Giorgio Agambens Homo-Sacer-Projekt im Völkerrechtsschrifttum: Eine völkerrechtsphilosophische Untersuchung, nach rezeptionstheoretischen Grundlagen abgehandelt [1 ed.] 9783428549603, 9783428149605

Ingmar Miethke untersucht Phänomene des inter(kon-)textuellen Nachlebens von Ideengut aus philosophischen, staats- und g

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Giorgio Agambens Homo-Sacer-Projekt im Völkerrechtsschrifttum: Eine völkerrechtsphilosophische Untersuchung, nach rezeptionstheoretischen Grundlagen abgehandelt [1 ed.]
 9783428549603, 9783428149605

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Schriften zur Rechtstheorie Band 284

Giorgio Agambens Homo-Sacer-Projekt im Völkerrechtsschrifttum Eine völkerrechtsphilosophische Untersuchung, nach rezeptionstheoretischen Grundlagen abgehandelt

Von Ingmar Miethke

Duncker & Humblot · Berlin

INGMAR MIETHKE

Giorgio Agambens Homo-Sacer-Projekt im Völkerrechtsschrifttum

Schriften zur Rechtstheorie Band 284

Giorgio Agambens Homo-Sacer-Projekt im Völkerrechtsschrifttum Eine völkerrechtsphilosophische Untersuchung, nach rezeptionstheoretischen Grundlagen abgehandelt

Von Ingmar Miethke

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristenfakultät der Universität Leipzig hat diese Arbeit im Sommersemester 2015 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2017 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Satz: TextFormA(r)t, Daniela Weiland, Göttingen Druck: buchbücher.de GmbH, Birkach Printed in Germany ISSN 0582-0472 ISBN 978-3-428-14960-5 (Print) ISBN 978-3-428-54960-3 (E-Book) ISBN 978-3-428-84960-4 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort und Dank Gegenstand der vorliegenden Arbeit, welche im Sommersemester 2015 von der Juristenfakultät der Universität Leipzig als Dissertation angenommen wurde, ist eine Untersuchung über die Bedeutung von Giorgio Agambens philosophischen Konzeptionen aus dem sogenannten Homo-Sacer-Projekt für das zeitgenössische Schrifttum zum Völkerrecht und die rechtswissenschaftliche Anwendung der dadurch gewonnenen Erkenntnisse auf internationale Themenstellungen. Diese Abhandlung im Sinne des Leibniz’schen „theoria cum praxi“ berücksichtigt den Stand der Literatur bis Juli 2016. Mein besonderer Dank gilt meinem akademischen Lehrer und verehrten Doktorvater, Herrn Universitätsprofessor Dr. Markus Kotzur, LL. M. (Duke Univ.), für die kritische und kompetente Durchsicht des Manuskripts sowie für seinen Zuspruch und seine stetige Unterstützung nicht nur während der Promotionszeit, sondern auch schon während meines Studiums, bei welchem er frühzeitig echte Begeisterung für die Völkerrechtswissenschaft vermitteln und in mir wecken konnte. Ebenso danke ich Frau Universitätsprofessorin Dr. Stephanie Schiedermair für die zügige Erstellung ihres Gutachtens und die hierin zum Ausdruck gebrachte große Anerkennung meiner Forschungsleistung. Bedanken möchte ich mich auch bei Herrn Universitätsprofessor emeritus Dr. Helmut Goerlich für eine gewinnbringend offene Diskussion bei meiner Verteidigung der schriftlichen Arbeit. Herzlich bedanken möchte ich mich zudem bei meinem verehrten Mentor in der Rechtspraxis Herrn Rechtsanwalt und Notar Axel Hecht sowohl für die finanzielle und ideelle Förderung als auch für die Schaffung von Freiräumen für meine Promotionsarbeit neben der Erwerbstätigkeit als Rechtsanwalt. Ganz besonders danken möchte ich schließlich meiner lieben Familie, Frauen Aileen Jänecke, Imone Miethke, Irma Fritsch und Herren Frank Miethke, Gerald Fritsch, die mich während meiner juristischen Ausbildung in jeder Lebenslage unterstützt und mir Rückhalt gegeben haben – ihnen ist diese Arbeit von ganzem Herzen gewidmet. Gießen/Leipzig, im Juli 2016

Ingmar Miethke

Inhaltsverzeichnis I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 1. Rezeption und Fortschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 2. Warum Giorgio Agambens Homo-Sacer-Projekt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 3. Zielsetzung und Aufbau der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 II. Grundlagenforschung zum Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 1. Völkerrechtsphilosophie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 2. Artikel 38 Absatz 1 Buchstabe d) IGH-Statut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 3. Grundlagen- und Klassikertext im Völkerrechtsschrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 III. Rezeptionsmodell mit juristisch-kulturellen Theorieelementen . . . . . . . . . . . . . 57 1. Allgemeines juristisches Rezeptionsmodell nach Peter Häberle . . . . . . . . . . . . . 62 2. Kulturelles Rezeptionsmodell nach Sven Strasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 3. Zusammenführung der rezeptionstheoretischen Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 IV. Homo-Sacer-Projekt von Giorgio Agamben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 1. Grundlegende Konzepte der Homo-Sacer-Schriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 2. Aussagekraft der Konzepte bei Agamben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 3. Einordnungsproblematik der Konzepte nach Agamben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 V. Homo-Sacer-Projekt im Völkerrechtsschrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 1. Analyse der Textquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 2. Kritik zur Rezeption und Fortschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 3. Implikationen der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 VI. Zusammenfassende Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 1. Über Ziele und Aufbau der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 2. Über einzelne Teile der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 3. Schlussthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240

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Inhaltsverzeichnis

Anhang zur Rezeptionsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 Personen- und Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295

Abkürzungsverzeichnis a. A. andere/-r Ansicht a. a. O. am angegebenen Ort Abs. Absatz AcP Archiv für die civilistische Praxis am Ende a. E. AFLJ Australian Feminist Law Journal AJCL American Journal of Comparative Law AJIL American Journal of International Law AJLM American Journal of Law & Medicine ALR Akron Law Review Amerikanische Menschenrechtskonvention AMRK Anmerkung durch den Verfasser Anmerk. d. d. Verf. AöR Archiv des öffentlichen Rechts APuZ Aus Politik und Zeitgeschichte Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie ARSP Art. Artikel ASILProc American Society of International Law Proceedings American University International Law Review AUILR av. J.-C. avant Jésus-Christ (Französisch: vor Christus) Archiv des Völkerrechts AVR Boston College Law Review BCLR Bd. Band Bearb. Bearbeiter/-in Berl. J. Soziol. Berliner Journal für Soziologie BGBl. Bundesgesetzblatt BJIL Brooklyn Journal of International Law BMK-ZP Zusatzprotokoll zum Menschenrechtsübereinkommen des Europa­ rates zur Biomedizin bspw. beispielsweise Buchst. Buchstabe/-n bzgl. bezüglich bzw. beziehungsweise Charta der Grundrechte der Europäischen Union CGREU CHRLR Columbia Human Rights Law Review Columbia Journal of Gender and Law CJGL Chapman Law Review CLR Case Western Reserve Journal of International Law CWRJIL District of Columbia D. C. ders. derselbe DFG Deutsche Forschungsgemeinschaft d. h. das heißt

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Abkürzungsverzeichnis

dies. dieselbe/-n diesbezgl. diesbezüglich/-er/-en Dr. Doktor/-in DZPh Deutsche Zeitschrift für Philosophie ebd. ebenda/ebendort EG Europäische Gemeinschaft Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte EGMR Emory International Law Review EILR European Journal of International Law EJIL EJLR European Journal of Law Reform European Journal of Political Theory EJPT EMRK Europäische Menschenrechtskonvention ESchG Embryonenschutzgesetz et alii (Lateinisch: und andere) et al. et cetera (Lateinisch: und so weiter) etc. EuGRZ Europäische Grundrechte-Zeitschrift f. folgende [Seite] FAZ Frankfurter Allgemeine Zeitung FCLR Federal Courts Law Review folgende [Seiten] ff. Fordham International Law Journal FILJ FJIL Florida Journal of International Law Fn. Fußnote/-n GenTG Gentechnikgesetz Global Governance/Grundgesetz GG GLJ German Law Journal Griffith Law Review GLR Goettingen Journal of International Law GoJIL GWILR George Washington International Law Review Hervorheb. [d. d. Verf.] Hervorhebung/-en [durch den Verfasser] Harvard Latino Law Review HLLR Hrsg. Herausgeber/-in IB Internationale Beziehungen International Business Machines [Corporation] IBM ICTR International Criminal Tribunal for Rwanda (Englisch: Internationaler Strafgerichtshof für Ruanda) ICTY International Criminal Tribunal for the former Yugoslavia (Englisch: Internationaler Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien) Internet Encyclopedia of Philosophy IEP [Online-Enzyklopädie zur Philosophie] IFB Informationsmittel für Bibliotheken IGH Internationaler Gerichtshof IICLR Indiana International & Comparative Law Review International Journal of Constitutional Law IJCL IJGLS Indiana Journal of Global Legal Studies International Law Students Association Journal of International ILSA JICL and Comparative Law

Abkürzungsverzeichnis

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insbes. insbesondere Int. J. Child Right International Journal of Children’s Rights Iolis Individualizable Online Literature Information System [Literatur-Webserver] Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte IPbpR i. S. im Sinne im Sinne der/des i. S. d. im Sinne einer/eines i. S. e. IStGH Internationaler Strafgerichtshof i. S. v. im Sinne von Institut für Theologie und Frieden ithf IUAV Istituto Universitario di Architettura di Venezia (Italienisch: Universität für Architektur Venedig) [Università Iuav di Venezia] in Verbindung mit i. V. m. Jhd. Jahrhundert JICJ Journal of International Criminal Justice JILIR Journal of International Law and International Relations JJ Journal Jurisprudence Johannes Kepler Universität JKU Journal of Law and Religion J. L. & Religion JöR Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart Journal of Refugee Studies JRS JZ Juristenzeitung Kritische Justiz [Vierteljahresschrift für Recht und Politik] KJ Lewis & Clark Law Review LCLR Legum Magister/Magistra LL. M. (Lateinisch: Magister der Rechte) Master of Laws MinnJIL Minnesota Journal of International Law MJIL Melbourne Journal of International Law Max Planck Encyclopedia of Public International Law MPEPIL MPI Max-Planck-Institut Merkourios Utrecht Journal of International and European Law MUJIEL m. w. N. mit weiteren Nachweisen N Stichprobengröße NATO North Atlantic Treaty Organization (Englisch: Organisation des Nordatlantikvertrags) nach Christus n. Chr. NCLR New Criminal Law Review Non-Governmental Organization NGO (Englisch: Nichtregierungsorganisation) Nr. Nummer/-n OBIM Office of Biometric Identity Management OCR Optical Character Recognition [Texterkennung] Ohio State Law Journal OSLJ Pap. Polít. Bogotá Colombia Papel Político, Pontifícia Universidad Javeriana, Bogotá Colombia Predictive Analysis SoftWare PASW

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Abkürzungsverzeichnis

Portable Document File (Englisch: portables Dokumentenformat) Pace Law Review pages (Englisch: [folgende] Seiten) Rechtsprechung und Aufsätze zum Völker- und Europarecht Review of Constitutional Studies Zeitschrift des Max-Planck-Instituts für europäische Rechts­ geschichte RGBl. Reichsgesetzblatt Rn. Randnummer/-n S. Seite/-n Southern Cross University Law Review SCULR San Diego International Law Journal SDILJ SJLS Singapore Journal of Legal Studies Syracuse Law Review SLR sog. sogenannt/-er/-e/-es Soz. Recht u. jur. Überbau Sozialistisches Recht und juristischer Überbau SPSS Statistical Product and Service Solution oder Superior Performing Software System Spstr. Spiegelstrich Systematische Sammlung des Bundesrechts der Schweiz SR Ständiger Internationaler Gerichtshof StIGH SWLR Southwestern Law Review Texas International Law Journal TILJ Transnational Law & Contemporary Problems TLCP TQ Textquelle/-n Translation (Englisch: Übersetzung) Trans. u. und u. a. unter anderem, unter anderen, und andere, und anderes u. dgl. m. und dergleichen mehr UK United Kingdom [of Great Britain and Northern Ireland] (Englisch: Vereinigtes Königreich [von Großbritannien und Nordirland]) Utrecht Law Review ULR United Nations (Englisch: Vereinte Nationen) UN UNESCO United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization (Englisch: Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur) Univ. Universität/University UPJIL University of Pennsylvania Journal of International Law US United States [of America] (Amerikanisch: Vereinigte Staaten [von Amerika]) U. S. United States [of America] (Englisch: Vereinigte Staaten [von Amerika]) USA United States of America (Englisch: Vereinigte Staaten von Amerika) United States Visitor and Immigrant Status Indicator Technology US-VISIT u. U. unter Umständen v. von vgl. vergleiche PDF PLR pp. RAVE RCS RG

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Viadrina International Law Project VILP Vanderbilt Journal of Transnational Law VJTL Victoria University of Wellington Law Review VUWLR Washington Law Review WLR Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen WÜD WÜRV Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge Wiener Vertragsrechtskonvention WVK Wiener Vertragsrechtskonvention WVRK YJIL Yale Journal of International Law Yale Journal of Law and Feminism YJLF Yale Journal of Law and the Humanities YJLH ZaöR Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht zum Beispiel z. B. Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht ZevKR Zeitschrift für Außen- und Sicherheitspolitik ZfAS Zeitschrift für Soziologie ZfS ZIS Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik

I. Einführung Es ist eine Welt voller Texte. Texte, die zeilenreich an Buchstaben all jene Worte hervorbringen, mit welchen wir doch stets so bestrebt sind, die Welt und – als ein Hauptstück  – das Recht zu formen, obgleich ihren Sinn niemand vollends versteht. Es mag eine Eigenart der Juristen sein, dass sie gleichwohl glauben, hinter die Buchstaben, die der Ideen und Gedanken der Menschen als Worte, als jene kleinsten selbstständigen sprachlichen Einheiten von Lautung und Inhalt ihren Ausdruck verleihen, blicken zu können. Etwa durch Auslegung der Worte in Texten versuchen sie unentwegt, die hierin vermutete und möglicherweise nur erhoffte Ordnung der Welt zum Leuchten zu bringen. Nichtsdestoweniger: Die Buchstaben der Texte bleiben schwarz.1 Das Lesen und Verstehen von Texten erwächst immer mehr zur geschuldeten Notwendigkeit. Hiervon zeugen auch das Bestreben und die Fähigkeit der Vereinten Nationen, die weltweite Kooperation zwischen den Völkerrechtssubjekten mithilfe von Worten und Texten zu harmonisieren.2 Um die vielfältigen juridisch-politischen Rahmenbedingungen konstruktiver Staatenkooperation weiterhin im 21. Jahrhundert auf der Grundlage internationaler Werte sicherzustellen3, mitunter in ihren systematischen Bezügen zu originä 1 Vorstehendes in Anlehnung an Kiesow, in: RG 1 (2002), S. 56 (68 f.); ders., in: Norris (Hrsg.), S. 248 (258 f.); daneben sei erwähnt, dass es insbes. die Theologie und die Rechtswissenschaft – zwei überwiegend textbasierte Disziplinen aus Forschung und Lehre – waren, welche die Kunst der Auslegung ursprünglich entwickelten und praktizierten, siehe dazu ausführlicher bei Douzinas/Warrington, in: Douzinas et al., S. 29 (32 f.); weiterhin wird in vorliegender Untersuchung in Ansehung der mannigfaltigen Darstellungsmöglichkeiten digitaler Medien und elektronischer Datenverarbeitungstechnologien des 21. Jahrhunderts angenommen, dass die Buchstaben und sprachlichen Zeichen (gemeinhin sowie vielerorts) in der Farbe Schwarz abgebildet sind. 2 Das internationale Regime der Vereinten Nationen versteht sich selbst nach Maßgabe des Art. 1 Nr. 4 UN-Charta als „ein Mittelpunkt […], in dem die Bemühungen der Nationen zur Verwirklichung dieser gemeinsamen Ziele aufeinander abgestimmt werden.“ Demgemäß unterliegt ein jedes Handlungsfeld eines Völkerrechtssubjekts, als Träger völkerrechtlicher Rechte und Pflichten, der Existenz dieses internationalen Regimes, mithin der (völker-)vertraglichen Bindung des einzelnen Völkerrechtssubjekts an die Vereinten Nationen als ein Regelungs- und Ordnungssystem. Derartige internationale Regime sind nach der Theorie der internationalen Beziehungen völkerrechtliche Institutionen, die der problemfeldspezifischen Konfliktbearbeitung in der internationalen Politik sowie Staateninteraktion bzw. -kooperation dienen, die die verschiedenen Erwartungen der Akteure durch die ihnen zugrunde liegenden Prinzipien, Normen, Regeln und Verfahren in Einklang bringen und demgemäß das Verhalten der Akteure dauerhaft zu leiten oder zu lenken vermögen, vgl. bei Martin/Simmons, in: International Organization 52 (1998), S. 729 (737). 3 Die sich weltweit (oft) zuspitzenden Herausforderungen der Menschheit, wie z. B. die sich ausweitende Flüchtlingsproblematik aufgrund einer strukturellen Unterentwicklung der meisten Länder der Welt bzw. einer zunehmenden Gefährdung der lebensfreundlichen Umwelt, veranlas-

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I. Einführung

ren Vertragspflichten und anderen (Rechts-)Quellen des Völkerrechts4 konsequent in den hierzu bestimmten Schriftstücken fortschreiben zu können, bedarf das Völkerrecht einer steten methodischen Öffnung5 und  – wohl noch ausschlaggebender – einer globalen Kommunikation6 von geeigneten Beschreibungs- und Erklärungsansätzen für einen multiperspektivischen Zugang zum Völkerrecht7. Damit stellt vor allem das vielschichtige Kulturgespräch über bedeutende Grundlagenund Klassikertexte aus beispielsweise Literatur, Staats- und Rechtsphilosophie der pluralistischen (Kultur-)Nationen8 – im notwendig multikulturellen Weltmaßstab – weithin einen unverzichtbaren Konsensfaktor dar.9

1. Rezeption und Fortschreibung Diese Untersuchung befasst sich aus vorerwähntem Grund, dass nämlich Texte nur von Wort zu Wort begreifbar sind, mit vielfältigen Erscheinungsformen des Nachlebens von prägnantem Ideen- und Gedankengut aus Grundlagen- oder Klassikertexten in wissenschaftlichen Texten mit aktuellen Problem- und Themenstellungen zum Völkerrecht. Die damit verbundenen Grundfragen beziehen sich einerseits auf das dort vom jeweiligen Autor ausgewählte Konzept aus Literatur, Staats- und Rechtsphilosophie sowie andererseits auf dessen Darstellung in einer Schriftquelle. Der (bloße) Bezug zum ausgewählten Entwurf wird im Folgenden unter dem Begriff der Rezeption angesprochen. Der Bezug zu weiterführenden Darstellungen in einer Textquelle wird alsdann unter dem Begriff der Fortschreibung verstanden. Diese Unterscheidung bildet den unerlässlichen Ausgangspunkt für die Rekonstruktion des Fortschreibungsgeschehens aus dem Befund der Rezeption zu einem Betrachtungsgegenstand der wissenschaftlichen Auseinandersetzung in der Abhandlung. Ein Ansatz, der sinnvoll erscheint, da sich die Rezeption eines bestimmten Inhalts – in der Regel gekennzeichnet durch das wissenschaftsen erkennbar immer mehr Völker, Staaten, Politiker und Wissenschaftler dazu, sich auf international anerkannte Wertprinzipien und -normen (u. a. Kooperations- und Solidaritätsbekenntnisse, bspw. in Präambel der UN-Charta und Art. 1 Nr. 1 bis 4 UN-Charta) zu berufen, so auch bei Terz, in: ARSP 86 (2000), S. 168 (168 f.). Als wesentlich erscheint hierbei die Einsicht, dass sich derartige Wertvorstellungen in verschiedenen Kulturkreisen, welche in summa die Menschheit bilden, finden lassen, siehe weiterführend bei Atzert, in: Jungle World 28 (2001); Geulen, Giorgio Agamben zur Einführung, S. 12; Lemke, Gouvernementalität und Biopolitik, S. 92 ff. 4 Zu Varianten und Komponenten des Begriffs „Völkerrechtsquelle“ siehe bei Strebel, in: ZaöRV 36 (1976), S. 301 (302 ff.); zur Begriffsklärung vgl. auch bei Kratzsch, S. 5 ff. 5 Kotzur, in: Blankenagel et al. (Hrsg.), S. 289 (296 f.) m. w. N.; Thies, S. 137. 6 So auch ausdrücklich bei Kotzur, in: JöR 49 (2001), S. 329 (330); zur Abgrenzung zwischen inter- und transkultureller Kommunikation, jener Konnektivität „zwischen“ oder „unter“ Kultur­ völkern und „durch Kulturen hindurch“, vgl. bei Hepp/Löffelholz, in: dies. (Hrsg.), S. 11 (14 ff.). 7 So auch bei Peters, in: ZaöRV 67 (2007), S. 721 (756). 8 Ein historischer Abriss über die pluralistischen (Anfangs-)Bedingungen der internationalen Gemeinschaft ist bei Ago zu finden, ders., in: Fischer et al. (Hrsg.), S. 25 (25 ff.). 9 Vgl. dazu bei Häberle, Klassikertexte im Verfassungsleben, S.  40; Kotzur, in: JöR  49 (2001), S. 329 (331); ders., in: Weiß (Hrsg.), Hugo Grotius: Mare Liberum, S. 5 (13).

1. Rezeption und Fortschreibung

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liche Zitat10  – wesentlich einfacher erkennen lässt, als dessen inhaltliche Fortschreibung im wissenschaftlichen Diskurs oder vielschichtigen Kulturgespräch.11 Rezipieren gewissenhaft arbeitende Verfasser in ihren Texten in ähnlicher Weise dasselbe Konzept von anderen Wissenschaftlern etwa aus der Literatur, Staatsund Rechtsphilosophie, so ist dieser Vorgang in der Regel eindeutig und klar zu erkennen, da sie die in Bezug genommenen Personen namentlich benennen, mitunter deren ausschlaggebende Leistungen hervorheben und nicht nur in ganz nebensächlicher Art erwähnen. Demgegenüber erscheint es weitaus schwieriger und problembehafteter zu sein, eine eindeutige und klare Abhängigkeit in entsprechender Weise festzustellen, insbesondere wenn ein Verfasser nicht eigens auf die Verwendung einer übernommenen Idee oder Konzeption verweist. Es fehlt in einem solchen Fall vorwiegend an der Nachvollziehbarkeit oder Vergleichbarkeit der Inhalte des aufgegriffenen Gegenstands durch Dritte. Über solche grundlegenden Betrachtungen von Rezeption und Fortschreibung hinaus er­geben sich im Laufe der Untersuchung zahlreiche weitere Erkenntnismöglichkeiten in Bezug auf die Völkerrechtsphilosophie als „Wissenschaft in statu nascendi“12 und insoweit als ein „unverzichtbares wissenschaftliches Desiderat“13. Die Analyse von Rezeption und Fortschreibung umfasst danach sowohl eine nicht zu unterschätzende Komplexität im Detail als auch einen vermutlich nicht restlos ergründbaren Problemraum zwischen Ent- und Neukontextualisierungen von Informationen. Der Detailbereich von Rezeption und Fortschreibung zu einem abgrenzbaren Themenbereich verkompliziert sich bei genauerer Erforschung unweigerlich um mindestens zwei bestimmende Gesichtspunkte: Zum einen müssten die mentalen (kognitiven) Vorstellungen14 der Verfasser bei der Auswahl und Darstellung der ursprünglichen Konzepte für ihre eigenständigen Texte hinreichend bekannt sein und bei einer nachgelagerten Betrachtung noch hinzugerechnet werden; zum anderen wäre ebenso zu bedenken, dass ein und dasselbe Konzept oder ein und derselbe Argumentationstopos im Fall seiner Wiederverwendung zu unterschiedlichen Zeiten oder auch in unterschiedlichen Kulturräumen, also für­ unterschiedliche Menschen, eine gänzlich unterschiedliche Bedeutung im Aussagegehalt besitzen und somit das Erklärungs- und nachfolgend Erkenntnispotenzial 10 Jele benennt sieben Kriterien, die wohl den (Mindest-)Standard des wissenschaftlichen Zitats umreißen dürften: Einfachheit, Regelmäßigkeit, Exaktheit, Nachvollziehbarkeit, Praktikabilität, Vergleichbarkeit, produktspezifische Eigenheit, vgl. dazu ausführlicher bei ders., S. 8–13; siehe weiterhin bei Morlok, in: Blankenagel et al. (Hrsg.), S. 93 (117 ff.) m. w. N. 11 Häberle spricht sich bei der Abhandlung juristischer Problemfelder für die (Mit-)Betrachtung des kulturellen Kontexts aus, ders., in: JZ 21 (1992), S. 1033 (1034). 12 Terz, in: ARSP 86 (2000), S. 168 (171 ff.). 13 So ausdrücklich bei Kotzur, in: JöR 49 (2001), S. 329 (331). 14 „Die Welt ist meine Vorstellung“, wie der Philosoph Arthur Schopenhauer konstatierte, wobei er unter Vorstellung die mentalen Funktionen verstand, die für die Modalitäten des Erkennens eines erkennenden Lebewesens verantwortlich sind; siehe eingehender zum Problemfeld, insbes. wie mentale Funktionen des Menschen sein Erkenntnisvermögen beeinflussen, bei Schopenhauer, § 1, S. 38 ff.

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I. Einführung

der jeweiligen Information, welche bestenfalls schriftlich niedergelegt ist, nur ein vorläufiges15 sein kann. Die völkerrechtswissenschaftliche Nutzbarkeit beziehungsweise die – mit vorliegender Abhandlung noch herauszuarbeitende und sorgfältig zu kritisierende – Einfluss- und Wirkmächtigkeit bestimmter Konzeptionen auf das gegenwärtige Völkerrechtsschrifttum kann infolgedessen keine stabile Größe, geschweige denn eine abschließende Antwort bieten. Vielmehr ­ändern sich die Wesenszüge von Rezeption und Fortschreibung beständig; denn ihre spezifischen Erscheinungsformen, sprich konkrete Phänomene des Nachlebens, sind stets dynamischen Prozessen in nicht nur wissenschaftlich geprägten Diskursen oder in weltumspannenden Kulturgesprächen unterworfen. Der hiernach in der Arbeit zu beschreibende Problemraum der Kontextverflechtungen ist natürlich durch die Tatsache gekennzeichnet, dass zumeist weder Rezeption noch Fortschreibung einzeln oder getrennt voneinander auftreten. Dies bedeutet, dass die Verfasser, welche ein bestimmtes Konzept rezipieren, dies oft im Rahmen der Rezeption auch anderer Konzeptionen vollbringen. So etwas kann gegebenenfalls kettenartige Fortschreibungen ein und desselben Gegenstands in Texten bedingen, sodass schließlich eine im Einzelbezug nur schwerlich unterscheidbare Gemengelage aus Rezeption und Fortschreibung entsteht.

2. Warum Giorgio Agambens Homo-Sacer-Projekt? Gegenstand der nachfolgenden Betrachtungen von Rezeption und Fortschreibung sowie deren überprüfbare Einfluss- und Wirkmächtigkeit soll Giorgio Agambens namhaftes Homo-Sacer-Projekt sein. Agambens erstes Buch einer von ihm im Vorhinein auf längere Zeit angelegten Publikationsreihe16 trägt den Titel: „Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben“.17 Das Werk hatte 15 Theoretisch ausgearbeitet wurde diese Position im sog. Kritischen Rationalismus durch den Philosophen Sir Karl R. Popper, der alle Erkenntnis als vorläufig erachtete, damit sie falsifizierbar ist und aus diesem Grund das Kriterium der Wissenschaftlichkeit erfüllt; für einen Überblick zum Popper’schen Grundkonzept siehe bei Pies, in: ders./Leschke, S. 1 (5 ff.). 16 Von der auf bisher sieben Bände angelegten Homo-Sacer-Serie von Giorgio Agamben sind auf Deutsch in chronologischer Reihenfolge im Suhrkamp Insel-Verlag erschienen: Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben (2002, ursprünglich vom Autor noch ohne Nummerierung, heute regelmäßig unter Homo Sacer I. zu finden); Was von Auschwitz bleibt. Das Archiv und der Zeuge. (2003, Homo Sacer III.); Ausnahmezustand (2004, Homo Sacer II.1); Herrschaft und Herrlichkeit. Zur theologischen Genealogie von Ökonomie und Regierung. (2010, Homo Sacer II.2); Das Sakrament der Sprache – Eine Archäologie des Eides (2010, Homo Sacer II.3); zuletzt im S. Fischer-Verlag Wissenschaft: Höchste Armut: Ordensregeln und Lebensform (2012, Homo Sacer IV.1) und Opus Dei. Archäologie des Amts (2013, Homo Sacer II.5). Zu weiteren Studien Agambens im thematischen Umkreis zum Homo-Sacer-Projekt vgl. bei Geulen, Giorgio Agamben zur Einführung, S. 16. 17 Die Erstausgabe wurde im italienischen Original unter dem Titel: „Homo sacer. Il potere sovrano e la nuda vita.“ im Jahr 1995, in der englischen Übersetzung unter dem Titel: „Homo Sacer. Sovereign Power and Bare Life“ im Jahr 1998 und in der deutschen Übersetzung erst im Jahr 2002 veröffentlicht.

2. Warum Giorgio Agambens Homo-Sacer-Projekt?

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außer in Italien auch im angelsächsischen Sprachraum sowie in Frankreich jahrelang bereits nachhaltig für Aufsehen gesorgt, bevor der Suhrkamp-Verlag, welcher sich frühzeitig das entsprechende Verlagsrecht gesichert hatte, den übersetzten Text in Deutschland im Jahr 2002 publizierte.18 Im deutschsprachigen Raum setzte die Rezeption Agambens, einer Person mit akademischer Laufbahn, die hier zuvor nur wenig bekannt war, daraufhin mit einer plötzlichen Fülle an Übersetzungen anderer bis dato erschienener Originaltexte aber auch mit einer Vielzahl an diesbezüglicher, die Werke und den Urheber interpretierender Sekundärliteratur ein. Die Homo-Sacer-Publikationen, insbesondere Agambens erstes Buch der Publikationsserie, hatten offenbar eine Leerstelle im (nicht nur) völkerrechtlich geprägten Diskurs ausgefüllt.19 Seine Bücher im Allgemeinen und Homo Sacer I. im Besonderen wecken nicht allein wegen der provokanten Thesen, sondern auch in der Herangehensweise das Interesse einer heterogenen Leserschaft. Agamben hat, freilich neben anderen, die politische Rechtsgeschichte und gleichsam die deutschsprachige Diskussion um Themen insbesondere der Souveränität, des Gesetzes und sogar des rechtlichen Ausnahmezustands neu belebt.20 Bisweilen bewegten sich die interdisziplinäre Rechtsphilosophie und -theorie in Deutschland maßgeblich auf angelsächsischen Spuren21; in den Politikwissenschaften wurden historische Theoriebestände vornehmlich von Jürgen Habermas her gelesen, einem der weltweit meistrezipierten deutschen Philosophen der Gegenwart.22 Demgegenüber 18 Warum es sieben Jahre – von der italienischen Erstausgabe im Jahr 1995 bis zur deutschen Erstausgabe im Jahr 2002 – dauern musste, bis Homo Sacer I. auf dem deutschen Büchermarkt erschien, ist unklar, stimmt allerdings skeptisch. Möglicherweise erklärt sich der lange Zeitraum bis zur Veröffentlichung anhand der weitläufigen Annahme, es handle sich bei Agambens philosophischem Diskurs um minoritäres Denken. Wohl aber greift die bloße Annahme fehlender Nachfrage und damit erwartungsgemäßer Absatzschwierigkeiten, letztlich rein wirtschaftlicher Gesichtspunkte, für das Werk Homo Sacer I. zu kurz. 19 In der Natur der Sache liegt begründet, dass philosophische Grundlagentexte – obgleich in Agambens Fall mit durchaus juristisch-rechtsphilosophischem (sprich juridischem) Hintergrund – aufgrund ihres breiten Themenspektrums ebenso andernorts, z. B. in literarischer oder auch in nicht-wissenschaftlicher Art und Weise, rezipiert werden; siehe vertiefend dazu bei Geulen, in: Horn et al. (Hrsg.), S. 363–374. 20 Agamben ist dabei u. a. die Einsicht zu verdanken, dass reine formale Rechtsinstitutionen ohne die Bedeutung, die ihnen historische Bewegungen einmal gegeben haben, leer laufen. Sie werden sozusagen zur bloßen Hülle und manifestieren daher eine „Geltung ohne Bedeutung“, siehe bei Agamben, Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S. 62. Sie seien demnach stets Spuren materialer politischer Kämpfe; so gebe es auch keine neutrale, mit anderen Worten, wahrhaft universelle institutionelle Form. 21 Seit Max Horkheimers und Theodor W. Adornos (deutsche Sozialphilosophen) Versuch, die Dialektik der Aufklärung zu entziffern, ist das Macht-, Gewalt- und Herrschaftsförmige nicht mehr mit solcher Nachdrücklichkeit zur Sprache gebracht worden, wie Lettow zutreffend meint, dies., in: Gehring et al., Information Philosophie 5 (2008). 22 Hierbei kommt insbes. die von Jürgen Habermas entwickelte Diskurstheorie des Rechts zum Einsatz, vgl. bei ders., S. 109 ff. u. S. 166 ff.; zu Hintergründen der modernen deutschen Rechtsphilosophie und -theorie siehe bei Hartung, in: Gehring et al., Information Philosophie 5 (2008); zur Anwendung im Völkerrecht siehe weiterhin bei Pulkowski, in: Fastenrath et al. (Hrsg.), S. 138 (139).

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I. Einführung

wird aber auch – wie mit der Untersuchung im Detail zu zeigen ist – mit Fug und Recht darauf hingewiesen, wie unzulänglich Agambens streitbare Thesen und Argumente im Einzelnen seien. So hat die Politikwissenschaftlerin Isabell Lorey angemerkt, dass die Rechtsfigur des Homo Sacer der Problematik ihres Ursprungs im Römischen Recht nicht gerecht wird.23 Weiterhin weist zum Beispiel der Historiker Philipp Sarasin auf einige Probleme von Agambens Michel Foucault-­Rezep­ tion hin.24 Dessen ungeachtet stellen sich die bisher erschienenen Homo-Sacer-Publikationen25 als bereits über ihre bloße regionale Bedeutung hinausgewachsene, nichtkanonische26 Grundlagentexte einer weltumspannenden (Fach-)Literaturszene der Gegenwart dar. In der vorgenannten Publikationsreihe, welche zugleich Giorgio Agambens Hauptwerk anzeigt, sind „die zentralen Denkfiguren und methodischen Entscheidungen des Autors gut ablesbar“27. Als Person der Zeitgeschichte avancierte Giorgio Agamben in den 1990er Jahren zu einem der populärsten Gewährsmänner der (post-)postmodernen Philosophie sowie politischen Theorie28 und, so ist an dieser Stelle gleich hinzuzufügen, zu einem der umstrittensten. Ungeachtet 23

Lorey, in: Pieper et al. (Hrsg.), Empire, S. 269 (278 f.). Sarasin, in: DZPh 51 (2003), S. 348 (348 ff.); vgl. bei Geulen, Giorgio Agamben zur Einführung, S. 145. 25 Siehe dazu auch bei Geulen, Giorgio Agamben zur Einführung, S. 16 f. 26 Aufgrund der tatsächlich kurzen Verbreitungs-, Rezeptions- und Fortschreibungsphase der Homo-Sacer-Publikationen (im vorliegenden Erhebungs- und Betrachtungszeitraum der Jahrgänge von 1995 bis 2012) dürfte derzeit wohl nicht von kanonischen Texten im Anschluss an Assmann, S. 95, auszugehen sein, da derartige Texte definitionsgemäß die all­gemein verbindlich normativen und formativen Werte einer Gemeinschaft formulieren. Kanonische Texte als Sinn- und Wertekanon einer Gemeinschaft verlangen zum einen die Textpflege, d. h. insbes. die Unantastbarkeit und Ästhetik der Textgestalt, zum anderen die Institution der Sinnpflege, damit sie bei wachsendem zeitlichen, kulturellen aber auch gesellschaftlichen Abstand nach der Kanonschließung die von solchen Texten erwartete fundierende Funktion textgemäß, d. h. vor allem sinngemäß erfüllen können. Letztendlich stellen sich kanonische Texte, auch aufgrund der strikten Festlegung ihres Wortlauts, als sakrosankt und infolgedessen als nicht mehr fortschreibbar dar, siehe dazu im Einzelnen nur bei Zenger, in: ders. et al., S. 134. 27 So ausdrücklich bei Steinhauer, in: Buckel et al. (Hrsg.), S. 201 (207). 28 Giorgio Agamben wurde am 22.  April 1942 in Rom geboren; er studierte an der dortigen Universität Rechtswissenschaften und schloss sein Studium mit einer Arbeit über­ Simone Adolphine Weil, eine französische Philosophin, ab. 1966 und 1968 nahm er an Martin­ Heideggers philosophischen Seminaren in Le Thor teil. Er ist Herausgeber der italienischen Gesamtausgabe der Schriften Walter Benjamins, von dem er wichtige, bis dahin als verschollen geltende Manuskripte aufgefunden hat. Des Weiteren lehrte Agamben in der ersten Zeit an den Universitäten Macerata und Verona und ist seit dem Jahr 2003 Professor für Ästhetik an der Facoltà di Design e Arti der IUAV in Venedig; er unterrichtet außerdem an der European Graduate School in Saas-Fee. Agamben war von 1986 bis 1993 Mitglied des Collège international de philosophie (Ciph) in Paris und hatte in vergangenen Jahren oftmals auch Gastprofessuren in den USA und in der Bundesrepublik Deutschland inne. In Bezug auf das Denken des italienischen Philosophen und Juristen Agamben scheitern bisweilen gängige Unterscheidungen zwischen konservativ oder progressiv, religiös oder areligiös und im politischen Sinne links oder rechts, vgl. bei Mills, in: IEP [14.03.2016]. 24

2. Warum Giorgio Agambens Homo-Sacer-Projekt?

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der ihm zugesprochenen Eigenschaften seiner umfangreichen Belesenheit, seines weitläufigen Spektrums an Referenzautoren29 und oft programmatisch-ideologiekritischen Stils, ziehen sich durch Agambens Abhandlungen zwei beherrschende Grundgedanken, die teils emphatischen Zuspruch, teils radikale Kritik erregen. Der erste führt das Foucault’sche Motiv der Biomacht (auch Bio-Macht, Französisch: le biopouvoir), zunehmend auch Biopolitik genannt30, weiter. Demnach beziehe sich das Politische – anders als in der Philosophietradition von Aristoteles über Immanuel Kant und Georg W. F. Hegel bis hin zu den modernen Gesellschaftswissenschaften und normativen Gerechtigkeitstheorien nach John Rawls – nicht nur auf das vergesellschaftete Leben („bíos [politikós]“) des Menschen, sondern auf das natürliche Leben („zoē“) überhaupt.31 Der zweite Grundgedanke knüpft daran an und betrifft unter anderem den Begriff der Souveränität. Das Politische sei demzufolge kein Gegenstand der Rechts- oder Gesellschaftswissenschaften, sondern der Ontologie. Denn Agamben zufolge erzeugt jede politische Bestimmung der Souveränität ihre eigene definitorische Lücke – nämlich genau an jener gesetzmäßigen Stelle, an welcher der Souverän selbst steht. Folglich sei Recht nichts qualitativ anderes als Gewalt, indes institutionalisiere und legitimiere es diese.32 Er formuliert diese – zugegebenermaßen erst einmal radikal anmutende – Behauptung bewusst provokant, um sich auf diese Weise den westlichen Staatskonzeptionen der Neuzeit gegenüberzustellen, um so seinem „untrüglichen Gespür für Paradoxa und strukturelle Widersprüche“33 zu folgen. Ob nun jene rechtsfreien Räume in Anbetracht des nationalsozialistischen Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau in den Erscheinungsformen des ­Totalitarismus oder der Menschenrechtsverletzungen oder mitun­ räventiv- oder Angriffskrieg auf die Republik Irak im ter im völkerrechtswidrigen P 29 Mills gibt ebenso eine erläuternde Aufzählung (in englischer Sprache) all jener Autoren und Schriftsteller wieder, auf die sich Agamben in seinen Homo-Sacer-Publikationen bezieht bzw. von denen er wesentlich beeinflusst ist, siehe weiterführend bei dies., in: IEP [14.03.2016]. 30 Der Begriff der Biopolitik inflationiert derzeit im Sprachgebrauch der verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen, wie Pieper u. a. zutreffend feststellen, sodass dieser a priori keinen völkerrechtlichen Terminus darstellen kann. Möglicherweise handelt es sich der jeweiligen Verwendungsart nach um einen unbestimmten (Rechts-)Begriff, der in rechtlichen oder politischen Kontexten unterschiedlich verwendet wird und allein aufgrund seiner Auslegung diverse Bedeutungsinhalte annehmen kann, vgl. bei Pieper et al., in: dies. (Hrsg.), Biopolitik, S. 7 (7 ff.); zur weiteren Einführung in das komplexe Thema mit besonderem Bezug auf Agamben siehe bei Lemke, Biopolitik zur Einführung, S. 71 ff. 31 Dabei sind in Agambens Argumentation die (alt-)griechischen Begriffe und Derivationen für das Leben (bíos und zoē) und für die Politik (polis: das Handeln in der Gemeinschaft) prägend, die in einer besonders charakteristischen Weise aufeinander bezogen werden und so seiner Ansicht nach wesentliche Bestandteile der Rechtsvorstellungen (inklusive internationaler Regime der Menschenrechte) sowie der „westlichen“ Staatskonzeptionen, -begründungen und -legitimationen darstellen, vgl. bei Agamben, Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S. 11–22. 32 Vgl. ausführlicher dazu bei Steinhauer, in: Buckel et al. (Hrsg.), S. 201 (213 ff.) m. w. N. 33 Diese Radikalität stellt zugleich ein kennzeichnendes Merkmal des Argumentationsstils in Agambens Texten dar, siehe dazu auch bei Geulen, Giorgio Agamben zur Einführung, S. 20.

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I. Einführung

Dritten Golfkrieg34 zu erkennen sind oder nicht, zeige nach Agambens Dafürhalten jedoch deutlich das inhärente Konfliktpotenzial der Biopolitik35; vielleicht sogar mit Auswirkungen auf die Völkerrechtsordnung? Hierbei beabsichtigt er nicht, etwa nur bestimmte Begebenheiten mit geschichtsträchtigen Ortsbezeichnungen gleichzusetzen, sondern einstmalige Begebenheiten sowie Ereignisse der Gegenwart auf ihre historische Genese, also auf ihre strukturellen wie auch entwicklungsgeschichtlichen Gemeinsamkeiten zurückzuführen. Wird der grundsätzlichen Argumentation ­Agambens gefolgt, dann eröffnen sich in der Geschichte des Okzidents immer jene rechtsfreien Räume, welche die souveräne Macht stets planvoll konstituiert.36 Dieser unergründliche rechtsfreie Raum, der nach Agambens Darstellungen sowohl durch permanente Ausweitung in Zeit und Raum als auch durch Intensivierung negativer Auswirkungen infolge gewollten oder geduldeten Vorhandenseins den Menschen auf dessen nacktes Leben reduziere, stellt vermutlich das Anlass gebende Thema der philosophischen Überlegungen im Homo-Sacer-Projekt dar. Diese einleitend nur kurz dargelegten Standpunkte aus den Homo-Sacer-Publikationen nehmen insofern ebenfalls Rückgriff auf völkerrechtliche Grundsatzfragen37, sodass insbesondere ihre völkerrechtsphilosophische38 Betrachtung in einer kritisch-wissenschaftlichen Auseinandersetzung auf der Grundlage und mittels Arbeitsweisen eines Rezeptionsmodells mit juristisch-kulturellen Theorieelementen geboten erscheint.39 Es handelt sich demzufolge um philosophische Gedankengänge an den Grenzen der nationalen Rechtsgemeinschaften und der Völkerrechtsgemeinschaft, da bereits jede dieser Ordnungen für sich einen Kompromiss zwischen den idealisierenden Prinzipien der Gerechtigkeit im unbeirrten Widerstreit mit den weltweit de facto vorherrschenden Macht- und Gewaltverhältnissen 34 Agamben deutet den Irakkrieg u. a. als umstrittene Folge eines rechtlichen Ausnahme­ zustands der Weltordnung, dem es entgegenzuwirken gilt, wobei die Vereinten Nationen in absehbarer Zeit versuchen sollten, ihre zentrale Regelungs- und Ordnungsfunktion zurück­ zugewinnen, um so zwischen den Staaten das (alte) Gleichgewichtsprinzip der Friedensordnung wiederherstellen zu können, vgl. bei ders., in: FAZ vom 19.04.2003, S. 33; siehe fernerhin bei Paech, in: APuZ B 24–25 (2003), S. 35 (42 f.); lesenswert dazu Thürer, S. 182 ff. 35 Vgl. weiterführend bei Lemke, Die Regel der Ausnahme  – Giorgio Agambens Homo­ Sacer untersucht das Verhältnis von Souveränität und Biopolitik, S. 1–3. 36 Darüber hinaus behauptet Agamben, dass der Ausnahmezustand selbst zur Regel und Norm geworden sei, schließlich zum „Paradigma des Regierens“, ders., Ausnahmezustand, S. 7; siehe diesbezügliche Kritik bei Geulen, Giorgio Agamben zur Einführung, S. 69. 37 Agamben sagt ausdrücklich, dass Homo Sacer I. als „Antwort auf die blutige Mystifikation einer neuen globalen Ordnung konzipiert“ sei und die internationale Politik, insbes. „die Gestaltung des Lebens der Völker“ bedeuten würde, ders., Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S. 22 u. S. 153 ff. 38 Die Völkerrechtsphilosophie sei eine (Rechts-)Wissenschaft „in statu nascendi“, wie Terz den Tatsachen entsprechend meint, ders., in: ARSP 86 (2000), S. 168 (171); für ihre Weiterentwicklung spricht sich u. a. Kotzur, in: JöR 49 (2001), S. 329 (331) aus. 39 Zwar mit anderem Kontext, aber grundlegend dazu bei Lüdemann, in: Preprints of the Max Planck Institute for Research on Collective Goods 7 (2007), S. 10 ff. m. w. N; so wohl auch Häberle, in: JZ 21 (1992), S. 1033 (1033 f.); vgl. ferner bei Schmidt-Aßmann, in: JZ 1 (1995), S. 2 (2 ff.).

3. Zielsetzung und Aufbau der Untersuchung

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verkörpert.40 Der Streitfall um Agambens Thesen zum Homo-Sacer-Projekt ist daher nicht zuletzt auch ein Streit, der sich „vor dem Hintergrund der Dynamik neuer Weltordnungen und neuer juristischer Verfassungen“41 abspielt und schon deswegen für die internationalen Beziehungen der Gegenwart überaus kennzeichnend gleichwie betrachtungswürdig erscheint.

3. Zielsetzung und Aufbau der Untersuchung In Anbetracht des zuvor Gesagten hat die vorliegende Untersuchung zum Ziel, die Gemengelage hinsichtlich Giorgio Agambens Homo-Sacer-Projekt – mit den komplexen Strukturen im Wege von Rezeption und Fortschreibung – genauer zu ergründen und auf diese Weise einen Beitrag zur Diskussion um philosophische, staats- und gesellschaftstheoretische Grundlagentexte im Völkerrechtsschrifttum der Gegenwart zu leisten. Im Fokus der Untersuchung liegt dabei die Dokumentation und Analyse grundlegender Mechanismen von Rezeptions- und Fortschreibungspraktiken in Bezug auf die ausgewählte völkerrechtliche Gegenstandsliteratur durch die Rezipientengemeinschaften im deutschen und angelsächsischen Sprachraum, welche am Fallbeispiel der vielerorts beachteten und besprochenen Inhalte des Homo-Sacer-Projekts von Agamben dargestellt werden. Von vornherein ist allerdings anzumerken, dass sich die diesbezüglichen Rezeptionen und Fortschreibungen weder vollständig rekonstruieren noch in ihren ganzen Kontextverflechtungen und danach Problemtiefen erfassen lassen. Hierfür müssten alle Voraussetzungen erkannt werden und überdies benennbar sein, welche die jeweiligen Autoren bewusst oder unbewusst bei ihrer Auseinandersetzung mit Inhalten aus den Homo-Sacer-Publikationen im jeweiligen Kontext zu der von ihnen abgehandelten völkerrechtlichen Themen- oder Problemstellung berücksichtigt haben. Die vorliegende Untersuchung ist in diesem Sinne allein als eine rezeptionstheoretische Annäherung zu verstehen, in welcher nur einige abgrenzbare Eigenschaften über den betrachteten Gegenstand bekannt werden. Im Unterschied zu klassischen Techniken der Einzeluntersuchung soll keine rezipierende Einzelerscheinung im Schrifttum, etwa nur eine Textquelle, nur eine Referenzmaterie oder nur eine Rezeptions- oder Fortschreibungshandlung genauer eingekreist sein; vielmehr muss ein breitgefächertes (Ab-)Bild dessen gezeichnet werden, das sowohl die einschlägigen Textstrukturen in den aus unterschiedlichen Kulturräumen und Zeitbereichen erhobenen Dokumenten umfasst als auch die hierin von einem Ursprungstext je übernommenen Argumentations- und Begründungsweisen einschließt, um so die Einfluss- und Wirkmächtigkeit der Konzeptionen aus den Homo-Sacer-Publikationen nach Agamben innerhalb der betrachteten Rezipientengemeinschaften beurteilen zu können. Die hierzu notwendigen Verfahren zur Objektivierung anhand kritisch-vergleichender Gedankengänge ­können 40

Grundlegend dazu bei Messner, in: Fischer et al. (Hrsg.), S. 473 (476 ff.). Steinhauer, in: Buckel et al. (Hrsg.), S. 201 (204).

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I. Einführung

als transdisziplinär bezeichnet werden, da sie zum Teil  aus anderen Gebieten der Rechts- aber auch Literaturwissenschaften entlehnt beziehungsweise adaptiv übernommen werden und im Rahmen einer völkerrechtsphilosophischen Grundlagenforschung zur Ausführung gelangen. Eine aussichtsreiche Interdisziplinarität und vor allem eine aussichtsreiche Transdisziplinarität für solche Vorhaben vermögen indessen nur auf dem Boden disziplinärer Identität zu gedeihen, sodass sich hierauf durchaus fragen ließe, als was für eine Disziplin die Völkerrechtswissenschaft ihren etablierten Nachbarwissenschaften eigentlich begegnet?42 Für die Völkerrechtswissenschaft und ihre Forschungsgegenstände sind nicht nur die Maßgaben aus der empirischen Wirklichkeit, sondern auch die oft normativ wirkende Kraft des Faktischen von zentraler Bedeutung, um die Fortentwicklung der Völkerrechtsordnung so weit wie möglich konstruktiv-gestaltend mit zu begleiten. Hierin wird zu Recht ein bestimmender „Akt der Selbstbehauptung der (Völker-)Rechtswissenschaft gegenüber ihren Nachbarwissenschaften im Interesse der Interdisziplinarität als einer Kooperation unter Gleichen“43 gesehen. Zumindest mit Geltung für diese Abhandlung soll besonders das transdisziplinäre Vorgehen als forschungsleitendes Prinzip und wissenschaftliche Organisationsform dienen, um über die historisch gewachsenen Abgrenzungen völkerrechtswissenschaftlicher Forschungsgegenstände oder -zwecke hinausgehend eine umfassendere Kompetenz zur Beurteilung von Rezeptionen und Fortschreibungen im Völkerrechtsschrifttum der Gegenwart zu erarbeiten, und zwar in einer produktiven Auseinandersetzung mit anderen disziplinären Theorien und Methoden in der weiteren textwissenschaftlichen Forschung, die Einsicht in die verschiedenen Strukturen eines Textes vermitteln. Transdisziplinarität soll danach abstrahierende Formen des wissenschaftlichen Erkennens mit fallspezifisch relevantem Wissen im Völkerrecht verbinden, um die hier interessierenden Rezeptions- und Fortschreibungsgegenstände aus Agambens Homo-Sacer-Projekt im Völkerrechtsschrifttum in ihrer Komplexität zu erfassen. Es sind dabei die vielfältigen Sichtweisen auf die originären Gegenstände der Agamben’schen Philosophie, die es erforderlich er 42

Siehe zu gleichgelagerten Überlegungen in anderem Kontext bei Lüdemann, in: Preprints of the Max Planck Institute for Research on Collective Goods  30 (2009), S.  1 (3); für einen Überblick zu Integrationsmethoden der transdisziplinären Forschungspraxis siehe ebenso bei Bergmann, S. 47 ff.; die Positionen gehen – wohl auch in Ermangelung einer einheitlichen Begriffsbestimmung im deutschen Sprachraum – davon aus, dass der Versuch zu unternehmen ist, die disziplinäre Parzellierung aufzuheben, insbes. disziplinäre Perspektiven starrer Begrenzung oder Einschränkung zu überwinden, um neuartige Lösungsansätze disziplinunabhängig formulieren zu können; ein solches interdisziplinäres Vorgehen wird transdisziplinär genannt, wenn es Inhalte aus einem anderen in das eigene Wissenschaftssystem oder in den eigenen Wissensbestand übernimmt und sich so in ingeniöser Weise aneignet (im engeren Wortsinn von rezipieren), also mittels Methoden und Forschungsweisen, die vor allem unter Gesichtspunkten des sog. System-, Ziel- oder Transformationswissens integrationsorientiert anzuwenden sind (auch als Prinzip integrativer Forschung verstanden), vgl. grundlegend dazu bei Defila et al., S. 33 (34); Dirninger, in: Wöhle (Hrsg.), S. 435 (435 ff.); Ropohl, S. 189 ff. u. S. 195 ff.; weiterhin lesenswert zur transdisziplinären Forschung als Sprachbildungsprozess bei Ukowitz, S. 351 ff. 43 Giegerich, in: Paulus et al., S. 101 (103).

3. Zielsetzung und Aufbau der Untersuchung

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scheinen lassen, wenn es darum geht, von der Völkerrechtswissenschaft unter Bezug hierauf gestellte Problemlagen in den internationalen Lebenssachverhalten zu untersuchen, ebendiesen mit dem richtigen völkerrechtsphilosophischen Rüstzeug auch sachgerecht begegnen zu können. Deswegen ist die Untersuchung ferner von der Hoffnung getragen, einige Impulse für die Völkerrechtsphilosophie als Teil der Völkerrechtswissenschaft geben zu können, um auf diese Weise einen Beitrag zu ihrer Fortbildung zu leisten. Die Völkerrechtsphilosophie soll dementsprechend einen geeigneten Reflexionsrahmen zwischen Völkerrecht und Philosophie bieten, insbesondere soll sie zwischen fallspezifischer Bedeutung eines philosophischen Konzepts im Recht und abstrahierender Gültigkeit von dies begründenden Denkgesetzen vermitteln. Wie sich schon anhand des Untertitels zur Abhandlung entnehmen lässt, soll die Völkerrechtsphilosophie aus den vorerwähnten Gründen eine maßgebende Rolle im Fortgang der Betrachtungen spielen. Demgemäß ist die vorliegende Untersuchung – neben Einführung (I. 1.–3.) und zusammenfassenden Thesen (VI. 1.–3.) – in vier Teilen mit jeweils drei Hauptstücken, deren hierin einzuführende Theorien und Methoden wie auch in Bezug darauf erörternde Darstellungen aufeinander aufbauen, strukturiert wie folgt: Um den methodischen Rahmen abzustecken, in welchem an späterer Stelle die Dokumentation und Analyse der Rezeptions- und Fortschreibungspraktiken innerhalb des zeitgenössischen Völkerrechtsschrifttums zu erfolgen haben, wird erst einmal in einem kontextbildenden Abschnitt die der Arbeit richtunggebende Grundlagenforschung im Völkerrecht vorgestellt. Dies umfasst unter anderem eine kurze Betrachtung des gegenwärtigen Forschungs- und Entwicklungsstands sowie denkbare Perspektiven zur Völkerrechtsphilosophie im wissenschaftlichen Betrieb (II. 1.), des Artikels 38 Absatz 1 Buchstabe d) des IGH-Statuts in seiner Funktion quasi als Türöffner zur Völkerrechtsordnung (II. 2.), bevor auf wesentliche Grundzüge des Grundlagen- wie auch Klassikertextes und deren Bedeutungen für das anderweitige Schrifttum zum Völkerrecht eingegangen wird (II. 3.). In einem anschließenden, die (text-)wissenschaftliche Vorgehensweise konkret ausgestaltenden Abschnitt der Betrachtung werden Aspekte zur Rezeption von fremdgeistigen Gedankengut oder auch fremdtextlichen Inhalten anhand eines Rezeptionsmodells mit juristisch-kulturellen Theorieelementen entwickelt. Das zu diesem Zweck hier vorzuschlagende Modell dient einer rezeptionstheoretischen Zusammenführung zweier selbstständiger Ansätze: einerseits eines allgemeinen juristischen Rezeptionsmodells nach Peter Häberle44 (III. 1.) und anderseits eines 44 Häberle sieht in seinem Modell die Rechtsvergleichung notwendigerweise auch als Kulturvergleichung vor, um die intensiven Produktions- und Rezeptionsprozesse, die sich als Vorgänge eines gegenseitigen Ab- und Fortschreibens darstellen, entsprechend einordnen zu­ können, vgl. bei ders., in: JZ 21 (1992), S. 1033 (1036 u. 1038) m. w. N.; zur Rechtsvergleichung als Auslegungsmethode siehe bei ders., in: JZ 20 (1989), S. 913 (916); Zweigert/Kötz sehen sogar die „unausgesprochene Existenz eines bestimmten sozialen Umfelds“, wie es allerdings im Vergleichsland nicht unbedingt gegeben sein muss, als weiteren Maßstab eines kulturvergleichenden Ansatzes, siehe dazu ausführlicher bei dies., S. 11 f.

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I. Einführung

kulturellen Rezeptionsmodells nach Sven Strasen45 (III. 2.). Die Theorieelemente werden danach im Rahmen und nach Maßgaben einer verallgemeinerbaren Methodologie zur Völkerrechtsphilosophie nach Panos Terz46 überprüft und so in Beziehung zueinander gesetzt. In einem Annex werden weitergehend einige abgrenzende Merkmale der Fortschreibung in Bezug zur Rezeption dargestellt (III. 3.). In der Überleitung werden sodann in einem argumentativ-wertenden Abschnitt der Untersuchung die dem Homo-Sacer-Projekt nach Agamben zugrunde liegenden, wesentlichen Konzeptionen, in eigens festgelegter Aufeinanderfolge des nackten Lebens, der Rechtsfigur Homo Sacer, der Bann-Beziehung, der souveränen Macht/ Souveränität, des Ausnahmezustands, des Lagers und der Biopolitik, eingehender ihren Inhalten nach betrachtet und in ihren Zusammenhängen erklärt (IV. 1.). Eine Vielzahl dieser von Agamben regelmäßig verwendeten Konzepte bedürfen gleichzeitig weiterer Klarstellung und Ausarbeitung im Wege einer inhaltlich-kritischen Überprüfung ihrer Aussagekraft unter Maßgaben der Plausibilität und Kohärenz; dies erst recht, insofern diese Konzepte auch wissenschaftlichen Rezeptions- und Fortschreibungsprozessen innerhalb internationaler Rezipientengemeinschaften im Schrifttum unterworfen sind (IV. 2.). Hieran anknüpfend wird eine Einordnungsproblematik kurz angesprochen, die sich im Zusammenhang mit der hier vorgeschlagenen Struktur und Begriffsbildung der betrachteten Argumentationstopoi ergibt, wenn und soweit die in der Untersuchung vorgestellten Konzepte nach Agamben einer völkerrechtsphilosophischen Kritik unter sowohl kontinentaleuropäischen als auch angelsächsischen Blickwinkeln zugänglich zu machen sind (IV. 3.). In der Folge werden in einem empirischen Abschnitt der Untersuchung ausgehend von diesen Erläuterungen einige Rezeptionsvorgänge und -ergebnisse im deutschsprachigen wie auch englischsprachigen Raum exemplarisch analysiert. Ziel der statistischen Erhebung ist es herauszufinden, inwieweit bei der Bestandsaufnahme der völkerrechtlichen Forschungspraxis im einschlägigen Schrifttum anhand solcher Textquellen gegenwärtige Entwicklungen zu erkennen sind, die im Zusammenhang mit den völkerrechtsphilosophischen Überlegungen des voran 45 Strasen führt mit seinem Ansatz das Konzept kultureller Modelle in die (literaturwissenschaftliche) Rezeptionstheorie ein, da ältere Rezeptionstheorien – zumindest seiner Auffassung nach  – in Teilen nur bedingt aussagekräftig seien, insbes. wenn es um die Rekonstruktion diskursiver Praktiken einer Rezipientengemeinschaft geht, die etwa als Kontexte, Begleitumstände oder Sinnzusammenhänge von Bedeutung sind, siehe dazu bei ders., Rezeptionstheorien, S. 357. Strasens Arbeit zielt darauf ab, das derweil unübersichtlich gewordene Feld der Rezeptionstheorien in einem eigens zusammenfassenden Betrachtungs- und Erklärungsmodell zu rekonstruieren, welches zugleich den aktuellen Kenntnisstand zu (literarischen) Rezeptionsprozessen einheitlich und umfassend darzustellen vermag, vgl. bei ders., in: Proceedings (2008), S. 199 (201 ff.). 46 Nach den Maßgaben allgemein wissenschaftlicher und philosophischer Erkenntnisse wird unter Methodologie die Lehre von den wissenschaftlichen Forschungsverfahren verstanden. Methode meint nach Terz einerseits das Verfahren zur Untersuchung eines Gegenstands und andererseits bestimmte Grundsätze, die die wissenschaftliche Forschungsarbeit anleiten können, ders., in: ARSP 86 (2000), S. 168 (174 ff.) m. w. N.

3. Zielsetzung und Aufbau der Untersuchung

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gegangenen Abschnitts der Untersuchung stehen. Die angestellten Überlegungen können insofern nicht als abschließend verstanden werden, da die entsprechenden Rezeptionen zu Agambens Homo-Sacer-Projekt aufgrund ihrer Gegenwartsbezogenheit sowohl in den allgemein-philosophischen als auch völkerrechtsphilosophischen Diskursen ungemindert fortdauern, zumeist durch diese zwischen den Beteiligten hin und her gehenden Dispute in der Sache selbst noch fortgeschrieben werden. In diesem überwiegend empirischen Teil der Untersuchung soll daher der Frage nachgegangen werden, welche Konzepte nach Agamben im betrachteten Völkerrechtsschrifttum in der Vergangenheit durch eine Leser- und Rezipientenschaft unverkennbar übernommen worden sind. Die Verbindung zum vorangegangenen methodischen Teil der Untersuchung wird durch die Anwendung des hier vorgeschlagenen Kategoriensystems der Konzeptionen nach Agamben deutlich (V.  1.). Ausgehend von der entworfenen Kategorisierung der Argumenta­ tionstopoi und anhand der aus der Rezeptionsanalyse gewonnenen Erkenntnisse können einige Grundlagen im Umgang mit den Agamben’schen Entwürfen aus dem Homo-Sacer-Projekt und freilich diese auch begleitenden weiteren Begrifflichkeiten im Völkerrechtsschrifttum benannt werden, um völkerrechtsphilosophisch diskutierbare Aussagen hierüber zu treffen. Neben einer  – zumindest teilweisen – Rekonstruktion der Fortschreibung, mitunter einer Prognose über zukünftige Rezeptions- und Fortschreibungsprozesse, sind hierbei die Grenzen der Handhabbarkeit Agamben’scher Konzepte als originär philosophische Begriffe und Begriffssysteme in Texten mit Bezügen zum Völkerrecht wie auch einhergehende Erkenntnisprobleme bei ihrer Dokumentation und Analyse aufzuzeigen (V. 2.). Schlussendlich werden die analysierten Begriffe und Begriffssysteme nach­ Agamben – an dieser Stelle der Untersuchung vornehmlich als charakteristische, abstrahierbare Argumentationstopoi verstanden – außerhalb der hierüber geführten völkerrechtswissenschaftlichen Diskurse betrachtet und zusammenführend auf ihre weitere inhaltliche Verwertbarkeit sowie disziplinären Grenzen gleichsam als Schwellenbegriffe, dies nicht zuletzt auch in Anlehnung an Agambens Denkmodell der Schwelle, hinterfragt. Die Problematik dieser Schwellenbegriffe für die Fortentwicklung der Völkerrechtsordnung ist unter einigen, selbstverständlich nur idealisierten Maßgaben zur festgestellten Einfluss-, Nutzungs- und Wirkmächtigkeit aufzuzeigen. Es ist dabei darzutun, inwieweit die rezipierten und oftmals fortgeschriebenen Konzepte Agambens sich in der Folge als taugliche „Hilfsmittel“ im Sinne des Artikel  38 Absatz  1 Buchstabe  d)  IGH-Statut, mithin als beschreibende, erklärende oder prognostische Aussagen zu gegenwärtigen Sach- und Problemlagen des Völkerrechts darstellen lassen (V. 3.). Die sich hieraus ergebenden Implikationen, angesichts des mit dieser Untersuchung aufgezeigten Ansatzes und der teilweise sogar neuartigen, noch im Werden begriffenen völkerrechtswissenschaftlichen Forschungsfelder, sind zum Schluss dieser Abhandlung thesenhaft und ausblicksartig zusammengefasst (VI. 1.–3.). Materiell basiert die Untersuchung auf 98 (elektronischen) Textquellen, die vorwiegend der verlagsübergreifenden Internet-Datenbank namens „Legal Research

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I. Einführung

Database HeinOnline.org“47 entstammen; weiterhin beruht sie auf Einzelerscheinungen aus anderen Aufsatzdatenbanken und Fachbibliographien, auf die an entsprechender Stelle im Literaturverzeichnis der Abhandlung unter Klammereinschub (TQ – Fundstelle) hingewiesen wird. Der Zweck des gewählten Untersuchungsaufbaus ist die Bestrebung hin zu einer vereinheitlichten wissenschaftlichen Herangehensweise an einige der Rezeptions- und Fortschreibungsvorgänge im Völkerrechtsschrifttum der Gegenwart, die  – allerdings stets neben der Berücksichtigung methodischer Besonderheiten des Fallbeispiels der Homo-SacerPublikationen  – eine prinzipielle Grundstruktur von Übernahme- oder Zurückweisungsprozessen fremdgeistiger (Text-)Elemente offenlegen soll. Um die hierbei gegebene thematische Bandbreite entsprechend einzuordnen, ist der Aufbau zur Untersuchung fernerhin an die konzeptionellen Entscheidungen, die für A ­ gambens Homo-Sacer-Schriftenreihe als grundlegend zu erkennen sind, angelehnt. Schließlich verbleibt noch klarzustellen, dass die in dieser wissenschaftlichen Abhandlung von und hinsichtlich Agamben aber auch anderer (Völker-)Rechtsgelehrter zur­ Sache dargestellten Begrifflichkeiten ausdrücklich nicht in dem Bestreben eines etwaigen Sprachbildungsprozesses verwendet werden, also keinen neuen Fachwortschatz ergründen sollen. Vielmehr finden – wenn und soweit notwendig – die Terminologien der jeweiligen wissenschaftlichen Disziplin (selbstredend mit erklärenden Bezugnahmen) Verwendung, um das erwünschte transdisziplinäre Vorhaben zu erleichtern und die betreffenden Gegenstände im jeweils gegebenen Zusammenhang in der gebotenen Ausführlichkeit erläuternd vorzustellen.

47 Die (rechts-)wissenschaftliche Datenbank ist über das Internet nur beschränkt zugänglich und mit entsprechender Nutzungsberechtigung abrufbar unter: „home.heinonline.org“. HeinOnline.org ist nach eigenen Angaben die weltweit umfassendste Legal-Research-Datenbank mit mehr als 70 Millionen digitaler Seiten mit mannigfaltigen Rechtsinhalten, die mittels online vollständig durchsuchbarer bildbasierter Formate einsehbar sind. Die dortigen Suchverfahren und Suchalgorithmen dienten bereits einer (Vor-)Auswahl der noch zu sichtenden Referenzmaterialien und Textquellen; die dabei notwendige Eingrenzung und Beschränkung auf nur kontextbezogene Inhalte erfolgte einzig anhand des (Meta-)Suchbegriffs „Agamben“ und auch nur innerhalb bestimmter Zeitschriften, die ausschließlich das Völkerrecht bzw. das internationale Recht oder die internationalen Beziehungen zum Gegenstand haben. Danach wurden die relevanten bildbasierten Inhalte, und zwar in Form von PDF-Dateien, der verschiedenen Artikel des internationalen, hier vornehmlich angelsächsischen Völkerrechtsschrifttums zur eingehenderen Untersuchung abgerufen. Der Vorteil von HeinOnline. org liegt in der (nahezu lückenlos) einsehbaren Verfügbarkeit von (rechts-)wissenschaftlichen Titeln, sodass eine Vielzahl von relevanten Referenzmaterialien und Textquellen – betreffs der unterschiedlichen Rezeptionen wie auch Fortschreibungen mit Gegenständen aus dem Homo-Sacer-Projekt nach Giorgio Agamben  – dokumentiert und als Datensätze analysiert werden konnten.

II. Grundlagenforschung zum Völkerrecht Grundlagenforschung meint allgemein diejenige Forschungsarbeit, die mit der wissenschaftlichen Ausarbeitung, Überprüfung und Erörterung der Prinzipien einer Wissenschaft befasst ist.1 Sie hat „die Produktion von Wissen grundsätzlicher Art“ zum Inhalt, sprich die Bildung von „Grundlagenwissen [als] eine Art Rohstoff“, der eventuell „als Input in der angewandten Forschung“ dienen kann.2 Die Grundlagenforschung im Völkerrecht nimmt seit jeher eine privilegierte Stellung nicht nur durch sorgfältige Betrachtungen theoretischer Natur über die Völkerrechtsordnung ein3, sondern vielmehr auch anhand derjenigen angewandten Wissenschaften, die die Gestaltung der Völkerrechtsordnung selbst zum Gegenstand haben.4 Entsprechend stellt sich die Völkerrechtswissenschaft als notwendiger Teil einer immer mehr internationalisierten Rechtswissenschaft dar.5 Nichtsdestoweniger sollte hierbei gelten: Der Völkerrechtler ist kein Politologe, sondern ein Jurist.6 Als solcher erforscht er die Grundlagen, also jene als allgemein und allseitig bindend empfundenen Maßgaben des zwischenstaatlich geltenden Rechts; mag er dabei erst einmal von seinem reinen Erkenntnisinteresse motiviert sein, verfolgt er aber sodann weitergehende, in der Folge mehr gemeinschaftsbezogene Zwecke, insbesondere hinsichtlich einer nutzbringenden und praxisbezogenen Verwendung der Forschungsergebnisse, die etwa jeweiligen Prozessen der internationalen Norm- beziehungsweise Rechtsfortbildung zugeführt werden

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Vgl. für die Rechtswissenschaft bzw. Jurisprudenz grundlegend bei Ballweg, in: Schlieffen (Hrsg.), S. 3 ff. 2 Schätzle, S. 25. 3 Das Völkerrecht stellt eine objektive Rechtsordnung dar, vgl. statt vieler bei Bleckmann, Die Funktion der Lehre im Völkerrecht, S. 322; zu völkervertragsrechtlichen Festlegungen an Beispielen siehe bei Classen, S. 92 u. S. 97 f.; Dahm et al., Bd. I/3, S. 846 m. w. N. 4 Dies deshalb, da ein Element jeder Forschungstätigkeit die Wissenschaftlichkeit bzw. der Szientismus ist: Marauhn spricht sich für ein grundlagenorientiertes und zugleich anwendungsbezogenes Forschungsprogramm aus, sog. „Studies in Applied International Law“, siehe ausführlicher dazu bei ders., in: ZaöRV 67 (2007), S. 639 (655 f.); überblicksartig zum Entwicklungsstand der Völkerrechtswissenschaft in Deutschland siehe weiterhin bei Nolte, in: ZaöRV 67 (2007), S. 657 (658 f. u. 672 f.); weiterführend zur Wissenschaftstheorie der Völkerrechtswissenschaft vgl. bei Peters, in: ZaöRV 67 (2007), S. 721 (724 ff.) m. w. N.; so auch bereits bei Bleckmann, Die Funktion der Lehre im Völkerrecht, S. 80 ff. 5 So auch bei Peters, in: ZaöRV 67 (2007), S. 721 (721). 6 Dazu merkt Thürer zutreffend kritisch an: „Juristen lieben, als Instrumente ihrer Arbeitswelt, klare Begrifflichkeit und begegnen offen-konturlosen, abstrakten, nur schwer in Einzelelemente zu zerlegenden Sprachfiguren wie derjenigen der internationalen Gemeinschaft mit einer gewissen Skepsis“, ders., S. 97; siehe ferner auch bei Porsche-Ludwig, S. 258; Terz, in: ARSP 86 (2000), S. 168 (169).

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II. Grundlagenforschung zum Völkerrecht

können.7 Somit besteht eine wichtige Aufgabe juristischer Grundlagenforschung darin, das (Vor-)Verständnis über Inhalt und Funktion von Recht und Norm genauer zu erörtern.8 Dazu nimmt die Grundlagenforschung im Völkerrecht nicht nur den normativen Anspruch9 in den Blick, sondern darüber hinausgehend die Beziehungen zwischen Völkerrechtssatz und internationalem Lebenssachverhalt10, um mithilfe sowohl dogmatisch-inhaltlicher als auch methodisch-struktureller Rückgriffe auf die völkerrechtlichen Grundlagen- und Grundsatzfragen neuartige wissenschaftliche Antworten auf die globalen Herausforderungen, mit denen sich die Staatengemeinschaft in aktuellen Kontexten konfrontiert sieht, zu erarbeiten.11 Die so betrachtete Beziehung stellt nichts anderes als den mühsam errungenen Grundkonsens zwischen Wissenschaft und Praxis zum beiderseitigen Nutzen dar, auf dessen Boden seither die Normgenese im Völkerrecht über die Jahrhunderte schrittweise vollzogen werden konnte. Diese zumeist konstitutiven Ent­ wicklungsschritte lassen sich folgendermaßen skizzieren: Ausgehend12 vom sogenannten Westfälischen Staatensystem13 wird alsbald die Lehre vom gerechten Krieg zugunsten des Rechts zum Krieg, namentlich dem „ius ad bellum“, über 7 Hilgendorf trifft dazu nachstehende, mitunter programmatisch anmutende Aussage: „Ausgehend von der These, dass Neuerungen in der juristischen Grundlagenforschung in ­aller Regel unter der Flagge der Rechtstheorie auftreten, wäre – nach der Stagnation der Grund­ lagenforschung im Recht in den vergangenen 15 Jahren [vom Publikationszeitpunkt des Werkes im Jahr 2008 ausgehend, daher wohl seit der weltpolitischen Umbruchszeit ca. der Jahre 1990 bis 1993, Anmerk. d. d. Verf.] – vielleicht bald ein Aufschwung der Rechtstheorie zu erwarten, in dem neue Themen behandelt, neue Verbindungen zu anderen Disziplinen geknüpft [Hervorheb. d. d. Verf.] oder zumindest altbekannte Fragen in einer neuen Terminologie darstellt und aus neuen Perspektiven diskutiert werden“, so ausdrücklich bei ders., in: Brugger et al. (Hrsg.), S. 111 (123). 8 So wohl auch bei Laakso, S. 179. 9 Weil der (rechts-)wissenschaftlich zu betrachtende Gegenstand zumeist die völkerrechtliche Norm an sich ist, wird die Völkerrechtswissenschaft auch als eine „normative Wissenschaft“ beschrieben, vgl. dazu ausführlicher bei Kimminich, in: AVR 16 (1974), S. 129 (132). 10 Marauhn, in: ZaöRV 67 (2007), S. 639 (641). 11 Vgl. bei Kotzur, in: JöR 49 (2001), S. 329 (330 f.). 12 Die Idee eines umfassenden, die Beziehung zwischen autonomen (Einzel-)Herrschaftsverbänden regelnden Normensystems von allgemeiner Geltung war von der Antike bis zum Mittelalter unbekannt, vgl. dazu bei Herdegen, Völkerrecht, S. 16; ausführlicher zu den Vorformen in der Antike bis zum „klassischen“ Völkerrecht siehe bei Hobe/Kimminich, S. 28 ff. m. w. N.; Arnauld, Völkerrecht, S. 8. 13 Unter Bezug auf die Verträge von Münster und Osnabrück, benannt nach und zusammengefasst unter der Bezeichnung „Westfälischer Frieden“ des Jahres 1648, nutzt die Lehre von den internationalen Beziehungen den Begriff vom „Westfälischen (Staaten-)System“ bereits seit den späten 1960er Jahren, seit Ende des Ost-West-Konflikts wird der Begriff zur generellen Beschreibung des modernen internationalen (Staaten-)Systems benutzt, für einen Überblick zur Begriffspraxis siehe bei Schmidt, in: International Studies Quarterly 55 (2011), S.  601 (601 ff.); siehe weiterführend etwa bei Duchhardt, in: Historische Zeitschrift  269 (1999), S. 305 (305 ff.); kritisch dazu Strange, in: Review of International Studies 25 (1999), S. 345 (345 ff.).

II. Grundlagenforschung zum Völkerrecht

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wunden.14 Fortan werden die internationalen Lebenssachverhalte von kriegerischer oder friedlicher Natur mit jeweils unterschiedlichen Rechtsregeln begrifflich gleichwie gedanklich voneinander getrennt behandelt. Auf dem Wiener Kongress des Jahres 1815 wurde das bis dahin praktizierte Völkerrecht erstmals um die juristische Fiktion souveräner Gleichheit15 zwischen den Staaten erweitert, die die beherrschenden Ungleichheiten zwischen den einzelnen Völkerrechtssubjekten überbrücken sollte, mit der Folge, dass Globalabsprachen – angesichts des damals vielerorten aufgekommenen Kolonialbestrebens europäischer Großmächte – fortab möglich aber auch erforderlich wurden. Das Wesen des Völkerrechts war zu jener Zeit durch die Völkerrechtsgemeinschaft als ein unorganisierter Verband bedingt; die zwischenstaatliche Rechtssetzung erfolgte ebendarum durch unorganisierte Verfahren, besonders da eine Organisation der Arbeitsteilung wie auch Übertragung von Aufgaben oder Kompetenzen an spezielle Organe innerhalb dieser Gesamtheit von Personen, Gruppen und Völkern, für die gemeinschaftliche Rechte und Pflichten gelten sollten, (noch) fehlte.16 Mit der Aufnahme des Osmanischen Reiches in dieses unter Mühen errungene europäische Kräftegleichgewicht, oft auch das „Konzert der Mächte“ im Jahr 1856 genannt, wird in der nachkommenden Konsolidierungsphase eines allerdings überaus deutlich17, dass an die Stelle eines vormals einheitlichen, nämlich ausschließlich durch den christlichen Glauben geprägten Grundverständnisses, nunmehr eine Pluralität von kulturbedingten Verhaltensstilen, Konventionen und Werteordnungen getreten war18, die ein Ringen um den Grundkonsens zwischen gelehrten Leitideen und kontextgebundener Lebenswirklichkeit der globalen Akteure abermals befeuerte. In der Folge entstehen die ersten internationalen Organisationen19, welche die multilaterale Zusammenarbeit förderten und ganz im damals aufkommenden Zeitgeist einer „Neuen Sachlichkeit“ der Jahre 1919 und 1920 in der Gründung einer Organisation münden, die von vornherein auf Universalität wie auch Allseitigkeit angelegt war, bekannt als Völkerbund.20 Diese zwischenstaatliche Rechtsgemeinschaft ist zwar letzten Endes gescheitert, gilt aber als indirekter, zeitgeschicht 14

Siehe dazu bei Engelhardt, in: Steinweg (Hrsg.), S. 72 (72 ff.); ferner Kleemeier, S. 27 ff. Das Begriffspaar der „souveränen Gleichheit“ tritt zwar erstmals in der UN-Charta von 1945 auf, wobei zwei rechtliche Begriffe miteinander verbunden worden sind, nämlich die „Souveränität“ der Staaten und ihre (rechtliche) „Gleichheit“; die zugrunde liegende Rechtsfiktion, dass nämlich der jeweils andere ebenso „souverän und gleich“ sei wie man anerkannt zu sein von selbigem beansprucht, ist aber eine wesentlich ältere Rechtsidee. Zur historischen Entwicklung dieser Rechtsfiktion siehe bei Schmeer, S.  52 m. w. N.; Kokott, in: ZaöRV  64 (2004), S. 517 (518 ff.). 16 Vgl. dazu rechts- und sozialwissenschaftliche Analyse von Landecker aus dem Jahr 1936, ders., S. 138 f. 17 Vgl. dazu bei Reinkowski, in: Kramer/ders., S. 75 f. m. w. N. 18 Siehe dazu bei Grewe, in: ZaöRV  42 (1982), S.  449 (464); Bleckmann, Völkerrecht, S. 28 ff. 19 Vgl. dazu umfassende Einordnung bei Weiß, Kompetenzlehre internationaler Organisationen, S. 13 ff. 20 Siehe ausführlicher bei Herren, S. 54 ff.; Pfeil, S. 36. 15

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II. Grundlagenforschung zum Völkerrecht

licher ­Vorgänger und struktur­gebendes Vorbild, um im Jahr 1945 die seither bestehende Organisation der Vereinten Nationen zu begründen.21 Es konnten sich aufgrund der vorgenannten Entwicklungsschritte differenzierte Instrumente des Völkerrechts, genauer gesagt rechtsinstitutionelle Gestaltungselemente der friedensvölkerrechtlichen Ordnung  – wie etwa Vertrag, Gewohnheit, allgemeine Rechtsgrundsätze – ausbilden, die sogar bis hin zur elementaren Normstruktur und -klarheit des Artikel 38 IGH-Statut von den Beteiligten vervollkommnet worden sind.22 Sie sind die ausgeprägten Ebenbilder des in „Übereinstimmung gebrachte[n] Wille[ns]“23, jenes einheitsstiftenden Konsenses, der nicht nur von höchster Bedeutung für eine Friedensordnung zwischen den Staaten als sogenannte „Herren der Verträge“ zu sein scheint, sondern auch aller Normsetzung und -geltung kraft Rechtsdiskurses zwischen Völkerrechtswissenschaft und -praxis zugrunde liegt oder – zumindest in Teilen – hierzu vorausgesetzt wird24; beispielsweise im erprobten Rechtsgrundsatz „Pacta sunt servanda“25, aber auch in anderen Regeln (unter Umständen mit Ausnahmevorbehalten) zur Stabilisierung zwischenstaatlicher Rechtsbeziehungen und Prävention von Konflikten, wie Neutralität, Interventions- und Gewaltverbot, Selbstbestimmungsrechten oder Meistbegünstigung etc., die besonders im internationalen Verkehr mit mehr als zwei beteiligten Völkerrechtssubjekten durchaus ihre kulturinvariante Geltung

21

Siehe dazu bei Ruffert/Walter, S. 13–18 m. w. N. Die in dieser vornehmlich kulturellen Leistung liegende, durchaus bemerkenswerte Rechtsidee, eine Liste einzelner Rechtsquellen (sprich internationaler Übereinkünfte allgemeiner oder besonderer Natur; internationales Gewohnheitsrecht kraft allgemeiner, als Recht anerkannter Übung; allgemeine Rechtsgrundsätze der Kulturvölker in den Kodifikationen des Art. 38 Abs. 1 Buchst. a) bis c) IGH-Statut) und Rechtserkenntnisquellen (sprich richterlicher Entscheidungen und die Lehrmeinung der fähigsten Völkerrechtler der verschiedenen Nationen in der Kodifikation des Art. 38 Abs. 1 Buchst. d) IGH-Statut) aufzustellen, ist im Wesentlichen das Ergebnis des analytischen Positivismus des 19. Jhd., der grundsätzlich zum­ juristischen Formalismus tendierte, siehe dazu weiterführend bei Kratzsch, S. 10. 23 Tunkin, insbes. auf S. 51 ff. legt er seine bemerkenswerte Theorie der Übereinstimmung des Willens der Staaten (also der jeweiligen Völker) genauer dar. 24 Cremer, in: ZaöRV 67 (2007), S. 267 (284 ff.); vgl. zusammenfassend bei Kreuzbauer, S. 252 ff. 25 Die sich hierin widerspiegelnde allgemeine und grundsätzlich von den Völkerrechtssubjekten auch als verbindlich empfundene Übung, die besonders mittels des Rechtssatzes: „Pacta sunt servanda.“ (von Lateinisch, wörtlich: „Verträge sind einzuhalten.“) in bestimmender Weise (traditionell) festgelegt ist bzw. sich so verfestigt hat und schließlich als fester Maßstab im Völkerrecht geltend zum Ausdruck kommt, meint das Prinzip der Vertragstreue und wurde im Jahr 1969 ausdrücklich in Art. 26 WVK kodifiziert (ferner i. V. m. Art. 27 S. 1 WVK, kein Berufen auf innerstaatliches Recht, um Nichterfüllung herbeizuführen); der allgemeine Rechtsgrundsatz ist als solcher für die Völkerrechtsordnung von zentraler Bedeutung. Es existieren überaus detaillierte Studien zur historischen und rechtsphilosophischen Entwicklung des Rechtsgrundsatzes „Pacta sunt servanda“, sodass – stellvertretend für viele – nur auf nachfolgende Werke verwiesen sei, die hierzu weiterführend einen guten Überblick bieten: Weller, S. 22 m. w. N.; Doehring, S. 5 ff. m. w. N.; ferner dazu lesenswert Terz, in: Oeser et al. (Hrsg.), S. 105–125. 22

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beanspruchen können. Es handelt sich hierbei um essenzielle Grundsätze einer Gemeinschaftlichkeit, die sich bei genauer Überlegung als geordnete Strukturen von Aussagen über zumeist staatenverbindende Erfahrungswerte für einen wechselseitigen Umgang auffassen lassen oder noch zugespitzter formuliert: unverrückbare Bedingungen, die den (wahrscheinlich zeitlos) gültigen Ausdruck überstaatlicher Übung des Zusammenlebens von Menschen in der Welt wiedergeben. Dies bedeutet, dass ihnen entweder bereits eine Funktion von jedermann unmittelbar einleuchtenden, also plausiblen (Rechts-)Sätzen zukommt oder als solche unhinterfragte Postulate über widerspruchsfreie, also konsistente Zweck-Mittel-Zusammenhänge darstellen. Derart angenommene, auch bei mannigfaltigen Lebenssachverhalten je anerkannte, also universelle Richtsätze weisen sich als Grundfesten des rational entscheidenden und agierenden Menschen aus, die in der Folge seines durch übereinstimmende Sprache, Kultur sowie Geschichte verbundenen Gemeinwesens gleichermaßen für die Völkergemeinschaften festgeschrieben sind. Das historisch Wesentliche aber, was es vorliegend im Sinne der Grundlagenforschung im Völkerrecht an dieser Stelle zu bemerken gilt, ist, dass die zuvor beschriebenen Entwicklungen bis hin zu den komplexen Konstitutionalisierungsprozessen im gegenwärtigen Völkerrecht26 stets einiger axiomatischer Maßgaben27 bedurften. Als sich im zwischenstaatlichen (Rechts-)Verkehr historisch zuverlässig erweisende Erfahrungssätze ihrer Beteiligten erwachsen mit zweckmäßiger Ausdruckskraft zu grundlegenden Rechtssätzen, welche wiederum zu geltenden Grund- und Strukturprinzipien der bestehenden Völkerrechtsordnung oft durch das Zusammenwirken von Wissenschaft und Praxis verdichtet worden sind, insoweit sie nicht nur wesentliche Bestandteile des formalisierten Völkerrechts der Gegenwart bilden, sondern auch ohne weiteren Wahrheitsbeweis angenommen und zusammen mit anderen Regeln des Systems hinreichend klar und eindeutig hieraus abgeleitet werden. Die zunächst auf der Grundlage von Bedeutungszuschreibungen durch zwischenstaatliche Interaktionen im Einzelfall ausgeformten und sodann – insbesondere durch stetige Verschriftlichungen – in geltendes Recht der Völker gefassten Annahmen internationaler Akteure28 können – womöglich müssen es sogar – zu 26 Siehe dazu statt vieler bei Arnauld, Völkerrecht, S. 10 f. m. w. N.; die a. A. meint eher Fragmentierungsprozesse im modernen Völkerrecht zu erkennen, vgl. dazu statt vieler bei Thiele, in: AVR 46 (2008), S. 1 (2 ff.) m. w. N. 27 Der Begriff „Axiom“ meint das grundlegende Prinzip eines Systems, bspw. einer (wissenschaftlichen) Theorie, aus welchem sich im Zusammenspiel mit den Grundvoraussetzungen und Definitionen alle anderen Aussagen dieses Systems ableiten lassen, wobei es selbst nicht weiter abgeleitet oder Erweis für das Richtigsein erbracht werden kann, vgl. dazu bei Spohn, in: Speck (Hrsg.), S. 114; weiterhin bei Baggini/Fosl, S. 28 f.; siehe ferner für einen prägnanten Überblick zur Systemtheorie bei Brodocz, in: Hartmann/Offe (Hrsg.), S. 77 ff. 28 Der Begriff „Akteur“ meint hier zunächst in seinem engeren Sinne das Völkerrechtssubjekt an sich, später in seinem weiteren Sinne – hier insbes. im Rahmen der rezeptionstheoretischen Überlegungen – den Menschen, der etwa als Leser, Rezipient oder fortschreibender Autor etc. im Völkerrechtsschrifttum in Erscheinung tritt. Diese begriffliche Doppelbelegung

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II. Grundlagenforschung zum Völkerrecht

betrachtender Gegenstand der Völkerrechtsphilosophie sein, um etwa ihren entwicklungsgeschichtlichen Wandel besser zu verstehen. Denn eine ideologiefreie Philosophie für das Völkerrecht versucht vor allem tragende Prinzipien, wie Solidarität, Gemeinwohl und Rechtssicherheit29 aber auch Werte wie Gerechtigkeit, Freiheit, Gleichheit, Toleranz und Integrität30 objektiv zu ergründen, insofern die bestehende Völkerrechtsordnung ihrem Urgrund nach als „rechtsnormorientierte Widerspiegelung internationaler Seinszustände“31 oder auch Lebenssachverhalte zu begreifen ist und als wertgestütztes und wertverwirklichendes Normen­system32 zur Regelung der internationalen (Rechts-)Beziehungen beiträgt. Vor diesem Hintergrund erwachsen die methodisch-konzeptionellen Aspekte der Untersuchung, wobei der philosophische Zugriff im weiteren Sinne auf einer Auslegung der entsprechenden „Meta-Widerspiegelung[en]“33 im Völkerrechtsschrifttum beruht. Es sind folglich die hierbei überdauernden Ordnungsmuster von leitendem Forschungsinteresse, um über die System- und Strukturfragen des bereits gewordenen und noch werdenden Völkerrechts sowie zugrunde liegender Prinzipien und Gesetzmäßigkeiten, über die Widerspiegelungsproblematik bei der völker­rechtlichen Normenbildung oder über die staatenverbindende Rolle des Rechtsbewusstseins in multiperspektivischer Weise zu befinden, um darauf eigene Anschauungen über die Verbindlichkeit und Verantwortung bei der Völkerrechtserzeugung sowie Völkerrechtsdurchsetzung eingehend begründen zu können – kurz gesagt: um einige philosophische Aspekte des Interesses und des Willens der Staaten in und an den völkerrechtlichen Staatenbeziehungen sorgfältig zu ­reflektieren.34

lässt sich in der vorliegenden Untersuchung indes kaum vermeiden, da der Begriff sowohl in der Völkerrechtswissenschaft als auch in der Rezeptionstheorie häufig gebraucht wird. Es wird in der Abhandlung daher versucht, den jeweiligen Sinngehalt bei seiner Verwendung entsprechend deutlich hervorzuheben. Nunmehr: Das Völkerrecht ist als (quasi Aktions-)Raum handelnder Völkerrechtssubjekte bestimmt. Völkerrechtssubjekt ist, wer Völkerrechtsfähigkeit besitzt, d. h. wer Träger von völkerrechtlichen Rechten und Pflichten sein kann. Völkerrechtssubjekte sind bspw. anerkannte Staaten, internationale Organisationen (z. B. die Vereinten Nationen), der Heilige Stuhl (Vatikan), der Malteser Ritterorden, das Internationale Komitee des Roten Kreuzes, siehe dazu bei Bleckmann, Völkerrecht, S. 33; vgl. hierzu auch bei Fastenrath, in: ders. et al. (Hrsg.), S. 58 (68 f.); Kreuzbauer, S. 194; Weber (Bearb.), in: Creifelds, S. 1497 f. 29 Terz, in: ARSP 86 (2000), S. 168 (171 f.) m. w. N. 30 Besson/Tasioulas, S. 1. 31 Terz, in: Pap. Polít. Bogotá Colombia 11 (2006), S. 259 (261). 32 Simma, in: Bonin et al. (Hrsg.), S. 339 (340). 33 Terz, in: Pap. Polít. Bogotá Colombia 11 (2006), S. 259 (261). 34 So auch im Ergebnis bei Kreuzbauer, S. 247, der hierin eine wesentliche Zielsetzung zur Erreichung der bestmöglichen Völkerrechtsordnung sieht; weiterhin und in Abgrenzung dazu vgl. zur Lehre von den internationalen Beziehungen, hauptsächlich als sog. „political ­sciences“ gelesen und angewendet, bei Beitz, S. 35 ff.; siehe wiederum in Abgrenzung hierzu bei Terz, in: ARSP 86 (2000), S. 168 (174) m. w. N.; allgemeiner und weiterführend zum (meist) ambivalenten Verhältnis von (Völkerrechts-)Philosophie und Rechtsgeschichte siehe insgesamt bei Jaeschke, in: DZPh 56 (2008), S. 277–298.

1. Völkerrechtsphilosophie

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1. Völkerrechtsphilosophie Mit jedem der zuvor erwähnten Problemkreise beschäftigt sich besonders die Völkerrechtsphilosophie.35 Die Völkerrechtsphilosophie ist ein Teil  der Völkerrechtswissenschaft36 und als solche eine Wissenschaft „in statu nascendi“37; das heißt, sie ist noch im Entstehen, im Werden begriffen und stellt sich demzufolge als eine unfertige wissenschaftliche Disziplin dar. Im Prozess ihres Hervorkommens tritt beharrlich jene Frage nach dem Selbstverständnis dieser jungen Fachrichtung in Erscheinung, ob nämlich ihre Sicht auf die Dinge oder Entitäten traditionell einseitig juristisch oder, was vorliegend weitaus zweckdienlicher erscheint, transdisziplinär auszurichten sei. Für ihr Reifen, so stellt der Rechtswissenschaftler Markus Kotzur zutreffend fest, sind viele (Teil-)Beiträge wissenschaftlicher Disziplinen und unterschiedlicher nationaler Wissenschaftlergemeinschaften, kreative neue Ansätze, vor allem aber auch die Arbeit mit klassischen Theorieentwürfen notwendig.38 Diese Einsicht in die Notwendigkeit lässt sich bereits anhand des völkerrechtlichen Regelungs- und Ordnungsmechanismus begründen, der vornehmlich die überaus komplexen Gegenstände zwischen- und überstaatlicher Lebenssachverhalte betrifft39, worin eine streng juristische Betrachtungsweise nicht den tatsächlichen Erfordernissen der internationalen (Rechts-)Beziehungen entspräche, um mit hinreichenden Erklärungsansätzen, wie es ebenso der Rechtswissenschaftler Panos Terz aufwirft, die „Polydimensionalität der in Frage kommenden Materien einfangen und richtig verstehen“40 zu können. Eine solch anspruchsvolle Programmatik, wie sie auch in Anbetracht der umfangreichen Forschungsgegenstände zum Völkerrecht geboten erscheint, kann allerdings nur in größeren Zeiträumen, auf eine kontinuierliche und systematische Weise erfolgen. 35

Zu konkreten Inhalten wie auch Zielsetzungen der Völkerrechtsphilosophie, vgl. ausführlicher bei Terz, in: ARSP 86 (2000), S. 168 (174); Besson/Tasioulas, S. 2. 36 Aufgabe der Völkerrechtswissenschaft ist es, das Völkerrecht als internationale Rechtsordnung zu erkennen, zu beschreiben und zu erklären; hierzu integrale Bestandteile nach Terz, die dieser in seinen Versuchen einer Grundlegung in den Hauptzügen unter diesem Ober­ begriff je zusammenfasst, sind: die Völkerrechtstheorie, die Völkerrechtssoziologie, die Völkerrechtsdogmatik, die Völkerrechtsgeschichte bzw. die Geschichte der Völkerrechtswissenschaft, die Völkerrechtsmethodologie, siehe bei Terz, in: ARSP 86 (2000), S. 168 (170); ders., in: Pap. Polít. Bogotá Colombia 11 (2006), S. 259 (263 f.); ders., in: Pap. Polít. Bogotá Colom­ bia 11 (2006), S. 683 (687); ders., in: Pap. Polít. Bogotá Colombia 12 (2007), S. 173 (177). 37 Terz weist den (rechts-)philosophisch interessierten Völkerrechtler ausdrücklich darauf hin, dass über diese Wissenschaftsdisziplin (noch) kein Meinungskonsens vorliegt, mithin keine abschließenden Lehrmeinungen etc. vorherrschen, ders., in: ARSP 86 (2000), S. 168 (169 u. 171 f.) m. w. N.; so auch bei Kreuzbauer, S. 242, dort in Fn. 834. 38 Kotzur, in: JöR 49 (2001), S. 329 (331); sinngemäß auch bei Buckel et al., die diese grundlegenden Gedanken in Bezug auf die juristische Methodenlehre erörtern, wenn sie schreiben: „Heute findet man in früher theorieresistenten Bereichen, wie dem Völkerrecht und dem internationalen Wirtschaftsrecht, plötzlich eine hektische Produktion neuer Theoreme“, dies., in: Buckel et al. (Hrsg.), S. XII. 39 Vgl. weiterführend bei Hammacher, S. 533 ff.; Thürer, S. 138 ff. m. w. N. 40 Terz, in: Pap. Polít. Bogotá Colombia 11 (2006), S. 259 (261).

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II. Grundlagenforschung zum Völkerrecht

Gleichwohl sind für eine fortdauernd methodische Aufbereitung der Philosophie für das Völkerrecht vielerorts wegbereitende und bahnbrechende wissenschaftliche Arbeiten geleistet worden. Besonders namhafte und insofern bereits klassische Grundlagentexte wie „Der Begriff des Rechts“41 des britischen Rechtsphilosophen Herbert L. A. Hart oder „Eine Theorie der Gerechtigkeit“42 von John Rawls, einem US-amerikanischen Philosophen, haben die zeitgenössische Rechtsphilosophie im deutschen sowie angelsächsischen Sprachraum seit den 1960er Jahren nachhaltig geprägt und belebt.43 Das Ergebnis war eine aufkommende Fülle an Theorien44 über das Wesen und den Wert des Rechts; wobei sich viele dieser Erklärungsmodelle durch außerordentliche Detailfreude und bemerkenswerten Einfallsreichtum in der Sache auszeichnen, oft auch als eine Folge des anhaltenden dialektischen Austauschs zwischen ihren verschiedenen Befürwortern und Kritikern aus der Wissenschaft oder Praxis.45 In der weiteren Folge wurden konzeptionelle und normative Probleme des Rechts, die gemeinhin ein staatliches Gewaltmonopol einer Rechtsgemeinschaft voraussetzen, beispielsweise in den Rechtsgebieten des Strafrechts, des Rechts unerlaubter Handlungen aber auch des Vertragsrechts, aufgeworfen und philosophisch untersucht.46 Im Wesentlichen wird die Rechtsphilosophie dabei als ein Zweig der allgemeinen Philosophie verstanden 41 Der Originaltitel lautet: „The Concept of Law“ (1961), deutsche Übersetzung von Alexander von ­Baeyer im Suhrkamp Insel-Verlag (1973, überarbeitete Fassung 2011); das Werk gilt als bedeutendster Beitrag zur Rechtsphilosophie des 20. Jahrhunderts, worin Hart eine grundlegende Unterscheidung zwischen primären und sekundären Regeln trifft, die zwischen Verhaltensnormen und solchen abgrenzt, die die Verfahren zur Schaffung von Verhaltensnormen vorgeben und in der Folge als besonders wirkmächtig erachtet werden. 42 Der Originaltitel lautet: „A Theory of Justice“ (1971), deutsche Übersetzung von Hermann Vetter im Suhrkamp Insel-Verlag (1979); unter Rückgriff auf die klassischen Vertragstheorien bei John Locke, bei Jean-Jacques Rousseau, vor allem aber auch bei Immanuel Kant und mithilfe der Entscheidungs- und Spieltheorie entwickelt Rawls seine zwei Prinzipien der Gerechtigkeit (lautend: 1. Jedermann soll gleiches Recht auf das umfangreichste System gleicher Grundfreiheiten haben, das mit dem gleichen System für alle anderen verträglich ist; 2. soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten sind so zu gestalten, dass a) vernünftigerweise zu erwarten ist, dass sie zu jedermanns Vorteil dienen, und b) sie mit Positionen und Ämtern verbunden sind, die jedem offen stehen.), welche er als weiterführende Grundkonzepte sodann auf bestehende Institutionen moderner Gesellschaften anwendet. 43 Siehe dazu etwa bei Laborde, in: EJPT 1/2 (2002), S. 133 (133 ff.); Horton, in: EJPT 1 (2002), S. 147 (147 ff.); Payandeh, in: EJIL 21 (2010), S. 967 (967 ff.); siehe ferner insgesamt bei Baumgarten, der in dieser Sammlung von Vorträgen und Aufsätzen aus fünf Jahrzehnten die Entwicklung der Rechtsphilosophie u. a. im deutschsprachigen Raum eingehender beschreibt; weiterhin mit Bezugnahmen zum Völkerrecht bei Hofmann, S. 55 ff. 44 „Die Theorie ist eine Beschreibung der tatsächlichen Vorgänge des Wissenserwerbs und der Entwicklung der Wissenschaften: Es werden neue Erkenntnisse durch Sprünge gewonnen, die dann gerechtfertigt werden“, so bereits bei Weinberger, in: Krawietz/Alexy (Hrsg.), S. 159 (164). 45 Für einen Überblick zum Ertrag der juristischen Grundlagendebatten ab den 1960er Jahren vgl. nur bei Hilgendorf, in: Brugger et al. (Hrsg.), S. 111 (117 f.). 46 Siehe dazu bei Besson/Tasioulas, S. 1 f.; bei Hammacher, zum Strafrecht vgl. dort auf S. 231 ff. u. zum souveränen Staat vgl. dort auf S. 379 ff.

1. Völkerrechtsphilosophie

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(dann als „Philosophie des Rechts“47), der sich mit der Herkunft und dem Grund des Rechts, seinem Wesen, Inhalt sowie Zweck befasst48 und laut dem Rechtswissenschaftler Arthur Kaufmann bestrebt ist, die juristischen Grundsatzfragen wie auch -probleme auf vor allem philosophische Art und Weise zu reflektieren, zu diskutieren und, wenn möglich, zu lösen.49 Obgleich die Völkerrechtsphilosophie  – ihres Inhalts und ihrer Zielsetzung nach – nah bei der Rechtsphilosophie verortet ist, hatte sie nicht im gleichen Maße an den Entwicklungsschüben ihrer vornehmlich national geprägten Schwesterdisziplin, zum Beispiel in oft kennzeichnender Weise in Bereichen des materiellen und prozessualen Strafrechts, fruchtbringend Anteil nehmen können. Die konzeptionellen System- und Strukturfragen der Völkerrechtsphilosophie im Kontext völkerrechtlicher Sach- und Problemstellungen spielten, wenn überhaupt, nur vereinzelt und jedenfalls nicht im vergleichbaren Umfang eine Rolle im wissenschaftlichen oder praxisbezogenen Meinungsaustausch. Vielmehr war es der Fall, dass nach dem Jahr 1960 bis vor Kurzem die sich entwickelnde Rechtsphilosophie tendenziell eine zeitgemäße Philosophie des Völkerrechts nicht zum ureigenen Betrachtungsgegenstand hatte oder zugespitzter formuliert: diese schlichtweg vernachlässigte.50 Das tatsächliche Auseinanderlaufen beider Entwicklungslinien beruht auf verschiedenen Gründen. Schlagkräftig erscheint freilich der verbreitete Standpunkt, dass sich insbesondere rechtsphilosophische Fragen am besten und in erster Linie nur anhand sehr ausgeprägter Rechtssysteme, also am verfassten Staatswesen und seinen Einrichtungen, erörtern ließen, da gerade solche originär staatlichen Ordnungen am weitesten gesellschaftlich differenziert sowie rechtlich fortentwickelt und infolgedessen in ihren Funktionsweisen erschöpfend untersucht und 47

Für einen Überblick siehe bei Friedrich, S. 1 ff. Weidenkaff (Bearb.), in: Creifelds, S. 1072. 49 Kaufmann zeichnet eine sehr deutliche Abgrenzung zu anderen Disziplinen, vor allem zur Rechtsdogmatik, siehe bei ders., in: Hassemer et al. (Hrsg.), S. 1 ff. u. S. 26–147 m. w. N. 50 Selbstverständlich setzten sich Theoretiker wie auch Praktiker seitdem ausgiebig und vielerorts mit den namhaften Verfassern völkerrechtlicher Meilensteine, die an dieser Stelle nur beispielshalber genannten Rechtsgelehrten und Philosophen von Hugo Grotius mit „Mare Liberum“ (1609) und „De Iure belli ac pacis libri tres“ (1625), Samuel von Pufendorf mit „Über die Pflicht des Menschen und des Bürgers nach dem Gesetz der Natur“ (1673), Emer de Vattel mit „Das Völkerrecht oder Grundsätze des Naturrechts, angewandt auf das Verhalten und die Angelegenheiten der Staaten und Staatsoberhäupter“ (1758), Immanuel Kant mit „Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf“ (1795/1796), Hans Kelsen mit „Reine Rechtslehre“ (1934) über Carl Schmitt mit „Der Nomos der Erde im Völkerrecht des Jus­ Publicum Europaeum“ (1950) bis hin zu Jürgen Habermas mit „Politische Theorie“ (2009), in kritischer Art und Weise auseinander. Eine detaillierte Auflistung der zahlreichen und diesbezgl. (Einzel-)Untersuchungen würde allerdings den Rahmen dieses Abschnitts unangemessen erweitern, sodass hier nur eine charakteristische Auswahl getroffen und sich auf die indexartige Nennung von Verfassern und ihren Werken beschränkt wurde, um einen kurzen Überblick philosophischer und wirkmächtiger Grundlagen- und Klassikertexte mit rein bzw. teilweise völkerrechtlichen Kontexten zu ermöglichen. 48

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II. Grundlagenforschung zum Völkerrecht

verstehbar sind.51 Erst wenn sozusagen die Mikrowelt des Staats an sich verstanden wurde, so das Argument, könne beziehungsweise solle ein Forscher sich auch der Makrowelt miteinander interagierender Gemeinschaften von Staaten, mithin der internationalen Staatengemeinschaft widmen. Denn viele Prinzipien des zwischen- oder überstaatlichen Rechts entsprechen schlicht nicht den regelmäßig hochgradigen Anforderungen von (Rechts-)Klarheit und Bestimmtheit der Norm im Lichte einer idealiter widerspruchsfreien Rechtsordnung, an welche sich der Jurist aus dem innerstaatlichen Recht hinlänglich gewöhnt hat.52 Natürlich darf eine solche Sicht der Dinge nicht von vornherein verallgemeinert werden; vor allem sollte sie nicht zu der Annahme verleiten, dass eine ureigene Betrachtung mittels völkerrechtsphilosophischer Methoden von Anfang an keine anderen Ergebnisse hervorbringen könnte, als solche von rein rechtsphilosophischer Natur. Da die Völkerrechtsphilosophie zuvörderst die „internationalen Seinszustände“53 zu beschreiben und zu ergründen versucht, werden die hierin liegenden Entwicklungsgänge zwischen- sowie überstaatlicher Konstellationen weniger von einem zeitgeschichtlichen Befund her gedacht, als vielmehr in ihrer tatsächlichen Gewordenheit, also im Gegensatz zu dem noch nicht Gewordenen, sondern erst Möglichen und daher als eine umfassende Bestandsaufnahme der Umstände menschlichen Wirkens und Handelns auf globaler Ebene begriffen. Allerdings gibt es auch weitaus weniger offensichtliche Gründe. Dazu gehören unter anderem die relative Bedeutsamkeit oder der Stellenwert eines Staats in Staatengemeinschaft, da es zumeist von der Rolle, welche der Staat in den internationalen Beziehungen einnimmt, aber auch von der gewöhnlich zugesprochenen Bedeutung des Völkerrechts als Wissenschaft in diesem Staat selbst wesentlich davon abhängt, ob es zu einem Zerfall der nationalen Wissenschaftlergemeinschaft in so viele Teile wie es mögliche Standpunkte über eine Sach- und Problemlage gibt oder – im anderen Extrem – zu übermäßigen Autoritarismus und Konformismus kommt.54 Ebenso erscheint die immer noch bestehende und weit verbreitete Skepsis beachtlich, ob das Völkerrecht überhaupt eine eigene Rechtsqualität besitzt.55 Hierbei kommt häufig der Verdacht auf, dass es sich wegen der schwerfälligen wie auch in mancher Hinsicht unerfindlichen Methoden völkerrechtlicher Normenbildung56, ganz zu schweigen von ihren – oft ohnmächtigen – Mechanis 51 Schweisfurth stellt hierzu zutreffend fest: „Das Völkerrecht hat heute eine Entwicklungsstufe erreicht, die ein in sich geschlossenes, freilich immer noch ausbaufähiges und ausbaubedürftiges geordnetes Ganzes erkennen lässt“, ders., S.  XII.; grundsätzlich zum Verhältnis zwischen Rechtsphilosophie und Völkerrecht siehe bei Merkel, in: ZIS 10 (2011), S. 771 (774 f.). 52 Thürer, S. 141 f.; so auch bei Fastenrath, in: ders. et al. (Hrsg.), S. 58 (66). 53 Terz, in: Pap. Polít. Bogotá Colombia 11 (2006), S. 259 (261). 54 Vgl. dazu bei Nolte, in: ZaöRV 67 (2007), S. 657 (659 f.). 55 Siehe bspw. bei Dahm et al., Bd. I/1, S. 34 m. w. N.; Kreuzbauer, S. 228 f.; Schweisfurth, S. XII. 56 Vgl. etwa bei Kleinlein, S. 620 u. S. 701; ferner dazu bereits bei Terz, in: Soz. Recht u. jur. Überbau (1982), S. 281 ff.; Tunkin, in: Fischer et al. (Hrsg.), S. 67 ff.

1. Völkerrechtsphilosophie

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men zur Normengeltung wie auch Normendurchsetzung57, bei originären Gegenständen des Völkerrechts grundsätzlich um Recht minderer Legitimität handle.58 Hinzu kommt ein weiterer wahrscheinlicher Grund, der sich im folgenden Argument widerspiegelt, nämlich dass sich politisches Verantwortungsbewusstsein im Staatenhandeln in der Tat nicht über eigene Staatsgrenzen erstrecke, und selbst wenn, dies nur in minimalistischer Weise geschehe, sodass sich sowieso kein – wie auch immer geartetes – künftig weltumspannendes Utopia59 unter beziehungsweise aus den derzeit völkerrechtlich gegebenen Bedingungen konstruieren ließe und folglich auch keiner eigens philosophischen Begründung bedürfte. Mit anderen Worten: Selbst nennenswerte utopische Ideen oder Entwürfe über gesellschaftliche Idealzustände in einem „wunderbaren Land […], das nirgends ist“60, liegen schlussendlich so fern internationaler Lebenswirklichkeiten, dass sie zu philosophischen Reflexionen hierüber nur bedingt taugen. Der Völkerrechtsphilosophie fehle es demgemäß an realisierbaren Zielsetzungen, als dass sich eine zeitintensive Beschäftigung mit ihren Gegenständen überhaupt rechtfertigen ließe. Ein letztes und vermeintliches Scheinargument61 fragt nach dem tatsächlichen Nutzen, nach jenem Mehrwert einer insbesondere das Völkerrecht theoretisch unterfütternden Philosophie, welche im Grunde nur „vorgibt, in der Realität geerdet zu sein und eine praktische Bedeutung zu haben“62, obgleich mittels unreflektierter Argumentation in der Sache gewiss anderes behauptet werden kann. Schließlich fehle es der Völkerrechtsphilosophie auch an einem objektiv überprüfbaren Erkenntnisertrag, da ihre zumeist konsekutiven Aussagen wie auch Begriffsbestimmungen – erst recht aufgrund ihrer mangelnden Entsprechungen in der Rechtswirklichkeit internationaler Beziehungen in Mehrebenensystemen – letzten Endes beliebig sein können. Indes greifen die vorgenannten Anschauungen und Sinndeutungen – wohl allesamt – zu kurz, wenn hiermit Bedeutung, Einfluss oder Wert einer das Völkerrecht ergründenden Philosophie allein anhand ihrer praktischen Folgen zu rechtfertigen wären. In erster Linie ist die erwähntermaßen noch im Werden begriffene Völkerrechtsphilosophie eine transdisziplinäre Grundlagenwissenschaft; und eine solche Grundlagenforschung zwischen wissenschaftlichen Disziplinen kann generell nur dann verwertbare Erfolge zeitigen, wenn es ihr in einem gewissen Rahmen erlaubt ist, sich ohne Denkverbote vorurteilsfrei und unvoreingenommen zu entfalten so-

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Schweisfurth, S. 215 ff. Pfeffer, S. 118; vgl. ferner bei Zippelius, S. 25. 59 In Anlehnung an Koskenniemi, S. 1 ff.; zur Kritik am „utopischen“ Gemeinschaftsdenken im Völkerrecht siehe etwa bei Payandeh, S. 53 ff.; zur Ideengeschichte des „utopischen“ Weltstaats vgl. bei Schmitz, S. 194 ff. 60 Saage, S. 164. 61 Ein derartiges Argument ist seinem Inhalt oder seiner Aussagekraft nach bereits nahezu leer, demnach soll es sich um ein in erster Linie nicht stichhaltiges Argument handeln, das bloße Behauptungen oder nur Voreingenommenes wiedergibt. 62 Besson/Tasioulas, S. 3. 58

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II. Grundlagenforschung zum Völkerrecht

wie vom Gebot unmittelbarer praktischer Anwendungen eines erwarteten oder­ erwünschten Erkenntnisgewinns abzusehen.63 Denn konkrete, unter Umständen anderweitige Anwendungsmöglichkeiten sind im Grunde erst dann zu erahnen, wenn zuvor ein möglichst umfangreiches Grundlagenwissen in der betreffenden Disziplin erdacht und als förderlicher Input für die angewandte Forschung er­arbei­ tet wurde. Ein solches wird in aller Regel durch eine unabhängige Grundlagenforschung zu erringen sein, die nicht etwa durch fremdbestimmte Anwendungsvorgaben von vornherein gemaßregelt ist. Kurzum sollte hierzu stets entsprechend gelten: Die Gedanken sind frei64, wie es in der gleichnamigen deutschsprachigen Volksweise einst um das Jahr 1780 so treffenden Anklang fand. In der Tat ist die Völkerrechtsphilosophie keineswegs inhaltlich arm an Anwendungsgegenständen, da die „in der Realität geerdet[e]“65 Völkerrechtsordnung de facto ein wertgestütztes und vor allem wertverwirklichendes Normensystem66 abbildet, dessen zugrunde liegenden (Rechts-)Normen auf konsensualen Werten und Wertvorstellungen beruhen67, die daselbst aufgrund des übereinstimmenden Willens der Völker verankert sind.68 Dabei muss „die Analyse des Wechselspiels […] zwischen Werten und Normen“, wie der Sozialphilosoph Hans Joas richtig anmerkt, „der Beobachtung Rechnung tragen, dass unterschiedliche Wertsysteme unterschiedliche Nähe zu den Normen haben, die sich aus den universellen Koope-

63 Freilich ist hiermit allein ein Idealtypus beschrieben; zur tatsächlichen Lage juristischer Grundlagenforschung in Deutschland siehe ausführlicher bereits bei Hilgendorf, in: Brugger et al. (Hrsg.), S. 111 (119 f.). 64 Lesenswert im Kontext zum „politischen Meinen“ bei Gast, Rechtsverständnis, S. 286 ff. 65 Besson/Tasioulas, S. 3. 66 Zur Vermeidung zirkulärer Argumentationsweisen soll nachstehendes Axiom gelten: Alle Normen des Völkerrechts sind Rechtsnormen. Dies deshalb, da das internationale Normensystem als „Völkerrecht“ schließlich die geforderten Kriterien eines Rechtssystems (wohl nach innerstaatlichem Leitbild) aufweist, wie auch Kreuzbauer überzeugend anhand folgender Merkmale darlegt: a) es enthält einen hoch sanktionierten Kernbereich (der die im betreffenden sozialen System relevanten Regelungen der grundlegendsten Lebensbereiche betrifft) sowie b) es wird von einer hoch institutionalisierten sozialen Instanz gehandhabt, vgl. bei ders., S. 230; weiterhin zu Strukturmerkmalen bei Bleckmann, Völkerrecht, S. 5 ff.; ­Bleckmann sieht diesbezgl. auch einen Unterschied zwischen im vorliegenden Sinne vollwertigem Völkerrecht und völkerrechtlichem „soft law“ in Form der zulässigen Sanktionierung, so kann bspw. eine Verletzung des „soft law“ nicht etwa mit einer Repressalie geahndet und nicht durch interna­ tionale Gerichtsbarkeit festgestellt werden, siehe dazu bei ders., Grundprobleme und Methoden des Völkerrechts, S. 339 f. 67 Da Normensysteme offen und von dynamischem Charakter sind, besteht durchaus die Möglichkeit, dass als allgemein wie auch allseitig bindend verstandene Werte (etwa i. S. v. Moralnormen) beim Vorliegen des entsprechenden Konsenses zwischen den betreffenden Staaten bzw. innerhalb der Staatengemeinschaft in Völkerrechtsnormen, also in geltendes Recht der Völker umgewandelt werden, so auch bei Terz, in: ARSP 86 (2000), S. 168 (176); siehe weiterführend bei Buchanan, S.  299 ff.; Verdross, in: AVR  4 (1953), S.  129 (130 ff.); Mosler, in: ZaöRV 36 (1976), S. 6 (41 ff.). 68 Siehe zu Aspekten der Willensbildung in einer globalisierten Welt etwa bei Boyle/­Chinkin, S. 19 ff.; Tunkin, S. 51.

