Glauben kommt vom Hörensagen: Studien zu den Renaissancen von Mission und Apologetik 9783666624421, 9783525624425, 9783647624426

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Glauben kommt vom Hörensagen: Studien zu den Renaissancen von Mission und Apologetik
 9783666624421, 9783525624425, 9783647624426

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Arbeiten zur Pastoraltheologie, Liturgik und Hymnologie Herausgegeben von Lutz Friedrichs, Eberhard Hauschildt, Franz Karl Praßl und Anne Steinmeier

Band 64

Vandenhoeck & Ruprecht

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Dörte Gebhard

Glauben kommt vom Hörensagen Studien zu den Renaissancen von Mission und Apologetik

Vandenhoeck & Ruprecht

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-525-62442-5 © 2010, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen/ Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Oakville, CT, U.S.A. www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu § 52a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne vorherige schriftliche Einwilligung des Verlages öffentlich zugänglich gemacht werden. Dies gilt auch bei einer entsprechenden Nutzung für Lehr- und Unterrichtszwecke. Printed in Germany. Druck und Bindung: l Hubert & Co, Göttingen Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

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»Die Kraft des Glaubens durcheilt die Reihe der Menschen, die sich erzählen, was ihnen begegnete. Der Freund erzählt es dem Freund, der es dem Freund erzählt. Die Gnade der Offenbarung wirkt durch Hörensagen.« Rüdiger Safranski

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Inhalt Inhalt Inhalt

Vorwort ................................................................................................... 1

Wiederwuchs Von den Innovationspotenzialen der Christenheit............................ 1.1 Außenministerien ................................................................... 1.1.1 1.1.2 1.1.3

1.2

Renaissancen .......................................................................... 1.2.1 1.2.2 1.2.3

2

Wachsen aus Leiden ............................................................ Kirchenleitende Anlässe ...................................................... Offene Fragen......................................................................

Wortwahlen. Von den Rekonstruktionen sprachlicher Wirkungsgeschichten ....... 2.1 Verwahrlosungen ................................................................... 2.1.1 2.1.2 2.1.3

2.2

2.3

Sprachlosigkeit .................................................................... Sprachwut ............................................................................ Wortwechsel ........................................................................

Ohnmachtsverdacht................................................................ 2.2.1 2.2.2

3

Wandelresistente Herausforderungen.................................. Synoptische Zugänge........................................................... Enzyklopädische Utopien....................................................

Übersehene Wortwirkungen ................................................ Heilsnotwendige Dialoge?...................................................

9 11 11 13 15 22 33 34 40 47

51 52 53 72 81 90 90 98

Orientierungen über »nova sprach« und »himlisch deudsch«................................................................ 108 2.3.1 Evolutionen.......................................................................... 109 2.3.2 Pluralitätspflege................................................................... 121 2.3.3 Eigentümlichkeiten.............................................................. 138 2.3.4 »Ohrientierungen«............................................................... 154 2.3.5 Intersubjektivitäten .............................................................. 157

»Widerspenstige« Von der verständlichen Flucht der Bezeichneten ............................. 161 3.1 Relationalität .......................................................................... 161 3.2 Sprachkriege........................................................................... 165 3.2.1 Defizite ................................................................................ 165 3.2.2 Massenabfertigungen........................................................... 170

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Inhalt 3.2.3 3.2.4 3.2.5 3.2.6

3.3

Infantilisierungen................................................................. Militarisierungen ................................................................. Moralisierungen................................................................... Asozialitäten ........................................................................

Sprachspiele ........................................................................... 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.3.4 3.3.5 3.3.6

Selbstbezeichnungen ........................................................... Zählen Zahlen? .................................................................... Ehrfurcht und Sympathie..................................................... Anreden ............................................................................... Dialektik des simul iustus et peccator ................................. Eigenartige Gemeinschaften................................................

176 180 184 187 189 192 194 198 202 209 214

4

Wahrnehmungen von Welten Von der Komplementarität der Widersprüchlichen.......................... 225 4.1 Weltanschauungskämpfe ....................................................... 225 4.1.1 Gesellschaftsdeutungen als Wahlleistungen........................ 225 4.1.2 Missionsmotive.................................................................... 229 4.1.3 Weltdistanz .......................................................................... 240 4.1.4 Missionsdistanz ................................................................... 246 4.1.5 Ambivalenzen...................................................................... 249 4.2 Freiheiten................................................................................ 252 4.2.1 Von den Zirkelschlüssen ..................................................... 252 4.2.2 Für die Müden ..................................................................... 255 4.2.3 Auf Grund von Komplementarität....................................... 267 4.2.4 In Retrospektiven................................................................. 277

5

Auf Wiedersehen Von den Vorteilen theologischer Wahlverwandtschaften ................ 281 5.1 Intradisziplinaritäten .............................................................. 281 5.1.1 Alternatives Kirchenwachstum ........................................... 284 5.1.2 Synergien der Entfremdeten ................................................ 291 5.1.3 Vorneuzeitliche Vielfalt ...................................................... 303 5.2 Kein Schlusswort vom Hörensagen ....................................... 309

Thesen ..................................................................................................... 313 Literatur................................................................................................... 319 Register.................................................................................................... 345

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Vorwort

Denn gleichwie der Regen und Schnee vom Himmel fällt und nicht wieder dahin zurückkehrt, sondern feuchtet die Erde und macht sie fruchtbar und lässt wachsen, dass sie gibt Samen, zu säen, und Brot zu essen, so soll das Wort, das aus meinem Munde geht, auch sein: Es wird nicht wieder leer zu mir zurückkommen, sondern wird tun, was mir gefällt, und ihm wird gelingen, wozu ich es sende. Denn ihr sollt in Freuden ausziehen und im Frieden geleitet werden. Berge und Hügel sollen vor euch her frohlocken mit Jauchzen und alle Bäume auf dem Felde in die Hände klatschen. Es sollen Zypressen statt Dornen wachsen und Myrten statt Nesseln. Und dem Herrn soll es zum Ruhm geschehen und zum ewigen Zeichen, das nicht vergehen wird (Jes 55,10–13). Mission und Apologetik haben ihren fruchtbaren Anfang bei Gott. Das Studium der Sprachwirkungsgeschichten nährt die Hoffnung, dass es in Zukunft mehr Freude, Frieden und Frohlocken geben kann, als es in den letzten achtzig, ganz besonders aber in den letzten acht Generationen bei der Weitergabe des Glaubens der Fall war. Die Studien entstanden im Vertrauen darauf, dass das gepflegte Wort gute Früchte bringt auf den vielfältigen Wegen zwischen Geist und Ohren, Mündern, Herzen und Händen. Die Arbeit wurde von der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn im Sommersemester 2009 als Habilitationsschrift für das Fachgebiet Praktische Theologie angenommen. Mein Dank gilt an erster Stelle Prof. Reinhard Schmidt-Rost, der mir während meiner Bonner Assistentenzeit Freiheit und Zeit gab, meinen Gedanken eine schriftliche Gestalt zu verleihen und das Erstgutachten zu dieser Untersuchung erstellt hat. Prof. Eberhard Hauschildt danke ich für das Zweitgutachten, der Bonner Praktisch-theologischen Sozietät für unzählige Anregungen und gelungene Dialoge. Zu danken habe ich für die Unermüdlichkeit bei der Literaturbeschaffung und beim Korrekturlesen Jeannine Gebauer, Rolf Langfeldt, Sarah Poley, Dr. Jochen Schmidt und Stefan Ziegler. Justo G. Pulido hat mit seiner Karikatur die Sprachwirkungsgeschichten sichtbar gemacht. Dafür danke ich ihm. Fritz Gebhard gebührt besonderer Dank für die Herstellung des druckfertigen Layouts. Mein Dank gilt der Reformierten Landeskirche Aargau, die mit einem großzügigen Zuschuss zu den Druckkosten die Veröffentlichung dieser

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Vorwort

Arbeit unterstützt hat, dem Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, besonders Christoph Spill, und den Herausgebern Proff. Lutz Friedrichs, Eberhard Hauschildt, Franz Karl Praßl und Anne Steinmeier, die die Untersuchung in die Reihe der ‚Arbeiten zur Pastoraltheologie, Liturgik und Hymnologie‘ aufgenommen haben. Von Herzen danke ich meinem Mann, Dr. Rudolf Gebhard, und meinen beiden Kindern Christoph und Seraina, die mit ihren fröhlichen und strengen Fragen, mit Genauigkeit und Seele, die Entstehung dieser Habilitationsschrift begleitet haben. Kölliken, Trinitatiszeit 2010

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Dörte Gebhard

Außenministerien

1 Wiederwuchs Von den Innovationspotenzialen der Christenheit Wiederwuchs

1.1 Außenministerien Außenministerien

Zum christlichen Glauben gehören seit seinen Anfängen und voraussichtlich bis an das Ende der Welt – und damit auch bis an das Ende der Kirchen – Mission und Apologetik,1 das vernünftige2 Zur-Sprache-Bringen des christlichen Glaubens. Ob diese beiden Außenministerien3 aber zu den Konstitutiva der Christenheit gehören, ist seit langem und auch vorläufig noch strittig. Zeiten vehementer Zweifel zeichnen sich aus durch permanente Beschwörungen und ergebnisoffene Diskussionen ehemaliger Selbstverständlichkeiten. Zeiten, in denen Missionen und Apologien selbstredend wirkten, reflektierten ihr Glück nicht. Die Überlieferungen von jeglichen Erfolgen sind demgemäß mehr als spärlich oder völlig unglaubwürdig. Dass die Außenpolitik die Identität und die inneren Angelegenheiten eines Landes nicht nur tangiert, sondern nachhaltig prägt, bedarf keiner Nachweise. Gleiches gilt für die Außenministerien der Christenheit: Die Probleme von Identität und Grenze hängen eng zusammen; denn im Falle von Sinnsystemen sind Grenzen nicht nur äußere Membranen oder Häute oder räumliche Linien, sondern werden mit jeder Operation definiert, weil jede Operation selbstreferentiellen und fremdreferentiellen Sinnverweisungen ausgesetzt ist und sich selbst an Hand dieser Unterscheidung dem System zuordnen muß.4

Die Fragen nach Identitäten von Institutionen bzw. Organisationen und Grenzen, z.B. von Loyalitäten angesichts individueller Autonomiebestrebungen, betreffen also nicht nur die mutmaßlichen Ränder von einzelnen —————

1 ;Vgl. ROTH, Gott, 1–4. Vgl. BAYER, Theologie, 198: Es »gehört das Moment des ›Apologetischen‹ sachlich wie historisch konstitutiv zum Christentum und seiner Theologie […].« Mission und Apologetik stehen beide für die anzutreffenden Theorie-Praxis-Gemische. Die Unterscheidung in theoretische Apologetik und praktische Apologie hat sich nicht durchgesetzt. 2;; Der christliche Glaube ist höher als alle Vernunft (Phil 4,7), nicht gegen sie. Es gibt keinen vernünftigen Beweis für den christlichen Glauben und keinen Grund, die menschliche Vernunft, eine Gabe des Schöpfers, die begrenzt ist, nicht zu gebrauchen. Vgl. z.B. OBST, Pluralismus, 183: »Christlicher Glaube muß in einer echten missionarischen Situation wieder argumentativ begründet werden.« 3;; Zu den Auswärtigen Ämtern der Christenheit gehört z.B. auch die Diakonie. 4;; LUHMANN, Religion, 321f.

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Wiederwuchs

Kirchen oder der ganzen Christenheit, sondern gelten für alle, nicht nur »für die organisationstragenden Mitglieder und die hauptberuflich in ihr Tätigen«.5 Das Bild von Mission als äußerer Haut der Kirche und – daraus folgend – die Krankheitssymptome der so genannten »Sklerodermitis«6 stellen nur einen Teil der Problematik vor Augen. Die Auswärtigen Ämter der Christenheit sind seit mehr als achtzig Generationen jeder neuen vorgegeben und werden entweder wahrgenommen oder verweigert. Sie bleiben unbemerkt oder werden nebenbei erledigt. Dabei offenbaren sich fast unsterbliche Fragen, die vor allem die letzten 180 Jahre trotz eines sonst rasant genannten Wandels fast heil und unbeschadet, weil grundsätzlich unbeantwortet überstanden haben. Stattdessen haben sich die Außenministerien der Christenheit im deutschsprachigen Raum zu Kontinuitätsgaranten und »Fragebewahrinstitutionen« entwickelt. Gerade solch permanent offenen Fragen eignet aber »Konzepterzeugungsfruchtbarkeit«.7 Vor allem in Gestalt von wissenschaftlichen Praktischen Theologien inmitten ihrer ungezählten und mannigfaltig ausdifferenzierten Nachbardisziplinen werden diese Innovationspotenziale der Christenheit gepflegt. Zu studieren sind die problematischen Aufbrüche und die lehrreichen Untergänge missionarischer Theorien und apologetischer Modelle im 19. und 20. Jahrhundert, um Kriterien für die Auseinandersetzungen in den dritten, den gegenwärtigen Zeiten zu gewinnen. Denn die beiden Auswärtigen Ämter haben in den letzten zwei Jahrhunderten grandiose Aufschwünge und radikale Abbrüche erlebt, ehe die jetzige vorsichtige Phase formaler »Re-ligionen«, d.h. der Rückbindungen und Rückfragen begonnen hat. Das geschieht vor allem, um aus »Glanz und Elend der Missionsgeschichte« zu lernen. »Mission weiter denken«8 heißt ein Gebot der Stunde. Eine für sich sprechende und mündige Apologetik zu entwickeln, ist eine Aufgabenbeschreibung zukünftiger Praktischer Theologien. Michael Meyer-Blanck fragt zunächst im Blick auf notwendige Reformen des Vikariats: »Wären nicht anstatt aller möglichen Spezialfelder kirchlichen Handelns Überlegungen zu einer erneuerten evangelischen Apologetik angezeigt, anstatt dieses Anliegen negativ zu konnotieren?«9 Die letzte Jahrhundertwende ist als Phase der Renaissancen alter Herausforderungen, Bewältigungstheorien und -praktiken zu beschreiben. Gegenwärtige Bestandsaufnahmen und Themenhierarchien Praktischer Theologien haben das Missionsthema nach langer Abstinenz wieder aufge————— 5;;

DAIBER, Predigen, 91. D. BECKER, Wein, 204, mit Bezug auf SUNDERMEIER. 7;; Beide Zitate MARQUARD, Schwierigkeiten, 102 und 89. 8;; Vgl. ECKERT u.a., Mission, 93–94. 9;; MEYER-BLANCK, Pfarrerinnen, 4, Hervorhebung im Original. 6;;

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Außenministerien

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nommen.10 Die systematisch-theologischen Forschungslücken sind bezeichnet.11 Sie beginnen sich zu füllen,12 wobei auch dort Mission und Apologetik drin liegen, d.h. möglich und gemeint sind, wo sie nicht draufstehen, d.h. wo die Begriffe – manchmal nur im Titel – vermieden und übungshalber ersetzt werden.13 Einzelne Ausnahmen bestätigen diese Regel.14 Auf kirchenleitenden Ebenen hat es zahllose gleichzeitige, aber unkoordinierte Einzel-Renaissancen der außenministerialen Wahrnehmungen und Aktionen gegeben.15 In fast allen Erneuerungsansätzen werden dabei quasi die Ränder der Lücken beschrieben, die die ausgefallenen Themen Mission und Apologetik hinterlassen haben. Auffällig sind das Durchhaltevermögen der Fragen (1.1.1) und die Tatsache, dass beide Themen selten gleichzeitige und synoptische Aufmerksamkeit finden (1.1.2), obwohl sich die jeweils beschriebenen Herausforderungen so sehr ähneln, dass getrennte Reflexionsgänge immer weniger einleuchten. Beide Themen markieren enzyklopädische Utopien in den Praktischen Theologien (1.1.3). 1.1.1 Wandelresistente Herausforderungen Weil die Fragen im Kern chronisch sind, sind die vorliegenden praktischtheologischen Studien nicht chronologisch16 strukturiert. Die Herausforde————— 10;;

Vgl. GRETHLEIN, Mission, HAUSCHILDT, Mission u.a. Vgl. zusammenfassend WROGEMANN, Mission, 279f und JÜNGEL, Mission u.a. Bei F. WAGNER, Legitimität, 25, begegnet einem schon sehr früh die Feststellung, dass »die systematische Theologie sich über eine eigentliche Grundlegung der Mission ausschweigt und zweitens die Missionswissenschaft der Wahrheitsfrage so gut wie keine Beachtung schenkt.« 12;; Vgl. die große Arbeit von ROTH, Gott, der die Vorbehalte gegen fast jegliche Apologetik aufnimmt und eine neue Grundlegung, orientiert am vierfachen Wirken Gottes, vorlegt. ROTH hat sich darüber hinaus am kirchenleitenden Diskurs beteiligt; vgl. ROTH, Aufgabe; DERS., Weltanschauungen; DERS., Glaube, und DERS., Kirche. 13;; Vgl. z.B. MEHLHAUSEN, Pluralismus und Identität; KÖRTNER: Vielfalt und Verbindlichkeit u.a. 14;; Vgl. folgende Monographien: F. WAGNER, Über die Legitimität der Mission. Wie ist die Mission der Christenheit theologisch zu gründen?, und OTT: Apologetik des Glaubens. 15;; Vgl. für die EKD: KOCK, Interesse; für die einzelnen Landeskirchen in FELDTKELLER/ SUNDERMEIER, Mission, Dokumentationen I-III, und im zusammenfassenden Überblick EKDKIRCHENAMT, Ermutigung, 36–41. 16;; Vgl. die chronologisch strukturierten Zugänge zur Mission aus praktisch-theologischer Perspektive bei HUSAR, Predigt; DAIBER, Predigen; GRETHLEIN, Mission; RATZMANN, Streitfall und HAUSCHILDT, Mission. Vgl. die Skizzen zur jüngeren Geschichte der Apologetik bei G. MÜLLER, Diakonie; SPARN, Aufklärung, und M. PÖHLMANN, Kampf. In den Übersichtsdarstellungen zur Geschichte der Apologetik seit SCHLEIERMACHER sind die Zugänge meist nach Typen geordnet und werden in großen zeitgeschichtlichen Sprüngen vorgestellt. Vgl. z.B. über die bereits genannte Literatur hinaus früh HARDING MEYER, Pensées, 126f; HUMMEL, Modelle; PETZOLDT, Theologie; NÜCHTERN, Apologetik ist nötig; R. HEMPELMANN, Apologetik; D. GEBHARD, Diakonie, 285–294, 11;;

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Wiederwuchs

rungen und die Strategien sind bemerkenswert permanent und damit überlebenstüchtig. Der dauernd kommunizierte, überschnelle Wandel muss in seiner Allmacht ernstlich bezweifelt werden.17 Das sei einführend und exemplarisch illustriert. 1893 begegnen bei Theodor Christlieb, dem ebenso eifrigen Missionar wie Homileten,18 und im Jahr 2001 in der EKD-Schrift »Das Evangelium unter die Leute bringen«19 parallele Argumentationsstrukturen, die u.a. das Streben nach Kulturdistanz signalisieren und beide das »Signum trotziger Skurrilität«20 tragen. Denn Theodor Christlieb ist ein exemplarischer Repräsentant jener sich durch suggerierte Bibelunmittelbarkeit legitimierenden Bewegung des Protestantismus, die ihre Wurzeln im Pietismus hat, ihr spezifisches Profil im Verlaufe des 19. Jahrhunderts gewann und die bis heute das Erscheinungsbild der evangelischen Kirche in nicht zu unterschätzendem Maße prägt.21

In der Veröffentlichung der EKD an der Jahrtausendwende wird diese Christlieb’sche Bibelunmittelbarkeit wiederbelebt: Heute wird gefragt, ob sich bestimmte evangelistische Dienste nicht zu sehr der Methoden moderner Werbung oder auch bestimmter psychologischer Entwürfe bedienen. […] Für die evangelistische Praxis entscheidend ist der Ruf des Paulus: »So sind wir nun Botschafter als Christi statt, denn Gott ermahnt durch uns; so bitten wir nun an Christi statt: Lasst euch versöhnen mit Gott!« (2Kor 5,20).22

Wohlgemerkt findet sich diese Gegenüberstellung nicht einleitend, sondern unter der Überschrift »Evangelisation und Methode«. Für hermeneutische Fragen war augenscheinlich kein Platz. Auch in den Missionswissenschaften habe, so Theo Sundermeier, immer nur Kommunikation auf den Tagesordnungen gestanden: »Was zu verkündigen ist, darüber gab es offenbar keinen Zweifel.«23 Genau diese Zweifel aber sind angebracht. Auch die Verhältnisbestimmungen zur Welt, werde sie Kultur oder Gesellschaft oder noch anders genannt, fallen auf durch ihre Resistenzen gegen den gleichwohl angenommenen Wandel. Die Aufgabe, weltweite Konsequenzen von Glauben und Tun zu bedenken, erscheint wesentlich jünger ————— ROTH, Gott, 2. Eine umfassende Geschichte der Apologetik im 20. Jahrhundert steht noch aus, vgl. HELING, Weltanschauungskampf, 92. Es gibt knappe, gut orientierende Skizzen, z.B. H. G. PÖHLMANN, Apologie, 76–80, und SPARN, Aufklärung, 77–105. 17;; Vgl. MARQUARD, Abschied, 78. 18;; Vgl. CHRISTLIEB, Homiletik, 1–11 und 52ff. Vgl. WEEBER, Kulturdistanz, 155, zum missionarischen Schrifttum CHRISTLIEBS. 19;; Vgl. EKD-KIRCHENAMT, Evangelium. 20;; WEEBER, Kulturdistanz, 156. 21;; Ebd., 144. 22;; EKD-KIRCHENAMT, Evangelium, 21. 23;; SUNDERMEIER, Konvivenz, 87, Hervorhebung D.G.

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Außenministerien

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als sie ist. Die Ermutigung, Globalisierungen und vor allem Glokalisierungen24 nicht zu bekämpfen oder kritiklos zu feiern, sondern als komplexe Herausforderungen ernst zu nehmen, ist spätestens seit Ernst Troeltsch auf der Welt: Es ist zu hoffen, dass auch wir Deutsche, denen erst allmählich der Welthorizont aufgeht, begreifen, daß die Mission nicht bloß Angelegenheit der Schwärmer und der streng kirchlichen Parteien, sondern ein öffentliches Interesse unseres Volkes ist.25

Die Beispiele für praktisch chronische Themenstellungen lassen sich leicht vervielfältigen: Wie schlecht der Kirchenbesuch neuerdings ist, wie wenig Geld gerade jetzt und in naher Zukunft zur Verfügung steht, wie unwissend die Gläubigen über ihre eigene Religion sind, wurde und wird unentwegt beklagt. 1.1.2 Synoptische Zugänge Mission und Apologetik werden gewöhnlich nicht unter einen gemeinsamen Oberbegriff gestellt,26 geschweige denn gemeinsam reflektiert.27 Ihr Zusammenhang ergibt sich eher en passant und weitgehend unbedacht, wenn gelegentlich der eine Begriff durch den anderen erklärt werden soll. Nach Reinhard Hempelmann lässt sich Apologetik wesentlich als missionarische Theologie beschreiben.28 Christine Lienemann-Perrin sieht Mission unter apologetischem Rechtfertigungsdruck.29 Detlef Bendrath referiert: »Insofern sei Apologetik: Mission, Homiletik, Seelsorge, Volksmission.«30 Sprachlich herrscht also größtmögliche Ungenauigkeit und fast babylonische Verwirrung, auch im Blick auf die Konnotationen. Ob von ernsthaften Aufgaben oder zu überwindenden Zuständen die Rede ist, ergibt sich jeweils erst aus den Kontexten. ————— 24;;

Vgl. HAUSCHILDT, Theologie, 83–86. TROELTSCH, Mission, 804. 26;; Vgl. JONGENEEL, Apologetik, 629, zum Stichwort Missionsapologetik, das von GUSTAV WARNECK stammte, sich nach dem Zweiten Weltkrieg nur noch im französischen Diskurs fand und ab 1968 zugunsten des Dialogs endgültig unpopulär wurde. 27;; Vgl. als Ausnahmen: HUMMEL, Modelle, 6: »Mission und Apologetik gehören […] zusammen, stehen aber auch in Spannung zueinander, weil es der Apologetik primär um Unterscheidung des Christlichen und um Selbstvergewisserung bzw. Selbstbehauptung des Glaubens geht, der Mission primär um dessen Vermittlung. Beide müssen jedoch das jeweils andere mitbedenken, wenn sie ihre Aufgabe nicht verfehlen wollen.« Zu nennen ist außerdem die Veröffentlichung von KOTHMANN, Apologetik und Mission, über KARL HEIM – zusammenfassend vgl. dazu BEYERHAUS, Rezension. 28;; Vgl. R. HEMPELMANN, Apologetik, 26. Er bezieht sich dabei auf EMIL BRUNNER. 29;; Vgl. LIENEMANN-PERRIN, Dialog, 180. 30;; BENDRATH, Dialog, 62. 25;;

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Geht man davon aus, dass die Auswärtigen Ämter der Christenheit – zunächst unabhängig von ihren genaueren Bezeichnungen – nicht verwaisen sollten, wird deutlich, wie eng der Konnex der beiden aufgrund der Voraussetzungen ist, mit denen beide leben müssen und – so soll gezeigt werden – auch können. Eilert Herms hat für die gegenwärtige Apologetik eine fundamentaltheologische Definition vorgestellt und ihre notwendigen Eigenschaften entfaltet. Es gibt keine Gründe, diese Voraussetzungen nicht auch auf die Mission zu übertragen, um ihre künftigen Theorien und Praktiken Menschen und Gott zu Gute zu gestalten. Da sich die christliche Daseinsgewissheit Offenbarungen verdankt, gilt für Mission und Apologetik erstens die »formale Unverfügbarkeit für jeden einzelnen, gleichzeitig inhaltliche Gültigkeit für jedermann«31 des christlichen Glaubens. Diese Grenzen bezeichnen exakt die Chancen missionarischer und apologetischer Unternehmungen. Werden diese nur scheinbaren Beschränkungen nicht respektiert, sind nachhaltige Misserfolge aller Bemühungen garantiert. Zweitens ist die Lage der Herausforderungen von Christen nicht selbst gewählt, sondern gegeben: Weil die christl. Sicht der allgemeinen Konstitutionsbedingungen menschlicher Gewißheit eine spezifische ist, wird das christl. Leben unumgänglich zum Gegenstand von Verwunderung und Fragen. Weil sie aber die allgemeinen Konstitutionsbedingungen menschlicher Gewißheit betrifft, weiß sich das christl. Leben durch die Besonderheit und Unverfügbarkeit der Herkunft seiner Daseinsgewißheit dennoch nicht aus der allg. Sphäre menschlicher Wahrheitserfahrung und -kommunikation herausgenommen.32

Die Außenministerien der Christenheit erkennen sich selbst und ihre Spezifika erst in ihrer ganzen Tragweite durch die neuzeitliche Idee der von außen kommenden Konkurrenz. Wenn beispielsweise die Marktlogik an die Kirchen von außen herangetragen wird, nötigt sie die Kirchen dazu, sich probeweise als Anbietende und Nachfragende auf Märkten zu begreifen. Gleichzeitig müssen die Kirchen umso intensiver die zweite Sichtweise pflegen, sich selbst nicht gleichgültig unter sehr vielen zu verstehen. Verabsolutiert man eine der beiden – sich gegenseitig ausschließenden – Perspektiven, säkularisiert oder ghettoisiert sich der Glaube selbst.33 Dagegen sind komplementäre Sichtweisen zu üben.34 Die Geschichte christlicher Mission und Apologetik war zu oft gekennzeichnet von Fanatismus, Intoleranz, Unfreiheit und Gewalt. Diese unerquicklichen, Bibliotheken füllenden Themen seien an Friedrich Fabris Mis————— 31;;

HERMS, Apologetik, 623. Ebd., Hervorhebung im Original. 33;; Vgl. BÜNKER, Kirche, 90f. 34;; Vgl. zur Komplementarität Kap. 4.2.3. 32;;

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Außenministerien

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sionstheorie kurz der Vollständigkeit halber veranschaulicht. Auch für ausgesprochene Poltergeister wie den Rheinischen Missionstheologen war klar: Der Herr Jesus hat nie gezankt, gepoltert und lieblos irgendwen verdammt, vielmehr war Er freundlich, sanftmüthig, demüthig, schalt nicht wieder, wenn er gescholten ward, und war in all’ Seinem Thun und Reden die Humanität und Menschenfreundlichkeit selber.35

Allein, die weltpolitische Situation ließ für Fabri so viel Frieden nicht geraten erscheinen: »Wir theilen daher vollständig das Verlangen, daß die deutsche Kriegsflagge sich in allen Meeren zeige, daß sie […], wo immer halbbarbarische Zustände es erheischen, zu Demonstrationen und, wenn nöthig, zu kleinen, raschen Aktionen bereit sei«.36 Die Lage erschien ihm ernst, aber nicht hoffnungslos: Wenn uns ein Neger gegenübersteht, […] jetzt belebt von der tiefsten sinnlichen Gluth, dann wieder in stumpfer, träger Gleichgültigkeit, nicht achtend der Ruthe des Peinigers […], so bekommt man den unwiderstehlichen Eindruck: das sind […] die Züge des durch Sünde überhaupt verunstalteten und materialisirten Urmenschen.37

Fabri beobachtete das nicht vor Ort an der Walfischbay, sondern malte sich derlei Gesichtszüge und fürchterliche Zustände daheim an der Wupper aus. Diese und ähnliche Sprachkriege, die immer noch nicht überall offiziell für beendet erklärt sind, bildeten einen wesentlichen Anlass für die vorliegenden Studien. Die Lektionen über die Zwanglosigkeiten des christlichen Glaubens sind viel schwerer und daher langsamer zu lernen als die zusammenfassende Ablehnung der Beweismöglichkeiten bei Eilert Herms vermuten lässt: Der Glaube weiß, daß wie er selbst auch alle möglichen anderen Daseinsverständnisse aus unverfügbaren Erschließungsereignissen (Offenbarungen) stammen. Alle sind individuell und perspektivisch. Daher ist es unsachgemäß, die Wahrheit des christl. Daseinsverständnisses im Horizont eines vermeintlich überpositionalen, aperspektivischen Daseinsverständnisses – der reinen Vernunft oder »der« Wissenschaft verständlich machen oder gar »beweisen« zu wollen.38

Diese Überlegungen sind Anlässe für ein gleichberechtigtes und gleichberechtigendes Selbstbewusstsein aller streitenden Partner. Die Auseinandersetzungen um Mission und Apologetik führen schon bei einem ersten Über-

————— 35;;

FABRI, Sensus, 41f. Vgl. zum Glaubens- und Lebenswerk FABRIS: D./R. GEBHARD, Fabri. FABRI, Deutschland, 8. 37;; FABRI, Entstehung, 8f. 38;; HERMS, Apologetik, 624. 36;;

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blick zu einer doppelten Fehlanzeige. Es mangelt an Selbstbewusstsein39 und an Einsicht in die Gleichberechtigung der Wirklichkeitsverständnisse. Ulrich Körtner hat zur Abwendung eines menschenverachtenden Relativismus betont, dass die Begegnungen mit fremden Glaubensweisen nicht aufzufassen sind »als göttlicher Aufruf zur Relativierung der eigenen Glaubensbindung«, sondern »als Ansporn, sich des eigenen Glaubens zu vergewissern und diesen umso bewußter zu leben.«40 Peter Lampe hat, fußend auf einem milde konstruktivistischen Wirklichkeitsverständnis, die Gleichberechtigung herausgearbeitet: Das erkennende Subjekt muss Wirklichkeit konstruieren, um überleben und leben zu können; jedoch hat keiner der Konstrukteure die Handhabe, auf einen anderen Konstrukteur hochnäsig herabzublicken, weil sein eigenes Wissen angeblich ontologisch soviel höherwertig sei. Ontologisch gesehen sitzen alle Konstrukteure, seien sie Theologen, Naturwissenschaftlerinnen, Psychoanalytiker, Atheisten, im selben Boot. […] Auch naturwissenschaftliche Erkenntnis bezieht sich lediglich auf konstruierte Realität, von der nur naive Realisten annehmen, dass diese die ontische Realität in gesicherter Weise abbilde.41

Konsequent folgt daraus der Aufruf des Neutestamentlers zum fairen, statt tödlichen Wettkampf,42 so wie auch im Neuen Testament die Kampfmetaphern sportlich, nicht kriegerisch zu verstehen sind (z.B. 1Kor 9,24–27). Der Wettstreit, der Peter Lampe gefallen würde, wird auf sprachlichen Ebenen ausgetragen werden. A[pologetik] ist aller zur Zustimmung zwingenden oder verpflichtenden Mittel des logischen Verweisens und des Erzeugens experimenteller Evidenz beraubt. Sie pflegt nur das Gespräch, das Chancen für das Aufleuchten der Wahrheit des christl. Daseinsverständnisses ermöglicht. A. zielt auf die Freiheit des Glaubens, deren Ausdruck sie ist.43

—————

39;; Gelegentlich wurde auch die noch schärfere These vertreten, dass es nicht an Selbstbewusstsein mangle, d.h. der Glaube nicht aus Pein oder Scham verschwiegen werde, sondern dass überhaupt keine Glaubensdimension mehr da sei, die noch irgendwie verheimlicht werden könnte. Vgl. DAIBER, Predigen, 92f. 40;; KÖRTNER, Vielfalt, 105. 41;; LAMPE, Theologie, 204f, Hervorhebung im Original. Vgl. dazu auch GLASERSFELD, Konstruktion. 42;; Vgl. ebd., 211. Vgl. z.B. zum friedlichen Ersatz des Tödlichen durch sportliche Vergleiche MARQUARD, Abschied, 127 und 130: »Hermeneutik als Replik auf den Bürgerkrieg um den absoluten Text« bedeutet: »Wenn – in bezug auf den heiligen Text – zwei Ausleger kontrovers behaupten: Ich habe recht; mein Textverständnis ist die Wahrheit, und zwar – heilsnotwendig – so und nicht anders: dann kann es Hauen und Stechen geben. […] Die Hermeneutik, die so zur pluralisierenden sich wandelt, tut etwas stattdessen: sie ersetzt das ›Sein zum Totschlagen‹ durch das Sein zum Text.« 43;; HERMS, Apologetik, 624.

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Wenn es gelingt, wirklich Gespräche zu initiieren und zu pflegen, wäre viel mehr erreicht, als gegenwärtig realisiert wird.44 Nur qua Sprache lässt sich die Freiheit des Glaubens vorbereiten und erhalten. Jochen Cornelius-Bundschuh hebt die freiheitsstiftenden Kräfte von Worten für künftige Homiletiken hervor: »Freiheit zur Rezeption und eine nicht auf Herrschaft bedachte solidarische Begegnung kennzeichnen das Verkündigungsgeschehen, gerade weil es ein sprachliches ist.«45 Diese Erkenntnisse sind auf Mission und Apologetik zu übertragen, so dass es notwendig wird, die neuzeitliche Mission und Apologetik als Sprachwirkungsgeschichten zu rekonstruieren.46 Reinhard Kähler hat eindringlich klar gemacht, dass künftig schon die Sprache die Luft der Freiheit atmen muss.47 Friedrich Sickel hatte zu Beginn des 19. Jahrhunderts – sogar etwas gegen seine eigenen Vorlieben für voraufklärerische Verhältnisse – festgestellt, dass außer dem Wort keine anderen Medien übriggeblieben sind, Seelen selig zu machen, so dass »die Geistlichen, denen es obliegt, diesen Zweck erreichen zu helfen, […] von allen den Mitteln zur Erreichung dieses Zwecks keins übrig behalten [haben], als die Predigt im weitern Sinne.«48 Daher sei schon im 18. Jahrhundert die Predigt zur Blüte gekommen, weil Eltern, die nur noch ein Kind übrigbehalten haben, dieses mit ihrer ganzen, ungeteilten Liebe bedenken.49 Von einer solchen Sprachblüte ist derzeit kaum etwas wahrzunehmen. Es ist zu vermuten, dass die Praktischen Theologen – um im Wortbild von Sickel zu bleiben – neben dem Wort so viele andere Kinder von anderen geisteswissenschaftlichen Eltern adoptiert haben, dass die Aufmerksamkeit zwangsläufig sehr vielspältig geworden ist. Sie wurde dem Wort zu Gunsten des Bildes auch schon ausdrücklich verweigert. Mission und Apologetik sind Sprachphänomene und als solche sind ihre Herkunft und ihre Zukunft in den Blick zu nehmen. Dabei muss quasi kasuistisch über zu vermeidende oder mit größerer Vorsicht zu gebrauchende Begriffe50 befunden werden. Für den positiven Sprachgebrauch sind Kunst————— 44;;

Vgl. zur Seltenheit von Dialogen Kap. 2.2.2. CORNELIUS-BUNDSCHUH, Kirche, 289. 46;; Vgl. das 2. Kapitel zu den Rekonstruktionen von Sprachwirkungsgeschichten. 47;; Vgl. KÄHLER, Botschaft, 224. 48;; SICKEL, Grundriß, 4. 49;; Vgl. ebd., 8. 50;; Vgl. zu den Begriffen, die noch mehr Zurückhaltung und Bedachtsamkeit erfordern, als die Setzung in doppelte Anführungszeichen bedeutet: Krise (Kap. 2.3.1), Heiden (Kap. 3.1), Markt und Wahlzwang (Kap. 2.3.2). Vgl. zu den Kunstregeln die Kap. 2.3 und 3.3. 45;;

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regeln51 zu entwerfen. Denn für die Rechenschaft von den Hoffnungen – nicht von Katastrophen – (gemäß 1Petr 3,15f) gilt: »Die Entwicklung dieser Kunst ist für das christl. Leben wesentlich.«52 Diese Sprachkunst soll nach dem Willen der Autoren des 1. Petr gegenüber jedermann geübt werden. Nie haben sich Apologetik und Mission aber mit dieser biblischen, systematisch zutreffenden und relationalen Bestimmung zufrieden gegeben, sondern immer dramatischer von den gemeinten Menschen gesprochen. Man hat sich u.a. nicht gescheut, von Abnormen53 und Widerwilligen54 zu schreiben. Dann ist es – wenig erstaunlich – Gegenstand von Verwunderung und Fragen gewesen, warum die solcherart Benannten flohen, und zwar massenweise.55 Daher sind die Tabuisierungen des Missionarischen verständlicher und nachvollziehbarer geworden: Es gab immer eine gesunde Befangenheit im Umgang mit Mission, und entsprechend hat es auch schon in früheren Zeiten Abscheu ausgelöst bei normal sensibilisierten Menschen, wenn versucht wurde, Mission zur Sache eines öffentlichen Kommandos zu machen.56

Das aufmerksame Registrieren der Wirkungen von Tabulosigkeiten – Andreas Feldtkeller spricht von missionarischer ›Anmache‹ – und die religionsgeschichtliche Beobachtung, dass die Repräsentationen der Unverfügbarkeit des menschlichen Lebens in nahezu allen Kulturen durch bestimmte Tabus geschützt sind,57 führen aus völlig unterschiedlichen Hinsichten zum Ergebnis, dass man sich keinesfalls mehr bisherigen Sprachgewohnheiten unbesehen anvertrauen darf, sondern entschiedene Traditionsabbrüche notwendig sind.58 Das Gebot, nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten zu fragen, betrifft die Rede von und mit der ganzen Welt. Entgegen reformatorischen Grundeinsichten wurden die Grenzen zwischen Kirchen und Welten, Kulturen und Gesellschaften nicht flexibel gehalten, sondern nicht selten noch undurchlässiger gemacht und problematisch überhöht.59 Diese Beobachtung betrifft nicht nur die Auswärtigen Ämter, sondern auch die Praktischen Theologien, —————

51;; Vgl. SCHLEIERMACHER, KD, § 5: Entwickelt werden müssen diejenigen »wissenschaftlichen Kenntnisse und Kunstregeln, ohne deren Besitz und Gebrauch eine zusammenstimmende Leitung der christlichen Kirche […] nicht möglich ist«. Vgl. Kunstregeln in Kap. 2.3 und 3.3. 52;; HERMS, Apologetik, 623, Hervorhebung D.G. 53;; Vgl. CHRISTLIEB, Homiletik, 102. 54;; Vgl. SCHIAN, Grundriß, 230. 55;; Vgl. Kap. 3 zur verständlichen Flucht der Bezeichneten. 56;; FELDTKELLER, Pluralismus, 27. 57;; Vgl. ebd., 26f. 58;; Vgl. zu den Orientierungen über »nova sprach« und »himlisch deudsch« Kap. 2.3. 59;; Vgl. zur Komplementarität Kap. 4.

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aus denen sie sich neben anderen Teildisziplinen ausdifferenziert haben. Dietrich Rössler hat gerade die Verselbstständigung der Praktischen Theologien als Ausdruck des Bewusstseins »schwindender ›Kirchlichkeit‹ und der deutlicher werdenden Differenz zwischen Kirche und Welt«60 interpretiert. Die wahrgenommenen Differenzen zwischen Kirche und Gesellschaft wurden damit zur Berufsaufgabe der Pfarrer.61 Dadurch war aber nicht gesichert, dass Medien und Orte der Begegnung gesucht und gefunden wurden. Es kam nicht selten zu einer theologisch problematischen Verschärfung des Gegensatzes. Gelegentlich wurden ursprünglich harmlose Unterschiede zu Widersprüchen stilisiert. Eine vorletzte Ähnlichkeit zwischen Mission und Apologetik liegt in den Beobachtungs- und besonders auch in den Ignoranzweisen, die gegenüber beiden Fachgebieten geübt wurden. Eberhard Hauschildt hat zwei große Betrachtungsfehler genannt. Mission sei einmal als historisch vorübergehende Erscheinung gedacht worden, ein anderes Mal für das alleinstellende Merkmal eines bestimmten Frömmigkeitsstils gehalten worden.62 Im Rückblick gelten beide Fehler auch für die Apologetik. Die letzte Gemeinsamkeit, liegt im »Friss-Vogel-oder-du-bist-schon-totVerdacht«. Immer dann, wenn Mission und Apologetik sich ihrer realen Nebensächlichkeit bewusst wurden, gingen sektorale in fundamentale und tendenziell auch in überzogene Aufgabenbeschreibungen über.63 Dabei wurden und werden Globalforderungen gestellt, die schlicht nicht realisierbar sind und Neigungen zum Totalitären offenbaren. Ernst Christian Achelis etwa, der eine der großen praktisch-theologischen Zusammenfassungen des ganzen 19. Jahrhunderts geschrieben hat, trug eine solch umfassende Erklärung nach dem Muster Alles-oder-Nichts vor. Die Theorie des Missionswesens wird die praktische Theologie nicht entbehren können, weil das Missionieren zu den nothwendigen Lebensbetätigungen der Kirche gehört und vom Begriff der Kirche gefordert wird. Die Kirche kann das Prädikat der Allgemeinheit, der Universalität, nicht missen, der Glaube an Christus ist wesentlich der Glaube an die Weltregierung Christi.64

Die Frage nach der Mission ähnelt dann einer Frage auf Leben und Tod, denn »es ist eine Lebensfrage der Kirche selbst, ob sie Mission treiben

————— 60;;

Vgl. D. RÖSSLER, Grundriß, 40. Vgl. zum Ganzen ebd., 39–42. 62;; Vgl. HAUSCHILDT, Mission, 498. 63;; Vgl. ebd., 502–505. 64;; ACHELIS, Lehrbuch, Bd. 1, 29, Hervorhebung im Original. 61;;

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wolle oder nicht; somit gehört die Mission zur Lebensbetätigung der Kirche, und die Missionslehre zur praktischen Theologie.«65 Auf vergleichbare Weise ist Apologetik, z.B. von Siegfried von Kortzfleisch, als unausweichlich allumfassende und allzuständige Aufgabe vorgestellt worden: Sie erscheint als ein Aspekt allen theologischen Denkens und kirchlichen Handelns. Danach kann es keine Theologie mehr geben, die nicht, recht verstanden, apologetisch wäre und keine Kirche, die nicht missionarisch und dabei stets auch apologetisch zu sein hätte.66

Ab einer gewissen Größe sind solche Fundamentalaussagen aber nicht mehr aussagekräftig oder sachdienlich, sondern werden unspezifisch und hohl.67 Entsprechend hat von Kortzfleisch präzisiert: »Apologetik als spezialisierter kirchlicher Auftrag ist das stellvertretende Durchdenken und Klären von Fragen, die sich bei der Begegnung mit andersdenkenden, andersglaubenden oder zweifelnden Menschen ergeben.«68 Zu Recht und zur Entlastung der Verantwortlichen ist festgehalten worden: »Konkretes Handeln kann nicht alles gleichzeitig sein, kann nicht ständig und immer vor allem werbend sein.«69 Die Ähnlichkeiten der strukturellen und der inhaltlichen Probleme rechtfertigen eine Zusammenschau beider sprachlich zu verantwortenden Außenministerien. 1.1.3 Enzyklopädische Utopien Die beiden Auswärtigen Ämter gehören im Rückblick zu den Utopien innerhalb der Praktischen Theologien, weil sie zum einen beide seit der Herausbildung dieses Fachs nirgendwo längerfristig verortet werden konnten und zum anderen dennoch Räume für die jeweiligen Illusionen boten, die man sich hinsichtlich des Christentums in der Neuzeit machte.70 Die Außenministerien sind als große, ungelöste Fragenkomplexe durch die etablierten (systematisch-theologischen) oder sich erst einrichtenden (praktischtheologischen) Teilfächer der Theologie vagabundiert. Sie haben dabei regelmäßig Ratlosigkeit hinterlassen und noch mehr Fragen aufgeworfen. ————— 65;;

Ebd., Hervorhebung im Original. KORTZFLEISCH, Wege, 387. Vgl. auch HERMS, Apologetik, 625, der K. G. STECKS These bestärkt, dass die systematisch-theologische Arbeit nach 1918 und nach 1945 insgesamt die apologetische Aufgabe verfolgt. 67;; Vgl. HAUSCHILDT, Potentiale, 52. 68;; KORTZFLEISCH, Wege, 387. 69;; Ebd., 55. 70;; Vgl. HAUSCHILDT, Aufgaben, 144. 66;;

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Noch im Jahr der Universitätsgründung in Bonn, 1818, wird Karl Heinrich Sack der erste Inhaber eines Lehrstuhls für Apologetik an einer evangelisch-theologischen Fakultät in Deutschland.71 Ein eigenes Fach Apologetik aber setzt sich nie durch, obgleich bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts punktuell immer wieder diskutiert wurde, ob es nicht dringend erforderlich sei. So war noch 1963 zu lesen: Wir halten es darum aus verschiedenen Gründen für unaufschiebbar, der Apologetik als Wissenschaft innerhalb der theologischen Fakultäten ein ebenso eigenständiges Heimat- und Existenzrecht zu geben wie es z.B. der Missionswissenschaft oder der Sozialethik fast allgemein zuteil geworden ist […].72

Zuvor rollt durch das ganze 19. Jahrhundert eine in jeder Hinsicht breite Flut apologetischer, detailverliebter Literatur, meist in Gestalt eigenständiger Monographien unter einschlägigen Titeln.73 1892 schlägt Ernst Gustav Steude vor, die Apologetik als Teildisziplin der Praktischen Theologie einzuordnen,74 nachdem Johannes Jacobus van Oosterzee sie in einem Anhang seines praktisch-theologischen Handbuches untergebracht hatte.75 Steude stellt den Streit, wohin die Apologetik gehört, als Jahrhundertwerk dar und fragt ironisch, wer denn wissenschaftliche Apologien mit 2800 Seiten überhaupt lesen soll.76 Insgesamt aber büßte die Apologetik ihr Heimatrecht in der Praktischen Theologie nahezu vollständig ein. In den theologischen Wissenschaften überlebten die apologetischen Ideen im Wesentlichen in der komprimierten Form von Lexikonartikeln,77 die in allen positiven Fällen als Langzeitge————— 71;; Vgl. SACK, Idee; DERS., Versuch und DERS., Apologetik. Vgl. dazu SPARN, Aufklärung, 86 und SCHMIDT-ROST, Sack, 49. 72;; G. MÜLLER, Diakonie, 211: »Wir halten es darum aus verschiedenen Gründen für unaufschiebbar, der Apologetik als Wissenschaft innerhalb der theologischen Fakultäten ein ebenso eigenständiges Heimat- und Existenzrecht zu geben wie es z.B. der Missionswissenschaft oder der Sozialethik fast allgemein zuteil geworden ist […].« 73;; Vgl. den Überblick bei SPARN, Aufklärung, 83–105. Vgl. z.B. EBRARD, der 1854 seine praktisch-theologischen Vorlesungen und 1874 den ersten Teil einer Apologetik veröffentlichte; LEMME, Christliche Apologetik, und – sehr spät – KAFTAN, Philosophie des Protestantismus von 1917. Vgl. dazu die Lexikonartikel von SCHOELL, Apologetik, und WOBBERMIN, Apologetik. 74;; Vgl. STEUDE, Apologetik, 1. 75;; OOSTERZEE, Theologie, 290–319, Anhang. 76;; Vgl. STEUDE, Apologetik, 1 und 7. 77;; Vgl. die Lexika in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zum Themenkreis Apologetik in der Neuzeit: FRIES, Apologetik; A. LEHMANN, Apologetik; LOHFF, Apologetik; SCHREY, Apologetik; SCHWEITZER, Art. Apologetik; K. G. STECK, Apologetik; MÜLLER-SCHWEFE, Apologetik; MÜHLENBERG, Apologeten; H. G. PÖHLMANN, Apologetik; EVERS, Apologetik; LEVINSON, Apologetik; HILLE, Apologetik; HANS BERNHARD MEYER, Apologien; SECKLER, Apologetik und DERS., Apologie; H. WAGNER, Apologetik; ZERFASS, Apologetik; BROWNING, Apologetik; GILLIOT, Apologetik; HERMS, Apologetik; JONGENEEL, Apologetik; USARSKI, Apologetik; NÜCHTERN, Apologetik; GASPER, Apologetik. Die Apologetik gehörte zu den frühesten Aufgaben der Frühen Kirche, vgl. ANDRESEN, Apologetik; BARNARD, Apologetik; HORST, Apologetik;

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dächtnis für sonst Vergessenes funktionieren, in der Beiläufigkeit von Fußnoten78 oder als Markenzeichen höchst eigenartiger bis fundamentalistischer Theorien, die sich dem allgemeinen Diskurs bis heute verschließen.79 Vereinzelt erschienen auch im 20. Jahrhundert – in einem sehr weiten Sinne – noch apologetische Ansätze, die sich freilich anders zu nennen wussten und wissen.80 Besondere Beachtung verdienen die zahlreichen homiletischen Reformansätze der vorletzten Jahrhundertwende, weil sie maßgeblich apologetisch motiviert waren. Die Kanzeln wurden mit Innovationsvorschlägen überhäuft und verteidigt – mit dem oder gegen den Zeitgeist.81 Mit der Evangelischen Zentrale für Weltanschauungsfragen (EZW; früher Stuttgart/ heute Berlin) etablierte sich die Apologetik unter großen, inneren Auseinandersetzungen als Arbeitsbereich, der auftragsgemäß den Kirchenleitungen mit Orientierungen dienen soll. Die EZW beschreibt sich selbst als die zentrale wissenschaftliche Studien-, Dokumentations-, Auskunfts- und Beratungsstelle der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).82 Die bewegte Suche nach einem angemessenen Ort für das Nachdenken über Mission und die Entwicklung einer eigenständigen Disziplin Missionswissenschaft ist in vielen Punkten ähnlich verlaufen.83 Allerdings wurde der erste Lehrstuhl für Missionswissenschaft in Deutschland erst ein knappes Jahrhundert später als derjenige für Apologetik in Bonn, 1896, von Gustav Warneck besetzt. Er gilt zu Recht als Begründer der Evangelischen ————— KAMLAH, Apologetik; LÜDEMANN, Apologetik; PAUL GERHARD MÜLLER, Apologetik; SCHEEL, Apologetik; RUHBACH, Apologeten; SKARSAUNE, Apologetik; SODEN, Apologetik; STRATHMANN, Apologetik, und WEYER, Apologetik. 78;; Vgl. PREUL, Kirchentheorie, 13, Fußnote 29: »Apologetik ist eine legitime und notwendige Aufgabe jeder Theologie. Sie hat mit fadenscheiniger Selbstrechtfertigung, Beschönigung oder unsauberer Werbung nichts zu tun. Nur eine unsachgemäß betriebene Apologetik kann dazu pervertieren.« 79;; Vgl. z.B. Veröffentlichungen wie GASSMANN, LOTHAR, Scheidung der Geister. Studientagung der Evangelischen Notgemeinschaft in Deutschland e.V. 80 Vgl. die unterschiedlicher nicht zu denkenden Ansätze von EBELING, Erwägungen; ELERT, Kampf; GOGARTEN, Verhängnis; HEIMBROCK/STREIB, Magie; JOSUTTIS, Fundamentalismus; KLIE, Religion, KÖBERLE, Evangelium; THIELICKE, Fragen, und TILLICH, Rechtfertigung. Vgl. für die Apologetik auch die scharfen Beobachtungen von DALFERTH, Gott. 81 Vgl. als Auswahl: BASSERMANN, Zweck; DERS., Handbuch; BAUMGARTEN, PredigtProbleme; HERING, Lehre; KLEINERT, Homiletik; KRIEG, Homiletik; NIEBERGALL, Menschen, Bd. 1–3; PFENNIGSDORF, Evangelium; SACHSSE, Homiletik; SCHIAN, Predigtlehre; STEINMEYER, Homiletik; STOCKMEYER, Homiletik; UCKELEY; Predigtideale; ZEZSCHWITZ, Homiletik. Einen Überblick ermöglichen WINTZER, Homiletik und DERS., Predigt. 82;; Vgl. http://www.ekd.de/ezw/wirueberuns.php. 83 Vgl. folgende Überblicke zur Entwicklung der Mission und ihrer wissenschaftlichen Reflexion: GÜLZOW, Mission; RAUPP, Mission; STROHM, Mission; WALLS, Mission, und WEGNER, Mission.

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Missionswissenschaft. Warneck hatte von 1892 bis 1905 eine Missionslehre in fünf Bänden84 verfasst, die bis zum Zweiten Weltkrieg und damit sehr nachhaltig wirkte, auch weil sie nie eine ebenbürtige Nachfolgerin fand.85 Seine Missionslehre hatte er zwar wissenschaftssystematisch als Teil der Praktischen Theologie konzipiert, aber die Problemstellungen der damals so genannten äußeren Mission wuchsen damit aus den klassischen Fächern der Theologie heraus.86 Als am Ende der Kolonialzeiten diese Unternehmungen diskreditiert waren, boten die Praktischen Theologien keine Heimat mehr, das Gewesene kritisch und lehrreich zu reflektieren. Bis in die Mitte der 1990er Jahre wurde die Auswanderung der Missionstheorien ohne besondere Trauerkundgebungen und ohne Aussicht auf künftige Zusammenarbeit angemerkt.87 Im Grundriss von Dietrich Rössler heißt es – im wahrsten Sinne des Wortes – letzten Endes: Die Mission ist ein klassisches Thema der Praktischen Theologie gewesen, und zwar in der Epoche, in der dieses Thema zugleich auf das lebhafte Interesse im Gemeindeleben hoffen konnte. Die Verselbständigung der Missionswissenschaft als theologischer Disziplin war Ausdruck zunächst der wachsenden Bedeutung, die dieser Aufgabe in Kirche und Theologie zugemessen wurde; sodann aber war ihr Aufbau Folge der zunehmenden Differenzierung und Problematisierung ihres Gegenstandes. Die weitere Geschichte ihres wissenschaftlichen Selbstverständnisses hat die Missionswissenschaft immer deutlicher von ihren ursprünglichen Beziehungen zur Praktischen Theologie abgelöst […].88

Aus missionswissenschaftlicher Perspektive liest sich dieser Herauslösungsprozess aus den praktisch-theologischen Lehrgebäuden als Befreiungsgeschichte mit ansatzweiser Heldenfigur. […] letztlich ist G. Warneck unser aller Vater. Das gilt sowohl für die evangelische wie die katholische Missionswissenschaft. Er hat sie aus dem Rahmen der sog. »Praktischen Theologie« herausgeholt, wo sie bis dahin – zumindest auf dem Kontinent –

————— 84;;

Vgl. WARNECK, Missionslehre. Vgl. SUNDERMEIER, Konvivenz, 15f. 86;; Vgl. zu diesem Vorgang USTORF, Missionswissenschaft, 103, der auch den damaligen Streit um die Verselbständigung der Missionswissenschaften wiedergibt: Eine besondere Missionswissenschaft, so die Gegner WARNECKS, sei eher »›Notstandszeichen‹ einer pflichtvergessenen Theologie« (FRANZ MICHAEL ZAHN). 87;; Vgl. OTTO, Theologie, 47, der die Missionsterminologie unnachgiebig verbietet. Die Lexikonartikel der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zeigen die Entfernung der missionswissenschaftlichen Probleme von denen der Praktischen Theologien. Vgl. ANTES, Mission; BEYERHAUS, Missionar; BÜRKLE, Mission; DONATH, Mission; ECKART, Mission; FINDEIS, Missionswissenschaft; FREYTAG/MÜLLER-KRÜGER, Mission; F. HUBER, Mission; KAISER, Mission; MORITZEN, Mission; PERELMUTTER, Mission, und Strömke V., Mission. 88;; D. RÖSSLER, Grundriß, 605. 85;;

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untergebracht war (und z.T. noch heute subsumiert wird), und ihr eine eigenständige Rolle im Kanon der klassischen theologischen Disziplinen zugewiesen.89

Zuvor, im 19. Jahrhundert, waren aber, wenigstens im theoretischen Entwurf, alle enzyklopädischen Möglichkeiten innerhalb der Praktischen Theologie einmal erprobt worden. Alle Varianten blieben letztlich utopisch, d.h. sie führten nicht zu einer mehrheitsfähigen und überzeugenden Verortung der Thematik, oder sie waren unrealistisch. Die Herausbildung einer eigenständigen Disziplin, die man Praktische Theologie nannte,90 geschah zu der Zeit, als das Fehlen einer Theorie des Missionswesens erstmals auffiel: »Bedingterweise könnte sich eben hier auch die Theorie des Missionswesens anschließen, welche bis jetzt noch so gut als gänzlich fehlt.«91 Friedrich Schleiermacher ordnete die Mission zu den Tätigkeiten des Geistlichen außerhalb des Kultus und sodann genauer zwischen Unterricht, Umgang mit Konvertiten und Seelsorge ein. Er hoffte dabei, von einer funktionierenden Gemeinschaft ausgehen zu können, und individualisierte das Missionsthema parallel zur Seelsorge im engeren Sinn. Missionsbedürftig werden einzelne Gemeindeglieder, die der Gleichgestimmtheit mit den anderen verlustig gegangen sind. Die christliche Gemeinde wird als konstitutiv für das Gelingen individueller Herausforderungen vorgestellt, insofern »alle Bemühungen dieser Art nur gelingen, wo eine christliche Gemeine besteht.«92 Gleichwohl beginnt damit die ambivalente Geschichte der Individualisierung der missionarischen Herausforderungen, die eine differenzierte Anschauung christlicher Gemeinden nicht erleichtert hat. Leichter zu imaginieren waren offenbar extreme Gemeinschaftsideale. Die Kehrseite dieser Entwicklung ist eine weitreichende Gemeinschaftsvergessenheit, so dass man sich dem Missionsthema bis heute meist einseitig individualistisch annähert.93 Carl Immanuel Nitzsch vernachlässigte in der Mitte des 19. Jahrhunderts zwar die Fragen der damals äußeren Mission, nahm aber in seiner Seelsor————— 89;;

SUNDERMEIER, Konvivenz, 76. Vgl. GRETHLEIN/MEYER-BLANCK, Geschichte, 5–15, GRETHLEIN/SCHWIER, Theologie, und früher schon G. KRAUSE, Theologie. SCHLEIERMACHERS enzyklopädischer Entwurf für die gesamte Theologie und für die sich etablierende Praktische Theologie, die sich in der Praxis nie durchsetzten, aber bis heute als besonders lehrreich gelten, hat andere enzyklopädische Ansätze in Vergessenheit geraten lassen, z.B. PELT, Encyklopädie, für das gesamte Fach und für die Praktische Theologie z.B. GAUPP, Theologie, und MOLL, System. 91;; SCHLEIERMACHER, KD, § 298. 92;; Ebd. 93;; Vgl. zur Frage der Gemeinschaften in missionstheologischen Diskursen Kap. 2.3.5, 3.2.6 und 3.3.5. Die Nähe von Mission und Seelsorgelehre ist im Übrigen auch einhundert Jahre später anzutreffen, vgl. z.B. F. NIEBERGALL, Grundlagen, 235. 90;;

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gelehre »Rücksicht auf die innere Mission«.94 Innerhalb der Seelsorgelehre räumt der Bonner Praktische Theologe der individuellen Auseinandersetzung mit erschüttertem Glauben, Irrtümern und Spott sehr breiten Raum ein und gibt ausführliche kasuistische Anweisungen. Die Seelsorge nach Nitzsch ist treffend »kasuelle Homiletik«95 genannt worden. [S]o giebt es mit der h. Schrift nicht allein für die Grund und Aufbau wirkende Gemeinde-Predigt, sondern auch für die eigenthümliche Erbauung des einzelnen Bewußtseins eine Individualisirung der Rede Gottes, welche der Individualisirung des menschlichen, zeitlichen, örtlichen Bedürfens, Empfangens und Verlangens entspricht.96

Die daraus resultierende Überforderung der Pfarrer ist schnell aufgefallen, aber gehört bis heute zu den unerledigten Fragen geistlicher Professionstheorien. Der implizite Auftrag, die massenhaften seelsorglichen Anlässe persönlich und einzeln zu bewältigen, führt in das Dilemma der Dauerüberforderungen für alle professionell Gefragten. Gerade an der Verbindung von Mission und Seelsorgetheorien in ihrer Interpretation als individuell zu bewältigende Aufgaben zeigen sich die fatalen Folgen von Überindividualisierungen. Neben der Nachbarschaft von Seelsorgelehre und Missionstheorie existiert auch der Versuch, Mission und Katechetik einander zuzuordnen. Alexander Schweizer fügt zusammen und unterscheidet in Verwendung von Friedrich Sickels Wortschöpfung »Halieutik«97 die Katechetik als gebundene und die Mission als freie Halieutik: Die Theorie der gebundenen halieutischen Tätigkeit ist die Katechetik; freier und individueller handelt dagegen der Geistliche, wo er für Gemeinde und Kirche Menschen will gewinnen helfen, die in keinem bestimmten Verhältnisse zu ihr stehen, daher auch die Kirchenverfassung ihn hier nicht so positiv beauftragt und bindet. Für dieses Gebiet muß entstehen eine freie Halieutik, d.h. Theorie des Missions- und Proselytenwesens […].98

————— 94;;

NITZSCH, Theologie, Titel von Bd. 3: Die eigenthümliche Seelenpflege des evangelischen Hirtenamtes mit Rücksicht auf die innere Mission. 95;; HAUSCHILDT, Handeln, 137. 96;; NITZSCH, Theologie, Bd. 3, 169, Hervorhebung im Original. 97;; Vgl. SICKEL, Grundriß, VII. Der Begriff ist gebildet nach Mk 1, 17. Jesus verheißt: Ich will euch zu Menschenfischern machen! Das halieutische Wortfeld blieb sehr lange im Gebrauch, vgl. z.B. BAUMGARTEN, Leitfaden, § 5: »Als Menschenfischer, halieis, ziehen beide, Missionar und Prediger, aus, um unsterbliche Wesen der Vergänglichkeit des breiten Weltwesens und der Majorität zu entreißen.« 98;; A. SCHWEIZER, Constructionsweise, 37f, Hervorhebung im Original. SCHWEIZER verwahrte sich damals gegen den üblen Nebenklang des Proselytenwesens, der aus Missbrauch entstanden sei, aber keinen Grund zur Unterlassung des Wortgebrauchs darstelle.

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Der dritte Ansatz, die Homiletik mit einer Missionstheorie zu überblenden, wurde im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts von Friedrich Sickel und Rudolf Stier unternommen. Friedrich Sickel besticht mit seinen Ausführungen u.a. durch originelle Metaphern und ein klares, weil dualistisches Weltbild. Er hat die bis heute offene Frage nach dem eigentlichen Zweck von Mission für sich eindeutig und anschaulich beantwortet. Nirgends sonst sind Kirchen so anregend mit Fischräuchereien verglichen worden. Zu lernen ist von Sickel, dass Mission nicht kircheneigennützig sein darf: Unser Fischen darf kein Angeln seyn; denn Jesus angelte nicht und konnte es also auch seinen Jüngern nicht anempfehlen. Es kann und darf aber auch kein Fischen in usum nostrum seyn, um etwa die gefangenen Fische zu braten, einzusalzen und zu räuchern, sondern die große Idee des Gottesreiches fordert, daß wir nur fischen, um die gewonnenen Fische aus dem trüben Behälter der Weltansicht, der so oft durch unruhige Wetterfische (Schlampritzker) aufgeregt wird, in den hellen, klaren Fischteich des Gottesreiches zu versetzen.99

Bei Rudolf Stier wird das Verständnis der Predigtgemeinde klassisch erwecklich vorgetragen. Der Prediger auf der Kanzel redet zu Christen d.h. entweder zu Kindern Gottes, die durch das Wort der Wahrheit schon einen Sinn aus Gott empfangen haben […] und in ihrer Salbung nicht mehr bedürfen, daß sie Jemand lehre […]; oder zu Kindern Gottes, die zwar als ebengeborene noch sehr der Anfassung und Unterweisung bedürfen, aber doch, weil sie einmal des Herrn Freundlichkeit geschmeckt haben, nach keinem Menschenworte, sondern nur nach der unverfälschten Milch des rechten Wortes […] verlangen; oder zu unwiedergeborenen äußern Gliedern der Gemeinschaft, die jedoch das äußere Wort der Schrift durch kirchlichen Unterricht kennen, es gelten lassen, und durch dasselbe am besten zu ergreifen sind; oder endlich zu gemeinen oder vornehmen Widerspenstigen, welche den in ihrer Sprache redenden Prediger als ihres Gleichen verachten, und nur durch die Obermacht der wunderkräftigen göttlichen Rede gedemüthigt werden können und sollen. Für alle diese Bedürfnisse zusammen reicht nur die biblische Sprachweise aus, welche auch den Erleuchteten ehrwürdig und nützlich bleibt, und denen, die den Sinn ihrer innern Erfahrungen noch nicht auszusprechen vermögen, das rechte Wort dafür entgegenbringt; welche die trägen Namenchristen bei der noch vorhandenen Bibelachtung anfaßt, und den widerstrebenden Unchristen das gebührende Gotteswort kräftig vorhält.100

Die Entwürfe von Sickel und Stier begründen die Tradition, Mission, erst recht die Missionspredigt, als identity marker101 einer bestimmten theologi————— 99;;

SICKEL, Grundriß, VIII. Vgl. zum Kirchenverständnis Kap. 5.1.1. STIER, Grundriß, 191f. 101;; Vgl. REINBOLD, Propaganda, 9. Vgl. z.B. Ende des 19. Jahrhunderts JOHANNES HESSES Titel: Die Mission auf der Kanzel. Ein missionshomiletisches Hilfs- und Handbuch. Vgl. auch BIENECK, Bekehrungspredigt. Vgl. zur Geschichte der Evangelisationspredigt in der Volkskirche im 20. Jahrhundert BUB, Evangelisationspredigt und WERTH, Theologie. 100;;

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schen Richtung wahrzunehmen bzw. im Gegenteil gar nicht erst in den Mittelpunkt theologischer Aufmerksamkeit gelangen zu lassen. Bemerkenswert ist die ekklesiologische Kritik von Achelis an beiden Konzepten, auf die später zurückzukommen sein wird, weil die ekklesiologischen Weichenstellungen von Sickel und Stier nach wie vor begegnen.102 Die Versuche G.A.F. SICKELS (Halieutik 1829) und R. STIERS (Keryktik² 1844), den Namen Homiletik durch andere Namen zu ersetzen, sind als gescheitert anzusehen. Denn seit Luther ist das Bewußtsein, daß die Kirche = Gemeinde im Besitz der Heilsoffenbarung Gottes sich befindet, der Kirche unverlierbar, und dies Bewußtsein wird von SICKEL und STIER verleugnet; von jenem, da er der Predigt die Aufgabe stellt, aus der Massa perditorum einzelne herauszufischen – die christliche Gemeinde wird also als abgefallen behandelt –, von diesem, da er den Gemeindeprediger als Missionar fungieren läßt und ihn als den wiedergeborenen Eigentümer der Heilsgüter den unwiedergebornen Eigentumslosen gegenüberstellt.«103

Denn die »Kirche« ist beiden abhanden gekommen, und der pietistische Konventikel der erkennbar Wiedergeborenen ist an die Stelle der Kirche getreten; außer diesem sind nur einzelne Individuen vorhanden, welche das gemeinsame Merkmal haben, daß sie ohne innerliche Berechtigung den Christennamen führen.104

Achelis selbst geht von der einen, heiligen und allgemeinen Kirche aus und ordnet die Heiden- und Judenmission unter die Allgemeinheit der Kirche, verbunden mit einem starken Plädoyer für die Mission, ohne die der Glaube zwangsläufig ermatten müsse.105 Das Thema Mission hatte sich allen klassischen Teildisziplinen der Praktischen Theologie einmal probeweise angeschlossen, aber keiner dieser Versuche wirkte nachhaltig. In der Mitte des 19. Jahrhunderts, der Epoche der »kybernetischerbaulich«106 orientierten Praktischen Theologie, ist Friedrich Ehrenfeuchter hervorzuheben, der die Missionstheorie zum Zentrum seines praktischtheologischen Entwurfes erklärt und alles andere darin wie in einer Knospe beschlossen sieht.107 Sein Ansatz ist einzigartig geblieben und hat keine Nachahmer gefunden.108 Sein von Hegels Geschichtsphilosophie geprägter Ansatz war zu idealistisch konzipiert. ————— 102;;

Vgl. zu den ekklesiologischen Problemen Kap. 3.3.6 und 5.1.1. ACHELIS, Lehrbuch, Bd. 2, 81f. 104;; ACHELIS, Lehrbuch, Bd. 1, 31. 105;; Vgl. ebd., 29. 106;; SCHRÖER, Theologie, 205, und GRETHLEIN/MEYER-BLANCK, Geschichte, 15–24. 107;; Vgl. EHRENFEUCHTER, Theologie, 183. 108;; Vgl. aber ZEZSCHWITZ, System, 672–675, der den 2. Hauptteil (nach der Prinzipienlehre) mit der Keryktik beginnt. Vgl. dazu GRETHLEIN/MEYER-BLANCK, Geschichte, 19f. 103;;

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Mithin verläuft der Process der Gemeindebildung von dem Anfangspunkt des Sendens bis zu dem Endpunkt der Aufrichtung des Gottesdienstes. Da ist die Gemeinde vollendet, wo der Gottesdienst in seinen wesentlichen Elementen bestimmte Gestalt gewonnen hat, wo er nicht sektenartig abgeschlossen, sondern im Zusammenhang mit dem Lebensdienst erscheint, Cultus im Bunde mit der Cultur steht, wo die Gemeinde durch lebendige Einfügung in das Gesammtleben des Volkes Kirche geworden ist und das Volk sich dadurch als Glied der Menschheit erkennt. Drei Lehren ergeben sich hieraus, die wir zu behandeln haben. Die Lehre von der Sendung, die Lehre von der Verkündigung, die Lehre von der Gestaltung des kirchlichen Lebens oder der Entwicklungsgeschichte der Gemeinde zur Kirche.109

Weder verlief Mission je so glatt, noch gab oder gibt es irgendwo vollendete Gemeinden. Die Welt ist mit Methoden nicht zu retten. Die Ungewissheit über den Verbleib der Mission nimmt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu.110 Als sich um die vorletzte Jahrhundertwende die Praktischen Theologien wandelten, unentwegt neuen Reformversuchen unterzogen wurden111 und sich vor allem liberal-theologisch öffneten,112 hatten sich die Missionswissenschaften schon zu weit von der klassischen Theologie entfernt, um diese Entwicklungen wirklich und kritisch mitzuvollziehen. Liberale Essays wie »Die Mission in der modernen Welt«, von Ernst Troeltsch 1913 verfasst, bestechen schon durch ihre Seltenheit und werden im Laufe des 20. Jahrhunderts nicht häufiger. Troeltsch hat sich als Prophet erwiesen, als er ausführte, wie tief und weit die Interesselosigkeit für die Mission in Deutschland reichte und auch in Zukunft reichen wird.113 Henning Wrogemann hat hinsichtlich der Systematischen Theologien für das gesamte vor Troeltsch liegende Jahrhundert nachgewiesen, wie marginal der Austausch war und – abgesehen von Karl Barth und Jürgen Moltmann – keine Anlässe fand, lebhafter zu werden.114 Auch die Praktischen Theologien blieben bis in die 1980er Jahre fast vollständig unberührt von größeren gedanklichen Impulsen im Blick auf Mission.115 —————

109;; Vgl. EHRENFEUCHTER, Theologie, 2. Buch: Von dem verbreitenden Handeln der Kirche, 207–460, Zitat 333. 110;; Vgl. die Lösung von OOSTERZEE, Theologie, 290–319, einen Anhang zu erfinden. Vgl. die explizite Thematisierung der Ungewissheit bei KNOKE, Grundriss, 4. KNOKE entscheidet sich für eine Zusammenordnung von Mission und Katechetik. 111 Vgl. die Reformansätze bzw. Entwicklungszusammenfassungen bei BAUMGARTEN, Theologie; BOEHMER, Theologie; BORNEMANN, Unzulänglichkeit; CLEMEN, Methode; DERS., Reform; KRAUSS, Lehrbuch, Bd. 1-2; NIEBERGALL, Grundlagen, und WERNLE, Einführung. 112;; Vgl. GRETHLEIN/MEYER-BLANCK, Geschichte, 24–40. 113;; Vgl. TROELTSCH, Mission, 782 und 784. 114;; Vgl. WROGEMANN, Mission, 280–282. 115;; Vgl. GRETHLEIN/MEYER-BLANCK, Geschichte, 40–61. Vgl. explizit zur Lücke GRETHLEIN, Mission, 389.

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Allerdings ist das Phänomen zu beobachten, dass offensichtlich weniger in genuin theologischen Überlegungen, als vielmehr in außergewöhnlichen gesellschaftlichen Zuständen ein Movens für missionarische Aufbruchsentschlüsse liegt.116 Emil Pfennigsdorf beschrieb, während der Nationalsozialismus heraufzog, Mission mit totalen und absoluten Ansprüchen gegenüber dem Rest der Welt. Globalisierung, wenn das Wort damals schon im Schwange gewesen wäre, wurde als pädagogische Herausforderung für die höherstehenden und damit wertvolleren Menschen konzipiert. Unter der Überschrift »Mission, Rasse, Volk« wird die Anerkennung der »Verschiedenartigkeit und -wertigkeit der Rassen«, der »Verschiedenartigkeit und -wertigkeit der Völker« gefordert, gipfelnd in der Aussage: »Die Überzeugung, eine Sendung an die Menschheit zu haben, ihrem geistigen Besitz etwas hinzufügen zu müssen, hat je und dann geistig begabte Völker erfüllt. In ihr liegt der berechtigte Kern des Imperialismus.«117 Während der kommunistischen Diktatur, die für die Kirchen Klarheit im Sinne einer übersichtlichen, weil dualistischen Weltsicht brachte, erwies sich das Missionsthema als besonders zäh und überlebenswillig.118 Im »Handbuch der Predigt« gibt es einen auffallend selbstverständlichen Abschnitt über »Predigt und Mission«, der ganz ohne die üblichen Feststellungen, wie verdorben die Missionsterminologie sei, auskommt. Herausgearbeitet wird ein vierfacher Zusammenhang, der erstaunlicher- und berechtigterweise mit den indirekten Wirkungen beginnt, weil christliches Leben unter Nichtchristen eine per se missionarische Wirkung habe, »wenn die Christen in ihrem Glauben gefestigt genug sind, daß sie ihn nicht verbergen.«119 An zweiter Stelle steht ein Plädoyer gegen Blässe und Harmlosigkeit, aber auch gegen allzu markige Sprüche, zu denen so genannte Evangelisten neigen. Drittens wird der Blick auf die wenigen, aber immer in den Kirchen vorhandenen Nichtchristen gelenkt. Viertens wird die Überwindung provinziellen Denkens von Predigten erhofft. Dabei ist selten so klar formuliert worden, worauf es ankommt. Es gehe darum, das »Selbstmitleid einer Kirche und ihrer Mitarbeiter, die unter der zahlenmäßigen Schrumpfung leiden, als sei der Säkularisierungsprozeß in unserem Land die wichtigste Sache der Welt«120 zu überwinden. ————— 116;;

Vgl. für die Gegenwart Kap. 4.1.1 und 4.1.2. PFENNIGSDORF, Theologie, 154–157. 118;; Vgl. RATZMANN, Impulse, der ausdrücklich ökumenische Impulse für Strukturreformen in den Kirchen der DDR nutzen wollte. Vgl. HUSAR, Predigt, der die missionarischen Intentionen der Homiletik seit SCHLEIERMACHER sachlich, nicht von vornherein erwecklich, vorstellt. 119;; GOTTFRIED KRETZSCHMAR/E. WINKLER, Gemeinde, 200. Vgl. zur Geschichte der Mission in der DDR GRETHLEIN, Mission, 391. Vgl. auch WEYEL, Mission, 263. 120;; GOTTFRIED KRETZSCHMAR/E. WINKLER, Gemeinde, 200f. 117;;

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Wiederwuchs

Der Rückblick auf die 1980er Jahre, das Jahrzehnt, als die Gemeindeaufbaubewegungen missionarische Spurenelemente in die Praktischen Theologien brachten, fördert ein enttäuschtes Fazit zu Tage, weil »viele mit dem missionarischen Gemeindeaufbau verbundene Erwartungen nicht in Erfüllung gegangen sind.«121 Damit kommt die zweite Wortbedeutung von Utopien zum Tragen, neben der Beschreibung der Ortlosigkeiten sind in einem zweiten Gedankengang auch die illusionären Erwartungen zu kritisieren. Johannes Zimmermann erwähnt zwar die ursprünglichen Überansprüchlichkeiten, aber die Auswege aus den resignativen Betrachtungsschemen erscheinen ihm selbst nicht verheißungsvoll. Diese Beobachtung hat sich während der Vorarbeiten für diese Studien bestürzend oft eingestellt. Missionarische und apologetische Strategien kommen fast immer ohne die Wertschätzung des Vorhandenen, des Erreichten und Gewordenen, aus. Das ist undankbar und theologisch auf keine Weise zu begründen. Der Autor des Rückblicks auf den scheinbar ausgebliebenen Gemeindeaufbau beklagt: »Manche Erwartungen waren zu utopisch, manche unterschätzten in ihrem Reformeifer die Beharrungskräfte vorhandener Strukturen und Mentalitäten.«122 Auch die vielen positiven und nachhaltigen Veränderungen, die er nennt, die neue Wertschätzung für Ehrenamtliche, die neue Vielfalt an alternativen Gottesdienstformen usw., bleiben weit hinter den anfänglichen, utopischen Erwartungen zurück. Der Trend zur Herabwürdigung des Bisherigen scheint ungebrochen. Günter Thomas geht mit dem Impulspapier »Kirche der Freiheit« hart, aber sehr treffend ins Gericht: »Es dürfte wohl kaum ein Dokument eines wahrhaft aufbruchwilligen Unternehmens geben, das seine leitenden Mitarbeiter auf die Weise herabsetzt und faktisch beschimpft, wie es ›Kirche der Freiheit‹ praktiziert.«123 Die viel zu lange Liste der negativen Beispiele bleibe einem hier erspart zu Gunsten der künftigen, positiven Aufgaben: Da das Unternehmen Kirche nicht gegen, sondern nur mit ihren Mitarbeitern den notwendigen Aufbruch schaffen wird, bedarf es bei aller notwendigen Kritik eines Geistes der ehrlichen Würdigung, der motivierenden Wertschätzung und der visionären Entdeckung unausgeschöpfter Möglichkeiten.124

Die eigentlich banale Herausforderung, das Vorhandene, das Bisherige wahrzunehmen und zu würdigen, erweist sich möglicherweise als die schwerste Übung im Blick auf weiterzudenkende Mission und Apologetik. ————— 121;;

ZIMMERMANN, Gemeindeaufbau, 100. Ebd. 123;; Vgl. THOMAS, Klippen, 377–379. 124;; Ebd., 379, Hervorhebung im Original. 122;;

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In den akademischen Praktischen Theologien ist in der jüngeren Vergangenheit gelegentlich verschwenderisch im Umgang mit Papier, Zeiten und Kräften darüber gestritten worden, ob es den Theorien von Praxis ansteht, normativ zu werden, oder ob »nur« Deskriptionen erforderlich sind.125 Dieser Streit ist aus zwei Gründen zu beenden. Aus der Praxis der Apologetik erwächst erstens die Erkenntnis, dass das bloße Wahrnehmen keineswegs der leichtere oder bessere Teil der Übung ist, weil Apologetik schon in ihrem ersten Teil, der Erkenntnisbemühung um den anderen, ein anspruchsvolles Geschäft ist, hinter dem wir eigentlich alle zurückbleiben.126 Wenn den Praktischen Theologien aus den geschilderten Geschichten von Mission und Apologetik eine neue Aufgabe zukommt, dann diejenige der nichtresignativen und verständnisvollen Darstellung des Gewesenen, des Gewordenen, des Heutigen. Das erscheint zwar trivial, wäre aber recht originell.

1.2 Renaissancen Renaissancen

Vielfältige Renaissancen erlebt derzeit der Renaissancebegriff selbst. Oft diskutiert und bleibend strittig ist die These, ob von Renaissancen des Religiösen in der gegenwärtigen Gesellschaft gesprochen werden kann oder nicht,127 verbunden mit weiterführenden Fragen, ob etwa Religion sich nur umwandle, entinstitutionalisiere,128 ihre Bedeutung aber konstant oder steigend sei – oder ob das spezifisch Christliche, wenn nicht das Religiöse insgesamt sich verflüchtige und/ oder schon in der vierten Generation gar nicht mehr vermisst werde. Besonders die Erfahrungen mit totaler Indifferenz schon gegenüber den Fragen nach religiösen Erfahrungen lassen die Rede von einer allgemeinen Renaissance des Religiösen mehr als fraglich erscheinen.129 Zweifelsfrei erleben aber Mission und Apologetik nicht zuletzt auf Grund dieser Beobachtungen Renaissancen in der theologischen und kirchlichen Binnenkommunikation. Die Wiederentdeckung bzw. das Wagnis des Wiedergebrauchs zweier noch nicht sehr alter, sondern erst neuzeitlicher Begriffe wird festgestellt,130 gefeiert131 oder beklagt.132 Muss man also im ————— 125;;

Vgl. für die normativen Notwendigkeiten MEYER-BLANCK, Theorie, 124. Vgl. REIMER, Apologetik, 21. 127;; Vgl. unter Einbeziehung des außereuropäischen Kontextes GRAF, Wiederkehr, 135, und entschieden dagegen KÖRTNER, Wiederkehr, 29f u.ö. 128;; Vgl. SACHAU, Kultur, 149. 129;; Vgl. dazu Kap. 4.1. 130;; Vgl. aus praktisch-theologischer Perspektive HAUSCHILDT, Potentiale, 51; aus missionswissenschaftlicher Sicht WERNER, Aufbruch, 127, und DERS., Mission, 556. WERNER verwendet den Begriff explizit und erkundet historische Durchgänge. 126;;

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Blick auf die Außenministerien von Kapitulationen vor den Wirkungsgeschichten oder von einfachen Rekapitulationen des Gewesenen sprechen? Das sei ferne! Die Rede von Renaissancen wird mit den ursprünglich metaphernstiftenden Vorgängen verglichen und dadurch charakterisiert (1.2.1). In einem zweiten Gedankengang wird erschlossen, wie Pluralität sprachlich angemessen darzustellen ist (1.2.2). Denn es gibt weder eine einheitliche und daher große Renaissance, noch gibt es ein Merkmal, das zur zusammenfassenden Epochenbeschreibung taugen würde. Man sieht sich dagegen ungezählten Mikrorenaissancen, die unkoordiniert nebeneinander herlaufen, gegenüber. Die pluralen Sehnsüchte nach dem großen Ganzen und die gleichzeitigen, unübersehbaren Ermüdungserscheinungen von den riesigen Plänen zur Weltverbesserung resultieren daraus.133 1.2.1 Wachsen aus Leiden Renaissancezeiten sind gemäß ihrer Herkunft aus dem botanischen Bereich als Phasen des »Wiederwuchs[es]«134 zu deuten. Das Wort ist wahrscheinlich erst sekundär mit Wiedergeburt wiedergegeben worden, ursprünglich entstammt es der Forstwirtschaft, wo »man planmäßig und großflächig Bäume kappte, die daraufhin rings um ihre Kappungsfläche mit erhöhter Vitalität und beschleunigtem Holzertrag Ruten und Triebe hervorsprießen ließen«.135 Dieser Sachverhalt wurde schon sehr früh auf geistesgeschichtliche Zusammenhänge übertragen. Was diesen Hauwald […] zur Metapher für jenen kulturhistorischen Vorgang geeignet machte, der seit dem 14. Jahrhundert lief, war dieses: dass eine Zerstörung – das Kappen des Baums – zu einem gesteigerten Leben führte,

denn das Lebensgesetz des »renasci« besteht darin, daß man fähig ist, (gerade) durch erlittene Übel zum Wachsen angeregt zu werden.136 ————— 131;;

Die Freude drückt sich bei der DEUTSCHEN BISCHOFSKONFERENZ, Zeit, 5, aus: »Ein Grundwort kirchlichen Lebens kehrt zurück: Mission. Lange Zeit verdrängt, vielleicht sogar verdächtigt, oftmals verschwiegen, gewinnt es neu an Bedeutung.« Vgl. auch SCHÄFER, Mission, 2. 132;; Für einen Rückschritt hinter E. LANGES Konzept der »Kommunikation des Evangeliums« hält WEYEL, Mission, 255, die Wiederkehr des Begriffs Mission. 133;; Vgl. zu den spezifischen Müdigkeiten vom Wählen und Entscheiden Kap. 4.2.2. 134;; Vgl. TRIER, Wiederwuchs, 177. Vgl. weitere Belege bei GRIMM, Wi(e)derwuchs, 1398. 135;; MARQUARD, Skepsis, 90. 136;; Ebd., 91, mit Bezug auf TRIER, Holz, 147 und 153. Die Metapher vom Wiederwuchs erweist sich quasi als positive Version von der neunköpfigen Hydra, der nach griechischer Mythologie zwei neue Köpfe nachwachsen, wenn einer abgeschlagen wird.

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Die Vorstellung von gesteigertem Wachstum nach gründlicher Zerstörung wurde zunächst auf wiedererstehende Städte nach Kriegen angewandt, d.h. auf menschliche Kulturleistungen.137 Insgesamt ist die Renaissancemetapher global kompatibel: Der Topos des verstümmelten und wiederausschlagenden Baumes ist ein weltweit verbreitetes Bild der Kraft, Unglück zu überdauern, der Wiederbelebung, der Regenerationsfähigkeit, ein Bild, das vom deutschen Volkslied von der Hasel und dem Mädchen bis zum japanischen Kopfkissenbuch der Dame Sei Shonagan reicht.«138

Zu ergänzen ist unbedingt noch Jes 6,13: Israel wird es schlecht ergehen, doch wie bei einer Eiche und Linde, von denen beim Fällen noch ein Stumpf bleibt. Ein heiliger Same wird ein solcher Stumpf sein. In diesen Studien soll die Renaissancemetapher den Umgang mit den belasteten christlichen Außenministerien neu orientieren und ein Beispiel geben für viele andere Verständnisse und Gebräuche desavouierter Glaubensvorstellungen. Das Wortbild wird deshalb vorgeschlagen, weil es hinsichtlich künftiger Mission und Apologetik nicht einfach eine harmlose Wiederbenutzung früherer Begriffe intendiert, sondern den Vorgang in seinen wesentlichen Spezifika erfasst. Von ihnen seien hier sechs in einer allegorischen Auslegung skizziert, die in den folgenden Kapiteln weiter entfaltet und vertieft werden. (1) Der umfassende, zuerst erfolgende Hieb, der nur Stümpfe und Strünke zurücklässt, ist überaus leicht in der gewalttätigen Missbrauchsgeschichte der christlichen Missionsidee zu entdecken. (2) Die Vorstellung einer »widerwachxsung«,139 wie Albrecht Dürer buchstabierte, geht zweitens bei der Übertragung in die menschliche Geistesgeschichte nicht zwangsläufig vom unmittelbaren Wiederausschlag der Wurzelbrut aus, sondern kennt lange Ruhephasen. Dürer schreibt von tausendjährigen Perioden des Abgestorbenseins im künstlerischen Wissen. Er erhoffte für sich und prognostizierte für die damalige Zukunft besonders die Wiederkehr des verlorengegangenen antiken, künstlerischen Könnens. Zur Einsicht, dass Mission und Apologetik dem christlichen Glauben wesentlich zu eigen sind, gehört nicht nur die Kraft zur Unterscheidung, welche Situationen welcher Zuspitzungen der Lehre und ihrer lebenspraktischen Entfaltungen bedürfen, sondern auch Gelassenheit und Geduld für Ruhephasen, die Menschen gelegentlich nicht überschauen und nicht überleben. Die oben leicht karikierte Denkungsart des Alles-oder-Nichts-Sofort —————

137;; Vgl. TRIER, Holz, 153f. Die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg bot in Deutschland einen instruktiven Anschauungsunterricht für diese These. 138;; TRIER, Holz, 156. 139;; Zitiert und rekonstruiert ebd., 165.

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steht dem diametral entgegen. »Was nicht mehr wächst, stirbt ab.«140 – ist eine problematische Parole. Dieses Urteil über Mission stammt nicht aus furchterprobten neopietistischen Kreisen, sondern von Ernst Troeltsch. Es ist selbstverständlich naheliegend und kurzfristig fast immer zu verifizieren, aber im Blick auf längere Zeiträume – Dürer versuchte, ein Jahrtausend zu überschauen – offenbar nicht zutreffend. Die Auswärtigen Ämter der Christenheit und ihre Rückkehr in den kleinen Ausschnitt dessen, was unsere gegenwärtige Aufmerksamkeit zu erregen vermag, ist als Lehrstück für längerfristiges und nachhaltiges Denken zu begreifen. Wenn beide Begriffe nur schon dazu anleiten, die Kurzsichtigkeiten, zu denen u.a. Sparmaßnahmen zwingen wollen, zu lindern und den Blick in die Weiten der Geschichte und der Zukunft zu heben, sind bereits gewaltige geistig-geistliche Kollateralgewinne erzielt. (3) Drittens erschließt die Metapher vom Wiederwuchs, dass Mission und Apologetik wachsen müssen und nicht gemacht werden können.141 Wachstum aber hat eine alles andere in den Hintergrund drängende, allerdings gerade nicht spektakuläre, weil nicht leicht sichtbare Eigenschaft: Es geschieht langsam. Wachsen und Hören lassen sich im Gegensatz zum Zerstören und Sehen auch nur marginal beschleunigen.142 Diese Langsamkeit widersetzt sich jeglichen Machbarkeitsphantasien, die Missionsstrategien nicht selten selbst darstellen oder zu vermitteln versuchen. »Aber Religionen kann man nicht beliebig erfinden, sondern sie müssen wachsen.«143 In den folgenden Studien zu den Wortwirkungen werden die Sprachentwicklungen daher als evolutionäre und damit sehr langsame Vorgänge rekonstruiert, die weder durch Reformen noch durch Revolutionen schneller werden, im Gegenteil.144 Diese unabänderliche Langsamkeit ist nicht mit Resignation und daraus folgendem Phlegma zu verwechseln, sondern bildet die kompensierenden Potenziale zu den veloziferischen Charakteristika unserer und schon vieler früherer Zeiten. Johann Wolfgang von Goethes geniale Wortschöpfung entstand aus der »Verschränkung von Velocitas (Eile) und Luzifer.«145 Die Theorie von Kompensationen als Linderungen146 verhindert den vollständigen Untergang in der Fülle der möglichen Kulturpessimismen. Einer von ————— 140;;

TROELTSCH, Mission, 791. Vgl. zum neuzeitlich-aktivistischen Missionsideal Kap. 4.1.2. 142;; Vgl. CORNELIUS-BUNDSCHUH, Kirche, 298. Vgl. aber BERENDT, Ich höre, 75: »Das Ohr ist fast siebenmal schneller [als das Auge, D.G.]. Wenn wir so schnell sehen könnten, wie wir hören können, wir würden unser Informationsmedium Nummer eins, das Fernsehen, als das durchschauen, was es lediglich bietet: Punkte und Striche.« Vgl. Kap. 2.3.4 zu den »Ohrientierungen«. 143;; TROELTSCH, Mission, 799. 144;; Vgl. Kap. 2.3.1. 145;; OSTEN, »Alles veloziferisch«, 29. 146;; Vgl. MARQUARD, Philosophie, 22. 141;;

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ihnen besagt bekanntlich, dass sich alles immer schneller wandelt und damit immer unmenschlicher wird.147 »Die Behauptung, gerade die Gegenwart sei besonders wandelbestimmt, ist sehr geeignet, Zustimmung zu erfahren. Sie entspricht einem verbreiteten Lebensgefühl, dem vermutlich jede Generation subjektiv unterliegt.«148 Plädiert wird hier mit der Verwendung der Renaissancemetapher nicht nur für Geduld und Gelassenheit, sondern auch für eine menschenfreundliche Beschränkung des scheinbar schnell Machbaren. Daraus könnten größere Freiräume und Entfaltungsmöglichkeiten für langsam Wachsendes und Wirkendes entstehen. Weil wir – sozusagen – nicht beliebig schnell und nicht beliebig weit aus unserer Herkunftshaut hinauskönnen, bleiben wir trotz aller Schnelligkeit langsam, so dass gilt: Die Kürze unseres Lebens – also daß unsere Zeit endlich, daß sie Frist ist – zwingt uns Menschen zur Langsamkeit. […] wir müssen – unvermeidlicherweise – stets beides: schnell leben und langsam leben, Eiler und Zögerer sein.149

(4) Danach lehren die botanischen Renaissancen auch, dass Wachstum, gewollt oder unbeabsichtigt und unbemerkt, zwar langsam, aber nicht unbedingt kontinuierlich und gleichmäßig, vor allem nicht von jetzigen Zuständen einfach hoch- und weiterrechenbar, geschieht. Zu evolutiven Entwicklungen gehören Brüche, Sprünge, unterschiedliche Entwicklungsgeschwindigkeiten in Abhängigkeit von Umgebungen, Konkurrenzgewächsen und Klimata. Der alte Streit in den Missionen, ob Glaube langsam wächst und z.B. menschlichen Bildungsprozessen ähnelt150 oder sich plötzlich einstellen muss,151 ist zu Gunsten beider Positionen zu entscheiden, die einander wechselseitig bedingen und nur jeweils mit der Macht der Einseitigkeit beobachtet werden. Jahrzehntealte, menschenlebenlange Fragen gehören zu unmittelbar einleuchtenden Antworten und Gewissheiten ebenso wie im Moment der Geburt gegebene Glaubensvorstellungen, die ein erstes halbes Menschenalter unentschieden bleiben und ein zweites halbes Menschenleben reifen oder vergehen oder in einem Moment abhanden kommen, wie es John Updike in »Gott und die Wilmots« von einem Pfarrer, seinem ersten Protagonisten, eindringlich schildert.152

————— 147;;

Vgl. OSTEN, »Alles veloziferisch«, mit unzähligen Beispielen. DIENST, Pluralismus, 19. 149;; MARQUARD, Zustimmung, 49f. 150;; Vgl. PAUSCH, Bildungsgeschehen, und SCHWINDT, Glaube, zur Problematik, ob und wie Mission als Bildung zu verstehen sei. 151;; Vgl. zur Auseinandersetzung, ob Glaube ein längerer Prozess oder eine unmittelbare, daher kurze Bekehrung ist, HAUSCHILDT, Aufgaben, 140. 152;; Vgl. UPDIKE, Gott, 15f. 148;;

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(5) Die Rede von Renaissancen beachtet das nach einer zweitausendjährigen Geschichte unauflösliche Ineinander von Innovationen und – achtenswerten – Kontinuitäten. Odo Marquard erklärt für die Neuzeit: Denn die neuen Triebe gehören zum alten Baum und sind ohne diesen alten Stamm ebenso wenig möglich wie ohne den kappenden Hieb. Als Renaissance sind dabei Innovation und Kontinuität identisch. Aber im Fortgang der Neuzeit – je moderner die moderne Welt wird – bleibt es nicht bei dieser Identität: Innovationskultur und Kontinuitätskultur treten – zusammengehörig – auseinander und nebeneinander.153

Im Bilde der organischen Metapher von abgehauenen, wiederausschlagenden Bäumen und Sträuchern für geschichtliche Vorgänge154 kommt ins Blickfeld, dass weder beziehungslos Neues entsteht, noch Identisches mit Ehemaligem. »Renaissance, das ist Innovationskultur als Kontinuitätskultur.«155 Trost und Enttäuschung stecken somit in derselben Beobachtung. Es wachsen nicht die originalen Bäume wieder auf. Die Geschichten von Apologetik und Mission waren nicht so glorreich, dass originalgetreues Nachbilden wünschenswert erscheint. Es kehren auch nicht einfach die frühkirchlichen Zustände wieder, ganz gleich, ob man das erhofft oder befürchtet. Zwar gibt es in der spätchristlichen Zeit unübersehbare Ähnlichkeiten zu den Herausforderungen der vorkonstantinischen Epoche und ihren religionspluralistischen Strukturen.156 Dennoch sind die Unterschiede mindestens gleichermaßen oder mehr zu betonen, um u.a. die Erkenntnisse der Aufklärung nicht zu hintergehen, wie es immer wieder gerade bei in missionarischen Absichten geschieht. Ustorf schildert die Problematik, dass die Aufklärung bis in die jüngste Vergangenheit immer wieder als ein zurückwandelbares »Malheur der westlichen Kultur, als grundsätzlich rückrufbares Fehlverhalten«157 angeschaut wurde. Auch dann, wenn die westeuropäische Aufklärung als sehr einschneidend erlebt wird, bleibt das Ineinander von Kontinuierlichem (Wurzelwerk) und Innovativem (neue, andere Triebe) bestehen. (6) Die Renaissancemetapher zeigt sich anschlussfähig für die Darstellung des Vielspältigen.158 Im Gegensatz zur Rede vom Vielfältigen wird so die Idee wachgehalten, dass es einen »gemeinsamen, freilich allmählich verblassenden Hintergrund des Auseinanderstrebenden«159 gibt. Vielspältig ————— 153;;

MARQUARD, Skepsis, 91. Vgl. KÖPF, Renaissance, 431. 155;; MARQUARD, Skepsis, 87, Hervorhebung D.G. 156;; Vgl. SCHWÖBEL, Wahrheit, 95. Vgl. auch SLENCZKA, Apologetik, 17, der die Ähnlichkeit sogar auf die Zeiten des Alten Testaments ausdehnt. 157;; USTORF, Missionswissenschaft, 134. 158;; Vgl. NOWAK, Zeitalter, 16f, mit Bezug auf ERNST TROELTSCH. 159;; Ebd., 17. 154;;

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war der Wiederwuchs im »Hauwald«160 unter allen Umständen. Aus dem einen Stumpf gingen mehrere, auseinanderstrebende Triebe und Ruten hervor.161 So wird deutlich, dass unitas und diversitas bleibend aufeinander bezogen sind und gegenseitig aufeinander verweisen. Jeder Versuch, Partikularität zu überwinden, hat dieselbe nur noch verstärkt.162 Die Einheitsidee ist in Missionsdiskussionen meist nur eine latente, dafür aber sehr vitale.163 Sie verdient daher mehr Aufmerksamkeit. Aber auch die komplementär dazugehörige Vorstellung, dass unsere Gegenwart mehr und intensiver als andere Zeiten von Pluralität geprägt sei, zeigt sich erstaunlicherweise sprachlich kaum angemessen. Die Anschaulichkeit der missionarischen Situationen lebt von ihren Gegensätzlichkeiten.164 Es gibt so viele Motive und Begründungen für die Erneuerungen der Außenministerien der Christenheit (fehlende Finanzen, Traditionsabbrüche etc.), unzählige Wege (evangelistische, kulturhermeneutische u.v.a.m.) und Ziele (Kirchenmitgliedschaftsstabilisierungen, Hoffnungen auf das Reich Gottes), die sich sprachlich nicht adäquat darstellen. Diese sehr disparaten Ansätze und Konzepte werden immer wieder unter Oberbegriffen im Singular zusammengefasst. Die Fülle und Unvereinbarkeit des Gegebenen erfordert aber z.B., sich Praktische Theologien und Missionswissenschaften vorzustellen. Es muss über Gesellschaftsdeutungen, Theorien, Sprachmodi etc. nachgedacht werden. Das gilt insbesondere, weil gerade nicht ein vereinheitlichendes Modell präferiert werden soll, sondern die weiter ideenvervielfältigende Differenzenpflege zu den erklärten Zielen gehört.165 Mit pluralen Sprachwendungen soll auf die Pluralität, nicht nur in den Details, mehr Aufmerksamkeit gelenkt werden. Dann wird deutlich, dass erst am Anfang des 21. Jahrhunderts Mission und Apologetik wirklich plural diskutiert werden. Solange die Auswärtigen Ämter in ihrer traditionellen Terminologie frömmigkeitsbedingte Markenzeichen waren, blieben sie auch den Mächten des Einseitigen ausgeliefert und hatten dadurch nicht teil an der gesamten Breite der diskutablen Möglichkeiten, Mission und Apologetik zu verstehen. Die Rede von Renaissancen trägt in sich die Vorstellung, dass Wachstum aus Leiden geschieht. Pluralität führt in dieser Perspektive unbedingt zu der bleibend ernsten, nicht rhetorischen Frage: »Freude aus Verunsicherung —————

160;; MARQUARD, Skepsis, 90, als forstwirtschaftlicher Ausdruck im Zusammenhang mit Renaissancen. 161;; Vgl. ebd. 162;; NOWAK, Zeitalter, 39. 163;; Vgl. z.B. Kap. 2.2.2. 164;; Vgl. dazu JÜNGEL, Mission, 3f. 165;; Vgl. zur Pluralitätspflege Kap. 2.3.2.

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ziehn – wer hat uns das denn beigebracht?«166 Die häretische Anschlussfrage an Christa Wolfs Rückfrage sei gestattet: Sollten nicht Kirchen diese Freuden stiften können? 1.2.2 Kirchenleitende Anlässe Die Auswärtigen Ämter der Christenheit sind als kirchenleitende Themen zurückgekehrt, weil die Kirchen für leidend gehalten werden – von sich selbst und von anderen. Das Wiederwachsen der Begriffe Mission und Apologetik taugt aber keineswegs als Pistometer, als Glaubensmessgerät, oder gar zur Hypothese, Deutschland sei speziell christlich frömmer oder allgemein religiöser geworden. Es muss daher genauer erkundet werden, wie sich Themen und Titel finden, wie Statthalterbegriffe gebildet und gewechselt werden.167 Die akademischen Interessen an diesen Themen sind zeitlich sekundär. Gegenwärtige Bestandsaufnahmen und Herausforderungen Praktischer Theologien wollen ungefähr seit der Jahrtausendwende nicht mehr ohne ernsthafte Optionen künftiger Mission auskommen.168 Denn die primär kirchenleitenden Interessen haben sich zuerst in so ausschließlich binnenkirchenlichen Veröffentlichungen artikuliert, dass das »mitunter eher beziehungslose Nebeneinander von kirchlichem Handeln und akademischer Praktischer Theologie«169 zur Überwindung eigens ausgeschrieben werden musste. Die mitunter schädlichen Wirkungen von zwei beziehungslosen Parallelwelten sind allerdings seit knapp anderthalb Jahrhunderten bekannt und wurden von Gerhard von Zezschwitz schon einmal scharfzüngig beschrieben. Mission müsse sich mit den Ideen des Universalen auseinandersetzen, während die vielfach anderweit beliebte Begründung aus dem Bedürfnisse der Kirche, sich als Societät auszubreiten und zu vermehren, der Idee der Römischen Propaganda zustrebt, bei der die Gefahr droht, im Massenzuwachse das Motiv und in äusserer Einfügung in den Organismus das Genüge zu finden.170

————— 166;;

C. WOLF, Voraussetzungen, 131. Vgl. Kap. 2.1.3 zu Wortwechseln und Statthalterbegriffen. Eine interessante Beobachtung am Rande ist der Wiederwuchs des Apologetikbegriffes exakt bis hinauf in die Untertitel: Vgl. beispielsweise BRÄNDLE, »Rechenschaft über unsere Hoffnung«. Zur Notwendigkeit apologetisch-theologischen Denkens für die Religionspädagogik; ROTH: Gott im Widerspruch? Möglichkeiten und Grenzen der theologischen Apologetik, und TVELKD, 2004: Dialogfähigkeit und Profil. Apologetik in biblisch-reformatorischer Orientierung. 168;; Vgl. HAUSCHILDT, Mission, 457–460. 169;; RATZMANN/ZIEMER, Kirche, 8 (Vorwort). 170;; ZEZSCHWITZ, System, 155. 167;;

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Der inhärente Sarkasmus erlebte nach einem guten Jahrhundert eine ganz eigene Renaissance. Friedrich Wilhelm Graf übersetzt den Kirchenleitungen einzelne Anliegen der wissenschaftlich-theologischen Reflexionen folgendermaßen: Diese ideologiekritische Aufgabe der Theologie läßt sich, in zeitgeistkonformer Ironie, auch in ökonomischen Begriffen ausdrücken: Die Universitätstheologie sucht die corporate identity der Kirche zu stärken, indem sie die bleibende Differenz zwischen empirischer Kirche und normativem ekklesiologischem Begriff präsent hält. […] Akademische Theologie will der Kirche als Institution zu einem realistischeren Bild ihrer selbst und in pluralen Umwelten zu einem klareren Profil verhelfen.171

Die einsetzenden, kirchlichen Literaturfluten sind auf charakteristische Weise geprägt von leitenden Interessen und leidenden Tonfällen.172 ————— 171;;

GRAF, Wiederkehr, 258. In chronologischer Reihenfolge seien exemplarisch und stellvertretend für viele ähnliche Überlegungen diejenigen Titel und bezeichnenden Untertitel genannt, die binnenkirchlich besonders intensiv und über einzelne Landeskirchen hinaus diskutiert wurden. In den letzten Zeiten der DDR wurde die Schrift des BUNDES DER EVANGELISCHEN KIRCHEN beraten, die 1991 erschien: Als Christen anderen begegnen. Zum Dialog mit Andersdenkenden. Die letzte EKDVeröffentlichung, die 1993 vor der Missionsrenaissance zu den einschlägigen Themen erschien, war: Leben im Angebot. Protestantische Orientierung in der modernen Welt. Das Votum der EKD-SYNODE. Der ARBEITSKREIS »KIRCHE VON MORGEN« veröffentlichte 1995: Minderheit mit Zukunft. Überlegungen und Vorschläge zu Auftrag und Gestalt der ostdeutschen Kirchen in der pluralistischen Gesellschaft. Im Jahr 1996 kam die Mission auf die Tagesordnung der damaligen EKU, der heutigen UEK: Der Dienst der öffentlichen Verkündigung in einer missionarischen Situation. Theologisches Thema der 2. Tagung der 8. Synode der Evangelischen Kirche der Union. Ein Jahr später erschien EKU, Wahrnehmen – nachdenken –handeln. Arbeitshilfe für die Gemeindekirchenräte und Presbyterien der Gemeinden der Gliedkirchen der EKU. 1996 erschien auch BOSCH, Zukunft. Kurz danach, 1998, gab auch das Kirchenamt der EKD zum selben Thema einen Text heraus: Kirche mit Hoffnung. Leitlinien künftiger kirchlicher Arbeit in Ostdeutschland. Im Auftrag der Landessynode der EVANGELISCHEN KIRCHE BERLIN-BRANDENBURG erschien 1998 ein Proponendum mit dem vieldiskutierten Titel: Wachsen gegen den Trend. Auf dem Weg zu einer missionarischen Kirche. Dieses Proponendum entstand an der Nahtstelle von Ost und West in Deutschland. Ein erstes Resümee über das letzte Jahrzehnt des vergangenen Jahrhunderts findet sich in EKD-KIRCHENAMT: Ermutigung zur Mission. Informationen – Anregungen – Beispiele. Ein Lesebuch zum Schwerpunktthema der EKD-SYNODE 1999 »Reden von Gott in der Welt – Der missionarische Auftrag der Kirche an der Schwelle zum 3. Jahrtausend«, 36–41, insbesondere aus den Landeskirchen von Berlin-Brandenburg, Baden, Württemberg und Bayern. Vgl. auch die Dokumentationen der GESAMTSYNODE DER EVANGELISCH-REFORMIERTEN KIRCHE und der OFFENEN KIRCHE ELISABETHEN, BASEL, in: FELDTKELLER/SUNDERMEIER, Mission in pluralistischer Gesellschaft. Im Jahr 1999 wurde auch die Gemeinschaftsarbeit von EMW/ACK/MISSIO veröffentlicht: Aufbruch zu einer missionarischen Ökumene. Ein Verständnisprozess über die gemeinsame Aufgabe der Mission und Evangelisation in Deutschland. Außerdem erschien 1999: Evangelisation und Mission. Ein Votum des Theologischen AUSSCHUSSES DER ARNOLDSHAINER KONFERENZ. Pars pro toto für die vielen ähnlichen Kongresse vor dem Jahrtausendschluss sei derjenige der EVANGELISCHEN KIRCHE VON WESTFALEN/AMT FÜR MISSIONARISCHE DIENSTE genannt: Gottes Lust am Menschen. Kongress für kontextuelle Evangelisation 20.-23. September 1999. Die DEUTSCHE BISCHOFSKONFERENZ veröffentlichte zur Jahrtausendwende, dass es »Zeit zur Aussaat« sei und Kirche missionarisch sein solle. Die KIRCHENLEITUNG DER EVANGELISCH172;;

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Die ersten, stabilen Brückenschläge zwischen kirchenleitenden und akademischen Theorien wurden in den erstaunlicherweise immer noch neuen Bundesländern versucht.173 Hervorzuheben sind die zahlreichen Veranstaltungen an der Theologischen Fakultät Leipzig174 und die Veröffentlichungen des Instituts zur Erforschung von Evangelisation und Gemeindeentwicklung in Greifswald.175 Inzwischen haben sich die Themen allgemeinzugänglich verbreitet. Über Fachgrenzen und konfessionelle Unterscheidungen hinweg wird nach der Gleichberechtigung der klassischen Kontrahenten »liberal« versus »fromm« gestrebt.176 In der Retrospektive stellen sich drei historische Momente als textproduktiv heraus: (1) die unmittelbaren und mittelfristigen Folgen der friedlichen Revolution von 1989, in der die Kirchen Rollen spielten, mit denen sie sich selbst und andere nachhaltig überraschten, (2) die Macht der runden Zahl und die daraus resultierenden Bilanzierungsbedürfnisse an der Jahrtausendwende und (3) der Todesbilderschock177 des 11. September 2001, der die seit langem bekannte Ambivalenz des Religiösen global ansichtig und damit wieder kommunikabel machte. Diese drei großen Ereignisse waren je auf ihre spezifische Weise textzeugend. Geprüft werden soll, ob sie dabei auch die Differenziertheit der Wortwahlen förderten und sprachlich kreativ wirkten. Es gibt freilich weder aussagekräftige und zugleich zustimmungsfähige Situationsanalysen, noch Einigkeit bei der Wahl der gebotenen Methoden zur Besserung der benannten Defizite, geschweige denn Ziele, die nicht im Ungefähren bleiben und doch auf ansatzweise allgemeine Akzeptanz stoßen könnten. »Was rechte Mission sei, ist heute strittig – und war es schon in ————— LUTHERISCHEN LANDESKIRCHE SACHSENS ließ im Jahr 2000 eine Schrift ausgehen mit dem Titel: Kirche in der Mitte der Gesellschaft 1989–1999. 2001 erschien die vielkritisierte Schrift der EKD: Das Evangelium unter die Leute bringen. Zum missionarischen Dienst der Kirche in unserem Land. Die Evangelische Kirche im Rheinland (EKIR) begab sich 2002 »Auf Sendung« und widmete sich in zahlreichen Papieren, vgl. EKIR, Sendung, EKIR, Proponendum, EKIR, Himmel, EKIR, Volkskirche und EKIR-VOLKSMISSIONARISCHES AMT, Evangelisation), z.B. auch den unauflöslich spannungsvollen Fragen, wie missionarische Volkskirche zu denken sei u.ä. Die VELKD veröffentlichte 2004: Dialogfähigkeit und Profil. Apologetik in biblisch-reformatorischer Orientierung. 173;; Vgl. z.B. BEINTKER/JÜNGEL/KRÖTKE, Wege. Dort finden sich einschlägige Aufsätze. 174;; Vgl. RATZMANN/ZIEMER, Kirche unter Veränderungsdruck, und BÖHME, Mission als Dialog. 175;; Vgl. als ersten Titel und Programmschrift: HERBST/OHLEMACHER/ZIMMERMANN, Missionarische Perspektiven für eine Kirche der Zukunft. 176;; Vgl. die Einbeziehung aller theologischen Fächer und die gesamte Breite der theologischen Richtungen in den Themenheften der Pastoraltheologie 91 (2002) und 95 (2006). 177;; Dass es vor allem ein Bilderschock war, ergibt sich aus der Überlegung, dass an jedem Tag seither ungezählte Menschen (unter Berücksichtigung aller Umstände mehr als 5000 Personen) brutal umkommen, ihre Tode und Sterbensarten aber medial unsichtbar bleiben.

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neutestamentlicher Zeit. […] Das ist und bleibt im Neuen Testament so strittig, dass nicht einmal Ansätze zu einem Konsens auszumachen sind.«178 (1) Die Renaissancen des Missionsthemas im kirchlichen Hauwald der östlichen Bundesländer sind von besonderer Tiefenschärfe, aber auch von herausfordernder Verzweiflungsintensität. Es wird noch ein Jahrzehnt später in Vorpommern von bischöflicher, also leitender Stelle, gefragt: »Ist die Aufgabe zu groß – sind die Kräfte zu klein?« Dann wird wenig ermutigend festgestellt: Die Pfarrerschaft ist kaum mehr in der Lage, sich […] intellektuell so zu behaupten, daß sie eine Überlegenheit des Durchschauens und der orientierenden Bewertung der Situation zur Geltung bringen könnte. Die Pfarrer fühlen sich eher wie Leute, die in einen Strudel geraten sind.179

Die Empfehlung Eduard Bergers, nach Abstand zu suchen, um die Dimensionen des Machbaren und des zu Erbetenden nicht weiter zu vermischen,180 sind Differenzierungsaufgaben, denen u.a. in den vorliegenden Studien nachgegangen wird. Homiletische Einsichten werden zu Rate gezogen, um die sehr alte Frage nach den Grenzen und den Kräften zur gegenseitigen Ergänzung von Methoden mit Menschenverstand und vom Heiligen Geist wieder neuen Antworten für die Mission entgegenwachsen zu lassen.181 »Es gibt keinen intimeren Freund des gesunden Menschenverstandes als den Heiligen Geist und keine gründlichere Normalisierung des Menschen als die Widerfahrnis seines Werkes.«182 Die Überzeugung Karl Barths könnte sich dann wieder mit komplementär-passendem Leben füllen. Denn beide gehören unvermischt und ungeschieden zusammen. Wesentlich erscheint, dass kirchenleitende Fragen, etwa rechtlich-organisatorische Dimensionen der Mitgliedschaft, seit längerer Zeit wieder zum »Thema theologischen Nachdenkens«183 werden. Das Ende der letzten deutschen Diktatur, der Aufbruch der Mauer, gilt nicht nur in Einzelfragen, sondern insgesamt als unbewältigt: Die Wende von 1989 hat die Menschen im Osten Deutschlands und mit ihnen die evangelische Kirche, die einzelnen Landeskirchen ebenso wie die einzelnen Christen,

————— 178;;

REINBOLD, Mission, 79. Titel und Zitat von E. BERGER, Aufgabe, 39f. 180;; Vgl. ebd., 41. 181;; Vgl. Kap. 5.1.2. 182;; BARTH, KD IV/4, 31. 183;; HERMELINK, Einführung, 24, Hervorhebung im Original. Es ist eigentlich kurios, dass »theologisch« eigens hervorgehoben werden muss. 179;;

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in eine tiefgreifende Krise gestürzt. Die Aufarbeitung dieser Krise ist trotz wichtiger Arbeiten bis heute noch nicht gelungen.184

Dieses Desiderat bleibt, obwohl es seit den ersten Momenten danach Bewältigungsversuche des Neuen gibt.185 Im Folgenden soll in Anknüpfung an viele inzwischen publizierte Überlegungen versucht werden, das Verständnis für die Vorgänge weiter zu verbessern, indem u.a. von der Gewalt der Zahlen etwas abgelenkt wird, die autopoietischen Selbstüberforderungsmechanismen als unterbrechbar dargestellt werden und für mehr Sympathie und Respekt geworben wird, gerade da, wo sie Christen, nicht nur Pfarrerinnen und Pfarrer, am schmerzlichsten vermissen: bei sich selbst und in der Begegnung mit anderen. (2) Ich lebe grad, da das Jahrhundert geht. Man fühlt den Wind von einem großen Blatt, das Gott und du und ich beschrieben hat und das sich hoch in fremden Händen dreht. Man fühlt den Glanz von einer neuen Seite, auf der noch alles werden kann. Die stillen Kräfte prüfen ihre Breite und sehn einander dunkel an.186

Rainer Maria Rilke hat die Macht der runden Zahl, einen Kairos zu schaffen, für die vorletzte Jahrhundertwende in poetische Worte gefasst. Das Phänomen potenzierte sich bei der Jahrtausendwende und führte zu einer Neuordnung von Themenhierarchien, nicht nur in Kirchenleitungen. Die von den Medien tatkräftig mitinszenierte Geschichtsschau auf zweitausend Jahre Christentum ließ gründlicher als zuvor über die Tellerränder des aktuellen Tagesgeschäftes hinausblicken. Es gab kein den Weltlauf markant unterbrechendes Ereignis, aber man fand sich zu weitsichtigeren Besinnungen auf Herkünfte und Zukünftiges in der Lage als zuvor und – so weit man —————

184;; SCHNEIDER-FLUME, Glaube, 192. Immer wieder hat man versucht, die Komplexität der Ereignisse zu reduzieren, z.B. wenn die Folgen der Umwälzungen als Säkularisierungsschub zusammengefasst werden. Vgl. R. HEMPELMANN, Apologetik, 32. 185;; Vgl. in chronologischer Auswahl und exemplarisch K. WINKLER, Sympathisanten; POLLACK, Individualisierung; DERS., Gottesdienst; NEUBERT, »gründlich ausgetrieben«; MOTIKAT/ZEDDIES, Konfession; KÜHN, Abschluß; W. HUBER, Weg; GEMEINSCHAFTSWERK DER EVANGELISCHEN PUBLIZISTIK E.V., Kirche; PETZOLDT, Wahrheit; PETZOLDT, Theologie; JÜNGEL, Mission; W. HUBER, Kirche; RATZMANN/ZIEMER, Kirche; WANKE, Herausforderungen; W. HUBER, Vertraut; NOACK, Menschen; PUTTKAMMER, Anfechtung; ZEDDIES, Anfrage, und DERS., Osten, 2002; BÖHME, Mission; METTE, Mission; POLLACK, Säkularisierung; NOACK, Atheisten; HERBST, Symposium, und HERBST, Missionar; HERBST/OHLEMACHER/ZIMMERMANN, Perspektiven; HÖPPNER, Kirche und SCHNEIDER-FLUME, Glaube. 186;; RILKE, Buch, 14.

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sehen kann – auch danach. Das Leiden an der Gegenwart wurde gelegentlich durch Pathos in der Sprache substituiert: Unterschätzen Sie bitte nicht den Wert und das Gewicht dieses Kongresses. Es ist der letzte große theologische Kongress in diesem Jahrtausend hier in Deutschland. Und es dauert gerade noch 100 Tage, und wir werden alle aus dem vergangenen Jahrhundert stammen. Unsere Tagung findet also zu einem besonderen Kairos statt.187

Die schon jetzt, wenig später, sehr merkwürdig anmutende Überhöhung mathematischer Zeiteinteilungsversuche hat in den ausgelösten inhaltlichen Bilanzierungsbedürfnissen sehr positive Effekte. Vor etwas mehr als einhundert Jahren schrieb Adolf von Harnack über die Apologetik und ihren traurigen Zustand: […] sie ist sich nicht klar darüber, was sie verteidigen soll, und sie ist unsicher in ihren Mitteln. Dazu wird sie nicht selten würdelos und aufdringlich betrieben. In der Meinung, es recht gut zu machen, preist sie die Religion an, als wäre sie eine Ramschware oder ein Universalheilmittel für die Gebrechen der Gesellschaft. Auch greift sie immer wieder nach allerlei Tand, um die Religion aufzuputzen, und während sie sich bemüht, sie als etwas Herrliches und Notwendiges darzustellen, bringt sie sie um ihren Ernst und beweist im besten Falle nur, daß sie etwas ganz Annehmbares, weil Unschädliches sei.188

Diese Fragen werden also ganz offensichtlich behutsam und offen durch die Jahrhunderte weitergereicht. »Es nimmt nicht wunder, daß gerade gegen Ende des Säkulums das Bedürfnis nach einem Überblick, einer Bilanzierung, ja, im eigentlichen Sinne Verrechnung geleisteter apologetischer Arbeit wächst.«189 (3) Der 11. September 2001 markiert das »Ende der interreligiösen Gemütlichkeit«.190 Wenn es noch eines letzten Arguments für die aufmerksame Pflege von Differenzen im Gegensatz zu allzu großen, aber immer nur scheinbaren Harmoniegewohnheiten bedarf, dann ist es seit diesem Tag offenbar, war aber vorher schon lange vorhanden. Der Toleranzbegriff wird seither differenzierter und weniger pauschal gebraucht. Grenzen und das bleibend Verschiedene, zuletzt das mögliche Leiden, rücken wieder in den Blick.191 Die Ökumene der Profile findet wieder mehr Beachtung und Anhänger als zuvor. —————

187;; TESCHNER, in: EVANGELISCHE KIRCHE VON WESTFALEN/AMT FÜR MISSIONARISCHE DIENSTE Lust, 35. FRIEDRICH-WILHELM HAACK veröffentlichte seine Einsichten zur Apologetik bereits 1988 »an der Schwelle des 3. Jahrtausends«! Vgl. HAACK, Weg. 188;; A. HARNACK, Wesen, 4f. 189;; HELING, Weltanschauungskampf, 92. 190;; Vgl. KÖRTNER, Wiederkehr, 143. 191;; Vgl. SURALL, Juden.

