Gewalt und Heil: Bildliche Inszenierungen von Passion und Martyrium im späten Mittelalter 9783412217105, 9783412222390

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Gewalt und Heil: Bildliche Inszenierungen von Passion und Martyrium im späten Mittelalter
 9783412217105, 9783412222390

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SENSUS. STUDIEN ZUR MITTELALTERLICHEN KUNST

SENSUS. STUDIEN ZUR MITTELALTERLICHEN KUNST HERAUSGEGEBEN VON ULRICH REHM BRUNO REUDENBACH BARBARA SCHELLEWALD SILKE TAMMEN

BAND  5

GEWALT UND HEIL

BILDLICHE INSZENIERUNGEN VON PASSION UND MARTYRIUM IM SPÄTEN MITTELALTER

DARIA DITTMEYER

BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN ·  2014

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften in Ingelheim am Rhein, der Hamburgischen Wissenschaftlichen Stiftung sowie der Wilhelm-Dähn-Stiftung

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://portal.dnb.de abrufbar.

Umschlagabbildung: Stefan Lochner, Apostelmartyrien, Detail: Martyrium des hl. Petrus, um 1435, Frankfurt a. M., Städel Museum © Städel Museum – Artothek

© 2014 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Korrektorat: Claudia Holtermann, Bonn Satz: Punkt für Punkt · Mediendesign, Düsseldorf Druck und Bindung: Finidr, Cesky Tesin Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in the EU ISBN 978-3-412-22239-0

Inhalt

Vorwort ...................................................................................................................... 9

I

Einleitung: „Haec carnis cruciatio est animae salvatio“ .................................... 11

1 Definition des Untersuchungsgegenstands ............................................................ 12 1.1 Thematische Eingrenzung des Bildmaterials ................................................... 13 1.2 Eingrenzung des Untersuchungsgebiets und -zeitraums .................................. 16 1.3 Gattungsübergreifender Materialbefund ......................................................... 17 2 Gliederung, Methoden und Fragestellungen ......................................................... 20 3 Forschungsstand ................................................................................................... 21 3.1 Gewalt ........................................................................................................... 22 3.2 Mediale Gewalt .............................................................................................. 23 3.3 Hindernisse der bisherigen Forschung: Mittelalterklischees und Fehlvorstellungen über das Verhältnis von Bild und Realität ........................... 26 II Passion und Martyrium: Ästhetik und Darstellung ........................................... 31 1 Der gepeinigte Gott und die christliche Schönheitsmetaphysik ............................. 31 1.1 Der Sündenfall: Ursache der Gewalt und der Gewalt gegen Gott ................... 31 1.2 Die humilitas und deformitas Gottes ............................................................... 33 1.3 Augustinus’ Rechtfertigung des niedrigen Stils und der hässlichen Form ........ 34 1.4 Von Pseudo-Dionysius Areopagita bis ins Hochmittelalter ............................. 38 2 Verständnis und Darstellung der Passion ............................................................... 40 2.1 Die Entwicklung der Passionsdarstellungen von der Spätantike bis ins Hochmittelalter ................................................................................... 40 2.2 Die Etablierung eines neuen Passionsverständnisses und die Folgen für die Kunst .................................................................................................. 43 3 Das Martyrium: Kontinuität der Gewalt ............................................................... 46 3.1 Begriff und Tradition des Martyriums ............................................................ 46

6 Inhalt

3.2 Hagiographie .................................................................................................. 48 3.3 Das Grundschema der mittelalterlichen Märtyrerlegende ............................... 52 3.4 Text und Bild ................................................................................................. 54 4 Die Frage nach dem Warum ................................................................................. 55 III Gewaltdarstellungen – Determinanten und Strategien der Inszenierung  ................................................................................................. 57 1 Täter – Opfer – Zuschauer ................................................................................... 57 2 Kategorien der Gewalt im Kontext von Passion und Martyrium ........................... 60 3 Die Darstellung der Christenfeinde in den spätmittelalterlichen Bildern ................. 61 3.1 Physiognomie, Gebaren und Kleidung im Bild ............................................... 62 3.2 Die Vorstellung vom Körper als Spiegel der Seele ........................................... 64 IV Körperliche Gewalt gegen Jesus und die Märtyrer in der spätmittelalterlichen Tafelmalerei ............................................................ 67 1 Einleitende Bemerkungen zu Komposition und Stil der Gewaltbilder ................... 67 2 Motive und Aspekte spätmittelalterlicher Gewaltdarstellungen ............................. 68 2.1 Die Kreuzigung .............................................................................................. 69 2.2 Das Erhängen ................................................................................................. 79 2.3 Die Geißelung ................................................................................................ 84 2.4 Die Enthauptung ........................................................................................... 93 2.5 Die Schindung ............................................................................................... 105 2.6 Die Ausdärmung ............................................................................................ 114 2.7 Die Steinigung ............................................................................................... 117 2.8 Die Radmarter ............................................................................................... 124 2.9 Feuermartern .................................................................................................. 127 2.10 Massensterben: das Martyrium der 10.000 Christen ................................... 133 2.11 Eucharistische Bezüge in Martyriumsdarstellungen ..................................... 142 2.12 Fragmentierung und Zusammenführung des Körpers ................................. 145 2.13 Fazit ............................................................................................................ 149 3 Körperlicher und seelischer Schmerz ..................................................................... 150 3.1 Der Ausdruck von Schmerz im Mittelalter ..................................................... 151 3.2 Die Repräsentation von Schmerz in spätmittelalterlichen Darstellungen der Passion und der Heiligenmartyrien ........................................................... 152 3.3 Der Schmerz der Märtyrer in der Theorie und in den literarischen Beschreibungen .............................................................................................. 160 3.4 Zur Rolle von Schmerz hinsichtlich der Wirkung von Gewaltdarstellungen ....................................................................................... 166 3.5 Zum Verhältnis von Kunst und Gewalt .......................................................... 169

Inhalt 7

V Der Topos der Entblößtheit ................................................................................ 174 1 Die Entblößung und Entblößtheit Christi in der Passion ...................................... 175 2 Die Entblößtheit der Heiligen .............................................................................. 181 2.1 Nacktheit, Entkleiden und Bekleiden ............................................................. 181 2.2 Martyrienbilder als ‚religiöse Pornographie‘? Zeitgenössische und aktuelle Wahrnehmungen ............................................................................................ 184 2.3 Entblößte Märtyrerinnen: Grundzüge der Legende und bildliche Darstellung .................................................................................................... 186 3 Ergebnisse ............................................................................................................. 193 VI Beleidigungen als Form ‚seelischer Gewalt‘ ........................................................ 195 1 Begrifflichkeiten und Erscheinungsformen ........................................................... 195 1.1 Zum Verhältnis körperlicher und seelischer Gewalt ........................................ 195 1.2 Beleidigungen durch Gesten und gestische Handlungen ................................. 197 2 Akte seelischer Gewalt in Passionsdarstellungen .................................................... 199 2.1 Die Verspottungen als komplexe Aktionen seelischer Gewalt .......................... 199 2.2 Emblematische Gesten mit beleidigender Funktion ........................................ 205 2.3 Die Repräsentation von Schandmusik ............................................................ 213 3 Akte seelischer Gewalt gegen die Märtyrer ............................................................ 217 4 Ergebnisse ............................................................................................................. 220 VII Die Inszenierung der Gewalt im Medium des Flügelretabels – drei Fallbeispiele ................................................................. 221 1 Stefan Lochners „Weltgerichtsretabel“ – Wiederholung und Variation der Gewalt ............................................................................................................ 222 2 Das „Breslauer Barbararetabel“ – das Heiligenleben als imitatio vitae Christi ......................................................................................... 226 Exkurs: Zur Funktion der Hagiographie ............................................................... 233 3 Der Bartholomäus-Zyklus des Hans von Geismar – zur Mehrdeutigkeit bildlichen ‚Erzählens‘ ............................................................................................ 235 Bildteil ....................................................................................................................... 241 Schwarz-Weiß-Abbildungen ........................................................................................ 243 Farbabbildungen ......................................................................................................... 281 VIII  Die verborgene Schönheit der Gewalt ............................................................. 313

8 Inhalt

Anhang ....................................................................................................................... 317 Abkürzungsverzeichnis ................................................................................................ 317 Literaturverzeichnis ..................................................................................................... 318 1. Verwendete Bibel-Ausgaben .............................................................................. 318 2. Gedruckte Quellen ........................................................................................... 318 3. Sekundärliteratur .............................................................................................. 320 4. Lexika und Nachschlagewerke .......................................................................... 365 Abbildungsnachweis .................................................................................................... 367 Namens- und Ortsregister ........................................................................................... 374 1. Namensregister ................................................................................................. 374 2. Ortsregister ....................................................................................................... 381

Vorwort

Die vorliegende Arbeit wurde 2012 vom Fachbereich Kulturgeschichte und Kulturkunde der Universität Hamburg als Dissertation angenommen. Für die Druckfassung wurde das Manuskript leicht überarbeitet. Nach 2011 erschienene Literatur konnte nur in Ausnahmefällen berücksichtigt werden. Die Entstehung dieser Arbeit von der ersten Idee bis zur Fertigstellung haben viele Personen begleitet und verschiedene Institutionen ermöglicht: Mein Doktorvater Bruno Reudenbach und meine Zweitgutachterin Charlotte SchoellGlass haben mich von Anfang an zu dem Projekt ermutigt und standen mir für Gespräche jederzeit zur Verfügung. Bei dem Bemühen um finanzielle Förderung haben mich beide tatkräftig unterstützt. Ein Promotionsstipendium nach dem Hamburgischen Gesetz zur Förderung des wissenschaftlichen und künstlerischen Nachwuchses erlaubte es mir, zwei Jahre lang finanziell unabhängig zu forschen. Katharina Guhl, Antje Karrasch, Magdalena Schulz-Ohm und Nicola Weber haben meine Arbeit gründlich und kritisch gelesen sowie den Entstehungsprozess über Jahre hinweg mit großer Anteilnahme begleitet. Silke Tammen stand mir für fachlichen Austausch zur Verfügung. Durch ihre bemerkenswerte Kollegialität und ihr Fachwissen unterstützten mich außerdem meine Mitdoktorandinnen Nina Cahill, Anna Degler, Jeannet Hommers, Miriam Marotzki, Natalja Mischenin, Judith Rauser, Daniela Wagner und Bärbel Witt-Braschwitz. Des Weiteren haben mir zahlreiche andere Institutionen und Personen auf ganz unterschiedliche Weise geholfen. Ihnen allen gilt mein herzlichster Dank! Aufrichtig gedankt sei auch folgenden Stiftungen, ohne deren großzügige finanzielle Unterstützung meine Arbeit nicht in der gedruckten und reich bebilderten Form hätte erscheinen können: der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften, der Hamburgischen Wissenschaftlichen Stiftung und der Wilhelm-Dähn-Stiftung (hier insbesondere Margrit Pietsch). Den Herausgebern von sensus bin ich dankbar für die Aufnahme in ihre Schriftenreihe, dem Böhlau-Verlag für die Betreuung der Publikation und das Lektorat des Manuskripts. Schließlich bedanke ich mich bei meinen Eltern und meinem Ehemann für ihr Vertrauen in mich. Hamburg, im Dezember 2013

I  Einleitung: „Haec carnis cruciatio est animae salvatio“

Dem Bericht der „Legenda aurea“ zufolge ließ der Präfekt Olibrius die hl. Margarethe nach ihrer Weigerung, den Göttern der Heiden zu huldigen, an der Folter aufhängen „und so grausam mit Ruten schlagen und darnach mit eisernen Kämmen ihr das Fleisch bis auf die Gebeine abzerren, daß das Blut wie aus einem klaren Quell von ihr floß“1. Beim Anblick der einst so schönen und nun äußerlich versehrten Jungfrau weinten die Anwesenden und rieten ihr, endlich ihrem „Unglauben“ abzuschwören. Als Reaktion hierauf rügte die Heilige die Zuschauer und verkündete: „diese Pein des Fleisches ist das Heil der Seele“2 – „haec carnis cruciatio est animae salvatio“3. Die Gleichsetzung von der Pein des Fleisches (carnis cruciatio) und dem Heil der Seele (animae salvatio) verweist auf ein ästhetisches Problem, das dem christlichen Glauben immanent ist und das in den Bildern, die in der vorliegenden Arbeit untersucht werden, deutlicher als in allen religiösen Texten zum Tragen kommt: Es handelt sich um spätmittelalterliche Darstellungen der Passion Christi und der Heiligenmartyrien aus dem Gebiet nördlich der Alpen, die durch die Aggressivität und Grausamkeit der Täter sowie die Deformierung der Opferkörper auf den modernen Betrachter vielfach abschreckend wirken, die jedoch auf die Schönheit der christlichen Offenbarung verweisen sollten und den Zweck hatten, den mittelalterlichen Christen in seinem Glauben zu stärken sowie ihn in der Hoffnung auf das ewige Heil im Jenseits zu einem tugendhaften Leben in den Niederungen des Diesseits zu motivieren. So zeigt ein steirisches Flügelretabel von um 1455/60 (St. Georgen ob Murau/Österreich, Pfarrkirche St. Georg; Farbabb. 1 b) die schöne Jungfrau Margarethe, deren entblößter Oberkörper von ihren Peinigern durch Eisenhaken malträtiert wird und der bereits mit blutenden Wunden übersät ist; während der versonnene Blick der keinerlei Schmerz ausdrückenden Märtyrerin sich schon auf das jenseitige Heil zu richten scheint, wendet sich der Präfekt im Vordergrund rechts in auffallender Weise von dem grausigen Anblick ab, so wie es auch die Legende berichtet.4

1 Legenda aurea (= Benz 1925, S. 464). 2 Ebd. 3 Legenda aurea (= Graesse 1846, S. 401). 4 Vgl. ebd., S. 464: „Da bedeckte der Praefect sein Angesicht mit seinem Mantel, denn er mochte so viel Blut nicht mehr fließen sehen.“ Zu diesem Detail der Vita Margarethes in der mittelalterlichen Legende vgl. auch Lewis 2000, S. 79 ff.

12 Einleitung

Die bildlichen Darstellungen konfrontieren den Betrachter mit der Niedrigkeit des visuell Wahrnehmbaren, das jedoch für eine verborgene Schönheit und Wahrheit steht, die nur mit den ‚Augen des Herzens‘5 gesehen werden kann, das heißt: an die einfach geglaubt werden muss. Im späten Mittelalter entstand nördlich der Alpen eine nahezu unüberschaubare Menge derartiger Darstellungen der Passion und der Martyrien. Die Gewaltakte gegen Jesus und die Märtyrer gehörten zu den zentralen Motiven der Kunst. Besonders auffällig ist der Befund für die Tafelmalerei, die als mediale Gattung im Westen unvermittelt um 1200 auftrat und sich schnell etablierte. Schon in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts entstanden in Deutschland die ersten Flügelretabel,6 die neuartige Möglichkeiten der Inszenierung auf dem Bildträger und innerhalb des Kirchenraums boten.7 Vom Ende des 14. bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts erreichten die Gewaltdarstellungen aus den thematischen Kontexten Passion und Martyrium in der Tafelmalerei eine außerordentliche Quantität und Qualität – dabei ist zu bedenken, dass sich nur ein Bruchteil der ursprünglichen Produktion erhalten hat.8 Die Gewaltszenen nehmen im Gesamtprogramm der Flügelretabel oftmals großen Raum ein, vor allem innerhalb von Passionszyklen oder Heiligenviten.9 In ihrer künstlerischen Umsetzung sind sie von außerordentlicher Drastik.10 Trotz dieses Befunds wurde bislang keine systematische Analyse dieser Gruppe von Bildern vorgenommen – diese Forschungslücke zu schließen, ist das Ziel der vorliegenden Arbeit.

1  Definition des Untersuchungsgegenstands Die vorliegende Untersuchung geht von einem objektiv feststellbaren bildlichen Phänomen aus: dem gehäuften Auftreten von Gewaltszenen in den Kontexten Passion und Martyrium   5 Vgl. Eph 1,18. Die Vorstellung von den ‚Augen des Herzens‘ findet sich bereits bei Ovid, die Formulierung ‚Augen der Seele‘ schon bei Cicero und Platon. Häufig finden sich die occuli cordis dann bei Augustinus, Hugo von St. Victor und Bernhard von Clairvaux, ebenso in der höfischen Minne. Siehe Heimplätzer 1953, S. 74 ff.   6 Der zur Bezeichnung eines Retabels gebräuchliche, aber falsche Begriff ‚Altar‘ wird im Folgenden vermieden, auch wenn er sich zur Bezeichnung bestimmter Werke etabliert hat. Siehe dazu Schlie 2002, S. 57. Problematisch ist auch die Integration des Begriffs in Notnamen anonymer Meister (z. B. ‚Meister des Breslauer Barbara-Altars‘); aufgrund der Geläufigkeit der Namen wird in solchen Fällen ‚Altar‘ als Namensbestandteil beibehalten.   7 Zu den Gründen für die Entstehung und Etablierung der Bildtafel Klotz 1998, S. 255 ff.; zum Medium des Flügelretabels Hofstätter/Briesenick 1965, S. 79 ff.; Klotz 1998, S. 262 f.; Reudenbach 1999; weiterführend jüngst Rimmele 2010.   8 Die Verlustrate lässt sich nicht genau beziffern, liegt jedoch wohl deutlich unterhalb der kursierenden Zahl von 98 oder 99 %. Siehe zu dieser Frage zusammenfassend Wolf 2002b, S. 306.   9 Außerhalb von Flügelretabeln (z. B. autonome Tafeln, Antependien, Reliquienkästen) sind auf Tafeln gemalte Darstellungen von Passion und Martyrium nur selten zu finden. 10 Der im Rahmen dieser Untersuchung häufig verwendete Begriff ‚Drastik‘ bzw. ‚drastisch‘ bezieht sich gemäß seines Ursprungs im 18. Jh. zur Bezeichnung wirkungsvoller Heilmittel in der Medizin auf die Wirkung der künstlerischen Darstellung. Siehe Art. ‚drastisch‘, in: Deutsches Fremdwörterbuch, Bd. 4, S. 902–905, 902.

Definition des Untersuchungsgegenstands  13

in der spätmittelalterlichen Tafelmalerei. Der Rahmen der Untersuchung ist damit bereits weitgehend durch das Phänomen selbst vorgegeben, soll im Folgenden aber präzisiert werden.

1.1 Thematische Eingrenzung des Bildmaterials Die Darstellung von Gewaltereignissen, wobei die Opfer die wichtigsten Vertreter des christlichen Glaubens sind, verbindet die Bilder der Passion und der Martyrien. Der Blick auf das Phänomen der Gewalt soll helfen, die Bilder über das rein Ikonographische hinaus wahrzunehmen.11 Dazu bedarf es zunächst einer Definition des zugrundeliegenden Gewaltbegriffs.