1. Völkerrechtsphilosophie

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rationsstrukturen ergeben.“69 Demzufolge erscheint es legitim, wenn nicht gar unerlässlich, diesbezüglich völkerrechtsphilosophisch geprägte Lebenssachverhalte genauer „in den Blick zu nehmen“70; das heißt insbesondere, nach den Voraussetzungen und Gründen von Zusammenhängen in der Völkerrechtswissenschaft vielerorts und vielfach gebrauchter Begrifflichkeiten wie System, Norm, Wert und Wille etc. zu fragen. Der Anteil der Völkerrechtsphilosophie an der Grundlagen­ forschung im Völkerrecht ist dadurch bestimmt, diese zumeist unbestimmten Grund- und teilweise auch Rechtsbegriffe ausdrücklich zu behandeln, diese wirklich zu einem Gegenstand der Überlegungen zu erheben wie auch  – freilich in einem disziplinär abgesteckten Rahmen – Rechenschaft über ihre begriffliche Abbildbarkeit im jeweiligen Sinnzusammenhang abzulegen. Andernfalls täte sich bei ihrer unbesehenen Verwendung eine Lücke in der Völkerrechtswissenschaft, womöglich darüber an anderen entscheidenden Stellen, zum Beispiel in (gelegentlich auch konfliktträchtigen) zwischenstaatlichen Rechts- oder Vertragsangelegenheiten, auf. Dieser Zustand des Leerseins bestünde allerdings an einem besonders prekären Schnittpunkt in den (völker-)rechtlichen Erklärungs- und Entscheidungsmodellen, nämlich bei den allgemeinsten Begriffen, ohne die sich die Akteure des internationalen Parketts praktisch nicht verständigen könnten71 – selbstredend einer bereits nur im Einzelfall kaum hinnehmbaren Situation. Die Völkerrechtsphilosophie stellt dafür verschiedene Techniken des Infragestellens dessen, was normalerweise als gegeben vorausgesetzt erscheint, zur Verfügung. Dabei muss das unablässige Infragestellen eines oft sicher geglaubten Rückhalts, das wohl einer jeden philosophischen Denkdisziplin zu eigen ist, als eine bewährte Methode fortentwickelt werden, die schrittweise von umfassenden Interessen- und Ideenstrukturen zu immer spezielleren Nuancen bei der Wirklichkeitsbeschreibung übergeht, um in der Folge völkerrechtsphilosophische Erkenntnisse vor allem in einem den wissenschaftlichen Ansprüchen genügenden Verfahren erlangen zu können.72 Im Zuge einer spezifisch völkerrechtsphilosophischen Methode sollte demgemäß versucht werden, zu denjenigen Grundannahmen der Akteure vorzudringen, die etwa ihrem völkerrechtlichen Handeln, aber auch­ 69

Joas, S. 252 (273). Zur Rechtfertigung der wissenschaftlichen Erkenntnissätze als Ziel jeder (völkerrechts-) philosophischen Grundlagenforschung bestimmt, wobei die hier gewählte Ausdrucksweise, „in den Blick nehmen“, bereits jene Eigenart der Forschungsmethode beschreibt, ihre Grundoder Anfangserkenntnisse gerade durch eine phänomenologische Betrachtung „direkt“ zu gewinnen, siehe weiterführend dazu bei Gleixner, S. 187 ff. 71 Siehe dazu ausführlicher bei Pulkowski, in: Fastenrath et  al. (Hrsg.), S.  138 (139 f. u. 143 ff.). 72 Für die Völkerrechtsphilosophie benennt und erläutert Terz u. a. mehrere (allgemein-) wissenschaftliche Kriterien von Forschungsmethoden bzgl. Mitteln, Wegen und Verfahren mit dem Bestreben, völkerrechtsphilosophische Erkenntnisse systematisch erzielen zu können: Objektivität, Analyse und Synthese, Induktion, Komplexität, Systemhaftigkeit, Globalität, Universalhistorismus, Differenziertheit, vgl. bei ders., in: ARSP 86 (2000), S. 168 (174 ff.) m. w. N. 70

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II. Grundlagenforschung zum Völkerrecht

ihren Ansichten über die Weltordnung zugrunde liegen. Sind solche fundamentalen Annahmen aufgefunden, so sind diese auf ihre Gültigkeit hin zu untersuchen; beispielsweise indem geprüft wird, ob sie mit anderen solchen Grundannahmen vereinbar sind, ob sie tatsächlich das erklären, was sie erklären sollen oder ob es andere allgemeinere Grundannahmen gibt, welche den betreffenden Zusammenhang besser erklären würden.73 Es gilt auf diese Weise die tragfähigen juridischpolitischen Rahmenbedingungen der Staatenkooperation zu erforschen, welche dergestalt nicht nur in der Präambel74 der UN-Charta vom 26. Juni 1945, sondern nachkommend auch in der UN-Prinzipiendeklaration75 vom 24. Oktober 1970 ihren herausgestellten Ausdruck finden.76 Die Völkerrechtsphilosophie versucht solche Gesetzmäßigkeiten vielschichtiger Prozesse innerhalb der prinzipiengeleiteten und wertbestimmten Völkerrechtsordnung zu erkennen und zu beschreiben, um so – gegebenenfalls nicht weiter ableitbare, mit anderen Worten fundamentale – Prinzipien und Werte der internationalen (Rechts-)Beziehungen im Diskurs von Wissenschaft und Praxis hervorzuheben, in gewissem Sinne diese nur scheinbar unerschütterlichen Grundpfeiler des Völkerrechts genauer zu untersuchen. Nach alledem erscheint nachstehende Erkenntnis von zentraler Bedeutung, dass vorerst ungeachtet aller Besonderheiten und Unterschiede völkerrechtlicher Sachlagen und Problemkreise in ihren spezifischen Details als „internationale Seinszustände“77 oder staatenverbindende Lebenssachverhalte im Großen und Ganzen „vor dem Forum der internationalen Öffentlichkeit prinzipienorientiert argumentiert“78 werden muss; es demgemäß eine „Idee und Möglichkeit der prinzipien 73 Siehe statt vieler dazu grundlegend bei Baggini/Fosl, S. 19 f.; Neumann, in: Brugger et al. (Hrsg.), S. 233 (239 ff.). 74 Zwar gehört die Präambel nicht zum Regelungsinhalt eines völkerrechtlichen Vertrags und somit die darin niedergelegten wertbestimmten Ziele auch nicht zum (vertraglichen) Recht im engeren Sinne, jedoch sind in ihr die ausdrücklich formell formulierten und auf ihr Wesentliches reduzierten Regelungsgehalte des Vertragstextes zum Ausdruck gebracht, sodass sie u. U. zur Auslegung des Vertragstextes, mitunter zur Bestimmung von Sinn und Zweck, heranzuziehen sind, vgl. Art. 31 Abs. 2 WVK. 75 Eigentlich lautend auf: Erklärung über Grundsätze des Völkerrechts betreffend freundschaftlicher Beziehungen und Zusammenarbeit zwischen den Staaten im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen, A/RES/2625 (XXV) der 1883. Plenarsitzung der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 24.10.1970. 76 Vgl. dazu bei Kleinlein, S. 205; Vitzthum, in: ders. (Hrsg.), S. 30. 77 Terz, in: Pap. Polít. Bogotá Colombia 11 (2006), S. 259 (261). 78 Thürer, S. 142; der im Völkerrecht so unverzichtbare Konsens der Staaten ist durch wechselseitig abgestimmte und (global-)kommunizierte Diskurse von Wissenschaft und Praxis herzustellen, worin die (überstaatlichen, sodann völkerrechtlichen) Prinzipien die kleinsten gemeinsamen Nenner per se darstellen dürften. So auch bei Buchanan, S. 21 ff.; Bleckmann, Die Funktion der Lehre im Völkerrecht, S. 123 f.; weiterhin Thürer, der überdies schlüssig darlegt, dass eine wahrhaftige „Legitimität internationaler Regeln, Regime und der internationalen Ordnung in ihrer Gesamtheit nur aus Prozessen einer offenen und fairen Willens­ bildung“ heraus erwachsen kann, siehe bei ders., ebd.; vgl. ferner bei Addis, in: Arsanjani et al. (Hrsg.), S. 31–50; zum Begriffskomplex der „internationalen Öffentlichkeit“ vgl. insbes. bei Kotzur, Theorieelemente des Internationalen Menschenrechtsschutzes, S. 180 ff.

2. Artikel 38 Absatz 1 Buchstabe d) IGH-Statut

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geleiteten Normauslegung“79 für das Völkerrecht gibt, welche sowohl aus hermeneutischen als auch vernunftrechtlichen Gesichtspunkten für den Bestand der Völkerrechtsordnung überaus entscheidend ist, um der nur allzu oft anwachsenden Einseitigkeit im Diskurs von Wissenschaft und Praxis ein Stück weit entgegenzuarbeiten.80 Eine Grundlage dafür kann nach dem zuvor Gesagten die Völkerrechtsphilosophie anbieten und, was in Anbetracht ihres derzeitigen Entwicklungsstands vielleicht noch ausschlaggebender ist, auch leisten.

2. Artikel 38 Absatz 1 Buchstabe d) IGH-Statut Für diese zugegebenermaßen ambitionierte Zielsetzung der Völkerrechtsphilosophie, eben die Grundlage prinzipienorientierten, allzumal anhand von Ideen- und Sprachgebilden vorrechtlicher Natur vermittelten, kurzum juridischen Argumentierens81 gestalten zu wollen, erweist sich besonders der Artikel 38 Absatz  1 Buchstabe  d)  IGH-Statut von Belang. Dies deshalb, da die Rechtsnorm des Artikel  38 IGH-Statut82 im Allgemeinen und die ebendort unter Absatz  1 Buchstabe  d)  verankerten Rechtserkenntnisquellen im Besonderen schließlich diejenigen „Prinzipien materiell- oder verfahrensrechtlicher Natur, die Allge­ meingültigkeit für alle Rechtssysteme beanspruchen und von allen Kulturvölkern 79

Jung, Rechtserkenntnis und Rechtsfortbildung im Völkergewohnheitsrecht, S. 112. Insoweit anschaulich bei Aarnio et al., in: Krawietz/Alexy (Hrsg.), S. 9 (9 f.). 81 Die gewählte Begriffspaarverwendung, „juridisches Argumentieren“, meint die Herleitung des Rechts aus u. a. vorrechtlichen Entitäten wie Moral, Ethik, Sitte etc. aufgrund deren Anerkennung und Befolgung durch den (Einzel-)Menschen in einer Gemeinschaft; es bezieht sich primär auf die Rechtsgenese bzw. sodann auf besondere Erscheinungsformen (noch) nicht gefestigter oder (erneut) infrage gestellter Rechtsanwendungen, vgl. weiterführend etwa bei Mertens, S.  33; siehe zu Detailfragen ausführlicher bei Mahlmann, insbes. S. 233, § 20, Rn. 6 f. u. S. 267 f., § 24, Rn. 17 ff.; hierbei ist der Begriff „juridisch“ vom Begriff „juristisch“ zu unterscheiden, letzterer bezieht sich vornehmlich auf die Anwendung vorzugsweise vorhandenen Rechts; danach dient die juristische Argumentation in erster Linie einer sprachlichen Rechtfertigung von rechtlichen Entscheidungen in Ansehung kontroverser Rechtsfälle oder allein vor dem Hintergrund bestimmter Rechtsbegriffe wie auch Rechtssätze einer bestehenden Rechtsordnung, vgl. dazu bei Clemens, S. 13; Neumann, in: Brugger et  al. (Hrsg.), S.  233 (233); siehe dazu weiterhin bei Weitzel, in: Cordes (Hrsg.), S.  11 (13 ff.). 82 An dieser Stelle sei noch einmal der (nicht authentische) deutsche Wortlaut der Norm wiedergegeben: „Der Gerichtshof, dessen Aufgabe es ist, die ihm unterbreiteten Streitigkeiten nach dem Völkerrecht zu entscheiden, wendet an (a)  internationale Übereinkünfte allgemeiner oder besonderer Natur, in denen von den streitenden Staaten ausdrücklich anerkannte Regeln festgelegt sind; (b)  das internationale Gewohnheitsrecht als Ausdruck einer allgemeinen, als Recht anerkannten Übung; (c) die von den Kulturvölkern anerkannten all­ gemeinen Rechtsgrundsätze; (d)  vorbehaltlich des Artikels 59 richterliche Entscheidungen und die Lehrmeinung der fähigsten Völkerrechtler der verschiedenen Nationen als Hilfsmittel zur Feststellung von Rechtsnormen“, und der Vollständigkeit halber auch Absatz 2 der Norm: „Diese Bestimmung lässt die Befugnis des Gerichtshofs unberührt, mit Zustimmung der Parteien ex aequo et bono zu entscheiden.“ 80

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II. Grundlagenforschung zum Völkerrecht

anerkannt sind“83, auf ambivalente Art und Weise kodifizieren84, wenngleich vereinzelt in Zweifel gestellt ist, „ob der Katalog des Art. 38 IGH-Statut noch als vollständige Rechtsquellentypologie angesehen werden kann.“85 Nichtsdestoweniger bleibt nach Maßgabe des Artikel 38 Absatz 1 Buchstabe d) IGH-Statut vor allem das Erkennen allgemeingültiger Prinzipien (und in dieser Hinsicht ihnen vorgelagerter Werte und Wertvorstellungen) ein wesentliches Aufgabenfeld von internationaler Rechtsprechung86 und Völkerrechtslehre87, wobei vornehmlich letztere sich in der Folge als eine voranbringende Kraft darstellen dürfte88, um der „Weiterentwicklung des Völkerrechts [eine] unentbehrliche Hilfestellung“89 zu geben. Denn die Lehre, insbesondere als eine methodologische Unterweisung verstanden, gibt an, „wie vorgegangen werden muß, um in effektiver Weise Erkenntnisse gewinnen und Wissenschaften aufbauen zu können.“90 Nur der „Lehrmeinung der fähigsten Völkerrechtler der verschiedenen Nationen“ – allerdings über die bloße Hilfestellungseigenschaft hinausgehend91 – ist eine gleichsam außerhalb des Systems stehende, ebendaher die Ganzheit desselben „in den Blick nehmende“92, dementsprechend beobachtende Funktion des Sammelns, Sichtens und Systematisierens93 von „Einzelrechtssätzen oder sogar unverbundener Praxis und Rechtsprechung“94 inhärent. Diese Beweis- und Dokumentationsfunktionen für das System des Völkerrechts erscheinen im Grunde unerlässlich, da gerade der Forschung und Lehre im Völkerrecht die Angelegenheit der Nutzbarmachung und Erhaltung 83 Kratzsch, S. 10 m. w. N.; vgl. ferner dazu bei Hobe/Kimminich, S. 178 ff.; Schweisfurth, S. 56. 84 Pellet beschreibt die vielfach diskutierte Ambivalenz in Deutung und Handhabung des Art. 38 IGH-Statut wie folgt: „It can be seen as a superfluous and useless clause, at best a clumsy and outmoded attempt to define international law, at worst  a corset paralyzing the world’s highest judicial body. It can also be analyzed as a most successful and concise description of, both, the Court’s mission and the law it must apply and as providing helpful guidance for avoiding non liquet as well as fantasy and arbitrariness in the interpretation and implementation of the rules of law.“; ders., in: Zimmermann et al. (Hrsg.), S. 679 f., Rn. 1. 85 Steinhauer, Die Auslegung, Kontrolle und Durchsetzung mitgliedstaatlicher Pflichten im Recht des Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Gemeinschaft, S. 44, dort in Fn. 81 m. w. N. 86 Siehe dazu etwa bei Weiß, Kompetenzlehre internationaler Organisationen, S. 225; ­Pellet, in: Zimmermann et al. (Hrsg.), S. 772, Rn. 262 ff. u. S. 784, Rn. 302 ff. 87 Vgl. dazu etwa bei Bleckmann, Die Funktion der Lehre im Völkerrecht, S. 22 f. 88 Zu Darstellungen kritischer Argumente und Bedenken gegen diese Funktion der Lehre im Völkerrecht siehe bei Bleckmann, Die Funktion der Lehre im Völkerrecht, S. 163 ff. 89 Kotzur, in: JöR 49 (2001), S. 329 (341). 90 Weinberger, in: Krawietz/Alexy (Hrsg.), S. 159 (164). 91 Eine Hilfestellung aus der Völkerrechtslehre kann aber nur entsprechend wirken, wenn sie auch Autorität besitzt, wobei insbes. Vitzthum zu Recht darauf hinweist, dass eine solche nur bei Konsens unter den anerkanntesten Völkerrechtlern besteht, siehe weiterführend bei Vitzthum, in: ders. (Hrsg.), S. 66, dort Fn. 371. 92 In Anlehnung an Gleixner, S. 187 ff. 93 Vgl. zur Sammlungs-, Sichtungs- und Systematisierungsfunktion der Völkerrechtslehre bei Bleckmann, Die Funktion der Lehre im Völkerrecht, S. 59; weiterhin bei Faulenbach, S. 51 ff. 94 Faulenbach, S. 53.

2. Artikel 38 Absatz 1 Buchstabe d) IGH-Statut

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schriftlicher oder auf andere Weise dauerhaft niedergelegter Informationen aus dem Völkerrecht zur weiteren Verwendung durch die Wissenschaft und P ­ raxis obliegen dürfte. Dabei begrenzt Artikel 38 Absatz 1 Buchstabe d) IGH-Statut vorbeschriebenen Beobachterstatus notwendigerweise auf das sachnähste Schrifttum der Völkerrechtslehre, da – wohl auch aus Gründen juristischer Handhabbarkeit – nicht noch peripher angrenzende (Fach-)Sammlungen beispielsweise aus politikwissenschaftlicher oder gesellschafts- und staatsphilosophischer Literatur zur Rechtserkenntnisquelle gemacht werden können.95 Der insoweit mit seinem historischen Vorgänger in Artikel 38 Absatz 4 StIGHStatut96 wortgleiche Artikel 38 Absatz 1 Buchstabe d) IGH-Statut ist Bestandteil der völkerrechtlichen Rechtsquellenlehre.97 Anhand der Entstehungsgeschichte dieser Regelung lässt sich bereits ihr systemhaft-ganzheitlicher Inhalt, anlässlich insbesondere der Begriff der „Lehrmeinung“ in den Wortlaut der Rechtsnorm aufgenommen wurde, herleiten. Denn noch bis in das 19. Jahrhundert wurde die Doktrin, mit anderen Worten die Ansichten und Aussagen in der internationalen Wissenschaft, Forschung und Lehre, als autoritative Feststellung des geltenden Rechts betrachtet und zur Begründung völkerrechtlicher Positionen bemüht, da gerade das einschlägige Schrifttum namhafter (Völker-)Rechtsgelehrter und Philosophen98 als maßgebliche Chroniken des Rechts der Völker galten. Es waren hierbei vor allem, so folgert der Rechtswissenschaftler Björn Florian Faulenbach, die einflussreichen Rechtsgelehrten, mithin die Rechtsdokumentaristen ihrer Zeitgeschichte, welche die „Grundlagen des Völkerrechts erdacht und seine Entwicklung in der Vergangenheit maßgeblich beeinflusst haben“99, da die entworfenen Theorien oder weiterreichenden Vorstellungen und Ideenansätze über die Regelung internationaler (Rechts-)Beziehungen zu jener Zeit nicht durch systematische Kodifikationen abgelöst wurden.100 Hingegen bleibt für das moderne, in weiten Teilen bereits kodifizierte Völkerrecht festzuhalten, dass allein eine Doktrin mit Gegenständen des Völkerrechts unmittelbar kein Völkerrecht setzt; in der Folge nicht selbst Rechtsquellenqualität besitzt.101 Dessen ungeachtet können und müssen die bestimmenden Rechtssätze für die zwischenstaatlichen Beziehungen „in ­erster 95

So auch bei Kotzur, in: JöR 49 (2001), S. 329 (342). Siehe dazu bei Heller, Gesammelte Schriften, S. 161, dort in Fn. 406 u. S. 164 mit weiteren historischen Erläuterungen. 97 Heute überwiegende Auffassung, vgl. dazu etwa bei Arnauld, Völkerrecht, S. 70; siehe ausführlicher zum Streitstand bei Kratzsch, S. 12 ff.; Faulenbach, S. 38 m. w. N.; Kotzur, in: JöR 49 (2001), S. 329 (341); noch zu erwähnen, aber wohl von nur theoretischer Bedeutung ist im Kontext der historische Vor-Vorgänger in Art. 7 des XII. Haager Abkommens über den Prisenhof von 18.10.1907, da hierin eine erste hierarchische Rechtsquellensystematik niedergelegt war, vgl. bei Kratzsch, S. 11; Pellet, in: Zimmermann et al. (Hrsg.), S. 682, Rn. 11. 98 Für Beispiele siehe unter II. 1. in Fn. 50. 99 Faulenbach, S. 26. 100 Faulenbach, S. 53. 101 Dies begründet sich damit, dass die internationale Lehre qualitativ nicht von verpflichtender Natur ist und geltendes Recht (u. a. Vorstufen, sog. „soft law“) lediglich wiedergibt, so bei Faulenbach, S. 50. 96

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II. Grundlagenforschung zum Völkerrecht

Linie aufgrund objektiver, wissenschaftlicher Kriterien und Methoden entwickelt werden“102. Ausschließlich formal betrachtet mag dabei die Doktrin zunächst zwar nur als ein (völkerrechts-)wissenschaftliches Hilfsmittel zum Erkennen, Benennen wie auch Interpretieren grundlegender Prinzipien und Werte des Völkerrechts durch die Richterinnen und Richter am Internationalen Gerichtshof in Den Haag verstanden werden103, aber besonders ihr Ursprung in der internationalen Wissenschaft, also in Forschung und Lehre, bildet den kulturellen Wirkungskreis sowie geistesgeschichtlichen Kontext jener juristischen Auslegungsarbeit und liefert dementsprechend als Prä- oder Subtext mögliche „Argumentationstopoi, die so mittelbar via Rezeption wiederum Rechtsquellenqualität erlangen können“104. Entscheidend bleibt laut Markus Kotzur, dass gerade durch die konsensuale Aufnahme in Artikel 38 Absatz 1 Buchstabe d) IGH-Statut die „Lehrmeinung“ als Zusammenfassung originärer (Rechts-)Auffassungen der angesehensten Völkerrechtsgelehrten „nicht auf eine bloße Erkenntnis- oder Interpretationsfunktion reduziert werden, sondern eigene, vollgültige ‚Rechtsautorität‘ erlangen und ‚Hilfsrechtssätze‘, nicht nur wissenschaftliche Erkenntnisse vermitteln“.105 Diese Überlegungen sind folgerichtig und durch einen Anwendungsfall der Doktrin mittels anknüpfender Gedankengänge zu belegen: Wenn beispielsweise authentische Aufzeichnungen in den Verhandlungs-, Beschluss- oder Schlussprotokollen zu einer völkerrechtlichen Norm keine Aussage treffen, ist es letztlich an der internationalen Wissenschaft, Forschung und Lehre, das Bestehen oder Fehlen einer bestimmten Beziehung zwischen Völkerrechtssatz und internationalem Lebenssachverhalt nachzuweisen.106 Denn werden erst einmal zwischen Völkerrechtssubjekten neuartige, so bisher vom bestehenden Normensystem völkerrechtlicher Übereinkommen nicht geregelte, weil unter Umständen vorab nicht bedachte Lebenssachverhalte streitig, so muss eine Entscheidung innerhalb der Staatengemeinschaft durch Gestaltung noch nicht evidenter Rechtsbeziehungen und Norminhalte, nicht zuletzt aber durch oft neuartige Konkretisierungen der bereits eingeführten völkerrechtlichen Prinzipien, durch Ableitung neuartiger Regeln aus ihnen oder aus allgemein anerkannten Rechtsgrundsätzen gefunden werden, da es im Hinblick auch auf das ungeschriebene Völkerrecht ein non liquet, also eine Situation ungeklärter oder womöglich im Konfliktfall unauflösbarer „internationaler Seinszustände“107 nicht geben kann.108 102

Bleckmann, Die Funktion der Lehre im Völkerrecht, S. 322. Pellet, in: Zimmermann et al. (Hrsg.), S. 780, Rn. 290. 104 Kotzur, in: JöR 49 (2001), S. 329 (342); ders., in: Weiß (Hrsg.), Hugo Grotius: Mare Liberum, S. 5 (11); kritisch dazu Pellet, in: Zimmermann et al. (Hrsg.), S. 792, Rn. 323. 105 Kotzur, in: JöR 49 (2001), S. 329 (341); ders., in: Weiß (Hrsg.), Hugo Grotius: Mare Liberum, S. 5 (10 f.). 106 Vitzthum, in: ders. (Hrsg.), S. 66 m. w. N.; ferner auch Arnauld, Völkerrecht, S. 112 f. 107 Terz, in: Pap. Polít. Bogotá Colombia 11 (2006), S. 259 (261). 108 Bleckmann meint dazu sehr zutreffend: „Man kann der Lehre, Rechtsprechung und den Methoden der Rechtswissenschaft aber auch dann eine Stellung in der Rechtsquellenlehre des Völkerrechts einräumen, wenn man bedenkt, dass es sich hier nur um Ableitungen aus den all 103

2. Artikel 38 Absatz 1 Buchstabe d) IGH-Statut

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„Erkennt man die subsidiäre Lückenfüllungsfunktion der Lehre an“, so schlussfolgert der Rechtswissenschaftler Albert Bleckmann, „wird ein Überdenken der gesamten Rechtsquellendogmatik erforderlich.“109 Wenn der Internationale Gerichtshof – wie zuvor dargelegt – bei seinen Entscheidungen auch die „Lehrmeinung“ nach Maßgaben des Artikel 38 Absatz 1 Buchstabe d) IGH-Statut berücksichtigen darf und dieses unter bestimmten Umständen so auch geschehen kann, dann dürfen die Völkerrechtswissenschaftler sich nicht auf den bloßen Nachvollzug von Staatenpraxis beschränken, dann dürfen sie allein bereits aus diesem Grund keine Apologeten sein, sprich nicht mit Nachdruck und Überzeugung hinter meist tradierten Lehren verharren.110 Denn nur auf diese Weise kann gewahrt werden, dass insbesondere Artikel 38 Absatz 1 Buchstabe d) IGH-Statut als wertbestimmte Rechtsnorm eine integrierende Funktion pluralistischer und multikultureller Strukturelemente einer notwendig internationalen Gemeinschaft beziehungsweise Öffentlichkeit zu kommt111; konkretisiert in Klarheit stiftender Funktion112 zur unerlässlichen Schnittstelle zwischen der Theoriegeschichte des gemeinen Völkerrechtsquellen oder um Präzisierung der Aussagen der Praxis handelt“, ders., Die Funktion der Lehre im Völkerrecht, S. 311. Dies deshalb, um ein kooperatives und friedliches Miteinander der Völker zu (be-)wahren bzw. erst zu ermöglichen, wenngleich unter dem bestehenden Regime der Vereinten Nationen elementare Kernbereiche des Völkerrechts, wie Friedenssicherung, Menschenrechtsschutz, Umweltschutz, Regelungen des Völkervertrags-, Diplomaten- und Konsularrechts etc., bereits kodifiziert sind und so die Bedeutung der „Lehrmeinung“ immer weiter in den praxisrelevanten Hintergrund verdrängt, vgl. bei Kotzur, in: JöR 49 (2001), S. 329 (341); vgl. weiterhin dazu bei Arnauld, der in diesem Kontext zum sog. „Lückenproblem“ insbes. unter prozessrechtlichen Gesichtspunkten schreibt: „Je mehr man in der Völkerrechtsordnung eine verfasste Werteordnung erblickt, desto eher wird man dem Gericht […] zubilligen[,] [im Wege der Analogie oder der Billigkeit … eine Lücke im Recht … zu schließen], ders., Völkerrecht, S. 117, dort in Rn. 293; so ferner auch bei Bleckmann, Die Funktion der Lehre im Völkerrecht, S. 53; Pellet, in: Zimmermann et al. (Hrsg.), S. 679 f., Rn. 1 u. S. 791, Rn. 322; Strebel, in: ZaöRV 36 (1976), S. 302 (317 f.); etwa bereits im Gutachten vom 18.07.1950 zum sog. „Friedensverträge-Fall“ stellt ebenso der IGH zur Kompetenz bei völkerrechtlichen oder politischen Lücken in internationalen Beziehungen der (Vertrags-)­Parteien fest: „It is the duty of the Court to interpret the Treaties, not to revise them“, IGH Report (1950) über die „Interpretation of Peace Treaties with Bulgaria, Hungary and Romania (Second Phase)“, S.  221 (229), vgl. unter Link: http://www.icj-cij.org/docket/ files/8/1875.pdf [Permalink, Zugriff vom 23.04.2016]. 109 Bleckmann, Die Funktion der Lehre im Völkerrecht, S. 309. 110 Marauhn, in: ZaöRV 67 (2007), S. 639 (641). 111 Ausdrücklich fragt Thürer: „Wie kann man das sich international und transnational in voller Entwicklung befindliche ‚Konglomerat‘ von Werten und Aufgaben, Steuerungsmechanismen und Konsensbildungsprozessen anders erfassen als mit der Rechtsfigur der internationalen Gemeinschaft?“, vgl. bei ders., S. 97; Kotzur spricht dabei von der „internationalen Öffentlichkeit“, vgl. bei ders., Theorieelemente des Internationalen Menschenrechtsschutzes, S.  180 ff.; auch Habermas spricht von „funktionsfähiger Weltöffentlichkeit“, vgl. bei ders., in: Brugger et al. (Hrsg.), S. 360 (374); weiterhin zur (oft medial geprägten) Internationalisierung von Öffentlichkeit i. S. e. „transkulturellen Öffentlichkeit“, vgl. bei Volkmer, in: Hepp/­ Löffelholz (Hrsg.), S. 819 (819 ff.); siehe bereits zur „verfassungsstaatlichen Öffentlichkeit“ bei ­Häberle, Gibt es eine europäische Öffentlichkeit, S. 8 ff. 112 Vgl. bei Arnauld, Rechtssicherheit, S. 238, dort in Fn. 455.

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II. Grundlagenforschung zum Völkerrecht

Völkerrechts hin zu aktuellen Theoriediskussionen innerhalb sogenannter „epistemic communities“113, nicht zuletzt Wissens- und Kommunikationsgemeinschaften aus internationaler Rechtsprechung und Völkerrechtslehre. Letztendlich erweist sich Artikel  38 Absatz  1 Buchstabe  d)  IGH-Statut in der Logik des modernen, selbsterhaltenden Völkerrechtssystems als quasi systemimmanenter Türöffner für ideenreiche wie auch konsensfähige Theorieentwürfe über das Recht der Völker, und zwar wider selbstreferenzieller Geschlossenheit und zwecks Fortentwicklung einer offenen Völkerrechtsordnung.114

3. Grundlagen- und Klassikertext im Völkerrechtsschrifttum Die Theoriegeschichte des „in Schriftform geschlossenen“115 Völkerrechts lässt sich nicht nur anhand ihrer ursprünglichsten und authentischsten Rechtsquellen, den Verträgen116, heutzutage noch nachvollziehen, sondern im besonderen Maße auch anhand historischer Phänomene von Einfluss-, Nutzungs- und Wirkmächtigkeit nebengeordneter Schriftquellen117, also ausweislich ihrer Grundlagen- und 113 Siehe weiterführend zum (sozial-)wissenschaftlichen Konzept sog. „Wissensgemeinschaften“ in internationalen Beziehungen bei Haas, der zutreffend feststellt: „Epistemic communities are a principal channel by which consensual knowledge about causal understandings is applied to international policy coordination, and by which states may learn through processes of international cooperation“, ders., S. 5. 114 Nur eine „offene“, im Popper’schen Sinne verstandene (Völkerrechts-)Gemeinschaft hat die Kraft, sich anhand von Verbesserungsversuchen und Irrtumskorrekturen (in gewissem Sinne evolutionär) fortentwickeln zu können, da es stets eines von außerhalb des jeweiligen Systems stammenden Korrektivs, etwa durch ebenso „offene“ Verfassungsstaaten als gestaltende (Vertrags-)Parteien, bedürfe. Demgegenüber stünde die selbstreferenzielle Geschlossenheit, die ein Endstadium (u. a. als Niedergang, Kulturverfall) eines Systems anzeigt. So dem Grunde nach auch bei Häberle, Verfassung als öffentlicher Prozess, S. 121 ff. u. S. 155 ff.; siehe ebenso bei Kotzur, in: JöR 49 (2001), S. 329 (343); ders., in: Weiß (Hrsg.), Hugo Grotius: Mare Liberum, S. 5 (11 f.); vgl. ferner auch bei Fassbender, Der offene Bundesstaat, S. 11 ff. m. w. N.; Thürer, S. 105 ff. 115 Siehe weiterführend dazu etwa bei Dahm et al., Bd. I/3, S. 514 m. w. N. 116 Ein völkerrechtlicher Vertrag ist eine rechtsverbindliche Vereinbarung (eine „in Schriftform geschlossene […] Übereinkunft“, vgl. in Art. 2 Abs. 1 Buchst. a) WVK) gegenseitiger (Selbst-)Verpflichtungen zwischen zwei oder mehreren Völkerrechtssubjekten auf der Ebene des Völkerrechts, vgl. in Art. 1 WVK; es sind weitere Bezeichnungen hierfür gebräuchlich: Abkommen, Deklaration, Konvention, Pakt, Übereinkommen, Vereinbarung etc.; Begriffsund Wesensgehalt des völkerrechtlichen Vertrags sind im Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge (WÜRV), auch Wiener Vertragsrechtkonvention (WVK, WVRK) aus dem Jahr 1969 kodifiziert; vgl. bei Weber (Bearb.), in: Creifelds, S. 1497; Geck sieht den völkerrechtlichen Vertrag als höchst flexible „Mikro-Rechtsordnung“ an, da hierbei die Möglichkeit besteht, „jederzeit mit jedem beliebigen Staat für jedes beliebige Sachgebiet und für jede beliebige Dauer vertraglich eine besondere Rechtsgemeinschaft zu bilden“, ders., in: ZaöRV 36 (1976), S. 96 (97); allgemein vgl. bei Arnauld, Völkerrecht, S. 71 f. 117 Kratzsch, S. 23 ff.

3. Grundlagen- und Klassikertext im Völkerrechtsschrifttum 

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Klassikertexte.118 Der hierin bereits mitschwingende Begriff sogenannter „Quellen“ ist der Geschichtswissenschaft entlehnt und meint zunächst jedes schriftlich überlieferte Material, welches als Grundlage zur Erstellung historischer Untersuchungen dienen kann.119 Die in dieser wissenschaftlichen Disziplin praktizierte Methode der Quellenarbeit120 stellt sich ebenso in der Völkerrechtswissenschaft hauptsächlich als eine Arbeit an Texten dar. Dabei gilt es die Texte als ganzheitliche Überlieferungen von Informationen beziehungsweise in Form von Daten121 zu begreifen, die sich aus ihren einzelnen Elementen in bestimmter wie auch bestimmbarer Weise zusammensetzen und wie folgt zu beschreiben sind: „Vor dem Text und im Text stecken unter anderem Schriftlichkeit, Schriftzeichen, Wörter, Struktur, Sinn, Ausdruck, Meinung, Wissen, Wahrheit, Fakten, Fiktion, Gedanken, Wille, Kommunikation, Selbstbezüge und Fremdbezüge, Anschlüsse, Fortführungen und Abschlüsse.“122 In der völkerrechtswissenschaftlichen Forschung und Lehre  – wie ebenfalls in anderen textbasierten Wissenschaftsdisziplinen123 – geht es daher regelmäßig und an zentraler Stelle um die Auslegungen dieser schriftlich überlieferten Menge oder Sammlung an Informationen oder (auch qualitativen) Daten, kurz: (Text-)Materialien124. Dementsprechend ist die Quellenarbeit als eine Methode im Rahmen der Völkerrechtsphilosophie die bewusste und reflektierende Auseinandersetzung mit (Vor-)Texten, also jenen in Schriftform gefassten (Vor-)Produkten und benutzt ebensolche (Vor-)Produkte in gewissem Sinne von Produktionsmaterialien als „eine Art Rohstoff“125 für das eigene textkonstruktive Schaffen.126 Als

118 Nur für den Klassikertext stellt Kotzur fest, dass sie „in völkerrechtliche Vertragstexte [einfließen] oder […] deren Kontext [prägen]“, ders., in: JöR 49 (2001), S. 329 (339); vgl. ferner bei ders., in: Weiß (Hrsg.), Hugo Grotius: Mare Liberum, S. 5 (8). 119 Der Begriff der „Quellen“ lässt sich zwar einigermaßen wie folgt bündig klassifizieren, aber kaum erschöpfend beschreiben (sog. Quellenarten): Texte sind dabei die klassischen (da schriftlich niedergelegten) Betrachtungsgegenstände des Historikers; daneben gibt es u. a. körperliche Gegenstände (Werke, Sachgüter etc.), Tatsachen (Zustände der sog. „Oral History“, d. h. Institutionen und Gebräuche, Sprachen und Namen, Aussagen und Berichte von Zeitzeugen etc.), vgl. dazu ausführlicher bei Rohlfes, S. 79 f. 120 So stellt etwa Rohlfes plausibel fest: „Alle Argumente zugunsten der Quellenarbeit kulminieren in der Feststellung, dass sie der beste, wenn nicht einzige Weg ist, um die Herkunft, die Zuverlässigkeit, die Reichweite unseres Wissens von der Vergangenheit zu ermessen. Aussagen über die Geschichte, mit denen alle möglichen Leute für alle möglichen Zwecke aufwarten, lassen sich in ihrem Wahrheitsgehalt nur mit Hilfe relevanter Quellenbefunde be­ urteilen“, ders., S.  280; siehe ferner zu den Stufen der Quellenarbeit bei ders., S.  85 ff.; zu sonstigen Forschungsansätzen, die sich bspw. nicht auf verschriftlichte Quellen stützen, siehe bei Morlok, in: Blankenagel et al. (Hrsg.), S. 93 (95) m. w. N. 121 Daten umfassen alle codierten und codierbaren Informationen unabhängig vom Verarbei­ tungsgrad. 122 Richter, S. 2. 123 Siehe dazu bei Luft et al., in: Meier et al. (Hrsg.), S. 101 (102 f. u. 106 f.). 124 Zu einem (text-)wissenschaftlichen Begriffskonzept „Material“ siehe ausführlicher bei Meier et al., in: ders. et al. (Hrsg.), S. 19 (19 ff.). 125 In Entlehnung bei Schätzle, S. 25. 126 Morlok, in: Blankenagel et al. (Hrsg.), S. 93 (98 u. 102).

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II. Grundlagenforschung zum Völkerrecht

vornehmlich reflexiv arbeitende völkerrechtswissenschaftliche Teildisziplin liegen gerade hier die Steuerungsebenen für die Völkerrechtspraxis127 begründet, die letztlich ein fundiertes Anwendbarsein der völkerrechtlichen Norm bezwecken und insoweit eine Hilfestellung für die Herstellung von trag- und konsensfähigen Entscheidungen etwa in internationalen Mehrebenensystemen geben können.128 Ein im Zusammenhang stehender, ebenso häufig als grundlegend verwendeter und darum kritisch zu hinterfragender Begriff, nämlich der „Text“, soll vorliegend nicht im strengeren und durchaus umstrittenen literaturwissenschaftlichen Sinne definiert129 sein, sondern – dem Zweck dieser Untersuchung vollkommen genügend – „als eine mehr als einen Satz umfassende sprachliche Einheit [verstanden werden], die außerdem gekennzeichnet ist durch einen Zusammenhang im Hinblick auf Thema und Inhalt und regelmäßig auch durch eine formale Kohärenz.“130 Darstellungen in Form von Text, im Sinne der qualitativen Materialien, unterscheiden sich dabei erheblich von bloßen Zahlen, also ausschließlich quantitativen Materialien. Dies deshalb, da besonders die Marker von Kohärenz und Konsistenz einem Text seine Bedeutungsstruktur verleihen, die notwendig ist, um eine hinreichende Text-Leser-Wirklichkeit herzustellen.131 Die Textstruktur mit ihren spezifischen Bauformen, basierend unter anderem auf konzeptionellen wie auch narrativen Anordnungen, gibt das vom Verfasser angestrebte Organisationsprinzip formaler und inhaltlicher Merkmale wieder, um so dessen Ansichten und Aussagen in eine (text-)kommunikative Beziehung zur Leserschaft einzukleiden.132 Im vorbeschriebenen Sinne eines textbasierten, dadurch vor allem qualitativen Kommunikationszusammenhangs wurde zudem das Konzept der sogenannten Intertextualität, vornehmlich den Bezug eines Textes auf andere Texte meinend, entwickelt.133 127 Da die Völkerrechtsphilosophie als Teildisziplin der Völkerrechtswissenschaft und auch nach teleologischer Maßgabe des Art. 38 Abs. 1 Buchst. d) IGH-Statut in wortlautgemäßer Variante der „Lehrmeinung“ – anders als bspw. der alltägliche Rechtsbetrieb der völkerrechtlichen Rechtsprechung – nicht unmittelbar mit lebenspraktischen Aufgaben oder Tätigkeitsbereichen verknüpft ist, kommt gerade ihr eine kontemplative Stellung zu, die den überwiegenden Teil  der Ressourcen auf Theorien- und Begriffsbildung sowie der Möglichkeit des (Sich-)Rückbeziehens auf Urgründe im Völkerrecht verwenden kann. Generell zur Theorienbildung im Völkerrecht siehe bei Bleckmann, Grundprobleme und Methoden des Völkerrechts, S. 307 ff. 128 So ähnlich auch bei Morlok, wobei an dortiger Stelle lediglich auf die Rechtswissenschaft im Allgemeinen bezogen, ders., in: Blankenagel et al. (Hrsg.), S. 93 (94 f.); zum Problemkreis der Entscheidungsnähe als Rechtsprinzip in (internationalen) Mehrebenensystemen siehe bei Sauer, S. 419 ff. 129 Vgl. ausführlich unter Begriff „Text“ bei Horstmann, in: Müller et al. (Hrsg.), S. 594 ff.; Dijk, S.  39 f.; Vater, S.  10 ff.; siehe weiterführend in Kontexten zum Recht bei Morlok, in: Blankenagel et al. (Hrsg.), S. 93 (99), dort in Fn. 29 m. w. N. 130 Morlok, in: Blankenagel et al. (Hrsg.), S. 93 (99); vgl. ferner bei Kafitz, S. 17. 131 Siehe dazu ausführlicher bei Simon, S. 42 ff.; weiterhin bei Dijk, S. 39 ff.; Vater, S. 37 f. 132 Vgl. bei Simon, S. 39; siehe überblicksartig zu Textstrukturen bei Dijk, S. 158 ff.; Morlok, in: Blankenagel et al. (Hrsg.), S. 93 (117). 133 Das Begriffskonzept „Intertextualität“ ist doppeldeutig definiert, einerseits als Bezug auf die Textsorte und andererseits – was vorliegend von alleinigem Interesse sein soll – in Bezug auf andere Texte, vgl. dazu ausführlicher bei Vater, S. 48; zur Entwicklungsgeschichte

3. Grundlagen- und Klassikertext im Völkerrechtsschrifttum 

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Dabei sei gerade der in den Wissenschaften unterrichtete Leser laut dem Rechtswissenschaftler Martin Morlok ein intertextuell sensibler und gebildeter Leser, da die Ratio einer jeden Lektüre in einem besonderen Maße auch vom (Vor-)Verständnis und Bezugsrahmen eines Lesers geprägt ist.134 Insbesondere der (völker-) rechtswissenschaftlich bewanderte Leser weist ein eigens geschärftes Bewusstsein für die entscheidende Rolle von Texten sowie den Umgang mit Texten auf, da diesem stets gegenwärtig sein dürfte, dass der alltägliche Rechtsbetrieb innerhalb internationaler Mehrebenensysteme zu einem Großteil nur aufgrund von Texten funktioniert.135 Hierbei werden – freilich neben anderen Textgattungen136 – auch die zwei für die Untersuchung maßgebenden Texttypen des Grundlagentextes, beziehungsweise des Klassikertextes, verwendet. Vorab ist allerdings darzutun, dass die Begriffe des Grundlagen- sowie Klassikertextes keine spezifisch juristischen Termini darstellen, sodass vorliegend nicht von fachspezifischer Terminologie gesprochen werden kann. Vielmehr kommt beiden Begrifflichkeiten in ihrer allgemeinsprachlichen Verwendungsweise und je nach Kontext ein unterschiedlicher Sinngehalt wie auch eine divergierende Wortbedeutung im Einzelfall zu.137 Die Einheitlichkeit im Sprachgebrauch dieser vielerorts gebräuchlichen Begriffe ist deshalb grundsätzlich nicht sichergestellt. Ungeachtet dessen können diese (fach-)externen Textgattungen sowohl wegen ihres grenzübergreifenden Produktionsumfeldes als auch intendierten Verwendungszusammenhanges maßgeblich Einfluss und Wirkungsmacht auf die Leserschaft im Völkerrechtsschrifttum ausüben; regen sie doch in der Tat neue Deutungen an und geben auf diese Weise einen Anstoß zur fachlichen des Begriffs „Intertextualität“ vgl. bei Morlok, in: Blankenagel et  al. (Hrsg.), S.  93 (95 f.), dort in Fn. 17 u. 18 m. w. N.; Steinhoff, S. 121 ff.; neben der Intertextualität beeinflussen artverwandte, neuzeitliche Phänomene die Text-Leser-Wirklichkeit, diese sind insbes.: Intermedialität (multimediale Kommunikation), Hypertext (ein holistischer Text in Einheit mit digital gespeicherten Sprachinhalten, Tonmaterialien, Bildern, Filmen, Graphiken etc.), Interaktivität (jederzeitig abrufbar praktizierte Intertextualität) und Interdiskursivität (Zusammenwirken institutionell geregelter, an bestimmte Machtformen gebundener Redeweisen innerhalb einer Gemeinschaft), siehe dazu weiterführend bei Fix, Texte und Textsorten, S. 42 f. 134 Morlok unterscheidet nach einem Wahrnehmungsmodus: Während bspw. der konsumierende Leser belletristischer Literatur nur auf Handlungen und Sprachästhetik den Text hin wahrnimmt, präferiert demgegenüber der wissenschaftliche Leser eine eher abstrahierende Wahrnehmung des Textes, die u. U. analysierend, auswertend, bewertend, ablehnend, bestätigend oder bestätigungssuchend sein kann, vgl. bei ders., in: Blankenagel et al. (Hrsg.), S. 93 (100). 135 Vgl. dazu bei Dijk, S. 11; ferner auch bei Wüest, S. 88; siehe weiterführend bei Schröder, S. 227 ff. 136 Weitere Textsorten, die prinzipaliter der Intertextualität gewidmet sind sowie üblicherweise der Bezugsfunktion auf andere Texte im Rechtsbetrieb dienen, sind insbes.: Kommentare, Urteilsbesprechungen, (Sammel-)Rezensionen, (Überblicks-)Aufsätze, Textsammlungen, anwaltliche Schriftsätze, u. U. auch Gesetzesentwürfe, Gerichtsentscheidungen (ggf. samt Sondervoten), siehe dazu ausführlicher bei Morlok, in: Blankenagel et al. (Hrsg.), S. 93 (103–108). 137 Kotzur, in: Weiß (Hrsg.), Hugo Grotius: Mare Liberum, S. 5 (7).

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II. Grundlagenforschung zum Völkerrecht

Auseinandersetzung.138 Im Folgenden werden daher die beiden Texttypen näher betrachtet sowie ihre jeweiligen Besonderheiten herausgearbeitet. Der Versuch ihrer Systematisierung steht dabei gewissermaßen selbst unter einem eigenen intertextuellen Vorbehalt, dass nämlich jede „Kategorienbildung nur einen ersten Orientierungsrahmen“139 bieten kann; die hierbei vorgenommenen Einordnungen von einer im gegebenen Zusammenhang praktikablen Ideenentwicklung bis hin zu einer möglichst praxisnahen Bedeutungskonvention über diese infrage stehenden Texttypen sind notwendigerweise fließend. Der Begriff des Grundlagentextes ist inhaltlich nicht strikt definiert140, meint aber in erster Annäherung einen Text, der methodisch geprüfte Sachinformationen als „Wissen grundsätzlicher Art“141 zum Schriftinhalt hat und intersubjektive Basis der „epistemic communities“142, der (Fach-)Gemeinschaften für etwas sein kann.143 Ein solcher Text wird für diese Untersuchung wie folgt spezifiziert: In erster Linie muss von einer verkürzten Lesart als kanonischer Text im engeren Wortsinn ausdrücklich Abstand genommen werden, da sich eine solche Textart in ihrer Verkörperung „normativer und formativer Werte einer Gemeinschaft“144 erschöpft und deshalb aufgrund ihres apodiktisch festgelegten Wortlauts als sakrosankt betrachtet werden kann. Infolgedessen gilt ein kanonischer Text in seiner Reinform als nicht mehr fortschreibbar.145 Dem Grundlagentext im Völkerrechtsschrifttum muss allerdings in gewissem Sinne eine spiegelbildliche Rolle zugesprochen werden, insofern dieser die (multi-)kulturelle Einordnung von nationalen und vor allem (völker-)gemeinschaftlichen Perspektiven verkörpern soll.146 Dafür spricht ebenso das Stammwort „Grundlage“, das qua allgemein-sprachlicher Ver-

138 Nach Morlok kann die Heranziehung derartiger Texte zwar einerseits entgrenzend und infolgedessen verunsichernd auf die Leserschaft wirken, aber auch andererseits die fachinterne Diskussion bzw. Theorienbildung überaus bereichern, vgl. bei ders., in: Blankenagel et  al. (Hrsg.), S. 93 (113 u. 127). 139 Kotzur, in: JöR 49 (2001), S. 329 (335). 140 Dies verwundert vor allem deshalb, da vielerorts in den hier zu problematisierenden wissenschaftlichen Disziplinen (Rechts-, Text-, Literaturwissenschaften sowie Philosophie) wie selbstverständlich der Begriff vom „Grundlagentext“ seine entsprechende, allgemein gängige Verwendung findet, ohne offensichtlich – wenn auch nur im jeweiligen Kontext und damit freilich mit nur bedingtem Abstraktionsgehalt – eine nähere inhaltliche Bestimmung zu erfahren. Der allgemein-sprachliche Ausdruck „Grundlagentext“ wird wohl durch den tatsächlich geübten Sprachgebrauch innerhalb einer Kommunikationsgemeinschaft geprägt und somit de facto im jeweils (fach-)sprachlichen Zusammenhang fixiert, um den dortigen Informations- und Inhaltsbedürfnissen notwendiger oder hinreichender Natur zu genügen. 141 Schätzle, S. 25. 142 Haas, S. 5. 143 Siehe weiterführend dazu bei Wohlgenannt, S. 62 ff. 144 Assmann, S. 94. 145 Vgl. oben ausführlich bereits unter I. 2. in Fn. 26. 146 Kotzur, in: JöR 49 (2001), S. 329 (335); zu Ebenen oder dort sog. „Arenen“ (textgebundener) Kommunikation vgl. die bildhafte Darstellung (anhand eines Würfels) bei Rosengren, in: Hepp/Löffelholz (Hrsg.), S. 37 (38); vgl. auch bei Al-Fārābī, S. 284, der kritisch anmerkt:

3. Grundlagen- und Klassikertext im Völkerrechtsschrifttum 

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wendungsweise147 etwas bereits Vorhandenes meint und fortan Ausgangspunkt einer irgendwie gearteten Weiterentwicklung zu etwas Neuem sein kann. Ein derart verstandener Grundlagentext besitzt als Substrat eine authentische Klarstellungs- und Ordnungsfunktion, da dieser die zentralen thematisch einschlägigen Thesen und Theorien, Ideen und Lehren nicht nur ihren Inhalten nach wiedergibt, sondern überdies zueinander ins Verhältnis setzt, um so eine umfassende theoretische Perspektive im konzeptionellen Bezugsrahmen des Gegenstandsbereichs zu verdeutlichen.148 Hierzu soll der Bezugsrahmen eine generelle Gültigkeit sowie ein hohes Abstraktionsniveau aufweisen, wobei definitorische Abgrenzungen zwischen betrachteten Modellen oder Metamodellen grundsätzlich fließend sind. Nichtsdestoweniger diesem explanativen Zweck dienend, transferiert der Grundlagentext im Völkerrechtsschrifttum nicht nur die Bedeutung, sondern vor allem auch die Aufmerksamkeit anderer textgebundener Auffassungen und Aussagen zu einem Betrachtungsgegenstand innerhalb der internationalen Wissenschaft, Forschung und Lehre (Doktrin) auf die eigenen Erläuterungen zu einer Sache.149 Das Qualitätsmerkmal eines Textes als Grundlagentext für bestimmte, zumeist wissenschaftliche Disziplinen wird demnach erst durch die Erprobung in (Fach-)Gemeinschaften erlangt, und zwar indem ebendiese solchen Schriftwerken die grundlegende Bedeutung für sich zusprechen. Der auf diese Weise zuteilgewordene Text ist das intertextuelle Mittel einer miteinander kommunizierenden und darum in einem wissenschaftlichen Diskurs befindlichen Personengruppe und obendrein der durchaus begründete Versuch zum Aufbrechen der Linearität, zur Überwindung der zeitlichen Begrenztheit wie auch nicht zuletzt zur Verstärkung der eigenen Argumentations- und Begründungsstilarten.150 Kurz zusammengefasst: Der Grundlagentext im Völkerrechtsschrifttum ist grundsätzlich ein (völkerrechts-)wissenschaftlicher Text mit Grundlagenwissen jüngeren Datums, dessen Entstehungszeit als originelles Schriftwerk sowie entsprechende Bedeutungszuweisungen durch (Fach-)Gemeinschaften insbesondere zu nachkommenden Rezeptionszeitpunkten noch nicht weit zurückliegen und aufgrund besonderer zeitlicher Nähe die Voraussetzung schafft, um die unterschiedlichen Positionen zu aktuellen Themen des Völkerrechts anhand zuvor als bedeutsam erachteter Erkenntnisbeiträge in besonders relevanten Forschungs- und Publikationsfeldern

„Für das Recht kann es, ebenso wie auch für die […] Theologie […], keinen Grundlagentext geben, da es sich hier nicht um kulturübergreifende, allgemeine Wissenschaften, sondern um kulturspezifische Bereiche handelt.“ 147 Vgl. zur Wortbedeutung von „Grundlage“ unter: http://www.duden.de/rechtschreibung/ Grundlage; http://wortschatz.uni-leipzig.de/cgi-bin/wort_www.exe?site=1&Wort=Grundlage; http://www.dwds.de/?kompakt=1&qu=Grundlage [Permalinks, jeweils Zugriff vom 25.04.2016]. 148 Vgl. bei Franck/Stary, S. 165 f. 149 Siehe dazu bei Morlok, in: Blankenagel et  al. (Hrsg.), S.  93 (122); ferner formuliert­ Morlok treffend: „Juristen schreiben Texte, die sich auf andere Texte von Juristen beziehen“, ders., in: Blankenagel et al. (Hrsg.), S. 93 (127). 150 Zu den Einzelpunkten siehe weiterführend bei Morlok, in: Blankenagel et  al. (Hrsg.), S. 93 (123 ff.).

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II. Grundlagenforschung zum Völkerrecht

einordnen und – eventuell durch völkerrechtsphilosophische Aspekte – weiterführend akzentuieren zu können. Hiervon sind die sogenannten Klassikertexte zu unterscheiden. Der Begriff des Klassikertextes ist in der (Völker-)Rechtswissenschaft längst hinreichend untersucht und  – wenn auch in manchen Detailfragen nach wie vor diskussionswürdig  – durch bestimmte, typusprägende Elemente strukturiert.151 Ursprünglich waren Klassikertexte gewissermaßen Grundlagentexte ihres jeweiligen historischsituativen Entstehungszusammenhangs, deren Schriftinhalte indes eine „zeitlose Gültigkeit“152 erlangten und daher vielgestaltige Ausstrahlungswirkungen153 im Völkerrechtsschrifttum der gegenwärtigen Zeit besitzen. Nach Maßgabe des Stammwortes „Klassiker“, das als Wert- und Erfolgsbegriff laut dem Rechtswissenschaftler Peter Häberle gelesen wird154, zeichnet sich ein so tradiertes155 Schriftwerk durch bestimmte Merkmale aus. Diese Besonderheiten lassen sich am besten über das in der Regel bereits sehr fortgeschrittene Alter eines Klassikers erklären. Danach kommt dem Klassikertext aufgrund dessen inhaltlich überragender Qualität sowie maßstabsetzender und innovativer Elemente ein hoher Bekanntheitsgrad und Wiedererkennungswert innerhalb der „epistemic communities“156 als Wissens- und Kommunikationsgemeinschaften in sowohl räumlicher als auch zeitlicher Perspektive zu.157 Wie Markus Kotzur zutreffend meint, kann es auf diese Weise und anhand ebensolcher Texte zu den für die Völkerrechtswissenschaft überaus aufschlussreichen „Klassikergesprächen zwischen Generationen und Kulturen kommen“158. Derartige Gespräche erfordern vorwiegend das Lesen und Schreiben wie auch das Verwerten und Verfassen vor allem werthaltiger, also Innovationen schaffender Inhalte, sodass diese „eine spezifische Form der Kom-

151

Zu diesem Topos und ausführlicher zur Begriffsgeschichte vgl. bei Häberle, Klassikertexte im Verfassungsleben, S. 15 ff. m. w. N.; fernerhin sollte bei der Kategorienbildung zum Begriff sog. „Klassikertexte“ in literarische, politische, spezifisch juristische Texte aber auch den – hier einschlägigen – philosophischen, staats- und gesellschaftstheoretischen Entwürfen unterschieden werden; insoweit im Anschluss an Kotzur, in: JöR 49 (2001), S. 329 (335–340). 152 So bspw. bei Immanuel Kants „Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf“ (1795/1796), vgl. zu weiteren Werken bereits unter II. 1. in Fn. 50 u. bei Kotzur, in: JöR 49 (2001), S. 329 (338) mit vielen Beispielen. 153 Vgl. dazu weiterführend bei Morlok, in: Blankenagel et al. (Hrsg.), S. 93 (94) m. w. N. 154 Zur Unterscheidung in Wert- und Erfolgsbegriff siehe nur bei Häberle, Klassikertexte im Verfassungsleben, S. 14; fernerhin bei Kotzur, in: JöR 49 (2001), S. 329 (332 f.); ders., in: Weiß (Hrsg.), Hugo Grotius: Mare Liberum, S. 5 (6). 155 Zu Fragen der Tradition als Methode kultureller Überlieferung vgl. bei Dittmann, S. 98 ff. u. S. 170 ff. 156 Haas, S. 5. 157 Kotzur, in: Weiß (Hrsg.), Hugo Grotius: Mare Liberum, S. 5 (11); ders., in: JöR 49 (2001), S. 329 (342); zur Wortbedeutung von „Klassiker“ vgl. weiterhin unter: http://www.duden.de/ rechtschreibung/Klassiker; http://wortschatz.uni-leipzig.de/cgi-bin/wort_www.exe?site=1&Wort= Klassiker; http://www.dwds.de/?kompakt=1&qu=Klassiker [Permalinks, jeweils Zugriff vom 25.04.2016]. 158 Kotzur, in: Weiß (Hrsg.), Hugo Grotius: Mare Liberum, S. 5 (11).

3. Grundlagen- und Klassikertext im Völkerrechtsschrifttum 

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munikation und eine Eigenheit unserer Kultur“159 darstellen mögen. Demzufolge sollten stets Anstrengungen auf die „Wiederaneignung der Klassiker“160 gerade in enger Verknüpfung von Philosophie und Völkerrecht unternommen werden. Zudem ist solchen Texten ein nicht zu unterschätzender Erinnerungs- oder Tradi­ tionswert zu eigen, der sich als weitgehende Anerkennung der in ihnen enthaltenen inhaltlichen Auffassungen und Aussagen erweist und überdies für eine (Kultur-) Nation selbst identitätsstiftend wirken kann.161 Die Metapher von der „Kultur als Text“162 vermag die hierfür maßgebliche Leitvorstellung bündig zu umschreiben.163 Der vielerorts und vielfach Ideen prägende Klassikertext164 kann dabei nicht nur als zeitloser Kontrapunkt, sondern auch als komplementäre historische Erkenntnisressource gegenüber einem zeitabhängigen Grundlagentext wirken, welchem eben jene herausragenden Qualitätsmerkmale entweder von vornherein fehlen oder sich erst noch herausbilden165 müssen. Einfluss und Wirkmächtigkeit eines Klassikertextes begründen sich letztlich darin, dass dieser Theorien sowie Ideen- und Gedankengüter beinhaltet, „die sich vom konkreten historischen-situativen Kontext lösen lassen und längerfristig wirken, die Generationenperspektive miteinbeziehen“166. Es lässt sich feststellen, dass sowohl einem Grundlagen- als auch Klassikertext im zeitgenössischen Völkerrechtsschrifttum, hierin vornehmlich in der Publikationsform der Monographie, ein klares Potenzial167 zur Sinnstiftung168 zumindest im wissenschaftlichen Diskurs als sozusagen „weltöffentlicher Marktplatz der Ideen“169 innewohnt, obgleich seine tatsächliche Einflusskraft beziehungsweise Wirkmächtigkeit als „Lehrmeinung“ im maßgebenden Sinne von Artikel 38 Absatz 1 Buchstabe d) IGH-Statut auf den Entscheidungsapparat des Internationalen Gerichtshofs in dessen Praxis – objektiv-sachlich beurteilt – als verschwindend 159

Richter, S. 2. Voigt, in: Loick (Hrsg.), Der Nomos der Moderne, S. 5 (5). 161 Zu den universellen typusprägenden Elementen siehe bei Kotzur, in: JöR  49 (2001), S.  329 (334); für eine weiterführende Analyse des Klassikertextes in seiner Bedeutung für eine multikulturelle Gesellschaft siehe bei Beyersdörfer, S. 262 ff. 162 Vgl. dazu etwa bei Ott/Ast, in: Meier et al. (Hrsg.), S. 191 (192) m. w. N. 163 Siehe ausführlicher dazu bei Kafitz, S.  126; vgl. ferner bei Häberle, in: JZ  21 (1992), S. 1033 (1033). 164 Vgl. etwa bei Kotzur, in: Blankenagel et al. (Hrsg.), S. 289 (301 f.) mit zahlreichen Beispielen. 165 Diese Annahme begründet sich damit, dass auch einem Grundlagentext das Potenzial zu einem Klassikertext innewohnen kann, welches sich aber erst mit Hinzutreten weiterer Faktoren, wie bspw. seines tatsächlichen Verbreitungsgrades in zeitlicher und räumlicher Perspektive aufgrund empirischer Erfassung, ex post beurteilen lässt. 166 Kotzur, in: Weiß (Hrsg.), Hugo Grotius: Mare Liberum, S. 5 (11). 167 Zum Begriff „Potenzial“ vgl. grundlegend bei Kreuzbauer, S. 61 f. 168 Weiterhin grundlegend zu Mechanismen die den Dingen bzw. Aussagen über die Dinge (oder Entitäten) entsprechend Sinn oder Bedeutung geben können, siehe nur bei Breier, S. 85 ff. u. S. 408 ff. 169 Kotzur, in: JöR 49 (2001), S. 329 (333). 160

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II. Grundlagenforschung zum Völkerrecht

gering zu bewerten ist.170 Dennoch erweist sich unter den dargestellten Gesichtspunkten zum Grundlagen- und Klassikertext ein Aspekt als ausschlaggebend, dass nämlich mittels qualitativ fundierter völkerrechtlicher Argumentation gerade anhand solcher Textquellen die wissenschaftliche Leserschaft, die andere souveräne (Vertrags-)Partei, die internationale Staatengemeinschaft oder eventuell ein internationales Gericht von einem bestimmten Ideen- oder Gedankenansatz171, einem schlüssig begründeten Lösungsvorschlag aus der Völkerrechtswissenschaft und -lehre auch überzeugt werden kann.172 Hierbei trägt die Einsicht, dass „Klassiker […] im Völkerrecht durch ihre Rezeption [wirken].“173 Das Völkerrecht vor dem intertextuellen Hintergrund seiner Grundlagen- und Klassikertexte ist bei alldem „nichts Statisches, sondern etwas Dynamisches, ist es eher ein Verfahren als eine objektive Wirklichkeit“174.

170 Pellet, in: Zimmermann et al. (Hrsg.), S. 791, Rn. 321; so wohl auch bei Bleckmann, Die Funktion der Lehre im Völkerrecht, S. 71. 171 Kotzur, in: Weiß (Hrsg.), Hugo Grotius: Mare Liberum, S. 5 (11). 172 Kotzur, in: Weiß (Hrsg.), Hugo Grotius: Mare Liberum, S. 5 (12). 173 Kotzur, in: JöR 49 (2001), S. 329 (343). 174 Bleckmann, Die Funktion der Lehre im Völkerrecht, S. 322.

III. Rezeptionsmodell mit juristisch-kulturellen Theorieelementen Ein solches „Verfahren“ lässt sich, ganz allgemein betrachtet, als eine Ordnung einzelner Rezeptions- und Fortschreibungsvorgänge verstehen. Es gilt jene zunächst nur diffus wahrgenommenen „Dynamiken“ oft textbasierter Einfluss- und Wirkungsbeziehungen innerhalb des Völkerrechtsschrifttums einer zumindest in Teilen gesicherten, analytischen Struktur unterzuordnen, um auf eine solche Weise zu ermöglichen, eine völkerrechtsphilosophische Aussage über bestimmte Aneignungs- sowie Übernahmeprozesse (überwiegend im Sinne von textbasierten Adaptionen) originär philosophischer, staats- und gesellschaftstheoretischer Inhalte aus nicht selten fachfremden Grundlagen- und Klassikertexten in das fachspezifische aktuelle Schrifttum über das Völkerrecht erarbeiten zu können. Denn auch in Bereichen des Völkerrechts gibt es eine Reihe von Konstellationen oder Diskussionsmöglichkeiten, in denen ein interpretatorisch-anpassender Brückenschlag zwischen entfernten (Rechts-)Texten mit dortigen heterogenen Themen- und Problemstellungen oder Erkenntnislagen gelingt, ohne dass dessen Zulässigkeit zweifelhaft wäre. Hierbei werden nicht nur fachverwandte, sondern oftmals auch fachfremde schriftliche Quellen herangezogen, welche die Aussagen über diverse Betrachtungsgegenstände im Völkerrecht mit selbstständigen, aber thematisch zusammengehörenden Berührungspunkten zum Völkerrecht ergänzen. Diese wechselseitige Beeinflussung etwa auf Gebieten nationalen Rechts und Völkerrechts aufgrund wissenschaftlichen, kulturellen wie auch allgemeinpolitischen Austauschs, also eine tatsächliche Interdependenz dieser Rechtskreise, ist durchgängig an­ erkannt.1 Dementsprechend gewinnt, wie zuvor beispielhaft angeführt, der Internationale Gerichtshof in Den Haag aufgrund einer stets dezidierten (Rechts-)Vergleichungsmethodik die in seinem Statut erwähnten allgemeinen Rechtsgrundsätze, die wiederum ihrerseits über eine völkerrechtskonforme Auslegung in deutsch- oder englischsprachige (oder auch in sonstige fremdsprachige) Gesetzesinterpretationen einfließen können2  – mithin oft nachweisbare Rezeptions- und Fortschreibungsvorgänge von völkerrechtlichen Rechtsgrundsätzen und Prinzipien.3 Ein mög 1

Vgl. statt vieler nur bei Sommermann, S. 409 m. w. N. So auch bei Tschentscher, in: JZ 17 (2007), S. 807 (813). 3 Diesen gewichtigen Bedingungszusammenhang beschreibt Häberle folgendermaßen: „Die universellen Prinzipien des Völkerrechts haben umso höhere Effektivität, je intensiver die nationalen Verfassungsordnungen sie implementieren, und vice versa leisten die nationalstaatlichen Verfassungstexte in ihren völkerrechtlichen Öffnungsklauseln und Bekenntnissen zu Menschenrechtsgarantien einen originären Beitrag zur Entstehung respektive differenzierenden Fortschreibung neuer Rechtsnormen mit universellem Geltungsanspruch […]“, ders., „Verfassungskultur“ als Kategorie und Forschungsfeld der Verfassungswissenschaften, S. 17. 2

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III. Rezeptionsmodell mit juristisch-kulturellen Theorieelementen

licher Anknüpfungspunkt für diese Überlegung ist, dass das Völkerrecht auf einer Ebene etwa in den bilateralen oder multilateralen Vertragstexten sowie in den Entscheidungen, Beschlüssen und Urteilen internationaler Spruchkörper etc. wie auch auf einer anderen Ebene etwa in den hochspezialisierten Zweigen juristische Praxis deutender Literatur zur internationalen Forschung und Lehre immerwährend über Sprache und Schrift kommuniziert wird; mit anderen Worten innerhalb historisch entstandener und sich fortentwickelnder Verständigungssysteme von Zeichen und Regeln. Text bildet dabei die gemeinsame Grundlage (insofern im Sinne eines „Common Ground“4) aller – an zumeist manifesten Kommunikationsprozessen5 beteiligten – Akteure. Die Analyse und Interpretation solcher juristischen Texte dient natürlich ihrer auf den rechtserheblichen Einzelfall bezogenen Anwendung, obgleich die Textlichkeit juristischer Arbeitsweisen an sich unter eben diesem Gesichtspunkt überraschend wenig betrachtet wird.6 Da aber insbesondere theoretische Modelle mit literatur-, sprach- und kulturwissenschaftlichen Ansätzen gleichfalls für die Interpretation von Texten entwickelt wurden, besteht insoweit eine thematische Überschneidung durch gleich­artige Berührungspunkte bei der theoriebasierten Betrachtung von – durch Zeichen und Regeln gebildeten – Texten, welche als große Chance7 zur transdisziplinären Methodenarbeit verstanden werden sollte, um weiteren Erkenntnisgewinn für die textbasierte Völkerrechtswissenschaft, wie ferner auch Völkerrechtsphilosophie, zu ermöglichen.8 Im Folgenden werden ebendarum die Aspekte eines Rezeptionsmodells9 mit juristisch-kulturellen Theorieelementen als eine Forschungsmethode der Völkerrechtsphilosophie eingehender beschrieben. Es werden hierbei die wesentlichen Anforderungen aufgezeigt, die ein solcher Erklärungsansatz mindestens beinhalten 4

Insoweit anschaulich bei Watson, in: ders./Seiler (Hrsg.), S. 1 (1 ff.). Vgl. bei Strasen, Rezeptionstheorien, S. 350. 6 So auch bei Morlok, in: Blankenagel et al. (Hrsg.), S. 93 (94). 7 Häberle, in: JZ 21 (1992), S. 1033 (1033); zu Jauß’ literaturwissenschaftlicher Rezeptionstheorie als eine Anregung für die Rechtswissenschaft siehe bereits bei Häberle, in: ZevKR 26 (1981), S. 105 (108 ff.). 8 Es geht um die transdisziplinäre Sichtweise durch ein und denselben Forscher, denn nach Terz’ Dafürhalten entspricht gerade „das transdisziplinäre Denken […] eigentlich dem Aufbau des menschlichen Gehirns […]“, vgl. ausführlicher bei ders., in: Pap. Polít. Bogotá ­Colombia 14 (2009), S.  223 (226). Freilich birgt ein stark auf das Transdisziplinäre orientierter Unter­ suchungsansatz stets die Gefahr des Dilettantismus aufgrund einer viel zu allgemein und zu abstrakt geratenen Darstellungsform von Berührungspunkten und Wider­sprüchen rezeptionstheoretischer Modelle (insoweit im Sinne einer Metatheorie), sodass Zweifel an der Erreichbarkeit angestrebter Ziele oder auch grundsätzliche Einwände gegen einzelne Aspekte bzw. zur Aussagekraft der Arbeit im Ganzen sich nicht vollends ausräumen lassen. Derartige Einwände lassen sich jedoch als ein Allgemeinplatz hinsichtlich rezeptionstheoretischer Modelle verstehen, da hierbei kraft Natur der Sache die Grenzen des jeweiligen Wissenschafts- bzw. Erklärungssystems zu überschreiten sind und deshalb auch transdisziplinär genannt werden. Für eine eingehendere Auseinandersetzung mit diesen, vorliegend nur skizzierten Einwänden im Zusammenhang zur Rezeptionstheorie vgl. statt vieler bei Strasen, Rezeptionstheorien, S. 5–18. 9 In Anlehnung an Häberle, in: JZ 21 (1992), S. 1033 (1034 ff.); ders., Europäische Rechtskultur, S. 9 ff. 5

III. Rezeptionsmodell mit juristisch-kulturellen Theorieelementen

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sollte, wenn er aus transdisziplinären Erkenntnis- und Wissensquellen zunächst gewonnen wird und künftig ergiebig schöpfen soll. Anschließend werden die Maßgaben und Bedingungen nochmals – in Ausarbeitung eines kurzgefassten, die fünf maßgeblichen Unterscheidungszeichen beinhaltenden Bewertungssatzes – benannt, die zur Beurteilung von Rezeptions- und Fortschreibungsvorgängen im Völkerrechtsschrifttum als konstitutiv erachtet werden. Vorweg sei dazu noch erwähnt: In Abgrenzung zu Ansätzen, die vornehmlich nach dem Kommunikator10 einer Botschaft (auch Sender) fragen, beschäftigt sich ein rezeptionstheoretisches Modell in einem ersten Schritt mit der Empfängerseite eines Kommunikationsprozesses und geht in einem zweiten Schritt insbesondere Fragestellungen der Relevanz11, der Wirkung12 und des Verstehens13 einer Botschaft in Bezug auf deren Publikum14 nach. Der mit dieser Untersuchung zur Anwendung kommende Erklärungsansatz unterscheidet dementsprechend in seinen beiden grundlegenden Hauptzügen zwischen der Rezeption externer Inhalte und ihrer Fortschreibung in den eigenen Kontexten. Wie eingangs angedeutet, wird der Bezug zum ausgewählten Gegenstand im Ursprungstext, also bezogen auf ein aus Grundlagen- oder Klassikertexten stammendes Ideen- und Gedankengut, Konzept, Argument etc., unter dem Begriff der Rezeption angesprochen. „Das Studium des Rezeptionsproblems umfasst die Untersuchung der Ursachen und der mannigfaltigen Umstände der einzelnen Rezeptionsfälle, der verschiedenen Faktoren, die bei der Verwirklichung der Rezeption förderlich oder hemmend mitgewirkt haben, und der Ergebnisse, zu denen die einzelnen Rezeptionsvorgänge geführt haben, darunter besonders der wichtigen Frage, ob das rezipierte Recht zu tatsächlicher Geltung gelangt ist.“15 So beschrieb der Rechtswissenschaftler Imre Zajtay seine grundlegende Programmatik bezüglich der Untersuchung rezipierter Elemente innerhalb einer (nationalen) Privatrechtsordnung; insofern eine zutreffende summarische Beschreibung von Zielsetzungen in der Rezeptionsforschung, die heute ihre Gültigkeit auch für die 10 Kommunikatoren sind direkt oder indirekt schöpferisch, gestaltend, bearbeitend wie auch verarbeitend, selektiv oder steuernd im Prozess öffentlicher Kommunikation tätig und nehmen letztlich eine Schlüsselrolle in der Publizistikwissenschaft ein, siehe dazu bei Beck, S. 164; Wüest, S. 84 f. 11 Vgl. dazu die Ausführungen zu Dan Sperbers und Deirdre Wilsons sog. Relevanztheorie bei Strasen, Rezeptionstheorien, S. 155 ff. m. w. N. 12 Vgl. etwa bei Wolfgang Iser nebst dessen Ansatz über die ästhetische Wirkung eines Textes, ders., S. 8; ferner zum Prinzip der Wirkungsgeschichte siehe ebenso bei Bleich, S. 23 ff. 13 Vgl. dazu die Ausführungen zu Teun A. van Djiks und Walter Kintschs sog. heuristischen Basismodell des Textverstehens bei Strasen, Rezeptionstheorien, S. 28 ff. m. w. N. 14 Das Publikum, hier auch die Rezipientengemeinschaft als Synonym verwendet, kann in ein passives (relativ homogenes) und in ein aktiv handelndes unterschieden werden, vgl. an statt vieler bei Beck, S. 187 f.; tendenziell muss in der vorliegenden Untersuchung vom aktiv handelnden Rezipienten ausgegangen werden, da gerade dessen Handlungs-, Selektions- und Interpretationsspielräume Gegenstand der Betrachtungen sind, um so die (völkerrechts-)philosophischen Wertungen über eine Fortschreibungspraxis im Völkerrechtsschrifttum der Gegenwart überhaupt erst zu ermöglichen. 15 Zajtay, in: AcP 156 (1957), S. 361 (368).

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III. Rezeptionsmodell mit juristisch-kulturellen Theorieelementen

Ebene der Völkerrechtsordnung zu beanspruchen suchen. Allgemein meint der Begriff der Rezeption – von Lateinisch „receptiō“: Aufnahme16 – nicht bloß eine Sache oder einen Zustand, sondern vielmehr einen speziellen Vorgang, bei welchem fremde Gedanken, Handlungsweisen, (Wert-)Vorstellungen, Stilelemente oder auch kulturelle Normen von jemandem übernommen werden.17 Rezeption als methodischer Begriff18 erscheint nach dem Jahr 1950 deshalb zunächst in den geisteswissenschaftlichen Fakultäten der Rechtswissenschaften19, Theologie20 sowie Philosophie21 und wird erst einmal – in der literarisch-philologischen Lehre der Textinterpretation22  – als ein nur passiver Akt des Empfangens, Wiedererkennens beziehungsweise Wiedererinnerns von bereits Erkanntem verstanden.23 Jedweder Text kann grundsätzlich anhand des literaturwissenschaftlichen Ansatzes24 der (historischen) Textanalyse, wie dieser vor allem von den beiden Literaturwissenschaftlern Hans Robert Jauß und Wolfgang Iser entwickelt wurde25, von seiner Rezeptionsgeschichte her verstanden werden. Ausgangspunkt ist die Annahme, dass die Bedeutung eines Textes nicht etwa feststeht oder nur mittels der Autor- oder Kommunikatorintention zu identifizieren sei, als vielmehr erst im Vorgang seiner Rezeption auf der Empfängerseite  – eigens beschrieben im kontextbezogenen Konzept vom sogenannten „impliziten Leser“26 – zustande 16

Das Wort „receptiō“, etymologisch von „recipiō“ aus „re-“ (zurück, wieder) und „capiō“ (ich halte), erscheint Mittellateinisch zuerst im Zusammenhang mit der scholastischen Theologie: „Quidquid recipitur ad modum recipientis recipitur. [Was auch immer aufgenommen wird, kann nur in der Weise des Empfängers aufgenommen werden.]“, vgl. dazu bei Jauß, Die Theorie der Rezeption, S. 10. 17 Vgl. unter Link: http://www.buecher-wiki.de/index.php/BuecherWiki/Rezeption [Perma­ link, Zugriff vom 30.04.2016]. 18 Jauß, Die Theorie der Rezeption, S. 5; vgl. ferner bei Holub, S. 6 f. 19 In den Rechtswissenschaften bezeichnet der Begriff „Rezeption“  – bereits seit dem 13. Jahrhundert – überwiegend Prozesse der Aufnahme und Anpassung des römischen Rechts in die Rechtsordnungen Mitteleuropas, vgl. dazu bei Jauß, Die Theorie der Rezeption, S. 13; zum völkerrechtlichen Kontext siehe weiterhin bei Keller, S. 19; Stein, S. 28 ff. 20 Zur Begriffsgeschichte in der Theologie vgl. bei Jauß, Die Theorie der Rezeption, S. 10 ff. 21 Zur Begriffsgeschichte in der Philosophie vgl. bei Jauß, Die Theorie der Rezeption, S. 16 f. 22 Siehe dazu bei Busse, Sprachverstehen und Textinterpretation, S. 235 ff. u. S. 369 ff. 23 Sog. „empfangende Rezeption“, siehe dazu weiterführend bei Jauß, Die Theorie der Rezeption, S. 9. 24 Theorien, Modelle und Methoden der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Rezeption textgebundener Inhalte haben sich seit den frühen 1970er Jahren in einer Vielzahl entwickelt und können im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nicht allesamt vorgestellt werden; für einen Überblick zu den verschiedenen Theorieströmungen siehe etwa bei­ Schneider, in: ders. (Hrsg.), Literaturwissenschaft in Theorie und Praxis, S. 189 ff. 25 Der in der sog. „Konstanzer Schule“ (u. a. mit Wolfgang Iser, Hans Robert Jauß, Karlheinz Stierle, Rainer Warning) entwickelten literaturwissenschaftlichen Rezeptionstheorie kommt seit dem Jahr 1966 große internationale Beachtung mit ausstrahlender Forschungswirkung zu; hierin sind das wirkungsästhetische Konzept nach Iser und das rezeptionsgeschichtliche Modell nach Jauß vereint, siehe ausführlicher bei Jauß, Die Theorie der Rezeption, S. 15; Kafitz, S. 18; ebenso bei Strasen, Rezeptionstheorien, S. 61. 26 Vgl. zum Erklärungsmodell des sog. „impliziten Lesers“ insbes. bei Strasen, Rezeptionstheorien, S. 66 ff. u. S. 81 ff.; siehe auch bereits bei Iser, S. 50 ff.

III. Rezeptionsmodell mit juristisch-kulturellen Theorieelementen

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kommt. Es bedarf demnach eines in der Vergangenheit liegenden, abgeschlossenen Rezeptionsvorgangs, sprich der Vorgeschichte des Zuerkennenden. Ein solcher Ansatz beschreibt grundlegend die „sukzessive Entwicklung eines im Werk angelegten, in seinen historischen Rezeptionsstufen aktualisierten Sinnpoten­tials, das sich dem verstehenden Urteil erschließt, sofern es die ‚Verschmelzung der­ Horizonte‘ in der Begegnung mit der Überlieferung kontrolliert vollzieht“27. Bei der leserseitigen Erschließung des vorbeschriebenen Sinnpotenzials eines Textes treten nach Auffassung des Philosophen Roman Ingarden unausbleiblich sogenannte „Unbestimmtheitsstellen“ auf, „deren Ausfüllung durch den Text eingeschränkt ist, solche, die frei gefüllt werden können, andere, die gar nicht gefüllt werden dürfen, und nie ist vorherzusagen, bis zu welcher Stufe der Konkretisation die Unbestimmtheitsstellen überhaupt gefüllt werden.“28 Bei alldem bleibt zunächst festzuhalten, dass die Öffnung der quasi autonomen Geschlossenheit eines Textes, genauer gesagt seiner semantisch-funktionalen Eigenschaften der im engen Zusammenhang stehenden sprachlichen Zeichen und Regeln, ganz allgemein gefasst, einmal von der Rezeptionsseite her erfolgt, zum anderen hat sie einen weiteren Ausgangspunkt in der Intertextualität, also in der expliziten und impliziten Präsenz anderer Texte in einem gegebenen Textzusammenhang.29 Der Vorgang der Rezeption setzt damit die zumeist bewusste und willentliche Entscheidung eines Rezipienten voraus, die Gegenstände fremder Texte in eigene zu übernehmen. Die Betrachtung eines solchen Rezeptionsvorgangs ist demnach nichts wesentlich anderes als der Nachvollzug punktueller Motivlagen des Rezipienten (in Bezug auf einen Rezeptionsgegenstand) durch einen Dritten. Dies alles soll nicht mehr als eine erste Annäherung an die bestehende rezeptionstheoretische Erklärungsfülle, bloß eine stark verkürzte Vermessung des zugegebenermaßen unübersichtlich gewordenen Feldes an Modellen über Rezeptionstheorien sein.30 Da die Verschiebung von Explikationen aus einem Modell der Theorie wiederum ein Modell der Theorie erzeugt, kann sich für diese Untersuchung allein auf die übergreifenden rezeptionstheoretischen Aspekte, also auf einige verallgemeinerbare Grundzüge sowie Definitionen gestützt werden, um den Rahmen für ein Rezeptionsmodell mit juristisch-kulturellen Theorieelementen für die vorliegenden Betrachtungen zum Völkerrechtsschrifttum sachgerecht aufzuzeigen. Bei der Erstellung der Theorieelemente geht es immer darum, den gebotenen Kompromiss zwischen Detailtreue und Generalisierung zu finden und zu wahren.

27

Jauß, Literaturgeschichte als Provokation, S. 186. Strasen, Rezeptionstheorien, S. 62. 29 Kafitz, S. 21. 30 Weiterführend zu interdisziplinären Erklärungsmodellen neben den literaturwissenschaftlichen Ansätzen vgl. statt vieler bei Strasen, Rezeptionstheorien, u. a. zur Schematheorie, S. 195 ff. oder zu kognitiven Modellen, S. 273 ff., dort jeweils mit entsprechenden Verweisen; zu kognitiven Modellen neben rechtswissenschaftlichen Ansätzen siehe statt vieler bei Mahlmann, S. 220, § 18, Rn. 3 f. 28

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III. Rezeptionsmodell mit juristisch-kulturellen Theorieelementen 

1. Allgemeines juristisches Rezeptionsmodell nach Peter Häberle Das erste Theorieelement des hier vorgeschlagenen Erklärungsansatzes im Rezeptionsmodell schöpft aus den Überlegungen des erwähnten Rechtswissenschaftlers Peter Häberle zu einem allgemeinen juristischen Rezeptionsmodell.31 Obgleich Häberles theoretische Arbeiten in diesem Bereich rechtswissenschaftlicher Forschung und Lehre aufgrund seines jahrzehntelangen akademischen Schaffens32 sehr umfassend und in Detailfragen ebenso umfangreich geworden sind, soll nunmehr an dieser Stelle versucht werden, grundlegende Aussagen seines rezeptionstheoretischen Ansatzes zu bestimmen sowie dessen Grenzen als „kulturwissenschaftlich ansetzende juristische Rezeptionstheorie […] i. S. des Textstufenparadigmas“33 aufzuzeigen, welche eine (insoweit transdisziplinäre) Erweiterung um Inhalte des zweiten Theorieelements nach Sven Strasen als angebracht erscheinen lassen. Rezeption lege laut Häberle bereits begrifflich nahe, dass „der – schöpferisch, aktiven – Produktion dort ein passiver, allenfalls ‚nachschöpferischer‘ Prozess […] nachfolgt.“34 Dabei unterscheidet Häberles rezeptionstheoretischer Ansatz, gleich text- oder literaturwissenschaftlicher Erklärungsmodelle, ganz generell zwischen Rezeptionswegen und -verfahren sowie weiterhin zwischen den Akteuren35 beziehungsweise Rezipienten einerseits und den Rezeptionsgegenständen beziehungsweise -inhalten anderseits. Zu diesen aufgeführten Betrachtungsmöglichkeiten ist mit Häberle außerdem festzuhalten, dass im rein rechtswissenschaftlich geprägten Theorieteil besonders jene zu untersuchenden „Inhalte […] die Form von Texten, Theorien, richterlichen Urteilen oder Staatenpraxis haben [können].“36 Die jeweils räumlich wie auch zeitlich einzuordnenden 31

Vgl. dazu bereits unter I. 3. in Fn. 44. Für einen würdigenden wie auch kritischen Überblick zu Peter Häberles (rechts-)wissenschaftlichen Verdiensten u. a. in Bereichen der (juristischen) Rezeptionsforschung siehe insgesamt die mannigfaltigen Textbeiträge von (Rechts-)Wissenschaftlern im Sammelwerk von Blankenagel et al. (Hrsg.); im Übrigen sei auf die entsprechenden Bibliographien bzw. (Internet-)Referenzen über Häberles Werke verwiesen. 33 Häberle beschreibt und entwickelt seinen rezeptionstheoretischen Ansatz, wie er es nennt: „Einzelausarbeitung im Theorieraster“, unmittelbar anhand der das vielschichtige Rechtsgebilde Europa konstituierenden (Einzel-)Verfassungsstaaten, vgl. bei ders., in: JZ 21 (1992), S. 1033 (1036); siehe zu Häberles spezifisch öffentlich-rechtlichem Methodenvorschlag einer sog. „Textstufenanalyse“ ausführlich zuletzt bei ders., Rechtsvergleichung im Kraftfeld des Verfassungsstaates, S. 3 ff; siehe dazu auch bei Morlok, in: Blankenagel et al. (Hrsg.), S. 93 (94), dort in Fn. 12 m. w. N.; kritisch bei Tschentscher, in: JZ 17 (2007), S. 807 (813 f.) m. w. N. 34 Dazu legt Häberle, in: JZ 21 (1992), S. 1033 (1035) weiterführend dar: „Praktisch wird es sich kaum je um die komplette ‚Kopie‘ eines Ganzen handeln, denn der einzelne […] wird, um seine eigene Identität nicht zu verlieren, von vornherein nur Teilstücke rezipieren und auch diese primär ‚aus Eigenem‘ fortschreiben.“ 35 Siehe grundsätzlich zu variierenden Verwendungsweisen des Begriffs „Akteur“ bereits unter II. in Fn. 28. 36 Häberle, in: JZ 21 (1992), S. 1033 (1036). 32

1. Allgemeines juristisches Rezeptionsmodell nach Peter Häberle 

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Rezeptionswege und -verfahren37 lassen sich hierbei anhand ihrer Eigenarten noch genauer darstellen. Die sogenannten „Überkreuzrezeptionen“ meinen nach Häberles Modell, abstrakt gesprochen, die nicht seltenen Modifikationen der Auf- und Übernahmeverfahren, bei denen der Verfasser eines Textes dasjenige übernimmt, das anderwärts als eine ideengeschichtliche Pionierleistung erarbeitet wurde.38 Demgegenüber handelt es sich bei den sogenannten „Mehrfachrezeptionen“ nach Häberle, kurz gesagt, um die sukzessive Form von Auf- und Übernahmeverfahren, bei denen besonders markante Punkte, Gegenstände oder Inhalte mit gewissem Bekanntheitsgrad und Wiedererkennungswert des Rezipierten periodisch oder auch wellenartig im Sinne eines Zeitfaktors in Erscheinung treten.39 Bei beiden Arten zuvor genannter Rezeptionswege und -verfahren kann gerade die „räumliche und sonstige Distanz […] eine ‚objektivere‘ oder unbefangenere Beurteilung zur Folge haben, die die Rezeption begünstigt.“40 Die Rezipientengemeinschaft, sprich die an konkreten Rezeptionsvorgängen beteiligten Akteure der „epistemic communities“41, nimmt Häberle insofern als eine heterogene Gruppe von Menschen an, die er bisweilen als „weltweit“ oder „universal“ beschreibt.42 Aus dem von Häberle vertretenen Begriff der Rezeption ergibt sich, dass die Definition eines Gegenstands, der Inbegriff eines solchen Vorgangs der Auf- und Übernahme sein kann, hinreichend weit zu fassen ist, um für die verschiedenen Anwendungsbereiche relevante Ergebnisse zu erhalten. Der rezipierte Gegenstand kann daher verschiedenartige Formen sowohl auf der Text- als auch Interpretationsebene aufweisen.43 So führt er in seinem Erklärungsmodell, das exemplarisch an verfassungsrechtlichen Strukturen dargestellt ist44, unmittelbare Formen schriftlicher Quellen im Sinne des juristischen Textes an, wie etwa Präambeln, ­Grundrechte, aber auch Staats 37 Die hier dargestellten Rezeptionsarten können nach Häberles Dafürhalten i. S. einer pluralistischen Rezeptionstheorie zum Teil auch gemeinsam auftreten und „auf diese Weise […] ein enges ‚Rezeptionsgewebe‘“ entstehen lassen, ders., in: JZ 21 (1992), S. 1033 (1042). 38 Dazu führt Häberle folgendes Beispiel – i. S. des zuvor beschriebenen Klassiker­gesprächs (siehe dazu unter II. 3. in Fn. 158–160) – an: „So sind etwa wissenschaftliche Klassikertexte wie die grundrechtliche Statuslehre eines Georg Jellinek in Europa allenthalben von anderen nationalen Staatsrechtlern übernommen worden, sie prägen überdies das Urteil manchen Verfassungsgerichts“, ders., in: JZ 21 (1992), S. 1033 (1036). Die Wege von Produktion und Rezeption können, müssen aber nicht in jedem Fall sich aufgrund der auf beiden Seiten beteiligten Akteure entsprechen, vgl. bei ders., in: JZ 21 (1992), S. 1033 (1037) m. w. N. 39 Häberle, in: JZ 21 (1992), S. 1033 (1037 u. 1041). Zutreffend, allerdings zugleich einschränkend stellt Häberle fest: „Welche Kräfte letztlich solche ‚Wellen‘ steuern, der ‚Zeitgeist‘ bzw. ein Reformbedarf, ja -druck, wird sich freilich schwer sagen lassen“, ders., in: JZ 21 (1992), S. 1033 (1041). 40 Häberle, in: JZ 21 (1992), S. 1033 (1041). 41 Haas, S. 5. 42 Weiterführend zur Rezeptionsgemeinschaft nach Häberle siehe u. a. bei ders., in: JöR 46 (1998), S. 69 (72); ders., in: JöR 47 (1999), S. 79 (87); ders., in: JöR 50 (2002), S. 123 (146). 43 Vgl. bei Häberle, in: JZ 21 (1992), S. 1033 (1040). 44 Häberles Wahl der einkleidenden Darstellungsform seines Rezeptionsmodells anhand zumeist verfassungsrechtlicher Beispiele lässt sich in zweierlei Hinsicht erklären, so zählt er einerseits  – nicht zuletzt aufgrund seiner langjährigen, hochspezialisierten Forschungs-

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III. Rezeptionsmodell mit juristisch-kulturellen Theorieelementen 

und Erziehungsziele.45 Ebenso benennt Häberle mittelbare Formen ideenrechtlicher Art, welche nicht notwendigerweise in irgendeinem Medium verschriftlicht sind, wie fernerhin auch Rechtsquellenprobleme, Verfassungsgerichtsbarkeit, Föderalismus oder Regionalismus.46 Aus diesem weit gefassten Gegenstandsbegriff der Rezeption ergibt sich selbstredend ein weitergehender Konkretisierungsbedarf. Für Häberles rezeptionstheoretischen Ansatz ist aus diesem Grund der Begriff des Kontextes47 von auffallend zentraler Bedeutung, denn „[ü]ber die Kontext-These läßt sich der aktive Vorgang einfangen, der auf den zunächst nur passiven Vorgang der Rezeption (von Texten, Lehre oder Rechtsprechung) folgt.“48 Der aktive Vorgang meint jene bewusste und willentliche Entscheidung des Rezipienten, also nicht nur die bloße, unreflektierte Auf- und Übernahme eines fremden Inhalts aus einer anderen Text-, Urteils- oder Wissenschaftsgemeinschaft, sodass die übernommenen Wortbedeutungen, Inhalte, Ideen und Gedanken oder fernerhin Überzeugungen, (Wert-)Vorstellungen und Leitbilder in eigene Kontexte49 adaptiert und „im Laufe der Zeit“50 zu eigenständig Neuem in der Betrachtung transformiert werden.51 Der Kontext ist hierbei als ein strukturgebendes Moment einer jeden textlichen Aussage über konkrete extratextuelle Tatsachen zu verstehen, da er die kommunikative Situation einerseits der Produktion und andererseits der Rezeption bezeichnet. Der Kontext wirkt deshalb erheblich auf die Rezeptionsgeschichte eines Textinhalts ein. Für ein angemessenes Textverständnis bedarf es folglich immer auch eines Blickes auf den arbeit  – zu den bekanntesten zeitgenössischen Verfassungsrechtlern in der Bundesrepublik Deutschland und andererseits umfasst sein Tätigkeitsbereich die gesamte Verfassungslehre, hierin vor allem die Theorie und Praxis zu Verfassungsinterpretation und -gerichtsbarkeit; so auch bei Hatajiri, in: Blankenagel et al. (Hrsg.), S. 517 (518). 45 Siehe ausführlicher dazu bei Häberle, in: JZ 21 (1992), S. 1033 (1037 ff.). 46 Siehe ausführlicher dazu bei Häberle, in: JZ 21 (1992), S. 1033 (1039 f.). 47 Lesenswert zum Begriff des „Kontextes“ im Kulturraum und speziell im Zusammenhang zur – so dort wörtlich – „Domäne Wissenschaft“, vgl. bei Steinhoff, S. 27 ff. 48 Häberle, in: JZ 21 (1992), S. 1033 (1035). 49 Weiterführend zur in diesem Zusammenhang lesenswerten sog. „Kontextthese“ nach Häberle, vgl. bei ders., Kommentierte Verfassungsrechtsprechung, S. 1 (44 ff.); ders., in: JZ 21 (1992), S. 1033 (1035) m. w. N. 50 Der Zeitfaktor bildet in Häberles Rezeptionsmodell eine „beherrschende Größe“, da innerhalb jeweiliger Aneignungsprozesse der einstweilig rezipierte Gegenstand „im Laufe der Zeit […] in das eigene Koordinatensystem [hinein]wächst“, gleichsam Enkulturationsmechanismen folgend, obgleich sich bei einem derartigen, nur ideellen Hineinwachsen nicht alle bestimmenden „Kausalzusammenhänge mit letzter Sicherheit“ beschreiben lassen, so ausdrücklich bei ders., in: JZ 21 (1992), S. 1033 (1035 u. 1041). 51 Auf der völkerrechtlichen Ebene ist vor allem im Bereich des Kriegsvölkerrechtes, des Strafrechtes und der Grundrechte (Menschen-, Bürger-, Freiheitsrechte)  eine gegenseitige Beeinflussung und auch Rezeption im engeren Sinne, dies vornehmlich von vorrechtlichen (Wert-)Vorstellungen, zu beobachten. Zu den oft vielschichtigen Adaptions- und Transformationsprozessen siehe insbes. bei Zimmermann, in: ZaöRV 67 (2007), S. 297 (316 f.) und bei Kotzur, in: Rechtstheorie 39 (2008), S. 191 (200–207 u. 214 ff.) mit jeweils ausführlichen Beispielen und Nachweisen.

1. Allgemeines juristisches Rezeptionsmodell nach Peter Häberle 

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jeweiligen Zusammenhang, also auf die übrigen Informationen oder Daten, in welchem der Text entstanden ist beziehungsweise gegenwärtig gelesen wird.52 Da die Rechtswissenschaft für Häberle zugleich „die Dimension einer Erfahrungswissenschaft besitzt“, spricht er sich in einer Hauptprämisse seines Erklärungsmodells dafür aus, dass „juristische Texte […] von vornherein in ihren kulturellen Kontexten zu sehen“ sind.53 Daher ist eine jede solche Rezeption laut Häberle immer auch kulturell-kontextbedingt.54 Unter Verweis auf den Kontext, in welchen jedes Mal ein Rezeptionsgegenstand zuvor integriert wird, wie auch auf den sich hieran anschließenden Vorgang einer Produktion neuer Inhalte mit einem weiteren Deutungsgehalt durch die Rezipientengemeinschaft, begründet Häberle in seinem rezeptionstheoretischen Ansatz schließlich den Begriff der „Re-Produktion“.55 Die treffende Formulierung „Re-Produktion“ beschreibt nach Häberle die aus einem originären Bedeutungszusammenhang in einen anderen modifizierende „Nach-‚Bildung‘, nicht sklavische Nachahmung“ eines Rezeptionsgegenstands und folgt somit der Hauptprämisse „vom neuen kulturellen Kontext, in den das Fremde hineingenommen wird.“56 Mancherorts wird insbesondere Häberles Definition der „Re-Produktion“ als ein Abgrenzungsproblem diskutiert, insoweit die von ihm vorgeschlagene „Aufteilung der Rezeption in passive Rezeption und aktive Rezeption […] jedoch eine Aufteilung [konstruiert], die es so nicht gibt.“57 An dieser Stelle erweist sich die Begrifflichkeit der „Re-Produktion“ nicht nur als besonders kennzeichnend, sondern auch als inhaltsgleich oder logisch äquivalent mit der verwendeten Begriffsbestimmung zum Fortschreibungsvorgang58, da ­innerhalb eines Rezeptionsmodells die sachgemäße Trennung zwischen einer 52

Siehe dazu bei Morlok, in: Blankenagel et al. (Hrsg.), S. 93 (117); ferner auch bei Dijk, S. 82 ff. 53 Zu vorstehenden Zitaten siehe bei Häberle, in: JZ 21 (1992), S. 1033 (1034). 54 Die Kultur selbst zeichnet sich für Häberle durch ihre traditionellen Ideen und diesen zugeordneten Wertebeziehungen aus, wobei dieser auslegungsbedürftige und -fähige Begriff strukturalistisch als Organisationsschema, deskriptiv als soziales Erbe oder historische Tradition, normativ als ideal- oder wertgestütztes und wertverwirklichendes Regelwerk menschlichen Zusammenlebens, psychologisch als problemlösende Anpassung bzw. Lernprozess oder generisch als entwicklungsgeschichtliches Produkt, Idee oder Symbol verstanden werden kann, vgl. dazu ausführlicher bei ders., Verfassungslehre als Kulturwissenschaft, S. 11 u. S. 27 f.; ferner bei Pernice, in: Blankenagel et al. (Hrsg.), S. 3 (5 f.) m. w. N.; dem Kultur-Begriff ist weiterhin eine (nahezu) beliebige Erweiterbarkeit inhärent, indem er wirklich alle Praxisformen menschlichen Handelns be- und umschreibt, wie bspw. Gebräuche, Gewohnheiten, Institutionen, Produktionsweisen, Erzeugungstechniken etc., so auch bei Gruber, in: Werber (Hrsg.), S. 247 (248); vgl. zur Art und Weise der Vermittlung traditioneller Ideen und Wertebeziehungen fernerhin bei Hahn, in: Burkart/Runkel (Hrsg.), S. 40 ff.; Bude, in: Flick et al. (Hrsg.), S. 101 (101 f.). 55 Häberle, in: JZ 21 (1992), S. 1033 (1035 u. 1041). 56 Häberle, in: JZ 21 (1992), S. 1033 (1035). 57 Plagemann stellt seine Kritik anhand eines Beispiels der Vollrezeption von Gesetzen dar, wie sie zu Beginn der Republik Türkei vorkam, ders., S. 40. 58 So spricht Häberle selbst an einer Stelle seines Theorieentwurfs von einem „höchst intensive[n] Prozess des Abschreibens und Fortschreibens [Hervorhebungen bereits im Originaltext durch Häberle, Anmerk. d. d. Verf.]“, ders., in: JZ 21 (1992), S. 1033 (1038).

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III. Rezeptionsmodell mit juristisch-kulturellen Theorieelementen 

zunächst nur passiven Übernahme eines Rezeptionsgegenstands (im Sinne einer nur „empfangenden Rezeption“59 nach Hans R. Jauß) sowie dessen späterer aktiven Anpassung und damit zugleich bedingten Veränderung in eigene Ideen-, Gedanken- oder Argumentationsstrukturen durchaus geboten ist.60 Die im Verlauf des soeben Erwähnten unweigerlich auftretende, denkbar folgenreiche Deutungsoffenheit eines jeden Rezeptionsgegenstands als eine „Nach-‚Bildung‘, […] in [die] das Fremde hineingenommen wird“ (nicht zuletzt auch im Sinne der „Unbestimmtheitsstellen“61 nach Roman Ingarden), kann alsdann im Rahmen einer – oft nebengeordneten  – wortlautbezogenen, historischen, systematischen oder teleologischen Auslegung durch eine Rezipientengemeinschaft auszufüllen sein.62 Für Häberle steht aufgrund seiner über Jahrzehnte hinweg gewonnenen wissenschaftlichen Erfahrungswerte fest, dass grundsätzlich „[d]ie spätere Interpretation […] eher zum ‚Hausgemachten‘, Eigenwüchsigen [neigt] – gemäß der Idee vom integrierenden, modifizierenden kulturellen Kontext.“63 In einem Zwischenergebnis zum ersten Theorieelement ist festzustellen, dass Häberles Entwurf eines allgemeinen juristischen Rezeptionsmodells als ein weitreichender Erklärungsansatz über die gelebte juristische Textkultur anzusehen ist, welchen es über die Ebene des Verfassungsstaats hinausgehend noch zu priorisieren gilt. Bestimmte Maßgaben seines rezeptionstheoretischen Modells lassen sich verallgemeinern, sodass grundlegende Aussagen über die vielschichtigen Wege von Textrezeption und -produktion innerhalb einer bestehenden Rezipientengemeinschaft genauso für die Ebene des Völkerrechts, daselbst für das Völkerrechtsschrifttum der international orientierten Forschungs- und Lehrgemeinschaften, zu gewinnen sind. Als bestimmend erweist sich hierbei schließlich die Einsicht, dass eine Betrachtung des gegenseitigen Durchdringens von Kultur und Kontext gerade bei Bestrebungen zur Sinngebung über Einwirkungen oder Umgebungseinflüsse etwa von Ideen, Gedanken, Handlungsweisen, (Wert-)Vorstellungen, Stilelementen oder Normen aus Grundlagen- oder Klassikertexten in das zeitgenössische Völkerrechtsschrifttum von entscheidender Hilfe sein kann. Dabei vermag ein Ausdruck über die Kultur, vor allem in Anbetracht ihrer grundverschiedenen Begriffsbestimmungen64, eigentlich nur die kollektiven Prägungen einer Sache zu 59

Jauß, Die Theorie der Rezeption, S. 9. So auch nach einer literaturwissenschaftlichen Betrachtung bei Neuhaus, der grundlegend und den hier vertretenen Ansatz insoweit bestätigend feststellt, dass jeder Leser in einem Kulturkreis aufgrund nur ähnlicher, nicht aber gleicher Erfahrungen, Werte und Vorstellungen bis zu einem gewissen Grad einen anderen Textgehalt beim Lesen rekonstruiert, denn „er wird den Signifikanten [= sprachliche Zeichen; Terminologie nach Ferdinand de Saussure, Anmerk. d. d. Verf.] seine eigenen Signifikate [= vorgestellte Bedeutungen, Anmerk. d. d. Verf.], also seine eigenen Vorstellungen zuordnen. Insofern ist auch keine ‚objektive‘ Interpretation eines Textes möglich; was nicht heißt, dass der Beliebigkeit Tür und Tor geöffnet wären“, ders., S. 6. 61 Vgl. dazu bei Strasen, Rezeptionstheorien, S. 62. 62 Siehe dazu bei Bauer, in: Blankenagel et al. (Hrsg.), S. 645 (679); Morlok, in: Blankenagel et al. (Hrsg.), S. 93 (117); ferner auch bei Ridola, in: Blankenagel et al. (Hrsg.), S. 173 (176 f.). 63 Häberle, in: JZ 21 (1992), S. 1033 (1037). 64 Vgl. dazu bereits unter III. 1. in Fn. 54. 60

1. Allgemeines juristisches Rezeptionsmodell nach Peter Häberle 

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beschreiben. Demgegenüber ist jedoch ein jeder Akteur in einer untersuchten Text-Leser-Wirklichkeit durchaus individuell und darf aus diesem Grund nicht ausschließlich über eine Gruppenzugehörigkeit bewertet werden. Bei der Beurteilung von textbasierten Rezeptions- und (Re-)Produktionsprozessen treten daher ebenfalls „Unbestimmtheitsstellen“65 auf, die regelmäßig dann entstehen, wenn der Rezipient eine aus originärem Schriftwerk herausgeschriebene Aussage, also einen informationstragenden Textauszug, aus einem Zusammenhang entnimmt und in einen anderen wieder einsetzt.66 Häberles wiederkehrender Bezug auf den „kulturellen Kontext“, der insoweit als wesentliches Bindeglied der Einzelpunkte seiner Darlegungs- und Argumentationsstruktur zum Rezeptionsmodell zu erkennen ist, soll gewissermaßen einem besseren Verständnis des Unbestimmten eines jeden rezipierten Textinhalts dienen, erst recht, wenn ein zum Urheber fremder Textteil in hausgemachte, eigenwüchsige Textzusammenhänge integriert ist. Die Formulierung des „kulturellen Kontextes“ in Häberles Erklärungsmodell wirkt dadurch als abstrakteste Rahmenbestimmung. Sie eröffnet so eine umfassendere Betrachtungsmöglichkeit zum Rezeptionsgegenstand, da bedarfsweise weitere Merkmale oder auch Hintergrundinformationen eines Kulturkreises, sprich aus einer Rechtsgemeinschaft oder Rechtskultur, der Beurteilung zumeist unkompliziert hinzugezogen werden können. Diese weiteren Unterscheidungszeichen setzen indes voraus, dass sich ein Großteil der mittels Text kommunizierten Sinngehalte bereits aus einem zuvor (gleichgültig wie) vorhandenen Zusammenhang des Rezipierten zum Rezipienten oder zur Rezipientengemeinschaft ergeben können, das heißt, vorwiegend aus dem impliziten Wissen eines verständigen Lesers. Dieser bedarf also eindeutiger Sachinformationen, um das Rezipierte neu verorten und (re-)kontextualisieren zu können. Dies bedeutet weiterhin, dass nur, wenn ein entsprechender Wissens- oder Kenntnisstand beim Rezipienten über kulturbedingte Tatsachen im jeweiligen Entstehungs- beziehungsweise Auf- und Übernahmeumfeld einer so betrachteten textlichen Aussage gegeben ist, der „kulturelle Kontext“ im Modell überhaupt erst die genügende Erklärungskraft besitzt. Dies besagt auch, dass insbesondere der kulturgeschichtliche Begründungskonnex – soweit es irgend möglich ist – nachzuvollziehen sein wird. Hierin liegt zwar die Grenze eines jeden Textverständnisses begründet, woran sich aber ­Häberles 65

Vgl. dazu bei Strasen, Rezeptionstheorien, S. 62. Der jeweilige Rezipient bestimmt stets das System und seine Grenzen, insofern stellt sich sein Text als ganzheitliches Geflecht von wechselseitig abhängigen Elementen und von untereinander in Wechselwirkung stehenden Teilen vieler Aussagen über die extratextuelle Wirklichkeit dar, die sich durch ein Innen bzw. Hier und ein Außen bzw. Dort abgrenzen lassen. Daher ist, systemtheoretisch ausgedrückt, das Ganze immer mehr als die Summe seiner Teile, sodass bei Entnahmen von Aussagen aus einem Text bestimmte Sinngehalte der konkreten Aussage verloren gehen können, also inhaltliche Leer- bzw. Unbestimmtheitsstellen entstehen. Diesen Schluss bekräftigt im übertragenden Sinne ebenso die uralte und vielerorts zitierte Erkenntnis des einflussreichen Philosophen Aristoteles: „Das aus etwas Zusammengesetzte ist nun also zusammengesetzt, dass das Ganze eins ist, jedoch nicht, wie ein Haufe, sondern nach der Art der Silbe: die Silbe nämlich ist nicht dasselbe mit den Elementen, ba nicht dasselbe was b und a, das Fleisch nicht dasselbe was Feuer und Erde“, ders., S. 154, Rn. 20. 66

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III. Rezeptionsmodell mit juristisch-kulturellen Theorieelementen 

Hauptprämisse vom „kulturellen Kontext“ besonders messen lassen muss, da diese als das obligate, sprich argumentationsbegründende und -ausfüllende Theorieelement zu erkennen ist und insofern für dieses allgemeine juristische Rezeptionsmodell auch grundsätzliche und unmittelbare Geltung beansprucht.

2. Kulturelles Rezeptionsmodell nach Sven Strasen Das zweite Theorieelement des hier vorgeschlagenen Erklärungsansatzes im Rezeptionsmodell schöpft zudem aus Überlegungen des Literaturwissenschaftlers Sven Strasen zu einer Theorie literarischer Rezeptionshandlungen im Sinne eines „kulturellen Modells“67, um eine Konzeptualisierung des soeben beschriebenen „kulturellen Kontextes“ nach Häberle fortschreitend rezeptionstheoretisch herauszuarbeiten. So wählte Strasen für seine rezeptionstheoretischen Erläuterungen bereits von sich aus eine betont transdisziplinäre68 Sicht der Dinge, indem er die Notwendigkeit einer Integration von literatur-, sprach- und kulturwissenschaftlichen Ansätzen für die Bestimmungen konkreter Gegenstände der Rezeption anerkennt.69 Obgleich ein allseitig plausibles sowie kohärentes Gesamtmodell einer (zuvor mittels literaturwissenschaftlicher Arbeitsweisen entwickelten) Rezeptionstheorie aufgrund der zahlreichen wie auch verschiedenartigen Erklärungsansätze in diesem Bereich der Forschung und Lehre noch aussteht70 und letzten Endes wohl auch kaum zu erlangen sein wird, stellt derzeit Strasens Entwurf eine gangbare Syntheseleistung der hierzu forschenden (Text-)Wissenschaften dar.71 Diese Ausarbeitung wird dabei dem eigenen Anspruch gerecht, insoweit 67

Strasen führt das ursprünglich aus der Kulturanthropologie stammende Konzept des „kulturellen Modells“ als Schlüsselbegriff für seine (literaturwissenschaftliche) Rezeptionstheorie ein, freilich mit dem erfahrungswissenschaftlichen Hintergrund, dass nur bei derartigen Modellen „der Sender mit hoher Gewissheit davon ausgehen kann, dass sie wechselseitig manifest sind“ wie auch die so kommunizierten Aussagengehalte auf Seiten der Empfänger „hinreichend genau rekonstruiert“ werden können, siehe dazu bei ders., Rezeptionstheorien, S. 273 f. 68 Andernorts wird von einem „besonders wertvolle[n] interdisziplinäre[n] Beitrag“ Strasens gesprochen, vgl. dazu bei Leopold, in: Diegesis 1.1 (2012), S. 90 (93); für die vorliegende Untersuchung wurde indes der Ausdruck „transdisziplinär“ gewählt, wie bereits eingehender unter I. 3. in Fn. 42 u. unter III. in Fn. 8 begründet; ferner so auch bei Kinzel, in: IFB 16 (2008), S. 2; genauso bei Strasen, Rezeptionstheorien, S. 358. 69 Vgl. bei Kinzel, in: IFB 16 (2008), S. 1. 70 Siehe dazu ausführlich bei Müller, Literaturwissenschaftliche Rezeptionstheorien und empirische Rezeptionsforschung, S. 223 ff. 71 So auch im Ergebnis bei Leopold, in: Diegesis 1.1 (2012), S. 90 (93); demgegenüber stellt Kinzel kritisch fest: „Die Vielstimmigkeit der Terminologie bei der von Strasen angestrebten transdisziplinären Ausrichtung der Literaturwissenschaft ist durchaus ein Problem, weil ohne ein gemeinsames Thema nur Missklang herauskommen würde“, ders., in: IFB 16 (2008), S. 2. Klarstellend sei abermals darauf hingewiesen, dass echte integrationsorientierte Ansätze stets einer solchen Kritik ausgesetzt sind, da gerade diese die vielgestaltigen Chancen sowie deshalb auch Risiken neuer wissenschaftlicher Erkenntniswege in sich bergen, siehe dazu bereits unter III. in Fn. 8.

