 25 ff. 2 Dazu etwa MünchKomm/Fleischer Rn 319; Freund GmbHR 2013, 785, 787 ff; Scholz/ Uwe H. Schneider Rn 251 ff; U/H/L/Paefgen Rn 199 ff. 3 S: etwa Frisch Haftungserleichterung für GmbH-Geschäftsführer nach dem Vorbild des Arbeitsrechts, 1998, S. 253 ff (zusammenfassend); Koch AG 2014, 513, 515 ff, 524; Köhl DB 1996, 2597. 4 Dagegen die ganz hM; BGH GmbHR 2001, 771, 773; MünchKomm/Fleischer Rn 256; Joussen GmbHR 2005, 441, 442 ff; B/H/Zöllner/Noack Rn 6; U/H/L/Paefgen Rn 42 f; Sandmann S. 333 ff; ablehnend auch Bayer GmbHR 2014, 897, 906 f, der aber, gestützt auf die Treuepflicht, „jedenfalls mit Blick auf leicht fahrlässige Pflichtverstöße“ eine „von den Umständen des Einzelfalls abhängige Beschränkung des Haftungsumfangs“ annehmen will. 5 Dazu etwa OLG Koblenz GmbHR 1999, 344. 6 Insoweit anders Scholz/Uwe H. Schneider Rn 257; Sandmann S. 338 f, je mwN; wie hier Joussen GmbHR 2005, 441, 445 f; U/H/L/Paefgen Rn 43.

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§ 43 | Haftung der Geschäftsführer BGB (Haftung des unentgeltlich tätigen Vereinsvorstands gegenüber dem Verein nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit) berufen1. 40 b) Freistellung bei Weisung und Billigung der Gesellschafter: Oberstes Organ

der Gesellschaft sind die Gesellschafter in ihrer Gesamtheit. Sie können durch Weisungen an die Geschäftsführer unmittelbar in die Geschäftsführung eingreifen; die Geschäftsführer haben solche Weisungen zu befolgen (§ 37 Rn 17 ff), müssen die Gesellschafter aber mit allen entscheidungserheblichen Informationen versorgen und können uU verpflichtet sein, inhaltliche Bedenken gegen die Weisung vor deren Ausführung angemessen geltend zu machen2. Diese Abhängigkeit der Geschäftsführer von den Gesellschaftern bedingt ihre Freistellung von der Haftung gegenüber der Gesellschaft3. Voraussetzung hierfür ist ein entsprechender Beschluss der Gesellschafter, ggf die Weisung eines anderen, nach der Satzung hierzu berufenen Gesellschaftsorgans; die einfache Weisung eines Mehrheitsgesellschafters genügt deshalb nicht4. Bloß in der Einpersonen-Gesellschaft bedarf es keines förmlichen Gesellschafterentscheids, insbesondere nicht beim Allein-Gesellschafter-Geschäftsführer (s. auch Rn 43)5; das gilt aber nicht, so lange die Übertragung aller Geschäftsanteile an einen Gesellschafter noch nicht wirksam geworden ist6. Im Konzern haben Weisungen des organschaftlichen Vertreters des AlleinGesellschafters (Muttergesellschaft) in der Regel haftungsbefreiende Wirkung, auch wenn dieser dabei gegen die innere Kompetenzordnung der Muttergesellschaft verstößt. Der Geschäftsführer der Tochtergesellschaft hat nicht die Obliegenheit, die Kompetenzmäßigkeit per se zu hinterfragen oder gar eigene Erkundigungen anzustellen7; er muss sich nach dem Grundsatz des Missbrauchs der Vertretungsmacht (dazu § 35 Rn 22 ff) allein Evidenz eines Vertretungsmangels des anweisenden Mutterorgans (bzw positive Kenntnis davon) entgegenhalten lassen8.

1 Leuschner NZG 2014, 281, 287; Henssler/Strohn/Oetker Rn 13 mwN; offener MünchKomm/Fleischer Rn 256b für ehrenamtliche Tätigkeit in gemeinnütziger GmbH. 2 KG GmbHR 2011, 477, 481; ThürOLG GmbHR 1999, 346; Ebert GmbHR 2003, 444, 448; Konzen NJW 1989, 2977, 2985; R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 28. 3 BGHZ 31, 258, 278 f; BGHZ 119, 257, 261; BGHZ 122, 333, 336 = GmbHR 1993, 427; BGH GmbHR 2010, 85. 4 U/H/L/Paefgen Rn 215; R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 30; Ebert GmbHR 2003, 444. 5 BGH WM 1992, 2053, 2054; BGHZ 119, 257, 261 f = GmbHR 1993, 38; OLG Brandenburg GmbHR 2015, 353, 355; OLG Köln GmbHR 1995, 449, 450; OLG Köln, GmbHR 2001, 73, 74 f; OLG Stuttgart GmbHR 2000, 1048, 1049. 6 BGH DStR 2002, 2137 = GmbHR 2003, 117. 7 So aber im Ansatz (weil schon auf bloße „Erkennbarkeit“ abstellend) OLG Koblenz GmbHR 2003, 1062 (nur LS) – dort freilich entschieden für einen Fall, in dem GmbH-Geschäftsführer auf Weisung zweier Vorstandsmitglieder des Alleingesellschafters (karitativer e.V.) Zahlungen an Dritte getätigt hatte, die in keinem erkennbaren Zusammenhang mit dem satzungsmäßigen Zweck des e.V. standen. 8 Zutreffend Trölitzsch EWiR 2003, 769, 770; ebenso U/H/L/Paefgen Rn 237; B/H/Zöllner/ Noack Rn 34.

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Wie die Weisung hat auch die Billigung der Geschäftsführungsmaßnahme 41 durch das weisungsberechtigte Organ haftungsausschließende Wirkung1, wobei das Einverständnis sämtlicher Gesellschafter mit dem Geschäftsführerhandeln auch stillschweigend erklärt werden kann2; in der Einpersonen-Gesellschaft wirkt deshalb das für den Geschäftsführer erkennbare Einverständnis des Allein-Gesellschafters mit seinem Handeln haftungsbefreiend. Eine ähnliche Wirkung (Präklusionswirkung) kommt dem Entlastungsbeschluss der Gesellschafter (§ 46 Nr. 5; vgl § 46 Rn 26) hinsichtlich aller Pflichtverletzungen zu, die (was der Geschäftsführer ggf zu beweisen hätte) bei Beschlussfassung bekannt oder bei sorgfältiger Prüfung erkennbar waren3. Noch weiter reicht die haftungsbefreiende Wirkung einer etwaigen Generalbereinigung (vgl § 46 Rn 29), mit der die Gesellschaft – zB aus Anlass des Ausscheidens eines Geschäftsführers – auf jegliche Ersatzansprüche wegen ggf pflichtwidrigen Geschäftsführerhandelns verzichtet4. Von der haftungsausschließenden Wirkung des stillschweigend erklärten Einverständnisses der Gesellschafter klar zu unterscheiden ist die Frage, ob sich der Geschäftsführer auch mit dem Einwand des hypothetischen Einverständnisses der Gesellschafter verteidigen kann. Das ist – entgegen einem Urteil des BGH aus dem Jahr 20135, wo zur Begründung der Gesichtspunkt des pflichtgemäßen Alternativverhaltens herangezogen wird (s. Rn 53) – zu verneinen. Die Entscheidung über die Billigung des Geschäftsführerhandelns muss der Willensbildung und Erklärung der Gesellschafter vorbehalten bleiben. Solange es an einer entsprechenden ausdrücklichen Erklärung fehlt und auch keine Anhaltspunkte vorliegen, die den Schluss auf ein stillschweigend erklärtes Einverständnis erlauben, haben die Gesellschafter den Geschäftsführer gerade nicht von der Haftung befreit. Haftungsausschließende Wirkung haben die skizzierten Gesellschaftermaßnah- 42 men (Weisung, Billigung, Entlastung, Generalbereinigung) im Übrigen nur, soweit Begründung oder Verfolgung etwaiger Schadensersatzansprüche gegen den Geschäftsführer überhaupt zur Disposition der Gesellschafter stehen (s. zur Disponibilität der Geschäftsführerhaftung und zur Bewertung der Rspr Rn 60 ff). 1 Michalski/Haas/Ziemons Rn 185; R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 31; U/H/L/Paefgen Rn 218. 2 S. BGH GmbHR 2000, 187, 188; BGH GmbHR 2003, 712, 713; BGH GmbHR 2013, 1044 Rn 33; ferner OLG Koblenz GmbHR 2015, 357, 361. 3 S. etwa BGH NJW 1959, 192, 193; BGH ZIP 2012, 1197 Rn 31; OLG München GmbHR 2013, 813, 815; OLG München GmbHR 2015, 1324, 1325 f, 1327; näher U/H/L/Hüffer/ Schürnbrand § 46 Rn 65 ff; Nägele/Nestel BB 2000, 1253 ff; aA Beuthien GmbHR 2014, 682, 689 f: Entlastung bewirke nur Beweislastumkehr zulasten der Gesellschaft. 4 Dazu BGH GmbHR 1998, 278; BGH GmbHR 2003, 712, 713 f mwN; Vertragsmuster bei Vath GmbHR 2013, 1137. 5 BGH GmbHR 2013, 1044 Rn 31 ff; zustimmend Bachmann NZG 2013, 1121, 1123; ablehnend R/A/Altmeppen Rn 106.

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§ 43 | Haftung der Geschäftsführer Nicht haftungsbefreiend sind nichtige Weisungsbeschlüsse der Gesellschafter1. Denn selbstverständlich gibt es kein – mit einer Folgepflicht verbundenes – Recht der Gesellschafter, die Geschäftsführer zu gesetzlich verbotenem (ggf gar strafbewehrtem) Verhalten anzuweisen2. Insbesondere kann die Verletzung von Pflichten, die den Geschäftsführern im Interesse der Gesellschaftsgläubiger oder im Allgemeininteresse zugewiesen sind (zu ihnen s. schon § 37 Rn 5), nicht durch Weisung oder Billigung gerechtfertigt werden. Das stellt § 43 Abs. 3 Satz 3 für den Fall klar, dass die Geschäftsführer entgegen den §§ 30, 33 handeln; hier haften sie trotz der Weisung, soweit der Ersatz zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist. Ebenso wenig besteht Folgepflicht und Haftungsbefreiung bei Weisungen, durch welche die Existenz der Gesellschaft erheblich gefährdet oder gar vernichtet würde3. All das gilt gleichermaßen in der Einpersonen-Gesellschaft (vgl schon § 37 Rn 18). Auch haben die Geschäftsführer Unterbilanzhaftungsansprüche gegen die Gesellschafter (dazu § 11 Rn 41 ff) selbständig zu verfolgen; andernfalls machen sie sich der Gesellschaft gegenüber schadensersatzpflichtig4. 43 Keine Haftung trifft hingegen einen Geschäftsführer, der auf einvernehmliche

Gesellschafterweisung (oder als alleiniger Gesellschafter) der Gesellschaft Vermögen entzieht, das zur Deckung des Stammkapitals nicht benötigt wird5. Weil der geschäftsführende Allein-Gesellschafter gewissermaßen seine eigenen Weisungen umsetzt, verneint der BGH die Entstehung eines Schadensersatzanspruchs nach § 43 Abs. 2, sofern der Allein-Gesellschafter nicht gerade eine im Gläubigerinteresse unverzichtbare Regel der Kapitalerhaltung verletzt6; das soll auch dann gelten, wenn das vermögensmindernde Verhalten des Allein-Gesellschafter-Geschäftsführers im Ergebnis eine Unterbilanz hervorruft (oder eine schon vorhandene verstärkt).

1 Mennicke NZG 2000, 622, 624; Lutter/Banerjea ZIP 2003, 2177; U/H/L/Paefgen Rn 129. 2 Vgl schon BGHZ 31, 258, 278 (nur Bindung an Weisungen, die „im Rahmen von Gesetz, Satzung und guten Sitten bleiben“); BGH NJW 1974, 1088, 1089; BGH NJW 1983, 1856, 1857 = GmbHR 1983, 300; BGHZ 125, 366, 372 = GmbHR 1994, 390; OLG Düsseldorf WM 1992, 14, 19 = GmbHR 1992, 670; OLG Frankfurt GmbHR 1997, 346, 348; OLG Naumburg GmbHR 1999, 1028. 3 BGHZ 149, 10, 20 = GmbHR 2001, 1036; BGH GmbHR 2003, 712, 713; BGHZ 176, 204 Rn 39; BGHZ 197, 304 Rn 33; Fleck ZHR 149 (1985), 387, 408; B/H/Zöllner/Noack Rn 34. 4 Goette DStR 2003, 887, 893; s. auch LG Wiesbaden GmbHR 2013, 596 (Verjährenlassen der noch offenen Einlageforderung). 5 BGHZ 31, 258, 278; BGHZ 119, 257, 259 ff; BGHZ 122, 333, 336 = GmbHR 1993, 427; BGHZ 142, 92, 95 = GmbHR 1999, 921; BGH GmbHR 2000, 330. Übereinstimmend etwa OLG Brandenburg GmbHR 2015, 353, 355; OLG Koblenz GmbHR 2015, 357, 360 f; OLG Köln GmbHR 2001, 73, 74; OLG Nürnberg NZG 2001, 943, 944; OLG Stuttgart GmbHR 2000, 1048, 1049. 6 BGH GmbHR 2000, 330: Belastung des Gesellschaftsvermögens mit Schadensersatzansprüchen Dritter infolge pflichtwidrigen Verhaltens (falsche Anlageberatung) des Geschäftsführers; BGH GmbHR 2010, 85; KG GmbHR 2009, 1333.

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Bei Ausführung eines nichtigen Weisungsbeschlusses kann die Haftung des Ge- 44 schäftsführers im Einzelfall zu verneinen sein, weil er Nichtigkeit trotz Anwendung der gebotenen Sorgfalt nicht erkennen konnte. In engen Grenzen kann dem Schadensersatzbegehren ggf der Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegengehalten werden1. Ist der Weisungsbeschluss der Gesellschafter mit einiger Aussicht auf Erfolg angefochten oder ist eine solche Anfechtungsklage zu erwarten, so enthebt die vorläufige Wirksamkeit des Beschlusses den Geschäftsführer nicht jeglicher Verantwortung. Er muss vielmehr nach pflichtgemäßem Ermessen, dies ausgerichtet am Gesellschaftsinteresse, darüber befinden, ob er die Gesellschafterweisung ausführen will oder nicht (s. § 37 Rn 22)2. Zur Folgepflicht bei (nach Einschätzung der Geschäftsführer) unzweckmäßigen Weisungen s. § 37 Rn 18 und Rn 23. c) Schaden der Gesellschaft: Der Ersatzanspruch gegen den Geschäftsführer 45 setzt in jedem Fall einen durch die Pflichtverletzung des Geschäftsführers verursachten Schaden der Gesellschaft voraus. Ein bloßes (nicht schadenstiftendes) Fehlverhalten des Geschäftsführers genügt nicht3. Das gilt auch für kompetenzwidriges Handeln: Ist aus einer vom Geschäftsführer veranlassten Maßnahme, für die er die Zustimmung eines anderen Organs (Gesellschafterversammlung, Aufsichtsrat, Beirat etc) pflichtwidrig nicht eingeholt hat, gar kein Schaden entstanden, ist der Geschäftsführer auch nicht ersatzpflichtig4. Ebenso wenig haftet er für die pflichtwidrige Verwendung von Gesellschaftsvermögen allein, zB für die Verwendung von Baugeld im Widerspruch zum Gesetz zur Sicherung von Bauforderungen5, falls die Gesellschaft dadurch keinen Schaden erleidet. – Zum Verhältnis zwischen Gesellschafterschaden und Schaden der Gesellschaft s. § 13 Rn 48 f. Zu ersetzen ist jede Minderung des Gesellschaftsvermögens, die ursächlich auf 46 der Pflichtverletzung des in Anspruch genommenen Geschäftsführers beruht; zu vergleichen ist also der Zustand mit und ohne Pflichtverletzung (Schadensberechnung nach der sog Differenzhypothese)6. Wo die Pflichtverletzung des Geschäftsführers zu adäquat kausalen Vorteilen der Gesellschaft geführt hat, sind diese bei der Schadensberechnung nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung zu berücksichtigen, sofern die Anrechnung nicht Sinn und Zweck der 1 BGH NJW 1974, 1088, 1089; Scholz/Uwe H. Schneider Rn 134 ff; Mennicke NZG 2000, 622, 625 mwN. 2 R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 35; Scholz/Uwe H. Schneider Rn 130 ff; MünchKomm/ Fleischer Rn 278; im Ergebnis auch U/H/L/Paefgen Rn 242. 3 Ebenso B/H/Zöllner/Noack Rn 15. 4 BGH ZIP 2012, 1197 Rn 27; BGH GmbHR 2013, 1044 Rn 44; s. zuvor auch schon BGH GmbHR 2008, 1092, LS 3 und Rn 19; BGH DStR 2008, 1599 Rn 8. 5 BGH GmbHR 1994, 459. 6 BGH GmbHR 2008, 488, 489; BGH AG 2013, 259 Rn 21; KG GmbHR 2005, 477, 479; KG GmbHR 2011, 477, 481; MünchKomm/Fleischer Rn 261; B/H/Zöllner/Noack Rn 15; Michalski/Haas/Ziemons Rn 200 ff.

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§ 43 | Haftung der Geschäftsführer Schadensersatzpflicht widerspricht1; die Darlegungs- und Beweislast für anzurechnende Vorteile trägt der Geschäftsführer2. Eine solche Vorteilsausgleichung ist auch im Rahmen der Regresshaftung des Geschäftsleiters für Unternehmenskartellbußen geboten3. In den Einzelheiten ist das Problemfeld der Vorteilsausgleichung bei Verstößen des Organwalters gegen die Legalitätspflicht (Rn 12) freilich noch nicht vollständig vermessen4; selbst Zulässigkeit und Grenzen des gesellschaftsrechtlichen Innenregresses für Unternehmenskartellbußen5 sind noch nicht rechtssicher geklärt. Auch bei Kompetenzverletzung (Rn 16 und 45) ist der Wert einer Gegenleistung (zB eines ohne die erforderliche Gesellschafterzustimmung geschlossenen Geschäfts) in die Schadensberechnung einzubeziehen, soweit die Gegenleistung für die Gesellschaft von Nutzen ist6. Ein – insoweit beweisbelasteter – (Gesellschafter-)Geschäftsführer, der sich ohne den notwendigen Gesellschafterbeschluss eine Vergütung auszahlen lässt, soll den Nachweis führen können, dass seine erbrachte Arbeitsleistung nur gegen die ausgezahlte Vergütung zu erwarten war7. S. noch Rn 53 zum Einwand pflichtgemäßen Alternativverhaltens. 47 Der Umfang des Schadensersatzes wird nicht durch ein Mitverschulden eines

anderen Geschäftsführers8 eingeschränkt. Ebenso wenig kann sich ein Geschäftsführer, der seine Pflichten verletzt hat, auf Überwachungsversäumnisse der Gesellschafter oder eines ggf bestehenden Aufsichtsrats berufen9. Denkbar ist aber Haftungsminderung zugunsten eines Geschäftsführers, der wegen unzureichender Überwachung eines Mitgeschäftsführers haftet (Rn 29), wenn Gesellschafter schuldhaft einen ungeeigneten Mitgeschäftsführer bestellt hatten10.

1 Vgl für die Vorstandshaftung BGH AG 2013, 259 Rn 26: Verrechnung von Gewinnen und Verlusten aus einer Reihe gleichartiger unzulässiger Spekulationsgeschäfte. 2 BGH AG 2013, 259 Rn 29. 3 In diesem Sinne etwa Bayer/Scholz GmbHR 2015, 449, 453, 454 f; Binder/Kraayvanger BB 2015, 1219, 1228 f; Fleischer DB 2014, 345, 350; Hauger/Palzer ZGR 2015, 33, 56 ff; kritisch indes MünchKomm/Spindler § 93 AktG Rn 92; Thole ZHR 173 (2009), 504, 530. 4 Weiterführend MünchKomm/Fleischer Rn 45 ff. 5 Einen Innenregress grundsätzlich ablehnend jüngst LAG Düsseldorf GmbHR 2015, 480; zustimmend Bachmann BB 2015, 771, 775; Thomas NZG 2015, 1409, 1410 ff; anders indes die bislang hM, s. etwa Bayer/Scholz GmbHR 2015, 449, 450 ff; Fleischer DB 2014, 345, 347 f; Hauger/Palzer ZGR 2015, 33, 40 ff, je mwN. Zur Diskussion um eine (summenmäßige) Begrenzung der Regresshaftung von Vorstand oder Geschäftsführern etwa Bayer/Scholz GmbHR 2015, 449, 454 ff; Fleischer DB 2014, 345, 348 ff; Eufinger WM 2015, 1265 ff; Hauger/Palzer ZGR 2015, 33, 61 ff. 6 Fleischer DStR 2009, 1206 f; B/H/Zöllner/Noack Rn 15; aA OLG München NZG 2000, 741, 743; KG GmbHR 2005, 477, 479; U/H/L/Paefgen Rn 182. 7 BGH GmbHR 2007, 260 Rn 14 mit Rn 10; BGH GmbHR 2008, 1092 Rn 19. 8 BGH GmbHR 2008, 144. 9 BGH GmbHR 1983, 300; BGH ZIP 2015, 166; OLG Oldenburg GmbHR 2006, 1263, 1268. 10 R/A/Altmeppen Rn 115; B/H/Zöllner/Noack Rn 45.

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Im Übrigen finden, wenn mehrere Geschäftsführer als Gesamtschuldner haften, unterschiedliche Verantwortlichkeitsbeiträge im Rahmen des Innenausgleichs (§ 426 Abs. 1 BGB) Berücksichtigung; s. Rn 38. – Zur haftungsausschließenden Wirkung der Weisung und Billigung durch die Gesellschafter s. im Übrigen Rn 40. d) Haftungskonzentration über die Gesellschaft: Der Geschäftsführer haftet 48 aus § 43 Abs. 1 und 2 allein der Gesellschaft gegenüber: Prinzip der Pflichtenund Haftungskonzentration über die Gesellschaft, vornehmlich um die Ersatzleistung des Geschäftsführers allen Gesellschaftsgläubigern und Gesellschaftern in gleicher Weise zugute kommen zu lassen1; zum notwendigen Gesellschafterbeschluss (§ 46 Nr. 8) s. schon Rn 1 und Rn 51. § 43 Abs. 1 ist deshalb weder Schutzgesetz (§ 823 Abs. 2 BGB) zugunsten der Gesellschaftsgläubiger noch zugunsten der Gesellschafter2. Durch das Prinzip der Pflichten- und Haftungskonzentration über die Gesellschaft wird eine Geschäftsführer-Außenhaftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern oder sonstigen Dritten zwar keineswegs ausgeschlossen; sie bedarf aber besonderer Grundlagen jenseits von § 43 Abs. 1 und 2 (s. schon Rn 12 aE und näher Rn 71 ff, 79 ff). In der GmbH & Co KG ist jeder Geschäftsführer der Komplementär-GmbH nach den Maßstäben des § 43 Abs. 1 auch der KG gegenüber verantwortlich, deren Geschäfte die Komplementär-GmbH als ihre alleinige oder wesentliche Aufgabe zu führen hat und deren Geschäftsführung damit (mittelbar) ihm selbst aufgetragen ist: Der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH unterliegt selbst dort, wo sein Dienstvertrag allein mit der GmbH und nicht auch mit der KG geschlossen wird, einem Rechtsverhältnis mit Schutzwirkung zugunsten der KG, das durch den Pflichtenmaßstab des § 43 Abs. 1 und eine Schadensersatzhaftung bei Pflichtverletzung (auch der KG gegenüber) geprägt wird. Ob man dies (wenn der Dienstvertrag allein mit der Komplementär-GmbH geschlossen wird) dogmatisch aus den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte ableiten oder ein organschaftliches Sonderrechtsverhältnis mit Schutzwirkung zugunsten der KG annehmen, dh schon der Organstellung zur GmbH drittschützende Wirkung beimessen will3, macht im Ergebnis keinen Unterschied4. Wo es 1 Vgl BGH ZIP 1987, 29, 32 f; K. Schmidt JZ 1985, 301, 303; Ulmer ZHR 148 (1984), 391, 407 ff. 2 BGH DB 1979, 1694; BGH NJW 1969, 1712; BGH GmbHR 2012, 964 Rn 23; OLG Frankfurt GmbHR 1999, 1144; OLG Stuttgart GmbHR 2006, 759; B/S/Klöhn Rn 89; R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 42; B/H/Zöllner/Noack Rn 64, je mwN. 3 S. hierzu und zu weiteren Begründungsversuchen – mit Einzelnachweisen – Schürnbrand S. 189 ff. 4 S. etwa BGH GmbHR 2013, 1044 Rn 15; BGH GmbHR 2002, 588, 589; BGH DStR 1992, 549, 550 = GmbHR 1992, 303; BGHZ 100, 190, 193 = GmbHR 1987, 304 f; BGHZ 76, 326, 337 = GmbHR 1980, 179 f; ferner OLG Düsseldorf NZG 2001, 1086; KG GmbHR 2011, 477, 478 f.

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§ 43 | Haftung der Geschäftsführer an einem vertraglichen Dienstverhältnis zwischen der Komplementär-GmbH und ihrem Geschäftsführer fehlt, entfaltet jedenfalls die organschaftliche Sonderrechtsbeziehung zwischen beiden drittschützende Wirkung zugunsten der KG1. Die Geltendmachung der Schadensersatzansprüche der KG gegenüber dem Geschäftsführer (hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislastverteilung gilt das Rn 52 ff Ausgeführte) ist nicht entsprechend § 46 Nr. 8 (vgl Rn 1) von einem Gesellschafterbeschluss abhängig2. 49 Zur Haftung der Geschäftsführer wegen Pflichtverletzung den Gesellschaf-

tern gegenüber kommt es unter den besonderen Voraussetzungen des § 31 Abs. 6 (s. § 31 Rn 34), darüber hinaus ggf nach Bürgerlichem Recht (insbesondere § 826 BGB, nicht aber § 823 Abs. 2 BGB iVm § 43 Abs. 1; Rn 48); eine Haftung gegenüber den Gesellschaftern lässt sich regelmäßig nicht über deren Einbeziehung in den Schutzbereich des Geschäftsführer-Anstellungsvertrages begründen3; anders nur, wenn der Vertrag in diesem Sinne ausgestaltet ist4. Nach einer (zum Vereinsrecht ergangenen) Entscheidung will der BGH den Geschäftsführer deliktsrechtlich dann aus § 823 Abs. 1 BGB haften lassen, wenn er in den „Kern“ der Gesellschaftermitgliedschaft (zu dieser § 14 Rn 16) schuldhaft eingegriffen habe5. Über Eingriffe in den rechtlichen Bestand der Mitgliedschaft hinaus wollen Teile des Schrifttums eine solche Haftung selbst bei Verletzung der gesellschaftsrechtlichen Gleichbehandlungspflicht oder Kompetenzordnung bejahen6. Dem ist nicht zu folgen, da der Verstoß gegen verbandsrechtliche Pflichten nach den Grundsätzen der innerverbandlichen Haftungsordnung zu sanktionieren ist und die breitflächige Anerkennung einer deliktischen Geschäftsführerhaftung gegenüber den Gesellschaftern die gesetzgeberische Entscheidung für eine Haftungskanalisierung über die Gesellschaft unterlaufen würde7.

50 Eine andere (nicht minder umstrittene) Frage ist es, ob ein einzelner Gesell-

schafter berechtigt ist, einen Ersatzanspruch der Gesellschaft gegenüber dem Geschäftsführer im eigenen Namen geltend zu machen (actio pro socio), und zwar derart, dass er Leistung an die Gesellschaft verlangt8. Da die Verfolgung des An1 2 3 4 5 6

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BGH GmbHR 2013, 1044 Rn 16 ff. BGH GmbHR 2013, 1044 Rn 20. OLG Stuttgart GmbHR 2006, 759. MünchKomm/Fleischer Rn 335; Michalski/Haas/Ziemons Rn 269; B/H/Zöllner/Noack Rn 64. BGHZ 110, 323, 334 f. Habersack Die Mitgliedschaft – subjektives und „sonstiges“ Recht, 1996, S. 188 ff; Michalski/Haas/Ziemons Rn 277 f mwN. S. zur Kritik auch R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 44; U/H/L/Paefgen Rn 316; B/H/Zöllner/Noack Rn 65, je mwN. Dazu etwa R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 47 ff; Sandmann S. 354 ff; Scholz/K. Schmidt § 46 Rn 161, je mwN.

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spruchs der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer nach § 46 Nr. 8 einen entsprechenden Gesellschafterentscheid voraussetzt (dazu § 46 Rn 35 ff), kann nur ein subsidiäres Klagerecht des Gesellschafters Anerkennung finden: Er muss sich wegen der Entscheidungsprärogative der Gesellschaftergesamtheit in der Regel1 zunächst ernsthaft und nachdrücklich darum bemühen, einen Beschluss nach dieser Bestimmung herbeizuführen2. Lehnen die Gesellschafter die Verfolgung des Anspruchs gegen den Geschäftsführer durch Beschluss ab, muss ein überstimmter Gesellschafter dagegen im Wege der Anfechtungsklage vorgehen3. Bloß inzidente Prüfung des ablehnenden Gesellschafterentscheids im Schadensersatzprozess4 genügt nicht: auch ein anfechtbarer Beschluss ist bis zu seiner Nichtigerklärung auf Anfechtungsklage wirksam. Im Insolvenzfall wird der Haftungsanspruch gegen den Geschäftsführer vom In- 51 solvenzverwalter geltend gemacht (§ 92 InsO); eines Gesellschafterbeschlusses nach § 46 Nr. 8 bedarf es nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens allerdings nicht, weil dann die Gläubigerinteressen an einer Vermehrung der Masse Vorrang verdienen5. Ein eigenes Verfolgungsrecht der Gesellschaftsgläubiger in der masselosen Insolvenz gewährt das GmbHG nicht6, jedoch ist – im Interesse einer gestärkten Missbrauchsbekämpfung und entgegen der früher hM7 – bei Masselosigkeit ein Klagerecht in Analogie zu § 93 Abs. 5 Satz 1 AktG, § 34 Abs. 5 Satz 1 GenG anzuerkennen, soweit der Anspruch gegen den Geschäftsführer nicht zur Gesellschafterdisposition steht (dazu Rn 42 und Rn 60 ff)8. Die Gegenmeinung verweist die Gesellschaftsgläubiger demgegenüber darauf, den Anspruch der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer zu pfänden und sich überweisen zu lassen, wozu es jedenfalls keines Gesellschafterentscheids nach § 46 Nr. 8 bedarf9.

1 Zu Ausnahmen, vor allem drohende Insolvenz: Scholz/K. Schmidt § 46 Rn 153; s. auch noch OLG Düsseldorf GmbHR 1996, 689, 696. 2 R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 48. 3 HM; OLG Köln GmbHR 1993, 816, 817; R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 48 mwN. 4 Dafür U/H/L/Hüffer/Schürnbrand § 46 Rn 114 f; in den Fällen „offenkundig rechtswidriger Beschlussablehnung“ auch Scholz/K. Schmidt § 46 Rn 161. 5 BGH GmbHR 2004, 1279, 1281. 6 S. BGH WM 1990, 548, 555 = GmbHR 1990, 251. 7 In diesem Sinne etwa noch R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 50; Scholz/Uwe H. Schneider Rn 291; Michalski/Haas/Ziemons Rn 301; B/H/Zöllner/Noack Rn 31; Stobbe Die Durchsetzung gesellschaftsrechtlicher Ansprüche der GmbH in Insolvenz und masseloser Liquidation, 2001, S. 456 ff. 8 Dafür etwa auch R/A/Altmeppen Rn 94; Biletzki NZG 1999, 286, 290; MünchKomm/Fleischer Rn 327; U/H/L/Paefgen Rn 310; K. Schmidt GesR § 9 IV 5. – Zur entsprechenden Problematik in der Liquidation s. § 73 Rn 13 mN. 9 Scholz/Uwe H. Schneider Rn 291.

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§ 43 | Haftung der Geschäftsführer 52 e) Haftungsprozess; Darlegungs- und Beweislast: Vorbehaltlich der vereinbar-

ten Zuständigkeit eines Schiedsgerichts1 ist der Prozess gegen den Geschäftsführer auf Schadensersatz nach § 43 Abs. 2 vor dem nach § 29 ZPO (oder § 13 ZPO) zuständigen Gericht2, nicht etwa vor dem ArbG zu führen. Die Darlegungs- und Beweislast der Gesellschaft ist entsprechend § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG, § 34 Abs. 2 GenG erleichtert. Nach inzwischen ständiger Rspr3 hat die Gesellschaft den Eintritt eines Schadens und dessen Verursachung durch ein Verhalten (Tun oder Unterlassen) des Geschäftsführers, das sich als „möglicherweise pflichtwidrig“ darstellt, darzulegen und zu beweisen. Demgegenüber muss der Geschäftsführer Umstände dafür darlegen und beweisen, dass das schadensauslösende Verhalten nicht pflichtwidrig gewesen war oder ihn zumindest kein Schuldvorwurf hinsichtlich der Pflichtverletzung trifft. Das schließt ggf Darlegungen über die Einhaltung seines unternehmerischen Ermessensspielraums, insbesondere den Nachweis der sorgfältigen Entscheidungsvorbereitung (s. Rn 23 ff) ein4. Entsprechendes gilt für die Darlegungen zur Einholung fachkundigen Rats bei zweifelhafter Rechtslage (dazu Rn 13 aE). Der Geschäftsführer kann auch den Nachweis führen, dass der Schaden selbst bei pflichtgemäßem Alternativverhalten eingetreten wäre5.

53 Kompetenzverletzungen des Geschäftsführers (s. Rn 16) führen nicht zur Scha-

densersatzpflicht, wenn der Gesellschaft aus dem nämlichen Geschäftsführerhandeln gar kein Schaden entstanden ist (Rn 45 f). Ist aus einer vom Geschäftsführer veranlassten Maßnahme, für die er die Zustimmung eines anderen Organs (Gesellschafterversammlung, Aufsichtsrat, Beirat etc) pflichtwidrig nicht eingeholt hat, der Gesellschaft hingegen ein Schaden entstanden, ist der Geschäftsführer ersatzpflichtig. Denn kompetenzwidriges Geschäftsführerhandeln ist stets pflichtwidrig (Rn 16). Der Einwand pflichtgemäßen Alternativverhaltens steht dem Geschäftsführer hier richtigerweise nur in engen Grenzen offen: 1 Zur Schiedsfähigkeit von Organhaftungsstreitigkeiten s. etwa Bauer/Arnold/Kramer AG 2014, 677; MünchKomm/Fleischer Rn 334a; Habersack/Wasserbäch AG 2016, 2, 12 ff; Herresthal ZIP 2014, 345; Leuering NJW 2014, 657. 2 BGH GmbHR 1992, 303; MünchKomm/Fleischer Rn 334. 3 Eingehende Darstellung und Analyse des Fallmaterials bei Goette ZGR 1995, 648 ff; aus jüngerer Zeit s. insbesondere BGH GmbHR 2003, 113 und etwa BGH AG 2011, 378 Rn 17; BGH GmbHR 2013, 1044 Rn 22; ferner etwa KG GmbHR 2011, 477, 480; OLG München Der Konzern 2016, 133 = AG 2016, 332; OLG München GmbHR 2015, 1324, 1326. 4 BGH GmbHR 2003, 113, 114; BGH GmbHR 2008, 1033, 1034; vgl auch BGH AG 2011, 378 Rn 19 ff; BGH AG 2013, 259 Rn 14; BGH GmbHR 2013, 1044 Rn 28; KG GmbHR 2011, 477, 480; OLG München Der Konzern 2016, 133 = AG 2016, 332; Fleischer ZIP 2004, 685, 688; Kurzwelly in Hdb Managerhaftung, § 12 Rn 10; Lutter ZIP 2007, 841, 846; kritisch U/H/L/Paefgen Rn 209; Paefgen NZG 2009, 891: insoweit nur sekundäre Darlegungs- und Beweislast des Geschäftsführers; ähnlich Fest NZG 2011, 540, 541 f. 5 BGH GmbHR 2003, 113, 114; BGH AG 2011, 378 Rn 17; BGH GmbHR 2013, 1044 Rn 22 und 32; BGH AG 2013, 259 Rn 14.

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Die Kausalität der Kompetenzverletzung entfällt nur dort, wo das übergangene Organ (Gesellschafterversammlung, Aufsichtsrat, Beirat etc) der fraglichen Geschäftsführungsmaßnahme hätte zustimmen müssen, jedes andere Votum also treuwidrig gewesen wäre1. Von solchen Ausnahmefällen abgesehen muss der Einwand pflichtgemäßen Alternativverhaltens bei der Verletzung von Kompetenz- oder Verfahrensregeln ausgeschlossen sein, da die Mitwirkungsrechte des nicht ordnungsgemäß befassten Organs andernfalls unterlaufen würden2. Deshalb kann zB ein Geschäftsführer, der eine verlustbringende Maßnahme ohne die (satzungsmäßig erforderliche) Zustimmung eines Beirats vollzogen hat, nicht erfolgreich geltend machen, dieser hätte – wäre er eingeschaltet worden – zugestimmt. Es kommt hier weder auf das durch Vernehmung der Beiratsmitglieder in einem späteren Prozess gegen den Geschäftsführer zu ermittelnde hypothetische Abstimmungsverhalten noch darauf an, welches Votum von einem verantwortlich handelnden, zureichend informierten Beiratsmitglied zu erwarten gewesen wäre3. Nicht zu überzeugen vermag deshalb auch eine jüngere Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2013 zur Geschäftsführerhaftung in der GmbH & Co KG4, in der dem auf Schadensersatz in Anspruch genommenen Geschäftsführer der Einwand des hypothetischen Einverständnisses der Gesellschafter zugestanden wird (s. schon Rn 41): Unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des pflichtgemäßen Alternativverhaltens sollen dem Geschäftsführer Darlegung und Nachweis offen stehen, dass die Gesellschafter ihr Einverständnis mit der schadenstiftenden Geschäftsführungsmaßnahme erklärt hätten, wenn sie darüber zuvor zureichend informiert worden wären5. Indes muss die Entscheidung über die Billigung des Geschäftsführerhandelns der Willensbildung und Erklärung der Gesellschafter vorbehalten bleiben. Solange es an einer entsprechenden ausdrücklichen Erklärung fehlt und auch keine Anhaltspunkte vorliegen, die den Schluss auf ein stillschweigend erklärtes Einverständnis (Rn 41) erlauben, haben die Gesellschafter den Geschäftsführer gerade nicht von der Haftung befreit6.

1 Auf eine Zustimmungspflicht abstellend auch BGH GmbHR 2007, 260 Rn 14 mit Rn 10 f. 2 Zutreffend in diesem Sinne schon BGH GmbHR 1991, 197 (für das GmbH-Recht); BGHZ 114, 127, 135 (für das Aktienrecht); Fleck GmbHR 1974, 224, 226; der Sache nach ebenso etwa Goette DStR 1997, 81, 82; Michalski/Haas/Ziemons Rn 199a; U/H/L/ Paefgen Rn 195; aA Altmeppen FS K. Schmidt, 2009, S. 23, 36 ff; R/A/Altmeppen Rn 104 f; MünchKomm/Fleischer Rn 266; S/I/Lücke/Simon Rn 54; B/H/Zöllner/Noack Rn 16. 3 Auf Letzteres abstellend aber OLG Oldenburg GmbHR 2006, 1263, 1267; dem zustimmend Fleischer DStR 2009, 1204, 1209 und MünchKomm/Fleischer Rn 266; Werner GmbHR 2007, 678, 681; B/H/Zöllner/Noack Rn 16. 4 BGH GmbHR 2013, 1044. 5 BGH GmbHR 2013, 1044 Rn 31 ff; zustimmend Bachmann NZG 2013, 1121, 1123; ablehnend R/A/Altmeppen Rn 106. 6 Im Ergebnis wie hier U/H/L/Paefgen Rn 195 aE; Michalski/Haas/Ziemons Rn 199a aE.

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§ 43 | Haftung der Geschäftsführer 54 Der Geschäftsführer hat sich nicht nur in subjektiver, sondern auch in objektiver

Hinsicht zu entlasten, die Gesellschaft muss aber ein schadensursächliches Geschäftsführerverhalten in dessen Pflichtenkreis (und in eben diesem Sinne die „Möglichkeit der Pflichtwidrigkeit“) darlegen1. Diese Abgrenzung der Darlegungs- und Beweislast ist freilich nicht statisch zu verstehen; denn die Gesellschaft hat nach Maßgabe ihrer größeren Beweisnähe (einzelfallabhängige) sekundäre Darlegungslasten hinsichtlich etwaiger Pflichtverletzungen des in Anspruch genommenen Geschäftsführers2. Das gilt auch dort, wo diesem die Verletzung seines unternehmerischen Entscheidungsermessens (s. Rn 23 ff) vorgeworfen wird. Schon deshalb ist in diesen Fällen eine Korrektur der skizzierten Beweislastverteilung „als Filter gegen frivole Organhaftungsklagen“3 nicht veranlasst; Darlegung und Nachweis sorgfältiger Entscheidungsvorbereitung (Einhaltung der verfahrensmäßigen Anforderungen an pflichtgemäßes unternehmerisches Entscheiden) belasten den Geschäftsführer keineswegs unangemessen. Für einen etwaigen Interessenkonflikt, der zur uneingeschränkten gerichtlichen Überprüfung des Geschäftsführerhandelns führt (s. Rn 24), hat die Gesellschaft aber konkrete Anhaltspunkte vorzutragen4, ohne die der Geschäftsführer keinen „Negativbeweis“ führen kann. Für den (von der Gesellschaft zu führenden) Nachweis von Schadenseintritt und Schadenshöhe sowie die Ursächlichkeit des Geschäftsführerverhaltens gelten die Erleichterungen aus § 287 ZPO5. Beruft sich der Geschäftsführer zu seiner Entlastung auf eine ihn bindende Weisung der Gesellschafter oder auf deren Billigung (s. Rn 40 f), so hat er auch diese zu beweisen6.

1 So schon Goette ZGR 1995, 648, 671 ff; ebenso B/H/Zöllner/Noack Rn 38. Wohl etwas abweichende Interpretation des Nachweises „möglicher“ Pflichtwidrigkeit zB bei Krieger VGR, Gesellschaftsrecht in der Diskussion, Jahrestagung 1998, 1999, S. 111, 128 und Krieger FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 717, 721: Gesellschaft müsse Indizien bzw Anhaltspunkte für die Pflichtwidrigkeit des Geschäftsführerverhaltens darlegen. Die Darlegung von Umständen, aus denen sich „der Anschein“ möglicher Pflichtwidrigkeit ergebe, verlangt OLG Nürnberg ZIP 2015, 430; dagegen zu Recht Bauer NZG 2015, 549. 2 BGH GmbHR 2003, 113, 114; Goette ZGR 1995, 648, 674; Kurzwelly in Hdb Managerhaftung, § 12 Rn 14; B/H/Zöllner/Noack Rn 38 aE. 3 So U/H/L/Paefgen Rn 209 mit Fn 642 unter Hinweis auf die Beweislastverteilung nach der US-amerikanischen business judgment rule. Der ungefilterten Übernahme der dortigen Regeln stehen hierzulande indes die Vorgaben in § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG, § 34 Abs. 2 GenG entgegen. § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG lässt diese Vorgaben unberührt. 4 Insoweit übereinstimmend U/H/L/Paefgen Rn 209. 5 BGH GmbHR 2003, 113, 114; zu Beweiserleichterungen, wenn die Geschäftsvorfälle durch nicht ordnungsgemäße Buchhaltung unaufklärbar sind, s. etwa BGH GmbHR 1991, 101 und OLG Stuttgart GmbHR 2000, 1048, 1049 f mwN. 6 BGH GmbHR 2008, 805, 810; R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 36 aE.

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Die Erleichterungen der Darlegungs- und Beweislast zugunsten der klagenden 55 Gesellschaft gelten für die organschaftliche Haftung des Geschäftsführers, nicht aber für eine etwaige Haftung auf sonstiger (vor allem deliktsrechtlicher) Grundlage1. Sie finden auch bei Haftungsklagen gegen einen ausgeschiedenen Geschäftsführer Anwendung2. Der Gesellschaft wird aber wiederum im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast (s. schon Rn 54) auferlegt, die angebliche Pflichtverletzung näher zu bezeichnen3; zudem hat das beklagte ehemalige Organmitglied – das nach Beendigung seiner Amtszeit sämtliche Geschäftsunterlagen an die Gesellschaft herauszugeben hat4 (§§ 675, 666, 667 BGB; dazu Anh zu § 6 Rn 48) – Anspruch auf Einsicht in jene Unterlagen der Gesellschaft, die für die Rechtsverteidigung benötigt werden; die Gesellschaft muss ihm das für seine Beweisführung maßgebliche Material zugänglich machen5. Soweit die Gesellschaft diese Einsicht nicht gewährt (etwa mit dem Hinweis, entsprechende Unterlagen aus der Amtszeit des Beklagten seien nicht mehr vorhanden6), ist ihr die Berufung auf die Erleichterungen ihrer Darlegungs- und Beweislast zu versagen7. Dem ehemaligen Geschäftsführer wäre, soweit er beweisbelastet bliebe, mit einer (weiteren) Reduzierung seiner Darlegungslast zulasten einer gesteigerten sekundären Darlegungslast der Gesellschaft8 nicht geholfen; denn die Führung des Entlastungsbeweises wird ihm ohne Einsichtnahme in die maßgeblichen Unterlagen in der Regel nicht gelingen9.

1 BGH GmbHR 2002, 1197, 1199; OLG Stuttgart GmbHR 2006, 759. 2 BGH GmbHR 2003, 113, 114; MünchKomm/Fleischer Rn 274; B/H/Zöllner/Noack Rn 44; aA (keine Beweislastumkehr zulasten von ausgeschiedenen Organpersonen) Foerster ZHR 176 (2012), 221, 243 ff; wohl auch Michalski/Haas/Ziemons Rn 256. 3 BGH GmbHR 2003, 113, 114; Kurzwelly in Hdb Managerhaftung, § 12 Rn 15. 4 BGH WM 1968, 1325, 1328; BGH GmbHR 2008, 1214. 5 BGH GmbHR 2003, 113, 114; zum Umfang des Einsichtnahmerechts weiterführend Deilmann/Otte BB 2011, 1291, 1293 f; Foerster ZHR 176 (2012), 221, 232 ff; Freund NZG 2015, 1419, 1421; Grooterhorst AG 2011, 389, 392 ff; Krieger FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 717, 722 ff; Ruchatz AG 2015, 1, 2 ff; Werner GmbHR 2013, 68, 69 ff. Empfehlungen für eine vorausschauende vertragliche Gestaltung gibt Meckbach NZG 2015, 580, 584 f. 6 Vgl Michalski/Haas/Ziemons Rn 256. 7 Im Ergebnis ebenso K. Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer-Coceani § 93 AktG Rn 44: entsprechend den Regeln über die Beweisvereitelung; ähnlich, aber mit anderem Ansatz Foerster ZHR 176 (2012), 221, 241 f: Beweiserleichterungen nach §§ 427, 444 ZPO. 8 So aber wohl Krieger FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 717, 734. 9 Foerster ZHR 176 (2012), 221, 231 und 242; Grooterhorst AG 2011, 389, 392.

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§ 43 | Haftung der Geschäftsführer 4. Besondere Haftungstatbestände bei Verstoß gegen §§ 30, 33 (§ 43 Abs. 3) 56 Besondere Tatbestände des allgemeinen Schadensersatzanspruchs nach § 43

Abs. 2 (arg „insbesondere“1) sieht § 43 Abs. 3 vor, wenn die Gesellschaft entgegen § 33 eigene Geschäftsanteile erwirbt (§ 43 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2) oder wenn Zahlungen entgegen § 30 an Gesellschafter geleistet werden (§ 43 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1). Geschäftsführer haben kraft ihrer Überwachungspflicht dafür zu sorgen, dass solche Zahlungen auch nicht von Mitgeschäftsführern oder Prokuristen etc getätigt werden2; Prokuristen und andere nachgeordnete Mitarbeiter haften aber selbst nicht nach § 43 Abs. 3, sondern ggf deliktisch sowie wegen Verletzung ihres Anstellungsvertrages3. Die Schadensersatzhaftung des Geschäftsführers nach § 43 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 tritt neben die Haftung des Leistungsempfängers auf Rückerstattung nach § 31 Abs. 1, 2; der Geschäftsführer kann bei ihm Regress nehmen. Realisiert sich die Ausfallhaftung der Mitgesellschafter aus § 31 Abs. 3, sind die Geschäftsführer diesen zum Ersatz verpflichtet (§ 31 Abs. 6). In der GmbH & Co KG haftet der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH gegenüber der KG nach § 43 Abs. 3 für nach § 30 Abs. 1 verbotene Auszahlungen aus dem Vermögen der KG an einen Gesellschafter der Komplementär-GmbH4.

57 Den Fällen der 1. Alt. steht die Rückzahlung von Gesellschafterdarlehen gleich,

wenn und soweit sie – weil das bis zum Inkrafttreten des MoMiG (1.11.2008) geltende Recht noch Anwendung findet (Altfälle; dazu näher Anh zu § 64 Rn 173 f) – den BGH-Regeln zum auslaufenden Eigenkapitalersatzrecht unterstehen (s. 16. Aufl, §§ 32a/b Rn 103). Wo allein das neue Recht zur Anwendung kommt, kann der Geschäftsführer nach § 64 Satz 3 einstandspflichtig sein (vgl § 64 Rn 20 ff)5. Zur Darlehensvergabe an einen Gesellschafter s. Rn 59.

58 Die Geschäftsführerhaftung in den Sonderfällen des § 43 Abs. 3 ist gegenüber

der allgemeinen Haftung nach § 43 Abs. 2 verschärft: Sie steht, soweit die Ersatzleistung zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger benötigt wird, nicht zur Disposition der Gesellschafter (vgl dazu Rn 61); unter dieser Voraussetzung haften deshalb auch die einvernehmlich handelnden Gesellschafter, die zugleich Geschäftsführer sind6. Darlegung und Beweis der Voraussetzungen des Haftungstatbestandes (Verstoß gegen § 30 bzw § 33) obliegt grundsätzlich der Ge-

1 Die zutreffende Deutung des § 43 Abs. 3 als Schadensersatzanspruch entspricht der ganz hM; s. nur BGH GmbHR 2008, 1319, 1321; MünchKomm/Fleischer Rn 285; U/H/L/Paefgen Rn 255 f mwN; aA Habersack/Schürnbrand WM 2005, 957, 960: „Ersatzanspruch eigener Art (verschuldensunabhängiger Folgenbeseitigungsanspruch)“. 2 BGH GmbHR 2001, 771, 772. 3 BGH GmbHR 2001, 771, 773 f; dazu H.-F. Müller ZGR 2003, 441. 4 BGH GmbHR 2015, 248 Rn 12. 5 MünchKomm/Fleischer Rn 289; B/H/Zöllner/Noack Rn 49. 6 BGH GmbHR 2012, 740 Rn 27.

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sellschaft (dem Insolvenzverwalter), den in Anspruch genommenen Geschäftsführer treffen jedoch sekundäre Darlegungslasten1. Haftung nach § 43 Abs. 3 gründet auf einem normspezifischen Schadensbegriff: Zu ersetzender Schaden bei Erwerb eigener Anteile entgegen § 33 (§ 43 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2) ist der unzulässig gezahlte Erwerbspreis abzüglich etwaiger Rückzahlungen, nicht lediglich die Differenz zum Anteilswert2. Schaden bei Vermögensauskehr an Gesellschafter entgegen § 30 (§ 43 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1) liegt in der Minderung des gebundenen Vermögens; der Erstattungsanspruch gegen den Zahlungsempfänger bleibt unberücksichtigt3. Der Eintritt dieses normativen Schadens wird jeweils vermutet, allerdings widerlegbar: So ist im Fall von § 43 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 ein etwaiger Schadensausgleich durch endgültigen Rückfluss der ausgekehrten Werte in das Gesellschaftsvermögen vom Geschäftsführer darzulegen und zu beweisen4. Die spätere anderweitige Wiederauffüllung des Gesellschaftskapitals lässt die Haftung aus § 43 Abs. 3 aber nicht entfallen5. Die unterlassene Geltendmachung des Erstattungsanspruchs gegen den Zahlungsempfänger löst keinen neuerlichen Schadensersatzanspruch gegen den (aus § 43 Abs. 3 verantwortlichen) Geschäftsführer nach § 43 Abs. 2 aus (s. auch Rn 67 zur Verjährung des Anspruchs aus § 43 Abs. 3)6. Sind (über den von § 43 Abs. 3 erfassten Schaden hinaus) weitergehende Schäden zu Lasten der Gesellschaft entstanden, so haftet der Geschäftsführer hierfür nach § 43 Abs. 2 (nicht nach § 43 Abs. 3); Darlegungslast für den Eintritt solcher Schäden liegt (entsprechend Rn 52) bei der Gesellschaft7. Im Falle der Darlehensvergabe an einen Gesellschafter entlastet die mit § 30 59 Abs. 1 Satz 2 idF des MoMiG vollzogene „Rückkehr zur bilanziellen Betrachtungsweise“ (s. zu Einzelheiten § 30 Rn 25 ff) zugleich den Geschäftsführer: Wo – wegen Vollwertigkeit des Rückgewähranspruchs – in der Darlehensvergabe keine verbotene Auszahlung liegt, droht ihm auch nicht die Haftung aus § 43 Abs. 3. Allerdings trifft den Geschäftsführer hier eine Beobachtungspflicht. Er muss fortlaufend überwachen, ob der Rückgewähranspruch gegen den Gesellschafter weiterhin werthaltig bleibt. Ist das nicht mehr der Fall – bahnt sich in Cash Pool-Systemen gar die Illiquidität des Konzernverbundes an – muss er die überlassenen Mittel zurückfordern oder auf der Stellung von Sicherheiten beste-

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BGH GmbHR 2006, 537 im Anschluss an BGHGmbHR 2003, 466, 467. U/H/L/Paefgen Rn 269; B/H/Zöllner/Noack Rn 50. BGH GmbHR 2008, 1319, 1321; MünchKomm/Fleischer Rn 293. RGZ 159, 211, 230; Fleischer ZIP 2005, 141, 151; Habersack/Schürnbrand WM 2005, 957, 958; U/H/L/Paefgen Rn 271. 5 BGH GmbHR 2012, 740 Rn 29. 6 BGH GmbHR 2008, 1319, 1321 und dazu Bormann ZInsO 2009, 127, 129. 7 R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 24; B/H/Zöllner/Noack Rn 49; U/H/L/Paefgen Rn 270 f; Michalski/Haas/Ziemons Rn 219.

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§ 43 | Haftung der Geschäftsführer hen; andernfalls macht er sich schadensersatzpflichtig nach § 43 Abs. 21. Jedenfalls wo der Ausfall des Rückzahlungsanspruchs die eigene Existenz der darlehensgebenden Gesellschaft erheblich gefährdet, könnte sich der Geschäftsführer auch nicht auf eine etwaige Weisung der Gesellschafter berufen, still zu halten. Denn in den Fällen der Existenzgefährdung (oder gar -vernichtung) wirkt das Einverständnis der Gesellschafter nicht haftungsbefreiend (s. Rn 42).

5. Einschränkbarkeit der Geschäftsführerhaftung 60 Die gesetzlich ausgeformte Geschäftsführerhaftung gegenüber der Gesellschaft

kann privatautonom eingeschränkt werden: Zum einen durch abweichende Gestaltung der Voraussetzungen für die Entstehung des Haftungsanspruchs, nämlich im Wege einer Herabsetzung des Pflichten- und Sorgfaltsmaßstabs im vorhinein; zum anderen durch (nachträgliche) Disposition über Bestand oder Durchsetzbarkeit eines entstandenen Anspruchs: Verzicht, Vergleich sowie Verjährungsfristverkürzung (oder einer solchen gleich kommende Abrede). Daneben kommt die Vereinbarung einer summenmäßigen Haftungsbeschränkung in Betracht2. Für die Wirksamkeit derartiger Gestaltungsmaßnahmen ist zu differenzieren:

61 a) Besondere Haftungstatbestände (§ 43 Abs. 3): Vereinbarungen, welche die

Geschäftsführerhaftung in den besonderen Tatbeständen des § 43 Abs. 3 Satz 1 (Verstoß gegen die zwingenden Pflichten aus §§ 30, 33) einschränken, sind nur in engen Grenzen möglich: Verzicht auf oder Vergleich über diese Ersatzansprüche sind unwirksam, soweit der Ersatz zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist: § 43 Abs. 3 Satz 2 iVm § 9b Abs. 1 Satz 1. Der Vorbehalt aus § 9b Abs. 1 Satz 2 gilt bei Zahlungsunfähigkeit des Geschäftsführers entsprechend. Auch eine Gesellschafterweisung, die den Geschäftsführer zum Verstoß gegen §§ 30, 33 anhält, lässt den Ersatzanspruch unberührt, soweit die Ersatzleistung zur Gläubigerbefriedigung benötigt wird: § 43 Abs. 3 Satz 3. Konsequent kann der Verschuldensmaßstab für die Haftung nach § 43 Abs. 3 Satz 1 nicht im Voraus gemildert werden.

62 b) Allgemeiner Haftungstatbestand (§ 43 Abs. 2): Inwieweit die Geschäftsfüh-

rerhaftung gegenüber der Gesellschaft außerhalb der von § 43 Abs. 3 erfassten Fälle (und der Sondervorschriften §§ 9a/b; 64; 57 Abs. 4) zur Disposition der Gesellschafter steht, ist sehr umstritten.

1 Vgl BGH GmbHR 2009, 199, 202 mwN – MPS; Johnen, Cash Pooling in faktischen Unternehmenszusammenschlüssen, 2014, S. 236 ff, 311 ff; Strohn ZInsO 2009, 1417, 1420; s. aber auch B/H/Zöllner/Noack Rn 49a: verschärfte Haftung nach § 43 Abs. 3. 2 Dazu Heisse Die Beschränkung der Geschäftsführerhaftung gegenüber der GmbH, 1988, S. 123 ff.

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Ein Teil des Schrifttums will, vorbehaltlich des stets notwendigen Gesellschafterentscheids (s. Rn 66), vertragliche Beschränkungen der Geschäftsführerhaftung ohne Einschränkung zulassen, sofern nicht die Verletzung gläubigerschützender Pflichten des Geschäftsführers, namentlich solche im Rahmen der Kapitalerhaltung, in Rede steht1. Mitunter wird die Grenze freilich großzügiger gezogen und eine Beschränkung nur bei jenen Rechtsregeln als unzulässig angesehen, die (wie § 43a) das Stammkapital der Gesellschaft unmittelbar vor Abzug und Eingriff schützen oder (wie die Existenzvernichtungshaftung) den Kapitalschutz verlängern2. Zum Teil werden jedenfalls Verzicht und Vergleich – noch weitergehend – überall dort zugelassen, wo es (wie etwa in § 43 Abs. 3 oder § 64) an einer ausdrücklichen gesetzlichen Einschränkung fehlt3. Manche möchten im Vorhinein nur einen Haftungsausschluss für leichte oder jedenfalls nur einen solchen jenseits grober Fahrlässigkeit anerkennen4 oder generelle Beschränkungen der Haftung vor Eintritt eines Haftungsfalls ausschließen und mithin – dies wiederum in unterschiedlichen Grenzen – nur Verzicht oder Vergleich im Nachhinein zulassen5. Auch in diesem Kommentar wurde bis zur 15. Aufl (Rn 2, 21 und 29) jede vorherige Abschwächung der Geschäftsführerhaftung als unzulässig angesehen6; ein nachträglicher Verzicht oder Vergleich sollte selbst außerhalb von § 43 Abs. 3 insoweit keine Anerkennung finden, als der Ersatzanspruch zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist7. Die Rspr des BGH schwankte: In einer Entscheidung aus 1999 hatte der II. Zi- 63 vilsenat nachträgliche Beschränkungen der Geschäftsführerhaftung auch jenseits der von § 43 Abs. 3 erfassten Konstellationen ausschließen wollen, soweit der Schadensersatzbetrag zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger benötigt wird8. 1 R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 4 f; U/H/L/Paefgen Rn 8 ff, 227 ff, 263 ff; Sandmann S. 328 ff; Scholz/Uwe H. Schneider Rn 261 f. 2 So Fleischer BB 2011, 2435, 2438 f und MünchKomm/Fleischer Rn 309 f; für Verzicht und Vergleich im Ausgangspunkt ebenso B/H/Zöllner/Noack Rn 34 und 47. 3 Henssler/Strohn/Oetker Rn 53; Michalski/Haas/Ziemons Rn 238; wohl auch Bayer GmbHR 2014, 897, 905 f. 4 Vgl Lohr NZG 2000, 1204, 1209; B/H/Zöllner/Noack Rn 5, 46: Haftung für grobe Fahrlässigkeit sei „absoluter Mindeststandard“; dagegen MünchKomm/Fleischer Rn 312. 5 Bastuck Enthaftung des Managements, 1986, S. 90 ff; Heisse Geschäftsführerhaftung, S. 90 ff, 110 ff; Haas/Wigand in Hdb Managerhaftung, § 16 Rn 2 ff, 56 ff, 60; Wigand Verzicht, Vergleich und sonstige Haftungsbeschränkungen im Gesellschaftsrecht, 2012, S. 241 ff; Michalski/Haas/Ziemons Rn 14 und 238; bezogen auf die Verkürzung der Verjährungsfrist auch Sturm GmbHR 2003, 573, 575 ff; Sturm Die Verjährung von Schadensersatzansprüchen …, 2005, S. 463 ff. 6 Zurückhaltend auch Lutter GmbHR 2000, 301, 311: „bedenklich“. 7 15. Aufl, Rn 28; übereinstimmend etwa Cahn Vergleichsverbote im Gesellschaftsrecht, 1996, S. 103 f; Jula GmbHR 2001, 806, 808; etwas großzügiger R/A/Altmeppen Rn 118, 125 ff, wo zusätzlich „gröblicher“ Sorgfaltsverstoß des Geschäftsführers verlangt wird. 8 BGH GmbHR 2000, 187 für den Fall der Verkürzung der Verjährungsfrist nach § 43 Abs. 4.

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§ 43 | Haftung der Geschäftsführer Wenig später relativierte der Senat diesen Standpunkt aber mit der Feststellung, § 43 Abs. 3 Satz 3 sehe eine unverzichtbare Erstattungspflicht des Geschäftsführers, soweit zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich, nur bei verbotenen Auszahlungen an Gesellschafter vor1. In einer Entscheidung vom 16.9. 2002 ist der begrenzte Geltungsanspruch von § 43 Abs. 3 Satz 2 und 3 – unter Aufgabe der in 1999 verfochtenen Position – ausdrücklich bekräftigt worden2. Die Vorschrift erfasse nur jene Fälle, in denen der Pflichtverstoß des Geschäftsführers darin bestehe, dass er eine Verletzung der Kapitalschutzvorschriften (§§ 30, 33) nicht unterbunden habe. Die Entscheidung betrifft die Zulässigkeit einer (im Anstellungsvertrag vereinbarten) Ausschlussfrist von nur wenigen Monaten für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen, enthält aber grundsätzliche Bemerkungen zur Einschränkbarkeit der Geschäftsführerhaftung: Außerhalb des Anwendungsbereichs von § 43 Abs. 3 sei es Sache der Gesellschafter, ob und ggf in welchem Umfang sie Ansprüche der Gesellschaft gegen einen pflichtwidrig handelnden Geschäftsführer verfolgen wollten3. Wie auf die Durchsetzung eines entstandenen Anspruchs verzichtet werden könne, so könne auch schon im Vorfeld das Entstehen des Ersatzanspruchs geregelt werden: durch Erteilung einer haftungsfreistellenden Gesellschafterweisung oder durch Vereinbarung eines geminderten Sorgfaltsmaßstabs4. 64 Bei näherer Würdigung verdient jene Rspr nur eingeschränkt Zustimmung. Sie

überzeugt, soweit sie zugunsten einer Einschränkbarkeit der Geschäftsführerhaftung auf Freistellungswirkung von Gesellschafterweisungen verweist und Zulässigkeit von Vereinbarungen über Entstehungsvoraussetzungen von Innenhaftungsansprüchen gegen Geschäftsführer nicht grundlegend anderen Maßstäben unterwirft als sie für Fortbestand und Durchsetzung solcher Ansprüche gelten5: Sofern Gesellschafter Weisungen mit haftungsbefreiender Wirkung erteilen können, dürfen sie auch in sonstiger Weise über Geschäftsführerhaftung disponieren, in den Grenzen des § 276 Abs. 3 BGB (also nicht für Vorsatz) auch im Wege einer vorherigen Einschränkung des Verschuldensmaßstabs6. Jedoch ha-

1 BGH GmbHR 2000, 330. 2 BGH GmbHR 2002, 1197 f für die Verjährungsfristverkürzung. 3 Deutlich auch BGH GmbHR 2008, 488, 489: § 43 Abs. 3 Satz 2 gelte nur für den Verzicht auf Schadensersatzansprüche aus § 43 Abs. 3 Satz 1, also wegen Verstoßes gegen §§ 30, 33. 4 BGH GmbHR 2002, 1197 f; bestätigend BGH GmbHR 2003, 712, 713; ebenso OLG Stuttgart GmbHR 2003, 835, 837. – Beifällig zur BGH-Entscheidung aus 2002 etwa Uwe H. Schneider WuB II C. § 43 GmbHG 1.03; kritisch Altmeppen DStR 2002, 2046, 2048; Bormann BGH-Report 2003, 73; reserviert auch Goette KTS 2006, 217, 233; Goette ZGR 2008, 436, 448 f mit Fn 49. 5 S. schon Fleck GmbHR 1974, 224, 229; Uwe H. Schneider FS Werner, 1984, S. 795, 811. 6 All das verkennt van Venrooy GmbHR 2004, 237, 241 ff, der § 43 Abs. 1 als zwingend ansieht und aus dieser (unzutreffenden) Prämisse einen Anspruch der Gesellschaft gegen ihre Gesellschafter auf sachkundige Besetzung der Geschäftsführung herzuleiten versucht.

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ben Gesellschafterweisungen freistellende Wirkung nur, soweit sie nicht zur Verletzung von Pflichten führen, die den Geschäftsführer im Interesse der Gesellschaftsgläubiger oder im Allgemeininteresse zugewiesen sind (s. Rn 42 und § 37 Rn 5, 18 und 22). Für Verstoß gegen Auszahlungsverbote aus §§ 30 Abs. 1, 64 (und Erwerbsverbot nach § 33) wird das in §§ 43 Abs. 3 Satz 2 und 3, 64 Satz 4 klargestellt. Der Bestand weisungsfester Geschäftsführerpflichten reicht aber über diese Fälle hinaus. So sind etwa auch die Insolvenzantragspflicht nach § 15a Abs. 1 InsO sowie die Buchführungspflicht nach § 41 im Allgemeininteresse zwingend (s. § 41 Rn 2); damit unvereinbare Weisungen darf der Geschäftsführer nicht befolgen. Ebenfalls zwingend ist Einberufungspflicht nach § 49 Abs. 3 (s. § 49 Rn 8). Vor allem aber verbietet § 43a einem Geschäftsführer, aus dem gebundenen Vermögen der Gesellschaft Kredit zu gewähren; der verbotswidrig begünstigte Geschäftsführer haftet der Gesellschaft nach § 43 Abs. 2, wobei § 43 Abs. 3 Satz 2 und 3 analoge Anwendung findet (s. § 43a Rn 3). Mit dieser Wertung wäre es schwerlich zu vereinbaren, Schadensersatzansprüche gegen einen Fremd-Geschäftsführer, der zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliches Gesellschaftsvermögen zu privaten Zwecken entzieht, zur unbegrenzten Disposition der Gesellschafter zu stellen. In dem der BGH-Entscheidung vom 16.9.2002 (Rn 63) zugrunde liegenden Fall1 wurde dem bis zur Konkurseröffnung tätigen Fremd-Geschäftsführer immerhin vorgeworfen, Spesen und sonstige Aufwendungen unrichtig abgerechnet und Kosten seiner privaten Lebensführung auf die Gesellschaft abgewälzt zu haben2. Für die Einschränkbarkeit der Geschäftsführerhaftung ist deshalb nach den spe- 65 zifisch gläubigerschützenden Geschäftsführerpflichten zu differenzieren, die (über die Gebote der §§ 30, 33, 64 hinaus) nicht zur Disposition der Gesellschafter stehen können3. Für diese Pflichten muss – in Analogie zu § 43 Abs. 3 Satz 2 und 3 – die vorherige Milderung des Haftungsmaßstabs ausgeschlossen sein; ein nachträglicher Verzicht oder Vergleich darf nur Anerkennung finden, soweit der Ersatzanspruch zur Gläubigerbefriedigung nicht erforderlich ist4. Mit der Differenzierung zwischen disponiblen und (im Gläubigerinteresse) zwingenden Geschäftsführerpflichten wird keineswegs einem „diffusen Abgrenzungskriterium“ das Wort geredet5; für die Kompetenzordnung des GmbH-Rechts ist 1 BGH GmbHR 2002, 1197. 2 Dazu auch Bormann BGH-Report 2003, 73. 3 Wie hier B/S/Klöhn Rn 76 und 63; s. ferner Sandmann S. 331 zur „Vermögensbeobachtungspflicht“ im Zusammenhang mit der Vorsorge gegen existenzgefährdende Risiken. 4 Gleichsinnig U/H/L/Paefgen Rn 266; B/S/Klöhn Rn 77; für die Binnenhaftung des Geschäftsführers nach § 43 Abs. 2 wegen Insolvenzverschleppung (s. Rn 35) auch Haas/Wigand in Hdb Managerhaftung, § 11 Rn 11 mwN. 5 So aber der Einwand von Haas/Wigand in Hdb Managerhaftung, § 16 Rn 31; im Ansatz wie hier indes Wigand Verzicht, Vergleich, S. 116 ff. „Schwierige Abgrenzungsfragen“ sieht auch Fleischer BB 2011, 2435, 2438 und MünchKomm/Fleischer Rn 310.

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§ 43 | Haftung der Geschäftsführer diese Abgrenzung geradezu elementar (vgl § 37 Rn 5). Die Anfechtungstatbestände des Insolvenzrechts (insbesondere § 134 InsO) können – da sie allenfalls in Fällen des Verzichts auf einen entstandenen Anspruch hinreichenden Erfolg versprechen1 – den gebotenen Gläubigerschutz noch nicht gewährleisten und ein gänzliches Verbot jedweder Haftungsbeschränkung vor Eintritt des Haftungsfalls2 wäre überschießend und nicht wertungskonsistent (s. Rn 64). Für eine Analogie zu den spezifisch aktienrechtlichen Bestimmungen in § 93 Abs. 5 Satz 2 und 3 AktG3 ist im GmbH-Recht freilich kein Raum4. 66 Vereinbarungen über die Beschränkung der Geschäftsführerhaftung müssen

nicht notwendig in der Satzung5, sondern können auch im Geschäftsführerdienstvertrag (Anstellungsvertrag) getroffen werden6. Erforderlich ist aber, auch für die Wirksamkeit von Verzicht und Vergleich, (vorbehaltlich abweichender Satzungsbestimmung7) ein entsprechender Gesellschafterentscheid (arg § 46 Nr. 88), wobei ein Mehrheitsbeschluss zwar nicht per se ausgeschlossen ist9, aber treuwidrig und damit anfechtbar oder gar nichtig sein kann10. Regelmäßig treuwidrig dürfte die generelle Herabsetzung der für die Geschäftsführer geltenden Pflichten- oder Sorgfaltsstandards gegen die Stimmen einer Gesellschafterminderheit sein11. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens entfällt allerdings die Dispositionsbefugnis der Gesellschafter sowohl hinsichtlich der Geltendmachung

1 Weiterführend zur Insolvenzanfechtung von Verzicht und Vergleich Haas/Wigand in Hdb Managerhaftung, § 11 Rn 39 ff; Wigand Verzicht, Vergleich, S. 132 ff. 2 S. die Überlegungen und Vorschläge bei Haas/Wigand in Hdb Managerhaftung, § 11 Rn 32, 39 ff, 60; Wigand Verzicht, Vergleich, S. 241 ff. 3 Dafür Altmeppen DB 2000, 261, 262 und R/A/Altmeppen Rn 118, 125 ff: keine Dispositionsbefugnis bei gröblichem Sorgfaltsverstoß des Geschäftsführers und Erforderlichkeit der Geschäftsführerhaftung zur Gläubigerbefriedigung. 4 Ablehnend auch Bayer GmbHR 2014, 897, 907; Fleischer BB 2011, 2435, 2437 f und MünchKomm/Fleischer Rn 307; Haas/Wigand in Hdb Managerhaftung, § 16 Rn 33 und 55; U/H/L/Paefgen Rn 13 und 232; Wigand Verzicht, Vergleich, S. 123 ff und 225 ff; B/H/Zöllner/Noack Rn 47. 5 So aber B/H/Zöllner/Noack Rn 5: nur durch Satzung; ebenso R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 4 aE. 6 BGH GmbHR 2002, 1197, 1198; U/H/L/Paefgen Rn 12; Scholz/Uwe H. Schneider Rn 262; B/H/Zöllner/Noack Rn 5. 7 Für den Fall der Zuständigkeit eines Aufsichtsrats s. etwa Hasselbach/Seibel GmbHR 2009, 354, 356 ff. 8 S. auch BGH GmbHR 1998, 278; MünchKomm/Fleischer Rn 315; zur Geltung des Stimmverbots aus § 47 Abs. 4 bei der Beschlussfassung s. OLG Frankfurt NZG 1999, 767, 768 = GmbHR 1999, 1144. 9 Anders R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 4; Sturm S. 474; Sturm GmbHR 2003, 573, 577. 10 MünchKomm/Fleischer Rn 317; B/H/Zöllner/Noack Rn 5 und 47; Michalski/Haas/Ziemons Rn 12; s. auch R/A/Altmeppen Rn 142. 11 Zustimmend Bayer GmbHR 2014, 897, 904; MünchKomm/Fleischer Rn 317.

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des Anspruchs gegen den Geschäftsführer1 als auch in Bezug auf Verzicht und Vergleich.

6. Verjährung (§ 43 Abs. 4) Literatur: Sturm Die Verjährung von Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft gegen Leitungsorganmitglieder gemäß §§ 93 Abs. 6 AktG, 43 Abs. 4 GmbHG, 34 Abs. 6 GenG, 2005.

Ansprüche der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer aus § 43 Abs. 2 und 3 67 unterliegen nach § 43 Abs. 4 einer Verjährungsfrist von fünf Jahren; das gilt auch für Ansprüche wegen Verletzung der Pflichten aus dem Anstellungsvertrag2. Die Frist beginnt mit der Entstehung des Anspruchs. Der Entstehungszeitpunkt wird danach bestimmt, wann der Anspruch erstmals (notfalls im Wege der Feststellungsklage) geltend gemacht werden konnte; bei der Gesellschaft setzt das einen dem Grunde nach bereits eingetretenen und nicht bloß drohenden Schaden voraus, wenn auch die Schadenshöhe noch nicht feststehen (bezifferbar sein) muss3. Dieser Entstehungszeitpunkt ist auch dort maßgeblich, wo der Geschäftsführer den Schaden den Gesellschaftern gegenüber verheimlicht; auf Kenntnis der Gesellschafter von den anspruchsbegründenden Tatsachen kommt es für den Beginn des Fristlaufs nicht an; § 199 Abs. 1 BGB gilt nur für die regelmäßige Verjährungsfrist (s. Rn 68) und findet auf spezialgesetzliche Verjährungsfristen keine Anwendung4. Beruht der Schaden auf mehreren Teilhandlungen, die als einheitliches Geschehen zu betrachten sind, ist maßgeblich für den Verjährungsbeginn erst der Abschluss des letzten Teilakts5. Bei mehreren verbotenen Auszahlungen aus dem gebundenen Gesellschaftsvermögen (§ 43 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1) ist eine solche Handlungseinheit nicht gegeben; die Verjährungsfrist beginnt vielmehr mit der jeweiligen (nicht erst mit der letzten) Zahlung6. Unterlässt der Geschäftsführer die Geltendmachung des aus verbotener Auszahlung resultierenden Rückforderungsanspruchs gegen den Zahlungsempfänger bis zum Eintritt der Verjährung dieses Anspruchs, wird dadurch 1 Dazu BGH GmbHR 2004, 1279, 1282 f; Entsprechendes gilt in der masselosen Liquidation. 2 BGH ZIP 1989, 1390, 1392 = GmbHR 1989, 365; differenzierend Sturm S. 136 ff, 511: nur soweit Anstellungsvertrag die unmittelbar in der Organstellung begründeten Pflichten lediglich konkretisiert. 3 BGHZ 100, 228, 231 f; OLG Frankfurt NZG 1999, 767, 768 = GmbHR 1999, 1144; OLG Stuttgart GmbHR 2006, 759; Scholz/Uwe H. Schneider Rn 281. 4 Zum Ganzen BGH BGHZ 110, 190, 199; BGH GmbHR 2005, 544, 545; BGH GmbHR 2008, 1319, 1321; OLG München GmbHR 2015, 1324, 1329; Schmitt-Rolfes/Bergwitz NZG 2006, 535. 5 BGH GmbHR 2008, 1033, 1034. 6 BGH GmbHR 2008, 1319, 1322; U/H/L/Paefgen Rn 291.

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§ 43 | Haftung der Geschäftsführer keine weitere Schadensersatzpflicht des Geschäftsführers nach § 43 Abs. 2 mit einer erst von da an laufenden Verjährungsfrist ausgelöst (s. schon Rn 58)1. 68 Auf Erstattungsansprüche gegen den Geschäftsführer aus § 64 findet § 43

Abs. 4 nach ausdrücklicher Bestimmung des § 64 Satz 4 entsprechende Anwendung. Ansprüche der Gesellschaft gegenüber dem Geschäftsführer auf sonstiger Grundlage (zB Delikt, ungerechtfertigte Bereicherung) unterliegen den jeweils einschlägigen Verjährungsbestimmungen2. Diese werden nach hier vertretener Auffassung jedoch dort (aber nur dort) von § 43 Abs. 4 verdrängt, wo die deliktische Haftung ausschließlich auf der Verletzung einer gesellschaftsrechtlichen oder doch gerade an die Organstellung anknüpfenden Norm als Schutzgesetz (zugunsten der Gesellschaft) iSv § 823 Abs. 2 BGB beruht3; verstößt das Verhalten des Geschäftsführers hingegen auch gegen eine andere als Schutzgesetz in Betracht kommende Norm (zB § 263 StGB), bleibt es für die Deliktshaftung bei den allgemeinen Verjährungsregeln (wichtig für den Fristbeginn nach § 199 Abs. 1 BGB)4. Ansprüche der Gläubiger aus § 823 Abs. 2 BGB iVm § 15a Abs. 1 InsO, jedenfalls soweit Ersatz des Neugläubigerschadens verlangt wird, will der BGH5 allerdings den für deliktische Ansprüche allgemein geltenden Verjährungsvorschriften unterstellen (s. Anh zu § 64 Rn 106). Der Regelverjährung (§§ 195, 199 BGB) unterliegen auch Ansprüche der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer in seiner Eigenschaft als Gesellschafter wegen Verletzung der Gesellschaftertreupflicht6. Bei Ansprüchen, die der Regelverjährung unterliegen, kann der Gesellschaft die für den Verjährungsbeginn (§ 199 Abs. 1 BGB) erforderliche Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände nicht durch ihren Geschäftsführer vermittelt werden, wenn dieser selbst Schuldner ist7.

69 Eine Verlängerung der in § 43 Abs. 4 vorgegebenen Verjährungsfrist durch den

Gesellschaftsvertrag oder den Anstellungsvertrag ist in den Grenzen des § 202 Abs. 2 BGB (nicht über 30 Jahre hinaus) möglich. Für die Verkürzung der Verjährungsfrist – nach allgemeinen Vorschriften jenseits der Haftung wegen Vorsatzes zulässig (§ 202 Abs. 1 BGB) – greifen die Schranken nach § 43 Abs. 3: In den hiervon erfassten Fällen sind Erlass, Verzicht und die dem im Ergebnis

1 BGH GmbHR 2008, 1319, 1321. 2 BGH ZIP 1987, 845, 848 f = GmbHR 1987, 304; B/H/Zöllner/Noack Rn 58. 3 OLG Saarbrücken GmbHR 1999, 1295; gleichsinnig B/S/Klöhn Rn 85; S/I/Lücke/Simon Rn 88; B/H/Zöllner/Noack Rn 58; Henssler/Strohn/Oetker Rn 71; Schürnbrand S. 349; Sturm S. 201 ff, 512 f. 4 S. dazu, noch auf der Grundlage des alten Rechts, BGHZ 100, 190, 199 ff = GmbHR 1987, 304; OLG Stuttgart GmbHR 2001, 75; OLG Naumburg GmbHR 2004, 364. 5 BGH GmbHR 2011, 642. 6 BGH GmbHR 1999, 186; aA Sturm S. 158 ff, 512: Anwendung von § 43 Abs. 4, sofern anspruchsbegründendes Verhalten gerade auf Organstellung beruht. S. zur Abgrenzung OLG Köln GmbHR 2001, 73; zur Treupflicht näher § 14 Rn 29 ff. 7 BGH GmbHR 2011, 534; OLG München GmbHR 2015, 1324, 1330; Klose GmbHR 2012, 1288.

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gleichkommende Verkürzung der Verjährungsfrist unwirksam, soweit der Ersatzanspruch zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger benötigt wird1. Außerhalb des Geltungsbereichs von § 43 Abs. 3 soll diese Einschränkung nach der schon oben Rn 63 skizzierten BGH-Entscheidung vom 16.9.2002 nicht gelten2. Dem ist nur mit den Vorbehalten oben Rn 64 f zuzustimmen. Die Verjährungsfristverkürzung kann auch im Anstellungsvertrag vereinbart werden3, setzt aber einen Gesellschafterentscheid voraus (s. Rn 66). Das für die Verkürzung der Verjährungsfrist Gesagte gilt entsprechend für die Statuierung einer Ausschlussfrist zur Geltendmachung des Anspruchs, die einer Verkürzung der Verjährungsfrist gleichkommt4. – Wird die Verjährung gemäß § 209 BGB unterbrochen, so steht dieser Wirkung nicht entgegen, dass die Gesellschafter noch nicht den nach § 46 Nr. 8 erforderlichen Beschluss gefasst haben; dieser kann noch nach Ablauf der Verjährungsfrist gefasst werden5. § 43 Abs. 4 gilt im Übrigen nicht für die Verjährung des Ausgleichsanspruchs 70 zwischen mehreren, als Gesamtschuldner haftenden Geschäftsführern nach § 426 Abs. 1 BGB (Rn 38). Dieser verjährt vielmehr in der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB, Beginn nach Maßgabe von § 199 Abs. 1 BGB). Im Vergleich zum Schadensersatzanspruch gegen den einzelnen Geschäftsführer kann der Ausgleichsanspruch im Innenverhältnis also früher verjähren6.

7. Außenhaftung des Geschäftsführers auf vertraglicher Grundlage Von der in § 43 normierten Organhaftung gegenüber der Gesellschaft ist die Ge- 71 schäftsführerhaftung gegenüber Dritten zu unterscheiden. Sie kann auf vertraglicher oder gesetzlicher Grundlage beruhen. Das damit verbundene Haftungsrisiko realisiert sich typischerweise in der Krise der Gesellschaft. a) Haftungsversprechen: Vertragliche Haftungsgründe können etwa ein selb- 72 ständiges Garantieversprechen7, zB Managementgarantien bei einer Unterneh1 BGH GmbHR 2002, 1197, 1198; B/H/Zöllner/Noack Rn 60; für generelle Unwirksamkeit einer Fristverkürzung im Anwendungsbereich von § 43 Abs. 3 Sturm S. 465 ff, 586. 2 BGH GmbHR 2002, 1197 ff mN; im Ansatz ebenso, aber auf Ansprüche aus § 43a oder existenzvernichtendem Eingriff ausdehnend B/H/Zöllner/Noack Rn 60; gegen Zulässigkeit jeder Fristverkürzung im Vorhinein Michalski/Haas/Ziemons Rn 232a. 3 BGH GmbHR 2002, 1197, 1198. 4 BGH GmbHR 2000, 187; BGH GmbHR 2002, 1197; BGH GmbHR 2008, 488, 489 f; OLG Brandenburg NZG 1999, 210; zur (im Anstellungsvertrag vereinbarten) Ausschlussfrist nach dem früheren § 70 BAT: OLG Stuttgart GmbHR 2003, 835, 837. 5 BGH NZG 1999, 722 f = GmbHR 1999, 714. 6 Hierzu und zu denkbaren Maßnahmen, um einen drohenden Verjährungseintritt zu verhindern, etwa S. Fischer ZIP 2014, 406 ff; Freund GmbHR 2013, 785, 789 ff. 7 BGH BB 2001, 1806.

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§ 43 | Haftung der Geschäftsführer mens- oder Beteiligungsveräußerung1, ein abstraktes Schuldversprechen oder Schuldanerkenntnis2 oder die Übernahme einer Bürgschaft3 bzw ein erklärter Beitritt zur Schuld der Gesellschaft sein. Dabei unterwirft der BGH (VIII. und IX. Zivilsenat) bei Kreditverträgen den Schuldbeitritt selbst des (mehrheitlich oder allein beteiligten) Gesellschafter-Geschäftsführers den Regelungen des Verbraucherkreditrechts (§§ 355 ff, 488 ff BGB), weil die Geschäftsführung der GmbH keine selbständige, sondern angestellte Tätigkeit sei und auch das Halten eines GmbH-Geschäftsanteils keine gewerbliche Tätigkeit darstelle4; hierin liegt eine bedenkliche Überdehnung des Schutzzwecks des Verbraucherkreditrechts, der ungeachtet der gefestigten Rechtsprechung des BGH weiterhin zu widersprechen ist5. Auf Erfüllung einer Gewinnzusage der Gesellschaft (§ 661a BGB) haftet der Geschäftsführer nicht persönlich6. 73 b) Verschulden bei Vertragsschluss: Unter engen Voraussetzungen führen die

Grundsätze zum Verschulden bei Vertragsschluss (§§ 311 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB) zur Einstandspflicht der Gesellschaft, falls der Geschäftsführer vorvertragliche Nebenpflichten, namentlich Aufklärungspflichten7, schuldhaft verletzt hat: Ist die Gesellschaft erkennbar aktuell oder unzweifelhaft künftig zahlungsunfähig, so hat der Geschäftsführer von sich aus bei den Vertragsverhandlungen auf diesen Umstand hinzuweisen, falls der Vertragspartner vorleisten soll8. Bei erkennbarer Überschuldung ist ebenso von einer solchen Hinweispflicht auszugehen9, da in dieser Situation die Vertragsdurchführung besonders gefährdet ist. Neben dieser Einstandshaftung der Gesellschaft kann es zu einer eigenen Außenhaftung des Geschäftsführers aus Verschulden bei Vertragsschluss10 (§ 311 Abs. 2

1 Dazu Seibt/Wunsch ZIP 2008, 1093; Scheuffele GmbHR 2010, 965. 2 BGH NJW 2000, 2984; BGH ZIP 2007, 1602. 3 S. dazu etwa BGH NJW 1996, 3205; BGH GmbHR 2000, 326; BGH GmbHR 2001, 1043; BGH GmbHR 2003, 417; OLG Köln GmbHR 2001, 922; OLG Nürnberg ZIP 2009, 751; Fullenkamp GmbHR 2003, 654 ff. 4 BGHZ 133, 71, 77 f und BGHZ 133, 220, 223; BGH ZIP 1997, 643; BGH ZIP 2006, 68, 69 ff = GmbHR 2006, 148, 149 f; BGH ZIP 2007, 1850, 1851 f = GmbHR 2007, 1154; ebenso für den gemeinschaftlichen Vertragsschluss durch Gesellschafter-Geschäftsführer und Gesellschaft BGH ZIP 1997, 643 = GmbHR 1997, 444; BGH NJW 2000, 3133, 3135 f = GmbHR 2000, 878; anders für die Bürgschaft: BGHZ 138, 321 = GmbHR 1998, 679; OLG Düsseldorf GmbHR 2009, 549; anders auch die Abgrenzung im Insolvenzrecht: BGH GmbHR 2005, 1610; BGH GmbHR 2009, 547. 5 Kritisch etwa OLG Oldenburg DB 2000, 1457 und ausführlich Kleindiek FS Otte, 2005, S. 185 ff mwN; s. auch Mülbert FS Hadding, 2004, S. 575, 580 f; Mülbert FS Goette, 2011, S. 333, 337 ff; G. Müller FS Nobbe, 2009, S. 415, 427 ff. 6 BGH GmbHR 2004, 1227. 7 Eingehend BGH GmbHR 1991, 409 f. 8 Ulmer NJW 1983, 1577, 1578. 9 BGH GmbHR 1988, 257, 258 f. 10 Näher Medicus FS Steindorff, 1990, S. 725; Sandberger Die Außenhaftung des GmbHGeschäftsführers, 1997, S. 55 ff; Sandmann S. 413 ff.

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und 3 BGB) kommen, sofern sich dieser sein Fehlverhalten selbst haftungsbegründend zurechnen lassen muss: Eine solche Zurechnung ist geboten, falls der Geschäftsführer beim Geschäfts- 74 partner der Gesellschaft ein besonderes persönliches Vertrauen auf die Vollständigkeit und Richtigkeit seiner Erklärungen für sich in Anspruch nimmt1 und dadurch eine zusätzliche, von ihm, dem Geschäftsführer, ausgehende Gewähr für Bestand und Erfüllung des in Aussicht genommenen Geschäfts leistet, die für den Willensentschluss des anderen Teils bedeutsam ist2. An die eigene und zusätzliche Gewähr des Geschäftsführers sind hohe Anforderungen zu stellen. Das in Anspruch genommene Vertrauen muss deutlich über das normale Verhandlungsvertrauen hinausreichen, für dessen Verletzung allein die Gesellschaft als Vertragspartner einzustehen hat. Der Geschäftsführer muss also über seine bloße Geschäftsführungstätigkeit hinausgehen3, sich mit einer gewissen Selbständigkeit neben die Gesellschaft stellen; seine Erklärungen müssen im Vorfeld einer Garantiezusage liegen4. Zu Recht hat der BGH5 den Gedanken verworfen, der Geschäftsführer sei Repräsentant der Gesellschaft und schon deshalb als deren „Vertrauensträger“ haftbar6. Nach allem ist die Geschäftsführer-Eigenhaftung aus besonderem persönlichem 75 Vertrauen erst unter qualifizierten Voraussetzungen anzunehmen. Selbst die Täuschung des anderen Teils durch aktives Tun des Geschäftsführers reicht noch nicht aus7. Auch die ganz ungewöhnliche Sachkunde des Geschäftsführers und der Hinweis auf sie genügen allein noch nicht, um dessen Eigenhaftung zu begründen8. Ebenso wenig die vom Geschäftsführer der Zielgesellschaft bei Verhandlungen über eine Unternehmens- bzw Beteiligungsveräußerung erteilten Auskünfte9. Vielmehr ist zusätzlich notwendig, dass der Geschäftsführer in zurechenbarer Weise beim Geschäftspartner den Eindruck erweckt, er persönlich 1 BGH ZIP 1991, 1140, 1142 f = GmbHR 1991, 409; BGHZ 126, 181, 189 = GmbHR 1994, 539; BGH DStR 2002, 1275, 1276. 2 BGH ZIP 1991, 1140, 1142 f = GmbHR 1991, 409; BGHZ 126, 181, 189 = GmbHR 1994, 539; BGH DStR 2002, 1275, 1276; BGH ZIP 2008, 1526, 1527; BAG DB 2007, 1690, 1691; OLG Köln GmbHR 1996, 767; OLG Köln GmbHR 2000, 822; Medicus FS Steindorff, 1990, S. 725, 734; kritisch Geißler ZIP 1997, 2184, 2189 f. 3 Dazu OLG Köln GmbHR 1996, 766, 767. 4 BGHZ 126, 181, 189 f = GmbHR 1994, 539; OLG Zweibrücken GmbHR 2002, 591. 5 BGHZ 126, 181, 189 f = GmbHR 1994, 539. 6 So K. Schmidt ZIP 1988, 1497, 1503 f; s. zur Kritik auch Bork ZGR 1995, 505, 509 f. 7 BGH GmbHR 1991, 409, 411; zur Geschäftsführer-Eigenhaftung aus § 826 BGB unten Rn 81. 8 BGH GmbHR 1990, 31; s. auch Medicus FS Steindorff, 1990, S. 725, 736; R/A/Altmeppen Rn 55; Michalski/Haas/Ziemons Rn 313. 9 Rodewald/Unger DB 2007, 1627, 1629; anders bei Garantieversprechen, dazu Seibt/ Wunsch ZIP 2008, 1093; Scheuffele GmbHR 2010, 965.

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§ 43 | Haftung der Geschäftsführer werde die ordnungsgemäße Geschäftsabwicklung selbst dann gewährleisten, wenn der Geschäftspartner der Gesellschaft nicht oder nur wenig vertraut1. Ebenso ist ein besonderes persönliches Vertrauen namentlich dann anzunehmen, wenn jemand als Geschäftsführer mit Sanierungsauftrag in eine sanierungsbedürftige Gesellschaft eintritt; denn nur im Vertrauen auf gerade seine persönliche Leistungsfähigkeit und Integrität sind Dritte regelmäßig bereit, sich an der Sanierung zu beteiligen2. Begründete Zweifel an der Leistungsfähigkeit oder Integrität des Sanierungs-Geschäftsführers (zB Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 807 ZPO, Vorstrafe wegen Betrugs oÄ) hat dieser daher ungefragt aufzudecken. – Dagegen wird ein besonderes persönliches Vertrauen nicht allein schon durch die Vorlage des (testierten) Jahresabschlusses der Gesellschaft bei deren Geschäftspartnern geweckt. 76 Auch unter dem alternativen Gesichtspunkt wirtschaftlichen Eigeninteresses

muss sich der Geschäftsführer eigenes Fehlverhalten allenfalls in eng begrenzten Ausnahmefällen haftungsbegründend zurechnen lassen, wenn er gleichsam in eigener Sache handelt: „qualifiziertes Eigeninteresse“3; insoweit ist die ältere, teilweise haftungsfreundlichere Rspr einiger BGH-Senate durch BGHZ 126, 181, 1834 überholt5. Keine Einstandspflicht wegen wirtschaftlichen Eigeninteresses kann jedenfalls aus dem allgemeinen Interesse als Geschäftsführer am Erfolg des Unternehmens oder am Erhalt der Geschäftsführerposition abgeleitet werden6, auch nicht aus der maßgeblichen Beteiligung des Geschäftsführers an der Gesellschaft (Allein- oder Mehrheitsbesitz)7. Ebenso wenig ist haftungsbegründend, wenn der Geschäftsführer einen Schuldbeitritt zugunsten bestimmter Gesellschaftsgläubiger erklärt oder von ihm dingliche Sicherheiten bzw Sicherheiten in Form einer Bürgschaft oder durch Abtretung persönlicher Forderungen gestellt werden8. In der älteren Rspr wurde eine persönliche Zurechnung des Geschäftsführerfehlverhaltens wegen wirtschaftlichen Eigeninteresses bejaht, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer mit seiner Tätigkeit auf die Beseitigung von Schäden abzielt, für die er andernfalls von der Gesellschaft in Anspruch genommen werden könnte, oder wenn er die Gegenleistung des Gesellschaftsgläubigers 1 2 3 4 5

BGH v. 3.4.1990 – XI ZR 206/88, ZIP 1990, 659, 661; Lutter GmbHR 1997, 329, 330. BGH v. 3.4.1990 – XI ZR 206/88, ZIP 1990, 659, 661. BGH DStR 2002, 1275, 1276. BGHZ 126, 181, 183 = GmbHR 1994, 539. Bestätigend BGH ZIP 1995, 733 f = GmbHR 1995, 446: persönliche Haftung des Geschäftsführers unter dem Gesichtspunkt des wirtschaftlichen Eigeninteresses komme „in aller Regel wegen des sich dabei ergebenden Wertungswiderspruchs zu § 13 Abs. 2 GmbHG nicht in Betracht“; s. ferner OLG Köln GmbHR 1996, 766, 767. 6 BAG GmbHR 2014, 1199 Rn 22. 7 BGHZ 126, 181, 184 = GmbHR 1994, 539. 8 BGHZ 126, 181, 186 ff = GmbHR 1994, 539; s. zum Ganzen auch Bork ZGR 1995, 505, 507 f mwN.

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an der Gesellschaft vorbei in seine eigene Tasche lenken will1. Ob der BGH dies heute noch bestätigen würde, ist zweifelhaft2. Ohne die qualifizierten Zurechnungsmomente nach Rn 74 ff kommt eine Eigen- 77 haftung des Geschäftsführers wegen Verschuldens bei Vertragsschluss selbst dann nicht in Betracht, wenn dieser während der Vertragsverhandlungen nicht die Zweifel erwähnt, die an der Leistungsfähigkeit der Gesellschaft bestehen (drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung), oder sogar deren Leistungsfähigkeit zu positiv beschreibt3. Je nach den konkreten Umständen des Einzelfalls droht dem Geschäftsführer aber eine deliktische Außenhaftung (Rn 80 f). c) Rechtsscheinhaftung: Eine persönliche Rechtsscheinhaftung trifft den han- 78 delnden Geschäftsführer dann, wenn der Erklärungsgegner kraft des Auftretens des Geschäftsführers darauf vertrauen durfte, mit einem unbeschränkt haftenden Unternehmensträger abzuschließen4; auch die Rechtsscheinhaftung wegen Fortlassung des gebotenen Rechtsformzusatzes (§§ 4, 5a Abs. 1) trifft den Geschäftsführer nur insoweit, als dabei gerade er als Vertreter der Gesellschaft aufgetreten ist5; daneben haftet ein Mitgeschäftsführer nur, soweit ihm auch seinerseits das Verhalten des Kollegen zuzurechnen ist6. S. auch § 5a Rn 57 ff, § 35 Rn 7.

8. Außenhaftung des Geschäftsführers auf deliktsrechtlicher Grundlage Literatur: Grünwald Die deliktische Außenhaftung des GmbH-Geschäftsführers für Organisationsdefizite, 1999; Haas Geschäftsführerhaftung und Gläubigerschutz, 1997; Kleindiek Deliktshaftung und juristische Person, 1997; Sandberger Die Außenhaftung des GmbH-Geschäftsführers, 1997; Sandmann Die Haftung von Arbeitnehmern, Geschäftsführern und leitenden Angestellten, 2001; Schirmer Das Körperschaftsdelikt, 2015; Spindler Unternehmensorganisationspflichten, 2001.

a) Grundtatbestände des Deliktsrechts: Der Geschäftsführer kann außenste- 79 henden Dritten für eigenhändig herbeigeführte Schäden haften, wenn er einen Deliktstatbestand in eigener Person pflichtwidrig und schuldhaft erfüllt hat. Für 1 S. BGH ZIP 1986, 26, 30 = GmbHR 1986, 43; kritisch speziell hierzu Ebenroth/Kräutter BB 1990, 569, 571. 2 Für generelle Aufgabe der Fallgruppe „wirtschaftliches Eigeninteresse“ Scholz/Uwe H. Schneider Rn 320 mwN; dagegen Sandmann S. 422 ff. 3 Medicus FS Steindorff, 1990, S. 725, 736; zum – in Einzelheiten streitigen – Umfang der Aufklärungspflicht s. B/H/Zöllner/Noack Rn 73; Michalski/Haas/Ziemons Rn 314 mwN. 4 BGH GmbHR 1990, 212, 213. 5 BGH GmbHR 1996, 764; BGH GmbHR 2007, 593 Rn 14 ff; BGH GmbHR 2012, 953 Rn 9 ff. 6 OLG Oldenburg OLGR 2000, 204.

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§ 43 | Haftung der Geschäftsführer die eigenhändige Verletzung deliktsrechtlich geschützter Güter Dritter ist der Geschäftsführer ebenso persönlich einstandspflichtig wie jeder sonstige Mitarbeiter der Gesellschaft. Das in § 43 Abs. 2 zum Ausdruck kommende Prinzip der Haftungskonzentration über die Gesellschaft (bei Verletzung einer ihr gegenüber bestehenden Organpflicht; dazu Rn 48) lässt sich dem ebenso wenig entgegen halten wie das Trennungsprinzip im Sinne der Haftungsbeschränkung auf das Gesellschaftsvermögen (für Verbindlichkeiten der GmbH; dazu § 13 Rn 5 f)1. Deshalb kommt eine Haftung aus § 823 Abs. 1 BGB in Betracht, wenn der Geschäftsführer Gegenstände, die im Eigentum eines Dritten stehen, veräußert oder eine solche Veräußerung veranlasst2. Die einzelnen Mitglieder eines Geschäftsführerkollegiums haften ggf als Mittäter nach § 830 Abs. 1 BGB3. Zur Verkehrspflichthaftung Rn 82 ff. 80 Keine grundsätzlichen Schwierigkeiten bereitet auch die Außenhaftung des Ge-

schäftsführers aus § 823 Abs. 2 BGB wegen Verletzung eines Schutzgesetzes4, etwa bei Eingehungsbetrug durch fehlerhafte Beratung5 oder Vorspiegeln falscher Tatsachen6, bei vorsätzlichen Verstößen gegen das Gesetz über die Sicherung der Bauforderungen7, bei Betrieb (nach KWG) unzulässiger Bankgeschäfte8, bei zweckwidriger Verwendung von Subventionen9 oder bei Verletzung der Gläubigerschutzvorschrift des § 5810. Aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Organisationspflichten, auch soweit ihnen Schutzgesetzcharakter zukommt11, haftet der Geschäftsführer mangels eigener Pflichtenträgerschaft regelmäßig nicht12. Keine Geschäftsführerhaftung wegen unterlassener Insolvenzsicherung von Wertguthaben aus Altersteilzeit, da dieses nur einen schuldrechtlichen Anspruch, aber kein sonstiges absolutes Recht iSv § 823 Abs. 1 BGB begründet und 1 Anders aber jüngst Schirmer S. 185 ff, 210 ff, der auch für eigenhändig begangene Delikte des Organwalters regelmäßig allein die Körperschaft (über § 31 BGB) haften lassen und eine Außenhaftung des Organwalters nur in Ausnahmefällen bejahen will: wenn dieser vorsätzlich handelt oder ein eigenes (gesteigertes) Risiko setzt. 2 S. etwa BGH GmbHR 1996, 453; dazu und zu vergleichbaren Fällen Grünwald S. 51 ff; Kleindiek S. 453 ff; Sandberger S. 119 ff; aA Schirmer S. 238 f. 3 Fleischer BB 2004, 2645, 2647. 4 Rspr-Übersichten zur Geschäftsführereigenhaftung nach § 823 Abs. 2 BGB etwa bei Altmeppen in Hdb Managerhaftung, § 7 Rn 49 ff; MünchKomm/Fleischer Rn 353; Spindler in Hdb Vorstandsrecht, § 13 Rn 39 ff; MünchKomm/Wagner § 823 BGB Rn 420 ff; Michalski/Haas/Ziemons Rn 289 ff, 316 ff. 5 BGH ZIP 2011, 1821. 6 OLG Köln GmbHR 2014, 1039, 1041. 7 BGH GmbHR 1994, 459; BGH WM 2002, 861. 8 BGH ZIP 2006, 1764. 9 BGH DB 2013, 2017. 10 OLG Hamburg GmbHR 2001, 392. 11 Umfassend Spindler S. 15 ff, 819 ff. 12 Spindler S. 900; für die Umwelthaftung s. H. Schmidt Die Umwelthaftung der Organmitglieder von Kapitalgesellschaften, 1996, zusammenfassend S. 291 f.

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auch kein Schutzgesetz iSv § 823 Abs. 2 BGB verletzt wird1; anders aber, wenn Geschäftsführer Insolvenzsicherung wahrheitswidrig vorspiegelt: § 823 Abs. 2 BGB iVm § 263 StGB2. Zur deliktischen Eigenhaftung des Geschäftsführers wegen nicht abgeführter Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung ausführlich Rn 91 ff. Zur Insolvenzverschleppungshaftung des Geschäftsführers aufgrund nicht rechtzeitiger Erfüllung der Antragspflicht aus § 15a Abs. 1 InsO s. Anh zu § 64 Rn 76 ff. Für eigenhändiges Fehlverhalten haftet der Geschäftsführer ggf aus § 826 BGB 81 wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung3, wenn das Verhalten seinem Gesamtcharakter nach als sittenwidrig zu qualifizieren ist4. So etwa bei vorsätzlicher Insolvenzverschleppung in der Absicht, den als unabwendbar erkannten Exitus der Gesellschaft so lange wie möglich hinauszuzögern5, oder wenn das Geschäftsmodell der Gesellschaft von vornherein auf Täuschung und Schädigung der Kunden angelegt ist6. Ebenso, wenn der Geschäftsführer Anlagegeschäfte der Gesellschaft ohne ausreichende Risikoaufklärung vermittelt7, oder einem Dritten gegenüber wider besseres Wissen (explizit oder auch nur konkludent) behauptet, die Gesellschaft sei leistungsfähig, und dieser durch den Vertragsschluss mit der Gesellschaft einen Schaden erleidet, oder falls der Geschäftsführer durch Gestaltung der Ein- und Verkaufspreise der Gesellschaft das Verlustrisiko einseitig auf die Gesellschaftsgläubiger oder bestimmte von ihnen verlagert8. Dem steht gleich, dass der Geschäftsführer nachgeordnete Arbeitnehmer der Gesellschaft deren Leistungsfähigkeit behaupten lässt oder gegen deren unzutreffende Behauptung nicht einschreitet, obwohl er sie positiv kennt9. Für die Eigenhaftung aus § 826 BGB kann es ausreichen, dass der Geschäftsführer sich in einer Weise blindlings auf nachgeordnete Mitarbeiter verlassen hat, wie er es nicht getan hätte, wenn der Mitarbeiter für den Geschäftsführer persönlich und auf dessen Risiko tätig geworden wäre. Bei dermaßen leichtfertigem Ge1 BAG ZIP 2006, 344; BAG GmbHR 2006, 878; BAG GmbHR 2007, 601; BAG ZIP 2010, 1361; BAG GmbHR 2012, 31. 2 BAG DB 2007, 1919; BAG DB 2007, 1690; BAG GmbHR 2012, 31. 3 Rspr-Übersichten etwa bei MünchKomm/Fleischer Rn 354; Spindler in Hdb Vorstandsrecht, § 13 Rn 57 ff; Michalski/Haas/Ziemons Rn 295 ff. 4 Zum Maßstab der Sittenwidrigkeit sowie zum Vorsatz im Kontext des § 826 BGB etwa BGH ZIP 2013, 27 Rn 25 ff mwN. 5 BGHZ 108, 134, 142 = GmbHR 1990, 69; BGH GmbHR 2008, 315, 316 f. 6 BGH ZIP 2015, 2169 Rn 24 mwN („Schwindelunternehmen“). 7 Dazu etwa BGH ZIP 2005, 158. 8 BGH NJW 1979, 2104; BGH GmbHR 1992, 363, 364 f; weitere Rspr-Beispiele: BGH GmbHR 1991, 409, 411 f; BGHZ 124, 151, 162; BGH WM 2001, 2313, 2314; BAG ZIP 1999, 878, 880 = GmbHR 1999, 655; OLG Celle GmbHR 2010, 87; OLG Köln GmbHR 2014, 1039, 1040; OLG Naumburg GmbHR 2008, 1149. 9 Vgl BGH GmbHR 1988, 480, 481.

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§ 43 | Haftung der Geschäftsführer schäftsführerverhalten ist auf dessen bedingten Schädigungsvorsatz zu schließen1. 82 b) Geschäftsführer-Eigenhaftung aus Verkehrspflichtverletzung: Umstritten

sind die Voraussetzungen einer deliktischen Eigenhaftung des Geschäftsführers wegen Verkehrspflichtverletzung. Sie kommt nur in Betracht, wenn der Geschäftsführer eine ihn persönlich treffende Verkehrspflicht vorwerfbar verletzt. Nach der „Baustoff“-Entscheidung des BGH aus dem Jahr 19892 soll der Geschäftsführer Außenstehenden gegenüber deliktsrechtlich ggf schon dann einstehen müssen, wenn er innerhalb der Gesellschaft für die Organisation und Leitung des Geschäftsbetriebes zuständig ist. Ihn treffe jene Organisationspflicht nämlich nicht nur als interne Pflicht im Verhältnis zur Gesellschaft, sondern auch als deliktsrechtliche Verkehrspflicht gegenüber Außenstehenden: In deren Interesse soll er verpflichtet sein, diesen drohende Gefahren zu steuern und abzuwehren. Mit solchen Erwägungen hat der VI. Zivilsenat die deliktische Eigenhaftung des Geschäftsführers einer (insolventen) GmbH für Eingriffe in fremde Schutzgüter bejaht, die ohne sein Wissen von nachgeordneten Mitarbeitern begangen worden waren3. Der II. Zivilsenat hat zu der Problematik noch nicht fallentscheidend Stellung nehmen müssen, seine Reserve gegenüber jener Rspr aber doch deutlich erkennen lassen4. Ohne hierauf einzugehen, hatte der VI. Senat seine Linie später beiläufig bestätigt5. Ob eine jüngere Entscheidung aus 20126 insoweit als Kurskorrektur gedeutet werden darf, ist noch keineswegs ausgemacht: In Rede standen deliktsrechtliche Schadensersatzansprüche, die der Insolvenzverwalter über das Vermögen einer AG gegen die beklagten Geschäftsführer einer GmbH (frühere Vertriebspartnerin der Insolvenzschuldnerin) wegen Beihilfe durch Unterlassen zu Untreuehandlungen des Haupttäters (früherer Vorstand der Insolvenzschuldnerin) geltend machte. Es kam dafür auf eine Garantenstellung der Beklagten an. Der VI. Zivilsenat stellte fest, eine Garantenstellung ergebe sich noch nicht aus der Organfunktion als Geschäftsführer, weil die damit verbundenen Organpflichten nach § 43 Abs. 1 grundsätzlich nur der GmbH gegenüber bestünden; ihre Verletzung führe deshalb auch nur zur Haftung gegenüber der Gesellschaft nach § 43 Abs. 27. Demgegenüber komme eine Außenhaftung des Geschäftsführers „nur in begrenztem Umfang aufgrund besonderer Anspruchsgrundlagen in Betracht“8. In casu hat der Senat

1 BGH GmbHR 1994, 464, 465; zu Erleichterungen der Darlegungs- und Beweislast s. auch OLG Celle GmbHR 1994, 467 f. 2 BGHZ 109, 297 – VI. ZS. 3 BGHZ 109, 297, 302 ff; dem folgend OLG Stuttgart NJW 2008, 2514, 2515. 4 BGHZ 125, 366, 375 f = GmbHR 1994, 390; s. dazu auch Goette DStR 1998, 1308, 1312 f; Goette GmbH, § 8 Rn 249 f. 5 BGH GmbHR 1996, 453, 454; s. zur Rspr des VI. Senats Groß ZGR 1998, 551, 564 ff. 6 BGH GmbHR 2012, 964; dazu Schirmer NJW 2012, 3398. 7 BGH GmbHR 2012, 964 Rn 19 ff. 8 BGH GmbHR 2012, 964 Rn 24.

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hinreichende Umstände zur Begründung einer Garantenpflicht der Beklagten nicht festzustellen vermocht. In welchem Rahmen er eine Garantenstellung von Geschäftsleitern künftig ggf bejahen wird, lässt sich den Entscheidungsgründen indes nicht zuverlässig entnehmen. Im Schrifttum hat das „Baustoff“-Urteil ein reges und kontroverses Echo aus- 83 gelöst; neben nachhaltiger Kritik hat die Entscheidung auch Fürsprecher gefunden1. Dabei ist die These entwickelt worden, ohne eine persönliche Einstandspflicht des Geschäftsführers sei auch eine deliktische Haftung der Gesellschaft überhaupt nicht begründbar: Die deliktische Haftung der juristischen Person setze nach dem Konzept des BGB eine solche des Organs voraus, weil § 31 BGB die Haftung der juristischen Person nur in Form des (gesetzlichen) Schuldbeitritts zulasse2. Die vielschichtige Problematik um die Deliktshaftung juristischer Personen und 84 die deliktische Eigenhaftung ihrer Organwalter ist an anderer Stelle umfassend aufgearbeitet worden3. Zusammengefasst sind zwei Grundtypen der Deliktshaftung juristischer Personen (und anderer, in ähnlicher Weise verselbständigter Sondervermögen) zu unterscheiden: zum einen ihre kumulative Haftung für ein Eigendelikt ihres Organwalters, der in eigener Person alle Merkmale des Deliktstatbestandes verwirklicht und deshalb seinerseits deliktisch haftet (Rn 79 ff); und zum anderen die Verkehrspflichtfälle, in denen allein die juristische Person Pflichtenträger ist. Die Verletzung dieser letzten Pflicht durch das schuldhafte Versäumnis ihres Organwalters wird allein der juristischen Person haftungsbegründend zugerechnet, ohne dass es dazu der Annahme einer deliktischen Eigenhaftung auch des säumigen Organwalters bedürfte („exklusive Verkehrspflichthaftung“ der juristischen Person). Das ist zunächst aus der Struktur („Konstruktionsidee“) juristischer Persönlichkeit heraus entwickelt4 und sodann an der Zurechnungsnorm des § 31 BGB gemessen worden: In dogmengeschichtlicher Perspektive zeigt sich, dass jene Vorschrift für beide skizzierten Grundtypen der Deliktshaftung die Haftungszurechnung auf die juristische Person vermittelt; Zurechnungsgrund ist hier wie dort der Gedanke einer haftungsrechtlichen Gleichstellung von natürlicher Person und juristischer Person sowie das Gerechtigkeitsgebot einer Korrespondenz von Nutzen und Last. Das Sondervermögen eines Verbandes muss neben den Vorteilen aus der Tätigkeit seiner Re1 Die Diskussion ist ausführlich nachgezeichnet bei Kleindiek S. 8 ff, 368 ff; s. außer den dortigen Nachweisen etwa noch Haas S. 211 ff; Medicus ZGR 1998, 570 ff; U/H/L/Paefgen Rn 348 ff; Sandberger S. 129 ff; Sandmann S. 429 ff; Schirmer S. 22 ff; MünchKomm/Wagner § 823 BGB Rn 112 ff. 2 In diesem Sinne vor allem Altmeppen ZIP 1995, 881, 887 f; R/A/Altmeppen Rn 61; Altmeppen in Hdb Managerhaftung, § 7 Rn 43; im Ansatz übereinstimmend ua v. Bar FS Kitagawa, 1992, S. 282 ff; Brüggemeier AcP 191 (1991), 33, 64. 3 Kleindiek Deliktshaftung und juristische Person, resümierend S. 473 ff. 4 Kleindiek S. 183 ff.

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§ 43 | Haftung der Geschäftsführer präsentanten auch die Verpflichtung zum Ersatz daraus resultierender Drittschäden tragen. Das Konzept des § 31 BGB erlaubt die selbständige Ableitung der Verkehrspflichthaftung juristischer Personen ohne eine zwingende „Anknüpfungstat“ ihrer Organmitglieder. Schon nach der Intention des Gesetzes ist die zivilrechtliche Verkehrspflichthaftung juristischer Personen unabhängig von der Eigenhaftung ihrer Repräsentanten konzipiert; das Säumnis des Repräsentanten wird vielmehr der juristischen Person haftungsbegründend zugerechnet, die Pflicht der juristischen Person und das schuldhaft pflichtverletzende Verhalten ihres Organwalters werden zu einem Delikt (dem der juristischen Person) „addiert“1. 85 Jenen Zurechnungsmechanismus zur Begründung deliktischer Verantwortlich-

keit kollektiver Rechtssubjekte verkennt, wer – unter Hinweis auf ihre mangelnde Handlungsfähigkeit – der juristischen Person die Befähigung abspricht, Trägerin von Verkehrspflichten zu sein, und mit eben dieser Begründung eine originäre Verkehrspflichthaftung der juristischen Person (sei es aus § 823 Abs. 1 BGB, sei es aus § 831 Abs. 1 BGB) leugnen will2. Die stattdessen angebotene Alternative, nämlich die kumulative Mithaft der juristischen Person für die auf § 831 Abs. 2 BGB gestützte Verantwortlichkeit ihrer Organwalter3, ist kein gangbarer Weg. Auf den Geschäftsleiter einer juristischen Person ist § 831 Abs. 2 BGB nicht anwendbar, weil in der Wahrnehmung der Organfunktion keine „Übernahme“ der Geschäftsbesorgung im Sinne jener Vorschrift liegt4: Das Modell der Übernehmerhaftung erklärt sich aus der haftungsentlastenden Wirkung der Übernahme zugunsten des primär Verpflichteten; die Haftung des Übernehmers soll Haftungsdefiziten zulasten geschädigter Dritter begegnen. Die Pflichten einer juristischen Person können aber ohnehin nur durch ihre Organmit1 Zusammenfassend Kleindiek S. 479–482; zustimmend etwa OLG Rostock OLGR Rostock 2007, 486 Rn 29; F. Bydlinski FS Koppensteiner, 2001, S. 569, 570; Gottschalk GmbHR 2015, 8, 9 ff; Medicus ZGR 1998, 570; Medicus ZHR 162 (1998), 352; Medicus GmbHR 2002, 809; U/H/L/Paefgen Rn 354 ff; Raiser/Veil Recht der Kapitalgesellschaften, § 42 Rn 102; MünchKomm/Reuter § 31 BGB Rn 31; Sandmann S. 432 ff; Spindler S. 859; B/ H/Zöllner/Noack Rn 77; im Ausgangspunkt auch MünchKomm/Wagner § 823 BGB Rn 116; weitere Nachweise bei Kleindiek in Hdb Managerhaftung, § 10 Rn 18. Kritisch indes R/A/Altmeppen Rn 61; Foerste VersR 2002, 1, 2 ff; Dreier Die Verkehrspflichthaftung des Geschäftsführers der GmbH, 2002, S. 138 ff; Martinek AcP 198 (1998), 612 ff. 2 So etwa Dreier Verkehrspflichthaftung, S. 117 f, 127 ff, 183 ff, 212, unter Bezugnahme auf Altmeppen ZIP 1995, 881, 888 ff und Wilhelm, Kapitalgesellschaftsrecht, 1998, Rn 1053; gegen einen solchen Ansatz auch schon Sandberger S. 137 ff; ferner Eckardt in Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler, 1996, S. 61, 68 ff; zusammenfassend Kleindiek in Hdb Managerhaftung, § 10 Rn 19 ff. 3 Altmeppen ZIP 1995, 881, 888; Dreier Verkehrspflichthaftung, S. 206 ff mwN. 4 BGH NJW 1974, 1371, 1372; BGHZ 109, 297, 304; BGHZ 125, 366, 375 = GmbHR 1994, 390; übereinstimmend die heute ganz hL, Einzelnachweise bei Kleindiek in Hdb Managerhaftung, § 10 Rn 22.

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glieder wahrgenommen werden; deren Einsatz begründet keine Haftungsentlastung zugunsten der juristischen Person. Für das GmbH-Recht ergeben sich aus all dem diese Folgerungen: Gefahren- 86 quellen im Aktivitätsbereich der Gesellschaft begründen deliktische Verkehrspflichten der Gesellschaft, deren Verletzung allein zur Haftung der Gesellschaft geschädigten Dritten gegenüber führt. Das gilt auch im Rahmen der Produkthaftung1. Aus solchen Verkehrspflichten resultieren zwar Organisationsund Überwachungspflichten des Geschäftsführers. Aber diese bestehen nur gegenüber der Gesellschaft, nicht gegenüber Dritten. Im Verhältnis zu Dritten können sie dem Geschäftsführer nicht als eigene Verkehrspflichten angelastet werden, welche ihn in gleicher Weise wie die Gesellschaft träfen. Ein derartiges Haftungskonzept würde den Geschäftsführer mit nicht mehr berechenbaren, zuweilen sogar exzessiven Risiken belegen, ihn im Gegensatz zur Haftungstrennung nach § 13 Abs. 2 zum wirtschaftlichen Ausfallbürgen der Gesellschaft und der Gesellschafter machen und auf diese Weise die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft zu beschneiden drohen2. Die eigenen Verkehrspflichten des Geschäftsführers im Außenverhältnis müs- 87 sen vielmehr eigenständig begründet werden3. Dafür langt § 130 OWiG ebenso wenig aus4 wie der Gedanke einer Aufgaben-, Gefahr- oder Pflichtenübernahme durch den Geschäftsführer5. Eigene Verkehrspflichten des Geschäftsführers kommen nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen der Verkehrspflicht gerade in seiner Person verwirklicht sind: etwa dort, wo der Geschäftsführer durch eigene Aktivität eine Quelle erhöhter Gefahr schafft oder wo er als Bewahrungs- bzw Beschützergarant auftritt6. Für die Konkretisierung solcher originärer Verkehrspflichten des Geschäftsführers sind der Rang des jeweils geschützten Rechtsguts, das bestehende Risiko einer Schädigung Dritter und die Schwere der potentiellen Schäden ebenso zu berücksichtigen wie die Notwendigkeit, gefahrträchtige Vorgänge im 1 Gottschalk GmbHR 2015, 8, 9 ff; Heil/Russenschuck BB 1998, 1749; Medicus GmbHR 2002, 809; Sandberger Außenhaftung, S. 238 ff; ausführlich Harbarth in Hdb Managerhaftung, § 24 Rn 33 ff mwN. 2 S. zur Kritik schon Lutter GmbHR 1997, 329, 334 f; Medicus ZGR 1998, 570, 585. 3 Ebenso OLG Karlsruhe GmbHR 2013, 267, 268; OLG Schleswig GmbHR 2011, 1143, 1144 f. 4 Zutreffend BGHZ 125, 366, 371 ff = GmbHR 1994, 390; Altmeppen DZWiR 1994, 380; Haas S. 245 ff; Sandmann S. 484 ff; zweifelnd K. Schmidt ZIP 1994, 837, 842. 5 Dazu und zur Kritik näher Haas S. 225 ff; Kleindiek S. 393 ff; Medicus ZGR 1998, 570, 575 f; aA MünchKomm/Wagner § 823 BGB Rn 118. 6 Näher Kleindiek S. 457 ff; im Ansatz ganz ähnlich MünchKomm/Fleischer Rn 351; Grünwald S. 67 ff (zusammenfassend S. 166); Keller Die deliktische Außenhaftung des GmbHGeschäftsführers …, 2002, S. 184 ff; Sandberger S. 154 ff; weniger streng Vehreschild Die Verkehrspflichthaftung des GmbH-Geschäftsführers, 1999, S. 186 ff; generell gegen eine Verkehrspflichthaftung des Geschäftsführers aber U/H/L/Paefgen Rn 356.

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§ 43 | Haftung der Geschäftsführer Unternehmen wegen ihrer Komplexität gerade vom Geschäftsführer persönlich überwachen zu lassen1. In eine ähnliche Richtung dürften Überlegungen zielen, die eine eigene Verkehrspflichthaftung des Geschäftsführers ausnahmsweise dann annehmen wollen, wenn ein nicht mehr hinnehmbares Missverhältnis zwischen der Gefahrenlage und der gesellschaftsinternen Organisationsstruktur besteht2. 88 Hingegen können die zentralen Koordinierungspflichten des Geschäftsführers

gegenüber der Gesellschaft (vgl Rn 12, 30) seine persönliche Verantwortlichkeit gegenüber Dritten noch nicht begründen3. Deshalb ist der Geschäftsführer bei Eigentumsverletzungen durch Unternehmensmitarbeiter Dritten gegenüber selbst dann nicht haftbar, wenn er unternehmensintern für die Überwachung dieser Mitarbeiter verantwortlich war. Zur persönlichen Einstandspflicht kommt es jedoch bei positiver Kenntnis des Geschäftsführers: Verletzen andere Unternehmensangehörige geschützte Rechtsgüter Dritter, so besteht jenen Dritten gegenüber eine Pflicht des Geschäftsführers zum Einschreiten dann, wenn dieser die Verletzungshandlung anderer erkennt oder von ihr als bevorstehend erfährt und er die Möglichkeit hat, diese Handlung anderer zu verhindern4. Diese Einstandspflicht kann auch solche Geschäftsführer treffen, die nach der internen Geschäftsverteilung innerhalb des Geschäftsführerkollegiums für die Überwachung der drittschädigend tätigen Unternehmensmitarbeiter nicht zuständig waren5. Dagegen langt fahrlässiges Nichterkennen nicht aus, um eine eigene Handlungspflicht des Geschäftsführers zu begründen6.

89 Abzulehnen sind aber all jene Haftungskonzepte, in denen – wie auch in der

Rechtsprechung des VI. Zivilsenats des BGH (s. schon Rn 82 mN) – den internen Verhaltenspflichten der Organwalter automatisch kongruente deliktische Verkehrspflichten jener Organwalter im Außenverhältnis zur Seite gestellt werden. Die darin liegende „Verdoppelung“ der Pflichtenstellung würde die Be-

1 Gleichsinnig wohl Michalski/Haas/Ziemons Rn 343a; ähnlich auch B/H/Zöllner/Noack Rn 77. 2 So Haas S. 256 ff, der dabei – wenig glücklich – von einem „Missbrauch“ der Gesellschaft als Zurechnungssubjekt von Risiken und Gefahren zulasten außenstehender Dritter spricht. 3 Im Ansatz gleichsinnig etwa OLG Rostock OLGR Rostock 2007, 486 Rn 30; Bisson GmbHR 2005, 1453, 1457 ff; Raiser/Veil Recht der Kapitalgesellschaften, § 42 Rn 102; B/H/Zöllner/Noack Rn 77; B/S/Klöhn Rn 96; weitere Nachweise bei Kleindiek in Hdb Managerhaftung, § 10 Rn 24. 4 S. zur näheren Begründung schon Kleindiek S. 464 f und etwa Groß ZGR 1998, 551, 563 f; Haas S. 232 f; Lutter ZHR 157 (1993), 464, 468 f; unter dem Aspekt der Produkthaftung auch Heil/Russenschuck BB 1998, 1749, 1753 f; kritisch B/H/Zöllner/Noack Rn 77. 5 Allgemein zum Einfluss der internen Geschäftsverteilung auf die Geschäftsführeraußenhaftung Altmeppen in Hdb Managerhaftung, § 7 Rn 68 ff; Haas S. 279 ff; Medicus GmbHR 1998, 9. 6 Ebenso Lutter ZHR 157 (1993), 464, 468 ff.

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schränkung der Organpflichten auf das Innenverhältnis zur Rechtsperson sowie die Grenzziehung zwischen Vertrag und Delikt aufheben; zugleich würde der Grundsatz, wonach die Organisationspflichten nur der Gesellschaft gegenüber bestehen, – wie der II. Zivilsenat formulierte – „praktisch aus den Angeln gehoben“1. Dennoch hat der (für das Bankrecht zuständige) XI. Zivilsenat des BGH in den Gründen seiner Entscheidung zur Haftung der Deutschen Bank und ihres (ehemaligen) Vorstandssprechers wegen Interviewäußerungen zur Kreditwürdigkeit eines Unternehmens der Kirch-Gruppe den Rahmen für die Außenhaftung eines Organmitglieds irritierend weit abgesteckt: Aus den organschaftlichen Pflichten des Vorstandsmitglieds gegenüber der AG werden deliktsrechtlich sanktionierte Verpflichtungen gegenüber den Vertragspartnern der Gesellschaft abgeleitet, wobei das „Prinzip der Relativität von Schuldverhältnissen“ mit leichter Hand beiseite geschoben wird2. c) Im Wettbewerbs- und Markenrecht etc haftet der Geschäftsführer, der im 90 Rahmen seiner Geschäftsführertätigkeit (als Täter oder Gehilfe) ein fremdes Immaterialgüterrecht verletzt, neben der Gesellschaft persönlich3. Diese Einstandspflicht bestand nach der früheren Rspr des I. Zivilsenats des BGH auch dort, wo ein anderer (Mitgeschäftsführer oder sonstiger Unternehmensmitarbeiter) die Rechtsgutverletzung begangen und der Geschäftsführer von der bevorstehenden Rechtsverletzung Kenntnis sowie die Möglichkeit ihrer Verhinderung gehabt hat4. Nunmehr macht der Senat die persönliche Haftung eines Geschäftsführers, der an den unlauteren Wettbewerbshandlungen der Gesellschaft nicht durch positives Tun beteiligt war, davon abhängig, dass er die Wettbewerbsverstöße aufgrund einer nach allgemeinen Grundsätzen des Deliktsrechts begründeten Garantenstellung hätte verhindern müssen5. Eine entsprechende Garantenstellung Dritten gegenüber („wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht“) werde noch nicht durch die Organstellung und die allgemeine Verantwortlichkeit des Geschäftsführers für den Geschäftsbetrieb begründet. Sie sei allerdings „zu erwägen“, wenn der Geschäftsführer sich bewusst der Möglichkeit entziehe, überhaupt Kenntnis von etwaigen Wettbewerbsverstößen in seinem Unternehmen oder durch von ihm beauftragte Drittunternehmen zu nehmen6. Zudem hafte der Geschäftsführer persönlich aufgrund einer eigenen wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht, wenn er ein auf Rechtsverletzungen angelegtes Geschäftsmodell 1 So treffend BGHZ 125, 366, 375 f = GmbHR 1994, 390 (II. ZS). 2 BGH ZIP 2006, 317, 330 f, wo es ua heißt: „Was der juristischen Person aufgrund der vertraglichen Treuepflicht untersagt ist, ist daher zwangsläufig auch dem oder den für sie handelnden Organen verboten.“ 3 BGH GmbHR 2014, 977 Rn 14 mwN. 4 S. nur BGH GmbHR 1986, 83 und die Nachweise in BGH GmbHR 2014, 977 Rn 15; zusammenfassend etwa Kellenter in Hdb Managerhaftung, § 23 Rn 8 ff. 5 BGH GmbHR 2014, 977 Rn 17. 6 BGH GmbHR 2014, 977 Rn 19 ff, 26.

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§ 43 | Haftung der Geschäftsführer selbst ins Werk gesetzt habe1. Eine gesetzeswidrige Gesellschafterweisung zur Vornahme von Verstößen gegen das Wettbewerbs- und Markenrecht etc entlastet den Geschäftsführer selbstverständlich nicht2.

9. Geschäftsführerhaftung für nicht abgeführte Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung 91 Nach ständiger Rspr des BGH3 haftet der Geschäftsführer deliktsrechtlich ge-

mäß § 823 Abs. 2 BGB iVm §§ 266a Abs. 1, 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB gegenüber dem Sozialversicherungsträger auf Schadensersatz, wenn und soweit Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung (§§ 28a ff SGB IV) nicht abgeführt werden. Die hieran geübte Grundsatzkritik4, die den Schutzgesetzcharakter des § 266a StGB ebenso bezweifelt (weil intendierte Sicherung des Beitragsaufkommens im Interesse der Solidargemeinschaft nicht Schutz eines hinreichend individualisierten Personenkreises bezwecke) wie die Eignung von § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB zur Begründung zivilrechtlicher Verantwortlichkeit des Geschäftsführers, war schon in der Spruchpraxis des (früher zuständigen) VI. Zivilsenats des BGH nicht aufgegriffen worden5. Der (BGH-intern für Schadensersatzklagen gegen Geschäftsführer wegen nicht abgeführter Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung seit dem Geschäftsjahr 2002 zuständige) II. Zivilsenat hat die entsprechenden Einwände ausdrücklich zurückgewiesen6. Die Haftung erstreckt sich aber nicht auf Säumniszuschläge nach § 24 Abs. 1 SGB IV, da diese Vorschrift kein Schutzgesetz iSd § 823 Abs. 2 BGB ist7. – Zu Ansprüchen der Sozialversicherungsträger gegen den Geschäftsführer unter dem Gesichtspunkt der Insolvenzverschleppungshaftung (§ 823 Abs. 2 BGB iVm § 15a Abs. 1 InsO) s. Anh zu § 64 Rn 98.

92 Das Tatbestandsmerkmal des „Vorenthaltens“ der Arbeitnehmeranteile nach

§ 266a Abs. 1 StGB ist selbst dann erfüllt, wenn für den betreffenden Zeitraum auch keinerlei Lohn an die Arbeitnehmer ausgezahlt worden ist. In diesem Sinne

1 BGH GmbHR 2014, 977 Rn 31 unter Hinweis auf BGH GRUR 2009, 841 Rn 21 f. 2 OLG Hamburg GmbHR 2006, 379, 380. 3 BGH NJW 1992, 177, 178; BGHZ 134, 304, 307, 313 = GmbHR 1997, 305; BGH NJW 2000, 2993 = GmbHR 2000, 816 – je VI. ZS; BGH GmbHR 1997, 1156; BGH GmbHR 2005, 874; BGH GmbHR 2006, 1332; BGH GmbHR 2009, 991 – je II. ZS. 4 Etwa v. Einem BB 1986, 2261; Cahn ZGR 1998, 367, 369 ff; Dreher FS Kraft, 1998, S. 59, 61 ff; U/H/L/Paefgen Rn 393 ff; Sandberger S. 245 ff.. 5 Zur Rspr-Praxis des VI. ZS zusammenfassend Groß ZIP 2001, 945; zum Rückgriff des Geschäftsführers gegen die Gesellschafter Hommelhoff/Schwab FS Kraft, 1998, S. 263, 271 ff. 6 BGH GmbHR 2005, 874, 875. 7 BGH GmbHR 2008, 1217.

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hat sich der BGH1 zugunsten der „Lohnpflichttheorie“ (gegen die „Lohnzahlungstheorie“) ausgesprochen und darin später Bestätigung durch den Gesetzgeber erfahren: Seit Novellierung des § 266a Abs. 1 StGB durch Gesetz vom 23.7.20022 ist das (vorsätzliche) Vorenthalten der Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung unabhängig davon strafbewehrt, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird. Der Geschäftsführer kann den Tatbestand des § 266a Abs. 1 StGB nur dann ver- 93 wirklicht haben, wenn Gesellschaft und ihrem Geschäftsführer die Beitragsabführung zum Fälligkeitszeitpunkt (spätestens am drittletzten Bankarbeitstag des Beschäftigungsmonats; s. näher § 23 Abs. 1 SGB IV)3 möglich war. Hieran fehlt es für Beiträge, deren Fälligkeit erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Verlust der Verfügungsbefugnis gemäß §§ 80, 81 InsO) oder nach Auferlegung eines allgemeinen Verfügungsverbots vor Verfahrenseröffnung (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO) eintritt4. An der Möglichkeit zur Beitragsabführung kann es auch fehlen, wenn die Gesellschaft zum Fälligkeitszeitpunkt nicht mehr zahlungsfähig ist5. Aber Zahlungsunfähigkeit im hier maßgeblichen Sinn ist erst dann gegeben, wenn dem Arbeitgeber die Mittel nicht mehr zur Verfügung stehen, um ganz konkret die fälligen Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung (und nur diese) abzuführen. Und das ist nach ständiger Rspr erst dann der Fall, wenn der Beitragsschuldner – unter Hintanstellung sonstiger Verbindlichkeiten – nicht einmal mehr (auch nicht durch Inanspruchnahme eines bestehenden Kreditrahmens) ausreichende Liquidität zur Begleichung der fälligen Arbeitnehmeranteile aufzubringen vermag; Überschuldung soll noch nicht zur Unmöglichkeit der Pflichterfüllung führen6. Selbst bei bestehender Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft zum Fälligkeitszeit- 94 punkt haftet der Geschäftsführer dem Sozialversicherungsträger gegenüber, wenn und soweit ihm die Herbeiführung dieser Zahlungsunfähigkeit als (bedingt vorsätzliches) pflichtwidriges Verhalten zur Last zu legen ist (sog omissio libera in causa): Sobald sich deutliche Bedenken aufdrängen, ob am Fälligkeitstag ausreichende Mittel vorhanden sein werden, besteht nach der Rspr eine Verpflichtung, durch Aufstellung eines Liquiditätsplans und Bildung ausreichender Rücklagen unter Zurückstellung anderweitiger Zahlungspflichten – ggf sogar durch Lohnkürzung – die Fähigkeit zur Abführung der Arbeitnehmerbeiträge

1 BGH GmbHR 2000, 816 – VI. ZS; ebenso später der 5. StrafS: BGH ZIP 2002, 2143 = GmbHR 2002, 1026. 2 BGBl I 2787; dazu Ignor/Rixen NStZ 2002, 510, 512 f. 3 Zu Stundungsvereinbarungen s. Jacobi/Reufels BB 2000, 771, 772. 4 Vgl BGH GmbHR 1998, 280. 5 BGH GmbHR 1997, 29, 30; BGHZ 134, 304, 307. 6 BGH GmbHR 1997, 29, 30 – VI. ZS; einschränkend BGH GmbHR 2002, 1026, 1028 – 5. StrafS: keine Pflicht zur Beschaffung von Kreditmitteln.

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§ 43 | Haftung der Geschäftsführer zur Sozialversicherung soweit als möglich sicherzustellen1. In der Konsequenz haftet also der Geschäftsführer (straf- wie zivilrechtlich), wenn die Zahlungsunfähigkeit darauf beruht, dass vor Fälligkeit der Arbeitnehmerbeiträge Leistungen an andere Gläubiger, sei es auch in „kongruenter Deckung“ auf bestehende Verbindlichkeiten des Arbeitgebers, erbracht werden. Dabei ist erforderlich, dass der Geschäftsführer die Gefahr der Zahlungsunfähigkeit tatsächlich erkannt und in Kauf genommen hat; bloße Erkennbarkeit genügt nicht2. Denn der in § 266a Abs. 1 StGB vorausgesetzte Vorsatz erfordert das Bewusstsein und den Willen, die Abführung der Beiträge bei Fälligkeit zu unterlassen. Erkennt der Geschäftsführer aber Anzeichen von Liquiditätsproblemen, die besondere Anstrengungen zur Sicherstellung der Abführung der Arbeitnehmerbeiträge verlangen, und nimmt er dabei zumindest billigend in Kauf, dass bei Unterlassung von Sicherheitsvorkehrungen später möglicherweise die Arbeitnehmerbeiträge nicht mehr rechtzeitig erbracht werden können, ist hinsichtlich des Merkmals der Pflichtwidrigkeit auch Vorsatz gegeben. 95 Mit dieser Rspr wird im Ergebnis eine Verpflichtung zur (gegenüber der Erfül-

lung anderer Verbindlichkeiten) vorrangigen Abführung der Arbeitnehmeranteile postuliert3. Zur Begründung jener „Vorrangrechtsprechung“ wird zum einen auf die Strafbewehrung des Abführungsgebots hinsichtlich der Arbeitnehmerbeiträge zum Zwecke der Sicherung des Beitragsaufkommens der Sozialkassen verwiesen; zum anderen auf die Regelung des (heutigen) § 266a Abs. 6 StGB, die von dem Arbeitgeber im Falle wirtschaftlicher Schwierigkeiten verlangt, die Gründe für die nicht fristgerechte Zahlung und seine Bemühungen um Begleichung der sozialversicherungsrechtlichen Verbindlichkeiten spätestens zum Fälligkeitszeitraum darzutun, um selbst im Falle einer späteren Zahlung eine Strafbefreiung zu erlangen.

96 Haftungsadressat ist jeder amtierende Geschäftsführer, nach der BGH-Rspr in

Strafsachen4 sogar ein rein faktischer, nicht förmlich bestellter Geschäftsführer (zur Kritik daran s. § 84 Rn 7), soweit ihm die Beitragsabführung zum Fälligkeitszeitpunkt möglich war (vgl schon Rn 93). Die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Möglichkeit zur Beitragsabführung (und aller anderen haftungsbegründenden Tatbestandsmerkmale) trägt der Sozialversicherungsträger, der den Geschäftsführer in Anspruch nimmt; es hat nicht etwa der Geschäftsführer die Zahlungsunfähigkeit darzulegen und zu beweisen; diesen trifft lediglich eine 1 BGHZ 134, 304, 308 f = GmbHR 1997, 305; BGH GmbHR 2002, 208 f; BGH GmbHR 2002, 213, 214 f – VI. ZS; ebenso BGH GmbHR 1997, 1156, 1157; BGH GmbHR 2006, 1332 – II. ZS; BGH GmbHR 2002, 1026, 1027 – 5. StrafS; s. dazu etwa Haase GmbHR 2002, 210 ff. 2 BGH GmbHR 2002, 213, 216 – VI. ZS; BGH GmbHR 2002, 1026, 1028 – 5. StrafS. 3 BGHZ 134, 304, 309 ff = GmbHR 1997, 305; BGH GmbHR 2002, 1026; ablehnend Altmeppen FS Goette, 2011, S. 1, 3 ff: „unhaltbar“. 4 S. für § 266a StGB BGH GmbHR 2002, 1026, 1029 – 5. StrafS.

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sekundäre Darlegungslast1. Der Sozialversicherungsträger genügt insoweit seiner Darlegungs- und Beweislast mit Darlegung und Nachweis irgendeiner Zahlung in nicht unwesentlicher Höhe an einen Dritten. Es obliegt dann dem Geschäftsführer im Sinne seiner sekundären Darlegungslast, das Vorbringen fortbestehender Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft substantiiert zu bestreiten2. Jedoch dürfen an diese sekundären Darlegungslasten nicht derart überhöhte Anforderungen gestellt werden, dass es faktisch zu einer Umkehrung der Darlegungs- und Beweislast kommt; insbesondere obliegen dem Geschäftsführer keine besonderen Dokumentationspflichten3. Der in § 266a Abs. 1 StGB vorausgesetzte Vorsatz (auf den sich die Darlegungs- 97 und Beweislast des Sozialversicherungsträgers ebenfalls erstreckt4) erfordert das Bewusstsein und den Willen, die Abführung der Beiträge bei Fälligkeit zu unterlassen5. Im Rahmen des insoweit ausreichenden bedingten Vorsatzes werden diese Voraussetzungen auch dann als gegeben angesehen, wenn es der Geschäftsführer verabsäumt, die Erfüllung der Beitragspflicht durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen (s. Rn 94)6. Die interne Zuständigkeitsverteilung unter mehreren Geschäftsführern (Ressortaufteilung) belässt den nicht primär zuständigen Geschäftsführern Überwachungspflichten; interne Zuständigkeitsregelungen innerhalb des Geschäftsführerkollegiums lassen ebenso wie eine Delegation der Aufgaben an nachgeordnete Arbeitnehmer die Eigenverantwortlichkeit jedes einzelnen Geschäftsführers nicht erlöschen. Hier wie dort bleiben stets Überwachungspflichten, die Veranlassung zum Eingreifen geben, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Erfüllung von der Gesellschaft obliegenden Aufgaben durch den (intern) zuständigen Geschäftsführer oder den mit der Erledigung beauftragten Arbeitnehmer nicht mehr gewährleistet ist. Insbesondere in der Unternehmenskrise oder bei Feststellung ungeordneter Verhältnisse im Geschäftsablauf muss sich jedes Organmitglied über die Einhaltung der Pflicht zur pünktlichen Zahlung fälliger Arbeitnehmerbeiträge in ausreichender Weise vergewissern (Grundsatz der Gesamtverantwortung)7; dabei hat der VI. Zivilsenat ggf sogar telefonische Rückfragen bei den in Frage kommenden Bankinsti-

1 BGH GmbHR 2002, 213, 214 f; BGH GmbHR 2005, 874, 875; BGH GmbHR 2013, 265. 2 BGH GmbHR 2002, 213, 214 f; OLG Brandenburg GmbHR 2003, 595; OLG Düsseldorf GmbHR 2015, 708, 710; OLG Hamburg ZIP 2007, 725, 726; OLG Saarbrücken GmbHR 2002, 907, 909 f; kritisch Katzenmeier JZ 2002, 669; Kiethe ZIP 2003, 1957, 1961. 3 Näher BGH GmbHR 2005, 874, 875 f. 4 BGH GmbHR 2013, 265 Rn 14. 5 BGH GmbHR 2002, 208, 210 mwN. 6 BGHZ 134, 304, 313 ff = GmbHR 1997, 305; BGH GmbHR 2001, 236, 237; BGH GmbHR 2008, 815, 816; BGH GmbHR 2013, 265. 7 BGH GmbHR 2013, 265 Rn 17; BGH GmbHR 2008, 815, 816 mwN; OLG Düsseldorf GmbHR 2015, 708, 709 f.