Der Gewaltbegriff Der Terminus ‚Gewalt‘ ist durch seine Vielschichtigkeit und Weite sowie die mit ihm verbundenen negativen Emotionen, die eine deskriptive Begriffsverwendung erschweren, geprägt. Besonders in der deutschen Sprache besitzt der Begriff wenig Präzision. Im Mittelalter wurde unter dem deutschen Wort ‚Gewalt‘ vor allem rechtmäßige Herrschaft, lat. potestas, verstanden.12 Erst im Spätmittelalter traten zuvor zwar vorhandene, aber unterdrückte Bedeutungen des Gewaltbegriffs im Sinne von Stärke und Kraft, lat. vis, und körperlicher Gewalt, lat. violentia, stärker in den Vordergrund.13 Die Entwicklung verlief von einem Kompetenzbegriff zu einem Aktionsbegriff.14 Das deutsche Wort Gewalt war aber im Sinne körperlicher Gewalt in Mittelalter und früher Neuzeit noch tendenziell positiv konnotiert; dies lässt sich anhand der Rechtssprache nachweisen: Sollte ein negativer Anklang entsprechend dem lateinischen violentia zum Ausdruck kommen, so musste dies durch hinzugesetzte Adjektive wie ‚eigen‘, ‚selbst‘, ‚wider Recht‘, ‚unbillig‘, ‚unbefugt‘ u. Ä. kenntlich gemacht werden.15 Heute ist die Verwendung des Begriffs im Sinne von als unrechtmäßig verstandener körperlicher Gewalt entsprechend dem lateinischen violentia vorherrschend. Der Gewaltbegriff wird daher moralisch wertend aufgefasst, ruft spontane Ablehnung hervor und entbehrt damit eines deskriptiven, wertneutralen Charakters.16 Ist der Begriff schon seit dem späten Mittelalter durch die drei Bedeutungsfelder potestas – vis – violentia geprägt, erfuhr er im Gewaltdiskurs der 1970er Jahre eine weitere Aus11 12 13 14 15 16

Gewalt wird also nicht als historisches Phänomen untersucht. Hofmann 1985, S. 268 ff. Faber 1982, S. 835 ff.; Imbusch 2002, S. 28 ff.; vgl. auch Röttgers 1974. Neidhardt 1986, S. 114. Hofmann 1985, S. 268 ff.; Neidhardt 1986, S. 124. Imbusch 2002, S. 28 f. formuliert, der Begriff ‚Gewalt‘ erfasse einerseits wertneutral ein soziales Verhältnis, andererseits bezeichne er moralisch wertend eine Aktion; mit der zunehmenden Ausdehnung des Begriffs wie z. B. im Sinn von ‚struktureller Gewalt‘ ist aber auch die Beschreibung sozialer Verhältnisse nicht mehr rein deskriptiv.

14 Einleitung

dehnung, die heute kritisch gesehen wird. Johan Galtung warf die Fragen auf, „wieso es für etwas, das als Gewalt definiert werden soll, einen identifizierbaren Täter [in Form einer Person] geben muß“17 und „ob diese Gewalt unbedingt dem menschlichen Körper zugefügt werden muß [...] – Warum sollte man Gewalt, die dem menschlichen Geist, der Psyche – oder wie man es nun nennen will – zugefügt wird, nicht dazurechnen?“18 Gewalt liege auch dann vor, „wenn Menschen so beeinflußt werden, daß ihre aktuelle somatische und geistige Verwirklichung geringer ist als ihre potentielle Verwirklichung.“19 Galtung lehnte damit die Beschränkung auf einen körperlichen, intersubjektiven und vorsätzlichen Gewaltbegriff ab. Die unter Bezugnahme auf Galtung vorgenommene Erweiterung des Gewaltbegriffs ist im Kontext gesellschaftlicher Entwicklungen zu sehen und in ihrer gesellschaftskritischen Absicht durchaus verständlich. Aus ihr resultierte jedoch eine starke begriffliche Unschärfe, die dazu führte, dass Gewalt schließlich „beinahe jedes Verhältnis charakterisieren kann, das als ungerecht, asymmetrisch, Schaden verursachend usw. empfunden wird“20. Vor allem die empirische und soziologische Gewaltforschung geriet dadurch in eine Sackgasse, so dass es hier bald Bestrebungen zur Rückkehr zu einem engen, auf die physische Dimension beschränkten Gewaltbegriff gab, der die Basis für zukünftige Analysen und Untersuchungen bilden sollte.21 Heinrich Popitz trat für eine Rückkehr zum Bedeutungskern ein: „Wir wollen den Begriff der Gewalt nicht dehnen und zerren, wie es üblich geworden ist. Gewalt meint eine Machtaktion, die zur absichtlichen körperlichen Verletzung anderer führt“22. Die vorliegende Arbeit versteht Gewalt als intersubjektiven, vorsätzlichen Akt, basierend auf einem körperlichen Verständnis. Unter Beibehaltung der Bedingungen Intersubjektivität und Vorsätzlichkeit wird der Begriff in dieser Arbeit aber auch in metaphorischer Bedeutung verwendet, nämlich im Falle der ‚seelischen Gewalt‘. Der Grund für diese Erweiterung des Gewaltbegriffs liegt im Gegenstand der Untersuchung selbst: Die Passion Christi wird bereits im Bericht der Evangelien als Einheit von Aktionen geschildert, die sich gegen den Körper und die Seele Jesu bzw. seine Ehre richten. Physische und seelische Gewalt stehen gleichberechtigt nebeneinander bzw. gehen ineinander über. Exemplarisch hierfür ist die Zweite Verspottung,23 die sich aus physischer Gewalt wie der Dornenkrönung sowie Beleidigungen als Form seelischer Gewalt zusammensetzt. In den spätmittelalterlichen Darstellungen der Passion kommt seelischen Gewaltakten eine über den biblischen Bericht weit hinausgehende 17 18 19 20

Zitiert nach Neidhardt 1986, S. 129. Zitiert nach ebd. Kritik hieran von ebd., S. 129 ff. und Popitz 1986. Galtung 1975, S. 9. Braun/Herberichs 2005 (Einleitung), S. 15; vgl. auch Wimmer 1996, S. 8: „Keine Abhängigkeit, keine Bedingung, die die individuelle Freiheit des einzelnen begrenzt oder einschränkt und die nicht dem Willen und Wirken der Subjekte entsprungen ist und ihnen gehorcht, ist von dem Verdacht frei, ein Gewaltverhältnis zu verbergen.“ 21 Neidhardt 1986; Popitz 1986; von Trotha 1997b, S. 14. Auch in der Rechtswissenschaft ist im letzten Drittel des 20. Jhs. zunächst eine Ausdehnung in Form einer Entmaterialisierung des Gewaltbegriffs feststellbar, die jedoch verfassungswidrig war und eine erneute Einengung erforderlich machte. Krey 1986; Neidhardt 1986, S. 131 ff. Zum heutigen Gewaltbegriff im Strafrecht: Küper 2008, S. 171. 22 Popitz 1986, S. 73. 23 Zur Differenzierung zwischen Erster und Zweiter Verspottung siehe unten, Abschnitt VI.2.1.

Definition des Untersuchungsgegenstands  15

Bedeutung zu. Eine Präzisierung der Begriffe ‚Beleidigung‘ und ‚seelische Gewalt‘ erfolgt in Kapitel VI.

Passion und Martyrium Episoden aus dem Leben Jesu und der Heiligen waren im späten Mittelalter der meistverbreitete Gegenstand bildlicher Darstellungen narrativen Gehalts. Dabei fällt die Häufigkeit gewaltförmiger Szenen auf, die das diesseitige Ende des Gottessohnes und der Märtyrer markieren. Die in dieser Arbeit behandelten Werke sind heilsgeschichtliche Ereignisbilder.24 In der Regel zeigen sie mehrere Figuren in einer Interaktion, die als Täter und Opfer in einem Gewaltverhältnis zueinander stehen. Wie in Kapitel II verdeutlicht werden wird, ist die Zentralität der Gewalt in der christlichen Religion durch den Kreuzestod Christi von vornherein angelegt, wobei es im späten Mittelalter durch ein verändertes Verhältnis des Gläubigen zu Jesus zu einer Betonung dieses Aspektes in der Theologie und Frömmigkeit kommt. Die thematische Ausrichtung dieser Arbeit auf die Themen Passion und Martyrium bedeutet eine Konzentration auf die wichtigsten Protagonisten der christlichen Heilsgeschichte. Gewalt tritt in diesem Kontext als negativ bewertetes Phänomen auf, das von den Feinden des christlichen Glaubens ausgeübt wird; die verübte Gewalt ist aber zugleich notwendig zur Herbeiführung von Erlösung und Heil für den gläubigen Betrachter. Dem Gewaltakt ist daher gegenüber seiner hässlichen Erscheinungsweise auch eine positive metaphysische Bedeutung eingeschrieben.25 Die Gewalt gegen Christus und die Heiligen ist hinsichtlich ihrer Bedeutungen und Funktionen von anderen christlichen Gewaltthemen abzugrenzen. Das zweite große Gewaltthema, das in der spätmittelalterlichen Malerei häufig dargestellt wurde, sind die Bestrafungen der Sünder in Fegefeuer und Hölle.26 Hier ist Gott selbst Initiator der Gewalthandlungen, die von Dämonen ausgeführt werden. Im Gegensatz zur Gewalt gegen Christus und die Heiligen handelt es sich um eine als gerecht zu verstehende Gewalt.27 Durch die parallele Analyse von Passions- und Martyrienbildern in dieser Arbeit werden Unterschiede und Gemeinsamkeiten in der Darstellung und damit der Bedeutung und 24 Der Begriff ‚Ereignisbild‘ ist dem des ‚Historienbildes‘ vorzuziehen. Bei Panofskys Einteilung in Andachts-, Repräsentations- und Historienbild vermischen sich formale und funktionale Gesichtspunkte (Panofsky 1927, S. 264 ff.). Die Zuweisung der Funktion des Erzählens – in Abgrenzung zur Andacht – zum Historienbild ist für das Mittelalter nicht haltbar, denn auch das ‚Historien-‘ oder besser ‚Ereignisbild‘ diente der Andacht. Kritik an Panofskys Begriffen bei Berliner 1956, S. 116, Anm. 13 u. passim; Ringbom 1965; Belting 1981, S. 69 ff.; Suckale 1990, S. 66 ff. 25 Siehe dazu Kapitel II. 26 Dazu Ausst.Kat. „Himmel, Hölle, Fegefeuer“ 1994. Vgl. z. B. Stefan Lochners „Weltgerichtsretabel“, Farbabb. 10 a. 27 Weitere christliche Gewaltthemen sind beispielsweise der Mord Kains an Abel, die alttestamentlichen Gottesstrafen oder Judas’ Selbstmord. Ihre Darstellungen im Bild werden nur zu Vergleichszwecken angeführt, um Erkenntnisse über den eigentlichen Untersuchungsgegenstand zu erlangen. Zum Spek­ trum mittelalterlicher Gewaltthemen siehe Tammen 2005.

16 Einleitung

Bewertung herausgearbeitet. Diese sind zwar je theologisch fundiert, werden im Medium des Bildes jedoch auf eine spezifische Weise sichtbar gemacht. Grundsätzlich ist bei den behandelten Werken das Gewaltgeschehen in einen narrativen Zusammenhang eingebunden, die Tat selbst steht unmittelbar bevor, ereignet sich aktuell oder hat sich ereignet. Hinweise auf die Gewalttat liefern dabei die Darstellung von Waffen (auch in Gestalt des Täterkörpers) bzw. Marterinstrumenten oder der physischen Folgen auf Seiten des Opfers.

1.2 Eingrenzung des Untersuchungsgebiets und -zeitraums Die innerhalb der Arbeit behandelte geographische und zeitliche Ausdehnung wird weitgehend durch den Untersuchungsgegenstand selbst bestimmt. Die Themen Passion und Martyrium treten in der Tafelmalerei nördlich der Alpen verstärkt seit dem Ende des 14. Jahrhunderts auf; zunächst werden vor allem Szenen aus der Passion dargestellt, dann vermehrt auch die Martyrien, besonders häufig in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Als eine Voraussetzung hierfür ist ein neues Passionsverständnis zu nennen, das sich im Hochmittelalter herausgebildet hatte; in seinem Zentrum stand das als Zeichen der göttlichen Liebe verstandene Leiden Jesu in der Passion, das compassio (Mitleiden) von den Gläubigen verlangte. Die Zeit der Reformation bildet den Endpunkt der Untersuchung; reißen auch die drastischen Darstellungen der Passion und der Heiligenmartyrien mit ihr nicht unmittelbar ab, wandeln sie sich dennoch merklich und sind bald – spätestens mit dem Beginn der Glaubenskriege und dem Tridentinum (1545–63) – unter neuen Voraussetzungen zu betrachten. Ging es doch nun zunächst besonders auch um die Betonung der Unterschiede zwischen Katholizismus und Protestantismus, gerade im Hinblick auf die Heiligenverehrung. Das Gebiet des gehäuften Auftretens solcher Darstellungen erstreckt sich in dieser Zeit insbesondere über das heutige Deutschland, Österreich und die Schweiz sowie Südtirol, Teile Polens, Tschechiens, der Slowakei, Ungarns und Sloweniens. Dass Gewaltmotive im Kontext der Themen Passion und Martyrium in der spätmittelalterlichen Malerei nördlich der Alpen und hier insbesondere im mitteleuropäischen Raum signifikant häufig und auffallend drastisch zur Darstellung kamen, wird durch den Vergleich mit der Tafelmalerei Süd- und Westeuropas augenfällig: Hier finden sich zur selben Zeit vergleichbare Darstellungen weitaus seltener. Dieser Umstand verdeutlicht, dass das veränderte Passionsverständnis, das sich maßgeblich auch in Italien entwickelte, keine alleinige Voraussetzung für die Entstehung drastischer Gewaltbilder im Kontext der Themen Passion und Martyrium sein kann. Die Spezifik der nordalpinen Darstellungen wird im Vergleich mit der italienischen Kunst des Quattro- und beginnenden Cinquecento besonders deutlich. Prominent in Szene gesetzte Darstellungen der Passion und der Martyrien auf Altarbildern stellen hier die Ausnahme dar.28 Fanden sie sich in den narrativen Freskenzyklen des Tre- und auch des Quat28 Diese Einschätzung wird bestätigt durch die Aufzeichnungen des Antonio de Beatis über die Reise eines römischen Kardinals durch Oberitalien, Frankreich, die Niederlande und Deutschland 1517–18; er stellt fest, die Darstellungen des Gekreuzigten und der mit ihm gekreuzigten Schächer, die man nördlich

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trocento noch relativ häufig,29 sind ihr Ort in der Tafelmalerei des Cinquecento vor allem die Predellen der Polyptychen und Pale, ihr Format ist dementsprechend klein. Auch die Art der Darstellung unterscheidet sich grundlegend von derjenigen nördlich der Alpen: Der Blick ist distanzierter, die perspektivische Darstellung von Raum und Landschaft rückt die gewaltsamen Ereignisse der Heilsgeschichte weniger in den Mittelpunkt. Im Unterschied dazu findet sich im 15. Jahrhundert eine größere Anzahl an von der Iberischen Halbinsel stammenden Beispielen, in denen das Martyrium eines Heiligen ausgedehnt auf mehrere Szenen und außerordentlich drastisch dargestellt ist. Wie die nordalpine und anders als die italienische Malerei zeichnen sich die Darstellungen durch Nahsichtigkeit aus, wobei sie die Exemplare aus dem Norden häufig noch an Drastik der dargestellten körperlichen Folgen übertreffen.30 Im Gebiet der heutigen Niederlande und Belgiens finden sich kaum Darstellungen von Gewalt im Rahmen von Passion und Martyrium.31 Auch aus Frankreich sind im Bereich der Tafelmalerei nur wenige Passions- und Martyriendarstellungen überliefert, während die französische Buchmalerei des 13. bis 15. Jahrhunderts reich an drastischen Gewaltbildern ist.32

1.3 Gattungsübergreifender Materialbefund Lange vor den Bildern wurden das Leben und Leiden Jesu und der Heiligen in Texten beschrieben. Bezüglich der Passion Christi waren dies lange fast ausschließlich der knappe neutestamentliche Bericht sowie einige apokryphe Schriften. Erst seit dem hohen Mittelalter entstanden in großer Zahl neue, detailliertere Beschreibungen seines Lebens. Die Martyrien der Heiligen hingegen wurden bereits seit den Märtyrerakten urchristlicher Zeit ausführlich der Alpen überall an den Straßen finde, seien so gemacht, dass sie nicht weniger terrore erweckten als Andacht. Nach Groebner 2003, S. 96 f. Eine Ausnahme ist z. B. das Altarbild von Vittore Carpaccio mit dem Martyrium der 10.000 Christen, 1515, Venedig, Galleria dell’Accademia. Andere Künstler wie Andrea Mantegna behandelten weniger schöne Motive vornehmlich in ihrem druckgraphischen Werk bzw. in Studien. 29 Vgl. das zusammengestellte Material bei Lavin 1990. 30 Z. B. Marzal de Sax, Georgsretabel, Valencia um 1400; London, Victoria and Albert Museum. Abb. in Kat. Victoria and Albert Museum 1973, S. 181. Signifikanterweise wird der Künstler in spanischen Dokumenten der Zeit als deutscher Maler bezeichnet. Ebd., S. 179. Bernardo Martorell, Georgsretabel, Paris, Louvre; Mitteltafel: Chicago, Art Institute. Abb. (Rekonstruktion) in Kat. Art Institute 2008, S. 83; Gonzalo Pérez, Barbararetabel, um 1420–30; Barcelona, Museu Nacional d’Art de Catalunya. Abb. bei Labuda 1984a, S. 46. 31 Seltene Beispiele sind Dierik Bouts’ „Vierteilung des hl. Hippolytus“ (um 1480; Boston, Museum of Fine Arts) und die „Schindung des hl. Bartholomäus“ (16. Jh.; Brügge, Brugse Vrije; Abb. bei Mills 2005, S. 81), Letzteres eine leicht modifizierte Kopie von Gerard Davids „Urteil des Cambyses“ (1498; Brügge, Groeningemuseum; Abb. 68 bei Mills 2005), das die Schindung des korrupten Richters Si­samnes zeigt; interessant ist, wie durch minimale Veränderungen die negative Figur (Sisamnes) zu einer positiven (Bartholomäus) wird: Sisamnes, der zu Recht leiden muss, zeigt Schmerz, der Märtyrer nicht. 32 Z. B. das Andachtsbuch der Madame Marie, Ende 13. Jh. – siehe dazu den nächsten Abschnitt und Abb. 29 a–c. Des Weiteren die „Belles Heures“ des Jean de Berry von den Brüdern Limburg, um 1405– 09, New York, Metropolitan Museum, The Cloisters. Siehe hierzu Meiss/Beatson 1974; Tammen 2003.