2. Kulturelles Rezeptionsmodell nach Sven Strasen

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Strasen eine methodenorientierte „Übersichtskarte“ – daselbst im Gebilde einer Metatheorie – beziehungsweise dergestalt ein mehr „übergreifende[s] Modell literarischer Rezeptionshandlungen“ darlegt.72 Die von Strasen vorgenommenen Einzelschritte, um schlussendlich zur Konzeption seines „kulturellen Modells“ als leitende Kontextualisierungshilfe zu gelangen, sind in ihren Bestandteilen sehr umfangreich. Deswegen bietet sich erst einmal als Anknüpfungspunkt Strasens abschließender Befund zu seinen Betrachtungen an, in welchem er die verschiedenen Erklärungsgehalte der vielen, in ihren Feinheiten ausgearbeiteten und demgemäß wiederum komplexen Theoriemodelle73 miteinander in Beziehung gesetzt hat und zusammenfassend diesbezüglich schlussfolgert: „Die Bedeutungsoffenheit literarischer Texte gründet in erster Linie in einem Phänomen, das kein ausschließlich literarisches ist, sondern in allen Formen von Kommunikation eine Rolle spielt: der Unbestimmtheit des bedeutungskonstituierenden Kontextes. Rezeptionstheorie ist deshalb in hohem Maße Kontextualisierungstheorie. Wenn Kontextualisierung aber in jeder Form von Sprachverwendung keine triviale Aufgabe ist, so liegt es nahe, ähnliche Kontextualisierungsmechanismen für literarische und nicht-literarische Kommunikation zu unterstellen.“ 74 Aufgrund seiner Forschungen zu den Ursachen für Rezeptionsstrategien als kommunikative Wissensverteilung in literarischer wie auch nicht-literarischer Kommunikation gelangt Strasen schließlich zu einem verallgemeinerbaren Text-Kontext-Modell, welches sich als eine relevanz- und schematheoretisch ergänzte Version des Textverstehens75 darstellt. Dieses Text-Kontext-Modell erfasst danach die Oberflächenstruktur76 eines Textes, die daraus gestaltete Text 72

Strasen, Rezeptionstheorien, S. 11. Zur Herleitung seiner Theorie über die literarischen Rezeptionshandlungen betrachtet Strasen eingehender u. a. Ansätze nach Teun A. van Djiks und Walter Kintschs heuristischen Basismodell des Textverstehens (mit graphischen Darstellungen nach Dietrich Meutsch); Strukturen verschiedenartiger Regulierungsinstanzen beim Leseprozess nach Norman ­Holland,­ David Bleich, Wolfgang Iser, Roman Ingarden, Stanley Fish; pragmatische Impulse durch Michail M. Bachtins Prinzip der Dialogizität, Guy Cooks Deviationsästhetik sowie Herbert P. Grices Kooperationsprinzip; strukturgebenden Einflüssen von John R. Searles Sprechakt-, Dan Sperbers und Deirdre Wilsons Relevanz- und Roger C. Schanks, David E. Rumelharts u. a. Schematheorie sowie kognitiven und sonstig kulturellen Modellen nach Claudia Strauss und Naomi Quinn u. a. innerhalb von Diskursgemeinschaften, siehe weiterhin erläuternden Überblick bei Leopold, in: Diegesis 1.1 (2012), S. 90 (92 f.). 74 Strasen, Rezeptionstheorien, S. 351. 75 Vgl. bei Strasen, Rezeptionstheorien, S. 349 f.; überdies sieht Strasen die Relevanztheorie als grundlegendes Kontextualisierungsmodell einer literaturwissenschaftlichen Rezeptionstheorie an, ders., Rezeptionstheorien, S. 354. 76 Der Begriff „Oberflächenstruktur“ meint die unmittelbar beobachtbare Gestalt eines Satzes in der Kommunikation, also die konkrete Wort- und Satzgliedfolge eines Textes. Vereinfacht gesprochen beschreibt sie also die erste Ebene eines Textes. Die Regeln zu ihrer Bestimmung sind in der Linguistik unter Begrifflichkeiten wie „Semantik“ und „Syntax“ hinreichend erörtert. Dabei lässt sich vor allem feststellen, dass die Überlegungen zur Oberflächenstruktur in nicht-literaturwissenschaftlichen Theorien zum Textverstehen regelmäßig keine besondere Beachtung finden, so auch bei Strasen, Rezeptionstheorien, S. 120 f. u. S. 348. 73

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III. Rezeptionsmodell mit juristisch-kulturellen Theorieelementen 

basis77, das Situationsmodell78, das den jeweils fehlenden, aber für das Verstehen bedeutungsvollen Teil des Weltwissens ergänzt, den Wissensbestand79 des Rezipienten, aus welchem die fehlenden Informationen oder Daten zur Ergänzung des Situationsmodells abgerufen werden, sowie das Kontrollsystem80, welches den gesamten Verstehensprozess reguliert.81 Diese Ordnung beschreibt mithin die allgemein anerkannte Grundform von Sinnzuweisungsstrategien beim Textverstehen. Bei den vorgenannten Grundoperationen einer Nachlese geht es zuvörderst um das Ergründen textueller Spuren, wobei der zu beurteilende Gegenstand auf jeder Beschreibungsebene mit Attributen, Dingen oder Sachverhalten außerhalb des Gegenstands entsprechend in Beziehung zu setzen ist. Bereits in dieser hier nur skizzierenden Darstellung lassen sich die Grundzüge erkennen, welche bei einer Kontextualisierung der kommunizierten Inhalte und deren Textspuren maßgebend wirken.82 Danach ist ein zutreffendes Textverstehen, besonders in einem empfängerseitigen Sinne möglichst verlustfreier Informations- oder Datenaufnahmen, ebenfalls laut Strasen nur im jeweils textbezogenen Zusammenhang erreichbar, das heißt, die Kontextualisierung – also der Austauschprozess zwischen Textbasis, Situationsmodell und Wissensbestand – stellt sich als der grundsätzliche Sinnbildungsmechanismus eines Rezipienten innerhalb einer Rezipientengemeinschaft in Bezug auf das jeweils rezipierte Etwas dar.83 77 Der Begriff „Textbasis“ beschreibt die zweite Ebene und bildet die Bedeutungsstruktur eines Textes ab, indem sie unabhängig von der Wort- und Satzgliedfolge die Oberfläche eines Textes in ein propositionales Format, also den Satz als eine Informationseinheit betreffend, umsetzt, siehe dazu bei Strasen, Rezeptionstheorien, S. 119 f. u. S. 346 f. 78 Der Begriff „Situationsmodell“ meint die Interpretationsleistung in Bezug auf einen Textinhalt vor dem Hintergrund des eigenen Sprach- und Weltwissens, das insbes. mithilfe sog. elaborativer oder kausaler Inferenzen, also potenziell bedeutungstragender Elemente, aufgebaut wird. Es stellt sich danach als die substanziell mit Vorwissen angereicherte Repräsentation der gemeinsamen (Um-)Welt in einem Text dar, vgl. dazu weiterführend bei Strasen, Rezeptionstheorien, S. 117 ff. u. S. 346. 79 Der Begriff „Wissensbestand“ meint, zumal über diesen Faktor eines Rezeptionsvorgangs in der klassischen (oft literaturwissenschaftlich überformten) Rezeptionstheorie laut Strasen „merkwürdig wenig zu erfahren“ (ders., Rezeptionstheorien, S. 115) sei, eine Aktivierungsstrategie eigener lebensweltlicher Schemata. Denn Texte enthalten niemals Wissen an sich, sondern vielmehr nur die Informationen oder Daten, die erst zu neuem Wissen durch den Leser bzw. Rezipienten umformatiert oder generiert werden müssen. Dies kann nur vor dem Hintergrund individueller Kenntnisse und Erfahrungswerte geschehen, die es dem Leser bzw. Rezipienten hieraufhin erlauben, die reine Textbasis zu verlassen, um so durch ihre Anwendung auf eine Verstehens- oder Reflexionsebene zu gelangen, die jenseits des Situationsmodells liegt, vgl. dazu bei Strasen, Rezeptionstheorien, S. 115 ff. u. S. 344 f.; ebenso bei Wüest, S. 73 f. 80 Der Begriff „Kontrollsystem“ beschreibt die – freilich stets in ihrem sozialen, kulturellen oder subkulturellen Zusammenhang eingebettete – Überprüfung der zunächst nur senderseits als manifest unterstellten Schemata systemspezifischer Kommunikation, um so ein plausibles und kohärentes Rezeptionsresultat zu ermöglichen, siehe dazu ausführlicher bei Strasen, Rezeptionstheorien, S. 114 f. u. S. 341 ff. 81 Siehe dazu weiterführend bei Leopold, in: Diegesis 1.1 (2012), S. 90 (91). 82 Vgl. zu Mechanismen der Kontextbildung auch bei Zimmerman, in: Watson/Seiler (Hrsg.), S. 35 (35 ff.). 83 Strasen, Rezeptionstheorien, S. 352 ff.

2. Kulturelles Rezeptionsmodell nach Sven Strasen

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In der Regel erfolgt die dabei notwendige Sinnbildung in besonderem Maße unter Rückgriff auf die sogenannten kulturellen Text-, Welt- und Sprach-Schemata84 eines solchen Kollektivs, da gerade diese „mit hoher Wahrscheinlichkeit kulturell weit verbreitet“ und deshalb „als Basis der gemeinsamen kognitiven Umwelt […] der Kommunikationspartner wechselseitig manifest sind.“85 Bei Rückgriff auf derartige Schemata ist nach Strasens Dafürhalten entsprechend zu unterstellen, dass „diese Repräsentation der Welt als Bezugsystem dient, auf das Texte – bestätigend, widersprechend, umstrukturierend – bezogen bleiben.“86 Dies zeige laut Strasen zum einen, dass sich ein Rezeptionsvorgang aufgrund innewohnender Komplexität der verschiedenen Einfluss- und Wirkbeziehungen nicht auf eine monokausale Ursache-Wirkung-Kette reduzieren lässt.87 Zum anderen weist er auf die hierarchische Struktur vorgenannter kultureller Schemata hin, wodurch zum Ausdruck gebracht werden soll, dass sich die oft integralen Bestandteile eines Schemas wiederum anhand eigener Schemadefinitionen auszeichnen, die es ermöglichen sollen, bei der Untersuchung von Rezeptionsstrategien und Kommunikationsstrukturen insbesondere „auf der Grundlage empirischer Daten kulturelle Modelle hoher Ordnung – kulturelle Themata – herauszuarbeiten.“88 Dabei führe

84 Mithilfe des Begriffs „Schemata“ werden komplexe Wissensstrukturen beschrieben, die sich auf der Basis gleicher Vorgänge bilden, die für das Entstehen von Konzepten gelten. Besonders deutlich in sog. Skripts, die Informationen über standardisierte soziale wie auch gemeinschaftsbezogene Situationen speichern. Es werden im Wesentlichen nachfolgende­ Schemata unterschieden: Fakten- und Konzeptschemata, Personenschemata, Selbstschemata, Rollenschemata, Text- und Kontextschemata, Prozessschemata, Strategieschemata und Emotionsschemata. Sie alle bestehen aus einem eng miteinander verknüpften (Er-)Kenntnis- bzw. Wissensgehalt eines Subjekts darüber, wie bestimmte soziale bzw. gemeinschaftsbezogene Verhaltensweisen in einem bestimmten kulturellen Zusammenhang gemeint und demgemäß zu verstehen sind. Zum Schemawissen gehört mithin: Ein Wissen darum, wie bestimmte Aktionen in einem bestimmten Umfeld zu verstehen sind, und ein Wissen darum, wie sich ein Subjekt in einer bestimmten Situation selber aktiv zu verhalten hat. Die Schemata unterliegen demnach kulturspezifischen Anschauungen. In der Folge läge die Annahme nahe, dass alle Schemata – und insoweit muss dies für alle Arten von Schemata gelten – zugleich auch kulturelle Schemata sind. Denn ohne kulturell-kontextbedingte Schemata droht bei der Dekodierung des Gemeinten ein Missverstehen, vgl. dazu die grundlegenden Ausführungen bei Rumelhart, S. 33 (34 f.); siehe ferner auch bei Traoré, S. 38; Schneider, in: ders. (Hrsg.), Literaturwissenschaft in Theorie und Praxis, S. 189 (205); Zick, S. 275. 85 Strasen, Rezeptionstheorien, S. 350. 86 Strasen, Rezeptionstheorien, S. 351; der hier von Strasen gebrauchte Begriff der „Repräsentation“ (auch Wissens-Repräsentation) wird ebenso in der Schematheorie verwendet und bedarf einer kurzen Erläuterung: Unter Repräsentation eines weltlichen Dinges bzw. einer Ereignisfolge versteht man, nach Empfang der Informationen durch die Sinnesorgane, ihre entsprechende Abbildung, Interpretation und Speicherung im menschlichen Gedächtnis (Gehirn), die mithilfe von Schemata codiert sind. 87 So bei Strasen, der nach seiner eingehenden und umfangreichen Durchsicht der Theorien und Modelle wichtiger Vertreter der literaturwissenschaftlichen Rezeptionstheorien die erkennbare Tendenz einiger Erklärungsansätze zu ebensolchen Simplifikationen kritisiert, ders., Rezeptionstheorien, S. 107. 88 Strasen, Rezeptionstheorien, S. 334.

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III. Rezeptionsmodell mit juristisch-kulturellen Theorieelementen 

nach Strasen die „Übereinstimmung zwischen den kulturellen Modellen verschiedener Rezipienten […] zur Angleichung ihrer Rezeptionsresultate.“89 In einem Zwischenergebnis zum zweiten Theorieelement ist festzustellen, dass Strasen für seinen rezeptionstheoretischen Ansatz der Konzeption eines „kulturellen Modells“ ebenso integrierende Erklärungskraft zuweist, wie bereits zuvor bei Häberles „kulturellen Kontext“ beschrieben. Wiederum ist das gegenseitige Durchdringen von Kultur und Kontext zu erkennen, welches auch bei Strasen den wirklich zentralen Standpunkt seiner forschungsleitenden und theoriebildenden Erwägungen aufzeigt, da hauptsächlich „kulturelle Modelle die soziale, materiale und mentale Dimension der Kultur miteinander verschränken“.90 Diese Konstellation, mithin das nicht triviale Ineinandergreifen von Kultur und Kontext, ist letztlich mit der Systemlogik von Rezeptionsmodellen an sich zu begründen. Eine solche Verallgemeinerung erscheint insoweit auch zulässig, da Strasen selbst von gleichartigen Mechanismen der Kontextkonstruktion bei literarischen sowie nicht-literarischen Texten ausgeht. Demzufolge liegt es in der Natur der Sache, dass sowohl literarische als auch nicht-literarische – für diese Untersuchung (völker-)rechtswissenschaftliche – Rezeptionsmodelle ihrem Grunde nach kulturell überformter Schemata bei den Grundoperationen bedürfen, da sie in einem besonderen Maße auf kulturelle Regeln rekurrieren, die einer kommunikativen Logik folgen, über welche die beteiligten Akteure keine Auskunft geben und deren Geltungsumfang sie folglich ebenfalls nicht bestimmen.91 Im Einzelnen bedeutet dies, dass jene konzeptuellen Wissensstrukturen zwischen den Kommunikationspartnern einer Rezipientengemeinschaft notwendigerweise als „wechselseitig manifest“92 anzusehen sind und darum zu einer sachgerechten Beschreibung eines bedeutungskonstituierenden Kontexts herangezogen werden können. Dabei ist zu bedenken, dass es sich etwa bei kennzeichnenden Inhalten aus Grundlagen- oder Klassikertexten, die im Völkerrechtsschrifttum verwendet werden (und zwar im Wege zuordenbarer Textspuren), in aller Regel um medial vermittelte, zumeist weltweite Massenkommunikation handelt.93 Daraus folgt, dass die Kommunikationspartner, die aus vielerlei Gründen zuweilen keine gemeinsame (Fach-)Sprache gebrauchen94, besonders wenige Informationen oder Daten über die individuellen kognitiven Modelle ihres Gegenübers haben und diese deshalb kaum als Basis der gemeinsamen kognitiven Umwelt einsetzen können.95 Wollen die Beteiligten aber einander und das im Text (tatsächlich) Gemeinte verstehen, so zwingt das mitunter auftretende Informations- oder Datendefizit – mit

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Strasen, Rezeptionstheorien, S. 345. Strasen, Rezeptionstheorien, S. 353. 91 Vgl. bei Bude, in: Flick et al. (Hrsg.), S. 101 (103). 92 Strasen, Rezeptionstheorien, S. 350. 93 Vgl. bei Kreuzbauer, S. 80 ff.; Steinhoff, S. 36 ff. 94 Siehe dazu bei Eckardt, S. 11 ff. 95 Beispiel angelehnt an Strasen, Rezeptionstheorien, S. 350. 90

3. Zusammenführung der rezeptionstheoretischen Elemente

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anderen Worten die Unbestimmtheitsstellen in sowohl räumlich als auch zeitlich übergreifenden Kommunikationsprozessen  – zur kulturellen Koordination der Inhalte durch gemeinschaftliche Schemata. Dieser Begleitumstand muss erst recht für Auf- und Übernahmen fremdgeistiger Inhalte in die eigenen gelten. Wegen ihrer überaus schematischen Ordnung erleichtert Strasens Theorie literarischer Rezeptionshandlungen im Sinne eines „kulturellen Modells“ – daselbst unter anderem durch die Bereitstellung von lebensweltlichen96 Bezugswerten zwecks Konkretisierung stets immanenter Unbestimmtheitsstellen  – die wechselseitige Koordinierung von Sender- und Empfängerkontexten, um so den eigentlichen Kontextualisierungsvorgang der Rezeptionshandlung ebenso bei nicht-literarischen Texten hinreichend genau beschreiben zu können.

3. Zusammenführung der rezeptionstheoretischen Elemente Die leitenden Überlegungen sowohl zu juristischen als auch zu kulturellen Theorieelementen des hier vorgeschlagenen Erklärungsansatzes im Rezeptionsmodell lassen sich entsprechend des durch den Völkerrechtswissenschaftler Panos Terz97 bestimmten Theorierahmens98 zur Völkerrechtsphilosophie zusammenführen und alsdann anhand allgemeinwissenschaftlicher Kriterien überprüfen. Bei der Anwendung der zuvor transdisziplinär gewonnenen allgemein rezeptionstheoretischen Erkenntnisse und Arbeitsweisen auf eine Forschungsmethode99 in der Völkerrechtsphilosophie sind einerseits die Besonderheiten völkerrechtsbezogener Erklärungsmodelle als aussagekräftige Explikationshandlungen innerhalb des völkerrechtlichen Schrifttums einer Rezipientengemeinschaft zu berücksichtigen. Explikation meint hierbei die entfaltende wie auch präzisierende Erklärung 96 Den Begriff „Lebenswelt“ beschreibt etwa Kreuzbauer mithilfe der Unterscheidung in innere oder geistige und in äußere oder empirische Einwirkungs- und Handlungsbereiche eines Akteurs, wobei im Innenverhältnis vor allem die „Steuerungspotentiale“ und „Gefühle“ das „geistige Abbild der Welt“ aus zuvor von außen hereingenommenen oder im Gehirn autonom gebildeten Informationen produzieren wie auch im Außenverhältnis durch außerhalb liegende „Eigenschaften und Beziehungen zur Umwelt“ oder zu „anderen Akteure[n]“ bestimmt werden, siehe dazu bei ders., S. 61; so ähnlich bei Kraus, der die Lebenswelt als „subjektive Wirklichkeitskonstruktion […] [aus] sozialen, ökologischen und organismischen Lebensbedingungen eines Menschen“ definiert, ders., S. 153. 97 Beachte die Namensänderung zur Person, bis zum Jahr 1976 noch als Panagiotis Terzopoulos bekannt. 98 Unter Theorie der Völkerrechtsphilosophie versteht Terz eine systematisch geordnete Menge von Aussagen bzw. Aussagesätzen über einen bestimmten Gegenstand des Völkerrechts und der sich darauf beziehenden Dimension der Völkerrechtswissenschaft im Rahmen ihrer Selektions-, Ordnungs-, Erklärungsfunktion wie auch operativer Funktion, siehe dazu ausführlicher bei ders., in: ARSP 86 (2000), S. 168 (173 ff.). 99 Unter Methode der Völkerrechtsphilosophie wird hier zum einen das Verfahren zur Untersuchung eines Gegenstands und zum anderen verfahrenstypische Grundsätze, die die rezeptionstheoretische Forschungsarbeit anleiten, verstanden; dementsprechend auch bei Terz, in: ARSP 86 (2000), S. 168 (174).

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III. Rezeptionsmodell mit juristisch-kulturellen Theorieelementen 

zu einem Rezeptionsgegenstand. Ein notwendiger Anknüpfungspunkt bei der Abhandlung ist die Annahme, dass das implizite Wissen eines Rezipienten besonders auf das Völkerrecht bezogene Inhalte umfassen kann und seine Explikation rechtlich oft problematischer oder unscharfer sprachlicher Äußerungen in Textquellen aus betrachtetem Schrifttum sich darum als sinnvoll erweist. Das Ziel einer solchen Handlung besteht vor allem in der inhaltlichen Strukturierung des Textmaterials. Das heißt, bei den etwa aus Grundlagen- oder Klassikertexten übernommenen Textteilen, seien es nur einzelne Begrifflichkeiten oder sogar vollständige Sätze, soll gerade durch die nach wissenschaftlichen Maßstäben prüfende sowie beurteilende Einbeziehung zusätzlichen Materials das Textverstehen erweitert werden, indem es das jeweils Rezipierte hinreichend ausdeutet. Andererseits sind die normativen Maßgaben des Artikel 38 Absatz 1 Buchstabe d) IGH-Statut in auch eröffnender Funktion zur Völkerrechtsordnung für ebensolche entfaltenden und präzisierenden Erklärungsmodelle der internationalen Wissenschaft, Forschung und Lehre in argumentativen Bezugnahmen auf fremd- oder intertextuelle Ideen, Gedanken oder Konzepte außerhalb ihrer originären Schriftquellen, hierzu im Einzelnen aus bedeutsamen Grundlagen- oder Klassikertexten, einzubeziehen. Des Weiteren ist anzumerken, dass es immer schwierig sein wird ihrem Ansatz nach neue Theorien in bestehende Betrachtungsweisen einer Wissenschaftsdisziplin in der entsprechenden Gestalt zu etablieren, das heißt, geeignete Fragen über einen Untersuchungsgegenstand zur systematischen Überprüfung der zugrunde liegenden Einzelannahmen oder Theorie im Ganzen zu stellen. Systematisch meint dabei, dass die Ergebnisse zu den Hypothesen eindeutig (re-)produzierbar sind. Ein Grund hierfür ist, dass zwar wohldefinierte aber gleichsam neuartige Erklärungsansätze die aktuellen Sach- und Informationsstände sowie gewisse Reihen von Beobachtungsdaten ebenso beinhalten müssen wie diejenigen, welche womöglich die jeweiligen Betrachtungsgegenstände vorher bereits interpretieren konnten. Erkenntnis schafft von Neuem die Grundlage für annahmen- oder theoriebildende Veränderungen. Die Kehrseite der Veränderung ist allerdings die Vergänglichkeit. Die Entwicklungen von forschungsleitenden Annahmen sowie Theoriegebilden in einem wissenschaftlichen Bereich sind darum stets dem Dilemma unterworfen, aus Gründen des Erkenntnisgewinns etwas im Erklärungsmodell verändern zu wollen und sich dabei so wenig wie möglich vom bis dahin erreichten und deshalb grund­legenden Konsens zu entfernen. Demgemäß folgt: Die herausgearbeiteten Hauptprämissen der beiden Rezeptionsmodelle nach Häberle und Strasen erscheinen in ihren wesentlichen Grundzügen als übereinstimmend. In Bezug auf das zuvor Gesagte ist abzuleiten, dass sich beide rezeptionstheoretischen Erklärungsansätze gerade nicht im Sinne eines Substituts ersetzen, sondern vielmehr wechselseitig in ihren Annahmen ergänzen, sodass sie in der Gesamtschau gemeinsame Kriterien begründen, die bei der Betrachtung eines Rezeptionsvorgangs nur geistiger oder textlicher Gegenstände als feststehend bewertet werden können. Denn ihrem verallgemeinerbaren Sinn und Zweck nach versuchen beide Erklärungsmodelle den Zusammenhang von

3. Zusammenführung der rezeptionstheoretischen Elemente

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Kultur zu Text und von Text zu Kultur innerhalb der Rezipientengemeinschaften als konkrete Wissens- und Kommunikationsgemeinschaften im Sinne der „epistemic communities“100 eingehender zu erfassen. Hierfür ist in beiden Konstruktionen das explanative Potenzial in erster Linie auf die vom Rezipienten zugrunde gelegten Schemata gerichtet, obgleich diese in aller Regel als diskursiv gebildete Grundmuster den ursprünglichen, ebenso diskursiven Problematisierungen innerhalb einer Rezipientengemeinschaft unterliegen.101 Danach müssten, so die hiesige Annahme, sowohl der „kulturelle Kontext“ im Sinne Häberles als auch das „kulturelle Modell“ im Sinne Strasens nach beherrschenden Schemata, also nach fremdkulturellen Erklärungsmustern oder -figuren in eigenkulturellen Sinnzusammenhängen fragen, die ein Rezipient bei einer vollständigen oder teilweisen An- und Übernahme fremder philosophischer, gesellschaftlicher oder auch (rechts-)kultureller Werte und Vorstellungen in die eigenen Argumentationstopoi zu einem bestimmten Gegenstand des Völkerrechts angewendet hat. Da beispielsweise Assoziationen, Erfahrungen oder sogar Motivationen einen wichtigen Anteil von Schemadefinitionen darstellen, ist davon auszugehen, dass das Verstehen eines übernommenen (Text-)Inhalts wie auch die inter- und intrakulturellen Zuschreibungen weiterer Wertigkeiten zu Menschen, Gegenständen oder auch Situationen gekoppelt sind. Es handelt sich hierbei um Festschreibungen eindeutiger Zugehörigkeiten etwa zu einer Gemeinschaft, welche nicht nur die Grundlagen für eine allseitige Identifikation innerhalb der interkulturellen Kommunikationsprozesse schaffen, sondern ebenfalls die jeweiligen Positionen des betrachteten Akteurs abbilden. Solche insgesamt wohl nur rezeptionshistorisch zu begreifenden Schemata erscheinen im Sach- und Problembezug weder beliebig noch willkürlich, da diese von ihren kulturellen Verknüpfungen her, das heißt, überwiegend unter Kulturbezug bestimmt werden.102 Demzufolge können kulturbezogene Schemata tatsächlich dasjenige aufzeigen, aus dem ein anderes seinen Ursprung in einem bestimmten räumlichen oder zeitlichen Bereich hat. Danach dürfte sich mittels kultureller Schemata ein überwiegender Teil  von Rezeptionshandlungen im Völkerrechtsschrifttum als ein grundsätzlich abgrenzbarer, da in besonderem Maße anhand konkret zuordenbar publizierter völkerrechtswissenschaftlicher Schriftstücke nachvollziehbarer Kommunikationsraum einer Rezipientengemeinschaft plausibel und kohärent erklären lassen. An dieser Stelle ist nochmals mit Strasen hervorzuheben: Eine gelingende Kommunikation als Bestandteil aller Rezeptionsvorgänge setzt allenthalben voraus, dass die senderseits angewendeten kulturellen Schemata empfängerseits auch hinreichend genau rekonstruiert werden, erst recht, wenn die Gemeinschaften der Kommunikationspartner, welche als internationale Gemeinschaft oder Öffentlichkeit prinzipienorientiert wie auch wertebezogen argumentieren, per definitionem kulturell und in dieser Hinsicht vor allem im Sprach- und Wissensbestand von 100

Haas, S. 5. Siehe dazu ausführlicher bei Diaz-Bone, S. 171 f. 102 Vgl. ferner dazu bei Esposito, in: Burkart/Runkel (Hrsg.), S. 91 ff. 101

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III. Rezeptionsmodell mit juristisch-kulturellen Theorieelementen 

einander entfernt sind.103 Vorliegend ist deshalb mit Strasen anzunehmen, dass kulturelle Schemata in hinreichendem Maße „wechselseitig manifest“104 sind, da hauptsächlich miteinander geteilte kulturelle Modelle zwischen den Kommunikationspartnern, etwa als rhetorische oder stilistische Instrumentarien zur Verschriftlichung wie auch als Modi der Veröffentlichung oder Textübermittlung zur Anwendung gelangen. Jedwede Formen der Textrezeption und -produktion sind zielgruppenorientiert, damit die in Texten enthaltenen Informationen durch eine – im Bereich des Völkerrechtsschrifttums vornehmlich internationale – ­Leserschaft wirklich verstanden werden können. Indem kulturelle Schemata benutzt werden, um vielschichtige Sprach- und Wissensstrukturen darzustellen, die in erster Linie typische lebensweltliche Zusammenhänge repräsentieren und insbesondere auf der Grundlage beständiger Erfahrungen in oder mit betreffenden Personen, Gegenständen, Situationen und Handlungsweisen generiert wurden, ist ihre faktische Kulturbedingtheit nicht oder allenfalls nur noch schwer begründbar von der Hand zu weisen. Sie bilden dementsprechend hinlänglich überprüfbare Entitäten105. Aus diesem Grund sind kulturelle Schemata zur Erforschung von Rezeptionsstrategien und Kommunikationsstrukturen ebenso auf der völkerrechtlichen Diskussionsebene überaus geeignet, obgleich nunmehr mit Häberle nachdrücklich zu erwähnen ist, dass sich selbst unter Zuhilfenahme dieser gegebenen Größen als zwecktaugliche Anhaltspunkte die beherrschenden Kausalzusammenhänge eines Rezeptionsvorgangs wohl niemals mit letzter Sicherheit erschließen lassen.106 Wenn bei alldem die Begutachtung kultureller Schemata als eine mögliche Orientierungshilfe im Rezeptionsmodell anzusehen ist und im Rahmen einer völkerrechtsphilosophischen Untersuchung entsprechend angewendet werden kann, dann sollte eine solche Vorgehensweise mindestens den nachstehenden zwölf Kriterien in Anlehnung an Terz genügen.107 (1) Objektivität: Sie beschreibt in der europäischen Philosophietradition ein allgemeines Gütekriterium wissenschaftlicher Untersuchungen, mithin die Unabhängigkeit der Beurteilung oder Beschreibung eines Gegenstands, Ereignisses oder Sachverhalts vom Beobachter beziehungsweise vom betrachtenden Subjekt.108 Als objektiv wird ein Ergebnis in der Wissenschaft bezeichnet, wenn es sich theoretisch oder empirisch intersubjektiv nachvollziehen lässt.109 Kulturelle 103

Vgl. bei Strasen, Rezeptionstheorien, S. 273; so ähnlich auch bei Kreuzbauer, S. 83 f. Strasen, Rezeptionstheorien, S. 350. 105 „Entität“ ist ein Grundbegriff der Ontologie oder auch Seinslehre und wird im zeitgenössischen philosophischen Sprachgebrauch weitgehend synonym mit Gegenstand oder Ding verwendet, wobei zwischen konkreten Entitäten (mit den Sinnen wahrnehmbar und daher raum-zeitlich abgrenzbar) und abstrakten Entitäten (nicht in Raum und Zeit zu verorten, daher physisch nicht wahrnehmbar) unterschieden wird. 106 So ausdrücklich bei Häberle, in: JZ 21 (1992), S. 1033 (1035). 107 Terz, in: ARSP 86 (2000), S. 168 (175 ff.), siehe dazu bereits unter II. 1. in Fn. 72; in anderem Zusammenhang so auch bei ders., in: Pap. Polít. Bogotá Colombia 14 (2009), S. 223 (226 ff). 108 Siehe dazu weiterführend etwa bei Patzig, S. 43 ff. u. S. 82 ff. 109 So auch bei Brosius et al., Methoden der empirischen Kommunikationsforschung, S. 16 f. 104

3. Zusammenführung der rezeptionstheoretischen Elemente

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Schemata sind im vorgenannten Sinne objektiv-sachlich, das heißt, von einem sie betrachtenden Akteur grundsätzlich unabhängig, insoweit mit Habermas solche kulturell überlieferten und sprachlich organisierten Deutungsmuster als (meist kollektives) Kontextwissen über die Lebenswelt aufgrund einer sozusagen intersubjektiven Erfahrungsablagerung110 von jedermann nachvollzogen werden können.111 Derartige Erfahrungsablagerungen, also das Reichsein an (Er-)Kenntnissen aus vornehmlich wertbestimmten Routinen nationaler Gesellschaftsformen, prägen die politisch-völkerrechtliche Staatenpraxis, insbesondere die Kommunikations- und Umgangsstile in internationaler Gemeinschaft oder Öffentlichkeit. Zur Verdeutlichung der gemeinten Gewohnheiten in zwischenstaatlichen Beziehungen sei ein von Terz angeführtes Beispiel nachgebildet: Seit etwa Anfang der 1970er Jahre argumentieren besonders die Entwicklungsländer wertorientiert, um neue völkerrechtliche Regelungen und dadurch die Einbindung erweiterter politischer Artikulations- wie auch Partizipationsmöglichkeiten auf der internationalen Ebene überwiegend in ihrem Interesse zu erwirken. Diesbezüglich stellt Terz zutreffend fest, dass die zum Ausdruck gebrachten Forderungen nach regulativen Prinzipien wie Rechtsideen über Gerechtigkeit, Gemeinwohl oder Solidarität vor allem Bereiche der staatenverbindenden Wirtschaftsbeziehungen betreffen und sich letzten Endes als Reflex ihrer ökonomischen Interessen darstellen dürften. Demgegenüber bedienen sich die wirtschaftsstarken führenden Industriestaaten tendenziell einer strikt positivrechtlichen Argumentation anhand bestehender völkerrechtlicher Verträge etc., sodass in Ansehung ihrer weltweiten wirtschaftspolitischen Interessenlagen der Status quo beibehalten werden kann.112 Hierbei wird deutlich, dass die Akteure auf dem internationalen Parkett, unbeschadet ihres auf den Betrachter wirkenden äußeren Bildes, hauptsächlich kraft paradigmen- und interessengeleiteter Erfahrungsablagerungen im Rahmen ihrer kulturellen Gepräge handeln und sich darum in teils engen Spielräumen unmissverständlich über abstrakt-generelle Objekte im Sinne von Idealisierungen (Rechtsideen) oder Typen (Rechtsnormen) verständigen müssen. (2) Analyse und Synthese: Die logische Analyse meint nicht nur eine systematische Untersuchung, sondern vorzugsweise auch rationale Rekonstruktion, bei welcher ein betrachteter Gegenstand in einem ersten Schritt in seine Einzelelemente aufgeteilt wird und die zutagegeförderten Informationen oder Daten in einem zweiten Schritt geordnet, untersucht und ausgewertet werden.113 Bei einer anschließenden Synthese kann aus ebendiesen Einzelelementen eine inhaltlich neue Gesamtheit, sprich ein „System der Implikationen“114 gebildet werden, um differente Blickwinkel auf einen konkreten Gegenstand herauszuarbeiten. Die völker 110

Vgl. dazu bei Edelmayer, S. 64 f. m. w. N. Vgl. dazu bei Knoblauch, S. 42 m. w. N.; ders., in: Dreher/Stegmaier (Hrsg.), S. 21 (28 f.); siehe ferner auch bei Renn, in: Dreher/Stegmaier (Hrsg.), S. 65 (90 f.). 112 Terz, in: ARSP 86 (2000), S. 168 (175). 113 Vgl. dazu etwa bei Wohlgenannt, S. 103. 114 Wohlgenannt, S. 102. 111

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III. Rezeptionsmodell mit juristisch-kulturellen Theorieelementen 

rechtsphilosophische Bedeutung einer Analyse mithilfe kultureller Schemata liegt danach in der Tatsache begründet, dass sie übergreifende Ordnungsstrukturen verkörpern, die sich insbesondere aus räumlichen Gegebenheiten, zeitlichen Distanzen sowie aposteriorischen Zielen beziehungsweise Verläufen von Handlungen der Akteure ergeben. Ihre wesentlichen Eigenschaften in Bezug auf die Intertextualität115 konnten bereits eingehend anhand der vorgenannten Rezeptionsmodelle nach­ Häberle und Strasen dargestellt werden. Eine detaillierte Analyse der Texte aus internationaler Wissenschaft, Forschung und Lehre im Völkerrechtsschrifttum in Hinblick auf fremdtextuelle Argumentationstopoi in eigenen Darstellungen, wie sie sich nach hier forschungsleitenden Erwartungen in den mannigfaltigen Gegenständen der Textrezeption wie auch -fortschreibung zeigen sollen, dient schließlich dem Erkennen dahinterstehender kultureller Regelmäßigkeiten.116 Allerdings erst durch die Synthese so gewonnener Hintergrundinformationen lassen sich sowohl die jeweilige Bedeutung als auch die jeweilige Funktion eines rezipierten Argumentationstopos im inhaltlich grundsätzlich neuen oder neuwertigen Erklärungszusammenhang erschließen. (3) Induktion: Die Induktion meint generell einen schlusskräftigen Übergang vom Besonderen zum Allgemeinen, von den Folgen zu den Gründen.117 Sie ist neben der Deduktion wie auch Analogiebildung eine der drei Erscheinungsformen von Inferenz, also von aufbereitetem Wissen, das aufgrund von stringenten Schlussfolgerungen gewonnen wurde.118 Speziell in der Philosophie handelt es sich um einen Übergang von den Folgen zu ihren Erkenntnisgründen, dass heißt, zu solchen Bedingungen, die bei der Behauptung der Folgen schon vorausgesetzt sind und nicht erst aus diesen erschlossen werden können.119 Einzelaussagen oder Einzelerfahrungen werden so zu allgemeineren Aussagen zusammengefasst. Laut Terz eigne sich die „soziologisch-induktive, also nicht so sehr die logisch-deduktive Methode […] für die Zwecke der Völkerrechtsphilosophie, denn die rechtsphilosophischen Einsichten ergeben sich aus den sozialen Belangen und Bedürfnissen des Lebens und nicht aus willkürlichen und zufälligen Abstraktionen und Spekulationen.“120 Er spricht demnach vom internationalen Lebenssachverhalt121. Insoweit hier mit Strasen für eine zu betrachtende Text-Leser-Wirklichkeit davon auszugehen ist, dass kulturelle Schemata als wechselseitig manifeste, lebensweltliche Bezugssysteme dienen, auf die auch die (rechts-)philosophischen Texte – bestätigend, widersprechend, umstrukturierend  – bezogen bleiben122, müssen also

115

Siehe dazu bereits unter II. 3. in Fn. 133. So auch bei Tenbruck, S. 180 f. 117 Zur Unterscheidung in rudimentäre, quantitative und qualitative Induktion siehe bei­ Riemer, S. 51 ff. 118 Vgl. weiterführend bei Riemer, S. 91 ff. 119 Nelson, S. 135; kritisch bei Popper, S. 87 f. 120 Terz, in: ARSP 86 (2000), S. 168 (175). 121 Marauhn, in: ZaöRV 67 (2007), S. 639 (641). 122 So ausdrücklich bei Strasen, Rezeptionstheorien, S. 351. 116

3. Zusammenführung der rezeptionstheoretischen Elemente

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jene Schemata gleichermaßen idealtypische Bedingungen repräsentieren, welche bei der Behauptung der Folgen, etwa in Bezug auf das Rezeptionsergebnis, schon voraus­gesetzt sind. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass anhand kultureller Schemata die spezifische Werk- und Rezeptionsgeschichte eines Textinhalts sowie dessen Textspuren entsprechend auf ihre Gründe zurückzuführen sind. Induktive Inferenzen123 erscheinen dabei zur Annahme beziehungsweise als Voraussetzung der Argumentbildung durchaus geeignet, da Menschen bei Ereignisabfolgen oft regelmäßige Ordnungen oder ebenso wiederkehrende Aufeinanderfolgen feststellen und hieraus jene Grundmuster entwickeln, die die beobachteten Merkmale zu bestimmten Inhalten, Gedanken oder Ideen abstrahieren, um dadurch die Beziehungsgeflechte zwischen Personen, Gegenständen und Situationen adäquat abbilden zu können.124 Es handelt sich hierbei um einen Vorgang, bei dem neues Wissen auf der Grundlage von zumeist mehreren Einzelaussagen oder Einzelerfahrungen generiert wird, indem etwas neu Erkanntes mit etwas zuvor Gültigem über Gemeinsamkeiten begrifflich generalisiert wird. So entsteht eine explizite Repräsentation von Gemeinsamkeiten, die das Gemeinte, wie beispielsweise einen Rezeptionsgegenstand, fest umrissen darstellt.125 Das hier beschriebene Phänomen ist unter dem Begriff der Schemainduktion bekannt geworden.126 (4) Komplexität: Es wird angenommen, dass „alles, was entsteht, […] vor seiner Entstehung eine Komplexität von Null [hat].“127 Obzwar die Komplexität bereits als eine Begrifflichkeit selbst schon die Grenzen ihrer Definierbarkeit zu erreichen scheint128, lässt sie sich dennoch mit einer gewissen, nach Wortsinn und vorherrschenden Deutungsmöglichkeiten auszurichtenden Pointiertheit als eine Vielschichtigkeit, als Vielseitigkeit, besser gesagt als das Ineinander vieler Merkmale beschreiben. Auch das (Völker-)Recht ist gegenwärtig komplex.129 Ein Grund dafür ist, dass die internationale Gemeinschaft beständig komplexer wird, was vom (Völker-)­Recht reflektiert wird.130 Laut Terz sind bei einer völkerrechtsphilosophischen Untersuchung gerade die vielschichtigen und vielseitigen Aspekte einer konkreten Problemstellung im Sinne einer völkerrechtsbezogenen (Wert-)Lehre

123

Vgl. dazu bei Wohlrapp, S. 24. Siehe dazu weiterführend bei Wohlrapp, S. 152 ff. u. S. 241 f. 125 So auch bei Strasen, Rezeptionstheorien, S. 214. 126 Siehe dazu ausführlicher bei Gick/Holyoak, in: Cognitive Psychology 15 (1983), S. 1 (6 ff.). 127 Henke, S. 121 m. w. N. 128 Es gibt eine Vielzahl wissenschaftlicher Komplexitätsbegriffe, als dass es vorliegend möglich wäre, sie auf einen einzelnen Nenner zu bringen. So meint der Begriff „Komplexität“ grundsätzlich ein Relationsgefüge, aber bspw. bereits nach Niklas Luhmann ist er als (t-)autologisch anzusehen, das heißt, dass er sich auf sich selbst beziehen lässt, wenn man feststellt, dass der Begriff der Komplexität selbst komplex sei und in diesem Fall als eine selbstreferenzielle Definition keinen weiterführenden Erkenntniswert besäße, vgl. bei ders., Die Gesellschaft der Gesellschaft, S. 134 ff.; ders., in: Burkart/Runkel (Hrsg.), S. 241 ff.; Stäheli, in: Werber (Hrsg.), S. 219 (223). 129 So auch bei Henke, S. 121. 130 In Anlehnung an Henke, S. 121. 124

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III. Rezeptionsmodell mit juristisch-kulturellen Theorieelementen 

zu berücksichtigen131, da das Völkerrecht „wie jedes positive Recht, an Werten gemessen [wird]“ und überdies „die Werte [hütet] und das Wertstreben [fördert].“132 Diese überaus grundlegenden Gedanken finden ihre Bekräftigung unter anderem auch in den Auffassungen des ehemaligen Richters am Internationalen Gerichtshof Bruno Simma, welcher von der Völkerrechtsordnung als wertgestütztes und wertverwirklichendes Normensystem spricht133, und des Völkerrechtlers Stephan Verosta, welcher zeitlebens fest davon überzeugt war, dass die Menschen in ihren staatlichen Rechtsordnungen sowie im prinzipiengeleiteten Völkerrecht vor allem Werte der Vernunft, des Friedens und der Gerechtigkeit zu verwirklichen bestrebt waren und bestrebt sind.134 Hierfür sprechen insbesondere die Artikel 53 und 64 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge in Verbindung mit Artikel 38 Absatz 1 Buchstaben a) bis c) des IGH-Statuts, die zwar keine Vorgaben darüber beinhalten, welche Gegenstände historisch errungener Leistungen „von den Kulturvölkern“ als materielle Normen zum zwingenden Kern der Völkerrechtsordnung gehören, aber entsprechend klar und eindeutig hervorheben, dass Grundprinzipien und Werte von derselben Rechtsnatur wie in „ausdrücklich anerkannte[n] Regeln“ oder im „Ausdruck einer allgemeinen, als Recht anerkannten Übung“ oder in „anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsätze[n]“ verbindlich für die „internationale Staatengemeinschaft“ bestehen, die nicht nur unabhängig von etwa geo- oder wirtschaftspolitischen Interessen der einzelnen Staaten „in ihrer Gesamtheit angenommen und anerkannt“ sind, sondern auch als zwingend und darum konstitutiv für das allgemeine Völkerrecht („ius cogens“) von den Vertragsstaaten dieser Übereinkommen erachtet werden.135 Wenn es demzufolge richtig ist, dass solche vielschichtigen wie auch vielseitigen Grund- und Wertentscheidungen ohnehin einer jeden Völkerrechtsnorm vorausgehen136, dann sind ihre Repräsentationen in Gestalt von kulturellen Schemata, welche nämlich das Ineinandergreifen derartiger lebensweltlicher Vorstellungen der Akteure beschreiben137, zu suchen.138 (5) Systemhaftigkeit: Sie verlangt in erster Linie ein Strukturgesetz wie Komplementarität von Zustand und Prozess, wonach die völkerrechtsphilosophischen Materien in ihren jeweiligen (System-)Zusammenhängen zum Völkerrecht und zur (Rechts-)Philosophie zu erkennen und zu bewerten sind. In philosophischer Hinsicht meint ein System hauptsächlich, „dass die Wirklichkeit nicht bloß Viel 131 Terz, in: ARSP 86 (2000), S. 168 (175); ders., in: Pap. Polít. Bogotá Colombia 14 (2009), S. 223 (226). 132 Terz, in: ARSP 86 (2000), S. 168 (179) m. w. N. 133 Simma, in: Bonin et al. (Hrsg.), S. 339 (340 f.). 134 Verosta, in: Engel et al. (Hrsg.), S. 347 (364). 135 So auch bei Rensmann, S. 376 ff.; siehe ferner bei Herdegen, in: Dupuy et  al. (Hrsg.), S. 899 (899 ff.). 136 So ausdrücklich bei Terz, in: ARSP 86 (2000), S. 168 (179). 137 Vgl. dazu bereits unter III. 2. in Fn. 96. 138 Henke stellt zutreffend fest, dass zwar das „Recht […] auch ein Produkt von Machtkämpfen [aber die hierdurch, Anmerk. d. d. Verf.] steigende Komplexität kein Naturgesetz“ sei, ders., S. 123 m. w. N.

3. Zusammenführung der rezeptionstheoretischen Elemente

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falt elementarer Einheiten, sich aus deren äußerlichen Beziehungen konstituiert, sondern dass sie eine Mannigfaltigkeit geordneter Gesamtheiten von Elementen bildet.“139 Es kommt dabei laut Terz weniger auf die einzelnen Einheiten, sondern vielmehr auf das Wechselverhältnis zwischen infrage kommenden Systemelementen an.140 Die kulturellen Schemata sind von einer solchen Systemqualität, da sie, vornehmlich mit Ansätzen des Gesellschaftstheoretikers Niklas ­Luhmann systemtheoretisch betrachtet141, nicht losgelöst eines unter dem anderen existieren. Dies deshalb, da besonders kulturelle Schemata „die stillschweigenden Hintergrundannahmen für die dominanten Rechtfertigungs- oder Problematisierungsstrategien einer Kultur [bilden], die im Zweifelsfall Appellationen an intuitive Vorstellungen von Nützlichkeit, Gerechtigkeit, Wahrheit und Echtheit erlauben.“142 Es bestehen zwischen diesen nur beispielhaft genannten Elementen somit Wechselwirkungen und gegenseitige Beeinflussungen, die die innere, systemhafte Ordnungsstruktur kultureller Schemata kennzeichnen. Bestimmte kulturelle Schemata sind aus diesem Grund auch in Gestalt globalisierter Regelungsfragen, in völkerrechtlich verfassten Regelungsgehalten, wie etwa internationale Mindeststandards im Fremdenrecht, sehr langlebig, da sie zu einem gewachsenen System erforderlicher (Verhaltens-)Regeln innerhalb menschlicher Gemeinschaften sowie der von diesen hervorgebrachten Völkerrechtsordnung gehören143 und die alle Staaten zu ihrer Einhaltung erga omnes verpflichten.144 Der Inhalt völkerrechtlicher Mindeststandards bestimmt sich letztendlich nach dem für einen Regelungskomplex geltenden Völkervertrags- oder ferner Gewohnheitsrecht145 und „umfasst einen Grundbestand an Rechten, den jeder zivilisierte Staat dem Einzelnen zu­erken­nen muss. Hierzu gehört das Recht auf Rechtsfähigkeit und Rechtssubjektivität, das Recht auf Teilnahme am Wirtschaftsleben, das Recht auf Leben, körperliche Unversehrtheit und Sicherheit der Person, auf Gleichheit vor dem Gesetz und vor Gericht, sowie das Recht auf ein geordnetes Verfahren.“146 In vorgenannten Fällen von Regelungskomplexen handelt es sich um allgemein an­erkannte internationale Mindeststandards147, die zwar „inhaltlich unter dem Niveau ver­ 139

Terz, in: ARSP 86 (2000), S. 168 (175 f.) m. w. N. Terz, in: ARSP 86 (2000), S. 168 (176); ders., in: Pap. Polít. Bogotá Colombia 14 (2009), S. 223 (226). 141 Zum Begriff der Kultur unter systemtheoretischen Gesichtspunkten siehe ausführlicher bei Reinhardt, S. 31 ff.; vgl. fernerhin kritisch zur Vereinbarkeit von Kulturtheorie und Systemtheorie, die nach Reckwitz von „unterschiedlichen begrifflichen Leitdifferenzen [aus­ gehen]“, ders., in: ZfS 26 (1997), S. 317 (318 u. 333 ff.). 142 Bude, in: Flick et al. (Hrsg.), S. 101 (103 f.). 143 So bspw. als reine Staatenverpflichtungen kodifiziert im Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom 19. Dezember 1966 (BGBl. 1973 II, 1570); vgl. auch bei Bude, in: Flick et al. (Hrsg.), S. 101 (111). 144 Vgl. dazu etwa bei Breutz, S. 84 f. m. w. N. 145 Dahm et al., Bd. I/3, S. 948. 146 Hailbronner/Kau, in: Vitzthum (Hrsg.), S. 243. 147 Zum Bestand von Minimalordnungen im Völkerrecht, die völkervertragsrechtlich bspw. über die Art. 5 Abs. 2 IPbpR, Art. 53 EMRK oder Art. 29 Buchst. b) bis d) AMRK zugesichert sind, siehe dazu weiterführend bei Gornig, in: Schöbener (Hrsg.), S. 300 (301). 140

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III. Rezeptionsmodell mit juristisch-kulturellen Theorieelementen 

wandter Menschenrechtsgarantien liegen“148, aber zumindest nicht losgelöst eines unter dem anderen in der Völkerrechtsordnung bestehen und demnach ihre jeweilig wechselseitigen (System-)Zusammenhänge erkennen lassen. (6) Globalität: Das Globalsein kultureller Schemata bedeutet – von den weltweiten Herausforderungen der Menschheit ausgehend149 –, sie auch in Bezug zu den Interessen150 von Völkern und deren verfassten Staaten in ihren lebensweltlichen Zusammenhängen151 zu reflektieren. Hierzu versucht eine philosophische Reflexion zwischen universalistisch und relativistisch ausgerichteten Schemadefinitionen zu vermitteln, insoweit für ein hinlängliches Kulturverstehen anzunehmen ist, dass ihre Ausdifferenzierungen über ein weltweites Referenzsystem152 vonstattengehen und sich dementsprechend in einer immer mehr interkulturellen Umgebung153, aufgrund der häufig wechselseitigen Verschränkungen von lokalen und globalen Kulturelementen wie Sprachen, Leitbildern oder Gesellschaftsentwürfen, auch zunehmend mehr Menschen besonders auf globale Einordnungen, Konzeptionen oder Standards beziehen werden. Diese Aspekte hat jede wissenschaftliche Theorienbildung in einem notwendig internationalen und interkulturellen Rahmen zu berücksichtigen.154 Ein Erklärungsansatz anhand kultureller Schemata soll danach die verschiedenen Anforderungen innerhalb der Gemeinschaften in ihrer Vielfalt hinsichtlich Geschichte, Tradition, Entwicklungsstand etc. einbeziehen, um diese weiteren Ursachen und Begleitumstände etwa bei einer Textrezeption oder -produktion für „die Zwecke der Völkerrechtsphilosophie wenigstens [in den Grundzügen] der Philosophie, allgemein der Rechtswissenschaft und speziell der Völkerrechtswissenschaft auch außereuropäischer Kultur- und Rechtskreise“155 zu verstehen.156 (7) Historizität: Sie umfasst die historische Methode, „die das historische Wissen, das durch Forschung gewonnen und in Historiographie präsentiert wird, mit den besonderen Geltungsansprüchen der Objektivität ausstattet.“157 Kulturelle Schemata sind als intersubjektive Erfahrungsablagerungen in aller Regel unter historisch-konkreten Bedingungen als zunächst etwas lokal Verwurzeltes entstanden und darüber hinaus als ebensolches künftigen Wandlungen in Raum und

148

Arnauld, Völkerrecht, S. 229. So auch bei Kotzur, in: JöR 49 (2001), S. 329 (330 f.). 150 Siehe dazu ausführlicher bei Terz, in: Pap. Polít. Bogotá Colombia  14 (2009), S.  223 (226 f. u. 258 ff.). 151 Vgl. dazu bereits unter III. 2. in Fn. 96. 152 So auch bei Breidenbach/Zukrigl als leitender Gesichtspunkt zur kulturellen Globalisierung, dies., S. 36, S. 206 ff. u. S. 217 ff. 153 Vgl. dazu etwa bei Rehbein, in: Jammal (Hrsg.), S. 31 (31 ff.). 154 Siehe weiterführend bei Zima, in: Jammal (Hrsg.), S. 71 (71 ff.). 155 Terz, in: ARSP 86 (2000), S. 168 (176) m. w. N. 156 Grundlegend problembehaftet sehen bspw. Aderhold/Heideloff die analytische und empirische Erfassung global wirkender (kultureller) Schemata, vgl. bei dies., S. 3 f. 157 Rüsen, S. 102. 149

3. Zusammenführung der rezeptionstheoretischen Elemente

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Zeit unterworfen158, sodass sich hierauf beziehende völkerrechtsphilosophische Anschauungen stets ihres Bedingtseins im Sinne einer Überlieferung, Hinterlassenschaft beziehungsweise Gewohnheit gewahr sein müssen, die insoweit ein vergangenes Geschehen betraf und darum allein ein (Ab-)Bild in der Gegenwart repräsentiert.159 (8) Differenziertheit: Sie verlangt vor allem ein begriffliches sowie inhaltliches Abgestuftsein kultureller Schemata, sodass die schematheoretischen Kategorien nicht nur voneinander hinreichend zu unterscheiden sind, sondern darüber hinaus auch eine plausible und kohärente Typisierung ihrerseits zulassen160, die diese Grundmuster als näher beschreibende Bezugsgrößen zu jeweils dahinterstehenden „emotionale[n] Reaktionen, Interaktionsmuster[n], subjektive[n] Sichtweisen, Sinnkonstruktionen, Gruppendynamiken, historische[n] Abläufe[n], soziale[n] Beziehungen, neuronale[n] Vorgänge[n], […] Entwicklungsprozesse[n], gesellschaftliche[n] Trends, mediale[n] Inszenierungen, interkulturelle[n] Unterschiede[n], eth­ni­sche[n] Besonderheiten usw.“161 ausgestalten.162 Wie dargelegt, sind die in den Texten gleichsam stillschweigend vorausgesetzten Schemata wohl durchgängig kulturell-kontextbedingt und deshalb vor einem anderen, externen beziehungsweise fremden kulturellen Sprach- und Wissensbestand eines Rezipienten nicht ohne Weiteres gültig. Vor diesem Hintergrund zeigt sich eine erhebliche Quelle für Missverständnisse beim Textverstehen durch einen Leser, erst recht, wenn aus verschiedenen Gründen keine gemeinsame (Fach-)Sprache gebraucht werden sollte. Insbesondere textuell kommuniziertes Wissen wird von einer Rezipientengemeinschaft nur aufgenommen, wenn die unterschiedlichen Sprach- und Wissensbestände aufeinander beziehbar oder im Sinne Luhmanns anschlussfähig163 sind. Rezipierte Inhalte gelten als anschlussfähig, wenn sie von einer Rezipientengemeinschaft aufgrund der bestehenden Zusammenhänge mit anderen Informationsgehalten oder auch Inferenzen, sprich aufbereitetes Wissen, das aufgrund von logischen Schlussfolgerungen gewonnen wurde, als vorstellbar, durchdacht und zweckmäßig bewertet werden. Darum sind jene vom originären Verfasser verwendeten Schemata etwa von bewusst konkurrierenden Schemata oder nur unbewusst übertragenen eigenkulturellen Schemata des Rezipienten anhand hinreichender 158

Vgl. dazu bei Rüsen, S. 47 ff. So schreibt etwa Rüsen zutreffend: „Geschichte ist immer beides: Vergangenes Geschehen und gegenwärtiger Bericht darüber. […] Sie steht nicht über dem Geschehen, sondern ist ein Ereignis in ihm, verflochten in die kulturellen Orientierungen der menschlichen Lebenspraxis“, ders., S. 1; siehe dazu weiterhin bei Terz, in: ARSP 86 (2000), S. 168 (176 f.); vgl. ferner bei Douzinas/Warrington, in: Douzinas et al., S. 29 (29). 160 Terz, in: ARSP 86 (2000), S. 168 (177); ders., in: Pap. Polít. Bogotá Colombia 14 (2009), S. 223 (227). 161 Hug/Poscheschnik, S. 62. 162 Vgl. ferner zu Anforderungen an wissenschaftlich ausgestaltete Differenziertheit bei Brosius et al., Methoden der empirischen Kommunikationsforschung, S. 41 ff. 163 Zur „Anschlussfähigkeit“ als Begriff in der Systemtheorie nach Niklas Luhmann siehe ausführlicher bei Krause, S. 124. 159

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III. Rezeptionsmodell mit juristisch-kulturellen Theorieelementen 

Textindizien164 wie Widerspruch, Tautologie oder Rückgriff auf die überlieferten Muster kollektiver Identität zu unterscheiden.165 Selbst wenn den Texten eindeutig typisierbare Schemata zugrunde gelegt wurden und es sich daher nicht um bloße Vagheiten oder Verschachtelungen von Schemata handelt, verbleibt möglicherweise immer noch ein kaum zu überschauender Interpretationsspielraum.166 Vor allem in praktischer Hinsicht auf einen begrifflichen und inhaltlichen Differenzierungsgrad ist festzuhalten, dass kulturelle Schemata letztlich nur in Teilstücken und dabei nicht restlos voneinander zu trennen sind. Eine Annahme lautet darum: Je mehr Hintergrundwissen ein Leser beziehungsweise Rezipient in Bezug auf den Inhalts- oder Gegenstandsbereich der (mit-)rezipierten kulturellen Schemata hat, desto mehr und besser versteht er das im übernommenen Textteil tatsächlich Gemeinte, da es für ihn hierdurch hinreichend genau rekonstruierbar wird. (9) Komparativität: Schemata sind Deutungsmuster, die in erster Linie als integrierende Bestandteile menschlichen Wirklichkeitsbezugs dienen. Im Falle unvollständiger Informationen, etwa bei Vorgängen der Textrezeption und -produktion, stellen insbesondere Schemata lebensweltliche Bezugsrahmen167 zur Verfügung, welche die fehlenden Personen, Gegenstände oder Situationen durch die sie repräsentierenden Sprach- und Wissensmuster mittels Vergleichs- wie auch Nachahmungsprozessen beim Textverstehen ergänzen. Komparativität bezieht sich dabei auf die Vergleichbarkeit kultureller Schemata als festgelegte Bezugsrahmen zum Rezipierten unter Berücksichtigung ihrer sechs kennzeichnenden Merkmale: (1) Kulturelle Schemata fungieren als übergreifende Organisationsstrukturen, die die typischen Zusammenhänge von Lebenssachverhalten in einem Rechts- und Kulturkreis etwa in Grundlagen- oder Klassikertexten abbilden; (2) sie füllen jene struktur- und systembedingten Leerstellen übernommener Textinhalte (im Sinne von Ingardens Unbestimmtheitsstellen) aus, um die meist (mit-)rezipierten Festlegungen in einem Textteil und die oft unterschiedlichen gemeinschaftsrelevanten Werte oder Zuordnungen der originären Verfasser und ihnen nachkommenden Rezipienten in eine bessere begriffliche und sprachliche Übereinstimmung bringen zu können; (3) kulturelle Schemata können dabei ineinander eingebettet beziehungsweise verschränkt sein; (4) sie enthalten sowohl episodisches als auch generisches Wissen, also gegenstandsbezogene Informationen, die auf der bestmöglichen Idee für (auch schriftliche)  Artikulation und Bedeutungszuweisung aufgrund umfassender Erfahrungen beruhen; (5) sie besitzen daher nicht nur eine

164

Nach Todorov bildet die vom Text angezeigte symbolische Doppelnatur die Grundlage zur Textinterpretation, wobei er solche interpretationsleitenden Anzeichen in syntagmatische, also durch ein Fehlen oder ein Zuviel an aus dem Textinhalt selbst ableitbaren Referenzen, und in paradigmatische, also durch einen Rückgriff auf andere, insbes. kulturell-kontextbedingte Gegenstände, unterscheidet, siehe dazu bei ders., Symbolism and Interpretation, S. 97 ff. 165 Zu Problemlagen bei einer „Nachahmung“ von (Text-)Inhalten vgl. fernerhin bei T ­ odorov, Symboltheorien, S. 107 ff. 166 Siehe dazu weiterführend etwa bei Ehlers, S. 126. 167 Vgl. dazu bereits unter III. 2. in Fn. 96.

3. Zusammenführung der rezeptionstheoretischen Elemente

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Struktur-, sondern auch eine ausgeprägte Prozesskomponente; (6) kulturelle Schemata repräsentieren zudem Sprach- und Wissens­bestände unterschiedlicher Inhaltsbereiche (im Sinne von Habermas intersubjektiver Erfahrungsablagerung), die als solche formale und materiale Gemeinsamkeiten in ihren Postulaten anhand relativ eindeutig feststellbarer Tatsachen und dazu denkbarer sonstiger Gesichtspunkte aufweisen.168 Beim vorbeschriebenen Mustervergleich werden demzufolge neue Informationen eines Rezeptionsgegenstands auf bereits zu dieser Sache, diesem Zustand oder Vorgang bestehende Deutungsmuster abgebildet. Insofern fußt Komparativität auf der Grundeinstellung eines Rezipienten zum rezipierten Gegenstand, dass nämlich die erkannten Tatsachen für die Gleichheit oder Ungleichheit bezeichnend seien. Dabei werden in den übereinstimmenden Teilen gewohnte Grundmuster durch einen Rezipienten beibehalten und in den nicht übereinstimmenden Teilen diese durch ihn hingegen modifiziert.169 Erst ein Vergleich der von Kultur zu Kultur verschiedenen Deutungsmuster schafft die nötige Distanz zum eigenen Rechts- und Kulturkreis und lässt schließlich gewisse Rückschlüsse auf ihren völkerrechtsphilosophischen Erkenntnis- und Erklärungsgehalt im Weiteren wie auch eine verstehbare Einordnung der kulturellen Schemata als forschungsleitende Prämissen, wie mit den Rezeptionsmodellen nach Häberle und Strasen geschehen, zu. Hierbei ist allerdings festzustellen, dass Detailkenntnisse etwa zu einem hieraufhin weiterzuverfolgenden Merkmal oder ebensolcher Eigentümlichkeit kulturbedingter Grundmuster, die in Anbetracht der komplexen Gemengelage aus vielfältigen Einflüssen des internationalen und interkulturellen Rezeptionsstoffs nur in begrenztem Umfang zu erzielen sind, weiter zugunsten von Kontextund Strukturwissen als Grundlage der vergleichenden Interpretation der Rezep­ tionsthemen zurücktreten werden. (10) Dialektik: Hier meint Satz und Gegensatz eine philosophische Denk- und Arbeitsweise, die die Position im Hinblick auf ein zu lösendes (Rechts-)Problem, von welcher zunächst auszugehen ist, durch gegensätzliche Behauptungen infrage stellt und in einer anzustrebenden Synthese beider Positionen des Für und Wider eine Erkenntnis höherer Art zu gewinnen sucht.170 Ein Rezeptionsmodell unter Maßgabe kultureller Schemata, das im Theorierahmen einer völkerrechtsphilosophischen Untersuchung zu entsprechender Anwendung gelangen soll, bedarf eines gut ausgewogenen Verhältnisses von subjektiven und objektiven Faktoren. Subjektive Faktoren, wie Erwartungshaltungen, Erfahrungen, Intuition oder Professionalität, und objektive Faktoren, wie Textquellen, Analyseergebnisse, Normen 168 Die Zusammenstellung der Merkmale von (kulturellen) Schemata ist angelehnt an die Überlegungen von Mandl et al., in: ders./Spada (Hrsg.), S. 123 (125 f.) m. w. N. 169 Der sog. „Mustervergleich“ ist neben der sog. „Schemainduktion“ (vgl. dazu bereits unter III. 3. in Fn. 126) eine der zwei Umstrukturierungsarten von Schemata, wobei festzuhalten ist, dass es sich bei solchen Umstrukturierungen um seltene und langfristige Prozesse handelt, siehe weiterführend bei Mandl et al., in: ders./Spada (Hrsg.), S. 123 (127 f.); vgl. in anderem Kontext auch bei Esch, S. 90 f. m. w. N. 170 Vgl. dazu bei Horn, S. 230 m. w. N.

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III. Rezeptionsmodell mit juristisch-kulturellen Theorieelementen 

oder Regelwerke, sind für die inhaltliche und kontextuale Stimmigkeit von Entscheidungen und Schlussfolgerungen im Erklärungsansatz von besonderem Belang. Nach Terz ist es zum Beispiel „unphilosophisch und zutiefst undialektisch, sich nach dem archaisch-primitiven, neurotischen und infantil-pubertären Prinzip ‚Entweder-Oder‘ als Ausdruck intellektueller Immobilität zu richten […]“, denn „es gibt nicht nur den Tag und die Nacht“, so schlussfolgert der Völkerrechtswissenschaftler genauso sinnreich wie anschaulich, „sondern auch die Morgenröte und die Abenddämmerung […]“, sodass im Sinne der Dialektik vielmehr ein Ansatz des „Sowohl-als-Auch“ zu wählen ist, welcher eher der – in der Völkerrechtsphilosophie gleichermaßen gebotenen  – kritisch-rationalen Vernunft und nicht zuletzt einem gerade die pluralen internationalen Lebenssachverhalte in angemessener Weise erfassenden Pragmatismus entspräche.171 (11) Realitätsbezogenheit: Sie ist laut Terz nur dann gegeben, wenn sich die von den Akteuren formulierten Zielvorstellungen auf „echte Wahrnehmung, Vernunft, Verstand sowie auf richtige Erkenntnis stützen.“172 Die Schemata, jene „metajuristisch[en], nämlich politisch-historisch[en]“173 Grundmuster, können bei alledem „als unterschiedlich ausgelegte Charakterisierungen von Weltausschnitten aufgefaßt“174 werden, die mit dem Staatsrechtler Hermann Heller einerseits als „Sinngebilde auf ihren Entstehungsboden zurückzubeziehen“ sind und andererseits „wie jedes Sozialgebilde nur wirklichkeitswissenschaftlich gedeutet werden“ können.175 Die wirklichkeitswissenschaftlichen Grundlagen, Komponenten und Systeme, wie vorliegend der „kulturelle Kontext“ im Sinne Häberles oder das „kulturelle Modell“ im Sinne Strasens, sind anhand der im Rezeptionsmodell je zugrunde gelegten Deutungsmuster in die Völkerrechtswissenschaft zunächst einzuführen und sollten etwa durch weitere methodische Fundierungen zur Abgrenzung wie auch Strukturierung ihres Gegenstandsbereichs auf die Realität der gegenwärtigen Völkerrechtsordnung bezogen werden, „mögen diese Rechtssätze auch noch so verschiedenen Quellen und Zeiten entstammen.“176 Infolgedessen sind Schemata realitätsbezogen, wenn sie der Wirklichkeit – wenn auch nur in Ausschnitten – der bestehenden Völkerrechtsordnung hinreichend genau entsprechen. Hierbei gibt es allerdings nicht das eine Deutungsmuster, welches einen bestimmten Weltausschnitt in jeder internationalen Beziehung repräsentiert, vielmehr erweisen sich kulturelle Schemata als „Angelegenheiten der Perspektivierung, von Aspekten, und können daher im Prinzip unendlich vermehrt (und ausdifferenziert) werden.“177 Kulturelle Schemata werden, wie zuvor dargestellt, vom Bewusstsein des 171 Zu vorstehenden Zitaten siehe bei Terz, in: Pap. Polít. Bogotá Colombia 14 (2009), S. 223 (227). 172 Terz, in: Pap. Polít. Bogotá Colombia 14 (2009), S. 223 (228). 173 Henkel, S. 494. 174 Heydrich, S. 236. 175 Zu vorstehenden Zitaten siehe bei Heller, Staatslehre, S. 62. 176 Heller, Staatslehre, S. 300. 177 Busse, in: Viehöver et al. (Hrsg.), S. 51 (58).

3. Zusammenführung der rezeptionstheoretischen Elemente

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Lesers beziehungsweise Rezipienten etwa beim Textverstehen als sozusagen abgelagerte mentale Repräsentationen lebensweltlicher Ereignisfolgen stillschweigend vorausgesetzt und sind dementsprechend wirklichkeitsnahe (aber stets nur kognitive) Abbildungen178 in der Welt existenter Gegenstände, Eigenschaften oder Beziehungen, die sie unter anderem als (fach-)sprachliche Erscheinungen in Texten darstellen. Im Übrigen bleibt noch anzumerken, dass die Realitätsbezogenheit neben der Funktionalität wie auch Eindeutigkeit charakteristische Merkmale nichtliterarischer Texte, wie die wissenschaftlichen Grundlagen- oder Klassikertexte im Völkerrecht, sind, da gerade solche Gebrauchstexte auf eine sehr bestimmte Leser- und Rezipientenschaft gerichtet sind, um in einer sachlichen Auseinandersetzung über Betrachtungsgegenstände, Themen- und Problemstellungen umfassend zu informieren, zu belehren oder fernerhin ebendiese zu kritisieren. (12) Prognose: Sie meint generell eine wissenschaftlich begründete Voraussage künftiger Entwicklungen, bevorstehender Zustände oder voraussichtlicher Verläufe. Neben den grundlegenden Aufgaben der Völkerrechtswissenschaft das geltende Völkerrecht zu ermitteln und zu beschreiben179, ist vor allem die Prognose ein Verfahren zum Vorausbestimmen etwa von Rechtsauslegung und -anwendung in zwischenstaatlichen Beziehungen unter Berücksichtigung gegenwärtiger Erkenntnisstände. Die Prognose beruht wesentlich auf bereits erbrachten (Vor-) Leistungen, wie Abstraktionen und Distinktionen, und liefert so „nur die Informationen für das Treffen – oder, damit gleichbedeutend, Unterlassen – von Entscheidungen.“180 Dem wirklichkeits- und völkerrechtswissenschaftlich arbeitenden Beobachter kommt hierbei mehr als eine bloße „Statisten- und Chronistenrolle“181 zu, indem er für seine fundierte Voraussage notwendigerweise Informationen auswählen muss, welche internationalen Akteure, Gegenstände, Situationen oder Zeiträume einzubeziehen sind, um im Kontext eines staatenverbindenden Lebenssachverhalts auslegungsbedürftige Rechtstexte, aber auch Grundlagen- oder Klas-

178 Siehe weiterführend zum hier relevant werdenden Intentionalitätsproblem und hierauf Bezug nehmender sog. „Brentano-These“ (vom Philosophen und Psychologen Franz Clemens Brentano aus dem Jahr 1874) im Zusammenhang gegenwärtiger Theorienbildung in der Philosophie des Geistes bei Szanto, der hierzu kritisch hinterfragt: „Wie ist die Konstitution mentaler Repräsentationen allein aus dem (kausalen) Funktionszusammenhang natürlicher (physikalischer, biologischer etc.) kognitiver Systeme und der physikalischen Welt zu erklären, wenn wir annehmen, dass der Inhalt mentaler Repräsentationen nicht notwendig oder nicht eindeutig mit physikalischen Tatsachen der Welt korreliert oder überhaupt real-existierende Gegenstände repräsentiert?“, ders., S. 64 m. w. N. 179 Siehe ausführlicher bei Hillgruber, in: Jestaedt/Lepsius (Hrsg.), S. 113 (113 ff.); vgl. weiterhin bei Bleckmann, Die Funktion der Lehre im Völkerrecht, S. 59; Faulenbach, S. 51 ff. 180 Die Hervorhebung ist bei Hüttner bereits im Originalwortlaut enthalten und bezieht sich auf den Informationswert einer Prognose, der hinsichtlich der Informationsbeschaffung (etwa wegen der Kostenlast) selbst ein Entscheidungsproblem verursacht, siehe dazu bei ders., S. 1. 181 Hillgruber, in: Jestaedt/Lepsius (Hrsg.), S. 113 (121); zur Idee der Rechtsgelehrten als Rechtsdokumentaristen ihrer Zeitgeschichte siehe auch bei Faulenbach, S. 26.

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III. Rezeptionsmodell mit juristisch-kulturellen Theorieelementen 

sikertexte zum Völkerrecht zutreffend interpretieren zu können.182 Anhand eines Rezeptionsmodells, das mit kulturellen Schemata operiert, lässt sich dementsprechend auch auf der Grundlage des gefundenen Rezeptionsergebnisses in etwa vorstellen oder abschätzen, welche konkreten Argumentationstopoi in der Perspektive eine Priorität in Diskursen zum Völkerrecht erlangen183 werden und infolgedessen in zeitlicher und räumlicher Hinsicht als wirkungs- oder einflussmächtig innerhalb einer betrachteten Rezipientengemeinschaft und innerhalb eines hieraus zu bestimmenden Verbreitungsmediums, vorliegend der zeitgenössischen Völkerrechtslehre und deren Schrifttum, gelten können. Fazit: Die obigen Prämissen hinsichtlich juristischer (nach Häberle) wie auch kultureller (nach Strasen) Theorieelemente zeigen ihre prinzipielle Vereinbarkeit miteinander in einem Erklärungsmodell über Rezeptionen nicht-literarischer Abhandlungen, wie Grundlagen- oder Klassikertexte, im Völkerrechtsschrifttum auf. Denn die hier aufgezeigten Theorieelemente spielen nicht nur bei der Aufstellung von Rezeptionsmodellen, wie bei Häberle und Strasen mit Schwerpunkt auf der Kultur, eine durchaus entscheidende Rolle, sondern auch bei deren Bewertung, indem solcherlei Grundmuster für hinlängliche Plausibilität sowie Kohärenz einer neuen (Rechts-)Idee mit dem diesbezüglich vorhandenen Sprach- und Wissensbestand der „epistemic communities“184 sorgen. Die informationstragenden metajuristischen Deutungsmuster stellen nicht nur bloße wirklichkeits- oder erfahrungswissenschaftliche Unterscheidungszeichen dar, sondern gehören auch zum methodologischen Rahmen und erst recht zu den ontologischen Annahmen, die dergestalt allen rezeptionstheoretischen Erklärungsansätzen innewohnen. Hierbei zeigt sich außerdem, dass der erwartungsgemäße Kernpunkt mit dem verallgemeinerbaren Konzept der kulturellen Schemata begründet ist. Sie sollen für ein allseitig genaues Textverstehen von grundlegender Bedeutung sein. Kulturelle Schemata sind allerdings überaus komplexe Sinn- und Sozialgebilde, da ihre Entwicklung sowie Geltung naturgemäß durch vielfältige Faktoren des Menschen beeinflusst sind und überdies ihre Aussagen für unterschiedlichste Zwecke von Menschen benutzt werden. Gleichwohl beanspruchen sie für die vornehmlich textbasierten Wissenschaften185 entsprechende Legitimität; so können kulturelle Schemata nicht nur in bestimmten (zumeist kognitiven186) Strömungen innerhalb der Literaturwissenschaften, sondern auch in den Rechtswissenschaften, genauer

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Siehe dazu etwa bei Haltern, in: Jestaedt/Lepsius (Hrsg.), S. 133 (142). Vgl. bei Terz, in: Pap. Polít. Bogotá Colombia 14 (2009), S. 223 (228 f.). 184 Haas, S. 5. 185 Da bspw. die Theologie, Philosophie, Literatur- oder ebenso (Völker-)Rechtswissenschaft hauptsächlich Texte als Gegenstände ihrer Betrachtungen haben, gelten sie allgemein als Buch- oder Textwissenschaften, unbeschadet der Tatsache, dass jede der vorgenannten Wissenschaftsdisziplinen ihre eigenen, besonderen Forschungsschwerpunkte besitzt, die sie an Texten interessieren. 186 Über kognitive Schemata und zu weiteren Möglichkeiten des Assoziierens von Informationen (oder Daten) durch den Menschen siehe etwa bei Branigan, S. 13 ff. 183

3. Zusammenführung der rezeptionstheoretischen Elemente

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in der Völkerrechtswissenschaft, als überwiegend durch Texte, Textlichkeit und Textverstehen geprägte Forschungsdisziplinen zur Anwendung gelangen. Die Philosophie als sprichwörtliche „Mutter der Wissenschaften“187 ist dabei mindestens in dreifacher Hinsicht bestimmend. Erstens haben methodologische Maximen, wie sie gleichermaßen Terz vorschlägt, stets einen philosophischen Hintergrund und können deswegen unter anderem mittels erkenntnistheoretischer Beweisführungen kritisch und rational nachgeprüft werden.188 Die wirklichkeitsoder erfahrungswissenschaftlichen Deutungen zu Textrezeption und -produktion anhand kulturbedingter Grundmuster verbinden zweitens methodologische mit ontologischen Betrachtungsweisen. Die ontologischen Annahmen erweisen sich für die Heuristik des vorgeschlagenen Rezeptionsmodells ebenso als bedeutend189, da diese nämlich Einfluss auf die Auswahl geeigneter kultureller Schemata haben. Wenn die kulturellen Schemata einen hinreichend begründbaren Bezug oder sogar einen inneren Zusammenhang zum Gegenstand einer Rezeptionshandlung aufweisen, kann drittens daher untersucht werden, welche völkerrechtsphilosophischen Konsequenzen sie im Einzelfall nahelegen oder noch anders: welche durch einen Kultur- und Rechtskreis bedingten Ausformungen, Gestaltungen oder Prägungen einem Rezeptionsgegenstand als einfluss- und wirkmächtigen Argumentationstopos andernorts zuteilwerden. Begrifflich gelangen durch den an dieser Stelle bloß zusammenführenden Erklärungsansatz mittels kultureller Schemata bereits vorhandene Explikationen anderer Rezeptionsmodelle zur Anwendung, sodass ihre spezifischen Lesarten einer rechtswissenschaftlichen Interpretation als „kultureller Kontext“ im Sinne Häberles beziehungsweise seiner literaturwissenschaftlichen Entsprechung im Sinne eines „kulturellen Modells“ nach Strasen fortbestehen. Darüber hinaus sollte im Sinne einer hierzu übergeordneten – wenn auch stark verallgemeinerten – Erkenntnis ersichtlich geworden sein, dass unbeschadet aller vorwiegend eigendisziplinären Folgerichtigkeit und Aussagekraft190 beider sowohl unter analytischen als auch explanativen Aspekten handhabbaren Rezeptionsmodelle, aufgrund von Forschungsinteressen der Rechts- oder

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So auch bei Frede, S. 1 (1 f.). Dies etwa im Wege falsifikationistischen Vorgehens, siehe weiterführend bei Radnitzky, in: Hoyningen-Huene/Hirsch (Hrsg.), S. 85 (100 ff.). 189 Leinfellner/Leinfellner schreiben zutreffend zur Notwendigkeit von (ontologischen) Annahmen bei der Charakterisierung von Weltausschnitten anhand von wissenschaftlichen Erklärungsmodellen: „Eine der ersten  – oder: die erste  – Annahme, die jeder Wissenschaftler, der an Teilabschnitte der Wirklichkeit, D, herangeht, implizit oder explizit macht, ist die Annahme, daß das, was es zu untersuchen gilt (das Feld oder der Bereich D), einen inneren­ Zusammenhang (empirische Roh- oder auch Feinstruktur) zeigt. Der Wissenschaftler tritt also an das ontologische ‚Wie‘ heran. Würde der Wissenschaftler diese Annahme nicht machen, dann würde er mit seiner Arbeit gar nicht anfangen [Hervorheb. bereits im Originaltext d. Leinfellner/Leinfellner]“, dies., S. 168. 190 Branigans Bemerkung in anderem Kontext gilt hier entsprechend: „Reception theories must, however, describe invisible observation in more detail if the concept is to have explanatory power“, ders., S. 171. 188

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III. Rezeptionsmodell mit juristisch-kulturellen Theorieelementen 

Literaturwissenschaften, ihr jeweiliges Theorienfundament in Wirklichkeit auf einer gemeinsamen Erklärungsstruktur beruht. Diese erweist sich im Grunde als ein vornehmlich an der Kulturvergleichung191 ausgerichtetes „Schemainterpretationskonstrukt“, das maßgebend „für das Einordnen ebenso wie das genuine erste Strukturieren und Ordnen [gilt].“192 Hiervon konnte vor allem Häberles Entwurf eines allgemeinen juristischen Rezeptionsmodells aus dem Jahr 1992 profitieren, da dieser in einer Gesamtschau erkenntnisanregende und -fördernde Ansatz mit der Untersuchung eine umfassende Aufarbeitung und rezeptionstheoretische Würdigung erfahren hat und nicht lediglich  – soweit die sich hierauf beziehende (Fach-)Literatur zu überblicken war – als ein Nebenkontext von nur referenzieller Art in den Fußnoten und ohne tiefere inhaltliche Auseinandersetzung mit diesem Rezeptionsmodell in Erscheinung tritt. Überdies konnte hier aufgezeigt werden, dass die seinerzeit gewählte Formulierung des „kulturellen Kontextes“ in Häberles Erklärungsansatz als wohl abstrakteste (Bezugs-)Rahmenbestimmung wirkt und insofern auch einen ge­ eigneten, wenn nicht gar notwendigen Anknüpfungspunkt für ergänzende oder teils fortführende rezeptionstheoretische Überlegungen bietet, welche an dieser Stelle anhand der fundierten Grundlagen aus Strasens Theorieteil zu nicht-literarischen Rezeptionshandlungen im Sinne eines „kulturellen Modells“ aus dem Jahr 2008 erfolgten. Mit der grundlagentheoretischen Plausibilitäts- und Kohärenzprüfung anhand der nach Terz aufgestellten zwölf Kriterien, welche zuallererst all­gemeinwissenschaftliche Attribute methodischen Denkens und Arbeitens darstellen mögen, konnte schließlich nachgewiesen werden, dass die rezeptionstheoretischen Überlegungen zu kulturellen Schemata ebenso unter hier forschungsleitenden Perspektiven der Völkerrechtsphilosophie tragen. Annex: Zum vorbeschriebenen Rezeptionsvorgang von (fremd-)textlichen Gegenständen soll nunmehr zum Fortschreibungsvorgang, welcher in der Regel aus einer Rezeptionshandlung folgt, näher ausgeführt werden. Der Bezug zu überführenden Darstellungen in einer rezipierenden Schriftquelle wird hier als ein Fortgeschriebenwerden der Ideen, Konzepte, Argumente etc. des einen Autors durch einen anderen Autor verstanden. Dies bedeutet: Adaptiert ein Akteur, der zuvor als Rezipient, danach als Autor eigene Texte verfassend in Erscheinung tritt, konkrete Argumentationstopoi aus Grundlagen- oder Klassikertexten der Urheber193, so wird ihre zunehmend auslegende Fortschreibung sukzessive erkennbar. Hierbei kann es sich dem Grunde nach nicht mehr um Erscheinungsformen von Rezeption im engeren Wortsinn handeln. Denn sonst wäre eine begriffliche und

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Siehe weiterführend bei Häberle, in: JZ 21 (1992), S. 1033 (1036 u. 1038). Zu vorstehenden Zitaten siehe bei Lenk, in: ders./Skarica, S. 153 (196). 193 Diejenigen werden hier im urheberrechtsgesetzlichen Sinne verstanden, da sie Schöpfer eines Werkes aufgrund allgemeiner Handlungsautorenschaft sind; vgl. weiterführend in diesem Zusammenhang auch zur philosophischen Frage der „Ablösbarkeit des Hervorgebrachten vom Hervorbringer (heute Urheber)“ bei Kornwachs, in: Breuninger (Hrsg.), S. 158 (159 f.). 192

3. Zusammenführung der rezeptionstheoretischen Elemente

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logische Unterscheidung bereits von Anfang an nicht gegeben194, sodass gewissermaßen nur eine solche Form von Entdifferenzierungssemantik195 bestünde, welche mittels mehrgliedriger Fortschreibungsketten einen Kontext, in einen anderen Kontext immer mehr ineinandergreifend, überführt. Entdifferenzierung soll eine – die aus den Ausgangstexten übernommenen Informationen  – entgrenzende196 Darstellungsweise in Texten beschreiben, mithin eine kommunikative Operation kennzeichnen, bei welcher „vorher unterscheidbare Phänomene unter neuen Beobachtungsgesichtspunkten oder von unterschiedlichen Beobachtern nicht (mehr) als unterscheidbar beobachtet werden.“197 Eine Überführung des zuvor externen Sprach- und Wissensbestands, etwa im Wege von An- oder Aufnahme textgebundener Information, in die eigenen Sprach- und Wissenskonstruktionen kann wiederum auf verschiedene Arten und Weisen erfolgen, nämlich, um es zunächst mit einschlägigen textwissenschaftlichen Fachausdrücken zu formulieren, durch einerseits Assertion (Hauptproposition) und andererseits Präsupposition (Nebenproposition). Assertion sowie Präsupposition stellen Inhalte eines Satzes (Propositionen198) dar, die für einen Textzusammenhang bedeutende Verknüpfungselemente (Konnektoren199) bilden.200 Eine Strukturierung in Assertion wie auch Präsupposition dient in erster Linie der Steuerung von Kommunikation, genauer gesagt der satzinternen Argumentationsführung in Texten, um eine entsprechende Textkohärenz des rezipierten Gegenstands ebenso in den eigenen Sinngebäuden und damit für ein hinreichendes Textverstehen zu gewährleisten.201 Für die vorlie 194

Häberle trennt in seinem rezeptionstheoretischen Ansatz die beiden Begriffe von Rezeption und Fortschreibung nicht eindeutig, vielmehr lässt er hierbei definitorische Grenzen unbestimmt und damit bleibt unklar, wann Vorgänge vor allem des Ab- und wann des Fortschreibens anzunehmen sind, sodass jedenfalls hinsichtlich des Begriffs der Fortschreibung nicht strikt von einem Fachausdruck in seinem Rezeptionsmodell auszugehen ist, ders., in: JZ 21 (1992), S. 1033 (1036 u. 1038) m. w. N. 195 Vgl. etwa bei Koch, in: Werber (Hrsg.), S. 373 (377); Entdifferenzierung wird als eine Methode des Argumentierens und Begründens ebenfalls durch Agamben angewendet, siehe dazu bei Kiesow, in: RG 1 (2002), S. 56 (58); ders., in: Norris (Hrsg.), S. 248 (250). 196 Hierzu ist das Zurverfügungstellen fremder Informationen in eigenen Kontexten im Sinne von Hybridisierung der Textinhalte oder des hierin Gemeinten abzugrenzen, etwa als Mischformen fremder und eigener Ideen, Konzepte, Argumente etc. im wechselbezüglichen Verweisungszusammenhang in einem Text, siehe entsprechend an Niklas Luhmanns Erklärungsansätzen dargestellt bei Jung, Identität und Differenz, S. 144 ff. 197 Pörksen/Scholl, in: Quandt/Scheufele (Hrsg.), S. 25 (40). 198 Der Begriff „Proposition“ bezeichnet in der Sprachwissenschaft (Linguistik) das im Satz Gemeinte, mithin den durch einen Satz ausgedrückten (Lebens-)Sachverhalt, der sich unabhängig von der mit ihm verknüpften Funktion auf den Bedeutungsgehalt bezieht, vgl. dazu ausführlicher etwa bei Stanaityte, S. 82 ff. 199 Der Begriff „Konnektor“ meint in der Sprachwissenschaft jene Einheiten spezifischer, natürlicher, menschlicher Sprachzeichen und -systeme, die durch Lautung oder Schreibung etwas ausdrücken, sodass sie also Ausdruck für etwas sind, für das ihre konkrete Form steht und umgekehrt, dasjenige, wofür die Form steht, ist der konkrete Inhalt eines Ausdrucks, siehe dazu ausführlicher etwa bei Pasch et al., S. 15. 200 Siehe dazu weiterführend bei Max, in: Blühdorn et al. (Hrsg.), S. 93 (93 ff.). 201 Vgl. etwa bei Franck, in: Petöfi/dies. (Hrsg.), S. 37 f.

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III. Rezeptionsmodell mit juristisch-kulturellen Theorieelementen 

gende Untersuchung genügt eine sich auf das Wesentliche beschränkende Darstellung zu den vorgenannten Begrifflichkeiten, da dasjenige, welches sie um- oder beschreiben sollen, letztlich dem Inhalt nach bereits mit den Erklärungen zu den vorgestellten Rezeptionsmodellen von Häberle sowie Strasen, und zwar innerhalb ihrer Verfahrensweisen, dargelegt ist. Obschon die strukturellen Merkmale nach dem bereits Gesagten präsent sein dürften, sei der Vollständigkeit halber hierzu noch erwähnt: Der Begriff der Assertion kommt ursprünglich aus dem Bereich der Logik und wird in der (Sprach-)Philosophie und Linguistik für eine bestimmte Behauptung, Feststellung oder Versicherung über einen Gegenstand angewendet; er beschreibt den propositionalen Gehalt eines Satzes im Gegensatz zur Präsupposition. Es werden hierbei neue, sprich so noch nicht da gewesene Informationen zu den übernommenen Elementen, Objekten oder Situationen durch einen Rezipienten und alsdann Autor hinzugefügt, welche insofern keinen unmittelbaren (Sach-) Zusammenhang zur ursprünglichen Textfassung aufweisen, sodass ein inhaltlich anderer gleichwohl wahrheitsdefiniter Satz202 (Behauptungssatz) entsteht.203 Der Begriff der Präsupposition entstammt ebenso aus dem Bereich der Logik, wo er eine Aussage kennzeichnet, die wahr sein muss, damit eine andere Aussage – im Wege des Vergleichs mit der als wahr angenommenen Aussage – wiederum als wahr oder falsch eingeordnet werden kann.204 Präsupposition bezeichnet in der (Sprach-)Philosophie und Linguistik eine implizite Voraussetzung; sie umfasst danach all jene Argumentationstopoi, mithin die textbezogenen Elemente, Objekte oder Situationen, welche aus dem als bekannt und akzeptiert unterstellten kommunikativen Hintergrund abgeleitet werden.205 Das zuvor zur Auslegung anhand kultureller Schemata Gesagte kann an dieser Stelle mitgedacht werden, um dem Bedürfnis eines solchen Hintergrunds beim Textverstehen weitere Konturenschärfe durch die Erforschung (rechts-)kulturbedingter Phänomene in Schriftquellen zu verleihen. Demnach gilt: Ist das zu betrachtende Element nicht vor oder anhand der implizit vorausgesetzten Hintergrundinformation zu erkennen, könnte dort aber so vorhanden sein beziehungsweise ist dort zumindest stichhaltig zu vermuten, so handelt es sich um eine Akkommodation206. Akkommodation meint die Angleichung eines Textinhalts etwa an innewohnende Deutungsmuster, Ideen oder Qualitäten eines anderen und beschreibt hierbei nicht nur die Veränderung der Erkenntnisgrundlage aufgrund bereits bestehender kultureller Schemata eines Lesers und Rezipienten gemäß den Erfordernissen des jeweiligen Kontex 202 Ein Satz, der sich auf Menschen, Gegenstände oder Situationen bezieht, heißt in der (Sprach-)Philosophie dann wahrheitsdefinit, wenn dessen Aussagegehalt sich aufgrund der Wahrheitsüberprüfung (abhängig von der jeweiligen Wahrheitstheorie) als wahr oder falsch erweist, zu diesbezüglich anwendbarer Korrespondenz-, Konsensus-, Kohärenz- oder pragmatischen Wahrheitstheorie siehe bei Gobrecht, S. 459 f. 203 Vgl. dazu bei Zoglauer, S. 21 ff. 204 Wüest, S. 65. 205 So auch bei Franck, in: Petöfi/dies. (Hrsg.), S. 37; vgl. ferner bei Reis, S. 99 ff.; Wüest, S. 68 f. 206 Zum Begriff „Akkommodation“ als „ein in den Text hineingetragener Sinn“ vgl. grundlegend bei Petrus, S. 154 f. m. w. N.; weiterführend bei Steinhoff, S. 135 ff.

3. Zusammenführung der rezeptionstheoretischen Elemente

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tes, sondern lässt auch eine (Re-)Konstruktion der vorher rezipierten und nunmehr fortgeschriebenen Gegenstände als neue Textinhalte zu.207 Ist das zu betrachtende Element demgegenüber nicht auf der Grundlage der implizit vorausgesetzten Hintergrundinformation abrufbar und könnte vermutlich so auch dort nicht vorhanden sein, wird der Rezipient und Autor, der einen bestimmten Gegenstand gleichwohl in den eigenen Kontexten wiederaufarbeiten und wiederum Dritten in seinen Texten darbieten möchte, aller Voraussicht nach zur (Re-)Interpretation208 des betreffenden Elements neigen; mit anderen Worten, zu einer nachträglichen Erzeugung (Häberles Re-Produktion) eines dem von ihm angenommenen Leserkreis mehr entgegenkommenden oder entsprechenden Hintergrunds tendieren.209 Übernommene sowie fortgeschriebene Textinhalte sind im vorerwähnten Spannungsverhältnis zu betrachten, woraus insbesondere folgt, dass fremde Argumentationsund Begründungsmuster von einem rezipierenden Verfasser trotz ihrer entgrenzenden Darstellungen voriger Inhaltsstrukturen in neuen Kontexten nicht als entdifferenziert erfahren werden, sondern – nach Häberle entsprechend formuliert – als in hohem Maße „Hausgemachtes“ oder „Eigenwüchsiges“.210 Bestimmend ist demnach, wo das gleichsam „Eigene“211 eines intertextuell angewendeten Argumentationstopos beginnt. Um die Verwendung dieser doch sehr unterschiedlichen, vor allem aber fachspezifischen Begrifflichkeiten in dieser Untersuchung nicht unnötig auszuweiten, soll im Übrigen auf ihre Bezeichnung nur gelegentlich zurückgegriffen werden. Dasjenige, welches die vorgenannten Fachbegriffe aus der (Sprach-)Philosophie und Linguistik ausdrücken oder beschreiben, also die ihnen jeweils zugrunde liegende Idee, dürfte im Fortgang der Betrachtungen allemal deutlich werden. Demgemäß veranschaulichen die vorliegend getroffenen Begriffs- und Inhaltsbestimmungen nur den Zweck einer – zumindest in Teilen möglichen – Rekonstruktion eines Fortschreibungsgeschehens aus dem Befund von vorab feststellbaren Rezeptionshandlungen; einem hier zentralen Bestreben, welches insofern sinnvoll erscheint, da sich die Rezeption eines textuellen Gegenstands in aller Regel wesentlich einfacher erkennen lässt, als seine eigentliche Fortschreibung in der Folgezeit. Dies deshalb, da auch an dieser Stelle der Versuch der Reduzierung auf eine monokausale Ursache-Wirkung-Kette212 fernliegen dürfte. Der Fortschreibungsvorgang stellt sich demzufolge  – in Ansehung des soeben Gesagten und ohne eine allzu formalisierende Sichtweise diesbezüglich wählen zu wollen – als 207

Siehe dazu etwa bei Konrad, S. 159; ferner bei Tracy, S. 71 f. Insoweit wird hier kein Unterschied des maßgeblichen Inhalts zu Häberles Begriff der „Re-Produktion“ gesehen, vgl. ausführlicher bei ders., in: JZ 21 (1992), S. 1033 (1035 u. 1041). 209 Wie Wüest hierzu einfach gleichwohl zutreffend feststellt, geht es bei „der Interpretation eines Textes […] nicht nur darum, was jemand gesagt hat, sondern vor allem darum, was er damit gemeint hat“, ders., S. 61. 210 Häberle gebrauchte die betreffenden Formulierungen im Rahmen seines Aufsatzes zum allgemeinen juristischen Rezeptionsmodell, vgl. bei ders., in: JZ 21 (1992), S. 1033 (1037). 211 Häberle, in: JZ 21 (1992), S. 1033 (1037). 212 Vgl. bei Strasen, Rezeptionstheorien, S. 107. 208

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III. Rezeptionsmodell mit juristisch-kulturellen Theorieelementen 

reine ­Entdifferenzierungssemantik dar, indem zuvor (eventuell) zueinander beziehungslose Argumentationstopoi, Inhalte, Gedanken oder Ideen etwa aus Grundlagen- oder Klassikertexten durch einen rezipierenden Verfasser in einen neuen Sach- und Sinnzusammenhang entdifferenziert oder anders gesagt aneinanderfügend verinnerlicht213 werden. Signifikante Worte oder Wortketten eines Urhebers werden als (nach-)lesbare Textspuren aus originärem Schriftwerk, die das in einen anderen Text hineingetragene Gemeinte214 enthalten, gegebenenfalls um Ideen und Werte aus eigenkulturellen Schemata ergänzt und so in Wissens- und Kommunikationsgemeinschaften praktisch umgesetzt. Es kommt daher wesentlich auf das voluntative Moment des Rezipienten an, dem allein dessen Entscheidungsbereich die Auslösung einer Rezeptionshandlung mit anschließendem Fortschreibungsvorgang zuzurechnen ist. Freilich könnte auch nur mithilfe des Prozesscharakters einer Rezeptionshandlung argumentiert werden, um danach eine Fortschreibung als einen zur Rezeption stets immanenten Vorgang zu erachten. Die hiergegen sprechenden Gründe, wie sie sich anhand der leitenden Würdigungen insbesondere zum Häberle’schen Rezeptionsmodell nachvollziehen lassen, gipfeln schließlich in der Überlegung, dass es eben immer auf die bewussten Entscheidungen eines rezipierenden Verfassers ankommt, diesen oder jenen Argumentationstopos eines (historischen) Urhebers in der Sache offenkundig direkt oder nur in entlehnter Form für die eigenen Darstellungen verwenden zu wollen. Gerade in der letztgenannten Konstellation kann eine Abgrenzung zum Inhaltsplagiat oder zu anderen Plagiatsvarianten215 schwierig sein216, da es sich sowohl bei der Rezeption als auch Fortschreibung stets um Aneignungsprozesse von originellen Ideen und Gedanken aus Texten anderer Urheber handelt, woran diese ohne Zweifel ebenfalls in einem fremdtextuellen Zusammenhang ein Urheberrecht aufgrund geistigen Eigentums217 besitzen. Inwieweit allerdings eine solche Aneignung etwa im Wege der intertextuellen und oft kognitiv-intellektuellen Adaption unter Beachtung geltender Zitationsregeln wie auch sonstiger wissenschaftlicher Standards unrechtmäßig ist, bleibt allein der Prüfung und Entscheidung im Einzelfall vorbehalten.218 213

Auf den freilich naheliegenden, aber nahezu sinngleichen Begriff der „Assimilation“, der in der einschlägigen Literatur vielerorts sehr unterschiedlich definiert und also auch nicht eindeutig verwendet wird, sei hier bewusst verzichtet, um soweit wie möglich die begriffliche Klarheit innerhalb dieses transdisziplinären Grenzgangs zu gewährleisten. 214 Vgl. bei Petrus, S. 154. 215 Ein Plagiat meint im wissenschaftlichen Kontext die unrechtmäßige Verwertung von Erkenntnissen anderer durch Übernahme von Textmaterial oder Ideen- und Gedankengut unter Anmaßung der Urheber- bzw. Autorenschaft, wobei das Plagiat durchaus vielfältige Erscheinungsformen aufweisen kann, beispielshalber: Textplagiat, paraphrasierendes Ideen- oder Strukturplagiat, Zitatsplagiat, Imitationsplagiat, Übersetzungsplagiat. 216 Allgemein zum Plagiat als wissenschaftliches Fehlverhalten (bspw. eines Forschers), also einer Verfahrensweise wider anerkannter Regeln guter wissenschaftlicher Praxis siehe etwa bei Sandberg, S. 51 f. u. 114. 217 Für einen Überblick hierzu siehe bei Jänich, S. 182 ff. 218 Siehe weiterführend insbes. zu juristischen Gesichtspunkten einer Plagiatsprüfung bei Schimmel, in: Rommel (Hrsg.), S. 195 (195 ff.).

3. Zusammenführung der rezeptionstheoretischen Elemente

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Eine inhaltlich an die Originalaussage angenäherte Fortschreibung verhilft jedoch in ihrer letzten Konsequenz zu einer Erweiterung des räumlichen und zeitlichen Geltungsbereichs einer originellen und prägnanten (Rechts-)Idee, etwa aus den Grundlagen- oder Klassikertexten zum Völkerrecht. Dabei muss dies keineswegs nur durch das geschriebene Wort219 eines ursprünglichen Autors wie auch ihn rezipierenden Verfassers aus der internationalen Wissenschaft, Forschung und Lehre im Völkerrechtsschrifttum als vereinenden Kommunikationsraum geschehen, sondern kann durchaus hiervon losgelöst durch die Richterinnen und Richter am Internationalen Gerichtshof in Den Haag als weitere Akteure auf internationaler Diskursebene geschehen. Denn die in Rede stehenden Richterinnen und Richter können eigens nach näheren Maßgaben des Artikel  38 Absatz  1 IGHStatut zur Feststellung von internationalen Rechtsnormen gemäß Buchstaben d) hierzu eigenständige Diskurspositionen begründen, indem sie auch die Gewohnheit anhand der Staatenpraxis nach Buchstaben  b)  als Recht erkennen oder bereits gesetztes Recht anhand der von den Kulturvölkern anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsätze nach Buchstaben  c), also wesentlich von völkerumfassenden Prinzipien220 geleitet, mit ihren Entscheidungen fortentwickeln. Vom Erfolg eines Fortschreibungsvorgangs ist danach erst dann auszugehen, wenn sich hinreichend identifizierbare Inhalte durch textuelle Bezugnahmen auf einen aus anderem Kontext so übernommenen Gegenstand nicht nur in den jeweiligen (Rechts-)Texten sowie Auffassungen eines Rezipienten etabliert haben, sondern darüber hinaus­ gehend durch Akzeptanz in einem weiteren, sich für jenen Rezeptionsgegenstand interessierenden Rezipientenkreis zu integrierten Bestandteilen  – beispielsweise von tiefgründigen Aussagen aus philosophischen, staats- und gesellschaftstheoretischen Grundlagen- oder Klassikertexten – im Völkerrechtsschrifttum geworden sind und sich vornehmlich nicht nur auf eine bloße Referenznennung („name dropping“) oder Verschlagwortung („buzzword“, „catchword“) beschränken. Zentral ist demnach eine nachhaltige inhaltliche Auseinandersetzung durch einen rezipierenden Verfasser mit den Textgegenständen oder -themen nach deren Auswahl bei der Rezeption und Ausgestaltung im Verlauf der Fortschreibung. Fazit: Abschließend bleibt zu den Überlegungen des zweiten und dritten Abschnitts der Untersuchung bezüglich wesentlicher Element- und Attributstrukturen von Rezeptions- und Fortschreibungsvorgang bei nicht-literarischen Texten sowie hierfür relevanter Theorieelemente des verwendeten Erklärungsmodells hervor­ zuheben: Zuallererst kommt es darauf an, nach den kodifizierten Maßgaben aus Artikel 38 Absatz 1 Buchstabe d) des IGH-Statuts die grundlegend prinzipienorientierten Argumentations- und Begründungsweisen von internationalen Akteuren, etwa in Bezug auf die Grundlagen- oder Klassikertexte zum Völkerrechtsschrifttum, zu erkennen und hierbei einen rezeptionstheoretisch zu begründenden 219

Hierzu ist hervorzuheben, dass insbes. das geschriebene Wort, um dadurch „Ideensequen­ zen […] zu fixieren“, einem (Ur-)Bedürfnis des Menschen nach einem zuverlässig überdauernden und umfassenden Informationsspeicher entstammt, vgl. bei Haarmann, S. 41. 220 Vgl. dazu bei Bautze, S. 27 ff. m. w. N.

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III. Rezeptionsmodell mit juristisch-kulturellen Theorieelementen 

Fixpunkt zu finden, von welchem aus jeweils die empirisch belegbaren Rezep­ tionsergebnisse im Schrifttum anschließend nachvollzogen und – möglicherweise unter Feststellung eines tatsächlichen Fortschreibungsvorgangs – explanativ, sprich auslegend gelöst werden können. Der Völkerrechtsphilosophie kommt bei alledem eine vermittelnde Aufgabe zu. Sie hat alternative Denkmuster und Erklärungsmodelle in Erinnerung zu halten und Vorbehalten im Forscher-Praktiker-Diskurs entgegenzuarbeiten, die sonst in selbstreferenzieller Geschlossenheit enden können. Sie hat sich vor allem an den im zeitgenössischen Völkerrechtsschrifttum geführten Diskussionen zu (mitunter sehr originellen) Theoremen der Völkerrechtswissenschaft zu beteiligen, ob etwa die kulturbezogenen Erklärungsmuster innerhalb der hier dargestellten Rezeptionstheorien genügend begründet sind, oder ob über sachgemäße Alternativen weiterhin nachzudenken ist. Die Völkerrechtsphilosophie als eine Teildisziplin der Völkerrechtswissenschaft wird diese noch im Werden begriffenen Aufgaben voraussichtlich nur dann in qualifizierter Weise erfüllen können, „wenn sie die Verbindung zur philosophischen Argumentationstheorie und zur sprachlichen Reflexion in Linguistik und Medientheorie herstellt“221. Der zweigliedrige Akt aus zunächst Rezeption und danach Fortschreibung erfasst also all jene Entscheidungsvorgänge eines impliziten und historischen Lesers wie auch sodann rezipierenden Verfassers mit den Phasen des Erkennens, des Beurteilens, der Annahme und der Verinnerlichung fremdgeistigen Gedankenguts in eigenen Thesen und Argumenten. Dadurch dürften sich völkerrechtsphilosophische Betrachtungsweisen vom anfangs erfassten Sinnpotenzial von Textgegenständen oder -themen, über deren Rezeptions- zum Fortschreibungspotenzial wandeln, da gerade der Grundlagen- oder Klassikertext im Völkerrechtsschrifttum in seinen Eigenarten nicht primär nur als Quelle zur Sinnstiftung, sondern auch als Objekt von Rezeptions- und Fortschreibungsentscheidungen der internationalen Akteure (aus Wissenschaft, Forschung und Lehre) zu verstehen ist. Denn die inhaltliche Fortschreibung eines Rezeptionsgegenstands unter Einfluss eigenkultureller Deutungsmuster ist genau jener Diskurs, den sein kulturell-kontextbedingter Ausgangspunkt generiert. Dies bedeutet insbesondere, dass sich die im Text angelegten Ideen­potenziale nur aufgrund eines zweigliedrigen Aktes aus sowohl Rezeption als auch Fortschreibung realisieren können, da ein bloß passives ZurKenntnis-Nehmen der Textgegenstände im Wege des Textverstehens erst einmal einflusslos und somit ohne Ausstrahlungswirkung des Gedankenguts bliebe. Nur eine hinzutretende, aktive Handlung des inhaltlichen Nachzeichnens, des Herstellens sowie des Verknüpfens wie auch des In-Beziehung-Setzens der aus ihren ursprünglichen Zusammenhängen nunmehr losgelösten Argumentationstopoi kann ferner zu neuen Erscheinungsformen und Inhalten des rezipierten Gegenstands oder Gedankenguts führen. Das Rezipierte ist deshalb stets „ein Überrest, vergangene Gegenwart.“222 Daher sind die im Laufe einer Rezeptionsgeschichte ver 221 So Buckel et al., die diese grundlegenden Gedanken in Bezug auf die juristische Methodenlehre erörtern, vgl. weiterführend bei dies., in: Buckel et al. (Hrsg.), S. XI f. 222 Jantzen, in: Senger (Hrsg.), S. 44 (53).

3. Zusammenführung der rezeptionstheoretischen Elemente

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wirklichten Potenziale zueinander und zu einer Analyse und Deutung des Textes in Beziehung zu setzen, sodass dies Rückschlüsse auf das intertextuelle Potenzial der jeweiligen Textsache als solche erlaubt. Dies hängt neben ihrer objektiv-inhaltlichen Qualität ebenso von ihrem Erfolg in räumlicher und zeitlicher Hinsicht in der betreffenden Rezipientengemeinschaft ab, also von der nachhaltigen Aneignung der originären Textspuren, wie Thesen und Argumente, durch künftige Leserund Autorenschaften.223 Der Sinn und Zweck des hier vorgeschlagenen Erklärungsansatzes im Rezeptionsmodell liegt schlussendlich in der positiven wie negativen Feststellung der grundsätzlich kulturübergreifenden und überzeitlichen Relevanz der Themen-, Sach- und Problemkreise, die sich bezüglich des gewählten Untersuchungsgegenstands – namentlich Giorgio Agambens Homo-Sacer-Projekt – an repräsentativen Beispieltexten aus dem zeitgenössischen Völkerrechtsschrifttum identifizieren lassen. Die diesbezügliche Würdigung von Einfluss- und Wirkmächtigkeit einhergehender typischer kultureller Schemata, die erst einmal in den einschlägigen Grundlagen- oder Klassikertexten als manifest gelten, danach in Aufsätzen, Fachartikeln und sonstigen Texttypen des Völkerrechtsschrifttums der Gegenwart rezipiert und fortgeschrieben worden sind, soll demnach fünf kumulativen Eigenschaften eines intertextuellen Argumentationstopos besondere Beachtung geben. An dieser Stelle können freilich verschiedene Auffassungen vertreten werden, wie zu bestimmen sei, welche der zuvor aufgezeigten juristisch-kulturellen Theorieelemente letzten Endes ausschlaggebend und deswegen zu verwenden sind. Ein hierzu häufig angeführtes, allgemeinwissenschaftliches Bewertungskriterium wird kurz als „Ockhams Rasiermesser“224 bezeichnet und meint im Grunde das wissenschaftstheoretische Sparsamkeitsprinzip. Hiernach soll bei der Theorienbildung im Sinne effizienter analytischer wie auch explanativer Verfahren der voraussetzungsärmste Ansatz gewählt werden, der den Kern einer Sache oder eines Problems noch hinreichend genau erfasst.225 An Voraussetzungen ist ein wissenschaftlicher Erklärungsansatz dann arm, sprich sparsam, wenn dieser nur weniger Grundbegriffe bedarf, um in einem Modell die Abstraktionen und Distinktionen zu einem Betrachtungsgegenstand plausibel und kohärent abzubilden.226 Auf der anderen Seite steht allerdings die Erklärungsleistung, die in der (Völker-)Rechtswissenschaft überaus bedeutsam erscheint. Wenn danach ein Theorieelement mehr oder etwas besser erklären kann als das andere, so wird ebendieses wohl ebenfalls eine geringere Sparsamkeit bezüglich der Grundbegriffe auf- oder überwiegen. Bei den bereits angeführten Unterscheidungszeichen handelt es sich schließlich um einfache Modellannahmen, die vorzugsweise für eine 223 So auch bei Häberle, Klassikertexte im Verfassungsleben, S. 38 f.; fernerhin bei Douzinas/ Warrington, in: Douzinas et al., S. 136 (138). 224 Vgl. dazu bei Baggini/Fosl, S. 209 f.; Watson, in: Watson/Seiler (Hrsg.), S. 1 (18). 225 Sinn und Zweck ist die „ökonomische Reduktion der Hypothesen- und Theorienvielfalt“, siehe dazu ausführlicher bei Gobrecht, S. 423 f. 226 So auch bei Kanterian, S. 57.

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III. Rezeptionsmodell mit juristisch-kulturellen Theorieelementen 

völkerrechtsphilosophische Erklärungsleistung formuliert sind. Diese sind nicht zuletzt aufgrund ihres Formalismus falsifizierbar. Nach alldem sind die Aspekte eines Rezeptionsmodells, unter besonderer Berücksichtigung der hier aufgezeigten juristisch-kulturellen Theorieelemente, in einem grundsätzlichen Bewertungssatz zusammenzufassen: (1) Der Gegenstand einer Rezeption ist in objektiver Hinsicht dann von inhaltlich überragender Qualität, wenn dieser sich mittels (2) maßstäbesetzender und innovativer Elemente entsprechend der von Rezipienten vorausgesetzten kulturbedingten Schemata auszeichnet und dadurch (3) weitgehende Anerkennung in Raum und Zeit erfährt und dadurch (4) Wirkungs- und Geltungsanspruch unter einem Topos verbindlicher Autorität innerhalb einer Rezipientengemeinschaft begründet, der insbesondere (5) durch inhaltliche Fortschreibungen erzeugt, aufrechterhalten oder bekräftigt wird.

IV. Homo-Sacer-Projekt von Giorgio Agamben Die eingehende Beschäftigung mit der Philosophie von Giorgio Agamben und hierbei in erster Linie mit seinem Kernpostulat einer auf das Recht und Gesetz bezogenen Existenz des Menschen, dem ihm beispielgebenden Homo Sacer, zeigt auf, dass mittels dessen „nackten Leben“, als die unentbehrliche Voraussetzung der Gedankengänge Agambens, gleichsam die Unmöglichkeit festgeschrieben wurde, bestimmte Sach- und Problemlagen in Bezug auf das zeitgenössische (Völker-) Recht fortan nicht mehr nur anhand der klassischen Begriffsfindungen beschreiben zu können. Auch bedingt durch die internationale Popularität seines zum Zeitpunkt dieser Untersuchung in sieben Bänden1 umfassend thematisierten HomoSacer-Projekts hat der italienische Philosoph, Philologe und Jurist zusehends zu einer umstrittenen Bedeutung gefunden, wie etwa der Literaturwissenschaftler Alex Murray ohne Umschweife bemerkt: „Es ist sicher zu sagen, dass Agambens Arbeit den größten Wirbel in dem Bereich der politischen Philosophie gemacht hat.“2 Dieser sprichwörtliche „Wirbel“ resultiert aus jenen antithetischen Entwürfen bei Agamben, die in seinen Homo-Sacer-Publikationen niedergelegt sind und die sich insoweit „als gleichermaßen hoffnungsvoller wie pessimistischer Gegenentwurf zu den demokratietheoretischen Bewältigungsversuchen der Zeit“3, also gewissermaßen als eine systemkritische Gegenüberstellung zu vorherrschenden Leitbildern sowie Gesellschaftsentwürfen westlicher Prägung, unkompliziert in die thematisch verschiedenartigen Zusammenhänge des gesellschaftlichen Wandels4 mit Aktualitätsanspruch einbringen lassen5, um auf diese Weise eine andere,

1 Zur Aufzählung der Veröffentlichungen in deutscher Übersetzung in chronologischer Folge siehe ausführlicher unter I. 2. in Fn. 16. 2 Im Originalwortlaut: „It is safe to say that Agamben’s work has made the biggest splash in the field of political philosophy“, Murray, S. 132. 3 Steinhauer, in: Buckel et al. (Hrsg.), S. 201 (207); zitiert bei Wittig, in: Heinrich et al. (Hrsg.), S. 113 (113). 4 Luhmann erkennt hierzu an, dass „[…] es das Phänomen des gesellschaftlichen Wandels trotz unveränderten Bestandes des formulierten Rechts [gibt], was sich als Funktionswandel der Rechtsnormen ausdrücken kann, und es […] Neuformulierungen des Rechts [gibt], etwa Kodifikationen, die keinen gesellschaftlichen Wandel bewirken. Das Ausmaß solcher relativen Invarianz von Recht und Gesellschaft kann mit der Komplexität des Gesellschaftssystems und dem Abstraktionsgrad seiner strukturellen Errungenschaften zunehmen“, vgl. bei ders., Rechtssoziologie, S. 294. 5 Das Homo-Sacer-Projekt entstand vor dem Hintergrund des Zusammenbruchs vormaliger – auch im Völkerrecht vorherrschender – Denkmuster des Ost- und Westblocks; vgl. dazu die Bezugnahmen bei Agamben, Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S. 71; so auch bei Steinhauer, in: Buckel et al. (Hrsg.), S. 201 (207).

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IV. Homo-Sacer-Projekt von Giorgio Agamben

vor allem eine abweichende Auffassung zu bestimmten Standpunkten im Diskurs etwa über das Verhältnis von Bürger und Staat zu konstatieren.6 Diese ersten Einsichten sind gewiss nicht nur auf die hauptsächlich akademisch geprägten Texte ihn rezipierender (Fach-)Literatur zu beziehen, sondern auch im alltäglichen Diskurs, vom bildungsbürgerlichen Feuilleton der markt­ beherrschenden Sonntagszeitungen bis hin zu gesellschaftskritischen Online-Diskussionsbeiträgen in Foren und Blogs im World Wide Web, als zutreffend zu erkennen.7 Agambens Ideen- und Gedankengut, welches er seit den 1960er Jahren kontinuierlich entwickelte8, popularisiert und polarisiert gleichermaßen seine Leserschaft. Dies beginnt mit der Veröffentlichung des ersten titelgebenden9 Bandes der Schriftenreihe im Jahr 1995, da er, wie wohl kein anderer Zeitgenosse10 vor oder neben ihm, hierdurch die „verwaiste Stelle eines Meisterdenkers“11 seitdem eingenommen hat. Daneben können bei Agamben mannigfaltige Aspekte unter anderem aus der Ästhetik, der Poetik, der Literatur des Mittelalters und über den Holocaust, der biblischen Textkritik wie auch den Film-, Kino- und all­gemeinen Sprachwissenschaften gelesen werden12, die er in seinen zahlreichen weiteren Schriften13 sowohl methodisch als auch stilistisch regelmäßig miteinander vermengt, weshalb ein Streit um die abschließende Einordnung der verschiedenen Lesarten bei Agamben von Anfang an eher fruchtlos erscheint.14 Diese buchstäblich entdifferenzierte und deswegen – wohl auch als planmäßig zu bezeichnende  – indifferente Gemengelage15 offener Forschungsfragen und Themenstellungen, falls diese überhaupt mit objektiver Gewissheit und Erkenntnis in ihrer Ganzheit zu erfassen sind, stellt zugleich Agambens wesentliches Alleinstellungsmerkmal und zentralen Kritikpunkt zum Gesamtwerk in der modernen Philoso 6 Hierbei ist bereits ein wesentlicher Kritikpunkt der Untersuchung angedeutet, Agambens – durchaus plakative – Argumentationstopoi aus den Homo-Sacer-Publikationen als bloße Phänomene des jeweiligen Zeitgeistes zu interpretieren und diese hierauf im Sinne eines (letztlich missverstanden) Avantgardismus zu verkürzen. 7 So auch bei Wittig, in: Heinrich et al. (Hrsg.), S. 113 (114) m. w. N. 8 Steinhauer, in: Buckel et al. (Hrsg.), S. 201 (206). 9 Siehe eingehender dazu bei Schütz, in: Murray/Whyte (Hrsg.), S. 94. 10 Vgl. für einen guten Überblick statt vieler bei Riechelmann, in: die tageszeitung, S. 16. 11 Zu einer kritischen Auseinandersetzung mit dieser Bewertung vgl. nur bei Gehring et al., in: Information Philosophie 05/2008; so wohl auch bei Herrmann, für sie ist Agamben sogar letztlich ein „Verschwörungstheoretiker der Philosophie“, dies., in: die tageszeitung, S. 14. 12 Vgl. dazu bei Murray, S. 1; ders./Whyte, in: dies. (Hrsg.), S. 7; Steinhauer, in: Buckel et al. (Hrsg.), S. 201 (202 f.); ebenso bei Watkin, S. 4. 13 Siehe dazu bei Murray/Whyte, in: dies. (Hrsg.), S. 207 f. 14 So stellt Geulen zutreffend fest: „The sheer wealth of Agamben’s sources […] frus­trates the desire to determine the genealogy of his intellectual trajectory“, dies., in: Horn et al. (Hrsg.), S. 363 (363); dies., Giorgio Agamben zur Einführung, S. 19 f.; vgl. bei Steinhauer, in: Buckel et al. (Hrsg.), S. 201 (206), dort in Fn. 23. 15 Zur Abwesenheit von Unterscheidungszeichen oder -strukturen als bestimmende Planmäßigkeit bzw. Methode bei Agamben innerhalb der Homo-Sacer-Publikationen siehe etwa bei Kiesow, in: RG 1 (2002), S. 56 (58) m. w. N.