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§ 43 | Haftung der Geschäftsführer tuten verlangt1. Irrtum des Geschäftsführers über den Umfang seiner Überwachungspflicht ist Ver- bzw Gebotsirrtum, der in der Regel (soweit nicht unvermeidbar) den Vorsatz hinsichtlich des Vorenthaltens der Beiträge nicht entfallen lässt2. 98 Dem Geschäftsführer sind pflichtwidrige Versäumnisse eines Amtsvorgängers

nicht haftungsbegründend zuzurechnen; er übernimmt die Verpflichtung zur Abführung der Sozialversicherungsbeiträge erst mit seiner Bestellung zum Geschäftsführer der Gesellschaft3. Von da an kann er aber ggf gehalten sein, etwaige Versäumnisse seines Vorgängers zu korrigieren4. Die Verantwortlichkeit des Geschäftsführers endet im Übrigen mit der Amtsniederlegung (zu ihren Voraussetzungen s. § 38 Rn 41 ff), für die Nichtabführung später fällig werdender Beiträge haftet er nicht5.

99 Im Übrigen wird die Geschäftsführerhaftung aus § 823 Abs. 2 BGB iVm § 266a

Abs. 1 StGB wegen nicht abgeführter Arbeitnehmerbeiträge durch das Insolvenzrecht beeinflusst: Schon nach der Rspr des VI. Zivilsenats des BGH war ein Schaden des Sozialversicherungsträgers zu verneinen, wenn Beitragszahlung im Insolvenzverfahren voraussichtlich erfolgreich angefochten worden wäre6. Auch der IX. Zivilsenat gewährt ein entsprechendes Anfechtungsrecht7 unter den Voraussetzungen der §§ 129 ff InsO8. Der II. Zivilsenat hat diese Rspr bestätigt9:

1 BGH GmbHR 2001, 236, 237; ferner OLG Hamburg GmbHR 2000, 185, 186 f; OLG Rostock GmbHR 2002, 218; OLG Schleswig GmbHR 2002, 216; s. aber auch BGH ZIP 2002, 2143, 2145 = GmbHR 2002, 1026 – 5. StrafS; zum Ganzen Th. Huber Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers für die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge, 2000, S. 37 ff; Kiethe ZIP 2003, 1957, 1962 ff. 2 BGH GmbHR 2001, 236, 238; OLG Düsseldorf GmbHR 2000, 1261, 1263; OLG Düsseldorf GmbHR 2015, 708, 711. 3 BGH GmbHR 2002, 208; verneinend zur Haftung des Geschäftsführers einer Vorgesellschaft: KG NZG 2002, 483, 484 = GmbHR 2002, 381; anders für Gesellschafter-Geschäftsführer der Vorgesellschaft: KG GmbHR 2003, 591, 593 f. 4 S. auch Haase GmbHR 2002, 210, 212 f. 5 BGHZ 133, 370, 376 = GmbHR 1997, 25; BGH GmbHR 2003, 544; OLG Düsseldorf GmbHR 2003, 420; OLG Naumburg GmbHR 2002, 1237, 1238 f; zur ggf fortbestehenden Haftung unter dem Gesichtspunkt faktischer Geschäftsführung s. OLG Naumburg GmbHR 2000, 558. 6 BGH GmbHR 2001, 147, 149 zu § 10 Abs. 1 Nr. 4 GesamtvollstreckungsO; BGH GmbHR 2002, 213, 214 zu § 30 Nr. 1 KO. 7 BGH ZIP 2001, 2235, 2237 f zu § 10 Abs. 1 Nr. 4 GesamtvollstreckungsO; dazu Gundlach/Frenzel/Schmidt DZWiR 2002, 89; zuvor schon BGH ZIP 1999, 1977, 1979; BGH DB 2003, 2383 zu § 30 Nr. 1 KO. 8 S. dazu instruktiv BGH ZIP 2006, 290 = NZI 2006, 159 mit Anm („Check-Liste“) M. Huber; außerdem etwa BGH ZIP 2003, 1506; BGH DB 2011, 52, 53; OLG Hamburg ZIP 2002, 1360; OLG Hamburg ZIP 2007, 725, 728 f = GmbHR 2007, 658; OLG Stuttgart ZIP 2004, 129. 9 BGH GmbHR 2005, 874, 876.

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Hätte der Insolvenzverwalter die Zahlungen an die Sozialkasse anfechten können, entfällt mangels Kausalität der Schaden. Dem ist zuzustimmen: Der Grundsatz der Gleichbehandlung aller Gläubiger darf nicht auf dem Umweg über § 266a StGB mittelbar durchbrochen werden, zumal die InsO Konkursvorrechte abgeschafft hat1. Der Vorrang der Pflicht zur Abführung der Arbeitnehmeranteile (Rn 93 f) kann jedenfalls in der Insolvenz des Beitragsschuldners deshalb keine Anerkennung mehr finden; im Insolvenzverfahren ist eine Vorrangstellung der Sozialversicherungsträger nicht zu rechtfertigen2. In der Praxis ist die spätere Anfechtung von insolvenznah abgeführten Sozial- 100 versicherungsbeiträgen von erheblicher Bedeutung. Denn jene Zahlungen erfolgen nicht selten unter dem Druck eingeleiteter oder angekündigter Zwangsvollstreckungsmaßnahmen oder eines vom Sozialversicherungsträger gestellten Insolvenzantrags, der dann nach der Zahlung wieder zurückgenommen wird. Zahlungen, die unter dem Druck ausgebrachter oder unmittelbar drohender Zwangsvollstreckungsmaßnahmen innerhalb des nach § 131 Abs. 1 InsO geschützten Drei-Monats-Zeitraums vor dem Eröffnungsantrag geleistet werden, sieht der IX. Zivilsenat des BGH als inkongruent an; sie unterliegen deshalb der Anfechtung unter den Voraussetzungen des § 131 Abs. 1 Nr. 1–3 InsO3. Für länger zurückliegende Zahlungen kann die Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO eröffnet sein, wenn der Sozialversicherungsträger zuvor einen Insolvenzantrag gestellt oder angedroht hat4. Vor diesem Hintergrund erklärt sich die zwei Jahre währende, kontroverse De- 101 batte um die Fiktion des § 28e Abs. 1 Satz 2 SGB IV idF von Art. 21 SGB IVÄnderungsgesetz vom 19.12.2007 (BGBl I 3024), wonach Arbeitgeberzahlungen auf Arbeitnehmeranteile der Sozialversicherungsbeiträge als aus dem Vermögen der Arbeitnehmer erbracht gelten. Schon früh – im März 2008 – hatte der IX. Zivilsenat des BGH geurteilt, die Vorschrift finde jedenfalls keine Anwendung auf Fälle, in denen das Insolvenzverfahren vor dem 1.1.2008 (Inkrafttreten der Neuregelung) eröffnet worden ist5. Im Übrigen war in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung ebenso wie im Schrifttum (Nachweise s. 17. Aufl, Rn 91) umstritten, ob damit die (bisher mögliche) Insolvenzanfechtung von Zahlungen auf 1 BGH ZIP 2001, 2235, 2238; BGH GmbHR 2005, 874, 876; zur Rangfolge nach früherem Recht im hier interessierenden Zusammenhang: OLG Celle NJW-RR 1996, 481, 482 = GmbHR 1996, 51; Lüke/Mulansky ZIP 1998, 673, 674. 2 BGH DB 2003, 2383 – IX. ZS; BGH GmbHR 2004, 122, 123 – 5. StrafS; BGH GmbHR 2005, 874, 876 – II. ZS. S. zum Ganzen auch Flöther/Bräuer DZWIR 2003, 353; Güther/ Kohly ZIP 2007, 1349; zur (mangelnden) Anwendbarkeit des § 142 InsO bei der Erfüllung gesetzlicher Ansprüche Kayser ZIP 2007, 49. 3 S. nur BGHZ 157, 242, 245 ff; BGH NZI 2013, 492 Rn 11 ff und HK-InsO/Thole § 131 InsO Rn 13 f mit zahlreichen Nachweisen. 4 BGHZ 157, 242, 253 ff. 5 BGH DB 2008, 1096.

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§ 43 | Haftung der Geschäftsführer die Arbeitnehmeranteile wirksam ausgeschlossen worden ist1. Der IX. Zivilsenat hat dies in seiner Entscheidung vom 5.11.2009 verneint2: „Die Zahlung der Arbeitnehmeranteile zu den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen kann als Rechtshandlung des Arbeitgebers im Insolvenzverfahren über dessen Vermögen als mittelbare Zuwendung an die Einzugsstelle (weiterhin) angefochten werden.“ – In Interpretation der neuen Vorschrift sieht der Senat in der Beitragsabführung nunmehr eine mittelbare Zuwendung des Arbeitgebers an die Einzugsstelle, die sich durch eine fiktiv unmittelbar aus dem Vermögen des Arbeitnehmers erbrachte Zahlung realisiere. Der Arbeitgeber bleibe nach § 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV alleiniger Schuldner auch der Arbeitgeberanteile und erbringe durch die Erfüllung des Bruttolohnanspruchs gegenüber dem Arbeitnehmer ein eigenes, reales Vermögensopfer, welches zur Benachteiligung seiner Gläubiger gemäß § 129 Abs. 1 InsO führe. 102 Inwieweit auch die gesetzlichen Wertungen im Vorfeld des Insolvenzverfahrens

(Gebot der Massesicherung und Masseerhaltung) Konsequenzen für die persönliche Geschäftsführer-Haftung haben müssen, war lange umstritten. Die aus der Vorrangrechtsprechung des 5. Straf- und VI. Zivilsenats (s. Rn 94 f) abgeleitete Vorverlagerung der Tatbestandsverwirklichung auf einen Zeitpunkt vor dem Fälligkeitstermin hatte auch der II. Zivilsenat des BGH durchaus anerkannt3.

103 Auf erhebliche Vorbehalte stieß beim II. Zivilsenat die Rechtsprechung der bei-

den anderen Senate freilich insoweit, als diese den Vorrang auch auf Beitragsschulden im Fälligkeitszeitraum zwischen materieller Insolvenzreife und (verspäteter) Stellung des Insolvenzantrages erstrecken wollten. Denn schon der damalige § 64 Abs. 2 Satz 1 (heute § 64 Satz 1) verpflichtete den Geschäftsführer zur Erstattung von Zahlungen, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet werden; anders nur bei solchen Zahlungen, die auch nach diesem Zeitpunkt mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns vereinbar sind (§ 64 Satz 2; früher § 64 Abs. 2 Satz 2). Hieraus hatte der II. Zivilsenat den Schluss gezogen, dass der Geschäftsführer nach Eintritt von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung auch Arbeitnehmerbeiträge nicht mehr abführen darf. Das Bestreben des Geschäftsführers, sich durch Zahlungen trotz materieller Insolvenz einer persönlichen deliktischen Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB iVm § 266a Abs. 1 StGB zu entziehen, sei kein im Rahmen des § 64 beachtlicher Umstand. Vielmehr sei das Zahlungsverbot aus § 64 vorrangig; wenn sich der Geschäftsführer insoweit lückenlos normgerecht verhalte (also auch an andere Gesellschaftsgläubiger keine nicht durch § 64 Abs. 2 Satz 2 aF gedeckten Zahlungen leiste)4, handele er im Blick 1 Stellvertretend zu dieser Diskussion Bruhn NZI 2009, 628 ff; Einzelnachweise auch bei Bauer ZInsO 2010, 1432, 1434 Fn 40. 2 BGH ZIP 2009, 2301; dazu erläuternd Kayser FS Ganter, 2010, S. 221, 233 ff. 3 S. etwa BGH GmbHR 1997, 1156, 1158; BGH GmbHR 2006, 1332. 4 S. zu dieser Voraussetzung BGH GmbHR 2008, 1324, 1325; BGH GmbHR 2010, 364.

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auf die kollidierende Pflicht aus § 266a Abs. 1 StGB deliktisch nicht schuldhaft1. – Diese Sichtweise hatte überzeugende Gründe für sich (s. schon 16. Aufl, Rn 76). Denn das gesetzliche Zahlungsverbot nach Insolvenzeintritt will Masseschmälerungen sanktionieren und somit helfen, Gläubigergleichbehandlung und ranggerechte Befriedigung bereits im Vorfeld des Insolvenzverfahrens zu sichern (s. § 64 Rn 4). Es flankiert die Regeln der Insolvenzanfechtung (§§ 129 ff InsO). Eine Differenzierung nach dem Empfänger der Zahlungen ist dem Zweck des Zahlungsverbots fremd. Die vorrangige Bedienung von Sozialversicherungsträgern lässt sich deshalb – stellt man auf den Normzweck ab – auch nicht mit § 64 Satz 2 (§ 64 Abs. 2 Satz 2 aF) legitimieren: der Maßstab der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters soll nur solche Leistungen privilegieren, durch welche größere Nachteile für die Masse abgewendet werden (vgl § 64 Rn 11 f)2. Indes sah sich der II. Zivilsenat mit dem Umstand konfrontiert, dass auch der 5. 104 Strafsenat des BGH den Straftatbestand in § 266a Abs. 1 StGB (wie bislang der VI. Zivilsenat) im Sinne einer Pflicht zur vorrangigen Abführung der Sozialversicherungsbeiträge auslegte; allein für die Dauer der Drei-Wochen-Frist nach § 64 Abs. 1 aF (heute § 15a Abs. 1 InsO) hat er eine rechtfertigende (die Strafbarkeit hindernde) Pflichtenkollision anerkennen wollen3: Die aus jenen Vorschriften hergeleitete Rechtfertigung soll lediglich den noch aussichtsreichen Sanierungsversuch privilegieren, und zwar beschränkt auf einen Zeitraum von höchstens drei Wochen. Dem vom II. Zivilsenat verfochtenen generellen Vorrang der Massesicherungspflichten in der Insolvenz hat der 5. Strafsenat angesichts der Strafbewehrung einer Nichtabführung von Sozialabgaben hingegen die Gefolgschaft ausdrücklich versagt (vgl 17. Aufl, Rn 93 f)4. Der damit schwelende Normenkonflikt war für die Praxis belastend und dauer- 105 haft nicht hinnehmbar. Zivilrechtlich einzufordern, was zugleich strafrechtlich sanktioniert wird, ist nicht zu vermitteln. Zu Recht hat dies den II. Zivilsenat in seiner Entscheidung vom 14.5.2007 zum Einlenken veranlasst5: Mit Rücksicht auf die Einheit der Rechtsordnung könne es dem organschaftlichen Vertreter nicht angesonnen werden, die Massesicherungspflicht zu erfüllen und fällige Leistungen an die Sozialkasse (oder die Steuerbehörden) nicht zu erbringen, wenn er sich dadurch „strafrechtlicher Verfolgung“ aussetze. Sein die entsprechenden sozial- und steuerrechtlichen Vorschriften (zu Letzteren s. Rn 116 ff) befolgendes Verhalten müsse deswegen im Rahmen der bei § 64 Abs. 2 Satz 2 aF (jetzt § 64 Satz 2) anzustellenden Prüfung als mit den Pflichten eines ordentli1 BGHZ 146, 264, 275 = GmbHR 2001, 190; BGH GmbHR 2005, 874, 876 f; deutlich in diesem Sinne auch Goette DStR 2000, 1320 f; Goette DStR 2001, 224 f. 2 BGHZ 146, 264, 275 = GmbHR 2001, 190; s. auch Goette ZInsO 2001, 529, 536 Fn 70. 3 BGH ZIP 2003, 2213, 2214 = GmbHR 2004, 122 = DStR 2004, 283 mit Anm Goette. 4 BGH GmbHR 2005, 1419. 5 BGH GmbHR 2007, 757.

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§ 43 | Haftung der Geschäftsführer chen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar angesehen werden1. – Das lässt sich im Interesse der Einheit der Rechtsordnung pragmatisch rechtfertigen, auch wenn damit für die Pflichten eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters iSd heutigen § 64 Satz 2 an Erwägungen angeknüpft wird, die sich vom ursprünglichen Zweck des Zahlungsverbots in der Insolvenz lösen (s. auch § 64 Rn 35). 106 Die (normzweckferne) Indienstnahme des § 64 Satz 2 bleibt freilich auf (Aus-

nahme-)Konstellationen tatsächlich bestehender Pflichtenkollisionen begrenzt. Deshalb kann sich ein Geschäftsführer, der nach Insolvenzreife der Gesellschaft Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung abführt, nicht auf § 64 Satz 2 berufen, weil die Nichtabführung der Arbeitgeberanteile an sich nicht strafbewehrt ist und deshalb auch nicht zu seiner persönlichen Verantwortlichkeit nach § 823 Abs. 2 BGB iVm § 266a Abs. 1 StGB führt2.

107 Der Nachrang der Massesicherungspflicht in der materiellen Insolvenz erstreckt

sich aber auch auf die Nachzahlung rückständiger Arbeitnehmerbeiträge; auch für die Nachzahlung von Beitragsrückständen kann sich der Geschäftsführer auf § 64 Satz 2 berufen3. Vor diesem Hintergrund ist eine Privilegierung gemäß § 64 Satz 2 im Ausnahmefall auch mit Blick auf die Nachzahlung rückständiger Arbeitgeberanteile in Erwägung zu ziehen4: Denn nach § 266a Abs. 2 StGB wird Strafbarkeit dann begründet, wenn der Arbeitgeber (respektive sein Organwalter) gegenüber der Einzugsstelle unrichtige Erklärungen über sozialversicherungspflichtige Umstände abgibt und dadurch Arbeitgeberbeiträge vorenthält. Und auch bei Nachzahlung von Arbeitgeberbeiträgen kann, wenn zuvor der Straftatbestand des § 266a Abs. 2 StGB verwirklicht worden ist, unter den Voraussetzungen des § 266a Abs. 6 StGB Strafbefreiung erlangt werden.

108 Von diesem Sonderfall abgesehen bleibt festzuhalten: Ein Geschäftsführer, der

nach Eintritt der materiellen Insolvenzreife (aus noch verfügbarer Liquidität) Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung abführt, entspricht einem (auch) an ihn adressierten Zahlungsgebot. Wenn er indes auch Arbeitgeberanteile abführt, verstößt er gegen das Zahlungsverbot des § 64 Satz 1 GmbHG und macht sich insoweit erstattungspflichtig. Ihm ist deshalb dringend zu raten, durch entsprechende Tilgungsbestimmung klarzustellen, worauf die Zahlung erfolgen soll. Reichen nämlich die geleisteten Zahlungen zur Deckung aller vorhandenen Schulden nicht aus, so werden – falls keine abweichende Bestimmung getroffen wird – die Schulden in der Tilgungsreihenfolge gemäß § 4 BeitragsverfahrensVO vom 3.5.2006 (BGBl I 1138; früher: § 2 BeitragszahlungsVO vom 22.5.

1 BGH GmbHR 2007, 757, 758 f; bestätigend BGH GmbHR 2008, 815; BGH GmbHR 2011, 367, 368; zur Dogmatik der Auflösung jener Pflichtenkollision s. Poelzig/Thole ZGR 2010, 836, 853 ff. 2 BGH GmbHR 2009, 991; BGH GmbHR 2011, 367, 368. 3 BGH GmbHR 2011, 367, 368. 4 Vgl Esser/Keuten wistra 2010, 161, 164.

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1989 idF der ÄnderungsVO vom 20.5.1997; vgl BGBl I 1928) abgegolten1: Auslagen der Einzugsstelle, Gebühren, Gesamtsozialversicherungsbeiträge, Säumniszuschläge, Zinsen, Geldbußen oder Zwangsgelder; innerhalb der gleichen Schuldart wird nach Fälligkeit, bei gleichzeitiger Fälligkeit anteilig getilgt. Die hieraus resultierenden Haftungsrisiken lassen sich durch eine Tilgungs- 109 bestimmung reduzieren: § 4 Satz 1 Halbsatz 2 BeitragsverfahrensVO erlaubt dem Arbeitgeber hinsichtlich der Beiträge zu bestimmen, dass vorrangig die Arbeitnehmeranteile getilgt werden sollen. Zu einer ausdrücklichen Tilgungsbestimmung zugunsten der Arbeitnehmeranteile besteht auch deshalb in der Regel Anlass, weil der BGH in gefestigter Rechtsprechung strenge Anforderungen an eine konkludente Tilgungsbestimmung stellt: Die konkludente Zahlungsbestimmung müsse „greifbar in Erscheinung getreten“ sein und könne nicht vermutet werden2. Der BGH lehnt es insbesondere ab, in jeder Teilzahlung des Sozialversicherungsbeitragsschuldners allein deshalb eine stillschweigende Tilgungsbestimmung hinsichtlich der Arbeitnehmeranteile zu sehen, weil deren Nichtzahlung straf- und haftungsrechtliche Folgen für ihren Geschäftsführer haben könnte. Nicht ganz eindeutig war zunächst, ob der II. Zivilsenat die Exkulpation nach 110 § 64 Satz 2 schon für Zahlungen auf die Arbeitnehmerbeiträge ab Insolvenzreife oder erst für solche nach Ablauf der (maximal) dreiwöchigen Karenzfrist des heutigen § 15a Abs. 1 InsO (früher § 64 Abs. 1) gewähren will3. Denn für aussichtsreiche Sanierungsversuche innerhalb der Drei-Wochen-Frist droht „strafrechtliche Verfolgung“ nach der Rspr des 5. Strafsenats gerade nicht (s. Rn 104). Indes ist eine genaue Verortung dieses Zeitfensters praktisch kaum möglich. Schon deshalb sollten alle Zahlungen ab Insolvenzreife von der Geschäftsleitersorgfalt iSd § 64 Satz 2 erfasst sein4. So war auch der erste Leitsatz der BGH-Entscheidung vom 14.5.20075 formuliert. Inzwischen hat der II. Zivilsenat klargestellt, dass die Privilegierung der Beitragszahlungen nach § 64 Satz 2 ab materieller Insolvenzreife (und nicht erst nach Ablauf der Drei-WochenFrist) gelten soll: Weil der innerhalb jener Frist gewährte Rechtfertigungsgrund rückwirkend entfalle, wenn der Geschäftsführer den Insolvenzantrag nicht fristgerecht stelle6. 1 Dazu BGH GmbHR 1998, 327, 328 f; BGH GmbHR 2001, 238; BGH GmbHR 2001, 721; OLG Saarbrücken GmbHR 2002, 907; Huber DZWiR 2001, 446. 2 BGH GmbHR 2001, 721, 722 f; BGH GmbHR 2009, 991; BGH GmbHR 2011, 367, 368 f; kritisch Schmitt NZI 2002, 146. 3 Dazu auch Heeg DStR 2007, 2134, 2138 f; Nentwig GmbHR 2011, 346 ff; Streit/Bürk DB 2008, 742, 746 mwN. 4 Wie hier Michalski/Haas/Ziemons Rn 391; nur im Ergebnis ebenso Brand GmbHR 2010, 237, 240 ff; Nentwig GmbHR 2011, 346; 348 ff; aA etwa B/H/Zöllner/Noack Rn 100. 5 BGH GmbHR 2007, 757. 6 So BGH GmbHR 2011, 367 Rn 29 unter Bezugnahme auf BGH GmbHR 2008, 1324 Rn 10 – II. ZS und BGH GmbHR 2005, 1419, 1420 f – 5. StrafS.

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§ 43 | Haftung der Geschäftsführer Übereinstimmend geht auch der BFH davon aus, dass die privilegierende Wirkung des § 64 Satz 2 schon für Beitragszahlungen ab materieller Insolvenzreife einsetzt, nicht erst für solche nach Ablauf der dreiwöchigen Karenzfrist. In der Konsequenz sieht der BFH die steuerrechtliche Eigenhaftung des Geschäftsführers (dazu sogleich Rn 111 ff) nicht mehr als ausgeschlossen an, wenn die Nichtzahlung der fälligen Steuern in die (maximal) dreiwöchige Schonfrist fällt, die dem Geschäftsführer (bislang) eingeräumt worden war (s. auch Rn 118)1. Zur Insolvenzanfechtung von Zahlungen an die Einzugsstelle s. Rn 99 ff. Zu den spezifischen Konflikten für den Geschäftsführer im Insolvenzeröffnungsverfahren unter Eigenverwaltung s. Rn 118a.

10. Steuerrechtliche Haftung des Geschäftsführers 111 Aus §§ 34, 69 Satz 1 AO trifft den Geschäftsführer eine steuerrechtliche Eigen-

haftung, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis der Gesellschaft infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihm auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig (zB wegen verspäteter Erklärung) festgesetzt oder (mangels fristgerechter Zahlung) nicht erfüllt werden. Bei fehlerhafter Mandatsausübung durch die Steuerberater der Gesellschaft können diese verpflichtet sein, dem Geschäftsführer dessen Schaden aus der steuerlichen Inanspruchnahme zu ersetzen2. Die gesetzliche Außenhaftung nach §§ 34, 69 Satz 1 AO infolge Pflichtverletzung, die im Übrigen auch nicht erfüllte Säumniszuschläge umfasst und der auch ein faktischer Geschäftsführer ebenso wie ein bestellter „Strohmann-Geschäftsführer“ unterliegt3, ist in umfangreicher Rspr des BFH näher ausgeformt worden4:

112 Die Haftung trifft im mehrköpfigen Geschäftsführergremium grundsätzlich je-

den Geschäftsführer (Gesamtverantwortung). Der BFH erkennt jedoch eine haftungsentlastende Ressortaufteilung an, sofern sie ex ante schriftlich und eindeutig fixiert wird5; bei Anlass zu Zweifeln, ob der intern zuständige Geschäfts-

1 BFH ZIP 2009, 122, 123 = GmbHR 2009, 222. 2 Dazu BGH GmbHR 2012, 97. 3 BFH GmbHR 2004, 833; Rechtsprechungsübersicht zur steuerrechtlichen Haftung faktischer Geschäftsführer bei Krause/Meier DStR 2014, 905 ff. 4 Zu weiteren Einzelheiten etwa Beermann DStR 1994, 805; Britz Die Haftung des Geschäftsführers für Steuerschulden der GmbH, 2. Aufl 2002; Meyer DStZ 2014, 228; Neusel GmbHR 1997, 1129; Sonnleitner/Winkelhog BB 2015, 88; Steeger Die steuerliche Haftung des Geschäftsführers, 1998. Zur Kritik an der BFH-Rspr s. etwa H.-F. Müller GmbHR 2003, 389, 390 ff. Zum Rückgriff des Geschäftsführers gegen die Gesellschafter Hommelhoff/Schwab FS Kraft, 1998, S. 263, 277 ff. 5 BFH ZIP 1984, 1345, 1346 = GmbHR 1985, 309; BFH NZG 2003, 734, 736 mwN.

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führer für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten sorgt, müssen Mitgeschäftsführer aber einschreiten1. Auch in der Krise der Gesellschaft wird von jedem einzelnen Geschäftsführer verlangt, sich um die Einhaltung der steuerlichen Pflichten zu kümmern2. Welchen von mehreren Haftungsschuldnern die Finanzbehörde in Anspruch nimmt, steht in ihrem pflichtgemäßen Ermessen3, wobei die für die Ermessensausübung maßgeblichen Gründe spätestens in der Einspruchsentscheidung darzulegen sind; bei vorsätzlich begangener Steuerstraftat ist das Auswahlermessen aber vorgeprägt; die Inanspruchnahme des Vorsatztäters bedarf keiner besonderen Begründung4. Die Haftung für nicht abgeführte Kapitalertragsteuer trifft auch den Gesellschafter-Geschäftsführer, der hinsichtlich der betreffenden Kapitalerträge seinerseits einkommensteuerpflichtig ist5. Die Haftung des Geschäftsführers setzt voraus, dass zwischen der Pflichtverlet- 113 zung und dem mit dem Haftungsanspruch geltend gemachten Schaden eine adäquate Kausalität besteht; der Gesellschaft müssen bei Fälligkeit der Steuerschuld deshalb ausreichende Mittel zu ihrer Erfüllung zur Verfügung gestanden haben6. Der Geschäftsführer handelt nach der Rspr aber ggf schon dadurch pflichtwidrig, dass er es an der notwendigen Vorsorge für die fristgerechte Begleichung der Steuerschuld fehlen lässt. Er muss die Mittel der Gesellschaft so verwalten, dass diese zur künftigen Tilgung später fällig werdender Steuerschulden in der Lage bleibt7. Das lässt die Dispositionsfreiheit zur Ausübung steuerlicher Gestaltungsrechte – vorbehaltlich rechtsmissbräuchlichen Handelns – freilich grundsätzlich unberührt8. Wegen Funktion und Schutzzwecks der Haftung nach § 69 AO hält der BFH hypothetische Kausalverläufe wie die mögliche Anfechtung etwaiger Steuerzahlungen durch den Insolvenzverwalter nach §§ 129 ff InsO (s. dazu Rn 99) für nicht berücksichtigungsfähig; die steuerrechtliche Haftung des Geschäftsführers entfällt also nicht dadurch, dass der Steuerausfall unter Annahme einer hypothetischen Insolvenzanfechtung ebenfalls entstanden wäre9: Durch den in § 69 AO normierten Haftungsanspruch solle – so 1 BFH ZIP 1986, 1247, 1248 = GmbHR 1986, 288. 2 BFH ZIP 1984, 1345, 1346 f = GmbHR 1985, 309; BFH NZG 2003, 734, 736. 3 Allgemein zu typischen Ermessensfehlern bei Erlass von Haftungsbescheiden gegen Gesellschaft oder Geschäftsführer: Nacke GmbHR 2006, 846. 4 BFH GmbHR 2003, 246, 247 f; BFH GmbHR 2005, 891. 5 BFH GmbHR 2003, 1080, 1082. 6 BFH GmbHR 1988, 278, 279; BFH GmbHR 2001, 783, 784; BFH GmbHR 2003, 490, 493; BFH GmbHR 2006, 610, 612. 7 BFH ZIP 1984, 1345, 1347 = GmbHR 1985, 309; BFH GmbHR 2003, 490, 491; BFH GmbHR 2006, 48, 49; BVerwG NJW 1989, 1873, 1874; Sonnleitner/Winkelhog BB 2015, 88, 94 f. 8 BFH GmbHR 2003, 490, 491 zu § 9 UStG. 9 BFH ZIP 2007, 1856, 1858 ff = GmbHR 2007, 1114; zuvor schon BFH ZIP 2007, 1659 = GmbHR 2007, 1004; im Ergebnis noch offen gelassen in BFH GmbHR 2006, 610, 612 f und BFH GmbHR 2007, 999, 1000.

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§ 43 | Haftung der Geschäftsführer der BFH – der Vertreter zur ordnungsgemäßen Erfüllung der ihm obliegenden steuerlichen Pflichten angehalten und das Steueraufkommen durch Schaffung einer Rückgriffsmöglichkeit gesichert werden; das Erreichen dieser Ziele würde durch die Berücksichtigung hypothetischer Kausalverläufe gefährdet. Hat der Geschäftsführer die Steuerschuld verspätet erfüllt und ficht der Insolvenzverwalter die Zahlung erfolgreich an, so haftet der Geschäftsführer jedenfalls dann nach §§ 34, 69 Satz 1 AO, wenn der Fälligkeitszeitpunkt der verspätet beglichenen Steuerschuld vor dem Beginn der nach §§ 129 ff InsO maßgeblichen Anfechtungsfristen lag (die Anfechtung bei rechtzeitiger Leistung also nicht erfolgreich gewesen wäre)1. 114 Gerät die Gesellschaft in Zahlungsschwierigkeiten, muss der Geschäftsführer die

Steuerschulden jedenfalls im selben Verhältnis wie die sonstigen Gesellschaftsschulden (Gläubigerdurchschnitt) tilgen: Grundsatz der anteiligen Tilgung2. Das gilt auch für festgesetzte Verspätungszuschläge und von der Gesellschaft angeforderte Säumniszuschläge3. Die Feststellungslast für eine nicht anteilige Befriedigung trägt das Finanzamt; der Geschäftsführer hat jedoch eine gesteigerte Mitwirkungspflicht bei der Aufklärung des in seiner Sphäre liegenden Sachverhalts, weshalb er auskunftspflichtig ist4.

115 Auf den Grundsatz der anteiligen Tilgung kann sich der Geschäftsführer freilich

nicht berufen, wenn bei ordnungsmäßiger Erfüllung der Steuererklärungspflicht der Steuerausfall vermieden worden wäre5. Hinsichtlich der abzuführenden Lohnsteuer gelten ebenfalls Besonderheiten: Hier muss der Geschäftsführer die ausgezahlten Bruttolöhne ggf soweit kürzen, dass aus den verbleibenden Beträgen die (anteilige) Lohnsteuer abgeführt werden kann6. Hinsichtlich der Umsatzsteuer ist indes auch nach Einführung von § 26b UStG (ausbleibende UStZahlung als Ordnungswidrigkeit) am Grundsatz der anteiligen Tilgung festzuhalten7; bei Ermittlung der Haftungsquote für die Umsatzsteuer sind jedoch

1 BFH ZIP 2009, 516, 517 f = GmbHR 2009, 499. 2 BFH GmbHR 1987, 445, 446; BFH GmbHR 1988, 278; BFH GmbHR 2000, 1211, 1213; BFH GmbHR 2000, 1215; BFH GmbHR 2006, 48, 49; zusammenfassend Britz Haftung, Rn 141 ff. 3 BFH GmbHR 2000, 1215; BFH GmbHR 2001, 786, 789; s. auch noch BFH GmbHR 2001, 362 zu nach Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft entstandenen Säumniszuschlägen. 4 BFH GmbHR 2001, 783, 785; BFH GmbHR 2001, 786, 789; BFH GmbHR 2006, 48, 49; BFH GmbHR 2008, 386; weiterführend Berninghaus DStR 2012, 1001; Peetz GmbHR 2009, 186. 5 BFH GmbHR 2001, 783, 785. 6 BFH DStR 1998, 1423, 1424; BFH GmbHR 1997, 139; BFH GmbHR 2000, 1215, 1216; BFH GmbHR 2006, 610, 611; BFH ZIP 2007, 1604, 1605, 1607 = GmbHR 2007, 999; FG Köln NZI 2014, 627, 628; Britz Haftung, Rn 191 ff; Sonnleitner/Winkelhog BB 2015, 88, 92 f; kritisch etwa H.-F. Müller GmbHR 2003, 389, 390; U/H/L/Paefgen Rn 382 ff, je mwN. 7 Ehrig GmbHR 2003, 1174, 1176 ff.

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die im Haftungszeitraum getilgten Lohnsteuern weder bei den Gesamtverbindlichkeiten noch bei den geleisteten Zahlungen zu berücksichtigen1. Auch im Rahmen der steuerrechtlichen Haftung des Geschäftsführers war – wie 116 im Kontext der Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB iVm § 266a Abs. 1 StGB (dazu Rn 103 ff) – umstritten, zu welchen Folgen der Eintritt der Insolvenzreife (Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung) im Blick auf die dann bestehende Massesicherungspflicht führt. Denn der Geschäftsführer hat nach Insolvenzreife getätigte Leistungen gemäß § 64 Satz 1 (§ 64 Abs. 2 Satz 1 aF) der Gesellschaft zurückzuerstatten, wobei das dem zugrunde liegende Zahlungsverbot nicht nach dem Empfänger der Zahlung differenziert. Hieraus war der Schluss gezogen worden (s. 16. Aufl Rn 83 mwN), es sei auch nicht gestattet, das Finanzamt vorrangig vor anderen Gesellschaftsgläubigern zu bedienen; der Geschäftsführer könne der Inanspruchnahme aus § 64 Abs. 2 Satz 1 aF folgerichtig nicht mit der Erwägung entgegentreten, er habe mit der Leistung an das Finanzamt der Steuerentrichtungspflicht nachkommen und der Haftung aus § 69 AO begegnen wollen, wobei auch Ausnahmen nach § 64 Abs. 2 Satz 2 aF (heute § 64 Satz 2) regelmäßig nicht anzuerkennen seien2. In eben diesem Sinne hatte auch der II. Zivilsenat des BGH3 darauf hingewiesen, dass die Geschäftsführerhaftung aus § 69 AO an die Verletzung des Grundsatzes der anteiligen Tilgung anknüpfe und einer bevorzugten Befriedigung anderer Gesellschaftsgläubiger vor dem Steuerfiskus zu begegnen suche; sie begründe indes keine Verpflichtung, in der Insolvenzsituation Zahlungen an das Finanzamt zu leisten. Demgegenüber hatte sich der BFH in der Sache der Rspr des 5. Strafsenats des BGH (s. Rn 104) angeschlossen: Die Massesicherungspflicht iSd § 64 Abs. 2 Satz 1 aF (heute § 64 Satz 1) könne die Verpflichtung zur Vollabführung der Lohnsteuer „allenfalls“ im Drei-Wochen-Zeitraum des § 64 Abs. 1 aF (heute § 15a Abs. 1 InsO) suspendieren; nur in diesem Zeitraum könne das die Haftung nach § 69 AO begründende Verschulden ausgeschlossen sein4. In seiner Entscheidung vom 14.5.2007 (dazu schon Rn 105) hat der II. Zivilsenat 117 des BGH auch insoweit eine Kurskorrektur vollzogen5: Mit Rücksicht auf die Einheit der Rechtsordnung könne es dem organschaftlichen Vertreter nicht angesonnen werden, die Massesicherungspflicht zu erfüllen und fällige Leistungen an die Steuerbehörden nicht zu erbringen, wenn er sich dadurch „strafrechtlicher Verantwortung“ aussetze. Sein die entsprechenden steuerrechtlichen Vorschriften befolgendes Verhalten müsse im Rahmen der bei § 64 Abs. 2 Satz 2 aF (jetzt § 64 Satz 2) anzustellenden Prüfung als mit den Pflichten eines ordent-

1 2 3 4 5

BFH GmbHR 2007, 1002, 1003 f. Zum Ganzen auch Schön FS Westermann, 2008, S. 1469. BGHZ 146, 264, 276 = GmbHR 2001, 190; s. auch BGH GmbHR 2003, 664. BFH ZIP 2007, 1604, 1606 f. BGH GmbHR 2007, 757.

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§ 43 | Haftung der Geschäftsführer lichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar angesehen werden. Das gilt gleichermaßen für die Nachzahlung von Steuerrückständen1. 118 Freilich ist die Nichtabführung der Lohnsteuerabzugsbeträge nicht straf-, son-

dern lediglich als Ordnungswidrigkeit bußgeldbewehrt (§ 380 AO). Der II. Zivilsenat will den Begriff der „strafrechtlichen Verfolgung“ aber offenbar in einem weiten Sinne verstanden wissen, denn im ersten Leitsatz seiner Entscheidung wird ausdrücklich (neben der Abführung der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung) auf die steuerrechtlichen Normbefehlen folgende Abführung von Lohnsteuer abgestellt, um die Exkulpation iSd heutigen § 64 Satz 2 zu begründen. Die „Pflichtenkollision“, an die der BGH mit seiner Kurskorrektur anknüpft, stellt sich ohnehin schon im Blick auf die Eigenhaftung des Geschäftsführers aus §§ 34, 69 Satz 1 AO2, so dass es auf Straf- oder Bußgeldbewehrung nicht mehr entscheidend ankommen kann. So sieht es mittlerweile auch der BFH, der in Konsequenz der BGH-Entscheidung vom 14.5.2007 die steuerrechtliche Eigenhaftung des Geschäftsführers im Übrigen auch dann nicht mehr als ausgeschlossen ansieht, wenn die Nichtzahlung der fälligen Steuern in die (maximal) dreiwöchige Schonfrist fällt, die dem Geschäftsführer (bislang) eingeräumt worden war (s. dazu auch Rn 110)3. Das Haftungsrisiko endet erst mit Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den (vorläufigen) Insolvenzverwalter4.

118a Neue Konflikte stellen sich im Übrigen für den Geschäftsführer im Insolvenz-

eröffnungsverfahren unter Eigenverwaltung, wo der Insolvenzschuldner – unter Aufsicht eines Sachwalters – verwaltungs- und verfügungsberechtigt ist (§§ 270 ff InsO, s. oben Rn 37b). Für das vorläufige Regelinsolvenzverfahren hat der BFH die fortbestehende Verantwortlichkeit des Geschäftsführers bejaht, soweit noch liquide Mittel zur Verfügung stehen und der Schuldnerin die Verfügungsbefugnis nicht durch vorläufige Sicherungsmaßnahmen (§§ 21, 22 InsO) entzogen worden ist; ggf habe sich der Geschäftsführer um die Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters zur Zahlung zu bemühen5. Unterstellt man einstweilen, dass für das vorläufige Eigenverwaltungsverfahren entsprechend geurteilt wird6, dürfte zwar – unter Anwendung von § 64 Satz 2 (s. zur Geltung von § 64 Satz 1 und 2 im Insolvenzeröffnungsverfahren § 64 Rn 12) – ebenfalls eine Privi1 2 3 4 5

BGH GmbHR 2011, 367 f. S. schon BFH ZIP 2007, 1604, 1606. BFH ZIP 2009, 122, 123 = GmbHR 2009, 222. Sonnleitner/Winkelhog BB 2015, 88, 90. BFH GmbHR 2009, 222, 223 f; BFH ZIP 2010, 1900, 1901 f; s. auch FG Köln NZI 2014, 627. 6 Für Suspendierung der Steuerzahlungspflicht im Eröffnungsverfahren der Eigenverwaltung allerdings (weil mit dem Zweck des Eröffnungsverfahrens unvereinbar) Kahlert in Kübler § 57 Rn 10 ff mwN; den Vorrang der Massesicherungspflicht ab Antragstellung postuliert auch Spliedt in K. Schmidt/Uhlenbruck Rn 9.159 f.

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legierung von Steuerzahlungen (wie der Abführung der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung, s. oben Rn 105 und 117) anzunehmen sein1. Mit der bevorzugten Befriedigung einzelner Gläubiger droht aber die Aufhebung der vorläufigen Eigenverwaltung auf Antrag des vorläufigen Gläubigerausschusses (§ 270 Abs. 4 Nr. 2 InsO), zumal der vorläufige Sachwalter zur Nachteilsanzeige nach §§ 270a Abs. 1 Satz 2, 274 Abs. 3 InsO gehalten ist. Dem Geschäftsführer wird in einer solchen Situation verbreitet geraten, die Zahlungspflichten zwar termingerecht zu erfüllen, die Zahlungen dabei aber (durch Information des Zahlungsempfängers über den gestellten Eröffnungsantrag) anfechtbar zu gestalten2. Zur Lösung des Konflikts wird zudem angeregt, durch Anordnung des Insolvenzgerichts die Kassenführung auf den vorläufigen Sachwalter zu übertragen (vgl § 275 Abs. 2 InsO)3 oder Zahlungen auf Steuerforderungen etc einem Zustimmungsvorbehalt des vorläufigen Sachwalters zu unterwerfen4.

11. Haftung der Gesellschafter wegen Einflussnahme auf die Geschäftsführer Gesellschafter, die durch Weisungsbeschluss nach § 37 Einfluss nehmen, haften 119 nicht auf der Grundlage des § 43 Abs. 2, ggf aber (anders in der Einpersonen-Gesellschaft und bei einvernehmlichem Zusammenwirken aller Gesellschafter) aus schuldhafter Verletzung der mitgliedschaftlichen Treupflicht (dazu auch § 14 Rn 44). Verschuldensmaßstab ist nicht § 43 Abs. 1, der an der Treuhänderstellung des Geschäftsführers ausgerichtet ist5, sondern § 276 BGB; das sollte Differenzierungen je nach Gesellschaftsstruktur und Gesellschaftertypus erlauben, insbesondere zwischen dem unternehmerisch nicht engagierten (Anlage-)Gesellschafter einerseits und dem Gesellschafter-Geschäftsführer andererseits6. Dabei bleibt zu berücksichtigen, dass die Gesellschafter bei Ausübung eigennütziger Rechte ihre Individualinteressen zwar nicht ohne Weiteres hinter die der Gesellschaft und der 1 So auch Thole DB 2015, 662, 665, der seinerseits freilich für einen Gleichrang von Steuerpflicht und Massesicherungspflicht plädiert und daraus ein Wahlrecht des Geschäftsleiters (Zahlung oder Nichtzahlung) ableitet. 2 S. etwa Hofmann in Kübler § 7 Rn 212; Sonnleitner/Winkelhog BB 2015, 88, 96. 3 So AG Hamburg ZIP 2014, 2101; Frind GmbHR 2015, 128, 131 f. 4 So AG Düsseldorf v. 10.7.2014 – 504 IN 124/14; zum Ganzen auch Spliedt in K. Schmidt/ Uhlenbruck Rn 9.161 f; Thole DB 2015, 662, 666 ff. 5 Vgl R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 68; Scholz/Uwe H. Schneider Rn 23. 6 Winter Mitgliedschaftliche Treubindungen im GmbH-Recht, 1988, S. 107 ff; Schürnbrand S. 318; für generelle Konkretisierung des § 276 BGB durch den Maßstab des § 43 aber Ziemons Die Haftung der Gesellschafter für Einflussnahmen auf die Geschäftsführung der GmbH, 1996, S. 164 f. Für eine rechtsfortbildend abgeleitete Gesellschafterhaftung (bei interner Einflussnahme auf die Geschäftsführung) auf der Grundlage einer gläubigerschutzbezogenen Interpretation der Zweckförderungspflicht (Gewinnverfolgung) Grigoleit Gesellschafterhaftung …, S. 289 ff.

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§ 43 | Haftung der Geschäftsführer Mitgesellschafter stellen müssen, für Einflussnahmen auf die Geschäftsführer aber ein strengerer Maßstab gilt (s. § 14 Rn 35). Auch bei solchen Einflussnahmen haben die Gesellschafter jedoch unternehmerischen Ermessensspielraum.

12. Strafrechtliche Verantwortlichkeit des Geschäftsführers 120 Eine strafrechtliche Verantwortlichkeit des Geschäftsführers kann sich etwa aus

den spezifischen Straftatbeständen der §§ 82, 84, 85 ergeben (s. die Erläuterungen dort) oder aus § 15a Abs. 4 und 5 InsO (dazu Anh zu § 64 Rn 107 ff). Verstöße gegen Buchführungs- und Bilanzierungspflichten sind gemäß § 331 HGB strafbewehrt oder nach § 334 HGB als Ordnungswidrigkeiten mit Bußgeld bedroht (s. § 41 Rn 4); Buß- (und Ordnungs-)Gelder drohen auch bei Verletzung der Pflichten zur Rechnungslegungs-Publizität (s. Anh zu § 42a Rn 46 ff). Strafrechtliche Sanktionen sehen zudem § 333 HGB (Verletzung der Geheimhaltungspflicht) sowie die Insolvenz-Straftatbestände der §§ 283 ff StGB vor1. In Abkehr von der bisherigen BGH-Rechtsprechung ist für die Bankrottstrafbarkeit des Geschäftsführers nicht länger Voraussetzung, dass die Tathandlung im Interesse der Gesellschaft liegt; auch eigennütziges Handeln begründet die Strafbarkeit2. Bankrottstrafbarkeit droht auch in Fällen organisierter „Firmenbestattung“ (Rn 4)3. Untreuehandlungen der Geschäftsführer im Rahmen ihrer Organtätigkeit sind nach Maßgabe von § 266 StGB strafbar4; das Einverständnis aller Gesellschafter (oder des Alleingesellschafters) schließt die Strafbarkeit solcher Vermögensverschiebungen nicht aus, welche die Existenz der Gesellschaft konkret gefährden, was jedenfalls bei einem Angriff auf das durch § 30 geschützte Stammkapital der Fall sein soll5; aus § 823 Abs. 2 BGB iVm § 266 StGB oder § 263 StGB kann zivilrechtliche Haftung folgen6. Eine Vermögensbetreuungspflicht des Geschäftsführers gegenüber den Gesellschaftern besteht jedoch nicht7. Eine Vielzahl weiterer (zT spezialgesetzlicher) Vorschriften sehen strafrechtliche Verantwortlichkeiten bei Gründung, Betrieb, Umstrukturierung und 1 S. etwa BGH ZIP 2009, 959 und aus dem Schrifttum Maurer/Odörfer GmbHR 2008, 351 ff und 412 ff; Ogiermann/Weber wistra 2011, 206 ff; Reck ZInsO 2011, 1969 ff; Scholz/Tiedemann/Rönnau Vor §§ 82 ff Rn 24 ff. 2 BGH GmbHR 2012, 958: Aufgabe der Interessentheorie. 3 BGH GmbHR 2013, 477; Schütz wistra 2016, 53; Kümmel wistra 2012, 165. 4 S. dazu den Überblick bei Scholz/Tiedemann/Rönnau Vor §§ 82 ff Rn 5 ff. Zur Einrichtung „schwarzer Kassen“ s. BGH GmbHR 2010, 1146; BGH ZIP 2008, 2315. 5 Zur einschlägigen Rspr der Strafsenate des BGH s. BGH NJW 2000, 154, 155 mit Besprechung Gehrlein NJW 2000, 1089; seither etwa BGH NJW 2003, 2924, 2926; BGH NJW 2003, 2996, 2998; BGH GmbHR 2004, 1010, 1011; BGH wistra 2008, 379, 380; BGH GmbHR 2009, 1202, 1204; BGH GmbHR 2012, 30; BGH DB 2013, 1779 Rn 28 ff; vgl zuvor auch schon BGH GmbHR 1988, 477; BGH NJW 1997, 66, 68 f = GmbHR 1996, 925. 6 BGH DB 2009, 1459; BGH ZIP 2011, 1821; OLG Dresden NZG 2000, 259. 7 BGH GmbHR 2006, 762.

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Kreditgewährung aus Gesellschaftsvermögen | § 43a

Beendigung des Unternehmens und seines Trägers vor, die im Rahmen dieser Kommentierung nicht näher erläutert werden können1.

§ 43a Kreditgewährung aus Gesellschaftsvermögen Den Geschäftsführern, anderen gesetzlichen Vertretern, Prokuristen oder zum gesamten Geschäftsbetrieb ermächtigten Handlungsbevollmächtigten darf Kredit nicht aus dem zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögen der Gesellschaft gewährt werden. Ein entgegen Satz 1 gewährter Kredit ist ohne Rücksicht auf entgegenstehende Vereinbarungen sofort zurückzugewähren. Eingefügt durch die Novelle 1980; amtliche Überschrift ergänzt durch MoMiG vom 23.10. 2008 (BGBl I 2026). 1. 2. 3. 4.

Überblick . . . . . . . . . . . Kreditnehmer . . . . . . . . Kreditgewährung . . . . . Maßgeblicher Zeitpunkt

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5. Stammkapital-notwendiges Vermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 6. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . 12

Literatur: Cahn Kapitalerhaltung im Konzern, 1998, S. 254 ff; Fromm Rückforderung von Krediten an GmbH-Leitungspersonen wegen Verstoßes gegen den Kapitalerhaltungsgrundsatz, GmbHR 2008, 537; Peltzer Probleme bei der Kreditgewährung der Kapitalgesellschaft an ihre Leitungspersonen, FS Rowedder, 1994, S. 325.

1. Überblick a) Die Vorschrift zielt wie die Bestimmungen der §§ 30, 31 im Interesse der Ge- 1 sellschaft und ihrer Gläubiger darauf ab, das Stammkapital in seinem Wert zu erhalten. § 43a trägt der Erkenntnis Rechnung, dass Kredite an Geschäftsführer, Prokuristen etc häufig nicht vollständig werthaltig sind und deshalb das Stammkapital unvermerkt aushöhlen können2. Um den Schutz des Stammkapitals zu optimieren, fingiert das Gesetz die völlige Wertlosigkeit der aus solchen Krediten begründeten Rückforderungsansprüche (s. auch Rn 6 und 9)3 und verbietet 1 Weiterführend etwa Achenbach (Hrsg), Beraterhandbuch zum Steuer- und Wirtschaftsstrafrecht, Losebl; Achenbach/Ransiek/Rönnau (Hrsg), Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 4. Aufl 2015; Müller-Gugenberger (Hrsg), Wirtschaftsstrafrecht, 6. Aufl 2015; Ignor/Rixen (Hrsg), Handbuch Arbeitsstrafrecht, 2. Aufl 2008. 2 Vgl MünchKomm/Löwisch Rn 2 f. 3 S. nur BGH GmbHR 2012, 740 Rn 35 und etwa MünchKomm/Löwisch Rn 4 mwN.

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§ 43a | Kreditgewährung aus Gesellschaftsvermögen die Kreditgewährung, falls die Auszahlung des so als verloren fingierten Kredits das Stammkapital in seinem rechnerischen Wert beeinträchtigt. Ein dennoch ausgezahlter Kredit ist sofort zu erstatten. Wegen dieser abstrakt-generalisierenden Betrachtungsweise des § 43a kommt es (anders als nach § 30 Abs. 1 Satz 2; s. dazu § 30 Rn 25 ff) nicht auf die konkrete Werthaltigkeit des Stammkapitalverletzenden Kredits im Einzelfall an. Vorbehaltlich anderer Regelungen im Gesellschaftsvertrag können Geschäftsführerkredite oberhalb der Stammkapitalziffer unter Beachtung der Pflichten aus § 43 Abs. 11 frei gewährt werden. Als letztlich gläubigerschützende Bestimmung ist § 43a zwingend und kann allenfalls privatautonom verschärft werden – etwa durch statutarische Höchstgrenzen der Kredite an Geschäftsführer, Prokuristen etc2. 2 b) Über die Gewährung von Geschäftsführerkrediten entscheiden die Ge-

schäftsführer vorbehaltlich abweichender Regelung im Gesellschaftsvertrag, in der Geschäftsordnung oder im Anstellungsvertrag selbst3, es sei denn, das Kreditvolumen, die Person des Empfängers oder die sonstigen Kreditbedingungen erfordern nach § 49 Abs. 2 die Einschaltung der Gesellschafter4. Auch in der mitbestimmten Gesellschaft sind die Geschäftsführer und nicht der Aufsichtsrat für die Kreditvergabe zuständig5. Für den Vertragsschluss mit dem Geschäftsführer, Prokuristen etc gilt § 181 BGB.

3 c) Ein Geschäftsführer, der sich im Widerspruch zu § 43a Kredit gewähren

lässt, haftet der Gesellschaft analog § 43 Abs. 2/36. Aber auch ohne Verstoß gegen § 43a kommt eine Haftung nach § 43 Abs. 2 in Betracht, etwa wenn die Kreditbedingungen unangemessen sind oder falls die erforderliche Kreditsicherheit nicht hinreicht (s. auch § 43 Rn 59).

2. Kreditnehmer 4 Verboten ist die (abstrakte Stammkapital-verletzende) Kreditvergabe an Ge-

schäftsführer, und zwar sowohl an Fremd-Geschäftsführer als auch an Gesell1 2 3 4 5

Näher Peltzer S. 325, 334; s. auch MünchKomm/Löwisch Rn 54. S. R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 1. Hierzu Scholz/Uwe H. Schneider Rn 24 ff. S. Peltzer S. 325, 333/335. Sehr streitig; wie hier R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 2; Scholz/Uwe H. Schneider Rn 27 mwN; aA Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, § 31 MitbestG Rn 40; Krieger Personalentscheidungen des Aufsichtsrats, 1981, S. 292; Peltzer S. 325, 336 f. 6 R/A/Altmeppen Rn 14; S/I/Lücke/Simon Rn 15; B/H/Zöllner/Noack Rn 7; Scholz/Uwe H. Schneider Rn 57.

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Kreditgewährung aus Gesellschaftsvermögen | § 43a

schafter-Geschäftsführer1 einschließlich des Arbeitsdirektors sowie stellvertretender (§ 44) und fehlerhaft bestellter Geschäftsführer. Zu den „anderen gesetzlichen Vertretern“ zählt der Liquidator (§§ 66, 70). Stets von § 43a erfasst sind auch die Prokuristen (§§ 48 ff HGB) und die zum gesamten Geschäftsbetrieb ermächtigten (General-)Handlungsbevollmächtigten (§ 54 HGB); eine ausdehnende Anwendung auf Arthandlungsbevollmächtigte und sonstige leitende Angestellte kommt nicht in Betracht2. Nicht erfasst werden Aufsichtsratsmitglieder, selbst wenn sie die Geschäftsführung maßgeblich beeinflussen können3. Gleiches gilt für Gesellschafter4. Die Aufzählung in § 43a ist abschließend; Kredite an Gesellschafter ohne Geschäftsführungsfunktion sind deshalb im konkreten Einzelfall an § 30 Abs. 1 Satz 2 zu messen (näher § 30 Rn 25 ff). Erfasst wird dagegen der Kredit einer GmbH & Co KG an Geschäftsführer, Prokuristen etc der Komplementär-GmbH; ebenso verdeckte und mittelbare Zuwendungen zB durch Kreditgewährung an einen Strohmann oder sonstige Dritte, die wie der Ehegatte oder minderjährige Kinder (vgl § 30 Rn 22) wegen ihrer Nähe zum Geschäftsführer etc diesem zugerechnet werden müssen5. Ob Kredite an verbundene Unternehmen und deren Organmitglieder § 43a unterfallen, ist zweifelhaft6. Ein künftiger oder ehemaliger Geschäftsführer etc ist dann einem amtierenden 5 Geschäftsführer etc gleichzustellen, wenn ihm der Kredit in sachlichem – nicht notwendig: in engem zeitlichen – Zusammenhang mit seiner Zugehörigkeit zur Gesellschaft gewährt wird; zB die Kreditaufstockung zugunsten eines pensionierten Geschäftsführers.

3. Kreditgewährung Der Begriff der Kreditgewährung ist wie in §§ 89, 115 AktG weit zu fassen7; 6 der enge Kreditbegriff des KWG ist nicht maßgeblich. Erfasst werden8: Waren-, Geld- und Kontokorrentkredite; Ankauf nicht fälliger Geldforderungen durch die Gesellschaft; das Nichtgeltendmachen fälliger und streitiger Forderungen; 1 BGH GmbHR 2012, 740 Rn 35. 2 Wie hier: B/H/Zöllner/Noack Rn 3. 3 R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 3; U/H/L/Paefgen Rn 17; aA Scholz/Uwe H. Schneider Rn 30. 4 BGHZ 157, 72, 74 = GmbHR 2004, 320; MünchKomm/Löwisch Rn 27; S/I/Lücke/Simon Rn 4; B/H/Zöllner/Noack Rn 3; aA etwa Scholz/Uwe H. Schneider Rn 63. 5 Näher Peltzer S. 325, 338; R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 4. 6 Dafür etwa Scholz/Uwe H. Schneider Rn 63; aA Cahn S. 255 ff; U/H/L/Paefgen Rn 18; B/H/Zöllner/Noack Rn 3 mwN. 7 OLG Bremen NZG 2001, 897; Fromm GmbHR 2008, 537, 538; R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 5; MünchKomm/Löwisch Rn 18; U/H/L/Paefgen Rn 22; B/H/Zöllner/Noack Rn 6; Peltzer S. 325, 338 f. 8 S. zu weiteren Einzelfällen MünchKomm/Löwisch Rn 22; U/H/L/Paefgen Rn 23 ff.

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§ 43a | Kreditgewährung aus Gesellschaftsvermögen Stundung; Vorschüsse auf Gehalt und Pension; Gestattung von Entnahmen, die über die Bezüge hinausgehen; Zahlungen auf fremde Schuld. Ein Kredit der Gesellschaft an ihren Geschäftsführer etc ist es auch, wenn sie dessen Verbindlichkeit einem Dritten besichert, und zwar wegen der abstrakten Gefahrenabwehr des § 43a (Rn 1) selbst dann, wenn der Gesellschaft dafür eine angemessene Gegenleistung gewährt wird. Im Anwendungsbereich dieser Bestimmung kommt es nicht darauf an, ob die Bedingungen des Kreditgeschäfts üblich oder angemessen sind oder ob der Kredit von dritter Seite ausreichend abgesichert ist1; denn die Wertlosigkeit des Rückgewähranspruchs wird gesetzlich fingiert. 7 Bei einem zeitlich gestreckten Kreditgeschäft kommt es auf die Darlehensaus-

zahlung (das dingliche Erfüllungsgeschäft), nicht schon auf das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft (Darlehensvertrag) an2.

4. Maßgeblicher Zeitpunkt 8 Der Kreditnehmer muss bei der tatsächlichen Kreditausreichung (Erfüllungs-

geschäft; s. Rn 6 f) zum oben Rn 4 f genannten Personenkreis gehören. Bestellt die Gesellschaft eine Sicherheit für die Verbindlichkeit ihres Geschäftsführers etc gegen einen Dritten, so sind die Auswirkungen auf das Stammkapital zu diesem Zeitpunkt (Bestellung der Sicherheit, nicht erst bei ihrer Verwertung) zu prüfen3; auf etwaige Werthaltigkeit des Freistellungs- bzw Rückgriffsanspruchs gegen den Geschäftsführer kommt es nicht an (vgl Rn 9). Soll ein zur Rückzahlung fälliger Kredit dem Geschäftsführer etc prolongiert werden, so liegt auch zu diesem Zeitpunkt eine nach § 43a beachtliche Kreditgewährung vor.

5. Stammkapital-notwendiges Vermögen 9 a) Das nach § 43a „zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen“

ist zu berechnen wie in § 30 (s. § 30 Rn 10 ff)4. Die Ausgabe des Darlehens führt bilanztechnisch nur zu einem Aktivtausch: An die Stelle liquider Mittel tritt eine Forderung gegen den Geschäftsführer. Bei voller Werthaltigkeit des Rückzahlungsanspruchs ist dieser Vorgang an sich Eigenkapital-neutral. Um den von § 43a erstrebten Schutz zu verwirklichen, muss daher bei der Prüfungsrechnung die Forderung gegen den Kreditnehmer wegen ihrer fingierten Wertlosigkeit (Rn 1 und 6) außer Ansatz bleiben. § 43a ist also erfüllt, wenn das Eigenkapital 1 2 3 4

Wie hier: B/H/Zöllner/Noack Rn 6; aA Scholz/Uwe H. Schneider Rn 37/40. B/H/Zöllner/Noack Rn 2; Scholz/Uwe H. Schneider Rn 42; U/H/L/Paefgen Rn 33. U/H/L/Paefgen Rn 34. Wie hier Fromm GmbHR 2008, 537, 538 f; Peltzer S. 325, 339 f.

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Kreditgewährung aus Gesellschaftsvermögen | § 43a

vor Ausgabe des Darlehens schon unterschritten war oder ohne den Rückzahlungsanspruch unterschritten wird1. Stille Reserven dürfen für die Berechnung nicht aufgedeckt werden (s. § 30 Rn 12)2. Im Ergebnis bedeutet das: Geschäftsführerkredite dürfen nur dann und insoweit gewährt werden, wie dafür freie Rücklagen und/oder Gewinnvorträge zur Verfügung stehen3. b) Zeitpunkt der Unterschreitung4: Gesperrt sind Geschäftsführerkredite allein, 10 wenn sie im Augenblick der Kreditgewährung (tatsächliche Kreditausreichung; Rn 6 ff) das Stammkapital (fiktiv) verletzen; dessen weitere Entwicklung nach der Gewährung lässt den Geschäftsführerkredit unberührt5. Beispiel: Die Gesellschaft gewährt ihrem Prokuristen ein Darlehen mit einer Laufzeit von zehn Jahren. Bei der Auszahlung der Valuta war die Gesellschaft gesund. Fünf Jahre später gerät sie in die Krise und verliert ihr Stammkapital. Muss nun auch der Prokuristenkredit nach § 43a behandelt werden6? Das ist nicht anzunehmen: Eine derart zeitlich andauernde und für den Kreditnehmer unzumutbare Abhängigkeit des Geschäftsführerkredits vom weiteren Schicksal der Gesellschaft lässt sich weder aus dem Wortlaut noch aus der Entstehungsgeschichte dieser Bestimmung herleiten7. Andernfalls würde der Geschäftsführer etc schlechter als bei der Schenkungsanfechtung nach § 134 InsO stehen. Erwogen werden könnte allenfalls eine kurzfristig prognostische Betrachtungsweise: War im Augenblick der Kreditgewährung die kurz bevorstehende Unterdeckung des Stammkapitals schon objektiv absehbar? Wenn ja, unterfällt der Kredit § 43a8, ansonsten nicht. Ebenso wenig wie § 43a zur Rückzahlung verpflichtet, wenn die Gesellschaft erst nach der Kreditgewährung in die Krise gerät, ist die Wertlosigkeit des Anspruchs der Gesellschaft auf Rückzahlung eines früher gewährten Darlehens zu fingieren, wenn es später zu weiteren Auszahlungen an den Geschäftsführer etc kommt9. Die neuerliche Kreditvergabe unterliegt zwar (wiederum) den Bindungen aus § 43a; in die hierfür vorzunehmende Prüfungsrechnung sind Rückzahlungsansprüche aus einer früheren Darlehensgewährung aber (mit ihrem wahren Wert) einzustellen. 1 R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 6; MünchKomm/Löwisch Rn 4 f, 13 f. 2 Ebenso MünchKomm/Löwisch Rn 14; vgl auch Lutter DB 1980, 1322; Scholz/Uwe H. Schneider Rn 47. 3 Ebenso R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 6; U/H/L/Paefgen Rn 32 mwN; enger Fromm GmbHR 2008, 537, 539: nur Rücklagen. 4 Näher Peltzer S. 325, 340 ff. 5 BGH GmbHR 2012, 740 Rn 39 ff; R/A/Altmeppen Rn 4; B/S/Klöhn Rn 5; R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 7; MünchKomm/Löwisch Rn 16; U/H/L/Paefgen Rn 37 ff; B/H/Zöllner/Noack Rn 2. 6 So Scholz/Uwe H. Schneider Rn 43; Peltzer S. 325, 342; Fromm GmbHR 2008, 537, 540. 7 Vgl BT-Drucks 8/1347, S. 74. 8 Wie hier: B/H/Zöllner/Noack Rn 2. 9 BGH GmbHR 2012, 740 Rn 38 ff.

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§ 43a | Kreditgewährung aus Gesellschaftsvermögen 11 c) Auf die subjektive Erkennbarkeit der (fiktiven) Stammkapitalverletzung

kommt es im Tatbestand des § 43a nicht an; dieser ist unabhängig davon, ob die Organe der Gesellschaft oder der Kreditempfänger die Verletzung erkannten oder hätten erkennen können (zur analogen Anwendung von § 31 Abs. 2 auf der Rechtsfolgenseite s. Rn 14).

6. Rechtsfolgen 12 Trotz des Verstoßes gegen § 43a bleiben Verpflichtungs- und Erfüllungsgeschäft

wirksam1. Vor Auszahlung hat die Gesellschaft ein gesetzliches Leistungsverweigerungsrecht2; danach einen vom konkreten Kreditvertrag unabhängigen3 Rückgewähranspruch bis zur Höhe des Betrages, der zur Auffüllung der satzungsmäßigen Stammkapitalziffer erforderlich ist. Bis zur Rückzahlung ist das Darlehen zu verzinsen4. Ob der Rückgewähranspruch vom Fortbestand der Unterdeckung abhängt, ist streitig5. Der Erstattungsanspruch aus § 31 entfällt nicht, wenn das Gesellschaftsvermögen zwischenzeitlich anderweit bis zur Höhe des Stammkapitals wiederhergestellt ist6; s. § 31 Rn 12. Da § 43a den Stammkapitalschutz nach §§ 30, 31 zu optimieren sucht (Rn 1) und mit jenen Bestimmungen eine funktionale Einheit bildet, wird man für den Anspruch aus § 43a Satz 2 nicht anders entscheiden können.

13 Gläubiger ist die Gesellschaft, Schuldner der Kreditnehmer (Rn 4). Bei Leistung

an einen Dritten – etwa an das minderjährige Kind des Prokuristen – ist in jedem Fall der Kreditnehmer, dem der Dritte zugerechnet wird – im Beispiel also der Prokurist –, zur Rückgewähr verpflichtet. Ausnahmsweise haftet auch der Dritte gesamtschuldnerisch auf Rückgewähr, falls er in qualifizierter Nähe zum Geschäftsführer etc steht (s. § 31 Rn 6).

14 Im Übrigen finden die Bestimmungen des § 31 Abs. 4 und 5 auf den Rück-

gewähranspruch entsprechende Anwendung7; ebenso auch § 31 Abs. 28, weil § 43a den Stammkapitalschutz aus §§ 30, 31 ergänzt und seine Grundstrukturen 1 2 3 4 5

B/H/Zöllner/Noack Rn 7; Scholz/Uwe H. Schneider Rn 49. S/I/Lücke/Simon Rn 33; Scholz/Uwe H. Schneider Rn 52. R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 9. Lutter DB 1980, 1322; Peltzer S. 325, 343. Bejahend R/A/Altmeppen Rn 13; R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 9; Scholz/Uwe H. Schneider Rn 53; verneinend MünchKomm/Löwisch Rn 45; U/H/L/Paefgen Rn 41; B/H/Zöllner/ Noack Rn 7. 6 BGHZ 144, 336, 341 f = GmbHR 2000, 771. 7 Insoweit wie hier R/A/Altmeppen Rn 14; B/H/Zöllner/Noack Rn 7; U/H/L/Paefgen Rn 47; Wicke Rn 6; aA MünchKomm/Löwisch Rn 46 f. 8 Wie hier B/S/Klöhn Rn 7; R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 9; S/I/Lücke/Simon Rn 14; Scholz/Uwe H. Schneider Rn 54; aA R/A/Altmeppen Rn 14; MünchKomm/Löwisch Rn 46; B/H/Zöllner/Noack Rn 7; Henssler/Strohn/Oetker Rn 14; U/H/L/Paefgen Rn 46.

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Stellvertreter von Geschäftsführern | § 44

übernommen hat. Eine Aufrechnung gegen den Rückzahlungsanspruch der Gesellschaft ist folgerichtig unzulässig; die Gesellschaft selbst kann (wie bei § 31; s. § 31 Rn 27 f) nur gegen eine fällige, vollwertige und liquide Forderung des Gesellschafters aufrechnen1. Zur Geschäftsführerhaftung Rn 3.

§ 44 Stellvertreter von Geschäftsführern Die für die Geschäftsführer gegebenen Vorschriften gelten auch für Stellvertreter von Geschäftsführern. Text seit 1892 unverändert; amtliche Überschrift ergänzt durch MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl I 2026).

Nach außen besteht zwischen dem ordentlichen und dem stellvertretenden Ge- 1 schäftsführer kein Unterschied; insbesondere kann seine Vertretungsmacht nicht eingeschränkt werden. Er unterliegt allen Vorschriften, die für den Geschäftsführer gelten (vor allem §§ 35 Abs. 1/2/3, 37 Abs. 2, 43). Das umfasst auch die Anmeldungsvorschriften (§§ 8, 10, 39, 78) und die Passivlegitimation für gerichtliche und behördliche Maßnahmen2. Er kann nicht als „stellvertretender Geschäftsführer“, sondern nur zusatzlos als Geschäftsführer in das Handelsregister eingetragen werden; andernfalls droht im Rechtsverkehr Verwirrung über den Umfang der Vertretungsmacht3. Vorbehaltlich anderweitiger Bestimmung ist der Stellvertreter auch im Innen- 2 verhältnis normales Mitglied der Geschäftsleitung und nicht darauf beschränkt, nur zu handeln, wenn ein ordentlicher Geschäftsführer verhindert ist4. Der Unterschied zum ordentlichen Geschäftsführer erschöpft sich dann in der Titulierung. Durch den Gesellschaftsvertrag oder durch die Geschäftsordnung kann seine Funktion aber auf die echte Stellvertretung positiv begrenzt werden5. In diesem Falle sind die Mitwirkungs- und Kontrollpflichten des Stellvertreters innerhalb der Geschäftsleitung (§ 37 Rn 27 ff) auf jenen Bereich beschränkt, der ihm orga1 Zutreffend Michalski/Michalski Rn 41 gegen OLG Naumburg, ZIP 1999, 119 f; ebenso MünchKomm/Löwisch Rn 44. 2 Im Ausgangspunkt ganz hM; s. etwa R/A/Altmeppen Rn 2; MünchKomm/Goette Rn 12 ff; R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 2 f; aA van Venrooy GmbHR 2010, 169. 3 Zutreffend BGH GmbHR 1998, 182. 4 Aber streitig; wie hier etwa MünchKomm/Goette Rn 18; B/S/Klöhn Rn 3; U/H/L/Paefgen Rn 7; Michalski/Terlau Rn 4; aA R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 3; Henssler/Strohn/Oetker Rn 7; Scholz/Uwe H. Schneider Rn 8; B/H/Zöllner/Noack Rn 4. 5 MünchKomm/Goette Rn 19.

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§ 45 | Rechte der Gesellschafter nisationsrechtlich zugewiesen ist1. Allerdings muss der Stellvertreter die Einhaltung der nach § 43 Abs. 3 sanktionierten Pflichten sowie der aus § 41 GmbHG, § 264 HGB, § 15a Abs. 1 InsO in jedem Falle sicherstellen. 3 Anders jedoch in der mitbestimmten GmbH: Hier darf der Arbeitsdirektor zwar

auch – jedoch nur vorübergehend – zum (titulierten) Stellvertreter bestellt werden; dies aber nur soweit, wie alle anderen erstmals bestellten Geschäftsführer zunächst ebenfalls nur Stellvertreter werden2. Unzulässig ist es, seine Befugnisse im Innenverhältnis auf die eines echten Stellvertreters (Rn 2) zu beschränken3.

§ 45 Rechte der Gesellschafter (1) Die Rechte, welche den Gesellschaftern in den Angelegenheiten der Gesellschaft, insbesondere in Bezug auf die Führung der Geschäfte zustehen, sowie die Ausübung derselben bestimmen sich, soweit nicht gesetzliche Vorschriften entgegenstehen, nach dem Gesellschaftsvertrag. (2) In Ermangelung besonderer Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages finden die Vorschriften der §§ 46 bis 51 Anwendung. Text seit 1892 unverändert; durch MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl I 2026) amtliche Überschrift ergänzt. 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . .

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2. Rechte der Gesellschaftergesamtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Literatur: Bayer Die Haftung des Beirats im Recht der GmbH und der GmbH & Co KG, FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 75; Eickhoff Die Praxis der Gesellschafterversammlung, 4. Aufl 2006; Hüffer Die Gesellschafterversammlung, FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 521; Müller/Wolff Freiwilliger Aufsichtsrat nach § 52 GmbHG und andere freiwillige Organe, NZG 2003, 751; Turner Beiräte in Familiengesellschaften, FS Sigle, 2000, S. 111; Weber Privatautonomie und Außeneinfluss im Gesellschaftsrecht, 2000; Zöllner Inhaltsfreiheit bei Gesellschaftsverträgen, FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 85.

1. Allgemeines 1 § 45 handelt von den Entscheidungsrechten der Gesellschafter. Zu unterschei-

den sind die Rechte, die den Gesellschaftern in ihrer Funktion als Willensbil-

1 Zutreffend B/H/Zöllner/Noack Rn 12. 2 U/H/L/Paefgen Rn 22; MünchKomm/Goette Rn 9 mwN. 3 Wie hier B/H/Zöllner/Noack Rn 6.

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Rechte der Gesellschafter | § 45

dungsorgan insgesamt zustehen (organschaftliche Rechte) und die individuellen Mitgliedschaftsrechte1. Die Mitgliedschaftsrechte stehen den einzelnen Gesellschaftern zu und sind – 2 wie etwa das Stimmrecht oder das Gewinnbezugsrecht – unmittelbar mit ihrem Geschäftsanteil verbunden. Als Minderheitenrechte können sie von einem Mindestquorum abhängen, das ein einzelner oder eine Gruppe von Gesellschaftern erreichen muss (etwa 10 % im Hinblick auf das Einberufungsrecht gemäß § 50); weitere Minderheitenrechte enthalten § 61 Abs. 2 sowie § 66 Abs. 2. Zu den einzelnen Mitgliedschaftsrechten näher § 14 Rn 16 ff, zu den in § 45 angesprochenen versammlungsbezogenen Rechten, wie zum Recht auf Teilnahme an der Gesellschafterversammlung § 48 Rn 2 ff, zum Recht, versammlungsbezogene Mängel im Hinblick auf Gesellschafterbeschlüsse geltend zu machen, Anh zu § 47 Rn 47, zum Auskunfts- und Einsichtsrecht näher § 51a. Durch den Gesellschaftsvertrag können weitere besondere Rechte der Gesellschafter, aber auch neue Minderheitenrechte begründet oder aber bestehende erweitert werden, namentlich durch Senkung der entsprechenden Quoren2. Er kann ferner die gesetzlichen Regelungen zur Willensbildung modifizieren und auch die Übertragung von Zuständigkeiten der Gesellschafterversammlung auf andere Organe vorsehen (näher Rn 8 ff). Zur Treupflicht der Gesellschafter untereinander und gegenüber der Gesellschaft s. § 14 Rn 29 ff; zum Gleichbehandlungsgebot § 14 Rn 46 ff. Zur Inhaltskontrolle des Gesellschaftsvertrages (Satzungskontrolle) § 3 Rn 69 ff3. Die Gesamtheit der Gesellschafter übt ihre Rechte durch Beschluss in der Ge- 3 sellschafterversammlung (§ 48 Abs. 1) oder im schriftlichen Umlaufverfahren (§ 48 Abs. 2) aus; die Gesellschafter als solche bilden ein Organ der Gesellschaft4, nicht – wie etwa in der AG – allein die Gesellschafterversammlung5.

2. Rechte der Gesellschaftergesamtheit Insgesamt sind die Gesellschafter das oberste Willensbildungsorgan der Gesell- 4 schaft6 (und zwar ein notwendiges Organ7). Dadurch unterscheidet sich die 1 2 3 4

Dazu näher K. Schmidt GesR § 19 III 3, § 21. B/H/Zöllner Rn 12. Dazu auch Zöllner FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 85, 99 ff. Wie hier: Scholz/K. Schmidt Rn 1, 5; R/A/Roth Rn 2; R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 3; Michalski/Römermann Rn 12; MünchHdbGmbH/Wolff § 36 Rn 1. 5 So aber B/H/Zöllner Rn 4; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 7; MünchKomm/Liebscher § 48 Rn 6; ausführlich Hüffer FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 521 ff. 6 R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 3; B/H/Zöllner Rn 4; MünchKomm/Liebscher Rn 78 ff; vgl auch Lieder NZG 2015, 569, 570. 7 Scholz/K. Schmidt Rn 5; vgl auch RGZ 137, 308.

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§ 45 | Rechte der Gesellschafter GmbH sowohl von den Personengesellschaften als auch von der AG. Allein den Gesellschaftern steht die Disposition über den Gesellschaftsvertrag zu; gegenüber den Geschäftsführern haben sie ein Weisungsrecht (dazu näher § 37 Rn 17 ff). Ihren Willen bilden sie durch Beschluss (vgl § 47). Sie sind grundsätzlich kein Vertretungsorgan; eine Ausnahme besteht nur bei bestimmten körperschaftlichen Rechtsgeschäften, wie zB Bestellung und Anstellung der Geschäftsführer (§ 6 Rn 37, Anh zu § 6 Rn 6, Vor § 35 Rn 3), Übernahme eines Geschäftsanteils bei Kapitalerhöhung1 (näher § 55 Rn 34), aber auch bei der Beauftragung eines Sonderprüfers (§ 46 Rn 30). Im Rahmen des MoMiG wurden den Gesellschaftern auch Aufgaben der Passivvertretung der Gesellschaft und der Insolvenzantragspflicht im Falle der Führungslosigkeit der Gesellschaft zugewiesen (dazu § 35 Rn 43 ff). 5 a) Die Befugnisse der Gesellschafter: Das Gesetz gibt eine umfassende Rege-

lung für die Zuständigkeit der Gesellschaftergesamtheit (dazu § 46); im Unterschied zum Aktienrecht ist diese Regelung in weitem Umfang gegenüber dem Gesellschaftsvertrag indes subsidiär2 und somit dispositiv (§ 45 Abs. 2). Die Befugnisse der Gesellschafter können durch den Gesellschaftsvertrag eingeschränkt, aber auch erweitert werden, nicht jedoch durch eine Geschäftsordnung3. Allerdings ist die Vertragsfreiheit der Gesellschafter insoweit nicht schrankenlos (vgl Rn 8). Aufgrund dieser flexiblen Gestaltungsmöglichkeiten der Satzung ist die GmbH im Vergleich zur AG (§ 23 Abs. 5 AktG)4 eine vielseitig verwendbare Rechtsform und trotz aller berechtigter Kritik an einigen Vorschriften in der Praxis zu Recht sehr beliebt (zu Rechtstatsachen: Einl Rn 1). Im Ausgangspunkt gilt somit folgende Normenhierarchie5: Vorrangig gelten die zwingenden Vorschriften des Gesetzes; danach richten sich die Befugnisse nach der Satzung; enthält diese keine Vorgaben, so finden die dispositiven Bestimmungen der §§ 46–51 Anwendung.

6 b) Erweiterung der Befugnisse: Angesichts der umfassenden Zuständigkeit der

Gesellschafter (näher § 46 Rn 1) kommt eine Erweiterung ihrer Zuständigkeit nur im Verhältnis gegenüber dem Geschäftsführer in Betracht. Dieser kann im Innenverhältnis weitgehenden Beschränkungen unterworfen werden (§ 37 Rn 1 f), sei es durch den Gesellschaftsvertrag, sei es durch Gesellschafterbeschluss; die Grenze bilden allein rechtswidrige Weisungen (näher § 37 Rn 18). Zur Umsetzung ihrer Weisungen bedürfen sie der Geschäftsführer; denn im Außenverhältnis können die Gesellschafter mangels Vertretungsmacht nicht wirksam han-

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BGHZ 49, 117, 119 = WM 1968, 33, 34. Zutreffend B/H/Zöllner Rn 6, 9. Hommelhoff ZGR 1978, 129; Scholz/K. Schmidt Rn 8; R/A/Roth Rn 5. Zur aktienrechtlichen Satzungsstrenge und zur aktuellen Diskussion über Lockerungen: Bayer Gutachten zum 67. DJT, 2008, E 27 ff mwN. 5 So auch U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 10; MünchKomm/Liebscher Rn 4.

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Rechte der Gesellschafter | § 45

deln. Zu ungewöhnlichen Maßnahmen der Geschäftsführung: ausführlich § 37 Rn 10 f. Gesellschafterbeschlüsse in diesem Bereich können in besonderem Maß gegen 7 die gesellschafterliche Treupflicht verstoßen und deshalb anfechtbar sein (näher Anh zu § 47 Rn 56), etwa weil die Mehrheit auf diese Weise Sondervorteile zum Schaden der Gesellschaft oder anderer Gesellschafter erstrebt. Um einen wirksamen Schutz gegen solche Übergriffe zu ermöglichen, ist hier über den Rahmen des § 826 BGB hinaus1 eine Schadensersatzpflicht der Gesellschafter zu bejahen (näher § 14 Rn 44). c) Beschränkung der Befugnisse2: Neben der Beschränkung der mitgliedschaft- 8 lichen Verwaltungsrechte (insbesondere, des Stimmrechtes, § 47 Rn 4, des Teilnahmerechts § 48 Rn 3 und des Anfechtungsrechts Anh zu § 47 Rn 76) kann der Gesellschaftsvertrag die gesetzliche Zuständigkeitsregelung auch durch eine eigene statutarische ersetzen, insbesondere sie zulasten der Gesellschaftergesamtheit weitgehend ändern. So kann der Gesellschaftsvertrag einzelne Zuständigkeiten auf ein anderes Organ übertragen, etwa auf einen Gesellschafterausschuss3, oder die Überwachung der Geschäftsführer auf einen Aufsichtsrat (§ 52)4, Beirat5, Gesellschafterausschuss oÄ; auf die Bezeichnung kommt es nicht an, solange sich nur dem Gesellschaftsvertrag mit hinreichender Gewissheit die Überwachungsfunktion des Organs entnehmen lässt6. Weitergehende Organkompetenzen, die über die informelle Beratung der Geschäftsführer hinausgehen, bedürfen wegen ihres Eingriffs in die Gesellschafterzuständigkeit klarer Verlautbarung im Gesellschaftsvertrag7. Die Übertragung ist zudem nur wirksam, wenn der Beirat usw dem Gesellschaftsinteresse verpflichtet ist und die Gesellschafter ihn aus wichtigem Grund abberufen können8. Möglich ist die Kompetenzübertragung auch auf ein sog „Schiedsgericht“ iSe Schlichtungsstelle, das bei Streitigkeiten zwischen Gesellschaftsorganen oder Organmitgliedern (namentlich in der Gesellschafterversammlung) entscheidet (fakultatives Gesellschaftsorgan)9. Die §§ 1025 ff ZPO finden in diesem Fall keine Anwendung10; denn gerade einem echten Schiedsgericht könnten keine Kompetenzen als Ge1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

So noch BGHZ 31, 258, 278 = GmbHR 1960, 43, 44. Im Einzelnen systematisierend B/H/Zöllner Rn 10. BGH BB 1961, 304; B/H/Zöllner Rn 19; R/A/Roth Rn 3. Müller/Wolff NZG 2003, 751. Hierzu Müller/Wolff GmbHR 2003, 810; Scholz/K. Schmidt Rn 13; Turner FS Sigle, 2000, S. 111; Weber Privatautonomie und Außeneinfluss im Gesellschaftsrecht, 2000, S. 29 ff, 302 ff. Dazu auch Bayer FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 75, 76 mwN. B/H/Zöllner Rn 19. Scholz/K. Schmidt Rn 13. Ausführlich U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 24. BGHZ 43, 261 = GmbHR 1965, 111; näher Scholz/K. Schmidt Rn 14; U/H/L/Hüffer/ Schürnbrand Rn 28 ff.

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§ 45 | Rechte der Gesellschafter sellschaftsorgan übertragen werden1. Die Mitglieder des Schiedsorgans unterliegen den gleichen Treu- und Sorgfaltspflichten wie die Gesellschafter bei ihren Gesellschafterbeschlüssen2 (vgl Rn 7). Die Übertragung von Gesellschafterbefugnissen auf die Geschäftsführer ist hingegen problematisch3. Insbesondere Überwachungsaufgaben können generell nicht übertragen werden4. 9 Die Gesellschafter können ihre Beschlüsse ferner an die Zustimmung eines ande-

ren Organs binden, nicht jedoch an die Zustimmung eines Dritten, der nicht Gesellschaftsorgan ist (Grundsatz der Verbandssouveränität)5. Dritten können von den Gesellschaftern nur schuldrechtliche Ansprüche eingeräumt oder sie müssen zu Organmitgliedern bestellt werden. Die Übertragung von organgleichen Befugnissen ist im Hinblick auf die Autonomie der Gesellschaft jedenfalls unzulässig.

10 Bei der Verlagerung von Zuständigkeiten auf ein anderes Organ findet die Ver-

tragsfreiheit der Gesellschafter Grenzen in den Vorschriften, die das Gesetz selbst als zwingend bezeichnet (§§ 60 Abs. 1 Nr. 2, 53)6 sowie in ungeschriebenen körperschaftsrechtlichen Prinzipien des GmbH-Rechts7; insbesondere müssen der Gesellschaftergesamtheit das Recht zur Satzungsänderung (und damit zugleich zur Ausweitung ihrer Befugnisse) und die übrigen Grundlagenentscheidungen (Umwandlung, Auflösung, Fortsetzung etc)8 verbleiben (sog Kompetenz-Kompetenz)9.

11 Ebenso ist eine unumkehrbare Kompetenzübertragung unwirksam; deshalb

können auch Sonderrechte einzelner Gesellschafter, welche die Kompetenzen der Gesellschaftergesamtheit verdrängen und ihre Parallelzuständigkeit ausschließen, nicht begründet werden. Daraus folgt: Zwar kann die umfassende Zuständigkeit der Gesellschafter durch Vorzugsrechte einzelner Gesellschafter eingeschränkt werden, zB durch ein Präsentationsrecht bei der Bestellung eines Geschäftsführers (§ 46 Rn 25) oder durch einen qualifizierten Mehrheitsbeschluss zum Schutz der Minderheit, in gewissem Umfang auch durch Übertragung von Entscheidungsbefugnissen auf die Geschäftsführer (zB das Recht zur Ernennung von Prokuristen oder die Einschränkung der Weisungsbefugnis). Niemals darf jedoch die Übertragung von Zuständigkeiten dazu führen, dass die Stellung der Gesellschaftergesamtheit als oberstes Gesellschaftsorgan in ihrem Kern oder auf Dauer in Frage gestellt wird (Verbot der Selbstentmündigung der Gesellschaf1 2 3 4 5 6 7 8 9

B/H/Zöllner Rn 24; MünchKomm/Liebscher Rn 116. R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 18. Ausführlich Scholz/K. Schmidt Rn 12; B/H/Zöllner § 46 Rn 93. BGHZ 43, 261, 264; R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 14; Scholz/K. Schmidt Rn 12. Scholz/K. Schmidt Rn 9, 15; dazu auch Zöllner FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 85, 119 f; Weber Privatautonomie und Außeneinfluss im Gesellschaftsrecht, 2000, S. 274 f. Dazu BGHZ 43, 261, 264; R/A/Roth Rn 2. B/H/Zöllner Rn 6. Scholz/K. Schmidt Rn 8. So auch U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 5 aE; Henssler/Strohn/Mollenkopf Rn 1.

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Aufgabenkreis der Gesellschafter | § 46

ter)1; begriffliche Unschärfe2 lässt sich dem wegen der Vielgestalt praktischer Organisationsverfassungen und ihrer jeweiligen Komplexität nicht entgegenhalten. Die allumfassende Zuständigkeit der Gesellschaftergesamtheit unterliegt imma- 12 nenten Schranken; die Gesellschafter müssen stets den Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung (näher § 14 Rn 46 ff) achten3; sofern die betroffenen Mitgesellschafter ihrer Ungleichbehandlung nicht zustimmen, dürfen keine Minderheits- und Sonderrechte verletzt werden; auch müssen die Gesellschafter ihrer (am Gesellschaftsinteresse orientierten) Treupflicht (näher § 14 Rn 29 ff) gerecht werden4. Etwas anderes gilt indes, wenn die Gesellschafter ungleiche Rechte bereits in der ursprünglichen Satzung verankern oder aber diese später mit Zustimmung des benachteiligten Gesellschafters beschließen5. Trotz verdrängender Übertragung der Zuständigkeit auf ein anderes Organ blei- 13 ben die Gesellschafter weiterhin subsidiär zuständig, wenn das an Stelle der Gesellschafter berufene Organ handlungsunfähig ist6. Der Rückfall der Kompetenzen an die Gesellschafter endet, wenn das jeweilige Organ wieder handlungsfähig wird. Auch im Falle der Handlungsunfähigkeit der Gesellschafterversammlung sind allein die (übrigen) Gesellschafter berufen, diesen Zustand zu beseitigen (Ausnahme § 61). Die Gesellschafterversammlung behält ihre Zuständigkeit sogar im Fall der Auflösung der Gesellschaft sowie im Insolvenzverfahren. In letzterem Falle sind ihr jedoch Verfügungen über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen verboten7. d) Zur Übertragung von Gesellschafterkompetenzen auf Grund eines Beherr- 14 schungsvertrags: Anh zu § 13 Rn 42 ff.

§ 46 Aufgabenkreis der Gesellschafter Der Bestimmung der Gesellschafter unterliegen: 1. die Feststellung des Jahresabschlusses und die Verwendung des Ergebnisses; 1 2 3 4 5 6

Ähnlich Scholz/K. Schmidt Rn 10; R/A/Roth Rn 4. So aber R/S-L/Koppensteiner Rn 14; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 26. Dazu BGH GmbHR 1972, 224, 225. R/A/Roth Rn 15 f. B/H/Zöllner Rn 6. Scholz/K. Schmidt Rn 11; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 27 aE; aA Michalski/Römermann Rn 47; B/H/Zöllner § 46 Rn 94. 7 Scholz/K. Schmidt Rn 17.

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§ 46 | Aufgabenkreis der Gesellschafter 1a. die Entscheidung über die Offenlegung eines Einzelabschlusses nach internationalen Rechnungslegungsstandards (§ 325 Abs. 2a des Handelsgesetzbuchs) und über die Billigung des von den Geschäftsführern aufgestellten Abschlusses; 1b. die Billigung eines von den Geschäftsführern aufgestellten Konzernabschlusses; 2. die Einforderung der Einlagen; 3. die Rückzahlung von Nachschüssen; 4. die Teilung, die Zusammenlegung sowie die Einziehung von Geschäftsanteilen; 5. die Bestellung und die Abberufung von Geschäftsführern sowie die Entlastung derselben; 6. die Maßregeln zur Prüfung und Überwachung der Geschäftsführung; 7. die Bestellung von Prokuristen und von Handlungsbevollmächtigten zum gesamten Geschäftsbetrieb; 8. die Geltendmachung von Ersatzansprüchen, welche der Gesellschaft aus der Gründung oder Geschäftsführung gegen Geschäftsführer oder Gesellschafter zustehen, sowie die Vertretung der Gesellschaft in Prozessen, welche sie gegen die Geschäftsführer zu führen hat. Text im Wesentlichen seit 1892 unverändert; Nr. 1 zunächst nur sprachlich angepasst durch BiRiLiG 1985 an §§ 242 Abs. 3, 268 Abs. 1 HGB, § 29 Abs. 2 GmbHG; Nr. 1a und 1b eingefügt durch BilReG 2004 (BGBl I 3166); durch MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl I 2026) Nr. 2 sprachlich an § 3 Abs. 1 Nr. 4 angepasst, Nr. 4 teilweise ergänzt sowie amtliche Überschrift eingefügt. 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . 1 2. Jahresabschluss und Ergebnisverwendung (§ 46 Nr. 1) . . . . . . . 2 3. Einzelabschluss nach IAS/IFRS und Konzernabschluss (§ 46 Nr. 1a, 1b) 9 4. Einforderung der Einlagen (§ 46 Nr. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . 12 5. Rückzahlung von Nachschüssen (§ 46 Nr. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . 16 6. Teilung, Zusammenlegung und Einziehung von Geschäftsanteilen (§ 46 Nr. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . 17

7. Bestellung, Abberufung und Entlastung von Geschäftsführern (§ 46 Nr. 5) . . . . . . . . . . . . . . . 8. Prüfung und Überwachung der Geschäftsführer (§ 46 Nr. 6) . . . . 9. Bestellung von Prokuristen und Generalhandlungsbevollmächtigten (§ 46 Nr. 7) . . . . . . . . . . . . . 10. Ersatzansprüche und Prozessvertretung (§ 46 Nr. 8) . . . . . . .

. 23 . 30 . 32 . 34

Literatur: Lieder Annexkompetenzen der Gesellschafterversammlung, NZG 2015, 569; Oetker Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung und Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats in der mitbestimmten GmbH, ZIP 2015, 1461.

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1. Allgemeines § 46 regelt die Zuständigkeit der Gesellschafter als Gesamtheit und formuliert 1 hierzu einen umfassenden, aber nicht abschließenden und auch nicht zwingenden Katalog (vgl § 45 Abs. 2); daher kann im Gesellschaftsvertrag von den Regelungen in § 46 Nr. 1–8 weitgehend abgewichen werden. Die Gesellschafter in ihrer Gesamtheit (dazu § 45 Rn 3) sind das oberste Organ der GmbH (§ 45 Rn 4) und nach der Konzeption des GmbH-Rechts grundsätzlich allzuständig, und zwar sowohl im Hinblick auf Strukturmaßnahmen als auch für wichtige Einzelmaßnahmen1. Sie können darüber hinaus jede Geschäftsführungsmaßnahme an sich ziehen, soweit nicht zwingendes Recht entgegensteht2; insoweit besteht auch ein uneingeschränktes Weisungsrecht gegenüber der Geschäftsführung (näher § 37 Rn 17 ff). Der Gesellschaftsvertrag kann in weitem Umfang diese Zuständigkeiten auf ein anderes Organ übertragen (Einzelheiten bei § 45 Rn 8 mwN). Zu den Grenzen der Zuständigkeitsübertragung: § 45 Rn 10 ff, zur subsidiären Zuständigkeit trotz Verlagerung: § 45 Rn 13 mwN. Die zentrale Bedeutung der Norm liegt in der Begrenzung der Geschäftsführerkompetenz3.

2. Jahresabschluss und Ergebnisverwendung (§ 46 Nr. 1) a) Feststellung: Zur Beschlusskompetenz der Gesellschafter gehört die Feststel- 2 lung der Jahresbilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung nebst Anhang (= Jahresabschluss, § 264 Abs. 1 Satz 1 HGB; dazu Vor § 41 Rn 35); der Lagebericht gehört nicht dazu, bedarf somit keiner förmlichen Feststellung4. Ebenso wenig wird die Eröffnungsbilanz (§ 242 Abs. 1 HGB) förmlich festgestellt5; anderes gilt gemäß § 71 Abs. 2 Satz 1 für die Liquidationseröffnungsbilanz (§ 71 Rn 10)6. Für Zwischenbilanzen ist die Frage streitig7. Die Geschäftsführer stellen den Jahresabschluss auf (§ 264 Abs. 1 Satz 2 HGB). 3 Zur Vorbereitung des Feststellungsbeschlusses haben sie den von ihnen aufgestellten Jahresabschluss mitsamt dem Lagebericht (§ 264 Abs. 1 HGB/§ 42a Abs. 1 Satz 1) und der gesonderten Stellungnahme zur Bilanzpolitik (§ 42a Rn 7), selbst wenn der Gesellschaftsvertrag darüber nichts bestimmt, in angemessener Frist vor der Gesellschafterversammlung, in der er festgestellt werden soll, den Gesellschaftern zugänglich zu machen (Einzelheiten bei § 42a Rn 3 ff). Über die Fest1 2 3 4

Scholz/K. Schmidt Rn 1; B/H/Zöllner Rn 5, 89; Lieder NZG 2015, 569, 570. Scholz/K. Schmidt Rn 1; enger B/H/Zöllner Rn 89. Ähnlich U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 2; MünchKomm/Liebscher Rn 2. B/H/Zöllner Rn 9; R/A/Roth Rn 3; Scholz/K. Schmidt Rn 7; aA R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 3. 5 R/A/Roth Rn 5; Scholz/K. Schmidt Rn 8. 6 R/A/Roth Rn 5; Scholz/K. Schmidt Rn 8. 7 Dafür B/H/Zöllner Rn 85; R/A/Roth Rn 5; differenzierend Scholz/K. Schmidt Rn 8 E.

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§ 46 | Aufgabenkreis der Gesellschafter stellung des Jahresabschlusses im Sinne der Genehmigung und damit über seine rechtsverbindliche In-Geltung-Setzung beschließen erst die Gesellschafter. Bei der Ausnutzung bilanzpolitischer Gestaltungsspielräume unterliegen sie einem Abwägungsgebot (dazu § 42a Rn 29). 4 Bei der Abstimmung über die Feststellung sind auch die Gesellschafter-Ge-

schäftsführer stimmberechtigt; die Beschlussfassung erfolgt mit einfacher Mehrheit (§ 47 Abs. 1). Die Gesellschafter sind dabei nicht an die von den Geschäftsführern vorgelegte Fassung des Jahresabschlusses gebunden, er ist lediglich ein Vorschlag; vielmehr können sie ihn nach freiem Ermessen im Rahmen der Grundsätze ordnungsgemäßer Bilanzierung umgestalten1 bzw im Vorfeld Weisungen erteilen2; zur Nichtigkeit wegen Überbewertung s. Anh zu § 47 Rn 18. Jeder Gesellschafter hat Anspruch auf eine Abschrift des festgestellten Jahresabschlusses. Zustimmung eines Gesellschafters bedeutet kein Anerkenntnis der getroffenen Festsetzungen, die ihn als Gläubiger oder Schuldner betreffen3.

5 Solange die Gesellschafter keinen fälligen Auszahlungsanspruch gegen die Ge-

sellschaft erworben haben (§ 29 Rn 40), kann der Feststellungsbeschluss aufgehoben oder auch nur (im Rahmen von Gesetz und Gesellschaftsvertrag) abgeändert werden4.

6 b) Hiervon zu unterscheiden ist der Beschluss zur Ergebnisverwendung5: Ob

das im festgestellten Jahresabschluss ausgewiesene Jahresergebnis an die Gesellschafter verteilt oder in der GmbH einbehalten werden kann, richtet sich nach Gesellschaftsvertrag und Gesetz (vgl § 29 Rn 21 ff). Vom Erfordernis eines gesonderten Verwendungsbeschlusses kann der Gesellschaftsvertrag absehen (§ 29 Rn 18); in diesem Fall gibt bereits der Feststellungsbeschluss und nicht erst der Ergebnisverwendungsbeschluss den Gesellschaftern einen klagbaren Anspruch auf Ausschüttung des ihnen zugeteilten Gewinnanteils. Ausschüttungsgrenze ist § 30 Abs. 1 (s. § 30 Rn 8 ff).

7 c) Kommt es wegen fehlender Zustimmung eines oder mehrerer Mitgesellschaf-

ter zu keinem Feststellungsbeschluss, so ist zu unterscheiden: Sollte der Mitgesellschafter überhaupt nicht mitwirken (oder nicht innerhalb angemessener Frist), so hat das Gericht auf Klage des Gesellschafters gegen die Gesellschaft den Beschluss als so gefasst, wie vom Gesellschafter beantragt, durch Gestaltungsurteil festzustellen; Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass sich die beantragte Bilanzfeststellung in den Grenzen des Bilanzrechts (inkl der bilanzpolitischen Gestaltungsspielräume) hält bzw beim beantragten Verwendungs-

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BGH GmbHR 2008, 1092 Rn 24 mit Anm Podewils; Scholz/K. Schmidt Rn 14. B/H/Zöllner Rn 9; Lieder NZG 2015, 569, 575. KG GmbHR 2000, 288; zustimmend R/A/Roth Rn 4. Ähnlich Scholz/K. Schmidt Rn 23 ff; vgl auch B/H/Zöllner Rn 15; W. Müller FS Quack, 1991, S. 359, 361 ff. 5 Scholz/K. Schmidt Rn 26; R/A/Roth Rn 4.

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beschluss die widerstreitenden Verwendungs- und Thesaurierungsinteressen gegeneinander abgewogen sind. Das muss im Rahmen der Klagebegründung, wo notwendig, substantiiert dargelegt werden1. Sollte es dagegen wegen inhaltlicher Differenzen zwischen den Gesellschaftern zu 8 keinem Beschluss kommen, so hat das mit einer Klage des Gesellschafters gegen die Gesellschaft angerufene Gericht nach dem Vorschlag von Zöllner gemäß § 315 Abs. 3 BGB (selbstverständlich unter Berücksichtigung der widerstreitenden Parteivorträge) eine Entscheidung nach billigem Ermessen durch Gestaltungsurteil zu treffen2. Dieser Lösung ist entgegengehalten worden, das Gericht dürfe nicht das Ermessen des unwilligen Mitgesellschafters durch sein eigenes ersetzen3. Da jedoch kein Gesellschafter ohne Feststellungsbeschluss Dividendenzahlung in Konkretisierung seines Gewinnbezugsrechts (§ 29 Rn 3) verlangen kann (zum Ergebnisverwendungsbeschluss § 29 Rn 16 ff), muss das Gesellschafterinteresse an freier Ausübung seines Entscheidungsermessens zurückstehen hinter dem Ausschüttungsinteresse der anderen Gesellschafter4. Die im Schrifttum stattdessen vorgeschlagenen Behelfe (Auflösung der Gesellschaft, Austritt etc) sind überzogen und deshalb für den von der Verweigerung betroffenen Gesellschafter keine wirkliche Hilfe.

3. Einzelabschluss nach IAS/IFRS und Konzernabschluss (§ 46 Nr. 1a, 1b) a) Offenlegung: Die Regelung des § 46 Nr. 1a 1. Fall ist im Kontext zu § 42a 9 Abs. 4 Satz 2 zu sehen. Nach § 325 Abs. 2a HGB können große Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 3 HGB) mit befreiender Wirkung an Stelle des HGB-Jahresabschlusses einen nach den internationalen Rechnungslegungsstandards angefertigten Einzelabschluss offen legen; für die Masse der kleinen und mittelgroßen GmbH gilt dies nicht5. Zuständig für die Ausübung dieses Wahlrechts sind nach der Regelung in § 46 Nr. 1a die Gesellschafter; unterbleibt eine Entscheidung, so bleibt es auch beim HGB-Abschluss6. Auch ohne Ausübung des Wahlrechts können die Gesellschafter kraft ihrer Allzuständigkeit (Rn 1) die Vorlage eines IAS/IFRS-Abschlusses verlangen und sich die Entscheidung, welcher Abschluss offen gelegt werden soll, noch vorbehalten7. § 325 Abs. 2a HGB befreit 1 B/H/Zöllner Rn 12; R/A/Roth Rn 8. 2 B/H/Zöllner Rn 12; vgl auch Zöllner ZGR 1988, 392, 416 ff; ähnlich R/A/Roth Rn 8; nunmehr auch U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 19. 3 R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 7; Scholz/K. Schmidt Rn 21. 4 Ähnlich Zöllner ZGR 1988, 392, 416, 419. 5 B/H/Zöllner Rn 22; Scholz/K. Schmidt Rn 47a. 6 U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 25; Scholz/K. Schmidt Rn 47a. 7 B/H/Zöllner Rn 23; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 25.

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§ 46 | Aufgabenkreis der Gesellschafter allerdings nur von der Offenlegung, nicht auch von der Aufstellung des HGBJahresabschlusses; daher bleibt in Bezug auf die Feststellung des HGB-Jahresabschlusses sowie die Ergebnisverwendung § 46 Nr. 1 maßgeblich1. 10 b) Billigung: Regelung des § 46 Nr. 1a 2. Fall bedeutet: Wenn sich die Gesell-

schafter für die Offenlegung des IAS/ISFR-Abschlusses entschieden haben (und nur dann), so ist dieser Abschluss zuvor von ihnen gutzuheißen; hierfür gilt das Verfahren analog § 42a Abs. 1 bis 3. Eine Feststellung ieS ist damit nicht verbunden; insbesondere hat der IAS/IFRS-Abschluss keine Bedeutung für die Gewinnverwendung2.

11 c) Konzernabschluss: Auch ein von den Geschäftsführern nach § 42a Abs. 4

Satz 1 vorgelegter Konzernabschluss bedarf nach § 46 Nr. 1b der Billigung durch die Gesellschafter. Auch hier (s. auch Rn 10) bedeutet Billigung nur Einverständnis (auch mit der Offenlegung), hat aber keine Bilanzfeststellungswirkung; die Vorschrift gilt sowohl für den Konzernabschluss nach HGB als auch nach IAS/IFRS3.

4. Einforderung der Einlagen (§ 46 Nr. 2) 12 Soweit Einlagen (wie insbesondere Sacheinlagen sowie wenigstens 25 % einer je-

den Bareinlage) nicht bereits vor der Anmeldung vollständig zu leisten sind (dazu § 7 Rn 4 f), bestimmt sich die Fälligkeit vorrangig nach dem Gesellschaftsvertrag; ist dort keine Fälligkeit ausdrücklich bestimmt, so werden restliche Bareinlagen (ggf auch ein Agio4) erst fällig, wenn die Gesellschafter die Einforderung beschließen (ausführlich § 19 Rn 8 ff mwN); auch zahlungspflichtige Gesellschafter haben Stimmrecht, § 47 Abs. 4 gilt nicht5 (vgl § 47 Rn 49). Der Beschluss, der gegenüber den bei der Beschlussfassung anwesenden Gesellschaftern sofort wirksam wird, wird von den Geschäftsführern ausgeführt (§ 19 Rn 9). Bis zur erfolgten (ersten) Zahlung kann der Beschluss durch neuen Beschluss aufgehoben werden; danach ist § 30 zu beachten6.

13 Die GmbH hat nach der Beschlussfassung einen klagbaren Anspruch; ab diesem

Zeitpunkt beginnt die Verjährung7 (vgl § 19 Rn 16). Die Gesellschafter können die Geschäftsführer auch ermächtigen, die restlichen Einlagen gleichmäßig von allen Gesellschaftern einzufordern, sobald und soweit die Gesellschaft die restlichen Einlagen benötigt. Noch weitergehend kann der Gesellschaftsvertrag den 1 2 3 4 5 6 7

Scholz/K. Schmidt Rn 47a; R/A/Roth Rn 10b. Hierzu auch B/H/Zöllner Rn 23; Scholz/K. Schmidt Rn 47a. B/H/Zöllner Rn 24; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 27; Scholz/K. Schmidt Rn 47b. BGH GmbHR 2008, 147, 149 mit Anm Herchen; Scholz/K. Schmidt Rn 49 mwN. BGH NJW 1991, 172; R/A/Roth Rn 13; Scholz/K. Schmidt Rn 55. R/A/Roth Rn 12; B/H/Zöllner Rn 28. U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 36; B/H/Zöllner Rn 25.

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Geschäftsführern den Einforderungsentscheid durch eine eindeutige Vertragsregelung1 zuweisen (§ 19 Rn 10). Pfändet ein Gesellschaftsgläubiger den Einzahlungsanspruch der Gesellschaft 14 und lässt er ihn sich zur Einziehung überweisen, so wird der Anspruch auf die Resteinlage auch ohne Gesellschafterbeschluss fällig2; der betroffene Gesellschafter kann nicht geltend machen, die Einziehung verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz § 19 Rn 51 mwN). Dies gilt auch in der Insolvenz der Gesellschaft (§§ 11 Abs. 1 Satz 1, 17, 19 InsO)3; auch im Hinblick auf ein Agio4. Zur Liquidation vgl § 69 Rn 11. Beschlussvoraussetzung gilt nicht für Rückforderung unzulässiger Rück- bzw 15 Auszahlungen5, auch nicht für Ansprüche aus § 9 (dazu § 9 Rn 7) oder Vorbelastungshaftung usw (dazu § 11 Rn 41 ff)6.

5. Rückzahlung von Nachschüssen (§ 46 Nr. 3) Nachschüsse können generell nur von den Gesellschaftern eingefordert werden 16 (§ 26 Abs. 1, § 26 Rn 8). Die Entscheidung über die Rückzahlung kann dagegen in Abweichung zu § 46 Nr. 3 auch auf ein anderes Organ übertragen werden (§ 45 Abs. 2). Die Rückzahlung selbst ist in § 30 Abs. 2 geregelt (vgl § 30 Rn 68 f).

6. Teilung, Zusammenlegung und Einziehung von Geschäftsanteilen (§ 46 Nr. 4) Literatur: Lange Die Teilung eines GmbH-Anteils zur Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft, GmbHR 2014, 281; Lieder Teilung und Listenkorrektur im GmbH-Recht, NZG 2014, 329; Lutz Die Teilung eines GmbH-Geschäftsanteils in der notariellen Praxis, NotBZ 2014, 170; Nodoushani Flexibilisierungen bei künftigen Verfügungen über GmbHAnteile, GmbHR 2015, 617.

a) Teilung bedeutet Aufspaltung eines Geschäftsanteils in mehrere neue und 17 selbständige Geschäftsanteile unter Veränderung des Nennbetrags; die Summe aller Nennbeträge der neuen Geschäftsanteile müssen dem Nennbetrag des geteilten Geschäftsanteils entsprechen7. Teilbare Rechte und Pflichten des ursprünglichen Geschäftsanteils gehen proportional auf die neuen Geschäftsanteile 1 2 3 4 5 6 7

OLG Celle GmbHR 1997, 748, 749. RGZ 149, 293, 301; R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 17; kritisch Scholz/K. Schmidt Rn 54. RGZ 138, 106, 111; ThürOLG GmbHR 2007, 982; B/H/Zöllner Rn 27. BGH GmbHR 2008, 147; teilweise abweichend OLG Köln NZG 2007, 108. BGH GmbHR 1987, 224, 225; B/H/Zöllner Rn 25. Scholz/K. Schmidt Rn 51; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 28. U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 43; ausführlich Lutz NotBZ 2014, 170 ff (mit Muster).

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§ 46 | Aufgabenkreis der Gesellschafter über1; nicht teilbare Rechte (zB Informations- oder Teilnahmerecht) vollständig2. Die früher die Teilung eng begrenzende Vorschrift des § 17 wurde durch das MoMiG aufgehoben3. Heute kann eine Teilung (auch auf Vorrat4) generell beschlossen werden, sofern § 5 Abs. 2 Satz 1 beachtet wird, dh jeder Geschäftsanteil auf volle Euro lautet (vgl § 5 Rn 7)5; andernfalls ist die Teilung gemäß § 134 BGB nichtig6. Wird ein unwirksam geteilter Geschäftsanteil veräußert, so ist nach BGH (VIII. ZS) sowohl die Abtretung als auch das Kausalgeschäft nichtig7. Speziell zur Erbauseinandersetzung: Lange GmbHR 2013, 281 ff. 18 Über die Teilung beschließen die Gesellschafter; betroffene Gesellschafter sind

stimmberechtigt8 (§ 47 Rn 50). Es handelt sich dabei um keine Satzungsänderung9. Im Unterschied zum früheren Recht, wo Geschäftsführer nach § 17 Abs. 1 aF für Wirksamkeit im Außenverhältnis die Genehmigung der GmbH erklären mussten und Entscheidung der Gesellschafter nur Innenwirkung hatte10, bewirkt der Gesellschafterbeschluss (oder auch der Zustimmungsbeschluss zur Teilveräußerung11) heute unmittelbar die Teilung12; Geschäftsführer oder mitwirkender Notar (vgl § 40 Rn 46, 55) haben dann die neue Gesellschafterliste mit aktueller Nummerierung (dazu § 40 Rn 5) zum Handelsregister einzureichen13 (vgl auch § 40 Rn 37 ff). Nach BegrRegE soll Zustimmung des Gesellschafters, dessen Geschäftsanteil geteilt werden soll, nicht erforderlich sein14; im Unterschied zur Zusammenlegung (Rn 20) sprechen hiergegen keine Gründe des 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

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R/A/Roth Rn 17a; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 43. R/A/Roth Rn 17c; B/H/Zöller Rn 31. Dazu BegrRegE MoMiG, BR-Drucks 354/07, S. 89 f. Scholz/K. Schmidt Rn 65; DNotI-Report 2013, 157 mwN; ausführlich Förl RNotZ 2008, 409, 416. Lange GmbHR 2014, 281, 283 (mit Beispiel). So zum früheren Recht: BGH NZG 2005, 927, 928 = GmbHR 2005, 1494; Scholz/ H. Winter/Seibt 10. Aufl, § 17 Rn 11. BGH NZG 2005, 927, 928 = GmbHR 2005, 1494 (allerdings gemäß § 306 BGB aF). Scholz/K. Schmidt Rn 65; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 44; R/A/Roth Rn 15. Scholz/K. Schmidt Rn 65; ebenso, wenngleich kritisch, B/H/Zöllner Rn 31a; R/A/Roth Rn 16b. Vgl nur U/H/W/Hüffer 1. Aufl, Rn 39 mwN. BGH GmbHR 2014, 198 mit Anm Bayer; näher Rn 19. Wie hier Förl RNotZ 2008, 409, 412; D. Mayer DNotZ 2008, 403, 425; Tebben RNotZ 2008, 441, 458; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 44; MünchKomm/Liebscher Rn 86; R/A/ Roth Rn 16a; Scholz/K. Schmidt Rn 65; aA Greitemann/Bergjan FS Pöllath, 2008, S. 271, 292; Irriger/Münstermann GmbHR 2010, 617, 621. Lange GmbHR 2013, 281, 284; ausführlich Förl RNotZ 2008, 409, 412 ff. BegrRegE MoMiG, BR-Drucks 354/07, S. 102; ebenso Scholz/K. Schmidt 65; U/H/L/ Hüffer/Schürnbrand Rn 44; Wicke Rn 9; MünchKomm/Liebscher Rn 86; B/H/Zöllner Rn 31a; Wachter DB 2009, 159, 162; Förl RNotZ 2008, 409, 411; aA Wälzholz MittBayNot 2008, 425, 433; Irriger/Münstermann GmbHR 2010, 617, 618 f; Lutz NotBZ 2014, 170, 173; B/S/Masuch Rn 13.

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Gesellschafterschutzes, so dass der BegrRegE zu folgen ist. Zu abweichenden Satzungsregelungen: Rn 22. Die Veräußerung eines Teil-Geschäftsanteils1 ist ohne Teilungsbeschluss 19 (schwebend) unwirksam2; es ist jedoch ein konkludenter Beschluss anzunehmen, wenn alle Gesellschafter an der Abtretung mitwirken bzw im Falle der Vinkulierung zustimmen3. Dieser formlose Gesellschafterbeschluss muss allerdings dem Bestimmtheitsgrundsatz genügen, dh es müssen der ursprüngliche Geschäftsanteil, die neuen Geschäftsanteile und ihre Nennbeträge ersichtlich sein4, hingegen nicht die Angabe, in welchem Verhältnis der betreffende Geschäftsanteil zu teilen ist5. Daher kann die Zustimmung zu einer Teilveräußerung auch in abstrakter Form vorab erteilt werden6; auch kann der Gesellschafterbeschluss bzw die Zustimmung zur Teilveräußerung auf die Abtretungsurkunde Bezug nehmen.7 Bei der Einpersonen-GmbH liegt in einer Teilveräußerung zugleich ein Teilungsbeschluss8. b) Die Zusammenlegung von Geschäftsanteilen wurde durch das MoMiG neu 20 in den Katalog des § 46 Nr. 4 aufgenommen9. Voraussetzung war nach früher ganz hM, dass die Einlagen voll erbracht und die Geschäftsanteile auch nicht mit Rechten Dritter belastet waren10. Hieran hat die neue Rechtslage nichts geändert11. Die Zusammenlegung bedurfte nach ganz hM allerdings auch der Zustimmung des betroffenen Gesellschafters12; diese Zustimmung soll nach BegrRegE (ohne Begründung und auch ohne Hinweis auf die abweichende hM) nicht mehr erforderlich sein13. Dieser Auffassung ist nicht zu folgen; der betrof1 Dazu ausführlich Förl RNotZ 2008, 409, 414 f. 2 Wicke Rn 9; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 45; ausführlich DNotI-Report 2013, 157. 3 Ebenso R/A/Roth Rn 17 f; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 45; zum früheren Recht auch schon BGH BB 1968, 1053. 4 So BGH GmbHR 2014, 198 Rn 25 ff mit insoweit zustimmender Anm Bayer; zustimmend auch Lieder NZG 2014, 329 ff. 5 So aber Liebscher Liber amicorum M. Winter, 2011, S. 403, 418 ff. 6 Näher Lieder NZG 2014, 329, 330; zu weitgehend wohl Nodoushani GmbHR 2015, 617 ff (Blankoermächtigung). 7 So bereits BGHZ 14, 25, 32 = GmbHR 1995, 122 mit Anm Schneider = JZ 1955, 98 mit Anm Schilling. 8 DNotI-Report 2013, 157, 158 mwN; früher im Ergebnis auch schon BGH GmbHR 1988, 337, 339; KG GmbHR 1996, 921. 9 Dazu BegrRegE MoMiG, BR-Drucks 354/07, S. 90, 102. 10 KG GmbHR 1997, 603, 605; R/S-L/Görner § 15 Rn 16. 11 B/H/Zöllner Rn 32; MünchKomm/Liebscher Rn 89; Scholz/K. Schmidt Rn 66; U/H/L/ Hüffer/Schürnbrand Rn 47; wohl auch R/A/Roth Rn 18; aA Michalski/Römermann Rn 180a. 12 RGZ 142, 36, 39; KG GmbHR 1997, 603, 605; Scholz/H. Winter/Seibt 10. Aufl, § 15 Rn 46. 13 BegrRegE MoMiG, BR-Drucks 354/07, S. 102.

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§ 46 | Aufgabenkreis der Gesellschafter fene Gesellschafter ist schutzbedürftig und für eine abweichende Rechtslage findet sich im Gesetz kein Anhaltspunkt; allein Hinweis in der BegrRegE reicht für Rechtsänderung nicht aus1 (streitig). Einer satzungsmäßigen Grundlage bedarf die Zusammenlegung jedenfalls definitiv nicht mehr2 (vgl auch § 15 Rn 24; zu abweichenden Satzungsregelungen Rn 22). 21 c) Die materiellen Voraussetzungen der Einziehung sind in § 34 geregelt. Hier

ist zwischen dem Beschluss der Gesellschafter nach § 46 Nr. 4 und der Einziehungserklärung zu unterscheiden, die gegenüber dem betroffenen Gesellschafter vom Geschäftsführer abzugeben ist (vgl § 34 Rn 24, 47). Der betroffene Gesellschafter ist bei freiwilliger Einziehung stimmberechtigt (§ 47 Rn 50), nicht aber im Falle der Zwangseinziehung (§ 47 Rn 45). Ist die Einziehung wirksam, so ist eine anschließende Teilung und Zuweisung an verschiedene Mitgesellschafter nicht mehr möglich3.

22 d) In der Satzung kann das Verfahren der Teilung bzw Zusammenlegung abwei-

chend geregelt, speziell die Zuständigkeit auch auf ein anderes Organ verlagert oder auch dem betroffenen Gesellschafter selbst überlassen werden4. Insbesondere kann zur Fehlervermeidung die Beschlussfassung der notariellen Form unterworfen werden5; auch eine Vorratsstückelung aller Geschäftsanteile zu je 1 Euro ist möglich6. Auch die Einziehung kann auf ein anderes Organ verlagert werden (§ 34 Rn 20); zu weiteren Satzungsregelungen ausführlich § 34 Rn 19 ff (freiwillige Einziehung) bzw § 34 Rn 28 ff, 44 ff (Zwangseinziehung).

7. Bestellung, Abberufung und Entlastung von Geschäftsführern (§ 46 Nr. 5) Literatur: Beuthien Von welcher Last befreit die Entlastung? – Zu Inhalt, Zweck und Rechtsfolgen der gesellschaftsrechtlichen Entlastung, GmbHR 2014, 682; Beuthien Welchen Rechtsschutz gibt es für und wider die Entlastung?, GmbHR 2014, 799; Cramer Abschluss der GmbH-Geschäftsführerverträge bei satzungsmäßigen Sonderrechten, NZG 2011, 171; Harbarth Gesellschaftsrechtliche Anforderungen an die Kündigung von Geschäftsführerverträgen, BB 2015, 707; Leinekugel/Heusel Zuständigkeit für den Abschluss von Beraterverträgen mit ausgeschiedenen Geschäftsführern, GmbHR 2012, 309; Lieder 1 Wie hier D. Mayer DNotZ 2008, 403, 426 f; ebenso B/H/Zöllner Rn 32a; R/A/Roth Rn 16c; Henssler/Strohn/Mollenkopf Rn 17; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 48; Scholz/ K. Schmidt Rn 66; aA MünchKomm/Liebscher Rn 90; R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 21; Michalski/Römermann Rn 180a; Wicke Rn 12. 2 Scholz/K. Schmidt Rn 66; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 47; B/H/Zöllner Rn 32a. 3 OLG Dresden GmbHR 2015, 56. 4 D. Mayer DNotZ 2008, 403, 425 f; Förl RNotZ 2008, 409, 416 f; Scholz/K. Schmidt Rn 64; ausführlich MünchKomm/Liebscher Rn 95 mwN. 5 Dazu Greitemann/Bergjan FS Pöllath, 2008, S. 271, 292. 6 Dazu Förl RNotZ 2008, 409, 416; MünchKomm/Liebscher Rn 84.

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Aufgabenkreis der Gesellschafter | § 46 Annexkompetenzen der Gesellschafterversammlung, NZG 2015, 569; Nägele/Nestel Entlastung des GmbH-Geschäftsführers und des AG-Vorstandes – Chancen und Risiken in der Praxis, BB 2000, 1253; Vath Die Enthaftung des GmbH-Geschäftsführers im Wege der Generalbereinigung, GmbHR, 2013, 1137.

a) Die Bestellung von Geschäftsführern erfolgt nach § 6 Abs. 3 Satz 2 entweder 23 im Gesellschaftsvertrag oder durch Gesellschafterbeschluss (ausführlich § 6 Rn 37 ff). Die Abberufung erfolgt grundsätzlich durch Gesellschafterbeschluss (§ 38 Rn 3, 6). Betroffener Gesellschafter-Geschäftsführer hat grundsätzlich Stimmrecht, aber nicht bei Abberufung aus wichtigem Grund (vgl § 47 Rn 45). Eine Übertragung dieser Kompetenzen auf andere Organe, aber auch auf einen anderen Gesellschafter1, ist in der Satzung möglich, nicht hingegen auf Dritte (streitig)2. Als Annexkompetenz der Bestellung bzw Abberufung erfasst3 die Zuständigkeit nach § 46 Nr. 5 mangels abweichender Satzungsregelung auch den Anstellungsvertrag bzw dessen Kündigung4 sowie nach heute ganz hM auch alle Vertragsänderungen und Abfindungsleistungen5 sowie sonstigen Rechtsgeschäfte, die mit der Organstellung des Geschäftsführers in Zusammenhang stehen6, nach zutreffender Auffassung auch den Abschluss von Beraterverträgen mit ausgeschiedenen Geschäftsführern7. Zahlungen an Geschäftsführer durch Mitgesellschafter unter Verletzung der Zuständigkeitsregelung in § 46 Nr. 5 kann Pflichtverletzung darstellen8. Die Gesellschafter, nicht die Geschäftsführer, vertreten in diesem Fall die GmbH9 (auch im Falle der Amtsniederlegung des Geschäftsführers, vgl dazu § 38 Rn 41 ff)10, doch können sowohl einzelne Gesellschafter als auch Mitgeschäftsführer von den Gesellschaftern hierzu (auch konkludent) bevollmächtigt werden11. Zur Rechtslage in der einheitlichen GmbH & Co KG: BGH BB 2007, 1914 mit Anm Gehrlein = GmbHR 2007, 1034.

1 BGH WM 1973, 1295, 1296; R/A/Roth Rn 19; BGH NJW-RR 1989, 542 (allerdings hier als Sonderrecht bezeichnet). 2 Wie hier Scholz/K. Schmidt Rn 72; B/H/Zöllner Rn 34a; ausführlich Beuthien/Gätsch ZHR 157 (1993), 483, 492 ff. 3 Ausführlich Lieder, NZG 2015, 569 ff. 4 BGH GmbHR 1997, 547; BGH GmbHR 2000, 876; OLG Düsseldorf NZG 2004, 478, 479; Scholz/K. Schmidt Rn 70; ausführlich jüngst Harbarth BB 2015, 707 ff. 5 BGH GmbHR 1991, 363; OLG Karlsruhe NZG 2000, 264, 269; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 61 mwN. 6 Ausführlich OLG Naumburg GmbHR 2014, 985. 7 Richtig Leinekugel/Heusel GmbHR 2012, 309 ff; Lieder NZG 2015, 569, 571; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 64; Scholz/K. Schmidt Rn 70 aE; aA B/H/Zöllner Rn 38a. 8 BGH GmbHR 2007, 260, 262 mit ablehnender Anm Wackerbarth. 9 BGH GmbHR 1997, 547; OLG Düsseldorf NZG 2004, 478, 479; B/H/Zöllner Rn 36; Scholz/K. Schmidt Rn 80. 10 OLG Düsseldorf GmbHR 2005, 932. 11 B/H/Zöllner Rn 40; Scholz/K. Schmidt Rn 80; R/A/Roth Rn 23.

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§ 46 | Aufgabenkreis der Gesellschafter 24 In der mitbestimmten GmbH ist zu differenzieren: Im Anwendungsbereich des

MitbestG 1976 (dazu § 52 Rn 1) gilt § 46 Nr. 5 nicht; hier ist (außerhalb der Gründung: § 6 Rn 37 mwN) ausschließlich der obligatorische Aufsichtsrat zuständig (§ 31 MitbestG iVm § 84 AktG)1. Der Aufsichtsrat nach DrittelbG und der freiwillige Aufsichtsrat oder Beirat sind hingegen mangels abweichender Satzungsregelung für Bestellung und Abberufung des Geschäftsführers nicht zuständig2. In der GmbH nach MitbestG 1976 ist der Aufsichtsrat auch für Abschluss, Änderung und Aufhebung des Anstellungsvertrages zuständig (§ 31 MitbestG)3.

25 b) Für die Bestellung hat jeder Gesellschafter ein unverbindliches Vorschlags-

recht als Teil seiner Mitverwaltungsrechte4; dies kann der Gesellschaftsvertrag abgestuft verstärken: als erstes zu einem relativ verbindlichen Benennungsrecht, das die Gesellschafter zur Stimmabgabe zugunsten des Benannten so lange verpflichtet, wie sie ihm nicht ihre Stimme aus sachlichen, im Interesse der Gesellschaft liegenden Gründen5 verweigern können (zB nicht hinreichende Befähigung, fehlendes Einvernehmen unter den Geschäftsführern). Ein solches Benennungsrecht kann auch einem gesellschaftsfremden Dritten (zB Hausbank) eingeräumt werden, weil den Gesellschaftern ausreichender Einfluss auf die Geschäftsführer-Bestellung bleibt. Schließlich kann der Gesellschaftsvertrag das Vorschlagsrecht zum rechtsverbindlichen Präsentationsrecht ausbauen; dann können die Gesellschafter dem Präsentierten allein unter jener Voraussetzung ihre Stimme versagen, unter der sie seine Bestellung aus wichtigem Grund nach § 38 Abs. 2 sofort widerrufen könnten6. Ausgeübt werden kann das Recht nur, wenn in der Geschäftsleitung Platz für einen Präsentierten ist7; notfalls muss zuvor Platz geschaffen werden. Ein solches Präsentationsrecht kann nur Gesellschaftern oder gesellschaftsinternen Stellen, nicht aber gesellschaftsfremden Dritten gewährt werden; andernfalls bliebe den Gesellschaftern nicht mehr genügend Einfluss auf die Geschäftsführerbestellung und auf die Geschäftsführer8. – Ein Präsentationsrecht zugunsten gesellschaftsfremder Dritter ist als Benennungsrecht zu verstehen oder dahin umzudeuten (§ 140 BGB).

26 c) Die Entlastung ist eine einseitige, körperschaftsrechtliche Erklärung, welche

die Amtsführung im vergangenen Geschäftsjahr billigt und dem Entlasteten für

Ulmer/Habersack/Henssler § 31 MitbestG Rn 5 ff. Für alle Oetker ZIP 2015, 1461, 1463 mwN. BGHZ 89, 48, 51 = GmbHR 1984, 151. OLG Hamm ZIP 1986, 1188, 1194 mit Anm Lutter; MünchKomm/Liebscher Rn 104. BGH WM 1989, 250, 252; OLG Hamm ZIP 1986, 1188, 1194; kritisch OLG Düsseldorf GmbHR 1990, 219, 220 f. 6 OLG Hamm ZIP 1986, 1188, 1194; R/A/Roth Rn 19; ausführlich Cramer NZG 2011, 171 ff. 7 OLG Stuttgart GmbHR 1999, 537, 538. 8 Wie hier auch MünchKomm/Liebscher Rn 180 mwN. 1 2 3 4 5

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die Zukunft das Vertrauen ausspricht1. Außerdem stellt sie den Entlasteten von allen bei der Beschlussfassung erkennbaren Ersatzansprüchen frei2. Sie ist keine Willenserklärung und auch nicht zugangsbedürftig; die Entlastungswirkungen treten vielmehr bereits mit der Beschlussfassung ein3. Dem Aktienrecht ist eine solche Freistellungswirkung fremd (§ 93 Abs. 4 Satz 3 AktG); sie findet im GmbH-Recht ihre Grenze dort, wo Ansprüche im Interesse der Gesellschaftsgläubiger unverzichtbar sind4 (§§ 43 Abs. 3, 9b Abs. 1, 30, 31, vgl teilweise abweichend auch § 43 Rn 40 ff). Freigestellt ist der entlastete Geschäftsführer allein von solchen Ersatzansprüchen, die bei sorgfältiger Prüfung aller Vorlagen und erstatteten Berichte erkennbar waren5; uU ist insoweit auch private Kenntnis aller Gesellschafter ausreichend6. Keine Präklusion jedoch, wenn Geschäftsführer auf Verschleierung hingewirkt hat7. Bei der Entscheidung über die Entlastung steht den Gesellschaftern ein weites, 27 aber durch die Treuepflicht gebundenes Ermessen zu8. Daher ist die Entlastung bei schweren Gesetzes- oder Satzungsverstößen, insbesondere auch bei gravierenden Pflichtverletzungen der Geschäftsführer9, treuwidrig; der dennoch gefasste Entlastungsbeschluss ist anfechtbar10. Anfechtbar ist ebenfalls der verfahrensfehlerhafte11, insbesondere ein unter Verstoß gegen die Rechnungslegungspflicht, zustande gekommener Entlastungsbeschluss. Die Entlastung ist nicht widerruflich. Wird dagegen der Entlastungsbeschluss erfolgreich angefochten, so entfällt damit automatisch die Entlastungswirkung gegenüber dem Geschäftsführer. 1 BGHZ 94, 324, 326 f = GmbHR 1985, 356 – Dornier; R/A/Roth Rn 30; Scholz/K. Schmidt Rn 89 mwN. 2 BGH WM 1976, 736; B/H/Zöllner Rn 41; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 73 mwN. 3 Scholz/K. Schmidt Rn 91; Nägele/Nestel BB 2000, 1253, 1254 ff; Lieder NZG 2015, 569, 575. 4 Näher Bayer GmbHR 2014, 897, 903; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 75 mwN. 5 Scholz/K. Schmidt Rn 94; Nägele/Nestel BB 2000, 1253, 1254 f; vgl auch OLG München GmbHR 2013, 813, 815. 6 BGH WM 1976, 736; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 74 mwN. 7 B/H/Zöllner Rn 41; R/A/Roth Rn 32. 8 BGH GmbHR 2009, 1327 Rn 20 mwN; vgl auch Beuthien GmbHR 2014, 799, 805 f. Zur Dogmatik ausführlich Graff Die Anfechtbarkeit der Entlastung im Kapitalgesellschaftsrecht, 2007. 9 Nicht hingegen bei „einfachen“ Pflichtverletzungen: So jüngst KG ZIP 2015, 481 – Suhrkamp. 10 So jüngst OLG München ZIP 2015, 1582 mit Anm Rüppell/Hoffmann EWiR 2015, 631 (verspätete Vorlage Entwurf Jahresabschluss ohne Rechtfertigung); grundlegend zur AG BGH BGHZ 153, 47, 51 = AG 2003, 273 – Macrotron; bestätigend BGH NZG 2005, 77, 78 – Thyssen/Krupp; ebenso schon OLG Hamm GmbHR 1992, 802, 805; zustimmend R/A/Roth Rn 37; B/H/Zöllner Rn 44; großzügiger wohl Scholz/K. Schmidt Rn 99. 11 Beispiel BGH GmbHR 2009, 1327 Rn 20: Entlastung zu einem Zeitpunkt, in dem die Gesellschafter die Pflichtwidrigkeit kennen, aber nicht den Schaden.

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§ 46 | Aufgabenkreis der Gesellschafter 28 Der Geschäftsführer hat entgegen der früher hM1 keinen Anspruch auf Entlas-

tung2. Sollten sich die Gesellschafter konkreter Ersatzansprüche berühmen (aber auch nur dann), so ist dem Geschäftsführer die negative Feststellungsklage gegen die Gesellschaft eröffnet3; ebenso, wenn die Gesellschafter dem Geschäftsführer nur pauschal Pflichtwidrigkeiten vorwerfen und ihm deshalb die Entlastung verweigern. Dagegen besteht kein Feststellungsinteresse, wenn die Entlastung ohne jede Begründung verweigert wird; denn fehlendes Vertrauen braucht nicht erklärt zu werden4. Sollten die Gesellschafter überhaupt keinen Beschluss zur Entlastung fassen oder dem Geschäftsführer die Entlastung ohne jede Begründung (oder zu Unrecht) verweigern, so bleibt es dem Geschäftsführer überlassen, ob er hierauf mit Amtsniederlegung (allein oder kombiniert mit einer außerordentlichen Kündigung seines Anstellungsvertrages zuzüglich Schadensersatz) reagieren will5.

29 Von der Entlastung zu unterscheiden ist die Generalbereinigung6. Sie ist ein

(Verzichts- oder Erlass-)Vertrag zwischen Gesellschaft und Geschäftsführer7 und geht inhaltlich über die Entlastung hinaus8; so kann sie den Verzicht auf alle denkbaren, mit der Geschäftsführer-Position zusammenhängenden9 Ersatzansprüche – unabhängig davon, ob sie überhaupt erkennbar waren10 – umfassen, soweit dem nicht das Gesetz, insbesondere Gläubigerschutzvorschriften, oder Gesellschaftsvertrag entgegenstehen11. Einen Anspruch auf Generalbereinigung hat der Geschäftsführer nicht. Über den Abschluss dieses Bereinigungsvertrages entscheiden die Gesellschafter mit Außenwirkung gegenüber dem (auch dem bereits ausgeschiedenen) Geschäftsführer12. 1 Ausführlich Weitemeyer ZGR 2005, 280, 304 f. 2 So BGHZ 94, 324 = GmbHR 1985, 356 – Dornier; Scholz/K. Schmidt Rn 101; Meier GmbHR 2004, 111, 112; MünchKomm/Liebscher Rn 161; ausführlich Graff Die Anfechtbarkeit der Entlastung im Kapitalgesellschaftsrecht, 2007, S. 147 ff. 3 BGHZ 94, 324, 329 = GmbHR 1985, 356; OLG Köln GmbHR 2001, 112; R/A/Roth Rn 41. 4 Scholz/K. Schmidt Rn 102; ausführlich MünchKomm/Liebscher Rn 161; aA B/H/Zöllner Rn 46; Krieger VGR Bd 1 (1999), S. 111, 113: willkürliche Diskriminierung; offen BGHZ 94, 324, 329 f = GmbHR 1985, 356. 5 Scholz/K. Schmidt Rn 102; R/A/Roth Rn 42. 6 Hierzu Scholz/K. Schmidt Rn 103 ff; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 84 ff; Lieder NZG 2015, 569, 574; ausführlich (mit Muster) Vath GmbHR 2013, 1137 ff. 7 Näher (auch zu Mängeln) Lieder NZG 2015, 569, 575. 8 MünchKomm/Liebscher Rn 167; Scholz/K. Schmidt Rn 105 mwN; enger B/H/Zöllner Rn 49: Bezug auf konkrete Ansprüche. 9 BGH GmbHR 2000, 1258. 10 BGH GmbHR 1998, 278. 11 Vgl BGH GmbHR 2003, 712, 713; BGH WM 1975, 538, 540; BGH WM 1976, 738. 12 BGH GmbHR 2003, 712, 713; BGH GmbHR 1998, 278; R/A/Roth Rn 43; Scholz/ K. Schmidt Rn 104.

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8. Prüfung und Überwachung der Geschäftsführer (§ 46 Nr. 6) Allein die Gesellschafter in ihrer Gesamtheit haben die Kompetenz zur Prüfung 30 und Überwachung der Geschäftsführer. Hiervon zu unterscheiden sind die individuellen Kontrollrechte der Gesellschafter (vgl §§ 51a, 51b). Als Kontrollmaßnahmen kommen in Betracht: Bericht durch Geschäftsführer, Auskunft, Vorlage der Bücher und sämtlicher sonstigen Unterlagen, Augenscheinseinnahme, Anhörung von Mitarbeitern oder von Sachverständigen, Sonderprüfung (analog § 142 AktG)1. Zum Stimmrechtsausschluss von Gesellschafter-Geschäftsführern: § 47 Rn 38 f. Die Intensität der Kontrolle bestimmen die Gesellschafter; ist sie unverhältnismäßig, kann der Geschäftsführer zu Amtsniederlegung und fristloser Kündigung berechtigt sein2. Auch die Statuierung von Zustimmungsvorbehalten (§ 111 Abs. 4 Satz 2 AktG analog) ist möglich; im Falle einer satzungsmäßigen Freistellung der Geschäftsführer von Weisungen bedarf ein solcher Zustimmungsvorbehalt allerdings ebenfalls einer satzungsmäßigen Grundlage3. Dieser Prüfungs- und Überwachungsbefugnis entspricht keine Pflicht der Gesellschaftergesamtheit4. Unterlassene Kontrolle kann bei Näheverhältnis aber verdeckte Gewinnausschüttung sein5. Die Überwachung der Geschäftsführer kann einem Aufsichtsrat übertragen 31 werden. Bei der nach MitbestG 1976 mitbestimmten GmbH ist das zwingend vorgeschrieben (§ 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MitbestG). Dies lässt jedoch die Überwachungsrechte der Gesellschaftergesamtheit unberührt6. Auf sie kann auch in der Satzung nicht generell verzichtet werden7.

9. Bestellung von Prokuristen und Generalhandlungsbevollmächtigten (§ 46 Nr. 7) Über die Bestellung von Prokuristen (§§ 48 ff HGB) und von Handlungsbevoll- 32 mächtigten zum gesamten Geschäftsbetrieb (§ 54 HGB) entscheidet die Gesellschaftergesamtheit; dies gilt auch in der mitbestimmten GmbH8. Die Gesellschafter beschließen jedoch nur intern über die Bestellung; nach außen gegen1 B/H/Zöllner Rn 50; R/A/Roth Rn 44; ausführlich Brandner FS Nirk, 1992, S. 75, 79; Fleischer GmbHR 2001, 45. 2 B/H/Zöllner Rn 50; R/A/Roth Rn 46. 3 Richtig R/A/Roth Rn 44. 4 BGH GmbHR 2003, 712, 713; MünchKomm/Liebscher Rn 193; vgl aber auch Scholz/ K. Schmidt Rn 113. 5 BFH GmbHR 2007, 1051, 1052 mit Anm Schröder. 6 B/H/Zöllner Rn 51; enger R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 36: nur noch mittelbare Aufsichtsrechte. 7 U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 93; R/A/Roth Rn 48. 8 Ulmer/Habersack/Henssler § 31 MitbestG Rn 6 mwN.

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§ 46 | Aufgabenkreis der Gesellschafter über dem zu Bestellenden (§ 167 Abs. 1 BGB) wird die Prokura durch die Geschäftsführer erteilt1. Bestellen die Geschäftsführer eigenmächtig, so ist die Bestellung gegenüber dem Prokuristen dennoch wirksam (§ 35)2, sofern kein Missbrauch der Vertretungsmacht vorliegt3. Dritten gegenüber gilt nach Eintragung der Prokura im Handelsregister4 stets § 15 Abs. 3 HGB5. Anderes Personal stellen die Geschäftsführer ein und bevollmächtigen es ggf Die Befugnis der Gesellschafter zur Bestellung der Prokuristen kann auf den Geschäftsführer delegiert werden6. Auch einem Gesellschafter kann Prokura erteilt werden; ob er Stimmrecht hat, ist streitig7; einem Geschäftsführer kann dagegen nach hM nicht Prokura erteilt werden8. Der neubestellte Prokurist kann bei der Registeranmeldung der ihm erteilten Gesamtprokura nicht mitwirken9. 33 Nicht unter § 46 Nr. 7 fallen der Anstellungsvertrag des Prokuristen etc sowie

der Widerruf der Prokura/Vollmacht; die Gesellschafter können jedoch Weisung erteilen10.