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beschrieben und legendarisch ausgestaltet.33 Das Präexistieren der Texte bedeutet jedoch keine Abhängigkeit der Bilder von diesen – das Bild unterliegt eigenen medialen Bedingungen; der narrative Bilderzyklus stellt immer eine eigene Version der Erzählung dar, was unvermeidbar ist, da vor der bildlichen Umsetzung ein Selektieren des Textes und ein Einteilen in Sequenzen stattfinden muss.34 Im Hoch- und Spätmittelalter ist eine Vielzahl an Gewaltdarstellungen in der Buchmalerei entstanden. Diese waren vielfach prägend für die Entwicklung von Bildtraditionen, wie wir sie in der spätmittelalterlichen Tafelmalerei finden. Sie variieren in der Art ihrer bildkünstlerischen Umsetzung stark: Teils wird der Gewaltakt in neutraler Weise, als nahezu mechanischer Vorgang gezeigt;35 ist der Täter dabei nicht als besonders negativ charakterisiert, ist eine moralische Wertung des Geschehens durch das Bild selbst weitgehend reduziert. Daneben finden sich gerade in der Buchmalerei aber auch Beispiele außerordentlich extremer Gewaltdarstellung, zum Beispiel im „Leben Jesu und der Heiligen“ der Madame Marie (Ende 13. Jahrhundert; Paris, BnF; Abb. 29 a–c),36 das sich durch die Anschaulichkeit der Gewaltfolgen auf der Seite des Opfers sowie durch die mittels ihrer Physiognomie und Mimik als abstoßend charakterisierten Täter auszeichnet. Der Rezeptionskontext ist im Falle der Buchmalerei grundlegend von dem der im Mittelalter vorwiegend öffentlichen Tafelmalerei zu unterscheiden: Es handelt sich um ein vorrangig privates Medium, das intensive Kontemplation des Einzelnen erlaubt; durch die Kombination mit einem beschreibenden Text kann die Wirkung der bildlichen Darstellung zusätzlich unterstützt werden. Häufig sind das Leben und die Passion der Märtyrer und später auch Christi Gegenstand der Wandmalerei geworden. Ihre Blütezeit war die Romanik, bedingt durch große zur Verfügung stehende Wandflächen in den romanischen Kirchenbauten und durch den Umstand, dass sich die Tafelmalerei als Medium im Westen noch nicht etabliert hatte. Der Bestand ist schwer zu überschauen, denn die Werke wurden vielfach in späterer Zeit übermalt oder befinden sich heute in einem schlechten Erhaltungszustand, da die nördlich der Alpen bevorzugte Secco-Technik weniger haltbar war als die des Freskos. Mit der Gotik und der zunehmenden Auflösung der Wandfläche verlor die Wandmalerei an Bedeutung und in der Regel auch an Qualität.37 Ein spätes, herausragendes Beispiel – das einzige der Hochgotik in Deutschland für die Gesamtfassung eines größeren Innenraumes – sind die Malereien im Nonnenchor des Klosters Wienhausen, entstanden um 1335.38

33 Dazu unten, Abschnitt II.2 u. II.3.2–4. 34 Siehe dazu Kemp 1987, S. 37, 119 ff.; Hahn 2001, S. 45 ff. 35 Z. B. Federzeichnung des Martyriums des hl. Jakobus d. Ä. aus den „Vitae et passiones apostolorum et sanctorum“, Regensburg-Prüfening um 1175; München, BSB, Clm 13074, fol. 55v. Abb. in Ausst.Kat. „Regensburger Buchmalerei“ 1987, Tf. 113. 36 Siehe hierzu Stones 1997 u. Stones 1999. 37 Klotz 1998, S. 241 f. 38 Der untere, umlaufende Fries, der sich direkt über dem Chorgestühl befindet, zeigt Szenen mit den Martyrien weiblicher und männlicher Heiliger. Michler 1968 (zur Datierung S. 62 ff.); Mohnhaupt 2000, S. 149 ff.

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Mit dem gotischen Kirchenbau beginnt die Zeit der Glasfenster, in deren Bildprogrammen Passions- und Martyrienszenen häufig vorkommen. Wie die Wandmalereien des Klosters Wienhausen ist die typologische Deutung der Ereignisse durch ihr Verhältnis zum Gesamtprogramm bemerkenswerter als die künstlerische Umsetzung der Gewaltmotive. Dies resultiert schon aus den Bedingungen der Rezeption, die durch eine große Distanz zum Betrachter bestimmt ist. Beispiele von Martyriendarstellungen in der Skulptur sind im späten Mittelalter sehr viel seltener als in der Tafelmalerei. Dazu trägt der Umstand bei, dass bei Flügelretabeln, wenn sie Werke der Skulptur und Malerei kombinieren, in der Regel der geöffnete Zustand 39 der Skulptur vorbehalten und zugleich seltener der Ort narrativer Themen war.40 Mit dem 15. Jahrhundert tritt die Druckgraphik als weiteres künstlerisches Medium auf den Plan. Insbesondere Ende des 15. und Anfang des 16. Jahrhunderts nahm sie bei der Darstellung der Passion und teilweise auch der Martyrien oftmals eine Vorreiterrolle gegenüber der Tafelmalerei ein. In ihr wurden neuartige Bildlösungen entwickelt,41 die für die Tafelmalerei zum Vorbild wurden. Ein Beispiel hierfür ist Dürers Holzschnitt „Martyrium der 10.000 Christen“ von um 1496 (Abb. 43).42 Die Tafelmalerei entwickelte Anregungen aus dem Bereich der Druckgraphik aber auch eigenständig weiter. Die vorliegende Arbeit konzentriert sich auf den Bereich der Tafelmalerei, da es hier innerhalb eines relativ fest umrissenen zeitlichen Rahmens zu einer auffälligen Häufung von Gewaltdarstellungen kommt. Im Vergleich zu anderen medialen Gattungen fällt neben der Quantität der Darstellungen die Drastik der motivischen Umsetzung auf, die insbesondere durch den Naturalismus, die negative Charakterisierung der Täter und die anschauliche Wiedergabe körperlicher Folgen beim Opfer erreicht wird. Des Weiteren bringt das Medium Besonderheiten der Rezeption mit sich: Die im Norden verbreitete Form des Flügelretabels bietet die Möglichkeit einer besonderen Inszenierung – im Medium selbst sowie innerhalb des Kirchenraums, durch seinen Ort über dem Altar und auch durch Einbeziehung in die Predigt.

39 Die Begriffe ‚Werktags-‘ bzw. ‚Festtagsseite‘ sind problematisch, da die Frage, wer wann die Flügel öffnete und schloss, aufgrund der Quellenlage nicht befriedigend geklärt werden kann. Siehe Reudenbach 1999, S. 32. Im Folgenden wird daher von ‚geöffnetem/geschlossenem Zustand‘ bzw. ‚erster/zweiter Wandlung‘ die Rede sein. 40 Ausnahmen sind z. B.: das „Katharinenretabel“ des Wilhelm Löffelholz (1462; Nürnberg, St. Sebald) mit den fast vollplastischen Szenen der Zerstörung des Rades und der Enthauptung Katharinas im Mittelschrein (Abb. bei Boockmann 1983, S. 59) und das „Georgsretabel“ in der Stadtpfarrkirche St. Nikolai zu Kalkar (um 1485) – im Mittelschrein vor einheitlicher Felsenkulisse simultan: Georg tötet den Drachen; Georg werden die Hände abgehackt, er soll vergiftet und gerädert werden; er wird gesotten, ihm wird die Haut mit Haken aufgerissen, Holzpflöcke werden in seinen Körper getrieben; er wird enthauptet. Abb. in Hansmann/Hoffmann 1998, Tf. II. 41 Vgl. exemplarisch Büttner 1993. 42 Dazu unten, Abschnitt IV.2.10.

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2  Gliederung, Methoden und Fragestellungen Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit ist das Phänomen des plötzlichen und häufigen Auftretens von Gewaltdarstellungen in der Tafelmalerei nördlich der Alpen. Diese Darstellungen wurden bislang nicht übergreifend untersucht. Dies verwundert auch, weil Gewalt eine zentrale Bedeutung innerhalb der christlichen Religion besitzt. Kapitel II behandelt die Ereignisse und Motive der Passion und des Martyriums vor dem Hintergrund einer ‚christlichen Ästhetik des Hässlichen‘. Dadurch soll herausgearbeitet werden, wie die spätmittelalterlichen Bilder, die in dieser Arbeit behandelt werden, ästhetisch gesehen ‚funktionieren‘. Die christliche Schönheitsmetaphysik ist durch die Hässlichkeit des Gottessohnes in der Passion geprägt und wurde maßgeblich von Augustinus legitimiert. Trotz der Rechtfertigung des Hässlichen durch den Kirchenvater bleibt der ästhetische Konflikt bestehen: Wie kann die Schönheit der christlichen Lehre durch das Leiden Jesu und der Märtyrer visualisiert werden? Zur Vergegenwärtigung dieses künstlerischen Problems wird die Entwicklung bis zur Herausbildung eines neuartigen Passionsverständnisses im 12. und 13. Jahrhundert skizziert. In Kapitel III werden allgemeine Überlegungen zur Gewalt und Gewaltdarstellung angestellt und auf die Passions- und Martyrienbilder bezogen. Anschließend wird die Darstellung der Täter behandelt, die hinsichtlich der Drastik des vorliegenden Bildmaterials von zentraler Bedeutung ist. Die Kapitel IV bis VI basieren auf einer breit angelegten Untersuchung spätmittelalterlicher Passions- und Martyriendarstellungen. Aus der Betrachtung des überlieferten und durch die Literatur zugänglichen Bildbestands heraus ergeben sich einzelne Motive und Aspekte, die sich als charakteristisch für den betrachteten Gegenstand innerhalb des gesetzten Zeitraums erweisen. In Kapitel IV werden zunächst körperliche Gewaltmotive bzw. bestimmte übergreifende Aspekte der spätmittelalterlichen Darstellungen untersucht. Dabei erfolgen eine ikonographische und motivgeschichtliche Einordnung sowie Überlegungen zu Bedingungen und Möglichkeiten der Inszenierung des konkreten Motivs im Medium des Bildes – gerade auch in Abgrenzung zum Text. Die Gewaltmotive aus den Kontexten Passion und Martyrium werden auch mit der spätmittelalterlichen Straf- und Hinrichtungspraxis in Beziehung gesetzt, um auf die Komplexität des Verhältnisses von Bild und Realität hinzuweisen und Aufschluss über die symbolische Bedeutung der Gewaltakte sowie ihre Wirkung auf den Rezipienten zu erhalten. Verständlich werden die Darstellungen freilich nur vor dem Hintergrund religiöser Haltungen und Praktiken ihrer Entstehungszeit. In Kapitel V wird der in den spätmittelalterlichen bildlichen Darstellungen häufig wiederkehrende Topos der Entblößtheit behandelt. Die Entblößtheit der Gewaltopfer ist motivisch zwischen der in Kapitel IV behandelten körperlichen Gewalt und der in Kapitel VI untersuchten ‚seelischen Gewalt‘ anzusiedeln. In den Bildern ist sie einerseits als Voraussetzung zur Durchführung bzw. Darstellung bestimmter Gewaltmaßnahmen zu begreifen, verweist aber zugleich auf den Aspekt der intendierten Demütigung mittels der Bloßstellung durch die Täter. Kapitel VI widmet sich dargestellten Beleidigungen, die als Form ‚seelischer Gewalt‘ definiert werden. Diese kommen vorwiegend in Bildern der Passion und nur selten in Martyri-

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umsdarstellungen vor. Behandelt werden dabei die im Neuen Testament beschriebenen Verspottungsepisoden, insbesondere die Zweite Verspottung, welche die Dornenkrönung einschließt. Daneben stehen vor allem beleidigende Gesten, die nicht auf den Bericht der Evangelien oder andere Texte zurückgehen, im Fokus des Interesses. Kapitel VII untersucht Gewaltdarstellungen im medialen Kontext des Flügelretabels. Dabei finden insbesondere werkimmanente Beziehungen Beachtung. Die gewählten Beispiele zeichnen sich durch die konzentrierte Präsentation von Gewaltmotiven und spezifische Strategien der Inszenierung innerhalb narrativer und nichtnarrativer Zusammenhänge aus. Die Arbeit befasst sich mit der Inszenierung von Gewaltmotiven im Bild unter besonderer Berücksichtigung theologischer Aspekte. Der eigentlich dem semantischen Feld des Theaters zugehörige Begriff der Inszenierung, der auch in den Titel der Publikation eingegangen ist, wurde gewählt, da er das absichtsvolle künstlerische Darstellen eines Stoffes in einer bestimmten Weise zur Erzeugung bestimmter Wirkungen auf den Rezipienten beschreibt43 – dazu gehören das Bild betreffend formale Aspekte wie Bildausschnitt, Perspektive, Formund Farbgebung sowie jegliche motivische Konkretisierungen, bezogen auf die Gewaltdarstellung zum Beispiel die aktuelle körperliche Verfasstheit des Opfers (versehrt/unversehrt) oder die Charakterisierung des Täters durch sein Gebaren. Der Inszenierungsbegriff dient somit dazu, die spezifischen medialen Möglichkeiten der bildlichen Darstellung in den Vordergrund und die noch immer dominierende Annahme einer Text-Abhängigkeit der mittelalterlichen Bildproduktion in Frage zu stellen. Während also die durch werkimmanente Aspekte erzeugte Wirkung auf einen abstrakt gedachten Betrachter eine wichtige Rolle bei der Analyse spielte, konnte der (äußere) Rezeptionskontext der einzelnen Werke keine Berücksichtigung finden. Dies ist wesentlich durch die Intention begründet, eine breit angelegte, im Wesentlichen nach Gewaltmotiven gegliederte Untersuchung vorzulegen. Zudem ist vielfach der originäre Aufstellungskontext der Retabel nicht überliefert oder gesichert, die historischen Rezipienten somit nicht fassbar. Um diesbezüglich tiefergehende Kenntnisse zu erlangen, wären weiterführende Untersuchungen nötig, die zudem das gesamte Bildprogramm in die Überlegungen einbeziehen müssten, die also weit über die behandelte Gewaltthematik hinausgingen. Für die zukünftige Forschung kann die vorliegende Arbeit jedoch als Basis dienen.

3 Forschungsstand Prinzipiell ist die in den letzten Jahrzehnten erschienene Literatur zu den Einzelthemen Gewalt, Passion und Martyrium – zumal losgelöst von ihrer medialen Inszenierung – uferlos. In den folgenden Abschnitten wird daher der Forschungsstand der einzelnen Themenkomplexe mit dem Fokus auf das Phänomen Gewalt dargelegt. Darüber hinaus wird auf zwei

43 Vgl. zum Begriff der Inszenierung Erika Fischer-Lichte: Art. ‚Inszenierung‘, in: Metzler Lexikon Theatertheorie, hrsg. von Erika Fischer-Lichte et al., Stuttgart/Weimar 2005, S. 146–153. ‚Inszenierung‘ entwickelte sich seit den 1980er Jahren zu einem allgemeinen ästhetischen Begriff. Ebd., S. 149 ff.

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verbreitete Fehlvorstellungen hingewiesen, die das Fortschreiten der mediävistischen Forschung gegenwärtig behindern.

3.1 Gewalt Dem Thema Gewalt ist in den vergangenen Jahrzehnten und besonders in den letzten Jahren von verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen große Aufmerksamkeit geschenkt worden. Am Anfang des zunehmenden Interesses stehen einige kulturanthropologische Arbeiten: Georges Bataille verdeutlichte in „Les larmes d’Éros“ (1961)44 anhand einer Auswahl von Bildern aus prähistorischer Zeit bis ins 20. Jahrhundert den grundsätzlichen Zusammenhang von Eros und Gewalt, die er je als anthropologische Konstanten betrachtet. Auf die Beziehung zwischen Religion und Gewalt ging René Girard in „La violence et le sacré“ (1972) sowie im daran anknüpfenden „Des choses cachées depuis la fondation du monde“ (1978) und später in „Le bouc émissaire“ (1982) ein.45 Parallel fand in den 1970er Jahren eine stärkere Auseinandersetzung mit dem Gewaltbegriff von Seiten der Soziologie statt.46 In den 1990er und 2000er Jahren entstanden zahlreiche Sammelbände, in denen das Thema Gewalt von verschiedenen Disziplinen und aus unterschiedlichen Perspektiven behandelt wird.47 Das Thema dieser Arbeit betreffend ist unter ihnen der von Manuel Braun und Cornelia Herberichs herausgegebene Band „Gewalt im Mittelalter. Realitäten – Imaginationen“ (2005) hervorzuheben.48 Die Beschäftigung mit dem Thema Gewalt in den Kultur- und Geisteswissenschaften ist im Kontext eines allgemein stärkeren Interesses am menschlichen Körper zu sehen.49 Für die mediävistische Forschung und die vorliegende Untersuchung sind die Arbeiten von Caroline Walker Bynum von besonderer Relevanz.50 Bynum arbeitet zwar hauptsächlich mit Schrift44 Bataille 1961. 45 Girard 1972; Girard 1978; Girard 1982. 46 Siehe oben, Abschnitt I.1. Galtung 1975; Neidhardt 1986; Popitz 1986; von Trotha 1997a; Sofsky 1996; Nedelmann 1997. 47 Exemplarisch: Volkskunde/Kulturanthropologie: Brednich/Hartinger 1995; Wimmer 1996; Mediale Gewalt (Kunst, Literatur, moderne Medien): Grimminger 2000; Hausmanninger/Bohrmann 2002; Dietrich/Müller-Koch 2006; Kunczik/Zipfel 2006; Seidensticker/Vöhler 2006; Zenck 2007a; Eming/ Jarzebowski 2008. 48 Braun/Herberichs 2005 – darin vor allem: Largier 2005; Schnyder 2005; Tammen 2005. 49 Der Begriff ‚Körper‘ kann dabei ganz verschiedenen Bedeutungen besitzen. Caroline Walker Bynum stellte fest: „In gewissem Sinn ist es natürlich falsch, »den Körper« zum Thema zu machen. »Der Körper« ist entweder überhaupt kein eigenes Thema, oder er umfaßt so gut wie alle Themen.“ Bynum 1995b, S. 1. Haubrichs 2002, S. 16 ff. kritisiert die inflationäre Verwendung des Körperbegriffs. Die unterschiedlichen Begriffe müssten semantisch systematisiert werden. Gemäß der verschiedenen Bedeutungsfelder unterscheidet er folgende Ansätze der Körperforschung: 1. Darstellung von Körperlichkeit; 2. Handeln mit dem Körper und durch den Körper; 3. Handeln am Körper; 4. Stadien des Körpers; 5. Theorie des Körpers; 6. Körper als Metapher in anthropomorpher Wahrnehmung. 50 Z. B. Bynum 1989; Bynum 1991; Bynum 1995a; Bynum 2007. Des Weiteren exemplarisch: Schreiner/ Schnitzler 1992; van Dülmen 1998; Le Goff/Truong 2003.