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phie dar. So wird etwa in einer Textsammlung zur politischen Philosophie aus dem Jahr 2007, die diesbezüglich eine der ersten umfassenden Auseinandersetzungen mit Agambens Arbeiten im deutschsprachigen Raum anzeigt, einleitend zu Recht darauf hingewiesen: „Die wissenschaftliche Rezeption Agambens steht nun vor dem Problem eine über dieses Zeitgeistphänomen hinausgehende kritische Bestandsaufnahme seiner Philosophie leisten zu müssen.“16 Dieser Aussage ist hier ohne Weiteres beizupflichten, da sich Einfluss und Wirkungsmacht der Gedankengänge Agambens selbstverständlich erst im Laufe vieler, vorzugsweise räumlich und zeitlich unterschiedlicher Rezeptions- und Fortschreibungsvorgänge umfassend beurteilen lassen. Ein Beitrag zu einer derartigen Bestandsaufnahme ist mit der Untersuchung beispielhafter Rezeptions- und Fortschreibungsvorgänge von Argumentationstopoi in Bezug auf die  – als „rätselhaft“17 oder „obskur“18 wahrgenommenen – Konzeptionen des Homo-Sacer-Projekts nach Agamben für das zeitgenössische Völkerrechtsschrifttum angestrebt. Denn mit seinen Schriften über Homo Sacer bringt Agamben nicht zuletzt das Gesetz der Literatur in die Literatur der Gesetze. Er eröffnet womöglich so ein philosophisches Hintertürchen, das forthin erlaubt, bestimmte Gesetzestexte und -inhalte19 eben auch anhand bestimmter juridisch-politischer Gesetzmäßigkeiten, die in seinen einschlägigen Texten der Homo-Sacer-Schriften mitschwingen, verständig zu lesen oder darüber hinaus entsprechend auszulegen.20 Das Philosophieren über Recht, Gesetze oder 16

Böckelmann/Meier, in: dies. (Hrsg.), S. 8. Agamben, Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S. 89. 18 Agamben, Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S. 18. 19 Beispielgebend für einschlägig denkbare Kontexte sind vor allem kodifizierte oder abgeleitete Klonverbote menschlichen Erbguts, etwa auf nationaler Ebene nach § 6 Abs. 1 ESchG und Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG, auf europäischer Ebene nach Art. 3 Abs. 2 Spstr. 4 CGREU (Europäische Union), nach Art. 1 BMK-ZP-Klonen (Europarat) und nach Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 98/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und auf völkerrechtlicher Ebene nach Art. 11 Satz 1 UNESCO-Erklärung der UN-Generalversammlung vom 11. November 1997, gemäß Resolution 56/93 der UN-Generalversammlung vom 12. Dezember 2001 und schließlich als universales Verbot aus dem Völkergewohnheitsrecht oder aus den bei den Kulturvölkern allgemein anerkannten Rechtsgrundsätzen i. S. d. Art. 38 Abs. 1 Buchstaben b) und c) IGH-Statut, siehe zu allen ausführlicher nur bei Kersten, Das Klonen von Menschen, S. 30 ff. 20 Diese Annahme ist hier wie folgt zu begründen: Etwa so wie die Philosophie und Religion strebt auch das Recht, vermittelt in niedergeschriebener, sprich verfasster Gestalt der Verfassungen, Gesetze, Ordnungen etc., einen eigenen (meta-)sprachlichen Status an. Die (wohl postmoderne)  Rechtswissenschaft ist hierbei bemüht, selbsterklärende Kriterien für diesen Status des Rechts zu finden, der letztlich die Geltung des Rechts erklären soll. Solche Kriterien sind u. a. Standards der Plausibilität und Kohärenz (wie sie grundsätzlich auch für jedes Textverstehen anzuerkennen sind). Sobald sie festgelegt sind, kann über einen Beurteilungsmaßstab zur Sach- und Problemlage entschieden bzw. hiernach bestimmt werden, sodass ein Gesetz die zugedachte regulatorische Rolle bzw. Aufgabe aus- bzw. erfüllen kann. Die Fähigkeit oder Errungenschaft, diese gesellschaftliche Funktion auszuführen, basiert schließlich auf einer – überwiegend konsensual angenommenen – historischen, mithin entwicklungsgeschichtlichen Präsenz des Rechts in menschlichen Gemeinschaften; vgl. ferner bei Douzinas et al., in: dies., S. 161 (161). 17

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Entscheidungen, die etwa mit biopolitischem Belang jede Art von Autorität tragen könnten, muss in Anbetracht der in den Homo-Sacer-Publikationen deutlich zum Ausdruck gebrachten Standpunkte zu vermeintlichen Tatsachen des „menschliche[n] Leben[s] innerhalb der Sphäre nackter Existenz, [als] eine Lebensmöglichkeit in der Sphäre der Politik“21, entweder radikal geändert oder geradewegs aufgegeben werden.22 Diese Anforderung folgt besonders aus den Geboten der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit für den Fall, dass ein Rechtsnormgeber auf nationaler, europäischer oder völkerrechtlicher Ebene anhand derartiger Informationen nicht etwa nur „Gesetze schaffen, sondern zugleich Recht setzen [will]“23.

1. Grundlegende Konzepte der Homo-Sacer-Schriften Da sich, wie eingangs erwähnt, in der Homo-Sacer-Schriftenreihe „die zentralen Denkfiguren und methodischen Entscheidungen“24 Agambens ablesen lassen, werden an dieser Stelle die den Werken zugrunde gelegten Konzepte eingehender betrachtet und jeweils in ihren kennzeichnenden Grundzügen erläutert, damit ihre spätere Einordnung in eine völkerrechtsphilosophische Kritik zu verstehen ist. Hierzu sollen aber nur solche Konzepte oder Entwürfe nach Agamben aufbereitet sein, die unmittelbar oder zumindest hinreichend genau bestimmbar in vorliegenden empirischen Erhebungen zu den völkerrechtsbezogenen Textquellen und in sonstigen Referenzmaterien mit relativer Häufigkeit in Erscheinung treten.25 Ausgehend von einigen sehr verschiedenartigen wie auch schöpferischen Ideen und Theoriengebäuden, beispielsweise des Philosophen und Soziologen Theodor W. Adorno26, der politischen Theoretikerin und Publizistin Hannah Arendt27, des Philosophen und Literaturkritikers Walter Benjamin28, des Philosophen und Begründers der Diskursanalyse Michel Foucault29, des Philosophen Martin ­Heidegger30 sowie des Staatsrechtlers und Philosophen Carl Schmitt31, um lediglich die ein 21

Wischke, in: Synthesis philosophica 21 (2006), S. 349 (350). So auch bei Norris, in: ders. (Hrsg.), S. 262 (278). 23 Kirschke, S. 227. 24 Steinhauer, in: Buckel et al. (Hrsg.), S. 201 (207). 25 Die Auswahl nur bestimmter Argumentationsfiguren ist vorliegend geboten, um einerseits nicht den Umfang dieser Untersuchung unangemessen anschwellen zu lassen und um andererseits eine konturenscharfe Kategorisierung selbiger i. S. d. kulturellen Schemata als übergreifende Größen im Rahmen ihrer rezeptionstheoretischen Beurteilung zu ermöglichen. Im Übrigen sei auf die ausführlichen Begriffsanalysen insbes. bei Murray/Whyte (Hrsg.), The Agamben Dictionary, aus dem Jahr 2011 verwiesen, sofern nicht in dieser Untersuchung an entsprechender Stelle zwecks Nachweisführung hierauf Bezug genommen wird. 26 Vgl. bei Molad, in: Murray/Whyte (Hrsg.), S. 19 f. 27 Vgl. bei Schaap, in: Murray/Whyte (Hrsg.), S. 25 f. 28 Vgl. bei Schütz, in: Murray/Whyte (Hrsg.), S. 33 ff. 29 Vgl. bei Schütz, in: Murray/Whyte (Hrsg.), S. 73 ff. 30 Vgl. bei Zartaloudis, in: Murray/Whyte (Hrsg.), S. 91 f. 31 Vgl. bei McLoughlin, in: Murray/Whyte (Hrsg.), S. 174 ff. 22

1. Grundlegende Konzepte der Homo-Sacer-Schriften

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flussreichsten (Vor-)Denker zu benennen32, formuliert Agamben für das HomoSacer-Projekt drei signifikante Hauptannahmen, die er seinen philosophischen Überlegungen zugrunde legt: „1. Die originäre politische Beziehung ist der Bann (der Ausnahmezustand als Zone der Ununterscheidbarkeit zwischen Außen in Innen, Ausschließung und Einschließung). 2. Die fundamentale Leistung der souveränen Macht ist die Produktion des nackten Lebens als ursprüngliches politisches Element und als Schwelle der Verbindung zwischen Natur und Kultur, zoē und bíos. 3. Das Lager und nicht der Staat ist das biopolitische Paradigma des Abendlandes.“33

In diesen drei thesenartigen Aussagen sind die teils sehr weitläufig aufgestellten Ideen- und Gedankengänge Agambens zu jenen fest umrissenen Argumentationstopoi zusammengeführt, die die andernorts vielfach diskutierten Gegenstände von Rezeption und Fortschreibung bilden. Diesbezüglich stellt die Philologin Eva­ Geulen fest: „Aufgrund der massiven Rezeption wie aufgrund von ­Agambens Vorliebe für griffige Formulierungen haben sich einzelne (im Regelfall übrigens nicht von ihm selbst geprägte) Termini zwischenzeitlich so verfestigt, dass man es wagen darf, sie wie Begriffe zu entwickeln und als Strukturen zu beschreiben.“34 Geulens Vorbringen kann in jeder Hinsicht gefolgt werden. Danach müssten sich die Begriffe in den vorgenannten Thesen Agambens sinngemäß wie folgt herunterbrechen lassen: Die westliche Politik stelle in ihrem originären Wesenszug nichts anderes als Biopolitik dar. Diese Biopolitik bediene sich bevölkerungsbezogener Machttechniken, deren inhärente Logik, die eines Ausnahmezustands ist. Dieser im Grunde nur eine Ausnahme zur regelhaften Normalität darstellende Zustand bringe jedoch schwellenartige Strukturen des Übergangs in einer (Volks-)Gemeinschaft hervor, die zur Ununterschiedenheit von Faktum und Recht führen. Danach sei nicht mehr zwischen Natur und Kultur, zwischen Ist und Soll im Alltagsleben zu unterscheiden, sodass mit dem Menschen permanent nacktes Leben erzeugt werde. Das Produkt stehe fortan in Bann-Beziehungen zur Souveränität. Die souveräne Macht schließe dabei den Menschen von sich aus, indem diese ihn allerorts in Lagern einschließe. Insofern erscheine der moderne Mensch in Gestalt des Homo Sacer.35 Die Termini und Konzepte sind zwecks Übersichtlichkeit zunächst in ihren begrifflichen Einzelstrukturen sowie in ihrer System 32 Abgrenzungen und (Be-)Wertungen von tatsächlichen Einflüssen vorgenannter Personen auf Agamben sind im Einzelnen schwierig, da fließend und daher vorliegend nicht als eine Art von Ranking zu interpretieren; hier getroffene Auswahl ebenso bei Geulen, Giorgio ­Agamben zur Einführung, S. 133 ff.; im Übrigen jedoch mit Verquickungen zu vielen weiteren Personen aus u. a. Literatur, Kunst sowie (Zeit-)Geschichte, vgl. dazu etwa bei Murray, S. 78 ff. u. S. 95 ff.; Steinhauer, in: Buckel et al. (Hrsg.), S. 201 (202) m. w. N.; siehe ferner bei Watkin, S. 196. 33 Agamben, Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S. 190. 34 Geulen, Giorgio Agamben zur Einführung, S. 17. 35 Zu den vorstehenden Darstellungen siehe weiterführend und insoweit sich selbst zusammenfassend bei Agamben, Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S. 197.

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haftigkeit zueinander nur verkürzt darzustellen und bedürfen sodann einer ins Einzelne gehenden Betrachtung als Schlüsselbegriffe zum Verständnis der Philosophie Agambens. (1) Das nackte Leben: Im Duktus grundlegender Maßstabsbestimmung versucht Agamben zunächst an die antiken Wortbedeutungen von zoē36 und bíos37 anzuknüpfen, die er mithilfe einer eigenen Art von „philosophischer Archäologie“38 anhand der Schriften von Aristoteles begründet.39 Jenen zwei Bedingungen des (historischen) Daseins von Menschen stellt er, insoweit die ihn prägenden Kritiken Benjamins am „bloßen Leben“40 wie auch am „Dogma der Heiligkeit des Lebens“41 weiterführend42, allerdings eine dritte, nämlich diejenige des nackten Lebens43 zur Seite.44 Das nackte Leben meint jene Entität, die dadurch produziert wird, wenn zoē und bíos voneinander entzweit sind. Zoē ist nicht gleich dem nackten Leben, denn eine jede kategorisierende Attribuierung, etwa in qualifiziert und unqualifiziert oder gerade mit Agambens gewähltem Eigenschafts- oder Beiwort „nackt“, entfernt den seit Beginn naturphilosophischen Denkens umstritte 36

Der Begriff „zoē“ (Altgriechisch ζωή) meint das rein reproduktive Leben einer kreatürlichen Existenz, das unqualifizierte Lebendigsein einer Entität an sich und nach Agambens Begriffsbestimmung „die einfache Tatsache des Lebens, die allen Lebewesen gemein ist (Tieren, Menschen und Göttern)“, ders., Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S. 11; vgl. dazu auch bei Murray, in: ders./Whyte (Hrsg.), S. 206; ders., S. 61. 37 Der Begriff „bíos“ (Altgriechisch βíος) meint das qualifizierte Leben, vor allem als eine soziale, kulturelle oder politische Entität innerhalb einer geordneten Burg-, Stadt- oder Staatgemeinschaft, der sog. „polis“ (Altgriechisch πόλις), und mit Agambens Begriffsbestimmung „die Form oder Art und Weise des Lebens, die einzelnen oder einer Gruppe eigen ist“, wobei „drei Lebensarten“ unterschieden werden, nämlich die des kontemplativen Lebens des Philosophen, die des Lebens der Lust und des Vergnügens und die des politischen Lebens, insbes. in Abgrenzung zur Bürgerschaft (Lateinisch „civitas“) der römischen Zeit, vgl. ders., Homo­ sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S. 11; vgl. bei De Boever, in: Murray/Whyte (Hrsg.), S. 39 f.; Murray, S. 61. 38 So bei Murray, S. 39; Steinhauer spricht hingegen von einer „philologisch archäologischen Methode“, ders., in: Buckel et al. (Hrsg.), S. 201 (222); weiterführend zu Agambens methodischen Ansatz einer kritischen Theorie der Geschichte (hier i. S. v. Walter Benjamin) vgl. bei Murray, S. 39 ff.; sich selbst erklärend bei Agamben, Signatura rerum, S. 101 ff. 39 Vgl. bei Agamben, Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S. 11 f. u. S. 21. 40 Benjamin, in: Tiedemann/Schweppenhäuser (Hrsg.), S. 179 (201). 41 Benjamin, in: Tiedemann/Schweppenhäuser (Hrsg.), S. 179 (202). 42 Siehe dazu bei Weiß, in: Phänomenologische Forschung 1 (2003), S. 269 (276); Weigel, in: Witte/Ponzi (Hrsg.), S. 94 (105). 43 Thüring, der Übersetzer von Homo Sacer I. aus dem Italienischen, erachtet diesen Begriffskomplex als kommentierungsbedürftig und schreibt dazu: „Trotz des eindeutigen Bezugs auf Walter Benjamins bloßes Leben wurde, nach Abwägung der Bedeutungsfelder und zur Unterscheidung der eigenständigen Entwicklung und Prägung des Begriffs durch den Autor, la nuda vita mit das nackte Leben übersetzt [Hervorheb. bereits im Originaltext d. Thüring]“, vgl. bei ders., in: Agamben, Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S. 199. 44 So auch bei De Boever, in: Murray/Whyte (Hrsg.), S. 30.

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nen Begriff45 „Leben“ von seinem ureigenen Sinnpotenzial.46 „Will man dennoch eine vorsichtige Differenzierung vornehmen“, wie der Philosoph Christoph Binkelmann zutreffend schreibt, „so betont zoe die Fähigkeiten und Voraussetzungen, bios hingegen den wirklichen Vollzug und die konkrete Lebensform. Ein Indiz dafür liegt in der Möglichkeit zur Pluralbildung von bios gegenüber dem Singular von zoe: Die gleichen Vermögen lassen eine Vielzahl an Realisierungen zu.“47 Gerade am Aspekt der vielen möglichen Darstellungen zur Daseinsform des Menschen knüpft Agamben seine weiteren Überlegungen an. Nach Agambens Auffassung stehen sich hierbei „das nackte Leben“ und „die Gesetzesform“ (an anderer Stelle auch: „die Norm“)48 als fundamentale Kategorien souveränen Handelns gegenüber. Wenn danach das Gesetz, das Urteil sogar das Recht in die konkrete Lebensform gleichsam eingeschrieben, sprich dieser durch die souveräne Macht als zwingend auferlegt werden, dann entstünde letzten Endes ein über das „bloße“ hinausgehende „nackte“ Leben, da es nun anderen Realisierungen entzogen bliebe.49 „Das nackte Leben“, so schlussfolgert Agamben, „bleibt in diesem Bruch [zwischen zoē und bíos] in der Form der Ausnahme eingefaßt, das heißt als etwas, das nur durch eine Ausschließung eingeschlossen wird.“50 Mit Geulen wird das in diesem Punkt Gemeinte allerdings sehr viel eindeutiger: „[…] Agamben [entdeckt] als originären Akt der Souveränität die unterscheidende Grenzziehung zwischen dem Menschen als Gegenstand oder Subjekt des Rechts (in seiner Eigenschaft als Staatsbürger, Untertan, Gesetzgeber) und dem Menschen als (bloßem) Lebewesen […], der erst durch Abstraktionen, Definitionen, Unterscheidungen und Ausschließungen produziert wird.“51 Mit den Homo-Sacer-Publikationen beschreibt der Begriffskomplex vom nackten Leben also einerseits den primären Bezugspunkt für Agambens Kritik an der westlichen Politik52, die nur durch Ausschließung des zoē gelingt, und andererseits das genuine Produkt derselben Strategie einer permanenten Politisierung des Menschen zwischen oder außerhalb der widerstreitenden Seiten seiner Existenz im zoē und bíos.53 Hierin begründet sich Agambens Standpunkt zum gegenwärtigen prekären Verhältnis zwischen diesen zwei Grundeigenschaften menschlicher Daseins- beziehungsweise Lebensform, im (bio-)politisch ge- und überformten Widerstreit zwischen zoē und bíos 45

Für einen guten Überblick zur Begriffsentwicklung seit den antiken Lehrgesprächen von Philosophen wie Sokrates, Aristoteles oder Epiktet über das Leben siehe bei Liessmann, S. 135 ff. 46 Im Ergebnis so auch bei Murray, S. 61.; Watkin, S. 170. 47 Binkelmann, in: Gethmann (Hrsg.), S. 893 (897) m. w. N. 48 Agamben, Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S.  65 u. S. 183. 49 So auch bei Kiesow, in: RG 1 (2002), S. 56 (57). 50 Agamben, Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S. 21. 51 Geulen, Giorgio Agamben zur Einführung, S. 60. 52 Agamben spricht hierbei von einem „einzigartigen Privileg“, siehe bei ders., Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S. 17. 53 Siehe dazu bei De Boever, in: Murray/Whyte (Hrsg.), S. 30; Geulen, Giorgio Agamben zur Einführung, S. 60; Weiß, in: Phänomenologische Forschung 1 (2003), S. 269 (273).

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als nacktes Leben, welcher sich in der okzidentalen Kultur- und Rechtsgeschichte vollzogen haben soll, indem die Unterscheidung „zwischen einem Privatbereich des Lebens und einem Leben im Kontroll- und Einflussbereich einer wie auch immer zu definierenden Öffentlichkeit schwindet.“54 (2) Der Homo Sacer: Um das vorab entfaltete Konzept eines ausgeschlossenen nackten Lebens zu beweisen, greift Agamben auf eine „Figur des archaischen römischen Rechts“ zurück, in welcher sich nach seinem Dafürhalten grundlegend die „Heiligkeit zum ersten Mal mit einem menschlichen Leben als solchem“ verbinde.55 Die Erscheinungsform im Homo Sacer des römischen Rechts ist für ihn das Urbild des nackten Lebens. Mit anderen Worten soll sich das nackte Leben in der Gestalt des Homo Sacer, einer doppeldeutig sowohl „geweihten“ als auch „verfluchten“, gleichwie „unberührbaren“ Entität56, von der römischen Antike bis hin zur globalen Gegenwart nachweisbar57 perpetuieren.58 Daher übernehme der 54

Finkelde, in: ders. et al. (Hrsg.), S. 27 (36). Zu beiden zitierten Textstellen siehe bei Agamben, Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S. 81. 56 Die Ableitungen folgen aus dem Italienischen „sacro“ und „sacertà“, aber stets anhand der ursprünglichen Bedeutung des Lateinischen „sacer“, durch Agamben problematisierte Polysemie, vgl. ausführlich bei Thüring, in: Agamben, Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S. 199. 57 Die Historiografie zu der Figur „Homo Sacer“ – vor allem in Bezug auf eine römische Urform des Gesetz- bzw. Statuslosen oder Geächteten innerhalb einer (Rechts-)Gemeinschaft („polis“) oder Personenverband  – ist anhand der nur fragmentarisch vorhandenen Quellen im sog. Traktat „De significatione verborum“ des römischen Lexikografen und Grammatikers Sextus Pompeius Festus (wohl im 2. Jahrhundert n. Chr.), der vermutlich seinerseits ca. 400 Jahre älteres Überlieferungsmaterial kompilierte, nicht vollständig rekonstruiert und daher in vielen Punkten überaus umstritten, siehe dazu bei Murray, S. 64; Steinhauer, in: Buckel et al. (Hrsg.), S. 201 (216), dort in Fn. 51 u. Fn. 53; ferner bei Geulen, Giorgio Agamben zur Einführung, S. 21; Lemke, in: DZPh 52 (2004), S. 943 (944); ebenso ders., in: Bröckling et al. (Hrsg.), S. 257 (258); Schütz, in: Murray/Whyte (Hrsg.), S. 94 f.; zur diesbezüglichen Sachund Quellensicherung vgl. etwa beginnend bei Wilhelm Rein, Das Kriminalrecht der Römer von Romulus bis auf Justinian (1844/Nachdruck 1962); Rudolf von Jhering, Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung, Bd. 1 (1866/Nachdruck 1923); Theodor Mommsen, Römisches Strafrecht (1899/Neudruck 1990); Emil Brunnenmeister, Das Tötungsverbrechen im altrömischen Recht (1887); Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft – Grundriss der verstehenden Soziologie, zwei Teile in einem Band (1956/Neudruck 2010); Kurt Latte, Römische Religionsgeschichte (1960/Nachdruck 1992); Max Kaser, Das römische Privatrecht (1971/Neubearbeitung 1975); Wolfgang Kunkel, Untersuchungen zur Entwicklung des römischen Kriminalverfahrens in vorsullanischer Zeit (1962); Giuliano Crifò, Exilica causa, quae adversus exulem agitur – Problemi dell’aqua et igni interdictio, in: Du châtiment dans la cité: Supplices corporels et peine de mort dans le monde antique, Naples: L’École française de Rome (1984); Yan Thomas, Vitae necisque potestas – La Père, la cité, la mort, in: Du châtiment dans la cité: Supplices corporals et peine de mort dans le monde antique, Rome: L’École française de Rome (1984); zuletzt Claire Lovisi, Contribution à l’étude de la peine de mort sous la république romaine (509 – 149 av. J.-C.), Paris (1999); zum Vorstehenden mit seitengenauen Fundstellenangaben vgl. nur bei Kiesow, in: RG 1 (2002), S. 56 (62) m. w. N. 58 Siehe bei Murray, S. 64; weiterhin bei Lorey, in: Loick (Hrsg.), Der Nomos der Moderne, S. 161 (167 ff.). 55

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Homo Sacer die Funktion eines „transzendentalen Aprioris, ohne das Geschichte nicht zu denken sei.“59 Agamben meint hierin eine historische Gesetzmäßigkeit des menschlichen Lebens an sich zu erkennen. Danach sei jeder Mensch potenziell ein Homo Sacer, welcher, da er an und für sich die „conditio sine qua non gemeinschaftlicher Ordnung bildet“60, „gleichermaßen vom göttlichen Recht (sofern er nicht geopfert werden darf) wie vom weltlichen Recht (sofern seine Tötung keine rechtlichen Konsequenzen hat) ausgeschlossen ist.“61 Die von ihm aus dieser ursprünglichen juridisch-politischen Konstellation62 abgeleitete Rechtsfigur modernen Daseins, das heißt einer menschlichen Lebensverhältnissen abstrakt – also im Sinne eines Gattungsbegriffs und Artunterschieds – entsprechenden Erscheinung im Recht63, stellt sich als „langfristig wirksamster Ertrag“64 des gesamten HomoSacer-Projekts und der Schriftenreihe, mithin als ein überaus nachhaltiges Denk-65 und Sprachbild, dar. Dabei fungiert die von Agamben dargestellte Rechtsfigur innerhalb der Schriftenreihe, wie Geulen überzeugend ausführt, „nicht nur als Emblem einer sehr komplex angelegten Struktur, sondern nimmt Züge einer quasikörperlichen Gestalt mit Wiedererkennungswert an. […] Ob es im archaischen römischen Recht tatsächlich homines sacri gegeben hat, ist zunächst belanglos gegenüber den Wiedererkennungsmöglichkeiten, die diese Figur freisetzt.“66 (3) Die Bann-Beziehung: Sie beschreibt im vorerwähnten Denkzusammenhang das konditionale Verhältnis zwischen souveräner Macht und dem Menschen als ein Subjekt des Rechts (Rechtsbetroffener), das vor allem durch eine besondere Erscheinungsform des Stillstands oder der Deaktivierung67 im Recht, dem sogenannten Justitium68, und nicht nur aufgrund juridisch-politischer Mechanismen 59 Geisenhanslüke, in: Geulen et al. (Hrsg.), Hannah Arendt und Giorgio Agamben, S. 265 (267). 60 Scheu, in: Böckelmann/Meier (Hrsg.), S. 187 (188). 61 Geulen, Giorgio Agamben zur Einführung, S. 21. 62 Agamben, Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S. 90. 63 Die Definition einer Rechtsfigur erfolgt klassischerweise durch die Angabe der nächsthöheren Gattung und der spezifischen Differenz zu verwandten Begrifflichkeiten, getreu dem Grundsatz aus der mittelalterlichen Schullogik der „definitio fi(a)t per genus proximum et differentiam specificam“; vgl. bei Villinger, der diesbezüglich zuzustimmen ist, insoweit sie schreibt: „Der ‚Homo Sacer‘ ist per definitionem eine Figur des Rechts […]“, dies., in:­ Böckelmann/Meier (Hrsg.), S. 149 (157). 64 Im Anschluss an Geulen ist allein für den neuzeitlichen Begriffskomplex „Homo Sacer“ bereits eine enge Assoziation zu Agambens Homo-Sacer-Schriften festzustellen, sodass vor allem dieser Metapher eine signifikante Einfluss-, Nutzungs- und Wirkmächtigkeit zuzusprechen ist, dies., Giorgio Agamben zur Einführung, S. 21. 65 Siehe dazu bei Bächler, S. 20 m. w. N. 66 Insoweit mit Geulen, Giorgio Agamben zur Einführung, S. 21, wonach von Agamben formulierte Eigenschaften nur einer Denk- und Sprachfigur, nicht zugleich historisch begründbarer Rechtsfigur Homo Sacer im Leser- oder Autorenkreis als etwas Bekanntes erkannt oder wahrgenommen werden; einen sogar enormen Wiedererkennungswert spricht auch Lorey zu, dies., in: Loick (Hrsg.), Der Nomos der Moderne, S. 161 (161). 67 Geulen, Giorgio Agamben zur Einführung, S. 78. 68 Siehe ausführlicher dazu bei Agamben, Ausnahmezustand, S. 52 ff.

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der Ein- und Ausgrenzung oder Ein- und Ausschließung, einzig im Hinblick auf In- und Exklusionsdefinitionen, gekennzeichnet ist.69 Der Bann ist nach ­Agamben vielmehr eine Beziehungsform70, die zwar in erster Linie, aber nicht ausschließlich in ihrer (bio-)politischen Prägung zur Rechtsfigur des Homo Sacer als die „ursprüngliche Figur des in Bann genommenen Lebens“ und in seiner daraus folgenden „unwiderrufliche[n] Aussetzung in der Beziehung der Verlassenheit [abbandono]“71 erkennbar wird. Diese Überlegungen zum Bannbegriff stellt Agamben im Anschluss an den Philosophen Jean-Luc Nancy dar72, wobei er hieraufhin Carl Schmitts „souveräne Entscheidung“ durch die Redefigur „souveräner Bann“ ersetzt.73 Der Bann als Ausschluss oder Ausweisung aus einer Gemeinschaft sei danach die „Potenz, sich in der Abwendung anzuwenden.“74 Eine solche souveräne Bann-Beziehung zeichnet sich dadurch aus, dass sie unabhängig davon gilt, ob einer beziehungsbegründenden (Rechts-)Norm auch Bedeutung zukommt; also dass das Gesetz zwar gelten könnte aber nur nicht angewandt wird, da es vor allem im Zustand einer rechtlichen Ausnahme zeitweilig suspendiert ist. Der souveräne Bann als originäre politische Beziehungsform wirkt demzufolge sowohl räumlich als auch zeitlich.75 Die Bann-Beziehung kann insoweit als ein Legitimitätsproblem – etwa zum wechselseitigen Bezug zwischen Organen der Rechtsordnung und der Rechtsbetroffenen – zu verstehen sein.76 Demnach erweist sich ein so angenommener Bann als geschlossenes Ganzes, dessen Teile (bio-)politisch wie rechtlich vielfältig verknüpft sind, bereits unter regulativen Aspekten durch seine Impotenz, weil die ihm zugrunde liegenden Gesetze keine Kraft haben77, im Gegensatz zur sonst wirkmächtigen Potenz der Rechtsordnung.78 Agamben erkennt hierbei nicht zuletzt eine „Krise der Legitimität“79 und fasst seine Überlegungen zum Bannbegriff, insbesondere wie das Gesetz und dessen legale Beschaffenheit eine Geltung nach Maßgaben von Anspruch und Rechtfertigung für den

69

Vgl. bei Murray, S. 62 f.; Rasch, in: Calarco/DeCaroli (Hrsg.), S. 92 (102 f.). Vgl. bei Agamben, Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S. 39 u. S. 120. 71 Zu beiden zitierten Textstellen siehe bei Agamben, Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S. 93. 72 Minca, in: Murray/Whyte (Hrsg.), S. 15; vgl. bei Geulen, in: Borsò et al. (Hrsg.), Benjamin – Agamben, S. 59 (65); Agamben, Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S. 69. 73 Geulen, Giorgio Agamben zur Einführung, S. 78. 74 Lakitsch, S. 110. 75 So auch bei Genz, S. 279; Lakitsch, S. 107. 76 Lakitsch schreibt zur Einordnung wie folgt: „Giorgio Agambens staatsphilosophischer Grundtenor lautet in etwa: Rechtsordnung und Legitimität gründen auf Gewalt“, siehe weiterführend bei ders., S. 107. 77 Agamben, Ausnahmezustand, S. 49; Geulen, in: Borsò et al. (Hrsg.), Benjamin – Agamben, S. 59 (61). 78 Hierin ist die ontologische Neu- bzw. Uminterpretation zu Aristoteles’ Potenzbegriff zu erkennen; siehe dazu weiterführend etwa bei Murray, S. 46 ff. 79 Agamben, Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S. 62. 70

1. Grundlegende Konzepte der Homo-Sacer-Schriften

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Einzelnen erlangen kann, schließlich in der prägnanten Formel von „Geltung ohne Bedeutung“80 zusammen.81 (4) Die souveräne Macht/Souveränität: Mit dem Homo-Sacer-Projekt versucht Agamben die Fragen zum Konzept und zur Idee der souveränen Macht, welche zunächst als Kategorien westlicher Politik im Sinne von Staatshoheit zu denken seien und unter anderem durch die Souveränitätslehre Carl Schmitts beeinflusst scheinen82, abermals aufzugreifen.83 Er ist dabei bestrebt, die gelegentlich verschüttgegangenen Fundamente ihrer historischen Quellen und traditionellen Funk­ tionsweisen offenzulegen84, um auf diese Weise zu einer Rekonzeptualisierung als „Bio-Souveränität“85 zu gelangen. Agamben versteht Souveränität vor allem als eine politisch-theologische Struktur, welche sich – ohne etwa eine Trägerschaft in klassisch-juristischem Sinne zu benötigen – allein aus „[…] der Matrix der Kommunikation, in der Seinsverständnis und Sprache zum politischen Horizont verstrickt sind“86, unmittelbar ergäbe.87 Hierzu beschreibt Agamben das „Paradox der Souveränität“ umfänglicher, dass nämlich „der Souverän […] zugleich außerhalb und innerhalb der Rechtsordnung“ stünde88, welcher sich auf diese Weise selbst zur Regel für die staatshoheitlichen Instanzen zwischen Gesetzesbefehl und dessen Ausnahme89, mithin zu einem Leitbild der Herrschaftsgewalt, letztlich zu einem Paradigma des Regierens90 in den verfassten Gesellschaften westlicher Prägung 80

Nach Agambens Ansicht, der diese Formel insofern einem Briefwechsel zwischen ­Gershom Scholem und Walter Benjamin vom 20. September 1934 entnimmt, „gibt es keine bessere Definition des Banns“, ders., Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S. 61 f. 81 Geulen, Giorgio Agamben zur Einführung, S. 79; Lakitsch merkt fernerhin zu Agambens Auffassung an, dass „die reine Form des Gesetzes am stärksten“ sein soll, „wo sie nichts vorschreibt“ und darum „nicht mehr als reiner Bann ist“, ders., S. 113. 82 Daneben sind freilich noch die wirkmächtigen Souveränitätslehren von Jean Bodin (1530–1596; Souveränität als die höchste Letztentscheidungsbefugnis im Staat) oder von Thomas Hobbes (1588–1679; Souveränitätsverzicht zugunsten einer staatlichen Autorität: erst aus der freiwilligen Unterwerfungsbereitschaft des Einzelnen entstünde der Souverän) zu nennen; vgl. weiterführend bei De Boever, in: Murray/Whyte (Hrsg.), S. 180; Kiesow, der hierzu meint: „Der Clou Agambens besteht nun darin, dass er den homo sacer mit Carl Schmitts Lehre von der Souveränität zusammenbringt“, ders., in: RG 1 (2002), S. 56 (63); Steinhauer, in: ­Buckel et al. (Hrsg.), S. 201 (215); siehe ferner bei McLoughlin, in: Murray/Whyte (Hrsg.), S. 175. 83 So etwa bereits als Gelegenheitsschriften (Essays) zur Politik bei Agamben, Mittel ohne Zweck, S. 105 ff. 84 Vgl. dazu etwa bei Loick, Kritik der Souveränität, S. 214. 85 Kalyvas, in: Norris (Hrsg.), S. 107 (109). 86 Der Begriff „Matrix“ meint nach Steinhauer ein vollständiges Programm als Einheit von Latenz und Aktualität, ders., in: Buckel et al. (Hrsg.), S. 201 (214), dort auch in Fn. 48;­ Kalyvas, in: Norris (Hrsg.), S. 107 (109). 87 Vgl. bei Agamben, Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S. 26 u. S.  30 f.; weiterhin bei De Boever, in: Murray/Whyte (Hrsg.), S.  180; Kalyvas, in: Norris (Hrsg.), S. 107 (109 ff.). 88 Agamben, Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S. 25. 89 Vgl. bei Villinger, in: Geulen et al. (Hrsg.), Hannah Arendt und Giorgio Agamben, S. 165 (165 ff.). 90 Siehe dazu weiterführend bei Agamben, Ausnahmezustand, S. 7 ff.

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mache.91 Da sich die souveräne Macht insoweit als „ein Superlativ des Rechts […] [am] hierarchisch höchsten Punkt der Rechtsordnung […] [,] aus dem ­heraus alles weitere im Recht seine Legalität und Legitimität ableiten muss“92, verstehen lässt, ist anhand dieser Einordnung auch Agambens Schlussfolgerung in Bezug zur zwiespältigen Rechtsfigur des Homo Sacer nachzuvollziehen: „Souverän ist die Sphäre, in der man töten kann, ohne einen Mord zu begehen und ohne ein Opfer zu zelebrieren, und heilig, das heißt tötbar, aber nicht opferbar, ist das Leben, das in diese Sphäre eingeschlossen ist.“93 (5) Der Ausnahmezustand: Einen folgenschweren Grenzbegriff im Recht, jenen vom Ausnahmezustand, führte Agamben zuerst mit seiner grundlegenden Arbeit als integrierendes Basistheorem zur Rechtsfigur Homo Sacer ein und erweiterte späterhin seine diesbezüglichen Ausführungen in einer selbstständigen Publikation (Homo Sacer II.1) unter gleichlautendem Titel, worin er die historischen und gegenwärtigen Verflechtungen zwischen Juristischem und Politischem aufzeigt.94 Eine prägnante sowie besonders juristisch entscheidende Gesichtspunkte umfassende Begriffsbildung gelingt Agamben hierbei jedoch nicht, die zugegebenermaßen bei einem solcherart zeitgeschichtlich vorgeprägten Begriff auch nicht zu erwarten ist. Vielmehr interessieren ihn die Verknüpfungspunkte von Rechtsetzung und Entrechtung, da in erster Linie diese Zustände von Souveränität und Ausnahme  – so Agambens herrschaftspolitische These  – als eine europäische „Kultur- und Geschichtsallegorie“95 eng miteinander verwoben seien. „Der Ausnahmezustand definiert einen Zustand des Gesetzes“, wie er jedenfalls bestrebt ist, zu verallgemeinern, „in dem die Norm zwar gilt, aber nicht angewandt wird (weil sie keine ‚Kraft‘ hat), und auf der anderen Seite Handlungen, die nicht den Stellenwert von Gesetzen haben, deren ‚Kraft‘ gewinnen.“ 96 Zudem postuliert er: „Der Ausnahmezustand ist damit nicht mehr auf eine äußere und vorläufige­ Situation faktischer Gefahr bezogen und tendiert dazu, mit der Norm selbst verwechselt zu werden.“97 Infolgedessen beruht das Phänomen des Dringlichkeits­ zustands98 in derselben Weise wie die souveräne Macht/Souveränität sowohl auf 91

Steinhauer, in: Buckel et al. (Hrsg.), S. 201 (215). Steinhauer, in: Buckel et al. (Hrsg.), S. 201 (213). 93 Die Hervorhebungen sind bereits im Originalwortlaut enthalten, siehe bei Agamben, Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S. 93. 94 Murray, in: ders./Whyte (Hrsg.), S. 185. 95 So besonders unter Rückgriff auf Walter Benjamin, vgl. bei Solibakke, in: Borsò et al. (Hrsg.), Benjamin – Agamben, S. 71 (86). 96 Agamben, Ausnahmezustand, S. 49. 97 Die Hervorhebungen sind bereits im Originalwortlaut enthalten, siehe bei Agamben, Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S. 177. 98 Der Begriff „Dringlichkeitszustand“ anstelle von „Ausnahmezustand“ ist im deutschen Sprachgebrauch eher ungewöhnlich und wird für (juristische) Beschreibungen nur sehr selten verwendet, ist allerdings im Kontext zum Homo-Sacer-Projekt die zutreffende Übersetzung aus dem Italienischen für „stato di urgenza“, was wiederum die zutreffende Italianisierung des französischen Begriffspaars „état d’urgence“ ist, siehe dazu ausführlicher die Anmerkungen zur Übersetzung bei Müller-Schöll, in: Agamben, Ausnahmezustand, S. 107. 92

1. Grundlegende Konzepte der Homo-Sacer-Schriften

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der Verein­ze­lung von ausgeschlossenen Lebensformen als auch auf dem rechtlichen Aus­nah­me­zustand im engeren Sinne99, sprich auf jenem juristisch unbestimmten Tatbestand „zwischen Öffentlichem Recht und politischer Faktizität, zwischen Rechtsordnung und Leben“100, der allgemeingültig als rechtsvorenthaltende Staats-Gewalt101 bezeichnet werden kann. Dessen (rechts-)historisches Erscheinungsbild extrapoliert Agamben zunächst am römischen Rechtsinstitut des Justitiums102 und vermittelt sodann „anhand der seinerzeit kaum geführten Debatte zwischen Carl Schmitt und Walter Benjamin den problematischen Zusammenhang von Recht und Gewalt.“103 Als maßgeblich für die Bestimmung dieses Problemzusammenhangs, der als gegenwärtiges Verhältnis im Sinne einer Abweichung von geltender Regel erkannt wird, hat Agamben dessen Ort (nómos) beziehungsweise Nicht-Ort identifiziert.104 Im Grunde begutachtet er die dynamischen sowie komplexen Wechselspiele zweier Machtfaktoren in einem (rechts-)politischen System, welche etwa durch Akte der Zuführung beziehungsweise Entziehung der Teilhabe am Recht – ebendiese zumeist aus gemeinschaftstragenden oder -lenkenden Gründen – sowohl in positiver als auch in negativer Weise auf einen Betroffenen einwirken. An dieser Stelle der Deutungen zu historischen und philosophischen Hintergründen geht es Agamben vornehmlich um die Kardinalfrage nach der vorrechtlichen Anomie105, die sich wohl in einem minder schweren Fall als partielle oder selten als vollständige Außerkraftsetzung der legitimierenden Bestimmungen (nicht nur staats-)bürgerlicher Rechtsordnung106 darstellt. Dahingegen könnte 99

Der Ausnahmezustand ist eine auch juristische Kategorie und beschreibt eine Sach- und/ oder Rechtslage, die eine Gefahr bildet, in der die Existenz des Staats, seiner Einrichtungen oder die Erfüllung von staatlichen Grundfunktionen von einer maßgeblichen Instanz, von außer- und/oder innerhalb des Staatswesens, als akut bedroht erachtet wird. 100 Agamben, Ausnahmezustand, S. 8. 101 So auch bei Loick, Kritik der Souveränität, S. 26 u. S. 214 ff.; ders., in: ders. (Hrsg.), Der Nomos der Moderne, S. 9 (12). 102 Der Begriff „Justitium“ meint Rechtsstillstand bzw. Stillstand der Rechtspflege als eine Notstandsmaßnahme der Amtsführung in der Zeit der Römischen Republik und ist hierbei auf das lateinische Kompositum „iustitium“ als zusammengesetztes Wort aus „ius“ (Recht) und „stitium“ (Stillstand) zurückzuführen; mit einer Verkündung des „iustitiums“ wurde der reguläre Geschäftsverkehr zwischen (Gerichts-)Magistraten (Beamten im Römischen Reich, wie Konsulen, Prätoren, Ädilen oder Quästoren) sowie ihrem Publikum vollends ausgesetzt, mit der Folge, dass dem Einzelnen nun zeitweilig „der rechtliche und geschäftliche Verkehr mit dem Gemeinwesen versperrt“ war, siehe dazu ausführlicher bei Kunkel/Wittmann, S. 225 ff. m. w. N. 103 Plaggenborg, in: Lüdtke/Wildt (Hrsg.), S. 117 (131); vgl. ferner bei Agamben, Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S. 42; Staff, in: RG 5 (2004), S. 207 (212 f.). 104 Vgl. dazu bei Landwehr, in: Lüdtke/Wildt (Hrsg.), S. 39 (44). 105 Der Begriff „Anomie“ meint bei Agamben einen Zustand der mangelhaften gesellschaftlichen Integration innerhalb eines rechtlich geordneten Gebildes oder Gemeinwesens (Staat), der besonders durch eine Abweichung von Gesetzen und sonstiger Normen aber auch Nichtbeachtung bisher gültiger Verhaltensweisen der Beteiligten gekennzeichnet ist: „Der Ausnahmezustand ist der anomische Raum, in dem Gesetzeskraft ohne Gesetz […] zum Einsatz kommt“, ders., Ausnahmezustand, S. 49. 106 Vgl. dazu bei Loick, Kritik der Souveränität, S. 284.

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in einem besonders schweren Fall eine solche Ausnahmebeziehung107 womöglich auch unter Negation unveräußerlicher und unverletzlicher Rechte des Menschen hervortreten, an deren Ende je nach Schweregrad sogar die Suspendierung eines dem gemeinschaftlichen Sinn und Zweck entsprechend funktionierenden Rechtssystems, also eines Staatswesens an sich, stünde.108 (6) Das Lager: Mit dem Begriff des Lagers umschreibt Agamben „schlicht [jenen] Ort, an dem sich der höchste Grad der conditio inhumana verwirklicht[e], die es auf Erden je gegeben“109 haben soll. Er beschreibt einen Raum, in welchem die Extremsituationen menschlichen Daseins zum Paradigma des Alltäglichen selbst werden und so die Eigenheiten – insbesondere die Gesetz-, Rechts- und Ortlosigkeit – des Homo Sacer zu bestimmen vermögen. Folglich meint es all jene Grenzbereiche, in welchen der ursprünglich zeitlich begrenzte Ausnahmezustand letztlich zur Regel, zur dauerhaften Gestalt moderner Politik wird.110 Das Lager sei danach die „Materialisierung des Ausnahmezustands“111 in der Welt. Während sich der Ausnahmezustand erst einmal als einschließende Ausschließung von einer Gemeinschaft erfassen ließ, erscheint das Lager in der Folge als eine bleibende Hereinnahme des Ausgeschlossenen in das Territorium eines Staatswesens. Es ist die Begründung eines gesetz- beziehungsweise rechtsfreien Raumes innerhalb des Geltungsbereichs einer Rechtsordnung112, wie nicht zuletzt in Anbetracht der Beweiskraft zeitgeschichtlicher Erscheinungsformen von Internierungs- oder Auffanglagern, etwa der campos de concentraciones der spanischen Kolonialmacht auf Kuba (1896)113, der lediglich euphemistisch als „Schutzhaft“114 bezeichneten Zwangsinternierungen in den Konzentrations- und Vernichtungs­lagern zu Zeiten des Nationalsozialismus in Europa der Jahre 1933 bis 1945115, oder der Ad-hoc-­Inhaftierungen von mutmaßlichen Terroristen  – als eine Folge der An 107

So wohl auch bei Steinhauer, in: Buckel et al. (Hrsg.), S. 201 (219 u. 221). Siehe zusammenfassend dazu bei Geulen, Giorgio Agamben zur Einführung, S. 81 f.; vgl. weiterhin bei Murray, S. 62 f.; Reitz, in: Böckelmann/Meier (Hrsg.), S. 45 (46 f.); Agamben, Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S. 66 ff. u. S. 177 f.; ders., Ausnahmezustand, S. 103 f.; Kreuder-Sonnen, S. 69 ff. 109 Die Hervorhebungen sind bereits im Originalwortlaut enthalten, siehe bei Agamben, Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S. 175. 110 Vgl. dazu bei Agamben, Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S. 180; Geulen, Giorgio Agamben zur Einführung, S. 106; Villinger, in: Böckelmann/Meier (Hrsg.), S. 149 (149 f.); Vogt, in: Norris (Hrsg.), S. 74 (77). 111 Agamben, Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S. 183. 112 Minca, in: Murray/Whyte (Hrsg.), S. 41. 113 Agamben, Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S. 175. 114 Die formaljuristischen Grundlagen der sog. „Schutzhaft“ bildeten Art. 48 Abs. 2 der Verfassung des Deutschen Reichs (Weimarer Reichsverfassung) vom 11.08.1919 i. V. m. § 1 der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat vom 28.02.1933 (RGBl. I, S. 83), wonach die Rechte des Einzelnen, etwa auf persönliche Freiheit oder auf freie Meinungsäußerung, ohne gerichtliches Verfahren außer Kraft gesetzt und diese somit der polizeilichen Willkür der sog. Geheimen Staatspolizei, auch kurz Gestapo, ausgesetzt wurden. 115 Agamben, Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S.  177 f.; Steinhauer, in: Buckel et al. (Hrsg.), S. 201 (218 f.). 108

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schläge vom 11. September 2001 auf das US-amerikanische Hoheitsgebiet – in der US-amerikanischen Guantánamo Bay Naval Base auf Kuba seit dem Jahr 2002116, nachvollzogen werden kann. Dies sind allesamt zeithistorische Typen sogenannter „gated communities“.117 Der eingeschlossene Mensch hinter Mauerwerken, Schranken, Gattern und Gittertoren, also der Lagerinsasse, wird bei Agamben unter Bezugnahme auf die historische Figur des Muselmanns118 beschrieben119, welcher im strukturellen Sinne dem Homo Sacer, von dem sich per definitionem das göttliche wie auch weltliche Recht abgewandt haben, gleichkommt.120 Das „juridische Fundament der Lagerbildung“121 sei dementsprechend der „reine, absolute und unübertroffene biopolitische Raum (insofern er einzig im Ausnahmezustand gründet)“, und darum nach Agambens Anschauung, „als verborgenes Paradigma des politischen Raumes der Moderne“122 zu erkennen. Es handle sich hierbei um mehr als eine bloße „historische Tatsache [oder] Anomalie“123 innerhalb der konstituierenden Elemente einer (Rechts-)Gemeinschaft124, insoweit das Lager als „verborgene Matrix, als nómos des politischen Raumes, in dem wir auch heute noch leben“125, umfassende Gültigkeit beanspruche. Mit dieser Begriffsbestimmung zum „Lager als Matrix der Moderne“ verbindet Agamben schließlich die herrschaftsanalytischen Konzepte nach Michel Foucault sowie Hannah Arendt unter anthropologischen Aspekten, wie Körperlichkeit, „Existenzbedingungen, Lebenserwartungen, […] individuelle und kollektive Gesundheit“, welche in zuvor beschriebenen Grundphänomenen126 des Raumes – mithin nicht nur Nutzungen als „Sterbensraum“, sondern auch als „Lebensraum“ der Lager­insassen127 – integrierend als „das Biologische im Politischen“ aufeinander bezogen sind, sodass das „‚Lebewesen Mensch‘ […] nunmehr Objekt des Wissens und der Kontrolle 116

Siehe bei Gullì, in: Calarco/DeCaroli (Hrsg.), S. 219 (235). Marchart, in: Böckelmann/Meier (Hrsg.), S. 10 (16). 118 Die herabwürdigenden Bezeichnungen für einen männlichen Lagerinsassen im nationalsozialistischen Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz als „Muselmann“ und für eine weibliche Gefangene sowohl als „Muselmann“ als auch „Muselweib“ bezogen sich vornehmlich auf das durch die Lagerzeit gezeichnete äußerliche Erscheinungsbild einer Person, die letztlich das Andere bzw. das Fremde eines so benannten Menschen im Verhältnis zu Angehörigen der Lagermannschaft begründen sollte; Aschenberg beschreibt hierbei in Bezug auf weitere Begriffsbestimmungen zutreffend: „Der ‚Muselmann‘ verkörpert die Endphase des fortschreitenden Verlustes nahezu jeder Form subjektiven Selbstverhältnisses, d. h. er befindet sich in sowohl somatischer wie psychischer wie sozialer Desintegration“, ders., S. 279 m. w. N. 119 Vgl. bei Mills, in: Norris (Hrsg.), S. 198 (198 f.); Maxwell, in: Murray/Whyte (Hrsg.), S. 134. 120 Ebenso bei Villinger, in: Böckelmann/Meier (Hrsg.), S. 149 (157). 121 Vgl. dazu insgesamt bei Geulen, Giorgio Agamben zur Einführung, S. 107. 122 Agamben, Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S. 131. 123 Agamben, Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S. 175. 124 So bei Steinhauer, in: Buckel et al. (Hrsg.), S. 201 (219); vgl. auch bei Kiesow, in: RG 1 (2002), S. 56 (65). 125 Agamben, Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S. 175. 126 Als Grundphänomene sollen hier solche gelten, die am Zustandekommen anderer Phänomene (also etwas, was sich beobachten bzw. wahrnehmen lässt) beteiligt sind. 127 Siehe dazu ausführlicher bei Gabriel, in: Schwarte (Hrsg.), S. 201 (213 f.) m. w. N. 117

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IV. Homo-Sacer-Projekt von Giorgio Agamben

zugleich wird.“128 Durch diese erweiternde Auslegung des Lager­begriffs als „nómos der Moderne“ kann Agamben allerorten die permanente Produktion nackten menschlichen Lebens, sprich jener rechtlos gestellten Objekte (vormals Subjekte des Rechts) im Sinne der Homines Sacri, feststellen.129 (7) Die Biopolitik: In der Konsequenz werden die juridischen sowie biopolitischen Dispositive130 im Raum des Lagers bis zu jenem unumkehrbaren Punkt zugespitzt, „an dem Leben und Politik so ununterscheidbar werden wie Normstiftung und Gesetzesanwendung, Regel und Ausnahme.“131 Diese „unmittelbare Einheit von Politik und Leben“132 ist der eigentliche Urstoff, aus welchem Agambens große Erzählung in den Homo-Sacer-Schriften schöpft: „Das nackte Leben […] ist vielmehr im dargelegten Sinn eine Schwelle, auf der das Recht jedesmal ins Faktische und das Faktum ins Rechtliche übergeht, [sodass sich der] biopolitische Körper, [als] das neue fundamentale politische Subjekt konstituiert“133; also eine bestimmte politische Herrschaftsweise, die mit Agamben vor allem als „Gestaltung des Lebens der Völker“134 zu verstehen ist. Jene Ausformungen ausgeübter Regierungsgewalt, wie sie sich am Ende des 18. Jahrhunderts in Europa bereits andeuteten135, interessieren sich für die strategische Regulierung des Lebens einer ganzen Bevölkerung, das heißt, insbesondere für die Kontrolle ihrer Fortpflanzung, sprich der Geburten- sowie Sterblichkeitsraten, wie auch grundlegender Bedürfnisse der Menschen überwiegend in Bezug auf das (Volks-)Gesundheits­ niveau, die Ernährungs- und Wohnverhältnisse etc. Den Begriff der Biopolitik136 128

Zu vorstehenden Zitaten siehe bei Hartung, in: Schwarte (Hrsg.), S. 96 (97 f.) m. w. N. Agamben, Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S.  183 f.; ders., Was von Auschwitz bleibt, S.  28 f.; vgl. bei Geulen, Giorgio Agamben zur Einführung, S. 109 f.; Minca, in: Murray/Whyte (Hrsg.), S. 42 f.; Kiesow, in: RG 1 (2002), S. 56 (66);­ Murray, S. 67 f.; Staff, in: RG 5 (2004), S. 207 (207 f.). 130 Zu den methodischen Unterschieden bei Michel Foucault und Giorgio Agamben hinsichtlich des „Dispositiv“-Begriffs (aus dem Französischen „disposition“ für Entscheidung, Anordnung oder Anweisung), der eine Gesamtheit begrifflich bestimmbarer (Vor-)Entscheidungen meint, innerhalb derer sich die Diskurse und die sozialen Interaktionen entfalten, siehe dazu bei Geulen, Giorgio Agamben zur Einführung, S.  145 u. S.  161 f.; Heron, in:­ Murray/Whyte (Hrsg.), S. 59 ff. 131 Geulen, Giorgio Agamben zur Einführung, S. 110. 132 Agamben, Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S. 159. 133 Agamben, Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S. 180. 134 Agamben, Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S. 153. 135 Siehe weiterführend dazu bei Ruoff, S. 133. 136 Eigentlich handelt es sich um einen Begriffsdualismus aus „Biopolitik“ und „Biomacht“, wobei anzumerken bleibt, dass eine klare inhaltliche Trennung der beiden Bedeutungsgehalte allein anhand der Ausführungen von Michel Foucault in seinem Buch „Der Wille zum Wissen“ (1977/1999) letztendlich nicht möglich ist; verbunden mit der Biomacht erfolgte nach seiner Auffassung eine umfassende Neu- und Umformulierung gesellschaftlicher Machtverhältnisse, die sich in zwei Hauptströmungen, mithin Machttypen, unterscheiden lassen, einerseits in die individuelle Serie von „Körper – Organismus – Disziplin – Institution“ (sog. anatomische Macht) und andererseits, was vorliegend im Sinne des „Gattungskörpers“ und deshalb in Bezug auf Giorgio Agambens Arbeiten maßgeblich erscheint, in die kollektive Serie von „Bevölkerung – biologische Prozesse – Regulierungsmechanismen – Staat“ (die Biomacht im engeren Sinne). 129

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führte Michel Foucault in der Vorlesung zur „Geschichte der Gouvernementalität II: Die Geburt der Biopolitik“ in den Jahren 1978 und 1979 am Collège de France ein.137 Foucaults durchaus wirkungsvoller Ausdruck der Biopolitik hat unter anderem in die Soziologie, Philosophie sowie Politik- und Geschichtswissenschaften und mittlerweile auch in Disziplinen der Rechtswissenschaft entsprechend Einzug gefunden.138 Inhaltlich folge die gouvernementale Führung  – so Foucaults Gedankengang – unbeschadet ihrer jeweiligen historischen Prozesse der Machttransformation stets Ansätzen von „Leben machen und sterben lassen“139. Hieran anknüpfend schreibt Agamben im Homo-Sacer-Projekt die Foucault’schen Überlegungen140, welche Foucault zum Zusammenhang zwischen Biopolitik und Souveränitätspolitik bereits andernorts aufwirft141, fort, um schlussendlich mithilfe einer als permanent angenommenen Produktion des nackten menschlichen Lebens – insofern als selbst gesteckte und Ideen leitende Maßgabe – eine seiner zentralen Thesen zu belegen, nämlich dass die Souveränitätspolitik immer schon Biopolitik war.142 Hierzu bedient sich Agamben eines im engeren Sinne nach­ Foucault modifizierten philosophischen Erklärungsansatzes über die Biomacht, insbesondere als eine in ihrem räumlichen Geltungsbereich ausgeübte Herrschaftsgewalt, die vorliegend beispielsweise mit „Leben und auch Sterben machen“ kurz zu umschreiben ist. Fazit: Diese vornehmlich rechts- und gesellschaftsphilosophischen Überlegun­ gen Agambens lassen sich anhand ihrer Entstehungskontexte sinnvoll einordnen. Es geht ihm zuvörderst um die Frage nach einer Umformung von Biopolitik in Lebensform.143 Eine solche Kritik sollte, zumindest nach Agambens Dafürhalten, die Grundfesten des okzidentalen (Rechts-)Kulturkreises erschüttern. Demgemäß stelle sich die westliche Politik, ungeachtet ihrer jeweils geltenden oder zeit­geschichtlichen Erscheinungsformen, als ubiquitäre Biopolitik dar, deren Gegenstand die unablässige Erzeugung nackten, also rechtlosen menschlichen Lebens durch die souveräne Macht sei. Als Ort jener Manifestationen erkennt und benennt Agamben das Lager. Das Lager als biopolitisches Paradigma der Moderne ist bei Agamben „mit den historischen Lagern begrifflich-metaphorisch nur mehr heuristisch verbunden“144. Die für seine rechts- und politikphilosophische Heuris 137 Vgl. bei Ruoff, S. 84; siehe insgesamt dazu bei Michel Foucault, Geschichte der Gouvernementalität II – Die Geburt der Biopolitik, Vorlesungen am Collège de France 1978/1979, Frankfurt am Main 2006. 138 Siehe dazu nur bei Biebricher, in: Buckel et al. (Hrsg.), S. 135 (136 ff.). 139 Siehe weiterführend etwa bei Nigro, in: Schwarte (Hrsg.), S. 46 (47 f.) m. w. N.; vgl. fernerhin bei Scheu, in: Moebius/Quadflieg (Hrsg.), S. 439 (445). 140 Vgl. bei Murray, S. 56 ff. 141 Geulen, Giorgio Agamben zur Einführung, S. 146 m. w. N. 142 Siehe dazu etwa bei Geulen, Giorgio Agamben zur Einführung, S. 147; Graefe, in: Pieper et al. (Hrsg.), Biopolitik, S. 263 (266 f.); Heron, in: Murray/Whyte (Hrsg.), S. 37 f.; Marchart, in: Böckelmann/Meier (Hrsg.), S. 10 (31 f.); vgl. ferner bei Marchart, S. 226; Murray, S. 58 f. 143 Vgl. bei Geulen, Giorgio Agamben zur Einführung, S. 133 f. 144 Dries, S. 442.

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IV. Homo-Sacer-Projekt von Giorgio Agamben

tik entsprechend angewendeten Argumentationsmuster von Inklusion und Exklusion dienen ihm dabei als Entscheidungsmaßstab, um zu bestimmen, welches humane Leben (noch) innerhalb und welches (schon) außerhalb des Geltungsbereichs einer so betrachteten Rechts- oder Herrschaftsordnung liegt. Das von ihm als in Grenzen eingefasste Recht ist daher nicht etwa nur in einem topographischen Sinn einer messbaren Distanz zwischen hier (diesseits einer Grenze) und dort (jenseits einer Grenze) zu begreifen, sondern vor allem auch als eine topologische Struktur von Innen und Außen.145 Agamben stellt dabei die polarisierende These auf, dass die Einschließung der Menschen in (Rechts-)Gemeinschaften nur aufgrund der Ausschließung einiger Menschen hiervon in der Lebenswirklichkeit möglich sei und vermag in Bezug darauf die Grenzen des Rechts als eine Doppelstruktur146 des Rechts – oder allgemein einer Herrschaftsordnung – darzulegen147, die letzten Endes auf gesellschaftliche Ordnungen zurückzuführen sind.148 Die Doppelstruktur als das charakteristische Ausdrucks- und Wirkungsmoment im modernen Staatswesen erkennt Agamben mithilfe seiner „machttheoretische[n] Differenzierung zwischen (souveräner) Herrschaft und (ökonomisch-liberaler) Regierung“149 an, wobei allerdings festzustellen ist, dass es „schlichtweg keinen theoretischen oder empirischen Zugriff“150 auf den Entstehungsgrund einer dergestalt angenommenen Doppelstruktur des Rechts gibt. Unbeschadet der großen Bekanntheit der hier kurz dargestellten Konzepte, sowohl in der populärwissenschaftlichen Medienwelt als auch in der heuristischen Fachwelt, ist aus Agambens Homo-Sacer-Projekt gerade kein in sich widerspruchsfreies Gebilde geworden. Denn an den Entwicklungen in der Schriftenreihe sind gewissermaßen An- und Umbauten am philosophischen Theoriegebäude zu erkennen, das dadurch weniger einem vollständig gefestigten Überbau, etwa politischer, juristischer oder weltanschaulicher Vorstellungen nebst ihren zumeist dialektischen Wechselwirkungen, als vielmehr einer losen Ansiedlung von eher allgemeineren Inhalten aus der Ideen- und Menschheitsgeschichte gleicht. Um sich letztlich zwischen Rahmenkonzepten sowie Gemengelagen grundsätzlich orientieren zu können und so das radikal Neue des Agamben’schen Theorieansatzes zu deuten, bedarf es zweifelsohne der Philosophie. Anzuführen bleibt dementsprechend noch, dass Agamben zum Entwurf und zur Begründung seiner wesentlichen Konzepte in den Homo-Sacer-Publikationen, welche in ihrer Ganzheit sicherlich die „zentralen Denkfiguren und methodischen Entscheidungen“151 seiner Philo­ 145

Siehe dazu nur bei Opitz, An der Grenze des Rechts, S. 18. Staff verknüpft den Ausdruck der Doppelstruktur bei Agamben mit dessen zumeist zeitgeschichtlichen Beobachtungen zu faschistisch-reaktionären wie auch nationalsozialistischen Regierungsformen, wonach diese Herrschaftsordnungen jeweils eigene „seconda struttura und insofern eine Doppelstruktur hatten“, dies., in: RG 5 (2004), S. 207 (208). 147 Vgl. bei Parsley, in: Murray/Whyte (Hrsg.), S. 119 ff. 148 Siehe dazu bei Steinhauer, in: Buckel et al. (Hrsg.), S. 201 (211 ff. u. 215 f.). 149 Hervorhebungen bereits im Originalwortlaut bei Scheu, in: Vasilache (Hrsg.), S. 59 (77). 150 Böttger, S. 284. 151 Steinhauer, in: Buckel et al. (Hrsg.), S. 201 (207). 146

2. Aussagekraft der Konzepte bei Agamben

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sophie repräsentieren, selbst auf eine ebenso große wie heterogene Menge an verschiedensten Referenzmaterien und Textquellen zurückgreift, sodass nach substanzieller Aussagekraft im Sinne von Plausibilität und Kohärenz, nicht zuletzt auch Konsistenz dieser philosophischen Konzepte und Zusammenhänge zu fragen ist, um schließlich einen adäquaten Beurteilungsspielraum in der Völkerrechtsphilosophie zu eröffnen.

2. Aussagekraft der Konzepte bei Agamben Agambens Konzeptionen sind solche der Philosophie. Wenn es richtig ist, entsprechend Geulens überzeugendem Vorbringen, anzunehmen, dass die zwischenzeitlich im Sprachgebrauch verfestigten Termini aus dem Homo-Sacer-Projekt wie Begriffe zu entwickeln und als Strukturen zu beschreiben sind152, dann erhalten diese Begriffe und Begriffssysteme von besonders „welterhellende[r] und weltdeutende[r] Kraft“153 ihre Berechtigung im rechtswissenschaftlichen Sprach­ gebrauch dadurch, dass sie zum Nachvollziehen, Einschätzen und Klarsehen von Tatsachen dienen, die beispielsweise auf internationale Lebenssachverhalte der Gegenwart bezogen sind. Eine andere Legitimation sollte es für sie nicht geben.154 Vor allem bei einer – sich global zutragenden – Begriffsrezeption oder Begriffsfortschreibung besteht ein bedenkenswerter Einwand dahin­gehend, dass die ursprünglichen Konzepte des Theoriegebäudes bei ihrer Auf- und Übernahme in fremde Zusammenhänge inhaltlich überladen werden. Am Ende könnten nur Zerrbilder des vom Urheber eigentlich Gemeinten entstehen und so letztlich bloß Umbildungen im Schrifttum der Medien- oder Fachwelt verbreitet werden. Die Beweiskraft des jeweiligen Theorems ginge hierdurch verloren. Deshalb gilt es darauf zu achten, dass Agambens philosophische Konzepte nicht über ihre Zweckmäßigkeit hinaus, etwa zu unangreifbaren Sätzen des Denknotwendigen, zum Apriorischen hochstilisiert werden. Altbewährtes Mittel zur Erreichung dieses konstruktiven Zwecks ist die kritische Würdigung. Sie ist ein Instrument der prüfenden Beurteilung eines Vorbringens unter den Gesichtspunkten der tatsächlichen Aussage- oder Überzeugungskraft auf andere Personen oder Stellen. Als hierzu geeignete Bewertungsmaßstäbe erweisen sich die Plausibilität und Kohärenz, die ebenso das Wesensmerkmal der Gültigkeit einer philosophischen, politischen oder juristischen Position im Sinne ihrer Konsistenz bestimmen. Eine solche 152

Vgl. bei Geulen, Giorgio Agamben zur Einführung, S. 17. Geulen, Giorgio Agamben zur Einführung, S. 156. 154 Unter anderem besteht eine wesentliche Aufgabe der Philosophie darin, die grundlegenden Begriffe und Theoreme, letztlich allesamt (weltanschauliche) Vorstellungen und Auffassungen ihrer Urheber, die die einzelnen wissenschaftlichen Disziplinen verwenden (dies gilt vorliegend etwa für die Völker- aber auch allgemeine Rechtswissenschaft), zu thematisieren und auf bestimmte Leer- und Lehrstellen hierin zu abstrahieren, gegebenenfalls hierauf Antworten bzw. Lösungen zu erarbeiten und so in einem übergeordneten Sinne den eigentlichen menschlichen Erkenntnisprozess zu vereinheitlichen. 153

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IV. Homo-Sacer-Projekt von Giorgio Agamben

Kritik eines zur Beweisführung dienenden Arguments kann dabei für gewöhnlich auf zweierlei Weise erfolgen. Einerseits können die Prämissen, aus denen die zu prüfende Position argumentativ schöpft, hinterfragt oder andererseits die Konklusionen für gegenstandslos gehalten werden155, unabhängig davon, ob sie solcherart auch aus den diesbezüglichen Prämissen folgen würden.156 In Anbetracht der vorstehenden Überlegungen ist bei einer überprüfenden Abhandlung zu den aufgezeigten Agamben’schen Konzeptionen bestimmend, ob Agambens konzeptionelle Annahmen über einen Betrachtungsgegenstand insoweit hieraus gezogenen logischen Schlüssen entsprechen. Eine zunächst behauptend aufgestellte Aussage über eine bestimmte Sache, die als Ausgangspunkt für eine weiterführende Argumentation dient, muss sodann in ihren (abschließenden) Konklusionen ausdrücklich formuliert sein, damit diese wiederum eine hinreichend begründete und deswegen nachvollziehbare Grundlage für weitere Schlussketten im relevanten Kontext bilden kann. Demnach sollen die sachgerechten Interpretationen ­Agambens dahingehend untersucht werden, ob dessen Thesen, auf denen die Auslegungen als Begriffe oder Begriffssysteme beruhen und die insofern sinnvolle Teilmengen der möglichen Betrachtungsweisen zu den Forschungsgegenständen inhaltlich abbilden, ebenfalls die darauf von ihm postulierten Leitbilder und gewonnenen Erkenntnisse in seinen Begriffsbestimmungen erkennbar erfüllen. Kurz gesagt, ob die Agambens Gedankenfolgen dienenden Standpunkte beim Überlegen und Nachvollziehen auch für sachverständige Dritte schlüssig erscheinen. Vorweg sei noch angemerkt, dass die hier zur Überprüfung gestellten Einzelheiten und Grundfragen der philosophischen Theorie Agambens nicht dazu dienen sollen das entworfene Theoriegebäude als solches oder die zu seiner Errichtung notwendigen Denk- und Forschungsleistungen als solche zu mindern. Vielmehr sind die besprochenen Bestandteile des Homo-Sacer-Projekts, welche dergestalt ebenso die Gegenstände von Rezeptions- und Fortschreibungsvorgängen im völkerrechtlichen Schrifttum mit Gegenwartsbezogenheit darstellen, mit dem eigenen Begriffs- und Begriffssystemverständnis abzugleichen. Es geht darum, sich mit ausgewählten Agamben’schen Konzepten der Philosophie in einer hinterfragenden Weise auseinanderzusetzen. Denn auch Agambens Theoriekonzepte sollen helfen, Fragestellungen zu beantworten. Obgleich Agamben mit dem Homo-Sacer-Projekt einen die Lebenswirklichkeiten von Menschen umfassenden, in gewissem Sinne ganzheitlichen Erklärungsanspruch seiner Philosophie verbunden hat, sollen seine Ausführungen, wie grundsätzlich alle philosophischen Darlegungen zu einem reflektierten Themenbereich, erst einmal nur als – freilich stets der sachlichen Kritik zugängliche – Vorschläge oder Entwürfe gelten, um deren 155 Sicherlich könnten sogar die Prämissen und die Konklusionen zugleich anzuzweifeln sein, nur würde sich auf diese Weise ein Kritiker selbst der Grundlage seiner sachbezogenen Beurteilungen berauben, da so weder die Voraussetzungen noch die Schlussfolgerungen der zu prüfenden Position einen Anknüpfungspunkt und letztlich einen rahmengebenden Bewertungsmaßstab böten. 156 Siehe dazu etwa bei Baggini/Fosl, S. 16.

2. Aussagekraft der Konzepte bei Agamben

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Zeitbedingtheit darzulegen und so ihren Geltungsanspruch keinesfalls für unhinterfragbar zu halten. In einem ersten Schritt lässt sich ein übergeordneter Kritikpunkt, hauptsächlich auf die Faktizität und Logizität der methodologischen Erkenntnisbegründungen bei Agamben gerichtet, gedanklich vor die Klammer der Detailprüfung ziehen. Als sachkundiger Philologe nähert sich Agamben seiner biopolitischen Wirklichkeit, die er als eine zeitgeschichtliche Regel vermutet und mit seinen philosophischen Darstellungen zu beschreiben bezweckt, zunächst über Wörter beziehungsweise Sinnsätze, deren tradierte Bedeutungen und Verwendungen er mithilfe einer „philosophischen Archäologie“157 zu ergründen versucht.158 Die Instrumentarien sowohl der Philologie als auch der Etymologie sollen Agamben den „Zugang zu den ursprünglichen Orten ermöglichen, an dem Geschehen bewahrt wird.“159 Vor allem die Juristen mögen für diese Vorgehensweise, einer Arbeit anhand der Auslegung am ursprünglichsten Wortlaut des Gemeinten, ein besonderes Bewusstsein oder besser gesagt ein eigenes Verständnis ausgeprägt haben. Dementsprechend leistet Agamben die Beweisführungen in seinen Arbeiten zur Homo-Sacer-Schriftenreihe als sich wiederholende Problematisierungen (Paradigmen) stets in konzentrierter Auseinandersetzung mit einer reichhaltigen Menge an Referenzmaterialien, wie Schrift- und anderweitigen Quellen, Denkmodellen und Argumentationsmustern, aus den verschiedenen Menschheitsepochen.160 Hierzu pointiert der Philosoph Oliver Marchart zutreffend: „Agambens Behauptung (Agamben 2004), er würde keine historische Genealogie schreiben, sondern schlichtweg Paradigmen entwerfen, klingt plausibel, bedenkt man den hohen Abstraktionsgrad des rein topologisch definierten Paradigmas des Lagers.“161 Jedoch geht Agamben hierbei einen „theoretisch weniger anspruchsvollen und methodisch äußerst bedenklichen Weg“, wie die Rechtswissenschaftlerin Ilse Staff diesbezüglich hervorhebt, indem „er […] aus der Fülle rechtshistorischer Fakten und wissenschaftlicher Lehrmeinungen ausschließlich das Material heraus[greift], das ihm als Bestätigung seiner Einordnung […] brauchbar erscheint.“162 Bestimmte Momente des Homo-Sacer-Projekts erinnern geradezu mit dieser Vorgehensweise an den auf seinem Themengebiet einflussreichen Schweizer Autor Erich von D ­ äniken, welcher in der Vergangenheit ebenfalls stets nur jene (Tat-)Sachen entdeckt, die er 157

Siehe dazu weiterführend bei Murray, S. 27 ff.; Lakitsch, S. 106. So auch bei Weiß, in: Pickel/Pickel (Hrsg.), S. 33 (34). 159 Lakitsch, S. 106. 160 Vgl. statt vieler bei Borsò: „Agamben sucht nun nach einer Methode, die es ihm erlaubt, die Struktur der Souveränität von Carl Schmitt und ihre Kritik durch Hannah Arendt als Paradigma des Politischen zu analysieren und aufs Spiel zu setzen. Diese Methode findet er im biopolitischen Paradigma von Michel Foucault. […] Es ist die permanente Kritik unserer eigenen historischen Zeit, die Problematisierungen des Verhältnisses zur Gegenwart, die Frage nach der Art des historischen Seins in der Gegenwart“, dies., in: dies. et al. (Hrsg.), Benjamin – Agamben, S. 35 (38). 161 Marchart, S. 223. 162 Staff, in: RG 5 (2004), S. 207 (210). 158

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IV. Homo-Sacer-Projekt von Giorgio Agamben

zur Erklärung des Betrachtungsgegenstands sucht.163 Es gilt darum den begründeten Einwand zu erheben, dass eine phänomenologische Reduktion zeitgeschichtlicher Gegebenheiten jedenfalls dann nicht recht gelingen mag, wenn, wie auch bei Agamben mithilfe seiner Entdifferenzierungssemantik, vor allem Entlegenes und Widersprüchliches aufeinander bezogen wird.164 Denn Agamben gelangt in entscheidenden Punkten seiner Begründungen selbst zu dem Schluss der „absoluten Ununterscheidbarkeit“165 der (von ihm ausgesuchten) Betrachtungsgegenstände, welche, bei Lichte besehen, nichts anderes als die Beziehungslosigkeit historischer Faktizität bedeuten kann.166 Die so von ihm postulierten Zusammenhänge zeitgeschichtlicher Phänomene sind also keineswegs als Gewissheiten zu unterstellen, da sie in einer – zumindest methodologische – Zweifel hervorrufenden Art und Weise entwickelt worden sind. Allerdings soll dieser erste Zweifel am Begründungszusammenhang167 auf keinen Fall als ein Zweifel an jeglicher Gewissheit in Bezug auf Agambens Konzepte und deren Aussagekraft ausgelegt werden, denn restlose Klarheit wird es in ihrer idealtypischen Gestalt eines objektiven Erkenntnisstrebens anhand der Ideen- und Menschheitsgeschichte wohl kaum geben können. Vielmehr werden hierbei subjektive Einflüsse maßgeblich prägend wirken, 163 Sicherlich ist es zulässig, nur diejenigen (historischen) Gegebenheiten, (geistes-)wissenschaftlichen Argumente, einfluss- bzw. wirkmächtigen Ideen- und Gedankengüter oder sonstigen Erkenntnisgrundlagen auszuwählen, die für die eigenen Darstellungen (subjektiv) als tragend erachtet werden. Jedoch bedürfen – wohl nach allgemeinem wissenschaftlichen Verständnis von Forschung – gerade die Grundzüge einer These oder sogar Theorie stets einer eindeutig und klar formulierten Selektionsfunktion, die angibt, unter welchen Bedingungen bestimmte (Sach-)Elemente zur Erkenntnisbegründung herangezogen und andere dafür ausgelassen worden sind. Die damit angestrebte und insoweit berechtigte Komplexitätsreduktion geht allerdings unweigerlich zulasten sinnstiftender Informationen oder Daten eines ausgewählten (Sach-)Elements. Eine ausgeglichene Vorgehensweise bei der Mikrofundierung trägt letztlich zur Plausibilität, Kohärenz und Konsistenz der Makroerklärungen innerhalb eines Theoriegebäudes bei und erscheint, wenn eine Arbeit mit wissenschaftlichem Anspruch angestrebt ist, daher vorzugswürdig. 164 Vgl. dazu bei Kiesow, in: RG 1 (2002), S. 56 (58) mit zahlreichen Beispielen und Nachweisen. 165 Agamben, Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S. 194. 166 Ebenso bei Geulen, die zugleich einer „heuristischen Umformulierung von Agambens Projekt“ entgegenblickt, dies., in: Borsò et al. (Hrsg.), Benjamin – Agamben, S. 59 (60) m. w. N. 167 Siehe dazu etwa bei Raithel, der die hierbei wesentlichen Gesichtspunkte wie folgt beschreibt: „Unter Begründungszusammenhang sind die methodologischen und methodischen Schritte zu verstehen, mit deren Hilfe das Problem untersucht werden soll. Ziel dabei ist eine möglichst exakte, nachprüfbare (interindividuelle)  und objektive Prüfung von Hypothesen. Hierzu ist es notwendig, die Problemstellung in ihre einzelnen Dimensionen zu transformieren. Die Transformation in eine wissenschaftliche Untersuchung beginnt mit der Analyse der Interessen und Aussagen. Es gilt zu prüfen, ob und wenn ja, welche Studien und Erkenntnisse zu dem Problem bereits vorliegen und ob es Theorien oder Hypothesen gibt, die herangezogen werden können. Aus den vorliegenden Theorien und Hypothesen sowie einer möglicherweise notwendigen Exploration des Problems werden Hypothesen formuliert, was die Definition von relevanten Begriffen und Variablen erfordert. Nachdem die geeignete Methode (oder Methoden) bestimmt wurde(n), lassen sich entsprechende Operationalisierungen der Variablen vornehmen und eine Entscheidung über die Stichprobe treffen“, ders., S. 24.

2. Aussagekraft der Konzepte bei Agamben

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wie sie sich ebenfalls bei Agamben offenbaren. So sind unter anderem seine selektiven Lesarten der zudem selbsthistorisierten Gegebenheiten168 zu beanstanden. Weiterhin ist das nahezu vollständige Fehlen konventioneller, wissenschaftlicher und methodologischer Überlegungen169 in Bezug auf seine Theorienentwicklung zu kritisieren. Seine rhetorischen Inszenierungen170 erscheinen oft als (Re-)Formulierungen zeitgeschichtlich aufgeladener Begrifflichkeiten, die durch Agamben erstaunlich diffus formuliert sind171, von Anfang an fragwürdig.172 Der epistemischen Beschaffenheit tragender Konzepte in den Homo-Sacer-Publikationen fehlt es – zunächst ganz allgemein ausgedrückt – an einer genauen Konturierung173, da sie unübliche oder zumindest ungewohnte Sinnpotenziale aufweisen. Möglicherweise geben aber gerade diese begriffliche Unschärfe und inhaltliche Unbestimmtheit eine Denkweite, die es erlaubt, Agambens Konzeptionen in grundverschiedene Kontexte zu rezipieren. Dies bedeutet auch, dass insbesondere in juristischen Denkkategorien die notwendig zutreffenden Einordnungen, etwa in Rechte und Pflichten von Akteuren oder in Normgeltung und Normsuspendierung, im Lichte von Agambens konzeptionellen Entwürfen weder auf einer deskriptiven noch auf irgendeiner normativen Ebene begrifflich hinreichend sowie inhaltlich klar und eindeutig bestimmbar sind.174 Hiernach bleibt jedenfalls festzuhalten, dass aufgrund dieses von Agamben offenkundig so bezweckten, dennoch unpräzisen Erkenntnisverfahrens, sein hierauf beruhendes Theoriegebäude – obgleich innovativ und originell – im entsprechenden Maß kritisch zu betrachten bleibt. In einem zweiten Schritt sind die zuvor aufgezeigten Konzepte als Begriffe und Begriffssysteme des Homo-Sacer-Projekts nach Agamben hier zu hinterfragen. Es sei nochmals angemerkt, dass es sich um eine Auswahl handelt, welche nur für die 168 Agamben fühlt sich diesbezüglich zwar vielerorts missverstanden, beschränkt aber die Aussagekraft seiner Konzepte zuweilen höchstselbst, indem er schreibt: „Im Verlauf meiner Forschungen bin ich auf Figuren gestoßen – den homo sacer, den Muselmann, den Ausnahmezustand, das Konzentrationslager –, die an sich, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß, positive historische Phänomene sind, in meiner Analyse aber als Paradigmen behandelt werden und dort die Funktion haben, einen historischen Problemkontext zu konstituieren und in seiner Gesamtheit verstehbar zu machen [Hervorheb. teils im Originalwortlaut u. teils d. d. Verf.]“, vgl. bei ders., Signatura rerum, S. 11. 169 Siehe dazu bei Geulen, Giorgio Agamben zur Einführung, S. 19. 170 Der Rhetorik bei Agamben liegt eine bestimmte Art und Weise des Gebrauchs von Sprache zugrunde: (1) Sprache ist essenziell mit dem Dasein des Menschen verknüpft und daher Gegenstand der Philosophie. (2) Sprache ist durch die Inhaber der souveränen Macht manipuliert und daher Gegenstand der Politik. (3) Sprache ist das Medium für kreative Artikulation und daher Gegenstand der Literatur. Die Ontologie, Politik und Literatur sowie ihre allseitigen Zusammenhänge sind deswegen entscheidende Themen in Agambens philosophischem Homo-Sacer-Projekt, siehe dazu weiterführend bei Murray, S. 5. 171 Vgl. ausführlicher bei Lemke, in: Bröckling et al. (Hrsg.), S. 257 (262). 172 Siehe dazu bei Geulen, Giorgio Agamben zur Einführung, S. 144. 173 Deswegen empfiehlt Geulen zum Verständnis der Darstellungen bei Agamben zu Recht, die ebendort verwendeten Begrifflichkeiten stets parallel „im Ausgang von den Quellen“ zu lesen, auf die er sich in seinen Schriften bezieht, dies., Giorgio Agamben zur Einführung, S. 93. 174 Im Ergebnis so auch bei Wittig, in: Heinrich et al. (Hrsg.), S. 113 (128).

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IV. Homo-Sacer-Projekt von Giorgio Agamben

bestimmbaren Rezeptions- und Fortschreibungsvorgänge in den Textquellen des Völkerrechtsschrifttums aus der vorliegend betrachteten Erhebung (Stichprobe175) repräsentativ sein kann. (1) Das nackte Leben: Die Idee Agambens vom nackten Leben bildet – als syntagmatisches Begriffspaar176 – jedenfalls für seine Arbeit zu Homo Sacer I., vermutlich darüber hinaus auch für das Homo-Sacer-Projekt im Ganzen, die maßgebende Grundannahme.177 Gleichwohl wird dieses recht exponierte Lebenskonzept178 zu keiner Zeit exakt durch seinen Urheber definiert.179 Im Laufe überwiegend feingliedriger Überlegungen leitet er an vielen Stellen seiner Schriften andere Konzeptionen hieraus ab oder führt diese hierauf zurück. Dies hat zur Folge, dass die so entstehende „lückenlose Abrundung und hermetische Geschlossenheit seiner Konzeption […] Gefahr [läuft], ein trübes Abbild dessen zu werden, was er beschreiben möchte.“180 Dabei liegt die Annahme nahe, dass Agamben diese ambitionierte Ausarbeitung eines äußerst ambivalenten Konzepts aus „nackt“ und „Leben“ zumindest unter rechtsphilosophischen Gesichtspunkten versagt bleiben musste.181 175

Die Stichprobe meint: (1) ein verkleinertes Abbild der Grundgesamtheit (also alle potenziell untersuchbaren Einheiten bzw. Elemente, die eine gemeinsame Merkmalskombination aufweisen) hinsichtlich Heterogenität und Repräsentativität der für die Hypothesenprüfung relevanten Einheiten bzw. Elemente, (2) die Einheiten bzw. Elemente müssen definiert sein, (3) die Grundgesamtheit sollte empirisch definierbar sein, (4) das Auswahlverfahren muss hiesigen Punkt (1) erfüllen, siehe dazu ausführlicher bei Raithel, S. 53. 176 Die Formulierung „Begriffspaar“ meint vorliegend die einfachste Form ganzheitlicher Begriffssysteme, bestehend aus zweierlei Begriffen (also grundsätzlich eigenständiger Elemente), die in gegenseitiger Bedeutungsbeziehung stehen, sodass der eine Begriff die Kenntnis der Bedeutung des jeweils anderen erfordert; siehe ferner bei Agamben, Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S. 190. 177 Agamben schreibt insofern zwar: „Der Protagonist dieses Buches ist das nackte Leben […] [Hervorheb. d. d. Verf.]“, wobei aber anzumerken ist, dass gerade sein Werk Homo Sacer I. die grundlegenden Entscheidungen für sein gesamtes Theoriengebäude beinhaltet, die in hierzu nachfolgenden Teilbänden der Homo-Sacer-Schriftenreihe ihre jeweiligen Konkretisierungen finden, sodass in einer dies anerkennenden und wertenden Gesamtbetrachtung von einer maßgebenden, also leitenden Grundannahme Agambens ausgegangen werden kann; vgl. bei ders., Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S. 18. 178 Hierin mag wohl auch die Quintessenz der Redensart wie: „Jemandem blieb nichts außer (oder als) das nackte Leben“, sinngemäß für das dem Menschen letztendlich einzig verbleibende Humankapital, zu erkennen sein, vgl. etwa bei Agamben, Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S. 168; fernerhin sieht Agamben die Reinform des nackten Lebens in Gestalt von Menschen mit irreversiblem Hirnversagen, die nur noch als anthro­ pologische Maschine funktionieren können, siehe dazu bei ders., Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S. 174. 179 Norris, in: ders. (Hrsg.), S. 262 (270). 180 Geulen, Giorgio Agamben zur Einführung, S. 147; dem Inhalt nach so auch bei Marchart, S. 223; Norris, in: ders. (Hrsg.), S. 262 (264). 181 Dazu schreibt Agamben hingegen: „[…] erst dann, wenn wir die theoretischen Implikationen des nackten Lebens verstehen, [werden wir] das Rätsel der Ontologie […] lösen können“, was zumindest für das gesteckte Ziel einer ehrgeizigen und vor allem ganzheitlichen Definitionsleistung zu diesem Begriffssystem spricht, ders., Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S. 191.

2. Aussagekraft der Konzepte bei Agamben

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Denn das bei ihm zur Anwendung gekommene Erkenntnisverfahren, jene Methode, mit welcher er seine erkenntnistheoretischen Positionen begründend festlegt, besteht vor allem darin, bestimmte Aussagen – etwa aus der antiken Geistes- und Wissenschaftsgeschichte – über die Gegenstandsbereiche von zoē und bíos zu sammeln und sodann sich entsprechend fügende Versatzstücke der weiteren Menschheitsgeschichte zu ermitteln. Ebenjene Versatzstücke stellt er wiederum unvermittelt und ohne Angabe handhabbarer Kriterien nebeneinander in den Dienst eines Schlüsselbegriffs der Homo-Sacer-Schriftenreihe.182 Agamben legt hierbei an keiner Stelle der Ausarbeitungen explizit offen, welche Abstrak­tionsverfahren in welcher Sachoder Problemlage maßgebend sind und sieht demnach auch keine klarstellenden Differenzierungen in seinem Konzeptentwurf zum nackten Leben vor.183 Mit der in seinen theoretischen Ausführungen omnipräsenten Begriffseinheit vom nackten Leben setzt Agamben letztlich sehr unterschiedliche prekäre Lebensund Rechtssituationen von Menschen, im Duktus seiner biologistisch-kreatürlichen Daseinsargumentation und besonders anhand verschiedener epochaler Ereignisse, mit dem diffizilen Konzept der diskursiv-produktiven Biomacht gleich.184 „Eine solche Gleichsetzung stellt eine radikale und in der Sache fehlgehende Verknappung Foucaults auf das Schlagwort des nackten Lebens dar“185, wie der Politikwissenschaftler Andreas Vasilache zutreffend anmerkt. Schon aus diesem Grund  – und insoweit mit Vasilache – wird Agamben „[…] dem Erkenntnis­anspruch und -gewinn der Foucaultschen Analytik keinesfalls gerecht“186. Daneben erzeuge vornehmlich sein genealogisches Vorgehen187, wie Marchart beschreibt, einen – von Agamben in der Sache eventuell ungewollten – Sakralisierungseffekt, da er nach der dominierenden Logik des nackten menschlichen Lebens fragend, die Regel vom Extremfall, das heißt „bei Agamben: vom Schlimmsten (Auschwitz) wie von der Rettung (dem Messias)“188, semantisch189, statt strukturell, zu begründen sucht. Wie anders könnte ihm dies in substantiierter Weise gelingen, wenn der dahinterstehende Anspruch Agambens mitgedacht wird, dass seine eigensinnigen Streifzüge durch die umfangreiche griechische wie auch römische Gelehrsamkeit der Antike eigentlich zu einer radikalen (Re-)Formulierung der Grundlagen moderner Lebenskonzepte in vergleichsweise nur wenigen Sätzen seiner Schriftwerke führen sollten? Letzten Endes basiert die Verschiedenheit von Lebenskonzepten auf der Tatsache, dass der Einzelne in seiner gewachsenen Rechts- und Kulturgemeinschaft existiert. 182 Zur grundlegenden Kritik einer (wissenschaftlichen) Vorgehensweise aus der als Ganzheit nicht begreifbaren Wirklichkeit nur sich fügende Einzelteile auszuwählen und diese so in ihrer Komplexität zueinander zu reduzieren, siehe dazu bereits unter IV. 2. in Fn. 163 u. Fn. 168. 183 Im Ergebnis so auch bei Reitz, in: Böckelmann/Meier (Hrsg.), S. 45 (52). 184 So auch bei Vasilache, in: Böckelmann/Meier (Hrsg.), S. 58 (59). 185 Vasilache, S. 272. 186 Vasilache, S. 272 m. w. N.; ferner so auch bei Sarasin, in: DZPh 51 (2003), S. 348 (348 ff.); Geulen, Giorgio Agamben zur Einführung, S. 145. 187 Vgl. dazu bei Murray, S. 58. 188 Die Hervorhebungen sind bereits im Originalwortlaut enthalten, vgl. bei Marchart, S. 230. 189 Siehe dazu grundlegend bei Watkin, S. 10 ff.

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IV. Homo-Sacer-Projekt von Giorgio Agamben

An einem anderen Ort oder zu einer anderen Zeit gestaltete und tradierte Lebensweisen der Menschen sind daher kaum allgemein übertragbar. Eine repräsentative Art der Lebensführung des einen kann allenfalls Denkansätze für einen anderen in dessen Lebensraum sowie Lebensbedingungen bieten, da jedes Lebenskonzept eines Menschen relativ ist und in der Gesamtheit kontextabhängig sehr variieren kann. Gegenüber dieser bloß theoretisierenden Betrachtung eines übergreifenden Lebenskonzepts nach Agamben, nämlich dem des nackten Lebens, gelte es, insoweit gestützt auf Vasilache, die praktisch-empirische Dimension diesbezüglicher Überlegungen als operationalisiertes Korrelat zu setzen.190 Daher ist einer solchen Konzeption bei ihrer Anwendung in Bezug auf „die normale Ordnung“ nicht ohne Weiteres zu folgen, insoweit Agamben „das nackte Leben und die Norm“ wegen ihrer „Ununterschiedenheit“ (etwa im Raum des Lagers) als gleich oder als dasselbe ansieht.191 Hierbei kann er nicht auf eine formale Übereinstimmung von nacktem Leben sowie Normativität im Rahmen einer normalen gesellschaftlichen Ordnung verweisen. „Zwar kann – aufgrund der normativen Kraft des Faktischen – Normalität auch Normen generieren“, wie der Soziologe Dierk Spreen verdeutlicht, „aber dennoch lässt sich Normativität nicht in positive Moral auflösen […].“192 Denn Normalität meint das Verhältnis zwischen Übereinstimmung und Abweichung, beispielsweise von Rechtsnormen, Verhaltensvorschriften oder auch Ge- und Verboten einer Herrschafts- beziehungsweise Gesellschaftsordnung, sodass sich konkrete Zusammenhänge bestmöglich anhand statistischer wie auch praktisch-empirischer Verfahren ergründen lassen.193 Erst mit einem solchen analytischen Mehrwert ließe sich Agambens inhaltliche Fokussierung auf die  – nicht nur sprachlich, sondern auch strukturell fragmentierte – Erkenntnisbegründung über das nackte Leben entsprechend konturieren194, um womöglich so zu einem mehr oder weniger präzisen und eindeutigen rechtlichen Inhalt dieses Begriffspaars gelangen zu können. Andernfalls sollte das Konzept des nackten Lebens als inhaltlich unbestimmtes Begriffssystem195 – wohl nutzbringender als geflügelter Ausdruck oder als einprägsame Redewendung verstanden – nur in einem rein philosophischen, nicht aber in einem völkerrechtsphilosophischen Zusammenhang verwendet werden, da dieses aus wenigen historischen Eckpunkten konstruierte Paradigma196 keine oder zumindest nur schwer denkbare Anknüpfungsmöglichkeiten für entsprechende juristische 190 Vgl. hierzu angeführte Beispiele bei Vasilache, in: Böckelmann/Meier (Hrsg.), S. 58 (58 u. 60) m. w. N. 191 Siehe zu vorstehenden Zitaten bei Agamben, Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S. 183; ferner dazu bei Muhle, in: Schwarte (Hrsg.), S. 78 (80). 192 Spreen, in: Groenemeyer (Hrsg.), S. 192 (200) m. w. N. 193 So auch bei Spreen, in: Groenemeyer (Hrsg.), S. 192 (200). 194 Der überwiegende Teil der Studie Homo Sacer I. ist der Genealogie des nackten Lebens gewidmet und findet eine theoretische Erschließung nur anhand der Historie, vgl. dazu bei Murray, S. 64. 195 Im Ergebnis so wohl auch bei Wall, in: Norris (Hrsg.), S. 31 (45); Haug, in: Das Argument 288 (2010), S. 44/512 (54/522), dort in Fn. 20. 196 Marchart, S. 223.

2. Aussagekraft der Konzepte bei Agamben

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Argumentationsansätze bietet. Das Konzept des nackten Lebens erscheint für Lösungen in Sach- und Problemlagen des (Völker-)Rechts gegenwärtig nicht praktikabel, insofern sich die hier gebotenen Rechtsgrundsätze der Klarheit und Bestimmtheit im Hinblick auf die Konzeptinhalte (noch) nicht festlegen lassen. Hierbei zeigt sich schließlich die Gefahr einer doppelseitigen Beliebigkeit; zum einen in der Art der senderseitigen Verwendung und zum anderen in der Art des empfängerseitigen Verstandenwerdens. Da einer solchen indefiniten Begriffseinheit des nackten Lebens (noch) keine erkennbare Rolle, etwa als Generalklausel im Rechtsdiskurs, zuzusprechen ist, deren Tatbestand naturgemäß weit zu fassen und erst späterhin durch das Rechtswesen zu konkretisieren wäre, kommt entsprechendem Sprachgebrauch in einer prinzipienorientierten Argumentation zumindest derzeit kein übergeordneter Stellenwert zu. Eine hiervon unabhängige, vorliegend aber nicht näher nachzugehende Fragestellung ist, ob das Konzept des nackten Lebens womöglich eine vorrechtliche Qualität aufweist, die noch mithilfe weitergehender Forschungen auszuarbeiten und genauer festzulegen wäre. An dieser Stelle muss eine summarische, nicht abschließende Beurteilung genügen, dass es sich um ein inhaltlich unbestimmtes Begriffspaar von grundsätzlich nicht-rechtlicher Art handelt. Ebenso ist festzuhalten, dass Agambens Entwurf des nackten Lebens als theoretisch-konzeptionelles Begriffssystem überwiegend für unhaltbar erachtet wird und danach für völkerrechtsphilosophische Verwendungen gleichsam unzweckmäßig oder ungeeignet erscheint. Allerdings erweist sich Agambens Idee vom nackten Leben im Sinne eines rein philosophischen Vorschlags in vielerlei Hinsicht als überaus anregend, solange eine solche Betrachtung nicht auf Kontexte des (Völker-)Rechts bezogen wird. (2) Der Homo Sacer: Demgegenüber gelingt es Agamben mit seinem Konzept des Homo Sacer, eine – von ihrer archaischen Grundkonzeption losgelöste – Rechtsfigur prägnant zu formulieren, welche ein menschliches Individuum beschreiben soll, das von der Rechtssphäre einer am Aufenthaltsort geltenden normativen Ordnung getrennt ist. Der Begriff vom Homo Sacer weist also bereits zuzuordnende Merkmale der „Totalität und Kategorialität seiner Ausgeschlossenheit vom Recht“197 auf, die in ihrer Klarheit und Bestimmtheit so auch auf die historischen Wurzeln innerhalb der altrömischen (Rechts-)Gemeinschaft als überlieferter kultureller Kontext zur eigenständigen Rechtsfigur zurückzuführen sind.198 Diese­ 197

Vasilache, in: Böckelmann/Meier (Hrsg.), S. 58 (62). Wie zuvor dargestellt, ist der Rechtsbegriff des Homo Sacer überaus umstritten, siehe dazu weiterführend unter IV. 1. in Fn. 57; bezüglich des – wohl bereits gefestigten – begrifflichen Kerngehalts gilt: Es ist eine Rechtsfigur des altrömischen Straf- wie auch Zivilrechts, die vor allem nach Eidesbruch vor Gericht oder anderen (autoritativen) Stellen der (Rechts-)Gemeinschaft, sprich Magistrate der „polis“, mittels der im alten Rom gebräuchlichen Malediktion „sacer esto“ dazu führte, dass ein (Rechts-)Betroffener einerseits straffrei getötet, zugleich jedoch nicht geopfert werden konnte, da dieser andererseits als heilig galt. Diese Zuordnung zu einer heiligen (Glaubens-)Sphäre folgte daraus, dass aufgrund des üblicherweise im Namen einer bestimmten (römischen) Gottheit geleisteten Eides, seine spätere Tötung als entsprechende Ahndung durch ebendiese antike Gottheit – welche er zuvor durch seinen schuldhaften Eidesbruch nicht nur offenkundig missachtete, sondern auch höchst erzürnte – zu verstehen war. 198

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gesteigerte theoretisch-konzeptionelle Eindeutigkeit199 steht jedoch einem bloß unbestimmten Begriffspaar des nackten Lebens gegenüber, sodass sich, wie zu vermuten ist, erst mithilfe dieser Rechtsfigur auch bestehende Exklusionsphänomene der Völkerrechtsordnung plausibel und kohärent erklären lassen. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass es Agamben war, der in erster Linie das heilige Leben in der Bedeutung sowohl des Ausdrucks als auch des Verwendungszusammenhangs mit dem nackten Leben gleichsetzte.200 Indem die überwiegende Anzahl der einschlägigen Rezeptionen ebendiese Gleichsetzungshypothese Agambens genauso unkritisch wie auch unreflektiert übernimmt201, verkürzen sich – gleichgültig ob durch die zeitgenössische Rezipientenschaft beabsichtigt oder unbeabsichtigt  – der kennzeichnende Bedeutungsgehalt sowie die hierzu gängigen Assoziationen zur Rechtsfigur des Homo Sacer auf das „idealtypische Modell eines Ausgeschlossenen“202. Fernerhin merkt Vasilache zu Recht an: „Der ‚Homo sacer‘ muss, um überhaupt sein zu können, immer ein Idealtypus sein.“203 Da aber niemand über den Homo Sacer „genau, oder auch nur ungefähr“204 im Bilde ist, ermöglicht erst eine solche Annahme als Ideal und Typus die Ausarbeitung hinreichend umrissener Kriterien der Rechtsfigur. Hiernach bedarf das zunächst nur archaische Rechtsgebaren der Antike und alsdann juridisch-politische Konzept im Sinne eines rein philosophischen Theorems nach Agamben einer weitergehenden Differenzierung, um zu einer ebenfalls für (völker-)rechtliche Diskurse verwendungsfähigen (Argumentations-)Figur in der Gegenwart zu erstarken. Daher kann und darf es dahinstehen, ob es sich bei der Rechtsfigur des Homo Sacer tatsächlich um „sozusagen eine lebende Statute“205 altrömischen Rechts handelte, die, wie der Rechtswissenschaftler Rainer Maria Kiesow in aller Deutlichkeit vorbringt, „jenseits bruchstückhafter normativer Bestimmungen“ nichts weiter als eine „pure Spekulation“ oder sogar bloß „ein historisches Änigma“ ist.206

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Kritisch dazu Vasilache, der dem Begriff des Homo Sacer eine nur unzulängliche Erklärungskraft zuspricht und „schon unter theoretisch-systematischen Gesichtspunkten für abwegig“ hält, da Agamben diesen letztlich nur als Schlagwort gebrauche und in der Vielzahl seiner (vermeintlichen) Anwendungsbeispiele derart inhaltlich überdehne, sodass dessen theoretische Inkonsistenz hauptsächlich keine stringente Operationalisierung, erst recht nicht unter praktisch-empirischen Gesichtspunkten zuließe, siehe dazu bei Vasilache, in:­ Böckelmann/Meier (Hrsg.), S. 58 (66 f.); Geulen, Giorgio Agamben zur Einführung, S. 105 f. 200 Agamben stellt hierzu fest: „Das Leben, das nicht geopfert werden kann und dennoch getötet werden darf, ist das heilige Leben [Hervorheb. bereits im Originaltext d. Agamben]“, ders., Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S. 92. 201 Scheu, in: Böckelmann/Meier (Hrsg.), S. 187 (200). 202 Bauman, S. 48. 203 Vasilache, in: Böckelmann/Meier (Hrsg.), S. 58 (62). 204 Kiesow, in: RG 1 (2002), S. 56 (62 f.). 205 Agamben, Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S. 109. 206 Siehe zu vorstehenden Zitaten bei Kiesow, in: RG 1 (2002), S. 56 (63 f.).

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Entgegen aller – teilweise durchaus berechtigten – Kritikpunkte sollte vor allem ein der Rechtsfigur des Homo Sacer zugrunde liegender Gedankengang Agambens derweil doch zum Nachdenken anregen.207 Menschliches Dasein, dessen Leben beständig – aus welchen Gründen auch immer – etwa existenzgefährdenden Eingriffen innerhalb einer (Volks-)Gemeinschaft schutzlos ausgeliefert ist, da eigen- oder unverschuldet recht- und friedlos von einer Majorität gestellt, erweist sich in diesem prekären Spannungsverhältnis als im Recht politisiert. Mit Agamben kann eine solche Konstellation im Recht als ein Ausdruck dafür begriffen werden, dass sich die nackte Existenz eines Menschen und der durch Recht und Gesetz verfasste Staat als Gemeinwesen im günstigsten Fall nur gleichgültig oder im ungünstigsten Fall schier unvereinbar gegenüberstehen. Solch ein Sinnpotenzial des gewissermaßen eindeutigen Entweder-Oder mutet vor der – im übertragenen Sinn osmotisch wirkenden208 – Entdifferenzierungssemantik Agambens eher befremdlich an. Es wirkt beinahe wie ein unfreiwilliger Stilbruch bei der Rekapitulation bereits begründeter Argumentationsstrukturen in seinen Positionen. Denn insbesondere vor dem Hintergrund juridisch-politischer Grund- und Menschenrechtsentwicklungen209 oder diverser staats- und bevölkerungsbezogener Systeme der Verträge, Kodifikationen und Pakte für Rechtssicherheit sowie Rechtsschutz in der Gegenwartswelt210 dürften jene Entzweiungen von Staatsbürgern und Staatswesen, zumindest in der von Agamben postulierten Absolutheit, im geltenden Völkerrecht so nicht bestehen. Überdies stellt Kiesow die Widersprüchlichkeit in der Eigenlogik Agambens fest, insofern er zutreffend darlegt, dass Agamben mit „seiner negativen Rechtslehre – inhaltsloses Recht wird zu Leben, und dieses Leben ist als Rechtsleben oder Lebensrecht schutzlos dem Tod ausgeliefert – ein positives, das positive Recht transzendierendes Rechtsbild voraussetzt, das nichts anderes als ein prinzipiell verstehbares Naturrecht ist.“211 Die Anforderung nach Verständlichkeit beziehungsweise Verstehbarkeit Agamben’scher Argumentationstopoi ist vorliegend zentral. So dient sie als wichtiger Bewertungsmaßstab für die Beurteilungen von Rezeption und Fortschreibung nicht nur des Entwurfs zum Homo Sacer, sondern auch der weiteren Begriffe und Begriffssysteme des Homo-Sacer-Projekts im Völkerrechtsschrifttum. Denn die eigentliche Frage, wofür die Rechtsfigur des Homo Sa­ abian­ cer zu guter Letzt paradigmatisch ist, wie sie ebenfalls der Rechtsphilosoph F Steinhauer nur aufwirft212, muss hier offen bleiben. Gleichwohl ist eine solche 207 So auch bei Schütz, in: Murray/Whyte (Hrsg.), S. 96; Wall, in: Norris (Hrsg.), S. 31 (37); vgl. kritisch in Bezug auf vorgenannte Auffassung von Wall etwa bei Fitzpatrick, in: Norris (Hrsg.), S. 49 (50). 208 Staff, in: RG 5 (2004), S. 207 (209). 209 Siehe dazu fernerhin bei Steinhauer, in: Buckel et al. (Hrsg.), S. 201 (217). 210 Vgl. dazu etwa bei Martin/Simmons, in: International Organization  52 (1998), S.  729 (737). 211 Die Hervorhebung im Textzitat erfolgte durch den Verfasser zwecks Kenntlichmachung des hier ausschlaggebenden Anknüpfungsmoments bei Kiesow, in: RG 1 (2002), S. 56 (61). 212 Siehe ausführlicher bei Steinhauer, in: Buckel et al. (Hrsg.), S. 201 (217).

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IV. Homo-Sacer-Projekt von Giorgio Agamben

punktuelle Unerklärbarkeit trotz intensiver inhaltlicher Aus­einandersetzung mit den Agamben’schen Konzeptionen bezeichnend, da auch zum Konzept des nackten Lebens eine eingehende Beschäftigung hiermit dem kritisch gesichteten Fachschrifttum nicht zu entnehmen war. Dies vielleicht deshalb, da Agamben in diesem Punkt zumindest kein universal einsetzbares Generalthema, etwa im Sinne von „Grand Theory […] and vital truth“213, das gegebenenfalls durch die Völkerrechtsphilosophie nicht unhinterfragt in diese Sachzusammenhänge zu übernehmen wäre, vorgeschlagen hat.214 Vielmehr bedarf es, um dieses rechtsphilosophisch durchaus stringente Konzept als ein schlüssiges zu bewahren, iterativer Bestimmungs- und Erklärungsleistungen durch die Rezipientengemeinschaft. Danach ist unter anderem zu definieren, in welchen Fällen von einer Verwirk­lichung des Homo Sacer als ein völkerrechtliches Exklusionsphänomen zu sprechen zweck­ mäßig erscheint und in welchen Fällen eben nicht.215 Ungeachtet dessen erweist sich der Begriff des Homo Sacer als überaus bildhaftes Schlagwort mit einem zudem rechtlich hinreichend bestimmten Kerngehalt in der hierzu geführten Theoriediskussion. Innerhalb der vorliegend betrachteten Kom­mu­nikations­gemeinschaften der internationalen Völkerrechtslehre ist Agambens gleichnishaftes Konzept des Homo Sacer aller Voraussicht nach einflussreich und wirkmächtig. (3) Die Bann-Beziehung: Der Begriff des Banns ist in erster Linie als eine Metapher zu begreifen, mit welcher Agamben die strukturellen Eigenheiten216 der Ausnahmebeziehung zwischen dem Inhaber der souveränen Macht und dem Homo Sacer anschaulicher zu gestalten versucht.217 Die Bandbreite möglicher Situationen, auf welche dieses Konzept bezogen werden kann, wird mitunter als wesentlich umfassender erachtet, sodass hierunter nicht – wie es Agamben vorsieht – allein Kategorien des Homo Sacer zu subsumieren sind.218 Darüber hinaus ersetzt er mit dem Konzept des souveränen Banns die bis dahin in einem nur personalistischen Sinn219 gedachte „souveräne Entscheidung“ nach Carl Schmitt, sprich die unbedingte Unterwerfung eines Rechtsbetroffenen unter den Willen eines persönlichen Gewalteninhabers, der in der souveränen Gestalt einer natürlichen Person verkörpert ist, durch eine naturgemäß unpersönliche Struktur, sprich der Gesetzesform220, die sich aus sogenannten legitimen Interessen einer Volks- und Rechts 213 Dies in Bezug auf den Giorgio Agamben überaus prägenden Poststrukturalisten Michel Foucault, vgl. weitergehend bei Skinner, S. 68. 214 Siehe dazu bei Vasilache, in: Böckelmann/Meier (Hrsg.), S. 58 (67). 215 Mit einem mehr politikwissenschaftlich ausgeprägten Hintergrund so auch bei Vasilache, in: Böckelmann/Meier (Hrsg.), S. 58 (67 f.). 216 Siehe dazu etwa bei Flügel-Martinsen, in: Hirsch/Voigt (Hrsg.), S.  71 (84); Lakitsch, S. 113 f. m. w. N. 217 So auch bei Münch, in: Gubo et al. (Hrsg.), S. 146 (157) m. w. N. 218 Siehe ausführlicher bei Laclau, in: Loick (Hrsg.), Der Nomos der Moderne, S. 77 (81 f.). 219 Dies meint hier jene Richtung der modernen Philosophie, die den Menschen als eine in ständigen Erkenntnisprozessen stehende, handelnde, wertende, sowohl von der Umwelt beeinflusste als auch ihre Umwelt selbst beeinflussende Person beschreibt. 220 Vgl. bei Wolf, in: Borsò et al. (Hrsg.), Benjamin – Agamben, S. 89 (117 u. 121).

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gemeinschaft ableiten soll.221 Außerdem ist die Bann-Beziehung – wie der Begriff vom Homo Sacer zuvor – bei Agamben doppeldeutig angelegt.222 Einerseits argumentiert er hiermit im Sinne eines Banners oder Befehls des Souveräns223, also anhand eines auf der Außenseite erkennbaren Hoheitszeichens, was als ein Hinwenden zum Rechtsbetroffenen zu deuten ist. Andererseits und überwiegend soll der Bann im Sinne einer rechtskräftigen Verbannung eines Einzelnen durch den Souverän aus der Volks- und Rechtsgemeinschaft gelten224, also einer auf der Innenseite bestehenden Vorstellung nach Martin Heideggers „Seinsverlassenheit“225 vom Gesetz, was als ein rigoroses Abwenden vom Rechtsbetroffenen ausgelegt werden kann.226 Letztendlich ist davon auszugehen, dass die Bann-Beziehung, zumindest in der Gestalt wie Agamben jene vorschlägt, formallogisch leer bleibt.227 Demnach fehlt es an einem Zusammenhang zwischen der schlüssigen Aussage des Bannkonzepts und der Gültigkeit von dargelegten Ableitungs- sowie Folgerungsbeziehungen hieraus. Ein solcher Bannbegriff steht, würde diesem konzeptionellen Vorschlag Agambens ohne Weiteres gefolgt werden, im Widerspruch zu einem anerkannten Faktum formalisierter Ordnungen des Rechts, nämlich zu dem Gebot der Folgerichtigkeit von Regelungen aus Sinn und Zweck der Rechtskontinuität. Dies erweist sich im Völkerrecht228, ganz zu schweigen von den vielfältigen Wirkungen besonders ausgeprägter nationalstaatlicher Rechtsinstitute auf die Ordnungen der internationalen Mehrebenensysteme229, als grundlegend für das rechtliche Miteinander von Menschen in einer zunehmend globalisierten Welt. Wenn es demgemäß richtig ist, dass im Bann schließlich die „Allmacht und Ohnmacht

221 So auch bei Rother, in: Schwarte (Hrsg.), S. 144 (155); siehe fernerhin bei Steinhauer, in: Buckel et al. (Hrsg.), S. 201 (218). 222 Feldman, S. 16 f. 223 Siehe dazu etwa bei Wilden, S. 161; Wolf, in: Borsò et al. (Hrsg.), Benjamin – Agamben, S. 89 (97). 224 Vgl. dazu bei Catani, in: Kleinschmidt/Hewel (Hrsg.), S. 201 (202). 225 Auch als „Seinsvergessenheit“ beschrieben; meint einen Terminus des Philosophen Martin Heidegger (1889–1976), der schon implizit in dessen Hauptwerk Sein und Zeit (1927) angelegt ist und ihm zur Beschreibung verschiedener Aspekte okzidentaler Philosophie dient, siehe dazu ausführlicher etwa bei Vetter, S. 339 f.; vgl. ebenso im Zusammenhang zu A ­ gambens Deutungen bei Geulen, Giorgio Agamben zur Einführung, S. 173, dort in Fn. 45; Whyte, S. 31 f. u. 79. 226 Vgl. dazu bei Agamben, Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S. 27 u. S. 39; siehe weiterhin bei Christophersen, der hierzu ebenfalls ein anschauliches Beispiel anbietet, indem er schreibt: „Das moderne Äquivalent ist für Agamben der Flüchtling, für den nicht die Staatsbürgerrechte des Ziellandes gelten, der aber doch unter dessen B ­ anner lebt und – sofern es sich nicht um einen sans-papier handelt – auf die Duldung durch die jeweiligen Behörden angewiesen ist [Hervorheb. bereits im Originaltext d. Christophersen]“, ders., S. 101, dort in Fn. 21. 227 So auch bei Geulen, Giorgio Agamben zur Einführung, S. 78; vgl. sich hierauf beziehend und weiterführend bei Münch, in: Gubo et al. (Hrsg.), S. 146 (158). 228 Siehe dazu etwa bei Strebel, in: ZaöRV 36 (1976), S. 309 (309 ff.); Dahm et al., Bd. I/3, S. 784. 229 Vgl. dazu ausführlicher etwa bei Neidhardt, S. 10 f.