10. Ersatzansprüche und Prozessvertretung (§ 46 Nr. 8) 34 Zu unterscheiden ist die interne Willensbildung über die Geltendmachung von

Ersatzansprüchen gegen Gesellschafter und Geschäftsführer (§ 46 Nr. 8 Alt. 1) und die Außenvertretung der GmbH gegenüber den Geschäftsführern in Prozessen jedweder Art (§ 46 Nr. 8 Alt. 2).

35 a) Ersatzansprüche gemäß § 46 Nr. 8 Alt. 1: Ob solche Ansprüche gegen ak-

tuelle oder ehemalige Geschäftsführer oder Gesellschafter11 (oder ihre Erben12) geltend gemacht werden sollen, entscheiden grundsätzlich die Gesellschafter. Sie sollen die Vor- und Nachteile abwägen: ob etwa Interna der Gesell-

1 B/H/Zöllner Rn 52; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 95. 2 BGHZ 62, 166, 168; OLG Düsseldorf GmbHR 1998, 743, 744; MünchKomm/Liebscher Rn 214. 3 Scholz/K. Schmidt Rn 127, 132; abweichend U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 94 f. 4 Keine Eintragung des Generalbevollmächtigten: OLG Hamburg GmbHR 2009, 252, 254. 5 Scholz/K. Schmidt Rn 127. 6 Scholz/K. Schmidt Rn 134; MünchKomm/Liebscher Rn 225. 7 Dagegen B/H/Zöllner Rn 52; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 96; dafür Scholz/ K. Schmidt Rn 128; R/A/Roth Rn 52. 8 U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 95; B/H/Zöllner Rn 52; R/A/Roth Rn 52; aA Scholz/ K. Schmidt Rn 120. 9 OLG Frankfurt GmbHR 2005, 683. 10 B/H/Zöllner Rn 53, 54; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 95; Lieder NZG 2015, 569, 578. 11 BGH GmbHR 2004, 1279, 1281; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 103 mwN. 12 BGH GmbHR 1960, 185 mit Anm Pleyer; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 103 aE.

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schaft, die für ihr Ansehen und Kredit bedeutsam sind, an die Öffentlichkeit kommen; ob die persönlichen Beziehungen zwischen den regelmäßig auf verständnisvolle Zusammenarbeit angewiesenen Beteiligten belastet werden sollen1. Diese Entscheidungszuständigkeit steht den Gesellschaftern gleichfalls in GmbH mit freiwilligem oder obligatorischem Aufsichtsrat zu2; für den Aufsichtsrat nach MitbestG 1976 ist dies jedoch zweifelhaft3. Für Ansprüche gegen den Liquidator4, den Abschlussprüfer (§ 323 Abs. 1 HGB)5 oder Aufsichtsrats- oder Beiratsmitglieder6 gilt § 46 Nr. 8 Alt. 1 analog. Daher werden von der Entscheidungszuständigkeit der Gesellschaftergesamtheit 36 nicht bloß Ansprüche aus §§ 43, 64 erfasst, sondern auch alle anderen aus der Geschäftsführer- oder der Gesellschafterstellung hergeleiteten Ersatzansprüche vertraglicher und außervertraglicher Art, zB aus Delikt7, § 687 Abs. 2 BGB8, § 812 BGB9, aus Verletzung eines Wettbewerbsverbots10, ferner Auskunftsansprüche und Feststellungsklagen hierüber11, sowie Ersatzansprüche aus § 9a gegenüber den Gründern und Geschäftsführern. Ebenso entscheiden die Gesellschafter über die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen gegen Geschäftsführer oder Gesellschafter12; aber auch über Anspruchsverzicht oder Stundung, Erlass oder Vergleich13. Nicht dem Gesellschafterentscheid unterfallen dagegen sonstige Ansprüche der 37 Gesellschaft gegen den Geschäftsführer oder die Gesellschafter14, etwa ein Anspruch gegen diese auf Darlehensrückzahlung15 oder sonstige Erfüllungsansprüche aus Rechtsgeschäften16. Auch alle Ansprüche aus unvollständiger Einlageleistung oder Einlagerückzahlung sind für die GmbH durch die Geschäftsfüh1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16

MünchKomm/Liebscher Rn 228; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 100. Krieger VGR Bd 1 (1999), S. 111, 113; B/H/Zöllner Rn 59. Dagegen R/A/Roth Rn 66; dafür Krieger VGR Bd 1(1999), S. 111, 113. BGH NJW 1969, 1712. Wie hier U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 103; Michalski/Römermann 414; G/E/S/Teichmann Rn 49; S/I/Berjahn Rn 48; Wicke Rn 19; aA B/H/Zöllner Rn 59; Scholz/K. Schmidt Rn 147; MünchKomm/Liebscher Rn 243; R/A/Roth Rn 62. B/H/Zöllner Rn 59; R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 42; Lieder NZG 2015, 569, 577 mwN. BGH GmbHR 2004, 1279, 1281. BGH BB 1975, 578. BGHZ 97, 382, 385 = GmbHR 1986, 260. BGHZ 80, 69, 75 = GmbHR 1981, 189. Näher BGH NJW 1975, 977 – Stufenklage; vgl weiter Lieder NZG 2015, 569, 576. B/H/Zöllner Rn 58; Scholz/K. Schmidt Rn 147. OLG Frankfurt NZG 1999, 767, 768 = GmbHR 1999, 1144 (LS); Krieger VGR Bd 1 (1999), S. 111, 130 f; R/A/Roth Rn 63. Ausführlich Scholz/K. Schmidt Rn 148; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 105. OLG Brandenburg GmbHR 1998, 599. BGH GmbHR 2000, 1258, 1259.

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§ 46 | Aufgabenkreis der Gesellschafter rer kraft Gesetzes auch ohne Gesellschafterbeschluss geltend zu machen1; so insbesondere auch aus Differenzhaftung, fehlerhafter Sacheinlage, Vorbelastungshaftung, aber auch aus Verlustübernahme gemäß § 302 AktG analog2. Auch für Maßnahmen im einstweiligen Rechtsschutz (dazu Anh zu § 47 Rn 89 ff) gilt § 46 Nr. 8 Alt. 1 nicht3; die GmbH kann insoweit durch (weitere) Geschäftsführer vertreten werden4. 38 Aus vorrangigen Gründen des Gläubigerschutzes ist ein Gesellschafterbeschluss

generell nicht erforderlich, wenn Ansprüche durch einen Pfändungsgläubiger oder vom Insolvenzverwalter (auch bei masseloser Liquidation5) geltend gemacht werden6. Auch für Ansprüche eines Gesellschafters aus eigenem Recht7 sowie für Ansprüche der GmbH & Co KG gegen Geschäftsführer der Komplementär-GmbH8 gilt § 46 Nr. 8 Alt. 1 nicht.

39 Der Gesellschafterbeschluss muss das vorgeworfene Fehlverhalten und den zu-

grunde liegenden Sachverhalt hinreichend genau umreißen9; es gelten aber keine überzogenen Anforderungen10. Die Gesellschafter beschließen (ggf formlos11) mit einfacher Mehrheit (§ 47 Abs. 1); sowohl der betroffene als auch jeder andere mitbeteiligte Gesellschafter ist nach § 47 Abs. 4 Satz 2 von der Abstimmung ausgeschlossen12, nicht jedoch lediglich nahestehende Mitgesellschafter13 (vgl § 47 Rn 34). Bei der Einpersonengesellschaft ist kein Beschluss erforderlich, sofern der Gesellschafterwille eindeutig (insbesondere durch Klage) zutage tritt14; dies gilt gleichermaßen in der Zweipersonengesellschaft (vgl zur Ausschließung auch bei § 34 Rn 62)15. Die Gesellschafter haben bei der Beschluss1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

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Scholz/K. Schmidt Rn 148; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 105; R/A/Roth Rn 62. Wie hier Scholz/K. Schmidt Rn 148; MünchKomm/Liebscher Rn 236. Scholz/K. Schmidt Rn 154; B/H/Zöllner Rn 60; R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 43. BGH GmbHR 2012, 638; Lutz NZG 2015, 424, 425. BGH GmbHR 2004, 1279, 1281. U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 102; R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 42 (allgemeine Meinung). U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 102. KG GmbHR 2011, 477, 479 mit Anm Blöse; vgl weiter BGHZ 76, 326, 328; OLG Hamm GmbHR 1993, 294; differenzierend B/H/Zöllner Rn 59. OLG Düsseldorf GmbHR 1995, 232; LG Karlsruhe GmbHR 2001, 392; Scholz/ K. Schmidt Rn 156. Vgl ThürOLG NZG 2001, 86, 87. BGHZ 142, 92 = GmbHR 1999, 921; Scholz/K. Schmidt Rn 155. BGHZ 97, 28, 32 ff = GmbHR 1986, 156; BGH NJW 1992, 977 = GmbHR 1992, 102; OLG Frankfurt NZG 1999, 767 = GmbHR 1999, 1144 (LS); B/H/Zöllner Rn 62. Dazu kritisch, aber im Ergebnis übereinstimmend Krieger VGR Bd 1 (1999), S. 111, 113, 114 ff. BGH GmbHR 1997, 163, 164; B/H/Zöllner Rn 63. BGH GmbHR 1991, 363, 364; BGH BB 2005, 456, 457; ThürOLG GmbHR 2015, 1267, 1269; Scholz/K. Schmidt Rn 155; Krieger VGR Bd 1 (1999), S. 111, 113.

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fassung ein Entscheidungsermessen1, sind jedoch an die Treuepflicht gebunden2. Fehlt der erforderliche Gesellschafterbeschluss, so kann der Anspruch wegen 40 Fehlens einer materiell-rechtlichen Voraussetzung auch im Außenverhältnis nicht wirksam geltend gemacht werden3. Eine Klage wird daher als unbegründet abgewiesen4, sofern der Beschluss nicht – was möglich ist5 – noch während des Prozesses nachgeholt wird; es fehlt nicht lediglich eine Prozessvoraussetzung6. Auch ohne Gesellschafterbeschluss tritt Hemmung der Verjährung ein7. Ob das Erfordernis eines Gesellschafterbeschlusses auch nach Abtretung für Klage des Zessionars gilt, ist streitig8; richtigerweise aber zu bejahen9. Wird die Geltendmachung von Ersatzansprüchen von der Gesellschaftermehr- 41 heit abgelehnt, so ist diese Entscheidung bindend. Jedoch können (unterlegene) Gesellschafter den ersatzpflichtigen Mitgesellschafter im Wege der actio pro socio auf Leistung an die Gesellschaft verklagen (ausführlich § 13 Rn 51 ff), und zwar auch in der Liquidation der GmbH10. Dies gilt stets, wenn sie zuvor den ablehnenden Gesellschafterbeschluss im Wege der Anfechtungsklage (ggf mit positiver Beschlussfeststellungsklage) haben kassieren lassen11, nach verbreiteter Auffassung kann die Rechtswidrigkeit des ablehnenden Beschlusses aber auch inzident im Ersatzprozess geltend gemacht werden12. Ist Anfechtungsklage erhoben, so kann die Ersatzklage gemäß § 148 ZPO ausgesetzt werden13. Zur Klagebefugnis gegenüber dem Geschäftsführer s. § 43 Rn 50. b) Prozessvertretung § 46 Nr. 8 Alt. 2: In allen Aktiv- und Passivprozessen14 42 mit einem aktuellen Geschäftsführer müssen die Gesellschafter ungeachtet des Grunds des Anspruchs15 die Vertretung der GmbH festlegen, weil deren nor1 Vgl auch Gehrlein BB 2004, 2585, 2593. 2 Vgl hierzu aus dem ARAG Garmenbeck-Komplex zur GmbH die vom OLG Düsseldorf kassierte Entscheidung LG Düsseldorf AG 1994, 330; hierzu näher Krieger VGR Bd 1 (1999), S. 111, 113, 117 ff. 3 B/H/Zöllner Rn 61; ausführlich U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 110 f. 4 BGHZ 28, 355, 359; BGH GmbHR 2004, 1279, 1282; Scholz/K. Schmidt Rn 159 mwN. 5 BGH NJW 1998, 1646 (zur eG); BGH GmbHR 1999, 714, 715; R/A/Roth Rn 60. 6 B/H/Zöllner Rn 61; Scholz/K. Schmidt Rn 159. 7 BGH GmbHR 1999, 714, 715; R/A/Roth Rn 60. 8 Dafür Scholz/K. Schmidt Rn 145; R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 42; aA R/A/Roth Rn 61. 9 So auch MünchKomm/Liebscher Rn 241. 10 BGH BB 2005, 456, 457. 11 So OLG Köln GmbHR 1993, 816; B/H/Zöllner Rn 64. 12 So OLG Düsseldorf GmbHR 1994, 172; Scholz/K. Schmidt Rn 161. 13 Scholz/K. Schmidt Rn 157; B/H/Zöllner Rn 64. 14 BGHZ 116, 353, 355 = GmbHR 1992, 102; BGH GmbHR 2012, 638 mit Anm Haase GmbHR 2012, 614 ff; R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 45. 15 R/A/Roth Rn 58; Scholz/K. Schmidt Rn 166; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 120.

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§ 46 | Aufgabenkreis der Gesellschafter male Handlungsfähigkeit (nämlich Vertretung durch Geschäftsführer) hier nicht gesichert ist. Unabhängig davon haben die Gesellschafter vor allem deshalb über die Prozessvertretung zu entscheiden, weil nicht unbedingt sichergestellt ist, dass die übrigen Geschäftsführer in diesem Prozess die Interessen der Gesellschaft ausreichend unvoreingenommen und mit dem gebotenen Nachdruck verfolgen. Aus diesem Grund gilt § 46 Nr. 8 Alt. 2 nach zutreffender, aber bestrittener Auffassung auch bei Prozessen gegen frühere Geschäftsführer1. Für Ersatzansprüche der GmbH hat dies der BGH schon früh bejaht2; bei Streit über die Abberufung wird man nicht anders entscheiden können3. Jedenfalls ist die Bestellung eines besonderen Vertreters durch die Gesellschafter in diesem Fall zulässig4. Machen die Gesellschafter von ihrer Kompetenz keinen Gebrauch, soll es nach hM5 bei der Vertretung durch die Geschäftsführer bleiben; indes spricht viel dafür, dass die Geschäftsführer unverzüglich einen Gesellschafterbeschluss herbeiführen und dann einen besonderen Vertreter bestellen müssen6. Dies gilt insbesondere auch nach einem vorausgegangenen e.V.-Verfahren, das allein von der Geschäftsführung betrieben wurde (dazu Rn 37 aE)7. 43 Vertretung durch Aufsichtsrat ist bei Vorhandensein eines solchen möglich und

mangels abweichender Satzungsregelung auch so angeordnet (§ 112 AktG)8; im Anwendungsbereich des MitbestG 1976 ist dies auch zwingend (§ 25 MitbestG iVm § 112 AktG)9. Streitig ist, ob (nur) für Ersatzansprüche § 147 Abs. 2 Satz 1 AktG analog gilt; dies sollte auch bei der nach MitbestG 1976 mitbestimmten GmbH möglich sein10; denn es gibt keinen Grund, GmbH-Gesellschafter strenger als Aktionäre zu behandeln11.

44 Auch gegen aktuelle und ausgeschiedene Gesellschafter kann die Gesellschaf-

tergesamtheit einen Prozessvertreter bestimmen. Dies ist generell dann erforderlich, wenn Ersatzansprüche geltend gemacht werden sollen und der Geschäfts1 So R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 45; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 121; MünchKomm/Liebscher Rn 270; aA B/H/Zöllner Rn 67; R/A/Roth Rn 57; OLG Brandenburg GmbHR 1998, 599; wie hier und ausdrücklich gegen OLG Brandenburg jüngst OLG Zweibrücken GmbHR 2015, 1047, 1048. 2 BGHZ 28, 355, 357; insoweit auch U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 121. 3 Insoweit auch B/H/Zöllner Rn 67; R/A/Roth Rn 57. 4 So auch Scholz/K. Schmidt Rn 167; R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 47; vgl auch BGHZ 116, 353, 355 = GmbHR 1992, 102. 5 BGH GmbHR 1992, 299; BGH GmbHR 2012, 638; OLG Zweibrücken GmbHR 2015, 1047 ff mit Anm Pröpper; R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 46 mwN. 6 So B/H/Zöllner Rn 68; MünchKomm/Liebscher Rn 288; Krieger VGR Bd 1(1999), S. 111, 113, 124; ähnlich Lieder NZG 2015, 369, 578. 7 So auch Lutz NZG 2015, 424, 425. 8 B/H/Zöllner Rn 69; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 117. 9 OLG Brandenburg NZG 2000, 143; R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 47. 10 Wie hier B/H/Zöllner Rn 69; R/A/Roth Rn 56; aA Scholz/K. Schmidt Rn 165. 11 So auch B/H/Zöllner Rn 66.

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führer wegen derselben Pflichtverletzung in Anspruch genommen wird1. Mit der hM ist die Regelung gemäß § 46 Nr. 8 Alt. 2 analog hierauf jedoch nicht beschränkt2. Der betroffene Gesellschafter ist nach § 47 Abs. 4 vom Stimmrecht ausgeschlossen (§ 47 Rn 45, 47)3. Wem die Prozessvertretung übertragen wird, steht im Ermessen der Gesell- 45 schafter4: Einem Gesellschafter5, einem anderen Geschäftsführer oder einem gesellschaftsfremden Dritten, etwa auch dem bevollmächtigten Prozessanwalt6. Nach der (notwendigen) Annahme der Aufgabe untersteht der Prozessvertreter den Weisungen der Gesellschaftergesamtheit (§ 37 Abs. 1 analog). Aus eigenem Recht kann der Prozessvertreter Einsicht in die Bücher und Schriften der Gesellschaft verlangen, soweit dies für die Durchführung des Prozesses notwendig ist und die Gesellschafter nichts anderes beschlossen haben. Die Geschäftsführer haben insoweit kein Bestimmungsrecht und können vom Prozessvertreter auch nicht verlangen, die Notwendigkeit der Einsichtnahme zu begründen7.

§ 47 Abstimmung (1) Die von den Gesellschaftern in den Angelegenheiten der Gesellschaft zu treffenden Bestimmungen erfolgen durch Beschlussfassung nach der Mehrheit der abgegebenen Stimmen. (2) Jeder Euro eines Geschäftsanteils gewährt eine Stimme. (3) Vollmachten bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Textform. (4) Ein Gesellschafter, welcher durch die Beschlussfassung entlastet oder von einer Verbindlichkeit befreit werden soll, hat hierbei kein Stimmrecht und darf ein solches auch nicht für andere ausüben. Dasselbe gilt von einer Beschlussfassung, welche die Vornahme eines Rechtsgeschäfts oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits gegenüber einem Gesellschafter betrifft. 1 BGHZ 97, 28, 35 = GmbHR 1986, 156; BGHZ 116, 353, 355 = GmbHR 1992, 102; R/S-L/ Koppensteiner/Gruber Rn 46. 2 B/H/Zöllner Rn 65, 67; Scholz/K. Schmidt Rn 170; R/A/Roth Rn 57; enger MünchKomm/ Liebscher Rn 271; Lieder NZG 2015, 569, 578. 3 BGHZ 97, 28, 35 = GmbHR 1986, 156. 4 Ausführlich MünchKomm/Liebscher Rn 275 mwN. 5 BGH GmbHR 1992, 102. 6 Scholz/K. Schmidt Rn 172; Michalski/Römermann Rn 494; nunmehr auch U/H/L/Hüffer/ Schürnbrand Rn 123 aE. 7 OLG München DB 1996, 1967 = GmbHR 1997, 128 (LS).

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§ 47 | Abstimmung Abs. 1 und 4 seit 1892 unverändert; in Abs. 3 durch Gesetz vom 13.7.2001 (BGBl I 1542) seit 1.8.2001 Schriftform durch Textform ersetzt; Abs. 2 durch EuroEG 1998 (BGBl I 1242) geändert; durch MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl I 2026) wurde Abs. 2 an § 5 Abs. 2 Satz 1 angepasst sowie eine amtliche Überschrift eingefügt. I. 1. 2. II. 1. 2. 3.

4.

III. 1. 2.

Beschlussfassung (§ 47 Abs. 1) . Begriff und Rechtsnatur . . . . . . Beschlusswirkungen . . . . . . . . . Stimmrecht und Abstimmung . Mitgliedschaftliches Recht . . . . . Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . Pflichtenbindung bei der Stimmrechtsausübung . . . . . . . . . . . . a) Grundsatz: freie Stimmrechtsausübung . . . . . . . . . . . . . . b) Stimmrechtsmissbrauch . . . . c) Positive Stimmpflicht . . . . . . Stimmbindungsverträge . . . . . . a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . b) Schranken . . . . . . . . . . . . . . c) Durchsetzung . . . . . . . . . . . Stimmabgabe durch Vertreter . Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . Vollmacht . . . . . . . . . . . . . . . .

1 1 3 4 4 7 13 13 14 17 19 19 21 22 25 25 28

3. Vertretung ohne Vertretungsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gesetzliche Vertreter . . . . . . . . IV. Stimmrechtsausschluss (§ 47 Abs. 4) . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick und Normzweck . . . . 2. Abdingbarkeit in der Satzung? . . 3. Umgehung . . . . . . . . . . . . . . . 4. Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . . . a) Entlastung eines Gesellschafters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Befreiung von einer Verbindlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtsstreit . . . . . . . . . . . . . d) Vornahme eines Rechtsgeschäfts gegenüber einem Gesellschafter . . . . . . . . . . . e) Sozialakte . . . . . . . . . . . . . . 5. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . .

30 31 32 32 37 38 43 43 46 47 48 49 52

I. Beschlussfassung (§ 47 Abs. 1) 1. Begriff und Rechtsnatur 1 Beschluss ist der Akt der Willensäußerung der Gesellschafter als oberstes Or-

gan der GmbH (§ 45 Rn 3, § 46 Rn 1)1. Er erfolgt im Verfahren und als Ergebnis einer Abstimmung = Beschlussfassung (Rn 7), als positiver oder negativer Beschluss, und zwar regelmäßig im Rahmen einer Gesellschafterversammlung gemäß §§ 48–51 (zu Ausnahmen gemäß § 48 Abs. 2: § 48 Rn 21 ff). Bedingungen und Befristungen sind möglich2. Der Beschluss ist nach heute hM ein mehrseitiges Rechtsgeschäft, aber kein Vertrag3; er unterliegt im Hinblick auf Anfechtbarkeit und Nichtigkeit aber besonderen gesellschaftsrechtlichen Regeln (ausführlich Anh zu § 47 Rn 1 ff). 1 B/H/Zöllner Rn 2; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 2 mwN. 2 B/H/Zöllner Rn 6; OLG Stuttgart GmbHR 2004, 417 (auflösend bedingte Geschäftsführerbestellung). 3 R/A/Roth Rn 2; B/H/Zöllner Rn 4; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 18.

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Die Stimmabgabe ist eine auf einen rechtlichen Erfolg1 gerichtete, empfangs- 2 bedürftige Willenserklärung des Gesellschafters2. Hierfür gelten die allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Vorschriften der §§ 104 ff BGB3; vgl zur treuwidrigen Stimmabgabe (Stimmrechtsmissbrauch) Rn 14 ff. Empfänger ist die Gesellschaft, vertreten durch den Versammlungsleiter, die Mitgesellschafter oder die Geschäftsführer4. Das gilt auch in der Einpersonengesellschaft5; eine vollmachtlose Stimmabgabe kann gemäß § 180 Satz 2 BGB genehmigt werden6 (vgl auch noch Rn 30). 2. Beschlusswirkungen Beschlüsse wirken zunächst nur intern; teilweise tragen sie ihre Außenwirkung 3 in sich (zB Auflösungsbeschluss gemäß § 60 Abs. 1 Nr. 2); teilweise bedürfen sie für eine Außenwirkung einer Ausführung in Form eines Rechtsgeschäfts durch ein vertretungsberechtigtes Organ, sei es die Gesellschaftergesamtheit, sei es die Geschäftsführung (zB Einforderung der Einlage, dazu § 46 Rn 12); teilweise erfordern Beschlüsse zu ihrer Wirksamkeit die Eintragung im Handelsregister (zB Satzungsänderung, vgl § 54 Abs. 3, § 54 Rn 14 ff). Aufhebung oder Änderung von Beschlüssen ist ohne Weiteres zulässig, solange noch keine Außenwirkung eingetreten ist; für eine Aufhebung reicht die einfache Mehrheit7, für eine Änderung ist ggf eine höhere Mehrheit erforderlich8 (vgl für Satzungsänderungen: § 53 Rn 48). Soweit Beschlüsse der Zustimmung einzelner Gesellschafter bedürfen, handelt es sich dabei um die Erklärung des Einverständnisses mit den Beschlüssen selbst, nicht um eine Zustimmung zum Antrag im Sinne einer JaStimme. Die Zustimmung unterliegt nicht den Regeln für die Stimmabgabe; sie kann vielmehr auch vor oder nach der Beschlussfassung erfolgen und ist stets formfrei9.

1 Dazu OLG Brandenburg GmbHR 1997, 750. 2 BGHZ 14, 264, 267; BGHZ 48, 161, 173; ThürOLG GmbHR 2006, 985, 986; R/S-L/Koppensteiner Rn 3. 3 Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 22; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 44; zur Bindungswirkung: ThürOLG GmbHR 2006, 985, 986 mwN. 4 B/H/Zöllner Rn 7; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 44; ausführlich Messer Der Widerruf der Stimmabgabe, FS Fleck, 1988, S. 221, 226 ff. 5 OLG München GmbHR 2011, 89, 90; LG Hamburg GmbHR 1998, 987; Michalski/Römermann Rn 37; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 18. 6 OLG München GmbHR 2011, 89, 90; OLG Frankfurt GmbHR 2003, 415; OLG Celle GmbHR 2007, 318, 319; B/H/Zöllner Rn 7. 7 U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 41; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 33. 8 U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 42 f; R/A/Roth Rn 10 ff. 9 U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 32 f; Scholz/K. Schmidt Rn 12 und § 45 Rn 54.

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§ 47 | Abstimmung II. Stimmrecht und Abstimmung Literatur: Armbrüster Zur uneinheitlichen Stimmabgabe im Gesellschaftsrecht, FS Bezzenberger, 2000, S. 3; Berner/Stadler Die uneinheitliche Stimmabgabe beim GmbH-Geschäftsanteil – Gesetzesverstoß oder sinnvolles, gleichermaßen auch zulässiges Gestaltungsmittel?, GmbHR 2003, 1407; Blasche Die uneinheitliche Abgabe der Stimmen aus GmbH-Geschäftsanteilen, GmbHR 2016, 99; Cahn Bescheidungsanspruch des Minderheitsgesellschafters und Treupflicht in der GmbH, GmbHR 2015, 67; Ekkenga Stimmrechtsbeschränkungen und positive Stimmpflichten des herrschenden Unternehmens im GmbH-Konzern, Der Konzern 2015, 409; Fleck Stimmrechtsabspaltung in der GmbH?, FS R. Fischer, 1979, S. 107; Hennrichs Gesellschafterbeschlüsse über Geschäftsführungsmaßnahmen und Treupflicht, NZG 2015, 41; Priester Gespaltene Stimmabgabe bei der GmbH, FG Weichler, 1997, S. 101; Schauf Die (un-)heimliche Stimmrechtsausübung in der Gesellschafterversammlung im Falle einer Treuhandkonstruktion, GmbHR 2015, 799.

1. Mitgliedschaftliches Recht 4 Das Stimmrecht ist ein Teil des Mitgliedschaftsrechts jedes Gesellschafters (nä-

her § 14 Rn 17), der nach §§ 16 Abs. 1, 40 in die Gesellschafterliste eingetragen ist1, und untrennbar mit der Mitgliedschaft verbunden. Daher haben Dritte kein Stimmrecht, und das Stimmrecht kann nach zutreffender Auffassung auch nicht von der Mitgliedschaft getrennt werden2 (sog Abspaltungsverbot; vgl dazu § 14 Rn 22). Stimmberechtigt ist nur der Treuhänder, nicht der Treugeber; doch ist ebenso wie bei Pfandrecht und Nießbrauch Stimmrechtsvollmacht möglich (ausführlich § 14 Rn 24); darüber hinaus kommen schuldrechtlich wirkende Stimmbindungen (dazu Rn 19 ff; vgl weiter § 3 Rn 59, § 14 Rn 20; Anh zu § 47 Rn 44) in Betracht, wodurch die Interessen von Treugeber, Pfandgläubiger und Nießbraucher gewahrt werden können (Problematik sehr streitig)3. Bedürfnis für eine sog Legitimationsübertragung (vgl § 129 Abs. 3 AktG) ist daher zu verneinen4. Eine erteilte Legitimationszession lässt sich in eine Bevollmächtigung zur Stimmrechtsausübung umdeuten5.

5 Stimmrecht besteht auch dann, wenn Einlage noch nicht vollständig geleistet

wurde, auch bis zum Abschluss des Kaduzierungsverfahrens (§§ 21 ff)6; bei Kündigung bzw Ausschluss geht das Stimmrecht erst mit Wirksamkeit des Ausschei-

1 MünchKomm/Drescher Rn 69; OLG Zweibrücken GmHR 2012, 689. 2 BGHZ 43, 261, 267; B/H/Zöllner Rn 40; R/A/Roth Rn 19. 3 Hierzu U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 52 ff; R/A/Roth Rn 19 ff; großzügiger R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 24 ff. 4 Bejahend hingegen OLG Celle GmbHR 2007, 318, 319; MünchKomm/Drescher Rn 78; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 57; kritisch Scholz/K. Schmidt Rn 21; B/H/Zöllner Rn 41; B/S/Casper Rn 18; Henssler/Strohn/Hillmann Rn 35 mwN. 5 BGH GmbHR 2008, 702; R/A/Roth Rn 19 (allgemeine Meinung). 6 B/H/Zöllner Rn 36; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 48 aE.

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dens verloren1 (zu Einschränkungen: Rn 17). In der Satzung kann indes für diese Fälle ein Ruhen des Stimmrechts angeordnet werden; ebenso kann die Volleinzahlung zur Voraussetzung gemacht werden2. Auch stimmrechtslose Geschäftsanteile sind möglich3, und zwar anders als im Aktienrecht auch ohne Gewinnvorzug4 und ohne Mengenbeschränkung bis zum vorletzten Geschäftsanteil5. Entzug des Stimmrechts bedeutet nicht zugleich Wegfall von Zustimmungsvorbehalten6. Auch Stimmrechtsbeschränkung (Höchststimmrecht) ist analog § 134 Abs. 1 Satz 2 AktG möglich7. Ebenso können in der Satzung Mehrstimmrechte vereinbart werden8. Die GmbH hat aus eigenen Geschäftsanteilen (vgl § 33) analog § 71b AktG 6 kein Stimmrecht; dieses ruht9. Gleiches gilt, wenn ein Dritter für Rechnung der GmbH Geschäftsanteile erwirbt oder von ihr abhängig ist (analog § 71d Satz 1, 2 und 4 AktG)10. 2. Abstimmung a) Gesellschafterbeschlüsse bedürfen der einfachen Mehrheit, soweit nicht das 7 Gesetz11 (zB § 53 Abs. 2) oder die Satzung etwas anderes bestimmen12. Die Mehrheit bestimmt sich nicht nach Köpfen, sondern nach den Nominalwerten der Geschäftsanteile; seit der MoMiG-Reform gewährt jeder Euro eines Geschäftsanteils eine Stimme (§ 47 Abs. 2). Mehrheit bedeutet, dass mindestens eine Ja-Stimme mehr abgegeben wird als Nein-Stimmen13; bei Stimmengleichheit ist der Antrag abgelehnt14. Gezählt werden nur die gültigen, abgegebenen Stimmen; Stimmenthaltungen gelten als „nicht abgegeben“ und zählen daher ebenso

1 BGHZ 88, 320, 323 ff = GmbHR 1984, 93; OLG Düsseldorf NZG 2000, 1180, 1181; OLG Celle 9 U 191/82, GmbHR 1983, 273, 274; Scholz/K. Schmidt Rn 25; aA noch RGZ 114, 212, 218. 2 R/A/Roth Rn 17; B/S/Casper Rn 18. 3 BGHZ 14, 264, 270; Scholz/K. Schmidt Rn 11; Schäfer GmbHR 1998, 113, 115 ff. 4 B/H/Zöllner Rn 70; R/A/Roth Rn 17. 5 OLG Frankfurt GmbHR 1990, 79, 82; R/A/Roth Rn 17; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 58. 6 B/H/Zöllner Rn 33; R/A/Roth Rn 17; ausführlich Schäfer ZHR 167 (2003), 149 ff. 7 Scholz/K. Schmidt Rn 11; R/A/Roth Rn 17. 8 BayObLG GmbHR 1986, 87; OLG Frankfurt GmbHR 1990, 79, 80; Scholz/K. Schmidt Rn 11. 9 B/H/Zöllner Rn 57; R/S-L/Koppensteiner Rn 21 (allgemeine Meinung). 10 B/H/Zöllner Rn 57; Scholz/K. Schmidt Rn 24 (allgemeine Meinung). 11 Auflistung bei U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 18; Scholz/K. Schmidt Rn 4. 12 OLG Frankfurt GmbHR 2010, 260 (Mehrheit von 51% des Stammkapitals). 13 B/H/Zöllner Rn 23; Scholz/K. Schmidt Rn 3. 14 Scholz/K. Schmidt Rn 3; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 17.

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§ 47 | Abstimmung wie ungültige Stimmen1 nicht mit2. Die Satzung kann hiervon abweichen, doch muss dies klar zum Ausdruck kommen3. 8 b) Zur Beschlussfähigkeit macht das Gesetz keine Vorgaben; daher kann man-

gels zulässiger abweichender Satzungsregelung auch in einer MehrpersonenGmbH bei ordnungsgemäßer Einladung ein einzelner Gesellschafter gültige Beschlüsse – auch wenn eine qualifizierte Stimmenmehrheit erforderlich ist – fassen4.

9 c) Keine gesetzlichen Vorgaben finden sich auch zum Abstimmungsvorgang, so

dass die verfahrensrechtliche Entscheidung bei Schweigen der Satzung hierüber bei den Gesellschaftern bzw beim Versammlungsleiter (zu ihm näher § 48 Rn 14 ff) liegt. Eingebürgert haben sich in der Praxis allerdings folgende Regelungen: Zeitlich sind zunächst Anträge zur Geschäftsordnung, danach die sachlich weitgehendsten Anträge zur Abstimmung zu stellen5. Weiterhin ist grundsätzlich über jeden Beschlussgegenstand einzeln abzustimmen6. Allerdings ist bei zusammenhängenden Sachfragen (zB Entlastung Geschäftsführer) auch eine Blockabstimmung möglich, insbesondere, wenn dies (zulässigerweise)7 in der Satzung oder mehrheitlich in der Versammlung festgelegt wurde, ohne dass hiergegen Einwände erhoben wurden.

10 d) Aus einem Geschäftsanteil kann – gleich ob der Geschäftsanteil nur eine

Stimme oder mehrere Stimmen vermittelt8 – nur einheitlich abgestimmt werden9; dies folgt aus dem Rechtsgedanken des § 18 Abs. 1 und gilt auch im Hinblick auf mehrfache Bevollmächtigung10 (dazu noch Rn 25 ff). Inwieweit die Satzung hiervon abweichen darf, ist höchst streitig11. Besitzt ein Gesellschafter hin-

1 Dazu BGHZ 76, 154, 158 = GmbHR 1980, 295; BGHZ 80, 212, 215 = GmbHR 1982, 67 („selbstverständlich“). 2 BGHZ 83, 35, 36 f (Verein); OLG Celle GmbHR 1998, 140, 143; B/H/Zöllner Rn 23; Scholz/K. Schmidt Rn 3; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 17. 3 BGH ZIP 2011, 1906 (Publikums-KG); vgl auch OLG Frankfurt GmbHR 2010, 260; Scholz/K. Schmidt Rn 8. 4 OLG Köln GmbHR 2002, 492; R/A/Roth Rn 5. 5 So auch U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 13. 6 Lutter FS Odersky, 1996, S. 845, 847. 7 BGHZ 180, 9 Rn 30 f (zur AG-Listenwahl). 8 Näher Schauf GmbHR 2015, 799, 800 f mwN. 9 RGZ 118, 67, 69; BGH GmbHR 1965, 32; BGHZ 104, 66, 74; OLG Köln DB 1996, 2123; B/H/Zöllner Rn 20; R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 39; B/S/Casper Rn 10; Scholz/ K. Schmidt Rn 69; tendenziell offener Priester FS Weichler, 1997, S. 101 ff; aA Armbrüster FS Bezzenberger, 2000, S. 3, 13 ff; Berner/Stadler GmbHR 2003, 1407, 1410 ff; MünchKomm/Drescher Rn 41; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 64; ausführlich jüngst Blasche GmbHR 2016, 99, 101 f. 10 BGH BB 1964, 1272; Scholz/K. Schmidt Rn 67; R/A/Roth Rn 29. 11 Bejahend LG München GmbHR 2006, 431 mit Anm Schüppen; vgl weiter Priester FS Weichler, 1997, S. 110 ff; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 65 mwN.

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gegen mehrere Geschäftsanteile, dann ist eine uneinheitliche Stimmabgabe jedenfalls dann möglich, wenn ein schutzwürdiges Interesse geltend gemacht werden kann, zB gegenüber einem Treugeber oder Nießbraucher des jeweiligen Geschäftsanteils1. Umgekehrt kann die Satzung aber stets die einheitliche Stimmabgabe auch aus mehreren Geschäftsanteilen anordnen2. Ist die uneinheitliche Stimmabgabe unzulässig, dann sind alle unzulässig abgegebenen Stimmen als Enthaltungen zu zählen3. e) Eine Beschlussfeststellung ist – anders als im Aktienrecht – nicht gesetzlich an- 11 geordnet4. Jedoch kann die (förmliche) Beschlussfeststellung von der Satzung zur Voraussetzung der Wirksamkeit des Beschlusses gemacht werden5. Wird von einem ordnungsgemäß bestimmten Versammlungsleiter (näher § 48 Rn 14, 17a) oder mit Einverständnis aller Gesellschafter allerdings ein Beschlussergebnis festgestellt, dann kann ein Fehler – soweit keine Nichtigkeit vorliegt – nur im Wege der Beschlussanfechtung geltend gemacht werden6 (ausführlich Anh zu § 47 Rn 38 f). f) In der Vor-GmbH gilt für die Bestellung der Geschäftsführer durch Gesell- 12 schafterbeschluss das allgemeine Mehrheitsprinzip7; wegen der Gefahr der Verlustdeckungs- und Vorbelastungshaftung (dazu § 11 Rn 18 ff, 41 ff) bedürfen indes Beschlüsse, durch die die Gesellschafter die in der Vor-GmbH nur eingeschränkt bestehende Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer erweitern8 (dazu § 11 Rn 17), der Zustimmung aller Gesellschafter (sehr streitig; ausführlich § 11 Rn 17). Satzungsänderungen vor Eintragung bedürfen nach hM der Mitwirkung aller Gesellschafter und der Beachtung der Form des § 2 (ausführlich § 2 Rn 48). 3. Pflichtenbindung bei der Stimmrechtsausübung a) Grundsatz: freie Stimmrechtsausübung: Die Gesellschafter können ihr 13 Stimmrecht grundsätzlich nach freiem Belieben, dh insbesondere auch mit Blick auf ihren eigenen Vorteil ausüben9. Dies heißt allerdings nicht, dass die 1 B/H/Zöllner Rn 20; Scholz/K. Schmidt Rn 72; B/S/Casper Rn 10; weitergehend Priester FS Weichler, 1997, S. 101, 108; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 62; jüngst ausführlich Schauf GmbHR 2015, 799, 801 f; Blasche GmbHR 2016, 99, 102 f. 2 R/S-L/Koppensteiner Rn 41; ausführlich Blasche GmbHR 2016, 99, 103 mwN; einschränkend Scholz/K. Schmidt Rn 74. 3 RGZ 118, 69; R/S-L/Koppensteiner Rn 42; Scholz/K. Schmidt Rn 71. 4 BGHZ 88, 320, 329 = GmbHR 1984, 93; OLG Hamburg GmbHR 1992, 43 – Cats; OLG Dresden NZG 2001, 809; B/H/Zöllner Rn 26; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 28; Scholz/ K. Schmidt § 45 Rn 21; teilweise abweichend BGH GmbHR 1990, 68. 5 Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 20; B/H/Zöllner Rn 27. 6 U/H/L/Hüffer/Schürnbrand 29; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 21. 7 BGHZ 80, 212, 214 = GmbHR 1982, 67 (allgemeine Meinung). 8 Vgl BGHZ 80, 129, 139 = GmbHR 1981, 114. 9 Vgl nur Scholz/K. Schmidt Rn 26.

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§ 47 | Abstimmung Stimmrechtausübung generell völlig schrankenlos wäre. Die prinzipiell autonome Stimmrechtsmacht der Gesellschafter kann vielmehr ausnahmsweise im Einzelfall durch die gesellschaftliche Treuepflicht (dazu § 14 Rn 29 ff), den Gleichbehandlungsgrundsatz (dazu § 14 Rn 46 ff) oder den Gesellschaftszweck (dazu § 1 Rn 2 ff) begrenzt sein1 (vgl zum Stimmrechtsmissbrauch ausführlich Rn 14 ff). 14 b) Ob ein Stimmrechtsmissbrauch vorliegt, ist stets durch eine Gesamtwürdi-

gung sämtlicher Umstände des Einzelfalls festzustellen2. Die Treuepflicht verpflichtet den Gesellschafter im Rahmen des gemeinsamen Zwecks zur Loyalität gegenüber der Gesellschaft und zur angemessenen Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen seiner Mitgesellschafter3 (vgl auch bereits § 14 Rn 29). Analog § 243 Abs. 2 Satz 1 AktG kann eine Stimmabgabe insbesondere dann treuwidrig sein, wenn der Gesellschafter damit Sondervorteile zum Nachteil der Gesellschaft oder seiner Mitgesellschafter verfolgt4.

15 Einzelfälle: Ein treuwidriger Stimmrechtsmissbrauch kann zB vorliegen, wenn

ein Mehrheitsgesellschafter durch einen Auflösungsbeschluss in illoyaler Weise versucht, sich das Unternehmen möglichst günstig anzueignen5 (vgl auch § 60 Rn 6); ferner die Entlastung trotz schwerer Gesetzes- oder Satzungsverstöße6 (vgl § 46 Rn 27); die Zustimmung zu einer in die Abhängigkeit führenden Befreiung vom Wettbewerbsverbot, sofern sie nicht im Interesse der GmbH geboten ist7; der sachgrundlose Austausch des Abschlussprüfers gegen den Willen der Minderheit8; die Zubilligung einer unangemessen hohen Vergütung an einen (Gesellschafter-)Geschäftsführer9; die Aufhebung eines Vorerwerbsrechts, sofern sie sich als unverhältnismäßige Reaktion der Mehrheit auf unkooperatives Verhalten des Minderheitsgesellschafters darstellt10; die Ablehnung der Be-

1 Vgl B/H/Zöllner Rn 107; Scholz/K. Schmidt Rn 26; Wicke Rn 11. 2 Vgl BGH GmbHR 1981, 111; GmbHR 1981, 189, 190; OLG Saarbrücken DStR 2007, 916; OLG Düsseldorf GmbHR 2001, 1049, 1055; Scholz/K. Schmidt Rn 28; Remmert/ Schmalz GmbHR 2008, 85, 90. 3 Vgl BGH DStR 1993, 1566, 1567; OLG Düsseldorf NZG 2005, 633, 635; OLG Stuttgart AG 2004, 271, 274; Scholz/K. Schmidt Rn 29. 4 BGH GmbHR 1977, 129, 130 f; BGH NJW 1980, 1278 f = GmbHR 1981, 111; OLG Hamm GmbHR 1992, 802, 803; Scholz/K. Schmidt Rn 29. 5 BGH NJW 1980, 1278 = GmbHR 1981, 111; BGHZ 103, 184 (für die AG). 6 Grundlegend zur AG BGHZ 153, 47, 51 – Macrotron; bestätigend BGH AG 2005, 87, 88 f – Thyssen/Krupp; ebenso bereits OLG Düsseldorf GmbHR 2001, 1049; vgl ferner auch schon BGH GmbHR 1977, 361; OLG Hamm GmbHR 1992, 802, 803; wie hier B/H/Zöllner § 46 Rn 44; R/A/Roth § 46 Rn 37; großzügiger wohl Scholz/K. Schmidt § 46 Rn 99. 7 BGH GmbHR 1981, 189. 8 BGH GmbHR 1991, 568, 569. 9 Vgl BGH WM 1976, 1226, 1227; LG Mainz NZG 2002, 918; s. aber auch BGH DZWiR 2007, 292 mit Anm Lieder (ggf Pflicht zur Zustimmung zu einer angemessenen Vergütung) = GmbHR 2007, 260. 10 BGH DStR 1993, 1566 mit Anm Goette.

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seitigung einer satzungswidrigen Firma1, die Rückforderung eines Gesellschafterdarlehens zur Unzeit2; die Zustimmung zu Strukturentscheidungen trotz erkennbarer Bewertungsfehler3; die Zustimmung zu einem Einziehungsbeschluss durch Gesellschafter, die ihrerseits verpflichtet wären, dem Betroffenen ihre Anteile anzubieten4. Vgl zur Treuepflicht im Konzern Anh zu § 13 Rn 37 f, 39 ff. Die rechtsmissbräuchliche Ausübung des Stimmrechts führt zur Nichtigkeit der 16 Stimmabgabe; die Stimmen dürfen bei der Feststellung des Beschlussergebnisses nicht mitgezählt werden5. Sofern die Nichtberücksichtigung der Stimmen sich auf das Ergebnis des Beschlusses auswirkt, so ist dieser anfechtbar6. Zudem macht sich der betreffende Gesellschafter ggf schadensersatzpflichtig7. c) Positive Stimmpflicht: Aus der gesellschaftlichen Treuepflicht kann sich aus- 17 nahmsweise sogar die Pflicht zur Zustimmung ergeben, wenn die zu beschließende Maßnahme mit Rücksicht auf das Gesellschaftsverhältnis objektiv dringend geboten und dem betreffenden Gesellschafter subjektiv zumutbar ist8. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn für den Fortbestand der Gesellschaft auf Grund einer Änderung der Rechtslage eine Anpassung der Satzung erforderlich ist9. Weiterhin kann sich eine positive Stimmpflicht zB im Falle dringend erforderlicher Sanierungsmaßnahmen10, im Hinblick auf die Heilung einer verdeckten Sacheinlage11 (vgl bereits § 19 Rn 96), dem Verlangen eines Sonderrechtsinhabers auf Abschluss eines Anstellungsvertrags mit dem präsentierten Geschäftsführer (vgl § 46 Rn 25)12, die Zustimmung zur Übertragung vinkulierter Geschäftsanteile13 (dazu § 15 Rn 77 ff), zur Umstellung des Stammkapitals auf Euro (dazu § 1 EGGmbHG Rn 15) oder zur Zahlung einer angemes-

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

OLG Stuttgart NZG 1998, 601, 603 ff = GmbHR 1998, 943 (LS) – Dornier. OLG Frankfurt GmbHR 2005, 550, 555 f mit Anm Fritsche. OLG Stuttgart AG 2004, 271; OLG Stuttgart AG 2003, 456; OLG Stuttgart BB 2001, 794. OLG Düsseldorf GmbHR 2004, 572, 581. BGH GmbHR 1991, 62; BGH GmbHR 1993, 579, 580, 581; OLG Düsseldorf GmbHR 2001, 1049, 1053; OLG Hamburg GmbHR 1992, 43, 45; Scholz/K. Schmidt Rn 32. BGH GmbHR 1977, 129, 131; BGH GmbHR 1991, 62; BGH GmbHR 1993, 579, 580, 581; OLG Düsseldorf GmbHR 2001, 1049, 1055 f; OLG Frankfurt GmbHR 2005, 550, 555 f; Scholz/K. Schmidt Rn 32. Näher Scholz/K. Schmidt Rn 33; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 205. BGH GmbHR 1986, 426; B/H/Zöllner Rn 108; Scholz/K. Schmidt Rn 31; vgl ferner auch BGH DZWiR 2007, 292 mit Anm Lieder = GmbHR 2007, 260. BGH GmbHR 1986, 426 (Kapitalerhöhung auf Grund GmbH-Novelle 1980); R/A/Roth Rn 44; Scholz/K. Schmidt Rn 31. BGH GmbHR 1995, 665 (zur AG); Scholz/K. Schmidt Rn 31. BGH GmbHR 2003, 1051. Ausführlich Cramer NZG 2011, 171 ff. OLG Hamm NJW-RR 2001, 109; OLG Koblenz GmbHR 1990, 39, 41; Scholz/ K. Schmidt Rn 31.

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§ 47 | Abstimmung senen Vergütung an den Gesellschaftergeschäftsführer1 ergeben. Daneben kann es speziell einem „Noch-Gesellschafter“, dessen Ausscheiden bereits feststeht, auf Grund der bis zum Ausscheiden fortbestehenden Treuepflicht verboten sein, ohne triftigen Grund gegen eine sachlich vertretbare Maßnahme zu stimmen, die seine Vermögensinteressen weder unmittelbar noch mittelbar in irgendeiner Weise beeinträchtigen kann2. Treuwidrig (und damit anfechtbar, vgl Rn 16) kann aber auch die Ablehnung eines vom Minderheitsgesellschafter gemäß § 50 zur Abstimmung gestellten Beschlussantrags (näher § 50 Rn 2) durch die Mehrheit sein3. 18 Sofern ausnahmsweise eine solche positive Stimmpflicht besteht, kann sie im

Wege der Leistungsklage (Vollstreckung gemäß § 894 ZPO) durchgesetzt werden4. Möglich – und idR prozessökonomischer – ist aber grundsätzlich auch eine Anfechtungsklage iVm einer positiven Beschlussfeststellungsklage5 (vgl dazu allgemein Anh zu § 47 Rn 40 f). Falls eine besonders schwere Beeinträchtigung der Gesellschaft oder der anderen Gesellschafter droht, kann die positive Stimmabgabe auch mittels einstweiliger Verfügung erzwungen werden6 (s. schon § 14 Rn 34 sowie Anh zu § 47 Rn 92). Vgl auch Rn 22 ff zur Parallelfrage der Durchsetzung von Stimmbindungsverträgen. 4. Stimmbindungsverträge Literatur: Behrens Stimmrecht und Stimmbindung, FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 539; Goette Satzungsdurchbrechung und Beschlussanfechtung, RWS-Forum 8, 1995, S. 113; Hoffmann-Becking Der Einfluss schuldrechtlicher Gesellschaftervereinbarungen auf die Rechtsbeziehungen in der Kapitalgesellschaft, ZGR 1994, 442; D. Mayer Die Zulässigkeit von Stimmbindungsverträgen im GmbH-Recht, GmbHR 1990, 61; Noack Gesellschaftervereinbarungen bei Kapitalgesellschaften, 1994; Priester Drittbindung des Stimmrechts und Satzungsautonomie, FS Werner, 1984, S. 657; Rodemann Stimmbindungsvereinbarungen in den Aktien- und GmbH-Rechten Deutschlands, Englands, Frankreichs und Belgiens, 1998; Ulmer „Satzungsgleiche“ Gesellschaftervereinbarungen bei der GmbH?, FS Röhricht, 2005, S. 633; M. Winter Satzung und schuldrechtliche Gesellschaftervereinbarungen, RWS-Forum 8, 1995, S. 131; M. Winter Organisationsrechtliche Sanktionen bei 1 Vgl BGH DZWiR 2007, 292 mit Anm Lieder = GmbHR 2007, 260; kritisch dazu Wackerbarth GmbHR 2009, 65 ff. 2 BGHZ 88, 320, 328 = GmbHR 1984, 93, 95; OLG Düsseldorf NZG 2000, 1180, 1181. 3 Dazu jüngst OLG München GmbHR 2015, 84 ff; vgl zu dieser Entscheidung betr Media Saturn kritisch Cahn GmbHR 2015, 67 ff; Hennrichs NZG 2015, 41 ff; Ekkenga Der Konzern 2015, 409 ff; aufgehoben durch BGH v. 12.4.2016 – II ZR 275/14. 4 BGH GmbHR 1990, 452, 454; Scholz/K. Schmidt Rn 32; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 205. 5 BGHZ 88, 320, 330 f = GmbHR 1984, 93, 96; OLG Koblenz GmbHR 1990, 39 f; Scholz/ K. Schmidt Rn 32; R/A/Roth Rn 156. 6 OLG Frankfurt GmbHR 1993, 161; OLG Hamm GmbHR 1993, 163 mit Anm Michalski; OLG Hamburg GmbHR 1991, 467; R/A/Roth Rn 52; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 183, § 47 Rn 32; aA OLG Koblenz GmbHR 1991, 21.

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Abstimmung | § 47 Verletzung schuldrechtlicher Gesellschaftervereinbarungen?, ZHR 154 (1990), 259; Zöllner Zu Schranken und Wirkungen von Stimmbindungsverträgen, ZHR 155 (1991), 168; Zöllner Wechselwirkungen zwischen Satzung und Gesellschaftervereinbarungen ohne Satzungscharakter, RWS-Forum 8, 1995, S. 89.

a) Grundsatz: Seit langem ist anerkannt, dass Gesellschafter untereinander nicht 19 nur in der Satzung (dazu § 3 Rn 47 ff), sondern auch mit rein schuldrechtlicher Wirkung vereinbaren können, von ihren Stimmrechten (nur) in einem vertraglich festgelegten Sinne Gebrauch zu machen1 (vgl auch § 3 Rn 59 ff). Solche formlosen2 Stimmbindungsverträge3 sind in der Praxis weit verbreitet4. Geregelt wird etwa das Abstimmungsverhalten bei der Geschäftsführerbestellung5 oder die Koordination von Gesellschaftergruppen (Familienstämmen) in Pool- bzw Konsortialabsprachen6. Die Satzung kann Zulässigkeit und Grenzen einer Stimmbindung regeln, aber nur mit innergesellschaftlicher Wirkung, nicht im Außenverhältnis7. Allein die Vinkulierung der Geschäftsanteile macht eine Stimmbindung nicht von der Genehmigung der GmbH abhängig8. Umstritten ist, ob eine solche Stimmbindung auch gegenüber Nichtgesellschaf- 20 tern zulässig ist. Die Bedenken rühren daher, dass sich hier ein Gesellschafter nach Weisungen bzw Vorgaben eines Dritten richten soll, der nicht dem Gesellschaftsinteresse und der gesellschafterlichen Treuepflicht unterworfen ist9. Insbesondere im Bereich der ausschließlichen Gesellschafterzuständigkeit, speziell im Hinblick auf Satzungsänderungen, wird eine Stimmabgabe nach Weisung eines Dritten weithin für unzulässig angesehen10. Auch die Bindung gegenüber ei1 BGHZ 48, 163 = GmbHR 1967, 99 mit Anm Barz (ständige Rspr); BGHZ 153, 285, 292 = GmbHR 2003, 351 mit Anm A. Schmidt; BGH GmbHR 2009, 306, 307; Odersky FS Lutter, 2000, S. 557, 559; Zöllner FS Ulmer, 2003, S. 725, 749; Scholz/K. Schmidt Rn 39 mwN; zur Entwicklung Behrens FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 551 ff. 2 BGH ZIP 1983, 432, 433; OLG Köln GmbHR 1989, 76, 77; OLG Köln GmbHR 2003, 416 (LS); Scholz/K. Schmidt Rn 38 mwN. 3 Ausführlich Zöllner ZHR 155 (1991), 168 ff; Zutt ZHR 155 (1991), 190 ff; Noack Gesellschaftervereinbarungen, 1994, S. 66 ff. 4 Rechtstatsachen bei Baumann/Reiß ZGR 1989, 157, 183 ff; vgl auch ThürOLG NZG 1998, 343. 5 Abberufung als Geschäftsführer nur aus wichtigem Grund: BGH ZIP 1983, 432; Geschäftsführerbestellung auf unbegrenzte Zeit: OLG Köln GmbHR 1989, 76, 77. 6 S. BGH GmbHR 2009, 306; Westermann FS Bezzenberger, 2000, S. 449 ff. 7 Scholz/K. Schmidt Rn 48; B/H/Zöllner Rn 116; MünchKomm/Drescher Rn 256. 8 BGHZ 48, 163, 167; B/H/Zöllner Rn 113; aA Michalski/Römermann Rn 505. 9 So etwa U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 80; vgl auch Noack Gesellschaftervereinbarungen, 1994, S. 66 ff zur historischen Entwicklung; einschränkend Scholz/K. Schmidt Rn 42; Bedenken auch bei MünchKomm/Ulmer/Schäfer 6. Aufl 2013, § 717 BGB Rn 25; grundlegend Flume Juristische Person, 1983, S. 243 ff. 10 In diesem Sinne R/S-L/Koppensteiner Rn 32; Scholz/K. Schmidt Rn 42; U/H/L/Hüffer/ Schürnbrand Rn 80; Priester FS Werner, 1984, S. 657, 671 f; Rodemann Stimmbindungsvereinbarungen, 1998, S. 38 ff; ausdrücklich aA MünchKomm/Drescher Rn 241.

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§ 47 | Abstimmung nem Geschäftsführer, nach dessen Weisung abzustimmen, weckt in Anlehnung an den Rechtsgedanken des § 136 Abs. 2 AktG Bedenken1. Die Rspr hat Stimmbindungsverträge mit einem Dritten zunächst uneingeschränkt für den Fall der Treuhand zugelassen2, dann auch im Hinblick auf die Geschäftsführerbestellung in einer GmbH & Co KG für einen Nichtgesellschafter der KomplementärGmbH3 und schließlich generell gegenüber einem GmbH-Geschäftsführer, der Nichtgesellschafter war4. Auch innerhalb eines Familienverbunds sind Stimmbindungen gegenüber einem Nichtgesellschafter, dem ein Eintrittsrecht iSv § 328 BGB eingeräumt worden war, zulässig5. 21 b) Schranken: Auch soweit Stimmbindungen zulässig sind, müssen bestimmte

Schranken eingehalten werden. So ist stets die Treuepflicht des Gesellschafters zur GmbH (dazu § 14 Rn 29 ff) zu beachten6; Stimmbindungen dürfen weiterhin nicht gegen §§ 134, 138 BGB7 oder § 1 GWB verstoßen8. Unzulässig ist insbesondere auch eine Stimmrechtsausübung, durch die ein Stimmrechtsausschluss (Rn 32 ff) umgangen würde9. Generell ist der gebundene Gesellschafter nicht von der Verpflichtung befreit, im Einzelfall zu prüfen, ob eine vereinbarungswidrige Stimmabgabe im eindeutigen und zwingenden Gesellschaftsinteresse geboten ist10. Seine Befolgungspflicht reicht niemals weiter als sein Ermessen als ungebundener Gesellschafter11. Daher besteht keine Stimmpflicht, wenn zum Nachteil der GmbH gehandelt würde12. Ebenso wenig kann eine Vereinbarung, einen Geschäftsführer nicht abzuberufen, für eine Abberufung aus wichtigem Grund gelten13. Auch entgeltliche Stimmbindungen sind nach dem Rechtsgedanken des § 405 Abs. 3 Nr. 6 AktG unzulässig14, gegenseitige Wahlabsprachen hingegen regelmäßig zulässig15. Die Unzulässigkeit der Stimmbindung (Stimmenkauf) führt jedoch nicht zur Unwirksamkeit der Stimmabgabe,

1 Ablehnend B/H/Zöllner Rn 115; R/S-L/Koppensteiner Rn 32; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 82; großzügiger Scholz/K. Schmidt Rn 41; generell für Zulässigkeit: MünchKomm/Drescher Rn 240. 2 So BGHZ 48, 163, 166 ff; zustimmend etwa MünchKomm/Ulmer/Schäfer 6. Aufl 2013, § 717 BGB Rn 26 mwN. 3 BGH ZIP 1983, 432; OLG Köln GmbHR 1989, 76, 77 f. 4 OLG Frankfurt NZG 2000, 378 (LS). 5 OLG Celle GmbHR 1991, 580. 6 BGHZ 179, 13 = GmbHR 2009, 306 – Schutzgemeinschaftsvertrag II; MünchKomm/ Drescher Rn 245; Scholz/K. Schmidt Rn 41. 7 Beispiel: RG JW 1916, 575 mit Anm Pinner (Ausplünderung GmbH). 8 U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 83; Scholz/K. Schmidt Rn 43, 44. 9 BGHZ 48, 163, 166 f; B/H/Zöllner Rn 114; Scholz/K. Schmidt Rn 47. 10 S. OLG Köln GmbHR 1989, 76, 78; Scholz/K. Schmidt Rn 42; B/S/Casper Rn 25. 11 B/H/Zöllner Rn 113; R/A/Roth Rn 40a; Wicke DStR 2006, 1137, 1139. 12 Scholz/K. Schmidt Rn 50; R/A/Roth Rn 40a. 13 S. OLG Frankfurt NZG 2000, 378 (LS). 14 B/H/Zöllner Rn 114; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 85 mwN. 15 Scholz/K. Schmidt 45; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 85.

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da die Stimmbindungsvereinbarung keinen organisationsrechtlichen Charakter hat1. c) Durchsetzung: Zulässige Stimmbindung ist heute2 nach ganz hM einklagbar3 22 und in der Zwangsvollstreckung gemäß § 894 ZPO durchsetzbar4. Da § 894 ZPO aber nur die abzugebende Stimme ersetzt, muss ggf – nach entsprechender Verurteilung – zusätzliches Handeln gemäß § 887 ZPO erzwungen werden5. Die Unterlassung einer bestimmten Stimmabgabe ist gemäß § 890 ZPO zu vollstrecken6. Droht eine vereinbarungswidrige Stimmabgabe oder Stimmverweigerung, so 23 stellt sich die Frage, ob der aus der Stimmbindung Berechtigte im Wege der einstweiligen Verfügung (§ 935 ZPO) die Ausübung des vereinbarungswidrigen Stimmrechts vorläufig ver- oder gebieten lassen kann (ausführlich hierzu Anh zu § 47 Rn 89 ff, 92). Jedenfalls für die Konstellation einer gegen eine Stimmbindung verstoßenden Stimmabgabe ist dies zu bejahen7, weil hier nachträglicher Rechtsschutz nur eingeschränkt in Betracht kommt, insbesondere eine Beschlussanfechtung nach zutreffender Auffassung nicht möglich ist (ausführlich Rn 24). Eine Beschlussanfechtung kommt für den Fall, dass ein Gesellschafter gegen die 24 vertraglich vereinbarte Stimmbindung verstößt, grundsätzlich nicht in Betracht. Durch die Vertragswidrigkeit wird allein der Stimmbindungsvertrag verletzt; Stimmabgabe und Beschluss sind hingegen wirksam zustande gekommen8. Ausnahmsweise lässt die Rechtsprechung9 die Anfechtung jedoch dann zu, wenn sich alle Gesellschafter in dieser Weise gebunden haben10. Dies ist ungeachtet des von der hM hervorgehobenen Vorteils der Prozessökonomie jedoch deshalb problematisch, weil hier die korporationsrechtliche und die schuldrechtliche Ebene miteinander vermengt und die GmbH in eine private Auseinander1 OLG Nürnberg GmbHR 1990, 166; Transfeld GmbHR 2010, 185, 189; Scholz/ K. Schmidt Rn 54; MünchKomm/Drescher Rn 248. 2 Abweichend die früher hM; vgl nur RGZ 112, 273, 279; RGZ 160, 257, 262. 3 BGHZ 48, 163, 169 ff; Scholz/K. Schmidt Rn 55; R/S-L/Koppensteiner Rn 34. 4 BGHZ 48, 163, 173 f; BGH GmbHR 1990, 68; OLG Köln GmbHR 1989, 76, 77; OLG Saarbrücken GmbHR 2005, 546, 549; Scholz/K. Schmidt Rn 56. 5 Scholz/K. Schmidt Rn 56; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 81 aE. 6 MünchKomm/Drescher Rn 252. 7 So auch OLG Koblenz GmbHR 1986, 428; OLG Koblenz GmbHR 1991, 21, 22; OLG Hamburg GmbHR 1991, 467, 468 mit zustimmender Anm K. Schmidt; ausführlich Zutt ZHR 155 (1991), 190 ff; vgl auch MünchKomm/Drescher Rn 253 f mwN. 8 OLG Saarbrücken GmbHR 2005, 546, 549; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 91, 83 (allgemeine Meinung). 9 BGH GmbHR 1983, 196 mit Anm Vomhof GmbHR 1984, 180 ff; BGH GmbHR 1987, 94 ff; OLG Hamm GmbHR 2000, 673, 674; OLG Saarbrücken GmbHR 2005, 546, 548. 10 So auch MünchKomm/Drescher Rn 250; Scholz/K. Schmidt Rn 53 mwN; ausführlich Noack Gesellschaftervereinbarungen, 1994, S. 156 ff.

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§ 47 | Abstimmung setzung zwischen den Gesellschaftern hineingezogen wird, die keinen Bezug zu einer Satzungs- oder Gesetzesverletzung hat1. Verstöße gegen die Stimmbindung sind daher nur zwischen den Vertragsbeteiligten auszutragen2. Siehe dazu auch bereits § 3 Rn 68 und Anh zu § 47 Rn 44.

III. Stimmabgabe durch Vertreter Literatur: Bärwaldt/Günzel Der GmbH-Gesellschafterbeschluss und die Form der Stimmrechtsvollmacht, GmbHR 2002, 1112; Kirstgen Zur Anwendbarkeit des § 181 BGB auf Gesellschafterbeschlüsse in der GmbH, GmbHR 1989, 406; Ludwig Formanforderungen an die individuell erteilte Stimmrechtsvollmacht in der Aktiengesellschaft und in der GmbH, AG 2002, 433; K. Schmidt Stimmrechtsvollmachten bei der GmbH oder GmbH & Co.: ein Formproblem?, GmbHR 2013, 1177.

1. Grundsatz 25 Vertretung bei der Abstimmung ist, wie aus § 47 Abs. 3 folgt, möglich, kann je-

doch im Gesellschaftsvertrag für rechtsgeschäftliche Vertreter ausgeschlossen oder eingeschränkt werden3. So kann der Gesellschaftsvertrag vorschreiben, dass jeder Gesellschafter (auch eine Gesellschaft) sich nur durch eine Person vertreten lassen kann; eine solche Bestimmung kann auch nachträglich durch Satzungsänderung eingefügt werden. Sollte ein Gesellschafter durch Krankheit oÄ gehindert sein, persönlich an der Beschlussfassung teilzunehmen, so sind die Mitgesellschafter unter dem Gesichtspunkt der Treupflicht idR gehalten, einen Bevollmächtigten zur Teilnahme, Aussprache und Stimmabgabe zuzulassen. Abweichungen von der Satzung können formlos (auch konkludent) gestattet werden4.

26 Die Auswahl des Vertreters steht im Belieben des vertretenen Gesellschafters;

dieser darf dabei jedoch nicht das Gesellschaftsinteresse verletzen oder gefährden5 (zB Vertreter gehört Konkurrenzunternehmen an). Einem unzumutbaren Vertreter können die Gesellschafter (nicht der Geschäftsführer) durch Gesellschafterbeschluss (§ 51a Abs. 2 Satz 2 analog) die Entscheidungsteilhabe verweigern6. 1 Ablehnend daher OLG Stuttgart BB 2001, 794, 797 – Dornier; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 92; U/H/L/Raiser Anh § 47 Rn 154; R/A/Roth Rn 124; R/S-L/Koppensteiner Rn 118; Michalski/Römermann Rn 535; B/S/Casper Rn 28; Goette RWS-Forum 8 (1995), 113, 120 ff; Hoffmann-Becking ZGR 1994, 442, 450; M. Winter ZHR 154 (1990), 259, 268 ff; Wälzholz GmbHR 2009, 1020, 1026; ausführlich Rodemann Stimmbindungsvereinbarungen, 1998, S. 85 ff; Ulmer FS Röhricht, 2005, S. 638 ff. 2 OLG Saarbrücken GmbHR 2005, 546, 549. 3 OLG Brandenburg GmbHR 1998, 1037, 1038; B/H/Zöllner Rn 44; eingehend Scholz/ K. Schmidt Rn 96 f. 4 OLG Karlsruhe v. 10.8.2006 – 9 U 171/05. 5 B/H/Zöllner Rn 45; Scholz/K. Schmidt Rn 84. 6 Scholz/K. Schmidt Rn 84; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 108.

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Bei der Vertretung durch einen Mitgesellschafter ist § 181 BGB zu beachten1; 27 die Satzung kann hiervon keinen Dispens erteilen2 (auch Rn 35), wohl aber kann in der Bevollmächtigung eine (konkludente) Gestattung liegen (Einzelfallbetrachtung)3. Auch eine Genehmigung (§ 177 BGB) ist möglich4. 2. Vollmacht Vollmacht kann nur widerruflich erteilt werden; eine „unwiderruflich“ erteilte 28 Vollmacht ist grundsätzlich unzulässig und somit unwirksam5. Eine Ausnahme gilt nur bei Treuhand zugunsten des Treugebers, weil hier der Vertreter die wirtschaftliche Stellung eines Gesellschafters hat (vgl dazu § 14 Rn 23 f, § 15 Rn 104 ff)6. Auch eine unwiderrufliche Bevollmächtigung wirkt jedoch nur schuldrechtlich, hindert also den Gesellschafter nicht an eigener Stimmabgabe unter Verdrängung des Vertreters7. Auch endet hier die Bevollmächtigung mit Beendigung des zu Grunde liegenden Rechtsverhältnisses8; ebenso ist ein Widerruf aus wichtigem Grund möglich9. Stets unzulässig ist eine verdrängende unwiderrufliche Vollmacht10. Eine unwiderrufliche Vollmacht lässt sich nach § 140 BGB in eine zulässige widerrufliche Vollmacht umdeuten11. Für eine rechtsgeschäftliche Bevollmächtigung (nach § 167 BGB einschließlich 29 Prokura gemäß § 48 HGB12 und (General-13)Handlungsvollmacht gemäß § 54 HGB) schreibt § 47 Abs. 3 die Einhaltung der Textform (vgl § 126b BGB: Schriftform, Fax, E-Mail) als Wirksamkeitsvoraussetzung14 – nicht nur als Legitimationsmittel15 – vor. Eine Ausnahme gilt nach § 242 BGB dann, wenn die Be1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15

B/H/Zöllner Rn 46; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 124 ff mzwN. MünchKomm/Drescher Rn 226; Scholz/K. Schmidt Rn 182. Ausführlich U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 128; Scholz/K. Schmidt Rn 182. BGHZ 51, 209, 217; B/H/Zöllner Rn 47. BGH NJW 1952, 178 (KG); BGH GmbHR 1977, 244 (GmbH); BGH NJW 1987, 780 f (AG); R/S-L/Koppensteiner Rn 48. BGH GmbHR 1977, 244, 246 mit Besprechung Reuter ZGR 1978, 633 ff; Scholz/ K. Schmidt Rn 83; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 101. R/S-L/Koppensteiner Rn 48; B/H/Zöllner Rn 50. U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 101; Scholz/K. Schmidt Rn 83. B/H/Zöllner Rn 50; Scholz/K. Schmidt Rn 83. BGH GmbHR 1977, 244, 245 f; OLG Hamburg GmbHR 1990, 42, 43; Scholz/K. Schmidt Rn 83; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 101. Scholz/K. Schmidt Rn 83; B/S/Casper Rn 36; im Ergebnis auch B/H/Zöllner Rn 50. Wie hier U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 96; Scholz/K. Schmidt Rn 77; aA R/A/Roth Rn 30: Handelsregisterauszug. Dazu BGH GmbHR 2008, 1316 f. BGHZ 49, 184, 194; B/H/Zöllner Rn 51; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 105; B/S/Casper Rn 37; MünchKomm/Drescher Rn 103; G/E/S/Teichmann Rn 99. So aber LG Berlin GmbHR 1996, 50, 51; R/S-L/Koppensteiner Rn 46; Bärwaldt/Günzel GmbHR 2002, 1112, 1114; ausführlich K. Schmidt GmbHR 2013, 1177 ff.

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§ 47 | Abstimmung vollmächtigung sämtlichen Gesellschaftern bekannt ist und niemand der Stimmabgabe durch den Vertreter widerspricht1; Gleiches gilt in der EinpersonenGmbH2 sowie dann, wenn die Bevollmächtigung in der Gesellschafterversammlung in Anwesenheit sämtlicher Gesellschafter erfolgt3. Auf Verlangen muss jedoch eine Vollmachtsurkunde vorgelegt werden4. Ein Vertreter ohne Vollmacht kann, muss aber nicht zur Abstimmung zugelassen werden5. 3. Vertretung ohne Vertretungsmacht 30 Eine vollmachtlose (und somit auch eine nicht formgerechte: Rn 29) Stimm-

abgabe wird, sofern sie zugelassen wurde (Rn 29 aE), durch (formfreie6) Genehmigung (§ 184 BGB) wirksam7; auch in Einpersonen-GmbH8. Die Genehmigung erfolgt – auch bei Einpersonen-GmbH9 – mit Rückwirkung10 und kann somit auch einer zwischenzeitlichen Beschlussanfechtung nachträglich die Grundlage entziehen11 (daher in diesem Fall aus Kostengründen: Erledigungserklärung durch Kläger!). War dagegen die Stimmabgabe des Vertreters wegen fehlender wirksamer Vollmacht bei der Beschlussfassung zurückgewiesen worden, so zählen die Stimmen des Vertreters nicht; der ohne seine Stimmen festgestellte Gesellschafterbeschluss kann nicht aus diesem Grunde angefochten werden12.

1 BGHZ 49, 183, 194; BayObLG GmbHR 1989, 252, 253; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 105; R/A/Roth Rn 32. 2 Zur konkludenten Vollmachtserteilung: BGH GmbHR 2008, 702. 3 BGHZ 49, 183, 194; KG NZG 2000, 787, 788 = GmbHR 2000, 1154 (LS); B/H/Zöllner Rn 52; R/A/Roth Rn 32. 4 RG JW 1934, 976, 977; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 106; insoweit auch Scholz/ K. Schmidt Rn 89. 5 U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 106; B/H/Zöllner Rn 55 (allgemeine Meinung). 6 Scholz/K. Schmidt Rn 87; Michalski/Römermann Rn 441; offen R/A/Roth Rn 32. 7 BayObLG GmbHR 1989, 252, 253; OLG Dresden GmbHR 2001, 1047, 1048; Scholz/ K. Schmidt Rn 87. 8 OLG München GmbHR 2011, 91; LG Hamburg GmbHR 1998, 987. 9 OLG Frankfurt GmbHR 2003, 415. 10 OLG Frankfurt GmbHR 2003, 415; Scholz/K. Schmidt Rn 87 aE; B/S/Casper Rn 41; abweichend für Ab- und Neuberufung Geschäftsführer: OLG Celle GmbHR 2007, 318, 319. 11 U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 107; MünchKomm/Drescher Rn 118; vgl auch RG JW 1934, 2906, 2908 mit Anm A. Hueck. 12 R/A/Roth Rn 32; B/H/Zöllner Rn 55.

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4. Gesetzliche Vertreter Für gesetzliche Vertreter eines Gesellschafters (Eltern, Vormund) gilt § 47 31 Abs. 3 nicht1; sie legitimieren sich ebenso wie Amtsträger (Testamentsvollstrecker, Insolvenzverwalter) oder organschaftliche Vertreter (Vorstandsmitglied oder sonstige Organmitglieder einer juristischen Person) auf sonstige Weise, zB durch Handelsregisterauszug, Testamentsvollstreckerzeugnis usw2.

IV. Stimmrechtsausschluss (§ 47 Abs. 4) Literatur: Bacher Die Abdingbarkeit des Stimmverbots nach § 47 Abs. 4 GmbHG in der Satzung, GmbHR 2001, 133; Bacher Die erweiterte Anwendung des Stimmverbots nach § 47 Abs. 4 GmbHG auf Beteiligungsverhältnisse, GmbHR 2001, 610; Ebenroth/Müller Das Doppelmandat des Geschäftsführers im GmbH-Konzern und seine Auswirkungen auf das Stimmverbot des § 47 Abs. 4 GmbHG, GmbHR 1991, 237; Ensenbach Das Stimmrecht des Gesellschafters bei seiner Abberufung als Geschäftsführer aus wichtigem Grund, GmbHR 2016, 8; Götze „Selbstkontrahieren“ bei der Geschäftsführerbestellung in der GmbH, GmbHR 2001, 217; Grohmann Der Stimmrechtsausschluss bei der EinpersonenGmbH, GmbHR 2008, 1255; Haas/Strub Anwendungsprobleme der Grundsätze des Insidergeschäfts im Gesellschaftsrecht – eine rechtsvergleichende Betrachtung, FS Schwenzer, 2011, S. 623; Hügel/Klepsch Entlastung und Stimmverbot bei Personenidentität im Konzern, NZG 2005, 905; Lohr Der Stimmrechtsausschluss des GmbH-Gesellschafters (§ 47 IV GmbHG), NZG 2002, 551; Peters/Strothmann Der Stimmrechtsausschluss gem. § 47 Abs. 4 GmbHG, FS Meilicke, 2010, S. 511; Priester Stimmverbot des GmbH-Gesellschafters bei Entlastungsbeschlüssen, FS Rowedder, 1994, S. 369; Priester Stimmrechtsausschlüsse und Satzungsregelungen, GmbHR 2013, 225; Scheuffele Stimmrecht und Grenzen der Mehrheitsmacht des geschäftsführenden Gesellschafters einer GmbH bei der Festlegung seiner Vergütung, GmbHR 2009, 1254; Schwichtenberg Horizontale und vertikale Interessenkonflikte bei Entlastungsbeschlüssen im GmbH-Recht, GmbHR 2007, 400.

1. Überblick und Normzweck Die in § 47 Abs. 4 kodifizierten Stimmverbote bezwecken die „Richtigkeits- 32 gewähr“ der verbandsinternen Willensbildung3 und wollen auf diese Weise das Gesellschaftsvermögen gegenüber den Sonderinteressen einzelner Gesellschafter zugunsten der Gesamtheit aller Gesellschafter schützen4 (zugunsten der Gesellschaftsgläubiger nur Reflex). Deshalb wird das Stimmrecht eines Gesellschafters – nicht seine Teilnahme an der Gesellschafterversammlung (vgl § 48 Rn 9) – ausgeschlossen, wenn seine vermögensrelevanten persönlichen Interessen in unmittelbarem Gegensatz zur Zweckförderung der Gesellschaft und damit zu den 1 2 3 4

U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 117; MünchKomm/Drescher Rn 89. Scholz/K. Schmidt Rn 77; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 117 ff. U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 131; Scholz/K. Schmidt Rn 100. OLG Brandenburg GmbHR 2001, 626; B/H/Zöllner Rn 76; Scholz/K. Schmidt Rn 100.

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§ 47 | Abstimmung vermögensrelevanten Interessen der Gesamtheit der Gesellschafter geraten können1. Erfasst werden zwei Konfliktsituationen: Insichgeschäft und Richten in eigener Sache2. In der 1. Alternative ist der ausgeschlossene Gesellschafter an dem Geschäft, über das zu beschließen ist, beteiligt, in der 2. Alternative ist er von der zu beschließenden Maßnahme betroffen. 33 Dort, wo kein Interessengegensatz zwischen Gesellschafter und Gesellschafter-

gesamtheit gegeben ist, kommen die gesetzlichen Stimmverbote kraft teleologischer Reduktion nicht zum Zuge; deshalb gilt § 47 Abs. 4 nicht in der Einpersonengesellschaft3. Auch wenn eine „gleichmäßige Befangenheit“ bei allen Gesellschaftern vorliegt, ist die Anwendung von § 47 Abs. 4 entbehrlich4; doch darf bei teilbaren Maßnahmen nicht künstlich ein einheitlicher Beschlussgegenstand hergestellt werden, um dieses Ziel zu erreichen (zB bei Entlastung)5. Keine Ausnahme von § 47 Abs. 4 gilt hingegen im Konzern6 (dazu noch Rn 39 f); anders nur bei Bestehen eines Beherrschungsvertrages7 (vgl dazu Anh zu § 13 Rn 42 ff).

34 Der Stimmrechtsausschluss erfasst nicht Personen, die dem betroffenen Gesell-

schafter nur nahestehen (Ehegatte, Eltern, Kinder): Aus Gründen der Rechtssicherheit wird das Stimmverbot auf einen solchen Gesellschafter nicht erstreckt8; in Betracht kommt hier jedoch eine Anfechtung wegen Stimmrechtsmissbrauchs9. Ebenso geht ein Stimmrechtsverbot im Falle der Veräußerung grundsätzlich nicht auf den (rechtsgeschäftlichen) Erwerber über10; etwas ande-

1 BGHZ 51, 209, 215; BGHZ 68, 107, 109 = GmbHR 1977, 127, 128; BGHZ 97, 28, 33 = GmbHR 1986, 156, 157 f. 2 Zu dieser Differenzierung eingehend Scholz/K. Schmidt Rn 102 mwN; vgl weiter MünchKomm/Drescher Rn 130 ff. 3 BGHZ 105, 324, 333 = GmbHR 1989, 25; BayObLG GmbHR 1985, 116; B/H/Zöllner Rn 94; Grohmann GmbHR 2008, 1255 ff; ebenso für die Einpersonen-AG BGH ZIP 2011, 1508 – HVB/UniCredit. 4 Scholz/K. Schmidt Rn 106; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 135; MünchKomm/Drescher Rn 188. 5 Scholz/K. Schmidt Rn 106; MünchKomm/Drescher Rn 188; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 135 mwN. 6 BGH GmbHR 1973, 153 f; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 137 mwN; ausführlich Uwe H. Schneider ZHR 150 (1986), 609, 623 ff. 7 OLG Stuttgart NZG 1998, 601, 603 mwN = GmbHR 1998, 943 (LS) – Dornier; Scholz/ K. Schmidt Rn 107. 8 BGHZ 56, 47, 54 = GmbHR 1971, 254, 255; OLG Düsseldorf GmbHR 1996, 692; OLG Hamm GmbHR 1992, 802, 803; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 151; Lohr NZG 2002, 551, 554; einschränkend Scholz/K. Schmidt Rn 154; aA R/A/Roth Rn 81. 9 BGHZ 80, 69, 71 = GmbHR 1981, 189, 190; OLG Saarbrücken DStR 2007, 916; U/H/L/ Hüffer/Schürnbrand Rn 151; B/H/Zöllner Rn 101. 10 Scholz/K. Schmidt Rn 170; anders bei Gesamtrechtsnachfolge: Scholz/K. Schmidt Rn 169 mwN.

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res gilt nur, wenn die Übertragung gerade der Umgehung des Stimmverbots dient (vgl dazu auch Rn 38)1. Während § 181 BGB auf Grund des Vorrangs des § 47 Abs. 4 nicht im Hinblick 35 auf einen abstimmenden Gesellschafter gilt (unstreitig)2, ist § 181 BGB im Vertretungsfall neben § 47 Abs. 4 anwendbar, soweit ein Interessenkonflikt zwischen dem Vertreter und dem Vertretenen in Betracht kommt sowie auch im Fall der Doppelvertretung3. Daher kann der gesetzliche Vertreter einer an der GmbH beteiligten Körperschaft keine wirksame Stimme bei seiner eigenen Bestellung zum Geschäftsführer abgeben4. Gleiches gilt für den Testamentsvollstrecker5 (vgl auch noch Rn 51). Häufig wird insoweit jedoch eine Befreiung in Betracht kommen6 (dazu schon Rn 27). Zur Problematik in der Einpersonen-GmbH: Grohmann GmbHR 2008, 1255 ff; vgl auch Schwichtenberg GmbHR 2007, 400 ff. Interessenkollisionen, die weder die unmittelbaren Vermögensinteressen der 36 Gesellschaft berühren noch aus selbstrichtender Tätigkeit eines Gesellschafters herrühren, erfasst die starre Schranke des § 47 Abs. 4 nicht. Ihnen ist vielmehr über die bewegliche Schranke des Stimmrechtsmissbrauchs7 zu begegnen8 (dazu ausführlich Rn 14 ff). Namentlich dann, wenn § 47 Abs. 4 im Gesellschaftsvertrag ausgeschlossen ist, muss bei Gesellschafterbeschlüssen, die ohne die Satzungsregelung § 47 Abs. 4 unterfallen würden, mit besonderer Sorgfalt geprüft werden, ob ein Stimmrechtsmissbrauch vorliegt. 2. Abdingbarkeit in der Satzung? Nach traditioneller Auffassung stand die Bestimmung des § 47 Abs. 4 unter 37 Hinweis auf § 45 Abs. 2 generell zur Disposition der Gesellschaftergesamtheit und sollte daher auch im Gesellschaftsvertrag nicht nur erweitert9, sondern auch eingeschränkt oder gar ausgeschlossen werden können10. Im neueren Schrifttum 1 BGH GmbHR 2008, 1092; OLG Düsseldorf GmbHR 2001, 1049, 1053; B/H/Zöllner Rn 101; Scholz/K. Schmidt Rn 170. 2 Scholz/K. Schmidt Rn 178; B/H/Zöllner Rn 60; Haas/Strub FS Schwenzer, 2011, S. 623, 633. 3 B/H/Zöllner Rn 60; Scholz/K. Schmidt Rn 178. 4 BGH GmbHR 1991, 60; BayObLG GmbHR 2001, 72; Scholz/K. Schmidt Rn 181; vgl auch Haas/Strub FS Schwenzer, 2011, S. 623, 634 f. 5 BGHZ 51, 209, 214 ff; Scholz/K. Schmidt Rn 181; MünchKomm/Drescher Rn 190 mwN. 6 Im Hinblick auf den Testamentsvollstrecker durch die Erben oder schon durch den Erblasser: BGHZ 108, 21, 25 = GmbHR 1989, 329. 7 Grundlegend Zöllner Schranken, S. 287 ff. 8 Ebenso Scholz/K. Schmidt Rn 99; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 131. 9 Nach allgemeiner Meinung zulässig: BGHZ 92, 386, 395 = GmbHR 1985, 150; U/H/L/ Hüffer/Schürnbrand Rn 199 mwN. 10 So RGZ 122, 159, 162 (betrifft aber Insichgeschäft); Immenga/Werner GmbHR 1976, 53, 55; dezidiert auch Bacher GmbHR 2001, 133, 135 ff.

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§ 47 | Abstimmung hat sich hingegen zutreffend eine differenzierte Ansicht durchgesetzt1: Satzungsfest ist das Stimmverbot, soweit es dem Gesellschafter verwehrt, als Richter in eigener Sache (Rn 43 ff) mitzuentscheiden (§ 47 Abs. 4 Satz 1)2, speziell bei der eigenen Entlastung3 oder bei der Befreiung von einer Verbindlichkeit, aber auch generell bei allen Maßnahmen, die aus wichtigem Grund gegen den Gesellschafter beschlossen werden sollen4. Hingegen kann das Verbot des Insichgeschäfts in der Satzung abbedungen werden5; jedoch nicht das Vertretungsverbot gemäß § 181 BGB (dazu bereits Rn 27, 35)6. Präzisierungen durch die Satzung sind zulässig7. 3. Umgehung 38 Ist § 47 Abs. 4 anzuwenden, so erfasst er auch alle Umgehungsversuche; das er-

fordert ein sachgerechter Minderheitenschutz. So kann die Vorschrift nicht dadurch umgangen werden, dass ein Gesellschafter nur der Form nach seinen Geschäftsanteil mit dem Ziel auf einen anderen (Treuhänder) überträgt, bei dem Beschluss sein sonst nicht zugelassenes Stimmrecht doch noch zur Geltung zu bringen8. Der vom Stimmrechtsausschluss betroffene Gesellschafter darf sich auch nicht als Vertreter des anderen Gesellschafters an der Beschlussfassung beteiligen (so ausdrücklich § 47 Abs. 4). Ausgeschlossen ist ferner ein Dritter, der als Vertreter des vom Stimmrechtsausschluss betroffenen Gesellschafters dessen Stimmrecht ausübt; das ergibt sich aus dem Zweck des Stimmverbots (§ 136 Abs. 1 Satz 2 AktG analog)9. Ebenso wenig kann ein Stimmrechtsausschluss

1 Wie hier nunmehr auch U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 202; grundlegend Scholz/ K. Schmidt Rn 173; abweichend (gegen jede Abdingbarkeit) R/A/Roth Rn 59. 2 BGHZ 108, 21, 27 = GmbHR 1989, 329; OLG Düsseldorf GmbHR 2000, 1050, 1053; OLG Stuttgart GmbHR 1995, 231; Scholz/K. Schmidt Rn 173; B/H/Zöllner Rn 106. 3 BGHZ 108, 21, 27 (unter Hinweis auf § 138 BGB); B/H/Zöllner Rn 106; MünchKomm/ Drescher Rn 211; B/S/Casper Rn 45; aA Bacher GmbHR 2001, 133, 136. 4 BGHZ 108, 21, 27 = GmbHR 1989, 329, 331; BGH GmbHR 1980, 295, 297 = GmbHR 1981, 139; OLG Hamm GmbHR 1993, 815; Peters/Strothmann FS Meilicke, 2010, S. 525 ff; abweichend auf Grund konkreter Satzungsregelung ThürOLG NZG 1998, 343, 344 (zweifelhaft); aA Bacher GmbHR 2001, 133, 136. 5 B/H/Zöllner Rn 106; Scholz/K. Schmidt Rn 173; vgl auch OLG Hamm NZG 2003, 545, 546 = GmbHR 2003, 415 (LS) zum Geschäftsführeranstellungsvertrag. 6 BGHZ 51, 209, 217; R/S-L/Koppensteiner Rn 84; ausführlich Scholz/K. Schmidt Rn 177 ff, 182. 7 Priester GmbHR 2013, 225, 229; ausführlich MünchKomm/Drescher Rn 208; Scholz/ K. Schmidt Rn 172. 8 BGH GmbHR 2008, 1092, 1093; OLG Saarbrücken DStR 2007, 916; OLG Düsseldorf GmbHR 2001, 1049, 1053 f; OLG Hamm GmbHR 1989, 79 f, dort auch zum Beweis des ersten Anscheins; vgl aber auch – im Einzelfall eine Umgehung verneinend – OLG München GmbHR 2011, 590, 593. 9 OLG München GmbHR 1995, 231; Scholz/K. Schmidt Rn 157; Lohr NZG 2002, 551, 553; Groß GmbHR 1994, 596, 599.

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durch eine Stimmbindungsvereinbarung ausgehebelt werden1 (vgl bereits Rn 21). Der Stimmrechtsausschluss gilt auch, wenn der Betroffene nicht selbst Gesell- 39 schafter ist, vielmehr der Geschäftsanteil einer Personengesellschaft oder sonstigen Gesamthandsgemeinschaft2 oder juristischen Person3 gehört, an der er maßgeblich beteiligt ist4. In diesem Fall greift das Stimmrechtsverbot jedenfalls dann ein5, wenn der Betroffene als einziger in der Personengesellschaft geschäftsführungsbefugt6 oder Alleingesellschafter oder herrschender Gesellschafter einer juristische Person ist7, aber auch dann, wenn sämtliche Gesellschafter8 oder auch nur alle beherrschenden Gesellschafter (als Gruppe) von § 47 Abs. 4 betroffen sind9. In diesem Fall macht der Zweck des Stimmrechtsverbots den Ausschluss der Drittgesellschaft bzw -gemeinschaft vom Stimmrecht notwendig. Ist umgekehrt die beteiligte Gesellschaft/Gemeinschaft vom Stimmrechtsaus- 40 schluss erfasst, so erstreckt sich das Stimmverbot nur dann auch auf deren Gesellschafter/Mitglieder, wenn ein vergleichbarer Interessenwiderstreit gegeben ist10, wie zB bei einem persönlich haftenden Gesellschafter einer OHG11 oder beim Allein-12 oder beherrschenden Gesellschafter13 einer GmbH oder AG. Denn das wirtschaftliche Interesse (nicht die Beherrschung) führt hier zur (unwiderlegbaren) Interessenverknüpfung zwischen der vom Stimmrecht ausgeschlossenen Gesellschaft und deren Gesellschafter14. 1 BGHZ 48, 161, 166; OLG Frankfurt NZG 2000, 378. 2 BGHZ 49, 183, 193 f; BGHZ 51, 209, 219; BGHZ 116, 353, 358 = GmbHR 1992, 102, 104 (alle für Erbengemeinschaft); BGH GmbHR 1973, 153 (KG); OLG Hamburg NZG 2000, 421 f (KG); OLG München GmbHR 2005, 428, 430 (KG). 3 OLG Brandenburg GmbHR 2001, 624, 626; OLG Hamm GmbHR 1992, 802; zu möglichen Konstellationen: Bacher GmbHR 2001, 610 ff; Bacher GmbHR 2002, 143 ff. 4 Heute ganz hM; vgl nur U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 142 ff; MünchKomm/Drescher Rn 195 (mit dem zutreffenden Hinweis, dass die Unterscheidung zwischen Kapital- und Personengesellschaften – vgl nur Wank ZGR 1979, 22 ff – wenig zielführend ist). 5 Näher U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 143 ff; R/S-L/Koppensteiner Rn 63 f. 6 Scholz/K. Schmidt Rn 160; R/A/Roth Rn 84. 7 OLG Brandenburg GmbHR 2001, 624, 626; OLG Karlsruhe NZG 2000, 264, 265; B/H/ Zöllner Rn 98. 8 So BGHZ 68, 107, 110 = GmbHR 1977, 127, 128. 9 U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 143; MünchKomm/Drescher Rn 196. 10 Wie hier U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 145 ff. 11 BGH NJW 1973, 1039, 1040; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 146; B/H/Zöllner Rn 97. 12 BGHZ 68, 107, 109 = GmbHR 1977, 127, 128; OLG München GmbHR 1995, 231; B/H/ Zöllner Rn 99; Scholz/K. Schmidt Rn 164. 13 So zutreffend KG GmbHR 1993, 663; OLG Karlsruhe NZG 2000, 264, 265; R/A/Roth Rn 84; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 146; R/S-L/Koppensteiner Rn 60. 14 Scholz/K. Schmidt Rn 164; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 146; B/H/Zöllner Rn 99; R/S-L/ Koppensteiner Rn 60.

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§ 47 | Abstimmung 41 Ist ein Organmitglied einer juristischen Person vom Stimmrecht ausgeschlos-

sen, so erstreckt sich dieser Ausschluss (nur dann) auf die beteiligte juristische Person1, wenn das Organmitglied maßgeblichen Einfluss auf die Willensbildung der juristischen Person hat2. Andernfalls kann die beteiligte juristische Person ihr Stimmrecht durch einen anderen Vertreter ausüben lassen3.

42 Will die GmbH mit einem Dritten ein Rechtsgeschäft schließen, so erfasst der

Stimmrechtsausschluss gemäß § 47 Abs. 4 Satz 2 Alt. 1 (näher Rn 48) jedenfalls auch die Konstellation, dass der GmbH-Gesellschafter zugleich an dem Dritten (Vertragspartner) maßgeblich beteiligt und alleiniger Geschäftsführer ist4. Im Übrigen kommt es auf die Besonderheiten des konkreten Falles an. Entscheidend sind nicht die Beteiligungsverhältnisse an der Drittgesellschaft, sondern der Aspekt der Interessenkollission5. 4. Einzelfälle

43 a) Entlastung eines Gesellschafters (§ 47 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1) in seiner Funktion

als Geschäftsführer, Aufsichtsratsmitglied, Liquidator usw; gilt auch für einen Testamentsvollstrecker, der eine organschaftliche Tätigkeit wahrnimmt6. Das Stimmverbot gehört zur Fallgruppe des „Richtens in eigener Sache“ und ist notwendig, weil die Gesellschaft mit der Entlastung auf Ersatzansprüche wegen pflichtwidriger Geschäftsführung etc verzichtet (§ 46 Rn 26). Es ist deshalb satzungsfest (Rn 37) und gilt über den Gesetzeswortlaut hinaus für alle Gesellschafterbeschlüsse, die darauf abzielen, das Verhalten eines Gesellschafters oder seine Funktion in der Gesellschaft zu billigen oder zu missbilligen7 (näher Rn 45).

44 Der Stimmrechtsausschluss gilt stets bei Gesamtentlastung8. Aber auch bei Ein-

zelentlastung eines anderen Geschäftsführers (zur Zulässigkeit: § 46 Rn 26) kann ein Gesellschaftergeschäftsführer grundsätzlich nicht mitstimmen9, es sei denn, dass der § 47 Abs. 4 zu Grunde liegende Gedanke des Verbots des „Richtens in 1 Für generellen Ausschluss: B/H/Zöllner Rn 100; wohl auch R/A/Roth Rn 84a. 2 OLG Karlsruhe NZG 2000, 264, 265; OLG Celle NZG 1999, 1161, 1163; LG Köln NZG 1998, 193 mit Anm Jäger NZG 1998, 271; Hügel/Klepsch NZG 2005, 905, 908; jüngst auch KG ZIP 2015, 481 – Suhrkamp; vgl auch OGH GesRZ 2015, 326. 3 BGH GmbHR 2009, 770, 773; Meyer NJW 2013, 753; MünchKomm/Drescher Rn 194. 4 So KG GmbHR 2014, 1266, 1267 mit Anm Kuhn EWiR 2015, 311. 5 So auch KG GmbHR 2014, 1266 f; MünchKomm/Drescher Rn 200; Scholz/K. Schmidt Rn 164. 6 BGH GmbHR 2014, 863, 866; dazu ausführlich Wicke ZGR 2015, 161, 168 f. 7 BGHZ 97, 28, 33 = GmbHR 1986, 156, 157; OLG Düsseldorf GmbHR 2000, 1050; ThürOLG GmbHR 2002, 115, 116; Scholz/K. Schmidt Rn 133. 8 BGH GmbHR 1989, 329, 330 (allgemeine Meinung). 9 Für generellen Ausschluss: B/H/Zöllner Rn 77; B/S/Casper Rn 50; tendenziell auch R/A/ Roth Rn 70, 77, § 46 Rn 39; vgl auch OLG Köln NZG 1999, 1112, 1115 mit kritischer Anm Schüppen.

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eigener Sache“ (vgl dazu Rn 32) ausnahmsweise nicht eingreift1. GesellschafterGeschäftsführer sind regelmäßig von der Entlastung des Aufsichtsrats ausgeschlossen2. Umgekehrt kann im Falle einer gemeinsam begangenen Pflichtwidrigkeit auch der Gesellschafter, der Mitglied eines Aufsichtsrats ist, von der Beschlussfassung über die Entlastung der Geschäftsführer ausgeschlossen sein3. Sonstige Fälle des „Richtens in eigener Sache“, auf die sich das Stimmverbot 45 erstreckt, sind insbesondere Entscheidungen über Kaduzierung4, Ausschluss aus wichtigem Grund5 (vgl § 34 Rn 62) oder Einziehung aus wichtigem Grund6 (vgl § 34 Rn 43), oder wenn die mit der Einziehung verfolgten Zwecke den Stimmrechtsausschluss des betroffenen Gesellschafters gebieten (zB Stimmrechtsausschluss Familienfremder bei Einziehungsklausel zur Wahrung des Familiencharakters der Gesellschaft7), Abberufung als Geschäftsführer aus wichtigem Grund8 oder die außerordentliche Kündigung des Anstellungsvertrages als Geschäftsführer9 (nicht dagegen bei ordentlicher Abberufung oder Kündigung, vgl Rn 50). Mit der hM (und anders als im Aktienrecht gemäß § 136 AktG) reicht in diesem Fall nicht lediglich die substantiierte Behauptung einer Pflichtverletzung für den Stimmrechtsausschluss10 (aA § 38 Rn 17), vielmehr muss (ggf durch Feststellung im nachträglichen Rechtsstreit) die Pflichtwidrigkeit bzw der „wichtige Grund“ objektiv vorliegen11; so für die Zweipersonen-GmbH aus1 BGH GmbHR 2003, 712, 714; im Ergebnis auch OLG München BB 1995, 1048 f (AG); ausführlich Scholz/K. Schmidt Rn 134; Priester FS Rowedder, 1994, S. 369, 373 f. 2 LG Berlin ZIP 2004, 73, 75; B/H/Zöllner Rn 78; MünchKomm/Drescher Rn 145; einschränkend Scholz/K. Schmidt Rn 134; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 157; Groß GmbHR 1994, 596, 601; Priester FS Rowedder, 1994, S. 369, 376. 3 LG Berlin ZIP 2004, 73, 75; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 157; MünchKomm/Drescher Rn 146. 4 Scholz/K. Schmidt Rn 137; Hüffer FS Heinsius, 1991, S. 338, 343. 5 BGHZ 9, 157, 178; BGH GmbHR 2010, 977, 978; B/H/Zöllner Rn 88; Scholz/K. Schmidt Rn 139. 6 BGH GmbHR 1977, 81, 82; BGH GmbHR 2010, 977, 978; ThürOLG GmbHR 2002, 115, 116; OLG Celle GmbHR 1998, 140, 141; Scholz/K. Schmidt Rn 138; U/H/L/Hüffer/ Schürnbrand Rn 175. 7 Vgl BGH GmbHR 1977, 81, 82. 8 BGHZ 102, 172, 176; BGH GmbHR 2010, 977, 978; OLG Karlsruhe NZG 2008, 785, 786; OLG Stuttgart GmbHR 1989, 466; OLG Zweibrücken GmbHR 1998, 373, 374; B/H/ Zöllner Rn 85; Scholz/K. Schmidt Rn 141. 9 BGH NJW 1987, 1889; BGH GmbHR 2010, 977, 978; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 186 f. 10 So aber OLG Brandenburg GmbHR 1996, 539, 542; Scholz/K. Schmidt § 46 Rn 76; Grunewald FS Zöllner, 1998, S. 177, 183. 11 Wie hier auch OLG Karlsruhe ZIP 2007, 1319, 1320; OLG Naumburg GmbHR 1996, 934, 936; B/H/Zöllner Rn 85; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 188; Michalski/Römermann Rn 242 ff; Peters/Strothmann FS Meilicke, 2010, S. 511, 519; ausführlich jüngst Enkenbach GmbHR 2016, 8, 11 ff.

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§ 47 | Abstimmung drücklich auch der BGH1. Soll ein Geschäftsführer aus wichtigem Grund abberufen werden, ist ein Gesellschafter, der die Pflichtverletzung gemeinsam mit dem Geschäftsführer begangen hat, von der Abstimmung ausgeschlossen2. Auch der Testamentsvollstrecker, der wegen pflichtwidriger Tätigkeit als Geschäftsführer abberufen werden soll, unterliegt einem Stimmrechtsausschluss3. Unberührt hiervon bleiben indes seine sonstigen Rechte als Vertreter der Erben; diese rücken keineswegs in dessen Rechtsstellung ein, können somit die Gesellschafterversammlung nicht einberufen4. 46 b) Befreiung von einer Verbindlichkeit (§ 47 Abs. 4 Satz 1 Alt. 2) ist ein Unter-

fall des „Insichgeschäfts“ und erfasst jede Schuld eines Gesellschafters, vertraglicher oder außervertraglicher Art; auch eine solche, die mit dem Gesellschaftsverhältnis keinen Zusammenhang hat. Befreiung ist im weitesten Sinne zu verstehen5: erfasst sind zB auch Stundung, einseitiger Verzicht oder negatives Schuldanerkenntnis. Das Stimmverbot erfasst auch Gesellschafter, die als Bürgen für die Schuld eines anderen Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft haften6. Kein Stimmverbot besteht dagegen bei Kapitalherabsetzung oder Beseitigung einer statutarischen Nebenleistungspflicht (§ 3 Abs. 2, dazu § 3 Rn 24 ff) selbst wenn dadurch nur einzelne Gesellschafter von ihrer Verbindlichkeit mittelbar befreit werden7, ebensowenig bei der Aufhebung eines Wettbewerbsverbots8.

47 c) Rechtsstreit (§ 47 Abs. 4 Satz 2 Alt. 2): Das Stimmverbot trifft denjenigen Ge-

sellschafter, gegen den von der GmbH ein Rechtsstreit (Prozess) eingeleitet (durch Leistungsaufforderung mit Klageandrohung, Auswahl des Prozessbevollmächtigten, Klage, Antrag auf Mahnbescheid, Anrufung eines Schiedsgerichts) oder erledigt werden soll (durch Klage- oder Rechtsmittelrücknahme, Vergleich, Verzicht, Anerkenntnis)9; ausreichend ist es, wenn der Gesellschafter der GmbH 1 BGHZ 86, 177, 181 = GmbHR 1983, 149; ähnlich OLG Stuttgart GmbHR 1995, 228, 229. 2 BGH GmbHR 2009, 770 (LS 2); Scholz/K. Schmidt Rn 139; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 176. 3 BGH GmbHR 2014, 863, 947 mit zustimmender Anm J. Schmidt WuB II G. § 47 GmbHG 1.14 und Priester EWiR 2014, 613 = BB 2014, 2061 mit zustimmender Anm Wachter. 4 BGH GmbHR 2014, 863, 866 f; näher Wicke ZGR 2015, 161, 170 ff; Heckschen/Strnad NZG 2014, 1201, 1202 ff. 5 B/H/Zöllner Rn 79; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 158; B/S/Casper Rn 51. 6 U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 158; R/A/Roth Rn 71; Scholz/K. Schmidt Rn 124; tendenziell anders OLG München NZG 1999, 839, 840: kein Stimmverbot bei bloß mittelbarer Befreiung. 7 Scholz/K. Schmidt Rn 123; R/A/Roth Rn 71; MünchKomm/Drescher Rn 149; aA B/H/ Zöllner Rn 79. 8 So auch U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 159; MünchKomm/Drescher Rn 179; R/A/Roth Rn 71; aA OLG Bamberg GmbHR 2010, 709 f; Henssler/Strohn/Hillmann Rn 61. 9 Weite Auslegung: U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 160 ff; Scholz/K. Schmidt Rn 127 ff.

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als Haupt- oder Nebenintervenient oder als Streitverkündeter entgegentritt1. Falls sich der Prozess gegen einen Geschäftsführer richten soll, ist auch derjenige Gesellschafter von der Abstimmung ausgeschlossen, dem die Mitgesellschafter substantiiert vorwerfen, die Pflichtverletzung gemeinsam mit dem Geschäftsführer begangen zu haben2 (vgl auch Rn 44). Ferner greift das Stimmverbot auch ein, wenn die gerichtliche Geltendmachung sich gegen eine Gesellschaft richtet, deren Gesellschafter auch zugleich Gesellschafter der den Beschluss fassenden GmbH ist3. Auch vorbereitende Maßnahmen (wie Sonderprüfung oder Einholung eines Rechtsgutachtens) unterfallen dem Stimmverbot4. Nicht vom Stimmverbot erfasst ist dagegen die Beschlussfassung über die Einzahlung von Einlageforderungen5 (dazu § 19 Rn 9, vgl ferner auch Rn 50). d) Vornahme eines Rechtsgeschäfts gegenüber einem Gesellschafter (§ 47 48 Abs. 4 Satz 2 Alt. 1) gehört zur Fallgruppe des „Insichgeschäfts“. Hierzu zählt jedes Rechtsgeschäft iSd zivilrechtlichen Dogmatik6, speziell also Vertragsschluss, Kündigung, Anfechtung, auch Befreiung eines Gesellschafters vom Wettbewerbsverbot (§ 14 Rn 38)7 und auch geschäftsähnliche Handlungen wie eine Mahnung8. Auch Rechtsgeschäfte mit Dritten sind erfasst, soweit der Gesellschafter hierdurch begünstigt wird (zB Bürgschaft für Gesellschafter gegenüber Bank)9. Die Vorschrift gilt auch für Erfüllungsgeschäfte10. Bei der Vornahme von Rechtsgeschäften steht der Gesellschafter der Gesellschaft wie ein beliebiger Dritter (zB Käufer, Mieter etc) gegenüber und ist wegen der drohenden Kollision widerstreitender Vermögensinteressen in seiner Person von der Abstimmung ausgeschlossen11. Dies gilt nicht nur dann, wenn der Geschäftsführer zur 1 Einzelheiten streitig; vgl Scholz/K. Schmidt Rn 128; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 163; MünchKomm/Drescher Rn 185. 2 BGHZ 97, 28, 34 = GmbHR 1986, 156; B/H/Zöllner Rn 93; MünchKomm/Drescher Rn 185. 3 OLG Celle NZG 1999, 1161, 1163. 4 BGH ZIP 2012, 917 mit zustimmender Anm Lieder WuB II C. § 47 GmbHG 1.12; Priester GmbHR 2013, 225, 226; B/H/Zöllner Rn 93; R/A/Roth Rn 73; nur im Ergebnis Scholz/K. Schmidt Rn 129 aE; einschränkend MünchKomm/Drescher Rn 183. 5 BGH GmbHR 1990, 452 f; OLG München GmbHR 1990, 263, 264; U/H/L/Hüffer/ Schürnbrand Rn 165; aA B/H/Zöllner Rn 93. 6 BGHZ 190, 45 Rn 13 ff = GmbHR 2011, 922, 923; BGH GmbHR 1990, 452, 453; Scholz/ K. Schmidt Rn 109. 7 BGHZ 80, 69, 72 = GmbHR 1981, 189; OLG Düsseldorf GmbHR 2000, 1050; MünchKomm/Drescher Rn 179. 8 BGHZ 190, 45 Rn 14 = GmbHR 2011, 922, 923; BGH GmbHR 1990, 452, 453; Scholz/ K. Schmidt Rn 109. 9 BGHZ 68, 107, 108 f = GmbHR 1977, 127, 128; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 171 mwN. 10 Wie hier B/H/Zöllner Rn 81; R/A/Roth Rn 72; Michalski/Römermann Rn 220; aA R/S-L/ Koppensteiner Rn 68; offen U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 170. 11 OLG Brandenburg GmbHR 2001, 624, 626; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 166.

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§ 47 | Abstimmung Durchführung des Geschäfts angewiesen, sondern auch, wenn er hierzu lediglich ermächtigt wird und selbständig entscheiden kann1. Auch bei Genehmigung eines Geschäfts durch Beschlussfassung gilt der Stimmrechtsausschluss2. Weitgehend keine Anwendung findet der Stimmrechtsausschluss hingegen auf sog Sozialakte (dazu sogleich Rn 49). 49 e) Sozialakte: Keinem Stimmverbot unterliegt der betroffene Gesellschafter bei

zahlreichen körperschaftlichen, innergesellschaftsrechtlichen, dh typischerweise zur Mitgliedschaft gehörenden Rechtsgeschäften3, für die sich traditionell der Begriff „Sozialakt“ herausgebildet hat4; bei ihnen gebührt seinem Partizipationsinteresse der Vorrang vor dem Kollisionsschutz (Rn 32), es sei denn, er würde sich an dem Gesellschafterbeschluss als „Richter in eigener Sache“ beteiligen (Rn 43 ff). Dieser Vorrang des Partizipationsinteresses ist nicht zuletzt deshalb hinnehmbar, weil groben Fehlentscheidungen mit der Anfechtung wegen Stimmrechtsmissbrauchs (dazu bereits Rn 13 ff) begegnet werden kann.

50 Ein Stimmrecht besteht danach insbesondere für die eigene Bestellung des Ge-

sellschafters zum Gesellschaftsorgan5, namentlich zum Geschäftsführer einschließlich der damit zusammenhängenden Entscheidung über die Anstellungsbedingungen (inklusive Vergütung)6, sowie umgekehrt bei der Abberufung als Organmitglied7, es sei denn aus wichtigem Grunde8 (dazu bereits Rn 45). Um nicht vom Stimmverbot erfasste Sozialakte handelt es sich ferner zB auch bei der Einforderung der Stammeinlage9 (vgl § 19 Rn 9, § 46 Rn 12), der Einziehung des 1 OLG Brandenburg GmbHR 2001, 624, 626; B/H/Zöllner Rn 91; Scholz/K. Schmidt Rn 120; großzügiger früher RGZ 68, 235, 241 – Hibernia. 2 Scholz/K. Schmidt Rn 121; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 172 aE; B/H/Zöllner Rn 92 mwN. 3 BGH GmbHR 2011, 922, 923 mzwN; vgl weiter B/H/Zöllner Rn 82 ff; U/H/L/Hüffer/ Schürnbrand Rn 173 ff; Scholz/K. Schmidt Rn 111 ff. 4 BGHZ 190, 45, 48 = GmbHR 2011, 922; vgl weiter BGH GmbHR 1990, 452; ausführlich Scholz/K. Schmidt Rn 110 ff mwN. 5 BGHZ 18, 205, 210; BGH NJW 1969, 841, 844; BGH GmbHR 1990, 452 f; OLG Frankfurt GmbHR 2005, 550, 552; B/H/Zöllner Rn 83; Scholz/K. Schmidt Rn 118; für BGB-Gesellschaft auch KG NZG 2004, 664. 6 BGHZ 18, 205, 210; OLG Frankfurt GmbHR 2005, 550, 552 f; BGHZ 190, 45 Rn 15 = GmbHR 2011, 922, 923; Scholz/K. Schmidt § 46 Rn 75; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 184; MünchKomm/Drescher Rn 126; ausführlich Lieder NZG 2015, 569, 57 f; aA R/A/ Roth Rn 65; Immenga/Werner GmbHR 1976, 53, 58; Wackerbarth GmbHR 2007, 262, 263; Scheuffele GmbHR 2009, 1254, 1255 ff. 7 BGH GmbHR 1987, 94, 95; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 186. 8 BGH GmbHR 2010, 977, 978; OLG Karlsruhe NZG 2008, 785, 786; OLG Hamm BB 2003, 438, 440 = GmbHR 2003, 415; R/A/Roth Rn 61; Scholz/K. Schmidt § 46 Rn 76; Lohr NZG 2002, 551, 558. 9 BGH NJW 1991, 172, 173 mit Anm Lohr NJW 1991, 152; OLG München BB 1990, 368 = GmbHR 1990, 221; R/A/Roth Rn 66; Scholz/K. Schmidt Rn 112; Wicke Rn 19; aA Hüffer

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Geschäftsanteils1 (sofern sie nicht aus wichtigem Grunde erfolgt, vgl bereits Rn 45), der Teilung (vgl § 46 Rn 18) sowie der Zustimmung zur Übertragung eines Geschäftsanteils nach § 15 Abs. 52 (vgl § 15 Rn 77). Keinem Stimmverbot unterliegt ein Gesellschafter weiterhin prinzipiell bei Satzungsänderungen3 (vgl § 53 Rn 14), insbesondere Kapitalerhöhungen4 (einschließlich Zulassungsbeschluss5, vgl § 55 Rn 29 ff) und bei Auflösungsbeschlüssen6. Gleiches gilt für strukturändernde Beschlüsse nach dem UmwG7, die Ausgliederung von Unternehmensteilen8, den Abschluss von Unternehmensverträgen9 sowie auch deren Aufhebung bzw Kündigung10. Mitstimmen darf der betroffene Gesellschafter gleichfalls bei seiner Wahl11 bzw Abwahl12 als Versammlungsleiter (vgl auch § 48 Rn 14 f); nicht hingegen bei der Entscheidung über sein Teilnahme-13 (näher § 48 Rn 9) oder Rederecht14 oder im Hinblick auf eine begehrte Auskunftserteilung15 (näher § 51a Rn 38). In all diesen Fällen ist der Gesellschafter gegen eine rechtswidrige Beschlussfassung durch sein Anfechtungsrecht bzw sein gerichtlich durchsetzbares Auskunftsrecht gesichert16.

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16

FS Heinsius, 1991, S. 338, 343; B/H/Zöllner Rn 93; kritisch auch Lohr NZG 2002, 551, 559. Scholz/K. Schmidt Rn 138; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 175. BGHZ 48, 163, 167; BayObLG GmbHR 1991, 572, 573; Scholz/K. Schmidt Rn 117; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 177; aA B/H/Zöllner Rn 90. OLG Stuttgart NZG 1998, 601 = GmbHR 1998, 943 (LS) – Dornier; Scholz/K. Schmidt Rn 113. R/A/Roth Rn 66; MünchKomm/Drescher Rn 176. Scholz/K. Schmidt Rn 113; MünchKomm/Drescher Rn 176; anders bei Ungleichbehandlung RGZ 122, 159, 161; B/H/Zöllner Rn 90; Michalski/Römermann Rn 281. B/H/Zöllner Rn 89; Scholz/K. Schmidt Rn 114, 146; Lohr NZG 2002, 551, 559. LG Arnsberg AG 1995, 334 = GmbHR 1994, 715 (LS) zur Verschmelzung; ebenso Scholz/K. Schmidt Rn 114; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 189 f; aA B/H/Zöllner Rn 90. OLG Stuttgart BB 2001, 794, 796; Lohr NZG 2002, 551, 559. OLG Hamburg NZG 2000, 421 (Unternehmenspachtvertrag); R/A/Roth Rn 67; Scholz/ K. Schmidt Rn 115; nunmehr auch U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 192; aA B/H/Zöllner Rn 90; Immenga/Werner GmbHR 1976, 53, 58 f. BGH GmbHR 2011, 922, 923 (Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag); zur Qualifikation als Sozialakt auch Anh zu § 13 Rn 87. MünchKomm/Drescher Rn 181; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 181; Kleemann S. 48 ff. BGH GmbHR 2010, 977, 978 f; ThürOLG GmbHR 2013, 149, 152; MünchKomm/Drescher Rn 181; aA Hoffmann/Köstler GmbHR 2003, 1327, 1332. Scholz/K. Schmidt Rn 143; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 181; aA MünchKomm/Drescher Rn 181. U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 181; Scholz/K. Schmidt Rn 143; aA MünchKomm/Drescher Rn 181. U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 181. Ebenso Scholz/K. Schmidt Rn 143.

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§ 47 | Abstimmung 51 Von der Frage des Vorliegens eines Sozialaktes streng zu trennen ist die Proble-

matik der Stimmabgabe als Vertreter eines anderen Gesellschafters; insoweit kann ggf § 181 BGB eingreifen (insbesondere im Fall der sog „Selbstbestellung“)1 (vgl auch schon Rn 27, 35). Vgl zur Geltung des § 181 BGB bei satzungsändernden Gesellschafterbeschlüssen (auch § 53 Rn 9): BGH GmbHR 1988, 337; Kirstgen GmbHR 1989, 406 ff. 5. Rechtsfolgen

52 Sofern ein Stimmverbot besteht, darf der betroffene Gesellschafter sein Stimm-

recht nicht ausüben2. Sein Recht zur Teilnahme an der Gesellschafterversammlung und an der Beratung der Beschlussgegenstände bleibt hiervon jedoch unberührt (vgl auch § 48 Rn 2)3; Gleiches gilt für seine Antrags-, Auskunfts- und Einsichtsrechte4. Soweit das Stimmverbot reicht, ist der Gesellschafter indes auch von korrespondierenden Verfahrensentscheidungen ausgeschlossen, zB der Beschlussfassung über eine Vertagung oder Absetzung von der Tagesordnung5.

53 Verbotswidrig abgegebene Stimmen sind nach hM gemäß § 134 BGB nichtig6

und bleiben bei der Feststellung des Beschlussergebnisses außer Betracht7. Die Folgen der Nichtigkeit der Stimmabgabe für den Beschluss hängen davon ab, ob sich das Abstimmungsergebnis durch den Abzug der Stimmen ändert. Sofern gleichwohl die erforderliche Mehrheit vorhanden ist, hat der Verstoß gegen das Stimmverbot keinen Einfluss auf die Wirksamkeit des Beschlusses8; ist dies nicht der Fall, so ist der Beschluss anfechtbar9 (vgl auch Anh zu § 47 Rn 49, 51). Handelte es sich um einen negativen Beschluss, kann die Anfechtungsklage mit einer positiven Beschlussfeststellungsklage verbunden werden10 (vgl Anh zu § 47

1 Vgl BGH GmbHR 1991, 60; BayObLG GmbHR 2001, 72; LG Berlin GmbHR 1997, 750, 751; Scholz/K. Schmidt Rn 156, 181; Götze GmbHR 2001, 218 ff. 2 R/A/Roth Rn 88; Scholz/K. Schmidt Rn 175; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 194. 3 Vgl BGH GmbHR 2006, 538, 539; BGH GmbHR 1985, 256, 257; OLG Hamm GmbHR 1998, 138; B/H/Zöllner Rn 105. 4 R/A/Roth Rn 87; OLG Hamm GmbHR 1998, 138, 139. 5 BGH GmbHR 1973, 153 f; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 194; zur Abgrenzung BGH GmbHR 2010, 977, 978. 6 OLG Koblenz NZG 2008, 280; OLG Düsseldorf GmbHR 2000, 1050, 1053; B/H/Zöllner Rn 104; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 195; MünchKomm/Drescher Rn 215; abweichend Scholz/K. Schmidt Rn 175 (unwirksam). 7 OLG Brandenburg GmbHR 2001, 624, 626; OLG Düsseldorf GmbHR 2000, 1050, 1053; R/A/Roth Rn 87. 8 OLG Koblenz NZG 2008, 280; B/H/Zöllner Rn 104; Wicke Rn 15. 9 BGH GmbHR 1986, 156; OLG Koblenz NZG 2008, 280; OLG Brandenburg GmbHR 2001, 624, 626; OLG Düsseldorf GmbHR 1999, 1098, 1099; Scholz/K. Schmidt Rn 175; Lohr NZG 2002, 551, 559. 10 BGH GmbHR 1986, 156; Lohr NZG 2002, 551, 560.

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Nichtigkeit/Anfechtbarkeit von Gesellschafterbeschlüssen | Anh zu § 47

Rn 40 f). Beweisbelastet für das Vorliegen eines Stimmrechtsverbots ist grundsätzlich der Anfechtungskläger1. Eine verbotswidrige Stimmabgabe kann darüber hinaus uU auch zu einer Scha- 54 densersatzpflicht des Gesellschafters führen. § 47 Abs. 4 ist allerdings kein Schutzgesetz iSd § 823 Abs. 2 BGB2. Vielmehr kommt als Grundlage für Schadensersatzansprüche nur eine Verletzung der Treuepflicht3 (dazu allgemein § 14 Rn 29 ff) bzw (ausnahmsweise) § 826 BGB4 in Betracht. Sofern im Einzelfall bis zum Abschluss der Beschlussfassung trotz ernstlichen 55 Bemühens nicht geklärt werden kann, ob ein Stimmverbot eingreift, sollte der Versammlungsleiter (zu ihm § 48 Rn 14 ff) im Zweifel von der Stimmberechtigung des betreffenden Gesellschafters ausgehen, diesen zur Abstimmung zulassen und die betreffenden Stimmen bei der Berechnung mitzählen5. Es ist dann Sache der übrigen Gesellschafter, den (angeblichen) Beschlussmangel klageweise geltend zu machen (vgl dazu Rn 53). Im Übrigen kann der betreffende Gesellschafter seine Zulassung zur Abstimmung ggf auch im Wege der einstweiligen Verfügung (§ 935 ZPO) durchsetzen6 (näher Anh zu § 47 Rn 89 ff).

Anhang zu § 47 Nichtigkeit und Anfechtbarkeit von Gesellschafterbeschlüssen I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundkonzept . . . . . . . . . . 2. Abgrenzungen . . . . . . . . . . a) Unwirksame Beschlüsse b) Wirkungslose Beschlüsse c) „Scheinbeschlüsse“ . . . . d) Leistungsklage . . . . . . . II. Nichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . 2. Nichtigkeitsgründe . . . . . . . a) Einberufungsmängel . . . b) Nichtbeurkundung . . . .

. . . . . . . . . . . .

. 1 . 1 . 4 . 4 . 6 . 7 . 8 . 9 . 9 . 10 . 11 . 15

c) Wesensfremder oder schutzrechtswidriger Gesellschafterbeschluss . . . . . . . d) Sittenverstoß . . . . . . . . . . e) Amtslöschung im Handelsregister eingetragener Beschlüsse . . . . . . . . . . . . . . f) Nichtigkeit von Aufsichtsratswahlen (§ 250 AktG analog) . . . . . . . . . . . . . . g) Nichtigkeit des Jahresabschlusses . . . . . . . . . . .

16 20 21 22 24

1 U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 195; MünchKomm/Drescher Rn 217; BGH GmbHR 2009, 770, 774. 2 Scholz/K. Schmidt Rn 176; MünchKomm/Drescher Rn 220; aA B/H/Zöllner 105. 3 Vgl B/H/Zöllner Rn 105; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 198. 4 Vgl Scholz/K. Schmidt Rn 176; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 198. 5 So auch Wicke Rn 15; B/S/Casper Rn 50, 59; Hügel/Klepsch NZG 2005, 905, 909. 6 R/A/Roth Rn 88; Grunsky ZIP 1991, 778, 781 f; Lohr NZG 2002, 551, 560.

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Anh zu § 47 | Nichtigkeit/Anfechtbarkeit von Gesellschafterbeschlüssen 3. Teilnichtigkeit . . . . . . . . . . . 4. Heilung . . . . . . . . . . . . . . . . a) Eintragungspflichtige Gesellschafterbeschlüsse . . . b) Eintragungsfreie Beschlüsse . . . . . . . . . . . . . c) Einberufungsmängel . . . . 5. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeine Wirkung . . . . b) Nichtigkeitsklage (§ 249 AktG analog) . . . . . . . . . c) Einstweilige Verfügung . . III. Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verbindung mit positiver Beschlussfeststellungsklage . . . . 3. Verbindung mit Leistungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Anfechtungsgründe . . . . . . . . a) Überblick . . . . . . . . . . . . b) Verfahrensverstöße . . . . . c) Materielle Rechtsverstöße d) Feststellung des Jahresabschlusses . . . . . . . . . . . e) Ergebnisverwendungsbeschluss . . . . . . . . . . . . f) Aufsichtsratswahlen . . . . 5. Ausschluss der Anfechtbarkeit a) Nachträgliche Zustimmung . . . . . . . . . . . . . . . b) Bestätigung . . . . . . . . . .

25 26 26 27 28 29 29 30 37 38 38 40 42 43 43 45 53 57 58 59 60 60 61

c) Ablauf der Anfechtungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ablauf der Klagefrist bei Umwandlungsbeschlüssen 6. Anfechtungsklage . . . . . . . . . a) Überblick . . . . . . . . . . . . b) Anfechtungsfrist . . . . . . . c) Klagebefugnis . . . . . . . . . d) Passivlegitimation . . . . . . e) Streitgegenstand . . . . . . . f) Zuständigkeit . . . . . . . . . g) Rechtsmissbrauch . . . . . . h) Streitwert . . . . . . . . . . . . i) Einzelheiten zum Prozess IV. Einstweiliger Rechtsschutz . . . . V. Schiedsverfahren . . . . . . . . . . . 1. Grundsätzliche Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Mindeststandards . . . . . . . . . a) Schiedsvereinbarung mit Zustimmung sämtlicher Gesellschafter . . . . . . . . . b) Verfahrenstransparenz und Beteiligungsmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . c) Schiedsrichterbestellung . d) Zuständigkeitskonzentration . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Wirkungen des Schiedsspruchs

62 66 67 67 68 70 77 78 81 82 83 84 89 95 95 97 98 100 101 105 106

Literatur: Austmann Rechtsfragen der Nebenintervention im aktienrechtlichen Anfechtungsprozess, ZHR 158 (1994), 495; Bauschatz Zur Reichweite der mit einer Anfechtungsklage verbundenen positiven Beschlussfeststellungsklage im GmbH-Recht, NZG 2002, 317; Bayer Fehlerhafte Beschlussfassung in Hauptversammlung, Aufsichtsrat und Vorstand, 50 Jahre Aktiengesetz, ZGR-Sonderheft 19, 2016, S. 199; Bayer Die Geltendmachung von Sozialansprüchen der GmbH durch den ausgeschiedenen Gesellschafter, GmbHR 2016, 505; Bork Das Anerkenntnis im aktienrechtlichen Beschlussanfechtungsverfahren, ZIP 1992, 1205; Brete/Thomasen Nichtigkeit und Heilung von Jahresabschlüssen der GmbH, GmbHR 2008, 176; Casper Das Anfechtungsklageerfordernis im GmbHBeschlussmängelrecht, ZHR 163 (1999), 54; Casper Die Heilung nichtiger Beschlüsse im Kapitalgesellschaftsrecht, 1998; Emde Der Angriff eines Mitgesellschafters gegen die Beschlussfeststellungsklage, ZIP 1998, 1475; Emde Der Streitwert bei Anfechtung von GmbH-Beschlüssen und Feststellung der Nichtigkeit von KG-Beschlüssen in der GmbH & Co KG, DB 1996, 1557; Fehrenbach Der fehlerhafte Gesellschafterbeschluss in der GmbH, 2011; Fleischer Das Beschlussmängelrecht in der GmbH – Rechtsdogmatik,

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Nichtigkeit/Anfechtbarkeit von Gesellschafterbeschlüssen | Anh zu § 47 Rechtsvergleichung, Rechtspolitik, GmbHR 2013, 1289; Hoffmann/Köster Beschlussfeststellung und Anfechtungsklageerfordernis im GmbH-Recht, GmbHR 2003, 1327; Hüffer Beschlussmängel im Aktienrecht und im Recht der GmbH, ZGR 2001, 833; Huth Die anwaltliche Vertretung in Gesellschafterstreitigkeiten – Endstation Interessenkonflikt?, GmbHR 2013, 1021; Kallrath Pattsituationen unter Gesellschaftern – mögliche Lösungswege, notar 2014, 75; Kaufmann Die Klagefrist bei Beschlussmängelstreitigkeiten im Recht der AG und GmbH, NZG 2015, 336; Keßler Die zweigliedrige GmbH als Prozesspartei – Probleme für die anwaltliche Vertretung bei Geschäftsführerabberufung, GmbHR 2015, 342; Müther Zur Nichtigkeit führende Fehler bei der Einberufung der GmbH-Gesellschafterversammlung, GmbHR 2000, 966; Noack Fehlerhafte Beschlüsse in Gesellschaften und Vereinen, 1989; Rensen Die Benachrichtigung der GmbH-Gesellschafter von Beschlussmängelstreitigkeiten, NZG 2011, 569; Schantl Zur Anfechtungsklage in einer Zwei-Personen-GmbH, ZIP 1999, 657; K. Schmidt Geklärte und offene Probleme der „positiven Beschlussfeststellungsklage“, AG 1980, 169; K. Schmidt Reflexionen über das Beschlussmängelrecht – Dogmatik und Rechtspolitik der Anfechtungsklagen für Heute und Morgen, AG 2009, 248; K. Schmidt Zum Streitgegenstand von Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen im Gesellschaftsrecht, JZ 1977, 769; Schröder Konfliktmanagement bei GmbH-Gesellschafterstreitigkeiten, GmbHR 2014, 287; Semler/Asmus Der stimmlose Beschluss, NZG 2004, 881; Wedemann Die internationale Zuständigkeit für Beschlussmängelstreitigkeiten, AG 2011, 282; Zeilinger Die Einberufung der Gesellschafterversammlung – Fallstricke für die Wirksamkeit von Gesellschafterbeschlüssen, GmbHR 2001, 541; Zöllner Zur positiven Beschlussfeststellungsklage im Aktienrecht (und andere Fragen des Beschlussrechts), ZGR 1982, 623.

I. Überblick 1. Grundkonzept Das GmbHG enthält keine Vorschriften für Beschlussmängel1. Nach ständiger 1 Rspr2 und hL3 finden jedoch die aktienrechtlichen Anfechtungs- und Nichtigkeitsvorschriften (§§ 241 ff AktG) entsprechende Anwendung, soweit nicht die Besonderheiten der GmbH eine Abweichung erfordern. Insoweit werden die allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften über die Anfechtbarkeit und Nichtigkeit verdrängt. Dies bedeutet: Nur besonders gravierende Mängel führen zur Nichtigkeit des Beschlusses, die grundsätzlich von jedermann, in jeder Form und zu jeder Zeit geltend gemacht werden kann, soweit keine Heilung analog § 242 Abs. 2 1 Ausführlich (und mit der Forderung nach einer Kodifikation) Fleischer, GmbHR 2013, 1289 ff. Zu Interessenkonflikten bei der anwaltlichen Vertretung in Gesellschafterstreitigkeiten Huth GmbHR 2013, 1021 ff; speziell für die zweigliedrige GmbH auch Keßler GmbHR 2015, 342 ff; zur Auflösung von Pattsituationen: Kallrath notar 2014, 75 ff. 2 BGHZ 11, 231, 235; BGHZ 51, 209, 210; BGHZ 104, 66, 69 = GmbHR 1988, 304; BGH GmbHR 2003, 171; BGH GmbHR 2008, 426, 427; BGH GmbHR 2009, 1327 Rn 6. 3 R/A/Roth § 47 Rn 91; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 35; MünchKomm/Wertenbruch Rn 1; Michalski/Römermann Rn 17 ff; Hüffer ZGR 2001, 833, 864; K. Schmidt AG 2009, 248, 253.

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Anh zu § 47 | Nichtigkeit/Anfechtbarkeit von Gesellschafterbeschlüssen Satz 1 AktG stattgefunden hat (Rn 26 ff). Anfechtungsgründe gegen einen förmlich festgestellten bzw beurkundeten Beschluss können nur im Wege der fristgebundenen Anfechtungsklage geltend gemacht werden; nach Fristablauf ist der Beschluss – mag er auch fehlerhaft sein – bestandskräftig (Rn 68). Erfolgt hingegen keine Beschlussfeststellung und besteht Streit über das Beschlussergebnis, so ist dies durch unbefristete, sog positive Beschlussfeststellungsklage zu klären (Rn 40 f). Die Ausführung mangelhafter Beschlüsse kann ggf im Wege der einstweiligen Verfügung unterbunden werden (Rn 89 ff). 2 Dieses Grundkonzept der hM wird indes von Teilen des Schrifttums fundamen-

tal angegriffen1: Es nehme den Gesellschaftern die Möglichkeit, den Beschlussmangel außerhalb eines Gerichtsverfahrens einvernehmlich zu bereinigen, differenziere in sachwidriger Weise zwischen förmlich festgestellten und anderen Beschlüssen und müsse schließlich zur Klagefrist mit dem ganz ungewissen Kriterium der Angemessenheit im Einzelfall operieren. Auf diese Weise würden die Gerichte mit einer unnötigen Vielzahl von Prozessen überzogen. Um diese Unzuträglichkeiten zu vermeiden, plädieren die Autoren dafür, Beschlussmängel auch außerhalb von Anfechtungsklagen geltend machen zu können, insbesondere durch einseitige bloße Anfechtungserklärung oder einredeweise2.

3 Der hM (Rn 1) ist zu folgen. Denn die rechts- und realformspezifischen Unter-

schiede der GmbH gegenüber der AG, zwischen GmbH-Gesellschaftern und Aktionären sowie zwischen den jeweiligen Beschlussverfahren rechtfertigen es nicht, das Interesse der Gesellschaft und der Gesellschaftermehrheit daran, recht bald Gewissheit über die Beständigkeit eines Gesellschafterbeschlusses zu haben, radikal hintanzustellen. Das ist für die GmbH rechtsformspezifisch bedeutsam, weil die Gesellschafter häufig über Geschäftsführungsangelegenheiten beschließen (arg §§ 37, 46, 49 Abs. 2) und es für den Fortgang der Geschäfte misslich wäre, wenn Gesellschafterbeschlüsse noch lange Zeit nach ihrer Fassung wegen jedes noch so kleinen Mangels angegriffen werden könnten3. Insbesondere als Unternehmensträgerin ist die GmbH auf Rechtsgewissheit und Beständigkeit ihrer Aktivitätsgrundlagen angewiesen. Außerdem würde eine bloße Anfechtungserklärung wohl die Angriffshemmung manches Gesellschafters herabsetzen, Probleme bei der erga omnes-Wirkung (dazu Rn 30, 40, 87) hervorrufen, die prozessuale Angriffslast wegen des Erfordernisses einer positiven Feststellungsklage der Gesellschaft überbürden und damit die Streitbereinigung weder beschleunigen noch entkomplizieren. Im Gegenteil: Die als solche durchaus über-

1 Noack Fehlerhafte Beschlüsse, 1989, S. 71 ff, 103 ff, 136 ff; Zöllner/Noack ZGR 1989, 525, 532 ff; Raiser FS Heinsius, 1991, S. 645, 655 ff. 2 Eingehende Darstellung der Grundüberlegungen und weiterer Alternativansätze bei B/ H/Zöllner Rn 3 ff; U/H/L/Raiser Rn 4 ff, 10 ff; differenzierend Casper ZHR 163 (1999), 54, 66 ff; ausführlich Fehrenbach Der fehlerhafte Gesellschafterbeschluss in der GmbH, 2011. 3 Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 36; insoweit übereinstimmend auch B/H/Zöllner Rn 7 ff.

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zeugenden Mitwirkungs- und Beschleunigungspflichten aller Beteiligten1 machen einen Prozessausgang noch weniger prognostizierbar. Auch sind die Gesellschafter nicht gehindert, einen fehlerhaften Beschluss wieder aufzuheben; dies kann die Treuepflicht sogar gebieten2, so dass das grundsätzliche Klageerfordernis auch einer ggf wünschenswerten Mediation3 nicht entgegensteht4. Deshalb ist (wie in der AG) weiterhin von der Trennung zwischen nichtigen und anfechtbaren Gesellschafterbeschlüssen auszugehen sowie von der Notwendigkeit einer Anfechtungsklage, wenn ein Gesellschafter nicht an einen Gesellschafterbeschluss gebunden sein will, obwohl dieser mit Mängeln behaftet ist. Konsequent ist den GmbH-spezifischen Besonderheiten durch punktuelle Modifikationen der aktienrechtlichen Anfechtungsregeln Rechnung zu tragen5. 2. Abgrenzungen a) Unwirksame Beschlüsse: Von den unter Rn 9 ff behandelten nichtigen oder 4 anfechtbaren Beschlüssen sind die (schwebend) unwirksamen Beschlüsse zu trennen6. Hierbei handelt es sich um einen unvollständigen Beschluss, dessen Wirksamkeit noch von einem zusätzlichen Erfordernis abhängig ist7. Beispiel: Entzug von Gesellschaftersonderrechten8 (s. § 14 Rn 12, § 53 Rn 24) oder pflichtenmehrende Satzungsänderung, solange die Zustimmung des davon betroffenen Gesellschafters noch aussteht (arg § 53 Abs. 3, s. dort Rn 22); auch die gemäß § 181 BGB unwirksame Stimmabgabe in der Einpersonen-GmbH9, nicht hingegen ein Beschluss, an dem ein Gesellschafter teilgenommen hat, dessen Stimmabgabe mangels kommunalaufsichtsrechtlicher Genehmigung (schwebend) unwirksam ist10. Der zunächst vorliegende Schwebezustand – in dem die Gesellschafter an den 5 Beschluss gebunden sind und sich nur durch einen Aufhebungsbeschluss von 1 Richtig B/H/Zöllner Rn 10. 2 Zutreffend Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 36, 43. 3 Zur Mediation im Gesellschaftsrecht: Böhm Konfliktbeilegung in personalistischen Gesellschaften, 2000; vgl auch Casper/Risse ZIP 2000, 437 ff; Dendorfer/Krebs MittBayNot 2008, 85 ff; Wozniewski NZG 2008, 410 ff; vgl weiter MünchKomm/Wertenbruch Rn 332 ff; allgemein zum Konfliktmanagement: Schröder GmbHR 2014, 287 ff. 4 So auch Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 36, 43. 5 Zum Modell der hM ausführlich C. Koch Das Anfechtungsklageerfordernis im GmbHBeschlussmängelrecht, 1997. 6 Vgl auch U/H/L/Raiser Rn 23 ff; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 53 ff; R/A/Roth § 47 Rn 92. 7 Dazu RGZ 148, 175, 186 (AG); BGHZ 15, 177, 181 (eG); BGHZ 48, 141, 143; BGH WM 1962, 201; BGH GmbHR 2007, 535 (KG); ausführlich Th. Berg Schwebend unwirksame Beschlüsse privatrechtlicher Verbände, 1994. 8 So OLG Hamm GmbHR 2016, 358, 359 mit Anm Wachter. 9 BayObLG GmbHR 2001, 72; Wicke Rn 3; Semler/Asmus NZG 2004, 881, 892. 10 ThürOLG v. 28.4.2009 – 6 W 42/09.

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Anh zu § 47 | Nichtigkeit/Anfechtbarkeit von Gesellschafterbeschlüssen ihm lösen können1 – wird entweder dadurch beseitigt, dass der Beschluss mit Eintritt des Wirksamkeitserfordernisses endgültig wirksam oder (etwa bei Zustimmungsverweigerung) endgültig unwirksam wird. Die Unwirksamkeit kann während des Schwebezustands von jedermann im Wege der Einrede oder unter den Voraussetzungen des § 256 ZPO im Wege der (nicht fristgebundenen) negativen Feststellungsklage2, nicht aber durch kassatorische Nichtigkeitsklage nach §§ 241, 249 AktG analog geltend gemacht werden; erst die endgültige Unwirksamkeit kann mit dieser kassatorischen Nichtigkeitsklage geltend gemacht werden3; dies folgt schon daraus, dass die Abgrenzung von endgültiger Unwirksamkeit und Nichtigkeit schwierig4 und bedeutungslos ist5. Unwirksame Beschlüsse dürfen nicht im Handelsregister eingetragen werden6; geschieht dies dennoch, kann Löschung von Amts wegen erfolgen, soweit keine Heilung analog § 242 Abs. 2 AktG eingetreten ist (näher Rn 26 ff)7. 6 b) Wirkungslose Beschlüsse: Gesellschafterbeschlüsse sind Akte der Entschei-

dungsfindung innerhalb der Gesellschaft; daraus folgt nicht zwingend der Eintritt der mit dem Gesellschafterbeschluss beabsichtigten Wirkung. So sind etwa Beschlüsse, die die Gesellschafter außerhalb ihrer Entscheidungszuständigkeit fassen (Kompetenzüberschreitung), wirkungslos, zB der Abberufungsbeschluss der Gesellschafter in der mitbestimmten GmbH, weil hierüber allein und zwingend der Aufsichtsrat befindet (§ 31 Abs. 5 MitbestG). Wirkungslose Beschlüsse bilden indes keine „Sonderkategorie“, sondern sind entweder nichtig (wie im Beispiel)8 oder auch nur anfechtbar (zB satzungswidriger Eingriff in die Gesellschafterkompetenz)9. Ebenso sind Beschlüsse nichtig, die in Rechte Dritter eingreifen10.

7 c) „Scheinbeschlüsse“: Entgegen einer früher verbreiteter Auffassung ist auch

eine Sonderkategorie für „Scheinbeschlüsse“ oder „Nichtbeschlüsse“ bei Fehlen elementarer Beschlussvoraussetzungen11 („Mann von der Straße trifft einen Beschluss für X-GmbH“) abzulehnen, da idR Nichtigkeit gemäß § 241 Nr. 3 AktG

1 R/A/Roth § 47 Rn 92; U/H/L/Raiser Rn 24. 2 BGHZ 15, 177, 181; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 59; R/A/Roth § 47 Rn 92; jüngst auch OLG Hamm GmbHR 2016, 358, 359 f mit Anm Wachter. 3 B/H/Zöllner Rn 22; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 59; aA U/H/L/Raiser Rn 25. 4 Beispiel BayObLG GmbHR 1998, 540, 541 („unwirksam“, in Wahrheit nichtig): Scholz/ K. Schmidt § 45 Rn 59; B/H/Zöllner Rn 22. 5 So auch B/H/Zöllner Rn 21. 6 RGZ 136, 185, 192; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 60. 7 Ausführlich U/H/L/Raiser Rn 25. 8 B/H/Zöllner Rn 24; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 71; R/A/Roth § 47 Rn 93. 9 U/H/L/Raiser Rn 31; R/A/Roth § 47 Rn 93. 10 U/H/L/Raiser Rn 29. 11 BGHZ 11, 231, 236; BGHZ 51, 209, 211.