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Vor allem haben aber die Ängste zugenommen und die Angstmacher erleben eine nie dagewesene Konjunktur ihres Geschäftes. Man denke nur an Samuel P. Huntingtons »Clash of Civilizations and the Remaking of World Order«.192 Das Buch erschien 1996, auf Deutsch 1998, wurde aber erst ab 2001 mit Aufmerksamkeit bedacht. Zusammenfassend ergeben sich folgende Charakteristika der einschlägigen Veröffentlichungen. Die beschriebenen Anlässe umfassen nur ein Dutzend Jahre, deshalb fällt die relativ unkoordinierte Gleichzeitigkeit der Veröffentlichungen der Landeskirchen, der kirchlichen Verbünde, repräsentierender Einzelpersonen und Bildungseinrichtungen bis hin zu den unüberschaubar vielen Leitbildern aus ebenso vielen Prozessen auf. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass das Rad einige Male erfunden wurde – auf Kosten seiner notwendigen Weiterentwicklungen. Fast alle kirchenleitenden Texte sind anfängliche Texte, Diskussionsimpulse, Anregungen, erste Analysen. Zu kritisieren ist nicht die große Textvielfalt, die eine Grundbedingung in pluralistischen Zeiten ist, sondern die vergleichsweise wenigen Bezüge der späteren auf die früheren Schriften. Auf diesem formalen Wege verschafft sich die offensichtliche Orientierungslosigkeit, bekannter als »Orientierungskrise«193 ihren intensiven Ausdruck. Mission und Apologetik werden sodann überwiegend als extraordinär zu den sonst behandelten Themen vorgestellt.194 Unzählige Praxisbeispiele animieren, vor allem die Pfarrerinnen und Pfarrer, zu zusätzlichem Tun, zu außerordentlichen Aktionen.195 Gleichzeitig zu den aufbrechenden Literaturfluten und im Jahr ihres wahrscheinlich höchsten Pegels müssen Andreas Feldtkeller und Theo Sundermeier aus missionswissenschaftlicher Sicht zu bedenken geben, dass »dem Missionsbegriff der Muff des 19. Jahrhunderts« noch immer anhaftet und die neue Fundierung und Konturierung, die der Begriff in der missionswissenschaftlichen und ökumenischen Diskussion der letzten Jahrzehnte bekommen hat […] weder in der theologischen Diskussion noch in der kirchlichen Praxis ernsthaft zur Kenntnis genommen worden196

ist. Daher muss im Folgenden speziell darauf geachtet werden, dass Renaissancen wirklich neues Wachstum bedeuten und nicht die Wiederbelebung —————

192;; Vgl. HUNTINGTON, Clash. Vgl. auch den instruktiven, übersetzten Auszug in: PECHMANN/ REPPENHAGEN, Mission, 50–60. 193;; W. HUBER, Kirche, 234 u.ö. 194;; Vgl. HAUSCHILDT, Mission, 499, der einen dimensionalen, fundamentalen und sektoralen Missionsbegriff unterscheidet. Letzterer genießt wegen der außergewöhnlichen Aktionen besonders viel Aufmerksamkeit. 195;; Vgl. beispielsweise EKD-KIRCHENAMT, Ermutigung, 46–94. 196;; FELDTKELLER/SUNDERMEIER, Mission, 7 (Vorwort).

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scheintoter Modelle des vorletzten Jahrhunderts, die sich schon damals nicht bewährt haben. 1.2.3 Offene Fragen Viele, lange Texte bilden keine Garantie für ein paar gute Worte. Im theologischen Sinn gütige Worte sind differenzierend und dadurch unterscheidbar. Sie können das Gute schon qua Sprache verbreiten und das, was der Fall ist, gottwärts interpretieren. Apologetic preaching helps people grasp the world theologically, to bring theological meaning and understanding to their lives. Sociologists characterize the world socially; psychologists describe human motivation and behavior; philosophers tell us how we know; managers organize our work places; economists track our consumption of goods and services; but theologians view the world Godward; that is, in terms of relationship with God and God’s ways and purposes.197

Die gottwärts sinnvollen und menschenfreundlichen Wortwahlen werden im 2. Kapitel behandelt. Für die Rekonstruktionen von Sprachwirkungsgeschichten ist die Annahme leitend, dass Theologie insgesamt Spracharbeit ist: nicht nur, aber auch, und zwar wesentlich.198 Meist werden bei solchem Ansinnen sofort die Vorwürfe wegen unverständlicher theologischer Fachsprachen laut. Odo Marquard hat nachbarwissenschaftlich die »scheinbar riesige Differenz zwischen Alltagssprache und Philosophensprache«199 vermessen. Seine Argumente für die Komplementarität beider Sprachen sollten von Theologen unbedingt mit genutzt werden. In seiner Abhandlung über Sprachmonimus und Sprachpluralismus schreibt der Philosoph: Es ist […] nicht angemessen, dabei das Ressentiment der Alltagssprachler gegen die Philosophensprache – von ihrer Alltagssprache über die Fachsprache bis zu den Jargons – zu schüren und dabei die Philosophensprache auf »Unverständlichkeit« und »Esoterik« negativ festzulegen und der Lächerlichkeit preiszugeben. Die Philosophensprache ist – außer bei schwachen Vertretern, die es natürlich überall gibt – überwiegend vernünftig. Sie bemüht sich – was ja schwer ist – zu merken, wie die Wirklichkeit – ohne Illusionsaufwand, durch Theorie, d.h. durch den Sieg des So-istes über das So-hat-es-zu-sein – wirklich ist, und sie bemüht sich, mehr Wirklichkeit

————— 197;;

LOSCALZO, Apologizing, 416. Vgl. MARQUARD, Skepsis, 73 und 81. Dort heißt es entsprechend: »Philosophie ist Spracharbeit: nicht nur, aber auch, und zwar wesentlich.« 199;; Ebd., 80. 198;;

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zu sehen und in mehr – in mehreren – Wirklichkeiten zu leben: durch Vernunft, d.h. durch den Verzicht auf die Anstrengung, dumm zu bleiben.200

Das 3. Kapitel enthält ein Plädoyer für die Entsagung, weiterhin und angestrengt solche und andere Dummheiten zu verbreiten. Menschen, als mächtige Geschöpfe unter Geschöpfen, werden von Gott als Bezeichner hervorgehoben, als solche, die durch Nennungen Relationen zeigen oder allererst herstellen. Menschen geben Namen und üben damit Macht aus. Und Gott der Herr machte aus Erde alle Tiere auf dem Felde und alle die Vögel unter dem Himmel und brachte sie zu dem Menschen, daß er sähe, wie er sie nennte; denn wie der Mensch jedes Tier nennen würde, so sollte es heißen. Und der Mensch gab einem jeden Vieh und Vogel unter dem Himmel und Tier auf dem Felde seinen Namen … (Gen 2,19f). Die Einsicht in die wechselseitigen Relationalitäten zwischen allen missionarisch und apologetisch bezeichneten Menschen erklärt die massenhafte Flucht der Gezeichneten. Sie führt zu Vorschlägen für neue Sprachspiele, damit das Nennenüben wichtiger als das Machthaben wird. Die Betonung liegt auf den selbst zu verantwortenden Übungen, nicht auf fertigen Sprachspielen. Wortspiele können nicht vollendet sein, sondern müssen – wie alle Spiele – immer wieder gespielt werden. Sie realisieren und erneuern sich nur im Vollzug. Dann unterbrechen sie den Sprachalltag der Gegenwart aber besser als alle Wortkriege zuvor und daneben. Die Wahrnehmungen von Welten werden im 4. Kapitel untersucht. Dabei erhebt sich die Frage, ob Weltvertrauen geraten erscheint: »Braucht es gute Gründe oder gleicht es eher einem Versprechen, von dem man nicht genau weiß, ob man es erhalten oder ob man es gegeben hat?«201 Zunächst ist auffällig, wie programmatisch Widerständigkeiten oder Anpassungsleistungen der Kirchen beschlossen werden. Beides muss auf seine Tragfähigkeit überprüft werden. Es wird gefragt, ob die angenommene Bösartigkeit oder Grandiosität der Welt überhaupt, geschweige denn hinreichende Gründe für oder gegen Mission und Apologetik sind. Missionswissenschaftliche Überlegungen lassen dabei die Kirchen und ihre missionarischen Anstrengungen notwendigerweise als Sterbende ins Blickfeld geraten. Werner Ustorf verdeutlicht, dass »Missionen wie wir sie kennen, kein genuines Existenzrecht haben. Sie sind menschliche Versuche des Glaubensgehorsams, damit fragile, wandelbare, unzureichende und letztlich sterbliche Formen. Das Sterben ist sogar unvermeidlich.«202 Der Missionswissenschaftler verschärft insofern das Bild der Renaissance für ————— 200;;

Ebd., 79. SAFRANSKI, Böse, 16. 202;; USTORF, Missionswissenschaft, 125. 201;;

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Renaissancen

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die Mission mit Hilfe von Joh 12,24. Es geht dann nicht um den späten, kaum noch erwarteten Wiederausschlag des Baumstumpfes, sondern um das gänzliche Absterben der Saat, der die kommende Frucht vollständig und heilsam entzogen ist.203 Ustorf ist ein höflicher Autor und vermutet sehr zurückhaltend: »Es könnte nämlich sein, daß Missionen sich selbst im Wege stehen, wenn sie sich um ihre Identität mehr sorgen als darum, Ausdruck der Liebe Gottes für die Welt zu sein.«204 Ist es wahr, dass das »Nicht-Sterben-Können […] die Kehrseite eines mangelnden Vertrauens in die Macht der Auferstehung [ist?] Es bedeutet auch die Weigerung, die Fragilität und die Hoffnungslosigkeit der eigenen Pläne und Kräfte einzugestehen.«205 Der Streit, ob Kirchen »auch Selbstzweck«206 sind oder vor dem Eschaton keine Definitionen über sich selbst mehr suchen und kommunizieren sollen, ist offen. Diese genuin theologischen Überlegungen sind zu übersetzen für die laufenden Kommunikationsgänge, damit sie nicht Angst, Schrecken und Depressionen erzeugen, sondern – mit Hilfe komplementärer Betrachtungen – Freiheiten finden helfen. Im 5. Kapitel wird für mehr theologische Intradisziplinarität geworben, weil synthetisierende Themen wie Mission und Apologetik zu groß sind, um von einzelnen Disziplinen vollumfänglich erfasst zu werden. In der jüngeren Vergangenheit sind zahlreiche Themen mit dem Anspruch aufgetreten, gegen eine überhandnehmende Spezialisierung und Trennung der Fragehorizonte wieder zu »übergreifenden Reflexionsperspektiven«207 zu führen. Als synthetisierende Gegenbewegung gegen die weitere Differenzierung, Spezialisierung und Funktionalisierung können die Theorien zu Gemeindeaufbau und Gemeindeleitung, zum Pfarrberuf und zur Religion in der Gesellschaft verstanden werden. Die Antwort auf solche Herausforderungen wurde selten auf theologischer Grundlage gesucht, sondern von den Human- und Sozialwissenschaften und deren wissenschaftlicher Grundlage aus.

Unmittelbar daraus folgt die weitere Vermutung: Die Theologie wurde dabei mehr und mehr eliminiert; auch in den GemeindeaufbauProgrammen spielt die Interpretation der christlichen Tradition eine marginale Rolle, gleich ob es sich um eher evangelikale (Gemeindeaufbau) oder liberal geprägte Theologien (Gemeindemanagement) handelt.208

————— 203;;

Vgl. ebd. Ebd., 124. 205;; Ebd., 130. 206;; PETRI, Gestalt, 280. 207;; FECHTNER, Theologie, 65. 208;; Beide Zitate SCHMIDT-ROST, Theorie, 219. 204;;

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Wiederwuchs

Die Außenministerien der Christenheit sind zu groß, als dass man sie einem Fach, einer theologischen Richtung oder einer Epoche überlassen könnte. Glaube kommt auch künftig vom Hörensagen. Menschenfreundlicher und Gottes würdiger wäre es, wenn sich die künftigen Wortwahlen mutiger und barmherziger entwickelten, wenn die Urteile über die Welt erst nachträglich gefällt würden und für das Hören und Sagen weder Predigten noch Beiläufiges und Nebensächliches von vornherein ausgeschlossen wären, wenn von den Worten der Christinnen und Christen mehr Verbindliches und mehr Frieden ausgingen. In dieser Überzeugung ist die vorliegende Arbeit verfasst.

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2 Wortwahlen Von den Rekonstruktionen sprachlicher Wirkungsgeschichten Wortwahlen

Die Außenministerien der Christenheit begegnen einem in ihrer unhintergehbaren Vielfalt als Sprachphänomene. Ihr Scheitern und ihr Gelingen ist sprachlich verfasst, so dass Worte und Wörter einen erheblichen und – so zeigen die Untersuchungen – einen bislang unterschätzten Einfluss auf missionarische und apologetische Aktivitäten haben. Wenn aber die Sprachgewandtheit über Wohl und Wehe von Mission und Apologetik wesentlich entscheidet, gilt es die bisherige Geschichte kritisch auf ihren Umgang mit Sprache, ihren Worten und ihren Wortbildern, zu untersuchen. Die maßgebliche Forderung, aus »Glanz und Elend der Missionsgeschichte zu lernen«,1 erhält damit eine spezifisch sprachliche Form. Beides, sprachliche Chancen und Verunstaltungen christlicher Verlautbarungen, erschließen sich durch Beobachtungen an typischen Ausdrücken, Gesprächszusammenhängen, traditionellen Bezeichnungen und selektivbezeichnenden Rekursen auf biblische Vorstellungen. Daher werden bisherige Wortwahlgeschichten kritisch gesichtet, um Kriterien zur Beurteilung künftiger apologetischer und missionarischer Sprachspiele zu entwickeln und den vorfindlichen Sprachkriegen zu wehren. Dabei ist der Gedanke leitend, dass den bedachten und theologisch reflektierten Wortwahlen größere Aufmerksamkeit zukommt, als in den jüngst zurückliegenden Diskussionen um missionarische und apologetische Möglichkeiten der gegenwärtigen Christenheit aufgebracht wurden. Einerseits sind grundlegende Überlegungen zur Mächtigkeit und gelegentlich sogar Gewalttätigkeit der Wirkungsgeschichten einzelner Begriffe wie sprachlicher Bilder notwendig. Andererseits müssen größere Diskussionszusammenhänge auf ihre inhärenten Strukturen untersucht werden. Dieses Nachdenken versteht sich als Beitrag zur Wendung der Not der Sprachlosigkeit, die weniger durch äußere Pluralität oder andere sogenannte gesellschaftliche Megatrends als durch innere sprachliche Verwahrlosung in den Kommunikationsprozessen, die Mission und Apologetik initiieren und ————— 1;;

ECKERT u.a., Mission, 93.

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Wortwahlen

reflektieren, entstanden ist. Die Thesen der Selbstsäkularisierung,2 der Selbstbanalisierung und der »Selbstzurücknahme«3 sind zu ergänzen und zu präzisieren. Es legt sich nahe, im Blick auf den Umgang mit Sprache von einer Selbstboykottierung der sprachlichen Wirkmöglichkeiten der Christenheit in den gegenwärtigen gesellschaftlichen Kontexten zu sprechen. Die These von den wörtlichen Verwahrlosungen wird im Folgenden entfaltet.

2.1 Verwahrlosungen Verwahrlosungen

Die Verwahrlosung der missionarischen und apologetischen Sprachversuche wird illustriert in ihren Sprachlosigkeiten (2.1.1) und in ihrem sprachlichen Wüten (2.1.2), bevor die wirkungsgeschichtlichen Konsequenzen, die Wortwechsel und Statthalterbegriffe (2.1.3), vorgestellt werden. Als bezeichnendes Stichwort dieser Vorgänge in der neuzeitlichen Geschichte der Mission und Apologetik wird als zweisinnige Bezeichnung Verwahrlosung gewählt, weil sowohl die transitiven Bedeutungen »vernachlässigen, unachtsam behandeln« als auch die seit dem 16. Jahrhundert bis heute gebräuchlichen intransitiven Wendungen, dass etwas sich selbst Überlassenes »vor sich hin Wahrheit los wird«, zu den in Rede stehenden Phänomenen gehören. Sowohl die Schlagworte Mission und Apologetik als auch vielfältige Verwandte dieser Sprachfelder – man denke nur an die fantasievollen Bezeichnungen für die Homiletik in missionarischer Absicht im 19. Jahrhundert wie »Keryktik« und »Halieutik« und die neuen Kreationen für Apologetik wie »Eristik« oder »intellektuelle Diakonie« etc. – sind sowohl aktiv unsachgemäß behandelt worden, als auch passiv durch Vermeidungsstrategien verwahrlost, in Annäherung an die Herkunft der Wortbestandteile: Sie sind ihre Wahrheiten losgeworden. Diese sprachlichen Entwicklungen haben diverse, äußerst wirkungsvolle Reiz-, Schlag- und Stichworte hervorgebracht, die diese Titel wahrlich verdienen, aber sie haben auch durch unüberhörbares Schweigen von sich reden gemacht. Die Verwahrlosung von religiösen, christlichen, kirchlichen und theologischen Grundbegriffen, die in ihren Zusammenhängen voneinander zu unterscheiden sind, ist von kaum zu überschauender Wirksamkeit in der gesamten funktional differenzierten Gesellschaft, weil sie weiterhin ungefragt zur Interpretation des Systems Religion genutzt werden und dadurch ————— 2;;

Vgl. W. HUBER, Weg, 462. WROGEMANN, Deutlichkeit, 76.

3;;

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eine gelegentlich übersehene Breitenwirkung in allen Teilbereichen der Gesellschaft entfalten,4 auch und in herausragender Weise durch die Abwesenheit adäquater Deutungen, die in den Kommunikationsprozessen dann durch ältere bis sehr alte Vorurteile ersetzt werden. 2.1.1 Sprachlosigkeit Die sprachlichen Herausforderungen, Diskussionen, Forderungen und formalen Überlegungen über Mission und Apologetik sind von mindestens zwei Paradoxa geprägt. Als erstes fällt auf, dass über nichts so ausführlich gesprochen und verhandelt wird wie über den omnipräsenten Mangel an Sprachfähigkeit. Die Sprachlosigkeit wird dabei in einer Intensität geschildert, die sonst nur angesichts des Todes in ähnlich umfassendem, radikalem Ton begegnet. Diese wahrhaftig grundlegende Sprachlosigkeit bildet zugleich den großen Konsens, von dem die gegenwärtige, sehr vielschichtige und vielspältige Diskussionslage ausgeht. Das erneute und wiederholte Zur-SpracheBringen von Mission beginnt und begründet sich regelmäßig mit dem Bekenntnis zur Sprachlosigkeit, so sehr sonst alle vorausgesetzten Konstitutiva und Propria variieren und einander ausschließen mögen. »Auskunftsfähigkeit über den christlichen Glauben und Ausdrucksfähigkeit des Glaubens als Zeichen missionarischer Kompetenz«5 ergeben sich als Zielformulierungen, die kontrastierend den Beobachtungen der Gegenwart gegenübergestellt werden. Die gesamte Diskussion ist gleichwohl geprägt vom Verlangen nach »mehr«6 von allen kommunikativen Entfaltungen, wie es Peter Gross für die »Multioptionsgesellschaft« als typisch diagnostiziert hat. Mission und Apologetik sind nicht erst seit den 1990er Jahren als ambivalente Sprachgewohnheiten wahrzunehmen und zu würdigen. Die Kriterien künftiger Sprachgebräuche sind folglich aus Widerständen, aber ebenso mit zahlreichen Anknüfpungsmöglichkeiten zu entwickeln. Dass das Eine das Andere nicht ausschließt, ist – immer noch – der erste Erkenntnisschritt auf dem einzuschlagenden Denkweg. Die diversifizierten Gegenwarten, in denen wir leben, werden mehrheitlich kaum noch als übereinstimmungsfähig eingeschätzt. Daher sind Konsense qua Analysen des Gegebenen selten. Die hier zu zeigende Einhellig—————

4;; Vgl. GRAF, Bildungsdilemma, 47f: Sprachfähige Eliten braucht man, um mit den Eliten anderer Gesellschaftssysteme kommunizieren zu können. 5;; ECKERT u.a., Mission, 93. 6;; GROSS, Multioptionsgesellschaft, 19, Hervorhebung im Original.

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Wortwahlen

keit über das nicht länger zu duldende christliche Glaubensschweigen bildet sich also in konsensfernen Deutungsklimata. Als erster atmosphärischer Faktor sind die gesellschaftsprägenden so genannten harten Pluralitäten zu nennen, die akute und chronische Konflikte nicht nur als unbehoben, sondern auch als prinzipiell unbehebbar beschreiben. Deutungen über Gott und die Welt existieren nicht neben-, sondern auch gegeneinander, und der Sinn der Differenzen erschließt sich nicht prima vista oder per Vorurteil aus passenden Pluralismusdefinitionen, sondern nur je und je nachträglich, in der einzelnen Auseinandersetzung und zumeist unvollständig. Eine ebenso große, wenn auch unauffälligere Herausforderung geht aber zweifellos von den Wirkungen der so genannten weichen Pluralitäten aus, die Vielfältiges, sich Ergänzendes, Widersprüchliches in den weiten Räumen eines umfassenden Desinteresses unbeobachtet nebeneinander gedeihen lassen, die Ebene öffentlicher Relevanz nicht erreichen und nicht erreichen wollen7 – und wäre die Welt auch voller intermediärer Institutionen, nicht nur von Kirchen, die sich genau darum bemühen.8 Das zweite, autosuggestiv erzeugte Paradox gegenwärtig initiierender Schriften zu Mission und Apologetik entsteht da, wo einerseits die Pluralitäten oder gar ein umfassender Pluralismus als unvermeidlich und prinzipiell vorausgesetzt werden und andererseits gleichzeitig die alte europäische Aufklärungsidee mit einem universal gültigen Ethos9 oder überhaupt einer global geltenden vernünftigen Sicht der Dinge, der Kirche vor allem, den Ton und die Hoffnungen zwischen den Zeilen dominiert. Das Trauern um den Verlust einer Einigkeit der Christenheit, die es schon bei Petrus und Paulus nicht gab, bindet genau diejenigen Kräfte, die für das aktive Tolerieren von Konflikten, die nicht mit Nettigkeit10 und etwas Menschenkenntnis zu bewältigen sind, dringend gebraucht werden. Darüber hinaus lassen die bleibenden Konfliktpotenziale Konsense am ehesten noch ex negativo gedeihen. Das intensiv verkündigte Schweigen der Christenleute ist ein aussagekräftiges Exempel dafür, dass sich Überein-

————— 7;;

Vgl. RENDTORFF, Wahrheit, 22f. Vgl. zu dem Verständnis der Kirchen als intermediäre Institutionen P. L. BERGER/ LUCKMANN, Modernität, 72–77; SCHMIDT-ROST, Spuren, 182, und W. HUBER, Kirche, 267–270. 9;; Vgl. KÖRTNER, Vielfalt, 38. 10;; Vgl. EKD-KIRCHENAMT, Ermutigung, 93. Christen aus anderen Teilen der Welt legen mehrere Finger in mehrere Wunden: »Euer vorherrschendes Missionskonzept scheint sehr säkular und nicht-religiös zu sein: Ihr versucht, die Menschen von der Freundlichkeit und Wichtigkeit der Kirche zu überzeugen, indem Ihr unter ihnen lebt als nette Menschen und indem Ihr ihnen eine Vielfalt nützlicher sozialer und anderer Dienste anbietet.« 8;;

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Verwahrlosungen

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stimmungen am ehesten noch über Abzulehnendes, Auszuschließendes und Abzuschaffendes bilden.11 Ulrich Körtner bemerkt beispielsweise spitz: »Ethik und Theologie sind heute vor allem gefragt, wenn festgestellt werden soll, was verboten ist.«12 In einem benachbarten Zusammenhang erscheint das Prinzip »der ständigen Negation« als schwerwiegendes Missverständnis, als definiere sich der Protestantismus formal wie inhaltlich durch bloße Negation, speziell die Negation des römischen Katholizismus, dann aber auch der byzantinischen Orthodoxie. Auch der protestantische Grundsatz der ecclesia semper reformanda könnte in dem Sinn verstanden werden, dass sich das protestantische Prinzip in der ständigen Negation und Aufhebung des Bestehenden erschöpft.13

So wurde in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bis zur Wiederkehr des Missionsthemas immer wieder gern darüber Einigkeit erzeugt, wo überall im weitläufigen Theologiegebäude Mission auf keinen Fall ihren Platz haben kann. Betroffen war davon tendenziell die ganze Praktische Theologie.14 Für die Religionspädagogik ist dieser Sachverhalt beispielhaft zusammengefasst worden: »[Ü]ber nichts sonst konnte man bislang in der deutschen religionspädagogischen Debatte so leicht einen Konsens herbeiführen wie über den Satz: Der Religionsunterricht ist nicht Mission.«15 Das bis vor kurzem praktisch-theologisch ubiquitäre »nicht« wird nun nicht nur nicht mehr betont, sondern ist der verbindenden Forderung nach größerer Sprachkraft und neuer Sprachfähigkeit über den christlichen Glauben gewichen – bei überwiegender Gegensätzlichkeit und nur gelegentlicher Komplementarität der Definitionen, Argumente, gesellschaftlichen Situationsanalysen und anthropologischen Deutungskategorien. Die Wortund Textfluten, die um der festgestellten Sprachlosigkeit willen entstanden sind, gebieten genauere Reflexionen des konsensfähigen Kraches über das Verschweigen des christlichen Glaubens. Denn das erklärte Ziel, die »Kommunikationsfähigkeit und Kommunikationswilligkeit«16 über den christlichen Glauben zu bessern, verbindet nicht nur die vielfältigen Orte im theologischen Fächerkanon, an denen Mission ————— 11;;

Vgl. als kleineres Wortbeispiel MEYER-BLANCK, Rede, 418f, Hervorhebung D.G., der einen großen Konsens, aber eben im »Nicht« erkennt: »Die PT ist nicht Regelrepertoire für die Übermittlung biblischer und systematisch-theologischer Erkenntnisse und sie hat es nicht nur mit der kirchlichen Praxis zu tun.« 12;; KÖRTNER, Vielfalt, 41. 13;; Ebd., 118. 14;; Wesentliche Grundlagen- oder Übersichtswerke kommen mit kürzestmöglichen, vgl. z.B. D. RÖSSLER, Grundriß, 605f, oder ohne Verweise auf das Missionsthema überhaupt aus, vgl. W. STECK, Theologie, Bd. 1, wo der Begriff sogar im Register fehlt. 15;; MEYER-BLANCK, Rede, 3f. 16;; ECKERT u.a., Mission, 93. Vgl. zum Kommunikationsbegriff BÄUMLER, Kommunikation, HERMS, Fähigkeit, und aus missionswissenschaftlicher Perspektive BALZ, Kommunikation.

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Wortwahlen

und Apologetik zunächst eigenständig und ansatzweise oder pragmatisch, aber nicht konzeptionell interdisziplinär abgehandelt werden (1). Es vereint auch konträre Theologien (2) und ihnen je entsprechende empirischinduktive Erhebungen und Auswertungen und auf der anderen Seite deduktiv-dogmatisch hergeleitete potenzielle Handlungsweisen (3), auch völlig andersgeartete gesellschaftliche Ausgangslagen wie Ost und West (4). Es überbrückt zudem den mehr oder weniger großen Abstand zwischen kirchenleitenden Strategiepapieren und ekklesiologischen Grundsatzüberlegungen (5). Vor allem aber ist damit die gegebene und unverfügbare Aufgabe christlicher Existenz beschrieben, wenn sie der Selbstaufgabe entgehen will (6). Die Darstellung dieses Konsenses bildet exemplarisch die ausdifferenzierte Diskussionslage ab und beleuchtet die gängigen Kontroversen aus einem neuen Blickwinkel. Sie zeigt die Mannigfaltigkeit der sprachlichen Gewänder dieser einzigartig-einmütigen Verbindung von Bestimmung und Behandlung der Sprachmankos. (1) Mission und Apologetik gehören zu den heilsamen, weil synthetisierenden Fragestellungen, die jedes theologische Teilfach und Spezialgebiet, und sei es schon wie die Missionswissenschaft mehr als ein Jahrhundert aus dem üblichen theologisch-universitären Fächerkanon hinaus differenziert oder wie die Apologetik im 20. Jahrhundert nahezu ausschließlich kirchlich institutionalisiert, an seine Grenzen führt. In den besten Fällen freilich über sie hinaus und damit in die Nachbardisziplinen hinein, d.h. in eine wieder zu findende Intradisziplinarität innerhalb der Theologie, die sich nicht als Konkurrentin, sondern als Ergänzerin der allseits geforderten und gefeierten Interdisziplinarität verstehen lernt.17 Der Themenkomplex eint erstmals wieder seit einem Jahrhundert geschiedene Teilgebiete der positiven Wissenschaft Theologie18 für die wiedererstandenen, weil immer noch offenen Fragen. Ein Durchgang durch die Defizitanalysen und ihre entsprechenden Aufgabenbeschreibungen zeigt die Vielfalt der möglichen und notwendigen intradisziplinären Begegnungen. (1a) Aus missionswissenschaftlicher Forschung wird Mission als »offensive Bemühung um eine neue Sprache des Glaubens«19 weniger definiert, als vielmehr interpretiert. Das intradisziplinär Lehrreiche dieser tendenziell globalen Sicht besteht darin, nicht nur Milieu-, sondern auch Kulturdifferenzen einzukalkulieren.20 Dietrich Werner hofft in diesem Zusammenhang, ————— 17;;

Vgl. Kap. 5 zur Intradisziplinarität. Vgl. SCHLEIERMACHER, KD, § 1. 19;; WERNER, Aufbruch, 127. 20;; Mangelnde innertheologische Synopsen der Forschungen drücken sich u.a. darin aus, dass schon während des Zweiten Weltkrieges und unmittelbar danach in den Missionswissenschaften Milieufragen diskutiert wurden. Die Praktischen Theologien warteten aber interdisziplinär erst auf 18;;

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Verwahrlosungen

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endlich »Block- und Lagerdenken« zu überwinden zu Gunsten einer »frömmigkeitsspezifischen und interkulturellen Mehrsprachigkeit«: Der Pfarrer und die Pfarrerin muss – ungeachtet des eigenen Standpunktes und ohne Aufgabe der eigenen Authentizität – in der Lage sein, die Sprache mehrerer Frömmigkeitstraditionen zu verstehen, zu achten, sie kritisch zu begleiten und sie miteinander kommunikationsfähig zu halten.21

Aus dem weltweiten Vergleich innerhalb der Christenheit ergibt sich für Werner die Aufgabe, in Kulturen der Massen-Konfessionslosigkeiten und religiösen Indifferenzen, »eine neue bewusstere und elementarisierte Sprachkultur des christlichen Glaubens«22 zu entfalten. (1b) Die Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW), die im Vergleich zu den Missionswissenschaften einen sehr speziellen, nicht selten vollkommen unversöhnlichen Lebens- und Glaubensbereich der Christenheit und ihrer Nachbarn und Nachbarinnen untersucht, gelangt zum selben Urteil über die Sprachfähigkeit, schreibt aber die Aufgabe jeglichem Christenmenschen individuell zu: Dabei zielt ein solches Bemühen darauf, die Wahrnehmungs- und Urteilsfähigkeit der christlichen Gemeinde nach außen und innen zu fordern und die Sprachfähigkeit und apologetische Kompetenz eines jeden Christen/einer jeden Christin im begründeten und verstehbaren Aussprechen der christlichen Hoffnung zu stärken.23

Walter Sparn, der apologetischen Aufgabe zugewandter Systematischer Theologe, versteht Apologetik als »Selbstaufklärung«24 in doppelter Ausrichtung: als gegenseitige Erhellung der Glaubenden über ihren Glauben und als Darstellung des Glauben gegenüber den nicht christlich Glaubenden. Er analysiert dabei besonders die Gründe für kommunikative Hemmungen und entdeckt diese nicht nur, aber zu einem großen Teil in den sprachlich problematischen Vorfahren heutiger apologetischer Bemühungen.25 (1c) In der Systematischen Theologie wird Apologetik dem Wortsinn gemäß definiert als »Kunst des Antwortens«.26 Eilert Herms formuliert im Anschluss an Paul Tillich: »Die Aufgabe der A[pologetik] ist, alle Fragen ————— die Soziologie, genauer auf die Entdeckung der »Erlebnisgesellschaft« 1992, so dass erst danach eine breitere Diskussion zu Rücksichten auf Milieus entstand. Vgl. MARGULL, Theologie, 163–167 über Milieu und Apostolat bei Katholiken HENRI GODIN und YVES DANIEL, die 1942 fragten: La France, Pays de Mission? Vgl. dazu G. SCHULZE, Erlebnisgesellschaft [erste Auflage: 1992] und die daran anschließende Diskussion, z.B. über milieuspezifische und -verbindende Gottesdienste. 21;; WERNER, 2000, 161f, Hervorhebung im Original. 22;; WERNER, Mission, 558. 23;; R. HEMPELMANN, Apologetik, 31. 24;; SPARN, Aufklärung, 159, Hervorhebung im Original. 25;; Vgl. ebd., 77. 26;; TILLICH, Theologie, Bd. 3, 226f.

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Wortwahlen

verständlich zu beantworten, die sich auf das Verständnis des christl[ichen] Lebens und seiner Daseinsgewißheit, ihres Gehaltes und ihres Grundes beziehen.«27 Die kommunikativen Erfordernisse werden weniger im Blick auf den einzelnen Christen, sondern im Blick auf die Gesamtgesellschaft als notwendig vorgestellt: In jedem Fall setzt A. voraus, daß das christl. Leben einen Platz in der Öffentlichkeit hat. In den hyperkomplexen westlichen Gesellschaften des ausgehenden 20. Jh. ist dieser Platz gefährdet, das christl. Leben (einschließlich seiner Theol.) wird tendenziell zu einer Erscheinung der privaten Lebenswelt unterhalb derjenigen Öffentlichkeit, in der die Lebensfragen der Gesellschaft verbindlich diskutiert und entschieden werden, von ihr abhängig (kolonialisiert), aber ohne Einfluß auf sie. Damit wird die Aufgabe dringend, für das christl. Leben und seine Theol. die Teilnahme an diesem verbindlichen öffentlichen Diskurs und damit die Möglichkeitsbedingung von A. zu sichern.28

Bei der Beschreibung der Probleme und Schwierigkeiten betont Herms, dass A. in der Auseinandersetzung der Daseinsverständnisse (Weltanschauungen) nicht auf das Wort und die diskursive Explikation im Medium der Sprache, der Auslegung, des Plausibilität ermöglichenden Arguments, also im Medium der Lehre, verzichten kann (vgl. schon 1Kor 14,2–5).29

Die Geschichte der systematisch-theologischen Nichtwahrnehmung von Mission im 20. Jahrhundert hat Henning Wrogemann geschrieben.30 Für die Praxis konstatiert er als wenig überraschende Konsequenz »vorauslaufende Selbstzurücknahme«.31 Das eigene Glaubenszeugnis wird bereits zurückgenommen, bevor es im Gespräch zu einer Auseinandersetzung um Fragen letzter Glaubenswahrheiten und -gewißheiten kommt. Der lapidare Hinweis, daß alle Religionen »irgendwie« wahr sind[,] ist ebenso verbreitet wie der Versuch, einer theologischen Konfrontation überhaupt auszuweichen.32

Diese Beobachtung ist aber keine im Laufe des 20. Jahrhunderts entstandene Peinlichkeit oder ein frisches Tabu, sondern eine altehrwürdige protestantische Tradition. Karl Barth erkennt die »Unfreudigkeit, ja Unwilligkeit zur Mission«33 schon im 16. und 17. Jahrhundert. In diese ungünstige, aber hartnäckige Traditionslinie gehört auch die weitgehend fehlende Rezeption ————— 27;;

HERMS, Apologetik, 624, Hervorhebung im Original. Ebd., 625f. 29;; Ebd., 625. 30;; Vgl. WROGEMANN, Mission. 31;; WROGEMANN, Deutlichkeit, 74, Hervorhebung im Original. 32;; Ebd., 74f. 33;; BARTH, KD IV/3, 878. 28;;

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Verwahrlosungen

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der 6. Barmer These.34 Zu widersprechen ist demnach allen aufgeregten Tendenzen, die Sprachlosigkeit als ein neues, nie gekanntes Phänomen zu kategorisieren.35 Systematisch-theologisch bleibt also mehr zu bedenken, als nur einen Mangel an missionarischem Ausdruck und adäquater Eindrucksfähigkeit zu beheben. Dieser Befund des Sprachmangels fällt in einer »Kirche des Wortes« besonders auf. Freilich ist er dort nicht einzigartig, sondern begegnet einem in der katholischen Kirche auf annähernd gleiche Weise.36 Bischof Wanke hat dafür ein Wort geprägt, das sich überkonfessionell so verbreitet hat, als sei es geflügelt: Unserer katholischen Kirche in Deutschland fehlt etwas. Es ist nicht das Geld. Es sind auch nicht die Gläubigen. Unserer katholischen Kirche in Deutschland fehlt die Überzeugung, neue Christen gewinnen zu können. Das ist ihr derzeit schwerster Mangel.37

Evangelische und katholische Situations- und Defizitanalysen sind einander zum Verwechseln ähnlich. Es findet sich die gleiche Pluralität in fast identischer Bandbreite. Z.B. werden dieselben klassisch gewordenen Wettkämpfe um die christlichen Wahrheiten über Gott und die Welt zwischen »fromm« und »liberal« ausgetragen. Es sind ähnliche, recht schlechte Sprachgewohnheiten bei den Bezeichnungen der Gemeinten anzutreffen.38 (1d) Das weite Niemandsland auf dem Weg von der Systematischen zur Praktischen Theologie bedarf einer eigenen Zwischenwürdigung, weil die Auswärtigen Ämter der Christenheit geeignet scheinen, die große Abständigkeit beider Disziplinen und die Notwendigkeit einer Überbrückung schon durch Diskurse über die gemeinsamen Defizite ins Bewusstsein zu rücken. Mission und Apologetik haben seit Anbruch der Neuzeit eine unvergleichliche Odyssee hinter sich, ohne je einen sicheren Hafen, d.h. einen beständigen enzyklopädischen Ort innerhalb der Theologie, gefunden zu haben.39 Vorstellungen komplementärer Zusammengehörigkeit von Systematischer und Praktischer Theologie müssen sich mit der Wirkungsgeschichte eines einseitigen Abhängigkeitsverhältnisses auseinandersetzen und kämpfen immer noch mit den gegenseitigen Zerrbildern, die man sich vom jeweils anderen Fach gemacht hat. Dogmatische Reflexionen werden als ————— 34;;

Vgl. JÜNGEL, Mission, 3. Vgl. die Ausführungen zu den omnipräsenten »Krisen« in Kap. 2.3.1. 36;; Vgl. BÜNKER, Kirche, 8. 37;; WANKE, in: DEUTSCHE BISCHOFSKONFERENZ, Zeit, 35. 38;; Vgl. Kap. 3.2. 39;; Vgl. Kap. 1.1.3. 35;;

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Wortwahlen

dogmatistisch verworfen, man glaubt, sich gänzlich unabhängig gemacht zu haben oder allererst machen zu müssen von den nächstliegenden theologischen Disziplinen. Die Abständigkeiten und Verweigerungen im nachbarwissenschaftlichen Miteinander waren aber auch immer wieder Anlässe, neue Begegnungen zu ermöglichen. Wo die Bereitschaft zu Auseinander- und neuen Zusammensetzungen vorhanden ist, entstehen fantasievolle neue Fachgebiete. Friedrich Niebergall skizzierte eine praktische Dogmatik.40 Knapp einhundert Jahre später wird eine praktische Ekklesiologie41 nachgefragt. Auch eine »Kirchentheorie«42 soll das unbearbeitete Land zwischen Dogmatik, Ethik und Praktischer Theologie neu strukturieren und erschließen, gelegentlich scheint aber auch Auswanderung in ein Land jenseits alles Bisherigen erstrebenswert.43 (1e) Exakt parallel zu diesen Entwicklungen ist auch die Einöde zwischen Exegese und Praktischer Theologie auffällig geworden. Schon Paul Drews forderte vor einem Jahrhundert eine »praktische Exegese«.44 Gegenwärtig dreht sich die evangelisch-französischsprachige homiletische Diskussion um »la redécouverte de la tradition« und sucht dabei nach einer eigenartigen, aber nicht autonomen »exégèse homilétique«.45 Diese Homiletik wird auf dem Hintergrund gefordert, dass die Exegese homiletisch immer uninteressierter geworden sei und dass »nach dem ‹Ende der historisch-kritischen Hegemonie› eine Pluralität von Zugängen (pluralité de lectures) den Umgang mit der Bibel bestimme.«46 Im deutschsprachigen Raum plädiert Gerd Theißen für eine wiederum engere Verknüpfung von Homiletik und Exegese und stellt das Verhältnis beider als alt gewordenes Ehepaar dar: Seit einiger Zeit erlebt dieses Paar eine Krise. Es befindet sich im Zustand der Zerrüttung. […] Beide haben sich stark verändert, ohne gegenseitig diese Änderungen zur Kenntnis genommen zu haben. […] Ehescheidung kommt nicht in Frage.47

————— 40;;

Vgl. F. NIEBERGALL, Theologie, 313–393. Vgl. FECHTNER, Theologie, 61. 42;; Vgl. PREUL, Kirchentheorie, 1–9, Übersicht 7. 43;; Vgl. MEYER-BLANCK/WEYEL, Arbeitsbuch, 17 suchen einen neuen Zugang mit semiotischen und ästhetischen Orientierungen. 44;; DREWS, Problem, 81, Hervorhebung im Original. 45;; Vgl. zur gesamten französischsprachigen Homiletik-Diskussion NICOL, Grundwissen, hier 201f. 46;; Ebd., 202 mit Bezug auf BERNARD REYMOND, Quand, 593–597, und DANIEL MARGUERAT, L’exégèse, 7–24. 47;; THEIßEN, Exegese, 55 und 66. THEIßENS Texte sind übersetzt und werden in der französischsprachigen Homiletik rezipiert. Vgl. bereits THEIßEN, Le langage. 41;;

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Bei Theißen ergeben sich zwei Konsequenzen aus diesem misslichen Zustand: Die Exegese muss ihr patriarchales Herrschenwollen aufgeben und die gegenwärtige Homiletik einige ihrer außerehelichen Affären in solidere, aber kritischere Freundschaften verwandeln.48 Craig A. Loscalzo aus Kentucky, der hier genannt wird, weil er explizit apologetisches Predigen befürwortet, sieht dagegen den Veränderungsbedarf eher auf Seiten der Praktischen Theologie, die sich nicht provinziell allein auf westliche Vorgegebenheiten fixieren soll: Apologetic preaching must be open to new paradigms of homiletic method. Modernism so binds some contemporary apologists that they exclusively use Aristotelian logic, steeped in deductive reasoning, which tilts their hand toward Western thought and exlusively Western philosophical models.49

Die beklagten Sprachlosigkeiten erscheinen als Konsequenzen mangelnder Intradisziplinarität, unabhängig davon, wo die Schuld besonders forciert gesucht wird. (1f) Praktisch-theologische Theorien und kirchlich hergestellte, mehr oder weniger praktische Anleitungsliteratur beschreiben die allgemeine Sprachlosigkeit sehr pauschal und häufig auch diffus, ohne sie einem herkömmlichen Teilfach der Praktischen Theologie zuzuordnen. Einer der vorzuschlagenden Wege, genauer auf die Homiletik zu achten, geschieht u.a. vor dem Hintergrund, dass gerade der Gottesdienst als Quelle von Sprachlosigkeit ausgemacht wurde.50 Die neuen Diskussionen um Mission und – etwas zurückhaltender – um Apologetik haben sich allein wegen einzelner ermutigender Beispiele theologischer Intradisziplinarität gelohnt. Die Studientagung der Evangelischen Akademie im Rheinland im September 2005 etwa und ihre Dokumentation in der Pastoraltheologie im März 200651 verband Neutestamentler, Politiker und Praktiker. Die dort kontrovers diskutierten »Bonner Thesen zur Mission« boten eine intradisziplinär zugängliche, sehr scharfe Beurteilung der historisch bedingten Kommunikationshindernisse: Nachzudenken ist darüber, wie vorangegangene Mission mit ihrer Wirkungsgeschichte zu beurteilen ist und warum die missionarischen Programme der beiden letzten Jahrhunderte ihre Ziele nicht erreicht haben. […] Mission weiter denken ist nötig, weil Anlässe der Verständigung über den Glauben sich seltener ergeben als früher. Es

—————

48;; Vgl. ebd., 66. Vgl. als markantes Beispiel BÖHME u.a., Mission: Die soziologischen Aspekte, 93–148, sind offenbar weitaus näherliegend als Rückfragen an die Bibelwissenschaften oder die Kirchengeschichte. Letztere fehlen fast vollständig. 49;; LOSCALZO, Apologizing, 416. 50;; Vgl. NÜCHTERN, Bezug, 187 mit Bezug auf FEIGE, Erfahrungen, 106ff. Vgl. Kap. 5.1.2. 51;; Vgl. das ganze Heft 3 der PTh 95 (2006).

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geht um eine Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit und Kommunikationswilligkeit […].52

(2) Auch konträre Theologien, die sonst nur im Modus der gegenseitigen Ablehnung überhaupt Kenntnis voneinander nehmen, sind verbunden durch den Konsens über fehlendes Sprachvermögen. Michael Herbst beklagt die reguläre wissenschaftliche Sprachlosigkeit in Fragen der Mission, die dem Thema nur einen marginalen Lebensraum zugesteht. In Greifswald wurde ein entsprechend zusätzliches »Institut zur Erforschung von Evangelisation und Gemeindeentwicklung (IEEG)« als Abhilfe geschaffen, auf dass »Mission und Evangelisation, d.h. die glaubwürdige Kommunikation des Evangeliums«,53 gelingen kann. Zu den Arbeitsfeldern gehört gemäß einer Aufzählung u.a. Theologie der Evangelisation: hermeneutische Grundlegung einer Missionstheologie für den deutschsprachigen, spät- bzw. nachvolkskirchlichen Kontext, Entwicklung einer evangelistischen Homiletik, Theorie und Praxis neuer Gottesdienstformen für Kirchendistanzierte und Konfessionslose.54

Herbst fasst als Herausforderung auf: »Sagen, was wir glauben, und glauben, was wir sagen. Sprach- und auskunftsfähige Kirche in Gemeinde, Schule und Gesellschaft«.55 Dabei will er sich vor allem »um die drinnen«56 kümmern, diese sollten zuerst sprachfähiger werden. Wenn sich daraufhin in den Polemiken die klassische Diastase zwischen »fromm« und »liberal«57 einstellt, herrscht trotz allen Unterschieden im Duktus dennoch Einigkeit – vom IEEG bis hin zu kulturhermeneutischen Erkundungen. Dabei wird bei Letzteren zwar der Begriff Mission hinsichtlich seiner Brauchbarkeit bezweifelt, aber der Sache nach ebenso vehement die Verbesserung der »Kommunikation des Evangeliums« gefordert.58 Wilhelm Gräbs Überlegungen zum besseren Verständnis der Gegenwartskultur und ihrer religiösen Dimensionen, in denen der Missionsbegriff nicht einmal am Horizont auftaucht, werden dennoch folgerichtig bei Wolfgang Ratzmann als eine von sieben missionstheologischen Positionen vorgestellt, weil sich Gräb die Kirche »kommunikativ und wahrnehmungsof————— 52;;

ECKERT u.a., Mission, 93. HERBST, Missionar, 37. 54;; Ebd., 40. KNIELING, Wahrnehmung, 290, Hervorhebung im Original, bezieht sich auf die EVANGELISCHE KIRCHE VON WESTFALEN/AMT FÜR MISSIONARISCHE DIENSTE, Lust, und zitiert von dort als Aufgabe, dass »wir freundlicher, klüger und geduldiger in der Vermittlung des Evangeliums werden.« 55;; Vgl. HERBST, Sagen, 125. 56;; Ebd., 134. 57;; HAUSCHILDT, Mission, 459f. 58;; Vgl. WEYEL, Mission. Vgl. Kap. 2.1.3 zu den Statthalterbegriffen. 53;;

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fen«59 – für jedes einzelne Subjekt, für jeden autonomen Dialogpartner erlebbar – wünscht. Auch die Horizonte, Konturen und Strukturen von Religion, Christentum und Lebenswelt in den Nachzeichnungen von Wolfgang Steck berühren weder das Thema der Mission noch der Apologetik, beschreiben aber ebenso eindrücklich Kommunikationslosigkeit, hier aus Gründen fortgeschrittener Privatisierung und ausdrücklich verortet im agendarischen Hauptgottesdienst, wo der Mensch für die Dauer des Kirchgangs vereinzelt und auf sich gestellt werde, selbst wenn die ganze Familie dabei sei.60 Im Fazit ist Folgendes festzuhalten. Auch wenn das Stichwort Mission vollkommen fernliegt, etwa beim Nachdenken über kirchliche und gemeindliche Öffentlichkeitsarbeit, werden dennoch Kommunikationsdefizite und sprachliche Mängel beklagt.61 Die sprachlichen Gewänder variieren je nach theologischer Position, aber Kleider machen auch hier die Leute. (3) Nicht nur konträre Theologien, sondern auch gegensätzliche Methoden bei der Rekonstruktion der Situationen und Wirklichkeiten werden einig in ihren Urteilen über das zu geringe Sprachvermögen gegenwärtiger Christenleute. Im Wesentlichen sind zwei Zugangsweisen und davon abgeleitet ihre graduellen Mischungen zu beobachten. Deduktive, dogmatische Überlegungen zur Grundlegung praktisch-theologischen Nachdenkens über Kirche und Mission werden häufiger verworfen und sind nur vereinzelt anzutreffen, werden aber etwa von Reiner Preul in seiner Kirchentheorie in mehreren Paragraphen so gründlich wie selten entfaltet: Voraussetzungen des reformatorischen Kirchenbegriffs, Kirche nach den Bekenntnisschriften, Luthers Beitrag zur Kirchentheorie.62 Wesentlich leichter lässt sich Zustimmung zu induktiv-empirischen Vorgehensweisen erreichen. Sie werden seit Jahrzehnten nachdrücklich empfohlen: Einer verbesserten Verständigung über Mission dient die praktisch-theologische Missionsforschung neben dem Abbau von Kommunikationsdefiziten am besten dadurch, dass sie es sich zur Aufgabe macht, das empfindliche Empiriedefizit zu beheben.63

Diese Auseinandersetzungen um die jeweils sinnvollen Anfänge der Erkenntniswege, die es für das 20. Jahrhundert ermöglichen, der epochalen Einschnitte in den Theorieentwicklungen der Praktischen Theologien an————— 59;;

GRÄB, Wahrnehmung, 255. Vgl. RATZMANN, Streitfall, 33. Vgl. W. STECK, Theologie, Bd. 1, 313–316. 61;; Vgl. BIRGDEN/HABERER, Öffentlichkeitsarbeit, 608 (als Loyalitätsproblem) und 609 (Adressatenorientierung). 62;; Vgl. PREUL, Kirchentheorie, 50–127. 63;; HAUSCHILDT, Aufgaben, 144. 60;;

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sichtig zu werden,64 sind in den gegenwärtigen Diskussionen um Mission immer noch Gegenstände vehementen Eifers für die präferierte Denkweise.65 Die in jeder Hinsicht großen, spektakulären und resignativen Zahlenvisionen des Impulspapiers »Kirche der Freiheit« gelangen ebenso zur Erkenntnis, dass es mehr »kommunikative Kompetenz« und stärker entwickelte »geistliche Sprachkraft«66 braucht, wie die fundierte Nachzeichnung der »Kirche des Wortes« im Sinne Martin Luthers in kirchentheoretischer Perspektive bei Reiner Preul, der freilich Luthers homiletischen Grundsätzen bereits Kriterien für dieses sprachliche Vermögen67 entnimmt: Eine »verständliche, erfahrungsbezogene und glaubwürdige Predigt«68 ist evangelisch geboten. Für die hier zunächst interessierende Frage ist es relativ gleichgültig, ob die für »härter« gehaltenen Fakten und Zahlen des evangelischen Münchenprogramms zugrundeliegen oder aus biblischen Bildern evangeliumsdienliche Rahmen für zukünftige Konzepte abgeleitet werden: Die Defizitdiagnose beim Zur-Sprache-Bringen des Glaubens und die abgeleiteten Forderungskataloge nach größerer Kommunikationsbereitschaft und/oder fähigkeit sind eineiige Zwillinge, die sich trotz allen groß wirkenden Differenzen kaum unterscheiden lassen. Statt empirisch-induktive und deduktiv-dogmatische Vorgehensweisen wertend voneinander zu entfernen69 und gegeneinander auszuspielen, sind dritte, komplementär denkende Wege gefragt. Beide Methoden bilden die einander notwendig ergänzenden Formen für abduktive Vorgehensweisen, die mit generellen Prämissen und Axiomen ebenso wie mit einer Vielzahl von Einzelfällen und Beobachtungen umzugehen vermögen.70 In dieser Arbeit werden deshalb für die Sprachreflexionen generelle Prämissen, etwa reformatorische Grundeinsichten wie sine vi, sed verbo, simul iustus et peccator, kritisch mit exemplarischen Beobachtungen zu —————

64;; Vgl. einen Überblick über den Streit in den Praktischen Theologien um »Was« und »Wie« und »Ob überhaupt«, über die frühe Periode empirischer Fragen, über die mindestens dialektischen Einflüssen der Dialektischen Theologie und die (zu) späte empirische Wende bei MEYERBLANCK/WEYEL, Arbeitsbuch, 11–17. 65;; Vgl. NÜRNBERGER/LÖHR, Effizienz, 77–100. 66;; EKD-RAT, Freiheit, 71f. 67;; Vgl. zu den postiven Kriterien künftiger missionarischer und apologetischer Rede Kap. 2.3 und 3.3. 68;; PREUL, Kirchentheorie, 101. 69;; Vgl. GRÄB, Lebensgeschichten, 92, der dogmatische Ideen und Lehren nur als Verfestigungen, nicht als wertvoll-widerständige Dialogpartner mit der aufbewahrten Glaubens- und Lebenserfahrung von Jahrhunderten bzw. zwei Jahrtausenden versteht: »Es würde heißen, nicht an den durch das sogenannte Urchristentum oder die Reformatoren des 16. Jahrhunderts fixierten Sinngehalt der christlichen Religion sich gebunden wissen zu müssen.« 70;; Vgl. HÄRLE, Dogmatik, 7f.

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vorfindlichen sprachlichen Sitten und Gebräuchen, beispielsweise Zahlen, Adressatenbezeichnungen und den viel genutzten Topoi wie »Markt«, »Wahlzwang« und »Dialog« verglichen. (4) Die aktuelle Diskussion um Mission und apologetische Herausforderungen fokussiert den graduell bis gravierend eingeschätzten Unterschied zwischen Ost und West71 und hat dabei, nicht zuletzt wegen der umfangreichen, vorhandenen Literatur, als Ursachen vor allem die DDR-Zeit und ihre Spezifika im Umgang mit Religion im Blick. Die in Rede stehende sprachliche Herausforderung wird überall thematisiert und im letzten vom Bund Evangelischer Kirchen konzipierten Papier zur Lage, das erst 1991 erscheinen konnte, schnörkel- und kommentarlos mitgeteilt: »Es gibt ein bemerkenswertes Maß an Unkenntnis und einen noch größeren Mangel an Ausdrucksvermögen.«72 Der häufig thematisierte Ost-West-Gegensatz hat aber bedauerlicherweise andere notwendig differenzierendere Perspektiven mit seiner Allgegenwart verdrängt. (4a) Nur sehr selten begegnet man historischem Weitblick, der über die Jahre der Diktaturen hinaus in die davor liegende Geschichte zurückreicht. Die gewohnheitsmäßig atheistische Atmosphäre verdankt sich auch nicht alleine der atheistischen Indoktrination und Repression, welche in der DDR auf die Menschen ausgeübt wurde. In Mitteldeutschland […] gab es ein derartiges Klima unter der Arbeiterschaft schon lange vor der DDR.73

Die nicht nur zeitlich begrenzte Sichtweise, wenn man sich auf die Jahre 1949–1989 beschränkt, ist freilich besonders populär, weil einfach und entlastend. Alle Schuld an den Zuständen kann man nachträglich dem Sündenbock Sozialismus aufbürden und gelangt zu scheinbar stringenten Erklärungen. Aber in dieser Kurzsichtigkeit, die 40 Jahre für allein ausschlaggebend hält, kommen längerfristige Entwicklungen zu damals so genannter »Unkirchlichkeit« gar nicht in den Blick. Das gilt insbesondere für diejeingen, die sich vor der Mitte des 19. Jahrhunderts anbahnten.74 Diese Zeit wurde bekanntlich als atheisierender Einschnitt erlebt. Vor allem aber werden dadurch auch die Zukunftsprognosen kurzatmiger, ängstlicher und hoffnungsloser, weil Ausdrucksformen christlichen Glaubens, der bisher jedenfalls auch die wildesten Jahrhunderte überdauert —————

71;; Vgl. zu den Gemeinsamkeiten und auch bedeutenden Unterschieden ZEDDIES, Osten, 159– 161 und NEUBERT, Konfessionslosigkeit, 4–7. Vgl. auch ZULEHNER, Mission. 72;; BUND DER EVANGELISCHEN KIRCHEN, 1991, 24. 73;; KRÖTKE, Kompetenz, 8. 74;; Vgl. den Titel bei BURKHARDT, Die Diskussion über die Unkirchlichkeit, ihre Ursachen und mögliche Abhilfen im ausgehenden 18. und frühen 19. Jahrhundert.

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hat, außer Sichtweite geraten. Dem Jahrhunderte währenden und schon dadurch beeindruckenden Nord-Süd-Unterschied innerhalb Deutschlands hinsichtlich christlichen Lebens wurde kaum so viel Aufmerksamkeit zuteil wie Ost und West. (4b) Der pauschale Ost-West-Gegensatz überdeckt im Übrigen auch die gravierenden, alltagspraktisch weitaus wirkungsvolleren Unterschiede innerhalb einer einzelnen, nicht sehr großen Landeskirche.75 Zwischen einzelnen Dörfern im Erzgebirge und einer Stadt wie Großenhain liegen mehr »Welten« als die übersichtliche und kleinräumige Geographie vermuten lässt. (5) Immer wieder wird der Vorwurf laut, dass kirchenleitende, organisatorische Reformmaßnahmen weitgehend ohne jeglichen Kontakt zur wissenschaftlichen Theologie nicht nur geplant76 oder – wie im »Impulspapier« »Kirche der Freiheit« – visioniert,77 sondern auch durchgeführt wurden. Friedrich Wilhelm Graf geht den Gründen dieser nicht einzigartigen und nicht neuen Entwicklung nach und sieht sie in der zunehmenden Beschleunigung des Wandlungsprozesses im Verhältnis von Universitätstheologie und verfasster Kirche.78 Parallel, d.h. einander sehr nahe, aber dennoch begegnungslos nebeneinander her laufend, werden in Fakultäten und Kirchenleitungen die kommunikativen Fehlleistungen beklagt und zahlreiche kirchenrettende Mittel und Wege ersonnen, wobei der erhoffte Sprachzuwachs und Wortwandel vom peinlich verschwiegenen zum wieder aktiv überlieferten Glauben die Papiere eint und zugleich im Detail unterscheidet. In kirchenleitenden Verlautbarungen ist mancherorts der paradoxe Sachverhalt zu beobachten, dass sogar noch bei der Forderung nach einer gänzlich neuen oder wenigstens verbesserten Sprachfähigkeit des Glaubens genau das spezifisch Christliche wiederum verschwiegen oder vermieden wird. Im Strategiepapier »Wachsen gegen den Trend« heißt es unter anderem, in Zukunft gehe es um eine »elementare, verständliche und sensible Sprache«.79 Selbstverständlich sollte jede menschenfreundliche und sachdienliche Sprache so sein. Ein religiöses, geschweige denn christliches Kennzeichen, etwa eine – im weitesten religiösen Sinne gesprochen – gnädig die Ambivalenzen der Welt transzendierende Perspektive zu formulieren, ist damit nicht einmal angedeutet. —————

75;; Vgl. KLAUS KADEN, in: RATZMANN/ZIEMER, Kirche, 13f, und ROLF SIEGEL, in: RATZMANN/ZIEMER, Kirche, 22–26. Vgl. auch KOCK, Interesse, 97, der von einem »Hochproblemgebiet« spricht: Plattenbausiedlungen gelten u.a. als solche. 76;; So wird es beklagt im Vorwort von RATZMANN/ZIEMER, Kirche, 8. 77;; Vgl. die treffende Kritik an »Kirche der Freiheit« von 2006 bei THOMAS, Klippen, 372–375. 78;; Vgl. GRAF, Wiederkehr, 249–278, besonders 255f: Wozu noch Theologie? 79;; EVANGELISCHE KIRCHE BERLIN-BRANDENBURG, Wachsen, 159.

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Theologische Texte betreiben dagegen eher lehrreiche Ursachenforschungen: Wenn sich in unserer Welt irgendwo etwas Unerhörtes, etwas überaus Bedeutsames, aber in keiner Weise zu Erwartendes ereignet, etwas, was die Welt grundlegend verändert – so, dass sie aus den Fugen zu geraten droht –, dann redet auch alle Welt davon. In unserer Mediengesellschaft zumal.80

Auch wenn ein Anfang noch so spektakulär war, Routinen treten schnell ein: War es eine allzu schnelle Gewöhnung an das wiederentdeckte Evangelium, war es allzu schnelle Gewöhnung an die reine Predigt des Evangeliums und die dem Evangelium gemäße Feier der Sakramente, was die klassische protestantische Lehre von der Kirche schon in der Reformationszeit und danach erst recht dazu verführte, eine schier unüberschreitbare Grenze zwischen Kirche und Welt zu ziehen […]81?

Missionarische Verschwiegenheit und apologetisches Verstummen haben also die Dignität einer altehrwürdigen Gewohnheit, die sich noch in ihren expliziten Überwindungsversuchen durchsetzt. Dadurch aber rücken die frappanten Ähnlichkeiten zwischen Christen und zusammenfassend häufig so titulierten »Atheisten« ins Blickfeld, die auf Grund der scharfen, manchmal auch ideologischen Trennung von Kirche und Welt bzw. Gesellschaft kaum wahrgenommen werden können.82 Für die seinerzeit neuen Bundesländer hat Wolf Krötke in zahlreichen differenzierten Analysen den »Gewohnheitsatheismus«83 beschrieben, der folgendermaßen charakterisiert ist: Aus der Kontaktlosigkeit mit der real existierenden Kirche in der zweiten, dritten oder bereits vierten Generation folgt die gewohnheitsmäßige Absenz der Frage nach auch nur den Alltag transzendierenden Möglichkeiten, geschweige denn nach Gott. Christenmenschen und gewöhnte Atheisten schweigen also gleichermaßen, so dass zunächst entgegen aller hochfliegenden Hoffnungen auf Dialoge lapidar zu konstatieren ist: »Das Gespräch wird verweigert.«84 Für die schweigsame Christenheit gelten daher dieselben Bedingungen und Merkmale wie für die Atheisten aus Gewohnheit: »Sprachlosigkeit und Ausdrucksarmut« sind »trostlose Wohnstätten [von] Stagnation«.85 Die gleiche Trostlosigkeit, Resignation und Stagnation wird folgerichtig, aber ————— 80;;

JÜNGEL, Mission, 2. Ebd., 3. Vgl. dazu Kap. 4. 82;; Vgl. zu Abgrenzungsbedürfnissen und daraus resultierenden Kommunikationshindernissen WOHLRAB-SAHR, in: RATZMANN/ZIEMER, Kirche, 91–96. 83;; KRÖTKE, Massenatheismus, 216, Hervorhebung im Original. 84;; DERS., Kompetenz, 8. Vgl. Kap. 2.2.2 zu den Schwierigkeiten mit Dialogen. 85;; DERS., Verwurzelung, 7. Vgl. zu »Sprachlosigkeit, Ausdrucksarmut« im Zustand der Religionslosigkeit EBELING, Dogmatik, 124. 81;;

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tragischerweise auch auf Pfarrkonventen artikuliert,86 nicht nur, aber besonders dann, wenn das Thema auf das Zur-Sprache-Bringen des christlichen Glaubens kommt. Auf katholischer Seite, die die Probleme mit den gegenwärtigen nur halb bewussten Atheismen teilt, erkennt Eugen Biser das »Verstummen des Atheismus« mit seiner gleichzeitigen »›ozeanischen‹ Ausbreitung«.87 Gunda Schneider-Flume hegt für die schweigsame Christenheit gar einen Tabuverdacht: Es ist bekannt und vielfach beklagt, dass Christen hinsichtlich ihres Glaubens sprachunfähig sind. Es ist tabu, vom Glauben zu reden, vielleicht ist der Glaube eines der letzten Tabus in einer Zeit, in der sonst alles in den Medien verhandelt wird.88

Auch wenn man die Tabuvermutung nicht teilt, ist doch wahrzunehmen, dass es vielen schwer fällt, »verständlich und überzeugend von ihrem Glauben zu reden.« Die EKD-Schrift »Das Evangelium unter die Leute bringen. Zum missionarischen Dienst der Kirche in unserem Land« von 2000 spricht von der bezeichneten »Sprachlosigkeit« und Gefühlen der »Peinlichkeit«,89 deren Ursachen in der mangelnden Bildung im Glauben zu suchen seien. Diese »gefühlte Überforderung«, die sich dann auch in peinlichen missionarischen Versuchen ausdrückt, wird wortreich und fast wortgleich auch auf katholischer Seite beklagt: Das Peinlichkeitspotential »missionarischer Pastoral« liegt in der Hilflosigkeit, die dieser Konzeptbegriff erst einmal mitkommuniziert. Es ist zwar innerkirchlich eine weit verbreitete Übung, aber eben doch recht wenig erfolgversprechend, das Postulieren an die Stelle der Fehleranalyse zu setzen.90

Die nahezu berührungsfreie und damit fast vollkommene Parallelität zwischen theologischen Wissenschaften und Kirchenleitungen ist demnach kein konfessionelles Proprium der »Kirche des Wortes«. Das Potenzial einer lohnenden Zusammenarbeit, die nicht an den üblichen Auseinandersetzungen um Herrenmahl, Frauen im Priesteramt, Maria und dem Papst scheitern oder sich aufreiben muss, ist kaum erschlossen. Ein ermutigendes Beispiel in dieser Richtung sind aber die Skizzen zu einer gegenwartsadäquaten Apologetik von Hans-Diether Reimer,91 die er nicht nur in einer —————

86;; Vgl. RATZMANN, in: RATZMANN/ZIEMER, Kirche, 9: Brief eines ostdeutschen Pfarrers an einen Theologiestudenten. 87;; BISER, Gott, 72. 88;; SCHNEIDER-FLUME, Glaube, 71. 89;; EKD-KIRCHENAMT, Evangelium, 46. 90;; BÜNKER, Kirche, 8, mit Bezug auf BUCHER, Wein, 252f. Vgl. zur Peinlichkeit schon MÖLLER, Lehre 1, 70, und KNIELING, Wahrnehmung, 287. 91;; HANS-DIETHER REIMER war seinerzeit Nachfolger von KURT HUTTEN in der EZW.

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katholischen Schriftenreihe publiziert, sondern die von dort auch ohne weitere theologische Zwischenschritte zur Rezeption empfohlen werden.92 (6) Der sprachlich variante Konsens über die Notwendigkeit, die christlichen Sprachlosigkeiten zu überwinden, kulminiert in der These, dass Sprachfähigkeiten mit und über Gott und die Welt zu den unaufgebbaren Aufgaben christlicher Existenz gehören, wobei strittig bleiben wird, ob sie »missionarisch« und »apologetisch« genannt werden sollen. Mission oder eine stellvertretende Bezeichnung gilt demnach nicht als fakultatives Proprium, sondern als Konstitutivum christlichen Seins. Selbst wenn die Apologetik als eigenständige Disziplin verschwunden ist, kann man das »begrüßen als Schritt zur Rückgewinnung von A. als Grundaufgabe aller christl. Lehre und des gesamten christl. Lebens.«93 Denn: Unvermeidlich ist A. im christlichen Leben, weil es sich im Lichte seiner eigenen Daseinsgewißheit in den Gesamtraum unserer Wahrheitserfahrung und -kommunikation sowie des dafür wesentlichen Fragens und Antwortens gestellt sieht.94

Der gezeigte Konsens am Anfang des 21. Jahrhunderts ist freilich nur die Spitze des Eisberges an Erkenntnissen über die Sprachlosigkeiten. Das gilt zunächst in historischer Hinsicht, denn mit Kritik und Selbstkritik an nicht treffender oder unangemessener Sprache gehen aufmerksame Apologeten schon lange um. Auch die selbstkritische Erkenntnis, eine »schweigende Christenheit«95 zu sein, begegnet einem nicht erst seit den jüngsten Renaissancen des Missionarischen und Apologetischen. Helmut Schreiner legte schon 1926 einen Schwerpunkt seiner Aufmerksamkeit auf den Sprachgehalt und die Sprachgestalt. Dogmatik müsse für angemessene Sprache dem Inhalt nach sorgen, »Apologetik dagegen für die Vernehmlichkeit dieser Sprache bei denen, welche jeweils Hörer sind oder als solche gewünscht oder beansprucht werden.«96 Auch den Untersuchungen zu den Sprachgestalten der Verkündigung von Carl Gunther Schweitzer sieht man ihr inzwischen hohes Alter nicht an. Schweitzer, Gründer und erster Leiter der Apologetischen Centrale für Weltanschauungsfragen, sieht die Notwendigkeit einer nicht zu unterschätzenden Übersetzungsarbeit, denn das »›Kanzeldeutsch‹ [ist] einem großen Teile unseres Volkes fast fremd und zu abgegriffenen leeren Begriffen geworden und ohne Vermittelung kaum noch verständlich«.97 Daher sei der ————— 92;;

Vgl. REIMER, Apologetik, 3. HERMS, Apologetik, 625. 94;; Ebd., 623, Hervorhebung im Original. 95;; Vgl. CHRISTINE MÜLLER über den »Besuch bei einer ›schweigenden Christenheit‹«, in: RATZMANN/ZIEMER, Kirche, 17–21. 96;; SCHREINER, Geist, zit. nach SCHUMANN, Wege, 298. 97;; SCHWEITZER, Antwort, 62; vgl. auch DERS., Aufgaben, 72f. 93;;

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Verkündiger als pontifex gefragt, der Brücken schlägt zwischen den Sprachwelten wie ein Heidenmissionar. Erstaunlicherweise wird trotz der behaupteten Radikalität der christlichen Sprachnöte nirgends der Gedanke einer fundamentalen, theologisch zu reflektierenden, aber nicht nur mit Witz, Tücke und besserer Methode zu behebenden bleibenden Sprachlosigkeit wieder aufgenommen. In systematisch-theologischer Perspektive war die unhintergehbare und unverfügbare Sprachnot sehr früh und inzwischen klassisch von Karl Barth beschrieben worden: »Wir sollen als Theologen von Gott reden. Wir sind aber Menschen und können als solche nicht von Gott reden. Wir sollen Beides, unser Sollen und unser Nicht-Können, wissen und eben damit Gott die Ehre geben.«98 Dieser Überlegung zur Grenze menschlichen Sprachvermögens begegnet man in der gegenwärtigen Debatte nicht, vielmehr wird Sprachfähigkeit im Glauben ganz zu den menschlichen Herausforderungen und Möglichkeiten gerechnet und manchmal im Rahmen einer impliziten Verfallstheorie von früheren, scheinbar besseren Zeiten negativ abgegrenzt. Heute sei zu beobachten, »dass die Christen und die Kirchen nicht mehr verständlich verkündigen und die befreiende Wahrheit des Glaubens nicht mehr angemessen im gesellschaftlichen Diskurs zur Sprache bringen können.«99 Allein der aus den erhofften Diskursen folgende oder weiter verweigerte Glaube wird als unverfügbar hervorgehoben. Der schon vorhandene Glaube, der überzeugend weitergesagt werden soll, steht häufig unter dem negativen Verdacht, kein richtiger Glaube mehr zu sein oder nicht mehr zweifelsfrei genug zu wirken. In den überbordenden Zumutungen an christliche Selbstmitteilungskräfte in den missionarischen Diskussionen und damit in recht regelmäßigen Überforderungen der Christenleute, nicht nur der professionellen, verbirgt sich ein Grund des Scheiterns unzähliger missionarischer Programme.100 Glaube ist immer unverfügbar, für alle an Missionen und Apologien Beteiligten. Die Sprachnöte greifen weiter, als es in den Auseinandersetzungen um die Auswärtigen Ämter der Christenheit scheint. Sie sind mit simplen methodischen oder strukturell-organisatorischen Rezepturen nicht zu behe-

————— 98;;

BARTH, Wort Gottes, 43, Hervorhebung im Original. SCHNEIDER-FLUME, Glaube, 71, Hervorhebung D.G. Vgl. das Rekurrieren auf Gottes Wirksamkeit mitten im menschlichen Versagen 202f: »Nicht die 20 oder 25% verbleibenden Kirchenmitglieder machen die Krise der Kirche aus, sondern die Verzagtheit und Unfähigkeit zum Erzählen der Geschichte des Gottes, der in der Krise lebendig ist und wirkt.« 100;; Vgl. zur Behauptung des Scheiterns diverser missionarischen Programme ECKERT u.a., Mission, 93, und HAUSCHILDT, Aufgaben, 144. 99;;

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ben.101 Es geht um die grundlegende, genauer grundstürzende Frage, wie Glaube überhaupt bewahrt und überliefert werden kann: Der christliche Glaube ist von der Sprachlosigkeit bedroht – nicht weil ihm die Worte fehlten, sondern weil ihm die rechten Worte fehlen. Die den christlichen Glauben bedrohende Sprachlosigkeit ist zugleich eine elementare Bedrohung der Sachlichkeit des christlichen Glaubens. Denn die Sache des christlichen Glaubens drängt zur Sprache.102

Im Fazit über den grundlegenden Konsens über die missionarischen und apologetischen Sprachdefizite wird anschaulich, was Rudolf Bohren mit der sprachlosen Kirche meinte, die gerade in ihrer Sprachlosigkeit äußerst beredt sei.103 Das quasselnde Verstummen wurde von Götz Harbsmeier im Anschluss an Bohrens Dialektik weiter differenziert. Als Grund für das Versagen, hier speziell von Predigten, nimmt er weniger einen Mangel, als vielmehr Sprachverwirrung und Sprachinflation an: »Uns fehlen nicht die Worte. Wir haben zu viele Wörter.«104 Naheliegend und doch zu hinterfragen ist der Reflex, die Mediengesellschaft mit ihrer ununterbrochenen und schier ununterbrechbaren Kommunikation als Gegenüber und Quelle allen Übels anzusehen. Peter Sloterdijk etwa, der Modernität wesenhaft als »Medienzeit, Kommunikationszeit, Selbstvermittlungszeit«105 identifiziert, folgert für die Wirkungsmöglichkeiten Gottes: Angesichts einer solchen Welt hätte es auch ein Gott ziemlich schwer, Aufmerksamkeit zu erregen, da er, um sich zu offenbaren, sich selbst ans Netz anschließen und message werden müßte – eine Aufgabe, die im alten Inkarnationsstil kaum noch zu leisten wäre.106

Die überbordenden Kommunikationsmengen – Harbsmeier hatte gefolgert – »Wir haben zu viele Wörter.« – sind für sich genommen noch kein Argument gegen gute Worte. Die Herausforderungen bestehen darin, sie zu finden, sie zu Gehör zu bringen. Dieser Vorgang ist gefährlich erschwert. Auch wenn im Moment offen bleiben wird, wer genau »wir« sind – die Kirchen, die Christenmenschen, die Kirchenleitungen, die Theologen107 – gerade darin ist Harbsmeier nach einem ersten Durchgang durch die Kom—————

101;; In der Praktischen Theologie wird zur Behebung homiletischer Belanglosigkeit beispielsweise immer wieder der Ruf nach »›mehr Literatur‹« laut. Vgl. kritisch dazu: BAUKE-RÜEGG, Poetik: hinterer Klappentext. 102;; JÜNGEL, Sache, 81f. Vgl. auch GRÖZINGER, Sprache, 68. 103;; Vgl. BOHREN, Predigtlehre, 38–43. 104;; HARBSMEIER, Homiletik, 487 und 493. 105;; SLOTERDIJK, Weltfremdheit, 106. 106;; Ebd., 107f. 107;; Vgl. zum »wir« Kap. 2.3.5.

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munikationsergebnisse zur Sprachlosigkeit zuzustimmen: Wenn irgendjemand irgendwann irgendwo ertrinken kann, dann in der Wortflut über die Sprachlosigkeiten, in der Menge der unkoordiniert nebeneinander hervorbrechenden Publikationen zu missionarischen Versuchen. Sinnvolle apologetische Bemühungen könnten im Keim in der Fülle der Mangelbeschreibungen ersticken. So nehmen alle teil an der Mediengesellschaft, und Sloterdijks Bedenken sind in dieser Hinsicht berechtigt. Eingangs war die Radikalität der Sprachlosigkeit mit derjenigen angesichts des Todes verglichen worden. Was haben Tod, Mission und Apologetik aber miteinander gemein? Es sind ihre Beziehungs- und Verhältnislosigkeiten, die sich als sprachliches Wüten äußern. Wesentliche Gründe gegenwärtiger Sprachlosigkeiten sind in der mangelnden Reflexion sprachlicher Relationen zu suchen. Das nächste Teilkapitel fragt daher nach den sozialen Qualitäten der großen Wortquantitäten. 2.1.2 Sprachwut Die Ursachen der beschriebenen, allgemein erkannten Sprachlosigkeiten sind zahlreich und finden eine zusammenfassende Problemanzeige im oft bemühten »Reizwort«108 Mission bzw. im ständigen Rekurs auf die Feststellung, dass schon die Bezeichnung Apologetik ein Vorhaben vor seinem Beginn als suspekt bis verwerflich brandmarkt. Frühere Formen der Apologetik wurden beispielsweise als »Fortsetzung der Inquisition mit anderen Mitteln«109 beurteilt. Die negative Wahrnehmung der Begriffe hat ihrerseits eine ehrwürdige Tradition, die nach Jahren der völligen Wortmeidung auch wieder eine Renaissance erlebt. Schon vor gut einhundert Jahren bemerkte Martin Rade, dass er nicht davon zu überzeugen sei, dass »›theoretische‹ oder ›wissenschaftliche Apologetik‹ etwas anderes als ein Nonsens ist, eine contradictio in adiecto.«110 – »Nein, man weckt nicht Glauben, indem man ihn zum Gegenstand wissenschaftlicher Verteidigung herabsetzt.«111 Die Hinweise auf die Reizworthaftigkeit sind Legion und leiten regelmäßig die Rede über künftige Mission ein. Den Sprachlosigkeiten korrespondieren Wortfluten, die diese Sachverhalte beschwören, vertiefen und befestigen und in immer neuen Metaphern fassen: Das Wort gilt als »a polluted ————— 108;;

Vgl. HAUSCHILDT, Heft, 125; WROGEMANN, Mission, 15. KORTZFLEISCH, Wege, 386. Vgl. auch HAACK, Apologetik, 19, der den »Wortwechseln« nachgeht: Apologetik sei noch 1874 Titel gewesen, aber einhundert Jahre später nicht mehr. Zum traditionell unguten Klang des Wortes vgl. SCHUMANN, Wege, 289. 110;; RADE, Bedenken, 424f. 111;; Ebd., 427. 109;;

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term«112 oder, ästhetisch-poetischer, das Nachdenken über Mission gleiche dem Betreten eines verwilderten Gartens, mit Blumen, Früchten – und viel Unkraut. Im Ganzen sei es ein Dickicht.113 Es entsteht der Eindruck, die leitenden Worte haben sich im Laufe ihrer Geschichten und Wirkungsgeschichten restlos aller positiven Assoziationen entledigt, so dass der auch positiv zu begreifende Sachverhalt, überhaupt nur mit Reizworten in einer medial gefluteten Kommunikationslandschaft Aufmerksamkeiten zu erlangen und Impulse für innovative Diskurse zu geben, kaum Beachtung findet. Gemäß dem Ausschuss der Arnoldshainer Konferenz, der zu den Themen Evangelisation und Mission gearbeitet hat, soll aber der »›Kampf um die Aufmerksamkeit‹ des Zeitgenossen«114 nicht verloren gegeben werden. Mission gilt gegenwärtig besonders in kirchlichen Kommunikationsprozessen an der Basis immer noch als ein »Reizwort«, weil es eine synthetisierende Bezeichnung für »Kolonialismus bzw. Imperialismus«, »Kulturzerstörung«, »Verdacht der Störung des Friedens« und allgemeiner »Verunsicherung der westlichen Christenheit« zu sein scheint, die allem entgegen stehend empfunden wird, was hilfreich und gut ist: »Hochschätzung anderer Religionen«, »kultureller Pluralismus, Versöhnung«,115 Toleranz, Freiheit von Andersdenkenden und weiteren wesentlich westlichen Werten. Eine missiologische Neubestimmung erscheint geboten und wird entweder durch epochale Grenzziehungen betont: »Today we recognize that the missionary era begun in the fifteenth century […] has come to an end [… and] a new age of mission has begun.«116 Oder das Ende des imperialen Zeitalters scheint noch nicht einmal in Sichtweite, wenn Dietz Lange meint, dass die »religiös imperialistische Weise, christliche Mission zu betreiben, auch nach dem Ende des kolonialen Zeitalters keineswegs überall verschwunden«117 sei. Dass beide vorauszusetzenden Situationsanalysen in Kombination zutreffend sind, lässt sich an den sprachlichen Konservierungen problematischer missionarischer Wirklichkeitsverständnisse zeigen, die sich aus dem letzten und vorletzten Jahrhundert erhalten haben. Tendenzielle Affekte gegen alles, was missionarisch und apologetisch wirken will, speisen sich neben den berechtigten Aversionen gegen die unsäglichen Missionsmethoden der Vergangenheit zu einem bislang unterschätzten Teil aus dem sprachlichen Wüten im Zusammenhang mit scheiternden Missionsideen und apologeti————— 112;;

WELKER, Existenz, 413, Hervorhebung im Original. Vgl. EKD, 1999, 11. 114;; AUSSCHUSS DER ARNOLDSHAINER KONFERENZ, Evangelisation, 18. 115;; F. HUBER, Ansätze, 347. 116;; BEVANS/SCHROEDER, Constants, 397, zitiert nach F. HUBER, Ansätze, 347. 117;; D. LANGE, Heil, 267. 113;;

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schen Absichten, das seine Wirkungen bis in die jüngsten Veröffentlichungen hinein entfaltet. Diesem Effekt begegnet man etwa bei Wilhelm Gräb, der für Kirchenreformen plädiert, die die Kirche weder defensiv-apologetisch, noch missionarisch-wahrheitsabsolutistisch, sondern kommunikativ und wahrnehmungsoffen auf eine Gesellschaft hin orientiert, die ihr – gerade im Osten – nominell mehrheitlich nicht mehr zugehört,118

Die Geschichte von Mission und Apologetik ist nachzuzeichnen als Geschichte der Wut, nicht nur über den verlorenen Groschen, d.h. nicht nur über weniger werdende finanzielle Mittel für Gemeinden und Kirchen, sondern als Geschichte der Wut über die verlorenen Menschen, die der Kirche inaktiv desinteressiert gegenüber stehen und damit – gelegentlich gegen alle sonstigen theologischen Überzeugungen – als von Gott Verlorene interpretiert wurden und noch werden. Man wird der Empörung und Verbitterung ansichtig, die einen vielfältigen sprachlichen Ausdruck gefunden haben. Sie halten – trotz einem Wandel der Begrifflichkeiten – bis heute an. Der Bischof der Pommerschen Kirche beschreibt 1998 diesen Zustand sehr pointiert und vor allem ehrlich: Bestimmte Gläubige »befinden sich mit ihrer Zeit und ihrer Gesellschaft im Krieg, und in jeder anderen Meinung, die ihnen begegnet, sehen sie eine Feindin des Glaubens.«119 Selbstkritisch gibt er zu, diesem problematischen Fundamentalismus auch selbst nicht zu entgehen. Das missionarische Sprachwüten wird im Folgenden an wenigen Beispielen aus einer großen Fülle von Texten verdeutlicht. Es entscheidet nicht auf nebensächliche Weise über das Wohl und Wehe von Mission und die potenziellen Möglichkeiten von Akzeptanz und Rezeptionsbereitschaft, wenn Michael Welker 2001 wettert: Der geistliche Bildungsverfall, die Ignoranz gegenüber dem Glaubenswissen, der religiöse Analphabetismus muss in seiner Kraft der Zerstörung und Verblendung erkannt werden.

Er plädiert für theologische und geistliche Initiativen gegen die religiöse Volksverdummung und Selbstverdummung120

wie es die Reformation im 16. Jahrhundert gewesen sei. Welker sieht die großen Worte des Glaubens nicht mehr mit dem gegenwärtigen kulturellen Gedächtnis vermittelt. Zu bezweifeln ist freilich, ob durch solche, zwar verständlichen, aber kaum konstruktiven Wutausbrüche über den so ge————— 118;;

GRÄB, Wahrnehmung, 254. E. BERGER, Handeln, 64. 120;; WELKER, Selbst-Säkularisierung, 21. Vgl. auch DERS., Glaube. 119;;

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nannten und allseits festgestellten »Traditionsabbruch« die beklagten Zustände verbessert werden. Das sprachliche Wüten begegnet einem in missionsinteressierten und Apologetik reflektierenden Kreisen, die sich nicht allein auf der evangelikalen Seite der klassischen Diastase zwischen Weltverneinung und Kulturverschmelzung finden. Das wortmächtige Wettrüsten fand nicht nur in neopietistischen oder positionell-positivistischen Zirkeln statt, sondern z.B. auch unter liberaleren Theologen: »Kriegskunst!« Wirklich, ich will lieber im Namen des Christentums und der christlichen Theologie über Kriegskunst oder Kriegswissenschaft lesen, als über Verteidigungskunst. Aber ich möchte auch diesen Titel lieber der Praktischen Theologie überlassen, er schmiegt sich ihrem Interesse besser an.121

Die Wortmoden der Zeit entwickeln immense Kräfte, die anderen, evangelischen Intentionen häufig starke Konkurrenz machen. Die Wirkmächtigkeit und Persistenz sprachlicher Bilder lässt sich in der Missionsgeschichte deutlich studieren. Die Wortgefechte florieren im 20. Jahrhundert immer auch noch lange nach den Weltkriegen.122 Kurt Aland schrieb 1948 in seiner »Apologie der Apologetik« über sie: Sie ist überhaupt Angriff. Angriff auf die Irrtümer der Zeit, Angriff auf die Gegner des Christentums, Angriff auf Abweichungen von der in der Reformation erkannten Wahrheit, ebenso wie Mission Angriff ist. Das war schon in der Alten Kirche so.123

Friso Melzer, Basler Missionar, der sich in der Mitte des 20. Jahrhunderts gründlich mit der Pflege der Sprache beschäftigt hat, verbindet dialektisch, aber äußerst problematisch seine Unversöhnlichkeit mit der Einsicht in den Unterschied zwischen Evangelium und weltverfallener Sprache: Wir werden sorgfältig darauf achten, wo und wie die Welt gegen die Sprache der Kirche zu Felde zieht, und werden der Gemeinde helfen, die Tücke des Angreifers zu erkennen. Wir werden den Gegner entlarven und seine Angriffe dadurch weithin abschlagen können, daß wir der Gemeinde deutlich sagen, was die heiligen Wörter der kirchlichen Sprache meinen. […] so daß auf dem Wege der Wörter möglich wird, was die Welt in ihrem Haß nicht kann: einander zu achten und sachgemäß zu begegnen.124

Aber auch in weniger (nach-)kriegerischen Zeiten, die insgesamt als wesentlich harmloser gelten, ist der Sprachkampf unvermindert heftig: ————— 121;;

RADE, Bedenken, 428. Vgl. auch PAUL BLAU, in: FÜLLKRUG, Handbuch, 172, zu den »Kriegsaufgaben der Apolo-

122;;

getik«.

123;; ALAND, Apologie, 22. THOMAS GANDOW empfiehlt die Lektüre von ALAND ohne auf die Sprachproblematik einzugehen, vgl. GANDOW, Apologie, 5. 124;; MELZER, Neuwerden, 43.

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Die Kirche wird darauf verzichten, das Evangelium verteidigen, andemonstrieren oder vernünftig machen zu wollen. Die dem Evangelium zugeordneten Verben können nur »verkündigen« und »angreifen« heißen, nicht aber »beweisen« und »verteidigen«.125

Das kämpferische bis streitsüchtige Vokabular beeinflusst auch die exegetischen Erkenntnisse maßgeblich. Unübersehbar ist vor allem anderen der hochgradig selektive Umgang mit dem Reichtum der biblischen Überlieferungen. Insgesamt sieben Verse, Mt 28,16–20 und 1Petr 3,15f, waren nicht selten der sehr überschaubare Ausgangspunkt für sehr weit reichende theoretische und praktische Konsequenzen. Allzu lange nannte man z.B. die Passage über die ihrem Herrn ins Angesicht zweifelnden Jünger und die Trostworte Jesu in Mt 28,16–20 einen »Missionsbefehl«. Erst in den jüngsten Debatten werden alternative Verständniswege eröffnet, seien es neue Interpretationen von Mt 28 oder bislang überlesene biblische Texte.126 Ähnliches gilt für die permanent bemühte Hauptbeweisstelle der Notwendigkeit von Apologetik 1Petr 3,15f. An dieser Stelle überrascht besonders, wie häufig sie ohne Vers 16 zitiert wird, obwohl der unmittelbare Textzusammenhang eine Unterteilung aus exegetischer Perspektive nirgends rechtfertigt. Bemüht man aber diese Stelle als locus classicus für die Begründung von Apologetik schlechthin, dann gehören die evangelischen Bedingungen unumgänglich dazu: »mit Sanftmut und Ehrfurcht« bzw. mit »Güte und Gottesfurcht« soll diese Rechenschaft abgelegt werden.127 Nach allem, was über den 1. Petr bekannt ist, sind dabei idyllische Zustände nicht vorauszusetzen und nicht zu erwarten. Wahrscheinlich geht es um »das Zusammenleben mit einer unfreundlichen Umwelt, in dem es vor allem um eine loyale und für andere offene Haltung geht. Dabei ist der Verzicht auf jegliches ›Zurückschimpfen‹ noch revolutionär genug.«128 ————— 125;;

G. MÜLLER, Diakonie, 212. Vgl. SUNDERMEIER, Dialog, 18. Er sieht als zentrale Missionsverheißung Mt 5 an: Ihr seid das Licht der Welt. Ihr seid das Salz der Erde. Vgl. auch ebd., 41, Hervorhebung im Original.: Er übersetzt Mt 28,19: »›während‹ ihr unterwegs seid«. Vgl. SCHROETER-WITTKE, Ver-Fahren, 156: »Es gibt keinen Missionsbefehl«. Vgl. auch Kap. 5.1.3. 127;; Eine Durchsicht der gebräuchlichen Bibelübersetzungen führt zu einem recht einstimmigen Ergebnis für 1Petr 3,16. Im Griechischen heisst es ȝİIJ ʌȡĮ IJȘIJȠȢ țĮ ij ȕȠȣ (Novum Testamentum Graece). Diese Passage wird folgendermaßen übersetzt: »mit Sanftmut und Ehrfurcht« (Zürcher Bibel), »mit Sanftmut und Gottesfurcht« (Übersetzung MARTIN LUTHERS), »bescheiden und ehrfürchtig« (Einheitsübersetzung), »mit Sanftmut und Ehrerbietung« (Revidierte Elberfelder Bibel), »avec douceur et respect« (TOB) und »with gentleness and respect« (Good News). LOSCALZO, Apologizing, 413, übersetzt: »with gentleness and reverence«. KNOCH, Petrusbrief, 97, erklärt »Freundlichkeit und Gottesfurcht« als »Haltungen einfühlsamer Heilssorge für den heidnischen Mitmenschen«. E. SCHWEIZER, Petrusbrief, 66 übersetzt »mit Milde und Ehrfurcht«. 128;; Ebd., 69. 126;;

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Freundlichkeit und Entschiedenheit werden auch künftig komplementär zusammenhängen, denn Güte und Sanftmut gehören zur evangelischen Bestimmtheit. Das Versagen missionarischer und apologetischer Programme wird schon qua versagender Sprache antizipiert. Drei Aspekte dieser Sprache sollen genauer untersucht werden: die unbedachte Dauerforderung nach zeitgemäßer Sprache (1), die weitere Vermeidung der Begriffe (2) und die Menge definitorischer Reformversuche (3). Selten werden auch theologische Gründe für den sprachlichen Furor in Betracht gezogen (4). (1) Die wohlfeile Forderung nach zeitgenössischer Sprache, die auch in missionstheoretischen Kontexten immer wieder erhoben wird, ist zu hinterfragen. Die genannten Stichproben zeigen, dass gerade in der zeitgenössischen Verhaftung an die Wortgewohnheiten ein wesentliches Hindernis für die gelingende Weitergabe des Glaubens liegt. Zeitgenössisch hieß im 20. Jahrhundert vor, während und nach den Kriegen allzu oft: kriegerisch. Selbst Aland, schon in dieser Schrift Chirurg unübersehbarer Textmengen, reflektierte seinen eigenen Sprachgebrauch und Tonfall nicht einmal ansatzweise. Im Rückblick auf das vergangene Jahrhundert bekommt der Aufruf zu mehr sprachlicher Nähe zu den Zeitgeistern einen unbemerkten, ironischen Unterton. Auch die gegenwärtige Missionsliteratur, insbesondere die von Kirchenleitungen empfohlene »Praxisliteratur«,129 thematisiert die Sprachprobleme häufig als unverständlich gewordene Fachsprache gegenüber einer modernen bzw. zeitgemäßen Sprache, meist ohne nähere Angaben zu ihrem Charakter. Aber die eine Sprache gibt es nicht. Schon auf sprachlicher Ebene existiert die häufig beschriebene Milieuabhängigkeit. In der Vielfalt der Fach-, Sonder- und Milieusprachen fällt die theologische Begriffswelt nicht einfach durch Unverständlichkeit auf, sondern durch die Herausforderung, besonders wirkungsreiche Worte zu interpretieren. Neben dem Alter und dem mehr oder weniger breiten Verständnisgraben ist es vor allem die Fülle der Ambivalenzen aus wirkungsgeschichtlichen Gründen, die die theologische Sprachlehre vor immer neue Aufgaben stellt. Albrecht Beutel legt den Finger in die Wunde, die tiefer geht als die Feststellung mangelnder Zeitgemäßheit: Eben dies aber: das Evangelium heute verständlich zu machen, bedeutet mehr denn je ein Problem. Die gegenwärtige Situation ist insofern verändert, als die zentralen christlichen Wörter und Wendungen inzwischen durchaus bekannt sind: Bei den

—————

129;; Vgl. EKIR, Volkskirche, 43. Dort wird Literatur von HANS-HERMANN POMPE, KLAUS DOUGLASS, BURGHARD KRAUSE und KLAUS JÜRGEN DIEHL genannt.

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allermeisten gehören sie zum passiven Wortschatz, jedoch bei den wenigsten auch zu ihrem aktiven. Was eigentlich fremd geworden ist, sind also nicht die Wörter, sondern die Sachen der Religion. Der Versuch einer möglichst profanen sprachlichen Einkleidung der Religion hilft in solcher Situation nicht weiter und wird auch von den meisten als ein missionarisches Täuschungsmanöver durchschaut. Die Aufgabe gegenwärtiger christlicher Rede besteht nicht mehr darin, einen unbekannten Inhalt bekannt, sondern einen bekannten Inhalt relevant zu machen.130

Macht man aber die – im doppelten Sinne des Wortes – reizenden Worte Mission und Apologetik ihrem mehr oder weniger bekannten Inhalt nach einfach wieder öffentlich, droht das Verdikt künftiger Unzumutbarkeit.131 Nach Andreas Feldtkeller ist Mission nicht ohne Grund tabuisiert worden, sondern aus einer gesunden Zurückhaltung, die hoffentlich allen sensiblen Menschen eigen sei, wenn Mission sich in ein Kommando verwandle.132 (2) Um den kriegerischen Assoziationen gänzlich zu entgehen, wurden die Reizworte jahrzehntelang recht gründlich gemieden, wobei die frömmigkeitsstilistischen und diktaturbedingten Ausnahmen133 diese Regel bestätigen. Der jahrzehntelange Nichtgebrauch des Missionsbegriffes erlöst ihn freilich gerade nicht von den Lasten der Vergangenheit, sondern zeigt vielmehr, dass am Anfang des 21. Jahrhunderts keine Situation ab ovo anzutreffen ist, auch wenn lange Zeit in still schweigender Übereinkunft Enthaltsamkeit geherrscht hat. Durch den langen Nichtgebrauch des Wortes wird die Gefahr offensichtlich, dass sehr alte Vorurteile und Missverständnisse unter allen Beteiligten jetzt wieder reichlich kommuniziert werden. Der völlige Verzicht auf so prominente Grundbegriffe wie Mission erscheint nun aber im Rückblick als aktive Verwahrlosung, als habe man das Wort denen überlassen, »die damit ihr theologisches und kirchenpolitisches Unwesen treiben«,134 so dass ursprünglich kommunizierte Wahrheiten verloren gingen. Die Bearbeitung der Wirkungsgeschichten wird umso dringlicher, je länger ein mächtiges Wort tendenziell unbenutzt gleichwohl seine negativen Bedeutungen behielt und geradezu magnetisch-anziehend auf Vorurteile und negative Unterstellungen reagierte. ————— 130;;

BEUTEL, Sprache, 22. Vgl. EKD-KIRCHENAMT, Kirche, 7. 132;; Vgl. FELDTKELLER, Pluralismus, 26f. Vgl. zur Diskriminierung der solcherart nicht Angesprochenen Kap. 3. 133;; Vgl. den Gebrauch des Wortes Mission als »Zeigerpflanze« im »Hauwald« vor den Renaissancen bei REINBOLD, Propaganda, 9, und zum Gebrauch in der DDR z.B. GOTTFRIED KRETZSCHMAR/E. WINKLER, Gemeinde, 199–201. 134;; SCHROETER-WITTKE, Ver-Fahren, 155. 131;;

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(3) Unmittelbare Konsequenz der Sprachwut ist der gegenwärtige Wortbedeutungsreformeifer, der sich als widersprüchliche Definitionsflut äußert. Mission und Apologetik entziehen sich einem konsensfähigen definitorischen Zugriff durch die pure Menge und bleibende Pluralität vorgeschlagener Interpretationen. Beide Begriffe sind im theologischen Diskurs inzwischen »autoreferentiell«,135 d.h. sie haben genau diejenige begrenzte Bedeutung, die sich aus jeweils selbst gewählten Zusammenhängen ergeben. Mission und Apologetik sind demnach immer noch präzise, aber nun »kontextsensible«136 Worte. Die Fülle solcher Interpretationsvorschläge ist hier nicht noch einmal wiederzugeben.137 Sie verlangt seit einiger Zeit nach Kategorisierungen,138 die ihrerseits wieder nebeneinander zur Diskussion stehen. Dadurch verschärft sich die Frage, wie aus massenhaften, autoreferentiellen Festlegungen gemeinschaftlich diskutables und damit brauchbares Wissen entstehen kann. Keine Gemeinschaft, geschweige denn eine Gesellschaft, kommt ohne intersubjektives, überindividuelles und als solches institutionalisiertes Wissen aus, das dem einzelnen Menschen dann als kulturspezifisch verfestigte, als »äußere«, ihm vorgegebene, »objektive« Realität erscheint.139 Sodann ist aber die Tatsache, dass konsensfähige Definitionen zum Scheitern verurteilt sind, keinesfalls zu beklagen, sondern positiv zu würdigen. Gerade durch die Fülle an Material zu den beiden besetzten Begriffen eignen sie sich zur exemplarischen Analyse von Wortgebrauchsmöglichkeiten und hermeneutischen Umgangsformen für alle wirkungsgeschichtlich gefüllten und beladenen theologischen Grundbegriffe. Denn nach einer zweitausendjährigen Geschichte des Christentums sind die wesentlich christlich mitgestalteten Worterbstücke vielfältig geprägt und die kaum zu fassende Mächtigkeit von Worten erscheint in den Wirkungsgeschichten von Gott und Welt, Tod und Teufel, Himmel und Hölle. Die Außenministe—————

135;; REINBOLD, Mission, 77 über den Missionsbegriff: »In Theologenkreisen ist es mittlerweile ein autoreferentielles Wort geworden: Es hat genau die Bedeutung, die ihm der Autor und die Autorin jeweils gibt.« Vgl. auch die lange Liste und die Widersprüchlichkeit der Missionsdefinitionen bei REINBOLD, Propaganda, 7f. 136;; HÖRISCH, Sinn, 391. 137;; Vgl. REINBOLD, Propaganda, 7–10. 138;; Vgl. zur Mission: F. HUBER, Ansätze, 348–354, und HAUSCHILDT, Mission, 502–505 zu den drei Kategorien fundamental, dimensional und sektoral. Vgl. für die Apologetik: HUMMEL, Modelle, 6–13, und NÜCHTERN, Apologetik ist nötig, 16. Grob sind die Typen der Apologetik danach zu unterscheiden, ob eher grundsätzlicher Kontrast zur umgebenden Lebenswelt angenommen wird oder, im Gegenteil, eher allüberall religiöse oder mindestens religioide Spuren gewähnt werden. 139;; Vgl. LAMPE, Theologie, 202f, zur Berechtigung, von »objektiv« zu sprechen: »›Objektiv‹ ist die konstruierte Realität (= Wirklichkeit) für Konstruktivisten insofern, als sie eine intersubjektive, gesellschaftliche, soziale Realität darstellt.«

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rien der Christenheit sind weit reichende Exempel, weil sie nicht nur kleine »Tütendefinitionen« und »Breiworte«,140 sondern große, gefüllte »Containerbegriffe« sind. Bevor aber den dadurch möglich werdenden zahlreichen Wortwechseln nachgedacht wird, sollen noch genuin theologische Gründe sprachlichen Zorns ins Blickfeld gerückt werden. (4) Die später noch hinsichtlich der Adressaten ausführlich anzutreffende Sprachwut ist auch zu begreifen als Reaktion auf die vielfältigen »Vergeblichkeitserfahrungen«.141 Diese Vergeblichkeitserfahrungen werden zwar selten explizit, sind aber allgegenwärtig.142 Christlicher Glaube ist und bleibt etwas Unerhörtes. Die entstehenden Aggressionen entluden sich früher in Gewalttätigkeiten. Jetzt gilt es, »den Verzicht auf die in diesen Kämpfen verletzendste Waffe, den Spott«143 zu üben. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass Erfolglosigkeit bei der Glaubensvermittlung viele Gründe in den neuzeitlichen, gesellschaftlichen Zuständen hat, aber keineswegs alle. Soziologische und theologische Einsichten ergänzen einander an dieser Stelle erst zu einem vollständigen Bild der Ursachen. Von den Anfechtungen angesichts des bleibenden Restes an fundamentaler Unverfügbarkeit über das Gelingen liest man in den aktivierenden Schriften der Kirchenleitungen nur wenig. Sie begegnen einem in ihrer Widerständigkeit gegen die Machenschaften des homo faber in der Christenheit am ehesten in den Missionswissenschaften. Werner Ustorf berichtet von der grundlegenden Erfahrung, »nicht [zu] wissen, was zu beten ist und der Zusage, daß Gottes Geist übersetzt, was Sprachverlust und Nichtwissen nicht sagen können«.144 Der Missionswissenschaftler ruft dazu den aussagekräftigen Begriff von der »Verwundbarkeit« von Jochen Margull in Erinnerung: »Verwundbarkeit zeigen die Missionen in ihrer Sprachlosigkeit angesichts der postindustriellen Moderne. […] Verwundbarkeit schließlich besteht als Nichtwissen, als Schweigen im Blick auf die fortdauernde Anwesenheit der Religionen.«145 ————— 140;;

Vgl. H. G. PÖHLMANN, Abriss, 138: »Tütendefinition« und DERS., Apologie, 75: »Brei-

wort«.

141;; EKD-KIRCHENAMT, Kirche, 7. Vgl. auch REINBOLD, Propaganda, 351, der Vergeblichkeitserfahrungen in seine Berechnungen zu den mutmaßlichen Wachstumszahlen der ersten Generationen von Christen einbezieht. Vgl. dazu auch Lk 5,1–11: Petrus wird aus dem Muster von Vergeblichkeit und Erfolg gänzlich herausberufen. Er hat die ganze Nacht nichts gefangen und soll wieder losfahren. Er fängt dann sehr viel, um unmittelbar danach das übervolle Boot zu verlassen. Es sollen nicht länger diese Koordinaten sein, die sein Leben bestimmen, sondern ein Neues, ein Anderes, ein Vertrauen auf Gott, das daneben liegt, neben Erfolg und Misslingen. 142;; Vgl. KRÖTKE, Kirche, 159. 143;; TROELTSCH, Mission, 791. 144;; USTORF, Missionswissenschaft, 111. 145;; Ebd., 137, mit Bezug auf MARGULL, Verwundbarkeit, 410–420.

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Letzten Endes stehen dahinter die bleibend unbewältigten Probleme der Verstockung und des Gottesschweigens, vgl. nur Mk 4,11f mit Bezug auf Jes 6,9f: Höret und versteht’s nicht: sehet und merket’s nicht! Verstocke das Herz dieses Volks und laß ihre Ohren taub sein und ihre Augen blind, daß sie nicht sehen mit ihren Augen noch hören mit ihren Ohren noch verstehen mit ihrem Herzen und sich nicht bekehren und genesen. Gerade der Rekurs auf solche Überlegungen könnte die typisch neuzeitliche »Übertribunalisierung« lindern, vor der neuzeitliche Menschen, und seien es auch gute Missionare und Apologeten, nicht gefeit sind. Odo Marquard beschreibt mit »Übertribunalisierung«, »daß fortan der Mensch als wegen der Übel der Welt absolut Angeklagter – vor einem Dauertribunal, dessen Ankläger und Richter der Mensch selber ist – unter absoluten Rechtfertigungsdruck, unter absoluten Legitimationszwang gerät.«146 Das lässt sich leicht auf neuzeitliche Christenmenschen übertragen, so dass fortan der Christ als wegen der Übel der Kirche, der Mission absolut Angeklagter – vor einem selbsterrichteten Dauertribunal, dessen klagende Kirchenleitung und kritischer Zeitgenosse er zugleich selber ist – unter absoluten Erfolgsdruck, unter absoluten Selbstverantwortungszwang gerät. Was zuvor noch Gott geklagt wurde: Herr, wie lange? (Jes 6,11), ist nun nicht nur zur berechtigten Hälfte, sondern gänzlich Gegenstand kirchenpolitischer Visionen: »Im Jahre 2030 ist die evangelische Kirche nahe bei den Menschen. Sie bietet Heimat und Identität an für die Glaubenden und ist ein zuverlässiger Lebensbegleiter für alle, die dies wünschen.«147 Zu kritisieren ist nicht, dass sich die Kirche Ziele setzt. Aber welcher Psalmist glaubte vor zweieinhalbtausend Jahren, garantieren zu müssen, was wenigstens zum Teil von Gottes Gnade abhängt? 2.1.3 Wortwechsel Sprachlosigkeit und Wut sind Ausläufer einer mehr als zweitausendjährigen Wirkungsgeschichte, die nur um den Preis von Wirklichkeitsverweigerung ignoriert werden kann. Unübersehbar ist, daß die eigene Geschichte der Kirche zum Schicksal geworden ist. Die Vergangenheit haftet ihr an wie eine zweite Natur. Ihr kann man sich nicht entziehen, sondern muß sich ihr selbstkritisch stellen, will man keine vermeintliche, sondern seine tatsächliche Identität einholen.148

————— 146;;

MARQUARD, Abschied, 49, zum Ganzen 47–51. EKD-RAT, Freiheit, 49. 148;; LÄMMERMANN, Identität, 238. Vgl. zur Apologetik als Selbstkritik aus wirkungsgeschichtlichen Gründen auch D. GEBHARD, Diakonie, 278–284. 147;;

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Aus den selbstkritischen Passagen der Missionsdiskussionen zu den wirkungsgeschichtlichen Konsequenzen früherer Theorien und Praktiken resultieren derzeit Wortwechsel und zahllose stellvertretende Ausdrücke und Statthalterbegriffe, d.h. sprachliche Konversionen. »Konversionen sind Identitätswechsel im Interesse der Identitätserhaltung und Bestandsvermehrung. Das gilt für Individuen wie für soziokulturelle Großformationen.«149 Konversionen haben also fast immer konservative Gründe: »Konvertiten sind die prototypischen Verräter aus überwältigender Treue. […] Das Recht darauf, sich treu zu bleiben, indem man ein anderer wird, indem man ganz anders wird, indem man Kontakt zum totaliter aliter gewinnt« erklärt Jochen Hörisch an den Konversionen markierenden Namenswechseln: »Aus Jacob wird Israel, aus Saulus Paulus, aus einem russischen Intellektuellen namens Wladimir Iljitsch Uljanow wird Lenin, aus Woytila wird Johannes Paul II.«150 So konvertieren auch Mission und Apologetik aus konservativen Gründen ihre Bezeichnungen. Im Folgenden werden die Konversionsrichtungen genauer auseinandergehalten. Hörisch unterscheidet die Konversionen folgendermaßen: Konversionen erster Ordnung sind die mittlerweile als harmlos geltenden Fälle, in denen man innerhalb eines Systems die Optionen wechselt (also anderes glaubt, andere Währungen hat oder andere Software verwendet als zuvor). Konversionen zweiter Ordnung aber sind solche, in denen die ausschlaggebenden Rahmenordnungen selbst konvertieren und anders werden. Dann findet so etwas wie eine leitmediale translatio imperii statt. An die Stelle religiöser Umorientierungen treten dann monetäre Orientierungen, und monetäre Orientierungen werden späterhin in informationstechnologische umformatiert. […] Das eigentlich Denk-Würdige (oder je nach intellektuellem Temperament: Empörende, Erschütternde, Faszinierende) ist dann, wie elegant sich religiöse Begriffe in ökonomische Termini konvertieren lassen.151

Die Begriffe Mission und Apologetik konvertieren, um gleichzeitig Kontinuität und Entwicklung, genauer: Entwicklungsfähigkeit, zu beweisen. Drei Typen des Wortwechsels sind gegenwärtig anzutreffen: Wenn im Vordergrund die wenigstens teilweise Selbstunterscheidung und damit erhoffte Absolution von den üblen wirkungsgeschichtlichen Konsequenzen steht, werden moderne bis modische Begriffe gewählt. Dabei sind Übersetzungen in nachbarwissenschaftliches Vokabular, besonders in ökonomische Terminologien, beliebt (1). In entgegengesetzter Argumentationsrichtung, aber grundsätzlich mit derselben Neuformatierungsstruktur, werden neue ————— 149;;

HÖRISCH, Sinn, 401. Ebd., 393. 151;; Ebd., 399f. Vgl. ebd. die schönsten der vielen Beispiele: Credo und Kredit, Mission und Emission von Geld. 150;;

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Bestimmungen einer überkommenen, ererbten Begrifflichkeit plausibel gemacht und gegen sich fortsetzenden Missbrauch verteidigt (2). In einer dritten Hinsicht ergeben sich rückblickend stellvertretende Begriffe, die sich in der Interimszeit vor den Renaissancen als Statthalter und Konkurrenz gezeigt haben (3). (1) Manches spricht dafür, den Missionsbegriff zu ersetzen oder jedenfalls nicht weiter forciert zu verwenden. Mission habe in den Urkunden unseres Glaubens keine Entsprechung. Es sei ohnehin ein Begriff der antiken Rechts- und Militärsprache: »Es scheint, als bliebe der Marschtritt der römischen Legionen bis heute untergründig im Wort hörbar.«152 Bei den wörtlichen Ersetzungen von Mission gibt es ältere Vorschläge der 1970er und 1980er Jahre wie »Schalomatisierung der Welt«153 und neuere Empfehlungen wie »herzliche Einladung«,154 um die Friedlichkeit der Unternehmung zu betonen, und fantasievoll-geistreiche Provokationen wie »Mission ist Verschwendung«155 und »Mission als Ver-Fahren«,156 um die Unverfügbarkeit des Gelingens im Bewusstsein zu halten. Heute überwiegen im Wesentlichen Leitworte aus ökonomischen Dimensionen im weitesten Sinne, etwa »Angebot«. Ökonomisch strukturierte und inspirierte Wirklichkeitsverständnisse sind in allen Teilsystemen der Gesellschaft anzutreffen, nicht nur speziell im Wirtschaftssektor. Weil die disparate Fülle von Missionsdefinitionen nicht zu einer Orientierung taugt, schlägt Eberhard Hauschildt »Werbung für den Glauben« vor: Mission, der Handlungsbegriff der kirchlichen Tradition in der gegenwärtigen Debatte, gibt gerade keine deutliche Handlungsrichtung an. Dafür zeigt er etwas anderes: die Komplexität und Vielgestaltigkeit von werbender Kommunikation.157

Gewählt wird bewusst ein nichtkirchlicher Begriff, um mit dieser Außenperspektive genauer auf die üblichen Sprachgebräuche zu blicken, vor allem aber wegen eines weiteren Vorteils. Am säkularen Begriff werde »deutlich, dass auch Mission/Evangelisation ein ambivalentes Handeln ist […]. Evangelisation/Mission ist nicht an sich gut«.158 Dabei wird die Übersetzungsleistung selbst auch reflektiert; das nachbarwissenschaftliche Vokabular soll der besseren Zugänglichkeit dienen und neue Kommunikationsweisen des Glaubens imaginieren helfen.159 ————— 152;;

D. BECKER, Wein, 192, vgl. zum Folgenden ebd., 193. NEUSEL, Mission, 115. 154;; BOSSE-HUBER, Volkskirche, 106. 155;; SCHROETER-WITTKE, Verschwendung, 109. 156;; DERS., Ver-Fahren, 151. 157;; HAUSCHILDT, Potentiale, 54 und 61. 158;; Ebd., 55. 159;; Vgl. ebd., 53. 153;;

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Die Übersetzung traditionell religiös assoziierter Worte in ökonomische Ausdrücke wird aber jeweils auch scharf kritisiert. Eine »herzliche Einladung« ist dagegen zu harmlos, als dass jemand ernsthaft etwas dagegen haben könnte – und wird als Weg vom Regen in die Traufe wahrgenommen. Bernard Reymond fragte schon früher und stellvertretend für viele Einwände: Soll aber dieses unabänderliche Spiel der Synkrese uns dazu führen, unsere Auffassung des Glaubens an die Anforderungen und Grobheiten der Reklamekultur anzupassen?

Der beworbene Gehalt fungiert dann als Kriterium: Meines Erachtens heißt das, dass unsere Kunst der Steuerung dem eigentlichen Inhalt unserer christlichen Kommunikation nicht widersprechen darf.160

Während der Begriff der Mission allzu lange geschont wurde, blickt die Apologetik geradezu auf einen Schatz an kreativen Wortentwicklungen im 20. Jahrhundert zurück, die allesamt ohne ökonomische Nebentöne entworfen wurden: »Eristik«, »intellektuelle Diakonie« in mehreren Varianten, »christliche Gewißheitslehre«, »christliche Weltanschauungslehre«,161 auch die Institutionsbezeichnung »Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen« als späte Nachfolgerin der »Apologetischen Centrale« gehört in das weite Feld begrifflicher Ersetzungen, freilich auch: Unsicherheiten. Die neuen Wortschöpfungen sind nicht unbedingt klärend. Sie haben sich aus Gründen großer Quantität und dadurch wiederum zwangsläufiger Autoreferenzialität nie in den Zielgruppen, auch nicht in einer breiteren theologischen Allgemeinheit, durchsetzen können. Die gleichlautende Begründung für neue Wortsinngebräuche war stets, dass der Begriff selbstredend als zu desavouiert galt, um ihn weiter nutzen zu können. Die Erfahrungen mangelnder Durchsetzungsfähigkeiten neuer Ausdrücke sprechen gegen eine leichtfertige, unbedachte Auswechslung des Missionsbegriffs, der nach Hauschildt ohnehin zu den »großen Sprachbildern der kirchlichen Tradition« gehört und damit ein »aufgegebenes Sprachbild, de facto unausrottbar«162 ist. Für die Apologetik gilt Ähnliches.

————— 160;;

REYMOND, Kommunikationskultur, 268f. Vgl. auch KOCK, Interesse, 98f. BRUNNER, Aufgabe, 176: »Eristik«; JENSSEN, Apologetik, 801–810: »intellektuelle Diakonie«; G. MÜLLER, Diakonie, 209–212: »Diakonie des Denkens«; H. G. PÖHLMANN, Apologie, 81: »Denkdiakonie, die die Liebe gebietet«; STEPHAN, Apologetik, 423f, wieder zitiert bei SCHUMANN, Wege, 290: »christliche Gewißheitslehre« und »christliche Weltanschauungslehre«. 162;; HAUSCHILDT, Aufgaben, 140. 161;;

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(2) Der tendenziell globale und ökumenische Überblick der Missionswissenschaften nötigt zu weiterem Innehalten bei jeglichen Schnellkonvertierungen. Denn wer auf den Begriff der Mission prinzipiell verzichten möchte, weil dieser Begriff durch die Konnotationen von Kulturzerstörung und Kolonialismus zu belastet sei, verliert schnell schon zu Beginn seine Gesprächs- und Gemeinschaftsfähigkeit mit den Kirchen der weiteren Ökumene.163

Gerade Missionswissenschaftler setzen sich für den Erhalt des Missionsbegriffes und eine neue Deutung des Althergebrachten ein.164 Immer wieder hat z.B. Theo Sundermeier darauf hingewiesen, dass die Wahrnehmung von Mission in der nichtwesteuropäischen Welt wesentlich positiver ausfällt, als hierzulande angenommen wird.165 Der alte Begriff Apologetik erlebt in der Systematischen Theologie der Gegenwart eine Relektüre mit neuen Zugangsweisen. 1994 hat Heinrich Ott eine »Apologetik des Glaubens. Grundprobleme einer dialogischen Fundamentaltheologie« vorgelegt, die er folgendermaßen einleitet: Als Titel für das Ganze möchte ich den alten, in der Theologie zeitweise diskreditierten Begriff der Apologetik wieder zu Ehren bringen – nicht der Apologetik des Christentums im besonderen, sondern des Glaubens überhaupt, als einer menschlichen Grundhaltung, die der menschlichen Grund-Situation entspricht.166

Die Aufgabenbeschreibungen für Apologetik innerhalb der Systematischen Theologie sind inzwischen wieder fundamentaler geworden. Eilert Herms beschreibt unter dem Stichwort Apologetik den grundsätzlichen Letztbegründungsmangel bei transzendierendem Orientierungswissen und die daraus resultierenden Herausforderungen, diese Orientierungen in den vorhandenen Kommunikationssituationen dennoch angemessen zur Darstellung zu bringen.167 Michael Roth erörtert »Möglichkeiten und Grenzen der theologischen Apologetik« und schildert die praktischen Auswirkungen sagenhaft weiträumig: Die Aufgabe, vor einem externen Forum Zeugnis abzulegen, erstreckt sich keinesfalls ausschließlich auf die Bereiche, die in den Verantwortungsbereich der institutionalisierten Sozialgestalt der Kirche fallen – zu denken ist hier vornehmlich an die gottesdienstliche Verkündigung –, sondern – nimmt man den protestantischen Begriff von

—————

163;; WERNER, Mission, 560. Die Betroffenen von den Auswirkungen der klassischen Mission haben sich verständlicherweise von ehemaligen Formen und Aktivitäten distanziert. Das Wort Mission soll dennoch keinesfalls aufgegeben werden. 164;; Vgl. WROGEMANN, Mission, 291. 165;; Vgl. SUNDERMEIER, Mission, 13, vgl. auch USTORF, Missionswissenschaft, 111, der u.a. von einer »Erfolgsstory« spricht. 166;; OTT, Apologetik, IX. 167;; Vgl. HERMS, Apologetik, 624, und DERS., Rücken, 506.