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quellen und Bilder dienen ihr nur zur Illustration, doch finden sich thematisch viele Anknüpfungspunkte zum Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit. Gewalt ist eine Aktion des Täters, die auf Seiten des Opfers die Emotion51 Schmerz hervorruft.52 Schmerz gehört daher untrennbar zum Themenkomplex ‚Gewalt‘ dazu. Dem Thema Schmerz wurde in den vergangenen Jahrzehnten und insbesondere in der letzten Dekade einige Aufmerksamkeit gezollt. Am Anfang einer kulturwissenschaftlichen Auseinandersetzung stand Elaine Scarrys „The Body in Pain“ (1985),53 das für die gegenwärtige Forschung immer noch einen wichtigen Referenzpunkt darstellt. Schmerz wurde von der Forschung als thematische Schnittstelle zwischen Geistes- und Naturwissenschaften erkannt und bildete daher auch den Gegenstand einiger interdisziplinärer Bemühungen.54 Er gilt heute als historisch, kulturell und psychosozial konstruiert.55 Für die Mediävistik sind die Arbeiten von Gerd Althoff und Esther Cohen von besonderer Relevanz: Althoff dekonstruierte die Vorstellung spontaner und heftiger Emotionen im Mittelalter56; Cohen widmete sich dem Thema Schmerz aus der Perspektive seiner Bewertung durch mittelalterliche christliche Autoritäten.57

3.2 Mediale Gewalt Von Gewalt als historischem oder anthropologischem Phänomen ist das Thema medialer Gewalt zu trennen. Mit ihr befassen sich neben der Kunstwissenschaft auch die Archäologie,58 die Literatur-,59 Medien-60 und Musikwissenschaft sowie hinsichtlich Fragen der Ethik und Wirkung auch die Pädagogik und die Psychologie. Die Beschäftigung mit Gewalt in den neuen Medien ist vielfach durch die Vermischung wirkungsästhetischer und ethischer Ansätze geprägt. Insbesondere seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 ist eine verstärkte Auseinandersetzung mit den Wechselbeziehun51 Zur Begriffsverwendung in dieser Arbeit siehe unten, Abschnitt IV.3. 52 Zum Forschungsstand der Emotionsforschung, insbesondere bezogen auf die Darstellung von Emotionen in den Künsten, siehe Herding 2004; für die Mediävistik besonders Schnell 2004. 53 Scarry 1985. 54 Bergdolt/Engelhardt 2000; Coakley/Shelemay 2007; Seeber/Stock 2010. 55 Morris 1991; Le Breton 2000; aus mediävistischer Sicht besonders relevant: Toellner 1992; Cohen 2000; Cohen 2009; Schiewer 2010. 56 Althoff 1996; Althoff 2004b. 57 Cohen 2003; auch Cohen 2000. 58 Exemplarisch: Borg 2006 (archaische und klassische Kunst), Muth 2008 (Athen, 6. u. 5. Jh. v. Chr.). 59 Exemplarisch: Zelle 1987; Krause 1997; Bohrer 1998; Bohrer 2000; Schnyder 2005; Philippi 2006; Zenck 2007b. In der Literaturwissenschaft ist die starke Tendenz zur Ausweitung des Gewaltbegriffs feststellbar. Siehe dazu unten, Abschnitt IV.3.5. 60 Exemplarisch: Rost 1994; Brinckmann 1995; Hausmanninger/Bohrmann 2002; Sontag 2003; Keppler 2006; Mieth 2006. Interessant im Hinblick auf das Thema der vorliegenden Arbeit ist der Sammelband Zwick/Lentes 2004, der sich mit Mel Gibsons Film „The Passion of Christ“ von 2004 aus kunsthistorischer und theologischer Sicht beschäftigt und dabei auf zahlreiche Parallelen zur spätmittelalterlichen Ikonographie bzw. Inszenierung in Passionsspielen hinweist.

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gen von Terrorakten und ihrer medialen Dokumentation sowie der Berichterstattung im Allgemeinen festzustellen.61 Fotografische und filmische Bilder, durch die Bilder des Terrors global verbreitet werden, werden als wesentlich für die Wirksamkeit von Terror in der Gegenwart angesehen. Hinsichtlich der Darstellung von Gewalt in modernen Medien (Fotografien, Film, Fernsehen und Printmedien) kann festgehalten werden, dass hier andere Voraussetzungen gelten als für die bildende Kunst. Prinzipiell ist eine Unterscheidung zwischen realer und fiktiver Gewalt notwendig.62 Charakteristisch für das Medium Film ist, dass fiktive Gewalt in gleicher Weise wie reale Gewalt zur Erscheinung gebracht werden kann.63 Die jeweiligen Wirkungsmechanismen sind dabei noch nicht grundlegend untersucht worden. Friedrich Weltzien wies in einem Aufsatz aus dem Jahr 200264 auf die drei grundsätzlichen Verbindungsmöglichkeiten von bildender Kunst und Gewalt hin. Diese könnten durch den Schaffensprozess, die Darstellung und die Wirkung bedingt sein. Die Bereiche seien dabei nicht immer scharf voneinander zu trennen, sondern gingen ineinander über oder bedingten sich gegenseitig. Hinsichtlich der vorliegenden Arbeit interessiert in erster Linie die bildliche Darstellung von Gewalt im Sinne von Gewaltaktionen. Umfangreichere Arbeiten sind diesbezüglich bisher vor allem mit Bezug auf die italienische Malerei des Manierismus und Barock entstanden.65 In dieser Zeit erlangten einige Motive66 und Themen67 besondere Beliebtheit. Neben der motivischen Begrenztheit ist auch der Kreis der in diesem Kontext relevanten Künstlerpersönlichkeiten überschaubar.68 Die Bilder sind zweifellos hinsichtlich der Art der Gewaltdarstellung und ihres Zusammenhangs mit dem kulturellen und sozialen Kontext ihrer Entstehung interessant, weisen jedoch wenige Gemeinsamkeiten mit den spätmittelalterlichen Darstellungen der Passion und der Martyrien auf.69

61 Exemplarisch: Baudrillard 1990; Lorenz 2004; Janzing 2005; Galli/Preußer 2006. 62 Dazu Keppler 1997; Keppler 2006. Reale Gewalt z. B.: (Presse-)Fotos/Videoaufnahmen eines Gewaltereignisses, Boxkampf im Fernsehen; fiktive Gewalt z. B.: Actionfilm, Reality Soap. Die Vielschichtigkeit der Beziehungen wird anhand von nachgestellten Szenen im Rahmen einer sich auf tatsächliche historische Ereignisse beziehenden Dokumentation deutlich. 63 Keppler 2006, S. 156. 64 Weltzien 2002. 65 Held 1996; Lang 2001; Uppenkamp 2004. Die Darstellung des leidenden Märtyrers in dieser Zeit steht im Gegensatz zum Märtyrer der Renaissance. Die Veränderungen von Motivik und künstlerischer Umsetzung sind im Kontext der Gegenreformation zu sehen. Held 1996, bes. S. 215. 66 Vor allem die Schindung und die Enthauptung. 67 Vor allem: Schindung des Bartholomäus, Apoll schindet Marsyas, Judith enthauptet Holofernes, David enthauptet Goliath, Enthauptung Johannes d. T. 68 Die behandelten Künstler sind hauptsächlich Caravaggio, Jusepe de Ribera und Diego Velázquez. 69 Sie unterscheiden sich aufgrund ihrer Entstehung in nachreformatorischer Zeit, ihres Charakters als privaten Auftragsarbeiten sowie aus formalen und motivischen Gründen. Dass es bei der Darstellung eines Martyriums in dieser Zeit vornehmlich um die Umsetzung eines bestimmten Gewaltmotivs geht, wird an der Austauschbarkeit mit mythologischen Themen (z. B. Häutung des hl. Bartholomäus, Häutung des Marsyas) deutlich.

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Darüber hinaus gerieten nur einzelne Künstler oder epochenübergreifend Themen und Motive in den Fokus einer kunsthistorischen Gewaltforschung.70 Hinsichtlich des Mittelalters lieferte Silke Tammen mit ihrem Aufsatz „Gewalt im Bilde: Ikonographien, Wahrnehmungen, Ästhetisierungen“ (2005)71 einen grundlegenden Forschungsüberblick über Gewaltdarstellungen in der Kunst und ihre thematischen Kontexte sowie mögliche Fragestellungen. Bezüglich der seit dem 12. Jahrhundert vermehrt auftretenden Darstellungen der Passion Christi und der Martyrien konstatiert sie eine Forschungslücke. Bislang wurden Passions- und Martyriendarstellungen vor allem unter ikonographischen Gesichtspunkten analysiert. Veränderungen in der Passionsikonographie des frühen und hohen Mittelalters hat Rainer Haussherr in seiner Untersuchung über das „Gerokreuz“ (1963)72 zusammengetragen. Die gesamte Entwicklung der Passionsikonographie findet sich bei Gertrud Schiller (1968).73 Auf die Bedeutung alttestamentlicher Textstellen für die spätmittelalterlichen Darstellungen der Passion wies James H. Marrow (1979)74 hin. Hervorzuheben ist daneben der jüngste Beitrag von Robert Suckale, der den ‚Volkreichen Kalvarienberg‘ als zentrale künstlerische Aufgabe des 15. Jahrhunderts aus umfassender Perspektive behandelt.75 Das Thema Martyrium ist in den letzten drei Jahrzehnten häufig Gegenstand von Untersuchungen geworden. Dabei finden sich jedoch vorrangig Beiträge zum Martyrium als historisch-kulturelles Phänomen76 sowie seiner Darstellung in der Literatur.77 Seltener sind Untersuchungen zu bildlichen Darstellungen der Martyrien erschienen, die sich nicht auf ein einzelnes Werk oder die Ikonographie eines einzelnen Heiligen beziehen.78 Übergreifende Analysen bestimmter Gewaltmotive innerhalb der Märtyrerikonographie wie zum Beispiel der Enthauptung oder vergleichende Darstellungen gibt es praktisch nicht. Einer der wenigen Beiträge, die sich auf bildliche Phänomene von Martyriendarstellungen beziehen, ist Bruno Reudenbachs Aufsatz über das unblutige Martyrium frühchristlicher Märtyrer in der 70 Keazor 1997 (zu Poussin); Brassat 2001 u. Heinen 2001 (zu Rubens); Ausst.Kat. „Apoll schindet Marsyas“ 1995 (mit Beispielen aus Renaissance und Barock); Ausst.Kat. „Das XX. Jahrhundert“ 1999, darin der Beitrag: Peter-Klaus Schuster/Andrea Bärnreuther: Die Gewalt der Kunst, S. 24–30 (problematischer, weil unscharfer Gewaltbegriff); Ausst.Kat. „Gewaltbilder“ 2002. Siehe auch den Tagungsband Pawlak/Schankweiler 2013. Eine umfangreiche Perspektive bei Wertheimer 1986 (einzelne Essays über Gewalt in Kunst und Kultur von der Antike bis ins 20. Jh.), hier S. 11: „[...] die Vielzahl potentiell möglicher Schreib- und Darstellungsmodi [soll] zumindest ansatzweise [...] in ihrer situativen Abhängigkeit von sie überlagernden politischen, ökonomischen, psychologischen Interessen [erfasst werden].“ 71 Tammen 2005. 72 Haussherr 1963. 73 Schiller 1968. 74 Marrow 1979. Daran anknüpfend Kemper 2006; grundlegend für Marrow: Ruh 1950; Pickering 1966. 75 Suckale 2009, Bd. 1, S. 13–88. 76 Diefenbach 2000; Burschel 2004a; Burschel 2004b; Feichtinger-Zimmermann 2004; Largier 2005; Weigel 2007a; Kraß/Frank 2008a. 77 Zur „Legenda aurea“ des Jacobus de Voragine: Barth 1981; Rhein 1995; Schirrmeister 2000; Lützelschwab 2008. Allgemein zu mittelalterlichen Legenden: Feistner 1995; Bachorski/Klinger 2002. 78 Zum Zeitpunkt der Manuskriptabgabe noch nicht erschienen: Carolin Behrmann/Elisabeth Priedl (Hg.): Autopsia: Blut- und Augenzeugen. Extreme Bilder des christlichen Martyriums, Paderborn 2014.

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hochmittelalterlichen Kunst.79 Weitere Untersuchungen sind vor allem anlässlich frühneuzeitlicher Martyriendarstellungen entstanden. Im Fokus steht hier den Wandel des Märtyrerideals infolge des Tridentinums.80 Hinsichtlich mittelalterlicher Märtyrerdarstellungen ist in der Forschung eine starke Quellenfixiertheit festzustellen. In Bestands- oder Ausstellungskatalogen wird vielfach lediglich die Legende nacherzählt und nicht beschrieben, was auf dem Bild tatsächlich zu sehen ist. Die spezifischen Möglichkeiten der Inszenierung, die das Bild gerade hinsichtlich des Gewaltmotivs besitzt, werden vernachlässigt. Das Phänomen Schmerz spielt unter zwei verschiedenen Gesichtspunkten für die vorliegende Arbeit eine Rolle: Erstens: Wie wird Schmerz im Bild dargestellt bzw. wird er überhaupt dargestellt und welche Rückschlüsse lassen sich aus der Art der Darstellung ziehen? Zweitens: Welche Rolle spielt das Phänomen Schmerz für die Rezeption von Gewaltdarstellungen? Warum leidet der Betrachter mit dem dargestellten Opfer mit, wie funktioniert die Emotionalisierung des Rezipienten durch dargestellte Gewalt, also durch einen gewusst fiktiven Gegenstand?81 Die komplexen bei der Rezeption ablaufenden Prozesse der Identifikation und Emotionalisierung sind bislang wenig untersucht; aus diesem Grunde werden hierzu in dieser Arbeit einige Überlegungen angestellt.

3.3 Hindernisse der bisherigen Forschung: Mittelalterklischees und Fehlvorstellungen über das Verhältnis von Bild und Realität Einer sinnvollen Auseinandersetzung mit der Darstellung von Gewalt in der mittelalterlichen Kunst standen und stehen ein Klischee und ein methodisches Problem im Weg, die einander gegenseitig als Argumente dienen: die Vorstellung eines finsteren, gewalttätigen Mittelalters und die damit einhergehende Annahme, die Gewaltbilder seien Reflexe der historischen Lebensrealität. Diese Forschungshindernisse sollen hier kurz skizziert werden, weil das Wissen um sie eine wichtige Voraussetzung für die Analyse mittelalterlicher Gewaltdarstellungen bildet.

Klischees über das Mittelalter Schon dem vielfach kritisierten Begriff ‚Mittelalter‘82 wohnt die Vorstellung der Andersartigkeit dieser Zeit sowohl gegenüber der Antike als auch der auf sie folgenden Epoche inne. Im Hinblick auf die Antike steht die Auffassung, dass die „Geschichte Christi [...] bei ihrem 79 Reudenbach 2010. 80 Herz 1988 (zu acht Märtyrerzyklen in Rom vom Ende des 16. Jhs.); Oy-Marra 2007 (zur nachtridentinischen Druckgraphik in Rom um 1600); Held 1996 (zu Caravaggios Märtyerbildern). 81 Zum Forschungsstand: Schnell 2004, S. 253 ff.; Borgards 2005. Zu den aufgeworfenen Fragen siehe Carruthers 1990; Carruthers 1997; Kasten 2002; Berns 2002; Berns 2004; Berns 2005; Borgards 2005a. 82 Eine eingehende Darstellung der Problematik und der Kritik am Begriff selbst bei von Moos 1994. Die negative Sicht dieser Zeit ist jedoch nicht an den Begriff gebunden. Die Festlegung von Epochengrenzen

Forschungsstand 27

Eindringen in das Bewußtsein der europäischen Völker deren Vorstellungen von dem Geschick des Menschen und seiner Darstellbarkeit von Grund aus verändert“83 habe, derjenigen von der Kontinuität des klassischen Erbes gegenüber.84 Angesichts einer durch Gleichzeitigkeiten geprägten historischen Realität kann aber weder das Etikett ‚Alterität‘ noch das der ‚Kontinuität‘ der Stellung der verallgemeinernd ‚Mittelalter‘ genannten Zeitspanne gegenüber dem Vorher und Nachher gerecht werden. Die Annahme von der Andersartigkeit des Mittelalters bildet den Ursprung sowohl eines negativen als auch eines positiven Bildes dieser Epoche.85 Das Klischee eines ‚finsteren Mittelalters‘ lässt sich bis in die Zeit des aufkeimenden Humanismus zurückverfolgen. Erstmals Petrarca (1304–74) formulierte die Vorstellung von der ‚hässlichen‘ Epoche, in der er selbst lebte, als Zeit zwischen der Antike und einer neuen, dieser wieder ähnlichen Zeit: „In medium sordes, in nostrum turpia tempus / Confluxisse vides.“86 In der Zeit der Aufklärung verfestigte sich diese Vorstellung. Jean-Jacques Rousseau beispielsweise geißelte im „Discours“ von 1750 das Mittelalter.87 Daneben bildete sich jedoch das romantische, verklärende Mittelalterbild des Antimodernismus heraus.88 Beide Mittelalterbilder existieren bis heute nebeneinander;89 es sind zu einem wesentlichen Teil Projektionen, die mehr über die Zeit ihrer Entstehung als über die mittelalterliche Realität aussagen. Jacob Burckhardt, der die Meinungsbildung von Historikern und Kunsthistorikern, aber auch einer breiteren Öffentlichkeit wesentlich prägte, vertrat nacheinander beide Mittelalterbilder.90 Eine stärkere Rezeption erfuhren allerdings die seinem 1860 erschienenen Werk „Kultur der Renaissance in Italien“ zu entnehmenden Äußerungen: Das Bewusstsein der mittelalterlichen Menschen habe unter einem Schleier gelegen, der „gewoben [...] aus Glauben, Kindesbefangenheit und Wahn“ gewesen sei.91 Im 20. Jahrhundert trugen zur Tradierung des negativen Mittelalterbildes die kulturhistorischen Arbeiten „Herbst des Mittelalters“ (1919)92 von Johan Huizinga und „Über den und -begriffen ist immer mit Problemen behaftet, aber auch notwendig, um über Historie überhaupt sprechen zu können. Vgl. Schreiner 1987. 83 Auerbach 1929, S. 20. 84 Prominente Vertreter der ersteren Auffassung sind Erich Auerbach und Hans Robert Jauß, der letzteren Ernst Robert Curtius. Vgl. Jauß 1977, S. 25, 30 f. 85 Siehe dazu Heinzle 1994 (Einleitung), S. 10. 86 Günther 1984, Sp. 785; siehe auch Varga 1932, S. 37 ff. 87 Brieskorn 1991, S. 18; Isaak Iselin sprach 1764 von den „finsteren Tagen“, Goethe 1772 vom „eingeschränkten, düstern Pfaffenschauplatz des medii aevi“. Rexroth 2005, S. 8. Goethes Ansichten über das Mittelalter sind jedoch insgesamt sehr differenziert und oszillieren zwischen Bewunderung und Ablehnung. Siehe Brieskorn 1991, S. 20 ff. 88 Z. B. bei Novalis: ebd., S. 25 ff. 89 Zeitgenössische Beispiele für ‚mittelalterlich‘ als Diffamierungsbegriff (z. B. in der Presse, aber auch in der Wissenschaft) sowie als positiv besetzter Begriff (Tourismus) bei Oexle 1992. 90 Dazu ebd., S. 16 f. Auf S. 172, Anm. 53 gibt Oexle kunsthistorische Arbeiten an, in denen sich die Rezeption von Burckhardts negativem Mittelalterbild niederschlägt. 91 In den 1880er Jahren lässt sich bei Burckhardt unter Einfluss der zeitgeschichtlichen Ereignisse eine positive Hinwendung zum Mittelalter feststellen. Ebd., S. 16 f. 92 Huizinga 1919.