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analog gegeben ist1. Allerdings kommt hier eine Heilung analog § 242 Abs. 2 AktG (dazu Rn 26) nicht in Betracht2. d) Leistungsklage: Unter bestimmten Voraussetzungen kann ein Gesellschafter 8 auch mittels Leistungsklage3, insbesondere die Unterlassungs-4, Beseitigungsund auch die Feststellungsklage gegen die Gesellschaft und/oder die Mitgesellschafter zu Gebote stehen, falls diese anders als durch Gesellschafterbeschluss5 in die Rechte des Gesellschafters eingreifen, etwa durch Verletzung ihrer Treuepflicht (näher § 14 Rn 29 ff) gegenüber dem klagenden Gesellschafter6.

II. Nichtigkeit 1. Überblick Bestimmte schwere Mängel (Rn 10 ff), die in § 241 AktG aufgezählt sind, ma- 9 chen den Gesellschafterbeschluss von Anfang an unwirksam. Daneben enthalten § 57j Satz 27 und § 57n Abs. 2 Satz 3 und 48 sowie §§ 250, 253, 256 AktG analog9 besondere Nichtigkeitsgründe. Die Regelung ist abschließend10 und als zwingendes Recht satzungsfest11, jedoch fortbildungsfähig12, insbesondere zur Vermeidung der Sonderkategorie von „Schein-“ oder „Nichtbeschlüssen“ (Rn 6). So ist etwa allgemein anerkannt, dass auch der in sich widersprüchliche Beschluss wegen Perplexität nichtig ist13.

1 Wie hier B/H/Zöllner Rn 25, 26; R/A/Roth § 47 Rn 93; U/H/L/Raiser Rn 27 ff, 32; vgl auch OLG Stuttgart GmbHR 2000, 721, 724 f; OLG Frankfurt GmbHR 1997, 171; so auch öOGH GesRZ 2011, 110; teilweise abweichend Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 50; aA MünchKomm/Wertenbruch Rn 5. 2 Richtig Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 52; R/A/Roth § 47 Rn 93; MünchKomm/Wertenbruch Rn 7; aA B/H/Zöllner Rn 25; Michalski/Römermann Rn 59 f. 3 Dazu OLG Koblenz GmbHR 1990, 39, 40. 4 OLG Koblenz GmbHR 1991, 264, 266 mit zustimmender Anm Kellermann EWiR 1990, 697. 5 Vgl OLG Hamburg GmbHR 1995, 734, 735. 6 S. BGH GmbHR 1990, 343. 7 Dazu MünchKomm/Wertenbruch Rn 13. 8 Dazu B/H/Zöllner Rn 64; MünchKomm/Wertenbruch Rn 14 f. 9 B/H/Zöllner Rn 62, 63; ausführlich U/H/L/Raiser Rn 69 ff, 75 ff. Zur Nichtigkeit von Jahresabschlüssen Brete/Thomsen GmbHR 2008, 176 ff. 10 BGHZ 134, 364, 365 f = GmbHR 1997, 655; BGH GmbHR 1997, 655, 656; Scholz/ K. Schmidt § 45 Rn 62 mzwN. 11 MünchKomm/Wertenbruch Rn 17; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 63; U/H/L/Raiser Rn 33. 12 Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 62; vgl auch B/H/Zöllner Rn 66 unter Hinweis auf Sachverhalt OLG München NZG 1999, 1173 mit Anm Hoffmann. 13 Aktuelles Beispiel zur AG bei LG München I Der Konzern 2015, 453, 455 mwN.

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Anh zu § 47 | Nichtigkeit/Anfechtbarkeit von Gesellschafterbeschlüssen 2. Nichtigkeitsgründe 10 Erfüllt der Gesellschafterbeschluss einen der folgenden Nichtigkeitsgründe, so

ist er unabhängig davon nichtig, ob dieser Mangel für die Entscheidung der Gesellschafter kausal war1.

11 a) Einberufungsmängel (§ 241 Nr. 1 AktG analog)2: aa) Einberufung durch

Unbefugte: Der Gesellschafterbeschluss ist nichtig, wenn ein Unbefugter die Gesellschafterversammlung einberufen hat (§ 121 Abs. 2 AktG analog)3 (vgl auch § 49 Rn 10, § 51 Rn 28). Wer befugt ist, bestimmt sich nach §§ 49 Abs. 1, 50 Abs. 1 und 3, § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 MitbestG, § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG, § 3 Abs. 2 MontanMitbestG, jeweils iVm § 111 Abs. 3 Satz 1 AktG sowie nach den ergänzenden Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages (ausführlich § 48 Rn 2 ff, § 50 Rn 1 ff). Entsprechendes gilt, falls ein Unbefugter zur schriftlichen Beschlussfassung nach § 48 Abs. 2 aufgefordert hat4.

12 bb) Einladungsmängel5 (dazu auch § 51 Rn 28): Ebenfalls zur Beschlussnich-

tigkeit führen bestimmte Mängel der Einladung (§ 121 Abs. 3 AktG analog): wenn gar keine Einberufung stattgefunden hat, wenn Zeit oder Ort der Gesellschafterversammlung nicht oder nicht hinreichend angegeben sind oder wenn nicht sämtliche in der Gesellschafterliste eingetragenen Gesellschafter eingeladen sind6 – es sei denn, die nicht eingeladenen hatten zuvor auf ihre Teilnahme verzichtet (näher § 51 Rn 34). Der Nichtladung steht es gleich, wenn die Ladung derart schwer wiegende Form- und Fristmängel aufweist, dass einem Gesellschafter die Teilnahme faktisch unmöglich gemacht wird (Beispiel: Ladung per E-Mail in den Abendstunden des Vortages auf den frühen Vormittag des Folgetages).

13 Im Hinblick auf Mängel der Form der Einladung ist zu differenzieren (vgl § 51

Rn 29): Fehlt die gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 erforderliche schriftliche Fixierung oder Unterschrift (dazu § 51 Rn 11), wird grundsätzlich Nichtigkeit angenommen7 (ob diese strenge Sanktion tatsächlich gerechtfertigt ist, erscheint jedoch zweifelhaft, vgl näher § 51 Rn 29); mangelt es dagegen nur am Erfordernis eines Einschreibens (dazu § 51 Rn 12), so ist lediglich Anfechtbarkeit anzunehmen,

1 BGHZ 11, 231, 239; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 69; U/H/L/Raiser Rn 34. 2 S. hierzu Müther GmbHR 2000, 966 ff; Zeilinger GmbHR 2001, 545 ff. 3 BGHZ 11, 231, 236; BGHZ 18, 334, 337; BGHZ 87, 1 = GmbHR 1983, 267; OLG Saarbrücken GmbHR 2006, 987, 989; OLG München GmbHR 2002, 858; U/H/L/Raiser Rn 36 mwN. 4 BGHZ 28, 355, 358 f; U/H/L/Raiser Rn 38; B/H/Zöllner Rn 46. 5 Dazu auch U/H/L/Raiser Rn 39 ff; R/A/Roth § 47 Rn 102 ff; MünchKomm/Wertenbruch Rn 20 ff. 6 OLG Celle GmbHR 2014, 369, 370; OLG München GmbHR 2000, 486, 488; Müther GmbHR 2000, 966, 968. 7 BGH GmbHR 1989, 120, 122; Müther GmbHR 2000, 966, 970 f.

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sofern dem Gesellschafter überhaupt eine Einberufung zugegangen ist1. Verstöße gegen von § 51 Abs. 1 Satz 1 abweichende statutarische Vorgaben (zur Zulässigkeit § 51 Rn 35 f) führen generell nur zur Anfechtbarkeit2 (vgl § 51 Rn 30, 37). cc) Sonstige Verstöße gegen Form, Frist und Inhalt der Einberufung bzw der 13a Ankündigung der Tagesordnung führen dagegen generell nur zur Anfechtbarkeit (vgl § 51 Rn 30); Gleiches gilt auch für sonstige Verletzungen des Teilnahmerechts (vgl Rn 47 sowie § 48 Rn 9). dd) Universalversammlung und Rügeverzicht: Trotz Einberufungs- oder La- 14 dungsmängel ist ein Gesellschafterbeschluss weder nichtig noch anfechtbar, wenn eine sog Universalversammlung vorliegt (§ 241 Nr. 1 AktG analog, § 51 Abs. 3, vgl § 51 Rn 31 ff). Voraussetzung hierfür ist, dass alle teilnahmeberechtigten (§ 48 Rn 2 ff) Gesellschafter anwesend oder wirksam vertreten sind3; über die bloße Anwesenheit muss aber zu Recht auch ein Einvernehmen mit der Beschlussfassung bestehen (näher § 51 Rn 33). Darüber hinaus können Mängel auch dann nicht mehr im Wege der Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage geltend gemacht werden, wenn ein sog Rügeverzicht vorliegt (ausführlich § 51 Rn 34). b) Nichtbeurkundung (§ 241 Nr. 2 AktG analog) macht in der GmbH nur sat- 15 zungsändernde (§ 53 Abs. 2) Beschlüsse sowie Umwandlungsbeschlüsse (§§ 50, 125 Satz 1, 176 Abs. 1, 233 UmwG) und Beschlüsse über den Abschluss von Unternehmensverträgen (dazu Anh zu § 13 Rn 42 ff) nichtig4, weil das Gesetz – anders als § 130 Abs. 1 AktG für die AG – allein für diese Beschlüsse der Gesellschafter die Beurkundung vorschreibt (§ 53 Abs. 2, dazu § 53 Rn 16 ff; § 13 Abs. 3 Satz 1 UmwG)5. Verstöße gegen ein etwaiges statutarisches Beurkundungserfordernis (oder sonstige statutarische Formerfordernisse) führen lediglich zur Anfechtbarkeit6, sofern es sich im Einzelfall sogar nicht nur um eine bloße Ordnungsvorschrift (Auslegungsfrage!) handelt7. Verstöße gegen das Erfordernis der Niederschrift bei Beschlüssen in Einpersonen-GmbH (§ 48 Abs. 3, dazu § 48 Rn 32 ff) lassen die Wirksamkeit des Gesellschafterbeschlusses sogar

1 BGH GmbHR 1989, 120, 122; B/H/Zöllner § 51 Rn 28. 2 Vgl Zeilinger GmbHR 2001, 541, 549 mwN. 3 BGH GmbHR 2009, 437 mit Anm Campos Nave BB 2009, 689 f; BGH GmbHR 2008, 426, 427; BGHZ 100, 264, 269; OLG Dresden GmbHR 2001, 1047, 1048. 4 OLG Brandenburg GmbHR 2001, 624, 625; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 66; MünchKomm/Wertenbruch Rn 41 ff. 5 OLG Düsseldorf v. 7.2.2007 – I-15 U 130/06; ausführlich U/H/L/Raiser Rn 46 f. 6 R/A/Roth § 47 Rn 101; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 67; U/H/L/Raiser Rn 48. 7 Vgl B/H/Zöllner Rn 110; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 67.

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Anh zu § 47 | Nichtigkeit/Anfechtbarkeit von Gesellschafterbeschlüssen völlig unberührt (vgl § 48 Rn 36)1. Zum satzungsdurchbrechenden Beschluss: § 53 Rn 27 ff2. 16 c) Ein wesensfremder oder schutzrechtswidriger Gesellschafterbeschluss

(§ 241 Nr. 3 AktG analog) liegt vor, wenn dieser mit seinem Inhalt, also seinem materiellen Regelungsgehalt, gegen zwingende Bestimmungen des GmbH-Gesetzes oder anderer Gesetze verstößt, die – wie etwa §§ 25 ff MitbestG – die Regelungen des GmbH-Gesetzes ergänzen, aufheben oder abändern (Rn 17 f). Nichtig ist ein Gesellschafterbeschluss auch dann, wenn er gegen eine andere im öffentlichen Interesse zwingend vorgegebene Bestimmung verstößt (Rn 19). Dagegen ist ein Beschluss nicht schon dann mit automatischer Nichtigkeit sanktioniert, wenn er lediglich gegen zwingende Verfahrensvorschriften verstößt; es sei denn, der Verstoß unterfällt § 241 Nr. 1 oder 2 AktG3.

17 aa) Mit dem Wesen der GmbH unvereinbar sind alle Beschlüsse, die den Ge-

sellschaftern unentziehbare Mitgliedschaftsrechte (näher § 14 Rn 17) – wie etwa das Teilnahme- (§ 48), Informations- (§ 51a) oder das Anfechtungsrecht (Rn 70) – entziehen, schmälern oder ihre Ausübung erschweren4. Das Gleiche gilt für die unentziehbaren Minderheitsrechte5 (§§ 50 Abs. 1 und 2, 61 Abs. 2, 66 Abs. 2 und 3). Greift der Beschluss dagegen lediglich in verzichtbare Mitgliedschaftsrechte (näher § 14 Rn 17) ein (zB Stimm- oder Gewinnbezugsrecht) oder verstößt er gegen das Gleichbehandlungsgebot (§ 53a AktG analog, dazu § 14 Rn 46 ff), so ist der Beschluss allenfalls anfechtbar6.

18 bb) Vorschriften zum Schutz der Gläubiger sind insbesondere sämtliche Re-

gelungen der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung7, aber auch das Verbot der Überbewertung (§ 253 HGB)8.

19 cc) Im öffentlichen Interesse zwingend ausgestaltet9 sind die Vorgaben für die

Firma der Gesellschaft (§ 4), die Eignungsvoraussetzungen für den Geschäftsführer (§ 6 Abs. 2), aber auch die für die GmbH geltenden mitbestimmungs-

1 OLG Brandenburg NZG 2002, 969, 970; OLG GmbHR 1993, 734, 737; Gustavus NotBZ 2002, 457, 458; MünchKomm/Wertenbruch Rn 48 mwN. 2 Dazu auch MünchKomm/Wertenbruch Rn 42 sowie OLG Dresden GmbHR 2012, 213 = NotBZ 2012, 108 ff mit zustimmender Anm Zapf. 3 U/H/L/Raiser Rn 49; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 72 ff. 4 Ähnlich U/H/L/Raiser Rn 56; MünchKomm/Wertenbruch Rn 52; R/A/Roth Rn 96; enger B/H/Zöllner Rn 50. 5 MünchKomm/Wertenbruch Rn 53; U/H/L/Raiser Rn 56. 6 Ebenso B/H/Zöllner Rn 55; R/S-L/Koppensteiner/Gruber § 47 Rn 105. 7 BGHZ 15, 391 (Erwerb eigener Geschäftsanteile); BGHZ 144, 365, 369 f = GmbHR 2000, 822 (Einziehung); Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 74; MünchKomm/Wertenbruch Rn 55 ff. 8 BGHZ 83, 341, 347 = GmbHR 1983, 169; U/H/L/Raiser Rn 52; R/S-L/Koppensteiner/Gruber § 47 Rn 106, 109. 9 Ausführlich U/H/L/Raiser Rn 53 ff; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 75.

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rechtlichen Regelungen1. Hierzu zählen weiter Strafbestimmungen, namentlich die §§ 82 ff und andere Regelungen außerhalb des GmbHG, denen (wie etwa § 1 GWB) im öffentlichen Interesse zwingender Charakter beigelegt worden ist2. Zur Firmenbestattung: Rn 20. d) Sittenverstoß nach § 138 BGB führt (nur) dann zur Nichtigkeit, wenn der 20 Beschluss durch seinen „Inhalt“ gegen die guten Sitten verstößt (§ 241 Nr. 4 AktG analog)3. Deshalb reichen grundsätzlich weder das sittenwidrige Verfahren noch das sittenwidrige Motiv aller oder einzelner an der Beschlussfassung beteiligter Gesellschafter für die Annahme einer relevanten Sittenwidrigkeit aus4. Vielmehr kommt es für den inhaltlichen Sittenverstoß allein darauf an, ob der Beschluss „für sich betrachtet“ sittenwidrig ist. Dies ist etwa bei der Ausschließung eines Gesellschafters ohne jede Abfindung anzunehmen5 (vgl auch § 34 Rn 84). Nichtig ist auch ein Beschluss, wenn er auf sittenwidrigem Machtmissbrauch beruht und außerdem in unverzichtbare Rechte einzelner Gesellschafter eingreift6 oder in der Absicht gefasst wird, einzelne oder alle Gesellschaftsgläubiger zu schädigen (Beispiel: Gesellschaftsvermögen oberhalb der Stammkapitalziffer wird an die Gesellschafter ausgeschüttet, um den Gläubigern die Zwangsvollstreckung zu erschweren); denn andernfalls müssten gesellschaftsfremde Dritte, die den Gesellschafterbeschluss nicht anfechten können (Rn 70 ff), diesen trotz seines gegen sie gerichteten Schädigungszwecks hinnehmen7. Auch ein Weisungsbeschluss zur „Existenzvernichtung“ oder zur „Bestattung“ der GmbH ist daher nichtig8, gleichfalls alle Strukturbeschlüsse im Kontext einer Firmenbestattung9 (vgl auch noch Anh zu § 4a Rn 7), nicht hingegen in diesem Kontext die bloße Beschlussfassung über den Wechsel des Geschäftsführers (nur anfechtbar)10. e) Amtslöschung im Handelsregister eingetragener Beschlüsse führt gemäß 21 § 241 Nr. 6 AktG analog ebenfalls zur Nichtigkeit11. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

11

BGHZ 83, 106, 110. Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 75; R/A/Roth § 47 Rn 97. U/H/L/Raiser Rn 58; B/H/Zöllner Rn 55. OLG München GmbHR 1995, 232; OLG Karlsruhe GmbHR 2013, 1090 mit Anm Wertenbruch EWiR 2013, 721; R/A/Roth § 47 Rn 99; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 76. BGH GmbHR 2014, 811 Rn 9 ff mwN (mit Anm Wachter); U/H/L/Raiser Rn 66. So BGH GmbHR 1988, 18, 19; OLG Nürnberg NZG 2000, 700, 702. Richtig BGHZ 15, 382, 386; OLG Dresden NZG 1999, 1109; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 75; R/A/Roth § 47 Rn 100. B/H/Zöllner Rn 55; R/A/Roth § 47 Rn 100; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 76. OLG Zweibrücken GmbHR 2013, 1093, 1094. OLG Karlsruhe GmbHR 2013, 1090 mit zustimmender Anm Wertenbruch EWiR 2013, 721; ebenso U/H/L/Raiser Rn 64; aA AG Memmingen GmbHR 2004, 952, 954 mit zustimmender Anm Wachter; B/H/Zöllner Rn 55; offen gelassen von BGH (Strafsenate) ZIP 2013, 2213; BGH ZIP 2010, 471; BGH GmbHR 2013, 477. Ausführlich B/H/Zöllner Rn 57 ff; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 92; U/H/L/Raiser Rn 61 ff.

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Anh zu § 47 | Nichtigkeit/Anfechtbarkeit von Gesellschafterbeschlüssen 22 f) Nichtigkeit von Aufsichtsratswahlen (§ 250 AktG analog): Hier ist zwischen

dem obligatorischen und dem fakultativen Aufsichtsrat zu unterscheiden (dazu § 52 Rn 1). Ein nichtiger Wahlbeschluss kann nicht geheilt werden. Die Wahl zu einem fakultativen Aufsichtsrat ist allein dann nichtig, wenn der Gewählte keine natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige Person ist (§§ 250 Abs. 1 Nr. 4, 100 Abs. 1 AktG analog)1. Ein Verstoß gegen die Unvereinbarkeitsregel aus § 105 AktG führt dagegen nicht zur Nichtigkeit2. Nichtig ist auch die Wahl eines Geschäftsleitungsmitglieds aus einem abhängigen Unternehmen (§§ 250 Abs. 1 Nr. 4, 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AktG analog)3 (vgl auch § 52 Rn 11).

23 Bei der Wahl zu einem obligatorischen Aufsichtsrat (§§ 1 Abs. 1, 25 Abs. 1

Satz 1 Nr. 2 MitbestG, § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG, § 1 MontanMitbestG) kommen zu den oben Rn 22 genannten Nichtigkeitsgründen weiter hinzu: Überschreiten der Höchstzahl von Aufsichtsratsmandaten (§ 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AktG); Inkompatibilität wegen Abhängigkeit (§ 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 3 AktG); Überschreiten der gesetzlichen Höchstzahl der Aufsichtsratsmitglieder (§§ 250 Abs. 1 Nr. 3, 95 AktG; §§ 250 Abs. 1 Nr. 1, 96 Abs. 2, 97 Abs. 2 Satz 1, 98 Abs. 4 AktG)4. Zu den Rechtsfolgen fehlerhafter Aufsichtsratswahlen näher § 52 Rn 6 mwN5.

24 g) Nichtigkeit des Jahresabschlusses6: Bezüglich der Nichtigkeit des Jahres-

abschlusses enthält § 256 AktG eine Sonderregelung, die bei der GmbH weitgehend analog anwendbar ist7 (vgl auch § 29 Rn 14, § 42 Rn 20). Ist der Jahresabschluss nichtig oder auf Anfechtungsklage für nichtig erklärt worden (§ 256 Abs. 3 Nr. 3 AktG analog), so muss konsequent auch der auf ihm beruhende Beschluss über die Ergebnisverwendung (§ 29 Rn 16 ff) nichtig sein (§ 253 Abs. 1 Satz 1 AktG analog)8. Dieser Beschlussmangel ist geheilt, sobald die Nichtigkeit des Feststellungsbeschlusses nicht mehr geltend gemacht werden kann (§ 253 Abs. 1 Satz 2 AktG analog)9. 3. Teilnichtigkeit

25 Ein aus mehreren Entscheidungsgegenständen zusammengesetzter, aber den-

noch von den Gesellschaftern einheitlich gefasster Beschluss kann auf einzelne Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 78; U/H/L/Raiser Rn 71. B/H/Zöllner Rn 61; MünchKomm/Wertenbruch Rn 86. U/H/L/Raiser Rn 71; MünchKomm/Wertenbruch Rn 85. So auch U/H/L/Raiser Rn 73. Zusammenfassend jüngst auch Bayer, 50 Jahre Aktiengesetz, S. 199, 210 ff mzwN. Ausführlich U/H/L/Raiser Rn 69 ff; MünchKomm/Wertenbruch Rn 78 ff. BGH NZG 2008, 783, 784 mit Anm Stöber WuB II C. § 47 GmbHG 1.09 = GmbHR 2008, 1092; vgl weiter Scholz/K. Schmidt § 46 Rn 36 ff; U/H/L/Raiser Rn 75 ff (jeweils mzwN). 8 R/S-L/Koppensteiner/Gruber § 47 Rn 109; B/H/Zöllner Rn 62. 9 U/H/L/Raiser Rn 82; MünchKomm/Wertenbruch Rn 107.

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Entscheidungsgegenstände beschränkt nichtig sein1. In diesem Falle bestimmt es sich nach § 139 BGB, ob der Beschluss insgesamt nichtig ist oder lediglich hinsichtlich der nichtigen Einzelgegenstände teilnichtig2. Zu prüfen ist somit, ob die Gesellschafter die fehlerfreien Entscheidungsgegenstände auch dann beschlossen hätten, wenn sie von der Nichtigkeit der übrigen gewusst hätten. Im Zweifel ist das nicht anzunehmen3. 4. Heilung a) Eintragungspflichtige Gesellschafterbeschlüsse (§ 54), die nichtig sind, dür- 26 fen nicht in das Handelsregister eingetragen werden4 (vgl § 54 Rn 9). Wird aber dennoch eingetragen5, so wird ein Beurkundungsmangel sofort geheilt (§ 242 Abs. 1 AktG analog)6. Einberufungs- oder inhaltliche Mängel (Rn 11 ff) werden geheilt, sobald der Beschluss in das Handelsregister eingetragen ist und seitdem drei Jahre verstrichen sind (§§ 242 Abs. 2 Satz 1 AktG analog)7 (vgl auch § 54 Rn 19 und § 57 Rn 23). Diese Vorschrift erfasst auch die Heilung anfänglicher Satzungsmängel8. Eine Amtslöschung gemäß § 398 FamFG9 wird durch Fristablauf nicht gehindert (§ 242 Abs. 2 Satz 3 AktG analog)10; erfolgt die Löschung vor Fristablauf, so beginnt bei Wiedereintragung die Dreijahresfrist von neuem zu laufen11. Die Dreijahresfrist wird (nur)12 durch kassatorische Anfechtungsbzw Nichtigkeitsklage gehemmt (§ 242 Abs. 2 Satz 2 AktG analog)13; ausrei1 Ausführlich Schnorr Teilfehlerhafte Gesellschafterbeschlüsse, 1997, mit teilweise abweichendem Gesamtkonzept. 2 RGZ 118, 218, 221 ff; RGZ 140, 174, 177 (beide eG); BGHZ 11, 231, 246; BGH NJW 1988, 1214; BGHZ 124, 111, 121; ausführlich MünchKomm/Wertenbruch Rn 114 ff. 3 B/H/Zöllner Rn 78 f; U/H/L/Raiser Rn 83; R/S-L/Koppensteiner/Gruber § 47 Rn 110. 4 OLG Köln GmbHR 1993, 164; R/A/Roth § 47 Rn 114; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 83. 5 Ausführlich Casper Die Heilung nichtiger Beschlüsse im Kapitalgesellschaftsrecht, 1998. 6 U/H/L/Raiser Rn 86; B/H/Zöllner Rn 74 (allgemeine Meinung). 7 BGHZ 144, 365 = GmbHR 2000, 822; BGHZ 80, 212, 216; MünchKomm/Wertenbruch Rn 110 ff; kritisch allerdings Goette FS Röhricht, 2005, S. 115 ff. 8 BGHZ 144, 365 = GmbHR 2000, 822; B/S/Casper § 47 Rn 70; für eine teleologische Reduktion des § 242 Abs. 2 AktG bei gläubigerbenachteiligenden Abfindungsklauseln Bacher/Spieth GmbHR 2003, 978; s. auch § 34 Rn 96. 9 Diese kann von einem Gesellschafter zwar angeregt werden, doch hat dieser gegen den zurückweisenden Beschluss des Registergerichts kein Rechtsmittel: BGH ZIP 2014, 2237 (zur AG) mit zustimmender Anm Wilsing/Kleemann EWiR 2015, 5. 10 BayObLG GmbHR 1996, 441; R/A/Roth § 47 Rn 114a; B/S/Casper § 47 Rn 70. 11 B/H/Zöllner Rn 75; vgl aber den Sachverhalt OLG Schleswig NZG 2000, 895, 896 mit Anm Jäger. 12 Weitergehend B/H/Zöllner Rn 75: auch durch Feststellungsklage. 13 BGH WM 1984, 473; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 89; R/S-L/Koppensteiner/Gruber § 47 Rn 114 mwN.

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Anh zu § 47 | Nichtigkeit/Anfechtbarkeit von Gesellschafterbeschlüssen chend ist die Einreichung der Klage vor Fristablauf, wenn demnächst zugestellt wird (§ 167 ZPO)1. Trotz Heilung kann die ehemals nichtige Satzungsbestimmung später einer Ausübungskontrolle unterfallen2 (vgl auch zur Abfindung nach Einziehung oder Ausschluss: § 34 Rn 78 ff). 27 b) Eintragungsfreie Beschlüsse sind hingegen – mit Ausnahme des Feststel-

lungs- und des Verwendungsbeschlusses (Rn 24) oder der Heilung von Einberufungsmängeln (Rn 28) – unheilbar nichtig3.

28 c) Einberufungsmängel (Rn 10 ff) werden auch dann geheilt, wenn trotz des

Mangels die Beschlussfassung in einer Universalversammlung sämtlicher Gesellschafter erfolgt (vgl Rn 14 und § 51 Rn 31 ff) bzw der betroffene Gesellschafter dem Beschluss nachträglich zustimmt oder auf eine Rüge verzichtet (vgl Rn 14 und § 51 Rn 34). 5. Rechtsfolgen

29 a) Allgemeine Wirkung: Der nichtige Beschluss ist rechtswidrig und ipso iure

ohne jede Rechtswirksamkeit4. Auf die Nichtigkeit kann sich jedermann (grundsätzlich auch ein zustimmender Gesellschafter)5 und in jeder Weise innerhalb und außerhalb eines Rechtsstreits berufen6. Die Gesellschaftsorgane dürfen einen nichtigen Beschluss nicht ausführen und somit auch nicht zum Handelsregister anmelden7. Der Nichtigkeitseinwand kann grundsätzlich unbefristet erhoben werden (Ausnahme: Klagefristen für Umwandlungsbeschlüsse gemäß §§ 14 Abs. 1, 125 Satz 1, 195 Abs. 1 UmwG8); nur ausnahmsweise kommt eine Verwirkung in Betracht9. Zur Frage einer Abmahnung vor Klageerhebung: OLG Frankfurt GmbHR 1993, 224.

30 b) Nichtigkeitsklage (§ 249 AktG analog): aa) Allgemeines: Die Nichtig-

keitsklage analog § 249 AktG kann (nur) durch Gesellschafter10 (auch erst nach Beschlussfassung beigetretene11), nach hM generell auch durch Geschäftsfüh1 2 3 4 5

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BGH ZIP 1989, 163. BGH GmbHR 2012, 92 Rn 9 ff; dazu auch Winkler GmbHR 2016, 519 ff. R/A/Roth § 47 Rn 116; R/S-L/Koppensteiner/Gruber § 47 Rn 115. Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 81; U/H/L/Raiser Rn 21. BGHZ 11, 231, 239; OLG München GmbHR 2000, 486; U/H/L/Raiser Rn 91; Scholz/ K. Schmidt § 45 Rn 81. B/H/Zöllner Rn 68; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 81; Wicke Rn 10. B/H/Zöllner Rn 68; U/H/L/Raiser Rn 91. Vgl zur Geltung für die Nichtigkeitsklage: Lutter/Decher § 14 UmwG Rn 6 mwN. Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 81; U/H/L/Raiser Rn 93; vgl BGHZ 22, 101, 106. BGH GmbHR 2009, 39, 40; OLG Koblenz NZG 2006, 270, 271; B/H/Zöllner Rn 69. OLG Schleswig NZG 2000, 895, 896; OLG Stuttgart NZG 2001, 277, 278; B/H/Zöllner Rn 69; Wicke Rn 11.

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rer1, Aufsichtsrats- und Beiratsmitglieder2 erfolgen. Ein Klage auf Feststellung der Nichtigkeit gemäß § 256 ZPO steht bei bestehendem Feststellungsinteresse Dritten offen3, nicht hingegen Gesellschaftern usw, die Klage analog § 249 AktG erheben können (auch nicht in Zweipersonen-GmbH4). Bei Abtretung eines Geschäftsanteils oder bei unfreiwilligem Verlust gilt der Rechtsgedanke des § 265 ZPO5 (ausführlich Rn 72 zur Anfechtungsklage mwN). Einem der Nichtigkeitsklage stattgebenden Urteil kommt analog §§ 248 Abs. 1 30a Satz 1, 249 Abs. 1 Satz 1 AktG nicht nur gegenüber den Parteien, sondern auch gegenüber allen Gesellschaftern und Gesellschaftsorganen materielle Rechtskraftwirkung zu6. Als Gestaltungsurteil entfaltet es darüber hinaus nach ganz hM Wirkungen erga omnes, dh für und gegen jedermann7, auch gegenüber dem Registergericht8. Eine Klageabweisung als unbegründet9 sowie ein stattgebendes oder abweisendes Urteil im Rahmen der allgemeinen Feststellungsklage10 wirken hingegen nur inter partes. Zur rechtsmissbräuchlich erhobenen Nichtigkeitsklage: OLG Stuttgart NZG 2001, 277; OLG Stuttgart AG 2003, 165; OLG Frankfurt AG 2009, 200; Martens/Martens AG 2009, 173 ff. Da Nichtigkeits- und Anfechtungsklage den identischen Streitgegenstand betreffen, kann auf Nichtigkeit auch dann erkannt werden, wenn (nur) Anfechtungsklage erhoben wurde (ausführlich Rn 78 ff). Für die Nichtigkeitsklage gegen Aufsichtsratswahlen sind in Gesellschaft mit 31 obligatorischem Aufsichtsrat (dazu § 52 Rn 1) zusätzlich die in § 250 Abs. 2 AktG genannten Organisationen und Vertretungen der Arbeitnehmer aktivlegitimiert. Die Urteilswirkung erstreckt sich hier auch auf die Arbeitnehmer etc (§ 252 AktG analog)11.

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BGHZ 70, 384, 388; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 134; R/A/Roth § 47 Rn 112. BGH NJW 1984, 733, 734 = GmbHR 1984, 151; B/H/Zöllner Rn 69; Wicke Rn 11. Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 134; B/H/Zöllner Rn 71. OLG Hamburg GmbHR 1995, 734; OLG Koblenz NZG 2006, 270; R/A/Roth § 47 Rn 113; für eG auch BGHZ 70, 384, 388; aA Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 81. BGHZ 43, 261, 267 = GmbHR 1965, 111; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 133; MünchKomm/Wertenbruch Rn 182; näher Bayer GmbHR 2016, 505, 510 ff mwN. BGH BGHZ 132, 278 = GmbHR 1996, 437, 439 f; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 171, 175; U/H/L/Raiser Rn 263. BGH GmbHR 2009, 39, 40; BGHZ 134, 364, 366 = GmbHR 1997, 655, 656; B/H/Zöllner Rn 69; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 173; U/H/L/Raiser Rn 263; aA Fehrenbach S. 365 ff. U/H/L/Raiser Rn 263; R/A/Roth Rn 155. MünchKomm/Wertenbruch Rn 276; G/E/S/Teichmann Rn 78. OLG Hamm; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 82; U/H/L/Raiser Rn 283. B/H/Zöllner Rn 61; U/H/L/Raiser Rn 263.

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Anh zu § 47 | Nichtigkeit/Anfechtbarkeit von Gesellschafterbeschlüssen 32 bb) Passivlegitimation: Passivlegitimiert ist stets nur die GmbH1, und zwar

auch in der Zweipersonen-GmbH2. Sie wird im Prozess durch die Geschäftsführer3 (nicht aber zusätzlich durch den Aufsichtsrat4), im Sonderfall der Führungslosigkeit gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 (dazu § 35 Rn 43 ff) durch die Gesellschafter5 vertreten. Die anderen Gesellschafter sind durch die Geschäftsführung individuell zu informieren (Rn 33) und können sich dann an dem Rechtsstreit als streitgenössische Nebenintervenienten (§ 69 ZPO) beteiligen6 (ausführlich Rn 86). In der Insolvenz der GmbH ist die Klage jedenfalls dann gegen den Insolvenzverwalter zu richten, sofern der Beschluss das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen betrifft7; ein bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens anhängiger Rechtsstreit ist gemäß § 240 ZPO unterbrochen8.

33 cc) Informationspflichten: Wegen der weitreichenden Urteilswirkungen (Rn 30

und Rn 87) und der darum gebotenen Gewährung rechtlichen Gehörs9 haben die Geschäftsführer sämtliche Gesellschafter unverzüglich über die Erhebung der Nichtigkeitsklage und über den Verhandlungstermin zu informieren (§ 246 Abs. 4 AktG analog)10. Erforderlich ist insoweit grundsätzlich eine tatsächliche und effektive Information jedes Gesellschafters, die bloße Veröffentlichung in den Gesellschaftsblättern genügt bei der GmbH insoweit nicht (arg e § 51 Abs. 1 Satz 1)11. Hat die Gesellschaft einen Aufsichtsrat oder Beirat, so sind dessen Mitglieder ebenfalls zu informieren12.

1 BGH NJW 1981, 1041 = GmbHR 1981, 195 (LS); OLG Rostock NZG 2004, 191, 192 = GmbHR 2004, 587 (LS); OLG Hamburg GmbHR 1992, 43, 44 f; R/S-L/Koppensteiner/ Gruber § 47 Rn 149 mwN. 2 OLG Hamm GmbHR 1985, 119; OLG Rostock NZG 2004, 191, 192 = GmbHR 2004, 587 (LS); Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 148. 3 U/H/L/Raiser Rn 218; nach Auflösung durch die Liquidatoren: BGHZ 36, 207, 207 ff; R/S-L/Koppensteiner/Gruber § 47 Rn 149. 4 BGH NJW 1962, 538; U/H/L/Raiser Rn 218. 5 Vgl Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 149. 6 BGHZ 97, 28, 31 = GmbHR 1986, 156; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 156; ausführlich Bork ZIP 1992, 1205, 1211. 7 So OLG München GmbHR 2011, 89, 90 (betreffend Jahresabschluss und Personalkosten); vgl auch U/H/L/Raiser Rn 219; abweichend (generell für Vertretung durch Insolvenzverwalter) Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 149. 8 BGHZ 190, 291 (zur AG); OLG München GmbHR 2011, 89; U/H/L/Raiser Rn 219 mwN. 9 BVerfGE 60, 7, 12 f = GmbHR 1982, 255. 10 BGH BGHZ 97, 28, 31 = GmbHR 1986, 156, 157; OLG Düsseldorf GmbHR 2000, 1050, 1052; OLG Frankfurt NZG 1999, 406 = GmbHR 1999, 551 (LS); Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 148, 156; ausführlich Rensen NZG 2011, 569 ff; einschränkend jedoch B/H/Zöllner Rn 170. 11 Vgl R/S-L/Koppensteiner/Gruber § 47 Rn 144. 12 Insoweit ebenso B/H/Zöllner Rn 170; vgl auch Rensen NZG 2011, 569.

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dd) Prüfungsumfang: Das Gericht hat den angegriffenen Gesellschafter- 34 beschluss anhand des gesamten von der Klägerseite vorgetragenen Sachverhalts auf seine Nichtigkeit unabhängig davon zu überprüfen, ob die Klägerseite die Gründe unter dem Gesichtspunkt der Nichtigkeit oder der Anfechtbarkeit vorgetragen hat; denn Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage betreffen denselben Streitgegenstand (ausführlich Rn 78 ff). ee) Teilurteil: Haben mehrere Gesellschafter sowohl Nichtigkeits- als auch An- 35 fechtungsklage gegen einen Gesellschafterbeschluss erhoben, darf kein Teilurteil gemäß § 301 ZPO erlassen werden, das sich auf die Nichtigkeits- bzw Anfechtungsklage oder auf einen Teil der klagenden Gesellschafter beschränkt1 (vgl Rn 80). ff) Einreichung zum Handelsregister: Ein stattgebendes Nichtigkeitsurteil ist 36 (nur) unverzüglich zum Handelsregister einzureichen und einzutragen, wenn die Klage einen anmeldungspflichtigen Gesellschafterbeschluss zum Gegenstand hat (§ 248 Abs. 1 Satz 2 und 3 AktG analog)2. c) Einstweilige Verfügung: Rn 89 ff.

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III. Anfechtung 1. Überblick Gesellschafterbeschlüsse, die an einem nicht zur Beschlussnichtigkeit führenden 38 Mangel (vgl Rn 9 ff) leiden, sind trotz dieses Mangels zunächst rechtswirksam3 und können deshalb ggf auch im Handelsregister eingetragen werden4. Ihre Nichtigkeit lässt sich erst und allein durch ein kassatorisch-gestaltendes Anfechtungsurteil herbeiführen, vorausgesetzt, dass der ordnungsgemäß bestimmte oder einvernehmlich agierende Versammlungsleiter (zu ihm näher § 48 Rn 14 ff) das Beschlussergebnis wirksam festgestellt hat5 (zur Kompetenz: § 48 Rn 17a). 1 S. BGH ZIP 1999, 580. 2 Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 170; U/H/L/Raiser Rn 263; weitergehend B/H/Zöllner Rn 179: sämtliche stattgebenden Urteile. 3 Für alle: BGH GmbHR 2008, 426 Rn 22; ThürOLG GmbHR 2013, 149 f; S. Fischer BB 2013, 2819, 2821; vgl auch Noack NZG 2014, 1851 ff; einschränkend zur Ausführung anfechtbarer Beschlüsse durch Geschäftsführer aber § 43 Rn 44. 4 Anfechtbarkeit ist kein Eintragungshindernis: OLG Stuttgart GmbHR 2011, 1277; dazu teilweise kritisch Heckschen GWR 2011, 545; zum bisherigen Streitstand MünchKomm/ Krafka § 8 HGB Rn 74: pflichtgemäßes Ermessen des Registergerichts. 5 BGH GmbHR 2008, 426 Rn 22 ff; OLG München GmbHR 2015, 84, 85; OLG Köln GmbHR 2002, 913, 914; MünchKomm/Wertenbruch Rn 172 ff; eingehend Hoffmann/ Köster GmbHR 2003, 1327 ff; für Nachholbarkeit der Beschlussfeststellung außerhalb der Gesellschafterversammlung Abramenko GmbHR 2003, 1471 ff.

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Anh zu § 47 | Nichtigkeit/Anfechtbarkeit von Gesellschafterbeschlüssen Festgestellt ist das Beschlussergebnis stets, wenn es förmlich verkündet wurde1. Gleiches gilt, wenn die Gesellschafter auch ohne förmliche Feststellung von einem bestimmten Beschlussergebnis am Ende der Gesellschafterversammlung übereinstimmend ausgegangen sind2; dies ist auch der Fall, wenn einer Beschlussfeststellung durch einen Versammlungsleiter, dessen Amtsübernahme strittig ist, nicht widersprochen wurde (vgl auch § 48 Rn 17a). Die bloße Protokollierung der abgegebenen Stimmen genügt hingegen nicht3, es sei denn, das von den Gesellschaftern einvernehmlich unterzeichnete Protokoll enthält die angegriffene Beschlussfassung4. Zwar bedürfen Gesellschafterbeschlüsse (anders als Hauptversammlungsbeschlüsse in der AG) für ihre Wirksamkeit keiner förmlichen Feststellung5; aber nur bei festgestellten (oder widerspruchslos hingenommenen) Beschlüssen ist von ihrer vorläufigen Wirksamkeit und damit von der Notwendigkeit auszugehen, den Beschluss durch rechtsgestaltendes Anfechtungsurteil zu beseitigen6. 39 Dagegen kann ein nicht festgestellter Gesellschafterbeschluss, über dessen Er-

gebnis die Gesellschafter bereits in der Gesellschafterversammlung streiten, nicht mit der Anfechtungsklage7, sondern allein durch Feststellungsklage gegen die Gesellschaft nach § 256 ZPO8 angegriffen werden9, die nicht fristgebunden ist, aber der Verwirkung unterliegt10 (vgl auch Rn 65). Ein solcher Beschluss kann keine vorläufige Wirksamkeit mit bestimmtem Inhalt erlangen und braucht deshalb auch nicht vom opponierenden Gesellschafter vorläufig hingenommen zu werden11.

1 BGH GmbHR 2008, 426 Rn 24; OLG Stuttgart GmbHR 1995, 228, 229; MünchKomm/ Wertenbruch Rn 175. 2 OLG München GmbHR 2015, 84, 85; OLG Stuttgart GmbHR 2015, 431, 132; OLG Celle GmbHR 1997, 172, 174; so im Ergebnis auch BGH GmbHR 2008, 426 Rn 25; vgl weiter MünchKomm/Wertenbruch Rn 177; kritisch Hoffmann/Köster GmbHR 2003, 1327, 1330. 3 OLG Stuttgart GmbHR 2015, 431; Hoffmann/Köster GmbHR 2003, 1327 ff. 4 Beispiele: BGH GmbHR 2008, 426 Rn 24 f; vgl weiter MünchKomm/Wertenbruch Rn 175; Scholz/Seibt § 48 Rn 53. 5 BGHZ 104, 66, 69 = GmbHR 1988, 304; OLG Dresden NZG 2001, 809; OLG Zweibrücken GmbHR 1999, 79 f. 6 BGH GmbHR 2008, 426 Rn 22; OLG Brandenburg GmbHR 2001, 624, 627; OLG Dresden NZG 2001, 809; OLG Köln GmbHR 2002, 913. 7 BGH ZIP 1995, 1983; BGH GmbHR 1999, 477, 478; BGH GmbHR 2003, 355, 356. 8 BGH GmbHR 2008, 426 Rn 22; BGH GmbHR 2009, 1327 Rn 6; ausführlich jüngst OLG Stuttgart GmbHR 2015, 431 ff. 9 Ausführlich MünchKomm/Wertenbruch Rn 173 mwN. 10 BGH GmbHR 2008, 426 Rn 22; BGH GmbHR 1999, 477, 478. 11 Vgl OLG Köln GmbHR 2002, 913, 914.

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2. Verbindung mit positiver Beschlussfeststellungsklage Die kassatorische, auf Nichtigerklärung eines Beschlusses gerichtete Anfech- 40 tungsklage kann mit einer sog „positiven Beschlussfeststellungsklage“ (§ 256 ZPO, § 248 AktG analog) mit dem gesonderten Ziel verbunden werden, den wirklich und rechtmäßig beschlossenen Inhalt des Gesellschafterentscheids feststellen zu lassen1. Wie das Anfechtungs- und Nichtigkeitsurteil (dazu Rn 30 und Rn 87) hat auch dieses „Beschlussfeststellungsurteil“ rechtsgestaltende Urteilswirkung erga omnes2; dazu muss die Feststellungsklage in derselben Frist wie die Anfechtungsklage (wenn auch nicht zusammen mit dieser) erhoben (s. Rn 62 ff, 68) und zusammen mit dieser im selben Prozess behandelt werden3. Dem vom „Beschlussfeststellungsurteil“ betroffenen Gesellschafter (zB bei Inzidentfeststellung des fehlenden Stimmrechts) ist rechtliches Gehör zu gewähren4. Die Geschäftsführer haben daher auch hier (vgl bereits Rn 33) die Gesellschafter in geeigneter Weise davon zu unterrichten, dass der Beschluss angefochten und zugleich eine anders lautende gerichtliche Feststellung des Beschlussergebnis verlangt wird (§ 246 Abs. 4 AktG analog)5. Das Prozessgericht hat den Gesellschaftern von sich aus die Klageschrift zuzustellen, falls es nicht sicher sein kann, dass die Geschäftsführer ihrer Informationspflicht nachgekommen sind6. Es macht die Klagen und ihre Verbindung nicht unzulässig, wenn die Gesellschafter trotz der Information dem Verfahren nicht beitreten7. Die bisher unbeteiligten Gesellschafter können sich, falls erforderlich, im Wege der Nebenintervention selbst schützen8. Die „positive Feststellungsklage“ hat namentlich Bedeutung9, wenn der Ver- 41 sammlungsleiter das Abstimmungsergebnis falsch festgestellt hat (näher Rn 47, 49), wenn ein Gesellschafter, dessen Stimmen mitgezählt worden waren, nach § 47 Abs. 4 (dazu § 47 Rn 32 ff) von der Abstimmung ausgeschlossen war (Rn 49) oder wenn etwa mit der Anfechtung der Abschlussfeststellung (§ 29 Rn 15) bestimmte Abschlusspositionen angegriffen und für den Erfolgsfall der 1 BGH GmbHR 2003, 355, 356; BGH GmbHR 2008, 487 Rn 2 ff; BGH GmbHR 2008, 1092, Rn 20; OLG München GmbHR 2008, 362, 363; OLG Saarbrücken GmbHR 2005, 546, 547; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 180; U/H/L/Raiser Rn 273. 2 BGH NJW 1980, 1465, 1467; BGH AG 2001, 587, 588; B/H/Zöllner Rn 193; Scholz/ K. Schmidt § 45 Rn 180. 3 Vgl BGH NJW 1980, 1465, 1467; OLG Celle GmbHR 1997, 172, 174; U/H/L/Raiser Rn 275. 4 Vgl B/H/Zöllner Rn 188; U/H/L/Raiser Rn 275. 5 BGHZ 97, 28, 31 = GmbHR 1986, 156; OLG Düsseldorf GmbHR 2000, 1050, 1052; OLG Frankfurt NZG 1999, 406 = GmbHR 1999, 551 (LS); Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 182. 6 BGHZ 97, 28, 32 = GmbHR 1986, 156; U/H/L/Raiser Rn 275. 7 BGHZ 97, 28, 31 = GmbHR 1986, 156; U/H/L/Raiser Rn 275. 8 Vgl B/H/Zöllner Rn 191; K. Schmidt NJW 1986, 2018, 2020 f; Emde ZIP 1998, 1475; aA Bauschatz NZG 2002, 317, 319 f. 9 Vgl auch U/H/L/Raiser Rn 272.

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Anh zu § 47 | Nichtigkeit/Anfechtbarkeit von Gesellschafterbeschlüssen dann geänderte Jahresabschluss positiv festgestellt werden soll. Zur Problematik im Zusammenhang mit einer actio pro socio ausführlich § 13 Rn 51 ff, 55. 3. Verbindung mit Leistungsklage 42 Falls ein ablehnender Gesellschafterbeschluss mit der Begründung angegriffen

wird, ein anderer sich verweigernder Gesellschafter hätte aus dem Gesichtspunkt der Treupflicht positiv abstimmen müssen (vgl § 14 Rn 31, § 47 Rn 13 ff), kann die Anfechtungsklage mit einer Leistungsklage gegen den anderen Gesellschafter verbunden werden (s. auch § 47 Rn 18)1; es genügt aber auch, dass der andere Gesellschafter als Nebenintervenient (§§ 66 ff ZPO) der Gesellschaft im Anfechtungsprozess beitritt2. Mit der Rechtskraft der beiden zusprechenden Urteile ist der Gesellschafterbeschluss mit dem neuen verlangten Inhalt positiv festgestellt3.

4. Anfechtungsgründe 43 a) Überblick: Ein Gesellschafterbeschluss kann stets wegen Verletzung des Ge-

setzes oder des Gesellschaftsvertrages angefochten werden (§ 243 Abs. 1 AktG analog). „Gesetz“ ist jede privatrechtliche oder öffentlich-rechtliche Rechtsnorm, die – egal ob als Gesetz im formellen Sinn, Rechtsverordnung oder öffentlichrechtliche Satzung – mit hoheitlichem Geltungsanspruch erlassen worden ist4; hierzu zählen auch die sog Generalklauseln gemäß §§ 138, 242, 826 BGB5, das Gleichbehandlungsgebot (§§ 53a, 243 Abs. 2 AktG analog)6 (dazu § 14 Rn 46 ff); das Gebot ordnungsgemäßen Stimmrechtsgebrauchs (näher § 47 Rn 13 ff) sowie die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht (Rn 56 sowie näher § 14 Rn 29 ff)7. Eine treuwidrige Stimmabgabe ist nichtig8, die Stimmen dürfen bei der Feststellung des Beschlussergebnisses nicht mitgezählt werden9; sofern die Nichtberücksich1 BGH NJW 1984, 489; OLG Koblenz GmbHR 1990, 39, 40; Scholz/K. Schmidt § 47 Rn 32 mwN. 2 K. Schmidt NJW 1986, 2018, 2021; etwas enger B/H/Zöllner Rn 192; anders aus vornehmlich rechtspraktischen Gründen für GmbH & Co KG: OLG Köln GmbHR 1989, 76, 77: Leistungsklage gegen die Gesellschaft. 3 AA Maier-Reimer FS Oppenhoff, 1985, S. 193, 208 ff: unzulässige Feststellung, weil das Gericht in die Autonomie der Gesellschafterversammlung eingreife. 4 B/H/Zöllner Rn 84; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 104; U/H/L/Raiser Rn 124. 5 B/H/Zöllner Rn 84; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 104; U/H/L/Raiser Rn 124. 6 BGHZ 116, 359, 372 = GmbHR 1992, 257; OLG Köln NZG 1999, 1228, 1229; OLG München GmbHR 1997, 1103; U/H/L/Raiser Rn 129 ff; MünchKomm/Wertenbruch Rn 137 ff. 7 BGH GmbHR 1991, 62; BGH GmbHR 1993, 579, 581; OLG Frankfurt GmbHR 2005, 550, 555 f; R/A/Roth § 47 Rn 120; Scholz/K. Schmidt § 47 Rn 107. 8 BGH GmbHR 1991, 62; BGH GmbHR 1993, 579, 581; OLG München GmbHR 2015, 84, 87; OLG Hamburg GmbHR 1992, 43, 45; Scholz/K. Schmidt § 47 Rn 32. 9 BGH GmbHR 1991, 62; BGH GmbHR 1993, 579, 581; ThürOLG GmbHR 2013, 149, 154; OLG Hamburg GmbHR 1992, 43, 45; Scholz/K. Schmidt § 47 Rn 32.

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tigung der Stimmen sich auf das Ergebnis des Beschlusses auswirkt, ist dieser anfechtbar1 (s. auch § 47 Rn 53). Umgekehrt kann aber eine Anfechtungsklage gegen einen formal unwirksamen Beschluss nicht auf eine treuwidrige Stimmabgabe des anfechtenden Gesellschafters gestützt werden2. Aus einem Satzungsverstoß folgt keine Anfechtbarkeit, wenn die verletzte Bestimmung lediglich sanktionslose Ordnungsregel ist3, zB eine Satzungsklausel nach der über den Ausschluss eines Gesellschafters und das Schicksal von dessen Geschäftsanteil gleichzeitig zu beschließen ist4. Kein „Gesetz“ sind die Verpflichtungen, welche die Gesellschaft gegenüber Dritten eingegangen ist5. Zur Anfechtbarkeit bei Satzungsdurchbrechungen: § 53 Rn 27 ff; zu der des Verweigerungsbeschlusses nach § 51a Abs. 2 Satz 2: § 51a Rn 53; zur Anfechtbarkeit von satzungsauslegenden Beschlüssen: BGH GmbHR 2003, 171, 173. Der Verstoß gegen eine schuldrechtliche Konsortialabrede, speziell auch gegen 44 Stimmbindungsverträge (ausführlich § 47 Rn 19 ff), begründet richtigerweise generell kein Anfechtungsrecht6. Der aus Gründen der Prozessökonomie anders lautenden Rspr7, die ausnahmsweise eine Anfechtung gestattet, wenn sämtliche Gesellschafter an dieser Abrede beteiligt waren und im Augenblick der Beschlussfassung auch nur die durch die Konsortialabrede verpflichteten Gesellschafter sind8, ist nicht zu folgen9 (ausführlich § 47 Rn 24 mwN). Daher auch keine Anfechtbarkeit des Gesellschafterbeschlusses, wenn ein Gesellschafter mit seiner Stimmabgabe gegen eine testamentarische Auflage verstößt10. b) Im Hinblick auf Verfahrensverstöße sind vier Fallgruppen zu unterscheiden: 45 (1) Fehler bei der Vorbereitung der Beschlussfassung (Rn 46), (2) Fehler bei der 1 BGH GmbHR 1991, 62; BGH GmbHR 1993, 579, 581; OLG Frankfurt GmbHR 2005, 550, 555 f; OLG Hamburg GmbHR 1992, 43, 45; U/H/L/Raiser Rn 122 f. 2 So zutreffend öOGH GesRZ 2013, 219, 221. 3 B/H/Zöllner Rn 85; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 99; U/H/L/Raiser Rn 109, 124. 4 OLG Düsseldorf DB 2007, 848, 849 f. 5 B/H/Zöllner Rn 84; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 117; U/H/L/Raiser Rn 124. 6 OLG Stuttgart BB 2001, 794, 797 – Dornier; B/H/Zöllner Rn 84; U/H/L/Raiser Rn 152. 7 So BGH GmbHR 1983, 196 mit Anm Vomhof GmbHR 1984, 180; BGH GmbHR 1987, 94; OLG Hamm GmbHR 2000, 673, 674; OLG Saarbrücken GmbHR 2005, 546, 548; vgl auch öOGH WBl 2000, 136, 138 für personalistische GmbH. 8 So auch Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 116, § 47 Rn 53; B/H/Zöllner Rn 118 f; MünchKomm/Drescher § 47 Rn 250; Noack NZG 2010, 1017; Happ ZGR 1984, 168. 9 Ablehnend auch OLG Stuttgart BB 2001, 794, 797 – Dornier; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand § 47 Rn 91 f; U/H/L/Raiser Rn 154; R/A/Roth § 47 Rn 124; R/S-L/Koppensteiner/Gruber § 47 Rn 118; MünchKomm/Wertenbruch Rn 162; Michalski/Römermann § 47 Rn 535; Goette RWS-Forum 8 (1995), 113, 120 ff; Hoffmann-Becking ZGR 1994, 442, 450; Wälzholz GmbHR 2009, 1020, 1026; Habersack ZHR 164 (2000), 1, 10; ausführlich M. Winter ZHR 154 (1990), 259, 268 ff; Ulmer FS Röhricht, 2005, S. 638 ff; Rodemann Stimmbindungsvereinbarungen, 1998, S. 85 ff; Wicke DStR 2006, 1137 ff. 10 OLG Koblenz GmbHR 1986, 430, 432.

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Anh zu § 47 | Nichtigkeit/Anfechtbarkeit von Gesellschafterbeschlüssen Versammlungsleitung und beim Abstimmungsverfahren (Rn 47), (3) Verletzung von Informationsrechten (Rn 48) sowie (4) Fehler bei der Beschlussfeststellung (Rn 49). 46 (1) Fehler bei der Vorbereitung der Beschlussfassung können zwar ausnahms-

weise analog § 241 Nr. 1 AktG zur Nichtigkeit führen (vgl Rn 11 ff sowie § 51 Rn 28 f), idR begründen Verstöße gegen Form, Frist und Inhalt der Einberufung1 bzw der Ankündigung der Tagesordnung – soweit sie nicht derart schwer wiegen, dass sie faktisch einer Nichtladung gleichkommen (vgl dazu Rn 12 sowie § 51 Rn 28) – lediglich die Anfechtbarkeit (s. auch § 51 Rn 30), so etwa bei Unterschreitung der Ladungsfrist (§ 51 Abs. 1 Satz 2, dazu § 51 Rn 13 ff) oder der Frist für die Ankündigung der Tagesordnung (§ 51 Abs. 4, dazu § 51 Rn 19 f), bei Fehlen oder inhaltlichen Mängeln der Tagesordnung (§ 51 Abs. 2, 4, dazu § 51 Rn 21 ff) sowie generell bei Verstößen gegen rein statutarische Vorgaben (vgl § 51 Rn 37).

47 (2) Fehler bei der Verfahrensleitung und beim Abstimmungsverfahren kön-

nen ebenfalls zur Anfechtbarkeit gefasster Beschlüsse führen. In Betracht kommen etwa Verletzungen des Teilnahmerechts2 (nicht jedoch die Teilnahme unberechtigter Personen, vgl § 48 Rn 9 aE), Abweichungen von der Tagesordnung3, Abstimmung trotz Beschlussunfähigkeit4 (dazu auch § 47 Rn 8) oder Wahl eines falschen Abstimmungsverfahrens5. Fehlerhaft ist auch eine Blockabstimmung über den Ausschluss mehrerer Gesellschafter und die Einziehung von deren Geschäftsanteilen, wenn allen betroffenen Gesellschaftern zu Unrecht das Stimmrecht verweigert wurde6.

48 (3) Die Verletzung des Informationsrechts der Gesellschafter aus § 51a Abs. 1

(ausführlich § 51a Rn 1 ff) kann ebenfalls die Anfechtbarkeit eines Gesellschafterbeschlusses begründen, sofern sie für das Beschlussergebnis relevant war7 (s. auch § 51a Rn 53; zur Relevanz allgemein Rn 50 ff); die Vorschaltung des Erzwingungsverfahrens nach § 51b ist nicht erforderlich8 (s. auch § 51a Rn 53, § 51b Rn 19).

49 (4) Fehler bei der Beschlussfeststellung, welche die Anfechtbarkeit begründen

können, sind etwa: die falsche Auszählung der Stimmen9; die Zugrundelegung

1 Beispiel OLG München GmbHR 2015, 35, 36. 2 ThürOLG GmbHR 2013, 149, 153; OLG München GmbHR 2005, 624, 626; OLG Hamm GmbHR 2003, 1211, 1212 f; näher § 48 Rn 9. 3 Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 95; U/H/L/Raiser Rn 115. 4 OLG Stuttgart GmbHR 2011, 1277; BGH GmbHR 1989, 120, 122; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 95. 5 U/H/L/Raiser Rn 115; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 96. 6 ThürOLG v. 6.9.2006 – 6 U 234/06. 7 MünchKomm/Wertenbruch Rn 131 ff; U/H/L/Raiser Rn 116 ff. 8 OLG Schleswig GmbHR 2008, 434, 435; U/H/L/Raiser Rn 116. 9 B/H/Zöllner Rn 116; U/H/L/Raiser Rn 122; vgl weiter ThürOLG GmbHR 2013, 149, 154.

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eines falschen Mehrheitserfordernisses1; die Nichtberücksichtigung wirksamer Stimmen2 oder die Mitzählung von Stimmen, die (schwebend) unwirksam sind3 (zB wegen Fehlens einer kommunalaufsichtlichen Genehmigung4), Verstoß gegen ein Stimmverbot gemäß § 47 Abs. 4 (dazu § 47 Rn 32 ff, 53) oder Stimmrechtsmissbrauch (dazu § 47 Rn 14 ff), sofern sich die Berücksichtigung bzw Nichtberücksichtigung der betreffenden Stimmen auf das Beschlussergebnis auswirkt5. Verfahrensverstöße machen den Gesellschafterbeschluss nur dann anfechtbar, 50 wenn sie relevant sind6, und die Nichtigerklärung auf Grund von Anfechtung auch nicht unverhältnismäßig ist7. Die Relevanz orientiert sich am jeweiligen Schutzzweck der Verfahrensvorschriften, die angemessene Partizipation aller teilnahme- und stimmberechtigten Gesellschafter am Willensbildungsprozess sicherstellen soll. Alle Überlegungen zur Kausalität des Mangels8 (so früher hM9) haben sich dadurch erledigt. Dies bedeutet: Maßgebend ist danach die „Relevanz“ des Verfahrensverstoßes 51 für das Mitgliedschafts- bzw Mitwirkungsrecht des Gesellschafters im Sinne eines dem Beschluss anhaftenden Legitimationsdefizits, das bei einer wertenden, am Schutzzweck der verletzten Norm orientierten Betrachtung die Rechtsfolge der Anfechtbarkeit gemäß § 243 Abs. 1 AktG analog rechtfertigt10. Damit scheidet die Anfechtbarkeit zum einen dort aus, wo der anfechtende Gesellschafter ausschließlich die Verletzung fremder Partizipationsinteressen rügt11, zum anderen dort, wo der Verfahrensverstoß das Informations- und Partizipationsinteresse des Gesellschafters nicht konkret beeinträchtigt hat12. Das ist nur Ausnahmefällen anzunehmen13, zB wenn sich die Mitzählung von unzutreffend als

1 B/H/Zöllner Rn 117; U/H/L/Raiser Rn 122. 2 R/A/Roth § 47 Rn 131; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 98. 3 B/H/Zöllner Rn 116; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 98; MünchKomm/Wertenbruch Rn 130. 4 ThürOLG v. 28.4.2009 – 6 W 42/09; zustimmend MünchKomm/Wertenbruch Rn 130. 5 MünchKomm/Wertenbruch Rn 130; R/S-L/Koppensteiner/Gruber § 47 Rn 133 f. 6 BGHZ 149, 158, 164 f – Sachsenmilch II; nachdrücklich auch BGH NZG 2005, 77, 79 – ThyssenKrupp; vgl ferner BGH NJW 2008, 69, 73; OLG Düsseldorf GmbHR 2003, 1006; OLG Hamm GmbHR 2003, 1211, 1213; B/H/Zöllner Rn 125 ff; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 100; MünchKomm/Wertenbruch Rn 133 f. 7 Näher Bayer VGR Bd 2 (2000), S. 36, 54; zustimmend B/H/Zöllner Rn 128. 8 Terminologisch falsch daher OLG München ZIP 2015, 1582, 1583. 9 Ausführliche Nachweise etwa bei Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 100 Fn 6. 10 BGH NZG 2005, 77, 79 – ThyssenKrupp. 11 Vgl auch Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 102. 12 Vgl Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 102. 13 OLG Düsseldorf GmbHR 2003, 1006, 1007; R/S-L/Koppensteiner/Gruber § 47 Rn 134; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 100 ff.

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Anh zu § 47 | Nichtigkeit/Anfechtbarkeit von Gesellschafterbeschlüssen gültig bewerteten Stimmen nicht auf das Beschlussergebnis auswirkt1 (Rn 49 und § 47 Rn 53). 52 Bei Verstößen gegen gesetzliche Informationspflichten liegt ein relevanter

Verfahrensverstoß immer dann vor, wenn einem Gesellschafter Auskünfte vorenthalten werden, die aus Sicht eines objektiv urteilenden Gesellschafters zur sachgerechten Wahrnehmung seiner Teilnahme- und Mitgliedschaftsrechte erforderlich sind2 (§ 243 Abs. 4 Satz 1 AktG analog). Auf eine irgendwie geartete Kausalität für die Stimmabgabe kommt es nicht an3. Wegen unrichtiger, unvollständiger oder verweigerter Erteilung von Informationen in der Gesellschafterversammlung über die Ermittlung, Höhe und Angemessenheit von Ausgleich, Abfindung, Zuzahlung oder sonstige Kompensation kann eine Anfechtungsklage jedoch nicht gestützt werden, wenn das Gesetz für Bewertungsrügen ein Spruchverfahren vorsieht (§ 243 Abs. 4 Satz 2 AktG analog)4. Sollten Gesellschafter, die nach dem Gesetz (zB § 47 UmwG) schon mit der Einberufung der Gesellschafterversammlung zur Vorbereitung auf einen Gesellschafterbeschluss ins Bild zu setzen waren, nicht hinreichend vorab informiert worden sein, so ist der Gesellschafterbeschluss trotzdem nur dann wegen Verletzung des Informationsinteresses anfechtbar, wenn Gesellschafter in der Versammlung Nachbesserung verlangt haben, die dann unerfüllt geblieben ist5.

53 c) Materielle Rechtsverstöße: Anfechtbar sind Gesellschafterbeschlüsse allein

wegen Gesetzes- oder Satzungswidrigkeit, nicht hingegen wegen unternehmerischer Unzweckmäßigkeit; allenfalls bei evident ermessensfehlerhaften Gesellschafterbeschlüssen kann Anfechtbarkeit in Betracht gezogen werden6. Treuwidrige Entlastungsbeschlüsse sind hingegen trotz des den Gesellschaftern zukommenden Ermessens anfechtbar (ausführlich § 46 Rn 27).

54 Beispiele für materielle Rechtsverstöße7: Entlastung bei schweren Gesetzes- oder

Satzungsverstößen (näher § 46 Rn 27), Weisung an die Geschäftsführer, auf Dauer Geschäfte außerhalb des Unternehmensgegenstandes zu betreiben (vgl § 37 Rn 17), ganz allgemein Eingriff in das Mitgliedschaftsrecht eines Gesellschafters, sofern dieser Eingriff nicht grds gerechtfertigt und nach den Grundsätzen

1 Vgl B/H/Zöllner Rn 130. 2 BGH NZG 2005, 77, 79 – ThyssenKrupp; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 103; U/H/L/Raiser Rn 116 ff. 3 BGH NZG 2005, 77, 79 – ThyssenKrupp; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 103; MünchKomm/ Wertenbruch Rn 131. 4 Vgl Noack/Zetzsche ZHR 170 (2006), 218, 245; unentschieden U/H/L/Raiser Rn 121. 5 Vgl B/H/Zöllner Rn 129; Lutter/Krieger/Bayer § 274 UmwG Rn 13; s. ferner auch Lutter/ Bayer § 82 UmwG Rn 31. 6 R/A/Roth § 47 Rn 119. 7 Eingehend U/H/L/Raiser Rn 124 ff; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 104 ff; MünchKomm/ Wertenbruch Rn 135 ff.

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BGHZ 71, 401 erforderlich und verhältnismäßig ist2. Zur Mitwirkung des noch nicht in die Gesellschafterliste eingetragenen Anteilserwerbers bei Beschlussfassungen: Nolting GmbHR 2010, 584 ff. Verstöße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 53a AktG analog, dazu § 14 55 Rn 46 ff): beispielsweise einseitige verdeckte Gewinnausschüttung3, ungerechtfertigter Bezugsrechtsausschluss bei der Kapitalerhöhung (vgl § 55 Rn 27, 31). Anders als im Aktienrecht (§ 243 Abs. 2 Satz 2 AktG) wird die Anfechtbarkeit eines Sondervorteils richtiger Ansicht nach nicht durch einen kompensatorischen Ausgleich zugunsten der anderen Gesellschafter beseitigt4. Verstöße gegen Treubindungen der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft 56 oder gegenüber den Mitgesellschaftern5 (näher § 14 Rn 29 ff): zB in die Abhängigkeit führende Befreiung von einem Wettbewerbsverbot, sofern sie nicht im Interesse der GmbH geboten ist6; sachgrundloser Austausch des Abschlussprüfers gegen den Willen der Minderheit7; Zubilligung einer unangemessen hohen Vergütung an einen (Gesellschafter-)Geschäftsführer8; die Aufhebung eines Vorerwerbsrechts, sofern sie sich als unverhältnismäßige Reaktion der Mehrheit auf unkooperatives Verhalten des Minderheitsgesellschafters darstellt9; die Ablehnung der Beseitigung einer satzungswidrigen Firma10, die Rückforderung eines Gesellschafterdarlehens zur Unzeit11; die Zustimmung zu Strukturentscheidungen trotz erkennbarer Bewertungsfehler12; die Zustimmung zu einem Einziehungsbeschluss durch Gesellschafter, die ihrerseits verpflichtet wären, dem 1 Dazu Lutter ZGR 1979, 403 ff. 2 R/S-L/Koppensteiner/Gruber § 47 Rn 129. 3 Vgl BGHZ 65, 15, 18 = GmbHR 1975, 269, 270 = JZ 1976, 408 mit Anm Wiedemann = BB 1975, 1450 mit Anm Schilling; vgl weiter MünchKomm/Wertenbruch Rn 139 mwN. 4 B/H/Zöllner Rn 89; MünchKomm/Wertenbruch Rn 136; Hommelhoff Die Konzernleitungspflicht, 1982, S. 251 f; Ulmer ZHR 148 (1984), 391, 412; ausführlich M. Winter Mitgliedschaftliche Treuebindungen, 1988, S. 303 ff; aA U/H/L/Raiser Rn 126; Scholz/ K. Schmidt § 45 Rn 110. 5 S. BGHZ 88, 320, 328 = GmbHR 1984, 93; OLG Düsseldorf NZG 2000, 1181; Lutter AcP 180 (1980), 84, 120 ff; MünchKomm/Wertenbruch Rn 140 ff; vgl auch OLG München GmbHR 2015, 84, 86 ff – Media Saturn (dieses Urteil ablehnend allerdings Ekkenga Der Konzern 2015, 409 ff; Hennrichs NZG 2015, 41 ff; vgl auch Cahn GmbHR 2015, 67 ff; jüngst aufgehoben durch BGH 12.4.2016 – II ZR 275/14). 6 BGHZ 89, 69, 74 f = GmbHR 1981, 189, 190; dazu Timm GmbHR 1981, 177 ff; vgl weiter Wiedemann/Hirte ZGR 1986, 163, 168 ff. 7 GmbHR 1991, 568, 569. 8 Vgl BGH WM 1976, 1226, 1227; LG Mainz NZG 2002, 918; s. aber auch BGH GmbHR 2007, 260 = DZWiR 2007, 292 mit Anm Lieder (ggf Pflicht zur Zustimmung zu einer angemessenen Vergütung). 9 BGH DStR 1993, 1566 mit Anm Goette. 10 OLG Stuttgart NZG 1998, 601, 603 ff = GmbHR 1998, 943 (LS) – Dornier. 11 OLG Frankfurt GmbHR 2005, 550, 555 f mit Anm Fritsche. 12 OLG Stuttgart AG 2004, 271; OLG Stuttgart AG 2003, 456; OLG Stuttgart BB 2001, 794.

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Anh zu § 47 | Nichtigkeit/Anfechtbarkeit von Gesellschafterbeschlüssen Betroffenen ihre Anteile anzubieten1; wenn ein Mehrheitsgesellschafter durch einen Auflösungsbeschluss in illoyaler Weise versucht, sich das Unternehmen möglichst günstig anzueignen2 (vgl auch § 60 Rn 6). Vgl zur Treuepflicht im Konzern auch Anh zu § 13 Rn 33 f, 39 ff. 57 d) Feststellung des Jahresabschlusses: Anders als bei der AG kann der Be-

schluss über die Feststellung des Jahresabschlusses nach hM auch bei inhaltlichen Verstößen gegen das Gesetz oder die Satzung uneingeschränkt angefochten werden; eine Analogie zu § 257 Abs. 1 Satz 2 AktG ist nicht tragfähig, da die Feststellung bei der GmbH durch die Gesellschafter (und nicht wie bei der AG durch die Verwaltung) erfolgt und das Schutzsystem der §§ 258 ff AktG nicht auf die GmbH übertragbar ist3 (vgl auch § 29 Rn 15). Eine Anfechtung kommt etwa in Betracht bei Unterbewertung4, Unterlassung gebotener Rückstellungen5, oder allgemein bei Verstößen gegen das Abwägungsgebot6 (vgl auch § 42a Rn 29). Im Interesse der Rechtssicherheit und angesichts der lähmenden Wirkung, welche die Anfechtung des Feststellungsbeschlusses zur Folge hat, berechtigten jedoch nur erhebliche Bilanzrechtsverstöße zur Anfechtung7. Steuerrechtlich zulässige Unterbewertungen schließen einen handelsrechtlichen Verstoß nicht aus; ein solcher ist in jedem Falle dann anzunehmen, wenn die konkrete Bilanzierung nach der Gesamtlage des Unternehmens kaufmännisch ganz eindeutig nicht mehr zu rechtfertigen ist8.

58 e) Hinsichtlich der Anfechtung eines Ergebnisverwendungsbeschlusses wurde

die analoge Anwendbarkeit des § 254 AktG früher nahezu einhellig abgelehnt9. Nach Änderung des § 29 durch das BiRiLiG10 (vgl § 29 Rn 1) mehren sich jedoch die Stimmen, die für eine Analogie11 oder zumindest eine Berücksichtigung der Wertung des § 254 AktG12 plädieren; sofern man dem nicht folgt, wird

1 OLG Düsseldorf GmbHR 2004, 572, 581. 2 BGHZ 76, 352 = GmbHR 1981, 111; BGHZ 103, 184, 189 – Linotype (für die AG). 3 BGH GmbHR 2008, 1092, 1093; BGHZ 137, 378, 386 = GmbHR 1998, 324, 325; KG NZG 2001, 845; OLG Brandenburg GmbHR 1997, 796, 797; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 38; Brete/Thomsen GmbHR 2008, 176, 177. 4 KG NZG 2001, 845; OLG Brandenburg GmbHR 1997, 796, 797; Scholz/K. Schmidt § 46 Rn 39. 5 OLG Brandenburg GmbHR 1996, 697. 6 Vgl Scholz/K. Schmidt § 46 Rn 39. 7 KG NZG 2001, 845; OLG Brandenburg GmbHR 1997, 796, 797; vgl auch Scholz/ K. Schmidt § 46 Rn 39; MünchKomm/Wertenbruch Rn 153. 8 BGH WM 1974, 392, 393. 9 Vgl nur Hommelhoff ZGR 1986, 418, 423 ff mwN. 10 BGBl I 1985, 2355. 11 So B/H/Zöllner Rn 107. 12 So Scholz/K. Schmidt § 46 Rn 44.

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die Mehrheitsmacht aber jedenfalls durch die gesellschafterliche Treuepflicht begrenzt1 (vgl auch § 29 Rn 22). f) Für die Anfechtung von Aufsichtsratswahlen gilt § 251 AktG analog2. Zu den 59 (streitigen) Rechtsfolgen fehlerhafter Beschlussfassung näher § 52 Rn 6 mwN. 5. Ausschluss der Anfechtbarkeit a) Nachträgliche Zustimmung: Ein Gesellschafterbeschluss, der wegen Verlet- 60 zung individueller Verfahrens- (Rn 45 ff) oder Mitgliedschaftsrechte (Rn 53 ff) rechtswidrig ist, verliert seine Anfechtbarkeit, wenn der oder die betroffenen Gesellschafter dem Beschluss nachträglich zustimmen; es kann dann niemand mehr den Beschluss anfechten3. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob ein Anfechtungsbefugter (s. Rn 70 ff) sein Anfechtungsrecht verloren hat; das ist der Fall, wenn er für den rechtswidrigen Beschluss gestimmt (Ausnahme: Anfechtung der Stimmabgabe nach §§ 119 ff BGB), ihn nachträglich gebilligt oder auf sein Anfechtungsrecht verzichtet hat4. b) Bestätigung: Ebenfalls ausgeschlossen wird die Anfechtbarkeit – und führt 61 bei anhängigem Rechtsstreit zur Klagabweisung wegen Unbegründetheit5 –, wenn die Gesellschafter den rechtswidrigen Beschluss in der Weise bestätigen, dass sein ursprünglicher Mangel beseitigt wird (§ 244 AktG analog)6; Beispiel: Der zunächst allein aufgrund der dem Mehrheitsgesellschafter zugänglichen Information und ohne Erörterung getroffene Entscheid wird in einer zweiten Gesellschafterversammlung auf Grund umfassender Information aller Gesellschafter und eingehender Erörterung erneut getroffen. Wenn der Bestätigungsbeschluss während des bereits anhängigen Anfechtungsprozesses gefasst wird, kann der Kläger die Klage – innerhalb der insoweit maßgeblichen Anfechtungsfrist (dazu Rn 62 ff, 68) – nachträglich auf diesen erweitern7. Ist der Kläger dagegen der Auffassung, dass der Bestätigungsbeschluss wirksam ist und damit den Anfechtungsgrund behoben hat, so kann er den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklären8. Analog § 244 Satz 2 AktG kann er ggf aber auch be1 Für eine generelle Anknüpfung an die Treuepflicht U/H/L/Raiser Rn 144; MünchKomm/ Wertenbruch Rn 158. 2 MünchKomm/Wertenbruch Rn 144; Bedeutung im Hinblick auf § 251 Abs. 1 Satz 2 AktG betonend B/H/Zöllner Rn 109a; Michalski/Römermann Rn 341. 3 Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 119. 4 R/A/Roth § 47 Rn 141; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 139; U/H/L/Raiser Rn 168. 5 BGHZ 157, 206, 210 = AG 2004, 204; MünchKomm/Wertenbruch Rn 164 mwN. 6 OLG Düsseldorf GmbHR 2003, 1006, 1008; OLG Nürnberg NZG 2000, 700, 703; B/H/ Zöllner Rn 131; U/H/L/Raiser Rn 160. 7 OLG Stuttgart NZG 2005, 432; OLG Nürnberg NZG 2000, 700, 702; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 167; U/H/L/Raiser Rn 163. 8 Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 166; MünchKomm/Wertenbruch Rn 253 ff.

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Anh zu § 47 | Nichtigkeit/Anfechtbarkeit von Gesellschafterbeschlüssen antragen, den anfechtbaren Beschluss für die Zeit bis zum Bestätigungsbeschluss für nichtig zu erklären1. 62 c) Ablauf der Anfechtungsfrist: Die Anfechtbarkeit eines mangelhaften Gesell-

schafterbeschlusses ist ausgeschlossen, wenn die Anfechtungsfrist verstrichen ist.2 Anders als in der AG sind die Gesellschafter typischerweise auf gegenseitiges Vertrauen angewiesen und müssen deshalb Differenzen über einen Gesellschafterbeschluss möglichst einvernehmlich ausräumen3. Die Monatsfrist aus § 246 Abs. 1 AktG gilt daher nicht strikt, sondern wird vielfach nur als Leitbild betrachtet4, wenngleich der BGH zwischenzeitlich wohl strengere Maßstäbe anzulegen scheint, wenn er von der Monatsfrist als „Grundsatz“ spricht5. Gleichwohl sind Überschreitungen der Monatsfrist nicht ausgeschlossen (näher Rn 63). Fristbeginn ist die Kenntnis des Gesellschafters vom Beschlussinhalt (streitig)6, die regelmäßig indes erst mit Zugang des Beschlussprotokolls gegeben sein wird7. Ein Gesellschafter darf sich allerdings der Kenntnisnahme von Beschlüssen einer Gesellschafterversammlung, an der er nicht teilgenommen hat, nicht verweigern8. Bei Rechtsnachfolge kommt es auf die Kenntnis des Rechtsvorgängers an9.

63 Die Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG ist eine Mindestfrist10; sie kann aus trifti-

gen Gründen im Einzelfall überschritten werden, wenn sie sich trotz aller für den Anfechtungskläger zumutbaren Beschleunigung nicht einhalten lässt11. Dies gilt insbesondere, wenn Verhandlungen über eine einvernehmliche Streitbele-

1 OLG Düsseldorf GmbHR 2003, 1006, 1009; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 166; U/H/L/Raiser Rn 165. 2 Dazu Kaufmann NZG 2015, 336, 337 ff; Beispiel: ThürOLG GmbHR 2013, 149, 153. 3 BGH NJW 1990, 2625; BGH GmbHR 1992, 801. 4 So BGH GmbHR 2005, 925; BGH GmbHR 1999, 714; OLG Düsseldorf DB 2007, 848, 850; ThürOLG GmbHR 2013, 149, 153; ThürOLG GmbHR 2002, 115; B/H/Zöllner Rn 145; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 142. 5 So dezidiert BGH GmbHR 2009, 1101 (LS); dazu auch Goette DStR 2009, 2113 f; zustimmend Fleischer GmbHR 2015, 1289, 1294; ähnlich R/A/Roth Rn 146; Wicke Rn 19; vgl weiter KG ZIP 2010, 2047, 2049. 6 So ThürOLG GmbHR 2002, 115, 116; zustimmend Fleischer GmbHR 2015, 1289, 1295 mwN; aA: Zeitpunkt Beschlussfassung: S/I/Puszkejler Rn 98; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 145; aA: Erkennbarkeit Beschlussmangel: B/H/Zöllner Rn 154; R/A/Roth § 47 Rn 147. 7 So für satzungsmäßige Frist: BGH GmbHR 1998, 891; vgl weiter ThürOLG GmbHR 2002, 115 f; OLG Hamm GmbHR 2003, 843 f; zustimmend Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 145; U/H/L/Raiser Rn 204. 8 OLG Hamm GmbHR 2003, 843 f. 9 OLG Schleswig NZG 2000, 895 f; U/H/L/Raiser Rn 201. 10 BGH GmbHR 1992, 801; ThürOLG GmbHR 2013, 149, 153; OLG Brandenburg GmbHR 1996, 539, 540; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 144; MünchKomm/Wertenbruch Rn 229. 11 So auch OLG Hamm GmbHR 2010, 477, 479 mwN.

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gung stattfinden1; dann ist nach ihrem Scheitern eine angemessene Überlegungsfrist zuzubilligen2, die im Einzelfall auch 4 Wochen betragen kann3. Auch die Klärung schwieriger Tatsachen- oder Rechtsfragen kann eine Überschreitung der Monatsfrist erforderlich machen4. Irrelevant ist dagegen zB, dass die Gesellschafterversammlung kurz vor Weihnachten stattgefunden hat5. Eine längere Frist als drei Monate ist regelmäßig unangemessen6. Grundsätzlich hat der Anfechtende bei Überschreitung der Monatsfrist mit aller ihm zumutbaren Beschleunigung vorzugehen7. Enthält der Gesellschaftsvertrag eine Frist, ist zunächst diese maßgeblich8. 64 Doch auch hier ist zunächst der Fristbeginn zu klären9; weiterhin können auch hier Verhandlungen usw zur Fristverlängerung führen10. Generell muss sich auch eine fristregelnde Satzungsbestimmung im Rahmen des Angemessenen halten11, dh eine Verkürzung der Mindestfrist von einem Monat (Rn 63) ist unwirksam12. Auch eine indirekte Verkürzung der Frist durch Abstellen auf die Protokollversendung (statt Kenntnisnahme) ist unzulässig13. Ratsam ist feste an1 OLG Düsseldorf DB 2007, 848, 850; OLG Hamm NZG 2004, 380 = GmbHR 2004, 587; OLG Hamm GmbHR 1995, 736, 738; OLG Dresden NJW-RR 1997, 1535, 1536; OLG Stuttgart GmbHR 2000, 385; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 143; U/H/L/Raiser Rn 197. 2 Eindeutig zu streng daher OLG Celle GmbHR 1999, 1099, 1100: trotz Vergleichsgesprächen soll eintägige Fristüberschreitung schaden. 3 ThürOLG v. 6.9.2006 – 6 U 234/06; vgl auch OLG Dresden NJW-RR 1997, 1535, 1536; OLG Hamm GmbHR 1995, 736, 738; R/A/Roth § 47 Rn 145; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 143. 4 BGH GmbHR 1992, 801; OLG Düsseldorf DB 2007, 848, 850; OLG Hamm NZG 2004, 380; ThürOLG GmbHR 2002, 115, 116; OLG München NZG 2000, 105, 106 = GmbHR 2000, 385 (LS); Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 143; Fleck EWiR 1990, 701: Verwirkungsgedanke. 5 BGH GmbHR 2005, 925, 927. 6 S. aber auch BGH NJW 1987, 2514 f sowie B/H/Zöllner Rn 151; Geißler GmbHR 2002, 520, 527; Nehls GmbHR 1995, 703 ff; aA MünchKomm/Wertenbruch Rn 230. 7 BGH GmbHR 1992, 801; BGH NJW 1990, 2625; OLG Düsseldorf DB 2007, 848, 850; OLG München NZG 2000, 105, 106 = GmbHR 2000, 385 (LS); R/A/Roth § 47 Rn 144; R/S-L/Koppensteiner/Gruber § 47 Rn 139. 8 BGH NJW 1988, 1844, 1845 = GmbHR 1988, 304; OLG Düsseldorf GmbHR 2005, 1353, 1354; B/H/Zöllner Rn 155; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 144. 9 Problematisch BGH GmbHR 1998, 891, 892 mit kritischer Anm Ch. Teichmann WuB II C. § 47 GmbHG 2.98. 10 Beispiel ThürOLG v. 6.9.2006 – 6 U 234/06; zustimmend MünchKomm/Wertenbruch Rn 232. 11 BGHZ 104, 66, 71 ff = GmbHR 1988, 304, 305; OLG Hamm GmbHR 2001, 301; Scholz/ K. Schmidt § 45 Rn 144. 12 BGHZ 104, 66, 71 ff = GmbHR 1988, 304, 305; ThürOLG GmbHR 2013, 149, 153; OLG Brandenburg GmbHR 1996, 539, 540; Wicke Rn 19; s. auch B/H/Zöllner Rn 155. 13 Richtig OLG Düsseldorf GmbHR 2005, 1353 mit Anm Werner; zweifelnd allerdings Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 144.

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Anh zu § 47 | Nichtigkeit/Anfechtbarkeit von Gesellschafterbeschlüssen gemessene Frist, die ab Zugang des übermittelten Beschlussprotokolls berechnet wird1. Eine unangemessene Satzungsregelung setzt eine angemessene gesetzliche Frist (Rn 62 f) in Lauf2. 65 Diese Grundsätze gelten in grds gleicher, wenn auch deutlich abgeschwächter

Weise für eine positive Beschlussfeststellungsklage (dazu Rn 40)3; die Geltendmachung des Rechts aus dem streitigen Rechtsverhältnis kann verwirkt sein4.

66 d) Ablauf der Klagefrist bei Umwandlungsbeschlüssen: Für Umwandlungs-

beschlüsse gilt gemäß §§ 14 Abs. 1, 125 Satz 1, 195 Abs. 1 UmwG eine strikte Klagefrist von 1 Monat; wird diese nicht gewahrt, ist die Anfechtungsklage (anders als bei Nichtwahrung der „regulären Anfechtungsfrist“, vgl Rn 62 ff und Rn 68) nicht unbegründet, sondern bereits unzulässig5.

6. Anfechtungsklage 67 a) Überblick: Wegen der erst durch das Anfechtungsurteil herbeigeführten Nich-

tigkeit des zunächst bloß anfechtbaren Gesellschafterbeschlusses (s. aber auch Rn 38) kann die Anfechtbarkeit allein im Wege der Anfechtungsklage geltend gemacht werden; allerdings schließt der Nichtigkeitsantrag gemäß § 249 AktG analog den Anfechtungsantrag entsprechend § 246 AktG mit ein6 (vgl auch Rn 30 und 34 sowie ausführlich Rn 78 ff). Anders als die Beschlussnichtigkeit (Rn 29) kann die Anfechtbarkeit nicht als Einrede erhoben werden (vgl Rn 3). Auf die Anfechtungsklage finden die Bestimmungen der §§ 245 ff AktG (Anfechtungsbefugnis, Verfahren, Streitwert, Urteilswirkung) entsprechender Anwendung, soweit die Besonderheiten der GmbH nicht Abweichungen gebieten (vgl bereits Rn 1, 3).

68 b) Anfechtungsfrist: Die Wahrung der Anfechtungsfrist (Rn 62 ff) ist eine ma-

terielle Klagevoraussetzung, die in jeder Verfahrenslage von Amts wegen zu prüfen ist7; Verspätung führt zur Klagabweisung als unbegründet8. Die Anfech-

1 BGH GmbHR 1998, 891 f; OLG Hamm GmbHR 2001, 301; Michalski/Römermann Rn 476. 2 ThürOLG GmbHR 2013, 149, 153; OLG Brandenburg GmbHR 1996, 539, 540; Scholz/ K. Schmidt § 45 Rn 144. 3 BGH GmbHR 1996, 47, 49: zeitnahe Klagerhebung; s. OLG Celle GmbHR 1997, 172, 174; OLG Zweibrücken GmbHR 1999, 79, 80: zeitnah muss auch die Gesellschaft gegen den Gesellschafter klagen. 4 BGH GmbHR 2008, 426, 427 mit Anm Werner; BGH GmbHR 1999, 477, 478 (dazu Eckardt NZG 1999, 499 ff; Schantl ZIP 1999, 657, 658). 5 Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 141. 6 Grundlegend: BGH GmbHR 1997, 655, 656; vgl weiter B/H/Zöllner Rn 166; Scholz/ K. Schmidt § 45 Rn 152; U/H/L/Raiser Rn 213 ff. 7 BGH GmbHR 1998, 891, 892; B/H/Zöllner Rn 158; R/S-L/Koppensteiner/Gruber § 47 Rn 140. 8 BGH GmbHR 1998, 891, 892; BGH GmbHR 2005, 925, 927; B/H/Zöllner Rn 158; Scholz/ K. Schmidt § 45 Rn 141.

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tungsfrist kann für unterschiedliche Anfechtungsgründe verschieden sein und muss daher im Hinblick auf jeden Anfechtungsgrund gesondert geprüft werden1. Die Frist wird gewahrt, wenn der Anfechtungsberechtigte rechtzeitig Klage erhoben hat und Zustellung demnächst erfolgt (§ 167 ZPO)2, nicht hingegen, wenn der Gerichtskostenvorschuss erst mehrere Wochen nach Anforderung einbezahlt wird3. Ein Prozesskostenhilfeantrag sollte zur Fristwahrung grundsätzlich ausreichen4; dies kann (Auslegung!) anders sein, wenn die Satzung eine längere Frist vorsieht5. Sämtliche Anfechtungsgründe, über die entschieden werden soll, müssen innerhalb der Frist wenigstens „in ihrem Kern“ geltend werden6; nur insoweit ist ein „Nachschieben“ von weiteren Anfechtungsgründen zulässig7 (vgl auch Rn 79). Zur Verbindung der Anfechtungs- mit der sog „positiven Beschlussfeststellungs- 69 klage“ Rn 40 f. c) Klagebefugnis: Klagebefugt ist jeder im Zeitpunkt der Klageerhebung8 in der 70 in das Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste (§§ 16, 40) genannte9 Gesellschafter (auch bei stimmrechtslosem Geschäftsanteil10 oder bei zwischenzeitlichem materiellen Verlust der Gesellschafterstellung11), nicht hingegen der wirtschaftliche Gesellschafter/Treugeber12 und auch nicht Pfandgläubiger oder Nießbraucher13; Dritte (Nichtgesellschafter) können den Beschluss nicht anfechten, sondern allein die Nichtigkeit eines Beschlusses gemäß § 256 ZPO feststel1 BGH GmbHR 1966, 274 mit Anm Ganssmüller; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 145; U/H/L/ Raiser Rn 203; ablehnend B/H/Zöllner Rn 156 f. 2 OLG Düsseldorf GmbHR 2005, 1353, 1356; OLG Hamm GmbHR 2010, 477, 479; ThürOLG GmbHR 2013, 149, 153; U/H/L/Raiser Rn 202. 3 ThürOLG GmbHR 2013, 149, 153; KG GmbHR 1995, 735; R/A/Roth § 47 Rn 148; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 145. 4 So R/A/Roth § 47 Rn 148; B/H/Zöllner Rn 151; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 145; unentschieden U/H/L/Raiser Rn 203. 5 So OLG Karlsruhe ZIP 2013, 1958, zustimmend MünchKomm/Wertenbruch Rn 238. 6 BGHZ 15, 177, 180; BGHZ 120, 141, 157 (AG); BGHZ 152, 1, 5 f (AG); BGH GmbHR 2005, 620, 623; OLG Karlsruhe ZIP 2013, 1958, 1961; ThürOLG GmbHR 2002, 115, 117; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 145; abweichend B/H/Zöllner Rn 156 f. 7 BGH GmbHR 2005, 620, 623; ThürOLG GmbHR 2002, 115, 117; U/H/L/Raiser Rn 203; ausführlich bereits K. Schmidt JZ 1977, 769, 770 ff. 8 B/H/Zöllner Rn 136; R/A/Roth § 47 Rn 138; MünchKomm/Wertenbruch Rn 195. 9 R/A/Roth § 47 Rn 138; B/S/Casper § 47 Rn 76; R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 146; zu § 16 aF: BGH GmbHR 2009, 39, 40; OLG Düsseldorf GmbHR 1996, 443, 448. 10 BGHZ 14, 264, 271; U/H/L/Raiser Rn 171; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 128. 11 BGH GmbHR 1969, 11 f mwN; OLG Hamm NZG 2000, 938 = GmbHR 2000, 1101 (LS); OLG Nürnberg GmbHR 1990, 166, 168; näher Bayer GmbHR 2016, 505 ff; für actio pro socio jüngst auch OLG Düsseldorf GmbHR 2016, 542 ff. 12 BGHZ 24, 119, 124 (AG); BGH NJW 1966, 1458, 1459; BGH GmbHR 2009, 39, 40; U/H/L/Raiser Rn 170; abweichend nur Milde FS Konzen, 2006, S. 541, 558 ff. 13 LG Mannheim AG 1991, 29; U/H/L/Raiser Rn 170; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 128.

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Anh zu § 47 | Nichtigkeit/Anfechtbarkeit von Gesellschafterbeschlüssen len lassen (Rn 5, 30)1. Die Gesellschaftereigenschaft muss nicht bereits im Zeitpunkt der Beschlussfassung vorliegen: Wer im Wege der Gesamt- oder Einzelrechtsnachfolge (zB §§ 1922, 413 BGB) den Geschäftsanteil vor Erhebung der Anfechtungsklage erwirbt, erhält damit zugleich das Anfechtungsrecht, da dieses als untrennbarer Bestandteil der mitgliedschaftsrechtlichen Verwaltungsrechte (vgl § 14 Rn 22) auf den Erwerber übergeht2. Bei Übertragung eines Geschäftsanteils an mehrere Erwerber sind alle klagebefugt3 und gemäß § 62 ZPO notwendige Streitgenossen (vgl auch § 18 Rn 4). Wer hingegen nach der Beschlussfassung – etwa im Rahmen einer Kapitalerhöhung – einen Geschäftsanteil originär erwirbt, hat kein Anfechtungsrecht4; denn er hat sein Mitgliedschaftsrecht mit dem mangelhaften Gesellschafterbeschluss „belastet“ erworben. Anfechtungsbefugt ist auch der Testamentsvollstrecker, es sei denn, er hat an dem Beschluss unzulässigerweise anstelle des Erben mitgewirkt (dann Anfechtungsrecht des Erben5); in der Insolvenz des Gesellschafters ist der Insolvenzverwalter anfechtungsbefugt6. Das Rechtsschutzinteresse für eine Klage kann entfallen, wenn der Gesellschafter sich schon vor Beschlussfassung verpflichtet hat, seinen Geschäftsanteil an einen Mitgesellschafter abzutreten7. 71 Anders als nach § 245 Nr. 1 AktG braucht der Anfechtungskläger weder an der

Beschlussfassung teilgenommen noch dem Beschluss widersprochen zu haben8; allerdings darf er auch nicht zugestimmt oder den Beschluss nachträglich gebilligt haben, da er sich sonst widersprüchlich9 verhält10 (ausgenommen bei Irreführung usw). Er muss von dem Beschluss selbst auch nicht betroffen sein und braucht deshalb auch kein besonderes Rechtsschutzinteresse darzutun11. Unter Umständen muss indes vor Klageerhebung gegenüber der GmbH auf Fehlerbeseitigung gedrängt werden (Zöllner: Abmahnung)12.

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BGH GmbHR 1966, 189; BGH GmbHR 2009, 39, 40. OLG Schleswig NZG 2000, 895; B/H/Zöllner Rn 138. B/H/Zöllner Rn 138; Michalski/Römermann Rn 407. Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 131; R/S-L/Koppensteiner/Gruber § 47 Rn 146; für Verein auch BGH NZG 2007, 826; teilweise abweichend B/H/Zöllner Rn 138. BGHZ 108, 21, 23 = GmbHR 1989, 329; U/H/L/Raiser Rn 176. OLG Düsseldorf GmbHR 1996, 443, 446; R/A/Roth § 47 Rn 138; U/H/L/Raiser Rn 176. So OLG Celle GmbHR 2014, 370. U/H/L/Raiser Rn 168; B/S/Casper § 47 Rn 76 (allgemeine Meinung). Dazu auch OLG Hamm GmbHR 1994, 256 f; OLG Hamburg NJW-RR 1991, 673 (Boykott). R/A/Roth § 47 Rn 141; B/H/Zöllner Rn 137. BGHZ 43, 261, 265 f; OLG Frankfurt GmbHR 1976, 110. B/H/Zöllner Rn 164; R/A/Roth § 47 Rn 141; vgl auch OLG Naumburg NJW-RR 1998, 1195 f = GmbHR 1998, 744; abweichend wohl B/S/Casper § 47 Rn 76.

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Gibt ein Gesellschafter seine Gesellschafterstellung erst im Verlaufe des Anfech- 72 tungsprozesses auf1 oder verliert er sie unfreiwillig, etwa infolge Einziehung2, so verbleibt der bisherige Gesellschafter in seiner Rolle als Anfechtungskläger (Rechtsgedanke des § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO)3, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass er ein Rechtsschutzinteresse an der Fortsetzung des Anfechtungsprozesses hat4; dies ist stets dann zu bejahen, wenn der Zwangsausschluss angegriffen wird oder trotz des Ausscheidens ein Beschluss angegriffen wird, der sich auf die Werthaltigkeit des bisherigen Anteils bzw eine Abfindung auswirken kann5. Der Erwerber kann (nur) mit Zustimmung der Gesellschaft und des Veräußerers den Prozess im Wege des gewillkürten Parteiwechsels übernehmen (§ 265 Abs. 2 Satz 2 ZPO analog)6. Zur Fortführung bei der actio pro socio ausführlich bei § 13 Rn 57 f7. Geschäftsführer als Organ haben – anders als der Vorstand der AG (vgl § 245 73 Nr. 4 AktG) – kein Anfechtungsrecht8. Daher hat insbesondere auch ein abberufener Fremdgeschäftsführer keine eigene Anfechtungsbefugnis9. Ausnahmsweise kann eine Anfechtungsbefugnis von Geschäftsführern aber dann in Betracht kommen, wenn sie sich schadensersatzpflichtig oder strafbar machen oder eine Ordnungswidrigkeit begehen würden10. Eine weitergehende Anfechtungsbefugnis (auch bei Inhaltsmängeln bei allen ausführungsbedürftigen Beschlüssen)11 ist hingegen abzulehnen12. Der Aufsichtsrat als Organ ist ebenfalls nicht anfechtungsbefugt, auch nicht in 74 der obligatorisch mitbestimmten GmbH13. Aufsichtsratsmitglieder haben jedoch 1 Grundlegend BGHZ 43, 261, 268 = GmbHR 1965, 111; fortgeführt durch BGH GmbHR 1974, 109, 110 (Anfechtung Bilanzfeststellungsbeschluss trotz zwischenzeitlichem Ausscheiden); MünchKomm/Wertenbruch Rn 182 mwN; vgl weiter Zöller/Greger § 265 ZPO Rn 5. 2 OLG Düsseldorf GmbHR 2001, 1049, 1052; ausführlich Bayer GmbHR 2016, 505 ff. 3 So nunmehr auch ganz hM im Aktienrecht: BGHZ 169, 221 (Squeeze Out); vgl weiter MünchKomm/Hüffer/Schäfer § 245 AktG Rn 28 mwN. 4 BGHZ 43, 261, 268 = GmbHR 1965, 111; U/H/L/Raiser Rn 169; zweifelnd indes Scholz/ K. Schmidt § 45 Rn 133. 5 Näher Bayer GmbHR 2016, 505, 512 mwN. 6 So auch Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 133; U/H/L/Raiser Rn 169; näher Bayer GmbHR 2016, 505, 513 f. 7 Dazu jüngst OLG Düsseldorf GmbHR 2016, 542 ff; eingehend Bayer GmbHR 2016, 505 ff. 8 BGHZ 76, 153, 159; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 134; Heller GmbHR 2002, 1227, 1229. 9 BGH GmbHR 2008, 426, 427 f. 10 B/H/Zöllner Rn 140; R/S-L/Koppensteiner/Gruber § 47 Rn 147; B/S/Casper Rn 77; Wicke Rn 18; teilweise abweichend U/H/L/Raiser Rn 179; MünchKomm/Wertenbruch Rn 194. 11 So Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 134. 12 Wie hier B/H/Zöllner Rn 140; R/S-L/Koppensteiner/Gruber § 47 Rn 147. 13 B/H/Zöllner Rn 142; aA Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 134.

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Anh zu § 47 | Nichtigkeit/Anfechtbarkeit von Gesellschafterbeschlüssen – wie Geschäftsführer (Rn 73) Anfechtungsbefugnis, wenn sie sich schadensersatzpflichtig oder strafbar machen oder eine Ordnungswidrigkeit begehen würden1. 75 Mangelnde Anfechtungsbefugnis führt zur Unbegründetheit der Klage2. 76 Die Satzung kann die Anfechtungsbefugnis erweitern – und zwar nicht nur auf

Organmitglieder3, sondern auch auf Dritte (zB Treugeber)4 –, aber nicht einschränken5. Zulässig ist hingegen die Vorschaltung eines sog „Schlichtungsverfahrens“; bis zu dessen Abschluss kann – als Einrede – die Unzulässigkeit der Klage geltend gemacht werden6.

77 d) Passivlegitimation: Die Anfechtungsklage ist, ebenso wie die Nichtigkeitskla-

ge, stets gegen die GmbH zu richten7 (ausführlich, insbesondere auch zur Vertretung der GmbH, Rn 32).

78 e) Streitgegenstand: Während die ältere Rspr annahm, dass Nichtigkeits- und

Anfechtungsklage verschiedene Rechtsschutzziele verfolgten, ist heute seit der Grundsatzentscheidung BGHZ 134, 3648 in Rspr und Schrifttum allgemein anerkannt9, dass Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage dasselbe materielle Ziel verfolgen, nämlich die richterliche Klärung der Nichtigkeit des Gesellschafterbeschlusses mit Wirkung für und gegen jedermann. Der identische Streitgegenstand von Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage setzt sich zusammen aus: (1) den gesamten, der Entstehung des Beschlusses zu Grunde liegenden Umständen iSe einheitlichen Lebenssachverhaltes, und (2) der Fehlerhaftigkeit eines oder mehrerer dieser Umstände, die sich aus deren Gesetzes- oder Satzungswidrigkeit ergibt.

79 Ob § 248 AktG analog oder § 249 AktG analog Anwendung findet, ist daher

eine vom Gericht durch Subsumtion zu beantwortende (und revisionsgerichtlicher Entscheidung zugängliche) Rechtsfrage; das Gericht hat den angegriffenen

1 B/H/Zöllner Rn 141; Wicke Rn 18; ähnlich U/H/L/Raiser Rn 180. 2 BGH GmbHR 2008, 426, 427 f; OLG Düsseldorf GmbHR 1996, 443, 451; B/H/Zöllner Rn 135; U/H/L/Raiser Rn 167; aA Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 127. 3 So aber U/H/L/Raiser Rn 181 f; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 135. 4 OLG Köln BB 1996, 2058 = GmbHR 1997, 174 (LS); Milde FS Konzen, 2006, S. 541; vgl ferner auch Ulmer FS Odersky, 1996, S. 873, 893 (bei entsprechender Abrede wie Mitgesellschafter zu behandeln). 5 U/H/L/Raiser Rn 181; ähnlich Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 135. 6 So OLG Frankfurt ZIP 2014, 1097 (für GmbH & Co KG) unter Bezugnahme auf BGH NJW-RR 2009, 637 und BGH NJW 1999, 647. 7 BGH NJW 1981, 1041 = GmbHR 1981, 195 (LS); OLG Rostock NZG 2004, 191, 192 = GmbHR 2004, 587 (LS); R/A/Roth § 47 Rn 138; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 148. 8 BGHZ 134, 364, 367 = GmbHR 1997, 655; dazu Kindl ZGR 2000, 166 ff; Sosnitza NZG 1998, 335 ff. 9 BGH GmbHR 2009, 39, 40; B/H/Zöllner Rn 166; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 152; MünchKomm/Wertenbruch Rn 166 ff.

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Beschluss daher grundsätzlich von Amts wegen anhand des gesamten von der Klägerseite vorgetragenen Sachverhalts sowohl auf Anfechtungs- als auch auf Nichtigkeitsgründe hin zu überprüfen, unabhängig davon, ob die Gründe in der Klage unter dem Aspekt der Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit vorgetragen werden1. Anfechtungsgründe können die Klage indes freilich nur insoweit begründen, als sie fristgerecht vorgetragen und damit nicht materiell präkludiert sind (vgl auch Rn 68)2. Weitere Konsequenzen aus der Identität des Streitgegenstandes sind: Die Erhe- 80 bung einer auf denselben Streitgegenstand gestützten Anfechtungsklage (bzw Nichtigkeitsklage) ist wegen entgegenstehender Rechtskraft unzulässig, wenn einer entsprechenden Nichtigkeitsklage (bzw Anfechtungsklage) rechtskräftig stattgegeben oder eine solche rechtskräftig als unbegründet abgewiesen worden ist3. Beim Übergang von Nichtigkeits- zu Anfechtungsklage (oder umgekehrt) handelt es sich bei unverändertem Sachverhalt nicht um eine Klageänderung4. Ein Teilurteil, das sich nur auf die Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage beschränkt, ist unzulässig5 (s. bereits Rn 35). f) Zuständigkeit: Ausschließlich zuständiges Gericht für Anfechtungs- und 81 Nichtigkeitsklagen ist das LG, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz (§ 3 Abs. 1 Nr. 1, dazu § 4a Rn 1 ff) hat (§§ 246 Abs. 3 Satz 1, 249 Abs. 1 Satz 1 AktG analog)6; funktionell zuständig ist die KfH7. Dieser Gerichtsstand ist weder vertragsdispositiv noch prorogierbar (§§ 38, 40 Abs. 2 ZPO). Ausführlich zur internationalen Zuständigkeit: Wedemann AG 2011, 282 ff. g) Rechtsmissbrauch: Eine rechtsmissbräuchlich erhobene Anfechtungsklage ist 82 als unbegründet abzuweisen8. Rechtsmissbräuchlich handelt der Kläger insbesondere, wenn er mit seiner Klage von vornherein darauf abzielt, die Gesellschaft (oder Mitgesellschafter) in grob eigennütziger Weise zu einer Leistung zu veranlassen, auf die er keinen Anspruch hat und billigerweise auch nicht erhe-

1 BGHZ 134, 364, 366 f = GmbHR 1997, 655; BGH NZG 1999, 496, 497; OLG Karlsruhe ZIP 2013, 1958, 1961. 2 BGHZ 134, 364, 366 = GmbHR 1997, 655; BGH GmbHR 2005, 620, 623; Scholz/ K. Schmidt § 45 Rn 152; U/H/L/Raiser Rn 214. 3 BGHZ 134, 364, 367 = GmbHR 1997, 655; BGH NZG 1999, 496, 497; U/H/L/Raiser Rn 216. 4 Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 152; MünchKomm/Wertenbruch Rn 167. 5 BGH NZG 1999, 496, 496; R/A/Roth § 47 Rn 154; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 168. 6 BGHZ 22, 101, 105; R/S-L/Koppensteiner/Gruber § 47 Rn 143; U/H/L/Raiser Rn 224 (allgemeine Meinung). 7 OLG München NZG 2007, 947 = GmbHR 2007, 1108 (LS); U/H/L/Raiser Rn 224; MünchKomm/Wertenbruch Rn 247. 8 BGH AG 1992, 448 (AG); U/H/L/Raiser Rn 186; MünchKomm/Wertenbruch Rn 207; aA Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 137: unzulässig.

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Anh zu § 47 | Nichtigkeit/Anfechtbarkeit von Gesellschafterbeschlüssen ben kann1. Rechtsmissbräuchliche Klagen sind allerdings vorrangig bei Aktiengesellschaften verbreitet (Stichwort: „räuberische Aktionäre“)2. 83 h) Streitwert: Für den Streitwert gilt § 247 Abs. 1 Satz 1 AktG (Bedeutung der

Sache für die Parteien) analog3, auch die Streitwertspaltung ist in entsprechender Anwendung des § 247 Abs. 2, 3 AktG möglich (unstreitig)4. Inwieweit auch die Streitwertbegrenzung nach § 247 Abs. 1 Satz 2 AktG gilt, ist umstritten5; jedenfalls dient aber die Regelung in § 247 Abs. 1 Satz 2 AktG im Rahmen von § 247 Abs. 1 Satz 1 AktG als Orientierung6. Zu Streitwert und Beschwer bei Anfechtung von Entlastungsbeschlüssen: BGH ZIP 1999, 840 = AG 1999, 376 (AG-Vorstand)7. Der Streitwert im Falle der Anfechtung eines Ausschließungsbeschlusses bemisst sich regelmäßig nach dem Wert des Geschäftsanteils8, doch kann (ausnahmsweise9) auch die Geschäftsführerstellung des ausgeschlossenen Gesellschafters besonders berücksichtigt werden10. Bei mehreren Anträgen ist für jeden Antrag ein Einzelstreitwert zu bestimmen11 (§ 39 Abs. 1 GKG).

84 i) Einzelheiten zum Prozess: aa) Mehrheit von Klagen: Mehrere Klagen gegen

denselben Beschluss – auch mit unterschiedlichen Angriffen – führen auf Grund der kassatorischen Wirkung des Gestaltungsurteils für und gegen jedermann (Rn 87) zu prozessual notwendiger Streitgenossenschaft iSd § 62 Abs. 1 Alt. 1 ZPO; die Klagen sind zu verbinden12.

85 bb) Prozesshandlungen: Dogmatisch ist unbestreitbar, dass die von ihren Ge-

schäftsführern vertretene GmbH (Rn 32, 77) materiell über den Streitgegenstand – nämlich den Beschluss ihrer Gesellschafter – nicht verfügen kann. Daher wird prozessual konsequent auch eine Prozessbeendigung durch Vergleich nicht ge-

1 Ständige Rspr zur AG, s. etwa BGH AG 1992, 86 = GmbHR 1992, 264 (LS); vgl auch OLG Frankfurt AG 2009, 200, 202; ausführlich Schatz Der Missbrauch der Anfechtungsbefugnis durch den Aktionär, 2012. 2 Dazu grundlegend Lutter FS 40 Jahre DB, 1988, S. 194 ff; ausführlich und mit empirischen Befunden Bayer/Hoffmann/Sawada ZIP 2012, 897, 901 ff, 910 f mwN; Bayer/Hoffmann ZIP 2013, 1193 ff. 3 BGH NZG 1999, 999; B/H/Zöllner 171; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 153 mwN; aA Fehrenbach S. 369 ff. 4 Ausführlich U/H/L/Raiser Rn 257; MünchKomm/Wertenbruch Rn 272. 5 Dafür: OLG München GmbHR 2008, 1267; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 153; MünchHdbGmbH/Wolff § 40 Rn 82; dagegen: OLG Saarbrücken NZG 2013, 341 f; OLG Karlsruhe GmbHR 1995, 302; B/H/Zöllner Rn 171; R/A/Roth § 47 Rn 151. 6 So zutreffend OLG Naumburg NZG 2015, 1323 Rn 14; ebenso MünchKomm/Wertenbruch 246; U/H/L/Raiser Rn 256. 7 Ausführlich zur Streitwertbemessung: Emde DB 1996, 1557 ff. 8 So BGH NZG 2009, 518 Rn 2 und ständige Rspr. 9 Im Regelfall nicht: BGH GmbHR 2009, 995 Rn 3 f; BGH NZG 2011, 911. 10 So BGH GmbHR 2015, 367 Rn 8 mit Anm Baumann EWiR 2015, 401. 11 Näher OLG Naumburg NZG 2015, 1323 Rn 12. 12 BGHZ 122, 211, 213 = GmbHR 1993, 446; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 156 f mwN.

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stattet, sondern nur in der Weise, dass die Klage zurückgenommen wird1. Kontrovers ist dagegen die Beurteilung im Hinblick auf ein Geständnis (§ 288 ZPO) und ein Klaganerkenntnis bzw Anerkenntnisurteil (§ 307 ZPO) durch die GmbH: Den dogmatischen Ausgangspunkt konsequent fortführend verneint eine Auffassung die Zulässigkeit dieser Prozessakte2, während die Gegenauffassung sie insbesondere aus pragmatischer Sicht gestatten will3, denn auch ein Verbot ließe sich durch entsprechende Prozessführung unterlaufen. Zulässig soll nach ganz hM indes ein Versäumnisurteil sein, da die GmbH nicht zur ordnungsgemäßen Verteidigung gezwungen werden könne4. Die prozessuale Verfügung über den Streitgegenstand ist zwar problematisch; die Risiken für die (damalige) Gesellschaftermehrheit, deren Beschlussfassung angegriffen wird, werden jedoch durch weite Zulassung der Nebenintervention (Rn 86) abgefedert. Denn jedenfalls bei Widerspruch eines Gesellschafters, der im Wege der Nebenintervention5 auf Seiten der GmbH beigetreten ist, ist ein Anerkenntnis unzulässig6. Ergeht ein Anerkenntnisurteil, so entfaltet es ungeachtet seiner Zulässigkeit umfassende Rechtswirkungen7 (Rn 87). Da Gesellschafter im ordnungsgemäßen Verfahren den angegriffenen Beschluss jederzeit wieder (ex nunc) aufheben können, kann ein Anerkenntnis usw durch die GmbH jedenfalls dann problemlos gestattet werden, wenn die Geschäftsführung hierzu durch (mehrheitlichen) Gesellschafterbeschluss ermächtigt wurde8. cc) Nebenintervention ist sowohl auf Seiten des Klägers als auch auf Seiten der 86 GmbH zulässig; das rechtliche Interesse (§ 66 ZPO) ergibt sich aus den umfassenden Urteilswirkungen (Rn 87), und zwar sowohl für Gesellschafter als auch Organmitglieder (Geschäftsführer, Aufsichts-/Beiratsmitglieder). Nebenintervention ist aus denselben Gründen eine streitgenössische (§§ 69, 61 ZPO)9. Klageerhebung und Termin der mündlichen Verhandlung ist allen Gesellschaftern von der Geschäftsführung mitzuteilen (§ 246 Abs. 4 AktG analog) (vgl Rn 33, 40)10. Ein Beitritt auf Seiten der GmbH ist jederzeit möglich; fraglich ist, ob dies 1 B/H/Zöllner Rn 175; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 159; ausführlich U/H/L/Raiser Rn 251 mwN (allgemeine Meinung). 2 So OLG München GmbHR 1996, 451; LG Koblenz GmbHR 2004, 260; R/S-L/Koppensteiner/Gruber § 47 Rn 154; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 159. 3 B/H/Zöllner Rn 175; U/H/L/Raiser Rn 252; Bork ZIP 1992, 1205 ff; Emde ZIP 1998, 1475. 4 R/S-L/Koppensteiner/Gruber § 47 Rn 154; U/H/L/Raiser Rn 252. 5 Einzelheiten bei U/H/L/Raiser Rn 222; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 156; ausführlich Austmann ZHR 158 (1994), 495 ff. 6 BGH GmbHR 1993, 579, 580. 7 BGH NJW 1975, 1273; R/S-L/Koppensteiner/Gruber § 47 Rn 154; U/H/L/Raiser Rn 252. 8 Wie hier R/A/Roth § 47 Rn 152; MünchKomm/Wertenbruch Rn 282; ähnlich Scholz/ K. Schmidt § 45 Rn 159; vgl auch den Sachverhalt bei KG GmbHR 2005, 1359. 9 MünchKomm/Wertenbruch Rn 218 ff; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 156 mwN. 10 BGHZ 97, 28, 31 = GmbHR 1986, 156; MünchKomm/Wertenbruch Rn 221.

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Anh zu § 47 | Nichtigkeit/Anfechtbarkeit von Gesellschafterbeschlüssen auch für den Beitritt auf Klägerseite gilt oder ob § 246 Abs. 4 Satz 2 AktG analog anzuwenden ist (Monatsfrist ab Bekanntmachung)1. Die aktienrechtliche Regelung soll missbräuchliche („räuberische“) Anfechtungsklagen eindämmen2 (Rn 82); eine Anwendung auf die GmbH ist daher jedenfalls teleologisch nicht geboten3. 87 dd) Urteilswirkungen: Dem der Anfechtungsklage stattgebenden Urteil

kommt analog § 248 Abs. 1 Satz 1 AktG nicht nur gegenüber den Parteien, sondern auch gegenüber allen Gesellschaftern und Gesellschaftsorganen materielle Rechtskraftwirkung zu4. Als Gestaltungsurteil entfaltet es darüber hinaus nach ganz hM Wirkung erga omnes, dh für und gegen jedermann5. Das Urteil hat lediglich kassatorische (beschlussvernichtende) Wirkung6; will der Kläger auch die rechtskräftige Feststellung eines Gesellschafterbeschlusses mit einem bestimmten Inhalt erreichen, muss er die Anfechtungsklage mit einer sog positiven Beschlussmängelklage verbinden (vgl bereits Rn 40 f). Die Nichtigerklärung wirkt ex tunc, auch gegenüber Dritten7. Allerdings können ggf zugunsten der Gesellschafter oder Dritter verschiedene Schutzinstrumente eingreifen, zB § 15 HGB, § 20 Abs. 2 UmwG oder § 16 Abs. 1, 3 (dazu § 16 Rn 26 ff, 63 ff); vgl zur fehlerhaften Kapitalerhöhung § 55 Rn 51, § 57 Rn 23 ff, zum fehlerhaft bestellten Geschäftsführer Vor § 35 Rn 7 ff. Das Urteil ist (nur) unverzüglich zum Handelsregister einzureichen und einzutragen, wenn die Klage einen anmeldungspflichtigen Gesellschafterbeschluss zum Gegenstand hat (§ 248 Abs. 1 Satz 2 und 3 AktG analog)8.

Das die Anfechtungsklage als unbegründet abweisende Urteil entfaltet hingegen materielle Rechtskraft nur inter partes9; wegen der Identität des Streitgegenstandes von Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage (Rn 78 ff) schließt es aber auch eine auf denselben Sachverhalt gestützte Nichtigkeitsklage aus (vgl Rn 80). 88 ee) Freigabeverfahren: Heftig umstritten ist, ob im GmbH-Recht das Freigabe-

verfahren gemäß § 246a AktG zur Anwendung kommt. Das KG hat die analoge

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Dafür U/H/L/Raiser Rn 222; zustimmend Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 156. Dazu näher Bayer FS Maier-Reimer, 2010, S. 1, 7 f. So auch B/H/Zöllner Rn 169; G/E/S/Teichmann Rn 70. BGH BGHZ 132, 278 = GmbHR 1996, 437; R/A/Roth § 47 Rn 155; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 171, 175. BGH GmbHR 2009, 39, 40; BGHZ 134, 364, 366 = GmbHR 1997, 655; B/H/Zöllner Rn 177. Vgl nur Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 174 (allgemeine Meinung). BGH GmbHR 1993, 579, 580; OLG Brandenburg GmbHR 1998, 193, 196; Scholz/ K. Schmidt § 45 Rn 172. Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 170; U/H/L/Raiser Rn 263; weitergehend B/H/Zöllner Rn 179: sämtliche stattgebenden Urteile. B/H/Zöllner Rn 176; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 177; U/H/L/Raiser Rn 261.

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Anwendung abgelehnt1. Die Auffassungen im Schrifttum sind geteilt2. Auch wenn sich die möglichen Konfliktlagen zwischen AG und GmbH im Regelfall strukturell unterscheiden, so sprechen doch die besseren Gründe für die Zulässigkeit des Freigabeverfahrens auch im GmbH-Recht3; die strukturellen Unterschiede sind bei der konkreten Anwendung der Vorschrift im Einzelfall zu berücksichtigen4. Unstreitig anwendbar ist bei Umwandlungen das Freigabeverfahren gemäß § 16 Abs. 3 UmwG5.

IV. Einstweiliger Rechtsschutz Literatur: T. Beyer Vorbeugender Rechtsschutz gegen die Beschlussfassung in der GmbHGesellschafterversammlung, GmbHR 2001, 467; Damm Einstweiliger Rechtsschutz im Gesellschaftsrecht, ZHR 154 (1990), 413; Kiethe Einstweilige Verfügung und Stimmrechtsausübung im Gesellschaftsrecht, DStR 1993, 609; Liebscher/Alles Einstweiliger Rechtsschutz im GmbH-Recht, ZIP 2015, 1; Littbarski Einstweiliger Rechtsschutz im Gesellschaftsrecht, 1996; Lutz Einstweiliger Rechtsschutz bei Gesellschafterstreit in der GmbH, BB 2000, 833; Lutz Prozessvertretung der GmbH gegenüber dem Geschäftsführer und actio pro socio bei einstweiligen Verfügungen, NZG 2015, 424; Nietsch Einstweiliger Rechtsschutz bei Beschlussfassung in der GmbH-Gesellschafterversammlung, GmbHR 2006, 393; Schmidt-Diemitz Einstweiliger Rechtsschutz gegen rechtswidrige Gesellschafterbeschlüsse, Diss Tüb 1993; H. Schmitt Einstweiliger Rechtsschutz gegen drohende Gesellschafterbeschlüsse in der GmbH?, ZIP 1992, 1212; Zutt Einstweiliger Rechtsschutz bei Stimmbindungen, ZHR 155 (1991), 190.

In der Praxis wird häufig versucht, eine Beschlussfassung dadurch zu verhin- 89 dern, dass beantragt wird, im Wege der einstweiligen Verfügung (§§ 935, 940 ZPO) entweder bereits eine bestimmte Beschlussfassung oder doch zumindest die Durchführung des Beschlusses, insbesondere dessen Eintragung in das Handelsregister, zu verbieten6. Beispiele aus der Rspr: Abberufung und/oder

1 KG GmbHR 2011, 1044 mit kritischer Anm Nikoleyczik EWiR 2011, 711. 2 Dafür: Geißler GmbHR 2008, 128, 133; Harbarth GmbHR 2005, 966, 969 ff; R/A/Roth § 47 Rn 136a, § 57 Rn 14; B/H/Zöllner 19. Aufl, § 54 Rn 29; U/H/W/Ulmer 1. Aufl, § 54 Rn 57, § 57 Rn 47a; U/H/L/Raiser Rn 13, 189; dagegen: Sauerbruch GmbHR 2007, 189 ff; Fleischer DB 2011, 2132 ff; Meuer GmbHR 2013, 729 ff; MünchKomm/Wertenbruch Rn 209; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 137; Scholz/Priester § 57 Rn 50; S/I/Inhester § 54 Rn 36; nunmehr auch B/H/Zöllner/Noack § 54 Rn 28. 3 So auch für Kapitalmaßnahmen im Kontext von Umwandlungen: Kallmeyer/MarschBarner § 16 UmwG Rn 38, 55; KölnKomm/Simon § 16 UmwG Rn 52; vgl auch noch Widmann/Mayer/Fronhöfer § 16 UmwG Rn 106; Semler/Stengel/Schwanna § 16 UmwG Rn 22; Sympathie auch bei Lutter/Decher § 16 UmwG Rn 31. 4 Ausführlich Bayer/Lieder NZG 2011, 1170 ff; de lege ferenda auch M. Winter FS Ulmer, 2003, S. 699, 722. 5 Dazu näher Lutter/Decher § 16 UmwG Rn 30 mwN. 6 Näher Liebscher/Alles ZIP 2015, 1 ff.

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Anh zu § 47 | Nichtigkeit/Anfechtbarkeit von Gesellschafterbeschlüssen Ausschluss eines Gesellschafter-Geschäftsführers1, Wahl eines Aufsichtsratsvorsitzenden2, Entzug der Alleinvertretungsbefugnis eines Geschäftsführers3, Wahl eines auf Grund eines Präsentationsrechts Benannten zum Geschäftsführer4, Abberufung und/oder Neubestellung von Geschäftsführern5, Ausführung bestimmter Gesellschafterbeschlüsse6, Hinzuziehung eines Beraters7, Beschlussfassung zur Gewinnverwendung8. Zum Freigabeverfahren analog § 246a AktG: Rn 88. 90 Für den Erlass bzw die Ablehnung der einstweiligen Verfügung sind folgende

Gesichtspunkte maßgeblich: Das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache steht nach dem heutigen Stand der Dogmatik und der Rechtspraxis dem Erlass einer einstweiligen Verfügung bei gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten nicht generell entgegen9; vielmehr ist einstweiliger Rechtsschutz auch im Hinblick auf Gesellschafterbeschlüsse dann erforderlich, wenn andernfalls die verfassungsrechtlich geschützte Garantie eines effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) nicht gesichert ist10. Bei nicht ganz eindeutiger Rechtslage (also in der Regel) ist die Stimmabgabe in der Gesellschafterversammlung grundsätzlich jedoch dann nicht im Wege der einstweiligen Verfügung zu versagen, wenn die Interessen des Betroffenen durch nachträgliche Anfechtungsklage noch hinreichend gewahrt werden können; denn in diesem Fall ist ein Verfügungsgrund für den Erlass einer einstweiligen Verfügung regelmäßig nicht gegeben11.

91 Im Einzelfall kann dies unter Anlegung strenger Maßstäbe und Abwägung aller

Umstände aber auch anders sein12. Auch dann ist aber vorrangig einstweiliger

1 OLG Karlsruhe GmbHR 1967, 214, 215 (erlassen); LG München ZIP 1994, 1858 (erlassen); OLG Frankfurt GmbHR 1993, 161 (erlassen); ThürOLG NZG 2002, 89 (abgelehnt); zur GmbH & Co KG: OLG Köln BB 1977, 464 (erlassen). 2 OLG Koblenz GmbHR 1991, 21 (abgelehnt). 3 OLG Koblenz GmbHR 1986, 428, 429 (erlassen). 4 OLG Hamburg GmbHR 1991, 467 mit zustimmender Anm A. Teichmann WuB II C. § 47 GmbHG 2.92. 5 OLG München NZG 1999, 407 mit zustimmender Anm Michalski/Schulenburg (erlassen) = GmbHR 1999, 718; OLG Zweibrücken GmbHR 1998, 373 (erlassen); OLG Hamm GmbHR 1993, 163 mit Anm Michalski (abgelehnt); OLG Frankfurt GmbHR 1982, 237 (abgelehnt); OLG Celle GmbHR 1981, 264 (abgelehnt). 6 OLG Nürnberg GmbHR 1993, 588 (abgelehnt). 7 OLG Düsseldorf GmbHR 2002, 67 (erlassen). 8 OLG Düsseldorf NZG 2005, 633, 634 (abgelehnt). 9 Wie hier Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 183; U/H/L/Raiser Rn 287; nunmehr auch MünchKomm/Wertenbruch Rn 295 ff; ausführlich Nietsch GmbHR 2006, 393 ff; Damm ZHR 154 (1990), 413 ff mwN zum früheren Streitstand. 10 So ausdrücklich auch OLG München GmbHR 1999, 718, 719 = NZG 1999, 407 mit zustimmender Anm Michalski/Schulenburg; OLG Düsseldorf NZG 2005, 633, 634. 11 OLG Koblenz GmbHR 1991, 21, 22; OLG Stuttgart NJW 1987, 2449 = GmbHR 1987, 482 (LS); OLG Stuttgart GmbHR 1997, 312, 313; ThürOLG NZG 2002, 89, 90. 12 OLG München GmbHR 1999, 718 = NZG 1999, 407 mit zustimmender Anm Michalski/Schulenburg; U/H/L/Raiser Rn 287; MünchKomm/Wertenbruch Rn 295.

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Rechtsschutz auf der Vollzugsebene (Verhinderung des Eintritts der Wirkungen eines Beschlusses, insbesondere durch Untersagung der Anmeldung zur Eintragung in das Handelsregister bzw Verpflichtung zur Rücknahme eines bereits gestellten Antrags1) zu gewähren2; dies gilt jedoch nur insoweit, als nicht wiederum vorrangig ein spezielles Freigabeverfahren (Rn 88) Anwendung findet3. Die Untersagung der Beschlussfassung selbst wird nur ganz ausnahmsweise in Betracht kommen, insbesondere dann, wenn ein Vollzugsverbot nicht möglich ist oder zur Rechtswahrung nicht ausreicht. Auch bei drohender Abberufung als Geschäftsführer und/oder Ausschluss aus der Gesellschaft aus wichtigem Grund4 kommt vorrangig nur eine einstweilige Verfügung gegen den Vollzug5 (dh gegen die Eintragung der Abberufung als Geschäftsführer in das Handelsregister6 bzw die Änderung in der in das Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste [dazu ausführlich § 40 Rn 73 ff]) in Betracht7. Eine von zulässiger Stimmbindung (dazu § 47 Rn 19 ff) abweichende Stimm- 92 abgabe kann indes durch einstweilige Verfügung verboten werden8 (vgl auch § 47 Rn 23); umgekehrt kann aber ausnahmsweise auch die (positive) Stimmabgabe im Sinne einer gesellschaftsvertraglichen Regelung durch einstweilige Verfügung angeordnet werden9 (vgl auch § 47 Rn 18). Antragsgegner ist wie bei der Klage (Rn 32, 77) die Gesellschaft, nicht der Ge- 93 schäftsführer10, ggf auch ein oder mehrere Mitgesellschafter11. Zu einstweiligen Verfügungen gegenüber dem Geschäftsführer (zB Verbot zur 94 Geschäftsführung bzw Vertretung): § 37 Rn 40, § 38 Rn 512. Zur einstweiligen Verfügung der GmbH gegen einen unwirksam bestellten Geschäftsführer: OLG Saarbrücken GmbHR 2006, 987. Ausführlich zur einstweiligen Verfügung bei Streit über Änderung der Gesellschafterliste: § 40 Rn 73 ff. 1 Zur Zulässigkeit: BVerfG BB 2005, 1585; OLG München AG 2007, 335, 336. 2 Dezidiert OLG Hamm GmbHR 1993, 163; OLG München AG 2007, 335 (zur AG); B/H/ Zöllner Rn 197; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 183; MünchKomm/Wertenbruch Rn 296, 299 f. 3 Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 183; B/H/Zöllner Rn 197; U/H/L/Raiser Rn 287 aE. 4 Dazu auch MünchKomm/Wertenbruch Rn 295; wohl auch S/I/Puszkejler Rn 131. 5 Auch insoweit ablehnend OLG Stuttgart GmbHR 1997, 312, 313; ThürOLG NZG 2002, 89. 6 So OLG Hamm GmbHR 1993, 163, 164. 7 Weitergehend jedoch (Untersagung der Stimmabgabe): OLG Karlsruhe GmbHR 1967, 214, 215; LG München ZIP 1994, 1858; OLG Frankfurt GmbHR 1993, 161. 8 OLG Koblenz GmbHR 1986, 428, 429; MünchKomm/Wertenbruch Rn 297; ausführlich Zutt ZHR 155 (1991), 190 ff. 9 OLG Hamburg GmbHR 1991, 467, 468 mit Anm K. Schmidt. 10 OLG Nürnberg GmbHR 1993, 588, 589; OLG Koblenz GmbHR 1986, 430; Scholz/ K. Schmidt § 45 Rn 183; MünchKomm/Wertenbruch Rn 299. 11 U/H/L/Raiser Rn 288 aE. 12 Aktuell auch ThürOLG GmbHR 2015, 1267; Werner GmbHR 2015, 1297, 1299 ff; Lutz NZG 2015, 424 ff; vgl weiter OLG Koblenz GmbHR 2008, 37.

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Anh zu § 47 | Nichtigkeit/Anfechtbarkeit von Gesellschafterbeschlüssen V. Schiedsverfahren Literatur: Bayer Schiedsfähigkeit von GmbH-Streitigkeiten, ZIP 2003, 881; Bender Schiedsklagen gegen Gesellschafterbeschlüsse im Recht der Kapitalgesellschaften nach der Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts, DB 1998, 1900; Berger GmbH-rechtliche Beschlussmängelstreitigkeiten vor Schiedsgerichten. Gestaltungsmöglichkeiten im Anschluss an BGHZ 132, 278, ZHR 164 (2000), 295; Bork Zur Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten, ZHR 160 (1996), 374; Borris Die Schiedsfähigkeit gesellschaftsrechtlicher Streitigkeiten in der Aktiengesellschaft, NZG 2010, 481; Lenz Schiedsklauseln in GmbHGesellschaftsverträgen hinsichtlich Beschlussmängelstreitigkeiten, GmbHR 2000, 552; Lüke/Blenske Die Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten, ZGR 1998, 253; Müller GmbH-Beschlussmängelstreitigkeiten im Schiedsverfahren, GmbHR 2010, 729; Niemeyer/ Häger Fünf Jahre „Schiedsfähigkeit II“ – ein Überblick unter besonderer Berücksichtigung der ergänzenden Regeln für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten der DIS, BB 2014, 1737; Nolting Rechtskrafterstreckung von Schiedssprüchen zu Beschlussmängeln im GmbHRecht, GmbHR 2011, 1017; Raeschke-Kessler 60 Jahre höchstrichterliche Rechtsprechung zur Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten – und neue offene Fragen, FS Goette, 2011, S. 381; Reichert Beschlussmängelstreitigkeiten und Schiedsgerichtsbarkeit – Gestaltungs- und Reaktionsmöglichkeiten, FS Ulmer, 2003, S. 511; Reichert/Harbarth Statutarische Schiedsklauseln – Einführung, Aufhebung und umwandlungsrechtliche Behandlung, NZG 2003, 379; Riegger/Wilske Auf dem Weg zu einer allgemeinen Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten?, ZGR 2010, 733; K. Schmidt Neues Schiedsverfahrensrecht und Gesellschaftsrechtspraxis, ZHR 162 (1998), 265; K. Schmidt Schiedsklauseln und Schiedsverfahren im Gesellschaftsrecht als prozessuale Legitimationsprobleme, BB 2001, 1857; Schneider Schiedsverfahren in GmbH-Beschlussmängelstreitigkeiten, GmbHR 2005, 86; Trittmann Die Auswirkungen des Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetzes auf gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten, ZGR 1999, 340; Zilles Vereinbarung des Schiedsverfahrens über Beschlüsse von GmbH-Gesellschaftern, BB 1999, Beilage 4, 2.

1. Grundsätzliche Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten 95 Anders als unter Geltung der §§ 1025 ff ZPO aF, wo die Schiedsfähigkeit von Be-

schlussmängelstreitigkeiten von der hM noch zu Recht verneint wurde1, hat der BGH nach der Neufassung der §§ 1025 ff ZPO durch das SchiedsVfG vom 22.12. 19972 im Anschluss an zahlreiche Literaturstimmen3 in seinem Grundsatzurteil vom 6.4.20094 die Schiedsfähigkeit ausdrücklich anerkannt, sofern und soweit

1 BGH BGHZ 132, 278 = GmbHR 1996, 437; weitere Nachweise in 18. Aufl, Rn 95 und bei Bayer ZIP 2003, 881, 882. 2 Gesetz zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts (Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetz – SchiedsVfG) vom 22.12.1997, BGBl I 3224. 3 Bayer ZIP 2003, 881 ff; Berger ZHR 164 (2000), 295 ff; Lenz GmbHR 2000, 552 ff; Lüke/ Blenske ZGR 1998, 253 ff; Reichert FS Ulmer, 2003, S. 511 ff; Reichert/Harbarth NZG 2003, 379 ff; K. Schmidt ZHR 162 (1998), 265 ff; Schneider GmbHR 2005, 86 ff; Trittmann ZGR 1999, 340 ff. 4 BGHZ 180, 221 = GmbHR 2009, 705 mit Anm Römermann = JZ 2009, 794 mit Anm Habersack; dazu auch Versin, GmbHR 2015, 969.

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das vereinbarte schiedsrichterliche Verfahren bestimmte aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Mindeststandards (Rn 97 ff) einhält. In der Tat sind die früher gegen die Schiedsfähigkeit vorgebrachten Bedenken 96 nach neuer Rechtslage nicht überzeugend1. § 246 Abs. 3 Satz 1 AktG (analog) kann ihr schon deshalb nicht entgegenstehen, weil die Norm lediglich die sachliche und örtliche Zuständigkeit im Bereich der staatlichen Gerichte regelt2. Anders als nach § 1025 Abs. 1 ZPO aF, der auf die objektive und subjektive Vergleichsfähigkeit abstellte3, ist nach § 1030 Abs. 1 Satz 1 ZPO nF „jeder vermögensrechtliche Anspruch“ schiedsfähig; Beschlussmängelstreitigkeiten sind nach allgemeiner Meinung vermögensrechtliche Streitigkeiten in diesem Sinne4. Den früher geäußerten Bedenken im Hinblick auf die umfassende Urteilswirkungen analog §§ 248 Abs. 1 Satz 1, 249 Abs. 1 Satz 1 AktG kann – wie nunmehr auch der BGH5 ausdrücklich entschieden hat – durch eine rechtsstaatskonforme Ausgestaltung von Schiedsvereinbarung und -verfahren Rechnung getragen werden, indem die Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen von bestimmten rechtsstaatlichen Mindestanforderungen (dazu Rn 97 ff) abhängig gemacht wird. 2. Mindeststandards Im Interesse der Sicherstellung eines effektiven, der Rechtsschutzgewährung 97 durch die staatlichen Gerichte gleichwertigen Rechtsschutzes für alle dem Schiedsspruch unterworfenen Gesellschafter ist erforderlich, dass das vereinbarte schiedsrichterliche Verfahren bestimmte aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Mindeststandards einhält6. Dies gilt sowohl im Hinblick auf die Vereinbarung der Schiedsgerichtszuständigkeit (näher Rn 98 f) als auch im Hinblick auf das Verfahren (näher Rn 100 ff): a) Schiedsvereinbarung mit Zustimmung sämtlicher Gesellschafter: Die 98 Schiedsabrede muss entweder in der ursprünglichen Satzung verankert oder nachträglich in die Satzung aufgenommen sein7, wobei die nachträgliche Ein1 Dazu bereits ausführlich Bayer ZIP 2003, 881, 882 ff mwN. 2 Insoweit auch BGHZ 132, 278, 281 = GmbHR 1996, 437; vgl weiter OLG Düsseldorf NZG 2004, 916, 919; Bayer ZIP 2003, 881, 884; Reichert FS Ulmer, 2003, S. 511, 514; K. Schmidt ZHR 162 (1998), 265, 270 f. 3 Zur daraus resultierenden Problematik im Hinblick auf Beschlussmängelstreitigkeiten ausführlich Bayer ZIP 2003, 881, 883 ff mwN. 4 Bayer ZIP 2003, 881, 882 f; Lenz GmbHR 2000, 552, 554; Schneider GmbHR 2005, 86. 5 BGHZ 180, 221 = GmbHR 2009, 705, 706 ff. 6 BGHZ 180, 221 = GmbHR 2009, 705, 706 ff; vgl weiter MünchKomm/Wertenbruch Rn 308 ff; U/H/L/Raiser Rn 229 ff; Nolting GmbHR 2011, 1017 ff (mit Bedenken gegenüber den DIS-Regeln); Niemeyer/Häger BB 2014, 1737 ff; ebenso OLG Frankfurt GmbHR 2011, 431; OLG Bremen GmbHR 2010, 147. 7 BGHZ 180, 221 = GmbHR 2009, 705, 706 ff; Bayer ZIP 2003, 881, 890; Lenz GmbHR 2000, 552, 554; Schneider GmbHR 2005, 86, 87; aA K. Schmidt BB 2001, 1857, 1862.

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Anh zu § 47 | Nichtigkeit/Anfechtbarkeit von Gesellschafterbeschlüssen führung einer statutarischen Schiedsklausel allerdings der Zustimmung aller Gesellschafter bedarf, ein bloßer Mehrheitsbeschluss also nicht genügt1. Für die bloße „Nachbesserung“ einer bereits existierenden Schiedsklausel (zB Bestimmung einer anderen neutralen Stelle zum Schiedsrichter, vgl Rn 102) wird man dagegen wohl einen Mehrheitsbeschluss für ausreichend erachten können2. Die Gesellschafter können indes kraft Treuepflicht gehalten sein, der Anpassung der Schiedsklausel zuzustimmen3. Die Form des § 1031 ZPO ist nach ganz hM wegen § 1066 ZPO nicht erforderlich4. 99 Enthält die Satzung keine Schiedsklausel, so genügt alternativ auch eine außer-

halb der Satzung unter Mitwirkung sämtlicher Gesellschafter und der Gesellschaft getroffene Ad-hoc-Schiedsvereinbarung5. Diese bedarf aber dann jedoch der Form des § 1031 ZPO6.