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in einem Verweisungszusammenhang [stehen], dieser ohne Rechtsschutz, jene ohne Rechtsbindung“230, dann bleibt das Bannkonzept per se rechtswissenschaftlich nicht begreifbar. Denn es basiert ebenso auf der Entdifferenzierungssemantik Agambens im Wege seiner rechtshistorischen Vermischungen und Vermengungen, sodass der Bann im Einzelnen nichts Greifbares bedingt, das heißt, keine hinreichend konkreten Merkmale beinhaltet, die sich eventuell zu rechtlich subsumierbaren Kategorien verdichten lassen.231 Deshalb fehlt es dem Bannbegriff, wie Agamben ihn versteht, nicht an philosophischer Erklärungskraft. Diese interessen- und prinzipienorientierte Konzeption enthält ferner einen Erneuerungswert, da hiermit wohl auch abgründigere Geschehen der Zeitgeschichte begreiflicher zu problematisieren sind. Es fehlt aber an der entsprechenden Bestimmtheit seiner juristischen Strukturmomente nach Maßgaben der Plausibilität und Kohärenz, sodass das Bannkonzept für eine dies umso mehr im Recht nuancierende Handhabung mithilfe der Völkerrechtsphilosophie gewiss – wie das Begriffssystem über das nackte Leben – ungeeignet erscheint. (4) Die souveräne Macht/Souveränität: Souveränität ist ein weiterer vieldeutiger Grenzbegriff im (Völker-)Recht.232 Die Fragen der Inhalts- und Begriffsbestimmung von Souveränität können immerhin in völkerrechtswissenschaftlich greifbaren und nicht ausschließlich philosophischen Denkkategorien zureichend erörtert werden, da sie dem klassischen Souveränitätsdenken der verschiedenen Rechtslehren entstammen233 und in tatsächlicher Hinsicht „an den geoffenbarten Willen eines Volkssouveräns anknüpf[en]“234. Dieser ist jedenfalls dann als souverän zu betrachten, wenn seine Gewalt unter sowohl faktischen als auch rechtlichen Bezugnahmen keiner anderen Macht untergeordnet ist. Mit anderen Worten, wenn sich der „geoffenbarte Wille“235 einer Rechts- und Kulturgemeinschaft als höchstrangige Ausgestaltung einer Herrschaftsgewalt zeigt, da diese nicht fremdbestimmt ist und sich dadurch sowohl im Innen- als auch im Außenverhältnis generell frei entfalten kann.236 Indes kennzeichnet das Konzept der souveränen Macht für Agamben – und zwar in Bezug zum nackten Leben – etwas begrifflich anderes, wie auch einen Gegenpunkt im Theoriegebäude.237 Er versucht hiermit insbesondere „eine Reziprozität von Leben und Macht“238 im klassischen

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Lembcke, in: Brodocz/Schaal (Hrsg.), S. 559 (597). Hierin ist ebenso ein „wiederkehrendes Stilmittel“ in den Texten Agambens zu erkennen, wonach dessen Argumentations- und Begründungsweisen hauptsächlich auf „Setzungen, nicht auf Deduktionen“ basieren, so auch bei Hartung, in: Schwarte (Hrsg.), S. 96 (96). 232 So auch bei Dahm et al., Bd. I/1, S. 215; Schliesky, S. 112. 233 Vgl. dazu ausführlicher bei Geulen, Giorgio Agamben zur Einführung, S. 63–74 m. w. N. 234 Haltern, S. 75. 235 Insofern mit der trefflich gesetzten Wortwahl bei Haltern, S. 75. 236 Diese Definition ist angelehnt an Schweisfurths Inhalts- und Begriffsbestimmungen zur Staatensouveränität, vgl. bei ders., S. 14 m. w. N. 237 Siehe dazu bei De Boever, in: Murray/Whyte (Hrsg.), S. 180; Marchart, S. 232 f. 238 Ebke, S. 20. 231

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Souveränitätsdenken zu beschreiben, die, wie etwa der Philosoph Thomas Ebke meint, bereits „außerhalb historischer Diskursformationen der Moderne (Foucault)“239 zu begründen wäre. Dabei offenbart sich das Paradox der Souveränität für Agamben darin, dass der Inhaber der souveränen Macht zugleich innerhalb und außerhalb einer verfassten Rechts- oder Herrschaftsordnung stünde.240 Anders ausgedrückt bedeutet dies, dass „der Souverän nicht Recht haben muss, um Recht zu setzen.“241 Diese nur auf einen ersten Blick bestehende Unvereinbarkeit in gesetzten rechtlichen Fügungen wird in den Politik- und Rechtswissenschaften als Selbstbindungsproblem des Souveräns begriffen und im Sinne der – richtigerweise stets aufs Neue zu problematisierenden – letztinstanzlichen Entscheidungsmacht über Aspekte zeitlicher Ordnungen oder der Gewaltenteilung aufgelöst.242 Denn Staatsvolk sowie Staatsmacht binden sich in aller Regel selbst an einen – vor allem der westlichen (Rechts-)Tradition entsprechenden – Vertrag. Im Innenverhältnis liegt ein solches Übereinkommen in rechtsförmiger Ausgestaltung als Verfassung243 vor, sodass zumindest nach einer identitätsprägenden (Rechts-)Idee auch die Volkssouveränität in ihrer allgemein-gesellschaftsvertraglichen Deutung mit der „potentia absoluta“244 gleichbedeutend sein muss. Innere Souveränität meint demnach vollkommene Selbstregierung.245 Die Zuordnung der souveränen Macht zu ihrem konkreten Inhaber beziehungsweise Träger ist in offenen Gesellschaften grundsätzlich das Ergebnis von kollektiven und zumeist objektiven Wertentscheidungen und kann durch ebensolche wiederum novelliert werden.246 Sie ist folglich nicht, wie es Agamben unter argumentativer Zuhilfenahme seiner vieldeutigen Konzeption aus „nackt“ und „Leben“ postuliert, von den Rechtsbetroffenen in irgendeiner abstrakten Art oder Weise losgelöst. Denn ein „Leben“ steht nicht außerhalb des zuvor beschriebenen Gesellschaftsvertrags, da es geradezu konstituierender Sinn und Zweck der Souveränität ist, das individuelle menschliche „Leben“ zu garantieren und zu schützen, sodass sich die Rechtsbetroffenen aus freien Stücken dieser obligatorischen Übereinkunft mit einer souveränen Macht unterwerfen.247 Darüber hinaus bedeutet äußere Souveränität 239

Ebke, S. 20. Siehe dazu bei Agamben, Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S. 25; ders., Ausnahmezustand, S. 45. 241 Siehe dazu bei Agamben, Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S. 28; vgl. weiterhin bei Koslowski, in: Hogrebe/Bromand (Hrsg.), S. 372 (374); ­Steinhauer, in: Buckel et al. (Hrsg.), S. 201 (215). 242 So auch bei Steinhauer, in: Buckel et al. (Hrsg.), S. 201 (215). 243 Siehe dazu etwa bei Heckmann, der die Selbstbindungsproblematik ausführlicher anhand des Art. 79 Abs. 3 GG erörtert, ders., S. 240, dort in Fn. 204 m. w. N. 244 Vgl. weiterführend bei Haltern, S. 67; Schröcker, S. 60 ff. 245 Schweisfurth, S. 14. 246 So wohl auch bei Adamovich, S. 83. 247 Dieser Standpunkt ist allerdings seit und mit dem Philosophen Jean-Jacques Rousseau heftig umstritten, ob es beispielsweise sogar einer völkerrechtlichen Ergänzung des Gesellschaftsvertrags („contrat social“) bedarf, vgl. dazu bei Asbach, in: Brandt/Herb (Hrsg.), S. 243 (244 ff.). 240

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IV. Homo-Sacer-Projekt von Giorgio Agamben

schließlich die rechtliche Unabhängigkeit eines Völkerrechtssubjekts von anderen Völkerrechtssubjekten oder sonstigen Mächten.248 Es ist  – in diesem Punkt mit Agamben  – anzunehmen, dass der souveränen Macht eine „Matrix der Kommunikation“249 zwischen den Subjekten untereinander, womöglich auch zu den Objekten der Rechtsordnung, zugrunde liegt. Denn Kommunikation meint die Relationen zwischen Akteuren.250 Eine Matrix stellt – entlehnt aus der Linguistik  – die (schematische)  Zuordnung von Merkmalen zu sprachlichen Einheiten dar. Sonach kann die Umsetzung von „Interessen und Vernunft [als] eine dichotomische Matrix des Politischen“251 schlussendlich Recht erzeugen, indem etwa ein Jurist aus dieser Quelle „dem Zeichenkörper des Normtextes Sinn zuweist“252. Der „geoffenbarte Wille“253 von (internationalen) Akteuren bildet daher das kommunikative Verhältnis, welches die unterschiedlichen Eigenschaften der Souveränität bestimmt, die eventuell so „zu einem zwischenstaatlichen Recht der friedlichen Koexistenz, höchstens zu einem Kooperationsrecht führen.“254 Infolgedessen kann die souveräne Macht im Sinne Agambens, so die Kritik, nicht politisch-theologische Allmacht als struktureller Ausfluss einer etwaigen „Bio-Souveränität“255 sein, sondern ist vor allem als rechtsbezogene Herrschaftsgewalt durch das Recht und an dessen Kontinuität gebunden. Der souveräne Staat ist und bleibt mithin dem Völkerrecht unterworfen.256 Einem hieraus folgenden Paradigma des Regierens, wie es Agamben zuletzt vorschlägt, ist unter den vorgenannten Betrachtungsweisen erst recht kein umwälzender Erklärungsgehalt, etwa für eine völkerrechtsphilosophische Begründung dessen, zuzusprechen. Dies gilt zumindest solange, wie am normativen Grundverständnis der Selbstbindung potenziell unbeschränkter Macht eines Souveräns festzuhalten und ebendiese als bestimmungsgemäße Kontinuierung der Gewalt- respektive Machtverhältnisse durch die Rechtsbetroffenen so auch anerkannt ist. Diese Schlussfolgerungen gelten sowohl für die nationale Innen- als auch internationale Außenwirkung ausgeübter souveräner Macht. Es ist festzustellen, dass das Konzept der souveränen Macht nach Agamben gewiss zu einer überzeugenden Ergänzung bestehender Konzeptionen oder Theorien über Souveränität, etwa

248

Siehe ausführlicher bei Schweisfurth, S. 14. Hier in der Begriffsverwendung nach Steinhauer, in: Buckel et al. (Hrsg.), S. 201 (214). 250 Der Begriff „Kommunikation“ wird in der einschlägigen Literatur unterschiedlich definiert, wobei der Prozesscharakter verbaler und/oder nonverbaler Interaktionen mittels Zeichen und Symbolen als regelhaftes Miteinander-in-Beziehung-Treten von Menschen zwecks Informationsaustauschs zentral erscheint; für einen Überblick siehe bei Eggelkraut-Gottanka, S. 8 f. u. 53. 251 Haltern, S. 63. 252 Christensen/Lerch, in: Lerch (Hrsg.), S. 55 (95). 253 Abermals mit der trefflich gesetzten Wortwahl bei Haltern, S. 75. 254 Haltern, S. 75. 255 Kalyvas, in: Norris (Hrsg.), S. 107 (109). 256 So auch bei Dahm et al., Bd. I/1, S. 215. 249

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um biopolitische Sinnpotenziale eines Lebensbegriffs257, taugt. Das klassische Souveränitätsdenken im Völkerrecht vermag es indes nicht zu ersetzen. Eine etwaige Ersetzung ist überdies keineswegs vielversprechend, da solche hauptsächlich auf die Lebensgestaltungen der Völker fokussierenden Argumente-Fragen-­ Perspektiven, die jeden Rechtsbetroffenen bereits in seiner Eigenschaft als nicht nur gesellschaftlich-politisches, sondern auch biologistisch-kreatürliches Dasein berühren, schlechterdings ideologisch instrumentalisiert und korrumpiert werden könnten.258 (5) Der Ausnahmezustand: Eine ähnliche Effekte auslösende Gefahr durch verdeckt pervertierende Verwendungsweisen birgt der Begriff vom Ausnahmezustand. Denn die Abweichung von geltender Regel stellt eine der problematischsten Einordnungen in der Rechtstheorie dar259, was auch Agamben nicht verkennt.260 Jene Tatsachen führen allerdings unweigerlich zu einer „Vielzahl von Deutungsangeboten“261 in diesbezüglichen Theorienentwürfen.262 Als Ausnahmezustand wird – ganz allgemein betrachtet – ein Zustand bezeichnet, in welchem die Existenz des Staates an sich oder die Erfüllung seiner substanziellen Grundfunktionen von einer maßgeblichen Entscheidungsinstanz263 als akut bedroht erachtet werden. Hierbei meint Bedrohung eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die es gemäß dem Ultima-Ratio-Grundsatz gebietet, unter zeitlich begrenzter Aufhebung der Geltung von Normen einer Rechtsordnung, außerordentliche beziehungsweise außerrechtliche Maßnahmen mit sonst verbotenen Mitteln264 zur Gefahrenabwehr zu ergreifen, um letztendlich den festgegründeten Bestand der (Rechts-)Ordnung zu bewahren.265 „Die politische und soziale Effektivität vom ‚Ausnahmezustand‘ liegt nicht in seiner formalen, zunächst inhaltsleeren Definition als Ausnahme“, wie bei 257

Vgl. bei Vogt, in: Norris (Hrsg.), S. 74 (77 f.). Hieraus ableitbare Gefahren im Sinne eines – vorliegend nur beispielhaft gewählten – Natürlichkeitsarguments bespricht etwa Birnbacher, S. 90 f. u. S. 171 ff. 259 Hierzu wird u. a. vertreten, dass der Ausnahmezustand rechtsstaatlich nicht berechenbar und demzufolge auch nicht (verfassungs-)rechtlich regelbar sei, siehe dazu etwa bei Schliesky, S. 125 f.; zur a. A. vgl. etwa bei Becker, in: Kodalle (Hrsg.), S. 47 (49). 260 Siehe bei Agamben, Ausnahmezustand, S.  8; Agamben gibt ferner einen kurzen geschichtlichen Abriss zum Begriff, vgl. dazu bei ders., Ausnahmezustand, S. 18–32; Hetzer, S. 218. 261 Frankenberg, S. 73. 262 Hierzu ein prägnanter Überblick bei Skirke, in: Hartmann/Offe (Hrsg.), S. 161 f. 263 Diesbezüglich erscheint Loicks Bemerken überaus anregend, da er hervorhebt, dass gerade in demokratischen Rechtsordnungen „das institutionelle Arrangement der Gewaltenteilung notwendig inhärent [ist] (das heißt, dass wer über den Ausnahmezustand entscheidet, nicht volkssouverän sein kann) […] [Hervorheb. d. d. Verf.]“, ders., Kritik der Souveränität, S. 103. 264 Im Einzelnen siehe dazu bei Krenzler, S. 31 ff.; vgl. ferner bei Hirsch, S. 92. 265 Vgl. bei Windthorst, in: Thiel (Hrsg.), S. 365 (368); siehe ferner zur Kritik der berühmten Sentenz von Carl Schmitt (in Politische Theologie, 1922): „Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet“, bei Pircher, in: ders. (Hrsg.), S. 219 (239 f.). 258

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spielsweise der Historiker Gadi Algazi zutreffend darlegt, „sondern in der glaubhaften Evokation der Not; […] durch die sozialen und kulturellen Bedingungen seiner Akzeptanz.“266 Hierbei kennzeichnend ist zumeist der paradoxe Umstand einer fortschreitenden Aushöhlung des bis zur anomalen Suspendierung geltenden Rechtssystems durch die staatliche Gewalt267, einer schließlich nur irregulären Bedingung im verfassten Staatswesen, die mit der rechtsvorenthaltenden StaatsGewalt268 zum Ausdruck gebracht werden kann. In diesem Zusammenhang verallgemeinert Agamben nunmehr jenes exklusive Konzept einer Suspendierung vorherrschenden oder geltenden, da anerkannten Rechts269 (Justitium) und erklärt daraufhin die rechtsvorenthaltende Staats-Gewalt zum paradigmatischen Normalfall in der Gegenwartspolitik.270 Das permanente Abweichen von geltenden Regeln soll die reguläre Regierungstechnik des 20. Jahrhunderts gewesen sein; eine Annahme, die genauso für die Regierungsmaschinen271 im 21. Jahrhundert gilt.272 Wohl kein anderer Argumentationstopos aus Agambens reichhaltigem Fundus ist darum in der zeitgenössischen Theoriendiskussion des nicht nur völkerrechtswissenschaftlich ausgerichteten Schrifttums so heftig umstritten und so vielseitig erörtert worden, wie diese „komplexe topologische Figur, in der nicht nur Ausnahme und Regel, sondern auch Naturzustand und Recht, das Draußen und das Drinnen ineinander übergehen.“273 Dennoch vermag Agamben mit seinem Entwurf zum Ausnahmezustand, welchen er methodologisch neben die klassischen Bestrebungen einer Inhaltsbestimmung stellt und mithin um seine eigentümliche Vorstellung einer Normierung von besonders biopolitisch überformten Lebensprozessen ergänzt wissen will274, „nur [zu]suggerieren, nicht [zu]zeigen, dass der damit (möglicherweise) umkreiste Typus verfügenden Handelns normal zu werden droht.“275 Die hierdurch angestrebte, indes nur geringe Überzeugungskraft in der Sache folgt eventuell aus dem Umstand, dass Agamben zur Begründung seiner Argumentation bloß Minoritäten, lediglich bestimmte Gruppen unter wohl wissentlicher Nichterwähnung anderer276, abbildet. Diese ausschließlich in einer selektiven Art und Weise erfolgenden Darlegungen zum permanenten Ausnahmezustand277 sind deswegen nur begrenzt 266

Algazi, in: Lüdtke/Wildt (Hrsg.), S. 309 (316 f.). Vgl. bei Plaggenborg, in: Lüdtke/Wildt (Hrsg.), S. 117 (130). 268 Vgl. bei Loick, Kritik der Souveränität, S. 214; ders., in: ders. (Hrsg.), Der Nomos der Moderne, S. 9 (12). 269 Siehe ausführlicher bei Agamben, in: Norris (Hrsg.), S. 284 (286 ff.). 270 Vgl. bei Agamben, Ausnahmezustand, S. 9. 271 Siehe dazu etwa bei Scheu, in: Vasilache (Hrsg.), S. 59 (77) m. w. N. 272 Siehe dazu weiterführend bei Geulen, Giorgio Agamben zur Einführung, S. 76 u. S. 83; Loick, in: ders. (Hrsg.), Der Nomos der Moderne, S. 9 (13). 273 Agamben, Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S. 48. 274 Vgl. bei Geulen, Giorgio Agamben zur Einführung, S. 79 f. 275 Reitz, in: Böckelmann/Meier (Hrsg.), S. 45 (47). 276 Für Beispiele siehe ausführlicher bei Reitz, in: Böckelmann/Meier (Hrsg.), S. 45 (47 f.). 277 Siehe dazu bei Spreen, in: Groenemeyer (Hrsg.), S. 192 (203) m. w. N. 267

2. Aussagekraft der Konzepte bei Agamben

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überzeugend, da, wie Murray zutreffend hinweist, Agamben hiermit „homo sacer spotting“278 an den Grenzen zur sehr vagen Ununterscheidbarkeit279 betreibt. Wiederum ist ein Irrkreis aus punktueller Verkennung und eigenlogischer Anerkennung bei Agamben festzustellen, der die Nachvollziehbarkeit der dargebotenen, durchaus die Neugier seiner Leserschaft anregenden Bestimmungsleistungen anhand jeher strittiger Begriffe und Begriffssysteme in tatsächlicher Hinsicht erschwert. Sicherlich zeichnet dies einerseits Agambens Art zu philosophieren aus, andererseits aber auch gewisse Beschränkungen zum Verständnis seiner ideenreichen Texte. Auch das völkerrechtsphilosophische Argumentieren erfordert stets hinreichend klare und nachvollziehbare Begründungswege, da jedes Argumentieren am Recht, und darüber hinaus, ein solches Vorgehen bereits aus Gründen der Exaktheit gebietet. Vor diesem Hintergrund erscheint deshalb nachfolgender Befund als gefestigt: Wenn diese Begriffsbestimmungen zum Ausnahmezustand tatsächlich ein vor allem „außerjuristisches Aktionsfeld“280 darstellen, dann ist Agambens These von der Anomie des Ausnahmezustands zumindest in juristischen Texten nur mit äußerstem Bedacht anzuführen oder, soweit nach Anforderungen eines Themenkomplexes sachgerecht, überhaupt nicht auf juristische Kategorien zu beziehen. (6) Das Lager: Agambens Lager-Paradigma281 dient erkennbar einer Rhetorik der Emphase. Der Begriff vom Lager verdankt seine überaus assoziative Wirkung und markante Aussagekraft nicht nur der eindringlichen Erzählperspektive anhand der Zeugenschaft282, sondern besonders auch dreierlei historischer Entsprechungen, wie den nationalsozialistischen Konzentrationslagern, der USamerikanischen Guantánamo Bay Naval Base und den zunehmend entlang der europäischen Grenzregime eingerichteten Auffanglagern für Flüchtlinge oder Migranten.283 Allerdings bestehen zwischen den angeführten Lagertypen, etwa im Hinblick auf die Qualitäten jeweiliger Bedingungen als Lebens- oder Sterbensräume284, schon fundamentale Unterschiede. Beispielsweise untermauert ­Geulen diese besonderen Problemlagen an ein sozusagen hierin manifestes Historizitätsbewusstsein, indem sie schreibt: „Historisch beobachtbar ist [das Lager] vor allem als eine durch vielfältige Anwendung gleichsam erprobte Ausweitung der Ausnahmebedingung (wie man sie aus dem Kriegsrecht kennt) auf die Zivil­bevöl­ 278 Englischsprachiger Ausdruck einerseits für „Auskundschaften“ und andererseits für „Fleckenbildung“, wobei die – vielleicht nur wegen der Übersetzung ins Deutsche zufällig so wirkende – wortgetreue Doppelbedeutung bei Murray im Zusammenhang mit Agambens Argumentationsweise und Begründungsstil durchaus bezeichnend ist, vgl. bei ders., S. 135. 279 Vgl. bei Agamben, Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S. 194. 280 Staff, in: RG 5 (2004), S. 207 (210). 281 Siehe dazu weiterführend bei Karakayali, in: Loick (Hrsg.), Der Nomos der Moderne, S. 59 (63). 282 Vgl. dazu bei Schmidt, in: Böckelmann/Meier (Hrsg.), S. 90 (90 ff.). 283 Vgl. bei Karakayali, in: Loick (Hrsg.), Der Nomos der Moderne, S. 59 (59) m. w. N. 284 Siehe dazu etwa bei Gabriel, in: Schwarte (Hrsg.), S. 201 (213 f.) m. w. N.

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kerung.“285 Aus ebendieser Perspektive versucht Agamben mit einem eigenen Lagerbegriff in grundlegender Weise seine Thesen zur souveränen Macht zu bestätigen. Dies vermag ihm indes nur zu gelingen, wenn dieses Konzept als völlig inhaltsleer und dadurch formalistisch zu begreifen ist, sodass sich letzten Endes die heterogensten Phänomene in der Gegenwartswelt hierunter subsumieren lassen.286 Von Neuem wird damit deutlich, dass vorzugsweise allgemeine Verstandesschärfe sowie gesteigerte juristische Vorsicht im Umgang auch mit diesem Topos Agamben’scher Philosophie geboten sind. Zudem stellt sich die Frage des Maßstabs, der bewertende Einordnungen unter einen einheitlich darzustellenden Begriff des Lagers im jeweiligen Zusammenhang unmöglich erscheinen lässt. Erst recht, wenn bedacht wird, dass Agamben dieses Lager-Paradigma anhand des typusprägenden Eindrucks der zuvor noch nie dagewesenen Ausmaße, insbesondere an Inhumanität und Krudelität, im größten nationalsozialistischen Vernichtungslager in Auschwitz-Birkenau287 entwickelt hat.288 Bereits unter diesem Gesichtspunkt lassen sich keine Entsprechungen anhand eines Lager-Paradigmas zu den zeitgenössischen Einrichtungen begründen, wie etwa der Vergleich zu „exterritoriale[n] biopolitische[n] Lager[n]“289 der europäischen Grenzregime zeigt.290 Womöglich liegt diesen jetzigen Lagertypen auch eine „Entrechtungsstrategie“291 im Rahmen „der neuen europäischen Migrationspolitik“292 gegenüber meist illegalen außereuropäischen Flüchtlingen und Migranten zugrunde, wie die Politikwissenschaftlerin Sonja Buckel bemerkt, nicht aber irgendeine ideologisch motivierte Vernichtungsstrategie293 menschlichen Lebens. Dies führt dazu, dass das Lager in einem von Agamben angestrebten, mehr abstrakten Sinne schließlich „zu einer Art monströsem Meltingpot“294 wird, welcher – parallel zur Kritik zu den voran 285

Geulen, Giorgio Agamben zur Einführung, S. 107. Unter diesem Gesichtspunkt lässt sich wiederum die Entdifferenzierungssemantik Agambens kritisieren, wie etwa Marchart zutreffend feststellt, dass die sog. „gated communities der Millionäre und der Upper Middle Class, und solchen, aus denen niemand heraus darf, wie tatsächlichen Gefangenenlagern [Hervorheb. bereits im Originaltext d. Marchart]“, überaus existenzielle Unterschiede der jeweiligen Lebens- und Rechtssituationen der Insassen erfassen, siehe dazu bei ders., in: Böckelmann/Meier (Hrsg.), S. 10 (16). 287 Agamben, Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S.  175 ff.; ders., Was von Auschwitz bleibt, S. 13 ff.; siehe ferner dazu bei Vogt, in: Norris (Hrsg.), S. 74 (74 f.). 288 Dass das nationalsozialistische Konzentrationslager Auschwitz in der Zeit und unter den Bedingungen des Zweiten Weltkriegs geradezu kein „paradign of everything“ ist oder sein kann, zeigt sehr eindrücklich Marchart, S. 227 ff. 289 Buckel, S. 288. 290 Für einen Überblick vgl. bei Buckel, S. 169 ff. 291 So ausdrücklich bei Buckel, S. 288. 292 Buckel, S. 10. 293 So beschreibt etwa Alberti eine „indirekte“ Vernichtung von Menschenleben durch Arbeit, Hunger oder Krankheit in Ghettos oder Zwangsarbeitslagern und eine „direkte“ Vernichtung bis Mitte des Jahres 1941 durch planmäßige Tötungen am Beispiel der Juden im Reichsgau Wartheland in den Jahren 1939 bis 1945, siehe bei ders., S. 301 ff. u. S. 324 ff. 294 Kiesow, in: RG 1 (2002), S. 56 (65). 286

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gestellten Begriffen und Begriffssystemen – eine Anwendung in zumindest differenzierenden Zusammenhängen zum (Völker-)Recht grundsätzlich ausschließt, da anhand dieses Lager-Paradigmas nicht plausibel und kohärent, also weitest­gehend widerspruchsfrei, zu argumentieren ist. Die Schlussfolgerungen sollen abermals für rein juristische Denkkategorien gelten, die aus Gründen der Rechtsklarheit und -sicherheit bei hauptsächlich rechtsnormbezogenen Argumentationen erforderlich erscheinen. Eine weniger restriktive, umso mehr philosophische Auslegungsmöglichkeit eröffnet das Lager-Paradigma gleichwohl. Entgegen Agamben, der die Entwicklung von Menschenrechten gerade nicht als Lösung, sondern vielmehr als Folge aus der Geschichte der Konzentrationslager ansieht295, ist aus völkerrechtsphilosophischer Sicht jedenfalls die Etablierung einer fortwährenden Bindung der Völkerrechtssubjekte wie auch sonstiger globaler Akteure an die internationalen Rechtsschutzregime zu fordern. Den Grund dafür liefert Agamben selbst. Vor allem sachliche Kontroversen über das Lager als Paradigma, um hierdurch die grauenhaften Tatsachen willkürlicher Vernichtung menschlichen Lebens als zeitgeschichtliche Mahnung zu bewahren, verdeutlichen in jedem Fall die Notwendigkeit, das nackte Leben vor einer in ihren Rechtsgestaltungen unbeschränkten „Bio-Souveränität“296 zu schützen. „Diese Universalität gemeinmenschlicher Unrechtserfahrungen hat“, wie Markus Kotzur es darlegt, „ebenso wie die Universalität der Menschenwürde ein ‚vorstaatliches‘ und damit zugleich ein ‚überstaatliches‘ Element.“297 Hiernach erweist sich die prinzipienorientierte Gewährung fundamentaler und unveräußerlicher, auf das Menschsein bezogener Rechte298 als regulative Notio der Völkerrechtssphäre299, um „universelle[n] ‚menschenrechtstypische[n]‘ oder ‚menschenrechtsspezifische[n]‘ Gefährdungslagen“300 genügend begegnen zu können. Dies erfordert eine besondere konstitutive Selbstbindung301 der internationalen Gemeinschaft und Öffentlichkeit und damit eine überstaatliche Anerkennung, dass nämlich der Menschenwürdeschutz absolut, das heißt, insbesondere nicht abwägungsfähig ist.302 Ohne sich vorliegend einer pathetischen Illusion hinzugeben, sollte die erste Aufgabe des Völkerrechts darin zu sehen sein, verschieden­artige interna­ tionale Rechtsschutzregime für den Menschen und – in Gesamtheit – für die Völker zu gewährleisten, um einen derart enthemmten Rückfall von der Herrschaft 295 Agamben, Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S. 184; vgl. dazu bei Steinhauer, in: Buckel et al. (Hrsg.), S. 201 (219). 296 Kalyvas, in: Norris (Hrsg.), S. 107 (109). 297 Kotzur, in: Hoffmann (Hrsg.), S. 41 (43). 298 So auch bei Christophersen, S. 119; Fassbender, in: EuGRZ 30 (2003), S. 1 (1 ff.). 299 Siehe dazu ausführlicher bei Fassbender, in: Isensee (Hrsg.), S. 11 (11 ff.). 300 Kotzur, in: Hoffmann (Hrsg.), S. 41 (43). 301 Siehe dazu ausführlicher bei Zimmermann, S. 131 ff. 302 Dies setzt zuvörderst einen universal gültigen Gehalt der Menschenwürde in Recht und Gesetz voraus, siehe weiterführend bei Mastronardi, in: Marauhn (Hrsg.), S. 55 (61 ff.) m. w. N.; kritisch zur Frage der Abwägungsfähigkeit unter vor allem juristischen Bezugnahmen auf die Menschenwürde siehe bei Teifke, S. 154 f.

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IV. Homo-Sacer-Projekt von Giorgio Agamben

des Rechts hin zu einer alle Schranken der Menschlichkeit303 außer Acht lassenden Gewalt zu verhindern, wovon auch die vielgestaltigen Erscheinungsformen des Lagers als gesetz- beziehungsweise rechtsfreie Räume in der Völkerrechts­ geschichte nur allzu oft zeugen. (7) Die Biopolitik: Ähnlich exzessive Formen304 soll nunmehr die strategische Regulierung der bloßen Existenz, respektive des nackten Lebens, einer Staats­ bevölkerung305 angenommen haben306, wonach nicht nur Einzelne in den „Highrisk-Gesellschaften […] [a]n der Wende zum 21. Jahrhunderts“307 zusehends zur unterschiedslosen (Bio-)Masse von Menschen abstrahiert werden.308 Eine solche Biopolitik reagiert damit vornehmlich auf die Grenzüberschreitungen meist kulturell verankerter Deutungen des Menschen, insofern diverse Randbedingungen der menschlichen Natur aufgrund der fortschreitenden Vervollkommnung biotechnologischen Könnens sowie eröffneter Handlungsspielräume, etwa in der Human­ genetik, Fortpflanzungsmedizin oder Sterbehilfe, verfügbar werden.309 In Hinsicht auf diese Beispiele gilt für eine Begriffsbestimmung zur Biopolitik entsprechend: „Die Mannigfaltigkeit des Begriffs eröffnet unterschiedliche Erkenntnisräume.“310 Abermalig handelt es sich um einen unbestimmten Begriff, welchen Agamben anhand von entwicklungsgeschichtlichen Konstellationen auszugestalten versucht. Im Kern der Bestimmungen geht es weiterhin um die – mitunter existenziellen – Fragestellungen zeitgenössischer Rechtsauslegung im wertgebundenen Recht.311 Wie hierzu die Philosophin Petra Gehring meint, ist der bei der Theorienproduktion zu bestimmende Inhalt der „Biopolitik […] mit großer Wahrscheinlichkeit auch immer im Hinblick auf Biomacht interpretierbar“312. Gehring erachtet daher die bio 303 Siehe ausführlicher etwa bei Arnauld zum (Straf-)Tatbestand des Verbrechens gegen die Menschlichkeit (gemäß Art. 7 IStGH-Statut, Art. 5 ICTY-Statut, Art. 3 ICTR-Statut), ders., Völkerrecht, S. 545 m. w. N. 304 Vgl. bei Agamben, Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S. 127 ff. 305 Zur Begriffsbildung einer „Bio-Politik der Bevölkerung“ bei Michel Foucault siehe bei Muhle, in: Schwarte (Hrsg.), S. 78 (81). 306 Vgl. für einen Überblick bei Haddad, S. 23 ff. 307 Die Hervorhebungen sind bereits im Originaltext enthalten, siehe bei Borsò, in: dies. (Hrsg.), Wissen und Leben – Wissen für das Leben, S. 13 (16). 308 Siehe dazu bei Lemke, Gouvernementalität und Biopolitik, S. 92, S. 111 ff. u. S. 145. 309 Vgl. dazu etwa bei Daele, in: ders. (Hrsg.), S. 7 (7 f.); Lemke, Gouvernementalität und Biopolitik, S. 118 m. w. N.; Diekämper, S. 35. 310 Pieper et al., in: dies. (Hrsg.), Biopolitik, S. 7 (7). 311 Für die Interpretationen rechtlicher Inhalte eines völkerrechtlichen Vertrags gelten die prinzipienorientierten Grundsätze „nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes“, siehe in Art. 31 Abs. 1 Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge (WÜRV, 1969) und hierzu weiterführend unter II. 3. in Fn. 116. 312 Gehring, S. 14; Agamben nimmt allerdings bei seiner „Erkenntnis-Anleihe“ einige Umdeutungen des begrifflichen Zusammenhangs von Biopolitik und Biomacht in Bezug auf den Ideenurheber Michel Foucault vor, vgl. dazu bei Christophersen, S. 109 f.; Muhle, in: Loick (Hrsg.), Der Nomos der Moderne, S. 41 (42).

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moralisch, biopolitisch oder ebenso biohistorisch vorgegebenen Sach- und Problemlagen in Kontexten zur Biomacht „per se als lösbar“313. Dem ist hier in vollem Umfang zuzustimmen, da andernfalls durch definitorisches Ersetzen eine Begriffsanalyse von Anfang an unmöglich wäre. Die oft prinzipienorientierten Überlegungen zur Biopolitik beziehungsweise Biomacht greifen in der Regel die inhaltlichen Ausprägungen von Sittenwidrigkeit oder Sittengesetz formelhaft auf, um anhand des gestaltenden Normenbestands nationaler sowie internationaler Rechtsschutzregime universell gültige Ge- und Verbote mit tabuisierendem oder repressivem Charakter zu statuieren.314 Seiner methodischen Grundentscheidung315 folgend behält sich Agamben zwar stets die Möglichkeit zur Negation bezüglich der bestimmenden Gegenstände von Biopolitik vor316, vermag aber, wie der Soziologe Thomas Lemke eingehender ausführt, bei der Inhaltsbestimmung nur teilweise zu überzeugen.317 Denn Biopolitik meint die Biologisierung des Politischen, die zugleich die Entpolitisierung318 diverser Steuerungsaspekte von Gesellschaft und Individuum kennzeichnet.319 Hierbei ist Agamben zwar eine gewisse Folgerichtigkeit der Argumente zuzusprechen, da er seinen Blick auf die Biopolitik vervollkommnet, „der genau die Entleerung politischen Handelns von aller Politik“320 aufklären soll. Diese Klärung erfolgt aber nur aus der Eigenlogik, die Agamben vorab (mit-)konzeptualisiert.321 Bekanntermaßen sollen die in der Homo-Sacer-Schriftenreihe angelegten 313

Die Hervorhebungen sind bereits im Originaltext enthalten, vgl. bei Gehring, S. 110. So im Ergebnis auch bei Daele, in: ders. (Hrsg.), S. 7 (14); für weitere Beispiele siehe bei Paslack/Simon, in: Daele (Hrsg.), S. 123 (123 ff.); a. A. ist bspw. Lemke, der es hingegen für wahrscheinlicher erachtet, dass eine Verlagerung der Regelungskompetenz vom öffentlichrechtlichen in den ausschließlich privatrechtlichen Bereich als eine Art (bio-)politischer Rückzugsstrategie des Staatswesens erfolgt, die etwa die „Patientenverfügungen und Vertragsbeziehungen an die Stelle von expliziten staatlichen Ver- oder Geboten treten“ lässt, ders., in: Bröckling et al. (Hrsg.), S. 257 (273 f.); siehe dazu ferner auch bei Geulen, Giorgio Agamben zur Einführung, S. 113 f. 315 Die zumeist übergreifenden Inhaltsbestimmungen anhand einer  – in (rechts-)wissenschaftlichen Verfahrensfragen nur schwer nachvollziehbaren – Entdifferenzierungssemantik verschiedener geschichtlicher, politischer wie auch rechtlicher Begriffe und Begriffssysteme stellen die festgelegte Art des Vorgehens in Agambens Arbeiten dar; hierzu merkt etwa Lemke vermittelnd an: „[…] dieses mangelnde Differenzierungsvermögen [ist] kein zufälliger Fehler der Argumentation, sondern notwendiges Resultat einer Analyse, die zentrale Aspekte der biopolitischen Problematik systematisch ausblendet“, ders., in: Bröckling et al. (Hrsg.), S. 257 (263). 316 Siehe dazu bei Steinhauer, in: Buckel et al. (Hrsg.), S. 201 (211 f.). 317 Vgl. dazu bei Lemke, in: Bröckling et al. (Hrsg.), S. 257 (258). 318 Zu den (teils paradoxen) Formen entpolitisierter Politik vgl. bei Meyer, S. 71 ff. 319 Für Beispiele siehe die Studie von Wehling et al., in: Berl. J. Soziol. 4 (2007), S. 547 (547 ff.). 320 Marchart, S. 232. 321 Der Begründungsakt, dem sich das Sinnsystem verdankt, kann im Rahmen desselben Systems nicht wiederum begründet werden, sondern muss immer schon vorausgesetzt sein, d. h. im Rahmen des Konzepts der Biopolitik bliebe dementsprechend unthematisiert, dass es seine ideelle Einheit schlussendlich nur aus einem vorgängigen Konstrukt sich wechselseitig bedingender Annahmen (so etwa vom nackten Leben, vom Homo Sacer, von In- und Exklusions­bedingungen) ableitet, vgl. zu vorbeschriebenen Grundlagen ausführlicher bei Lachert, in: Böckelmann/Meier (Hrsg.), S. 207 (208 f.). 314

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Begriffe und Begriffssysteme, etwa vom nackten Leben, Homo Sacer oder von der souveränen Macht, nach Agambens Begriffsbestimmungen eine strukturelle Identität zur Biopolitik aufweisen.322 Diese von ihm angestrebte Darstellung von Korrelationen erweist sich jedoch als überaus problematisch323, da Agamben manchmal auf eine gleichartige Beziehung zwischen Biopolitik und beispielsweise nacktem Leben abstellt und manchmal allerdings auf eine Biopolitik jenseits der selbst gesteckten Einordnungen zum nackten Leben hindeutet. Dies führt dazu, dass der Begriff der Biopolitik bei Agamben letztlich am wenigsten in der Sache überzeugt und eventuell so auch zu seiner nur unklaren Auslegung in juristischen Zusammenhängen beiträgt.324 Demgegenüber sind die Gegenstände einer mehr politischen Betrachtung von Gesellschaft und Individuum notwendigerweise immer bestimmende Macht- und Unterordnungsverhältnisse, welche auf die jeweiligen Lebensbedingungen der Unterworfenen innerhalb eines verfassten Staatswesens abzielen und hierbei von unterschiedlichen Motiven oder Zwecken überformt sind.325 Eine aus den vermeintlichen Erscheinungsformen gewonnene Wesensaussage über „den Zusammenhang von juridisch-institutioneller und biopolitischer Macht“326, die Antwort auf die am Anfang von Homo Sacer I. selbst gestellten Fragen327 gibt, gelingt Agamben indessen nicht. Ganz gleich, ob aus einer genealogischen Sichtweise getroffen oder ob nicht, lässt sie sich jedenfalls dann nicht plausibel und kohärent begründen, wenn, so die Kritik, einhergehende Brüche in zeitgeschichtlichen Begebenheiten sowie in ihrer Abfolge verschiedenartiger Machtformen vonseiten Agambens schlichtweg ignoriert oder, nach Lemkes trefflicher Beschreibung, „systematisch aus[ge]blendet“328 werden. Das Konzept der Biopolitik, wie es Agamben niederlegt, trägt zum einen – zumindest aus analytischer Sicht – weniger zum Verständnis der zeitgenössischen Erscheinungsformen interdependenter Machttechniken bei, als etwa das Foucault’sche Motiv der Biomacht zuvor, aus welchem es sich ableitet. Zum anderen verkennt die Agamben’sche Begriffsbestimmung zur Biopolitik die Tatsache, dass „die Geschichte der politischen Macht immer von Diskontinuitäten und heterogenen Machtformen gekennzeichnet ist.“329 Agambens Ansicht über eine ordnungsstrukturelle Kontinuität verschiedener Regime der Macht erscheint bereits unter den vorgenannten Gesichtspunkten nicht haltbar. Von der Biopolitik als eine zeitgeschichtliche Zwangsläufigkeit politischen Handelns zu denken, wie Agamben es nun vorschlägt, kann aus Gründen des Gesagten schlussendlich nicht gefolgt werden. 322

Siehe dazu bei Muhle, in: Loick (Hrsg.), Der Nomos der Moderne, S. 41 (41). Vgl. weiterführend bei Lemke, Biopolitics, S. 59 ff. 324 So im Ergebnis auch bei Kalyvas, in: Norris (Hrsg.), S. 107 (114). 325 Vgl. dazu weiterführend bei Marchart, S. 237. 326 Wilden, S. 164. 327 Siehe dazu bei Agamben, Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S. 15 f. 328 Lemke, in: Bröckling et al. (Hrsg.), S. 257 (263). 329 Muhle, in: Loick (Hrsg.), Der Nomos der Moderne, S. 41 (57); so wohl auch bei Marchart, S. 237. 323

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Fazit: Die wesentlichen Kritikpunkte an den hier betrachteten Konzeptionen des Homo-Sacer-Projekts in Bezug auf ihre Aussagekraft als Argumentationstopoi, insbesondere nach Maßgaben ihrer Plausibilität und Kohärenz, lassen sich wie folgt resümieren: Die überprüften Denkfiguren sind allesamt argumentationstragende Bestandteile in Agambens philosophischem Theoriegebäude, das zwar keine Bedarfs- oder Bestandsanalyse für die völkerrechtliche Praxis vorlegt, diese aber thematisch durchaus tangiert. Vielmehr geht es ihm um die Grund­legung abstrakter Paradigmen, also grundsätzlicher Denkweisen aus unterschiedlichen Erkenntnis- und Wissensquellen, die er zumeist anhand von überlieferten Texten mit theologischen oder rechtlichen Bezügen entwickelt. Sodann überträgt er das Erkannte dergestalt auf die menschheitsgeschichtliche Zeitachse, „um dort wiederum eine unaufhaltsam fortschreitende Ausweitung desselben Paradigmas wahrzunehmen, [das] in unserer Zeit den Kulminationspunkt erreicht und sich zu allumfassender Totalität ausgeweitet haben soll.“330 Das Postulat zeitgeschichtlicher Muster mit globalem und sich permanent aktualisierendem Geltungsanspruch, wie Agamben es konzeptionell im Homo-Sacer-Projekt vorsieht, birgt dabei die Gefahr, dass unter anderem zeitgenössische Anschauungen, Bewertungsmaßstäbe oder Überzeugungen gleichsam rückwärts in die Menschheitsgeschichte hineininterpretiert werden. Dies führt womöglich einerseits nicht nur zu Fehlbewertungen über Gegenstände der (Rechts-)Geschichte331, sondern andererseits auch zu der verfehlten Annahme, dass die modernen Auffassungen und Werte ihrerseits nur Produkte der eigenen, im vorliegenden Fall westlichen Kultur seien. Sollten diese konzeptionellen Vorschläge Agambens tatsächlich das Vergangene332 als Paradigmen mit entsprechender Geltung in der Moderne manifestieren, so ist ihre Verbindlichkeit außerhalb dieses Theoriegebäudes entschieden abzulehnen. Denn das ihnen zugrunde gelegte Ideen- und Gedankengut beruht überwiegend auf einer westlich geprägten weltanschaulichen Bedeutungszuweisung durch Agamben. Diese Gegebenheit ist mit besonderer Rücksicht auf mögliche Rechtsauslegungen der völkerrechtlichen Rechtsschutzregime unter Bezugnahmen auf die Agamben’schen Konzeptionen zu beachten. Sowohl die Konzepte Agambens als auch die (meisten) internationalen Rechtsschutzregime sind zwar durch eine gewisse innere Nähe zum unbedingten humanen Anspruch des europäischen Christentums333 als zeitgeschichtlicher und religiös-kultureller Kontext, insbesondere in Bezug auf die Menschenrechte, -bilder 330

Marchart, S. 224. So bemerkt Wieling zwar in anderem Kontext, dem Leitgedanken nach aber hier zutreffend: „Die Kenntnis der Rechtsgeschichte könnte vor solchen Fehlbewertungen der eigenen Rechtsordnung bewahren. Aber offenbar kann man Geschichte nicht nur lernen, sondern auch vergessen, und zwar nicht nur als Einzelner, sondern auch kollektiv“, ders., in: Eckert (Hrsg.), S. 557 (569). 332 Hiermit sind die historischen Anknüpfungspunkte im Ganzen gemeint, auf die sich Agamben im jeweiligen Begründungszusammenhang in seinen Homo-Sacer-Schriften bezieht. 333 Siehe dazu weiterführend bei Robbers, in: Hoffmann (Hrsg.), S. 87 (87 ff.). 331

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und -würde334, gekennzeichnet. Keinesfalls aber darf ein solches Näheverhältnis dazu verleiten, die sehr vielgestaltigen Sach- und Problemlagen globaler Menschenrechtsschutzregime335 exklusiv oder einseitig anhand eines nur durch die europäische Philosophie determinierten Wertekanons, etwa im Sinne eines kulturellen Erbanspruchs auf die privilegierte Deutungshoheit, zu interpretieren. Denn Agambens Deutungsvorschläge können schlussendlich nur als subjektive Aussagen über Gegenwartsphänomene aus rein philosophischer Perspektive verstanden werden. Sie stellen nicht mehr und nicht weniger als seine Sichtweisen auf die (Rechts-)Wirklichkeit der Dinge dar. Agambens philosophische Standpunkte können danach allenfalls einen Anlass zu ergänzenden Fragen und Themenstellungen im Rahmen der beständigen juristischen Fortentwicklung der internationalen Rechtsschutzregime bieten. Bei allen dogmatischen und besonders juristischen Unklarheiten in A ­ gambens großer Erzählung ist nichtsdestoweniger ein gemeinsamer Nenner der meisten der hier betrachteten Denkfiguren auszumachen, nämlich die Idee von Recht ohne Souveränität oder noch anders formuliert, das nicht (mehr) mit staatlicher Zwangsbefugnis ausgestattete Recht.336 Diese Einsicht erscheint vor allem unter völkerrechtsphilosophischen Aspekten durchaus verwertbar, da Agamben gegenüber drei gängigen theoretisierenden Sichtweisen über das Recht, wie (1)  das Recht als eine Funktion der Souveränität, (2) die Souveränität ohne das Recht und (3) die Souveränität als eine Funktion des Rechts, schließlich eine vierte denk- und folgerichtige Variante der Verhältnisbestimmung zwischen Herrschafts- und Rechtsgewalt anbietet, die eine grundsätzlich antisouveräne, nahezu anarchistische Position zum Recht, nämlich (4) das Recht ohne die Souveränität, beschreibt.337 Im Übrigen ergibt sich eine erste vorsichtige Bewertung der Aussage-, Erklärungs- und Überzeugungskraft der Konzeptionen nach Agamben; sie stimmt inhaltlich mit Rainer Maria Kiesows grundsätzlichen Klarstellungen überein: „Weder Politik, noch Recht, noch Ordnung erfahren den Hauch einer Beschreibung, der homo sacer ist ein Mythos, das bloße Leben als von der Sazertät abgeleiteter Begriff eine reine, und insofern genau zu Benjamins messianischem Gewalttext passende, Mystifikation.“338 Solche Denkfiguren, die im Grunde genommen bloße Mystifikationen der Wirklichkeit darstellen, sind für Begründungs- und Rechtfertigungsargumentationen in Bezug auf spezifische Sach- und Problemlagen, ganz gleich, ob es sich hier um völkerrechtliche, philosophische oder sogar völkerrechtsphilosophische handelt, gewiss ungeeignet. Denn Aussagen, die auf bloß 334 Siehe dazu ausführlicher etwa bei Tischler, S. 163; Häberle, Das Menschenbild im Verfassungsstaat, S. 63 ff. 335 Vgl. dazu etwa bei Häberle, in: JöR 55 (2007), S. 397 (397 ff.). 336 Loick, in: ders. (Hrsg.), Der Nomos der Moderne, S. 194 (194); siehe ebenso bei Kiesow, der von der verdeckten Einführung einer materiellen Bewertungskategorie „für das, was Recht ist“, spricht, ders., in: RG 1 (2002), S. 56 (67). 337 Vgl. dazu ausführlicher bei Loick, Kritik der Souveränität, S. 282 f. 338 Kiesow, in: RG 1 (2002), S. 56 (64).

2. Aussagekraft der Konzepte bei Agamben

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mythenhafter Grundlage getroffen werden, können nicht im notwendigen Sinn und Maß eines Gattungsbegriffs und Artunterschieds hinreichend konkret formuliert sein, um womöglich in juristischen Denkkategorien eine brauchbare Geltung für sich zu beanspruchen. Ein jeder Lebenssachverhalt im Recht bedarf vorrangig einer sachgerechten Entscheidungsfindung nach bestehendem Recht, wobei bereits begriffliche Ununterschiedenheiten der beizuziehenden Entscheidungsgrundlagen kontraproduktiv wirken. Letzten Endes ist diese Feststellung der zur Anwendung gekommenen Entdifferenzierungssemantik bei ­Agamben geschuldet. Der Gebrauch eines indefiniten Sprachmittels ist, soweit seine stilistische Verwendung zumindest nach der Eigenlogik im Homo-Sacer-Projekt noch statthaft erscheint, bei aller hierzu gebotenen Achtsamkeit keineswegs auf außerphilosophische Disziplinen und erst recht nicht auf eindeutig rechtswissenschaftliche Kontexte zu erstrecken. Daneben bestätigen und befördern Agambens konzeptionelle Vorschläge in der Schriftenreihe zum Homo-Sacer-Projekt eine von ihm selbst getroffene Feststellung, nämlich die „inzwischen [unbestreitbare] Tatsache eines vollständigen Auseinanderklaffens von philosophischer und juristischer Kultur.“339 Selbstredend ist es eine auf Ausgleich bedachte Aufgabe der Völkerrechtsphilosophie ebendiese Kluft zwischen den beiden wissenschaftlichen Disziplinen zu überbrücken. Allerdings vermögen die ertragreichen Verfahren von Interdisziplinarität und Transdisziplinarität nur auf dem Boden disziplinärer Identität zu gedeihen. Dies bedeutet ebenfalls, dass die etwa durch Rezeption und Fortschreibung von Text zu Text transportierten Begriffe und Begriffssysteme für beide Disziplinen im Allgemeinen und für die hierin bereits bestehenden Denkkategorien im Besonderen hinreichend bestimmbar sein müssen. Andernfalls ist ein nicht genügend zu transkribierender Inhalt der (Wort-)Bedeutungen entweder radikal abzuändern, was eventuell auch sinnentstellend wirkt und deshalb keinen nutzbringenden Erkenntniszuwachs in der Sache verspricht, oder eben nach inhaltlicher und kontextualer Auseinandersetzung, was zumindest in Teilaspekten die eigene Erkenntnislage über die Sache befördert, aufzugeben. Die vorliegende Untersuchung tendiert bei der Verwendung von philosophischen Theoremen aus Agambens Homo-Sacer-Projekt in einem rein völkerrechtlichen Bestimmungs­ zusammenhang – vor allem im Schrifttum der internationalen Wissenschaft, Forschung und Lehre – zu letzterem.

339

Siehe dazu bei Staff, die abschließend schreibt: „Niemand, vermutlich nicht einmal Agamben selbst, würde dieser Aussage einen absoluten Wahrheitsgehalt beimessen, aber es gibt zweifellos Beispiele, die ihre Richtigkeit belegen“, dies., in: RG 5 (2004), S. 207 (215) m. w. N.

144

IV. Homo-Sacer-Projekt von Giorgio Agamben

3. Einordnungsproblematik der Konzepte nach Agamben Auslegung meint Sinnermittlung von Texten und sollte hierzu bei dem Sprachgebrauch beginnen.340 Die Wort- und Sinnstrukturen der ausgewählten Agamben’­ schen Konzepte geben die am Inhalt orientierte Abfolge der Begriffsbestimmungen (1) zum nackten Leben, (2) zum Homo Sacer, (3) zur Bann-Beziehung, (4) zur souveränen Macht/Souveränität, (5) zum Ausnahmezustand, (6) zum Lager und (7) zur Biopolitik vor. Hiermit ist nicht nur eine bloße Ordnungsfunktion bei ihrer Abhandlung, als vielmehr auch eine Bewertung im Sinne einer Kategorisierung341 bei ihrer sprachlich-grammatischen Deutung verbunden. Gleichzeitig wird dieses Vorgehen dazu dienen, diese philosophisch relevanten Termini und entsprechend kontextualisierten Ideen- und Gedankengüter aus dem Homo-­Sacer-Projekt als Begriffe und Begriffssysteme nach Agamben zu begründen. Denn sowohl Begriff als auch Begriffsausdruck, wie bereits der Philosoph Friedrich Ludwig Gottlob Frege zu unterscheiden stets bestrebt war342, stellen  – zumindest nach dem hier vorgeschlagenen Ansatz – notwendigerweise als begrifflich realisiertes Wissen eine Erscheinungsform von kulturbedingten, also kulturellen Text-, Welt- und Sprach-Schemata343 dar. Es handelt sich daher auch um eine Ordnung anhand schematheoretischer Strukturmerkmale.344 Diese Dispositionen können dabei als ein­ gambens geordnete Repräsentationen der philosophischen Ideen und Gedanken A verstanden werden, auf welche die internationalen Lebenssachverhalte als in den Textquellen diskutierte Gegenstände zum Völkerrecht im gegebenen Fall bestätigend, widersprechend oder umstrukturierend bezogen sind.345 Die oben aufgezeigte Reihenfolge versucht die Herleitung sowie Zurückführung der verschiedenen Konzeptionen zueinander schematisch zu erfassen. Diese hier (rechts-)philosophisch erheblichen Termini Agambens aus dem Homo-­Sacer-Projekt waren daher, wie zuvor niedergelegt, unter völkerrechtsphilosophisch handhab­baren Denkkategorien zusammenzuführen sowie in ihrer Aussagekraft unter Maß­gaben von Plausibilität und Kohärenz zu überprüfen. Hierbei sind die stufenweisen Sachkritiken durch rechtliche Würdigungen zu Agambens Entwürfen aus einem rein kontinentaleuropäischen Blickwinkel heraus aufgesetzt worden, mit dem – von sich aus be 340

Vgl. weiterführend bei Horn, S. 120 f. Der Begriff „Kategorisierung“ ist im Grunde gleichbedeutend mit „Klassifizierung“, wobei ersterer Begriff vornehmlich in der Philosophie sowie Psychologie zur Anwendung gelangt, letzterer jedoch häufiger in der Mathematik oder Technik. Kategorisierung meint den Denk- und Entscheidungsprozess, bei welchem unterschiedliche Entitäten (etwa Abstrakta, Begriffe, Gegenstände, Vorgänge) als gleich betrachtet werden, sodass diese im Wege von Taxonomien (hierarchisch) geordnet und nach ihrem jeweiligen Begriffsumfang und Begriffs­ inhalt zueinander bestimmt werden können. 342 Siehe dazu etwa bei Bermes, S. 62 m. w. N. 343 Siehe dazu ausführlicher unter III. 2. in Fn. 84. 344 Vgl. dazu bei Strasen, Rezeptionstheorien, S. 195 ff. 345 In Anlehnung an Strasen, Rezeptionstheorien, S. 351. 341

3. Einordnungsproblematik der Konzepte nach Agamben 

145

reits klassischen346 – Fokus auf die Subsumtion der Begriffe und Begriffssysteme aus der Homo-Sacer-Schriftenreihe unter bestimmte Sätze des Rechts oder der juristischen Logik.347 Denn gerade in der kontinentaleuropäischen Begründungstradition herrscht ein besonders auf die begriffliche Fassbarkeit und Abbildbarkeit bezogenes Textverständnis vor, welches sich an einer sprachlich-grammatischen Auslegung orientiert und allzumal Begriffsbestimmungen teleologischer oder historischer Art weitgehend unbeachtet lässt. So zeigt sich vorwiegend „europäisches Denken auf abstrakte Gattungsbegriffe zur Formulierung angewiesen.“348 Das Phänomen oft mangelnder Klarheit oder Eindeutigkeit unter zuordenbaren juristischen (Gattungs-)Begriffen – als ein wesentliches Ergebnis einer solchen Kritik – ist dabei für alle hier betrachteten Konzepte des Homo-­Sacer-­Projekts festzustellen. Dies mag anscheinend von Agamben letztlich methodologisch so auch beabsichtigt sein, da dessen Entdifferenzierungssemantik als das maßgebliche Sprachmittel, wie gezeigt, eine Einordnung oder fernerhin Einbindung seines Schaffens aus dem Homo-Sacer-Projekt in völkerrechtsphilosophische Zusammenhänge nicht genau genug ermöglicht. Denn Agambens wohl planvolle349 Ausdrucksformen sind solche der Ununterscheidbarkeit350, Unbestimmtheit351 und sogar Widersprüchlichkeit352. In Anbetracht der Freiheit eines Schriftstellers, der über einige Phänomene der Gegenwartswelt philosophiert, erweist sich dieser Argumentationsstil als zulässig und unproblematisch. Demgegenüber erschweren jene Darstellungsweisen Agambens grundsätzlich das Verständnis seiner (auch rechts-)philosophisch beachtenswerten Standpunkte, etwa zum Homo Sacer, zur souveränen Macht oder zum Ausnahmezustand, da sie dergestalt nicht auf Unterscheidbarkeit, Bestimmtheit und Widerspruchsfreiheit als erprobte Regeln wissenschaftlicher Begründungsweisen beruhen. Erschwerend kommt weiter hinzu, dass auch auf dem Gebiet der (Rechts-)Philosophie die westliche Welt gewissermaßen in zwei Lager353 oder, mit anderen Worten, in zwei Denk- und Sprachsysteme geteilt ist, nämlich in die kontinental­

346

Die Subsumtion stellt eine verbreitete und (weitgehend) akzeptierte Methode juristischen Arbeitens dar; so erkennt Schmidt zutreffend: „Daß man in dem Bestreben, Sachverhalte zu analysieren und zu erklären, von abstrakten Begriffen ausgeht, kann an und für sich nicht verfehlt sein. Diese Methode ist in allen Wissenschaften anerkannt. […] Dies ist die klassische Subsumtion [Hervorheb. d. d. Verf.]“, ders., Zur Methode der Rechtsfindung, S. 109 f. 347 Zur Subsumtion durch Subordination siehe ausführlicher bei Gröschner, S. 68 ff. 348 Obert, S. 103. 349 So im Ergebnis auch bei Murray, S. 27 ff.; Lakitsch, S. 106; Weiß, in: Pickel/Pickel (Hrsg.), S. 33 (34). 350 Vgl. bei Agamben, Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S. 194. 351 Vgl. dazu bei Murray, S. 5; Geulen, Giorgio Agamben zur Einführung, S. 93. 352 Vgl. dazu bei Kiesow, in: RG 1 (2002), S. 56 (58). 353 Dies ist jedoch nur in einem übergeordneten Zusammenhang gedacht, der insbesondere Einzelströmungen innerhalb der jeweiligen weltanschaulich-philosophischen Lager aus Gründen der Zweckmäßigkeit an dieser Stelle ausschließt.

146

IV. Homo-Sacer-Projekt von Giorgio Agamben

europäische und in die angelsächsische Begründungskultur.354 Eine denk- und sprachlogisch aufbauende Kategorisierung zu den Begriffen und Begriffssystemen nach Agamben steht demzufolge unabwendbar in einem Spannungsfeld zwischen einer vornehmlich kontinentaleuropäisch geprägten Sichtweise auf die Dinge der (Rechts-)Philosophie, die in der deduktiven romanischen Argumentationstradition, sprich einer Erkenntnisgewinnung für den Einzelfall durch ein allgemeines Gesetz355, auf eine gefestigte Dogmatik abstrakter Rechtssätze innerhalb einer (nationalstaatlichen) Kodifikationsordnung zurückgreifen kann356, und einer eher angelsächsischen, die überwiegend im Völkerrecht357 unter Rückgriff auf höchstrichterliches Fallrecht internationaler Spruchkörper („case law“), sprich einer solchermaßen von „precedent to precedent“358 induktiv gewonnenen Einzelfallgerechtigkeit359, als analytische Methode der Rechtsfindung zur Anwendung kommen muss.360 Hieraus können sich unterschiedliche Bewertungsmaßstäbe bezüglich bestimmter Konzepte als (auch rechts-)philosophisch anwendbare Be 354 So auch bei Gelfert, S.  130; siehe in diesem Zusammenhang weiterhin zu Fragen des Rechts und der Sprache als Kulturelemente bei Thiel, in: Krüper (Hrsg.), S.  237 (237 ff.); ebenso zur Kultursemiotik bei Krüper, in: ders. (Hrsg.), S.  268 (275 f.); vgl. fernerhin zu­ einigen noch offenen, unabgeschlossenen Fragestellungen juristischer Denktraditionen und Methoden, u. a. zur Regelableitung aus Entscheidungsanalysen bei sog. „case law“, zur Rezeption vor allem nordamerikanischer Rechtstheorien oder zu Konzeptionen des Rechts anhand europäischer Rechtsgeschichte, etwa bei Kötz, in: Basedow (Hrsg.), S.  64 (65 ff.) u. S.  138 (142 ff.); Hanschmann, in: Buckel et al. (Hrsg.), S. 375 (375 ff.). 355 Siehe weiterführend dazu bei Jung, Rechtserkenntnis und Rechtsfortbildung im Völkergewohnheitsrecht, S. 56 ff. 356 In diesem Zusammenhang ist Höfers Bemerken zutreffend: „Auch die Aussage, daß der Einzelfall unter die behauptete abstrakte Norm zu subsumieren ist oder nicht, enthält eine Rechtsüberzeugung, die für die Entwicklung des Völkergewohnheitsrechts fruchtbar gemacht werden muß. Völkergewohnheitsrecht enthält diese Aussage aber nur dann, wenn nicht nur die behauptete abstrakte Rechtsnorm, sondern auch die entschiedenen Einzelfälle im wesentlichen miteinander übereinstimmen, da nur dann von einer einheitlichen Staatenpraxis überhaupt gesprochen werden kann [Hervorheb. d. d. Verf.]“, vgl. bei Höfer, S. 93. 357 Fraglich ist, ob hierin auch künftig nur eine zwischenstaatliche Konsensualordnung ohne gesichertes öffentliches Gewaltmonopol, zentraler Gesetzgebungs- und Rechtsprechungsinstanz zu erkennen bleibt. 358 Ingman, S. 187 m. w. N. 359 Siehe dazu etwa bei Milej, S. 512 ff.; Kleinlein, S. 171. 360 Inhaltlicher Wesenskern der rechtsmethodischen Arbeit anhand von Fallrecht („case law“) ist die kasuistische Regulierung, wobei das Gesetz mehr aus den Erfahrungen (der zur Entscheidung berufenen Richterinnen und Richter) mit früheren Fällen schöpft, anstatt nur fest in der Doktrin, entsprechend der klassischen kontinentalen Lehre, zu beruhen. Auf diese Weise entwickelt und erwirbt das Fallrecht weitere Bedeutung ein jedes Mal, wenn der­ einstige Regeln auf einen Einzelfall angewendet werden. Hierbei übertragen Entscheidungen die Argumente, mit denen antezedente, ähnliche Probleme zu lösen waren und bringen diese in substanziellen, aber im Wesentlichen vergleichbaren Situationen wieder an. Im Laufe der Zeit führt ein solcher Ansatz zur Entwicklung von immer mehr allgemeinen oder einfacheren Regeln durch Regelableitungen und schließlich auch zu einer dergestalt gefestigten Dogmatik abstrakter Rechtssätze, die sich von einem vornehmlich kontinentaleuropäisch

3. Einordnungsproblematik der Konzepte nach Agamben 

147

griffe und Begriffssysteme nach Agamben ergeben, die bei der Sinnermittlung von Texten anhand ihrer Interpretationen in den auftretenden Rezeptions- und Fortschreibungsvorgängen im jeweiligen Rechts- und Kulturkreis zu beachten sind und womöglich zu divergenten Aussagen über dasselbe führen. An dieser Stelle gilt überdies zu bemerken, dass „[e]inige der postmodernen Theorien […] dabei fast ausschließlich über französisch- bzw. englischsprachige Zeitschriften zugänglich [sind]; mit anderen Worten; ein Teil  der maßgeblichen Wissenschaftsdiskurse wird außerhalb des deutschen Sprachraums geführt.“361 Ebenso scheinen hier die Deutungsansätze aus einer mehr angelsächsischen Perspektive zu den Agamben’schen Konzepten im diesbezüglichen Wissenschaftsdiskurs tendenziell zu überwiegen. Dies ist nicht zuletzt mit den bereits zahlenmäßig hervortretenden völkerrechtswissenschaftlichen Publikationen im US-amerikanischen Sprachraum zu begründen. Der nicht zu unterschätzende Quantitätsaspekt spiegelt sich vorliegend auch in der erhobenen Stichprobe aus Texten des gegenwärtigen Völkerrechtsschrifttums mit unmittelbaren Bezugspunkten auf das HomoSacer-Projekt wider. Ob diese Tatsachen zugleich andeuten, dass eine brauchbare Bewertungsstrategie der Theoreme Agambens sich danach genauso überwiegend an einem fallbezogenen Denk- und Sprachprozess auszurichten habe, muss dahingestellt bleiben. Nach alledem ist erst einmal nur ein weiterer Problemkreis aufgezeigt, der darin besteht, im Anschluss an die (derzeit) vorherrschenden angelsächsischen Lesarten zum Homo-Sacer-Projekt mehr abstrahierende Deutungsansätze zu begründen. Diese nur skizzenhaften Beobachtungen und Überlegungen erlauben – nach dem momentanen Kenntnisstand der Grundlagenforschung in der Völkerrechtsphilosophie – keine abschließenden Beantwortungen, da sich ein solches Forschungsgebiet, der eigenen Entwicklungsfähigkeit nach, erst in den Grundzügen befindet. Unter diesen beiden, ebenfalls die völkerrechtlichen Rezeptions- und Fortschreibungsgeschichten prägenden Betrachtungs- und Begründungsweisen sollten die Lebenssachverhalte, Weltanschauungen, wie auch jene Begriffe und Begriffssysteme nach Agamben nicht etwa als fortdauernd, gleichbedeutend und fraglos „so seiend“362, sondern als vorübergehend, (zeitgeist-)bedingt und relativ verstanden werden, da solche Kategorien des Denkens wohl endlos im Werden begriffen sind. Die mit dieser relativistischen Auffassung durchaus einhergehende Unsicherheit, nämlich jene um die inhaltliche Stichhaltigkeit wissenschaftlicher Aussagen in letzter Instanz, welche wiederum meist kraft Attributen der Objektigeprägten Denk- und Sprachprozess rechtsmethodisch nur noch geringfügig unterscheidet. Siehe grundlegend dazu bei Rüthers, der davon ausgeht, dass die Idee von der abstrahierenden zur abstrakten Beschreibung rechtlicher Strukturen (er spricht insofern von der „Kodifika­ tionsidee“) „als Regeltyp nach wie vor das Denken der meisten Juristen in Methodenfragen“ präge, ders., S. 449; vgl. fernerhin etwa bei Arnold, S. 46 f.; Höffe, S. 333 f.; Wiehl, in: ders. (Hrsg.), S. 41. 361 Buckel et al., in: dies. (Hrsg.), S. X. 362 Heidegger, S. 462.

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IV. Homo-Sacer-Projekt von Giorgio Agamben

vität363 gekennzeichnet sind, kann in aller Regel mit dem Einwand begegnet werden, dass Veränderungen in der Völkerrechtsordnung einer historischen Logik, einem Sinn oder einer Notwendigkeit folgen.364 Dafür sprechen sowohl der Zuwachs an völkerrechtlichen Regelungen und Normensubsystemen365 als auch die institutionellen Entwicklungen der zwischenstaatlichen Ordnungen366, die teils Verselbstständigungen gegenüber dem Staatenkonsens aufweisen.367 Solche Vorstellungen legen einen Bezug der hier aufgezeigten schematischen Ordnung der Konzepte aus den Homo-Sacer-Publikationen zu einem Geschichtsverlauf ihrer Rezeption im Völkerrecht nahe, welcher sich mit Agamben sicherlich als genealogisch beschreiben ließe368, der letzten Endes aber auf eine Rekonstruktionsvariante ihrer jeweiligen historischen Umgebungsbedingungen begrenzt ist.369 Es geht dabei um das Moment einer Herkunftsbestimmung, sprich um das Eingeordnetwerden. Derjenige ordnet ein, der Agambens Konzepte für sich durchdenkt, im eigenen Denk- und Sprachsystem umbildet und somit das originär Gemeinte immer mehr zweckorientiert einschränkt. Solche Begriffe und Begriffssysteme nach Agamben sind zwar Nachbildungen eines anderen, aber wiederum authentische und eigenständige. Denn derartige Rezeptions- und Fortschreibungsvorgänge lassen sich aufgrund der ihnen innewohnenden Komplexität – wie mit Häberle und Strasen anzuerkennen ist – nicht auf eine monokausale Ursache-Wirkung-Kette reduzieren, sodass an dieser Stelle nur vermittelnd zu schlussfolgern bleibt: Wenn die einzelnen Rezeptionshandlungen einer Rezipientengemeinschaft vom Ende, also vom Resultat her in einem Rezeptionsmodell – ganz gleich von welcher Art und Güte  – nicht oder nur eingeschränkt zu beurteilen oder darzustellen sind, dann erscheint es umso wichtiger, zumindest einen geordneten Anfang zu ihrer Aufarbeitung im Rahmen eines völkerrechtsphilosophisch fundierten Infragestellens zu setzen. Hierbei ist bloß von untergeordneter Bedeutung, ob künftig ein vornehmlich wissenschaftliches Hinterfragen – etwa solcher Nachbildungen

363

Vgl. bei Landecker, S. 70. Bereits Mosler schreibt dazu: „Die Staatenwelt und ihre Organisationsformen sind ständigen Veränderungen unterworfen. Auf der anderen Seite muß betont werden, daß sich der Wandel in der Kontinuität der Geschichte, also in komplexen und langwierigen Prozessen, vollzieht“, ders., in: ZaöRV 36 (1976), S. 6 (15); lesenswert dazu auch bei Seidel, in: AVR 38 (2000), S. 23 (23 ff.). 365 So auch bei Milej, S. 354. 366 So auch bei Gronholz, S. 178. 367 Vgl. bei Kleinlein, S. 95. 368 Zu genealogischen Kritikbegriffen und -modi siehe bei Saar, S. 310 ff. 369 In Anlehnung an Willand stehen die maßgebenden Aspekte historischer Rezeptionsforschung, wie (1) ein einzelner Leser, (2) eine bestimmte Gruppe von Lesern, (3) ein einzelner (auch nicht-)literarischer Text, (4) eine Gruppe von (auch nicht-)literarischen Texten, oder aber nur bestimmte Kontextelemente, wie (5) der Autor, (6) der „Zeitgeist“ oder die historischen Umgangsformen, bzw. (7) die Diskurse oder Diskursformationen, im Fokus des Erkenntnisinteresses; vorgenannte Aspekte zeigen zugleich einige der im Nachvollzug des Geschriebenen beschränkend wirkenden Umgebungsbedingungen auf; siehe dazu weiterführend bei ­Willand, S. 302 ff. 364

3. Einordnungsproblematik der Konzepte nach Agamben 

149

der (auch rechts-)philosophisch bedeutsamen Konzepte aus dem Homo-SacerProjekt in einem gegenwartsbezogenen Schrifttum zum Völkerrecht – mehr oder minder oft unter Gesichtspunkten der kontinentaleuropäischen oder angelsächsischen Denk- und Sprachtradition erfolgt, solange auch verständige Betrachtungsund Begründungsweisen einen Erkenntniszuwachs in der Sache entsprechend befördern.

V. Homo-Sacer-Projekt im Völkerrechtsschrifttum Text dient der Codierung von Wissen. Wissen wird in den verfassten Gesellschaften westlicher Prägung hauptsächlich durch Text vermittelt, sodass hierin enthaltener Wissensrohstoff folglich in sehr großen Mengen verfügbar ist. Wie bereits eingehend erwähnt, sind die verschiedenen Verarbeitungsebenen sowie wissensbasierten Verstehensprozesse der Akteure, Leser und Rezipienten auf Grundlage modellhafter Betrachtungen zugunsten ihres verallgemeinerungsfähigen Kontextes allerdings nur begrenzt nachzuvollziehen. Es ist dabei leicht zu bemerken, dass im Grunde die persönliche Neigung zum „Hausgemachten“1, wie Häberle trefflich sagen würde, und nicht eine Idee, nicht die Einsicht einer Notwendigkeit letztendlich die Auswahl eines Rezeptionsgegenstands bestimmt. Deshalb bedarf es, um jener unabwendbar einhergehenden Unschärfe so weit wie möglich entgegenzuwirken2 – etwa unter Zuhilfenahme kultureller Schemata – ihrer plausiblen und kohärenten Sinndeutung, sodass ein überwiegender Teil von Rezeptionshandlungen nebst Wirkungen mit und zum Thema des Homo-Sacer-Projekts nach Agamben im völkerrechtlichen Schrifttum der Gegenwart als ein abgrenzbarer Kommunikationsraum von Rezipientengemeinschaften, also „epistemic communities“3, beschreibbar wird. Auf der Grundlage einer nach Art und Umfang hinreichenden, empirischen Datenmenge sind die stets wissensbasierten Vorgänge von Rezeption und Fortschreibung zu belegen. Es geht vorliegend um anknüpfende Einordnungen zum Völkerrechtsschrifttum. Wenn durch einen einzelnen Rezipienten, sprich Verfasser eines Aufsatzes oder Fachartikels, ganz subjektiv erkannt wird, was als einzelne Information des zeitlos Gültigen oder des Zeitbedingten in Gestalt kultureller Text-, Welt- und Sprach-Schemata, hier der Nachbildungen aus dem Homo-Sacer-Projekt, Relevanz besitzen soll, dann ist von besonderem Interesse, wie diese Reproduktionen für die Lösungen von (Rechts-)Problemen in völkerrechtswissenschaftlichen Diskursen, sprich in anderen als den ursprünglichen, historisch-situativen Kontexten fruchtbar gemacht worden sind. Es interessieren folglich die jeweils geschaffenen Betrachtungs- und Begründungsweisen anderer, die so neue Erklärungszusammenhänge im Völkerrecht mit Bezug auf Agambens Homo-Sacer-Schriften bilden. Bei alledem sind Aspekte von Entkontextualisierung und Neukontextualisierung zentral. Durch die dokumentarische Untersuchung der Textquellen und Betrachtung in deren neuen Kontexten werden etliche Vorgänge der Rezeption und 1

Häberle, in: JZ 21 (1992), S. 1033 (1037). Vgl. dazu bei Strasen, Rezeptionstheorien, S. 62. 3 Haas, S. 5. 2

1. Analyse der Textquellen

151

Fortschreibung zu einem Modell reduziert. Hierin liegt der bestimmende Ansatzpunkt für die Methoden der Rezeptionsanalyse, Nutzungs-, Einfluss- und Wirkungsforschung sowie nicht zuletzt einer das im Homo-Sacer-Projekt angelegte Sinn­potenzial deutenden Völkerrechtsphilosophie mit Blick auf das zeitgenössische Völkerrechtsschrifttum.

1. Analyse der Textquellen Dem Grunde nach handelt es sich bei der Rezeptionsanalyse als Untersuchungsmethode um eine besondere Form der Inhaltsanalyse, wobei die datenmäßig erhobenen Schriftdokumente, kurzum Textquellen als Datenmenge, vorliegend ausschließlich wissenschaftliche Publikationen in Form von Aufsätzen oder Fachartikeln des gegenwärtigen Völkerrechtsschrifttums darstellen sollten.4 Der große Vorteil solcher Texte aus völkerrechtswissenschaftlichen Fachzeitschriften liegt darin, dass diese periodisch erscheinen und im Unterschied etwa zu Klassiker- und Grundlagentexten in Monographien zwar nicht umfassend und in aller Ausführlichkeit, dafür aber durchaus zeitnah zu einer Sach- und Problemlage inhaltlich Stellung nehmen. Vor allem in aktuellen Aufsätzen oder Fachartikeln lässt sich bereits ein erstes, unter Umständen sogar verallgemeinerungsfähiges Meinungsbild in der (inter-)nationalen Forschergemeinschaft zu einem Thema ein Stück weit erkennen.5 Insbesondere Aufsätze und Fachartikel im völkerrechtlichen Schrifttum, die auf die Klassiker- und Grundlagentexte aus Literatur, Staats- und Rechtsphilosophie der pluralistischen (Kultur-)Nationen rekurrieren, vermögen hierdurch einen effizienten und gegenwartsnahen Zugang zu den vornehmlich prinzipienorientierten „Klassikergesprächen zwischen Generationen und Kulturen“6 zu eröffnen. Zeitgenössisch meint in diesem Zusammenhang einen Erhebungszeitraum7 der Jahrgänge ab 1990, nicht erst mit der Veröffentlichung des ersten Bandes der Homo-Sacer-Schriftenreihe in dem Jahr 1995 beginnend, bis einschließlich des Jahrgangs 2012. Dieser Betrachtungszeitraum war aus Gründen der Handhabbarkeit und Übersichtlichkeit für die vorliegende Untersuchung zu beschränken, obwohl ein fortwährender Rezeptions- und Fortschreibungsverlauf mit Bezug auf Agambens Homo-Sacer-Projekt innerhalb des 4 Etwa im Entdeckungszusammenhang war der Untersuchungsgegenstand für das Völkerrechtsschrifttum u. a. zum (inter-)nationalen Schrifttum über Literatur-, Politik- oder Sprachwissenschaften abzugrenzen, in denen Inhalte aus der Urheberschaft Agambens, aufgrund seiner thematisch weitläufig ausgerichteten Philosophie, gleichermaßen (häufig) rezipiert und fortgeschrieben werden; siehe zu Aspekten noch im Anfangsstadium eines Forschungsprozesses bei Raithel, S. 23. 5 Aufsätze und Fachartikel sind in hohem Maße informationstragende Texttypen, die zumeist zur Kommunikation zwischen Experten auf konkreten (Fach-)Gebieten sowie zu bestimmten Themenstellungen dienen, siehe dazu ausführlicher bei Könneker, S. 172 ff. 6 Kotzur, in: Weiß (Hrsg.), Hugo Grotius: Mare Liberum, S. 5 (11). 7 Siehe grundlegend dazu bei Raithel, S. 186 f.

152

V. Homo-Sacer-Projekt im Völkerrechtsschrifttum

Völkerrechtsschrifttums zu vermuten bleibt. Sinn und Zweck der Begrenzung ist weiterhin, in einem zeitlich abgesteckten Rahmen die repräsentativen Textquellen aus dem deutschen und angelsächsischen Sprachraum zu einem abgrenzbaren Themenbereich, nämlich in zumeist eindeutigen Bezugnahmen von Rezipienten auf die zuvor aufgeführten Konzepte aus dem Homo-Sacer-Projekt Agambens, zu finden und ebendiese in einem Datensatz – mit dem Ziel der Verdichtung von Einzelinformationen8 – zu erfassen. Hierzu waren in einem ersten Schritt die mutmaßlich relevanten Textquellen anhand des übergeordneten Suchbegriffs „Agamben“9 unter Zuhilfenahme benutzeroffener Suchverfahren und vorgegebener Suchalgorithmen der verschiedenen Onlinedienste deutsch- oder englischsprachiger Datenbanken zu erheben10. Die so gewonnene Rohdatenmenge11 basierte erst einmal auf der Annahme, dass das jeweils gefundene Dokument auch rezeptionstheoretisch verwertbare Informationen über alleinstellungsfähige Konzeptionen aus dem Homo-Sacer-Projekt und damit über den Suchbegriff „Agamben“ hinausgehend beinhalte. Für diese Bestandsaufnahme einer hierbei interessierenden Rezeptionspraxis im deutschen Sprachraum ist indes festzustellen, dass sich die Erhebung zur angestrebten Datenlage aufgrund mangelnder Veröffentlichungen entsprechend der Auswahlkriterien, sprich einerseits in ausschließlich deutscher Sprache verfasst und andererseits in vorgenannter Publikationsform im einschlägigen Schrifttum erschienen zu sein, nicht nur schwierig, sondern wegen der erstaunlich dünnen, da meist unvollständigen bis fehlenden Datenlage auch unergiebig gestaltet hat.12 Hingegen konnte mittels der 8

Siehe grundlegend dazu bei Raithel, S. 9 u. S. 119; Backhaus et al., S. 19. Zum Zeitpunkt der Erhebung einer zunächst nur unbestimmten Menge an Textquellen aus Aufsatzdatenbanken und Fachbibliographien war ein insbes. zu den Konzepten des HomoSacer-Projekts übergeordneter Suchbegriff zu wählen, der zwar vereinheitlichend, aber nicht einschränkend wirkt (Metasuche), sodass eine hinreichende Wahrscheinlichkeit auf umfangreiche Sichtung und Sammlung von Referenzmaterialien gegeben war; dementsprechend kam für diesen Arbeitsschritt erst einmal nur der (markante) Nachname des Urhebers der HomoSacer-Publikationen in Betracht, da bereits die bloße (Namens-)Benennung Agambens durch eine sehr hohe Auffindewahrscheinlichkeit in den Onlinediensten gekennzeichnet ist. 10 Vgl. zur Erhebungsvorbereitung und Datenerhebung bei Raithel, S. 28. 11 Vgl. zur Datenaufbereitung bei Raithel, S. 28 f. 12 Nachfolgende völkerrechtliche Aufsatzdatenbanken und Fachbibliographien für den deutschen Sprachraum, die im Internet teilweise nur mit entsprechender Nutzungsberechtigung abrufbar sind, wurden zunächst unter Verwendung des Metasuchbegriffs „Agamben“, sodann in der Gegenprobe mittels weiterer relevanter Suchbegriffe entsprechend der hier sieben Agamben’schen Konzepte abgefragt: (1) „RAVE“ steht für Rechtsprechung und Aufsätze zum Völker- und Europarecht, das Projekt des Lehrstuhls für deutsches und ausländisches öffentliches Recht, Völkerrecht und Europarecht an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf wurde zwar längstens eingestellt, war aber zu Erhebungszeitpunkten noch abrufbar und enthält zumindest für die dort datenmäßig eingepflegten Jahre 1998 bis 2005 keine relevanten Datensätze; (2) Online-Katalog der Bibliothek des Max-Planck-Instituts (MPI) für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg, welcher fünf einschlägige Ergebnisse verzeichnete, die jedoch in englischer Sprache verfasst sind sowie nicht in deutschsprachigen Fachzeitschriften geführt werden, fernerhin lieferten auch die Sammlun 9

1. Analyse der Textquellen

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verlagsübergreifenden Datenbank „Legal Research Database HeinOnline.org“13 für den angelsächsischen Sprachraum eine belastbare Datenmenge erhoben werden, die sich durch eine Dokumentation infrage kommender Beiträge in Form von Aufsätzen oder Fachartikeln unter Anwendung der Auswahlkriterien auszeichnet. In einem zweiten Schritt war jedes Dokument aus der zunächst nur zeitlich geordneten Rohdatenmenge mithilfe von OCR14-basierten Programmsystemen ins Einzelne gehend zu durchsuchen. Zugleich waren erkennbar nicht relevante, da aufgrund der Inhalte nicht einschlägige Textquellen von der Rohdatenmenge auszusortieren, um eine genauer untersuchbare Datenmenge der Analysestichprobe15 zu erzeugen. Hierbei wurden die kategorisierten Begriffe und Begriffssysteme aus dem Homo-Sacer-Projekt als Feinjustierung und  – gewissermaßen als Gegenprobe – noch einmal der Familienname des Urhebers zur Durchsicht des vorhandenen Wissensrohstoffs verwendet, um auf diese Weise die semantischen Relationen im jeweiligen Fremdtext16, sprich die bestimmbaren Sinn- und Bedeutungsbeziehungen originärer Konzepte Agambens zu Textgestalt und Textgehalt im Übrigen, unter Einsatz vorgenannter Maßgaben besser extrahieren zu können. In einem dritten Schritt wurden anhand absoluter Zählhäufigkeiten und zum Teil notwendig interpretierender Zuordnungen aus fremdtextuellem Zusammengen der (2a) Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (ZaöRV) nur ein deutschsprachiges Ergebnis, die (2b) sog. „Max Planck Encyclopedia of Public International Law“ (MPEPIL) wie auch der (2c) E-Book-Katalog der Max-Planck-Gesellschaft enthielten diesbezüglich keine verwertbaren Daten; (3) das Archiv des Völkerrechts (AVR) in Tübingen listete insoweit ein deutschsprachiges Resultat auf; (4) das sog. „Viadrina International Law Projekt“ (VILP) der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder zeigte keine entsprechenden Ergebnisse an; (5) der Online-Katalog der Bibliothek des Instituts für Theologie und Frieden (ithf) in Hamburg verzeichnete ebenso keine einschlägigen Daten; (6) der Literatur-Webserver „Individualizable Online Literature Information System“ (Iolis) der ­Johannes Kepler Universität (JKU) in Linz in Oberösterreich zeigte lediglich ein thematisch, allerdings nicht verwertbares Ergebnis an; (7) die „Systematische Sammlung des Bundesrechts der Schweiz“ (SR) der Schweizerischen Bundeskanzlei in Bern, die u. a. auch völkerrechtliche und interkantonale Publikationen dokumentiert, führte keine der gesuchten Daten; (8) „Brill Online“ steht für Brill Nijhoff E-Books Collections on Human Rights and Humanitarian Law, International Law in Leiden in den Niederlanden, zur Verfügung gestellt durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und der Bayerischen Staatsbibliothek in München, lieferte ein verwertbares, jedoch wiederum nur englischsprachiges Ergebnis; (9)  die Metadatenbank „Kuselit“ ist eine verlagsübergreifende Rechercheplattform und Rechtsbibliographie aus Etschberg und Ottweiler, die die vorgefundenen Tendenzen nur sehr zögerlicher ­Agamben-Rezeptionen im deutschen Sprachraum bestätigte; auf die aus vorgenannten Datenbanken sonstig gewonnenen Textquellen wird an entsprechender Stelle hingewiesen. 13 Vgl. dazu ausführlicher unter I. 3. in Fn. 47. 14 Die Abkürzung OCR steht für „Optical Character Recognition“, also für optische Zeichenerkennung und beschreibt ein aus der Informationstechnik stammendes Verfahren zur automatisierten Texterkennung innerhalb bildbasierter Datenformate (etwa PDF). 15 Zur Fehlerbehebung und nochmaligen Kontrolle wurde der Rohdatensatz nach Plausibilitätskriterien, Kontrollfragen sowie Augenscheinvalidität bereinigt, vgl. zu Verfahrensweisen bei Raithel, S. 187. 16 Siehe dazu weiterführend bei Sohrabi, S. 29 f.

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V. Homo-Sacer-Projekt im Völkerrechtsschrifttum

hang erkennbar rezipierte Begriffe und Begriffssysteme nach Agamben, kurzum die Rezeptionsdaten, in Form einer Datenmatrix angeordnet17, die Voraussetzung einer multivariaten Datenanalyse mithilfe des Programmsystems IBM SPSS 20 ist.18 Die Spalten der Datenmatrix beziehen sich auf die Variablen, hiermit auf die gesuchten Konzepte nach Agamben nebst ihrer jeweiligen englischsprachigen und – sofern erforderlich – auch sinngemäßen Entsprechungen in den untersuchten Textquellen. Danach ergab sich das Variablenset19, wie (1) das nackte Leben (bare life, naked life, mere life), (2) der Homo Sacer, (3) der Bann, die Bann-­Beziehung (ban, abandonment), (4) die souveräne Macht, die Souveränität (sovereign power, sovereignty), (5) der Ausnahmezustand (state of exception, state of emergency), (6) das Lager (camp) und (7) die Biopolitik (biopolitics). Hierzu sind die absoluten Häufigkeiten der gezählten Gesamtbezugnahmen in den Fremdtexten auf originäre Begrifflichkeiten aus dem Homo-Sacer-Projekt erfasst worden. Darüber hinaus wurde jeweils ermittelt, ob es sich um eine inhaltliche Auseinandersetzung mit diesen Konzepten als Argumentationstopoi nach Agamben, eventuell sogar um nachweisbare Fortschreibungen dieser Rezeptionsgegenstände oder um bloße Referenznennungen („name dropping“) und Verschlagwortungen20 („buzzwords“, „catchwords“) handelt.21 Die Zeilen der Matrix umfassen indes die Beobachtungen respektive Fälle, welche sich auf unterschiedliche Personen, Gegenstände und Zeitpunkte der Rezeptionen nebst zugehörigen Zählwerten beziehen.22 Wie zuvor soll hierbei die thematische Abgrenzung anhand vorgenommener Kategorisierung strukturiert sein, das heißt, die Untersuchung richtet sich nach dem zu erkennenden Begriff oder Begriffssystem nach Agamben und ordnet sodann weitere Merkmale, wie Art, Umfang, Ort und Zeit, der jeweiligen Rezeption sowie statistische Erkenntnisse aus der Analyse mit IBM-Computerprogramm SPSS  20 zu.23 Die Entwicklung weiterer Indikatoren neben jenen, die durch den gewählten rezep­ tionstheoretischen Ansatz bereits vorgegeben sind, erscheint nicht erforderlich, da die konkreten Verwendungen beziehungsweise Bezugnahmen auf ­Agamben’sche Konzepte als Argumentationstopoi in den hier ausgewählten Textquellen insgesamt einem sehr einheitlichen Muster folgen. Die zu erhebenden Sachverhalte konnten vorwiegend anhand eindeutiger Worterkennungen sowohl in den Refe 17

Vgl. dazu bei Raithel, S. 83 f. Zur computergestützten Durchführung rechnerischer Untersuchungen und Auswertungen von mehr oder weniger umfangreichen Datenmengen mit statistischen Methoden hat in der Wissenschaft und Praxis die Analysesoftware IBM SPSS eine besonders weite Verbreitung gefunden, wobei SPSS für „Statistical Product and Service Solution“ oder „Superior Performing Software System“ stehen kann; zeitweilig wurde das Programm auch unter dem Namen PASW für „Predictive Analysis SoftWare“ geführt, vgl. dazu weiterführend bei B ­ ackhaus et al., S. 23. 19 Vgl. dazu etwa bei Eckstein, S. 63 f.; Backhaus et al., S. 24 ff. 20 Siehe dazu bei Knorr, S. 86 ff. 21 Vgl. insbes. zu methodologischen Einordnungen intertextueller Bezugnahmen bei Pham, S. 36 ff. 22 Vgl. dazu etwa bei Brosius, SPSS-Programmierung, S. 299 u. S. 311 ff. 23 Die weiterführenden Informationen zum konkreten Rezeptions- oder Fortschreibungsvorgang sind jeweils in den Fußnoten dieser Abhandlung wiedergegeben. 18

1. Analyse der Textquellen

155

renzmaterialien als auch Textquellen begutachtet werden. Nur in seltenen Fällen wurden die gesuchten Agamben’schen Begriffe und Begriffssysteme aus den Homo-Sacer-Publikationen durch indirekte Angaben, Ausdrücke oder Bezeichnungen umschrieben, was einerseits ihr Auffinden anhand der datenbankeigenen Suchverfahren erschwerte und andererseits ein oft wertendes, rein subjektives Herauslesen des Gemeinten im (fremd-)textuellen Bestimmungszusammenhang notwendig machte. Im Gesamten wurden 98 Aufsätze und Fachartikel des deutsch- oder englischsprachigen zeitgenössischen Völkerrechtsschrifttums aus über zwei Jahrzehnten von 1990 bis 2012 auf Grundlage der vorgenannten Gruppierungs- und Filterverfahren zur Rohdatenmenge aufgenommen und ausgewertet. Hierunter waren noch 21 Textquellen von der engeren Auswertung auszuschließen, da diese zum Teil  nicht eindeutig der definierten Publikationsform zugeordnet werden konnten. Ein weiterer Ausschlussgrund lag vor, wenn die Texte ausschließlich auf andere Werke oder Konzepte von Agamben beziehungsweise nur auf dessen Person bezogen waren, nicht aber in sonstiger Weise den hier gesuchten sieben Konzeptionen entsprachen.24 Nach alldem konnten immerhin 77 Textquellen zur detaillierten Analyse herangezogen werden, sodass sich anhand dieser Stichprobe zum Homo-Sacer-­Projekt im Völkerrechtsschrifttum der Gegenwart die folgenden Rezeptionshandlungen und -ergebnisse dokumentieren ließen. 24 Die Rohdatenmenge war  – obgleich ebenso rezipierende Bezugnahmen auf Giorgio Agamben oder dessen (sonstige) Werke vorlagen – um nachfolgende Textquellen zu bereinigen, insbes.: Warner, in: JRS 7 (1994), S. 160 (168), Bezug in Textzitat auf Beyond ­Human Rights, in: Online-Zeitung Libération (1993); Chesterman, in: YJIL 22 (1997), S. 299 (322), Bezug in Fn.  138 auf The Coming Community (1993); Kibreab, in: JRS  12 (1999), S.  384 (368), Bezug in Textzitat als Drittrezeption zu Warner (in: JRS  7 1994, S.  168); Deva, in: SJLS 2 (2004), S. 305 (315), Bezug in Fn. 73 auf What is a People?; Evans, in: FJIL 16 (2004), S. 727 (732), Bezug in Fn. 23 auf The Coming Community (1993); Warta, in: Juridikum 1 (2006), S. 3 (3), Bezug in Text als Referenznennung; Noll, in: MJIL 7 (2006), S. 104 (125), Bezug in Fn. 79 auf Potentialities: Collected Essays in Philosophy (1999); Orford et al., in: ASILProc 100 (2006), S. 261 (264 u. 270), Bezug in Text als Referenznennung; Chimni, in: MJIL 8 (2007), S. 499 (513), Bezug in Fn. 73 auf Agamben-We-Refugees (2006); Deva, in: GWILR 39 (2007), S. 255 (265), Bezug in Fn. 60 auf Means Without Ends: Notes in Politics (2000); Contini/Mohr, in: ULR 3 (2007), S. 26 (31), Bezug in Fn. 28 auf What is a People?; Galindo, in: MJIL 11 (2010), S. 515 (524 u. 526), Bezug in Fn. 51 u. Fn. 62 auf Infancy and History: The Destruction of Experience (1993); Aristodemou, in: AFLJ 34 (2011), S. 3 (6), Bezug in Fn. 8 auf The Coming Community (1993); Blank, in: CLR 96 (2011), S. 633 (645), Bezug in Fn. 65 als Referenznennung; Galindo, in: HLLR 14 (2011), S. 377 (382), Bezug in Fn. 47 auf Means Without Ends: Notes in Politics (2000); Kirkby, in: AFLJ 34 (2011), S. 127 (159), Bezug im Text als Referenznennung; Ladeur/Augsberg, in: J. L. & Religion 26 (2011), S. 427 (432 f., 435, 463, 465), Bezug im Text und in dortigen Fn. 27, 32, 37, 43, 254, 286 als Referenznennung und weiterhin auf Annäherungen an die Lektüren von Alain ­Badiou, ­Giorgio Agamben und Slavoj Žižek, in: Philosophische Rundschau  53 (1996), The Time that Remains: A Commentary on the Letter to the Romans (2005), Parallelen, Perspektiven, Kontroversen (2007), Badiou-Agamben-Žižek-Santner (2007), Was ist ein Dispositiv? (2008);­ Contini/Mohr, in: GLR 20 (2011), S. 994 (999, 1016 u. 1017), Bezug im Text und in Fn. 24 u. Fn. 66 auf The Sacrament of Language: An Archaeology of the Oath (2011).

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V. Homo-Sacer-Projekt im Völkerrechtsschrifttum

Im Allgemeinen ist festzustellen, dass die Konzepte nach Agamben innerhalb der untersuchten Textquellen im Verlauf der Zeit unterschiedlich häufig und ungleich intensiv rezipiert werden. Hierbei ist eine Tendenz zur Übernahme nur bestimmter durch Agamben um- oder neugeprägter Ideen, Begriffe oder Vorstellungen im völkerrechtsphilosophischen Sprachgebrauch zu erkennen. Selektive Rezeptionen sind zentral. Dies bedeutet, dass spezifische Begrifflichkeiten aus dem Homo-Sacer-Projekt, die sich – wie zuvor gezeigt – durch ihre ganz bestimmten inhaltlichen (Vor-)Prägungen auszeichnen, insgesamt von einer sehr heterogenen Rezipientengemeinschaft in Zeit und Raum nur episodisch angenommen und in andere historisch-situative Kontexte – hier im Zusammenhang zu völkerrechtlichen Sachverhalten, Problem- und Themenstellungen – eingekleidet werden. In über 60 Prozent der Fälle sind in den Textquellen mindestens drei der sieben Begriffe oder Begriffssysteme durch Rezipienten verwendet worden.25 Immerhin waren es in 19 Prozent der Betrachtungen noch zwei von sieben Konzeptionen nach Agamben, die in einem textuellen Bestimmungszusammenhang durch Rezipienten angesprochen wurden. Hingegen war in 17 Prozent der Fälle nur ein hier relevantes Konzept aus dem Homo-Sacer-Projekt zu erkennen. Wenn auf diese Konzepte aus Agambens Homo-Sacer-Schriftenreihe in rezipierenden Textquellen Bezug genommen wird, so lässt sich aus diesen Daten schlussfolgern, dann geschieht dies auch mit einer relativen Intensität der Rezeptionshandlungen, das heißt, inhaltlich unterschiedliche Begriffe oder Begriffssysteme, sprich wenigstens zwei verschiedenartige Konzeptionen, werden in der überwiegenden Zahl der Fälle – mithin über 80 Prozent – durch Rezipienten zueinander in intratextuelle Beziehungen26 gesetzt und der jeweiligen Zielsetzung des Aufsatzes oder Fachartikels nach beieinander erörtert. Für den Kommunikationszusammenhang bedeutet diese Tatsache zugleich, dass ein völkerrechtswissenschaftlicher Text, der Konzepte nach Agamben im Rahmen der eigenen Thematik bespricht, die übernommenen Sinn- und Bedeutungsstrukturen durch Quellen- und Zitatverweise auch für andere Personen entsprechend bestimmbar macht. Die Wiedergabe von mehreren Konzeptionen nach Agamben spricht dem ersten Anschein nach für eine eingehende Beschäftigung der Rezipienten mit diesen philosophischen Entwürfen im neuen völkerrechtlichen Kontext. In der durch das erst unbefangene Lesen eines Dritten zu schaffenden Text-Leser-Wirklichkeit treten damit die mehrfach von Rezipienten aufgeführten Begriffe oder Begriffssysteme erkennbarer gegenüber anderen, nicht mit dem Homo-Sacer-Projekt in Beziehung stehenden Argu 25

Konkret sind es 21 Prozent für drei und 43 Prozent für mehr als drei unterschiedliche Begriffe oder Begriffssysteme der in den Textquellen rezipierten Konzepte nach Agamben (N = 77). 26 Neben intertextuellen Relationen (vgl. dazu unter II. 3. in Fn. 133 u. Fn. 136) bestehen solche, die innerhalb eines Textes selbst wirken, wenn u. a. fremde Kontexte selbst als Bestandteil im Text präsent sind; dies wird als intratextuell bezeichnet und meint das von einem Textproduzenten zugrunde gelegte textkonstituierende Schema, hier insbes. das Zusammenwirken eigener Textinhalte mit eingebundenen Fremdtextinhalten; siehe dazu weiterführend bei Burger/Luginbühl, S. 122 u. S. 147.

1. Analyse der Textquellen

157

menten hervor, als dies in knapp 20 Prozent der untersuchten Textquellen mit nur einmaliger Begriffsverwendung der Fall ist. Die Einzelverteilung der Begriffe und Begriffssysteme in der Stichprobe aus 77 Textquellen, wobei aufgrund von (als zulässig erachteten) Mehrfachnennungen von insgesamt 262 Begriffsnennungen auszugehen war, da insofern ihre absoluten Häufigkeiten unter den Rezeptions- und Fortschreibungsbezugnahmen interessierten, ergab, dass die Konzepte sowohl des nackten Lebens27 und des Homo Sacer28 als auch der souveränen Macht/Souveränität29 und des Ausnahmezustands30 in etwa gleich häufig verteilt sind, genauer gesagt, um einen Mittelwert von 50,25 Nennungen in der Stichprobe auftraten. Die weiteren Konzeptbezüge zur Biopolitik31, zum Lager32 und zuletzt zur Bann-Beziehung33 wiesen deutlich geringere Häufigkeiten um einen Mittelwert von 20,33 Nennungen in der Stichprobe auf. Diese Abweichungen in der Häufigkeitsverteilung betrachteter Begriffe und Begriffssysteme in den völkerrechtlichen Schriftquellen können vorliegend als signifikant34 bezeichnet werden, da die gefundenen Werte für das nackte Leben oder den Homo Sacer wie auch für die souveräne Macht/Souveränität oder den Ausnahmezustand besonders im Verhältnis zu den weiteren Nennungen über die Biopolitik, das Lager oder die Bann-Beziehung eine mitunter mehr als zweifach so hohe Nennhäufigkeit in der Stichprobe aufzeigten. Das Abweichungsverhältnis der vier erstgenannten Konzepte aus der Homo-Sacer-Schriftenreihe zu den drei letzt­genannten spricht vor allem dafür, dass das nackte Leben, der Homo S ­ acer, die souveräne Macht/Souveränität oder der Ausnahmezustand in den Rezeptionen und Fortschreibungen anscheinend einen höheren Stellenwert einnehmen. Die Biopolitik, das Lager oder die Bann-Beziehung nach Agamben werden weitaus weniger im Schrifttum zum Völkerrecht diskutiert. Mit aufgezeigten Häufigkeitsverteilungen in den Textquellen dürfte eine zu vermutende Regelhaftigkeit bei den Rezeptions- sowie Fortschreibungshandlungen von Konzeptionen nach Agamben im Völkerrechtsschrifttum belegt sein, die es im Folgenden noch ausführlicher zu substantiieren gilt. 27

Absolute Häufigkeitsverteilung von 47 Nennungen in den Textquellen (N = 262). Absolute Häufigkeitsverteilung von 48 Nennungen in den Textquellen (N = 262). 29 Absolute Häufigkeitsverteilung von 54 Nennungen in den Textquellen (N = 262). 30 Absolute Häufigkeitsverteilung von 52 Nennungen in den Textquellen (N = 262). 31 Absolute Häufigkeitsverteilung von 27 Nennungen in den Textquellen (N = 262). 32 Absolute Häufigkeitsverteilung von 20 Nennungen in den Textquellen (N = 262). 33 Absolute Häufigkeitsverteilung von 14 Nennungen in den Textquellen (N = 262). 34 Signifikant meint hier stets statistisch signifikant; die Statistik bildet einen wesentlichen Grundpfeiler der Methodik in allen quantitativen wissenschaftlichen Disziplinen; sie stellt allerdings kein Evidenzkriterium dar; Raithel erläutert die statistische Signifikanz wie folgt: „Signifikanz ist ein wichtiges Kriterium für die Beurteilung der Gültigkeit von Untersuchungsergebnissen. Mit der statistischen Signifikanz kann eine Aussage über die Bedeutsamkeit der Befunde getroffen werden. Sie ist eine Bezeichnung für die Wahrscheinlichkeit, mit der angenommen werden kann, dass die Unterschiede zwischen den Stichproben nicht zufällig, sondern Kennzeichen der Untersuchungseinheit sind [Hervorheb. bereits im Originaltext d. Raithel]“, vgl. bei ders., S. 122. 28

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V. Homo-Sacer-Projekt im Völkerrechtsschrifttum

Weiterhin ist aufzuzeigen, dass die Einzelnennungen zum nackten Leben, Homo Sacer, zur souveränen Macht/Souveränität wie auch zum Ausnahmezustand in annähernd gleichen Häufigkeiten in der Stichprobe festzustellen waren. Dies lässt sich mit ihrer Verwendung in den Buchtiteln der Bände Homo Sacer I. und II.2 der Homo-Sacer-Schriftenreihe35 erklären, wenn und soweit diese zusammen im Erhebungszeitraum zitiert wurden. Gleichzeitig ist eine gewisse Popularität dieser Begriffe und Begriffssysteme nach Agamben zu bemerken, wobei die Konzepte zur souveränen Macht/Souveränität und zum Ausnahmezustand aufgrund ihrer begrifflichen Natur ebenfalls in völkerrechtlichen Textzusammenhängen eingängig zu denken sind. So wird das Konzept der Biopolitik – im Endeffekt wohl seinem Wortstamm folgend – eher in einem politischen, denn rechtlichen Kontext verwendet. Die Termini des Lagers und der Bann-Beziehung fanden, erst einmal nicht abschließend und in Relation zu den hier erforschten Konzeptionen nach Agamben bewertet, keine umfassende Verbreitung in den Rezeptions(zeit-)räumen. Die Befunde anhand einer historischen Zeitreihe über Verwendungen der Begriffe und Begriffssysteme durch Rezipienten dienen neben einer nachvollziehenden Beschreibung der zeitlichen Entwicklungen, sprich der Variablen, die im Zeitablauf gemessen wurden, ebenso der Einschätzung zukünftiger Rezeptions- und Fortschreibungshandlungen dieser Konzepte nach Agamben (Prognose).36 Zu diesem Zweck wurden vor der Stichprobe die anteilmäßigen Verwendungen der sieben Rezeptionsgegenstände aus der Homo-Sacer-Schriftenreihe für den kompletten Erhebungszeitraum der Jahrgänge von 1990 bis 2012 begutachtet. Dass die Zeitreihenanalyse indes erst mit dem Jahr 2003 beginnt, ist mit der Bereinigung der zeitlich geordneten Rohdatenmenge zur Stichprobe zu begründen, da Aufsätze und Fachartikel vor dem Jahr 2003 zwar anderweitige Bezugnahmen auf Agamben oder dessen Schriften vor Erscheinen des ersten Bands der Homo-­ Sacer-Schriftenreihe im Jahr 1995 aufweisen, nicht aber auf die vorliegend interessierenden Begriffe und Begriffssysteme. Dies bedeutet, dass nachweisbare Rezeptions- und Fortschreibungshandlungen zu diesen Konzeptionen nach Agamben im untersuchten Völkerrechtsschrifttum erst gut acht Jahre nach Erscheinen der Erstausgabe einsetzten. Diese Tatsache erweist sich als eine Folge der jeweils erforderlichen Übersetzungsleistungen in die (Fach-)Sprachen, da die „unterschiedliche terminologische Konzeptualisierung mit Definitionen […] und Konventionen […] nebst ihren kulturellen Qualitäten […] für die Übersetzung zu beachten [sind].“37 Demgemäß konnte an dieser Stelle lediglich eine zehnjährige Zeitreihenanalyse ausgearbeitet werden, die in ihrer Aussage- oder Erklärungskraft als Prognose zwecks Bestimmungen der künftigen Einfluss- und Wirkmächtigkeit der verschiedenen Konzepte nach Agamben im Völkerrechtsschrifttum gewisse Tendenzen erkennen lässt. Ein Zeitraum von zehn Jahren erlaubt allerdings keine sichere Prognose auf die kommenden Rezeptionen und Fortschreibungen 35

Siehe dazu unter I. 2. in Fn. 16. Vgl. dazu weiterführend bei Backhaus et al., S. 15 u. S. 120 ff. m. w. N. 37 Stolze, S. 369. 36

1. Analyse der Textquellen

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der Originalkonzepte in ihren jeweiligen Nachbildungen im Schrifttum, da hiesige Grundlagen einer Voraussage einesteils in der Gegenüberstellung zu den Wirkungszeiträumen von Klassikertexten38 des Völkerrechts relativ kurz bemessen sind, und anderenteils Prognosen „wegen der Fehlbarkeit […] besonders heikel“39 im (Völker-)Recht erscheinen mögen. Gleichwohl ist zu bemerken, dass die Konzepte der Biopolitik, des Lagers und der Bann-Beziehung nur einen sehr geringen Anteil der auftretenden Rezeptionen und Fortschreibungen in einem Jahrgang ausmachen. Die Zeitreihenanalyse bestätigt vorhergehende Feststellungen zur Häufigkeitsverteilung, wonach sich eine mehr oder weniger gleichbleibende Verteilung von Rezeptionen und Fortschreibungen der weiteren Konzepte nach Agamben im Zeitablauf mithin abzeichnet. Diese Fakten legen die Annahme nahe, dass jedenfalls in Teilen die philosophischen Konzepte nach ihrem (kontinental-)europäischen Ideenurheber Agamben, insbesondere die Begriffe und Begriffssysteme zum nackten Leben, Homo Sacer, zur souveränen Macht/Souveränität und zum Ausnahme­zustand, auch wiederkehrenden Rezeptions- und Fortschreibungsprozessen unterliegen. Vorgenannte vier Konzepte aus dem Homo-Sacer-Projekt dürften weiterhin Eingang in besonderer Gestalt kulturbedingter Argumentationsmuster zumindest in das Völkerrechtsschrifttum im angelsächsischen Sprachraum finden. Solche Entwicklungen haben zur Folge, dass sich die bestehenden Rezeptionsstrukturen in den unterschiedlichen Rezeptionsräumen in unterschiedlich ausgeprägten Maßen verfestigen werden. Denn jede Rezeption erweist sich nicht nur als eine Interpretation, sondern auch als eine Realisation. Dies geschieht zum Beispiel, indem Rezipienten diese Begriffe und Begriffssysteme nach Agamben in einen bereits vorhandenen Kontext integrieren oder hierzu einen neuen Kontext konstruieren. Es steht zu vermuten, dass Völkerrechtswissenschaftler im angelsächsischen Sprachraum genauso „eher zum ‚Hausgemachten‘, Eigenwüchsigen“40 neigen und in ihrer Begründungstradition entsprechend auf die vorangegangenen, den Ideenpionier Agamben bereits rezipierenden Aufsätze und Fachartikel aus demselben Rezeptionsraum zu eigenen Darstellungszwecken zurückgreifen. Denn die Begriffe und Begriffssysteme nach Agamben sind hierbei schon durch andere Rezipienten so oft aufgearbeitet, dass die geeigneten Nachbildungen aus demselben Denk- und Sprachsystem ohne Weiteres erneut rezipiert und fortgeschrieben werden können. Es wird im Zeitablauf sonach zunehmend zu Mehrfachrezep­ äberles kommen41, sprich jedes Mal die Rezeption des Rezipiertionen im Sinne H ten. Vor allem solche Rezeptionsprozesse durch Dritte manifestieren – wie Strasen darlegt42  – wechselseitig die konzeptuellen Wissensstrukturen über diese philosophischen Entwürfe nach Agamben zwischen den jeweiligen Kommunikationspartnern in der angelsächsischen wissenschaftlichen Rezipientengemeinschaft, 38 Siehe für einen kurzen Überblick zu bereits klassischen Werken, die auch prägenden Einfluss auf das Völkerrecht ausübten und teilweise immer noch ausüben, unter II. 1. in Fn. 50. 39 So auch bei Arnauld, Völkerrecht, S. 282. 40 Häberle, in: JZ 21 (1992), S. 1033 (1037). 41 Siehe bei Häberle, in: JZ 21 (1992), S. 1033 (1037 u. 1041). 42 Siehe bei Strasen, Rezeptionstheorien, S. 350.

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V. Homo-Sacer-Projekt im Völkerrechtsschrifttum

sodass, in der Erwartung, zumindest dort die erwähnten vier Konzepte in zunehmendem Maß für Darlegungen im Völkerrechtsschrifttum herangezogen werden. Ebenso vorsichtig kann hier die Vermutung zum Ausdruck gebracht werden, dass die Konzeptionen nach Agamben aufgrund ihres derzeitigen Rezeptionsstands im deutschsprachigen Völkerrechtsschrifttum, welcher jedenfalls quantitativ hinter dem englischsprachigen zurückliegt, und unter Berücksichtigung der kontinentaleuropäischen Denk- und Sprachtradition im hiesigen Schrifttum weiterhin ein­ Nischendasein bei der Auseinandersetzung mit völkerrechtlichen Problem- und Themenstellungen führen werden. Demgegenüber ist die Frage nach der Beschaffenheit oder Qualität eines Rezeptions- oder Fortschreibungsresultats eine besonders schwierige. Da ein jeder Rezeptions- und Fortschreibungsvorgang aufgrund der ihm innewohnenden Komplexität nicht auf eine Ursache-Wirkung-Kette zu reduzieren43 ist, musste eine Nachweismöglichkeit definiert werden, welche zumindest einen Rückschluss auf die kennzeichnenden Elemente einer solchen Handlung zulässt. Hierzu wurde zwischen der Erfassung bloßer Referenznennung und Verschlagwortung auf der einen Seite und einem qualitativen Mehrwert, etwa im Wege inhaltlicher Auseinandersetzung mit den Agamben’schen Begriffen und Begriffssystemen, auf der anderen Seite unterschieden. Dabei ist festzuhalten, dass sich in den Textquellen der Stichprobe zumeist nur kurze Bezüge auf Agambens Homo-Sacer-Publikationen überwiegend in den Fußnoten44 und vereinzelt im Haupttext45 finden lassen. Die Bezugnahmen in den Fußnoten erfolgen in der Regel als bloße Literaturverweise auf Agambens Werke46 oder teils auch auf vorangegangene Rezipienten47. Gelegentlich können aus den Fußnoten mehr oder minder differenzierende Erörterungen von Rezipienten entnommen werden.48 Im Ganzen zeigte sich, dass Ausfüh 43

So bereits ausdrücklich bei Häberle, in: JZ 21 (1992), S. 1033 (1035) wie auch bei Strasen, Rezeptionstheorien, S. 107. 44 Siehe z. B. bei Baxi, in: IJCL 1 (2003), S. 557 (573), dort in Fn. 105, insbes. zur häufig von Rezipienten verwendeten Zitationsweise: „See Giorgio Agamben, Homo Sacer: Sovereign Power and Bare Life (Daniel Heller-Roazen trans., Stanford Univ. Press 1998) [Hervorheb. bereits im Originaltext d. Baxi]“. 45 Siehe z. B. bei Ben-Naftali et al., in: BJIL 23 (2005), S. 551 (608); Mahmud, in: BJIL 36 (2010), S. 1 (54); Stramignoni, in: ULR 7 (2011), S. 160 (166); Davis, in: YJLF 23 (2011), S. 1 (46). 46 Siehe z. B. bei Haltern, in: AöR  128 (2003), S.  511 (534), dort in Fn.  135; Parry, in: MJIL 6 (2005), S. 516 (520 u. 523), dort in Fn. 22 u. Fn. 35; Nickel, in: EILR 24 (2010), S. 619 (620), dort in Fn. 3; Shanor, in: EILR 24 (2010), S. 589 (613), dort in Fn. 138. 47 Siehe z. B. bei Engle, in: ILSA JICL 15 (2008), S. 33 (36), dort in Fn. 7: Verweis auf einen Beitrag von Humphreys, in: EJIL 17 (2006). 48 Siehe z. B. bei Haltern, in: AöR 128 (2003), S. 511 (534), dort in Fn. 107; Ben-Naftali et al., in: BJIL 23 (2005), S. 551 (605 u. 608), dort in Fn. 304 u. Fn. 318; Schatz/Horst, in: LCLR 11 (2007), S. 539 (543), dort in Fn. 9; Boyd, in: UPJIL 32 (2010), S. 457 (490), dort in Fn. 111; Mahmud, in: BJIL 36 (2010), S. 1 (54 f.), dort in Fn. 336; Stramignoni, in: ULR 7 (2011), S. 160 (163), dort in Fn. 14; De Ville, in: ULR 7 (2011), S. 77 (89), dort in Fn. 68; siehe für eine weniger differenzierte Darstellungsweise etwa bei Davis, in: YJLF 23 (2011), S. 1 (46), dort in Fn. 192.

1. Analyse der Textquellen

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rungen ohne eingehendere Erklärungsleistung neben solchen mit würdigender Besprechung zum Rezipierten in etwa gleich verteilt waren.49 Es bleibt allerdings zu bemerken, dass sobald inhaltliche Auseinandersetzungen mit Konzepten des Homo-Sacer-Projekts von den Rezipienten vorgenommen wurden, ebendiese in den meisten Fällen einen vertiefenden, mitunter sogar kontextbildenden Charakter hatten.50 Nur in seltenen Fällen werden die verschiedenen philosophischen Entwürfe durch die Rezipientenschaft auch kritisch hinterfragt.51 In allen Fällen, so ein vorsichtiges Votum, dürfte dem Philosophen Giorgio Agamben in bezugnehmender Reflexion zum Homo-Sacer-Projekt innerhalb der völkerrechtsbezogenen Rezipientengemeinschaft ein gewisser Wirkungs- und Geltungsanspruch als eine herausragende intellektuelle Person der Zeitgeschichte, möglicherweise darüber hinaus als Autoritätsperson der (post-)postmodernen Philosophie, sicherlich aber nicht als eine solche mit eigener Rechtsautorität52 im Sinne von Artikel 38 Absatz 1 Buchstabe d) IGH-Statut, zuteilwerden. Die getroffenen Aussagen zur (völker-)rechtsphilosophischen Beschreibung Agamben’scher Konzepte unter Gesichtspunkten ihrer nachhaltigen Wirkkraft in Verbindung mit der Person Agamben erscheinen immerhin für den untersuchten englischsprachigen Rezeptionsraum plausibel. Diese Ergebnisse sind indes nicht ohne Weiteres auf den deutschsprachigen Rezeptionsraum übertragbar. Wenn überhaupt, dann sind die auf ihrer Grundlage getroffenen Aussagen allenfalls begrenzt entsprechend geltungsfähig. Die Hauptgründe dafür sind einesteils im derzeit geringen Verbreitungsgrad der Agamben-Rezeptionen im hiesigen Völkerrechtsschrifttum, bei anderenteils einer ohnehin (traditionsgemäß) geringeren Rezeptionswilligkeit für oft avantgardistische Ideen- und Gedankengüter, etwa aus der Philosophie, durch die völkerrechtswissenschaftliche Gemeinschaft zu erkennen. Von einer überwiegend leserorientierten53 Perspektive auf die Begriffe und Begriffssysteme nach Agamben soll der Fokus nunmehr auf die Rezipienten als Sender54 einer Botschaft, als Verfasser eigener Textinhalte und als Urheber neuer Kontexte im Völkerrechtsschrifttum gelegt werden. Da Rezeption ebenso die Realisierung übernommener 49

Das Verhältnis war allein anhand subjektiv wertender Betrachtungen der vorgefundenen Argumentations- und Begründungsweisen jeweiliger Rezipienten nach Maßgaben, wie Detailliertheit, Qualität, Profundität etc., zu ermitteln; siehe z. B. bei Pandolfi, wo sich das statistisch ermittelte Verhältnis sogar in der Textquelle selbst widerspiegelt, vgl. bei dies., in: IJGLS 10 (2003), S. 369 (371, 373, 374, 375, 376), dort in Fn. 7, 12, 20, 22; so ähnlich bei­ Margolies, in: SWLR 40 (2011), S. 575 (579, 581, 599), dort in Fn. 12, 19, 151. 50 Siehe z. B. bei Opitz, in: KJ 4 (2010), S. 436 (436 ff.). 51 Siehe z. B. für unkritisches Bemerken bei Pandolfi, in: IJGLS 10 (2003), S. 369 (374), dort in Fn.  15; Parry, in: MJIL  6 (2005), S.  516 (533), dort in Fn.  74: „Agamben develops­ similar ideas at greater length in Homo Sacer, […], and State of Exception, […], and I am indebted to his analysis [Hervorheb. bereits im Originaltext d. Parry]“; siehe z. B. für kritisches Bemerken bei Nickel, in: EILR 24 (2010), S. 619 (625), dort in Fn. 30. 52 In Anlehnung an Kotzur, in: JöR 49 (2001), S. 329 (341); ders., in: Weiß (Hrsg.), Hugo Grotius: Mare Liberum, S. 5 (10 f.). 53 Vgl. dazu etwa bei Beck, S. 187 f. 54 Siehe dazu etwa bei Beck, S. 164; Wüest, S. 84 f.