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Kirche ernst, der kein hierarchisches Lehr- und Leitungsamt kennt, sondern die Aufgabe der Kirche allen Gliedern der Gemeinschaft überträgt – auf alle Bereiche des Lebens, in denen die Glaubenden von ihrem Glauben Zeugnis ablegen.168

In der praktisch-kirchenleitenden Apologetik wurde besonders der Neuansatz von Walter Sparn rezipiert, der Apologetik als »Aufgabe religiöser Aufklärung« begreift. Nach Lage der Dinge muß damit sowohl die Selbstaufklärung der Theologie über die zeitgenössische religiöse und weltanschauliche Situation als auch um die Aufklärung der Zeitgenossen über die Eigenart und den Ort des Christentums in dieser Situation gemeint sein.169

Sparn weist Pragmatik und Theorie der Apologetik der Praktischen Theologie zu, wo das Anliegen als Herausforderung erkannt wird. Für die Mission gilt Paralleles: »Begriff und Praxis der Mission sind nicht aufzugeben, aber neu zu bestimmen. Sie müssen den Standards offener und gelungener interreligiöser Kommunikation entsprechen.«170 Im kirchentheoretischen Blick auf die Apologetik argumentiert Preul weiter: Apologetik ist eine legitime und notwendige Aufgabe jeder Theologie. Sie hat mit fadenscheiniger Selbstrechtfertigung, Beschönigung oder unsauberer Werbung nichts zu tun. Nur eine unsachgemäß betriebene Apologetik kann dazu pervertieren.171

Ausgehend von belastenden Konnotationen, aber nicht bei ihnen verharrend, stellt Michael Meyer-Blanck aus religionspädagogischer Perspektive der Kirche die »Aufgabe einer selbstbewußten evangelischen Apologetik«, die im Stande ist, deutlich zu machen, dass der christliche Glaube zugleich eine Kulturaufgabe wahrnehmendes und sich von der Kultur und von sich selbst unterscheidendes Denk- und Lebensmodell ausgebildet und jahrhundertelang erfolgreich praktiziert hat: Der Gottesbezug muss nicht nur in seinem Wahrheitsgehalt, sondern in seiner wirklichkeitserschließenden Kraft expliziert werden. Vom Gottesbezug her ergibt sich eine offenere, weiträumigere Kulturwahrnehmung als sie in systemimmanenten Betrachtungen von Wirtschaft, Politik oder Wissenschaft gegeben sind. Es ist die Aufgabe von Theologie und Kirche, den Gottesglauben in seiner bildenden Kraft auch als gesellschaftlich notwendige Selbstunterscheidungsfähigkeit zu beschreiben. Die Wahrheit ist nicht gesellschaftlich konsensfähig, wohl aber die Bildungsnotwendigkeit der Wahrheitsfrage.172

————— 168;;

ROTH, Gott, 1. SPARN, Aufklärung, 155f, Hervorhebung im Original. 170;; PREUL, Gott, 167, Hervorhebung im Original. 171;; DERS., Kirchentheorie, 13. Die Grundsätzlichkeit solcher Aufgaben wird in einer wahrlich fundamentalen Fußnote festgehalten. 172;; MEYER-BLANCK, Religionsunterricht, 3. 169;;

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Die überlieferten Begriffe werden demzufolge nicht nur im Detail anders gedeutet, sondern grundlegend neu interpretiert und kommuniziert. (3) Beide Wortwechsel, dem Begriff und der Sache nach, lenken den Blick auf die lange Geschichte der Statthalterbegriffe. Denn ein Phänomen verschwindet nicht dadurch, dass sein Name nicht mehr genannt werden darf. Glaube wird auch weiter bekannt gemacht und überliefert, auch wenn für diesen Prozess das Wort Mission nicht adäquat erscheint und folglich weggelassen wird. Stattdessen ist beispielsweise die Rede vom »Öffentlichkeitsanspruch des Gottesdienstes in einer ›Nicht-mehr-Volkskirche‹«.173 Es kann auch folgende Übersetzung vorgeschlagen werden: »kirchliche Öffentlichkeitsarbeit […] ist selbst Teil der primären öffentlichen Kommunikation des Evangeliums oder – in klassischer Diktion – Teil des kirchlichen Missionsauftrages.«174 Auch die gesellschaftlichen Umstände lassen gelegentlich im Rückblick die »Stellvertreter« von Mission erkennen: »Die öffentliche Rede der Kirche im Religionsunterricht, im Rundfunk, bei den Kasualien und im Konfirmandenunterricht richtet sich im Normalfall an Halbgläubige oder Ungläubige. Sie ist Mission.«175 In speziell homiletischer Perspektive kann man die Bildung von Statthalterthematiken besonders gut für die Phase der Predigtreformbemühungen von 1890 bis 1920 zeigen. Kritiker der damaligen Predigtpraxis »bemängelten, daß sie nicht die der Kirche Entfremdeten anspreche. […] die Kritik bezog sich nicht nur auf die ungenügende eristische bzw. seelsorgerlichmissionarische Ausrichtung der Predigt.«176 Statt nach einer neuen missionarischen Predigt wurde nach den Unterschieden von Dorf- und Stadtpredigt, nach sozialen, zeitgemäßen oder volkstümlichen, vor allem aber nach modernen Predigten gefragt.177 Gegenwärtig sind ganz parallel zur Aufbruchsstimmung vor einhundert Jahren ähnliche Statthalterbildungen zu finden. Im gewichtigen »Handbuch Praktische Theologie« von 2007 fehlt der Missionsbegriff; stattdessen werden die »öffentliche Kirche« und »Medien« und die ihnen entsprechenden »Phänomene« und »Praxisvollzüge«: »Gemeindeentwicklung«, »Öffentlichkeitsarbeit« und »Predigt – Öffentlichkeit« beschrieben.178 —————

173;; BIERITZ, Öffentlichkeitsanspruch, 103, der mit überwältigender Schärfe die Lage in der DDR wiedergibt. 174;; LOHMEYER, Evangelium, 361. 175;; STEFFENSKY, Träume, 174, zitiert nach MEYER-BLANCK, Religionsunterricht, 3. 176;; WINTZER, Homiletik, 119. 177;; Vgl. den Überblick ebd., 137–183. 178;; GRÄB/WEYEL, Handbuch, 5–10.

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Apologetik konnte schon als »Erwachsenenbildung« fungieren, jedenfalls insofern sich die Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen als »Zulieferer für die Erwachsenenbildung«179 vestand. Siegfried von Kortzfleisch sah die evangelischen Akademien nach dem Zweiten Weltkrieg in der Pflicht und mit der Fähigkeit versehen, ehemals apologetisch genannten Aufgaben nachzukommen.180 Der prominenteste Statthalterbegriff, der in diesem Fall für Mission retrospektiv identifiziert wurde, ist ohne Zweifel die von Ernst Lange angeregte Rede von der »Kommunikation des Evangeliums«.181 Birgit Weyel fragt: »Mission oder Kommunikation?«182 Sie führt zu dieser für sie letztlich rhetorischen Frage aus, dass Ernst Lange »Kommunikation des Evangeliums« 1964 als »Leitbegriff für die Reflexion christlicher Praxis« initiierte, um das grundsätzlich Dialogische auszudrücken entgegen der Einseitigkeit der Dialektischen Theologie, die von Verkündigung oder sogar von Predigt spricht. Denn es gebe keine aus den geschichtlichen Bedingungen menschlicher Kommunikation herausgenommene christliche Wahrheit, die dann in zweiter, nachgeordneter Weise auf die veränderliche Situation des Menschen zu applizieren wäre.183 Weyel betont die programmatische Rückwendung Langes zu den liberal-protestantischen Einsichten um 1900. Seine Prägung durch die Dialektische Theologie sei nur noch sprachlicher Natur. Kommunikation sei nach Lange nicht nur Leitbegriff für die Predigt, sondern für die Kybernetik überhaupt. Aber die prinzipielle Wechselseitigkeit sei langsam außer Sicht geraten, stattdessen werde neuerdings wieder von Mission und Evangelisation geredet. Interessant ist nun, dass Lange selbst keineswegs den Missionsbegriff zu substituieren gedachte, auch wenn dies eine spätere Folgeerscheinung seiner Überlegungen war. Im Gegenteil, Lange deutet Mission ausführlich, vor allem mit Hilfe des Kommunikationsbegriffs. Er widmet sich um der »Chancen des Alltags« willen 1965 dem zeitgenössischen Missionsverständnis und fasst sein eigenes mit drei Stichworten zusammen: Präsenz, Verfügbarkeit, Kommunikation, dieser in der französischen Missionswissenschaft entdeckte Dreiklang beschreibt, wie der Glaube um der Verheißung willen an der Realität bleibt. Er beschreibt den Rhythmus der Mission. Auch in der organisierten Mission der Kirche gibt es die Kommunikation, in der die Verheißung zum Glau-

————— 179;;

KORTZFLEISCH, Wege, 389. Vgl. ebd., 387. 181;; Vgl. WEYEL, Mission, 263. Vgl. auch den Streit zwischen HERMELINK/KÄHLER/WEYEL, Stärke; KÄHLER, Kompetenz; ABROMEIT, Herausforderungen; DERS., Kommunikationsstörungen und später DERS., Christus. Ein farbenfrohes Bild bieten auch die Zeitzeichen 5 von 2004 mit Beiträgen von HERBST, Menschen; WEYEL, Weg, und WISCHNATH, Krampf. 182;; WEYEL, Mission, 249–266. 183;; Vgl. ebd., 250. 180;;

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ben kommt, nicht ohne, daß die Kirche sich auf die neue Situation ganz einläßt und für die Menschen, um die es geht, ganz verfügbar wird. Überraschend ist aber, daß dieser Dreiklang bei näherem Hinsehen nicht nur auf das Verhalten der Glaubenden nach »außen«, in seiner Umwelt anwendbar ist, sondern genauso auch nach »innen« gilt, für sein Leben in der Funktionsgemeinschaft der Gemeinde.184

Der Wortwechsel fällt bei Lange nicht schroff aus, sondern offenbart die permanenten hermeneutischen Bedürftigkeiten von viel genutzten Begriffen, deren Konnotationsspielräume sich fortlaufend ändern. Wenn auch nicht von Lange ursprünglich intendiert, ist Weyel darin zuzustimmen, dass sich die Kommunikation des Evangeliums in der Folgezeit als herrschender Stellvertreterbegriff für vieles Andere erwiesen hat. Die Platzhirschqualitäten des prominenten Ausdrucks sind beeindruckend. Im Fazit lässt sich festhalten: Die Überzeugung in Kirche und Theologie, an weit reichenden Sprachlosigkeiten zu leiden, hat in letzter Zeit regelmäßig zur Forderung nach anderer und besserer Sprache geführt, so als vertraue man den bisherigen Versuchen nicht länger bzw. habe sie nicht als wirkungsvoll erlebt. Die Beobachtung, wie sprachwütend Mission und Apologetik in den Fällen ihres Scheiterns kommentiert wurden, hat die Sprachgewalten eindrucksvoll gezeigt. Die extreme Wandelbarkeit der Sprache, die an den Statthalterbegriffen deutlich wurde, offenbart zugleich die vielen ungenutzten Möglichkeiten sprachlichen Ausdrucks. Die gefundene Dialektik aus sprachlichen Chancen und Katastrophen führt zu der These, dass missionarisches und apologetisches Sprechen und Schreiben roh ist. Das gilt in mindestens drei Hinsichten. Zunächst fallen die groben, wilden und unzivilisierten Töne auf. Das aufmerksame Hören erfasst sodann, wie grobschlächtig, weil ungehobelt, genauer unbearbeitet die Sprache ist. Drittens wird klar, wie sensibel und zerbrechlich Sprache ist, ungefähr so wie ein rohes Ei, kurz bevor es zu Boden fällt. Max Frisch drückte die Rohheit der Sprache auf seine Weise aus: »Ein falsches Wort und man hat Macht über einen Menschen.«185 Die folgenden Überlegungen gehen den Entfaltungsmöglichkeiten der Sprache nach, vor allem in den Praktischen Theologien, denen die Vorbehalte gegen die Worte eingestiftet scheinen. Dabei ist die Voraussetzung leitend, dass abusus non tollit usum gilt, also das Weiterdenken und Weitersprechen von Mission nicht deshalb abgelehnt werden muss, weil falsche Anwendungen und Missbräuche in der Vergangenheit schädliche Wirkungen entfaltet haben. Mission und Apologetik werden gegen diejenigen in Schutz genommen, die lediglich ihre entstellten Gestalten wahrnehmen ————— 184;; 185;;

E. LANGE, Chancen, 126. Zit. ohne Quelle nach PLEITGEN, Kraft, 238, Hervorhebung FRITZ PLEITGEN.

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können. Freilich gehört dazu eine teilweise schmerzhafte Selbstkritik der »Kirche des Wortes«. In der Konsequenz verbietet sich noch einmal die Annahme allzu großer Ähnlichkeiten zu den frühen Christen vor 1900 Jahren. Gegen eine behauptete fast vollständige Übereinstimmung der vorfindlichen Situationen, etwa wegen synkretistisch-pluraler religiöser Umgebungen, ist festzuhalten, dass die Kirchen- und Theologiegeschichte selbst den großen Unterschied macht. Schon die ersten Assoziationskaskaden nur eines Wortes – Mission – enthüllen die Macht von Worten und ihren zwischenzeitlichen Wirkungsgeschichten. Nicht nur aus diesem Grund wird vorläufig tabula rasa in Fragen der Christenheit nicht sein. Daher ist es vernünftiger, von spätchristlichen statt von postchristlichen186 Zeiten zu sprechen, weil man sonst die Langzeitwirkungen nicht nur christlicher Worte bei weitem unterschätzt. Postchristlich wäre erst ein Zeitalter, das seine christlichen Herkünfte nicht nur nicht mehr bewusst erinnern kann, sondern diese auch ganz ersetzt oder verlassen hat. Aber so lange in den neuen Bundesländern, wie entstellt auch immer, Weihnachten gefeiert wird, ist eine wirklich postchristliche Epoche noch recht weit entfernt.

2.2 Ohnmachtsverdacht Ohnmachtsverdacht

2.2.1 Übersehene Wortwirkungen Die Wirkungen von Worten sind in der Vergangenheit immer wieder »übersehen« worden, weil in aller Multimedialität den Augen und ihren Wahrnehmungen mehr Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Nicht nur Worte in missionarischen Sprachspielen sind in vielfältige Konkurrenzen und unter einen allgemeinen Ohnmachtsverdacht geraten und bedürfen daher kritischer Reflexionen (1). Biblisch-hermeneutisches Nachdenken (2) und systematisch-theologische Überlegungen (3) widersprechen dem in den Praktischen Theologien immer wieder implizit begegnenden Harmlosigkeits- und Wirkungslosigkeitsverdacht. Die Missionsgeschichte wird gekennzeichnet als Geschichte der nicht ganz freiwilligen Konzentration auf das Wort (4). (1) Die Praktischen Theologien gehen in allem, was sie tun, mit Worten um. Sie bedürfen aber wie die Missionswissenschaften und die apologetischen Theorien mehrerer selbstkritischer Blicke auf ihre eigenen wissenschaftlichen Sprachgeschichten. Diese Selbstkritik muss neben den klassi————— 186;;

Vgl. zur Nachchristlichkeit in der aktuellen apologetischen Literatur HUMMEL, Modelle,

11.

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Ohnmachtsverdacht

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schen Vergleichen etabliert werden. Denn gewohnt und regelmäßig werden innerhalb der Praktischen Theologien die Paare Wort – Tat (etwa im Streit mit der Diakonie), Wort – Bild (z.B. in Medientheorien) und Wort – Ritual/Raum etc. (nicht nur in Liturgik und der Lehre von den Kasualien) diskutiert. Manchmal werden reine Gegensätze angenommen; im besseren Falle aber werden jeweils beide Teile als komplementäre, einander auslegende Dimensionen erkannt. Damit sind weite Arbeitsfelder genannt, die auf Grund der reichhaltigen Auseinandersetzungsgeschichten eigentlich jahrzehntelange Reflexionen erfordern.187 Schon manches Grablied ist speziell der Wortkultur auf den vielen Unfriedhöfen des pluralen Zeitalters gesungen worden.188 Gleichwohl hat sie überlebt, soll man sagen: von allen Seiten bedrängt, aber ohne Angst, […], unterdrückt, aber sie kommt nicht um (nach 2Kor 4,8f)? Das Ende der Wortkultur lässt u.a. schon deshalb auf sich warten, weil die gegenwärtige Pluralität nicht durch den Ersatz der einen Medien durch die anderen, sondern durch das vielfältige und sich noch weiter ausdifferenzierende Nebeneinander189 und durch eine sich unmittelbar einstellende Komplementarität der verschiedenen Medien gekennzeichnet ist. Insgesamt nimmt die Vielspältigkeit zu. Internet, Fernsehen, Kino, Radio, Gedrucktes und die Begegnung von Mensch zu Mensch – nichts wurde bislang ersetzt, alles aber verwandelt. Die gerühmte oder beklagte Multimedialität wäre ohne gesprochene, geschriebene, gedruckte, vor allem aber kopierte Worte mehr als unvollständig. Für einen Moment verweilen wir mitten in der Fülle der Gegenüberstellungen bei Wort und Bild, die nur in ihrem Zusammenhang angemessen zur Geltung kommen können: Die Macht der Bilder und die Macht des Wortes. […] Weder ein Ruf zurück zu den Bildern noch die Kontrastierung der mächtigen, alten Bilder und der ohnmächtigen Kunstwerke bzw. der ohnmächtigen, abstrakten Worte erfasst das Gesamtphänomen.190

Die protestantische Theologie wird die vieldeutigen Bilder nicht unbeantwortet lassen und zugleich gegen die hohlen Worte kämpfen, gegen Worte, die nichts mehr sehen lassen,191 keine Bilder in sich haben: —————

187;; Vgl. das beeindruckende Lebenswerk von HANS BELTING zu den Beziehungen von Worten und Bildern. 188;; Vgl. CORNELIUS-BUNDSCHUH, Kirche, 9. 189;; Vgl. HÖRISCH, Sinn, 74, mit der älteren These von WOLFGANG RIEPL, dass ein neues Medium ein altes nicht verdrängt, sondern diesem die Aufgaben ändert und sie spezifischer werden lässt. Vgl. RIEPL, Gesetz, 146. 190;; OORSCHOT, Macht, 319, mit Bezug auf BELTING. 191;; Vgl. JÜNGEL, Mission, 8.

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Gerade evangelische Theologie wird wissenschaftlich dieser zwiefachen Ohnmacht entgegentreten, geht es für sie dabei doch nicht nur um kulturgeschichtliche Einsichten, sondern zugleich um ihre Grundlagen in dem menschgewordenen Wort Jesus Christus und in der heiligen Schrift.192

Die protestantischen Praktischen Theologen sind dagegen öfter als gelegentlich in ihrem Streben nach Darstellungen des Glaubens anzutreffen, die das Verbale überschreiten oder gar hinter sich lassen, meist mit dem Anspruch, dadurch zeitgemäßer oder ganzheitlicher, insgesamt erfolgreicher zu wirken. Auch die Missionswissenschaften stimmen aus globaler Perspektive in die Kritik der einseitigen Wortlastigkeit ein, weil Europa von weiter her immer noch als Hort von Wortfixiertheit erscheint. Eine neu zu entwerfende Hermeneutik soll diese unterstellte Einseitigkeit dann überwinden: Eine solche Hermeneutik richtet ihr Augenmerk auch auf die Fremdheit der Medien in der Gottesbegegnung bzw. der Erfahrung einer letzten Wirklichkeit. Die Prägung durch das Wort und die Wörter, Paradigma protestantischer Frömmigkeit, ist ein Medium unter vielen und muss als solches in seiner (nur) relativen Bedeutung verstanden werden. […] Missionswissenschaft als Hermeneutik des Fremden nimmt dabei auch die nichtsprachlichen Ausdrücke des Fremden ernst […].193

Henning Wrogemann und Theo Sundermeier haben dabei Bilder und bildende Künste, Tänze, alternative Medizin und rituelle Handlungen vor Augen.194 Das omnipräsente Problem der Sprachlosigkeit wird weiter befördert, wenn Wort und Bild oder auch Wort und Tat nicht als sich gegenseitig interpretierende Wirkmächte erkannt werden und man insgesamt zu gering von oder gar nicht mehr an die Wirkungen der Worte, gerade angesichts von Bildern dieser Welt, denkt. Hier wird für eine intensivere Reflexion der Sprachgeschichten der Praktischen Theologien selbst plädiert, die mit ihrem Reden, vor allem aber Schreiben über Homiletik, Poimenik usw. selbst immer auch sprachliche Maßstäbe für die praktischen Worthandlungen in den einzelnen Disziplinen setzen. Missionswissenschaften und Apologetik haben zweifelsfrei und öffentlich problematisierte Wortwirkungsgeschichten. Die Praktischen Theologien leiden auf ähnliche, aber unauffälligere Weise an einer zu geringen Rücksicht und Vorsicht auf ihre eigenen Wortgebräuche. (2) Biblisch-hermeneutisches Nachdenken unterstreicht die ambivalenten Potenzen von Worten und illustriert sie mit spektakulären Wortbildern. ————— 192;;

OORSCHOT, Macht, 319. WROGEMANN, Theologie, 24, Hervorhebung im Original. 194;; Vgl. SUNDERMEIER, Konvivenz, 94f. 193;;

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Der wenig gelesene und gepredigte Jakobusbrief expliziert in einem Abschnitt die in der Lutherbibel so genannte »Macht der Zunge«. So wie ein starkes Pferd nur am vergleichsweise kleinen Zaum gehalten wird, gewaltige Schiffe von starken Winden getrieben, aber doch nur von einem relativ winzigen Ruder gelenkt werden, so ist auch die Zunge ein kleines Glied und richtet große Dinge an. Siehe, ein kleines Feuer, welch einen Wald zündet’s an! Auch die Zunge ist ein Feuer, eine Welt voll Ungerechtigkeit. So ist die Zunge unter unsern Gliedern: sie befleckt den ganzen Leib und zündet die ganze Welt an und ist selbst von der Hölle entzündet. Denn jede Art von Tieren und Vögeln und Schlangen und Seetieren wird gezähmt und ist gezähmt vom Menschen, aber die Zunge kann kein Mensch zähmen, das unruhige Übel, voll tödlichen Giftes. Mit ihr loben wir den Herrn und Vater, und mit ihr fluchen wir den Menschen, die nach dem Bilde Gottes gemacht sind. Aus einem Munde kommt Loben und Fluchen.195 Diese geradezu dämonischen Ambivalenzen sind vorgegeben. Sie gelten aber als veränder- und gestaltbar. Sie gehören in den Verantwortungsbereich des Menschen nach Mt 12,36f. So wie gelingende Sprache verbindet, können Wortwahlen auch misslingen und das Verstehen verhindern. Gerhard Ebeling fasst zusammen: »Das Wort – das ist offenbar der Mensch selbst, er, der über die ganze Welt Herr zu werden vermag, nur nicht über sich selbst.«196 Die herrlichen und verheerenden Folgen von Sprache sind auch von Poeten ausgedrückt worden – in der Hoffnung, Wirkungsvolles, weil gut Erinnerbares zu sagen: »Denn – um es mit Hölderlin zu sagen – dem Menschen, ›dem Göttergleichen‹, ist ›der Güter Gefährlichstes, die Sprache, […] gegeben‹, damit aber auch ›höhere Macht zu fehlen und zu vollbringen‹.«197 Die Gefährlichkeit steigert sich um ein Vielfaches bei musikalischem Background. Johannes Calvin ging daher beispielsweise wesentlich restriktiver als Martin Luther mit gesungenen Worten um, weil er um ihre immensen manipulativen Wirkungen wusste.198 Die Wahrnehmung der Ambivalenzen lenkt den Blick auf die Wortwirkungen jenseits der Worte: »Das Wesen des Wortes erreicht man deshalb nicht mit der Frage, was das Wort enthält, sondern mit der Frage, was das Wort wirkt, was es anrichtet, welche Zukunft es eröffnet.«199 Für die Homiletik hat Reiner Preul die Gründlichkeit und Nachhaltigkeit von Wortwirkungen gezeigt. Sie werden freilich auch anderswo, etwa in der Politik, besonders in negativer Hinsicht deutlich. Warum sonst gäbe es immer zu————— 195;;

Jak 3,3–10, Hervorhebung in der Übersetzung MARTIN LUTHERS, 1984. EBELING, Wort, 76, vgl. zum Ganzen 76f. 197;; DALFERTH, Wort, 112, zitiert HÖLDERLIN, Werke, 468. 198;; Vgl. CALVIN, Gottesdienstordnung, 159. 199;; EBELING, Wort, 77. 196;;

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erst Zensur und Publikationsverbote, wenn jemand auch nur eine mittelmäßige und vorübergehende Diktatur errichtet?200 (3) An dieser Stelle setzen systematisch-theologische Überlegungen ein. Dabei wird regelmäßig der unüberbrückbare Abstand zwischen göttlichem und menschlichem Wort hervorgehoben und noch verbal und kategorial vergrößert, so weit das für Menschen überhaupt möglich ist. »Wirkkraft im strengen und theologisch eigentlich relevanten Sinn kommt nicht unserem Reden, sondern allein Gottes Wort zu.«201 Folgerichtig ist die Aussage, dass Menschen nur an den Kräften göttlicher Worte partizipieren. Dennoch ist gleichzeitig zu betonen, dass wir »zur benennenden Erschließung der Wirklichkeit ermächtigt und befugt (Gen 2,19ff.)«202 sind. Auch in der anschließenden prinzipiellen Homiletik kam lange Zeit die menschliche Sprache nur als Gegenüber zum Wort Gottes ins Blickfeld.203 Es ist wesentlich zu klären: »Theologisch hängt die Wirksamkeit christlicher Verkündigung […] an der Klarheit ihrer Selbstunterscheidung von Gottes Wort.« Es ist aber ebenso wichtig, von den menschlichen Worten nicht reziprok und damit entsprechend wirkungsfrei zu denken, sondern ebenso deutlich festzuhalten: »Wir vermögen zwar das Nichtseiende nicht ins Sein zu rufen, aber wir können uns sprechend das Seiende vertraut (und damit auch fremd) und uns im Seienden heimisch (und damit auch heimatlos) machen.«204 Die potenzielle und ambivalente Macht von Worten kann nach diesem kurzen Gang durch Biblische und Systematische Theologie unter besonderer Berücksichtigung prinzipiell-homiletischer Einsichten kaum unterschätzt werden. (4) Die gegenwärtigen Praktischen Theologien sehen sich immer wieder herausgefordert, »nach einem Weg jenseits der beschriebenen Alternative von primärer Orientierung an der Systematischen Theologie oder an den Humanwissenschaften« zu suchen, »weil einmal das Praktische, im anderen Fall die Theologie verlorenzugehen droht.«205 Jenseits eines jahrzehntelang versuchten Rankings der beeinflussenden Wissenschaften werden nun z.B. hermeneutische Zugangsweisen bevorzugt: ————— 200;;

Vgl. PREUL, Wirkung, 104. DALFERTH, Wort, 108f. 202;; Ebd., 114. 203;; Vgl. z.B. A. NIEBERGALL, Homiletik, 53, 65, 69, 94 u.ö. Der Rezensent geht in seinem Bericht über die homiletische Literatur seit 1945 immer wieder auf den leitenden Gegensatz von Gottes und menschlichem Wort ein, der ein durchgehendes Signum der gesamten neueren Predigtgeschichte ist. Wesentlich seltener werden Sprachprobleme erörtert, die »nur« die menschlichen Möglichkeiten betreffen. 204;; Ebd., 115. 205;; MEYER-BLANCK/WEYEL, Arbeitsbuch, 17. 201;;

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Praktische Theologie ist Hermeneutik christlicher Praxis und reflektiert christliche Praxis im Hinblick auf neues theologisches Verstehen und im Hinblick auf verändertes kirchliches Handeln. Als Hermeneutik von christlicher Praxis her und auf christliche und kirchliche Praxis hin verändert sie zugleich den Verstehenshorizont der anderen theologischen Disziplinen.206

Zu ergänzen ist: Jede Praktische Theologie ist selbst Teil christlicher Praxis und daher selbst erster Gegenstand für die Erprobung hermeneutischer Thesen. Auf dem Weg von den Systematischen in die gegenwärtigen Praktischen Theologien begegnet einem nicht ganz selten ein ausdrückliches oder ex negativo aufscheinendes Misstrauen gegen Worte und ihre Einflussmöglichkeiten. Es scheint im größeren Horizont so, als würde den praktizierenden Kirchen und den darüber nachdenkenden Theologien die Kraft der Worte von außen zugesprochen, von innen freilich stark oder schweigend bezweifelt. Diesem zwiespältigen Phänomen ist Aufmerksamkeit zuzuwenden, weil es weiterhin unbedacht wenig sachdienliche Konsequenzen hervorbringt. Denn die selbstgezeichneten Bilder der Praktischen Theologien sehen sie nach einer allzu langen Phase der Konzentration auf das Wort nun die Blicke heben und weiten, so dass Glocken, Räume und Rituale207 interpretiert werden können – freilich, und davon wird dann nicht eigens geschrieben, zwangsläufig und sehr selbstverständlich wiederum mit Hilfe deutender Worte. Die evangelischen Praktischen Theologien, in welcher vorwissenschaftlichen und wissenschaftlichen Gestalt auch immer, sind seit knapp 500 Jahren gefragt, ihre Theorien von kirchlicher und christlicher Praxis sine vi humana, sed verbo208 zu entwickeln. Diese Losung, entstanden in der Reformationszeit und ernster genommen seit der Aufklärung, hat den Praktischen Theologen offenbar eine gewisse Ohnmachtsvermutung über die Wirkungen von Worten hinterlassen. Es wirkt so, als habe sich in ausschließender, nicht komplementärer Denkungsart der Eindruck gebildet, Worte seien das Gegenteil menschlicher Kräfte, mit denen es die Welt zu gestalten gilt.209 Parallel zu dieser folgenreichen Unterstellung von Unvermögen, das heißt gleichzeitig, nahe daran und doch berührungslos daneben, hat sich die Missionsgeschichte sehr langsam zum Standpunkt vorgearbeitet, sine vi humana, sed verbo nicht nur die Kirche zu leiten, sondern auch den christli————— 206;;

Ebd., 18, im Original als Leitsatz hervorgehoben. Vgl. FECHTNER, Theologie, 58. 208;; CA XXVIII, in: BSLK. 209;; Zu beachten ist, dass im 16. Jahrhundert z.B. die SCHLEIERMACHERSCHE Unterscheidung von darstellendem und wirksamem Handeln noch nicht intendiert war. Vgl. D. RÖSSLER, Grundriß, 28. 207;;

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chen Glauben künftig zu verbreiten. Die gesamte Missionsgeschichte der Neuzeit ist nachzuzeichnen als Geschichte des schmerzlich-heilsamen Prozesses, sich mehr und mehr auf Worte verlassen zu müssen und von anderen, scheinbar sichtbareren und erfolgreicheren Strategien Abstand zu nehmen. Dabei wurde die Sprache des Glaubens keineswegs besonders aufmerksam oder gar pfleglich behandelt. Die Geschichte der Neuzeit hat das Christentum fortwährend bestärkt oder gezwungen, sich sine vi humana, sed verbo darzustellen, wie es im 16. Jahrhundert noch nicht geahnt werden konnte. Über sine vi ist sicher nach den blutigen Kapiteln der Missionsgeschichte und den häufig zynischen und die menschliche Vernunft verachtenden Vorgehensweisen der Apologeten sehr leicht Einigkeit zu erzeugen. Sed verbo allerdings erfordert die edelsten Kräfte zur immer neuen Sprachfindung. Die Versuchung ist groß, den christlichen Glauben ganz bleiben zu lassen – wie er ist und allzu lange war. Diese Entwicklung zu Gunsten sprachlicher Entfaltungen des Glaubens gegen kontraproduktive Zwangspraktiken war bekanntlich lang und mühsam. Sie gilt nicht allen als heute schon beendet und hat schon am Anfang des 19. Jahrhunderts, also lange vor dem Höhepunkt des Kolonialzeitalters, beredte Zeugnisse hinterlassen. Sie wurde auch seinerzeit schon beobachtet. Friedrich Sickel hat 1829 eine missionarisch engagierte Homiletik verfasst. Darin trägt er als Ausgangspunkt seiner Überlegungen eine umfassende Verfallstheorie vor, die den ihm gewogenen Teilen der damaligen Zeitgeister entsprochen haben wird. Der Niedergang wird für den Autor greifbar in den Ereignissen der Französischen Revolution.210 Der allgemeinen Untergangsstimmung kontrastiert aber eine Beobachtung, die den Verfasser gewissermaßen autoüberraschend ad fontes christlicher Glaubensvermittlung führt. Jegliche Gewaltanwendung, etwa die zahlreichen Varianten der Kirchenzucht, seien seit der Aufklärung in Abgang geraten und geblieben sei nur noch die Predigt. Nicht, weil es evangeliumsgemäß und theologisch geboten wäre, sich auf das Wort zu konzentrieren, geschah es, sondern weil andere Zwangsmaßnahmen gegenwärtig und künftig ausgeschlossen seien – »leider« hört man zwischen den Zeilen heraus. Dieser durch die Aufklärung bedingte Wortfokus sei aber gerade bei Jesus zu beobachten gewesen. Er hatte ausweislich der gesamten Überlieferung nur das Wort und dieses dann virtuos gebraucht.211 Diese Beobachtung führt aber weder bei Sickel noch bei anderen zu der nahe liegenden und weit reichenden Konsequenz, der missionarischen Sprache und ihren Wirkungen besondere Bedeutung zuzumessen. Sickels Duktus ist zwar nicht überdurchschnittlich gewalttätig, aber ————— 210;;

Vgl. SICKEL, Grundriß, 4f. Vgl. ebd., 30.

211;;

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streckenweise vollkommen unbedacht, was die Lage keineswegs vereinfacht. Die Geschichte der Rückbesinnung auf das Wort wurde also erst nachträglich wahrgenommen und keineswegs theoretisch forciert, wie es heute unter dem Stichwort »Wortlastigkeit« als Vorwurf begegnet. Im Fazit ist festzuhalten, dass Worte mächtiger waren und sind, als innerhalb von Praktischen Theologien häufig angenommen wurde.212 Das betrifft nicht nur die nach wie vor herausragende Bedeutung, die der Predigt im evangelischen Gottesdienst zukommt,213 auch wenn kirchenleitende Umfragen bis vor kurzem diese positiven Möglichkeiten durch Nichtbefragung tapfer ignorierten.214 Aber auch praktisch-theologische Theorien selbst sind auf ihre Sprachgewalten hin zu untersuchen. Nimmt sich die »Kirche des Wortes«215 selbstkritisch ernst, sollte sie nicht länger zur Selbstboykottierung des Wortes beitragen, sondern differenziert eine »Kultur des Ohres« pflegen, denn: »Sinn ist durch Wort, nicht durch Anschauung vermittelt.«216 Worte bilden nicht nur die größtmöglichen Differenzerfahrungen in einer multimedialisierten Welt, sondern müssen sich vor allem in einer quälenden Menge von Worten ausdifferenzieren und heilsam von dieser unterscheiden: »Eine ungeheure Wörterflut quillt aus den Häusern, Kneipen und Betrieben. Es regnet Wörter, eine von Menschen geschaffene Sintflut, und weit und breit keine Arche, in die man flüchten könnte.«217 Daher ist der Wortumgang der Kirchen mehr als anspruchsvoll. Thomas Nipperdey glaubte 1983, schon teilweise im Präteritum formulieren zu müssen: Der Wortgottesdienst forderte Anstrengung, trainierte auch das Zuhören, die intellektuelle Regsamkeit. Das Wort konnte doch Reflexion auslösen und tragen, begründete Distanz zwischen Ich und Um- wie Mitwelt, ja Distanz des Ich zu sich selbst, die – nicht über die Beichte ritualisierte – Innen- und Sündenreflexion; […] das Wort vermittelt die Anfänge der Selbständigkeit gegenüber den Selbstverständlichkeiten von Tradition und Konvention, die Anfänge des modernen, nämlich innengeleiteten Verhaltens.218

————— 212;;

Vgl. CORNELIUS-BUNDSCHUH, Kirche, 9, mit Bezug auf MÖLLER, Lehre 1, 142, und zur neuen Aufmerksamkeit am Anfang des 21. Jahrhunderts GEISSNER, Sprache, und SCHMIDT-ROST, Passion, 92. 213;; Vgl. HENTSCHEL, Notwendigkeit, 441. 214;; Vgl. PREUL, Aktualität, 340: Erst die 4. EKD-Erhebung fragt nach den Erwartungen an Predigten und vermerkt überraschend positive Ergebnisse. 215;; Vgl. CORNELIUS-BUNDSCHUH, Kirche, 9. 216;; NIPPERDEY, Luther, 15. 217;; PLEITGEN, Kraft, 238. 218;; NIPPERDEY, Luther, 15f.

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Daraus rühre die innere Unruhe der Protestanten, die alles befragen und bezweifeln: »Der Mensch ist in einer solchen Welt nicht mehr eingezäunt, aber auch nicht gehalten, gebunden, geborgen: die Welt ist kein Gehäuse. Darum die Unruhe.«219 Weil und insofern die Sprache, besonders in ihrer mündlichen Flüchtigkeit, roh ist – wild, unbearbeitet und zerbrechlich – wird eine zusätzliche Definition von Mission den Streit nicht beenden und soll ihn auch nicht unterbinden. Eine neue oder alte Definition mit Alleingeltungsanspruch wäre wieder jene »wohlmeinende Überheblichkeit«,220 die man den Missionsabsichten hoffentlich vergangener Zeiten zu Recht vorgeworfen hat. Soll christlicher Glaube missionarisch und/oder apologetisch zur Sprache gebracht werden, ist stattdessen wirkungsgeschichtlich-rücksichtsvolle Wortwahl geboten. Mission und Apologetik geschehen durch genaue Wortwahlen statt durch wortreiche Bekundungen von Sprachlosigkeit und rohe Sprachwut. Bevor im Einzelnen auf die Kriterien für sich erneuernde Wortwahlen eingegangen wird, steht zunächst der Rahmen zur Diskussion. Denn diese Wortwahlen sollen sich nach mehrheitlicher Überzeugung in Dialogen ereignen. Dieser allgemeine Konsens wird nun befragt und um der Menschen willen bezweifelt. 2.2.2 Heilsnotwendige Dialoge? Dialoge gelten in der jungen Tradition der Aufarbeitung einer ambivalenten bis problematischen Missionsgeschichte als media salutis. Es ergeht der Dialogizität wie der Toleranz und der Freiheit – wer wollte ernstlich dagegen sein? Diesen Begriffen im Dauergebrauch wird freilich seltener die Gnade eines wohlmeinend-kritischen Blickes zuteil wie es Mission und Apologetik jetzt wieder regelmäßiger erfahren. Aber dieser positiv assoziierte Sprachgebrauch ist nicht weniger problemanfällig als die wirkungsgeschichtlich beladeneren Ausdrücke. Jeweils nach dem expliziten Bekenntnis von Sprachlosigkeit und der impliziten, unbewältigten Sprachwut werden Dialoge als selbstverständliche, adäquate und zuletzt als einzig in Frage kommende Alternativen vorgestellt. Die Suche nach Sprachheil endet zumeist in der vorschnellen Feststellung, es müsse dialogisch gesprochen werden. Vereinzelte, extreme Haltungen bestätigen als aggressive Ausnahmen diese allgemeine Regel. Hier genügt ein militantes Beispiel: ————— 219;; 220;;

Ebd., 22f. BÜNKER, Mission, 33.

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Es muß erlaubt sein zu bezweifeln, ob eine Kirche, die offenbar den Missionsbefehl Jesu als Peinlichkeit empfindet und Mission zum Dialog verkommen läßt, noch die innere Kraft aufbringt, dem pluralistisch-synkretistischen Großangriff auf die Bibel wirksam zu begegnen.221

Die Wortwahl offenbart die mehr als peinliche Distanz zu Jesu Trostworten für zweifelnde Jünger in Mt 28. Aber dem gewaltigen Angriff in diesem Sprachkrieg entgeht man nur – frei nach Carl Sandburg222 –, indem man nicht darauf eingeht, insbesondere, indem man sich nicht als Feind zur Verfügung stellt. Neben diesen Ausnahmebeobachtungen auf dem weiten Feld der Mission ist der Dialog als Forderung und Voraussetzung tendenziell allgegenwärtig und steht damit unter latentem, aber unzutreffendem Allmachtsverdacht. Immer wieder muss deshalb in den Dialog lobenden Veröffentlichungen darauf hingewiesen werden, dass Dialoge das Zeugnis nie werden ersetzen können und auch nicht sollen223 und dass der Versuch, Apologetisches durchgehend mit Dialogischem auszutauschen, aussichtslos bleiben muss.224 Nur selten werden die Dialogforderungen einer sachlichen Kritik unterzogen. Differenzierte Anfragen an die scheinbar unentbehrlichen Dialoge entstehen im Alltag kirchlicher Apologeten, dringen aber kaum bis in die Kirchen und ihre Wissenschaften vor. Hansjörg Hemminger warnt eindrücklich vor den »Begegnungshoffnungen bis hin zur Euphorie«225 und lehrt, überzogene Hoffnungen zu lindern. Erfahrungen mit dialoggierigen Sekten, erschreckender Indifferenz und prinzipiellen Verweigerungshaltungen in der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen legen theologisch-intradisziplinäre Erkundungen und Rückfragen zum Dialog nahe. Außerdem gebieten Klarheit, Realismus und die ständige Verbesserungsbedürftigkeit aller humanen Sprachspiele weitere kritische Blicke auf die Dialoge, besonders aber auf die unentwegten Forderungen nach Dialogen. Denn in solchen Appellen begegnet man Dialogizität vorwiegend, weniger in Zeugnissen gelungener Dialoge. Das Paradox tritt damit in Erscheinung: Während der Dialog als hervorragende bzw. sogar einzig angemessene Sprachform im Umgang mit Pluralität angesehen wird, kommen in der Praxis nur sehr kurze Dialoge oder solche, die den minimalen Anforde-

————— 221;;

A. KÜNNETH, Centrale, 30. Das Zitat wurde immer wieder fälschlicherweise BERTOLT BRECHT zugeordnet: »Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin.« 223;; Vgl. SUNDERMEIER, Konvivenz, 37. 224;; Vgl. R. HEMPELMANN, Apologetik, 25f. 225;; HEMMINGER, Glauben, 28. 222;;

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rungen nicht genügen226 oder Scheindialoge, die die ursprüngliche Idee konterkarieren, vor. Reinhard Schmidt-Rost hat die ausgewählten Kommunikationsströme innerhalb und im Umkreis von Massenmedien analysiert und kommt zum Ergebnis, dass durch diese Medien mehr »über« als »mit« geredet wird. Man redet zwar ununterbrochen, gleichzeitig und dort, wo viele Menschen sind, aber »ohne einander«.227 »Ein tatsächlicher und bewußter Diskurs ist weithin eine theoretische Fiktion.«228 Damit fällt auch der Dialogbegriff streng genommen unter die Kategorie der Reizworte. Ebenso ist er aber auch an prominenten Stellen als neuer Statthalterbegriff für Mission im Gebrauch. Im Sammelband »Mission als Dialog« wird einleitend vorausgesetzt: »Die verschiedenen Beiträge stimmen bei aller Unterschiedlichkeit darin überein, dass sie Mission als offenen Dialog verstehen und kommunikativen Aspekten eine grundlegende Bedeutung beimessen.«229 Im intradisziplinären Blick auf die theologischen Disziplinen werden Dialoge nun weiter auf ihr tatsächliches Vorkommen und auf ihre Leistungsfähigkeit hin überprüft. Zuerst fällt die extreme Ungleichzeitigkeit der Wahrnehmung von Dialogen auf (1). In einer zweiten Hinsicht wird der Dialog als Idealgestalt interpretiert und aus dieser Perspektive von der omnipräsenten Dialogforderung Abstand genommen (2). Zuletzt gerät der Dialog als ein formales Kriterium ins Blickfeld, das zwar dem Evangelium mittelbar entspricht, aber inhaltliche Fragen umso dringlicher macht (3). In praxi hat die Forderung nach Dialogen die kontinuierliche Interpretation und damit Entschlüsselung wesentlicher, christlich tradierter Begriffe beschränkt, weil sich die Auseinandersetzungen primär um das Thema Kirche ranken und damit das weite Feld des christlichen Glaubens fast unberührt bleibt (4). (1) Die Analysen kommunikativer Herausforderungen in Beiträgen über den Dialog zeigen nicht nur die Pluralität der Konzepte, sondern die grundsätzliche Ungleichzeitigkeit der Diskussionslagen in den Missionswissenschaften, dem davon weitgehend unabhängigen Nachdenken in den anderen Disziplinen der Theologie und den kirchenleitenden Heils- und vor allem Unheilsprophezeiungen. Christine Lienemann-Perrin fasst das Trennende zusammen: —————

226;; In stundenlangen mündlichen Verhandlungen der EKD-SYNODE fallen im Anschluss an ein Referat parallel und damit beziehungslos nebeneinander gestellte Redebeiträge auf, die das Gegenteil eines Dialoges sichtbar machen. Vgl. EKD-SYNODE, Leben, 145–231. 227;; Vgl. SCHMIDT-ROST, Medium, 102, mit Verweis auf WALSER, Ohne einander. 228;; Ebd., 109. 229;; BÖHME, Mission, 5.

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Während für die einen das Zeitalter des Dialogs noch gar nicht angebrochen ist, möchten andere die Mission durch den Dialog ablösen und die Kirchen endlich ganz aus der Mission heraushalten; weitere bekunden inzwischen schon einen Überdruss am Dialog, und gleichzeitig denkt man in kirchenleitenden Ämtern angesichts der neuen Suche nach religiöser Orientierung wieder vermehrt über die missionarische Kirche nach.230

Interessanterweise werden Chancen und Grenzen des Dialogs nicht aus den eigenen theologischen Grundsätzen entwickelt, sondern an den Dialogeinstellungen bzw. Ablehnungen konkurrierender Weltreligionen, vor allem am Islam, sekundär rückgeschlossen.231 Zur enormen Ungleichzeitigkeit in der Dialogwahrnehmung gehört auch die Wahrnehmung, dass die Dialogdefinitionen sehr weit sind und nur zurückhaltend Kriterien wagen: Der D[ialog] ist ein Gespräch zw. zwei oder mehreren Personen über eine Sache. D. unterstellt, daß die Gesprächspartner einander respektieren und anerkennen, daß der jeweils andere überlegenswerte Einsichten hat und daß beide Dialogpartner die Absicht haben, den Gegenstand des Gespräches kennenzulernen.232

Häufiger sind bestimmende Interpretationen ex negativo. So beginnt etwa ein Lexikonartikel zu »Dialog und Mission«: »Interrel. D. ist weder eine Fortsetzung der Mission mit anderen Mitteln noch kann er sie ersetzen.«233 Zuletzt wird für ein dialektisches Verhältnis plädiert. (2) Dialoge erscheinen nach der Lektüre gegenwärtiger missionswissenschaftlicher und apologetischer Konzepte als eine friedliebende Idealgestalt humaner Kommunikation, die aber nicht als regulative Idee und damit unerreichbar, erkannt wird. Systematisch-theologische Überlegungen imaginieren gelegentlich eine so heitere Atmosphäre, dass die Realitäten der religiösen Auseinandersetzungen umso frustrierender erscheinen müssen: Indessen deutet Apologetik, recht verstanden, genau auf den Denkstil, nach dem die angebrochene irenische Epoche eines religiösen Interdependenzbewußtseins verlangt – eine Epoche, der es um die Erfahrung Gottes mehr zu tun ist als um religiöse Standpunkte. Apologetik, recht verstanden, ist eben jenes ruhige Darlegen der Wahrheit des Glaubens, jenes »geduldige Arbeiten« eines »pastoralen Lehramtes« zur »ausgiebigen Erklärung der Kraft der Lehre«. Darum ist Apologetik ein fröhliches und hoffnungsvolles Geschäft.234

Aus praktisch-apologetischer Sicht wird im größtmöglichen Gegensatz dazu das irenische Ideal kritisiert: ————— 230;;

LIENEMANN-PERRIN, Dialog, 176. Vgl. R. HEMPELMANN, Zeitgeschehen, 123. 232;; VROOM, Dialog, 817. 233;; KÜSTER, Dialog, 821. 234;; OTT, Apologetik, 3. OTT zitiert dort aus den Beschlüssen des 2. Vatikanischen Konzils. 231;;

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Das vielbeschworene Zauberwort des Dialogs verlangt nun aber auch nach einer sachlichen Verortung dessen, mit wem worüber gesprochen werden kann, soll und muß. […] Es wäre nämlich ein fataler Fehlschluß zu meinen, die irenische Gesprächsatmosphäre des wohl noch immer in den Anfängen steckenden interreligiösen Dialogs zwischen den alten Hochreligionen sei ohne weiteres auf das apologetische Tagesgeschäft vor Ort zu übertragen.235

Ganz gleich, wieviel Harmonie und Einigkeit im Einzelnen erhofft wird, sticht sodann ins Auge, wie wenig zusammenhängende Dialoge statthaben, wenn man Häufigkeit der Begegnungen und Teilnehmerzahlen anschaut. Reinhart Hummel warnt nachgerade vor einem »Dialogghetto«, das sehr überschaubar sei.236 Drittens kommt die banale, aber folgenreiche Einsicht hinzu, dass ein Dialog mindestens zwei Gesprächspartner hat und daher auch aus mindestens zwei Gründen scheitern kann. Erfahrungen in den ehemals neuen Bundesländern beschreiben eine so prinzipielle religiöse Indifferenz, dass bloße Gottesvergessenheit dagegen harmlos wirkt. Der Atheismus in Ostdeutschland heute ist eine Anschauung, der Gott als lächerlich abhanden gekommen ist, was aber auch nicht gerade als aufregend empfunden wird, sondern eher mit einem achselzuckenden »Was soll’s?« quittiert wird. Die Rede von Gott verschwindet in der Gleichgültigkeit gegenüber einem Phänomen, das nicht einmal mehr ärgerlich, sondern nur noch skurril erscheint. […] Der Atheismus in Ostdeutschland hat streng genommen aufgehört Atheismus zu sein. An seiner Stelle steht die praktische Haltung eines sich als selbstverständlich gebenden sogenannten Realismus, der alle Kritik, Sehnsüchte und Wünsche immer wieder auf ein »Das ist halt so!« zurückschraubt und nach dem Freude und Leid, Erfolg und Scheitern entweder unter der Perspektive von Leistung und Selbstverwirklichung oder – und das im beträchtlichen Maße – als Schicksal gesehen werden.237

Wolf Krötke interpretiert den anzutreffenden Atheismus als indifferente Gewohnheit in der zweiten bzw. dritten Generation, mit leicht zu übersehenden Pfahlwurzeln im 19. Jahrhundert.238 Damit ist nicht der Dialog als erstrebenswerte Idee disqualifiziert, aber die Unverfügbarkeit von gelingender Verständigung, nicht zuletzt über den Sinn von Differenzen, deutlich gemacht. »Das Gespräch wird verweigert.«239 ————— 235;;

HELING, Weltanschauungskampf, 91, Hervorhebung im Original. HUMMEL, Dialog, 108, gibt HANS WALDENFELS wieder, der vor einem inflationären Gebrauch des Dialogbegriffs warnt. 237;; SCHNEIDER-FLUME, Glaube, 199. 238;; Vgl. KRÖTKE, Massenatheismus, 216. 239;; KRÖTKE, Kompetenz, 8. 236;;

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Radikale Indifferenz bedeutet darüberhinaus, dass das Gespräch weder geführt noch verweigert wird, sondern, dass es nicht einmal zu den Prolegomena dieser Entscheidung kommt. Die Dialogforderung ist wohlfeil, bleibt aber incurvatus in se ipsum, wenn der Dialogpartner fehlt.240 Dialoge scheitern nicht nur am indifferenten Gegenüber, sondern auch, weil der Christ selbst seinen Glauben verheimlicht.241 Diese herbe Kritik an der »schweigenden Christenheit«242 trifft sich in ihrem berechtigten Teil mit der zuvor festgestellten Sprachlosigkeit. Gleichzeitig sei ausdrücklich betont, dass Schweigen Ausdruck von Hören sein kann, mit dem jeder Dialog notwendigerweise doppelseitig beginnt.243 Die selbstkritisch einzuräumende mangelhafte Kommunikationsfähigkeit, d.h. die Sprachlosigkeit auf Seiten der Dialogforderer kann gerade jene Dialoge verunmöglichen, die mit der besonderen Chance des Neuanfangs begabt wären: »Wir können richtig mit dem Anfang anfangen und den Glauben unbelastet von Konventionen darstellen.«244 Damit sind christliche Theologien nicht vom Studium der Wirkungsgeschichten ihres Tuns, Helfens, Redens und Schreibens dispensiert, sondern haben die tendenziell seltene und immer nur individuelle Gelegenheit, fast ganz neue Assoziations- und Konnotationszusammenhänge aufzubauen. Keine Erfahrung ist so umfassend, dass ihr Gegenteil nicht denkbar und real wäre. Apologeten erleiden immer wieder die Aufdringlichkeit der auf Dialog Erpichten, so dass Regeln für die Grenzen von Dialogbereitschaft wichtig werden. Reinhart Hummel hat bei seinen grundsätzlichen Überlegungen zur Dialogzurückhaltung oder gar -verweigerung beispielsweise die Scientologen im Blick, die als dialoggieriges Gegenüber erscheinen, weil sie sich Anerkennung und Prestigegewinn versprechen, wenn sie als Gesprächspartner ernstgenommen werden. Er sieht die schwierige Aufgabe darin, »illusionäre Feind- und Freundbilder gleichermaßen zu vermeiden«245 bzw. nicht »Feindbilder durch ebenso realitätsferne Freundbilder zu ersetzen«.246 Seine – zugegebenermaßen sehr grobe – Faustregel lautet sinngemäß, es sei besser mit den Dialogunwilligen als mit den Dialoggierigen zu reden.247 Bei bestimmten Gruppen und Sekten kann nur zum eigenen Schaden unterstellt werden, dass der Gesprächspartner die Absicht hat, wirklich ————— 240;;

Vgl. OBST, Pluralismus, 180f. Vgl. HUMMEL, Dialog, 108. 242;; CHRISTINE MÜLLER, in: RATZMANN/ZIEMER, Kirche, 17. 243;; Vgl. SUNDERMEIER, Dialog, 23. 244;; KRÖTKE, Kompetenz, 8. 245;; HUMMEL, Dialog, 106. 246;; Ebd., 118. 247;; Vgl. ebd., 109. 241;;

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den Gegenstand des Gespräches kennenzulernen und anderslautende Einsichten als überlegenswert anzuerkennen. Die Entscheidung für oder gegen den Dialog entsteht dabei nicht in einem Vakuum, sondern inmitten konkurrierender religiöser Wirklichkeitsverständnisse. »Sendungsbewußtsein und Missionswille gehören zur Breite der real existierenden Religionen und müssen als solche wahrgenommen werden.«248 Freilich sollten die Begründungen für den christlich initiierten Dialog nicht in der allgemeinen oder spezifischen Lage der anderen Religionen und Weltanschauungen gesucht werden, sondern ebenso wie die Motive für die Mission dem Evangelium entstammen.249 Im Fazit ist festzuhalten, dass Dialoge genau wie Pluralität nicht an sich gut sind oder in autopoietischen Prozessen ein unabhängiger Wert werden, sondern als kontinuierliche Gestaltungsaufgabe zu begreifen sind. Dialoge sind anzustreben, aber nicht zu gewährleisten. Auch in allen gelingenden und positiven Fällen garantieren sie weder Wahrheit noch endgültige Verständigung, im Gegenteil, zu erwarten ist die genauere Erkenntnis der bleibenden Differenzen. (3) Die Missionsgeschichte ist zu begreifen als Geschichte der teilweise unfreiwilligen und unbemerkten Konzentration auf das Wort, weil alle Gewalt- und Zwangsmaßnahmen spätestens in der Aufklärung ins »Gerede« kamen und danach in leidvoll langen Zeiträumen überwunden wurden und immer noch werden müssen. Immer wieder sind deshalb Dialoge als der christlichen Botschaft besonders entsprechend beschrieben worden, aus Gründen der Offenheit, Lernbereitschaft, der Fähigkeit zur Toleranz, des Respekts, der intendierten Freiheit zur Veränderung für alle Beteiligten. Hier wird ein seltener thematisiertes Charakteristikum hervorgehoben, das m.E. entscheidend ist: das inhärente Risiko der Verwundung aller Dialogteilnehmerinnen und -teilnehmer. Die Verwundbarkeit entspricht dem Evangelium, das von einem Gott kündet, der verwundbar ist. Hans Jochen Margull interpretierte seinerzeit Mission von diesem Gedanken ausgehend – nicht auf Grund eines irgendwie zu verstehenden »Missionsbefehls«. Er schlug als Grundlagentexte für christliche Mission die Gottesknechtslieder, insbesondere Jes 53, vor.250 Aus dieser Perspektive hinterfragte er die damals rasante Karriere des Dialogbegriffs.251 Margull stehen die Gründe für das Scheitern von Dialogen eindrücklich vor Augen. Ein Dialog kann seine Argumente verfehlen, sein ————— 248;;

Ebd., 114. Vgl. Kapitel 4.1.2 zu den realisierten und möglichen Missionsmotiven. 250;; Vgl. MARGULL, Verwundbarkeit, 410–420. SUNDERMEIER, Konvivenz, 38, nimmt den Begriff der »Verwundbarkeit« von MARGULL wieder auf. 251;; Vgl. OSTHOFF, Dialog, 174. Bis 1958 ist Dialog in der RGG3 nur als »geistliche musikalische Gattung« in Blick. 249;;

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Angebot kann abgelehnt werden, er kann sich zum Monolog zurückkrümmen. Darüberhinaus wagt der Missionswissenschaftler die These, das Christentum habe keine genuin dialogische Tradition; die Dialoge der Frühen Kirche seien in Wahrheit Monologe gewesen.252 In dieser tendenziell steilen Behauptung spiegelt sich die oben beschriebene Einsicht wider, dass es praktisch nur wenige dokumentierte, vermutlich also auch wenige durchgeführte Dialoge gibt. Dialoganfänge und Dialoginitiationen wie Bekenntnisse, Predigten und theologische Thesen aber sind zunächst notwendig monologisch. Anfängerinnen und Anfänger von Dialogen agieren gefährlich einseitig. Niemand kann die strukturelle Asymmetrie beginnender Dialoge selbstverantwortet überwinden. Man kann dabei um Einverständnis besorgt sein, große Hoffnungen hegen, wenig planen, gründlich die eigenen Sprachspiele reflektieren, aber niemals vorgängig einen wirklichen Dialog garantieren. Dialoge sind daher zu »enttäuschen«. Sie können als orientierende Ziele, nie aber als Voraussetzungen von Kommunikation fungieren.253 Obwohl Unterstellungen, z.B. von Respekt und ernstem Interesse, empfohlen werden und sogar Gegenstand von Dialogdefinitionen sind,254 erscheint diese Kategorie problematisch. Entsprechend sind die zahlreichen Beiträge, seltener Dialoge über die Dialoge, die realistischen und die illusionären, sehr vielfältig. Das Ringen um die formal richtigen Verhältnisbestimmungen von Dialog und Mission bzw. Apologetik nehmen einen breiten Raum ein in den Auseinandersetzungen um künftige Gestalten christlicher Mission.255 Wenn dann allerdings ein dialektisches oder komplementäres oder sich gegenseitig voraussetzendes Verhältnis bestimmt ist, endet das Nachdenken und setzt erst wieder bei materialen Einzelfragen ein, deren Wichtigkeit damit nicht in Abrede gestellt wird. Dazwischen fehlt ein prinzipieller Zugang zu den dialogmotivierenden Gründen und Gehalten, denn: »Ein Dialog lebt von Überzeugungen, der Relativismus der Jasager und Kopfnicker ist sein Tod.«256 Überall dort, wo der Vorwurf des Relativismus und der voreilig-falschen Anpassungsleistungen berechtigt ist, werden Dialoge nicht zustande kommen. Es ist stets leichter, simple Feindbilder für eine abgrenzende und abwehrende, dualistisch eingestellte Apologetik zu zeichnen, als differen————— 252;;

Vgl. MARGULL, Verwundbarkeit, 419. Vgl. Hinweise bei H. HEMPELMANN, Dialog; HUMMEL, Dialog und SCHOEN, Dialog. 254;; Vgl. VROOM, Dialog, 818. 255;; Vgl. neben KÜSTER, Dialog, 821, z.B. SUNDERMEIER, Konvivenz, 37f, und LIENEMANNPERRIN, Mission, 247ff, zu Mission und Dialog und allen denkbaren Varianten dieses Verhältnisses, besonders 251: Gerade die dialogfeindlichen Zeiten des Christentums waren auch der Mission abträglich. 256;; H. G. PÖHLMANN, Apologie, 82. 253;;

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zierte, argumentativ klare Dialogpositionen auszuarbeiten. Diese Mühe ist so groß, dass die Zahl der Dialoge auch auf diese Weise begrenzt wird. (4) Auf nickende und wie selbstverständlich beipflichtende Weise wird der Dialog freilich manchmal im selben Atemzug gefordert und verweigert. Das ist immer dann der Fall, wenn die Kirche und ihre organisatorischen, institutionellen und finanziellen Probleme zu alleinigen Themen in den Debatten über Dialoge werden. Genau diese Sicht auf die Renaissancen von Mission und Apologetik liegt aber unmittelbar nahe. Auffällig ist, dass die Missionsgeschichte nicht nur als Konzentration auf das Wort nachzuzeichnen ist, sondern auch als wortreiche Fokussierung auf die Kirchen und ihre Probleme und nicht auf ihre von ihnen jeweils zu unterscheidenden Zwecke. Denn hervorstechendes, aber in den Missionsdiskussionen nicht vorherrschendes Merkmal aller Kirchen ist ihr Glaube und Wissen, dass sie nicht um ihrer selbst willen da sind. Die Dialoge werden derzeit initiiert über die Kirchen, ihre Mitarbeitenden, ihre Mitglieder und nicht zuletzt deren Geld. Diese Themen beherrschen das Feld, weil sie mit Ängsten umgehen. Sie sind aber am denkbar schlechtesten für missionarische Aktivitäten jedweder Art geeignet.257 Menschen können nicht erreicht, geschweige denn ermutigt und ermuntert werden mit Botschaften über ihre wahrscheinlichen oder mutmaßlichen Defizite, Mitarbeitende nicht mit impliziten Vorwürfen wegen unzureichender Arbeitsleistungen. Prominentester Versuch, diese Unmöglichkeiten zu realisieren, dürfte das Impulspapier »Kirche der Freiheit«258 sein, das an dieser Stelle seinem gewichtigen Titel nicht gerecht wird. Differenzierter, evangeliumsadäquater und menschenfreundlicher wird der Kirchenbegriff bei Theo Sundermeier entwickelt. Er definiert die Missionswissenschaft als »Wissenschaft von der Begegnung der Kirche mit den ihr Fremden.«259 In der Konsequenz wird die Kirche aber nicht wie sonst üblich als allein gültige Instanz für die Zukunftsfähigkeit des Glaubens betrachtet, sondern zurückgewiesen auf den ihr angemessenen, nur dialogisch aufzufindenden Platz: Es gibt die Kirche nicht ohne den Fremden, den religiös und sozial Fremden, beide in gleicher Weise. […] Ohne den anderen, den in der Nähe und der Ferne, gibt es die Kirche nicht. Nicht nur der einzelne wird in seinem Sein durch den anderen, den Fremden konstitutiert, auch die Kirche ist in ihrem Sein durch ihn bestimmt. […]

————— 257;;

Vgl. zum Kirchenverständnis Kap. 5.1.1. Vgl. EKD-RAT, Freiheit, und die kritischen Stimmen dazu: KARLE, Ende, und THOMAS, Klippen. 259;; SUNDERMEIER, Konvivenz, 82. 258;;

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Gott wendet sich zur Welt, seiner Schöpfung, um sie wieder zu gewinnen. In diese Bewegung nimmt er die Kirche mit.260

Die Betrachtung der Dialoge ergibt zusammenfassend ein ambivalentes Bild. Dialoge verdanken ihren kometenhaften Aufstieg den Erkenntnissen, dass in einer funktional differenzierten Gesellschaft weder Einfachheit noch Einheitlichkeit herzustellen sind und auch nicht mehr mit derlei Versuchen belästigt und behindert werden sollten, wie es die Visionen innerhalb der neuzeitlichen Missionsgeschichte immer wieder taten. »Große« Konzepte gilt es zu verabschieden, um aktiv Gesellschaft in kleinen Schritten zu gestalten.261 Reformen sind anzustreben, die sich auch nicht im Verborgenen als Revolutionen gebärden, sondern im Vollsinn des Wortes fehlerfreundliche, weil korrekturfähige, dem Fehler gewohnten Menschen adäquate Vorgehensweisen initiieren.262 Dialoge teilen diese humanen Eigenschaften. Gleichwohl bleiben echte Dialoge unter den unzähligen Dialogversuchen und -anfängen selten. In Glaubensdingen sind sie ungefähr ebenso außergewöhnlich wie wahre Feindesliebe, die daran zu erkennen ist, dass weder der Feind zum Freund erklärt oder gemacht wird, noch ignoriert noch wohlgefällig bevormundet wird, sondern als Feind tapfer ertragen und erlitten wird, auch um den Preis von Verwundungen. So ist Dialogizität sinnvollerweise auch nicht einzufordern oder als Voraussetzung menschlicher Kommunikation anzusehen, weil es neben der Wirkkraft von Worten keine anderweitigen Realisationsmöglichkeiten gibt. Das reformatorisch-aufklärerische sine vi, sed verbo ist daher auch nicht zu aktualisieren und fortan etwa als sine vi, sed dialogo zu hören. Ein Wort soll und muss gesagt werden, ob es dann Dialoge geben wird, steht erst noch dahin.263 Predigten sind in dieser Hinsicht als spezifische Dialoganfänge zu verstehen. Albrecht Grözinger entfaltet ein Verständnis von »Predigt als einem monologen Drama«264 und skizziert »anfängliche Predigten«. Wenn die Gottes-Rede in der Postmoderne alles andere als selbstverständlich ist, wenn nicht länger aus einer wie auch immer gearteten Notwendigkeit begründet werden kann, sondern allein als ein nicht-notwendiger und nicht-selbstverständlicher

————— 260;;

Ebd. Vgl. POPPER, Lesebuch, 298f. 262;; Vgl. OSTEN: Die Kunst, Fehler zu machen. 263;; Vgl. GRÖZINGER, Sprache, 29–35, zu HEIDEGGER: »Aber die Sprache ist Monolog.« und zu JÜRGEN HABERMAS, der am Dialog als normgebender Grundlage für Sprache festhält. HABERMAS weiß besser als seine Rezipienten um die Seltenheit echter Dialoge und trotzt dagegen: »Der Vorgriff auf die ideale Sprechsituation hat für jede mögliche Kommunikation die Bedeutung eines konstitutiven Scheins, der zugleich Vorschein einer Lebensform ist.« 264;; GRÖZINGER, Kirche, 105. 261;;

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humaner Überschuss zu verstehen ist, dann muss unsere Predigt als Gottes-Rede in einem ganz elementaren Sinne zu einer anfänglichen Predigt werden.265

Wesentlich ist demzufolge, dass die vielen Wortbündel auf der Welt als Dialoganfänge begriffen werden.266 Denn die heutige säkularisierte Sprache der Welt lässt nach Eberhard Jüngel weder Gottes Gegenwart noch seine Abwesenheit ahnen. Sie weise nicht über sich hinaus, sondern nur in die Welt zurück.267 Die Sprache des Glaubens aber steht genau vor dieser Herausforderung, in der Welt dieselbe wortreich zu transzendieren. Daher lässt sich religiöse Sprache nicht an Wortbeständen festmachen, nicht lexisch fixieren.268 Gleichwohl ist es möglich, Charakteristika und Kriterien für sich ständig wandelnde missionarische Wortgewandtheiten an den potenziellen Dialoganfängen zu entwickeln. Dialoge können angefangen werden. Mehr ist nicht möglich. Weniger soll nach menschlichem Ermessen nicht versucht werden.

2.3 Orientierungen über »nova sprach« und »himlisch deudsch« Orientierungen über »nova sprach«

Die Kennzeichen celestiner Sprachen werden zunächst allgemein beschrieben, ehe zwei materiale Kapitel folgen, die exemplarisch die Bezeichnungslosigkeit und die gleichzeitige Sprachwut gegenüber den Adressaten und gegenüber der gegenwärtigen Welt weiter analysieren. Der Wandel missionarischer und apologetischer Sprachbilder stellt die evolutiven Entwicklungen von Sprache vor Augen. Daraus ergibt sich die Aufgabe einer kontinuierlichen Sprachbildung (2.3.1), die sich nicht nur in der Pluralität bewähren muss, sondern diese auch im eigenen Interesse und auf spezielle Weise pflegen sollte. Selbstkritisch reflektierte missionarische Sprachspiele können die gestiegenen Ansprüche an die Darstellung des christlichen Glaubens in Zeiten von Freiwilligkeit und allgemeiner Multioptionalität bewältigen helfen (2.3.2). Friedrich Schleiermacher beobachtete und verlangte die Entwicklung einer vor allem anderen eigentümlichen Sprache, die in der Lage ist, das Vorfindliche zu transzendieren, was weder durch die Übersetzung theologischer Sprachmuster in das Vokabular geisteswissenschaftlicher Nachbardisziplinen noch durch eine gesteigerte zeitgenössische Sprache gelingen kann, sondern nur durch den Versuch zur Transzendenz des Vorhandenen. Darüberhinaus ist die Sprache anschluss————— 265;;

GRÖZINGER, Toleranz, 74, Hervorhebung im Original. Vgl. JÜNGEL, Sache, 80. 267;; Vgl. ebd., 81. 268;; Vgl. BEUTEL, Sprache, 16, und die dortigen Verweise zu diesem Thema. Vgl. PREUL, Kirchentheorie, 269, der von »Sprachspiel« spricht. 266;;

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fähiger für beiläufigen, unscheinbaren und punktuellen Glauben zu gestalten (2.3.3). Anschließend ist ein besonderer Blick auf die Möglichkeiten des Mündlichen zu werfen, d.h. eine O(h)rientierung über das Hören zu geben (2.3.4), und die gemeinschaftsbildenden Kräfte von Sprachbildern herauszuarbeiten (2.3.5). 2.3.1 Evolutionen Luthers Dikta »nova sprach« und »himlisch deudsch«269 bezeichnen nicht eine ein für alle mal gültige Spracherneuerung, sondern betonen in ihren Zusammenhängen die Aufgabe einer kontinuierlichen Sprachschöpfung und dauernden Pflege vorhandener Sprachbilder. Der Reformator betont, dass diese Sprachformen gelehrt und gelernt werden können: »Christiani sollen die zungen anders schaben«,270 d.h. wörtlich ihre Zungen putzen, um feiner zu schmecken und – übertragen auf hermeneutische Sachverhalte – sie sollen sich durch jeweils differenziertere Rede positiv unterscheiden. Luthers Bild zeigt auf doppelte Weise, dass Zungen immer wieder geschabt werden müssen, die Sprache immer wieder zu erneuern ist und auch, dass das von ihm gewählte Bild inzwischen hermeneutikbedürftig geworden ist. Denn immer droht ein Leerwerden bei unbedacht häufigem (Dialog, Toleranz271) oder unsachgemäßem (Mission, Apologetik) Gebrauch. Der »geleerteste«, scheinbar unvermeidliche und unsachgemäß gebrauchte Begriff ist derjenige der Krise. Daher sollen an der missionarischen und weiter reichenden Krisensemantik exemplarisch die prekären Konsequenzen, weit über die rein sprachlichen Wirkungen hinaus, gezeigt werden. Drei Weisen von Krisenrede lassen sich im Wissen, dass die Übergänge fließend sind, unterscheiden: Krise als omnipräsentes und unreflektiertes, zeitloses Deutewort, das sich seiner Würde nicht mehr bewusst ist (1), Krise als kontinuierliche, teilweise totalitäre und zu problematisierende Gesamtinterpretation von Wirklichkeit (2) und die explizite und begründete Widerlegung weiter Teile der Krisensemantik (3). (1) Die »Krise der Mission«272 gilt in der jüngeren Vergangenheit als notorisch,273 es handelt sich in etwas leichteren Fällen um eine Identitätskrise ————— 269;;

LUTHER, WA 36, 644, Z. 6 und 4. Ebd., Z. 5. 271;; Vgl. zur Toleranz die Arbeit von SURALL, Juden. Einen Überblick zu Toleranz vs. Absolutheitsanspruch und den damit verbundenen Fragen bieten: DÖRING, Absolutheitsanspruch; PETZOLDT, Wahrheitsanspruch; SUNDERMEIER, Identität; WOLFINGER, Absolutheitsanspruch; DERS., Toleranz, und aus philosophischer Sicht MARQUARD, Individuum, und POPPER, Gesellschaft. 272;; KÜSTER, Vorwort, 7. 270;;

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der Missionsgesellschaften,274 im schwereren Fällen um eine »Grundlagenkrise der Mission«.275 Krisen sind aber keine Spezifika missionstheologischer Theorien, sondern bevölkern alle theologischen Fächer. Ebenso wie die Missionswissenschaftler, die die Weitergabe von Glaube und Leben gemeinsam in der Krise sehen,276 sprechen Systematische Theologen von einer »schweren Krise«.277 Die Beispiele für Krisengerede lassen sich in fast allen Bereichen äußerst langweilig vermehren. Unter religionssoziologischen Gesichtspunkten sind die Fragen nach der Krise oder den Krisen im Zusammenhang von Modernität und Pluralismus untersucht worden. Die nahe liegende Frage lautet: »Worauf beruht die Überzeugung der modernen (und »postmodernen«) Kritiker der gegenwärtigen Gesellschaft und Kultur, die Krise unserer Zeit sei grundlegend verschieden von allen vergangenen Miseren?«278 (2) Diese Frage verführt zu der Einsicht, dass Krisen das einzig Dauerhafte und Verbindende in Zeiten rasanten Wandels und radikaler Pluralisierung sind. Denn die Krisenmetapher wird schon lange aufwändig gepflegt279 und konnte anscheinend ein ganzes theologisches Teilfach für sich gewinnen. Die Praktische Theologie reflektiert Vieles und Innovatives, vor allem aber »traditionell die Krise kirchlicher Praxis«.280 Im Rückblick zeigen sich die Permanenz des Krisengeredes und zugleich genau darin die stete Widerlegung der Krisenthese, weil es in der Natur der Sache einer Krise liegt, einem Höhepunkt zuzustreben und danach nicht weiter zu existieren.281 Dietrich Rössler stellt aber schon für die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg fest: »Krise war einer der meistgebrauchten Begriffe der Epoche.«282 Dasselbe Bild ergab sich auch schon früher. Im Blick auf Goethe ebenso wie auf die vorletzte Jahrhundertwende ist zu resümieren: »Das, was wir heute als besondere, ›postmoderne‹ Krise der Religion erleben, hat es immer wieder gegeben als Unterstrom der christlichen Gesamtkultur und in einzelnen Perioden mit besonderer Intensität.«283 Als zunächst noch harmloses Urteil für den kirchlichen und wissenschaftlichen Betrieb bleibt übrig: ————— 273;;

Vgl. REINBOLD, Propaganda, 8. Vgl. AAGAARD, Identität, 185. 275;; BEYERHAUS, Erklärung, 3. 276;; Vgl. FELDTKELLER, Pluralismus, 30. 277;; WELKER, Selbst-Säkularisierung, 16. 278;; P. L. BERGER/LUCKMANN, Modernität, 10. 279;; Vgl. GERALD KRETZSCHMAR, Wahrnehmung, 332. 280;; GRETHLEIN, Mission, 387. 281;; Keine der bei W. HUBER, Kirche, 223–234, genannten Krisen strebt unmittelbar einem Höhe- oder Wendepunkt zu. 282;; D. RÖSSLER, Grundriß, 103, vgl. auch 103f. 283;; SACHAU, Kultur, 150, mit Verweis auf GOETHE, 149f, und NIPPERDEY für die Zeit von 1870–1918, 150. 274;;

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»Krisenrede ist wenig originell und einfallsreich«.284 Aber durch die gesellschaftliche Omnipräsenz des Interpretationsmusters Krise hat sich nahezu jeglicher diagnostische Wert verflüchtigt.285 Die Feststellung von Krisen kann zwar mit erfreulich großer Zustimmung rechnen, aber banalisiert sich selbst, neigt zur Konsequenzlosigkeit, auch wenn oder gerade weil alle dafür sind.286 Krise ist durch einen selbstwidersprüchlichen Dauereinsatz zu einem wohlfeilen Statthalterbegriff für eine notwendig zutreffendere Beschreibung von Wirklichkeit mutiert. Krisen bezeichnen genau Wende- und Höhepunkte von Entwicklungen. Sie sind gekennzeichnet durch offene Situationen, durch Ungewissheit, aber keinesfalls durch Dauerhaftigkeit. Die Vorstellung einer Dauerkrise ist absurd, was noch hinzunehmen wäre. Vor allem sind permanente Krisenempfindungen lähmend und demotivierend. Solche Krisen verlieren ihre Veränderbarkeit und Entwicklungsfähigkeit, genau diejenigen Charakteristika, die durch den Krisenbegriff ursprünglich intendiert waren.287 Gunda Schneider-Flume hat die Mechanismen offengelegt, nach denen Dauerkrisen ihre entmutigenden und demotivierenden Wirkungen entfalten. Der Wende 1989 ging eine kurze und heftige, echte und daher seltene Krise voraus. Aber erst seither wird von einer anhaltenden Krise geredet. Krise dient dabei als Umschreibung einer resignativen Endgültigkeitsfeststellung, die jeden Aufbruchsversuch vereitelt.288 Schneider-Flume wähnt das Übersehen einer eigentlichen Krise, abgelenkt durch die vielen herbeigeredeten Krisen. Möglicherweise verfällt man aber mit theologisch abstraktem Krisenbewusstsein so sehr dem modischen Zeitgeist, dass man die Schärfe der Krise, in der wir uns befinden, verkennt. Krisenbewusstsein auf Dauer, das zu Resignation führt, ist die Sünde der Kirche, die sich der Macht Gottes in der Krise verschließt.289

Gerade die allzu verbreitete und zustimmungsfähige Krisenrede verhindert eine differenzierte und theologisch bedachte Krisenbetrachtung gemäß der ursprünglichen, griechischen Wortbedeutung. Krise meint dann nicht ein Elend, sondern, im Gegenteil, Unterscheidungs- und Urteilsfähigkeit. Hartmut Rosenau begreift die allerorten anzutreffende »Krise der Kirche« gegen ihre gebräuchliche Intention als ekklesiologisches Grundmotiv und damit als hoffnungsvolle Kernaufgabe der Christenheit.290 Im genitivus ————— 284 ;

GERALD KRETZSCHMAR, Wahrnehmung, 331. Vgl. PREUL, Gott, 79 und 138. 286;; Vgl. ROSENAU, Erwägungen, 223. 287;; Vgl. SCHNEIDER-FLUME, Glaube, 192–198. 288;; Vgl. ebd., 193. 289;; Ebd., 196, Hervorhebung im Original. 290;; Vgl. ROSENAU, Erwägungen, 223–232. 285;;

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subjektivus solle man die Krise der Kirche als ihre kritische Funktion der Weltdeutung verstehen, im genitivus objectivus geriete die Kirche unter den kritischen Blick der Welt und unter Selbstkritik. Die Krise der Kirche ist unter diesem speziellen Gesichtspunkt, der in den gegenwärtigen Diskussionen aber selten im Blick ist, eine »omni- und semperpräsente Situation der Kirche in ihrem geschichtlichen inter-esse zwischen der Himmelfahrt und der Parusie Christi.«291 Sie kann dann als Synonym für eine »ecclesia semper reformanda«292 verstanden werden. Die Kontraproduktivität der sonst üblichen Krisenrede wird daran und sodann weiter deutlich, wenn mit dem Verständnis der Krise als Höhe- und Wendepunkt ein quasi vorrevolutionärer Zustand ins Leben gerufen wird.293 Ein revolutionärer Umbruch aber steht weder bevor, noch sollte ein derartiger Versuch unternommen werden. Nicht nur das reformatorische Prinzip ecclesia semper reformanda294 steht diesem Ansinnen entgegen. Hartmut Rosenau empfiehlt der Kirche mit Rücksichten auf die alttestamentliche Weisheit, die biblisch-christlichen Traditionen auch in Zeiten von Skepsis und Gleichgültigkeit zu vergegenwärtigen, das Warten und Innehalten zu üben, um die Grenzen menschlicher Fähigkeiten im Bewusstsein zu halten oder ins Bewusstsein zu bringen.295 Diese Grenzen schließen auch große Revolutionen aus, auch wenn missionarische Entwürfe die Lage gelegentlich als so aussichtslos schildern, als könne nichts anderes mehr hilfreich sein. Damit aber führt die Krisendiagnose zu einem inhärenten Absolutheitsanspruch, der nach allen Erfahrungen der zweitausendjährigen Kirchengeschichte nicht mehr sinnreich und vor allem nicht mehr menschenfreundlich erscheint. Die Situation der Kirchen, wenn nicht der Religion selbst, in der säkularisierten Gesellschaft wird oft mit dem Begriff der Krise belegt. Man spricht von Kirchenkrise, um den Ernst der Situation zu verdeutlichen. Das ist jedoch eine irreführende Darstellung. Von Krise kann man nur sprechen, wenn in absehbarer Zukunft eine Wende – sei es zum Besseren, sei es zum Schlechteren bevorsteht. Eine solche Wende ist

————— 291;;

Ebd., 225. Ebd. 293;; Z.B. die »Leuchtfeuer« der EKD im Impulspapier »Kirche der Freiheit« von 2006 legen durch ihren Feuerschein derartige Assoziationen nahe. 294;; Vgl. MOLTMANN, Theologia, 157: »Man weiß nicht genau, wer diese Formel erfunden hat, sie bezeichnet aber genau das Prinzip der nach Gottes Wort reformierten Kirche und Theologie: ecclesia reformata et semper reformanda und deshalb auch: theologia reformata et semper reformanda. Tradition und Innovation sind ein Prozeß. ›Reformation‹ ist nach diesem Grundsatz kein einmaliger Akt, auf den man sich konfessionalistisch berufen und auf dessen Geschehen man sich traditionalistisch ausruhen könnte. ›Reformation nach Gottes Wort‹ ist wesentlich ›permanente Reformation‹«. 295;; Vgl. ROSENAU, Erwägungen, 231. 292;;

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jedoch nicht abzusehen. Die Phänomene, um die es geht, beziehen sich auf die Situation der Religion in einer funktional differenzierten Gesellschaft.296

Niklas Luhmann mahnt folgerichtig, die Sprache zu entdramatisieren und realitätsnäher zu gebrauchen. Dazu macht er selbst Vorschläge: »Säkularisierung heißt also nicht: Funktions- oder Bedeutungsverlust der Religion, vielleicht aber vorübergehende (?) Schlechtanpassung an die Bedingungen der modernen Gesellschaft.«297 Die Gründe, auf das herkömmliche Krisengerede ganz zu verzichten, sind gut. (3) Aber es ist nicht leicht, eingefahrene Sprachroutinen zu verlassen, die so prominente Medienstars sind wie Krisen. Es wäre aber ein Zeichen nicht nur missionarischer und apologetischer Sprachkompetenzen, beim Verzicht auf Krisengerede nicht sprachlos zu werden, sondern gerade anderes und dadurch mehr zu sagen zu haben. Die Christenheit ist weder beim Einzelnen noch als soziale Größe gefragt, Krisen noch öfter zu beschwören, als es ohnehin schon geschieht. Wenn die Kirchen sich derart selbst zu schlechteren Kopien der Gesamtgesellschaft machen, widerstehen sie hartnäckig ihrem Auftrag, das zu tun, was draußen, in der Welt der wirtschaftlichen Effizienz, der puren Leistungsgesellschaft, nicht geht, nicht getan wird. Kirche ist nicht Produzent von Mehrwert, sondern sie ist mehr wert, sie ist Luxus, unverzichtbarer Luxus einer Gesellschaft.298

Das bisher Gesagte ist zu berücksichtigen, wenn die Welt voll Krisen wäre. Aber auch das ist ernstlich zu bezweifeln. Odo Marquard nimmt an, dass Krisen viel seltener sind, als von ihnen geredet wird. Er vermutet: »Vielleicht ist ja unsere Welt trotz allem mehr Nichtkrise als Krise; dann ist sie zwar nicht der Himmel auf Erden, aber zugleich doch auch nicht die Hölle auf Erden, sondern eben: die Erde auf Erden.«299 Der Philosoph weist ausdrücklich auf die sprachlichen Gestaltungsmöglichkeiten der vorfindlichen Wirklichkeiten hin: »Wer von der menschlichen Wirklichkeit verlangt, der Himmel auf Erden zu sein, und sie – weil sie das nicht ist – enttäuscht und empört zur Hölle auf Erden erklärt, vergißt, was sie wirklich ist, die Erde auf Erden.«300 Die Erde auf Erden aber wäre der Ort kleiner Lösungen, menschenfreundlicher, weil fehlerfreundlicher301 Änderungen, die nicht alles in Gänze in Frage stellen, weil sie wissen, dass keiner die große Antwort auf das ————— 296;;

LUHMANN, Religion, 317. Ebd., 301. 298;; GRÖZINGER, Kirche, 46, der den Basler Theaterdirektor MICHAEL SCHINDHELM zitiert. 299;; MARQUARD, Skepsis, 108. 300;; DERS., Zustimmung, 108. 301;; Vgl. OSTEN, Kunst, 103: »non errare inhumanum est«. 297;;

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Ganze hat, sondern die vielen kleineren Möglichkeiten erprobt werden müssen.302 Die Wertschätzung dauernder Reformen, die Karl Popper seinerzeit für offene Gesellschaften entwickelt hat, ist anzuwenden auf offene Kirchen in permanenten Veränderungen. Hier soll für entsprechend »offene Missionen« plädiert werden, die sich großer Lösungen enthalten. Popper schreibt: Der typische Stückwerk-Ingenieur wird folgendermaßen vorgehen. Er mag zwar einige Vorstellungen von der idealen Gesellschaft »als Ganzem« haben – sein Ideal wird vielleicht die allgemeine Wohlfahrt sein –, aber er ist nicht dafür, daß die Gesellschaft als Ganzes neu geplant wird. Was immer seine Ziele sein mögen, er sucht sie schrittweise durch kleine Eingriffe zu erreichen, die sich dauernd verbessern lassen. […] Er wird sich auch davor hüten, Reformen von solcher Komplexität und Tragweite zu unternehmen, daß es ihm unmöglich wird, Ursachen und Wirkungen zu entwirren und zu wissen, was er eigentlich tut.303

Für die Mission und die Apologetik, die in der Vergangenheit immer wieder im (Sprach-)Gewand totaler Theorien auftraten304 – die Dauerrede von der großen Krise ist nur die jüngste Verkleidung dieses Sachverhalts –, ist die alte Warnung Poppers vor holistischen Entwürfen besonders wichtig. Der Philosoph schreibt in gesellschaftspolitischer Auseinandersetzung und im Kampf gegen das Diktatorische: Der holistische Planer übersieht, daß es zwar leicht ist, die Macht zu zentralisieren, aber unmöglich, all das Wissen zu zentralisieren, welches auf viele Individuen verteilt ist und dessen Zentralisierung zur weisen Ausübung der zentralisierten Macht erforderlich wäre […] Nun hat diese Tatsache aber weitreichende Konsequenzen. Da der holistische Planer nicht imstande ist festzustellen, was in so vielen Menschen vorgeht, muß er versuchen, durch Eliminierung individueller Unterschiede seine Probleme zu vereinfachen: er muß versuchen, die Interessen und Ansichten der Menschen durch Schulung und Propaganda zu lenken und stereotyp zu machen. Doch dieser Versuch, den Verstand der Menschen zu beherrschen, zerstört zwangsläufig die letzte Möglichkeit festzustellen, was die Leute wirklich denken; […] Letzten Endes muß ein solcher Versuch die Erkenntnis und das Wissen vernichten, und je größer der Gewinn an Macht ist, desto größer wird der Verlust an Wissen sein.305

Die Mission der Gegenwart ist durch ihre Pluralität dezentralisiert, entmächtigt und damit formal geschützt vor großen Lösungsversuchen und damit auch vor großen Missbräuchen.306 —————

302;; Vgl. auch HERMS, Rücken, 496f, zur Gleichursprünglichkeit des Allgemeinen und des Besonderen und der solcherart gelingenden Auflösung des Universalienproblems. 303;; POPPER, Lesebuch, 298f. 304;; Vgl. HAUSCHILDT, Mission, 486f. 305;; POPPER, Lesebuch, 306f. 306;; Vgl. das Plädoyer für Pluralität in Kap. 2.3.2.

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So wird etwa ein großer Traditionsabbruch beobachtet, der aber nur in kleinen, selbstkritischen und herkunftsbezogenen Schritten zu beheben sein wird. Im Impulspapier »Kirche der Freiheit« wird der Traditionsabbruch aber seinerseits zum holistischen Programm erhoben und der Wissensverlust der vielen Individuen – nach Popper: um Macht zu gewinnen – noch forciert: Die im Juli 2004 vom Rat der EKD beschlossene Umkehrung der Begründungspflicht, die auch in manchen Landeskirchen aufgenommen wurde, kann daher als Zukunfts-Grundsatz für den anstehenden Mentalitätswechsel und den dazu gehörenden Paradigmenwechsel gelten. Nicht mehr die lange oder gute Tradition einer Aufgabe ist ausschlaggebend, sondern die zukünftige Bedeutung.307

Paradigmenwechsel aber sind nicht nur Leitungsorganen und ihren Entscheidungen entzogen und damit prinzipiell nicht beschlussfähig, sondern organisatorisch unverfügbar und überhaupt nur im Rückblick als solche zu entziffern. Unmittelbarer Widerspruch ergibt sich aus den weiteren Überlegungen bei Popper, der die langsame und nur bedingt beeinflussbare Veränderung sozialer Interaktionen und ihre ausdifferenzierten Institutionalisierungen betont. Der Spezialist der Stückwerk-Technologie und Stückwerk-Technik weiß, daß nur eine Minderheit sozialer Institutionen bewußt geplant wird, während die große Mehrzahl als ungeplantes Ergebnis menschlichen Handelns einfach »gewachsen« ist.308

Niklas Luhmann begründet seinen Widerspruch gegen die Krisenrede mit der Beobachtung evolutiver Entwicklungen im religiösen Teilsystem der funktional differenzierten Gesellschaft: Die Beschreibung als »Krise« enthält eine unnötige Dramatisierung und suggeriert, daß es auf Entscheidungen ankäme. Gerade Entscheidungen (etwa über Fragen der Dogmatik oder der Kirchenorganisation), die als solche kommuniziert werden, können jedoch nicht helfen. Eher wird man annehmen müssen, daß es um Möglichkeiten einer evolutionären Anpassung an neue Lagen geht. Offenbar kann die Form, die die Religion in der neuen, in der modernen Gesellschaft annehmen wird, noch nicht angemessen gefasst und beschrieben werden. Das muss nicht erstaunen, denn wenn es um eine evolutionäre Veränderung geht, ist sie in allen Fällen, und so auch hier, nur retrospektiv zugänglich.309

So bleiben religiösen Organisationen nach Luhmann nur Reformen, deren größter Wert darin besteht, neue Reformen zu veranlassen. »Der strukturelle Wandel, der zählt, findet auf der Ebene des gesellschaftlichen Religions————— 307;;

EKD-RAT, Freiheit, 42. POPPER, Lesebuch, 297f, Hervorhebung im Original. 309;; LUHMANN, Religion, 318. 308;;

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systems statt und kann nur unzureichend in Organisationen hineincopiert werden. Er hat die Form von Evolution, nicht von Planung.«310 Somit sind die von Luhmann diagnostizierten Evolutionen auf die Entwicklungsmöglichkeiten von Sprache zu übertragen. Dazu kann es keinen anderen Weg geben, als die von Popper erhoffte soziale Vorgehensweise in kleineren, überschau- und nachträglich überprüfbaren Schritten.311 Denn Mission und Apologetik haben ihre wahrhaftigen Krisen hinter sich, wie schon ein oberflächlicher Blick in die Geschichte zeigt. Für die Gegenwart und die erhoffte neue Sprache gilt: »Diese missionarische Sprache wird sich, allen Anzeichen nach, nicht einstellen in der Art einer dramatischen Zeitenwende.«312 Die Arbeit steckt im Detail und große Lösungen sind nicht in Sicht, auch wenn totale Erwartungen immer noch für Resignationen sorgen. Die EKDSynode hat 1993 in Osnabrück sehr ausführlich die Sprachkraft des Papiers »Leben im Angebot« kritisiert. Halb amüsiert, halb erschreckt nimmt man zur Kenntnis, welch grandiose Wirkungen man sich z.B. von einer Änderung des Titels versprach, wobei außer Frage feststeht, dass der Titel alles andere als inhalts-, geschweige denn evangeliumserhellend war.313 Die Selbstwidersprüchlichkeit wird am Sprachspiel »Appell« sofort deutlich. Unter der Überschrift »Die Kompetenz zur Kommunikation des Evangeliums stärken« heißt es: »Wir müssen selbstkritisch einsehen, daß die befreiende Wahrheit des Evangeliums oft in einer Formelsprache mitgeteilt oder aber in moralische Appelle verkehrt wird, denen niemand widerspricht, die aber auch niemanden beflügeln.« Exakt das Abgewiesene ist wenige Zeilen später der Fall: Wir appellieren an die staatlichen und kirchlichen Träger von theologischer Ausbildung, dafür zu sorgen, daß die Lebenswirklichkeit in solchen Bildungsgängen einen höheren Stellenwert erhält. Auch die missionarische Kompetenz kirchlicher Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen würde dadurch gestärkt.314

Die adäquate Sprache für die »heilsame Freiheit, die das machtvolle Wort Gottes gerade in seiner inhaltlichen Bestimmtheit als ›ohnmächtiges‹ Wort vom Kreuz«315 darstellt, ergibt sich nicht krisengemäß plötzlich, sondern entwickelt sich evolutiv, d.h. vor allem langsam und durch kontinuierliche Sprachpflege. ————— 310;;

Ebd., 246. Vgl. POPPER, Lesebuch, 298f. 312;; AUSSCHUSS DER ARNOLDSHAINER KONFERENZ, Evangelisation, 107. 313;; Vgl. EKD-SYNODE, Leben, 181 (Synodaler HAUPT). 314;; Ebd., 839. 315;; CORNELIUS-BUNDSCHUH, Kirche, 299, Hervorhebung im Original. 311;;

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Man könnte es »Achtsamkeit gegen das Selbstveralten der Sprache nennen, Vorsicht vor einer inneren Gefährdung, die bei übermäßigem Gebrauch noch den anschaulichsten, bildreichsten Formulierungen droht«316. Dass längere Zeit unbenutzte Begriffe sich nicht einfach zu einer tabula rasa zurückverwandeln, ist in den aktuellen Auseinandersetzungen überaus deutlich. Ebenso ist klar geworden, dass inflationär gebrauchte Worte wie Krise viel eher eine gefährliche und oberflächliche tabula rasa bilden. Die Weiterentwicklung menschenfreundlicher Sprachen ist jeder neuen Generation aufgegeben, man kann gute Formulierungen und treffende Ausdrücke nicht konservieren, wohl aber kritisch mit historischen Sprachversuchen umgehen. Dazu gehören selbstredend und beispielsweise auch diejenigen Martin Luthers. Die selbstkritische und langfristige Wortwirkungsgeschichtsforschung ist denn auch zu unterscheiden von der gegenwärtigen, relativ kurzsichtigen Nabelschau, in der die Kirchen und Gemeinden durch Spardiskussionen und den sich daran anschließenden Leitbildprozessen und Identitätsfusionsverhandlungen gefangen sind. Die Diskussionen um Mission und Apologetik mit ihrer diagnostizierten Sprachlosigkeit und der nicht eigens explizierten Sprachwut, die gleichwohl zu Tage tritt, zeigen ein mindestens anderthalb Jahrhunderte altes Manko. Eine »evangelische Sprachsorge«317 kann nach wie vor nicht als selbstverständlich gelten, die einerseits kirchenleitende und wissenschaftliche Reden und Schriften wie auch unmittelbare Darstellungen des christlichen Glaubens und Bekennens gleichberechtigt im Blick hätte. Jochen CorneliusBundschuh hat überzeugend dargelegt, warum in unserer multimedialisierten Gesellschaft, geprägt von einem ähnlich einschneidenden Medienzuwachs wie zuletzt zu Beginn der Neuzeit durch das gedruckte Wort, dennoch gute Gründe die Pflege und Hochschätzung des Wortes um der Menschen willen nahe legen.318 Die lange Reihe der Fürsprecher für die Worte stammt nicht nur aus den inneren Zirkeln protestantischer Theologie, sondern aus der gesamten geisteswissenschaftlichen Forschung. Aus vielen Perspektiven außerhalb der Praktischen Theologien kommen die Beschreibungen der spezifischen Wirkungsweisen von Worten. Wesentlich ist die religionssoziologische Einsicht: Wenn freilich das Wort einerseits ein Bestandteil unserer Alltagswelt und insofern jedermann zugänglich ist, andererseits uns aber zugleich über unsere Alltagswelt hinaustragen kann und damit genau jene Funktion zu erfüllen vermag, die dem Ritual

————— 316;;

SCHMIDT-ROST, Passion, 99. DERS., Evangelisch, 180, Hervorhebung im Original. 318;; Vgl. CORNELIUS-BUNDSCHUH, Kirche, 9 u.ö. 317;;

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zugemutet wird, so scheint das Vertrauen auf die Wirksamkeit des Wortes auch unter den Bedingungen der Moderne nicht ungerechtfertigt zu sein.319

In den Praktischen Theologien am Anfang des 21. Jahrhunderts, die das gesellschaftliche Gebot zur Kommunikation betonen, breitet sich die Hochachtung vor den Wortwirkungen wieder aus: Lautet aber der gesellschaftliche Auftrag auf Gewährleistung einer aufgeklärten religiösen Kommunikationskompetenz, so muss sich die theologische Bildung aus evangelischer Perspektive vor allem auf das ihr mit der Gesellschaft gemeinsame Grundmedium, die Sprache, und die in ihr verantworteten Geschichten und Bilder konzentrieren.320

Aus den befürwortenden Arbeiten von Jochen Cornelius-Bundschuh, Christoph Dinkel, Albrecht Grözinger und Reinhard Schmidt-Rost321 gehen aber auch die Widerstände gegen diese These hervor. Dinkel begründet seinen »evangelischen Kult ums Wort« mit »Differenzverstärkung«: »Ein Gottesdienst soll nicht das bieten, was alle machen und für plausibel halten.«322 Den allgemeineren Trend karikiert er kaum: Wer modern sein will, so kann man daraus schließen, muss Bilder und Erlebnisse bieten, muss Erfahrungen und Begehungen ermöglichen, muss das Heilige im Gottesdienst in Szene setzen und die strenge protestantische Nüchternheit und Wortlastigkeit überwinden. Farbige Stolen über dem schwarzen Talar sind dabei nur das Mindeste, was man dem Auge bieten sollte. Liturgische Tänze und Gewänder, Videoinstallationen und Kunstbegegnungen, Stoffbänder und Behänge – all das wird aufgeboten, um dem evangelischen Kultus aufzuhelfen.323

Diese Kritik und das positive Gegenbild entwickelt Dinkel passenderweise in einer ansprechenden Predigt: Die Predigt ist dabei mit dem Senfkorn zu vergleichen, von dem Jesus im Gleichnis (vgl. Mt 13,31f) erzählt. Im Vergleich zur medialen Wucht mancher religiösen Inszenierung wirkt sie bescheiden. […] Von Jesus sind uns keine Bilder, wenige Gesten und außer Taufe und Abendmahl kaum religionsfähige Inszenierungen überliefert. Von Jesus sind uns im Wesentlichen nur Worte überliefert, aber was für Worte!324

Die Verwandtschaft zu Sickel ist unüberhörbar, aber dennoch weit entfernt, weil der leidende Unterton gänzlich fehlt. ————— 319;;

POLLACK, Gottesdienst, 330. SCHMIDT-ROST, Passion, 92. 321;; Vgl. CORNELIUS-BUNDSCHUH, Kirche; SCHMIDT-ROST, Wort; GRÖZINGER, Gott; SCHMIDTROST, Passion; DERS., Evangelisch und DINKEL, Kult. 322;; DINKEL, Kult, 388. 323;; Ebd., 391. 324;; Ebd., 393. 320;;

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Es ist noch einmal zu unterstreichen, dass gerade anlässlich überbordender Multimedialität und ununterbrochener Kommunikation325 die differenzierenden Kräfte der Sprachen besondere Pflege verdienen. Sprache wirkt nicht nur ambivalent, sondern darin in spezifischer Weise kreativ, »sie bringt die Wirklichkeit hervor, die sie thematisiert. Ihr ursprünglichster Vollzug ist daher das Aussprechen und die ›Artikulation‹ (also gegliederte Ordnung) von Wirklichem.«326 Fritz Pleitgen betont die Macht der Sprache, die dem Menschen entgegenkommt im doppelten Sinn des Wortes: als externes Gegenüber und als hilfreiche Möglichkeit, die es zu nutzen gilt: Wir tun nicht, was wir wollen, sondern wollen, was wir tun, und auch die Sprache spricht uns vielmehr, als dass wir Sprache sprechen. Das Reden erzeugt eine Wirklichkeit, die vorher nicht existierte, auch nicht in Gedanken. Und Gutes sprechen erzeugt eine gute Wirklichkeit. […] »Wenn du redest, sieh zu, dass du damit Gutes tust!«327

Ohne Sprache wären Menschen dem Gewordenen und Gefundenen hilflos ausgeliefert, aber dank der Sprache entsteht ein Überschuss, der zu produktiver Weltgestaltung befähigt.328 Aus hermeneutischen Grundüberlegungen heraus wurde deshalb thetisch gesetzt: »Das tätige oder lebendige Wort übertrifft das geschichtlich Wirkliche an Wirklichkeit.«329 Neue Sprachversuche sollten also mächtig und kräftig genug sein, die geschichtliche Wirklichkeit gescheiterter Missionsversuche und apologetischer Tiraden zu übertreffen, d.h. ihre Wirkungen zu reflektieren, zu begrenzen, zuletzt gar zu bessern: »Auch über das Böse kann man auf eine Weise reden, die es verringert, die es beschwört und besänftigt, am Ende gar auflöst und es in sein Gegenteil verwandelt.«330 Zuvor aber ist noch das Gute und das Böse sprachlich auseinander- und zusammenzuhalten, vielleicht sind diese beiden kaum je so nahe und so fern voneinander wie in der christlichen Missionsgeschichte gewesen. Denn »Sprache schöpft, gestaltet Wirklichkeit. […] Durch Sprachgestaltung werden die Weichen des Denkens und Handelns im unsichtbaren Material des Selbstverständlichen gestellt.«331 Auch bei der genauen Unterscheidung zwischen göttlichen und menschlichen Worten332 hat letzteres die schöpfergewollte Aussicht, treffend zu ————— 325;;

Vgl. SLOTERDIJK, Weltfremdheit, 106. DALFERTH, Wort, 112. 327;; PLEITGEN, Kraft, 238. 328;; Vgl. GRÖZINGER, Sprache, 65. 329;; FUCHS, Hermeneutik, 230. 330;; PLEITGEN, Kraft, 238. 331;; BECK, Kinder, 377. Vgl. auch GRÖZINGER, Kirche, 130. 332;; Vgl. DALFERTH, Wort, 105–143, und CORNELIUS-BUNDSCHUH, Kirche, 288. 326;;

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sein, denn ihm eignet eine »wühlende Kraft zur Reflexion«.333 Worte haben die Fähigkeit zur Selbstthematisierung. Sie könnten also ihre Freiheitsgewinne auch gegenüber belastenden Wirkungsgeschichten geltend machen.334 Aber auch die allergrößte Aufmerksamkeit und Sorgfalt kann nicht verhindern, dass Verständigung misslingt und Worte auf taube Ohren treffen. Diese Grenze gehört grundlegend zu den Erwägungen »über die menschliche Verantwortung für das menschliche Wort«335 und seine intersubjektive Relationalität, die gelegentlich in der unmittelbaren Gegenüberstellung zum Worte Gottes unterging. Wilfried Härle präzisiert diese Grenze für die Kirche und das Wirken einzelner Christenmenschen: Der Auftrag der Kirche ist die Bezeugung des Evangeliums, das durch das Wirken des Heiligen Geistes Glauben weckt, aber nicht immer und überall tatsächlich Glauben findet. Es gibt die Möglichkeit der bleibenden Verblendung, der Verstockung und des Unwillens. […] Auch angesichts dieser Erfolglosigkeit besteht der kirchliche Auftrag in nichts anderem als darin, das Evangelium zu bezeugen »sine vi humana, sed verbo«.336

Daraus sollte nicht der problematische Schluss gezogen werden, die Erfolglosigkeit liege am Wort und am Verzicht auf beeindruckendere Kräfte bzw. auf Bilder. Der verwendete Begriff der Verblendung impliziert die Einsicht, dass auch die Augen verschlossen bleiben können. Medienwechsel sind also kein Allheilmittel. Sie illustrieren dann nur vervielfältigt die prinzipielle Unverfügbarkeit gelingender religiöser Kommunikation. Eberhard Jüngel warnte die Kirche schon vor über dreißig Jahren davor, zu versuchen, sich noch einmal oder gar ein letztes Mal auf unevangelische Weise interessant zu machen.337 Dieses Experiment liegt allerdings immer wieder nahe angesichts der lähmenden Indifferenz, die gegenüber dem Christentum, nicht nur in den ehemals neuen Bundesländern, zu Tage tritt.338 Ihre entmutigende Kraft kann Indifferenz aber nur entfalten, wenn sie als Movens für Mission in Anspruch genommen werden soll. Die Motive missionarischen und apologetischen Handelns liegen gegen den Augenschein nicht in den vorfindlichen Zuständen der Welt.339 ————— 333;;

NIPPERDEY, Luther, 15. DALFERTH, Wort, 116f. 335;; Vgl. BEUTEL, Sprache, 22, und WEDER, Hermeneutik, 260. 336;; CA XXVIII, in: BSLK und HÄRLE, Dogmatik, 580f, Hervorhebung im Original. 337;; Vgl. JÜNGEL, Anfechtung, 24. 338;; Vgl. SCHNEIDER-FLUME, Glaube, 7 u. 11, und KRÖTKE, Massenatheismus, 216. 339;; Vgl. zur Problematik der Motive für Mission und Apologetik Kap. 4. Vgl. die folgenden Beispiele aus allen beteiligten theologischen Fächern: LOHMANN, Wahrheit und Pluralität, und SCHWÖBEL, Ökumene, DERS., Wahrheit; POHL-PATALONG, Kirchliche Strukturen im Plural, und D. RÖSSLER, Identität; KÜENZLEN, Kirche; SUNDERMEIER, Identität und DERS., Sensibilität. 334;;

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2.3.2 Pluralitätspflege Zu den wesentlichen Aufgaben bei der Überwindung von Sprachlosigkeit und Wut gehört die differenzierte Pflege der vorfindlichen Pluralitäten. Diese begegnen einem auf der wissenschaftstheoretischen Ebene, im Diskurs zwischen Soziologien, Philosophien und Theologien (1). Dabei werden die Bedrohungen vorfindlicher Pluralitäten ebenso deutlich wie die Notwendigkeit, eine vernünftige Zuneigung zu Differenzen zu entwickeln und ihre Ambivalenzen differenziert zu betrachten, sie aber vor allem auf ihre komplementären Fähigkeiten hin zu befragen (2). Die explizite Kritik an den impliziten Einheitsphantasien (3) und die problematische Pluralismusinterpretation als »Markt« (4) zeigen exemplarisch, wie eine bessere Pluralitätspflege geschehen könnte. (1) Zu den verbreitetesten Gesellschaftsbildern, die den Hintergrund bilden für weit reichende Prognosen, Hoffnungen und Ängste, gehört dasjenige von Pluralität bzw. Pluralismus.340 Es ist sowohl in missionswissenschaftlichen als auch in praktisch-theologischen Entwürfen omnipräsent, und es wird mit den vielfältigsten Konsequenzen vorgetragen. Der zwiespältige Charakter dieser ihrerseits tendenziell totalitären, weil unterdessen das Deskriptionsmonopol innehabenden Gesellschaftsdeutung, tritt nicht mehr deutlich genug hervor. Es geht nicht um Details, sondern stets um das Ganze der Gesellschaft. Dabei gibt es kaum eine leidenschaftslose Darlegung der dazugehörigen Phänomene. Ulrich Körtner hat die verschiedenen soziologischen und philosophischen Pluralitätstheorien eingehend dargestellt und ihre Ambivalenzen auf die Beurteilung des vorfindlichen, vielgestaltigen Christentums übertragen. Jegliche Unterschiede zwischen den Kirchen, die zu Konkurrenzen führen, sind demnach weder im Rahmen einer Verfalls- noch einer Fortschrittsgeschichte treffend zu erfassen. Es wird die Existenz der verschiedenen Kirchen entweder einseitig als bloße Negation der einen Kirche Jesu Christi bzw. als Resultat menschlicher Sünde oder aber, nicht minder verkürzend, ausschließlich als lebendige Vielfalt eines Lebens aus dem Geist Gottes interpretiert. Beide Antworten sind gleichermaßen unzureichend und werden der geschilderten Komplexität der Differenz von Identität und Differenz im Christentum nicht gerecht.341

Die Annahme pluraler Zustände löst gerade im Blick auf erfolgsuchende Missionen immer noch entweder furchterregende und darum wirkungsvolle Weltuntergangsstimmungen aus oder setzt gewaltige Begeisterungspotenzi—————

340;; Vgl. zum ganzen kommenden Abschnitt WELKER, Kirche, 11–36, und CORNELIUSBUNDSCHUH, Kirche, 289. 341;; KÖRTNER, Vielfalt, 54, zum Ganzen 18–57.

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ale frei. Der »Abschied vom Prinzipiellen« wird gelegentlich wie bei Odo Marquard gefeiert: Deshalb ist der Skeptiker verliebt in jene Metaphysik, die so viele Antworten produziert, daß sie einander wechselseitig neutralisieren, und gerade dadurch – teile und denke! – die Probleme offenläßt, so daß es ihr im Fazit ergeht wie jenem löwenfreundlichen Löwenjäger, der, gefragt, wieviele Löwen er schon erlegt habe, gestehen durfte: keinen, und darauf die tröstende Antwort bekam: bei Löwen ist das schon viel.342

Die Ähnlichkeiten von Mission, Apologetik und Löwenjagd sind unübersehbar. Die gegenwärtigen Missionsdiskussionen unterscheiden sich von ihren Vorgängerinnen durch die größere Pluralität der beteiligten Positionen an den Auseinandersetzungen, denn die »Praktische Theologie hat bei den von ihr vorgetragenen Missionskonzepten den Fehler begangen, Mission mit einer historisch vorübergehenden Erscheinung und dann mit einem Frömmigkeitsstil gleichzusetzen […]«.343 Dieses Urteil gilt ausdrücklich für die vergangenen Missionsverständnisse und trifft die derzeitigen Renaissancen der Themen und aller verwandten Fragen nicht mehr. Um die konflikthaltige, harte Pluralität der apologetischen und missionarischen Voraussetzungen, Methoden und Konzepte am Beginn des 21. Jahrhunderts angemessen zu würdigen, wird von den Themenrenaissancen und ihren Charakteristika im Plural gesprochen. Denn genau in der Tatsache, dass Missionsideen nicht länger Spezifika einzelner theologischer Positionen, sondern Diskussionsgegenstände nahezu in der gesamten Breite theologischer Standortbestimmungen sind, liegen die berechtigten Hoffnungen begründet, dass die Themen zukunftsfähig, d.h. die vorhandenen Pluralitäten abbildend, behandelt werden. Wenn die Mächte der Einseitigkeiten besiegt sind, ist Zuversicht am Platz. Was Karl Popper unter dem unmittelbaren Eindruck des Gegenteils über freiheitliche Gesellschaften schrieb, muss auch für Praktische Theologen, Apologeten und Missionswissenschaftler gelten: »Unser Stolz sollte es sein, daß wir nicht eine Idee haben, sondern viele Ideen, gute und schlechte; […]«.344 (2) Die Gestaltungsaufgaben zur Bewältigung der Pluralitäten sind damit bezeichnet. Die Ideen zur Mission und Apologetik sind zu prüfen und differenziert zu betrachten, dann kann die folgende Vermutung Berechtigung —————

342;; MARQUARD, Apologie, 29. Vgl. auch DERS., Abschied vom Prinzipiellen, Lob des Polytheismus u.ä.; vgl. aus theologischer Perspektive LEONHARDT, Skeptizismus, 295: Hermeneutischer Pluralismus als Chance protestantischer Theologie. 343;; HAUSCHILDT, Mission, 498. 344;; POPPER, Westen, 238.

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erlangen: »Vielleicht ist die Kraft der christlichen Tradition gerade an die Vielgestaltigkeit ihres Symbolsystems geknüpft.«345 Schon die angemessenen Deskriptionen pluraler Sachverhalte nehmen weit reichenden Einfluss und haben ihrerseits schon programmatischen Charakter. Gleichwohl wird hier die These vertreten, dass Praktische Theologien sich nicht auf das Darstellen von Beobachtungen selbst beschränken oder von außen beschränken lassen sollten.346 Denn nur wenn man annimmt, dass Pluralisierungen an sich weder böse noch gut sind, weder verantwortungslos hinzunehmen noch – rückwärts gerichtet – als vermeidbar dargestellt werden können, präzisieren sich die Gestaltungsaufgaben, die Michael Welker in einer »bewußten Pflege«347 von Differenzen erblickt, die nicht nur für die Christenheit und ihre Kirchen, dort aber in einer spezifischen Weise, geboten sind.348 Pluralismus – das ist durchaus nicht ein sich von selbst verstehendes und stabiles Evolutionsprodukt. Es handelt sich vielmehr um eine fragile und vielfältig gefährdete gesellschaftliche Form, von der die Qualität demokratischer Politik und freien menschlichen Zusammenlebens abhängt.349

Differenzen und Differenzierungen sollte man wollen und wird sie auch können müssen. Sie stellen allerdings ebenso wenig wie allgemeines Einverständnis einen Selbstzweck dar und sind ihrerseits differenziert zu betrachten. Auf pluralen Religionsmärkten gewinnen die Anbieter mit starker Marke. Aggressives God selling und das Angebot harter, streng bindender Religion sind insgesamt erfolgreicher als die konventionelle Vermarktung von Produkten hoher Mehrdeutigkeit und Unbestimmtheit.350

Die Größe des Unterschiedes sagt aber zunächst nichts über den Sinn und die Qualität einer solchen Differenz aus. Niklas Luhmann betont wiederholt, dass Religionen von »der Betonung der Differenz profitieren« könnten und verweist für das Religionssystem insgesamt auf die »lange Tradition der Selbstdistanzierung von der sie umgebenden Gesellschaft«.351 Er führt dazu aus: Das Religionssystem insgesamt müßte dann die Differenz von Glaubenden, von Andersglaubenden und von Nichtglaubenden akzeptieren können und gerade aus der

————— 345;;

TANNER, Persönlichkeit, 103. Vgl. zur Frage, wieviel Deskription und Normativität künftigen Praktischen Theologien angemessen ist: MEYER-BLANCK, Theorie, 124f. 347;; WELKER, Kirche, 17. 348;; Vgl. ebd., 24–36. 349;; Ebd., 15, Hervorhebung im Original. 350;; GRAF, Wiederkehr, 28, Hervorhebung im Original. 351;; LUHMANN, Religion, 322 und 324, vgl. ebd., 295. 346;;

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Differenz, aus dem Anderssein, Möglichkeiten der Stärkung des Glaubens gewinnen.352

Luhmann zieht aus dieser systemtheoretischen Deduktion weit reichende Konsequenzen für die Erfreulichkeit religiöser Gemeinschaftsbildungen, auf die wir später zurückkommen werden.353 Gleichzeitig erkennt der Soziologe auch: »Andererseits sind die Merkmale, in denen sich bestimmte Religionen von anderen unterscheiden, nicht unbedingt die, an denen der Glaube sich aufrichtet und stärkt.«354 Nicht nur innerhalb des gesellschaftlichen Teilsystems Religion, sondern auch innerhalb von jedem Wirklichkeitsverständnis sind Propria und Konstitutiva genau voneinander zu unterscheiden. Künftige missionarische und apologetische Aktivitäten sind verpflichtet, Propria und Konstitutiva der christlichen Wirklichkeitsverständnisse auseinanderzuhalten. Denn viele Konstitutiva teilt der christliche Glaube mit den anderen Welt- und Buchreligionen, so dass Differenzen nicht unbedingt an den unerlässlichen Glaubensüberzeugungen stärkend wirken, sondern eventuell Propria überbetonen und zu Verwechslungen von Propria und Konstitutiva Anlass bieten.355 Albrecht Grözinger verweist in diesem Zusammenhang auf die negativen Seiten christlicher Apologetik. Immer wenn das Besondere des Christlichen in der Postmoderne erfragt werde, ergebe sich eine Versuchung, die darin liegt, in einer Situation des radikalen Pluralismus und der damit gesetzten Konkurrenz das Besondere […] in der Art und Weise zu profilieren, daß andere Anbieter auf dem Markt […] disqualifiziert werden. Christliche Apologetik ist leider nur allzu oft so verfahren. Der, die oder das »Andere« wurde dann nur zur negativen Folie, vor der sich das Eigene umso strahlender abhob. […] Deshalb ist es weitaus angemessener, das Eigene […] aus sich selbst heraus und ohne falsche Berührungsängste und voreilige Abgrenzungen ansichtig zu machen.356

Differenzen wirken also nicht per se stärkend, weil sie nicht die automatische Unterscheidung von Adiaphora und Wesentlichkeiten garantieren, im Gegenteil. Luhmann ist zwar überzeugt, dass »die soziale Inkonsistenz, ja das Anders-Denken als die anderen, ein starkes Motiv für religiöse Überzeugungen werden kann«,357 aber folgender Einwand hat seine bleibende Berechtigung: »Es ist also nicht ganz leicht, Freude an der Differenz zivil————— 352;;

Ebd., 317. Vgl. Kapitel 3.3.6 zu den Eigenarten kirchlicher Gemeinschaften. 354;; LUHMANN, Religion, 314. 355;; Das Kopftuchtragen unter Musliminnen ist ein vieldiskutiertes Beispiel für derartige Verwechslungen des Unerlässlichen mit dem Eigentümlichen. 356;; GRÖZINGER, Kirche, 123. 357;; LUHMANN, Religion, 293. 353;;

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gesellschaftlicher Assoziationen zu entwickeln – jedenfalls über die Freude an der Auseinandersetzung und an der Streitkultur hinaus.«358 Die Freude an Differenzen ist weder Apologeten noch Missionswissenschaftlern in die Wiege gelegt, sondern muss durch vielfältige Differenzierungsübungen kontinuierlich trainiert werden bzw. allererst wieder als erstrebenswert erkennbar sein. Die Ausrichtung auf ein vorlaufendes Einverständnis und das Ziel einer Horizontverschmelzung haben ihre überragende Bedeutung verloren. Ausgangspunkt ist stattdessen die Aufdeckung von Differenz, Ziel die Präzisierung der Differenz.359

Alles Weitere baut darauf auf. Das genaue Begreifen von Differenzen führt nicht selten zur Erkenntnis der komplementären Ergänzungsbedürftigkeit der differenten Perspektiven. Das sei kurz am lehrreichen Beispiel des im 19. Jahrhundert heftig umstrittenen Gegensatzes von Rationalismus und Supranaturalismus illustriert. Alexander Schweizer lotet die Möglichkeiten einer komplementären Position oberhalb des Vorfindlichen aus: Die vollkommene Wahrheit kann in der Zeitlichkeit nur besessen werden von beyden Richtungen zusammen. […] In dieser Erkenntniss wurzelt die wahre Toleranz oder vielmehr das Wahre, […] daß man nämlich nicht nur den Andern gerne anders seyn läßt, sondern dieses sogar fordert und ihn auch im Religiösen seiner Eigenthümlichkeit gemäß haben will.360

Übertragen auf konfessionelle Auseinandersetzungen ist er ebenso überzeugt: »Seit man erkannt hat, daß die lutherische und ebenso die reformirte Eigenthümlichkeit durch Alles hindurchgeht, […] ist das gegenseitige Ergänzungsverhältnis nur um so einleuchtender geworden.«361 Gegenwärtig wird beispielsweise der viel gebrauchte und vergleichsweise selten thematisierte Toleranzbegriff362 auf entsprechende Weise bestimmt: »Eine komplementäre T[oleranz] hingegen erkennt die unhintergehbare Differenz des Anderen als wertvolle Ergänzung des Eigenen an.«363 Kaum ein Übungsfeld für komplementäre Denkweisen erscheint geeigneter als die Geschichte der Mission. (3) Hinzu kommt, dass die neuzeitliche Mission schon mehr als einmal dem Druck differenzverweigernder Ideen erlegen ist364 und derzeit unter

————— 358;;

WELKER, Selbst-Säkularisierung, 18. HAUSCHILDT, Theologie, 94. 360;; A. SCHWEIZER, Kritik, 32. 361;; DERS., Glaubenslehre, Bd. 1, 5. Vgl. dazu R. GEBHARD, Schweizer. 362;; Vgl. SURALL, Juden, 11 und 348. 363;; DERS., Toleranz, 2474. 364;; Vgl. PFENNIGSDORF, Theologie, und dazu HAUSCHILDT, Mission, 486–487 und 495. 359;;

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dem Standardisierungsdruck ökonomistischer Weltdeutungen steht.365 Das 20. Jahrhundert war wahrhaftig ein gründlicher Lehrmeister über die Tödlichkeit von Einheits- und Vereinheitlichungssehnsüchten.366 Für die Freiheit der Verschiedenen sind populistische Zusammenballungen erwiesenermaßen gefährlich. Genauso bedrohlich können aber auch so genannte Diktaturen von Aktiven gegen Lobbylose und das »Grau des Konformismus«367 werden. Denn eine »schleichende Homogenisierung«,368 »Standardisierung« und »Konformitätsdruck«369 sind wie die allgemeine Pluralisierung allgegenwärtig, nur wesentlich seltener Gegenstand wissenschaftlicher Betrachtungen. Gerade dort, wo Unterschiede jedoch mächtig walten, ist die Entwicklung anzutreffen, ehemals kriegerisches Gegeneinander in ein desinteressiert-scheintolerantes Nebeneinander zu verwandeln, so, als ob beispielsweise in grundlegenden Fragen des Wirklichkeitsverständnisses fortan gelten sollte sine vi, sine verbo. Für die Kirche und Christen gibt es im Blick auf ihre Mitverantwortung für die Aufgaben der Gesellschaft immer wieder zwei Versuchungen: entweder ihre Differenz durch Anpassung zu leugnen oder ihre Präsenz durch Rückzug oder Verweigerung zu dementieren.370

Gerade weil die neuzeitliche Missionsgeschichte an den tödlichkämpferischen Auseinandersetzungen, nicht nur um eine brutal herbeigezwungene Einheit, beteiligt war, erliegt sie nun unter veränderten Bedingungen der Gefahr, die mehr oder weniger gut funktionierende plural differenzierte Gesellschaftskultur durch mangelnden Mut zur weiteren Differenzierung zu destabilisieren. Gerade die Pflege einer christlichen Wortkultur kann aber der fortgeschrittenen Homogenisierung und Standardisierung der global vernetzten Welt widerstehen371 und pluralismuspflegend wirken, wobei nochmals zu unterstreichen ist: »Diese Differenzen zu ertragen ist keineswegs leicht, von einer bewußten und gezielten Pflege der Differenzen ganz zu schweigen.«372 Die gegenwärtigen Missionstheorien sind nach wie vor von untergründigen und seit dem 19. Jahrhundert tradierten Einheitsphantasien geprägt, etwa, —————

365;; Vgl. z.B. HAUSCHILDT, Theologie, 86f: Praktische Theologie als Drittmittelwissenschaft. In interdisziplinären Seminaren mit Medienwissenschaftlern kritisieren diese, weniger die Theologiestudierenden, die sprachliche Ähnlichkeit des Impulspapiers »Kirche der Freiheit« mit betriebswirtschaftlichen Veröffentlichungen. 366;; Vgl. WELKER, Kirche, 19. 367;; Ebd., 20. 368;; Ebd., 14. 369;; PREUL, Gott, 66f. Vgl. auch KÖRTNER, Vielfalt, 14f, und WEYMANN, Kirche, 9. 370;; WEYMANN, Kirche, 23. 371;; Vgl. PREUL, Gott, 66–68, mit Bezug auf BECK, Risikogesellschaft. 372;; WELKER, Kirche, 18, vgl. zum Ganzen 17–24.