100 b) Verfahrenstransparenz und Beteiligungsmöglichkeit: Korrespondierend zu

den Informationspflichten im Falle der Erhebung von Beschlussmängelklagen vor den staatlichen Gerichten (vgl Rn 33, 40, 86) ist – neben den Gesellschaftsorganen – jeder (gemäß § 16 Abs. 1 in der Gesellschafterliste aufgeführte7) Gesellschafter analog § 246 Abs. 4 AktG über die Einleitung und den Verlauf des Schiedsverfahrens zu informieren8. Diese Informationsmöglichkeit steht – neben der GmbH – auch jedem Kläger zu9. Dadurch wird sichergestellt, dass alle Gesellschafter vom Schiedsverfahren Kenntnis erhalten und so auch tatsächlich ihr Recht wahrnehmen können, dem Verfahren entweder als weiterer Kläger

1 B/H/Zöllner Rn 41; R/A/Roth § 47 Rn 153b; U/H/L/Raiser Rn 234; Raeschke-Kessler FS Goette, 2011, S. 381, 394. 2 B/H/Zöllner Rn 41; MünchKomm/Wertenbruch Rn 317; B/S/Casper § 47 Rn 82; Scholz/ K. Schmidt § 45 Rn 150; Müller GmbHR 2010, 729, 734; vgl bereits Bayer ZIP 2003, 881, 890; Reichert/Harbarth NZG 2003, 379, 381; aA Niemeyer/Häger BB 2014, 1737, 1738; Riegger/Wilske ZGR 2010, 733, 744; U/H/L/Raiser Rn 234; offen BGH GmbHR 2009, 705, 706 ff. 3 BGHZ 180, 221 Rn 39 = GmbHR 2009, 705; MünchKomm/Wertenbruch Rn 315; Michalski/Römermann Rn 561; U/H/L/Raiser Rn 234; mit Einschränkungen auch Riegger/ Wilske ZGR 2010, 733, 745 f; Nietsch ZIP 2009, 2269, 2277 f; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 150. 4 B/H/Zöllner Rn 39 mwN; vgl bereits Bayer ZIP 2003, 881, 891; Lenz GmbHR 2000, 552, 554; Reichert/Harbarth NZG 2003, 379, 380; K. Schmidt BB 2001, 1857, 1862. 5 BGH BGHZ 180, 221 = GmbHR 2009, 705, 707; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 150; Bayer ZIP 2003, 881, 891; Berger ZHR 164 (2000), 295 301. 6 Bayer ZIP 2003, 881, 891; Berger ZHR 164 (2000), 295, 301; Lenz GmbHR 2000, 552, 554; K. Schmidt ZHR 162 (1998), 265, 287; MünchKomm/Wertenbruch Rn 310 aE. 7 Richtig S/I/Puszkejler Rn 139; Nolting GmbHR 2011, 1017, 1021; Niemeyer/Häger BB 2014, 1737, 1739. 8 BGHZ 180, 221 = GmbHR 2009, 705, 708; R/A/Roth § 47 Rn 153b; Wicke Rn 21; MünchKomm/Wertenbruch Rn 320; vgl weiter Bayer ZIP 2003, 881, 888; Reichert FS Ulmer, 2003, S. 511, 523; Schneider GmbHR 2005, 86, 88. 9 Müller GmbHR 2010, 729; Niemeyer/Häger BB 2014, 1737, 1739.

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Nichtigkeit/Anfechtbarkeit von Gesellschafterbeschlüssen | Anh zu § 47

oder zumindest als streitgenössischer Nebenintervenient (§§ 61, 69 ZPO analog) beizutreten1. Die Möglichkeit der Nebenintervention muss nämlich aus rechtsstaatlichen Gründen auch im Schiedsverfahren bestehen, §§ 66 ff ZPO sind insoweit entsprechend anzuwenden2. c) Schiedsrichterbestellung: Um eine dem Verfahren vor den staatlichen Ge- 101 richten vergleichbare „Waffengleichheit“ zu gewährleisten3, müssen darüber hinaus alle Gesellschafter an der Auswahl und Bestellung der Schiedsrichter mitwirken können, sofern die Auswahl nicht durch eine neutrale Stelle erfolgt4. Die praktisch einfachste und am wenigsten konfliktträchtige Lösung ist die Aus- 102 wahl der Schiedsrichter durch eine neutrale Stelle5 (zB Präsidenten des LG oder OLG6, Handelskammer7). A maiore ad minus ist es aber selbstverständlich auch zulässig, den Rechtsstreit generell der Entscheidung durch ein institutionelles Schiedsgericht (zB DIS, dazu näher § 3 Rn 110) zu unterwerfen8. Ist weder ein institutionelles Schiedsgericht noch eine Auswahl durch eine neu- 103 trale Stelle vorgesehen, so müssen alle Gesellschafter die Möglichkeit zur Mitwirkung an der Auswahl und Bestellung der Schiedsrichter haben9. Zur Sicherstellung dieser Einflussnahme ist zusammen mit der Information der Gesellschafter (dazu Rn 100) zwingend eine Anfrage vorzunehmen, ob sich weitere anfechtungsbefugte (dazu Rn 70 ff) Gesellschafter der Klägerseite anschließen und an der Benennung von deren Schiedsrichter mitwirken wollen10. Zur Erklä1 BGHZ 180, 221 = GmbHR 2009, 705, 708; Bayer ZIP 2003, 881, 888; Berger ZHR 164 (2000), 295, 314; Schneider GmbHR 2005, 86, 88; Zilles BB 1999, Beil. 4, 2, 4. 2 Vgl B/H/Zöllner Rn 36; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 156; Bayer ZIP 2003, 881, 888; Berger ZHR 164 (2000), 295, 315; Lenz GmbHR 2000, 552, 555; ausführlich zum Beitritt Niemeyer/Häger BB 2014, 1737, 1739 f mwN. 3 Vgl Bayer ZIP 2003, 881, 888; Berger ZHR 164 (2000), 295, 305; Schneider GmbHR 2005, 86, 87. 4 BGHZ 180, 221 = GmbHR 2009, 705, 708; B/H/Zöllner Rn 36; MünchKomm/Wertenbruch Rn 321; Bayer ZIP 2003, 881, 889 f; Berger ZHR 164 (2000), 295, 305; Schneider GmbHR 2005, 86, 87. 5 B/H/Zöllner Rn 36; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 150; Bayer ZIP 2003, 881, 889; Berger ZHR 164 (2000), 295, 305; Reichert FS Ulmer, 2003, S. 511, 525; Schneider GmbHR 2005, 86, 87; Trittmann ZGR 1999, 340, 353. 6 Bayer ZIP 2003, 881, 889; Berger ZHR 164 (2000), 295, 305; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 150; Reichert FS Ulmer, 2003, S. 511, 525; Trittmann ZGR 1999, 340, 353. 7 Berger ZHR 164 (2000), 295, 305; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 150; Reichert FS Ulmer, 2003, S. 511, 525. 8 Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 150; Bayer ZIP 2003, 881, 889; Reichert FS Ulmer, 2003, S. 511, 524; Schneider GmbHR 2005, 86, 87; Trittmann ZGR 1999, 340, 353. 9 BGH GmbHR 2009, 705, 708; B/H/Zöllner Rn 36; R/A/Roth § 47 Rn 153b; Bayer ZIP 2003, 881, 889 f. 10 Bayer ZIP 2003, 881, 888; Berger ZHR 164 (2000), 295, 314; Reichert FS Ulmer, 2003, S. 511, 523.

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Anh zu § 47 | Nichtigkeit/Anfechtbarkeit von Gesellschafterbeschlüssen rung ist eine angemessene Frist einzuräumen1 (2-4 Wochen2); ein zwischenzeitlicher Ablauf der Anfechtungsfrist (Rn 62 ff, 68) ist irrelevant3. Alle anfechtungsbefugten Gesellschafter, die sich fristgerecht melden, sind dann zur Auswahl der Schiedsrichter berechtigt4. Das Auswahlverfahren selbst muss nicht zwangsläufig in der Satzung festgelegt werden5. Erforderlich ist aber jedenfalls die Fixierung eines Endzeitpunktes; liegt bis dahin keine – ggf auch mehrheitliche6 – Einigung vor, erfolgt eine Ersatzbestellung durch das Gericht (§§ 1039 Abs. 1 Satz 2, 1035 ZPO)7. Alternativ ist es aber auch eine Satzungsklausel möglich, welche die Schiedsrichterbestellung für den Fall der Nichteinigung auf eine neutrale Institution (vgl Rn 102) überträgt oder die subsidiäre Zuständigkeit eines institutionellen Schiedsgerichts (vgl Rn 102) vorsieht8. 104 Der Schiedsrichter der Beklagtenseite wird zwar grundsätzlich allein von der

GmbH, die im Verfahren als Partei auftritt9, bestimmt10. Die Mitwirkung von auf Seiten der GmbH stehenden Gesellschaftern wird jedoch dadurch gewährleistet, dass die Geschäftsführung durch einen Gesellschafterbeschluss – an dem die anfechtungsbefugten Gesellschafter gemäß § 47 Abs. 4 Satz 2 Alt. 2 (dazu § 47 Rn 47) nicht mitwirken dürfen11 – angewiesen werden kann, einen bestimmten Schiedsrichter zu benennen12. Hierfür dürfte eine Mehrheitsentscheidung genügen, da die Verteidigung der Beschlussfassung vom Gesetz vorrangig in die Hand der GmbH und damit mittelbar auch in die Hände der sie stützenden Gesellschaftermehrheit gelegt wird13.

105 d) Zuständigkeitskonzentration: Schließlich muss gewährleistet sein, dass alle

denselben Streitgegenstand betreffenden Beschlussmängelstreitigkeiten bei ei-

1 U/H/L/Raiser Rn 235; Bayer ZIP 2003, 881, 888; Berger ZHR 164 (2000), 295, 314; Schneider GmbHR 2005, 86, 88; Zilles BB 1999, Beil 4, 2, 4. 2 Bayer ZIP 2003, 881, 888; Zilles BB 1999, Beil 4, 2, 4; ähnlich DIS (30 Tage), vgl näher Niemeyer/Häger BB 2014, 1737, 1740. 3 Bayer ZIP 2003, 881, 888; Reichert FS Ulmer, 2003, S. 511, 523. 4 Bayer ZIP 2003, 881, 888; Berger ZHR 164 (2000), 295, 316. 5 Bayer ZIP 2003, 881, 888; zustimmend B/S/Casper § 47 Rn 81. 6 So auch MünchKomm/Wertenbruch Rn 321. 7 Bayer ZIP 2003, 881, 888. 8 Bayer ZIP 2003, 881, 890; Reichert FS Ulmer, 2003, S. 511, 525; Zilles BB 1999, Beil 4, 2, 3; vgl auch Lenz GmbHR 2000, 552, 554. 9 Bayer ZIP 2003, 881, 890; Zilles BB 1999, Beil 4, 2, 3. 10 Bayer ZIP 2003, 881, 890; Berger ZHR 164 (2000), 295, 308; MünchKomm/Wertenbruch Rn 322; abweichend Schneider GmbHR 2005, 86, 88; zweifelnd auch Nietsch ZIP 2009, 2269, 2277; Niemeyer/Häger BB 2014, 1737, 1741. 11 So im Anschluss an die Vorauflagen auch MünchKomm/Wertenbruch Rn 322; Müller GmbHR 2010, 729, 733; Niemeyer/Häger BB 2014, 1737, 1741. 12 Bayer ZIP 2003, 881, 890; Berger ZHR 164 (2000), 295, 309 f. 13 Bayer ZIP 2003, 881, 890; so auch BGHZ 180, 221 = GmbHR 2009, 705, 708; MünchKomm/Wertenbruch Rn 322; vgl auch Berger ZHR 164 (2000), 295, 309 f; aA Reichert FS Ulmer, 2003, S. 511, 526; B/H/Zöllner Rn 36.

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Gesellschafterversammlung | § 48

nem Schiedsgericht konzentriert werden1. Dies lässt sich dadurch sicherstellen, dass zum einen für alle Klageberechtigten der Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten ausgeschlossen2 und zum anderen für alle Streitigkeiten über denselben Gesellschafterbeschluss die Zuständigkeit nur eines Schiedsgerichts festgelegt wird3, in der Regel das Schiedsgericht, das mit dem ersten Antrag eingerichtet wurde4. 3. Wirkungen des Schiedsspruchs Der Schiedsspruch hat gemäß § 1055 ZPO die Wirkungen eines rechtskräftigen 106 Urteils5 (dazu Rn 30, 87); der stattgebende Schiedsspruch entfaltet also analog §§ 248 Abs. 1 Satz 1, 249 Abs. 1 Satz 1 AktG nicht nur materielle Rechtskraftwirkung gegenüber den Parteien, allen Gesellschaftern und Gesellschaftsorganen, sondern darüber hinaus auch Gestaltungswirkung erga omnes, dh für und gegen jedermann6.

§ 48 Gesellschafterversammlung (1) Die Beschlüsse der Gesellschafter werden in Versammlungen gefasst. (2) Der Abhaltung einer Versammlung bedarf es nicht, wenn sämtliche Gesellschafter in Textform mit der zu treffenden Bestimmung oder mit der schriftlichen Abgabe der Stimmen sich einverstanden erklären. (3) Befinden sich alle Geschäftsanteile der Gesellschaft in der Hand eines Gesellschafters oder daneben in der Hand der Gesellschaft, so hat er unverzüglich nach der Beschlussfassung eine Niederschrift aufzunehmen und zu unterschreiben. 1 Darauf abstellend die Schiedsabrede im konkreten Fall verneinend: BGHZ 180, 221 = GmbHR 2009, 705, 708; ähnlich OLG Bremen GmbHR 2010, 147, 231; vgl weiter B/H/Zöllner Rn 36; R/A/Roth § 47 Rn 153b; Bayer ZIP 2003, 881, 887. 2 Bayer ZIP 2003, 881, 887. Zudem muss die beklagte GmbH verpflichtet werden, die Einrede der Schiedsgerichtsbarkeit vor staatlichen Gerichten geltend zu machen: Müller GmbHR 2010, 729, 734; Niemeyer/Häger BB 2014, 1737, 1741. 3 Bayer ZIP 2003, 881, 887; R/A/Roth Rn 153b. 4 Niemeyer/Häger BB 2014, 1737, 1741; Müller GmbHR 2010, 729, 734; MünchKomm/ Wertenbruch Rn 324. 5 U/H/L/Raiser Rn 235; Nolting GmbHR 2011, 1017, 1022 mwN. 6 BGH BGHZ 180, 221 = GmbHR 2009, 705, 706 ff; Bayer ZIP 2003, 881, 886 f; Schneider GmbHR 2005, 86, 89; Müller GmbHR 2010, 729, 730 f; nach wie vor abweichend Scholz/ K. Schmidt § 45 Rn 171 (Vollstreckbarerklärung erforderlich).

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§ 48 | Gesellschafterversammlung Abs. 1 seit 1892 unverändert; Abs. 3 eingefügt durch die Novelle 1980; in Abs. 2 seit dem 1.8.2001 „schriftlich“ durch Textform ersetzt; durch das MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl I 2026) amtliche Überschrift eingefügt. I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . II. Beschlussfassung in einer Gesellschafterversammlung (§ 48 Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . 1. Teilnahmerecht . . . . . . . . . . . . a) Teilnahmeberechtigte . . . . . . b) Inhalt des Teilnahmerechts . . 2. Ort und Zeit . . . . . . . . . . . . . . 3. Organisation . . . . . . . . . . . . . . a) Versammlungsleitung . . . . . b) Protokollierung . . . . . . . . . . 4. Beschlussfähigkeit . . . . . . . . . . III. Präsenzlose Beschlussfassung gemäß § 48 Abs. 2 . . . . . . . . . . 1. Anwendungsbereich . . . . . . . . . 2. Zwei Alternativen . . . . . . . . . . . a) Einstimmige Beschlussfassung in Textform (§ 48 Abs. 2 Alt. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 2 2 2 10 11 14 14 18 20 21 21 23

IV. 1. 2. V. VI. 1. 2. 3.

b) Allseitiges Einverständnis mit schriftlicher Stimmabgabe (§ 48 Abs. 2 Alt. 2) . . . . . . . . c) Wirksamkeit des Beschlusses . Satzungsautonomie . . . . . . . . . Erschwerungen . . . . . . . . . . . . Erleichterungen . . . . . . . . . . . . (Partiell) präsenzlose Beschlussfassung ohne Satzungsgrundlage jenseits von § 48 Abs. 2 . . . Beschlussfassung in der Einpersonen-Gesellschaft (§ 48 Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . Normzweck und Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . Protokollpflicht . . . . . . . . . . . . Rechtsfolgen eines Verstoßes . . .

25 27 28 28 29 30 32 32 35 36

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Literatur: Blasche Praxisfragen und Gestaltungsmöglichkeiten bei der Beschlussfassung ohne Gesellschafterversammlung, GmbHR 2011, 232; Böttcher/Grewe Der Versammlungsleiter in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung …, NZG 2002, 1086; Fingerhut/Schröder Recht des GmbH-Gesellschafters auf Beiziehung eines juristischen Beraters in der Gesellschafterversammlung, BB 1999, 1230; Hoffmann-Becking Kombinierte Beschlussfassung in Gesellschafterversammlung und Aufsichtsrat, FS Priester, 2007, S. 233; Hüffer Die Gesellschafterversammlung – Organ der GmbH oder bloßes Beschlußverfahren?, FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 521; Kleemann Der Leiter der GmbH-Gesellschafterversammlung, 2012; F.H. Lange Der Leiter der GmbH-Gesellschafterversammlung, NJW 2015, 3190; Liese/Theusinger Beschlussfassung durch GmbH-Gesellschafter – das Ende des kombinierten Verfahrens?, GmbHR 2006, 682; Lindemann Die Beschlussfassung in der Einmann-GmbH, 1996; K. Schmidt Gesetzliche Formenstrenge bei GmbH-Beschlüssen? – Zur Deutung des § 48 GmbHG durch das BGH-Urteil vom 16.1.2006, NJW 2006, 2599; Werner Präsenz anwaltlicher Berater in der Gesellschafterversammlung der GmbH, GmbHR 2006, 871; Wiester Die Durchführung von Gesellschafterversammlungen bei der zerstrittenen Zweipersonen-GmbH, GmbHR 2008, 189; Winstel Beschlussfähigkeit der Gesellschafterversammlung, GmbHR 2010, 793; Zwissler Gesellschafterversammlung und Internet, GmbHR 2000, 28.

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Gesellschafterversammlung | § 48

I. Allgemeines § 48 regelt die Art und Weise, in der die Gesellschaftergesamtheit ihren Willen 1 bildet und Beschluss1 fasst. Das Regelverfahren ist die Beschlussfassung in einer Gesellschafterversammlung (§ 48 Abs. 1, Rn 2 ff). Anders als bei der AG steht daneben aber bereits von Gesetzes wegen mit dem schriftlichen Abstimmungsverfahren (§ 48 Abs. 2, Rn 21 ff) noch ein weiterer Beschlussfassungsmodus zur Verfügung. Zudem kann der Gesellschaftsvertrag die gesetzlichen Verfahrensvorschriften sowohl erschweren (Rn 28) als auch erleichtern (Rn 29), § 45 Abs. 2. Im Übrigen ist auch eine Beschlussfassung im Rahmen eines Zusammentreffens ohne förmliche Einberufung möglich, wenn alle Gesellschafter daran widerspruchslos mitwirken (sog Universalversammlung, dazu § 51 Rn 31 ff). Den Gesellschaftern wird damit insgesamt wesentlich mehr Flexibilität hinsichtlich der Beschlussfassung eingeräumt als bei der AG. Bei der Einpersonen-Gesellschaft normiert § 48 Abs. 3 allerdings aus Gründen der Rechtssicherheit eine Protokollierungspflicht (Rn 32 ff).

II. Beschlussfassung in einer Gesellschafterversammlung (§ 48 Abs. 1) 1. Teilnahmerecht a) Teilnahmeberechtigte: aa) Gesellschafter: Jeder Gesellschafter hat ein Recht 2 – grundsätzlich aber keine Pflicht2 – auf Teilnahme an der Gesellschafterversammlung, und zwar auch dann, wenn sein Anteil nicht voll eingezahlt ist3, er kein Stimmrecht hat4 oder nach § 47 Abs. 4 von der Abstimmung ausgeschlossen ist5. Bei Mitberechtigung (§ 18) sind – vorbehaltlich einer Vertreterklausel (vgl § 47 Rn 25) – alle Mitberechtigten teilnahmeberechtigt6. Bei juristischen Personen und Personengesellschaften wird das Teilnahmerecht durch die jeweiligen organschaftlichen Vertreter ausgeübt7. Bei Gesamtvertretung ist jeder Gesamtvertreter teilnahmeberechtigt8. Bei gesetzlicher Vertretung wird das Teil1 Ein Rechtsgeschäft mit Rechtsfolgewillen, OLG Brandenburg GmbHR 1997, 750; Zöllner FS Lutter, 2000, S. 821. 2 Ausnahme aufgrund von Treuepflicht möglich (etwa zur Verhinderung der Beschlussunfähigkeit): OLG Brandenburg GmbHR 1998, 1037, 1039; vgl weiter B/H/Zöllner Rn 4; Scholz/Seibt Rn 19. 3 Scholz/Seibt Rn 13. 4 BGH GmbHR 1971, 207; MünchHdbGmbH/Wolff § 39 Rn 60; Scholz/Seibt Rn 13. 5 BGH GmbHR 2006, 538, 539; Scholz/Seibt Rn 13. 6 U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 14; MünchKomm/Liebscher Rn 37; B/H/Zöllner Rn 6; aA Scholz/Seibt Rn 15. 7 Scholz/Seibt Rn 15; MünchHdbGmbH/Wolff § 39 Rn 62. 8 U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 15; MünchHdbGmbH/Wolff § 39 Rn 62; aA B/H/Zöllner Rn 10; einschränkend auch Scholz/Seibt Rn 15.

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§ 48 | Gesellschafterversammlung nahmerecht durch den/die gesetzlichen Vertreter1, bei Testamentsvollstreckung durch den Testamentsvollstrecker2 wahrgenommen. In der Insolvenz kommt es darauf an, ob der Versammlungsgegenstand in den Zuständigkeitsbereich des Insolvenzverwalters fällt3; mit Blick auf die Abgrenzungsschwierigkeiten sollte im Zweifel daneben auch der Gesellschafter zugelassen werden4. 3 Die Satzung kann das Teilnahmerecht, das ein unverzichtbares und damit abso-

lut unentziehbares Mitgliedschaftsrecht ist (näher § 14 Rn 17), nicht vollständig ausschließen5. Zulässig erscheint hingegen ein Teilnahmeausschluss zu einem bestimmten TOP, wenn zu besorgen ist, dass der Gesellschafter die aus der Erörterung dieses Punktes gewonnenen Informationen zu gesellschaftsfremden Zwecken verwenden und dadurch der Gesellschaft einen nicht unerheblichen Nachteil zufügen wird6. In diesem Fall bedarf der Teilnahmeausschluss eines Gesellschafterbeschlusses (§ 51a Abs. 2 Satz 2 analog)7, bei dem der betroffene Gesellschafter von der Abstimmung ausgeschlossen ist8 (§ 47 Abs. 4 Satz 1, vgl § 47 Rn 50 aE). Ein Versammlungsleiter (zu ihm Rn 14 ff) ist hierfür nur zuständig, wenn ihm diese Kompetenz übertragen wurde. Als milderes Mittel kommt in Betracht, dass sich der ausgeschlossene Gesellschafter von einem geeigneten Dritten vertreten lässt9. Eine solche Lösung kann insbesondere auch durch eine satzungsmäßige Vertreterklausel vorgegeben werden10 (näher § 47 Rn 25). Die Verweigerung der Teilnahme aus rein formalen Gründen kann rechtsmissbräuchlich sein11. Zudem muss bei verspätetem Erscheinen ggf eine angemessene Zeit abgewartet werden12.

4 Das Teilnahmerecht ist nicht höchstpersönlich, kann daher auch durch einen

Vertreter ausgeübt werden13, der insbesondere auch zur Ausübung des Stimm1 2 3 4 5 6 7

8 9 10 11 12 13

BayObLG GmbHR 1993, 223; OLG Köln GmbHR 1993, 734, 737; Scholz/Seibt Rn 23. B/H/Zöllner Rn 8; MünchHdbGmbH/Wolff § 39 Rn 62. Scholz/Seibt Rn 23; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 15. Scholz/Seibt Rn 23; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 15. BGH GmbHR 1989, 120, 121 f; OLG Frankfurt GmbHR 1984, 99, 100; Scholz/Seibt Rn 18; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 23. R/A/Roth Rn 4; Scholz/Seibt Rn 18; MünchKomm/Liebscher Rn 13 ff. Scholz/Seibt Rn 18, 28; Michalski/Römermann Rn 48; MünchKomm/Liebscher Rn 21; Wicke Rn 2. MünchKomm/Liebscher Rn 21; Scholz/Seibt Rn 18. U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 23; R/A/Roth Rn 4. Zur Vertreterklausel und ihrer Zulässigkeit auch U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 24 f; MünchKomm/Liebscher Rn 32 f; referierend auch BGH GmbHR 1989, 120, 121. OLG Brandenburg GmbHR 1998, 1037; R/A/Roth Rn 4a; s. ferner OLG München AG 2000, 134 (für die AG). OLG Dresden GmbHR 2000, 435, 437; OLG Hamm GmbHR 1998, 138; R/A/Roth Rn 4a; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 12. OLG München GmbHR 2011, 590, 592; OLG Stuttgart GmbHR 1994, 257, 258; Scholz/ Seibt Rn 24.

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rechts bevollmächtigt werden kann (§ 47 Abs. 3, dazu § 47 Rn 25 ff). Der Gesellschafter kann dann jedoch nicht auch gleichzeitig selbst teilnehmen1; er ist aber zumindest solange zuzulassen, bis das Teilnahmerecht des Vertreters (zu möglichen Einschränkungen § 47 Rn 25) geklärt ist2. Zudem kann er die Vollmacht jederzeit, auch noch in der Gesellschafterversammlung, widerrufen3. Zur Person des Vertreters kann die Satzung Vorgaben machen4. bb) Sonstige Personen: Geschäftsführer haben kein Teilnahmerecht kraft Amtes5. 5 Ein solches lässt sich weder aus § 49 Abs. 1 oder § 51a Abs. 1 noch aus ggf von der Gesellschaft gehaltenen eigenen Anteilen herleiten6. Die Satzung kann aber ein Teilnahmerecht begründen7. Zudem sind Geschäftsführer auf Verlangen der Gesellschafter zur Teilnahme verpflichtet (§ 37 Abs. 1 analog)8. Die Gesellschafter können den Geschäftsführer allerdings jederzeit (ggf durch satzungsdurchbrechenden Beschluss, dazu näher § 53 Rn 27 ff) von der Teilnahme ausschließen9. Kein Teilnahmerecht haben grundsätzlich auch Mitglieder fakultativer Gesell- 6 schaftsorgane (zB Aufsichtsrat, Beirat)10. Ein solches kann aber durch die Satzung (arg § 52 Abs. 1)11 oder ad hoc durch einen Gesellschafterbeschluss12 begründet werden. Bei mitbestimmten Gesellschaften mit obligatorischem Aufsichtsrat haben dagegen sämtliche Aufsichtsratsmitglieder ein Teilnahmerecht (§ 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MitbestG, § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG, § 3 Abs. 2 MontanMitbestG, jeweils iVm § 118 Abs. 2 AktG)13. Der Abschlussprüfer hat ebenfalls grundsätzlich kein Teilnahmerecht14. Bei 7 Verhandlungen über die Feststellung des Jahresabschlusses kann sich die Notwendigkeit seiner Anwesenheit allerdings aus § 42a Abs. 3 (dazu § 42a Rn 36 ff) ergeben15. Sonstigen Dritten (zB Berater oder Beistand eines Gesellschafters, Sachverstän- 8 dige, Behördenvertreter, Vertragspartner, Dolmetscher, Medienvertreter etc) 1 OLG Stuttgart GmbHR 1994, 257, 259; Fingerhut/Schröder BB 1999, 1230, 1232; Werner GmbHR 2006, 871, 872. 2 OLG Hamm GmbHR 2003, 1211, 1213; R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 8. 3 OLG Hamm GmbHR 2003, 1211, 1213; Scholz/Seibt Rn 24. 4 Näher Scholz/Seibt Rn 24; vgl auch BGH GmbHR 1989, 120, 121. 5 B/H/Zöllner Rn 11; Scholz/Seibt Rn 20. 6 Vgl R/A/Roth Rn 6; Mutze GmbHR 1970, 33, 34. 7 Scholz/Seibt Rn 20. 8 R/A/Roth Rn 6; Scholz/Seibt Rn 20. 9 Scholz/Seibt Rn 20. 10 Scholz/Seibt Rn 21; MünchKomm/Liebscher Rn 50. 11 Scholz/Seibt Rn 21; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 18. 12 B/H/Zöllner Rn 11. 13 Scholz/Seibt Rn 21; MünchKomm/Liebscher Rn 51. 14 U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 19; Henssler/Strohn/Hillmann Rn 10. 15 Vgl dazu Scholz/Seibt Rn 22; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 19.

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§ 48 | Gesellschafterversammlung kann ein Teilnahmerecht nur durch entsprechende Satzungsregelung (die ggf eine Ermächtigung an den Versammlungsleiter vorsehen kann1) oder Gesellschafterbeschluss eröffnet werden2. Im Einzelfall kann die Treuepflicht (dazu § 14 Rn 29 ff) eine entsprechende Beschlussfassung gebieten3. Dies gilt insbesondere für die Zulassung eines Beraters, sofern das Beratungsinteresse des Gesellschafters unter Berücksichtigung seiner persönlichen Verhältnisse, der Struktur der Gesellschaft und der Bedeutung des Beschlussgegenstandes das Interesse der übrigen Gesellschafter, „unter sich“ zu bleiben, überwiegt4. Dies muss allerdings der Ausnahmefall bleiben, denn eine „Anwaltsversammlung“ ist vom Gesetz nicht gewollt5. 9 cc) Verletzung des Teilnahmerechts: Die Entscheidung über ein Teilnahme-

recht treffen im Streitfall die Gesellschafter (vgl Rn 3). Eine objektive Fehlentscheidung bedeutet eine Verletzung des Teilnahmerechts und führt – gleichfalls wie Nichteinladung oder unberechtigter Ausschluss – analog § 243 Abs. 1 AktG zur Anfechtbarkeit des Beschlusses6 (näher Anh zu § 47 Rn 13a, 47), ohne dass es hierbei auf Kausalitätserwägungen ankommt7. Die Teilnahme nichtberechtigter Personen begründet dagegen keine Anfechtbarkeit8.

10 b) Inhalt des Teilnahmerechts: Das Teilnahmerecht begründet über die bloße

Anwesenheitsbefugnis hinaus auch das Recht, sich zu den Tagesordnungspunkten zu äußern (Rederecht, vgl § 14 Rn 17)9 und Anträge zu stellen (Antragsrecht)10. Im Interesse eines ordnungsgemäßen Ablaufs der Versammlung sind insoweit jedoch Einschränkungen zulässig (näher Rn 17). 2. Ort und Zeit

11 Der Versammlungsort ist gesetzlich nicht geregelt, so dass insoweit primär die

Satzung maßgeblich ist. Diese kann grundsätzlich jeden Ort bestimmen, sofern dadurch das Teilnahmerecht der Gesellschafter nicht faktisch ausgehebelt 1 Scholz/Seibt Rn 25; Werner GmbHR 2006, 872. 2 OLG Stuttgart GmbHR 1997, 1107; OLG Naumburg GmbHR 1996, 934, 936; OLG Düsseldorf GmbHR 1992, 610, 611; Werner GmbHR 2006, 872; einschränkend B/H/Zöllner Rn 12 (Sachgrund erforderlich). 3 So auch BGH GmbHR 2009, 770 Rn 17 mwN. 4 OLG Düsseldorf GmbHR 2002, 67; OLG Stuttgart GmbHR 1997, 1107; OLG Naumburg GmbHR 1996, 934, 936; Werner GmbHR 2006, 872, 873 f. 5 OLG Naumburg GmbHR 1996, 934, 936; Werner GmbHR 2006, 872, 873. 6 ThürOLG GmbHR 2013, 149, 153; OLG Dresden GmbHR 1997, 946, 949. 7 OLG München GmbHR 2005, 624, 626; OLG Hamm GmbHR 2003, 1211, 1212 f; Scholz/Seibt Rn 29. 8 B/H/Zöllner Rn 15; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 26; Werner GmbHR 2006, 872, 874. 9 OLG Saarbrücken GmbHR 2007, 143, 145; OLG Hamm GmbHR 1998, 138, 139; Scholz/ Seibt Rn 16. 10 B/H/Zöllner Rn 20; Sina GmbHR 1993, 136.

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wird1. Enthält die Satzung keine Regelung, ist Versammlungsort analog 121 Abs. 5 Satz 1 AktG grundsätzlich der Satzungssitz iSd § 4a (dazu § 4a Rn 4); der Einberufende kann nur dann einen anderen Versammlungsort wählen, wenn eindeutig feststeht, dass dieser für sämtliche Gesellschafter günstiger ist2. Sofern Satzungsund Verwaltungssitz auseinanderfallen, wird der (ggf auch ausländische, vgl § 4a Rn 1, 5, 15 f) Verwaltungssitz zumeist günstiger sein3. Die Gesellschafterversammlung hat bei Schweigen der Satzung auch nicht zwingend oder vorrangig in den Geschäftsräumen zu erfolgen4. Die gewählte Lokalität muss allerdings für die Gesellschafter zumutbar sein5, was etwa bei der Privatwohnung eines verfeindeten Gesellschafters6 oder den Kanzleiräumen von dessen Rechtsanwalt7 nicht der Fall ist. Spätestens seit der Neufassung des § 4a (dazu § 4a Rn 1 f) ist auch die Ansicht, 12 dass eine Gesellschafterversammlung nicht im Ausland stattfinden dürfe8, überholt9. Die empfohlene statutarische Festlegung eines ausländischen Versammlungsortes10 kann sinnvoll sein, wenn sich der Verwaltungssitz im Ausland befindet; dadurch darf aber das Teilnahmerecht der Gesellschafter nicht ausgehebelt werden11. Allerdings dürften die vom BGH aus Gründen des Anlegerschutzes der AG auferlegten Restriktionen12 für die GmbH nicht gelten13. Bestimmt die Satzung einen konkreten Ort im Ausland, so dürften hiergegen keine Bedenken durchgreifen14. Ein Hindernis für die Durchführung der Gesellschaf1 Scholz/Seibt Rn 6; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 4. 2 BGH GmbHR 1985, 256, 257; OLG Düsseldorf GmbHR 2003, 1006, 1007; OLG Celle GmbHR 1997, 748; MünchKomm/Liebscher Rn 64. 3 So auch Leitzen NZG 2009, 728, 730; MünchKomm/Liebscher Rn 65; zweifelnd allerdings Scholz/Seibt Rn 7; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 4. 4 In diesem Sinne aber offenbar OLG Düsseldorf GmbHR 2004, 572, 579; Scholz/Seibt Rn 8; wie hier U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 5. 5 OLG Düsseldorf GmbHR 2004, 572, 579; OLG Celle GmbHR 1997, 748; Scholz/Seibt Rn 8. 6 OLG Celle GmbHR 1997, 748; so jüngst auch BGH GmbHR 2016, 587 Rn 25 ff mit Anm Wagner. 7 OLG Düsseldorf GmbHR 2004, 572, 579. 8 So noch OLG Hamm BB 1974, 338; Winkler NJW 1974, 1032; H. Schmidt DB 1974, 1216. 9 Für Zulässigkeit schon: OLG Düsseldorf GmbHR 1990, 169, 171; vgl aus dem aktuellen Schrifttum: B/H/Zöllner § 51 Rn 15; MünchKomm/Liebscher Rn 81 ff; R/A/Roth § 51 Rn 8; Scholz/Seibt Rn 9 f; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 7; vgl zur Zulässigkeit (für AG) auch BGHZ 203, 68 = AG 2015, 82 mit Bspr Herrler ZGR 2015, 918 ff mwN. 10 So U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 8; MünchKomm/Liebscher Rn 94. 11 Scholz/Seibt Rn 10; MünchKomm/Liebscher Rn 85. 12 Näher (und teilweise kritisch) Bunger/Leyendecker-Langer BB 2015, 268, 269; Wettich AG 2015, 681, 685. 13 Tendenziell einschränkend für personalistisch strukturierte AG bereits BGHZ 203, 68 Rn 20 = AG 2015, 82. 14 So auch MünchKomm/Liebscher Rn 95; R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 4; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 8.

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§ 48 | Gesellschafterversammlung terversammlung kann sich allerdings näher im Hinblick auf die Gleichwertigkeit1 ggf zu beurkundender Beschlüsse ergeben2 (vgl dazu § 53 Rn 17). 13 Zur Zeit der Versammlung kann die Satzung ebenfalls nähere Regelungen treffen, dies wird aber idR nicht empfohlen3. Zulässig ist grundsätzlich jede geschäftsübliche und für die Gesellschafter zumutbare Zeit4. Jedenfalls nicht generell unzulässig dürfte auch die Einberufung für Sonn- oder Feiertage sein5; maßgeblich sind insoweit vielmehr die Umstände des Einzelfalls (zB Dringlichkeit, Struktur der Gesellschaft)6. Speziell bei kleineren Gesellschaften sind erkennbare Verhinderungen zu berücksichtigen7 (vgl dazu auch § 51 Rn 15). 3. Organisation 14 a) Versammlungsleitung: aa) Ein Versammlungsleiter ist – anders als für die

AG – nicht erforderlich, aber insbesondere bei Mehrpersonen-Gesellschaften zweckmäßig8 und bei zerstrittenem Gesellschafterkreis zur sachorientierten Durchführung der Versammlung oftmals unerlässlich9. Er kann (generell) durch die Satzung10 oder eine Geschäftsordnung11 (konkret als Person oder abstrakt nach Funktion, Lebensalter usw12) bestimmt werden (in der Praxis allerdings selten), ansonsten beschließt die Gesellschafterversammlung (ad hoc) – sofern die Satzung auch insoweit keine abweichende Regelung enthält – mit einfacher Mehrheit (Geschäftsordnungsbeschluss)13. Der zum Versammlungsleiter vor-

1 Dazu BGHZ 203, 68 Rn 17 ff = AG 2015, 82 unter Verweis auf BGHZ 80, 76 = GmbHR 1981, 238. 2 Ausführlich hierzu Herrler ZGR 2015, 918, 929 ff; relativierend indes MünchKomm/ Liebscher Rn 86 ff. 3 Scholz/Seibt Rn 12; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 6. 4 B/H/Zöllner Rn 14; Scholz/Seibt Rn 12. 5 So aber LG Darmstadt BB 1981, 72 f; R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 6. 6 Scholz/Seibt Rn 123; MünchKomm/Liebscher Rn 102. Vgl auch BayObLG NZG 2004, 1017, 1019 (eV). 7 BGH GmbHR 1985, 256, 257 f; Scholz/Seibt Rn 12. 8 R/A/Roth Rn 8; Wiester GmbHR 2008, 189, 191. 9 Ähnlich MünchKomm/Liebscher Rn 105. 10 B/H/Zöllner Rn 16; Scholz/Seibt Rn 32; Böttcher/Grewe NZG 2002, 1086, 1088; Wiester GmbHR 2008, 189, 191; zu Einzelheiten Kleemann S. 37 ff. 11 MünchKomm/Liebscher Rn 106; R/A/Roth Rn 8; Scholz/Seibt Rn 32; näher Kleemann S. 40 ff. 12 Näher U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 29; MünchKomm/Liebscher Rn 106; Böttcher/ Grewe NZG 2002, 1086, 1088. 13 BGH GmbHR 2009, 1325 Rn 7; BGH GmbHR 2009, 1327 Rn 15; OLG München GmbHR 2005, 624, 625 mit Anm Römermann; Scholz/Seibt Rn 33; Henssler/Strohn/ Hillmann Rn 13; G/E/S/Teichmann Rn 17; MünchKomm/Liebscher Rn 107; Böttcher/ Grewe NZG 2002, 1086, 1089; Wiester GmbHR 2008, 189, 191; aA (nur einstimmig): OLG Frankfurt NZG 1999, 406 = GmbHR 1999, 551 (LS); Zöllner/Noack ZGR 1989, 525, 528.

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geschlagene Gesellschafter ist stimmberechtigt1. Der Versammlungsleiter braucht nicht Gesellschafter zu sein2. Die Beauftragung des Geschäftsführers ist zwar zulässig3, angesichts seiner Berichts- und Auskunftspflichten sowie der Weisungsabhängigkeit ggü den Gesellschaftern (§ 45 Rn 4) in der Regel indes nicht opportun4. Dagegen scheidet der beurkundende Notar als Versammlungsleiter aus, da es ihm verboten ist (arg § 3 Abs. 1 Satz 1 BeurkG), an Vorgängen, die er beurkundet, selbst beteiligt zu sein5. Eine bloße Usurpation der Position durch einen Anwesenden genügt nicht6. Mit der (erforderlichen7) ggf konkludenten Annahme des Amtes kommt zwischen dem Versammlungsleiter und der GmbH ein (zumindest auch schuldrechtliches) Rechtsverhältnis zustande8, so dass Pflichtverletzungen eine Schadensersatzhaftung begründen können (§ 280 BGB)9; Haftungsmilderung ist (ggf durch konkludente Vereinbarung) möglich. Der Versammlungsleiter kann sein Amt jederzeit und auch ohne wichtigen Grund niederlegen10. bb) Noch seltener als im Hinblick auf die Bestellung (Rn 14) finden sich in der 15 Satzung Regelungen zur Abberufung des Versammlungsleiters11. Hier gilt: Der durch einfachen Mehrheitsbeschluss gewählte oder durch eine Geschäftsordnung12 bestimmte Versammlungsleiter kann mangels abweichender Satzungsregelung jederzeit, also auch ohne wichtigen Grund, durch einfachen Mehrheitsbeschluss wieder abberufen werden13. Inwieweit der Gesellschafter-Ver1 ThürOLG GmbHR 2013, 149, 152; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 29; Kleemann S. 48 ff; so auch für Beschlussfassung über Abberufung: BGH GmbHR 2010, 977 Rn 15 ff. 2 B/H/Zöllner Rn 16; Scholz/Seibt Rn 33; Böttcher/Grewe NZG 2002, 1086, 1088; Wiester GmbHR 2008, 189, 191. 3 Kleemann S. 31 ff mwN. 4 So auch U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 29; Scholz/Seibt Rn 33 aE; Böttcher/Grewe NZG 2002, 1086, 1088; aA wohl MünchKomm/Liebscher Rn 110. 5 So für die AG: KG AG 2011, 170; K. Schmidt/Lutter/Ziemons § 129 AktG Rn 61 mwN. 6 OLG Köln GmbHR 2002, 913, 914 f; Scholz/Seibt Rn 33; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 29. 7 So für das Aktienrecht: KG AG 2011, 170, 172 – Vanguard; OLG Köln NZG 2013, 548, 551; Hüffer/Koch § 129 AktG Rn 18. 8 U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 28; B/H/Zöllner Rn 19. 9 Näher Kleemann S. 154 ff; vgl zur AG auch Marsch-Barner FS Brambring, 2011, S. 267, 281; Spindler/Stilz/Wicke Anh § 119 AktG Rn 16 mwN. 10 Scholz/Seibt Rn 34; G/E/S/Teichmann Rn 17; vgl zur AG auch K. Schmidt/Lutter/Ziemons § 129 AktG Rn 58 mwN. 11 So auch U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 30. 12 So im Hinblick auf geschäftsordnungsmäßig bestellten HV-Leiter auch hM im Aktienrecht: MünchKomm/Kubis § 119 AktG Rn 117, § 129 AktG Rn 11 mwN; aA K. Schmidt/Lutter/Ziemons § 129 AktG Rn 12 mwN. 13 Scholz/Seibt Rn 34; MünchKomm/Liebscher Rn 108; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 30; Michalski/Römermann Rn 99; so für gewählten HV-Leiter auch ganz hM für AG: Hüffer/Koch § 129 AktG Rn 21; K. Schmidt/Lutter/Ziemons § 129 AktG Rn 58 mwN; aA

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§ 48 | Gesellschafterversammlung sammlungsleiter hierbei einem Stimmverbot gemäß § 47 Abs. 4 unterliegt, ist noch nicht umfassend geklärt1. Richtigerweise ist ein Stimmverbot jedenfalls dann zu verneinen, wenn kein wichtiger Grund für die Abberufung vorliegt2 (vgl auch § 47 Rn 50) oder das Stimmverbot nur im Hinblick auf einen Interessenkonflikt bei der Behandlung der anstehenden Tagesordnung geltend gemacht wird3. Umgekehrt wird man ein Stimmverbot dann annehmen müssen, wenn der Versammlungsleiter aus einem in der Versammlungsleitung liegenden wichtigen Grund abberufen werden soll (dazu Rn 15a). Ist das Recht zur Versammlungsleitung (ausnahmsweise) einem Gesellschafter als Sonderrecht (§ 14 Rn 12, 19) zugewiesen4 oder der Versammlungsleiter durch die Satzung bestimmt, so kann der Versammlungsleiter ohne Weiteres nur bei Zustimmung des Betroffenen5 (Sonderrecht) oder durch (vorher anzukündigende und eintragungsbedürftige) Satzungsänderung6 bzw durch einstimmigen satzungsdurchbrechenden Beschluss (dazu § 53 Rn 27 ff) abberufen werden, ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes indes nicht ad hoc mit satzungsdurchbrechendem Mehrheitsbeschluss7, da ein solcher Beschluss mangels Einhaltung der qualifizierten Anforderungen (insbesondere fehlende Ankündigung, näher § 53 Rn 32) von allen Gesellschaftern, die nicht zugestimmt haben, angefochten werden kann (näher § 53 Rn 32). 15a Liegt hingegen (objektiv!) ein wichtiger Grund für die Abberufung als Ver-

sammlungsleiter vor – wobei sich dieser regelmäßig8 aus der Versammlungsleitung als solche ergeben muss9 (also grober Fehler oder gar Pflichtwidrigkeit bei

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(keine Abberufung) nur Austmann FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 45, 59; aA (nur mit wichtigem Grund) Kuhnt FS Lieberknecht, 1997, S. 45, 58 f. S. einerseits Werner GmbHR 2006, 127, 129; andererseits Hoffmann/Köster GmbHR 2003, 1327, 1332 mwN. So obiter ThürOLG GmbHR 2013, 1490, 152. So BGH GmbHR 2010, 977 Rn 16. Allein die Verknüpfung mit einer Funktion (zB Vorsitz im Aufsichtsrat) ist allerdings kein Sonderrecht: U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 30; Böttcher/Grewe NZG 2002, 1086, 1089 f. U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 30; MünchKomm/Liebscher Rn 108 aE; Böttcher/Grewe NZG 2002, 1086, 1090. Böttcher/Grewe NZG 2002, 1086, 1090. Anders möglicherweise (auch ohne wichtigen Grund?) U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 30; MünchKomm/Liebscher Rn 108; MünchHdbGmbH/Wolff § 39 Rn 72; Böttcher/ Grewe NZG 2002, 1086, 1090; noch weitergehend Lange NJW 2015, 3190, 3194: einfache Mehrheit. S. aber auch LG Frankfurt AG 2005, 892, 894 (nach § 153a StPO eingestelltes Ermittlungsverfahren); Rose NZG 2007, 241, 244 (strafbare Handlungen im Kontext mit Haftungs-TOP). So auch (zum Aktienrecht): von Falkenhausen/Kocher BB 2005, 1068, 1069; Butzke ZIP 2005, 1164, 1166; MünchKomm/Kubis § 119 AktG Rn 113 mwN; jüngst wieder LG Köln ZIP 2016, 162, 165 – Strabag.

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der Versammlungsleitung1) –, ist die Abberufung zulässig2. Dies entspricht auch der hM im Aktienrecht3, wenngleich die hM von zahlreichen Autoren im Hinblick auf Unwägbarkeiten, Rechtsunsicherheit und missbräuchliche Aktionärsanträge abgelehnt wird4; diese Gegeneinwände haben im GmbH-Recht indes kein vergleichbares Gewicht. Streitig ist (auch innerhalb der hM), ob hierfür ein einfacher Mehrheitsbeschluss ausreicht5 oder ob trotz Vorliegen des wichtigen Grundes eine satzungsändernde Mehrheit zu fordern ist6; auch eine ältere BGHEntscheidung verlangt für Abberufung eines satzungsmäßigen Organmitglieds aus wichtigem Grund eine satzungsändernde Mehrheit7. Im Hinblick auf die Abberufung eines Gesellschafter-Geschäftsführers mit statutarischen Sonderrechten wird die Frage indes anders entschieden (dazu näher § 38 Rn 16 mwN). Daher spricht viel dafür, auch die Abberufung des satzungsmäßig bestellten Versammlungsleiters bei Vorliegen eines wichtigen Grundes schon mit einfacher Mehrheit zu gestatten. Denn der wichtige Grund zeigt sich häufig erst in der Versammlung selbst (und kann daher nicht zur Herbeiführung eines satzungsändernden Beschlusses angekündigt werden); und ein Versammlungsleiter, der begründet nicht mehr das Vertrauen der Mehrheit genießt, ist für eine Leitung der Versammlung nicht mehr geeignet. Auch die BGH-Rechtsprechung steht nicht dezidiert entgegen, da es dort um einen Antrag auf Änderung des Gesellschaftsvertrages der KG (unter Hinweis auf den wichtigen Grund) ging8. Dogmatisch lässt sich das Ergebnis allerdings nicht zwanglos mit einem satzungsdurchbrechenden Beschluss begründen (dazu § 53 Rn 27 ff); vielmehr wird man die Satzung ergänzend so auslegen müssen, dass die Bestimmung des Versammlungsleiters unter dem Vorbehalt („immanente Schranke“9) steht, dass kein

1 LG Köln AG 2005, 696, 699 (rechtswidriges Hausverbot); MünchKomm/Kubis § 119 AktG Rn 113 mwN. 2 Abweichend MünchHdbGmbH/Wolff § 39 Rn 72. 3 OLG Bremen AG 2010, 256 Rn 32; obiter OLG Frankfurt AG 2006, 249, 251 – T-Online; OLG Hamburg AG 2001, 359, 363 – SPAR; MünchKomm/Kubis § 119 AktG Rn 112; Hüffer/Koch § 129 AktG Rn 21 mwN. 4 Grundlegend Krieger AG 2006, 355, 359 ff; ebenso Ihrig FS Goette, 2011, S. 205, 217; Austmann FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 45, 57 ff; K. Schmidt/Lutter/Ziemons § 124 AktG Rn 85 mwN. 5 So Großkomm/Mülbert Vor §§ 118-147 AktG Rn 83; von Falkenhausen/Kocher BB 2005, 1068, 1069; Rose NZG 2007, 241, 242; unklar, aber wohl auch Böttcher/Grewe NZG 2002, 1086, 1090. 6 So die hL zur AG: Messer FS Kellermann, 1991, S. 298, 306; MünchKomm/Kubis § 119 AktG Rn 112 aE; Hüffer/Koch § 129 AktG Rn 21 mwN; für satzungsmäßig bestellten Versammlungsleiter generell U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 30; MünchHdbGmbH/ Wolff § 39 Rn 72. 7 BGH GmbHR 1970, 173, 175 (für Beiratsmitglied in KG). 8 BGH GmbHR 1970, 173. 9 So Butzke ZIP 2005, 1164, 1166.

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§ 48 | Gesellschafterversammlung wichtiger Grund vorliegt1, der eine Weiterleitung der Versammlung für die Gesellschafter unzumutbar erscheinen lässt2. 15b Der Streit, ob eine Abberufung des Versammlungsleiters mit einfacher oder sat-

zungsändernder Mehrheit zu erfolgen hat (Rn 15a), wird allerdings durch zwei Aspekte relativiert: Zum einen hat ein Gesellschafter-Versammlungsleiter bei der Beschlussfassung über die Abberufung aus wichtigem Grund kein Stimmrecht (dazu bereits Rn 15); allerdings reicht es – anders als im Kontext des § 136 AktG3 – nicht aus, wenn der wichtige Grund nur substantiiert behauptet wird, er muss vielmehr objektiv vorliegen (vgl § 47 Rn 45 mwN), was regelmäßig erst in einem nachfolgenden Rechtsstreit geklärt werden kann. Allein diese Sichtweise verhindert, dass ein satzungsmäßiger Versammlungsleiter unter Berufung auf einen angeblich wichtigen Grund abberufen wird (und sich dann seinerseits dagegen gerichtlich wehren muss4). Zum anderen dürfen aber auch die Mitgesellschafter einer Abberufung aus wichtigem Grund nicht widersprechen; eine solche widersprechende Stimmabgabe kann wegen Treupflichtverletzung unbeachtlich sein5. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn sich der (zunächst behauptete, später erwiesene) wichtige Grund geradezu „aufdrängt“.

15c Ein substantiierter Abwahlantrag, über den Beschluss zu fassen ist, liegt dann

vor, wenn ein wichtiger Grund nicht nur behauptet, sondern durch konkrete Tatsachen belegt wird; nicht ausreichend sind also bloße Verdächtigungen6. Umstritten sind (im Aktienrecht) die Rechtsfolgen, wenn nicht abgestimmt wird oder ein sachlich unzutreffender Abwahlbeschluss getroffen wird: Zu weitgehend ist es sicherlich, wenn teilweise angenommen wird, dass die Nichtberücksichtigung eines substantiierten Abwahlantrags – ungeachtet ob objektiv ein wichtiger Grund vorliegt7 – zur Nichtigkeit aller nachfolgenden Beschlüsse führt8. Die hM nimmt indes Anfechtbarkeit aller nachfolgenden Beschlüsse an, wenn einem objektiv begründeten Abwahlantrag nicht stattgegeben wird9; ob 1 Wie hier Großkomm/Mülbert Vor §§ 118–147 AktG Rn 83; von Falkenhausen/Kocher BB 2005, 1068, 1069; LG Frankfurt AG 2005, 892, 894; LG Köln AG 2005, 696, 701; dagegen aber Groß Liber amicorum Happ, 2006, S. 31, 36 f. 2 So auch OLG Bremen AG 2010, 256 Rn 32. 3 Vgl nur Hüffer/Koch § 136 AktG Rn 23 mwN. 4 So auch zur Abberufung des Gesellschafter-Geschäftsführers R/A/Altmeppen § 38 Rn 45 ff, 49 ff; aA indes oben § 38 Rn 16 ff mwN. 5 Bereits erwogen in BGH GmbHR 1970, 173, 175; vgl zur AG jüngst LG Köln ZIP 2016, 162, 165 – Strabag; differenzierend aber von Falkenhausen/Kocher BB 2005, 1068, 1070. 6 So ganz hM im Aktienrecht: OLG Bremen AG 2010, 256 Rn 33 ff; OLG Hamburg AG 2001, 359, 363 SPAR; LG Köln AG 2005, 696, 701; von Falkenhausen/Kocher BB 2005, 1068, 1069; Rose NZG 2007, 241, 245. 7 So explizit (zur AG) LG Köln AG 2005, 696, 701; LG Frankfurt AG 2005, 892, 894. 8 So aber LG Frankfurt AG 2005, 892; LG Köln AG 2005, 696, 701. 9 OLG Bremen AG 2010, 256 Rn 27 ff; Hüffer/Koch § 129 AktG Rn 21 aE; MünchKomm/ Kubis § 119 AktG Rn 115; Spindler/Stilz/Wicke Anh § 119 Rn 4 aE.

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dieser wichtige Grund vorlag, wird somit im anschließenden Anfechtungsprozess geprüft (und entschieden)1. Für die GmbH wird dies allerdings bestritten2, indes wohl zu Unrecht: Denn will man nicht die rechtswidrige Antragsablehnung sanktionslos lassen, so wird man alle nachfolgenden Beschlussfassungen als „infiziert“ und anfechtbar betrachten müssen. Umgekehrt sollen nach hM im Aktienrecht auch alle nachfolgenden Beschlüsse anfechtbar sein, wenn eine unberechtigte (und somit fehlerhafte) Abberufung erfolgt3; dies ist allerdings nicht zwingend, denn der Beschlussmangel wirkt sich hier nicht notwendigerweise auf die nachfolgenden Beschlüsse (die ohne oder mit einem anderen Versammlungsleiter zustande gekommen sind) aus. Die Problematik ist indes für die GmbH noch wenig diskutiert4. cc) Die Aufgaben des Versammlungsleiters leiten sich (ähnlich wie in der AG5) 16 aus der Funktion der Gesellschafterversammlung her: Er hat für eine neutrale, sachgerechte und effiziente Erledigung der Versammlungsgegenstände zu sorgen6. Dazu gehört – vorbehaltlich weitergehender Regelungen in der Satzung – insbesondere: Eröffnung, Unterbrechung und Schluss der Gesellschafterversammlung7 (nicht: Vertagung8), Feststellung der Anwesenheit9 (nicht gesetzlich vorgeschrieben, aber zweckmäßig) und ggf der Teilnahmeberechtigung10 (nicht: Verweigerung der Teilnahme, Rn 9) und der Beschlussfähigkeit (nach Maßgabe der Satzung)11, Worterteilung und Entgegennahme von Anträgen12, Anordnung einer generellen Redezeitregelung oder von Ordnungsmaßnahmen (Rn 17), ggf Protokollführung (Rn 19), Leitung der Abstimmung13 und Beschlussfeststellung14 (Rn 17a). Der Versammlungsleiter kann die Reihenfolge der TOP zwar 1 Richtig von Falkenhausen/Kocher BB 2005, 1068, 1070; ähnlich Butzke ZIP 2005, 1164, 1167. 2 U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 30 (keine Anfechtung). 3 So MünchKomm/Kubis § 119 AktG Rn 115; von Falkenhausen/Kocher BB 2005, 1068, 1069; Rose NZG 2007, 241, 244 f; sogar für Nichtigkeit Krieger AG 2006, 355, 361. 4 Wenig weiterführend insoweit auch Kleemann S. 145 ff, 151 ff. 5 Grundlegend zur AG BGHZ 44, 245; vgl weiter K. Schmidt/Lutter/Ziemons § 129 AktG Rn 62 mwN. 6 Scholz/Seibt Rn 36; Wiester GmbHR 2008, 189, 191; MünchKomm/Liebscher Rn 111. 7 B/H/Zöllner Rn 17; Scholz/Seibt Rn 36; Wiester GmbHR 2008, 189, 191. 8 BGH GmbHR 2010, 977 Rn 16; Scholz/Seibt Rn 36; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 31. 9 Scholz/Seibt Rn 36; Wiester GmbHR 2008, 189, 191; MünchKomm/Liebscher Rn 113. 10 Scholz/Seibt Rn 28, 36; R/A/Roth Rn 9; Wiester GmbHR 2008, 189, 191. 11 MünchKomm/Liebscher Rn 114; Scholz/Seibt Rn 44. 12 Scholz/Seibt Rn 36; MünchHdbGmbH/Wolff § 39 Rn 72a; Wiester GmbHR 2008, 189, 191. 13 B/H/Zöllner Rn 17; R/A/Roth Rn 9. 14 Scholz/Seibt Rn 36; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 31 f; MünchHdbGmbH/Wolff § 39 Rn 72a; MünchKomm/Liebscher Rn 116 ff; Böttcher/Grewe NZG 2002, 1086, 1087; teilweise abweichend B/H/Zöllner Rn 17; Wiester GmbHR 2008, 189, 191, 194 f.

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§ 48 | Gesellschafterversammlung ggf variieren1, nicht aber selbständig TOP hinzufügen oder absetzen2. Von seinen Befugnissen macht er nicht in Form von Beschlüssen, sondern von sog „verfahrensleitenden Verfügungen“ Gebrauch3. Stets hat er sein Amt nach pflichtgemäßem Ermessen auszuüben und die Grundsätze der Neutralität, der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit zu beachten4 (dazu noch Rn 17). Da er (regelmäßig auch bei satzungsmäßiger Bestimmung) sein Amt und seine Zuständigkeit aus der Gesellschafterversammlung ableitet5, sind seine Anordnungen stets nur vorläufig und können von der Gesellschafterversammlung jederzeit (mangels abweichender Satzungsregelung) wieder aufgehoben werden (beim gewählten Versammlungsleiter durch einfachen Mehrheitsbeschluss6, beim satzungsmäßig bestellten Versammlungsleiter mit satzungsändernder Mehrheit7); mit entsprechender Mehrheit kann die Versammlung auch selbst eigenständige Maßnahmen ergreifen. 17 Zur Versammlungsleitung gehört grundsätzlich auch die Ordnungsgewalt8 (hin-

gegen nicht das Hausrecht, das den Gesellschaftern zusteht9). Als Ordnungsmaßnahmen kommen insbesondere in Betracht: Ordnungsruf, individuelle Redezeitverkürzung, Wortentzug und als ultima ratio auch ein Saalverweis10. Stets ist Verhältnismäßigkeit zu wahren (Rn 16), ggf ist vorherige Abmahnung erforderlich11. Präventiver Ausschluss früherer Störer ist grundsätzlich unzulässig12. Gegen unzulässige Ordnungsmaßnahmen selbst kann der Gesellschafter idR nicht unmittelbar gerichtlich vorgehen13; auf sie folgende Beschlüsse sind aber ggf wegen Verletzung des Teilnahmerechts anfechtbar14 (vgl Anh zu § 47 Rn 47).

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So auch für die AG: OLG Frankfurt AG 2011, 36, 41; Hüffer/Koch § 129 AktG Rn 22. BGH GmbHR 2010, 977 Rn 16; Scholz/Seibt Rn 36; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 31. Zum Begriff: Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 20. Scholz/Seibt Rn 37; MünchHdbGmbH/Wolff § 39 Rn 72a; für die AG auch MünchKomm/Kubis § 119 AktG Rn 122 mwN. U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 28; Michalski/Römermann Rn 105 f; ähnlich Scholz/ Seibt Rn 32 („Funktionsgehilfe der Gesellschafter“). Scholz/Seibt Rn 37; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 31, 36; wohl auch MünchKomm/ Liebscher Rn 122. Richtig Kleemann S. 70 ff; aA wohl U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 28, 36. Scholz/Seibt Rn 37; MünchKomm/Liebscher Rn 122 ff; Wiester GmbHR 2008, 189, 191. OLG Hamm GmbHR 2003, 1211, 1212; Scholz/Seibt Rn 37; MünchKomm/Liebscher Rn 122. Vgl B/H/Zöllner Rn 18; Scholz/Seibt Rn 37; Eickhoff Rn 258 ff. Scholz/Seibt Rn 37; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 36. Scholz/Seibt Rn 37; U/H/L//Hüffer/Schürnbrand Rn 35. So auch MünchKomm/Liebscher Rn 125 f; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 37. BGHZ 44, 245, 250 (AG); OLG Hamm GmbHR 1998, 138, 139 f; MünchKomm/Liebscher Rn 127; Scholz/Seibt Rn 38; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 37.

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Der Versammlungsleiter ist grundsätzlich auch zur Feststellung eines Beschluss- 17a ergebnisses1 berechtigt2 (zur Bedeutung: Anh zu § 47 Rn 38). Dies ist unstreitig, sofern ihm die Beschlussfeststellungskompetenz in der Satzung oder ad hoc durch einstimmigen Gesellschafterbeschluss zugewiesen wurde. Ebenso unstreitig führt allein die Tatsache einer Beschlussprotokollierung noch nicht zur Beschlussfeststellung; anders hingegen, wenn alle Gesellschafter das Protokoll unterzeichnen oder anderweitig zu erkennen geben, dass sie auch ohne förmliche Feststellung übereinstimmend von einem bestimmten Beschlussergebnis ausgehen (vgl Anh zu § 47 Rn 38). Sehr streitig ist hingegen, ob auch dem satzungsmäßig oder durch Mehrheitsbeschluss bestellten Versammlungsleiter bereits generell qua Amt die Befugnis zukommt, das Abstimmungsergebnis mit vorläufiger Verbindlichkeit festzustellen3 oder ob eine solche Beschlussfeststellungskompetenz des Versammlungsleiters nur mit (ggf durch die Satzung antizipierter oder auch konkludenter4) Zustimmung aller Gesellschafter5 in Betracht kommt6. Die für letztere Auffassung angeführten Bedenken, dass die Gesellschaftermehrheit qua Versammlungsleitung die Minderheit durch die Feststellung unrichtiger Beschlüsse benachteiligen könnte, indem die Stimmrechtsausübung mit dem Argument einer angeblichen Treuwidrigkeit7 (näher § 47 Rn 14) bzw im Hinblick auf Stimmverbote gemäß § 47 Abs. 48 (näher § 47 Rn 32 ff) verweigert wird9, sind zwar nicht von der Hand

1 Dazu näher MünchKomm/Liebscher Rn 116 ff. 2 So obiter auch BGH GmbHR 2010, 977 Rn 16. 3 So OLG Celle GmbHR 1999, 35 (LS) – (Rev nicht angenommen: BGH v. 29.6.1998 – II ZR 156/97; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 32; Scholz/Seibt Rn 53; MünchKomm/Drescher § 47 Rn 55; R/A/Roth Rn 26; G/E/S/Teichmann Rn 18; Böttcher/Grewe NZG 2002, 1086, 1088; Rohleder GmbHR 1989, 236, 239; MünchHdbGmbH/Wolff § 39 Rn 82; Lange NJW 2015, 3190, 3192; wohl auch Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 21; ausführlich Kleemann S. 105 ff; tendenziell wohl auch BGH GmbHR 2010, 977 Rn 16; dezidiert aA Zöllner FS Lutter, 2000, S. 821, 827 („selbstverständlich nicht“). 4 Zum Widerspruchserfordernis bei fehlendem Einverständnis mit einer Beschlussfeststellung: Anh zu § 47 Rn 38. 5 So OLG Frankfurt NZG 1999, 406 = GmbHR 1999, 551 (LS); obiter auch OLG Frankfurt GmbHR 2009, 378, 379; jüngst wohl auch KG GmbHR 2016, 58, 59; ebenso B/H/Zöllner Rn 17; S/I/Bergjan Rn 10; Michalski/Römermann § 47 Rn 589; R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 10; Hoffmann/Köster GmbHR 2003, 1327, 1329; Wiester GmbHR 2008, 189, 194 f. 6 Offengelassen jüngst von OLG Stuttgart GmbHR 2015, 431. 7 Thematisiert in OLG Frankfurt GmbHR 2009, 378; KG GmbHR 2016, 58; OLG Köln GmbHR 2015, 706, 707 (Kapitalerhöhung zur Sanierung). 8 Thematisiert in OLG Stuttgart GmbHR 2015, 431, 434. 9 Der Versammlungsleiter hat insoweit kein Ermessen (BGH GmbHR 2010, 977 Rn 16) und darf daher die Stimmrechtsausübung nur verweigern, wenn das Stimmverbot gemäß § 47 Abs. 4 objektiv vorliegt (so wohl BGH GmbHR 2010, 977 Rn 16 und näher § 47 Rn 45) bzw „wenn die Treuwidrigkeit auf der Hand liegt“: so (für die AG) LG Berlin ZIP 2012, 1034, 1035.

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§ 48 | Gesellschafterversammlung zu weisen1, rechtfertigen es indes nicht, dem nur mit Mehrheitsbeschluss bestellten Versammlungsleiter die zentrale Kompetenz der Beschlussfeststellung abzusprechen, führt doch zum einen gerade diese Beschlussfeststellung zu Klarheit und Rechtssicherheit2 und entspricht der Mehrheitsbeschluss doch dem allgemeinen Prinzip des GmbH-Rechts (s. § 47 Abs. 1, § 47 Rn 7). Die (angeblich benachteiligte) Minderheit ist unrichtigen und benachteiligenden Maßnahmen des Versammlungsleiters auch nicht schutzlos ausgeliefert: Denn das vom Versammlungsleiter festgestellte Beschlussergebnis ist zwar vorläufig verbindlich, kann indes – falls nicht bereits Nichtigkeit vorliegt – mit der Anfechtungsklage wieder beseitigt werden3 (näher Anh zu § 47 Rn 38). Weiterhin kommt bei pflichtwidriger Versammlungsleitung auch eine Schadensersatzhaftung in Betracht (vgl bereits Rn 14). Im Interesse einer Haftungsvermeidung ist es daher nicht ausgeschlossen, dass ein ordnungsgemäß agierender Versammlungsleiter bei rechtlichen oder tatsächlichen Zweifeln über das Vorliegen von Stimmverboten von einer verbindlichen Beschlussfeststellung absieht4 (vgl aber auch § 47 Rn 55). Halten wir somit fest: Ebenso wie bei der AG5 gehört – mangels abweichender Satzungsregelung – die Beschlussfeststellungskompetenz auch ohne individuelle Zustimmung aller Gesellschafter zur Funktion des (ggf auch nur mit Mehrheit bestimmten) Versammlungsleiters; dagegen hat der die Versammlungsleitung ohne Mehrheitsbeschluss usurpierende Versammlungsleiter die Beschlussfeststellungskompetenz bei Widerspruch der übrigen Gesellschafter nicht6. Aufgrund der nach wie vor geäußerten Bedenken ist der Praxis indes anzuraten, alle Zweifel durch eine eindeutige Regelung in der Satzung zu beseitigen7. Allein das Vorliegen eines (möglichen) Interessenkonflikts hat jedoch keine Auswirkungen auf die Rechtsstellung des Versammlungsleiters8. Dagegen will eine verbreitete Ansicht den vom Versammlungsleiter festgestellten Beschlüssen die vorläufige Wirksamkeit dann absprechen, wenn die Beschlussfeststellung willkürlich bzw offenkundig fehlerhaft war9. Dieser Auffassung ist indes zu widersprechen: Zum einen wird das Vorliegen dieser (Ausnahme-)Konstellation in der Praxis nur schwierig nachzuweisen sein, zum anderen ist es wenig überzeugend, die prozessuale Frage nach 1 Vgl auch BGH GmbHR 2010, 977 Rn 16 („hat zwar Einfluss auf den Gang der Versammlung“). 2 Daher richtig R/A/Roth Rn 26: Qualifizierte Feststellungsbefugnis schafft „neue Quelle der Rechtsunsicherheit“. 3 So auch BGH GmbHR 2010, 977 Rn 16. 4 So bereits Böttcher/Grewe NZG 2002, 1086, 1088. 5 Für alle: K. Schmidt/Lutter/Ziemons § 129 AktG Rn 67 mwN. 6 So etwa im Sachverhalt OLG Frankfurt GmbHR 2009, 378, 379. 7 So auch S/I/Bergjan Rn 10; zu möglichen Einschränkungen bereits K. Schmidt GmbHR 1992, 9, 13. 8 Scholz/Seibt Rn 53; Werner GmbHR 2006, 127, 129; aA Hoffmann/Köster GmbHR 2003, 1327, 1332. 9 So Scholz/Seibt Rn 53; Böttcher/Grewe NZG 2002, 1086, 1088; Werner GmbHR 2006, 127, 129.

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dem richtigen Rechtsschutzinstrument mit der materiellen Frage der Richtigkeit oder Unrichtigkeit des angegriffenen Beschlusses (oder Nicht-Beschlusses) zu vermengen1. b) Protokollierung. Anders als bei der AG (§ 130 AktG) ist eine Protokollierung 18 des Gangs der Gesellschafterversammlung und der Beschlussergebnisse2 – mit Ausnahme der Einpersonen-Gesellschaft (§ 48 Abs. 3, Rn 32 ff) – nicht vorgeschrieben3. Beurkundungszwang besteht nur für Satzungsänderung (§ 53 Abs. 2, dazu § 53 Rn 16 ff) sowie für Verschmelzungs-, Spaltungs- und Formwechselbeschlüsse (§§ 13 Abs. 3, 125 Satz 1, 193 Abs. 3 UmwG). Im Interesse der Rechtssicherheit und zur Vermeidung unnötiger Klagen ist eine Protokollierung jedoch generell dringend zu empfehlen4. Eine entsprechende Regelung in der Satzung oder Geschäftsordnung sollte jedoch insbesondere auch bezüglich der intendierten Funktion der Schriftform oder auch des Beurkundungserfordernisses eindeutig formuliert sein, da die Rspr im Hinblick auf die Einordnung als bloßes Beweismittel5 oder Wirksamkeitserfordernis6 uneinheitlich ist. Wenn ein Versammlungsleiter bestellt ist (dazu Rn 15), wird allgemein eine Pflicht zur Protokollführung angenommen7; bei Fehlen einer anderweitigen Regelung kann er auch einen Dritten als Protokollführer bestimmen8. Ein Anspruch eines einzelnen Gesellschafters auf Protokollierung dürfte dagegen nur ausnahmsweise anzunehmen sein9. Ton- und Bildaufnahmen sind mit Blick auf das allgemeine Persönlichkeits- 19 recht und §§ 201 ff StGB problematisch. Unstreitig zulässig sind sie nur bei Einverständnis aller Versammlungs-Teilnehmer10. Richtiger Ansicht nach genügt aber auch eine Satzungsregelung (arg e § 118 Abs. 4 AktG)11; dann sind Aufnah-

1 So richtig Lange NJW 2015, 3190, 3193; ablehnend auch Kleemann S. 121 ff. 2 Zum Protokollinhalt näher Vogel S. 259 ff; Noack Liber amicorum Happ, 2006 S. 201, 205 ff; Scholz/Seibt Rn 40. 3 U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 38; Scholz/Seibt Rn 39 (allgemeine Meinung). 4 Ebenso R/A/Roth Rn 20; Scholz/Seibt Rn 39; MünchKomm/Liebscher Rn 128. 5 So RGZ 104, 413, 415; RGZ 122, 367, 369; OLG Stuttgart GmbHR 1998, 1034, 1035 f; R/A/Roth Rn 23; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 38. 6 So BayObLG GmbHR 1992, 306, 307; OLG Stuttgart BB 1983, 1050; differenzierend B/H/Zöllner Rn 23. 7 B/H/Zöllner Rn 22; R/A/Roth Rn 20; Scholz/Seibt Rn 39; jüngst auch OLG Stuttgart GmbHR 2013, 472, 476. 8 MünchKomm/Drescher § 47 Rn 57. 9 Einzelheiten streitig; vgl (weitergehend) Scholz/Seibt Rn 39; R/A/Roth Rn 20; verneinend U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 38; MünchKomm/Liebscher Rn 131. 10 OLG Karlsruhe NZG 1998, 259, 260 (Tonaufnahme in Familiengesellschaften); Scholz/ Seibt Rn 41; Zwissler GmbHR 2000, 28, 30; MünchKomm/Liebscher Rn 137. 11 Ebenso Scholz/Seibt Rn 41; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 40; abweichend MünchKomm/Liebscher Rn 137 (stets Zustimmung erforderlich).

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§ 48 | Gesellschafterversammlung men auch bei Widerspruch Einzelner zulässig1. Ansonsten sind auch (vertrauliche) Aufzeichnungen ausschließlich für Zwecke der Protokollführung unzulässig2. 4. Beschlussfähigkeit 20 Für die Beschlussfähigkeit genügt bei ordnungsgemäßer Ladung das Erscheinen

einer stimmberechtigten Person3. Zulässig und üblich sind aber statutarische Regelungen zur Beschlussfähigkeit4. Wird durch Boykott treuwidrig Beschlussunfähigkeit herbeiführt, können sich absichtlich fernbleibende Gesellschafter hierauf nicht berufen5. Verlässt ein teilnahmeberechtigter Gesellschafter die Versammlung vor dem Ende – ggf unter Protest –, so sind die Gesellschafter auch weiterhin beschlussfähig6. Ausführlich zur Beschlussfassung § 47 Rn 7 ff. Fehlt die Beschlussfähigkeit sind alle getroffenen Beschlüsse anfechtbar7 (vgl auch Anh zu § 47 Rn 47).

III. Präsenzlose Beschlussfassung gemäß § 48 Abs. 2 1. Anwendungsbereich 21 § 48 Abs. 2 gilt grundsätzlich für sämtliche Beschlussgegenstände8. Entgegen ei-

ner früher verbreiteten Auffassung9 gilt er insbesondere auch für Satzungsänderungen10; der Notar stellt dann auf Grund der ihm vorgelegten Voten den Satzungsänderungsbeschluss formgerecht (§ 53 Abs. 2) fest11. Lediglich Verschmelzung, Spaltung und Formwechsel können nur in einer Gesellschafterver-

1 Insofern abweichend Scholz/Seibt Rn 41; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 39: bei Widerspruch keine Aufzeichnung des Wortbeitrages des Widersprechenden). Wie hier für die AG: BegrRegE TransPuG, BR-Drucks 109/2, S. 46; Hüffer/Koch § 118 AktG Rn 30; MünchKomm/Kubis § 118 AktG Rn 95; K. Schmidt/Lutter/Spindler § 118 AktG Rn 46; Seibert NZG 2002, 608, 611. 2 Ebenso U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 39; aA Scholz/Seibt Rn 41. 3 OLG Köln GmbHR 2002, 492, 495; B/H/Zöllner Rn 3; R/A/Roth Rn 12. 4 Näher Scholz/Seibt Rn 43; MünchHdbGmbH/Wolff § 39 Rn 73 ff; vgl auch Beispiel ThürOLG GmbHR 2013, 149, 154. 5 OLG Hamburg NJW-RR 1991, 673, 674; Scholz/Seibt Rn 44a. 6 OLG Köln GmbHR 2002, 492, 495; MünchKomm/Liebscher Rn 114; vertiefend Werner GmbHR 2009, 289, 293. 7 B/H/Zöllner Rn 3; ausführlich Winstel GmbHR 2010, 793 ff; vgl auch BGH GmbHR 1989, 120, 122. 8 B/H/Zöllner Rn 28; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 54; MünchHdbGmbH/Wolff § 39 Rn 95. 9 BGHZ 15, 324, 328; OLG Hamm NJW 1974, 1057; KG NJW 1959, 1446 f. 10 Scholz/Seibt Rn 55; MünchKomm/Liebscher Rn 145; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 56. 11 BegrRegE FormVAnpG, BT-Drucks 14/4987, S. 30; Scholz/Seibt Rn 55.

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sammlung beschlossen werden1 (§§ 13 Abs. 1 Satz 2, 125 Satz 1, 193 Abs. 1 Satz 2 UmwG). Versammlungslose Beschlussfassung gemäß § 48 Abs. 2 (oder in noch weiter er- 22 leichterter Form, vgl Rn 29) ist grundsätzlich auch bei mitbestimmten Gesellschaften mit obligatorischem Aufsichtsrat möglich2. Damit das Teilnahmerecht der Aufsichtsratsmitglieder (Rn 6) nicht leerläuft, ist dem Aufsichtsrat allerdings Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben3. 2. Zwei Alternativen § 48 Abs. 2 sieht zur Erleichterung der Beschlussfassung zwei Alternativen einer 23 präsenzlosen Beschlussfassung vor: Entweder erklären sich alle Gesellschafter in Textform (§ 126b BGB) mit der in der Sache zu treffenden Regelung einverstanden (Alt. 1, näher Rn 24) oder die Gesellschafter votieren zwar unterschiedlich, erklären sich jedoch alle mit der schriftlichen Stimmabgabe einverstanden (Alt. 2, näher Rn 25 f). Da auch Gesellschafter, die kein Stimmrecht haben oder nach § 47 Abs. 4 von der Abstimmung ausgeschlossen sind, ein Teilnahmerecht haben (Rn 2), ist in beiden Varianten auch deren Einverständnis erforderlich4. Ein Verfahren nach § 48 Abs. 2 kann nicht nur vom Geschäftsführer, sondern von jedem Gesellschafter initiiert werden5. Zur Vermeidung von Unklarheiten ist die Setzung einer angemessenen Frist zur Erklärung des Einverständnisses bzw zur Stimmabgabe zu empfehlen6. Vgl zur Geltung von § 51 Abs. 4 im Falle des § 48 Abs. 2 Alt. 2 bei § 51 Rn 3. a) Einstimmige Beschlussfassung in Textform (§ 48 Abs. 2 Alt. 1): § 48 Abs. 2 24 Alt. 1 erfordert, dass sich sämtliche Gesellschafter mit der zu treffenden Sachregelung in Textform einverstanden erklären. Dem Einverständnis kommt insofern bei stimmberechtigten Gesellschaftern eine Doppelnatur als Verfahrenshandlung und Stimmabgabe zu7. Textform iSd § 126b BGB erfordert keine eigenhändige Unterschrift; es genügt auch Fernschreiben, (Computer-)Fax oder 1 U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 55; Scholz/Seibt Rn 55. 2 B/H/Zöllner Rn 29; R/A/Roth Rn 2; Scholz/Seibt Rn 56. 3 BegrRegE FormVAnpG, BT-Drucks 14/4987, S. 30; R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 18; Wicke Rn 6; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 58; Lutter/Krieger/Verse Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn 1151 ff; MünchHdbGmbH/Wolff § 39 Rn 95; Hommelhoff ZGR 1978, 119, 148 f; aA MünchKomm/Liebscher Rn 149; Scholz/Seibt Rn 56; Blasche GmbHR 2011, 232, 236; ausführlich Zöllner FS Fischer, 1979, S. 905, 917 ff. 4 OLG Düsseldorf GmbHR 1989, 468, 469; R/A/Roth Rn 28, 30; B/H/Zöllner Rn 30, 33; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 45, 46 f; Blasche GmbHR 2011, 232, 233; aA OLG Düsseldorf MDR 1977, 846. 5 B/H/Zöllner Rn 31; R/A/Roth Rn 30. 6 Scholz/Seibt Rn 60; vgl auch das Muster bei Eickhoff Rn 392. 7 R/A/Roth Rn 28, 30; Scholz/Seibt Rn 59; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 43; aA B/H/Zöllner Rn 30.

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§ 48 | Gesellschafterversammlung E-Mail1. Ausreichend ist zudem zB auch Unterzeichnung einer Handelsregisteranmeldung2 oder eines Zirkulars3. Telefonkonferenz oder telefonische Mitteilung zu Protokoll genügen dagegen nicht4. 25 b) Allseitiges Einverständnis mit schriftlicher Stimmabgabe (§ 48 Abs. 2

Alt. 2): § 48 Abs. 2 Alt. 2 ermöglicht eine präsenzlose Beschlussfassung auch bei divergierenden Voten der Gesellschafter, sofern sich alle Gesellschafter mit der schriftlichen Stimmabgabe einverstanden erklären. Die Erklärung des Einverständnisses ist formfrei möglich, dh sie kann insbesondere auch konkludent erfolgen5 und (entgegen älterer Rspr6) ggf auch in der Stimmabgabe selbst liegen7. Bloßes Schweigen genügt dagegen nicht8.

26 Die Stimmabgabe selbst muss dagegen schriftlich erfolgen. Unter Geltung von

§ 48 Abs. 2 aF wurde der Begriff allgemein untechnisch verstanden und jede schriftlich verkörperte Erklärung als ausreichend erachtet, also de facto „Textform“ wie bei § 126b BGB. Mit Blick auf die explizite Gegenüberstellung mit der „Textform“ in der nF wird heute jedoch verbreitet Schriftform iSd § 126 BGB (dh insbesondere eigenhändige Unterschrift) für erforderlich gehalten9. Die Ratio der Norm spricht indes auch weiterhin für ein weites Verständnis, zumal nicht davon auszugehen ist, dass der Gesetzgeber hieran etwas ändern wollte10. Bis zu einer höchstrichterlichen Klärung ist jedoch zur Vorsicht zu raten. Im Übrigen kann eine eindeutige Regelung in der Satzung getroffen werden (Rn 28 f).

27 c) Wirksamkeit des Beschlusses: Nach hM im Schrifttum kommt ein im Ver-

fahren nach § 48 Abs. 2 gefasster Gesellschafterbeschluss mit Zugang der letzten Stimme bei der Gesellschaft, die durch den Initiator des Verfahrens (Rn 23) vertreten wird, zustande11; bis dahin ist die Stimmabgabe widerruflich (§ 130 Abs. 1 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

11

Scholz/Seibt Rn 61; MünchKomm/Liebscher Rn 160. RGZ 101, 78, 79; BGHZ 15, 324, 329; B/H/Zöllner Rn 31. Scholz/Seibt Rn 61; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 44. Scholz/Seibt Rn 61. BGHZ 28, 355, 358 = GmbHR 1959, 48 mit Anm Wilhelm; ThürOLG GmbHR 2006, 985, 986; MünchKomm/Liebscher Rn 162; Scholz/Seibt Rn 62; R/A/Roth Rn 28; aA (Textform) MünchHdbGmbH/Wolff § 39 Rn 100. BGHZ 28, 355, 358 f = GmbHR 1959, 48 mit Anm Wilhelm. Scholz/Seibt Rn 62; MünchKomm/Liebscher Rn 163. MünchKomm/Liebscher Rn 164; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 49; vgl aber auch KG NZG 2010, 303, 304 (zu den Anforderungen an eine abweichende Satzungsregelung). Scholz/Seibt Rn 63; Henssler/Strohn/Hillmann Rn 26; B/S/Masuch Rn 16; G/E/S/Teichmann 23; Blasche GmbHR 2011, 232, 233. Ebenso B/H/Zöllner Rn 37; MünchHdbGmbH/Wolff § 39 Rn 102; Hoffmann-Becking FS Priester, 2007, S. 233, 240. Scholz/Seibt Rn 60; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 52; Blasche GmbHR 2011, 232, 235; ebenso ThürOLG GmbHR 2006, 985, 986; teilweise abweichend B/H/Zöllner Rn 31; MünchKomm/Liebscher Rn 169.

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BGB)1. Der BGH verlangt dagegen darüber hinaus zumindest grundsätzlich eine Beschlussfeststellung2 sowie eine Mitteilung an die Gesellschafter3 und will hiervon nur dann eine Ausnahme machen, wenn eine einstimmige, eindeutige und offensichtlich endgültige Willenskundgebung der Gesellschafter vorliegt4. Im Hinblick darauf sind Beschlussfeststellung und Mitteilung an die Gesellschafter, die schon aus Beweisgründen ohnehin zweckmäßig sind5, in jedem Fall zu empfehlen.

IV. Satzungsautonomie 1. Erschwerungen § 48 Abs. 2 ist dispositiv (§ 45 Abs. 2). Die Satzung kann somit die präsenzlose 28 Beschlussfassung, ggf auch nur für einzelne Beschlussgegenstände, vollständig ausschließen6. Hierfür bedarf es jedoch einer eindeutigen Regelung; eine Klausel, die lediglich wörtlich oder sinngemäß § 48 Abs. 1 wiedergibt, genügt idR nicht7. Ferner kann die Satzung die präsenzlose Beschlussfassung auch erschweren8, zB die Textform gemäß § 48 Abs. 2 Alt. 1 durch Schriftform iSd § 126 BGB ersetzen9 oder das Einverständnis iSd § 48 Abs. 2 Alt. 2 bestimmten formalen Anforderungen unterwerfen10. 2. Erleichterungen Da § 48 Abs. 1, 2 insgesamt dispositiv sind, kann die Satzung die Beschlussfas- 29 sung aber auch weiter erleichtern11, und zwar auch bei mitbestimmten Gesellschaften (allerdings ist hier das Teilnahmerecht des Aufsichtsrats durch Information und Gelegenheit zur Stellungnahme zu wahren, vgl Rn 22). Zulässig ist eine Erleichterung auch für satzungsändernde Beschlüsse12, der Notar stellt dann auf Grund der ihm vorgelegten Voten den Satzungsänderungsbeschluss formge1 B/H/Zöllner Rn 31; Scholz/Seibt Rn 60; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 44, 52. 2 BGH GmbHR 2006, 706; ablehnend MünchKomm/Liebscher Rn 170; U/H/L/Hüffer/ Schürnbrand Rn 53 mwN. 3 So explizit BGHZ 15, 324, 329; Hoffmann-Becking FS Priester, 2007, S. 233, 241. 4 BGHZ 15, 324, 329. 5 So auch Scholz/Seibt Rn 60; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 53; nach MünchKomm/ Liebscher Rn 171 kein Wirksamkeitserfordernis, aber Rechtspflicht. 6 BGHZ 15, 324, 328; R/A/Roth Rn 35. 7 BGHZ 15, 324, 328; OLG Stuttgart GmbHR 1998, 1034, 1035; Scholz/Seibt Rn 66. 8 Scholz/Seibt Rn 66; MünchHdbGmbH/Wolff § 39 Rn 105. 9 Scholz/Seibt Rn 66; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 61. 10 Scholz/Seibt Rn 66; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 61. 11 BGH GmbHR 2006, 706 Rn 10; Scholz/Seibt Rn 64; MünchKomm/Liebscher Rn 177. 12 Scholz/Seibt Rn 55, 64.

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§ 48 | Gesellschafterversammlung recht (§ 53 Abs. 2) fest1. Die Satzung kann also zB eine erleichterte Beschlussfassung nach § 48 Abs. 2 auch schon bei Einverständnis einer Mehrheit (oder auch einer Minderheit) der Gesellschafter zulassen2 oder ein sog kombiniertes Beschlussverfahren (dh ein Teil der Gesellschafter stimmt in der Gesellschafterversammlung, ein anderer Teil schriftlich ab) regeln3. Ferner kann statutarisch zB auch Telefon- oder Videokonferenz4, Stimmabgabe per E-Mail5 oder auch eine virtuelle Versammlung6 vorgesehen werden. Dagegen kann die Satzung Schweigen nicht als Ja-Stimme qualifizieren7.

V. (Partiell) präsenzlose Beschlussfassung ohne Satzungsgrundlage jenseits von § 48 Abs. 2 30 Jenseits von § 48 Abs. 2 ist eine (partiell) präsenzlose Beschlussfassung ohne Sat-

zungsgrundlage, insbes auch eine sog kombinierte Beschlussfassung (vgl Rn 29), nach BGH8 und hL9 unzulässig. Ein Teil der Literatur erachtet eine solche Beschlussfassung dagegen für zulässig, wenn sie im allseitigen Einverständnis der Gesellschafter durchgeführt wird10. Dies vermag indes nicht zu überzeugen, denn das Gesetz sieht gerade nur die in § 48 Abs. 1 und 2 geregelten Beschlussmodi vor und eröffnet die Möglichkeit einer Abweichung hiervon nur auf der Basis einer Satzungsregelung (§ 45 Abs. 2)11. Zudem sprechen auch Gründe der Rechtssicherheit und -klarheit maßgeblich für die hM.

31 Eine Abstimmung im Wege eines weder in § 48 Abs. 1 oder Abs. 2 noch in der

Satzung vorgesehenen Verfahrens macht den Beschluss nicht lediglich anfecht-

1 BegrRegE FormVAnpG, BT-Drucks 14/4987, S. 30; Scholz/Seibt Rn 55. 2 B/H/Zöllner Rn 44; Scholz/Seibt Rn 64; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 61; implizit ferner auch BGHZ 28, 355, 358. 3 BGH GmbHR 2006, 706 Rn 6 f; B/H/Zöllner Rn 42; Liese/Theusinger GmbHR 2006, 682; K. Schmidt NJW 2006, 2599, 2600; ausführlich Wernicke/Albrecht GmbHR 2010, 393 ff. 4 Scholz/Seibt Rn 65; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 62; Liese/Theusinger GmbHR 2006, 682; K. Schmidt NJW 2006, 2599, 2600. 5 K. Schmidt NJW 2006, 2599, 2600; Zwissler GmbHR 2000, 28, 30. 6 Hohlfeld GmbHR 2000, R53; Zwissler GmbHR 2000, 28, 30; R/A/Roth Rn 37 ff. 7 Vgl auch B/H/Zöllner Rn 44; Scholz/Seibt Rn 64; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 62; aA MünchKomm/Liebscher Rn 178. 8 BGH GmbHR 2006, 706 Rn 10; OLG München BB 1978, 471, 472. 9 B/H/Zöllner Rn 41; Hüffer FS 100 GmbHG, 1992, S. 521, 533 f; Blasche GmbHR 2011, 232, 234; differenzierend R/A/Roth Rn 39. 10 Scholz/Seibt Rn 67; MünchKomm/Liebscher Rn 174; Hoffmann-Becking FS Priester, 2007, S. 233, 239; Liese/Theusinger GmbHR 2006, 682, 683 f; K. Schmidt NJW 2006, 2599, 2601 f. 11 OLG München BB 1978, 471, 472; B/H/Zöllner Rn 42; Hüffer FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 521, 534.

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bar1, sondern analog § 241 Nr. 1 AktG nichtig2. Denn wenn schon Einberufungsmängel zur Nichtigkeit führen, so wäre es wertungswidersprüchlich, für den Fall eines unzulässigen Abstimmungsverfahrens lediglich Anfechtbarkeit anzunehmen.

VI. Beschlussfassung in der Einpersonen-Gesellschaft (§ 48 Abs. 3) 1. Normzweck und Anwendungsbereich Der bereits durch die GmbH-Novelle 1980 eingefügte Abs. 3 ist seit 1989 auch 32 europarechtlich durch Art. 4 Abs. 2 der 12. (Einpersonengesellschafts-)RL3 fundiert4. Zweck ist es, Rechtssicherheit bezüglich der Beschlusslage zu schaffen und vor allem im Interesse Dritter nachträgliche Manipulationen auszuschließen5. § 48 Abs. 3 gilt nur für Einpersonen-Gesellschaften, dh wenn sich alle Anteile 33 in der Hand einer Person befinden, wobei eigene Anteile der Gesellschaft außer Betracht bleiben6. Ob die Gesellschaft als Einpersonen-Gesellschaft gegründet wurde oder erst später dazu wurde, ist irrelevant7. § 48 Abs. 3 gilt insbesondere auch, wenn sich alle Anteile in der Hand einer OHG oder KG8 oder einer Außen-GbR9 befinden. Bei Mitberechtigung iSd § 18 (dazu § 18 Rn 2) ist die Vorschrift dagegen nicht anwendbar10. Sie kommt zudem generell nicht zum Zuge, wenn auch nur ein Geschäftsanteil, und sei es auch nur ein stimmrechtsloser, von einem anderen Gesellschafter gehalten wird (selbst wenn dieser nur Treu-

1 So aber Liese/Theusinger GmbHR 2006, 682, 685. 2 BGH GmbHR 2006, 706 Rn 10; OLG München BB 1978, 471, 472; B/H/Zöllner Rn 42; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 60; Hüffer FS 100 GmbHG, 1992, S. 521, 535. 3 Ursprünglich: Zwölfte RL 89/667/EWG (ABlEG Nr. L 395 v. 30.12.1989, S. 40); seit 21.10.2009: RL 2009/102/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.9. 2009 auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts betreffend Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter, ABlEU Nr. L 258 v. 1.10.2009, S. 20. Text und ausführliche Erläuterungen bei Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 29 mzwN. Vgl auch Bayer/J. Schmidt in Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Bd 1, Kap. 18 Rn 109; Lutter FS Brandner, 1996, S. 81 ff. 4 Ausführlich Lutter/Bayer/J. Schmidt EuropUR, § 29 Rn 32 ff mwN. 5 BegrRegE BT-Drucks 8/1347, S. 43; BGH GmbHR 1995, 373, 376; MünchKomm/Liebscher Rn 180; Scholz/Seibt Rn 69 mwN. 6 B/H/Zöllner Rn 47; Scholz/Seibt Rn 71. 7 BegrRegE BT-Drucks 8/1347, S. 43; Scholz/Seibt Rn 71; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 64. 8 BGH GmbHR 1995, 373, 375; B/H/Zöllner Rn 47; Scholz/Seibt Rn 71. 9 Scholz/Seibt Rn 71; MünchKomm/Liebscher Rn 182. 10 Scholz/Seibt Rn 71; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 64.

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§ 48 | Gesellschafterversammlung händer oder abhängiges Unternehmen ist)1. Nicht (auch nicht analog2) anwendbar ist § 48 Abs. 3 ferner auch bei bloßen Einpersonen-Beschlüssen in Mehrpersonen-Gesellschaften3. 34 § 48 Abs. 3 gilt unabhängig von der Art und Weise der Beschlussfassung, die

auch bei der Einpersonen-Gesellschaft sowohl in als auch außerhalb einer Gesellschafterversammlung erfolgen kann4 (die Gesellschafterversammlung ist dann stets Universalversammlung iSd § 51 Abs. 35, vgl dazu § 51 Rn 31 ff). Ein etwaiges Beurkundungserfordernis (§§ 53 Abs. 2, 13 Abs. 3, 193 Abs. 3 UmwG) bleibt unberührt; sofern die Beurkundung unverzüglich erfolgt, ersetzt sie jedoch die Form des § 48 Abs. 36. 2. Protokollpflicht

35 § 48 Abs. 3 verpflichtet zur Aufnahme einer unterschriebenen Niederschrift

über jeden Gesellschafterbeschluss. Erforderlich ist ein förmliches Protokoll des Hergangs und des Inhalts der Beschlussfassung7, das insbesondere auch Ort und Zeit der Beschlussfassung angeben muss8. Sofern das Protokoll von einem Dritten (zB Geschäftsführer) geführt wird, ist zusätzlich zu der in jedem Fall erforderlichen Unterschrift des Gesellschafters auch dessen Unterschrift notwendig9. Die Protokollpflicht ist unverzüglich, dh ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 BGB) zu erfüllen (Entlastungsbeweis)10.

3. Rechtsfolgen eines Verstoßes 36 § 48 Abs. 3 ist kein Wirksamkeitserfordernis11. Von der ursprünglich geplan-

ten Sanktion der Nichtigkeit des Beschlusses12 wurde bewusst Abstand genommen, weil sich der Gesellschafter sonst seiner Selbstbindung durch einen einmal gefassten Beschluss einfach entziehen könnte13. Der Verstoß gegen § 48 Abs. 3 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

B/H/Zöllner Rn 47; Scholz/Seibt Rn 71. So aber R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 25. Scholz/Seibt Rn 74; MünchKomm/Liebscher Rn 184. Vgl BegrRegE, BT-Drucks 8/1347, S. 43; B/H/Zöllner Rn 46; Scholz/Seibt Rn 70. B/H/Zöllner Rn 46; Scholz/Seibt Rn 70; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 63. R/A/Roth Rn 43; Scholz/Seibt Rn 72. BGH GmbHR 1995, 373, 375; Scholz/Seibt Rn 72. Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks 8/3908, S. 75; MünchKomm/Liebscher Rn 187. Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks 8/3908, S. 75; Scholz/Seibt Rn 72; G/E/S/ Teichmann Rn 30; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 66; aA MünchKomm/Liebscher Rn 189; Michalski/Römermann Rn 314. Scholz/Seibt Rn 72; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 66. OLG Brandenburg GmbHR 2002, 432, 433; OLG Köln GmbHR 1993, 734, 737; Scholz/ Seibt Rn 73; Gustavus NotBZ 2002, 457, 458. So noch § 48 Abs. 3 Satz 5 idF des RegE, BT-Drucks 8/1347, S. 11. Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks 8/3908, S. 75.

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stellt jedoch eine Pflichtverletzung ggü der Gesellschaft dar, die uU zu Schadensersatzansprüchen führen kann1. Effektiviert wird die Protokollierungspflicht aber vor allem dadurch, dass der 37 Gesellschafter sich gegenüber einem redlichen gesellschaftsfremden Dritten zum Beweis von ihm gefasster Beschlüsse grundsätzlich nur auf die Niederschrift gemäß § 48 Abs. 3, nicht aber auf sonstige Beweismittel (zB Zeugen) berufen kann2. Eine Ausnahme hiervon gilt nur dann, wenn der Beschlussinhalt anderweitig manipulationsresistent festgehalten ist (zB sonstige eindeutige schriftliche Erklärung3, Registeranmeldung4), da in diesem Fall die ratio der Norm (Rn 32) nicht berührt ist5. Dritte können sich dagegen umgekehrt stets auf die Beschlussfassung berufen, auch wenn diese nicht entsprechend § 48 Abs. 3 dokumentiert ist6. Vgl zur Beweislast auch ausführlich Bayer/Illhardt GmbHR 2011, 751, 757 mwN.

§ 49 Einberufung der Versammlung (1) Die Versammlung der Gesellschafter wird durch die Geschäftsführer berufen. (2) Sie ist außer den ausdrücklich bestimmten Fällen zu berufen, wenn es im Interesse der Gesellschaft erforderlich erscheint. (3) Insbesondere muss die Versammlung unverzüglich berufen werden, wenn aus der Jahresbilanz oder aus einer im Laufe des Geschäftsjahres aufgestellten Bilanz sich ergibt, dass die Hälfte des Stammkapitals verloren ist. Text seit 1892 unverändert; durch das MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl I 2026) amtliche Überschrift ergänzt. 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einberufungskompetenz . . . . a) Einberufungsberechtigte . . b) Umfang der Einberufungskompetenz . . . . . . . . . . . .

... ... ...

1 2 2

...

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c) Rechtsfolgen bei mangelnder Einberufungskompetenz . . . . . 10 3. Einberufungsrecht . . . . . . . . . . . 11

1 R/A/Roth Rn 44; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 67; MünchKomm/Liebscher Rn 195. 2 OLG Hamm GmbHR 2006, 1204, 1205; vgl auch OLG Köln GmbHR 1993, 734, 737; Scholz/Seibt Rn 73; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 68; aA B/H/Zöllner Rn 49; MünchHdbGmbH/Wolff § 39 Rn 112. 3 BGH GmbHR 1997, 163, 164; BGH GmbHR 1995, 373; OLG Hamburg GmbHR 2013, 580, 581; KG NZG 1999, 501 = GmbHR 1999, 818 (LS). 4 ThürOLG NotBZ 2002, 457 = GmbHR 2003, 113 (LS). 5 Vgl BGH GmbHR 1997, 163, 164; BGH GmbHR 1995, 373, 375; R/A/Roth Rn 46. 6 Scholz/Seibt Rn 73; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 67.

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§ 49 | Einberufung der Versammlung 4. Einberufungspflicht . . . . . . . . . . a) Ausdrücklich bestimmte Fälle (§ 49 Abs. 2 Halbsatz 1) . . . . . b) Gesellschaftsinteresse (§ 49 Abs. 2 Halbsatz 2) . . . . . . . . . c) Verlust des hälftigen Stammkapitals (§ 49 Abs. 3) . . . . . . .

. 12 . 12 . 13

d) Satzungsautonomie . . . . . . . . . 19 e) Gerichtliche Durchsetzung der Einberufungspflicht . . . . . . . . 21 f) Rechtsfolgen bei Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

. 14

Literatur: Abramenko Die Einberufung der Gesellschafterversamlung durch Unbefugte, GmbHR 2004, 723; Bayer/Scholz/Weiß Die Absage der Hauptversammlung durch den Vorstand im Kontext des § 122 AktG, ZIP 2014, 1; Geißler Die gesetzlichen Veranlassungen zur Einberufung einer GmbH-Gesellschafterversammlung, GmbHR 2010, 457; Karl Formerfordernisse bei Einberufung, Ankündigung und Durchführung von Gesellschafterversammlungen in der GmbH, DStR 1993, 880; Kühnberger Verlustanzeigebilanz – zu Recht kaum beachteter Schutz für Eigentümer?, DB 2000, 2077; Lieder Die Absage der Hauptversammlung und ihre Folgen, NZG 2016, 81; Müller Der Verlust der Hälfte des Grund- oder Stammkapitals, ZGR 1985, 191; Müther Zur Nichtigkeit führende Fehler bei der Einberufung der GmbH-Gesellschafterversammlung, GmbHR 2000, 966; Nowotny Verlust des halben Stammkapitals, FS Semler, 1993, S. 231; Priester Verlustanzeige und Eigenkapitalersatz, ZGR 1999, 533; van Venrooy Delegation der Einberufungsbefugnis der Geschäftsführer aus § 49 Abs. 1 GmbHG, GmbHR 2000, 166; Veit/Grünberg Wesen und Funktion der obligatorischen Verlustanzeige, DB 2006, 2644; Zeilinger Die Einberufung der Gesellschafterversammlung – Fallstricke für die Wirksamkeit von Gesellschafterbeschlüssen, GmbHR 2001, 541.

1. Überblick 1 § 49 Abs. 1 begründet die Regelzuständigkeit der Geschäftsführer und ihr Recht

zur Einberufung der Gesellschafterversammlung. § 49 Abs. 2, 3 regeln Tatbestände, deren Vorliegen die Geschäftsführer zur Einberufung verpflichtet. Die Vorschrift korreliert mit § 51 (Modalitäten der Einberufung) sowie mit § 50, der in Abs. 1 einen dritten Tatbestand der Einberufungspflicht und in Abs. 3 eine Notzuständigkeit für eine Gesellschafterminderheit regelt.

2. Einberufungskompetenz 2 a) Einberufungsberechtigte: aa) Geschäftsführer: § 49 Abs. 1 weist die Ein-

berufungskompetenz den Geschäftsführern zu. Hat die Gesellschaft mehrere Geschäftsführer, so steht die Einberufungskompetenz selbst bei Gesamtgeschäftsführung und -vertretung jedem einzelnen Geschäftsführer zu1. Wirksam ist auch die Einberufung durch einen nicht (mehr) rechtswirksam bestellten Ge-

1 BayObLG GmbHR 1999, 984, 985; MünchKomm/Liebscher Rn 17; Scholz/Seibt Rn 4 mwN.

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Einberufung der Versammlung | § 49

schäftsführer1, wenn dieser (noch) im Handelsregister eingetragen ist (§ 121 Abs. 2 Satz 2 AktG analog)2 oder doch zumindest tatsächlich das Amt eines Geschäftsführers ausgeübt hat3. Im Liquidationsstadium steht die Einberufungsbefugnis den Liquidatoren zu 3 (§ 66 Abs. 1)4. In der Insolvenz streitet zwar das Interesse an einer effizienten Abwicklung bzw Sanierung dafür, dem Insolvenzverwalter ein konkurrierendes Einberufungsrecht zuzuerkennen, wenn und soweit die Einschaltung der Gesellschafter erforderlich ist5. Die hM lehnt dies jedoch ab, da die Gesellschafterversammlung dem insolvenzneutralen gesellschaftsrechtlichen Zuständigkeitsbereich zugeordnet wird6. Ist ein Notgeschäftsführer bestellt, bleibt die Zuständigkeit der Geschäftsführer daneben bestehen7. Die Einberufungskompetenz steht jedem Geschäftsführer in höchstpersönlicher 4 Organverantwortung zu8. Der Geschäftsführer kann sich zwar zur praktischen Durchführung der Hilfe eines Dritten (zB Rechtsanwalt) bedienen, sofern aus der Einberufung selbst hervorgeht, dass diese auf einem Entschluss des Geschäftsführers selbst beruht und er ihr Urheber ist9. Eine Art „Delegation“ zur eigenständigen Entscheidung oder eine Bevollmächtigung eines Dritten10 (zB Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer) ist dagegen unwirksam, da ein öffentliches Interesse an funktionsfähigen Entscheidungsstrukturen besteht11. bb) Sonstige Personen: Gesellschafter haben kein individuelles Einberufungs- 5 recht12. Eine Einberufungskompetenz steht ihnen lediglich unter den Vorausset1 Ausführlich Bayer/Lieder NZG 2012, 1, 2. 2 OLG Düsseldorf GmbHR 2004, 572, 578 mit kritischer Anm Römermann; R/A/Roth Rn 2; MünchKomm/Liebscher Rn 15 f; Scholz/Seibt Rn 5; Müther GmbHR 2000, 966, 967; Zeilinger GmbHR 2001, 541; so auch ThürOLG GmbHR 2013, 149, 153, wenn Abberufung streitig ist; aA B/H/Zöllner Rn 3; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 7; Henssler/ Strohn/Hillmann Rn 3. 3 LG Mannheim NZG 2008, 111, 112; so auch B/H/Zöllner Rn 3; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 6. 4 KGJ 48, A 134, 135; R/A/Roth Rn 2; Scholz/Seibt Rn 6. 5 So im Ergebnis auch R/A/Roth Rn 2; Wicke Rn 2; B/H/Zöllner Rn 3. 6 KGJ 48, 134, 135; Scholz/Seibt Rn 6; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 4; MünchKomm/ Liebscher Rn 31. 7 OLG München GmbHR 1994, 406, 408; B/H/Zöllner Rn 3; MünchKomm/Liebscher Rn 17. 8 Vgl OLG Hamm GmbHR 1995, 736, 737; MünchKomm/Liebscher Rn 33; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 11 mwN. 9 BGH GmbHR 1962, 28; OLG Düsseldorf GmbHR 2004, 572, 578; Scholz/Seibt Rn 12. 10 Dafür B/H/Zöllner Rn 5; Michalski/Römermann Rn 65; van Venrooy GmbHR 2000, 166 ff. 11 OLG Hamm GmbHR 1995, 736, 737; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 11; MünchKomm/Liebscher Rn 34. 12 BGHZ 87, 1, 3 = GmbHR 1983, 267; Scholz/Seibt Rn 9; MünchKomm/Liebscher Rn 28.

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§ 49 | Einberufung der Versammlung zungen des § 50 Abs. 3 (dazu § 50 Rn 11 ff) oder auf der Basis einer entsprechenden Satzungsregelung (dazu Rn 8) zu. Allerdings können sie jederzeit auch ohne Einberufung zu einer Universalversammlung (§ 51 Abs. 3) zusammentreten (vgl § 51 Rn 31 ff) oder in allseitigem Einverständnis einen Versammlungstermin festlegen (§ 51 Abs. 3 analog)1; eine solche Terminierung kann dann insbesondere auch nicht durch eine divergierende Einberufung seitens der Geschäftsführer ausgehebelt werden2 (vgl zur Rücknahme der Einberufung näher Rn 9a). Zudem kann die Gesellschafterversammlung den Geschäftsführer durch Mehrheitsbeschluss zur Vornahme der Einberufung anweisen3. 6 In mitbestimmten Gesellschaften mit obligatorischem Aufsichtsrat steht die-

sem eine Einberufungskompetenz zu, wenn das Wohl der Gesellschaft die Einberufung der Gesellschafterversammlung erfordert (§ 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 MitbestG, § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG, § 3 Abs. 2 MontanMitbestG, jeweils iVm § 111 Abs. 3 Satz 1 AktG). Diese Kompetenz kommt aber nur dem Gesamtorgan (Mehrheitsbeschluss), nicht seinen Mitgliedern zu4. Sie kann durch die Satzung weder ausgeschlossen noch eingeschränkt werden5. Auch wenn die Voraussetzungen für eine Einberufung nicht vorlagen, sind Beschlussfassungen nicht anfechtbar6. Anders dagegen beim fakultativen Aufsichtsrat: Dessen Einberufungsrecht gemäß § 52 Abs. 1 iVm § 111 Abs. 3 Satz 1 AktG ist satzungsdispositiv (arg e § 52 Abs. 1 aE)7. Ob auch einem Beirat ohne eine entsprechende Satzungsregelung (dazu Rn 8) eine Einberufungskompetenz zukommt, wird unterschiedlich beurteilt8; hier ist daher ggf eine eindeutige Regelung zu empfehlen.

7 Sonstige Dritte haben – vorbehaltlich einer entsprechenden Regelung in der

Satzung (dazu Rn 8) – kein Einberufungsrecht9.

8 cc) Satzungsautonomie: § 49 Abs. 1 ist weitgehend satzungsdispositiv (§ 45

Abs. 2). Die Satzung kann nicht nur die Einberufungskompetenz der Geschäftsführer näher ausgestalten bzw beschränken (zB nur Gesamtzuständigkeit)10, sondern insbesondere auch anderen gesellschaftsinternen oder -externen Orga-

1 OLG München GmbHR 2002, 858; OLG München GmbHR 1995, 232; R/A/Roth Rn 4; MünchKomm/Liebscher Rn 29. 2 OLG München GmbHR 2002, 858; B/H/Zöllner Rn 10; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 10. 3 Scholz/Seibt Rn 10; einschränkend MünchKomm/Liebscher Rn 30 aE. 4 B/H/Zöllner Rn 6; Scholz/Seibt Rn 7; MünchKomm/Liebscher Rn 25. 5 Scholz/Seibt Rn 7; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 8. 6 Scholz/Seibt Rn 7; MünchKomm/Liebscher Rn 26. 7 R/A/Roth Rn 2; MünchHdbGmbH/Wolff § 39 Rn 14; Zeilinger GmbHR 2001, 541, 542. 8 Dazu Scholz/Seibt Rn 8; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 9; MünchKomm/Liebscher Rn 27. 9 OLG Saarbrücken GmbHR 2006, 987, 989; Scholz/Seibt Rn 11; MünchKomm/Liebscher Rn 31. 10 Scholz/Seibt Rn 15; R/A/Roth Rn 2; MünchKomm/Liebscher Rn 37; Zeilinger GmbHR 2001, 541, 542; aA B/H/Zöllner Rn 4; Wicke Rn 5 aE; Müther GmbHR 2000, 966, 967.

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nen oder Personen (zB Gesellschafter, Beirat, Prokurist, Behörden, Stiftungen, Kreditgeber) ein Einberufungsrecht geben1. Unzulässig ist jedoch eine Regelung, durch die die Einberufungskompetenz der Geschäftsführer völlig beseitigt oder funktionsbeeinträchtigend erschwert wird2. Nicht satzungsdispositiv sind ferner Einberufungsrecht und -pflicht der Geschäftsführer gemäß § 49 Abs. 3 (vgl Rn 20) sowie des obligatorischen Aufsichtsrats (vgl Rn 6). b) Umfang der Einberufungskompetenz: Das Einberufungsrecht umfasst über 9 die Einberufung von Gesellschafterversammlungen nach § 48 Abs. 1 hinaus auch die Befugnis zur Einleitung eines Abstimmungsverfahrens nach § 48 Abs. 2 (vgl § 48 Rn 23) oder sonstiger statutarisch geregelter Beschlussmodi3. Als actus contrarius steht auch allein dem Einberufenden die Befugnis zur 9a Rücknahme der Einberufung (Absage) zu4 sowie (als Minus) ebenso – unter Einhaltung der Einberufungsfristen und -formen) – zu Modifikationen von Ort, Zeit und Gegenstand5 (dazu § 51 Rn 16 ff). Anderen Einberufungsberechtigten steht dieses Recht nicht zu6. Ungeklärt ist die Rechtslage, wer nach (ggf strittiger) Abberufung des die Versammlung einberufenden Geschäftsführers zur Absage berechtigt ist7. Die erklärte Rücknahme der Einberufung ist auch dann wirksam, wenn die Einberufung gemäß § 50 Abs. 1 (§ 50 Rn 7 ff) auf Verlangen einer Minderheit erfolgte8; die Minderheit muss dann nach § 50 Abs. 3 selbständig zur Gesellschafterversammlung einladen (§ 50 Rn 11 ff). Die Absagekompetenz endet indes mit der Zusammenkunft der Gesellschafter9, spätestens, aber nicht notwendig erst mit Beginn der Gesellschafterversammlung zum vorgesehenen Termin10. Auch eine pflichtwidrige, aber noch von der Absagekompetenz gedeckte Rücknahme der Einberufung ist grundsätzlich wirksam, kann

1 B/H/Zöllner Rn 9; Scholz/Seibt Rn 11, 15; MünchHdbGmbH/Wolff § 39 Rn 20. 2 Richtig Scholz/Seibt Rn 15; B/H/Zöllner Rn 4; Zeilinger GmbHR 2001, 541, 542; nunmehr auch U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 33; aA R/A/Roth Rn 2; MünchKomm/Liebscher Rn 38. 3 B/H/Zöllner Rn 12; R/A/Roth Rn 7; Scholz/Seibt Rn 13. 4 RGZ 166, 129, 133; OLG Hamburg GmbHR 1997, 795; OLG München GmbHR 1994, 406, 408; R/A/Roth Rn 2; Scholz/Seibt Rn 13. 5 Scholz/Seibt Rn 13; MünchKomm/Liebscher Rn 22; S/I/Bergjan Rn 5. 6 RGZ 166, 129, 133; OLG Hamburg GmbHR 1997, 795; OLG München GmbHR 1994, 406, 408; B/H/Zöllner Rn 13; Zeilinger GmbHR 2001, 541, 545. 7 Dazu etwa Scholz/Seibt Rn 13. 8 OLG Hamburg GmbHR 1997, 795; MünchKomm/Liebscher Rn 23; Scholz/Seibt Rn 13; B/H/Zöllner Rn 13; ebenso für AG BGH ZIP 2015, 2069; ausführlich Bayer/Scholz/Weiß ZIP 2014, 1 ff. 9 MünchKomm/Liebscher Rn 22; R/A/Roth Rn 5. 10 So (zur AG) BGH ZIP 2015, 2069. Zur Problematik näher: Bayer/Scholz EWiR 2015, 661 f; Lieder NZG 2016, 81 ff; vgl weiter Cziupka/Kraack DNotZ 2016, 15 ff; Vossius NotBZ 2015, 464 ff; Schüppen/Tretter ZIP 2015, 2097 ff.

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§ 49 | Einberufung der Versammlung indes Schadensersatzpflichten begründen1. Beschlüsse, die nach einer wirksamen Rücknahme der Einberufung getroffen wurden, sind nichtig2, es sei denn, sie werden doch noch einvernehmlich in einer Universalversammlung getroffen (näher § 51 Rn 31 ff). Ob dagegen Beschlüsse, die nach einer unwirksamen, im Gesellschafterkreis indes umstrittenen Absage im nur noch verminderten Gesellschafterkreis getroffen werden, anfechtbar (nicht: nichtig3) sind, ist eine Frage des Einzelfalls4. 10 c) Rechtsfolgen bei mangelnder Einberufungskompetenz: Ist die Gesellschaf-

terversammlung durch Unbefugte einberufen worden, so sind die dennoch gefassten Beschlüsse analog § 241 Nr. 1 AktG nichtig5 (vgl auch Anh zu § 47 Rn 11), sofern nicht die Voraussetzungen des § 51 Abs. 3 (dazu § 51 Rn 31 ff) vorliegen. Vgl zur Heilung eintragungsbedürftiger Beschlüsse Anh zu § 47 Rn 26.

3. Einberufungsrecht 11 Die Geschäftsführer können jederzeit eine Gesellschafterversammlung einberu-

fen, wenn sie es nach pflichtgemäßem Ermessen für erforderlich halten6. Dabei müssen sie insbesondere den zeitlichen und finanziellen Aufwand für die Gesellschafter berücksichtigen7; mit Blick hierauf kann ggf auch der Einsatz alternativer Entscheidungsfindungsmodi (§ 48 Abs. 2 oder etwaige statutarische Regelungen)8 oder ein (einstweiliger) Verzicht zugunsten einer bloßen Berichterstattung9 geboten sein. Eine unberechtigte Einberufung kann eine Pflichtverletzung iSd § 43 Abs. 2 darstellen, berührt aber nicht die Wirksamkeit etwaiger Beschlüsse10.

1 Näher Bayer/Scholz/Weiß ZIP 2014, 1, 4 f; vgl auch OLG Hamburg GmbHR 1997, 795; R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 6. 2 OLG Hamburg GmbHR 1997, 795; B/H/Zöllner § 51 Rn 40; Michalski/Römermann § 51 Rn 12. 3 So (zur AG) BGH ZIP 2015, 2069; vgl auch bereits RGZ 166, 129, 133 f. 4 Dazu (zur AG) Bayer/Scholz/Weiß ZIP 2014, 1, 2 ff; Lieder NZG 2016, 81, 82 ff. 5 BGHZ 87, 1, 2 = GmbHR 1983, 267; OLG Saarbrücken GmbHR 2006, 987, 989; B/H/ Zöllner Rn 11; Scholz/Seibt Rn 16; teilweise abweichend Abramenko GmbHR 2004, 723, 726 f. 6 B/H/Zöllner Rn 14; Scholz/Seibt Rn 2; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 15. 7 B/H/Zöllner Rn 14; Scholz/Seibt Rn 2; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 15. 8 Vgl B/H/Zöllner Rn 18. 9 Scholz/Seibt Rn 2; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 15. 10 B/H/Zöllner Rn 14; G/E/S/Teichmann Rn 10.

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4. Einberufungspflicht a) Ausdrücklich bestimmte Fälle (§ 49 Abs. 2 Halbsatz 1): Maßgeblich für 12 § 49 Abs. 2 Halbsatz 1 ist nach heute hM nicht die Zuständigkeit der Gesellschafter1, sondern die Notwendigkeit, den Gesellschafterwillen gerade in einer Gesellschafterversammlung zu bilden2. „Ausdrücklich bestimmte Fälle“ iS der Norm sind daher § 49 Abs. 3 (dazu Rn 14 ff), § 50 Abs. 1 (dazu § 50 Rn 7 ff) sowie §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 125 Satz 1, 193 Abs. 1 Satz 2 UmwG3, nicht aber § 42a (bloße Beschluss-, keine Versammlungspflicht)4. Umfasst sind darüber hinaus aber auch etwaige Satzungsklauseln, die eine Gesellschafterversammlung vorschreiben5, sowie Fälle, in denen eine notwendige Entscheidung der Gesellschafter faktisch nicht ohne Gesellschafterversammlung erfolgen kann (zB wegen Scheitern des Verfahrens nach § 48 Abs. 2)6. b) Gesellschaftsinteresse (§ 49 Abs. 2 Halbsatz 2): Die in § 49 Abs. 2 Halb- 13 satz 2 normierte Pflicht zur Einberufung, wenn es „im Interesse der Gesellschaft erforderlich erscheint“ korrespondiert mit § 111 Abs. 3 Satz 1 AktG7. Erforderlich ist eine Gesellschafterversammlung danach zum einen, wenn im Gesellschaftsinteresse eine Frage entschieden werden muss, die in die Zuständigkeit der Gesellschafter (dazu § 46 Rn 1 ff) fällt8. Hierzu gehören – vorbehaltlich einer anderweitigen Regelung in der Satzung – insbesondere alle außergewöhnlichen Maßnahmen9 (§ 37 Rn 10 f). Zum anderen kann sich aus § 49 Abs. 2 Halbsatz 2 aber auch in Angelegenheiten, die an sich in die Kompetenz der Geschäftsführer (§ 37 Rn 3 ff) fallen, eine Einberufungspflicht ergeben10, etwa dann, wenn die Geschäftsführer Zweifel an der Billigung einer bestimmten Maßnahme durch die Gesellschafter haben11, bei wichtigen Vorkommnissen, die eine Befassung der Gesellschafter als zweckmäßig erscheinen lassen12 (zB Insolvenz eines wichtigen Geschäftspartners, Verdacht von Industriespionage gegen die Gesellschaft etc) oder bei Unternehmenskrisen, selbst wenn die Voraussetzungen von § 49 Abs. 3 (Rn 14 ff) noch nicht erreicht sind13. Erforderlich ist die Einberufung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

In diesem Sinne aber nach wie vor R/A/Roth Rn 8. Scholz/Seibt Rn 18; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 17; Geißler GmbHR 2010, 457, 460. U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 18; MünchKomm/Liebscher Rn 45 ff. U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 18. U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 19. U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 20; aA MünchKomm/Liebscher Rn 46. Scholz/Seibt Rn 20, 26; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 21. R/A/Roth Rn 9; Scholz/Seibt Rn 20 f; MünchKomm/Liebscher Rn 48. BGH NJW 1973, 1039; OLG Karlsruhe NZG 2000, 264, 267; Scholz/Seibt Rn 21 f; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 21; Zeilinger GmbHR 2001, 542, 544. Scholz/Seibt Rn 20, 22; MünchHdbGmbH/Wolff § 39 Rn 23. Scholz/Seibt Rn 21; Michalski/Römermann Rn 92; MünchKomm/Liebscher Rn 52. Vgl R/A/Roth Rn 9; MünchKomm/Liebscher Rn 53. Scholz/Seibt Rn 23; Nowotny FS Semler, 1993, S. 231, 245; Veil ZGR 2006, 374, 381.

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§ 49 | Einberufung der Versammlung aber auch in all diesen Fällen nur dann, wenn eine Beschlussfassung nicht auch durch andere Abstimmungsmodi (zB § 48 Abs. 2) sachgerecht herbeigeführt werden kann1. 14 c) Verlust des hälftigen Stammkapitals (§ 49 Abs. 3): § 49 Abs. 3 konkretisiert

die Einberufungspflicht im Gesellschaftsinteresse (§ 49 Abs. 2) dahin, dass die Geschäftsführer bei hälftigem Stammkapitalverlust stets zur unverzüglichen Einberufung verpflichtet sind2. Ratio ist – wie bei der Parallelnorm des § 92 Abs. 1 AktG – neben dem Schutz der Gesellschafter, die Gelegenheit erhalten sollen, über das weitere Schicksal der Gesellschaft zu entscheiden3, zumindest mittelbar (Reflex) auch der Schutz der Gläubiger, denen ein effizientes Krisenmanagement idR ebenfalls zugute kommen wird4. Eine Pflicht der Gesellschafter, tatsächlich Beschlüsse zu fassen oder Maßnahmen in die eine oder andere Richtung zu ergreifen, ergibt sich aus § 49 Abs. 3 allerdings nicht5.

15 Die Einberufungspflicht entsteht, wenn die Hälfte des Stammkapitals verloren

ist, dh wenn das Nettoaktivvermögen der Gesellschaft nicht mehr die Hälfte des statutarischen6 Stammkapitals abdeckt7. Ob das der Fall ist, ist mittels einer Bilanz zu ermitteln, wobei die Ansatz- und Bewertungsregeln der Jahresbilanz maßgeblich sind8. Zu Grunde zu legen sind grundsätzlich going concernWerte9, im Falle einer negativen Fortbestehensprognose sind jedoch Liquidationswerte anzusetzen10. Stille Reserven dürfen nur insoweit aufgelöst werden, wie dies auch im periodischen Jahresabschluss zulässig wäre11. Eigene Anteile

1 B/H/Zöllner Rn 18; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 21; MünchHdbGmbH/Wolff § 39 Rn 22. 2 Näher MünchKomm/Liebscher Rn 55 ff; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 22 ff. 3 R/A/Roth Rn 11; Nowotny FS Semler, 1993, S. 231, 238; Priester ZGR 1999, 533, 536 f; Veit/Grünberg DB 2006, 2644, 2647. 4 Scholz/Seibt Rn 23; W. Müller ZGR 1985, 191, 194; Nowotny FS Semler, 1993, S. 231, 237; Priester ZGR 1999, 533, 536; MünchKomm/Liebscher Rn 7. 5 Scholz/Seibt Rn 30; Nowotny FS Semler, 1993, S. 231, 237, 247 f; Kühnberger DB 2000, 2077, 2078; Huber ZIP 1995, 1740, 1742 (zu § 92 Abs. 1 AktG); aA OGH ZIP 1987, 702, 704 (zu § 36 Abs. 2 öGmbHG). 6 R/A/Roth Rn 11; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 21. 7 BGH WM 1958, 1416 f; OLG Köln AG 1978, 17, 22; R/A/Roth Rn 11; U/H/L/Hüffer/ Schürnbrand Rn 22. 8 B/H/Haas § 84 Rn 11; R/A/Altmeppen § 84 Rn 14; Scholz/Seibt Rn 24; Mertens FS Forster, 1992, S. 415, 420; Veit/Grünberg DB 2006, 2644, 2645; aA Nowotny FS Semler, 1993, S. 231, 243 f. 9 MünchKomm/Liebscher Rn 58; W. Müller ZGR 1985, 191, 203, 212 f; aA Scholz/Seibt Rn 24. 10 U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 26; MünchKomm/Liebscher Rn 58; Nowotny FS Semler, 1993, S. 231, 245; W. Müller ZGR 1985, 191, 203, 213; aA Scholz/Seibt Rn 24; R/A/Roth Rn 13. 11 MünchKomm/Liebscher Rn 59; Mertens FS Forster, 1992, S. 415, 420; W. Müller ZGR 1985, 191, 206, 213; Priester ZGR 1999, 533, 540 f.

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bleiben außer Ansatz1. Gesellschafterdarlehen sind – auch nach dem MoMiG – auch im Falle eines ausdrücklich erklärten Rangrücktritts zu passivieren2 (näher § 42 Rn 60). Über den Wortlaut des § 48 Abs. 3 hinaus entsteht die Einberufungspflicht un- 16 abhängig vom Ausweis des Stammkapitalverlusts in einer förmlichen Jahresoder Zwischenbilanz immer schon dann, wenn die Geschäftsführer bei pflichtgemäßer Beobachtung der Gesellschaftslage und ihrer Entwicklung einen solchen Verlust annehmen müssen (§ 92 Abs. 1 AktG analog)3. Sie müssen ihre Annahme dann in einer außerordentlichen Zwischenbilanz sogleich überprüfen4; wenn der hälftige Stammkapitalverlust jedoch evident ist, genügt eine „Bilanz im Kopf des Geschäftsführers“5. Um dieser Beobachtungspflicht nachkommen zu können, müssen die Geschäftsführer innerhalb der Gesellschaft für eine Organisation sorgen, die ihnen die dafür erforderliche Übersicht über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Gesellschaft jederzeit ermöglicht6. Ist der Tatbestand des § 49 Abs. 3 erfüllt, so sind die Geschäftsführer zur unver- 17 züglichen Einberufung der Gesellschafterversammlung verpflichtet; ein Ermessensspielraum kommt ihnen insoweit nicht zu7. Die Einberufung hat ordnungsgemäß iSd § 51 zu erfolgen8. „Unverzüglich“ (dh ohne schuldhaftes Zögern, § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB9) zu erfolgen hat nicht nur die Einberufung, sondern auch die Gesellschafterversammlung10. Die Initiierung eines Beschlussverfahrens nach § 48 Abs. 2 oder entsprechenden statutarischen Regelungen genügt nicht11, ebenso wenig eine bloße Verlustanzeige iSd § 84 Abs. 1 (dazu § 84 Rn 8)12. Die Einberufung einer Gesellschafterversammlung ist vielmehr nur dann entbehrlich, wenn alle Gesellschafter in voller Kenntnis des Sachverhalts auf die Ab-

1 Wie hier Scholz/Seibt Rn 24 aE. 2 Scholz/Seibt Rn 24; W. Müller ZGR 1985, 191, 208, 213; Priester ZGR 1999, 533, 545, 547; Michalski/Römermann Rn 114; aA wohl R/A/Roth Rn 13 aE. 3 BGH GmbHR 1995, 299, 300; Scholz/Seibt Rn 25; Priester ZGR 1999, 533, 539; Veit/ Grünberg DB 2006, 2644, 2645 f; Zeilinger GmbHR 2001, 542, 544. 4 BGH GmbHR 1995, 299, 300; R/A/Roth Rn 14; Scholz/Seibt Rn 25. 5 So W. Müller ZGR 1985, 191, 212; vgl auch MünchKomm/Liebscher Rn 56. 6 BGH GmbHR 1995, 299, 300; B/H/Zöllner Rn 20; Veit/Grünberg DB 2006, 2644, 2646. 7 Scholz/Seibt Rn 23; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 28; Priester ZGR 1999, 533, 547. 8 Scholz/Seibt Rn 27; MünchKomm/Liebscher Rn 62. 9 B/H/Zöllner Rn 21; R/A/Roth Rn 14; Zeilinger GmbHR 2001, 542, 544; aA Scholz/Seibt Rn 29. 10 U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 28; MünchKomm/Liebscher Rn 62; so auch Scholz/Seibt Rn 29. 11 B/H/Zöllner Rn 21; Scholz/Seibt Rn 28; MünchKomm/Liebscher Rn 64; aA Wicke Rn 4. 12 U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 28.

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haltung verzichten1 oder wenn bereits ein Insolvenzantrag gestellt ist (denn dann hat sich ihr Zweck erledigt)2. Bei der Unternehmergesellschaft tritt § 5a Abs. 4 an die Stelle des § 49 Abs. 33 (§ 5a Rn 63 ff). d) Satzungsautonomie: Erweiterungen der Einberufungspflichten sind unproblematisch. Zulässig sind nicht nur statutarische Konkretisierungen4 der gesetzlichen Einberufungsgründe, sondern auch Erweiterungen in personaler5 und sachlicher Hinsicht6. Einschränkungen sind dagegen richtiger Ansicht nach nicht zulässig: Für § 49 Abs. 3 entspricht dies der ganz hM (arg e § 84 Abs. 1)7; mit Blick auf die Leitungsfunktion des Geschäftsführers und den Schutz von Minderheitsgesellschaftern muss dies jedoch ebenso für § 49 Abs. 2 gelten8 (streitig). e) Gerichtliche Durchsetzung der Einberufungspflicht: Ob die Einberufungspflichten gerichtlich durchsetzbar sind, ist streitig. Zumindest wenn das Quorum des § 50 Abs. 1 (dazu § 50 Rn 5 f) nicht zustande kommt und auch keine statutarischen Einberufungsrechte der Gesellschafter (dazu Rn 5, 8) bestehen, spricht aber viel dafür, ausnahmsweise eine Einzelklage eines Gesellschafters im Wege der actio pro socio (mit der Möglichkeit einstweiligen Rechtsschutzes gemäß § 940 ZPO) zuzulassen9. f) Rechtsfolgen bei Pflichtverletzung: Bei schuldhafter Verletzung ihrer Einberufungspflicht sind die Geschäftsführer der Gesellschaft gemäß § 43 Abs. 2 (dazu § 43 Rn 38 ff) zum Schadensersatz verpflichtet10. Sie haften aber nur für diejenigen Schäden, die vermieden worden wären, wenn die Gesellschafterversammlung rechtzeitig Gelegenheit zum Tätigwerden erhalten hätte11. § 49 Abs. 3 1 B/H/Zöllner Rn 21; Scholz/Seibt Rn 27; für AG auch K. Schmidt/Lutter/Krieger/SailerCoceani § 92 AktG Rn 11. 2 MünchKomm/Liebscher Rn 55; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 29; ebenso (für die AG): K. Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer-Coceani § 92 AktG Rn 10 mwN. 3 U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 29. 4 Scholz/Seibt Rn 32; MünchHdbGmbH/Wolff § 39 Rn 32. 5 BGH GmbHR 1985, 256, 257 (Gesellschafter); Scholz/Seibt Rn 32; U/H/L/Hüffer/ Schürnbrand Rn 32. 6 Scholz/Seibt Rn 32; B/H/Zöllner Rn 22. 7 B/H/Zöllner Rn 22; Scholz/Seibt Rn 32; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 34; Priester ZGR 1999, 533, 546; aA R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 15. 8 Ebenso B/H/Zöllner Rn 22; Scholz/Seibt Rn 32; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 33; aA früher hM, vgl etwa: MünchHdbGmbH/Wolff § 39 Rn 32; MünchKomm/Liebscher Rn 70; Michalski/Römermann Rn 142. 9 Ebenso U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 30; weitergehend Scholz/Seibt Rn 34. 10 R/A/Roth Rn 16; Scholz/Seibt Rn 35; MünchKomm/Liebscher Rn 65; Zeilinger GmbHR 2001, 541, 551. 11 Scholz/Seibt Rn 35; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 31; Wicke Rn 6; Zeilinger GmbHR 2001, 541, 551.

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Minderheitsrechte | § 50

ist richtiger Ansicht nach zudem Schutzgesetz iSd § 823 Abs. 2 BGB zugunsten der Gesellschafter1, nicht aber zugunsten der Gläubiger2 (streitig). Bei Verstoß gegen § 49 Abs. 3 kommt auch eine Strafbarkeit gemäß § 84 Abs. 1 in Betracht (dazu § 84 Rn 1 ff). Eine Verletzung der Einberufungspflichten kann ferner ggf auch ein wichtiger Grund für die Abberufung der Geschäftsführer (vgl § 38 Rn 20 ff) bzw die Kündigung ihres Anstellungsvertrages (vgl Anh zu § 6 Rn 59) sein3.

§ 50 Minderheitsrechte (1) Gesellschafter, deren Geschäftsanteile zusammen mindestens dem zehnten Teil des Stammkapitals entsprechen, sind berechtigt, unter Angabe des Zwecks und der Gründe die Berufung der Versammlung zu verlangen. (2) In gleicher Weise haben die Gesellschafter das Recht zu verlangen, dass Gegenstände zur Beschlussfassung der Versammlung angekündigt werden. (3) Wird dem Verlangen nicht entsprochen oder sind Personen, an welche dasselbe zu richten wäre, nicht vorhanden, so können die in Absatz 1 bezeichneten Gesellschafter unter Mitteilung des Sachverhältnisses die Berufung oder Ankündigung selbst bewirken. Die Versammlung beschließt, ob die entstandenen Kosten von der Gesellschaft zu tragen sind. Text seit 1892 unverändert; durch MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl I 2026) amtliche Überschrift ergänzt. 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

2. 10%ige Minderheit . . . . . . . . . . .

5

3. Einberufungsverlangen . . . . . . . .

7

4. Verlangen auf Ergänzung der Tagesordnung . . . . . . . . . . . . . . 10 5. Selbsthilferecht (§ 50 Abs. 3) . . . . 11 6. Kosten der Versammlung . . . . . . 17

Literatur: Goette „Nichtbefassungsbeschluss“ und § 50 GmbHG, FS Ulmer, 2003, S. 129; C. Schäfer Antragsrecht und Bescheidungsanspruch des GmbH-Gesellschafters, ZHR 167 (2003), 66. 1 So für § 92 Abs. 1 AktG: Großkomm/Habersack/Foerster § 92 AktG Rn 31; MünchKomm/Spindler § 92 AktG Rn 20; Spindler/Stilz/Fleischer § 92 AktG Rn 17; MünchHdbAG/Wiesner § 25 Rn 105; aA K. Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer-Coceani § 92 AktG Rn 12; KölnKomm/Mertens/Cahn § 92 AktG Rn 21; Hüffer/Koch § 92 AktG Rn 26; abweichend auch MünchKomm/Liebscher Rn 65; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 31. 2 Allgemeine Meinung: BGH NJW 1979, 1829, 1831 (zu § 92 Abs. 1 AktG); Scholz/Seibt Rn 35; Mertens FS Forster, 1992, S. 415, 420. 3 BGH GmbHR 1995, 299, 300; Scholz/Seibt Rn 35; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 31 aE.

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§ 50 | Minderheitsrechte 1. Überblick 1 Die Bestimmung regelt zwei bedeutsame Minderheitsrechte: in § 50 Abs. 1 das

Recht, vom Geschäftsführer die Einberufung einer Gesellschafterversammlung (§ 48 Abs. 1) zu verlangen (nicht aber das Recht, die Gesellschafterversammlung selbst einzuberufen; Ausnahme § 50 Abs. 3, Rn 11 ff); in § 50 Abs. 2 das Recht, für eine bevorstehende oder bereits berufene Gesellschafterversammlung deren Tagesordnung ergänzen zu lassen.

2 Die früher hM interpretierte § 50 auf Grund seines Wortlauts als rein verfah-

rensrechtliche Vorschrift, erkannte der Minderheit also keinen Anspruch auf eine materielle Bescheidung zu1. Damit wird das Minderheitenrecht jedoch faktisch erheblich entwertet, wird der Mehrheit damit doch letztlich die Möglichkeit eingeräumt, von der Minderheit erzwungene TOP einfach wieder abzusetzen oder gar jegliche Beschlussfassung in der von der Minderheit einberufenen Gesellschafterversammlung zu verhindern. Die heute hM2 leitet aus § 50 daher zu Recht auch einen Anspruch der Minderheit auf materielle Beschlussfassung her, der lediglich durch die allgemeinen Grenzen des Rechtsmissbrauchs und der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht limitiert ist. Eine darüber hinausgehende Konzeption als individueller Bescheidungsanspruch3 oder die Gewährung eines Alleinentscheidungsrechts der Minderheit bei Absetzung von der Tagesordnung4 überdehnt dagegen die ratio der Norm5.

3 Gesellschafter können das Minderheitenverlangen auch für Angelegenheiten

ausüben, für die die Gesellschafterversammlung keine Kompetenz hat; der anschließende Beschluss der Gesellschafterversammlung ist aber nur ein unverbindliches Votum, welches das zuständige Organ nicht bindet6. Das Quorum des § 50 gilt auch für das Verlangen der Minderheit, eine schriftliche Abstimmung (§ 48 Abs. 2) durchzuführen7. Leitet der Geschäftsführer indes nur das schriftliche Umlaufverfahren trotz begehrter Gesellschafterversammlung ein, so kommt das Selbsthilferecht des § 50 Abs. 3 zur Anwendung. Denn § 50 zielt nur auf die Einberufung einer Gesellschafterversammlung, nicht aber auf Herbeiführung eines Beschlusses im schriftlichen Umlaufverfahren, weshalb hierzu die ausdrückliche Zustimmung der Minderheit erforderlich wäre8.

1 Hachenburg/Schilling 7. Aufl, § 50 Rn 11; Hommelhoff FS Rowedder, 1994, S. 171, 173; Hueck FS Steindorff, 1990, S. 45, 52; Schopp GmbHR 1976, 126, 130. 2 Scholz/Seibt Rn 4; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 36; MünchKomm/Liebscher Rn 30; Habersack ZGR 1994, 354, 372 f; ausführlich Goette FS Ulmer, 2003, S. 129, 135 ff. 3 So Schäfer ZHR 167 (2003), 66, 74 ff. 4 So B/H/Zöllner Rn 27. 5 Ebenso Scholz/Seibt Rn 4; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 36. 6 Dazu B/H/Zöllner Rn 2. 7 B/H/Zöllner Rn 13; R/A/Roth Rn 6; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 17. 8 OLG Stuttgart GmbHR 1974, 257, 259; B/H/Zöllner Rn 13; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 17; Scholz/Seibt Rn 18.

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Minderheitsrechte | § 50

Im Unterschied zu anderen Individualrechten, zB dem Auskunfts- und Ein- 4 sichtsrecht (§ 51a), stehen die Rechte aus § 50 nicht jedem einzelnen Gesellschafter, sondern nur einer Minderheit von mindestens 10 % des Stammkapitals zu. Das kann allerdings auch ein einzelner Gesellschafter sein, wenn er einen entsprechend hohen Geschäftsanteil hat. § 50 schließt die Anregung eines einzelnen Gesellschafters, dessen Anteil die 10 %-Schwelle nicht übersteigt, an den Geschäftsführer nicht aus, eine Gesellschafterversammlung einzuberufen etc. Die Minderheitsrechte aus § 50 sind nach heute ganz hM zwingend; sie können nicht eingeschränkt1, aber ausgeweitet werden2. Das entspricht dem Wesen gesetzlicher Individual- und Minderheitsrechte. § 50 gilt in jedem Stadium der GmbH (auch in Liquidation sowie bei Vor-GmbH)3.

2. 10%ige Minderheit Grundlage der Prozentrechnung ist unstreitig die Stammkapitalziffer des Ge- 5 sellschaftsvertrages (§ 3 Abs. 1 Nr. 3). Davon sind die Nennbeträge eigener Geschäftsanteile der Gesellschaft (§ 33) abzuziehen sowie die durch Einziehung untergegangenen (zur Auswirkung der Einziehung: § 34 Rn 2) und die wirksam nach § 21 kaduzierten oder nach § 27 Abs. 1 aufgegebenen Anteile, solange sie der Gesellschaft gehören4. Denn ungeachtet des undifferenzierten Wortlauts der Vorschrift kommt es nach ihrem Zweck auf das Verhältnis der 10%igen Minderheit zu den übrigen Gesellschaftern an5; maßgeblich ist hierfür die Gesellschafterliste gemäß § 166 (näher § 16 Rn 26 ff). Stimmrechtslose Geschäftsanteile werden mitgerechnet; ihre Inhaber sind nach § 50 antragsberechtigt7; Entsprechendes gilt für nach § 47 Abs. 4 vom Stimmrecht ausgeschlossene Gesellschafter8. Unerheblich ist ferner, ob Zahlungen auf die Einlage erfolgt sind oder nicht9. 1 Scholz/Seibt Rn 6; B/H/Zöllner Rn 2; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 38; MünchKomm/ Liebscher Rn 76; R/A/Roth Rn 4; teilweise aA Teichmann RNotZ 2013, 346, 351 ff; OLG Stuttgart GmbHR 1974, 257, 259. 2 Unstreitig, U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 37; MünchKomm/Liebscher Rn 74. 3 Scholz/Seibt Rn 2. 4 B/H/Zöllner Rn 23; MünchKomm/Liebscher Rn 16, 17; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 8; G/E/S/Teichmann Rn 5. 5 Teilweise abweichend (etwa im Hinblick auf eigene Anteile) unter Hervorhebung des entgegenstehenden Wortlauts: Scholz/Seibt Rn 9; Michalski/Römermann Rn 37. 6 U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 3; MünchHdbGmbH/Wolff § 39 Rn 24; MünchKomm/ Liebscher Rn 10. 7 MünchKomm/Liebscher Rn 15; Scholz/Seibt Rn 8; Wicke Rn 2. 8 BGHZ 201, 216 Rn 24 = GmbHR 2014, 863; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 2; Scholz/ Seibt Rn 8. 9 R/A/Roth Rn 3; Scholz/Seibt Rn 8; MünchKomm/Liebscher Rn 9.

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§ 50 | Minderheitsrechte 6 Das 10%ige Quorum muss bei Antragstellung nach § 50 Abs. 2, 3 erreicht sein

sowie bis zum Zeitpunkt der Durchführung der Gesellschafterversammlung fortdauern1. Fällt die Gesellschaftereigenschaft nach Antragstellung, aber noch vor Durchführung der Gesellschafterversammlung fort2 und sinkt dadurch das Quorum unter 10 %, kann der Geschäftsführer die Durchführung der Versammlung verweigern. Dinglichen Rechtsinhabern am Geschäftsanteil (Pfandgläubiger, Nießbraucher) stehen keine Mitgliedschaftsrechte zu3, wohl aber dem Treuhänder4 (näher § 15 Rn 104 ff).