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Prozeß der Zivilisation“ (1939)93 von Norbert Elias bei. Huizinga, Elias und andere vertraten die Auffassung, dass die Menschen im Mittelalter spontan und zügellos ihre Gefühle geäußert hätten. Gewalt, verstanden als Trieb oder Affekt, sei gesellschaftlich toleriert worden. „Die Grausamkeitsentladung schloß [im Mittelalter] nicht vom gesellschaftlichen Verkehr aus. Sie war nicht gesellschaftlich verfemt. Die Freude am Quälen und Töten anderer war groß, und es war eine gesellschaftlich erlaubte Freude.“94 Elias entwarf die Theorie eines zivilisatorischen Fortschrittsprozesses, in dessen Lauf Gewalt zunehmend sublimiert wurde. Indem Elias den Fokus auf Gewalt als das Triebhafte und zu Überwindende richtete, verkannte er aber sowohl die „Spezifik vormoderner Gewaltregulierung, als auch die latente Gewaltsamkeit des bürgerlichen Zeitalters“.95 Der Historiker Gerd Althoff dekonstruierte in seinen Arbeiten die scheinbar spontanen Ausbrüche von Gewalttätigkeit im Mittelalter als stark ritualisierte Verhaltensformen mit demonstrativer gesellschaftlicher Funktion und wirkte so dem Bild des triebhaften, unkontrollierten Menschen des Mittelalters entgegen.96 Innerhalb der Epoche, für die bezogen auf Deutschland gemeinhin die Zeitspanne von 800 bis 1517 veranschlagt wird,97 besitzt das Spätmittelalter, dessen Beginn zwischen dem Ende der Stauferzeit in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts und dem Abendländischen Schisma von 1378 angesetzt wird,98 einen besonders schlechten Ruf. Dem auf diese Phase gemünzten Begriff ‚gotisch‘ kam schon im 16. Jahrhundert eine ästhetisch-abwertende Bedeutung zu.99 Auch der Titel von Huizingas Studie über Lebens- und Geistesformen des 14. und 15. Jahrhunderts in Frankreich und in den Niederlanden, „Herbst des Mittelalters“, impliziert die Vorstellung des Spätmittelalters als einer Periode des Verfalls. Als Zeugen eines ‚grausamen Mittelalters‘ dienen auch heute noch stark vereinfachte Vorstellungen von der spätmittelalterlichen Straf- und Hinrichtungspraxis, die verbreiteter Meinung nach durch das irrationale Gottesurteil und grausame Foltermethoden geprägt gewesen sei.100 Dabei, so stellte Hartmut Boockmann fest, standen „Gottesurteil und Folter [...] im Mittelalter nicht nebeneinander, sondern die moderne Folter folgte auf das ältere Gottesurteil. [...] [D]ie Einführung der Folter zum Zwecke der Wahrheitsfindung [ist] nichts anderes als das Resultat eines Rationalisierungs- und Modernisierungs-Prozesses gewesen.“101 Auch das vielzitierte „Theater des Schreckens“ – die spektakuläre Inszenierung von Strafen und  93 Elias 1939. Kritisch dazu Schnell 2004, S. 225. Umfassende Kritik an Elias bei Duerr 1988–2005; Zinn 1989, S. 245 ff. Zur Kontroverse zwischen Duerr und Elias: Dinges 1998.  94 Elias 1939, Bd. 1, S. 268.  95 Braun/Herberichs 2005, S. 13.  96 Althoff 1994; Althoff 1998; Althoff 1999 u. andernorts.  97 Angenendt 1997a, S. 68.  98 Ebd.  99 Niehr 2005, S. 864 f. 100 Hierzu tragen auch allzu reißerische Buchtitel bei wie Dinzelbacher: Das fremde Mittelalter. Gottesurteil und Tierprozess (2006). 101 Boockmann 1987, S. 163. Unter dieser Voraussetzung sind auch die „Bambergische Halsgerichtsordnung“ von 1508 und Ulrich Tenglers „Laienspiegel“ aus dem gleichen Jahr zu sehen, in denen diverse Körperstrafen und Hinrichtungsarten, die uns heute grausam erscheinen, zusammengestellt sind. Die Autoren wollten Rechtssicherheit schaffen, nicht indem Folter abgeschafft, sondern rational eingeschränkt wurde. Zum Gottesurteil siehe auch Bartlett 1986.

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Hinrichtungen vor den Augen einer großen Öffentlichkeit – ist ein erst neuzeitliches Phänomen; selbst Hexenverfolgungen fanden zum größten Teil in nachmittelalterlicher Zeit statt.102 Als Ausdruck einer simplifizierenden Vorstellung insbesondere des späten Mittelalters sind auch zwei Begriffe zu sehen, die innerhalb der Kunstgeschichte noch immer tradiert werden: ‚Schaufrömmigkeit‘ und ‚religiöse Pornographie‘.103 Beide Begriffe sind lediglich Reduktionen historischer Wirklichkeiten und auf modernen Erfahrungen beruhende Projektionen. Der ältere Begriff der ‚Schaufrömmigkeit‘ bildete den Nährboden für die Entstehung des Neueren, dem insbesondere spätmittelalterliche Darstellungen in ihrem Martyrium nackter Heiliger als Argumente dienen müssen.

Zum Verhältnis von Bild und Realität Zu der Meinung, das Mittelalter sei der Gegenwart gegenüber konträr, nämlich finster und gewalttätig,104 trug und trägt auch das methodisch falsche Verständnis bildlicher Quellen bei. Gewaltdarstellungen aus verschiedenen Kontexten wurden und werden dabei als Spiegel der Wirklichkeit begriffen; häufig handelt es sich dabei um die grausamen Folterungen der Märtyrer. Alison Stone Nipples urteilte so über Martyriumsszenen in einem um 1300 entstandenen Andachtsbuch: „An exceptional degree of realism characterizes the treatment of these scenes and reveals a mentality that did not shrink from blood and gore.“105 Dem wohnt nicht nur eine klischeehafte Vorstellung über das Mittelalter inne, sondern zugleich eine irrtümliche und methodisch problematische Annahme über das Verhältnis von künstlerischer Darstellung und realen historischen Verhältnissen. Mediale Gewalt muss als solche von realer Gewalt differenziert werden.106 Die Passions- und Martyriendarstellungen, die in dieser Arbeit behandelt werden, haben nicht Gewalt zum Thema, sondern Heilsgeschichte, und können somit nicht unreflektiert auf einen Gewaltdiskurs ihrer Entstehungszeit übertragen werden. Die Parallelen zwischen Praktiken der spätmittelalterlichen Straf- und Hinrichtungspraxis und Motiven der Passions- und Martyriumsdarstellungen verleiten vielfach dazu, hier einen unmittelbaren Zusammenhang zu vermuten. Diese Tendenz findet sich zum Beispiel bei dem Rechtshistoriker Wolfgang Schild, der in seiner „Geschichte der Gerichtsbarkeit“ (1980)107 historische Fakten zum Teil mit spätmittelalterlichen Bildern von Heiligenmartyrien illustriert und dadurch jedenfalls implizit ein Spiegelverhältnis konstatiert. Noch weniger verzeihbar ist dieser Umgang mit Bildern einem Kunsthistoriker wie Lionello Puppi, der in „Lo splendore 102 Zur Rolle der zahlreichen Foltermuseen bei der Verfestigung der Vorstellung eines grausamen Mittelalters siehe Boockmann 1987. 103 Siehe dazu eingehend unten, Abschnitt V.2.2–3. 104 Diese Vorstellung erscheint schon angesichts der Geschichte des 20. Jhs., insbesondere der syste­ matischen Tötung von Juden und anderen während der NS-Zeit in Deutschland, geradezu höhnisch. 105 Stones 1999, S. 51. 106 Diese Auffassung nachdrücklich bei Muth 2008, S. 7 ff., 560 ff.; vgl. auch Keppler 1997 u. Seel 2000, S.  296 ff. 107 Schild 1980.

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dei supplizi“ (1990)108 auf methodisch fragwürdige Weise die Beziehung von Passions- und Martyrienbildern und der Realität der Strafpraxis behandelt. Valentin Groebner behauptete in seiner Arbeit über die visuelle Kultur der Gewalt im Mittelalter, Jesus sei im 15. Jahrhundert wie ein zeitgenössischer Delinquent wahrgenommen worden.109 Schon Samuel Y. Edgerton vertrat die Ansicht, dass „[b]y comparing the plight of the poor criminal on the scaffold with vividly realistic portrayals of martyred saints and Jesus’ suffering, Christians slowly became aware of their own inhumanity in practice“.110 Diese Sicht erscheint sehr vereinfachend und vernachlässigt zudem, dass die Strafpraxis in der frühen Neuzeit nicht gerade humaner, höchstens rationaler wurde. Natürlich lassen sich einzelne Aspekte betreffend immer wieder Parallelen zwischen den Bildern der Passion sowie der Martyrien und der Realität feststellen. So wies Mitchell Merback darauf hin, dass im 15. Jahrhundert die mit Jesus zusammen gekreuzigten Schächer durch ihre dargestellte Verrenktheit an Geräderte erinnerten, wodurch sie zwar formal im Kontrast zu Christus selbst stünden, zugleich aber darauf verwiesen, dass die antike Hinrichtungsmethode der Kreuzigung in ihrer Schändlichkeit der mittelalterlichen Räderung entsprochen habe.111 Kritisch gegenüber der Wahrnehmung von Gewaltbildern als Reflexe tatsächlicher Verhältnisse im Mittelalter äußerten sich vor allem Silke Tammen und Robert Mills.112

108 Puppi 1990. 109 Groebner 2003, S. 107. Als Beispiel führt er das Auseinanderzerren seiner Gliedmaßen am Kreuz durch Seile in Bildern und Passionsspielen an – dieses komme in der Bibel nicht vor, sei vom zeitgenössischen Betrachter jedoch problemlos als Verweis auf die im 15. Jh. praktizierte Streckfolter gedeutet worden. Die Vorstellung, dass die Gliedmaßen auseinandergezerrt wurden, ist jedoch auf eine Harmonisierung des Passionsberichts mit den Vorausdeutungen in Psalm 22(21),17–18 zurückzuführen: „Sie durchbohren mir Hände und Füße. / Man kann alle meine Knochen zählen“. Dazu Pickering 1966, S. 159; siehe auch unten, Abschnitt IV.2.1. 110 Edgerton 1985, S. 14. 111 Merback 1999. 112 Tammen 2005, S. 307 u. passim; Mills 2005, S. 8 ff.

II  Passion und Martyrium: Ästhetik113 und Darstellung

Aus christlicher Sicht ist Gewalt prinzipiell – wenn auch mit Ausnahmen – destruktiv und böse. Im Rahmen der Passion Christi und der Heiligenmartyrien kommen ihr jedoch auch positive Funktionen zu: Der Kreuzestod führte zur Erlösung der Menschheit von der Erbsünde, das Martyrium unmittelbar zum jenseitigen Heil desjenigen, der es erlitt. Mit den positiven Aspekten der Gewalt verbunden sind ästhetische Konflikte, die in der Leitfigur des inkarnierten Gottes begründet liegen und die insbesondere in den bildlichen Darstellungen wichtiger heilsgeschichtlicher Ereignisse zum Problem wurden.

1  Der gepeinigte Gott und die christliche Schönheitsmetaphysik Im Folgenden werden die Ereignisse der Passion Christi und der Heiligenmartyrien in die christliche Schönheitsmetaphysik eingeordnet. Im Anschluss daran wird die Entwicklung des Passionsverständnisses und der Passionsdarstellungen skizziert, in der sich der ästhetische Konflikt und die Möglichkeiten seiner Bewältigung manifestieren.

1.1 Der Sündenfall: Ursache der Gewalt und der Gewalt gegen Gott Der Sündenfall gilt der christlichen Religion als Ursache allen Übels.114 Das menschliche Erleben der Übel ist an den Körper gebunden, welcher seit der Vertreibung aus dem Paradies 113 Die Verwendung des Begriffs ‚Ästhetik‘ für das Mittelalter und die frühe Neuzeit ist zu Recht kritisiert worden, denn: „Das mittelalterliche Denken kennt [...] noch nicht die Verbindung der Begriffe Sinneswahrnehmung, Kunst und Schönheit, aufgrund derer wir seit Baumgarten den Terminus Ästhetik anwenden, und noch weniger die Auffassung der Kunst als einer menschlichen, subjektiven Schöpfung [...]. In der so verstandenen Ästhetik geht es uns um die philosophische Erörterung jener menschlichen Tätigkeit (Kunst), die auf Sinneswahrnehmung beruht und deren Kategorie das Schöne ist. Im Mittelalter sind die philosophische Theorie des Schönen, Kunsttheorie und Theorie der sinnlichen Wahrnehmung noch streng voneinander getrennt. Wer unter einer philosophischen Ästhetik die Einheit dieser Theorien versteht, dürfte sich daher [...] nicht dieses Terminus bedienen.“ Assunto 1961, S. 17; vgl. Danneberg 2003. Der Begriff hat sich dennoch in der mediävistischen Forschung etabliert. Schnell 2005, S. 377. 114 Dazu Schreiner 1992.

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ständiger Bedrohung bzw. Belastung ausgesetzt ist: Naturkatastrophen, Arbeit, Krankheiten, Fleischeslust, Schamgefühl usw. Der Sündenfall markierte für den Menschen den Übergang von einem geistigen zu einem körperlichen Stadium seiner Existenz, aus dem erst Lust und Unlust der körperlichen Empfindung hervorgehen konnten.115 So ist er auch die Ursache für das Entstehen von Gewalt, die sich sogleich in der Episode von Genesis 4,3–9 manifestiert, in der Kain seinen Bruder Abel erschlägt.116 Gott fordert jedoch auch Bereitschaft zur Gewalt: In Genesis 22 gebietet Gott Abraham, ihm seinen einzigen Sohn Isaak zu opfern. In letzter Sekunde hält er ihn davon ab, nachdem er sich von der bedingungslosen Folgebereitschaft Abrahams überzeugt hat. Hier geht es um die Bestätigung der potestas Gottes. Wie Elaine Scarry deutlich machte, ist im Alten Testament das Verhältnis zwischen Gott und den Menschen dadurch bestimmt, dass Letztere einen Körper haben, Ersterer hingegen nicht.117 Der Körper ist der Angriffspunkt physischer Gewalt. Der Gott des Alten Testaments verfügt nicht über einen Körper und kann daher nicht unmittelbar physische Gewalt gegen die Menschen ausüben. Die Anwendung von Gewalt ist aufgrund der Sündhaftigkeit der Menschen jedoch als Sanktion erforderlich. Gott bedient sich daher der Möglichkeit, durch Krankheiten, Plagen und Naturkatastrophen auf den menschlichen Leib einzuwirken. Das durch die Ursünde erzeugte Ungleichgewicht kann dadurch aber offenbar nicht ­wiederhergestellt werden. Aus der Sündhaftigkeit der Menschen resultiert daher die Notwendigkeit des größtmöglichen Opfers: Gott nimmt im Neuen Testament schließlich selbst einen Körper an, um sich durch diesen leibhaftig zum Opfer menschlicher Gewalt zu machen. Der irdische Körper steht somit im Christentum paradoxerweise zugleich für Sünde und Erlösung.118 Dadurch, dass Gott einen Körper annimmt, ändert sich das Verhältnis zwischen ihm und den Menschen sowie die Rolle der Gewalt im Neuen Testament grundlegend. Der inkarnierte Gott beweist seine potestas nicht mehr durch Naturgewalten und andere Strafen, die die Vernichtung oder Beeinträchtigung des menschlichen Körpers bewirken, sondern auf ganz andere Weise: durch Heilungswunder am Körper des Menschen.119 Jesus macht Lahme gehend, Blinde sehend und erweckt Tote zum Leben. Die Schädigung des menschlichen Körpers im Alten Testament kehrt sich in ihr Gegenteil. Die Inkarnation führt aber nicht nur zur Möglichkeit, in unmittelbarem Kontakt Wunder am Körper der Menschen zu wirken, sondern sie bildet auch die Voraussetzung für die Passion des Gottessohnes bzw. führte in direkter Konsequenz zu ihr hin. 115 Brown 1988, S. 399. Die Auffassung, die Möglichkeit des Empfindens von Schmerz sei eine Folge des Sündenfalls, findet sich z. B. bei Augustinus. Lössl 2002, Sp. 588. 116 Beide strebten nach der Liebe Gottes, woraus Rivalität zwischen ihnen erwuchs. Rivalität ist René Girard zufolge der Grund für das Entstehen von Gewalt zwischen den Menschen: Während das Tier durch Triebe gelenkt werde, sei der Mensch unbestimmt und offen in seinem Strebevermögen. Wenn zwei Menschen aber dasselbe anstreben, würden sie zu Rivalen, woraus zwangsläufig Gewalt erwachse. Girard 1972, 1978 und 1982; vgl. Lohfink 1983b, S. 44 ff.; Kraß/Frank 2008. 117 Ausführlich dazu Scarry 1985, S. 273 ff. 118 Dem Körper kommt damit im Mittelalter keineswegs nur negative Bedeutung zu, wie immer noch behauptet wird, z. B. Hentschel 1992; Dinzelbacher/Sprandel 1993; Lumme 1996, S. 19 ff.; Dinzelbacher 2007. Dagegen z. B. Bynum 1989, bes. S. 188 ff.; Schnell 2002, S. 59 f. 119 Scarry 1985, S. 316.

Der gepeinigte Gott und die christliche Schönheitsmetaphysik  33

1.2 Die humilitas und deformitas Gottes Die Kreuzigung galt in der römisch-antiken Welt als besonders schimpfliche Hinrichtungsart, die für Schwerverbrecher, Sklaven und Aufrührer in den Provinzen bestimmt war.120 Cicero schreibt in „Pro Rabirio“ 5,16: „Schon das Wort Kreuz soll ferne bleiben nicht nur dem Leibe der römischen Bürger, sondern auch ihrem Gedanken, ihrem Auge, ihrem Ohr.“121 Für die Juden war der am Holze Aufgehängte von Gott verflucht.122 Die Behauptung, der Gekreuzigte sei ein Gott bzw. der Messias, stellte somit für die gesamte antike Welt eine Ungeheuerlichkeit dar.123 Entsprechend formuliert Paulus im 1. Korintherbrief 1,23, der Glauben an den gekreuzigten Christus sei „den Juden ein Ärgernis, den Heiden aber eine Torheit“.124 Können schon das Annehmen eines menschlichen Körpers und das gesamte Leben Jesu auf Erden in einfachsten Verhältnissen und unter geistig und materiell Armen als Akt äußerster Selbsterniedrigung verstanden werden, fand die humilitas (Demut, Niedrigkeit) Jesu in der Passion ihren deutlichsten Ausdruck. An ihrem Ende stand der schmähliche Tod des Gottessohnes am Kreuz.125 Die Figur des in der Passion gequälten und erniedrigten Gottessohnes bedingt die Omnipräsenz des Gewaltmotivs im christlichen Kult, das von der Hagiographie – auf einer anderen theologischen Ebene – aufgenommen wird. Dies bringt Konsequenzen für die christliche Schönheitsmetaphysik mit sich. Mit den Gewaltereignissen der Passion steht das Hässliche im Zentrum des christlichen Glaubens. Gewalt ist in mehrfacher Hinsicht hässlich: durch die Folgen auf der Seite des Opfers, die es äußerlich verunstalten, es deformieren; durch die Hässlichkeit der Gewalt als zerstörerischem Akt selbst; durch die äußere und innere Hässlichkeit der Täter aufgrund ihres Willens und der Umsetzung der zerstörerischen Gewalt. Das äußerlich Hässliche tritt in der Passion also in zwei ästhetischen Varianten auf – diese Differenzierung lässt sich im Lateinischen auch begrifflich fassen: Deformitas (Missgestaltetheit) meint die Negation der schönen Form und geht nicht mit einer moralischen Wertung einher;126 so wurde Jesus in der Passion schon von den Kirchenvätern als deformis (mhd. ungestalt) bezeichnet.127 Turpi120 Blinzler 1955, S. 177; hier auch detailliert zur Verwendung der Hinrichtungsmethode im Römischen Reich. Vgl. Ausst.Kat. „Kreuz und Kruzifix“ 2005. 121 Zitiert nach Blinzler 1955, S. 177. 122 Gen 21,23; Deut 21,23; Gal 3,13. 123 Haussherr 1963, S. 194. 124 Nach der Vulgata übersetzt von der Verfasserin. Im Folgenden sind alle lateinischen Bibelzitate der Vulgata, der für das Spätmittelalter relevanten Bibelfassung, entnommen. Die deutschen Übersetzungen sollen dem Wortlaut nach möglichst nah an der Vulgata sein. Sie stammen entweder aus der Einheitsübersetzung oder der Elberfelder Bibel bzw. sind unter Rückgriff auf diese von der Verfasserin vorgenommen worden (gekennzeichnet durch ‚Übers. d. Verf.‘). Zu den verwendeten Bibelausgaben siehe das Literaturverzeichnis. 125 Vgl. dazu Auerbach 1958, S. 35. 126 Siehe dazu Kliche 2005, S. 27 f. 127 Die Quelle für die Hässlichkeit Jesu ist vor allem Jes 53. Augustinus bezeichnet Jesus als missgestaltet (deformis). Siehe z. B. Augustinus, Sermones de Vetere Testamento, Sermo XXVII, 6 (= CCSL, Bd. 41, S. 364). Zu Positionen der Alten Kirche hinsichtlich der Hässlichkeit Jesu siehe Taubes 1968, S. 180 ff.