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wenn auf der Schwelle zum dritten Jahrtausend von bedrohlichen und nicht näher definierten »Kräften der Zerstreuung«373 die Rede ist und darauf insistiert wird, dass die Kirche als eine und ganze diese Herausforderung endlich erkannt habe: Es hat eine Zeit gegeben, in der es den Anschein haben konnte, als sei die missionarische Orientierung das Markenzeichen nur einer einzelnen Strömung in unserer Kirche. Heute sagen wir gemeinsam: Weitergabe des Glaubens und Wachstum der Gemeinden sind unsere vordringliche Aufgabe, an dieser Stelle müssen die Kräfte konzentriert werden.374

Gerade im Blick auf die neuzeitliche Missionsgeschichte ist von weiteren Konzentrationen und Einheitshoffnungen abzuraten. Der Ruf nach größerer Kircheneinheit begleitet die Missionstheologien seit ihren Anfängen, d.h. die Missionstheologien selbst haben das Einheitsthema für das 20. Jahrhundert als Aufgabe definiert. Theo Sundermeier warnt für die Zukunft: Die Wirkung einer organisatorischen Einheit der Kirche wurde dabei weit überschätzt. Nicht daß der Anstoß der Zerrissenheit der Christenheit unterschätzt werden darf, doch sollten wir nicht glauben, daß auch nur ein Muslim eher Christ würde, weil zwei Kirchen zu einer zusammenschmelzen. Wo der Gedanke der Einheit funktionalisiert wird, verliert er seine Bedeutung. Wo Einheit nur in das Organisatorische, in Strukturen umgebogen wird, gerät ihre eigentliche Bedeutung aus dem Blickpunkt. Eine verstehende Missionswissenschaft steht hier vor ganz neuen Aufgaben. Der Gedanke der Einheit muß in seiner Relationalität auf den anderen hin neu bedacht werden.375

Der verklärende, sich völlige Einheit phantasiereich ausmalende Blick zurück in vermeintlich andere oder gar bessere Zeiten, muss dabei ausdrücklich ausgeschlossen werden. Popper fürchtet nach der barbarischen Vereinheitlichungsideologie des Nationalsozialismus’ nichts anderes so sehr wie die Versuche, Einheitlichkeit zu restituieren. Es ist ein Zeichen der überragenden Kraft des Westens, daß wir uns [viele Ideen, D.G.] leisten können. Die Einigung des Westens auf eine Idee, […] wäre das Ende des Westens, unsere Kapitulation, unsere bedingungslose Unterwerfung unter die totalitäre Idee.376

————— 373;;

EKD-KIRCHENAMT, Evangelium, 3. Kundgebung der 9. Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland auf ihrer 4. Tagung zum Schwerpunktthema »Reden von Gott in der Welt – Der missionarische Auftrag der Kirche an der Schwelle zum 3. Jahrtausend«, in: EKD-KIRCHENAMT, Evangelium, 47. 375;; SUNDERMEIER, Konvivenz, 83f, Hervorhebung im Original. 376;; POPPER, Westen, 238, Hervorhebung im Original. 374;;

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Vielfalt bedarf immer wieder der Begründung und der Pflege, damit sie zustimmungsfähig bleibt und damit von jeder in Konkurrenz vorfindlichen Position gesagt werden kann: Mission »respektiert die Vielfalt menschlicher Lebens- und Glaubensgeschichten und sieht in deren Pluralität eine Chance.«377 Jürgen Becker kommt nach einer sorgfältigen Lektüre und Analyse der Sprachmuster des Neuen Testaments zu entsprechenden Ergebnissen, ohne die urchristlichen Anfangszeiten zu idealisieren, wie es aus missionstheologischen Gründen lange Zeit Brauch war. Wenn man die begrenzte Ausbreitung des Christentums in der kurzen »Drei-Generationen-Geschichte« des Anfangs zu den explizit ausgefochtenen Kontroversen ins Verhältnis setzt, ergibt sich »eine nicht ganz kleine und recht verbreitete ›Streitkultur‹.«378 Becker betont die ausgesprochene Affinität des Christentums zu seiner eigenen Vielfalt. Die strukturelle Verfassung und die missionarische Ausbreitung intendieren Mannigfaltigkeit. »Es ist für das Urchristentum selbstverständlich, in keinem Fall ein Mangel, daß es keinen ausformulierten und für alle Gemeinden verbindlichen Katechismus gab.«379 Diese Entwicklungen waren mehr als spannungsgeladen und weit davon entfernt, beziehungslos nebeneinander her zu laufen. »Nicht ›Christentümer‹ entwickelten sich nebeneinander, sondern eine auf grundlegendem Konsens aufgebaute Kommunikationsgemeinschaft löst neue Herausforderungen, indem sie den Konsens neu beschreibt.«380 An der – laut Becker gewollten – Fülle an christologischen Bekenntnissen und Hoheitstiteln ist dieses urchristliche Einheitsverständnis auszumalen: »Nicht alle Autoren integrieren in ihr christologisches Verständnis alles. Auch gibt es verschiedene Koordinatensysteme, in denen Christologie eingezeichnet wird.« Das Neue Testament kündet vom regen Austausch der Christen, die ihre gemeinsame Identität im Meinungsaustausch über ihre Verschiedenheiten evolutiv bildeten, denn »die bekenntnisartigen Stücke, die man noch in den neutestamentlichen Textgefügen wahrnimmt, sind erhalten geblieben, weil die allgemeine Kommunikationskultur dieser Gemeinden ihre Verbreitung und Akzeptanz besorgte.«381 Daraus lässt sich folgende These entwickeln: Die erste und die heutige Christenheit könnten sich einig wissen in allem, was ihnen unverfügbar voraus liegt, in der Offenbarung und in den Möglichkeiten des Glaubens. Sie erlebten und erleben dazu im Gegensatz gleichzeitig, wie alles von Menschen Gestaltete und Entschiedene unterscheidet, aber nicht zwangs————— 377;;

ECKERT u.a., Mission, 93. J. BECKER, Vielfalt, 63. 379;; Ebd., 61. 380;; Ebd., 68. 381;; Ebd., 71 und 70. 378;;

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läufig entzweien muss. Mission und Apologetik sollten sich als Außenministerien der Christenheit verstehen, in denen über die Grenze zwischen Menschenwerk und Gottes Tun wortmächtig und differenziert gestritten wird, weil diese Grenze nicht von vornherein feststeht. In den Diskussionen um Mission oder – als dieser Begriff noch vermieden wurde – um eine erkennbare Position im Pluralismus – wurden und werden häufig nur zwei Daseinsweisen des Christentums in der Welt mit Aufmerksamkeit bedacht. Darauf wies schon vor längerer Zeit Peter L. Berger hin: Die Kirchengeschichte wird manchmal so dargestellt, als ob es nur zwei Formen der christlichen Existenz gäbe – Existenz im Untergrund und Existenz an der Macht, als ob die Kirche in einem Sprung aus den Katakomben in den Palast des Kaisers Konstantin gesprungen wäre. Dazwischen lag aber eine dritte, ganz andere Situation – genau die eines pluralistischen Marktplatzes.382

Die Existenz dieser dritten Situationen zwischen Leben im illegalen Untergrund und absoluter Monopolstellung weitet den Horizont und bietet Anlässe für weitere Differenzierungsübungen. Diese dritten Situationen, ihrerseits wiederum vielfältig, sind stärker als bislang zu imaginieren, um die Trauer über verlorene Macht in Elan zu verwandeln, um in neue differenzierende, sprachgewandtere und damit evangeliumsgemäßere Formen des christlichen Glaubens zu investieren. (4) Diese Überlegungen sind an einem prominenten Sprachbild innerhalb der Beschreibungen von Pluralitäten exemplarisch zu entfalten, der inzwischen klassischen Vorstellung eines religiösen Marktes.383 Die Auseinandersetzungen um den Marktbegriff und seine ökonomischen Gehalte sind inzwischen schon traditionell.384 Gestritten wird, ob Mission »Werbung«385 heißen darf, ob der Glaube Gemeinsamkeiten oder Ähnlichkeiten mit Produkten hat, wie Angebot und Nachfrage sich zur Wahrheit verhalten,386 ob man sich den vielfältigen Konkurrenzen stellen will oder die totale Unvergleichlichkeit behauptet und bewiesen werden muss. Religion kann Deutungsangebote machen. Ob sie jedoch angenommen werden, steht nicht in ihrer Verfügungsgewalt. Diese Situation ist nicht marktförmig zu verstehen, wie dies in der auf das religiöse Feld angewandten Rational Choice-Theorie der Fall ist und von für kirchliche Zwecke engagierten Unternehmensberatern vertreten wird.

————— 382;;

EKD-SYNODE, Leben, 161 (Referat P. L. BERGER). Vgl. P. L. BERGER, Zwang. In Deutschland trug PETER L. BERGER seine Thesen auf der EKD-SYNODE 1993 vor, vgl. EKD-SYNODE, Leben, 145–231 mit der dazugehörigen, langen Aussprache. 384;; Vgl. NÜRNBERGER/LÖHR, Effizienz, 77–101: Effizienz oder Evangelium? 385;; HAUSCHILDT, Potentiale, 54. 386;; Vgl. WEYMANN, Kirche, 6. 383;;

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Religion steht nicht in Konkurrenz zu anderen, etwa säkularen Deutungsangeboten; andernfalls müsste man diesen eine funktionale Äquivalenz zuschreiben, so dass tendenziell alles religiös würde.387

Nicht zuletzt wird die Frage gestellt: Wo beginnt jeweils die Verpackung, wo endet der Inhalt? In welcher Bude, die sich am Markt behaupten kann, verkauft die Christenheit ihre kulturkritischen Potenziale? Die entscheidende Frage ist aber zuerst, ob der »Markt« überhaupt noch als sprachliches Konstrukt erkannt wird, das die Wirklichkeit keineswegs interpretationsfrei abbildet, oder ob der Markt als unveränderliche Gegebenheit erscheint. Markt ist ein Deutewort für die religiöse Landschaft. Es versucht, sehr komplizierte und widersprüchliche Phänomene auf einen Begriff zu bringen. Wie alle Singularbegriffe reduziert es vorhandene Komplexität – und wird entsprechend dankbar rezipiert.388

Sodann ist fraglich, ob die Vorstellung eines religiösen oder gar omnipräsenten Marktes wirklich pluralitätspflegend, also vielfalterhaltende oder gar vielfaltsteigernde Strukturen bereitstellt oder nicht doch schleichend konformisierend und damit auf wenige »angesagte Trends« hin reduzierend und damit gesetzlich, weil unbedingt zwingend wirkt.389 Denn Marktorientierung schafft einen vereinheitlichenden Leistungsdruck: »Funktionalistisches Denken und Marktorientierung sind heute die Tore, durch die die Gesetzlichkeit in die Kirche Einzug hält.«390 Drittens ist die Frage berechtigt, ob die Rede vom religiösen Markt überhaupt noch tradiert werden sollte. Michael Nüchtern fragt vorsichtig: »Gibt es den religiösen Markt? […] Flanieren wirklich freie Kunden an freien Händlern vorbei?«391 Eindrücklich beschreibt er die Unsicherheiten und tendenziellen Überforderungen beim Wählen von Optionen, die Suche nach Entlastungen, wenn sich Gewähltes als unerreichbar oder falsch herausstellt und die stete Notwendigkeit, immer wieder neue Energien und Motivationen zu erzeugen, um künftig erfolgreicher und effektiver wählen zu können. »Das Ich im Optionsstress sucht Selbstvergewisserung, Stärkung, Anerkennung und Trost.«392 Ist es nicht sehr einleuchtend und wahrscheinlich, dass sich Individuen diesem so genannten Optionsstress durch Wahlverweigerung entziehen? Das Leitbild Markt kann am Kundenmangel scheitern. Denn nicht die pluralen, häretischen Möglichkeiten sind in Frage zu stellen, ————— 387;;

HÖHMANN/KRECH, Umfeld, 185. NÜCHTERN, Kirche, 75. 389;; Vgl. WELKER, Kirche, 14f. 390;; FELDTKELLER/SUNDERMEIER, Mission, 9 (Vorwort). 391;; NÜCHTERN, Kirche, 73. 392;; DERS., Profil, 133. 388;;

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sondern der »Zwang zur Häresie«.393 Vielmehr herrscht »Freiheit zur Häresie«, die auch ungenutzt verfallen kann. Die Herausforderungen sind daher fundamentalerer Natur, als sich auf einem frequentierten Markt der Möglichkeiten zu positionieren, wenn Menschen zwar gebeten werden oder von sich aus etwas suchen, aber keinesfalls gezwungen sind, auf dem Markt etwas und sofort auszuwählen. Niklas Luhmann argwöhnt noch radikaler, dass der Markt nicht einmal besucht wird: »Vermutlich liegt das Problem also darin, daß die Individuen, denen die Gesellschaft die Möglichkeit bietet, sich für oder gegen Religion zu entscheiden, sich gerade nicht entscheiden.«394 Viertens legt die Vorstellung eines religiösen Marktes immer wieder die dualistisch-simplifizierende Idee nahe, die Institutionen seien zuständig für die Angebote, und die mehr oder weniger wählerischen Individuen bildeten die Nachfragenden. Dagegen ist das Vertauschen von Anbietern und Nachfragenden probeweise denkbar. Die Individuen mit ihren persönlichen Glaubenspräferenzen und -erfahrungen sind von den Kirchen ernst zu nehmende Angebote, nach denen sie nur zu ihrem eigenen Nachteil nicht fragt. Im Effekt aber liegen Angebot und Nachfrage dialektisch ineinander, weil Institutionen zwar überindividuell sind, aber gleichwohl von einzelnen Individuen gebildet und geprägt werden. Wenn Kirchen z.B. ihre Mitglieder befragen, fragen sie sich selbst. Daher gilt: »Wie es für die Einzelnen eine Bewegung von der Tradition zur Option gibt, so auch für die Kirchen selber.«395 Die Kirchen können sich demzufolge wie Einzelsubjekte der Freiheit zur Wahl verweigern oder sich an der Pluralismuspflege beteiligen und damit orientierend wirken durch differenzierte Wortwahl. Kompetent und hilfreich ist angesichts von Pluralität, wer begründet wählen kann, denn: »Da, wo die Qualität der überzeugenden Rede und Argumentation abnimmt, schwindet die zivilgesellschaftliche Grundlage des Pluralismus.«396 Vor allem sollten die Sprachspiele der Christenheit – und die missionarischen besonders – die Freiheit zur Häresie widerspiegeln. Die Sprache des Evangeliums »bittet um Einverständnis, ohne dieses Einverständnis erzwingen zu wollen […] Es verbindet sich in dieser Sprache die ins höchste gesteigerte Bitte mit der gelassensten Ungezwungenheit.«397 Das ist mindestens genauso wichtig wie die zu Recht geforderte Verständlichkeit.398 »Anklagend, bitter, drohend, Angst und Schrecken verbreitend hat die Verkün————— 393;;

Vgl. P. L. BERGER, Der Zwang zur Häresie, Hervorhebung D.G. LUHMANN, Religion, 290. 395;; NÜCHTERN, Profil, 133. 396;; WELKER, Kirche, 19. 397;; WEDER, Hermeneutik, 280, Hervorhebung im Original. 398;; Vgl. z.B. AUSSCHUSS DER ARNOLDSHAINER KONFERENZ, Evangelisation, 50. 394;;

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digung des Evangeliums die Welt, auch wenn sie ihr Eindruck machte, noch nie erreicht und auf den Weg zur Erkenntnis gesetzt […].«399 Erst wenn die Christen selbst den Herausforderungen der Freiheit gerecht werden, stellt sich die Frage, ob die kulturellen Voraussetzungen das Niveau haben, um christliche Gehalte sinnvoll zu kommunizieren.400 Wenn aber der Balken aus den eigenen Augen entfernt ist, werden die Splitter in den Augen der Gesellschaft umso schärfer sichtbar. Eilert Herms bemerkt pessimistisch: Die Erfahrung beweist die Möglichkeit einer großflächigen Verbreitung sozialer Milieus, in denen Sprache nur noch als Unterstützung technischer Interaktion beherrscht wird, aber nicht oder fast gar nicht mehr als Medium für die Kommunikation von Lebenssinn und Lebenszielen. […] Je weiter sich derartige Milieus in einer Gesellschaft ausbreiten, desto enger werden auch die Spielräume, in denen die argumentierende Rechenschaft über den Glauben noch möglich ist; desto mehr schrumpft die Öffentlichkeit zurück, in der sie gefragt ist; desto seltener werden die Sitze im Leben, in denen sie gelingt – ja, gelingen kann. Ein solcher Rückgang zählt heute zu den objektiven Entwicklungstendenzen gerade der hochkomplexen westlichen Gesellschaften.401

Auch christliche Sprachversuche haben teil an diesen zeitgenössischen Bedrohungen, sogar dann, wenn sie sich nicht eigens um besonders zeitgenössische Sprachfähigkeiten bemüht haben. Sie partizipieren nach Herms damit auch stets an der Gefahr, nicht mehr als Medium für die Kommunikation von Lebenssinn und Lebenszielen zu taugen und gebraucht zu werden, sondern lediglich zur Entschlüsselung technischer Interaktionen gelernt und begriffen zu werden. Wenn Kirchen in missionarischer Absicht nur noch ihre Strukturreformen und Strukturreformabsichten kommunizieren, aber nicht mehr die Ideen und Nachrichten, um derentwillen sie überhaupt existieren, ist dieser Sachverhalt besonders offensichtlich. Soll man sagen: salus extra ecclesia? Das sei ferne! Die Kirchen sollten aber nicht nur selbstkritisch ihre Kommunikationsvorgänge überprüfen, sondern auch ein neugieriges Interesse an einer allgemeinen Ausdrucksfähigkeit von Lebenssinn haben und versuchen, diejenigen Situationen zu schaffen bzw. auszuwählen, die der Kommunikation von umfassenden Wirklichkeitsverständnissen günstig sind und so den Selbstbeschränkungen der Freiheit entgegenwirken.402 Denn genau diese Übergänge aus den vielfältigen Zwängen in die vielfältigen Freiheiten, die jedem Individuum in der funktional differenzierten Gesellschaft inzwischen selbstverständlich und nicht nur soziologisch an————— 399;;

BARTH, KD IV/3, 976. Vgl. HERMS, Rücken, 491f. 401;; Ebd., 492, Hervorhebung im Original. 402;; Vgl. ROTH, Gott, 569 mit Fußnote 17. 400;;

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gedeutet werden, treten in den gegenwärtigen Missionsansätzen und -aufforderungen für die großen Institutionen meist nicht hinreichend ins Blickfeld. Für eine »Kirche der Freiheit«, die den Katakomben der Diktaturen, wie vormals Paulus, immer wieder entronnen ist – wir werden unterdrückt, aber wir kommen nicht um (2Kor 4,9) –, und den mindestens ebenso großen Begrenzungen der qualitativen Entfaltung der christlichen Freiheitsvorstellungen durch ihr lange währendes Gesellschaftsmonopol, sollte der Ausgangspunkt der Überlegung nicht wiederum ein Zwang, hier auf das weite Feld der Häresien, sein. Diese Übergänge zu Freiwilligkeit bzw. Optionalität, in der auch die Tradition zu einer Option unter vielen wird,403 sind radikaler als bloße Zwangswechsel: »Jede Religion muss jetzt damit rechnen, in der gesellschaftlichen Kommunikation als kontingent, als Sache einer Option behandelt zu werden.«404 Dabei wird Religion zu einer Option innerhalb der vielfältigen Kultur. Sie fungiert nicht mehr, wie die These der Säkularisierung nahelegte, als Gegenüber zu nichtreligiösen Orientierungen.405 Niklas Luhmann merkt dazu kurz, aber fundamental an: »Man streitet nicht [länger], man vergleicht«.406 Dieses Vergleichen aber braucht einen Ausgangspunkt, der nicht mehr konsensfähig den Vergleichswilligen zur Verfügung steht, sondern seinerseits zuerst und je neu ausgehandelt werden muss.407 Dieser Handel und Wandel, der Vergleich und der Wettbewerb finden allerdings mit überwältigender Zustimmung im Medium der Sprache statt. Tödlicher Terror ist die Ausnahme, die diese Regel bestätigt. Optionalität führt also auch von außen zu einer weiteren Fokussierung auf die Worte und zu einem nochmals steigenden Anspruch an die Qualität von verbaler Kommunikation. Es leuchtet unmittelbar ein, dass es in einem Wettbewerb auf die Güte der Argumente ankommt. Unser Denken wird nur bescheiden daherkommen können, nicht in den Prachtgewändern von Absolutheitsansprüchen. Wir haben in Arbeitskittel uns zu werfen; uns anzustrengen, im Wettbewerb die besseren Argumente zu liefern; die Evidenzquellen reichhaltiger sprudeln zu lassen.408

Wohl haben die Theologen die vermeintlichen Prachtgewänder absoluter Wahrheiten gegen Arbeitskleider vertauscht, aber ihren Eifer auf die immer genauere Erforschung der Individuen gerichtet, die da vergleichen – statt sich selbst »gut zu positionieren«, d.h. die traditionelle Konfessionalität optionalitätskompatibler zu präsentieren. Spitz gefragt: Warum soll man in ————— 403;;

Vgl. NÜCHTERN, Profil, 139. LUHMANN, Religion, 313. 405;; Vgl. ebd., 312. 406;; Ebd., 271. 407;; Vgl. ebd., 312f. 408;; LAMPE, Theologie, 211. 404;;

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der evangelischen Kirche die Fragen nach dem Sinn des Lebens oder gar nach Gott besser aufgehoben wissen als anderswo? Weil sie ihre immensen Organisations- und Strukturprobleme öffentlich kommuniziert? Eckart von Vietinghoff sieht die Kirche auf pathologische Weise in sich selbst gefangen, so dass Selbsteinschätzung der evangelischen Kirche ebenso problematisch erscheint wie ihr Selbstbewusstsein: »Selbstkritik ist zu leicht nur eine Mischung aus Masochismus und Narzißmus, beides kirchlichen Debatten nicht fremd.«409 Darin zeigt sich die evangelische Kirche im Übrigen auch sehr zeitgenössisch, weil die »narzißtische Beschäftigung der Gesellschaft mit sich selbst«410 zu den auffälligen Merkmalen dieser Zeit gehört. Seit fast einem halben Jahrhundert wird nicht nur Zeit und Geld, sondern auch unbeschreiblich viel Arbeitskraft in die immer genauere Kenntnis derer investiert, die diese spezifisch neuzeitliche Freiheit zum Vergleichen haben, seien sie rein äußerlich innerhalb oder außerhalb der Kirchen anzutreffen. Wichtiges Ergebnis dieser jahrzehntelangen Forschungen ist die Feststellung, wie viele nicht vergleichen bzw. den Weg des geringsten Aufwandes suchen. Nach statistischen Auswertungen gehören 50% aller Kirchenmitglieder zur unbestimmten Gruppe derer, die durch »›religiöse Indifferenz‹ als markantestes Phänomen«411 zu charakterisieren sind. Thies Gundlach fragt: Wie verträgt sich »religiöse Indifferenz« mit Kirchentreue? M.E. muss man verstärkt der theologischen Frage nachgehen, wie die dargestellte Distanz zur Kirchenorganisation und Unbestimmtheit im Blick auf die christlich-religiösen Inhalte zu verbinden sind mit einer Zugehörigkeit, die gerade kirchlich-religiöse Angebote will und nicht zuletzt finanziell mitträgt, obwohl sie diese für sich selbst nicht zuerst abfragt.412

Für Eckart von Vietinghoff erscheint folgerichtig »Desinteresse als größter kirchlicher ›Gegner‹«: Distanz und Gleichgültigkeit, das sind die zunehmenden Empfindungen gegenüber der in der Institution Kirche vorgefundenen oder vermuteten Form organisierter Religion. Desinteresse ist aber kein kritisches und kein forderndes und damit auch kein förderndes Gegenüber. Greifbare Konkurrenten hat die Kirche nicht, noch nicht. [… ] »Konkurrenten« sind kaum als inhaltliches Gegenüber greifbar, sondern nur als Veranstalter von ephemeren Einzelereignissen; gewissermaßen säkulare inhaltsleere »Gelegenheitskirchen« je nach Einzelfallbedarf. Wegen der Unverbindlichkeit ihrer Angebote kommen sie dem Auswahlverhalten, das die Menschen immer stärker prägt, anstrengungslos und daher attraktiv entgegen.413

————— 409;;

VIETINGHOFF, Wege, 161. HUMMEL, Pluralismus, 7. 411;; GUNDLACH, Ränder, 202. 412;; Ebd., 202. 413;; VIETINGHOFF, Wege, 161f. 410;;

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Zugleich begegnen einem auch Stimmen, die sich einen weiter reichenden Erkenntnisgewinn von anderen Forschungsschwerpunkten erhoffen. Die Untersuchungen zur Kirchenmitgliedschaft beispielsweise fördern immer präzisere Interdependenzen zwischen Milieus, sozialen Zuordnungen, Lebens- und Glaubensstilen, Erwartungen an Kirchen und Sehnsüchten nach spiritueller Begleitung zutage, rücken damit aber auch die Dilemmata, die sich aus einem Angebot-Nachfrage-Schema ergeben, deutlich ins Blickfeld: Zu warnen ist vor der Tendenz, allzu rasch und unbedacht »Angebote« für unterschiedliche Zielgruppen, Lebensstilprägungen etc. zu entwerfen. Vorrang muss die inhaltliche Auseinandersetzung mit der Vielfalt der Mitgliedschaftsverhältnisse haben.414

Denn: »Mit jeder differenzierten Schwerpunktsetzung werden neben Betroffenen zugleich Nicht-Betroffene erzeugt«.415 So werden die empirischen Daten der 4. EKD-Erhebung über Kirchenmitgliedschaft und damit verbundenen »Paradoxien und Dilemmata« insofern als »segensreich« interpretiert, als »dass manche Überdifferenzierung in der Klientelorientierung und manche Überdifferenzierung in der Professionalisierung zurückgefahren werden können.«416 Empirische Untersuchungen weisen von sich aus zurück zu den theologischen Fragen, die ihrerseits die Interpretationsrichtungen und -weisen für die Zahlen und Fakten neu orientieren. Jochen Cornelius-Bundschuh will nicht nur Überdifferenzierungen reduzieren, sondern aus theologischen Gründen die Freiheit der Häretikerinnen und Häretiker begründen und auch sprachlich darstellen. Er möchte qua Sprache »gerade die Freiheit gegenüber den sozialen Zuschreibungen«417 fördern. Dazu verfolgt er entschieden und trotz scharfer Kritik genau entgegengesetzte Fragerichtungen zu den oben genannten. Gerade die auch durch Umfragen und empirische Forschungen immer weiter getriebene Verfestigung sozialer Zugehörigkeiten soll durch ein externes Wort durchbrochen werden. Die Botschaft lautet dann: »ihr seid nicht mehr zuerst Alte, Dorfbewohnerinnen und Dorfbewohner, Menschen aus diesem Quartier oder jenem Milieu, ihr seid Hörerinnen und Hörer des Wortes Gottes«.418 Ihm »scheint es wesentlich und realistisch, die ›Kirche des Wortes‹ über die Vielfalt ihrer Öffentlichkeiten, ihre Inhomogenität und die bleibende Fremdheit der ihr Zugehörigen zu bestimmen.«419 Die systematisch-theo————— 414;;

HERMELINK, Vielfalt, 435, Hervorhebung im Original. GUNDLACH, Ränder, 201. 416;; Ebd., 202. 417;; CORNELIUS-BUNDSCHUH, Kirche, 309, Hervorhebung im Original. 418;; Ebd., 309f. 419;; Ebd., 310. 415;;

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logischen Kategorien, die der Praktische Theologe für die Homiletik entwickelt, sind auf Missionstheorien übertragbar: […] sicherlich ist es für eine angemessene Predigtpraxis und -theorie unaufgebbar die Lebenssituation der Hörenden möglichst präzise, realistisch und konkret zur Kenntnis zu nehmen, auch wenn dies nicht über Klassifikationen und Typologien hinausführt. Es ist jedoch homiletisch von grundsätzlicher Bedeutung, die Begrenztheit eines solchen Zuganges festzuhalten: Das Spezifikum kirchlicher Existenz, das sich als »Im-Wort-Sein« darstellt, ist: hier kommen Menschen zusammen, denen Gottes Vertrauen zugesagt wird, auch wenn sie sich untereinander nicht vertrauen und auch wenn sie nach den nicht einfach zu negierenden »menschlichen« Maßstäben der anderen kein Vertrauen verdienen.420

Die neuzeitlichen Freiheitsbestrebungen, das schwierige Bemühen um Emanzipation und Autonomie wäre dann auch dadurch zu respektieren, dass man die potenziellen Hörerinnen und Hörer des Wortes Gottes frei und fremd sein lässt und gerade nicht als diejenigen anspricht, die der Augenschein offenbart. Cornelius-Bundschuh nennt für diese Transzendierungen des Sichtbaren zwei ältere Beispiel gebende Ansätze. Horst Albrecht hat konträr zum Gewöhnlichen die »mühseligen und beladenen Unterschichtsangehörigen« als »diejenigen, denen biblisch Befreiung verheißen ist«421 angesehen, gerade gegen den allgemeinen Augenschein. Rudolf Bohren hat darüber hinaus von der »Erfindung des Hörers«, parallel zur Erfindung des Lesers als schriftstellerisch-schöpferischem Akt, geschrieben. So also »erfinde« ich den Hörer, daß ich ihn in seiner Würde und Hoheit, die er in Christus Jesus hat, entdecke. Etwas Besseres kann ich von meiner Hörerschaft nicht in Erfahrung bringen als eben dies, daß sie eine erwählte ist. Indem ich spreche, predige ich vor einer auserwählten Gesellschaft. Ich habe ein erlesenes Publikum, von dessen Rang ich nicht hoch genug denken kann.422

Das folgende, sprachlich-materiale Kapitel zu den gebildeten Bezeichnungen wird zeigen, wie notwendig diese wertschätzende Perspektive auf die hörende Gemeinde ist, denn die neuzeitliche Geschichte von Mission und Apologetik zeigt gerade das Gegenteil der dem Evangelium angemessenen Hochschätzung des »Publikums«. Der neuen Sprachfindung an diesen wirkungsgeschichtlich wunden Punkten traut Albrecht Grözinger viel zu: Es ist die Erfahrung der Mehrdimensionalität der Conditio humana: Die Erfahrung nämlich, daß wir Menschen an unserer Menschlichkeit Schaden nehmen, wenn wir in unserm Menschsein auf eine Funktion festgelegt oder gar reduziert werden. Wir

————— 420;;

Ebd., 313, Hervorhebung im Original. Ebd. mit Bezug auf ALBRECHT, Arbeiter, 221–224. 422;; BOHREN, Predigtlehre, 467. 421;;

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Menschen sind mehr als Konsumenten. Wir Menschen sind mehr als freie Kräfte auf dem Spiel des Arbeitsmarktes. Wir Menschen sind aber auch immer mehr als Partner und Partnerinnen in Beziehungen, als Theaterbesucherinnen und -besucher, auch mehr als Mitglieder einer Kirche. Meine These ist nun, daß die Kirche dann ihren Ort in der pluralistischen Gesellschaft der Postmoderne finden wird, wenn sie dieser Erfahrung des Mehr einen konkreten Ausdruck zu geben vermag.423

Sollen die Auswärtigen Ämter der Christenheit weitergedacht werden, dann ist ein eigenartiger Sprachmut von Nöten, der um die sinnvolle Grenze weiß, im Einzelfall nicht mehr zu wissen, als dass Häretikerinnen und Häretiker nicht gezwungen, sondern frei zum Vergleichen sind. Das gilt nicht nur im Einzelfall, sondern immer: dass die Menschen mehr sind, als sie von sich wissen wollen, zu sagen wagen. Damit sind alle gängigen Zuordnungen zu transzendieren. Nicht nur Respekt und Hochschätzung, sondern auch bis zum Erweis des Gegenteils positive Unterstellungen für diese Menschen legen sich dann unmittelbar nahe, wenn deutlich wird, dass sie erstmals seit anderthalb Jahrtausenden wahrhaftig wieder freiwillig das Wort Gottes vernehmen. Die sprachliche Kunst, positive Vorurteile zu entfalten, gehört zu den missionarischen Herausforderungen. Sie haben mit Anbiederungen nichts gemein, sondern konfrontieren mit erklärungsbedürftigen Zuschreibungen, die in pluralistischen Situationen notwendig interpretationsbedürftig sind. Diese Notwendigkeit ist kein Spezifikum des Christentums, sondern ein allgemeines Kennzeichen aller weltanschaulichen Positionen. Hier wird die These gewagt, dass sich zu keiner vergangenen Zeit so viele Menschen zwanglos bei Gottes Wort versammelt haben. Die ehemals verbreiteten sekundären Gründe für das Christwerden oder Christbleiben haben jedenfalls überproportional abgenommen.424 Populär formuliert heißt das: »Man rennt nicht mehr in die Kirche.« Diese Perspektive lehrt die Freiheit der Einzelnen nicht nur klagend zu tolerieren oder neutral zu respektieren, sondern begeistert zu fördern. Die Kirchen haben weder Grund, sich selbst zu säkularisieren oder sich – vor allem sprachlich – selbst zu banalisieren425 und damit zu versuchen, scheinbar verloren gegangene Macht oder ein Monopol zurückzuerobern. Sie sollten vielmehr die neuzeitliche Missionsgeschichte gerade in ihrer oben gezeigten Fokussierung auf das Wort, das gehört und gesagt wird, als denkbar günstigste Grundlage für die theologische Weiterentwicklung von —————

423;; GRÖZINGER, Kirche, 44, Hervorhebung im Original. Dieses Mehr ist in der Vergangenheit oft schmerzlich zu vermissen gewesen, vgl. die Defizitorientierung bei der Bezeichnung der Adressaten früherer Missionsbemühungen in Kap. 3. 424;; Vgl. REINBOLD, Mission, 85. Er bemerkt: »Konversionen aus ›sekundären‹ Gründen gab es schon in alter Zeit und ihre Zahl dürfte nicht eben gering gewesen sein.« 425;; WELKER, Selbst-Säkularisierung, 15–21.

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Mission und Apologetik nutzen. Jochen Cornelius-Bundschuh hat die besondere Konstellation von Macht und Freiheit beim Hören unter homiletischen Gesichtspunkten entfaltet: […] das Wort Gottes wird laut und schafft einen Klangraum, ohne dass Menschen ihre Ohren davor verschließen können. […] so befindet sich die Predigtgemeinde in einer besonders »schwachen« Position. Umgekehrt aber kommt, wer predigt, nur bis zum Ohr. Wer hört, ist frei gegenüber dem, der spricht. Wer predigt, kann nicht selbst dafür sorgen, dass das Wort ins Herz kommt. […] Der heilsame Charakter der Freiheit des Hörens, die sich im Klangraum des Wortes Gottes ereignet, gründet also in der Machtförmigkeit des Wortes und der gleichzeitigen Beschränktheit der Wirksamkeit des menschlichen Redehandelns.426

Sollen Mission und Apologetik freiheitsentsprechend und evangelisch freiheitsstiftend wirken, ist also Wortwahl eher geboten als eine unüberschaubare und tendenziell wahllose Ausweitung der Angebote gegenüber scheinbar wählerischen Individuen. Zu den höchsten Gütern im Pluralismus gehören die Freiheit, in der Menschen die Kirchen aufsuchen und die Freiwilligkeit, nach Gott zu fragen. Wenn dann noch von Klientelorientierung die Rede sein soll, dann kann sie nur nach dem fragen, was Freiheit raubt und schenkt. Diese nicht selbstverständliche Freiheit kann nur mit der Macht des Wortes gepflegt werden. Zuallererst gilt es aber, diese Freiheit, heilsam für die organisierte Christenheit insgesamt wie für jeden Einzelnen, mit Stolz und Demut überhaupt zu kommunizieren und nicht sprachlos oder sprachwütend zu übergehen. 2.3.3 Eigentümlichkeiten Friedrich Schleiermacher war von der Notwendigkeit der Bildung einer eigenartigen und wohl auch einzigartigen Sprache für die Darstellung des christlichen Glaubens überzeugt. Er hat keinen Zweifel an der Bedeutung von reflektiertem Sprachwandel gelassen. Er unterscheidet bei der intensiven Verbreitung des Christentums zwei große Manifestationen des Geistes, die Sitte und die Sprache.427 Die Sprache soll in jedem Fall eine eigentümliche sein. Denn so lehrt denn auch die ganze Geschichte, daß die Entwikkelung der christlichen Gesinnung […] sich immer hat zu erkennen gegeben durch Bildung einer eigenen Sprache. Die Sprache aber in dem ganzen Umfang des Wortes als Niederlegung eines

————— 426;;

CORNELIUS-BUNDSCHUH, Kirche, 300, Hervorhebung im Original. Vgl. eine zusammenfassende Übersicht bei BIRKNER, Sittenlehre, 124.

427;;

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eigenthümlichen Systems von Begriffen, worin auch ein eigenthümliches System von Urtheilen enthalten ist […].428

Die Sprache bilde dazu entsprechende Institutionen aus, die Katechese und die Theologie, die in der populären und in der wissenschaftlichen Sphäre Aufklärung und Vergewisserung der christlichen Denkweisen gewährleisten sollen.429 Damit hat Schleiermacher auch die christliche Mission sehr präzise orientiert und maßgebliche Kriterien genannt, obwohl er sich explizit zur Mission sehr kurz fasst.430 Die gegenwärtigen praktisch-theologischen und missionswissenschaftlichen Auseinandersetzungen um angemessene Sprachen setzen freilich mehr als nur andere Akzente. Das geschieht gelegentlich sogar unter der stark einschränkenden Prämisse, Sprache bilde die Wirklichkeit interpretationsfrei ab.431 In solchen Fällen wird beispielsweise gefordert, »ungeschminkt« die Zustände zu betrachten bzw. es wird daraus folgend eine »voraussetzungslos verständliche Verkündigung«432 gefordert, die es gemäß der überwältigenden Mehrheit hermeneutischer und konstruktivistischer Ansätze so einfach gar nicht geben kann. Weil es keine »theorie-unabhängige Beobachtungssprache« gibt und die Theorie die Wahrnehmung formiert, weil kein Beobachtungssatz »theorieimmun«433 ist, kommt unseren Beschreibungen von Realität ein weitaus größeres Gewicht zu, als unter der Voraussetzung, dass die Realitäten weit gehend unbeeinflussbar seien und unsere Beschreibungen ohne tiefgreifende Wirkungen auf sie bleiben. Deshalb soll an dieser Stelle an die Schleiermacherschen Sprachgestaltungsaufgaben mit dem Fokus auf ihre wirklichkeitsgestaltende Eigentümlichkeit erinnert werden. Sie sind fundamental und sollten in den gegenwärtigen Diskussionen wesentlich größere Rollen spielen. Anstelle einer ausgeprägten Eigentümlichkeitspflege christlicher Sprachspiele werden derzeit, wie oben gezeigt, theologische Sprachfiguren in anderes (geistes-)wissenschaftliches Nachbarfachvokabular übersetzt bzw. mit dort gebräuchlichen Sprachgewohnheiten identifiziert. Dieser große Übersetzungsaufwand ist kritisch zu hinterfragen (1). Besonders intensiv werden zeitgenössischere Sprachen gefordert, die regelmäßig mit verständlichen oder wenigstens verständlicheren Sprachen assoziiert werden. Die Reformatoren hatten indessen entgegengesetzte Perspektivwechsel vorge————— 428;;

SCHLEIERMACHER, Sitte, 393. Vgl. ebd., 399f. 430;; Vgl. zur expliziten Missionstheorie bei SCHLEIERMACHER und seinen Schülern, insbesondere mit Rücksicht auf Predigt und Gottesdienst ausführlich HUSAR, Predigt, 11–30. 431;; Vgl. die präzise Gegenthese bei HAUSCHILDT, Theologie, 89. 432;; EKD-KIRCHENAMT, Kirche, 5 und 23. 433;; LAMPE, Theologie, 202. 429;;

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schlagen, vor allem, um die zeitgenössischen Sprachroutinen gerade zu verlassen und zu überbieten (2). Eine besondere Herausforderung bei der Entwicklung einer eigenartigen Sprache liegt gegenwärtig in der Beiläufigkeit vorfindlichen Glaubens. Damit geraten auch Sprachversuche ins Blickfeld, die das Rudimentäre und Fragmentarische angemessen würdigen (3). (1) Kirchliche Sprachen sind, so zeigte es der oben dargestellte, exemplarische Rückblick auf die apologetische Literatur der Nachkriegszeit, meist und leider zeitgenössischer als sie selbst glauben, obwohl sie regelmässig mehr Zeitbezüge fordern. Aufwändige Übersetzungsanstrengungen in mehr oder weniger nachbarwissenschaftliche und in einer zweiten Phase populärwissenschaftliche Fachsprachen oder -jargons zeigen, dass weder Zeit noch Mühe gescheut wird beim Versuch, auf diesen Wegen die eigene Gleichzeitigkeit zum Rest der Welt zu beweisen. Die Experimente scheitern manchmal schon an der Geschwindigkeit der Modesprachenwechsel. War einst psychologisch und soziologisch angesagt, war bis vor kurzem ökonomisch verlangt. Der entstehende Reformstress ist schon wegen der erforderlichen Dolmetschertätigkeiten ungeheuer. Isolde Karle hat den rasanten Wandel hin zu den ökonomischen Sprachmustern und den damit verbundenen tiefgreifenden Veränderungen in den dahinter liegenden Theologien beschrieben: Im Sog der Logik von Unternehmensberatern scheint die Kirche im Moment die Sensibilität dafür zu verlieren, was sie letztlich steuern kann und was nicht, was sie gezielt verändern kann und was sich ihren Handlungsmöglichkeiten entzieht – oder theologisch gesprochen: was Menschenwerk und was Gotteswerk ist. Musste man die evangelische Kirche früherer Tage daran erinnern, dass aus der Rechtfertigungslehre nicht eine prinzipielle Skepsis gegenüber jeder menschlichen Leistungsbereitschaft und -fähigkeit abzuleiten ist und die Rechtfertigungslehre weit davon entfernt ist, Erfolglosigkeit zum Prinzip zu machen, muss man der Kirche dieser Tage offenbar wiederum ins Gedächtnis rufen, dass zu allen menschlichen Anstrengungen für die Verkündigung des Wortes Gottes zugleich ein gelassenes Vertrauen auf dessen Selbstwirksamkeit gehört und damit auch Distanz zum eigenen Tun und Schaffen.434

Die großen Mühen sind differenziert zu betrachten, auf dass man ihren vergeblichen Hälften entgeht. Reiner Preul erinnert an einen eigentlich banalen Sachverhalt, wenn er feststellt: »Wer von Kirche als Unternehmen spricht, gebraucht einen Vergleich.«435 Ein solcher Vergleich hebe bestimmte Dimensionen der Kirche hervor, beschränkt aber die Erfassung des Ganzen, weil zu beachten ist, »dass Religion bzw. Weltanschauung einen distinkten Leistungsbereich neben Politik und Recht, Wirtschaft und Wissenschaft darstellt […] und infolgedessen auch eine eigene Sozialform ————— 434;;

KARLE, Ende, 333. PREUL, Kirche, 555, Hervorhebung im Original.

435;;

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konstituiert.«436 Der Praktische Theologe bestreitet damit allerdings keineswegs, dass Lehnbegriffe aus anderen wissenschaftlichen Disziplinen nicht Erkenntnisgewinn ermöglichen.437 Lehnbegriffe leiten zum Dazulernen an. Preul nennt bezeichnenderweise die klare Unterscheidung zwischen Gottes Werk und menschlichem Handeln, die in unternehmerischer Perspektive besonders deutlich werde.438 Aber ein Sprachfähigkeitsgewinn ist damit nicht automatisch verbunden, weshalb der Kritiker einer allzu begeisterten Ökonomisierung aller Lebensbereiche zu diesem Zweck ausdrücklich auf die fehlende Hochschätzung der Predigt verweist: »Es ist scharf zu rügen, dass die Funktion der Predigt in allen Reformprogrammen und kirchlichen Marketingüberlegungen so gut wie keine Rolle spielt. Nicht zuletzt durch das Institut der Predigt sei die Kirche allen andern Sinnanbietern gegenüber kommunikationstheoretisch im Vorteil.«439 Von der Kirche wird erwartet, dass sie als Kirche spricht440 und nicht als notdürftig (!) kostümiertes Wirtschaftsunternehmen. Diese An-Sprüche werden aber nach den Tagen der Dialektischen Theologen sehr regelmäßig von außen an die Kirchen herangetragen. Jürgen Habermas hofft, dass die säkulare Welt die Artikulationskräfte religiöser Sprache wieder entdeckt. Er beklagt die Leere, die das Fehlen dieser Sprache hinterlässt bzw. die entsteht, wenn Säkularisierung große Wortschätze vernichtet statt hilft, neue Sprachspiele zu finden und zu üben.441 Die berühmten Vermutungen Dietrich Bonhoeffers, dass eine neue christliche Sprache sich durch besondere Areligiosität auszeichnen wird, muss von daher kritisch hinterfragt werden. Er hatte 1944 vermutet: Es wird eine neue Sprache sein, vielleicht ganz unreligiös, aber befreiend und erlösend, wie die Sprache Jesu, daß sich die Menschen über sie entsetzen, und doch von ihrer Gewalt überwunden werden, die Sprache einer neuen Gerechtigkeit und Wahrheit, die Sprache, die den Frieden Gottes mit den Menschen und das Nahen seines Reiches verkündigt.442

Habermas setzt gewissermaßen diesen Dialoganfang Jahrzehnte später fort, wenn er zu bedenken gibt: Säkulare Sprachen, die das, was einmal gemeint war, bloß eliminieren, hinterlassen Irritationen. Als sich Sünde in Schuld verwandelte, ging etwas verloren. Denn mit

————— 436;;

Ebd., 555. Vgl. ebd., 556, mit Verweis auf FRIEDRICH SCHLEIERMACHER. 438;; Vgl. ebd., 557. 439;; Ebd., 563. 440;; Vgl. PREUL, Kirchentheorie, 269 und 293–298. 441;; Vgl. HABERMAS, Glauben, 5f. 442;; BONHOEFFER, Widerstand, 436 [328f], vgl. EBELING, Wort, 74f. 437;;

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dem Wunsch nach Verzeihung verbindet sich immer noch der unsentimentale Wunsch, das anderen zugefügte Leid ungeschehen zu machen. Erst recht beunruhigt uns die Unumkehrbarkeit vergangenen Leidens – jenes Unrecht an den unschuldig Misshandelten, Entwürdigten und Ermordeten, das über jedes Maß menschenmöglicher Wiedergutmachung hinausgeht. Die verlorene Hoffnung auf Resurrektion hinterlässt eine spürbare Leere.«443

Mit der Intervention des Philosophen ist also der interessante und hoffnungsvolle Fall eingetreten, dass ganz offensichtlich von außen öffentlichkeitsrelevante, medienwirksame und reflektierte Mission und Apologetik für die Kirchen betrieben wird, auch wenn diese es selbst fast nicht bemerken. Diese Einsicht ist tröstlich: Eine Kirche, die nicht mehr Mission treibt, wird nicht sterben, solange es gesellschaftliche Kräfte neben ihr gibt, die ihr zu Gute wirken, oder übersetzt: weit mehr als nur Werbung für sie machen. Von diesen Missionen und Apologien des Christlichen kann derzeit viel gelernt werden. Karle nimmt das Ansinnen des Philosophen nach einer eigenartigen Sprache auf. Das Evangelium wird nur dann wieder so zur Sprache zu bringen sein, dass es auch die weiten Distanzen zwischen Ohren und Herzen überwindet, wenn die Sprache der Predigt eine eigene Sprache spricht und sich nicht nur anderer Sprachen bedient – eine Gefahr, die ich im Impulspapier sehe, dessen Sprache so sehr von der marktorientierten Sprache der Unternehmensberater beeinflusst ist, dass es nicht leicht fällt, darin noch den Geist Gottes, von dem die Kirche lebt, zu entdecken.444

Wenn aber Geist und Zeit, Kraft und Geld auf die Pflege eigenartiger Sprachen verwandt würden, dann wäre die anspruchsvolle Übersetzungsarbeit möglich, die für »die großen Grundbegriffe christlichen Glaubens – Erlösung, Gnade, Vergebung, Sünde, Auferstehung«445 in jeder Generation erforderlich ist. Diese anders ausgerichteten Übersetzungsleistungen sind gerade angesichts der Wettbewerbssituationen, die ebenfalls von außen an die Kirchen und die Christenheit herangetragen werden,446 sprach- und sachdienlich. Denn Sprache und Sache sind voneinander nicht zu trennen, wie die theologisch-ökonomistischen Botschaften gezeigt haben: Es geht aber in der Theologie nicht um die Behauptung eines von der Sprache ablösbaren Gegenstandes, sondern um die Sachhaltigkeit der Sprache selbst. […] Dasjeni-

————— 443;;

HABERMAS, Glauben, 5. KARLE, Ende, 348. 445;; Ebd., 349. 446;; Vgl. zur wesentlichen Unterscheidung von Außen- und Binnenperspektive bei der Übernahme ökonomischer Deutungsmuster BÜNKER, Kirche, 90f. 444;;

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ge aber, worum es in der Theologie geht, ist im Fall des Christentums konstitutiv sprachlich präsent und sprachlich vermittelt.447

Wenn christliche Sprache gleichzeitig von Indifferenz, Gleichgültigkeit und Desinteresse einerseits und einer hart pluralen Wettbewerbssituation, die zu erhalten in ihrem eigenen Interesse liegt,448 andererseits herausgefordert ist, kommen nur eigentümliche Sprachen in Frage. (2) Zeitgenossenschaften werden ernst genommen, aber gerade nicht als zielorientierende Kriterien für gelingende Sprachen. Hier wird die entgegengesetzte These vertreten, dass jede Generation ohnehin von der sprachlichen Macht der Zeitgeister solange abhängig ist bis es zu genaueren Reflexionen kommt. Gerhard Ebeling hält auf alte und nichtmodische Weise fest: Das Wort Gottes kommt neu zur Sprache allein aus einem neuen Hören, einem angespannten Horchen und Aufmerken darauf, wie das überlieferte Wort Gottes sich gerade durch die Wirklichkeit, der wir selbst ausgeliefert sind, verständlich macht.449

Der Systematische Theologe predigt also Freiheit aus dem Hören gegen den scheinbar zwingenden Augenschein. Dazu müssen aber Worte zu hören sein, die nicht einfach Echos der Zeitgeister sind. Die Probleme, Ebeling spricht von Sprachnöten, sind daher auch traditionell, prinzipiell und erfahrungsgemäß größer, als dass sie sich mit einfachen Modernisierungsmaßnahmen beheben ließen. Gitarren statt Orgeln, Spezialisierung der kirchlichen Arbeit, Modernisierung der Sprache, neue Sozialformen kirchlicher Existenz u.a.m. Doch viele dieser Mittel haben die Enttraditionalisierung nur noch verstärkt und überdies die Entkirchlichung nicht aufhalten können.450

Die schlichten Anpassungsleistungen haben in allen Fällen gründlich zur weiteren Selbstsäkularisierung und Selbstbanalisierung451 des christlichen Wirklichkeitsverständnisses beigetragen: We have learned in modernity to keep fashionably silent about the incarnation, atonement and resurrection and to develop theological positions less controversial and more agreeable with the assumptions of modernity – that Jesus is a good teacher (with minimum »mythological« additions), that God is good, but would not dare to judge our iniquities, and so on. […] In the well-intentioned attempt to deliver the Christian

————— 447;;

KÖRTNER, Vielfalt, 67. Vgl. LAMPE, Theologie, 211: Wer die Wettbewerbssituation nicht pflegt, vergeht in der Gleichgültigkeit. 449;; EBELING, Wort, 80f. 450;; NEUBERT, Konfessionslosigkeit, 6f. 451;; Vgl. WELKER, Selbst-Säkularisierung, 15. 448;;

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message in a language acceptable to moderns, we have peeled the onion almost down to nothing.452

Die Sprachmodernisierungsversuche scheitern im Übrigen auch an der bloßen Menge der möglichen Zielsprachen, denn die empirisch immer genauere Beschreibung von immer kleineren Milieus und ihren Sondersprachen führt der Tendenz nach zu immer mehr Wissen über immer weniger, bis zuletzt alles über nichts mehr zu erkennen und zu sagen ist.453 Wortwechsel und wechselseitig-osmotische Vorgänge zwischen christlichen und zeitgenössischen Sprachformen hat es zu allen Zeiten der Christenheit gegeben. Wenn aber in der Gegenwart Zeitgemäßheit als wesentliches Kriterium für erfolgreiche Sprache fungiert, hat sich die Richtung der Wortwechsel im Vergleich zur Reformationszeit genau umgekehrt. Die Erneuerer im 16. Jahrhundert bauten darauf, dass aus alltäglichen Sprachbildern überraschende, weil neue christliche Sprache, werden könnte. »Diese neue Sprache bedient sich leiblich der alten Sprache, aber die alten Wörter erhalten eine neue Seele, einen neuen Geist. Einige sterben, weil sie sich dem Neuen widersetzen; andere werden umgeschaffen, wieder andere entstehen neu.«454 Beispielsweise für Martin Luthers Lieddichtungen sind diese Prozesse eindrücklich beschrieben worden. Seine Hoffnungen für die Christenheit setzte der Reformator in die Nutzung der sprachlichen Unterscheidungsmöglichkeiten: […] wenn man die zungen und ohren hinweg thut, so bleibt kein merckliche unterscheid zwischen dem Reich Christi und der welt. Denn ein Christ gehet jnn eusserlichem leben daher wie ein ungleubiger, er bawet, ackert, pflüget eben wie andere, nimpt kein sondern thun noch werck fur, weder jnn essen, trincken, erbeiten, schlaffen noch anderm. Allein diese zwey gliedmas machen einen unterscheid unter Christen und unchristen, das ein Christ anderst redet und höret […].455

»[…] novam sprach, celeste deudsch […]«456 entscheidet sich nicht am lexikalischen Befund, sondern an den Kontexten und den Gebräuchen der Worte.457 »Denn was einen Christen kenntlich macht, ist allein seine Sprache. ›Christianus debet esse nova creatura […], qui aliter loquatur, cogitet de allen stücken, quam die welt von judicirt.‹«458 ————— 452;;

LOSCALZO, Apologizing, 425. Der sinnvolle Umgang mit immer zu großen Datenmengen, die ihrerseits aufwändig erhoben wurden, ist eigens zu reflektieren. Ein zugegeben krasses, aber anschauliches Beispiel: Die Staatssicherheit der DDR arbeitete zuletzt nicht mehr effizient, weil die Fülle der erspitzelten Daten und die Absorbtion aller Kräfte dafür Analysen und Auswertungen nicht mehr ermöglichte. 454;; MELZER, Neuwerden, 36. 455;; LUTHER, WA 37, 513, Z. 20–26. 456;; DERS., WA 36, 646, Z. 8f. 457;; Vgl. BEUTEL, Sprache, 16. 458;; LUTHER, WA 36, 255, Z. 7–9, vgl. auch BEUTEL, Predigt, 526. 453;;

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Gefragt sind diejenigen Kräfte der Sprache, die das Bauen, Ackern, Essen, Trinken und Schlafen, kurz die Alltäglichkeiten, zu transzendieren vermögen. Die christlichen Sprachbilder sollen aus diesen Gründen auch nicht bei den Bedürfnissen oder Sehnsüchten ihr Bewenden haben, sondern gerade über sie hinausweisen und sie dadurch orientieren. Für das Nachdenken über die sprachlichen Gestalten von Mission und Apologetik ist die doppelte Leistung von Worten – ihre alltägliche Verständlichkeit und Zugänglichkeit mit der Fähigkeit, eben jene Alltäglichkeit zu transzendieren – entscheidend. Verbleibt missionarisches Reden im Alltäglichen, ist es irrelevant, weil die sonst alltäglichen Sprachgewohnheiten nur dupliziert werden und damit die Zustände möglicherweise schlimmer gesprochen werden als sie – gutgeheißen – sein könnten: »Kultur und Religion drängen auf Lesbarkeit, Deutbarkeit. Dies kann daneben gehen oder die Gewalt der Dinge einfach nur sprachlich noch einmal sagen und damit verdoppeln. […] Im Wort steckt Gewalt, aber auch eine erlösende Kraft.«459 Geht aber Weiterdenken, Transzendieren nicht mit dem Vorfindlichen um, wird ihm niemand folgen können. Es sollte ihm auch aus theologischen Gründen niemand folgen wollen. Evangelische Theologien sind in dialektischer Weise auf Sprache angewiesen: Entleerte Worte, die nichts mehr abbilden und nur noch beliebige Zeichen der Verständigung sind, gefährden daher ihren Bestand. Ereignet sich allerdings in, mit und unter allen Bildern und Worten jenes Wort des Ursprungs, dann kann sich der protestantische Theologe die […] Beschreibung Beltings in neuer Weise als eine treffliche Beschreibung aneignen: Was bleibt, sind Theologen ohne institutionelle Macht, »Diener des Wortes«, die sich nur im Ringen um eine ihrem Gegenstand gemäße Theologie legitimieren können.«460

So wird das reformatorische Motto sine vi humana, sed verbo adäquat entfaltet. Johannes Anderegg plädiert entsprechend für eine nichtalltägliche Sprache, die das Besondere sucht, die tentativ, d.h. versuchs- und probeweise, ist und den alltäglichen Sprachgebrauch übersteigt.461 Albrecht Grözinger versucht, die Orte dieser Sprache näher zu bestimmen. Er macht sich dazu auf den Weg zwischen Skylla und Charybdis, denn weder die »Sprache der Behauptung« hält er für »möglich«, noch kann die »Sprache der Indifferenz« »sinnvoll« sein. Die »Sprache der Got-

————— 459;;

HARDECKER, Erlösung, 522. OORSCHOT, Macht, 319. 461;; Vgl. ANDEREGG, Sprache, 376–378. 460;;

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tesrede bewegt sich in einem Dazwischen« und soll »Sprache der Anmutung« sein.462 Diese Sprache hat Grözinger im Blick auf Predigt und Seelsorge näher zu imaginieren versucht. Seine Vorstellungen sind auch für die Suche nach missionarisch und apologetisch sprachlichen, welttranszendierenden Ansätzen von großer theologischer Güte und Klarheit: Menschen lernen heute schon von klein auf eine Grammatik der Leistung, eine Grammatik der Konkurrenz, eine Grammatik des Fit-Seins. Innerhalb dieser erlernten Grammatiken wird dann versucht, Lebensgeschichte zu gestalten. Niederlagen, Krisen, Gefährdungen haben in diesen Grammatiken aber keinen Platz. Die Menschen werden so zu Analphabeten, die weite Teile ihres realen Lebens nicht mehr zu lesen vermögen. Ein solch lebensgeschichtliches Analphabetentum ist angesichts der Nötigung zur Erfindung der eigenen Lebensgeschichte jedoch buchstäblich todbringend.463

Gelingende Sprache verhilft dagegen aus den Wirklichkeiten zu neuen Möglichkeiten,464 d.h. für einzelne Kommunikationssituationen: »Das Gelingen eines diakonischen Beratungsgespräches wird aber immer auch einen Sprach-Gewinn bedeuten, in dem das eigene Leben in all seiner Fragmentarität, mit seinen Rissen und Brüchen aufs neue erzählbar wird.«465 Grözinger denkt nicht an eine Verschärfung des Analphabetentums durch stark ermäßigte Grammatiken, wie man auch Schulkindern in der ersten Klasse nicht weiterhin Bilderbücher präsentiert, weil sie nicht lesen können, sondern Buchstaben, Wörter, Sätze, damit sie sie entziffern lernen. Es gibt keinen ernst zu nehmenden Grund, warum Kirchen die vorfindlichen, pluralen Sprachen nicht mit einer oder – weil die gesellschaftliche Pluralität auch binnenkirchlich anzutreffen ist – mehreren eigentümlichen Sprachen bereichern sollten und das auch tun. (3) Glauben in der Neuzeit begegnet nicht nur variantenreich ausdifferenziert und widersprüchlich pluralisiert, sondern – und das ist stets viel weniger beachtet worden als der große Pluralismus – im Ungewissen, im Unwesentlichen, im Nebensächlichen, im Beiläufigen. Jüngst hat Johann Hinrich Claussen dafür den Begriff »Religion ohne Gewissheit«466 gefunden, der von den gängigen evangelischen Theologien nicht nur nicht hinreichend, sondern gar nicht erfasst werde, so sein fundamentaler Vorwurf. Die Darstellungen evangelischen Glaubens zielten immer auf das Grundsätz————— 462;;

Alle Zitate GRÖZINGER, Toleranz, 230. DERS., Kirche, 131. Vgl. auch ebd., 44, 109, 131 u.ö., die Grundthese GRÖZINGERS vom sprachlich möglichen Mehr. 464;; Vgl. ebd., 47. 465;; Ebd., 130. 466;; CLAUSSEN, Religion, 439. 463;;

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liche, das Umfassende;467 zu ergänzen ist im Rückblick auf das 20. Jahrhundert: in extremen Fällen auch auf das Totalitäre. Der Hamburger Pfarrer führt Martin Luther, Friedrich Schleiermacher und die ihnen folgenden theologischen Ansätze als Beispiele dafür an, wie mit existenzialistischem Pathos über mittlere religiöse Stimmungslagen regelmäßig hinweggefegt wird. Wer habe schon »eine ununterbrochene Folge frommer Erregungen«?468 Selbst Paul Tillich, der ein großes Interesse an den Brüchen und Zweifeln im Glauben zeigt, konstruktiv-virtuos mit ihnen umgeht und sie nicht als Gegensätze, sondern Dimensionen von Religion interpretiert, bleibt der Vorwurf eines zu existentialistischen Ernstes nicht erspart. Er berücksichtige nicht »ein unforciertes, unscheinbares und über Jahre sich hinziehendes Entgleiten des religiösen Lebenssinns.« Der Glaubensbegriff des aufgeklärten Protestantismus’ ziele trotz allem und »weiterhin auf das Große, Ganze und Gewisse.«469 Dabei seien die vorfindlichen Religionen ohne Gewissheiten, die ihrerseits selbstredend plural sind, interne Problemgestalten des Glaubens, die weitgehend unreflektiert vor sich hin existieren.470 Allerdings wurden diese mittleren religiösen Stimmungen dann und wann doch schon früher beobachtet. Dietrich Bonhoeffer hatte aus wahrhaft existentiell herausfordernden Umständen, aus der Haft, geschrieben: Der einfache Mann, der sein tägliches Leben in Arbeit und Familie und gewiß auch mit allerlei Seitensprüngen zubringt, wird nicht getroffen. Er hat weder Zeit noch Lust, sich mit seiner existenziellen Verzweiflung zu befassen und sein vielleicht bescheidenes Glück unter dem Aspekt der »Not«, der »Sorge«, des »Unheils« zu betrachten.471

Albrecht Schönherr nimmt 1955 diese Überlegungen auf, um gegenüber einer »fehlgeleiteten Apologetik«472 auf Distanz zu gehen. Die Fehlleistung dieser Apologetik bestehe im Versuch, dem in seiner Weise gewiß auch glücklichen Menschen nachzuweisen, daß er im Grunde doch unglücklich sei, daß er sich in einer Not befinde, die er zwar nicht zu durchschauen vermöge, von der er sich aber befreien lassen müsse. Damit macht man vielleicht auf eine Schar von degenerierten Intellektuellen Eindruck.473

————— 467;;

Vgl. ebd., 440–442. Ebd., 441. Er zitiert folgende Ausgabe der Glaubenslehre: SCHLEIERMACHER, FRIEDRICH, Der christliche Glaube, hg. v. Martin Redeker, Berlin ²1960, 23. 469;; Beide Zitate CLAUSSEN, Religion, 442. 470;; Vgl. ebd., 440. 471;; BONHOEFFER, Widerstand, 478 [375f]. Vgl. CLAUSSEN, 2005, 447–451, der die Phänomene der mittelmäßigen Alltäglichkeiten an ADOLF VON HARNACKS seelsorglichen Schriften erläutert. 472;; SCHÖNHERR, Gedanken, 218. 473;; Ebd. 468;;

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Dennoch wird bis heute aus apologetischen Gründen auf den großen, ganzen Glauben gezielt, vor allem auf große Entschiedenheit und eindeutige Unterscheidungen. Exemplarisch nennt Claussen die immer wieder festgestellten und damit feststellenden Einteilungen in Kerngemeinden und Randsiedler als grundlegend falsch, weil es sich nicht nur um ein Phänomen handelt, das man bei anderen, kirchenfernen Zeitgenossen ausmachen kann, sondern um eines, das man auch schon bei sich selbst beobachtet hat. Zwar steht man als Pastor und als Theologe unter der – nicht zuletzt selbstauferlegten – Zumutung, den ganzen, großen Glauben zur existentiellen Wirklichkeit werden zu lassen.

An die Realisierung dieser Möglichkeit glaubt Claussen nicht. Wer ist schon in vergleichbarer Weise von einem unerschütterlichen Gottvertrauen erfüllt, einem unmittelbaren Offenbarungserlebnis bestimmt, einem prophetischen Sendungsbewusstsein getrieben und fühlt sich in unbedingte Nachfolge gerufen? Und wer könnte von sich sagen, dass er Augustins Sündenverzweiflung und Gottseligkeit, Luthers rasende Gottesangst und unverschämte Glaubensfreude, Kierkegaards Furcht und Zittern für sich selbst erfahren habe? Man hat doch andere existentielle und religiöse Probleme. Man lebt anders – großstädtischer, angepasster, abgesicherter, mittelmäßiger.474

Wie tief Glaubenskrisen, Verzweiflungen und Hoffnungen reichen, ist von außen nicht zu messen. Es sollte daher auch etwas zurückhaltender beurteilt werden. Auch heutige Lebensläufe haben trotz aller Versicherungen und großstädtischem Lifestyle Momente totaler Abbrüche und radikaler Neuanfänge, echte Krisen und Anfechtungen für den Glauben ohne happy end. Die Korrekturen aber an einem nicht mehr menschenfreundlichen, weil überansprüchlichen Pfarrerbild, das allzu oft Musterprotestanten475 imaginiert, sind ebenso zu beherzigen wie der geschärfte Blick auf die großen Ähnlichkeiten von Kirchenmitgliedern, die innerlich fern stehen mögen, und Kirchenfernen, die innerlich den Fragen nach Gott möglicherweise ungleich näher sind.476 Johannes Zimmermann hat in diesem Zusammenhang sogar vor einer Vereinnahmung bestimmter Menschen gewarnt: Während die Aufmerksamkeit in der Theologie in den letzten Jahrzehnten vor allem dem Phänomen »Glauben außerhalb der Kirche« galt, halte ich es für angebracht, auch das andere, »Unglauben innerhalb der Kirche«, systematisch- und praktischtheologisch in den Blick zu nehmen. Nicht in pharisäischer Überheblichkeit oder aus Ausgrenzungsbedürfnissen, sondern vom missionarischen Auftrag der Kirche her

————— 474;;

CLAUSSEN, Religion, 446–447. Vgl. GRÄB, Pfarrer, 253–255. 476;; Vgl. zur Indifferenz die hervorragenden Analysen von HÖHMANN/KRECH, Umfeld, 185– 194. 475;;

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[…] Die Alternative dazu, die unterschiedlose Vereinnahmung aller Kirchenmitglieder als »glaubende Christen«, halte ich für wenig plausibel, sie entspricht der Untersuchung zufolge auch nicht dem Selbstverständnis vieler Betroffener.477

Die Wahrnehmungsfähigkeiten für die Zwischentöne, für das Lesen zwischen den Zeilen eines Kirchenaustrittsschreibens etwa, sind gerade im Rahmen von Überlegungen zur Mission und Apologetik weiter zu sensibilisieren: An die Stelle des Pathos theologischer Rechthaberei – man kann es mit Fug und Recht so polemisch bezeichnen, denn so kommt es bei den anderen an: Ich habe die Wahrheit und ihr die Lüge – tritt ein Pathos der theologischen Präzisierung, […] immer noch genauer zu klären, inwiefern auch Ausgetretene zwar aus der Kirche, nicht aber aus dem Christentum ausgetreten sind.478

Eberhard Hauschildt plädiert nicht nur bei diesen Themen für den Übergang von puristischen Entweder-Oder-Theorien zu graduellen, auch oszillierenden Beschreibungsversuchen von Wirklichkeit.479 Statt radikalere Veränderungen anzustreben, übt man sich künftig hoffentlich in sensibleren Wahrnehmungen. Neben durchgreifenden Wechseln gibt es auch »die graduellen Entwicklungen. Etwas mehr vom christlichen Glauben verstehen, sich etwas stärker engagieren, etwas mehr Mut haben, sich auch im Gespräch als Christ zu zeigen.«480 Niklas Luhmann beschreibt darüber hinaus die üblich gewordenen Glaubensentwicklungen unter dem Stichwort »Karrieren«: Es handelt sich nicht mehr um ein erschütterndes Großereignis im Stile Saulus/ Paulus, das von außen kommt und auf die gesamte Lebenslage durchgreift, also nicht mehr um eine Art transzendentale Gehirnwäsche, sondern um eine individuelle Entscheidung, sich auf ein Angebot einzulassen. Oft geht es um einen phasenförmigen Prozess: zunächst um ein nicht voll überzeugtes Ausprobieren neuartiger Bindungen sozialer Kontakte, dann um ein Engagement, auf das sich das Individuum als Individuum, das heißt als Selbstbeobachter, einläßt. Nicht selten sucht man inhaltlich (und das entspricht alten Religionsmustern) Erlösung von der Gesellschaft, wofür man soziale Unterstützung in gleichgesinnter Kommunikation braucht.481

Die Eigentümlichkeit missionarischer Sprachen entscheidet sich also nicht an der Radikalität der Metaphern, sondern an der Wortgewandtheit, mit —————

477;; ZIMMERMANN, Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung, 138. Gegen die Vereinnahmung von »Andersglaubenden« zu »Anonymen« auch SCHOEN, Dialog, 67. Ganz vehement argumentiert DIETZ LANGE gegen diesen Vorgang und unterstellt in diesem Zusammenhang, dass das kolonialimperiale Zeitalter noch immer nicht vorüber sei. Vgl. D. LANGE, Heil, 267. 478;; HAUSCHILDT, Theologie, 97. 479;; Vgl. ebd., 95–98. Das Vorbild für oszillierende Gedankengebäude ist SCHLEIERMACHER. HAUSCHILDT bestimmt als »Aufgaben für die Zukunft: graduelle und konstruktive Theologie«. 480;; LÜTCKE, Zuhören, 47. 481;; LUHMANN, Religion, 297.

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feinen Nuancen umzugehen. Claussen schlägt dafür die Lyrik als besonders lehrreich vor.482 Ein Gedicht von Hans Magnus Enzensberger dient ihm als Exempel, wie beiläufig und doch zugleich sprachlich wirkungsvoll Gottesgedanken erfasst werden können. Da die Verse eine Denk- und Sprachlehre in nuce enthalten, sei es hier ganz wiedergegeben. Steuerberater anrufen, arbeiten auch. Brüten über dem Foto einer Frau, die sich umgebracht hat. Nachschlagen, wann das Wort Feindbild zum ersten Mal aufgetaucht ist. Nach dem Donner die Blasen betrachten, die der Wolkenbruch auf das Pflaster wirft, und die nasse Luft trinken. Rauchen auch, ohne Ton fernsehen. Sich fragen, woher das sexuelle Kribbeln mitten in einer öden Sitzung kommt. Sieben Minuten lang an Algerien denken. Hemmungslos wie ein Zwölfjähriger fluchen über einen abgebrochenen Fingernagel. Sich an einen bestimmten Abend erinnern, vor einundzwanzig Jahren, im Juni, ein schwarzer Pianist spielte cha cha cha, und jemand weinte vor Zorn. Zahnpasta kaufen nicht vergessen. Rätseln, warum eʌi = –1; warum Gott die Menschen niemals in Ruhe läßt, umgekehrt auch nicht. Glühbirne in der Küche auswechseln. Die leblose, feuchte, zerraufte Krähe spitzfingrig vom Balkon holen. Den Wolken zusehen, den Wolken. Schlafen, auch schlafen.483

Die Beiläufigkeit der Fragen nach Gott kommt dominant zum Ausdruck. Der Gedanke an Gott im Alltäglichen wird nicht eben sehr laut und vergeht schnell. Demzufolge stellen sich keine dauerhaften Gewissheiten mehr ein, vielleicht eher und im Fall von Hans Magnus Enzensberger nur noch Erinnerungen an Verstörungen.484 Claussen sucht einen liberaltheologisch-selbstkritischen Ausweg:

————— 482;;

Vgl. CLAUSSEN, Religion, 442–447. Ebd., 444, zitiert ENZENSBERGER, Luft, 86f, Hervorhebung im Original. 484;; Vgl. CLAUSSEN, Religion, 442–445. 483;;

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Die Verzahnung von Phänomenologie und Teleologie würde dazu führen, dass das Bemühen um eine vorurteilsfreie Wahrnehmung unsicherer religiöser Erfahrungen nicht dazu führt, dass der Vollbegriff eines erfüllten Glaubens aufgegeben wird. Zeitdiagnostische Aufmerksamkeit würde dann nicht mit dem Verlust an religiösem Qualitätsbewusstsein erkauft werden, wie dies bei denen zu geschehen scheint, die überall schon dort vollgültige Religion ausmachen, wo bestimmte Sinnleistungen erbracht werden. Die Entsubstantialisierung des Glaubensbegriffs dürfte nicht das geeignete Mittel sein, um die Irritation durch eine »Religion ohne Gewissheit« theologisch zu bearbeiten.485

Im Fazit ergibt sich für die großen Hoffnungen, die man in eine weiterentwickelte Mission setzt, als Kriterium für Sprachprüfungen, ob der sprachliche Umgang belangloser und oberflächlicher oder differenzierter und sensitiver und dadurch wirkungsvoller wird.486 Man bedenke zum Vergleich, wie extrem beiläufig viele so genannte Massenmedien konsumiert werden487 und mit welcher Akribie und Hochachtung vor den finanziellen Möglichkeiten des völlig Nebensächlichen ihre Wirkungen einer Daueranalyse und kontrolle unterzogen werden. Die vielgescholtene Einschaltquote ist immerhin die gründlichste Lehrmeisterin für die Würde des »Nebenbei«. Im Diktum Glauben kommt vom Hörensagen drückt sich diese Beiläufigkeit mit aus. Welche Konsequenzen ergeben sich für die künftige Mission? Mission geschieht unabhängig von explizitem Wollen und Wirken immer auch im Nebensächlichen und damit im Ungeplanten und Unberechenbaren. Ein dimensionaler Missionsbegriff, der »Werbung als Nebeneffekt christlichen Handelns«488 versteht, ist insofern auch auf die Situationen auszuweiten, in denen kein Christ oder keine christliche Gemeinschaft handelt, d.h. zielgerichtet tätig ist. Denn auch jedes nur so dahingesagte Wort oder seine Unterlassung zählt und wirkt, auch dann, wenn es nicht durch den Kontext einer Predigt o.ä. geadelt ist. Sodann geht es um das langsame Wachstum ernst zu nehmender Sympathie für die Musikalität in mittleren religiösen Lagen, ohne das problematisch Mittelmäßige zugleich auch als Zielvorstellung jeglicher Bemühungen zu inthronisieren. Dazu soll die prominente Rede von den Sehnsüchten der Menschen exemplarisch vorgestellt werden. Wenn »Religion ohne Gewissheit, beiläufiger Glaube, unscheinbare Grenzerfahrung, interessiertes Desinteresse«489 gemeint sind, werden erstaunlich häufig die Sehnsüchte der Menschen ————— 485;;

Ebd., 453. Vgl. ANDEREGG, Sprache, 376–378. 487;; Vgl. SCHMIDT-ROST, Medium, 107. 488;; HAUSCHILDT, Mission, 504. 489;; CLAUSSEN, Religion, 446. 486;;

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verhandelt. Sehnsüchte sind funktionale und offenbar durchsetzungsfähige Statthalterbegriffe für die seit längerem anthropologisch problematisierten Bedürfnisse der Menschen. »Nicht jeder Mensch sorgt sich um sein Seelenheil, und jedenfalls ist das Seelenheil kein Menschenrecht.«490 Nach vielfältigen religionssoziologischen Studien, dass religiöse Bedürfnisse nicht jeder hat und sie nicht theoriefundierend als konstitutiv für jegliche Individuen anzunehmen sind, weil sie die Menschen eher stärker voneinander unterscheiden als einander ähnlicher werden lassen, sind Sehnsüchte in ihrer Unfassbarkeit, Vagheit und magnetischen Fähigkeit, alle möglichen diffusen Phänomene unter dieser Überschrift erklären zu können, prominent geworden. Sehnsüchte von Menschen begegnen einem kirchenleitend, systematisch-theologisch, in Ost und West, überkonfessionell, im journalistischen Jargon und schon recht lange.491 Claussen betrachtet freilich den Sehnsuchtsbegriff sogar noch als viel zu stark. »Von religiöser Überzeugtheit kann hier keine Rede sein, aber auch nicht von einem dringlichen Sinnbedürfnis, einer intensiven Sehnsucht nach Religion. Selbst die Metapher des Suchens wäre noch zu forciert.«492 Mit den vielfältigsten Sehnsüchten der Menschen zu rechnen, ist wesentlich – gerade weil man die Sehnsüchte nicht kennt und im Einzelnen auch nicht kennen kann. Aber sie kommen ausdrücklich nicht als Sprach- und Sachmotive für Mission und Apologetik in Frage. Wiederum ist auch aus dieser Perspektive auf den besonderen Mut zu verweisen, die Hörenden aus theologischen Gründen neu zu erfinden und nicht – zumeist defizitorientiert – weiter Festlegungen oder diffusschwebende Vorurteile zu suchen, die keinerlei Orientierungswert besitzen. Schönherr gibt Bonhoeffer scharfzüngig bis unappetitlich zu diesen Fragen wieder: B. verurteilt solche Attacken der christlichen Apologetik auf die mündig gewordene Welt als 1. sinnlos, weil man sich ja nicht intellektuell in ein früheres Stadium der geistigen Entwicklung zurückversetzen kann, – 2. als unvornehm, weil hier der Versuch gemacht wird, die Schwäche eines Menschen in pfäffischer Weise auszuspionieren und zu Zwecken auszunutzen, die nicht von ihm selbst bejaht werden, –

————— 490;;

LUHMANN, Religion, 291. Vgl. in kleiner Auswahl die kirchenleitenden Sehnsuchtsbeschwörungen: AUSSCHUSS DER ARNOLDSHAINER KONFERENZ, Evangelisation, 107, und EKD-KIRCHENAMT, Evangelium, 13. Systematisch-theologisch werden Sehnsüchte z.B. eruiert bei SCHNEIDER-FLUME, Glaube, 11. Die Metapher erscheint in Ost und West: vgl. KÄHLER, Botschaft, 230–233, und ZEDDIES, Osten, 161. Im katholischen Kontext liest man von ihnen bei POLAK, Missionsland, 89. Journalistisch ansprechend sind sie dargestellt bei ROSS, Gott, 2. Zum Vorkommen im frühen 20. Jahrhundert vgl. nur die gegensätzlichen Entwürfe von F. NIEBERGALL, Predigt 1905, 18f, und PFENNIGSDORF, 1929, 209. 492;; CLAUSSEN, Religion, 446. 491;;

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3. als unchristlich, weil Christus mit einer bestimmten Stufe menschlicher Religiosität gleichgesetzt wird. Man spürt es Bonhoeffer ab, wie anrüchig, ja ekelerregend ihm ein Christentum ist, das es Gott zumutet, in den Abfalleimern und in Kellerräumen der Menschheit herumzustöbern.493

Und wenn die Welt voll Sehnsucht wär’ – in erster Linie ist es sehr wahrscheinlich die Sehnsucht der Kirchenleitenden und Theologen, dass die Leute doch sehnsüchtiger wären – so wird Mission sich doch anders begründen lassen müssen. Selbstverständlich soll sie sprachliche Rücksichten nehmen, aber zugleich über das Vorfindliche hinausführen, d.h. den Menschen nicht ihre Sehnsüchte aus- oder einreden, sondern sie herausreden. Christliche Sprachspiele sollten eigentümlich hoffnungsvoller sein als die anzutreffenden Wünsche und Illusionen. Gerade unter diesen Vorzeichen ist eine Relektüre der meistgenutzten und damit auch missbrauchten biblischen Texte, allen voran Mt 28,16–20, angezeigt. Dann wird sichtbar, in welcher spezifischen Weise es keinen Missionsbefehl gibt. »Mission geschieht im Vorübergehen, en passant – das ist der vom Missionsauftrag Jesu her angemessene Ton der Mission, der die Musik macht: Übergang statt Untergang. Die Kirche geht vorbei – in alle Welt.«494 Darüber hinaus wird deutlich, wie erschütterlich Gottvertrauen immer schon war, wie viele Menschen mit nur mittelbaren Offenbarungserlebnissen glaubten, wie wenig ausgeprägt prophetisches Sendungsbewusstsein gewesen sein muss, wie viele Nebensächlichkeiten und unscheinbare Ereignisse Glauben hinderten oder stärkten. Der ehemals so genannte Missionsbefehl lässt sich noch weiter seiner Wirkungsgeschichte entfremden. Matthäi am Letzten erscheint dann sogar als präzise Erfahrung einer Religion ohne Gewissheit: Aber die elf Jünger gingen nach Galiläa auf den Berg, wohin Jesus sie beschieden hatte. Und als sie ihn sahen, fielen sie vor ihm nieder; einige aber zweifelten (Mt 28,16f). Die Jünger auf dem Weg nach Emmaus sind unter diesem Blickwinkel geradezu überzeichnet in ihren Zweifeln. Die Suche nach eigentümlichen Sprachspielen führt zu eigenartigen exegetischen Rückfragen, besonders im Bezug auf die missionarisch und apologetisch immer wieder »traktierten« Texte, die dann nicht einfach zeitgenössisch interpretiert werden müssen, was ohnehin geschieht, sondern die gängigen Sprachgewohnheiten kritisch transzendieren.495 Dazu braucht ————— 493;;

SCHÖNHERR, Gedanken, 218f, mit Verweis auf BONHOEFFER, Widerstand, 217f. SCHROETER-WITTKE, Verschwendung, 111. 495;; Vgl. die herrlich-eigenartigen Sprachspiele im Vollsinn dieser Wörter bei SCHROETERWITTKE, Ver-Fahren und DERS., Verschwendung. 494;;

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man sehr viel Zeit und noch mehr Kontinuität kirchlicher Suche nach sprachlichem Ausdrucksvermögen. Von der allenthalben gepriesenen Projektarbeit ist in diesen Fällen eher abzuraten. Gewohnheitsänderungen sind nicht in Einzelveranstaltungen realisierbar, aber auch langfristige Kontinuitäten garantieren nicht das Gelingen. Im Fazit bleibt festzuhalten: Mission wird durch die genannten Empfehlungen möglicherweise nicht erfolgreicher, aber dem Evangelium entsprechender. 2.3.4 »Ohrientierungen« Gelegentlich wird beobachtet, dass Mission zwar ein Thema kirchenleitender Zusammenkünfte ist, aber nicht die Auseinandersetzungen an der Basis kirchlichen Redens und Tuns erreicht bzw. dort vehemente Ablehnung erfährt. Diese Wahrnehmungen sind genauer zu studieren. Dann stößt man auf den unüberbrückten, aber nicht unüberbrückbaren Gegensatz von Mündlichkeit und Schriftlichkeit. Mission und Apologetik begegnen einem, auch in diesen Untersuchungen, vornehmlich schriftlich. Der Sprung in die aktuelle und wirklich öffentliche Mündlichkeit scheint nicht leicht zu gelingen. Die Sprachlosigkeit in missionarischen und apologetischen Perspektiven wurde oben beschrieben, ist aber eine mündliche Herausforderung, denn Glauben kommt vom Hörensagen, weniger von forciertem Schreiben. Die Geschichte der Christenheit begünstigte dagegen in vielen Schüben immer wieder das Auge. In der Reformationszeit, die durch die Erfindung der Buchdruckkunst den Augen eigentlich viel Vorsprung verschaffte, entwickelte sich dennoch eine »Kultur des Ohres«,496 die nicht vollkommen freiwillig war, sondern auch mit dem vorfindlichen, verbreiteten Analphabetismus zusammenhing, aber sich als ungemein wirkungsvoll erwies. Vermutlich hatte die Reformation nicht nur wegen der geschickten Nutzung der Lettern Gutenbergs Erfolg, sondern ebenso wegen der permanenten und ausdrücklichen Pflege des mündlichen Wortes.497 Albrecht Grözinger weist darauf hin, dass Luther das Mündliche nicht nur wegen seiner biblischen Ursprünglichkeit favorisierte, sondern mehr noch um seiner Aktualität und Öffentlichkeit willen. Der Reformator besteht auf unmittelbaren Veröffentlichungsmöglichkeiten statt auf privaten Offenbarungen oder kulturellen Sondersprachen.498 ————— 496;;

NIPPERDEY, Luther, 15. Vgl. zum Ganzen CORNELIUS-BUNDSCHUH, Kirche, 294–301: »Hören als Leben in einem Machtbereich«. 498;; Vgl. GRÖZINGER, Kirche, 58f. 497;;

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Die Geschichte seither hat dagegen die Kultur der Augen so gefördert, dass die »ohrientierende« Wirkung des Wortes mindestens geschwächt wurde. Denn aus der orientierenden Ohr-Kultur ist die »Religion der Brillenträger« geworden: »En bref, une discipline qui ferait presque du christianisme une religion réservée aux porteurs de lunettes.«499 Nach Bernard Reymond krankt besonders die gegenwärtige Homiletik daran, dass es kein genaueres Nachdenken über Mündlichkeit (oralité) gibt, sondern nur das Festhalten am Schriftlichen.500 Aus einem mündlich basierten und tradierten Glauben sei eine Disziplin der Schreiber und der Schriftkundigen geworden. Das Christentum, das sich primär einer mündlichen Kultur verdanke, habe entsprechend die Homiletik als Knotendisziplin zu betrachten: l’homilétique me semble devoir être reconnue comme une discipline centrale, voire nodale, de toute théologie. Elle est en effet en prise directe sur la Parole parlée, plus décisive pour la constitution de la foi et de la pensée chrétienne que ne l’est cette Parole sous forme écrite.501

Die mündlichen Kompetenzen der Homiletik sollen nach Reymond dann intradisziplinär ausstrahlen. In den Aktivitäten der Mission werden die mangelnden mündlichen Kompetenzen ähnlich beschrieben: Die »Papierform« der Kirche im Blick auf die Sache der Mission war wahrscheinlich noch nie so gut wie heute; denn wir haben – wie bereits gesagt – eine ganze Reihe von guten und hilfreichen Dokumenten, Synodalerklärungen, Impulspapieren.502

Bemerkenswerterweise stehen genau unter solchen unmittelbaren Veröffentlichungen von Kirchentagsbeiträgen in diesem Fall sogar in Fettdruck: »Es gilt das gesprochene Wort.«503 Sollen Worte ihre Wirkungen entfalten, müssen sie »ohrientierend« sein. Für Mission und Apologetik sind Texte sehr rar, die auch nur zur »Ohrientierung«, d.h. solche, die zum Vorlesen, zum Sprechen lassen,504 anstiften. Es gilt nach Reymond, von der »Theologie des Wortes« wieder zu einer »Theologie des gesprochenen Wortes«505 zu gelangen. Der Intendant des WDR, der Leiter und Lenker massenhafter mündlicher Worte, macht die

————— 499;;

REYMOND, voix, 131. Vgl. dt. NICOL, Spuren, 204, in Übersetzung von BERNARD REYMOND. 501;; REYMOND, voix, 131. 502;; SCHÄFER, Mission, 6. 503;; Ebd.! 504;; Vgl. GADAMER, Hören, 201: »Was also ist Lesen? Die Antwort lautet: Sprechen lassen.« 505;; NICOL, Spuren, 204, der BERNARD REYMOND übersetzt. 500;;

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Relationen deutlich: »Bis zur Erfindung der Schrift, also in 99,99% der Menschheitsgeschichte, galt nur das gesprochene Wort.«506 Es gibt physiologische, historisch-rhetorische, theologische Gründe, auch künftig nicht die Verantwortung für alles dem Geschriebenen aufzubürden. Nach jedem denkbaren Parameter ist unser Ohr dem Auge überlegen. Es ist sensibler, genauer, schneller, leistungsfähiger, weniger täuschungsanfällig. […] Wenn wir so schnell sehen könnten, wie wir hören können, wir würden unser Informationsmedium Nummer eins, das Fernsehen, als das durch-schauen, was es lediglich bietet: Punkte und Striche. […] »Das Ohr mißt – das Auge schätzt.«507

Der Übergang zu einer Theorie der Brillenträger ist bei weitem kein theologisches Binnenproblem. Gerd Ueding befragt die Rhetorikgeschichte und findet eine vergleichbare Sprachlosigkeit: Nach allen diesen Überlegungen sollte man wahrhaftig glauben, daß dem Hören in der Rhetorik als der für die rednerische Kultur Europas zuständigen Disziplin auch die – ge-hörige – Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Doch wenn wir uns in den großen Theoriewerken und Lehrbüchern seit Aristoteles, Cicero und Quintilian umsehen, werden wir für den Augenblick durchaus enttäuscht.508

Glauben kommt vom Hörensagen. Theologisch ist auch die Reihenfolge entscheidend. Glauben kommt nicht vom Sagenhören. Allem Verstehen geht das Hören voraus, allem Weitergeben des Glaubens, allem Weitererzählen, geht das Hören dessen voraus, was die Reihe der Generationen durchlaufen könnte. Eine weitergedachte Mission wird sich demzufolge maßgeblich an den mündlichen Wortwahlen entscheiden. Noch einmal ist zu wiederholen: Davon wird die Mission nicht automatisch erfolgreicher, aber dem Evangelium entsprechender. Nur in dualistisch-ausschließenden Denkweisen ist der Kurzschluss vorstellbar, dass damit eine grundsätzliche Geringschätzung des Geschriebenen verbunden sein könnte. Das Gegenteil ist aus Gründen der Komplementarität der Fall: Die Forderung, »evangelisch schreiben lernen«509 wird keineswegs überflüssig, sondern illustriert, wie eng Lesen und Schreiben und Hören und Sprechen miteinander zusammenhängen. Dabei ist zu betonen, dass auch von Geschriebenem eine das Mündliche inspirierende Kraft ausgehen kann. Das populäre Phänomen des Hörbuches veranschaulicht, was gemeint ist. In ein solches Hörbuch müssen die Bibel, die ambivalente ————— 506;;

PLEITGEN, Kraft, 237, Hervorhebung im Original. BERENDT, Ich höre, 75. 508;; UEDING, Redner, 54. 509;; SCHMIDT-ROST, Evangelisch, 177. 507;;

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Wirkungsgeschichte des Christentums und die christlich möglichen Wirklichkeitsverständnisse wieder übertragen werden. Wir Heutigen können kaum noch ermessen, in welchem Ausmaß sämtliche Erscheinungen des Lebens in ihrer auditiven Gestalt, und nur in dieser, rezipiert und produziert wurden. […] Die Kirchenväter und christlichen Theologen haben die Sache nicht anders gesehen. Für Augustin ist das geschriebene Wort noch gar keines, erst ausgesprochen wird es dazu.510

Ueding rekonstruiert die abendländische Kulturgeschichte unter diesem Blickwinkel und fährt fort: »Doch sei nicht verschwiegen, daß die christliche Kirche ebenfalls entscheidend zur Verteufelung der Gehörkultur beigetragen hat.«511 Das geschah aus pragmatisch-platztechnischen Gründen in engen Klöstern, aber auch auf Grund des Verdachtes, dass die Ohren sündhaft genusssüchtig sein könnten. Der Rückweg vom Geschriebenen zum Gesprochenen ist weit und lohnend. Die Ansprüche an die schriftlichen Grundlagen steigen, wenn sie nicht nur leise, sondern wieder laut reproduziert und kommuniziert werden sollen, denn Schreiben ist eine Quelle von Vergesslichkeit und ein unseriöser Zeitvertreib für alte Männer.512 2.3.5 Intersubjektivitäten Worte können mehr als nur ein einzelnes Individuum erreichen, auch wenn das Augenmerk sich überwiegend auf diese Fähigkeit richtet – und damit den weiteren Überblick über die Überindividualisierungen hinaus – erheblich beschränkt. Für die Homiletiken im 20. Jahrhundert und von da aus im Blick auf die evangelischen Theologien hat Jochen Cornelius-Bundschuh diese Beschränkungen detailliert gezeigt und kommt zum Fazit, dass der Hörende bzw. die Wortwahrnehmerin im Grunde immer als Vereinzelte gedacht werden. Daraus folgt für die verständigungsorientierten Homiletiken, dass die Predigt in diesem Verständnis ein Geschehen der Kommunikation einzelner Subjekte ist: Individuen bestärken sich wechselseitig in ihrer Subjektivität […] Sie treten dem Heiligen nicht als soziale Einheit gegenüber: »Mit allem, was stärker ist als sie, sind moderne Individuen tendenziell allein.«513

————— 510;;

UEDING, Redner, 51 und 53; vgl. auch HÄRTLING, Sprich. UEDING, Redner, 53. 512;; VOGEL, Einleitung, 8, zitiert SOKRATES ohne Quellenangabe – weil Schreiben eine Quelle von Vergesslichkeit ist? Das sei ferne! 513;; CORNELIUS-BUNDSCHUH, Kirche, 307. Er zitiert am Schluss SLOTERDIJK, Weltfremdheit, 143. 511;;

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Erst ein Wort macht den Glauben kommunikabel und fungiert in den günstigen, aber selteneren Fällen von gelingender Kommunikation als »Garant der Intersubjektivität von Religion«.514 Der intersubjektive Austausch über den christlichen Glauben ist auf vielfältige Weise bedroht, vor allem durch den unbegründeten und theologisch unbegründbaren, aber trotzdem penetranten Dauerverdacht, Religion sei Privatsache.515 Das geschieht in der Annahme, dass Individualisierung einen letztlich indiskutablen Eigenwert besitzt. Das ist aber ebenso wenig wie bei der Pluralität der Fall. Individualisierung ist weder gut noch böse, sondern vor allem entwicklungs- und kontextualisierungsbedürftig. Auch die häufig tradierte Forderung nach Kunden- und Bedürfnisorientierung fixiert die Aufmerksamkeit auf den Einzelnen oder die Einzelne, und das größere gesellschaftliche Ganze gerät aus dem Blickfeld. »Kirche muss demgegenüber ein Ort bleiben, an welchem man, ohne die Frage zu vernachlässigen, was ich brauche, den Übergang zur der Frage lernen kann, was andere benötigen und was die Gesellschaft insgesamt braucht.«516 Ob praktisch-missionstheologische Texte den lutherischen Ehrentitel »himmlische Sprache« verdienen, entscheidet sich somit auch daran, ob sie die Individualisierungsschübe der Moderne kommentarlos und damit unverändert wirken lassen oder nach Maß und Grenze des Menschenfreundlichen zurückfragen, denn: Religion ist nicht nur eine Angelegenheit individueller Frömmigkeit, sie ist auch Gegenstand gegenseitiger Mitteilung. Jede konkrete Gestalt persönlicher Religiosität entsteht nur im Zusammenhang religiöser Kommunikation, und sie drängt selber zur Fortsetzung solcher Kommunikation.517

An anderer Stelle formuliert Preul noch schärfer, dass ein christliches Wirklichkeitsverständnis, das vollständig Privatsache sein will, in sich absurd ist, so wie es auch keine Privatsprache geben kann.518 Privat ist dann ein genaues Synonym für sprachlos. Begreift man die Gegenwart mit Odo Marquard als diejenige Zeit, die einsichtig genug sein könnte, für einseitige Entwicklungen entsprechende Kompensationspotenziale zu nutzen,519 dann gerät Sprache mit ihrer Überindividualisierung durch Intersubjektivität kompensierenden Kraft in den Fokus der Aufmerksamkeit. Wortwahlen sind demnach auf ihre Potenziale ————— 514;;

BEUTEL, Sprache, 13. Vgl. PREUL, Gott, 98. 516;; DERS., Kirche, 563. 517;; DERS., Gott, 151. 518;; Vgl. ebd., 98; vgl. zur Überlegung, dass es keine »Privatsprache« geben kann: WITTGENSTEIN, Untersuchungen, 144f, Nr. 256–258. 519;; Vgl. zum Gedanken der Kompensation als Ausgleich MARQUARD, Zustimmung, 52–55. 515;;

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zu untersuchen, Kommunikation anzufangen bzw. fortzusetzen. Das Wiederaufkommen des Reizwortes Mission in überindividuellen Kommunikationszusammenhängen ist selbst ein Exempel für die intersubjektiven Möglichkeiten der Sprache. Allerdings ist immer wieder speziell missionsfundierenden Texten, die über einen engeren Autorenkreis und kirchlichen Binnenraum hinaus wirken sollten, eine stark individualisierende Tendenz vorgeworfen worden.520 Schon der bezeichnenderweise meist fiktionale Gebrauch des Wortes »wir«521 in kirchenleitenden und missionsforcierenden Papieren fokussiert brennglasartig die Individualisierungsproblematik. Das fiktive Wir verbirgt erstens und oft doch einen jeweils einzelnen Autor, der sich die Zustimmung seines Ausschusses, seiner Kommission, seines Kirchenkreises, seiner Landeskirche bis hin zur weltweiten Christenheit erhofft. Damit ist Intersubjektivität freilich noch nicht erreicht.522 Ein Einzelner schreibt oder spricht im Plural auf Hoffnung hin. Das fiktive Wir widerspiegelt aber zweitens auch ein diffuses Kirchenbild, das sich besonders anschaulich in so genannten Kirchenmitgliedschaftsbefragungen zeigt. Wenn ein Kirchenbund wie die EKD eine solche Untersuchung alle Jahrzehnte wieder in Auftrag gibt, dann bespricht sie sich öffentlich mit sich selbst und – bei mäßigem, medialem Echo in der großen weiten Gesellschaft – überwiegend auch für sich selbst. Dabei zerfällt sie in drei Teile: diejenigen der Fragenden einerseits, die scheinbar Antwortenden und die vielen, die man nicht gefragt hat. Sind aber die Antworten dergestalt vorgegeben wie in der Vergangenheit und damit nicht nur die Themen gesetzt oder von vornherein ausgeschlossen,523 dann ist Er—————

520;; Vgl. EKD-SYNODE, Leben, 167 (Synodaler SENS) in seinem kritischen Statement zum Papier »Leben im Angebot«. 521;; Einige Textbeispiele für das fiktive »Wir«: EKD-RAT, Freiheit, 12: »Als Christinnen und Christen vertrauen wir darauf, dass die Umbruchssituation auch neue Chancen in sich birgt.«; EKD-KIRCHENAMT, Evangelium, 5: »Heute sagen wir gemeinsam […].«; AUSSCHUSS DER ARNOLDSHAINER KONFERENZ, Evangelisation, 13 und 15, die EKD-SYNODEN 1988 und 1993 zitierend: »Wie finden wir in dieser Situation die Sprache, die aufhorchen läßt?«; BUND DER EVANGELISCHEN KIRCHEN, Christen, 17: »Demgegenüber prägt der Glaube an Gott ein, daß unsere fundamentale Begrenzung durch Gott uns dem Zwang enthebt, selber Gott zu spielen. Wir müssen uns keiner willkürlichen weltlichen Fremdbestimmung mehr beugen. Wir müssen uns nicht ständig vor uns und anderen rechtfertigen. Der Freiheitsgewinn, den das für das Leben des Menschen bedeutet, sollte im Gespräch mit Andersdenkenden besonders hervorgehoben werden.« Diese Schrift denkt dagegen sehr genau über die Sprachregelung »Andersdenkende« und verwandte Bezeichnungen nach. Vgl. ebd., 9f. 522;; Vgl. zum Aufblähen des einzelnen Individuums SCHNEIDER-FLUME, Glaube, 14. 523;; Es ist z.B. gar nicht möglich, ein evangelisches Taufverständnis im Anschluss an Römer 6 zu formulieren, weil es nicht erwartet und deshalb nicht danach gefragt wird. Vgl. HUBER/FRIEDRICH/STEINACKER, EKD-Erhebung, 441. Der vielbeschworene Traditionsabbruch liegt nicht nur auf der Seite der Antwortenden, sondern bei den Fragenden und wird durch sie antimissionarisch verstärkt.

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Wortwahlen

kenntnisgewinn strenggenommen nur über die Fragenden, nicht aber aus den Antworten zu erwarten. Kirchenmitgliedschaftsbefragungen sind Selbstbeschreibungen der Landeskirchen und haben darin eine nicht leicht zu überschätzende dimensional-missionarische oder auch gegenteilige Wirkung. Gelegentlich scheinen die Kirchen, was die Auswertungen des statistischen Materials betrifft, sich selbst narzisstisch – mit hängenden Köpfen über den Schlammpfützen der Welt – gegenüber zu stehen mit allen psychologisch problematischen Konsequenzen. Das wesentliche Problem der evangelischen Kirche ist nach Eckart von Vietinghoff, daß sie aber im substantiellen Sinne keinen greifbaren Gegner mit erkennbarem Profil hat und daß ihr deswegen der Spiegel der Realität nicht deutlich genug vorgehalten wird. Dies selbst zu tun gelingt selten. Selbstkritik ist zu leicht nur eine Mischung aus Masochismus und Narzißmus, beides kirchlichen Debatten nicht fremd.524

Drittens kann der Eindruck entstehen, dass – via negationis – nur »wir« übrig sind und damit fast niemand übrigbleibt, wenn alle Zeitgenossen, alle modernen Menschen, alle »Kirchentreuen«, alle »Randsiedler« und alle »Andersdenkenden« und überhaupt die Anderen in Abzug gebracht sind. Ernst Lange hat mit ironischer Schärfe den Rest beschrieben: Die der Kirche in den Ortsgemeinden tatsächlich noch verbliebenen Predigthörer, jene ominösen zwei bis fünf Prozent der volkskirchlichen Mitgliedschaft, sind gerade nicht Zeitgenossen, Menschen von heute im eigentlichen Sinn. Es sind die gettoisierten Reste der Kerngemeinde des Kirchenkampfes, deren Selbstverständnis aus einer falschen Entgegensetzung von »Kirche« und »Welt« erwächst; es sind die alten Frauen, die ihr Defizit an Gemeinschaft und Geborgenheit in der Gemeinde abdecken, weil sie naheliegt; es sind die Kinder und Jugendlichen, die mehr oder weniger kommen müssen; und es sind Angehörige jener Gruppen in der Gesellschaft, über die die gesellschaftliche Entwicklung mehr und mehr hinweggeht, die Bauern also und die selbständigen Kleinbürger, die noch aus Resttraditionen der vorindustriellen Gesellschaft leben […] Die eigentlichen Zeitgenossen aber, die Menschen von heute, die am Geschick dieser Zeit – leidend und mitgestaltend – wirklich teilhalben und aus dem spezifischen Zeitgefühl des ausgehenden 20. Jahrhunderts denken und reden, erleben und handeln, sind eben gerade nicht Hörer der sonntäglichen Predigt […].525

Sprachlich zeigt sich die Intersubjektivität des christlichen Wirklichkeitsverständnisses an den relationalen Bezeichnungen der Kommunizierenden. Das folgende Kapitel zeigt die Teufelskreise misslingender Kommunikationsbeziehungen und entwirft die Widerstände dagegen.

————— 524;;

VIETINGHOFF, Wege, 161. E. LANGE, Chancen, 292f.

525;;

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Relationalität

3 »Widerspenstige« Von der verständlichen Flucht der Bezeichneten »Widerspenstige«

Die von Rudolf Stier 1830 entdeckte Spezies »Widerspenstige«1 trifft man seither unter den mannigfaltigsten Bezeichnungen in und neben den Kirchen. Sie fliehen als übel Bezeichnete vor Kirchen und Christenheit. Wenn sie ins Blickfeld geraten, werden ihre Ausflüchte und Kirchenaustritte nachvollziehbarer und verständlicher. Die grundsätzlichen Annahmen des 2. Kapitels werden hier illustriert anhand der Adressatenbezeichnungen, die für Mission und Apologetik im Schwange waren und sind. Nachvollzogen werden die Verwahrlosungen (vgl. Kap. 2.1) als Sprachlosigkeiten und wortgewaltiges Wüten, sodann die interessanten Wortwechsel, die sich aus der dem Wort unterstellten Ohnmacht ergeben haben (vgl. Kap. 2.2). Dabei werden einzelne Pfahlwurzeln heutigen sprachlichen Wiederwuchses aus dem 19. Jahrhundert freigelegt. Im Anschluss werden Kriterien für künftige Bezeichnungen skizziert und einige Wortexempel in – zwangsläufig schriftlicher Form – vorgestellt in der Absicht, dass sie »ohrientierend«, d.h. für mündliche Kommunikationsprozesse auch geeignet und nutzbar werden.

3.1 Relationalität Relationalität

Die wechselseitigen Bezüge2 und Kommunikationsformen zwischen Anredenden und Gemeinten bilden beeindruckende und abschreckende Wortfelder. Missionarische und apologetische Programme der beiden letzten Jahrhunderte imaginieren und interpretieren stets die Menschheit, den Einzelnen und zuletzt auch die vorfindlichen Gemeinschaften und Gesellschaften. Das geschieht immer in beiden Richtungen, denn alle Bestimmungen eines Gegenübers wirken relational auf die Absender zurück bzw. fallen wuchtig auf sie zurück. So bilden sich Sprachspiegelbilder. Helmut Zeddies kritisiert unter diesem Blickwinkel sehr grundsätzlich die gängigen Redeweisen von »Entkirchlichung« und »Entchristlichung«: »Dieser Sprachgebrauch sagt ————— 1;;

Vgl. STIER, Grundriß, 168. Vgl. zur fundamentalen Relationalität wichtiger Begriffe wie Gott und Mensch: HAUSCHILDT, Theologie, 99. 2;;

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»Widerspenstige«

wenig über die Menschen, die er meint. Aber er sagt viel über die, die sich seiner bedienen. Er verrät ein beträchtliches Maß an Gedankenlosigkeit.«3 In den Missionswissenschaften wurden und werden die immer noch notwendigen Übergänge von der Vorstellung von Missionsobjekten zur Einsicht, mündige Subjekte als Gegenüber zu erleben, als besonders gravierend wahrgenommen. Nach Theo Sundermeier tritt der Missbrauch nach wie vor zu Tage. Das Gegenüber wird gegenwärtig weniger aus theologischen Gründen oder freien Stücken zum Objekt degradiert, sondern weil »das mir zu meiner eigenen Vergewisserung und Selbstverstärkung oder – sozialpsychologisch gesprochen – meiner Statusverbesserung dienen muß (mit jedem Bekehrling wächst ja meine Kirche, wird mein Glaube gestärkt!).«4 Diese Variante der Selbsterquickung wider besseres theologisches Wissen ist nach wie vor unbewusst aktuell. Der Teufel steckt in den Details der Formulierungen: »Zuhören und für sich gewinnen. Die evangelische Kirche hat das Recht und die Pflicht zur Mission«.5 Die folgende Frage ist fast eine neunköpfige Hydra: Wer genau gewinnt hier was oder wen für was oder wen, weshalb, womit, wann und wo? Systematisch-theologisch dürfte kaum strittig sein, dass die Kirche niemanden »gewinnen« kann, weil der Glaube ihr unverfügbar bleibt. Ebenso ist deutlich, dass ein Gewinn »für sich« auch nicht in Frage kommt, sondern – traditionell formuliert – nur für das Reich Gottes. Paulus will gemäß 1Kor 9,19–22 Menschen gewinnen, aber sicher nicht »für sich«. Gerade die Mission wäre der Impuls zur kirchlichen Übung, von sich selbst abzusehen und nicht ständig um die eigenen Probleme oder scheinbaren Krisen zu kreisen.6 Die Bezeichnungsvielfalt ist aber wesentlich komplexer und differenzierter, als dass sie in einfachen Objekt-Subjekt-Gegensätzen aufginge. Die anthropologischen und theologischen Implikationen der Chiffren und Stereotypen werden daher unter verschiedenen Perspektiven reflektiert, um das Scheitern missionarischer und apologetischer Programme lehrreicher zu machen. Das 19. Jahrhundert ist in seinen praktisch-theologischen Texten erfüllt von sprachkriegerischen Auseinandersetzungen, die gelegentlich Rufmorden nahekamen, die also in der Realität verheerend wirken mussten und nicht zu den erhofften Aufbrüchen führen konnten. Das geschah auch beim besten Willen nicht, der hier nicht angezweifelt wird, weil dieser sich sprachlich in sein Gegenteil verkehrte. Aus den Wirkungsgeschichten sind Lehren und Kriterien für zukünftige Theorien und Praktiken zu entwickeln. ————— 3;;

ZEDDIES, Osten, 162. SUNDERMEIER, Konvivenz, 81. 5;; Titel und Untertitel bei LÜTCKE, Zuhören, 46, Hervorhebung D.G. 6;; Vgl. LIENEMANN-PERRIN, Dialog, 186. Vgl. zu den empfundenen Krisen und den kirchlichen »Selbstheiten« Kap. 2.3.1 und 5.1.1. 4;;

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Relationalität

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Zunächst fällt in der Analyse der Wortwahlen eine fast durchgängige Orientierung an den Defiziten der Gemeinten und Anzusprechenden auf (3.2.1). Sodann ist der problematische Umgang mit den fälschlich so genannten Massen zu beachten (3.2.2). Den neuzeitlichen Individualisierungen wurde in missionarischer Absicht häufig mit Infantilisierungen begegnet (3.2.3.). Der Verlust des Absolutheitsanspruches wurde offensichtlich mit militärischen Sprachspielen kompensiert (3.2.4), und die Pluralisierungen mit moralischen Diskriminierungen gekontert (3.2.5). Realistische Vorstellungen von Gemeinschaften fehlen weitgehend (3.2.6). Es folgt also ein entsprechender Sprachbilderbogen zur Illustration der genannten Relationen. Selbstkritik der Kirche wird allenthalben gefordert. Selbstkritik der Kirche des Wortes sollte primär Wortkritik sein und nicht, wie häufiger vermutet, primär oder gar ausschließlich Struktur- und Finanzkraftkritik. Die Geschichte der Begriffe, die man in den letzten zweihundert Jahren für die Adressaten verwendet hat, zeigen die Notwendigkeit dieser spezifischen Selbstkritik einer Kirche, die künftig sine vi, sed verbo wirken will. Einführend soll die Rede von den Heiden vorgestellt werden, die die Jahrhunderte erstaunlicherweise fast unbefragt überstanden hat. Dem Begriff begegnet man bis in die Gegenwart. Er hat meist allerdings bezeichnender-, aber unerklärterweise Anführungszeichen hinzugewonnen,7 während im 19. Jahrhundert fantasievolle Wortspiele über »Christenheiden« gegenüber »Heidenchristen«8 geradezu einen Gradmesser dafür darstellen, wie diastatisch der Gegensatz zwischen Kirche und Welt jeweils wahrgenommen und dann interpretierend festgestellt wurde.9 Am Gerede über die »Heiden« werden die wütende Sprachlosigkeit und die Verlegenheit deutlich, keine passenderen Begriffe zur (Schreib-)hand und zu Mund zu haben. Allerdings gibt es bereits eine missionswissenschaftlich-selbstkritische Wortkorrektur. Zum Stichwort Heiden heißt es in einem einschlägigen Lexikon: »Gerade hinsichtlich des Dialogs der Religionen muß auf eine solcherart abwertende Beurteilung – und sie impliziert der Begriff immer – verzichtet werden.«10 Der Heidenbegriff inkludiert überdies für das 19. und 20. Jahrhundert falsche Voraussetzungen, denn die Rede von Heiden impliziert – in vielen Varianten – die gängige, weil die vorfindliche plurale Komplexität reduzie—————

7;; Vgl. MÖLLER, Lehre 1, 70, der den Begriff durchgehend in Anführungszeichen setzt, aber auf Erläuterungen verzichtet. 8;; CHRISTLIEB, Homiletik, 5, spricht von Namenchristen, die wie Heiden der Erweckung bedürfen.Vgl. ebd., 7, wo er festhält, dass die Gemeinden aus Gläubigen, Halbgläubigen, Unkirchlichen, Ungläubigen und Christenheiden bestehen, während es früher Heidenchristen gegeben habe. 9;; Vgl. dazu Kap. 4. 10;; WEIß, Heiden, 141.

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rende These, dass es immer Übereinstimmungen zu den ersten Verbreitungen des Christentums am selben Ort gibt.11 Die Ähnlichkeiten bei den Ausbreitungsmodi sollten, wie oben gezeigt, nicht überschätzt werden. Besonders die Irrwege einer zweitausendjährigen Kirchengeschichte hintergehen jeden Versuch, aus scheinbar ähnlichen Situationen ähnliche Therapievorschläge zu entwickeln. Darin hat Wolfgang Trillhaas Recht, wenn er den kategorialen Unterschied zwischen den ursprünglichen Heiden und heutigen, von der Kirche fernen Menschen betont. Das sprachliche Gewand dieses kurzen Ausschnitts aus seiner »Predigtlehre« aber liefert zugleich einen Grund für die Genese solcher Zustände. Wer wird näher kommen wollen oder können, wenn er schon von weitem und zumeist in großer Unkenntnis als Abgestorbener angesprochen wird? Die Entkirchlichten sind gleichsam die abgestorbenen Glieder der Kirche. Die Arbeit an ihnen geschieht in der Hoffnung der Wiederbelebung und Wiedererweckung. Anders steht es mit dem modernen »Heiden«, denen gegenüber auch vielfach von Mission gesprochen wird. Dieses Reden ist unzutreffend, denn es handelt sich hier ja nicht nur um eingeschlafene Glieder der Christenheit, sondern um Abgefallene im offenen Widerspruch. Solche Apostaten sind nicht mehr »Heiden«. Denn kein Volk kann zweimal heidnisch sein. Es kann die »Unschuld« der natürlichen Religion nicht mehr wiedergewinnen, wenn es sich auch eine Romantik darüber zurecht macht. Es gibt in der Geschichte kein Zurück in die Vorgeschichte. Die Sehnsucht nach Primitivität und Ursprünglichkeit ist begreiflich, aber das vermeintliche neue Heidentum bleibt trotzdem eine durch Sentimentalität und Reflexion ausgewiesene Alterserscheinung und bringt die Tage der Jugend nicht wieder. Daß Gott auch Tote auferwecken kann, darin beruht die Hoffnung der Kirche.12

Die Überheblichkeit mag als Kehrseite der Trauer über die scheinbaren Schläfer verständlich sein, förderlich und theologisch angemessen ist sie keinesfalls. Passender für die prozesshaften, d.h. vor allem langsamen und Geduld erfordernden Kommunikationsgänge, die Mission genannt werden, erscheint das in Kapitel 1 eingeführte Bild der Renaissancen als unabänderlich langsamer Wiederwuchs. Die Rede von Wiedererweckungen u.ä. Begriffen, die aus vielen wirkungsgeschichtlichen Gründen problematisch sind, erweckt vor allem die immer wieder enttäuschte Vorstellung großer Geschwindigkeiten und Plötzlichkeiten auf dem Weg zum christlichen Glauben. So ist auch die Überwindung des Heidengeredes offenbar eine »Heidenarbeit«, die Jahrzehnte in Anspruch nahm und noch nehmen wird. —————

11;; Vgl. z.B. GASSMANN, Glauben, 9, der sich auf ROLF HILLE bezieht und zusammenfasst: »Das Ende kehrt zum Anfang zurück.« 12;; TRILLHAAS, Predigtlehre, 52.

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Sprachkriege

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Diese Einführung ergäbe ein unvollständiges Wortmosaik, wenn nicht auch die unvermutet positiven Nebenwirkungen genannt würden. Die Geschichte der Christenheit selbst zeigt im Gegensatz zu allen vorangegangenen und folgenden schlechten Beispielen zugleich, dass in den unwürdig Bezeichneten und negativ Konnotierten oft der Elan steckte, daraus Stolz, Mut und ein immer auch sprachlich als eigentümlich zu erkennendes Programm zu entwickeln: »Christen«, »Protestanten«, »Pietisten« waren abschätzig gemeint. Gerade sie haben diese Diffamierungen sprachwirkungsgeschichtlich transzendiert, frei nach Gen 50,20: Ihr gedachtet es böse zu machen, Gott aber gedachte es gut zu machen. Das wird um Gottes Willen auch für die Vielen gelten, die verschiedene, andere, gar fremde Menschen sind, aber keine Heiden.

3.2 Sprachkriege Sprachkriege

3.2.1 Defizite Adressatenbezeichnungen teilen in ihrer kreativen Vielfalt fast alle die Eigenschaft miteinander, sich an den überwiegend vermeintlichen Defiziten der Gemeinten zu orientieren. Die Anzusprechenden geraten fast nur über die entsprechenden Mangelzuschreibungen ins Blickfeld, weil es angesichts von Pluralitäten wesentlich leichter ist, sich über Abzulehnendes zu einigen als inhaltlich positiv gefüllte Konsense zu erzielen. Dadurch scheint paradoxerweise nur das, was fehlt, präzise beschreibbar und damit kommunikabel zu sein. So ist dann etwa »[r]echt abstrakt« von denen die Rede, »die nicht glauben«.13 Der antimissionarische Effekt, vor allem aber der größtmögliche Gegensatz zur Botschaft, deren wesentliches Merkmal nicht einfach in der Verheißung der Überwindung von Sprachlosigkeit besteht, sondern in ihrer Kompensation durch gütige Sprache, tritt zu Tage. »Der Fluch eines defizitären Denkens ist es, daß es den Mangel, auf den es konzentriert ist, letztlich noch größer macht.«14 Die Fokussierung auf den Mangel zieht überdies eine Geringschätzung vorfindlicher Glaubensformen nach sich. Paul Zulehner hat den Finger in die Wunden der abwertenden Redensarten bei der Wahrnehmung nichtinstitutionalisierter Religiosität gelegt: Dazu kommt, dass die Kirchen, zumindest einige ihrer Theologinnen und Theologen diese neue spirituelle Suche verächtlich und vorschnell theologisch abwerten. Der verbreitete Umgang mit spirituell Suchenden und deren Gemeinschaften ist tenden-

————— 13;; 14;;

MONIKA WOHLRAB-SAHR, in: RATZMANN/ZIEMER, Kirche, 28. MÖLLER, Lehre 1, 129. Dieses Urteil fällt MÖLLER im Blick auf Gemeindeaufbaukonzepte.

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»Widerspenstige«

ziös und wird den redlichen Suchbewegungen der Betroffenen nur selten gerecht. Es sei Religion ohne Gott, Wellnessspiritualität, Vernützlichung religiöser Symbole.