3. Einberufungsverlangen 7 Es kann formlos5, auch mündlich (Vollmacht jedoch in Textform: § 47 Abs. 3,

streitig)6 an einen Geschäftsführer oder an ihre Gesamtheit oder an einen sonstigen Einberufungsberechtigten (§ 49 Rn 5 ff) gerichtet werden7. Jedoch muss das Begehren ausdrücklich auf die Einberufung einer Gesellschafterversammlung gerichtet sein8. Der Antrag bedarf zudem stets einer Begründung; dazu gehören der Gegenstand der Beschlussfassung9 und eine Begründung für die Eilbedürftigkeit der Gesellschafterversammlung10. Denn ein Antrag auf Gesellschafterversammlung ohne Angabe des Beschlussthemas wäre sinnlos. Die Anforderungen an diese Begründung dürfen nicht überspannt werden; zumeist reicht die Angabe des Beschlussgegenstandes als Hinweis auf die Dringlichkeit aus11. Die Beifügung eines konkreten Beschlussantrags ist hingegen nicht erforderlich12, ebenfalls nicht – wegen § 16 Abs. 1 – ein Nachweis des Quorums13.

1 Scholz/Seibt Rn 8; MünchKomm/Liebscher Rn 9; ausführlich U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 2. 2 Dazu näher MünchKomm/Liebscher Rn 10 ff; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 3 f. 3 U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 6; MünchKomm/Liebscher Rn 13. 4 MünchKomm/Liebscher Rn 13; Scholz/Seibt Rn 7. 5 MünchKomm/Liebscher Rn 23; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 11. 6 Wie hier Scholz/Seibt Rn 33; MünchKomm/Liebscher Rn 25; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 12; aA Michalski/Römermann Rn 42. 7 B/H/Zöllner Rn 4; R/A/Roth Rn 5; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 13; MünchKomm/ Liebscher Rn 19; aA R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 4; Müther GmbHR 2000, 966, 967: im Hinblick auf § 50 Abs. 3 genügt nur Einberufungsaufforderung an alle Geschäftsführer. 8 Hierzu sehr lehrreich: OLG Saarbrücken GmbHR 2006, 987, 990. 9 OLG Köln GmbHR 1999, 296, 297; MünchKomm/Liebscher Rn 21; U/H/L/Hüffer/ Schürnbrand Rn 9. 10 B/H/Zöllner Rn 6; MünchKomm/Liebscher Rn 21. 11 U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 9; Scholz/Seibt Rn 14. 12 MünchKomm/Liebscher Rn 21; B/H/Zöllner Rn 6; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 9. 13 Richtig U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 9; B/S/Masuch Rn 4; G/E/S/Teichmann Rn 7; aA MünchKomm/Liebscher Rn 20 und auch noch 18. Aufl Rn 7.

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Minderheitsrechte | § 50

Erfüllen die Gesellschafter mit ihrem Antrag diese formellen Voraussetzungen, 8 so sind die Geschäftsführer zur unverzüglichen Überprüfung des Einberufungsverlangens und zur angemessenen, zeitnahen Bescheidung der Minderheit verpflichtet1. Ein materielles Prüfungsrecht steht den Geschäftsführern indes nicht zu. Anschließend haben sie die Gesellschafterversammlung ebenfalls in angemessener Frist einzuberufen2. Anderes gilt nur bei offensichtlich rechtsmissbräuchlichem oder evident unsinnigem Minderheitsverlangen (hM). Mit Vornahme der Einberufung hat der Geschäftsführer zugleich den Zeitpunkt 9 der Gesellschafterversammlung festzulegen (§ 51 Abs. 1 ist zu beachten); eine längere Einberufungsfrist kann aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalles (hohe Gesellschafterzahl mit verschiedenen Wohnorten)3 noch angemessen sein; jedoch ist dem Gebot der Dringlichkeit Rechnung zu tragen4. Sollte der Geschäftsführer seiner Verpflichtung nicht nachkommen, so kann ihn die Minderheit hierzu nicht zwingen5; seine Untätigkeit löst vielmehr das Selbsthilferecht der Gesellschafter nach § 50 Abs. 3 aus (Rn 11 ff)6. Die Kosten der Einberufung hat stets die Gesellschaft zu tragen, § 50 Abs. 3 Satz 2 gilt nicht7.

4. Verlangen auf Ergänzung der Tagesordnung Unter den gleichen Voraussetzungen, unter denen der Minderheit das Einberu- 10 fungsverlangen eröffnet ist (Rn 7: insbesondere Beifügung einer Begründung), kann sie die Erweiterung der Tagesordnung einer bevorstehenden oder bereits einberufenen Gesellschafterversammlung fordern. Allerdings braucht die Dringlichkeit des Ergänzungsantrages nicht dargelegt zu werden. Ergänzungsanträge müssen rechtzeitig gestellt werden, damit die Frist des § 51 Abs. 4 eingehalten werden kann. Ferner sind die Anforderungen des § 51 Abs. 2 zu beachten; daher ist genaue Bezeichnung des Beschlussgegenstandes erforderlich.

5. Selbsthilferecht (§ 50 Abs. 3) a) Gesellschafter, die zusammen mit mindestens 10 % beteiligt sind (Rn 5), kön- 11 nen die Gesellschafterversammlung selbst einberufen (oder Ankündigung der 1 OLG Dresden GmbHR 1995, 589, 590; Scholz/Seibt Rn 10, 16 f. 2 BGH GmbHR 1985, 256, 257; Scholz/Seibt Rn 17; ähnlich U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 14 („unverzüglich“). 3 Zutreffend B/H/Zöllner Rn 10; Scholz/Seibt Rn 17. 4 MünchKomm/Liebscher Rn 34; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 15. 5 Auch nicht durch Klage: Scholz/Seibt Rn 31; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 32. 6 Abweichend B/H/Zöllner Rn 11: wahlweises Klagerecht, um Kosten und sonstige Schwierigkeiten des Selbsthilferechts zu vermeiden; zustimmend MünchKomm/Liebscher Rn 41. 7 Scholz/Seibt Rn 19; B/H/Zöllner Rn 12.

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§ 50 | Minderheitsrechte Tagesordnung selbst vornehmen), wenn sie den Geschäftsführer zuvor wirksam nach § 50 Abs. 1, dh vergebens sowie unter Angabe des Zwecks und der Gründe (Rn 7) dazu ersucht haben1. Sie müssen dem Geschäftsführer eine angemessene Frist lassen, um dem Ersuchen zu entsprechen; regelmäßig genügt ein Monat, in Eilfällen auch etwas weniger2. 12 Zur Selbsthilfe ist eine Gesellschafterminderheit auch dann befugt, wenn kein

Geschäftsführer vorhanden ist3, dem einzigen Geschäftsführer im Wege einstweiliger Verfügung jede Tätigkeit verboten worden ist4 oder wenn er für einen nicht vorhersehbaren Zeitraum handlungsunfähig ist5. Auch § 35 Abs. 1 Satz 2 vermag hieran nichts zu ändern. Zwar ist gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 im Fall der „Führungslosigkeit“ der Gesellschaft jeder einzelne Gesellschafter ersatzweise Empfangsvertreter für die Gesellschaft. Der Empfangsvertreter ist indes nur zur Passivvertretung, nicht aber zu Aktivmaßnahmen befugt, weshalb er auch keine Gesellschafterversammlung einberufen kann (vgl § 35 Rn 49).

13 Die Gesellschafter müssen bei ihrer Einberufung Formen und Fristen des § 51

beachten. Zusätzlich muss in der Ladung erklärt werden, welche Gesellschafter an der Einberufung mitwirken; weiterhin muss der Sachverhalt mitgeteilt werden, auf den sich das Selbsthilferecht stützt6; damit wird die Unterrichtung der unbeteiligten Gesellschafter bezweckt. Entsprechendes gilt für die Ergänzung der Tagesordnung. Die Ausübung des Selbsthilferechts auf Einberufung der Gesellschafterversammlung oder Erweiterung der Tagesordnung erfolgt gegenüber den zu Ladenden7; die Namen der Mitgesellschafter sind aus der Gesellschafterliste beim Handelsregister einsehbar (vgl § 40 Rn 42), die in der Gesellschafterliste regelmäßig nicht vermerkte Adresse (vgl § 40 Rn 5) ist hingegen vom Geschäftsführer mitzuteilen und ggf im Wege der einstweiligen Verfügung gemäß §§ 935 ff ZPO erzwingbar8.

14 b) Das Selbsthilferecht der Gesellschafter verdrängt nicht das Einberufungs-

recht der Geschäftsführer (§ 49 Abs. 1). Es steht dem Geschäftsführer deshalb

1 BGHZ 87, 1, 2 = GmbHR 1983, 267; OLG Köln GmbHR 1999, 296, 297; MünchKomm/ Liebscher Rn 52. Zahlreiche Einzelfälle des vergeblichen Verlangens bei U/H/L/Hüffer/ Schürnbrand Rn 21. 2 BGH GmbHR 1985, 256, 257; OLG München GmbHR 2000, 486, 489; Goette DStR 1998, 1103, 1104; B/H/Zöllner Rn 16. 3 OLG Koblenz GmbHR 1995, 730, 732; B/H/Zöllner Rn 17; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 22. 4 BGH GmbHR 1981, 157, 158; OLG Saarbrücken GmbHR 2006, 987 (Scheingeschäftsführer); U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 23; s. auch Müther GmbHR 2000, 966, 967. 5 Scholz/Seibt Rn 24; MünchKomm/Liebscher Rn 54. 6 Ebenso U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 27; Scholz/Seibt Rn 26. 7 Scholz/Seibt Rn 25; MünchKomm/Liebscher Rn 57. 8 So auch Scholz/Seibt Rn 25; MünchKomm/Liebscher Rn 57; vgl bereits Schopp GmbHR 1976, 126, 129.

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Minderheitsrechte | § 50

frei, den Gesellschaftern zuvorzukommen und vor der Ausübung des Selbsthilferechts eine Gesellschafterversammlung einzuberufen, welche die von den Gesellschaftern ersuchten Beschlussgegenstände behandeln soll1. In einem solchen Fall ist der Zweck des Selbsthilferechts erreicht, die Einberufung der Gesellschafter im Wege der Selbsthilfe wird überflüssig. Dagegen reicht es regelmäßig nicht aus, wenn der Geschäftsführer mit der Einleitung einer schriftlichen Abstimmung (§ 48 Abs. 2) den Gesellschaftern zuvorzukommen versucht. Haben die Gesellschafter von ihrem Selbsthilferecht Gebrauch gemacht und ruft 15 der Geschäftsführer danach zu einer Gesellschafterversammlung ein, so werden die Gesellschafter nicht rückwirkend zu Unberechtigten2 – und zwar selbst dann nicht, wenn die vom Geschäftsführer einberufene Gesellschafterversammlung zeitlich vor der der Gesellschafter liegen sollte; „ihre“ Gesellschafterversammlung bleibt vielmehr rechtmäßig berufen (vgl § 49 Rn 9). c) Sind die Voraussetzungen der Selbsthilfe nicht erfüllt, so sind die Gesellschaf- 16 ter nicht zur Einberufung befugt. Die in der trotzdem zusammengetretenen Gesellschafterversammlung gefassten Beschlüsse sind nichtig3 (Anh zu § 47 Rn 11), es sei denn, sämtliche Gesellschafter sind erschienen und haben sich rügelos an der Abstimmung beteiligt4 (dazu § 51 Rn 31 ff). Die fehlerhafte Ankündigung von Tagesordnungspunkten führt hingegen nur zur Anfechtbarkeit gleichwohl gefasster Beschlüsse5.

6. Kosten der Versammlung Bei Einberufung durch die Gesellschafterminderheit beschließt die Gesellschafter- 17 versammlung kraft Gesetzes zugleich über die Kosten (§ 50 Abs. 3 Satz 2), dh darüber, ob die Gesellschaft oder die Antragsteller die Kosten zu tragen haben6. Bei der Abstimmung sind die Antragsteller stimmberechtigt7. Die Gesellschafterversammlung entscheidet nicht frei, sondern unter Beachtung der Gesellschaftertreupflicht8; verweigern kann die Gesellschafterversammlung die Kostenübernahme deshalb nur, wenn die Einberufung evident überflüssig oder un1 R/A/Roth Rn 14; MünchKomm/Liebscher Rn 62; aA Scholz/Seibt Rn 29. 2 B/H/Zöllner Rn 18; R/A/Roth Rn 14; BGH GmbHR 1985, 256, 257. 3 BGHZ 87, 1, 13 = GmbHR 1983, 267; obiter auch OLG Stuttgart GmbHR 2013, 535, 536 f; Scholz/Seibt Rn 32 mwN. 4 MünchKomm/Liebscher Rn 65; Scholz/Seibt Rn 21 mwN. 5 U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 24; Scholz/Seibt Rn 32; MünchKomm/Liebscher Rn 64. 6 Zu den im Einzelnen anfallenden Kosten U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 29; Scholz/Seibt Rn 33; MünchKomm/Liebscher Rn 67 ff. 7 MünchKomm/Liebscher Rn 72; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 30; R/S-L/Koppensteiner/ Gruber Rn 11; aA Michalski/Römermann Rn 174. 8 Heute unstreitig: B/H/Zöllner Rn 22; MünchKomm/Liebscher Rn 71; R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 11; Scholz/Seibt Rn 35.

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§ 51 | Form der Einberufung vernünftig war1. War die Einberufung sachdienlich, so trägt die Gesellschaft die Kosten. Notfalls können die Antragsteller dies im Wege einer kombinierten Anfechtungs- und Beschlussfeststellungsklage (dazu Anh zu § 47 Rn 40 f) gegen die Gesellschaft durchsetzen. 18 Über die Kostentragung hat die Gesellschafterversammlung nur im Falle der

Selbsthilfe zu entscheiden, nicht dagegen, wenn die Geschäftsführer aufgrund eines Antrags nach § 50 Abs. 1 einberufen haben; in diesem Fall trägt stets die Gesellschaft die Kosten (Rn 9).

§ 51 Form der Einberufung (1) Die Berufung der Versammlung erfolgt durch Einladung der Gesellschafter mittels eingeschriebener Briefe. Sie ist mit einer Frist von mindestens einer Woche zu bewirken. (2) Der Zweck der Versammlung soll jederzeit bei der Berufung angekündigt werden. (3) Ist die Versammlung nicht ordnungsmäßig berufen, so können Beschlüsse nur gefasst werden, wenn sämtliche Gesellschafter anwesend sind. (4) Das Gleiche gilt in Bezug auf Beschlüsse über Gegenstände, welche nicht wenigstens drei Tage vor der Versammlung in der für die Berufung vorgeschriebenen Weise angekündigt worden sind. Text seit 1892 unverändert; amtliche Überschrift ergänzt durch MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl I 2026). I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . .

1

II. Anwendungsbereich . . . . . . .

2

III. 1. 2. 3. 4.

Einberufung . . . . . . . . . . . Adressaten der Einberufung Form . . . . . . . . . . . . . . . . . Frist . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . .

. 5 . 5 . 11 . 13 . 16

IV. Ankündigung der Tagesordnung (§ 51 Abs. 2, 4) . . . . . . . 18 1. Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

2. 3. V. VI. 1. 2. VII. VIII.

Frist . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsfolgen von Verstößen Universalversammlung und Rügeverzicht . . . . . . . . . . . Universalversammlung (§ 51 Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . Rügeverzicht . . . . . . . . . . . Satzungsautonomie . . . . . . Abberufung (Absage) einer Gesellschafterversammlung

1 B/H/Zöllner Rn 22; Scholz/Seibt Rn 35; MünchKomm/Liebscher Rn 71.

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. . 19 . . 21 . . 27 . . 31 . . 31 . . 34 . . 35 . . 38

Form der Einberufung | § 51 Literatur: Eickhoff Die Praxis der Gesellschafterversammlung, 4. Aufl 2006; Emde Einberufung der GmbH-Gesellschafterversammlung mittels Kuriers?, GmbHR 2002, 8; Heidinger Der Tod des Gesellschafters bei der GmbH (Gesellschafterliste und Beschlussfassung), ZNotP 2012, 449; Karl Formerfordernisse bei Einberufung, Ankündigung und Durchführung von Gesellschafterversammlungen in der GmbH, DStR 1993, 880; Köper Das Einwurf-Einscheiben als „eingeschriebener Brief“ i.S. des § 51 I 1 GmbHG, NZG 2008, 96; Kunz/Rubel Der Begriff des „eingeschriebenen Briefes“ nach § 51 GmbHG, GmbHR 2011, 849; Loritz Die Berechnung der Einberufungsfrist bei Gesellschafterversammlungen der GmbH, GmbHR 1992, 790; Müther Zur Nichtigkeit führende Fehler bei der Einberufung der GmbH-Gesellschafterversammlung, GmbHR 2000, 966; Papmehl Der unerreichbare GmbH-Gesellschafter, MittBayNot 2003, 28; Tettinger Gesellschaftsrechtliche Einberufungsfristen, Kündigungsfristen und der Anwendungsbereich des § 193 BGB, GmbHR 2008, 346; Thelen Die Ankündigung des Zwecks der Gesellschafterversammlung bei der Einberufung, GmbHR 1992, 796; Werner Der unerkannte oder unerreichbare GmbH-Gesellschafter, GmbHR 2014, 357; Wiester Die Durchführung von Gesellschafterversammlungen bei der zerstrittenen Zweipersonen-GmbH, GmbHR 2008, 189; Zeilinger Die Einberufung der Gesellschafterversammlung – Fallstricke für die Wirksamkeit von Gesellschafterbeschlüssen, GmbHR 2001, 541; Zwissler Gesellschafterversammlung und Internet, GmbHR 2000, 28.

I. Überblick Die Vorschrift will die ordnungsgemäße Einberufung der Gesellschafterver- 1 sammlung sicherstellen, um jedem Gesellschafter die Möglichkeit zu geben, an ihr überhaupt (Dispositionsschutz) und außerdem auch ausreichend vorbereitet (Schutz durch Information) teilzunehmen1. Effektuiert werden die formalen Vorgaben dadurch, dass die Bestandskraft gefasster Beschlüsse von ihrer Beachtung abhängt (Rn 27 ff), sofern keine Universalversammlung (dazu Rn 31 ff) oder ein Rügeverzicht (Rn 34) vorliegt. Sind dagegen die Formalia beachtet, so kann der Gesellschafter nicht durch seine Abwesenheit auf die Beschlussfassung Einfluss nehmen, da es in der GmbH nur auf die Zahl der abgegebenen Stimmen ankommt (vgl §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2).

II. Anwendungsbereich § 51 gilt für alle (ordentlichen und außerordentlichen) Gesellschafterversamm- 2 lungen2, auch in der Vor-GmbH3 (dazu § 11 Rn 7). Die Norm gilt zudem nicht

1 Vgl BGHZ 100, 264, 266 = GmbHR 1987, 424, 425; BGH GmbHR 2006, 538, 539; Scholz/ Seibt Rn 1. 2 Scholz/Seibt Rn 2; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 2. 3 Scholz/Seibt Rn 2; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 2.

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§ 51 | Form der Einberufung nur für die Ersteinberufung, sondern auch bei Vertagung1 oder Verlegung2, sofern es sich nicht ausnahmsweise lediglich um geringfügige Modifikationen von Versammlungszeit und -ort handelt3. Für die Absage einer Gesellschafterversammlung gilt § 51 dagegen nicht (ausführlich § 49 Rn 9a). 3 § 51 Abs. 4 ist darüber hinaus auch bei Anwendung des schriftlichen Abstim-

mungsverfahren gemäß § 48 Abs. 2 Alt. 2 (dazu § 48 Rn 25 f) zu beachten, dh das Beschlussergebnis darf erst nach Ablauf einer Mindestfrist ermittelt werden, die sich aus der 3tägigen Überlegungsfrist des § 51 Abs. 4 zzgl der Teilfrist für den Zugang der Abstimmungsaufforderung und den Zugang der Stimme (§ 147 Abs. 2 BGB analog) zusammensetzt4. Falls sämtliche stimmberechtigten Gesellschafter ihre Stimmen früher abgegeben haben, kann das Beschlussergebnis aber selbstverständlich entsprechend früher ermittelt werden.

4 § 51 betrifft nur die Einladung der Gesellschafter zur Gesellschafterversamm-

lung (vgl Rn 5), nicht auch diejenige etwaiger sonstiger Teilnahmeberechtigter5 (näher § 48 Rn 2 ff); bei diesen genügt eine formlose Einladung unter Wahrung einer angemessenen Frist6. Zudem führen diesbezügliche Fehler nicht zur Nichtigkeit, sondern allenfalls zur Anfechtbarkeit7.

III. Einberufung 1. Adressaten der Einberufung 5 Einzuladen sind sämtliche Gesellschafter iSd § 16 Abs. 18 (dazu § 16 Rn 26 ff),

auch die allgemein oder im Einzelfall nicht stimmberechtigten9. Bei Mitberechtigung gilt § 18 Abs. 310 (dazu näher § 18 Rn 8). Absenden ist ausreichend; nicht erforderlich ist Zugang beim Gesellschafter11. 1 KG GmbHR 1993, 818, 820; B/H/Zöllner Rn 41 ff; Scholz/Seibt Rn 2, 6. 2 BGHZ 100, 264, 266 = GmbHR 1987, 424, 425; B/H/Zöllner Rn 41 ff; Scholz/Seibt Rn 2, 15. 3 B/H/Zöllner Rn 41 ff; Scholz/Seibt Rn 15; MünchHdbGmbH/Wolff § 39 Rn 54 aE. 4 Ebenso B/H/Zöllner Rn 22. 5 B/H/Zöllner Rn 10; R/A/Roth Rn 6; Zeilinger GmbHR 2001, 541, 542. 6 B/H/Zöllner Rn 10; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 14; Zeilinger GmbHR 2001, 542, 542. 7 OLG Stuttgart NJW 1973, 2027, 2028 (für den obligatorischen Aufsichtsrat); B/H/Zöllner Rn 10; MünchHdbGmbH/Wolff § 39 Rn 40; Zeilinger GmbHR 2001, 542, 549. 8 R/A/Roth Rn 4; MünchKomm/Liebscher Rn 7; Wolff BB 2010, 454, 457; vgl zu § 16 Abs. 1 aF: OLG Düsseldorf GmbHR 1996, 443, 447. 9 BGH GmbHR 1985, 256, 257; OLG München GmbHR 2015, 35, 36; Scholz/Seibt Rn 5; MünchHdbGmbH/Wolff § 39 Rn 34. 10 R/A/Roth Rn 4; Scholz/Seibt Rn 6; MünchKomm/Liebscher Rn 7. 11 B/H/Zöllner Rn 3; R/A/Roth Rn 5; seit RGZ 60, 144 unstreitig.

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Ebenso wie vor der MoMiG-Reform ist auch nach der Neufassung des § 16 6 Abs. 1 Satz 1 für die Einladung die der Gesellschaft zuletzt mitgeteilte Adresse maßgeblich1; denn in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste wird nur der Wohnort, nicht die genaue Anschrift (Straße und Hausnummer) eingetragen (vgl § 40 Rn 5, § 8 Rn 4)2. Eine Versendung an eine andere Adresse genügt nur, wenn die Einladung den Gesellschafter tatsächlich rechtzeitig erreicht3. Umgekehrt ist die Einberufung bei ordnungsgemäßer Adressierung selbst dann fehlerfrei, wenn die Einladung als unzustellbar zurückkommt4. Das Problem des „unerreichbaren Gesellschafters“ stellt sich somit richtigerweise gar nicht5 (zum Tod: Rn 10). Wird der Gesellschaft vom Gesellschafter eine Adressänderung oder die Adresse eines Zustellungsbevollmächtigten6 mitgeteilt, so ist die Einladung an die neue Adresse zu versenden. In Zweifelsfällen empfiehlt es sich allerdings, die Einladung an beide Adressen zu schicken7. Im Falle gesetzlicher Vertretung ist Adressat der Vertreter8. Ist Gesellschafter 7 eine juristische Person, so ist die Einladung an diese, vertreten durch ihre organschaftlichen Vertreter zu richten9, wobei die Bezeichnung „Geschäftsführung der …“ bzw „Vorstand …“ genügt10. Ebenso geht auch die Einladung bei einer OHG/KG11 oder Außen-GbR12 (vgl dazu auch § 18 Rn 2) an diese selbst, vertreten durch ihre vertretungsberechtigten Gesellschafter. Bei Stimmrechtsvollmacht (§ 47 Abs. 3, dazu § 47 Rn 28 f) ist grundsätzlich 8 (nur) der Gesellschafter zu laden, sofern der Bevollmächtigte nicht auch speziell als Ladungsempfänger benannt wurde13. Auch bei (Ver-)Pfändung eines Geschäftsanteils (dazu § 15 Rn 111 ff) ist Adressat der Gesellschafter14, ebenso beim Nießbrauch15 (dazu § 15 Rn 115 f). Bei Treuhandverhältnissen ist Adressat 1 Richtig MünchKomm/Liebscher Rn 12; B/H/Zöllner Rn 4; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 9; OLG Celle GmbHR 2014, 369. 2 Dazu näher Bayer GmbHR 2012, 1, 2 mwN. 3 KG NJW 1965, 2157, 2159; Scholz/Seibt Rn 6; Papmehl MittBayNot 2003, 28. 4 OLG Düsseldorf GmbHR 1990, 265, 266; OLG München GmbHR 1994, 406, 408; B/H/ Zöllner Rn 4; R/A/Roth Rn 5. 5 So im Ergebnis bereits Scholz/Seibt Rn 9; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 9; B/H/Zöllner Rn 4; ausführlich Werner GmbHR 2014, 357, 359 ff. 6 So im Beispiel OLGCelle GmbHR 2014, 369, 370. 7 Zutreffend MünchKomm/Liebscher Rn 12. 8 BGH WM 1984, 473; BayObLG GmbHR 1993, 223, 224; B/H/Zöllner Rn 7; Scholz/Seibt Rn 7. 9 OLG Düsseldorf GmbHR 1996, 443, 447; Scholz/Seibt Rn 6. 10 OLG Düsseldorf GmbHR 1996, 443, 447. 11 Scholz/Seibt Rn 7; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 12. 12 Scholz/Seibt Rn 6; MünchKomm/Liebscher Rn 11; aA Eickhoff Rn 88. 13 B/H/Zöllner Rn 8; R/A/Roth Rn 4; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 13. 14 Scholz/Seibt Rn 8; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 13; Eickhoff Rn 86. 15 Scholz/Seibt Rn 8; Eickhoff Rn 86; MünchKomm/Liebscher Rn 9; abweichend wohl R/A/ Roth Rn 4; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 13.

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§ 51 | Form der Einberufung der Treuhänder1 (vgl § 15 Rn 104 ff), bei angeordneter Testamentsvollstreckung der Testamentsvollstrecker2. 9 Im Falle der Insolvenz ist Adressat der Insolvenzverwalter (§ 80 Abs. 1 InsO)3;

eine Adressierung an die „Geschäftsleitung“ bzw den „Vorstand“ etc ist jedoch unschädlich, da der Insolvenzverwalter auf Grund seines Verwaltungsrechts idR Kenntnis von eingehender Post erhält4.

10 Beim Tod eines Gesellschafters ist zu unterscheiden: Ist der Tod der Gesell-

schaft noch nicht bekannt, so ist die Ladung des Verstorbenen kein Einberufungsfehler5; es gilt § 16 Abs. 1 (Rn 6; vgl weiter § 16 Rn 43). Wurde der GmbH der Tod mitgeteilt und auch die Person des oder der Erben nachgewiesen (dazu § 40 Rn 46, 53), dann ist unverzüglich die Gesellschafterliste zu ändern und zum Handelsregister einzureichen6 (§ 40 Abs. 1 Satz 1; vgl § 40 Rn 1, 46 ff); bis zur Aufnahme der geänderten Gesellschafterliste in das Handelsregister gilt dann § 16 Abs. 1 Satz 27 (näher § 16 Rn 48 ff). Der Erbe (die Erben) ist (sind) unter seiner (ihrer) Anschrift zu laden8. Ist zwar der Tod des Gesellschafters, aber nicht dessen Erbe bekannt, dann ist – wie auch früher9 – eine Nachlasspflegschaft iSv § 1960 BGB einzuleiten10; der Pfleger wird dann als Vertreter der unbekannten Erben11 nach § 40 Abs. 1 Satz 1 in die Gesellschafterliste aufgenommen und nimmt für diese gemäß § 16 Abs. 1 deren Rechte wahr12. Für eine Pflegschaft gemäß § 1913 BGB oder eine öffentliche Zustellung gemäß § 132 BGB iVm § 185 ZPO13 ist daher im Regelfall kein Raum14. Zweifelhaft ist hingegen die Auffassung, dass auch bei Kenntnis der GmbH vom Tod ihres Gesellschafters bis zur 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

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Scholz/Seibt Rn 8; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 13. U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 12. OLG Düsseldorf GmbHR 1996, 443, 447; R/A/Roth Rn 4; Scholz/Seibt Rn 7. OLG Düsseldorf GmbHR 1996, 443, 447; Scholz/Seibt Rn 9; vgl auch OLG Naumburg GmbHR 1998, 90, 92; ausführlich Kunz/Rubel GmbHR 2011, 849 ff; zurückhaltend indes MünchKomm/Liebscher Rn 17. B/H/Zöllner Rn 6; Scholz/Seibt Rn 5; Heidinger ZNotP 2012, 449, 455. MünchKomm/Liebscher Rn 15; ausführlich D. Mayer MittBayNot 2014, 114, 124 f; Heidinger ZNotP 2012, 449, 450. Wie hier Scholz/Seibt Rn 9; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 10. MünchKomm/Liebscher Rn 15; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 10; Heidinger ZNotP 2012, 449, 450. KG NJW 1965, 1719; LG Berlin NJW-RR 1986, 195. MünchKomm/Liebscher Rn 15; Scholz/Seibt Rn 9; B/H/Fastrich Rn 6; D. Mayer MittBayNot 2014, 114, 124 f; Heidinger ZNotP 2012, 449, 453. Vgl nur Palandt/Weidlich § 1960 BGB Rn 11; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 10. U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 10; ausführlich Werner GmbHR 2014, 357, 358; Heidinger ZNotP 2012, 449, 453. Zu diesen Alternativen näher Werner GmbHR 2014, 357, 358 f. So auchU/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 9; Henssler/Strohn/Hillmann Rn 3; im Ergebnis auch Scholz/Seibt Rn 10 aE; aA MünchKomm/Liebscher Rn 14.

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Änderung der Gesellschafterliste die Ladung an die Adresse des Verstorbenen erfolgen könne1. 2. Form Gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 hat die Einladung mittels eingeschriebenen Briefes zu 11 erfolgen. Obgleich sich aus dem Wort „Brief“ nicht zwingend ein Unterschriftserfordernis ergäbe2, verlangt der BGH aus Gründen der Rechtsklarheit Schriftform iSd § 126 BGB, also insbesondere eine eigenhändige Unterschrift3. Bloße Textform iSd § 126b BGB (zB E-mail, Fax) genügt nicht4, wegen des Erfordernisses eines Einschreibens (Rn 12) zudem auch nicht die elektronische Form des § 126a BGB5. Im Falle des § 50 Abs. 3 (dazu § 50 Rn 11 ff) müssen alle Einberufenden unterschreiben6. Einschreiben iSd § 51 Abs. 1 Satz 1 ist entgegen einer im Schrifttum verbreite- 12 ten Ansicht nicht nur ein Übergabe-Einschreiben7, sondern auch ein EinwurfEinschreiben der Deutsche Post AG8; ein Rückschein ist nicht erforderlich9. Als einem Einschreiben gleichwertig anzusehen ist die Zustellung per Gerichtsvollzieher (arg e § 132 Abs. 1 BGB)10. Die Versendung mittels eines privaten Kurierdienstes kann dagegen nur genügen, wenn eine den Einschreiben der Deutsche Post AG gleichwertige Versendungsform genutzt wird11. Wegen der hier bestehenden Rechtsunsicherheiten ist in jedem Fall eine eindeutige Satzungsregelung (dazu Rn 35) empfehlenswert.

1 So aber Heidinger ZNotP 2012, 449, 455. 2 Vgl Scholz/Seibt Rn 11; MünchHdbGmbH/Wolff § 39 Rn 43; Zeilinger GmbHR 2001, 541, 543. 3 BGH GmbHR 2006, 538, 539; ebenso Henssler/Strohn/Hillmann Rn 8; MünchKomm/ Liebscher Rn 20. 4 OLG Naumburg GmbHR 1998, 90, 92 (Fax); R/A/Roth Rn 2 (Email); vgl weiter B/H/ Zöllner Rn 11; Scholz/Seibt Rn 11. 5 Wie hier Scholz/Seibt Rn 11; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 4; R/A/Roth Rn 2. 6 R/A/Roth Rn 2; B/H/Zöllner Rn 11; abweichend (nur empfehlenswert): MünchHdbGmbH/Wolff § 39 Rn 44; Zeilinger GmbHR 2001, 541, 543. 7 So aber B/H/Zöllner Rn 12; MünchHdbGmbH/Wolff § 39 Rn 43; MünchKomm/Liebscher Rn 19; Henssler/Strohn/Hillmann Rn 9. 8 LG Mannheim NZG 2008, 111, 112; R/A/Roth Rn 2; Scholz/Seibt Rn 12; Wicke Rn 2; Emde GmbHR 2002, 8, 17; Köper NZG 2008, 96, 99; nunmehr auch U/H/L/Hüffer/ Schürnbrand Rn 5. 9 U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 5; S/I/Bergjan Rn 8. 10 B/H/Zöllner Rn 13; Scholz/Seibt Rn 12; Wicke Rn 2. 11 Scholz/Seibt Rn 12; Emde GmbHR 2002, 8, 17; vgl auch OLG Naumburg GmbHR 1998, 90, 92; ausführlich Kunz/Rubel GmbHR 2011, 849 ff.

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§ 51 | Form der Einberufung 3. Frist 13 Die Einberufung ist mit einer Frist von mindestens 1 Woche zu bewirken (§ 51

Abs. 1 Satz 2). Die Fristberechnung erfolgt gemäß §§ 187 Abs. 1, 188 BGB1. Die Frist läuft somit an demselben Wochentag ab, an dem die Einladung in der vorhergehenden Woche bewirkt wurde. Soll also die Gesellschafterversammlung am Freitag stattfinden, so muss das letzte Einberufungsschreiben am Donnerstag der vorhergehenden Woche bewirkt sein. Fällt der Fristablauf auf einen Samstag, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag, so tritt an dessen Stelle analog § 193 BGB der nächste Werktag (sehr streitig)2, dh die Einberufung muss entsprechend früher bewirkt werden.

14 Wann das für den Fristbeginn maßgebliche „Bewirken“ vorliegt, ist streitig. Auf

den tatsächlichen Zugang kommt es jedenfalls nicht an3. Die früher hM stellte auf die Einlieferung des Briefes ab4. Dies ermöglicht zwar eine rechtssichere Fristbestimmung und ein schnelles Zusammentreten der Gesellschafterversammlung, lässt den Gesellschaftern aber keine angemessenen Dispositionsmöglichkeiten, weil die Frist dann uU schon durch die Postlaufzeiten konsumiert würde. Rspr5 und hL6 stellen daher heute zu Recht grundsätzlich auf den Zeitpunkt des im Normalfall zu erwartenden Zugangs ab, dh die Ladungsfrist setzt sich aus der „Dispositionsfrist“ des § 51 Abs. 1 Satz 2 zzgl der üblichen Zustellungsfrist zusammen. Für letztere wird man im Inland sicherheitshalber 2 Tage anzusetzen haben7; bei Zustellungen im Ausland kommt es auf den Einzelfall an8, wobei hier

1 BGHZ 100, 264, 266 = GmbHR 1987, 424, 425; OLG Brandenburg NZG 1999, 829, 831; LG Koblenz GmbHR 2003, 952, 953; Scholz/Seibt Rn 13. 2 OLG Naumburg GmbHR 1998, 90, 91 f; LG Koblenz GmbHR 2003, 952, 953; R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 10; Michalski/Römermann Rn 49; Scholz/Seibt Rn 14; OLG Hamm GmbHR 2003, 843, 844; aA B/H/Zöllner Rn 20; Loritz GmbHR 1992, 790, 793; MünchKomm/Liebscher Rn 28; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 15; MünchHdbGmbH/Wolff § 39 Rn 45; R/A/Roth Rn 3; ausführlich Tettinger GmbHR 2008, 346, 348 f. 3 RGZ 60, 144, 145 f; BGHZ 100, 264, 266 = GmbHR 1987, 424, 425; OLG Naumburg GmbHR 1998, 90, 91; ThürOLG GmbHR 1996, 536, 537; Scholz/Seibt Rn 14 mwN. 4 RGZ 60, 144, 145 f; KG NJW 1965, 2157, 2158; OLG Düsseldorf NJW-RR 1990, 806; Loritz GmbHR 1992, 790, 791 mwN. 5 BGHZ 100, 264, 267 = GmbHR 1987, 424, 426; OLG Hamm GmbHR 2003, 843, 844; OLG Naumburg GmbHR 1998, 90, 91; ThürOLG GmbHR 1996, 536, 537; LG Koblenz GmbHR 2003, 952, 953. 6 B/H/Zöllner Rn 19; R/A/Roth Rn 3; Scholz/Seibt Rn 14; Zeilinger GmbHR 2001, 541, 543 f. 7 OLG Hamm GmbHR 2003, 843, 844; LG Koblenz GmbHR 2003, 952, 953; Scholz/Seibt Rn 14; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 16; abweichend MünchHdbGmbH/Wolff § 39 Rn 45 (1 Tag). 8 Scholz/Seibt Rn 14; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 16.

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wohl in jedem Fall 4 Tage als Minimum anzusetzen sind1. Entbehrlich ist diese zusätzliche Zustellungsfrist jedoch im atypischen Sonderfall einer sog GmbHMassengesellschaft; hier ist analog § 121 Abs. 4 AktG die Aufgabe zur Post maßgeblich2. Nach hM3 bedarf es einer zusätzlichen Zustellungsfrist ferner auch dann nicht, wenn statutarisch eine Verlängerung der Ladungsfrist (dazu Rn 35) vorgesehen ist, so dass die Gesellschafter ohnehin mehr Zeit haben4. Gesellschafterspezifische Hindernisse (zB U-Haft, Weltreise) sind grundsätz- 15 lich nicht zu berücksichtigen5. Allerdings darf die Gesellschafterversammlung auch nicht auf einen Termin eingerufen werden, an dem ein Gesellschafter – wie das Einberufungsorgan von vornherein weiß – kurzfristig verhindert ist6. Im Übrigen kann mit § 242 BGB bzw der Treuepflicht begegnet werden7. Permanenten Sondersituationen einzelner Gesellschafter (zB Wohnsitz im entfernten Ausland) kann ggf durch spezielle Satzungsregelungen (dazu Rn 35 ff) Rechnung getragen werden. Konkretisierende Satzungsregelungen zur Frist sind im Übrigen ohnehin generell empfehlenswert8. Stellt sich erst nachträglich heraus, dass ein Gesellschafter gehindert ist, an der Versammlung teílzunehmen, so kann eine Vertagung bzw Neueinladung im Einzelfall aufgrund der Treuepflicht (näher § 14 Rn 29 ff) geboten sein9. 4. Inhalt Aus der Einberufung muss sich unmissverständlich ergeben, für welche Gesell- 16 schaft sie erfolgt (Firma und Sitz aber anders als bei der AG nicht erforderlich)10 und dass es sich um die Einladung zu einer Gesellschafterversammlung handelt11. Der Einberufende muss erkennbar sein12, hierzu dient das Unterschrifts1 Scholz/Seibt Rn 14; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 16; vgl auch B/H/Zöllner Rn 19; Zeilinger GmbHR 2001, 541, 544. 2 BGH NJW 1998, 1946, 1947 (GmbH & Still mit mehr als 150 Mitgliedern); Scholz/Seibt Rn 14; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 16; zweifelnd R/A/Roth Rn 3a. 3 OLG Brandenburg NZG 1999, 829, 832; H/S/Hillmann Rn 10; MünchHdbGmbH/Wolff § 39 Rn 52; Zeilinger GmbHR 2001, 541, 544. 4 Abweichend OLG Naumburg GmbHR 1998, 90, 91 f; MünchKomm/Liebscher Rn 27. 5 OLG Brandenburg NZG 1999, 829, 832 (U-Haft); OLG Düsseldorf GmbHR 1990, 265, 266 (Weltreise); Scholz/Seibt Rn 14; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 16. 6 So zutreffend OLG München GmbHR 2015, 35, 36 (Klinikaufenthalt) im Anschluss an BGH GmbHR 1985, 256, 257 (obiter). 7 B/H/Zöllner Rn 19; vgl auch R/A/Roth Rn 3a; Scholz/Seibt Rn 12. 8 Scholz/Seibt Rn 12; Eickhoff Rn 98; Karl DStR 1993, 880, 882. 9 So OLG München GmbHR 2015, 35, 36; OLG Bremen GmbHR 2010, 1152; offen gelassen von BGH GmbHR 1985, 256. 10 U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 17; Scholz/Seibt Rn 15; MünchHdbGmbH/Wolff § 39 Rn 41; abweichend Eickhoff Rn 100. 11 B/H/Zöllner Rn 16; R/A/Roth Rn 8; MünchHdbGmbH/Wolff § 39 Rn 41. 12 OLG Zweibrücken GmbHR 1980, 85 f; Scholz/Seibt Rn 13; Karl DStR 1993, 880, 882.

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§ 51 | Form der Einberufung erfordernis (Rn 11). Ort und Zeit (grundsätzlich inkl Tageszeit1) müssen hinreichend präzise angegeben werden2. 17 § 51 Abs. 2 bestimmt, dass der „Zweck der Versammlung“ angegeben werden

soll. Gemeint ist damit die Tagesordnung iSd § 51 Abs. 4 (dazu Rn 18 ff)3. Die Ankündigung der Tagesordnung soll also grundsätzlich zusammen mit der Einberufung erfolgen, kann aber innerhalb der Frist des § 51 Abs. 4 (dazu Rn 19 f) nachgeholt werden4.

IV. Ankündigung der Tagesordnung (§ 51 Abs. 2, 4) 1. Form 18 Die Ankündigung der Tagesordnung hat „in der für die Berufung vorgeschrie-

benen Weise“ zu erfolgen, dh durch eingeschriebenen Brief (dazu Rn 11 f)5. 2. Frist

19 Die Ankündigung der Tagesordnung soll bereits mit der Einberufung erfolgen

(§ 51 Abs. 2), sie muss aber in jedem Fall wenigstens drei Tage vor der Versammlung erfolgen (§ 51 Abs. 4), vgl Rn 17. Wird diese Frist nicht gewahrt, so kann über die verspätet angekündigten Gegenstände nur in einer Universalversammlung (§ 51 Abs. 3, dazu Rn 31 ff) Beschluss gefasst werden6. Für die Berechnung gilt dasselbe wie für die Einberufungsfrist7 (dazu Rn 13 ff).

20 Im Falle von Grundlagenbeschlüssen (zB substantielle Satzungsänderungen,

Unternehmensverträge, Umwandlungen) wird im Schrifttum zT eine Pflicht der Geschäftsführer zu noch frühzeitigerer Information angenommen, deren Verletzung zur Anfechtbarkeit führen könne8. Hiergegen bestehen jedoch erhebliche Bedenken9. Der Gesetzgeber hat gerade nur für Umwandlungen spezielle Vorabinformationspflichten vorgesehen (vgl §§ 47, 49, 125 Satz 1, 230 Abs. 1, 238 Satz 1 UmwG) und lässt sogar dort grundsätzlich die Wochenfrist des § 51

1 KG NJW 1965, 2157, 2159; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 17; MünchHdbGmbH/Wolff § 39 Rn 41. 2 KG NJW 1965, 2157, 2159; B/H/Zöllner Rn 14; Scholz/Seibt Rn 15. 3 R/A/Roth Rn 9; MünchHdbGmbH/Wolff § 39 Rn 46; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 18. 4 RG JW 1931, 2980, 2982; Scholz/Seibt Rn 20; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 18. 5 B/H/Zöllner Rn 22; Scholz/Seibt Rn 25; MünchHdbGmbH/Wolff § 39 Rn 46. 6 BGH GmbHR 2009, 1327 Rn 8 f; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 20. 7 BGHZ 100, 264, 268 = GmbHR 1987, 424, 426; B/H/Zöllner Rn 22; Zeilinger GmbHR 2001, 541, 544. 8 Scholz/Seibt Rn 24; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 21; MünchKomm/Liebscher Rn 38; vgl auch LG Kiel GmbHR 2013, 363. 9 Wie hier auch Michalski/Römermann Rn 90; G/E/S/Teichmann Rn 20.

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Abs. 1 Satz 2 ausreichen. E contrario genügt in allen übrigen Fällen für eine ordnungsgemäße Beschlussfassung grundsätzlich die Wahrung des § 51 Abs. 4, zumal es den Gesellschaftern freisteht, für Grundlagenbeschlüsse in der Satzung eine längere Frist vorzusehen (vgl Rn 35). In Ermangelung einer solchen Regelung kann eine Anfechtbarkeit bei Wahrung der Frist des § 51 Abs. 4 daher allenfalls in ganz besonders gelagerten Ausnahmefällen in Betracht kommen1. 3. Inhalt a) Allgemeines: Die Ankündigung muss so deutlich sein, dass sich die Gesell- 21 schafter auf die Erörterung und Beschlussfassung vorbereiten können und sie vor einer „Überrumpelung“ geschützt werden2. Ein bestimmter Beschlussvorschlag ist jedoch (anders als nach § 124 Abs. 3 Satz 1 AktG) nicht erforderlich3. Um Anfechtungsklagen vorzubeugen, sollte die Ankündigung aber generell möglichst klar und vollständig sein. Nicht erforderlich ist eine Ankündigung bei Beratungsgegenständen, über die 22 kein Beschluss gefasst werden soll4 (wenngleich sie speziell bei Grundsatzfragen durchaus empfehlenswert ist). Ebenso wenig bedarf es einer Ankündigung auch bei Beschlüssen, die nur den Gang der Gesellschafterversammlung betreffen (zB Maßnahmen der Versammlungsleitung, Kosten gemäß § 50 Abs. 3 Satz 2)5. Nicht präzise gekennzeichnet zu werden brauchen weiterhin auch alle ohnehin bekannten Beschlussgegenstände6. Die Reihenfolge der Beschlussgegenstände braucht ebenfalls nicht angegeben zu werden7. Bei einer Folgeversammlung kann für die Tagesordnung auf die Ladung der 23 ersten Gesellschafterversammlung Bezug genommen werden8. Eine sog Eventualeinberufung schon vor Durchführung der ersten Gesellschafterversammlung ist dagegen selbst dann unzulässig, wenn die Satzung für den Fall der Beschlussunfähigkeit die Einberufung einer neuen Gesellschafterversammlung mit der gleichen Tagesordnung innerhalb einer bestimmten Frist vorsieht9; denn eine 1 Vgl für die Parallelproblematik bei § 49 Abs. 1 UmwG: Lutter/Winter/J. Vetter § 47 UmwG Rn 21; Semler/Stengel/Reichert § 47 UmwG Rn 15. 2 BGH GmbHR 2003, 171, 174; BGH GmbHR 1962, 28; OLG Düsseldorf NZG 2000, 1180, 1182; OLG Karlsruhe GmbHR 1989, 206, 207; B/H/Zöllner Rn 24; Scholz/Seibt Rn 21. 3 OLG Stuttgart NZG 2000, 159; OLG Düsseldorf NZG 2000, 1180, 1182; R/A/Roth Rn 9; Wiester GmbHR 2008, 189, 190. 4 R/A/Roth Rn 10; Scholz/Seibt Rn 21; MünchHdbGmbH/Wolff § 39 Rn 47; Wiester GmbHR 2008, 189, 190; aA B/H/Zöllner Rn 24; Michalski/Römermann Rn 70. 5 R/A/Roth Rn 10; Scholz//Seibt Rn 23; MünchHdbGmbH/Wolff § 39 Rn 47. 6 KG OLGE 24, 158 f; Scholz/Seibt Rn 21. 7 Scholz//Seibt Rn 20; MünchHdbGmbH/Wolff § 39 Rn 47; MünchKomm/Liebscher Rn 41. 8 OLG Naumburg GmbHR 1996, 537, 538; R/A/Roth Rn 9. 9 BGH GmbHR 1998, 287, 288; OLG Frankfurt NZG 1999, 833, 834; Scholz/Seibt Rn 17.

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§ 51 | Form der Einberufung solche Vertragsregelung zielt darauf ab, den Gesellschaftern nach dem Scheitern der ersten Gesellschafterversammlung hinreichend Zeit und Gelegenheit zu geben, die gegensätzlichen Standpunkte durch Aussprache unter ihnen zu klären1. 24 b) Einzelfälle: Der Tagesordnungspunkt „Verschiedenes“ ist grundsätzlich un-

zureichend2, ebenso der bloße Vorbehalt der Aufnahme weiterer Tagesordnungspunkte3. Durch die Ankündigung einer weiterreichenden Maßnahme ist idR jedoch auch ein Minus hierzu gedeckt4 (Beispiel: „Zustimmung zur Anteilsveräußerung“ deckt Abstimmung über Zustimmungsbedürftigkeit5). Falls außergewöhnliche Geschäfte zur Zustimmung gestellt werden sollen, genügt die Angabe „Genehmigung der Geschäftsführung“ nicht6. Soll der Jahresabschluss festgestellt werden, ist die Ankündigung „Erörterung der Bilanz“ nicht ausreichend7.

25 Steht die Abberufung eines Geschäftsführers an, so genügt die Ankündigung

„Geschäftsführerangelegenheiten“ bzw „personelle Konsequenzen aus der Situation im Vorstand“ nicht8. Ausreichend ist dagegen jedenfalls „Abberufung des Geschäftsführers X“; die hM fordert hier insbesondere auch die Angabe des Namens des Geschäftsführers9, was jedoch entbehrlich erscheint10, da die Ankündigung einer Abberufung schon per se die Aufmerksamkeit der Gesellschafter hinreichend erregt. Ob die Abberufung aus wichtigem Grund vorgenommen werden soll und aus welchem konkreten Anlass, muss in der Ladung nicht mitgeteilt werden11; wurde aber die Abberufung des Gesellschafter-Geschäftsführers aus wichtigem Grund angekündigt, so darf nicht entgegen der Ankündigung ohne Grund abberufen werden12.

26 Bei einer Satzungsänderung ist der wesentliche Inhalt anzugeben13; eine Be-

kanntmachung im Wortlaut ist dagegen – anders als bei der AG (§ 124 Abs. 2 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

13

BGH GmbHR 1998, 287, 288. R/A/Roth Rn 9; Scholz/Seibt Rn 21; Wiester GmbHR 2008, 189, 190. OLG Düsseldorf NZG 2000, 1180, 1182; R/A/Roth Rn 9. B/H/Zöllner Rn 24; Scholz/Seibt Rn 19. BGH GmbHR 2003, 171, 174; B/H/Zöllner Rn 24; Scholz/Seibt Rn 21. RGZ 89, 367, 378; B/H/Zöllner Rn 25; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 23. OLG Karlsruhe GmbHR 1989, 206, 207; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 23. BGH NZG 2000, 945, 946; OLG Naumburg NZG 2001, 901, 902; Scholz/Seibt Rn 22. BGH GmbHR 1962, 28; BGH NZG 2000, 945, 946; Scholz/Seibt Rn 22; Wiester GmbHR 2008, 189, 190. Ebenso R/A/Roth Rn 10; MünchKomm/Liebscher Rn 42. BGH NZG 2000, 945, 946; BGH GmbHR 1985, 256, 259; OLG Braunschweig GmbHR 2009, 1276, 1278; B/H/Zöllner Rn 25; Scholz/Seibt Rn 20; MünchKomm/Liebscher Rn 42; abweichend U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 23; Wiester GmbHR 2008, 189, 190. BGH GmbHR 1985, 256, 259; Scholz/Seibt Rn 22; MünchKomm/Liebscher Rn 42; aA B/H/Zöllner Rn 25. OLG Düsseldorf NZG 2000, 1180, 1182; R/A/Roth Rn 10; Scholz/Seibt Rn 22.

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Satz 2 AktG) – nicht erforderlich1. Bei einer vorgesehenen Kapitalerhöhung ist die Größenordnung anzugeben2, sowie ob es sich um eine Bar- oder Sachkapitalerhöhung handelt3. Soll das Bezugsrecht (dazu § 55 Rn 19 ff) ausgeschlossen werden, so ist auch dies anzukündigen4. Bei Unternehmensverträgen ist neben der Angabe von Vertragsart und -partner analog § 124 Abs. 2 Satz 2 AktG der wesentliche Vertragsinhalt bekannt zu machen5; bei Sitzverlegung der Ort des neuen Sitzes6 und bei einer Änderung des Unternehmensgegenstandes, welche Gegenstände ergänzt oder gestrichen werden sollen7.

V. Rechtsfolgen von Verstößen Mängel der Einberufung können – sofern keine Universalversammlung (dazu 27 Rn 31 ff) oder ein Rügeausschluss bzw -verzicht (dazu Rn 34) vorliegt – zur Anfechtbarkeit oder Nichtigkeit der in der Gesellschafterversammlung gefassten Beschlüsse führen. Nichtig sind die Beschlüsse analog § 241 Nr. 1 AktG (näher Anh zu § 47 28 Rn 11), wenn überhaupt keine Einberufung stattgefunden hat, die Gesellschafterversammlung von einem Nichtberechtigten einberufen wurde (dazu bereits § 49 Rn 10) oder wenn nicht sämtliche Gesellschafter geladen wurden8. Der Nichtladung eines Gesellschafters steht es gleich, wenn die Ladung derart schwer wiegende Form- und Fristmängel aufweist, dass ihm die Teilnahme faktisch unmöglich gemacht wird (Beispiel: Ladung per E-Mail in den Abendstunden des Vortages auf den frühen Vormittag des Folgetages)9. Hier lässt sich auch der Fall einordnen, dass Ort- und/oder Zeitangabe nicht hinreichend sind10. Im Falle der Nichtbeachtung der Form des § 51 Abs. 1 Satz 1 (dazu Rn 11 f) ist 29 zu differenzieren (vgl auch Anh zu § 47 Rn 13): Fehlt es nur am Erfordernis eines Einschreibens, so ist lediglich Anfechtbarkeit anzunehmen, sofern dem Gesellschafter überhaupt eine Einberufung zugegangen ist11. Fehlt dagegen die schriftliche Fixierung oder die Unterschrift, so wird analog §§ 241 Nr. 1, 121 1 2 3 4 5 6 7 8

B/H/Zöllner Rn 24; MünchKomm/Liebscher Rn 44; Zeilinger GmbHR 2001, 541, 543. B/H/Zöllner Rn 26; Scholz/Seibt Rn 22; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 25. B/H/Zöllner Rn 26; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 25; Eickhoff Rn 115. RGZ 87, 155; Scholz/Seibt Rn 20; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 26. B/H/Zöllner Rn 26; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 26. MünchKomm/Liebscher Rn 44. MünchKomm/Liebscher Rn 44; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 24. OLG Celle GmbHR 2014, 369, 370; OLG München GmbHR 2000, 486; Scholz/Seibt Rn 26; Müther GmbHR 2000, 966, 968; Stappi GmbHR 2006, 540. 9 BGH GmbHR 2006, 538, 539; LG Koblenz GmbHR 2003, 952, 953; Scholz/Seibt Rn 26; Lamprecht WuB II C § 51 GmbHG 1.06. 10 B/H/Zöllner Rn 28; R/A/Roth Rn 17; Scholz/Seibt Rn 26. 11 BGH GmbHR 1989, 120, 122; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 27; Scholz/Seibt Rn 26.

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§ 51 | Form der Einberufung Abs. 2, 3 AktG grundsätzlich Nichtigkeit angenommen1. Ob das bloße Fehlen einer Unterschrift tatsächlich die Nichtigkeit begründen kann, erscheint indes zweifelhaft: Eine faktische Aushebelung des Teilnahmerechts wird man hier kaum annehmen können2 und auch BGH GmbHR 2006, 538 stützt die Nichtigkeit nicht schon auf die bei einer E-mail naturgemäß fehlende Unterschrift, sondern erst auf die Kurzfristigkeit der E-Mail-Ladung3. 30 Im Übrigen führen Verstöße gegen Form, Frist und Inhalt der Einberufung bzw

der Ankündigung der Tagesordnung – soweit sie nicht derart schwer wiegen, dass sie faktisch einer Nichtladung gleichkommen (Rn 28) – generell lediglich zur Anfechtbarkeit4 (vgl Anh zu § 47 Rn 13a). Dies gilt namentlich für eine Unterschreitung der Ladungsfrist (§ 51 Abs. 1 Satz 2, dazu Rn 13 ff)5 oder der Frist für die Ankündigung der Tagesordnung (§ 51 Abs. 4, dazu Rn 19 f)6, für das Fehlen7 oder inhaltliche Mängel der Tagesordnung8 (§ 51 Abs. 2, 4, dazu Rn 21 ff) sowie generell für Verstöße gegen rein statutarische Vorgaben (vgl Rn 37).

VI. Universalversammlung und Rügeverzicht 1. Universalversammlung (§ 51 Abs. 3) 31 Treten die Gesellschafter in einer Universalversammlung (Vollversammlung)

zusammen, so werden dadurch gemäß § 51 Abs. 3 alle Mängel der Einberufung (§ 51 Abs. 1) sowie der Ankündigung der Tagesordnung (§ 51 Abs. 2, 4) geheilt. Gleiches gilt, falls die Gesellschafter in allseitigem Einverständnis einen Versammlungstermin festlegen (§ 51 Abs. 3 analog)9.

32 Eine Universalversammlung liegt (nur) vor, wenn alle teilnahmeberechtigten

(§ 48 Rn 2 ff) Gesellschafter anwesend oder wirksam vertreten sind10. Ausreichend ist auch, wenn ein abwesender Gesellschafter den Auftritt eines voll1 BGH GmbHR 1989, 120, 122; Scholz/Seibt Rn 26; Müther GmbHR 2000, 966, 970 f. 2 Vgl Lamprecht WuB II C § 51 GmbHG 1.06. 3 Ähnlich MünchKomm/Liebscher Rn 49; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 27 aE; G/E/S/ Teichmann Rn 21. 4 Scholz/Seibt Rn 26, 28; MünchKomm/Liebscher Rn 51 ff. 5 Scholz/Seibt Rn 26; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 28; Zeilinger GmbHR 2001, 541, 549. 6 Scholz/Seibt Rn 28; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 28; Zeilinger GmbHR 2001, 541, 549. 7 B/H/Zöllner Rn 18; Scholz/Seibt Rn 26; Zeilinger GmbHR 2001, 541, 549. 8 Scholz/Seibt Rn 28; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 28; Zeilinger GmbHR 2001, 541, 549. 9 OLG München GmbHR 2002, 858; R/A/Roth Rn 4, 16; Scholz/Seibt Rn 34. 10 OLG Dresden GmbHR 2001, 1047, 1048; BayObLG GmbHR 1993, 223, 224; B/H/Zöllner Rn 31; für Alleingesellschafter BGH GmbHR 2013, 645 Rn 12.

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machtlosen Vertreters nachträglich genehmigt1. Gesellschafter, die auf die Teilnahme verzichtet haben, sind bei der Feststellung, ob eine Universalversammlung vorliegt, richtiger Ansicht nach nicht mitzurechnen2. Über die bloße Anwesenheit hinaus verlangen Rspr3 und hL4 zu Recht auch ein 33 (ggf konkludentes) Einvernehmen mit der Abhaltung einer Gesellschafterversammlung zum Zwecke der Beschlussfassung5. Denn andernfalls könnte einem nicht ordnungsgemäß geladenen Gesellschafter eine Beschlussfassung aufgedrängt werden, obwohl er sich nicht vorbereiten konnte6. Da das Einvernehmen rechtsgeschäftlichen Charakter hat, ist Geschäftsfähigkeit erforderlich7. Wer zwar erschienen ist, aber der Durchführung der Gesellschafterversammlung oder der Beschlussfassung ausdrücklich oder konkludent widerspricht, ist daher nicht „anwesend“ iSd § 51 Abs. 38. Der Widerspruch kann sich auch auf einzelne Beschlussgegenstände beschränken9. Eine erst nach der Abstimmung erhobene Rüge genügt jedoch nicht, um die Heilungswirkung auszuschließen10. Hat ein Gesellschafter zunächst widersprochen, sich aber dann doch an der Beschlussfassung beteiligt, so ist im Wege der Auslegung zu ermitteln, ob es sich nur um eine „vorsorgliche“ Stimmabgabe oder um eine konkludente Aufgabe des Widerspruchs handelt11.

1 OLG Dresden GmbHR 2001, 1047, 1048; BayObLG GmbHR 1989, 252, 253; Scholz/ Seibt Rn 34. 2 RG JW 1934, 976; B/H/Zöllner Rn 34; MünchKomm/Liebscher Rn 59; aA R/A/Roth Rn 16a (nur antizipierter Rügeverzicht, dazu Rn 34). 3 BGH GmbHR 2009, 437; BGH GmbHR 2009, 1327 Rn 9; BGHZ 100, 264, 269 = GmbHR 1987, 424, 426; BGH GmbHR 2008, 426; OLG München GmbHR 2000, 486, 489; OLG Naumburg GmbHR 1998, 90, 92; OLG Hamburg GmbHR 1997, 796. 4 MünchKomm/Liebscher Rn 56 f; Scholz/Seibt Rn 36; Emde GmbHR 2000, 489, 490. 5 Dazu ausführlich BGH GmbHR 2009, 437 f. 6 BGHZ 100, 264, 269 f = GmbHR 1987, 424, 426; OLG Naumburg GmbHR 1998, 90, 92; OLG Hamburg GmbHR 1997, 796; Emde GmbHR 2000, 489, 490. 7 BayObLG GmbHR 1993, 223, 224; R/A/Roth Rn 16; Müther GmbHR 2000, 966, 971; aA B/H/Zöllner Rn 32. 8 RGZ 92, 409, 410 f; BGH GmbHR 2009, 1327 Rn 9; BGHZ 100, 264, 269 = GmbHR 1987, 424, 426; OLG München GmbHR 2000, 486, 489; OLG Hamburg GmbHR 1997, 796; Scholz/Seibt Rn 36. 9 OLG Naumburg GmbHR 1998, 90, 92; OLG Hamburg GmbHR 1997, 796; Scholz/Seibt Rn 36. 10 BGH GmbHR 2003, 171, 173; Henssler/Strohn/Hillmann Rn 24; für die AG jüngst OLG Stuttgart AG 2013, 845 mit zustimmender Anm Wachter EWiR 2014, 315. 11 BGH GmbHR 1998, 287, 288; OLG München GmbHR 2000, 486, 489; Scholz/Seibt Rn 36; MünchKomm/Liebscher Rn 57.

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§ 51 | Form der Einberufung 2. Rügeverzicht 34 Von der Universalversammlung streng zu unterscheiden ist der sog Rügever-

zicht, dh wenn ein nicht ordnungsgemäß geladener Gesellschafter erklärt, den dadurch bedingten Beschlussmangel nicht geltend machen zu wollen1. Die Erklärung kann auch konkludent erfolgen2, zB uU durch Teilnahmezusage trotz und in Kenntnis unzureichender Ladung. Die bloße Anwesenheit per se genügt jedoch allein nicht zur Heilung von Ladungsmängeln3. Die genaue Reichweite eines Rügeverzichts ist durch Auslegung zu ermitteln4. Er führt – unabhängig davon, ob er vor, bei oder auch nach der Beschlussfassung5 erklärt wurde – dazu, dass der Mangel geheilt ist, dh nicht mehr im Wege der Nichtigkeits- oder Anfechtungsklage geltend gemacht werden kann6.

VII. Satzungsautonomie 35 § 51 ist zwar grundsätzlich dispositiv (§ 45 Abs. 2), allerdings nur innerhalb ge-

wisser Grenzen. Statutarische Erschwerungen der Anforderungen sind grundsätzlich unbedenklich7, sofern dadurch nicht ausnahmsweise die Durchführung einer Gesellschafterversammlung unangemessen erschwert wird8. So kann die Satzung zB die Fristen für Einberufung und Ankündigung der Tagesordnung verlängern9 oder eine förmliche Zustellung10 oder Bekanntmachung in den Gesellschaftsblättern11 verlangen. Dass die Satzung Gesellschaftsblätter vorsieht, bedeutet allerdings nicht automatisch, dass die Einberufung in diesen bekannt zu machen ist12.

1 Scholz/Seibt Rn 31; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 34. 2 Scholz/Seibt Rn 31; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 34; vgl auch OLG Stuttgart DB 2003, 932. 3 B/H/Zöllner Rn 30; R/A/Roth Rn 19; vgl auch OLG Naumburg GmbHR 1998, 90, 92 mit Anm Zimmermann EWiR 1998, 243. 4 U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 34; MünchKomm/Liebscher Rn 60. 5 Vgl B/H/Zöllner Rn 29 f; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 34. 6 BGHZ 87, 1, 4 = GmbHR 1983, 267; BayObLG GmbHR 1997, 1002; OLG Frankfurt GmbHR 1984, 99, 100; OLG Köln GmbHR 2002, 492, 494; Scholz/Seibt Rn 29; MünchKomm/Liebscher Rn 60. 7 OLG Naumburg GmbHR 1998, 90, 91; Scholz/Seibt Rn 3; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 35. 8 OLG Naumburg GmbHR 1998, 90, 91; B/H/Zöllner Rn 39. 9 OLG Naumburg GmbHR 1998, 90, 91; Scholz/Seibt Rn 3; MünchHdbGmbH/Wolff § 39 Rn 52. 10 Scholz/Seibt Rn 3. 11 Scholz/Seibt Rn 3; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 37. 12 KG JW 1936, 334; Scholz/Seibt Rn 3.

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Erleichterungen sind dagegen mit Blick auf das zum Kernbereich der Mitglied- 36 schaft zählende Teilnahmerecht der Gesellschafter problematisch1. Die Mindestfrist des § 51 Abs. 1 Satz 2 (dazu Rn 13 ff) ist zwingend2; unzulässig ist auch eine Verkürzung der Mindestfrist des § 51 Abs. 43 (dazu Rn 19 f) oder ein völliger Dispens vom Erfordernis der Ankündigung der Tagesordnung4. Die Satzung kann jedoch die formalen Anforderungen erleichtern, solange sichergestellt ist, dass alle Gesellschafter die Möglichkeit haben, ihr Teilnahmerecht wahrzunehmen und sich über die Tagesordnung zu informieren5. Sie kann also zB die Ladung mittels einfachem Brief6 oder Kurier7, per Fax8, EMail9 oder über die Homepage der Gesellschaft10 oder auch eine mündliche11 oder telefonische12 Einberufung vorsehen. Sieht die Satzung in Abweichung zu § 51 Abs. 1 „Schriftform“ oder „in schriftlicher Form“ vor, so sollte auch eine Einladung per E-Mail genügen13. Verstöße gegen Satzungsregelungen führen grundsätzlich nur zur Anfechtbar- 37 keit14 (vgl Rn 30).

VIII. Abberufung (Absage) einer Gesellschafterversammlung Zur Rücknahme der Einberufung (= Absage oder Abberufung) – auch aufgrund 38 eines Minderheitsverlangens gemäß § 50 Abs. 1 – ausführlich § 49 Rn 9a.

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Vgl Scholz/Seibt Rn 3; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 35. OLG Naumburg NZG 2000, 44, 45; R/A/Roth Rn 20; Scholz/Seibt Rn 3. R/A/Roth Rn 20; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 37; Scholz/Seibt Rn 3. B/H/Zöllner Rn 39; Scholz/Seibt Rn 3. B/H/Zöllner Rn 39; R/A/Roth Rn 20; Wicke Rn 10. OLG Dresden GmbHR 2000, 435; ThürOLG GmbHR 1996, 536, 537; Teichmann RNotZ 2013, 346, 349; Scholz/Seibt Rn 4; MünchKomm/Liebscher Rn 66; R/A/Roth Rn 2; nunmehr auch U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 37; abweichend OLG Hamm GmbHR 1992, 466, 468; B/H/Zöllner Rn 39; Henssler/Strohn/Hillmann Rn 27. Emde GmbHR 2002, 8, 16; MünchKomm/Liebscher Rn 66. B/H/Zöllner Rn 39; Scholz/Seibt Rn 3; Zeilinger GmbHR 2001, 541, 542. B/H/Zöllner Rn 39; Scholz/Seibt Rn 4; Zeilinger GmbHR 2001, 541, 542. Zwissler GmbHR 2000, 28; MünchKomm/Liebscher Rn 64. ThürOLG GmbHR 1996, 536, 537; B/H/Zöllner Rn 39; Zeilinger GmbHR 2001, 541, 542; vgl auch BGH GmbHR 1998, 136, 137. ThürOLG GmbHR 1996, 536, 537; B/H/Zöllner Rn 39; Zeilinger GmbHR 2001, 541, 542. Ähnlich H. Schäfer NJW 2012, 891 ff. R/A/Roth Rn 20; R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 12; Zeilinger GmbHR 2001, 541, 549; Scholz/Seibt Rn 26; zweifelnd MünchKomm/Liebscher Rn 53 f.

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§ 51a | Auskunfts- und Einsichtsrecht

§ 51a Auskunfts- und Einsichtsrecht (1) Die Geschäftsführer haben jedem Gesellschafter auf Verlangen unverzüglich Auskunft über die Angelegenheiten der Gesellschaft zu geben und die Einsicht der Bücher und Schriften zu gestatten. (2) Die Geschäftsführer dürfen die Auskunft und die Einsicht verweigern, wenn zu besorgen ist, dass der Gesellschafter sie zu gesellschaftsfremden Zwecken verwenden und dadurch der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen einen nicht unerheblichen Nachteil zufügen wird. Die Verweigerung bedarf eines Beschlusses der Gesellschafter. (3) Von diesen Vorschriften kann im Gesellschaftsvertrag nicht abgewichen werden. Durch die Novelle 1980 neu eingefügt; amtliche Überschrift ergänzt durch MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl I 2026). 1. 2. 3. 4. 5.

Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . 3 Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Schuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Inhalt und Umfang des Informationsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 6. Das Auskunftsrecht in verbundenen Unternehmen . . . . . . . . . . . . 18 7. Einsichtsrecht . . . . . . . . . . . . . . . 23

8. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . 9. Pflicht zu vertraulicher Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Verweigerung der Information . 11. Zwingendes Recht und Gestaltungsmöglichkeiten . . . . . . . . . 12. Schadensersatzansprüche . . . . . 13. Anfechtung . . . . . . . . . . . . . .

. . 26 . . 31 . . 34 . . 41 . . 45 . . 53

Literatur: Berg Der Direktanspruch des Veräußerers gegen den Geschäftsführer im Rahmen von M&A-Transaktionen, NZG 2008, 641; Bopp Die Informationsrechte des GmbHGesellschafters, 1991 (rechtsvergleichend); Fleischer Zur ergänzenden Anwendung von Aktienrecht auf die GmbH, GmbHR 2008, 673; Geidel/Lange Umfang und Durchsetzung des Informationsanspruchs des GmbH-Geschäftsführers zur Durchführung einer Due Diligence, GmbHR 2015, 852; Götze Auskunftserteilung des GmbH-Geschäftsführers im Rahmen der due diligence bei Beteiligungserwerb, ZGR 1999, 202; Grunewald Einsichtsund Auskunftsrecht des GmbH-Gesellschafters nach neuem Recht, ZHR 146 (1982), 211; Hirte Die Ausübung der Informationsrechte von Gesellschaftern durch Sachverständige, FS Röhricht, 2005, S. 217; Iliou Gedanken zur unabhängigen Informationsbeschaffung durch den ausgeschiedenen Familienunternehmer als Gesellschafter der GmbH, GmbHR 2015, 1293; Karl Das Auskunfts- und Einsichtsrecht des GmbH-Gesellschafters nach § 51a GmbHG, DStR 1995, 940; Kersting Auskunftsverweigerung im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, in Schön (Hrsg), Rechnungslegung und Wettbewerbsschutz im deutschen und europäischen Recht, 2008, S. 415; Leinekugel/Weigel Datenschutzrechtliche Grenzen des gesellschaftsrechtlichen Informationsanspruchs nach § 51a GmbHG, GmbHR 2015, 393; Oppenländer Grenzen der Auskunftserteilung durch Geschäftsführer und Gesellschafter beim Verkauf von GmbH-Geschäftsanteilen, GmbHR 2000, 535; zur Entwicklung

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Auskunfts- und Einsichtsrecht | § 51a der Norm vgl Römermann Reichweite des Einsichtsrechts nach § 51a GmbHG und Besonderheiten beim Ablauf einer Gesellschafterversammlung, GmbHR 2005, 627; K. Schmidt Die Information des Gesellschafters, FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 559; B. Schneider Informationsrechte von GmbH-Gesellschaftern – Inhalt und Grenzen, GmbHR 2008, 638; Uwe H. Schneider Der Auskunftsanspruch des Aktionärs im Konzern, FS Lutter, 2000, S. 1193; Tietze Die Informationsrechte des GmbH-Gesellschafters, 1985; Wohlleben Informationsrechte des Gesellschafters, 1989.

1. Überblick § 51a gewährt dem Gesellschafter ein umfassendes Informationsrecht auf Aus- 1 kunft über die Angelegenheiten der Gesellschaft und Einsicht in ihre Unterlagen1. Der Sinn des Auskunftsrechts besteht darin, „jedem Gesellschafter eine sachgemäße Ausübung seiner Rechte zu ermöglichen“2. Eingeschlossen wird darin auch das Interesse des Gesellschafters als Kapitalanleger im Hinblick auf den Wert seiner Beteiligung3. Es ist kein Minderheitsrecht, sondern ein Individualrecht, das jedem einzelnen 2 Gesellschafter zusteht4. Es ist auch kein Organrecht, das der sachgerechten Ausübung des Stimmrechts oÄ dient, sondern ein eigennütziges Mitgliedschaftsrecht5. Von diesem mitgliedschaftlichen Individualrecht sind das kollektive Informationsrecht der Gesellschafterversammlung nach § 46 Nr. 6, das Informationsrecht vor der Fassung von Gesellschafterbeschlüssen (§ 50 Rn 6) und die Pflicht der Geschäftsführer zur selbständigen Information der Gesellschafter (zB über drohende finanzielle Krisen) zu unterscheiden6. Doch wirken alle diese Vorgänge auch rechtlich aufeinander ein: Was der Gesellschafter kollektiv erfahren hat, kann er individuell nicht mehr erfragen (Erfüllung); was individuell einem Gesellschafter mitgeteilt wurde, wird der Geschäftsführer im Zweifel bei nächster Gelegenheit allen Gesellschaftern mitteilen.

2. Voraussetzungen Voraussetzungen des Informationsanspruchs sind: (1) Der Anspruchsteller 3 muss Gesellschafter sein (dazu unten Rn 3), und (2) es muss sich um eine Ange1 Zur historischen Entwicklung ausführlich Michalski/Römermann Rn 1–16; vgl auch Kersting in Schön (Hrsg), S. 415 ff. 2 BegrRegE BT-Drucks 8/1347, S. 44. 3 Lutter ZGR 1982, 1, 8; Grunewald ZHR 146 (1982), 211, 218; BayObLG GmbHR 1993, 741, 742; OLG Hamm GmbHR 2001, 163, 165. 4 Scholz/K. Schmidt Rn 1. 5 Grunewald ZHR 146 (1982), 211, 216 f; Lutter ZGR 1982, 1, 3; Scholz/K. Schmidt Rn 1. 6 Scholz/K. Schmidt Rn 4 mwN.

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§ 51a | Auskunfts- und Einsichtsrecht legenheit der Gesellschaft handeln (dazu Rn 12). Die Auffassung, dass als dritte Voraussetzung ein Informationsbedürfnis des betreffenden Gesellschafters hinzutreten soll1, trifft nicht zu, denn das Gesetz will keine Kontrolle des Gesellschafters2; andernfalls müssten die Gerichte in jedem Einzelfall über das konkrete Bedürfnis befinden. Doch erlischt das Recht durch Erfüllung3, unterliegt dem Verbot des Rechtsmissbrauchs aus § 242 BGB4 (näher Rn 37) sowie dem Gebot der Ausübung in schonendster Form (Rücksichtspflicht der Gesellschafter als Teil der Treupflicht gegenüber der Gesellschaft, dazu § 14 Rn 29 ff). Daher hat der Gesellschafter seine Informationswünsche zunächst einmal in einer zeitnah stattfindenden Gesellschafterversammlung geltend zu machen, statt hinterher nach § 51a vorzugehen5. 4 Der Anspruch erlischt nicht durch die Eröffnung der Insolvenz, sondern besteht

fort6; seine Ausübung kann dann aber missbräuchlich sein, wenn die Leitung der Gesellschaft auf den Insolvenzverwalter übergegangen ist (nicht also bei Eigenverwaltung)7; denn dessen Tätigkeit unterliegt nicht der Kontrolle durch die Gesellschafter und ihrem Informationsanspruch; dafür ist allein die InsO zuständig8.

3. Gläubiger 5 Gläubiger des Informationsanspruchs ist jeder Gesellschafter, der in der in das

Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste (§ 40) eingetragen ist (§ 16 Abs. 1). Die materielle Rechtslage ist unerheblich (ausführlich § 16 Rn 26 ff). Nicht anspruchsberechtigt sind Treugeber9, Pfandgläubiger10 oder Nießbraucher11, auch nicht mehr der wirksam ausgeschiedene Gesellschafter, sobald er 1 So K. Schmidt FS Kellermann, 1991, S. 389 ff; ihm folgend B/H/Zöllner Rn 27 ff und BayObLG GmbHR 1993, 741, 742. 2 Wie hier KG GmbHR 1988, 221, 223; OLG Stuttgart GmbHR 1983, 242, 243; U/H/L/ Hüffer/Schürnbrand Rn 57; R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 15; B/S/Masuch Rn 18; R/A/Roth Rn 7; Grunewald ZHR 146 (1982), 211, 222; Lutter ZGR 1982, 1, 4. 3 Damit Ausschluss nutzloser Wiederholungen, vgl OLG Frankfurt GmbHR 1991, 577. 4 ThürOLG GmbHR 2004, 1588 mit Anm Trölitzsch/Leinekugel EWiR 2004, 1131. 5 ThürOLG GmbHR 2004, 1588. 6 BayObLG ZIP 2005, 1087, 1089; OLG Hamm GmbHR 2002, 163, 164; Robrecht GmbHR 2002, 692, 694. 7 Im Ergebnis ähnlich, aber mit unzutreffender Begründung aus fehlendem Informationsbedürfnis OLG Hamm GmbHR 2002, 163, 164 und Robrecht GmbHR 2002, 692, 694. 8 Zutreffend BayObLG ZIP 2005, 1087, 1089. 9 B/H/Zöllner Rn 6; R/A/Roth Rn 14; Wicke Rn 5. 10 R/A/Roth Rn 14; Michalski/Römermann Rn 62 mwN. 11 B/H/Zöllner Rn 6; R/A/Roth Rn 14; differenzierend U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 18; Michalski/Römermann Rn 63.

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aus der Gesellschafterliste gelöscht ist1. Gleiches gilt für einen Gesellschafter, der ausgeschlossen wurde oder gekündigt hat, aber erst, nachdem das Ausscheiden wirksam geworden ist2, also nicht, wenn etwa der Beschluss mit Suspensivwirkung angefochten wurde oder sogar nichtig ist3. Wurde aus wichtigem Grund ausgeschlossen, so kann das bestehende Informationsrecht4 im Einzelfall wegen Rechtsmissbrauch ausgeschlossen sein (Rn 37). Stehen dem wirksam ausgeschiedenen Gesellschafter noch Abfindungs- oder Gewinnansprüche zu5, kommt ein Informationsanspruch aus nachwirkender Sonderrechtsbeziehung6 oder § 810 BGB7 in Betracht; dieser Anspruch besteht indes im Gegensatz zu § 51a nur bei Vorliegen eines Informationsbedürfnisses und nur insoweit dieses reicht8 und auch nur in den Schranken des § 51a Abs. 29 (Rn 25 ff). Im Falle der Anteilsübertragung ist der Erwerber berechtigt, sobald die Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 vorliegen (§ 16 Rn 4, 11 ff)10. Höchstpersönliche Ausübung des Informationsrechts ist nicht geboten; Hin- 6 zuziehung11, aber auch Bevollmächtigung eines zur Berufsverschwiegenheit Verpflichteten (zB Anwalt, WP) ist zulässig12. Auch eine Bevollmächtigung Dritter ist jedenfalls dann zulässig, wenn der Dritte eine sanktionsbewehrte Geheimhaltungserklärung abgibt13; anzuraten ist aber satzungsrechtliche Konkretisierung (dazu Rn 41 ff). Gesetzliche Vertreter, Insolvenzverwalter, Testamentsvollstrecker von Gesellschaftern sind per se befugt, die Informationsrechte ihres Mün1 B/H/Zöllner Rn 7; Michalski/Römermann Rn 51; R/A/Roth Rn 12; ebenso zum früheren Recht: BGH GmbHR 1988, 434, 436; BayObLG GmbHR 1993, 741, 742; OLG Frankfurt GmbHR 1995, 901, 902. 2 BayObLG ZIP 2000, 18; B/H/Zöllner Rn 6; R/A/Roth Rn 12; MünchKomm/Hillmann Rn 15. 3 ThürOLG GmbHR 1996, 699; OLG Karlsruhe NZG 2000, 435 = GmbHR 2000, 680 (LS); OLG München GmbHR 2006, 205; OLG München GmbHR 2008, 104; R/A/ Roth Rn 12. 4 Richtig BayObLG GmbHR 2003, 717, 718 f; B/H/Zöllner Rn 6. 5 Vgl auch BGH GmbHR 1977, 151; BGH GmbHR 1988, 434; BayObLG GmbHR 1991, 572; BayObLG GmbHR 1993, 741. 6 So Scholz/K. Schmidt Rn 13. 7 So OLG Hamm DB 1994, 1232; OLG Frankfurt GmbHR 1995, 901, 902; OLG Naumburg v. 12.12.2013 – 9 U 58/13 (Hs), GmbHR 2014, 209. 8 OLG Frankfurt/M GmbHR 1995, 901, 902. 9 OLG Naumburg GmbHR 2014, 209; R/A/Roth Rn 12. 10 R/A/Roth Rn 12; unscharf MünchKomm/Hillmann Rn 16; vgl weiter OLG München GmbHR 2006, 205, 206 mwN. 11 BGHZ 25, 115, 123. 12 Unstreitig, vgl Goerdeler FS Stimpel, 1985, S. 126 ff; zur Pflicht zur Hinzuziehung eines Sachverständigen Hirte FS Röhricht, 2005, S. 217, 222 f. 13 Ähnlich, wenngleich mit Unterschieden: B/H/Zöllner Rn 5; MünchKomm/Hillmann Rn 19; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 17; Scholz/K. Schmidt Rn 15; offen gelassen von BGH (VII. ZS) GmbHR 2013, 650 Rn 12.

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§ 51a | Auskunfts- und Einsichtsrecht dels, der Masse bzw der Erben geltend zu machen1. Ob die Pfändung durch einen Vollstreckungsgläubiger des Gesellschafters zulässig ist, war früher umstritten2, wurde indes nunmehr vom BGH zutreffend verneint3 (weil nur unselbständiger Teil des Mitgliedschaftsrechts, vgl näher § 14 Rn 22 ff).

4. Schuldner 7 Schuldner des Informationsanspruchs ist die GmbH (nicht: Geschäftsführer);

sie handelt bei der Erfüllung ihrer Informationspflicht durch ihre/n Geschäftsführer4. Ein Geschäftsführer genügt auch dann, wenn im Übrigen Gesamtvertretung besteht, da Fragen der Vertretungsmacht im Innenverhältnis keine Rolle spielen5. Der Geschäftsführer kann delegieren, also die Beantwortung durch einen intern zuständigen Mitarbeiter anordnen6. Der Gesellschafter seinerseits hat kein Frage- und Auskunftsrecht gegenüber Arbeitnehmern der Gesellschaft. Das Gleiche gilt auch gegenüber dem Abschlussprüfer der Gesellschaft, sofern das Informationsrecht nicht in einer Gesellschafterversammlung ausgeübt wird; in der Gesellschafterversammlung gilt § 42 Abs. 3 mit der Folge, dass jeder Gesellschafter den Abschlussprüfer zum Jahresabschluss befragen kann, wenn Gegenstand der Gesellschafterversammlung dessen Feststellung ist (§ 42 Rn 57 ff).

8 In der Insolvenz muss der Insolvenzverwalter als Vertreter der Gesellschaft den

Informationsanspruch erfüllen7, soweit er in dieser Lage noch besteht8. Die Veränderung des Anspruchsinhalts nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens steht regelmäßig auch einer Umschreibung eines Titels gegen die GmbH gemäß § 727 ZPO entgegen9.

9 Ausnahmsweise kann auch ein Mehrheitsgesellschafter verpflichtet sein, seine

Mitgesellschafter zu informieren. Er muss sie nämlich in Kenntnis setzen, inwieweit er zu dritten Unternehmen in Abhängigkeits- oder Beherrschungsverhältnissen steht. Diese Pflicht ergibt sich indes nicht aus § 51a und kann infolgedes1 B/H/Zöllner Rn 5; Scholz/K. Schmidt Rn 15; MünchKomm/Hillmann Rn 23. 2 Dagegen B/H/Zöllner Rn 6; MünchKomm/Hillmann Rn 20; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 18; dafür AG Gelsenkirchen BB 2012, 604 mit zustimmender Anm Grau; vgl auch Heuer ZIP 1998, 405 ff. 3 BGH (VII. ZS) GmbHR 2013, 650 mwN; vgl dazu aber die kritische Anm von S. Blum WuB II C. § 51a GmbHG 1. 13. 4 OLG Saarbrücken GmbHR 1994, 474, 475; OLG Karlsruhe GmbHR 1985, 59, 60; MünchKomm/Hillmann Rn 24; R/A/Roth Rn 16. 5 Zutreffend Scholz/K. Schmidt Rn 16. 6 Vgl nur Scholz/K. Schmidt Rn 16; Iliou GmbHR 2015, 1293. 7 OLG Hamm GmbHR 2002, 163; LG Wuppertal NJW-RR 2003, 332; R/A/Roth Rn 16; Robrecht GmbHR 2002, 692, 693; vgl auch Rn 2 aE. 8 Vgl BayObLG ZIP 2005, 1087, 1089. 9 OLG Hamm GmbHR 2008, 662.

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sen auch nicht mit Hilfe von § 51b durchgesetzt werden, sondern aus der Treupflicht (Anh zu § 13 Rn 34, 37)1. Die anderen Gesellschafter haben Anspruch darauf, auf mögliche Interessenkonflikte des Mehrheitsgesellschafters und daraus resultierende (Schädigungs- bzw Konzernierungs-)Gefahren aufmerksam gemacht zu werden2.

5. Inhalt und Umfang des Informationsrechts a) Überblick: Das individuelle Informationsrecht jedes Gesellschafters ist „prin- 10 zipiell unbeschränkt“3. Es beruht auf dem Gedanken, dass es zwischen der GmbH und ihren Gesellschaftern keine Geheimnisse gibt4. Auch durch einen Vertrag mit einem Dritten kann das Informationsrecht nicht beschränkt werden: Wer mit der GmbH in Verbindung tritt, muss wissen, dass auch die Gesellschafter Kenntnis vom Inhalt der Verhandlungen und des Geschäfts erlangen können. Ausnahmen5 kommen lediglich bei ganz spezifischen Verträgen in Betracht, bei denen eine Geheimhaltungsabrede nach dem Inhalt des Vertrages unumgänglich ist (Lizenzvertrag, Know-how-Vertrag)6. Datenschutzrechtliche Regelungen führen im Regelfall jedoch zu keiner Beschränkung des Informationsrechts aus § 51a7. Zu beachten sind jedoch im konkreten Einzelfall allgemeine straf- oder ordnungswidrigkeitsrechtliche Grenzen (vgl auch Rn 37)8. Information iSd § 51a bedeutet: Auskunft über die Angelegenheiten der 11 GmbH und Einsicht in ihre Bücher und Schriften. Beide Befugnisse stehen grundsätzlich kumulativ und ohne Rangfolge nebeneinander9; denn Auskunft 1 R/A/Roth Rn 16; Scholz/K. Schmidt Rn 5; vgl bereits Schilling FS Hefermehl, 1976, S. 383, 387; einschränkend Michalski/Römermann Rn 83. 2 Lutter in Entwicklungen im GmbH-Konzernrecht, 1986, S. 204 ff; zur Treupflichtverletzung durch Informationsverweigerung vgl auch OLG Saarbrücken GmbHR 1994, 474 f; Jestaedt GmbHR 1994, 442. 3 So BGHZ 152, 339, 344 = GmbHR 2003, 295 mwN; jüngst wieder BGH (VII. ZS) GmbHR 2013, 650 Rn 12. 4 So auch OLG Frankfurt GmbHR 1994, 114, 115, Leinekugel/Weigel GmbHR 2015, 393, 402. 5 Dazu auch B. Schneider GmbHR 2008, 638, 641; OLG München GmbHR 2008, 819, 820. 6 Zutreffend Grunewald ZHR 146 (1982), 211, 231; Götze ZGR 1999, 202, 220; wohl weitergehend B/H/Zöllner Rn 44; Scholz/K. Schmidt Rn 35: wenn Gesellschaft bzw Dritter ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse haben. 7 So die hM im GmbH-Recht: OLG Hamm GmbHR 2002, 163, 167; R/A/Roth Rn 9; Henssler/Strohn/Strohn Rn 17; B/H/Zöllner Rn 20, 42; MünchKomm/Hillmann Rn 75; U/H/L/ Hüffer/Schürnbrand Rn 55; ausführlich und differenzierend Leinekugel/Weigel GmbHR 2015, 393, 395 ff mwN. 8 Näher MünchKomm/Hillmann Rn 74 f; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 55. 9 KG GmbHR 1988, 221, 222; LG Wuppertal NJW-RR 2003, 332; MünchKomm/Hillmann Rn 36; Wohlleben Informationsrechte, S. 131 ff.

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§ 51a | Auskunfts- und Einsichtsrecht und Einsichtnahme sind lediglich unterschiedliche Informationsmittel im Hinblick auf das jeweilige Informationsinteresse des Gesellschafters1. Das schließt für den Einzelfall eine Subsidiarität des Einsichtsrechts nicht aus, wenn Auskunft ausreicht2 oder zur Information geführt hat (Grundsatz der Verhältnismäßigkeit!), es sei denn, der Gesellschafter habe Grund zum Zweifel an der richtigen und vollständigen „Erfüllung“ seines Informationsanspruchs. 12 b) Das Auskunftsrecht erstreckt sich auf alle Angelegenheiten der Gesellschaft.

Dieser Begriff ist weit zu verstehen3, hat also kaum begrenzenden Charakter und schließt nur persönliche Dinge der Geschäftsführer und der Mitgesellschafter von der Information aus4. Das Auskunftsrecht ist nicht auf Tatsachen beschränkt, die für das Abstimmungsverhalten etc eines Gesellschafters von Bedeutung sein können, sondern umfasst alles, was einen Bezug zur Mitgliedschaft hat und im Hinblick darauf von Interesse sein kann (Kontroll-, Gewinn- oder Vermögensinteressen, aber etwa nicht akademische Forschungsinteressen).

13 aa) Die Informationsinteressen des Gesellschafters zum Zwecke der Kontrolle

der Geschäftsführer haben große Ähnlichkeit mit denen eines Aufsichtsrats. Unter diesem Aspekt werden daher alle vorbereitenden und ausführenden Maßnahmen der Geschäftsführer und ihnen zugeordneter Organe (zB Gesellschafterausschuss) angesprochen, also Planung, Forschung und Entwicklung, Organisation, Kosten, Kalkulation, Personal- und Gehaltsstruktur etc. Neben der betrieblichen Altersversorgung der Mitarbeiter können Gehälter, Tantiemen5 und Nebentätigkeiten der Geschäftsführer sowie jedes Geschäftsführer-Gehalt einzeln erfragt werden6. Weiterhin können die steuerlichen Verhältnisse der GmbH (es gibt kein Steuergeheimnis der GmbH im Verhältnis zu ihren Gesellschaftern) zum Gegenstand eines Auskunftsbegehrens gemacht werden; ebenso wie Spenden, Geschenke und deren Empfänger, Zahlungen an Organmitglieder und Mitgesellschafter (zB Darlehen7) sowie Existenz und Inhalt von Verträgen mit Dritten. Auch Angelegenheiten des Mehrheitsgesellschafters können Angelegenheiten der Gesellschaft sein, sofern sie sich in Maßnahmen und Planungen der Gesellschaft niederschlagen8.

1 So zutreffend ThürOLG GmbHR 2004, 1588, 1589; B. Schneider, GmbHR 2008, 638, 639. 2 Gebot des schonendsten Mittels: Grunewald ZHR 146 (1982), 211, 223 f; Götze ZGR 1999, 202, 221; vgl dazu auch ThürOLG GmbHR 2004, 1588, 1589; dazu zustimmend B/H/Zöllner Rn 31; kritisch Trölitzsch/Leinekugel EWiR 2004, 1131; B/S/Masuch Rn 10. 3 Vgl R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 6. 4 ThürOLG GmbHR 2004, 1588, 1590; B/S/Masuch Rn 10. 5 OLG Köln GmbHR 1985, 358, 360. 6 MünchHdbGmbH/Schiessl/Böhm § 33 Rn 10; B/H/Zöllner Rn 29; R/A/Roth Rn 5. 7 Bsp: ThürOLG GmbHR 2004, 1588, 1590; B. Schneider GmbHR 2008, 638. 8 Scholz/K. Schmidt Rn 20; R/A/Roth Rn 5; zur Situation in verbundenen Unternehmen Rn 18 ff.

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Hat die GmbH einen Aufsichtsrat, so sind auch dessen Tätigkeiten, Unterlagen 14 und Protokolle vom Informationsrecht umfasst1, gleichfalls Geschäfte der Gesellschaft mit einzelnen Aufsichtsratsmitgliedern2. Auskünfte im Zusammenhang mit den Gewinninteressen der Gesellschafter be- 15 treffen vor allem die Bilanzierung und deren Details (Abschreibungen, Rückstellungen) sowie Risiken aus Lieferverträgen, Bürgschaften, Krediten etc; dazu auch Erläuterungen zu § 42a. Die Vermögensinteressen des Gesellschafters sind angesprochen bei allen Fra- 16 gen zum Wert seines Geschäftsanteils, also insbesondere zu den stillen Reserven im Anlagevermögen der GmbH und den Beteiligungen, die sie an anderen Gesellschaften hält3. bb) Inhaltlich muss die Auskunft einer gewissenhaften und getreuen Rechen- 17 schaft entsprechen (vgl § 90 Abs. 4 AktG)4; die Auskünfte müssen wahr sein, auf Ungewissheiten ist hinzuweisen. Ggf muss der Geschäftsführer die gewünschte Information noch beschaffen oder aufgrund seiner Pflicht zur Wahrung der Interessen der GmbH (§ 43) auf Aspekte hinweisen, die besonders vertraulich zu behandeln sind (dazu Rn 31).

6. Das Auskunftsrecht in verbundenen Unternehmen Literatur: Großfeld/Möhlenkamp Zum Auskunftsrecht des Aktionärs, ZIP 1994, 1425; Pentz Auskunftsverlangen des Großaktionärs, FS Priester, 2007, S. 593; Uwe H. Schneider Der Auskunftsanspruch des Aktionärs im Konzern, FS Lutter, 2000, S. 1193; Vossel Auskunftsrechte im Aktienkonzern, 1996.

a) Das Informationsrecht erstreckt sich unstreitig auf die Beziehungen der 18 GmbH zu verbundenen Unternehmen iSd §§ 15 ff AktG5; das ist in § 51a nur deshalb nicht ausdrücklich erwähnt, weil der Gesetzgeber es für selbstverständlich hielt6. Ein Konzerntatbestand ist nicht verlangt7. Weitergehend gilt das Auskunftsrecht im Grundsatz auch für Auskünfte über die Beziehungen zu Gesellschaften, an denen die GmbH beteiligt ist, ohne dass diese verbundene Unternehmen sind8 (Minderheitsbeteiligung). Erfasst werden aber auch Auskünfte 1 BGHZ 135, 48 = GmbHR 1997, 705; Scholz/K. Schmidt Rn 19; teilweise abweichend MünchHdbGmbH/Schiessl/Böhm § 33 Rn 10: nur bezüglich fakultativem Aufsichtsrat. 2 BayObLG AG 1999, 320 (für AG). 3 Vgl zur AG KG BB 1993, 2036 und KG AG 1994, 469: Die dort akzeptierten Schranken gelten hier nicht. 4 B/H/Zöllner Rn 14; R/A/Roth Rn 20. 5 KG BB 1993, 2036; Ebenroth/Wilken BB 1993, 1818; R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 6. 6 Ausschussbericht, BT-Drucks 8/3908, S. 75. 7 BGHZ 152, 339, 344 f = GmbHR 2003, 295; B/H/Zöllner Rn 12. 8 KG WM 1994, 1479, 1483 = AG 1994, 469, 470; B/H/Zöllner Rn 12; MünchKomm/Hillmann Rn 31.

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§ 51a | Auskunfts- und Einsichtsrecht über verbundene Unternehmen und Beteiligungsgesellschaften1, und zwar in beiden Richtungen. Das heißt: Die Gesellschafter der GmbH können sowohl Auskünfte über Gesellschaften verlangen, an denen die GmbH beteiligt ist, als auch über Gesellschaften, die an der GmbH beteiligt sind2. Es handelt sich um Angelegenheiten der GmbH, da sie die Gewinn- und Vermögensinteressen der Gesellschafter betreffen3 und es für die Kontrolle der Geschäftsführer keinen Unterschied machen kann, ob die Maßnahmen in der GmbH selbst oder in einer Beteiligungsgesellschaft getroffen werden4. Im Einzelnen gilt: 19 b) Der Gesellschafter einer herrschenden GmbH kann über die Angelegenhei-

ten von Töchtern grundsätzlich in gleichem Umfange Auskunft verlangen wie über die Angelegenheiten seiner eigenen GmbH5. Entsprechendes gilt auch für Auskünfte über eine bloße Beteiligungsgesellschaft, soweit sie aufgrund der Bedeutung der Beteiligung für die GmbH von objektiver Wichtigkeit sind6. Andernfalls könnte die herrschende bzw beteiligte GmbH ihre Informationspflichten sehr leicht dadurch vermeiden, dass sie unternehmerische Aktivitäten in Tochtergesellschaft verlagert7. Im Übrigen kann auch die Information über eine Beteiligung, die die Voraussetzungen der §§ 15 ff AktG nicht erfüllt, von essentieller Bedeutung für den Gesellschafter sein; insbesondere, wenn diese ein wichtiges Aktivum der GmbH ist, sind die Angelegenheiten dieser Gesellschaft zugleich Angelegenheiten der GmbH. Die GmbH ist verpflichtet, sich die gewünschten Informationen aus eigenem Recht als Gesellschafter der Beteiligungsgesellschaft zu verschaffen8. Eine Grenze findet die Informationsverschaffungspflicht der GmbH und damit der Auskunftsanspruch des Gesellschafters da, wo der Informationsanspruch der GmbH in dem anderen Unternehmen endet9. 1 Spitze/Diekmann ZHR 158 (1994), 447, 452; Decher ZHR 158 (1994), 473, 491. Vgl aber auch BVerfG WM 1999, 2158 („grundrechtlich geschütztes Informationsrecht“) und dazu Uwe H. Schneider FS Lutter, 2000, S. 1193, 1995. 2 BGHZ 152, 339 = GmbHR 2003, 295; Uwe H. Schneider FS Lutter, 2000, S. 1193, 1196. 3 KG BB 1993, 2036, 2037; OLG Hamburg DStR 1994, 547; MünchKomm/Hillmann Rn 33; kritisch Ebenroth/Wilken BB 1993, 2039. 4 Zutreffend Grunewald ZHR 146 (1982), 211, 233 ff; einschränkend: B/H/Zöllner Rn 12 („soweit von erheblicher Bedeutung“); ähnlich BGHZ 152, 339, 345 = GmbHR 2003, 295. 5 OLG Köln GmbHR 1985, 358, 360; OLG Hamm GmbHR 1986, 384 mit Anm K. Schmidt EWiR 1986, 483; LG Bielefeld GmbHR 1985, 365 (Vorinstanz); Reuter BB 1986, 1653, 1656; zur Sonderfrage der Information über Bezüge der Geschäftsführer in Tochtergesellschaften Lutter AG 1985, 117; zustimmend B/H/Zöllner Rn 12. 6 Michalski/Römermann Rn 39; MünchKomm/Hillmann Rn 34; aA LG Frankfurt WM 1994, 1931 und 1932. 7 OLG Hamm GmbHR 1986, 384, 385 mit Anm K. Schmidt EWiR 1986, 483; Uwe H. Schneider in Der GmbH-Konzern, 1976, S. 101 ff. 8 KG BB 1993, 2036, 2037; OLG Hamburg DStR 1994, 547; BayObLG DB 1996, 2170, 2171; Scholz/K. Schmidt Rn 20. 9 Insbesondere § 166 HGB und § 131 AktG, vgl zur AG Joussen DB 1994, 2485; BennerHeinacher DB 1995, 765.

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c) Die abhängige GmbH muss ihre übrigen Gesellschafter (nur) über solche An- 20 gelegenheiten ihrer Mutter informieren, die für ihre Bestands-, Markt-, Gewinnund Vermögensinteressen von Bedeutung sind; so über die Gründe der Abhängigkeit, über Eingriffe in die Geschäftsführung oder über die Art der Ausübung der einheitlichen Leitung und die unternehmerischen Interessen, die der betroffene Gesellschafter sonst noch verfolgt1. Hier bereitet die Informationsverschaffung häufig Schwierigkeiten. Dort, wo eine Informationsverschaffung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht möglich ist, endet die diesbezügliche Pflicht der GmbH, und sie braucht entsprechende Auskunftsansprüche ihrer Gesellschafter nicht zu erfüllen2. Zur Weitergabe von sensiblen Informationen der Tochter an die Gesellschafter der Mutter vgl Lutter WuB II G. 51a GmbHG 1.86. d) Das Auskunftsrecht besteht stets nur gegenüber der eigenen GmbH, nicht 21 hingegen direkt gegenüber der Beteiligungs- bzw beteiligten Gesellschaft (kein „Informationsdurchgriff“)3. Wegen der zusätzlichen Schwierigkeiten bei der Informationsbeschaffung für den Geschäftsführer und der ggf marginalen Bedeutung der Beteiligungsgesellschaft für die GmbH und ihre Gesellschafter muss das Auskunftsrecht über verbundene bzw Beteiligungsgesellschaften besonders sorgfältig an § 242 BGB und der Treupflicht des Gesellschafters gegenüber seiner Gesellschaft gemessen werden. Einerseits kann die von der Geschäftsführung oft großzügig betriebene Auffächerung in viele Konzerngesellschaften nicht zu Lasten der Informationsrechte ihrer Gesellschafter gehen, andererseits darf der Konzern als zulässige und flexible Form der Organisation nicht an § 51a scheitern. Darüber besteht bei aller Verschiedenheit im Ansatz Einigkeit4. e) Ähnliches gilt für die GmbH & Co KG5. Zu den Angelegenheiten der GmbH 22 gehören hier stets auch diejenigen der KG6. Ein informationsbegehrender Gesellschafter der GmbH, der zugleich Kommanditist ist, darf in der KG nicht auf seine deutlich geringeren Rechte aus § 166 HGB verwiesen werden7; bei diesen verbleibt es aber nach hM für den Nur-Kommanditisten8. 1 R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 7; MünchKomm/Hillmann Rn 35; U/H/L/Hüffer/ Schürnbrand Rn 30; eingehend Uwe H. Schneider in Der GmbH-Konzern, 1976, S. 89 ff. 2 Grunewald ZHR 146 (1982), 211, 235 f; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 31. 3 Vgl Michalski/Römermann Rn 36 und 81; MünchKomm/Hillmann Rn 29 mwN. 4 Vgl B/H/Zöllner Rn 12; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 31; Michalski/Römermann Rn 81 mwN. 5 Dazu Sigel Die Informationsrechte der Gesellschafter einer GmbH & Co. KG, 1991; Grunewald ZGR 1989, 545 ff; MünchKomm/Hillmann Rn 36 ff. 6 OLG Düsseldorf GmbHR 1991, 18; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 80; R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 6; ausführlich Scholz/K. Schmidt Rn 52 ff; MünchKomm/Hillmann Rn 36 ff. 7 BGH GmbHR 1988, 434, 435; OLG Karlsruhe GmbHR 1998, 691; Scholz/K. Schmidt Rn 53; aA Binz/Freudenberg/Sorg BB 1991, 785, 788. 8 BGH GmbHR 1995, 55, 56; B/H/Zöllner Rn 13; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 81; Binz/ Freudenberg/Sorg BB 1991, 785, 788; aA Schiessl GmbHR 1985, 110 ff; R/A/Roth Rn 44.

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§ 51a | Auskunfts- und Einsichtsrecht 7. Einsichtsrecht 23 a) Das Einsichtsrecht betrifft alle Unterlagen der GmbH (Bücher und Schriften,

Dateien und elektronische Aufzeichnungen etc1) unabhängig davon, wo sie sich befinden. Ist die Gesellschaft nicht im Besitz der Unterlagen, muss sie zumindest mit der gebotenen Intensität versuchen, diese von einem Dritten zurückzuerhalten2. Ausgenommen vom Einsichtsrecht sind lediglich persönliche Papiere der Geschäftsführer und der Mitarbeiter, bei denen in der Regel schon zweifelhaft ist, ob es sich um Schriften der Gesellschaft handelt. Einsicht muss grundsätzlich auch in Protokolle und Aufzeichnungen des Aufsichtsrats gewährt werden3. Das Einsichtsrecht kann global und ohne Bezug auf konkrete Unterlagen oder Sachverhalte geltend gemacht werden4.

24 b) Einsicht bedeutet Einräumung des Zugangs zu den Unterlagen bzw deren

Vorlage sowie angemessene technische Hilfe5 (Raum, Arbeitsplatz). Der Gesellschafter kann sich – zu den üblichen Geschäftszeiten und ohne, dass eine Beschränkung auf das Wochenende6 oder nur „quartalsweise“7 oder nur „1 Stunde im Monat“8 in Betracht kommt (näher Rn 34) – in den Geschäftsräumen Notizen machen sowie auf eigene Kosten Fotokopien anfertigen9. Einsicht heißt aber nicht, dass die Übersendung von Kopien verlangt werden kann10 oder dem Gesellschafter die Befragung des Personals gestattet wäre oder er Anspruch auf technische Hilfe durch Personal der Gesellschaft hätte – in diesem Fall muss ihm aber die Zuziehung eines zur Geheimhaltung verpflichteten Dritten gestattet werden11. Andererseits braucht ihm bei EDV-gespeicherten Daten nicht der Zugang zur Anlage eröffnet zu werden; hier ist es ausreichend, wenn ihm die

1 LG Essen GmbHR 2014, 991, 993; B/H/Zöllner Rn 21 (allgemeine Meinung). 2 OLG Frankfurt GmbHR 1995, 904, 905. 3 BGHZ 135, 48, 51 ff = GmbHR 1997, 705; OLG Karlsruhe GmbHR 1985, 59; Stimpel/ Ulmer FS Zöllner, 1998, S. 589, 594 ff; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 40; Witte ZGR 1998, 151, 156 ff; aA B/H/Zöllner Rn 22. 4 OLG Frankfurt GmbHR 1995, 904, 905. 5 So auch BGH NZG 2010, 61 (zu GbR); vgl weiter R/A/Roth Rn 18. 6 OLG Hamburg GmbHR 2002, 913. 7 So LG Essen GmbHR 2014, 991, 993. 8 So BayObLG GmbHR 1989, 201 mit Anm Priester EWIR 1989, 273. 9 OLG München GmbHR 2005, 624, 625 mit Anm Römermann; OLG Köln GmbHR 1985, 358, 359; OLG Düsseldorf GmbHR 1991, 18, 19; BayObLG GmbHR 1999, 1296, 1298; OLG Hamm GmbHR 2002, 163, 168; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 43; einschränkend: B/H/Zöllner Rn 23: sofern nicht schutzwürdige Interessen der Gesellschaft betroffen sind. 10 OLG Köln WM 1986, 37; LG Mönchengladbach GmbHR 1991, 323; B/H/Zöllner Rn 23; aA Bremer GmbHR 2000, 179. 11 Scholz/K. Schmidt Rn 27.

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Daten durch Angestellte der Gesellschaft verfügbar gemacht werden, sei es durch Ausdruck, sei es online am Bildschirm1. c) Das Einsichtsrecht des Gesellschafters besteht nicht in Hinblick auf verbun- 25 dene oder Beteiligungsunternehmen2. Eine Ausnahme besteht lediglich für 100%ige Tochtergesellschaften, die quasi als Betriebsabteilung geführt werden3. Im Übrigen bleibt es hier beim Auskunftsrecht.

8. Verfahren a) Auskunft und Einsicht sind „auf Verlangen“ zu gewähren, dh nach formlo- 26 ser, aber empfangsbedürftiger Erklärung des Gesellschafters oder seines Bevollmächtigten in oder außerhalb von Gesellschafterversammlungen. Das Tatbestandsmerkmal ist von Bedeutung für das weitere Verfahren (Verweigerung, § 51a Abs. 2; gerichtliche Durchsetzung, § 51b) und die Abgrenzung von den anderen Informationspflichten der Geschäftsführer aufgrund von Gesetz, Satzung oder Beschluss der Gesellschafterversammlung (§§ 43, 49); diese werden durch § 51a nicht berührt und setzen kein „Verlangen“ voraus. Im Informationsverlangen des Gesellschafters muss die Angelegenheit der Ge- 27 sellschaft benannt werden, und die begehrte Art der Information muss bestimmt oder bestimmbar sein4. Wird Einsicht verlangt, so muss nur dies benannt werden, eine weitere Konkretisierung ist nicht erforderlich; Einsicht kann ganz global verlangt werden5. Im Gegensatz dazu ist ein Auskunftsbegehren wenigstens etwas zu konkretisieren. Allerdings: Schon die Frage nach „der Lage der Gesellschaft“ genügt6. Aber dann ist der Geschäftsführer berechtigt, allgemeine Fragen auch allgemein zu beantworten (Spiegelbildlichkeit von Anfrage und Antwort), und kann sich standardisierter Informationen (zB Vierteljahresberichte, dazu Rn 42) bedienen7. b) Die begehrte Information ist „unverzüglich“ zu gewähren; „unverzüglich“ ist 28 weiter als in § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB zu verstehen, es bedeutet nicht nur „ohne schuldhaftes Zögern“, sondern innerhalb angemessener Frist8. Das ist von Bedeutung, wenn eine iSd BGB unverzügliche Erledigung zu einer unangemesse1 OLG Hamburg GmbHR 2002, 913; B/H/Zöllner Rn 23; R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 12; ähnlich MünchHdbGmbH/Schiessl/Böhm § 33 Rn 17. 2 Vgl dazu U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 38 mwN. 3 B/H/Zöllner Rn 19; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 38 mwN. 4 OLG Düsseldorf GmbHR 1995, 902, 903. 5 KG GmbHR 1988, 221, 223; OLG Frankfurt GmbHR 1995, 904. 6 AA R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 8; Scholz/K. Schmidt Rn 18. 7 BayObLG GmbHR 1989, 204, 205 f; B/H/Zöllner Rn 17; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 32. 8 BT-Drucks 8/3908, S. 75; Scholz/K. Schmidt Rn 22.

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§ 51a | Auskunfts- und Einsichtsrecht nen Beeinträchtigung des Geschäftsbetriebs der GmbH führen würde1. Auch darf der Geschäftsführer im Falle einer beabsichtigten Informationsverweigerung den von ihm gewünschten Beschluss nach § 51a Abs. 2 abwarten; diese Beschlussfassung muss indes ebenfalls „unverzüglich“ herbeigeführt werden2. 29 Wird in der Gesellschafterversammlung Auskunft verlangt, gilt § 51a nicht:

Die gewünschte Auskunft muss sofort erteilt werden3, soweit sie zur Beurteilung eines Gegenstands der Tagesordnung erforderlich ist, andernfalls besteht die Gefahr der Anfechtbarkeit des aufgrund unzureichender Information gefassten Beschlusses (dazu Rn 53). Lediglich umfangreiche Auskünfte, mit denen der Geschäftsführer nicht zu rechnen brauchte, müssen nicht sofort gegeben werden4.

30 Auskunft kann grundsätzlich mündlich oder schriftlich erteilt werden; die Art

der Auskunftserteilung muss dem Gegenstand angemessen sein und wird in der Regel schriftlich erfolgen5.

9. Pflicht zu vertraulicher Behandlung 31 Die Pflicht zu vertraulicher Behandlung der erlangten Information ist die Kehr-

seite des überaus weitreichenden Informationsrechts des einzelnen Gesellschafters. Dieses umfassende Gebot zur Vertraulichkeit folgt aus § 51a Abs. 2 und der Treupflicht, die jeden Gesellschafter zu sorgfältiger Behandlung der gewonnenen Daten verpflichtet6. Deren Weitergabe zu gesellschaftsfremden Zwecken oder an gesellschaftsfremde Dritte ist grundsätzlich unzulässig und pflichtwidrig7, und zwar ohne Rücksicht auf ihren Inhalt oder den mit der Weitergabe verfolgten Zweck. Zulässig ist jedoch zB die Weitergabe zwecks Beratung an einen zur Berufsverschwiegenheit Verpflichteten (Anwalt, WP) oder einen gesondert zur Vertraulichkeit Verpflichteten8.

32 Problematisch und rechtlich noch nicht abschließend geklärt ist die Weitergabe

von Informationen, die für eine due diligence benötigt werden. Dem Erwerbsinteressenten selbst darf jedenfalls bei Fehlen einer anderslautenden Satzungsbestimmung nur dann Einblick in die Bücher gewährt werden, wenn dies die

1 Wie hier R/A/Roth Rn 17; teilweise abweichend MünchHdbGmbH/Schiessl/Böhm § 33 Rn 18: in diesem Fall Pflicht zu vorläufiger Auskunft. 2 MünchKomm/Hillmann Rn 48. 3 Zutreffend B/H/Zöllner Rn 17. 4 KG AG 1994, 469, 471 f; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 34. 5 OLG Düsseldorf GmbHR 1991, 18, 19; Scholz/K. Schmidt Rn 23; Michalski/Römermann Rn 155. 6 Ausführlich Lutter ZGR 1982, 1, 12 ff; Lutter FS Schippel, 1996, S. 459 = ZIP 1997, 613. 7 BGHZ 152, 339, 344 = GmbHR 2003, 295. 8 Scholz/K. Schmidt Rn 6.

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Gesellschafter einstimmig beschließen1 (ausführlich bei § 43 Rn 21). Im Übrigen steht es grundsätzlich im pflichtgemessen Ermessen der Geschäftsführer, inwieweit sie dem Wunsch eines veräußerungswilligen Gesellschafters nachkommen und in zulässiger Weise Informationen an einen zur Verschwiegenheit verpflichteten Treuhänder (zB WP, Anwalt) geben, der dann dem Kaufinteressenten des Geschäftsanteils allein die Ergebnisse der Informationsauswertung weitergibt2. Auch hier können die Gesellschafter (mit Mehrheitsbeschluss) der Geschäftsführung Weisungen erteilen; jedoch darf die due diligence nicht gänzlich verweigert werden3. Unzulässig ist somit die eigenmächtige Weitergabe der Informationen durch die Geschäftsführer an den Kaufinteressenten selbst4; auch wenn sie unter Weitergabe der Geheimhaltungspflicht erfolgt, ist sie im Zweifel treuwidrig und, wenn der Erwerber ein Konkurrent der GmbH ist, sogar schlicht verboten5. Auch dem Gesellschafter selbst ist die Weitergabe der im Rahmen von § 51a er- 33 haltenen Informationen an den Kaufinteressenten untersagt6; Zuwiderhandeln verpflichtet zum Schadensersatz7. Verstößt der Gesellschafter dennoch gegen das Weitergabeverbot oder droht ein solcher Verstoß, so hat die GmbH gegen ihn aus der (drohenden) Treupflichtverletzung einen Unterlassungsanspruch8, der auch im Wege einer einstweiligen Verfügung geltend gemacht werden kann.

10. Verweigerung der Information Eine Verweigerung der Information (vollständige Verweigerung, inhaltliche Be- 34 schränkung oder sachliche Einschränkung, zB Auskunft statt Einsicht) ist möglich, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind: (1) Verweigerungsgrund und im Regelfall (2) Beschluss der Gesellschafterversammlung. Die Gesellschaft kann

1 Richtig LG Köln GmbHR 2009, 261, 262; Lutter ZIP 1997, 613, 616; R/A/Altmeppen § 43 Rn 25; für Mehrheitsentscheidung hingegen Engelhardt GmbHR 2009, 237, 242; Körber NZG 2002, 263, 268; Geidel/Lange GmbHR 2015, 852, 856; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 67 mwN. 2 Dazu LG Köln GmbHR 2009, 261, 262; MünchKomm/Hillmann Rn 12; vgl auch Geidel/ Lange GmbHR 2015, 852, 855 f; großzügiger U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 67; MünchHdbGmbH/Schiessl/Böhm § 33 Rn 20. 3 Ähnlich B/H/Zöllner Rn 37; MünchKomm/Hillmann Rn 12; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 67. 4 Abweichend Oppenländer GmbHR 2000, 535, 537; Götze ZGR 1999, 202. 5 So Lutter FS Schippel, 1996, S. 458 = ZIP 1997, 613. 6 LG Köln GmbHR 2009, 261, 262; Lutter ZIP 1997, 613, 615; aA Götze ZGR 1999, 203, 230; Krömker NZG 2003, 418, 420 ff; Geidel/Lange GmbHR 2015, 852, 855 mwN. 7 MünchKomm/Hillmann Rn 12; B/H/Zöllner Rn 53. 8 Zutreffend Meilicke/Hollands GmbHR 2000, 964.

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§ 51a | Auskunfts- und Einsichtsrecht sich nicht auf ein Zurückbehaltungsrecht wegen etwaiger eigener Auskunftsoder Zahlungsansprüche berufen1. 35 a) Verweigerungsgrund: Der Verweigerungsgrund des § 51a Abs. 2 setzt zwei-

erlei voraus: die Besorgnis, dass der Gesellschafter die erlangte Information zu gesellschaftsfremden Zwecken verwendet, und die Besorgnis, dass der GmbH dadurch ein nicht unerheblicher Nachteil zugefügt wird. Das Verweigerungsrecht besteht also – verglichen mit dem Aktienrecht, § 131 Abs. 3 AktG – nur in sehr eingeschränktem Maße. „Besorgnis“ setzt in beiden Fällen eine konkrete Gefahr voraus2; dh, es ist ein von der GmbH zu führender Nachweis3 der objektiven Wahrscheinlichkeit4 aufgrund konkreter Tatsachen5 notwendig. Problematisch ist das Merkmal „Verwendung zu gesellschaftsfremden Zwecken“, da es neben gesellschaftsschädlichen auch gesellschaftsindifferente Zwecke erfasst6, die nicht durch gesellschaftsbezogene mitgliedschaftliche Interessen gedeckt sind, und weil es eine Beurteilung zukünftigen Verhaltens voraussetzt. Gesellschaftsfremd ist ein Zweck dann, wenn er außerhalb des normalen mitgliedschaftlichen Verhaltens liegt7. Das ist bei einer Weitergabe an einen Erwerbsinteressenten des Geschäftsanteils (dazu Rn 32) stets gegeben8, nicht hingegen bei Einschaltung eines zur Amtsverschwiegenheit verpflichteten Sachverständigen zum Zwecke der Auswertung9 (Rn 31); um eine diesbezügliche konkrete Gefahr nachzuweisen, reicht der Hinweis auf Spannungen unter den Gesellschaftern nicht aus. Im Hinblick auf die Besorgnis der Nachteilszufügung gelten keine Besonderheiten im Vergleich zum Aktienrecht (§ 131 Abs. 3 Nr. 1 AktG)10.

36 Wichtigste Anwendungsfälle sind: frühere Verletzung der Vertraulichkeit oder

Betrieb eines Konkurrenzunternehmens11. In solchen Fällen kann der Gesell-

1 OLG Frankfurt GmbHR 2008, 592. 2 OLG München GmbHR 2008, 819, 820; B/S/Masuch Rn 20. 3 BayObLG GmbHR 1989, 201, 203; OLG Düsseldorf GmbHR 1991, 18, 19; Bayer/Illhardt GmbHR 2011, 751, 760. 4 OLG Stuttgart GmbHR 1983, 242, 243. 5 OLG Düsseldorf GmbHR 1991, 18. 6 So zutreffend B/H/Zöllner Rn 33; B/S/Masuch Rn 21. 7 Bremer GmbHR 2000, 176, 177; Oppenländer GmbHR 2000, 535, 537; Körber NZG 2002, 263, 266. 8 AA Götze ZGR 1999, 203, 223 f; Geidel/Lange GmbHR 2015, 852, 853 mwN; tendenziell auch Scholz/K. Schmidt Rn 39; wie hier aber auch G/E/S/Teichmann Rn 37. 9 Lutter ZIP 1997, 613, 615; R/A/Roth Rn 26; vgl auch OLG München GmbHR 2008, 104, 105. 10 Vgl dazu K. Schmidt/Lutter/Spindler § 131 AktG Rn 63 ff. 11 OLG Karlsruhe GmbHR 1985, 362, 363; OLG Naumburg GmbHR 2014, 209; öOGH GesRZ 1998, 100 und öOGH GesRZ 2008, 234; R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 23; MünchKomm/Hillmann Rn 64; Ivens GmbHR 1989, 273, 274; abweichend für rein kapitalistische Beteiligung an Konkurrenzunternehmen Scholz/K. Schmidt Rn 39; MünchHdbGmbH/Schiessl/Böhm § 33 Rn 21.

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schafter einen zur Verschwiegenheit verpflichteten Sachverständigen mit der Wahrnehmung seiner Informationsinteressen beauftragen, von dem er dann (nur) die entsprechenden Wertungen erhält1, Tatsachen aber nur dann, wenn sie mit einer etwaigen Schadensersatzpflicht der Geschäftsführer zusammenhängen2. Im Konflikt zwischen Gesellschaft und Gesellschafter kann das Gericht auch einen neutralen Sachverständigen bestellen3. In beiden Fällen trägt der Gesellschafter die Kosten des Sachverständigen4. Bloße Verkaufsabsichten (zur due diligence bei der Anteilsveräußerung vgl Rn 32) oder irgendein anderes gesetzoder satzungswidriges Verhalten, das keine Verletzung der Verschwiegenheitspflicht darstellt, reichen für sich allein nicht aus, das Informationsrecht gemäß § 51a Abs. 2 auszuschließen5; anders, wenn der Gesellschaft hierdurch ein erheblicher Nachteil droht6. § 51a Abs. 2 schließt die Anwendung allgemeiner Rechtsgrundsätze nicht aus 37 (hM). Daher besteht ein Informationsverweigerungsrecht auch bei missbräuchlicher Rechtsausübung (Quisquilien, ständige Anfragen, obgleich neue Antworten praktisch ausgeschlossen sind)7 und bei Erfüllung durch vorgängige Information gleich welcher Art (zB durch Vierteljahresberichte etc, dazu Rn 42). Ein Verweigerungsrecht besteht ferner dann, wenn sich der Geschäftsführer durch die Weitergabe der Information selbst strafbar machen würde (mit Ausnahme des Straftatbestandes des § 85, da § 51a insoweit tatbestandsausschließend wirkt; vgl Rn 10 und im Übrigen Erläuterungen zu § 85); das sah der Rechtsausschuss als so selbstverständlich an, dass er von einer positiven Regelung abgesehen hat8. Weiterhin kann die Information verweigert werden, wenn ihre Beschaffung unverhältnismäßig hohen Aufwand erfordert9. Betrifft das Informationsverlangen des Gesellschafters einen Zeitraum, in dem er selbst nicht Gesellschafter der Gesellschaft war, so bedarf es besonderer Rechtfertigung, andernfalls ist es als missbräuchlich zu werten.

1 OLG München GmbHR 2008, 104, 105 mit Anm Schneider GmbHR 2008, 638 und Heerstraßen EWiR 2008, 249; OLG Frankfurt GmbHR 1995, 904, 905; Goerdeler FS Stimpel, 1985, S. 126 ff. 2 OLG Frankfurt GmbHR 1995, 904, 905; Grunewald ZHR 146 (1982), 211, 229; Lutter ZGR 1982, 1, 11 f. 3 Gustavus GmbHR 1989, 181, 183; abweichend B/H/Zöllner Rn 40: Satzungsregelung erforderlich. 4 OLG Frankfurt GmbHR 1995, 904, 905. 5 KG GmbHR 1988, 221, 223 f; aA B/H/Zöllner Rn 34. 6 Kersting in Schön (Hrsg), S. 427. 7 Ausführlich Scholz/K. Schmidt Rn 37 mwN. 8 BT-Drucks 8/3908, S. 76; näher dazu: Tietze Informationsrechte, S. 60 ff; Müller GmbHR 1987, 87 ff. 9 Scholz/K. Schmidt Rn 36; Götze ZGR 1999, 202, 220 f.

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§ 51a | Auskunfts- und Einsichtsrecht 38 b) Beschluss der Gesellschafterversammlung: Wenn ein Verweigerungsgrund

vorliegt, bedarf es eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung, bei dem der betroffene Gesellschafter vom Stimmrecht ausgeschlossen ist1 (vgl § 47 Rn 50). Das gilt auch, wenn die Informationsverweigerung auf Erfüllung oder Rechtsmissbrauch gestützt wird, da mit § 51a Abs. 2 Satz 2 der Geschäftsführer von Konflikten mit Gesellschaftern vor allem über Wertungsfragen freigestellt werden soll2. Da durch den Beschluss die Verantwortung für die Informationsverweigerung vom Geschäftsführer auf die Gesellschafterversammlung verlagert wird, bedarf es nach Sinn und Zweck des § 51a Abs. 2 jedoch keines Beschlusses, wenn sich der Geschäftsführer auf Strafbarkeit beruft3 (dazu Rn 10, 37) oder die Eigenschaft des Informationssuchenden als Gesellschafter bestritten wird bzw eine andere der Anspruchsvoraussetzungen des § 51a Abs. 1 fehlt4. Ein Vorratsbeschluss für typische Konfliktlagen kann zulässig sein5, ersetzt indes nicht den gesetzlich geforderten Beschluss im konkreten Fall6, darf insbesondere nicht die Geschäftsführung zu eigenmächtiger Entscheidung ermächtigen7.

39 Der ablehnende Beschluss bedarf keiner Begründung gegenüber dem Gesell-

schafter8. Roth9 bejaht eine Begründungspflicht mit dem Hinweis auf das Bedürfnis des Gesellschafters, seine Erfolgsaussichten für ein Verfahren nach § 51b zu überprüfen, übersieht aber, dass der Geschäftsführer seine Verweigerung gegenüber der Gesellschafterversammlung begründen muss, um eine Grundlage für deren Entscheidung zu schaffen10; an dieser Gesellschafterversammlung kann der Gesellschafter teilnehmen und sich informieren. Die Begründungspflicht des Geschäftsführers gegenüber der Gesellschafterversammlung bzw gegenüber dem Gericht geht nicht so weit, dass damit praktisch die gewünschte Information erteilt wird11.

1 U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 53; R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 26; Scholz/ K. Schmidt Rn 42; Oppenländer GmbHR 2000, 535, 541; Körber NZG 2002, 263, 268; aA Grunewald ZHR 146 (1982), 233. 2 Zutreffend R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 27; v. Bitter ZIP 1981, 825, 829; Grunewald ZHR 146 (1982), 232; aA BayObLG GmbHR 1989, 201; ThürOLG GmbHR 2004, 1588, 1589; Scholz/K. Schmidt Rn 32; Götze ZGR 1999, 202, 222. 3 BGHZ 135, 48 = GmbHR 1997, 705 mit Anm Noack LM Nr. 2 zu § 51a GmbHG. 4 Wie hier R/A/Roth Rn 33; vgl im Ergebnis ebenso bereits K. Schmidt GmbHR 1982, 206. 5 Scholz/K. Schmidt Rn 42; Michalski/Römermann Rn 196; MünchKomm/Hillmann Rn 70. 6 Ausführlich Scholz/K. Schmidt Rn 42; Michalski/Römermann Rn 196. 7 Scholz/K. Schmidt Rn 42; MünchKomm/Hillmann Rn 70. 8 B/H/Zöllner Rn 39; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 53; Scholz/K. Schmidt Rn 30; MünchKomm/Hillmann Rn 71; zur Begründung gegenüber dem Gericht § 51b Rn 18. 9 R/A/Roth Rn 31; ähnlich R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 28. 10 Ausführlich Scholz/K. Schmidt Rn 30. 11 BGHZ 32, 159, 168.

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c) Eine rechtswidrige und schuldhafte Informationsverweigerung durch den Ge- 40 schäftsführer rechtfertigt dessen Abberufung und die fristlose Kündigung des Anstellungsvertrages1.

11. Zwingendes Recht und Gestaltungsmöglichkeiten Nach § 51a Abs. 3 darf von den Vorschriften des § 51a Abs. 1 und 2 im Gesell- 41 schaftsvertrag nicht abgewichen werden2, doch ist dadurch nur eine Schwächung, nicht aber eine Stärkung des Informationsrechts bzw eine neutrale Regelung verboten3. Daher ist eine verfahrensmäßige Ordnung des Informationsrechts möglich, soweit damit nicht eine fühlbare Minderung der Position des Gesellschafters verbunden ist4. Da das vom Gesetzgeber wenig durchdachte Informationsrecht des Gesellschaf- 42 ters chaotischen Charakter5 hat – Zeit und Gegenstand stehen im Belieben des Gesellschafters und können auch ohne jede böse Absicht zu einer großen Last für den Geschäftsführer werden –, ist eine Ordnung des Informationsrechts in der Satzung oder durch Gesellschafterbeschluss zulässig und geboten6. So ist vor allem die Etablierung eines Informationssystems zu empfehlen7. Hier kommt vor allem in Betracht eine vierteljährliche Unterrichtung der Gesellschafter durch standardisierte Berichte (Absatzbericht; Finanzbericht) und Hinweise auf besondere Vorkommnisse. Ist dieses System in Hinblick auf die Bedürfnisse der Gesellschafter der betreffenden GmbH sorgfältig entwickelt, so werden sich einerseits wenig Zusatzfragen ergeben, und andererseits sind Fragen zum gleichen Gegenstand als erfüllt anzusehen, es sei denn, es liegt zB eine Krise der GmbH vor. Im Übrigen sollte vorgesehen werden, dass Antworten auf Fragen eines Gesellschafters allen Gesellschaftern übersandt werden und dass Gesellschafter, die Einsicht nehmen, den anderen Gesellschaftern über das Ergebnis zu berichten haben8; auf diese Weise erübrigen sich Mehrfachanfragen und die 1 KG GmbHR 2011, 1272; OLG Frankfurt GmbHR 1994, 114, 115; B/H/Zöllner Rn 51; Karl DStR 1995, 940, 944. 2 AA bezüglich des Gesellschafterbeschlusses: Scholz/K. Schmidt Rn 51; sowie mit guten Gründen bei Gesellschaften mit vielen Gesellschaftern: B/H/Zöllner Rn 2. 3 Zutreffend v. Bitter ZIP 1981, 825, 830; B/H/Zöllner Rn 2; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 71. 4 B/H/Zöllner Rn 3; R/A/Roth Rn 41. 5 Vgl auch U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 4 („misslungen“); Scholz/K. Schmidt Rn 7 („missglückt“). 6 Dazu: Hommelhoff ZIP 1983, 383; vgl weiter R/A/Roth Rn 2; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 71. 7 Lutter ZGR 1982, 1, 5 ff; zustimmend R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 17; U/H/L/Hüffer/ Schürnbrand Rn 71; Scholz/K. Schmidt Rn 50. 8 Dagegen R/A/Roth Rn 41.

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§ 51a | Auskunfts- und Einsichtsrecht Gefahren (unvermerkt) ungleicher Behandlung. Zulässig ist ferner die Festlegung, dass Anfragen schriftlich gestellt werden müssen1. Ob auf vom Erfordernis eines Gesellschafterbeschlusses gemäß § 51a Abs. 2 Satz 2 (Rn 38) dispensiert werden kann, ist umstritten2, indes zu bejahen3. 43 Unzulässig sind aber nach dem in Rn 41 Gesagten: Beschränkung der Anfragen

auf eine Stunde im Monat4 oder auf wenige Zeiten im Jahr oder auf Wochenenden5 (dazu auch Rn 24); Erfordernis eines vorhergehenden Gesellschafterbeschlusses6; Verbot der persönlichen Wahrnehmung des Einsichtsrechts und Gebot der Ausübung durch einen sachverständigen Dritten7 sowie – umgekehrt – Untersagung der Zuziehung eines zur Verschwiegenheit verpflichteten Sachverständigen8. Zulässig ist hingegen eine Regelung, wonach der Streit über die Informationserteilung bereits in der Satzung einem Schiedsgericht übertragen und damit dem Verfahren nach dem FamFG vorweg (vgl § 51b Rn 2) entzogen wird9.

44 Auch eine schuldrechtliche Vereinbarung mit einem ausscheidenden Gesell-

schafter über einen Verzicht auf Ausübung des Informationsrechts ist unwirksam, wenn für ihn dadurch der Überblick über Berechnung des ihm noch zustehenden Gewinnanteils vereitelt wird.

12. Schadensersatzansprüche 45 (1) Der Gesellschaft gegen die Geschäftsführer bei unberechtigter Informations-

erteilung oder ungedeckter Informationsverweigerung: § 43.

46 (2) Der Gesellschaft gegen den Gesellschafter, der Informationen in unzulässiger

Weise weitergibt (Rn 31) oder anderweitig gesellschaftsschädlichen Gebrauch von ihr macht, aus positiver Verletzung seiner gesellschafterlichen Pflicht zur vertraulichen Behandlung10.

1 Scholz/K. Schmidt Rn 51. 2 Dagegen R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 30; R/A/Roth Rn 41; G/E/S/Teichmann Rn 47. 3 Wie hier Scholz/K. Schmidt Rn 51; B/H/Zöllner Rn 2; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 72 mwN. 4 BayObLG GmbHR 1989, 201, 202 f. 5 OLG Hamburg GmbHR 2002, 913. 6 B/H/Zöllner Rn 3; R/A/Roth Rn 41; OLG Köln WM 1986, 762. 7 Zutreffend Scholz/K. Schmidt Rn 51; Michalski/Römermann Rn 247; B/S/Masuch Rn 26; aA B/H/Zöllner Rn 3; MünchHdbGmbH/Schiessl/Böhm § 33 Rn 28; Hirte FS Röhricht, 2005, S. 218 ff. 8 BayObLG GmbHR 1989, 201, 203. 9 OLG Hamm GmbHR 2000, 676 mit Anm Emde; MünchKomm/Hillmann Rn 98. 10 Teilweise abweichend Mertens FS Werner, 1984, S. 561.

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Auskunfts- und Einsichtsrecht | § 51a

(3) Des Gesellschafters gegen die Geschäftsführer wegen unzulässig verweigerter 47 oder mangelhafter Information: keine Ansprüche; es fehlt an einer Anspruchsgrundlage: Weder haben die Geschäftsführer gemäß § 43 Organpflichten gegenüber den Gesellschaftern1, noch ist § 51a Schutzgesetz iSd § 823 Abs. 2 BGB2, noch liegt in der Informationsverweigerung ein Eingriff in ein sonstiges Recht iSd § 823 Abs. 1 BGB3, noch handelt es sich um einen Vertrag (?) mit Schutzwirkung für Dritte4. (4) Des Gesellschafters gegen die Gesellschaft: Hier kommt die positive Verlet- 48 zung des Anspruchs aus § 51a oder allgemein der Treupflicht der Gesellschaft gegenüber dem Gesellschafter als Grundlage in Betracht5. Dabei ist zu bedenken, dass der geschädigte Gesellschafter sich seinen Schaden nach Maßgabe seines Geschäftsanteils selbst ersetzen müsste6. (5) Des Gesellschafters gegen seine Mitgesellschafter, welche zu Unrecht die Ver- 49 weigerung beschlossen haben: Anspruchsgrundlage ist die Verletzung der dem Mitgesellschafter gegenüber bestehenden Treupflicht7. (6) Des Dritten gegen die Gesellschaft: Hat der Dritte mit der Gesellschaft Ver- 50 traulichkeit vereinbart oder ergibt sich das als (vor-)vertragliche Pflicht ipso iure und wird diese verletzt, so ist der Anspruch des Dritten (Verschulden und Schaden unterstellt) fraglos. Hat aber nicht die Gesellschaft, sondern der über § 51a informierte Gesellschafter die Vertraulichkeit verletzt, so ist schon fraglich, ob sich die Gesellschaft dieses Fehlverhalten zurechnen lassen muss: Weder § 31 noch § 278 BGB treffen zu8. Etwas anderes mag gelten, wenn die Gesellschaft den Gesellschafter ausdrücklich auf ihre Pflichten gegenüber dem Dritten hingewiesen und ihn in diese einbezogen hat. Man kann fragen, ob sie dazu nicht sogar dem Dritten gegenüber verpflichtet ist (s. Rn 10). (7) Des Dritten gegen den Gesellschafter: Hat der Gesellschafter mit seiner Ver- 51 letzung der Vertraulichkeit in ein absolut geschütztes Recht des Dritten eingegriffen (zB Patent, ausgeübter Gewerbebetrieb), so ist er unmittelbar aus § 823 1 So aber Scholz/Uwe H. Schneider § 43 Rn 301; dagegen U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 77. 2 So aber R/A/Roth Rn 37; B/S/Masuch Rn 24; R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 29; wie hier Scholz/K. Schmidt Rn 48; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 75, 77; MünchKomm/Hillmann Rn 104; B/H/Zöllner Rn 51; vgl auch Berg NZG 2008, 641 sowie Gansen GmbHR 1987, 458, 461 f. 3 So aber A. Reuter BB 1986, 1653, 1658; wie hier im Ergebnis aber auch U/H/L/Hüffer/ Schürnbrand Rn 75. 4 So aber Bremer GmbHR 2000, 176, 180. 5 So B/H/Zöllner Rn 52; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 75. 6 Vgl A. Reuter BB 1986, 1653, 1659. 7 A. Reuter BB 1986, 1653, 1659; zustimmend R/A/Roth Rn 37; B/H/Zöllner Rn 53; zweifelnd U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 76. 8 AA B/H/Zöllner Rn 55 (Gesellschafter sei Erfüllungsgehilfe).

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§ 51b | Gerichtliche Entscheidung über das Auskunfts- und Einsichtsrecht Abs. 1 BGB verpflichtet. Liegt das nicht vor, so kann man nicht annehmen, der Gesellschafter sei in die Pflichten der Gesellschaft mit einbezogen; dazu fehlt der Gesellschaft das Mandat. Es kommt daher nur eine Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich der mitgliedschaftlichen Pflicht des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft zu Vertraulichkeit in Betracht. 52 Alle die Ansprüche setzen Verschulden voraus; ist der Gesellschafter selbst be-

troffen, so ist er zur Schadensminderung verpflichtet, dh zur Einleitung des Verfahrens nach § 51b. An die Entscheidung des dortigen Gerichts ist aber das über den Schadensersatzanspruch entscheidende Prozessgericht nicht gebunden.

13. Anfechtung 53 Die Anfechtung eines (anderen) Beschlusses der Gesellschafterversammlung (zB

Entlastung, Unternehmensvertrag) wegen zu Unrecht vorenthaltener Informationen als Verfahrensfehler ist möglich1 (vgl auch Anh zu § 47 Rn 52). Vorschaltung des Erzwingungsverfahrens nach § 51b ist nicht erforderlich2 (§ 51b Rn 19, dort auch zur streitigen Frage der Bindungswirkung). Zu unterscheiden hiervon ist die Frage, ob der Betroffene den Beschluss der Gesellschafterversammlung nach § 51a Abs. 2 Satz 2 trotz des Erzwingungsverfahrens nach § 51b ebenfalls anfechten kann. Dies ist nur dann möglich, wenn ein über die Informationserteilung hinausgehendes Interesse besteht3.

§ 51b Gerichtliche Entscheidung über das Auskunfts- und Einsichtsrecht Für die gerichtliche Entscheidung über das Auskunfts- und Einsichtsrecht findet § 132 Abs. 1, 3 und 4 des Aktiengesetzes entsprechende Anwendung. Antragsberechtigt ist jeder Gesellschafter, dem die verlangte Auskunft nicht gegeben oder die verlangte Einsicht nicht gestattet worden ist.

1 Unstreitig, vgl nur Scholz/K. Schmidt Rn 47, Anh zu § 47 Rn 52. 2 BGH GmbHR 1988, 213, 214 mit zustimmender Anm K. Schmidt EWiR 1988, 271; OLG Hamburg GmbHR 1985, 120; Scholz/K. Schmidt Rn 47; B/H/Zöllner Rn 49 mwN. 3 So BGH GmbHR 1988, 213, 214 mit zustimmender Anm K. Schmidt EWiR 1988, 271; vgl weiter BGH ZIP 2009, 1158, 1159 (zu Vorratsbeschlüssen); ähnlich B/H/Zöllner Rn 46; Scholz/K. Schmidt Rn 42; K. Schmidt FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 580; aA R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 29; MünchHdbGmbH/Schiessl/Böhm § 33 Rn 32; B. Schneider GmbHR 2008, 638, 642 f (zu Vorratsbeschlüssen).

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Gerichtliche Entscheidung über das Auskunfts- und Einsichtsrecht | § 51b Durch die Novelle 1980 eingefügt; amtliche Überschrift ergänzt durch MoMiG vom 23.10. 2008 (BGBl I 2026). Anpassung an die geänderten §§ 132, 99 AktG durch das FGG-Reformgesetz vom 17.12.2008 (BGBl I 2586). Streichung des Verweises auf den (geänderten) § 132 Abs. 5 AktG durch das 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz vom 23.7.2013 (BGBl I 2586). 1. Zuständigkeit und Verfahren . . . . 1 2. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . 12 3. Verfahrensgrundsätze . . . . . . . . . 18

4. Verhältnis zu anderen Verfahren . 19 5. Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 6. Zweipersonen-Gesellschaft . . . . . 23

Literatur: Driesen Informationserzwingungsverfahren: Zuständigkeiten für gerichtliche Entscheidungen nach § 51b GmbHG, GmbHR 2000, 1252; Gustavus Das Informationserzwingungsverfahren nach § 51b GmbHG in der Praxis, GmbHR 1989, 181; Jänig/Leisring FamFG: Neues Verfahrensrecht für Streitigkeiten in AG und GmbH, ZIP 2010, 110; Schuschke Einstweiliger Rechtsschutz im Auskunftserzwingungsverfahren nach §§ 51a, 51b GmbHG nach der Reform des Rechts der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, FS Brambring, 2011, S. 335; Stangier/Bork Das Informationserzwingungsverfahren nach dem GmbHG, GmbHR 1982, 169; Tietze Die Informationsrechte des GmbH-Gesellschafters, 1985.