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ditas hingegen bezieht sich auf das Pathetisch-Hässliche, das nicht nur äußerlich Hässliche, sondern auch Böse, Hassenswerte.128 Die Gewalt ist also turpis, das Opfer deformis. Damit stehen sich innerhalb des Gewaltverhältnisses zwei Konzepte gegenüber: hässlich/böse und hässlich/gut.129 Im ersten Fall entsprechen sich äußere Erscheinung und innerer Wert. Im zweiten Fall weicht die äußere Hässlichkeit vom inneren Wert ab; ‚hässlich‘ ist als deskriptiver Begriff zu verstehen, der die Deformierung des Sichtbaren bezeichnet. Das Erhabene tritt in niedriger Gestalt in Erscheinung. Oder semiotisch ausgedrückt: Signifikat und Signifikant fallen in ihrer ästhetischen Bewertung auseinander. In der griechischen Antike war eine solche Verbindung nicht ohne Weiteres denkbar. Die formale und die wirkungsästhetische Dimension des Hässlichen (sowie des Schönen/Guten) waren miteinander verknüpft, was sich auch darin zeigt, dass beide mit dem Wort αίσχρός (aischros) gemeint sein können. Das Schöne wurde als Erscheinungsform des Guten und das Hässliche als Gestalt des Bösen angesehen.130 Im Lateinischen hingegen liegt eine klare begriffliche Differenzierung zwischen deformis und turpis vor.131

1.3 Augustinus’ Rechtfertigung des niedrigen Stils und der hässlichen Form Der Kirchenvater Augustinus (354–430) schuf die theoretischen Grundlagen für die christliche Schönheitsmetaphysik, innerhalb derer die Verbindung der hässlichen Gestalt mit der moralischen Schönheit möglich war. Vor diesem Hintergrund werden die spätmittelalterlichen Darstellungen der Passion und der Martyrien begreifbar. Solche Bilder entstanden jedoch erst Jahrhunderte nach der Zeit Augustinus’ – ein grundsätzlicher Wandel in der Bildtradition ist erst im späten Mittelalter festzustellen. Zuvor existierten offenbar große Hemmungen, die Niedrigkeit der christlichen Heilsgeschichte bildlich dazustellen.132 128 Kliche 2005, S. 27 f. Die begriffliche Unterscheidung war mit ‚ungestalt‘ und ‚hässlich‘ auch im Mittelhochdeutschen vorhanden, während heute ‚hässlich‘ für beide Bedeutungen verwendet wird. 129 Siehe dazu ebd. 130 Deutlich wird dies im Begriff der ‚Kalokagathie‘ (Schöngutheit). Dazu Zelle 1996, Sp. 1305. Sowohl bei Platon als auch bei Aristoteles kommt die Auffassung, das Hässliche sei die Gestalt des Bösen, zum Ausdruck, ihre Positionen unterscheiden sich jedoch in der wirkungsästhetischen Einschätzung des Hässlichen: Während Platon die Darstellung des Hässlichen in der Kunst ablehnt, räumt Aristoteles ihm pathetische Funktionen in der Tragödie und der Komödie ein. Siehe dazu ebd., Sp. 1305 ff.; Kliche 2005, S. 27 ff. Ausnahmeerscheinungen wie Sokrates, in dessen Bildnis die Verbindung von ‚gut‘ und ‚hässlich‘ zu Tage tritt, können den Kanon nicht durchbrechen. Der antike Philosoph ist im Tod vollkommen autark, Christus hingegen zutiefst erniedrigt. Siehe Jauß 1968, S. 157; Jauß 1968a, darin: Vierte Diskussion: Gibt es eine ‚christliche Ästhetik‘?, S. 583–609 [im Folgenden: Vierte Diskussion], S. 593 (J. Taubes). 131 Zelle 1996; Kliche 2005. 132 Grabar 1968, S. 132 meint, man könne hierfür als Ursache nicht anführen, dass die spätantiken Künst­ ler nicht gewagt hätten, die Kreuzigung darzustellen, zumal Theologen sie zur gleichen Zeit durchaus behandelten. Dieser Einschätzung allerdings ist nicht zuzustimmen, da die bildliche Umsetzung mit dem ästhetischen Konflikt in anderer Weise zu kämpfen hat als die sprachliche Darstellung. Das von M. Fuhrmann in Jauß 1968a, darin: Vierte Diskussion, S. 592 angeführte Fehlen paganer Vorbilder

Der gepeinigte Gott und die christliche Schönheitsmetaphysik  35

Auch literarische Bearbeitungen der Passion entstanden erst im hohen Mittelalter, Schilderungen der Martyrien hingegen schon in urchristlicher Zeit. Hier gab es das Vorbild des Neuen Testaments, das durch die Verbindung niedriger Motive und eines einfachen Sprachstils charakterisiert ist; Erich Auerbach prägte hierfür den Begriff des sermo humilis.133 Durch seinen niederen Sprachstil zog das Neue Testament immer wieder den Spott der gebildeten Heiden auf sich.134 Auch der Kirchenvater Augustinus, der vor seiner Konversion dem gebildeten Heidenstand angehörte, fand zunächst, wie er in den „Confessiones“ bekennt, wegen ihres niederen Stils und narrativen Inhalts keinen Zugang zur Heiligen Schrift.135 Später entwickelte er eine Rechtfertigung für den charakteristischen sermo humilis. Er unterschied, wie bereits Cicero, drei Stilarten: den niederen, den mittleren und den erhabenen Stil.136 Während sich bei Cicero die Wahl des Stiles (parva – modica – magna) nach dem Gegenstand richten sollte, wobei parva (klein, niedrig) für das absolut Niedrige, Unbedeutende und Alltägliche reserviert war, konstatierte Augustinus, es gebe in der christlichen Poetik keinen niederen Gegenstand, denn dieser sei immer die christliche Offenbarung.137 Die unterschiedlichen Stile seien vielmehr unterschiedlichen Absichten nützlich, der niedrige Stil vor allem der Lehre und der Erklärung. Auch die höchsten Mysterien des Glaubens dürfen gemäß Augustinus also im niederen Stil vorgetragen werden – nach Erich Auerbach ist dies „eine so bedeutende Abweichung von der rhetorischen und überhaupt literarischen Tradition, daß es nahezu die Zerstörung ihrer Grundlage bedeutet“.138 Mit dem Bezug auf die metaphysische Wahrheit der Offenbarung rechtfertigte Augustinus den sermo humilis nicht nur, sondern begründete auch, dass dieser Stil für die christliche Literatur nicht bindend sei; da Stil und Gegenstand unabhängig voneinander seien, könne der Modus frei gewählt werden.139 In der Rhetorik des Augustinus wird die Vereinbarkeit des äußerlich Missgestalteten mit dem innerlich Schönen – also dem Wahren und Guten –, von Niedrigkeit (humilitas) und Erhabenheit (sublimitas) für das Christentum fundiert und legitimiert.

mag ein Grund für die Verspätung der bildlichen Umsetzung sein, stellt jedoch keine hinlängliche Erklärung dar. 133 Auerbach 1958, S. 25–53. 134 Grund dafür waren z. B. die Wortwahl und die ungeschickte Syntax. Der Stil der Heiligen Schrift wurde auch als Fischer- oder Schiffersprache bezeichnet. Auerbach 1958, S. 38; Jauß 1968a, darin: Vierte Diskussion, S. 594 (W.-D. Stempel). 135 Augustinus, Confessionum libri XIII, III, 5 (= CCSL, Bd. 27, S. 30 f ). 136 Augustinus, De Doctrina Christiana, IV, 12 ff. (= CCSL, Bd. 32, S. 135 ff.). Vgl. Auerbach 1958, S. 29. 137 Ebd., S. 31. Vgl. zu den genera dicendi – dem elokutionellen Stilbegriff der Antike und dem materiellen Stilbegriff des Mittelalters – Quadlbauer 1962, S. 161 ff. 138 Auerbach 1958, S. 32. 139 Signifikant und Signifikat sind damit weitgehend unabhängig voneinander; der Zeichenträger ist letztlich austauschbar. Im Gegensatz dazu steht die Auffassung des Dionysius Aeropagita, nach dem auf­ grund der ontischen Ähnlichkeit der Signifikant im Signifikat bereits real enthalten ist. Michel 1976, S. 29 ff., 105 ff. Gleichzeitig ermöglicht aber das dichotomische Leib-Seele-Modell Augustinus’, das Äußere als Symbol des Inneren aufzufassen, wie es in der Physiognomik getan wurde. Vgl. ebd., S. 83 f., 90.

36  Passion und Martyrium

Die Möglichkeit der ästhetisch-ethischen Transzendenz ist dennoch nicht genuin christlich: Ihre Wurzeln liegen in der platonischen Philosophie, von der sie die stoische Philosophie übernahm; wichtige Aspekte der christlichen Ästhetik sind bereits im Neuplatonismus Plotins vorgebildet. Die neuplatonische Philosophie ging vermittelt in die Schönheitsmetaphysik des Kirchenvaters Augustinus ein.140 Man kann also nicht von einer scharfen Zäsur zwischen der antiken und der christlichen Ästhetik sprechen.141 Augustinus’ Bewertung der Hässlichkeit speist sich aus zwei Quellen: Auf die neuplatonische Lehre geht die Definition des (formal) Hässlichen als Mangel an Schönem zurück. Das Schöne ist demnach – wie das Gute – eine absolute Größe, das Hässliche – wie das Böse – eine relative. Auch dem Hässlichen muss demnach ein gewisses Maß an Schönheit zugebilligt werden.142 Auf der römischen Stoa hingegen basiert der ordo-Gedanke: Das Hässliche erscheine nur dem Menschen hässlich, weil diesem aufgrund seiner eigenen Sündhaftigkeit die eigentliche Schönheit verborgen bleibe.143 Der Sinn und die Schönheit des Hässlichen seien nicht direkt sichtbar, ihre Existenz sichere die providentia (Vorsehung) des göttlichen Herrschers. Für hässliche Körperteile, Tiere, Niederlagen und Sünden, die zunächst als Übel erschienen, sei ein räumliches oder zeitliches Korrektiv vorgesehen. So werde beispielsweise die Hässlichkeit der Sünde durch die nachfolgende Strafe in Schönheit verwandelt.144 Daraus abgeleitet finden sich bei Augustinus zwei Möglichkeiten, die Paradoxie des hässlichen Schönen aufzulösen. Einmal wird die Ursache in der Verfasstheit des Rezipienten verortet: Nur dem Ungläubigen erscheint das Hässliche, zum Beispiel die Kreuzigung, hässlich. In seinem Kommentar zu Psalm 44 schreibt Augustinus hinsichtlich der Prophezeiung des Schmerzensmannes bei Jesaja 53,1 („non est species ei neque decor“ – „er hatte weder Gestalt noch Schönheit“ usw.), diese sei aus der Unkenntnis der Juden geschrieben: „Nobis ergo iam credentibus, ubique sponsus pulcher occurrat.“145 – „Uns Gläubigen also muss der Bräutigam überall schön erscheinen.“146 Dies entspricht einer Höherschätzung des Signifikats gegenüber dem Signifikant, aufgrund derer die Umschaltung des ästhetischen Urteils geschieht.147 Voraussetzung dafür ist die (religiöse) Einstellung des Rezipienten. In diesem Sinne schreibt auch Bernhard von Clairvaux in einer Predigt über das Hohelied: „Das Auge meldet, er sei schwarz; der Glaube bejaht, er sei weiss und schön. Schwarz ist er, doch nur für die Augen der Toren; denn für die Herzen der Gläubigen ist er herrlich schön. Schwarz ist er, aber schön.“148

140 Jauß 1968a, darin: Vierte Diskussion, S. 585 ff. (M. Fuhrmann); Kliche 2005, S. 30 f. 141 Jauß 1968a, darin: Vierte Diskussion, S. 583 ff. (M. Fuhrmann). 142 Ebd., S. 587 f. (M. Fuhrmann); Kliche 2005, S. 29. 143 Jauß 1968a, darin: Vierte Diskussion, S. 587 f. (M. Fuhrmann); Kliche 2005, S. 31. 144 Jauß 1968a, darin: Vierte Diskussion, S. 587 (M. Fuhrmann). 145 Augustinus, Enarrationes in psalmos, XLIV, 3, 46 f. (= CCSL, Bd. 38, S. 496). 146 Michel 1976, S. 197. 147 Ebd., S. 250 f. 148 Bernhard von Clairvaux, Sermones super Cantica Canticorum 28, II (= Winkler, Bd. 5, S. 437). Siehe auch Michel 1976, S. 196 ff., hier 198.

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An späterer Stelle veranschaulicht er diesen Gedanken: „[S]chwarz [ist er] in den Augen des Herodes, schön nach dem Bekenntnis des Räubers, nach dem Glauben des Hauptmanns.“149 Da die Einstellung für die Rezeption entscheidend ist, kann durch den Anblick des missgestalteten Jesu am Kreuz selbst keine Umkehr des Betrachters stattfinden. Der Gute Hauptmann, so Bernhard, habe Jesus daher nicht durch dessen Gestalt am Kreuz als Sohn Gottes erkannt, sondern durch seinen Schrei: „Das Gehör findet, was der Gesichtssinn nicht findet. Der äußere Schein täuscht das Auge, in das Ohr aber strömt die Wahrheit ein. Das Auge zeigte ihn schwach, häßlich, elend, das Auge zeigte ihn als einen, der zum schimpflichsten Tod verurteilt wurde; mit dem Ohr wurde er als Sohn Gottes, als schön erkannt; freilich nicht so für das Ohr der Juden, denn sie waren an den Ohren unbeschnitten.“150

Bei der zweiten Möglichkeit, die sich bei Augustinus zur Auflösung der Paradoxie findet, bleibt das Hässliche zwar formal hässlich, ist jedoch schön durch seine Funktion in der kosmologischen Ordnung bzw. der Heilsökonomie. Das Hässliche und das Schöne liegen dabei auf unterschiedlichen Ebenen: der litteralen und der tropischen. Diese werden rhetorisch nicht getrennt, wodurch eine Scheinparadoxie erzeugt wird.151 Das folgende Zitat Augustinus’, beginnend mit der programmatischen Formulierung „deformitas Christi te format“, veranschaulicht dies: „Die Missgestaltetheit Christi gestaltet dich. Denn wenn er nicht ungestalt hätte sein wollen, hättest du die Form nicht wiedererlangt, die du verloren hattest. Darum hing er missgestaltet am Kreuz, aber seine Missgestaltetheit war unsere Schönheit.“152

Die Hässlichkeit Christi diene der Schönheit des ewigen Heils der Gläubigen.153 Ähnlich bleibe auch der gepeinigte Märtyrer in der Wahrnehmung abstoßend, besitze aber Schönheit durch die übergeordnete Bedeutung: „Welchen Vorzug bemerken unsere leiblichen Augen an ihm [dem Märtyrer]? Keinen. Es gibt also eine Schönheit der Gerechtigkeit, die wir mit dem inneren Auge wahrnehmen, die wir lieben und die uns entflammt; wie sehr haben die Märtyrer allgemeine Zuneigung hervorgerufen, da Raubtiere ihre Glieder zerfleischten. Als alles von Blut entstellt war, als Tierbisse die Eingeweide auseinanderzerrten, was fanden die Augen außer Abstoßendem? Was hätte man dort lieben sollen, hätte sich nicht in der Scheußlichkeit der zerfleischten Glieder die unversehrte Schönheit der Gerechtigkeit offenbart?“154 149 Sermones super Cantica Canticorum 28, 3, II (= Winkler, Bd. 5, S. 437). 150 Sermones super Cantica Canticorum 28, 5 (= Winkler, Bd. 5, S. 439). Siehe auch Michel 1976, S. 198. Vgl. dagegen Bernhards Kunsttheorie, in der er die Formel „deformis formositas ac formosa deformitas“ (hässliche Schönheit und schöne Ungestalt) prägte: In Abgrenzung zu Hugo von St. Victor lehnte Bernhard die Darstellung des Hässlichen in der Kunst ab. Siehe Assunto 1961; Zelle 1996, Sp. 1310. 151 Michel 1976, S. 40 ff., 198 ff. 152 Augustinus, Sermones de Vetere Testamento, Sermo XXVII, 6 (= CCSL, Bd. 41, S. 364): „Deformitas Christi te format. Ille enim si deformis esse noluisset, tu formam quam perdidisti non recepisses. Pendebat enim in cruce deformis, sed deformitas illius pulchritudo nostra erat.“ (Übers. d. Verf.). 153 Jauß 1968, S. 157. 154 Augustinus, Enarrationes in psalmos, LXIV, 8 (= CCSL, Bd. 39, S. 831); deutsche Übersetzung nach Jauß 1968a, darin: Vierte Diskussion, S. 588 (M. Fuhrmann).

38  Passion und Martyrium

Trotz ihres Sinns innerhalb der göttlichen Ordnung wird die Deformation nicht zum Verschwinden gebracht – der Gegenstand bleibt in der sinnlichen Wahrnehmung hässlich.155 Die diesseitige innere Schönheit des Hässlichen kann nur innerhalb des christlichen Weltverständnisses, in ihrer Bezugnahme auf eine unsichtbare, sich nicht mehr unmittelbar darbietende höhere, jenseitige Realität erkannt werden.156 Innere Schönheit und äußere Hässlichkeit sind also nur scheinbar paradox, da sich die Begriffe auf unterschiedlichen Ebenen bewegen. Der Transformationsprozess findet in den Gedanken des Gläubigen unter der Voraussetzung des Glaubens statt. Die Ereignisse der Passion stehen für die Erlösung von den Sünden und das Versprechen auf das ewige Leben, die Martern der Heiligen zeugen von wahrhaftem Glauben und der Gnade Gottes. Für die bildende Kunst bleibt das ästhetische Dilemma, die moralische Schönheit des Wahren und Guten in hässlicher Gestalt zu zeigen, jedoch bestehen.