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V. Homo-Sacer-Projekt im Völkerrechtsschrifttum

Fremdinhalte zu gemeinten Eigeninhalten umfasst, sind deren Fortschreibungen zum „Eigenwüchsigen“55, sprich Nachbildungen der Originalkonzepte Agambens anhand der jeweiligen kulturbedingten Denk- und Sprachsysteme und nicht zuletzt Weltanschauungen von Rezipienten, durchaus naheliegend. Hierbei sind Übersetzungen der rezipierten philosophischen Textinhalte für das zielsprachliche Verständnis meistens unumgänglich.56 In diesem Zusammenhang wird angemerkt, dass „die Sprache der angelsächsischen Philosophie ihre Vertreter unfähig macht, einen genuin philosophischen Gedanken überhaupt zu fassen oder auszudrücken.“57 Erschwerend kommt noch hinzu, dass gerade „das juristische Weltbild spezifische Unterscheidungen enthält“, die „nur im Kontext einer Rechtsordnung“ bestimmbar sind.58 Ausgehend von diesem übergeordneten Denkrahmen wurden die nachfolgenden Rezeptions- und Fortschreibungsergebnisse zu den sieben Konzepten aus dem Homo-Sacer-Projekt anhand der Stichprobe im Einzelnen ermittelt. (1) Das nackte Leben: Das Begriffspaar des nackten Lebens (im italienischen Originalwortlaut in Homo Sacer I.: „[la] nuda vita“59) wird in den hier untersuchten Textquellen aus dem angelsächsischen Rezeptionsraum überwiegend unter der englischsprachigen Wendung „bare life“ gebraucht und nur vereinzelt mit „naked life“ oder „mere life“ übersetzt.60 In den vorgenannten Wortkombinationen wird das Begriffspaar in rund 51 Prozent der Fälle der Stichprobe ein- oder zweimal verwendet.61 In Bezug auf die sechs weiteren Begriffe und Begriffssysteme nach Agamben dürfte dem nackten Leben, aufgrund festgestellter Verteilungshäufigkeit in der Stichprobe, eine übergeordnete Bedeutung im Rezeptionsgeschehen – diese zumindest mit Geltung für den angelsächsischen Rezeptionsraum – zuzusprechen sein. Es muss sich demgemäß um eine wesentliche, mit anderen Worten zentrale Begrifflichkeit aus der Rezeptionsgeschichte des Homo-Sacer-Projekts in Texten des zeitgenössischen Völkerrechtsschrifttums handeln. Für diese Überlegung spricht ferner die historische Zeitreihe, die eine in ihrer relativen Häufigkeit nahezu gleichbleibende fremdtextliche Übernahme ebendieses Gegenstands aus dem Homo-Sacer-Projekt anzeigt. Es ist die kontinuierliche Verwendung des Begriffssystems zum nackten Leben in den Textquellen im betrachteten Zeitlauf nachzuvollziehen. Das obige Ergebnis kann wie folgt gedeutet werden: Mithilfe 55

Häberle, in: JZ 21 (1992), S. 1033 (1037). Panasiuk, S. 195. 57 Die Hervorhebung ist bei Smith bereits im Originalwortlaut enthalten, vgl. weiterführend bei ders., in: Frank et al. (Hrsg.), S. 295 (296). 58 Zu vorstehenden Zitaten siehe insgesamt bei Gizbert-Studnicki, in: Frank et al. (Hrsg.), S. 305 (310). 59 Agamben, Homo sacer. Il potere sovrano e la nuda vita (1995), im Titel sowie z. B. auf S. 92; Thüring, in: Agamben, Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S. 199. 60 Siehe zu üblichen Wort- und Konzeptübersetzungen ins Englische nur bei De Boever, in: Murray/Whyte (Hrsg.), S. 30. 61 Begriffsnennung/-en in den Textquellen einmalig: 35,1 Prozent, zweimalig: 15,6 Prozent (N = 77). 56

1. Analyse der Textquellen

163

des philosophischen Entwurfs vom nackten Leben vor einem Forum der internationalen Gemeinschaft oder Öffentlichkeit prinzipienorientiert zu argumentieren, dürfte immerhin als eine gemeinverständliche, zum einen didaktisierende62 und zum anderen popularisierende63 Kommunikationsstrategie64 zur Begründung entsprechender Text-Leser-Wirklichkeiten65 auszulegen sein. In den vorliegend beurteilbaren Sprachfassungen der Textquellen dürfte gerade das Argument vom nackten Leben als ein ästhetisches Wortgebilde wirken.66 Durch die Verwendung dieses Sprachbilds in einer mittelbaren oder unmittelbaren Anlehnung an die Person Agamben erzielt der rezipierende Akteur ein besseres Verständnis der durch ihn nunmehr als Verfasser dargebotenen Textinhalte zum Völkerrecht. Seine Botschaften unter Bezug auf das nackte Leben wecken womöglich so Emotionen beim Leser, zumal ein solcher Sprachgebrauch67 plakativer und zugespitzter wirkt. Da es sich hierbei um eine einfach verstehbare, gleichwohl sprachlich griffige sowie denkerisch imposante Metapher68 für die auf das Wesentliche reduzierte menschliche Existenz69 handelt, kann auch der im fortschreibenden Kontext tätig werdende Rezipient seine konkreten völkerrechtlichen Problem- und Themenstellungen lebendiger und somit anschaulicher dartun.70 Das einem Leser zu vermittelnde kulturelle Text-, Welt- und Sprach-Schema gewinnt hierdurch deutlich an (inter-) textueller Plastizität71, welche es aufgrund von Ausdruckskraft, Bildhaftigkeit und Einprägsamkeit ermöglicht, die zuvor fremdtextlichen Argumentationstopoi in völlig neue Zusammenhänge zu stellen. Das Konzept des nackten Lebens ist demzufolge als ein grundsätzlicher Kontrapunkt zur allgemein kulturbedingten72 62 Siehe z. B. bei Pandolfi, die an einer Stelle im Haupttext in erläuternder Weise niederlegt: „Agamben describes this space as Bare Life — the absolute political substance that, once isolated, allows the total definition of the subject’s identity in demographic, ethnic, national or political terms“, dies, in: IJGLS 10 (2003), S. 369 (374). 63 Siehe z. B. bei Otto, die an einer Stelle im Haupttext schreibt: „By ‚life‘ I mean a life that is fully recognized by law and politically engaged — not the ‚bare life‘ that Agamben so compellingly warns is becoming normative“, dies., in: PLR 31 (2011), S. 873 (881). 64 Siehe weiterführend dazu bei Trumpp, S. 42 ff. 65 Vgl. dazu bei Simon, S. 42 ff. 66 So auch bei Maxwell, in: Murray/Whyte (Hrsg.), S. 20 ff.; Borsò, in: dies. et al. (Hrsg.), Benjamin – Agamben, S. 15 (17). 67 Wie Agamben selbst belegt: „[…] weil der Mensch das Lebewesen ist, das in der Sprache das nackte Leben von sich abtrennt […] [Hervorheb. d. d. Verf.]“, vgl. bei ders., Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S. 18; siehe ferner zum Gebrauch von Sprache bei Murray, S. 20 f.; Clemens, in: Murray/Whyte (Hrsg.), S. 116 ff. 68 Metaphern dienen zur Veranschaulichung komplexer Lebenssachverhalte, vgl. dazu bei Dormeier, in: Blühdorn et al. (Hrsg.), S. 387 (388). 69 Siehe z. B. bei Vašek, in: Juridikum 1 (2009), S. 18 (19); Ben-Naftali/Tuval, in: JICJ 4 (2006), S. 128 (175); Pugliese, in: AFLJ 34 (2011), S. 23 (33). 70 Siehe grundlegend zu Wirkungsweisen konzeptueller Metaphern im Denken bei Feng, S. 46 ff. 71 Baisch stellt zu diesem Aspekt zutreffend fest: „Im Akt der (ab/schreibenden) Rezeption bzw. Reproduktion gelingt oder misslingt die Rekonstruktion des Textes als sinnkonstituierendes System, wird die ‚textuelle Plastizität‘ momenthaft arretiert“, ders., S. 80. 72 So auch bei Mastronardi, in: Marauhn (Hrsg.), S. 55 (58).

164

V. Homo-Sacer-Projekt im Völkerrechtsschrifttum

und besonders kraft juridischer Regelverdichtung73 verbürgten Selbstbestimmung des Menschen begreifbar, welcher letzten Endes übrig bliebe, sobald die Völkerrechtsordnung, wie zuvor verdeutlicht, ohne internationale Rechtsschutzregime der Menschen- und Bürgerrechte gedacht würde. (2) Der Homo Sacer: Das Rezeptionsergebnis zur Rechtsfigur des Homo Sacer (im italienischen Originalwortlaut an nur wenigen Textstellen in Homo Sacer I. auch: „uomo sacro“74) kann nicht ohne Weiteres losgelöst vom vorangehenden Begriffspaar des nackten Lebens erklärt werden. Es ist hierbei festzustellen, dass in circa 43 Prozent aller Fälle der Stichprobe der Begriff vom Homo Sacer ein- oder zweimalige Verwendung findet.75 Auch die Zeitreihenanalyse bestätigt  – allerdings mit Ausnahme der Jahre 2008 und 2010 – eine gleichbleibend intensive Rezeption dieses Begriffs nach Agamben. Der Vergleich der Häufigkeitsverteilungen ein- und zweimaliger Begriffsnennungen beim nackten Leben wie auch beim Homo Sacer zeigt deutlich ihre wechselseitige Verbundenheit, die sich nur verkürzend, aber nicht zuletzt mit Blick auf den vollständigen Buchtitel zum ersten Band (Homo Sacer I.) der Homo-Sacer-Schriftenreihe begründen ließe. Vielmehr zeichnet sich hierin die von Agamben inhaltlich-konzeptionell vorgegebene Grundstruktur als korrelativ aufeinander bezogene Begrifflichkeiten im philosophischen Theoriegebäude ab.76 Erkennbar ist, dass das Konzept des Homo Sacer im Gegensatz zum nackten Leben, welches womöglich aus diesen Gründen als repräsentativer Namensgeber der gesamten Projekt- und Schriftenreihe nach Agamben zur Beschreibung in den sich hiermit befassenden weiteren Wissenschaftsdisziplinen dient77, nachhaltigere Auseinandersetzungen in den rezipierenden Textquellen78 jeweils zu erfahren scheint. Denn in etwa 16 Prozent der Fälle der Stichprobe wird der Homo Sacer mehr als dreimalig im Fußnoten- oder Haupttext benannt, wohingegen für das nackte Leben der maßgebende Vergleichswert bei circa zehn Prozent liegt. Wie gezeigt, vertraut Agamben vor allem auf die ideel­len Abbildungs-, Darstellungs- sowie Eigenwerte der rechtsgeschichtlich angeleg­ten und entsprechend vorgeprägten Rechtsfigur des Homo Sacer als personifizierter Charakter, mit welchem sich der Leser zumindest im entscheidenden Moment 73 Nach Deile sei die „Normenbildung im Bereich der Menschenrechtsstandards […], was die bürgerlichen und politischen Rechte betrifft, im wesentlichen abgeschlossen“, ders., in: Dicke et al. (Hrsg.), S. 145 (145). 74 Thüring, in: Agamben, Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S. 199; Agamben, Homo sacer. Il potere sovrano e la nuda vita, etwa auf S. 12 f., 79, 82, 91, sonst im Übrigen „homo sacer“ wie im Titel. 75 Begriffsnennung/-en in den Textquellen einmalig: 36,4 Prozent, zweimalig: 6,5 Prozent (N = 77). 76 Siehe dazu ausführlicher bei Wilden, S. 165 ff. 77 Vgl. statt vieler bei Borsò, in: dies. et al. (Hrsg.), Benjamin – Agamben, S. 35 (36); Dries, S. 441; Wilden, S. 158. 78 Siehe z. B. bei Bikundo, in: MJIL 9 (2008), S. 301 (307 f.); Opitz, in: KJ 4 (2010), S. 436 (438 ff.); Mahmud, in: BJIL 36 (2010), S. 1 (54), dort in Fn. 336; ders., in: CLR 14 (2010), S. 1 (54), dort in Fn. 365; Billings, in: GLR 20 (2011), S. 271 (273); De Ville, in: ULR 7 (2011), S. 77 (89), dort in Fn. 68.

1. Analyse der Textquellen

165

seiner ersten intellektuellen Begegnung im Text identifizieren kann.79 Es handelt sich daher um ein leitendes Sprachbild, welches mit dem grundlegenden Konzept des nackten Lebens korreliert. Allerdings dürfte die lateinische Sprachform im Vergleich zu gemeinsprachlichen Wortgebilden der Übersetzungen, wie „(das) nackte Leben“ oder „bare life“, „naked life“ und „mere life“, das Textverstehen erschweren, da der allenthalben verwendete Ausdruck vom „Homo Sacer“ sowohl im deutsch- als auch englischsprachigen Rezeptionsraum nicht der Standard-, Schrift- oder Literatursprache80 entspricht und deshalb weniger allgemeinverständlich wirkt. Dennoch, zumindest für einen sprachgebildeten Leser- und Rezipientenkreis, der für sich die lateinische Sprachform erschließen konnte81, erscheint auch der Homo Sacer als philosophisches Konzept nach Agamben – auf den ersten Blick – allgemein begreiflich und in den bestimmenden Wesenszügen relativ leicht nachvollziehbar. Dies macht sich eine (wohl nur) kleine, entsprechend vorgebildete Rezipientengemeinschaft gleichermaßen zunutze, indem sie die charakteristischen Konturen dieser quasikörperlichen Gestalt im Recht in den eigenen Kontexten nachzeichnet.82 Die Rezipienten bedienen sich dabei des expressiven und insofern wirkmächtigen Wiedererkennungswerts83 einer von ihrer antiken Grundkonzeption nunmehr losgelösten Rechtsfigur. Hinzu tritt eine historische Komponente als archaisch-römische Urform des Gesetz- beziehungsweise Statuslosen oder Geächteten innerhalb einer (Rechts-)Gemeinschaft84, die bei der Nachbildung des Homo Sacer im Völkerrechtsschrifttum der Gegenwart – insbesondere bei Rezeptionen und Fortschreibungen in der Flüchtlingsforschung85 – nicht unbeachtet bleiben kann und deswegen im Gegensatz zu den anderen Begriffen und Begriffssystemen nach Agamben (mit Ausnahme der souveränen Macht/Souveränität wie auch des Ausnahmezustands) weitere vertiefende juristische Erörterungen in den jeweiligen völkerrechtlichen Zusammenhängen erfährt. (3) Die Bann-Beziehung: In den untersuchten englischsprachigen Textquellen regelmäßig mit „abandonment“ oder kurz „ban“86 (im italienischen Originalwortlaut in Homo Sacer I.: „abbandono“ oder „bando“87) beschrieben und generell in 79

Vgl. bei Schütz, in: Murray/Whyte (Hrsg.), S. 95. Siehe dazu weiterführend bei Lehr, S. 91 f. 81 Siehe bei Thüring, in: Agamben, Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S. 199. 82 Siehe z. B. bei Thomas, in: FILJ 26 (2003), S. 1193 (1216 u. 1225); Marks, in: CHRLR 37 (2006), S.  559 (580); Schatz/Horst, in: LCLR  11 (2007), S.  539 (542 u. 551); Teraya, in: VUWLR 38 (2007), S. 299 (313 u. 314); McGiverin, in: IICLR 18 (2008), S. 233 (241); Bikundo, in: MJIL 9 (2008), S. 301 (308); Opitz, in: KJ 4 (2010), S. 436 (436 u. 437); Nickel, in: EILR 24 (2010), S. 619 (629); Stahlberg/Lahmann, in: AJCL 59 (2011), S. 1051 (1063, 1070 f. u. 1083). 83 So auch bei Geulen, Giorgio Agamben zur Einführung, S. 21; Lorey, in: Loick (Hrsg.), Der Nomos der Moderne, S. 161 (161). 84 Vgl. dazu ausführlicher unter IV. 1. in Fn. 57. 85 Siehe weiterführend dazu bei Inhetveen, S. 378 ff. 86 Minca, in: Murray/Whyte (Hrsg.), S. 15. 87 Thüring, in: Agamben, Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S. 199; Agamben, Homo sacer. Il potere sovrano e la nuda vita, S. 35 f. 80

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V. Homo-Sacer-Projekt im Völkerrechtsschrifttum

Bezug auf das Begriffssystem der Bann-Beziehung nach Agamben ist zu bemerken, dass sich in der überwiegenden Zahl der Fälle der Stichprobe, nämlich mit nahezu 82 Prozent, überhaupt keine entsprechenden Rezeptions- oder Fortschreibungshandlungen nachweisen ließen. Jedenfalls werden sich aus den zuorden­baren einmaligen Nennungen des Entwurfs nach Agamben in knapp zwölf Prozent der Fälle vorliegend keine weiterführenden Erkenntnisse stichhaltig ableiten oder begründen lassen, da inhaltliche Auseinandersetzungen durch Rezipienten mit dieser Konzeption in den völkerrechtlichen Kontexten (derzeit) kaum ausgeprägt sind. Hinreichend gesichert erscheinen nur die nachstehenden Feststellungen: Die Häufigkeit der Verwendung dieses Rezeptionsgegenstands durch Rezipienten ist als relativ gering einzuschätzen und spiegelt dem Grunde nach die vorangehenden Überlegungen zum philosophischen Bann-Entwurf nach ­Agamben wider, wonach das Begriffssystem der Bann-Beziehung für eine in erster Linie rein (völker-) rechtswissenschaftliche Argumentations- und Begründungsleistung bei der kritischen Besprechung aktueller internationaler Lebenssachverhalte ungeeignet sein dürfte. Fernerhin dürfte daraus für das betrachtete Schrifttum zu schlussfolgern sein, dass das von Agamben so abermals doppeldeutig88 angelegte Konzept des souveränen Banns nur selten durch die Leser- und Rezipientenschaft angenommen wird. Vor allem das Fehlen einer größeren Anzahl von nachweisbaren Bezugnahmen auf die Bann-Beziehung in den Textquellen spricht für die (vermutlich bewussten) Auswahlentscheidungen einer Mehrheit der Rezipienten, die das Konzept nach Agamben nur bedingt als einen inhaltstragenden Rezeptionsgegenstand zur Darstellung von gegenwärtigen Problem- und Themenstellungen des Völkerrechts verwenden.89 Im Vergleich mit den anderen Agamben’schen Konzeptionen der Philosophie erweist sich das Konzept der Bann-Beziehung auf dem „welt­öffent­ liche[n] Marktplatz der Ideen“90 als wenig anschlussfähig. (4) Die souveräne Macht/Souveränität: Der weitreichende Fragenkreis zur Souveränität – in den englischsprachigen Textquellen mit „sovereign power“ beziehungsweise „sovereignty“91 übersetzt (im italienischen Originalwortlaut in Homo Sacer I.: „[il] potere sovrano“92) – und Legitimität von Herrschaftsgewalt ist nicht 88

Vgl. dazu bei Feldman, S. 16 f. Siehe z. B. bei Douzinas, in: MJIL 7 (2006), S. 13 (14 u. 20); Kanwar, in: IJCL 4 (2006), S. 567 (568 u. 574); Humphreys, in: EJIL 17 (2006), S. 677 (680); Noll, in: MJIL 7 (2006), S. 104 (125); Johns, in: MJIL 8 (2007), S. 516 (527 f.); Mahmud, in: BJIL 36 (2010), S. 1 (54), dort in Fn. 336; Opitz, in: KJ 4 (2010), S. 436 (438); Shanor, in: EILR 24 (2010), S. 589 (613), dort in Fn. 138; Perry/Bishop, in: SLR 61 (2011), S. 25 (43 u. 45); Ali, in: ULR 7 (2011), S. 4 (18 u. 21 f.); Billings, in: GLR 20 (2011), S. 271 (273), dort in Fn. 4; Margolies, in: SWLR 40 (2011), S. 575 (599); Schillmoller, in: SCULR 14 (2011), S. 41 (53). 90 Kotzur, in: JöR 49 (2001), S. 329 (333). 91 Vgl. bei De Boever, in: Murray/Whyte (Hrsg.), S. 180. 92 Thüring erachtet diesen Begriffskomplex als nicht kommentierungsbedürftig, sodass an dieser Stelle davon auszugehen bleibt, dass dessen Übersetzung unproblematisch ist, vgl. bei ders., in: Agamben, Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S. 199; Agamben, Homo sacer. Il potere sovrano e la nuda vita (1995), im Titel sowie z. B. auf S. 50, 94, 98. 89

1. Analyse der Textquellen

167

nur von grundsätzlicher Bedeutung für die Völkerrechtsordnung, wovon beispielsweise die Artikel 2 Nr. 1 und 78 zweiter Halbsatz der UN-Charta93 zeugen, sondern auch ein zentrales Problem und Thema der Völkerrechtswissenschaft. Die Stellung als Schlüsselfrage kommt ebenso im diesbezüglichen Rezeptions- und Fortschreibungsergebnis für das völkerrechtliche Schrifttum zu besonderem Ausdruck. Es ist festzustellen, dass in circa 62 Prozent der Fälle der Stichprobe in den rezipierenden Textstellen auf Agambens philosophischen Deutungsvorschlag zur souveränen Macht ein- bis viermalig Bezug genommen wird.94 Die Bezugnahmen im fremdtextlichen Zusammenhang auf dieses Konzept nach Agamben mussten dabei eindeutig sein. Hierfür war die genaue Zuordnung der vorgefundenen Begriffsverwendungen zum Homo-Sacer-Projekt bei der Textanalyse entscheidend, da der Begriff Souveränität wie auch dessen begriffliche Spielarten vor allem in den Textquellen mit völkerrechtlichen Gegenständen ebenso in sonstiger Weise, ohne Bezugspunkte auf das Homo-Sacer-Projekt gebraucht werden. Die schwierige Abgrenzung im Einzelnen zeigt sich beispielsweise in einer Textquelle, die sowohl eine auftretende Spitze von bis zu 126 Begriffsverwendungen als auch hierunter besonders intensive Auseinandersetzungen mit dem Konzept der Souveränität nach Agamben enthält.95 Da eine solche Größenordnung lediglich in einer aus 77 Textquellen auftrat, sollte diese Textquelle als Ausreißer96 betrachtet werden. Gerade weil es sich bei der Souveränität – wie aufgezeigt – um einen vieldeutigen Grenzbegriff in der Völkerrechtswissenschaft handelt, überrascht es auch in Anbetracht der angelsächsischen Philosophietradition97 nicht, dass vereinzelt Rezipienten in ihren Textquellen das klassische Souveränitätsdenken98 im Völkerrecht mithilfe eines (vermuteten) biopolitischen Sinnpotenzials in historischen Tatsachen – so wie es Agamben darlegt – in eine strukturelle „Bio-Souveränität“99 umzudeuten versuchen.100 Einige 93

Ebenda ist bestimmt: „Die Organisation beruht auf dem Grundsatz der souveränen Gleichheit aller ihrer Mitglieder“ (vgl. Art. 2 Nr. 1 UN-Charta) und weiter: „[…] die Beziehungen zwischen den Mitgliedern beruhen auf der Achtung des Grundsatzes der souveränen Gleichheit“ (vgl. Art. 78 UN-Charta). Es ist hierbei entscheidend, dass nicht nur die internationale Organisation der Vereinten Nationen auf dem Grundsatz der Souveränität (wobei die souveräne Gleichheit in erster Linie die Rechtsgleichheit der Staaten zueinander meint) maßgeblich beruht, als vielmehr die ganze Völkerrechtsordnung seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs, siehe dazu weiterführend bei Lewicki, S. 49 ff. 94 Begriffsnennung/-en in den Textquellen einmalig: 41,6 Prozent, zweimalig: 11,7 Prozent, dreimalig: 5,2 Prozent, viermalig: 3,9 Prozent (N = 77). 95 Ali, in: ULR 7 (2011), S. 4 (insbes. 4–6, 12, 19–26), insbes. in Fn. 6, 7, 198, 200, 222, 230, 235, 248, 250. 96 Siehe dazu etwa bei Raithel, S. 94. 97 Gerade bei der „angelsächsischen Analytischen Philosophie […]“ komme es, wie Schnädelbach richtig beschreibt, „nicht auf personenbezogene Systembildung […], sondern auf strikte Problemorientierung […]“ an, vgl. dazu bei ders., S. 12. 98 Siehe weiterführend dazu bei Haltern, S. 75 ff. 99 Kalyvas, in: Norris (Hrsg.), S. 107 (109). 100 So schreibt etwa Pandolfi: „I will show that the forms of governance that are expressed through NGOs can be understood as a new form of sovereignty, at the intersection of ‚bio­ politics‘ and ‚bare life‘, which is apparent in the way that international intervention manages

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V. Homo-Sacer-Projekt im Völkerrechtsschrifttum

Einwände hiergegen, die sich besonders aus einer kontinentaleuropäischen Sichtweise auf die rein philosophischen Elemente der souveränen Macht/Souveränität rechtfertigen, sind unter obiger Begriffskritik dargestellt und würden hier die statistischen Beurteilungen nur unangemessen überdehnen. (5) Der Ausnahmezustand: Mit dem Konzept des Ausnahmezustands (einhergehende englischsprachige Termini: „state of exception“101 und „state of emergency“102; im italienischen Originalwortlaut in Homo Sacer  I. oder Homo Sacer II.1: „stato di urgenza, necessità, emergenza, eccezzione“103) ist ein weiterer, nur dem ersten Anschein nach gemeinverständlicher Begriff im zeitgenössischen Völkerrechtsschrifttum benannt, an welchem nicht nur im Zeitalter des modernen Feuilletonismus „ein[e] vermeintlich[e] Lust […] in der Politik geteilt werde“104, sondern auch in den Rechtswissenschaften, insbesondere dann, wenn es darum geht, Bedrohungslagen und Weltrisikoereignisse für den Bestand der staatlichen und zwischenstaatlichen Ordnungen festzustellen.105 In der Regel werden hierbei die Asymmetrien, sprich Ungleichmäßigkeiten des internationalen, nicht nur staatsbezogenen Gewaltgeschehens in der Welt beschrieben, die sich zuletzt aber als eine Krise des Völkerrechts bei zunehmend akteurszentrierter Entgrenzung ebenfalls bei der Wahrnehmung nationalstaatlicher Funktionen darstellen lassen.106 Mithin der Perspektivenwechsel im steten Ringen um eine zeitgemäße Beschreibung von Regel- sowie Ausnahmelagen in menschengemachten Systemen ist zentral. Dies verwundert nicht, da gerade das semantische Feld der Ausnahme besonders fruchtbringend in religiöser, kultureller oder auch politischer Hinsicht bestellt werden kann. Mit knapp 46 Prozent ein- bis dreimalige107, zu etwa 33 Probodies according to humanitarian categories. […] Such displacement toward a ‚critical‘ zone of sovereignty – an intertwining of sovereignty and biopolitics – has allowed anthropology to adopt a more refined position than that of a mere accountant of different forms of sovereignty [Hervorheb. d. d. Verf.]“, dies., in: IJGLS 10 (2003), S. 369 (371 u. 373); siehe ferner bei­ Aravamudan, in: TILJ 41 (2006), S. 427 (444); Humphreys, in: EJIL 17 (2006), S. 677 (687). 101 Vgl. bei Murray, in: ders./Whyte (Hrsg.), S. 185. 102 Hierbei können schwierige Abgrenzungsfragen im Einzelfall auftreten, da die Begriffssysteme „state of exception“ und „state of emergency“ in den Textquellen teils synonym, teils nach inhaltlich-konzeptuellen Kriterien gegenüberstellend verwendet werden; siehe z. B. bei Ben-Naftali et al., in: BJIL 23 (2005), S. 551 (607): „The state of emergency, which in German is called a ‚state of exception‘ (Ausnahmezeustand), […] [Hervorheb. sowie der orthographische Fehler in der Übersetzung bereits im Originaltext d. Ben-Naftali et al.]“; Humphreys schreibt: „This is a timely and sustained inquiry into the now near ubiquitous state of emergency (or of exception, siege, necessity, or martial law), reaching back through medieval to Roman juridical conceptions of sovereign authority. Agamben identifies the state of exception as a modern institution, […] [Hervorheb. d. d. Verf.]“, ders., in: EJIL 17 (2006), S. 677 (677). 103 Vgl. bei Müller-Schöll, in: Agamben, Ausnahmezustand, S. 107; Agamben, Homo sacer. Il potere sovrano e la nuda vita, etwa auf S. 44, 61, 92, 118, 186, 188, 202. 104 Hetzer, S. 279. 105 Siehe etwa bei Kreuder-Sonnen, S. 49 ff.; Holzinger, in: ders. et al. (Hrsg.), S. 153 (155 ff.). 106 Vgl. dazu auch bei Porsche-Ludwig, S. 253 f. 107 Begriffsnennung/-en in den Textquellen einmalig: 23,4 Prozent, zweimalig: 11,7 Prozent, dreimalig: 10,4 Prozent (N = 77).

1. Analyse der Textquellen

169

zent ohne erkennbar relevante Nennung in den Fällen der Stichprobe ist allerdings zu bemerken, dass sich ein nicht unerheblicher Anteil der untersuchten Textquellen keineswegs mit einer spezifischen Ausprägung des Ausnahmezustands nach­ Agamben in rezipierender Weise beschäftigt. Dies deswegen, so eine Vermutung, da es sich bei diesem folgenschweren Grenzbegriff grundsätzlich um ein „außerjuristisches Aktionsfeld“108 handeln dürfte und womöglich so von einer Vielzahl der meist juristisch (vor-)gebildeten Rezipienten auch erkannt wird. Zumindest in 46 Prozent der Fälle der Stichprobe dürfte dennoch eine wachsende Popularität an der oft historisierenden Methode Agambens zur philosophischen Begründung der Ausnahme anhand dieses seit jeher in tatsächlicher wie auch rechtlicher Hinsicht strittigen Begriffs zu erkennen sein.109 Denn erst in der Ausnahme von der Regel gründet norm­abweichendes Denken, ein ebenso in der Völkerrechtsphilosophie geltender Ansatz, der bislang sicher geglaubte Strukturen im Völkerrecht in Zweifel zieht, um alsdann bei Entscheidungen unter neuen Umständen mehr Rechtssicherheit und Glaubwürdigkeit zu erzeugen.110 Dies lässt sich durchaus mit einer konzeptionellen Nähe des Ausnahmezustands zur Rechtsfigur des Homo Sacer in Agambens Lesart begründen111, einer Konstellation, die vorliegend dem Ausnahmezustand ein ähnlich starkes Sprachbild verleiht. In der Folge wird es für eine Leser- und Rezipientenschaft leichter nachvollziehbar und deshalb als Rezeptionsund Fortschreibungsgegenstand für argumentative Erörterungsstrategien etwa an den Grenzen des Rechts112, in völkerrechtlich geprägten Kontexten interessant. (6) Das Lager: Der Begriff des Lagers – im Englischen regelmäßig „camp“113; im italienischen Originalwortlaut in Homo Sacer  I. oder Homo Sacer  III.: „[il] campo [di concentramento]“114 – in der Bedeutungszuweisung nach Agamben als „nómos des politischen Raumes“115 wird in den betrachteten Textquellen nicht inhaltlich vertieft; etwa in einer Gegenüberstellung zu der klassischen Drei-Elemente-Lehre des Staatsrechtlers Georg Jellinek116. Denn in nahezu dreiviertel der Fälle der Stichprobe wird das Konzept nach Agamben überhaupt nicht rezipiert, und wenn doch, in circa 14 Prozent der Fälle zumeist einfach verweisend auf die Historie der nationalsozialistischen Konzentrationslager des Zweiten Welt 108

So ausdrücklich bei Staff, in: RG 5 (2004), S. 207 (210). Siehe etwa bei Agius, in: GoJIL 2 (2010), S. 219 (221); Farrell, in: TLCP 20 (2011), S. 3

109

(7).

110 Vgl. grundlegend dazu am Beispiel des Rechtsphilosophen Gustav Radbruch (1878–1949) bei Gärtner, S. 84 f. u. S. 97 f. 111 Siehe z. B. bei Raulff, in: GLJ 5 (2004), S. 609 (609 u. 612); Bruch, in: ALR 44 (2011), S. 333 (344); Kanwar, in: IJCL 4 (2006), S. 567 (569). 112 Siehe weiterführend dazu bei Steinhauer, in: Lerch (Hrsg.), S. 439 (442 ff.). 113 Vgl. bei Minca, in: Murray/Whyte (Hrsg.), S. 41. 114 Vgl. bei Monhardt, in: Agamben, Was von Auschwitz bleibt, S. 152; Agamben, Homo­ sacer. Il potere sovrano e la nuda vita, etwa auf S. 6, 188, 197, 202. 115 Agamben, Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S. 175. 116 Siehe dazu bei Kersten, Georg Jellinek und die klassische Staatslehre, S. 281; Minca, in: Murray/Whyte (Hrsg.), S. 42.

170

V. Homo-Sacer-Projekt im Völkerrechtsschrifttum

kriegs.117 Ein Grund dürfte insbesondere in der definitorischen Unbestimmtheit zu erkennen sein, da unter diese Agamben’sche Deutungsform des Lagers als Nomos der Moderne letztendlich die heterogensten Phänomene im (Völker-)Recht subsumierbar sind. Ein anderer liegt womöglich darin, dass Assoziationen zu einem Lagerbegriff von der historischen „Einzigartigkeit von Auschwitz“118 derart im intersubjektiven Bewusstsein119, also in der von einer Mehrheit an Personen geteilten Bedeutungszuweisung auf der Grundlage von gemeinsam geteilten Wissen (Gemeinschaftserfahrung120), vorgeprägt sind, dass ein verständiger Rezipient in Ansehung der sonstigen Genozidforschung121 von solchen philosophischen Auslegungen von vornherein absieht. Da der Lagerbegriff nach Agamben in der Stichprobe – freilich neben der Bann-Beziehung – die niedrigste Verwendungshäufigkeit aufweist, immer eine bewusst selektierende Rezeptions- oder Fortschreibungssituation vorausgesetzt, bleibt anzunehmen, dass es sich hierbei um ein untergeordnetes Konzept aus dem Homo-Sacer-Projekt in völkerrechtsbezogenen Diskursen handelt. Demzufolge wird ein durch Agambens Interpretationen überformter Begriff des Lagers vorwiegend nicht im Völkerrechtsschrifttum verwendet. Es bleibt zu vermuten, dass die Problematiken rechtsfreier Räume in der Welt zumindest im betrachteten Schrifttum somit ohne Zuhilfenahme dieses philosophischen Entwurfs nach Agamben erschöpfend diskutiert werden. (7) Die Biopolitik: Das zuletzt betrachtete Agamben’sche Konzept zur Biopolitik  – in den englischsprachigen Textquellen als „biopolitics“122 sowie im italienischen Originalwortlaut in Homo Sacer I. als „biopolitica“123 zu finden – wird, gleich den vorerwähnten Konzeptionen der Bann-Beziehung und des Lagers, überwiegend nicht in völkerrechtlichen Zusammenhängen rezipiert oder fortgeschrieben. Hiervon zeugt eine Absenz in circa 65 Prozent der Fälle der Stichprobe. Eine vergleichsweise hohe Anzahl von 83 Begriffsverwendungen in nur einer Textquelle der Stichprobe (oder in etwa einem Prozent der Fälle) dürfte – wie zuvor – als Ausreißer nicht repräsentativ sein.124 Mit knapp 29 Prozent der Fälle wird das Konzept nach Agamben ein- bis dreimalig125 im jeweiligen völkerrechtlichen Kon 117

Siehe z. B. bei Ben-Naftali et al., in: BJIL 23 (2005), S. 551 (605 u. 608); Lemke, in: Outlines 1 (2005), S. 3 (4 u. 6 ff.); Ben-Naftali/Tuval, in: JICJ 4 (2006), S. 128 (174); Humphreys, in: EJIL 17 (2006), S. 677 (687); Meyerstein, in: CWRJIL 38 (2006), S. 281 (318); Kanwar, in: IJCL 4 (2006), S. 567 (568 f.); Di Muzio, in: GG 14 (2008), S. 305 (307); Bilder, in: AJIL 104 (2010), S. 532 (547); Ali, in: ULR 7 (2011), S. 4 (5); Billings, in: GLR 20 (2011), S. 271 (272 f.). 118 Zimmermann, S. 243. 119 Siehe dazu bei Marbach, S. 142. 120 Siehe dazu bei Szanto, S. 537. 121 Vgl. weiterführend bei Barth, S. 78 ff. 122 Vgl. bei Heron, in: Murray/Whyte (Hrsg.), S. 36. 123 Agamben, Homo sacer. Il potere sovrano e la nuda vita, etwa auf S. 5 ff., 123, 126 f., 151, 202. 124 So hebt Lemke eingangs seinen Schwerpunkt in den Darstellungen hervor: „This article reconstructs Giorgio Agamben’s concept of biopolitics […]“, ders., in: Outlines 1 (2005), S. 3 (3). 125 Begriffsnennung/-en in den Textquellen einmalig: 22,1 Prozent, zweimalig: 2,6 Prozent, dreimalig: 3,9 Prozent (N = 77).´

1. Analyse der Textquellen

171

text diskutiert.126 Das Rezeptions- und Fortschreibungsergebnis liegt im Rahmen der empirisch-analytischen Erwartungen. Denn wie der eindeutige Wortstamm in Biopolitik bereits erahnen lässt, handelt es sich hierbei grundsätzlich um einen interdisziplinären Themenkomplex mit hohem theoretischen Gehalt127, der vornehmlich den Politikwissenschaften und weniger der Völkerrechtswissenschaft zuzurechnen ist.128 Das vielerorts beschriebene Konzept der Biopolitik ist in erster Linie ein politisches129, da es, wie andere derartige Entwürfe auch, jegliche Arten der Einflussnahme an der Gestaltung und Regelung menschlicher Gesellschaften130, sei es in privaten oder öffentlichen (Lebens-)Bereichen, umfasst.131 Hierzu dürfte der Begriffsgebrauch in seiner mehr formal-juristischen Ausgestaltung stets zurücktreten132, da ein angewendetes Recht (oder Gesetz) insoweit mit der Kraft als Geltungsmittel nur einer zuvor rein politisch zielbestimmten Zweckerreichung dienen sollte.133 Weiterhin ist dabei zu bemerken, dass die „strukturelle Kopplung von Recht und Politik auf der nationalstaatlichen Ebene […] auf der Ebene der Weltgesellschaft keine Entsprechung [hat].“134 Demzufolge dürfte ein völkerrechtswissenschaftlicher Erklärungswert eines Begriffs zur Biopolitik nach Agamben derzeit eher als gering einzuschätzen sein, obwohl das Völkerrecht schon immer durch „eine besondere Nähe zur Politik“135 geprägt ist. An dieser Stelle sollen die historisch-politischen und normativ-wissenschaftlichen Betrachtungen hierüber einem weiteren wichtigen Zweig der Völkerrechtswissenschaften vorbehalten bleiben: der Völkerrechtspolitik.136 Fazit: Nichtsdestoweniger bestätigen die vorstehenden Resultate zu den sieben Begriffen und Begriffssystemen abermals ihre Historisierung sowie Kontextualisierung innerhalb der Text-Leser-Wirklichkeiten, die es nun als Beschreibungssysteme einer ganzheitlichen Rezeption oder Fortschreibung dieser philosophi 126

Siehe z. B. bei Pandolfi, in: IJGLS 10 (2003), S. 369 (371 u. 373); Parry, in: LCLR 9 (2005), S. 853 (853 u. 876); Douzinas, in: MJIL 7 (2006), S. 13 (20 f.); Di Muzio, in: GG 14 (2008), S. 305 (309 f.); Ali, in: ULR 7 (2011), S. 4 (28); Schillmoller, in: SCULR 14 (2011), S. 41 (43); Davis, in: YJLF 23 (2011), S. 1 (46); Pugliese, in: AFLJ 34 (2011), S. 23 (33). 127 Vgl. bei Pieper et al., in: dies. (Hrsg.), Biopolitik, S. 7 (17 u. 21). 128 Zugegebenermaßen ließe sich über diesen Punkt trefflich streiten, ob beispielsweise der sich stetig ausdifferenzierende und demnach kaum noch zu überblickende Forschungs­bereich der internationalen Beziehungen (häufig IB abgekürzt), in welchem biopolitische Konzepte mitunter diskutiert werden, als Teildisziplin der Politik- oder Völkerrechtswissenschaft, ferner der Wirtschafts- oder Geschichtswissenschaften zu erkennen sei; siehe für eine Aufzählung deutschsprachiger Überblicksdarstellungen hierzu bei Schieder/Spindler, in: dies. (Hrsg.), S. 9 (16); ein Anwendungsbeispiel biopolitischer Konzepte in internationalen Beziehungen gibt der lesenswerte Aufsatz von Brand/Görg, in: Flitner et al. (Hrsg.), S. 143 (143 ff.). 129 Siehe dazu statt vieler bei Graefe, in: Pieper et al. (Hrsg.), Biopolitik, S. 263 (263). 130 Siehe bereits bei Gunst, S. 19 ff. 131 Siehe dazu bei Finkelde et al., in: ders. et al. (Hrsg.), S. 7 (14 ff.). 132 Dazu kritisch bei Voigt, in: ders. (Hrsg.), S. 14 (14 ff.). 133 Vgl. bei Penski, in: Voigt (Hrsg.), S. 35 (39 f.). 134 Lieckweg, S. 40. 135 Franzius, S. 39. 136 Siehe dazu bereits bei Wengler, S. 104 ff.

172

V. Homo-Sacer-Projekt im Völkerrechtsschrifttum

schen Inhalte aus dem Homo-Sacer-Projekt im gegenwärtigen (Fach-)Schrifttum zum Völkerrecht hervorzuheben gilt: Je stärker ein Agamben’sches Konzept in seiner konkreten inhaltlichen Ausgestaltung auch realen oder fiktiven Entitäten im Recht, die nach außen hin beschreibbare Rechtsphänomene bilden, angenähert ist oder jenen sogar entspricht, wie der Homo Sacer, die souveräne Macht/Souveränität und der Ausnahmezustand, desto tiefgreifender und nachhaltiger wird ein solches in den Textquellen zwecks authentischer Erkenntnisbildung und -vermittlung nach Agamben und zum Völkerrecht rezipiert und fortgeschrieben. Hierzu begründet sich der Umkehrschluss anhand herausgearbeiteter Ergebnisse, in denen belegt wird, dass, je beziehungsloser ein Agamben’sches Konzept zu Kategorien des Rechts gefasst ist, desto weniger tiefgreifend und nicht so sehr nachhaltig wird ein solcher Topos in die fremden Kontexte übernommen. Dies ist im Wesentlichen der Fall bei den Konzepten der Bann-Beziehung, des Lagers und der Biopolitik, welche in den Bezugnahmen auf völkerrechtlich geprägte Gegenwartszusammenhänge eher von untergeordneter Bedeutung sind. Eine Sonderstellung nimmt bei alldem das Konzept des nackten Lebens ein, das – wie gezeigt – als das Schlüsselmoment zur Argumentations- und Begründungsstrategie nach Agamben gelten kann, da es sich als leitendes Axiom für die (weiteren) Deduktionen sowohl innerhalb des Theoriegebäudes als auch in den neukontextualisierten Topoi zum Homo-Sacer-Projekt erweist. Anhand der ersten drei von fünf Kriterien des zuvor entwickelten Bewertungssatzes137, der die Kerngedanken des Rezeptionsmodells unter besonderer Berücksichtigung der aufgezeigten juristisch-kulturellen Theorieelemente enthält, ist wie folgt festzustellen: Die auch im Völkerrechtsschrifttum rezipierten und fortgeschriebenen Begriffe und Begriffssysteme nach Agamben zum nackten Leben, zum Homo Sacer, zur souveränen Macht/Souveränität und zum Ausnahme­zustand sind in objektiver Hinsicht von inhaltlich überragender Qualität und zeichnen sich überdies durch maßstäbesetzende und innovative Elemente entsprechend der jeweils vom Rezipienten vorausgesetzten kulturellen Schemata aus, da sie ihre intersubjektive Überprüfbarkeit aus (rechts-)wissenschaftlicher Sicht, etwa anhand der Rezeptionsforschung, nicht per se ausschließen. Denn die vorgenannten Konzeptionen nach Agamben erlauben die Formulierung und Ausdifferenzierung von völkerrechtlichen, philosophischen und völkerrechtsphilosophischen Problem- und Themenstellungen, die Bedeutungsverengung zu neuen Beschreibungssystemen (auch in anderen als den originären Kontextsituationen), die genaue Bestimmung ihrer Quellenkorpusse wie auch semantischen Grundlagen, die Explizierung anhand der hierzu in der weiteren (Fach-)Literatur bereits vertretenen Auffassungen sowie Lehrmeinungen und nicht zuletzt die Auswahl eigener Darstellungsformen. Das sind nur einige Aspekte der jeweiligen Agamben-Rezeptionen, die gleichwohl die Bestrebungen der Rezipientenschaft um wissenschaftliche Redlichkeit in Bezug auf Nachbildungen aus dem Homo-Sacer-Projekt im zeitgenössischen Völker 137

Siehe hierzu unter III. 3. am Ende.

1. Analyse der Textquellen

173

rechtsschrifttum erkennen lassen. Dadurch haben diese Konzepte nach Agamben bereits eine weitgehende Anerkennung im engeren Erhebungs- und Betrachtungszeitraum der Jahrgänge von 2003 bis 2012 sowie im angelsächsischen Sprachraum (insbesondere im Commonwealth von Australien, im Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland, in den Vereinigten Staaten von Amerika und in Kanada; den Ursprungsländern des überwiegenden Teils der Textquellen, die die Analysestichprobe bilden138) erfahren. Dies bedeutet für die Betrachtungen zugleich, dass die weiteren rezipierten Gegenstände nach Agamben zur Bann-Beziehung, zum Lager und zur Biopolitik unter den drei Erheblichkeitsschwellen des aufgestellten Bewertungsschemas liegen dürften, sodass anzunehmen bleibt, dass diese als kategorische Begrifflichkeiten bei prinzipienorientierten Argumenta­ tions- und Begründungsweisen in völkerrechtsphilosophisch geführten Diskursen nicht nachhaltig von Bedeutung sind. Es zeichnet sich also schon an dieser Stelle ab, dass die philosophischen Entwürfe aus dem Homo-Sacer-Projekt nicht in ihrer Gänze von der hieran interessierten Rezipientengemeinschaft in das Völkerrechtsschrifttum der Gegenwart übernommen werden. Genauer gesagt, divergieren die konzeptionellen Einzel­ bausteine, vorliegend in Form der sieben Begriffe und Begriffssysteme dargestellt, unter Maßgaben von Einfluss-, Nutzungs- und Wirkmächtigkeit bereits in den Textquellen und nehmen so in ihrer Bedeutungszuweisung wie auch Aussagekraft als Rezeptions- und Fortschreibungsgegenstände nach Agamben unterschiedlich stark zu. Aus diesem Grund könnte, zumindest mit Geltung für das hier betrachtete Völkerrechtsschrifttum im Sinne eines textwissenschaftlich ergründbaren Kommunikationszusammenhangs mit besonderem Bezug auf das internationale Recht oder die internationalen Beziehungen, von einem Nach- oder Überleben des am besten Angepassten gesprochen werden. Dasjenige Konzept nach Agamben, welches gemäß dem Gattungsbegriff und Artunterschied einer etablierten Rechtsidee respektive einem gegenwärtigen Rechtsphänomen (weitestgehend) entspricht, wird im Endeffekt selektiert. In seinen historischen Rezeptionsstufen wird sodann das jeweilige Sinnpotenzial eines Begriffs oder Begriffssystems aus der Urheberschaft Agambens nachgebildet, weitergetragen und so in immer neuen externen oder fremden Kontexten aktualisiert. Die besprochenen Agamben’schen Konzepte können demgemäß als eine Familie von Begriffen verstanden werden, zwischen denen eine sogenannte Familienähnlichkeit139 im Sinne des Sprachphilosophen Ludwig Wittgenstein besteht.140 Aufgrund von deren Vorhandensein ist es in schlüssiger Weise möglich, ein anderes Ding, eine andere Entität oder einen 138 Die an dieser Stelle fast ausschließliche Benennbarkeit englischsprachiger Rezeptionsräume oder ebenso die Unbenennbarkeit deutschsprachiger zeigt an, dass eine in vergleichbarer Weise gehaltvoll ausgeprägte Diskurskultur zum Völkerrecht über die philosophischen Konzepte aus dem Homo-Sacer-Projekt von Agamben im deutschen Sprachraum (bereits beginnend mit dem Jahr 1995) noch immer nicht (entsprechend) präsent ist. 139 Insofern sehr anschaulich bei Wennerberg, in: Savigny (Hrsg.), S. 33 (33 ff.). 140 Siehe weiterführend bei Goeres, S. 234 ff.

174

V. Homo-Sacer-Projekt im Völkerrechtsschrifttum

anderen Gegenstand unter die Begriffe und Begriffssysteme nach Agamben zu subsumieren.141 Dies bedeutet zugleich, dass sich manche Eigenschaften oder Merkmale der Konzepte von einer Rezeptions- oder Fortschreibungsstufe auf die nächste gewissermaßen „vererben“, andere hingegen nicht. Einige Eigenschaften oder Merkmale sind dabei als Topoi überaus kennzeichnend für die gesamte Familie, andere wiederum nicht. In der Folge kommt es  – um nochmals mit den Worten des Rezeptionstheoretikers Hans R. Jauß zu sprechen – zur „Verschmelzung der Horizonte“142 von familientypischen Inhalten aus den philosophischen, staats- und gesellschaftstheoretischen Grundlagentexten von Agamben, mit Inhalten von anderen Verfassern in ihren völkerrechtlichen Abhandlungen. Bei alldem ist das Entscheidende herauszustellen: Bereits zahlreich wie auch vielerorts rezipiertes Ideen- und Gedankengut aus den Homo-Sacer-Publikationen unterliegt einer deutlich gesteigerten Wahrscheinlichkeit auf wiederkehrende Rezeption und Fortschreibung, da es in erster Linie über gemeinverständliche Eigenschaften oder Merkmale verfügt, die in die neu zu bildenden oder bereits gebildeten Gegenwartszusammenhänge im Völkerrechtsschrifttum einfließen. Diese sich schließlich verstärkenden, sukzessiven Auf- und Übernahmehandlungen nebst inhaltlichen und kontextualen Adaptionen, bei denen besonders die maßstäbesetzenden und innovativen Elemente des Agamben’schen Ideen- und Gedankenguts, mithin diejenigen Textgegenstände mit hohem Wiedererkennungswert, periodisch oder wellenartig im Sinne eines Zeitfaktors im zeitgenössischen Schrifttum zum Völkerrecht in Erscheinung treten, können schlussendlich mit Peter Häberles zutreffender Formulierung der „Mehrfachrezeptionen“143 beschrieben werden.

2. Kritik zur Rezeption und Fortschreibung Giorgio Agambens Homo-Sacer-Projekt kreist merklich um die zentralen Fragestellungen der Staatsmacht, Gouvernementalität, Menschenrechte und nicht zuletzt des Völkerrechts.144 Im Anschluss an die vorangegangenen Gegenstandsbestimmungen ist deshalb zu untersuchen, wie sich diesbezügliche Rezeptionen und Fortschreibungen in einigen Detailfragen in den abgegrenzten Rezeptions(zeit-) räumen beispielhaft darstellen. Dies betrifft Problemkreise, welche allzumal die Existenz, den Sinn und Zweck von Konzeptübernahmen aus der Agamben’schen Philosophie in das zeitgenössische Völkerrechtsschrifttum aufgreifen. Vorliegend 141

So auch bei Wennerberg, in: Savigny (Hrsg.), S. 33 (33). Jauß, Literaturgeschichte als Provokation, S. 186. 143 Siehe bei Häberle, in: JZ 21 (1992), S. 1033 (1037 u. 1041); zutreffend, gleichwohl einschränkend stellt Häberle fest: „Welche Kräfte letztlich solche ‚Wellen‘ steuern, der ‚Zeitgeist‘ bzw. ein Reformbedarf, ja -druck, wird sich freilich schwer sagen lassen“, ders., in: JZ 21 (1992), S. 1033 (1041). 144 Siehe dazu etwa bei Lemke, Gouvernementalität und Biopolitik, S. 93; Vasilache, S. 277; Borsò, in: dies. (Hrsg.), Wissen und Leben – Wissen für das Leben, S. 13 (16); Loick, Kritik der Souveränität, S. 222; Wilden, S. 168 f.; Lakitsch, S. 103 ff. 142

2. Kritik zur Rezeption und Fortschreibung

175

soll abermals das siebenteilige Kategoriensystem zur Einordnung dienen. Im Fokus der Überlegungen stehen nunmehr die letzten beiden Kriterien des Bewertungssatzes145 zum vorgeschlagenen Rezeptionsmodell mit juristisch-kulturellen Theorieelementen. In dem Maße, wie dem Ideen- und Gedankengut in Begriffen und Begriffssystemen nach Agamben ein autoritativer Wirkungs- und Geltungsanspruch innerhalb einer Rezipientengemeinschaft beigemessen wird146, ist ebenfalls das in interkontextuellen Prozessen147 im Völkerrechtsschrifttum vonstattengehende Fortgeschriebenwerden der originären Inhalte des Homo-Sacer-Projekts zu erwarten. Zur Erinnerung: Reproduziert ein Akteur, der zuvor als Leser und Rezipient, danach als Autor eigene Texte verfassend in Erscheinung tritt, konkrete Argumentationstopoi, Inhalte, Ideen etc. aus den Homo-Sacer-Publikationen von Agamben, so wird hier von Fortschreibung gesprochen. Prinzipaliter folgt eine solche Überführung von einzelnen Textgegenständen den Regeln der Entdifferenzierungssemantik148, sprich der Konstruktion anderer textlicher Beziehungsgeflechte aus zuvor Dagewesenem oder daneben Bestehendem mit noch nicht Dagewesenem. Dies bedeutet, derart zuvor eventuell zueinander beziehungslose Argumentationstopoi, Inhalte, Ideen etc. werden zu einem neuen Bedeutungszusammenhang mit Rücksicht auf das Wissensmodell der Leserschaft149 verbunden. Entscheidend ist die Herstellung eines die ursprünglichen Inhalte fortbildenden Textzusammenhangs. Vorher externes Wissen wird dabei insbesondere durch Methoden der Präsupposition und Assertion in die eigenen Wissenskonstruktionen150 aufgenommen, die als begrifflich realisiertes Wissen151, etwa in Form kultureller152 Text-, Welt- und Sprach-Schemata, den neu geschaffenen Kontext bilden. Derartige Produktionsprozesse, beginnend mit der Rezeption und anschließender Fortschreibung wiedererkennbarer Inhalte, stellen bedeutende Kontextualisierungsstrategien einer Rezipientengemeinschaft dar. Hierbei dürfte die Rezipientenschaft bestrebt sein, qualitativ hochwertiges Ideen- und Gedankengut aus den historisch-situativen Entstehungszusammenhängen zu lösen, um es auf diese Weise längerfristig, womöglich generationsübergreifend wirken zu las 145

Siehe hierzu unter III. 3. am Ende. Lesenswert zum Spannungsverhältnis literarischer (hier entsprechend der nicht-literarischen) Textproduktionen zwischen „einer variablen Konstellation kontextueller Bedingtheit“ und dem „Anspruch des Unbedingten, des Nicht-Kontextuellen“ bei Homscheid, S. 10. 147 Siehe bei Homscheid, S. 239; zur Abgrenzung zum Begriff „Intertextualität“ vgl. bei ders., S. 231 ff. u. S. 259 ff. sowie in der vorliegenden Untersuchung unter II. 3. in Fn. 133 u. Fn. 136. 148 Vgl. zu grundlegenden Kritiken ausführlicher unter III.  3. in Fn.  195, unter IV.  2. in Fn. 286 u. Fn. 315. 149 Siehe dazu bei Jahr, S. 30 u. S. 89. 150 Über die Fähigkeit des Menschen zur Anknüpfung an vorhandenes Wissen, sog. „Vernetzungswissen“, vgl. weiterführend bei Homscheid, S. 225. 151 So auch bei Seiler, S. 3. 152 Maßgebend bleibt bei alldem der Aspekt der Kulturalität, der die kulturelle Prägung von Texten erfasst: „Damit ist 1. die Tatsache gemeint“, wie Fix et al. näher ausführen, „dass Textsorten Teil  eines durch eine bestimmte Sprach- und Kulturgemeinschaft hervorgebrachten Sprachwissens sind, und 2. das Phänomen, dass Textsorten in verschiedenen Kulturen verschiedene Prägungen haben können“, vgl. bei dies., Textlinguistik und Stilistik für Einsteiger, S. 216. 146

176

V. Homo-Sacer-Projekt im Völkerrechtsschrifttum

sen. Denn die steten Ent- und Neukontextualisierungen von Informationen erweisen sich als zuverlässige Kodierungs- und Speicherungstechniken für Wissen153, wenn es darum geht, (rechts-)wissenschaftliche Textproduktionen als Aspekte der Wissensspeicherung und -tradierung zu begreifen.154 Dementsprechend wird erkennbar um neuartige oder wiederzuentdeckende Erklärungsmodelle, oft mit betont völkerrechtsphilosophischem Hintergrund, in den untersuchten Textquellen gerungen. Dies geschieht zuweilen diskursiv, zum Beispiel in Form der differenzierenden Aufsatzreplik eines anderen Autors.155 Wenn und soweit in Bezug auf die vorgestellten sieben Konzepte außerdem noch die letzten zwei Kriterien des Bewertungssatzes156 zu den bereits bei vier Rezeptionsgegenständen erkannten Merkmalen hinzutreten, dürfte eine rezeptionsanalytische Beweisführung zur Fortschreibung des Homo-Sacer-Projekts nach Agamben – zumindest bei vier philosophischen Entwürfen hieraus – im Völkerrechtsschrifttum der Gegenwart hinreichend begründbar sein. Es ergeben sich für die kategorisierten Begriffe und Begriffssysteme aus den Homo-Sacer-Schriften nachfolgende Betrachtungen. (1) Das nackte Leben: Einige Rezipienten erachten das Konzept vom nackten Leben als die zentrale Idee des philosophischen Theoriegebäudes von Agamben, wie es im ersten Band der Homo-Sacer-Schriftenreihe niedergelegt ist.157 Vereinzelt wird angenommen, dass es bei der Rechtsvergleichung dienlich sein kann, und zwar im Rahmen der Auseinandersetzungen mit Sprachlichkeit, wie Sprachstruktur, Wortzentrismus und dergleichen.158 Denn „Recht ist notwendig an Sprache gebunden.“159 Mit diesem Sprachbild wird allerdings überwiegend das entwurzelte, mitunter staatenlose Dasein im Allgemeinen dargestellt; der menschliche Körper160, dessen Oberfläche gegenwärtig eine Vielzahl von (biopolitischen) Inschriften trüge161 (ideengeschichtliches Motiv der sogenannten „Körperschrift“162). Da 153

Mit Bezug auf Niklas Luhmann bei Homscheid, S. 121 m. w. N. Siehe dazu etwa bei Winter, S. 113; Flatau, S. 98. 155 Insofern sehr anschaulich nachvollziehbar bei Piot, in: TILJ 41 (2006), S. 503 (503 f.). 156 Siehe hierzu unter III. 3. am Ende. 157 Pandolfi, in: IJGLS  10 (2003), S.  369 (374), dort in Fn.  15; Raulff, in: GLJ  5 (2004), S. 609 (612 f.); Boyd, in: UPJIL 32 (2010), S. 457 (490), dort in Fn. 111. 158 Stramignoni, in: SDILJ 4 (2003), S. 57 (75). 159 Christensen, in: Lerch (Hrsg.), S. 1 (88). 160 Baxi, in: IJCL 1 (2003), S. 557 (573); etwa im Zusammenhang zur Problematik der Organspende bei Kindern oder nicht (mehr) zurechnungsfähigen Erwachsenen und somit das Argument des biologistisch Körperlichen nutzend, vgl. bei Jacob, in: Int. J. Child Right 13 (2005), S. 219 (236); Birla, in: CJGL 21 (2011), S. 492 (514). 161 Geprägt durch die dahinterstehende, philosophische Idee wird hiermit die Definition der Identität eines Subjekts (im Recht) unter vor allem demographischen, ethnischen, nationalen oder politischen Maßgaben ermöglicht, Pandolfi spricht sinngemäß von der „Verwaltung von Körpern nach humanitären Kategorien“ am Beispiel der ehemaligen Bürgerkriegsgebiete in Albanien (im Jahr 1997) und Kosovo (in den Jahren 1998 sowie 1999), dies., in: IJGLS 10 (2003), S. 369 (371 u. 374). 162 Hierzu schreibt Haltern sehr erhellend: „Kulturwissenschaftlich ist dies kein neuer Gedanke. Erinnerung wird von unterschiedlichen Medien getragen, etwa dem Bild, der Schrift und eben auch dem Körper […]. Körper als Schreibfläche und Hilfsmittel der Mnemotechnik 154

2. Kritik zur Rezeption und Fortschreibung

177

mit umschreiben die Rezipienten eine Existenz, die gleichsam straffrei tötbar sei, sobald der Mensch, das vormalige Subjekt im Recht, der nationalen Bürgerrechte wie auch der internationalen Menschenrechte durch einen Souverän beraubt würde.163 So entfielen etwa das Recht auf ein faires Verfahren oder vor Willkür schutzgewährende Systeme der Legalität, beginnend beispielsweise mit den historischen Kodifikationen zu „Habeas-Corpus“-Rechten (Lateinisch für: „Habe den Körper“)164 bis hin zu den Konventionen des „Genfer Rechts“165 als die essenziellen Komponenten des humanitären Völkerrechts. Aus der Historie heraus wird das nackte Leben mit dem nationalsozialistischen Holocaust166 assoziiert. Im weiteren Kontext zum Konzept besprechen Rezipienten auch Problematiken der Menschenrechte167, ob diese universell gültig oder kulturell bedingt wirken168, oder ob diese mehr oder weniger staatenbezogene und darum disponible Bürgerrechte darstellen.169 Die Argumentationen in den Textquellen unter Verwendung dieses markanten Begriffspaars nach Agamben ähneln sich stark. Eine (natürliche) Person wird auf ihr nacktes (bloßes) Leben durch eine Macht reduziert.170 Die hierin liegende Aktivierungsstrategie eigener lebensweltlicher Schemata (aus dem individuellen Wissensbestand) eines Lesers dürfte dergestalt zu formulieren sein: Reduzieren heißt hier, jemanden auf etwas beschränken. Insoweit führen die Rezipienten nach Agamben die begriffstypische Grundstimmung ebenso in den eigenen textuellen Zusammenhängen auf eine solche Situation der extremen Entwertung, Herabsetzung oder Verringerung eines menschlichen Geschöpfs zurück. Eine Vielzahl von Rezeptionen folgt dabei im Sprachgebrauch offenkundig der sehr charakte-

ist ein Thema, das sich von Platon und Jesaja über Shakespeare, Proust, Nietzsche und Freud bis zu Halbwachs, Foucault und zuletzt Agamben durchzieht. Überraschend ist das nicht, verspricht doch die ‚Körperschrift‘ das Ideal eines unvermittelten und authentischen Gedächtnisses und erweist sich als anschlußfähig für eine Vielzahl von Themenkomplexen, die unsere Zeit kennzeichnen, etwa das (Kriegs-)Trauma oder das ethnische Gedächtnis“, siehe bei ders., in: AöR 128 (2003), S. 511 (534), dort in Fn. 107. 163 Vgl. bei Pugliese, in: AFLJ 34 (2011), S. 23 (33); Stramignoni, in: ULR 7 (2011), S. 160 (163), dort sowohl im Haupttext als auch noch eingehender in Fn. 14. 164 Dahm et al., Bd. I/3, S. 1023; Vitzthum, in: ders. (Hrsg.), S. 46 f.; für ein anschauliches Beispiel zur weitreichenden „Habeas-Corpus“-Problematik bei ausländischen Gefangenen in der US-amerikanischen Guantánamo Bay Naval Base auf Kuba siehe bei Stuckenberg, in: Menzel et al. (Hrsg.), S. 312 (315 f.). 165 Die internationalen Vereinbarungen des sog. „Genfer Rechts“ umfassen in erster Linie den Schutz der Opfer bewaffneter Konflikte, demgegenüber regelt das sog. „Haager Recht“ die Kriegsführung, hierbei treten auch Schnittmengen beider Rechtsmassen auf, vgl. dazu weiterführend bei Schmidt, Humanitäres Völkerrecht für die Praxis, S. 29. 166 Ben-Naftali/Tuval, in: JICJ 4 (2006), S. 128 (166). 167 Lemke, in: Outlines 1 (2005), S. 3 (6). 168 Vgl. bei Pandolfi, in: IJGLS 10 (2003), S. 369 (371 f. u. 376 f.); Ali, in: ULR 7 (2011), S. 4 (9); Perry/Bishop, in: SLR 61 (2011), S. 25 (42). 169 Siehe bei Ben-Naftali et al., in: BJIL 23 (2005), S. 551 (608); ferner auch bei Birla, in: CJGL 21 (2011), S. 492 (514); Dobrowolsky/Doucet, in: RCS 16 (2012), S. 129 (133). 170 Vgl. bei Vašek, in: Juridikum 1 (2009), S. 18 (19); Ben-Naftali/Tuval, in: JICJ 4 (2006), S. 128 (175); Pugliese, in: AFLJ 34 (2011), S. 23 (33).

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V. Homo-Sacer-Projekt im Völkerrechtsschrifttum

ristischen Linienführung Agambens. Die grundlegende Bedingung der Macht sei demzufolge, das nackte Leben in jedem (Rechts-)Subjekt zu isolieren, um so einen Status zu kreieren, unwiderruflich souveränen Entscheidungen in einer regulierten Gesellschaft ausgesetzt zu sein.171 Ein solches Ausgesetztsein von Menschen ist etwa im Ausländer-, Asyl- oder Sozialhilfewesen festzustellen, sprich in einem fest definierten Regulierungsumfeld, wo Personen durch hoheitliche Stellen unter anderem in Anhörungen und Musterungen überprüft, registriert und nach Kategorien verwaltet werden.172 In dieser Hinsicht sind das gesetzliche Verfahren sowie das Gesetz selbst ununterscheidbar vom nackten Leben.173 Besonders in diesen eher rechtstheoretisch geprägten Punkten übernehmen die Rezipienten mehrheitlich die Lesart nach Agamben. Bisweilen fragen Rezipienten bei der Fortschreibung des originären Konzepts vom nackten Leben zudem nach einer Neubewertung, was es schließlich bedeutet, Mensch zu sein.174 Hierbei lösen sich die meisten Verfasser ein Stück weit von der Agamben’schen Begriffsprägung, um mit eigenständigen Kontextbildungen ihrer Originalitätsobligation an einen (rechts-)wissenschaftlichen Text, allzumal an eine (rechts-)wissenschaftliche Eigenleistung nachzukommen.175 Es kommt bei der Fortschreibung des Konzepts vom nackten Leben nach Agamben nicht auf eine Letztbegründung176 an, die sich am Ende nur schwerlich verteidigen ließe. Vielmehr geht es um die Abweichung von etwas Genanntem aus dem Homo-Sacer-Projekt; es soll dadurch etwas Darüberhinausgehendes zur philosophischen Idee vom nackten Leben in einem fremden, hier völkerrechtswissenschaftlichen Kontext formuliert sein. Im Kern muss es weiterhin um klassische Fragestellungen von der Bestimmung des Menschen (in der Welt) gehen, dass heißt, von welcher Qualität ein solches nacktes Leben nun sei, etwa im Sinne höherer oder niedriger, auf- oder absteigender Ordnungen des Rechts, genauer des Völkerrechts.177 Bei alldem sind es die vielgestaltigen178 Erscheinungsformen eines 171 Vgl. bei Pandolfi, in: IJGLS 10 (2003), S. 369 (375); Parry, in: LCLR 9 (2005), S. 853 (872); Douzinas, in: MJIL 7 (2006), S. 13 (21); Humphreys, in: EJIL 17 (2006), S. 677 (687); Ali, in: ULR 7 (2011), S. 4 (5, 22, 24); für ein seltenes Beispiel einer direkten Abgrenzung zu Agambens Begriffsprägung siehe nur bei Otto, in: PLR 31 (2011), S. 873 (881). 172 So beschreibt etwa Parry anschaulich: „Such claims do not prevent biopolitical regulation; rather they merely require it to work through channels in which individuals may be heard. The fact that, for example, a welfare recipient has the right to be heard at a meaningful time and in a meaningful manner does not make the provision and administration of welfare benefits less biopolitical in any ‚meaningful‘ way. The person being heard, whatever the outcome of the hearing, has still been inspected, recorded, and placed within a rationally-defined category that is managed, perhaps perfectly appropriately, for the greater good“, ders., in: LCLR 9 (2005), S. 853 (871). 173 So auch bei De Ville, in: ULR 7 (2011), S. 77 (89), dort sehr ausführlich in Fn. 68. 174 Schillmoller, in: SCULR 14 (2011), S. 41 (58). 175 Vgl. dazu ausführlicher bei Steinhoff, S. 409. 176 Siehe weiterführend bei Arnauld, Völkerrecht, S. 6 m. w. N. 177 Vgl. bei Lemke, in: Outlines 1 (2005), S. 3 (8). 178 Kanwar, in: IJCL 4 (2006), S. 567 (571).

2. Kritik zur Rezeption und Fortschreibung

179

(asylsuchenden179) Flüchtlings180, die in den untersuchten Textquellen zum Sinnbild des Justitiums181, des Rechtsstillstands erklärt werden. Zudem geht es um Menschen, die als Ausgegrenzte, als Bedürftige, als humanitäre Notfälle bei den weitreichenden Anstrengungen zur Hilfeleistung durch beispielsweise Nichtregierungsorganisationen gleichwohl ökonomischen Maximen182 unterworfen werden. Andere Spielarten – zum zuvor Gesagten – stellen die rechtsförmig durchgeführten staatlichen Tötungen von bestimmten Gefängnisinsassen dar.183 Gerade die Todesstrafen184, die im Strafrecht der einzelnen Bundesstaaten der Vereinigten Staaten von Amerika oft kontrovers diskutiert werden185, sollen die Macht- und Unterordnungsverhältnisse in Bezug auf die nackten Staatsbürger anzeigen.186 An dieser Stelle lässt sich deutlich erkennen, mit welcher thematischen Bandbreite allein der erste von sieben philosophischen Entwürfen, das grundlegende Konzept des nackten Lebens, nach Agamben in den Textquellen verbunden und dadurch in neuen  – hier auch völkerrechtlichen  – Bedeutungszusammenhängen fortgeschrieben wird. Vor allem diesem Begriffspaar wohnt ein hohes Rezep­ tions- und Fortschreibungspotenzial inne, da es Inhalte mit hohem Wiedererkennungs- und Identifikationswert vereint, insoweit es die menschliche Existenz an sich und nicht nur im Recht betrifft. Da die mannigfaltigen Sach- und Problem­lagen des Völkerrechts sowohl die Weltgemeinschaft als auch den Einzelmenschen umfassen, kann gerade das Konzept vom nackten Leben sehr facettenreich in die völkerrechtsphilosophischen Diskurse der Gegenwart eingefügt werden. Denn die einschlägigen Homo-Sacer-Publikationen, wohl allen anderen voran der erste Band der Schriftenreihe (Homo Sacer I.), dürften sich unter diesem Konzeptbezug entsprechend zu nicht-kanonischen187 Grundlagentexten 179

Vgl. dazu etwa bei Doehring, S. 409 ff. Flüchtling ist jeder, der sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gemeinschaft oder wegen seiner politischen Überzeugung außerhalb seines Ursprungsstaates befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, und (kumulativ) den Schutz dieses Staates nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht nehmen will, dies gilt auch für geflüchtete Staatenlose, zu einzelnen Elementen dieser Definition vgl. bei Lorenzmeier/Rohde, S. 189 f.; vgl. weiterhin bei Ben-Naftali et al., in: BJIL 23 (2005), S. 551 (608), dort in Fn. 318; zum Sonderfall des Umweltflüchtlings wegen Klimawandel siehe bei Godden, in: MJIL 10 (2009), S.  543 (575); vgl. ferner bei Boyd, in: UPJIL  32 (2010), S.  457 (547 ff.); Rygiel, in: RCS 16 (2012), S. 211 (212). 181 Billings, in: GLR 20 (2011), S. 271 (272 f.); Birla, in: CJGL 21 (2011), S. 492 (509); Goodrich, in: YJLH 24 (2012), S. 141 (155). 182 Abélès, in: IJGLS 15 (2008), S. 241 (252); siehe in diesem Zusammenhang ferner auch zum Begriff der „ökonomischen Theologie“ nach Agamben bei Thumfart, in: Weiß (Hrsg.), Hugo Grotius: Mare Liberum, S. 25 (26). 183 Volokh, in: OSLJ 72 (2011), S. 983 (1001). 184 Perry/Bishop, in: SLR 61 (2011), S. 25 (40 ff.). 185 Norrie schreibt hierbei zutreffend: „Start with Kant under modern conditions, and you end up with Agamben“, ders., in: NCLR 14 (2011), S. 449 (465). 186 Goldberg-Hiller, in: JILIR 1 (2004/2005), S. 261 (263). 187 Vgl. dazu bereits unter I. 2. in Fn. 26. 180

180

V. Homo-Sacer-Projekt im Völkerrechtsschrifttum

heraus­bilden, da diese insoweit als Referenzmaterien zur Urheberschaft Agambens im Völkerrechtsschrifttum zunehmend häufiger zitiert werden müssten. „Referenzmaterien haben Modellfunktion […]“, wenn es darum geht, „(neue) Strukturen des Rechts zu entwickeln […], auf neue Gebiete aufmerksam zu machen, die von anderen Erfahrungen und anderen Interessenstrukturen bestimmt werden“188. Sonach dürfte ebenso der Wirkungs- sowie Geltungsanspruch des Konzepts vom nackten Leben über den engeren Kreis einer ersten Rezipientenschaft hinaus gegeben sein. Wenn eine hinreichende inhaltliche Sachnähe zum ursprünglichen Konzept vorliegt, dann ist es denkbar, dass auch andere Lehrmeinungen in der Folgezeit diesen ideenreichen Theorieentwurf aus dem Homo-SacerProjekt zur Fortentwicklung eigener völkerrechtswissenschaftlicher Standpunkte nutzen werden. (2) Der Homo Sacer: An einer internationalen Fortschreibung als Theorieent­ gamben nimmt derzeit besonders die Verkörperung des nackten Lewurf nach A bens in der (rechts-)philosophisch geprägten Erscheinung des Homo Sacer im Völkerrechtsschrifttum teil. Gleichwohl bleibt der Homo Sacer nach Agamben eine Figur des Europäischen.189 Die zwischen den beiden populärsten Agamben’schen Konzeptionen – nämlich zur Rechtsfigur des Homo Sacer und zum nackten Leben  – tatsächlich bestehenden Schnittpunkte werden in den untersuchten Textquellen überwiegend in gleichartigen Zusammenhängen dargestellt und so nebeneinander in den völkerrechtswissenschaftlichen Diskurs integriert.190 Einerseits begründet sich dies nach dem Äußeren – wie eingehender zur Oberflächenstruktur191 eines Textes erklärt – mit der titelgebenden und so auch rezipierten Namenssetzung192 des ersten Bandes der Schriftenreihe. Andererseits hat das Konzept des Homo ­Sacer durch Agamben eine plausible Ausgestaltung im Rahmen eines Situationsmodells193 gefunden, sodass es für die meisten Rezipienten einladend wirken muss, die konzeptionellen Strukturen einer solch anregenden Rechtsidee eines zeitgenössischen Philosophen aus Italien ausführlich zum Völkerrecht darzustellen. Es sind die neuen „Denkbilder des Autors von Homo sacer“194 aus dem „alten Europa“195, welche Topos und Diskurs hierzu prägen. Denn Agamben gilt nicht nur 188

Drüen, S. 108. Weigel, in: Weidner (Hrsg.), S. 101 (115). 190 Siehe z. B. insgesamt bei Pandolfi, in: IJGLS 10 (2003), S. 369 (369 ff.); Lemke, in: Outlines 1 (2005), S. 3 (3 ff.); Ben-Naftali, in: ASILProc 100 (2006), S. 85 (85 ff.); Humphreys, in: EJIL 17 (2006), S. 677 (677 ff.). 191 Siehe dazu ausführlicher unter III. 2. in Fn. 76. 192 Vgl. statt vieler bei Baxi, in: IJCL 1 (2003), S. 557 (573), dort in Fn. 105 zur häufig verwendeten Zitationsweise: „See Giorgio Agamben, Homo Sacer: Sovereign Power and Bare Life (Daniel Heller-Roazen trans., Stanford Univ. Press 1998).“ 193 Siehe dazu ausführlicher unter III. 2. in Fn. 78. 194 So lautet die werbende Aufschrift auf einer Buchbinde zur deutschen Ausgabe von Giorgio Agambens Werk „Idee der Prosa“ (2003, Frankfurt am Main), siehe dazu weiterführend bei Borsò, in: dies. et al. (Hrsg.), Benjamin – Agamben, S. 35 (35). 195 So auch bei Bautze, S. 101. 189

2. Kritik zur Rezeption und Fortschreibung

181

in europäischen Fachkreisen als Gewährsmann der (post-)postmodernen Philosophie und politischen Theorie196, um markante Eckpunkte des Archaischen antiker Zeiten in aktuelle Argumenta­tionsstrukturen197 einzukleiden. Bei der Rezeption und Fortschreibung zum Homo-Sacer-Projekt gibt es sicherlich viele verschiedene Motivationslagen der Rezipienten198, die diese veranlassen, sich mit bestimmten Konzepten nach Agamben in ihren Texten auseinanderzusetzen. Motivation199 steuert die menschliche Aufmerksamkeit200, sodass der Fokus dort liegt, wo Relevantes vermutet wird. Der Einfluss von Agamben auf andere Personen201, die die philosophischen Entwürfe von ihm aufgreifen, da sie etwa Aktuelles oder Relevantes hierin erkennen, beruht überwiegend auf den Interpretations- sowie Definitionsleistungen zur Konzeption des Homo Sacer. Denn hiermit wird Agamben als „prominente[r] Vertreter einer Denkrichtung“202 assoziiert, sodass entstehende Formen seiner Anerkennung203 in Zeit und Raum eventuell auch als wissenschaftliche Autorität (in der Philosophie) zu begreifen sind. Zugleich ist allerdings mit Andreas Vasilache anzumerken, dass eine „Rezeption des […] Denkens Agambens recht jung und die Literaturlage daher noch dünn ist […]“204. Darüber hinaus werden die Ausgestaltungen in den rezipierenden Texten selbstredend ebenso mit ihren inhaltlichen Verknüpfungen beider Konzepte, also des Homo Sacer mit dem nackten Leben, ausgehend von traditionellen Vordenkern, wie Michel Foucault, Antonio Negri und Michael Hardt, durch die übernehmende Autorenschaft besprochen sowie mitunter als „linke Kritik“ eingeordnet.205

196

Vgl. dazu bereits bei Mesnard/Kahan, S. 9 f. Siehe etwa bei Finkelde, in: ders. et al. (Hrsg.), S. 27 (36). 198 So unterscheidet Scheer vier Motivationstypen, die bei der Rezeption von wissenschaftlichen Studien auftreten: (1) Erkenntnismotivation, zumeist bei forschungsorientierter Einbettung eines Rezipienten (als Arbeits- bzw. Berufsanforderung), (2) Gefahrenabwehrmotivation, oft bei institutioneller Einbindung eines Rezipienten im Risiko- und Gefahrenmanagement, (3) Instrumentalisierungsmotivation, indem Inhalte vom Rezipienten ausgewählt werden, die seiner Position entsprechen, (4) Unverständnismotivation, die die Nicht-Rezeption eines Inhalts zur Folge hat, da ein kognitives Nicht-Verstehen-Können eine mentale Hemmschwelle beim Rezipienten bildet, siehe bei ders., S. 154 f.; vorliegend wird bei der AgambenRezeption im Völkerrechtsschrifttum von Erkenntnis- und teils Instrumentalisierungsmotivationen der Rezipientenschaft ausgegangen. 199 Siehe ausführlicher bei Simon, S. 28; Sohrabi, S. 37 f. 200 Vgl. etwa bei Winter, S. 110. 201 Anschaulich bei Bikundo, in: MJIL 9 (2008), S. 301 (307 f.); Opitz, in: KJ 4 (2010), S. 436 (438 ff.); Mahmud, in: BJIL 36 (2010), S. 1 (54), dort in Fn. 336; ders., in: CLR 14 (2010), S. 1 (54), dort in Fn. 365; Billings, in: GLR 20 (2011), S. 271 (273); De Ville, in: ULR 7 (2011), S. 77 (89), dort ausführlich in Fn. 68. 202 Hartung, in: Schwarzwald et al. (Hrsg.), S. 111 (128); siehe weiterhin bei Frankenberg, S. 145; Laufenberg, S. 12. 203 So auch bei Lemke, Gouvernementalität und Biopolitik, S. 89. 204 Vasilache, S. 251. 205 Siehe z. B. bei Ben-Naftali et  al., in: BJIL  23 (2005), S.  551 (608); Aravamudan, in: TILJ 41 (2006), S. 427 (444); Humphreys, in: EJIL 17 (2006), S. 677 (687); Raulff, in: GLJ 5 (2004), S. 609 (610); Douzinas, in: MJIL 7 (2006), S. 13 (20 f.). 197

182

V. Homo-Sacer-Projekt im Völkerrechtsschrifttum

Dennoch, altbekannte Schemata scheinen zusehends zu schwinden. Seit den Anschlägen vom 11. September 2001 sind vor allem die angelsächsisch geprägten Teile des Völkerrechtsschrifttums bemerkbar bestrebt, meist simplifizierende ReDefinitionen, etwa von „Gut“ und „Böse“, in Bezug auf bestimmte Gruppen von Menschen, ganz überwiegend und vermeintlich feindseligen Akteuren in der Welt, vorzuschlagen.206 Hierbei werden die grundlegenden Argumentationsmuster zur (vormals archaischen) Rechtsfigur des Homo Sacer nach Agambens Lesart verwendet.207 Im Allgemeinen entwickeln die Rezipienten – wenn auch lediglich vordergründig plausibel und kohärent erscheinende – rechtfertigende Begründungsketten, die einen enormen Bogen vom zunächst unbestimmt feindlich gesinnten Anderen des Rechts208, über den ungesetzlichen Kombattanten („unlawful/illegal combatant“209), wie auch die anderweitige Nicht-Person210 („non-person“211) wegen Gesetzlosigkeit („outlawry“212), schließlich bis hin zum „bedingungslos tötbaren Leben“213, sprich dem Homo Sacer im engeren Sinne, spannen.214 Hierzu werden im dies rezipierenden Völkerrechtsschrifttum unter anderem nachfolgende Einteilungen vertreten: (1) Der Gesetzlose in Friedenszeiten steht außerhalb der Rechtsordnung, ist also jederzeit ungeschützt und für alles zugänglich, (2) der Kriminelle in Friedenszeiten steht (wegen etwa völkerstrafrechtlich pönalisierter Taten) innerhalb der Rechtsordnung, ist also für rechtsförmige Sanktionen respektive Strafmaßnahmen zugänglich, (3) der Terrorist in Kriegszeiten steht außerhalb der Rechtsordnung, ist also jederzeit ungeschützt und für alles zugänglich, (4) der Feind in Kriegszeiten steht innerhalb der Rechtsordnung (wegen Haager Recht215), ist also jederzeit für Tötungen wie auch Schädigungen, nicht 206

Vgl. etwa bei De Simoni, in: Poppe et al. (Hrsg.), S. 81 (83 f.). Siehe dazu ausführlicher bei Lemke, in: Outlines 1 (2005), S. 3 (5 f.). 208 Opitz spricht hierbei von einer „Suggestionskraft“ der „Figur des Anderen in den Sozial- und Geisteswissenschaften“, da gerade sie „den Grenzfall […] der Beziehung einer wie immer gearteten Identität zu ihrer Alterität“ kennzeichnet, vgl. bei ders., in: KJ  4 (2010), S. 436 (436); siehe auch bei Schatz/Horst, in: LCLR 11 (2007), S. 539 (543), dort in Fn. 9. 209 Siehe z. B. bei Thomas, in: FILJ 26 (2003), S. 1193 (1216 u. 1225); Marks, in: CHRLR 37 (2006), S.  559 (580); Schatz/Horst, in: LCLR  11 (2007), S.  539 (542 u. 551); Teraya, in: VUWLR 38 (2007), S. 299 (313); McGiverin, in: IICLR 18 (2008), S. 233 (241); Nickel, in: EILR 24 (2010), S. 619 (629), dort in Fn. 57; Opitz, in: KJ 4 (2010), S. 436 (437); Stahlberg/ Lahmann, in: AJCL 59 (2011), S. 1051 (1063, 1070 f., 1083). 210 Zur Frage und zugleich zur Abgrenzung der Übertragbarkeit der völkerrechtlichen Dogmatik der Erklärung bei diplomatischen und konsularischen Beziehungen nach Art. 9 Abs. 1 des Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen (WÜD) zur sog. „persona non grata“ ebenso auf andere Akteure, die aus bestimmten Gründen in diesem Sinne als NichtPersonen erachtet werden können, siehe bei Rassel, S. 169 f. m. w. N. 211 Thomas, in: FILJ 26 (2003), S. 1193 (1225); Bikundo, in: MJIL 9 (2008), S. 301 (308). 212 Teraya geht davon aus, dass die Rechtsfiguren des Gesetzlosen („outlaw“) und des Homo Sacer inhaltlich korrespondieren, dies., in: VUWLR 38 (2007), S. 299 (314). 213 Christophersen, S. 110. 214 Anschaulich bei Thomas, in: FILJ 26 (2003), S. 1193 (1225). 215 Vgl. weiterführend unter V. 2. in Fn. 165. 207

2. Kritik zur Rezeption und Fortschreibung

183

aber für rechtsförmige Strafmaßnahmen zugänglich.216 Nach alledem fragen sich einige Rezipienten, wie mit der asymmetrischen Bedrohung gewaltbereiter Terroristen letzten Endes umzugehen ist217, und ob diese – unter prinzipienorientierter Heranziehung dieses Konzepts nach Agamben – gewissermaßen als Homines Sacri aus den überpositiv bestehenden und universal geltenden menschenrechtlichen Verbürgungen gegenwärtiger Weltordnungsmodelle218 ausgenommen werden können.219 Eine Zuspitzung der Rechtsfigur dürfte sich in dem historischen Ereignis der gezielten Tötung220 des Islamistischen Top-Terroristen wie auch Dschihadisten Usāma ibn Muhammad ibn Awad ibn Lādin, gemeinhin bekannt als Osama Bin Laden, durch den US-amerikanischen Militäreinsatz am 02. Mai 2011 in der Stadt Abbottabad in der Islamischen Republik Pakistan widerspiegeln221, in welcher sich der vermeintliche Status des feindselig Anderen des Rechts vollends realisierte: als de facto bedingungslos tötbare Existenz eines Menschen. Osama Bin Laden war insofern ein staatenloser Extremist, da er im Jahr 1994 aus dem Königreich Saudi-Arabien durch Entzug beziehungsweise Aberkennung seiner Staatsangehörigkeit (Expatriation oder auch Verbannung) rechtswirksam ausgebürgert wurde.222 Gegen Bin Laden, ideologischer Gründer und zeitweiliger Anführer der gewaltbereiten Organisation „al-Qaida“, wurden zuvor transnationale Maßnahmen, wie unter anderem gezielte finanzielle Sanktionen223, im Rahmen eines nicht-internationalen bewaffneten Konflikts224 durchgeführt. „Wir werden Osama Bin ­Laden kriegen, tot oder lebendig!“, verkündete der damalige, republikanische US-Präsident George Walker Bush am 17. September 2001, nur sechs Tage nach den Terror­anschlägen von New York und Washington, District of Columbia. Er bediente sich hierzu jener martialischen Metapher225, die offenkundig einer „Wanted: Dead or Alive“-Mentalität entstammt und in gewisser Weise den 216

Vgl. bei Bikundo, in: MJIL 9 (2008), S. 301 (312). Vašek, in: Juridikum 1 (2009), S. 18 (19); Thomas, in: FILJ 26 (2003), S. 1193 (1225). 218 Siehe grundlegend dazu bei Tomuschat, in: ders. (Hrsg.), S. 15 (15 ff.). 219 Kritisch dazu etwa bei Strüwer, S. 146 f. 220 Siehe dazu bei Höfer, S. 128; vgl. auch bei Arnauld zum Verstoß gegen das Interven­ tionsverbot (gemäß Art. 2 Nr. 7, Nr. 1 UN-Charta, Völkergewohnheitsrecht), ders., Völkerrecht, S. 144 m. w. N. 221 Vgl. bei Bilder, in: AJIL 104 (2010), S. 532 (547); ebenso Thomas, in: FILJ 26 (2003), S. 1193 (1225); Shanor, in: EILR 24 (2010), S. 589 (616); Greene, in: GLJ 12 (2011), S. 1764 (1771 f.) m. w. N. 222 Vgl. bei Reiter/Rothländer, in: Juridikum 4 (2006), S. 173 (173); zu Hintergründen siehe bei Noll, in: MJIL  7 (2006), S.  104 (105), dort in Fn.  3 m. w. N.; Teraya, in: VUWLR  38 (2007), S. 299 (312). 223 Chesterman, in: VJTL 42 (2009), S. 1509 (1533). 224 Stahlberg/Lahmann, in: AJCL 59 (2011), S. 1051 (1060 f.); vgl. ferner zu oftmals schwierigen Abgrenzungsfragen des internationalen sowie nicht-internationalen bewaffneten Konflikts in Bezug zum völkerrechtlichen Kriegsstatus bei Blumenwitz, in: Oberreuter et  al. (Hrsg.), S. 155 (155 ff.). 225 Siehe weiterführend bei Kirchhoff, S. 224 m. w. N. 217

184

V. Homo-Sacer-Projekt im Völkerrechtsschrifttum

Homo Symbolicus der 9/11-Terrorakte zu einem zeitgenössischen Inbegriff des Homo Sacer stilisierte. Der teils kriegsrhetorische Sprachgebrauch hat dabei auch kriegerische Denk- und Verhaltensmuster mitgeprägt. In diesem Fall war das Ergebnis einer ­souveränen Abwicklungsentscheidung die Liquidierung226 von Bin Laden. Der Akt, jemanden auf eine solche Art und Weise als Homo ­Sacer zu qualifizieren, sozusagen den biopolitischen Bann über ihn als symbolische Rache auszusprechen, muss aufgrund geltender Regeln227 der Völkerrechtsordnung als unzulässig erachtet werden.228 Denn es gilt die Stabilisierungs- und Friedens­ sicherungsfunktion des prinzipiengeleiteten Völkerrechts zu erhalten und darüber hinaus die juridisch-politischen Rahmenbedingungen der internationalen Koexistenz und Staaten­kooperation zu bewahren.229 Ebenso wird – wiederum in Ansehung vergangener nationalsozialistischer Herrschaftsgewalt – die besonders vielgestaltige Enthumanisierung des politischen Gegners mit dieser Grundfigur nach Agamben in den untersuchten Textquellen verbunden, um etwa Genozide in Bosnien und Ruanda230 oder Identitätskonflikte im Kosovo231 und im Nahen Osten232 und nicht zuletzt auch Legitimitätsfragen zu Folterungen233 im weltweiten Kampf gegen den Terrorismus straf- und völkerrechtlich einzuordnen und zu bewerten. Fernerhin wird das Sprachbild vom Homo Sacer genauso zur Erörterung des Umgangs mit nicht autorisierten, oft ausländischen Gastarbeitern – vornehmlich in den Vereinigten Staaten von Amerika  – in Bezug auf strittige Arbeiterrechte in Verbindung mit internationalen Menschenrechtsstandards, mithin das Rechtsproblem über interna­tionale Arbeiterrechte als subjektive internationale Rechte, entlehnt.234 Es ist festzustellen, dass das Konzept des Homo Sacer nach Agamben bereits einen, anhand räumlich und zeitlich übergreifender Kommunikationsprozesse belegbaren, besonders ausgeprägten Wirkungskreis in der hier erforschten Rezipientengemeinschaft zeigt. Zum einen liefert es den charakterisierenden Präoder Subtext als rein philosophisch überformtes Ideen- und Gedankengut für die 226 Liquidierung meint u. a. den politisch motivierten, gezielten Mord an einem Menschen, siehe fernerhin bei Wichmann, in: Jäger (Hrsg.), S. 130 (139 u. 147). 227 Insbes. nach Art. 6 Abs. 1 Satz 3 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (1966) i. V. m. dem sog. Gemeinsamen Art. 3 zu allen vier Genfer Konventionen gilt in einer prinzipienorientierten Gesamtschau im Völkerrecht, dass niemand willkürlich seines Lebens beraubt werden darf und unter allen Umständen mit Menschlichkeit zu behandeln ist, solange er nicht direkt an den Feindseligkeiten eines nicht-internationalen bewaffneten Konflikts teilnimmt. 228 Zur völkerrechtlichen Würdigung der Liquidierung Osama bin Ladens siehe bei Höfer, S. 261 ff. 229 Diesbezüglich lesenswert bei Jung, in: Jäger (Hrsg.), S. 408 (408 ff). 230 Neubacher, in: JICJ 4 (2006), S. 787 (795). 231 Vgl. ferner bei Beestermöller, in: Oberreuter et al. (Hrsg.), S. 143 (143 ff.). 232 Haltern, in: AöR 128 (2003), S. 511 (544). 233 Parry, in: MJIL 6 (2005), S. 516 (520 u. 523). 234 Lyon, in: UPJIL 29 (2007), S. 169 (194); siehe grundlegend bei Peters, Jenseits der Menschenrechte, S. 412 ff.; dies., in: Obrist/Bäni (Hrsg.), S. 465 (465 ff.).

2. Kritik zur Rezeption und Fortschreibung

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Argumentations- und Begründungsstrategien der völkerrechtswissenschaftlichen Autorenschaft. Der Begriff nach Agamben dient den Rezipienten nicht allein zu explanativen Zwecken im Sinne der jeweiligen Zielsetzung des Aufsatzes oder Fachartikels, sondern vielmehr zur Bildung eines darüber hinausgehenden geistesgeschichtlichen und kulturellen Kontextes. Der Homo Sacer kann dabei als Schema gelten, da hauptsächlich nur ganz bestimmte und somit hinreichend abgrenzbare Begriffsinhalte mit dieser Rechtsfigur durch die Leser- und Rezipientenschaft assoziiert werden. Zum anderen hat sich das Konzept nach Agamben zwischenzeitlich in den einschlägigen Texten des zeitgenössischen Völkerrechtsschrifttums derart verfestigt, sodass es zur wechselseitigen Koordinierung von Sender- und Empfängerkontexten – einer wesentlichen Eigenschaft der Fortschreibung – in Bezug auf aktuelle Rechtsfragen im Licht von Inhalten aus der HomoSacer-Schriftenreihe genutzt werden kann. (3) Die Bann-Beziehung: Dem Bann-Konzept nach Agamben wird in den Textquellen keine vergleichbar umfassende Einbindung zuteil, wie dies bei den vorgenannten Konzeptionen nach Maßgaben von Einfluss- und Wirkmächtigkeit der Fall ist. Das kommt daher, da es selbst keine hinreichend konkreten Merkmale beinhaltet, die sich zu subsumierbaren Kategorien oder Grundmustern im Völkerrecht verdichten lassen.235 Dies wird von der Rezipientengemeinschaft allem Anschein nach ebenso angenommen; eine Beobachtung, die sich aufgrund der Absenz eines Bann-Begriffs als kontextbildender Argumentationstopos in der überwiegenden Anzahl von untersuchten Textquellen ergibt. Wenn und soweit die Rezipienten  – in zuordenbarer Weise  – die „Figur des souveränen Banns“236 nach Agamben in ihre Texte einbeziehen, dann geschieht dies nur vereinzelt in vertiefender, historisierender Auseinandersetzung mit Grund und Struktur des auf eine menschliche Existenz bezogenen Bannausspruchs.237 Außerdem erfolgen Darstellungen seitens der Rezipienten, in denen diese zur Funktion des Gesetzes238 in der Philosophie Agambens oder zu weiteren Entwürfen aus dem Homo-­ Sacer-Projekt239 Stellung nehmen. Dabei sind Tendenzen zur abstrakten Beschreibung von außerhalb der Legalität belegenen Zonen, zur vorrechtlichen Anomie240, ­erkennbar.

235 Vgl. zum Bann als „geistliche[s] Machtmittel der Kirche“ kraft „Papstentscheidungen“ und als „Inhalt des mittelalterlichen politischen Rechts, aus dem später das Völkerrecht hervorgegangen ist,“ ausführlicher bei Wengler, S. 111 f. 236 Lemke, in: Outlines 1 (2005), S. 3 (10). 237 Vgl. bei Douzinas, in: MJIL 7 (2006), S. 13 (14 u. 20); Mahmud, in: BJIL 36 (2010), S. 1 (54), dort in Fn. 336; Perry/Bishop, in: SLR 61 (2011), S. 25 (43 u. 45). 238 Vgl. bei Humphreys, in: EJIL 17 (2006), S. 677 (680); Noll, in: MJIL 7 (2006), S. 104 (125); Johns, in: MJIL 8 (2007), S. 516 (527 f.); Ali, in: ULR 7 (2011), S. 4 (18 u. 21 f.). 239 Vgl. bei Opitz, in: KJ 4 (2010), S. 436 (438); Shanor, in: EILR 24 (2010), S. 589 (613), dort in Fn. 138; Billings, in: GLR 20 (2011), S. 271 (273), dort in Fn. 4; Margolies, in: SWLR 40 (2011), S. 575 (599); Schillmoller, in: SCULR 14 (2011), S. 41 (53). 240 So etwa bei Kanwar, in: IJCL 4 (2006), S. 567 (568 u. 574).

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V. Homo-Sacer-Projekt im Völkerrechtsschrifttum

In diesem Zusammenhang wird der vor allem für die Völkerrechtler in der Bundesrepublik Deutschland bedeutende Inhaftierungsfall des langjährigen Guantánamo-Insassen Murat Kurnaz als ein bannartiges Ereignis dargestellt.241 Darüber hinaus ist festzuhalten, dass das Konzept der Bann-Beziehung derzeit keine systematische, zumindest nicht planvolle, allenfalls nur beiläufige Fortschreibung innerhalb des infrage kommenden Diskurses im Völkerrechtsschrifttum erfährt. Demgemäß ist zu erwarten, dass dieser Begriff nach Agamben nur eine geringe Verbreitung als (eigenständiger) Rezeptionsgegenstand im einschlägigen Fachschrifttum finden wird und damit gerade nicht zur Überwindung der zeitlichen Begrenztheit oder zur Verstärkung der Argumentations- und Begründungsweisen in fremden Kontexten beiträgt. Es wird sicherlich nicht das von Agamben gezeichnete Vorstellungsbild zum Bann sein, welches zu einer künftigen (rechts-)wissenschaftlichen Akzentuierung der Homo-Sacer-Schriften in den betreffenden Kommunikationsprozessen herangezogen wird, um zu deren Festigung als Grundlagentexte in einem völkerrechtsphilosophischen Diskurs etwas Bedeutsames oder Ertragreiches beizusteuern. (4) Die souveräne Macht/Souveränität: Abweichend hiervon dürfte für das Konzept der souveränen Macht/Souveränität nach Agamben Gegenteiliges gelten, da dies bereits in der Natur der Sache liegt, dass derartige Rechtsproblemkreise im Völkerrechtsschrifttum besonders häufig erörtert werden. Dementsprechend besteht auch ein erhöhter Bedarf an themabezogenen Grundlagentexten, anhand derer eine  – mitunter (rechts-)philosophische  – Aussage über Betrachtungsgegenstände zur Hoheits- oder Staatsgewalt in unterschiedlichen Abstraktionsstufen gemacht werden kann. Dabei wird der Begriff der Souveränität auf eine Vielzahl von verschiedenen Völkerrechtssubjekten (nicht nur im klassischen Sinn) angewendet.242 Die ideengeschichtlich begründbare Deutungsplu­ ralität hat sich hieraus ergebende Schwierigkeiten bei den Begriffsbestimmungen zur Folge.243 So sind es bei genauer Überlegung – wie der Staatsrechtler Stefan Haack zutreffend formuliert – „stoffbedingte Verständigungshürden“, die zu einer „Unzulänglichkeit der begrifflichen Deduktion“ führen, wobei anzumerken ist, dass „die hierzu vertretenen Positionen […] auch und vor allem darin [divergieren], welches Phänomen mit dem Ausdruck ‚souverän‘ benannt werden soll.“244 Daher bleibt nur die – teilweise verworrene – Begriffslage thesenartig zuzuspitzen245, da sich das zu benennende Kultur- und Rechtsphänomen von den historischen Bezügen fortwährend zu entfremden scheint, um letzten Endes so „zu deren struktursichernder Neuinterpretation“246 im Völkerrechtsschrifttum beizu 241

Vgl. bei Nickel, in: EILR 24 (2010), S. 619 (642), dort in Fn. 140. Siehe dazu weiterführend bei Arnauld, Völkerrecht, S. 22 ff. 243 Vgl. etwa bei Lewicki, S. 13 ff. 244 Zu vorstehenden Zitaten siehe bei Haack, S. 10 m. w. N. 245 Für eine Zusammenschau maßgeblicher Gesichtspunkte der (zeitgenössischen) Erklärungsansätze zur Souveränität siehe bei Kotzur, in: JöR 52 (2004), S. 197 (214 ff.). 246 Kotzur, in: JöR 52 (2004), S. 197 (218). 242

2. Kritik zur Rezeption und Fortschreibung

187

tragen.247 Daraus folgt insbesondere, dass der Begriff zur souveränen Macht/Souveränität nach Agamben lediglich eine (weitere) souveränitätstheoretische Lesart unter vielen im völkerrechtswissenschaftlichen Diskurs darstellt.248 Dies zeigt sich auch anhand der betrachteten Textquellen. Einerseits wird­ Agambens Ansatz zur Bestimmung der souveränen Macht/Souveränität  – wie erwartet – vielerorts249 im Anschluss an Carl Schmitts Souveränitätslehre250 gesehen und kann insoweit selbst bereits als eine Fortschreibung im vorliegenden Sinne erachtet werden, indem er sich „nicht mit einer topologischen Umschrift [begnügt]  […], sondern […] sie um die Figur des homo sacer  – den Träger jenes ‚nackten‘ Lebens [ergänzt]“251. Vereinzelt wird hierin sogar eine neue Form der Souveränität erkannt252, es sei denn, dem Entwurf ist allein aufgrund der ergänzten Elemente von Anfang an seine philosophiegeschichtliche Eigenständigkeit nach Maßgabe innovativer Originalität abzusprechen. Wie erwähnt, bewegten sich schon andere Denker253 vor Agamben an den zahlreichen Schnittstellen zwischen Souveränität und (Bio-)Politik.254 Das Konzept nach Agamben wird in den Textquellen als Anerkennung von Staatsgewalt255 unter anderem auf die „politischen Akteure der Weltgesellschaft“256 bezogen. Die Rezipienten beschreiben diese Akteure in ihrer Tradition gleich eines altertümlichen Souveräns257 und dessen

247

Lesenswert zur oft geforderten „analogen Umstellung der Souveränitätstheorie“ im USamerikanischen Kulturraum bei Opitz, in: KJ 4 (2010), S. 436 (447), dort in Fn. 63 m. w. N. 248 Hierin zeigt sich ein wesentliches Problemfeld der vorliegenden Betrachtung, das bei der Rezeptionsanalyse eine Zuordnung aus der heterogenen Menge an Souveränitätsperspektiven als unmittelbare oder eindeutige Konzeptionsübernahme nach Agamben in den Textquellen des Völkerrechtsschrifttums erschwerte. 249 Siehe z. B. bei Pandolfi, in: IJGLS 10 (2003), S. 369 (375 f.); Parry, in: MJIL 6 (2005), S. 516 (523), dort in Fn. 35; Ben-Naftali et al., in: BJIL 23 (2005), S. 551 (605 u. 608); Lemke, in: Outlines 1 (2005), S. 3 (9); Aravamudan, in: TILJ 41 (2006), S. 427 (444); Ben-Naftali, in: ASILProc 100 (2006), S. 85 (92); Humphreys, in: EJIL 17 (2006), S. 677 (680 f.); Thumfart, in: Grotiana 30 (2009), S. 65 (67); Lindsay, in: FCLR 38 (2010), S. 255 (263 f.); Bilder, in: AJIL 104 (2010), S. 532 (547); Mahmud, in: BJIL 36 (2010), S. 1 (54), dort in Fn. 336; Opitz, in: KJ 4 (2010), S. 436 (439), dort in Fn. 18; Mahmud, in: CLR 14 (2010), S. 1 (54), dort in Fn. 365; De Ville, in: ULR 7 (2011), S. 77 (92); Margolies, in: SWLR 40 (2011), S. 575 (579), dort in Fn. 12; Dobrowolsky/Doucet, in: RCS 16 (2012), S. 129 (133). 250 Vgl. dazu bereits unter IV. 2. in Fn. 265. 251 Die Hervorhebungen sind bei Opitz bereits im Originalwortlaut enthalten, ders., in: KJ 4 (2010), S. 436 (438). 252 So etwa bei Pandolfi, in: IJGLS 10 (2003), S. 369 (371). 253 Zu nennen sind hierbei die großen (Vor-)Denker und Freigeister aus der Philosophie­ geschichte, wie: Alain Badiou, Jean Bodin, Michel Foucault, Ernesto Laclau, Claude Lefort und Jean-Luc Nancy, auf welche sich Agamben in den Homo-Sacer-Publikationen bei konzeptionellem Begründungsbedarf auch namentlich bezieht. 254 Dies erkennt auch Pandolfi, in: IJGLS 10 (2003), S. 369 (373); siehe ferner bei Arava­ mudan, in: TILJ 41 (2006), S. 427 (444); Humphreys, in: EJIL 17 (2006), S. 677 (687). 255 Parry, in: MJIL 6 (2005), S. 516 (520). 256 Fischer-Lescano, in: ZaöRV 63 (2003), S. 717 (755). 257 Lemke, in: Outlines 1 (2005), S. 3 (3).

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V. Homo-Sacer-Projekt im Völkerrechtsschrifttum

(mitunter auch willkürliches) Wahlrecht auf Leben zu nehmen oder leben lassen.258 Nur vereinzelt wird in Zeiten einer fortschrittlichen und überwiegend zeitgeist­ gemäßen Welt­gesellschaft die stete Konfrontation mit dem „ultimativen Maßstab“259 umschrieben, wenn sich der individuelle Bestand von schützenden Menschen- sowie Bürgerrechtsstandards und die souveräne Macht g­ egenüberstehen. Im Wesentlichen geht es dabei um einen zukunftsgerichteten Erhalt von – zuvor teils in gewaltsam-revolutionärer, teils in friedlich-progressiver Art und Weise errungenen – Sitten und Institutionen der staatlichen Ordnungen260 ebenso auf der Ebene internationaler Systeme.261 Hierzu sei es die inhärente Aufgabe einer jeden, die verfasste Staatsgewalt ausübenden Regierung, „um des gemeinen Besten willen, den Zeitgeist zu beherrschen und zu veredeln“, um letztlich „über das Einwirken auf den Zeitgeist […] innere Souveränität [zu erhalten].“262 Es erscheint sonach konsequent, dass in den Textquellen im Anschluss an Agamben der aufschluss­ reiche Fragenkomplex zur Volkssouveränität263 fortgeschrieben wird. Denn in diesem Zusammenhang beurteilen die Rezipienten die verschiedenen, ineinandergreifenden Sach- und Problemlagen in einem Gemeinwesen, die offenbar werden, wenn sich die souveräne Macht (wohl systembedingt264) selbst aus der Rechtsordnung herausnimmt.265 Insoweit machen sie sich Agambens Erklärungsansatz zu eigen, dass es wegen dieses Herausgenommenseins oder dieser Bindungslosigkeit zu Exzessen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht durch die souveräne Macht zulasten des Gemeinwesens kommen kann.266 Dies wird unter anderem damit begründet, dass eine souveräne Entscheidung nicht aus dem Gesetz folgt, da dieses bereits unselbstständiger Teil einer derartigen Bestimmung ist, sondern – in 258 Vgl. bei Parry, in: LCLR  9 (2005), S.  853 (865 u. 874); Di Muzio, in: GG  14 (2008), S. 305 (309). 259 Goldberg-Hiller, in: JILIR 1 (2004/2005), S. 261 (263). 260 Siehe dazu etwa bei Beaucamp, S. 8 ff.; Schulz, S. 379 f. 261 In Anlehnung an Beaucamp, der unter diesen Aspekten das sog. Sustainability-Konzept in Bezug auf das Umweltvölkerrecht erörtert, siehe weiterführend bei ders., S. 79 ff.; so wohl auch bei Henninger, S. 53 ff. 262 Der Begriff „Zeitgeist“ meint hier, in Anlehnung an Würtenberger und Beaucamp, „die großen geistigen Strömungen einer Epoche, ihre geistige Verfassung, ihr kollektives Bewußtsein“, vgl. bei Beaucamp, S. 8; siehe ebenso bei Würtenberger, S. 11, 23, 43; zum hierbei anklingenden, ewigen Spannungsverhältnis zwischen einem – meist als subversiv empfundenen, den Verfall herbeiführenden – Zeitgeist und einer – auch bei veränderten Bedingungen unverändert bleibenden, oft invarianten – (Rechts-)Ordnungsvorstellung der Menschen siehe ausführlich, auch zu vorstehenden Zitaten, bei Würtenberger, S. 84 f. m. w. N.; vgl. dazu fernerhin bei Strauß et al., S. 728–732. 263 Vgl. dazu bei Fischer-Lescano, in: ZaöRV 63 (2003), S. 717 (756), dort eingehender in Fn.  203; Haltern, in: AöR  128 (2003), S.  511 (544); siehe weiterführend auch bei Lewicki, S. 25 ff.; Loick, Kritik der Souveränität, S. 96 ff. 264 Zur hier relevant werdenden Selbstbindungsproblematik souveräner Macht vgl. unter IV. 2. in Fn. 243. 265 Vgl. etwa bei Bikundo, in: MJIL 9 (2008), S. 301 (308); Margolies, in: SWLR 40 (2011), S. 575 (579). 266 Di Muzio, in: GG 14 (2008), S. 305 (307).

2. Kritik zur Rezeption und Fortschreibung

189

einem eher vorrechtlichen Sinn – aus dem Leben des Menschen selbst entspringt, also eine Tatsache des Lebens ist.267 An dieser Stelle lässt sich das Hauptproblem von Rezeption und Fortschreibung der Konzepte aus dem Homo-Sacer-Projekt im Völkerrechtsschrifttum nochmals verdeutlichen. Die philosophische Übersetzung, etwa als souveräne Macht oder als Souveränität der Macht268, stellt „keine bloße Übertragung von Wörtern aus einer Sprache in eine andere […]“ dar, sondern vielmehr „die [inhaltlich adäquat ausgedrückte] Botschaft des Philosophen.“269 Daher wird in einer Fortschreibung nach Agamben zutreffend angemerkt, dass besonders in den Gegenstandsbereichen des Völkerrechts die Notwendigkeit besteht, den zumeist zeit- und kulturbedingten270 Wortschatz des Philosophen zu einer Problematik nach funktionellem Sinngehalt des Gemeinten zu übersetzen.271 Bei alldem interessiert die Rezipientengemeinschaft die (rechts-)philosophische Frage nach der Dualität innerhalb des Verhältnisses zwischen Macht (potes­tas) und Autorität (auctoritas), die mittels signifikanter „Überkreuzrezeption“, ganz ­ äberles, ebenfalls mit dem Agamben’schen Konzept der souveränen im Sinne H Macht/Souveränität im Schrifttum zum Völkerrecht verbunden wird.272 Demzufolge sei Souveränität diejenige Macht, die – nach Foucault’scher Interpretation273, als eine gouvernementale Konfiguration274 der Politik – definiere, was Gesetz und was nicht länger Gesetz ist275; im Kern dasjenige meinend, was erst einmal nur als Institution der Religion, später dann auch als rechtliches und moralisches System in humanen Gesellschaften gilt.276 Die hierin liegenden Problematiken souveräner und machtbezogener Entscheidungsmechanismen werden in den völkerrechtswissenschaftlichen Textquellen nicht nur in abstracto betrachtet277, sondern auch 267 Zugleich eines der sehr seltenen Rezeptionsbeispiele für den deutschsprachigen Raum (vorliegend aus der südniedersächsischen Universitätsstadt Göttingen), allerdings in englischer Sprache verfasst, Agius, in: GoJIL 2 (2010), S. 219 (225); am Beispiel der Irakischen Bevölkerung dargestellt bei Ali, in: ULR 7 (2011), S. 4 (19); vgl. ferner bei Billings, in: GLR 20 (2011), S. 271 (273); Davis, in: YJLF 23 (2011), S. 1 (46), dort in Fn. 192. 268 Vgl. bereits im Titel bei Agamben, Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben. 269 Die Hervorhebungen sind bei Bykova bereits im Originalwortlaut enthalten, vgl. bei dies., in: Frank et al. (Hrsg.), S. 248 (249). 270 Siehe dazu etwa bei Reinart, S. 174. 271 Godden, in: MJIL 10 (2009), S. 543 (548). 272 Diesbezüglich ist die drittbezogene Rezeption zu Humphreys’ Aufsatz in: EJIL  17 (2006), welcher sich wiederum mit Agambens Ideen und Konzeptionen aus dem Homo-SacerProjekt befasst, deutlich erkennbar, vgl. bei Engle, in: ILSA JICL 15 (2008), S. 33 (36), dort in Fn. 7. 273 Vgl. dazu ausführlicher bei Boyd, in: UPJIL 32 (2010), S. 457 (490); Bruch, in: ALR 44 (2011), S. 333 (340 u. 366). 274 Birla, in: CJGL 21 (2011), S. 492 (509). 275 Ali, in: ULR 7 (2011), S. 4 (5). 276 Aristodemou, in: AFLJ 34 (2011), S. 3 (6). 277 Siehe bei Gold, der etwa auf Agambens Souveränitätskonzept bezogene Gedanken an entsprechender Stelle ausdrücklich mit den Worten „more abstractly“ einleitet, ders., in: WLR 86 (2011), S. 69 (72).