1. Zuständigkeit und Verfahren a) Örtlich und sachlich zuständig ist ausschließlich das LG am Sitz der GmbH 1 (§ 132 Abs. 1 AktG)1; die funktionelle Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen folgt aus § 95 Abs. 2 Nr. 2 iVm § 71 Abs. 2 Nr. 4 Buchst b GVG. Die Ermächtigung für die Landesregierungen zum Erlass von Konzentrationsverordnungen folgt aus § 71 Abs. 4 GVG2. b) Die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts kann ad hoc nach Entstehung des 2 Streits, aber auch vorweg in einem besonderen Schiedsvertrag nach §§ 1029, 1031 ZPO zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern schriftlich vereinbart werden3, soweit nicht schon eine Regelung in der Satzung eingreift (§ 3 Rn 109 ff)4. c) Das Verfahren wird durch einen schriftlichen oder zu Protokoll der Ge- 3 schäftsstelle gemäß § 25 Abs. 1 FamFG erklärten Antrag eingeleitet (zum An1 MünchKomm/Hillmann Rn 17; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 13. 2 Einzelheiten bei Michalski/Römermann Rn 28 ff; Scholz/K. Schmidt Rn 18. 3 OLG Koblenz GmbHR 1990, 556, 557; OLG Hamm GmbHR 2000, 676 mit zustimmender Anm Emde und Ebbing NZG 2000, 1184; R/A/Roth Rn 7; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 27; MünchKomm/Hillmann Rn 31 mwN; aA noch OLG Köln GmbHR 1989, 207, 208; LG Mönchengladbach GmbHR 1986, 390, 391 mit Anm von Gerkan EWiR 1986, 803 = JZ 1987, 99 mit ablehnender Anm Bork. 4 OLG Hamm GmbHR 2000, 676; Scholz/K. Schmidt Rn 5; MünchKomm/Hillmann Rn 31 f.

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§ 51b | Gerichtliche Entscheidung über das Auskunfts- und Einsichtsrecht tragsteller näher Rn 13), der die Angelegenheit der Gesellschaft und die Art der begehrten Information so genau bezeichnet, dass das Gericht einen hinreichend bestimmten und vollstreckbaren Tenor formulieren kann1, ggf muss das Gericht auf eine sachgerechte Antragstellung hinwirken2. Der Antrag soll begründet werden (§ 23 Abs. 1 FamFG). Eine Frist zur Einleitung des Verfahrens besteht nicht, insbesondere ist § 132 Abs. 2 Satz 2 AktG mangels Verweises nicht anzuwenden3. 4 Die Parteien des Auskunftsverfahrens können, müssen sich aber nicht anwalt-

lich vertreten lassen (§ 10 FamFG)4, vertretungsbefugt sind neben Rechtsanwälten nur die in § 10 Abs. 2 Satz 2 FamFG genannten Personen; zu ihnen gehören auch Beschäftigte eines Beteiligten oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens.

5 Eine Entscheidung durch Einzelrichter in erster Instanz ist unzulässig, da im

FamFG außerhalb des Beschwerdeverfahrens nicht vorgesehen.

6 Das Verfahren endet durch einen mit Gründen versehenen, vollstreckungsfähi-

gen Beschluss, § 99 Abs. 3 Satz 1 AktG5. Mit dem FamFG wird der Rechtsmittelzug mit dem dreistufigen Instanzenzug anderer Verfahrensordnungen in Einklang gebracht6. Wird die Informationserteilung nicht mehr verweigert, tritt Erledigung der Hauptsache ein7.

7 Das statthafte Rechtsmittel gegen die Endentscheidung ist die (befristete) Be-

schwerde gemäß §§ 58 Abs. 1, 63 Abs. 1 FamFG8. Sie findet jedoch gemäß § 132 Abs. 3 Satz 2 AktG nur statt, wenn das Landgericht sie in der Entscheidung für zulässig erklärt hat9. § 70 Abs. 2 FamFG gilt entsprechend und klärt damit, wann die Beschwerde zuzulassen ist. Eine „Nichtzulassungsbeschwerde“ gibt es nicht. Die Beschwerde ist durch Einreichung einer von einem Rechtsanwalt unterzeichneten Beschwerdeschrift einzulegen (§ 132 Abs. 3 Satz 1 iVm § 99 Abs. 3 Satz 4 AktG), und zwar bei dem Gericht, dessen Beschluss angefochten wird (§ 64 Abs. 1 FamFG) – also beim Landgericht und innerhalb einer Frist von einem Monat ab Bekanntgabe der Entscheidung an den Beschwerdeführer (§ 63 FamFG)10. Hilft das Landgericht der Beschwerde nicht ab, hat es die Beschwerde dem Oberlandesgericht gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 2 GVG vorzulegen. Gegen eine 1 2 3 4 5 6 7 8 9

Näher MünchKomm/Hillmann Rn 7; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 5 ff. OLG Frankfurt GmbHR 1995, 904 und OLG Frankfurt GmbHR 1997, 130, 131. B/S/Masuch Rn 4; MünchKomm/Hillmann Rn 6. Wicke Rn 2; MünchKomm/Hillmann Rn 21. BayObLG GmbHR 1989, 204, 205; MünchKomm/Hillmann Rn 33. BegrRegE FGG-ReformG, BT-Drucks 16/6308, S. 166. OLG München GmbHR 2008, 819, 820. MünchKomm/Hillmann Rn 37; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 14. R/A/Roth Rn 6; ausführlich MünchKomm/Hillmann Rn 37; vgl weiter K. Schmidt/Lutter/Spindler § 132 AktG Rn 22. 10 MünchKomm/Hillmann Rn 38; Scholz/K. Schmidt Rn 29.

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Entscheidung des Oberlandesgerichts existiert nunmehr unter weiteren Voraussetzungen (insbesondere einer Zulassung) die Möglichkeit einer Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof, §§ 70 ff FamFG iVm § 133 GVG1. Neben- und Zwischenentscheidungen sind nur anfechtbar, wenn dies im Gesetz 8 ausdrücklich vorgesehen ist, dann mit der sofortigen Beschwerde in entsprechender Anwendung von §§ 567 ff ZPO2. d) Die Vollstreckung erfolgt gemäß § 95 Abs. 1, 4 FamFG nach den Vorschrif- 9 ten der ZPO, insbesondere gemäß §§ 888 und 883, 885 bis 887 ZPO. Dies bedeutet: Gemäß § 888 ZPO3 durch Verhängung von Zwangsgeld gegen die Gesellschaft bzw Zwangshaft gegen den Geschäftsführer4; eine Androhung ist weder erforderlich noch zulässig5; Vollstreckung von Einsichtsansprüchen auch nach § 883 Abs. 2 ZPO6. Bei Unmöglichkeit7 der Informationserteilung ist die Vollstreckung ausgeschlossen. Kann die Gesellschaft der Informationspflicht nur mit Hilfe eines Dritten (Finanzamt, Staatsanwaltschaft, Tochtergesellschaft) erfüllen, tritt Unmöglichkeit nur dann ein, wenn sie mit der dargebotenen Intensität versucht hat, die Mitwirkung des Dritten zu erlangen8. Eine vorläufige Vollstreckung (gegen Sicherheitsleistung) ist nicht vorgesehen9. Im Vollstreckungsverfahren ist die sofortige Beschwerde nach den allgemeinen Grundsätzen (also ohne Erfordernis der Zulassung durch das LG) zulässig (§ 793 ZPO)10. Materiell-rechtliche Einwendungen – zB der Wegfall der Antragsberechtigung eines ausgeschiedenen Gesellschafters (Rn 14) – sind im Vollstreckungsverfahren im Wege des „Vollstreckungsgegenantrags“ analog § 767 ZPO geltend zu machen11. Seit der Reform des FGG gibt es auch die Möglichkeit des einstweiligen Rechts- 10 schutzes gemäß § 99 Abs. 1 AktG iVm §§ 49 ff FamFG, dh das Gericht kann 1 MünchKomm/Hillmann Rn 40; vgl weiter K. Schmidt/Lutter/Spindler § 132 AktG Rn 28 ff. 2 BegrRegE FGG-ReformG, BT-Drucks 16/6308, S. 166. 3 BayObLG GmbHR 1989, 204; OLG München GmbHR 2008, 208, 209; MünchKomm/ Hillmann Rn 49; vgl weiter K. Schmidt/Lutter/Spindler § 132 AktG Rn 36 mwN. 4 OLG München GmbHR 2008, 208, 209; OLG Koblenz WM 1985, 829, 830; Scholz/ K. Schmidt Rn 28. 5 BayObLG ZIP 1996, 1039, 1040 = GmbHR 1996, 455 (LS). 6 OLG Frankfurt GmbHR 1991, 577; Gustavus GmbHR 1989, 181, 186; Wicke Rn 3; aA B/H/Zöllner Rn 17 (§ 888 ZPO). 7 Vgl dazu OLG München GmbHR 2008, 208, 209. 8 OLG Frankfurt GmbHR 1991, 577. 9 Scholz/K. Schmidt Rn 28; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 20 aE mwN. 10 BayObLG ZIP 1996, 1039, 1040 = GmbHR 1996, 455 (LS); U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 22. 11 OLG München GmbHR 2008, 208, 209; MünchKomm/Hillmann Rn 52.

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§ 51b | Gerichtliche Entscheidung über das Auskunfts- und Einsichtsrecht durch einstweilige Anordnung vorläufige Maßnahmen treffen1. Leistungsverfügungen gemäß §§ 935, 940 ZPO werden aufgrund der strengen Anforderungen hingegen auch nach neuer Rechtslage kaum in Betracht kommen2. 11 Die rechtskräftige Entscheidung ist vom Geschäftsführer unverzüglich zum

Handelsregister einzureichen, § 99 Abs. 5 Satz 3 AktG3. In der Praxis geschieht das nicht, ohne dass hiergegen bisher von den Gerichten oder dem Handelsregister etwas unternommen würde4.

2. Voraussetzungen 12 a) Der Antrag setzt die Erklärung voraus, dass ein entsprechendes Informations-

ersuchen von der Gesellschaft abgelehnt oder innerhalb angemessener Frist nicht erfüllt worden ist5. Ein Verweigerungsbeschluss gemäß § 51a Abs. 2 Satz 2 ist nicht erforderlich; denn dieser Beschluss deckt nur intern den Geschäftsführer6. Die Richtigkeit der erteilten Information ist nicht Gegenstand des Verfahrens7. Doch kann geltend gemacht werden, dass die bislang erteilten Informationen unvollständig sind8; nach zutreffender Ansicht kann auch eine unrichtige9 Information eine Nichterfüllung der begehrten Auskunft sein10 (vgl auch Rn 18).

13 b) Antragsteller kann (1) nur ein in die im Handelsregister aufgenommene Ge-

sellschafterliste eingetragener Gesellschafter (§ 16 Abs. 1) sein11 (§ 51a Rn 5), dem (2) nach seiner Behauptung die begehrte Information nicht erteilt wurde. Andere und frühere Gesellschafter sind nicht antragsberechtigt und können dem Verfahren auch nicht beitreten12. Kein Antragsrecht haben Nießbraucher und Pfandgläubiger13 (vgl weiter § 51a Rn 5).

1 Ausführlich Schuschke FS Brambring, 2012, S. 335 ff; zustimmend R/A/Roth Rn 7; Scholz/K. Schmidt Rn 32. 2 Ausführlich MünchKomm/Hillmann Rn 30; ähnlich Scholz/K. Schmidt Rn 32. 3 Scholz/K. Schmidt Rn 27; B/H/Zöllner Rn 14; MünchKomm/Hillmann Rn 36. 4 Rechtspolitische Kritik an der Regelung bei Gustavus GmbHR 1989, 181, 186 f; MünchKomm/Hillmann Rn 36; Michalski/Römermann Rn 64 mwN. 5 OLG Karlsruhe GmbHR 1985, 362; Scholz/K. Schmidt Rn 12. 6 B/H/Zöllner Rn 4; R/A/Roth Rn 2; aA Scholz/K. Schmidt Rn 12 mwN. 7 B/H/Zöllner Rn 1; R/S-L/Koppensteiner/Gruber Rn 7. 8 So auch (für AG) K. Schmidt/Lutter/Spindler § 132 AktG Rn 9 mwN; vgl weiter B/H/ Zöllner Rn 1. 9 Sehr streitig, aber auch für die AG heute hM: vgl K. Schmidt/Lutter/Spindler § 132 AktG Rn 9 mwN. 10 So auch B/H/Zöllner Rn 1 aE; Wicke Rn 3; Scholz/K. Schmidt Rn 7 mwN. 11 R/A/Roth Rn 4; MünchKomm/Hillmann Rn 11; vgl zum früheren Recht OLG WM 1996, 160, 161. 12 Wie hier MünchKomm/Hillmann Rn 11; teilweise abweichend Scholz/K. Schmidt Rn 12 aE. 13 Scholz/K. Schmidt Rn 11 mwN.

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Verliert der Antragsteller während des Verfahrens die Gesellschaftereigenschaft, 14 so endigt mit der Änderung der Gesellschafterliste sein Informationsanspruch nach § 51a1 (vgl § 51a Rn 5); der Antrag wird unbegründet2 und ist abzuweisen, sofern er nicht zurückgenommen oder die Hauptsache für erledigt erklärt oder im Falle der Erbfolge das Verfahren analog § 239 ZPO unterbrochen wird. § 265 ZPO ist nicht entsprechend anwendbar, da das Verfahren nach § 51b nur der gerichtlichen Geltendmachung eines bestehenden Informationsanspruchs aus der Gesellschafterstellung dient, nicht aber der Kontrolle eines die Information verweigernden früheren Verhaltens der Gesellschaft oder Gesellschafterbeschlusses3. Der nach dem Ausscheiden des Gesellschafters evtl vorhandene Anspruch gemäß § 810 BGB ist im Verfahren nach § 51b nicht verfolgbar4 (dazu noch Rn 20), doch kann sich unter bestimmten Umständen (fehlerhafte Verweisung) die Prüfungskompetenz des Gerichts der FG auch auf den sachlich zu bescheidenden Anspruch aus § 810 BGB erweitern5. Die bloße Kündigung führt nicht zum Verlust der Gesellschafterstellung; dieser 15 tritt erst ein, wenn die von Gesetz (§§ 15, 16) und Satzung (zB Zustimmung nach § 15 Abs. 5) vorgesehenen Erfordernisse erfüllt sind6. Auch die schuldrechtliche Verpflichtung eines Gesellschafters zum Ausscheiden beendet dessen Gesellschafterposition nicht und ändert mithin nichts an seinem fortbestehenden Informationsanspruch7, wohl aber sein wirksamer (§ 34 Rn 52 ff) Ausschluss aus der Gesellschaft, mag der entsprechende Beschluss auch angefochten sein8 (§ 51a Rn 5). Ist streitig, ob der Beschluss über den Ausschluss des Gesellschafters/Einziehung 16 des Geschäftsanteils wirksam ist und ist deswegen eine Anfechtungsklage anhängig, so ist das Verfahren nach § 51b entsprechend § 148 ZPO auszusetzen9.

1 OLG Saarbrücken GmbHR 2011, 33, 34; B/H/Zöllner Rn 9. 2 OLG Karlsruhe NZG 2000, 435; ThürOLG GmbHR 1996, 699; OLG Schleswig GmbHR 2008, 434, 435; ausführlich Scholz/K. Schmidt Rn 13. 3 Ebenso Tietze Informationsrechte, S. 133 ff; R/A/Roth Rn 4; Scholz/K. Schmidt Rn 13; aA OLG Köln GmbHR 1989, 207, 208. 4 OLG Schleswig GmbHR 2008, 434, 435; Scholz/K. Schmidt Rn 9; B/H/Zöllner Rn 9; MünchKomm/Hillmann Rn 28; aA Gustavus GmbHR 1989, 181, 185. 5 OLG Frankfurt GmbHR 1995, 901, 902 für den Fall einer sachlich zu Unrecht erfolgten, aber bindenden Verweisung an Gericht der FG. 6 Zutreffend OLG Karlsruhe GmbHR 1985, 362; Scholz/K. Schmidt Rn 9; MünchKomm/ Hillmann Rn 28. 7 BayObLG GmbHR 1999, 1296, 1297; dazu Himmelmann EWiR 2000, 633. 8 OLG Karlsruhe NZG 2000, 435 = GmbHR 2000, 680 (LS). 9 Zutreffend OLG Schleswig GmbHR 2008, 434, 435.

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§ 51b | Gerichtliche Entscheidung über das Auskunfts- und Einsichtsrecht 17 c) Antragsgegner ist stets nur die GmbH, vertreten durch ihren Geschäftsfüh-

rer1, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch den Insolvenzverwalter2. Eine Umschreibung eines Auskunftstitels gegen die insolvent gewordene GmbH auf den Insolvenzverwalter gemäß § 727 ZPO kommt nicht in Betracht3.

3. Verfahrensgrundsätze 18 Gegenstand des Verfahrens ist nur, „ob“ Information erteilt werden muss, nicht

aber die Richtigkeit der erteilten Information. Letztere spielt nur insoweit eine Rolle, als in bestimmten Fällen das Informationsverlangen durch eine falsche Auskunft nicht erfüllt worden ist (vgl bereits Rn 12). Das Gericht hat von Amts wegen zu ermitteln (§ 26 FamFG)4. Aus der Pflicht der Beteiligten zur Verfahrensförderung (§ 27 Abs. 1 FamFG) folgt jedoch, dass die GmbH ihre Verweigerung, ggf durch Nachschieben von Verweigerungsgründen5, begründen und dass auch der Antragsteller Tatsachen vortragen muss, aus denen sich sein Anspruch ergibt, ggf unter Bezeichnung von Beweismitteln6. Kommt das Gericht trotz Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten nicht zu einer positiven Feststellung (non liquet), so muss das zulasten eines der Beteiligten gehen. Diese Feststellungslast trifft nach allgemeinen Grundsätzen jeden Beteiligten in Hinblick auf die ihm günstigen Tatsachen. Sie trifft die GmbH, wenn unklar bleibt, ob die tatsächlichen Voraussetzungen eines Informationsverweigerungsgrundes vorliegen7; sie trifft den Gesellschafter, wenn nicht festgestellt werden kann, dass der Informationsgegenstand zu den Angelegenheiten des Gesellschafters gehört, er überhaupt Informationen verlangt hat oder er Gesellschafter ist8.

4. Verhältnis zu anderen Verfahren 19 a) Neben dem Informationserzwingungsverfahren ist eine Anfechtung des Ver-

weigerungsbeschlusses nur möglich, sofern ausnahmsweise ein Rechtsschutzbedürfnis gegeben ist9. Das Verfahren nach § 51b und die Anfechtung des Be-

1 BGHZ 135, 48, 51 = GmbHR 1997, 705; OLG Hamm GmbHR 1986, 384; OLG Saarbrücken GmbHR 1964, 474, 475; MünchKomm/Hillmann Rn 15. 2 OLG Hamm GmbHR 2002, 163; BayObLG GmbHR 2005, 1360, 1361; Robrecht GmbHR 2002, 692, 693. 3 OLG Hamm GmbHR 2008, 662; B/S/Masuch Rn 13. 4 U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 16, Scholz/K. Schmidt Rn 25. 5 BGHZ 36, 121, 130; vgl auch Scholz/K. Schmidt Rn 23, 27. 6 U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 16; Scholz/K. Schmidt Rn 25. 7 BayObLG GmbHR 1989, 201, 203; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 16 aE. 8 U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 16; G/E/S/Teichmann Rn 11. 9 BGH GmbHR 1988, 213 f; U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 25; ähnlich R/A/Roth Rn 2 (lex specialis).

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Gerichtliche Entscheidung über das Auskunfts- und Einsichtsrecht | § 51b

schlusses, zu dessen Vorbereitung die Information begehrt wurde, sind indes grundsätzlich voneinander unabhängig1. Eine Anfechtungsklage setzt also nicht die vorherige Durchführung des Erzwingungsverfahrens voraus; eine dort getroffene Entscheidung hat keine Bindungswirkung für das Anfechtungsverfahren2. Daher muss dieses auch nicht bis zur rechtskräftigen Entscheidung in einem zulässigerweise anhängigen Erzwingungsverfahren ausgesetzt werden; dies kann aber zweckmäßig sein und ist zulässig3. b) Soweit das Informationsrecht Vorfrage in einem auf Leistung oder Feststel- 20 lung gerichteten Zivilprozess ist, kann diese Vorfrage incidenter geprüft werden, einer Aussetzung und eines gesonderten Verfahrens nach § 51b bedarf es nicht4. Andererseits ist in Informationserzwingungsverfahren kein Raum für eine Verbindung des Informationsanspruchs mit anderen Ansprüchen5, zB auf Vorlage des Jahresabschlusses6. Für eine (Leistungs-)Klage auf Informationserteilung fehlt wegen der Sonderregelung des § 51b das Rechtsschutzbedürfnis7. Ein ausgeschiedener Gesellschafter kann hingegen ggf nur Informationen gemäß § 810 BGB geltend machen (§ 51a Rn 3). Ist zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus der GmbH ein Verfahren nach § 51b anhängig, so kann dieses jedoch nicht mehr – nunmehr gestützt auf § 810 BGB – fortgesetzt werden8.

5. Kosten a) Geschäftswert und Gebühren Durch das 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz (vor Rn 1) wurde § 132 Abs. 5 21 AktG aus dem Verweisungszusammenhang gestrichen; die Kosten richten sich jetzt allein nach dem neuen GNotKG. Dies bedeutet: Im Verfahren des ersten Rechtszuges fallen 2 volle Gebühren, im zweiten Rechtszug 3 volle Gebühren an (Nr. 13500 Tabelle A zu § 34 GNotKG)9. Der Regelgeschäftswert beträgt gemäß 1 BGHZ 86, 1, 3 (für AG); ausführlich Lüke ZGR 1990, 657, 660 ff. 2 BGHZ 180, 9 Rn 35; ausführlich K. Schmidt/Lutter/Spindler § 132 AktG Rn 45 mwN. 3 BGHZ 86, 1, 3; BGH GmbHR 1988, 213 f; Scholz/K. Schmidt Rn 9; vgl weiter K. Schmidt/ Lutter/Spindler § 132 AktG Rn 44. 4 BGH GmbHR 1988, 213 mit Anm K. Schmidt EWIR 1988, 271; R/A/Roth § 51a Rn 37; vgl weiter K. Schmidt/Lutter/Spindler § 132 AktG Rn 46 mwN. 5 ZB Zahlungsanspruch; zutreffend Gustavus GmbHR 1989, 181, 184. 6 Richtig LG München GmbHR 2005, 937. 7 BGH GmbHR 1995, 905; OLG Saarbrücken GmbHR 1994, 474, 475; OLG Saarbrücken GmbHR 2011, 33, 34; OLG Schleswig GmbHR 2008, 434, 435; aA noch Jestaedt GmbHR 1994, 442. 8 OLG Saarbrücken GmbHR 2011, 33, 34; vgl weiter OLG Karlsruhe NJW-RR 2000, 626 f; OLG Schleswig GmbHR 2008, 434 f; Scholz/K. Schmidt Rn 13. 9 MünchKomm/Hillmann Rn 44.

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§ 51b | Gerichtliche Entscheidung über das Auskunfts- und Einsichtsrecht § 36 Abs. 3 GNotKG nach wie vor 5 000 Euro1, kann aber – insoweit in Übereinstimmung mit dem früheren Recht (§ 132 Abs. 5 AktG aF)2 – nach Inhalt und Umfang des Auskunftsverlangens auch niedriger oder höher sein3. Der Geschäftswert ist auch dann einheitlich (durch angemessene Erhöhung im Rahmen der Obergrenze von 30 Mio Euro gemäß § 35 Abs. 2 GNotKG) festzustellen, wenn mehrere Beteiligte Informationsanträge gestellt haben; eine Multiplikation findet nicht statt4. Beschwerde gegen die Geschäftswertfestsetzung gemäß § 83 GNotKG. Die Anwaltskosten richten sich nach Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses zu § 2 Abs. 2 RVG5. b) Kostenentscheidung 22 Trotz des unscharfen Wortlauts des § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG („kann“) wird in

der Praxis die Kostenentscheidung nach wie vor nach billigem Ermessen getroffen werden6. Regelmäßig wird es der Billigkeit entsprechen, der unterlegenen Partei die Kosten aufzuerlegen, wobei indes zwischen gerichts- und außergerichtlichen Kosten eine unterschiedliche Regelung getroffen werden kann7. Bei Unbegründetheit des Antrags aufgrund des Verlusts der Gesellschaftereigenschaft (Rn 14) ist der bis zum Verlustzeitpunkt gegebene Sachstand zu berücksichtigen (Rechtsgedanke des § 91a ZPO). Ergänzung einer vergessenen Kostenentscheidung gemäß § 43 FamFG binnen einer Frist von zwei Wochen möglich. Gegen die Kostenentscheidung ist bei Erreichen der Beschwerdesumme heute ein eigenständiges Rechtsmittel (Beschwerde zum OLG) auch dann möglich, wenn dies gegen die Entscheidung in der Hauptsache nicht zulässig ist (vgl § 61 Abs. 1 FamFG)8.

6. Zweipersonen-Gesellschaft 23 Zu Sonderproblemen in der Zweipersonen-Gesellschaft vgl Jestaedt GmbHR

1994, 442.

1 So auch Wicke Rn 3 aE. 2 So auch R/A/Roth Rn 7. 3 MünchKomm/Hillmann Rn 45; zum früheren Recht: BGH GmbHR 1992, 815; BayObLG DB 1991, 1318; OLG Köln GmbHR 1995, 301. 4 MünchKomm/Hillmann Rn 45; zum früheren Recht: auch BayObLG DB 2001, 139 = GmbHR 2001, 76 (LS); aA Lappe EWiR 2001, 167. 5 MünchKomm/Hillmann Rn 48. 6 So auch Scholz/K. Schmidt Rn 31 („Redaktionsversehen“); ebenso MünchKomm/Hillmann Rn 46. 7 U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 24; Scholz/K. Schmidt Rn 31. 8 U/H/L/Hüffer/Schürnbrand Rn 24; B/S/Masuch Rn 12; vgl weiter K. Schmidt/Lutter/ Spindler § 132 AktG Rn 40.

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Aufsichtsrat | § 52

§ 52 Aufsichtsrat (1) Ist nach dem Gesellschaftsvertrag ein Aufsichtsrat zu bestellen, so sind § 90 Abs. 3, 4, 5 Satz 1 und 2, § 95 Satz 1, § 100 Abs. 1 und 2 Nr. 2 und Abs. 5, § 101 Abs. 1 Satz 1, § 103 Abs. 1 Satz 1 und 2, §§ 105, 107 Absatz 3 Satz 2 und 3 und Absatz 4, §§ 110 bis 114, 116 des Aktiengesetzes in Verbindung mit § 93 Abs. 1 und 2 Satz 1 und 2 des Aktiengesetzes, § 124 Abs. 3 Satz 2, §§ 170, 171, 394 und 395 des Aktiengesetzes entsprechend anzuwenden, soweit nicht im Gesellschaftsvertrag ein anderes bestimmt ist. (2) Ist nach dem Drittelbeteiligungsgesetz ein Aufsichtsrat zu bestellen, so legt die Gesellschafterversammlung für den Frauenanteil im Aufsichtsrat und unter den Geschäftsführern Zielgrößen fest, es sei denn, sie hat dem Aufsichtsrat diese Aufgabe übertragen. Ist nach dem Mitbestimmungsgesetz, dem Montan-Mitbestimmungsgesetz oder dem Mitbestimmungsergänzungsgesetz ein Aufsichtsrat zu bestellen, so legt der Aufsichtsrat für den Frauenanteil im Aufsichtsrat und unter den Geschäftsführern Zielgrößen fest. Liegt der Frauenanteil bei Festlegung der Zielgrößen unter 30 Prozent, so dürfen die Zielgrößen den jeweils erreichten Anteil nicht mehr unterschreiten. Gleichzeitig sind Fristen zur Erreichung der Zielgrößen festzulegen. Die Fristen dürfen jeweils nicht länger als fünf Jahre sein. (3) Werden die Mitglieder des Aufsichtsrats vor der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister bestellt, gilt § 37 Abs. 4 Nr. 3 und 3a des Aktiengesetzes entsprechend. Die Geschäftsführer haben bei jeder Änderung in den Personen der Aufsichtsratsmitglieder unverzüglich eine Liste der Mitglieder des Aufsichtsrats, aus welcher Name, Vorname, ausgeübter Beruf und Wohnort der Mitglieder ersichtlich ist, zum Handelsregister einzureichen; das Gericht hat nach § 10 des Handelsgesetzbuchs einen Hinweis darauf bekannt zu machen, dass die Liste zum Handelsregister eingereicht worden ist. (4) Schadensersatzansprüche gegen die Mitglieder des Aufsichtsrats wegen Verletzung ihrer Obliegenheiten verjähren in fünf Jahren. Abs. 1 neu gefasst durch § 32 EGAktG, seitdem durch das BiRiLiG und das BilReG um die Verweisung auch auf die §§ 170, 171 AktG sowie durch das BilMoG vom 25.5.2009 (BGBl I 1102) durch die Verweisung auf die neuen §§ 100 Abs. 5, 107 Abs. 4 AktG und § 124 Abs. 3 Satz 2 AktG sowie durch die Aktienrechtsnovelle 2016 (BGBl I 2015, 2565) um die Verweisung auf die §§ 394, 395 AktG erweitert. Durch das VorstAG vom 31.7.2009 (BGBl I 2509) wurde die Verweisung auf § 93 Abs. 1 und 2 AktG durch die Verweisung auf § 93 Abs. 1 und 2 Satz 1 und 2 AktG ersetzt. Abs. 2 eingeschoben durch Gesetz vom 24.4.2015 (BGBl I 642); Abs. 3 (bisher Abs. 2) eingefügt durch das 1. KoordinierungsG von 1969 und zuletzt geändert durch das EHUG vom 10.11.2006 (BGBl I 2553); Abs. 4 (bisher Abs. 3) seit 1892 inhaltlich unverändert. Mit dem EHUG haben sich insbesondere die Vorschriften über Bekanntmachungen geändert; das MoMiG hatte keine Auswirkungen

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§ 52 | Aufsichtsrat auf § 52. Die in § 161 AktG normierte Erklärungspflicht des Aufsichtsrats gilt für die GmbH nicht. Das DrittelbG ist an die Stelle der §§ 76–87 BetrVG 1952 getreten. Durch das AReG vom 10.5.2016 (BGBl I 1142) ist in Abs. 1 für den Pflichtaufsichtsrat auf den Prüfungsausschuss und sein gesetzlich umschriebenes Aufgabenfeld verwiesen worden (§ 107 Abs. 3 Satz 2 AktG) sowie auf die obligatorischen Plenaraufgaben des Aufsichtsrats nach § 107 Abs. 3 Satz 3 AktG und die besonderen Befähigungen, die Überwachungsgremien in Unternehmen von öffentlichem Interesse vorhalten müssen. I. II. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. III. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.

Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . Der fakultative Aufsichtsrat . . . Bildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zahlenmäßige Zusammensetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bestellung . . . . . . . . . . . . . . . . Abberufung und Beendigung des Amtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Persönliche Voraussetzungen . . Kompetenz des fakultativen Aufsichtsrats; Zustimmungsvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überwachung der Geschäftsführung (= Mindestbefugnis eines Aufsichtsrats) . . . . . . . . . . . . . . Prüfung der Rechnungslegung . . Information des Aufsichtsrats; Verschwiegenheitspflicht . . . . . Innere Ordnung des Aufsichtsrats; Beschlüsse . . . . . . . . . . . . Haftung von Aufsichtsratsmitgliedern . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entlastung . . . . . . . . . . . . . . . . Der Pflicht-Aufsichtsrat nach DrittelbG . . . . . . . . . . . . . . . . Bildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zahlenmäßige Zusammensetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bestellung . . . . . . . . . . . . . . . . Amtszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . Persönliche Voraussetzungen . . Kompetenzen . . . . . . . . . . . . . . Art und Weise der Überwachung Information und Vertraulichkeit des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . Innere Ordnung . . . . . . . . . . . .

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10. Gleichbehandlung der Aufsichtsratsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . 61 11. Haftung und Ersatzansprüche der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . 63 12. Entlastung . . . . . . . . . . . . . . . . 64 IV. Der Frauenanteil in Geschäftsführung und Aufsichtsrat nach DrittelbG . . . . . . . . . . . . . . . . 64a 1. Ziel der Regelung . . . . . . . . . . . 64a 2. Erfasste Gesellschaften . . . . . . . 64b 3. Die Zuständigkeiten der Gesellschaftsorgane . . . . . . . . . . . . . . 64d 4. Festlegung der Zielgrößen . . . . . 64i 5. Erreichungsfristen . . . . . . . . . . 64l 6. Rechenschaft und Publizität . . . 64o 7. Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . 64t V. Gemeinsame Regeln zum fakultativen Aufsichtsrat und PflichtAufsichtsrat nach DrittelbG . . . 65 1. Bekanntmachung der Aufsichtsratsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . 65 2. Pflichten und Haftung; höchstpersönliche Ausübung des Amtes 66 3. Weisungen . . . . . . . . . . . . . . . 69b 4. Persönliche Rechte . . . . . . . . . . 70 5. Vertretung der Gesellschaft durch Aufsichtsrat . . . . . . . . . . 77 6. Bestellung und Anstellung des Abschlussprüfers/Konzernabschlussprüfers . . . . . . . . . . . . 80 7. Die Prüfung des Jahresabschlusses/Konzernabschlusses durch den Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . 82 8. Der Bericht des Aufsichtsrats an die Gesellschafterversammlung . 89 9. Beschluss und Beschlussmängel . 91

Aufsichtsrat | § 52 10. Interessenkonflikte und Pflichtenkollision . . . . . . . . . . . . . . . 11. Protokoll . . . . . . . . . . . . . . . . 12. Klagerechte einzelner Aufsichtsratsmitglieder . . . . . . . . . . . . . 13. Klagepflicht oder sonstige Maßnahmen des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds . . . . . . . . . . . . . . 14. Strafrecht/Deliktsrecht . . . . . . . 15. Der Aufsichtsrat: ein reines Innenorgan . . . . . . . . . . . . . . . . 16. Auskunftsansprüche der Gesellschafter über den Aufsichtsrat . VI. Der Aufsichtsrat in der Unternehmergesellschaft . . . . . . . . .

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VII. Sonderregeln für den Aufsichtsrat einer kapitalmarktorientierten GmbH . . . . . . . . . VIII. Beiräte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erscheinungsformen . . . . . . . . 2. Einrichtung . . . . . . . . . . . . . . 3. Zusammensetzung, Größe, innere Ordnung . . . . . . . . . . . . . 4. Bestellung, persönliche Voraussetzungen, Abberufung . . . . . . 5. Fehlerhafte Beiratsbeschlüsse . . 6. Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Persönliche Rechtsstellung . . . .

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Literatur: Altmeppen Die Auswirkungen des KonTraG auf die GmbH, ZGR 1999, 291; Banspach/Nowak Der Aufsichtsrat der GmbH – unter besonderer Berücksichtigung kommunaler Unternehmen und Konzerne, Der Konzern 2008, 195; Bergwitz Die GmbH im Prozess gegen ihren Geschäftsführer, GmbHR 2008, 225; Brouwer Zustimmungsvorbehalte des Aufsichtsrats im Aktien- und GmbH-Recht, 2008; Degen/Ruhwedel Der Aufsichtsrat und das Risikomanagement, Der Aufsichtsrat 2011, 138; Deilmann Abgrenzung der Überwachungsbefugnisse von Gesellschafterversammlung und Aufsichtsrat einer GmbH unter besonderer Berücksichtigung des mitbestimmten Aufsichtsrats, BB 2004, 253; Drygala/Drygala Wer braucht ein Frühwarnsystem?, ZIP 2000, 297; Elsing/Schmidt Individuelle Informationsrechte von Aufsichtsratsmitgliedern einer AG, BB 2002, 1705; Falkner Stimmverbote veräußerungswilliger Aufsichtsratsmitglieder bei Zustimmungsbeschlüssen zur Veräußerung von GmbH-Anteilen, GmbHR 2008, 458; Gaul/Otto Auswirkungen des TransPuG auf das Verhältnis zwischen GmbH-Geschäftsführung und Aufsichtsrat, GmbHR 2003, 6; Gesell Prüfungsausschuss und Aufsichtsrat nach dem BilMoG, ZGR 2011, 361; Hasselbach Überwachungs- und Beratungspflichten des Aufsichtsrats in der Krise, NZG 2012, 41; Heller Die Einberufung von Aufsichtsratssitzungen – ein Risikofaktor?, AG 2008, 160; Hoffmann Urteilsbildungs- und Verhinderungspflicht des Aufsichtsrats, AG 2012, 478; Hoffmann/Preu Der Aufsichtsrat, 5. Aufl 2003; Hommelhoff Risikomanagement im GmbH-Recht, FS Sandrock, 2000, S. 373; Hommelhoff/Mattheus Corporate Governance nach dem KonTraG, AG 1998, 249; Kort Corporate GovernanceFragen der Größe und Zusammensetzung des Aufsichtsrats bei AG, GmbH und SE, AG 2008, 137; Kort Das fehlerhaft bestellte Aufsichtsratsmitglied, Der Aufsichtsrat 2006, 84; Kremer/Bachmann/Lutter/v. Werder Kommentar zum Deutschen Corporate Governance Kodex, 6. Aufl 2016; Küting/Rösinger/Mojadadr Notwendigkeit eines Cash- und Liquiditätsmanagements, DB 2010, 625; Lange Der Beirat als Element der Corporate Governance in Familienunternehmen, GmbHR 2006, 897; Link/Vogt Professionalisierung von Aufsichtsräten: Auch ein Thema für die GmbH?, BB 2011, 1899; Löbbe Unternehmenskontrolle im Konzern, 2003; Lutter Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat, 3. Aufl 2006; Lutter Der Bericht des Aufsichtsrats an die Hauptversammlung, FS Baetge, 2007, S. 1003 = AG 2008, 1; Lutter Beraterverträge mit Aufsichtsratsmitgliedern in Gesellschaft und Konzern, FS Westermann, 2008, S. 1171; Lutter Verhaltenspflichten von Organmit-

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§ 52 | Aufsichtsrat gliedern bei Interessenkonflikten, FS Priester, 2007, S. 417; Lutter Interessenkonflikte und Business Judgment Rule, FS Canaris, Bd II, 2007, S. 245; Lutter/Kremer Die Beratung der Gesellschaft durch Aufsichtsratsmitglieder, ZGR 1992, 87; Lutter/Krieger/Verse Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 6. Aufl 2014; Martens Der Aufsichtsrat im Konzern, ZHR 159 (1995), 567; Miettinen/Willeda Abstimmungsformen des Aufsichtsrats, AG 2007, 346; Peus Der Aufsichtsratsvorsitzende, 1983; Potthoff/Trescher Das Aufsichtsratsmitglied, 6. Aufl 2003 (bearbeitet von Theisen); Rellermeyer Aufsichtsratsausschüsse, 1986; Reuter Der Beirat der GmbH, FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 631; Ruter Der Public Corporate Governance Kodex – wie er erstellt wird und was er beinhaltet, ZKF 2005, 97; Schaub „Nix wie raus!“ – Amtsniederlegung im Aufsichtsrat, Der Aufsichtsrat 2008, 122; Scheuffele/Baumgartner Beratungsverträge einer GmbH mit Mitgliedern ihres (mitbestimmten) Aufsichtsrats, GmbHR 2010, 400; K. Schmidt Aufsichtsratshaftung bei Insolvenzverschleppung – Das „Doberlug“-Urteil des BGH vom 20.9.2010 als neues Zeugnis eines unausgereiften Haftungskonzepts, GmbHR 2010, 1319; Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider Konzern-Compliance als Aufgabe der Konzernleitung, ZIP 2007, 2061; Seibert/Wedemann Der Schutz der Privatanschrift im elektronischen Handels- und Unternehmensregister, GmbHR 2007, 17; Semler Leitung und Überwachung der Aktiengesellschaft, 2. Aufl 1996; Semler/v. Schenck Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, 4. Aufl 2013; Spindler Kommunale Mandatsträger in Aufsichtsräten – Verschwiegenheitspflicht und Weisungsgebundenheit, ZIP 2011, 689; Sünner Der Bericht des Aufsichtsrats an die Hauptversammlung nach § 171 Abs. 2 AktG, AG 2008, 411; Theisen Information und Berichterstattung des Aufsichtsrats, 4. Aufl 2007; Thiessen Haftung des Aufsichtsrats für Zahlungen nach Insolvenzreife – Zugleich Besprechung der Entscheidung BGH ZIP 2010, 1988 (Doberlug), ZGR 2011, 275; Veil Weitergabe von Informationen durch den Aufsichtsrat an Aktionäre und Dritte, ZHR 172 (2008), 239; E. Vetter Die Vertretung der AG gegenüber den Mitgliedern des Vorstands im rechtsgeschäftlichen Verkehr – Anmerkungen zur Anwendung von § 112 AktG, FS G.H. Roth, 2011, S. 855; E. Vetter Corporate Governance in der GmbH – Aufgaben des Aufsichtsrats der GmbH, GmbHR 2011, 449; E. Vetter Zur Haftung im fakultativen Aufsichtsrat der GmbH, GmbHR 2012, 181; Weiss Beratungsverträge mit Aufsichtsrats- und Beiratsmitgliedern in der Aktiengesellschaft und der Gesellschaft mit beschränkter Haftung, BB 2007, 1853; Wiedemann Beiratsverfassung in der GmbH, FS Lutter, 2000, S. 801; Ziegelmeier Die Systematik der Haftung von Aufsichtsratsmitgliedern gegenüber der Gesellschaft, ZGR 2007, 144. Speziell zum BilMoG: Gruber Der unabhängige Finanzexperte im Aufsichtsrat nach dem Referentenentwurf des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes, NZG 2008, 12; Habersack Aufsichtsrat und Prüfungsausschuss nach dem BilMoG, AG 2008, 98; Leuering/Rubel Aufsichtsrat und Prüfungsausschuss nach dem BilMoG, NJW-Spezial 2008, 559; Maul/Lanfermann EU-Prüferrichtlinie: Neue Pflichtanforderungen für Audit Committees, DB 2006, 1505; Nonnenmacher/Pohle/v. Werder Aktuelle Anforderungen an Prüfungsausschüsse, DB 2007, 2412; Preußner Risikomanagement und Compliance in der aktienrechtlichen Verantwortung des Aufsichtsrats unter Berücksichtigung des Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts (BilMoG), NZG 2008, 574.

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Aufsichtsrat | § 52

I. Überblick 1. Im Unterschied zum AktG kennt das GmbHG keinen obligatorischen Auf- 1 sichtsrat. Es erlaubt jedoch ausdrücklich seine Bildung durch die Satzung und verweist hinsichtlich seiner Ordnung und Aufgaben insoweit ergänzend auf einige Vorschriften des AktG. Dieser fakultative Aufsichtsrat ist auf die Gesellschafter bezogen, besteht mithin nicht im Allgemeininteresse. Von diesem Grundsatz gibt es drei durch die Mitbestimmung veranlasste Ausnahmen, in denen auch eine GmbH einen Aufsichtsrat bilden muss (Pflichtaufsichtsrat). Sie betreffen: (1) Die GmbH mit idR mehr als 1 000 Arbeitnehmern und Tätigkeit im sog Montanbereich nach dem MontanMitbestG 1951; das gilt auch für eine herrschende GmbH, die nicht selbst, wohl aber deren abhängige Unternehmen die Voraussetzungen des Gesetzes erfüllen, vgl §§ 2, 3 Abs. 1 Satz 2 MitbestErgG 1956 (sog Holding-Novelle); (2) die GmbH mit idR mehr als 2 000 Arbeitnehmern nach dem MitbestG 1976 und (3) die GmbH mit idR mehr als 500 Arbeitnehmern nach dem DrittelbG. Das MontanMitbestG findet auf 14, das MitbestG 1976 nur auf 343 GmbH Anwendung1; daher wird insoweit auf eine Kommentierung verzichtet und auf Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, Ulmer/Habersack/Löbbe/Heermann, Scholz/ Uwe H. Schneider, Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/Schnorbus sowie die Spezialkommentare verwiesen. Obligatorisch ist der Aufsichtsrat außerdem gemäß § 18 Abs. 2 Satz 1 KAGB für die Kapitalverwaltungs-GmbH. Im Gründungsstadium der GmbH ist der Aufsichtsrat nicht obligatorisch2. 2. Trotz gleichen Namens und trotz mancher Verweisung auf das AktG unter- 2 scheiden sich die rechtliche Struktur und der Charakter des Aufsichtsrats einer GmbH deutlich vom Aufsichtsrat einer AG. Das hängt mit der rechtlichen Stellung der anderen Organe (Gesellschafterversammlung und Geschäftsführung) und mit dem anderen gesellschaftsinternen Entscheidungsgefüge3 zusammen: Die Hauptversammlung der AG ist schwach, in der GmbH ist die Gesellschafterversammlung hingegen das oberste Organ, das alle Entscheidungen an sich ziehen kann (s. § 37 Rn 1); in der GmbH steht der Aufsichtsrat daher hierarchisch unter der Gesellschafterversammlung; seine Maßnahmen können – ggf mit satzungsändernder Mehrheit – von der Gesellschafterversammlung jederzeit auf1 Ehrenstein, Mitbestimmung 2016 Nr. 2 S.54. 2 Streitig; zutreffend B/H/Zöllner/Noack Rn 17; R/A/Altmeppen Rn 57; aA R/S-L/Koppensteiner 4. Aufl, Rn 23. 3 Vgl Scholz/Uwe H. Schneider Rn 70.

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§ 52 | Aufsichtsrat gehoben oder abgeändert werden (das gilt nicht für den Aufsichtsrat nach dem MontanMitbestG und dem MitbestG in Bezug auf die Bestellung und Abberufung sowie die Anstellung der Geschäftsführer); in der AG hingegen hat der Aufsichtsrat autonome Befugnisse und ist – jedenfalls von Rechts wegen – in keine Hierarchie eingebunden. Diese andere Struktur des GmbH-Aufsichtsrats ist bei der Übertragung und bei allen Fragen zur Anwendbarkeit und Auslegung aktienrechtlicher Vorschriften zum Aufsichtsrat zu bedenken.

II. Der fakultative Aufsichtsrat Vgl dazu Lutter/Krieger/Verse Rn 1181 ff. 3 Der fakultative Aufsichtsrat wird in seiner Existenz, seiner Zusammensetzung

und seinen Kompetenzen ausschließlich durch die Satzung festgelegt. Diese hat nicht nur die alleinige Kompetenz zur Bildung dieses dritten Organs der GmbH, sondern auch Vorrang vor jeder Verweisung auf die aktienrechtlichen Bestimmungen. Nur wo die Satzung die Bildung eines Aufsichtsrats zwar vorschreibt, im Übrigen aber – ganz oder teilweise – schweigt, kommt die Verweisung des § 52 Abs. 1 zum Tragen; aber auch sie erfolgt nur zu entsprechender Anwendung, also unter Berücksichtigung der anderen Struktur der GmbH. Die Verweisung ist nicht abschließend; entsprechend anwendbar sind vielmehr alle Vorschriften des AktG zum Aufsichtsrat, die zur personalen Struktur der GmbH nicht im Widerspruch stehen, insbesondere also das typische Entscheidungsgefüge (Hierarchie) unberührt lassen1. Das gilt vor allem für die §§ 1042, 107–109 AktG; dazu Rn 27, 54 ff3. Gründe für die statutarische Einrichtung eines fakultativen Aufsichtsrats bestehen vor allem in der GmbH mit mehr als fünf Gesellschaftern und der GmbH mit Investoren-Gesellschaftern; denn in diesen Fällen sind die Gesellschafter kaum bereit und in der Lage, die Geschäftsführung durch die Gesellschafterversammlung effektiv zu kontrollieren und ggf die Bestellung und Abberufung des Geschäftsführers professionell zu leisten. Der Aufsichtsrat ist Organ der GmbH mit einer Stellung zwischen Gesellschafterversammlung und Geschäftsführung. Im Einzelnen gilt:

1 Enger B/H/Zöllner/Noack Rn 31; G/E/S/Nießen Rn 20. 2 OLG Frankfurt GmbHR 2014, 477: keine Anwendung Pflichtaufsichtsrats-bezogener Bestimmungen. 3 Wie hier B/H/Zöllner/Noack Rn 31; Scholz/Uwe H. Schneider Rn 70 und 385; U/H/L/ Heermann Rn 22 und 61; jetzt auch R/S-L/Koppensteiner/Schnorbus Rn 7; vgl auch BGH WM 1983, 835, 836 = GmbHR 1984, 72 zu § 108 Abs. 4 Satz 4 AktG.

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Aufsichtsrat | § 52

1. Bildung Die Bildung des Organs erfolgt allein durch die ursprüngliche oder geänderte 4 Satzung1; daher ist das schuldrechtlich (zB in einem Kreditvertrag) geschaffene Gremium nicht Aufsichtsrat2. Der Name ist gleichgültig; auch ein „Beirat“, „Verwaltungsrat“ oder „Gesellschafterausschuss“ kann funktional Aufsichtsrat sein; entscheidend ist die Kompetenz zur Überwachung der Geschäftsführer (dazu Rn 16); daher ist wiederum unabhängig vom Namen ein nur beratendes Gremium nicht Aufsichtsrat iS dieser Regel. 2. Zahlenmäßige Zusammensetzung Die zahlenmäßige Zusammensetzung des Aufsichtsrats ist zunächst Sache der 5 Satzung. Dabei soll nach hM3 auch ein Ein-Personen-Aufsichtsrat möglich sein. Das ist problematisch, da das Bild vom Aufsichtsrat, auf das § 52 ersichtlich Bezug nimmt, vom kollektiven Organ mit mehreren Mitgliedern geprägt wird (§ 95 Satz 1 AktG und BGHZ 65, 192 zum beschließenden Ausschuss). Schweigt die Satzung, so ist daher § 95 Satz 1 AktG entsprechend anzuwenden4; das zur Bestellung zuständige Organ kann dann aber auch mehr als drei Mitglieder in den Aufsichtsrat wählen. 3. Bestellung Die Bestellung der Mitglieder erfolgt durch die Gesellschafterversammlung mit 6 einfacher Mehrheit (§ 47 Abs. 1), wobei aber der Satzung jede Abweichung erlaubt ist: Bestellung durch Gesellschafterausschuss, Entsendungsrechte von Gesellschaftern oder Dritten5, Kooptation, namentliche Festlegung in der Satzung selbst oder in letztwilliger Verfügung eines ehemaligen Gesellschafters etc. Nur die (Fremd-)Geschäftsführer sind von jeder Mitwirkung an der Bestellung ausgeschlossen (nicht also der Gesellschafter-Geschäftsführer6); der zu Überwachende darf nicht seinen Überwacher berufen können. Bestellung und Abberufung setzen eine klare Willensäußerung des zuständigen Organs voraus; „konkludente“ Vorgänge dieser Art gibt es nicht7. 1 U/H/L/Heermann Rn 25. 2 Wiedemann FS Schilling, 1973, S. 107. 3 RGZ 82, 388; Scholz/Uwe H. Schneider Rn 208; B/H/Zöllner/Noack Rn 32; R/A/Altmeppen Rn 7; aA Lutter/Krieger/Verse Rn 1186. 4 R/S-L/Koppensteiner/Schnorbus Rn 10; Scholz/Uwe H. Schneider Rn 208; B/H/Zöllner/ Noack Rn 32; Kort AG 2008, 137, 139. 5 Streitig; wie hier R/S-L/Koppensteiner/Schnorbus Rn 17; Scholz/Uwe H. Schneider Rn 223; U/H/L/Heermann Rn 43; aA B/H/Zöllner/Noack Rn 43 mwN; vermittelnd R/A/Altmeppen Rn 12 f. 6 Zutreffend B/H/Zöllner/Noack Rn 41. 7 BGH WM 1983, 835, 836 = GmbHR 1984, 72; aA B/H/Zöllner/Noack Rn 41.

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§ 52 | Aufsichtsrat Ist die Bestellung aus welchen Gründen auch immer fehlerhaft, so bleibt das betreffende Mitglied doch im Amt mit allen Rechten und Pflichten, bis die Bestellung durch Anfechtung des fraglichen Beschlusses der Gesellschafterversammlung rechtskräftig vernichtet worden ist1. Für die Aufsichtsratsbeschlüsse ist der Betroffene dann als Nichtmitglied zu behandeln; das kann zu anderen Beschlussergebnissen führen2. Dennoch kommt in dieser zeitlichen Phase eine Ersatzbestellung durch das Gericht nicht in Betracht3; anderenfalls müsste bei Abweisung der Anfechtungsklage das Ersatzmitglied als Nichtmitglied behandelt werden. 7 Das Amt beginnt mit der (auch konkludent möglichen) Annahme4 oder zu dem

in der Satzung bzw dem Wahlbeschluss festgelegten späteren Zeitpunkt.

8 Die Fragen der Amtsdauer sind ungeregelt; die zeitliche Beschränkung des

§ 102 AktG gilt hier nicht. Fehlt eine besondere Regelung in der Satzung, so kann die Amtsdauer im Bestellungsbeschluss der Gesellschafterversammlung festgelegt werden; geschieht das nicht, so erfolgt die Bestellung auf unbegrenzte Zeit. Das ist sehr unzweckmäßig und sollte unbedingt vermieden werden, da dann – von Tod und Amtsniederlegung abgesehen – eine Beendigung nur durch förmliche Abberufung mit 3/4-Mehrheit erreicht werden kann5. Schreibt die Satzung eine Amtszeit vor, so kann die Festlegung nicht durch einfachen Beschluss der Gesellschafterversammlung durchbrochen werden6. Es besteht aber die Möglichkeit der Abberufung (Rn 9). 4. Abberufung und Beendigung des Amtes

9 Die Abberufung geschieht in gleicher Weise wie die Bestellung, also durch die

gleichen Organe/Personen mit gleicher, idR einfacher Mehrheit (§ 103 Abs. 1 Satz 2 AktG ist zwar anwendbar (3/4-Mehrheit), aber durch die Satzung abdingbar); dabei muss hier beim fakultativen Aufsichtsrat auch der sonst wichtige Grundsatz der Gleichbehandlung7 nicht beachtet werden. Ein wichtiger Grund zur Abberufung ist nicht erforderlich; liegt er vor, so genügt zur Abberufung stets einfache Mehrheit der Gesellschafterversammlung8. Eine Abberufung 1 Zur Lehre von der fehlerhaften Bestellung vgl Kort Der Aufsichtsrat 2011, 84 sowie OLG Frankfurt ZIP 2011, 24, 27 = AG 2011, 36, 39 f. 2 BGHZ 196, 195. 3 Vgl OLG Köln NZG 2011, 508 = AG 2011, 465; s. aber auch die Empfehlungen von Tielmann/Struck BB 2013, 1548, 1550; Schürnbrand NZG 2013, 483 f. 4 So auch Scholz/Uwe H. Schneider Rn 217. 5 U/H/L/Heermann Rn 48. 6 BGHZ 123, 15, 19 = GmbHR 1993, 497. 7 BGH WM 1987, 206, 207. 8 AA B/H/Zöllner/Noack Rn 47; U/H/L/Heermann Rn 50; R/A/Altmeppen Rn 14; R/S-L/ Koppensteiner/Schnorbus Rn 19.

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durch das Gericht kennt das Gesetz hier nicht, da auf § 103 Abs. 3 AktG nicht verwiesen wird (unstreitig); sie kann auch durch die Satzung nicht geschaffen werden. Das Amt endet mit Ablauf der in der Satzung oder im Bestellungsbeschluss fest- 10 gelegten Amtszeit ipso iure (keine Verlängerung durch einen die Satzung durchbrechenden Beschluss)1, auch wenn neue Mitglieder noch nicht gewählt sind. Davor endet das Amt mit dem Zugang der Abberufungserklärung, außerdem mit Tod, Verlust der Wählbarkeit, endgültigem Übertritt in die Geschäftsführung, Aufhebung des Aufsichtsrats2 sowie jederzeit möglicher Amtsniederlegung3, die wiederum nicht konkludent erfolgen kann4, sondern durch Erklärung gegenüber dem Geschäftsführer oder dem Aufsichtsratsvorsitzenden (hM). Die Niederlegung bedarf keines sachlichen Grundes5, darf aber auch nicht zur Unzeit erfolgen6. 5. Persönliche Voraussetzungen a) Aufsichtsratsmitglied kann nur eine natürliche und voll geschäftsfähige Per- 11 son sein (§ 100 Abs. 1 AktG); das kann auch durch die Satzung nicht abbedungen werden (hM)7. Zwingend ausgeschlossen sind darüber hinaus Geschäftsführer, Prokuristen, Generalbevollmächtigte und Generalhandlungsbevollmächtigte (§ 105 Abs. 1 AktG)8 sowie gesetzliche Vertreter von Unternehmen, die von der GmbH abhängig sind (§ 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AktG)9. Für die Mitglieder eines fakultativen Aufsichtsrats gilt die zahlenmäßige Beschränkung von Aufsichtsratssitzen für eine Person nicht; hier können also beliebig viele Mandate übernommen werden (§ 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AktG ist nicht in Bezug genommen). Das Gleiche gilt für die Fälle des § 100 Abs. 2 Nr. 3 und 4 AktG, die ebenfalls von § 52 Abs. 1 nicht in Bezug genommen sind10. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

BGHZ 123, 15, 18 = GmbHR 1993, 497. Lutter/Krieger/Verse Rn 1228. Dazu ausführlich Schaub Der Aufsichtsrat 2008, 122. BGH WM 1983, 835, 836 = GmbHR 1984, 72. HM, vgl Scholz/Uwe H. Schneider Rn 301; aA B/H/Zöllner/Noack Rn 52 für Bestellung auf bestimmte Zeit. U/H/L/Herrmann Rn 30; R/S-L/Koppensteiner/Schnorbus Rn 12; S/I/Peres Rn 34. AA B/H/Zöllner/Noack Rn 34; R/A/Altmeppen Rn 8 f; Wicke Rn 4. HM; OLG Frankfurt DB 1987, 85 = GmbHR 1987, 232; aA mit interessanten Gründen Scholz/Uwe H. Schneider Rn 256; U/H/L/Heermann Rn 36 und Großfeld/Brondics AG 1987, 301. Wie hier R/S-L/Koppensteiner/Schnorbus Rn 13; aA U/H/L/Heermann Rn 32: satzungsdispositiv. R/A/Altmeppen Rn 8 f; für den Fall des ehemaligen Geschäftsführers (= Nr. 4) vgl auch Grigoleit/Nippa/Steger ZfbF 63 (2011), 578 ff.

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§ 52 | Aufsichtsrat Ausgeschlossen sind auch leitende Personen eines Unternehmens, das mit der GmbH in Wettbewerb steht. Eine für den Aufsichtsrat relevante Konkurrenzsituation liegt vor, wenn beide Unternehmen ganz oder teilweise in demselben Marktsegment tätig sind und dieses für das jeweilige Unternehmen nicht bloß eine untergeordnete Rolle spielt. Der Wahlbeschluss für das zeitlich spätere Amt ist – wenn nicht alle Gesellschafter dieser GmbH zugestimmt haben – nichtig; vom ersten Amt kann das betreffende Mitglied wegen Verletzung der Loyalität durch die Gesellschafterversammlung aus wichtigem Grund abberufen werden1. Nicht ausgeschlossen sind gesetzliche Vertreter eines herrschenden Unternehmens im Aufsichtsrat der abhängigen GmbH (unstreitig). Seit der „Bremer Vulkan“-Entscheidung des BGH2 hat sich die Frage erledigt, ob dadurch ein sog qualifiziert faktischer Konzern entsteht; s. dazu § 13 Rn 28. Zwar kann die Satzung umfangreiche Voraussetzungen an die Person eines Aufsichtsratsmitglieds knüpfen (zB Familienzugehörigkeit, Ausbildung, Geschäftserfahrung etc)3, eine Einschränkung dieser Möglichkeit ergibt sich jedoch aus dem Diskriminierungsverbot des AGG, das gemäß § 6 Abs. 3 AGG auch auf Organmitglieder Anwendung findet. Eine Bestimmung „nur männliche Mitglieder der Familie X“ wäre danach unwirksam. Auch bei Altersregelungen für Aufsichtsratsmitglieder ist Umsicht geboten, diese sind nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig4. Auch Arbeitnehmer sind wählbar; dazu kann die Satzung Regelungen treffen, insbesondere in Modellen einer erweiterten Beteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat der GmbH, kann Vorschlagsrechte einführen, Verhältniszahlen festlegen oder Entsendungsrechte statuieren. Legt die Satzung keinerlei personelle Eigenschaften fest, so entscheidet das Bestellungsorgan nach freiem Ermessen; dann ist auch die Bestellung von Arbeitnehmern möglich5 und kann unterhalb der Aufsichtsratsmehrheit nicht schon per se als eine Treupflichtverletzung der Mehrheit gewertet werden; je nach den Mehrheitsverhältnissen in der GmbH empfehlen sich also genauere Regelungen in der Satzung. 12 Vorschlag zur Formulierung in der Satzung: Die Gesellschaft hat einen Auf-

sichtsrat, der aus mindestens drei und höchstens fünf natürlichen Personen be-

1 Näher Lutter/Kirschbaum ZIP 2005, 103; Lutter FS Beusch, 1993, S. 509 ff mwN; Lutter/ Krieger/Verse Rn 22 f; Uwe H. Schneider FS Goette, 2011, S. 475, 480 f; aA die noch hM: Überblick bei Kübler FS Claussen, 1997, S. 240 ff und R/A/Altmeppen Rn 9; Martinek WRP 2008, 51, 67; für die AG: OLG Schleswig ZIP 2004, 1143; die von der hM bevorzugte gerichtliche Abberufung aus wichtigem Grund steht als Lösung im GmbH-Recht nicht zur Verfügung. 2 BGHZ 149, 10 = GmbHR 2001, 1036. 3 B/H/Zöllner/Noack Rn 40. 4 Lutter BB 2008, 725, 730; Krause AG 2007, 392 ff. 5 BGH NJW 1975, 1657 für AG und OLG Bremen NJW 1977, 1153 für GmbH.

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steht, die von der Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit für eine Amtszeit von vier Jahren bestellt und mit gleicher Mehrheit jederzeit abberufen werden können. Im Übrigen gilt das Gesetz. b) Im Aufsichtsrat einer Gesellschaft, die als Unternehmen von öffentlichem 12a Interesse zu qualifizieren ist (§ 52 Abs 1 GmbHG iVm § 100 Abs. 5 Halbsatz 1 AktG), müssen die Ratsmitglieder in ihrer Gesamtheit mit dem Sektor (nicht zwingend mit den einzelnen Branchen) vertraut sein; darunter mindestens ein Ratsmitglied, das über Sachverstand auf den Gebieten Rechnungslegung oder Abschlussprüfung verfügt (§ 52 Abs. 1 GmbHG iVm §§ 107 Abs. 4, 100 Abs. 5 AktG). Zur erstmaligen Anwendung dieser durch das AReG (§ 52 eingangs) eingeführten Anforderungen s. § 7 EGGmbHG. Sektorvertrautheit ist nicht für jedes Aufsichtsratsmitglied einzufordern1, sondern lediglich für eine hinreichend große Zahl von ihnen, damit von Vertrautsein des Gesamtgremiums ausgegangen werden kann. Einzelne Aufsichtsratsmitglieder können die notwendigen Sektorkenntnisse in praktischer Tätigkeit erworben haben, aber alternativ auch durch intensive Weiterbildung oder als langjährig tätiger Angehöriger der beratenden Berufe2. Sollte im Aufsichtsrat ein Prüfungsausschuss eingerichtet sein, so gelten diese besonderen Anforderungen bloß für dies Gremium und seine Mitglieder, nicht aber für den Gesamtaufsichtsrat3. Diesem vermittelt der Prüfungsausschuss die besonderen Kenntnisse und Befähigungen. – Der Wahlvorschlag des Aufsichtsrats muss den Anforderungen aus § 100 Abs. 5 AktG Rechnung tragen4. 6. Kompetenz des fakultativen Aufsichtsrats; Zustimmungsvorbehalte a) Die Kompetenz umfasst nach der Verweisung in § 52 Abs. 1 vor allem die 13 Überwachung der Geschäftsführer (§ 111 AktG); das aber ist auch das Minimum: Ohne Überwachung kein Aufsichtsrat, sondern ein Beirat5 (unstreitig). Dazu gehört auch die Prüfung des Jahresabschlusses (§ 42a Abs. 1 Satz 3) und der Bericht des Aufsichtsrats darüber an die Gesellschafterversammlung6 sowie die Erteilung des Prüfungsauftrages an den Abschlussprüfer (§ 111 Abs. 2 Satz 3 AktG). In Gesellschaften ohne Abschlussprüfer ist die Prüfungspflicht des Aufsichtsrats freilich gegenüber der nach § 171 Abs. 1 AktG deutlich reduziert und beschränkt sich im Wesentlichen auf die Prüfung, ob die momentane Gesamtlage der Gesellschaft und ihre Veränderungen gegenüber dem Vorjahr dem entsprechen, was Jahresabschluss und Lagebericht hierzu enthalten. Die Satzung 1 2 3 4 5 6

Zweifelnd Behme/Zickgraf, AG 2016, R134 unter Berufung auf die Gesetzesbegründung. BegrRegE AReG BT-Drucks 18/7219, S. 67; vertiefend Behme/Zickgraf AG 2016, R134. AA Behme/Zickgraf AG 2016, R133. Näher Behme/Zickgraf AG 2016, R135. Vgl nur E. Vetter GmbHR 2011, 449, 452; B/H/Zöllner/Noack Rn 100. Dazu Lutter AG 2008, 1 ff.

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§ 52 | Aufsichtsrat kann die Zuständigkeit des Aufsichtsrats nahezu beliebig ausweiten, kann ihm jedoch nicht die Geschäftsführung im Ganzen übertragen, wohl aber Einzelmaßnahmen der Geschäftsführung1 und die delegierbaren Zuständigkeiten der Gesellschafterversammlung 2, also insbesondere die Bestellung und Anstellung, Abberufung und Kündigung der Geschäftsführer3, die Befugnis zu Weisungen gegenüber der Geschäftsführung (näher dazu Rn 69b), zur Erteilung einer Genehmigung nach § 15 Abs. 5, die Feststellung des Jahresabschlusses und sogar die Gewinnverteilung. 14 § 52 verweist auch auf § 112 AktG. Danach vertritt der Aufsichtsrat die Gesell-

schaft gegenüber den amtierenden und den ausgeschiedenen Geschäftsführern bei Rechtsgeschäften zwischen der Gesellschaft und ihnen und bei allen Streitigkeiten4. Das gilt auch für den fakultativen Aufsichtsrat5; doch kann das durch die Satzung auch anders geregelt werden (zB Vertretung durch Gesellschafterversammlung oder Beirat)6. Im Übrigen vgl Rn 77.

15 b) Zustimmungsvorbehalte gegenüber Maßnahmen der Geschäftsführung müs-

sen durch die Satzung oder den Aufsichtsrat geschaffen werden; § 52 Abs. 1 verweist auf § 111 Abs. 4 Satz 2 („hat“). Erfasst werden von diesen Zustimmungsvorbehalten lediglich bestimmte Arten von Geschäften, nicht erfasst wird die Unternehmensplanung bzw die allgemeine Geschäftspolitik7, wenngleich diese mit dem Geschäftsführer erörtert werden sollte damit ggf konkrete Zustimmungsvorbehalte ad hoc eingeführt werden können. Die Satzung kann die Festlegung solcher Zustimmungsvorbehalte des fakultativen Aufsichtsrats ausschließen oder beliebig einschränken8, kann andererseits aber auch über die Grenzen des Aktienrechts hinausgehen9. Ein Zustimmungsvorbehalt kann auch ad hoc beschlossen werden; die Entscheidung darüber steht im pflichtgemäßen Ermessen des Aufsichtsrats. Das Ermessen verdichtet sich zur Pflicht, wenn eine gesetzwidrige Geschäftsführungsmaßnahme nur noch durch Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts verhindert werden kann10; Gleiches gilt bei der Gefahr sat1 2 3 4 5 6 7 8

9 10

Scholz/Uwe H. Schneider Rn 161; B/H/Zöllner/Noack Rn 123. B/H/Zöllner/Noack Rn 128. BGH WM 1997, 1015. BGH ZIP 1999, 1669, 1670 mwN = GmbHR 1999, 1140; BGH ZIP 2004, 237 = GmbHR 2004, 259; BGH ZIP 2006, 2213 für AG. BGH ZIP 2004, 237 = GmbHR 2004, 259. BGH ZIP 2004, 237 = GmbHR 2004, 259 und BGH ZIP 2008, 117, 188 Rn 8 = GmbHR 2008, 144. B/H/Zöllner/Noack Rn 123. MünchKomm/Spindler Rn 362. Kritisch Brouwer Zustimmungsvorbehalte, S. 129, der dadurch den in der GmbH ohnehin im Vergleich zur AG schwächeren Aufsichtsrat zum reinen Beratergremium degradiert sieht. Dazu Lutter/Krieger/Verse Rn 1208; Gaul/Otto GmbHR 2003, 6, 12. BGHZ 124, 111, 127; Lutter/Krieger/Verse Rn 117 mwN; Boujong AG 1995, 206.

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zungswidrigen Handelns1. Die Satzung kann auch Zustimmungspflichten für einzelne Geschäfte und Maßnahmen des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs anordnen. Wird dann eine geplante Maßnahme der Geschäftsführer durch den Aufsichtsrat abgelehnt, so kann die Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit die Zustimmung ersetzen2. Soll die Maßnahme aber aufgrund einer Weisung der Gesellschafterversammlung erfolgen, so entfällt der Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats per se. In jedem Fall hat sich der Aufsichtsrat vor einer Entscheidung über eine Zustimmung ausreichend zu informieren3 bzw informieren zu lassen4. Tut er das nicht, so verletzt er seine Pflichten und haftet für den etwaigen Schaden5. 7. Überwachung der Geschäftsführung (= Mindestbefugnis eines Aufsichtsrats) Vgl dazu Lutter/Krieger/Verse Rn 61 ff; KölnKomm/Mertens/Cahn § 111 AktG Rn 14 ff sowie Semler S. 53 ff. a) Sie bedeutet Kontrolle der Legalität6, der Ordnungsmäßigkeit und der Wirt- 16 schaftlichkeit7 der Geschäftsführung. Dabei umfasst die Überwachung der Legalität vor allem die Einhaltung der wirtschafts-, steuer- und arbeitsrechtlichen Vorschriften sowie der Regeln der Satzung. Hinweisen von dritter Seite auf Rechtsverstöße der Geschäftsführung muss der Aufsichtsrat nachgehen; allein den Geschäftsführer zu fragen, genügt hier nicht8. Ordnungsmäßigkeit bedeutet entsprechend Größe und Struktur der GmbH die Beachtung betriebswirtschaftlicher Regeln der Organisation, angemessene Planung9 und entsprechende interne Kontrolle aufgrund eines effektiven Rechnungs- und Berichtswesens10. Und schließlich hat der Aufsichtsrat darüber zu wachen, dass die Geschäftsfüh1 Schön JZ 1994, 685; MünchKomm/Spindler Rn 367. 2 Streitig; wie hier B/H/Zöllner/Noack Rn 124; Michalski/Giedinghagen Rn 234; Scholz/ Uwe H. Schneider Rn 146 mwN; R/S-L/Koppensteiner/Schnorbus Rn 36; R/A/Altmeppen Rn 23; zu doppelten Zuständigkeiten von Aufsichtsrat und Gesellschafterversammlung Deilmann BB 2004, 2253, 2256 f. 3 Vgl dazu anschaulich BGH NZG 2007, 187 = ZIP 2007, 224 = GmbHR 2007, 307 mit Anm Huber, Anm Goette DStR 2007, 356 und Anm Stein DZWiR 2007, 329. 4 OLG Oldenburg NZG 2007, 434 = GmbHR 2006, 1263. 5 BGH NZG 2007, 187 = ZIP 2007, 224 = GmbHR 2007, 307 mit Anm Huber, Anm Goette DStR 2007, 356 und Anm Stein DZWiR 2007, 329. 6 OLG Karlsruhe WM 2009, 1147 = AG 2008, 900. 7 Zur Überwachungsaufgabe aus betriebswirtschaftlicher Sicht Nowak/Wanitschek-Klein Der Konzern 2007, 665. 8 LG Bielefeld ZIP 2000, 20 mit Anm Westermann = AG 2000, 136. 9 Vgl Altmeppen ZGR 1999, 303. 10 U/H/L/Heermann Rn 87 rechnet hierzu auch die angemessene Wahrnehmung der sozialen Verpflichtungen.

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§ 52 | Aufsichtsrat rung die Lebensfähigkeit der GmbH sichert durch Gewährleistung der Wirtschaftlichkeit1, insbesondere durch Sicherung der Liquidität, Stärkung der Ertragskraft als Zukunftssicherung sowie Planung von Investitionen unter sorgfältiger Beachtung ihrer Rentabilität (return on investment). § 52 Abs. 1 verweist nun auch auf § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG. Damit ist die dortige Konkretisierung der Überwachungspflichten für Aufsichtsräte großer und größerer Gesellschaften mbH von Bedeutung. Voraussetzung für die Erfüllung der Überwachungsaufgabe ist die Ermittlung des Sachverhalts durch Berichte des und Gespräche mit dem Geschäftsführer, notfalls durch unmittelbare Einsicht in die Räume und Unterlagen der Gesellschaft (zur Information des Aufsichtsrats s. Rn 22). Was der Aufsichtsrat nicht versteht, muss er verhindern2. Unzulässig ist hingegen die Kontaktaufnahme mit Geschäftspartnern der GmbH, um mit diesen einzelne Geschäfte oder ihre Geschäftsbeziehungen zur GmbH zu erörtern3; Ausnahme: ausdrückliche Ermächtigung durch die Satzung. 17 b) Die Pflicht zur Überwachung der Geschäftsführer erstreckt sich ferner und

mit gleichem Inhalt auch auf deren Leitung und Überwachung der Konzernunternehmen4 und die sorgfältige Betreuung der von der GmbH abhängigen Unternehmen durch die Geschäftsführung. Zustimmungsvorbehalte (§ 111 Abs. 4 Satz 2 AktG) sind daher im Zweifel konzernweit auszulegen5. Auch hat der Aufsichtsrat Hinweisen auf Unregelmäßigkeiten nachzugehen, die sich aus seiner Prüfung des Jahres- und des Konzernabschlusses sowie des Berichtes eines etwaigen Konzernabschlussprüfers ergeben6. Eine Überwachung der Gesellschafterversammlung in ihren geschäftsleitenden Beschlüssen ist hingegen nicht Aufgabe des Aufsichtsrats7.

18 c) Die Pflicht zur Überwachung der Geschäftsführer bezieht sich auf die Ver-

gangenheit (Feststellung von Fehlern), aber nicht minder aber auch auf die Zukunft (Vermeidung von Fehlern). Mittel hierzu ist vor allem die Beratung mit

1 HM; vgl nur U/H/L/Heermann Rn 87; Scholz/Uwe H. Schneider Rn 99 mwN. 2 OLG Stuttgart AG 2012, 298 = EWiR § 111 AktG 1/12, 303 (Lieder) und dazu Hoffmann AG 2012, 478. 3 OLG Zweibrücken DB 1990, 1401. 4 Semler Rn 381 ff; Lutter AG 2006, 517; Semler/v. Schenck/v. Schenck AR-Hdb, § 1 Rn 329; MünchKomm/Spindler Rn 343 ff; Hoffmann-Becking ZHR 159 (1995), 325; Hommelhoff ZGR 1996, 144; Löbbe S. 180 ff. 5 Vgl Lutter FS Fischer, 1979, S. 432 f; Lutter Liber amicorum Happ, 2006, S. 143 ff; MünchKomm/Spindler Rn 350; Martens ZHR 159 (1995), 567, 580; Götz ZGR 1990, 654 f. Allgemein dazu Löbbe S. 221 ff. 6 BGH ZIP 2009, 70, 72 Rn 14 = GmbHR 2009, 199 – MPS. 7 Wie hier Scholz/Uwe H. Schneider Rn 88.

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dem Geschäftsführer1, aber auch die Schaffung bzw Ausnutzung von Zustimmungsvorbehalten (Rn 15). Der Beratung des Aufsichtsrats mit dem Geschäftsführer kommt aus heutiger Sicht wachsende Bedeutung zu. So wird der Aufsichtsrat als der wichtigste Gesprächspartner des Geschäftsführers für Strategie und Planung angesehen2. Zu den Pflichten der Geschäftsführer gehört heute jedenfalls in größeren Gesellschaften auch das sog Risikomanagement (§ 91 Abs. 2 AktG)3 sowie eine effektive Compliance4. Beides hat der Aufsichtsrat zu überwachen. Zur Überwachung gehört auch die Geltendmachung von etwaigen Schadens- 18a ersatzansprüchen gegen Geschäftsführer5, allerdings nur, wenn die Satzung die Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung dafür nach § 46 Nr. 8 beseitigt hat. Auf jeden Fall muss der Aufsichtsrat aber bei auch nur für wahrscheinlich gehaltenen Ersatzansprüchen der Gesellschafterversammlung nach § 52 Abs. 1 iVm § 171 Abs. 2 AktG berichten6. d) In der Krise der Gesellschaft intensiviert sich nicht nur die Beratungs- und 19 Überwachungspflicht des Aufsichtsrats7; er ist auch verpflichtet, alle Erkenntnisquellen auszuschöpfen, um die finanzielle Situation der Gesellschaft laufend zu verfolgen. Zwar ist er nicht berechtigt, seinerseits Insolvenzantrag zu stellen, doch hat er mit allen Mitteln dafür zu sorgen, dass der Geschäftsführer rechtzeitig Insolvenzantrag stellt und insbesondere keine Zahlungen entgegen § 64 Satz 1 mehr leistet8. Hat der Aufsichtsrat nicht die erforderliche Fachkunde zur Beurteilung der finanziellen Situation der Gesellschaft und fühlt er sich nicht hinreichend vom Geschäftsführer informiert, muss er außenstehenden fachlichen Rat in Anspruch nehmen oder darauf hinwirken, dass der Geschäftsführer das tut und ihm die Stellungnahme des Sachverständigen vorlegt9. In der Krise der Gesellschaft oder bei schwerwiegenden Verstößen des Geschäftsführers hat der Aufsichtsrat die Pflicht zur Einberufung der Gesellschaf-

1 BGHZ 114, 127, 130 = AG 1991, 312 für AG; Lutter/Krieger/Verse Rn 61 ff mwN; Scholz/ Uwe H. Schneider Rn 124. 2 Lutter/Krieger/Verse Rn 61 ff. 3 Dazu Lutter/Krieger/Verse Rn 65, 85 ff; Hommelhoff FS Sandrock, 2000, S. 373; Drygala/ Drygala ZIP 2000, 297; Claussen/Korth FS Lutter, 2000, S. 327 ff; vgl auch LG Berlin BKR 2002, 969 = AG 2002, 682; sowie Preußner NZG 2008, 574 zum BilMoG. 4 Vgl zur Compliance insbesondere Hauschka/Moosmayer/Lösler (Hrsg), Corporate Compliance, 3. Aufl 2016; Hauschka/Greeve BB 2007, 165; Kremer/Klahold ZGR 2010, 113; Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider ZIP 2007, 2061. 5 BGHZ 135, 244, 252 f = AG 1997, 337 – ARAG. 6 Zutreffend B/H/Zöllner/Noack Rn 73. 7 Lutter/Krieger/Verse Rn 95; Hasselbach NZG 2012, 41. 8 BGH ZIP 2009, 860 = GmbHR 2009, 654 und BGHZ 187, 60 Rn 13. 9 Vgl BGH GmbHR 2012, 746 mit Anm Blöse.

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§ 52 | Aufsichtsrat terversammlung; nur bei größter Dringlichkeit genügt persönliche Information aller Gesellschafter außerhalb der Gesellschafterversammlung1 vorab. 20 e) Zur Durchsetzung der Überwachung steht dem Aufsichtsrat stets die förmli-

che Kritik, der Bericht an die Gesellschafterversammlung und ggf die Einberufung der Gesellschafterversammlung offen (§ 111 Abs. 3 AktG), die Umorganisation der Geschäftsführung jedoch oder die Abberufung einzelner Geschäftsführer nur bei entsprechender Zuweisung der Kompetenz durch die Satzung. Liegt diese vor, so kann sie zur Abberufungspflicht werden2.

Zur Frage von Klagebefugnissen einzelner Aufsichtsratsmitglieder im Zusammenhang mit der Überwachung s. Rn 100. 8. Prüfung der Rechnungslegung 21 Zur Befähigung des Aufsichtsrats und seiner Mitglieder gehört heute auch die

Kenntnisnahme von und die Prüfung des Jahresabschlusses und des Konzern-Abschlusses (Rn 17) der Gesellschaft (§ 52 Abs. 1 verweist auf die §§ 170, 171 AktG). Prüfung bedeutet: Analyse, Vergleich zum Vorjahr und entsprechende Stellungnahme an die Gesellschafterversammlung vor Feststellung (vgl § 42a Abs. 1 Satz 3). Wird der Jahresabschluss geprüft (§§ 316 ff HGB), so hat das einzelne Aufsichtsratsmitglied auch Anspruch auf Einsicht in den Prüfungsbericht, es kann jedoch zu dessen Verständnis und Interpretation allenfalls ausnahmsweise einen Sachverständigen hinzuziehen3. Nach dem klaren Wortlaut des § 52 Abs. 1 ist auch das nur eine „im Zweifel“-Kompetenz des Aufsichtsrats, dh der Gesellschaftsvertrag kann diese Aufgaben und Befugnisse des Aufsichtsrats ganz oder teilweise ausschließen4, ohne dem Aufsichtsrat aber den Zugang zu diesen Unterlagen entziehen zu können, da anders die Möglichkeit der Überwachung beeinträchtigt wäre. 9. Information des Aufsichtsrats; Verschwiegenheitspflicht

22 a) Kontrolle setzt Kenntnis voraus. Der Aufsichtsrat ist aber weder selbst noch

durch einzelne Mitglieder in der Geschäftsführung tätig; soll er kontrollieren können, benötigt er Informationen durch die Geschäftsführung. Daher wird auf § 90 AktG verwiesen, jedoch (nur) auf die Abs. 3–5 Satz 1 und 2; das bedeutet, dass die Initiative hier vom Aufsichtsrat, nicht von der Geschäftsführung auszugehen hat5: Der Aufsichtsrat muss Berichte anfordern oder selbst Einsicht

1 2 3 4

Scholz/Uwe H. Schneider Rn 127; B/H/Zöllner/Noack Rn 249. BGH ZIP 2007, 224 = GmbHR 2007, 307. BGHZ 85, 293 für eine GmbH nach MitbestG. Wie hier: R/S-L/Koppensteiner/Schnorbus Rn 33; Michalski/Giedinghagen Rn 249; aA B/ H/Zöllner/Noack Rn 113 mwN; U/H/L/Heermann Rn 103. 5 Anders jedoch im Zusammenhang mit Zustimmungsvorbehalten: Hier hat die Geschäftsführung den Aufsichtsrat vollständig und sachlich zutreffend über das entsprechende Geschäft zu informieren, OLG Oldenburg NZG 2007, 434 = GmbHR 2006, 1263.

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nehmen (§ 111 Abs. 2 AktG)1. Die Anforderung kann und sollte in einer generellen Form ergehen und vierteljährliche Berichte (entsprechend § 90 AktG) in standardisierter Form mit Soll-Ist-Vergleich vorsehen, wobei das „Soll“ durch die ebenfalls allgemein verlangte Jahresplanung (Planungsbericht; Vorlage vor Beginn des betreffenden Geschäftsjahres) bestimmt wird. Im Übrigen steht jedem einzelnen Aufsichtsratsmitglied das Recht zu, weitere Informationen an den Aufsichtsrat zu verlangen (§ 90 Abs. 3 Satz 2 AktG), wobei der Geschäftsführung kein Geheimhaltungsrecht gegenüber dem Aufsichtsrat zusteht. Doch kann die Geschäftsführung die Gesellschafterversammlung um Anweisung bitten, eine bestimmte Information nicht weitergeben zu müssen, wobei fraglich ist, ob dazu einfache Mehrheit genügt oder qualifizierte Mehrheit erforderlich ist2. Die Satzung kann allgemein die Information des Aufsichtsrats (abschließend) regeln sowie die Weitergabe bestimmter Informationen an den Aufsichtsrat oder ein einzelnes Mitglied ausschließen; doch darf alles zusammen nicht dazu führen, dass der Aufsichtsrat seine Kontrollfunktion nicht erfüllen kann. Da der Aufsichtsrat zur Überwachung der Konzernleitung durch die Geschäfts- 22a führer verpflichtet ist, bezieht sich sein Informationsanspruch gegenüber der Geschäftsführung auch darauf. Das ist heute unstreitig. Hingegen hat der Aufsichtsrat keinen Informationsanspruch gegenüber den Geschäftsleitern der Tochtergesellschaften und kein Einsichtsrecht in deren Unterlagen (unstreitig). Ist die Information des Aufsichtsrats in der Satzung nicht geregelt, sollte der 23 Aufsichtsrat die von ihm regelmäßig gewünschten Informationen, ihre Form (insbesondere Soll/Ist-Vergleich mit Planung und Vor-Periode) und ihren Rhythmus auf der Grundlage von § 90 Abs. 3 AktG in einer Informationsordnung an die Geschäftsführung für die Gesellschaft und den Konzern festlegen3. Mitglieder, die aus dem Aufsichtsrat ausscheiden, sind nach §§ 666 f BGB zur 24 Rückgabe aller Unterlagen verpflichtet, die ihnen im Rahmen ihres Amtes ausgehändigt worden sind, sowie aller davon erstellter Kopien4. Darunter fallen auch nicht-vertrauliche Unterlagen. Satzung und Geschäftsordnung können in diesem Zusammenhang auch eine Berufung auf ein Zurückbehaltungsrecht verwehren5, da die Gesellschaft im etwaigen Haftungsprozess dem ehemaligen Aufsichtsratsmitglied Einsicht in die dafür maßgebenden Unterlagen gewähren muss6. 1 B/H/Zöllner/Noack Rn 134; Michalski/Giedinghagen Rn 253; Scholz/Uwe H. Schneider Rn 106; Semler/v. Schenck/v. Schenck AR-Hdb, § 1 Rn 110 ff, 191; Lutter/Krieger/Verse Rn 212, 241, je mwN; aA Ensthaler/Füller/Schmidt/Schmidt Rn 5; R/S-L/Koppensteiner/ Schnorbus Rn 32; U/H/L/Heermann Rn 115. 2 Vgl B/H/Zöllner/Noack Rn 135. 3 Vgl Lutter/Krieger/Verse Rn 317 ff. 4 B/H/Zöllner/Noack Rn 133. 5 BGH ZIP 2008, 1821 = AG 2008, 743, 744 aE = GmbHR 2008, 1214, mit Anm H. Huber = DB 2008, 2074. 6 S. BGH ZIP 2008, 1821 = AG 2008, 743, 744 aE = GmbHR 2008, 1214, mit Anm H. Huber = DB 2008, 2074.

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§ 52 | Aufsichtsrat 25 b) Jedes Aufsichtsratsmitglied ist zu strikter Vertraulichkeit aller Kenntnisse

aus dem Unternehmen inkl der Beratungen im Aufsichtsrat Dritten gegenüber verpflichtet, § 116 Satz 2 iVm § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG; das gilt aber nicht den Gesellschaftern1 selbst gegenüber, arg § 51a2. Die Weitergabe von Protokollen des Aufsichtsrats im eigenen Unternehmen ist ebenso unzulässig wie die Weitergabe solcher Informationen an Betriebsrat und Arbeitnehmer3. Von der Pflicht zur Vertraulichkeit sind insbesondere alle Planungen, Forschungen und Personalsachen erfasst, vor allem aber auch die Beratungen im Aufsichtsrat selbst inkl der Aussagen und des Abstimmungsverhaltens einzelner Aufsichtsratsmitglieder4. Die Satzung kann Einzelheiten festlegen, insbesondere den Gegenstand und Inhalt aller Verhandlungen für vertraulich erklären oder die Geschäftsführung anweisen, vertrauliche Vorgänge mit bindender Wirkung zu kennzeichnen: Die Entscheidung BGHZ 64, 325 ist auf den fakultativen Aufsichtsrat nicht anwendbar5. Der Verstoß kann zu erheblichen Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft gegen das betreffende Aufsichtsratsmitglied führen (s. Rn 32) und rechtfertigt seine sofortige Abberufung aus wichtigem Grund6.

26 c) All das gilt nur und nur insoweit, als nicht die Satzung andere Regelungen

trifft. Sie kann die Informationsbefugnisse beliebig ordnen, einschränken und ausweiten und sie kann auch die Regeln der Vertraulichkeit ordnen und vor allem noch weiter einschränken7.

26a Mit der Aktienrechtsnovelle 2016 ist das informatorische Sonderrecht für Ge-

bietskörperschaften (§§ 394 f AktG) auf den fakultativen Aufsichtsrat erstreckt worden8. Danach unterliegen jene Ratsmitglieder, die als „Repräsentanten“ einer Gebietskörperschaft in den Aufsichtsrat gelangen, dieser gegenüber grundsätzlich keiner Verschwiegenheitspflicht (§ 394 AktG). Sie ist jedoch zum Ausgleich jenen auferlegt, die im Bereich der Gebietskörperschaft für die Verwaltung der Beteiligung oder die Kontrolle des Aufsichtsratsmitglieds zuständig sind; allein sie sind empfangsbefugt9.

1 Für kommunale Aufsichtsratsmitglieder vgl Ziegelmeier ZGR 2007, 159 f mwN; Altmeppen NJW 2003, 2561. 2 Abweichend B/H/Zöllner/Noack Rn 67. 3 OLG Stuttgart AG 2007, 218; dazu Lutter Information, Rn 482; Veil ZHR 172 (2008), 239 ff. 4 B/H/Zöllner/Noack Rn 67; Lutter/Krieger/Verse Rn 266 ff mwN; Lutter Information, Rn 495 ff. 5 Lutter Information, Rn 777. 6 OLG Stuttgart AG 2007, 218. 7 Lutter Information, Rn 775 ff. 8 Eingehend Belcke/Mehrhoff GmbHR 2016, 576 ff. 9 Belcke/Mehrhoff GmbHR 2016, 576, 579.

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10. Innere Ordnung des Aufsichtsrats; Beschlüsse Die innere Ordnung des Aufsichtsrats unterliegt vollständig der Gestaltungs- 27 hoheit durch die Satzung. Enthält diese keine Regelung, so sind die §§ 107–109 AktG, obwohl in Abs. 1 nur rudimentär zitiert (§ 107 Abs. 3 Sätze 2 und 3 sowie Abs. 4), idR insgesamt entsprechend anwendbar1, da sie die personale Struktur der GmbH unberührt lassen. Eine Auslegung der Satzung auf der Suche nach einem „mutmaßlichen Willen“ der Gesellschafter zur Klärung dieser Fragen aber wäre gewiss verfehlt und widerspräche gesicherter Erkenntnis von der strikt objektiven Auslegung der Satzung2. Fakultative Aufsichtsräte haben idR nur wenige Mitglieder, so dass hier die Bil- 28 dung von Ausschüssen weniger nahe liegt. Sollte die Zahl aber sechs überschreiten, kann sich die Einrichtung durchaus empfehlen. Die Satzung kann Aufsichtsratsausschüsse vorschreiben oder verbieten; vom Aufsichtsrat eingerichtete Ausschüsse ohne Satzungsgrundlage können immer nur beratende sein3. Die Überwachung des Ausschusses erfolgt durch regelmäßige Berichterstattung des Ausschusses an das Plenum4. Sitzungsfrequenz: Das Gesetz wünscht vierteljährliche Zusammenkünfte und schreibt halbjährliche vor (§ 110 Abs. 3 AktG); aber auch das kann die Satzung nach oben und unten ändern5. Allerdings: Mit solchen Regeln legt die Satzung auch die Überwachungsintensität und den Pflichtenrahmen des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds fest – niedriger oder höher. Das Aufsichtsratsamt ist vom Gesetz als höchstpersönliches gedacht, § 111 29 Abs. 5 AktG, Vertretung demnach unzulässig, Mitwirkung Abwesender nur durch Stimmboten nach § 108 Abs. 3 AktG6. Teilnahmerecht (nicht: Stimmrecht) Dritter nach § 109 Abs. 3 AktG. All das ist hier aber durch Satzung abdingbar, die also auch eine echte Vertretung von Aufsichtsratsmitgliedern zulassen kann. Auch können gemäß § 52 Abs. 1 iVm § 111 Abs. 5 AktG Aufsichtsratsmitglieder 30 ihre Aufgaben nicht durch andere wahrnehmen lassen, so dass auch eine Delegation der Entscheidungskompetenz auf zB den Aufsichtsratsvorsitzenden unzulässig ist, es sei denn, die Satzung lässt dies ausdrücklich zu7. Weisungsgebundenheit von Aufsichtsratsmitgliedern: Während die Mitglie- 30a der des Aufsichtsrats einer AG und einer GmbH mit obligatorischem Aufsichts1 Wie hier Scholz/Uwe H. Schneider Rn 70, 385, 397, 441 und U/H/L/ Heermann Rn 62; aA B/H/Zöllner/Noack Rn 82. 2 So aber U/H/L/Heermann Rn 62. 3 B/H/Zöllner/Noack Rn 99; U/H/L/Heermann Rn 74; aA Scholz/Uwe H. Schneider Rn 442. 4 MünchHdbAG/Hoffmann-Becking § 32 Rn 41; Semler/v. Schenck/v. Schenck AR-Hdb, § 7 Rn 89 je für AG. 5 AA S/I/Peres Rn 59. 6 B/H/Zöllner/Noack Rn 88; Scholz/Uwe H. Schneider Rn 428. 7 BGH GmbHR 2005, 681 mit Anm Graef GmbHR 2005, 675.

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§ 52 | Aufsichtsrat rat keinerlei Weisungen unterliegen und unterliegen können und allein dem Unternehmensinteresse verpflichtet sind (unstreitig), ist das beim fakultativen Aufsichtsrat umstritten. Teilweise wird vertreten, dass die Satzung generell eine Weisungsgebundenheit anordnen kann1 oder jedenfalls dann, wenn die GmbH nur einen Gesellschafter hat2. Das OVG Münster und das Bundesverwaltungsgericht haben eine derartige Weisungsgebundenheit der Aufsichtsratsmitglieder einer kommunalen GmbH mit fakultativem Aufsichtsrat und einer entsprechenden Satzungsklausel bejaht3. Gegen eine solche Weisungsgebundenheit spricht, dass die Aufsichtsratsmitglieder im Falle einer verbindlichen Weisung ihre Aufgabe nicht in eigener und nach außen verlautbarter Überwachungs-Verantwortung wahrnehmen können, wie das § 111 Abs. 5 AktG verlangt. Dem wiederum steht entgegen, dass die Satzung für den fakultativen Aufsichtsrat sogar Delegation und Vertretung zulassen kann. Eine entsprechende Satzungsklausel ist mithin wirksam. 31 Der Aufsichtsrat wird rechtlich relevant nur tätig durch einen förmlichen und

ausdrücklichen Beschluss: Es gibt keinen konkludenten Aufsichtsratsbeschluss (unstreitig). Äußerungen einzelner Mitglieder oder gar des Vorsitzenden sind rechtlich irrelevant, es sei denn, sie seien in einem förmlichen Beschluss ermächtigt, dessen Inhalt weiterzugeben. Wenn also der Aufsichtsrat nach § 52 iVm § 171 Abs. 2 AktG an die Gesellschafterversammlung berichtet, so muss er über diesen Bericht förmlich beschließen4. Dafür langt die einfache Mehrheit. Im Übrigen vgl Rn 91 ff.

Beschlussfähig ist der Aufsichtsrat nach korrekter Ladung unabhängig von der Zahl der Erschienenen; § 108 AktG ist in § 52 Abs. 1 nicht zitiert. Die Satzung kann und sollte diese Frage regeln und auf einer Mindestpräsenz von drei Mitgliedern bestehen5. Die Einberufung erfolgt vorbehaltlich abweichender Satzungsregelung formfrei. 11. Haftung von Aufsichtsratsmitgliedern 32 Die Haftung von Aufsichtsratsmitgliedern wegen der Verletzung ihrer Organ-

pflichten (inkl des Vertraulichkeitsgebotes) und eines darauf beruhenden Scha-

1 Vgl Michalski/Giedinghagen Rn 174; Lutter ZIP 2007, 1991; R/A/Altmeppen Rn 3; Schodder EWiR 2009, 715 f. 2 Vgl Altmeppen NJW 2003, 2561, 2565; B/H/Zöllner/Noack Rn 130. 3 OVG Münster ZIP 2009, 1718 = GmbHR 2010, 92, bestätigt von BVerwG GWR 2011, 521 = ZIP 2011, 2054 = GmbHR 2011, 1205; s. aber auch OVG Sachsen GmbHR 2013, 35. 4 BGH ZIP 2010, 1437. 5 Vgl B/H/Zöllner/Noack Rn 88; R/S-L/Koppensteiner/Schnorbus Rn 26; anders: Scholz/ Uwe H. Schneider Rn 407; U/H/L/Heermann Rn 226: die Anwesenheit von drei Aufsichtsratsmitgliedern ist zwingend analog § 108 Abs. 2 Satz 3 AktG erforderlich.

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dens der Gesellschaft richtet sich nach §§ 93 Abs. 1 und 2, 116 AktG, die in § 52 ausdrücklich zitiert sind. Daher gilt auch für die Pflichtverletzung die Beweislastumkehr des § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG zu Lasten der Aufsichtsratsmitglieder. Obwohl § 52 den Abs. 4 von § 93 AktG nicht in Bezug nimmt, muss auch hier die Haftung entfallen, wenn die Gesellschafterversammlung entsprechend beschlossen und angewiesen hat (hM); denn ihr steht die Kompetenz-Kompetenz zu. Das gilt hier umso mehr, als die Gesellschaft durch Beschluss ihrer Gesellschafterversammlung auf den Anspruch verzichten kann; sie ist darin nicht allgemein, sondern allenfalls durch § 30 beschränkt (§ 93 Abs. 4 Satz 3 AktG ist nicht in Bezug genommen). Daher auch kann die Satzung den Haftungsmaßstab in den Grenzen des § 276 BGB mildern, insbesondere auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit reduzieren1. Im Übrigen kommt den Aufsichtsratsmitgliedern bei unternehmerischen Entscheidungen das Privileg der Business Judgement Rule nach § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG zugute2. Der Schadensersatzanspruch richtet sich immer nur gegen das einzelne Auf- 33 sichtsratsmitglied persönlich, nicht etwa gegen das Organ Aufsichtsrat oder gegen die Gesellschaft, von der das Mitglied für den Aufsichtsrat benannt worden ist (zB Bank); dies widerspräche der unabhängigen und eigenverantwortlichen Rechtsstellung jedes Aufsichtsratsmitgliedes3. Der Anspruch steht nur der Gesellschaft zu. Dritte werden durch Aufsichtsrats- 34 pflichten nur mittelbar geschützt: Verletzen Aufsichtsratsmitglieder ihre Aufsichtspflicht, so erwächst Gläubigern daraus kein Anspruch gegen das/die betreffende(n) Aufsichtsratsmitglied(er). Auch die Gesellschafter haben im Zweifel keinen selbständigen Schaden und daher auch keinen eigenen Ersatzanspruch; ihr Nachteil ist ein Reflex des Schadens der Gesellschaft. Doch kann das in besonderen Ausnahmesituationen4 wie auch bei Betrügereien5 einmal anders sein (näher bei § 13 Rn 48 ff). Zu erstatten ist nur ein Schaden der Gesellschaft; befindet sich diese in der Insolvenz, wird gegen § 64 Satz 1 verstoßen und verletzt der Aufsichtsrat in diesem Zusammenhang seine Überwachungspflicht, so haftet dieser – anders als ein obligatorischer Aufsichtsrat – doch nicht, da der Schaden die Insolvenzmasse trifft und § 93 Abs. 3 AktG von § 52 Abs. 1 ausdrücklich nicht in Bezug genommen ist6. 1 Großfeld/Brondics AG 1987, 305 mwN; Scholz/Uwe H. Schneider Rn 524; U/H/L/Heermann Rn 130; MünchKomm/Spindler Rn 621. 2 Eingehend dazu Lutter ZIP 2007, 841. 3 BGH WM 1984, 625, 629 = GmbHR 1984, 343; LG Bielefeld ZIP 2000, 20 mit Anm Westermann = AG 2000, 136; aA B/H/Zöllner/Noack Rn 76. 4 Vgl BGH BB 1985, 948 für AG. 5 OLG Düsseldorf ZIP 2008, 1922, 1923 (Beihilfe des Aufsichtsratsvorsitzenden zu betrügerischer Kapitalerhöhung) mit Anm Wilsing/Ogerek BB 2008, 1963. 6 So BGHZ 187, 60 – Doberlug mit eingehender Begründung und kritischer Besprechung von K. Schmidt GmbHR 2010, 1319 und Thiessen ZGR 2011, 275.

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§ 52 | Aufsichtsrat 35 An der Verletzung von Organpflichten (zB mangelhafte Aufsicht) sind idR meh-

rere Aufsichtsratsmitglieder beteiligt; sie haften dann der Gesellschaft als Gesamtschuldner.

Über die Geltendmachung des Anspruchs befindet die Gesellschafterversammlung durch Beschluss, § 46 Nr. 8 entsprechend, soweit nicht die Satzung etwas anderes bestimmt. § 52 Abs. 3 statuiert eine 5jährige Verjährungsfrist, die nach BGHZ 64, 245 zwingend sein soll; die hM ist aA1; der hM ist zu folgen im Hinblick auf die Möglichkeit des Verzichts und der Haftungsmilderung durch die Gesellschafterversammlung/Satzung, die Satzung kann also die Frist verlängern oder verkürzen. Der Abschluss einer sog D&O-Versicherung seitens der Gesellschaft (vertreten durch den Geschäftsführer) zugunsten der Aufsichtsratsmitglieder ist zulässig und wird mehr und mehr üblich, da die Haftungsansprüche der Gesellschaft gegen Aufsichtsratsmitglieder damit abgesichert sind2. Eine Zustimmung der Gesellschafterversammlung entsprechend § 113 AktG ist nicht erforderlich, da der Abschluss der Versicherung im Interesse der Gesellschaft erfolgt, der Nutzen für den Aufsichtsrat Reflex ist3. Im Gegensatz zum Aufsichtsrat der AG ist kein zwingender Selbstbehalt vorgeschrieben. § 52 Abs. 1 verweist nach Änderung durch das VorstAG lediglich auf § 116 iVm § 93 Abs. 1 und 2 Sätze 1 und 2 AktG und somit gerade nicht auf § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG. 12. Entlastung 36 Entlastung ist Sache der Gesellschafterversammlung und führt hier und anders

als im Aktienrecht (§ 120 Abs. 2 Satz 2 AktG) zum Verzicht auf alle Schadensersatzansprüche der Gesellschaft aus §§ 93, 116 AktG4, soweit nicht ausdrücklich ein Vorbehalt erklärt wird oder die Gesellschafterversammlung den fraglichen Sachverhalt nicht kannte und auch nicht kennen musste (weil er verborgen gehalten wurde oder erst später zutage trat). Nach Ablauf einer Periode abgeschlossener Rechnungslegung und ggf Klärung besonderer Sachverhalte hat jedes Aufsichtsratsmitglied Anspruch auf Entlastung.

1 Scholz/Uwe H. Schneider Rn 527 (mit Ausnahme der Publikums-GmbH); B/H/Zöllner/ Noack Rn 78; U/H/L/Heermann Rn 153; R/S-L/Koppensteiner/Schnorbus Rn 44; differenzierend R/A/Altmeppen Rn 44. 2 Vgl dazu Lutter/Krieger/Verse Rn 1036 ff mwN. 3 Näher zum Diskussionsstand Lutter/Krieger/Verse Rn 1038. 4 Semler/v. Schenck/v. Schenck AR-Hdb, § 1 Rn 263 weist in diesem Zusammenhang zu Recht auf Bedeutung der Einzelentlastung hin.

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Es gilt hier also weiterhin Gleiches wie beim Geschäftsführer; s. daher § 46 Rn 26.

III. Der Pflicht-Aufsichtsrat nach DrittelbG Vgl dazu Lutter/Krieger/Verse Rn 1091 ff. Überblick: Der mitbestimmte Aufsichtsrat nach dem DrittelbG wird nicht 37 durch die Verweise in § 52 Abs. 1, sondern durch die autonomen Verweise von § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG auf Vorschriften des AktG geregelt. Diese Verweisung geht weiter als Abs. 1 und erfasst auf diese Weise zB auch die Mandats-Höchstzahl (10) mit der vom KonTraG geschaffenen Doppelzählung des Aufsichtsratsvorsitzes (§ 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Satz 3 AktG). Die Verweise des § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG sind als zwingend zu verstehen. Daher wird dieser Aufsichtsrat – wie der Aufsichtsrat einer AG, aber im Gegensatz zum fakultativen Aufsichtsrat – in allen seinen Aspekten stark durch zwingende (Mindest-)Vorschriften bestimmt, dh seine Aufgaben und Befugnisse können durch die Satzung nicht beschnitten, wohl aber erweitert werden (hM). Für diesen Aufsichtsrat gilt genauso wie für den Aufsichtsrat der AG das Ziel des KonTraG, die Aufsicht über die Geschäftsführung zu stärken und die Verantwortung des Aufsichtsrats zu schärfen1. Im Übrigen bleibt die Leitungsstruktur der Gesellschaft unverändert: Der Aufsichtsrat hat nur das Recht und die Pflicht zur Überwachung. Bestellung und Anstellung, Abberufung und Kündigung der Geschäftsführer bleiben in der Kompetenz der Gesellschafter wie auch deren Weisungsrecht gegenüber den Geschäftsführern – es sei denn, die Satzung bestimme etwas anderes (s. voriger Absatz). Dieser Aufsichtsrat besteht und handelt im Gesellschaftsinteresse, also im Interesse der Gesellschafter, aber eben auch im Interesse der Arbeitnehmer und der Allgemeinheit. 1. Bildung Die Bildung ist gesetzlich vorgeschrieben; sind die Voraussetzungen erfüllt (idR 38 mehr als 500 und weniger als 2 000 Arbeitnehmer; dazu Rn 39), so hat die betreffende GmbH einen Aufsichtsrat zu bilden, gleichgültig ob und was dazu in der Satzung steht. Besteht bereits ein (fakultativer) Aufsichtsrat und hat sich jetzt kraft Gesetzes seine Zusammensetzung geändert, so ist das Verfahren nach §§ 97–99 AktG zu beachten (hM). Besteht bislang kein Aufsichtsrat und werden die Gesellschafter trotz der bestehenden Verpflichtung zur Herbeiführung einer 1 Vgl Hommelhoff/Mattheus AG 1998, 249.

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§ 52 | Aufsichtsrat gesetzmäßigen Aufsichtsratswahl nicht tätig, so wurde früher angenommen, dass mangels eines dem § 6 Abs. 2 MitbestG entsprechenden Verweises die Arbeitnehmer ihr Mitglied wählen, das dann seinerseits die Ergänzung gemäß § 104 AktG beantragen kann1. Das BAG hat mit Beschluss vom 16.4.2008 anders entschieden und auch hier das Statusverfahren nach §§ 97 ff AktG für anwendbar erklärt2. Bilden die Gesellschafter also nicht freiwillig den dann vorgeschriebenen Aufsichtsrat, so kann der Betriebsrat/Gesamtbetriebsrat das Verfahren nach §§ 97 ff AktG einleiten3. In der umgekehrten Situation des Wegfalls der Aufsichtsratspflicht durch Unterschreiten der 500 Arbeitnehmergrenze ist ebenfalls das Statusverfahren nach §§ 97–99 AktG (entsprechend) anzuwenden4. Im Gründungsstadium einer GmbH besteht, selbst bei Einbringung eines Unternehmens mit mehr als 500 Arbeitnehmern, keine Pflicht zur Einrichtung eines Aufsichtsrats5. Tendenzunternehmen und kirchliche Einrichtungen brauchen nach § 1 Abs. 2 DrittelbG keinen Aufsichtsrat zu bilden. 39 Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG kommt es darauf an, wie viele Arbeitnehmer

die GmbH idR hat. Diese „Regel“ ist eine Erfahrung aus der Vergangenheit, ggf verbunden mit konkreten Anhaltspunkten für die Zukunft. Arbeitnehmer sind gemäß § 3 Abs. 1 DrittelbG iVm § 5 Abs. 1 BetrVG Angestellte und Arbeiter sowie Auszubildende. Teilzeitkräfte zählen ebenso dazu wie Heimarbeiter, soweit diese in der Hauptsache für den Betrieb arbeiten. Verliehene Arbeitnehmer werden mitgerechnet, geliehene Arbeitnehmer hingegen nicht (§ 14 Abs. 1 und 2 AÜG)6. Auch nicht mitgerechnet werden leitende Angestellte (§ 3 Abs. 1 DrittelbG iVm § 5 Abs. 3 BetrVG) sowie Geschäftsführer7. Die Arbeitnehmer eines Konzernunternehmens, mit dem ein Beherrschungsvertrag besteht, gelten in diesem Zusammenhang als Arbeitnehmer des herrschenden Unternehmens (§ 2 Abs. 2 DrittelbG). Andere Unternehmensverträge (zB Gewinnabführungsvertrag) oder ein faktisches Konzernverhältnis genügen hingegen (anders als bei § 5

1 So etwa U/H/L/Heermann Rn 170; aA B/H/Zöllner/Noack Rn 16; R/S-L/Koppensteiner/ Schnorbus Rn 49 f; Scholz/Uwe H. Schneider Rn 46: Auch in diesem Falle sei das Statusverfahren nach §§ 97–99 AktG anwendbar. 2 BAG GmbHR 2008, 1039 mit Anm Lembke/Fesenmeyer BB 2008, 2185. 3 Vgl Lutter/Krieger/Verse Rn 1112. 4 KG ZIP 2007, 1566, 1567 = GmbHR 2007, 1042; Weiler NZG 2004, 988. 5 Streitig Lutter/Krieger/Verse Rn 1113 mwN; B/H/Zöllner/Noack Rn 158; ErfurterKommArbeitsR/Oetker § 1 DrittelbG Rn 13; aA U/H/L/Heermann Rn 169. 6 Ebenso Scholz/Uwe H. Schneider Rn 31; B/H/Zöllner/Noack Rn 149; detailliert Ulmer/ Habersack/Henssler/Henssler § 3 MitbestG Rn 34 ff. 7 Lutter/Krieger/Verse Rn 1103.

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MitbestG) für eine Hinzurechnung nicht1. Für die Wahlberechtigung gilt diese Beschränkung aber nicht (§ 2 Abs. 1 DrittelbG)2. 2. Zahlenmäßige Zusammensetzung Mindestens drei (§ 95 Satz 1 AktG); durch die Satzung kann die Zahl erhöht 40 werden, muss aber durch drei teilbar bleiben (§ 95 Satz 3 AktG). 3. Bestellung Zu 1/ 3 Arbeitnehmervertreter (§ 4 Abs. 1 DrittelbG), die aufgrund der Wahlord- 41 nung von 20043 gewählt werden und im Unternehmen beschäftigt sein müssen. Sind mehr als zwei Mitglieder in den Aufsichtsrat zu wählen (also ab 9 Aufsichtsratsmitgliedern), müssen mindestens zwei als Arbeitnehmer im Unternehmen beschäftigt sein (§ 4 Abs. 2 Satz 2 DrittelbG). Zu 2/ 3 Vertreter der Gesellschafter, die in der Art ihrer Auswahl frei sind (s. Rn 6); die Satzung kann die 1/ 3-Beteiligung der Arbeitnehmer in diesem System nicht ändern, kann aber vorsehen, dass von den Gesellschaftern auf ihre 2/ 3 weitere Arbeitnehmervertreter zu wählen sind (Festlegung positiver Wählbarkeitsvoraussetzungen)4: Wird auf diese Weise die 50 %-Grenze erreicht oder überschritten, so ist die Zustimmung aller Gesellschafter erforderlich. Entsendungsrechte Dritter aufgrund der Satzung werden hier als nicht zulässig angesehen5. Wiederbestellung von Aufsichtsratsmitgliedern vor Ablauf ihrer Amtszeit ist 42 möglich, wenn dadurch nicht die Höchstdauer der Amtszeit (§ 102 Abs. 1 AktG) umgangen wird (zB durch Anrechnung der verbleibenden Amtszeit)6. Gemäß §§ 101 Abs. 3 Satz 2 und 3, 102 Abs. 2 AktG können Ersatzmitglieder 43 für Aufsichtsratsmitglieder bestellt werden, die während ihrer Amtszeit wegfallen7. Fehlt es daran und sinkt die Zahl unter die zur Beschlussfähigkeit (mindestens 3) erforderliche ab oder ist die Sollstärke seit mehr als 3 Monaten unterschritten, so kann hier (im Gegensatz zum fakultativen Aufsichtsrat) Ersatz1 KG ZIP 2007, 1566 = GmbHR 2007, 1042; OLG Zweibrücken ZIP 2005, 1966, 1968 = AG 2005, 928; BayObLG NJW 1993, 1804 = GmbHR 1993, 165 (zu §§ 77, 77a BetrVG 1952). 2 Scholz/Uwe H. Schneider Rn 40. 3 Art. 1 der Verordnung zum Zweiten Gesetz zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat vom 23.6.2004, BGBl I 1393. 4 Scholz/Uwe H. Schneider Rn 214; B/H/Zöllner/Noack Rn 161; R/S-L/Schmidt-Leithoff Einl Rn 243, 248; aA U/H/L/Heermann Rn 159. 5 B/H/Zöllner/Noack Rn 177; aA Scholz/Uwe H. Schneider Rn 234; aA R/S-L/Koppensteiner/Schnorbus Rn 60. 6 B/H/Zöllner/Noack Rn 192; MünchHdbAG/Hoffmann-Becking § 30 Rn 71 für AG; gegen zeitliche Begrenzung Scholz/Uwe H. Schneider Rn 233. 7 Näher dazu BGHZ 99, 211 und BGH WM 1988, 377 sowie Rellermeyer ZGR 1987, 563.

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§ 52 | Aufsichtsrat bestellung durch das Gericht nach § 104 AktG erfolgen, das dabei an das Verhältnis 1/ 3 Arbeitnehmervertreter zu 2/ 3 Vertreter der Gesellschafter gebunden ist1. 4. Amtszeit 44 Es gelten die Ausführungen Rn 8 mit der Maßgabe, dass die Höchstdauer von

5 Jahren des § 102 AktG zwingend ist; die Satzung bleibt frei, eine kürzere Amtszeit festzulegen, die dann für alle Aufsichtsratsmitglieder, auch die Arbeitnehmervertreter gilt. Hingegen gilt eine erst bei der Anteilseignerwahl beschlossene Amtszeitverkürzung für die Arbeitnehmervertreter nicht2. Wird in einer laufenden Amtsperiode die Anzahl der Aufsichtsratsmitglieder durch Satzungsänderung reduziert, bleiben die bestellten Aufsichtsratsmitglieder bis zum Ablauf ihrer Amtszeit in ihrer Funktion3. Erst danach greift die Neuregelung.

45 Abberufung durch Gericht aus wichtigem Grund nach § 103 Abs. 3 AktG ist

hier möglich4. Ein Arbeitnehmervertreter, der aus dem Unternehmen ausscheidet, kann nur nach § 12 DrittelbG abberufen werden5. Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner können nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG iVm § 103 Abs. 1 AktG durch die Gesellschafterversammlung auch ohne wichtigen Grund aber mit 3/4 Mehrheit der Stimmen abberufen werden (Rn 9). 5. Persönliche Voraussetzungen

46 Zu den persönlichen Voraussetzungen vgl Rn 11, wobei hier zusätzlich die

Wählbarkeitsschranken des § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 (höchstens 10 Aufsichtsratssitze mit doppelter Zählung des Aufsichtsratsvorsitzes, § 100 Abs. 2 Satz 3 AktG) und Nr. 3 AktG (Verbot der Überkreuzverflechtung) zu beachten sind. Die Satzung kann hier nur für die Anteilseignerseite zusätzliche Voraussetzungen aufnehmen. 6. Kompetenzen

47 Die Kompetenzen dieses Aufsichtsrats entsprechen denen des fakultativen Auf-

sichtsrats und können, wie dort, durch die Satzung erweitert, hier aber nicht re-

1 Zu den Kosten vgl OLG Düsseldorf WM 1994, 498. 2 B/H/Zöllner/Noack Rn 194; Scholz/Uwe H. Schneider Rn 283 mwN. 3 BAG WM 1990, 633 – obiter; OLG Hamburg WM 1988, 1487, 1490 = GmbHR 1989, 333; OLG Dresden ZIP 1997, 589; Scholz/Uwe H. Schneider Rn 285. 4 LG Frankfurt NJW 1987, 505 = GmbHR 1987, 233; vgl auch AG München ZIP 1985, 1139 (zu einer mitbestimmten AG) und OLG Hamburg ZIP 1990, 311; aA (ohne wichtigen Grund) AG Charlottenburg DB 2004, 2630 mit ablehnender Anm E. Vetter DB 2005, 875. 5 Meier GmbHR 2008, 585.

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duziert werden. Weisungen der Gesellschafter an die Geschäftsführer kann der Aufsichtsrat nach § 111 Abs. 4 AktG seiner Zustimmung unterwerfen. Sollte er diese verweigern, so können die Gesellschafter von sich aus die Weisung bestätigen, benötigen aber eine Dreiviertel-Beschlussmehrheit (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG/ § 111 Abs. 4 Satz 4 AktG), um die Verweigerung des Aufsichtsrats zu überwinden1. Dieser Mechanismus steht nicht zur Disposition der Satzung; insbesondere kann die durch Änderung des § 111 Abs. 4 AktG eingeführte Pflicht zur Schaffung eines Zustimmungs-Kataloges nicht gänzlich beseitigt werden2. Eine wirksame Bestätigung bindet den Geschäftsführer. Allerdings haben die Gesellschafter die Pflicht, den Aufsichtsrat über die Bestätigung samt Beschlussmehrheit zu unterrichten3. § 52 verweist auch auf § 112 AktG. Danach vertritt der Aufsichtsrat die Gesellschaft 48 gegenüber den amtierenden und den ausgeschiedenen Geschäftsführern bei allen Rechtsgeschäften und allen Streitigkeiten zwischen ihnen und der Gesellschaft4. Das kann hier durch die Satzung nicht abbedungen oder verändert werden. Hat ein fakultativer Aufsichtsrat die Zustimmung zu einer zustimmungspflichti- 49 gen Maßnahme verweigert, so kann sich die Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit darüber hinwegsetzen und den Geschäftsführer zur Ausführung anweisen (s. Rn 15). Für den obligatorischen Aufsichtsrat nach DrittelbG gilt Gleiches, doch ist hier streitig, ob die einfache Mehrheit genügt5 oder qualifizierte Mehrheit erforderlich ist6. § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG verweist auf § 118 Abs. 3 AktG. Daher haben die Auf- 50 sichtsratsmitglieder hier das Recht und die Pflicht („sollen“) zur Teilnahme an den Gesellschafterversammlungen mit Rede- aber ohne Antragsrecht7. 7. Art und Weise der Überwachung Für die Art und Weise der Überwachung gilt das Rn 16 ff Gesagte.

51

Der Vorstand einer AG hat nach § 91 Abs. 2 AktG „geeignete Maßnahmen zu treffen, insbesondere ein Überwachungssystem einzurichten, damit den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen früh erkannt werden.“ 1 Oetker ZIP 2015, 1461; teilweise abweichend 18. Aufl; s. noch Rodewald/Wohlfahrter GmbHR 2013, 692. 2 Näher Lutter/Krieger/Verse Rn 1126; vgl auch Gaul/Otto GmbHR 2003, 6, 10 ff. 3 S. auch R/A/Altmeppen Rn 64. 4 BGH ZIP 1999, 1669, 1670 = GmbHR 1999, 1140 und BGH ZIP 2004, 237 = GmbHR 2004, 259. 5 So zutreffend B/H/Zöllner/Noack Rn 254; Scholz/Uwe H. Schneider Rn 133; R/A/Altmeppen Rn 23; E. Vetter GmbHR 2011, 449, 456. 6 So U/H/L/Heermann Rn 243. 7 U/H/L/Heermann Rn 236; Scholz/Uwe H. Schneider Rn 347; B/H/Zöllner/Noack Rn 262, streitig hinsichtlich Antragsrecht.

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§ 52 | Aufsichtsrat Auf diese Norm verweisen weder § 52 Abs. 1 noch § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG. Tatsächlich aber wird mit dieser Formulierung nur eine allgemeine Pflicht aus dem Bereich ordnungsgemäßer Geschäftsführung (deklaratorisch) hervorgehoben. Dieser klarstellende Hinweis des AktG gilt mithin auch für den Geschäftsführer einer GmbH dann, wenn nach Größe der Gesellschaft ein solches Früherkennungssystem erforderlich ist. Bei Gesellschaften mit einem Pflicht-Aufsichtsrat (mehr als 500 Arbeitnehmer!) ist das im Zweifel anzunehmen. Der Aufsichtsrat hat die Einrichtung eines solchen Instruments und seine Tauglichkeit zur Früherkennung als Teil ordnungsgemäßer Geschäftsführung zu überwachen1. Das gilt umso mehr, als der Abschlussprüfer einer GmbH insoweit nicht prüfungspflichtig ist, § 317 Abs. 4 HGB. Die gleichen Überlegungen gelten für das sog Risikomanagement2 und ein Cash- und Liquiditätsmanagement3. 8. Information und Vertraulichkeit des Aufsichtsrats 52 Information und Vertraulichkeit des Aufsichtsrats entspricht ebenfalls der des fa-

kultativen Aufsichtsrats, also ohne eine regelmäßige Berichtspflicht der Geschäftsführung an den Aufsichtsrat4. Zur Möglichkeit des Aufsichtsrats, eine solche regelmäßige Berichtspflicht und vor allem eine Berichtsordnung einzuführen, vgl Rn 23. Die Satzung kann hier weder das Einsichtsrecht des Aufsichtsrats aus § 111 Abs. 2 AktG noch das Fragerecht des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds aus § 90 Abs. 3 AktG einschränken oder beseitigen5. Außerdem kann jedes Aufsichtsratsmitglied vom Geschäftsführer die Übersendung der in § 125 Abs. 1 AktG genannten Mitteilungen sowie die schriftliche Mitteilung der GesellschafterversammlungsBeschlüsse verlangen, § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG iVm § 125 Abs. 3 und 4 AktG.

53 Desgleichen sind die Aufsichtsratsmitglieder zu strikter Vertraulichkeit ver-

pflichtet, deren Inhalt und Umfang sich hier jedoch endgültig aus §§ 93 Abs. 1, 116 AktG ergibt, also nicht besonders gestaltet werden kann6. Die vor allem in mitbestimmten Aufsichtsräten verbreitete Unsitte der Weitergabe von Protokollen und Berichten aus Aufsichtsratssitzungen an andere Personen und Institutionen (Banken, Betriebsrat, Gewerkschaft) ist schlicht rechtswidrig7, berechtigt

1 Ähnlich Altmeppen ZGR 1999, 300 ff; Drygala/Drygala ZIP 2000, 297; Hommelhoff FS Sandrock, 2000, S. 373 ff. 2 Vgl dazu Degen/Ruhwedel Der Aufsichtsrat 2011, 138. 3 Küting/Rösinger/Mojadadr DB 2010, 625. 4 Lutter Information, Rn 753 ff; streitig; Einzelheiten dazu oben Rn 22 ff. 5 B/H/Zöllner/Noack Rn 260 f. 6 Einzelheiten bei Lutter Information, Rn 765 ff und Lutter/Krieger/Verse Rn 254 ff je mwN. 7 Lutter Information, Rn 408 ff; Scholz/Uwe H. Schneider Rn 498 ff; Edenfeld/Neufang AG 1999, 52.

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zur Abberufung des betreffenden Aufsichtsratsmitglieds durch das Gericht nach § 103 Abs. 3 AktG1 und kann zu hohen Schadensersatzforderungen der Gesellschaft aus §§ 93, 116 AktG führen, die durchzusetzen die Gesellschafterversammlung den Geschäftsführer anweisen kann. Im Übrigen ist die große Bedeutung der Pflicht zur Wahrung der Vertraulichkeit vom Gesetzgeber in Satz 2 des § 116 AktG noch einmal nachdrücklich betont worden. 9. Innere Ordnung Die innere Ordnung dieses Aufsichtsrats ist stärker vorgeprägt, ohne dass die 54 Möglichkeit der Gestaltung durch die Satzung ganz beseitigt wäre. Hervorzuheben ist der unabdingbare Grundsatz der Gleichberechtigung aller Mitglieder dieses Aufsichtsrats2. Die Sitzungsfrequenz des § 110 Abs. 3 AktG ist hier verbindlich und kann von der Satzung nur erhöht (zB vierteljährlicher Turnus oder 6mal im Jahr), nicht aber reduziert werden. a) Teilnahme an Aufsichtsratssitzung ist für Aufsichtsratsmitglieder Pflicht3. 55 Echte Stellvertretung ist nur bei fakultativem Aufsichtsrat möglich (s. Rn 30a); Stimmbotenschaft hingegen zulässig; Teilnahme Dritter grundsätzlich unzulässig, § 109 Abs. 3 AktG (Ausnahme für Sachverständige, § 109 Abs. 1 Satz 2 AktG), kann aber von der Satzung zugelassen werden. Ausschluss eines Aufsichtsratsmitglieds aus der Sitzung: bei gravierender Gefährdung der Interessen der Gesellschaft und nur durch Beschluss des Aufsichtsrats ohne Mitwirkung des betreffenden Mitglieds (aber vorherige Anhörung); auch als ultima ratio durch Aufsichtsratsvorsitzenden bei nachhaltiger Störung des Sitzungsverlaufs4. b) Dieser Aufsichtsrat muss einen Vorsitzenden und kann beliebig viele Stell- 56 vertreter haben5; die Wahl erfolgt nur durch den und aus dem Aufsichtsrat, im Zweifel mit einfacher Mehrheit (allgemeine Meinung). Dem Vorsitzenden obliegt die Organisation der Aufsichtsratsarbeit; er hat aber keine autonomen Befugnisse, ist primus inter pares6. c) Für die Beschlussfähigkeit stellen § 108 Abs. 2 Satz 3 und 4 AktG zwingende 57 Teilnahmeregelungen auf (mindestens drei, nicht jedoch alle)7; gemäß § 108 Abs. 2 Satz 1 AktG ist die Satzung im Übrigen frei, sie darf jedoch nicht die Ar1 2 3 4 5 6 7

OLG Stuttgart AG 2007, 218. BGHZ 83, 154. Scholz/Uwe H. Schneider Rn 396. Lutter/Krieger/Verse Rn 700. BGHZ 83, 111 f. Peus Der Aufsichtsratsvorsitzende, 1983, passim. Vgl LG Karlsruhe AG 1994, 87.

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§ 52 | Aufsichtsrat beitnehmervertreter diskriminieren1; schweigt sie, so gilt zusätzlich § 108 Abs. 2 Satz 2 AktG (Beschlussfähigkeit ist nur gegeben, wenn mindestens die Hälfte der Mitglieder teilnimmt). Bei einem dreiköpfigen Aufsichtsrat führt der Ausschluss des Stimmrechts eines Mitglieds nach Auffassung des BGH nicht zur Beschlussunfähigkeit, das betreffende Mitglied ist zur Teilnahme berechtigt und hat sich nur bei der Abstimmung der Stimme zu enthalten2. Dies alles gilt grundsätzlich auch für Ausschüsse3. Die Teilnahme an der Beschlussfassung ist jedoch gemäß § 108 Abs. 3 AktG – soweit die Satzung nicht ein anderes bestimmt – auch dadurch möglich, dass eine nach den Sätzen 2 und 3 zugelassene Person die schriftliche Stimmabgabe des abwesenden Aufsichtsratsmitglieds überreicht. 58 d) Ausschüsse gehören richtiger Ansicht nach zur ordnungsgemäßen Ausübung

der Überwachung auch schon in mittelgroßen Unternehmen mit mehr als sechs Aufsichtsratsmitgliedern4. Sie können (anders als beim fakultativen Aufsichtsrat) nicht durch die Satzung, wohl aber durch Beschluss des Aufsichtsrats eingerichtet und aufgehoben werden5; er allein entscheidet auch über ihre personelle Besetzung6. Dabei gibt es keinen Zwang zur „Spiegelbildlichkeit“, also zur Besetzung im Verhältnis 2:17; doch steht mindestens einem Arbeitnehmervertreter mindestens ein Teilnahmerecht dann zu, wenn im Ausschuss über Angelegenheiten beraten und beschlossen wird, die in engem sachlichen Zusammenhang mit unentziehbaren Kompetenzen des Gesamtaufsichtsrats stehen (sehr streitig; in der Sache ähnlich der BGH8, der eine missbräuchliche Diskriminierung der Arbeitnehmervertreter allein aufgrund ihrer Gruppenzugehörigkeit darin sieht, dass sie aus grundsätzlichen Erwägungen von jeder Mitarbeit in einem Personalausschuss ausgeschlossen werden, ohne dass dafür im Einzelfall erhebliche sachliche oder persönliche Gründe vorliegen9). Auch die Zustimmungsvorbehalte (§ 111 Abs. 4 Satz 2 AktG) laut Satzung oder Aufsichtsratsbeschluss können auf einen Ausschuss übertragen werden10, verlangen dann aber nach OLG München11 die Beteiligung von Arbeitnehmervertretern in diesem Ausschuss12. Dem Ausschussvorsitzenden kann für Pattsituationen ein 1 BGHZ 83, 154; OLG Hamburg WM 1984, 1154, 1157; zustimmend Feldmann DB 1986, 29; ablehnend Oetker BB 1984, 1766. 2 BGHZ 65, 193; BGH ZIP 2007, 1056; kritisch dazu Lutter FS Priester, 2007, S. 417. 3 B/H/Zöllner/Noack Rn 238. 4 Lutter ZHR 159 (1995), 287 und NJW 1995, 1133. 5 Semler AG 1988, 62 f; BGHZ 83, 115. 6 Zum Ganzen Rellermeyer Aufsichtsratsausschüsse, 1986. 7 BGHZ 122, 396, 397; BGHZ 83, 144; OLG Hamburg WM 1984, 965, 968; Scholz/Uwe H. Schneider Rn 451. 8 BGHZ 122, 342. 9 Ebenso LG Frankfurt ZIP 1996, 1661, 1664; zustimmend Kindl DB 1993, 2069 f. 10 OLG Hamburg ZIP 1995, 1673. 11 OLG München ZIP 1995, 1753. 12 Näher Jaeger ZIP 1995, 1735.

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Zweit-Stimmrecht schon in der Satzung, aber auch im Beschluss des Aufsichtsrats selbst eingeräumt werden1. e) Der Aufsichtsrat kann sich selbst eine Geschäftsordnung geben und darin 59 Fragen der Einberufung, Tagesordnung, Übersendung von Unterlagen, Protokollierung etc regeln; die Satzung hat nur in zentralen Einzelaspekten wie zB Beschlussfähigkeit Vorrang2. Auch ein Ausschuss kann sich eine Geschäftsordnung geben. f) Das Amt des Aufsichtsratsmitglieds ist hier unabdingbar höchstpersönlich; 60 Vertretung ist ausgeschlossen; es bleibt nur der Stimmbote nach § 108 Abs. 3 AktG und nach § 109 Abs. 3 AktG die Möglichkeit der Satzung, verhinderten Aufsichtsratsmitgliedern zu gestatten, Dritte statt ihrer an der Sitzung teilnehmen zu lassen mit Rede-, nicht jedoch mit Stimmrecht. Im Übrigen vgl Rn 57 aE und Lutter/Krieger/Verse Rn 700. Zu den Folgen eines Verstoßes s. OLG Hamburg AG 1986, 259, 260. 10. Gleichbehandlung der Aufsichtsratsmitglieder Der Aufsichtsrat hat hier nur die vom Gesetz vorgesehene Befugnis zur Über- 61 wachung, daher bleibt die Gesellschafterversammlung herausragendes Organ; ihre Personalhoheit und ihr Weisungsrecht gegenüber der Geschäftsführung ist nicht berührt3, auch die vom Aufsichtsrat gegebenenfalls verweigerte Zustimmung nach § 111 Abs. 4 AktG kann von ihr ersetzt und der Geschäftsführer ausdrücklich zur Durchführung angewiesen werden (Rn 15). Sie kann ihre Befugnisse – soweit delegierbar – auf einen Gesellschafterausschuss übertragen oder zusätzlich noch einen Beirat einsetzen, der seinerseits dann auch die Aufgabe der Beratung und Überwachung der Geschäftsführung haben kann4. Vor allem kann die Satzung vorsehen, dass die von den Gesellschaftern bestellten Aufsichtsratsmitglieder zugleich den Beirat (Gesellschafterausschuss) bilden und in dieser Funktion dann erhebliche zusätzliche Aufgaben haben. Darin liegt keine verbotene Diskriminierung der Arbeitnehmervertreter, die im Übrigen – also im Rahmen der ihnen nach Gesetz und Satzung zugewiesenen Funktionen im Aufsichtsrat – schlicht unzulässig wäre5; insbesondere wäre unzulässig: unterschiedliche Vergütung oder Beschlussfähigkeitsregeln6 oder zusätzliche Informationen (nur) an die Anteilseigner-Vertreter7. 1 BGHZ 83, 117 und 149. 2 BGHZ 83, 107; vgl U/H/L Heermann Rn 208; Scholz/Uwe H. Schneider Rn 75 ff. 3 BGHZ 135, 48 = GmbHR 1997, 705; Scholz/Uwe H. Schneider Rn 21 f; B/H/Zöllner/Noack Rn 251 f; U/H/L/Heermann Rn 244. 4 Scholz/Uwe H. Schneider Rn 48 ff mit vielen wN; R/S-L/Koppensteiner/Schnorbus Rn 53. 5 BGHZ 83, 154; s. Scholz/Uwe H. Schneider Rn 330 f. 6 BGHZ 83, 154. 7 Vgl dazu OLG Stuttgart ZIP 1985, 539, 541 = GmbHR 1986, 26.

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§ 52 | Aufsichtsrat Jeder Gesellschafter hat aus § 51a ein unentziehbares Einsichtsrecht in alle Unterlagen auch des mitbestimmten Aufsichtsrats, insbesondere seine Protokolle1. 62 Zur Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes bei Abberufung von Auf-

sichtsratsmitgliedern, die als Ersatzmitglieder in den Aufsichtsrat eingerückt sind, vgl BGH WM 1987, 1070 und BGH WM 1988, 377 = AG 1988, 139 sowie Lutter/Krieger/Verse Rn 18, 1056.

11. Haftung und Ersatzansprüche der Gesellschaft 63 Haftung von Aufsichtsratsmitgliedern wegen Verletzung ihrer Pflichten und Er-

satzansprüche der Gesellschaft folgen den gleichen Regeln wie Rn 32, doch kann die Gesellschaft hier erst 3 Jahre nach Entstehung des Anspruchs auf ihn verzichten oder sich über ihn vergleichen; denn § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG verweist auf § 116 AktG und dieser ohne Einschränkung auf § 93 AktG, also auch auf § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG2. Daher ist hier auch eine Milderung des Haftungsmaßstabes oder eine Verkürzung der 5-jährigen Verjährungsfrist durch die Satzung nicht möglich3. 12. Entlastung

64 Auch die Entlastung folgt teilweise anderen Regeln als beim fakultativen Auf-

sichtsrat (Rn 36); denn hier gilt auch insoweit das 3-jährige Verzichtsverbot, so dass sich die Wirkung der Entlastung wie im Aktienrecht auf eine allgemeine Billigung der Amtsführung beschränkt4, also keine Verzichtswirkung hat5. Unter diesem Aspekt ist dann auch eine Teilentlastung nicht möglich6.

IV. Der Frauenanteil in Geschäftsführung und Aufsichtsrat nach DrittelbG Literatur: s. vor § 36 Rn 1.

1. Ziel der Regelung 64a § 52 Abs. 2 ist durch das Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen

und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffent1 BGH BGHZ 135, 48 = GmbHR 1997, 705. 2 Zutreffend B/H/Zöllner/Noack Rn 210. 3 AA nur Scholz/Uwe H. Schneider Rn 527, allerdings ohne Unterscheidung nach obligatorischem und fakultativem Aufsichtsrat. 4 Vgl etwa KölnKomm/Zöllner § 120 AktG Rn 21 ff. 5 AA Scholz/Uwe H. Schneider Rn 525. 6 Vgl OLG Stuttgart ZIP 1995, 378 und OLG Düsseldorf ZIP 1996, 503.

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lichen Dienst vom 24.4.2015 (BGBl I 642) neu in § 52 eingeführt worden und nach Art. 24 Abs. 2 Satz 1 dieses Gesetzes am 1.5.2015 in Kraft getreten. Die neue Bestimmung regelt eine jener Maßnahmen zur Förderung von Frauen in Führungspositionen der Privatwirtschaft, über die der Gesetzgeber den Frauenanteil bei diesen Positionen signifikant mit dem Ziel erhöhen will, letztlich Geschlechterparität zu erreichen1. Allerdings trifft die Unternehmen keine Rechtspflicht, dies Ziel anzusteuern oder gar es zu erreichen; vielmehr setzt der Gesetzgeber insoweit auf den Druck der Öffentlichkeit. Ihn will er durch die Verpflichtung der Gesellschaften stimulieren, über die Festlegung der Zielgrößen für den Aufsichtsrat und die Geschäftsleitung zu berichten und diese Informationen zu veröffentlichen (§ 289a Abs. 4 HGB, Rn 64o ff). Für die Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung und für ihre konkrete Anwendung unter Einhaltung des § 2 AGG gilt das in § 36 Rn 1 Ausgeführte für die Geschäftsführer und Aufsichtsräte gleichermaßen2. 2. Erfasste Gesellschaften Die Verpflichtungen aus dieser Bestimmung treffen nicht sämtliche Gesellschaf- 64b ten mbH schlechthin, sondern allein jene, die nach der Vorgabe eines Mitbestimmungsgesetzes (DrittelbG, MitbestG, Montan-MitbestG, MitbestErgG) einen Aufsichtsrat zu bestellen haben. Dem Konzept dieser Kommentierung folgend (Rn 1) werden hier bloß jene Gesellschaften behandelt, die dem DrittelbG unterfallen, also in aller Regel Gesellschaften mit mehr als 500 und weniger als 2001 Arbeitnehmern (§ 1 Abs. 2 DrittelbG). Die Verpflichtungen aus § 52 Abs. 2, §§ 289a Abs. 4/325 Abs. 1 HGB entstehen, sobald die Gesellschaft nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 Halbsatz 1 DrittelbG verpflichtet ist, einen Aufsichtsrat zu bilden; die auf die Frauenförderung abzielenden Verpflichtungen sind in ihrer Existenz mithin unabhängig davon, ob die Gesellschaft tatsächlich einen Aufsichtsrat eingerichtet hat3 (§ 36 Rn 2). Ebenso wenig hängen die Förderpflichten von einer gerichtlichen Feststellung ab, die Gesellschaft müsse einen Aufsichtsrat einrichten. Dem GlTeilhG ist nicht die Absicht des Gesetzgebers zu entnehmen, er habe die Entstehung der Förderpflichten zur Disposition der nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 DrittelbG/§ 98 Abs. 2 AktG Antragsberechtigten stellen wollen. Zur momentan noch offenen Frage, ob Arbeitnehmer der Gesellschaft im EU/EWR-Ausland für die Erreichung des Schwellenwertes 500 mitzuzählen sind, § 36 Rn 3. Sollte die Zahl der Arbeitnehmer nach Festlegung der Zielgrößen (Rn 64i) un- 64c ter 500 herabsinken, die Gesellschaft mithin aus der Mitbestimmung heraus1 BegrRegE BT-Drucks 18/3784, S. 119. 2 Müller-Bonanni/Forst GmbHR 2015, 626; zur Europarechtskonformität MünchKomm/ Spindler Rn 104. 3 AA Fromholzer/Simons AG 2015, 458.

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§ 52 | Aufsichtsrat wandern, so ist sie an die getroffenen Festlegungen nicht länger gebunden; das zuständige Gesellschaftsorgan (Rn 64e ff) kann diese zurücknehmen (§ 36 Rn 2). 3. Die Zuständigkeiten der Gesellschaftsorgane 64d Wie schon in Erfüllung der Verpflichtungen aus § 36 (§ 36 Rn 4), so ist auch für

den Aufsichtsrat und für die Geschäftsleitung zunächst der relevante Frauenanteil, wie er momentan besteht, zu ermitteln, um anschließend die Zielgrößen für die beiden Gesellschaftsorgane samt Fristen festzulegen. Über diese beiden Festlegungen und ihre Erreichung ist jahresperiodisch in öffentlich zugänglicher Verlautbarung zu berichten (Rn 64o ff).

64e a) Während der Bericht und seine Veröffentlichung in die Zuständigkeit der Ge-

schäftsführer fallen (§§ 264 Abs. 1 Satz 1/289a/325 Abs. 1 HGB), weist § 52 Abs. 2 Satz 1 die Festlegung der Zielgrößen für Aufsichtsrat und Geschäftsführung mitsamt der Fristen den Gesellschaftern zu. Diese Kompetenzregel steht im Einklang mit der GmbH-rechtlichen Unternehmensverfassung (§§ 46 Nr. 5, 52 Abs. 1 iVm § 101 Abs. 1 Satz 1 AktG)1: Das Bestellungsorgan soll selbst seine Besetzungspolitik festlegen2. Hierüber entscheiden die Gesellschafter durch Beschluss mit einfacher Mehrheit (§ 47 Abs. 1). Die Vorbereitung der Beschlussfassung liegt in den Händen der Geschäftsführer; sie können sich ihrerseits von nachgeordneten Stellen zuarbeiten lassen.

64f b) Im Aufsichtsrat nach dem DrittelbG berühren die Zielgrößen für diesen die

Gesellschafter ebenso wie die Arbeitnehmer. Deshalb stellt es § 52 Abs. 1 Satz 1 der Gesellschafterversammlung frei, die Festlegung der Zielgrößen auf den Aufsichtsrat zu übertragen. Hierüber können die Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag mit satzungsändernder Mehrheit beschließen, müssen dies aber nicht3; alternativ steht es ihnen frei, den Aufsichtsrat außerhalb des Gesellschaftsvertrages durch einfachen Gesellschafterbeschluss zu ermächtigen. Dem Gesetz ist keine dahingehende Einschränkung der Gesellschafter in ihrer Gestaltungsfreiheit zu entnehmen. Frei sind sie ebenfalls in ihrer Entscheidung, in welchem Umfang sie die Zielgrößen-Bestimmung dem Aufsichtsrat übertragen wollen: ob für beide Organe gemeinsam oder bloß für den Aufsichtsrat oder die Geschäftsleitung separat. Wirksam ist schließlich auch die Rechtsgrundlage für eine gemeinsame Festlegung der Zielgrößen durch Gesellschafter und Aufsichtsrat; dem Wortlaut des § 52 Abs. 2 Satz 1 kann kein Ausschluss einer solchen Kompetenzzuweisung entnommen werden.