Dabei mag es sein, dass die Werbung religiöse Symbole für sich konvertiert, aber zur ernsthaften und daher ernst zu nehmenden Suche von Menschen bestehe theologisch ein beträchtlicher Unterschied. Nicht jede Suche sei damit gut und sinnvoll, aber es brauche dazu von praktischtheologischer Seite eine »empathische Spiritualitätskritik.«15 Theologien und Kirchen haben in der jüngeren und jüngsten Geschichte von Mission und Apologetik den Defizitzuschreibungen nicht nur nicht widersprochen, sondern sie wortwirkmächtig institutionalisiert und weiter kommuniziert. Menschen aber meiden natürlicherweise Mängel und fliehen vor Defiziten. Odo Marquard hat überzeugend dargelegt, wie in der Neuzeit aus der Theodizee mehr und mehr die Anthropodizee wurde. Damit ist der überwältigende Rechtfertigungsdruck für jedes einzelne Individuum gemeint: Mit welchem Recht gibt es dich überhaupt und nicht vielmehr nicht, und mit welchem Recht bist du so, wie du bist, und nicht vielmehr anders? Unter dem Druck dieser Frage muß sich fortan jeder Mensch in toto ständig zur Disposition stellen: jedermann hat – als säkularisierte causa sui – ohne Pardon die totale Beweislast für sein eigenes Seindürfen und Soseindürfen.16

Menschen als Mängelwesen unter diesen Rechtfertigungsansprüchen erhoffen sich Entlastungen. Sie bilden Institutionen als Kompensationen für ihre Mängel aus, so dass diejenigen unter ihnen, und seien es die Kirchen, die sich auf die Deskription und gelegentlich auch auf die creatio ex nihilo von anthropologischen Defiziten konzentrieren, sich selbst lebensgefährlich in ihrem eigenen Bestand bedrohen. Der Philosoph, der sich bei Johann Gottfried Herder, Helmuth Plessner und Arnold Gehlen rückversichert, fasst zusammen: Die moderne Anthropologie bestimmt den Menschen fundamental als Defektflüchter, der nur durch Kompensationen zu existieren vermag. Die moderne Konjunktur der philosophischen Anthropologie vollzieht sich repräsentativ im Zeichen des Kompensationsbegriffs: als Karriere der Philosophie des Homo compensator.17

Schon Johann Gottfried Herder hatte einleuchtend dargestellt, dass Menschen ihre Instinktmängel durch Sprache ausgleichen,18 so dass verbale Defizitzuschreibungen zu den fundamentalen Sprachmissbräuchen in anthropologischer Perspektive gehören, auch dann, wenn sie institutionalisiert ————— 15;;

Beide Zitate ZULEHNER, Aufbrechen, 21. MARQUARD, Abschied, 50. 17;; DERS., Philosophie, 13. 18;; Vgl. den kurzen Überblick zu HERDER bei GRÖZINGER, Sprache, 22f, und bei MARQUARD, Philosophie, 25f. 16;;

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werden. Nicht nur diejenigen Zeitgenossen, die nach Transzendierungen des Gegebenen fragen, sondern möglicherweise auch jene, die nur nach Kompensationen suchen, müssen nach den vorliegenden kulturanthropologischen Einsichten unbedingt in die Flucht geschlagen werden. Menschen, die frei sind zu vielfältigen Häresien, suchen Institutionen, in denen sie Entlastungen von den überindividuellen und individuell nicht zu leistenden Rechtfertigungsansprüchen zu finden hoffen. An die Kräfte zur Linderung und zum Ausgleich von Defiziten19 ist erst wieder zu erinnnern. Der homo compensator ist erst wieder zu entdecken. Das könnte z.B. geschehen, indem man kompensierende Bezeichnungen für die Menschen sucht, die seit dem Pietismus als »Namenchrist« und noch schärfer als »Maulchrist«20 – mehr als defizitorientiert – beschimpft wurden und dabei die impliziten ekklesiologischen Ideale offenbaren helfen mussten. Die sprachlichen Rückwirkungen gegen Missionare und Apologeten sind nicht weniger brutal und halten bis heute an. Manfred Ach berichtet 1985, dass man Apologeten »Bluthunde«, »Inquisitoren« und »Hexenjäger«21 nennt. Respektlose Abwertungen von Menschen auf Grund problematischer missionarisch-kirchlicher Ideale sind im 19. und 20. Jahrhundert in ganz unterschiedlichen, je zeitgenössischen Sprachmustern ausgedrückt worden. Je nach theologischen Richtungen überwiegen biblische oder erste populärpsychologische Bezeichnungen. Im »Kurze[n] Grundriß einer biblischen Keryktik, oder einer Anweisung, durch das Wort Gottes sich zur Predigtkunst zu bilden. Mit besonderer Beziehung auf Mission und Kanzel. Den Einverstandenen zur weitern Entwicklung vorgelegt« zählt Rudolf Stier auf, wer entsprechende Predigten nötig hat. Es sind u.a. abgefallene Galater, Werkgerechte, Glaubensheuchler, falsche Propheten und Spötter, unordentliche und irre gemachte Thessalonicher, von Theosophie bedrohte Kolosse.22 Friedrich Sickel diagnostizierte in den Gemeinden in globo Unwissenheit, Irrtum und Unglaube.23 ————— 19;;

Vgl. zum modernen Kompensationsbegriff, der nicht mehr Rache, Buße und Strafe meint, MARQUARD, Philosophie, 18–22. 20;; GANTNER-SCHLEE, Busspredigt, 58, Hervorhebung im Original. Die Bezeichnungswut konnte jeden treffen, nicht nur die zu Missionierenden. Zu den Maulchristen gibt es eine sprechende Illustration über HIERONYMUS ANNONI (1697–1770): »Im Verlaufe seines Lebens hatte Annoni zahlreiche kranke Menschen mit einem Gedicht bedacht. Nie wünschte er den Patienten eine gute Besserung, stets wünschte er ihnen einen freudigen Gang zum himmlischen Hochzeitsmahl. Seine eigenen häufigen Krankenlager brachten ihn oft in grosse Seelennot, da er unsicher war, ob er sie als Strafe oder Gnadenerweis Gottes anzusehen hatte.« 21;; ACH, Eindeutigkeit, 6. 22;; STIER, Grundriß, Titel und vgl. ebd., 171. 23;; Vgl. SICKEL, Grundriß, 117.

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Auch der liberalere Theologe Alexandre Vinet unterscheidet nach Ez 34,14–16 gesunde und kranke Schafe. Er spricht von »geförderten Christen« im Gegenüber zu »Draußenstehenden«,24 will aber für beide an einer einheitlichen, weil sachlich zusammenhängenden Predigt festhalten. In der Mitte des 20. Jahrhunderts erkennt Martin Schian »stumpfe Gewohnheitschristen«, und die Rede ist von »bloße[n] Pflichtkirchgängern«.25 Die Beispiele ließen sich leicht vermehren. Die Sprachwut nutzte die große Fülle der seit dem 19. Jahrhundert entstehenden und sich pluralisierenden wissenschaftlichen Nachbardisziplinen mit aus. Das 20. Jahrhundert erlebte einen entschiedenen Wandel in Richtung auf Versachlichung. Der Fokus bleibt aber unverändert auf das Defizitäre gerichtet. Die Abwendung von den plastischen und im negativen Sinn treffenden Charakterisierungen hin zu kühl-soziologischen Chiffren markiert nicht den Übergang von wertenden Urteilen zu deskriptiven Methoden. Am Ende des 20. Jahrhunderts gibt es immer noch einen populären Pfarrerslang, der die im unmittelbaren kirchlichen Alltag entstehende Wut sprachlich-kreativ artikuliert, wenn von »Taufscheinchristen«, »U-Boot-Christen« oder »Weihnachtschristen« die Rede ist. Diese Sprachgewohnheiten schließen unmittelbar an die emotionalen Ausdrücke des 19. Jahrhunderts an. Die Wendungen der offiziellen Defizitzuschreibungen sind wesentlich sachlicher und zeigen ihr kirchenzentriertes Fundament. Die Rede ist in der überwältigenden Mehrheit der Texte von Konfessionslosen, häufig auch von »Randsiedlern«.26 Daneben begegnen einem ausführliche definitorische Versuche wie Aussagen über »Menschen ohne Religionszugehörigkeit« oder über die »Religionslosen«.27 Oder man hält sie für »Gottesvergessene«28 und in freundlicheren Fällen für »Croyants non pratiquants […] les distancés de l’Eglise«29 oder auch für die »Ahnungslosen«.30 Schon Ernst Lange hatte vor diesen Bezeichnungen eindringlich gewarnt und spätere Theologen haben seine Warnungen wiederholt,31 was aber insgesamt vom weiteren Gebrauch nicht abgehalten hat. Lange beschreibt die Entstehung dieser Begriffe aus einer binnenkirchlichen Perspektive, »[…] wobei meist der größere Kreis vom kleineren her nach dem Gesichtspunkt ————— 24;;

VINET, Homiletik, 16. SCHIAN, Grundriß, 104. 26;; Vgl. als kleine Auswahl: E. LANGE, Predigen, 15: »Randsiedler«; HAUSCHILDT, Aufgaben, 142, spricht von »kirchlichen Randsiedler[n]«; GRÖZINGER, Toleranz, 21, von «Randständigen« in Anführungszeichen. Vgl. kritisch dagegen ZIEMER, Nähe, 200, und MÖLLER, Lehre 1, 102. 27;; JÖRNS, Beobachtungen, 106f, zu den Begriffen. 28;; Ebd., 125, zitiert KRÖTKE. Vgl. auch SCHNEIDER-FLUME, Glaube, 7. 29;; MOSER, Croyants, Titel. 30;; AUSSCHUSS DER ARNOLDSHAINER KONFERENZ, Evangelisation, 60. 31;; Vgl. MÖLLER, Lehre 1, 238, zitiert E. LANGE, Kirche, 83. 25;;

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der Teilnahme bereits im Namen abgewertet wird: Randsiedler, Entfremdete, Taufscheinchristen usw. […]«.32 Eberhard Winkler hat auf die heilsamen Konsequenzen einer Umkehrung der binnenkirchlichen Betrachtungen, die die anderen immer »draußen« wähnen, hingewiesen: »Christus ist ›draußen‹ in der Welt präsent. Denken wir von diesen Menschen her, die Jesus sucht und rettet, dann sind wir als Kirchenleute plötzlich die Außenstehenden. Wir stehen außerhalb ihres Erfahrungsbereichs.«33 Die recht verheerende Wirkungsgeschichte ist in ihrem lehrreichen Potenzial noch kaum erschlossen, sondern wird gelegentlich von Äußerungen im 21. Jahrhundert noch überboten. In einem Kommentar zu den Auswertungen der vierten Mitgliedschaftsuntersuchung der EKD heißt es über die kirchlichen Zukunftsaussichten: Die auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen deutlich wahrnehmbaren Probleme der Demographie schlagen sich kirchlich nieder durch eine Dominanz der Rentner und einer Vereins- und Kleinbürgermentalität im Kerngemeindebereich […] Es wird eine entscheidende Frage für die Zukunftsfähigkeit der Kirche sein, wie sie angesichts dieser Zusammensetzung ihrer zuvörderst aktiven Mitglieder Kraft findet für die unabdingbar nötigen Aufbrüche, Innovationen und Öffnungen für andere gesellschaftliche Gruppen und Milieus.34

Statt sich in solchen atemberaubenden Diffamierungen zu ergehen, ist die Entdeckung der vielfältigen Potenziale älterer Menschen ein inzwischen breiter werdender und auch aus christlicher und biblischer Perspektive unbedingt förderungswürdiger gesellschaftlicher Trend, dessen Entdeckung den Kirchen gut angestanden hätte, für dessen Unterstützung es aber nie zu spät ist. Ernst Lange hatte schon 1965 das einzig angemessene Gegenteil, die Hochschätzung der Alten, in Worte gefasst: Die Präsenz der Alten als solche aber – und sie ließe sich, wenn auf Seiten der Gemeindeleitungen weniger Unbehagen und mehr Phantasie im Spiel wäre, vervielfachen – ist kein Problem, sondern für eine Kirche, die seit der industriellen Revolution »die im Dunkeln« weithin übersehen hat, eine kostbare Chance. Und die Diffamierung der Alten, bzw. der Ortsgemeinden, weil die Alten in ihnen vorherrschen, gehört zu den gespenstischsten Aspekten heutiger Kirchenkritik.35

Gerade das Nichtfestgelegtwerden auf sonst allgegenwärtige soziale Zuschreibungen wäre eine genuin positive Differenzerfahrung im Funktionssystem Religion gewesen. Während es zwischen den anderen gesellschaft————— 32;;

E. LANGE, Chancen, 48. E. WINKLER, Gemeinde, 60. 34;; GUNDLACH, Ränder, 200. 35;; E. LANGE, Chancen, 296, Hervorhebung im Original. 33;;

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lichen Teilsystemen eine strikte Kopplung der negativen Integration gibt – wo keine Arbeit, da kein Geld, wo kein Geld, da keine Bildung und keine medizinische Versorgung, wo all das nicht mehr ist, noch weniger Hoffnung auf Arbeit und Anerkennung ad infinitum – könnten diese Teufelskreise im Bereich der Religion durchbrochen werden.36 Religion könnte ihre inkludierenden Kräfte nachhaltig entfalten, gerade da, wo andere Systeme längst exkludiert haben. Wenn aber – und sei es durch sprachliche Unterstellungen – die Exklusionen nachhaltig unterstützt bzw. sogar überboten werden, beraubt sich das religiöse Teilsystem selbst seiner gesellschaftlichen Funktionen. Vor allem aber ist den Kirchen aus theologischen Gründen, also nicht nur aus gesellschaftlichen Nützlichkeitserwägungen, wie sie Luhmann anstellt, aufgegeben, Alternativen zu diesen Sprachunkulturen zu entwickeln. Man gelangt zu der Einsicht, dass Defizitzuschreibungen jeden, gleich welchen Verbundenheitsgrades, treffen können, wobei die so genannten Distanzierten zu den Prominenten unter den Betroffenen gehören. Eine gründliche Analyse der Wahrnehmung distanzierter Kirchlichkeit hat Gerald Kretzschmar vorgenommen. Er kommt zum Ergebnis, dass jegliche Distanznahme zu Gottesdienst und kirchlicher Kommunikation ganz überwiegend als defizitäres Frömmigkeitsphänomen gewertet wird. Aber auch, wenn distanzierte Kirchlichkeit als »eigenständiges«, »positiv ausgerichtetes« und »stabiles Frömmigkeitsphänomen« ins Blickfeld gerät, wird ihr kaum die Ehre ekklesiologischer Fragen zuteil. Das gesamte Phänomen blieb nach Kretzschmar bisher ekklesiologisch irrelevant.37 Nach den bisherigen Ausführungen empfiehlt sich für die Zukunft eine neue Bewertung. 3.2.2 Massenabfertigungen Das am leichtesten zu beobachtende Charakteristikum der Menschen, die – gemäß den üblichen Defizitbestimmungen – den jeweils zu Grunde liegenden Kirchen-, Glaubens- und Aktivitätsidealen nicht entsprechen, ist ihre Massenhaftigkeit. Seit mehr als 150 Jahren werden die Vielen als so genannte Massen erfasst und in einem zweiten Schritt kategorisiert. Der abwertende Begriff Massen ist dabei kein exklusives Zeigerwort für (neo-)pietistische Strömungen. Der Vermittlungstheologe Carl Immanuel Nitzsch stellte die massenhafte Entfernung von der Kirche drastisch und im Rahmen einer Verfallsgeschichte dar: ————— 36;;

Vgl. LUHMANN, Religion, 242f. Vgl. GERALD KRETZSCHMAR, Kirchlichkeit, 293–295, Zitate 293.

37;;

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Nun geht zwar die Sendung des Evangeliums nach Außen gleichfalls von der Wirkung auf Einzelne auf Predigt für die Haufen und von dieser zu jener Arbeit über, vorzugsweise aber gilt die individuelle Pflege für das Innere, nämlich für Glieder der katechetischen oder homiletischen Gemeine. Sie ist also schon einmal die innere Mission. […] Allein dergleichen »Verlorenes« und »Heimzuholendes« kommt unter nie und nirgends ganz vermeidlichen Umständen massenweise vor. Dann also kommt die Gemeine in der Gemeine zum Bewußtsein außerordentlicher Erfordernisse. Die gründliche Neu- und Umbildung des ganzen Kirchenwesens ist dann vielleicht schon angezeigt; die ganze cura generalis hat sich zu prüfen, zu berichtigen, zu vermannichfaltigen; neue Arten und Stufen des Diakonats oder Pastorates kündigen sich im Gebiete der Vereinsthätigkeit an […]; mit einem Worte, die Zeit für die innere Mission in der engern Bedeutung ist für einen gewissen Kreis des kirchlichen, christlichen Lebens angebrochen, d.h. eine auf das Gebiet des namentlichen Christenthums gerichtete Thätigkeit, welche nicht etwa nur Nachlese im Weinberge des Herrn (racematio) zu halten, hin und wieder einen heidnischen Christen oder christlichen Heiden nach dem Vorbilde des Apostels Johannes zu Ephesus heim zu holen, oder Verwundetes zu verbinden hat; sondern der bis dahin unerhörte Umfang und die unermeßliche Tiefe des Abfalles ist so offenkundig geworden, daß die ganze Arbeit der Kirche von vorn anzufangen hat, und das therapeutische Werk auf den Ausgangspunct des halieutischen (Luc. 5,10) vor der Hand wieder zurücktreten, die Katechese bei den Mündigen, während sie fortfährt die Unmündigen zu erziehen, neu beginnen und der Grund der Erbauung neu gelegt werden muß.38

Darüber büßt Nitzsch freilich seinen Humor nicht ein und erkennt seine Ziele als ironisch-regulative Ideen: »Viele Gerechte, viele Berufene, keine Spötter, keine Verächter, niemand außer der Linie – das ist […] ein Wohlstand, der kaum zu ertragen sein wird.«39 Diese unerträglich-herrlichen Zustände werden von Nitzsch trotz der unerhörten Tiefe des Abfalls auf individualistische Weise, zuletzt sogar mit einer kasuistischen Methodik, angestrebt. Im dritten Band seiner Praktischen Theologie entfaltet er materialreich Gedanken zu einer didaktischen und apologetischen Seelsorge, die den »Bedenken des reflectirenden Verstandes gegen den Glauben im einzelnen«40 nachgeht. Die Betrachtung der kirchenfernen Massen ist in der Mitte des 19. Jahrhunderts nicht unumgänglich mit allgemeinen Welt- und Geschichtsverfallstheorien verbunden. Johann Heinrich August Ebrard erkennt in der Kirche eine »schlafende, unerweckte, schlaffe Masse« von Alters her und stellt fest, dass »unter confirmierten und erwachsenen Gemeindegliedern noch Hunderte und Tausende sind, die Buße und Bekehrung noch vor sich —————

38;; NITZSCH, Theologie, Bd. 3, § 416, unter der Überschrift: »Ursprünglichste innere Mission«, Hervorhebung im Original. 39;; Ebd., § 441, 79. 40;; Ebd., § 512–514 enthalten die allgemeinen Grundsätze, Hervorhebung D.G.

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haben – sie im Cultus als Wiedergeborene zu behandeln wäre Mord an ihren Seelen.«41 Theodor Christlieb vertritt in dieser Hinsicht eine mittlere Position. Er hebt ebenfalls die Permanenz unhaltbarer Zustände hervor, die sich freilich von anderen, besseren Zeiten unterscheiden lassen. Wahrhaft Gläubige seien immer in der Minorität, aber nun seien ganze Klassen und Schichten der modernen Kulturvölker neu zu christianisieren.42 O, wie weit ist’s gekommen in der heutigen Theologie und Kirche, wenn das Abnorme, der heutige Schlafzustand, die Sicherheit so vieler Halbbekehrten etc., geradezu als die Norm, das Resultatlose als das einzig richtige Ziel dargestellt wird! Das sei Gott geklagt!43

Am Beginn des 20. Jahrhunderts rücken die Massen weiter in den Mittelpunkt der Beobachtungen. Gerhard Hilbert sieht eine große Masse der Werdenden und Schwankenden, eine Masse Fernstehender, im Ganzen aber entkirchlichte Massen im Gegensatz zu einer Minderheit bewusster Christen.44 Friedrich Wintzer hebt für die homiletisch produktive Phase zwischen 1890 und 1920 die Höhe der Ansprüche und das Bleibende der Herausforderung, die entfremdeten Massen qua Predigt wieder zu erreichen, hervor.45 Denn nicht nur die »Millionenmasse«46 der Arbeiter ist ablehnend geblieben. Dabei waren die Methoden und Vorschläge zur Behebung dieser Zustände phantasievoll, enthusiastisch und kontrovers zwischen den theologischen Schulen diskutiert worden. Johannes Meyer gibt 1923 in seinem »Grundriß der Praktischen Theologie« einen zusammenfassenden Überblick über die missionarische Aufgabe der Frömmigkeitspflege und die Positionen des 19. Jahrhunderts. Weil nur ein Bruchteil der Objekte der Frömmigkeitspflege schon das christliche Ziel anstrebt und bloß noch der Förderung bedarf, dagegen ein neuerdings stetig wachsender Teil diesem Ziele entfremdet, gleichgültig oder zuwider ist und deshalb der neuen Lebensrichtung erst gewonnen werden muß, ergibt sich die missionarische Aufgabe der Frömmigkeitspflege. Nur wirklichkeitsfremde Idealkonstruktion (Schleiermacher, Schweizer, Bassermann) kann bei allen Objekten einen irgendwie schon vorhandenen christlichen Gemeingeist voraussetzen und daraufhin die Frömmigkeitspflege so beschreiben, als ob die Menschen mit starkem und daher produktivem Gemeingeist die Menschen mit weniger starkem, aber empfänglichem Gemeingeist durch geistigen Austausch anregten (Schleiermacher) und erbauten (Schweizer, Achelis). Auch das

————— 41;;

EBRARD, Vorlesungen, 199 und 217. Vgl. CHRISTLIEB, Homiletik, 94f und 99. 43;; Ebd., 102. 44;; Vgl. HILBERT, Volksmission, 9, 16 und 18. 45;; Vgl. WINTZER, Homiletik, 179f. 46;; RITTELMEYER, Theologie, 1039. 42;;

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Reden vom unbewußtem Christentum der Massen (Rothe, Sulze) trifft nicht zu; die Wirklichkeit zeigt oft bewußtes Unchristentum. Daher proklamierte Wichern in Anlehnung an Luther und den Pietismus die »Innere Mission« als Arbeit des heilerfüllten Volks am heillosen Volk, später Stöcker die »öffentliche Mission« mit stark sozialem und politischem Einschlag zum Kampf wider Mammonismus und Materialismus, endlich 1919 Hilbert unter den Eindrücken zersetzender Vorgänge im Volkskirchentum die »Volksmission« (Füllkrug, Keller). Der missionarische Gedanke wird verkürzt, wenn ihn die PT. nur nebenher mit Schleiermachers Auffassung kombiniert (Bassermann, Achelis); in allen Zweigen der Frömmigkeitspflege muß das Missionarische zur Geltung kommen. Dabei handelt es sich in dieser Mission nicht nur um individuelle Einwirkungen, sondern um Überwindung eines antichristlichen Massengeistes mit seinen Erscheinungen, der dem einzelnen die christliche Frömmigkeit erschwert. Die Erzeugung eines christlichen Volksgeistes und die Förderung christlicher Volkskultur ist eine so wesentliche Forderung der christlichen Frömmigkeitspflege, daß man in ihr sogar das eigentliche Ziel der Frömmigkeitspflege gesehen hat. […] Vielmehr ist dies der Weg: der Volksgeist muß mit christlichem Gottesgeiste gefüllt werden, eine Aufgabe, die seit der Verweltlichung der Kultur (Aufklärungszeit) erheblich erschwert ist.47

Die Missionstheorie wird bei Meyer in einem Anhang geboten, weil es ihm möglich und richtig erscheint, die Erkenntnisse aus den anderen Teildisziplinen der Praktischen Theologie auf das Missionsgebiet zu übertragen. Dabei stehen ihm die »Gefahren lärm- und demonstrationslustiger Massen«48 besonders eindrücklich vor Augen. Die Bewältigungsstrategien sind auch bei Meyer Gegenstand einzeln nachgehender Seelsorge, d.h. individuellen Handelns, das er allerdings als Überforderung für die Ortsgeistlichen erkennt. Er empfiehlt daher wandernde Apologeten.49 Bei Friedrich Niebergall erscheinen 1929 die Massen so überwältigend, dass sie nicht mehr näher bestimmt werden und auch keine realistischen Handlungsmöglichkeiten mehr gesehen werden: »Wir müssen auf die Massen verzichten; keine Predigt holt diese wieder herein. Vielleicht ist überhaupt die Zeit der territorialen und örtlich konstruierten Kirche vorbei, wenigstens in den Städten.«50 Dieser Fokus und diese Bewertung der Massen erweisen sich im 20. Jahrhundert als stabile Größe. Dabei wird gelegentlich die Mühe einer theologischen Grundlegung gespart und stattdessen die Beschreibung der angenommenen massenhaften Schlechtigkeit der Welt an ihre Stelle gesetzt. So hat sich eine nichtchristliche Masse gebildet, die zwar äußerlich noch (mit Ausnahmen) zur Kirche gehört, die aber innerlich von ihr geschieden ist, da ihr Denken

————— 47;;

J. MEYER, Grundriß, 15f. Ebd., 121. 49;; Vgl. ebd. 50;; F. NIEBERGALL, Predigt 1929, 232. 48;;

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und ihre Lebenshaltung nicht mehr durch den christlichen Glauben, sondern die platte Alltäglichkeit oder den bewußten Materialismus bestimmt wird.51

Sogar Ernst Lange stellt in seinem hellsichtigen Werk »Chancen des Alltags« die »Masse der Distanzierten«52 vor, die in den Kirchenbänken und auch außerhalb der Kirchen vorkommen. An Beginn des 21. Jahrhunderts begegnet einem der Begriff der Massen etwas seltener.53 Wolf Krötke schreibt zur missionarisch-theologischen Kompetenz in den nicht mehr neuen Bundesländern Deutschlands: »Im Osten Deutschlands sind die Menschen der Kirche und dem Glauben zwar massenweise verloren gegangen, sie werden aber nur alle einzeln wiedergewonnen.«54 Aber auch, wo der Massenbegriff nicht mehr vorkommt, haben sich seine Konnotationen und damit seine Resignation verbreitende Aura erhalten, wenn etwa zeitdiagnostisch festgestellt wird: Eine »gewisse Reserviertheit ist zum Normalfall geworden«.55 Die Wahrnehmungsweisen der Massen haben ihre Sprachgewänder zwar gewechselt, sind aber im Kern und im Duktus auch mit Hilfe empirisch korrekter Zahlen konserviert worden. Eine wesentliche Kategorisierung bei der Erhebung von Glaubensvorkommen in der Bevölkerung lautet »Sonstige«. Sie stellt in München mit 44% die größte Bevölkerungsgruppe – neben 41% Katholiken und 15% Protestanten. Sind die »Sonstigen« nur negativ qualifiziert und deshalb unkalkulierbar bedrohlich, ähnlich dem Sprachgebrauch »Ausländer«?56

Zu den Sonstigen gehören Mitglieder orthodoxer und jüdischer Gemeinden, Gläubige aus vielen Weltreligionen, Sekten und Gemeinschaften, auch erklärte Atheisten. Vor dem Hintergrund der pauschalen und unzutreffenden Zusammenfassungen, heißen sie nun Massen oder Sonstige, ist auch die verbreitete, aber sehr fragwürdige Sprachfigur von Minderheit und Mehrheit zu kritisieren. Die Situationen werden gegenwärtig als missionarisch beurteilt, weil man die Christenheit zunehmend als Minderheit wahrnimmt, der eine undefinierbare und namenlose Mehrheit gegenüberzustehen scheint. Das ist mitnichten der Fall. Das Christentum ist in der westlichen Welt – paradox ausgedrückt – eine riesige Minderheit unter zumeist wesentlich kleineren ————— 51;;

PFENNIGSDORF, Theologie, 199, Hervorhebung im Original. E. LANGE, Chancen, 303–307. 53;; Vgl. z.B. POLLACK, Individualisierung, 83. Er spricht von »der großen Masse der unentschiedenen Halbdistanzierten.« 54;; KRÖTKE, Kompetenz, 9. 55;; EKD-KIRCHENAMT, Evangelium, 13. Der kategoriale Unterschied zwischen Normalität und Mehrheitsverhältnissen ist hier nicht im Blick. 56;; HEROLD, McKinsey, 260. 52;;

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Minderheiten. Axel Noack hat betont, dass die Konfessionslosen »keine annähernd so homogene Gruppe«57 bilden wie evangelische Christen. Letztere könnten es ihrerseits wahlweise als Beleidigung oder realitätsferne Idealisierung auffassen, als homogene Gruppe dargestellt zu werden. So ergeht es aber auch den vielen Sonstigen. »Es kann arrogant und verletzend wirken, wenn die größte Bevölkerungsgruppe im Osten Deutschlands unbedacht und pauschal als die Konfessionslosen bezeichnet wird.«58 Es existieren nur in sich äußerst plurale, größere oder kleinere Minderheiten,59 die sich zusammenfassenden Bezeichnungen durch ihre Disparatheit entziehen. Die Kategorisierungen der Massen führen zu immer neuen Defizitzuschreibungen, die den Anschein von Operationalisierbarkeit erwecken, aber kaum einzulösen vermögen. Das Leiden an den kategorialen und an den Größendifferenzen, z.B. zwischen geglaubter und gelebter Kirche, an der Pluralität der Formen und Gehalte religiösen Seins und Handelns und am Auseinandertreten von individualisiertem und institutionellem Christentum60 hat nach anderthalb Jahrhunderten die Züge kontraproduktiver Dauertrauer angenommen. Biblischhermeneutische Überlegungen könnten auf der empirischen Ebene zu einer veränderten Wahrnehmung von Menschenmengen anleiten. Sieht man von den eindeutig idealisierten lukanischen Zahlenvisionen, etwa in der Apostelgeschichte ab, wird deutlich, dass auch eine noch so kleine christliche Minderheit nicht ihre Dignität und ihre unbeschreibliche Ausstrahlung einbüßen muss (Salz und Licht: Mt 5,13–16; Senfkorn und Sauerteig: Mt 13,31–35; die kleine Gemeinde aus zwei bis drei Personen: Mt 18,20 u.v.a.m.). Niklas Luhmann wiederholt nur, was in den Praktischen Theologien anerkanntes Allgemeingut sein sollte, wenn er schreibt: »Als Ergebnis dieser Bifurkation von kulturellem Religionsangebot und persönlichen Glaubensentscheidungen kann man heute eine weit verbreitete Inkohärenz der religiös qualifizierbaren Meinungen Einzelner beobachten. Diejenigen, die konsequent und auf Grund von Autorität der kirchlichen Orthodoxie folgen, sind ebenso eine Minderheit wie diejenigen, die konsequent atheistische und Religion ablehnende Meinungen vertreten.«61

————— 57;;

NOACK, Menschen, 3, und vgl. auch ZEDDIES, Osten, 161. ZEDDIES, Osten, 161, Hervorhebung im Original. 59;; Vgl. BÜNKER, Kirche, 88; vgl. auch POLLACK, Säkularisierung, 149–182, zur Deinstitutionalisierung des Religiösen. Vgl. auch M. LEHMANN, Mission, 126: Es gibt keinen geschlossenen Personenkreis im »Osten Deutschlands«, dem der »Normalzustand« Konfessionslosigkeit zuzuschreiben wäre. 60;; Vgl. D. RÖSSLER, Grundriß, 39f. 61;; LUHMANN, Religion, 294. 58;;

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Wenn man nicht von gegenüberstehenden uniformen Massen ausgeht, entfällt auch der Zwang, selbst totalitäre und damit menschenverachtende Missionspläne für einzig hilfreich zu halten. Eberhard Hauschildt plädiert für die Einsicht in einen förderlichen Föderalismus aller Programme. Er versteht die »gegenwärtige Debatte in der Praktischen Theologie« als Übergang von »Totalisierungsprogrammen zu präzisierten Relativierungen«.62 Die selbst inszenierten Überforderungen bei missionarischen Aufbrüchen betreffen im Übrigen nicht nur die Erreichbarkeit aller, sondern vor allem die Ausbreitungsgeschwindigkeit des Christentums und die Auffälligkeit der erhofften Wirksamkeit missionarischer und apologetischer Aktivitäten. Wolfgang Reinbold hat dagegen überzeugend dargelegt, dass das Spektakuläre der ersten Ausbreitung des Christentums nicht, wie lange angenommen wurde, in Geschwindigkeit und plötzlicher Massenhaftigkeit der Bekehrungen lag, sondern in der extremen Beständigkeit und Nachhaltigkeit des Wachstums. Er schätzt, dass es um 55 n.Chr. ca. 225 Christen in Rom gab, die bis 312 n.Chr. auf gut 100.000 angewachsen sein könnten. »Die entscheidende Stärke des Christentums bestand nicht in der Geschwindigkeit seiner Verbreitung, sondern in seiner Ausdauer und Beständigkeit.«63 Von Massen- und auch von Mehrheitskonzepten sollte künftige Mission in ihrem eigenen Interesse und um der Anderen willen Abstand nehmen. Massenhaft sind nur die Individualisierungen, um der Massenhaftigkeit zu entgehen. 3.2.3 Infantilisierungen Das wissenschaftliche Fach Praktische Theologie war im 19. Jahrhundert mit dem Anspruch entstanden, als theoretischer pontifex zwischen den sich voneinander weg entwickelnden Formen des neuzeitlichen Christentums zu wirken. Neue Brücken waren gefragt, vor allem zwischen den individuellen und den institutionellen Ausprägungen christlichen Glaubens, und beim Auseinandertreten von reflektierender Theologie und Glaubenspraxis.64 Ihr prinzipiell zur Neutralität verpflichtendes pontifikales Amt hat sie aber zu Gunsten der traditionell-institutionellen Glaubensweisen vernachlässigt. Die Vielfalt individualisierten Christentums neben den Kirchen, reformatorischem Willen gemäß im Alltag der Welt, erlag der Übermacht der gegenteilig-einseitigen Betrachtungen und fand keine oder zu wenig Beachtung. Mit den unprotestantischen und dauerenttäuschten Idealen eines neuzeitli————— 62;;

HAUSCHILDT, Mission, 499. REINBOLD, Propaganda, 352. 64;; Vgl. D. RÖSSLER, Grundriß, 39, und DREHSEN, Konstitutionsbedingungen, Bd. 1, 613. 63;;

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chen Christen, der institutionell fest verankert glaubt, gelangen nur selten gerechte oder gar realitätsfreundliche Perspektiven auf die immensen gesellschaftlichen und nebensonntäglichen Wirkungen der Christenheit, auch wenn sie der Kirche direkt oder indirekt zugute kamen.65 Volker Drehsen thematisiert die Unfähigkeit der Kirchen zum Umgang mit differenzierter Religiosität als Selbstparalysierungen durch Zuständigkeitsverweigerungen.66 Dabei spricht er der protestantischen Kirche die Fähigkeit ab, auf die differenzierte Szene kirchlich-emanzipierter Religiosität reflexiv und produktiv einzugehen. So ständen einander zwei protestantische Kulturen gegenüber, die sich wechselseitig diskriminierten. Im Gegensatz dazu käme es u.a. auf eine Entstigmatisierung der breitgefächerten Mitgliedschaftsverhältnisse an.67 Die praktisch-theologischen Überlegungen zur Mission veranschaulichen die hohe Motivation und Kreativität bei den Diskriminierungen. Der Emanzipation und der Individualisierung begegnete man mit radikalen und erschreckenden Infantilisierungen. Gustav Adolf Friedrich Sickel, Diaconus zu Schwanebeck, kommt in seinem Grundriß der christlichen Halieutik oder einer auf Psychologie und Bibel gegründeten Anweisung durch Predigten die Menschen für das Reich Gottes zu gewinnen. Nach den Bedürfnissen der Zeit für Candidaten des Predigtamtes und jüngere Prediger bearbeitet

zu folgenden Unterstellungen: Irrende und Ungläubige sind kranke Kinder, deren Krankheit der Arzt errathen muß, da sie ihm selbst keine Rechenschaft über die Aeußerungen der Krankheit geben können, ja wohl nicht einmal eine Ahnung von ihrem Krankseyn haben.68

Sickel verkündet weiter, dass es »unter dem vornehmen Pöbel«69 sehr viele Irrtümer und Vorurteile gebe. Wir setzen nämlich gewöhnlich bei unsern Festpredigten vor gebildeten und ungebildeten Zuhörern viel zu viel voraus, wenn wir annehmen, daß sie eine klare Ansicht von dem Ursprunge und der Bedeutung desselben haben. Ich bin überzeugt, daß aus der größten Versammlung nicht funfzig Zuhörer fähig sind, eine einigermaßen zusammenhängende Auskunft über das dem Feste zugrundeliegende Ereigniß zu geben, viel weniger aber eine richtige Ansicht von der Bedeutung des Festes haben.70

—————

65;; Zu denken ist nicht nur an die neuzeitlichen Renaissancen der Diakonie, sondern auch an die segensreichen Wirkungen einzelner Christen in allen nichtreligiösen Bereichen der Gesellschaft. 66;; Vgl. DREHSEN, Erosion, 219. 67;; Vgl. ebd., 219–222. 68;; SICKEL, Grundriß, 117. 69;; Ebd., 119. 70;; Ebd., 85.

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Man dürfte geneigt sein, Sickels »Grundriß der christlichen Halieutik« als eine auf Psychologie und Bibel gegründete Anweisung durch Predigten den Menschen das Reich Gottes zu verschließen, zu verstehen. Dabei befindet er sich in größerer Gesellschaft. Rudolf Stier unterscheidet die »gemeinen oder vornehmen Widerspenstigen«,71 die alles nur verachten. Die äußerlich missionarisch orientierten praktisch-theologischen Entwürfe werden auf diese Weise zu Paradigmen für das fundamentale Gegenteil von Mission. Friedrich Niebergall orientiert präzise über die verheerenden Konsequenzen aus diesem sprachlichen Wüten zu Beginn des 20. Jahrhunderts, ohne die bleibende Vorliebe für Infantilisierungen im 20. Jahrhundert verhindern zu können: Eine intimere Aussprache mit allerlei Leuten aus unserer Zeit, besonders mit wirklich gebildeten und tiefer angelegten Geistern, läßt einen immer wieder die schmerzliche Wahrnehmung machen, daß sich viel mehr Männer und Frauen aus diesen Kreisen am kirchlichen Leben beteiligten, wenn besser gepredigt, besser unterrichtet, wenn die Feier erhebender und der seelsorgerliche Umgang förderlicher gestaltet würde. Es sind heute in dieser religiös erregten Zeit viel mehr Leute zu haben, als sich unser Pessimismus träumen läßt; aber sie werden viel mehr durch das Versäumnis und das Ungeschick der Kirche zurückgehalten, als unser Stolz zugeben will. Darin liegt unser Trost und darin liegt unser Sporn.72

Friedrich Wilhelm Graf charakterisiert im Rückblick die Zeit zwischen 1850 und 1914 als die Hochphase eines religiös begründeten Antiintellektualismus’ und diffuser Modernitätsfeindschaft, so dass man sich theologischreflektierend auf die so genannten Kerngemeinden zuerst konzentrierte, später auch völlig beschränkte. Friedrich Niebergall gehört zu den Ausnahmen, die diese Regel bestätigen. Nach Graf hat die Infantilisierung eine ungebrochene Traditionslinie bis in die Gegenwart gebildet: Es gibt in der evangelischen Kirche derzeit einen Trend zur Infantilisierung des Christlichen, zu einem Stil religiöser Kommunikation, der sich primär an Kinder und andere vermeintlich Unmündige richtet. Seit den frühen siebziger Jahren vollziehen sich in der religiösen Kultur des Protestantismus vielfältige Veränderungen. Die für den protestantischen Gottesdienst traditionell kennzeichnende Konzentration auf die Wortverkündigung wird zunehmend abgelöst von neuen Formen symbolischer Interaktion. Die alte Predigt wird zumeist als allzu intellektuell und abstrakt verworfen, als

————— 71;; 72;;

STIER, Grundriß, 191. F. NIEBERGALL, Grundlagen, 237.

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ein kommunikativer Akt, der bestenfalls den Kopf des Hörers, aber niemals »den ganzen Menschen« erreichen könne.73

Grafs scharfes Urteil erstreckt sich auf die letzten vierzig Jahre. »Für den in der evangelischen Kirche derzeit vorherrschenden Stil religiöser Kommunikation ist die Annahme leitend, daß der gebildete Christ der Vergangenheit angehört. Diese Voraussetzung ist jedoch unzutreffend.«74 Die Gesellschaft sei ganz im Gegensatz dazu immer stärker durch Bildungs-, Leistungs- und Kompetenzanforderungen gekennzeichnet. Daher müssten Funktionseliten einer Organisation nicht nur innerhalb dieser, sondern mit den Eliten anderer gesellschaftlicher Organisationen kommunizieren können.75 Stattdessen wird auch in aktueller, theoretisch missionsmotivierender, praktisch aber das Gegenteil bewirkender Literatur arrogant allgemeine, religiöse Inkompetenz unterstellt: »Wir Heutigen leben im Vergleich zu den früheren Generationen zwar länger, aber insgesamt kürzer. Denn früher lebten die Leute 30 Jahre plus ewig, und wir leben nur noch 90 Jahre.«76 Diese und andere stark trivialisierenden und dadurch falschen Botschaften, z.B. auch nach dem Motto »Seid nett zueinander!« treiben »gerade jene Menschen aus der Kirche hinaus, die die Normenbildung und Wertorientierungen in unserer Gesellschaft besonders stark beeinflussen.«77 Godwin Lämmermann glaubt, dass die Kirche sich fragen lassen muss, inwieweit sie infantilen, regressiven Illusionen Vorschub leistet, anstatt sie aufzulösen; ob sie nicht ich-schwache Menschen anzieht, um von deren Schwächen zu profitieren […], ob Kirche wirklich auf Kinderglauben bauen oder zum Kindermädchen in einer unmündig gehaltenen Welt werden will. Eigentümlicherweise waren in der Kirchengeschichte beide Möglichkeiten keine Gegensätze, sondern Seiten derselben Medaille.78

Die Enttäuschungen über das verloren gegangene Absolutheitsbewusstsein der Christenheit haben sich nicht nur in arroganten Infantilisierungen artikuliert, sondern vor allem das weite militärische Metaphernfeld okkupiert. ————— 73;;

GRAF, Bildungsdilemma, 49. Vgl. einen prinzipiellen Verriss von Predigtwirkungsmöglichkeiten, der wie eine Karikatur wirkt, bei PLANER-FRIEDRICH, Kirche, 4: »Die monologische Predigt als Mittel der öffentlichen Verkündigung partizipiert noch am obrigkeitsstaatlichen Gesellschaftsmodell. Hier hat nur einer das Sagen, die anderen hören andächtig, gelangweilt oder sogar verärgert zu. […] Daß dies dem modernen Menschen kaum noch zumutbar ist, bemerken viele Pfarrer und Pfarrerinnen längst.« 74;; GRAF, Bildungsdilemma, 51. 75;; Vgl. ebd., 48. 76;; ZULEHNER, in: EVANGELISCHE KIRCHE VON WESTFALEN/AMT FÜR MISSIONARISCHE DIENSTE, Lust, 25. 77;; GRAF, Bildungsdilemma, 51. 78;; LÄMMERMANN, Identität, 236.

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3.2.4 Militarisierungen Nachdem bereits im Kapitel zur Sprachwut (vgl. Kap. 2.1.2) die zeitgenössische Sprache im Jahrhundert der zwei großen Weltkriege im Rückblick als besonders kriegerisch charakterisiert werden musste, sind hier militärische bis militaristische Ausdrücke als metaphorischer Schadensersatz für die erlittenen Relativierungen der christlichen Absolutheitsbehauptungen zu deuten.79 Diese Sprachgewohnheiten sind von den sportlichen Interpretationen des Kampfes und seinen verwandten Wortfeldern im Neuen Testament zu unterscheiden. Die Vorstellung von der Waffenrüstung Gottes in Eph 6,14–17 zeigt gerade die kategoriale Unterschiedenheit von den menschlichunmenschlichen Waffenrüstungen: So steht nun, eure Lenden umgürtet mit Wahrheit, angetan mit dem Brustpanzer der Gerechtigkeit und beschuht an den Füßen mit der Bereitschaft (zur Verkündigung) des Evangeliums des Friedens. Bei alledem ergreift den Schild des Glaubens, mit dem ihr alle feurigen Pfeile des Bösen auslöschen könnt. Nehmt auch den Helm des Heils und das Schwert des Geistes, das ist Gottes Wort.80 Die apologetischen Sprachgebräuche der Neuzeit halten dieses kritische und die unfriedlichen Gegebenheiten transparent machende Niveau nicht. Die Anschaulichkeit der Sprachbilder verdankt sich nicht dem Neuen Testament, sondern den Weltkriegen im 20. Jahrhundert. Implizit oder gar unverhohlen gelten kämpferische und kriegerische Auseinandersetzungen auch noch nach ihrem totalen und mehrmaligen Scheitern als vorbildlich und angemessen. Weder rüstet man sich dabei mit Gerechtigkeit aus, noch ist man in Schuhen des Friedens unterwegs. Ernst Gustav Steude schreibt in seiner restaurativen Apologetik von 1892, die exemplarisch die apologetischen Veröffentlichungen bis zu dieser Zeit repräsentiert, über die Aufgabe der Apologetik: Sie will jedem, der sich zur Verteidigung seines Glaubens berufen fühlt oder dazu durch seinen Beruf veranlaßt ist, bei dieser Arbeit Dienste thun, ihn in das weite Gebiet der Apologie einführen, ihm Stoff zur Bekämpfung und Überwindung der Gegner oder Zweifler bieten, ihn mit den verschiedenen Methoden, die zur Zurückweisung aller oder einzelner Angriffe auf das Christentum angewandt worden sind, bekannt machen und ihm die besten Methoden der Apologie zeigen, um ihn dadurch in den Stand zu setzen, sei es als Redner, sei es als Schriftsteller, sei es in gelegentlicher Unterredung, sei es auf der Kanzel oder auf dem Katheder; sei es in der Öffent-

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79;; Vgl. STOEVESANDT, Wahrheit, 208–216, der beeindruckend darstellt, dass der alte, ehemals klassische Absolutheitsanspruch in den evangelischen Theologien nicht mehr vertreten wird, aber sprachlich nach wie vor lebendig ist. 80;; Revidierte Elberfelder Bibel, 1987.

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lichkeit oder in der stillen Studierstube ein recht fröhlicher und wohl gerüsteter Streiter für Christi Reich zu sein.81

Der militärische Sprachduktus, z.B. die Rede von der Überwindung, nicht von der Überzeugung der Gegner, hat sich weder durch den Ersten noch durch den Zweiten Weltkrieg vermindert. Auch 1921 wünscht man »Klare Fronten«.82 Die dualistischen Rekonstruktionen von Christen versus Welt reduzieren die Komplexität explodierender Pluralitäten und setzen so die Kriege verbal fort. Friedrich Karl Schumann schreibt 1929 im Rückblick: »Es war dogmatischer Stellungskrieg: man zog sich in eine uneinnehmbare Verschanzung zurück, aus der man selbst aber auch nicht zu einer Entscheidung auf dem Kampffeld kam.«83 Erklärlich sind die militärischen Metaphern in angespannten und akut krisenhaften Vorkriegszeiten, aber sie entfalten sich nach den Kriegen fast noch intensiver. Carl Gunther Schweitzer, Gründer und Leiter der Apologetischen Centrale, befand 1922: »Stoßtrupps sachverständiger Christen für feindliche Versammlungen müssen überall entstehen.«84 Nach Otto Ohl muss die Apologetik für den Kampf der Anschauungen »Waffen schmieden und reichen«.85 Schweitzer reflektiert dabei die möglichen und angemessenen Sprachformen strategisch-taktisch: Natürlich gilt es in der Praxis, namentlich vor einfachen Kreisen, zuweilen eine massive Sprache in der Abwehr von gefährlichen Irrtümern zu gebrauchen. Das ist eine Frage der Taktik, je nachdem, mit wem man es zu tun hat, z.B. ob mit bereits infizierten Menschen oder nicht.86

Die kriegerische Sprache tritt an die Stelle von Sachgemäßheit und selbstbewusster Gelassenheit, die dem Evangelium angemessen wäre. Dabei sind die Respektlosigkeiten gegenüber eigenständig Denkenden – etwa die Rede von infizierten Menschen – nicht nur nach speziell christlichen, ethischen Grundregeln scharf zu kritisieren. Auch in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg entfaltet sich das problematische Vermögen nachgehender Zeitgenossenschaft. Kurt Aland pflegt in seiner viel beachteten »Apologie der Apologetik« von 1948 immer noch eine deutlich von Propaganda und Kriegsberichterstattung gezeichnete Sprache. Apologetik sei nicht Verteidigung, sondern Angriff.87 Ähnlich ————— 81;;

STEUDE, Apologetik, 9. ZOELLNER, Klare Fronten. Grundsätzliches und Praktisches zur Apologetik des Evangeliums. Ebd., 3: »Apologetik ist Kampf.« 83;; SCHUMANN, Wege, 292. 84;; SCHWEITZER, Apologetik, 226. 85;; OHL, Apologetik, 129. 86;; SCHWEITZER, Apologetik, 227. 87;; Vgl. ALAND, Apologie, 18 u.ö. 82;;

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angriffslustig ist auch Ernst Käsemann: »Kirche gibt es nur im Angriff auf die Welt, die unter ihren Herrn zurückgeholt werden muß.«88 Dass beide Metaphern, Angriff und Verteidigung, vollständig unpassend sind,89 kommt nicht ins Blickfeld und wird nicht diskutiert. Wenn dezidierte Gegner des Christentums ihrerseits große Erfolge auf dem Gebiet der »Namenschristen« verzeichnen, dann gilt nach Aland: »Dieser gegnerischen ›Mission‹ also muß entgegengearbeitet werden. Dann gilt es, Bresche in die Mauer von Irrtum und Vorurteil zu schlagen, und nun erst kann die volksmissionarische Arbeit wirklich beginnen.«90 Kurt Aland hat zeit seines Lebens einen mehr als sorgfältigen und sensiblen Sprachumgang gepflegt. Die gefährlich zeitgenössische Sprache aber reflektiert er nicht. Er führt nur aus, dass »eine Sprache zu fordern ist, welche die Gegenwart tatsächlich auch versteht, und ein Aufbau der Darstellung, der klar und durchsichtig die entscheidenden Linien heraustreten läßt«.91 Zugleich aber verlangt er unangreifbare Positionen für die Apologetik. Der »Sieg des Theologen« ist das erklärte Ziel. All das spielt sich ab in einer »kämpfende[n] Kirche«.92 Apologetik und Mission treten sprachlich als Zwillinge auf. Walter Freytag schreibt noch kurz nach dem Zweiten Weltkrieg über die Mission: Ihre Lage ist der einer Armee zu vergleichen, die weiß, daß eigene Luftlandetruppen schon im Rücken des Gegners stehen. Der Feind ist von allen rückwärtigen Verbindungen abgeschnitten. Er ist im Grunde schon besiegt. Aber es wird noch gekämpft […]93.

Auch in der dritten Auflage der RGG ist der Geschützdonner nicht gänzlich verhallt. Noch einmal schreibt Carl Gunther Schweitzer: Im Gegensatz zur abzulehnenden lahmen Verteidigungs-A. ist echte Apologie immer im Angriff. Im Kampf gegen alle Arten von Scheinwahrheiten, auch wenn sie »wissenschaftlich« getarnt sind, bedient sie sich der erkenntniskritischen Methode […] naturgemäß in Anpassung an die jeweiligen Denkvoraussetzungen des Gesprächspartners.94

Die Wortkriege von 1948 werden auch noch 1985 ehrfürchtig unkommentiert wiederholt: Der Alandsche »Sieg des Theologen« wird zitiert und dazu ausgeführt: »Hier ist vermutlich kaum etwas zu ergänzen. Etliche der Forderungen und Voraussetzungen, die Aland vor über 35 Jahren formulierte, ————— 88;;

KÄSEMANN, Epheser, 284; erschienen 1951 und 1967. Vgl. zum Abweis der Verteidigungsmetapher BARTH, KD I/1, 30. 90;; ALAND, Apologie, 19. 91;; Ebd., 16. 92;; Ebd., 116f. und 179. 93;; FREYTAG, Sinn, 213. 94;; SCHWEITZER, Art. Apologetik, 490. 89;;

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sind nach wie vor uneingelöst.«95 In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts begegnet immer wieder blitzlichtartig die entsprechende Metaphorik, etwa wenn Ernst Lange die spezifische Anfechtung gegenwärtigen Christseins 1965 »Wüstenkriegerexistenz«96 nennt. Lange denkt nicht an den Nahen oder Fernen Osten sondern an den unmittelbaren Westen. Am Ende des 20. Jahrhunderts begegnet einem der militant-militärische Tonfall beispielsweise bei Adolf Künneth, der seine extremen Positionen auch sprachlich dramatisiert. Bei ihm ist wieder von einem »Angriffsstoß« gegen eine »eigenartig gelähmte Amtskirche«97 und von »Fronten« zu lesen. Die solcherart angegriffene EKD veröffentlichte zur Jahrtausendwende ihrerseits einen »Alarmruf«.98 Die Missionstheologen geben den theologisch-triumphalistischen Tönen zögernd den Abschied und werden langsam verbi divini ministri. Wo gewinnen sie [die Theologen, D.G.] die besondere Kompetenz missionarischer Kommunikation? Wie hilflos sind selbst akademisch ausgebildete Theologen Journalistenfragen ausgeliefert! Gewiß sind solche Fragen »primitiv« (im Sinne des Theologen); aber genau das gehört zur missionarischen Kommunikation, daß ich diese sogenannten primitiven Fragen nicht mit Überheblichkeit, sondern mit evangelischen Antworten bedenke – oder zumindest zu intelligenterem Nachfragen nötige.99

Der Unterschied der Ziele im Vergleich zum früher angestrebten Sieg des Theologen zeigt die Weite des zurückgelegten Weges. Die Unverfügbarkeit des Glaubens wird dabei nicht immer deutlich hervorgehoben. »Die Leitfrage bei der missionarischen Verkündigung ist nicht: ›Wie bringe ich inhaltlich unter, was ich theologisch gelernt habe?‹, sondern: ›Wie bringe ich die Gute Nachricht so elementar ein, daß sie auch ›ankommt‹?«100 Dieser offensive und doch wieder recht martialische Stil, nicht nur missionarischer Texte, wurde schon gelegentlich beobachtet.101 Zahlreiche negative Beispiele für die Militarisierung der theologischen Sprache und eine scharfe Kritik aus feministischer Sicht sind in den Analysen von Sybille Vogel-Mfato zu finden.102 Sie hinterfragt die herrschaftstheologischen Ausdrücke auf den sprachlichen Schlachtfeldern, die auch und gerade dort anzutreffen sind, wo explizit offen auf die säkulare Welt zugegangen werden soll und wo Vereinnahmungen und Feindbilder überwunden sein sollten. Dennoch war in internationalen Missionspapieren zu ————— 95;;

GANDOW, Apologie, 17. E. LANGE, Chancen, 154. 97;; A. KÜNNETH, Centrale, 28 und 26. 98;; EKD-KIRCHENAMT, Evangelium, 3. 99;; HERRENBRÜCK, in: EMW, Mission, 32. 100;; Ebd., 31. 101;; Vgl. HELING, Weltanschauungskampf, 92. 102;; Vgl. VOGEL-MFATO, Flüstern, 56f. 96;;

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lesen, dass sich die Kirche auf einem »Feldzug« befinde, »wie eine Armee, die in Zelten lebt. Gott ruft seine Leute, ihre Zelte abzubrechen und vorzurücken. Und Christi Verheißung besteht, daß er bei ihnen sein wird bis ans Ende der Welt.«103 Denn: »Die Schlacht hat begonnen zwischen seinem verborgenen Reich und jenen verderblichen Geistesmächten […]«.104 Vogel-Mfato spricht von einer immer noch unbemerkt und unreflektiert gebliebenen »aggressive[n] Militanz«105 gegenüber der Welt, die aus den von ihr zusammengetragenen ökumenischen Texten hervortritt. Veröffentlichungen zur Mission sind akribisch auf die Spätwirkungen dieser sprachlichen Gewalttätigkeiten zu untersuchen. Dabei werden neben auffälliger Militanz wie bei Adolf Künneth auch mikroskopisch kleine Mengen von sprachlicher Nötigung auffallen, wenn z.B. etwas beiläufig, aber permanent »zwingend« genannt wird, was keineswegs zwangsläufig ist, aber – entgegen besserem, theologischem Wissen – erzwungen werden soll.106 Gerade weil Mission und Apologetik zu den Reizworten zählen, kann noch so große Aufmerksamkeit, vor allem aus theologischen Gründen, nicht übertrieben sein. 3.2.5 Moralisierungen Die Unterstellungen massenhafter Defizite erstreckten sich, wenn die intellektuellen Möglichkeiten erschöpft schienen oder auch wirklich waren, zumeist auf die moralischen Dimensionen des Seins. Im 19. Jahrhundert nannte man diejenigen, die solcherart getroffen werden sollten, »Heuchler«.107 Regelmäßig und häufig ist von »Ungläubigen«108 die Rede, aber auch die gewaltige Zahl der »unerweckten Namenchristen«109 wird immer wieder vor Augen gestellt, ohne dass die Kriterien für diese moralisierende Qualifizierung klar wären. Unerwecktheit erscheint dann als menschliche Fehlleistung, die organisatorisch zu überwinden ist. Wenn Proselytentaufen nötig werden, braucht man einen »halieutisch-missionaren [!, D.G.] Nebengottesdienst«.110 ————— 103;;

MARGULL, Erklärung, 98f. Ebd., 96. 105;; VOGEL-MFATO, Flüstern, 57. 106;; Vgl. z.B. HAACK, Weg, 32 und 43, Hervorhebung D.G.: »Apologetik ist zwingendes Resultat aus dem Befehl Christi […]. Eine Kirche ohne Apologetik wird (zwingend) zum religiösen Selbstbefriedigungsbetrieb, und sie wird – auch dies ergibt sich zwingend daraus – zum religiösen Dienstleistungsbetrieb, der sich nach den Notwendigkeiten richtend, vom neutestamentlichapostolischen Grund entfernen muß und somit selbst zum Gefäß der Sünde wird.« 107;; STIER, Grundriß, 168. 108;; A. SCHWEIZER, Homiletik, 125 u.ö. 109;; Ebd., 127. 110;; Ebd., 135. 104;;

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In der Gegenwart wird manchen Menschen immer noch kein verantwortlicher Umgang mit der Welt und damit auch mit der Kirche zugetraut. »Die moderne Erlebnisgesellschaft ist in der Tat eine organisierte Diesseitsfalle. Sie verlockt dazu, ein Maximum an schnellem Glück aus einer knapp bemessenen Zeit herauszupowern.«111 Dabei werden die gesellschaftlichen Herausforderungen sogar als überindividuell unbeherrschbar dargestellt. Besondere Kennzeichen unserer Zeit sind Unrast, Hetze und Stress. In allen Lebensbereichen sind unablässig immer neue Investitionen angesagt. Diese Schnelllebigkeit ist dem Erleben feind; die Veralterungsgeschwindigkeit [!, D.G.] gestattet keine Reife und kein Erproben. Aus Angst, Wichtiges eventuell versäumen zu müssen, nimmt der Erlebnishunger zu. Auch evangelistische Bemühungen sind oft nicht frei von dieser hektischen Ungeduld. Zur Ruhe kommen und zu sich selbst kommen ist ein grundlegendes menschliches Bedürfnis. Ihm steht freilich der Charakter unserer Zeit entgegen.112

Die moralischen Diskriminierungen sind auch nicht anlässlich der Wende zur Sachlichkeit im 20. Jahrhundert überwunden worden, so wie auch der Heidenbegriff nicht entfiel, sondern höchstens in Anführungszeichen gesetzt wurde. Der Kolonialismus, die Intoleranz und die Herrschaftsbedürfnisse haben sich in den Sprachformen restituiert. Respekt hat sich trotz aller Sachlichkeit und soziologischer Präzision gegenüber den Gemeinten nicht eingestellt, geschweige denn Sympathie. Die Mission leidet daran, dass sie die Menschen nicht anerkennt, die sie erreichen will. Dabei geht es im Kern um die auch sie selbst betreffende »Mit-teilung«, dass Gott die anderen und sie selbst gleichermaßen liebt. So überzeugend in der Systematischen Theologie die Liebe Gottes zur Welt – z.B. im Anschluss an Joh 3,16 – reflektiert wird, so ausdrucksstark ist die Liebe Gottes zur Welt in den Missionswissenschaften verborgen geblieben oder gar verheimlicht worden. Besonders schön und scharf hat Eberhard Jüngel an die Liebe erinnert: Wie macht es denn ein menschliches Ich, wenn es mit einem anderen menschlichen Ich zusammenkommen, zusammensein und zusammenleben will? Mitunter genügt, um dem anderen Menschen den eigenen Wunsch zu verstehen zu geben, schon ein Blick […] so tief, dass er der anderen Person zu Herzen geht und ihr dort, im Zentrum ihrer Existenz, dann ein Licht aufgeht. […] Doch diese zweifellos weltlichen Lebensvorgänge sind zugleich Gleichnisse für das geistliche Geschehen von Mission und Evangelisation. Im Neuen Testament stehen sie für verschiedene Möglichkeiten, mit denen Gott uns zu verstehen gibt, dass er mit dem ganzen menschlichen Geschlecht

—————

111;; B. KRAUSE, in: EVANGELISCHE KIRCHE VON WESTFALEN/AMT DIENSTE, Lust, 30. Vgl. schon früher B. KRAUSE, Auszug. 112;; EKD-KIRCHENAMT, Evangelium, 14.

FÜR MISSIONARISCHE

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und mit jedem einzelnen menschlichen Ich zusammenkommen, zusammensein und in Zeit und Ewigkeit zusammenleben will.113

Jüngels Überlegungen sind dennoch vorerst leider fast nur im evangelischen Konjunktiv zu formulieren, d.h. als eine Erweiterung des Wirklichen um das Denkmögliche. Die Lebensvorgänge der Zuneigung sollten geistliche Gleichnisse für Mission sein. Derzeit schreibt man aber oft noch, als ob es gelte, »dem gottlosen Menschen allererst ein schlechtes Gewissen zu machen.«114 Auch wenn über ehrliche und gleichberechtigende Dialoge mit Andersdenkenden nachgedacht wird, sind sprachliche Unanständigkeiten nicht ausgeschlossen. Sie zeigen sich an der Masse der Anführungszeichen, die der »moderne«, »säkulare«, »heutige« oder gar ganz »normale« Mensch braucht. Es ist nicht nur pauschal und unzutreffend, sondern ethisch verwerflich, allen Nichtchristen »Religionslosigkeit, […] Selbstzufriedenheit und das Bedrohtsein durch Ängste«115 zu unterstellen. Auch Jürgen Ziemer will jede Form moralisierender Minderbewertung künftig vermeiden, also nicht mehr von »Karteileichen, Randsiedlern, Kunden, Weihnachtschristen« reden, fordert aber wenige Zeilen zuvor die Anschlussfähigkeit von Gottesdiensten für »die Zaungäste, für die Fremden, für die Schnupperkunden, für die Suchenden und religiös Vagabundierenden«.116 Ob diese Rubrizierungen diskriminierend sind, lässt sich leicht daran überprüfen, ob sie sich für die mündliche Mission eignen. Diese Frage ist wohl in jedem Fall zu verneinen. Die Schreibmorde – in Anlehnung an Rufmorde – beginnen schon, wenn es heißt, dass das Evangelium »unter die Leute« zu bringen sei. Die Leute erscheinen hier als defiziente Masse, die »leider« »Normalfall«117 sei. Menschen, die sich auf den Weg des Glaubens begeben haben, dürfen nicht – wie es dem zögerlichen Stil unserer Zeit entspricht – in immer weiterem Suchen, Bedenken und Ausprobieren verbleiben. Sonst kommen sie am gesuchten Ziel, nämlich der persönlichen Christusbeziehung, gar nicht an.118

Statt die Suchbewegungen zu respektieren und positiv zu unterstützen, weil sie über die sonst allseits beklagte Indifferenz in religiösen Fragen weit hinausgehen, werden diese Menschen herabgewürdigt. Michael MeyerBlanck hat demgegenüber die »vielfach anzutreffende Unerschütterlichkeit, ————— 113;;

JÜNGEL, Mission, 8. Ebd., 9. 115;; Vgl. zum Ganzen BUND DER EVANGELISCHEN KIRCHEN, Christen, 12f. und die Zitate ebd. 116;; ZIEMER, Nähe, 200. 117;; EKD-KIRCHENAMT, Evangelium, 13. 118;; Ebd., 24. Wenige Seiten zuvor, ebd., 14, war die dieselbe Zeit nicht als zu zögerlich, sondern als zu rastlos bezeichnet worden. 114;;

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über bestimmte Fragestellungen nicht nachzudenken«119 als eigentliches Problem herausgestellt. Niemand dürfte den Kirchen sympathischer sein als Menschen, die besonnen suchen. Die Folgen für das Kirchenverständnis sind bei diesen unnötigen sprachlichen Entwürdigungen gravierend, weil die moralischen Diskriminierungen die Kirchen entsprechend nur noch als Moralanstalten ins Blickfeld rücken. Die Kirchen reduzieren sich dergestalt also selbst. Dieses Vorgehen ist weder theologisch geboten noch erfolgversprechend. Auch die finanziellen Begleiterscheinungen der moralischen Diskriminierung sind nicht nebensächlich. Es empfehlen sich im Gegenteil dankbare Rückblicke auf das späte 20. Jahrhundert. Zu den Chancen gehört bisher auch die Kirchensteuer, die den deutschen Volkskirchen in der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts finanzielle Möglichkeiten bot, die es vorher nie gab und künftig nicht mehr geben wird. Es ist unfair, das Geld der Leute zu nehmen und sie theologisch zu diffamieren. Jedes Mitglied ist ein der Kirche anvertrautes Gut. Das gilt natürlich nicht in erster Linie unter finanziellem Aspekt, aber es ist legitim, daß die Kirche sich um Mitglieder bemüht, die ihre finanziellen Lasten mittragen. Wer sich dafür einsetzt, Mitglieder zu erhalten und neu zu gewinnen, sollte nicht verdächtigt werden, es nur wegen des Geldes zu tun.120

Im Fazit bleibt festzuhalten, dass Bezeichnungen nach dem negativen Muster von »der Dicke, der nicht rennen kann« aus keinem Menschen leicht einen begeisterten Sportler machen. Die christliche Mission sollte auch einen leichteren Weg wählen als moralische Verleumdungen für diejenigen, unter denen ein »designiertes Glied der Kirche«121 sein könnte. 3.2.6 Asozialitäten Die neuzeitlichen Individualisierungsschübe führen in den missionarischen Strategien und apologetischen Entwürfen zur recht vollständigen Absenz eines ausgeführten und tragfähigen Gemeinschaftsgedankens. Entsteht Gemeinde durch die Verkündigung, so gilt das gleichsam als Nebenprodukt, dessen theologische Bedeutung kaum reflektiert wird, dessen Gestalt aber gerade darum oft Gegenstand heftigster Kontroversen und Ursache von Spaltungen ist.122

————— 119;;

MEYER-BLANCK, Christen, 8, mit Bezug auf OERTEL, Jugend, 233–259. E. WINKLER, Gemeinde, 61, Hervorhebung D.G. 121;; JÜNGEL, Mission, 10. 122;; SUNDERMEIER, Konvivenz, 18. 120;;

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Der Gedankengang verläuft allzu oft überindividualisiert kurzschlüssig. Missionare sollen Christen bekehren, die ihrerseits wieder Missionare werden. Gemeinschaft scheint im extremen Fall nur die Verbreitung von Asozialität zu befördern. Alexander Schweizer sieht vor der Mitte des 19. Jahrhunderts die große Freiheit zur Häresie, die keinen kämpferischen Atheismus nach sich zieht, sondern Entscheidungsunwilligkeit. Diese wirke gemeinschaftszersetzend. So ist es mit den traurigen Namenchristen, die äußerlich ein Wenig mitmachen, aber ohne daß der Geist des Christenthums in ihnen lebt. Auch wenn sie zu träge und zu wenig entschieden sind, um von ihrem Standpunkte, des bloß natürlichen Menschen, aus folgerichtig wider uns zu kämpfen: dennoch gereichen sie uns zum Verderben, und es wäre tausendmal besser, wenn solche lieber offen zurückträten und sich lossagten auch vom Namen Jesu Christi. Denn wie ein Körperliches, ein Fruchtvorrath, eine Heerde nicht gesund bleibt, wenn ein Theil oder ein Stück davon sich krankhaft auflöst und die bisherige Natur verlassend, den Gesetzen der Fäulniß und Verwesung anheimfällt: so ist es mit dem geselligen Verband der Menschen; die kranken Mitglieder sind nicht bloß für sich verloren, sondern stecken auch noch Gesunde an. […] Wen trifft dieses häßliche Bild? Daß wir doch Mühe hätten sie aufzusuchen, diese unserer lebendigen Gemeinschaft absterbenden Namenchristen; aber leider findet ihr deren genug, wie in allen Zeiten, so auch in unsern Tagen und Viele haben nicht nöthig, sich erst umzusehen nach Andern, wenn sie ein dem Weinstocke absterbendes Schoß erblicken wollen.123

Kirche als corpus permixtum gerät neuzeitlich immer wieder unter den Verdacht, ein durch Menschen zwingend abzuschaffender Zustand zu sein. Die gründliche Mischung aller wird kaum als Herausforderung begriffen, die vorläufig gottgewollt ist (vgl. Mt 13,24–30). Nach Theodor Christlieb bestehen Gemeinden aus Gläubigen, Halbgläubigen, Unkirchlichen, Ungläubigen,124 d.h. exakt aus zwei Gruppen, aus »Jüngern und Nichtjüngern, aus Bekehrten und Unbekehrten«,125 wobei Letztere immer mehr zunähmen.126 Dabei hat Christlieb die schon seinerzeit aktuellen homiletischen Herausforderungen im Blick: Es ist aber nicht einmal die Grundvoraussetzung wahr, dass nur die das Evangelium lieb haben, zur Kirche kommen. Es sind stets auch Unchristliche, ganz Weltliche, ja oft auch Ungläubige und sogar Spötter (wenn auch nur aus Neugierde) da.127

————— 123;;

A. SCHWEIZER, Predigten, 228f. Vgl. CHRISTLIEB, Homiletik, 7. 125;; Ebd., 98. 126;; Vgl. ebd., 99. 127;; Ebd., 101. 124;;

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Der Streit im 19. Jahrhundert, ob auch zu den völlig Abwesenden gepredigt werden sollte, wird von Carl Immanuel Nitzsch zu Gunsten der anwesenden Abwesenden und der eigentlich Abwesenden und nur aus sekundären Gründen Anwesenden, also letztlich zu Gunsten aller, entschieden: Nicht nur erscheinen Viele noch nach ihrer Confirmation, wie Katechumenen oder schweben noch zwischen der Taufe und Communion, oder haben sich wieder excommunicirt und mögen doch Zuhörer sein; denn viele sind berufen, wenige auserwählt; wir dürfen sogar in einen weitern Kreis des Berufes zur Kirche Gottes NichtChristen aller Art aufnehmen, sofern sie durch natürliche, weltliche Verhältnisse, die denn doch auf des Herrn Vorsehung beruhen, Nachbarn und Beisassen, dadurch auch Zuhörer der Gemeine werden, so, daß möglicher Weise sich mit dem Standorte des Predigers Analogieen der Mission von allen Arten vereinigen.128

Ein identitätsstiftender Gemeinschaftsbegriff geht daraus aber nicht unmittelbar hervor. Bis heute sind die Fragen nach einem eigentümlichen Gemeinschaftsverständnis offen. Eigentlich liegen nur die Übertreibungen zum Lernen aus Fehlern bereit. Nach Eberhard Hauschildt sieht es so aus, als werde bei denen, »die sich als dezidiert missionarische Gruppen verstehen, die Gemeinschaft eher überschätzt, [bei denen,] die der Vorstellung der Mission skeptisch gegenüberstehen, die Gemeinschaft eher unterschätzt.«129 Insgesamt scheint die Bedeutung von Gemeinschaft für die missionarische Ausstrahlung so wenig erkannt worden zu sein, dass es kaum ekklesiologisch-kirchentheoretische Entfaltungen zu dieser Frage gibt. Der folgende, rekonstruktive Teil, der sich als positives Gegenüber zu den Destruktionen von Kapitel 3.2 versteht, geht von der gängigen Konzentration auf die einzelnen Bezeichneten zu ihren zusammenfassenden Gruppennamen über und fragt relational nach den Charakteristika der missionierenden Gemeinschaften und ihren gemeinschaftsfindenden und erhaltenden Fähigkeiten zurück.

3.3 Sprachspiele Sprachspiele

Die Auswärtigen Ämter der Christenheit werden in dieser Arbeit aus wirkungsgeschichtlichen Gründen als unbedingt wortwahlbedürftig vorgestellt. Nach den gezeigten Sprachkriegen empfehlen sich dafür Sprachspiele. Was Ernst Lange einst zum Gottesdienst schrieb, gilt für die missionarischen und apologetischen Sprachspiele in Gottesdiensten, über sie hinaus und grundlegend. ————— 128;;

NITZSCH, Theologie, Bd. 2, § 108. HAUSCHILDT, Aufgaben, 143.

129;;

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Spielend und nur spielend kommen wir den unerschöpften Möglichkeiten unseres Daseins auf die Spur. Spielend entdecken wir Alternativen zum gewohnten Verhalten, überschreiten wir die Grenzen unserer Alltagsrollen und probieren andere aus, testen wir Problemlösungen, die vom Üblichen abweichen. […] Das Spiel ist das Übungsfeld unserer Freiheit.130

Die außenministerialen Sprachspiele sind entsprechende Übungen auf den weiten Feldern der Freiheit zur Häresie. Denn Mission und Apologetik haben eben diese Ziele, dass Menschen Alternativen zum gewohnten Verhalten entdecken und Freiheit zwar nicht vollständig realisieren, aber immerhin üben können. Die Freiheit in den Sprachspielen muss sich befreien vor allem aus den Gefängnissen der Sprachwirkungsgeschichten und ihrer Konsequenzen. »Alle unsere Durchbrüche durch den Kerker unserer bisherigen Erfahrungen beruhen darauf, daß andere uns die Alternative vorführen, und wir spielen mit und entdecken so, daß das Leben auch anders geht.«131 Neue Sprachspiele sollten die sprachlichen Verliese, die Imperalismus, Kolonialismus und Intoleranz in missionarische Sprache bis heute gebunden haben, durchbrechen. Die Möglichkeiten von Sprachspielen zu Gunsten der Bezeichneten entstehen aber erst, wenn überhaupt auf einer Metaebene über die dann nicht länger wahllosen Bezeichnungen nachgedacht wird. Diese vorgängige Sympathie erfordernden Reflexionsgänge sind wenig selbstverständlich. Zu den seltenen Ausnahmen gehört die Veröffentlichung der Theologischen Kommission des Bundes der Evangelischen Kirchen (der damals gerade ehemalig gewordenen DDR) von 1991, wo über die Bezeichnung der Dialogpartner »Andersdenkende«132 ausdrücklich wertschätzend reflektiert wird. Angesichts der beeindruckenden Disparatheit – von Anarchisten über Humanisten bis hin zu Marxisten – der solcherart Zusammengefassten wird selbstkritisch eingeräumt: »Die Bezeichnung ›Andersdenkende‹ ist freilich insofern mißverständlich, als sie vorauszusetzen scheint, daß sich Christen in ihrem Denken einig sind.«133 Relational dazu könnte sich gleichzeitig auch ein spielerischeres Selbstverständnis der Christenheit ergeben. Christen sind nicht die Lebenserfahrenen, die deshalb, weil sie Christen sind, über den Menschen mehr wüßten als andere. […] nicht die »beati possidentes«, die glücklichen Besitzer eines Programms für die Errichtung einer wirklich vollkommenen menschlichen Gesellschaft. Christen sind nicht die Lehrer der Menschheit.134

————— 130;;

E. LANGE, Predigen, 89. Ebd., 89f. 132;; BUND DER EVANGELISCHEN KIRCHEN, Christen, 9. 133;; Ebd. 134;; Ebd., 11. 131;;

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Für diese fast einzigartigen Einsichten hat sich der Aufwand des ganzen Textes gelohnt. Auffällig seit den Terroranschlägen vom 11.9.2001, aber schon vorher im Schwange, ist ein wesentlicher Bezeichnungswechsel von den Ungläubigen zu den Andersgläubigen zu beobachten, der einem vorher fast nur in den spezialisierten Missionswissenschaften begegnete.135 Die Relevanzen des Religiösen werden seither wieder leichter vermutet und seine Ambivalenzen stehen tödlich deutlich vor Augen. Hinrich Stoevesandt hält diesen Übergang für prinzipiell bedeutend: Die Existenz und Vitaliät nicht-christlicher Religionen, bisher eher ein akademisches Randthema und für breitere Kreise ein exotischer Reiz, ist teils durch physische Anwesenheit in Europa, teils durch Vermittlung der öffentlichen Medien, teils durch das zunehmend engmaschige Netz der Globalisierung in greifbare Nähe der abendländischen Christenheit gerückt. […] Die neue Nachbarschaft unterscheidet sich markant von der so lange gewohnten säkularen.136

Diese Entwicklungen sind heilsam, weil sie aus den Fallen und Fällen der Defizitorientierungen befreien hilft. Freilich wäre es wohl ein Armutszeugnis, wenn – auf mittelbarem Wege – islamische Terroristen gebraucht würden, um die christlichen Missionen menschenfreundlicher und evangeliumsentsprechender zu gestalten. Im Folgenden werden Sprachspiele und ihre Kriterien vorgestellt, die von der lexischen Ebene bis zu größeren semantischen Feldern reichen. Die Überlegungen setzen bei der missionswissenschaftlichen Regel ein, prinzipiell nach den Selbstbezeichnungen der Gemeinten zu fragen (3.3.1). Dann werden sprachliche und theologisch-sachliche Ehrfurcht und Sympathie als Antidota vorgestellt, vor allem gegen die gewöhnliche Defizitsuche und die Infantilisierung derer, die man wenig kennt, aber sehr gut zu verstehen meint (3.3.2). Anstelle der militarisierenden und militanten Ausdrücke wird nach homiletisch anschlussfähigen Anreden gesucht, die auch für die mündliche Mission nicht von vornherein ausgeschlossen sind (3.3.3). Die Dualismen, die sich aus der Moralisierung des Gegenübers ergeben, sollen mit der Rückbesinnung auf das reformatorische simul iustus et peccator und der Einsicht in das Dividuelle gegenwärtiger Identitäten, aufgehoben und überwunden werden (3.3.4). Daraus ergeben sich unmittelbar die Fragen nach den Gemeinschaftsfähigkeiten in »idiotischen« Zeiten, in de-

—————

135;; Vgl. z.B. LIENEMANN-PERRIN, Dialog, 177, die Rede von »Andersgläubigen und Andersdenkenden«. 136;; STOEVESANDT, Wahrheit, 206f.

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nen das Persönliche und Absondernde mehr geliebt wird als das Verbindende und Verständnis Weckende137 (3.3.5). 3.3.1 Selbstbezeichnungen Drei Ebenen der Kommunikation christlicher Wirklichkeitsverständnisse sind grundsätzlich zu unterscheiden. In jedem Fall primär und den anderen vorausliegend ist die Antwort auf die christliche Verkündigung und zugleich ihre neuerliche Herausforderung in Bekenntnis und Gebet. Die Predigt gehört zur zweiten Ebene, der öffentlichen Darstellung des Gehaltes des christlichen Glaubens. Eine dritte Ebene bildet die reflektierte und diese die beiden anderen Ebenen reflektierende Darstellung der christlichen Wirklichkeitsverständnisse in den theologischen Wissenschaften.138 Es ist evident, dass sich diese drei Bereiche auch sprachlich deutlich voneinander unterscheiden, gleichwohl aber von direkter Wirkung aufeinander sind. Wenn in den theologischen Theoriebildungen etwa sprachverlegen von Heiden oder ökonomistisch-moralisierend von Schnupperkunden geschrieben wird, sind die Auswirkungen auf aktuelle Predigten und grundlegende Glaubenskommunikation fast zwangsläufig Sprachlosigkeit. Problematische Sprachbilder werden in Ermangelung besserer weiter genutzt, aber in praxi anstandshalber verschwiegen. Die gebrauchten Eigennamen, d.h. Selbstbezeichnungen, aber dringen umgekehrt ausweislich der Literatur, eher selten auf die dritte, reflektierende Stufe vor. Höflichkeit und Respekt gebieten es aber, diejenigen Namen zu achten, zu lernen, bestmöglich zu verstehen und gegebenenfalls auch zu gebrauchen, mit denen andere, besonders fremde Menschen, sich selbst nennen. Es gibt keine theologischen Gründe, von diesem allgemeinen, sprachlichen Form- und Feingefühl im missionarischen oder apologetischen Umgang abzusehen. In den Missionswissenschaften ist dazu folgende Grundregel entworfen worden: »Der Liebe Gottes zu den Sündern, die in seiner Menschwerdung zum Ausdruck kommt, entspricht die Benennung der Menschen anderen Glaubens und anderer Kultur mit dem Namen, den sie sich selbst zueignen.«139 Wird die apologetische Praxis reflektiert, ergibt sich als minimale, aber gleichwohl nicht immer leicht erfüllbare Anforderung, »daß man die Be—————

137;; Vgl. 1Kor 14 zum ursprünglichen und bis in das 19. Jahrhundert gebräuchlichen Sinn des Wortes »idiotisch«. In Korinth war die Zungenrede sehr populär. Sie wirkte aber wegen ihrer Unverständlichkeit von anderen absondernd. Es ist daher kein Wunder, dass Paulus um die Gemeinschaft der »Idioten« in Korinth immer eigens kämpfen musste. 138;; Vgl. PREUL, Kirchentheorie, 272f. 139;; WEIß, Heiden, 141.

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schreibung den Gesprächspartnern gegenüber verantworten kann – und zwar ihren Anhängern gegenüber ebenso wie den Kritikern und den vielleicht leidvoll Betroffenen gegenüber.«140 Die Fähigkeit zur Verantwortung, d.h. in biblischer Terminologie nach 1Petr 3,15f zur Rechenschaft über die Hoffnung mit Ehrfurcht und Sanftmut, inkludiert keineswegs allgemeines Wohlgefallen oder auch nur allgemeine Zustimmungsfähigkeit, im Gegenteil. Fast jeder Sprachversuch wird als konfliktgeladen erfahren und neigt zur Unlösbarkeit, ohne dass man dadurch vom Versuch suspendiert wäre. Das Martyrium am Anfang des 21. Jahrhunderts besteht nicht darin, mit letzter Konsequenz für seinen Glauben einzustehen, sondern überhaupt den ersten Sprachschritt zu wagen. Sachlich notwendig sind dafür der Wiederwuchs und die Anwendung wesentlicher theologischer Distinktionen. Für die Apologetik ist die prinzipielle Unterscheidung zwischen Person und Werk wieder konsequent zu entfalten. Personen ist stets mit Respekt, wenn möglich, mit Verständnis141 zu begegnen. Lehrtexte, Bekenntnisse, schriftliche Zeugnisse von Offenbarungen u.ä. als Werke sind davon zu trennen und können anderen Urteilsformen unterliegen. Die Norm, sorgfältig Selbstbezeichnungen zu lernen und zu verwenden bzw. verantwortbare Bezeichnungen gegenüber den Adressaten zu suchen, sollte über den kleinen Kreis kirchlicher Apologeten hinaus allgemeinere Verbreitung finden. Dieses Desiderat ist noch wesentlicher geworden, seit nicht nur mehr speziell interessierte und gebildete Experten, sondern die Christenheit als solche in ihrer unmittelbaren Umgebung dezidiert Andersgläubige wahrnimmt. Das steht im deutlichen Gegensatz zur träge machenden Gewohnheit, nur solche scheinbar zu kennen, die entweder gerade noch am äußersten Rand der Christenheit existieren und kaum noch etwas von der Bibel und dem Inhalt des Bekenntnisses wissen oder die der ursprünglich einmal christlichen Herkunft ihrer Vorfahren vollständig entfremdet sind und ganz beziehungslos neben den Resten der Kirche herleben.«142

Die Umständlichkeit dieser Beschreibung ist Indiz für die Unkenntnis der Gemeinten. Die Selbstbezeichnungen aber sind in pluralisierter Zeit ein tendenziell unermesslicher Sprachschatz, den es zu wahren und zu pflegen gilt. Dazu gibt es folgendes sprechendes Beispiel. Einer nennt sich im Gespräch selbst

————— 140;;

HEMMINGER, Glauben, 25. Vgl. ebd., 27f, der darauf hinweist, dass nicht die angenommene Richtigkeit eine Gruppe von Menschen um ein Weltbild sammelt, sondern die Ähnlichkeit ihrer Sehnsüchte und Ängste. 142;; STOEVESANDT, Wahrheit, 207. 141;;

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»Regenwetterchrist«,143 originell und reflexionsbedürftig, aber auch fähig zur Interpretation. Dieser Mensch ist nicht nur in der Lage, mit Sanftmut und Gottesfurcht Rechenschaft von seinem Glauben abzulegen, sondern entfaltet sein Selbstverständnis authentisch und stimmig. Es ist allenfalls ironisch als defizitär zu verstehen. Auch wenn ein Regenwetterchrist mit dieser Selbstbezeichnung auf seine Kirchgangsgewohnheiten reflektiert, ist die Ambivalenz dieser soziologisch trainierten Beobachtungsgewohnheit dennoch zu hinterfragen. Die Kirchgangsfrequenz ist im Gegensatz zum Glauben und seiner Stärke nur leichter und präziser zu ermitteln. Das bedeutet aber nicht unter allen Umständen, auch wenn die empirischen Untersuchungen diesen Fehlschluss fast zwingend nahe legen, dass Kirchgangshäufigkeit und Glauben in seinen vielfältigen Dimensionen einander immer entsprechen müssen. Die Fülle und Buntheit der Selbstbezeichnungen von Christen gehört wahrscheinlich zu den großen und zugleich unentdeckten Schätzen der Kirchen und Theologien. Schon die bloße Menge der alternativen bis originellen Eigennamen dürfte horizonterweiternd wirken, ganz zu schweigen von ihrem theologischen Gehalt, der in seiner individualisierten Gestalt erschlossen und verständlich gemacht werden muss für die Gemeinschaft der Christen. Die Selbstbezeichnungen sind dabei als solche ernst zu nehmen und zu bewahren und gerade nicht als Fremdbezeichnungen zu verallgemeinern. Dabei leuchtet unmittelbar ein, dass das Gebot aus 1Thess 5,21 gilt, weil natürlich auch unter den Selbstbezeichnungen wegen der immensen Sprachwirkungen defizitorientierte Bezeichnungen Legion sind (vgl. 3.2.1). 3.3.2 Zählen Zahlen? Die Massen und die meist nur vermeintlichen Mehrheiten werden in der Gegenwart vornehmlich in Zahlworten dargestellt. Gelegentlich geraten damit Zahlen und ihre Interpretationen zu Glaubensgründen und Glaubensgegenständen. Diese Gefahr verlangt eine differenzierte Betrachtungsweise. Das Impulspapier »Kirche der Freiheit« veröffentlicht zahlreiche Zahlen, gegenwärtige und hochgerechnete, überwiegend freilich zu befürchtende. Die Zahlen sollen Hoffnung stiften und führen u.a. zu folgendem Fazit: »Die evangelische Kirche hat eine chancenreiche Ausgangsbasis.« Wie auch von den früheren Denkschriften der EKD geht von der vorliegenden Schrift ein gewollter und unmittelbarer Anstoß zum Nachdenken aus, der ————— 143;;

HANS LEU, mündlich. Bei Sonne zieht er in die Berge. Bei Regen ist der Gottesdienst ge-

fragt.

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mit der spezifischen Textart zusammenhängt. Die Argumentationsweise ist graduell weniger theologisch, als es von einem Kirchenbund prima vista zu erwarten ist. Allgemeinverständliche, theologische Überlegungen treten in den Hintergrund zugunsten von Fakten und Hochrechnungen, die als sehr relevant erachtet werden: »Erfolgsmodelle weisen sich unter anderem an konkreten Zahlen bei Mitgliederzuwachs und Stabilität aus […].«144 Die Zahlen sind damit sehr prominent geworden. Es ist folglich Vorsicht geboten, weil sie sonst als Statthalter für sachliche theologische Auseinandersetzungen fungieren könnten. Die chancenreiche Ausgangsbasis der Kirche ist – drückt man es entgegengesetzt und damit auch extrem aus – Jesus Christus. Die im Impulspapier genannten Zahlen entfalten ihre anstiftende Wirkung sicher am besten, wenn sie in einen sprachlich gut zugänglichen theologischen Kontext gestellt werden. Diesen Kontext gilt es in Zukunft genauer zu erarbeiten und angemessen bekannt zu machen, damit der usus der Zahlen – auf den es ankommt – zielführend bleibt. Die Geschichte der Warnungen ist noch nicht lang, aber eindringlich. Sie wird hier kurz skizziert. Schon bald nach dem Zweiten Weltkrieg mahnte Albrecht Schönherr mit der milden Macht prophetischer Ironie, wenn er schreibt: »Immerhin ist uns noch die Macht der Zahl geblieben, die in den Statistiken und auch auf den Kirchentagen munter eingesetzt wird. […] Wir werden uns darauf rüsten müssen, daß es mit all dieser Macht eines Tages zu Ende ist.«145 Zwanzig Jahre später muss vor den überzogenen Heilsprophetien der Empirie ebenso wie vor kompletter Ignoranz gewarnt werden. »Es besteht jedoch Grund, der Suggestivkraft des Empirischen nicht zu erliegen, ihm aber auch nicht zu entfliehen […] Sie läßt die fundamentalen Probleme des Menschseins mit verstärkter Wucht auf uns zukommen.«146 Zwischen kritikloser Gebanntheit und Flucht liegt heilsame, reflektierte Distanz. Hans Jochen Margull übt sich und andere 1974 in Geduld: »Über die teure Frage der Taufe möchte ich erst handeln, wenn sie einigermaßen quantitätsunabhängig erörtert werden kann.«147 In der Mitte der 1980er Jahre ist der Schein der präzisen Zahlen dann durchschaut. Christian Möller kritisiert scharf die zahlentechnischen Wachstumsideologien, vor allem im amerikanisch beeinflussten Gemeindeaufbau: Mit Recht fragt M. Herbst, wer oder was denn eigentlich gezählt werden solle: die mitarbeitenden Christen? (dann fallen aber Alte und Kranke heraus, die durchaus ernste Christen sein können); alle Mitglieder (dann werde verkannt, daß eine Ge-

————— 144;;

EKD-RAT, Freiheit, 16 und 19. SCHÖNHERR, Gedanken, 222. 146;; EBELING, Klage, 23. 147;; MARGULL, Verwundbarkeit, 416. 145;;

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meinde auch wachsen könne, wenn sie an eingeschriebenen Mitgliedern abnehme); die Bekehrten? (dann werde verkannt, daß es auch unechte Bekehrungen gebe).148

Allerdings sieht Möller die Gemeindeaufbaubewegung zuletzt doch gänzlich in die Zahlen vernarrt und fragt dagegen: »Müßte nicht die Frage nach Spiritualität auch eine kritische Freiheit gegenüber empirischer Wissenschaftsgläubigkeit einschließen?«149 Die biblischen Belegstellen brächten dagegen ganz andere Zunahmen und Mehrungen in Erinnerung, die Rede ist von Wachsen in der Liebe und dem Wachstum des Wortes (Apg 6,7; 12,24; 19,20).150 Der Rückblick in die Geschichte lässt die Frage dringlich werden, ob das Wort gewachsen ist oder nur die Zahlen größer und kleiner geworden sind und mit ihnen die sie interpretierende Wörterflut angeschwollen ist. Hubert Knoblauch und Bernt Schnettler sprechen vom bemerkenswerten »Glauben an die Beweiskraft der Zahl«151 und führen dazu aus: »Insbesondere von den 1960er bis 1990er Jahren waren die Klagen so laut und die erschreckenden Zahlen so groß, dass man sich fragen musste: Ist eigentlich noch jemand in den Kirchen? Gibt es eigentlich noch Gläubige?«152 Mit der letzten Wende zur Erfahrungswelt vor vierzig Jahren sind die Zahlen ein unübersehbarer Bestandteil praktischer Theorien geworden, weil man sich davon eine genauere Kenntnis der Gegenwart und einen Vorteil bei der möglichen Wahl von Handlungsoptionen erhofft. Der Streit, ob und wieviele empirische Daten notwendig sind, beschäftigte die Praktischen Theologien z.B. schon vor einem Jahrhundert, als Paul Drews die Notwendigkeit einer »Evangelischen Kirchenkunde«153 nachzuweisen suchte. Einen objektiven Maßstab für die notwendige Menge von Zahlen und ihren Interpretamenten gibt es offenbar nicht. In den Missionsdiskussionen wird entweder gefordert, »das empfindliche Empiriedefizit«154 zu beheben, oder die jetzt erreichbare Datenlage wird für völlig ausreichend und ihr weiterer Ausbau nicht für nötig gehalten. Auch sonst wissen wir über die Konfessionslosen inzwischen ganz gut Bescheid. Die religionssoziologische Forschung hat sie längst zum Gegenstand ihrer Untersuchungen gemacht und sie mittels statistischer Erhebungen und Interviews gründlich durchleuchtet. So kennen wir die Wertorientierungen von Konfessionslosen. Wir wissen,

————— 148;;

MÖLLER, Lehre 1, 110 mit Bezug auf HERBST, Gemeindeaufbau, 422. MÖLLER, Lehre 1, 96. 150;; Ebd., 113; vgl. auch 105f, 131 u.ö. 151;; KNOBLAUCH/SCHNETTLER, Trägheit, 5. 152;; Ebd., 7. 153;; Vgl. DREWS, Problem, 258–260. 154;; HAUSCHILDT, Aufgaben, 144, und schon DERS., Rezension, 188. 149;;

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welche Einstellungen sie zum christlichen Glauben, zu Religion und Weltanschauung haben. Auch über die Gründe für den Austritt aus der Kirche sind wir informiert.155

Dabei ist weniger die Menge der Daten entscheidend, die auf Grund der vollständigen Individualisierung in ihrer Aussagekraft ohnehin beschränkt ist. Es geht vielmehr darum, wie Zahlen funktionieren. Zu fragen ist, ob und inwiefern sie Statthalter für eine sorgfältige, d.h. nicht pauschalisierende und die Individuen doch wieder zu Massen zusammenfassende Wahrnehmung geworden sind und vor allem, wo sie theologische Überlegungen oder gar Grundlegungen ersetzen sollen. Statistische Erhebungen sind und bleiben probeweise und ausschnitthafte Rekonstruktionen von Wirklichkeit. Die Genauigkeit ist eine künstlich hergestellte. Statistiken ermäßigen weder die Herausforderung, das Gegebene doch noch je einzeln wahrzunehmen noch suspendieren sie von der Notwendigkeit, Mission und Apologetik anderweitig zu begründen.156 Schon häufig ist beobachtet worden, dass insbesondere große Zahlen weniger handlungsleitende Kräfte entwickeln als die Kenntnis ausgewählter, einzelner Vorgänge, Zusammenhänge und Erfahrungen. Das gilt für die unfassbar vielen Opfer des Nationalsozialismus im Gegenüber zum Tagebuch von Anne Frank ebenso wie für die Schätzungen nach Naturkatastrophen im Vergleich zu dem einen Menschen, den man im Krisengebiet persönlich kennt. Große Zahlen entfalten nicht unmittelbar proportional große Hilfs- bzw. Veränderungsbereitschaft. Gerald Kretzschmar stellt dar, wie seit mehr als einhundert Jahren distanzierte Kirchlichkeit beschrieben wird, aber diese Daten ekklesiologisch weitgehend irrelevant geblieben sind.157 Das ist sicher teilweise den Systematischen Theologien anzulasten. Darüber hinaus muss vermutet werden, dass gerade große Zahlenmengen ihren sinnvollen Gebrauch, d.h. eine innovative Deutung des Materials, eher hindern. Zahlen an sich sind nicht identitätsfördernd oder gar identitätsstiftend, sie werden es nur, wenn Worte sie komplementär ergänzen. Zahlen können nicht andere Begründungs- und Interpretationszusammenhänge ersetzen, sondern schaffen ihrerseits zusätzliche Reflexionsnotwendigkeiten. Daher markiert ihr gehäuftes, wortkarges Auftreten manchmal eher die Abwesenheit spezifisch theologischer Überlegungen und sprachliche Verlegenheiten. Zahlen wirken nicht letztbegründend, sondern führen in optimalen Fällen zu neuen Perspektiven. Jürgen Ziemer hat für den evangelischen Gottesdienst den Horizont erweitert, indem er festhält: »Die Identität des Christlichen wird durch das gewährleistet, was in ihm geschieht – und d.h. letztlich ————— 155;;

ZEDDIES, Osten, 151. Vgl. zur Diskussion der kommunizierten Gründe für Mission Kap. 4.1.2. 157;; Vgl. GERALD KRETZSCHMAR, Kirchlichkeit, 295–298. 156;;

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durch den gegenwärtigen Christus –, nicht jedoch durch den Zugehörigkeitsstatus der an ihm Beteiligten.«158 Auch die christliche Mission hat eine externe Identität, die sich nicht aus dem vermuteten Status der Anzusprechenden ergibt, vor allem nicht aus deren numerischer Größe. Entsprechendes gilt auch für die Ablehnung des Glaubens und damit die Erfolglosigkeit von Mission und Apologetik. Der Skandal am Christentum ist nicht, wie viele und dass so viele dagegen sind, sondern das Wort vom Kreuz (vgl. 1Kor 1,18–25).159 Beide Skandale werden dort verwechselt, wo Praktische Theologien das Ärgernis aus den theologischen Grundlagen in die Situationsanalysen verlegt haben. Die dramatische Verharmlosung der Kreuzestheologie wiegt dabei gleich schwer wie die Dramatisierung der seit biblischen Zeiten bekannten Tatsache, dass der christliche Glaube von vielen für harmlos, d.h. töricht und schwach, gehalten wird. Die Konzentration auf den falschen Skandal geht zu Lasten der neuzeitlichen Individuen und Gemeinschaften, was um Gottes und der Menschen willen vermieden werden sollte. 3.3.3 Ehrfurcht und Sympathie Entgegen der breiten Tradition, fremde Menschen, um die eigenen Ängste vor dem Fremden zu begrenzen, zu infantilisieren, sind die missionarischen Wortwahlen zunächst daraufhin zu überprüfen, ob sie Menschen mit Respekt begegnen. Das gebietet schon der allgemeine Anstand, der allerdings überboten wird von theologischen Gründen. Denn Respekt ist es, was die Kirchen vor allem brauchen und worauf sie ihren Ehrgeiz richten sollten. Auf Gehorsam können sie nicht mehr hoffen, und Liebe werden sie auch mit der beflissensten Nettigkeit nicht von allen gewinnen. Aber Achtung ist möglich. Die pluralistische Gesellschaft sehnt sich geradezu nach erkennbaren Haltungen und Figuren, nach Felsbrocken im Meinungsbrei.160

Die apologetischen und missionarischen Ideen und Hoffnungen haben die Rückbesinnung auf eine prinzipielle Ehrfurcht nötig. Friso Melzer, der freilich sprachlich hinter seinen eigenen Ansprüchen zurückgeblieben ist, hat diesen guten Maßstab in einer aussagekräftigen Metapher zusammengefasst: »Ehrfurcht ist die seelische Luft, in der alles höhere Leben gedeiht.«161 Die seelische Luft, d.h. die Atmosphären der Glaubenskommuni————— 158;;

ZIEMER, Nähe, 199. Entsprechend interpretiert HINRICH STOEVESANDT als Absolutheitsanspruch des Christentums das Leiden; vgl. STOEVESANDT, Wahrheit, 225. 160;; ROSS, Gott, 1f. 161;; MELZER, Neuwerden, 39. 159;;

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kation sind weitgehend sprachlich konstituiert und geprägt. Sie sollten es auch sein. Explizit respektvolle Ausdrücke für diejenigen Menschen, mit denen kommuniziert werden soll, findet man aber selten. Eine Ausnahme, die die Regel bestätigt, ist eine Veröffentlichung des Katholischen Referates für Weltanschauungsfragen, die für die Apologetik fordert: »Sie bedarf zugleich der Diskretion und Ehrfurcht gegenüber dem konkreten Menschen, der seinem Gewissen auch dort verpflichtet ist, wo er irrt.«162 Die oben geschilderten Beispiele radikaler Infantilisierungen des neuzeitlichen Menschen belegen dagegen die engen Korrelationen zwischen der mangelnden Ehrfurcht vor den Menschen und der fehlenden Hochachtung vor Gott, die weitgehend unabhängig von der theologischen Ausrichtung zwischen fromm und liberal die Missionsentwürfe prägt. Die neuzeitlichen Ideen von allgemeiner Machbarkeit beschränken von vornherein die Wirkmöglichkeiten Gottes bzw. sie werden für die Organisation künftiger Mission und Apologetik gar nicht mehr bedacht. Die gegenwärtigen Diskussionen verstehen Mission als Kompetenz und illustrieren damit den neuzeitlichen Wandel, den Odo Marquard vom Fatum zum Faktum diagnostiziert,163 der für die praktisch-theologischen Kommunikationsstrukturen eine Verlagerung von Gottes Wirken zu Menschen unterstellten Fähigkeiten bedeutet. Mission, gelegentlich sogar ihr Erfolg, wird immer stärker im Rahmen menschlicher Kompetenzen ausgelegt und immer weniger überhaupt mit Aussagen zum Vertrauen und zur Ehrfurcht vor Gott, seinem Schweigen und seinem Tun, verbunden. Nur die Sprache ermöglicht die Selbstunterscheidung von Gottes Wort und menschlichen Versuchen.164 Diese Spracheigenschaft gilt es zu nutzen. Erster hermeneutischer Hinweis darauf ist der oben dargestellte Wortbestand: Auf 1Petr 3,15 wird regelmäßig und nachdrücklich rekurriert, der folgende Vers 16 und der größere Zusammenhang geraten seltener ins Blickfeld. Der Journalist Jan Ross hatte den Kirchen ins Stammbuch geschrieben, dass sie ihr Streben auf Respekt richten sollen, jegliche Versuche, mit Nettigkeit viele oder gar alle Menschen zu erreichen, aber scheitern werden. Von dieser Nettigkeit zu unterscheiden, ist aber die grundsätzliche Zugewandtheit zu den Adressaten kirchlichen Tuns. Es überrascht nach den Ausführungen zu Infantilisierung, Moralisierung, Militarisierung und allgemeiner Defizitorientierung kaum, dass sich diese Sympathie weder von —————

162;; REFERAT FÜR WELTANSCHAUUNGSFRAGEN, Grundsätze, 3. Vgl. auch WROGEMANN, Deutlichkeit, 77: Jesus verkündete mit Freude, Ernst und Eindringlichkeit das kommende Reich Gottes. Einer »lebensverachtenden oder menschenverneinden Rechthaberei« oder der »kalten Waffe einer selbsternannten Wahrheit« begegnete man dabei nie. 163;; Vgl. MARQUARD, Abschied, 67–90, besonders 72–76. 164;; Vgl. DALFERTH, Wort, 108f.

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selbst einstellt noch versteht, sondern eigens begründet werden muss. In Umbruchszeiten, wenn der Wandel aktiv gestaltet wurde, begegnen einem am ehesten Aufrufe zur Zuneigung. Sie nehmen dabei fast den Duktus von Ermunterungen zur Feindesliebe an. Drei Beispiele – einhundert, fünfzig Jahre alt und gegenwärtig – erhellen diese Charakterisierung punktuell. Friedrich Niebergall rief seinerzeit zur Liebe des modernen Menschen auf. Wenn unsre Übersicht zeigt, daß die modern gerichtete Theologie am liebsten dem modernen Menschen in seine Interessen hineinpredigt, so ist das klar zu begründen; denn sie hat Fleisch von seinem Fleisch und Bein von seinem Bein, und vor allem, sie sieht in ihm nicht einen böswilligen Abtrünnigen, sondern liebt ihn als die heutige Ausgabe des Gottesgedankens »Mensch«. Der Wetteifer, ihn zu gewinnen, begeistre die verschieden redenden Brüder im Glauben: Es ist es wert, denn auch er ist nach und zu Gottes Bild geschaffen.165

Die Erkenntnis der unübersehbaren Gleichheit aller Geschöpfe in der Welt ist nicht immer durchgehalten worden, auch nicht in den Ermahnungen zur Sympathie mit den Menschen. Nach dem Zweiten Weltkrieg schreibt Götz Harbsmeier recht weit von oben herab: »Ihr [der Rede von der Liebe, D.G.] darf keine Mühe zu groß, kein Weg zu weit, kein Abgrund zu tief, kein Mensch zu langweilig und ungebildet, und kein Selbstverständnis zu fade sein, um sich seiner anzunehmen.«166 Dieser sprachliche Größenwahn im kleinsten Detail gehört zum noch zu bewältigenden Erbe der Missionsgeschichte, die die Überheblichkeit ihrer ehemaligen Praxis in kontraproduktive Sprachgewohnheiten konvertiert hat. Denn wer hätte nicht bei strenger Betrachtung zugeben müssen, dass auch ernste Christen mühsam, abgründig, langweilig, ungebildet und fade sein können? Gerade Götz Harbsmeier steht als Theologe nicht im Verdacht, das übersehen haben zu können. Auch die gegenwärtige Missionsdebatte kommt ohne die expliziten Ermahnungen zur Weltliebe nicht aus. Eberhard Jüngel hat dieses Desiderat der EKD-Synode zum Schwerpunktthema Mission 1999 metaphernreich vor Augen geführt und zur Abhilfe einige Wege gewiesen.167 Axel Noack hat für die gegenwärtige Planung missionarischer Aktivitäten die Erreichbarkeit der Menschen unmittelbar von der Sympathiefähigkeit abhängig dargelegt. Schlicht, aber theologisch durchgreifend hält er fest, dass man mögen muss, wem man näher kommen will. Dieses »Mögen« ist sehr konkret gemeint. Ich muss alle die mögen, die nicht zur Konfirmation, wohl aber zur Jugendweihe gehen. Das sind im Osten sehr viele! Ich

————— 165;;

F. NIEBERGALL, Predigt 1905, 74. HARBSMEIER, Verkündigung, 531. 167;; Vgl. JÜNGEL, Mission, 4 und 8f. 166;;

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muss auch die mögen, die sich als kühle Rechner der Kirchensteuerverpflichtung entziehen, genauso wie die, die sich aus Ärger über unsere Kirche von uns abgewandt haben. Nur wenn ich mir darin ganz klar bin, dass ich ja selbst von der Liebe Gottes lebe und es seiner Liebe danke, dass aus mir ein »Konfessioneller« geworden ist, werde ich die Liebe zu den Menschen aufbringen, die nötig ist. Erstaunlicher- und gnädigerweise hat Gott durch Einsatz meiner Eltern, meiner Pastorin und meines Lehrers aus mir Saulus einen Paulus werden lassen, ohne mein Zutun und Verdienst. Darin und nur darin gründet letztlich meine Zuversicht, dass Gott mich als Werkzeug gebrauchen kann und will, sein Evangelium weiterzusagen an all die liebenswerten Konfessionslosen, mit denen er mich umgeben hat.168

Eine Neuorientierung von Mission und Apologetik könnte absehen vom missverständlichen Rechenschaftsgedanken und der Anleitung zu erheblicher Selbstbezogenheit nach 1Petr 3,15f und stattdessen die Tragfähigkeit des Gottesbildes nach Jes 65,1 erproben: Ich ließ mich suchen von denen, die nicht nach mir fragten; ich ließ mich finden von denen, die mich nicht suchten. Zu einem Volk, das meinen Namen nicht anrief, sagte ich: Hier bin ich, hier bin ich! Mission gemäß den Umgangsformen dieses Gottes kann realistischer sein und mit Vergeblichkeit, Abkehr und den Reaktionen, die man früher Verstockung nannte, leben und glauben lernen. Der Aufruf zur Rechenschaft über die Hoffnung nach 1Petr 3,15f legt es dagegen eher nahe, sich die Erfolglosigkeit selbst zuzurechnen und damit den Trend zur Überindividualisierung noch weiter zu fördern. Der ungefragt nachgehende Gott steht dabei im unmittelbaren Kontext des 65. Kapitels des Prophetenbuches in einem scharfen Kontrast zu den sonst üblichen und anthropomorpheren Ideen von Rache und Verstoßung der Gottlosen und Abtrünnigen. Aber gerade die Alternative zum Kontext zeigt, worin das Wesen von Mission und Apologetik bestehen sollte. Den Realitäten soll eine neue Perspektive eröffnet werden, die dem scheinbar Unabänderlichen seine Wandelbarkeit zeigt. Das ist auch gegen den Augenschein, genauer noch, gegen die Erfahrung, notwendig. Diese neue Perspektive kann aber nur denkbar und glaubwürdig werden, wenn sie dafür zuerst adäquate Worte findet. Ausgehend von Jes 65,1 geraten dafür andere biblische Bilder und Vorstellungen ins Blickfeld, die Mission und Apologetik nicht unmittelbar begründen – das ist über einen mehr als zweitausendjährigen Abstand hinweg nicht möglich –, aber zur Sprachfindung beitragen und so die Sprach—————

168;; NOACK, Menschen, 3. Vgl. auch CHRISTIAN MÖLLER, Gemeindeaufbau, 129–132, der vom »›Erglauben‹« der kirchlichen Gemeinschaft spricht; ebd., 129: »Es ist vielmehr der Glaube an die Kirche, der Gelassenheit und Zuversicht gibt, so daß er sich auch gegen den empirischen Augenschein im Gemeindeaufbau auswirkt.«

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gestalten potenziell wandeln. In der Aussendungsrede in Lk 10,5 heißt es: Wenn ihr in ein Haus kommt, sprecht zuerst: Friede sei diesem Hause! Das ist das recht eindeutige und genaue Gegenteil von einer primären Defizitanalyse mit anschließendem, moralisch abwertendem Urteil. Der weitere Kontext von 1Petr 3,15f empfiehlt denn auch exakt jene Sprachreflexion, die aus Ps 34,13–17 wieder aufgenommen wird. In 1Petr 3,9–13 wird auf die Bedeutung der Wortarten abgehoben: Vergeltet nicht Böses mit Bösem oder Scheltwort mit Scheltwort, sondern segnet vielmehr, weil ihr dazu berufen seid, daß ihr den Segen ererbt. Denn, wer das Leben lieben und gute Tage sehen will, der hüte seine Zunge, daß sie nichts Böses rede, und seine Lippen, daß sie nicht betrügen. Er wende sich ab vom Bösen und tue Gutes; er suche Frieden und jage ihm nach. […] Und wer ist’s, der euch schaden könnte, wenn ihr dem Guten nacheifert? Die Kunst, das Gute zu sehen und darüber zu reden, muss also eigens geübt werden, in den Praktischen Theologien und in den Missionswissenschaften, in der speziellen kirchlichen Apologetik und im Alltag der Christen in der Welt. Damit ist gerade kein harmloses Gutmenschentum gemeint, sondern – so bezeugen es die kirchlichen Apologeten – provozierendes Verhalten, im Sinne von herausfordern und im engeren Wortsinne von hervorrufen. Das folgende Teilkapitel fragt nach den Möglichkeiten, das Bessere durch Zuschreibungen und Ansprachen zu provozieren. 3.3.4 Anreden Der relationale Charakter der Adressatennamen bringt es mit sich, dass die allgegenwärtigen Defizitunterstellungen, die infantilisierenden, militarisierenden oder moralisierenden Ausdrücke sich als vollständig ungeeignet für die aktuelle, d.h. regelmässig mündlich erforderliche Mission und Apologetik, erweisen. Vollkommen zu Recht warnt Gunda Schneider-Flume: Aber wir sollten es uns verboten sein lassen, Menschen, die Heilig Abend zum ersten oder auch zum einzigen Mal in den Gottesdienst kommen, verächtlich als Weihnachtschristen oder Randchristen zu bezeichnen oder sie gar in der Predigt zu Heilig Abend moralisch zu kritisieren.169

Dabei ist anzunehmen, dass Zuschreibungen wie Randchristen die moralischen Unterstellungen überhaupt erst initiieren. Denn schon der Weihnachtschrist ist so negativ konnotiert, dass es sich nicht so ins Homiletische übertragen lässt, dass davon ein auch nur nebensächlich einladender Effekt erwartet werden kann. ————— 169;;

SCHNEIDER-FLUME, Glaube, 180.

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Interessanterweise gibt es keinerlei Sprachtraditionen, die Freunde oder Förderer der Christenheit kennen, auch »Sympathisanten«170 begegnen einem sehr selten. In religionsgeschichtlicher Perspektive wäre z.B. an die Gottesfürchtigen im Judentum zu denken, d.h. an sympatisierende Menschen, die sich vermutlich in recht verschiedenen Intensitätsgraden zu den jüdischen Gemeinden hielten. Künftige Mission und Apologetik stehen daher vor der Aufgabe, brauchbare, weil homiletisch anschluss- und übersetzungsfähige Wortbilder, zu entwickeln, die auch den Praktischen Theologien zugute kommen können und umgekehrt. Die in Frage kommenden Begriffe sind darauf zu prüfen, ob sie das Gegebene, etwa soziale Zuschreibungen und Festlegungen, zu transzendieren beabsichtigen und es auch vermögen (1). Sodann ist zu untersuchen, ob sie auf die Bezeichnungswut verzichten können und von »Genauigkeit und Seele« geprägt sind (2). Diese Charakteristika sollen am gelegentlich vorgeschlagenen Wortspiel vom Gast illustriert werden (3), das sowohl in der Homiletik als auch in der Missionswissenschaft befürwortet wird. (1) Nach christlichem Verständnis sind Menschen nicht minderwertiger als sie glauben, sondern würdiger, angesehener und auch immer noch ganz andere, als sie von sich selbst wissen und wünschen. Darum ist den Menschen viel mehr zuzusprechen als sich nach dem Augenschein, vor allem aber auch nach der Erfahrung, nahelegt. Denn Defizite werden nicht dadurch kompensiert, dass man sie immer wieder repetiert oder allererst zuschreibt. Worauf Albrecht Grözinger für die gesamte Gesellschaft hinweist, gilt für die Christenheit, die in, mit und neben der Kirche lebt und glaubt, in zugespitzter Weise. Eine Gesellschaft, die den einzelnen Menschen immer mehr an Selbst- und Fremddefinitionsleistungen aufbürdet, macht die Frage nach gelingender lebensgeschichtlicher Vergewisserung zur Frage auf Leben und Tod. Dies macht die Brisanz dieser Individualisierungsprozesse aus.171

Die Sprachmacht der negativen Unterstellungen verbietet die Rede von »Taufscheinchristen«, »Randsiedlern«, »Fernstehenden« und »Karteileichen«.172 Die Sprachmacht der positiven Spekulationen sollte aber auch die bloße Fixierung auf das Vorhandene, vor allem auf die mehr vermuteten als ————— 170;;

E. WINKLER, Gemeinde, 60. GRÖZINGER, Kirche, 93. 172;; MÖLLER, Lehre 1, 101f, der die Abkehr von Defizitbeschreibungen mit Jesu Verhalten begründet: Vom so genannten Barmherzigen Samariter wird nicht wegen seines mangelhaften Glaubens, sondern auf Grund seiner überragenden Hilfsbereitschaft erzählt. Sein Name legt den Finger exakt in die Wunde ambivalenter Beschreibungen. 171;;

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gewussten, in praktisch-theologischen Missionsentwürfen aber immer breit geschilderten Bedürfnisse, Sehnsüchte und Wünsche verhindern helfen. Ernst Christian Achelis war schon vor einem Jahrhundert fortgeschritten in der Erkenntnis, dass die alte Sitte, die die Leute in die Kirche bewegte oder gar drängte, ausgestorben sei. Er sieht dennoch die Einheitlichkeit der Gemeinde durch die Identität des religiösen Bedürfens gewährleistet, das in sich sehr vielgestaltig an Intensität und Form sein kann. Die Ziele mögen variieren, ein »Dass« sei allen eigen.173 Abgesehen von den systematischtheologischen Gründen, dass das Einheitsstiftende am allerwenigsten in den Bedürfnislagen der Mitglieder zu suchen sein dürfte, ist eine solche Einheitsgarantie zu viel verlangt von einer auch von Achelis gesehenen großen und widersprüchlichen Bedürfnisfülle. Friedrich Niebergall schließt daher Bedürfnisbefriedigungsstrategien an modernen Menschen für missionarische Zwecke aus, weil dadurch zwei Ziele verfehlt werden. Die einen werden nicht gewonnen und die anderen fast notwendig vergrault. Er [der moderne Mensch, D.G.] will immer mehr abhandeln, und schließlich lacht er uns doch aus. Wir müssen uns dringend davor warnen lassen, daß wir nicht um derer willen, die nicht zur Kirche kommen und um die wir werben mit aller Kraft, die treuen Kirchenglieder unbefriedigt lassen, die an uns schon manches zu tragen haben, aber wenigstens ein Recht auf religiös-sittliche Vollkost besitzen. Nur nicht dem modernen Menschen nachschmachten und ihn mit Opfern an Wahrheit oder an Wahrhaftigkeit hereinnötigen, während die eigenen Leute oft recht stiefmütterlich behandelt werden!174

Diese Überlegungen sind auch nach einhundert Jahren aktuell und fortsetzungsbedürftig. Michael Meyer-Blanck hat dargelegt, wie die Individualisierung immer wieder zur nahe liegenden Versuchung führt, nur noch mit dem empirisch Nachweisbaren zu rechnen und es nicht mehr zu überbieten. Damit würde die Kirche nur das Vorhandene bestätigen, anstatt den Individuen Impulse und damit neue Möglichkeiten religiöser Selbstdeutung zu bieten und damit gerade das schuldig bleiben, was die Individuen von einer Institution religiöser Kommunikation erwarten: eine Wirklichkeitsdeutung, die ihr Konstituiertsein nicht durch sich selbst, sondern durch die sie tragende Wahrheit kommuniziert. Wenn Kirche, Religionsunterricht und christliches Privatleben nichts über das hinaus anzubieten haben, was es auch außerhalb davon an Religion gibt, dann werden sie überflüssig.175

Man kann vermuten, dass dem Trend zur Bestätigung und Verfestigung des Gegebenen ein falsch verstandenes Toleranz- oder Akzeptanzgebot zu ————— 173;;

Vgl. ACHELIS, Lehrbuch, Bd. 2, 121f. F. NIEBERGALL, Predigt 1905, 46f. 175;; MEYER-BLANCK, Rede, 421. 174;;

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Grunde liegt. Dem ist zu widersprechen und damit zu widerstehen: »Eine Akzeptanz, die die Menschen nur bestätigt, bleibt ihnen die Hilfe zur Veränderung schuldig.«176 (2) Christliche Mission und Apologetik bilden in ihrem Vollzug stets eigentümliche177 Sprachspiele aus. Im Bösen sind die Beispiele überreichlich. Im Guten sind Exempel zu statuieren und Präzedenzfälle zu schaffen. Das Nachdenken über diese Sachverhalte legt zunächst den Verzicht auf die dargestellten Varianten der neuzeitlichen Bezeichnungswut ohne Rücksicht auf die Gemeinten von Maulchristen bis hin zu den Konfessionslosen nahe, da diese Sprachkriege jegliche Missionsbemühungen notwendig und vollständig konterkarieren. Dadurch könnte wieder die Einsicht in die Leistungsfähigkeit genau interpretierter theologischer Begriffe wachsen. Albrecht Beutel hebt darauf ab, dass Martin Luther keine soziologischen Höreranalysen getrieben habe, sondern mit Hilfe fundamentaler theologischer Einsichten einen Menschen als Hörer des Wortes Gottes zu verstehen suchte.178 Oben war bereits die Spezialisierung der Kirchen auf Überschreitung des Vorfindlichen mit sozialwissenschaftlichem Vokabular gefordert worden. Diesen Sachverhalt verdeutlicht Grözinger im Anschluss an eine Predigt von Eduard Thurneysen noch einmal theologisch. Es geht nicht um das Kleinmachen des Menschen. Hier geht es nicht um die Kritik des Humanum. Hier geht es um ein Mehr; ein Mehr, das den Menschen erst als Menschen zum Leuchten bringt. Wer den Menschen nur aus sich selbst heraus denkt, denkt zu klein vom Menschen und von seinen Möglichkeiten. Wer den Menschen an seine Wünsche und Vorstellungen bindet, versagt ihm gerade die Möglichkeiten, die ihm zugedacht sind. Freiheit, das ist nicht das, was wir aus uns machen oder nicht machen. Freiheit ist das, was uns Menschen von Gott unveräusserlich und unverhandelbar zugedacht ist. Eine Perspektive, die unter den Vorzeichen einer verschärften Globalisierung mit ihren Freiheitsversprechen und Freiheitsversagungen noch einmal an Brisanz gewinnt.179

Der Vergleich beider Sprachen zeigt: Beide Sprachspiele müssen den Theologen zur Hand, zu Mund und vor Ohren sein. Derzeit hat das spezifisch Theologische das Recht auf größere Aufmerksamkeit als die ohnehin unentwegte »Mitsprache« nachbarwissenschaftlicher Fachausdrücke. Aber auf die Fähigkeit zur Übersetzung in beiden Richtungen kommt es um einer allgemeinen Verständlichkeit und Anschlussfähigkeit willen einerseits und um der Unterscheidbarkeit christlicher Sprachspiele andererseits an. Auf ————— 176;;

E. WINKLER, Gemeinde, 61f. Vgl. Kap. 2.3.3 zur Eigentümlichkeit der Sprache. 178;; Vgl. BEUTEL, Predigt, 525. 179;; GRÖZINGER, Gott, 172–178, Zitat 176f. 177;;

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diesem Wege wird auch der unübersetzbare Rest in beiden Richtungen zu Tage gefördert. So kann der Sinn dieser Differenzen zugänglich werden. Verstehen Theologien und Kirchen aber nur eine der beiden Sprachen, würden sie sich entweder als Verdoppler gesellschaftlicher Kommunikationsgewohnheiten überflüssig machen oder sich selbst ghettoisieren. In der Zeit, mit der Kraft und der Ausdauer, in der gewöhnlich die Traditionsabbrüche beklagt und dadurch nicht selten erst realisiert werden, wären Gelegenheiten, die Sprache und damit die Welt wieder zu bereichern mit Zweiflern und Angefochtenen. Die Gemeinden könnten aufmerksam gemacht werden auf die vielen Freunde und Förderer der Christenheit in ihren eigenen Reihen. Albrecht Grözinger erhofft, vermittelt durch Stephan Wehowsky und ursprünglich erdacht von Robert Musil, für die Predigten ein »Erdensekretariat der Genauigkeit und Seele«.180 Denn »alle anderen Aufgaben sind vorher unlösbar oder nur Scheinaufgaben!«181 heißt es bei Robert Musil im unmittelbaren Kontext dieses Zitats. Diese homiletischen Einsichten sind in die Missionstheologien zu übertragen. Unter Genauigkeit wäre nicht die Korrektheit von Durchschnittswerten zu verstehen, sondern die theologische Präzision, die vonnöten ist, um die Unverfügbarkeit des Glaubens und die Unabhängigkeit des Gegenübers zu wahren. Soll das Wort den Hörer ergreifen, muß der Prediger seine Finger von ihm lassen. Wer packend und zupackend zu predigen versteht, sehe zu, daß er sich nicht am Hörer vergreift. Der Hörer ist in Gottes, nicht in des Predigers Hand.182

Dabei ist zu betonen, dass die Eigenständigkeit des Hörenden nicht den neuzeitlichen Emanzipations- und Individualisierungsschüben geschuldet ist, sondern gewissermassen zum Standard biblischer Missionssprache gehört. Diejenigen, die mit dem christlichen Glauben bekannt gemacht werden sollen, werden auf genaue Weise nicht beschrieben. Mt 28,16–20 enthält eine seelenvolle Schilderung der zweifelnden Jünger, aber nicht ein charakterisierendes Wort, geschweige denn ein Urteil über diejenigen, die noch keine Jünger sind, es aber werden könnten. In Zeiten immer vollständigerer Freiheit und Freiwilligkeit, sich religiös zu orientieren, sind die missionarischen und apologetischen Sprachspiel—————

180;; DERS., Toleranz, 33 bezieht sich auf WEHOWSKY, Genauigkeit, und dieser wiederum auf MUSIL, Mann, 597. 181;; Ebd. 182;; BOHREN, Predigtlehre, 456. Schon damals gab es einen Streit über die Möglichkeiten der Hörerkenntnis. GÖTZ HARBSMEIER schrieb in seiner Rezension zur 1972 neuen Predigtlehre BOHRENS: „Man muß ja wissen, wer der ist, von dem man in der Predigt die Finger zu lassen hat, und warum gerade das notwendig ist.“ Vgl. HARBSMEIER, Homiletik, 489. Die Gegenrichtung der Argumentation ist zu verfolgen bei HARDING MEYER, Apologetik, 470–476, der genau den Hörer kennen will, v.a. diesen zuerst und dann erst die Sache, die es zu verkündigen gibt.