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V. Homo-Sacer-Projekt im Völkerrechtsschrifttum

auf ihre internationalen Lebenssachverhalte in der Gegenwart bezogen. Die Rezipienten erörtern dabei die „souveränen Zonen der Indifferenz“278, beispielsweise an ausländischen Asylsuchenden, die auf oft irregulärem Seeweg in das Commonwealth von Australien illegal einzuwandern versuchen279, oder an internationalen Interventionen im Kosovo, in Bosnien, Ruanda, Sierra Leone oder Timor-Leste.280 Mit vorerwähnten Gesichtspunkten wird alles in allem deutlich, dass das Konzept der souveränen Macht/Souveränität nach Agamben nicht nur einen bedeutenden Rezeptionsgegenstand innerhalb des aktuellen Schrifttums zum Völkerrecht darstellt, sondern auch als solcher in räumlich und zeitlich übergreifenden Kommunikationsprozessen aller Voraussicht nach künftig in Erscheinung treten wird. Dieser Begriffsbestimmung nach Agamben kommt insofern eine Qualität im Sinne eines kulturellen Text-, Welt- und Sprach-Schemas zu, da es nicht nur ein Ineinandergreifen281 von zuvörderst kulturbedingten Auffassungen über Formen der Macht und deren Kontexte abbildet, sondern auch, verallgemeinernd gesprochen, bereits die Systemlogik eines unerlässlichen Schlüsselbegriffs282 des Völkerrechts in einem zeitgenössischen Grundlagentext zu begründen versucht. Da gerade die Fragen zur Souveränität klassische Themenbereiche des Völkerrechts umfassen und deswegen aus verschiedenem Anlass häufig zur völkerrechtswissenschaftlichen Disposition stehen, dürfte Agambens philosophischer Entwurf in bestimmten Aspekten als eine Wissensdarstellung zur souveränen Macht/Souveränität sich aus dem historisch-situativen Kontext zum Homo-Sacer-Projekt lösen lassen. So kann das Konzept nach Agamben in den Texten zum Völkerrecht längerfristig wirken; es erscheint infolgedessen als überaus einfluss- und wirkmächtig. Anhaltspunkte hierfür sind nicht zuletzt drittbezogene, intertextuelle Relationen, etwa im Wege von „Überkreuzrezeptionen“283, die in den betrachteten Textquellen verzeichnet wurden. Die Bezugnahmen weisen entsprechend auf ein jeweils auf seinen historischen Rezeptionsstufen aktualisiertes Sinnpotenzial der Konzeption nach Agamben hin, welches sich erwartungsgemäß fortlaufend mithilfe von Neukontextualisierungen durch eine Leser- und Rezipientenschaft erschließen wird. Insofern kommt es zur „Verschmelzung der Horizonte“ (Hans R. Jauß)284, die sich in der teils überlappenden Begegnung zwischen primären und sekundären Überlieferungen zum Agamben’schen Konzept der souveränen Macht und anderen ­Souveränitätskonzepten285 in unterschiedlichen Texttypen, wie Auf-

278

Schillmoller, in: SCULR 14 (2011), S. 41 (58). Vgl. bei Billings, in: GLR 20 (2011), S. 271 (275 ff.). 280 Vgl. bei Bruch, in: ALR 44 (2011), S. 333 (336 u. 344). 281 In Anlehnung an Strasen, Rezeptionstheorien, S. 353. 282 Hierbei spricht etwa Di Fabio zwar aus einer staatsrechtlichen Perspektive, aber mit Blick auf die überstaatlichen Entwicklungen, von der Souveränität als „alter und neuer Schlüsselbegriff“, siehe bei ders., S. 89 ff. 283 Siehe dazu bei Häberle, in: JZ 21 (1992), S. 1033 (1036). 284 Jauß, Literaturgeschichte als Provokation, S. 186. 285 Siehe dazu etwa bei Loick, Kritik der Souveränität, S. 35 ff. 279

2. Kritik zur Rezeption und Fortschreibung

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sätze, Fachartikel, Essays, Vortragsmanuskripte etc., vollzieht. Sonach werden familientypische Inhalte aus philosophischen, staats- und gesellschaftstheoretischen Grundlagentexten durch die Rezipienten aufgegriffen, nachvollzogen und in oft fortschreibender Weise mit aktuellen Rechtsproblemen im Völkerrechtsschrifttum verbunden. (5) Der Ausnahmezustand: Bereits mit Walter Benjamins posthum veröffentlichter geschichtsphilosophischer Abhandlung „Über den Begriff der Geschichte“ wird Agambens eigene Fortschreibungsleistung in Bezug auf einen seiner einflussreichen Vordenker sehr deutlich, insoweit im vorgenannten Aufsatz aus dem Jahr 1940 geschrieben steht: „Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, dass der ‚Ausnahmezustand‘ in dem wir leben, die Regel ist.“286 Hieran anknüpfend287 interessiert Agamben nicht nur eine Einordnung der Ausnahme im tatsächlichen Bestand oder sogar als vom Souverän beabsichtigter Teil  eines Rechtssystems, sprich in Bezug auf die Gesamtheit der in einem bestimmten Anwendungsraum gültigen rechtlichen Normen, mithin – wie gezeigt – als integrierendes Basistheorem zur Rechtsfigur des Homo Sacer288, sondern auch das argumentativ mitklingende und logisch mitschwingende Regelhaftsein ebendieses Zustands.289 Wenn die Anwendung einer Rechtsnorm als ihr Normalfall gilt, dann „erscheint die Einschränkung ihrer Anwendbarkeit zunächst als Ausnahme.“290 In besonders feinsinniger Weise nimmt Agamben darum den Ausnahmezustand als „regelhafte und verwaltete Normalität“291 an und legt sie der Ausarbeitung seines philosophischen Theoriegebäudes zugrunde.292 Dem an dieser Stelle nur zu skizzierenden Phänomen des zur Regel gewordenen Dringlichkeitszustands innerhalb einer verfassten Rechtsordnung – eventuell im Anschluss an den Philosophen Daniel Loick als die nach außen hin in Erscheinung tretende Form rechtsvorenthaltender Staats-Gewalt293 verstanden – kommt in den untersuchten Textquellen ebenso eine gesteigerte Bedeutungszuweisung zu, da 286

Benjamin, in: ders., dort unter Gliederungspunkt: VIII, S. 129 (133). Vgl. bei Raulff, in: GLJ 5 (2004), S. 609 (612); Bruch, in: ALR 44 (2011), S. 333 (344), dort in Fn. 54. 288 Vgl. bei Raulff, in: GLJ 5 (2004), S. 609 (609); Kanwar mit einer Drittrezeption unter ausführlichem Bezug auf den Aufsatz von Raulff, in: GLJ 5 (2004), vgl. bei ders., in: IJCL 4 (2006), S. 567 (569), dort in Fn. 7. 289 Siehe dazu ferner bei Lemke, Gouvernementalität und Biopolitik, S. 96; Lakitsch, S. 108. 290 Kähler, S. 23. 291 Witte, in: Borsò et al. (Hrsg.), Benjamin – Agamben, S. 23 (23). 292 Siehe bei Agamben, Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S. 27 f.; so schreibt er: „Vom tatsächlichen Ausnahmezustand, in dem wir leben, ist es nicht möglich, in den Rechtszustand zurückzukehren, denn nunmehr stehen die Begriffe des ‚Zustands‘ und des ‚Rechts‘ selbst in Frage [Hervorheb. d. d. Verf., um Agambens Rezeption und Fortschreibung von Benjamins Ansatz zu diesem Aspekt herauszustellen]“, vgl. bei ders., Ausnahmezustand, S. 102. 293 Siehe weiterführend bei Loick, Kritik der Souveränität, S. 26 u. S. 214 ff.; ders., in: ders. (Hrsg.), Der Nomos der Moderne, S. 9 (12). 287

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V. Homo-Sacer-Projekt im Völkerrechtsschrifttum

es freilich eine Fülle an einschlägiger Fachliteratur zum (rechtlichen) Ausnahmezustand gibt.294 Es ist dabei anzumerken, dass im zeitgenössischen Völkerrechtsschrifttum die rechtsphilosophischen Fragen nach dem (permanenten295) Ausnahmezustand als Rechtsphänomen in angebrachter Weise überaus kritisch gewürdigt werden. Insoweit wird von der Rezipientengemeinschaft festgestellt, dass Agamben mit seinen wissenschaftlichen Arbeiten zum Homo-Sacer-Projekt den „grundlegenden theoretischen Rahmen“296, andernorts sogar als „rechtlicher Rahmen auf zeitgenössischer Grundlage“297 klassifiziert, hierfür bereitstelle, obgleich er mit seinem Vorschlag einer allgemeingültigen Theorie zum Ausnahmezustand etwa die „theoretischen Entwicklungen der Dritten Welt“298 vernachlässige und sich – insofern oft gegebene internationale Lebenssachverhalte verkürzend – ausschließlich auf europäische wie auch (nord-)amerikanische Quellen zwecks historischer Rekonstruktion aus seiner genealogischen Sichtweise beziehe.299 Abermals spielt die ideengeschichtliche Sachnähe des Agamben’schen Konzepts zu Carl Schmitt eine herausragende Rolle bei den völkerrechtswissenschaftlichen Darstellungen.300 So wird in den Textquellen aufgezeigt, dass sich Agambens Entwurf in seiner konkreten Ausprägung vornehmlich an Carl Schmitt statt Michel Foucault orientiere.301 Der Ausnahmezustand wird gemäß Agambens Konzeptionierung ohnehin als Zone vorrechtlicher Anomie wie auch als gegen-

294

So auch bei Shanor, in: EILR 24 (2010), S. 589 (613). Boyd, in: UPJIL  32 (2010), S.  457 (490), dort in Fn.  111; Greene, in: GLJ  12 (2011), S. 1764 (1765). 296 Vgl. statt vieler bei Agius, in: GoJIL 2 (2010), S. 219 (221). 297 Farrell, in: TLCP 20 (2011), S. 3 (7). 298 Gonzalez-Jacome schreibt: „Giorgio Agamben’s more recent effort in building a general theory about states of exception also ignores theoretical developments of the Third World. He relies exclusively on European and American sources for his general theory and historical reconstruction of states of exception.“ Er benennt hierzu die südamerikanischen Staaten, wie die Bundesrepubliken Argentinien, Brasilien und die Republik Kolumbien, sowie Lateinamerika im Allgemeinen, vgl. bei ders., in: AUILR 26 (2011), S. 1073 (1075 f.); an dieser Stelle folgt die Übersetzung dem englischsprachigen Ausgangstext, wobei anzumerken bleibt, dass der Begriff „Dritte Welt“ heutzutage eher pejorativ besetzt ist, da eine Einteilung der Bezugsrahmen in „Erste“, „Zweite“ oder „Dritte“ Welt nicht (mehr) der soziologisch-politischen Rhetorik (wie etwa noch „Tiers Monde“ bei Alfred Sauvys Artikel „Trois mondes, une planète“ im L’Observateur vom 14.08.1952) entspricht. 299 Gonzalez-Jacome, in: AUILR 26 (2011), S. 1073 (1075). 300 Vgl. etwa bei Ben-Naftali et al., in: BJIL 23 (2005), S. 551 (607); Lemke, in: Outlines 1 (2005), S. 3 (9); Aravamudan, in: TILJ 41 (2006), S. 427 (444); Ben-Naftali/Tuval, in: JICJ 4 (2006), S. 128 (174), dort in Fn. 163; Humphreys, in: EJIL 17 (2006), S. 677 (680 f.); Schatz/ Horst, in: LCLR 11 (2007), S. 539 (541); Lindsay, in: FCLR 38 (2010), S. 255 (263); Bruch, in: ALR 44 (2011), S. 333 (344), dort in Fn. 54; Crocker, in: BCLR 52 (2011), S. 1551 (1587), dort in Fn. 175; Gerwin, in: AJLM 37 (2011), S. 128 (133), dort in Fn. 15; Mendenhall, in: JJ 12 (2011), S. 679 (691), dort in Fn. 67. 301 Lemke, in: Outlines 1 (2005), S. 3 (9); Aravamudan schreibt zutreffend dazu: „[…] a proposal that makes Agamben a Schmittian who has learned the lesson of Foucault […]“, ders., in: TILJ 41 (2006), S. 427 (445). 295

2. Kritik zur Rezeption und Fortschreibung

193

wärtiges Paradigma des Regierens durch die Rezipienten gedeutet.302 Nicht notwendigerweise muss er zugleich systembedingter Ausfluss und Ausdruck einer „juridisch-politischen Macht“303 oder zuspitzend einer „absoluten Macht“304 sein. Er bietet dennoch stets ein  – auch für eine zeitgeschichtliche Perspektive305  – brauchbares Exempel für einen „Ausgang aus dem Reich des Rechts“306. Ebenfalls nehmen die Rezipienten an, dass das mit dem Foucault’schen Motiv der Biomacht verbundene307 politische Element innerhalb des Rechts erst vom regelhaften Ausnahmezustand konstituiert werde.308 Der Einwand, es fehle an einer allgemein verbindlichen Beschreibung309, lässt sich hier entkräften, da der Begriff in seiner völkerrechtswissenschaftlichen Ausformung, etwa im Kriegs(völker-)recht, als weitestgehend gefestigt erscheint.310 Allerdings sollte ein prinzipienorientiertes Argumentieren vor dem Forum der internationalen Gemeinschaft oder Öffentlichkeit mittels Kategorien311 der Ausnahme, Dringlichkeit oder des Notstandsfalls nach Agamben genauso als ein „außerjuristisches Aktionsfeld“312 in besonders engen dogmatischen Grenzen313 verstanden werden, da sich damit oft prekäre Bewertungs-, Entscheidungs- und Handlungsspielräume eröffnen, die durch die internationalen Akteure wohl nur politisch auszufüllen sind.314 Die Verortung des Ausnahmezustands scheint arbiträr. Sicherlich grenzt er Regelzustände in einer Ordnung etwa anhand territorial-, ethno- und gewalttheoretischer Maßgaben ab, indem die Ausnahme gerade den Übergang zwischen Gel 302

Vgl. etwa bei Humphreys, in: EJIL 17 (2006), S. 677 (680 u. 682 f.); Kanwar, in: IJCL 4 (2006), S. 567 (569); Campbell/Connolly, in: MinnJIL 16 (2007), S. 265 (272); Di Muzio, in: GG 14 (2008), S. 305 (307); Mahmud, in: CLR 14 (2010), S. 1 (54); ders., in: BJIL 36 (2010), S. 1 (54 f.), dort in Fn. 336; Ali, in: ULR 7 (2011), S. 4 (5 u. 20); Billings, in: GLR 20 (2011), S. 271 (272). 303 Dobrowolsky/Doucet, in: RCS 16 (2012), S. 129 (132). 304 Godden, in: MJIL 10 (2009), S. 543 (548). 305 Baldissone, in: AFLJ 34 (2011), S. 89 (110). 306 Agius, in: GoJIL 2 (2010), S. 219 (224). 307 Ali, in: ULR 7 (2011), S. 4 (19). 308 Lemke, in: Outlines 1 (2005), S. 3 (6); siehe fernerhin bei Parry, in: MJIL 6 (2005), S. 516 (523); Humphreys, in: EJIL 17 (2006), S. 677 (680); Agius, in: GoJIL 2 (2010), S. 219 (225). 309 So auch bei Agamben, Ausnahmezustand, S. 10. 310 Hierzu schreibt Steiger: „Das Kriegs(völker)recht ist auf Fälle zugeschnitten, in denen das Leben der Nation auf dem Spiel steht, auf den Ausnahmezustand“, vgl. bei ders., S. 230 m. w. N. 311 Mit Greene ist darauf hinzuweisen, dass aufgrund von begrifflichen Abirrungen in Bezug auf die zu beschreibenden Sach- und Problemlagen des Notstandsfalls (vgl. Art. 15 EMRK) mit denen des Ausnahmefalls teils wegen inhaltlich-sachlicher Nähe bewusst, überwiegend aber aufgrund semantischer Unschärfe in den Textquellen als synonymer Ausdruck für dieselben Konstellationen verwendet werden, siehe dazu ausführlicher bei ders., in: GLJ 12 (2011), S. 1764 (1768). 312 Staff, in: RG 5 (2004), S. 207 (210); so ähnlich auch bei Humphreys, der von „[…] ‚essentially extrajuridical‘, something prior to or other than law“ spricht, ders., in: EJIL 17 (2006), S. 677 (678 f.). 313 So wohl auch bei Parry, in: MJIL 6 (2005), S. 516 (523). 314 Siehe grundlegend dazu bei Stahl, S. 16 ff.

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V. Homo-Sacer-Projekt im Völkerrechtsschrifttum

tung und Nicht-Geltung von rechtlichen Strukturen kennzeichnet. Dabei werde die Rechtsgeltung legal aufgehoben, sodass das „Recht außerhalb seiner selbst“315 steht. Rezipienten meinen zudem, dass der Ausnahmezustand dem Grunde nach allein „von Puffer zu Puffer“316 im Recht wirke, also zwischen den wiederkehrend in Erscheinung tretenden Konfliktlagen in Bezug auf die allgemeingültigen Ideale, wie der Herrschaft des Rechts oder des Rechtsstaats.317 Ein Beispiel hierfür, das heißt, für eine sich aufgrund rein politischer Entscheidungskalküle ergebende, dem jeweiligen Ermessen des ausübenden Akteurs überlassene Ab­wei­chung vom Normal- oder Regelfall, dürften jeweils die humanitären Interventionen durch die NATO-geführten Militäreinsätze in den ehemaligen Bürgerkriegs­gebieten in Albanien (im Jahr 1997) und im Kosovo (in den Jahren 1998 und 1999) bieten.318 Seinerzeit waren diese Einsätze durch die internationale Gemeinschaft mehrheitlich als Notfallmaßnahmen wegen Völkermord und anderer Verbrechen gegen die Menschlichkeit an dort lebenden, ethnischen Minderheiten qualifiziert worden319, da zumindest ein solcher (übergeordneter) Notstandsfall als rechtliche Kategorie zur Legitimation eines Eingreifens in die inneren Angelegenheiten eines Staates320, etwa zum Schutz von Menschenrechten und zu ihrer (mitunter auch gewaltsamen) Erzwingung, anerkannt ist. Das ist der Fall, wenn und soweit der UNSicherheitsrat in derselben Angelegenheit untätig bleibt oder seine Maßnahmen schlechterdings unzureichend sind.321 Das Erwähnte betreffend argumentiert eine weitergehende Auffassung unter Rückgriff auf diese Agamben’sche Konzeption, dass das völkergewohnheitsrechtlich anerkannte, zwischenstaatliche Interventionsverbot im Krisenfall bereits aufgrund des eingetretenen Justitiums322, sprich Rechtsstillstand als eine Notstandsmaßnahme, (zeitweise) suspendiert sei, solange die spezifische Zielsetzung der UN-Charta, nämlich die Wiederherstellung von Frieden und Sicherheit, 315 Opitz, in: KJ 4 (2010), S. 436 (438), dort in Fn. 13 mit einer drittbezogenen Rezeption auf Humphreys’ Aufsatz in: EJIL 17 (2006). 316 Mahmud, in: BJIL 36 (2010), S. 1 (54). 317 Nickel, in: EILR 24 (2010), S. 619 (625). 318 Pandolfi, in: IJGLS 10 (2003), S. 369 (376). 319 Siehe dazu bei Kramer/Džihić, S. 225 ff.; zu Konsequenzen für die völkergewohnheitsrechtliche Entwicklung der bestimmenden Ausnahmen zum Gewaltverbot siehe weiterführend bei Ziegler, S. 351 ff.; Scharf, S. 157 ff. 320 Das Verbot der Einmischung von Staaten in die inneren, souveränen Angelegenheiten eines anderen Staates, mithin das zwischenstaatliche Interventionsverbot, stellt eine Norm des Völkergewohnheitsrechts dar und findet seine Anlehnung in Art.  2 Nummer  7 UNCharta; obwohl es nicht ausdrücklich in der UN-Charta definiert ist, wurde es vielfach durch die UN-Generalversammlung unter Rechtsfortbildung entsprechend bestätigt, da gerade die Schutzobjekte, namentlich die Souveränität und Unabhängigkeit von Staaten, weiterhin essenzielle axiomatische Maßgaben der zeitgenössischen Völkerrechtsordnung bilden. 321 Vgl. dazu ausführlicher bei Doehring, S. 444 ff. m. w. N. 322 Diesbezüglich einige genealogische Strukturen unter Verweis auf Agamben nachzeichnend vgl. bei Lindsay, in: FCLR (2010) 38, S. 255 (265), dort in Fn. 67; ferner so auch bei Good­rich, in: YJLH 24 (2012), S. 141 (155).

2. Kritik zur Rezeption und Fortschreibung

195

noch nicht eingetreten ist.323 Denn es könne – auch bereits begriffsnotwendigerweise – keine Rechtsnorm geben, die die Situationen des Ausnahmezustands qualifiziert regeln respektive regulieren könnte, sobald dieser erst einmal entstanden ist.324 Dies gilt deshalb, da der Ausnahmezustand eine atypische Konstellation im Recht selbst kennzeichnet, in welcher die Wirksamkeit oder die Kraft325 der rechtlichen Norm – oder noch anders ausgedrückt, ihr formales Wesen – von der Norm an sich getrennt ist326 und aus diesem Grund ihre Bindungswirkung327 verliert. Der Frage, ob ein bestimmter Normzweck aufgrund des Geltungsverlustes als solcher verwirkt ist und damit endgültig entfallen kann, bleibt hier zu begegnen, dass die „Rechtsnormen als in die Zukunft gerichtete, abstrakt-generelle Regelungen“328 gelten und dementsprechend nach Wegfall des Hindernisses erneut ihren Funktions- und Gegenstandsbereich ausfüllen. Weitere bemerkenswerte Beispiele329 zur Herbeiführung des – insoweit völkerrechtlich kodifizierten  – Ausnahmezustands durch Vertragsparteien330, die zeitweilig in einem (partiellen) Rechtsstillstand kulminieren können, geben insbesondere der Artikel  15 Absatz  1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK, Inkrafttreten im Jahr 1953), welcher die begrenzte Derogation331 von bestimmten Rechten aus vorgenannter Konvention zulässt, solange sie nicht die in Artikel 15 Absatz 2 EMRK genannten Rechte betrifft, wenn und soweit „[…] das Leben der Nation durch Krieg oder einen anderen öffentlichen Notstand bedroht“ ist, der Artikel 4 Absatz 1 und Absatz 2 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (Inkrafttreten im Jahr 1976) und der Artikel 27 Absatz 1 und Absatz 2 der Amerikanischen Menschenrechtskonvention (Inkrafttreten im Jahr 1978) mit jeweils vergleichbaren Inkraftsetzungsbestimmungen über Rechtsmechanismen von Normgeltung und – grundsätzlich temporär ausgestalteter332 – Normsuspendierung. Mitunter wird sogar die Formulierung in der Zwischenüberschrift zur Sektion 25 der Verfassung der Demokratischen Republik Timor-­Leste (auch Osttimor genannt), welche Regelungen zum Ausnahmezustand beinhaltet, als – sinngemäß übersetzt – „Agambenhaft“ beschrieben, was insofern – vor allem

323

Chesterman, in: VJTL 42 (2009), S. 1509 (1518), dort in Fn. 52 wiederum mit einer Drittrezeption zu Humphreys’ Aufsatz in: EJIL 17 (2006). 324 So auch bei Agius, in: GoJIL 2 (2010), S. 219 (224). 325 In Anlehnung an Agamben, Ausnahmezustand, S. 42 ff. 326 Bruch, in: ALR 44 (2011), S. 333 (344). 327 Stahlberg/Lahmann, in: AJCL 59 (2011), S. 1051 (1084). 328 Heckmann, S. 465. 329 Humphreys, in: EJIL 17 (2006), S. 677 (678); Sullivan, in: EJLR 13 (2011), S. 4 (15), dort in Fn. 57. 330 An dieser Stelle bleibt zu bemerken, dass es nach dem zuvor Gesagten keinen „kodifizierten Ausnahmezustand“ geben kann, sodass vielmehr von (völker-)vertraglichen „Ausnahme- oder Sonderregelungen“ zu bestimmten internationalen Lebenssachverhalten zu sprechen ist. 331 Siehe dazu weiterführend bei Arnauld, Völkerrecht, S. 255 m. w. N. 332 Marks, in: CHRLR 37 (2006), S. 559 (580).

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V. Homo-Sacer-Projekt im Völkerrechtsschrifttum

in Anbetracht der Staatsgeschichte Timor-Lestes – ungewöhnlich sei.333 Hierbei zeigt sich deutlich, dass die Rezipienten334 durchaus Formen der Inkorporation von regelgerechten Notstandsbefugnissen in den verschiedenartigen Rechtssystemen und -ordnungen der Weltgemeinschaft auch oder gezielt anhand des spezifisch geprägten Konstrukts Agamben’scher Philosophie zu erklären versuchen.335 Ebenfalls wird das Agamben’sche Konzept des Ausnahmezustands zur kritischen Hinterfragung in Bezug auf international wirkende Maßnahmen des US-amerikanischen Rettungsschirmprogramms in volkswirtschaftlichen Belangen336 oder der US-amerikanischen Außen- und Sicherheitspolitik in der sogenannten „nach 9/11-Dekade“, insbesondere die Anti-Terror-Maßnahmen des USPräsidenten George Walker Bush, herangezogen.337 Letztere sind vor allem durch den italienischen Philosophen und Rechtsgelehrten selbst auf das Schärfste verurteilt worden338, um hierdurch die historische Tatsachen schaffenden Handlungen staatlicher Akteure, zum Beispiel die Verfehlungen US-amerikanischer Foltersoldaten339, in den rechtlichen Grauzonen zu beleuchten. In deren diffusen Halbschatten scheint ein Bedürfnis anerkannt oder gerechtfertigt zu sein, beispielsweise die Anderen des Rechts, die ungesetzlichen Kombattanten oder die gesetzlosen Nicht-Personen innerhalb der – nur vermeintlich rechtsfreien – Räume der Gefängnisse und Lager nicht selten mit verabscheuenswerten Methoden zu peinigen, zu foltern, (sexuell) zu missbrauchen und mitunter bis zum Tode zu 333 Chesterman schreibt an entsprechender Stelle: „Given the subsequent instability in Timor-­Leste, what lessons, if any, were drawn from the period of international administration? Timor-Leste’s emergency powers in the constitution adopted upon independence in May 2002 are, unusually, gathered under an Agambensque subheading: […] [Hervorheb. d. d. Verf.]“, ders., in: VJTL 42 (2009), S. 1509 (1526). 334 Ein anschauliches Beispiel für die fortschreitende Etablierung Agambens als Autoritätsperson (der post-postmodernen Philosophie) und seines Ideen- und Gedankenguts (aus dem Homo-Sacer-Projekt) innerhalb des angelsächsischen zeitgenössischen Völkerrechtsschrifttums bietet der referenzielle Bezug von Ansah auf Daniel R. Williams’ Aufsatz: After the Gold Rush – Part I: Hamdi, 9/11, and the Dark Side of the Enlightenment, in: Penn State Law Review 112 (2007), S. 341–423 (Hinweis: Vorgenannte Textquelle ist nicht Teil vorliegender Stichprobe), der sich wiederum auf Agamben bezieht, vgl. bei Ansah, in: CWRJIL 43 (2010), S. 87 (100), dort in Fn. 60. 335 Vgl. dazu bspw. bei Agius, in: GoJIL 2 (2010), S. 219 (223); Lindsay, in: FCLR 38 (2010), S. 255 (265); Billings schreibt – insofern auch mit dem (rezeptionstheoretischen) Kontrollsystem gedacht – ausdrücklich: „Here I draw upon the political philosophy of Giorgio Agamben, expressed in State of Exception (2005) at pp 23 and 50 respectively.“ Billings indiziert nachweislich seine eigene Fortschreibungsleistung zum Konzept des Ausnahmezustands in einem fremden Kontext, da er hiermit zunächst ein senderseits als manifest unterstelltes Schema überprüft, vgl. bei ders., in: GLR 20 (2011), S. 271 (272), dort in Fn. 2. 336 Lindsay, in: FCLR 38 (2010), S. 255 (268). 337 Kanwar, in: IJCL 4 (2006), S. 567 (575). 338 Henderson, in: MUJIEL 25 (2008), S. 50 (53), dort in Fn. 19. 339 Vgl. dazu weiterführend bei Bahar, S. 133 ff.; siehe weiterhin zum Beispiel des sog. AbuGhuraib-Folterskandals während der Besetzung des Irak nach dem Dritten Golfkrieg (in den Jahren 2003 bis 2011) durch US-amerikanische Kampftruppen, unter einem mehr psychoanalytischen Ansatz nach Sigmund Freud betrachtet, bei Eisenman, S. 18 ff.

2. Kritik zur Rezeption und Fortschreibung

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quälen.340 Hierzu ist Nachfolgendes anzumerken: Allein die Annahme, wonach bestimmte Befugnisse aufgrund von Ausnahme, Dringlichkeit oder Notstandsfall in der Theorie legal ausgeübt werden, hilft in der Praxis indessen nur sehr wenig, wenn es in ihrer letzten Konsequenz auf die weitreichenden Fragen zur Legitimität hoheitlichen Handelns bei widerstreitenden Rechtsgüter- oder Interessenlagen der Beteiligten ankommt, bei denen Entscheidungen mithilfe (rechts-) philosophisch überformter Ideen vom „geringeren Übel“341 oder vom „Gemeinwohl“342 notwendigerweise subjektiv determiniert sind.343 Denn es ist entscheidend zu fragen, was das „geringere Übel“ und das „Gemeinwohl“ im Einzelfall bedeuten. Unbeschadet der näheren Maßgaben hierfür werden stets auch Pattsituationen denkbar sein, die Akteuren keine fest umrissenen Handlungsweisen auferlegen, da faktische Zwänge344 vom (rechts-)philosophischen Grundlagen- und Begründungsdenken abzugrenzen sind. Die nötigen Eigenwertungen bleiben (einzelnen) Entscheidungsträgern überlassen. Die Beliebigkeit aller argumentativen Ansätze und damit aller Resultate scheint die unweigerliche Folge zu sein. Eventuell sind die arbiträren Konditionen innerhalb des Dringlichkeitsfalls nichts anderes als reine juristische Fiktionen.345 Denn es bleibt letztendlich auch aus Überlegungen zum philosophischen Inbegriff der Gerechtigkeit im Allgemeinen sowie erst recht auf völkerrechtlicher Ordnungsstufe im Besonderen meist unklar346, 340

Campbell/Connolly, in: MinnJIL  16 (2007), S.  265 (303); siehe ferner bei Nickel, in: EILR 24 (2010), S. 619 (620); Schillmoller, in: SCULR 14 (2011), S. 41 (56). 341 In der Denktradition des klassischen Utilitarismus des englischen Juristen und Philosophen Jeremy Bentham, die wiederum auch Michel Foucault in seiner Philosophie beeinflusste, ist bereits jede hoheitliche Maßnahme, etwa ein Gesetz, ein Übel, da es den Einzelnen in seiner Freiheit beschränkt; dies bedeutet zugleich, dass der die Staatsgewalt ausübende Souverän sich bei der Wahl seiner Handlungsmittel stets zwischen widerstreitenden Interessen entscheiden muss. Entweder finden weiterhin Handlungen statt, die sich gegenüber dem Betroffenen als Übel darstellen oder die (individuelle) Freiheit wird eingeschränkt, wobei bei der Ausführung darauf zu achten sei, dass das hierdurch verursachte Übel kleiner bzw. geringer bleibt, als jenes, das durch die Handlung verhindert werden soll. Dies ist aus moralphilosophischen Gesichtspunkten bei Fällen der Ausnahme, Dringlichkeit oder des (übergeordneten) Notstands überaus problematisch und daher ebenfalls Gegenstand ernsthafter, streitiger Rechtsdiskurse; vgl. zur Moral des Notstands sehr anschaulich bei Ignatieff, S. 46 ff. 342 „Gemeinwohl“ ist ein klassischer Begriff aus der (politischen) Philosophie und (Natur-) Rechtslehre, welcher in der okzidentalen Geschichte, in der europäischen Antike mit namhaften Philosophen, wie Platon, Aristoteles, sowie dem philosophischen Lehrgebäude der Stoa (Griechisch: „bemalte Vorhalle“), im zentraleuropäischen Mittelalter u. a. mit dem Philosophen und Theologen Thomas von Aquin, in der Neuzeit mit dem Universalgelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz, den Philosophen Christian Wolff, Jean-Jacques Rousseau und Adam Smith, tief verwurzelt ist und regelmäßig im Sprachgebrauch in der Rechtsprechung, Philosophie, Politik und Soziologie verwendet wird. 343 McGiverin, in: IICLR 18 (2008), S. 233 (235). 344 Siehe dazu etwa bei Payandeh, S. 366. 345 Ali, in: ULR 7 (2011), S. 4 (20); siehe ferner bei Margolies, der bemerkenswerterweise hierbei von einem Schlüsselattribut souveräner Ausnahme spricht, ders., in: SWLR 40 (2011), S. 575 (581). 346 Siehe dazu ausführlicher bei Walther, in: Ballestrem (Hrsg.), S. 236 (236 ff.).

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V. Homo-Sacer-Projekt im Völkerrechtsschrifttum

wer – ebendies in Ansehung des Schmitt’schen Denksatzes347 und der vielerorts sehr regen völkerrechtswissenschaftlichen Diskurse hierüber – zwischen Bestand des Regel- oder Ausnahmezustands entscheidet. Das hier beschriebene Spannungsverhältnis folgt nicht zuletzt aus dem Grundsatz der Staatengleichheit im Sinne von „par in parem non habet imperium“ (Staatenimmunität)348 zwischen den souveränen Völkerrechtssubjekten. Anhand der aufgezeigten Gesichtspunkte lässt sich schlussfolgern: Die bereits zum Konzept der souveränen Macht/Souveränität getroffenen Feststellungen dürften gleichermaßen für einen Begriff des Ausnahmezustands aus der Philosophie nach Agamben gelten, sodass das in der internationalen Völkerrechtsliteratur enthaltene Begriffsverständnis zum Bestand des Regel- und Ausnahmefalls nicht mehr auf eine nur politologisch oder nur rechtswissenschaftlich ausgerichtete Sicht auf diese Dinge beschränkt bleibt. Auch bei der schwierigen Einordnung der Ausnahme innerhalb aktueller Rechtstheorien – etwa mit der Frage angedeutet: Wer wann woraus über Ausnahmen von Regeln entscheidet? – werden durch die Rezipienten vor allem philosophische Komponenten herangezogen, um eigene Argumentations- und Begründungsmuster zu Sach- und Problemlagen des Ausnahmezustands in den internationalen Beziehungen auf (beachtenswerte)  Aus­ sagen einer weiteren wissenschaftlichen Disziplin stützen zu können. In den (Völker-)Rechtswissenschaften werden gerade dann mit hohem Begründungsaufwand außerjuristische Konzept- oder Theorieansätze rezipiert, wenn es (noch) umstrittene, neuere Konzepte oder Theorien zu entwickeln und legitimatorisch abzusichern gilt. Die Rezeption wirkt dabei wie eine Art Legitimationsreserve. Dies nützt, da sie auf die Plausibilität, Kohärenz und Konsistenz des Textes einen Einfluss hat, um einesteils eine leserseits auslegungsfähige und -bedürftige Bedeutungsstruktur zu generieren, die kontinuierlich notwendig ist, um andernteils eine hinreichende Text-Leser-Wirklichkeit herzustellen. Denn die Vorstellung des Einzelnen vom Gepräge des Ausnahmezustands im (Völker-)Recht nach Agamben gewinnt hierdurch erst an Konturenschärfe. Ferner könnte sich hieraus sogar ein kulturelles Schema formen, welches sowohl sender- als auch empfängerseits derart wechselseitig verstanden wird, dass es als lebensweltliches Bezugsystem dienen kann. Neuartige Zusammenhänge im (Völker-)Recht können und dürfen darauf – bestätigend, widersprechend oder auch umstrukturierend – bezogen werden und repräsentieren sonach idealtypische Bedingungen des (rechtlichen) Ausnahme­ zustands. Vielleicht wird das Abstraktum vom Ausnahmezustand zunehmend um das assoziative Bedeutungsumfeld nach Agamben erweitert. Zu einem Konkretum dürfte es sich jedoch in Anbetracht der hierzu relevant werdenden Deutungsvielfalt kaum verdichten. Dennoch handelt es sich bei diesem Konzept nach ­Agamben ebenfalls um einen bedeutenden Rezeptions- und Fortschreibungsgegenstand im betrachteten Völkerrechtsschrifttum, welcher durch intertextuelle Bezugnahmen 347

Vgl. dazu bereits unter IV. 2. in Fn. 265. Siehe ausführlicher bei Arnauld, Völkerrecht, S. 128.

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2. Kritik zur Rezeption und Fortschreibung

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im Sinne von „Überkreuzrezeptionen“ gekennzeichnet ist. Daraus folgt, dass diese besondere Lesart der Ausnahme nebst verwandten Wortbedeutungen, wie Dringlichkeit und Notstand, also die definitorischen und analytischen Aussagen von Agamben, jeweils auf ihren historischen Rezeptionsstufen durch die Rezipientengemeinschaft im Schrifttum aktualisiert werden. Nach alldem spricht vieles dafür, dass der Ausnahmezustand, insbesondere in der Begriffsbestimmung nach Agamben, auch weiterhin in die vielgestaltigen Kontexte des Völkerrechts aus den primären Textquellen, sprich aus den Homo-Sacer-Publikationen, und aus weiteren sekundären Überlieferungen in den weltweit geführten Aufsatz- und Fach­ artikelsammlungen übernommen und zuweilen durch eine Rezipientenschaft fortgeschrieben werden wird. (6) Das Lager: Demgegenüber hallt der Begriff des Lagers in der durch ­Agamben philosophisch ausgeprägten Bedeutungszuweisung in den untersuchten Textquellen des zeitgenössischen Völkerrechtsschrifttums nur sehr vereinzelt wider, gleichwohl die Völkerrechtsphilosophie schon inbegrifflich eine Völkerrechtswissenschaft der Reflexion ist, „insbesondere eine wertphilosophische Kritik des vom Völkerrecht erfaßten sozialen Geschehens […]“349. Daher verwundert es kaum, dass der Lagerbegriff nach Agamben eher selten Anklang in den völkerrechtswissenschaftlichen Aufsätzen und Fachartikeln findet. Denn dieses Konzept erscheint  – wie zuvor eingehend dargestellt – dem Inhalt nach als völlig leer und streng formalistisch, da sich ohne Umwege die verschiedenartigsten Phänomene des Völkerrechts hierunter subsumieren lassen. Es soll ausschließlich das nationalsozialistische Konzentrationslagersystem in der Zeit des Zweiten Weltkriegs gemeint sein, sodass in der Konsequenz zwar jene, früher an solchen Orten wie Auschwitz verübten Gräueltaten in der Menschheitsgeschichte zu aktuellen Problem- und Themenstellungen des Völkerrechts in den Textquellen kritisch reflektiert werden. Für alles darüber Hinausgehende, sprich für das in Agambens teleologischer (zumeist Skandalisierungs-)Rhetorik nachzuzeichnende Lager-Paradigma, wobei der Schwerpunkt unweigerlich auf der gewählten Ausdrucksweise als Paradigma350 liegt, dürfte aber kein dialektisches Bedürfnis für einen etwaigen Paradigmenwechsel351 im Völkerrechtsschrifttum bestehen.352 Der Argumentationstopos stellt sich nur als ein Gleichnis zum nationalsozialistischen Konzentrationslager, nicht aber als eine Art exemplifizierender Prototyp hierfür dar. Denn als ein eng mit der Menschheitsgeschichte verbundenes Denkmuster, das mit Agambens methodischen Ansätzen einen größeren Kontext zeitgeschichtlicher Phänomene zu ergründen ver 349

Wengler, S. 103. Der Begriff „Paradigma“ meint hier insbesondere ein vorherrschendes Denkmuster oder im engeren Sinn eine vorurteilshafte (Welt-)Anschauung. 351 Sakoparnig, in: dies. et al. (Hrsg.), S. 139 (156 ff.). 352 Ein Paradigmenwechsel stellt mittels philosophischer Arbeitsweisen die historischen Positionen zum klassischen (Begriffs-)Verständnis des Lagers, von denen zunächst auszugehen wäre, durch die (post-)postmoderne Interpretation bei Agamben infrage und versucht in einer sodann anzustrebenden Synthese aus gefundenen zeitgeschichtlichen Fakten und diesem Konzept nach Agamben eine Erkenntnis höherer Art zu gewinnen. 350

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V. Homo-Sacer-Projekt im Völkerrechtsschrifttum

sucht353, wie es so noch beim Foucault’schen Beispiel des Panoptikums354 der Fall war, erweist sich dieser Lagerbegriff nicht. Dies gilt deshalb, da Agamben im Homo-Sacer-Projekt selbst die allgemeinen, historischen Grundzüge des Lagers abbildet, und insoweit nur abzubilden bestrebt war, und darum nicht abstrakt einen abgegrenzten Raum über den Zeitenlauf hinweg zu beschreiben vermochte. Im Lagerbegriff nach Agamben sollen die Extremsituationen menschlichen Daseins sogar zum Paradigma des Alltäglichen selbst werden, um auf diese Weise die Eigenheiten – insbesondere die Gesetz-, Recht- und Ortlosigkeit – seines philosophischen Leitbilds zum Homo Sacer zu bestimmen.355 Hierin ist sicherlich eine neuartige Form der Formulierung, nicht aber eine solche Feststellung in Bezug auf die Regelhaftigkeit des Lagers in der Gegenwartswelt zu bemerken. Denn „[d]ieser weite, ortsungebundene Lagerbegriff ist […] ohne jede Überzeugungskraft.“356 Die diesen Umstand erkennenden Rezipienten stützen ihre Argumentations- und Begründungsweisen vorwiegend auf andere substantiierte Referenzquellen zum Gegenstandsbereich und nutzen darum Agambens Konzeption allein als eine Verschlagwortung (im Sinne von „buzzword“, „catchword“), keinesfalls aber zur Fortschreibung des Themas in den eigenen Kontexten. Jenes lässt sich anhand der untersuchten Textquellen belegen. Die älteren, andere Aspekte der Agamben’schen Philosophie rezipierenden Textquellen im Völkerrechtsschrifttum befassen sich bereits ausführlich mit (Flüchtlings-)Lagerproblematiken und ordnen hierzu die Historie vor allem zum nationalsozialistischen Konzentrationslagertyp ein. Freilich konnten diese frühen Rezipienten nicht auf ein besonders ausgestaltetes Konzept des Lagers als „nómos der Moderne“ im Sinne Agambens zurückgreifen, welches erstmals mit seinem Werk Homo Sacer I. im Jahr 1995 zur Einführung gelangte und danach hauptsächlich mit Homo Sacer III.357 weitere inhaltliche Konkretisierungen innerhalb des seither avancierenden Theoriegebäudes erfuhr.358 Bestimmend an dieser Stelle ist die Einsicht, dass es einen Lagerbegriff in der paradigmatischen Lesart nach Agamben zunächst in zugehörigen Diskursen nicht bedurfte, um einschlägige Sachverhalte in die völkerrechtlichen Zusammenhänge einzustufen. Erst nach einer Dekade beginnt mit dem Jahr 2005 die allmähliche Rezeption des Konzepts, anfangs als Referenz in kontextbildenden Fußnoten359, 353

Vgl. bei Lemke, in: Outlines 1 (2005), S. 3 (6). Siehe insoweit sehr anschaulich und in entsprechender Abgrenzung zum Bentham’schen Begriffsverständnis, an das bereits Agambens Bezugsperson Foucault fortschreibend anknüpft, bei Niesen, in: Krause/Rölli (Hrsg.), S. 221 (225 ff.). 355 Schatz/Horst, in: LCLR 11 (2007), S. 539 (543), dort in Fn. 9. 356 Schulze Wessel, in: Aced et al. (Hrsg.), S. 11 (16 f.). 357 Siehe bei Agamben, Was von Auschwitz bleibt; in deutscher Fassung seit dem Jahr 2003, in englischer Übersetzung seit dem Jahr 2002, in der italienischen Erstausgabe seit dem Jahr 1998. 358 Siehe z. B. bei Chesterman, in: YJIL 22 (1997), S. 299 (311 u. 317); Kibreab, in: JRS 12 (1999), S. 384 (391 f. u. 401 f.); vgl. ferner bei Warner, in: JRS 7 (1994), S. 160 (165 u. 170). 359 Vgl. etwa bei Ben-Naftali et al., in: BJIL 23 (2005), S. 551 (605), dort in Fn. 304; dies./ Tuval, in: JICJ 4 (2006), S. 128 (174), dort in Fn. 163; Humphreys, in: EJIL 17 (2006), S. 677 (687), dort in Fn. 61; Meyerstein, in: CWRJIL 38 (2006), S. 281 (318), dort in Fn. 98. 354

2. Kritik zur Rezeption und Fortschreibung

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später dann auch unmittelbar im Haupttext, in erläuternder Verbindung zur jeweiligen Argumentationsstruktur360. Teilweise wird Agambens Entwurf dabei für plausibler gehalten, als dies viele seiner Kritiker zugeben würden361, obgleich in der Mehrzahl der Fälle der Lagerbegriff in seiner konzeptionellen Fortschreibung zum Völkerrecht – selbstredend nur in Relation zu den übrigen, hier betrachteten Konzepten – im zeitgenössischen Fachschrifttum eher ein zurückgestelltes Dasein aufweist.362 Bisweilen ist es durchaus hilfreich, das Konzept wie auch diesbezügliches Ideen- und Gedankengut nach Agamben wie ein Gedankenexperiment363 zu behandeln, wobei der paradigmatische Ansatz dieses Lagerbegriffs in seiner als hyperbolisch empfundenen Erscheinungsform364 sich jedoch nicht mehr wesentlich von einem sogenannten „slippery slope“-Argument365 unterscheidet.366 Insbesondere in Anbetracht der zur Übertreibung neigenden Ausdruckskraft dieses Rezeptionsgegenstands erscheint es für seine Fortschreibung geboten, sich vielmehr auf die real existenten Lagerformen  – wie beispielsweise auf die Armenviertel (die „globalen Slums“367 als Phänomene einer gescheiterten Gesellschaft im Sinne einer „failed society“368), die Gefängnisse, die Flüchtlingslager, die Warteberei-

360 Vgl. dazu bei Ben-Naftali et al., in: BJIL 23 (2005), S. 551 (608); Di Muzio, in: GG 14 (2008), S. 305 (307); Lemke, in: Outlines 1 (2005), S. 3 (4 u. 6 ff.); Kanwar, in: IJCL 4 (2006), S. 567 (568 f.); Bilder, in: AJIL 104 (2010), S. 532 (547); Ali, in: ULR 7 (2011), S. 4 (5); Billings, in: GLR 20 (2011), S. 271 (272 f.). 361 Lemke, in: Outlines 1 (2005), S. 3 (4). 362 So wohl auch bei Piot, in: TILJ 41 (2006), S. 503 (503 f.). 363 Das Gedankenexperiment ist eine wissenschaftliche Methode der Theoriebildung (siehe dazu auch unter II. in Fn. 4, unter II. 1. in Fn. 44, unter II. 3. in Fn. 127), bei welcher gedanklich eine bestimmte Situation konstruiert wird, um eine lösungsorientierte Idee zu einer zuvor entworfenen Sach- oder Problemlage mittels Logik, modellhafter Betrachtung, Induktion, Abstraktion oder Idealisierung entweder falsifizieren oder verifizieren zu können, vgl. weiterführend bei Kühne, S. 18 ff.; fernerhin sehr anschaulich zu den Funktionsweisen diesbezüglicher (wissenschaftlicher) Beweisführungen bei Bjelic/Lynch, in: Watson/Seiler (Hrsg.), S. 52 (73 ff.). 364 Loick schreibt hierzu: „Insofern die These von der Gegenwart der Lager eine Prognose beinhaltet, ist sie methodologisch hyperbolisch, das heißt, sie ist offenbar nicht wörtlich zu verstehen“, vgl. bei ders., in: Marquardt/Schreiber (Hrsg.), S. 166 (168); siehe weiterhin dazu bei ders., in: Voigt (Hrsg.), S. 25 (34), dort in Fn. 24. 365 Das Argument der „schiefen Ebene“ oder auch Dammbruchargument bezeichnet eine Argumentationsweise, die anzeigt, wenn die schiefe Ebene erst einmal betreten ist, es also kein Halten mehr gebe und ein Wertesystem unweigerlich ins Rutschen gerät, oder ein klei­ ner Riss in einem sonst stabilen moralischen und ethischen Konstrukt – gleich dem Bild vom soliden Damm vor dem wassergefüllten Stausee – zur vollständigen Zerstörung, also zu negativen Konsequenzen, etwa für den Rechtsstaat oder die Rechtsordnung, führen kann. Das Argumentationsmuster ist dabei nicht streng deduktiv, sondern stellt insbes. auf die Lebenserfahrung des Einzelnen ab, beinhaltet also ein überwiegend praktisch-anwendungsorientiertes Element des Meinungsaustauschs, vgl. für ein einschlägiges Anwendungsbeispiel bei­ Kaschner, S. 266. 366 Kanwar, in: IJCL 4 (2006), S. 567 (569). 367 Di Muzio, in: GG 14 (2008), S. 305 (307). 368 Billings, in: GLR 20 (2011), S. 271 (279).

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che der Flug- und Schiffshäfen, die Transiträume in der Nähe von zwischenstaatlichen Grenzen – zu beziehen.369 Solche Räume entstehen weltweit unter anderem wegen Kriegshandlungen, Verfolgungen aus ethnischen, politischen oder religiösen Gründen, Klima- und Umweltkatastrophen, Missernten, ökonomischen Nöten oder fehlenden Lebensperspektiven der Menschen, aber auch als Justizvollstreckungsanstalten, Arbeitslager und als Bestandteile verkehrstechnischer Infrastrukturen oder als Kontrollorte an Grenzübergängen. Anhand solcherlei Nomoi der Moderne sind stets nur anlassbezogene Anknüpfungspunkte in der (physischen) Welt zu suchen sowie derentwegen ein (ideelles) rechtsgeschichtliches Schema zu bestimmen, um in erster Linie an wirklichkeitsnahen Beispielen das „mehrdeutige Sich-In-Bewegung-Setzen des […] humanitären Apparats“370 in Krisensituationen oder schlicht eine menschliche Existenz an abgrenzenden Orten im Zeitgeschehen zu beschreiben. Vorgenanntes ist in jedem Fall aber von einander definitorisch zu trennen und also dem Einzelfall entsprechend zu beurteilen. Dies folgt unter anderem aus den Geboten von Eindeutigkeit und Bestimmtheit juristischer Aussagen, welche gleicherweise für völkerrechtswissenschaftlich geprägte Textinhalte gelten. Zudem stellt dies ein klares Bekenntnis gegen die (zuweilen praktizierte)  unbesehene Übernahme Agamben’scher Konzepte der Philosophie in Texte zum Völkerrecht dar, da sie insoweit seiner fragwürdigen Entdifferenzierungssemantik entstammen und ebendiese sich als ein Ausdrucksmittel kurzerhand zur Erklärung historischer Ereignisse in völkerrechtlichen Sach- und Problemzusammenhängen fortsetzen. Darüber hinaus ist es wiederum die US-amerikanische Guantánamo Bay Naval Base auf Kuba, die den Rezipienten einmal mehr Anlass zur kritischen Reflexion gibt.371 In den Textquellen wird hierzu festgestellt, dass der Stützpunkt der US-amerikanischen Marine, etwa mit den panoptischen Gefangenenlagerbereichen372, den in der Regel perfekten Überwachungs- und Kontrollmechanismen, den oft auch unmenschlichen373 Haftbedingungen374, den verwendeten Verhör 369

Insoweit anschaulich bei Kanwar, in: IJCL 4 (2006), S. 567 (575). Pandolfi, in: IJGLS 10 (2003), S. 369 (376). 371 Vgl. bei Raulff, in: GLJ 5 (2004), S. 609 (610 u. 612); siehe weiterhin bei Thomas, in: FILJ 26 (2003), S. 1193 (1205 f. u. 1215); Schatz/Horst, in: LCLR 11 (2007), S. 539 (542 f.); Ali, in: ULR 7 (2011), S. 4 (5); siehe ferner dazu bei Christophersen, S. 135 ff. 372 Diese Räume oder Orte trugen bzw. – da auch im Jahr 2017 in Betrieb – tragen immer noch ausdruckskräftige Bezeichnungen, wie Camp X-Ray, Camp Delta (mit dem Sonderteil Camp Echo) und Camp Iguana, Guantánamo. 373 In Abgrenzung zur Begriffsbestimmung „unmenschlich“ im Sinne von inhuman, sprich menschenfeindlich, durch Unterdrückung und zur Erforschung historischer Beziehungen zwischen Schlachthöfen (auf Tiere, nicht auf Menschen bezogen) und Vernichtungslagern (nur auf Menschen bezogen) im Sinne von anti-human, vgl. bei Schillmoller, in: SCULR 14 (2011), S. 41 (56 f.); Stramignoni, in: ULR 7 (2011), S. 160 (166 f.). 374 Hierzu ist zu erwähnen, dass dort befindliche Insassen 22 Stunden in einer Einzelstahlzelle ohne Fenster zur Außenwelt, also ohne Tageslicht, und ohne jeglichen Kontakt zu anderen Menschen (ausgenommen die sie reglementierende Militärpolizei) weg- bzw. eingesperrt sind, vgl. bei Schatz/Horst, in: LCLR 11 (2007), S. 539 (548), dort in Fn. 38 m. w. N. 370

2. Kritik zur Rezeption und Fortschreibung

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und Folter­metho­den und nicht zuletzt wegen des unklaren „politisch-rechtlichen Status“ der Inhaftierten, bei „genauer Betrachtung“ nur als ein „Konzentrationslager“ zu begreifen ist.375 Ebenfalls verwenden die Rezipienten den Begriff nach ­Agamben zwecks Beschreibungen von technisch hochgerüsteten Orten der „Heimlichkeit“376 oder sogar in Bezug auf „Lager überschüssiger Menschheit [hier im Sinne von Warenlagerräumen, Anmerkung durch den Verfasser]“377, die durch die (zumeist hoheitlichen) Akteure wohl bedacht und in systematisch geordneter Art und Weise den prüfenden Blicken, etwa inspizierender Organe der beteiligten Rechtsstaaten, der Vereinten Nationen oder der Nichtregierungsorganisationen, vollkommen entzogen sind.378 Hierbei wird das Agamben’sche Konzept des Lagers unter anderem als Sinnbild für eine ablehnende Haltung durch Negierung, eine endgültige Missbilligung, Verneinung oder Zurückweisung völkerrechtlicher Verantwortlichkeit (für hoheitliches Handeln durch die Staaten)­ fortgeschrieben.379 Mitunter beziehen sich einige der betrachteten Aufsätze und Fachartikel des zeitgenössischen Völkerrechtsschrifttums auf den Argumentationstopos zum (nationalsozialistischen) Konzentrationslager, ohne den Lagerbegriff nach Agamben in eine textuelle Sachverbindung zu setzen.380 Zumindest in Bezug auf die untersuchten Textquellen ist festzustellen, dass die konkrete Bedeutungszuweisung im Lagerbegriff, sprich erst einmal als Ausdruck des symbolhaften, physischen Nahraumes zwischen Freund und Feind bestimmt, nicht durch einen seitens Agamben hierzu intendierten Paradigmenwechsel, hin zu einer schwellenartigen sowie ortsunabhängigen Struktur des Übergangs in Ununterschiedenheit von Faktum und Recht, verdrängt wird.381 Die Rezipientenschaft folgt diesem philosophischen Entwurf von Agamben wohlweislich nicht382, da ein solcher Lagerbegriff „in seiner Entgrenzung [sinnlos wird].“383 Die völkerrechtsphilosophischen 375 Zu den vorstehenden letzten drei Zitaten siehe bei Schatz/Horst, in: LCLR 11 (2007), S. 539 (543 f.), dort in Fn. 9 a. E.; siehe ferner bei Crocker, in: BCLR 52 (2011), S. 1551 (1552). 376 Abélès, in: IJGLS 15 (2008), S. 241 (243 f.). 377 Di Muzio, in: GG 14 (2008), S. 305 (307); siehe ferner auch bei Mahmud, in: CLR 14 (2010), S. 1 (54), dort in Fn. 365. 378 Insoweit anschaulich bei Di Muzio, in: GG 14 (2008), S. 305 (319 ff.). 379 Rogers, in: GLR 20 (2011), S. 252 (262), dort in Fn. 39; da die Völkerrechtsordnung bestrebt ist, eine internationale Friedensordnung zu erreichen, erscheint jede Form der (Splendid) Isolation diesem Zweck als zuwiderlaufend. 380 Vgl. statt vieler bei Pugliese, in: AFLJ 34 (2011), S. 23 (39). 381 Vgl. bei Lemke, in: Outlines 1 (2005), S. 3 (6 u. 8). 382 Billings schreibt dazu unter Bezugnahme auf einen Artikel von Prem Kumar Rajaram und Carl Grundy-Warr, The Irregular Migrant as Homo Sacer: Migration and Detention in Australia, Malaysia, and Thailand, in: International Migration  42 (2004), S.  33–64 (Hinweis: Vorgenannte Textquelle ist nicht Teil  vorliegender Stichprobe): „The authors employ­ Agamben’s work in seeking to understand refugees in detention as hominis sacri, ‚bare lives consigned to zones of exception where the sovereign law ceases to function‘“, vgl. bei ders., in: GLR 20 (2011), S. 271 (273), dort in Fn. 7. 383 Schulze Wessel, in: Aced et al. (Hrsg.), S. 11 (17).

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V. Homo-Sacer-Projekt im Völkerrechtsschrifttum

­ rwägungen verlaufen zu Recht vornehmlich in klassischen ArgumentationsliE nien, da sich die Mehrheit in der Rezipientengemeinschaft bei ihren Darstellungen auf die unterschiedlichen, zeithistorischen Typen der „gated communities“384 als im völkerrechtlichen Diskurs beispielgebend besinnt. Das Paradigmatische, sprich die „materielle Räumlichkeit des Lagers“385 wird nach Agamben vorwiegend nicht rezipiert. Denn ein allgemeiner, mehr am überlieferten Wortsinn orientierter Begriff des Lagers beschreibt bereits „ein Ereignis der Raumnahme, ein Platzgreifen souveräner Entscheidungskraft“386, das auch die Informationen über die geschichtlichen Begebenheiten als Grenz- und Krisenraum enthält. Ein Bedürfnis der Erinnerung an eine Vergangenheit, die sich zuvörderst an der Vorstellungswelt Agambens ausrichtet, so aber womöglich niemals Gegenwart war, wird von der Rezipientenschaft daher nicht erkannt oder angenommen. Demnach dürfte das Konzept des Lagers auch künftig nur vereinzelt in einem typusprägenden Bezug auf Agamben im Völkerrechtsschrifttum in Erscheinung treten. Im Ergebnis führt dies dazu, dass die bestehenden definitorischen Einordnungen zum Begriff des (Konzentrations-)Lagers im interkulturellen juristischen Diskurs nicht an der erforderlichen Konturenschärfe verlieren werden. Der uniforme Erklärungsanspruch Agambens bleibt unbefriedigend, da er Widersprüche und Spannungen in höchst fragmentierten Räumen der Gegenwartswelt nicht verdeutlicht.387 Klare Konturen der Lagertypen und -begriffe erscheinen aber weiterhin geboten, um entsprechende Glaubwürdigkeit beim prinzipienorientierten Argumentieren zu erzeugen, um schließlich so Rechtssicherheit im Diskurs hierüber und im internationalen Miteinander (etwa an solchen Orten) zu gewährleisten.388 Das Lager ist ein sehr ausdrucksstarkes Sprachbild, da es nicht zuletzt für eine der wohl prägendsten Urszenen der Menschen steht, obgleich sich auch das hierzu rezipierte­ Agamben’sche Konzept im völkerrechtsphilosophischen Kontext gegenwärtig als weniger einfluss- und wirkmächtig erweist. (7) Die Biopolitik: Das Konzept der Biopolitik stellt sich dem Grunde nach nicht als eine (originäre)  Kategorie des Rechts im Allgemeinen und damit erst recht nicht des Völkerrechts im Besonderen dar. Vielmehr handelt es sich – wie zuvor ausgeführt – um einen inter- oder transdisziplinär aufgebauten Themenkomplex mit hohem theoretischen Gehalt389, der vornehmlich den dazugehörenden Disziplinen der Politikwissenschaften390 und danach im wissenschaftstheoretischen Sinn weniger der Völkerrechtswissenschaft zuzuordnen ist, obschon hierzu auch

384

So auch bei Marchart, in: Böckelmann/Meier (Hrsg.), S. 10 (16). Schulze Wessel, in: Aced et al. (Hrsg.), S. 11 (17). 386 Rother, S. 74. 387 So auch bei Schulze Wessel, in: Aced et al. (Hrsg.), S. 11 (18). 388 Zur Generierung von Recht aus Prinzipien der Moral oder der Ethik siehe bei Vöneky, S. 94 ff. 389 So auch bei Pieper et al., in: dies., Biopolitik, S. 7 (17 u. 21). 390 Siehe weiterführend etwa bei Lemke, Gouvernementalität und Biopolitik, S.  49 f. u. S. 78 ff. 385

2. Kritik zur Rezeption und Fortschreibung

205

völkerrechtliche „Hard Law“- und „Soft Law“-Regelungen391, etwa im Bereich des internationalen Biorechts392, existieren. Dementsprechend  – verglichen nur mit den anderen, hier betrachteten Konzepten – erweist sich dieser Entwurf nach Agamben gerade nicht als ein inhaltlicher Schwerpunkt im Rezeptions- und Fortschreibungsgeschehen zum Homo-Sacer-Projekt in den Aufsätzen und Fachartikeln zum Völkerrecht. Denn der Begriff der Biopolitik erscheint schlicht nicht als ein abgrenzbarer, somit eigenständig rezipierbarer Teil des Theoriegebäudes, da es „kaum überzeugend [ist], wenn [Agamben] behauptet, dass das, was er beschreibt, der Biopolitik im Sinne von Foucault auch nur annähernd nahekommt.“393 Im Übrigen können die vereinzelten Rezeptionen und Fortschreibungen zu diesem Gegenstand wie folgt beschrieben werden: Erst einmal wird in den untersuchten Textquellen anerkannt, dass rechtliche Verfasstheit von Normsetzung und -geltung kraft Rechtsdiskurses (beispielsweise im Wege konsensuell errungener völkerrechtlicher Verträge), die den einzelnen Menschen, bestimmte Volksgruppen oder sogar das Leben der Völker betreffen mögen, besonders die Formen der Biopolitik beachten muss, wenn hierbei eine prinzipienorientierte Entwicklung im multikulturellen Weltmaßstab stattfinden soll.394 Bei alldem sind es die Fälle biotechnologischer Eingriffe395 oder auch drohende ökologische Weltkrisen396, die zu einer zunehmenden Verwendung biopolitisch (vor-)geprägter Begriffe, hierbei allerdings mehr in Foucault’scher, denn in Agamben’scher Lesart397, in der Spezifika beschreibenden völkerrechtswissenschaftlichen Literatur wie auch in journalistischen Texten von eher allgemeiner Natur führen.398 Die Moderne ist nach der Auffassung einiger Rezipienten – und insoweit das Ideen- und Gedankengut nach Agamben in aktuellen Zusammenhängen fortschreibend – das biopolitische Zeitalter der Menschheit par excellence.399 Danach meint Biopolitik die ausnahmslose, sprich absolute400 Kontrolle des menschlichen Lebens401. Das mit dem Jahr 2004 installierte und seit dem Jahr 2013 nunmehr unter der Abkürzung „OBIM“, anstelle von „US-VISIT“, in Betrieb befindliche US-amerikanische Programm des Ministeriums für Innere Sicherheit der Vereinigten Staaten, der eher unter dem Namen „Heimatschutzministerium“ („Homeland Security“) ­bekannten US-Behörde, 391

Siehe dazu bei Kress, in: Frey et al. (Hrsg.), S. 15 (36 f.). Vgl. dazu ausführlicher bei Vöneky, S. 382 ff. m. w. N. 393 Thorup Larsen, in: Lettow (Hrsg.), S. 19 (26). 394 Etwa so auch bei Baxi, in: IJCL 1 (2003), S. 557 (573), dort in Fn. 105. 395 Parry, in: LCLR 9 (2005), S. 853 (874). 396 Boyd, in: UPJIL 32 (2010), S. 457 (491). 397 Etwa so bei Pandolfi, in: IJGLS 10 (2003), S. 369 (371), dort in Fn. 7; Ali, in: ULR 7 (2011), S. 4 (5), dort in Fn. 2; Birla, in: CJGL 21 (2011), S. 492 (494 u. 506); Pugliese, in: AFLJ 34 (2011), S. 23 (27 u. 31); Schillmoller, in: SCULR 14 (2011), S. 41 (53). 398 Lemke, in: Outlines 1 (2005), S. 3 (4). 399 Siehe dazu bei Lemke, in: Outlines 1 (2005), S. 3 (7); Piot, in: TILJ 41 (2006), S. 503 (503); Ali, in: ULR 7 (2011), S. 4 (5). 400 Schatz/Horst, in: LCLR 11 (2007), S. 539 (543), dort in Fn. 9. 401 Vgl. bei Douzinas, in: MJIL 7 (2006), S. 13 (21); Humphreys, in: EJIL 17 (2006), S. 677 (687); Noll, in: MJIL 7 (2006), S. 104 (125). 392

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V. Homo-Sacer-Projekt im Völkerrechtsschrifttum

bietet hierfür ein Beispiel. Denn dieses Programm dient sowohl zur biometrischen Identifizierung als auch zur Überwachung von Einreisenden oder sonstigen Immigranten in die Vereinigten Staaten.402 Maßnahmen des Erkennens, Deutens und schließlich Anklagens sind dabei zentral.403 Es erfasst in automatisierter Weise eine jede ausländische Person unter anderem mit Lichtbild und Fingerabdrücken, es sei denn, der Einreisewillige ist ein Staatsbürger aus einem der von diesen Regelungen ausgenommenen 27 US-verbündeten Ländern.404 Das Programm gibt einen anschaulichen Anhaltspunkt vorzugsweise dafür, dass neben den juridisch-­ politischen Rahmenbedingungen der Staatenkooperation im 21. Jahrhundert besonders biopolitische Determinanten, Imperative405 oder Parameter, mit oft „ineinander überfließenden Grenzlinien zwischen Leben und Tod“406, in nationalen Rechtsordnungen existieren, die es auch zwischen den (Kultur-)Nationen zu beachten gilt. Nach Auffassung der Rezipienten dürfe die Analyse einer – staatsbezogenen, primär das hoheitliche Handeln bestimmenden407 – Biopolitik nicht nur auf die vielen rechtlichen Einordnungsprobleme der verschiedenartigen Typen von Flüchtlingen oder Asylsuchenden bezogen bleiben408, sondern müsse hierüber hinausgehend auch als ein sozialer Prozess409 der gesetzförmigen410 Ausgrenzung (im Sinne neuzeitlicher Exklusionsphänomene411) rechtswissenschaftlich untersucht und verstanden werden. Eine solche Betrachtungsweise macht die Rechte eines als nutzlos, unwichtig oder überflüssig eingestuften Menschenlebens412, in Ansehung einer biomachtbezogenen Thanatopolitik (Foucault’scher Begriff für eine Politik des Todes413 oder in seiner formelhaften Verkürzung: „Leben machen und sterben lassen“414), zum Gegenstand der juridisch-administrativen Diskurse415. Der Mensch werde in der Folge zum bloßen Objekt biopolitischer Information416, sein „Kör 402

Siehe dazu ausführlicher bei Gaines/Miller, S. 124. So auch bei Stieglitz, S. 33. 404 Kanwar, in: IJCL 4 (2006), S. 567 (567), dort in Fn. 1. 405 Di Muzio, in: GG 14 (2008), S. 305 (309). 406 Perry/Bishop, in: SLR 61 (2011), S. 25 (42), dort in Fn. 93 mit einer drittbezogenen Rezeption zu einem Aufsatz von Parry, in: LCLR 9 (2005). 407 Pandolfi, in: IJGLS 10 (2003), S. 369 (371). 408 Ali schreibt sehr anschaulich am Beispiel des Iraks zu Folgen vitiöser Biopolitik: „Hence the state of exception emerged as a dominant paradigm of governance in Iraq, turning ever more on the violent underside of biopolitics and producing continuous outflows of refugees“, dies., in: ULR 7 (2011), S. 4 (28). 409 Parry, in: LCLR 9 (2005), S. 853 (876); vgl. ferner auch bei Schillmoller, in: SCULR 14 (2011), S. 41 (43). 410 Douzinas, in: MJIL 7 (2006), S. 13 (20 f.). 411 Vgl. etwa bei Davis, in: YJLF 23 (2011), S. 1 (46). 412 Lemke, in: Outlines 1 (2005), S. 3 (10). 413 Vgl. bei Celikates, in: Böckelmann/Morgenroth (Hrsg.), S. 49 (59 f.). 414 Pandolfi, in: IJGLS 10 (2003), S. 369 (373); Parry, in: LCLR 9 (2005), S. 853 (853); siehe weiterführend bei Haddad, S. 24 m. w. N. 415 Siehe dazu weiterführend bei Mayer, in: Lohmann/Keppler (Hrsg.), S. 1 (5 ff. u. 9). 416 Vgl. bei Di Muzio, in: GG 14 (2008), S. 305 (309 f.). 403

2. Kritik zur Rezeption und Fortschreibung

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per zur Nullstelle“417 ebensolcher Kalküle, denen er ohnmächtig und permanent ausgesetzt respektive schutzlos ausgeliefert zu sein scheint418. Prägnante Beispiele hierfür sehen die fortschreibenden Rezipienten unter anderem in Fragen der Genund Biotechnologie419 sowie in den biopolitischen Reglementierungen420 der verfassungs- und völkerrechtskonformen421 (ungeachtet der Art und Weise, ob aktiver oder passiver) Sterbehilfe422. Das zuvor Gesagte zeigt wie bereits angedeutet, dass das klassische Souveränitätsverständnis gegenwärtig einer Rekonzeptualisierung im betrachteten Völkerrechtsschrifttum unterliegt. Diese wohl „zeitgenössische Metamorphose“423 hin zu neuartigen Ausprägungen rechtsvorenthaltender StaatsGewalt424, jenem insofern (post-)postmodernen Inbegriff struktureller, gouvernementaler Machtausübung durch ein Staatswesen und deren Akteure, kann letztlich auch mit dem Ausdruck „Bio-Souveränität“425 umschrieben werden. Denn „[i]m Wesentlichen funktioniert das um die Menschenrechte herum organisierte Regime der Gouvernementalität wie eine Form von Bio-Souveränität“, wie die Politologin Anne Caldwell zutreffend anmerkt, „bei der Teile souveräner Macht auf verschiedene Akteure verteilt werden. […] [Es geht] auch hier um den Status des Lebens […].“426 So ein verändertes Verständnis von staatlicher Souveränität427 ist „nicht mehr notwendig an ein bestimmtes Gebiet oder eine bestimmte Bevölkerung gebunden.“428 Ein moderner Normgeber kann sonach „auf den sozialen Wandel, den Wandel in den Umweltbedingungen und die Entwicklung des Rechtsbewußt 417

Pugliese, in: AFLJ 34 (2011), S. 23 (33). Siehe zu diesem Spannungsverhältnis bereits bei Geulen, Giorgio Agamben zur Einführung, S. 147; Heron, in: Murray/Whyte (Hrsg.), S. 37 f.; Marchart, in: Böckelmann/Meier (Hrsg.), S. 10 (31 f.); ders., S. 226. 419 Siehe insoweit auch unter Bezugnahme auf Art.  38 Abs.  1 Buchst.  d)  IGH-Statut bei­ Lohninger, S. 128 f. 420 Seit Anfang der 1990er Jahre kommt es zu einer „zunehmenden Delegierung biopoli­ti­ scher Meinungsbildungsprozesse an Expertenkommissionen“ zur maßgeblichen Vorbereitung wie auch gesetzestechnischer Umsetzung eines biopolitischen Dispositivs nach Foucault’scher Ausformung, etwa in Bezug auf das Embryonenschutzgesetz (ESchG, Inkrafttreten im Jahr 1991) oder das Gentechnikgesetz (GenTG, Inkrafttreten im Jahr 1990), siehe dazu weiterführend bei Kalender, S. 89 ff. 421 Bspw. ist mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) vom 29.04.2002 – 2346/02 – entschieden, dass sich aus der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), hier Art. 14 EMRK, kein Menschenrecht auf aktive Sterbehilfe ableiten lässt, es daher kein Recht auf Hilfe zum Selbstmord in den Vertragsstaaten gibt, vgl. dazu ausführlicher bei Schell, S. 150. 422 Parry, in: LCLR 9 (2005), S. 853 (874), dort weiterführend auch in Fn. 89. 423 Pandolfi, in: IJGLS 10 (2003), S. 369 (373). 424 In Anlehnung an Loick, Kritik der Souveränität, S. 26 u. S. 214 ff.; ders., in: ders. (Hrsg.), Der Nomos der Moderne, S. 9 (12). 425 Kalyvas, in: Norris (Hrsg.), S. 107 (109). 426 Caldwell, in: Krasmann/Volkmer (Hrsg.), S. 107 (121). 427 Schmeer spricht in diesem Punkt sogar von „Forschungslücken […] bezüglich der Frage der Tiefe der Veränderung der internationalen Beziehungen durch ein verändertes Verständnis von Souveränität […] [Hervorheb. d. d. Verf.]“, dies., S. 13 m. w. N. 428 Caldwell, in: Krasmann/Volkmer (Hrsg.), S. 107 (121). 418

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V. Homo-Sacer-Projekt im Völkerrechtsschrifttum

seins reagieren […].“429 Nichtsdestoweniger erscheinen Agambens Überlegungen zu einer zeitgemäßen Beschreibung der Phänomene biopolitischer Entscheidungsfindung in den modernen Rechtsstaaten durchaus vergleichbar mit denjenigen Analysen, welche der Kritischen Rechtslehre entsprechen430, also einer dialektischen Denkrichtung, mit theoretischer Grundlagenkritik, in der Rechtsphilosophie und Rechtssoziologie des 20. Jahrhunderts, die vor allem ideologiekritische Ansätze im Sinne der Frankfurter Schule431 verfolgte. Die Rezipienten nehmen dabei an, dass in Bezug auf das Agamben’sche Konzept der Biopolitik, „ipse dixit“432, die Form den Inhalt überspannt. Denn dieses Konzept trenne gedanklich – nach Maßgabe seines philosophischen Letztbegründungsanspruchs433 – nur die Entitäten des Animalischen vom Menschlichen.434 Agambens Beschreibung der Biopolitik als die Politisierung des nackten menschlichen Lebens „gerät […] modernetheoretisch zu eng“435, da er „seine eigene Beobachterposition, seinen eigenen Beobachterstandpunkt, seine Verortung und seine Eingebundenheit (als Beobachter, aber auch als Teilnehmer und Akteur) in (historische und kulturelle) Kontexte, die er objektiv zu beschreiben und zu erklären versucht, nicht bzw. nur unzureichend reflektiert.“436 Aus dem Gesagten bleibt zu schlussfolgern: Das Konzept der Biopolitik, nicht allein nur in der spezifisch Agamben’schen Begriffsbestimmung, wirkt an und für sich weder positiv noch negativ im betrachteten Völkerrechtsschrifttum. Im Diskurs ist es „vielleicht nicht unbedingt gut, jedenfalls aber auch nicht ganz schlecht“437; es bedarf allerdings stets einer kritischen Überprüfung im Einzelfall.438 Aus vorgenannten Inhalten dürfte immerhin deutlich hervorgehen, dass der Begriff der Biopolitik – wie facettenreich er in der sonstigen (Fach-)Literatur auch in Erscheinung treten mag – nicht primär in seiner Agamben’schen Ausformung in das zeitgenössische Völkerrechtsschrifttum Einzug findet. Vielmehr formt sich ­ oucault’schen eine Deutungstradition zum Rezeptionsgegenstand im Sinne des F Motivs der Biomacht, die die entsprechenden Fortschreibungen in der Völkerrechtsliteratur überwiegend zu beeinflussen scheint. Nach Maßgabe der vorliegenden Einsichten sowie der modellhaften Erheblichkeitsschwellen des vorgeschlagenen Bewertungssatzes439 ist anzunehmen, dass dem Konzept der Biopolitik 429

Heckmann spricht von der Souveränität als der „Selbstbestimmung des Fortschritts“, ders., S. 210. 430 Parry, in: LCLR 9 (2005), S. 853 (872), dort in Fn. 83. 431 Siehe insoweit anschaulich bei Münkler, in: Ballestrem/Ottmann (Hrsg.), S. 179 (179 ff.). 432 Mit dieser Redewendung sogar ein entsprechend auf Agamben personenbezogenes Autoritätsargument anzeigend bei Goodrich, in: Juridikum 4 (2006), S. 216 (220). 433 So auch bei Wilden, S. 172. 434 Schillmoller, in: SCULR 14 (2011), S. 41 (53); Böckelmann, in: Langner et al. (Hrsg.), S. 249 (252 f.). 435 Dries, S. 441. 436 Wilden, S. 172. 437 In den Schlussfolgerungen so ausdrücklich bei Parry, in: LCLR 9 (2005), S. 853 (876). 438 So im Ergebnis auch bei Pandolfi, in: IJGLS 10 (2003), S. 369 (381). 439 Siehe hierzu unter III. 3. am Ende.

2. Kritik zur Rezeption und Fortschreibung

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nach Agamben im einschlägigen Schrifttum lediglich eine untergeordnete Bedeutung – im Verhältnis zu hier begutachteten Argumentationstopoi des Homo-­ Sacer-Projekts – zukommt. Demgemäß weist es derzeit eine nur geringe Einflussund Wirkungsmächtigkeit in Diskursen zum Völkerrecht auf. Aller Voraussicht nach wird dieses Konzept nach Agamben kaum weiteren Bedeutungszuwachs erfahren, da nicht zu erwarten ist, dass das gegenwärtig noch überaus gebräuchliche­ Foucault’sche Deutungsmoment durch das Agamben’sche, und zwar sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht, im diesbezüglich fortschreibenden Völkerrechtsschrifttum kommender Jahrzehnte verdrängt werden wird. Fazit: An dieser Stelle ist nochmals hervorzuheben, dass die vorliegend abgebildeten Rezeptions- und Fortschreibungsvorgänge zu bestimmten Begriffen und Begriffssystemen nach Agamben ausschließlich solche des zeitgenössischen Völkerrechtsschrifttums sind. Diese sind mithin auf völkerrechtsthematisch variante Aufsätze und Fachartikel aus dem deutsch- und englischsprachigen Raum innerhalb eines festgelegten Zeitabschnitts begrenzt. Dies bedeutet, es handelt sich allein um eine bestimmten Kriterien folgende Auswahl einer zuvor definierten Teilmenge aus einer Grundgesamtheit (Stichprobe). Sie beinhaltet die weltweit p­ ublizierten und – insbesondere aufgrund ihrer digitalisierten Form in internationalen Aufsatzdatenbanken sowie Fachbibliographien  – zugänglichen Texte aus völkerrechtswissenschaftlichen Fachzeitschriften. Diese Textquellen nehmen in gewissem Umfang und zeitnah zu Sach- und Problemlagen des gegenwärtigen Völkerrechts inhaltlich Stellung. Auf diese Weise zeigen sie eine an (meist kulturellen) Schemata ausgerichtete Nebeneinanderstellung momentaner Be­stands­ aufnahmen zu global und teils parallel bestehenden Kommunikationsprozessen in einer Leser- und Rezipientenschaft auf. Diese Kommunikationsprozesse sind wiederum in ihren spezifischen Erscheinungsformen auf die sieben Agamben’schen Konzepte aus dem Homo-Sacer-Projekt bezogen. Die untersuchten Texte codieren folglich konkrete Informationen zum Völkerrecht in Verbindung mit dem Homo-Sacer-Projekt von Agamben. Dabei wird ein Wissensbestand bei Lesern sowie Rezipienten begründet, der zu einer (kulturellen) Koordination dieser Inhalte durch gemeinschaftliche Schemata beiträgt. Dies ermöglicht in charakteristischer Weise auf diese Rezeptionsgegenstände bezogene Aktivierungsstrategien der lebensweltlichen Schemata bei sowohl Lesern als auch Rezipienten. Eine hinreichende Text-Leser-Wirklichkeit beeinflusst ein entsprechendes Textverstehen. Denn in diesen Textquellen zum Völkerrecht lassen sich bereits verallgemeinerungsfähige Meinungsbilder der internationalen Öffentlichkeit zu aktuellen Themenkreisen um die nackten Leben der Homines Sacri im gesetzmäßigen Ausnahmezustand, die vom (Völker-)Recht Ausgegrenzten der Moderne, als Gegenbilder zur souveränen Macht in den (westlichen) Staatswesen ein gutes Stück weit ablesen. Trotz aller hier angestrebter systematischer Genauigkeit, in Auswahl, Formulierung und Bezug transdisziplinären Vorgehens in der Sache, lassen sich die mit dieser Abhandlung dargestellten Rezeptions- und Fortschreibungsvorgänge zum

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V. Homo-Sacer-Projekt im Völkerrechtsschrifttum

Homo-Sacer-Projekt im gegenwärtigen Völkerrechtsschrifttum aufgrund der ihnen innewohnenden Komplexität  – wie anhand der Rezeptionsmodelle nach Häberle und Strasen genauer aufgezeigt440  – nicht auf monokausale Ursache-­ Wirkung-­Ketten verkürzen. Unbeschadet der erfolgsversprechenden Ansätze vorgenannter Erklärungsmodelle, unter anderem hinsichtlich der Argumentations-, Begründungs- oder auch Kritikweisen einer Leser- und Rezipientenschaft (zu den Konzeptionen nach Agamben), sind ebenso Letztbegründungsprobleme441 bei den Antworten auf die weiter zu erforschenden Frage- und Themenstellungen kaum vermeidbar. Denn jedwede „methodologische Struktur der Rezeptions-Interpretations-Trennung (Subjekt-Objekt-Trennung)“442 ist nur bis zu bestimmten Grenzen möglich. Die Abgrenzungen zwischen den konkretisierten Textbedeutungen und den einzelnen Deutungshypothesen bei den Lesern oder Rezipienten sind im Detail schwierig, da ein (Rezeptions-)Forscher sowohl die (originären) Konzeptionen bei Agamben als auch die Interpretationskonzeptionen nach Agamben (etwa als Begriffe und Begriffssysteme in den fortschreibenden, hier völkerrechtswissenschaftlichen Textinhalten) erkennen muss.443 Da insbesondere ein Akzeptieren einer selektiven, sprich von begrenzten Ursache-Wirkung-Ketten ausgehenden, und oft als objektiv angenommenen, aber tatsächlich subjektiv getroffenen Auswahl durch den jeweiligen Rezipienten sich auf zufälligen Faktoren444 begründen kann, ist es unter diesen Umständen erforderlich, zumindest größtmögliche rationale Akzeptierbarkeit bei der Beschreibung von Rezeptions- und Fortschreibungsbegebenheiten anzustreben, um hinreichende Grundlagen für völkerrechtswissenschaftliche Diskurse hierüber zu schaffen.445 Überhaupt spielt die rationale Perspektive in der Grundlagenforschung zum Völkerrecht eine bedeutende Rolle.446 Dies führt bei der mithilfe von Rezeptions­modellen strukturierten Auslegung von Texten und deren Verstehen im Grunde zu höchst differenzierten Sachverhalten plausibler sowie kohärenter Bedeutungszuweisung unter Bezug auf Rezeptionswege und -verfahren. Es ist der Genauigkeitsanspruch der Völkerrechtswissenschaft zu beachten, der nichtsdestoweniger durch Definitionen oder exakte Ab 440

So ausdrücklich bei Häberle, in: JZ 21 (1992), S. 1033 (1035); Strasen, Rezeptionstheorien, S. 107. 441 Das angesprochene Problem der Letztbegründung meint in der Philosophie wie auch Wissenschaftstheorie eine Rückführung von Geltungsanspruch hinsichtlich der Wahrhaftigkeit bzw. Gewissheit einer Aussage auf letzte sichere Grundlagen, die ihrerseits nicht auf bloßen Annahmen (über etwas) beruhen, siehe dazu ausführlicher etwa bei Apel, in: Bosshardt (Hrsg.), S. 45 (84 f.); vgl. ferner auch bei Wüstehube, S. 180 ff. 442 Groeben, in: ders. (Hrsg.), S. 21. 443 In Anlehnung an Groeben, in: ders. (Hrsg.), S. 21 f. 444 Der Zufall als ein (weiterer) Aspekt von Rezeptions- und Fortschreibungsvorgängen etwa im Völkerrechtsschrifttum kann wohl umso weniger beachtlich sein, je ausgeprägter die Korrelationen zwischen rezipierenden Texten und (Rezeptions-)Gegenständen der Ausgangstexte, sprich je genauer die Ent- und Neukontextualisierungen der Konzepte nach Agamben aus dem Homo-Sacer-Projekt in den Textquellen zum Völkerrecht sind. 445 In Anlehnung an Aarnio et al., in: Krawietz/Alexy (Hrsg.), S. 9 (77). 446 Siehe dazu auch bei Peters, in: Paradigmen im internationalen Recht, S. 105 (146 u. 170).

2. Kritik zur Rezeption und Fortschreibung

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grenzungen wirken soll: „Dabei sind […] die jeweiligen Interessen zentral; die Grenzen können als frei gezogen werden.“447 Die obigen Ausführungen sind daher, wiederum mit Ludwig Wittgenstein betrachtet, nur Abbildungen eines (momentanen) Zustands im hier interessierenden Rezep­tions- und Fortschreibungsgeschehen448, und zwar in Form einer mit statistischen Methoden erhobenen Stichprobe. Hierbei zeigt sich, dass auch das Rezeptionsgeschehen einesteils durch den jeweiligen fortschreibenden Rezipienten und durch den hierauf gerichteten Blick eines erforschenden Dritten individuell (kognitiv) bestimmt ist.449 Aus diesem Grund scheinen Rezeption und Fortschreibung zwar beliebig ausdeutbar zu sein, doch tatsächlich sind ihre Deutungen an den (hier datenbankbasierten) Standpunkt im zeitgenössischen Völkerrechtsschrifttum zu den philosophischen, staats- und gesellschaftstheoretischen Grundlagentexten Agambens gebunden. Anderenteils stellen sich die aus dem Homo-Sacer-Projekt übernommenen Konzeptionen als hieraus abgeleitete und weiterführende Beschreibungen, Einsichten und Visionen der Leser- und Rezipientenschaft zum Völkerrecht dar. Ihre (im Internet450) abrufbaren Texte enthalten einen Wissensbestand über die philosophischen Entwürfe aus dem Homo-­Sacer-­Projekt in Bezug auf gegenwärtige völkerrechtliche Sach- und Problemlagen und können somit als intersubjektive Erfahrungsablagerungen (im Sinne von ­Habermas) zum beschriebenen Themenkreis aufgefasst werden, da in Zeichenprozessen und Medien vollzogen451. Bei alldem spricht eine Vermutung dafür, dass aufgrund der vorliegend zuordenbaren Phänomene des Nachlebens von prägnanten Agamben’schen Ideen und Gedanken in anderen Kontexten, jene Konzepte mit hohem Wie­der­erken­nungs­wert außerhalb ihrer historisch-situativen Entstehungszusammenhänge, die Homo-Sacer-Schriften, in Anbetracht kulturübergreifender und überzeitlicher Relevanz der Inhalte, Themen- und Problemstellungen452 einzelner Aspekte453 dieser Schriftenreihe, durchaus als einfluss- und 447

Siehe dazu etwa bei Kellerwessel, S. 289. Insofern im Anschluss an Ludwig Wittgensteins erkenntnistheoretischer Abbildtheorie, wonach im Sinne des sog. „ontologischen Atomismus“ alle realitätsbezogenen „Sachverhalte […] die elementaren, nicht weiter zerlegbaren Größen in [der] Welt [sind], nicht die Gegenstände, die immer nur innerhalb solcher Konfigurationen auftreten“, vgl. dazu bei Goeres, S. 30 f. 449 So auch bei Strasen, Rezeptionstheorien, S. 350. 450 An dieser Stelle sind die (grundsätzlich) jedermann frei zugänglichen Informationen oder Daten gemeint, die in räumlich und zeitlich übergreifenden Kommunikationsprozessen zum Völkerrechtsschrifttum eingebunden sind. 451 Vgl. dazu bei Knoblauch, S. 42. 452 Kotzur schreibt in diesem Zusammenhang: „[…] und die Tatsache, daß ein hinreichend großer Teil der interessierten oder spezifisch betroffenen internationalen Öffentlichkeit den Text im kollektiven Bewußtsein speichert und so seine Aktualisierung angesichts neuer Probleme und Herausforderungen ermöglicht [Hervorheb. d. d. Verf.]“, ders., in: Weiß (Hrsg.), Hugo Grotius: Mare Liberum, S. 5 (6). 453 Hierbei erscheinen vor allem die Konzepte des nackten Lebens, des Homo Sacer, der souveränen Macht/Souveränität und nicht zuletzt des Ausnahmezustands in ihren Begriffsbestimmungen nach Agamben in hohem Maße für Neukontextualisierungen zum Völkerrecht geeignet. 448

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V. Homo-Sacer-Projekt im Völkerrechtsschrifttum

wirkmächtige Grundlagentexte454, keinesfalls aber als (moderne) Klassikertexte455 für das zeitgenössische Völkerrechtsschrifttum anzusehen sind.

3. Implikationen der Untersuchung In der Tat hat Giorgio Agamben mit seinen philosophischen Konzeptionen des Homo-Sacer-Projekts eine ganze Reihe terminologischer sowie definitorischer (Neu-)Entwürfe, allesamt vor dem Hintergrund seiner (post-)postmodernen456 Ideenlehre im Anschluss an namhafte Denker457 des Poststrukturalismus458, zur inter-, trans- oder multidisziplinären Zusammenarbeit auch in anderen Forschungsbereichen der Textwissenschaften beigetragen. Dabei mögen die Agamben’schen Konzepte dem einen gerade wegen der aus angewandter Entdifferenzierungssemantik resultierenden Unbestimmtheiten oder Unschärfen der in den Homo-Sacer-­Publi­ ka­tionen niedergelegten Begriffe und Begriffssysteme in einem fremdtextlichen, 454

Wirkmächtig meint dabei, dass durch kontinuierliche Diskurse über (bestimmte) Konzepte nach Agamben die Ordnung im Wissensbestand hierüber und zum Völkerrecht hergestellt wird, die sich in sachlich, zeitlich und räumlich identifizierbaren Bereichen methodisch abgrenzen lässt. Danach ist eine (in gewissem Sinne positive) Wirkmacht der Homo-SacerSchriften von Agamben auf das sie rezipierende und fortschreibende Völkerrechtsschrifttum zu erkennen, da (argumentative) Grundlagen hierdurch geschaffen sind, die etwa die Kreativität der Rezipienten anregen, in ihren Kritiken auch die völkerrechtswissenschaftlichen Konventionen bewusst machen oder diese sogar beeinflussen, oder schlicht den Pluralitätssinn in völkerrechtswissenschaftlichen Diskursen befördern. 455 In der Völkerrechtslehre werden im Allgemeinen Rechtsgelehrte, wie Hugo Grotius, Francisco de Vitoria und ihre Zeitgenossen, als Klassiker erachtet, vgl. so auch bei Wengler, S. 132, dort in Fn. 2. 456 Die sog. „Postmoderne“ ist sowohl ein Epochen- als auch Typisierungsbegriff und bezeichnet eine avantgardistische, französische Strömung in der Philosophie mit ideologiekritischen Bezügen zu den Ereignissen im Mai 1968 (sprich 68er-Studentenrevolte und Frauenbewegung), sodass demnach die „Post-Postmoderne“, ungeachtet deren ideen- und philosophiegeschichtlichen Ausprägungen, die sich hierzu eventuell künftig noch entwickeln oder in Erscheinung treten mögen, ebenso einen Epochen- bzw. Typisierungsbegriff allerdings zeitlich „nach“ oder „hinter“ der Postmoderne beschreibt, der mitunter noch mittels Denkkategorien der Postmoderne, aber auch mit deren unmittelbaren Fortbildungen in Struktur und Theorie operiert, vgl. dazu statt vieler bei Gloy, S. 156 ff.; siehe fernerhin bei Ritzer, in: ders. (Hrsg.), S. 7 (10 f.). 457 Siehe dazu bereits unter V. 2. in Fn. 253. 458 Gleichlaufend mit dem philosophiegeschichtlichen Epochen- bzw. Typisierungsbegriff der „Postmoderne“ kennzeichnet der Begriff des „Poststrukturalismus“ ebenso bestimmte wissenschaftliche Ansätze und Methoden, vornehmlich in den Geistes- und Sozialwissenschaften gebräuchlich, die zuerst in Frankreich Ende der 1960er Jahre in Erscheinung traten; beide Begrifflichkeiten sind ihrem räumlichen und zeitlichen Ursprung wie auch ihrer thematisch-inhaltlichen Programmatik nach verwandt, insoweit hierzu auch dieselben Vertreter namentlich genannt werden, wie sie u. a. zur Einordnung postmoderner Entitäten dienen, die sich im Wesentlichen damit auseinandersetzen, wie innere Gesellschaftsstrukturen durch Macht erzeugt und nach außen, in andere Beziehungsgefüge, u. a. mithilfe von Text, transformiert werden, siehe dazu ausführlicher bei Korte, in: Schneider (Hrsg.), Literaturwissenschaft in Theorie und Praxis, S. 41 (41 ff.) m. w. N.

3. Implikationen der Untersuchung

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hier völkerrechtswissenschaftlich geprägten Diskurs verfehlt erscheinen. Dem Einwand kann entgegnet werden, dass die völkerrechtsphilosophisch (hinreichend) nachvollziehbaren Konzepte in den Meinungsaustausch über Inhalte des Homo-Sacer-Projekts unter Bezug auf das Völkerrecht durch die fortschreibenden Rezipienten durchaus erkenntnisfördernd einzubinden sind. Denn mit (gebotener) wissenschaftlicher Kritik ist den Agamben’schen Begriffsbestimmungen außerhalb des originären Theoriegebäudes zu begegnen, soweit diese von sich aus keine scharfen Konturen erkennen lassen.459 Dem anderen mögen sie gleichwohl als ein Verbesserungsvorschlag zwecks der (längst) überfälligen und notwendigen Korrekturen des Argumentations-, Begründungs- oder Kritikaufbaus im Hinblick auf die komplexen internationalen Lebenssachverhalte der Gegenwartswelt dienen. Hierzu gehören unter anderem die genannten Beispiele, wie der Lageralltag asylsuchender Flüchtlinge, die biopolitischen Verbindungen zwischen Macht und Autorität internationaler Akteure und nicht zuletzt das gezielt und straffrei tötbare menschliche Leben im Rahmen nicht-internationaler bewaffneter Konflikte. So sind spezifische Ziele völkerrechtswissenschaftlicher Rezeption und Fortschreibung zum Homo-Sacer-Projekt denkbar, insbesondere die diesbezüglichen Forschungen weiterhin ideenreich voranzubringen und darüber hinaus mit Aufmerksamkeit erregenden Veröffentlichungen, die etwa mithilfe der Agamben’schen Konzepte neuartige Lösungsansätze verfolgen, einen weltweiten sowie aus Laien und Wissenschaftlern, Lesern und (fortschreibenden) Rezipienten bestehenden Interessentenkreis zu erreichen. Unter diesen – auf die Forschungspraxis bezogenen – Blickwinkeln erscheinen bestimmte460 philosophische Anstöße Agambens für die Diskurse zum Völkerrecht belebend und fruchtbringend. Möglicherweise bieten sie sogar Anknüpfungspunkte für neue juristische Methoden- und Theorienstreite.461 Denn angesichts seiner bewusst provokant gefassten Thesen462 dürfte Agamben das Interesse463 einer heterogenen Leser- und Rezipientenschaft auch in Zukunft sicher sein. Trotzdem bergen die provokatorischen Zuspitzungen der Thesen bis hin zum paradigmatischen464 Erklärungsanspruch Agambens, sprich „die Erklärung unse 459

So wohl auch bei Lakitsch, S. 105. Dies meint nur die Konzepte des nackten Lebens, des Homo Sacer, der souveränen Macht/Souveränität und des Ausnahmezustands in ihren rezipierten und (teils) fortgeschriebenen Lesarten nach Agamben. 461 Vgl. dabei zur Trennung zwischen „Beobachter- und Teilnehmerstandpunkt[en]“ im Hinblick auf die Streite um Methoden und Theorien des (Völker-)Rechts bei Mastronardi, S. 31 ff. 462 So auch bei Lemke, Gouvernementalität und Biopolitik, S. 93 m. w. N. 463 So sind etwa weiterführende Forschungsvorhaben denkbar, u. a. zur Europäischen Union oder der Bundesrepublik Deutschland als biopolitische Akteure seit Anfang der 1980er Jahre, in welchen referenzielle Bezüge zu Agambens Homo-Sacer-Projekt, allzumal als eine (gebräuchliche) Aktivierungsstrategie eigener lebensweltlicher Schemata (Wissensbestand), zu erwarten wären; siehe ferner bei Kalender, S. 34 m. w. N. 464 Der Begriff „Paradigma“ wurde im Jahr 1962 vom bedeutenden US-amerikanischen Wis­ senschaftsphilosophen und -historiker Thomas Samuel Kuhn in seinem Hauptwerk „The Struc­ ture of Scientific Revolutions“ für die (Wissenschafts-)Philosophie eingeführt, sodass „[p]rak­ tisch alle heutigen Verwendungen des Paradigmenbegriffs in Philosophie und Wissenschaft […] sich hiervon ab[leiten]“, vgl. bei Hoyningen-Huene, in: Bermes/Dierse (Hrsg.), S. 279 (279). 460

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V. Homo-Sacer-Projekt im Völkerrechtsschrifttum

rer heutigen Welt zu bieten“465, auch Gefahren bei ihrer Rezeption und Fortschreibung. Agamben verliert nämlich bei seiner Fokussierung auf eine uniforme Aussagekraft oft die historischen Fakten aus dem Blick466, die ihm die Grundlagen zur Thesenbildung überhaupt erst geben.467 Dadurch mangelt es seinen Thesen teils an – im (Völker-)Recht nötigen – Eigenschaften, wie Realitätsbezogenheit, Differenziertheit und nicht zuletzt Komparativität einschlägiger Argumentations- und Begründungsweisen beim In-Beziehung-Setzen der (Grund-)Bestandteile468. Die philosophischen Thesen Agambens sind „von mitunter kurz greifenden Schlüssen durchzogen“469, sodass diese nicht als grundlegende, allenfalls als ergänzende Bausteine für die zeitgemäßen völkerrechtswissenschaftlichen Erklärungsmodelle dienen können. Dies verwundert nicht, da sich ihre Interkontextualität470 ein jedes Mal aus den Erfahrungen der Leser oder Rezipienten, „die in der jeweiligen Sprachund Lebensgemeinschaft bereits gegeben“471 sind, rekonstruiert. An dieser Stelle sind die beiden Denk- und Sprachtraditionen unter kontinentaleuropäischen oder angelsächsischen Eigenarten, Gepflogenheiten oder Gewohnheiten im Diskurs über das (Völker-)Recht maßgebend472, die letzten Endes den „kulturellen Kontext“473 im Sinne Häberles bilden und ausformen. Bei einigen der hier analysierten Begriffe und Begriffssysteme nach Agamben, und zwar jene über das nackte Leben, den Homo Sacer, die souveräne Macht/Souveränität und den Ausnahmezustand, handelt es sich um durchaus einfluss- und wirkmächtige Konzeptionen aus philosophischen Vorstellungswelten474 im Völkerrechtsschrifttum. Nur diese vier im Schrifttum genügend gefestigten Entwürfe nach Agamben sollten zu weiteren (autoritativen) Feststellungen oder (Neu-)Kontextualisierungen auch völkerrechtlicher Standpunkte in der Forschung und Lehre herangezogen werden. Ausgehend von dieser Position soll nun in einem abschließenden Arbeitsschritt der vorliegenden Fallstudie über Giorgio Agambens Homo-Sacer-Projekt im Völkerrechtsschrifttum dargestellt werden, inwieweit sich die gewonnenen Erkenntnisse zu Überlegungen unter metatheoretischen475 Aspekten verallgemeinern las 465 Die Hervorhebung ist bei Ciragan bereits im Originalwortlaut enthalten, dies., in: figurationen 1 (2008), S. 33 (37). 466 So auch bei Kiesow, in: RG 1 (2002), S. 56 (58); Geulen, in: Borsò et al. (Hrsg.), Benjamin – Agamben, S. 59 (60) m. w. N. 467 Siehe dazu auch bei Deuber-Mankowsky, in: Die Philosophin 25 (2002), S. 95 (95 ff.). 468 Siehe dazu auch bei Staff, in: RG 5 (2004), S. 207 (210); Rother, in: Schwarte (Hrsg.), S. 144 (158); Vasilache, S. 253. 469 Bächler, S. 20. 470 Vgl. dazu bei Homscheid, S. 239. 471 Broekman, in: Krawietz/Alexy (Hrsg.), S. 89 (94). 472 Siehe dazu bereits unter IV. 3 in Fn. 354. 473 Häberle, in: JZ 21 (1992), S. 1033 (1034). 474 Für eine kritische Betrachtung hierüber siehe etwa bei Kiesow, in: RG 1 (2002), S. 56 (63). 475 Die vorliegende Untersuchung ist ihrem Ansatz nach selbst metatheoretisch aufgebaut, da ihre Forschungsgegenstände sowohl andere Erklärungsansätze – mithin die Rezeptionsmodelle nach Häberle (juristisches Theorieelement) und Strasen (kulturelles Theorieelement) – als auch eine Menge anderer Grundbegriffe – mithin aus Agambens Philosophie und dessen

3. Implikationen der Untersuchung

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sen. Hierzu werden die Kulturgespräche476 über einflussreiche und wirkmächtige Grundlagen- wie auch Klassikertexte aus der Literatur, Staats- oder Rechtsphilosophie vorausgesetzt. Zudem wird angenommen, dass die Diskurse einen wesentlichen Konsensfaktor für eine Kommunikationsgemeinschaft aus internationaler Rechtsprechung und Völkerrechtslehre der (Kultur-)Nationen bilden. Es geht darum, die in der internationalen Forschung und Lehre rezipierten und (teils) fortgeschriebenen Konzepte nach Agamben eventuell als taugliche „Hilfsmittel“477 im Sinne und nach Maßgaben des Artikel  38 Absatz  1 Buchstabe  d) IGH-Statut einzuordnen.478 Wenn sich also die fähigsten, in „epistemic communities“479 an­erkannten Völkerrechtler der verschiedenen Nationen in ihren veröffentlichten Meinungen auf bestimmte Konzepte aus dem Homo-Sacer-Projekt von ­Agamben beziehen, dann werden auch derartige „völkerrechtswissenschaftliche Publikationen vom Gerichtshof zur Kenntnis genommen und können hintergründigen Einfluss auf die Entscheidung erlangen.“480 Eine solche Einordnung hinterfragt ebenso quellenkritisch und ihrem konzeptuellen Ansatz nach die Konzepte – mit Agambens Lesart – als Schwellenbegriffe hinsichtlich ihrer Verwertbarkeiten (Einpassung) und Grenzen (Operabilität) in völkerrechtsphilosophischen Diskursen, die ihrerseits als „hintergründige“ Orientierungshilfen für den internationalen Rechtsverkehr wirken können. Dabei bedingt der metatheoretisch aufgestellte Rahmen vor allem „die kritische Absicherung der Prinzipientheorie und die rationale Kontrolle […] auf die intelligiblen Voraussetzungen des begrifflichen, urteilenden und schließenden Denkens“481, da es richtig ist, dass im Großen und Ganzen „vor dem Forum der internationalen Öffentlichkeit prinzipienorienHomo-Sacer-Projekt – umfassen, welche zudem auf empirische Befunde aus einer (Analyse-) Stichprobe – mithin einer Datenmenge aufgrund von Aufsätzen und Fachartikeln aus deutschund englischsprachigem zeitgenössischen Völkerrechtsschrifttum – bezogen sind, um einige zugrunde liegende Strukturen – anhand bestimmter Kriterien u. a. in Anlehnung an Terz – aufzuzeigen, sodass die Begriffe und Begriffssysteme nach Agamben unter Bezug auf das Völkerrecht in ihren Verwertbarkeiten (Einpassung), Grenzen (Operabilität) und Entwicklungsmöglichkeiten etc. betrachtet werden können. Dies erscheint vor dem Hintergrund der Forschungsgegenstände konsequent, da insbes. metatheoretisch geprägte Ansätze und Methoden mit dem Europäischen Poststrukturalismus, derer sich der im Fokus dieser Abhandlung stehende Agamben mit seinem philosophischen Rüstzeug, in den hier gegenständlichen Werken, in fortführender Art und Weise bedient, korrelieren; zum Zusammenhang von Metatheorie und Poststrukturalismus siehe ausführlicher bei Weinstein/Weinstein, in: Ritzer (Hrsg.), S.  135 (139 f.); zu metatheoretischen Betrachtungen in Form von strukturell-funktionalen Analysen, vgl. bei Tiryakian, in: Ritzer (Hrsg.), S. 69 (72 f.). 476 Kotzur spricht von „Klassikergesprächen zwischen Generationen und Kulturen“, ders., in: Weiß (Hrsg.), Hugo Grotius: Mare Liberum, S. 5 (11). 477 Vgl. dazu bei Will, in: Schöbener (Hrsg.), S. 205 (209); Wienbracke, S. 6 m. w. N. 478 Siehe grundlegend bei Faulenbach, S.  38 ff.; Pellet, in: Zimmermann et  al. (Hrsg.), S. 780, Rn. 290. 479 Vgl. dazu bei Haas, S. 5. 480 Arnauld merkt an dieser Stelle ebenso an, dass der „IGH […] – im Gegensatz zu anderen internationalen und nationalen Gerichten – in seinen Urteilen praktisch nie Werke einzelner Autoren namentlich [zitiert]“, ders., Völkerrecht, S. 119. 481 Natterer, S. 239.

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V. Homo-Sacer-Projekt im Völkerrechtsschrifttum

tiert argumentiert“482 werden muss. Während etwa eine Metatheorie in der Physik nicht Physik, sondern Philosophie wäre, bleibt eine Metatheorie in der Völkerrechtsphilosophie bereits ihrem universellen Wesenskern nach Philosophie.483 In entsprechender Anwendung ist die Völkerrechtsphilosophie deshalb „zumindest für die Neuzeit der kritische Begründungsversuch […] und der Differenzierungsversuch zwischen legitimer und illegitimer Herrschaft [für] jene Konzeptionen, die auf der Grundlage von Verträgen oder vertragsähnlichen Übereinkünften versuchen, die Möglichkeit einer allgemeinen Akzeptanz politischer Herrschaft auszuweisen.“484 Die Völkerrechtsphilosophie ergründet danach die weltumspannenden Muster internationaler Ordnungspolitik, von einem vormals eher sakrosankten äußeren Staatsrecht, dem „ius inter gentes“, zu einem derweil mehr wandlungs- und anpassungsfähigen Rechtsverkehr der (Kultur-)Nationen untereinander, dem „ius gentium“.485 Wie längst der Philosoph Adolf Lasson im Jahr 1871 für die im „gegenseitigen Verkehr von den Staaten anerkannten und innegehaltenen Vorschriften“486, sprich über die prinzipiengeleiteten zwischenstaatlichen Ordnungsmuster erkannte, beruhe das Völkerrecht nicht allein nur auf verbindenden Gemeinsamkeiten oder nur auf eigenen Interessen487, sondern maßgeblich auch auf dem „Charakter des klugen Egoismus“488. Wo sonst, wenn nicht als eigens einen solch „klugen Egoismus“489 infrage stellender Teil  einer Theoriegeschichte490 des „in Schriftform geschlossenen“ Völkerrechts491, jener konsensualen Vertragsordnung zwischen gleichgestellten492 Völkerrechtssubjekten, kommt der angewandten Völkerrechtsphilosophie eine noch grundlegendere Erkenntnisfunktion zu.493 Hierdurch kann zugleich die größtmögliche rationale Akzeptierbarkeit bei der Beschreibung von vornehmlich juridisch-politischen Einflüssen und Wirkmächten durch kulturbedingte Grundlagen- oder Klassikertexte auf (eher rein) juristische 482

Thürer, S. 142. Beispiel in Anlehnung an Hösle, S. 14. 484 Prechtl, in: Klawitter et al. (Hrsg.), S. 25 (25). 485 Insoweit anschaulich bei Weiler, in: Oberreuter et al. (Hrsg.), S. 91 (91 ff.). 486 Lasson, S. 42. 487 Siehe dazu weiterführend bei Terz, in: Pap. Polít. Bogotá Colombia  14 (2009), S.  223 (223 ff.). 488 Vgl. dazu bei Lasson, S. 42 ff. 489 Eine solche Selbstbezogenheit der Völkerrechtssubjekte tritt auch auf internationalen Ebenen zumeist in Formen von Ideologie oder Populismus in Erscheinung; zum Populismus als eine besondere Form der Politikvermittlung und in Abgrenzung zur technischen, inhaltlichen, personellen und medialen Dimension des Populismus siehe ausführlicher bei­ Holtmann et al., S. 31 f. 490 Kotzur, in: Weiß (Hrsg.), Hugo Grotius: Mare Liberum, S. 5 (11). 491 Siehe etwa bei Gruber, S. 122 f. 492 Siehe weiterführend bei Schmeer, S. 52 m. w. N.; Kokott, in: ZaöRV  64 (2004), S.  517 (518 ff.). 493 So bemerkt etwa Janich zutreffend: „Bei philosophischen Fragen hat jede Zeit das Recht, ja die Pflicht, sie erneut zu stellen und zu beantworten“, ders., S. 98. 483

3. Implikationen der Untersuchung

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Argumentations- und Begründungsstrukturen in völkerrechtlichen Kontexten erreicht werden.494 An der Stelle soll ein wichtiger Aspekt gelten: „[D]as was ist, zu begreifen, ist die Aufgabe der Philosophie“495, erst recht der Völkerrechtsphilosophie als ihr „unverzichtbares wissenschaftliches Desiderat“496. Denn nichts wäre im Endeffekt angesichts der erwünschten Völkerrechtserkenntnis und -fortbildung im Lichte der „Liebe zur Weisheit“ (mit der wörtlich genommenen Übersetzung aus dem Altgriechischen für „φιλοσοφία“497) unhaltbarer, als ein mancherorts durch unentdeckte Selbstbezogenheit498 unterminiertes499 Schrifttum der Völkerrechtslehre. Gerade die hierin veröffentlichten Meinungen der weit an­erkannten Völkerrechtler stellen die Bildung eines wahrhaftigen500 Wissens- und Informationsbestands über die gegenwärtige Völkerrechtsordnung sicher. Dies folgt nicht zuletzt aus der integrierenden Funktion von Forschung und Lehre zum Völkerrecht, die die vielgestaltigen „Einzelrechtssätze oder sogar unverbundene Praxis und Rechtsprechung“501 im Sinne des Artikel 38 Absatz 1 Buchstabe d) IGH-Statut sammeln, sichten und systematisieren.502 Die obigen Feststellungen sind von Belang, um die Idee und Möglichkeit kritischer Absicherung und rationaler Kontrolle durch begriffliches, urteilendes und schließendes Denken in die Überlegungen zu zeitgenössischen Deutungsangeboten Agamben’scher Konzepte außerhalb des Schrifttums zum Völkerrecht einzubinden.503 Ihre Rezeptionen und Fortschreibungen in Teilen des gegenwärtigen Völkerrechtsschrifttums stellen nur den Bezug zur aktuellen Thesen- und 494

Zutreffend kritisch stellt Pattaro zum Zusammenhang von Sollens-Argumenten und (moralischen) Wertekategorien fest: „Die moralischen Werturteile sind nicht erkenntnisfähig, wohl aber konstitutiv. ‚Normen‘, ‚Rechte‘, ‚Pflichten‘, ‚Werte‘ und all die anderen Termini, die die Wirklichkeit eines Sollens zu bezeichnen scheinen, sind vom Menschen erfundene Wörter, um die eigenen Wahlen auszudrücken, zu objektivieren und um sich manchmal, mehr oder minder bewußt der Verantwortung zu entziehen, diese getroffen zu haben. […] Ein moralisches Werturteil drückt die Wahl aus, durch die folgendes bestimmt wird: ist etwas das, was es ist, so soll etwas (das gleiche und/oder etwas anderes) ‚objektiv‘ sein“, vgl. ausführlicher bei ders., in: Krawietz/Alexy (Hrsg.), S. 117 (132 f.). 495 So ausdrücklich, mit dem bekannten Philosophen des Deutschen Idealismus Georg­ Wilhelm Friedrich Hegel, auch bereits bei Landecker, S. 64 m. w. N. 496 So ausdrücklich bei Kotzur, in: JöR 49 (2001), S. 329 (331). 497 Siehe dazu etwa bei Zierl, S. 52. 498 Vgl. dazu auch unter II. 3. in Fn. 114. 499 So auch bei Jung, Rechtserkenntnis und Rechtsfortbildung im Völkergewohnheitsrecht, S. 112; für Beispiele siehe ferner bei Urban, S. 145 f. 500 Wahrhaftigkeit kennzeichnet grundsätzlich das subjektive „Für-Wahr-Halten“ einer Aussage in einem konkreten (Sach-)Zusammenhang und stellt darüber hinaus eine vertrauensbildende Maßnahme dar, wobei das hierdurch erzeugte Vertrauen wiederum für den Geltungsanspruch die „grundlegende Kategorie in der Demokratie, im Rechtsstaat und im Völkerrecht“ bildet, siehe weiterführend dazu bei Riklin, in: ders. (Hrsg.), S. 11 (49); dabei wird im Allgemeinen der „Begriff der Geltung […] auf die eine oder andere Art […] mit dem Begriff des menschlichen Verhaltens [verbunden]“, so bei Aarnio et al., in: Krawietz/Alexy (Hrsg.), S. 9 (66). 501 Siehe dazu ausführlicher bei Faulenbach, S. 53 m. w. N. 502 Vgl. bei Bleckmann, Die Funktion der Lehre im Völkerrecht, S. 59; Faulenbach, S. 51 ff. 503 In Anlehnung an Natterer, S. 239.

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V. Homo-Sacer-Projekt im Völkerrechtsschrifttum

Theoriendiskussion um das Homo-Sacer-Projekt innerhalb der Kom­mu­ni­ka­tions­ gemein­schaften in der Völkerrechtswissenschaft dar. Wenn es aber darum geht, die Einfluss- und Wirkmächtigkeit der Konzepte aus dem Homo-Sacer-Projekt nach Agamben an sich zu bestimmen und für einen – um völkerrechtsphilosophische Standpunkte ergänzten – Diskurs nutzbar zu machen, dann ist ein hierauf bezogenes Höchstmaß an rationaler Akzeptierbarkeit504 der Interpretationen zu fordern. Dies erscheint hier entscheidend, da möglicherweise „der Begriff der Wahrheit, wie er von der Kohärenztheorie vertreten wird, […] wiederum zu biegsam [ist], um als regulatives Prinzip für die gesamte Rechtslehre gelten zu können.“505 Zudem ist zu bemerken, dass ein Begriff der Wahrheit als regulative Idee506 rein formal507 und gerade nicht konstitutiv wirkt.508 Gleichwohl verjähren (auch alte) Fragen der Philosophie nicht mit der Zeit.509 Aus diesen Gründen könnte zur Herstellung des Optimums an rationaler Akzeptierbarkeit der Agamben’schen Konzepte in der internationalen Völkerrechtsforschung und -lehre die Völkerrechtsphilosophie bei Beschreibungen vor allem interkontextueller510 Zusammenhänge den Akteuren dienlich zur Seite stehen511, da die Idee einheitsstiftender Prinzipien beider großen Denk- und Sprachtraditionen, sprich von kontinen­taleuropäischem oder angel­ sächsischem Herkommen, besonders „zwischen den zum völkerrechtlichen Handeln Befugten verschiedener Zunge eine weitaus wichtigere Rolle spielt als etwa in den Rechtsbeziehungen innerhalb eines Landes, in dem eine einzige Nationalsprache zugelassen ist.“512 Die Völkerrechtsphilosophie sollte danach ein gang­ bares Mittel zur Verständigung zwischen den Völkern darstellen. Mit den in der Untersuchung detailliert dargebotenen Kritiken dürfte deutlich geworden sein, dass die Agamben’schen Konzepte ebenso als „biegsam“ zu bewerten sind. Sie weisen signifikante Unbestimmtheiten als Entwürfe (in Anbetracht ihrer primär philosophischen und darum nicht-juristischen Natur) nach Maßgaben der Plausibilität, Kohärenz sowie Konsistenz auf, da sich – wie aufgezeigt – letzten Endes die verschiedenartigsten Phänomene des Völkerrechts unter diese Kon 504

Siehe dazu bei Aarnio et al., in: Krawietz/Alexy (Hrsg.), S. 9 (78) m. w. N. Aarnio et al., in: Krawietz/Alexy (Hrsg.), S. 9 (78). 506 Siehe etwa bei Apel, in: Böhler et al. (Hrsg.), S. 171 (171 ff.). 507 Siehe bei Schantz, in: Enders/Szaif (Hrsg.), S. 369 (369). 508 Explizit für Literaturformen bei Vendrell Ferran, in: Demmerling/dies. (Hrsg.), S. 119 (125), wobei diese Aussage aufgrund der Struktur in den Homo-Sacer-Schriften von ­Agamben zuvörderst als eine „begrifflich-etymologisch-essayistische Analyse [Hervorheb. d. d. Verf.]“ zu begreifen ist; vgl. ferner bei Dries, S. 442; diese Auffassungen erscheinen mithin auch auf hieraus rezipierte Konzepte nach Agamben in nicht-literarischen Texten des Völkerrechtsschrifttums übertragbar. 509 So sieht etwa Bubner „jedenfalls keinen Gerichtshof, vor dem die Frage[n] Rechtens entschieden werden könnte[n], der entweder schlechterdings aphilosophisch oder der Philosophie nicht wenigstens zugänglich wäre [Hervorheb. d. d. Verf.]“, vgl. bei ders., in: Lübbe (Hrsg.), S. 1 (2). 510 Vgl. dazu bei Homscheid, S. 239. 511 Siehe weiterführend bei Tegtmeyer, S. 273 ff. 512 Kimminich, S. 36. 505

3. Implikationen der Untersuchung

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zeptionen subsumieren lassen. Daher sind die sieben betrachteten Begriffe und Begriffssysteme aus dem Homo-Sacer-Projekt nach Agamben durchaus auch als schwellenartig zu bewerten, da diese Konzepte mit dem Inbegriff der Schwelle jene „Zonen der Unsicherheit und des Übergangs, in denen Altes und Neues aufeinandertreffen“513, nicht nur kennzeichnen, sondern auch aufs Innigste miteinander verschränken. Der Urheber der betreffenden Entwürfe hebt dabei selbst ihren Schwellencharakter im Theoriegebäude des Homo-Sacer-Projekts mehrfach hervor.514 Überdies sprechen sowohl der Entstehungszeitpunkt der Konzepte Agambens nach den friedlich-revolutionären Umbruchsjahren 1989 und 1990, also vor dem Hintergrund des Zusammenbruchs vormaliger Denk- und Sprachmuster des Ost- und Westblocks515, als auch der Einfluss der Mutterdisziplin in den Traditionslinien seiner Vordenker (post-)postmoderner Philosophie516 dafür, dass es sich bei diesen Entwürfen um Interimsbegrifflichkeiten handelt. Dies legt der Be­griffs­gebrauch der Schwelle517 bei Agamben als zugleich Metapher und Denkfigur518 nahe. Denn die „Funktion der Schwelle [beruht darin], zweierlei zu symbolisieren: die Versöhnung und Trennung [von] zwei Sphären […].“519 Die Interimsbegriffe haben somit provisorischen Charakter. Derartige Begriffsbildungen sollen sich in aller Regel erübrigen, sobald mindestens genauso geeignete Begriffs­bestim­mun­gen zu betrachteten Übergangsphänomenen gefunden sind.520 Sonach können solche Entitäten eines Übergangs wie auch einer Zwischenzeit in diskursiv kennzeichnender Zuordnungssystematik521 der „herkömmlichen Randbestimmungen der Autor-, Werk- und Leserbegriffe in andere, höher geordnete und ineinander übergehende systematische Einheiten, die Wissensformationen, [aufgelöst]“522 werden, um Wis 513

Seele, S. 73 m. w. N. Vgl. beispielsweise bei Agamben, Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S. 74, 122, 190; ders., Opus Dei, S. 53, 107, 140, 198; vgl. ausführlicher zu einer Analyse der Schwelle in Agambens Philosophie bei Müller, Das Paradigma der Schwelle, S. 56 ff. u. S. 111 ff.; siehe fernerhin bei Wilden, S. 160 ff. 515 Vgl. dazu bereits unter IV. in Fn. 5. 516 Vgl. dazu unter V. 2. in Fn. 253 u. unter V. 3. in Fn. 456. 517 Hierzu ist festzustellen, dass Agamben die Worte „Schwelle“ und „Grenzbegriff“ in Bezug auf die Konzepte  – an dieser Stelle am Beispiel des Ausnahmezustands  – in enger sprachlicher und teils unscharfer Relation verwendet, siehe bei Agamben, Ausnahmezustand, S. 11; dieses Vorgehen ist bei Agamben zu kritisieren, da bereits nach Walter Benjamin die „Schwelle ganz scharf von der Grenze zu scheiden [ist]. Schwelle ist eine Zone“, so bei Geisen­hanslüke, in: ders./Mein (Hrsg.), S. 97 (102) m. w. N. 518 So schreiben etwa Saul/Möbus zutreffend: „[D]er metaphorische Begriff ‚Schwelle‘ zeugt auf eigentümliche Weise vom Übergangsstatus und daher von jenen den jeweiligen Erkenntnisgegenständen eingeschriebenen Zweideutigkeiten. Auf der ‚Schwelle‘ stimmt der Satz vom Widerspruch nicht, denn sie ist janusköpfig und nach beiden Seiten hin offen, trennt und vereint, je nach Betonung [Hervorheb. d. d. Verf.]“, dies., in: Saul et al. (Hrsg.), S. 9 (9). 519 Fetzer, in: Japp et al. (Hrsg.), S. 119 (122) m. w. N. 520 So wohl auch bei Seele, S. 74; siehe ferner zur Überprüfbarkeit von Übergangsrecht bei Zeh, S. 199 ff. 521 Ferner so auch bei Geulen, Giorgio Agamben zur Einführung, S. 56 ff. 522 Saul/Möbus, in: Saul et al. (Hrsg.), S. 9 (11). 514

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V. Homo-Sacer-Projekt im Völkerrechtsschrifttum

sen aus der Vergangenheit523 in der Gegenwart weiterzuentwickeln und hinreichend zu operationalisieren.524 Innerhalb der rezipierten und fortgeschriebenen Agamben’schen Konzepte sind ersichtlich zwei Zeitlichkeiten angelegt, „eine geschichtliche und eine übergeschichtliche Zeitlichkeit“, die kraft ihrer „dialektische[n] Entgegensetzung“ von „Zeitlosigkeit mit der Zeitlichkeit“525 hierin codierten Wissens die „kulturübergreifende und überzeitliche Relevanz“526 der Inhalte, Themen- und Problemkreise einzelner Aspekte der Homo-Sacer-Schriftenreihe nahelegen.527 Wie sich zeigt, bleiben innerhalb des – nicht in allen Punkten konsistenten528 – Theoriegebäudes zum Homo-Sacer-Projekt die terminologischen und definitorischen Inhalte der behandelten Beschreibungsgegenstände, etwa in (historischen) Grundlagen, meist pauschal und unscharf.529 Die anhand einer Art von „Wortspielerei“530 notwendiger (Grenz-)Produktivität sich ableitende Begriffserkenntnis bei Agamben ist infolgedessen nicht widerspruchsfrei.531 Allerdings dürfte gerade mit dieser stets präsenten Trennungslinie hin zur Widersprüchlichkeit532 seiner Konzeptionen, sprich in der von Agamben intendierten Provokation zum Widerspruch533, der weitreichende konzeptionelle Übergang zu einer fortdauernden Rezeption oder Fortschreibung der philosophischen Entwürfe nach Agamben und damit außerhalb der Homo-Sacer-Schriften angelegt sein. Denn „[d]ie Grenze 523 Siehe hierzu Agambens Rückgriff auf das Zeitgeschehen in der Römischen Republik, insoweit anschaulich bei Lundgreen, in: Kamecke et al. (Hrsg.), S. 55 (63 ff.). 524 Siehe dazu bei Geisenhanslüke, in: ders./Mein (Hrsg.), S. 97 (103); Flügel-Martinsen, in: Hirsch/Voigt (Hrsg.), S. 71 (81 f.); Wilden, S. 160. 525 Zu vorstehenden Zitaten sowie ferner zu philosophischen Aspekten der Gleichzeitigkeit vgl. bei Gadamer, S. 126 f. 526 Kotzur, in: Weiß (Hrsg.), Hugo Grotius: Mare Liberum, S. 5 (6). 527 Dies bedeutet angesichts des Schwellencharakters der Begriffe und Begriffssysteme nach Agamben: Vergangenes wird durch die rezipierten und fortgeschriebenen Konzepte zum Ebenbild „zeitgenössische[r] ‚Medien-Spektakel-Macht‘ […] [an] dem Kreuzungspunkt, an dem sich die politischen Strategien überlagern und treffen, mit denen ein Staat für das Leben der Bürger Verantwortung übernimmt, […] indem Außen und Innen zusammenfallen, indem die auf den Ausschließungen von homo sacer und Souverän basierende Ordnung mit dem Ausnahmezustand identisch wird[,] [d]as nackte Leben […] politisiert [wird], seine Ausschließung […] aufgehoben [wird], und mit dieser Verortung des vormals Ausgeschlossenen […] ordnungslose Lager [entstehen]“, Böhm, S. 82 f.; zu besonderen Anknüpfungspunkten cineastischer Filmkultur (als ein weiteres, ästhetisches Schwellenmedium) nach Agamben vgl. weiterführend bei Murray, S. 78 ff. 528 So schreibt etwa Inhetveen: „[…] die Ergebnisse verweisen hier [meint Agambens LagerParadigma, Anmerk. d. d. Verf.] auf erhebliche Einschränkungen und Widersprüche und stärken die Wahl einer anderen theoretischen Perspektive [Hervorheb. d. d. Verf.]“, dies., S. 36. 529 So auch bei Scheu, in: Vasilache (Hrsg.), S. 59 (64); Schober, in: Ahrens et al. (Hrsg.), S. 241 (268). 530 Bloch, S. 319. 531 So auch bei Zakravsky, in: Schwarte (Hrsg.), S. 59 (61); Schulze Wessel, in: Aced et al. (Hrsg.), S. 11 (17). 532 Vgl. bei Hetzel/Hetzel, in: Herrmann et al. (Hrsg.), S. 337 (350 f.). 533 So auch bei Lemke, Gouvernementalität und Biopolitik, S. 93; Geulen, Giorgio Agamben zur Einführung, S. 20.