1.4 Von Pseudo-Dionysius Areopagita bis ins Hochmittelalter Bei Augustinus gilt die Unabhängigkeit des Zeichens (Jesus, die Passion, der niedrige Stil der Bibel) von der Bedeutung und dem Inhalt (die göttliche Offenbarung). Daher führt seine Theorie zu keinen zwingenden ästhetischen Konsequenzen hinsichtlich der Produktion von Texten und Bildern, deren Stil weiterhin auch ‚hoch‘ sein darf. Im Gegensatz dazu steht das Verhältnis von Form und Inhalt bei Pseudo-Dionysius Areopagita (5./6. Jahrhundert), dessen Schriften im 9. Jahrhundert im Westen wieder auflebten. Durch die Übersetzung und Interpretation des Johannes Scotus (um 810 – nach 877) entfaltete das „Corpus Areopagiticum“ seine Wirkung und prägte die mittelalterliche Ästhetik maßgeblich.157 Pseudo-Dionysius begründete in seiner Philosophie die Schönheit des Missgestalteten. Durch das Hässliche trete das Schöne erst hervor. Im Gegensatz zu Augustinus vertritt er die Auffassung, dass wegen der ontischen Ähnlichkeit der Signifikant im Signifikat bereits real enthalten sei.158 Bei ihm ist das Äußere Symbol, bei Augustinus hingegen ein austauschbares Zeichen. Es geht Pseudo-Dionysius darum, das Symbol anzunehmen, wie es offenbart ist, weil es nur so auf den darin geborgenen göttlichen Gehalt hin transparent gemacht werden kann.159 Bei den Cluniazensern sowie bei Hugo von St. Victor gewannen die Ideen des PseudoDionysius und des Johannes Scotus weiter an Bedeutung. Sie legitimierten materiellen Reichtum und dekorative Pracht von Kirchenbauten sowie die expressiven Deformationen romanischer Skulpturen.160 Auch Abt Suger von St. Denis nimmt im 12. Jahrhundert vor 155 Danneberg 2003, S. 92 ff. 156 Jauß 1968, S. 158. 157 Assunto 1961, S. 84; Zelle 1996, Sp. 1309. 158 Michel 1976, S. 125. 159 Ebd., S. 126. Detailliert zu den Unterschieden zwischen Pseudo-Dionysius und Augustinus dort S.  105 ff. 160 Assunto 1961, S. 90 ff. Vor der Hässlichkeit des Bösen, so Hugo von St. Victor, erscheine das Gute noch heller. Ebd., S. 155.

Der gepeinigte Gott und die christliche Schönheitsmetaphysik  39

dem Hintergrund seines Streits mit Bernhard von Clairvaux die areopagitische Lehre zur Rechtfertigung von Kirchenschmuck in Anspruch. Bernhard hatte den bizarren Bauschmuck der romanischen Klosterkirchen kritisiert, für welchen er die Formel „deformis formositas ac formosa deformitas“ (hässliche Schönheit und schöne Ungestalt) prägte – er erwecke Neugier und lenke von Gott ab.161 Tatsächlich findet in dieser Zeit jedoch schon wieder eine Abwendung vom ‚Expressionismus‘ der Spätromanik statt. Für Thomas von Aquin (um 1225–75) sind die wesentlichen Bestandteile der Schönheit die integritas oder perfectio (Unversehrtheit/Vollkommenheit), die debita proportio (rechte Proportion/Harmonie) und die claritas (Klarheit/Glanz). Über die perfectio schreibt er: „[...] welche [Dinge] nämlich verstümmelt sind, sind schon deshalb hässlich.“162 Von der Schönheit der Dinge unterscheidet er aber die Schönheit der Abbilder: „Man sagt von einem Bild, es sei schön, wenn es den Gegenstand perfekt abbildet, auch wenn dieser hässlich ist.“163 Die Schönheit des Kunstwerks bestehe demnach vor allem in der Vollendung der Wiedergabe, auch wenn der Gegenstand selbst hässlich sei.164 Die im Signifikat liegende Hässlichkeit ist von der Hässlichkeit des Signifikanten, der Kunst selbst, durch technologische Mängel oder sonstiges Misslingen, zu trennen.165 Bei Thomas von Aquin und Bonaventura besteht die Legitimation der Kunst in der memoria rerum gestarum (im Gedächtnis der vollbrachten Taten), nicht in der Darstellung des Irrealen oder der Überhöhung.166 Dabei lehnen sie jedoch die Repräsentation der expressiven Körperbewegung ab.167 Dem entspricht im 12. und 13. Jahrhundert die Entwicklung der italienischen Kunst, vor allem der Dominikaner und Franziskaner. Im 14. und insbesondere im 15. Jahrhundert setzten sich in Italien endgültig neue Vorstellungen hinsichtlich einer Kunsttheorie durch. Die Entfernung von der mittelalterlichen Schönheitsmetaphysik manifestiert sich in der Zurechnung der Kunst zu den freien Künsten und der zunehmenden Würdigung des schaffenden Künstlers.168 Damit ging einher, dass die Meisterschaft des Kunstwerks vornehmlich am schönen Gegenstand gezeigt wurde. „Das Grauenhafte und Schreckenerregende, das im Mittelalter nur zeitweilig unterdrückt worden war, verliert nun gänzlich seine Anziehungskraft.“169 In Mittel- und Nordeuropa hingegen wurde daran festgehalten.170 161 Die betreffende Textstelle bei ebd., S. 196 f.; vgl. Zelle 1996, Sp. 1310. 162 „[...] quae enim diminuta sunt, hoc ipso turpia sunt“. Summa theologiae I, 39, 8. Lateinisch zitiert nach Assunto 1961, S. 105; vgl. Eco 1987, S. 124 f., 130 ff. (Übers. d. Verf.). 163 „Videmus quod aliqua imago dicitur esse pulchra, si perfecte repraesentat rem, quamvis turpem“. Summa theologiae I, 39, 8. Lateinisch zitiert nach Michel 1976, S. 25 (Übers. d. Verf.). 164 Hierin trifft sich das ästhetische Denken Thomas’ und Bonaventuras. Assunto 1961, S. 110; Michel 1976, S. 25. Vgl. Bonaventura, Libri I Sententiarum 31, 2, 1, 3: „Man nennt das Bild des Teufels »schön«, wenn es die Häßlichkeit des Teufels gut wiedergibt und also häßlich ist.“ Zitiert nach Eco 1987, S. 162. 165 Michel 1976, S. 24 f. 166 Assunto 1961, S. 110. 167 Ebd. 168 Ebd., S. 118 ff. 169 Ebd., S. 119; vgl. Panofsky 1915, S. 157 ff. 170 Assunto 1961, S. 119.

40  Passion und Martyrium

Die Unterschiede in der Kunst nördlich und südlich der Alpen sind daher im 15. Jahrhundert eklatant. Dabei ist nördlich der Alpen spätestens in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts ebenfalls das Streben nach naturalistischer Wiedergabe von Raum, Körpern und Oberflächen festzustellen. Festgehalten wird hier aber an den niedrigen Motiven, insbesondere der Passion Christi und den Heiligenmartyrien. Die Haltung ist dabei weit christlicher als im bereits humanistisch beeinflussten Italien: Das Symbol wird dargestellt, wie es offenbart wurde. Dass es sich in dieser hässlichen Weise offenbart hat, ist vor dem Hintergrund des christlichen Wirklichkeitsverständnisses, das durch Jenseitserwartung geprägt ist, kein Zufall. Die spätmittelalterlichen Bilder sind dabei nicht als ars humilis zu begreifen – ihre Motive sind niedrig, nicht ihr Stil, in der Darstellung streben sie nach Schönheit.

2  Verständnis und Darstellung der Passion Im 15. Jahrhundert, als die Darstellungen der Passion und der Martyrien nördlich der Alpen ihren Höhepunkt erreichten, blickte das Christentum auf eine bereits über tausendjährige Geschichte zurück. Im Folgenden soll die sich in dieser Zeit vollziehende Entwicklung der Passionsdarstellungen vor dem Hintergrund des sich wandelnden Passionsverständnisses skizziert werden.

2.1 Die Entwicklung der Passionsdarstellungen von der Spätantike bis ins Hochmittelalter Mit dem Mailänder Toleranzedikt unter Kaiser Konstantin im Jahr 313 und der Erhebung des Christentums zur Staatsreligion im Römischen Reich unter Theodosius 380 gingen umfassende äußere Veränderungen für die christliche Glaubensgemeinschaft einher. Das Ende der Verfolgung beschied ihr viele neue Mitglieder, deren Überzeugung mutmaßlich weniger tief war als die der Gläubigen vorangegangener Jahrhunderte, die noch Diskriminierungen und Verfolgung ausgesetzt waren.171 In dieser Zeit des Zustroms setzte sich zunehmend ein verklärtes Christusbild durch – der Vermutung Carl Richstaetters zufolge hing dies mit dem Anliegen, breitere ‚Zielgruppen‘ zu erreichen, zusammen. Christus wurde als glorreicher Erlöser angesehen, seine Kreuzigung als Sieg über die Feinde.172 Dennoch wurde der Aspekt des Leidens in dieser Zeit keinesfalls allgemein negiert.173 Das Bild des von Jesaja beschriebenen Schmerzensmannes war den Kirchenvätern durchaus gegenwärtig:174

171 Richstaetter 1949, S. 36 ff. 172 Ebd. 173 Ebd., S. 15; vgl. auch Grabar 1968, S. 132. 174 Justinus, Origenes und Tertullian beriefen sich auf diese Textstelle. Richstaetter 1949, S. 13 ff.

Verständnis und Darstellung der Passion  41

„Er hatte keine schöne und edle Gestalt, / sodass wir ihn anschauen mochten. Er sah nicht so aus, / dass wir Gefallen fanden an ihm. Er wurde verachtet und von den Menschen gemieden, / ein Mann voller Schmerzen, / mit Krankheit vertraut.“175

Augustinus zeigt in seinen Schriften zwar auch Mitleid mit dem Erlöser, vor allem aber feierte er den Kreuzestod als Triumph.176 Das verklärte Christusbild blieb über Jahrhunderte hinweg vorherrschend. Nach Richstaetter war ein Grund dafür der Umstand, dass sich die Liturgie in der Väterzeit herausgebildet hatte und das damalige Christusbild durch sie immer weiter transportiert wurde.177 In den ersten christlichen Jahrhunderten wurde der Gekreuzigte bzw. die Kreuzigung überhaupt nicht bildlich dargestellt.178 Die Dornenkrönung ist auf spätantiken Passions­ sarkophagen in eine triumphale Bekrönung umgedeutet. Die ältesten im christlichen Auftrag entstandenen Darstellungen der Kreuzigung179 wurden möglicherweise um die Wende vom 4. zum 5. Jahrhundert geschaffen.180 Die Voraussetzung hierfür könnte die Abschaffung der Kreuzigung als Hinrichtungsmethode durch Konstantin im Jahr 320 gewesen sein.181 Die älteste erhaltene Darstellung findet sich auf einem um 420–30 in Oberitalien geschaffenen Elfenbeinkästchen (London, British Museum):182 Die Hände des nur mit einem schmalen Lendentuch bekleideten Gekreuzigten sind sichtbar an das Kreuz genagelt, seine Füße stehen auf einem Suppedaneum. Jesus scheint jedoch mehr vor dem Kreuz zu schweben als daran zu hängen. Seine Augen sind weit geöffnet, kein Anzeichen des Leidens findet sich in seinem Gesicht. Im Gegensatz dazu steht die Darstellung des Judas-Selbstmordes auf der linken Seite desselben Bildfeldes: Judas hängt schwer am Ast des Baumes, seine Augen sind geschlossen. Das nichtnaturalistische ‚Hängen‘ Jesu am Kreuz ist also weder stilistisch noch durch die Fähigkeiten des Künstlers bedingt, sondern bedeutungskonstituierend. Durch die antithetische Gegenüberstellung der beiden Szenen findet eine Aufwertung des Todes Christi statt, die zugleich eine theologische Aussage beinhaltet.183

175 „[...] non est species ei neque decor et videmus eum / et non erat aspectus et desideravimus eum / despectum et novissimun virorum virum dolorum et scientem infirmitatem et quasi absconditus vultus eius et despectus / unde nec reputavimus eum.“ Jes 53,2 ff. 176 Richstaetter 1949, S. 50 ff. 177 Ebd., S. 72. 178 Häufig hingegen findet sich in der frühen Sarkophagplastik der Tod des Judas – der schändliche Tod ist bildlich also eindeutig den Feinden des christlichen Glaubens zugewiesen. 179 Wohl in der ersten Hälfte des 3. Jhs. entstand eine Kritzelei in einem Aufenthaltsraum für Diener und Sklaven im Kaiserpalast auf dem Palatin in Rom. Es handelt sich um eine Spottzeichnung, die einen Gekreuzigten mit Pferdekopf zeigt, unter dem Kreuz eine Figur in anbetender Haltung, darunter in Griechisch der Kommentar „Alexamenos verehrt Gott“, das sich wohl auf einen Christen unter den Sklaven bezieht. Siehe hierzu Deckers 2005, S. 50 und Abb. 1. Daneben sind einige Gemmen, z. T. aus dem 3. Jh., erhalten, die wohl Häretikern als Amulett dienten. Schiller 1968, S. 100. 180 Ebd., S. 17; Deckers 2005, S. 52. 181 Ebd. 182 Abb. bei Schiller 1968, S. 438. 183 Dazu ebd., S. 101; Schnitzler 1996b, S. 221 ff.; Deckers 2005, S. 52.

42  Passion und Martyrium

Die wohl nächstjüngere erhaltene Darstellung des Gekreuzigten, entstanden um 430–40, findet sich an der Tür des Hauptportals von Santa Sabina in Rom.184 In der geschnitzten Szene ist kaum zu erkennen, dass es sich um die Darstellung einer Kreuzigung handelt: Christus und die beiden Schächer stehen dort in Orantenhaltung und mit geöffneten Augen auf dem Erdboden; nur die Nägel in ihren Handflächen und die angedeuteten Querbalkenenden dahinter weisen auf das eigentliche Motiv der Darstellung hin. Kennzeichnend für die beiden ersten sowie alle folgenden frühen Darstellungen des Gekreuzigten ist, dass Christus lebend, aber nicht leidend gezeigt wird. Hans Sedlmayr hebt jedoch hervor, dass er jeweils nackt bis auf ein Lendentuch ist. Für ihn gehören diese beiden frühen Kreuzigungsdarstellungen zu einer kleinen Gruppe von Werken der Spätantike, in welcher sich eine ars humilis manifestiere.185 Als zentrales Kennzeichen dieses niederen christlichen Stils nennt er menschliche Nähe und Wärme, die auch Max Imdahl in diesem Bildzeugnis verwirklicht sieht.186 Manfred Fuhrmann stellt die Ausprägung einer ars humilis in der Spätantike in Frage und zwar sowohl in motivischer als auch in stilistischer Hinsicht: Jesus sei in den beiden Beispielen weder leidend noch tot dargestellt; die stilistische Verwandtschaft von heidnischen und christlichen Werken scheine größer zu sein als die Unterschiede.187 Hugo Brandenburg nahm später eine stilistische Einordnung der Werke in die spätantike Kunst vor, die belegt, dass sich hier kein spezifisch christlicher Stil zeigt, sondern ein Zeitstil.188 Im 9. Jahrhundert formierte sich ein neues theologisches Verständnis der Kreuzigung: Neben die Deutung als Triumph trat gleichberechtigt diejenige als Erlösung bringender Sühnetod. Im zweiten Viertel des 9. Jahrhunderts entstanden die ersten westlichen Darstellungen des leidenden und des toten Christus am Kreuz wie das „Gero-Kreuz“ (960–65; Köln, Dom):189 Der Körper ist gebeugt, der Kopf auf die Brust oder zur Seite gesenkt, die Finger hängen kraftlos herab; in mehreren Beispielen sind die Augen geschlossen und damit der Tod angedeutet.190 Als Ursache für die Veränderungen in der Frömmigkeit und daraus resultierend der Bildkunst nennt Reiner Haussherr die Beschäftigung der karolingischen Theologie mit der Messliturgie und der Eucharistie. Amalar von Metz betonte die Bedeutung der Messe als Erinnerung an die Passion bzw. als deren Wiederholung.191 Etwas später kam es zum Ausbruch des karolingischen Abendmahlstreits, innerhalb dessen die Frage um die Realpräsenz Christi in 184 Abb. bei Schiller 1968, S. 439. Siehe ebd., S. 101; Deckers 2005, S. 53. 185 Sedlmayr 1962, S. 16; dagegen Brandenburg 1981, bes. S. 74 ff. 186 Sedlmayr 1962, S. 12; Jauß 1968a, darin: Vierte Diskussion, S. 596 f. (M. Imdahl). 187 Ebd., S. 598 (M. Fuhrmann). 188 Brandenburg 1981. 189 Abb. bei Schiller 1968, S. 455. Vor der Monumentalplastik in der Kleinkunst (Utrecht Psalter). Das „Gero-Kreuz“ ist für Sedlmayr 1962, S. 17 ff. ein Beispiel für das Wiederaufleben der ars humilis im 9. Jh.; Imdahl entgegnet, die Darstellung verweigere die für den sermo humilis charakteristische Einfühlung des Betrachters. Siehe Jauß 1968a, darin: Vierte Diskussion, S. 583–609, 597. 190 Vgl. zur Entwicklung der Darstellung des Gekreuzigten Haussherr 1963, S. 212 f.; Schiller 1968, S. 98 ff., hier 116; Deckers 2005. Die erste Darstellung des toten Christus am Kreuz ist eine Ikone im Katharinenkloster auf dem Sinai, wohl Mitte des 8. Jhs. entstanden. 191 Haussherr 1963, S. 218.