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übungen zu Gunsten beider Seiten zu konzipieren. Den einen werden intelligentes Selbstbewusstsein, den anderen Hochachtung und Respekt beschert: Ein kleiner Schuss Elitebewusstsein, neben aller Demut und Nächstenliebe, würde dem Glauben und den Gläubigen im 21. Jahrhundert nicht schaden. Es ist ja nicht mehr so wie vielleicht zur Zeit unserer Urgroßeltern, dass die Duckmäuser in die Kirche gehen und die Ausnahmemenschen gegen Gott rebellieren. Religiosität heute verlangt vielmehr eine Portion Nonkonformismus, ein etwas längeres kulturelles Gedächtnis, den Sinn für eine Dimension mehr in der Wirklichkeit. Kein Grund, die Nase hoch zu tragen, wohl aber den Kopf.183

Ein nonkonformistischer Stolz täte der Mission gut, denn wer selbstbewusst genug ist, hat es nicht länger nötig, die anderen abzuwerten und zu beschimpfen. Denn die Abgrenzungsapologetik184 ergibt sich auch vor allen Dingen aus dem mangelnden Bewusstsein bei sich selbst. (3) Albrecht Grözinger stellt in seinen homiletischen Überlegungen den »fremden Gast« als Beschreibung des impliziten Predigthörers vor.185 Fremde Gäste stehen vor den Türen der Freiräume und warten auf die Freizeiten, die entstehen, wenn man sich nicht länger der Bedürfnisbefriedigung der nur scheinbar Einheimischen verschreibt. Fremde in der Lebenswelt sind nicht von vornherein als defizitär zu begreifen, sie bereichern im Gegenteil das Dasein.186 Gäste sind der Inbegriff derjenigen Menschen, die man erwartet, mit denen man die Feste des Lebens feiert. Ohne positive Aufgeschlossenheit wird aber niemand erscheinen, auch und gerade nicht in der Kirche. »Wer von den Menschen nichts erwartet, von dem erwarten sie auch bald nichts mehr.«187 Auch in missionswissenschaftlich-globaler Perspektive werden der Fremde und der Gast verbunden: »Die Christenheit ist heute polyzentrisch, der einmal ferne Fremde kommt zu uns und möchte als geachteter Gast unter uns leben.«188

————— 183;;

ROSS, Gott, 2. Vgl. zu zwei Typen der Apologetik HUMMEL, Modelle, 6–8. Er unterscheidet abgrenzende von dialogisch orientierter Apologetik. 185;; GRÖZINGER, Toleranz, 21–24. GRÖZINGER bezieht sich für die Figur des »fremden Gastes« auf HANS WEDER, der die Metapher aber für die biblischen Texte gebraucht. Vgl. ebd., 22, und WEDER, Hermeneutik, 433. 186;; Vgl. GRÖZINGER, Toleranz, 22f. 187;; E. WINKLER, Gemeinde, 61. 188;; D. BECKER, Wein, 208. 184;;

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Theo Sundermeier hat darüber hinaus unter dem Stichwort Konvivenz die Gastfreundschaft als Paradigma für Mission entfaltet.189 Das Wortspiel Gast ist zu übertragen in die Ideenwelten von Mission vor Ort und von Apologetik. Es ist geeignet für die mündliche Mission, denn es ist ein hochschätzender Ausdruck – sowohl für den Schnupperkunden wie für den Andersgläubigen, die je und je aus gegebenen Anlässen doch eine christliche Kirder Gemeinschaft der Christen begegnen, die sich selbst nicht bezeichnen, die also nicht mit den ihnen eigenen Namen angesprochen werden können, wie es als missionstheologische Regel zuvor entfaltet worden war. Monika Wohlrab-Sahr und Gunda Schneider-Flume berichten und reflektieren eine Befragung zum Jahreswechsel 2000 am Leipziger Hauptbahnhof. »Auf die Frage danach, ob sie sich eher christlich oder eher atheistisch verstehen, antworten junge Menschen Anfang 20, denen die Rede von Gott unbekannt ist, nüchtern: ›Weder noch, normal halt‹.«190 Schneider-Flume beschreibt eindringlich den fatalen Glauben an scheinbar und radikal gar nichts. Diese jungen Menschen sind und bleiben willkommene Gäste unter den Christen. Es gibt keinen Grund, sie nicht mit wohlgehüteter Zunge anzusprechen. Insbesondere Aggressionen und ihre Ausdrücke wären mehr als fehl am Platz. Die Rolle von Gastgebenden unterscheidet sich auch signifikant von moralischen Lehrern oder militärischen Oberbefehlshabern, aber auch von den Sprachlosen, die zum Ausgleich wortgewandt nach Fehlern und Mängeln suchen. Um Gäste bemüht man sich in hervorgehobener Weise, nimmt Rücksicht auf ihre Fremdheit, aber gerade nicht so, dass man sich selbst verleugnet oder um sofortige Vereinnahmung bemüht ist, sondern seinen Glauben und seine sichtbaren Konsequenzen vorlebt. Dann wird die von Friedrich Schleiermacher in seiner Vorlesung zur Praktischen Theologie vorgeschlagene Mission durch Wahlanziehung allererst denkbar und realistisch. Nichts anderes sei notwendig, »als ein gesunder, lebendiger und kräftiger Zustand in den Grenzregionen des Christentums.« In Weiterentwicklung dieses Vorschlages ist der Ort der Christenheit in der globalisierten Welt insgesamt als Grenzregion zu rekonstruieren.191 Der folgende Abschnitt geht den systematisch-theologischen Gründen für Selbstbewusstsein und Bescheidenheit in der Gastgeber- und dem realistischen Respekt vor der Gastrolle nach, so dass nicht neue Dualismen entstehen und alte aufgehoben werden. ————— 189;;

Vgl. SUNDERMEIER, Mission, 271. SCHNEIDER-FLUME, Glaube, 211, in Weiterführung von WOHLRAB-SAHR, Religionslosigkeit, 152. 191;; Vgl. SCHLEIERMACHER, Theologie, 423. 190;;

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3.3.5 Dialektik des simul iustus et peccator Alle defizitverschärfenden, infantilisierenden, militant-kämpferischen und moralisierenden Sprachkriege können nur geführt werden, wenn dazu kategoriale Dualismen konstruiert werden, die die Einen von den Anderen nicht nur unterscheiden, sondern signifikant trennen: die Missionare von den Heiden, die Gläubigen von den Ungläubigen. Die sprachlichen Gewänder sind zahllos. Diese Polarisierungen widersprechen grundlegenden theologischen Einsichten, sind aber in den Missionstheologien und apologetischen Entwürfen bis in die Gegenwart immer aufwändig gepflegt worden. Das gereichte allen Beteiligten sehr zum Schaden, ganz gleich, welche Aufteilungen man vornahm. Die nicht ontologischen, sondern relationalen Interpretationen des zugleich glaubenden und ungläubigen Menschen vor Gott als simul iustus et peccator192 sollen dabei nicht als schlechte Stellvertreter die Auswertung empirischen Datenmaterials ersetzen oder das Studium der in sich pluralen Zeitgenossenschaften im Keim ersticken. Sie müssen aber daraufhin untersucht werden, ob es dem als antagonistisch Dargestellten nicht einen erheblichen Perspektivenwechsel verschaffen kann, der zur Überwindung der Dualismen zum beiderseitigen Vorteil führt. Dualistische Strukturen zur Einteilung der Menschheit oder der Christenheit sind überschaubar, reduzieren Komplexität und haben konsensfähige Sprachgewohnheiten nicht erst in der Neuzeit entwickelt. Sie sind aber dennoch theologisch zu kritisieren. Christian Möller zitiert zur Verdeutlichung des von ihm äußerst scharf kritisierten Sachverhalts für den Gemeindeaufbau Alexander Solschenizyn: Wenn es nur so einfach wäre! – daß irgendwo schwarze Menschen mit böser Absicht schwarze Werke vollbringen und es nur darauf ankäme, sie unter den übrigen zu erkennen und zu vernichten. Aber der Strich, der das Gute vom Bösen trennt, durchkreuzt das Herz eines jeden Menschen. Und wer mag von seinem Herzen ein Stück vernichten? Während der Lebensdauer eines Herzens bleibt dieser Strich nicht unbeweglich, bedrängt einmal vom frohlockenden Bösen, gibt er dann wieder dem aufkeimenden Guten freien Raum. Ein neues Lebensalter, eine neue Lebenslage – und ein und derselbe Mensch wird ein sehr anderer. Einmal dem Teufel näher und dann auch wieder einem Heiligen. Der Name, ja, der bleibt, und ihm wird alles zugeschrieben.193

Möller sieht es geradezu als Teufelswerk an, dass sich jene, die sich für Gläubige halten, einreden, sie seien gewissermassen kraft eigener Willkür Glaubende und könnten sich von Ungläubigen abgrenzen und der Mission ————— 192;; 193;;

Z.B. LUTHER, WA 56, 70, Z. 9f. SOLSCHENIZYN, Archipel, 167 zitiert nach MÖLLER, Lehre 1, 125.

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dadurch eine von Menschen zu bestimmende Richtung geben.194 Der diabolische Verdreher ist trotz aller widersprüchlichen Erfahrungen mit ihm doch konsensfähig ein »älterer Herr«, d.h. die dualistischen Betrachtungsweisen sind keine spezifisch spätneuzeitlichen Erscheinungen.195 Auch die Skepsis gegenüber Dualismen als Denkprinzip ist älter als Odo Marquard und – darauf kommt es an – auch älter als das Christentum. Damit ist die Mehrzahl der Phänomene, die zu Mission führen, auch nicht Symptom einer einzelnen, geschweige denn neuen und nie dagewesenen Krise. Sie sind bleibende Herausforderungen, die den Glauben nicht nur seit seinen Anfängen begleiten, sondern ausmachen. Wenn Matthäi am Letzten weiter als Beitrag zur Missionskommunikation verstanden werden soll, dann um des Zweifels der Jünger willen, der mit der Anbetung gleichurspünglich dargestellt wird (V. 17). Dadurch entdramatisieren sich viele missionarische und apologetische Aktionsprogramme. Sie lassen gleichzeitig Fragen nach kontinuierlicheren und kontinuitätsstiftenden, d.h. auch die Moden, Trends und Zeiten überdauernden Kommunikationszusammenhängen, etwa nach der chronisch unmodernen Predigt, aufkommen. Dualismen sind dialektisch weiterzudenken und auf diesen Wegen aufzuheben. Die Dualismen werden nur scheinbar überwunden, wenn der über das 19. Jahrhundert hinaus beliebte Fortschrittsgedanke oder der Wettbewerbsgedanke an die Stelle des bleibenden Glaubens und Unglaubens gestellt werden. In diesem Sinne versteht z.B. Johannes Meyer die Gottesdienstgemeinde als »Sammlung von Menschen verschiedener christlicher Reife«.196 Zu den dialektischen Entwürfen gibt es in den Praktischen Theologien, vor allem in homiletischen Theorien, einen so breiten Argumentationsstrom, dass er hier nur exemplarisch und in seinen schönen Sprachbildern wiedergegeben werden kann, um für die gegenwärtigen Diskussionen um Mission und Apologetik wesentliche Impulse zu geben. Wenn die »endlos diskutierte Frage, ob die Gemeindepredigt ebenfalls Missionspredigt sein solle und müsse«197 nur den umfassenden Zweck erfüllt hat, die vorherigen Einseitigkeiten zu überwinden, haben sich Intensität und Dauer der Debatten des 19. Jahrhunderts gelohnt. Dabei lässt sich beobachten, dass Ansätze, die weniger Resonanzen und Renaissancen erfahren haben, oft in der Einsicht in das Dialektische fortgeschrittener waren als die prominenteren. ————— 194;;

Vgl. MÖLLER, Gemeindeaufbau, 56f. Vgl. ROSENAU, Auseinandersetzung, 365–367. 196;; J. MEYER, Grundriß, 117. 197;; WINTZER, Homiletik, 98. 195;;

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Das Dividuelle christlicher Identität führt beim Literaturwissenschaftler und Theologen Alexandre Vinet zu einer vertieften Auseinandersetzung mit Friedrich Schleiermacher. Er gelangt zur homiletischen Erkenntnis, dass eine einzelne Predigt auf die je punktuell ganz Verschiedenen angemessen wirken kann. Angesichts von immer weitergehender Ausdifferenzierung soll damit an die immensen Potenzen zur Diversifikation und Pluralisierung einer einzigen Predigt durch das vielfältige und widersprüchliche Rezipieren der Anwesenden im Gegensatz zum eher hoffnungsloseren Versuch, mit möglichst vielen Predigten der Pluralität der Hörenden zu entsprechen, erinnert werden. Uebrigens hat der Geistliche nicht zwischen diesen beiden Klassen abzuwechseln und seine Rede und Reden unter sie zu vertheilen. Die beiden Zwecke der Predigt sind nicht so scharf von einander getrennt: […] Es sind die fetten Weiden, die sanften Hürden des Propheten, deren Gras die gesunden Schafe nährt und die kranken heilt (Hes. 34,14–16). […] Warum sollte nicht auch eine esoterische Predigt die Draußenstehenden bekehren können, wenn es erwiesen ist, daß die bloße Anschauung des christlichen Lebens viele Seelen für das Evangelium gewinnt? Anfangs ist man überrascht und vieles scheint unbegreiflich; aber man ist auch über die Schönheit und Einheit der Resultate erstaunt und wird veranlaßt, die Ursache davon aufmerksamer zu erforschen. Eine so beschaffene Predigt übt einen unwiderstehlichen Reiz aus.198

Eine einzige Predigt kann »wechselweise, den zur christlichen Wahrheit zu führen, der noch nicht an sie glaubt, und sie denen näher zu erklären oder auf sie anzuwenden, die sie bereits anerkannt haben.«199 Diese »Doppelschichtigkeit« beobachtet Friedrich Wintzer auch bei Theodosius Harnack und folgert: »Sie entspricht in gewisser Weise responsorisch der Zweieinheit von Glaube und Unglaube der Hörer.«200 Die aufspaltende Analyse dieser Zweieinheit ist Predigenden, Homiletikern und Missionswissenschaftlern vor- und rücksichtsvollerweise, also theologisch »gnädig« vorenthalten. Martin Rade betont entsprechend, dass Menschen gewonnen und nicht kritisiert werden sollen für Geschehen und Situationen, die man ihnen unterstellen muss, weil man sie nicht sehen, messen und auch nicht erfahrbar machen kann. Der letzte Punkt ist besonders für die Gegenwart mit ihrer Vorliebe für Erfahrungen nachdrücklich zu betonen. Denn die Brüder, die jetzt draussen stehen und auf diesem neuen Wege gewonnen werden sollen, sind in Wirklichkeit nicht die »Ungläubigen« und »Unchristen«, wofür die Kirchlichen sie halten. Zwar ist das Christliche ein Spezifisches, näher ein wesentlich Uebernatürliches. Aber die spezifisch christlichen Vorgänge und Zustände

————— 198;;

VINET, Homiletik, 15–17. Ebd., 14. 200;; WINTZER, Homiletik, 93, mit Bezug auf TH. HARNACK, Idee, 57. 199;;

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sind durchaus nicht an denjenigen Merkmalen sicher erkennbar, welche die dogmatische und überhaupt die kirchliche Ueberlieferung aufstellt.201

Gleichwohl ist auf die Erfahrbarkeit des Glaubens als regulativer Idee zuzustreben. Dabei trifft man auf eine liberal-fundamentale Beschreibung von Mission und Apologetik: Was also tut den unbewussten Christen not, damit sie bewusste werden? Erstens ganz gewiss nicht Verkürzung des Inhalts der Predigt oder des Bekenntnisses, wie wenn die Welt für den Mindestbietenden zu haben wäre. Im Gegenteil: mehr Inhalt, mehr Tradition, mehr Bekenntnis!202

Rade versucht daneben im selben Moment, also schon 1905, die sich verselbstständigende, wortwirkmächtige Rede von »unbewussten Christen« zu korrigieren: Wie es zu gehen pflegt, hat das Schlagwort [des unbewussten Christentums, D.G.] keineswegs die Reinheit des Begriffs bewahrt […]. Insbesondere vergass man auf Seiten der Freunde wie der Gegner des Wortes leicht, dass für Rothe nur da von unbewusstem Christentum die Rede sein konnte, wo Wirkungen Jesu Christi als zu Grunde liegend nachweisbar oder doch zu vermuten waren. Das heisst also in der Regel nur bei Getauften und durch die Taufe der Kirche bereits zugeführten Mitgliedern. Leicht konnte man dazu kommen, auch edle Menschen, die als Juden, Lichtfreunde, Dissidenten aller Art dieses äusseren Zusammenhangs mit der Kirche entbehrten, um ihres Edelsinns willen als unbewusste Christen, ja als bessere Christen anzusprechen.203

Nach einem knappen Jahrhundert Streit um Missions- und Gemeindepredigt hat Paul Kleinert zur selben Zeit aussagekräftige Enthaltsamkeit gegenüber allen simplifizierenden Mächten der Einseitigkeit geübt: Obwohl ins Kultusleben der Gemeinde eingegliedert, kann sie [die Predigt, D.G.] doch des missionarischen Elements nicht völlig entbehren, so gewiß das Heidentum nicht bloß eine Größe draußen vor den Toren ist, sondern im natürlichen Herzen des Menschen, auch des Christen, überall seinen Sitz hat und diesen mit Zähigkeit zu behaupten trachtet. Das Wort: »Ich glaube, Herr, hilf meinem Unglauben« (Mc 9,24) ist die bleibende Signatur des Menschen; sie darf von der Predigt nicht übersehen werden.204

Diese Erkenntnis hat an den Anfängen die Apologetische Centrale mindestens gestreift: »So geht im Grunde die Linie zwischen Glauben und Wissen gar nicht, wie oberflächliche Beobachtung meinen könnte, zwischen dem ————— 201;;

RADE, Christentum, 7. Ebd., 19f. 203;; Ebd., 21. 204;; KLEINERT, Homiletik, 11. 202;;

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Christen hier und dem Nichtchristen dort, sondern durch jeden Christen mitten hindurch.«205 Aber es ist überaus verständlich und nachvollziehbar, dass sich in einer Kommunikationsatmosphäre von außen zugeschriebener, häufig feindlicher Dualität diese Dialektik zu Gunsten eines viel einfacheren, offensichtlicheren und erfahrbareren Dualismus’ nicht durchsetzen konnte. Friedrich Karl Schumann hatte daraus die allgemeine Forderung abgeleitet, dass es notwendigerweise auf die »kritische Beherrschung der Begriffssprache ihrer Zeit«206 für die Kirche ankomme. Die Theologie, die ablehnend und zustimmend »dialektisch« genannt wurde, bemühte sich intensiv um ein zweieines Menschenverständnis. Karl Barth war überzeugt: »[D]ie Kirche sieht den Menschen wie er ist: in der ganzen Zerklüftung seines Wesens zwischen Engel und Tier«,207 wendet aber ein: »Aber auf das alles redet ihn die christliche Predigt nicht an.«208 Predigt glaubt a priori nicht an die Gottlosigkeit, die Unwissenheit, die Sünde, den Widerspruch des Menschen. […] Nicht weil er [der Prediger, D.G.] nun törichterweise an ein Gutes im Menschen glaubte, oder gar an sein unbewußtes Christentum. […] Er glaubt sage ich, ohne zu sehen, wie aller Glaube, auf das Wort hin, wahrlich ohne die geringste Illusion über den Menschen, aber durch das Wort in die Unmöglichkeit versetzt, etwas anderes zu glauben.209

Damit ist der theologische Grundstein gelegt, um einer dualistisch angestachelten Selbstüberhebung zu entgehen. Siegfried von Kortzfleisch betont, dass »nichts uns berechtigt, in arroganter Selbstgefälligkeit als die Habenden den Nichthabenden gegenüberzutreten. In unserer eigenen Brust widerstreiten Glaube und Glaube. Das Gegenüber ist in jedem Menschen.«210 Aber sprachlich verrät auch von Kortzfleischs Zitat, wie denkgewohnt das Schema »wir und die anderen« ist. Erst bei einer zweiten Lesung fällt auf, dass er sich zu denen zählt, die »Wir« zu sein behaupten, auch wenn sie nichts haben, was sie für diese Mitgliedschaft qualifiziert. In denkbar große Nähe rückt Eugen Biser Glaube und Unglaube, entsprechend den biblischen Aussagen von Mk 9,24: Ich glaube, hilf meinem Unglauben! Er fragt nach der genuin theologischen Herkunft des Atheismus.211 Der reformatorischen Tradition des simul iustus et peccator hat jüngst Bernard Reymond mit Bezug auf Paul Tillich eine Renaissance ver————— 205;;

SCHUMANN, Wege, 307f, zitiert ohne Seitenangabe aus SCHWEITZER, Antwort. Ebd., 308, Hervorhebung D.G. 207;; BARTH, Menschenwort, 108. 208;; Ebd., Hervorhebung im Original. 209;; Ebd. Vgl. ebd., 109: »Die Kirche muß den Mut und die Demut haben, den Menschen besser zu verstehen als er sich selbst versteht.« 210;; KORTZFLEISCH, Wege, 385, Hervorhebung D.G. 211;; Vgl. BISER, Gott, 10f. 206;;

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schafft: »In Auf der Grenze hat Paul Tillich sehr schön gezeigt, dass die Grenze zwischen Glaube und Unglaube nicht zwischen den Menschen, aber innerhalb unserer selbst und innerhalb der Kirchen läuft.«212 Wenn aber die Verteilung von Heil und Unheil weniger eindeutig ist, müssen auch die fundamentalen, missionarischen und apologetischen Wortwahlen differenzierter werden. Hörende einer Predigt sind dann nicht – nicht einmal im Geiste – zu unterteilen in Gemeinde und Gäste. Sie sind vielmehr vorzustellen und anzusprechen als von Gott konstituierte Gemeinschaft von Gästen: Wenn die Predigt den fremden Gästen gilt (und aus solch lebensweltlich fremden Gästen besteht heute auch das, was früher einmal »Kerngemeinde« hieß!), dann muss die Predigt selbst zur gastlichen Predigt werden. Gastliche Predigt will den fremden Gästen Raum gewähren.213

Fremdheit ist eine relationale Bestimmung. Auch da, wo Kirchen allzu heimatlich werden, ist Gott das bleibend fremde Gegenüber, der die Mission ausrichtet. Unter Menschen aber gilt das Gebot, nicht zu richten aus mindestens zwei Gründen. Erstens ist es mehr als fraglich und theologisch unsachgemäß, ob jemand selbst den Kriterien genügen kann, die er aus missionarischem Impetus anderen vorschlägt (nach Mt 7,1). Zweitens aber gilt es nicht zu richten, weil es für die Mission nichts bringt, weder zusätzliche Erkenntnisse, geschweige denn Erfolge. So lehrt es die Missionsgeschichte. Höchstens wird forciert, dass aus Zweifeln Verzweiflung erwächst und aus Sprachlosigkeit unumkehrbare, einsam machende Privatisierung religiöser Fragen oder gar Verstockung. Mission und Apologetik als Mitteilungen des Glaubens haben daher keine individuell und willkürlich zu begrenzenden Adressatenkreise, sondern gelten allen, den Missionaren und Apologeten selbst aber zuerst. 3.3.6 Eigenartige Gemeinschaften Im Blick auf einzelne Menschen gilt nach dem über simul iustus et peccator Ausgeführten, dass es anderen Zeitgenossen, und seien es auch Kirchenmitglieder in verantwortungsvollen und leitenden Positionen, nicht obliegt, irgendjemanden in Gläubige, Halb-, Wenig- und Ungläubige zu unterteilen und gemäß ihren selbstgeschaffenen Unterstellungen zu behandeln. Das soll aus zwei Gründen nicht geschehen; einmal, weil uns die Beurteilung entzogen ist und sodann, weil die Unterteilung in sich falsch ist und in jedem Individuum anzutreffen ist. ————— 212;;

REYMOND, Kommunikationskultur, 269, Hervorhebung im Original. GRÖZINGER, Toleranz, 23.

213;;

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Diese Überlegungen sind nun auf die christlichen Gemeinschaften anzuwenden, die schon existieren und – in missionarischer Perspektive – erhofft werden. Der Begriff christliche Gemeinschaften bezeichnet im Folgenden alle denkbaren Größen: von Kirchenbünden wie der EKD über Kirchen und Gemeinden bis hin zu Gemeindegruppen und kleinsten Kommissionen und Ausschüssen, die beispielsweise überaus wirksam arbeiten, weil sie Leitbilder formulieren oder Visionen fixieren. Welche Vorstellungen von Gemeinschaften überhaupt bestehen im Blick auf missionarisch-ekklesiologische Möglichkeiten, soll hier erörtert werden. Wie entwickeln sich gefundene und gestaltete Gemeinschaften, die per definitionem nicht homogen, begrenzt und doch programmatisch sind und orientierend wirken?214 Dazu ist noch einmal die Individualisierungsthese gegen ihre scheinbare Allerklärungsmacht in ihren Beschränktheiten zu erläutern und gerade Gemeinschaften als unabdingbare Voraussetzungen von Individualität zu skizzieren (1). Speziell christliche Gemeinschaften sind nicht nur auf Grund der neuzeitlichen Individualisierungen, sondern vor allem aus theologischen Gründen als disparat und inhomogen, d.h. nicht durch Gleichgesinntheit der Beteiligten, sondern überindividuell und auch das Soziale transzendierend konstituiert (2). Die externe Konstituiertheit hat einen radikalen Themenwandel bei missionarischen und apologetischen Intentionen zur Folge (3). Abschließend wird dargelegt, wie Gemeinschaften überindividuell vorgegeben bleiben, auch wenn forciert gewählt wird oder, ganz im Gegenteil, Wahl- und Entscheidungsenthaltsamkeit geübt werden (4). (1) Zuvor215 war gezeigt worden, dass vorausschauendes Nachdenken über künftige Sozialität in den missionstheoretischen Diskussionen selten ist. Die Hoffnungen richten sich eher unbestimmt darauf, dass es wieder »mehr« werden sollten oder die Vorhandenen »mehr« glauben und »mehr« Glauben leben sollten. Weil nichts Genaueres dargelegt wird, scheint es um eine quantitative Mehrung der Vorfindlichen zu gehen, die aber gleichzeitig als äußerst kritikwürdig erscheinen. Die durch eine Mehrung exponentiell zunehmenden Relationen und intersubjektiven Bezüge werden kaum näher charakterisiert. Nach dem schmerzlichen Abschied von allen absoluten Objektivitäten, die als Schein entlarvt sind, ist Intersubjektivität bislang kein ausdrückliches Thema geworden. Die relationalen Zusammenhänge, z.B. wenn makabre, zynische und menschenverachtende Ausdrücke auch selbstreferentiell diffamierend wirken, werden auf der sprachlichen Ebene tendenziell vernachlässigt. Es hat sich kein überzeugendes Gemeinschaftsverständnis entwickelt. ————— 214;;

Vgl. zum Ganzen KOHLER, Absicht, 23–80. Vgl. Kapitel 2.3.5 zur Intersubjektivität.

215;;

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Seit das in sich problematische Paradigma von der Säkularisierung durch die Inanspruchnahme der scheinbar alles erklärenden Individualisierung ersetzt wurde,216 geraten Überlegungen zu möglichen Sozialgestalten nur noch sekundär, tertiär oder gar nicht mehr in den Blick. So entstehen Vorstellungen von Mission und Apologetik, bei denen einzelne Christen mit einzelnen Menschen über ihren Glauben und innerhalb ihres Wirklichkeitsverständnisses kommunizieren, mit der höchstmöglichen Erwartung, dass diese dann wieder einzeln und je für sich ihren neuen Glauben wiederum an andere Individuen weitersagen. Gemeinschaftliche Glaubenskommunikation, wie sie etwa im Gottesdienst anzutreffen ist, erlangt damit nicht die Gunst von genauerer Aufmerksamkeit. Reiner Preul lässt diese Achtlosigkeit am vielgenutzten Freiheitsbegriff offenbar werden: »Die Sozialität des Menschen, der Sachverhalt, dass menschliches Leben nur als gemeinschaftliche Praxis, als Interaktion gelingen kann, kommt dabei erst nachträglich ins Spiel: als einschränkende Bedingung der Freiheit des Einzelnen.«217 Die Individualisierungsschübe seit dem 19. Jahrhundert sind häufig charakterisiert worden und haben einen übereinstimmenden, aber nicht kleinsten gemeinsamen Nenner, sondern größten gemeinsamen Teiler. Es ist die große und disparate Menge der Individualisierten. Es sind immer viele Verschiedene, sehr viele, zu viele, um ihnen ausschließlich auf individualisierten Wegen begegnen zu können. Dennoch wurden meist rein individualistische und kasuistische Auswege gesucht. Bei Nitzsch war das in der speziellen Seelsorgelehre in Verbindung mit apologetischen Themen der Fall. Das führte regelmäßig zu einer heillosen Überforderung der individuellen Potenziale des Pfarrerseins. Auch in den gegenwärtigen Renaissancen des Missionsthemas ist diese Gefahr nach wie vor latent vorhanden und akut drohend.218 Selbstverständlich werden sich immer nur einzelne Menschen vom christlichen Glauben oder vom christlichen Leben oder von beiden begeistern lassen. Das ist spätestens seit Augustins Zeiten überliefert. Aber der Glaube kann nicht nur individuell, sondern muss auch in den gegebenen Gemeinschaften, d.h. von Einzelnen zugleich für Viele, kommuniziert werden. Das ist u.a. im Gottesdienst, im Unterricht und auch in literarischen Versuchen der Fall. Einer oder eine spricht oder schreibt. Erreicht werden ————— 216;;

Vgl. POLLACK, Individualisierung, 57–63. PREUL, Gott, 74. 218;; Vgl. ein Beispiel für viele: EKD-KIRCHENAMT, Evangelium, 7, wird vorgängig festgehalten, dass »nicht ein zusätzliches Aktionsprogramm« aus der angestrebten Mission werden soll, aber 27–41 wird eine Fülle von aktionistischen Programmen aufgelistet, die nicht anders als zusätzlich zu interpretieren sind. 217;;

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einige oder gar viele, meist vollständig Verschiedene, was auch die Wirkungen einer Rede oder eines Textes erheblich diversifiziert. Die Individualisierungsthese ist aber auch in ihrer Kraft, alles Mögliche zu erklären, viel weniger allmächtig als zumeist angenommen. Detlef Pollack hat gegen den religionssoziologischen common sense die Beschränktheit der Individualisierungsthese in zwei wesentlichen Hinsichten hervorgehoben. Zuerst fällt in Umfragen und statistischen Erhebungen auf, dass es stark individualisierte Positionen in religiösen Fragen wesentlich unter den Hochverbundenen und unter den Konfessionslosen gibt. Alle mittleren Positionen speisen sich zunehmend aus traditionellen und standardisierten Stereotypen.219 So nehmen seit ca. zwanzig Jahren konventionelle und kontinuitätsschätzende Gründe für Kirchenmitgliedschaft zu Ungunsten individueller Entschiedenheit und Entscheidungsfreudigkeit zu.220 Die Mächte der intergenerationellen Gewohnheiten werden gegenüber den Kräften der Individualisierung stark unterschätzt. Sodann darf nicht verkannt werden, dass sowohl höchst individualisierte, privat genannte Formen von Religiosität und Spiritualität, als auch die so genannte Konfessionslosigkeit in den knapp zwanzigjährigen und damit immer noch neuen deutschen Bundesländern immer sozial, d.h. über verschiedene Formen und Größen von Gemeinschaften, vor allem den intermediären, vermittelt und gestaltet sind.221 Die drei Gestalten neuzeitlichen Christentums, nach Dietrich Rössler als individuell, kirchlich und gesellschaftlich unterschieden,222 hängen voneinander ab und bedingen sich gegenseitig. Gerade individualisierte Religion hat »ohne Institution und Überlieferung religiöser Deutungskulturen«223 keinen Bestand. Jegliche Individualität setzt bildende Gemeinschaften voraus. Darüber hinaus liegt der nicht erst neuzeitliche Witz des Privaten in der Neigung, das ganz Private, geradezu Intime, als Privates zu veröffentlichen, d.h. einer größeren Gemeinschaft zugänglich zu machen. Diese Veröffentlichungsstrategien dienen nach Rüdiger Sachau der Verifikation und dem Erheischen von Zustimmung zu eigenen, fragwürdigen Entscheidungen —————

219;; Auf den stark verzerrenden Sachverhalt, dass gelegentlich überhaupt nur Stereotypen erfragt werden, war oben schon hingewiesen worden. 220;; Vgl. POLLACK, Individualisierung, 76f. 221;; Vgl. NÜCHTERN, Kirche, 21. 222;; Vgl. D. RÖSSLER, Grundriß, IX (Gliederung). 223;; Vgl. EKD-RAT, Freiheit, 16f, mit empirischem Zahlenmaterial von Aus- und Eintritten. Vgl. auch GRÄB, Theologie, 86f. Er folgert, dass es mehr über die individuell gelebte, in die Gegenwartskultur integrierte Religion zu wissen gäbe. Vgl. ebd., 84: GRÄB unterscheidet ähnlich individuelles, institutionelles und gesellschaftlich diffundiertes Christentum.

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angesichts von vergleichgültigend empfundenen Relativismen.224 Gerade die Kundgebungen des Privaten sind eher Ausdrücke von Standardisierungen und Homogenisierungen als von Einzigartigkeiten und Originalitäten. Die umfassende Wahrnehmung von Individualisierung gehört zu den größten, ihrerseits vereinheitlichenden Rekonstruktionsleistungen der Gegenwart. (2) Interessanterweise geht damit ein ebenso gesteigerter, aber wenig veröffentlichter und unerfüllbarer Einheitsanspruch innerhalb von Gemeinschaften einher. Niklas Luhmann erklärt den daraus hervorgehenden Reiz jeglicher Fundamentalismen: Gleichgesinntheit ist in der modernen Gesellschaft eine Ausnahmeerscheinung, eine überraschende, eine erfreuliche Erfahrung, die den Einzelnen dazu führen kann, sich einer Gruppe anzuschließen, in der man mit Wiederholung dieser Erfahrung rechnen kann.225

Auf diese Weise dürfen sich christliche Gemeinschaften aus evangelischem Prinzip nicht verstehen. Der alte Streit, ob CA VII und VIII oder Barmen III die passendere Kirchendefinitionsgrundlage bietet, muss hier einmal nicht entschieden werden, weil in beiden Bekenntnistexten die Konstitutiva der Kirche gerade nicht in der Gleichgesinntheit oder Ähnlichkeit der Versammelten, sich selbst Dazuzählenden oder von anderen Dazugerechneten, gesehen werden. Die anzutreffenden Inhomogenitäten werden systematisch-theologisch genau dargestellt. In der dritten Barmer These wird die Kirche als eine der »begnadigten Sünder«226 bestimmt. In CA VIII ist die Disparatheit der Beteiligten noch deutlicher hervorgehoben, wenn Kirche als »congregatio sanctorum et vere credentium, tamen, cum in hac vita multi hypocritae et mali admixti sint«,227 beschrieben wird. Die Bekenntnisaussagen von CA VIII treffen uneingeschränkt die Versammlungen der Christen, die so genannten Kerngemeinden und die immer Engagierten. Es ist eine Versammlung, die ein corpus permixtum (CA VIII) von Heiligen und Heuchlern, von distanzierten und engagierten Christen, von An- und Abwesenden, von Zweifelnden und Gläubigen darstellt. Weite und Enge bemißt sich allein an dem Lauf jenes Wortes, das nicht leer zurückkommt und Nähe wie Ferne in der Gemeinde jeweils neu verteilt […], auch gegen den Widerspruch des gläubigen oder ungläubigen Augenscheins; aber auch gegen den Anschein einer glänzenden oder vernichtenden Statistik.228

————— 224;;

Vgl. SACHAU, Kultur, 152f. LUHMANN, Religion, 295. 226;; NIESEL, Bekenntnisschriften, 59f, Hervorhebung im Original. 227;; CA VIII, in: BSLK. 228;; MÖLLER, Lehre 1, 131. 225;;

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Auch die Größe oder Kleinheit einer christlichen Gemeinschaft ändern nichts an ihrem Zustand als corpus permixtum. Über alle Anderen, die daneben sind, wird wohlweislich nicht geurteilt. Das Wesen der Kirche kann folglich ohne die Feststellung der allgemeinen Schlechtigkeit der Welt hinreichend bestimmt werden. Ein corpus permixtum aber kommt nicht als einig handelndes Subjekt in Frage,229 auch wenn das ein gut genährtes und gepflegtes Wunschdenken ist. Die anzustrebende Gemeinschaft kann gerade nicht auf der Homogenität der Teilnehmenden fußen. Es entsteht im optimalen Fall eine Unterschiede schätzende Gemeinschaft. Michael Welker hat das Pfingstereignis entsprechend als »eine differenzierte und die Differenzen erhaltende Gemeinschaftserfahrung«230 interpretiert. Keine Einheitssprache, sondern Kommunikationsmöglichkeiten und – das ist das Wunder – Verstehen der vielfältigen Sprachen werden zu Pfingsten gestiftet. Dem Wirken des Geistes sei es zu verdanken, wenn sich eine Gemeinschaft konstituiert und Spannungen nicht nur aushält, sondern allfällige Differenzen als erwünscht und hilfreich pflegt.231 Auch das wenig klare Ziel der Missionstheorien, eine größere Gemeinschaft zu werden, sollte nicht von einem Mehr an Ähnlichen oder gar gleichartig Glaubenden und Handelnden ausgehen. Mission und Apologetik werden in pluralistischen Zeiten immer größere Unterschiede zwischen den Beteiligten pflegen müssen, um der Gemeinschaft und den Einzelnen gerecht zu werden. Eine ausgeprägte Differenzkultur gehört dann nicht zu den luxuriösen Adiaphora, sondern zu den heilsamen Notwendigkeiten. Durch den Geist werden die verschiedenen Wege und Formen, in denen die verschiedenen Menschengruppen, Zeiten und Kulturen den Zusammenhang von Recht, Erbarmen und Gotteserkenntnis zu verwirklichen suchen, offen und verletzlich füreinander gehalten. Gerade durch ihre wechselseitige Relativierung und Überbietung, gerade in der Revisionsfähigkeit in Vervollkommnungsbereitschaft unterscheiden sich die Formen der Offenheit für die Geist und für die Gerechtigkeit Gottes von allen Spielarten von Selbstgerechtigkeit und Geistvergessenheit.232

Zu diesen Geistlosigkeiten zählt Welker auch das Verlangen nach Klarheit —————

229;; Vgl. zur bleibenden Uneinheitlichkeit KÖRTNER, Vielfalt, 44f. Dort geht es um das parallele Problem, ob ein einheitliches Ethos zu erreichen sei: »Nicht nur die Vertreter des Kommunitarismus kritisieren, daß die Menschheit als Kollektivsubjekt eine fiktive Instanz ist. Nach bisheriger geschichtlicher Erfahrung treten Kollektivsubjekte allenfalls in Gestalt von Einzelgesellschaften auf, womit freilich jeder ethisch universalistische Geltungsanspruch partikular bleibt. Bestenfalls läßt sich fallweise ein »overlapping consensus« unterschiedlicher Ethiktraditionen anstreben.« Auch innerhalb der kirchlichen Gemeinschaften werden nur je und je überlappende Konsense zwischen den Individuen und Gemeinschaften möglich sein. 230;; WELKER, Kirche, 31. 231;; Vgl. ebd., 32. 232;; Ebd., 34.

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und Eindeutigkeit um jeden Preis, auch um den der Reduktion von komplexen Zusammenhängen.233 Cornelius-Bundschuh hat gerade die tendenziell große soziale Homogenität und das daraus resultierende Interesse an noch größerer Einstimmigkeit in kirchlichen Milieus, die sich nicht erst durch zielgruppenspezifische Angebote ergeben hat, aber durch sie wesentlich forciert wurde, als Ursache dafür genannt, dass Predigten bedeutungsloser wurden.234 Diese Überlegungen sind unmittelbar anschlussfähig für ein realistisches Gemeinschaftsverständnis, das nicht nur künftiger Mission zu Grunde liegen sollte. Es erscheint als wesentlich und realistisch die »Kirche des Wortes« über die Vielfalt ihrer Öffentlichkeiten, ihre Inhomogenität und die bleibende Fremdheit der ihr Zugehörigen zu bestimmen. Die Predigt hat eine Gemeinde vor Augen, deren Beschränktheit sie kennt, mit der sie sich aber nicht abfindet. […] hier kommen Menschen zusammen, denen Gottes Vertrauen zugesagt wird, auch wenn sie sich untereinander nicht vertrauen und auch wenn sie nach den nicht einfach zu negierenden »menschlichen« Maßstäben der anderen kein Vertrauen verdienen.235

Die Inhomogenitäten sind unüberwindlich, weil sie in jedem Menschen selbst vorkommen. Aus diesem speziellen Grund ist jede noch so kleine, aber stets plurale Kasualgemeinde eine missionarische Gelegenheit, aber nicht, weil unverfügbarer Glaube anlässlich eines Kasus plötzlich messbar und beweisbar würde.236 Mission und Apologetik werden den Sinn von Differenzen zu entziffern haben statt fortschreitende Vereinheitlichungstendenzen noch freudig zu fördern. Die »Chancen wechselseitigen Lernens« wären entgegen den Hoffnungen des Impulspapiers »Kirche der Freiheit« doch größer, wenn man nicht feststellen würde: »Die verschiedenen evangelischen Frömmigkeitsstile sind näher zusammengerückt.«237 In pluralistischen Zeiten werden diejenigen Gemeinschaften wandlungsfähiger, die sich der ausdrücklichen Differenzenpflege verpflichten und damit Differenzen allererst verstärken. Ganz zuletzt werden sie Freude an ihnen haben, wenn ihre Ergänzungsfähigkeiten zu einer unverfügbaren Einheit ahnbar werden. (3) Impulspapiere, visionäre Texte und Hoffnungstheorien über Mission und Apologetik am Anfang des 21. Jahrhunderts haben die Probleme neuzeitlicher Individualisierung und die daraus folgenden Schwierigkeiten und Reformbedürfnisse der Sozialgestalt von Kirchen und Gemeinden zum strukturellen und finanziellen Thema. Da diese Dilemmata aber nicht zu ————— 233;;

Vgl. ebd., 36. Vgl. CORNELIUS-BUNDSCHUH, Kirche, 312. 235;; Ebd., 311 und 313, Hervorhebung im Original. 236;; Vgl. BOHREN, Kasualpraxis, und die widersprüchlichen Aussagen EKD-RAT, Freiheit, z.B. 19, 23 und 50f. 237;; EKD-RAT, Freiheit, 18. 234;;

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Glaubensmotiven avancieren werden, tritt der kontraproduktive Effekt in ekklesiologischer Perspektive besonders deutlich zu Tage. Das Impulspapier »Kirche der Freiheit« beschreibt zuerst die Situation, die im Jahr 2030 zu erwarten ist und will daraus die Motivation zum Handeln ziehen. Damit es nicht so kommt, wie es jetzt prognostiziert wird. Zugleich wird aber unnachgiebig und wenig diskussionsbereit festgestellt, dass es genau so kommen wird.238 Erkenntnisreicher und missionarisch wirkungsvoller wäre es, dagegen zu betonen, dass Gemeinden, Kirchen und die gesamte Christenheit extern konstituiert sind und nicht durch eintreffende bzw. falsche Prognosen geschaffen oder vernichtet werden können. Die Kirchen gibt es nicht, weil sich Kirchenleitungen kontinuierlich für ihren Fortbestand interessiert haben und bis heute interessieren. Die Kirchengeschichte lehrt vielmehr gerade in ihren besonders dunklen Kapiteln und den anschließenden Aufbrüchen, dass die Kirche erhalten wurde, unabhängig und auch gegen menschliche Absichten und Aussichten, ganz im Gegensatz zu menschlichem Ermessen. »Kirche des Wortes« ist eine Gemeinschaft, deren Existenz nicht in ihr selbst und ihren kommunikativen Leistungen gründet, sondern die sich dadurch auszeichnet, dass sie zu unterscheiden gelernt hat zwischen ihrer Existenz im Lautraum des Wortes Gottes und ihrer eigenen kommunikativen und sozialen Verfasstheit. Sie weiß um ihre eigene Bedeutung als Trägerin des Wortes Gottes; aber sie weist auch immer wieder von sich weg auf die Macht des Wortes Gottes, das ihr von außen zukommt.239

Dieses gezielte Wegsehen von sich selbst gehört zu den Konstitutiva von Mission und Apologetik. Die externe Konstitution gilt schon für kleinste und punktuelle Zusammenkünfte. Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen (Mt 18,20). Scharf formuliert: Es ist nicht ausschlaggebend, ob sich die Menschen, die in christlichen Gemeinschaften zusammenkommen, sympathisch sind oder werden oder überhaupt werden können, ob sich grundlegende Wertekonsense einstellen oder erwartet werden können, ob Entscheidungen kompromissbereit und konsensorientiert gefällt werden oder nicht.240 Dieser unabhängige Zustand der Christenheit macht sie zu einer eigenartigen Gemeinschaft, die aber in sich so groß und frei ist, Individualitäten, diverse und sogar widersprüchliche Kirchenformen zu entfalten, gleichzeitig zu erproben und aus den beobachtbaren Differenzen für das Ganze zu lernen. ————— 238;; Vgl. ebd., 21, und die trotzig dagegen aufbegehrenden so genannten »Leuchtfeuer« 44– 103, besonders 46: »[E]s geht nicht um prognostische Fixierung bestimmter Entwicklungslinien oder um scheingenaue Zielbestimmungen.« Genau diese Beobachtungen sind aber bei der Lektüre naheliegend. 239;; CORNELIUS-BUNDSCHUH, Kirche, 316, Hervorhebung im Original. 240;; Vgl. ebd., 309–311, und HÄRLE, Dogmatik, 571–574.

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Nur diese inhomogenen Gemeinschaften sind dann auch fähig, bei der letzten Stufe der Individualisierung, im Sterben, den Einzelnen zu tragen.241 Strukturdiskussionen und Spardebatten aber helfen nicht, um Individualisierung in einem größeren Ganzen aufzuheben. Das beste Ziel wird dann mit den denkbar ungünstigsten Mitteln angestrebt. (4) Damit hängt unmittelbar zusammen, dass angesichts von forcierten Wahlforderungen hinsichtlich der richtigen Gemeinschaft die Bedeutung des Gegebenen dennoch groß bleibt. Auch wenn Mitgliedschaft in einer Kirche mehr und mehr als Option und Wahlleistung erkannt wird, ermäßigt sich das Gewicht dessen, was immer schon da ist, nicht. So liegt jedem, der die Kirche auch nur sporadisch aufsucht, die Gemeinschaft doch immer schon voraus – nicht nur im aktuellen Fall, sondern seit zweitausend Jahren und nicht nur vor Ort, sondern weltweit. Sich in diese Gemeinschaft einzufinden, setzt ein akzeptables Gemeinschaftsverständnis voraus, das sich nicht fesseln lässt von der Unzulänglichkeit der gegenwärtigen und jeglichen historischen Erscheinungen, sondern gerade im Unvollkommenen die Kraft hat, über sich selbst hinauszuwachsen. Das Vorausliegen der kirchlichen Gemeinschaft gilt im Guten wie im Bösen. Diese Ambivalenz des Gegebenen hat Hermann Diem kurz nach dem Zweiten Weltkrieg in beiden Extremen veranschaulicht. Ganz gleich, ob ich durch Geburt bzw. Säuglingstaufe Kirchenmitglied bin oder aktiv, bewusst, in der Selbstwahrnehmung gar autonom auswähle, ob ich Pfarrer bin oder das erste Mal in einem Gottesdienst, steht fest: »Wenn ich am nächsten Sonntag zur Kirche komme, finde ich die Gemeinde schon vor.«242 In der Predigt kommt die Gemeinde nur auf’s Neue zur Welt, als Gemeinde, nicht als Menge Einzelner. Diese eigenartige Wirkung unterscheidet sich nach Diem von den üblichen Erwartungen, die nach vierzehn Jahren Predigttätigkeit im Dritten Reich alle sonst erwartet werden könnten. Zur immer schon vorausliegenden Gemeinschaft gehören auch alle Anfechtungen, die sich aus der reichhaltigen Wirkungsgeschichte ergeben. Diem beispielsweise glaubte seinerzeit, dass seine damalige Landeskirche wenig hilfreich sei, ja, sogar »ungleich gefährlicher […], als es sämtliche sog. ›Gottlosen‹ je werden könnten.«243 Die These, dass die Kirchen sich selbst säkularisieren und nicht durch so genannte Gottlose behindert werden, ist dann ein halbes Jahrhundert später wieder vorgetragen und differenziert worden.244 Wenn sich aber gerade selbstsäkularisiert-sprachlose Kirchenleitungen daran machen, diese ————— 241;;

Vgl. CORNELIUS-BUNDSCHUH, Kirche, 314f. DIEM, Geburt, 193, zum Ganzen vgl. ebd., 194. 243;; Ebd., 198. 244;; Vgl. W. HUBER, Weg, 462. 242;;

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Selbstenttheologisierungen publik zu machen in missionarischer Absicht, muss gehofft werden, dass die Wirkungen ausbleiben. Das allem individuellen Handeln zuvor Seiende kann näherhin als intermediäres Gebilde beschrieben werden. Intermediär wirkende Gemeinschaften vermitteln zwischen Einzelnen und der ganzen Gesellschaft. In allen erfolgreichen Fällen tun sie das in beiden Richtungen. Der Handel und Wandel mit Sinn ist pluralisiert. Die Sinnvorräte der Gesellschaft sind disparat. Die Kommunikationsprozesse zur Sinnverteilung (z.B. die Medien) sind zunehmend von den primären auf sekundäre Institutionen übergegangen.245 Faßt man Kirche als intermediäre Institution auf, so nimmt man sie als differenziertgegliedertes Netz von Gemeinden, Werken und Organisationen wahr, die mit ihrer jeweiligen […] Arbeit ein breites Spektrum an Möglichkeiten bereithalten, persönliche Werte und Haltungen in der Öffentlichkeit so zur Geltung zu bringen, daß die Vielfalt christlicher Lebensprofile kenntlich werden kann.246

Intermediarität lebt nicht von Streitsucht, sondern von reflektierter Differenzenpflege, und sie setzt nicht eine monolithische, sondern eine Fülle von Gemeinschaftsformen voraus, die sich angesichts von Pluralität gerade aufgrund ihrer Disparatheit schätzen lernen sollten. Die Kirchen werden ihrer »soziokulturelle[n] Zeugnisfunktion«247 nachkommen, wenn sie sich nicht als unübersehbare Menge von einsamen Einzelnen präsentieren, wenn sie auch nicht versuchen, kollektivistische Einheitsvorstellungen zu realisieren248 und auch nicht durch den sonst allgegenwärtigen Trend zu Spezialisierung und Ausdifferenzierung in sich homogene Kleinstmilieus und winzigste Gruppen zu erzeugen, die kontaktlos nebeneinander her existieren, aber nicht mehr intermediär aufeinander bezogen sind und miteinander kommunizieren können. Die soziokulturellen Zeugnisfunktionen werden herausragende Entfaltungs- und Verbreitungsmöglichkeiten haben, z.B. angesichts unbewältigter Integrationsaufgaben gegenüber denjenigen Menschen, die gemeinhin als Fremde unter uns leben. Sie könnten dann ihren Status als Fremde schneller einbüßen. Parallele Aufgaben zeichnen sich angesichts der demographischen Entwicklung ab, die nach intermediären Kommunikationsmöglichkeiten zwischen den Generationen fragen muss, sowie angesichts von hartpluralen, einander ausschließenden Positionen, zwischen denen immer wieder die Grenzen der Toleranz neu bestimmt werden müssen. ————— 245;;

Vgl. P. L. BERGER/LUCKMANN, Modernität, 57–59 und SCHMIDT-ROST, Spuren, 182. SCHMIDT-ROST, Spuren, 182. 247;; JÜNGEL, Mission, 10. 248;; Vgl. MÖLLER, Lehre 2, 250–255, unter Rückgriff auf SØREN KIERKEGAARD, der Menge, Publikum und Gemeinde unterscheidet. 246;;

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Alle bisher genannten Aufgaben betreffen nicht nur die soziokulturelle Zeugnisfunktion zu Gunsten der Gesellschaft, wie häufiger hervorgehoben wird, sondern sie betreffen Kirchen und christliche Gemeinschaften in gleicher Weise und grundsätzlich, weil sich das gesamte gesellschaftliche Herausforderungsgemisch in den eigenartig disparaten christlichen Gemeinschaften widerspiegelt. Wo das nicht der Fall ist, herrschen problematische Spezialisierungen, im Gefolge langweilige Uniformität und im extremen Fall fundamentale Ghettoisierung. Mission und Apologetik werden dann blasphemisch und öde, weil sie nur noch vom Verlust intermediärer Möglichkeiten künden. Schon Friedrich Schleiermacher hatte in seiner Vorlesung zur Praktischen Theologie Mission quasi als intermediäre Kommunikation von Gemeinschaften erfasst: Da ist es denn natürlich, daß diese nicht ihre Wirkung verfehlen wird, und wo christliche Kirchen sind[,] werden auch solche sein[,] die sich derer, die zum Uebertritt Lust haben, annehmen. […] und es ist nur übrig, den Eindrukk[,] den das Christenthum unabsichtlich gemacht hat[,] zu verstärken.249

Schleiermacher betont – seinerzeit für die äußere Mission – die Ausstrahlung vorfindlicher Gemeinschaften auf Wählerische gegenüber der Einrichtung besonderer Missionsanstalten. Zuletzt drängt sich die Frage auf, wie solch eigenartige, in sich widersprüchliche und auseinandersetzungsbedürftige Gemeinschaften existieren sollen ohne Gewalt und Kampf. Das kann nur gelingen, wenn solche Gemeinschaften sich selbst immer wieder vergewissern und darüber kommunizieren, dass sie extra-ordinär sind und sich nicht sich selbst verdanken. Bei anderen suchen, was man bei sich nicht findet, oder es dort zerstören, weil man es bei sich vermißt – das sind auch Quellen der Verfeindungsenergie zwischen den Menschen. Die Religion aber lenkt die horizontale Suchbewegung der Menschen in die Vertikale. Wenn es Gott gibt, sind die Menschen davon entlastet, füreinander alles sein zu müssen. Sie können aufhören, ihren Mangel an Sein aufeinander abzuwälzen und sich wechselseitig dafür haftbar zu machen, wenn sie sich fremd in der Welt fühlen. Sie brauchen auch nicht mehr so ängstlich um ihre Identität kämpfen, weil sie glauben dürfen, daß nur Gott sie wirklich kennt. Damit hilft die Religion dem Menschen, zur Welt zu kommen, indem sie das Bewußtsein der Fremde wachhält.250

Damit verändern sich nicht nur die Wahrnehmungen von vorfindlichen und erstrebten Gemeinschaften, sondern ebenso tief greifend diejenigen der Welt. ————— 249;; 250;;

SCHLEIERMACHER, Theologie, 423. SAFRANSKI, Böse, 326f.

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Weltanschauungskämpfe

4 Wahrnehmungen von Welten Von der Komplementarität der Widersprüchlichen Wahrnehmungen von Welten

4.1 Weltanschauungskämpfe Weltanschauungskämpfe

Gegenwärtige Diskussionen um Mission und Apologetik lassen sich rekonstruieren als kirchen- oder theologieinterne Weltanschauungskämpfe. Die ihnen zugrundeliegenden Gesellschaftsdeutungen sind Wahlleistungen (4.1.1). Man streitet wieder um die Motive und Begründungen von Mission (4.1.2). Darin liegen die zukunftsweisenden Renaissancen der Thematik, denn auch vorher war der Missionsbegriff lebendig, allerdings eng verbunden mit idealisierenden Kirchenbildern und mit großer Weltdistanz (4.1.3). Auf der gegenüberliegenden Seite war Mission ein gemiedener bis tabuisierter Ausdruck, dessen Statthalterbegriffe sich erst im Nachhinein als solche erweisen, weil sie dem Missionsbegriff nie ihre Referenz erwiesen haben (4.1.4). Letztlich ergeben sich ambivalente Weltbilder. Identitäten werden über Distanzierungen gesucht (4.1.5). 4.1.1 Gesellschaftsdeutungen als Wahlleistungen Wahrnehmungen und Deutungen gegenwärtiger Welten und Gesellschaften,1 und damit missionarischer Situationen, sind Ergebnisse individueller oder gemeinschaftlich »kompromisslicher« Selektionsvorgänge. Die Entscheidung, vielfältige und stets auch widersprüchliche Phänomene einer bestimmten Gesellschaftsinterpretation zu unterwerfen, werden entweder individuell oder in kleinen bis kleinsten christlichen Gemeinschaften, z.B. Kommissionen, Räten, Ausschüssen und Arbeitsgruppen, häufig von den Beteiligten als kleinster gemeinsamer Nenner bzw. »overlapping consensus«2 empfunden, gefällt. Diese Urteile aus disparaten Gemeinschaften und Gemeinschaftstypen, die anschließend kirchenleitend werden, aber von niemandem vollumfänglich verantwortet werden können, sind immer mit ————— 1;;

Der Plural weist auf die unhintergehbare Pluralität der Rekonstruktionen von Wirklichkeit

hin.

2;;

Vgl. KÖRTNER, Vielfalt, 44.

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Wahrnehmungen von Welten

Rücksicht auf ihre Genese, vor allem aber im Blick auf ihren überindividuellen und sogar Sozietäten transzendierenden Gehalt, zu betrachten. Die gegenwärtigen harten Pluralitäten bedeuten für die Welten, dass sie sich einer einzig zutreffenden Bestimmung entziehen. Denn Gesellschaftsinterpretationen sind Wirklichkeitskonstrukte, die im Rahmen der je angenommenen Voraussetzungen zum Auswählen bereit stehen und damit Gegenstände unserer Erlebnisselektionen werden. Je nach Vorlieben und Vorurteilen, in den Missionsdiskussionen vor allem je nach Voridealen (von Kirchen) und Vorängsten (gegenüber Welten), wird man sich in einer Multioptions-, Medien-, Erlebnis-, Leistungs-, Konkurrenz-, Wissens-, Risiko-, Single-, in einer mobilen, in einer sich respiritualisierenden, in einer gewohnheitsmäßig atheistischen oder in einer ganz anderen Gesellschaft vorfinden. Das ist jeweils abhängig von der eigenen, reflektierten, geglaubten bzw. gewollten Auslese. Denn genauso wie individuelle Glaubens- und andere Überzeugungen Gegenstände der Erkenntnisselektionen oder ihrer Verweigerungen geworden sind, gehören auch die Gesellschaftsinterpretationen dazu, die das Ganze grundieren. Man setzt sich derzeit neu auseinander und bildet mehr oder weniger homogene Gruppen um ausgewählte Weltinterpretationen. Am meisten Plausibilität und damit die größte Anhängerschaft scheint freilich wie immer die alte Annahme von der allgemeinen Schlechtigkeit der Welt zu genießen.3 Aber zu dieser Häresie ist niemand gezwungen. Jedermann ist frei zur Wahl einer Sicht der Dinge.4 Die religionssoziologisch-empirischen Untersuchungen können in derselben Gegenwart zu diametral unterschiedlichen Ergebnissen gelangen. Das ist abhängig von den Beobachtungsmöglichkeiten, vor allem aber von den gewählten Beobachtungsvoraussetzungen. Man ist anschließend nicht uneins über Details, sondern streitet über so genannte Megatrends und die Metaebenen, auf denen sie zu diskutieren wären. Zukünftige Beobachter, etwa Historiker kommender Zeiten, könnten mit guten Gründen auf die Idee kommen, dass z.B. Ulrich H. Körtner und Detlef Pollack einerseits und, neben vielen anderen, die Autoren des Impulspapiers »Kirche der Freiheit« andererseits nicht nur verschiedenen Jahrhunderten, sondern noch grundsätzlicher verschiedenen Epochen zuzuordnen sein müssten. Paradoxerweise ist der Eindruck ebenso naheliegend, dass —————

3;; Vgl. z.B. zur pessimistischen Interpretation zeitgenössischer Situationen BEINTKER, Skizzen, 338. Die gegenwärtige Christenheit profitiere nur von ihrer eigenen Inkonsequenz, noch nicht das ganze kulturelle Gedächtnis gelöscht zu haben. 4;; Vgl. P. L. BERGER, Zwang, und LUHMANN, Religion, 289f. Vgl. aber schon E. LANGE, Chancen, 46f, und BÜNKER, Kirche, 88f.

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sich das Bild von der Schlechtigkeit der Welt inklusive je aktuell-akuter Krisenvermutung jahrhundertelang fast ungewandelt erhalten hat. Zur Jahrtausendwende wurde die Lage in der EKD-Schrift zur Mission »Das Evangelium unter die Leute bringen« folgendermaßen eingeschätzt: Wenn den Kräften der Zerstreuung und der verweltlichenden Einebnung nicht Kräfte der Sammlung und Profilierung entgegen treten, ist die Situation in der Tat bedrohlich. […] Jede und jeder hat Kenntnis von Religions- und Christentumskritik, kritisches Denken und Zweifeln scheinen zur geistigen Grundhaltung geworden zu sein. […] Der mündige emanzipierte Mensch […] fühlt sich unbehaust, sucht Halt und sehnt sich oft geradezu verzweifelt nach festen Orientierungen.5

Diese Gegenwartsdeutung macht ihrerseits wieder sprachlos, weil man sich nicht vorstellen möchte und doch angesichts der grauenvollen Nachrichten über die fundamentalistischen und terroristischen Weltbewältigungsstrategien ausmalen muss, wie es sich ohne kritisches Denken, ohne die Möglichkeit, Zweifel in Betracht zu ziehen, leben und glauben lässt. Dabei wird in der Veröffentlichung der EKD als außergewöhnlich bezeichnet, was gerade zu den treuesten, kontinuierlichsten und beinahe in apostolischer Sukzession, mindestens aber in frühkirchlich-apologetischer Tradition stehenden Urteilen über die Welt zu zählen ist. Von Unübersichtlichkeit und Orientierungskrise ist im Blick auf unsere Zeit häufig die Rede. In der Tat: Man findet sich schwer zurecht in dieser Welt voller Angebote und Möglichkeiten. Alles ist relativ, Gewissheiten sind oft nur von kurzem Bestand, die Maßstäbe kommen dabei leicht durcheinander. […] Vielerlei Heilslehren, religiöse und politische und pseudowissenschaftliche, üben Anziehungskraft aus, versprechen Halt und Bindung. Sie erweisen sich aber als Fessel und Verstrickung.6

Wenn es wirklich so einfach und so schrecklich wäre, würde das Leben unerträglich sein. Niemand hätte mehr Gelegenheit, derartige Texte zu verfassen. Aber welche Zeit hat ihre Welt als die beste aller bisherigen Welten gelobt? Der Gedanke scheint relativ fernliegend. Es lohnt sich dennoch, ihm nachzugehen. Niemand, auch kein Christ, ist verpflichtet, die Welt vernichtend zu verurteilen. Man könnte, ganz im Gegensatz zu den milden Verdammungen, auch die hohen Kompensationsleistungen unserer Zeitgenossen würdigen und zu folgenden Perspektiven gelangen: Je schneller die Zukunft modern, für uns das Neue – das Fremde – wird, desto mehr Vergangenheit müssen wir – teddybärgleich – in die Zukunft mitnehmen und dafür immer mehr Altes auskundschaften und pflegen. Darum wird gegenwärtig zwar mehr vergessen und weggeworfen als je zuvor; aber es wird gegenwärtig auch mehr erin-

————— 5;; 6;;

EKD-KIRCHENAMT, Evangelium, 3 und 12f. Ebd., 14f.

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nert und respektvoll aufbewahrt als je zuvor: Das Zeitalter der Entsorgungsdeponien ist zugleich das Zeitalter der Verehrungsdeponien, der Museen, der Naturschutzgebiete und Kulturschutzmaßnahmen: der Denkmalpflege, der Hermeneutik als Altbausanierung im Reiche des Geistes, der Ökologie, der erinnernden Geisteswissenschaften.7

Die Behauptung von der unkompensierten Unrast der Welt ist dagegen wenig originell und schon allzu alt. Beispielsweise nach der vorletzten Jahrhundertwende hat es die fast identische, klagende Analyse der Zeit gegeben. Man sah die damalige Gegenwart gekennzeichnet durch »ihre Unruhe und Not, aber auch ihr Vorwärtsstürmen«.8 Über den so genannten modernen Menschen stand das Urteil auch schnell fest. Das erste, was auffallen muß, ist die Unrast des Lebens. Zeit ist Geld, Geld ist Vergnügen. […] Wie viel Interessantes muß man an sich vorüberfluten lassen, weil man sich der gewöhnlichen Fülle der auf einen einstürmenden Eindrücke nicht erwehren kann! […] das Ende ist die Unfähigkeit, sich zu konzentrieren und die bedenkliche Willensschwäche der Gegenwart, die sich in einem Widerwillen gegen jedes »Du sollst« und in der Sehnsucht nach immer betäubenderen Genüssen und feineren Impressionen äußert. Das ist der weitverbreitete Immoralismus der Schwäche oder der blasierten Skepsis […] Man ist eilig und man ist stumpf; darum nur scharf umrissene Gestalten, wenige grelle Farben, schnell ein paar starke Eindrücke, ein paar Lichter auf die Dinge gesetzt, nur nicht schildern und langweilig beschreiben; denn man hat soviel aufzunehmen und hat zu ruhiger Rezeption keine Zeit.«9

Hier wurde absichtlich die Diagnose von Friedrich Niebergall wiedergegeben, der nicht im Verdacht steht, dem radikal konservativen Lager anzugehören oder gar fundamental-neopietistische Ideen zu verfolgen. Was über ein Jahrhundert hinaus fast gleichlautend beschrieben wurde, bei Friedrich Niebergall und durch ein Gremium der EKD, ist freilich nur ein Deutungsblickwinkel. Schon wenige zeitgeschichtliche Augenblicke später werden die äußeren Umstände von derselben Institution, der EKD, vollkommen gegensätzlich beleuchtet und bewertet. Jetzt wähnt man sich »in einer gesellschaftlich günstigen Situation«. Man ist regelrecht begeistert. »[I]nzwischen bezeichnen Zukunftsforscher die Respiritualisierung als gesellschaftlichen Megatrend«.10 Auf den folgenden Seiten wird freilich allzu viel belegendes statistisches Material dafür geboten. Wenn man denn glauben soll, dass es sich wirklich so verhält, bedarf es nicht derart vieler Belege, weil es dann doch offensichtlicher sein sollte. —————

7;; MARQUARD, Zustimmung, 53. Dass es Renaissancen wie diejenigen von Mission und Apologetik gibt, stimmt hoffnungsvoll und bestätigt diese philosophische Sicht der Dinge auf eigene Weise. 8;; F. NIEBERGALL, Predigt 1905, 12. 9;; Ebd., 18f. 10;; EKD-RAT, Freiheit, 14.

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Auch dem folgenden Zitat merkt man kaum an, dass es seinen 100. Geburtstag schon gefeiert hat und nicht einer jüngeren EZW-Veröffentlichung entstammt. Zeitdiagnosen sind schwerer zu datieren, als man vermuten würde. Dennoch regt sich trotz alledem das religiöse Gefühl hie und da unwiderstehlich. Weil man glaubt, das Christentum habe abgewirtschaftet oder man dem Ernst seiner Forderungen sich nicht beugen will, flüchtet man sich zum Spiritismus und Okkultismus oder gar zur stumpfen Resignation des Buddhismus. Es sind, aufs Ganze gesehen, nur kleine Gruppen, welche diesen Weg gehen und doch heischen auch sie Beachtung.11

Die Schlagworte bei der Verdammung der Gegenwarten sind fast alle alt, kampferprobt und schon daher prominent. Aus den Legionen von möglichen Beispielen mag ein letztes genügen. Schon vor einhundert Jahren sah man sich herausgefordert, gegen die eigentlich absurde, aber populäre Behauptung »Die Religion ist Privatsache«12 zu argumentieren. Die Konflikte um die Deutungen der Gesellschaft werden jedenfalls – so viel ist offensichtlich – schon lange und mit recht unnachgiebiger Verbissenheit geführt. Alle diese Lagebeurteilungen aber sind nicht zwingend. Odo Marquard zieht mit lapidarem Unterton die hoffnungsstiftenden Konsequenzen aus den verbreitenden Klagen: Im übrigen gehört zum wachsenden Veraltungstempo der modernen Welt das wachsende Tempo der Veraltung auch ihrer Veraltungen. Je schneller das Neueste zum Alten wird, desto schneller kann Altes wieder zum Neuesten werden […] Darum darf man sich beim modernen Dauerlauf der Geschichte – je schneller sein Tempo wird – zugleich unaufgeregt überholen lassen und warten, bis der Weltlauf – von hinten überrundend – wieder bei einem vorbeikommt.13

Renaissancen zu erleben bedeutet nach diesem Bild, dass man sich von hinten in Ruhe überholen lassen kann. Angst ist eine falsche Reaktion, aber sie spricht auch aus kurzen Texten Bände. 4.1.2 Missionsmotive Ausgehend von der maßgeblichen Allgegenwart diverser Gesellschaftsdeutungen (1), wird entgegen den weitverbreiteten Abhängigkeiten auch auf diesem Gebiet für die Freiheit zur theologischen Häresie plädiert (2). Dabei ————— 11;;

HENNIG, Methode, 261. HILBERT, Apologetik, 156. 13;; MARQUARD, Zustimmung, 54. 12;;

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geraten die unmittelbaren und allzu schnellen Herleitungen von Handlungsoptionen ins Blickfeld (3), vor allem aber die beziehungslose Parallelität von wissenschaftlichen und kirchenleitenden Theologien (4). Hinterfragt wird im gleichen Zusammenhang, ob sich die Hoffnungen auf Besserung so stark auf Strukturreformen fokussieren sollten, wie es momentan der Fall ist (5). Dabei wird deutlich, dass die missionsmotivierenden Texte selbst eher Mission für Missionare sind und den Charakter interner Papiere kaum zu überwinden vermögen (6). Missionswissenschaftliche Zwischenrufe unterbrechen die gewohnten Gedankengänge im Anschluss an Sparvorschläge und den vorauseilenden Gehorsam im kirchlich-selbstbeschränkenden Handeln. (1) Der Enthusiasmus bei der Gesellschaftsdeutung erklärt sich nicht allein aus den sachgemäßen Erkenntnisbedürfnissen der Voraussetzungen von gegenwärtiger Mission, sondern gründet in einer viel weiterreichenden Hochschätzung der Deutungen von Gesellschaften. Man nimmt quer durch die gegensätzlichen Standpunkte an, dass die Gründe für die Renaissancen christlicher Mission in den gegenwärtigen Zuständen der Gesellschaften liegen. Nicht eine Botschaft oder ein Programm, ein Auftraggeber oder ein Sender begründen die Mission, sondern mit überwältigender Macht die konsequenzenschwangeren Interpretationen der pluralen und individualisierten Gegenwart. Überspitzt gesagt, scheint es so, als gäbe es über Glaube, Christentum und Kirche nichts zu sagen, es sei denn, unter besonderen Berücksichtigungen unserer – meist beklagenswerten, aber immer unvergleichlichen – Zeit. Gesellschaftsdeutungen aus religiösen oder christlich-persönlichen, populären, theologisch-reflektierten, praktischen, missionswissenschaftlichen oder kirchlich-institutionellen Perspektiven werden mit explizit missionarischen oder mit anderen, meist sekundär-apologetischen Absichten vorgetragen. Das sei anhand einer kleinen Titelrevue im alphabetischen Überblick veranschaulicht, die alle theologischen Richtungen umfasst. Autoren

Thema

Gesellschaftsdeutung

Andreas Feldtkeller/ Theo Sundermeier

Mission

in pluralistischer Gesellschaft14

Friedrich Wilhelm Graf

Die Wiederkehr der Götter

Religion in der modernen Kultur15

————— 14;;

FELDTKELLER/SUNDERMEIER, Mission. GRAF, Wiederkehr.

15;;

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Autoren

Thema

Gesellschaftsdeutung

Albrecht Grözinger

Die Kirche – ist sie noch zu retten?

Anstiftungen für das Christentum in postmoderner Gesellschaft16

Wolfgang Huber

Kirche

in der Zeitenwende17

Michael Nüchtern

Kirche

in Konkurrenz18

Gunda Schneider-Flume

Glaube

in einer säkularen Welt19

Ralph Pechmann/ Martin Reppenhagen

Mission

im Widerspruch20

Ralph Pechmann/ Martin Reppenhagen

Zeugnis

im Dialog der Religionen und der Postmoderne21

Reiner Preul

So wahr mir Gott helfe!

Religion in der modernen Gesellschaft22

Wolfgang Ratzmann/ Jürgen Ziemer

Kirche

unter Veränderungsdruck23

Diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und umfasst nur Veröffentlichungen der letzten zwölf Jahre und einschlägige Titelformulierungen. Diese einheitlichen, auch theologisch aufschlussreichen Darstellungsreihenfolgen sind gegenwärtig auch dort anzutreffen, wo die Titel zunächst keinen Hinweis darauf geben. So hat z.B. das Votum des Theologischen Ausschusses der Arnoldshainer Konferenz von 1999 »Evangelisation und Mission« als ersten Abschnitt »Die religiös-weltanschauliche Lage als Herausforderung zur Evangelisation« mit Unterpunkten wie etwa die »Ver————— 16;;

GRÖZINGER, Kirche. W. HUBER, Kirche. 18;; NÜCHTERN, Kirche. 19;; SCHNEIDER-FLUME, Glaube. 20;; PECHMANN/REPPENHAGEN, Mission. 21;; DIES., Zeugnis. 22;; PREUL, Gott. 23;; RATZMANN/ZIEMER, Kirche. 17;;

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kündigung in der Erlebnisgesellschaft«.24 Diese Überschriften sind mindestens missverständlich, im Text wird dann auch gegen sie Stellung bezogen. Es scheint insgesamt, als gäbe es ohne vorgängige Kontextualisierung über Religion, Glaube und Christentum kaum etwas oder nichts mehr zu sagen. Die EKD-Schrift »Das Evangelium unter die Leute bringen« konzentriert diese Zugangsweise und reduziert dabei Komplexität über das notwendige Maß und die vorher genannten Veröffentlichungen weit hinaus: »Der Auftrag steht fest. Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden.«25 Es werden danach die folgenden Verse aus Mt 28 zitiert. Interessanterweise aber ohne Nennung dessen, der da Gewalt hat oder gar der zweifelnden, nicht mehr vollzähligen Jüngerschar. Dann heißt es kurz, bündig, hermeneutikvergessen und daher problematisch: »Dieser Auftrag ist unwandelbar, invariant.«26 Nur die jeweiligen Formen seien variabel und abhängig von den Zeitläufen auch entsprechend zu wandeln. Die weniger extremen Ursprünge dieser Sicht der Dinge sind bereits in der ersten, vermittlungsbeflissenen Schülergeneration von Friedrich Schleiermacher zu finden. Carl Immanuel Nitzsch beschreibt die »unerhörte Tiefe des Abfalles«,27 die zur inneren Mission zwinge. Alexander Schweizer stellt in seiner Homiletik die »unerweckten Namenchristen«28 und den speziellen »Charakter des Zeitalters«29 als Gründe für das »halieutische Element«30 im Gottesdienst dar. An dieser Zugangsweise haben auch die epochalen Einschnitte am Anfang des 20. Jahrhunderts nichts geändert. Verantwortlich für die Aktivitäten sind die Lage und ihre Schrecken, nicht Verheißungen, Glaube und Vertrauen. Im Gegensatz zum vielbemühten Zitat aus 1Petr 3,15f wird Rechenschaft immer vom Leiden an den Zuständen abgelegt. Sogar Emil Pfennigsdorf macht zu Evangelisation und Apologetik unmissverständlich deutlich: »Die Notwendigkeit ergibt sich aus der Lage.«31 Das überrascht insofern, als der Bonner Theologe für die neutestamentlichen Zeiträume das Gegenteil annimmt: »Die Botschaft, mit der die Apostel in eine feindliche Welt auszogen, galt nicht der Verkündigung einer Idee, ————— 24;;

AUSSCHUSS DER ARNOLDSHAINER KONFERENZ, Evangelisation, 5. EKD-KIRCHENAMT, Evangelium, 7. Vgl. dazu die instruktiven praktischen Exegesen bei ARND BÜNKER, Kirche, 388-404, der eine genaue Kommentierung des Bischofswortes von 2000 in neutestamentlicher Hinsicht vorlegt und nachweist, wo überall problematische Verkürzungen und offensichtlich falsche, exegetische Schlüsse gezogen werden. 26;; EKD-KIRCHENAMT, Evangelium, 7. 27;; NITZSCH, Theologie, Bd. 3, § 416. 28;; A. SCHWEIZER, Homiletik, 127. 29;; Ebd., 130. 30;; Ebd., 131. Aber auch SCHLEIERMACHER hatte sich nicht puristisch, sondern differenziert graduell dahingehend geäußert, dass im Gottesdienst das darstellende Handeln überwiege. Vgl. dazu auch HAUSCHILDT, Theologie, 96, und zu den beiden unterschiedlichen Strängen der Argumentation bei SCHLEIERMACHER: HUSAR, Predigt, 13–20. 31;; PFENNIGSDORF, Theologie, 199. 25;;

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entsprang nicht dem Drange ihres Herzens, sondern geschah auf Grund einer Sendung.«32 (2) Die christologischen und ekklesiologischen Gründe und ihre Bezogenheit aufeinander sind 1968 von Falk Wagner in seiner Schrift »Über die Legitimität der Mission. Wie ist die Mission der Christenheit theologisch zu gründen?«33 entfaltet worden. Gegenwärtige und vor allem historische Zustände betrachtet er als gänzlich ungeeignet für die Fundamente von Mission. Diese können nur vom christlichen Kerygma gebildet werden, nicht von der ambivalenten Welt. Denn das historische Vorgehen wird immer nur Auffassungen skizzieren und Bedingungen aufzeigen können, die diese oder jene Begründung der Mission veranlaßt haben, aber das konsequente historisch-wissenschaftliche Vorgehen wird niemals des Grundes der Mission ansichtig werden können, da auf historischem Feld zu jedem Grund ein Gegengrund gefunden werden kann, wodurch eine Fundierung dem Relativismus »guter Gründe« ausgeliefert wird.34

Die gegenwärtigen Veröffentlichungen, die sich um eine ansatzweise Unabhängigkeit vom oben dargelegten Kommunikationsmodus bemühen, wirken fast etwas anachronistisch und anarchistisch im Sinne von die allgemeine Ordnung störend. Dazu gehören Titel wie von Theo Sundermeier: »Mission – Geschenk der Freiheit. Bausteine für eine Theologie der Mission«35 oder systematisch-theologische Studien wie diejenigen von Jochen Cornelius-Bundschuh über »Die Kirche des Wortes«.36 Theo Sundermeier fasst die Nachteile der Gegenwartsanalysen prägnant und mit einem Aufruf zur Zurückhaltung zusammen: Soziologische Analysen unserer Zeit und Gesellschaft sind en vogue. Sie sind klar, überzeugend und haben für einige Jahre Gültigkeit. Der innere Wandel der Gesellschaft und der ökonomischen Bedingungen ist jedoch so rasant, daß die neuen analytischen Modelle sich beim Eintritt in das allgemeine Bewußtsein der Zeitgenossen gleichsam die Klinke reichen.37

Das Votum des Theologischen Ausschusses der Arnoldshainer Konferenz zu »Evangelisation und Mission« differenziert die Lage zwischen den Alternativen von Widerstand gegen alles und totaler Ergebenheit. Ist das Wort Gottes Grund der Kirche, so kann man ————— 32;;

Ebd., 132. Vgl. F. WAGNER, Legitimität, 12–21, und 10, Hervorhebung im Original: »Vielmehr verlagt die Untersuchung, wie das Verb ›gründen‹ signalisiert, nicht nach Begründungen zu forschen, sondern den Grund der Mission sichtbar zu machen.« 34; F. WAGNER, Legitimität, 23, Hervorhebung im Original. 35;; Vgl. SUNDERMEIER, Mission. 36;; Vgl. CORNELIUS-BUNDSCHUH, Kirche. 37;; SUNDERMEIER, Dialog, 11. Zur Polonaise der Gesellschaftsdeutungen vgl. ebd., 11f. 33;;

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erkennen, daß die im ersten Kapitel skizzierte »religiös-weltanschauliche Lage« zwar eine kräftige »Herausforderung zur Evangelisation« ist, sie aber nicht begründet. Auch eine gänzlich andere Lage würde die Mission der Kirche nicht überflüssig machen.38

Daraus wird weiter gefolgert, dass die biblische Botschaft »uns Einsichten und Wege auf[schließt], die wir aus der Analyse der Situation nicht gewinnen können.«39 Der Zwang zur unmittelbaren und direkten Ableitung von Handlungsoptionen aus Gesellschaftsdeutungen besteht also nicht, sondern es herrscht wiederum Freiheit zur Häresie. Die Sein-Sollens-Fehlschlüsse sind gleichwohl recht erprobt. (3) Nicht erst einmal folgte aus der Diagnose einer Spaßgesellschaft der Versuch, eine ideal-christliche oder mindestens religioid angereicherte Eventkultur zu schaffen.40 Ebenso wenig taugen Missionskonzepte zu kirchlichen Sparzwangsbegründungen.41 Auch die gewählte Perspektive Multioptionsgesellschaft sollte nicht kurzschlüssig und umwegsfrei zu immer mehr spezialisierten und in Parallelwelten existierenden Angebotschristentümern entwickelt werden.42 Die Singlegesellschaft mag weit fortgeschritten sein, dennoch sollten die Kirchen ehrlicher- und evangeliumsgemäßerweise nicht versuchen, Interesse für den Glauben mit Gemeinschaftserlebnisversprechungen zu wecken. Dennoch gehen häufig Gegenwartsdeutungen unmittelbar in Gestaltungsanleitungen über.43 Sie enthalten meist kein explizites Bild einer real zu erwartenden Gemeinschaft. Damit ist die Notwendigkeit von Gesellschaftsanalysen nicht bezweifelt oder gar bestritten. Keine Kirchentheorie kommt ohne Interpretationen der Umwelten und Bezugssysteme und entsprechende Zeitanalysen im Vergleich aus. Zu erörtern ist freilich, welchen funktionalen Ort diese höchst konstruktiven Weltanschauungen haben. Wenn die Motive für Mission und Apologetik mehr oder weniger nur noch in Gesellschaftsdeutungen forciert gesucht, aber darum nicht besser gefunden werden, dann sind die Gesellschafts- und Weltanschauungen auf ihre motivierenden Fähigkeiten zu befragen. Allgemeine Hervorrufungen von Unzufriedenheiten und Abneigungen, die u.a. die Flucht der Bezeichneten verständlich werden lassen, ————— 38;;

AUSSCHUSS DER ARNOLDSHAINER KONFERENZ, Evangelisation, 38. Ebd., 69. 40;; Vgl. POLLACKS Analyse der ProChrist-Veranstaltungen in Leipzig: POLLACK, Säkularisierung, 205–240. 41;; Vgl. ECKERT u.a., Mission, 94. 42;; Vgl. HÖHMANN/KRECH, Umfeld, 193, die zu bedenken geben: »Mit jeder differenzierten Schwerpunktsetzung werden neben Betroffenen zugleich Nicht-Betroffene erzeugt.« 43;; Vgl. z.B. EKIR, Himmel. Vgl. zur Gegenwartsinterpretation: 4–11, zu praktischen Anleitungen: 12–53. 39;;

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haben keine, schon gar nicht gemeinschaftlich begeisternde und in Aufbrüchen kontinuitätsverheißende Kräfte. Daran lassen soziologische Studien keinen Zweifel. Motivierend sind solche Situationen aus sich selbst heraus kaum, am wenigsten diejenigen, die impertinent und permanent Unzufriedenheiten stiften. So wird seit einigen Jahren betont, wie wichtig es für die Mobilisierung von Anhängern ist, eine Interpretation der Wirklichkeit anzubieten, die diese als veränderungsbedürftig und veränderbar ausweist. Im Anschluss an Goffmann stellen die Vertreter des Framing-Ansatzes die Notwendigkeit einer überzeugenden Situationsdefinition heraus, denn Unzufriedenheiten können unterschiedlich gedeutet werden, und nur bestimmte Deutungen – nämlich solche, die Probleme, unter denen man leidet, nicht auf das Schicksal, sondern auf beeinflussbare Ursachen zurückführen – können eine mobilisierende Wirkung haben.44

Genau aber hier setzt das Problem der Missionssituationsdeutungen an. Häufig werden übermächtige Ereignisse, z.B. so beschriebene »Megatrends«45 individuell als Entscheidungsherausforderungen zugemutet. Die sich daraus ergebenden Zustände werden dann so interpretiert, als müssten sie die Kirche und jeden Einzelnen unabwendbar treffen. Solche per definitionem für Individuen unabänderlichen Sachverhalte motivieren nicht, sie liefern jeden Einzelnen einsam dem größeren Ganzen aus. Darüberhinaus hat Friedrich Wilhelm Graf darauf hingewiesen, dass ein »modernisierungstheoretisches Dogma destruiert« ist. Es handelt sich um die Vorstellung, religiöse Organisationen in einer bestimmten Gesellschaft oder einem spezifischen Religionskulturraum erlitten aufgrund externer Megatrends – wie beispielsweise »Säkularisierung«, »Verwissenschaftlichung«, »Konsumismus« – notwendig das gleiche Schicksal.46

Die Gestaltungsspielräume sind demnach größer als das Verharren in bestimmten soziologisch-deskriptiven Prozessen vermuten lässt. (4) Von soziologischen, aber nicht alleinseligmachenden Gesellschaftsdeutungen unabhängige, vor allem systematisch-theologische Überlegungen, die perspektivwechselnd oder -kontrastierend wirken könnten, fehlen nicht völlig, aber werden meist nur formelhaft und unentfaltet geboten. Klischees und Stereotypen fördern jedoch nur das Zusammengehörigkeitsgefühl der ohnehin Anwesenden. Formeln und Floskeln wirken wenig attraktiv auf so genannte Außenstehende, d.h. solche, denen man von vornherein unterstellt, dass sie das christliche Gerede und Geschreibe nicht verstehen. ————— 44;;

POLLACK, Säkularisierung, 207. EKD-RAT, Freiheit, 14. 46;; GRAF, Wiederkehr, 27. 45;;

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Die fehlenden Perspektivwechsel haben nicht zuletzt ihren Grund in den weiten Distanzen von wissenschaftlichen und so genannten Kirchentheologien. Dagegen wirken die Abstände zu den Ungläubigen geradezu vernachlässigbar klein. Friedrich Wilhelm Graf hält die Kirchentheologie, zusammengesetzt aus soziologischen Deutungen und praktischen Anleitungen, schon aus sprachlichen Gründen für eine Katastrophe. Er geißelt derartige kirchliche Veröffentlichungen sehr scharf. So pauschal trifft sein Urteil sicher nicht zu, gleichwohl ist der Kern seiner Kritik bedenkenswert. Im Kirchenmilieu bleibt man dank eigener Sprache gern unter sich. Das neue Kirchenidiom läßt sich als binnenkirchliche Gebrauchstheologie beschreiben. Die Produzenten dieser Theologie sind kirchliche Gremien und Verbände, vom Presbyterium bis hin zu den Synoden und zahllosen Ausschüssen, mit denen die permanent tagende Funktionärskirche gesellschaftlichen Einfluß und politische Machtchancen zu wahren sucht.47

Der mangelnde Glaube an die notwendige Zusammengehörigkeit von wissenschaftlichen und kirchenleitenden Theologien wirkt sich bei großen Themen wie Mission und Apologetik nachteilig aus und wird oft nur individuell-beeindruckend und je und je aus aktuellem Anlass überbrückt. Diese persönlich zu garantierenden Brücken haben ihre Sitze im Leben z.B. bei professoralen Einführungsreferaten vor EKD-Synoden. Das prominente Exempel war das herausragende Grundsatzreferat von Eberhard Jüngel 1999 zum Schwerpunktthema Mission. Ansonsten aber wettert Graf nicht völlig zu Unrecht so ironisch: »Wozu also noch protestantische Universitätstheologie, wenn die evangelische Kirche ihren Theologiebedarf zunehmend mit hausgemachten light-Produkten deckt?«48 Dabei sieht Graf alle Beteiligten in der Schuld: Zahlreiche Theologenintellektuelle sind zu Deutungsexperten für die eigene Unfähigkeit geworden, über thematisch eng begrenzte Spezialistendebatten hinaus die innere Einheit der Theologie im Blick zu behalten, und haben den Kontakt zu Kirche, Diakonie und plural gelebter Religion verloren.49

Auch wenn nur die Hälfte der Vorwürfe wirklich zutreffend sein sollte, bleibt doch festzuhalten, dass die Zusammenhänge enger sein könnten.50 Kritik kommt noch aus einem anderen, nur scheinbar sehr fernen, aber naheliegenden Blickwinkel. Missionswissenschaftler kritisieren an den kirchenleitenden Theologien, dass Mission als erstmalige oder immer wei————— 47;;

Ebd., 256. Ebd., 258, Hervorhebung im Original. 49;; Ebd., 258f. 50;; Das Thema Mission ist kein Spezialfall, sondern geradezu ein Exempel für eine gewisse Regelmäßigkeit, die z.B. auch hinsichtlich der Diakonie leuchtend vor Augen steht. 48;;

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tere Mobilisierung der ohnehin sehr Verbundenen missverstanden wird und mutige Grenzüberschreitungen zu ungewohnten Orten und Milieus nicht vorkommen.51 (5) Der missionarische Veränderungswille konzentriert sich vor allem auf Organisations- und Strukturreformen. Mission und ihre praktischen Apologien fokussieren Zeit, Geld und Geisteskräfte weniger auf mitteilenswerte Botschaften und hilfreiche Perspektivwechsel als vielmehr auf scheinbar grundlegende Veränderungen der Kommunikationswege. Missionsdiskussionen werden dann zu Statthalterdebatten über das Selbstverständnis der Kirchen als mehr oder weniger gute institutionelle Organisationen. Dabei werden strukturelle Reformansätze so regelmäßig überschätzt, dass die daraus resultierenden Frustrationen keine Krisen, sondern Kontinua im gesellschaftlichen, vor allem im demographischen Wandel bilden. Aus manchem Theologenmund und mancher Theologenfeder – aber nicht nur dort – ist ein so gläubiges Vertrauen in die lebensgestaltende und lebensverändernde Kraft von Rechtsnormen, Strukturen und Organisationsformen zu entnehmen, daß der Jurist nur staunen kann.52

Finanzstrukturdebatten und die Renaissancen der Mission fallen zwar aus Spargründen zusammen. Sie sollten aber dergestalt unterschieden werden, dass man Mittel und Ressourcen, vor allem aber Aufwand, Kosten und Nutzen in ihrem Verhältnis zueinander kritisch prüfen kann.53 Es gehört zu den positiven Konsequenzen einer mehr als ambivalenten Wirkungsgeschichte, dass schon der Begriff Mission von vornherein zu sperrig ist, um glatt in ein Konzept von machbarer Kirche eingepasst zu werden. Eine »Kirche der Machbarkeit«54 entsteht immer dort, wo das gläubige Vertrauen in strukturelle Veränderungen überhand genommen hat. Sie kann aber immer nur ein Rudiment des eigentlich Gemeinten sein. Die Idee der Machbarkeit ist typisch neuzeitlich. Der homo faber überträgt sein Lebens- und Glaubenskonzept auf die ihn umgebenden Strukturen. Wenn aber der christliche Glaube nach quälend langen Zwangszeiten in die Freiheit, genauer in die Freiwilligkeit entkommt, ist der Gedanke der Machbarkeit besonders naheliegend und verlockend. Er ist und bleibt dennoch falsch. Glaube und Vertrauen sind weder in Zeiten der Monopolstellung einer Weltsicht noch im Pluralismus machbar, auch wenn tätige Geis————— 51;;

Vgl. DAHLING-SANDER, Leitfaden, 557. Vgl. VIETINGHOFF, Wege, 159. Vgl. auch PLANER-FRIEDRICH, Kirche, 4. 53;; Vgl. ebd., 159f. 54;; So äußerte sich SUSANNE KAYSER, Pastorin in Bremen, mündlich und kritisch gegen gegenwärtige Tendenzen in den Kirchenleitungen in der Diskussion zu Schrift, Bekenntnis und Kirche anlässlich der Ratssitzung der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) vom 17.–19.9.2007 in Brüssel. 52;;

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ter dieses erhoffen. Nicht umsonst taucht die Idee zur Mission im 19. Jahrhundert unter den aktiven Ärmelhochkremplern auf. Nicht umsonst lebt sich auf diesem Gebiet das optimistische Aktivitätsideal aus. Das geschieht allerdings sozial introvertiert und richtet sich gegen die eigenen extrovertierten Ziele. (6) Denn ganz gleich, ob Mission sektoral, fundamental oder dimensional55 konzipiert ist, sind die sonst sehr unterschiedlichen Missionstheorien von und für diejenigen verfasst, die von sich selbst meinen, sie am wenigsten nötig zu haben. Mission begegnet man als Mission von und für Missionare, nicht aber für oder mit Anderen, Fremden. Das ist komisch, mindestens widersprüchlich. »Philosophen, die Philosophie nur für Philosophen schreiben, agieren fast so absonderlich wie Sockenhersteller es täten, die Socken nur für Sockenhersteller herstellten.«56 Dieser Satz ist für die binnenkirchliche Kommunikation folgendermaßen übersetzt worden: »Kirchenleute machen Kirche für Kirchenleute.«57 Dieser bedenkliche Sachverhalt kam vor gut einhundert Jahren als programmatische Forderung, z.B. bei Ernst Gustav Steude, vor: Die Apologetik ist nicht für diejenigen bestimmt, die das Christentum angreifen oder demselben mit Zweifeln oder Vorurteilen gegenüberstehen, sondern für diejenigen, welche das Christentum verteidigen und Zweifeln und Vorurteilen entgegentreten. Sie will das Christentum nicht verteidigen, sondern verteidigen lehren.58

Diejenigen Glaubensgründe, die extern zugute kommen sollen, werden sprachlich betont als Interna kommuniziert, so dass die Überwindung binnenkirchlicher und -theologischer Kommunikation immer schwieriger und die Sprachlosigkeit tendenziell größer wird. Ein kurios anmutendes, aber im Kern bedrückendes Exempel bildet die Aussprache der EKD-Synode zum vorgelegten Text »Leben im Angebot«, der ausdrücklich für eine größere Öffentlichkeit entworfen worden war. Dieser relativ kurze Text wird von einem jungen Menschen, der als christlich sprachfähig beurteilt wird, angefragt: »warum nennst du das nicht ›Nebel im Angebot‹«59? Ein Synodaler befindet dazu: »In meinen Augen ist es ein intellektuelles Binnenpapier und für einen Konfirmandensaal mit Erwachsenen eigentlich ungeeignet.«60 Der weitere Verlauf der Aussprache zeigt, dass Missionstexte, die von und nur für Missionare verfasst werden, ————— 55;;

Vgl. HAUSCHILDT, Mission, 502–505. MARQUARD, Philosophie, 134. 57;; VIETINGHOFF, Wege, 166. 58;; STEUDE, Apologetik, 9. 59;; EKD-SYNODE, Leben, 172. Synodaler DR. HOERSCHELMANN berichtet den Vorfall. 60;; Ebd., 173 (Synodaler SPRINGBORN). 56;;

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auch von diesen nicht als weiterführend empfunden werden. Dabei spielt die theologische Vororientierung keine bemerkenswerte Rolle. Die bisherigen Ausführungen zu den Missionsmotiven siedeln alle oberhalb des traditionell antagonistischen Widerspruchs von spätpietistischen Kirchenidealen und sich liberal gebenden Kulturtheologien. Seit dem 19. Jahrhundert tritt diese Alternative schärfer oder diffuser, aber grundsätzlich chronisch bis in die Streitschriften der Gegenwart auf.61 Geübt wird entweder Weltdistanz oder Missionsdistanz. Beides wird in seinen Extremen vorgestellt und illustriert, um die frappante Komplementariät beider Positionen herausarbeiten zu können (4.2.3). Entweder begegnet man einer mit Verachtung und Zynismus verbundenen Weltdistanz, die aber gleichzeitig die größtmögliche Weltnähe zeigt (4.1.2) oder einer kulturtheologischen bzw. kulturhermeneutischen Missionsdistanz, die den Begriff fürchtet oder meidet, aber zugleich missionarische Nebenwirkungen für ihre Vorstellungen von Christentum nicht vollständig verhindern kann (4.1.3). Die klassischen Gegenüberstellungen, evangelikal versus liberal, sind nach wie vor vital62 und entfalten sich sprachlich in einer ganzen Fülle von Zeigerworten, die nicht nur das große Wortfeld Mission und ihre Substitute und Hoffnungsträger Werbung, herzliche Einladung, Aufbruch etc. betreffen. Der gegenwärtig immer noch mögliche positionelle Streit weckt strukturelle Erinnerungen an das 19. Jahrhundert. Wenn ein passender Anlass aufkommt, z.B. die Zustände in der ehemaligen DDR, begegnet man nach wie vor verhärteten Fronten und Vermittlungsversuchen, obwohl sich zunächst der Eindruck aufdrängt, dass die wesentlichen Argumente seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts ausgetauscht sind.63 An der Wende zum 21. Jahrhundert können einander immer noch Wahrnehmung, Kommunikation und Konvivenz auf der einen Seite der Mission und Evangelisation auf der anderen Seite gegenübergestellt werden. Beide Seiten können auch darauf vertrauen, dass dieses Vorgehen mit guten Gründen kritisiert wird.64 Dennoch dient die kontinuierliche Selbstvergewisserung in Abgrenzung zu unmittelbar benachbarten und ähnlichen Positionen der Differenzenpflege und damit den notwendigen Erhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten an einer lebensförderlichen Pluralität. Aus missionswissenschaftlicher Sicht —————

61;; Vgl. als exemplarisch durchgeführten Streit ABROMEIT, Herausforderungen und DERS., Kommunikationsstörungen; HERMELINK/KÄHLER/WEYEL, Stärke; KÄHLER, Kompetenz, und WEYEL, Mission. 62;; HAUSCHILDT, Mission, 459. 63;; Vgl. HERMELINK/KÄHLER/WEYEL, Stärke, 38–40. ABROMEIT, Kommunikationsstörungen, 126–136 gegen KÄHLER, Kompetenz, 137–145 und der Kommentar bei SCHROETER-WITTKE, VerFahren, 153f. Vermittelnd heißt es etwa bei LÜTCKE, Zuhören, 47: »Das Gewinnen von Menschen und das ganz am Anderen interessierte Hören schließen sich nicht aus.« 64;; Vgl. KNIELING, Wahrnehmung, 287.

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liegt auch genau in dieser Funktion der Mission ihre gesellschaftsförderliche und -erhaltende Energie. Es bedarf der Mission und der Apologetik aller Wirklichkeitsverständnisse, damit die ganze Gesellschaft und auch die ganze Christenheit eine pluralistische bleibt.65 Der klassische Gegensatz wird in den folgenden Teilabschnitten, aber vor allem wegen der inneren Dialektik beider Positionen und zum Erweis der Ergänzungsbedürftigkeit des Einen und des Anderen, vorgeführt. 4.1.3 Weltdistanz Die Abständigkeit von der Welt wurde in den letzten zweihundert Jahren maßgeblich und für eine größere Öffentlichkeit auf Kanzeln betont, erhofft und verteidigt. Zu den endlos diskutierten Fragen im 19. Jahrhundert gehört diejenige nach der Missionspredigt, vor allem nach ihrem Ort in, mit und über, vor allem aber neben der Gemeindepredigt.66 Die gründlichen homiletischen Studien von Friedrich Wintzer ermöglichen eine Positionierung aller von ihm behandelten Praktischen Theologen in dieser Frage. Daraus werden, beginnend im 19. Jahrhundert, exemplarisch diejenigen missionstheoretisch-homiletischen Ansätze ausgewählt, die eine kaum größer zu denkende Modernität mit proklamierter, absoluter Welt- und Kulturdistanz verbinden. Gustav Adolf Friedrich Sickel urteilt 1829 scharf über seine Zeit: Wir wollen nicht über die Absicht jener Koryphäen des Unglaubens67 richten. […] ihr Zweck wurde wenigstens so weit erreicht, daß die Ansicht vom Christenthum, welche sie als Köhlerglauben verkätzerten, selbst unter dem Volke abnahm, und faktisch ist, daß von dieser Zeit an der kirchliche Verband lockerer, der Unglaube allgemeiner, die Achtung gegen das kirchliche Institut immer geringer, und manches Laster, das unter der Zuchtruthe wenigstens unterdrückt gehalten war, frecher wurde.68

Die Verfallstheorie ist mit Händen zu greifen, aber seine Attacke gegen die Zustände erfolgt mit aufgeklärt modernen Mitteln. Er arbeitet mit Psychologie und Bibel in dieser bemerkenswerten Reihenfolge, tut dies alles auf Grund von Bedürfnissen der Zeit, differenziert voneinander und therapiert einzeln Verstand, Gefühl und Bestreben, d.h. den Willen. Er entwickelt dabei pastoral-weisheitliche Winke, die kasuistisch sind. In ihrer thematischen Fokussierung fehlen sie heute in der einschlägigen praktischtheologischen und missionswissenschaftlichen Literatur nahezu vollständig. Wesent-

————— 65;;

Vgl. FELDTKELLER, Pluralismus, 42f, und WROGEMANN, Deutlichkeit, 73f. Vgl. WINTZER, Homiletik, 98. 67;; Dazu zählt nach SICKEL z.B. der Theologe und Orientalist HERMANN SAMUEL REIMARUS. 68;; SICKEL, Grundriß, 5. 66;;

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lich erscheint bei Sickel etwa der Umgang mit Spott und Hohn. Der so genannte Unglaube äußere sich keineswegs neutral, sondern verhöhne, was er nicht verstehe. Sickel fordert daher Witzigkeit gegen Spötter insbesondere dort, wo längere Gespräche nicht möglich sind. Uebrigens hängt es von der Persönlichkeit des Predigers ab, ob dieser Weg rathsam ist. Eine witzige Antwort muß nie das Ansehen haben, als schieße man Schnepfen mit Kanonen, da sonst der Prediger sich selbst und zugleich die Sache, für die er reden soll, lächerlich macht.69

Wie mit Spott und Hohn umzugehen sei, wurde – selten genug – als Frage ohne Antwort tradiert. Ernst Lange schrieb 1965 ohne Bewältigungsstrategie eine ausbaufähige Problemanzeige zu den Martyrien der gegenwärtigen Christenheit: Das Martyrium, gerade das kleine Martyrium, in dem es keineswegs darum geht, sich totschlagen, sondern nur darum, sich kaltstellen, totschweigen, auslachen zu lassen, ist ja in der Regel die unheroischste aller Weisen zu leiden.70

Kurz zuvor hatte Gerhard Ebeling festgehalten, dass der Glaube nicht an der Anfechtung, sondern auf der Flucht vor der Anfechtung sterbe.71 Aktuell geht Walter Klaiber auf Spott und Hohn als Missionshemmnisse ein. Verachtung und Verfolgung werden schon im Neuen Testament insofern als normal geschildert, als die ersten Schriften der Christenheit »in keiner Weise von der Hoffnung geprägt [sind, D.G.], dass sich diese Situation durch die Aufklärung einiger Missverständnisse über den christlichen Glauben leicht verändern lasse.«72 Klaiber glaubt an Gottes Geistesgegenwart in den Verfolgungssituationen, fürchtet aber vor allem, dass christliche Überzeugungen im allgemeinen Desinteresse nicht einmal mehr fähig sind, verspottet zu werden.73 Beides steht bleibend in Frage. Studierende der Evangelischen Theologie beschreiben als wesentliche, fast ausschließliche und die Berufswahl hinterfragende Anfechtung den umwerfenden Spott, der vor allem von ihren gleichaltrigen Studienkollegen anderer Fächer über sie ausgegossen wird. Spott und Hohn sind dem christlichen Glauben gleichursprünglich. Genauere intradisziplinäre Untersuchungen könnten zu Tage fördern, wie manche großen Themen der Christenheit in einzelnen Fächern nur durch große Lücken vertreten sind.74 Praktisch-theologische Reflexionen der kleinen Martyrien auf sprachlicher Ebene begegnen einem kaum, während sich das Thema exegetisch unmittelbar nahelegt. Eine Relektüre der Passionsbe————— 69;;

Ebd., 198. Vgl. zum Ganzen 197f. E. LANGE, Chancen, 160. 71;; Vgl. ebd., 159. Er zitiert EBELING, Wesen, 156. 72;; KLAIBER, Leben, 102. 73;; Vgl. zum Ganzen ebd., 101–104. 74;; Vgl. Kap. 5 zur gefragten Intradisziplinarität. 70;;

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richte im Neuen Testament zeigt den überaus breiten Raum, den Spott, Hohn und Verachtung – vor allem auf sprachlicher und symbolischer Ebene – einnehmen. Man denke nur an die langen Textabschnitte Mk 14,66–72: die Verleugnung des Petrus, Mk 15,16–20: die Verspottung durch die Soldaten und Mk 15,29–32: die Verspottungen am Kreuz, die ausführlich und alle Arten von Verleumdungen aufnehmen. Zu den Außenministerien der Christenheit in all ihren Varianten gehört das »Aus-gelächter«. Daher ist in den Missionswissenschaften und den Praktischen Theologien die Reflexion darüber angesagt, insbesondere im Blick auf das Pfarrerbild und die damit verbundenen Überforderungen dieses Amtes, dieser Profession und dieses geistlichen Daseins. Die Unfähigkeit, trotz Verachtung zu leben und zu glauben, wird von Dieter Becker benannt: »Zugleich haben Kirche und Theologie noch kaum Methoden entwickelt, glaubwürdig, offensiv und nicht selbstmitleidig auf pauschalierende Herabsetzungen zu reagieren und für die eigene Sache einzutreten.«75 Die Schilderungen des für allgemein gehaltenen Verfalls gelingen oft so plastisch und sprachlich wirkungsvoll, dass die Überwindung dieser Denkungsarten dadurch noch schwieriger wird. Johann Heinrich August Ebrard entfaltete nicht nur eine Verfallstheorie wie Sickel, sondern lastete sie auch noch der Christenheit und insbesondere den Pfarrern an. Von den Ausnahmszuständen, welche durch schlechte und nachlässige Handhabung der kirchlichen Thätigkeit entstehen und den Dienst der »innern Mission« (der Bekämpfung des innerkirchlichen Heidenthums) nothwendig machen76

handelt Ebrard in seinen Vorlesungen über Praktische Theologie, denn »mit dem bloßen Bußepredigen und Klagen über die trostlose Versunkenheit der Zustände ist’s nicht gethan.«77 Gegen Ende des 19. Jahrhunderts trug Theodor Christlieb seine »kultivierte Kulturdistanz« vor. Die Verwerflichkeit der Welt diente ihm zur Einleitung und Begründung seines homiletischen Ansatzes: Wir stossen deshalb hier gleich auf einen Punkt, ja einen Hauptpunkt, an dem die bisherige Homiletik entschieden der Fortbildung bedarf. Darf ich denn – vollends in unseren Staatskirchen – die »Gemeinden« ohne weiteres als aus Gläubigen bestehend heute noch voraussetzen? Entsteht denn bei der heutigen Zersetzung der Gemeinden durch Unglauben, Indifferentismus, ja Atheismus bis hinab in den Arbeiterstand das Bedürfnis der Neuevangelisierung, einer Neugewinnung für den Glauben bei Unzäh-

————— 75;;

D. BECKER, Wein, 198. EBRARD, Vorlesungen, 74. 77;; Ebd., 287. 76;;

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ligen nicht unabweisbar? Oder soll etwa die Kirche diese Aufgabe immer nur den Ausserkirchlichen überlassen?78

Martin Weeber kommt in seiner Studie zur Homiletik Christliebs zu dem Ergebnis: »Offensichtlich gehört es zu den Eigenarten der Neuzeit, daß man in ihr kaum anders als auf neuzeitliche Weise vorneuzeitlich sein kann.«79 Christlieb empfindet starke Distanz zur neuzeitlichen Kultur, aber er ist wichtigen Einsichten und Grundsätzen der modernen Kultur verpflichtet, etwa, wenn es um den zentralen Begriff und die Erfahrung mit Erfahrungen geht. »Die Betonung der Unverfügbarkeitsmomente dieser Erfahrung ändert nichts an der Berufung auf gerade diese Instanz.«80 Der behaupteten und selbst gefühlten Weltferne korreliert regelmäßig die größtmögliche Weltlichkeit und damit Modernität im Detail, d.h. eine grundlegende, aber bestrittene Partizipation an der Zeitgenossenschaft. In der EKD-Schrift »Das Evangelium unter die Leute bringen« wird dieser Zusammenhang vorsichtig angedeutet. Unsere Zeit wird zunächst mit »Unrast, Hetze und Stress« charakterisiert und dazu ausgeführt: »Auch evangelistische Bemühungen sind oft nicht frei von dieser hektischen Ungeduld.«81 Die missionarischen und apologetischen Theorien sind ungleich leichter mit kräftigen Feindbildern zu entwickeln, als die sprachlichen und kulturellen Verwobenheiten zu erschließen, die sehr komplex sind. Daher bleibt auch im 20. Jahrhundert die Sichtweise auf eine böse Welt prominent und vielgenutzt. Nicht nur für Emil Pfennigsdorf geht es mit der Botschaft hinaus »in eine feindliche Welt«.82 Diese Lagebeurteilung, die immer für je akut und krisenhaft gehalten wird, ist im 20. Jahrhundert auch nicht Indiz bestimmter theologischer Richtungen. Martin Schian wendet diese resignierenden Gedanken ausdrücklich auf die homiletischen Herausforderungen an, nicht nur auf die Genese der Praktischen Theologien oder Missionstheorien im Allgemeinen. Vielmehr ist die Gemeinde aus sehr verschieden gearteten Christen zusammengesetzt; oft sind nicht wenige stumpfe Gewohnheitschristen und bloße Pflichtkirchgänger darunter. Diese Tatsache zwingt dazu, bei der Bestimmung des Wesens des Gottesdienstes auch der Unvollkommenheit der Gemeinde, also dem pädagogisch-erwecklichen Moment, Rechnung zu tragen.83

Mit der Kirche als corpus permixtum ist – mit etwas Ironie – außer Gott niemand zufrieden (vgl. Mt 13,30). Aktive Menschen wollen etwas machen, sie wollen vor allem daran etwas ändern. ————— 78;;

CHRISTLIEB, Homiletik, 5. WEEBER, Kulturdistanz, 160. 80;; Ebd., 160. 81;; EKD-KIRCHENAMT, Evangelium, 14. 82;; PFENNIGSDORF, Theologie, 132. 83;; SCHIAN, Grundriß, 104, Hervorhebung D.G. 79;;

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Im Fazit ergibt sich folgende Regel: Je mehr man die böse Welt draußen vor der Tür der Kirche wähnt und lassen will, desto überzeugender lassen sich die zeitgenössischen Elemente in den Feindbildern und Ohnmachtserlebnissen nachweisen. Im letzten Beispiel ist der zielgruppenspezifischpädagogische Ansatz als neuzeitlich zu charakterisieren. Gegenwärtige theologische Rede im Blick auf ihre Glaubwürdigkeit und ihre Begründungsproblematik hängt unweigerlich mit den herrschenden gesellschaftlichen und ideologischen Bedingungen zusammen. Das ist nichts Neues, weder zu beklagen noch zu rechtfertigen. Entscheidend ist vielmehr, dass wir wahrnehmen, dass auch gegenwärtig die Theologie und kirchliche Verkündigung apologetisch agiert und argumentiert […] um dadurch – bewußt oder unbewußt – die Glaubwürdigkeit bzw. Wahrheit ihrer Glaubenshoffnung zu verteidigen, wenn nicht gar zu beweisen.84

Sprachlich umgesetzt wird die dargestellte Dialektik in der Rede von den Zäunen oder Grenzen. Insbesondere in Gegenden mit gefallenen Mauern nimmt man besonders sensibel Schranken und Hürden wahr. Zwischen Kirche und Gesellschaft, zwischen sich und dem Rest der Welt wird dann besonders gründlich und häufig polarisiert.85 Lutz Motikat hat vier mehr oder weniger hohe Grenzen zur Welt beschrieben. Kirchenfremde seien erstens fremd, weil die kirchliche Sprache ihnen fremd bleibe. Zweitens sei die Hürde, in die Öffentlichkeit zu treten, so hoch, dass Veröffentlichungen weder vom Einzelnen noch von einer Gemeinde gewagt oder aus purer Angst übertrieben oft versucht werden. Der Bischof der Pommerschen Evangelischen Kirche, Eduard Berger, äußerte sich sehr persönlich zu dieser Frage: »Außerdem schmerzt mich die zuweilen geradezu würdelose Anpassung und Furcht hinsichtlich der veröffentlichten Meinung und die Gier, von ihr beachtet zu werden.«86 Motikat nennt an dritter Stelle eine kulturelle Grenze, genauer einen Kulturabbruch, und dahinter erst das generationentiefe und schon mit der Macht der Tradition ausgestattete Vorurteil gegen jegliche Religiosität. Diese vierte Grenze verläuft vor der religiösen Dimension des Lebens. Dieser Bereich ist durch unzählige Vorbehalte verschlossen. Die DDR galt 1989 Olof Klohr, dem Inhaber eines Lehrstuhls für Atheismus, als das atheistischste Land der Welt.87 Weniger die Frage, welche Zäune auf welchen Grenzen und wo sie aufgebaut werden, soll in diesem Zusammenhang interessieren, sondern viel—————

84;; BRÄNDLE, Rechenschaft, 420. Vgl. als herausragendes Beispiel einer Apologetik, die ihre zeitgenössischen Züge betont und reflektiert: HEIM, Aufgabe. 85;; Vgl. ZIEMER, Predigt über den Zaun. Plädoyer für den zufälligen Hörer und vgl. WOHLRABSAHR, in: RATZMANN/ZIEMER, Kirche, 28. 86;; E. BERGER, Handeln, 61. 87;; Vgl. MOTIKAT, in: RATZMANN/ZIEMER, Kirche, 74–79.

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mehr, dass alle angenommenen Zäune aus einer Binnenperspektive, d.h. aus dem Blickwinkel von Gefangenen, dargestellt werden. Damit aber wird selbstblockierend gehandelt und die eigene, erfahrene Ohnmacht zum Programm erhoben. Davor hatte Albrecht Schönherr schon in den frühesten Tagen der kommunistischen Diktatur gewarnt: Die Ohnmacht der Kirche ist kein Programm, das man sich zum Ziel setzten könnte. Aber wenn wir auf dem Wege dazu sind, ohnmächtig zu werden, sollen wir darin kein Unglück, sondern die gnädige Führung unseres Herren sehen, der seine Kirche noch nicht verlassen hat.88

Die weltablehnende Gesellschaftsinterpretation steht viel weniger einem Zaun gegenüber als einem Spiegel, der nach innen zurückwirft, was dem Draußen, dem Dahinter unterstellt wird. Vermutungen über die schlechte Welt geraten dann zum Disput über das eigene Kirchenbild. Vorher war gezeigt worden, dass EKD-Mitgliedschaftsbefragungen ihre größte Aussagekraft über den Glauben ihrer Entwickler erreichen und vergleichsweise weniger über die Befragten preisgeben. Scharfe Kritiker an den verwendeten Multiple-Choice-Verfahren geben zu bedenken: Bei den meisten Umfragen werden heute Multiple-Choice-Fragebogen eingesetzt. Zu jeder Frage stehen vorgegebene Antworten zur Auswahl. Das macht die Auswertung einfacher, können die Daten so doch direkt einem Statistikprogramm gefüttert werden, aber es hat eine Reihe von Nachteilen. Einer davon ist […], dass vorgegebene Antworten die Leute auf Ideen bringen, die sie sonst nicht gehabt hätten. Auch machen Multiple-Choice-Fragebogen differenziertes Antworten unmöglich. Kein Kommentar, kein Hinweis, wie die Antwort gemeint ist; alles, was den Teilnehmern bleibt, ist, etwas von dem nachzuplappern, was die Meinungsforscher als Auswahlsendung mitgeliefert haben. Das wirkt sich vor allem dann fatal aus, wenn die Frage unklar formuliert ist oder bei den Antworten nicht an alles gedacht wurde.89

Für die Christenheit ist besonders fatal, dass und wenn auf dem Wege der Fragen die von vornherein unterstellte Weltfremdheit zum Programm erhoben wird. Dabei sind die Kirchen, nicht nur ausweislich ihrer Missionsgeschichten, besondere Teilhaberinnen an der Weltlichkeit der Welt. Eberhard Jüngel legte der EKD-Synode 1999 vor den Hintergründen dieser Positionen nachdrücklich ein »Werben um die Welt« und damit eine »theologische Kultur der Bejahung«90 nahe. Denn bei dieser selbstproduzierten, aber zunächst nur scheinbaren Weltferne kommen die kontrakulturellen Impulse des Christentums zwar tendenziell stark zur Geltung, aber das erhoffte, hohe Kritik- und Verände————— 88;;

SCHÖNHERR, Gedanken, 222. R. SCHNEIDER, Ja, 14 u. 16. 90;; JÜNGEL, Mission, 8. 89;;

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rungspotenzial wird oft erkauft um den Preis einer im Ergebnis noch stärkeren und dann nicht mehr nur behaupteten Weltabständigkeit. Noch nachteiliger ist aber, dass die theologisch eigentlich bedeutende Grenze, die in der Unverfügbarkeit des Glaubens liegt, gänzlich außer Sichtweite gerät. Die Machbarkeitsgrenzen müssen für die Mission je neu repetiert werden, weil sie immer wieder in der allgemeinen Aufregung und Resignation unterzugehen drohen. Harald Schroeter-Wittke hat mit Wortwitz an diese Wahrheit erinnert: Mission klappt nicht, und Mission funktioniert auch nicht. Wer von Mission erwartet, dass sie klappen soll, der hat nicht nur eine Kommunikationsstörung, wie Abromeit meint bei Kähler diagnostizieren zu müssen, sondern der hat ein gehöriges theologisches Defizit.91

Diese unverfügbare Grenze kommt im Gegensatz zu selbstgesetzten Zäunen von außen auf die Christenheit zu. Kein Zwang, keine Sitte, keine freiwillige Aktion, kein noch so cleverer Werbeauftritt können Glauben schaffen. Am allerwenigsten aber kann das dem Nachweis gelingen, dass die Welt schlecht ist. Weltdistanz ist ein äußerst alter und erprobter Weg in der Christenheit. Gleichwohl führt er nicht, vor allem nicht selbsttätig, zur Freiheit gegenüber der Welt. 4.1.4 Missionsdistanz Auf der gegenüberliegenden Seite der theologischen Selbst- und Fremdverortungen klaffen die Lücken, die die verurteilten oder gemiedenen, vergessenen oder verschmähten Begriffe Mission und Apologetik hinterlassen haben. Diese Lücken sind inzwischen anschaulich illustriert und haben beeindruckende intradisziplinäre Ausmaße. Eberhard Jüngel hat sie 1999 in seiner programmatischen Rede der EKD-Synode vorgestellt und Henning Wrogemann musste sie fast der gesamten Systematischen Theologie des 20. Jahrhunderts systematisch attestieren mit der Ausnahme des »kleinen Grenzverkehrs«92 zwischen Missionswissenschaft und Systematischer Theologie bei Jürgen Moltmann. Christian Grethlein folgert für die Praktische Theologie: Die – weitgehende – Ausblendung des Themas »Mission« aus der (westdeutschen) praktisch-theologischen Arbeit der letzten dreißig Jahre hat eine empfindliche Lücke hinterlassen; eine sachgemäße praktisch-theologische Bearbeitung wichtiger durch die Stichworte Pluralismus und Multikulturalität bezeichneter Phänomene erfordert

————— 91;;

SCHROETER-WITTKE, Ver-Fahren, 154. WROGEMANN, Mission, 279–282.