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wird als Grenzraum gedacht, aus dem Erkenntnisse über gesellschaftliche Struk­ turen abgeleitet werden können, da sie verschiedene Sphären und Ordnungen miteinander verbindet.“534 An dieser Stelle bleibt eine Einsicht in die Natur von Schwellenbegriffen bestimmend: „Alle Wirckung ist Übergang.“535 Selbst bei noch so „biegsamen“536 Konzeptionen nach Agamben, obwohl diese sich für den rein juristischen Fachsprachgebrauch (derzeit) als zu unbestimmt erweisen537, handelt es sich um solche Aussagen, die die gegenwärtigen gesellschaftlichen Strukturen vornehmlich „durch permanente Grenzbewegungen und Aushandlungsprozesse“538 in Diskursen sehr anschaulich machen.539 Bei alldem ist hervorzuheben, dass diskursiven „Aushandlungsprozesse[n]“540 zur „philosophischen Standpunktbildung […] ein […] Standpunkt [vorgelagert ist], der nicht zur Deutung des Gegebenen erdacht wird, sondern selbst mit gegeben ist, auf dem sich der gesunde Menschenverstand vorfindet, wenn er zu reflektieren beginnt.“541 Dementsprechend stellen sich die im zeitgenössischen Völkerrechtsschrifttum rezipierten und fortgeschriebenen Konzepte nach Agamben als Anknüpfungsmomente542 zum Weiterdenken543 eines für den eigenen Standpunkt relevanten Aspekts im Völkerrecht dar. Sie sind also versprachlichte Hilfsmittel des Denkens zur Darstellung der argumentationsstützenden Informationen im Text, sprich zur inhaltlichen Bestimmung des Gemeinten durch den Kommunikator einer Botschaft (Sender) und seiner Botschaft in Bezug auf deren Publikum (Empfänger).544 534

Wenzel, S. 125. Die Hervorhebung ist bei Saul/Möbus bereits im Originalwortlaut enthalten und bezieht sich auf ein Zitat von „Novalis, der große Schwellenüberschreiter“, dies., in: Saul et al. (Hrsg.), S. 9 (15) m. w. N. 536 In Anlehnung an Aarnio et al., in: Krawietz/Alexy (Hrsg.), S. 9 (78). 537 Hierzu gilt, was etwa Kirchhof zutreffend anmerkt: „Die verbindliche Sprechweise des Rechts fordert Verstehbarkeit, Bestimmtheit und Kontrollierbarkeit der Aussage“, ders., S. 5. 538 Hierzu schreibt Wenzel weiter: „[…] in dem die Vorgabe von Inhalten mit deren Uneindeutigkeit korreliert; in dem Raum für eigene Interpretationen und Übersetzungen ebenso gegeben wird wie für das Unbestimmte und die unkontrollierten und unmittelbaren Momenten der ästhetischen Erfahrung; in dem Anknüpfungspunkte und Anregungen zum Weiterdenken und Aushandeln des Gesehenen ebenso initiiert werden wie Spannungen und Irritationen [Hervorheb. d. d. Verf.]“, dies., S. 276. 539 Durch sinngemäßen Rückgriff auf Strasens Ausführungen zum kulturbedingten TextKontext-Modell, das sich – wie unter III. 2. dargelegt – als eine relevanz- und schematheoretisch ergänzte Version des Textverstehens deutet, vgl. bei Strasen, Rezeptionstheorien, S. 349 f. u. S.  354, erscheinen selbst die entsprechend vagen, sprich unsicheren Rezeptionsstrategien sowie Kommunikationsstrukturen der Rezipienten nach Agamben an der „Schwelle“ oder „Grenze“ zum Widerspruch, angesichts kritisch-rationaler Kontrolle begrifflichen, urteilenden und schließenden Denkens, vgl. bei Natterer, S. 239, wie auch mithilfe rezeptionshistorisch nachvollziehbarer Text-, Welt- und Sprach-Schemata im (oft inter-)kontextualisierten Sach- und Problembezug zum Völkerrecht im einschlägigen Schrifttum, weder beliebig noch willkürlich. 540 Wenzel, S. 276. 541 So bereits bei Hartmann, S. 133. 542 Siehe dazu etwa bei Angermüller/Dyk, in: dies. (Hrsg.), S. 7 (12 f.). 543 So auch bei Wenzel, S. 276. 544 Vgl. bei Strasen, Rezeptionstheorien, S. 352 ff. 535

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V. Homo-Sacer-Projekt im Völkerrechtsschrifttum

Hierbei ist entscheidend, da die Wirkungen von Ideen und Gedanken besonders ihre Übergänge betreffen545, dass sich fremde Erklärungsmuster und -figuren in Kontexten, die ein fortschreibender Rezipient nach der Übernahme von Agamben’schen Konzepten als eigene Argumentationstopoi nutzt546, anhand von fünf Merkmalen dieses Übergangsstatus (Schwellenbegriff547) ebenso für nicht-literarische Kommunikation548 beschreiben lassen. Zunächst ist die (1) „Eigenständigkeit des Schwellenübergangsmomentes“ zu eruieren, welche durch die (2) „übergangsimmanente Dynamikentwicklung“ geprägt ist.549 Da der Schwellenübergangsmoment „nach beiden Seiten hin offen [ist, er] trennt und vereint“550, führt die Annahme seiner Eigenständigkeit „zu einem Binnenverständnis […], das sich dem Ordnungsrahmen der beiden angrenzenden Zustände entzieht.“551 Die Dynamikentwicklung meint „die Verteilungssituation, in der zwei Gleichgewichte zugleich gültig sind und die Möglichkeit zu […] Veränderungen entsteht [Sattelpunkt, wo nicht mehr das eine und noch nicht das andere ist].“552 Eine solche Situation, in der „Neuanfänge selbsterfüllend“553 wirken, lässt sich grundsätzlich in die (3) „zwei Ebenen des Übergangs: per und trans“ wie auch in (4) „vertikale und horizontale Übergänge“ unterteilen.554 Sonach ist auf die (5) „Relevanz der räumlichen Lage“ der mit dieser Untersuchung abgehandelten Agamben’schen Konzepte außerhalb der Homo-Sacer-Schriften zu schließen, wobei hier davon auszugehen ist, dass die Begriffe und Begriffssysteme nach ­Agamben nicht willkürlich von Rezipienten verwendet werden, „sondern gemäß der inhaltlichen Zuschreibung nur an einem bestimmten Ort“ in Erscheinung treten.555 In Anbetracht dessen und bezogen auf den Ansatz als ein zur Völkerrechtserkenntnis und -fortbildung taugliches „Hilfsmittel“556 dürften die nachfolgenden 545

In Anlehnung an Saul/Möbus, in: Saul et al. (Hrsg.), S. 9 (15). Auch Homscheid weist im Rahmen seiner Betrachtungen zurecht daraufhin: Um „das Modell der Interkontextualität zur Beschreibung mimetischer und reproduktiver Literatur verwendbar [zu] machen, […] ist es unerlässlich, die Kontextgrenzen nicht dahingehend aufzuweichen, dass die Vor- und Nachzeitigkeit verloren geht bzw. in der Parallelität und Pluralität der Kontexte nicht mehr nachvollziehbar ist, wer wann welche Aussage verschriftlicht hat (das Resultat wäre sonst tatsächlich das ‚Rauschen‘ das Michel Foucault den unübersichtlichen und kakophonischen Hintergrund nennt, vor dem es unerheblich wird, wer spricht) [Hervorheb. d. d. Verf.]“, ders., S. 241. 547 Insoweit mit der Einordnung bei Saul/Möbus, in: Saul et al. (Hrsg.), S. 9 (9). 548 In Anlehnung an Strasen, Rezeptionstheorien, S. 351. 549 Vgl. bei Seele, S. 74 f. 550 Saul/Möbus, in: Saul et al. (Hrsg.), S. 9 (9). 551 Seele, S. 148. 552 Seele, S. 54 m. w. N. 553 Seele, S. 54. 554 Vgl. bei Seele, S. 75 f. 555 Vgl. vorstehende Zitate bei und in Anlehnung an Seele, S. 76. 556 Einerseits meint der Begriff des „Hilfsmittels“ in einem allgemeinsprachlichen Sinn ein Instrument, einen Lösungsweg oder eine Methode zur Arbeitserleichterung oder zur Er­ reichung eines bestimmten Zwecks, siehe andererseits dazu in einem (völker-)rechtstheoretischen Zusammenhang zu Art. 38 Abs. 1 Buchst. d) IGH-Statut bei Will, in: Schöbener (Hrsg.), S. 205 (209); vgl. ferner bei Wienbracke, S. 6 m. w. N. 546

3. Implikationen der Untersuchung

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Überlegungen gelten, wenn und soweit künftig diese Agamben’­schen Begriffe und Begriffssysteme die internationale Völkerrechtslehre und deren Schrifttum in räumlich und zeitlich übergreifenden Kommunikationsprozessen durchdringen und sich in neuen völkerrechtlichen Kontexten „sowohl Rechtsprechung als auch Literatur in ihrer Argumentation“557 hieran orientieren. (1) Schwellenübergangsmoment: Die anderweitigen Rezeptionen und Fortschreibungen der Agamben’schen Konzepte werden aller Voraussicht nach, soweit überhaupt nach Art und Umfang als eigenständige Momente erkennbar, nur langsam außerhalb des hierüber publizierenden Völkerrechtsschrifttums verlaufen. Eine Verortung konkreter Übergangsmomente, etwa in Form der rezep­tions­histo­risch-­ werk­gene­ti­schen (Re-)Konstruktion558, das heißt, der hinreichend nachvollziehbaren Beschreibung über „wer wann welche Aussage verschriftlicht hat“559, dürfte allenfalls durch einen beträchtlichen empirischen Forschungsaufwand gelingen.560 Weitaus denkbarer ist, dass sich die zunächst rein philosophischen, sodann in wirklichkeitswissenschaftlichen561 Texten des zeitgenössischen Völkerrechtsschrifttums adaptierten völkerrechtsphilosophischen Entwürfe nach Agamben durch „ihre schwer durchschaubare Historizität, ihre Parallelität, Überlappung und Koinzidenz einer stringenten temporären Strukturierung“562 entziehen werden. Ein besonders auf die Problem- und Themenstellungen des Völkerrechts bezogener Umformungsprozess der originären Konzepte von Agamben ist in den untersuchten Aufsätzen und Fachartikeln der Völkerrechtslehre (derzeit noch) nicht ersichtlich. Es fehlt also an fundierenden völkerrechtswissenschaftlichen Übertragungsakten, die eine Verwendung spezifisch Agamben’scher Argumentationstopoi in einer Kommunikationsgemeinschaft aus internationaler Rechtsprechung, oder eventuell darüber hinaus aus (inter-)nationalen Gremien der Völkerrechtssetzung, ermöglichen. Denn die Schwellenartigkeit der sieben Konzepte des Homo-­Sacer-Projekts, mithin ihre wesensgemäßen Unbestimmtheiten und Unschärfen nach hier einzig relevanten juristischen Maßstäben563, kennzeichnet jenen unentschiedenen, kaum merklich vor sich gehenden Zustand in der Schwebe564, in welchem ein Begriff oder Begriffssystem nach Agamben weder völlig widerspruchsfrei – trotz gewis 557

Bautze, S. 31. Siehe dazu weiterführend etwa bei Spoerhase, S. 129 u. S. 138. 559 Homscheid, S. 241. 560 Mit Strasen sind die Tendenzen einiger (literaturwissenschaftlicher) Erklärungsansätze zu Simplifikationen von Rezeptionsvorgängen auf monokausale Ursache-Wirkung-Ketten zu kritisieren, siehe dazu weiterführend bei ders., Rezeptionstheorien, S. 107. 561 Vgl. dazu bei Heller, Staatslehre, S. 62 u. S. 300. 562 Homscheid, S. 265. 563 Arnauld spricht sich insoweit für „Minimalvoraussetzungen“ inhaltlicher Bestimmtheit (von Rechtsnormen, Rechtsakten u. dgl. m.) aus, die „offenkundig Berührungspunkte zu den Geboten der sprachlichen Klarheit und zur Widerspruchsfreiheit“ aufweisen, vgl. bei ders., Rechtssicherheit, S. 240; zur Einreihung der (rechtlichen) Bestimmtheit als logischer Grundbegriff siehe bereits bei Stammler, S. 246. 564 Vgl. dazu auch bei Fetzer, in: Japp et al. (Hrsg.), S. 119 (124 f.). 558

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V. Homo-Sacer-Projekt im Völkerrechtsschrifttum

ser erkenntnistheoretischer Perspektiven – in einen völkerrechtsphilosophischen Diskurs im Allgemeinen noch in einen vor allem Struktur und Rechtsautorität voraussetzenden Normbildungsprozess565 in internationalen Beziehungen im Besonderen integrierbar ist. Ohnehin setzt die Doktrin unmittelbar kein Völkerrecht.566 In der Folge können selbst rekurrierende Strukturen eines Denk- und Sprachgebrauchs mithilfe typisch Agamben’scher Argumentationstopoi nur als ein weiteres Erkenntnishilfsmittel (im Prä- oder Subtext567) zur Konstatierung völkerrechtlicher Sach- und Problemlagen dienen. Sie bieten schlicht ein Medium zur Meinungskundgabe eines (fortschreibenden) Rezipienten, der prägnantes Ideen- und Gedankengut aus philosophischen, staats- und gesellschaftstheoretischen Grundlagentexten von Agamben auch an Orten außerhalb der Doktrin in aktuelle Kommunikationsprozesse einbindet. Eine solche Einbindung kann allerdings niemals selbst von eigener Rechtsquellenqualität sein. Im Endeffekt kommt es auf die interdisziplinäre Fruchtbarkeit und die besonders mediumübergreifende „Strahlkraft“568 der Agamben’schen Philosophie entsprechenden Begriffe und Begriffssysteme außerhalb der originären Homo-Sacer-Schriften wie auch außerhalb des sich hiermit befassenden (sekundären) Schrifttums an.569 Etwaige Wirkungen, wie an dieser Stelle nur zu vermutende Fernwirkungen570 der Rezeptions- und Fortschreibungsvorgänge zum Homo-Sacer-Projekt, die sicherlich auf die eine oder andere Weise von einschlägigen Texten des zeitgenössischen Völkerrechtsschrifttums auf ihre Leser- und­ Rezipientenschaft ausgehen, dürften alles in allem als latente Zustände beim In-Beziehung-Setzen von fremden Ideen und Gedanken zur eigenen Lebenswirklichkeit beschreibbar sein. (2) Dynamikentwicklung: Die obigen Überlegungen zeigen auch, dass die Rezeptions- und Fortschreibungsvorgänge im Schrifttum der zeitgenössischen Völkerrechtslehre in der Tat zu einer Manifestation bestimmter Deutungs- und Verwendungsregeln in Bezug auf diese sieben Konzepte aus dem Homo-Sacer-Projekt führen, die unmittelbare Orientierungsangebote für die Leser- und Rezipienten 565

Siehe dazu bei Terz, in: Soz. Recht u. jur. Überbau (1982), S. 281 (281 ff.). Vgl. dazu bei Faulenbach, S. 50. 567 Kotzur, in: Weiß (Hrsg.), Hugo Grotius: Mare Liberum, S. 5 (11). 568 Insoweit dazu überaus anschaulich bei Hüpers, S. 362 ff. 569 Der Schwellenübergangsmoment eines Konzepts nach Agamben von Texten aus der internationalen Wissenschaft, Forschung und Lehre in sonstige Rezeptions- und Fortschreibungsbereiche erscheint insofern als eigenständig, das bedeutet auch, dass sein konzeptionelles Nachleben (andernorts) von ihn verkörpernden Informationen in den Textquellen des Völkerrechtsschrifttums grundsätzlich unabhängig ist, siehe in Anlehnung an Punkt „Ad 1“ bei Seele, S. 74. 570 In Anlehnung an Assmann sind solche Texte gemeint, „die auf eine Art von räumlicher und/oder zeitlicher Fernwirkung hin angelegt sind und auf die man über die Distanz hinweg zurückgreift. […] Texte sind Äußerungen gesteigerter Verbindlichkeit. Wenn wir diesen Begriff nochmals steigern, gelangen wir zu dem Begriff des kulturellen Textes […] [Hervorheb. d. d. Verf.]“, ders., in: Poltermann (Hrsg.), S. 270 (272). 566

3. Implikationen der Untersuchung

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schaft darstellen571, wenn es darum geht, sich über philosophisches, später eventuell völkerrechtsphilosophisch adaptiertes Ideen- und Gedankengut nach Agamben über die Zeit und Kulturkreise hinweg zu verständigen.572 In längeren Zeiträumen ihrer faktischen Präsenz wird sich etwa im (dialektischen) Wege von Zustimmung und Widerspruch, also in steten Gegenüberstellungen von Position und Negation, von These und Antithese, innerhalb einer Kommunikationsgemeinschaft die größtmögliche rationale Akzeptierbarkeit573, bei einer inhaltlich verdichteten Verwendung der (juristisch) noch zu unbestimmten Begriffe und Begriffssysteme nach Agamben, in spezifisch völkerrechtlichen Kontexten im Schrifttum entwickeln beziehungsweise ausformen.574 Darüber hinaus bilden beispielsweise „legislative Texte, Vorarbeiten zu Gesetzen, Präzedenzfälle, die sog. Landessitte, die Jurisprudenz, systematische Argumente wie auch verschiedene praktische Gesichtspunkte“575 etliche denkbare Anknüpfungsmomente außerhalb des Schrifttums der Völkerrechtslehre, wobei die Aufzählung von möglichen sonstigen Rezeptionsorten oder -medien sicherlich nicht abschließend ist und wiederum je nach betreffender Rechtskultur variieren kann.576 Insgesamt dürfte dies aber zu einer Verdichtung des Übergangs der als Referenzmaterien infrage kommenden Konzepte577 nach Agamben in anderweitigen Sach- sowie Problemzusammenhängen führen, die sich im Grunde „als themenzentrierte Verschränkungen von Akteurnetzwerken und diskursiven Strukturierungen […] [der] Such- und Lernprozesse“578 zum Völkerrecht darstellen. Hierbei ist eine zunehmende Anzahl von Lesern und Rezipienten zu erwarten, die Agambens avantgardistisch-kontroverse Thesen über die völkerrechtlichen Aufsätze und Fachartikel anderer wissenschaftlicher Autoren aufnehmen. Denn ein solcher, erst einmal nur „fachinterne Wissenstransfer ist Ausgangspunkt für fachexterne Kommunikationsprozesse.“579

571

In Anlehnung an Kotzur, in: JöR 49 (2001), S. 329 (335); Coendet, S. 143. Insoweit mit Assmanns Erklärungsansatz zu einer Fernwirkung kultureller Texte, vgl. bei ders., in: Poltermann (Hrsg.), S. 270 (272). 573 In Anlehnung an Aarnio et al., in: Krawietz/Alexy (Hrsg.), S. 9 (77). 574 Lesenswerter Überblick zur sog. „Inhalt-Form-Dialektik“ im Völkerrecht, der Vorgehensweise kontinentaleuropäischer Philosophietradition, wobei in abstrakter Weise vor allem in Bezug auf die Normen des Völkerrechts – hier nur in verallgemeinerter Darstellung – gefragt wird, ob das Eine ohne das Andere unbestimmt ist oder das Eine durch das Andere bestimmt wird beziehungsweise das Andere bestimmend das Eine ist, woraus sodann logische Rückschlüsse auf eine (Un-)Symmetrie der Beziehungen zwischen „Inhalt“ und „Form“ bei völkerrechtlichen Normen zu ziehen sind, vgl. dazu ausführlich bei Meister, in: Schöneburg (Hrsg.), S. 162 (162 ff.); siehe ferner bei Landecker, S. 40 f.; Wiener, S. 81 f. 575 Aarnio et al., in: Krawietz/Alexy (Hrsg.), S. 9 (76). 576 So auch bei Aarnio et al., in: Krawietz/Alexy (Hrsg.), S. 9 (76). 577 Als geeignete Referenzmaterien des Homo-Sacer-Projekts werden hier die Konzepte des nackten Lebens, des Homo Sacer, der souveränen Macht/Souveränität und des Ausnahmezustands erachtet, da diese in ihren Begriffsbestimmungen nach Agamben für Neukontextualisierungen zum Völkerrecht in Betracht kommen. 578 Böschen et al., in: Mayntz et al. (Hrsg.), S. 197 (206). 579 Weinreich, S. 25. 572

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V. Homo-Sacer-Projekt im Völkerrechtsschrifttum

So entstehen die Anregungen für weiteren Zu- und Widerspruch zur AgambenRezeption im Völkerrecht, die einen wohl vorerst auf das Völkerrechtsschrifttum begrenzten Schneeballeffekt580, oder positive Rückkopplung581, in den Verwendungsweisen bestimmter Begriffe und Begriffssysteme nach Agamben zur Folge haben.582 Dabei geht es nicht zuletzt um die Verflechtung von Ausgangsmit Referenzkontexten.583 Da in solchen Übergangssituationen die „Neuanfänge selbsterfüllend“584 wirken können, sind vor allem quellenkritische Beurteilungen der Kontextverflechtungen nicht nur in völkerrechtswissenschaftlichen Diskursen zwischen den fähigsten Völkerrechtlern der verschiedenen Nationen, sondern auch in pluralistischen Kulturgesprächen über die maßstäbesetzenden beziehungsweise innovativen Elemente der Homo-Sacer-Schriften von ­Agamben in Bezug auf das Völkerrecht entscheidend. Dies erscheint in Anbetracht des Artikel  38 Absatz  1 Buchstabe  d)  IGH-Statut als „Hilfsrechtsquelle“ allerdings recht bedenklich585, da hierauf zu stützende Feststellungen unter zuvor erwähnten Schneeballeffekten unvermeidlich vielgestaltige Bedeutungswandelprozesse586 durchlaufen. Dementsprechend sind solche Neukontextualisierungen, beispielsweise in der Völkerrechtsliteratur, weder nach Art und Umfang vollends überschaubar noch in terminologischer oder definitorischer Hinsicht letztverbindlich, sodass die Konzepte nach Agamben zur Begründung eines im Völkerrecht erforderlichen Konsenses ungeeignet oder untauglich scheinen.587 Agambens Konzeptionen stellen sich vor diesem Hintergrund als bloße intellektuelle Konstrukte588 dar, die mit ihren einhergehenden Verkürzungen oder Zuspitzungen als vor allem ununterschiedene589 Theoreme einer Entdifferenzierungssemantik dem eigentlichen Anspruch aus Artikel  38 Absatz  1 Buchstabe  d)  IGH-Statut, nämlich „bei Unklarheiten über Bedeutung und Geltungsbereich von originären Völkerrechtsnormen, die Lehrmeinungen in der Völkerrechtslehre zu Rate […] ziehen“590 zu 580 Zur einhergehenden Rekursivität terminologischer Systeme siehe weiterführend bei B ­ udin, S. 126 f. 581 Hierzu beschreibt etwa Thiel: „Eine wichtige Methode zur Feststellung der Qualität kodifizierten Wissens stellt das Feed-back von Anwendern dar, die dieses Wissen wiederverwendet haben. Feed-back informiert sowohl den Eigner des Wissens als auch die Community über den Wert bzw. die Qualität des Wissens“, vgl. bei ders., S. 176. 582 Derartige Rückkopplungen sind stets im Einzelfall zu betrachten und gegebenenfalls in Teilen empirisch belegbar, lassen sich aber – wie anhand der Rezeptionsmodelle nach Häberle und Strasen gezeigt – nicht auf monokausale Ursache-Wirkung-Ketten bei ihrer Darstellung reduzieren. 583 So auch bei Coendet, S. 141. 584 Seele, S. 54. 585 Siehe dazu bei Bautze, S. 31; Nußberger, S. 13 f.; Vitzthum, in: ders. (Hrsg.), S. 49 f. 586 Siehe grundlegend bei Hadlich, S. 225. 587 Unter entsprechenden Gesichtspunkten etwa zu Folgen für die Rechtssicherheit siehe bei Arnauld, Rechtssicherheit, S. 386, dort in Fn. 748 m. w. N. 588 Siehe in Anlehnung an Punkt „Ad 2“ bei Seele, S. 75. 589 Vgl. bei Agamben, Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S. 194. 590 Faulenbach, S. 45.

3. Implikationen der Untersuchung

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können, nicht gerecht werden591, um maßgebende sowie substanzielle Aussagen592 über die Phänomene in der Völkerrechtsordnung im 21.  Jahrhundert zu ermög­ lichen.593 (3) Übergang per und trans: Möglicherweise wird unter dem durchaus rigiden Maßstab594 des „Hilfsmittels“ im Sinne des Artikel 38 Absatz 1 Buchstabe d) IGH-Statut als Norm des Völkerrechts und mit den Mindestanforderungen juristischer Betrachtungs- und Verwendungsweisen, wie „Konsistenz, Harmonisierung, Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit“595, diesen Agamben’schen Entwürfen als solchen (post-)postmoderner Philosophie Unrecht getan, insoweit mit dem Rechtsphilosophen und -historiker der Weimarer Republik Gustav Radbruch anzunehmen ist, dass bei der „Erörterung substanzieller Wertfragen, deren inhaltliche Bestimmtheit durch das Fehlen der Allgemeingültigkeit erkauft werden muß.“596 Hierbei zeigt sich erneut das Spannungsverhältnis zwischen den Grundgedanken der Bestimmtheit von (völker-)rechtlichen Aussagen sowie der Allgemeingültigkeit von philosophischen Aussagen, das unweigerlich bei den zuvor beschriebenen Kontextverflechtungen der Rezeptionen und Fortschreibungen zu Agambens Homo-Sacer-Projekt, so unter Perspektiven der Völkerrechtsphilosophie, auftritt.597 Agamben betrachtet  – wie erwähnt  – die westliche Kultur- und Rechts­ geschichte unter Aspekten zeitgeschichtlicher Zwangsläufigkeiten598, womit hier gemeint ist, dass sich in regelmäßigen Abständen Vergangenes im Gegenwärtigen599 realisiert. Hierüber versucht er in seinem Homo-Sacer-Projekt mittels nur weniger600 historischer Eckpunkte letztlich Paradigmen zu konstruieren601, die für sich Allgemeingültigkeit aufgrund ihrer Aussagekraft nach Maß­gaben von Plausi 591 Die Vorsicht bei der (juristischen) Verwendung von Agambens Konzepten ist geboten, da „auch im internationalen Kontext […]“, mit König festzustellen ist, „dass wissenschaftliche Äußerungen in Entscheidungen internationaler Gerichte einbezogen werden“, siehe bei dies., S. 44. 592 Siehe in Anlehnung an Punkt „Ad 2“ bei Seele, S. 75. 593 Siehe dazu etwa bei Wilhelm, in: Oberreuter et al. (Hrsg.), S. 219 (219 f.). 594 Zum „Bedeutungswandel der Hilfsmittel“ nach Art.  38 Abs.  1 Buchst.  d)  IGH-Statut in der Völkerrechtspraxis vgl. bei Paulus, in: Internationales, nationales und privates Recht (2014), S. 7 (22 f.) m. w. N. 595 König, S. 164. 596 So ausdrücklich bei Gustav Radbruch in seinem Entwurf eines Nachworts zur „Rechtsphilosophie“, in: Dreier/Paulson (Hrsg.), S. 193 (207 f.). 597 Auch völkerrechtsphilosophische Aussagen sollen einem wissenschaftlichen Anspruch genügen und darum allgemeingültig sein; dies ist allerdings nur möglich, wenn sie etwas Bestimmtes ausdrücken; es geht sonach um eine Vorstellungsverbindung beider Eckpunkte in der einzelfallbezogenen Argumentation. 598 Zu Darstellungen über Agambens Geschichtsverständnis vgl. weiterführend etwa bei Vasilache, S. 265; Lemke, Gouvernementalität und Biopolitik, S. 92; Madung, S. 69; Dries, S. 323; Lakitsch, S. 114 f.; Finkelde et al., in: ders. et al. (Hrsg.), S. 7 (12 f.). 599 So auch bei Morgenroth, in: Borsò et al. (Hrsg.), Benjamin – Agamben, S. 129 (140). 600 So auch bei Staff, in: RG 5 (2004), S. 207 (210); Marchart, S. 223. 601 Vgl. dazu etwa bei Marchart, S. 223; Dries, S. 442; Wilden, S. 169; Sakoparnig, in: dies. et al. (Hrsg.), S. 139 (156 ff.).

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V. Homo-Sacer-Projekt im Völkerrechtsschrifttum

bilität und Kohärenz be­anspruchen sollen.602 Die bei Rezeptionen und Fortschreibungen der Agamben’schen Konzepte im Völkerrechtsschrifttum gebotene inhaltliche Bestimmtheit, sprachliche Klarheit und logische Widerspruchsfreiheit dieser Theoreme603 stehen also in einem offensichtlichen Spannungsverhältnis zu dem durch ihren Urheber bereits konzeptionell angelegten Allgemeingültigkeits­ anspruch als philosophische Entwürfe. Daraus folgt auch, dass ein In-Übereinstimmung-Bringen stets zu einem sehr hohen wissenschaftlichen Preis „erkauft“604 werden müsste, nämlich zu einer nur durch – um im Sprachbild zu bleiben – hermeneutisches Feilschen herzustellenden Angleichung entweder zulasten ihrer inhaltlichen Bestimmtheit oder zulasten ihrer Allgemeingültigkeit beziehungsweise in einem Umkehrschluss zugunsten des jeweils Einen oder Anderen. Sollen jedoch mithilfe der Agamben’schen Konzeptionen substanzielle Problem- und Themenstellungen der Völkerrechtsordnung an anderen Stellen, sprich nicht allein auf einen rein akademisch-theoretisch geprägten Rahmen der Völkerrechtslehre und deren Schrifttum beschränkt, erörtert oder darüber hinaus als Prinzipien mit „allgemeine[r] Wertung oder Ausstrahlungswirkung“605 für eine juristische Anwendung und Lösung im Rechtsfall606 begründet werden, so bliebe letztendlich nur unter vorbeschriebenem Spannungsverhältnis „nach den Regeln juristischer Kunst“607 bestmöglich abzuwägen. Eine solche Abwägung bedarf eines weiteren, bestimmenden Merkmals zum Wesen der Schwelle, das im vorliegenden Zusammenhang auf den Übergang philosophischer Konzepte nach Agamben in anderweitige Referenzmaterien zum Völkerrecht, also neben den einschlägigen Aufsätzen und Fachartikeln deutschoder englischsprachiger Völkerrechtslehre, entsprechend anzuwenden ist, insoweit die Entwürfe von jemandem im Völkerrechtsschrifttum gelesen, verstanden und aus diesem (wenn auch nur unterbewusst) übernommen werden. So wird unter anderem vorgeschlagen, dass unter der Präposition „per“ (aus dem Lateinischen für: „anhand, durch, kraft, mit[hilfe], unter Zuhilfenahme“ etc.) vornehmlich „der Verlauf des Übergangs“ bei etwaig nachgelagerten Rezeptions- und Fortschreibungsprozessen angesprochen werden kann und unter der Präposition „trans“ (aus dem Lateinischen für: „jenseits, hindurch, hinüber, über[hin]“) hauptsächlich „das

602 Hierzu schreibt Sakoparnig: „Als Paradigma für eine Theorie kann das gelten, was sich selbst zum Gesichtspunkt einer Menge ähnlicher Phänomene zu machen vermag, diese Menge eben dadurch konstituierend, und so sich selbst wie auch diese Menge begreiflich machend“, dies., in: dies. et al. (Hrsg.), S. 139 (159). 603 Zu diesem Aspekt ist noch anzumerken, dass sich die konkrete Reflexion im völkerrechtswissenschaftlichen Diskurs (im Schrifttum der Völkerrechtslehre) eher inhaltliche Unbestimmtheit, sprachliche Unschärfe oder Widersprüchlichkeit in der Logik leisten kann, als der konkrete (Völker-)Rechtstext (in der Praxis). 604 Radbruch, in: Dreier/Paulson (Hrsg.), S. 193 (207 f.). 605 Jung, Rechtserkenntnis und Rechtsfortbildung im Völkergewohnheitsrecht, S. 110. 606 Vgl. dazu bei Gast, Juristische Rhetorik, S. 208. 607 Gast, Juristische Rhetorik, S. 173.

3. Implikationen der Untersuchung

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den Übergang Umgreifende“.608 An dieser Stelle genügt es, ihre verallgemeinerbare Einordnung im Sinne von „Hinausführen über“609 vorzunehmen. Dabei bieten gerade derartige Verhältnisworte eine handhabbare Möglichkeit zur hinreichend genauen Abgrenzung von Rezeptions- sowie Fortschreibungsereignissen, die bei einer – in jedem Fall nur ex post vornehmbaren – Beschreibung der (oft vielgestaltigen) Übernahmehandlungen außerhalb der und unter Bezug auf die referenziellen Textquellen des Völkerrechtsschrifttums stattfinden. Ebenso können solche einer Rezeption oder Fortschreibung nachgelagerten Beschreibungen, die im vorerwähnten Sinne hierüber selbst bereits hinausführen, unter Umständen einen klaren „Fokus auf den graduellen Wandel des Übergangs“610 wiedererkennbaren Ideen- und Gedankenguts aus den Homo-Sacer-Publikationen legen, obwohl einige Bedenken hinsichtlich eines künftigen Schneeballeffekts bestehen, der insbesondere das ursprünglich von Agamben Gemeinte über die jeweiligen Rezeptions(zeit-)räume hinweg verzerren kann. Denn es gehört wohl ebenfalls zu den unumgänglichen Begleiterscheinungen von Rezeptions- wie auch Fortschreibungshandlungen, dass diese zwar mit gewisser innerer Schlüssigkeit, aber stets in selektiver Lesart durch einen Leser oder fortschreibenden Rezipienten geschehen. Die Berücksichtigung zeitlich vorhergehender Argumentations- und Begründungsbeiträge, sprich früheres Ideen- und Gedankengut zu einer Theorie oder Praxis im Völkerrechtsschrifttum, erfolgt üblicherweise in der Absicht ihrer wissenschaftlich-kritischen Fortentwicklung zu eventuell über das Vormalige hinausführenden Erklärungen zur (einzelfallbezogenen) Problemstellung. Die einhergehende Kontextverflechtung durch den fortschreibenden Rezipienten führt in der Konsequenz zu vor allem subjektiv ausgestalteten Adaptionen verschiedenartiger Sachdiskussion. Dies kann sich unter anderem in der variierenden Auswahl rezipierter Textquellen eines Autors zu einem Themenkreis bemerkbar machen. Im Lichte zuvor getroffener Auswahlentscheidungen für einen bestimmten Argumentationstopos zur Beschreibung einer Sach- und Problemlage im Völkerrecht erfolgen rational überwiegend akzeptierbare611 Interpretationen innerhalb der Kommunikationsgemeinschaft, sodass wiederum künftige Interpretationen in ähnlichen oder vergleichbaren Sach- und Problemlagen bereits ein Stück weit hierdurch (vor-)geprägt sind. Infolgedessen werden sich die Kausalzusammenhänge in räumlich und zeitlich übergreifenden Kommunikationsprozessen, wie es bei der Agamben-Rezeption zum Völkerrecht der Fall ist, ohnehin nicht mit letzter Sicherheit612 erschließen lassen, sodass immer gewisse „Unbestimmtheitsstellen“613 bei ihrer 608

Zu vorstehenden Zitaten siehe unter Punkt „Ad 3“ bei Seele, S. 75. Siehe dazu weiterführend bei Tarasevich, S. 79. 610 Vgl. dazu unter Punkt „Ad 3“ bei Seele, S. 75. 611 In Anlehnung an Aarnio et al., in: Krawietz/Alexy (Hrsg.), S. 9 (77). 612 So auch bei Häberle, in: JZ 21 (1992), S. 1033 (1035 u. 1041). 613 Auch Hoyningen-Huene legt sehr anschaulich dar, dass gerade „inhaltliche Unbestimmtheit zusammen mit der konnotierten Dramatik“ zu einer „großen Verbreitung“ allgemeiner Ansichten hin zum Paradigmatischen führen, vgl. bei ders., in: Bermes/Dierse (Hrsg.), S. 279 (289). 609

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V. Homo-Sacer-Projekt im Völkerrechtsschrifttum

Beschreibung verbleiben614, und mit Agamben durchaus von „Schwellen“ im Ringen um völkerrechtswissenschaftliche Erkenntnis anhand der Begriffe und Begriffssysteme aus dem Homo-Sacer-Projekt gesprochen werden kann.615 (4) Übergang vertikal und horizontal: „Eng verwandt“ mit soeben aufgezeigtem Merkmal zum Begriff eines schwellenartigen Übergangs soll weiterhin seine „Unterscheidung in die horizontale und vertikale Ebene“ sein, wobei das Beschreibungselement als vertikal „den Übergang [in andere] Ordnungsrahmen“ und als horizontal „hingegen […] die Beschreibung der Raumveränderung und des Raumwechsels außerhalb von Bedeutungszuschreibung“ meint.616 Beide Anschauungsweisen betonen erkennbar die „im Übergang wechselnden Paradigmen“617, was an dieser Stelle der Untersuchung einzig von Relevanz ist. Wie bereits dargelegt, besteht in Anbetracht der meist „düstere[n] und aufklärungsfeindliche[n] Philosophie“618 der Agamben’schen Originalkonzepte, wie auch infolge ihrer „im Gros schwer operationalisierbar[en]“619 Nachbildungen im Schrifttum als Begriffe und Begriffssysteme620, kein Bedürfnis für einen einhergehenden Paradigmenwechsel621 in (völker-)rechtswissenschaftlichen Kontexten622. Denn ihre vertiefende und weiterführende „Lektüre wird für den Juristen vor allem dadurch erschwert, dass Agamben die Begrifflichkeiten nicht hinreichend klärt.“623 Zugleich zeigt der rein juridische Referenzrahmen624 Agambens eine Nähe zum (Bio-)Politischen625 auf, sodass  – vermittelt durch den Standpunkt: „[…] Völkerrecht sei kein richtiges, d. h. vor allem kein bindendes Recht, sondern eigentlich nur Politik […]“626 – der 614

So im Ergebnis auch bei Strasen, Rezeptionstheorien, S. 62. Es scheinen in Fragen der Formulierbarkeit der Konzeptinhalte Agambens sowohl in Ausgangs- als auch in Referenzkontexten unüberschreitbare Schwellen erreicht zu sein, sodass das Eine ohne das Andere unbestimmt bleibt; Ähnliches merkt auch Peskoller in Bezug auf Agambens Konzepte an: „Jede Konzeption, die auf eine Entfaltung der Beziehung zwischen Erfahrung und Erkenntnis bedacht ist, stößt fortan auf unüberwindbare Hindernisse“, dies., in: Bilstein/dies. (Hrsg.), S. 51 (58). 616 Zu vorstehenden Zitaten vgl. unter Punkt „Ad 4“ bei Seele, S. 75 f. 617 Vgl. dazu unter Punkt „Ad 4“ bei Seele, S. 76. 618 Wittig, in: Heinrich et al. (Hrsg.), S. 113 (128). 619 Roscher, in: Spannring et al. (Hrsg.), S. 75 (85). 620 In Anlehnung an Geulen, Giorgio Agamben zur Einführung, S. 17. 621 Siehe zur Idee des Paradigmenwechsels nach Agamben näher erklärt bei Dreisbach, S. 350 m. w. N.; Morgenroth, in: Borsò et al. (Hrsg.), Benjamin – Agamben, S. 129 (132 f.); Bloch, S. 321; vgl. dazu im Allgemeinen bei Hoyningen-Huene, in: Bermes/Dierse (Hrsg.), S. 279 (289). 622 Ein Beispiel hierzu gibt Loick: „Anzeichen für einen Paradigmenwechsel sind etwa die von der Obama-Administration für legal erklärten extrajudicial killings, wonach selbst amerikanische Staatsbürger_innen getötet werden dürfen, wenn exekutive Instanzen sie als Terrorist_innen ansehen [Hervorheb. bereits im Originaltext d. Loick]“, ders., in: Marquardt/ Schreiber (Hrsg.), S. 166 (168). 623 Wittig, in: Heinrich et al. (Hrsg.), S. 113 (128). 624 So auch bei Wilden, S. 174. 625 Für einen bündigen Überblick siehe bei Hetzel, in: Heil/ders. (Hrsg.), S. 111 (111 ff.). 626 Bautze, S. 6. 615

3. Implikationen der Untersuchung

231

Versuch unternommen werden könnte, diese philosophischen Konzepte über eine horizontale Begründungsreihe der (politischen) Philosophie, zur Philosophie des Rechts, zur Rechtsphilosophie, zur Völkerrechtsphilosophie, zum Völkerrecht in dogmatische Diskurse der Völkerrechtserkenntnis und -fortbildung unter Zuhilfe­ nahme des quasi systemimmanenten Türöffners in Artikel  38 Absatz  1 Buchstabe  d) IGH-Statut einzupassen. Dabei ist von der damals627 wie heute628 bloßen (latenten) Möglichkeit einer Grundlagenkrise des Völkerrechts auch in der Moderne629 abzusehen.630 Ebenso muss das allseitige „Konsensprinzip als Kern der Geltung des Völkerrechts“631 (und zwar aus rationalen Gründen632) akzeptiert werden, sodass „die inhärente Offenheit der Völkerrechtsordnung in Bezug auf neue Rechtssetzungs- und Steuerungsmechanismen“633 auf der Grundlage von Common-­Sense-­Argu­mentation634 gestaltbar bleibt. Bei alldem ist bestimmend, dass Ideen und Gedanken aus Grundlagen- oder Klassikertexten sowie hierzu innovative Erklärungsansätze durch ihre internationale Verbreitung in der Völkerrechtslehre und deren Schrifttum auch zur „Gestaltung des Lebens der Völker“635 beitragen.636 Dass philosophische, staats- und gesellschaftstheoretische Entwürfe genauso mit Bezug auf Phänomene des Völkerrechts viel diskutiert werden sollten und müssen, ergibt sich aus der Natur der Sache.637 So ist festzuhalten, dass es 627 Siehe zur Völkerrechtskrise als „ein Teil der totalen Krise der abendländischen Kultur“ bei Kunz, in: Schlochauer (Hrsg.), S. 611 (625). 628 Zum Problemkreis der Fragmentierung des (gegenwärtigen) Völkerrechts und hierbei „einer wiederkehrenden Rhetorik der Krise“ vgl. ausführlicher bei Arnauld, Völkerrecht, S. 12, dort in Fn. 29 m. w. N. 629 Vgl. weiterführend bei Szostak, S. 182 ff. 630 So wird die Völkerrechtsphilosophie bestehende Paradigmen in der Völkerrechtsordnung nicht ohne Weiteres im Rahmen ihrer Mittel als Grundlagenforschung „in statu nascendi“, welche insoweit auf einer bzw. mehreren wissenschaftlichen (Vor-)Leistungen in der Vergangenheit beruht, verändern können; allenfalls kann sie die Anomalien oder Krisen im bisher errungenen Ordnungssystem konstatieren; sie stellt sich daher als ein Hilfsmittel essenzieller Völkerrechtserkenntnis und -fortbildung innerhalb der Völkerrechtswissenschaft dar, die wiederum entsprechende Entscheidungsgrundlagen und Handlungsempfehlungen zu einer mehr praktischen Bewältigung oder Lösung von Anomalien oder Krisen für die vor allem juridisch-politisch aufgebauten Organe der Völkerrechtsordnung beiträgt. 631 Funke, in: Schöbener (Hrsg.), S. 334 (337). 632 So schreibt etwa Vöneky zur Konsens- und Kohärenzorientierung in Diskursen zutreffend: „Die Argumente, die mit vorhergehenden Stellungnahmen und deren Terminologie übereinstimmen oder diese ergänzen und damit Argumente sind, die am ehesten zu einem Konsens führen, werden notwendig und strukturell bevorzugt“, dies., S. 418. 633 Nowrot, S. 142. 634 Siehe dazu bei Landkammer, in: Götze et al. (Hrsg.), S. 183 (184), dort in Fn. 5 m. w. N. 635 Agamben, Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, S. 153. 636 Vgl. bereits bei Rudolf, S. 60; Nowrot, S. 137 ff.; so merkt Roscher zutreffend an: „Dennoch dient diese theoretische Anbindung [an Agamben, Anmerk. d. d. Verf.] nicht bloß der Anerkennung in der weiteren Wissenschaftslandschaft, sondern auch der Skizzierung neuer Forschungswege [Hervorheb. d. d. Verf.]“, dies., in: Spannring et al. (Hrsg.), S. 75 (85). 637 Zu weiteren Implikationen theoretischer und praktischer Argumentation mittels des Begriffssystems „Natur der Sache“ siehe nur bei Dreier, S. 117 ff.

232

V. Homo-Sacer-Projekt im Völkerrechtsschrifttum

danach nicht eines Paradigmenwechsels638 anhand der Konzepte von Agamben im Völkerrecht bedarf. Ohnehin werden in (völker-)rechtswissenschaftlichen Diskursen übernommene Entwürfe Agambens einer kritischen Überprüfung unterzogen und gegebenenfalls unter den (an-)erkannten Aspekten in ihren Erklärungsgehalten zum Völkerrecht neubewertet. Eine an Einfluss und Wirkmacht künftig gewinnende Vermittlerrolle bei vorwiegend vertikal diskursdefinierter Bedeutungszuschreibung639 von fremdkontextuellen Begriffen und Begriffssystemen in Bezug auf Argumentationsstrukturen im und zum Völkerrecht ist damit der Völkerrechtsphilosophie als Grundlagenforschung „in statu nascendi“640 zuzusprechen. (5) Relevanz der räumlichen Lage: Abschließend soll kurz „die Relevanz der räumlichen Lage“641 betrachtet werden, das heißt, dass ein inter- und kontextuell vonstattengehender Übergang des Einen in das Andere, also die Ent- und Neukontextualisierung von Konzeptionen nach Agamben im Schrifttum, nicht willkürlich vorliegt, „sondern gemäß der inhaltlichen Zuschreibung nur an einem bestimmten Ort. […] Schwellen konstituieren demnach Wissensräume […]“.642 Dies bedeutet hier: Wird ein Agamben’sches Konzept als Schwelle gedacht, so liegt es als Begriff oder Begriffssystem in der Völkerrechtsphilosophie bereits konzeptionell zwischen dem Völkerrecht und der Philosophie.643 Das hat auch zur Folge, dass solche Begriffe und Begriffssysteme nach Agamben nur einen diffusen Sprachund Wissensbestand in den Texten konstituieren644, der „erst durch die Definition zu einer festen Größe Gültigkeit erlang[t]“645. Also erst eine durch die Leserund Rezipientenschaft nachträglich vermittelte Bedeutungszuweisung kann diese Konzepte außerhalb der originären Homo-Sacer-Schriften, etwa im Wege „ideen­ geschichtliche[r] Überhöhungen […] des kulturellen Gedächtnisses“646, manifestieren, sodass die Kontextverflechtungen der Philosophie Agambens mit dem Völkerrecht im Schrifttum auch von anderen Kommunikationsgemeinschaften 638 Siehe zum völkerrechtlichen Paradigmenwechsel ausführlicher bei Paulus, S.  124 ff.; Simma, in: Hummer (Hrsg.), S. 45 (45 ff.); Blome, S. 22 ff.; Arnauld, Völkerrecht, S. 128 ff.; Peters, Jenseits der Menschenrechte, S. 1 f. m. w. N. 639 Siehe dazu weiterführend bei Gardt, in: Felder (Hrsg.), S. 29 (35 ff.). 640 In Anlehnung an Terz, in: ARSP 86 (2000), S. 168 (171 ff.). 641 Seele, S. 76. 642 Zu vorstehenden Zitaten siehe unter Punkt „Ad 5“ bei Seele, der dazu noch klarstellt: „Damit ist nicht gesagt, dass die Lage der [S]chwelle zwingend an einem festen Punkt zu sein hat, da sie nicht als punktuelles Ereignis zu konstruieren ist, sondern vielmehr als aus­ gedehnte Übergangsphase eigener Gültigkeit, deren Erstreckungsbereich nicht eindeutig fixierbar ist“, ders., S. 76. 643 Selbst wenn die Völkerrechtsphilosophie nicht als eine Teildisziplin der Völkerrechtswissenschaft anzuerkennen ist, so dürfte diese Schlussfolgerung zumindest für die Rechtsphilosophie entsprechend gelten. 644 So heben etwa Saul/Möbus die „den jeweiligen Erkenntnisgegenständen eingeschriebenen Zweideutigkeiten“ bei Schwellenbetrachtungen zu Recht hervor, dies., in: Saul et  al. (Hrsg.), S. 9 (9). 645 Vgl. dazu unter Punkt „Ad 5“ bei Seele, S. 76. 646 Seele, S. 77 m. w. N.

3. Implikationen der Untersuchung

233

verstanden und besser nachvollzogen werden können. Um aber diese Überlegung noch genauer zu beurteilen, genügen der Erhebungs- und Betrachtungszeitraum der Jahre von 1990 bis 2012 sowie eine Stichprobe aus Aufsätzen und Fachartikeln nur des deutsch- und englischsprachigen Völkerrechtsschrifttums nicht, da die wissenschaftliche Rezeption und Fortschreibung des Homo-Sacer-Projekts nach Agamben sich selbstverständlich in Detailfragen überaus problembehaftet darstellt. Denn insbesondere zeitenthobene Verwendungsweisen dieser Konzepte als eigenständige Begriffe und Begriffssysteme nach Agamben erfordern den steten Blick auf deren Orts- und Zeitgebundenheit.647 Für hierüber hinausgehende, kritische Bestandsaufnahmen zu weiteren Rezeptionen sowie Fortschreibungen des Homo-Sacer-Projekts sind noch mehr Textquellen aus unterschiedlichen Rezeptions(zeit)räumen zu erheben, zumal Agambens „theoretischer Stern gerade weltweit aufgeht.“648 Vor dem Hintergrund sind Folgerezeptionen zu erwarten, die vorwiegend noch auf der wiederholten Textrezeption anhand der originären Homo-Sacer-Schriften von Agamben und nur allmählich auf den dazu ergänzenden Rezeptionsleistungen, wie Fortschreibungen anderer wissenschaftlicher Autorinnen und Autoren, beruhen werden. Dabei sind auch Einblicke in andere Rechtskulturkreise und deren fachbezogene Literatur, sprich außerhalb der (kontinental-)europäischen oder angelsächsischen Rezeptionssituationen, relevant und bezüglich eines umfassenderen Gesamtbilds zur Agamben-Rezeption im Völkerrechtsschrifttum durchaus erstrebens- und wünschenswert. Fazit: Insofern bleibt für Implikationen der Untersuchung festzuhalten, dass zweifelsohne gerade die Völkerrechtsordnung „so arm an typisierten Formen des Rechts [ist], daß es nicht nur zulässig, sondern u. U. sogar geboten sein muß, sich auch nichttypisierter Hilfsmittel, erst recht neuer, im Art. 38 (1) d IGH-Statut nicht genannter typisierter Hilfsmittel zu bedienen.“649 Dabei sind die niedergeschriebenen „Zeugnisse der allgemeinen Rechtsüberzeugung von Interesse“650, womit ein aufschlussreicher Einblick in die Meinungsäußerungen innerhalb eines meist textwissenschaftlichen Kommunikationszusammenhangs erlangt werden kann. Sonach lässt sich Einsicht unter anderem zur Entstehungsgeschichte von mehrheitsfähigen Überzeugungen, zur rationalen Akzeptierbarkeit von Ideen und Gedanken aus den Grundlagentexten des Homo-Sacer-Projekts in Bezug auf die vielgestaltigen und facettenreichen Sach- und Problemlagen der Völkerrechtsordnung nehmen, gerade weil „[d]as prinzipiengeleitete Völkerrecht […] ausnahmslos die Konkretisierung durch Konsens [benötigt].“651 Allerdings erweisen sich die betrachteten Agamben’schen Konzepte für das Völkerrecht nach Artikel 38 Absatz 1 647 Hierzu merkt Haug noch an: „Eher dominieren Krisensorgen und ökologische Katastrophenvisionen den Zeitgeist, eine Stimmung, der Agamben Ausdruck verleiht“, ders., in: Otten/ Sicking (Hrsg.), S. 221 (227). 648 So ausdrücklich bei Müller, in: Trabant (Hrsg.), S. 107 (129). 649 Dahm et al., Bd. I/1, S. 79. 650 Dahm et al., Bd. I/1, S. 79. 651 Jung, Rechtserkenntnis und Rechtsfortbildung im Völkergewohnheitsrecht, S. 110.

234

V. Homo-Sacer-Projekt im Völkerrechtsschrifttum

Buchstabe d) IGH-Statut als kaum anschlussfähig. Aufgrund ihrer Unbestimmtheiten und Unschärfen652 sind diese Entwürfe in völkerrechtswissenschaftlichen Diskursen (mit Blick auf die empirische Forschung) nur begrenzt verwendbar, sodass „Agambens Analyse […] zwangsläufig auf den Staat und das nackte, entblößte Leben beschränkt bleiben [muss] und […] Phänomene darüber hinaus nicht oder nur verzerrt erfassen [kann].“653 Solche, den diskursdefinierten Konsens gefährdende Verzerrungen des Gemeinten in Kontexten der (politischen) Philosophie einerseits und dem Völkerrecht andererseits kann sich die im Werden begriffene Völkerrechtsphilosophie als mehr reflexiv arbeitender Teil der Völkerrechtswissenschaften (wenigstens derzeit noch) nicht leisten. Weitere Grundlagenforschungen zur bestehenden Agamben-Rezeption müssten nun eine Brücke errichten, die über die unbestreitbare Kluft eigen- und fremddisziplinärer Dimensionen der Begriffe und Begriffssysteme nach Agamben zwischen Völkerrecht und Philosophie hinweghilft, sodass Erklärungsgehalte zu aktuellen Phänomenen654 der Völkerrechtsordnung so allgemeingültig wie nötig und so eindeutig wie irgend möglich formuliert sind. „Sobald man über die bloße Beschreibung des Rechts hinausgehen, es bewerten oder fortentwickeln will“, wie der Rechtswissenschaftler Hartmut Henninger schlussfolgert, „sind dafür außerrechtliche Maßstäbe erforderlich.“655 Ebenjene außerrechtlichen Maßstäbe können und werden die Grundlagen- und Klassikertexte, vor allem in Form von philosophischen, staats- und gesellschaftstheoretischen Ansätzen, bieten; sie sind und bleiben stets wichtige Deutungsangebote, derer sich ein kritisch-reflexiv fortschreibender Rezipient als Orientierungshilfen oder darüber hinaus als strukturgebende Argumentationstopoi in den eigenen Kontexten bedienen wird, um seinen Texten eine auch in anderen kulturellen Kontexten verstehbare Bedeutungsstruktur zu verleihen, welche notwendig ist, um von Neuem hinreichende Text-Leser-Wirklichkeiten in sowohl räumlich als auch zeitlich übergreifenden Kommunikationsprozessen zu begründen.656

652 Es gibt im Endeffekt (wohl) keinen „Königsweg zur Erforschung sprachlicher Unbestimmtheit“, wobei jedenfalls die „Möglichkeit der Unschärfe und ihrer Akzeptierung oder Überwindung […] prinzipiell in der Sprache angelegt zu sein [scheint]“, siehe dazu weiterführend bei Schneider, Variabilität, Polysemie und Unschärfe der Wortbedeutung, S. 85. 653 Münch, in: Gubo et al. (Hrsg.), S. 146 (164). 654 Dies meint hier zuvor dargestellte Phänomene des Völkerrechts, die anhand der Konzepte des nackten Lebens, des Homo Sacer, der souveränen Macht/Souveränität und des Ausnahmezustands in rezipierten Lesarten nach Agamben von den Völkerrechtlern (z. B. in ihren Aufsätzen und Fachartikeln) erörtert werden. 655 Henninger, S. 33. 656 So bleibt mit Utz zu schlussfolgern: „Aber von vornherein weiß man, daß diese Suche grundsätzlich nicht ins Leere geht. Und wenn dies angesichts eines jeden Sachverhalts gilt, der nicht selbst der letzte Grund ist, dann ist die Verfolgung der Kette der Gründe bis hin auf einen letzten Grund sinnvoll und erfolgsversprechend [Hervorheb. bereits im Originaltext d. Utz]“, ders., S. 18.

VI. Zusammenfassende Thesen Die vorliegende Untersuchung über Giorgio Agambens Homo-Sacer-Projekt im Völkerrechtsschrifttum lässt sich folgendermaßen thesenartig zusammenfassen:

1. Über Ziele und Aufbau der Untersuchung Die Untersuchung behandelt Phänomene des inter(kon-)textuellen Nachlebens von prägnanten Ideen und Gedanken aus philosophischen, staats- und gesellschaftstheoretischen Grundlagentexten im Völkerrechtsschrifttum. Beispiel­gebend ist das Hauptwerk des italienischen Juristen und Philosophen Giorgio ­Agamben, das sogenannte Homo-Sacer-Projekt. Die Homo-Sacer-Schriften erweisen sich als geeignete Betrachtungsgegenstände, da besonders Agambens erstes Buch der Schriftenreihe einen vielverheißenden Anlass zur Grundlagenforschung gibt. Als das international bekannte Werk Agambens erregt „Homo Sacer – Die Souveränität der Macht und das nackte Leben“ nicht nur wegen der bewusst provokant gefassten Thesen, sondern auch in der methodischen Herangehensweise das Interesse einer heterogenen Leser- und Rezipientenschaft, da es tatsächliche und vermeintliche Leerstellen im mehr oder weniger feuilletonistischen und im völkerrechtswissenschaftlichen Schrifttum der Gegenwart ausfüllt. Agambens Werke beeinflussen heutzutage die Ansichten anderer Autorinnen und Autoren in Diskursen um Problem- und Themenstellungen etwa der Souveränität, des Gesetzes oder des rechtlichen Ausnahmezustands. Dabei handelt es sich um philosophische Überlegungen an den Grenzen der nationalen Rechtskulturgemeinschaften und der Völkerrechtsgemeinschaft, die auch die Betrachtungsgegenstände der Untersuchung bilden und im Fortgang der Betrachtungen zu verallgemeinerbaren Einsichten beitragen. Rezeption meint die Übernahme fremdgeistigen Ideen- und Gedankenguts aus einer Textquelle, Fortschreibung die um- oder neudeutende Darstellung der übernommenen Informationen in einer Textquelle. Dem Inhalt nach stellt sich das hier betrachtete Ideen- und Gedankengut als eine Ordnung von sieben Begriffen und Begriffssystemen mit hohem Wiedererkennungswert (post-)postmoderner Philosophie und politischer Theorie nach Agamben dar. Die Prozesse von Rezeption und Fortschreibung zeigen die vielschichtigen Kontextualisierungsstrategien von Rezipienten, die sich mit der erhobenen Stichprobe aus nationalen sowie internationalen Aufsatzdatenbanken und Fachbibliographien analysieren lassen. Konzeptionell schlägt die Untersuchung eine Brücke zwischen bisher disziplinär getrennten Forschungsbereichen zur Rezeptionstheorie und Völker-

236

VI. Zusammenfassende Thesen

rechtsphilosophie. Hierbei sind ins Detail gehende mit überblicksartigen Beobachtungen und quantitative mit qualitativen Analysen verbunden. Fundiert wird dieser Ansatz, jenseits seiner beispielhaften Anwendungen, durch die Begriffsbestimmungen von relevanten Konzepten zur Grundlagenforschung in der Völkerrechtswissenschaft. Die Ergebnisse sind unter metatheoretischen Aspekten von Bedeutung, um Rezeptionswege und -verfahren im Schrifttum zu beurteilen. Es geht um Bewertungen von Einfluss- und Wirkmächtigkeit der Ideen und Gedanken aus der Gegenwartsphilosophie in Bezug auf Aussagen über das Völkerrecht. Darüber hinaus dient der Ansatz als Ausgangspunkt für weitergehende Forschungen zur Völkerrechts­philosophie als eine völkerrechtswissenschaftliche Disziplin „in statu nascendi“, um das Feld künftiger Forschungsmöglichkeiten in einigen Bereichen abzustecken.

2. Über einzelne Teile der Untersuchung (I. 1.–3.) Einführung: Zu Beginn der Untersuchung erfolgen Darstellungen zum Forschungsgegenstand von allgemeiner Natur, die die Textlichkeit eines jeden wissenschaftlichen Arbeitens verstärkt in den Fokus rücken. Bestimmte Kommunikationsprozesse in der Völkerrechtswissenschaft und deren Schrifttum sind zudem als Kulturgespräche über Grundlagen- und Klassikertexte der pluralistischen (Kultur-)Nationen zu begreifen. Die Unterscheidung zwischen Vorgängen der Rezeption einerseits und der Fortschreibung andererseits bietet bei den Auseinandersetzungen mit textgebundenen Diskursen um Agambens Homo-Sacer-Projekt, das auch völkerrechtliche Grundsatzfragen tangiert, einen geeigneten Ausgangspunkt und eine erste Orientierung. (II.) Grundlagenforschung zum Völkerrecht: Die Forschung zwischen Grundlage und Anwendung nimmt seit jeher eine privilegierte Stellung in der Völkerrechtswissenschaft ein; dies sogar als gleichgestellte Teildisziplin einer zunehmend internationalisierten Rechtswissenschaft. Die Grundlagenforschung zum Völkerrecht hat dabei nicht nur den normativen Geltungsanspruch der Völkerrechtsordnung an sich im Blick, sondern versucht auch die Beziehungen zwischen Völkerrechtssatz und internationalem Lebenssachverhalt zu ergründen. Anhand eines kurzen Abrisses der Entstehungsgeschichte wird gezeigt, warum das Völkerrecht vor allem als wertgestütztes und wertverwirklichendes Normensystem stets axiomatischer Maßgaben bedarf. (II. 1.) Völkerrechtsphilosophie: Die Völkerrechtsordnung stellt in erster Linie eine von Prinzipien geleitete Ordnung des Rechts dar. Die noch im Werden begriffene Völkerrechtsphilosophie kann als ein unverzichtbarer Teil der Völkerrechtswissenschaft ebendiese Grundsätze beschreiben; nicht nur mittels traditionell einseitig juristischer Sichtweise auf die Phänomene des Völkerrechts, sondern auch, was für diese Untersuchung zweckdienlich erscheint, durch einen transdisziplinären Zugang mit entsprechenden Kriterien. Es geht um neue Ansätze bei der Arbeit

2. Über einzelne Teile der Untersuchung

237

mit klassischen Theorieentwürfen, insbesondere in entscheidender Abgrenzung zur hoch entwickelten Rechtsphilosophie nationaler Ausprägung, also zwischen der notwendigen Entlehnung und der einhergehenden Neuverortung von Grundbegriffen der Erklärungssysteme. (II. 2.) Artikel 38 Absatz 1 Buchstabe d) IGH-Statut: Vor dem Forum der internationalen Gemeinschaft oder Öffentlichkeit argumentieren Akteure regelmäßig prinzipienorientiert. Auf dem Weg prinzipienorientierten Argumentierens kommt Artikel 38 Absatz 1 Buchstabe d) IGH-Statut eine besondere Funktion der Überleitung oder des Übergangs von Kontexten zu. Das bestimmende Normmerkmal der „Lehrmeinung“ („der fähigsten Völkerrechtler der verschiedenen Nationen“) wird als systemimmanenter Türöffner für neue externe Inhalte und Kontexte in bestehende Interpretationsstrukturen zur Völkerrechtsordnung gedeutet; mit der subsidiären Lückenfüllungsfunktion der Völkerrechtslehre und deren Schrifttum ist die völkerrechtliche Rechtserkenntnisquellendogmatik stets anlassbedingt zu hinterfragen. (II. 3.) Grundlagen- und Klassikertext im Völkerrechtsschrifttum: Die Materie des Völkerrechts wird durch diverse Texttypen geprägt, einesteils durch authentische Rechtsquellen, wie völkerrechtliche Verträge, anderenteils durch wirkmächtige Grundlagen- oder Klassikertexte, die spezifische Formen von Kommunikation der (Rechts-)Kulturkreise darstellen. Der Begriff des Grundlagentextes ist vom bereits hinreichend ausgeformten Begriff des Klassikertextes abzugrenzen; beide Textsorten sind primäre Textquellen, auf die sekundäre Textquellen, wie Aufsätze und Fachartikel des Völkerrechtsschrifttums, Bezug nehmen, die wiede­ rum eigenständige wie auch textwissenschaftlich erforschbare Kommunikationszusammenhänge oft in sogenannten „epistemic communities“, sprich Wissens­ gemeinschaften, bilden. (III.) Rezeptionsmodell mit juristisch-kulturellen Theorieelementen: Damit taucht das Problem der Bestimmung eines rezeptionstheoretischen Rahmens auf, um die meist diffusen Dynamiken von textbasierten Einfluss-, Nutzungs- und Wirkbeziehungen innerhalb des Völkerrechtsschrifttums einer zumindest in Teilen gesicherten Erklärungs- und Darstellungsstruktur zuzuführen. Es wird davon ausgegangen, dass Modelle der Theorie sowohl mit rechtswissenschaftlichen ­( juristischen) als auch mit literatur-, sprach- und kulturwissenschaftlichen Ansätzen im Grunde solche sind, die zur Interpretation von Texten, zur Bestimmung von Intertextualität dienen und mit verallgemeinerbaren Grundzügen und Definitionen arbeiten, um verschiedenen Rezeptionssituationen in einer handhabbaren Annäherung begegnen zu können. (III.  1.) Allgemeines juristisches Rezeptionsmodell nach Peter Häberle: Das erste Theorieelement des Rezeptionsmodells greift auf Überlegungen des Rechtswissenschaftlers Peter Häberle zu seinem allgemeinen juristischen Rezeptionsmodell zurück; stellt dieses vorab in Detailfragen ausführlicher dar und abstrahiert sodann Wesentliches in kritisch aneignender Weise. Dabei bildet vor allem

238

VI. Zusammenfassende Thesen

­ äberles abstrakt wirkende Rahmenbestimmung mit der Formulierung des „kulH turellen Kontextes“, die zugleich die Hauptprämisse seines Erklärungsansatzes anzeigt, einen geeigneten Anknüpfungspunkt zur differenzierten Ausformung des Rezeptionsmodells. (III. 2.) Kulturelles Rezeptionsmodell nach Sven Strasen: Das zweite Theorieelement ergibt sich in Anlehnung an den Literaturwissenschaftler Sven Strasen mit seiner Theorie literarischer Rezeptionshandlungen im Sinne eines „kulturellen Modells“, das universale Kontextualisierungsmechanismen anhand von relevanzund schematheoretischen Erklärungsmustern abhandelt. Es sind hierzu einige Bedeutungszuweisungs- und Sinnbildungsstrategien in ihren Grundzügen dargelegt, die die Text-, Welt- und Sprach-Schemata auch in nicht-literarischen Kommu­ nikationsprozessen begründen. Letztgenannte stellen argumentative Hauptlinien in dieser Untersuchung dar, um die betreffenden Rezeptions- und Fortschreibungsvorgänge im Völkerrechtsschrifttum hinreichend genau einordnen und beschreiben zu können. (III.  3.) Zusammenführung der rezeptionstheoretischen Elemente: Die sich daran anschließende Zusammenführung der Beschreibungselemente für Rezeptions- und Fortschreibungsprozesse greift die theoretischen Bedingungen beider Modelle auf und überprüft diese anhand von zwölf allgemeinwissenschaftlichen Kriterien nach Panos Terz, Völkerrechtler und Ideengeber zur wissenschaftstheoretischen Grundlegung der Völkerrechtsphilosophie. Geeignete Beschreibungselemente in Bezug auf Rezeptions- und Fortschreibungsvorgänge im Völkerrechtsschrifttum sind in einem Bewertungssatz zusammengefasst, der im Fortgang der Untersuchung als Orientierungshilfe und Maßstab zur Beurteilung von Rezeptions- und Fortschreibungssituationen dient. (IV.) Homo-Sacer-Projekt von Giorgio Agamben: Die zentralen Denkfiguren und methodischen Entscheidungen Giorgio Agambens sind in den Homo-SacerPublikationen abzulesen; Inhalte dieser Schriftenreihe als Gesamtheit originärer Grundlagentexte popularisieren wie auch polarisieren die wissenschaftlichen Diskurse im Völkerrechtsschrifttum seit erstmaligem Erscheinen im Jahr 1995. Im Laufe der Zeit formt sich eine indifferente, nur noch schwer erkennbare beziehungsweise durchdringbare Gemengelage von Diskursen über die Homo-SacerSchriftenreihe. Die Argumentationstopoi nach Agamben erscheinen hierbei zu Recht als rätselhaft und obskur. Nichtsdestoweniger erregen die Agamben’schen Konzepte außergewöhnliche Aufmerksamkeit bei Lesern sowie Rezipienten. Das Homo-Sacer-Projekt nach Agamben stellt sich als Zeitgeistphänomen dar; es bedarf deshalb kritischer Bestandsaufnahmen seiner Philosophie. (IV. 1.) Grundlegende Konzepte der Homo-Sacer-Schriften: Die Auswahl der Konzepte aus dem Homo-Sacer-Projekt richtet sich nach den entsprechenden Verwendungen in Aufsätzen und Fachartikeln des Völkerrechtsschrifttums. Die Konzepte Agambens werden als philosophische Vorschläge oder Entwürfe verstanden, in sieben Begriffe und Begriffssysteme aufgeteilt und anhand grundlegender

2. Über einzelne Teile der Untersuchung

239

Konzeptmerkmale erklärt: (1) das nackte Leben, (2) der Homo Sacer, (3) die Bann-­ Beziehung, (4) die souveräne Macht/Souveränität, (5) der Ausnahmezustand, (6) das Lager und (7) die Biopolitik. Diese Einteilung der Begriffe und Begriffssysteme gründet auf ihren Konzeptionierungen im Homo-Sacer-Projekt und wird als eine Einordnung bei der völkerrechtsphilosophischen Untersuchung schematisch fortgeführt. (IV. 2.) Aussagekraft der Konzepte bei Agamben: Nach Maßgaben der Plausibilität, Kohärenz sowie Konsistenz lassen sich die Agamben’schen Konzepte auf ihre Aussagekraft hin überprüfen. Agambens Konzeptbildungen erweisen sich als Folge intensiver Entdifferenzierungssemantik anhand diverser (meist historischer) Kontexte. Das hierauf beruhende Theoriegebäude Agambens ist in seiner Gesamtheit stets kritisch zu betrachten. Allein die theoretische Originalität der Konzepte darf nicht zu ihrer unkritischen oder unreflektierten Übernahme im Völkerrechtsschrifttum führen. Die teils unklaren Inhalte der Konzepte Agambens sind für darauf aufbauende juristische Argumentations- und Begründungsweisen in völkerrechtlichen Kontexten ungeeignet. (IV. 3.) Einordnungsproblematik der Konzepte nach Agamben: Sowohl die Konzepte von Agamben als auch ihre Rezeptionen und Fortschreibungen in völkerrechtswissenschaftlichen Diskursen unterliegen kulturbedingten Einflüssen, die für das (Text-)Verstehen von zentraler Bedeutung sind. Die betrachteten Rezeptions- und Fortschreibungssituationen finden innerhalb kontinental­europäischer und angelsächsischer Denk- und Sprachsysteme statt. Es geht darum, nachvollziehbare Bezüge zur Rezeptions- und Fortschreibungskultur mit ihren jeweiligen spezifischen Strukturen herzustellen. Die Kulturbedingtheit völkerrechtswissenschaftlichen Arbeitens mit den Begriffen und Begriffssystemen nach Agamben im (inter-)nationalen Schrifttum ist aus grundsätzlichen Erwägungen der Rezeptionsmodelle nach Häberle und Strasen heraus zu akzeptieren. (V.) Homo-Sacer-Projekt im Völkerrechtsschrifttum: Text dient der Codierung von Wissen. Bei Rezeptionen von (Text-)Inhalten aus dem Homo-Sacer-Projekt sind die Aspekte von Entkontextualisierung und Neukontextualisierung bereits vorhandener Wissensbestände zentral. Durch dokumentarische Untersuchungen von einzelnen Textquellen aus dem Völkerrechtsschrifttum und Betrachtungen der Agamben’schen Konzepte in anderen als den historisch-situativen Kontexten werden die Vorgänge der Rezeption und Fortschreibung zum Modell reduziert. Hierin liegen Ansatzpunkte für nicht-literarische Rezeptionsanalysen zum Homo-SacerProjekt in textgebundenen Diskursen des Völkerrechtsschrifttums. (V.  1.) Analyse der Textquellen: Der Erhebungs- und Betrachtungszeitraum umfasst die Jahre von 1990 bis 2012. Anhand von nationalen und internationalen Aufsatzdatenbanken und Fachbibliographien wurden insgesamt 98 Textquellen erhoben. Hieraus liegen 77 Aufsätze und Fachartikel des deutsch- oder englischsprachigen Völkerrechtsschrifttums als Stichprobe den analytischen Detailbetrachtungen zugrunde.

240

VI. Zusammenfassende Thesen

(V. 2.) Kritik zur Rezeption und Fortschreibung: Vorwiegend im englischsprachigen Völkerrechtsschrifttum gehen die Rezeptionen wie auch Fortschreibungen im Wesentlichen nur zu den Agamben’schen Konzeptionen des nackten Lebens, des Homo Sacer, der souveränen Macht/Souveränität und des Ausnahmezustands vonstatten. Ähnlich stark ausgeprägte Agamben-Rezeptionen sind für das deutschsprachige Völkerrechtsschrifttum hingegen nicht erkennbar. Es ist derzeit anzunehmen, dass Übernahmehandlungen zu vorgenannten Agamben’schen Konzepten im englischsprachigen Völkerrechtsschrifttum in etwa auf gleichem Niveau fortdauern. Dagegen ist nicht mit einer zunehmenden Agamben-Rezeption im deutschsprachigen Völkerrechtsschrifttum zu rechnen. (V. 3.) Implikationen der Untersuchung: Die Wirkungen von Konzepten, Ideen und Gedanken betreffen ihre interkontextuellen Übergänge: die Kontextverflechtungen. Die zum Völkerrecht rezipierten und fortgeschriebenen Konzepte nach Agamben stellen sich allein als Anknüpfungsmomente zum Weiterdenken eines für den eigenen Standpunkt relevanten Aspekts in den völkerrechtswissenschaft­ gamben lichen Diskursen dar. Darüber hinaus erweisen sich die Konzepte von A für das Völkerrecht nach Artikel  38 Absatz  1 Buchstabe  d)  IGH-Statut als kaum anschlussfähig. Aufgrund ihrer Unbestimmtheiten und Unschärfen sind die­ Konzepte von Agamben als „Hilfsmittel“ zur Völkerrechtserkenntnis und -fortbildung auch außerhalb von völkerrechtswissenschaftlichen Diskursen nur begrenzt verwendbar, da sie Phänomene des Völkerrechts nicht oder nur verzerrt erfassen können.

3. Schlussthese Die Konzepte des nackten Lebens, des Homo Sacer, der souveränen Macht/­ Souveränität und des Ausnahmezustands in ihren Begriffsbestimmungen nach Giorgio Agamben sind in hohem Maße für Kontextualisierungen des Homo-Sacer-Projekts im Völkerrechtsschrifttum geeignet.

Anhang zur Rezeptionsanalyse Hinweis: Nachfolgend sind die Ausgabetabellen (Outputs) des Analyseverfahrens unter Anwendung des IBM-Computerprogramms SPSS  20 zur Rezeption ausgewählter Begriffe und Begriffssysteme aus dem Homo-Sacer-Projekt von Giorgio Agamben dargestellt.

I. Häufigkeitstabellen der Begriffsnennungen Tabelle 1 (Das) nackte Leben, bare life, naked life, mere life Häufigkeit

Prozent

Gültige ­ Prozente

Kumulierte Prozente

nicht vorhanden

30

39,0

39,0

39,0

vorhanden

47

61,0

61,0

100,0

Gesamt

77

100,0

100,0



– Gültig

Quelle: Eigene Berechnungen mit SPSS 20.

Tabelle 2 (Der) Homo Sacer – Gültig

Häufigkeit

Prozent

Gültige ­ Prozente

Kumulierte Prozente

nicht vorhanden

29

37,7

37,7

37,7

vorhanden

48

62,3

62,3

100,0

Gesamt

77

100,0

100,0



Quelle: Eigene Berechnungen mit SPSS 20.

242

Anhang zur Rezeptionsanalyse Tabelle 3 (Der) Bann, (die) Bannbeziehung, ban, abandonment –

Gültig

Häufigkeit

Prozent

Gültige Prozente

Kumulierte Prozente

nicht vorhanden

63

81,8

81,8

81,8

vorhanden

14

18,2

18,2

100,0

Gesamt

77

100,0

100,0



Quelle: Eigene Berechnungen mit SPSS 20.

Tabelle 4 (Die) souveräne Macht, Souveränität, sovereign power, sovereignty – Gültig

Häufigkeit

Prozent

Gültige Prozente

Kumulierte Prozente

nicht vorhanden

23

29,9

29,9

29,9

vorhanden

54

70,1

70,1

100,0

Gesamt

77

100,0

100,0



Quelle: Eigene Berechnungen mit SPSS 20.

Tabelle 5 (Der) Ausnahmezustand, state of exception, state of emergency – Gültig

Häufigkeit

Prozent

Gültige Prozente

Kumulierte Prozente

nicht vorhanden

25

32,5

32,5

32,5

vorhanden

52

67,5

67,5

100,0

Gesamt

77

100,0

100,0



Quelle: Eigene Berechnungen mit SPSS 20.

Tabelle 6 (Das) Lager, camp – Gültig

Häufigkeit

Prozent

Gültige Prozente

Kumulierte Prozente

nicht vorhanden

57

74,0

74,0

74,0

vorhanden

20

26,0

26,0

100,0

Gesamt

77

100,0

100,0



Quelle: Eigene Berechnungen mit SPSS 20.

243

II. Explorative Datenanalyse Tabelle 7 (Die) Biopolitik, biopolitics – Gültig

Häufigkeit

Prozent

Gültige Prozente

Kumulierte Prozente

nicht vorhanden

50

64,9

64,9

64,9

vorhanden

27

35,1

35,1

100,0

Gesamt

77

100,0

100,0



Quelle: Eigene Berechnungen mit SPSS 20.

II. Explorative Datenanalyse 1. Verteilungen bezogen auf die Anzahl der Begriffsnennungen nach Jahren Tabelle 8 (Das) nackte Leben, bare life, naked life, mere life Variable

nacktes Leben, bare life, naked life, mere life

Jahr der Ver­ öffentlichung

Fälle Gültig

Fehlend

Gesamt

N

Prozent

N

Prozent

N

Prozent

2003

5

100,0

0

0,0

5

100,0

2004

2

100,0

0

0,0

2

100,0

2005

5

100,0

0

0,0

5

100,0

2006

8

100,0

0

0,0

8

100,0

2007

2

100,0

0

0,0

2

100,0

2008

3

100,0

0

0,0

3

100,0

2009

2

100,0

0

0,0

2

100,0

2010

5

100,0

0

0,0

5

100,0

2011

13

100,0

0

0,0

13

100,0

2012

2

100,0

0

0,0

2

100,0

Quelle: Eigene Berechnungen mit SPSS 20 (N – Stichprobengröße).

244

Anhang zur Rezeptionsanalyse Tabelle 9 (Der) Homo Sacer

Variable

Homo Sacer

Fälle

Jahr der Ver­ öffentlichung

Gültig

Fehlend

Gesamt

N

Prozent

N

Prozent

N

Prozent

2003

6

100,0

0

0,0

6

100,0

2004

2

100,0

0

0,0

2

100,0

2005

5

100,0

0

0,0

5

100,0

2006

8

100,0

0

0,0

8

100,0

2007

3

100,0

0

0,0

3

100,0

2008

2

100,0

0

0,0

2

100,0

2009

2

100,0

0

0,0

2

100,0

2010

5

100,0

0

0,0

5

100,0

2011

13

100,0

0

0,0

13

100,0

2012

2

100,0

0

0,0

2

100,0

Quelle: Eigene Berechnungen mit SPSS 20 (N – Stichprobengröße).

Tabelle 10 (Der) Bann, (die) Bannbeziehung, ban, abandonment Variable

Bann, Bann­ beziehung, ban, abandonment

Jahr der Ver­ öffentlichung

Fälle Gültig

Fehlend

Gesamt

N

Prozent

N

Prozent

N

Prozent

2005

2

100,0

0

0,0

2

100,0

2006

3

100,0

0

0,0

3

100,0

2007

1

100,0

0

0,0

1

100,0

2010

5

100,0

0

0,0

5

100,0

2011

3

100,0

0

0,0

3

100,0

Quelle: Eigene Berechnungen mit SPSS 20 (N – Stichprobengröße).

245

II. Explorative Datenanalyse Tabelle 11 (Die) souveräne Macht, Souveränität, sovereign power, sovereignty Variable

Fälle

Jahr der Ver­ öffentlichung

souveräne Macht, Sou­veränität, sovereign power, sovereignty

Gültig

Fehlend

Gesamt

N

Prozent

N

Prozent

N

Prozent

2003

5

100,0

0

0,0

5

100,0

2004

2

100,0

0

0,0

2

100,0

2005

4

100,0

0

0,0

4

100,0

2006

9

100,0

0

0,0

9

100,0

2007

2

100,0

0

0,0

2

100,0

2008

4

100,0

0

0,0

4

100,0

2009

1

100,0

0

0,0

1

100,0

2010

9

100,0

0

0,0

9

100,0

2011

15

100,0

0

0,0

15

100,0

2012

3

100,0

0

0,0

3

100,0

Quelle: Eigene Berechnungen mit SPSS 20 (N – Stichprobengröße).

Tabelle 12 (Der) Ausnahmezustand, state of exception, state of emergency Variable

Ausnahme­ zustand, state of exception, state of ­ emergency

Jahr der Ver­ öffentlichung

Fälle Gültig

Fehlend

Gesamt

N

Prozent

N

Prozent

N

Prozent

2003

2

100,0

0

0,0

2

100,0

2004

1

100,0

0

0,0

1

100,0

2005

5

100,0

0

0,0

5

100,0

2006

8

100,0

0

0,0

8

100,0

2007

3

100,0

0

0,0

3

100,0

2008

4

100,0

0

0,0

4

100,0

2009

2

100,0

0

0,0

2

100,0

2010

10

100,0

0

0,0

10

100,0

2011

15

100,0

0

0,0

15

100,0

2012

2

100,0

0

0,0

2

100,0

Quelle: Eigene Berechnungen mit SPSS 20 (N – Stichprobengröße).

246

Anhang zur Rezeptionsanalyse Tabelle 13 (Das) Lager, camp

Variable

Lager, camp

Fälle

Jahr der Ver­ öffentlichung

Gültig

Fehlend

Gesamt

N

Prozent

N

Prozent

N

Prozent

2003

1

100,0

0

0,0

1

100,0

2004

1

100,0

0

0,0

1

100,0

2005

2

100,0

0

0,0

2

100,0

2006

5

100,0

0

0,0

5

100,0

2007

2

100,0

0

0,0

2

100,0

2008

2

100,0

0

0,0

2

100,0

2010

3

100,0

0

0,0

3

100,0

2011

4

100,0

0

0,0

4

100,0

Quelle: Eigene Berechnungen mit SPSS 20 (N – Stichprobengröße).

Tabelle 14 (Die) Biopolitik, biopolitics Variable

Biopolitik, biopolitics

Fälle

Jahr der Ver­ öffentlichung

Gültig

Fehlend

Gesamt

N

Prozent

N

Prozent

N

Prozent

2003

3

100,0

0

0,0

3

100,0

2005

3

100,0

0

0,0

3

100,0

2006

6

100,0

0

0,0

6

100,0

2007

2

100,0

0

0,0

2

100,0

2008

3

100,0

0

0,0

3

100,0

2010

5

100,0

0

0,0

5

100,0

2011

5

100,0

0

0,0

5

100,0

Quelle: Eigene Berechnungen mit SPSS 20 (N – Stichprobengröße).

247

II. Explorative Datenanalyse 2. Verteilungen bezogen auf die Anzahl der Begriffsnennungen in den Textquellen Tabelle 15 Verteilung von Referenzverweis und inhaltlicher Auseinandersetzung – Gültig

Häufigkeit

Prozent

Gültige Prozente

Kumulierte Prozente

Inhalt

40

51,9

51,9

51,9

Verweis

37

48,1

48,1

100,0

Gesamt

77

100,0

100,0



Quelle: Eigene Berechnungen mit SPSS 20.

Tabelle 16 (Das) nackte Leben, bare life, naked life, mere life – Gültig

Häufigkeit

Prozent

Gültige Prozente

Kumulierte Prozente

0

30

39,0

39,0

39,0

1

27

35,1

35,1

74,0

2

12

15,6

15,6

89,6

3

1

1,3

1,3

90,9

4

2

2,6

2,6

93,5

5

1

1,3

1,3

94,8

7

1

1,3

1,3

96,1

8

1

1,3

1,3

97,4

15

1

1,3

1,3

98,7

31

1

1,3

1,3

100,0

Gesamt

77

100,0

100,0

Quelle: Eigene Berechnungen mit SPSS 20.



248

Anhang zur Rezeptionsanalyse Tabelle 17 (Der) Homo Sacer –

Gültig

Häufigkeit

Prozent

Gültige Prozente

Kumulierte Prozente

0

29

37,7

37,7

37,7

1

28

36,4

36,4

74,0

2

5

6,5

6,5

80,5

3

3

3,9

3,9

84,4

4

3

3,9

3,9

88,3

5

3

3,9

3,9

92,2

6

2

2,6

2,6

94,8

7

1

1,3

1,3

96,1

8

2

2,6

2,6

98,7

12

1

1,3

1,3

100,0

Gesamt

77

100,0

100,0



Quelle: Eigene Berechnungen mit SPSS 20.

Tabelle 18 (Der) Bann, (die) Bannbeziehung, ban, abandonment – Gültig

Häufigkeit

Prozent

Gültige Prozente

Kumulierte Prozente

0

63

81,8

81,8

81,8

1

9

11,7

11,7

93,5

2

1

1,3

1,3

94,8

3

2

2,6

2,6

97,4

8

1

1,3

1,3

98,7

12

1

1,3

1,3

100,0

Gesamt

77

100,0

100,0

Quelle: Eigene Berechnungen mit SPSS 20.



249

II. Explorative Datenanalyse Tabelle 19 (Die) souveräne Macht, Souveränität, sovereign power, sovereignty – Gültig

Häufigkeit

Prozent

Gültige Prozente

Kumulierte Prozente

0

23

29,9

29,9

29,9

1

32

41,6

41,6

71,4

2

9

11,7

11,7

83,1

3

4

5,2

5,2

88,3

4

3

3,9

3,9

92,2

5

1

1,3

1,3

93,5

6

1

1,3

1,3

94,8

21

1

1,3

1,3

96,1

25

1

1,3

1,3

97,4

37

1

1,3

1,3

98,7

126

1

1,3

1,3

100,0

Gesamt

77

100,0

100,0

Quelle: Eigene Berechnungen mit SPSS 20.



250

Anhang zur Rezeptionsanalyse Tabelle 20 (Der) Ausnahmezustand, state of exception, state of emergency –

Gültig

Häufigkeit

Prozent

Gültige Prozente

Kumulierte Prozente

0

25

32,5

32,5

32,5

1

18

23,4

23,4

55,8

2

9

11,7

11,7

67,5

3

8

10,4

10,4

77,9

4

3

3,9

3,9

81,8

6

1

1,3

1,3

83,1

7

3

3,9

3,9

87,0

8

2

2,6

2,6

89,6

10

1

1,3

1,3

90,9

11

1

1,3

1,3

92,2

17

1

1,3

1,3

93,5

22

2

2,6

2,6

96,1

51

1

1,3

1,3

97,4

60

1

1,3

1,3

98,7

71

1

1,3

1,3

100,0

Gesamt

77

100,0

100,0



Quelle: Eigene Berechnungen mit SPSS 20.

Tabelle 21 (Das) Lager, camp – Gültig

Häufigkeit

Prozent

Gültige Prozente

Kumulierte Prozente

0

57

74,0

74,0

74,0

1

11

14,3

14,3

88,3

2

4

5,2

5,2

93,5

3

2

2,6

2,6

96,1

5

1

1,3

1,3

97,4

9

1

1,3

1,3

98,7

24

1

1,3

1,3

100,0

Gesamt

77

100,0

100,0

Quelle: Eigene Berechnungen mit SPSS 20.



251

II. Explorative Datenanalyse Tabelle 22 (Die) Biopolitik, biopolitics – Gültig

Häufigkeit

Prozent

Gültige Prozente

Kumulierte Prozente

0

50

64,9

64,9

64,9

1

17

22,1

22,1

87,0

2

2

2,6

2,6

89,6

3

3

3,9

3,9

93,5

5

1

1,3

1,3

94,8

6

1

1,3

1,3

96,1

18

1

1,3

1,3

97,4

23

1

1,3

1,3

98,7

83

1

1,3

1,3

100,0

Gesamt

77

100,0

100,0



Quelle: Eigene Berechnungen mit SPSS 20.

Tabelle 23 Anzahl der Begriffsnennungen in den Textquellen – Gültig

Häufigkeit

Prozent

Gültige Prozente

Kumulierte Prozente

1

13

16,9

16,9

16,9

2

15

19,5

19,5

36,4

3

16

20,8

20,8

57,1

> 3

33

42,9

42,9

100,0

Gesamt

77

100,0

100,0



Quelle: Eigene Berechnungen mit SPSS 20.

252

Anhang zur Rezeptionsanalyse Tabelle 24 Anzahl einzelner Begriffsnennungen Begriff

Häufigkeit

(das) nackte Leben

47

(der) Homo Sacer

48

(der) Bann

14

(die) souveräne Macht/Souveränität

54

(der) Ausnahmezustand

52

(das) Lager

20

(die) Biopolitik

27

Summe

262

Quelle: Eigene Berechnungen.

Tabelle 25 Anzahl einzelner Begriffsnennungen nach Jahren Jahr

nacktes ­ Leben

Homo ­ Sacer

Bann

souveräne Macht/ Souveränität

Ausnahme­ zustand

Lager

Bio­ politik

2003

23

27

0

23

9

5

14

2004

25

25

0

25

13

13

0

2005

19

19

8

15

19

8

12

2006

17

17

6

19

17

11

13

2007

13

20

7

13

20

13

13

2008

17

11

0

22

22

11

17

2009

29

29

0

14

29

0

0

2010

12

12

12

21

24

7

12

2011

19

19

4

22

22

6

7

2012

22

22

0

33

22

0

0

Quelle: Eigene Berechnungen.

253

II. Explorative Datenanalyse 3. Absolute und relative Häufigkeiten der Begriffsnennungen Tabelle 26 (Das) nackte Leben, bare life, naked life, mere life Nennung

Häufigkeit der ­Begriffsnennungen

Prozentualer Anteil der Nennungen

0

30

39,0

1

27

35,1

2

12

15,6

3

1

1,3

4

2

2,6

5

1

1,3

7

1

1,3

8

1

1,3

15

1

1,3

31

1

1,3



77

100,0

Quelle: Eigene Berechnungen.

Tabelle 27 (Der) Homo Sacer Nennung

Häufigkeit der Begriffsnennungen

Prozentualer Anteil der Nennungen

0

29

37,7

1

28

36,4

2

5

6,5

3

3

3,9

4

3

3,9

5

3

3,9

6

2

2,6

7

1

1,3

8

2

2,6

12

1

1,3



77

100,0

Quelle: Eigene Berechnungen.

254

Anhang zur Rezeptionsanalyse Tabelle 28 (Der) Bann, (die) Bannbeziehung, ban, abandonment

Nennung

Häufigkeit der Begriffsnennungen

Prozentualer Anteil der Nennungen

0

63

81,8

1

9

11,7

2

1

1,3

3

2

2,6

8

1

1,3

12

1

1,3



77

100,0

Quelle: Eigene Berechnungen.

Tabelle 29 (Die) souveräne Macht, Souveränität, sovereign power, sovereignty Nennung

Häufigkeit der Begriffsnennungen

Prozentualer Anteil der Nennungen

0

23

29,9

1

32

41,6

2

9

11,7

3

4

5,2

4

3

3,9

5

1

1,3

6

1

1,3

21

1

1,3

25

1

1,3

37

1

1,3

126

1

1,3

77

100,0

– Quelle: Eigene Berechnungen.

255

II. Explorative Datenanalyse Tabelle 30 (Der) Ausnahmezustand, state of exception, state of emergency Nennung

Häufigkeit der Begriffsnennungen

Prozentualer Anteil der Nennungen

0

25

32,5

1

18

23,4

2

9

11,7

3

8

10,4

4

3

3,9

6

1

1,3

7

3

3,9

8

2

2,6

10

1

1,3

11

1

1,3

17

1

1,3

22

2

2,6

51

1

1,3

60

1

1,3

71

1

1,3



77

100,0

Quelle: Eigene Berechnungen.

Tabelle 31 (Das) Lager, camp Nennung

Häufigkeit der Begriffsnennungen

Prozentualer Anteil der Nennungen

0

57

74,0

1

11

14,3

2

4

5,2

3

2

2,6

5

1

1,3

9

1

1,3

24

1

1,3



77

100,0

Quelle: Eigene Berechnungen.

256

Anhang zur Rezeptionsanalyse Tabelle 32 (Die) Biopolitik, biopolitics

Nennung

Häufigkeit der Begriffsnennungen

Prozentualer Anteil der Nennungen

0

50

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22,1

2

2

2,6

3

3

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1,3

6

1

1,3

18

1

1,3

23

1

1,3

83

1

1,3



77

100,0

Quelle: Eigene Berechnungen.

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Hinweis: Textquellen des Völkerrechtsschrifttums aus den (inter-)nationalen Aufsatzdaten­ banken sowie Fachbibliographien, die die Gegenstände und Grundlagen der rezeptionsanalytischen Betrachtungen bilden, werden zusätzlich durch die Abkürzung „TQ“ und unter Angabe der jeweiligen Datenbank aufgeführt (TQ – Fundstelle).

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Personen- und Sachverzeichnis Adorno, Theodor W.  19, 102 Agamben, Giorgio  20 Akteur  33 f. Akzeptierbarkeit  210, 216 ff., 225, 233 Algazi, Gadi  134 Amerikanische Menschenrechtskonvention  81, 195 Analyse –– Anwendungen  41, 58, 97, 139, 146, 236 –– Begriff  77 f. –– Diskurs 102 –– Rezeption  151, 239 f. –– Zeitreihen  158 f. Anomie  111, 135, 185, 192 Aquin, Thomas von  197 Arendt, Hannah  102, 113, 119 Aristoteles  21, 67, 104 f., 108, 197 Asyl  178 f., 190, 206, 213 Auschwitz [-Birkenau]  21, 113, 123, 136, 170, 199 Auslegung  15, 34, 42 f., 46, 49, 57, 66, 87, 92, 119, 141, 144 f., 210 Ausnahmezustand  19, 22, 103, 110 ff., 133 ff., 144 f., 154, 157 ff., 165, 168 f., 172, 191 ff., 209, 211, 213 f., 219, 225, 235, 239 f., 242, 245, 250, 252, 255 Autorität  44 ff., 98, 102, 109, 125, 161, 175, 181, 189, 196, 208, 213 f., 224 Axiom  33, 40, 172, 194, 236

Binkelmann, Christoph  105 Biomacht  21, 114 f., 123, 138 ff., 193, 206, 208 Biopolitik  21 f., 26, 103, 114 f., 138 ff., 144, 154, 157 ff., 170 ff., 204 ff., 239, 243, 246, 251 f., 256 Bíos  21, 103 ff., 123 Bleckmann, Albert  47 Bleich, David  69 Bodin, Jean  109, 187 Brentano, Franz C.  87 Buckel, Sonja  136 Bürgerrechte  129, 164, 177 Bush, George W.  183, 196

Bachtin, Michail M.  69 Badiou, Alain  155, 187 Bann  26, 103, 107 ff., 128 ff., 144, 154, 157 ff., 165 f., 170, 172 f., 185 f., 239, 242, 244, 248, 252, 254 Benjamin, Walter  20, 102, 104, 109 ff., 142, 191, 219 Bentham, Jeremy  197, 200 Bin Laden, Osama  183 f.

Ebke, Thomas  131 Entdifferenzierung  91, 94, 120, 127, 130, 136, 139, 143, 145, 175, 202, 212, 226, 239 Epiktet 105 Epistemic communities  48, 52, 54, 63, 75, 88, 150, 215, 237 Europäische Menschenrechtskonvention  81, 193, 195, 207

Case law  146 Codierung  49, 71, 150, 209, 220, 239 Cook, Guy  69 Däniken, Erich von  119 Datenbank  27 f., 152 f., 155, 209, 211, 235, 239, 257 Datenmatrix 154 Dialektik –– Begriff  19, 85 f. –– Inhalt-Form 225 Differenziertheit  41, 83 f., 214 Djik, Teun A. van  59, 69 Doktrin  45 f., 53, 146, 224 Doppelstruktur 116 Dringlichkeitszustand  110, 191

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Personen- und Sachverzeichnis

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte 207 Exklusion  108, 116, 126, 128, 139, 206 Faulenbach, Björn F.  45 Feuilletonismus  100, 168, 235 Fish, Stanley  69 Flüchtling –– Begriff 179 –– Forschung 165 –– Kontexte  15, 129, 135 f., 200 f., 206, 213 Fortschreibung  90 ff. Foucault, Michel  20 f., 102, 113 ff., 123, 128, 131, 138, 140, 177, 181, 187, 189, 192 f., 197, 200, 205 ff., 222 Frankfurter Schule  208 Frege, Friedrich L. G.  144 Freud, Sigmund  177, 196 Gated communities  113, 136, 204 Gedankenexperiment 201 Gehring, Petra  138 Gemeinschaftserfahrung 170 Genfer Recht  177, 184 Genozidforschung  170, 184 Geulen, Eva  103 ff., 117, 135 Globalität  16, 22, 30 f., 38, 40 ff., 81 f., 106, 117, 129, 137, 141 f., 201, 209 Gouvernementalität  115, 174, 207 Grice, Herbert P.  69 Grotius, Hugo  37, 212 Grundlagenforschung  24 f., 29 ff., 41, 147, 210, 231 ff. Grundlagentext  52 ff. Grundlagenwissen  29, 40, 53 Guantánamo Bay Naval Base  113, 135, 177, 186, 202 Haack, Stefan  186 Haager Recht  177, 182 Häberle, Peter  25, 54, 62 ff., 72, 74 ff., 85 ff., 92 ff., 148, 150, 159, 174, 189, 210, 214, 237 ff. Habermas, Jürgen  19, 37, 47, 77, 85, 211 Hard law  205 Hardt, Michael  181 Hart, Herbert L. A.  36 Hegel, Georg W. F.  21, 217

Heidegger, Martin  20, 102, 129 Heller, Hermann  86 Henninger, Hartmut  234 Hilfsmittel  27, 43, 46, 176, 215, 221 f., 224, 227, 231, 233, 240 Historizität  82 f., 135, 223 Hobbes, Thomas  109 Holland, Norman  69 Holocaust  100, 177 Homo Sacer  18 ff., 26, 99, 101, 103, 106 ff., 125 ff., 140, 142, 144 f., 154, 157, 159, 164 f., 169, 172, 180 ff., 191 f., 214, 235, 239 f., 241, 244, 248, 252 f. Homo-Sacer-Projekt  18 ff. Horkheimer, Max  19 IBM SPSS 154 IGH-Statut  32, 43 ff. Impliziter Leser  60 f., 96 Induktion  41, 78 f., 85, 201 Ingarden, Roman  61, 66, 69, 84 Inklusion  108, 116, 139 Interdisziplinarität  19, 24, 61, 143, 171, 224 Interkontextualität  214, 222 Internationaler Gerichtshof  43, 46 f., 55, 57, 80, 95, 215 Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte  81, 184, 195 Internationaler Pakt über wirtschaftliche, ­ soziale und kulturelle Rechte  81 Intertextualität  50 f., 61, 78, 175, 237 Iser, Wolfgang  59 f., 69 Jauß, Hans R.  58, 60, 66, 174, 190 Jellinek, Georg  63, 169 Jhering, Rudolf von  106 Joas, Hans  40 Justitium  107, 111, 134, 179, 194 Kant, Immanuel  21, 36 f., 54, 179 Kaufmann, Arthur  37 Kelsen, Hans  37 Kiesow, Rainer M.  126 f., 142 Kintsch, Walter  59, 69 Klassikertext  54 ff. Kommunikation –– Gemeinschaft  48, 52, 54, 71 f., 75, 94, 159, 215, 223, 225, 229, 232

Personen- und Sachverzeichnis –– Nicht-literarische  69, 72 f., 88, 90, 95, 222, 238 f. –– Prozess  16, 50 f., 59, 73, 75, 91, 132, 156, 163, 173, 184, 186, 190, 209, 223 ff., 229, 233 f., 236 ff. –– Raum  75, 95, 150 Kommunikator  59 f., 221 Komparativität  84 f., 214 Komplexität –– Begriff  17, 24, 41, 71, 79 f., 99, 148, 160, 210 –– Reduktion  120, 123 Konsens  16, 30 ff., 40, 42, 44, 46 ff., 74, 92, 146, 148, 205, 215 f., 226, 231, 233 f. Kontext –– Kultureller  67, 75, 86 –– Verflechtung  17 f., 23, 110, 226 f., 229, 232, 240 Kotzur, Markus  35, 46, 54, 137 Kritische Rechtslehre  208 Kuhn, Thomas S.  213 Kultur –– Bedingtheit  31, 67, 75 f., 85, 89, 92, 96, 98, 144, 159, 162 f., 189 f., 216, 239 –– Begriff  65, 81 –– Gespräch  16 ff., 215, 226, 236 –– Raum  17, 23, 64, 187 –– Vergleichung  25, 90 –– Völker  16, 32, 43, 80, 95, 101 Kurnaz, Murat  186 Laclau, Ernesto  187 Lager  21, 26, 103, 112 ff., 135 ff., 144, 154, 157 ff., 169 f., 172 f., 199 ff., 213, 239, 242, 246, 250, 252, 255 Lasson, Adolf  216 Lebenssachverhalt  25, 30 ff., 41 f., 46, 78, 84, 86 f., 117, 143 f., 147, 163, 166, 190, 192, 195, 213, 236 Lebenswelt  70, 73, 76 ff., 80, 82, 84, 87, 177, 198, 209, 213 Lefort, Claude  187 Legitimation  21, 117, 194, 198 Lehrmeinung  32, 35, 43 ff., 50, 55, 119, 172, 180, 226, 237 Leibniz, Gottfried W. 5, 197 Lemke, Thomas  139 f. Letztbegründung  178, 208, 210

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Linguistik  69, 91 ff., 96, 132 Locke, John  36 Logik  48, 72, 92, 103, 107, 123, 145, 148, 190, 201, 228 Loick, Daniel  191 Lorey, Isabell  20 Luhmann, Niklas  79, 81, 83, 91, 99 Marchart, Oliver  119, 123 Mehrebenensystem  39, 50 f., 129 Menschenrechte  21, 137, 141, 174, 177, 194, 207 Menschenwürde 137 Metapher  55, 107, 128, 163, 183, 219 Metatheorie  58, 69, 215 f. Methode –– Begriff 26 –– Lehre  35, 46 f. –– Philologisch/philosophisch archäologische  104, 119, 169 –– Rezeptionstheoretische  49, 60, 68 ff., 151 –– Völkerrechtsphilosophische  38 ff., 73 ff., 146 Mommsen, Theodor  106 Morlok, Martin  51 Motivation  75, 181 Murray, Alex  99, 135 Muselmann  113, 121 Nacktes Leben  22, 26, 99, 103 ff., 114 f., 122 ff., 131, 144, 154 ff., 162 ff., 172, 176 ff., 209, 211, 214, 234, 239 f., 241, 243, 247, 252 f. Nancy, Jean-Luc  108, 187 Naturrecht 127 Negri, Antonio  181 Nichtregierungsorganisation  179, 203 Nómos  111, 113 f., 169 f., 200 Norm –– Bildung  34, 38, 224 –– Bindungswirkung 195 –– Durchsetzung  34, 39 –– Geltung  39, 57, 59, 121, 133, 171, 193 ff., 205, 226, 231, 236 –– Suspendierung  112, 121, 134, 195 –– System  30, 40, 46, 80, 236 Objektivität  41, 76 f. Ockhams Rasiermesser  97

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Personen- und Sachverzeichnis

Öffentlichkeit  42, 47, 75, 77, 106, 137, 163, 193, 209, 215, 237 Ontologie  21, 76, 121 f. Optical Character Recognition  153 Paradigma  62, 103, 109, 112 f., 115, 119, 124, 132, 135 ff., 141, 193, 199 ff., 213, 228 Philosophie –– Angelsächsische  19, 145 ff., 162, 167, 214, 218, 239 –– Begriff  35 ff. –– Kontinentaleuropäische  145 ff., 160, 168, 214, 218, 225, 239 Plagiat 94 Platon  177, 197 Popper, Sir Karl R.  18, 48 Postmoderne  20, 101, 147, 161, 181, 196, 199, 207, 212, 219, 227, 235 Poststrukturalismus  212, 215 Prinzip/-ien –– Beispiele  16, 22, 32, 34, 69, 77, 138, 231 –– Ordnung/System  38, 42 f., 50, 57, 95, 184, 216, 218, 228, 237 –– Orientierung  15, 80, 86, 125, 151, 163, 173, 183, 193, 237 –– Theorie  29, 33, 43 f., 97, 215 –– UN-Prinzipiendeklaration 42 Prognose  27, 87 f., 158 f. Publikum  59, 111, 221 Pufendorf, Samuel von  37 Quelle –– Arbeit  49, 132, 215, 226 –– Recht  16, 32 –– Rechts-/Erkenntnis  16, 43 ff., 64, 141, 224, 226, 237 –– Schrift/Text  16, 23, 27, 117, 119, 151 ff., 235, 237, 239 Quinn, Naomi  69 Radbruch, Gustav  169, 227 Rawls, John  21, 36 Re-Produktion  65, 93 Realitätsbezogenheit  86 f., 214 Rechtsfigur 107 Rechtsschutzregime  15, 21, 42, 47, 137, 139, 141 f., 164 Rechtsstillstand  107, 111, 179, 194 f.

Rezeption –– Begriff  60 f. –– Empfangende 60 –– Konstanzer Schule  60 –– Mehrfachrezeption  63, 159, 174 –– Modell, allgemeines juristisches  62 ff.; kulturelles  68 ff.; juristisch-kulturelles  57 ff., 73 ff. –– Überkreuzrezeption  63, 189 f., 199 Rhetorik  121, 192, 199, 231 Rousseau, Jean-Jacques  36, 131, 197 Rumelhart, David E.  69, 71 Sakralisierungseffekt  20, 52, 123, 216 Sarasin, Philipp  20 Saussure, Ferdinand de  66 Schank, Roger C.  69 Schema –– Begriff 71 –– Theorie  61, 69 ff. Schmitt, Carl  37, 102, 108 ff., 119, 128, 133, 187, 192, 198 Scholem, Gershom  109 Schwelle  27, 103, 215, 219 ff. Searle, John R.  69 Selektion  59, 73, 120 f., 134, 156, 170, 173, 210, 229 Sextus Pompeius Festus  106 Signifikanz 157 Simma, Bruno  80 Sinn –– Konstruktion  73, 77, 83, 91, 163 –– Potenzial  17, 55, 61, 96, 105, 121, 127, 133, 151, 167, 173, 190 –– Stiftung  55, 96 Sitte/-n  43, 139, 188, 225 Smith, Adam  197 Soft law  40, 45, 205 Sokrates 105 Souveräne Macht  22, 103, 105, 109 f., 115, 130 ff., 154, 157, 166 ff., 172, 186 ff., 214, 239, 242, 245, 249, 252, 254 Souveränität –– Bio-Souveränität  109, 132, 137, 167, 207 –– Gleichheit 31 –– Lehren  109, 187 –– Paradox  21, 109, 131

Personen- und Sachverzeichnis –– Selbstbindung  131 f., 137, 188 –– Verhältnisbestimmungen  103, 109 f., 115, 130 ff., 142, 144, 154, 166 ff., 186 ff., 207, 235, 239 f., 242, 245, 249, 252, 254 Sperber, Dan  59, 69 Sprachbild  24, 28, 107, 163, 165, 169, 176, 184, 204, 228 Spreen, Dierk  124 Staat –– Gewalt  19, 36, 109, 111, 114 f., 134, 186 ff., 197, 207 –– Gleichheit  31, 167, 198 –– Immunität 198 –– Kooperation  15 f., 42, 132, 184, 206 –– Volk 131 –– Westfälisches Staatensystem  30 Staff, Ilse  119 Steinhauer, Fabian  127 Stichprobe  122, 147, 153, 155, 157 ff., 209, 211, 233, 235, 239 Stierle, Karlheinz  60 Stoa 197 Strafrecht –– Allgemeines  36 f., 179 –– Altrömisches  106, 125, 177 –– Todesstrafe 179 –– Völkerstrafrecht  64, 138, 182 f., 184 Strasen, Sven  26, 62, 68 ff., 74 ff., 85 ff., 148, 159, 210, 238 f. Strauss, Claudia  69 Subjekt-Objekt-Trennung 210 Subsumtion 145 Synthese  41, 68, 77 f., 85, 199 Systemhaftigkeit  40, 77, 103 f., 148 f. Terrorismus  112, 182 ff., 230 Terz, Panos  26, 35, 73 ff., 238 Text –– Begriff  49 ff. –– Gattungen  51 f. –– Stufenparadigma 62 Text-Kontext-Modell  69 f. Text-Leser-Wirklichkeit  50 f., 78, 156, 163, 171, 198, 209, 234 Theorie –– Bildung  33, 36, 50, 52, 62 –– Rezeption  58, 60, 68 f.

299

Transdisziplinarität  24, 35, 39, 58 f., 62, 68, 73, 94, 143, 204, 209, 236 Übergang  78, 103, 193, 203, 219 ff., 237, 240 UN-Charta  15 f., 31, 42, 167, 183, 194 Unbestimmtheitsstellen  61, 66 f., 73, 84, 229 Ununterschiedenheit [auch Ununterscheidbarkeit]  103, 120, 124, 135, 143, 145, 203 Urheber 90 Ursache-Wirkung-Kette  71, 93, 148, 160, 210, 223, 226 Vasilache, Andreas  123 ff., 181 Vattel, Emer de  37 Vereinte Nationen  15, 22, 32, 34, 42, 47, 167, 203 Verosta, Stephan  80 Vitoria, Francisco de  212 Völkerrechtsphilosophie –– Begriff  35 ff. –– In statu nascendi  17, 22, 35, 231 f., 236 –– Kritik  37 ff. Völkerrechtssatz  30, 46, 236 Völkerrechtsschrifttum  151 f. Völkerrechtssubjekt  15, 31 ff., 46, 48, 132, 137, 186, 198, 216 Warning, Rainer  60 Weber, Max  106 Wert/-e –– Allgemeines  15 f., 41, 227 –– Beispiele  34, 80 –– Entscheidung  80, 131, 219 –– Lehre  36, 54, 79 f. –– Ordnung/System  31, 34, 40, 42, 47, 65, 75, 80, 138, 201, 236 –– Vorstellung  20, 40, 44, 52, 60, 64, 66, 94, 141 f., 217 Wiedererkennungswert  54, 63, 107, 165, 174, 235 Wiener –– Kongress 31 –– Übereinkommen über das Recht der ­ Verträge  32, 42, 48, 80, 138

300

Personen- und Sachverzeichnis

–– Übereinkommen über diplomatische ­ Beziehungen 182 Wille  32, 34, 40 f., 49, 61, 64, 128, 130 ff. Wilson, Deirdre  59, 69 Wirklichkeitswissenschaft  86, 223 Wissen  29, 40, 49, 52, 67, 69 ff., 74, 77 ff., 83 ff., 91, 141, 144, 150, 153, 170, 175, 219 f., 225 f., 239

Wittgenstein, Ludwig  173, 211 Wolff, Christian  197 Zajtay, Imre  59 Zeitgeist  31, 63, 100 f., 147 f., 174, 188, 233, 238 Zitat  17, 94, 156 Zoē  21, 103 ff., 123