64g Dagegen ist es den Gesellschaftern verwehrt, den Geschäftsführern die Zielgrö-

ßen für Aufsichtsrat und Geschäftsführung zur Festlegung zu übertragen. Denn

1 Eingeführt erst durch den Rechtsausschuss, BT-Drucks 18/4227, S. 26; Fromholzer/Simons AG 2015, 459. 2 Wicke Rn 25. 3 AA R/A/Altmeppen Rn 47c.

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so wie das Gesetz in § 36 die Geschäftsführer in Verantwortung nimmt (§ 36 Rn 5), hat § 52 Abs. 2 Satz 1 die Verantwortung für die Frauenförderung in den Gesellschaftsorganen den Gesellschaftern zugewiesen und diese allein ermächtigt, die Verantwortung auf den Aufsichtsrat zu übertragen. Damit ist die Übertragung an die Geschäftsführer oder gar an diesen nachgeordnete Stellen implizit ausgeschlossen. Die Gesellschafter können die übertragene Zuständigkeit für die Zielgrößen-Be- 64h stimmung jederzeit frei wieder auf sich zurückverlagern – je nach der Form der Kompetenzübertragung entweder durch einfachen Gesellschafterbeschluss oder durch Änderung des Gesellschaftsvertrages1. 4. Festlegung der Zielgrößen a) Welchen konkreten Inhalt die Zielgrößen für Aufsichtsrat und Geschäftslei- 64i tung haben sollen, steht im grundsätzlich freien Belieben (zu Eingrenzungen Rn 64k) des zur Entscheidung berufenen Gesellschaftsorgans (Rn 64e, 64f); insbesondere zwingt das Gesetz nicht dazu, die einzige Geschäftsführer-Position stets mit einer Frau zu besetzen2. Zwar zielt der Gesetzgeber darauf ab, den Frauenanteil in Geschäftsleitung und Aufsichtsrat so zu erhöhen, dass diese Organe im Verlaufe der Zeit paritätisch mit Frauen und Männern besetzt sind3. Aber daraus folgt keine gesetzliche Verpflichtung, die Zielgrößen von Erreichungsperiode zu Erreichungsperiode zu steigern; insofern setzt das Gesetz auf den Druck der Öffentlichkeit (Rn 64a). Insbesondere lässt sich § 52 Abs. 2 Satz 3 nicht die Vorgabe des dreißigprozentigen Frauenanteils in Geschäftsführung und Aufsichtsrat als Mindestzielgröße entnehmen; rechtsverträglich ist sogar eine Zielgröße „Null“4 – etwa für die Geschäftsleitung, wenn in einer Familiengesellschaft gesellschaftsvertragliche Sonderrechte auf Geschäftsführung (§ 14 Rn 12) für die Familienstämme begründet worden und in diesen keine weiblichen Aspiranten erkennbar sind5. Im Übrigen steht es dem für die Zielgrößen zuständigen Gesellschaftsorgan (Rn 64e, 64f) frei, wie es die Zielgrößen und ihre Erreichung im Zeitablauf konzipieren will6: ob etwa bloß für eine Erreichungsperiode oder innerhalb einer langfristig mehrjährigen Planung von Stufe zu Stufe. Die Zielgröße kann als Prozentangabe oder als Zahl („mindestens 2 Frauen“) formuliert werden7.

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Konsequent R/A/Altmeppen Rn 47c. Müller-Bonanni/Forst GmbHR 2015, 625. Vgl BegrRegE BT-Drucks 18/3784, S. 119. AA Teichmann/Rüb BB 2015, 902 f. Müller-Bonanni/Forst GmbHR 2015, 625. Gestaltungsvarianten in BegrRegE BT-Drucks 18/3784, S. 119. Fromholzer/Simons AG 2015, 462.

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§ 52 | Aufsichtsrat 64j b) Der Festlegungs-Entscheid der Gesellschafter oder des Aufsichtsrats (Rn 64f)

bedarf keinerlei Begründung nach außen gegenüber der Öffentlichkeit. Nach § 289a Abs. 4, Abs. 2 Nr. 4 HGB sind ausschließlich die Festlegungen zu veröffentlichen, also nicht die ihnen zugrunde liegenden Erwägungen; erst die im folgenden Geschäftsjahr möglichen Zielverfehlungen sind gegenüber der Allgemeinheit begründungspflichtig (§ 289a Abs. 2 Nr. 4 aE HGB, Rn 64q). Konsequent zur fehlenden Begründungspflicht brauchen auch nicht die Annahmen und Grundlagen veröffentlicht zu werden, die dem Festlegungs-Entscheid zugrunde gelegt worden sind1.

64k c) Dem grundsätzlich freien Festlegungs-Entscheid ist in § 52 Abs. 2 Satz 3 eine

Grenze gezogen: Seine Zielgrößen dürfen nicht unterhalb des in Geschäftsleitung und Aufsichtsrat jeweils tatsächlich erreichten Frauenanteils liegen, solange dieser geringer als 30 Prozent ist. Dies Verschlechterungsverbot gilt für die erste Festlegung ebenso wie für alle nachfolgenden Festlegungen nach Fristablauf (Rn 64i). Eine Zurücknahme des Frauenanteils kommt erst in Betracht, wenn der tatsächliche Anteil oberhalb von 30 Prozent liegt; aber auch in einem solchen Fall darf die festgelegte Zielgröße nicht die 30-Prozent-Schwelle unterschreiten2. Denn bis zur Höhe von 30 Prozent soll der tatsächlich erreichte Frauenanteil geschützt, soll die Entscheidungsfreiheit der Gesellschafter bzw des Aufsichtsrats (Rn 64f) entsprechend beschnitten werden. 5. Erreichungsfristen

64l Zusammen mit den Zielgrößen, die nach § 5 Satz 1 EGGmbHG erstmals spätes-

tens zum 30.9.2015 zu bestimmen waren, müssen Gesellschafter oder Aufsichtsrat (Rn 64f) festlegen, bis zu welchem Zeitpunkt die jeweiligen Zielgrößen erreicht sein sollen (§ 52 Abs. 2 Satz 4). Diese Fristsetzung hat auch für die Erklärung zur Unternehmensführung nach § 289a Abs. 4 HGB (Rn 64o ff) Bedeutung und in ihr vor allem für die Begründung, warum die selbstgesetzte Zielgröße für die Geschäftsleitung innert der festgelegten Frist nicht erreicht worden ist. Auf diesem Weg will das Gesetz den Aufwuchs des Frauenanteils stimulieren, ohne jedoch das für die Zielgrößen zuständige Gesellschaftsorgan (Rn 64e, 64f) auf einen solchen Aufwuchs zu verpflichten (Rn 64i).

64m Welche Fristen Gesellschafter oder Aufsichtsrat (Rn 64f) festlegen und wie sie

diese mit den jeweiligen Zielgrößen verbinden wollen, steht im grundsätzlich freien Belieben des zuständigen Gesellschaftsorgans. Dies findet seine Grenze erst in der gesetzlichen Höchstfrist von fünf Jahren (§ 52 Abs. 2 Satz 5). Allerdings gilt für die erste Zielgrößen-Festlegung eine stark reduzierte Höchstfrist: Diese darf nicht länger als bis zum 30.6.2017 dauern (§ 5 Satz 2 EGGmbHG).

1 R/A/Altmeppen Rn 47d. 2 AA Fromholzer/Simons AG 2015, 460 mwN; Winter/Marx/De Decker DB 2015, 1332.

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Auf diese Weise soll das Zielgrößen-System auch für Geschäftsleitung und Aufsichtsrat sogleich in Schwung gebracht werden1. Sollte mithin diese Gesellschaft entgegen § 5 Satz 1 EGGmbHG eine Zielgröße erst in 2016 festgelegt haben, so verkürzt sich die Erreichungsfrist auf unter anderthalb Jahre. Die einmal festgelegte Frist entfaltet keine Sperrwirkungen gegen eine Neufest- 64n legung noch vor Fristablauf – etwa auf der Grundlage neu gewonnener Erkenntnisse. Weder die Zielgrößen, noch die Erreichungsfristen sind indisponibel. Die neu festgelegten Fristen müssen lediglich die gesetzlich vorgegebene Höchstdauer von fünf Jahren einhalten (§ 52 Abs. 2 Satz 5). Der bisherige Ablauf der Altfrist braucht in die neue Frist nicht eingerechnet zu werden2, weil die Gesellschafter/der Aufsichtsrat (Rn 64e, 64f) mit der neuen Festlegung das gesetzliche Ziel erfüllt haben, spätestens alle fünf Jahre die Zielgrößen neu festzulegen, und dies auch nach Ablauf der neuen (Höchst-)Frist tun werden. Um Umgehungen zu vermeiden, ist zu begründen, warum die ursprüngliche Fristsetzung nicht ausgeschöpft und durch eine neue Frist ersetzt worden ist. 6. Rechenschaft und Publizität a) Die Geschäftsführer haben im Rahmen der jährlichen Rechnungslegung in- 64o nerhalb der Erklärung zur Unternehmensführung in einem gesonderten Abschnitt zu den von den Gesellschaftern/dem Aufsichtsrat (Rn 64e, 64f) festgelegten Zielgrößen nach näherer Bestimmung der § 289a Abs. 2 Nr. 4 HGB (Rn 64p, 64q) zu berichten (§§ 289a Abs. 4 Satz 1, 264 Abs. 1 HGB)3 und diesen Bericht zu veröffentlichen (Rn 64s). Diesen Bericht müssen auch kleine Gesellschaften iSd § 267 Abs. 1 HGB aufstellen (§§ 289a Abs. 4 Satz 2, 326 Abs. 1 HGB); für sie jedoch gelten Publizitäts-Erleichterungen (Rn 64s; zu Zweifeln an ihrem tatsächlichen Vorkommen § 36 Rn 16). Erstmals ist der Bericht über die festgesetzten Zielgrößen etc für Geschäftsjahre mit einem nach dem 30.6.2015 liegenden Abschlussstichtag zu erstatten (Art. 73 Satz 1 EGHGB), mithin in aller Regel in 2016 für das Geschäftsjahr 2015. b) Für den Inhalt des gesonderten Berichts ist danach zu unterscheiden, ob im 64p Berichtsjahr die selbstgesetzte Frist (Rn 64l) abgelaufen ist oder nicht. Vor Fristablauf brauchen lediglich die für Geschäftsleitung und Aufsichtsrat festgelegten Zielgrößen (Rn 64i) angegeben zu werden – dies freilich für jedes abgelaufene Geschäftsjahr aufs Neue. Dagegen sind die Geschäftsführer nicht verpflichtet, die Festlegungen zu begründen4 oder vor Fristablauf einen Zwischenbericht 1 2 3 4

R/A/Altmeppen Rn 47g. AA R/A/Altmeppen Rn 47g. Näher Grottel/Röhm-Kottmann Beck BK, 10. Aufl 2016, § 289a HGB Rn 46 ff. Eine freiwillige Begründung empfehlen dennoch Müller-Bonanni/Forst GmbHR 2015, 626.

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§ 52 | Aufsichtsrat dahingehend zu erstatten, welcher Stand auf dem Weg zum selbstgesetzten Ziel mittlerweile erreicht worden ist1. 64q Nach Fristablauf ist über die festgelegten Zielgrößen und darüber zu berichten,

ob die Zielgrößen innerhalb der selbstgesetzten Frist erreicht worden sind. Wenn das der Fall ist, genügt die Angabe dieser Tatsache verbunden mit der Mitteilung des tatsächlichen Frauenanteils in der Geschäftsleitung bzw im Aufsichtsrat. Wurde hingegen eine der Zielgrößen innerhalb der festgesetzten Erreichungsfrist verfehlt, so sind die Gründe für die Zielverfehlung im Bericht anzugeben (§ 289a Abs. 4 Satz 1, Abs. 2 Nr. 4 HGB). Die dafür notwendigen Informationen haben die Gesellschafter/der Aufsichtsrat (Rn 64e, 64f) den Geschäftsführern rechtzeitig zu übermitteln2. Verfehlungsgründe können etwa darin wurzeln, dass sich auf eine vakante Geschäftsführerposition nicht genügend geeignete Frauen beworben hatten oder bei der Neubesetzung des Aufsichtsrats die weiblichen Kandidaten den männlichen unter strenger Berücksichtigung des Diskriminierungsverbots aus § 2 AGG unterlegen waren3. Diese Angaben sind mit dem relevanten Zahlenmaterial zu fundamentieren, aber nicht mit den Gründen für die Ablehnung konkreter Bewerberinnen oder Kandidatinnen. Die Berichtspflicht zwingt die Gesellschafter/den Aufsichtsrat nicht, ihre/seine Entscheidungen zu rechtfertigen4.

64r c) Als Teil der Erklärung zur Unternehmensführung unterliegt der Zielgrößen-

bericht der Geschäftsführer mitsamt seinen Angaben (Rn 64p, 64q) nicht der gesetzlichen Abschlussprüfung (arg §§ 289a, 317 Abs. 2 Satz 3 HGB); diese beschränkt sich auf die Feststellung, ob der erforderliche Zielgrößen-Bericht überhaupt erstattet worden ist und die vorgegebenen Pflichtbestandteile enthält5. Sollten die Geschäftsführer dies pflichtwidrig unterlassen haben (etwa weil Gesellschafter oder Aufsichtsrat ihnen die Informationen nach Rn 64q verweigert haben), so muss dies in den Prüfungsbericht aufgenommen werden (§ 321 Abs. 2 HGB)6. Darüber hinaus ist der Bestätigungsvermerk mit Begründung einzuschränken (§ 322 Abs. 4 iVm § 317 Abs. 2 Satz 3 HGB)7; dies erfordert das Konzept des öffentlichen Drucks (Rn 64a). Kleine Gesellschaften (Rn 64o) sind nicht prüfungspflichtig (§ 316 Abs. 1 Satz 1 HGB).

64s d) Eingebettet in die Erklärung zur Unternehmensführung ist der Zielgrößen-

bericht über den Lagebericht (§§ 289a, 289 HGB) im Bundesanzeiger zu veröffentlichen (§ 325 Abs. 1 HGB). Stattdessen kann die Gesellschaft den Zielgrößen-Bericht auch auf ihrer Internetseite zugänglich machen; dann hat sie hie-

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Bundestags-Rechtsausschuss BT-Drucks 18/4227, S. 26. Fromholzer/Simons AG 2015, 464. B/S/Rieble § 36 Rn 28 ff. So auch R/A/Altmeppen Rn 47i; Wicke Rn 26. Huber-Straßer Audit Committee Quarterly 2015 Extra „Women at work“ S. 48. Näher Schüppen/Walz WPg 2015, 1157 f. Schüppen/Walz WPg 2015, 1160; aA Seidler BB 2016, 939.

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rauf gemäß § 289a Abs. 1 Satz 3 HGB in ihrem Lagebericht hinzuweisen (§ 289a Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2, Abs. 2 Satz 2, 3 HGB). Kleine Gesellschaften (Rn 64o) müssen den Zielgrößen-Bericht auf ihrer Internetseite zugänglich machen (§ 289a Abs. 4 Satz 2 HGB); sie können dies aber auch auf dem Weg ihres nach § 325 Abs. 1 HGB freiwillig veröffentlichten Lageberichts tun (§ 289a Abs. 4 Satz 3 HGB). 7. Sanktionen Mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro sind die Geschäftsführer der 64t Gesellschaft und die Mitglieder ihres Aufsichtsrats (aber nicht die Gesellschafter) allein für pflichtwidrige Berichterstattung nach § 289a Abs. 4 HGB bedroht (§ 334 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 HGB)1 – sei es, weil sie den obligatorischen Zielgrößen-Bericht (Rn 64o/64p) überhaupt nicht oder unvollständig oder fehlerhaft erstattet haben. Überdies ist den pflichtvergessenen Organmitgliedern die Entlastung zu versagen, falls sie vorsätzlich fehlerhaft berichtet haben oder haben berichten lassen2. Unsanktioniert bleiben dagegen die primär mit der Zielgrößen-Festlegung verbundenen Pflichten (Rn 64d); insoweit hat der Gesetzgeber stattdessen auf die Veröffentlichung des Zielgrößen-Berichts und auf den Druck der Öffentlichkeit gesetzt. Zwar ist die Verweigerung, Zielgrößen festzulegen, eine Pflichtverletzung3. Wie diese Verfehlung jedoch zu einem nach § 52 Abs. 1/ § 116 AktG kompensationsfähigen Schaden sollte führen können, ist schwer vorstellbar4; insofern gilt dasselbe wie in § 36 (§ 36 Rn 21).

V. Gemeinsame Regeln zum fakultativen Aufsichtsrat und PflichtAufsichtsrat nach DrittelbG 1. Bekanntmachung der Aufsichtsratsmitglieder Mit dem Inkrafttreten des EHUG zum 1.1.2007 haben sich die Veröffent- 65 lichungsmodalitäten für Bekanntmachungen zum Aufsichtsrat grundlegend verändert. Bei jeder Veränderung in den Personen der Aufsichtsratsmitglieder haben die Geschäftsführer unverzüglich eine Liste aller Mitglieder des Aufsichtsrats elektronisch (§ 8 Abs. 5 GmbHG iVm § 12 Abs. 2 HGB) zum Handelsregister einzureichen. Diese Liste hat Namen, Vornamen, ausgeübten Beruf und Wohnort5 jedes Mitglieds zu enthalten. Auch sind, sofern vorhanden, Vorsitzender und Stellvertreter anzugeben (§ 107 Abs. 1 Satz 1 AktG)6. Eine „ÄndeBegrRegE BT-Drucks 18/3784, S. 132; näher Fromholzer/Simons AG 2015, 465 f. Weller/Benz AG 2015, 474 f. Im einzelnen Fromholzer/Simons AG 2015, 466 f. So auch R/A/Altmeppen Rn 47h; Wicke Rn 26. Ausreichend ist die Angabe der politischen Gemeinde, Seibert/Wedemann GmbHR 2007, 17 und 20. 6 Scholz/Uwe H. Schneider Rn 547.

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§ 52 | Aufsichtsrat rung in den Personen der Aufsichtsratsmitglieder“ liegt jedenfalls bei Beginn und Beendigung des Aufsichtsratsamtes, bei Wahl eines neuen Vorsitzenden bzw Stellvertreters vor sowie bei einer Namensänderung1. Das Gericht macht anschließend (lediglich) einen Hinweis auf die Einreichung der Liste gemäß § 10 HGB bekannt. Die Liste kann unter „http://www.handelsregister.de“ (kostenpflichtig) abgerufen werden. Das Registergericht kann die Einreichung und damit mittelbar auch den Hinweis auf die Bekanntmachung durch Zwangsgeld nach § 14 HGB durchsetzen. Wurde der Aufsichtsrat schon im Gründungsstadium der GmbH bestellt, so sind die Unterlagen dazu entsprechend § 37 Abs. 4 Nr. 3 und 3a AktG mit der Anmeldung (§§ 7 und 8) ebenfalls elektronisch zum Handelsregister einzureichen; von diesem wird dann auch die Bekanntmachung der Liste veranlasst. 2. Pflichten und Haftung; höchstpersönliche Ausübung des Amtes 66 a) Alle Aufsichtsratsmitglieder verwalten treuhänderisch ein fremdnütziges

Amt2, das sie im Interesse der GmbH insgesamt, nicht einzelner Gruppen oder gar einzelner Gesellschafter auszuüben haben3, ihre Stellung ist also nicht gruppen-, sondern funktionsbezogen4. Sie haben ihre Aufgaben – deren Umfang sich an den Kompetenzen orientiert – persönlich zu erfüllen; Vertretung ist ausgeschlossen, § 111 Abs. 5 AktG (kann nur für den fakultativen Aufsichtsrat durch die Satzung zugelassen werden5). Jedes Aufsichtsratsmitglied hat alles zu tun, um Schaden von der Gesellschaft abzuwenden und ist im Übrigen zu sorgfältiger Amtsführung verpflichtet, § 116 iVm § 93 AktG; das bedeutet für alle Aufsichtsratsmitglieder einen an Art und Größe der GmbH ausgerichteten objektiven Mindest-Sorgfalts-Standard, der auch von unerfahrenen Aufsichtsratsmitgliedern nicht etwa unterschritten werden darf6 und bei speziellen Fähigkeiten (Branchenkenntnis, Finanzfachmann etc) individuell höher liegen kann7. 1 So jedenfalls die Praxis der Handelsregister Köln und Bonn. Zwar ließe sich auch eine Änderung des Berufs als eine Änderung in der Person eines Aufsichtsratsmitglieds auffassen (wobei fraglich wäre, ob es sich tatsächlich um eine Änderung in der Person handelte), diese Daten spielen aber für den Zweck der Publizitätsvorschrift nur eine untergeordnete Rolle. 2 Säcker Informationsrechte, 1979, S. 55, 66; Handbuch Managerhaftung/Lutter § 1 Rn 1. 3 BVerfGE 50, 374; BGHZ 64, 331; Lutter/Krieger/Verse Rn 821, 893 mwN. 4 Wiedemann FS G. Müller, 1981, S. 811. 5 Lutter/Krieger/Verse Rn 1203. 6 Scholz/Uwe H. Schneider Rn 516; R/S-L/Koppensteiner/Schnorbus Rn 41 und R/S-L/Koppensteiner/Gruber § 43 Rn 7; MünchKomm/Spindler Rn 629; Semler/v. Schenck/Wagner AR-Hdb, § 2 Rn 111, mit dem Hinweis, dass Anforderungen an Mitglieder in fakultativem Aufsichtsrat niedriger sein können als bei obligatorischem Aufsichtsrat und bei AG. 7 BGH ZIP 2011, 2097, 2102 = AG 2011, 876, 878; Lutter ZHR 145 (1981), 227; Scholz/Uwe H. Schneider Rn 517; MünchKomm/Spindler Rn 630.

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Der österr. OGH1 formuliert das in einem Urteil vom 26.2.2002 so: „Alle Mitglieder des Aufsichtsrates (auch) einer GmbH sind von einem erhöhten objektiven Sorgfaltsmaßstab betroffen.“ Sorgfalt heißt auch: Regelmäßige Teilnahme an den Sitzungen, loyale und vertrauensvolle Zusammenarbeit2, Vorbereitung und aktive Teilnahme an der Beratung3. Die Satzung und eine Geschäftsordnung sind sorgfältig zu beachten. Ist das aus gesundheitlichen oder zeitlichen Gründen nicht möglich, so muss das betreffende Mitglied sein Amt aufgeben. Nach OLG Düsseldorf4 muss sich jedes Aufsichtsratsmitglied auch ein grobes Bild von großen Investitionsvorhaben machen; sollen diese im Ausland realisiert werden, so muss sich der Aufsichtsrat an Ort und Stelle unterrichten oder sich durch unabhängige Gewährsleute informieren lassen; Verdachtsmomenten bezüglich einer ungetreuen Geschäftsführung ist nachzugehen5; im Übrigen hat der Aufsichtsrat stets die Möglichkeit, Sachverständige nach §§ 109 Abs. 1 Satz 2, 111 Abs. 2 Satz 2 AktG auf Kosten der Gesellschaft zu seinen Beratungen hinzuzuziehen; hingegen steht ihm die Befragung von Kunden6 oder Mitarbeitern7 nicht zu. In der Krise der Gesellschaft steigt nicht nur die Intensität der Überwachungspflicht, der Aufsichtsrat hat auch darauf zu achten, dass der Geschäftsführer rechtzeitig Insolvenzantrag stellt und keine Zahlungen entgegen § 64 Satz 1 leistet8. b) Weiter schuldet das Aufsichtsratsmitglied der Gesellschaft Loyalität und 67 Treue, darf dieser nicht bewusst schaden (Ausnahme: passive Teilnahme an Arbeitskampf bei Arbeitnehmermitgliedern), nicht seinen persönlichen Interessen Vorrang vor denen der Gesellschaft geben, diese insbesondere nicht zu vergünstigten Geschäften mit sich oder Geschäftspartnern der Gesellschaft oder zu Provisionen an sich veranlassen, nicht Geschäftschancen der Gesellschaft auf sich ziehen9 und nicht willkürlich Ansprüche der Gesellschaft verfallen lassen10. c) Jeder Verstoß gegen diese Pflichten ist Pflichtverletzung11; entsteht der Gesell- 68 schaft daraus ein Schaden, so führt das zur persönlichen Ersatzpflicht des betref1 Österr. OGH wbl 2002, 325. 2 U/H/L/Heermann Rn 135. 3 Scholz/Uwe H. Schneider Rn 483 f; sehr anschaulich Semler Erinnerungen an die praktische Tätigkeit eines Aufsichtsratsmitglieds, Studien des DAI, Heft 37. 4 OLG Düsseldorf WM 1984, 1080 für KG. 5 LG Bielefeld ZIP 2000, 20 mit Anm Westermann = AG 2000, 136. 6 Zutreffend Brandi ZIP 2000, 173. 7 Lutter Information, Rn 310 ff; Lutter AG 2006, 517, 520 mwN. 8 BGH GmbHR 2009, 654; OLG Brandenburg CCZ 2009, 117 = GmbHR 2009, 657. 9 BGH WM 1985, 1443 = GmbHR 1986, 42 für Geschäftsführer; Fleck FS Heinsius, 1991, S. 89; vgl auch Heuking/Jasper DStR 1992, 1438; Lutter/Krieger/Verse Rn 1006 f; MünchKomm/Spindler Rn 674 ff. 10 BGHZ 135, 244 = AG 1997, 337 – ARAG. 11 Scholz/Uwe H. Schneider Rn 472 ff.

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§ 52 | Aufsichtsrat fenden Aufsichtsratsmitglieds, da mangelndes Verschulden in solchen Fällen kaum vorstellbar ist (§§ 116, 93 AktG). Wird der Verstoß von mehreren Aufsichtsratsmitgliedern begangen – was bei mangelhafter Überwachung die Regel ist –, so haften diese als Gesamtschuldner1. Vgl im Übrigen Rn 32 und 63. 69 Der Anspruch steht der Gesellschaft zu, seine Geltendmachung mithin dem

Geschäftsführer, der hierzu von der Gesellschafterversammlung positiv und negativ angewiesen werden kann (§ 37 Rn 17 ff), im Pflicht-Aufsichtsrat wegen § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG (Rn 63) negativ aber erst nach Ablauf von 3 Jahren. § 46 Nr. 8 ist auf Ansprüche gegen Aufsichtsratsmitglieder (leider) nicht anwendbar, wäre aber nötig und hilfreich; denn die Klage des Geschäftsführers gegen ein Aufsichtsratsmitglied überfordert den Geschäftsführer und führt – wie auch im Aktienrecht – zu einer schiefen Schlachtordnung. Wegen der Bedeutung des Verfahrens für das Klima in der Gesellschaft muss der Geschäftsführer die Gesellschafter daher vorweg informieren und ihnen so die Möglichkeit eines für ihn verbindlichen Beschlusses geben.

69a Ansprüche Dritter gegen Mitglieder des Aufsichtsrats kommen im Prinzip

nicht in Betracht, es sei denn, Aufsichtsratsmitglieder hätten sich an einer strafbaren Handlung des Geschäftsführers (zB Betrug) gegenüber dem Dritten beteiligt oder in besonderer Weise Vertrauen auf sich gezogen (c.i.c., § 311 Abs. 2 BGB)2. 3. Weisungen

69b Weisungen der Gesellschafterversammlung an den Pflicht-Aufsichtsrat sind aus-

geschlossen (hM). Ob sie im fakultativen Aufsichtsrat bei entsprechender Ermächtigung durch die Satzung möglich sind (Rn 13 und 30a), ist streitig3. Auf eine entsprechende Satzungsbestimmung sollte aber auf jeden Fall verzichtet werden, da die eigenverantwortliche Amtsführung dadurch unterminiert würde. Weisungen (nur) des fakultativen Aufsichtsrats gegenüber der Geschäftsführung kann die Satzung begründen4 (unstreitig). Da solche Weisungen der Sache nach

1 Dazu Voss Gesamtschuldnerische Organhaftung, Köln 2008. 2 Vgl dazu BGH ZIP 2008, 1922 = NZG 2008, 661. 3 Dafür das BVerwG ZIP 2011, 2054 = GmbHR 2011, 1205 und die Vorinstanz OVG Münster GmbHR 2010, 92 = ZIP 2009, 1718; dagegen E. Vetter GmbHR 2011, 449, 457 f mwN; vgl auch Weckerling-Wilhelm/Mirtsching NZG 2011, 327; Heidel NZG 2012, 48. 4 Scholz/Uwe H. Schneider Rn 161; B/H/Zöllner/Noack Rn 125; R/S-L/Koppensteiner/ Schnorbus Rn 35.

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Geschäftsführung sind, stellen auch sie die Leitungs-Ordnung der Gesellschaft in Frage; denn der Aufsichtsrat kann sich nicht selbst überwachen. Im Pflicht-Aufsichtsrat können dem Aufsichtsrat auch durch die Satzung Weisungsrechte gegenüber der Geschäftsführung nicht eingeräumt werden, § 52 Abs. 1 GmbHG iVm § 105 Abs. 1 AktG entsprechend. 4. Persönliche Rechte Persönliche Rechte haben die Aufsichtsratsmitglieder nur wenige, insbesondere 70 keine ipso-iure-Ansprüche auf Vergütung; diese müssen in der Satzung allgemein oder speziell durch die Gesellschafterversammlung festgelegt werden (ganz hM)1; sie kann für die einzelnen Mitglieder unterschiedlich hoch sein, beim Aufsichtsrat nach DrittelbG aber nur unter Beachtung sachlicher Gründe (zB höhere Vergütung für Aufsichtsratsvorsitzenden), also ohne jede Diskriminierung insbesondere der Arbeitnehmervertreter. Hingegen ist Ersatz von Aufwendungen (insbesondere Reise- und Übernachtung; nicht Schulung; Beratung durch Dritte nur ganz ausnahmsweise)2 ipso iure entsprechend §§ 670, 675 BGB geschuldet3. Die Aufsichtsratsmitglieder stehen als solche nicht in einem Arbeitsverhältnis 71 zur GmbH, sondern sind Inhaber eines privaten Amtes. Die Gewährung von Krediten an Aufsichtsratsmitglieder unterfällt weder beim 72 fakultativen noch beim obligatorischen Aufsichtsrat den Regelungen des § 115 AktG4; diese Vorschrift ist in § 52 Abs. 1 ausdrücklich nicht zitiert. Steuer: Seine Vergütung hat das Aufsichtsratsmitglied nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 73 EStG als Einkünfte aus selbständiger Arbeit zu versteuern. Für die Gesellschaft ist die Vergütung nach § 10 Nr. 4 KStG aber nur zur Hälfte als Betriebsausgabe absetzbar5. In der Praxis sind Sonderverträge mit Aufsichtsratsmitgliedern („Beraterverträ- 74 ge“) sehr beliebt, geben sie doch die Möglichkeit, die Fachkunde einzelner Aufsichtsratsmitglieder verstärkt für die Gesellschaft fruchtbar zu machen. Außerdem unterliegt die Berater-Vergütung nicht dem Gleichbehandlungsgebot (Rn 70) und nicht dem nur hälftigen Abzug nach § 10 Nr. 4 KStG. Sie sind aber 1 Kritisch Scholz/Uwe H. Schneider Rn 356: Entgeltlichkeit zu vermuten; R/S-L/Koppensteiner/Schnorbus Rn 39 hält § 612 BGB (stillschweigende Vereinbarung einer Vergütung) für anwendbar. 2 BGHZ 85, 295. 3 U/H/L/Heermann Rn 126, 254. 4 B/H/Zöllner/Noack Rn 65, 206; U/H/L/Heermann Rn 129, der jedoch eine Zustimmung durch Gesellschafterbeschluss verlangt. Dem ist zuzustimmen. 5 Potthoff/Trescher/Theisen Rn 985 ff, 990; MünchHdbAG/Hoffmann-Becking § 33 Rn 41; Beck GmbH/Müller § 6 Rn 60 ff.

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§ 52 | Aufsichtsrat nur in den Grenzen der §§ 113, 114 AktG zulässig. Ein Beratervertrag ist danach nichtig, wenn sich der Gegenstand der vertraglich geschuldeten Beratung mit der organschaftlich geschuldeten Beratung (Rn 18) deckt1. Das ist der Fall bei wesentlichen Geschäftsvorgängen von grundsätzlicher Bedeutung, zB bei wesentlichen Fragen der (Konzern-) Geschäftsführung2, Betreuung von Beteiligungen und Tochtergesellschaften3. Nicht zur organschaftlich geschuldeten Beratung gehören dagegen nachgeordnete Geschäftsführertätigkeiten nach außen (zB Vertretung in Prozessen, vor Finanzamt); denn dazu ist der Aufsichtsrat als Innenorgan ohnehin nicht befugt (Rn 104). Im Innenbereich selbst fällt nicht unter die Organpflicht eines Aufsichtsratsmitglieds die Beratung in Fragen des Tagesgeschäfts, seine Vorbereitung und Umsetzung (zB Auswahl und Schulung von Mitarbeitern; Vorbereitung einer speziellen Emission; Rechts- und Steuerberatung)4. Dasselbe gilt für die Beratung in Fragen eines speziellen Fachgebiets, wobei aber zu beachten ist, dass Aufsichtsratsmitglieder häufig wegen ihrer Fachkenntnis berufen werden und ihr Wissen der Gesellschaft zur Verfügung stellen müssen5. Für die Abgrenzung ist dann ebenfalls entscheidend, ob sich die Tätigkeit (zB eines Rechtsanwalts) auf übergeordnete Fragen der Unternehmensführung oder auf die tägliche Geschäftsführung bezieht6. Aus diesem Grunde muss der Vertrag sehr genau die vom Aufsichtsratsmitglied übernommenen Pflichten umschreiben7. Gegen eine Organpflicht können schließlich Dauer und Umfang der Beratung sprechen, da das Aufsichtsratsamt als Nebenamt konzipiert ist. Decken sich Beratungs- und Organpflicht danach nicht, sind Beraterverträge mit Zustimmung des Gesamtaufsichtsrats wirksam8. Das gilt auch für zulässige Verträge, die vor Übernahme des Amtes geschlossen worden sind9. Nach OLG Frankfurt10 muss die Zustimmung des Gesamtaufsichtsrats vor Abschluss des Vertrages mit dem Aufsichtsratsmitglied vorliegen; eine nachträgliche Genehmigung ist nicht möglich. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

BGHZ 126, 340; BGHZ 168, 188; BGH GmbHR 2009, 1103 mit Anm Rohde. BGHZ 114, 127 f = GmbHR 1991, 324 für AG. BGHZ 126, 340 und OLG Köln ZIP 1994, 1773. Zum Ganzen Lutter FS Westermann, 2008, S. 1171 sowie Weiss BB 2007, 1853 und Scheuffele/Baumgartner GmbHR 2010, 400. BGHZ 114, 127, 132 = AG 1991, 312. Eingehend dazu und zu Fragen der Zurechnung bei Beratungsgesellschaften Lutter/ Drygala FS Ulmer, 2003, S. 381 ff. BGHZ 168, 188, 197 f = AG 2006, 667; LG Stuttgart BB 1998, 1549 und dazu Wissmann/ Ost BB 1998, 1957. Näher Lutter/Kremer ZGR 1992, 87 ff mwN und Boujong AG 1995, 203 ff; vgl auch KG AG 1997, 42 zum Erfordernis eines Zustimmungsbeschlusses bei Beratervertrag mit juristischen Personen. BGHZ 126, 340. OLG Frankfurt ZIP 2011, 425.

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Es macht in diesem Zusammenhang keinen Unterschied, ob der Beratungsver- 75 trag mit dem Aufsichtsratsmitglied selbst abgeschlossen wurde oder mit einer Gesellschaft, dessen Gesellschafter das Aufsichtsratsmitglied ist1. Die §§ 113, 114 AktG finden Anwendung, auch wenn das Aufsichtsratsmitglied an der beratenden Gesellschaft nur beteiligt ist; die Beteiligung muss nicht einmal beherrschend sein2. Lediglich eine marginale Beteiligung (am Ertrag) schadet nicht3. Ist der Vertrag nichtig, wird das Aufsichtsratsmitglied seine Kompensation aus 75a Bereicherung der Gesellschaft (§§ 812 ff BGB) suchen. Das aber ist nur möglich für eine Tätigkeit, die nicht schon zum organschaftlichen Pflichtenkreis gehört4. Nur beim fakultativen Aufsichtsrat kann von den Voraussetzungen der §§ 113, 76 114 AktG durch die Satzung oder durch Beschluss der Gesellschafterversammlung abgewichen werden5. 5. Vertretung der Gesellschaft durch Aufsichtsrat Trifft die Satzung keine Regelung, so vertritt der Gesamtaufsichtsrat die Gesell- 77 schaft gegenüber den Geschäftsführern gerichtlich und außergerichtlich, § 112 AktG6. Das gilt auch gegenüber dem ausgeschiedenen Geschäftsführer und dessen Familienmitgliedern7, wenn aufgrund typisierter Betrachtung die abstrakte Gefahr einer nicht unbefangenen Vertretung durch die Geschäftsführung besteht8. Obwohl sowohl § 52 Abs. 1 wie § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG global auf § 112 AktG verweisen, hat dessen Anwendung doch unter Berücksichtigung der Zuständigkeitsordnung in der GmbH zu erfolgen (s. Rn 3) und ist daher nur sehr eingeschränkt möglich. Da Bestellung und Abberufung der Geschäftsführung gemäß § 46 Nr. 5 der Gesellschafterversammlung obliegen und § 52 Abs. 1 bzw § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG nicht auch auf § 84 AktG verweisen, fallen auch Abschluss und Kündigung von Anstellungsverträgen mit den Geschäftsführern aufgrund des Sachzusammenhangs zwischen Bestellung und Anstellung in 1 BGHZ 168, 188. 2 BGHZ 170, 60; anders noch Lutter/Kremer ZGR 1992, 87, 106 und Lutter/Drygala FS Ulmer, 2003, S. 381, 383 ff. 3 BGHZ 170, 60. 4 BGH GmbHR 2009, 1103. 5 Lutter/Kremer ZGR 1992, 100 f; Scholz/Uwe H. Schneider Rn 379; R/S-L/Koppensteiner/ Schnorbus Rn 39; Rohde GmbHR 2007, 1128, 1130; vgl auch Vollmer/Maurer BB 1993, 591; Beater ZHR 157 (1993), 429. 6 BGH ZIP 1999, 1669 = GmbHR 1999, 1140; dazu Goette DStR 1999, 1745; OLG Karlsruhe WM 1996, 161; Bergwitz GmbHR 2008, 225, 230 (mit Formulierungsvorschlägen). 7 BGH ZIP 2006, 2213; OLG Sachsen-Anhalt NZG 2015, 831; ErfurterKommArbeitsR/ Oetker § 112 AktG Rn 2 mwN; E. Vetter FS G.H. Roth, 2011, S. 856. 8 BGH ZIP 2004, 237 = GmbHR 2004, 259; BGH ZIP 1989, 497; BGH WM 1990, 630 = GmbHR 1990, 297; BGH WM 1991, 941 = GmbHR 1991, 324; OLG Köln DStR 1992, 991; vgl auch BGH WM 1993, 1630.

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§ 52 | Aufsichtsrat die Kompetenz der Gesellschafterversammlung1. Gleiches gilt für die Geltendmachung von Ersatzansprüchen der Gesellschaft gegen Geschäftsführer (§ 46 Nr. 8; s. aber auch Rn 48 sowie § 46 Rn 34 ff). Die Satzung kann aber auch in diesen Fällen die Kompetenz zur Vertretung der Gesellschaft dem Aufsichtsrat zuweisen (hM)2. § 87 AktG mit seinen strengen Regeln zur Vergütung der Vorstände gilt im GmbH-Recht nicht; die Gesellschafterversammlung bzw der von der Satzung ermächtigte Aufsichtsrat sind mithin frei in der Gestaltung der Vergütung des Geschäftsführers3. 78 Zur Zuständigkeit des Aufsichtsrats bei der Stellung von Strafanträgen s. § 85

Abs. 3 Satz 2. Eine entsprechende vorherige Beschlussfassung im Aufsichtsrat ist idR als Ermächtigung des Aufsichtsratsvorsitzenden anzusehen, im Namen des Aufsichtsrats tätig zu werden; per se ist der Vorsitzende aber nicht für den Aufsichtsrat vertretungsbefugt4. Durch Beschluss des Gesamtaufsichtsrats kann dem Aufsichtsratsvorsitzenden – im Gegensatz zu einem Aufsichtsratsausschuss – nur die Vertretung in der Erklärung, nicht aber die eigentliche Willensbildung übertragen werden5. Abhängig vom Einzelfall besteht die Möglichkeit einer Genehmigung vollmachtlosen Handelns des Aufsichtsratsvorsitzenden durch Beschluss des Gesamtaufsichtsrats6.

79 Die passive Vertretungsbefugnis wird durch jedes Aufsichtsratsmitglied aus-

geübt7.

6. Bestellung und Anstellung des Abschlussprüfers/Konzernabschlussprüfers 80 Durch das KonTraG von 1998 wurde Satz 3 in § 111 Abs. 2 AktG eingefügt mit

der Bestimmung, dass der Aufsichtsrat den Abschlussprüfer/Konzernabschlussprüfer zwar nicht wählt – das ist nach wie vor Aufgabe der Hauptversammlung bzw der Gesellschafterversammlung – aber den Gewählten zum Abschlussprüfer/Konzernabschlussprüfer bestellt und den entsprechenden Vertrag mit ihm 1 BGHZ 89, 48 = GmbHR 1984, 151 zum umgekehrten Fall nach § 31 MitbestG; ebenso B/ H/Zöllner/Noack Rn 122, 251; Michalski/Giedinghagen Rn 266 und U/H/L/Heermann Rn 104, 234; vgl auch Goette § 8 Rn 8 mwN zur Rspr. 2 Vgl BGH WM 1990, 630 = GmbHR 1990, 297 und U/H/L/Heermann Rn 109. 3 Wachter GmbHR 2009, 953, 957; Habersack ZHR 174 (2010), 1, 3 f. 4 BGHZ 41, 285; BGH ZIP 2008, 1114, 1115 Rn 11 (für Genossenschaft); Scholz/Uwe H. Schneider Rn 318; Peus Der Aufsichtsratsvorsitzende, 1983, S. 164 ff. 5 BGHZ 41, 285; OLG Stuttgart BB 1992, 1669. 6 Vgl OLG Karlsruhe WM 1996, 161 einerseits und (differenzierend) BGH ZIP 2008, 1114 andererseits. 7 Ebenso U/H/L/Heermann Rn 106; MünchKomm/Habersack § 112 AktG Rn 20, 24; Scholz/Uwe H. Schneider Rn 177.

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schließt. Da sowohl § 52 als auch § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG auf diese Norm verweisen, gilt das seither auch für den Aufsichtsrat der GmbH. Die Satzung kann davon nur beim fakultativen Aufsichtsrat abweichen (Rn 21)1. Die Vorschrift ist nicht nur formal iSd Abschlusskompetenz des Aufsichtsrats 81 zu verstehen. Vielmehr muss der Aufsichtsrat im Vorfeld des Vertragsschlusses entscheiden, ob es nur um die gesetzlich vorgeschriebene Prüfung geht oder ob der Abschlussprüfer/Konzernabschlussprüfer mehr tun soll, also zB die Fragen eines rechtmäßigen Verhaltens der Geschäftsführung oder möglicher Unterschlagungen oder möglicher Treupflichtverletzungen gesondert prüfen soll. 7. Die Prüfung des Jahresabschlusses/Konzernabschlusses durch den Aufsichtsrat a) Seit dem BiRiLiG von 1985 verweist § 52 (und ihm folgend auch § 1 Abs. 1 82 Nr. 3 DrittelbG) auf die §§ 170 und 171 AktG. Das bedeutet: Der Aufsichtsrat erhält vom Geschäftsführer den von diesem aufgestellten Jahresabschluss (und ggf den Konzernabschluss) inkl Lagebericht (Konzernlagebericht) und hat diese Unterlagen zu prüfen. In gleicher Weise erhält er vom etwaigen Abschlussprüfer/Konzernabschlussprüfer dessen Prüfungsbericht und hat zu diesem ebenfalls Stellung zu nehmen. Über beide Prüfungen hat er der Gesellschafterversammlung zu berichten. Diese Aufgaben können nur im fakultativen Aufsichtsrat durch die Satzung reduziert oder ganz beseitigt werden; für den Pflicht-Aufsichtsrat ist die Regelung zwingend. b) Was diese Prüfungspflicht des Aufsichtsrats im Einzelnen bedeutet, ist wenig 83 klar. Sicher ist nur, dass der Aufsichtsrat den Jahresabschluss (Konzernabschluss) nicht etwa so zu prüfen hat wie der Abschlussprüfer2; es ist keine erneute Abschlussprüfung, keine Prüfung à fond gefordert; dazu würde dem Aufsichtsrat sowohl die Kompetenz wie das erforderliche Personal fehlen. Andererseits genügt ein „darüber hinsehen“ gewiss nicht. Der Aufsichtsrat muss 84 sich daher unter Hinzuziehung des Abschlussprüfers/Konzernabschlussprüfers nach § 171 Abs. 1 Satz 2 AktG, anderenfalls des Geschäftsführers unter Berücksichtigung der Größe der Gesellschaft mit den neuralgischen Punkten einer Bilanz beschäftigen: – Sind die vom Gesetz geforderten Angaben korrekt gemacht? – Wie sind die gesetzlichen Wahlrechte ausgeübt worden?

1 Lutter/Krieger/Verse Rn 1131, 1204. 2 HM, vgl nur MünchKomm/Hennrichs/Pöschke § 171 AktG Rn 35; MünchHdbAG/Hoffmann-Becking § 45 Rn 15; Lutter AG 2008, 1 ff je mwN.

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§ 52 | Aufsichtsrat – Sind die Risiken bedacht und die erforderlichen Abschreibungen gemacht oder Rückstellungen gebildet worden? – Wie steht es um die Liquidität der nächsten 6 bis 12 Monate? 85 c) Ebenso wenig klar ist, was die vom Gesetz geforderte Stellungnahme des Auf-

sichtsrats zum Bericht des Abschlussprüfers/Konzernabschlussprüfers bedeutet. Hier geht es im Wesentlichen darum, dass die Mitglieder des Aufsichtsrats diese Berichte sorgfältig studieren und der Aufsichtsrat über etwaige Mängel-Hinweise des Prüfers mit dem Geschäftsführer berät. Das gilt erst recht, wenn das Testat des Abschlussprüfers eingeschränkt ist oder gar verweigert wird.

86 d) Am Ende dieses Berichtes hat der Aufsichtsrat zu erklären (§ 171 Abs. 2

Satz 4 AktG):

„ob er den vom Vorstand (hier Geschäftsführung) aufgestellten Jahresabschluss/ Konzernabschluss billigt“. Mit der Billigung ist der Jahresabschluss hier und anders als bei einer AG noch nicht festgestellt. Diese Feststellung ist Aufgabe der Gesellschafterversammlung, es sei denn, die Satzung habe dazu eine andere Lösung getroffen. 87 e) Im Aktienrecht hat der Vorstand der Hauptversammlung einen Vorschlag

zur Verteilung des Bilanzgewinns zu machen, § 124 Abs. 3 Satz 1 und § 170 Abs. 2 AktG. Auf letztere Vorschrift verweisen sowohl § 52 als auch § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG. Daraus folgt die Pflicht der Geschäftsführer zur Vorlage eines Gewinnverwendungs-Vorschlags an die Gesellschafterversammlung1, soweit die Satzung beim fakultativen Aufsichtsrat nichts anderes bestimmt; für den Aufsichtsrat nach DrittelbG ist die Regelung zwingend.

88 Diesen Gewinnverwendungs-Vorschlag hat der Aufsichtsrat ebenfalls zu prüfen

(§ 171 Abs. 1 Satz 1 AktG) und darüber der Gesellschafterversammlung zu berichten (§ 171 Abs. 2 Satz 1 AktG). In diesem Zusammenhang muss sich der Aufsichtsrat schlüssig werden, ob der Vorschlag in das Finanzierungskonzept der Gesellschaft passt, ob diese also im Hinblick auf anstehende Investitionen etwa weniger ausschütten sollte als vom Geschäftsführer vorgesehen2. Über das Ergebnis dieser Überlegungen hat der Aufsichtsrat in seinem Bericht an die Gesellschafterversammlung ebenfalls Stellung zu nehmen. 8. Der Bericht des Aufsichtsrats an die Gesellschafterversammlung

89 Primär hat der Aufsichtsrat der Gesellschafterversammlung über alle seine Prü-

fungen (Rn 82 ff) und deren Ergebnisse schriftlich zu berichten. Darüber hinaus

1 Ebenso Kleindiek § 42a Rn 6; U/H/L/Heermann Rn 98; Scholz/Uwe H. Schneider Rn 150; aA B/H/Zöllner/Noack Rn 109. 2 Dazu näher Kleindiek § 42a Rn 6.

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aber hat er nach § 171 Abs. 2 Satz 2 AktG auch über seine eigene Überwachung der Geschäftsführung zu berichten, also über seine eigene Tätigkeit und Pflichterfüllung Rechenschaft zu legen1: Wie hat er die Geschäftsführung überwacht? Wie oft hat er getagt? Ist er ausrei- 90 chend vom Geschäftsführer informiert worden? Wurde mit dem Geschäftsführer über die Strategie der Gesellschaft und ihre Risiken beraten? Wurde ein Bilanzausschuss gebildet oder haben die Mitglieder des Aufsichtsrats die Prüfung der Bilanz selbst geleistet? Wurde das Risiko-Controlling und die Finanzierung mit dem Geschäftsführer erörtert inkl der etwa erforderlichen ComplianceMaßnahmen? Die Satzung kann beim fakultativen Aufsichtsrat abweichen, beim Pflicht-Aufsichtsrat ist die Regelung zwingend. In Gesellschaften mit Pflichtaufsichtsrat ist dessen Bericht zum Bundesanzeiger 90a einzureichen (§ 325 Abs. 1 Satz 3 HGB). Diese Verpflichtung hatte das Bundesamt für Justiz jahrelang als Hebel missbraucht, um Gesellschaften, die entgegen § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG keinen Aufsichtsrat eingerichtet hatten, durch Ordnungsgelder (§ 335 HGB) zu dessen Einrichtung zu zwingen. Dem hat das Bundesverfassungsgericht einen Riegel vorgeschoben2. 9. Beschluss und Beschlussmängel Die Entscheidungen des Aufsichtsrats ergehen durch Beschluss in einer Sitzung. 91 Zu Sitzungen gehören auch Videokonferenzen, soweit sie einer Präsenzveranstaltung vergleichbar sind3. Außerhalb von Sitzungen (telefonisch, schriftlich, per E-Mail) können Beschlüsse gefasst werden, sofern kein Mitglied widerspricht oder die Satzung bzw die Geschäftsordnung des Aufsichtsrats ein entsprechendes Verfahren vorsieht4. Beschlüsse werden mit einfacher Mehrheit der anwesenden/nach § 108 Abs. 3 AktG teilnehmenden Aufsichtsratsmitglieder gefasst; Enthaltungen werden nicht berücksichtigt; bei Gleichstand ist der Antrag abgelehnt. Die Satzung kann jedoch dem Vorsitzenden das Recht zum Stichentscheid einräumen. Eine besondere Feststellung des Beschlussergebnisses durch den Vorsitzenden ist vom Gesetz nicht vorgeschrieben, kann jedoch in Satzung oder Geschäftsordnung festgelegt werden und ist sehr zu empfehlen inkl der Anordnung, dass alle Beschlüsse vom Vorsitzenden in ein Beschlussbuch einzutragen und von ihm zu unterzeichnen sind (vgl auch Rn 98).

1 Dazu eingehend Lutter AG 2008, 1 ff; vgl auch Sinner AG 2008, 411; zum Umfang des Berichts LG München I BB 2007, 2170 = ZIP 2007, 1951 (LS des Gerichts). 2 BVerfG GmbHR 2014, 366. 3 B/H/Zöllner/Noack Rn 83. 4 B/H/Zöllner/Noack Rn 83; U/H/L/Heermann Rn 75.

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§ 52 | Aufsichtsrat Die Abstimmung in der Sitzung selbst erfolgt normalerweise offen durch Handzeichen. 92 Die Zulässigkeit geheimer Abstimmung war lange sehr umstritten, ist aber

heute überwiegend akzeptiert1. Satzung oder Geschäftsordnung können die Einzelheiten verbindlich regeln. Geschieht das nicht, so sind die Voraussetzungen geheimer Abstimmung stark umstritten; sie reichen vom Mehrheitsbeschluss im Aufsichtsrat über 1/5 der Mitglieder2 und dem Antragsrecht jedes einzelnen Aufsichtsratsmitglieds3 bis zu dessen Widerspruchsrecht4. Entscheidend ist, dass jedem Aufsichtsratsmitglied im Hinblick auf sein Haftungsrisiko (Rn 68 ff) die Möglichkeit gegeben sein muss, sich gegen den von ihm als pflichtwidrig erachteten Beschluss zu wehren; das ist der Fall (Rn 97).

93 Mängel eines solchen Beschlusses sind vielfach möglich5: sie reichen von un-

zureichender Einladung6 über Ausschluss von Sitzung oder Stimmrecht bis zu mangelnder Beschlussfähigkeit, Nichtbeachtung der Geschäftsordnung oder Kompetenzüberschreitung. Die Rechtsfolgen solcher Mängel sind im Gesetz nicht geregelt. Man muss nach ihrer Schwere zwischen bloßer Anfechtbarkeit und Nichtigkeit des Beschlusses unterscheiden7:

94 (1) Verstößt der Beschluss seinem Inhalt nach gegen Gesetz oder Satzung, so ist

er nichtig8, etwa wenn der Aufsichtsrat den Geschäftsführer bestellt oder entlastet ohne entsprechende Zuweisung durch die Satzung; Aufsichtsrat stellt nichtigen Jahresabschluss fest9; das Gleiche gilt, wenn er auf einer nichtigen Geschäftsordnung beruht10. Nichtig ist der Beschluss auch, wenn die Mehrheit pflichtwidrig handelt11. § 139 BGB ist auf nichtige Aufsichtsratsbeschlüsse anwendbar, wenn sie auf Begründung, Änderung oder Aufhebung sozial- oder individualrechtlicher Befug-

1 Scholz/Uwe H. Schneider Rn 427 und Meier DStR 1996, 385 je mwN; aA B/H/Zöllner/ Noack Rn 88; U/H/L/Heermann Rn 225. 2 Meier DStR 1996, 385. 3 Scholz/Uwe H. Schneider Rn 427. 4 Lutter/Krieger/Verse Rn 1220 f, 722. 5 Eingehend Bayer in Fleischer/Koch/Kropff/Lutter (Hrsg), 50 Jahre Aktiengesetz, 2016, S. 210 ff. 6 Dazu Heller AG 2008, 160. 7 BGHZ 122, 342, 347 ff = AG 1993, 464 (im Grundsatz Nichtigkeit, keine bloße Anfechtbarkeit); dazu Kindl DB 1993, 2065. 8 BGHZ 135, 244, 247 = AG 1997, 337 – ARAG. 9 BGHZ124, 111 = BGH WM 1994, 23. 10 OLG Hamburg BB 1982, 1686, 1688. 11 BGHZ 124, 111 und dazu Boujong AG 1995, 205 ff; BGHZ 135, 244 = AG 1997, 337 – ARAG; aA R/S-L/Koppensteiner/Schnorbus Rn 28.

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nisse oder Pflichten gerichtet sind und ihnen deswegen rechtsgeschäftlicher Inhalt zuerkannt werden kann1. (2) Ist eine Stimmabgabe unwirksam (zB weil durch Vertreter abgegeben oder 95 wegen Interessenkonflikten entsprechend § 47 Abs. 4 ungültig), so wirkt sich das unmittelbar auf das Beschlussergebnis aus: Der Beschluss ist nichtig, wenn die unwirksame Stimme für das Beschlussergebnis ausschlaggebend war, andernfalls ist er fehlerfrei (daher ist sog positive Beschlussfeststellungsklage möglich). Zur Beschlussfähigkeit vgl Rn 57. (3) Streitig sind die Rechtsfolgen bei Verfahrensverstößen. Verstöße gegen zwin- 96 gendes Gesetzes- und Satzungsrecht führen nach hM grundsätzlich zur Nichtigkeit des Beschlusses2. Allgemein werden aber – in unterschiedlichem Umfang – Einschränkungen dieses Ergebnisses zugelassen. Die Vorschläge reichen von den klassischen Instrumenten der Verwirkung und des prozessualen Rechtsschutzbedürfnisses3 über die sog Zustimmungslösung (der zunächst unwirksame Beschluss wird mit Zustimmung des betreffenden Aufsichtsratsmitglieds wirksam) und die sog Widerspruchslösung (Beschlussheilung, wenn kein unverzüglicher Widerspruch erfolgt) bis zur entsprechenden Anwendung der §§ 243 ff AktG4. Aus Gründen der Rechtssicherheit verdient den Vorzug die von Mertens5 entwickelte Anfechtungslösung: Der Beschluss ist zunächst wirksam, kann aber von dem betreffenden Aufsichtsratsmitglied mittels unverzüglicher Erklärung gegenüber Aufsichtsratsvorsitzendem oder allen Aufsichtsratsmitgliedern angefochten werden6; er ist dann nichtig. Alle soeben unter (1)–(3) angesprochenen Fragen können vom rechtlich Interes- 97 sierten (Anfechtender, anderes Aufsichtsratsmitglied, Gesellschaft) durch Feststellungsklage gegen Gesellschaft gerichtlich geklärt werden7. Eine Anfechtungsklage entsprechend § 243 AktG ist nicht möglich8. 1 BGH WM 1994, 22, 25: Feststellung des Jahresabschlusses; MünchKomm/Spindler Rn 585. 2 BGHZ 122, 342; OLG Stuttgart WM 1985, 600 = GmbHR 1986, 26; U/H/L/Heermann Rn 80 ff mwN; B/H/Zöllner/Noack Rn 91. 3 B/H/Zöllner/Noack Rn 96; U/H/L/ Heermann Rn 83 ff, auch BGHZ 122, 342; nach Kindl DB 1993, 2067 tritt Verwirkung nicht vor Ablauf eines Monats seit Beschlussfassung, regelmäßig aber nach der nächsten Aufsichtsratssitzung ein. 4 So OLG Hamburg ZIP 1992, 1310; Baums ZGR 1983, 300 mwN; dagegen ausdrücklich BGHZ 122, 342 sowie Kindl AG 1993, 153 ff; Kindl DB 1993, 2065 f und Scholz/Uwe H. Schneider Rn 437; vgl auch K. Schmidt FS Semler, 1993, S. 329, 343 ff. 5 Jetzt: KölnKomm/Mertens/Cahn § 108 AktG Rn 101 ff. 6 Ebenso Lutter/Krieger/Verse Rn 738; Ulmer/Habersack/Henssler/Ulmer/Habersack § 25 MitbestG Rn 39; im Ergebnis sehr ähnlich BGHZ 122, 342, 351 f (zu den sachlichen Unterschieden Bayer in Fleischer/Koch/Kropff/Lutter (Hrsg), 50 Jahre Aktiengesetz, 2016, S. 218 f. 7 Vgl BGHZ 135, 244, 247 = AG 1997, 337 – ARAG; BGHZ 122, 342. 8 Lutter/Krieger/Verse Rn 737, 741; MünchKomm/Spindler Rn 580.

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§ 52 | Aufsichtsrat Im Einzelnen: Die Teilnahme Dritter an Aufsichtsratssitzungen führt als Verstoß gegen eine bloße Ordnungsvorschrift weder zur Nichtigkeit noch zur Anfechtbarkeit1; Nichteinladung, verspätete Einladung, fehlende oder unvollständige Ankündigung eines Gegenstandes zur Tagesordnung begründen typisch die Anfechtbarkeit im obigen Sinne (Rn 93 und Rn 96 aE)2. 10. Interessenkonflikte und Pflichtenkollision Literatur: Langenbucher Wettbewerbsverbote, Unabhängigkeit und die Stellung des Aufsichtsratsmitglieds, ZGR 2007, 571; Lutter Die Unwirksamkeit von Mehrfachmandaten in den Aufsichtsräten von Konkurrenzunternehmen, FS Karl Beusch, 1993, S. 509; Lutter Interessenkonflikte und Business Judgment Rule, FS Canaris, Bd. II, 2007, S. 245; Lutter Verhaltenspflichten von Organmitgliedern bei Interessenkonflikten, FS Priester, 2007, S. 417; Martinek Wettbewerbliche Interessenkonflikte von AG-Aufsichtsräten, WRP 2008, 51; Uwe H. Schneider Interessenkonflikte im Aufsichtsrat, FS Goette, 2011, S. 475; Thümmel Gewissensnöte im Aufsichtsrat, Der Aufsichtsrat 2011, 137.

97a Zwischen Pflichtenkollision und Interessenkollision zu unterscheiden, ist nütz-

lich. Erstere liegt vor, wenn das Aufsichtsratsmitglied zugleich Vorstand eines anderen Unternehmens ist, mit dem der Geschäftsführer einen großen und risikoreichen Vertrag schließen will und dazu die Zustimmung des Aufsichtsrats braucht.

Eine Interessenkollision liegt vor, wenn das Aufsichtsratsmitglied einen Beratervertrag mit der Gesellschaft schließen will und dazu die Zustimmung des Aufsichtsrats erforderlich ist. Solche Konflikte sind entweder Einzelfall-Konflikte, wie die hier vorgetragenen Beispiele, oder Dauerkonflikte, wie die gleiche Person im Aufsichtsrat von VW und Daimler3. Einzelfall-Konflikte führen dazu, dass der Betroffene bei der Abstimmung im Aufsichtsrat über „sein“ Geschäft entsprechend § 34 BGB, § 47 Abs. 4 GmbHG kein Stimmrecht hat4. Umstritten ist die Frage, ob der Betroffene zur Teilnahme an der betreffenden Aufsichtsratssitzung berechtigt ist. Der BGH hat das bejaht5 – zu Unrecht, da der Betreffende dann für den Abschluss seines Beratervertrages werben kann6.

1 BGHZ 47, 349; Kindl Die Teilnahme an der Aufsichtsratssitzung, 1993, S. 192 f. 2 AA BGHZ 122, 342 und OLG Stuttgart WM 1985, 600 = GmbHR 1986, 26: Unwirksamkeit bei fehlender Einladung, unzureichender Informationen und zu kurzer Überlegungsfrist; s. B/H/Zöllner/Noack Rn 93 und Scholz/Uwe H. Schneider Rn 438; R/A/Altmeppen Rn 46 f. 3 Was wirklich geschehen ist, vgl Lutter FS Beusch, 1993, S. 509 ff. 4 Uwe H. Schneider FS Goette, 2011, S. 483 ff mit allen Nachweisen, hM. 5 BGH WM 2007, 1025, 1027 = AG 2007, 484; S/I/Peres Rn 67. 6 Zutreffend Uwe H. Schneider FS Goette, 2011, S. 483.

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Dauerkonflikte führen entweder zu einem Bestellungshindernis1, auf jeden Fall aber zur Abberufung durch die Gesellschafterversammlung oder (nur bei Pflicht-Aufsichtsrat) das Gericht, § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG iVm § 103 Abs. 3 AktG2. 11. Protokoll Über alle Aufsichtsratssitzungen ist ein förmliches Protokoll zu erstellen, § 107 98 Abs. 2 Satz 1 AktG; das gilt auch für den fakultativen Aufsichtsrat, obwohl diese Vorschrift in § 52 Abs. 1 nicht zitiert ist. Zuständig ist der Aufsichtsratsvorsitzende, der auch – ggf neben dem Protokollführer – zu unterzeichnen hat. Jedes Aufsichtsratsmitglied kann Aufnahme kurzer persönlicher Erklärungen verlangen, etwa über seinen – ggf begründeten – Widerspruch zu einem Beschluss. Auch Aushändigung kann verlangt werden, ebenso von jedem Gesellschafter nach § 51a3. 12. Klagerechte einzelner Aufsichtsratsmitglieder a) In eigener Sache (Entlastung, Feststellung, dass keine Ansprüche bestehen, 99 Entgelt) ist jedes Aufsichtsratsmitglied berechtigt, gegen die Gesellschaft, vertreten durch ihren Geschäftsführer4, zu klagen. Das gilt auch, wo ihm Informationen versagt, Teilnahme an Sitzung verwehrt, Rede- und Antragsrechte bestritten werden5. b) Klagen im Zusammenhang mit der Überwachung: Der Gesamtaufsichtsrat 100 kann sich mit den oben dargestellten Maßnahmen und mit Hilfe der Gesellschafterversammlung (Abberufung des Geschäftsführers durch diese) im Rahmen dessen, was Gesetz und Satzung wollen, durchsetzen6. Problematisch ist die Situation der Aufsichtsratsminderheit. Obwohl die Überwachung der Geschäftsführung dem Gesamtorgan Aufsichtsrat obliegt, ist eine Individualklage einzelner Aufsichtsratsmitglieder gegen geplante oder schon verwirklichte rechtswidrige Maßnahmen der Geschäftsführung in Ausnahmefällen denkbar7. Vorrang 1 So Lutter/Krieger/Verse Rn 21 ff; vgl auch Langenbucher ZGR 2007, 571, 582 ff und Martinek WRP 2008, 51, 60 ff, 66. 2 Vgl Martinek WRP 2008, 51, 64 mwN. 3 BGH GmbHR 1997, 705. 4 AA Scholz/Uwe H. Schneider Rn 556 f: je nach Klagegegenstand Gesellschafter oder Aufsichtsrat. 5 Näher Lutter/Krieger/Verse Rn 824 ff mwN; MünchKomm/Spindler Rn 706. 6 Dazu auch Geißler GmbHR 1998, 1114. 7 Offengelassen in BGHZ 106, 62; aA Mertens ZHR 154 (1990), 29; Scholz/Uwe H. Schneider Rn 563; B/H/Zöllner/Noack Rn 80, 129 mwN; Michalski/Giedinghagen Rn 299; MünchKomm/Spindler Rn 704 f.

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§ 52 | Aufsichtsrat aber hat die Klärung innerhalb des Aufsichtsrats1; das geschieht durch Klage gegen die Gesellschaft auf Feststellung der Nichtigkeit des betreffenden Aufsichtsratsbeschlusses (Rn 93 ff)2; verweigert der Aufsichtsrat jegliche Beschlussfassung, so muss von einem positiven Beschluss ausgegangen werden, wonach das Gesamtorgan die Geschäftsführungsmaßnahme billigt. Besteht die Gefahr endgültiger und nicht rückabwickelbarer Maßnahmen durch die Geschäftsführung, so kann bis zur Klärung im Rechtsstreit dem Geschäftsführer im Wege der einstweiligen Verfügung untersagt werden, die geplante Maßnahme vorzunehmen3. 13. Klagepflicht oder sonstige Maßnahmen des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds 101 Im Aufsichtsrat gilt das Mehrheitsprinzip; bestimmte Entscheidungen (oder ge-

rade auch Nicht-Entscheidungen: Vertagung, Absetzung von der Tagesordnung) mögen einzelnen Aufsichtsratsmitgliedern sachlich unvertretbar und gar mit der Gefahr von Schadensersatzansprüchen oder strafrechtlichen Sanktionen verbunden erscheinen. In ganz eklatanten Fällen muss das Aufsichtsratsmitglied den fraglichen Beschluss klageweise angreifen oder seinerseits zur Aufsichtsratssitzung einladen, wenn der Aufsichtsratsvorsitzende trotz Gefährdung der Gesellschaft nichts unternimmt4; im Übrigen genügt es, wenn das Aufsichtsratsmitglied (zu seinem eigenen Schutz) seine ablehnende Stimmabgabe sowie die Gründe hierfür zu Protokoll gibt. Auf entsprechende Protokollierung – im angemessenen Umfang und Rahmen – hat das Aufsichtsratsmitglied Anspruch5.

14. Strafrecht/Deliktsrecht 102 a) Unmittelbare Strafandrohungen gegen Aufsichtsratsmitglieder enthalten nur

die §§ 82 Abs. 2 Nr. 2 (falsche Angaben zur Vermögenslage der Gesellschaft) und 85 (Verletzung der Geheimhaltungspflicht); dazu s. § 82 Rn 23, § 85 Rn 1 ff.

103 b) Aufsichtsratsmitglieder können sich aber auch in mittelbarer Täterschaft, An-

stiftung oder Beihilfe an Delikten insbesondere der Geschäftsführer beteiligen, etwa wenn sie deren strafbares Handeln (Bestechung, Körperverletzung, Untreue, Steuerhinterziehung) decken oder gar betont fördern. Sie befinden sich hier in einer ähnlichen Situation wie der für die Technik zuständige Geschäftsführer gegenüber seinen Kollegen des Finanzressorts oder des Verkaufs, von denen er weiß, dass sie Beamte bestechen oder Steuern der Gesellschaft hinterzie-

1 BGHZ 106, 54, 58; Bork ZGR 1989, 39; Raiser ZGR 1989, 68; U/H/L/ Heermann Rn 247. 2 BGHZ 135, 244 = AG 1997, 337 – ARAG; näher Lutter/Krieger/Verse Rn 737, 831 ff; Stodolkowitz ZHR 154 (1990), 18. 3 OLG Celle DB 1989, 2422, 2423. 4 LG München I ZIP 2007, 2270 = NZI 2007, 609. 5 Zum Ganzen s. auch die Erdal-Entscheidung des BGH NJW 1990, 2560 und Rn 98.

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hen: Er muss einschreiten, will er sich nicht selbst strafbar machen (vgl auch insoweit den Erdal-Fall1). Ein Aufsichtsratsmitglied haftet den Anlegern aus unerlaubter Handlung (Beihilfe zum Betrug), wenn er in Kenntnis der betrügerischen Handlung des Geschäftsführers an Aufsichtsrats-Beschlüssen mitwirkt2. 15. Der Aufsichtsrat: ein reines Innenorgan Bis auf seine Vertretungsbefugnis gegenüber Geschäftsführer und Abschlussprü- 104 fer/Konzernabschlussprüfer konzentrieren sich die Aufgaben des Aufsichtsrats und die Befugnisse seiner Mitglieder strikt auf den Innenbereich der Gesellschaft3. Weder der Aufsichtsrat noch einzelne seiner Mitglieder sind daher zur Abgabe von Außenerklärungen (Pressekonferenz, Pressemitteilung) oder sonstigen Statements (etwa gegenüber der Betriebsversammlung) für den Aufsichtsrat bzw in Hinsicht auf ihre Tätigkeit im Aufsichtsrat berechtigt. Die gesamte Informationspolitik ist Sache der Geschäftsführung und allenfalls der Gesellschafterversammlung. Etwas anderes gilt nur, wenn die Geschäftsführung/Gesellschafterversammlung den Aufsichtsrat/Aufsichtsratsvorsitzenden ausdrücklich ermächtigt, für die Gesellschaft bestimmte Erklärungen/Erläuterungen abzugeben4. Das gilt für den fakultativen Aufsichtsrat nicht anders als für den (mitbestimmten) Pflicht-Aufsichtsrat. Diese Überlegungen gelten erst recht, wenn es um unmittelbare Maßnahmen 105 des Aufsichtsrats wie Kontaktaufnahme zu Geschäftspartnern oder Verhandlungen mit diesen geht: Das steht dem Aufsichtsrat und allen seinen Mitgliedern außerhalb ausdrücklicher Ermächtigung durch die Geschäftsführung (im fakultativen Aufsichtsrat auch: Satzung) nicht zu, ist Pflichtverletzung und kann bis zur Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern nach § 103 Abs. 3 AktG führen5. 16. Auskunftsansprüche der Gesellschafter über den Aufsichtsrat Die Gesellschaft schuldet jedem Gesellschafter aus § 51a Auskunft und Einsicht 106 in alle Unterlagen des Aufsichtsrats, insbesondere also Protokolle, Beschlüsse, Tagesordnungen, Korrespondenz. Das gilt für den Gesamtaufsichtsrat ebenso

1 BGH NJW 1990, 2560. 2 §§ 823 Abs. 2, 830 Abs. 1 BGB, § 263 Abs. 1 StGB; vgl OLG Karlsruhe WM 2009, 1147 = AG 2008, 900. 3 Scholz/Uwe H. Schneider Rn 83 und 128. 4 Näher Lutter/Krieger/Verse Rn 40 ff. 5 AG Pirmasens WM 1990, 1387 f und OLG Zweibrücken WM 1990, 1388 f.

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§ 52 | Aufsichtsrat wie für etwaige Ausschüsse1. Auch alle Geschäfte der Gesellschaft mit einzelnen Aufsichtsratsmitgliedern müssen offengelegt werden2.

VI. Der Aufsichtsrat in der Unternehmergesellschaft 107 Die Unternehmergesellschaft (UG) gemäß § 5a ist GmbH und kann daher einen

Aufsichtsrat haben, wenngleich eine solche Konstellation in der Praxis überaus selten vorkommen dürfte. Ein Aufsichtsrat in einer solchen Gesellschaft hat die gleichen Aufgaben wie in einer GmbH, bei der das Stammkapital das Mindestkapital nicht unterschreitet, so dass auf die Ausführungen (Rn 3 ff und ggf Rn 37 ff) verwiesen werden kann. Darüber hinaus kommt der Prüfung des Jahresabschlusses gemäß §§ 170, 171 AktG eine besondere Bedeutung im Hinblick auf § 5a Abs. 3 zu. Zudem hat der Aufsichtsrat besonderes Augenmerk auf die Überwachung der Liquidität zu legen und gegebenenfalls nach § 5a Abs. 4 die Gesellschafterversammlung einzuberufen.

VII. Sonderregeln für den Aufsichtsrat einer kapitalmarktorientierten GmbH 108 Ist die GmbH nach § 264d HGB kapitalmarktorientiert, weil etwa von ihr aus-

gegebene Schuldverschreibungen an der Börse zugelassen sind und gehandelt werden, so kommt die Verweisung auf die §§ 100 Abs. 5 und 107 Abs. 4 AktG zum Tragen. Danach „muss mindestens ein Mitglied des Aufsichtsrats über Sachverstand auf den Gebieten Rechnungslegung oder Abschlussprüfung verfügen“ (§ 100 Abs. 5 AktG). Für die so geforderte fachliche Befähigung braucht das betreffende Aufsichtsratsmitglied weder Wirtschaftsprüfer noch Steuerberater zu sein: Es kann sich diesen Sachverstand vielmehr auch durch praktische Fähigkeit in einem Unternehmen oder durch Weiterbildung erworben haben3.

Auf das bisherige zusätzliche Erfordernis „Unabhängigkeit“ hat der deutsche Gesetzgeber mit der Begründung verzichtet, diese folge bereits aus der Tatsache, dass der Aufsichtsrat als eigenständiges Organ der Geschäftsleitung institutionell getrennt gegenüberstehe4. 1 BGH ZIP 1997, 978 = GmbHR 1997, 705; OLG Karlsruhe GmbHR 1985, 59 und § 51a Rn 14. 2 BayObLG AG 1999, 320. 3 So schon BegrRegE BilMoG, BR-Drucks 344/08, S. 225. 4 BegrRegE AReG BT-Drucks 18/7219, S. 67; kritisch ua Strenger Audit Committee Quarterly I/2016, S. 42 f.

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Hat der Aufsichtsrat einer solchen Gesellschaft einen Prüfungsausschuss iSv § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG gebildet, so „muss mindestens ein Mitglied die Voraussetzungen des § 100 Abs. 5 erfüllen“ (§ 107 Abs. 4 AktG). Ein so befähigtes Ausschussmitglied kann durchaus auch ein Arbeitnehmer sein1. Außerdem muss der Aufsichtsrat hier der Gesellschafterversammlung einen Vorschlag zur Wahl des Abschlussprüfers/Konzernabschlussprüfers machen (nicht für dessen jährliche Wiederbestellung) und diesen auf eine entsprechende Empfehlung des Prüfungsausschusses stützen (Art. 16 Abs. 5 AbschlussprüfungsVO). Hat die kapitalmarktorientierte Gesellschaft keinen Pflicht- und auch keinen fakultativen Aufsichtsrat, so findet auf sie § 324 HGB Anwendung, wonach sie einen Prüfungsausschuss nach den dortigen Regeln zu bilden hat.

VIII. Beiräte Literatur zur Verbreitung der Beiräte in der Praxis und ihren Funktionen: Bacher Einrichtung eines schuldrechtlichen GmbH-Beirats, BB 2005, 465; Bayer Die Haftung des Beirats im Recht der GmbH und der GmbH & Co. KG, FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 75; Bea/Scheurer/Gutwein DB 1996, 1193; im Übrigen vgl Buth/Hermanns Unternehmenspolitische Erwägungen zum Beirat in der GmbH und der KG, DStR 1996, 597; F. Fleischer Die Befugnis der GmbH-Gesellschafter zur Einrichtung eines Zusatzorgans, 1984; Härer Erscheinungsformen und Kompetenzen des Beirats in der GmbH, 1991; Heimeier Der Beirat im Familienunternehmen, FS Bauer, 2010, S. 421; Hölters Der Beirat der GmbH und GmbH & Co. KG, 1979; Hofbauer Die Kompetenzen des (GmbH-)Beirats, 1996; Huber Der Beirat, 2004; Klett Die Institutionalisierung der GmbH und GmbH & Co. KG durch Zusatzgremien, 2000; Koeberle-Schmid/Groß/Lehmann-Tolkmitt Der Beirat als Garant guter Governance im Familienunternehmen, BB 2011, 889; Kormann Beiräte in der Verantwortung, 2008; Lange Der Beirat als Element der Corporate Governance in Familien-Unternehmen, GmbHR 2006, 897; Peltzer Beirat und familienfremdes Management in der Familiengesellschaft, FS Sigle, 2000, S. 93; Reichert Der Beirat als Element der Organisationsverfassung einer Familiengesellschaft, FS Maier-Reimer, 2010, S. 543; Reuter Der Beirat der GmbH, FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 631; Richter/Freund Beiratstätigkeit in mittelständischen Unternehmen, 1990; Robertz Der Beirat als freiwilliges Organ der Gesellschaft, MitRhNotkammer 1991, 239; Rohleder Die Übertragbarkeit von Kompetenzen auf GmbH-Beiräte, 1991; Spindler in MünchKomm GmbHG, 2. Aufl 2016, Rn 714 ff; Spindler/Kepper Funktionen, rechtliche Rahmenbedingungen und Gestaltungsmöglichkeiten des GmbH-Beirats, DStR 2005, 1738 und 1775; Voormann Der Beirat im Gesellschaftsrecht, 2. Aufl 1990; Weiss Beratungsverträge mit Aufsichtsrats- und Beiratsmitgliedern in der Aktiengesellschaft und der Gesellschaft mit beschränkter Haftung, BB 2007, 1853; Wiedemann Beiratsverfassung in der GmbH, FS Lutter, 2000, S. 801. 1 BegrRegE AReG BT-Drucks 18/7219, S. 67; zum Ganzen Gesell ZGR 2011, 361.

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§ 52 | Aufsichtsrat 1. Erscheinungsformen 109 In der Praxis der GmbH ist häufig neben den zwingend vorgeschriebenen Orga-

nen Gesellschafterversammlung und Geschäftsführung ein weiteres Organ anzutreffen, das als Beirat, Verwaltungsrat, Gesellschafterausschuss, Familienrat, Schiedsausschuss oÄ bezeichnet wird. Die Einrichtung eines derartigen Organs ist zulässig (arg §§ 45, 52 Abs. 1)1; es kann eine Vielzahl von Aufgaben wahrnehmen: Beratung, Vertretung der Gesellschafter gegenüber Geschäftsführung, Mitwirkung bei bestimmten (Grundlagen-)Entscheidungen, Repräsentation von Familienstämmen, schiedsrichterliche Funktionen2. Nimmt ein Beirat überwiegend Überwachungsaufgaben wahr, handelt es sich – entgegen der Bezeichnung – tatsächlich um einen Aufsichtsrat (Rn 4). IdR ist der Beirat Gesamtorgan; er kann aber auch Interessenvertretung einer Gesellschaftergruppe sein (zB bei Familiengesellschaften)3. 2. Einrichtung

110 Die Einrichtung eines Beirats und dessen wesentliche Aufgaben müssen im Ge-

sellschaftsvertrag festgelegt oder nachträglich durch Satzungsänderung eingeführt werden, wenn der Beirat organschaftliche Befugnisse (Überwachung der Geschäftsführung, Erteilung von Weisungen)4 erhalten soll; zumindest muss der Gesellschaftsvertrag eine entsprechende Ermächtigung an die Gesellschafterversammlung enthalten5. Die Regelung aller übrigen Fragen kann einer – von den Gesellschaftern oder vom Beirat selbst erlassenen – Geschäftsordnung überlassen werden6.

111 Beiräte, die auf sonstige Weise (einfacher Gesellschafterbeschluss ohne Sat-

zungsermächtigung, Vereinbarung mit Geschäftsführung oder einzelnen Gesellschaftern) eingerichtet werden, haben lediglich schuldrechtlichen Charakter. Sie erlangen keine organschaftlichen Befugnisse und eignen sich daher nur als Beratungsgremium7. Ihre rechtliche Beurteilung richtet sich nach allgemeinem Zivilrecht, so dass auf eine Kommentierung verzichtet werden kann.

1 2 3 4 5

BGHZ 43, 261. Näher Voormann S. 6 ff; Hinterhuber/Minrath BB 1991, 1201. Dazu näher BGH NJW 1985, 1900; Reuter S. 641 ff; U/H/L/Heermann Rn 322 ff mwN. Vgl auch BGH BB 1970, 226. RGZ 146, 145; aA KG GmbHR 2016, 29 (Ermächtigung ersetzt keine Satzungsänderung, kritisch Otto GmbHR 2016, 19). 6 U/H/L/Heermann Rn 331. 7 AA Scholz/Uwe H. Schneider Rn 49. Uffmann NZG 2015, 169; Überwachung der Geschäftsführung im Auftrag der Gesellschafter und auf der Grundlage ihrer Anweisung an die Geschäftsführer, den Überwachungsmaßnahmen dieses Beirats zu folgen.

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3. Zusammensetzung, Größe, innere Ordnung Zusammensetzung, Größe, innere Ordnung können (und sollten!) in der Sat- 112 zung geregelt werden1. Insbesondere kann der Beirat ganz oder überwiegend mit Nicht-Gesellschaftern besetzt werden. Das gilt auch – mangels zwingender Selbstorganschaft – für den Fall, dass dem Beirat Geschäftsführungsbefugnisse übertragen werden2. 4. Bestellung, persönliche Voraussetzungen, Abberufung a) Hinsichtlich der Bestellung und Amtszeit von Beiratsmitgliedern herrscht 113 Satzungsfreiheit; es gelten die gleichen Grundsätze wie beim fakultativen Aufsichtsrat (Rn 6 ff). Nimmt der Beirat keine Überwachungsaufgaben wahr, können auch Geschäftsführer Beiratsmitglieder berufen3. Eine Liste der Beiratsmitglieder gemäß § 52 Abs. 2 ist nicht zum Handelsregister einzureichen, es sei denn, es handelt sich tatsächlich um einen Aufsichtsrat (Rn 4 und 108)4. b) Persönliche Voraussetzungen: Beiratsmitglied kann nur eine natürliche, un- 114 beschränkt geschäftsfähige Person sein. Anders als beim fakultativen Aufsichtsrat (Rn 11) sind die Inkompatibilitätsregeln der §§ 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 105 AktG nicht anzuwenden, so dass auch Geschäftsführer und gesetzliche Vertreter von abhängigen Unternehmen Beiratsmitglied werden können. Denn die Aufgaben eines Beirats umfassen – im Gegensatz zum Aufsichtsrat – nicht notwendig die Überwachung der Geschäftsführer, so dass es einer generellen Unvereinbarkeitsregelung nicht bedarf. Im Einzelfall können Interessenkollisionen allerdings zu einem Stimmverbot führen; so für Geschäftsführer, wenn der Beirat über Maßnahmen beschließt, die zur Überwachung der Geschäftsführung zu rechnen sind5. c) Die Abberufung erfolgt durch das Bestellungsorgan ohne wichtigen Grund. 115 Liegt ein wichtiger Grund vor, kann ein untragbar gewordenes Beiratsmitglied auch gegen den Willen des Bestellungsorgans von den Gesellschaftern mit qualifizierter Mehrheit abberufen werden6.

1 Zur Gestaltung vgl Robertz S. 245 ff. 2 U/H/L/Heermann Rn 329, 334; Hölters S. 22 f, 38; im Grundsatz auch Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 13; Wiedemann FS Lutter, S. 812; eingehend Fleischer S. 103 ff; R/S-L/Koppensteiner/Gruber § 45 Rn 10; umfassende Übersicht über den Meinungsstand bei Rohleder S. 74 ff; aA Voormann S. 110 ff; Klett S. 142 ff, 169. 3 Hölters S. 30; Voormann S. 129. 4 U/H/L/Heermann Rn 320; Robertz S. 244; aA Reuter S. 633. 5 Im Ergebnis ebenso U/H/L/ Heermann Rn 337; Voormann S. 137 f; Reuter S. 649; auch Scholz/Uwe H. Schneider Rn 257. 6 U/H/L/Heermann Rn 340.

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§ 52 | Aufsichtsrat 5. Fehlerhafte Beiratsbeschlüsse 116 Für die Beurteilung fehlerhafter Beiratsbeschlüsse kommt es auf die Funktion

an, die der Beirat ausübt; es gelten die Regeln, die eingreifen würden, wenn das originäre gesetzliche Organ tätig geworden wäre: Entscheidungen des Beirats in Geschäftsführungsangelegenheiten sind (außer bei Kompetenzüberschreitungen)1 seitens der Gesellschafter nicht angreifbar; hier bleiben nur Schadensersatzansprüche. Nimmt der Beirat Aufgaben der Gesellschafterversammlung wahr, gelten §§ 241 ff AktG entsprechend2.

6. Aufgaben 117 Die Satzungsfreiheit erlaubt eine weitgehende – verdrängende – Kompetenzver-

lagerung von der Geschäftsführung/Gesellschafterversammlung auf den Beirat; lediglich vom Gesetz zwingend diesen Organen zugewiesene Aufgaben können nicht übertragen werden.

118 Für die Geschäftsführung zwingend sind dies vor allem die organschaftliche

Vertretung der Gesellschaft, die Pflicht zur Buchführung und Aufstellung des Jahresabschlusses (§§ 41, 42a), die Anmeldepflichten gegenüber Handelsregister sowie die Einhaltung der Vorschriften über die Erhaltung des Stammkapitals (§§ 30 f) sowie die Pflichten bei Insolvenz (bei § 64). Ein unentziehbarer Kernbereich der laufenden Geschäftsführung ist darüber hinaus nicht anzuerkennen (§ 37 Rn 12)3.

119 Zwingend der Gesellschafterversammlung vorbehalten sind Satzungsänderun-

gen4 und strukturändernde Grundlagenbeschlüsse (wie Umwandlung, Verschmelzung, Unternehmensverträge), die eine 3/4-Mehrheit der Gesellschafter erfordern5; ferner die Einforderung von Nachschüssen (hM)6. Die in § 46 aufgeführten Fälle unterliegen hingegen der Disposition der Gesellschafter7.

1 BGHZ 83, 122. 2 BGHZ 43, 265; OLG Düsseldorf GmbHR 1983, 124, 125; Immenga Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1970, S. 346; aA U/H/L/Heermann Rn 344 ff; B/H/Zöllner Anh § 47 Rn 208; Reuter S. 650 f. 3 U/H/L/Heermann Rn 351 mwN; aA B/H/Zöllner/Noack § 37 Rn 17. 4 BGHZ 43, 264; auch Zustimmungsvorbehalte zugunsten des Beirats sind insoweit unzulässig; hM, vgl B/H/Zöllner/Noack § 53 Rn 80. 5 U/H/L/Heermann Rn 352; Hölters S. 20 f; Voormann S. 103; Rohleder S. 34 ff; Spindler/ Kepper DStR 2005, 1742. 6 RGZ 70, 326; differenzierend Reuter S. 640. 7 B/H/Zöllner § 46 Rn 94; Härer S. 65 mwN; Scholz/K. Schmidt § 46 Rn 3, der aber eine verdrängende Übertragung für den Fall der Abberufung der Geschäftsführer aus wichtigem Grund ablehnt; U/H/L/Heermann Rn 353 mit Ausnahme für Einziehung von Geschäftsanteilen und Ausschluss von Gesellschaftern; ebenso Voormann S. 105 f; Rohleder S. 41 ff; differenzierend Mertens FS Stimpel, 1985, S. 417, 421.

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Insbesondere kann daher dem Beirat die Feststellung des Jahresabschlusses und die Entscheidung über die Gewinnverwendung überlassen werden1. Den Gesellschaftern muss eine Restkompetenz verbleiben, um zu gewährleisten, 120 dass sie ihre Souveränität über die Gesellschaft nicht vollständig verlieren2: Dazu gehört das Recht, die Auflösung der Gesellschaft zu beschließen, durch Satzungsänderungen dem Beirat Kompetenzen zu entziehen oder ihn ganz abzuschaffen sowie Beiratsmitglieder aus wichtigem Grund abzuberufen3. Bei Handlungsunfähigkeit des Beirats besteht Rückfallkompetenz der Gesellschafter4. Nicht entziehbar sind auch die individuellen Mitwirkungsrechte jedes Gesell- 121 schafters (Auskunftsrecht, Anfechtungsrecht, Gesellschafterklage) sowie die gesetzlichen Minderheitsrechte (zB § 50); dem Beirat können derartige Rechte aber zusätzlich eingeräumt werden5. In mitbestimmungspflichtigen Gesellschaften ist sicherzustellen, dass durch 122 Übertragung von Überwachungs- und Weisungsbefugnissen auf den Beirat die Mitbestimmung nicht leerläuft6. 7. Persönliche Rechtsstellung a) Pflichten: Die Beiratsmitglieder unterliegen als Mitglieder eines Gesell- 123 schaftsorgans der Treupflicht. Sie müssen ihr Amt im Interesse des Unternehmens ausüben und haben die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Beiratsmitglieds anzuwenden7. Für die Pflichten im Einzelnen – insbesondere die Verschwiegenheitspflicht – gilt das zum fakultativen Aufsichtsrat Gesagte entsprechend (Rn 25, 66 f). Eine Pflichtverletzung führt zu Schadensersatzhaftung entsprechend §§ 43, 52 GmbHG iVm §§ 116, 93 AktG (Haftungsgrundlage streitig)8; im Übrigen gilt auch hier das zum fakultativen Aufsichtsrat Gesagte (Rn 32). Eine danach grundsätzlich mögliche Milderung des Haftungsmaßstabs scheidet aus, wenn der Beirat Geschäftsführungsaufgaben wahrnimmt (vgl § 43 Rn 3). 1 OLG Düsseldorf GmbHR 1983, 124, 125; einschränkend Hommelhoff/Priester ZGR 1986, 463, 499 ff. 2 Wiedemann FS Lutter, S. 808 ff; Lange GmbHR 2006, 897, 899. 3 U/H/L/Heermann Rn 356 f; Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 10; Haack BB 1993, 1609. 4 BGHZ 12, 340. 5 BGH DB 1992, 1337 = GmbHR 1992, 365; U/H/L/Heermann Rn 355. 6 Dazu im Einzelnen U/H/L/Heermann Rn 358 ff; Mertens FS Stimpel, S. 426 ff; Teubner ZGR 1986, 565, 573 ff. 7 BGHZ 69, 207 zum Verwaltungsrat einer Publikums-KG. 8 Wie hier U/H/L/Heermann Rn 367 ff mwN; auch Reuter S. 653 f; zT aA Mertens S. 419; vgl auch Rinze NJW 1992, 2790; nach der Funktion des Beirats differenzierend Bayer FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 875.

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§ 52 | Aufsichtsrat 124 b) Rechte: Eine Vergütung kann durch Satzung, Beschluss der Gesellschafter-

versammlung oder Anstellungsvertrag gewährt werden; die Höhe steht im Belieben der Gesellschafter1. Im Übrigen – insbesondere für Aufwendungsersatz – gilt dasselbe wie für Aufsichtsratsmitglieder (Rn 70). Auf Sonderverträge der Gesellschaft mit Beiratsmitgliedern finden die §§ 113, 114 AktG keine Anwendung2. Das gilt nicht, wenn der Beirat in Wirklichkeit Aufsichtsrat ist und wesentliche Überwachungsaufgaben hat3. Ein dem Beirat durch den Gesellschaftsvertrag eingeräumtes Informationsrecht gegenüber der Geschäftsführung kann ein einzelnes Beiratsmitglied nicht selbständig geltend machen4. Dafür ist der Beirat als solcher zuständig.

1 Vgl BGH NJW-RR 1991, 1248 f. 2 U/H/L/Heermann Rn 366. 3 Weiss BB 2007, 1853, 1860 für Beiräte, die im Schwerpunkt Überwachungsaufgaben wahrnehmen. 4 BGH DB 1992, 1337 = GmbHR 1992, 365.

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Vierter Abschnitt Abänderungen des Gesellschaftsvertrages

§ 53 Form der Satzungsänderung (1) Eine Abänderung des Gesellschaftsvertrags kann nur durch Beschluss der Gesellschafter erfolgen. (2) Der Beschluss muss notariell beurkundet werden, derselbe bedarf einer Mehrheit von drei Vierteilen der abgegebenen Stimmen. Der Gesellschaftsvertrag kann noch andere Erfordernisse aufstellen. (3) Eine Vermehrung der den Gesellschaftern nach dem Gesellschaftsvertrag obliegenden Leistungen kann nur mit Zustimmung sämtlicher beteiligter Gesellschafter beschlossen werden. Abs. 2 geringfügig geändert durch BeurkG 1969; im Übrigen unverändert seit 1892; durch MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl I 2026) amtliche Überschrift ergänzt. 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . Beschlussfassung . . . . . . . . . . . . Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Qualifizierte Satzungsänderungen Satzungsdurchbrechung . . . . . . Änderungen (nur) des Satzungstextes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. 1 . 7 . 16 . 19 . 27

7. 8. 9. 10. 11.

Pflicht zur Änderung der Satzung Bedingte Satzungsänderungen . . Rückwirkung . . . . . . . . . . . . . . Befristung . . . . . . . . . . . . . . . . Aufhebung und Änderung . . . . .

. . . . .

37 41 43 47 48

. 35

1. Überblick a) Abänderung des Gesellschaftsvertrages (= Satzungsänderung) ist jede Ände- 1 rung oder Ergänzung von solchen Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages, welche die Verfassung der GmbH oder die Ausgestaltung der mitgliedschaftlichen Rechte der Gesellschafter zum Gegenstand haben (sog materieller Satzungsinhalt), sei es, dass sie zum notwendigen oder zum fakultativen Inhalt der Satzung (s. dazu § 3 Rn 1, 3, 6 ff, 21 ff, 38 ff) gehören1. Nicht erfasst sind hingegen schuldrechtliche Nebenabreden (vgl Rn 4) auch wenn sie in den Gesellschaftsvertrag als sog unechter Satzungsbestandteil aufgenommen wurden (vgl Rn 5), ebenso nicht Geschäftsordnungen, die im Zweifel jederzeit von den Gesellschaftern mit einfacher Mehrheit geändert werden können2 (vgl etwa § 48 Rn 14 zur Versammlungsleitung). 1 BGHZ 18, 205, 208; MünchKomm/Harbarth Rn 24 mwN. 2 OLG Hamm GmbHR 2010, 1033, 1034; R/S-L/Schnorbus Rn 8; G/E/S/Leitzen Rn 9 aE.

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§ 53 | Form der Satzungsänderung 2 Beispiele für Satzungsänderungen1: Änderung der Firma2; des Unternehmens-

gegenstands (vgl § 3 Rn 8); Sitzverlegung (§ 4a Rn 7 ff); Verlängerung der Dauer der Gesellschaft über die im Gesellschaftsvertrag festgelegte Zeit hinaus; Streichung der Gründungsgesellschafter aus der Satzung (dazu auch § 3 Rn 18); Einführung oder Änderung von Abtretungsbeschränkungen (§ 15 Rn 71 ff), Übertragungsverpflichtungen und Erwerbsrechten an Geschäftsanteilen, soweit es sich nicht nur um eine schuldrechtliche Verpflichtung handelt; Änderung der Regeln zur Gewinnverteilung oder im Hinblick auf die Stimmrechte3; Einführung von Sonderrechten (Vorzugs-Geschäftsanteilen); nachträgliche Befreiung des Geschäftsführers vom Verbot des Selbstkontrahierens (§ 181 BGB). Die Änderung der Gesamtvertretungsbefugnis in Einzelvertretungsbefugnis bei mehreren Geschäftsführern4 ist auch Satzungsänderung, es sei denn, die Gesellschaft hat nur noch einen Geschäftsführer (dann ergibt sich das bereits aus dem Gesetz5). Auch Veränderungen des Stammkapitals (Erhöhung oder Herabsetzung) sind Satzungsänderungen, unterliegen aber vor allem den Sonderregeln der §§ 55 ff (s. § 55 Rn 3, 4 mwN); zu qualifizierten Satzungsänderungen Rn 19 ff.

3 b) Keine Satzungsänderung iSd §§ 53, 54 sind die Veräußerung des Unterneh-

mens der Gesellschaft als Ganzes (Vermögensübertragung), der Abschluss eines Unternehmensvertrages (Anh zu § 13 Rn 42 ff), die Umwandlung6, Verschmelzung oder Spaltung nach den Vorschriften des UmwG. Aber all diese Verträge betreffen die Grundlagen der Gesellschaft, überlagern, beseitigen oder ändern die Satzung und sind daher wie eine Satzungsänderung zu behandeln7.

4 Keine Satzungsänderung ist die Änderung oder der Abschluss von schuldrecht-

lichen Nebenvereinbarungen der Gesellschafter8 (dazu ausführlich § 3 Rn 3, 59 ff), mögen sie ihrem Inhalt nach auch einer Satzungsänderung gleichkommen9 (vgl auch § 3 Rn 62), zB Vereinbarungen unter den Gesellschaftern, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer abweichend vom Gesellschaftsvertrag nur aus wichtigem Grund soll abberufen werden können10. Keine Satzungsänderung ist auch die Änderung eines Konsortials-/Stimmbindungsvertrages (näher § 3 1 2 3 4 5 6 7

Aufzählung etwa bei Scholz/Priester Rn 110 ff. Zur Kostenberechnung in diesem Fall: Ländernotarkasse NotBZ 2014, 457. Beispiel: Installierung eines doppelten Stimmrechts: OLG Hamm ZIP 2015, 969, 971. OLG Frankfurt ZIP 1983, 182. LG Mainz GmbHR 1986, 163 f. Eingehend Kort AG 2011, 611 ff. Trotz dogmatischer Unterschiede im Ergebnis unstreitig: B/H/Zöllner/Noack Rn 37 f; R/A/Roth Rn 10; R/S-L/Schnorbus Rn 24 ff; vgl auch BGHZ 105, 324 = GmbHR 1989, 25 – Supermarkt; BGH GmbHR 1992, 253, 254 f. 8 MünchKomm/Harbarth Rn 29; G/E/S/Leitzen Rn 9; ausführlich Hoffmann-Becking ZGR 1994, 442 ff; M. Winter ZHR 154 (1990), 259 ff. 9 Scholz/Priester Rn 7; MünchKomm/Harbarth Rn 29 mwN. 10 Vgl weiter BGH ZIP 1983, 432 (Leistung von Deckungsbeiträgen).

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Rn 59, 64), und zwar auch dann, wenn alle Gesellschafter beteiligt sind1; dies gilt auch, wenn die Stimmbindung Regelungen im Hinblick auf Satzungsänderungen trifft2. Auch die Änderung sog unechter Satzungsbestandteile (Rn 1 sowie § 3 5 Rn 59 ff) ist keine Satzungsänderung3. Ihre Aufnahme in die Satzung kann aber signalisieren, dass eine Aufhebung oder Änderung nicht der Mitwirkung aller Beteiligten bedarf, sondern nach den Regeln der Satzungsänderung möglich sein soll4. Es genügt dann ein Beschluss mit satzungsändernder Mehrheit sowie ggf Zustimmung des Betroffenen; die Anpassung des Satzungstextes ist hier erforderlich und wegen der Publizitätsfunktion des Handelsregisters auch anzumelden5. c) Voraussetzungen einer wirksamen Satzungsänderung sind stets und un- 6 abdingbar der Änderungsbeschluss in der gehörigen Form (Rn 7 ff) und dessen Eintragung im Handelsregister (§ 54 Abs. 3). Zum Problem der Rückwirkung s. Rn 43.

2. Beschlussfassung a) Entscheidung nur durch die Gesellschafter: Über die Satzungsänderung 7 kann allein die Gesamtheit der Gesellschafter (iSv § 16 Abs. 16) beschließen (Grundsatz der Satzungsautonomie). Daher kann auch der Gesellschaftsvertrag die Beschlussfassung weder einem anderen Organ noch einem einzelnen Organmitglied oder Gesellschafter noch gar einem außenstehenden Dritten übertragen7. Ob die betreffende Änderung für Gläubiger und Gesellschafter gefährlich ist oder nicht, ist ohne Belang; daher kann zB auch die Bestimmung des Geschäftsjahres nicht dem Geschäftsführer übertragen werden8. Unwirksam und daher unbeachtlich ist auch ein Zustimmungsvorbehalt zugunsten eines ande1 BGH GmbHR 2009, 306, 308 f; R/A/Roth Rn 4; U/H/W/Ulmer Rn 19. 2 BGH GmbHR 2010, 980, 981; vgl obiter auch schon BGHZ 123, 15, 20 = GmbHR 1993, 497, 499; Herget/Mingau DStR 2001, 1219; ebenso R/S-L/Schnorbus Rn 7 mwN; aA Wicke Rn 23. 3 LG Dortmund GmbHR 1978, 235; R/A/Roth Rn 4; U/H/W/Ulmer Rn 31; MünchKomm/ Harbarth Rn 24, 31; Henssler/Strohn/Gummert Rn 5; B/H/Zöllner/Noack Rn 24; abweichend Scholz/Priester Rn 19; R/S-L/Schnorbus Rn 12. 4 So auch B/H/Zöllner/Noack Rn 23 ff; MünchKomm/Harbarth Rn 25. 5 B/H/Zöllner/Noack Rn 24; U/H/W/Ulmer Rn 31; S/I/Inhester Rn 11. 6 Oder ein für den betreffenden Gesellschafter handelnder Dritter, zB Testamentsvollstrecker, BayObLG NJW 1976, 1692, 1693. 7 Allgemeine Meinung: BGHZ 43, 261, 264; OLG Köln GmbHR 1996, 291; Scholz/Priester Rn 62 mwN. 8 Zutreffend Priester GmbHR 1992, 584 ff gegen OLG Stuttgart GmbHR 1992, 468; zustimmend R/S-L/Schnorbus Rn 55.

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§ 53 | Form der Satzungsänderung ren Gesellschaftsorgans (zB Aufsichtsrat) oder zugunsten außenstehender Dritter1 (zB Behörde). Zulässig ist allein ein statutarischer Zustimmungsvorbehalt bzw ein statutarisches Vetorecht für einzelne Gesellschafter2. Stimmbindungsverträge unter Gesellschaftern über Satzungsänderungen sind daher wirksam (vgl bereits Rn 4 aE); zu Vereinbarungen mit Nichtgesellschaftern über Satzungsänderungen: Rn 40. 8 b) Bevollmächtigung, gesetzliche Vertretung und Zustimmungsvorbehalte:

Bei der Beschlussfassung kann sich jeder Gesellschafter vertreten lassen, soweit das die Satzung nicht ausschließt oder einschränkt3 (§ 47 Rn 25). Vollmachten bedürfen vorbehaltlich abweichender Satzungsregelung der Textform gemäß § 126b BGB4 (§ 47 Abs. 3, § 47 Rn 29); (rückwirkende) Genehmigung gemäß § 177 Abs. 1 BGB5 bei vollmachtslosem Vertreterhandeln6 und vorbehaltene Zustimmungen eines Gesellschafters sind (mangels abweichender Satzungsregelung) formlos und auch konkludent – insbesondere durch zustimmende Stimmabgabe bei der Beschlussfassung – möglich7 (aber gemäß § 12 Abs. 2 HGB Nachweis gegenüber Registerrichter erforderlich!8).

9 § 181 BGB ist auf die Vertretung durch Mitgesellschafter ebenso anwendbar

wie auf die Vertretung mehrerer Gesellschafter durch einen Dritten9; doch kann (etwa in der Vollmachtsurkunde) Befreiung erteilt werden (vgl § 47 Rn 27, 30)10. Minderjährige handeln durch ihre(n) gesetzlichen Vertreter. Da auch hier § 181 BGB gilt, sind Eltern, die auch Gesellschafter sind, von der Vertretung ihrer Kinder ausgeschlossen11 (vgl auch § 2 Rn 5 ff). Da hier eine Befreiung von § 181 BGB nicht in Betracht kommt, ist – für jedes Kind – ein Ergänzungspfleger (§ 1909 BGB) erforderlich12. Familiengerichtliche Genehmigung nach § 1822 Nr. 3 BGB ist hingegen idR nicht erforderlich13, anders bei Kapitalerhöhungen (vgl § 55 Rn 37).

1 Lutter FS Quack, 1991, S. 301, 314; R/S-L/Schnorbus Rn 55; B/H/Zöllner/Noack Rn 79 f; Scholz/Priester Rn 63. 2 RGZ 169, 81; B/H/Zöllner/Noack Rn 78; MünchKomm/Harbarth Rn 57. 3 BGH GmbHR 1989, 120, 121; MünchKomm/Harbarth Rn 62. 4 Allgemeine Meinung: R/A/Roth Rn 21; MünchKomm/Harbarth Rn 62. 5 Auch bei Einpersonen-Gesellschaften (anders bei Gründung: § 2 Rn 34 mwN): OLG Frankfurt GmbHR 2003, 415, 416. 6 Dazu BayObLG GmbHR 1989, 252, 253. 7 RGZ 136, 185, 192; Scholz/Priester Rn 94. 8 MünchKomm/Harbarth Rn 66 aE; Wicke § 54 Rn 5. 9 BGH GmbHR 1988, 337; Scholz/Priester Rn 101 mwN; aA nur R/A/Roth § 47 Rn 36. 10 Scholz/Priester Rn 102; MünchKomm/Harbarth Rn 64; ausführlich Kirstgen GmbHR 1989, 406, 407. 11 BGH GmbHR 1988, 337, 338. 12 MünchKomm/Harbarth Rn 64, 84; Scholz/Priester Rn 103. 13 BGH GmbHR 1991, 569, 571; Scholz/Priester Rn 104; MünchKomm/Harbarth Rn 84.

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c) Gesellschafterversammlung: Für Satzungsänderungen ist ihre Ankündigung 10 bei Einladung zur Sitzung (dazu § 51) besonders sorgfältig zu formulieren; allgemeine Floskeln wie „Satzungsänderung“ genügen nicht1. Mindestens das exakte Ziel („Erhöhung der Zuweisungen aus dem Bilanzgewinn an die Rücklagen von 20 % auf 40 %“ oder „Einführung eines Zustimmungserfordernisses der Gesellschaftermehrheit zur Abtretung von Geschäftsanteilen nach § 15 Abs. 5 GmbHG“) – nicht aber die geplante Formulierung selbst – ist erforderlich2, andernfalls ist ein gefasster Beschluss anfechtbar (näher § 51 Rn 26, 30). Für den Ort der Beschlussfassung gelten die allgemeinen Regeln; sie kann daher 11 auch im Ausland stattfinden (näher § 48 Rn 12); zur Beurkundung aber noch Rn 17. Die Gesellschafter müssen den satzungsändernden Beschluss nicht notwendig in 12 einer Gesellschafterversammlung fassen; eine Entscheidung im schriftlichen Abstimmungsverfahren (§ 48 Abs. 2, dazu § 48 Rn 21 ff) ist nach heute ganz hL zulässig3. Die Gesellschafter geben ihre Stimmen zu Protokoll eines (oder auch verschiedener Notare) ab, der nach § 53 Abs. 2 bestellte Notar stellt dann aufgrund der ihm vorgelegten schriftlichen Voten den Satzungsänderungsbeschluss formgerecht (§ 53 Abs. 2) fest4. Dies mag häufig unpraktisch sein5, ist aber nicht unzulässig6. d) Mehrheiten: Der Änderungsbeschluss wird mit mindestens 3/4 der abgegebe- 13 nen und nach § 47 Abs. 2 berechneten Stimmen gefasst7 (vgl § 47 Rn 7; zu den Ausnahmen bei der sog formellen Satzungsänderung Rn 35 und bei der Neufestlegung der Gewinnverwendung in sog Altgesellschaften § 29 Rn 59). Im Gesellschaftsvertrag können die Anforderungen an die Mehrheit nicht abgeschwächt, wohl aber verschärft werden (arg § 53 Abs. 2 Satz 2): zB Einstimmigkeit, doppelte Mehrheiten (Stimmen- und Kapitalmehrheit; aller vorhandenen und 3/4 der abgegebenen Stimmen); Quorum; Zustimmung aller oder bestimmter Gesellschafter8. In der Satzung veränderbar ist auch die Stimmkraftregelung des § 47 Abs. 2 (dazu § 47 Rn 7); dadurch kann indirekt auch eine Abschwächung der

1 R/S-L/Schnorbus Rn 56; B/H/Zöllner/Noack § 51 Rn 26. 2 OLG Stuttgart NZG 2000, 159; B/S/Arnold Rn 8. 3 B/H/Zöllner/Noack Rn 55; Scholz/Priester Rn 66; Wicke Rn 7; Scholz/K. Schmidt § 48 Rn 61; MünchKomm/Harbarth Rn 61; G/E/S/Leitzen Rn 22. 4 Vgl B/H/Zöllner/Noack Rn 74; Scholz/Priester Rn 66; MünchHdbGmbH/Marquardt § 22 Rn 27. 5 So R/S-L/Schnorbus Rn 56; S/I/Inhester Rn 26; vgl aber auch MünchKomm/Harbarth Rn 61 (bei Stimmrechtsvollmacht). 6 So aber BGHZ 15, 324, 328 (obiter); OLG Hamm NJW 1974, 1057; R/S-L/Schnorbus Rn 56; R/A/Roth Rn 10. 7 R/A/Roth Rn 18; MünchKomm/Harbarth Rn 79; Scholz/Priester Rn 78. 8 BayObLG GmbHR 1985, 261; B/H/Zöllner/Noack Rn 63; Scholz/Priester Rn 78, 88.

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§ 53 | Form der Satzungsänderung Mehrheitsregelung des § 53 Abs. 2 herbeigeführt werden1. Enthält die Satzung Zusatzerfordernisse iSv § 53 Abs. 2 Satz 2, so ist eine Satzungsänderung nur unter Beachtung dieser Zusatzerfordernisse möglich2. 14 e) Stimmrechtsschranken: § 47 Abs. 4 findet keine Anwendung3 (vgl § 47 Rn 50). Zur Frage, ob das Stimmrecht des Vorerben4 insoweit eingeschränkt ist, als der Beschluss eine unentgeltliche Verfügung über den Geschäftsanteil enthält (§ 2113 Abs. 2 BGB), vgl Lutter ZGR 1982, 108, 117; zur ähnlichen Problematik bei Testamentsvollstreckung (§ 2205 Satz 3 BGB) vgl Scholz/Priester Rn 107. Werden Rechte Dritter (Nießbrauch, Pfandrecht, Anwartschaftsrecht) durch Satzungsänderung (zB Vinkulierung5, Änderung des Gewinnanteils oder des Stimmrechts) mittelbar beeinträchtigt, bedarf die Satzungsänderung nicht ihrer Zustimmung6. Denn die Zustimmungserfordernisse der §§ 1071, 1276 BGB betreffen nur das Innenverhältnis zwischen dem Gesellschafter und dem Dritten; Verstöße hiergegen (sowie auch gegen Stimmrechtsvereinbarungen mit Dritten) lassen die Wirksamkeit der Stimmabgabe und des Beschlusses unberührt7. Zu allgemeinen Schranken der Mehrheitsherrschaft: § 14 Rn 29 ff. 15 f) Zeitpunkt: Satzungsänderungen sind ab Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister und bis zu ihrer Löschung möglich8. Auch in der Abwicklung und in der Insolvenz kann die Gesellschafterversammlung wirksam eine Satzungsänderung beschließen, soweit dem nicht der Zweck der Abwicklung oder der Insolvenz entgegensteht9. Zur Änderung des Gesellschaftsvertrages vor Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister: § 2 Rn 48; zu den Besonderheiten der Mantelverwendung § 3 Rn 78 ff.

3. Form 16 a) Notarielle Beurkundung des Beschlusses erfolgt gemäß §§ 36, 37 BeurkG

(Wahrnehmung des Notars über den Abstimmungsvorgang und sein Ergebnis)10; 1 Richtig B/H/Zöllner/Noack Rn 62; R/A/Roth Rn 18; Scholz/Priester Rn 86. 2 BGHZ 76, 191, 196 (für AG); Scholz/Priester Rn 86; ausführlich Hoffmann NZG 2002, 765 ff; zu Unrecht aA OLG Hamm GmbHR 2001, 974, 975 f (für Vinkulierungsklausel). 3 OLG Stuttgart NZG 1998, 601, 603 = GmbHR 1998, 943 (LS) – Dornier; Scholz/ K. Schmidt § 47 Rn 113 f; MünchKomm/Harbarth Rn 83; aA R/A/Roth Rn 44. 4 Dazu ausführlich MünchKomm/Harbarth Rn 86 ff. 5 Dazu OLG Dresden GmbHR 2004, 1080 ff. 6 RGZ 139, 224, 228 ff; B/H/Zöllner/Noack Rn 39; B/S/Arnold Rn 12; Scholz/Priester Rn 99; G/E/S/Leitzen Rn 56 aE; aA U/H/W/Ulmer Rn 89; R/S-L/Schnorbus Rn 63. 7 B/H/Zöllner/Noack Rn 39; Scholz/Priester Rn 99. 8 B/H/Zöllner/Noack Rn 82; R/A/Roth Rn 31; MünchKomm/Harbarth Rn 166; aA Scholz/Priester Rn 183. 9 BGHZ 24, 286; Scholz/Priester Rn 184. 10 Scholz/Priester Rn 69; MünchKomm/Harbarth Rn 68; ausführlich Röll DNotZ 1979, 644 ff.

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Beurkundung als Willenserklärung nach §§ 8 ff BeurkG ist jedoch – auch bei vollständiger Neufassung der Satzung – unschädlich1. b) Auch im Ausland gefasste Beschlüsse (zum Ort der Gesellschafterversamm- 17 lung: Rn 11 sowie § 48 Rn 12) bedürfen notarieller Beurkundung; denn auch in diesem Fall gilt allein deutsches GmbH-Recht als Wirkungsstatut; eine einfachere Ortsform (zB Schriftform) genügt hier2 nicht (ausführlich § 2 Rn 27 ff)3. Beurkundung durch eine ausländische Urkundsperson soll nach noch hM indes zulässig sein, wenn diese gleichwertig ist, dh nach ihrer Vorbildung und Stellung den deutschen Anforderungen entspricht4; dies ist jedoch höchst zweifelhaft (vgl ausführlich § 2 Rn 28 ff)5. c) Nichtbeachtung der Form führt analog § 241 Nr. 2 AktG zur Nichtigkeit des 18 Beschlusses6. Heilung entsprechend § 242 Abs. 1 AktG mit Eintragung im Handelsregister (näher Anh zu § 47 Rn 26). Bei Einpersonen-Gesellschaften erfüllt die Form zugleich das Erfordernis von § 48 Abs. 3 (§ 48 Rn 34).

4. Qualifizierte Satzungsänderungen Zum Schutz einzelner oder aller Gesellschafter bedürfen einige Satzungsände- 19 rungen der Zustimmung des Betroffenen. Ausdrücklich wird in § 53 Abs. 3 die Leistungsmehrung genannt (Rn 21), doch werden einige weitere Satzungsänderungen gleichgestellt (Rn 23–26). Die Zustimmungserklärung ist ein zusätzliches Wirksamkeitserfordernis; sie ist 20 Willenserklärung und folgt den allgemeinen Regeln (insbesondere §§ 182–184 BGB); sie kann formlos vor, während oder nach der Beschlussfassung erklärt werden7. Erklärte Zustimmung bindet auch Rechtsnachfolger8. Ohne sie ist der Gesellschafterbeschluss (schwebend) unwirksam9 (vgl Anh zu § 47 Rn 4), und 1 OLG Köln GmbHR 1993, 164; Scholz/Priester Rn 70; MünchHdbGmbH/Marquardt § 22 Rn 25; abweichend B/H/Zöllner/Noack Rn 70. 2 Zur Problematik bei der Abtretung von Geschäftsanteilen: § 15 Rn 27 ff. 3 Speziell für Satzungsänderungen: OLG Hamm NJW 1974, 1057, 1058; B/H/Zöllner/ Noack Rn 75; B/S/Arnold Rn 11; R/A/Roth Rn 21; S/I/Inhester Rn 31; G/E/S/Leitzen Rn 40; MünchKomm/Harbarth Rn 77; Scholz/Priester Rn 72 mwN. 4 BGHZ 80, 76, 78 = GmbHR 1981, 238, 239; MünchKomm/Harbarth Rn 78; R/S-L/ Schnorbus Rn 59; Kröll ZGR 2000, 111, 129 ff. 5 Ausführlich Bayer/Meier-Wehrsdorfer in Hauschild/Kallrath/Wachter, Notarhandbuch Gesellschafts- und Unternehmensrecht, 2. Aufl 2016, § 9 Rn 5 ff, 9; Scholz/Priester Rn 74 f mwN. 6 OLG Köln BB 1993, 317, 318 = GmbHR 1993, 164 (LS); S/I/Inhester Rn 30; MünchKomm/Harbarth Rn 67 mwN. 7 B/H/Zöllner/Noack Rn 78; R/A/Roth Rn 45. 8 Noack GmbHR 1994, 349, 351 f. 9 BGHZ 15, 178, 181.

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§ 53 | Form der Satzungsänderung zwar im Zweifel absolut, dh nicht bloß relativ gegenüber dem Gesellschafter, dessen Zustimmung fehlt1. Derartige Beschlüsse sind: 21 a) Leistungsvermehrung: Nach § 53 Abs. 3 können dem Betroffenen ohne seine

Zustimmung weder neue Einlage-, Unterlassungs- (zB Wettbewerbsverbot) oder Nebenleistungspflichten auferlegt2, noch können sie verstärkt oder verlängert oder etwa durch entsprechende Sanktionierung verschärft werden3. Entsprechendes gilt für eine Verlängerung der Zeitdauer der Gesellschaft (§ 3 Abs. 2)4, die Einführung oder Verschärfung des Rechts zur Zwangseinziehung5 (dazu § 34 Rn 29)6, eine nachteilige Veränderung der Liquidationsquote oder auch eine neue Abfindungsbeschränkung (Ratenzahlung)7; bei Aufhebung oder Lockerung gilt jedoch (nur) § 53 Abs. 1, 28 (vgl auch § 3 Rn 24).

22 § 53 Abs. 3 ist zwingend; allerdings kann die Satzung vorsehen, dass in ihr nach

Art, Ausmaß und Umfang näher umschriebene Leistungsvermehrungen9 auch ohne Zustimmung der Betroffenen wirksam sind10; die nachträgliche Einführung einer solchen Bestimmung kann nur mit Zustimmung aller Gesellschafter erfolgen11.

23 b) Eine Änderung des Gesellschaftszwecks ieS (zur Abgrenzung von Gesell-

schaftszweck und Unternehmensgegenstand: § 1 Rn 2 f) ist nur mit Zustimmung aller Gesellschafter möglich; § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB formuliert insoweit einen allgemeinen Grundsatz des Gesellschaftsrechts12. Der Grund für dieses Zustimmungserfordernis liegt ua darin, dass durch eine Zweckänderung der Inhalt der Mitgliedschaften grundsätzlich verändert wird. Daher muss das Gleiche gelten, wenn die Mitgliedschaften insgesamt gewinnlos gestellt werden sollen (zB soll nach dem Inhalt der geänderten Satzung der gesamte Gewinn den Rücklagen zugewiesen werden); zum Abschluss eines Gewinnabführungsvertrages Anh zu § 13 Rn 44 ff. Eine Regelung, wonach der Liquidationsüberschuss einem Dritten

1 Ähnlich aber teilweise differenzierend B/H/Zöllner/Noack Rn 78; R/S-L/Schnorbus Rn 79; Scholz/Priester Rn 96; MünchKomm/Harbarth Rn 133; abweichend Michalski/ Hoffmann Rn 94 ff. 2 RGZ 121, 238, 241 f. 3 B/H/Zöllner/Noack Rn 32; Scholz/Priester Rn 50. 4 RGZ 136, 185, 188; Scholz/Priester Rn 123 mwN. 5 Dagegen reicht für die freiwillige Einziehung ein einfacher Änderungsbeschluss: B/H/ Zöllner/Noack Rn 36; Scholz/Priester Rn 126. 6 BGHZ 9, 157, 160; BayObLG GmbHR 1978, 269; Scholz/Priester Rn 126; aA R/A/Roth Rn 37 (nur bei Ungleichbehandlung). 7 KG v. 30.6.2006 – 14 U 164/04. 8 Scholz/Priester Rn 126; MünchKomm/Harbarth Rn 205 (für Einziehung). 9 Hier gelten strenge Anforderungen an die Deutlichkeit: R/S-L/Schnorbus Rn 80; Scholz/ Priester Rn 51. 10 B/H/Zöllner Rn 33; MünchKomm/Harbarth Rn 129. 11 MünchHdbGmbH/Marquardt § 22 Rn 39; MünchKomm/Harbarth Rn 129. 12 R/A/Roth Rn 42; B/H/Zöllner/Noack Rn 29.

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(zB dem Roten Kreuz) zufallen soll, ist Zweckänderung und unterfällt daher direkt dem Prinzip des § 33 BGB. Die Satzung kann jedoch eine (qualifizierte) Mehrheitsentscheidung anordnen1 (vgl § 1 Rn 20). c) Sonderrechte (§ 14 Rn 12, 19) können nur mit Zustimmung ihrer Inhaber 24 ganz oder teilweise entzogen werden (§ 35 BGB analog); § 179 Abs. 3 AktG gilt nicht analog2. d) Vinkulierung: Die nachträgliche Einführung oder Erschwerung der be- 25 schränkten Abtretbarkeit der Geschäftsanteile bedarf der Zustimmung sämtlicher betroffener Gesellschafter (ausführlich § 15 Rn 73); für die nachträgliche Aufhebung oder Erleichterung der Vinkulierung ist hingegen die satzungsändernde Mehrheit ausreichend, es sei denn, der Gesellschaftsvertrag hat eine andere Regel getroffen (ausführlich § 15 Rn 74 mwN). e) Ungleichbehandlung: Ein Gesellschafter oder eine Gruppe von Gesellschaf- 26 tern kann nur mit ihrer Zustimmung hinter die anderen Gesellschafter zurückgesetzt werden. Andernfalls ist das Recht auf gleichmäßige Behandlung aller Gesellschafter (§ 53a AktG analog) verletzt und der Beschluss anfechtbar (vgl Anh zu § 47 Rn 55). Durch diese Regel werden die Gesellschafter gegen eine für sie nachteilige, andere Gesellschafter begünstigende Veränderung des Stimmrechts, des Gewinnbezugsrechts, der Liquidationsquote etc geschützt3 (vgl auch § 14 Rn 46).

5. Satzungsdurchbrechung Literatur: Goette Satzungsdurchbrechung und Beschlussanfechtung, RWS-Forum GesR 8 (1995), S. 113; Habersack Unwirksamkeit „zustandsbegründender“ Durchbrechungen der GmbH-Satzung sowie darauf gerichteter schuldrechtlicher Nebenabreden, ZGR 1994, 354; Helmke Satzungsdurchbrechungen bei der GmbH, 2001; Lawall Satzungsdurchbrechende Beschlüsse im GmbH-Recht, DStR 1996, 1169; Noack Zur Bindung des Erwerbers eines Geschäftsanteils an Beschlusslagen bei der GmbH, GmbHR 1994, 349; Pöschke Satzungsdurchbrechende Beschlüsse in der GmbH, DStR 2012, 1089; Priester Satzungsänderung und Satzungsdurchbrechung, ZHR 151 (1987), 40; Priester Öffnungsklauseln zur Gewinnverteilung in der GmbH-Satzung, FS W. Müller, 2001, S. 113; Tieves Satzungsverletzende und satzungsdurchbrechende Gesellschafterbeschlüsse, ZIP 1994, 1341; Zöllner Satzungsdurchbrechung, FS Priester, 2007, S. 879.

a) Begriff und Arten: Satzungsdurchbrechungen iwS sind alle Gesellschafter- 27 beschlüsse, die, ohne den Kautelen der §§ 53, 54 zu entsprechen, eine von der Satzung abweichende Regelung treffen. Ist die abweichende Regelung abstrakt generell, soll zB eine Satzungsbestimmung über den Einzelfall hinaus außer Kraft 1 BGHZ 96, 245, 249 f (Verein); Scholz/Priester Rn 181; B/H/Zöllner/Noack Rn 29. 2 B/H/Zöllner/Noack Rn 35; S/I/Inhester Rn 44. 3 MünchHdbGmbH/Marquardt § 22 Rn 43; R/A/Roth Rn 33.

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§ 53 | Form der Satzungsänderung gesetzt werden, so handelt es sich nicht um eine Satzungsdurchbrechung ieS, sondern um eine generell unwirksame Satzungsänderung1. 28 Satzungsdurchbrechungen ieS hingegen sind Gesellschafterbeschlüsse2, die für ei-

nen konkreten Einzelfall von einer Satzungsregelung abweichen und deren Geltung im Übrigen für die Zukunft nicht aufheben wollen3. Solche Beschlüsse sind nicht generell unwirksam4. Da die Gesellschafter aber in diesen Fällen meist auf die notarielle Beurkundung und/oder die Eintragung im Handelsregister „verzichten“, stellt sich auch hier die Frage nach ihrer Wirksamkeit. Zu klären ist, ob und unter welchen Voraussetzungen sie nichtig, unwirksam, anfechtbar oder wirksam sind (zu den Rechtsfolgen näher bei Rn 31). Bei der Beantwortung muss man berücksichtigen: Auch die nur punktuelle Abweichung von der Satzung – ist kein Grund zur Reduzierung des Minderheitenschutzes, verwirklicht im Gebot der Ladung mit entsprechender Ankündigung (§ 51 Abs. 2, 4), dem Erfordernis satzungsändernder Mehrheit und der Kontrolle durch das Registergericht; – ist kein Grund, das legitime Interesse eines Erwerbers von Geschäftsanteilen und des Verkehrs an korrekter Information hintanzustellen; – ist aber auch kein Grund, das widersprüchliche Verhalten von Gesellschaftern (die erst zustimmen und dann auf § 241 Nr. 2 AktG verweisen) oder den Windfall-Profit von Erwerbern zu fördern (die angeblich satzungswidrige Ausschüttungen von früheren Gesellschaftern zurückverlangen). Die Lösung muss diesen widerstreitenden Interessen gerecht werden.

29 b) Aus dieser Interessenlage ergibt sich, dass nach der von Priester begründeten5

und iE zutreffenden Auffassung6 die Wirkungen des Beschlusses von entscheidender Bedeutung sind: Hat er zustandsbegründende Dauerwirkung oder wirkt er sich nur punktuell aus7? Ein Verzicht auf diese Differenzierung kann ange-

1 BGHZ 123, 15, 18 = GmbHR 1993, 497, 498 (Bestellung Aufsichtsrat); OLG Nürnberg GmbHR 2000, 563, 564 (Entzug Sonderrecht auf Geschäftsführung); OLG Köln GmbHR 1996, 291, 292 (Recht zum Aufsichtsrat); MünchHdbGmbH/Marquardt § 22 Rn 91; aA Tieves ZIP 1994, 1341 ff. 2 Dazu ausführlich auch DNotI-Report 2014, 1 ff. 3 Beispiel bei Priester ZHR 151 (1987), 40, 42 ff; vgl auch BGHZ 32, 17, 29 (Ausschließung Gesellschafter). 4 BGHZ 123, 15, 19 = GmbHR 1993, 497, 498. 5 Priester ZHR 151 (1987), 40, 51 ff. 6 Ebenso Scholz/K. Schmidt § 45 Rn 43; R/S-L/Schnorbus Rn 44; Michalski/Hoffmann Rn 39; R/A/Roth Rn 28; MünchKomm/Harbarth Rn 48; abweichend insbesondere Zöllner FS Priester, 2007, S. 879 ff; Habersack ZGR 1994, 354, 361 ff (Wille zur Satzungsänderung entscheidend); kritisch auch Pöschke DStR 2012, 1089 ff; G/E/S/Leitzen Rn 15. 7 BGHZ 123, 15, 19; OLG Dresden GmbHR 2012, 213; obiter auch OLG Hamm ZIP 2015, 969, 971 – Tönnies; Michalski/Hoffmann Rn 39; MünchKomm/Harbarth Rn 48; Priester ZHR 151 (1987), 40, 52; ähnlich: Noack GmbHR 1994, 349, 354: korporative Dauerwirkung.

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sichts der Schutzzwecke der §§ 53 f nicht damit begründet werden, dass die Gesellschafter als Herren des Gesellschaftsvertrags sich für konkrete Fälle von der Satzung dispensieren können. Aus dem gleichen Grund kann auch nicht darauf abgestellt werden, ob durch den Beschluss die Satzung erklärtermaßen, wenn auch nur für einen Einzelfall, durchbrochen werden soll; auf einen Willen zur Satzungsdurchbrechung kann es nicht ankommen1. c) Dauerwirkung liegt etwa vor, wenn die Satzung eine dreijährige Amtszeit der 30 Aufsichtsratsmitglieder vorsieht, die neu Gewählten aber auf unbestimmte Zeit im Amt sein sollen2, oder ein Ausländer zum Geschäftsführer bestellt wird, obwohl die Satzung diese Funktion Inländern vorbehält, oder die Zustimmung zum Kauf einer gegenstandsfremden Tochtergesellschaft erteilt wird3. Auch ein satzungswidriger Gewinnverwendungsbeschluss entfaltet Dauerwirkung4. Wenn der Beschluss Dauerwirkung hat, ist er eine in die Zukunft wirkende Änderung der Satzung und damit auch materiell satzungsändernd5. Daraus erhellt, dass er auch die Interessen möglicher Erwerber eines Geschäftsanteils berührt und daher der (konstitutiven) Eintragung im Handelsregister6 und auch der übrigen Voraussetzungen einer Satzungsänderung bedarf7. Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, ist der Beschluss unwirksam8. d) Zeitigt der Beschluss nur punktuelle Wirkungen, dh erschöpft sich seine 31 Wirkung in der betreffenden Maßnahme9, so tritt seine Doppelnatur in den Vordergrund: Zum einen enthält er den konkreten (satzungswidrigen) Maßnahmebeschluss (etwa die einmalige Befreiung von einem Wettbewerbsverbot oder den einmaligen Verzicht auf eine von der Satzung vorgeschriebene freiwillige Prüfung des Jahresabschlusses) und zum anderen (implizit) eine Satzungsänderung, die nur Geltung für einen Einzelfall beansprucht; ein Wille der Gesellschafter zur Satzungsänderung ist nicht erforderlich10. Die satzungsändernde Komponente tritt im Außenverhältnis in den Hintergrund: Aufgrund der zeitlich beschränkten Wirkungen ist eine Publizität (Han1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

So auch OLG Dresden GmbHR 2012, 213; MünchKomm/Harbarth Rn 49 mwN. Beispiel nach BGHZ 123, 15, 18 ff. Wie hier B/S/Arnold Rn 20. Richtig OLG Dresden GmbHR 2012, 213, 214 = NotBZ 2012, 108 mit zustimmender Anm Zapf; B/H/Zöllner/Noack Rn 4; ausführlich MünchKomm/Ekkenga § 29 Rn 156. So BGHZ 123, 15, 19 = GmbHR 1993, 497, 498; OLG Nürnberg GmbHR 2000, 563; Priester ZHR 151 (1987), 40, 55. BGHZ 123, 15, 19 = GmbHR 1993, 497, 498; MünchKomm/Harbarth Rn 49, DNotIReport 2014, 1, 2 mwN. MünchKomm/Harbarth Rn 49; R/S-L/Schnorbus Rn 46. Scholz/Priester Rn 30; MünchKomm/Harbarth Rn 49; Henssler/Strohn/Gummert Rn 10; aA S/I/Inhester Rn 23 (nur anfechtbar). BGHZ 123, 15, 19 = GmbHR 1993, 497, 498. AA Habersack ZGR 1994, 364, 368.

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§ 53 | Form der Satzungsänderung delsregistereintragung) zum Schutze zukünftiger Erwerber oder der Gläubiger nicht erforderlich1. Der Maßnahmeteil ist keine Satzungsänderung, sondern ein normaler, wenn auch die Satzung verletzender Beschluss, der formfrei gefasst, aber wegen Verstoßes gegen die Satzung angefochten werden kann2. Er ist ohne Einschränkungen wirksam, wenn ihm alle Gesellschafter zugestimmt haben; im Übrigen entfällt nach allgemeinen Grundsätzen die Anfechtungsbefugnis aller Gesellschafter, die ihm zugestimmt haben – damit ist dem Minderheitenschutz genüge getan3. 32 Soll jedoch die Anfechtbarkeit des Beschlusses durch dissentierende Gesellschaf-

ter ausgeschlossen sein, so ist der zweiten Komponente des Beschlusses Rechnung zu tragen: Eine förmliche Satzungsdurchbrechung ist erforderlich. Diese setzt voraus4:

(1) Ladung mit Ankündigung, dass ein satzungsdurchbrechender Beschluss gefasst werden soll (§ 51 Abs. 2, 4); (2) Beschlussfassung mit satzungsändernder Mehrheit und (3) notarielle Beurkundung5. 33 e) Umdeutung: Ein nach dem Vorstehenden unwirksamer Beschluss kann mög-

licherweise in eine schuldrechtliche Nebenabrede zum Gesellschaftsvertrag (§ 3 Rn 59 ff, 65) umgedeutet werden, in der sich die beteiligten Gesellschafter verpflichten, sich so zu verhalten, dass der vereinbarten Regelung Geltung verschafft wird6; dies ist auch in Form eines Vertrages zugunsten Dritter gemäß § 328 BGB (der GmbH) möglich7 (dazu auch § 3 Rn 62), wird aber in der Regel bei auf Dauerwirkung angelegten Änderungen organisationsrechtlicher Regeln der Satzung nicht möglich sein8.

34 f) Öffnungsklauseln: Zur Vermeidung von rechtlichen Unsicherheiten bei sol-

chen Satzungsdurchbrechungen verwendet die Praxis sog Öffnungsklauseln in der Satzung. Darunter ist ein ausdrücklicher Vorbehalt im Satzungstext zu verstehen, der es der (einfachen) Gesellschaftermehrheit erlaubt, von einer konkret bezeichneten Satzungsregel abzuweichen (Beispiel: Abweichung von den Regeln zur Gewinnverwendung; Befreiung eines Gesellschafter vom Wettbewerbsverbot gegenüber der Gesellschaft oder vom Verbot des § 181 BGB). Solche statutari-

1 B/S/Arnold Rn 21; MünchKomm/Harbarth Rn 51; Scholz/Priester Rn 30a. 2 Scholz/Priester Rn 30a; MünchKomm/Harbarth Rn 51. 3 Vgl BGH WM 1981, 1218 (Beschluss zur Vergütung Beiratsmitglied); ebenso Scholz/ Priester Rn 30a; MünchKomm/Harbarth Rn 51; B/S/Arnold Rn 21. 4 Teilweise abweichend noch 18. Aufl. 5 OLG Hamm GmbHR 1992, 807; Scholz/Priester Rn 30a; aA Lawall DStR 1996, 1174. 6 RGZ 81, 368, 371 f; BGHZ 123, 15, 20; MünchKomm/Harbarth Rn 52. 7 BGH NZG 2010, 988 mit Bspr Noack = GmbHR 2010, 980; G/E/S/Leitzen Rn 16. 8 BGHZ 123, 15, 20 = GmbHR 1993, 497, 498; ebenso MünchKomm/Harbarth Rn 52; Scholz/Priester Rn 30; so auch im Hinblick auf Stimmrechtsveränderung OLG Hamm ZIP 2015, 969, 971 f – Tönnies – unter Bezugnahme auf 18. Aufl; zustimmend H.P. Westermann EWiR 2015, 373.

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Form der Satzungsänderung | § 53

schen Öffnungsklauseln sind zulässig1 und können auch durch Satzungsänderungen eingeführt werden2. Der konkrete Beschluss bedarf dann einfacher Mehrheit und keiner weiteren satzungsändernden Formalien3, unterliegt aber den allgemeinen Schranken4.

6. Änderungen (nur) des Satzungstextes Umstritten ist die Frage, nach welchen Regeln zu verfahren ist, wenn bestimmte 35 Satzungsinhalte überholt sind (zB Gründungskosten)5 oder sich außerhalb der Satzung geändert haben (zB A ist in der Satzung als Inhaber eines Geschäftsanteils aufgeführt und hat diesen längst wirksam an B übertragen, oder der Anteil des C ist gemäß § 34 eingezogen worden, wodurch sich die Anteile der übrigen Gesellschafter erhöht haben). Soll dem jetzt im Text der Satzung Rechnung getragen werden, so liegt keine materielle Satzungsänderung vor. Daher ist § 53 nicht anwendbar6. Da der Text der Satzung aber Sache der Gesellschafter ist und die der Hauptversammlung einer AG von § 179 Abs. 1 Satz 2 AktG eingeräumte Möglichkeit, „Fassungs“-Änderungen an den Aufsichtsrat zu delegieren, nicht Ausdruck eines allgemeinen Prinzips, sondern eine technisch erforderliche Ausnahme ist, kann auch eine nur formelle Satzungsänderung in der GmbH nicht an den Geschäftsführer oder den Aufsichtsrat delegiert werden7. Sie muss in der Zuständigkeit der Gesellschafter verbleiben und kann nur durch Beschluss der Gesellschafterversammlung erfolgen. Der den Satzungstext den Gegebenheiten anpassende Beschluss kann aber – da materiell keine Satzungsänderung – mit einfacher (ggf einer von der Satzung vorgeschriebenen höheren) Mehrheit gefasst werden und bedarf keiner Form8. Der neue Satzungstext tritt mit dem Beschluss in Kraft9. Einer Eintragung in das Handelsregister kommt nur deklaratorische Bedeutung zu10. Aber wegen der Funktion und des Publizitätsprinzips des 1 BayObLG GmbHR 2001, 728; Priester FS W. Müller, 2001, S. 113, 118; Scholz/Priester Rn 27a; G/E/S/Leitzen Rn 39; zweifelnd B/H/Zöllner/Noack Rn 27. 2 BayObLG GmbHR 2001, 728; MünchKomm/Harbarth Rn 47. 3 BGHZ 80, 69 = GmbHR 1981, 189; MünchKomm/Harbarth Rn 47. 4 Beachtung des Gleichbehandlungsgebots, ggf materielle Beschlusskontrolle: BGHZ 80, 69 = GmbHR 1981, 189. 5 Dazu Scholz/Priester Rn 21 ff. 6 BGH GmbHR 1988, 337, 338 (Angleichung Stammkapital nach Einziehung); MünchKomm/Harbarth Rn 33; B/S/Arnold Rn 4; abweichend Scholz/Priester Rn 19; Michalski/ Hoffmann Rn 27 f. 7 R/A/Roth Rn 5; R/S-L/Schnorbus Rn 12; MünchHdbGmbH/Marquardt § 22 Rn 12; aA U/H/W/Ulmer Rn 32; MünchKomm/Harbarth Rn 33. 8 U/H/W/Ulmer Rn 31; B/S/Arnold Rn 4; MünchKomm/Harbarth Rn 33; aA OLG Brandenburg GmbHR 2001, 624; Scholz/Priester Rn 21; wohl auch R/A/Roth Rn 5 aE. 9 LG Dortmund GmbHR 1978, 235; LG Berlin GmbHR 1993, 590; U/H/W/Ulmer Rn 30. 10 LG Dortmund GmbHR 1978, 235.

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§ 53 | Form der Satzungsänderung Handelsregisters muss sich der richtige Text der Satzung aus ihm ergeben. Daher muss der geänderte Satzungsinhalt nach den Regeln für deklaratorische Eintragungen (inkl des Druckmittels des Registerrichters aus § 14 HGB) zum Handelsregister angemeldet und eingetragen werden1. Auch § 54 Abs. 1 Satz 2 (vollständiger neuer Satzungstext) ist anwendbar. 36 Entsprechendes gilt auch für die Übernahmeerklärungen bei Gründung. Sie können nach dem beschriebenen Verfahren aus der Satzung gestrichen werden, sobald die Gesellschaft im Handelsregister eingetragen worden ist. Sie müssen auch nicht in der Satzung verbleiben, bis die Einlagen vollständig geleistet sind2; das wäre weder sinnvoll (die Registerakten enthalten alle Angaben) noch konsequent, da die Übernahmeerklärungen auch im Rahmen von Kapitalerhöhungen nicht Bestandteil der Satzung sind.

7. Pflicht zur Änderung der Satzung Literatur: Fleck Schuldrechtliche Verpflichtungen einer GmbH im Entscheidungsbereich ihrer Gesellschafter, ZGR 1988, 104; Priester Drittbindung des Stimmrechts und Satzungsautonomie, FS Werner, 1984, S. 657; Sieger/Schulte Vereinbarungen über Satzungsänderungen, GmbHR 2002, 1050; Westermann Die Anpassung von Gesellschaftsverträgen an veränderte Umstände, FS Hefermehl, 1976, S. 225.

37 a) Im Einzelfall kann eine Pflicht des einzelnen Gesellschafters zur Mitwirkung

an einer Satzungsänderung aus der Treuepflicht (§ 14 Rn 33 und § 47 Rn 13) folgen, wenn sie dringend im Interesse der Gesellschaft geboten und für den Gesellschafter zumutbar ist3. Eine Pflicht zu Mehrleistungen (Rn 21) kann sich aber auch aus Treupflichterwägungen nicht ergeben (zur Mitwirkungspflicht bei Kapitalerhöhungsbeschlüssen § 55 Rn 6). Beschluss wird aber grundsätzlich erst mit Rechtskraft eines entsprechenden Urteils, das gegen den Gesellschafter ergeht, wirksam (§ 894 ZPO).

38 b) Eine Verpflichtung zur Anpassung des Gesellschaftsvertrages kann in der Sat-

zung als eine Art Nebenpflicht allgemein (bei Änderung der bei der Gründung maßgeblichen Umstände) oder für bestimmte Ereignisse (Tod eines Gesellschafters) als statutarische Pflicht der Gesellschafter festgelegt werden. Verpflichtet wird durch eine derartige Satzungsbestimmung der jeweilige Inhaber des betreffenden Geschäftsanteils (mitgliedschaftliche Pflicht, „dingliche“ Wirkung). Die nachträgliche Einführung einer solchen Pflicht im Wege der Satzungsänderung unterliegt § 53 Abs. 3.

1 B/S/Arnold Rn 4 aE; aA U/H/W/Ulmer Rn 31. 2 BayObLG GmbHR 1997, 73; Scholz/Priester Rn 23; K.J. Müller GmbHR 1997, 924 ff; aA OLG Hamm Rpfleger 1984, 274; LG Köln GmbHR 1985, 24, 25. 3 BGHZ 98, 279 f = GmbHR 1986, 426 mit Anm Riegger EWIR 1986, 1107 und Uwe H. Schneider WuB II C. § 53 GmbHG 1.87; R/A/Roth Rn 48; nunmehr auch R/S-L/Schnorbus Rn 82.

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c) Eine entsprechende Pflicht kann auch unter den Gesellschaftern pe