92;;

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die Beschäftigung mit dem Missions-Thema und damit – unter den gegebenen Umständen der disziplinmäßigen Ausdifferenzierung der Theologie – den Kontakt mit der Missionswissenschaft.93

Aus den Beobachtungen der Lücken ergeben sich die weiterfragenden Bewertungen. Dabei werden die Lücken nicht nur nüchtern festgestellt94 oder nur ex silentio offenbar,95 sondern als wegweisend gefordert. Größtmögliche Missionsdistanz ist nicht nur ein Beobachtungsergebnis im Rückblick, sondern wird auch als Strategie empfohlen. Mission sei nicht angesagt, weil die Kulturen von Religiösem derart durchwirkt seien, dass die Hebung dieser Schätze alle Kräfte in Anspruch nehmen soll. Dabei wird gelegentlich sogar die ausdrückliche Verweigerung von Religion noch als Religion interpretiert. Wilhelm Gräb plädiert für eine Kirche, »die wahrnimmt, aufklärt, ins Gespräch bringt, über das, was schon da ist, was man beim Menschen voraussetzen kann, an Sozial- und Selbstkompetenz, an Religion somit auch – selbst in Gestalt expliziter Nichtreligion.«96 Viel zitiert wird auch immer noch die schon ältere Feststellung Gert Ottos, dass man die Teilhabe an der Säkularität überall dort nicht begriffen habe, wo die Missionsterminologie noch anzutreffen sei.97 Aber gerade die Erkenntnis dieser Teilhabe führte in den Missionswissenschaften zu einem Paradigmenwechsel, der auf eine interpretationsbedürftige Kurzformel gebracht, den Übergang von der Reihenfolge »Gott – Kirche – Welt« zur Hierarchie »Gott – Welt – Kirche«98 markiert. Die praktisch-theologischen Konsequenzen dieses inzwischen jahrzehntealten Perspektivwechsels hin zur Teilnahme an der missio Dei, der der Kirche nicht nur die theologische Bejahung der Welt nahelegt, sondern ihr vorrangiges Gewicht einräumt, blieben bisher weitgehend unbedacht.99 In den gegenwärtigen Verlautbarungen, die den kirchenleitenden Leiden entspringen, wirken die missionstheoretischen Überlegungen von Theo Sundermeier geradezu kontrafaktisch: Die Kirche hat nicht ihren Sinn in sich selbst. Im Vergleich zur Welt besitzt sie nur Zweitrangigkeit. Der Welt gilt Gottes Liebe und Aufmerksamkeit. Darum hat die Kirche nichts der Welt voraus, nur das Wissen von Gottes Liebe. Ihr Dasein muß

————— 93;;

GRETHLEIN, Mission, 389, Hervorhebung im Original. Vgl. z.B. D. RÖSSLER, Grundriß, 605f. 95;; Vgl. W. STECK, Theologie, Bd. 1, Register, und GRÄB/WEYEL, Handbuch, 5–10. In beiden Werken gibt es kein Stichwort Mission, gleichwohl aber Sendungsbewusstsein gegenüber Gesellschaften, Kulturen, Medien und Öffentlichkeiten. 96;; GRÄB, Wahrnehmung, 255. 97;; Vgl. OTTO, Theologie, 47. 98;; Vgl. USTORF, Missionswissenschaft, 104f. 99;; Vgl. als Ausnahme dieser Regel DAIBER, Predigen, 94, und MÖLLER, Lehre 1, 72f. 94;;

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»exzentrisch« sein; nicht im Gegensatz, sondern in Solidarität mit der Welt muß sie leben.100

Sundermeier befürwortet in der Konsequenz des Solidaritätsgedankens eine Kirche mit anderen, weil er sogar in Bonhoeffers Diktum einer Kirche »für andere« immer noch paternalistische bis preußische Überlegenheitsgefühle wittert.101 In den Praktischen Theologien, die sich in Missionsdistanz üben, werden als alternative Handlungen vor allem Wahrnehmen und Beschreiben gefordert. Gerald Kretzschmar verlangt »Wahrnehmung statt Mission«102 in seiner Auseinandersetzung mit der EKD-Schrift »Das Evangelium unter die Leute bringen«. Kretzschmar befürchtet, dass die Missionsthematik das eigentlich Wesentliche verhindert: »Hier steht die Kirche derzeit in der Gefahr, sich durch die Schwerpunktsetzung auf missionarische Initiativen den Zugang zu den realen Bedürfnissen und Erwartungen der Menschen von vornherein zu verstellen.«103 Die Macht der Einseitigkeit, die Kretzschmar bei den Autoren, die sich ganz offensichtlich um Weltdistanz bemühen, kritisiert, geht aber auch seiner Position nicht völlig ab. Seit dem 19. Jahrhundert findet freilich kein ernstzunehmender positioneller Streit mehr statt, ohne dass sich ein Vermittlungstheologe fände. In diesem Einzelfall hat Reiner Knieling dieses ehrenvolle Amt übernommen und in seinem Aufsatz »Wahrnehmung und Mission. Alternativen benennen und überwinden« deutlich auf die Möglichkeit eines Sein-SollensFehlschlusses hingewiesen: »Wenn wir nur wahrnehmen, was Menschen mitbringen, glauben und nicht glauben, erhöht sich die bekannte Gefahr, dass die Erhebungen die normative Kraft des Faktischen verstärken.«104 Der totalen Missionsdistanz, die ohnehin nur auf der begrifflichen Ebene durchzuhalten wäre, würde das Steckenbleiben in vermeintlich reinen Deskriptionen drohen. Auch noch so korrekte und zustimmungsfähige religionssoziologische Charakterisierungen von Gesellschaften bieten nicht die Lösungen für diejenigen Probleme, die zu den Renaissancen von Mission und Apologetik geführt haben. Entsprechend zur Weltdistanz, deren inhärente Weltverhaftung deutlich wurde, ist hier ebenso ein Paradox festzustellen. Wo die explizite Missionsund Apologetikdistanz besonders groß ist, ist implizit der Missions- und Sendungswille, und zwar genau für diese Form von kulturhermeneutischem ————— 100;;

SUNDERMEIER, Konvivenz, 51. Vgl. ebd., 53. 102;; GERALD KRETZSCHMAR, Wahrnehmung, 328–343. 103;; Ebd., 342, Hervorhebung im Original. 104;; KNIELING, Wahrnehmung, 291. 101;;

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Religions- und Weltverständnis, ganz besonders stark. Darauf weist Körtner hin: Tendenzen der Distanzierung von der Kirche oder der Entkirchlichung bedeuten darum religionssoziologisch noch keineswegs eine radikale Entchristlichung der Gesellschaft und ihrer Individuen. Wenn aber Phänomene einer sich selbst als solche verstehenden Religionslosigkeit gegen deren eigene Selbstauslegung zu einer Form von unsichtbarer Religion umgedeutet werden, geschieht dies erkennbar in apologetischer Absicht.105

Die so genannten religionsproduktiven Tendenzen ließen religionssoziologisch beschriebene Phänomene wie selbsterklärte Religionslosigkeit und Gewohnheitsatheismus kaum noch ins Blickfeld geraten. Körtner kritisiert theologiegeschichtlich aufschlußreich, aber sehr harsch: Kulturtheologische Konzepte, die sich als Aufgüsse kulturprotestantischer Ideen von vorgestern entpuppen, weisen keineswegs den Weg in die Zukunft, sondern gehören zu den Erscheinungsformen der Selbstsäkularisierung von Theologie und Kirche.106

Zusammenfassend kann man zu dem Schluss kommen: Die enthaltenen apologetischen und missionarischen Potenziale sind auf durchgehend hohem Niveau, provozieren Widersprüche und stehen den Bemühungen der Weltdistanzierten nur in ihrer Explizität nach, nicht aber in ihren angestrebten Wirkungen. In beiden Fällen legt sich der Eindruck nahe, dass durch Voraussetzungen und Unterstellungen die befürchteten oder erhofften Zustände angestrebt werden. Friedrich Schleiermacher hat diese Vorgehensweise, allerdings nur zur Beförderung des Glaubens, einmal ausdrücklich empfohlen.107 Die Fragen nach den notwendigen Freiheiten gegenüber der Welt und ihren bleibend ambivalenten Rekonstruktionen bestehen weiter. 4.1.5 Ambivalenzen Im Überblick erscheinen die Weltdeutungen nicht nur vielfältig, sondern bleiben unausgleichbar konträr. Die von Eberhard Jüngel geforderte theologische Zuneigung zur Welt meint kein unanfechtbares Kultur- und Weltlob, um Mission für verzichtbar erklären zu können. Dieser Zusammenhang wird am Streit um die Definitionen von Religionen abschließend kurz skiz—————

105;; KÖRTNER, Wiederkehr, 85, mit Bezug auf LUCKMANN, Religion, und gegen GRÄB, Lebensgeschichten, 32. Daneben belegt das Zitat den abschätzigen Weitergebrauch des Wortfeldes Apologetik. 106;; KÖRTNER, Vielfalt, 119. 107;; Vgl. SCHLEIERMACHER, Predigten, 7.

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Wahrnehmungen von Welten

ziert (1). Ebenso sind – abhängig von den Zeitgeistgenossenschaften – die wechselnden kulturkritischen bis kontrakulturellen Dimensionen des Christentums nicht zu übersehen und zu übergehen. Die den empirischen Mitgliedschaftsbefragungen gegenüberstehenden Betrachtungen zu den Menschen, denen Christsein zugeschrieben und zugesprochen wird, dienen in diesem Fall als Beispiel (2). Im folgenden Teilkapitel wird dann die Annahme begründet, dass das Weltverhältnis der Christenheit nicht a priori festgestellt werden sollte, sondern nur retrospektiv erkannt werden kann (Kap. 4.2.4). Aus der Synopse der vorgestellten Distanzen entstehen dann Freiheiten gegenüber der Welt, die zur kritischen Weltoffenheit beitragen. (1) Aus religionssoziologischer Perspektive hat Detlef Pollack,108 aus systematisch-theologischer Perspektive hat Ulrich Körtner109 das gelegentlich überschwängliche Weltlob, verbunden mit Wahrnehmungen omnipräsenter religiöser oder mindestens religioider Spuren, bezweifelt. Beide fragen sehr prinzipiell, ob man treffend von der Wiederkehr der Religion sprechen kann. Im Laufe seiner Analyse widerspricht Körtner dem so genannten Megatrend Religion mit differenzierenden Beobachtungen jenseits der Fragen, welches Image die Kirchen haben etc. Angesagt seien Monismus und Pantheismus, sehr viel weniger dagegen der christliche Glaube. Es gäbe durchaus ein Interesse für bestimmte religiöse Fragen, nicht zuletzt veranlasst durch den 11. September 2001 und einige wenige militante islamistische Strömungen. Davon zu unterscheiden sind Phänomene nichtextremer Religionen im Allgemeinen und religionsartige Erscheinungen in den Gesellschaften, die nur mit geringem Interesse rechnen können. Körtner grenzt sich scharf von einem s.E. allzu weiten und dann nichts sagenden Religionsbegriff ab. Religion sei nicht alles, wovon Religionssoziologen handeln. Das neue Wort »religioid« schaffe nicht etwas aus dem Nichts, was es dann bezeichnen soll. Auch könne das per definitionem Unsichtbare schwerlich qua neuer Begrifflichkeit zum Forschungsgegenstand erhoben werden.110 Vor allem aber diagnostizieren Körtner und Pollack einen gegenläufigen, viel offensichtlicheren Megatrend, einen »massenhaften Gewohnheitsatheismus«,111 der weitaus herausfordernder sei als die Vorstellung von Konkurrenz auf einem religiösen Markt.112 Wenn der Religionsbegriff dagegen derart ausgeweitet werde, bis zuletzt nichts mehr ausgeschlossen sei, dann vergebe man sich die Wahrnehmungsmöglichkeiten der Gottvergessenheit. Wer nur nach Religioidem ————— 108;;

Vgl. POLLACK, Säkularisierung, 147f. Vgl. KÖRTNER, Wiederkehr, 30–32. 110;; Vgl. ebd., 15. 111;; Ebd., 2006, 15. 112;; Vgl. KRÖTKE, Massenatheismus, 216, und POLLACK, Säkularisierung, 181f. 109;;

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Weltanschauungskämpfe

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suche, um es zu interpretieren, wird auch das demonstrative oder tabuisierte Un- und Areligiöse kaum noch adäquat wahrnehmen können.113 Ein konsensfähiger Religionsbegriff ist derzeit nicht in Sicht. Dieser offene Definitionsstreit erweist sich aber als vitalisierende Fragenbewahrinstitution, auf die man nie ohne Not verzichten sollte. (2) Ein vielzitierter und immer wieder unterstützter Versuch, zur Welt neben den Kirchen Vertrauen oder mehr Zutrauen zu fassen, war die vor mehr als einem Jahrhundert entwickelte Rede von unbewussten Christen, wobei in den Renaissancen dieses Streites wieder unklar ist, ob diese unauffällige Spielart des Christentums erfunden oder entdeckt wurde.114 Von dieser Beurteilung hängt ab, ob sie nur wieder gesucht werden muss oder durch die Macht der positiven Unterstellung auch hergestellt werden kann. Die skeptischen Stimmen gegen die dahinter vermuteten neuerlichen Vereinnahmungen stammen aus verschiedenen theologischen Teilfächern. Michael Welker spricht bei der Annahme unbewusster Christen, die von sich selbst nichts oder wenig wissen, von einer Entleerung und »MacDonaldisierung des Glaubens. Der Gewinn waren die vielen anonymen Christen, weil dieser Glaube jedem irgendwie vernünftigen Menschen angemutet werden konnte.« Dabei wird er sehr ironisch, wenn er letztlich meint: »Jedes Blümchen, jeder Wassertropfen kann religiös aufgeladen werden.«115 Auch Dietz Lange richtet sich vehement gegen die Tendenz, andere gegen ihren Willen oder auch nur ohne ihr Wissen Christen zu nennen. Lange rechnet diese Kommunikation über andere unter die kaschierten Kolonialisierungen, die man endgültig ausrotten sollte. Er betont, dass der Verzicht auf die Annahme von unbewussten Christen nicht nur im Interesse der anderen Religionen und demzufolge Ausdruck angemessenen Respektes sei, sondern auch für das Selbstverständnis des Christentums einen wichtigen Erkenntnisschritt bilde.116 Reinhart Hummel als Vertreter der kirchlich-außenministerialen Apologeten zitiert aus einer Diskussion über Karl Rahners Konzept anonymer Christen folgenden Wandel im prinzipiellen Kirchenverständnis: »Während es früher äußerst schwierig war, zur Kirche zu gehören (›to be inside the church‹), ist es in dieser Deutung äußerst schwer, ihr nicht anzugehören (›to be outside of it‹).«117 —————

113;; SCHNEIDER-FLUME, Glaube, 200, zitiert POLLACK, der von einer »imperialistischen Definitionsartistik« spricht, wenn noch die Nichtwahrnehmung Gottes als Religion angesehen wird. 114;; Vgl. zu dieser Alternative schon RADE, Christentum, 6, über RICHARD ROTHE: »Dieser Mann erfand oder entdeckte das unbewusste Christentum.« 115;; WELKER, Selbst-Säkularisierung, 18. 116;; Vgl. D. LANGE, Heil, 266f. 117;; HUMMEL, Pluralismus, 175, unter dem Titel »Sackgassen im Umgang mit dem Pluralismus«, ebd., 174.

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Wahrnehmungen von Welten

Die bleibend ambivalenten Deutungen von Welt und – damit oft unmittelbar zusammenhängend – von der Christenheit ergeben keine guten Gründe für Mission und Apologetik. Sie sind als Herausforderung zur Suche nach Freiheiten gegenüber der Welt zu begreifen. Diese Freiheiten haben auch zur Folge, dass weder alles je Erprobte abgelehnt werden muss noch die kritiklose Anerkennung und Fortsetzung des bislang Gewordenen, und seien es auch Megatrends, hinzunehmen sind.118 Im Wortbild vom Wiederwuchs119 werden die Kontinuität zum Gewesenen und die weitgehende Ungezwungenheit gegenüber Neuem gleichermaßen anschaulich.

4.2 Freiheiten Freiheiten

Wenn die geschilderten Weltanschauungskämpfe (4.1) unabhängig vom Sieg der einen oder anderen Seite nicht zu Fundamenten für Mission und Apologetik taugen, dann sind die theologischen Unabhängigkeitsbestrebungen und die spezifisch christlichen Freiheiten jenseits der Schemata von Siegen und Niederlagen genauer darzustellen (4.2). Entfaltet wird die Freiheit gegenüber anthropologischen Setzungen (4.2.1) und zugunsten der Entscheidungsmüden (4.2.2). Die komplementären Strukturen der Weltwahrnehmungen führen zu einer bedingten Unabhängigkeitserklärung initiativer, missionarischer und apologetischer Kommunikation (4.2.3). Die Beobachtungen und Deutungen von Komplementarität sind prinzipiell nachdenklich, d.h. nur in Rückblicken zugänglich (4.2.4). 4.2.1 Von den Zirkelschlüssen Die Welten in Gestalt ihrer wirkungsvollen, weil sprachlich verfassten Deutungen, sind leichter zu bewältigen, wenn der Ausbruch aus dem circulus vitiosus versucht wird, der regelmäßig entsteht, wenn man sich gezwungen sieht, bestimmte anthropologische Voraussetzungen für unveränderliche Gegebenheiten zu halten. Denn die weiten und in sich widersprüchlichen Welten werden häufig nur auf die vermeintlichen Bedürfnisse der Menschen fokussiert und damit beschränkt wahrgenommen. Das gilt auch, wenn an der Wende zum 21. Jahrhundert niemand mehr den modernen Menschen zu kennen meint, wenn die widersprüchliche Fülle biblischer Menschenverständnisse rezipiert wird. Dennoch haben die dazugehörigen Argumentationsmuster, die das Menschsein mit Hilfe von universalen Ähn————— 118;;

Vgl. SCHMIDT-ROST, Medium, 86. Vgl. Kap. 1.

119;;

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Freiheiten

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lichkeiten, z.B. allgemeinen Grundbedürfnissen, definieren, die gesellschaftlichen Umwälzungen nahezu unbeeinträchtigt überstanden. An die funktionale Stelle des seinerzeit so genannten modernen Menschen sind jetzt der statistische Durchschnitt bzw. die statistischen Mehrheiten getreten. Theo Sundermeier karikiert, wohin das im extremen Fall führen kann und klagt über die daraus resultierenden Missionsversuche: »Statistiken bekommen fast den Stellenwert eines Gebetsbuches. […] Alle vom amerikanischen Fundamentalismus beeinflußten Missionen denken in strategischen und quantifizierenden Begriffen. Es geht um Kirchenwachstum, Seelenrettung und vor allem um die Beschleunigung des Kommens Christi.«120

Zur Abschreckung sind aber gar nicht solch entlegene Beispiele aus der weltweiten Mission notwendig. Der Teufel zieht seine Kreise überall dort, wo Kirchen bestimmte und scheinbar allgemein verbindliche Begierden und Neigungen diagnostizieren, die sie dann qua Mission oder Kulturhermeneutik, durch Apologetik oder bessere kasuelle Predigten und auf anderen alternativen Wegen zu befriedigen gedenken. Ulrich Oevermann nennt es schlicht zirkulär, Bedürfnisse oder Sehnsüchte zu inszenieren, die die Religionen dann beabsichtigen zufriedenzustellen.121 Oevermann – im Gegensatz zu vielen anderen – ist es jedenfalls ein Bedürfnis, die Unbrauchbarkeit des Bedürfnisbegriffes klarzumachen, weil (1) schon von vornherein die Kategorie des Bedürfnisses soziologisch von höchst zweifelhaftem Wert ist, denn wenn sie auf sogenannte anthropologisch tief sitzende Grundforderungen oder Invarianten bezogen wird, dann ist sie inhaltlich entsprechend leer und beliebig auslegbar und wenn sie inhaltlich differenzierter gefaßt wird, dann muß ihre Bestimmung dem kulturellen Wandel ihrer Inhalte folgen, denn Bedürfnisse sind in sich je gesellschaftliche Produktionen. Es kommt (2) hinzu, daß ähnlich wie bei der Kategorie des Erlebens, die inhaltlichen Auslegungen von Bedürfnissen auf die Beschreibung subjektiver, nicht überprüfbarer Vorstellungen hinausläuft. Und schließlich (3) kann eine inhaltliche Spezifizierung der Bedürfnisse wohl kaum zirkularitätsfrei unabhängig von den religiösen Deutungen gelingen, die sie ja gerade funktionalistisch erklären sollen.122

Bedürfnisse, mehr noch ihre attraktiven Statthalterinnen, die etwas unscharfen und diffuseren Sehnsüchte,123 haben Hochkonjunktur als Ecksteine für Mission und Apologetik. Die vielfältigen Bedürfnistheorien spiegeln in ihrer Unterschiedlichkeit und Widersprüchlichkeit die Uneinheitlichkeit und Disparatheit menschlicher Bedürfnisse. Sie zeigen aber auch menschliches und soziales Leben ————— 120;;

SUNDERMEIER, Konvivenz, 77. Vgl. OEVERMANN, Strukturmodell, 30. 122;; Ebd. Grammatikfehler im Original. 123;; Zu den Sehnsüchten vgl. Kapitel 2.3.3. 121;;

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unter völliger Abwesenheit bestimmter Bedürfnisse, auch wenn man sie Grundbedürfnisse nennt, weil man überzeugt ist, dass jeder sie hat oder haben sollte. Religiöse Bedürfnisse oder Sehnsüchte sollten angesichts von Gewohnheitsatheismus in der 3. oder gar in den Generationen »4 + x«, der auch mit »Gottvergessenheit«124 nicht mehr zutreffend charakterisiert werden kann, nicht mehr unbedacht vorausgesetzt werden. Schon Karl Heim hatte vor einigen Generationen mit der ihm zu Gebote stehenden Ironie genau diesen Sachverhalt herausgearbeitet. Albrecht Schönherr hat dann mit Heims Erkenntnissen zu Beginn der kommunistischen Diktatur prophezeit, was nach deren Ende erneut entdeckt wurde: Wie Karl Heim schon vor Jahren bemerkte, ist es für den heutigen Menschen typisch, daß er nicht mehr gegen die Religion ankämpft, wie das im 19. Jahrhundert im Namen der Wissenschaft geschah, sondern daß er völlig areligiös lebt. Dabei verzweifelt er nicht etwa, sondern es stellt sich heraus, daß er durchaus auch so leben kann. Zwar wird von wohlwollender psychiatrischer Seite darauf hingewiesen, daß mit dem Schwund des religiösen Bewußtseins die Neurosen zugenommen hätten. Aber warum sollten nicht auch hier mit der Zeit Methoden gefunden werden […]?125

Gunda Schneider-Flume schärft ein und erzählt in predigtkompatiblen Kürzestgeschichten, dass künftige Mission mehr und mehr ohne vorhandene Bedürfnisse auskommen muss. Sie berichtet von Friedhofsbesuchern, die auf jeglichen Segen und scheinbar alles Immanenzüberschreitende verzichten können. Als ein Priester sie am Grab der Angehörigen trifft und sehr zurückhaltend fragt, bekommt er die erschütternde Antwort: »Nein danke, wir sind nichts!«126 Aus theologischer Sicht soll das probeweise als Freiheitsgewinn verstanden werden, als erstrebenswerte Freiheit, die auch dem Evangelium seine Würde wiederbringt. Für Predigten ergibt sich wieder die Chance, grundlegend und/oder menschenfreundlich-konfrontierend zu wirken. Konträre Weltsichten sind grundsätzlich nicht um der Konfrontationen willen gut, sondern um Gottes und der Menschen willen. Nur so können Menschen auf Ideen kommen, die sie sonst nicht hätten. Das beschränkende Gegenteil ist allzu oft der Fall. Dann gilt: Die Wirklichkeit der Hörer wird mit Bedürfnissen, die man bei ihnen ermittelt hat oder ihnen zuschreibt, gleichgesetzt. […] Das Kriterium der Relevanz, ohne Respekt vor dem Eigenanspruch religiöser Wahrheit feilgeboten, degeneriert zum Konsumgut für bedürftige Zeitgenossen.127

————— 124;;

SCHNEIDER-FLUME, Glaube, 199. SCHÖNHERR, Gedanken, 216, mit Bezug auf HEIM, Gottesglaube; Hervorhebung ALBRECHT SCHÖNHERR. 126;; SCHNEIDER-FLUME, Glaube, 11 u.ö. 127;; JOSUTTIS, Wahrheit, 254. 125;;

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Noch etwas prinzipieller als Manfred Josuttis für die Predigt äußert Gerhard Sauter einen Verdacht, der die gesamte Theologie betrifft. Daß die »Menschen von heute« von der Sinnfrage bewegt sind, daß sie sich auf den Grund kommen müssen, um (vielleicht) glauben zu können, daß Plausibilitätsrücksichten zu beachten sind: dies und anderes mehr wird als »gegeben« vorausgesetzt. Es wäre einer wahrhaft fundamentaltheologischen Bemühung wert, solche Schemata daraufhin abzuklopfen, inwiefern sie dem Binnengespräch von Theologen entstammen und eine »Außenperspektive« beanspruchen, um »innen« mehr Sicherheit zu gewinnen.128

Die Welt wird nur zu bewältigen sein, wenn anerkannt wird, wie unterschiedlich die Bedürfnisse verteilt sind. Sie einen die Menschheit nicht, auch nicht Zeitgenossen einer Epoche, sondern trennen sie vielmehr deutlicher als zuvor voneinander. Daraus entsteht die Herausforderung, die Bedürfnisse aus den Anfängen und Voraussetzungen christlicher Kommunikation in die regulativen Ideen zu verlagern, denn Bedürfnisse und Sehnsüchte können sehr wohl orientiert und spezifiziert werden. Wenn das klarer als bisher kommuniziert wird, gewinnen die Strategien an Ehrlichkeit. In optimalen Fällen erlangen Kirchenleitungen und Theologen gar das Bewusstsein zu agieren, anstatt so viel über scheinbare Voraussetzungen zu kommunizieren, bis das eigene Handeln nur noch als Reaktion auf Gegebenes verstanden werden kann. 4.2.2 Für die Müden Zunächst wird die individuelle Freiheit zur Häresie auf soziale Gebilde übertragen (1). Als Interpretation für das Entscheidungs- und Wahlverhalten angesichts dieser großen Freiheit wird Müdigkeit vorgeschlagen (2). Ihr besonderes Charakteristikum, die Müdigkeit vom Großen und Ganzen und daher die Versuche, im Kleinen und im Einzelnen zu glauben, müssen in diesem Kontext verstanden werden (3). Diese Müdigkeit wurde allerdings nie akzeptiert, sondern stets mit dem neuzeitlichen Aktivitiätsideal konfrontiert, d.h. mit Erweckungsabsichten (4). Mission und Apologetik sind aber nicht länger mit der Idee von Erweckungen zu verbinden. Es ist vielmehr der Frage nachzugehen, wie mit den Müden zur rechten Zeit (vgl. Jes 50,4) und gut von ihnen geredet werden kann (5).

—————

128;; SAUTER, Fundamentaltheologie, 40. SAUTER spricht von dieser »Außenperspektive« als einer »Berufskrankheit«.

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(1) Die Freiheit zur Häresie war oben herausgearbeitet worden. Verbunden wurde damit die Erkenntnis, dass die Behauptung »der Mensch ist zum Wählen verdammt«129 nicht zutrifft. Wir haben die freie Arzt- und Gotteswahl. […] Die Beliebigkeit regiert, wir sind Spielbälle des Zufalls, der Zufall bestimmt, was wir denken und meinen wollen. Wir sind glücklich, trotz der Sinnleere, warum sich das Leben unnötig schwer machen?130

Es herrscht für die Individuen auch die Freiheit, gar nicht zum Arzt zu gehen oder nach Gott zu fragen. Hier interessieren nicht die individuellen, sondern die sozialen Konsequenzen der Freiheit zur Häresie. Denn die Wahlleistungen sind keineswegs ausschließlich den Individuen zuzumuten, wie der gewöhnlich individualisierte Fokus nahelegen mag. Statt die ganze Wahllast den Individuen zuzuschreiben, sind die Wahlfreiheit und damit Wahlempfehlungen vor allem für diejenigen zu betonen, die Glauben initiativ kommunizieren.131 Es gibt also nicht nur Wahlverantwortungen auf der individuellen Seite, sondern auch allgemeine Wahlleistungsherausforderungen für Gemeinschaften und Gesellschaften. Das gängige Modell, dass aus einem bestehenden Angebot eine konsumierende Gegenseite auswählen kann, ist so simpel nicht zu gebrauchen. Schon jegliches Angebot ist das Ergebnis komplexer Selektionen. Wenn die Christenheit sich nicht nur ihrer aktuellen Pluralität, sondern ihrer pluralen Herkünfte und Wirkungsgeschichten bewusst wird, steigen die Anforderungen an die Auswahl aus ihren eigenen vorhandenen Traditionen.132 Eine altehrwürdige Religion wie das Christentum hat quasi eine zu große Auswahl an besetzten oder beladenen Begriffen, Interpretationen und damit hermeneutischen Optionen, als dass sie nebeneinander realisierbar und für Nachfragende präsentierbar wären. Auch deshalb erscheint die Vorstellung vom Wiederwuchs, d.h. von Renaissancen, sinnvoll. Der Wiederwuchs bedarf der Pflege derart, dass z.B. Dialoge über Mission klären helfen, welche Überlieferungen man mit welchen Gehalten überhaupt wiederbeleben will, in welche hermeneutischen Pflichten man sich künftig begeben möchte, welche Selbstkritik aus histori-

————— 129;;

SACHAU, Kultur, 146. Vgl. Kapitel 2.3.2. KÖNIG, Vodookinder, 4f, zitiert nach MEYER-BLANCK, Individualität, 17, Hervorhebung

130;;

D.G.

131;; Vgl. NÜCHTERN, Profil, 133: »Wie es für die Einzelnen eine Bewegung von der Tradition zur Option gibt, so auch für die Kirchen selber. […] Sie erkennen, dass sie Handlungsmöglichkeiten haben und nur bestimmte Optionen verwirklichen können.« 132;; Vgl. GRÄB, Theologie, 87.

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schen Gründen unumgänglich ist und wie proaktiv das Positive einer zweitausendjährigen Christentumsgeschichte zu kommunizieren sein könnte.133 Die Wahlempfehlungen werden auch von außen eher der ganzen Institution Kirche zugeschrieben, weniger den Mitgliedern individuell angelastet.134 Intern allerdings werden die Wahlleistungen und damit die Entscheidungen den »Dividuen«135 innerhalb der funktional differenzierten Gesellschaft zugemutet und das Scheitern an dieser Herausforderung immer gleich mit in die individuelle Rechnung gestellt. So charakterisiert Reiner Preul die Religionssuche und Glaubensfindung: Jedenfalls wird Religion immer mehr zu einer Angelegenheit der Selektion, wobei es nur noch die Frage ist, ob diese Selektion bewusst und reflektiert vollzogen oder ob sie von Zufällen bestimmt wird, indem man unversehens in etwas hineingerät. Subjektive Freiheit der Wahl in Sachen Religion und Weltanschauung hat es freilich auch früher gegeben, unbeschadet des gesellschaftlichen Comments. Aber sie ist jetzt quantitativ erweitert und auch qualitativ verändert. […] Die erste Art der Wahl konnte auch weniger als selbstmächtige Entscheidung verstanden werden; sie wurde eher als ein Geschehen erlebt, das sich am Subjekt vollzog: Man »verlor« seinen Glauben, aber man warf ihn nicht weg. Die zweite Art der Wahl ist dagegen eher eine echte Wahl im Sinne von eigener Entscheidung. Das Subjekt ist sich seiner selbst als wählender Instanz bewußt, einer Instanz, die nach eigenen Kriterien oder Vorlieben auswählt und komponiert.136

Diese Charakteristik ist auf kirchliche Gemeinschaften zu übertragen. Entweder können kirchliche Gemeinschaften primär kommunizieren, was sich an ihnen als Geschehen vollzieht, was sie passiv erleben und erleiden, was ihrer Existenz vorausliegt.137 Oder sie konzentrieren sich eher auf ihre entscheidenden Potenziale, auf Reformen, die sie nach eigenen Kriterien auswählen und erproben. Derzeit wird in den Kirchenleitungen betont der zweite Weg gewählt, d.h. Entscheidungen und Wahlen werden stark betont. Zum ersten Weg gehört aber z.B. die beachtenswerte Tatsache, dass die —————

133;; Vgl. REINER PREUL, der 2008 eine Vorlesungsreihe unter dem Titel »Glücksfälle der Christentumsgeschichte. Ringvorlesung der Emeriti der Theologischen Fakultät Kiel« veranstaltet und veröffentlicht hat. 134;; Vgl. ROSS, Gott, 1f, und LUHMANN, Religion, 295. 135;; NASSEHI, Inklusion, 127f, Hervorhebung im Original: »Staat, Recht, Wirtschaft, Wissenschaft, Medizin, sogar Kunst, Religion und Erziehung greifen nur jeweils auf Teilaspekte der Individualität zu; der Inklusionsbereich ist letztlich nur jeweils an einem Teil (Dividuum) des Unteilbaren (Individuum) interessiert – der ›Rest‹ wird gewissermaßen dem Zugriff funktionsspezifischer Konditionierung entzogen.« 136;; PREUL, Gott, 71. Vgl. auch BÜNKER, Kirche, 83f. 137;; Vgl. HERMS, Pluralismus, 93. Dort wird zwischen Werk der Menschen und Werk Gottes unterschieden; für letzteres »beschränkt sich die menschliche Leistung auf die klare Bezeugung der eigenen Glaubensgewißheit.«

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Wahrnehmungen von Welten

Kirchen sich nicht sich selbst verdanken. Sie verdanken sich im Übrigen auch nicht einer großartigen Wahlleistung früherer Generationen. In den vorliegenden Studien wird dagegen für mehr Ausgewogenheit plädiert. Denn gleichgültig, wie die Frage zwischen Gegebenem und Gewähltem entschieden wird, ist unbestritten, dass die Ansprüche an überindividuelle, theologische Reflexionen in den Kirchen und religiösen Gemeinschaften steigen.138 Gewählte Religionen müssen eine höhere Qualität haben und sind angefochtener als einfach ehemals vorgefundene, vor allem aber als alternativlose Glaubenspraktiken. Félix Moser interpretiert die Konfrontationen, die unausweichliche Konsequenzen von jeglichem Wahlverhalten sind, als förderliches Abhärtungstraining. »Notre foi devient plus robuste lorsqu’elle s’ouvre à la confrontation et aux questionnements.«139 Eine angemessene, selbstbewußte und explikative Apologetik, so Michael Meyer-Blanck,140 wäre entlang dieser Herausforderungen zu entwickeln. Künftige Apologetik müsste sich außerdem angesichts von hochgradiger Individualisierung stärker ihrer gemeinschaftsförderlichen oder hinderlichen Elemente bewusst werden. Nachdem die Individualzurechnung der Religionsentscheidung einmal durchgesetzt und damit jeder vor sich und anderen rechenschaftspflichtig (= motivbedürftig) geworden ist, wird nur noch die Frage einer sozialen Unterstützung und Zustimmung akut. Soziale Gleichgesinntheit ist jetzt nicht mehr einfach unbemerkt vorhanden, und man kann die Meinungen anderer auch nicht mehr mit einer gleichsam stochastisch zutreffenden Intuition voraussetzen; sondern es muß eine sichtbare und abgrenzbare Gemeinschaftsbildung eingeleitet werden, in der Glauben soziale Bestätigung findet, auch wenn andere nicht oder anderes glauben.141

(2) Diese Überlegungen zur immensen Wahlfreiheit fußen auf Freiwilligkeit und damit auf dem Willen zur Entscheidung. Genau aber dieser Wille ist der derzeit individuell und erst recht überindividuell am meisten strapazierte. Wo und wenn man kann, erholt man sich davon. Am leichtesten Erholung kann man sich ganz offensichtlich und am konsequenzenfreiesten im gesellschaftlichen Teilsystem Religion verschaffen. Geld und Gewalt exkludieren schnell aus ihren Systemen, wenn jemand entscheiden sollte, keine Entscheidungen mehr zu treffen. Gott aber denkt nicht daran, seine gewährten Freiheiten zu beschränken. Erholung suchende Dividuen ruhen im Teilsystem Religion von den sonst permanenten Entscheidungsfindungszwängen aus und nehmen des————— 138;;

Vgl. KARLE, Volkskirche, 625f. MOSER, Croyants, 264. 140;; Vgl. MEYER-BLANCK, Religionsunterricht, 3. 141;; LUHMANN, Religion, 295, Hervorhebung im Original. 139;;

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halb z.B. nur an den familiär erforderlichen Kasualien teil, vielleicht »schwebend zwischen dem Wunsche und dem Unvermögen zu glauben«.142 Die religiöse Frage kann offen bleiben, während in allen anderen gesellschaftlichen Teilbereichen nicht ohne Not nicht entschieden werden kann. Die Kirchen aber haben die Erwartung, dass der Glaube bestimmt, überzeugt und erfüllt sei.143 Der neuzeitliche Mensch war oben im Anschluss an die philosophischen Studien von Odo Marquard als »Defektflüchter«144 vorgestellt worden. Ein einzelner Mensch, eingedenk seiner Mängel, sucht gleichwohl überindividuell, genauer in Institutionen, nach Entlastungen und Kompensationsmöglichkeiten. Diese Auswege sollten keinesfalls gering geschätzt werden. Unmöglich werden sie immer dann, wenn Institutionen ihre Handlungsimpulse fast ausschließlich aus den Defiziten der Beteiligten zu ziehen versuchen und allein auf sie fokussiert sind. Daraus resultiert diejenige Müdigkeit, die in der Vergangenheit immer wieder moralisierend verurteilt wurde und qua Vorwürfen kommuniziert wurde. Die Müden werden nicht nach ihren nachvollziehbaren Gründen für die Erschöpfungszustände gefragt, sondern mit Vorhaltungen traktiert. Johann Heinrich August Ebrard erregte sich 1854 über die »schlafende, unerweckte, schlaffe Masse«,145 ohne genauer nachzufragen, warum so viele so müde sind. Auch ein Jahrhundert später hat sich an der Betrachtungsweise nichts geändert, es seien zu viele »eingeschlafene Glieder«146. Kirchen als intermediäre Institutionen sind gefragt, zwischen den Mängeln und den möglichen Kompensationen so zu vermitteln, dass Erleichterungen und Befreiungen entstehen. Sie sollten dagegen nicht durch zusätzliche Defizitnachweise den gesellschaftlichen Zweck ihres Seins durch ihr eigenes Handeln konterkarieren, von der theologischen Standortbestimmung ganz zu schweigen.147 Die Erholungsbedürftigkeit von den permanenten Entscheidungsnotwendigkeiten ist schon einmal in einer Diskussion um Säkularisation als »Trägheit« erkannt worden: »Der Begriff wird in seiner physikalischen Metaphorik verwendet, bei dem er eine Masse bezeichnet, die sich auch dann noch fortbewegt, wenn der ursprüngliche Impuls, der die Bewegung ausgelöst hat, gar nicht mehr wirkt.«148

————— 142;;

JEAN PAUL, Werke, Bd. 36, 5. LUHMANN, Religion, 292, bezieht sich darauf. Vgl. POLLACK, Individualisierung, 82. 144;; MARQUARD, Philosophie, 13. 145;; EBRARD, Vorlesungen, 199. 146;; TRILLHAAS, Predigtlehre, 52. 147;; Vgl. Kap. 3 über die verständliche Flucht der Bezeichneten. 148;; KNOBLAUCH/SCHNETTLER, Trägheit, 8. 143;;

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Wahrnehmungen von Welten

Trägheit ist zu unterscheiden von Unbeweglichkeit und Starre. Zu beobachten ist in religiösen und weltanschaulichen Fragen eine allgemeine Trägheit und Müdigkeit, die fast alle tangiert. Papst Benedikt XVI. hat aufgrund dieser Müdigkeit die alte Rede vom Abendland mit neuer Bedeutung erfüllt. Das Abendland ist demzufolge dort, wo die Menschen erschöpft sind von ihren eigenen und selbstverantworteten Leistungen. Hinzu kommen jene, die sie selbst glauben, vollbringen zu müssen, ohne es eigentlich zu können. Das Abendland habe seinen Namen mehr denn je verdient, denn es sei »eine seiner eigenen Kultur müde Welt, eine Welt, die zu einer Zeit gelangt ist, in der es keine Evidenz der Notwendigkeit Gottes mehr […] gibt. Eine Welt, in der es also scheint, als würde der Mensch sich von sich selbst her konstruieren können. In diesem Klima eines [in] sich verschlossenen Rationalismus, der das Modell der Wissenschaften als einziges Modell für Erkenntnis ansieht, ist alles andere subjektiv.«149

Die Entscheidungsmüden suchen Erholung vom sozialen Stress im subjektiven Niemandsland. Das müde Abendland zieht auch keine Grenzen, nicht zwischen Papst und dem Rest der Welt, nicht zwischen Kirchen und Gesellschaften, sondern betrifft diejenigen gemeinsam, die sich gegenseitig sonst nur über ihre Distanzen wahrnehmen und interpretieren. Die Müdigkeit betrifft Jugendliche, die alles entscheiden können und müssen. Sie wollen einmal aussetzen, pausieren. Sie wollen, dass etwas ihnen begegnet, statt immer nur nach Lebensleistungen gefragt zu sein, immer nur mit Forderungen konfrontiert zu werden.150 Das Ruhebedürfnis lässt sich dort ausmachen, wo nicht forciert nach einer Religion gesucht wird151 und auch, wo die großen, entscheidenden Aufbrüche mit den menschlichen Kräften zur Entscheidung nicht aus- und durchzuhalten sind. Wolfgang Ratzmann spricht 1985, nach den ökumenischen Aufbrüchen, von einer »Phase der Kommunikationsmüdigkeit oder Konzeptionsverunsicherung«152 in der weltweiten Ökumene. Peter Sloterdijk nähert sich aus philosophischer Richtung dem Phänomen der Müdigkeit. Der neue Transzendenzersatz sei konsequenterweise die Langsamkeit. Allenthalben macht Langsamkeit Karriere als funktionales Äquivalent von Transzendenz; sie hat den Vorzug, die Peinlichkeit zu verhindern, mit massiven Reden von Gott und Seele auf ein smartes Publikum losgehen zu müssen. Zugleich impliziert das

—————

149;; PAPST BENEDIKT XVI., Ansprache vom 25. Juli 2005, bei der Begegnung mit dem Klerus der Diözese Aosta. Zit. n. REY, Weg, 132. 150;; Vgl. MEYER-BLANCK, Individualität, 23. 151;; Vgl. CLAUSSEN, Religion, 442 und 446. 152;; RATZMANN, Gemeinde, 268. Weitergesagt und verbunden mit weiteren Beobachtungen zur Müdigkeit bei MÖLLER, Lehre 1, 75.

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neue Go Slow einen Ersatz für die verlorene Askese – sie unterstreicht die Einübung in die Weltlosigkeit der Übermüdeten.153

Schon deshalb ist das Nachdenken über Mission hilfreich, weil es in einer schnellsprechenden Zeit zum Innehalten zwingt. Die Assoziationen, die dieses Wort hervorruft, haben – trotz aller Schrecken – die Macht, die üblichen Kommunikationsgeschwindigkeiten zu unterbrechen. Die Außenministerien der Christenheit sind Jahrhundert-, wenn nicht Jahrtausendthemen, die verhandelt werden müssen. Das Bewusstsein für die Nachhaltigkeit, d.h. die fast unüberschaubar langen Wirkungsperioden, ist untergründig vorhanden. Die Themen werden neben dem Tagesgeschäft mit längerem Atem behandelt. Mission und Apologetik weisen also schon qua Begriff in größere zeitgeschichtliche Zusammenhänge ein. »Im Innen- und Außenbereich der Kirche ruft der Begriff ›Mission‹ bei manchen Ressentiments hervor. Da sitzen tiefe Verletzungen und Vorurteile, seien sie begründet oder nicht.«154 Man schaut zwangsläufig weit zurück und – etwas zaghafter – auch weit voraus. Die EKD möchte das ganze 21. Jahrundert im Blick haben. Dann wagt sie doch nur, Ansprüche für ein knappes Jahrhundertdrittel zu stellen.155 Da ist es ein gewisser Trost, dass auch die Befürchtungen nicht weiter als bis in das Jahr 2030 reichen. Der Begriff Mission erzeugt – kompensatorisch – zu den sonstigen Kommunikationsdefiziten eine Langsamkeit, die den sonst schnellen Wandel ausgleicht und damit lebensdienlich ist.156 Jeder Generation ist neu aufgetragen, die Übersetzung oder Beibehaltung von Begriffen zu diskutieren. An dieser Stelle ergibt sich ein unerwartetes Argument für den Erhalt der alten Begriffe Mission und Apologetik. Die heilsame Distanz zum rasant ökonomisch tangierten Tagesgeschäft und die Identifizierbarkeit für Interessenten und Sympathisanten des Christentums treffen sich als Befürworterinnen einer weiteren Auslegung des Bisherigen. Dabei ist ein weiteres Charakteristikum dieser Müdigkeit genauer zu erfassen. (3) Der Schlafwille richtet sich vor allem gegen komplexe, umfassende Ideen. Man ist müde, mehr noch enttäuscht vom Großen und Ganzen. Wiederum kompensatorisch wachsen Sympathien für die kleinen Lösungen und die überschaubaren Projekte. »An die Stelle der großen, gemeinsamen Leitbilder sind viele kleine, private, schnell austauschbare Leitbildchen ————— 153;; SLOTERDIJK, Weltfremdheit, 108, Hervorhebung im Original. Er fährt fort, ebd., 108f: »Als weltgemäßes remake von Gott und Seele ist Langsamkeit fast so gut wie die Originale – und wer weiß, ob die nicht selbst schon Fälschungen waren?« 154;; EKD-KIRCHENAMT, Ermutigung, 4. 155;; Vgl. Titel und Untertitel: EKD-RAT, Kirche der Freiheit. Perspektiven für die evangelische Kirche im 21. Jahrhundert. Die »Visionen« ebd., 43ff, beziehen sich auf das Jahr 2030. 156;; Vgl. MARQUARD, Philosophie, 70–74.

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getreten.«157 Das ist durchaus auch positiv. Man plant nicht mehr vergeblich die Rettung der Welt, sondern engagiert sich erfolgreich in einem überschaubaren Rahmen. Die Skepsis gegen alles Große, das Menschen versuchen, ist angebracht. Die große Wende in der sozialen Umgestaltung der Gesellschaft und der Welt hat nicht stattgefunden. Man ist müde geworden der großen Kraftakte. […] Man ist müde geworden der großen durch den Menschen verursachten Veränderungen. […] Jetzt geht es darum, neu zu verstehen, was Welt ist und in welchem Verhältnis wir zu ihr leben müssen, weil Gott in ihr zur Sprache kommen will. Damit ist Hermeneutik gefragt, und zwar im fundamentaltheologischen Sinn.158

Die hermeneutische Herausforderung besteht zuerst darin, den Kontext zu erhellen, innerhalb dessen die Diagnose von den Müden so nahe liegt. (4) Dass die Phänomene überhaupt als so beeindruckende Müdigkeit ins Blickfeld treten, hat seinen Grund im neuzeitlichen Aktivitätsideal. Nur ein homo faber kann überhaupt so erschöpft sein. Der homo faber wird so müde, weil er alles selbst machen muss. Odo Marquard beschreibt den Weg vom Schicksal zum Machsal, vom Fatum zum Faktum. Die Geschichte der Depotenzierung des Schicksals beginnt mit dem Antifatalismus des Christentums,159 der moderne Tod Gottes führt dann endgültig zum menschlichen Machzwang.160 Weil aber dieser Machzwang unmenschlich ist, kehrt nach des Philosophen Beobachtung das Schicksal inoffiziell wieder. Diese Wahrnehmung stumpfer Schicksalsgläubigkeit teilt Gunda SchneiderFlume. Für die deutschen Bundesländer zwischen Ostsee und Erzgebirge hat sie die neue Gottheit einleuchtend und bedrückend beschrieben: Das Schicksal ist der Gott des Faktenrealismus, seine Handlungsperspektive ist die Leistung, so weit sie reicht. Zugespitzt kann man sagen: Nicht im »Atheismus« zeigt sich die Gottvergessenheit, sondern in Gleichgültigkeit und Schicksalsglauben, in Resignation oder Selbstüberschätzung.161

Odo Marquard betont in seinen Überlegungen, wie wenig die menschlichen Macher machen können und wie groß das Vertrauen darauf sein muss, an den weitaus meisten Verhältnissen nichts ändern zu müssen, und wie tief die Einsicht dringen muss, auch nichts machen zu können.162 Aber auch das verhältnismäßig Wenige, das in des Menschen Macht steht, ermüdet ungemein. ————— 157;;

SACHAU, Kultur, 146. SUNDERMEIER, Konvivenz, 88. 159;; Vgl. MARQUARD, Abschied, 71. 160;; Vgl. ebd., 72. 161;; SCHNEIDER-FLUME, Glaube, 199, Hervorhebung im Original. Die Betroffenen freilich sehen sich nicht als Schicksalsgläubige, sondern als Realisten. 162;; Vgl. MARQUARD, Abschied, 78. 158;;

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In den christlich-neuzeitlichen Sprachgewohnheiten versucht man gegen die Müdigkeiten – sprachlich eindeutig – mit permanenten Erweckungen und ganzen Erweckungsbewegungen vorzugehen. Doch müssen die Müden nicht mehr und immer noch müder werden, je ärger sie mit Schlafentzug bearbeitet werden? Die Beobachtung von Michael Welker ist gewiss zutreffend: »Die teils aggressiven, mehrheitlich aber müden und gleichgültigen Einstellungen gegenüber der ›langweiligen‹ Kirche nehmen zu.«163 Das Phänomen der Entscheidungsmüden wird allerdings gelegentlich auch auf nachsichtige Weise interpretiert. Statt die Schlaffen und die Schlafenden zu beschimpfen, werden sie dann und wann als Seelenmüde etwas gnädiger angeschaut. »Denn ein Wust von Zeitmeinungen und irrigen Anschauungen wird bald von da, bald von dort täglich auf die müde Seele geschüttet.«164 Die Müdigkeit, Großes zu entscheiden, ist auch aus religionssoziologischer Perspektive beobachtet worden. Mitgliedschaftsmotive, die Traditionalität, Konventionalität und Gewohnheit im Hintergrund haben, werden mehr bejaht als je zuvor. Die Betonung der eigenen Entscheidungen und Selbstbestimmungen sind passend dazu weniger geworden.165 Gerade in den verhältnismäßig großen Gruppen der so genannten Kirchenfernen und der Konfessionslosen sind Konventionalität und Kontinuitätsbewusstsein verbreitet anzutreffen. Die kleineren Minderheiten der aktiven Kirchenverbundenen beschreiben ihr Verhältnis zu den Kirchen eher als selbstverantwortete Wahlleistungen.166 Aber damit ist kein Proprium christlicher Weltanschauung beschrieben, wie sich in einem beschränkten und resignativen Blickwinkel auf die Kirchen allein nahelegen könnte. Wolf Krötke beobachtet die Müdigkeit, die weder speziell christlich ist, noch ausschließlich in religiösen Daseinsverständnissen begegnet, sondern ein recht allgemeines Phänomen darstellt, auch in atheistischen Kreisen. Die Menschen sind müde von großen Ansprüchen, sie empfinden Überdruss von Ideologien, großen Lösungen oder gar Erlösungen – das gilt gerade für den ehemals kämpferischen, weltumstürzlerischen, nun aber erschlafften Atheismus.167 Die in Kapitel 2.1 beschriebenen Sprachlosigkeiten sind daher auch als Ermüdungen von den Herausforderungen einer allgegenwärtigen Dauerkommunikation zu verstehen. »In der Epoche verabsolutierter Kommunikation hängt die Einheit und Autonomie der Welt von der Universalität und ————— 163;;

WELKER, Selbst-Säkularisierung, 17. HENNIG, Methode, 258. 165;; Vgl. POLLACK, Individualisierung, 76f. 166;; Vgl. ebd., 83. 167;; Vgl. KRÖTKE, Kirche, 162. 164;;

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Ununterbrochenheit der Vermittlungsströme ab.«168 Diese Kommunikation hat »nichts Ruhendes, sondern ist […] Mobilmachung in Permanenz.«169 Es ist offensichtlich, dass die Kirchen sich nicht nachsagen lassen wollen, die Kommunikation zu verweigern und sich daher an der Dauermobilmachung beteiligen. Stimmen wie die von Christian Möller, dass der erschöpfte Mensch in der Kirchengemeinde nicht noch mehr durch (Sprach-) Aktionen erschöpft werden will, sondern aufatmen können möchte,170 gehen schnell unter im Lärm der Wecker, der Jubel- und Alarmrufe.171 Auch dort, wo nicht mehr explizit von Erweckungen gesprochen wird, werden sie versucht. Der Bildkreis im Neuen Testament scheint eindeutig: »Der Glaube soll eben nicht lasch und zweideutig, sondern bestimmt und erfüllt sein.«172 Die Ziele missionarischer Programme sind nicht konsensfähig. Sie schwanken zwischen Kirchenmitgliedschaft und eschatologischen Aussichten, aber sind sich allzu schnell einig darin, dass Entscheidungen herbeigeführt werden müssen. Gedacht wird an den wachen, aktiven, entschiedenen Zeitgenossen, der doch die Erwecker immer wieder enttäuscht und auch sie keine mehr Ruhe finden lässt. Scharf gesprochen ist es bei allen Beteiligten zu einem andauernden Schlafentzugsversuch gekommen, der im nicht übertragenen Sinne unter die Foltermethoden gezählt wird. Stattdessen sollte auch anderen biblischen Vorstellungen die Gnade der Aufmerksamkeit finden: Schlafen ist menschlich, nur der Hüter Israels schläft oder schlummert nicht (Ps 121,4). 1980 hat Per Lønning die »etablierte Erwecktheit«173 herausgearbeitet und die Absurdität dieser Idee beschrieben. Alles dauernd Erweckliche muss sich als ganz besonders einschläfernd herausstellen durch die Macht der Gewöhnung.174 Lønning macht zudem die Künstlichkeit der Weckversuche am biblischen Befund deutlich. Wer den Ausgang der Geschichten kennt, kann nicht künstlich zurückversetzt werden in die Lage Petri, der noch nicht weiß, was der andere Morgen bringt. Das Selbstbewusstsein derer, die sich für wach halten und ihre eigene Müdigkeit, ihren Zweifel und ihre Anfechtungen nicht eingestehen, wird am hinderlichsten den Müden gegenüber sein. Der triumphalistische Glaubensheld wird heute nicht mehr in demselben Sprachduktus wie vor neunzig Jahren sondiert: »Anforderungen an die Persönlichkeit des Apologeten. 1. Die erste Voraussetzung für wirksame apologetische Tätigkeit ist die, ————— 168;;

SLOTERDIJK, Weltfremdheit, 107. Ebd., 107. 170;; Vgl. MÖLLER, Lehre 1, 75; vgl. auch ebd., 82. 171;; EKD-KIRCHENAMT, Evangelium, 3. 172;; POLLACK, Individualisierung, 82. 173;; LØNNING, Verkündigung, 242. 174;; Vgl. ebd., 241. 169;;

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daß der Apologet im Besitz steht der vollen persönlichen Glaubensgewißheit.«175 Aber sind solche vollkommenen Vorbilder nicht doch immer noch untergründig intendiert? Unter allen Umständen ist es lohnend, unter diesem Gesichtspunkt einmal Leitbilder für den Pfarrberuf und Pfarrstellenausschreibungen kritisch zu studieren. Am Schluss ist Lønning beizupflichten, der eine »Erweckung aus der Erwecktheit« verlangt. Das kleine Häuflein derer in Dänemark, die sich für bekehrt und erweckt halten, sieht er als größere homiletische Herausforderung als die Menge daneben.176 (5) Nach Peter Sloterdijk kommt Gott als Durchbrecher und Erschütterer im wahrsten Sinne des Wortes in Frage. Gott kommt als Differenz zu allem, was sich vernetzt und kommuniziert im Komplex von »Geldpantheismus, Erfolgsheiligung, verabsolutierter Kommunikation, experimentellem Existentialismus und medialem (Im)Materialismus«177 vor. Das entlastende Potenzial sieht Sloterdijk, wo man den unmenschlich gewordenen Geschwindigkeiten von Geld- und Medienkommunikationen die menschlicheren Tempi entgegenhalten will.178 Die imaginierten Kontrastprogramme richten sich gegen die Alleinherrschaft der Aktiven und gegen eine ausschließliche Orientierung an Aktivitäten. Wenn eine nachvollziehbare Entscheidungsmüdigkeit entstanden ist und viele ihr Verhältnis zur Kirche in der Schwebe lassen, indem sie bei Entscheidungsgelegenheiten nicht entscheiden, sollten die missionarischen Strategien immer weniger den Charakter von Entscheidungsherbeisehnungen tragen. Es ist wesentlich, aber erst in zweiter Linie wichtig, Kirchenmitglieder zu gewinnen. Zuvor sind z.B. die Gottesdienstbesucherinnen und -besucher und ihre tendenziell nonkonformistischen Entscheidungsleistungen zu würdigen und weiter zu ermutigen. Den Sonntag durch Kirchgang zu heiligen verlangt in einer Umgebung, die am Feiertagmorgen joggt, sich ihrer Freizeit freut oder Auto wäscht, eine ganz andere Entschlußkraft als in einer Welt, in der, durch den Klang der Glocke gerufen, sich viele auf den Weg zur Kirche machen und die anderen – mit schlechtem Gewissen – zu Hause bleiben.179

Wahrscheinlich waren nie zuvor so viele Menschen entschieden freiwillig in den Gottesdiensten. Häufig werden heutige Minderheiten früheren Mehr————— 175;;

HILBERT, Apologetik, 168. Vgl. LØNNING, Verkündigung, 248. 177;; SLOTERDIJK, Weltfremdheit, 113. 178;; Vgl. ebd., 108. 179;; NÜCHTERN, Kirche, 24. 176;;

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heiten gegenübergestellt, ohne dass der Übergang von den Zwängen zu den Freiwilligkeiten hinreichend bedacht wird.180 Es ergeben sich auf alle Fälle zahlreiche Möglichkeiten, Freiwilligkeit jenseits üblicher und gesellschaftlicher Nützlichkeitserwägungen über das Ehrenamt zu würdigen, die nicht ungenutzt verstreichen sollten, sondern als missionarische Sprachübungen begriffen werden könnten. Alle anderen sind bis zum Erweis des Gegenteils, auch wenn es schwerfällt, als Sympathisanten, als Mitleidende im genauen Wortsinn anzusehen. Sie leiden mit an den zeitgenössischen Ermüdungen. Es ist ein schlechtes Zeichen für die zeitgenössische Theologie, dass so selten von Sympathisanten die Rede ist und damit auch wenig an sie gedacht und von ihnen geschrieben wird.181 Im Französischen spricht man von »Les croyants non pratiquants«182 und legt damit Rechenschaft von einer Hoffnung ab, die in 1Petr 3,15f erwartet wird. Gefragt ist also demzufolge nicht der Apologet im Vollbesitz allen Glaubens, sondern derjenige, der noch im Stande ist, seine Hoffnungen, also das, was gerade nicht zu sehen und zu haben ist, zu kommunizieren und zu veröffentlichen. Die Hoffnung aber, die man sieht, ist nicht Hoffnung; denn wie kann man auf das hoffen, was man sieht (Röm 8,24)? Isolde Karle hat in ihrem ermunternden, kritischen Beitrag gegen das Impulspapier »Kirche der Freiheit«, das offenbar das »Ende der Gemütlichkeit«183 heraufzubeschwören versucht, dafür plädiert, wie weiland Martin Luther »Sinn für das Loslassen, für das Schlafen, für das wittembergisch Bier«184 zu entwickeln, d.h. ein gelasseneres Vertrauen auf die Selbstwirksamkeit des Wortes Gottes auszudenken. Es ist schwer, unter Christen die eigene Müdigkeit zuzugeben, sie weder bei sich noch bei anderen moralisch zu verurteilen. Es ist eine Herausforderung, durch Mission und Apologetik nicht genau das zu verschärfen, was mit Gründen beklagt wird: schlechte Vorbereitungen von kurzschlüssigen Veranstaltungen und übertriebene Geschwindigkeiten auf dem Weg zum nächsten Event. Künftige Mission und Apologetik wird mit Müden rechnen und reden wie einst Deuterojesaja: Gott der Herr hat mir eine Zunge gegeben, wie sie Jünger haben, dass ich wisse, mit den Müden zu rechter Zeit zu reden. Alle Morgen weckt er mir das Ohr, daß ich höre, wie Jünger hören (Jes 50,4). ————— 180;;

Vgl. POLLACK, Individualisierung, 82. Vgl. K. WINKLER, Sympathisanten, 324–326, und KOCK, Interesse, 101: Er spricht mit Bezug auf Wolfgang Grünberg von »Sympathisanten und Neugierigen […], die sich immer wieder verlieren im unübersichtlichen Markt religiöser Angebote.« 182;; MOSER, Croyants. 183;; KARLE, Ende, 333. 184;; Ebd., Hervorhebung D.G. 181;;

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Gnade bedeutet für Müde Geduld. Der Gesellschaft ist nicht gedient, wenn die Kirchen versuchen, möglichst genaue Kopien der allgemeinen Trends zu sein – und seien sie noch so schädlich oder noch so angesagt. Es ist theologisch ebenfalls keineswegs geboten, von vornherein den Kontrast zu allem zu verkünden und daran zu scheitern. Gott, Christenheit und Gesellschaft ist am besten geholfen, wenn Kontraste und Kongruenzen gleichberechtigt, genauer komplementär, zur Geltung kommen können. 4.2.3 Auf Grund von Komplementarität Die im Kapitel 4.1 geschilderten Auseinandersetzungen um Mission und Apologetik leben von der bewusst gewählten Gegensätzlichkeit der Vorschläge. Freiheiten realisieren sich z.B. in den Auslegungen von statistischem Zahlenmaterial und den Beurteilungen von subjektiven Erfahrungen und Eindrücken. Aber gerade weil diese Deutungen besonders wenige Ähnlichkeiten miteinander haben, eignen sie sich für fruchtbare und weitere Freiheiten stiftende Ergänzungsverhältnisse. So wie zwei Puzzleteile nur wegen ihrer diametralen Differenzen zusammenpassen können, so haben auch offenbarungsbegründete Weltanschauungen, d.h. solche mit missionarischen und/oder apologetischen Absichten, nicht einen kleinsten gemeinsamen Nenner, sondern einen größten gemeinsamen Teiler. Dieses Wahrnehmungsmuster ist in vielfältiger Weise in den Praktischen Theologien zu nutzen, z.B. bei der Beschreibung der Relationen von Wort und Tat oder auch von Kirchen und Sozialwerken. Die klassischen Antipathien und gegenseitigen Vorwürfe, einander nicht ähnlicher zu sein, könnten mit guten Gründen abgelöst werden von der Überlegung, dass sie so gut zusammenpassen, gerade weil sie so verschieden sind, weil sie in unterschiedlichen Rahmenbedingungen andersartig geprägt werden, weil sie nicht die gleichen Ziele verfolgen und auch nicht nach größeren Ähnlichkeiten oder gar Übereinstimmungen streben, wie häufig in problematischen, gegenseitigen Loyalitätsforderungen kommuniziert wird. Da sich aber nie nur zwei Positionen gegenüberstehen, sondern dieses Modell nur der übersichtlicheren Darstellung wegen gewählt wurde, haben Missionsentwürfe und apologetische Theorien die Familienähnlichkeit von Sprachspielen.185 Mengentheoretisch gesprochen entsteht nicht ein einfaches Gegenüber, sondern eine »polyzentrische Komplexität«186. Diese fruchtbare ————— 185;;

Vgl. WITTGENSTEIN, Untersuchungen, Teil 1, Nr. 67. Vgl. KÖRTNER, Wiederkehr, 128, der diesen Gedanken im Blick auf die Vielfalt der Religionen durchspielt. 186;;

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Pluralität kann sich nur dann vital erhalten, wenn die Mächte der Einseitigkeiten erfolgreich übergangen werden. Der christliche Glaube verlangt weder den totalen Kulturkontrast noch ist er mit allem Vorfindlichen so einig, dass alles bleiben sollte, wie es ist. Interessant sind die Grenzen zwischen beidem und die Flexibilität, sie kontinuierlich zu verschieben und durchlässig zu halten, weshalb sich auch der Begriff der Membranen187 nahelegt. Die Wahrnehmungen von Welt taugen nicht als Fundamente und Motive, sind aber gleichwohl nicht zu ignorieren. Sie werden im Folgenden als komplementäre Beschreibungen von Wirklichkeit verstanden. Die gleichzeitige und gleichberechtigte Anerkennung einander ausschließender Interpretationen ergibt sich nur retrospektiv und ist bleibend. Die daraus resultierenden Freiheiten werden an Paulus exemplarisch deutlich, der als Ausnahmetalent und Intermediär tätig war, bevor es intermediäre Institutionen gab. Carl Friedrich von Weizsäcker bezeichnet diejenigen Situationen als komplementär, in denen »eine bestimmte Blickrichtung uns daran hindert, gleichzeitig in einer bestimmten anderen Blickrichtung zu schauen, und zwar nicht zufällig, sondern dem Wesen der Sache nach […].«188 Der dänische Physiker Niels Bohr (1885–1962) hatte die Denkungsart der Komplementarität in die Physik eingeführt. Komplementarität wurde zum Schlüsselbegriff in der Quantentheorie.189 Von da aus hat der Begriff zwar keine Karriere, dafür eine kleine, aber feine Weltreise durch die Wissenschaften, auch durch die Geisteswissenschaften, angetreten.190 Diese Möglichkeiten sind nicht allen Grundbegriffen aus der Quantenphysik beschieden gewesen. Aber nicht deshalb ist Komplementarität als Erkenntnisprinzip bedeutungsvoll, sondern weil sie angemessen das Vorgehen für die Auswärtigen Ämter der Christenheit und für die damit verbundenen Gesellschaftsdeutungen beschreibt. Komplementär sind zwei Wirklichkeitsdeutungen dann, wenn sie einander ausschließen, dem Wesen der Sache nach nicht gleichzeitig beobachtet werden können und sich doch nur relational aufeinander bezogen wahrnehmen und auslegen lassen. So verhält es sich mit den Wahrnehmungen von Welten, Gesellschaften, Trends und Entwicklungen. Entweder wird die Welt als schlecht, verloren und erlösungsbedürftig angesehen oder als prallvoll mit religiösen oder religioiden Spuren, die nur erhellt werden müssten. Entweder ist der totale ————— 187;;

Vgl. LUHMANN, Religion, 321f. WEIZSÄCKER, Weltbild, 311. 189;; Vgl. BOHR, Atomtheorie, 36. 190;; Vgl. zur Anwendung des Komplementaritätsbegriffes außerhalb der Physik RUSSELL, Komplementarität, 1539. 188;;

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Kulturkontrast zu versuchen und mit Toleranz bis zum kleinen oder großen Martyrium zu ertragen, dem genauen Wortsinn nach also zu erleiden, oder die ganze Aufgabe wird in einer immer gründlicheren Kulturhermeneutik gesehen. Beide Zugangsweisen schließen sich gegenseitig aus. Beide sind wahr und zum Verständnis der Weltphänomene unmittelbar notwendig. Beide Beobachtungspositionen erklären sich auch nur in Beziehung auf die je andere. Es bleiben aber, auch nach allen Beobachtungen und Auswertungen von Beobachtungen, zwei einander ausschließende Züge der Beschreibung von Erfahrungsinhalten. Für die Wahrnehmungen von Welten gilt, dass einzelne Individuen keinesfalls mit ihren natürlicherweise einseitigen Forschungen Komplementarität garantieren können. Komplementarität in den Beobachtungen von Welten wird sich nur überindividuell einstellen können. Dabei ist die Erkenntnis von Komplementarität kein zwangsläufiges Ergebnis, sondern nur ein mögliches. Die Chancen steigen aber bei entsprechender Hochschätzung konkurrierender Analysen und ihrer erklärenden Konstruktionen, dass ein Sowohl-als-Auch bleibend sinnvoll erscheint, gerade wenn die Gegensätze besonders groß sind. Das soll an einem für künftige Mission und Apologetik nicht nebensächlichen Streit exemplarisch gezeigt werden. Dabei geht es um die Gegenüberstellung der Wirkungen von Mikro- und Makrokommunikation, plakativ gesprochen um den Konflikt, ob durch Predigten vor großem Auditorium oder durch das heimliche Geplauder unter Sklaven die Erstverbreitung des Christentums stattfand. Daraus ergibt sich die Frage, ob in Zukunft durch große Veranstaltungen oder Einzelgespräche der christliche Glaube vorbereitet und unterstützt werden soll. Zunächst wird das Plädoyer für die Mikrokommunikation von Wolfgang Reinbold vorgestellt (1), dann folgen die Einwände, die die Wirkungen der Makrokommunikation für entscheidender halten (2), ehe die inhärente Komplementarität der Zugänge gezeigt wird (3). (1) Die früheste Christenheit fungiert nach wie vor als imaginäres Vorbild einer intensiven und erfolgreichen Missionspraxis. Zu den Renaissancen der Missionsthemen gehören daher auch intensivierte neutestamentliche Erkundungen, die auch zu grundsätzlich neuen Urteilen über die Verbreitung der ersten Christen führten. Wolfgang Reinbold fasst die bis an die Schwelle des 3. Jahrtausends gängigen Annahmen folgendermaßen zusammen: Mission prägte den Alltag der Gemeinden in erheblichem Maße. Sie war ein zentraler »Sitz im Leben«, eine typische Situation im Leben der ersten Christgläubigen. Missionare verbreiteten die christliche Botschaft mit hoher Geschwindigkeit, ihre Missionspredigt hatte oft beachtliche Erfolge. Kirche war von Anfang an nicht denk-

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bar ohne Mission, mehr noch: Mission mag die Haupttriebfeder des Christentums überhaupt gewesen sein, das herausragende Phänomen der Frühzeit.191

Dazu im Gegensatz betont der Neutestamentler in seinem Werk »Propaganda und Mission im ältesten Christentum. Eine Untersuchung zu den Modalitäten der Ausbreitung der frühen Kirche« die lange unterschätzte Bedeutung der individuellen Propaganda der vielen anonymen Christen in ihren alltäglichen Kontakten, die die Gemeinden langsam, aber dafür um so nachhaltiger wachsen ließen. Während Adolf von Harnack noch nahezu alles der alle überzeugenden Missionspredigt zuschrieb, stellt Reinbold fest, dass Predigten nur selten eine Rolle gespielt hätten. Das Christentum sei langsam gewachsen auf Grund von Mikrokommunikation. Das Christentum breitet sich aus zwischen Ehepartnern, Eltern und Kindern, Sklavenherr(inn)en und Sklav(inn)en, Geschwistern, Verwandten, Bekannten, Kolleginnen und Kollegen, Freundinnen und Freunden, Nachbarinnen und Nachbarn, im Umfeld des alltäglichen Lebens der Gemeinden, später auch zwischen Lehrern und Schülern, am Rande der Martyrien usw. […] Predigten spielen bei den Konversionen nur dann eine Rolle, wenn ein wortgewaltiger Redner auf Außenstehende in der Versammlung so großen Eindruck macht, daß es mittelbar oder unmittelbar zu Taufen kommt.192

Die privaten und halböffentlichen Kontakte seien wesentlich wirkungsvoller als jegliche Missionspredigten gewesen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Wissen über die konkreten Formen urchristlicher Missionspredigten schon immer äußerst spärlich war.193 Das enorme Ausnahmetalent des Apostels Paulus muss unbedingt als solches und nicht als Beispiel für das Gewöhnliche wahrgenommen werden. Die Überzeugung, dass Glauben vom Hörensagen kommt, muss daher nach Reinbold davon ausgehen, dass das Hörensagen beiläufige und alltägliche Kommunikation darstellte, die nicht geplant, absichtsvoll und unter größeren Menschenmengen stattfand, vor allem aber nicht institutionell verantwortet oder geregelt war. Dabei stellt er als einander ausschließende Modalitäten vor: »Die Ausbreitung der Kirche ist allenthalben entweder ein Resultat von Mission oder ein Resultat gezielter Propaganda oder ein Resultat individueller Propaganda.«194 Mikrokommunikation sei insgesamt überzeugender und lebensweltlich prägender. Der auf das Neue Testament spezialisierte Wissenschaftler belegt seine Theorie mit soziologischen Einsichten aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Weniger Medien und ————— 191;;

REINBOLD, Propaganda, 1. Ebd., 345. 193;; Vgl. WICK, Gottesdienste, in dessen Studien die Themen der Mission nicht eigens vorkommen. 194;; REINBOLD, Propaganda, 14. 192;;

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Massenkommunikation als familiale und familienähnliche Gemeinschaften und gute Freunde beeinflussen, so Reinbold, auch gegenwärtig die Lebenseinstellungen und vor allem die Änderungen von Überzeugungen. Das gilt insbesondere für die radikalen Veränderungen, die das Lebensganze betreffen.195 Zahlreiche gegenwärtige Missionsprojekte fußen auf diesen Einsichten und heben die individuellen Lebenszeugnisse Einzelner deshalb besonders hervor.196 Beispiele gelungener Glaubenskommunikation in Einzelfällen werden denjenigen kirchenleitenden Papieren zugrundegelegt, die explizit an größere Menschengruppen gerichtet sind. (2) Die gegenteilige Sichtweise begegnet mit gleicher Vehemenz. Dann werden die Einflussmöglichkeiten der Massenmedien für entscheidend gehalten. »Alles was wir wissen, wissen wir aus den Massenmedien […].«197 Johanna Haberer argumentiert in ihrer Analyse von Predigten in publizistischer Perspektive damit, dass ein Bundesbürger täglich zehn Stunden mit Medien umgehe und schon wegen der zeitlichen Intensität nachhaltig davon beeinflusst werde.198 Die Hoffnungen, die z.B. die Werbung in die Massenmedien setzt, können schwerlich überschätzt werden. Die Beispiele ließen sich leicht vermehren. Wesentlich erscheinen die autopoietischen Zirkelschlüsse, die den Massenmedien eignen. Was die Medien kolportierten, setze sich in den Leuten fest und könne dann wieder befragt und erneut medial verbreitet werden ad infinitum.199 (3) Mikro- und Makrokommunikation stehen einander aber viel weniger eindeutig gegenüber. Sie sind auf vielfältige Weise miteinander verbunden, d.h. komplementär aufeinander zu beziehen. Fast alles spricht gegen eine simple Entgegensetzung. Das gilt sowohl für die erste Christenheit als auch für die Gegenwart. Wenn man von den nachträglich stark idealisierten Szenen in der Apostelgeschichte absieht, zählen die ersten Predigten zu Zeiten der Entstehung des Neuen Testaments sicher auf gar keinen Fall zur Makrokommunikation vor großen Öffentlichkeiten. Das macht Reinbold an den von ihm hochgerechneten, natürlich nur mutmaßlichen Zahlen deutlich.200 Dazu kommt die Annahme, dass an einem durchschnittlichen Hausgottesdienst maximal vierzig Personen teilnahmen.201 Ohne die Gegenüberstellung von planvollem und spontanem Fortpflanzen christlicher Überzeu————— 195;;

Vgl. ebd., 348f. EKIR, Proponendum, 6–16. 197;; LUHMANN, Realität, 5. 198;; Vgl. HABERER, Predigt, 364. Vgl. BIRGDEN/HABERER, Öffentlichkeitsarbeit, 607f zur Verquickung von Mikro- und Makrokommunikation. 199;; Vgl. KNOBLAUCH/SCHNETTLER, Trägheit, 13f. 200;; Vgl. REINBOLD, Propaganda, 350f, der für die Mitte der 50er Jahre n.Chr. ungefähr 225 Christen in Rom schätzt. 201;; Vgl. BÖTTRICH, Kirche, 49f. 196;;

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gungen kommt Hans Hermann Pompe aus, der mehrere Möglichkeiten von Mission – als Attraktion, als Proklamation und soziale Alltagskommunikation – gleichberechtigt nebeneinander sieht.202 Böse Zungen könnten anmerken, dass heute Predigten schon auf Grund der Teilnehmerzahlen teilweise wieder zur Mikrokommunikation gehören. An freundlicheren Orten werden Gottesdienste unabhängig von Kirchenbesucherzahlen noch in einer weiteren Hinsicht mikrokommunikativ interpretiert. Wolfgang Steck nimmt eine Privatisierung des christlichen Gottesdienstes wahr. Besonders deutlich treten die kulturellen Wandlungen, denen das Gemeindechristentum im Zuge seiner Privatisierung unterlag, in der neueren Entwicklung der liturgischen Kultur heraus, in charakteristischen Veränderungen des sonntäglichen Gottesdienstes.203

Im agendarischen Hauptgottesdienst werde die individuelle Frömmigkeit kultiviert, weil er auf einer selbstreferentiellen Frömmigkeitspraxis aufbaue und zu einer autobiographischen Selbstbesinnung anleite. Er [der Gottesdienstbesucher, D.G.] löst sich für die Dauer des Kirchgangs aus seinen natürlichen Lebensbeziehungen und zieht sich im Interesse seiner religiösen Selbstfindung und Selbstwahrnehmung aus den Relationen seiner alltäglichen sozialen Welt zurück.204

Das habe seinen maßgeblichen Grund im kommunikativen Höhepunkt eines evangelischen Gottesdienstes. Der protestantische Predigtgottesdienst ist in hohem Maße individualisiert. Die gottesdienstliche Feier, vor allem aber ihre protestantische Mitte, die Predigt, gilt dem einzelnen Zuhörer. […] Die protestantische Predigt hat darum nicht die Form eines an die öffentliche Allgemeinheit gerichteten Kanzelvortrags, sie ist vielmehr als persönliche Anrede an den einzelnen gehalten. Und nicht schon die Deklamation allgemeingültiger, kirchlich autorisierter Wahrheit, sondern erst die subjektive Aneignung und die individuelle Verarbeitung der in Sprache gefassten religiösen Erfahrung durch den einzelnen Rezipienten, die Predigtarbeit des Zuhörers also, bringt die Predigt an ihr Ziel.205

Auf der anderen Seite sind auch die so genannten Massenmedien kritisch auf ihre Wirkungen auf die Massen, genauer auf die großen Mengen Minderheiten, zu untersuchen. Die gegeneinander profilierten und ausdifferenzierten Programme teilen die Menschen immer weiter in viele kleine und kleinste Gruppen auf. ————— 202;;

Vgl. POMPE, Handeln, 122f. W. STECK, Theologie, Bd. 1, 313. 204;; Ebd., 315. 205;; Ebd., 316, Hervorhebung im Original. 203;;

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Obwohl man wenig über die ersten Predigten und ihre missionarischen und apologetischen Dimensionen weiß, ist dennoch die Annahme berechtigt, dass sich Predigten und individuelle Propaganda gegenseitig bedingen. Die Kraft zum Weitersagen des Glaubens bedarf der kontinuierlichen Erneuerung. Warum sollten Einzelgespräche und Ansprachen davor und danach einander prinzipiell ausschließen bzw. nicht in ihren Relationen zu erfassen sein? Beide Modi der Kommunikation schließen sich nur unmittelbar gleichzeitig aus, d.h., wer predigt, kann nur ein Einzelgespräch beginnen, aber nicht durchführen. Wer in ein kleines Gespräch verwickelt ist, kann zwar zu einer Predigt anheben, aber beendet in diesem Moment vorläufig das Gespräch. Die mittelbaren Wirkungen von Predigten auf kleine Kommunikationskontakte sind schwerer nachzuweisen. Es gibt aber viele Sachverhalte, die sich sehr schwer beobachten lassen und gleichwohl wirksam sind. Predigten sind nach Reiner Preul als intellektuelle Begleitung, als sich sinnvollerweise wiederholendes Hintergrundmedium, das die anderen Kommunikationsweisen nachhaltig bestimmt und von ihnen wiederum verändert wird, zu verstehen.206 Das ist auch für die ersten Christinnen und Christen anzunehmen. Michael Birgden und Johanna Haberer zeigen aus unternehmerischer Perspektive die Relationalität der Kommunikationsweisen: Wenn in einem Unternehmen heilloses Durcheinander und ein schlechtes Betriebsklima herrscht, wird dies über die Mitarbeiter auf kurz oder lang auch eine Außenwirkung haben. Denn Mitarbeiter sind Familienväter, haben Freunde und Freundinnen, Bekannte usw. Sie sind also nicht nur Multiplikatoren eines Unternehmensbildes, sondern werden ihren Frust irgendwann nach draußen tragen. Gegen eine solche Entwicklung ließe sich mit externen PR-Maßnahmen und Imagekampagnen wenig ausrichten, zu groß wäre die Kluft zwischen tatsächlichem Innenbild und angestrebtem Außenbild. Die gleichen Regeln gelten auch umgekehrt. Zufriedene, motivierte Mitarbeiter sind das Aushängeschild eines Unternehmens. Wer sich identifiziert mit seiner Firma, gar stolz darauf ist, ihr anzugehören, dem wird es ein Bedürfnis sein, andere von den Qualitäten, Angeboten oder Botschaften seines Unternehmens zu überzeugen.207

Die probeweise Übersetzung für Homiletik und Missionstheorie ergibt: Predigten wollen gehört und persönlich weitergesagt werden. Die Geschichten, die man vom Hörensagen weiß, sollen in der Predigt aufgenommen und in ein anderes Licht gerückt werden. Mission bedeutet dann, makrooder/und mikrokommunikativ Gutes weitererzählen. Denn für beide Kommunikationsweisen gilt, dass der christliche Glaube in deutenden Geschich————— 206;;

Vgl. PREUL, Aktualität, 335. BIRGDEN/HABERER, Öffentlichkeitsarbeit, 607f. Das Missionsproblem stellt sich dann als komplexes Loyalitätsproblem dar. 207;;

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ten erzählt wurde und auch künftig verbreitet werden wird.208 Um pluralitätskompatibel zu sein, kommt es dabei darauf an, viele Geschichten nicht nur haben zu dürfen,209 sondern auch in viele Geschichten tatsächlich verstrickt zu sein. Dieses Ziel muss auf mehreren kommunikativen Wegen angestrebt werden, die freilich nacheinander beobachtet und beschritten werden müssen, um nachhaltig zu wirken. Die Kommunikationsmodi in ihrer Vielfalt sind komplementär zueinander wie der Teilchen- und Wellencharakter des Lichtes, die nicht gleichzeitig beobachtet werden können, aber zusammen wirken. Eberhard Jüngel unterscheidet nicht Mikro- und Makrokommunikation, sondern quer dazu direkte und indirekte Kommunikationsstrukturen, die jedoch auch miteinander als komplementär zu begreifen sind: Jedes Beispiel ansprechender Indirektheit setzt allerdings voraus, dass es eine redende Kirche gibt, die sich des Evangeliums nicht schämt. Alle indirekte und mittelbare Evangelisation lebt davon, dass es die direkte und unmittelbare Bezeugung des Evangeliums gibt – wie ja auch der Mond nur zu scheinen vermag, weil es das Sonnenlicht gibt.210

Die indirekte Weitergabe lebt vom Vertrauen auf die Wiederholung der direkten Darstellung des Glaubens, von Predigten. Predigende aber müssen ihrerseits darauf vertrauen können, dass das Wort Gottes weiterwirkt, auch wenn sie selbst schon in der Kneipe sitzen.211 Ein weiteres Beispiel für komplementäre Problemlösungen sei noch kurz angedeutet. Die große homiletische Streitfrage, an wen sich Predigten richten, könnte sich auf diese Weise aufheben lassen. Karl Barth hatte seinerzeit den mehr als hundertjährigen Konflikt zwischen Gemeinde- bzw. Kult- und Missionspredigt entschieden, indem er die Kirche »Zöllnerkirche« mit »Heiden« drinnen und draußen nannte.212 Walter Sparn hat den »Weimarer Predigtstreit«213 am Ende des 20. Jahrhunderts zum Anlass genommen, die strikten Trennungen zwischen einem virtuellen Innen und Außen aufzuheben. Sparn kann es sich zwar nicht vorstellen, aber er fragt rückblickend: ————— 208;;

Vgl. SCHAPP, Geschichten, 1, und GRÖZINGER, Kirche, 128–130. Vgl. MARQUARD, Skepsis, 62. 210;; JÜNGEL, Mission, 13. 211;; Vgl. CORNELIUS-BUNDSCHUH, Kirche, 316–318 mit Bezug auf MARTIN LUTHER. 212;; BARTH, Theologie, 100, wieder aufgenommen bei DAIBER, Predigen, 75. 213;; Der »Weimarer Predigtstreit« heißt gelegentlich auch »Thüringer Kanzelstreit«. Das Kirchenjahr 1998/1999 sollte im Rahmen des »Kulturstadtjahr Weimar 99«-Projekts mit Predigten von nicht theologisch Professionellen bzw. von nicht evangelischen Rednern gestaltet werden. Auch Juden und Atheisten waren z.B. um Textauslegungen gebeten worden. An einem der Eingeladenen, Gregor Gysi, entzündete sich dann der Streit, was konstitutiv für eine evangelische Predigt sei, der zu einem Abbruch der Predigtreihe in der geplanten Form führte. Vgl. ENGEMANN, Prediger, und SPARN, Predigt®, mit den dort genannten weiteren Dokumentationen des Streits. 209;;

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Oder erwartet sie [die Gemeinde, D.G.] sicherheitshalber von der Predigt vor allem die Markierung der Grenze zwischen Innen und Außen […]? Zugegeben, die Predigt zieht eine solche Grenze. Aber sie tut das, nachdem sie sie überschritten hat und zurückgekehrt ist: Sie zieht die Grenze auch immer neu. Gäbe sie dem Außen nicht die Chance, nach Innen zu wirken, im Ja und im Nein, dann könnte von der Schriftauslegung nicht die Rede sein. Wenn die Predigt nur noch der Binnenstabilisierung dient, hat sie, trotz anderslautender Behauptung, ihren Öffentlichkeitsauftrag und anspruch aufgegeben. Gewiß auch, die Balance zwischen Innen- und Außenintention der Predigt muß immer neu austariert werden. Deshalb ist jede Predigt, die ihren evangelischen Namen verdient, ein bißchen Experiment, nicht erst die Weimarer Predigtreihe. Sogar das neue Gottesdienst-Buch der VELKD fordert zu solchen Kompromissen auf.214

Die Exempel ließen sich leicht vermehren. Es gilt bei der Deutung der Gesellschaften wie bei der Beurteilung von Kommunikationsmodi innerhalb der Christenheit nicht nur die allgegenwärtige Ambivalenz der Phänomene, sondern das Freiheitspotenzial zu entfalten, das in den komplementären Betrachtungen liegt. Die »Doppelgesichtigkeit«215 ist auch gegen vereinheitlichende Widerstände durchzuhalten und unbedingt als positives Prinzip für die Kommunikation in allen möglichen Gesellschaften zu pflegen. Die Freiheit zur Häresie bei der Gesellschaftswahl ist erwiesenermaßen groß. Zur Verfügung und zur Kombination stehen bereit: Leistungsoder Dienstleistungsgesellschaft, Spaß- oder Arbeitsgesellschaft, Regenbogen- und Mediengesellschaft oder Wissensgesellschaft, Risiko- und Multioptionsgesellschaft oder Wertewandel- und Selbsthilfegesellschaft oder Erlebnis- und Konsumgesellschaft und auch alle zugleich.216 Fast alle Gesellschaftsdeutungen verhalten sich zueinander komplementär. Darin steckt überdies ein Heilmittel gegen latente Verfallstheorien. Gesellschaftliche Situationen sind zu erkennen, zu ertragen, aber nicht durch Anpassungs- und Kopierleistungen zu vervielfältigen.217 Bei Eilert Herms sind diese Überzeugungen mit der Furcht verbunden, dass bestimmte kulturelle Voraussetzungen immer weniger gegeben sind, unter denen christliche Apologetik stattfinden könnte. Das gesamtgesellschaftliche Gesprächsmilieu schrumpfe bedenklich. Dem widerspricht Michael Roth, der es zu den Aufgaben christlicher Apologetik zählt, eine Kommunikationsöffentlichkeit, wenn nicht vorhanden, immer wieder herzustellen,218 um ————— 214;;

SPARN, Predigt®, 31. ZULEHNER, in: EVANGELISCHE KIRCHE VON WESTFALEN/AMT DIENSTE, Lust, 23. 216;; Vgl. GROSS, Multioptionsgesellschaft, 24. 217;; Vgl. HERMS, Rücken, 490. 218;; Vgl. ROTH, Gott, 569 versus HERMS, Rücken, 492. 215;;

FÜR MISSIONARISCHE

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die errungene Freiheit zur Häresie dauerhaft zu gewährleisten, auch wenn sie von Entscheidungsmüden temporär ungenutzt gelassen wird. Denn Freiheit in der Pluralität, die nicht auf Beliebigkeit und Relativismus basieren soll, entsteht nur durch mindestens zwei Determinanten, die einander qua Beobachtung ausschließen und doch gegenseitig bedingen, mehr noch allerdings durch »Determinantengedrängel«. Denn die Menschen sind nicht dadurch frei, daß sie Gott – den Anfänger aller Determination – kopieren, sondern sie sind frei durch Freiheiten im Plural, indem die Determinanten, die determinierend auf sie einstürmen, durch Determinantengedrängel einander wechselseitig beim Determinieren behindern: einzig dadurch, daß jede weitere Determinante den Determinationsdruck jeder anderen einschränkt, haben sie ihre individuelle Freiheit gegenüber dem Alleinzugriff einer jeden.219

Paulus, als Missionar eine absolute Ausnahmeerscheinung,220 bietet ein sehr lehrreiches Beispiel für eine komplementäre Gesellschaftsdeutung im Ersten Brief an die Korinther. Einerseits kann er kulturkontraststiftend die Korinther an ihre Unabhängigkeit von heidnischen Herkünften erinnern: Ihr wißt, als ihr noch Heiden wart, zog es euch mit Macht zu den stummen Götzen (1Kor 12,2). Andererseits begegnet man unmittelbar daneben anlässlich der Unzucht in der korinthischen Gemeinde einem Gedankengang, der heidnisches Verhalten als einen mindestens ernst zu nehmenden, wenn auch nicht ausschließlichen Maßstab ansieht. Paulus charakterisiert die Unzucht als eine solche, wie es sie nicht einmal unter den Heiden gibt: daß einer die Frau seines Vaters hat (1Kor 5,1). Beide Argumentationslinien schließen einander prima vista aus, begegnen einem aber beim selben Missionar, im selben Kontext, in derselben Situation und an dieselben Adressaten gerichtet. Sie verhalten sich komplementär zueinander. Weder der Widerspruch noch die Anpassung an die Kultur sind dem Christentum in die Wiege gelegt, sondern beides miteinander. Rudolf Bultmann erläutert diese Verschränkungen anlässlich der Areopagrede: Der Verfasser der Acta weiß also, dass es Anknüpfung nicht ohne Widerspruch gibt, wenn er auch beides recht äußerlich nebeneinander gestellt hat ohne die innere Verknüpfung, die darin gegeben ist, dass gerade der Widerspruch in tieferem Sinne die Anknüpfung ist.221

Widerstand und Ergebung sind keine absoluten Vorgaben, sondern nur dank ihrer Relationalität werden sie wechselseitig durch einander wesentlich. Das ist freilich immer erst nachträglich zu sehen. Der Notwendigkeit von Rückblicken widmet sich der letzte Abschnitt dieses Kapitels. ————— 219;;

MARQUARD, Skepsis, 120. Vgl. REINBOLD, Mission, 82, 86 u.ö. 221;; BULTMANN, Anknüpfung, 127. Vgl. auch R. HEMPELMANN, Apologetik, 30. 220;;

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4.2.4 In Retrospektiven Das Urteil, wie gut oder schlecht eine Welt ist, kann immer nur im Nachhinein gefällt werden. Darin liegt die bleibende Erkenntnis Karl Barths, der die auf Weltanalysen bauende Apologetik nicht abwies, sondern ihren eigentlich notwendigen Charakter betonte, als er schrieb, sie könne nur Ereignis, nicht Programm sein.222 Apologetik und Mission können zwar zuvor beschlossen werden, aber ob die Bezeichneten ihre Namen verdienen, kann immer nur retrospektiv erkannt werden. Diese Einsicht, dass die Relation Christenheit – Welt immer nur reflektiert werden kann, ist schwer zu ertragen. Sie ist in den gegenwärtigen Debatten, die die Welt zwar als doppelseitige Medaille sehen, sie aber dann – im Bilde gesprochen – a priori auf eine Seite fallen lassen, kaum präsent. Dabei ergab sich im Rückblick sehr deutlich, wie problematisch der Einfluss von zeitgenössischen Ideen, Sprachgebräuchen und Gesellschaftsdeutungen auf missionarische und apologetische Konzepte sein kann.223 Für die gegenwärtigen, zur Wahl stehenden Gesellschaften sind diese Gefahren nicht gebannt. In Risikogesellschaften entstehen fundamentalistische Verheißungen, in Multioptionsgesellschaften allzu einfache Eindeutigkeiten. Angesichts von Spaßgesellschaften versuchen sich Kirchen als Kopiergeräte von anderswo gefeierten Events. In Konsumgesellschaften entsteht ein ausdifferenziertes Angebotschristentum, das das Unverfügbare von bestimmten Produkten nicht immer korrekt veröffentlicht und damit den Weg in tausendfältigen Sackgassen beschreitet. In Singlegesellschaften wird nach wie vor für den Glauben mit Gemeinschaftsglückserlebnisversprechungen geworben. Überzeugende und die schnell wechselnden Trends überdauernde Missionsprofile entstehen auf diese Weise nicht – seien sie in Konkurrenz oder Kongruenz zu den gegebenen Bedingungen entworfen. Gewiss fehlt immer wieder eine gründliche und interdisziplinäre Studie darüber, welche Widerstände und Herausforderungen in der Medien-, Spaß- und Erlebnis- sowie Konsumgesellschaft und ihrer sich rasch ändernden demografischen Verfasstheit für die missionarische Kommunikation des Evangeliums heute liegen.224

Theoretisches Nachdenken über Mission und Apologetik sollte neben empirischen Forschungen aber vor allem einen größeren Überblick über die Zeitläufe entwickeln, um das Kurzlebige vom Nachhaltigen unterscheiden zu lernen. Sonst bewahrheitet sich die banale Vermutung: Wer mit der Zeit ————— 222;;

Vgl. BARTH, KD I/2, 30. Vgl. Kap. 2.1.2 zum Problem der zeitgenössischen Sprache. 224;; WERNER, Mission, 558. 223;;

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geht, geht mit der Zeit. Dafür sprechen mindestens zwei Gründe (1–2), die anschließend an einem Beispiel illustriert werden (3). (1) Historische Gründe, vor allem die Verwobenheit der Christenheit mit den vielfältigsten Kulturen in früheren und spätchristlichen Zeiten, sind Argumente für Langzeitbeobachtungen, die dann wiederum die Flexibilität der Grenzen zwischen Kirchen und Welten und die permanenten Verschiebungen offenbaren. Carl Gunther Schweitzer berichtet 1924 von einer äußerst lebhaften Aussprache zwischen Diastatikern und denen, die die Kultur durchdrungen zu haben meinen, die auch Jahrzehnte früher oder später mit marginalen Variationen hätte stattfinden können.225 Wirklich überraschend und nonkonformistisch erscheinen im Nachhinein diejenigen, die in feindlichen Umgebungen für ein Christentum nicht neben oder gegen, sondern inmitten dieser Kultur plädiert haben226 oder die unhintergehbare Zeitgenossenschaft als verbindendes Merkmal hinter allen Abgrenzungsversuchen erkannt haben. Michael Nüchtern schreibt über die harten Auseinandersetzungen in der praktischen Apologetik: »Es gibt differenzbetonende und integrationsinteressierte Apologetik. […] Auch da, wo die Differenz stark gemacht wird, geschieht dies – wie auch sonst – mit den Mitteln der Zeit.«227 Aus diesen tendenziell weiteren Rückblicken können Gestaltungsfreiräume angesichts bedrängender gegenwärtiger Herausforderungen gewonnen werden. Mit Mission muss der Mut zum Wagnis verbunden sein, der etwas beginnt, ohne das Ende auch nur zu ahnen. (2) In homiletischen Entwürfen hat sich die Einsicht durchgesetzt, dass mit einer Predigt nur beabsichtigt werden kann, das Wort Gottes auf Rezipientenseite heranzureifen zu lassen. Eine Predigt kann noch so gut vorbereitet sein, kein Mensch kann ihre geistlichen Erfolge garantieren.228 Paralleles gilt für Mission und Apologetik, die sich absichtslos oder geplant vollziehen können, aber immer erst im Nachhinein an ihren entfalteten Wirkungen und Konsequenzen erkannt werden können. So ist planbares und planvolles, zielorientiertes Handeln229 unübersehbar wichtig, aber nur eine Seite der komplementär möglichen Beobachtungen. Mission wird hinken und misslingen, wenn man sich allein auf das Machbare konzentriert. Auch das komplette Gegenteil wurde einseitig vorgeschlagen, dass

————— 225;;

Vgl. SCHWEITZER, Apologetenkonferenz, 133. Vgl. BIERITZ, Öffentlichkeitsanspruch, 103. 227;; NÜCHTERN, Apologetik ist nötig, 16. 228;; Vgl. SPARN, Predigt®, 30. 229;; Vgl. HAUSCHILDT, Potentiale, 54. 226;;

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allen alles tendenziell widerfährt.230 Die Argumente gegen die Einseitigkeiten sind hier nicht noch einmal zu wiederholen. Mittels Retrospektivität aber können die »Handlungs-WiderfahrnisGemische«, zu denen Mission und Apologetik unbedingt gehören, genauer erkannt werden: »Sie sind nicht ausschließlich naturgesetzliche Abläufe und nicht ausschließlich geplante Handlungen.« Mit großer Wahrscheinlichkeit sind auch die Verhältnisbestimmungen Marquards zutreffend. Er befindet wir sind stets mehr unsere Zufälle als unsere Leistungen. Wenn Kolumbus Indien amerikalos erreicht hätte, wenn Rotkäppchen die Großmutter wolflos besucht hätte, wenn Odysseus ohne Zwischenfälle schnell nach Hause gekommen wäre, wären das eigentlich keine Geschichten gewesen: vorher gäbe es – als Voraussage oder Planung – die Prognose, hinterher nur die Feststellung: es hat geklappt.231

Wenn zwischen geplant und absichtslos und zwischen wirkungslos und erfolgreich unterschieden wird, ergeben sich formallogisch vier Kombinationsmöglichkeiten, oder, wie Marquard formuliert »Aktions-KontingenzLegierungen«232. Am interessantesten ist dabei der Fall, bei dem keinerlei missionarische Ambitionen gehegt werden und sich gleichwohl Wirkungen einstellen, die nicht anders als gelungene Mission bezeichnet werden können. Missionarische Situationen können z.B. durch die versammelte Gemeinde als corpus permixtum entstehen. Kasualien sind dementsprechend keine missionarischen Gelegenheiten,233 wohl aber missionarische Möglichkeiten, die sich – wird die Idee des simul iustus et peccator234 ernstgenommen – ergeben müssen. Missionarisch erfolgreich könnte also sein, wer den Begriff nie gebraucht und Derartiges nicht plant. Versagen könnte ein anderer, der sein Tun als absichtsvoll missionarisch begreift, wie es im Gleichnis von den ungleichen Söhnen geschildert wird, von denen einer Nein sagt und doch tut, was geboten ist und der andere Ja sagt und nichts unternimmt (Mt 21,28–32). Diese Gemengelage ist unhintergehbar und ein sehr guter, zusätzlicher Schutz gegen tödliche Totalitäten. (3) Nur in der Retrospektive ergeben sich auch veränderte Blickwinkel auf Phänomene und ihre Deutungen, die nicht sehr leicht auseinanderzuhalten sind. —————

230;; Vgl. SCHROETER-WITTKE, Ver-Fahren, 163: »Mit Gott und Gottes Reich lässt sich nicht rechnen. Deswegen ist Mission auch unberechenbar.« 231;; MARQUARD, Skepsis, 63, Hervorhebung im Original. 232;; Ebd. 233;; Vgl. BOHREN, Kasualpraxis. BOHREN hat den Pfarrer als homo faber im Blick, der die Situation macht. 234;; Vgl. Kap. 3.3.5.

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Wahrnehmungen von Welten

Die Beurteilung des Kirchenbesuchs ist konsensfähig schlecht und inspiriert die sprachlich-emotionalen, sonst ruhenden Talente für Verwerfungen. Das Urteil über diejenigen, die da eigentlich kommen sollen, steht immer schon fest. Es sind chronisch zu wenige und akut zu wenige; spätestens seit dem 18. Jahrhundert permanent.235 Der Kirchgang ist statistisch gut zu beobachten und stellt daher ein herausgehobenes Beurteilungskriterium für viele Dimensionen des Glaubens dar, die sich Beobachtungen, vor allem aber Messungen, strikt entziehen. An Zahlen zerquält, zur Selbstkasteiung von Pfarrerinnen und Pfarrern dauertauglich, wird die Leistung, an einem Gottesdienst trotz Entscheidungsmüdigkeit teilzunehmen, selten angemessen gewürdigt. Niemand, insbesondere nicht Seniorinnen und Senioren, rennt mehr in die Kirche. Der grundlegende Wandel von Zwängen zu Optionen, von Gewohnheiten zu Freiwilligkeiten führt zu neuen Perspektiven auf die kirchlichen Präsenzgemeinschaften. Es war oben schon angedeutet worden und ist noch einmal zu wiederholen, ob nicht heute mehr Menschen denn je ihren christlichen Glauben reflektiert und freiwillig praktizieren, als es früher überhaupt möglich war. Denn Religion im Allgemeinen und christlicher Glaube im Speziellen lagen mehr als anderthalb Jahrtausende unter Monopol, unter zwingenden Sitten und Gewohnheiten verborgen. Trotz guter empirischer Datenlage wird darüber nicht Sicherheit zu gewinnen sein, aber m.E. ist die Vermutung naheliegend. Die Retrospektiven sind nicht um ihrer selbst willen da, sondern weil Zukunft Herkunft braucht. In dieser Arbeit war von Renaissancen die Rede, weil so endliche Menschen ins Neue aufbrechen können: auf dem Weg durch das Alte. Menschen können Innovationsbelastungen aushalten, doch nicht beliebig viele, nicht ohne Kontinuitätskultur. Und Neues ist menschenmöglich, gewiß, doch nicht beliebig viel, also nicht ohne das Alte […].236

Im folgenden Kapitel wird darum für die Wiederentdeckung von Kooperationsmöglichkeiten der theologischen Fächer und Teildisziplinen Fürsprache gehalten.

————— 235;;

Vgl. BURKHARDT, Diskussion. MARQUARD, Skepsis, 88.

236;;

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Intradisziplinaritäten

5 Auf Wiedersehen Von den Vorteilen theologischer Wahlverwandtschaften Auf Wiedersehen

5.1 Intradisziplinaritäten Intradisziplinaritäten

Die Auswärtigen Ämter der Christenheit sind als kirchenleitende Themen auf die Agenden der Professionellen und Interessierten zurückgekehrt. Das Nachdenken darüber, und vor allem das Besinnen auf längere zeitgeschichtliche Zusammenhänge haben die Größe der Herausforderungen für den gesamten theologischen Fächerkanon deutlich gemacht. Die Theologie in dem Sinne, in welchem das Wort hier immer genommen wird, ist eine positive Wissenschaft, deren Teile zu einem Ganzen nur verbunden sind durch ihre gemeinsame Beziehung auf eine bestimmte Glaubensweise, d.h. eine bestimmte Gestaltung des Gottesbewußtseins; die der christlichen also durch die Beziehung auf das Christentum. Eine positive Wissenschaft überhaupt ist nämlich ein solcher Inbegriff wissenschaftlicher Elemente, welche ihre Zusammengehörigkeit nicht haben, als ob sie einen vermöge der Idee der Wissenschaft notwendigen Bestandteil der wissenschaftlichen Organisation bildeten, sondern nur, sofern sie zur Lösung einer praktischen Aufgabe erforderlich sind.1

So hatte Friedrich Schleiermacher die Notwendigkeit zur innertheologischen Zusammenarbeit seinerzeit begründet. Zur praktischen Aufgabe der Kirchenleitung, mit der der systematisch-praktische Theologe eingesetzt hatte, sind je nach theologischem Zugang weitere Pflichten hingekommen. Es sind solche, die vor allem den kirchlich-institutionellen Rahmen sprengen, z.B. der Anspruch, eine ganze Kulturen umfassende Religionshermeneutik zu leisten. Allen neuen Aufgaben sind ihre außerordentliche Größe und die Notwendigkeit intensivierter Zusammenarbeit gemein. Die Theologie in dem Sinne, in welchem das Wort heute und künftig genommen werden sollte, ist daher neu gefragt, ihre Teilfächer wieder zu verbinden, weil es zur Lösung umfassender, praktischer Aufgaben erforderlich ist. Plädiert wird, insbesondere aus praktisch-theologischer Perspektive, für mehr theologische Intradisziplinarität. Ziel ist nicht der Ersatz interdisziplinärer Kontakte und eine neuerliche Ghettoisierung der Theologie, sondern im Gegenteil eine Horizonterweiterung, die gleichzeitig auch den interdisziplinären ————— 1;;

SCHLEIERMACHER, KD, 1.

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Auf Wiedersehen

Relationen zugute kommt. Gerade bei den benachbarten Geisteswissenschaften waren die Theologen in letzter Zeit gelegentlich als bedürftige Partner erschienen.2 Die Abneigungen gegen die Intensivierung der Intradisziplinarität sind nicht zu vernachlässigen, die Furcht Praktischer Theologen, von Dogmatikern als »Wurmfortsatz«3 empfunden und behandelt zu werden, ist historisch nachvollziehbar und sitzt offenbar tief, sollte aber dennoch überwunden werden.4 Mit intensivierter Intradisziplinarität ist erstens selbstverständlich nicht die Restitution prekärer Hierarchien und Abhängigkeitsverhältnisse angestrebt. Diese Ängste stehen im Hintergrund von Aussagen, christliche Grundlagentexte dürften nicht länger »Prämissenspender«5 sein bzw. normativ-deduktive Verfahren seien praktisch-theologisch wenig hilfreich.6 Wenn die »kirchlich-dogmatische Phraseologie«7 beklagt wird, ist das Problem aufgrund der vorliegenden Studien8 zunächst bei den Phrasen, Stereotypen und Klischees selbst zu suchen. Zur Urteilsfindung über Sprachbilder wiederum sind dogmatische Einsichten und ihre Entwicklungen im Gegenüber und Miteinander jeweiliger Zeitgenossenschaften unentbehrlich. Ohne die intradisziplinären Querverbindungen und Zusammenhänge hätten diese Untersuchungen nicht geschrieben werden können. Zweitens wird immer wieder eine Fixierung auf die Institution oder Organisation Kirche befürchtet: »Die Abhängigkeit von Dogmatik und Humanwissenschaften soll überwunden werden durch die Orientierung an der Religion. […], wobei vor allem das ekklesiale Paradigma überwunden werden soll.«9 Die Entwürfe zu den Außenministerien der Christenheit zeigen die Dringlichkeit der Überwindung der Fokussierung auf das Ekklesiale. Zur Vermeidung dieser beschränkten Perspektiven ist die Wiederentdeckung von Wahlverwandtschaften geboten, die die theologischen Fächer unter gleichberechtigten Bedingungen miteinander in Gespräche bringen. Die Schwierigkeiten und die Möglichkeiten echter Dialoge10 werden daran wiederum ergiebige und lohnende Studienobjekte haben. Christian Grethlein und Michael Meyer-Blanck wagen einen Ausblick, der die gesamte Theologie betrifft: »Gegenseitige Abgrenzungsbemühungen schaden wohl der Systematischen Theologie (mit der Gefahr mangelnden Zeitbe————— 2;;

Vgl. LUHMANN, Funktion, 266. GRETHLEIN/MEYER-BLANCK, Geschichte, 61. 4;; Vgl. SCHMIDT-ROST, Theorie, 221. 5;; HAUSCHILDT, Theologie, 90. 6;; Vgl. GRÄB, Theologie, 83. 7;; DERS., Lebensgeschichten, 32. 8;; Vgl. Kap. 2 und 3. 9;; GRETHLEIN/MEYER-BLANCK, Geschichte, 56. 10;; Vgl. Kap. 2.2.2 zur Seltenheit von Dialogen. 3;;

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wußtseins) und der PT (mit der Gefahr der Auflösung in eine allgemeine Kulturtheorie) gleichermaßen.«11 Die vorliegende Arbeit ist in der Überzeugung geschrieben, dass gelingende Intradisziplinarität der erste Schritt auf dem Wege zu einer angemesseneren Gestaltung der gegebenen Freiheiten ist, auch innerhalb der Geisteswissenschaften. Die Freiheit zur Häresie und mehr noch die von Odo Marquard entdeckten drängelnden Determinanten erfordern Kooperationen. Über Systematische und Praktische Theologien hinaus geht es um ein Wiedersehen aller theologischen Teilfächer, auch derjenigen, die sich nicht bewusst voneinander abgrenzen, sondern sich qua Ausdifferenzierung ungewollt und fast unbemerkt voneinander entfremdet haben. Mission rückt die aus den Praktischen Theologien ausgeschiedenen und in der allgemeinen Diskussionslage auch abgeschiedenen Missionswissenschaften erneut ins Blickfeld.12 Apologetik weist mit ihrer fast ausschließlich kirchenleitungsdienenden Realisation auf den Abstand zwischen akademischpraktischen und institutionell-praktischen Theologien hin, der nur hie und da kasuell durch individuell-personale Brücken überwunden wird. Konsensfähiger Ausgangspunkt der Überlegungen war die mangelnde Sprach- und Verständigungsfähigkeit im Allgemeinen. Die zu empfehlenden Wahlverwandtschaften könnten zum beiderseitigen Vorteil gereichen. Die Sprachlosigkeiten müssen nicht zuletzt auf den wissenschaftstheoretischen Ebenen überwunden werden. Dabei helfen abduktive Vorgehensweisen. Weder sollen aus dogmatischen Sätzen oder anderen theologischen bzw. nachbarwissenschaftlichen Leitdisziplinen Handlungsmaßstäbe abgeleitet werden, noch dürfen induktiv empirische Daten einfach hochgerechnet werden und die Diskussionen allein bestimmen. Vielen Veröffentlichungen, die jetzige Zustände und Entwicklungen mehr oder weniger weit vorwärtsrechnen, wird es ergehen wie den »Strukturbedingungen der Kirche auf längere Sicht« von 1985. Sie waren nur vier Jahre später von den Ereignissen gründlich überholt worden.13 Ein abduktiver Erkenntnisschritt führt zu (begründeten) Vermutungen, die wahr sein können. […] Die Abduktion besteht darin, daß ein (unbekannter oder unerklärbarer) Einzelfall versuchsweise einer Regel zugeordnet und dadurch erklärt wird. Jede medizinische Diagnose, jede Textinterpretation

————— 11;;

GRETHLEIN/MEYER-BLANCK, Geschichte, 60f. Vgl. D. BECKER, Wein, 199 u.ö., der für die Eigenständigkeit der Missionswissenschaften in engstmöglicher Verbundenheit mit allen anderen theologischen Fächern plädiert. 13;; Vgl. EKD-KIRCHENAMT, Strukturbedingungen. 12;;

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und jede kreative Theoriebildung erweist sich als Abduktion. Auch für die Theologie sind die abduktiven Schlußfolgerungen von größter Bedeutung.14

Keine Teildisziplin erreicht auf diese Weise Letztbegründungen, was von Vorteil ist, weil so das Ende der Auseinandersetzungen nicht unmenschlich schnell erreicht wird, sondern der Sinn der Differenzenpflege als immer vorläufige Erkenntnisbemühung deutlich bleibt. An den Außenministerien der Christenheit ließ sich die Überwindung der Fremdheit, d.h. das Gewahrwerden der inter- und intrawissenschaftlichen Relationen mit seinen förderlichen Konsequenzen zeigen. Im zusammenfassenden Schlusskapitel soll deutlich werden, wie genauere und differenzierte Beziehungen, vor allem zwischen Missionswissenschaften, Systematischen und Praktischen Theologien der Überwindung der beschränkten ekklesialen Hinsichten dienen (5.1.1). Danach werden – mit Rücksicht auf die unterschätzten Sprachwirkungen – die weiteren, möglichen Synergien zwischen Missionswissenschaften und Homiletiken vorgestellt. Es sind diejenigen Teildisziplinen, die schon in den praktisch-theologischen Systementwürfen im 19. Jahrhundert weitestmöglich voneinander entfernt betrachtet wurden. Dabei geht es um Wege jenseits der Restauration von missverständlichen Bekehrungspredigten (5.1.2). Der letzte Ausblick widmet sich den zu erneuernden Kontakten mit den exegetischen und historischen Disziplinen (5.1.3). Danach folgt kein Schlusswort (5.2). 5.1.1 Alternatives Kirchenwachstum Dass die Kirchen wieder wachsen sollen und sogar »gegen den Trend«,15 ist oft gefordert worden und hat immer wieder zu Enthusiasmen und Enttäuschungen in dieser Reihenfolge geführt. Die Freiheiten zur Häresie inkludieren aber auch eine – unter den Bedingungen menschlicher Möglichkeiten relative – Freiheit gegenüber Zählzwängen und »Größenordnungen« im qualifizierenden Sinn dieses Wortes. Gemeint sind Unabhängigkeiten gegenüber Werturteilen, die sich nur an Quantitäten orientieren. Plädiert wird aufgrund der Beobachtungen der bisherigen Diskussionslage für ein Übersich-selbst-Hinauswachsen der Kirchen, die dabei um Gottes Willen kleiner oder größer werden mögen. Das wird wiederum erst sehr viel späteren, retrospektiven Beobachtungen zugänglich sein. Die Begründungen, warum die Kirchen von sich selbst absehen lernen und damit über sich selbst hinauskommen sollten, sind vielfältig. Sie wer————— 14;;

HÄRLE, Dogmatik, 8, Hervorhebung im Original. Vgl. EVANGELISCHE KIRCHE BERLIN-BRANDENBURG, FELDTKELLER/SUNDERMEIER, Mission, 144–171. 15;;

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Wachsen,

in:

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den hier noch einmal im Überblick zusammengefasst und auf die gegenwärtigen Herausforderungen unmittelbar bezogen. Die Argumente stammen aus den Missionswissenschaften (1), aus Überlegungen zum besseren Verständnis der Apologetik an der Grenze von Theorie und Praxis (2), aus den Dogmatiken mit unmittelbaren Konsequenzen für die Praktischen Theologien (3) und – fast gleichlautend – aus der Soziologie (4), sie sind historisch einsichtig zu machen (5) und spielen auch in medientheoretischen Überlegungen eine wesentliche Rolle (6). Die Menge der Argumente, gerade in Verbindung mit ihren disparaten Herkünften, soll keinesfalls kirchenleitende Interessen diffamieren, sondern in die notwendig größeren Zusammenhänge einordnen und zu qualitativ hochwertigerer Intradisziplinarität beitragen, die in diesen Fragen auf recht erstaunliche Chancen für Konsense bauen kann. (1) Die vergleichenden Beobachtungen aus der weltweiten Mission führen zu einer Außenperspektive auf die beschriebenen deutschen Verhältnisse, die bestimmte Katastrophenbilder relativiert, aber auch spezifisch kränkend wirkt. Die Relativierungen betreffen die auch finanziell schlüssigen Nachweise, dass die »menschlichen, materiellen und institutionellen Ressourcen« für die Mission hierzulande »vielfältig und reichhaltig« sind. Christinnen aus dem nichteuropäischen Ausland schreiben: Obwohl wir viele Klagen über die finanzielle Krise gehört haben, die Euch davon abhält, Eure missionarische Aufgabe zu erfüllen, möchten wir Euch doch sagen: Eure Kirche erhält mehr finanzielle Unterstützung von der Regierung und verfügt über mehr Ressourcen von der Gesellschaft als jede andere Kirche in der Welt (so weit wir betroffen sind)!16

Die Kränkungen liegen in den stark ermäßigten Wichtigkeiten, die den Kirchen missionstheologisch zuerkannt werden. Johannes Christiaan Hoekendijk hat dieses stark ermäßigte, aber von Kirchenleuten kaum entlastend empfundene Kirchenverständnis zusammengefasst: Die Kirche ist eine Funktion von Mission/Apostolat, und auch das nur, insoweit sie sich selbst tatsächlich für Gottes Sendungsökonomie zur Verfügung stellt. In keinerlei Hinsicht kann sich die Kirche entweder als Subjekt von Mission noch als deren einzige (und ausschließliche) institutionelle Form verstehen.17

Es ist sicher kein Zufall, dass der missionswissenschaftliche Paradigmenwechsel von »Gott – Kirche – Welt« zu »Gott – Welt – Kirche« in dieser Reihenfolge nicht sehr breit rezipiert wurde, weil die Kirchen damit zu zwar aktiven, aber zweitrangigen Teilnehmerinnen an der missio Dei und ————— 16;;

Alle Zitate CHRISTINE MÜLLER, in: RATZMANN/ZIEMER, Kirche, 17. HOEKENDIJK, in: MARGULL, Mission, 35.

17;;

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am Weltgeschehen erklärt wurden. Es gibt keine Verfügungsgewalt über die Mission und ihre Erfolge, weder organisationstheoretisch noch theologisch. Die theologische Perspektive hat aber den entscheidenden Vorteil, die zunächst enttäuschende Unverfügbarkeit des christlichen Glaubens als freiheitlichen und freiheitsgarantierenden Kern des christlichen Mitteilungsbedürfnisses verstehen zu lernen, der kein zu verheimlichender Kollateralschaden, sondern wesentlicher Grund zur Veröffentlichung überhaupt ist. Überspitzt gesprochen, zeigen die derzeitigen Missionsdiskussionen eher die vielfältig scheiternden Versuche, die Reihenfolge »Kirche – Welt – Gott« durchzusetzen,18 als wäre es den herrschenden oder herrschen wollenden Kirchen möglich, qua Welt – immer öfter ersetzt durch den Begriff Kultur – zu Gott zu gelangen. Darüber hinaus beklagen Missionswissenschaftler, dass die deutschen Missionsthemen nichts mit den weltweit drängenden Fragen zu tun haben. Dietrich Werner nennt stellvertretend für viele ungestellte Fragen, »was die unerledigten Herausforderungen und Verheißungen einer Mission der Armen für den deutschen Kontext eigentlich bedeuten.«19 Er plädiert daher dafür, Mission nicht wieder als Gemeindeentwicklungsprogramme engzuführen, sondern im Kontext der weltmissionarischen Tagesordnungen zu erörtern.20 Bestimmte, kräftezehrende Leitbildprozesse müssen dann von den Prioritätenlisten gestrichen werden. (2) Auch die zweiteilige, fundamentale, apologetische »Aufgabe religiöser Aufklärung« dringt auf ein Wachstum der Kirche über ihre eigenen Probleme hinaus: Nach Lage der Dinge muß damit sowohl die Selbstaufklärung der Theologie über die zeitgenössische religiöse und weltanschauliche Situation als auch […] die Aufklärung der Zeitgenossen über die Eigenart und den Ort des Christentums in dieser Situation gemeint sein.21

Der Begriff der Selbstaufklärung der Theologie und damit auch der Kirche ist insofern interpretationsbedürftig, als damit gerade nicht diejenige potenzierte Selbstthematisierung gemeint ist, die derzeit bis zum Überdruss aller Beteiligten getrieben wird. Sparn schreibt von der Rechenschaft über die entlastende und ermutigende Differenzerfahrung zwischen der Institution Kirche und dem Reich Gottes, das die Kirche zweifelsfrei nicht realisieren kann. Um diese Hindernisse zu bearbeiten, sind sie zuerst gründlicher wahrzunehmen. Diese Entdeckungen sind stark beeinträchtigt durch die ————— 18;;

Vgl. zur Missionsdistanz Kap. 4.1.4. WERNER, Mission, 558. 20;; Vgl. ebd. 21;; SPARN, Aufklärung, 155f. 19;;

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Beschäftigung der Kirche mit sich selbst, statt mit Gott, seiner Liebe, seiner Geduld, seiner Güte, die die Eigenart des Christentums ausmachen und allein garantieren. (3) Dogmatisch-missionstheologische Ansätze unterscheiden sich in ihren Forderungen nach mehr theologisch reflektierter Selbstvergessenheit und damit verbunden kirchenleitender Selbstbemitleidungsvermeidung oder gar -verweigerung nur marginal. Die Kirchen, so die anzutreffenden Überzeugungen, werden nicht besser durch hyperaktive Nabelschau, im Gegenteil: »Jeder Schritt in die weltliche Öffentlichkeit hinein macht die Kirche zugleich immer vertrauter noch mit ihrem ureigenen Geheimnis.«22 Damit verbunden sei immer ein Schritt der Kirche von sich selbst und ihren selbsteigenen Leiden weg. Albrecht Schönherr urteilte nach dem Zweiten Weltkrieg streng: »Sie wird also nur Kirche Jesu Christi sein können, indem sie selbst ganz für andere da ist und darauf verzichtet, sich selbst zu behaupten.«23 Eberhard Jüngel hatte 1976 aus damals gegebenen Anlässen gefragt, ob die Kirchen überhaupt noch versucht werden könnten, wenn sie sich ausschließlich um sich selbst drehen. Das Gejammer der Kirchen über Krisen24 ist seither weder verstummt noch auch nur leiser geworden. Eine larmoyante Kirche ist alles andere als eine angefochtene Kirche, auch wenn sie sich noch so sehr für eine solche halten sollte. Denn Larmoyanz ist das Resultat unentwegter und ausschließlicher Beschäftigung mit sich selbst. […] Und nun sei die Frage erlaubt, ob in der Kirche heute überhaupt Anfechtungen erlitten, ob wir Christen heute überhaupt noch angefochten werden.25

Der Systematiker fragt nicht rhetorisch: »Ist die […] Kirche nicht einfach viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um ernsthaft angefochten werden zu können?«26 Er gibt daraufhin banal klingende Ratschläge, die trotzdem schwer in die Tat umzusetzen sind, wenn er den Kirchen empfiehlt, sich für Gott und die Welt und ausdrücklich nicht für sich selbst zu interessieren, z.B. also die Passionsgeschichten Jesu zu erzählen und weiterzusagen und nicht die eigenen Leiden in den Vordergrund,27 d.h. in die Mitte medialer Aufmerksamkeit, zu stellen. Unter diesen Voraussetzungen sind viele kirchenleitende Veröffentlichungen an den gefragten Themen vorbei verfasst, weil und insofern sie fast ausschließlich von den Kirchen selbst handeln. So bleiben sie für Mission und Apologetik kontraproduktiv. Vielleicht darf man eine ————— 22;;

JÜNGEL, Mission, 13. SCHÖNHERR, Gedanken, 221. 24;; Vgl. Kap. 2.3.1. 25;; JÜNGEL, Anfechtung, 20f. 26;; Ebd., 21. 27;; Vgl. ebd., 22f. 23;;

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ironische Frage daran anschließen: Sollten es die Kirchen nicht schon aus Kostengründen anderen überlassen, kritische Zahlen zu veröffentlichen und, weil das ohnehin schon geschieht, auf eine Duplizierung der Kommunikation darüber verzichten? Sicher kann man die Sorgen um die Kirchen nicht verbieten.28 Dazu ist die Macht des Augenscheins zu groß. Aber gerade deshalb ist das Vertrauen der Ohren besonders aufmerksam zu pflegen. Die Ziele von Mission und Apologetik präzisieren sich aus systematischtheologischer Sicht. »Mission bedeutet also, die Stimme Christi in der Welt der Religionen zu Gehör zu bringen, nicht aber die Zugehörigkeit zu einer der kirchlichen Formationen des Christentums zur Bedingung für das Heil zu erklären.«29 Dann könnte auch so etwas wie Begeisterung30 aufkommen. Die Kirche ist sehr wohl verpflichtet, rechtschaffen und regelmässig Bericht zu erstatten, aber sie ist nicht zu einer Permanentansage der Schrumpfung, die diese noch zu beschleunigen droht, gezwungen. »Die Zahl der Mitglieder der evangelischen Kirche würde dann von 26 Millionen (2003) um ein Drittel auf etwa 17 Millionen (67 Prozent) zurückgehen.«31 – kann nach allen Regeln der Kommunikationswissenschaften und des gesunden Menschenverstandes nicht motivieren oder begeistern oder auch nur anregen zu fröhlichem und förderlichem Tun. Die immer genaueren Selbstbeobachtungen der Kirchen und Gemeinden scheinen aber bislang so unumgänglich für gelingende Mission, dass so lange analysiert wird, bis aus überaus verständlichem Zeit-, Geld- und Kräftemangel nichts anderes mehr statthaben kann, weil es nur Menschen mit begrenzten Potenzialen sind, die solches versuchen. Auf diesen Hintergründen ist der Streit, ob intensives Wahrnehmen oder direktes Missionieren Priorität hat, noch einmal in einem neuen Licht zu sehen: Immer dann, wenn die Kirchen und ihre Vertreter drohen, von sich selbst zu viel zu reden oder zu schreiben, gilt unbedingt die Priorität des »genauen, ganz am Anderen interessierten Hören[s]. Wer etwas sagen will, muss andere zu Wort kommen lassen.«32 Es gehört zum Lehrstoff in Proseminaren über Seelsorge und Homiletik, dass man erstens zuhört und zweitens nicht sich selbst in den Mittelpunkt von Gespräch oder Kanzelrede stellt. ————— 28;;

Vgl. SCHNEIDER-FLUME, Glaube, 198. KÖRTNER, Vielfalt, 109. 30;; Vgl. HÖPPNER, Kirche, 89 und 92. 31;; EKD-RAT, Freiheit, 21. 32;; HERMELINK/KÄHLER/WEYEL, Stärke, 40. Vgl. auch EKD-RAT, Freiheit, und kritisch dazu THOMAS, Klippen, 384f. 29;;

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(4) Die unabhängig davon entwickelten Überlegungen von Niklas Luhmann wirken wie genaue Übersetzungen der bisher referierten Perspektivwechselforderungen. Luhmann führt als binären Code für das religiöse Teilsystem der Gesellschaft »Immanenz/Transzendenz« ein. »Man kann dann auch sagen, daß eine Kommunikation immer dann religiös ist, wenn sie Immanentes unter dem Gesichtspunkt der Transzendenz betrachtet.«33 Müssen Konzepte von Mission und Apologetik nicht immer dann scheitern, wenn sie im Immanenten steckenbleiben, d.h. die kirchlichen Selbstbeschreibungen gar nicht mehr unter dem Gesichtspunkt von Transzendenzen stattfinden? Günter Thomas hat sehr böse resümiert, dass eine genuin religiöse Selbstbeschreibung, die wagen würde, einen religiösen Imaginationsraum aufzuspannen, bis auf kosmetische Restbestände vollständig aus[fällt]. So stellt sich die EKD bei Licht betrachtet als ein Unternehmen dar, das leider nicht mehr im hinreichenden Maße Religion verkaufen kann. […] Man muss kein WortGottes-Theologe oder »bibeltreuer Christ« sein, um die irritierende Beobachtung zu machen: Die Leuchtturmkapitel des Zukunftspapiers riskieren nicht mehr, die Kirche und die Zukunft der Religion religiös zu beschreiben.34

Die vor sich hin Finanzen und Strukturen reformierenden Kirchen sind ein letztlich immanent bleibendes Thema und gehören somit gar nicht in eine – soziologisch so genannte – religiöse Kommunikation, geschweige denn in solche, die zu Wachstum irgendeiner Art anregen soll. Das Thema Kirche kann angemessen nur dargestellt werden, wenn die Selbstdifferenzierung zwischen immanenter Organisation und/oder Institution einerseits und allem, was nicht von dieser Welt ist, andererseits immer wieder, auch zur kirchenleitenden Selbstvergewisserung, dargestellt wird. Wenn Luhmanns binärer Code auf die Bedeutung dieses Vorgangs hinweist, bläst er in dasselbe Horn, in das Theologen seit neutestamentlichen Zeiten unentwegt blasen sollten. (5) Das Studium der christlichen Missionsgeschichte lehrt, dass häufig schon in der Vergangenheit nicht der christliche Glaube mit seinen transzendierenden Kräften, sondern nur bestimmte, immanent gebildete und gebliebene Kirchenbilder oder -ideale verbreitet wurden. Der triumphalistische Klang der vorletzten und der selbstbedauernde Tonfall der letzten Jahrhundertwende scheinen zwar im ersten Moment diametral entgegengesetzt, offenbaren aber, wie »kirchenzentrisch«35 Mission früher war und gegenwärtig immer noch gedacht wird. Gustav Warneck schrieb 1892: »Unter christlicher Mission verstehen wir die gesamte auf die Pflanzung und Organisation der christlichen Kirche unter Nichtchristen gerichtete ————— 33;;

LUHMANN, Religion, 77. THOMAS, Klippen, 385, Hervorhebung im Original. 35;; RATZMANN, in: BÖHME, Mission, 13. 34;;

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Thätigkeit der Christenheit.«36 Die Idee von Transzendenz begegnet einem in dieser Definition ebenso andeutungsweise und indirekt wie in gegenwärtigen Veröffentlichungen, die sich auf die düstere Zukunft der Kirche konzentrieren. Friedrich Wilhelm Graf hat den engen Zusammenhang zwischen den Selbsterforschungen der Kirchen und der forcierten Suche nach Schuldigen seit den 1960er Jahren gezeigt. Seit die Kirchen sich über sich selbst befragen, sind an den Zuständen die »gesellschaftliche Entwicklung«, die »moderne Kultur«, die »Medien« oder die »bösen modernen, egozentrisch ›individualistischen Menschen‹«37 schuld. Auch die nach innen gerichtete Selbstbeschäftigung zum Zweck der Binnenoptimierung führt in Sackgassen. »Aus der Binnenorientierung folgt ferner, dass in der Regel verzögert auf Einwirkung von außen reagiert wird. Verzögert bedeutet freilich in der Regel falsch.«38 Ob man selbstbewusst glaubt, dass die Welt in toto zu retten sei oder sich vergleichsweise wenig leidende Kirchen mitleidserregend präsentieren, bleibt auf dieselbe Weise problematisch. (6) Wie Kirchen sich selbst beschreiben, wird am intensivsten in ihrem publizistischen Tun offensichtlich. Verkünden oder informieren sie über sich selbst oder lenken sie den eigenen Scharfblick und die Blicke hoffentlich Vieler von sich weg auf ihre transzendenten Gründe und die Ermöglichungen ihres Seins, die außerhalb ihrer selbst liegen? Bleiben sie in sich selbst verkrümmt und veröffentlichen sie ihre Verkrümmungen und Kümmernisse oder entfalten sie sich? Reinhard Schmidt-Rost stellt in diesen Fragen schlechte Zeugnisse aus: Die publizistische Arbeit ist durchaus daran beteiligt, den Trend zu einer Auffassung der Kirche als Verein oder als Großorganisation zu verstärken, die in ihrem publizistischen Handeln ihren Bestand erhalten will. Damit aber wirkt sie oft ihrer wesentlichen Intention entgegen, die Vielfalt christlichen Lebens im Alltag zu fördern und die einzelnen zur Freiheit christlicher Verantwortung hinzuleiten. Die Bemühung um Bestandssicherung stellt eine Abhängigkeit der Einzelnen von einer imaginären Institution Kirche her, die weder dem Wesen der Botschaft noch dem Wesen der Volkskirche entspricht. Damit trägt sie dazu bei, daß die Bedeutung der christlichen Botschaft für die alltägliche Lebensführung und die Verantwortung in der Gesellschaft weiter verblaßt.39

Die Kirchen sollten sich nach Schmidt-Rost vielmehr mühen, ähnlich flüchtig und damit osmosefähig wie Sprachgebilde zu werden.40 Ihm schwebt im übertragenen Sinne dieses Wortes »eine leichte Organisation als Trägerin ————— 36;;

WARNECK, Missionslehre, Bd. 1, 1. GRAF, Bildungsdilemma, 46f. 38;; VIETINGHOFF, Wege, 167. 39;; SCHMIDT-ROST, Spuren, 179. 40;; Vgl. DERS., Passion, 93, und PLEITGEN, Kraft, 237. 37;;

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evangelischer Kommunikation zur Bearbeitung der gesellschaftskonstitutiven Differenzen«41 vor. Die Anforderungen an die Sprachfähigkeiten steigen auf diese Weise erheblich. Gefragt ist nicht länger ein instrumenteller Sprachgebrauch zur Beschreibung bekannter Sachverhalte, zu denen die Probleme der Kirchen als Institutionen und Organisationen unbedingt zählen, sondern tentative Sprachgebräuche,42 die über das Gewohnte hinausweisen, es in den besten Fällen transzendieren. Fragen nach Gott im denkbar weitesten Sinne sind interessanter und anspruchsvoller als Nachrichten über Kirchen, die – im botanischen Bild des Wiederwuchses43 – wie abgeschlagene Bäume im Hauwald auf ihre Renaissancen warten, bis an den vorhandenen Wurzeln Neues, Anderes ausschlagen wird. 5.1.2 Synergien der Entfremdeten Die intradisziplinären Chancen sollen zusammenfassend an denjenigen Wissenschaftsgebieten hervorgehoben und vertieft werden, die seit Schleiermacher44 traditionell sehr weit auseinanderliegen, an den Missionswissenschaften und ihren Relationen zu homiletischen Theorien. Die gezielte Suche nach den enzyklopädischen Orten und die gefundenen Utopien haben ergeben, dass fast alle vorgeschlagenen Ordnungen der Praktischen Theologie gegen besonders enge verwandtschaftliche Verhältnisse von missionstheologischen und homiletischen Entwürfen sprechen,45 sieht man von den wenigen erwecklich- und neopietistisch-missionarischen Ansätzen für die Homiletik ab.46 Mit dem 20. Jahrhundert war die Loslösung der Missionswissenschaften aus der Praktischen Theologie so weit fortgeschritten, dass ein synoptisches Nachdenken über Mission und Homiletik nur noch für diejenigen in Frage kam, die ihre christliche Identität insgesamt in Bekehrungen oder Evangelisationen fanden und regelmäßig veröffentlichten. Bis in die Gegenwart bilden Bekehrungs- und/oder Missionspredigten dann den Mittelpunkt des Interesses.47 Bis heute können missionarischer Predigteifer und die Aufforderung zur Gewährleistung einer missionarischen und/oder apologetischen ————— 41;;

Vgl. SCHMIDT-ROST, Passion, 93. Vgl. ANDEREGG, Sprache, 377f. 43;; Vgl. Kap. 1.2. 44;; Vgl. SCHLEIERMACHER, KD, § 298f. 45;; Vgl. Kapitel 1.2.1. 46;; Vgl. STIER, Grundriß, und SICKEL, Grundriß, und ihre Rezipienten im 19. Jahrhundert. 47;; Vgl. die ausführliche Monografie von MARTIN WERTH: Theologie der Evangelisation. 42;;

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Dimension aller Predigten als identitätsstiftendes und -erhaltendes Zeichen für diese Frömmigkeitsrichtung verstanden werden.48 Im Folgenden und in Zukunft geht es nicht um den schon unendlich oft wiederholten und damit wenig originellen, zudem zu simplen Aufruf, missionarischer zu predigen, sondern um das Erkennen von herausfordernden Ähnlichkeiten von homiletischen, missionswissenschaftlichen und apologetischen Diskussionslagen: im Umgang mit Sprachen und ihren Wirkungsgeschichten, mit der Unverfügbarkeit des Erstrebten, mit Respekt und Ehrfurcht vor allen relationalen Bezeichnungen mit den Beurteilungen der Welt, der Gesellschaften, der Kultur jenseits von vorgängiger Welt- oder Missionsdistanz. Im Gegensatz zur allgegenwärtigen Mission spielen allerdings in den aktuellen kirchenleitenden und strukturreformierenden Debatten die Predigten und damit die große Pluralität homiletischer Entwürfe, ihre Aktualität und ihre Wirkungen, nur marginale, aber gerade deshalb ausbaufähige Rollen. Erst in der neuesten, vierten Mitgliedschaftsbefragung der EKD seit 1972, wird überhaupt und vergleichsweise wenig ausführlich nach Predigten gefragt.49 Die Fragen der Homiletik werden hier als beispielgebend verstanden. Wie für die gesamte Praktische Theologie wird für die Homiletik eine neuzeitlich-permanente Inventur- und Innovationsbedürftigkeit kommuniziert.50 Es wird in Zukunft notwendig sein, alle Teilgebiete der Praktischen Theologie überhaupt oder besser untereinander zu vernetzen.51 Zunächst wird die vehement vertretene Distanzierung von Mission und Homiletik in der Gegenwart skizziert (1), es folgen die gegenteiligen Überzeugungen und Argumente (2). Ein Zwischenschritt bezieht sich auf die Infragestellungen von direkten Missionspredigten (3). Daraus ergibt sich ein Plädoyer für gemeinsame und gleichberechtigte Weiterarbeit (4), weil mitnichten homiletische oder missionswissenschaftliche Ansätze so vollendet sind, dass nur eine Seite von der anderen etwas lernen könnte. ————— 48;;

Vgl. z.B. für die Zusammenschau von Homiletik und Apologetik LOSCALZO: Apologizing For God. Apologetic Preaching To A Postmodern World. 49;; Vgl. PREUL, Aktualität, 330 und 338. 50 Vgl. zur gesamten Praktischen Theologie nur die neueren Ordnungsversuche: NAUER/BUCHER/WEBER: Theologie und W. STECK, Topographie; früher schon: SCHRÖER, Inventur. Vgl. zur Homiletik: GRÖZINGER, Predigt; HARBSMEIER, Auftrag; JÜNGEL, Predigt; MEYERBLANCK, Predigt, DERS., Sehen; MOSCHO/SCHMIDT-ROST, Evangelium; HANS-MARTIN MÜLLER, Homiletik; NEMBACH, Predigen; SCHMIDT-ROST, Medienwelt; DERS., Reden; SCHRÖER, GenitivTheologie, und die Literaturfülle bei WINTZER, Literatur. Besondere Erneuerungshoffnungen betrafen stets ERNST LANGE, vgl. KROTZ, Licht, und GRÄB, Hörer; 51;; Vgl. z.B. zur Vernetzung von Apologetik und Praktischen Theologien, genauer Religionspädagogik und Pfarrerbildung: MEYER-BLANCK, Pfarrerinnen, 4, und BRÄNDLE, »Rechenschaft über unsere Hoffnung«. Zur Notwendigkeit apologetisch-theologischen Denkens für die Religionspädagogik.

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(1) Gemäß der im 19. Jahrhundert mit Friedrich Schleiermacher einsetzenden Tendenz, dass Kultus- und Missionspredigt unbedingt zweierlei sind,52 hält Martin Nicol als Lehrsatz fest: »Missionspredigt  Gemeindepredigt« und stellt als Denkaufgabe: »Überlegen Sie, wo Sie in letzter Zeit dem Phänomen begegnet sind, daß der Prediger oder die Predigerin sich missionarisch an Menschen wendet, die im Gottesdienst gar nicht anwesend sind!«53 Die Feststellung Christian Palmers: »Im Gottesdienst feiert die Gemeinde […]«54 scheint geradezu zeitlos gültig zu sein. Aber sind nicht hier spezifische Bedürfnisse und Sehnsüchte die Väter der Gedanken? Jede Predigt findet nach Preul öffentlich statt. Freilich ist die Öffentlichkeit, an die sich die Predigt wendet, eine solche, die in einem Geiste versammelt ist, die den Pluralismus hinter sich gelassen hat und die ein identisches Verständnis von dem, was im Gottesdienst geschieht, aufbringt. Jedenfalls ist ein solches Gleichgestimmtsein oder wenigstens eine Tendenz in Richtung auf Gleichgestimmtsein bis zum Beweis des Gegenteils zu unterstellen, sonst könnte man die Gemeinde nicht gemeinsam singen, beten und bekennen lassen und es dürfte ihr keine Liturgie und kein Abendmahl zugemutet werden.55

Dass der vorhandene Pluralismus nicht ausgeschlossen, sondern verwandelt werde, dafür sorge dann die Predigt.56 Dabei ist anzumerken, dass den Gemeinden nicht sehr viele Gleichgestimmtheiten unterstellt werden sollten. Gemeinsames Singen, Beten und Bekennen sind in der Tat Zumutungen in überindividualisierten Zeiten, freilich solche, auf die keinesfalls verzichtet werden sollte. Christengemeinden, auch wenn sie scheinbar homogen wirken, sind plural und sollten es auch bleiben – vor allem wegen der Predigten, die ihr gehalten werden. Diese Einstellung aber ist bislang nicht konsens-, nicht einmal mehrheitsfähig. Allgemeine Christlichkeit wird vor allem bei Predigt- und Präsenzgemeinden vorausgesetzt: Die Gemeindepredigt ist Rede unter Christen. […] Daß die Predigt religiöse Rede unter Christen ist, muß in der Predigt nicht nachgewiesen, sondern kann vorausge-

————— 52;;

Vgl. zu SCHLEIERMACHER und seinen Schülern HUSAR, Predigt, 13–30; vgl. auch ZIEMER, Predigt, 230. 53;; NICOL, Grundwissen, 78. 54;; PALMER, Theologie, 351, vgl. auch ebd., 255: PALMER setzt für die »missa fidelium« eine »mündige Gemeinde« voraus. Vgl. zu PALMER den Aufsatz von BEUTEL, Homiletik. 55;; PREUL, Auftreten, 506. Vgl. auch ENGEMANN, Einführung, 107: »Aus homiletischer Sicht geht es hier um die Frage nach den Konsequenzen, die es für Gehalt und Gestalt der Predigt hat, wenn die Prämissen eines kategorialen Öffentlichkeitsbegriffs nicht als theologischer Anachronismus einer an mangelnder Aufmerksamkeit leidenden Kirche erscheinen sollen.« 56;; Vgl. ebd., 517.

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setzt werden: Die Gemeinde, die sich zum Gottesdienst versammelt, ist dabei durch nichts anderes geleitet, als durch das allen Einzelnen gemeinsame Christentum.57

Oder allgemeine Christlichkeit sollte vorausgesetzt werden, so die multifunktional einzusetzende und darum vielzitierte Bemerkung Schleiermachers: Vielleicht kommt auch die Sache dadurch wieder zu Stande, daß man sie voraussezt; wenigstens giebt es nichts verderblicheres für unsere religiösen Vorträge, als das Schwanken zwischen jenen beiden Ansichten, ob wir als zu Christen reden sollen, oder als zu Nichtchristen.58

Wilfried Engemann rechnet es unter die klassischen homiletischen Fehler, das Christsein der Hörer zu ignorieren, denn Gottesdienstbesucher gehören s.E. in der Regel zu den kirchlich Sozialisierteren. Daher dürfe man mit ihnen nicht wie mit Konfirmanden verfahren, die allererst mit den Grundfragen des christlichen Glaubens bekannt gemacht werden. Der Praktische Theologe beklagt das niedrige Informationsniveau, das dem Reifegrad der Gemeinde nicht entspreche. Die Gemeinde dürfe nicht mit »Milchspeisen« gemäß 1Kor 3,1f gefüttert werden. Engemann kritisiert eine konkrete Predigt, die zur scheinbar erstmaligen Glaubenserprobung aufruft: Schließlich handelt es sich bei den hier Angesprochenen um Christen, die sich – im Rückblick auf wenigstens einen Weltkrieg – unter dem »Einbrechen der Wölfe« durchaus Genaueres vorstellen können und in vielen Situationen, ohne die Wahl gehabt zu haben, »probieren« mußten […], wie weit sie mit ihrem Glauben kamen.59

Zusammenfassend stellt Engemann im Anschluss an Schleiermacher fest, dass Menschen den Gottesdienst besuchen, weil sie sich auf Jesus eingelassen haben und daher am Priestertum aller Gläubigen partizipieren.60 Die Annahme, dass sich zu einem Gottesdienst Christen versammeln, hat nicht zu vernachlässigende, entlastende Funktionen für die Predigenden, vor allem aber für die hörenden Gemeindeglieder. Daher sind Einwände dagegen sehr genau zu bedenken und nicht leichtfertig vorzutragen. Ernst Lange sah den einzelnen Christen im spannungsreichen Wechsel zwischen Ekklesia und Diaspora leben und glauben. Er definierte die Aufgabe des Gottesdienstes von daher als Ermutigung, als Freiraum, als Unterbrechung des Alltags, der für Christen nicht leicht zu bewältigen ist. Der Christ ist im Alltag der Welt, in der Situation der Diaspora zur Kommunikation seines Glaubens unter meist sehr widrigen Umständen herausgefordert, und sei es auch nur in mikrokommunikativen Situationen. Davon wird ————— 57;;

D. RÖSSLER, Grundriß, 393f. SCHLEIERMACHER, Predigten, 7. 59;; ENGEMANN, Einführung, 70, vgl. zum Ganzen ebd., 69f. 60;; Vgl. ebd., 71. 58;;

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er stark beansprucht, so Lange. Daher bedürfe er eines Ortes zum Kräftesammeln, wo er sich gerade nicht rechtfertigen muss. Der Glaubende in der Sackgasse bedarf einer neuen Ermächtigung. Und er findet sie da, wo der Glaube seinen Ursprung hat, in der Versammlung der Gemeinde, in der Kommunikation mit anderen Christen, die in der gleichen Bedrängnis sind wie er, angewiesen auf den immer neuen Durchbruch der Verheißung.61

Der Gottesdienst findet »gleichsam im Tor, im ständigen Übergang von der Ekklesia in die Diaspora und von der Diaspora in die Ekklesia statt.« Aber die Verkündigung hat und behält »jenseits der Versammlung ihren eigentlichen Zielpunkt«.62 Im »Weimarer Predigtstreit«63 fand sich ein Anlass, die diffizilen Fragen der Grenzziehung und Grenzüberschreitung erneut zu diskutieren. Wilfried Engemann hält es für eine »Überhöhung und Fehleinschätzung der Aufgabe der Predigt, wenn von ihr – und nicht von der Gemeinde – erwartet wird, die Grenze zwischen Innen und Außen zu überschreiten.«64 Er ist überzeugt: »Wir predigen, um die Gemeinde für die Grenzüberschreitung auszurüsten.«65 Entschiedener Widerspruch dagegen stammt von Walter Sparn: »Wenn die Predigt nur noch der Binnenstabilisierung dient, hat sie, trotz anders lautender Behauptung, ihren Öffentlichkeitsauftrag und -anspruch aufgegeben.«66 Beide Positionen stehen einander unvereinbar gegenüber, solange die dazu nötigen Voraussetzungen unhinterfragt bleiben. Es gehört zum Unverfügbaren jeder Predigt, wer sie hört, wie, wozu etc. Ob eine Predigt Grenzen zieht oder zur Überschreitung von Grenzen ermutigt, entscheidet sich letztlich unter den Rezipienten dieser Predigt und lässt sich erst im Nachhinein erkennen.67 Natürlich hat aber ein binnenorientiertes oder auf Außenwirkung bedachtes Programm Auswirkungen auf diese Entscheidungen. Aber es präfiguriert sie nur, es fällt sie nicht. Die entsprechenden Interpretationen der reformatorischen Relationen von Kirche als corpus permixtum und von einzelnen Christen als simul iustus et peccator legen es nahe, eine Scheidelinie zwischen »innen« und »außen« nicht anhand der anwesenden Gottesdienstgemeinde zu rekonstruieren. Im Fazit ist festzuhalten, dass im Gefolge Schleiermachers mit sehr guten Gründen davon ausgegangen wird, dass sich zum Hören einer Predigt ————— 61;;

E. LANGE, Chancen, 160f. Ebd., 148. 63;; ENGEMANN, Prediger, 7. 64;; Ebd., 45. 65;; Ebd. 66;; SPARN, Predigt®, 31. 67;; Vgl. ebd., 30. 62;;

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Christinnen und Christen versammeln. Der Stachel im Fleisch dieser Erkenntnis bleibt aber die paulinische Beobachtung, festgehalten in Röm 10,17, die es genauer zu prüfen gilt: So kommt der Glaube aus dem Hören, das Hören aber durch das Wort Christi. Martin Luther übersetzte das wörtliche »Hören« sehr frei mit »Predigt«:68 So kommt der Glaube aus der Predigt, das Predigen aber durch das Wort Christi. Das muss gleichwohl weiterhin für möglich gehalten und als Möglichkeit aktiv erhalten werden. (2) Die Idee, dass Predigt und Gemeinde zueinander gleichzeitig in einem konstitutiven und konsekutiven Verhältnis stehen, findet sich bei Wilfried Engemann im Rückblick auf die neutestamentliche Überlieferung erster Predigten.69 In der Apostelgeschichte werde deutlich, dass Predigten Gemeinden voraussetzen und begründen (vgl. Apg 2,37f 42). Allerdings dürfe nicht jeden Sonntag die Heilsgeschichte von vorn anfangen.70 In formaler Anknüpfung und inhaltlichem Widerspruch zu Schleiermachers Diktum von den schöpferischen Voraussetzungen verlangt Jürgen Ziemer, missionarische Situationen wahrzunehmen und vor allem wieder vorauszusetzen, damit sie auch entstehen.71 Es ist nichts weniger selbstverständlich als eine Übereinstimmung mit den Formen und Inhalten des christlichen Glaubens. Wir predigen in einer säkularisierten Welt. Wenn die Gemeinde die missionarische Herausforderung der Moderne annimmt – wo soll ihr angemessen entsprochen werden wenn nicht im Gottesdienst, dem am einfachsten und unkompliziertesten zugänglichen Veranstaltungsort der Kirche?72

Selbstredend plädiert er im Blick auf »Nichtchristen, Ausgetretene, Agnostiker, Ungläubige usw.«73 für den Anfang der Grenzüberschreitungen im Gottesdienst. Gerade darin ist auch das Herausfordernde für die Predigten zu sehen: Es ist ja evangelische Prärogative gegenüber den Liturgien anderer christlicher Konfessionen, daß die Predigt ein Ort ist im Gottesdienst, an dem Verschiedenheit, Anderssein, Fremdheit aufgerufen wird. Jede evangelische Predigt verdrängt nicht, sondern bearbeitet, was im gelebten christlichen Leben und seiner Umwelt an Neuem über Gott und die Welt auftritt, erfreulich, verunsichernd, belastend. Man kann die

————— 68;;

Vgl. dazu PREUL, Aktualität, 332. Vgl. ENGEMANN, Einführung, 84f. 70;; Vgl. ebd., 85f. 71;; Vgl. ZIEMER, Predigt, 230–233. 72;; Ebd., 230. Die missionarische Aufgabe sei zu wesentlich, um sie allein Willow Creek zu überlassen. 73;; Ebd., 231. Zu den bezeichnenden Begriffen vgl. Kap. 3 und SPARN, Predigt®, 31, der in diesen und anderen Bezeichnungen ein heilloses Chaos sieht, das den ganzen Predigtstreit in Thüringen durchdringt und bis in den Bischofsbericht vor der Synode reicht. 69;;

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Neigung des berufsmäßigen Predigers verstehen, sich diese Arbeit nicht allzu schwer zu machen und lieber zu wiederholen, was man schon wußte.74

Im letzten, geschilderten Fall solch professioneller Bequemlichkeit aber behindert man die Möglichkeit, dass aus dem Hören Glauben kommen könnte, nachhaltig. Theologisch unprofessionelle Unbequemlichkeit wie 1999 in Weimar ist dann schon um des Streitimpulses willen notwendig, der immerhin die Idee, dass Glauben aus der Predigt, der selbstgehaltenen oder selbstgehörten, kommen kann, wieder in die Welt setzt. Jürgen Ziemer legt eine Definition für missionarisches Predigen vor, die er aus empirischen Beobachtungen gewinnt75 und dann mit praktischen Winken anschaulich macht. Missionarisch predigen bedeutet, sich jederzeit bewußt einzustellen auf die Hörer jenseits des Zauns. Es bedeutet, so zu reden, dass auch diejenigen verstehen können, was gesagt wird, die nicht zum Traditionsbestand der Gemeinde gehören. Dabei lehrt die Erfahrung: Indem ich Nichtgläubige im Blick habe, rühre ich auch an den Unglauben, die Zweifel und Missverständnisse in denen, die glauben (vgl. Mk 9,24).76

Ziemer fordert weniger ein bestimmtes Verhalten, als eine grundsätzlich missionarische Haltung. Diese ist gerade dadurch gekennzeichnet, dass man nicht der besserwissende Missionar ist, der immer schon weiß, wer unter den Gottesdienstbesuchern ist und wer nicht. Missionarisch sein bedeutet demnach, der Gemeinde nicht die Kenntnis ihres Glaubensstandes vorauszuhaben. Auch die Meinung, dass der Predigende der Gemeinde gegenüber irgendeinen Glaubensvorsprung haben könnte, gehört zu den kontinuierlichen theologischen Denkfehlern der Missionsgeschichte. Es kann legitimerweise nicht die Rede davon sein, daß die missionarische Verkündigung ein einseitiges Geschehen oder Handeln sei, […] Denn der, der verkündigt, ist nicht beatus possidens, sondern ebenso wie der, dem verkündigt wird, auf die Verkündigung angewiesen, mit diesem solidarisch. Der verkündigt nicht recht, der nicht die Verkündigung auch an sich selbst richtet. […] Denn die Verkündigung stellt beide vor Gott, und vor Gott gilt ausnahmslos: »Wir sind Bettler, das ist wahr.«77

Schädliche Nebenwirkungen dieser missionarischen Haltung für diejenigen, die – vorsichtig ausgedrückt – aktuell weniger zweifeln als früher oder andere Menschen, sind nicht zu befürchten. Die von Engemann zur Abschreckung gewählten Predigtbeispiele zeugen eher von den Problemen mangelnden Respekts und mangelnder Ehrfurcht vor den Angesprochenen, ————— 74;;

SPARN, Predigt®, 31. Vgl. ZIEMER, Predigt, 225, der an die Menschen denkt, die die Leipziger Thomaskirche primär um der Musik willen aufsuchten und 1963 vor Beginn der Predigt gingen, inzwischen aber – aus wie vielen Gründen auch immer – zur Predigt eher bleiben. 76;; ZIEMER, Predigt, 232. 77;; HOLSTEN, Verkündigung, 79. Vgl. ENGEMANN, Einführung, 86. 75;;

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unreflektiertem Sprachgebrauch und arroganter Suche nach Defiziten der Gemeinden. Es bleibt festzuhalten, dass Predigten unter – sehr unterschiedlichen – Christen gehalten und gehört werden, aber die Herausforderung trotzdem und gerade deshalb besteht, gegen den Augenschein, gegen die Macht der Lebens- und Glaubenserfahrungen mit allen Menschen zu rechnen. Hans Georg Hentschel folgert daraus sogar die Notwendigkeit, komplementär, d.h. an dieser Stelle sympathisch und skandalös zu predigen: Die Predigt der Rechtfertigung als skandalöse Predigt wird immer neben dem eigenen Wohl und Heil der aktuellen PredigthörerInnen vor der Kanzel, auch vom Wohl und Heil derer reden wollen, die 1. sich der Predigt aus welchen Gründen auch immer entziehen, 2. außerhalb des gesellschaftlichen Umgangs der GottesdienstbesucherInnen leben, 3. im Blickfeld einer saturierten und bürgerlichen Christlichkeit gar nicht mehr vorkommen.78

(3) Die Fragen nach explizit missionarischer Verkündigung, nach Missionspredigten im ausschließlichen Sinne, sind damit noch nicht gelöst und werden als zu ernst eingestuft, um sie gänzlich und guten Gewissens Billy Graham zu überlassen. Wo geschieht missionarische Verkündigung? Wo Menschen ihren Glauben mit dem Ziel bekennen, daß Nichtglaubende zum Glauben kommen […] Ihr Ziel unterscheidet sich nicht von dem der gottesdienstlichen Predigt, aber die Adressaten sind andere, und deshalb ist auch eine andere Gestaltung der Aktion notwendig. Man kann fragen, ob die Großveranstaltungen im Stil von Billy Graham und Pro Christ noch die angemessene Methode darstellen.79

Weil gerade sich selbst missionarisch nennende Predigten immer wieder zur massenmedialen Selbstdarstellung zweckentfremdet werden, bieten sich – im Blick auf eine bis in die Gegenwart reichende Missbrauchsgeschichte – immer wieder individualistische Auswege als Lösungen an. Eberhard Winkler hält Besuchsaktionen und seelsorgliche Gespräche für wesentlich – neben inhaltlich elementaren und fundamentalen, auf Grundthemen des Glaubens konzentrierten Predigten, die rhetorisch persuasiv sein sollten.80 Die Areopagrede des lukanischen Paulus dient ihm als Vorbild. Der Praktische Theologe beobachtet aber auch, wie Predigten indirekt und unbeabsichtigt schon dadurch missionarischer werden, dass die Hörerkreise sich wandeln. »Mit zunehmender Säkularisierung wächst der Anteil von Nichtchristen, die an Kasualien und anderen gottesdienstlichen Veranstaltungen ————— 78;;

HENTSCHEL, Notwendigkeit, 447. E. WINKLER, Theologie, 93. 80;; Vgl. ebd., 94. 79;;

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teilnehmen.«81 Winkler muss sein Verständnis von Missionspredigten gegen so viele Vorwürfe in Schutz nehmen, dass für die Rechenschaft von der Hoffnung (nach 1Petr 3,15f) kaum inhaltlicher Entfaltungsspielraum bleibt. Ein Zitat zur Intoleranz illustriert, wie Wesentliches – etwa die christologische Perspektive – zuletzt floskelhaft bleibt: Gegen den Vorwurf, M[issionspredigt] sei per se intolerant, ist das Recht geltend zu machen, einen konkreten Wahrheitsanspruch im weltanschaulich-rel. Pluralismus zu vertreten. Das muß methodisch dialogisch geschehen, inhaltlich aber klar positionell. Christl. M. ist im Kern Ruf zum Leben mit Christus und damit zur Teilhabe am ewigen Leben. Sie überschreitet die zwischenmenschliche Dimension der Konvivenz in christologischer Perspektive.82

Insgesamt aber können Fragen der Missionspredigt in den gegenwärtigen, kirchenleitend initiierten Missionsrenaissancen nur mit wenig Aufmerksamkeit rechnen. Nicht nur deshalb ist der chronologische Durchgang durch die praktisch-theologischen und interdisziplinären Reflexionen über Missions- und Zeugnispredigten bei Karl-Fritz Daiber in der homiletischen Literaturflut recht außergewöhnlich.83 Dabei wird Außenseitern das Wort gegeben. Es soll nicht um die Stimme der Missionspraktiker und der Missionstheoretiker gehen, sondern um die einiger akademischer Theologen, die sich eher zufällig mit dem Problem der Mission beschäftigt haben. Von der »Außenseiterperspektive« ergeben sich in der Regel eher kritisch weiterführende Perspektiven als von innen her.84

Daiber interpretiert die Rede von der Mission als Antwortversuch auf »Säkularisierung«.85 Er orientiert sich für diesen Überblick maßgeblich an den Vorbehalten und Bedenken gegen missionarische Verkündigung, wie sie etwa Ernst Troeltsch vorgetragen hat: Auch der ernsthafteste religiöse Mensch empfindet gegenüber den Missionen gewisse Bedenken. Hier steht an erster Stelle unser religiöser Individualismus, unsere Achtung der Gewissensfreiheit und persönlichen Überzeugung, unsere Forderung der Toleranz […]. Religion ist Privatsache und Persönlichkeitssache: wir pflegen darüber kaum miteinander zu sprechen, weil wir fremde Überzeugung nicht angreifen und die unsrige nicht verspotten lassen wollen.86

Troeltsch sieht Mission und die Begegnung mit anderen Kulturen in einem Gegensatz und erhofft sich von letzterer eine wesentliche Horizonterweite————— 81;;

E. WINKLER, Missionspredigt, 1320. Ebd. Vgl. auch DERS., Gemeinde, 60–63. 83;; Vgl. DAIBER, Predigen, 53–104. Vgl. aus missionswissenschaftlicher Sicht GERN, Predigt. 84;; DAIBER, Predigen, 65. 85;; Vgl. ebd., 59. 86;; TROELTSCH, Mission, 787. 82;;

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rung, nämlich die »Lösung aus seinen verrosteten europäischen Formen«87. Diese Hoffnungen sind dank Globalisierung und Migration vor unseren Augen in den Bereich des Realistischen gerückt. Die vorgeschlagenen Wahlverwandtschaften mit der Homiletik werden entsprechend nicht in der Absicht vorgetragen, Bekehrungspredigten zu restituieren, sondern jedwede christliche Sprachbemühung zu bessern. (4) Die Außenministerien der Christenheit teilen mit der Homiletik die Reflexionsaufgaben über das Zur-Sprache-Bringen christlichen Glaubens und Lebens, gerade dann, wenn Missionspredigten nicht explizit intendiert werden. Das abschließende Plädoyer für genauere Wahrnehmung von Wortwirkmöglichkeiten88 und damit auch für das differenziertere Predigen ist eine nicht veraltende theologische Aufgabe, die sich auch für die Überlegungen zur Mission und zur Apologetik so stellt, wie sie Friedrich Wintzer für die Homiletik festgehalten hat: Die Frage nach dem Verständnis und den verschiedenen Vollzugsformen der christlichen Predigt ist jeder Generation neu gestellt, weil die Predigt in besonderem Maß an dem Gespräch zwischen Kirche und Welt sowie an dem Fortgang theologischer Arbeit teilhat.89

Die Potenziale und Wirkungen von Predigten sind in den gegenwärtigen Generationen umstritten. Besonders pessimistisch hinsichtlich einer Renaissance homiletischer Nachdenklichkeit in kirchenleitenden und kirchlichen Kreisen ist Rolf Heinrich. Er wähnt sich in einer Zeit, in der die Kirche eher an kurzfristigen Events (wie die »Nacht der Kirchen«) als an langfristigen inhaltlichen Konzeptionen zum verantwortlichen Predigen interessiert ist. Ich lese sie [die Predigten Iwands, D.G.] in einer Zeit, in der ich permanent mit finanziellen Fragen der Kirche, mit sogenannten Sparzwängen konfrontiert werde, die jede Phantasie und Kreativität zu ersticken drohen. Inhaltliche Fragen zur Homiletik und zum Predigtgeschehen spielen nur noch eine untergeordnete Rolle. Predigten und Predigthilfen werden als Ware angeboten und aus dem Internet heruntergeladene Predigten tauchen in Versatzstücken sonntags auf der Kanzel wieder auf.90

Die vorliegenden Studien sind in der Überzeugung verfasst, dass der traditionell-spezifisch »evangelische Kult ums Wort«, wie Christoph Dinkel formuliert, hilfreich und gut ist: »Das treffende Wort kann eine enorme Wirkung entfalten und die Welt verändern. […] Die evangelische Kirche ————— 87;;

Ebd., 792. Vgl. PREUL, Aktualität, 332–334, und DINKEL, Kult, 391–393. 89;; WINTZER, Homiletik, 11. 90;; HEINRICH, Iwand, 50. 88;;

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hat allen Grund auch in Zukunft dem Wort und der Predigt viel zuzutrauen.«91 Die Gründe seien hier noch einmal zusammengefasst in Überlegungen zu Kontinuität und Sprachpflege. Allsonntägliche Predigten kompensieren – wie es Marquard erhofft und neuzeitlichen Menschen durchaus zutraut – mit ihrer nahezu zwei Jahrtausende währenden Kontinuität den mehr oder weniger rasanten Wandel der Zeiten. Je punktueller Menschen an so genannten kirchlichen Angeboten partizipieren, je fragmentarischer individuelle Lebensentwürfe werden, je kurzatmiger die Prognosen werden, desto wichtiger sind lindernd-ausgleichende Trends zu Langfristigkeit und damit zu Nachhaltigkeit, die sich selbstverständlich nicht kurzfristig beobachten und nachweisen lassen. Je seltener ein Mensch in die Lage kommen kann, eine Predigt zu hören, umso wichtiger wird es, ihre Kontinuität zu gewährleisten. Immer wieder ist das interessante Phänomen des Vikariatsglaubens beobachtet worden. Thies Gundlach fragt verwundert: Sollte es auch in der modernen Welt so etwas wie einen »Vikariatsglauben der Kirche« geben, die gerade deswegen eine Akzeptanz bei den nicht stark kirchlich gebundenen Mitgliedern findet, weil sie spezifische Inhalte sichtbar positioniert und profiliert, ohne damit eine Integrationsideologie zu verbinden?92

Christen, die die Kräfte für einen selbstpraktizierten Glauben nicht aufbringen, verlassen sich darauf, dass für sie geglaubt wird, dass sie aufgenommen sind in Gebeten und Fürbitten, dass die läutenden Sonntagsglocken die beiläufige, sich aber garantiert immer wiederholende Verstörung, die winzige, aber transzendierende Unterbrechung des Alltäglichen und Immanenten sind. Je kurzfristiger die Welt funktioniert, umso weniger sollten sich die Kirchen an der weiteren Verkürzung und Beschränkung von Horizonten beteiligen. »Missionarische Verkündigung ist demzufolge alles andere als der neue und stellenweise höchst nervöse Versuch der Kirche, mit außergewöhnlichen Mitteln einer sie bedrängenden Wirklichkeit zu begegnen.«93 Diese Einsicht bestätigt Theo Sundermeier, herkommend aus der Weite der Weltmission, hier aus den Basisgemeinden Lateinamerikas, und verbindet sie mit der Einsicht der Komplementarität von Mikro- und Makrokommunikation: »Das wertet auch die Bedeutung des Predigtamtes gegenüber den Sonderpfarrämtern und allen flüchtigen Evangelisationseinsätzen auf, weil

————— 91;;

DINKEL, Kult, 393. GUNDLACH, Ränder, 198. 93;; MARGULL, Mission, 9. 92;;

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hier das Predigtgeschehen in den gesamten Lebenszusammenhang eingebettet ist.«94 Missionstheologische, apologetische und homiletische Konzeptionen sind zweitens verbunden in der Herausforderung, mit Sprache wirkungsgeschichtlich-rücksichtsvoll und vorsichtig umzugehen. Zu den häufig in Vergessenheit geratenen positiven Kollateralerrungenschaften sonst höchst problematischer, weil kolonialistischer und imperialistischer Missionspraktiken gehöre die Selbstverständlichkeit, die fremden Sprachen in den Missionsgebieten zu lernen, häufig auch zu verschriftlichen und alphabetisierend zu lehren, die Machtpotenziale von Namen und Sprachtabus wahrzunehmen, die Hinlänglichkeit der menschlichen Sprache für das Wort Gottes immer wieder praktisch zu erproben.95 Es besteht daher Grund, stolz zu sein und die heutigen Sprachgebräuche ebenso gründlich zu studieren und sorgfältig die Worte zu wählen und zu gebrauchen. Es ist nie von vornherein ausgemacht, ob und wie Gottes Wort und menschliches Reden komplementär zueinander finden. Albrecht Grözinger hat in seinen homiletischen Studien eine »Sprache der Anmutung« befürwortet, die sich »zwischen Behauptung und Indifferenz«96 bewegt. Anmutige Sprache erfasst er in komplementären Perspektiven. Sie verbinde Objektivität und Subjektivität. Sie überschreite die Wirklichkeit, weil sie ins Jenseits von Zwecken und Zwängen führe. Sie bewahre vor den Einseitigkeiten, Gott entweder grund- und lieblos zu behaupten oder nur harmlos von ihm zu plaudern.97 Für Mission und Homiletik gilt gleichermaßen: »Man kann Gott nicht begegnen, ohne daß andere von ihm reden. Er hat sich an das Zeugnis durch Menschenmund gebunden. Er will dadurch vernehmbar werden, aber er wird dadurch nicht verfügbar.«98 Was folgt aus diesen theoretischen Erwägungen? Der Rat der EKD hat im September 2008 die Einrichtung zweier Kompentenzzentren für »Mission in der Region« und für eine »Stärkung evangelischer Predigtkultur« beschlossen.99 Die Arbeitsstellen sollten von Anfang an so zusammen denken, dass sie der Zusammenhänge der vor ihnen stehenden Herausforderungen ansichtig werden.

————— 94;;

SUNDERMEIER, Konvivenz, 72. Vgl. DAMMANN, Sprache, 447f. 96;; GRÖZINGER, Toleranz, 230, Hervorhebung im Original. 97;; Vgl. ebd., 231–244. 98;; BUND DER EVANGELISCHEN KIRCHEN, Christen, 21. 99;; Vgl. http://kirche-im-aufbruch.ekd.de/7532.html. 95;;

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5.1.3 Vorneuzeitliche Vielfalt Die dritte Empfehlung für theologische Wahlverwandtschaften betrifft einerseits Missionswissenschaften und Apologetik und andererseits die exegetischen Fächer. In der Retrospektive fällt auf, dass in den gegenwärtigen Auseinandersetzungen um die Außenministerien der Christenheit Bibelstellen sehr häufig zitiert, aber kaum wirklich entfaltet und ausgelegt werden. Zu 1Petr 3,15f merkt Michael Nüchtern an: »Das Apologetische liegt eher im Kontext als im Text.«100 Trotz der omnipräsenten Beschwörung von Traditions- und Kulturabbrüchen werden die Kenntnis und das Verständnis biblischer Metaphern und Losungen scheinbar vorausgesetzt. Zur argumentativen Unterstützung künftiger Konzepte, den christlichen Glauben zur Sprache zu bringen, werden immer wieder biblische Perikopen verwendet, die im genauen Wortsinn herausgehauen sind aus größeren Kontexten und wenig erklärt werden. Dazu passt auch die Mode, unter großem Aufwand und medialer Anteilnahme die Bibel von vielen Händen abschreiben zu lassen – statt sie interpretieren zu üben. Die Zitationen sind hochgradig selektiv und lassen häufig die inhärente Absicht erkennen, viele Alternativen und Entscheidungsmöglichkeiten inmitten einer Flut pluraler Angebote auf eine einheitliche Grundlage zurückzuführen. Dabei werden gewaltige Türme aus Bedeutung und Konsequenzen auf sehr schmale Textfundamente gebaut, die daher extrem einsturzgefährdet sind (1Petr 3,15f und Mt 28,16–20). Die Bibliothek der biblischen Bücher, die an Vielspältigkeit, an Widersprüchlichkeit, an weiten zeitlichen Distanzen zur Gegenwart und schon im Jahrtausend ihres schriftlichen Wachsens an Unüberschaubarkeit des Autoren- und Redaktorenkreises kaum zu übertreffen ist, wird interessanterweise zitiert, um in der verwirrenden Vielfalt Einheitliches oder Konsensfähiges zu finden. Diejenigen Bibelstellen, die in missionswissenschaftlichen und apologetischen Diskursen besonders häufig strapaziert, d.h. für die verschiedensten Aussageabsichten zitiert werden ohne die Gnade, exegetisch-hermeneutische Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, wären einer Untersuchung würdig, die gerade nicht schon zweckorientiert fragt. Auch vorhandene exegetische Erkenntnisse dringen nicht regelmäßig und automatisch in die kirchenleitenden Texte vor, in denen sie eigentlich gebraucht würden. Im interkonfessionellen Vergleich kann man dabei noch eine zusätzliche verstörende Beobachtung machen. Während auf protestantischer Seite in —————

100;; NÜCHTERN, Apologetik ist nötig, 19. Es gehe weder um die Aufforderung zur Selbstverteidigung oder zur Selbstrechtfertigung, noch um die Widerlegung gegnerischer Aussagen, sondern um eine situationsangemessene, positive Darstellung der Glaubensüberzeugungen.

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einer EKD-Grundlegung »Ermutigung zur Mission« Bibelstellen einfach farblich hervorgehoben zitiert werden,101 sind auf katholischer Seite ausführliche Auslegungen z.B. jesuanischer Gleichnisse anzutreffen,102 die bereits einer instruktiven wissenschaftlichen Kritik unterzogen wurden.103 Die mangelnde exegetische Fundierung soll abschließend und vertiefend an Mk 4,1–20 skizziert werden (1). Die beiden mit Abstand meistzitierten Stellen zu Mission Mt 28,16–20 und Apologetik 1Petr 3,15f waren oben schon in ihren strittigen und alternativen Auslegungsmöglichkeiten vorgestellt worden.104 Sodann wird dafür plädiert, die bislang genutzten, äußerst schmalen, biblischen Textgrundlagen zu erweitern unter besonderer Berücksichtigung des Alten Testaments, das traditionellerweise übergangen wird. Die hier vorgetragenen Beispiele erheben keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit, sie sollen im Gegenteil zur weiteren Suche ermuntern (2). Beide Zugänge ergeben ein Plädoyer für die Wahrnehmung der vorneuzeitlichen, weil biblischen Vielfalt, die insofern entlastend wirkt, weil die neuzeitlichen Pluralisierungen dadurch etwas weniger Anlässe für Weltuntergangsbefürchtungen ergeben. Die Christenheit hat sich immer prächtig entwickelt, wenn sie versuchte, die ihr gegebene Pluralität zu bewahren und sprachlich zu tradieren (z.B. in vier Evangelien, vielen Briefen aus den vielen Urgemeinden) und nicht entgegen ihren ursprünglichen Gestalten gewaltsam Einheitlichkeit durchzusetzen. (1) In Missionsaufrufen für das 21. Jahrhundert begegnen einem immer wieder die Saat-Gleichnisse aus Mk 4. Der Sinn dieses markinischen Kapitels wird erstaunlicherweise als bekannt vorausgesetzt, obwohl das ausweislich der Verse 10–20 schon zur Zeit der Abfassung des Evangeliums offensichtlich nicht der Fall war. Die sofortige und stete Auslegungsbedürftigkeit rückt schon in Mk 4,13–20 in den Vordergrund. Die Aussagerichtung hat sich gegenüber Mk 4,1–9 in Richtung Paränese und Allegorese verschoben.105 Bis heute ist die Auslegung dieses Gleichnisses höchst strittig, was sich schon in den verschiedenen Titeln niederschlägt: Ist es z.B. ein Gleichnis vom Sämann,106 vom vierfachen Acker, vom Geheimnis des Gottesreiches107 oder vom Hören108 oder alles zugleich? ————— 101;;

Vgl. EKD-KIRCHENAMT, Ermutigung, 36, 39, 48 zu Mt 28 u.a. Stellen. Vgl. DEUTSCHE BISCHOFSKONFERENZ, Zeit, 11ff zu Mk 4, 1–20. Darauf bezieht sich HERBST, Sagen, 136f. 103;; Vgl. BÜNKER, Kirche, 388–404. 104;; Zu den hauptsächlich genutzten Bibelstellen vgl. Kap. 2.1.2 zur Sprachwut und Kap. 3.3.3 zu Ehrfurcht und Sympathie. 105;; Vgl. GNILKA, Markus, 177. 106;; So die Überschrift in der Lutherbibel, vgl. auch DSCHULNIGG, Markusevangelium, 130. 107;; Vgl. ECKEY, Markusevangelium, 163. 108;; Vgl. GNILKA, Markus, 159, und ECKEY, Markusevangelium, 166. 102;;

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Die katholischen Bischöfe Deutschlands gehen fraglos davon aus, dass die Kirchen und die Christen als Säende gefragt sind.109 Arnd Bünker dagegen beruft sich auf Rudolf Pesch und führt aus: Im Gleichnis ist Christus als Sämann zu verstehen. […] Jedenfalls wird keine Aufforderung oder Ermutigung zur Aussaat ausgesprochen, sondern vielmehr dazu ermutigt, das Wort immer wieder zu hören und selbst als Samenkorn des Wortes Frucht zu bringen.110

Exegetisch wird also nicht um Details gestritten, sondern um das Verständnis des Gleichnisses bzw. der Metapher111 überhaupt. Die Deutung, die das Gleichnis nur auf Jesus bezieht, ist dabei ebenso anzutreffen, wie die These, dass das Schicksal der frühchristlichen Missionare bereits die Wortwahl von Mk 4,1–9 bestimmte und nicht nur die spätere Allegorese. »Es kann also im Hinblick auf die erzählte Zeit des Wirkens Jesu gedeutet werden, wird aber transparent für die Erfahrungen der nachösterlichen Gemeinde.«112 Ebenso kann der Sämann vollkommen in den Hintergrund und das Hören der Worte in den Vordergrund treten.113 Mk 4,1–9 ist auch auf schöpfungstheologischer Basis als »Jesu Gleichniserzählung über die Zeit der gegenwärtigen Gottesherrschaft« aufzunehmen – Die jesuanische Metapher über die Zeit der Gottesherrschaft vermittelt dem Rezipienten für sein gegenwärtiges Lebensgefühl einen vertrauensvollen Umgang mit Gottes Anwesenheit in seiner Schöpfung. Entscheidend ist, daß JESU metaphorische Erzählung nicht von einem guten Ende berichtet, sondern von einer Gegenwart, die von der Wirkung des Guten ausgeht.114

Es wird deutlich, wie verschieden die Konsequenzen für missionarisches Sein und Tun ausfallen, je nachdem, welche Interpretation – und welche Textgrundlage – man vorzieht. Harald Schroeter-Wittke, der zwar das Säen als Aufgabe der Kirche im Gegensatz zum Ernten ansieht, betont den im Wesentlichen schlafenden Bauern nach Mk 4,26f: Mit dem Reich Gottes ist es so, wie wenn ein Mensch Samen aufs Land wirft und schläft und aufsteht, Nacht und Tag; und der Same geht auf und wächst – er weiß nicht, wie.115 ————— 109;;

Vgl. DEUTSCHE BISCHOFSKONFERENZ, Zeit. BÜNKER, Kirche, 392, Hervorhebung im Original, mit Bezug auf PESCH, Markusevangelium, 243. 111;; Vgl. MELL, Zeit, 139 u.ö. 112;; FRITZEN, Gott, 161. 113;; Vgl. z.B. ECKEY, Markusevangelium, 165–167. 114;; MELL, Zeit, 146, Hervorhebung im Original. 115;; Vgl. SCHROETER-WITTKE, Ver-Fahren, 163. Vgl. DERS., Verschwendung, 112, der das Gleichnis vom vierfachen Ackerfeld unter ökonomischen Gesichtspunkten betrachtet und lapidar fragt, wovon denn die Vögel sonst leben sollten?! 110;;

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Auf Wiedersehen

Werden biblische Aussagen also nur noch zitiert, sind die beklagten Traditionsabbrüche nicht nur teilweise selbstgemacht, sondern werden von den Kirchen stärker forciert, als es eine äußere säkularisierende Tendenz je vermag. Biblische Texte bleiben – für jede Generation neu – auslegungsbedürftig, sonst wirken sie kontraproduktiv. Joachim Gnilka hat schon vor längerer Zeit auf den Gewinn einer retrospektiven Zusammenschau von neutestamentlicher Exegese und Homiletik gerade anlässlich von Mk 4 hingewiesen: »Zeichnete man eine eingehende Wirkungsgeschichte des Gleichnisses und seiner Deutung, erhielte man wahrscheinlich auch interessante Aufschlüsse über die christliche Predigt im Lauf der Jahrhunderte.«116 Biblische Texte gehören nicht zu den unhinterfragbaren Voraussetzungen, gerade weil die Heiligen Schriften wie im Protestantismus als maßgeblich und orientierend gelten. Sie können diese Funktion aber nur erfüllen, wenn die Texte interpretiert werden. Die Beispiele, in denen kirchenleitend zitiert statt interpretiert wird, ließen sich noch leicht vermehren. Sie betreffen in der Veröffentlichung der EKD von 1999 nicht nur die Bibel, sondern z.B. auch viele Christen, die als Autoritäten des Glaubens (Augustin, Luther, Wichern) vorgeführt werden, und nicht zuletzt das wegweisende Zweite Vaticanum.117 (2) Ein intradisziplinärer Zugang zu den Phänomenen Mission und Apologetik führt darüberhinaus in die irreduzible Vielfalt biblischer Missionsvorstellungen ein, die sich selbstverständlich nicht auf wenige Aussaatgeschichten beschränken müssen. Ulrich Körtner etwa gewinnt aus der Untersuchung der Areopagrede des lukanischen Paulus die Erkenntnis, dass Mission seinerzeit eschatologisch und nicht ekklesiologisch begründet wurde.118 Insgesamt ist aufgrund der Missbrauchsgeschichte von Mt 28,16–20 eine löbliche Tendenz zu friedensbetonenden und damit -stiftenden Aussagen zu beobachten. Mit Rücksicht auf die Gewalt im Namen der Mission hat die »Erklärung der Gesamtsynode der Evangelisch-reformierten Kirche (Synode evangelisch-reformierter Kirchen in Bayern und Norddeutschland) vom 26. April 1996« nicht mehr Mt 28,16–20, sondern »Friede sei mit euch! Wie mich mein Vater gesandt hat, so sende ich euch. … Nehmt hin den heiligen Geist!« (Joh 20,21f) als Leitwort.119 Werner Ustorf leitet die Mission aus der Idee her, dass durch das Lautwerden des christlichen Glaubens Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes in der Welt erscheinen, wie es in Tit 3,4 verheißen ist.120 ————— 116;;

GNILKA, Markus, 176. Vgl. EKD-KIRCHENAMT, Ermutigung, 13f, 21f, 25, 30, 32, 44, 50 u.ö. 118;; Vgl. KÖRTNER, Vielfalt, 106. 119;; EMW, Mission, 7. 120;; Vgl. USTORF, Missionswissenschaft, 113f. 117;;

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Intradisziplinaritäten

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Auf dem besten Weg zu ihrer Durchsetzung ist die Idee, dass Mission den Menschen voraus ist und nicht erst beginnt, wenn Christen daran denken, dass etwas gemacht werden müsste. Die biblischen Passagen mit einem kritischen Potenzial gegenüber dem homo faber rücken erst zögernd ins praktisch-theologische Blickfeld – von den Missionswissenschaften her. Theo Sundermeier betont, dass die Kirche wie eine Stadt auf dem Berge (Mt 5,14) missionarisch ist, ehe irgendwer irgendwen wegen irgendetwas irgendwohin sendet.121 Christinnen und Christen, und seien sie noch so aktiv, beschließen die Mission nicht und sind nicht ihr Anfang. Die biblischen Zeugnisse von Mission heben auch die Differenzen zwischen der idealisierten und der menschlich möglichen Christenheit schärfer ins Bewusstsein. Zu nennen sind z.B. Mt 12,34b und Apg 4,20. Die Sprachlosigkeit in Glaubensfragen hat gezeigt, dass Christen sehr wohl gehindert sein können, von dem zu reden, was sie gesehen und gehört haben, dass es erfüllte, aber schwache Herzen ohne übergehende Münder gibt. Die exegetischen Analysen sind somit auch gefragt, um die Differenzen der Situationen der ersten und heutigen Christenheit zu ermessen. Nach wie vor außergewöhnlich ist es, das Alte Testament überhaupt in die Betrachtungen einzubeziehen.122 Hervorzuheben ist Theo Sundermeiers Ansatz, der den Psalter als »Missionstheologie in nuce« und Abraham als Vorbild zum weiteren Nachdenken vorschlägt.123 Alttestamentliche Hoffnungen sind aber z.B. ganz besonders geeignet, um den komplementären Charakter von nicht nur missionarischen Worten und Taten herauszustellen. In Jes 61,1–2 heißt es: Der Geist Gottes, des Herrn ist auf mir, weil der Herr mich gesalbt hat. Er hat mich gesandt, den Elenden gute Botschaft zu bringen, die zerbrochenen Herzen zu verbinden, zu verkündigen den Gefangenen die Freiheit, den Gebundenen, dass sie frei und ledig sein sollen; zu verkündigen ein gnädiges Jahr des Herrn und einen Tag der Vergeltung unsres Gottes, zu trösten alle Trauernden. Der Bruch und die Glaubwürdigkeitsverluste christlicher Mission, die sich durch schweigendes Helfen einerseits und tatenlos-zusehendes Reden andererseits und den Streit der Betroffenen und Beteiligten darüber ergeben haben, erscheinen dadurch als heilbar.124 Diese wenigen Beispiele deuten lediglich die Fülle der Möglichkeiten an. In der Bibel begegnet man dank ihrer Entstehungsgeschichte und den besonderen Umständen der Kanonbildung einer vorneuzeitlichen Vielfalt, die es zu vergegenwärtigen gilt, damit die typisch neuzeitlichen Pluralitäten ————— 121;;

Vgl. SUNDERMEIER, Konvivenz, 15. Vgl. die Überlegungen zu Jes 65,1 in Kap. 3.3.3. 123;; SUNDERMEIER, Konvivenz, 27. Vgl. ebd., 56. 124;; Vgl. ebd., 79. 122;;

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nicht immer wieder Ängste und die ganze Welt unter einen einmaligen und totalitären Krisenverdacht geraten lassen. Die durch ausdrückliche Differenzenpflege realisierte Disparatheit des Urchristentums war bereits als positives Beispiel gelingender und vitaler Vielfalt geschildert worden.125 Michael Nüchtern hat die überraschende Vielfaltsfähigkeit des Christentums breit entfaltet; die Trinitätslehre beispielsweise wäre zu erklären als Ausdruck des Staunens über die Kontinuität und die gleichzeitigen Differenzen göttlichen Handelns und Erscheinens.126 Die göttliche Trinität ist somit ein hervorragendes Beispiel für eine notwendig komplementäre Betrachtungsweise. Wenn für die wiederkehrenden Missionsideen gelten soll: »Wir wollen Mission ohne Reduktion auf einen Missionsstil: […] Sie haben alle je ihre Begrenzungen.«127 – dann werden auch die besonders alten, vielfältigen Strategien, Modelle und Einfälle aus der großen biblischen Bibliothek gebraucht. Dauerhaft vermissen wird man dort schlüssige Systeme und Gesamtkonzepte. Stets sollte man darauf achten, dass immer das Herausragende, Unübliche und Besondere überliefert wurde, nicht aber das Alltägliche, Unspektakuläre. Wolfgang Reinbold betont, dass Paulus ein Missionar wie kein zweiter war. Daher wissen wir späteren Christen also über den einen, atypischen Christen viel128 und über die vielen und ihre alltäglichen Mikround Makrokommunikationen fast nichts. Die pluralen Formulierungen dieser Studie sollen nicht die Gegenwart als spezifisch plural kennzeichnen, sondern auf die beständige Vielspältigkeit durch die Jahrhunderte hindurch hinweisen. Die Pluralität früherer Zeiten bleibt zu oft unter singularischen Formulierungen verborgen. Die missionswissenschaftliche Perspektive gebietet es, von den Kirchen und nicht nur von einer zu sprechen. Seit Schleiermachers Konzept der Praktischen Theologie gibt es nicht die eine wissenschaftliche Praktische Theologie, sondern stets eine Fülle von so unterschiedlichen Ansätzen, dass sie kaum unter die fachbezeichnende Überschrift passen möchten. Es gab im Laufe der Christentumsgeschichte nicht nur den einen – gewalttätigen – Missionsstil, der als einziger die zweifelhafte Gunst jahrhunderteüberdauernder Aufmerksamkeit genießt, sondern eine Fülle von Wegen zum christlichen Glauben, die nebeneinander existierten und existieren. Diese und viele andere Exempel für Pluralität sind angelegt in den biblischen Schriften Alten und Neuen Testaments. ————— 125;;

Vgl. J. BECKER, Vielfalt und Kap. 2.3.2 zur Pluralitätspflege. Vgl. NÜCHTERN, Kirche, 148–157, 153. 127;; HAUSCHILDT, Kultur, 119, Hervorhebung im Original. 128;; Vgl. REINBOLD, Propaganda, 343. 126;;

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Kein Schlusswort vom Hörensagen

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Hier wird nicht dafür plädiert, vorgetragene Exegesen mit Missionspredigthinweisen zu beschließen, aber es ist deutlich geworden, wie wenig die exegetischen Grundlagen feststehen und im Falle des Alten Testaments, wie wenig sie überhaupt missionswissenschaftlich erschlossen sind. Wirkungsgeschichtlich orientierte Sprachstudien erscheinen lohnend, die den Fokus nicht nur auf Einzelaussagen lenken, sondern mit dem Mut zur Übersicht das widersprüchliche Gesamtzeugnis ins Auge fassen – mit der Vielfalt aller zur Verfügung stehenden Methoden.

5.2 Kein Schlusswort vom Hörensagen Kein Schlusswort vom Hörensagen

»Von Mission zu sprechen gehört […] zu den undankbarsten und unpopulärsten Aufgaben, wenn man sich« »an die breiten Massen des gebildeten Publikums wenden muß.«129 Die Herausforderungen bleiben und erneuern sich mit jeder neuen Generation, die den christlichen Glauben zur Sprache bringt, so dass die vorliegenden Studien zwar sehr unpopulär erscheinen mögen, aber gerade deshalb notwendig sind. Glauben kommt vom Hörensagen, bislang schon und auch in Zukunft. Im Hörensagen sind die Notwendigkeiten und Gefährdungen menschlichen Verstehens und Vertrauens in ihren engen Verbindungen gezeigt. Jeder ist angewiesen auf zwischenmenschliche Kommunikation, wie oft sie auch als lügnerische Gerüchteküche schon missbraucht wurde und noch werden wird. Der Glaube lebt davon, dass er lauter oder gar laut wird. Auch privater Glaube verdankt sich nur den Veröffentlichungen des Glaubens anderer, nicht einer autonomen Glaubensleistung. Die Wiederkehr der missionarischen und apologetischen Themen war eingangs aus formalen Gründen mit der ursprünglich forstwirtschaftlichen Renaissancemetapher erhellt worden. Am Anfang des 21. Jahrhunderts sind aber für die Auswärtigen Ämter der Christenheit auch die inhaltlichen Entscheidungen der europäischen Epoche der Renaissance in Erinnerung zu rufen. Seinerzeit entdeckte man die ambivalente bzw. genauer komplementäre Schönheit der Welt. Der Mensch sah sich erstmals als Individuum, noch ohne die späteren Übersteigerungen ins Unmenschliche. Das Diesseits wurde nicht länger als besonders verdammungswürdig übergangen, sondern als verbesserungsfähig und -pflichtig geachtet. Die Rücksichten auf die Quellen, die Herkunfts- und Wirkungsgeschichten geschahen in der Überzeugung, damit Rückschritte oder gar -rückfälle, schlimmstenfalls in voraufklärerische Zustände, vermeiden zu können. Die ————— 129;;

TROELTSCH, Mission, 782.

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biblischen Wissenschaften und das Studium der Kirchengeschichten haben sich dabei als unverzichtbar herausgestellt. Für den Fortgang des Nachdenkens über Mission und Apologetik, von dem später Geborene sagen werden, ob es auch echte Fortschritte gab, bleibt die Wahl der Worte wesentlich, besonders derjenigen, die schon lange in vielfältige Gebräuche und Missbräuche verwickelt sind. Weil Sprache sich evolutiv entwickelt, wird dazu Geduld gebraucht, die in den wissenschaftlichen Theologien womöglich eher zu realisieren ist als im kirchenleitenden Tagesgeschäft. Das ist kein Grund zum Leben in parallelen, also beziehungslosen Sphären, sondern zur Zusammenarbeit. Sprache, die auf das Hören achtet wie auf das Schreiben, ihre Eigentümlichkeit pflegt und das Zeitgenössische nicht forciert, weil sie weiß, dass sie es unabwendbar an sich hat, wird in akademischer und organisierender Theologie gebraucht, nicht nur um Intersubjektivität zu ermöglichen.130 Sind diese Voraussetzungen gegeben, werden sich die Selbstbezeichnungen der Adressaten als anschluss- und entwicklungsfähig erweisen, werden die Zahlenprognosen insgesamt weniger kommunziert werden müssen und vor allem weniger extrem ausfallen, sei es idealistisch oder sei es pessimistisch. Dann werden Ehrfurcht und Sympathie dazu beitragen, dass die Kirchen als eigenartige Gemeinschaften unabhängig von ihrer Größe wohltuend wirken.131 Wer weniger von den Kirchen und mehr von Gott erwartet, kann nicht so maßlos enttäuscht werden. Werden die Kirchen nicht sofort liebenswürdiger, wenn sie sich selbst weniger heilsrelevant dünken? Kann die Liebe zur Welt oder, weil Menschen gern stolz auf etwas sind, die Liebe zur Kultur dazu passende Formen finden, ohne dass von vornherein feststeht, wie gut oder schlecht alles ist, wie immer schlimmer oder immer besser alles wird? Die Kirchen werden ermuntert zu tun, was ihre institutionellen Aufgaben sind: Defizite zu kompensieren statt zu verschärfen. Christliche Gemeinschaften müssen nur ermöglichen helfen, dass Glaube vom Hörensagen kommen kann. Ausschlaggebend im botanischen Bild der Renaissancen ist dafür lediglich, dass jemand hört, was ein anderer sagt.132 In diesem Sinne ist die Pfingsterzählung im zweiten Kapitel der Apostelgeschichte ein Wunder. Es findet nicht der hoffnungslose Versuch einer flächendeckenden Bedürfnisbefriedigung aller spirituellen Sehnsüchte statt, sondern ein Wunder des Hörensagens. Jeder hört vom Glauben in seiner Sprache sprechen.133 Dazu muss nicht eine, dazu müssen viele Sprachen ————— 130;;

Vgl. zu diesem Absatz Kap. 2. Vgl. zu diesem Absatz Kap. 3. 132;; Vgl. zu diesem Absatz Kap. 4. 133;; Vgl. HARBSMEIER, Homiletik, 494. 131;;

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Kein Schlusswort vom Hörensagen

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gesprochen werden. Dann kann von vielen gehört werden. Weder eine riesige Strukturreform noch eine visionäre, aber einheitliche Sprache kann helfen. An das Pfingstwunder knüpft man am besten an, wenn man die Fülle der Möglichkeiten, vom Glauben zu reden und zu hören, wahrnimmt und zu vermehren versucht. So entsteht von dem Augenblick an, in dem Gott selbst sich bekannt gibt, ein stetiges Gefälle der Bekanntmachung von Mensch zu Mensch, von Generation zu Generation bis an die Enden der Welt. Einmal in die Welt gekommen, läuft nun das Wort weiter und weiter in einer beständigen »Übersetzung« und Auslegung, die nicht aufhören kann und darf.134

So sind diese Studien unter allen Umständen nur exemplarisch – eine überschaubare Auswahl des Gewesenen wurde vorgetragen. Aber sie sind hoffentlich exemplarisch im weiterreichenden Sinne, dass die Exempel der Mission und Apologetik, auch mit ihren negativen Seiten – doch lehrreich sein mögen und zur Ermutigung dienen, als probeweise Regeln für außergewöhnliche, unerklärliche Einzelfälle, damit die Abduktionen weitergehen und zwar unsichere, aber immerhin mögliche Erkenntnisfortschritte erzielt werden. Dazu werden sowohl gründliche empirische Studien gebraucht, sicher auch mit alternativen Fragen zu den EKD-Mitgliedschaftsbefragungen, als auch differenzierende dogmatische Rücksichten, um Rückfälle, z.B. sogar hinter die guten reformatorischen Ideen zu minimieren. Rüdiger Safranski schildert an Augustin, aber weit über diesen hinaus und bis heute gültig, wie christlicher Glaube sich in der Welt zwischen den Menschen bewegt. Es ist m.E. die hoffnungsvollste Definition für die beiden Außenministerien der Christenheit: »Die Kraft des Glaubens durcheilt die Reihe der Menschen, die sich erzählen, was ihnen begegnete. Der Freund erzählt es dem Freund, der es dem Freund erzählt. Die Gnade der Offenbarung wirkt durch Hörensagen.«135 Am wichtigsten ist, dass es ein Freund dem anderen Freund erzählt. Einer, der ganze Welten und Gesellschaften zu Feinden hat, wird kaum Kommunikationsgelegenheiten haben. Oder sie werden beklagenswerterweise weniger werden. Das Gegenüber soll bis zum Erweis des Gegenteils Freund genannt sein, nicht der distanzierte oder ferne Zeitgenosse oder der Fremde oder der Un-, Halb- oder Andersgläubige. Alle diese relational negativ zurückwirkenden Bezeichnungen treten zurück hinter die Chance, einen Freund zu haben. —————

134;; DERS., Auftrag, 339. HARBSMEIER schreibt diese Aussagen zur Kontinuität des Wortes Gottes unmittelbar nach der größten Diskontinuitätserfahrung des 20. Jahrhunderts. 135;; SAFRANSKI, Böse, 54.

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Sodann ist die Freundschaft auch genau jener private Rahmen, in dem tendenziell tabuisierte Religion am ehesten nichtprofessionell kommuniziert werden kann. Dafür dass solche Kommunikation aber stattfindet, braucht es bis auf Weiteres auch die kontinuierliche und professionelle Sprachentwicklungshilfe, die Predigten. Freundschaften sind wortreich zu pflegen und nicht mit Wortkriegen zu zerstören. Gott will, dass allen Menschen geholfen werde, und nach seinem Willen sollen sogar Feinde geliebt werden. Auf dem Wege zu dieser unerreichbaren Forderung sind die Wahrnehmung, Hochachtung und Pflege von Freundschaften ein erster und ein zweiter Schritt. Ein Freund erzählt etwas dem andern. Er belehrt ihn nicht, er weist nicht auf seinen uneinholbaren Glaubensbesitz oder gar -vorsprung hin. Menschen leben in viele Geschichten verwickelt, und nur das Erzählen von Alternativen in den Unausweichlichkeiten ihres Lebens bringt ihnen lebensdienliche Freiheiten. Einer erzählt und macht nicht den Glauben. Wer erzählt, was ihm begegnete, weiß um die Grenze, die seinen menschlichen Möglichkeiten gesetzt ist und wird auch die Macht der Sprache kennen, die in den Worten liegt. Der Glaube kann vorbereitet werden, dann aber muss die Gnade der Offenbarung wirken. Erzählt wird nicht aufs Geratewohl, sondern einem, der hört. Hören und Sagen treffen in einer Situation aufeinander. Dabei wird keine außergewöhnliche Aktion gestartet, kein Event inszeniert, sondern kontinuierlich durchläuft die Gnade die Reihe der Generationen. Das Geschichtenerzählen mag nur wenig auffällig sein. Viel Gesagtes und Gehörtes wirkt, ohne in besonderer Weise die Gnade menschlicher Aufmerksamkeit zu genießen, weil Worte sich schwer beobachten lassen, weil Worte bis zum Aufschreiben, d.h. fast immer, nicht zu sehen sind. Ihre Wirksamkeit und – in allen guten Momenten – Heilsamkeit ist dadurch in keiner Weise beeinträchtigt. Was aber darin letztlich wirkt, ist die Gnade der Offenbarung, nicht menschliches Wollen, Können, Sollen oder Müssen. Glauben heißt, ein Leben lang lernen, darauf zu vertrauen, dass diese Gnade so wirkt, dass das Hörensagen kein Ende hat, solange Menschen leben, alle Tage bis an das Ende der Welt.

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Thesen

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1 Wiederwuchs Von den Innovationspotenzialen der Christenheit 1.1 Die gegenwärtigen Praktischen Theologien gewinnen Impulse zu Veränderungen aus den problematischen Aufbrüchen und den lehrreichen Untergängen missionarischer Theorien und apologetischer Modelle im 19. und 20. Jahrhundert. 1.1.1 Die Herausforderungen, den nicht selbstverständlichen christlichen Glauben durch Hören und Sagen weiterzutragen, sind kein Spezifikum der Neuzeit oder der Gegenwart. 1.1.2 Die erstmals vorgelegte Synopse der Außenministerien der Christenheit, Mission und Apologetik, zeigt die Ähnlichkeiten der strukturellen und inhaltlichen Probleme, u.a. belastende Wirkungsgeschichten und reizende, tabuisierte Begriffe. 1.1.3 Beide Außenministerien sind in den Praktischen Theologien Utopien geblieben, d.h. sie haben keinen angemessenen und allgemein anerkannten enzyklopädischen Ort gefunden. Die Missionswissenschaft hat sich verselbständigt, die Apologetik ist faktisch zu einer kirchenleitenden Aufgabe geworden. 1.2 Mission und Apologetik haben zur Jahrtausendwende vielfältige Renaissancen erlebt. 1.2.1 Der ursprünglich botanische Begriff ‚Renaissance‘ bezeichnet den Wiederwuchs eines (absichtlich) verstümmelten Baumes und steht als Metapher für die langsame, aber kraftvolle Regenerationsfähigkeit von Vorstellungen und Ideen nach großen Traditionsabbrüchen und für die notwendige Gleichzeitigkeit von Kontinuität und Innovation. 1.2.2 Anlässe dieser Renaissancen sind die Einschätzungen von Kirchenleitungen, die die Kirchen als leidend wahrnehmen, der gefühlte Kairos der Jahrtausendwende und die weltgeschichtlich-epochalen Daten Herbst 1989 und 11. September 2001. 1.2.3 Mission und Apologetik werden als komplexe, theologische Sprachphänomene analysiert im Blick auf die definitionsmächtigen Begriffe, die Adressaten und die damit verbundenen Weltdeutungen. Sie bedürfen einer konstruktiven Kritik, die vor allem homiletische Erkenntnisse nutzt.

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2 Wortwahlen Von den Rekonstruktionen sprachlicher Wirkungsgeschichten 2.1 Die spezifisch missionarischen und apologetischen Sprachversuche sind verwahrlost, d.h. sie scheitern weitgehend mit ihren Ansprüchen auf Wahrheit. 2.1.1 Der Mangel an grundlegender Sprachfähigkeit ist omnipräsent. Er ist zugleich der Konsens, der die Konflikte unter den theologischen Fächern, zwischen empirischinduktiven und dogmatisch-deduktiven Vorgehensweisen, zwischen Ost und West in Deutschland, zwischen kirchenleitenden und akademischen Überlegungen und zwischen Hoffnung und Wirklichkeit auf eine gemeinsame Grundlage stellt. 2.1.2 Die Wirkungsgeschichten offenbaren ein bislang unbewältigtes sprachliches Wüten, das in der Gegenwart u.a. die Ambivalenzen der Forderung nach zeitgenössischer Sprache zeigt. 2.1.3 Derzeit wird aktiv nach Substituten für die vielfältig missbrauchten Begriffe gesucht oder sie werden mit gänzlich neuen Inhalten gefüllt; retrospektiv werden prominente Statthalterbegriffe deutlich, so ist etwa „Mission“ funktional u.a. durch „Kommunikation des Evangeliums“ ersetzt worden. 2.2 Worte unterliegen im Zeitalter multimedialisierter Kommunikation zu Unrecht einem pauschalen Ohnmachtsverdacht. 2.2.1 Entgegen der evangelisch-systematisch-theologischen Hochschätzung des Wortes unterliegt es in Praktischen Theologien einem impliziten Harmlosigkeits- und Wirkungslosigkeitsverdacht, der häufig zu einer Selbstboykottierung der sprachlichen Möglichkeiten führt. 2.2.2 Die Idealisierung von Dialogen und ihren Chancen für Mission und Apologetik ist zu hinterfragen, weil faktisch nur wenige Dialoge stattfinden und ihre Resultate hinter den (Heils-)erwartungen zurückbleiben, so dass die Gestaltung von Dialoganfängen Herausforderung genug ist. 2.3 Die Aufgaben der jeweils eigenartigen Sprachbildung stellen sich permanent; sie haben gegenwärtig besonders die Multioptionalität, die Freiheit und die Freiwilligkeit im Umgang mit religiösen Deutungen zu berücksichtigen. 2.3.1 Spracherneuerungen sind evolutive Vorgänge und bedürfen der theologischen Begleitung, die geleerte Sprachgewohnheiten, z.B. unbedacht von Krisen zu reden, von gelehrten Sprachspielen unterscheidet und letztere befördert. 2.3.2 Neue sprachliche Entwicklungen sind der differenzierten Pflege der vorhandenen und unüberwindlichen Pluralität verpflichtet, die nicht als Bedrohung, sondern als Bedingung der Möglichkeiten gelingender Mission und Apologetik zu verstehen ist. Einheitsphantasien gegen die Vielfalt der Kirchen oder die Idee eines alles regelnden Marktes sind wenig förderlich. 2.3.3 Jenseits der Alternative von Fach- oder Alltagssprachen und als kritisches Korrektiv zu problematisch-zeitgenössischen Sprachmustern ist eine eigentümliche,

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d.h. eigenständige Sprache zur Weitergabe des christlichen Glaubens zu entwickeln, die u.a. das Rudimentäre und Beiläufige gegenwärtigen Glaubens adäquat zu fassen vermag. 2.3.4 Die praktisch-theologisch bislang wenig reflektierte Mündlichkeit verdient gegenüber den schriftlichen Theologien künftig mehr wissenschaftliches Nachdenken. 2.3.5 Christlicher Glaube lebt von seiner intersubjektiven Kommunikabilität, so dass neue Sprachspiele korrigierend den Überindividualisierungstendenzen widerstehen. Sprache ist ein wesentlicher Garant für Glaubensfreiheit.

3 „Widerspenstige“. Von der verständlichen Flucht der Bezeichneten 3.1 Die missionarische und apologetische Sprachwut ist einer scharfen Wortkritik, vor allem der relationalen Adressatenbezeichnungen („Heiden“), zu unterziehen. Dabei wird das Scheitern von missionarischen und apologetischen Programmen verständlicher. 3.2 Für die letzten 200 Jahre ist von den Sprachkriegen Rechenschaft zu geben, die sich genau gegen diejenigen Menschen richteten, die man erreichen wollte. 3.2.1 Kirchenpopulistische Defizitzuschreibungen sind verbreitet, aber missionarisch wirkungslos, weil Menschen als Mängelflüchter gerade nicht angesprochen werden können. 3.2.2 Pauschale Urteile über Massen, die es aufgrund von Individualisierung und Pluralisierung aller Lebensbereiche gar nicht gibt, verbieten sich, weil sie totalitären Ideen Vorschub leisten statt differenzierende Perspektiven zu fördern. 3.2.3 Die Enttäuschungen über einen vermeintlich verlorenenen Absolutheits- oder Alleingeltungsanspruch des Christentums artikulieren sich in infantilisierenden Bezeichnungen, die auf gebildete Menschen aktiv abschreckend wirken. 3.2.4 Insbesondere nach den Weltkriegen, aber vereinzelt bis in die Gegenwart wird ein militärischer Sprachduktus aufrechterhalten, der der Freiheit des Evangeliums widerspricht und falschen, weil simplifizierenden Dualismen Präsenz verschafft. 3.2.5 Moralische Diskriminierungen reduzieren die Kirchen auf Moralanstalten, so dass künftig bewusst die Vorurteile hinter einzelnen Begriffen reflektiert werden müssen. 3.2.6 Die Individualisierung hat in missionarischen und apologetischen Theorien insofern ihre asozialisierenden Spuren hinterlassen, als es bis heute kaum missioniarische Entwürfe zu identitätsstiftenden Gemeinschaftsverständnissen gibt.

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3.3 In Zukunft werden Zeiten und Kräfte nicht in präzisere Definitionen und einheitlichere Begriffe investiert, sondern in möglichst vielfältige, experimentelle Sprachspiele. 3.3.1 Sprachspiele gewinnen sine vi, sed verbo Freiheit von den Lasten der Wirkungsgeschichten, wenn sie auf die weitgehend freien Selbstbezeichnungen der Adressaten („Regenwetterchrist“), die interpretationsbedürftig und -fähig sind, achten. 3.3.2 Da die geringe Aussagekraft von Zahlen und Statistiken in der Regel den großen Aufwand ihrer Erzeugung kaum rechtfertigt, wird nach einer Phase der Überschätzung Enthaltsamkeit von empirischen Datensammlungen zugunsten theologischer Diskurse empfohlen. 3.3.3 Banal, aber wieder neu ist die Forderung, den Menschen mit Ehrfurcht und Sympathie zu begegnen und die biblischen Übungen der positiven Unterstellungen nicht zu scheuen. 3.3.4 Kriterium für die Sachdienlichkeit und Menschenfreundlichkeit von Adressatenbezeichnungen ist die Frage, ob die gewählten Ausdrücke sich als Anreden, vor allem in homiletischen Situationen, eignen. 3.3.5 Das biblische Gebot, nicht zu richten, untersagt für Mission und Apologetik die Möglichkeit, die Menschheit zu zerteilen, etwa in Glaubende und Nichtglaubende, Fromme und Sünder, weil der Zwiespalt zwischen Vertrauen und Zweifel jedes Menschenherz prägt, wie es das reformatorische simul iustus et peccator bezeugt. 3.3.6 Gemeinschaften entstehen nach evangelischem Verständnis nicht aus Gleichgesinnten, sondern finden sich vor als Freiräume für Fremde, in denen Differenzen sprachlich kreativ, v.a. durch Predigten, bewältigt und bereichernd erfahren werden können. Kirchen und Gemeinden bleiben corpora permixta.

4 Wahrnehmungen von Welten Von der Komplementarität der Widersprüchlichen 4.1 Die Deutungen von Welt und – damit verbunden – von Kirchen und Gesellschaften – sind strittig und gereichen der Welt selten zu einer realistischen Betrachtung ihrer Vor- und Nachteile. 4.1.1 Angesichts harter Pluralitäten sind Weltdeutungen stets Wahlleistungen, die sich gegenseitig weniger ausschließen als es die ideologisierten Auseinandersetzungen nahelegen. 4.1.2 Der Gegensatz von liberal-kulturtheologischen und spätpietistisch-erwecklichen Gesellschaftsdeutungen spielt keine Rolle bei der Beobachtung, dass Interpretationen der Welt und der Gegenwart nicht als begründende Motive für Mission und Apologetik in Frage kommen, sondern nur Symptom für die Verbreitung von Sein-SollensFehlschlüssen sind.

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4.1.3 Die einseitige Betonung von Kulturferne und Weltdistanz der Christenheit fragt nach dem angemessenen Umgang mit Hohn und Spott, ist aber auch Ursache und problematisches Resultat dieser Sicht der Welt zugleich. 4.1.4 Die nur mittelbar wahrnehmbare, aber ebenso nachhaltige Missionsdistanz auf der kulturhermeneutischen Seite befördert in ihrer Voreingenommenheit die Selbstsäkularisierung von Theologie und Kirche. 4.1.5 Die ambivalenten Weltdeutungen weisen gemeinsam auf die Freiheit gegenüber Gesellschaftsdeutungen hin, so dass jenseits der bisher erprobten Diskussionsfronten über Kontinuität und Innovation bei der Weitergabe des Glaubens gestritten werden kann. 4.2 Die Freiheit führt ins Jenseits von Siegen und Niederlagen in den Auseinandersetzungen um die wahren Weltdeutungen. 4.2.1 Um in der Freiheit zu bestehen, wird vor den Zirkelschlüssen gewarnt, die sich aus mehr oder weniger einheitlichen, diagnostizierten Bedürfnissen – oder neuerdings Sehnsüchten – und passenden Befriedigungsstrategien qua Institutionen ergeben. Die Fülle einander widersprechender Erwartungen an die Kirchen erfordert eigenständige und eigenwillige Worte anstelle des bloßen Reagierens auf Trends, Moden und kurzoder langweilige Zeitgeister. 4.2.2 Unaufhörliches Wählen ermüdet sowohl Individuen als auch Institutionen. Dauererweckungen sind permanente Überforderungen, so dass Entscheidungsverweigerungen in Fragen der Religion im müden Abendland mit Ehrfurcht und Sympathie zu tolerieren sind. 4.2.3 Die Wahrnehmungen der Welt sind als komplementäre Beschreibungen von Wirklichkeit zu verstehen, d.h. als gleichberechtigte Reflexion einander ausschließender Interpretationen, z.B. hinsichtlich der Fragen, ob mikro- oder makrokommunikative Strukturen dem christlichen Glauben förderlicher sind oder an wen sich Predigten richten und an wen nicht. 4.2.4 Ob Apologetik und Mission gelingen, ist nur im Rückblick erkennbar. Sie sind nicht zwingend an ein vorgängiges Programm gebunden, sie können initiiert werden, aber es gibt weder eine organisationstheoretische noch eine theologische Verfügungsgewalt über den Erfolg.

5 Auf Wiedersehen Von den Vorteilen theologischer Wahlverwandtschaften 5.1 Die ausdifferenzierten theologischen Teilfächer, die sich in den vergangenen zwei Jahrhunderten voneinander durch Spezialisierung entfernt haben, gelangen anhand von fächersprengenden Großthemen wie Mission und Apologetik zu neuen Kooperationen und Horizonterweiterungen. 5.1.1 Die missionswissenschaftliche Perspektive auf das Kirchenwachstum lehrt, dass die Kirchen vor allem über ihre Selbstbetrachtungen und selbst hergestellten Sorgen

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hinauswachsen müssen, wozu eine vergleichende Außenperspektive von der weltweiten Christenheit auf deutsche Zustände zunächst ein kränkender, dann aber heilsamer erster Schritt ist. 5.1.2 Weil der Glaube gemäß Röm 10,17 aus dem Hören kommt, werden homiletische, missionswissenschaftliche und apologetische Theorien zum gegenseitigen Vorteil synoptisch entwickelt, um die Wortwahl zu üben und „anmutige“ Sprachen zu entwicklen. 5.1.3 Die gegenwärtige Pluralität missionarischer und apologetischer Ideen ist zu pflegen, denn sie ist in der Pluriformität der Urchristenheit, ihrer Lebensstile, Bekenntnisse und Glaubensdimensionen angelegt. 5.2 Die Gnade der Offenbarung wirkt seit über achtzig Generationen. Glauben kommt vom Hörensagen.

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Literatur

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Register

Register Register Register Aagaard, Johannes 110 Abraham 307 Abromeit, Hans-Jürgen 88, 239, 246 Ach, Manfred 167 Achelis, Ernst Christian 21, 29, 172, 204 Aland, Kurt 75, 77, 181, 182 Albrecht, Horst 136 Anderegg, Johannes 145, 151, 291 Andresen, Carl 23 Antes, Peter 25 Apologetische Centrale für Weltanschauungsfragen 69, 84, 181, 212 Arbeitskreis Kirche von morgen 41 Aristoteles 156 Augustin 148, 157, 216, 306, 311 Ausschuss der Arnoldshainer Konferenz 41, 73, 116, 131, 152, 159, 168, 231, 232, 233, 234 Balz, Heinrich 55 Barnard, Leslie William 23 Barth, Karl 30, 43, 58, 70, 132, 182, 213, 274, 277 Bassermann, Heinrich 24, 172 Bauke-Rüegg, Jan 71 Baumgarten, Otto 24, 27, 30 Bäumler, Christof 55 Bayer, Oswald 11 Beck, Ulrich 119, 126 Becker, Dieter 12, 83, 207, 242, 283 Becker, Jürgen 128, 308 Beintker, Michael 42, 226 Belting, Hans 91 Bendrath, Detlef 15 Benedikt XVI. 260 Berendt, Joachim Ernst 36, 156 Berger, Eduard 43, 74, 244 Berger, Peter L. 54, 110, 129, 131, 223, 226 Beutel, Albrecht 77, 78, 108, 120, 144, 158, 205, 293 Bevans, Stephen B. 73 Beyerhaus, Peter 15, 25, 110 Bieneck, Joachim 28 Bieritz, Karl-Heinrich 87, 278 Birgden, Michael 63, 271, 273

Birkner, Hans-Joachim 138 Biser, Eugen 68, 213 Blau, Paul 75 Boehmer, Julius 30 Böhme, Michael 42, 44, 61, 100, 289 Bohr, Niels 268 Bohren, Rudolf 71, 136, 206, 220, 279 Bonhoeffer, Dietrich 141, 147, 152, 153, 248 Bornemann, Friedrich Wilhelm Bernhard 30 Bosch, David J. 41 Bosse-Huber, Petra 83 Böttrich, Christfried 271 Brändle, Werner 40, 244, 292 Brecht, Bertolt 99 Browning, Don S. 23 Brunner, Emil 15, 84 Bub, Wolfgang 28 Bucher, Rainer 68, 292 Bultmann, Rudolf 276 Bund der Evangelischen Kirchen 41, 65, 159, 186, 190, 302 Bünker, Arnd 16, 59, 68, 98, 142, 175, 226, 232, 257, 304, 305 Burkhardt, Martin 65, 280 Bürkle, Horst 25 Calvin, Johannes 93 Christlieb, Theodor 14, 20, 163, 172, 188, 242, 243 Cicero 156 Claussen, Johann Hinrich 146, 147, 148, 150, 151, 152, 260 Clemen, Carl 30 Cornelius-Bundschuh, Jochen 19, 36, 91, 97, 116, 117, 118, 119, 121, 135, 136, 138, 154, 157, 220, 221, 222, 233, 274 Dahling-Sander, Christoph 237 Daiber, Karl-Fritz 12, 13, 18, 247, 274, 299 Dalferth, Ingolf U. 24, 93, 94, 119, 120, 199 Dammann, Ernst 302 Daniel, Yves 57, 60 Deutsche Bischofskonferenz 34, 41, 59, 304, 305

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Register

Diehl, Klaus-Jürgen 77 Diem, Hermann 222 Dienst, Karl 37, 41 Dinkel, Christoph 118, 300, 301 Donath, Martin 25 Döring, Heinrich 109 Douglass, Klaus 77 Drehsen, Volker 176, 177 Drews, Paul 60, 196 Dschulnigg, Peter 304 Dürer, Albrecht 35, 36 Ebeling, Gerhard 24, 67, 93, 141, 143, 195, 241 Ebrard, Johann Heinrich August 23, 171, 172, 242, 259 Eckart, Wolfgang U. 25 Eckert, Siegfried 12, 51, 53, 55, 62, 70, 128, 234 Eckey, Wilfried 304, 305 Ehrenfeuchter, Friedrich 29, 30 EKD 13, 14, 24, 41, 46, 54, 64, 68, 73, 81, 97, 100, 106, 112, 115, 116, 127, 129, 135, 139, 152, 159, 169, 174, 183, 185, 186, 194, 195, 200, 215, 216, 217, 220, 227, 228, 232, 235, 236, 238, 243, 245, 246, 248, 261, 264, 283, 288, 289, 292, 302, 304, 306, 311 EKiR 42, 234, 271 EKU 41 Elert, Werner 24 EMW 41, 183, 306 Engemann, Wilfried 274, 293, 294, 295, 296, 297 Enzensberger, Hans-Magnus 150 Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg 41, 66, 284 Evangelische Kirche von Westfalen/Amt für missionarische Dienste 41, 45, 62, 179, 185, 275 Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen 57, 84, 88, 99 Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens 42 Evangelisch-Reformierte Kirche 41 Evers, Georg 23 EZW 24, 57, 68, 229 Fabri, Friedrich 16, 17 Fechtner, Kristian 49, 60, 95 Feige, Andreas 61 Feldtkeller, Andreas 13, 20, 41, 46, 78, 110, 130, 230, 240, 284 Findeis, Hans-Jürgen 25 Frank, Anne 197 Freytag, Walter 25, 182

Friedrich, Johannes 159 Fries, Heinrich 23 Frisch, Max 89 Fritzen, Wolfgang 305 Fuchs, Ernst 119 Füllkrug, Gerhard 75, 173 Gadamer, Hans-Georg 155 Gandow, Thomas 75, 183 Gantner-Schlee, Hildegard 167 Gasper, Hans 23 Gassmann, Lothar 24, 164 Gaupp, Carl Friedrich 26 Gebhard, Dörte 13, 81 Gebhard, Rudolf 17, 125 Gehlen, Arnold 166 Geissner, Hellmut K. 97 GEKE 237 Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik e.V. 44 Gern, Wolfgang 299 Gesamtsynode der Evangelisch-reformierten Kirche 306 Gilliot, Claude 23 Glasersfeld, Ernst von 18 Gnilka, Joachim 304, 306 Godin, Henri 57 Goethe, Johann Wolfgang von 36, 110 Goffmann, Erving 235 Gogarten, Friedrich 24 Gräb, Wilhelm 62, 63, 64, 74, 87, 148, 217, 247, 249, 256, 282, 292 Graf, Friedrich Wilhelm 33, 41, 53, 66, 123, 178, 179, 230, 235, 236, 290 Graham, Billy 298 Grethlein, Christian 13, 26, 29, 30, 31, 110, 246, 247, 282 Grimm, Jakob und Wilhelm 34 Gross, Peter 53, 275 Grözinger, Albrecht 71, 107, 108, 113, 118, 119, 124, 136, 145, 146, 154, 166, 168, 203, 205, 206, 207, 214, 231, 274, 292, 302 Grünberg, Wolfgang von 266 Gülzow, Henneke 24 Gundlach, Thies 134, 135, 169, 301 Gutenberg, Johannes 154 Gysi, Gregor 274 Haack, Friedrich-Wilhelm 45, 72, 184 Haberer, Johanna 63, 271, 273 Habermas, Jürgen 107, 141 Harbsmeier, Götz 71, 200, 206, 292, 310, 311 Hardecker, Karl 145 Härle, Wilfried 64, 120, 221, 284

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Register Harnack, Adolf von 45, 147, 270 Harnack, Theodosius 211 Härtling, Peter 157 Hauschildt, Eberhard 13, 15, 21, 22, 27, 33, 37, 40, 46, 62, 63, 70, 72, 79, 83, 84, 114, 122, 125, 126, 129, 139, 149, 151, 161, 168, 176, 189, 196, 232, 238, 239, 278, 282, 308 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 29 Heidegger, Martin 107 Heim, Karl 15, 244, 254 Heimbrock, Hans-Günter 24 Heinrich, Rolf 300 Heling, Arnd 14, 45, 102, 183 Hemminger, Hansjörg 99, 193 Hempelmann, Heinzpeter 105 Hempelmann, Reinhard 13, 15, 44, 57, 99, 101, 276 Hennig, Max 229, 263 Hentschel, Hans-Georg 97, 298 Herbst, Michael 42, 44, 62, 88, 195, 196, 304, 313 Herder, Johann Gottfried 166 Hering, Hermann 24 Hermelink, Jan 43, 88, 239, 288 Herms, Eilert 16, 17, 18, 20, 22, 23, 55, 57, 58, 69, 85, 114, 132, 257, 275 Herold, Gerhart 174 Herrenbrück, Walter 183 Hesse, Johannes 28 Hilbert, Gerhard 172, 173, 229, 265 Hille, Rolf 23, 164 Hoekendijk, Johannes Christiaan 285 Höhmann, Peter 130, 148, 234 Hölderlin, Friedrich 93 Holsten, Walter 297 Höppner, Reinhard 44, 288 Hörisch, Jochen 79, 82, 91 Horst, Pieter W. van der 23 Huber, Friedrich 25, 73, 79 Huber, Wolfgang 44, 46, 52, 54, 110, 159, 222, 231 Hummel, Reinhart 13, 15, 79, 90, 102, 103, 105, 134, 207, 251 Huntington, Samuel Phillips 46 Husar, Andreas 13, 31, 139, 232, 293 Hutten, Kurt 68 IEEG 62 Jenssen, Hans Hinrich 84 Jesus 17, 27, 28, 76, 92, 96, 99, 118, 121, 136, 141, 143, 153, 169, 188, 195, 212, 287, 294, 305 Johannes 171 Johannes Paul II. 82

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Jongeneel, Jan A.B. 15, 23 Jörns, Klaus-Peter 168 Josuttis, Manfred 24, 254, 255 Jüngel, Eberhard 13, 39, 42, 44, 59, 67, 71, 91, 108, 120, 185, 186, 187, 200, 223, 236, 245, 246, 249, 274, 287, 292 Kaden, Klaus 66 Kaftan, Julius 23 Kähler, Reinhard 19, 88, 152, 239, 246, 288 Kaiser, Jochen-Christoph 25 Kamlah, Ernst 24 Karle, Isolde 106, 140, 142, 258, 266 Käsemann, Ernst 182 Kayser, Susanne 237 Kierkegaard, Søren 223 Klaiber, Walter 241 Kleinert, Paul 24, 212 Klie, Thomas 24 Klohr, Olof 244 Knieling, Reiner 62, 68, 239, 248 Knoblauch, Hubert 196, 259, 271 Knoch, Otto 76 Knoke, Karl 30 Köberle, Adolf 24 Kock, Manfred 13, 66, 84, 266 Kohler, Eike 215 Kolumbus, Christoph 279 König, Peter 256 Köpf, Ulrich 38 Körtner, Ulrich H. J. 13, 18, 33, 45, 54, 55, 121, 126, 143, 219, 225, 226, 249, 250, 267, 288, 306 Kortzfleisch, Siegfried von 22, 72, 88, 213 Kothmann, Thomas 15 Krause, Burghard 77, 185 Krause, Gerhard 26 Krauss, Alfred 30 Krech, Volkhard 130, 148, 234 Kretzschmar, Gerald 110, 111, 170, 197, 248 Kretzschmar, Gottfried 31, 78 Krieg, Cornelius 24 Krötke, Wolf 42, 65, 67, 80, 102, 103, 120, 168, 174, 250, 263 Krotz, Fritz 292 Küenzlen, Gottfried 120 Kühn, Ulrich 44 Künneth, Adolf 99, 183, 184 Küster, Volker 101, 105, 109 Lämmermann, Godwin 81, 179 Lampe, Peter 18, 79, 133, 139, 143 Lange, Dietz 73, 149, 251 Lange, Ernst 34, 88, 89, 160, 168, 169, 174, 183, 189, 190, 226, 241, 292, 294, 295

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Register

Lehmann, Arno 23 Lehmann, Maren 175 Lemme, Ludwig 23 Lenin, Wladimir Iljitsch (Uljanow) 82 Leonhardt, Rochus 122 Leu, Hans 194 Levinson, P. Nave 23 Lienemann-Perrin, Christine 15, 100, 101, 105, 162, 191 Lohff, Wenzel 23 Lohmann, Friedrich 120 Lohmeyer, Reinhard 87 Löhr, Hans 64, 129 Lønning, Per 264, 265 Loscalzo, Craig A. 47, 61, 76, 292 Luckmann, Thomas 54, 110, 223, 249 Lüdemann, Gerd 24 Luhmann, Niklas 11, 113, 115, 116, 123, 124, 131, 133, 149, 152, 170, 175, 218, 226, 257, 258, 259, 268, 271, 282, 289 Lütcke, Karl-Heinrich 149, 162, 239 Luther, Martin 29, 64, 76, 93, 97, 109, 117, 120, 144, 147, 148, 154, 173, 205, 209, 266, 274, 296, 306 Marguerat, Daniel 60 Margull, Hans Jochen 57, 80, 104, 105, 184, 195, 285, 301 Marquard, Odo 12, 14, 18, 34, 36, 37, 38, 39, 47, 81, 109, 113, 122, 158, 166, 167, 199, 210, 229, 238, 259, 261, 262, 274, 276, 279, 280, 283, 301 Mehlhausen, Joachim 13 Mell, Ulrich 305 Melzer, Friso 75, 144, 198 Mette, Norbert 44 Meyer, Hans Bernhard 23 Meyer, Harding 13, 206 Meyer, Johannes 172, 173, 210 Meyer-Blanck, Michael 12, 26, 29, 30, 33, 55, 60, 64, 86, 87, 94, 123, 186, 187, 204, 256, 258, 260, 282, 283, 292 Moll, Carl Bernhard 26 Möller, Christian 68, 97, 163, 165, 168, 195, 196, 201, 203, 209, 210, 218, 223, 247, 260, 264 Moltmann, Jürgen 30, 112, 246 Moritzen, Niels-Peter 25 Moscho, Katja 292 Moser, Félix 168, 258, 266 Motikat, Lutz 44, 244 Mühlenberg, Ekkehard 23 Müller, Christine 69, 103, 285 Müller, Gotthold 13, 23, 76, 84 Müller, Hans-Martin 292

Müller, Paul Gerhard 24 Müller-Krüger, Theodor 25 Müller-Schwefe, Hans-Rudolf 23 Musil, Robert 206 Nassehi, Armin 257 Nauer, Doris 292 Nembach, Ulrich 292 Neubert, Ehrhart 44, 65, 143 Neusel, Wilfried 83 Nicol, Martin 60, 155, 293 Niebergall, Alfred 24, 94 Niebergall, Friedrich 26, 30, 60, 152, 173, 178, 200, 204, 228 Niesel, Wilhelm 218 Nipperdey, Thomas 97, 110, 120, 154 Nitzsch, Carl Immanuel 26, 27, 170, 171, 189, 216, 232 Noack, Axel 44, 175, 200, 201 Nowak, Kurt 38, 39 Nüchtern, Michael 13, 23, 61, 79, 130, 131, 133, 217, 231, 256, 265, 278, 303, 308 Nürnberger, Christian 64, 129 Obst, Helmut 11, 103 Odysseus 279 Oertel, Holger 187 Oevermann, Ulrich 253 Ohl, Otto 181 Ohlemacher, Jörg 42, 44 Oorschot, Jürgen van 91, 92, 145 Oosterzee, Johannes Jacobus van 23, 30 Osten, Manfred 36, 37, 107, 113 Osthoff, Wolfgang 104 Ott, Heinrich 13, 85, 101 Otto, Gert 25, 247 Palmer, Christian 293 Paul, Jean 24, 259 Paulus 14, 54, 82, 133, 149, 162, 192, 201, 268, 270, 276, 298, 306, 308 Pausch, Eberhard 37 Pechmann, Ralph 46, 231 Pelt, Anton Friedrich Ludwig 26 Perelmutter, Hayim G. 25 Pesch, Rudolf 305 Petri, Werner 49, 264 Petrus 54, 80, 242 Petzoldt, Matthias 13, 44, 109 Pfennigsdorf, Emil 24, 31, 125, 152, 174, 232, 243 Planer-Friedrich, Götz 179, 237 Pleitgen, Fritz 89, 97, 119, 156, 290 Plessner, Helmut 166 Pöhlmann, Horst Georg 14, 23, 80, 84, 105 Pöhlmann, Matthias 13 Pohl-Patalong, Uta 120

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Register Polak, Regina 152 Pollack, Detlef 44, 118, 174, 175, 216, 217, 226, 234, 235, 250, 251, 259, 263, 264, 266 Pompe, Hans-Hermann 77, 272 Popper, Karl Raimund 107, 109, 114, 115, 116, 122, 127 Preul, Reiner 24, 60, 63, 64, 86, 93, 94, 97, 108, 111, 126, 140, 141, 158, 192, 216, 231, 257, 273, 292, 293, 296, 300 Puttkammer, Detlef 44 Quintilian 156 Rade, Martin 72, 75, 211, 212, 251 Rahner, Karl 251 Ratzmann, Wolfgang 13, 31, 40, 42, 44, 62, 63, 66, 67, 68, 69, 103, 165, 231, 244, 260, 285, 289 Raupp, Werner 24 Referat für Weltanschauungsfragen 199 Reimarus, Hermann Samuel 240 Reimer, Hans-Diether 33, 68, 69 Reinbold, Wolfgang 28, 43, 78, 79, 80, 110, 137, 176, 269, 270, 271, 276, 308 Rendtorff, Trutz 54 Reppenhagen, Martin 46, 231 Rey, Dominique 260 Reymond, Bernard 60, 84, 155, 213, 214 Riepl, Wolfgang 91 Rilke, Rainer Maria 44 Rittelmeyer, Friedrich 172 Rosenau, Hartmut 111, 112, 210 Ross, Jan 152, 198, 199, 207, 257 Rössler, Dietrich 21, 25, 55, 95, 110, 120, 175, 176, 217, 247, 294 Roth, Michael 11, 13, 14, 40, 85, 86, 132, 275 Rothe, Richard 173, 212, 251 Rotkäppchen 279 Ruhbach, Gerhard 24 Russell, Robert John 268 Sachau, Rüdiger 33, 110, 217, 218, 256, 262 Sachsse, Eugen 24 Sack, Karl Heinrich 23 Safranski, Rüdiger 5, 48, 224, 311 Sandburg, Carl 99 Sauter, Gerhard 255 Schäfer, Klaus 34, 155 Schapp, Wilhelm 274 Scheel, Otto 24 Schian, Martin 20, 24, 168, 243 Schindhelm, Michael 113 Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst 13, 20, 26, 31, 56, 95, 108, 138, 139, 141,

349

147, 149, 172, 208, 211, 224, 232, 249, 281, 291, 293, 294, 295, 296, 308 Schmidt-Rost, Reinhard 23, 49, 54, 97, 100, 117, 118, 151, 156, 223, 252, 282, 290, 291, 292 Schneider, Reto U. 245 Schneider-Flume, Gunda 44, 68, 70, 102, 111, 120, 152, 159, 168, 202, 208, 231, 251, 254, 262, 288 Schnettler, Bernt 196, 259, 271 Schoell, Jakob 23 Schoen, Ulrich 105, 149 Schönherr, Albrecht 147, 152, 153, 195, 245, 254, 287 Schreiner, Helmut 69 Schrey, Heinz-Horst 23 Schroeder, Roger 73 Schröer, Henning 29, 292 Schroeter-Wittke, Harald 76, 78, 83, 153, 239, 246, 279, 305 Schulze, Gerhard 57 Schumann, Friedrich Karl 69, 72, 84, 181, 213 Schweitzer, Carl Gunther 23, 69, 181, 182, 213, 278 Schweizer, Alexander 27, 125, 172, 184, 188, 232 Schweizer, Eduard 76 Schwier, Helmut 26 Schwindt, Christian 37 Schwöbel, Christoph 38, 120 Seckler, Max 23 Sickel, Gustav Adolf Friedrich 19, 27, 28, 29, 96, 118, 167, 177, 178, 240, 241, 242, 291 Siegel, Rolf 66 Skarsaune, Oskar 24 Slenczka, Reinhard 38 Sloterdijk, Peter 71, 72, 119, 157, 260, 261, 264, 265 Soden, Hans von 24 Sokrates 157 Solschenizyn, Alexander 209 Sparn, Walter 13, 14, 23, 57, 86, 274, 275, 278, 286, 295, 296, 297 Steck, Karl Gerhard 22, 23 Steck, Wolfgang 55, 63, 247, 272, 292 Steffensky, Fulbert 87 Steinacker, Peter 159 Steinmeyer, Franz Karl Ludwig 24 Stephan, Horst 84, 206 Steude, Ernst Gustav 23, 180, 181, 238 Stier, Rudolf 28, 29, 161, 167, 178, 184, 291

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350

Register

Stockmeyer, Immanuel 24 Stoevesandt, Hinrich 180, 191, 193, 198 Strathmann, Hermann 24 Streib, Heinz 24 Strohm, Theodor 24 Ström, Åke V. 25 Sulze, Emil 173 Sundermeier, Theo 12, 13, 14, 25, 26, 41, 46, 76, 85, 92, 99, 103, 104, 105, 106, 109, 120, 127, 130, 162, 187, 208, 230, 233, 247, 248, 253, 262, 284, 301, 302, 307 Surall, Frank 45, 109, 125 Tanner, Klaus 123 Teschner, Klaus 45 Theißen, Gerd 60, 61 Thielicke, Helmut 24 Thomas, Günter 32, 66, 106, 288, 289 Thurneysen, Eduard 205 Tillich, Paul 24, 57, 147, 213 Trier, Jost 34, 35 Trillhaas, Wolfgang 164, 259 Troeltsch, Ernst 15, 30, 36, 38, 80, 299 Uckeley, Alfred 24 Ueding, Gert 156, 157 Updike, John 37 Usarski, Frank 23 Ustorf, Werner 25, 38, 48, 49, 80, 85, 247, 306 VELKD 40, 42, 275 Vietinghoff, Eckhart von 134, 160, 237, 238, 290 Vinet, Alexandre 168, 211 Vogel, Thomas 157 Vogel-Mfato, Eva-Sybille 183, 184 Vroom, Hendrik M. 101, 105 Wagner, Falk 13, 233 Wagner, Harald 23 Waldenfels, Hans 102 Walls, Andrew F. 24 Walser, Martin 100 Wanke, Joachim 44, 59 Warneck, Gustav 15, 24, 25, 289, 290

Weber, Franz 292 Weder, Hans 120, 131, 207 Weeber, Martin 14, 243 Wegner, Gerhard 24 Wehowsky, Stephan 206 Weiß, Thomas 163, 192 Weizsäcker, Carl Friedrich von 268 Welker, Michael 73, 74, 110, 121, 123, 125, 126, 130, 131, 137, 143, 219, 251, 263 Werner, Dietrich 33, 56, 57, 85, 277, 286 Wernle, Paul 30 Werth, Martin 28, 291 Weyel, Birgit 31, 34, 60, 62, 64, 87, 88, 89, 94, 239, 247, 288 Weymann, Volker 126, 129 Wichern, Johann Hinrich 173, 306 Wick, Peter 270 Winkler, Eberhard 31, 78, 169, 187, 203, 205, 207, 298, 299 Winkler, Klaus 44, 266 Wintzer, Friedrich 24, 87, 172, 210, 211, 240, 292, 300 Wischnath, Rolf 88 Wittgenstein, Ludwig 158, 267 Wobbermin, Georg 23 Wohlrab-Sahr, Monika 67, 165, 208, 244 Wolf, Christa 40 Wolfinger, Franz 109 Wrogemann, Henning 13, 30, 52, 58, 72, 85, 92, 199, 240, 246 Zahn, Franz Michael 25 Zeddies, Helmut 44, 65, 152, 161, 162, 175, 197 Zerfass, Rolf 23 Zezschwitz, Carl Adolf Gerhard von 24, 29, 40 Ziemer, Jürgen 40, 42, 44, 66, 67, 68, 69, 103, 165, 168, 186, 197, 198, 231, 244, 285, 293, 296, 297 Zimmermann, Johannes 32, 42, 44, 148, 149 Zoellner, Wilhelm 181 Zulehner, Paul 65, 165, 166, 179, 275

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Arbeiten zur Pastoraltheologie, Liturgik und Hymnologie 63: Thomas Erne / Peter Schüz (Hg.) Die Religion des Raumes und die Räumlichkeit der Religion

2010. Ca. 270 Seiten mit ca. 20 Abb., kartoniert ISBN 978-3-525-62441-8

61: Ulrich H.J. Körtner Leib und Leben

Bioethische Erkundungen zur Leiblichkeit des Menschen 2010. 230 Seiten, kartoniert ISBN 978-3-525-62412-8

60: Johannes Block/Holger Eschmann (Hg.) Peccatum magnificare Zur Wiederentdeckung des evangelischen Sündenverständnisses für die Handlungsfelder der Praktischen Theologie 2010. 283 Seiten, kartoniert ISBN 978-3-525-62411-1

59: Ulf Liedke Beziehungsreiches Leben

Studien zu einer inklusiven theologischen Anthropologie für Menschen mit und ohne Behinderung 2009. 652 Seiten mit 3 Graphiken, kartoniert ISBN 978-3-525-62410-4

58: Thomas Micklich Kommunikation des Glaubens

Gottesbeziehung als Kategorie praktisch-theologischer Theoriebildung 2009. 357 Seiten mit 21 Graphiken, kartoniert ISBN 978-3-525-62409-8

57: Jochen Arnold Von Gott poetisch-musikalisch reden

Gottes verborgenes und offenbares Handeln in Bachs Kantaten 2009. 488 Seiten, kartoniert ISBN 978-3-525-57124-8

56: Norbert Schwarz »denn wenn ich schwach bin, bin ich stark«

Rezeptivität und Produktivität des Glaubenssubjektes in der Homiletik Hans Joachim Iwands 2008. 360 Seiten, kartoniert ISBN 978-3-525-62406-7

55: Hans Martin Dober Die Zeit ins Gebet nehmen

Medien und Symbole im Gottesdienst als Ritual 2009. 303 Seiten mit 14 Abb., kartoniert ISBN 978-3-525-62408-1

54: Klaus Kohl Christi Wesen am Markt

Eine Studie zur Rede von der Diakonie als Wesens- und Lebensäußerung der Kirche 2007. 323 Seiten, kartoniert ISBN 978-3-525-62402-9

53: Gerald Kretzschmar Kirchenbindung

Praktische Theologie der mediatisierten Kommunikation 2007. 384 Seiten mit 1 Grafik und mehreren Tab., kartoniert. ISBN 978-3-525-62398-5

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Arbeiten zur Pastoraltheologie, Liturgik und Hymnologie 52: Harald Beutel Die Sozialtheologie Thomas Chalmers (1780–1847) und ihre Bedeutung für die Freikirchen Eine Studie zur Diakonie der Erweckungsbewegung 2007. 320 Seiten mit 2 Abb., kartoniert ISBN 978-3-525-62396-1

51: Jörg Herrmann Medienerfahrung und Religion Eine empirisch-qualitative Studie zur Medienreligion 2007. 400 Seiten, kartoniert ISBN 978-3-525-62397-8

50: Constanze Thierfelder Durch den Spiegel der Anderen

Wahrnehmung von Fremdheit und Differenz in Seelsorge und Beratung 2009. 256 Seiten, kartoniert ISBN 978-3-525-62394-7

49: Andrea Grillo Einführung in die liturgische Theologie

Zur Theorie des Gottesdienstes und der christlichen Sakramente Übersetzt und eingeleitet von Michael MeyerBlanck. 2006. 252 Seiten, kartoniert ISBN 978-3-525-62393-0

48: Alexander Deeg Predigt und Derascha

Homiletische Textlektüre im Dialog mit dem Judentum 2006. 608 Seiten mit 1 Grafik, 8 Tab. und 3 Abb., kartoniert. ISBN 978-3-525-62390-9

47: Eike Kohler Mit Absicht rhetorisch

Seelsorge in der Gemeinschaft der Kirche 2006. 320 Seiten mit 5 Abb. und 2 Tab., kartoniert. ISBN 978-3-525-62389-3

46: Thomas Böttrich Schuld bekennen – Versöhnung feiern

Die Beichte im lutherischen Gottesdienst 2008. 319 Seiten, kartoniert ISBN 978-3-525-62388-6

45: Ralf Günther Seelsorge auf der Schwelle

Eine linguistische Analyse von Seelsorgegesprächen im Gefängnis 2005. 357 Seiten mit beigelegter Begleit-CD, kartoniert ISBN 978-3-525-62382-4

44: Christian Stäblein Predigen nach dem Holocaust

Das jüdische Gegenüber in der evangelischen Predigtlehre nach 1945 2004. 360 Seiten, kartoniert ISBN 978-3-525-62381-7

43: Barbara Städtler-Mach Kinderseelsorge

Seelsorge mit Kindern und ihre pastoralpsychologische Bedeutung 2004. 229 Seiten, kartoniert ISBN 978-3-525-62378-7 Ältere Bände unter www.v-r.de

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