Verständnis und Darstellung der Passion  43

der Eucharistie ausgetragen wurde; Paschasius Radbertus († 860) setzte sich hier mit seiner Annahme der Identität von sakramentalem und historischem Leib Christi durch.192 In der Messe wiederholt sich demnach jedes Mal der Opfertod Christi. Um darauf zu verweisen, entstanden Darstellungen des leiblichen Todes Christi am Kreuz – der Grund für die Entstehung des neuen Kruzifixtypus im 9. Jahrhundert ist also nicht das Interesse am historischen Christus und seinem Leiden, sondern rein sakramentaler Natur. So betonte Paschasius Radbertus noch immer das Hoheitsvolle, Göttliche der Person Christi und schenkte seinem Leiden und seiner Erniedrigung kaum Beachtung.193 Ein Zitat aus seiner Schrift „De corpore et sanguine Domini“ veranschaulicht, wie er die Passion in einen Triumph umdeutete: „Die Dornen, die er auf dem Haupte trug, verwandelte er, so daß sie keine Dornen mehr waren, sondern als kostbare Steine glänzten. [...] In die Rechte des Herrn wird das Rohr gegeben, denn er nahm von unseren Händen das Zepter vergänglicher Herrschaft, um zu triumphieren und es am Kreuze zu zerschmettern.“194

Noch im Jahr 1054 widersprach die römische Kirche dem Bild des toten Christus, dieses allerdings ausschließlich der Ostkirche zurechnend.195 Im Westen waren solche Darstellungen zu dieser Zeit offenbar immer noch nicht sehr verbreitet. Bis ins 13. Jahrhundert hinein existierten die Darstellungstraditionen des Christus triumphans und des Christus patiens nebeneinander. Nach erneuter Vorherrschaft von Ersterem im 12. und frühen 13. Jahrhundert196 setzte sich etwa Mitte des 13. Jahrhunderts das Bild des leidenden Christus endgültig durch.197 Ein verbreitetes Merkmal der Darstellungen aus dieser Zeit sind die übereinanderliegenden Füße, die mit nur einem Nagel ans Kreuz geschlagen sind, was sich auf die gesamte Körperhaltung auswirkt und zu einem leidenden, naturalistischen Bild führt: Die Knie knicken ein, der Körper beugt sich und hängt mit seinem Gewicht an den ausgebreiteten Armen. In dieser Pose spiegelt sich eine vollkommen neue Auffassung der Passion wider, in der das historisch verstandene Geschehen sowie die Menschheit und besonders das Leiden Christi einen höheren Stellenwert besitzen als jemals zuvor.198

2.2 Die Etablierung eines neuen Passionsverständnisses und die Folgen für die Kunst Die Voraussetzungen für die Entstehung des Bildtypus Christus patiens und Veränderungen dessen, was als kanonischer Stoff der Passionserzählung angesehen wurde, sowie der Art der Darstellung des Stoffes wurden wesentlich im 12. und 13. Jahrhundert geschaffen. 192 Ebd., S. 215 ff.; vgl. auch Schiller 1968, S. 19 f., 115 ff. 193 Richstaetter 1949, S. 72 ff. 194 Zitiert nach ebd., S. 73. 195 Schiller 1968, S. 109. 196 Haussherr 1963, S. 230. 197 Ebd.; Schiller 1968, S. 158. 198 Ebd.

44  Passion und Martyrium

Das neue Passionsverständnis äußerte sich zunächst in Texten zur Passion, sowohl literarischer als auch theologischer Art. Prägend wurde Anselm von Canterbury (um 1033–1109), der sich besonders der Menschlichkeit Jesu zuwandte, die sich am deutlichsten in seinem Leiden zeigte, in das er sich über die Figur der Gottesmutter und ihren Schmerz einfühlte.199 Compassio (Mitleiden) mit Jesus wird zum Rezeptionsideal der spätmittelalterlichen Passionsliteratur und -bilder.200 Daneben gilt der Zisterzienserabt Bernhard von Clairvaux (1090/91–1153) als maßgeblicher Begründer des neuen Passionsverständnisses, das er durchsetzte und theologisch fundierte.201 Sein Christusbild spiegelt sich in der Formulierung „ante »rex«, modo »dilectus«“ („vorher war er König, nun wird er geliebt“)202 wider. Bernhard bezog erstmals das religiöse Subjekt in das Passionsverständnis ein und betonte immer wieder, dass Christus wegen der und für die Gläubigen (pro nobis, propter nos) in Niedrigkeit gelebt und gelitten habe und am Kreuz gestorben sei.203 Vorbildhaft waren für ihn vor allem die Demut und Liebe, die Jesus durch seine Geburt, also seine Inkarnation, und seinen Kreuzestod bewiesen habe.204 Seine Theologie und seine private Frömmigkeit konzentrierten sich insbesondere auf das Leiden Christi, in dem dieser den Menschen besonders nahe sei.205 Waren es im 12. Jahrhundert vor allem die Zisterzienser, trugen seit dem 13. Jahrhundert die neuen Bettelorden206 zur zunehmenden Verehrung des leidenden Gottessohnes bei. Die franziskanische Frömmigkeit basierte auf dem Ordensgründer Franziskus von Assisi (1181/82–1226), wurde jedoch im Wesentlichen erst durch Bonaventura (1221–74) fundiert:207 Franziskus strebte in seinem Leben nach conformitas mit Christus, deren Höhepunkt er durch seine Stigmatisation erreichte;208 damit vollzog er die Nachfolge Christi nicht wie Bernhard durch Worte, sondern durch physisches Erleben.209 Im 14. Jahrhundert wurden die ausführlichsten und einflussreichsten Traktate über das Leben und die Passion Christi geschaffen.210 Die erste Christusbiographie entstand im Umkreis der Franziskaner: Die „Meditationes vitae Christi“ des Pseudo-Bonaventura, der heute zumeist mit Johannes de Caulibus identifiziert wird, entstanden um 1400, möglicherweise auch schon um 1350.211 In Deutschland war die umfangreichere „Vita Jesu Christi“

199 Vgl. Richstaetter 1949, S. 86 ff.; Suckale 2009, Bd. 1, S. 15 f. 200 Dazu Schuppisser 1993. 201 Köpf 1993, bes. S. 27 ff.; Kemper 2006, S. 58 ff. 202 Bernhard von Clairvaux, Sermones super Cantica Canticorum 43, 1 (= Winkler, Bd. 6, S. 96). 203 Köpf 1993, S. 27; vgl. auch Köpf 1996. 204 Richstaetter 1949, S. 112. 205 Köpf 1993, S. 27 f.; Köpf 1996; Kemper 2006, S. 58 ff. 206 Der Orden der Franziskaner wurde von Papst Innozenz II. 1209 oder 1210 anerkannt, der Orden der Dominikaner 1215. 207 Dazu Kemper 2006, S. 79 ff. 208 Ebd., S. 81. 209 Köpf 1993, S. 30. 210 Kemper 2006, S. 109. 211 Nach Noll 2005, S. 211.

Verständnis und Darstellung der Passion  45

(zwischen 1348 und 1368) Ludolfs von Sachsen verbreiteter.212 Ein Viertel des Werkes widmet sich der Passion; dabei bezieht Ludolf alle patristischen und exegetischen Erklärungen für die Ereignisse ein und appelliert in direkter Ansprache an das Mitleid des Lesers.213 Ausschließlich auf das Leiden Christi bezieht sich das nach der angeblichen Vision einer Nonne aufgezeichnete Traktat „Christi Leiden in einer Vision geschaut“; im Vergleich zu anderen deutschsprachigen Werken ist es weniger von lateinischen Vorlagen abhängig und zeichnet sich signifikanterweise durch die besondere Ausführlichkeit und Detailversessenheit der Beschreibung aus.214 Die zahlreichen spätmittelalterlichen Schriften zur Passion gestalten den biblischen Bericht zwar ausführlich und detailliert aus, bringen dabei jedoch in theologischer Hinsicht nichts wesentlich Neues, sondern beziehen sich immer wieder auf Bernhard von Clairvaux, der daher als die wichtigste Figur in der Entwicklung eines neuen Passionsverständnisses gelten kann.215 Die Neuerungen im Passionsverständnis seit dem 12. Jahrhundert schlugen sich in der Bildkunst nieder. Veränderungen lassen sich feststellen einerseits hinsichtlich dessen, was als Ikonographie ausgewählt wurde, andererseits hinsichtlich der Auswahl selbst.216 Bis ins Hochmittelalter lag den narrativen Darstellungen der Passion nichts als der biblische Bericht von Evangelien und Apostelgeschichte zugrunde. Das Bild muss jedoch einerseits eine Selektion des Textkanons betreiben, andererseits muss es, medial bedingt, in der Darstellung durch die ihm eigene Anschaulichkeit217 immer über den zugrundeliegenden Text hinausgehen. Büttner konstatiert: „Die bildliche Darstellung mit ihrer ein für allemal fixierenden, totalen und gleichzeitig vorhandenen – nicht erst sukzessive hervorgerufenen – Anschaulichkeit verhält sich gegenüber der literarischen Vorgabe eines Stoffs meistens selektiv, stets aber verdeutlichend.“218

Ohne etwa Details hinzuzuerfinden, erfordert die bildliche Umsetzung eines Textstoffes immer Konkretisierung, so durch die Wahl des fixierten Augenblicks, des Bildausschnitts, durch die Komposition, die Stilmittel usw. Die wichtigste Veränderung in der Folge des neuen Passionsverständnisses ist die Etablierung des Christus patiens. Das offensichtliche Leiden der Christusfigur in bereits etablierten und neu aufkommenden oder vermehrt auftretenden Szenen der Passion betont die Menschlichkeit des Gottessohnes. Auch die zunehmende Verbreitung von Szenen zur Kindheit und Passion ist in diesem Kontext zu sehen. Der heroische Christus wird in der Tafelmalerei des späten Mittelalters durchgehend von der Kreatur Jesus abgelöst.219 Was es zuvor nur verein212 Siehe Pickering 1966, S. 158. 213 Cohen 2010, S. 216. 214 Vgl. dazu Kemper 2006, S. 147 ff.; editiert: Priebsch 1936; Pickering 1952. 215 Köpf 1993, S. 34 f. 216 Büttner 1993/94, S. 99 ff. 217 Vgl. dazu den Begriff ‚Simultaneität‘ bei Boehm 1978, S. 457 f.; Imdahl 1987, S. 18, 22. 218 Büttner 1993/94, S. 101. 219 Den Begriff der ‚kreatürlichen Realistik‘ in Bezug auf spätmittelalterliche Passionsdarstellungen prägte Auerbach 1946. Siehe auch Suckale 1990, S. 23.

46  Passion und Martyrium

zelt gegeben hat, wird zum Prinzip erhoben. Die Darstellungen ziehen ihre Wirkung nun nicht mehr aus dem Heroischen der Christusgestalt, sondern dem Pathos.220 Die Unterschiede zwischen Italien und Deutschland sind bei zunächst ähnlichen Voraussetzungen durch die Herausbildung eines neuen Passionsverständnisses auf die Unterschiede in der Entwicklung von einer christlichen Schönheitsmetaphysik hin zu einer Kunsttheorie zurückzuführen. Die italienische Kunstproduktion ist spätestens im 15. Jahrhundert stark humanistisch geprägt und entfernt sich damit von den Ideen der mittelalterlichen Ästhetik. Zur Ausprägung einer eigentlichen ars humilis kommt es aber auch im Norden nicht. Der von Erich Auerbach beschriebene sermo humilis der Bibel bedeutet die gleichzeitige Niedrigkeit von Motiven und Stil im Einklang mit der Niedrigkeit der christlichen Lehre. Während die christliche Bildkunst bis ins Hochmittelalter hinein die eigentliche Niedrigkeit der Passionsmotive nicht anerkennt, indem zum Beispiel die demütigende Dornenkrönung als Herrscherkrönung inszeniert wird, setzt die spätmittelalterliche Malerei die hässlichen Fakten der Heilsgeschichte nicht nur situationsrealistisch um, sondern erweitert den Bericht der Evangelien. Bei aller motivischen Niedrigkeit aber bleibt der Stil in der Tafelmalerei erhaben. Die Niedrigkeit der Darstellungen liegt demnach nicht im Signifikant, sondern im Signifikat. Dem sermo humilis entsprechen in der bildenden Kunst wohl am ehesten einfache kolorierte Umrisszeichnungen wie im Skizzenbuch von Michael Wolgemut (um 1470; Berlin, Kupferstichkabinett; Abb. 14), der den Leib Christi während der Tortur dermaßen von Blut überströmt darstellt, dass er kaum noch als fest umrissene Form zu erkennen ist, oder in einer Handschrift aus dem Karmeliterkloster in Krakau, welche die Geißelung Christi auf sieben Blättern präsentiert.221

3  Das Martyrium: Kontinuität der Gewalt Auch im späten Mittelalter, als im weitgehend christianisierten Europa die Notwendigkeit und die Möglichkeit, ein Martyrium zu erleiden, kaum noch gegeben waren, galt dieses als höchste Form der Nachfolge Christi. Das Martyrium als historisch verstandenes Ereignis ist von seiner literarischen und bildkünstlerischen Behandlung kaum zu trennen, denn die Medialisierung gehört als Mittel der Tradierung von jeher zur Idee der Blutzeugenschaft dazu.

3.1 Begriff und Tradition des Martyriums Mit dem Wort martys war im Neuen Testament ursprünglich ein Wortzeuge gemeint, strenggenommen also nur die Apostel. Nach der Mitte des 2. Jahrhunderts aber wurde, ausgehend vom Bericht des Polykarp-Martyriums (um 160), die Lebenshingabe zum integralen 220 Büttner 1993/94, S. 110. 221 Krakau, Kloster der Unbeschuhten Karmeliten, Ms. 287 (Dominikanische Meditationen), fol. 72r– 78r. Abb. bei Marrow 1979, Nr. 32–38.

Das Martyrium: Kontinuität der Gewalt  47

Bestandteil des Martyriumbegriffs auch im alltäglichen Sprachgebrauch.222 Das Martyrium an sich hat es freilich schon früher gegeben und auch ein Märtyrerkult setzte wohl unmittelbar damit ein.223 Im Neuen Testament sind das Leiden und Sterben der Jünger Christi als eschatologische Notwendigkeit ohne eigenen Wert dargestellt. Durch den Tod Christi sind alle anderen Opferhandlungen sinnlos geworden, dem Blut der Märtyrer kann daher keine stellvertretende Sühnkraft zugesprochen werden;224 das Martyrium kann somit im eigentlichen Sinne auch keine imitatio der Passion sein.225 Mit dem Zurücktreten der eschatologischen Bedeutung durch das Nichteintreten der Parusie erfolgte jedoch eine Neubewertung des Martyriums: Ignatius von Antiochien (frühes 2. Jahrhundert) sprach ihm bereits eigene Sühnewirkung zu und begriff es als Opfer, womit eine Parallelisierung mit dem Kreuzestod Christi einherging.226 Tertullian (um 150 – um 230) sah die ‚Bluttaufe‘ als Voraussetzung für die Vergebung der Kapitalsünden, die der Mensch nach der Wassertaufe auf sich geladen habe, allerdings – in deutlicher Abgrenzung zur Passion Christi – nur der des Märtyrers selbst.227 Origenes (185–253/254) vertrat dann bereits die Auffassung, die Sühne gelte nicht nur der Person des Märtyrers, sondern könne auch anderen zugutekommen.228 Das Martyrium als Akt der imitatio Christi war damit voll ausgeprägt und verkörperte von nun an das Ideal der Christusnachfolge. Die Nachahmung Christi im Martyrium konnte jedoch nicht allen Christen zuteilwerden, sondern nur einer kleinen Gruppe durch göttliche Vorsehung Auserwählter. Mit dem Ende der Christenverfolgung im 4. Jahrhundert gewann die Askese als bewusstes Streben nach der imitatio Christi an Bedeutung. Theologisch fundiert wurde das ‚unblutige‘ Martyrium durch Clemens und Origenes.229 Isidor von Sevilla (um 560–636) erklärte dann um das Jahr 600: „Es gibt aber zwei Arten des Martyriums: eines, das durch die Passion eröffnet wird, ein anderes durch die verborgene Tugend der Seele.“230 Im hohen und späten Mittelalter erreichte der Kult der Märtyrer einen Höhepunkt, ihre Geschichten waren durch Texte und Bilder weit verbreitet. Die Gelegenheiten zur Erlangung der Bluttaufe waren inzwischen zwar rar geworden, doch stießen fortwährend Bekennerheilige und Asketen zu dem Kreis der christlichen Heiligen hinzu,231 aber auch neue Märtyrer wie Bonifatius († 754) und Thomas Becket († 1170). Unter ihnen waren auch solche, die 222 Angenendt 1997b, S. 35. 223 Zum Forschungsstand hinsichtlich des Beginns der Märtyrerverehrung Gnilka 2010, S. 116 ff. 224 Lohse 1955, S. 193. 225 Ebd., S. 199 ff. 226 Ebd., S. 203 ff. 227 Siehe Bähnk 2001, S. 209 ff. 228 Angenendt 1997b, S. 36. 229 Köpf 1993, S. 26; Frank 1994, S. 687 f.; Angenendt 1997b, S. 36. 230 „Duo sunt autem martyrii genera: unum in aperta passione, alterum in occulta animi virtute.“ Zitiert nach Reudenbach 2010, S. 78 (Übers. d. Verf.). 231 Es gab im Mittelalter mehrere Wege zur Heiligkeit: Die Bekennerheiligen waren Märtyrer dem Willen nach; die Asketen richteten Gewalt gegen eigenen Körper; daneben konnten Keuschheit, Jungfräulichkeit und Missionstätigkeit zur Heiligsprechung führen. Dazu Angenendt 1997b, S. 55.

48  Passion und Martyrium

den Tod geradezu suchten wie einige frühchristliche Missionare232 oder die rein zufällig Opfer eines Verbrechens wurden.233 Trotz der jüngeren Konkurrenz war die Verehrung der frühchristlichen Märtyrer ungebrochen. Im Volk waren sie wohl auch deshalb beliebt, weil es sich bei ihnen vielfach um Laien handelte, während die Heiligen des Mittelalters vornehmlich dem klerikalen Bereich entstammten.234 Auch wenn die Nachahmung der Märtyrer durch die Gläubigen (vorerst) nicht mehr im Martyrium selbst bestand, richtete sich die Forderung nach der imitatio Christi an jeden einzelnen Christen.235 In welcher Form konkret die Nachahmung von Gott eingefordert wurde, lag nicht in der Hand der Gläubigen selbst.

3.2 Hagiographie Für die Idee des christlichen Martyriums ist seine Beschreibung und Tradierung durch Texte von vornherein konstituierend. Die passiones sind Gegenstand unterschiedlicher Gattungen; übergreifend können diese als ‚Hagiographie‘ bezeichnet werden. Der Ausdruck ‚Hagiographie‘ ist kein Gattungsbegriff, sondern bezeichnet Produkte, die mit einer bestimmten Absicht und Haltung des Hagiographen geschaffen wurden: „Den Wandel, das Wirken, den Tod und die Wunder des Heiligen zu beschreiben und zu rühmen, Gott dadurch zu ehren und die Gläubigen zu erbauen, ist die Aufgabe der Hagiographie. [...] Das eigentliche Anliegen des Hagiographen ist [...], zu zeigen, wie Gott in dem Heiligen wirkt, wie der Heilige dadurch zum Helfer wird, und wie Gott durch ihn verherrlicht wird.“236

Auch bildende Kunst und Architektur können demnach Hagiographie sein. Die frühesten, nach dieser Definition noch nicht ‚hagiographisch‘ zu nennenden Texte über Märtyrer finden sich im Neuen Testament. Die ersten bildlichen Darstellungen entstanden nicht vor Ende des 4. Jahrhunderts.237 In der Apostelgeschichte findet sich die Schilderung der Verhaftung und Steinigung des Erzmärtyrers Stephanus (Apg 6,8–7,60) sowie die Erwähnung der Hinrichtung des Apostels Jakobus d. Ä. (Apg 12,1). Auf diese folgen zeitlich die frühen Apokryphen. Das erste eigentlich hagiographisch zu nennende Zeugnis ist das um das Jahr 160238 entstandene griechische „Martyrium Polycarpi“ – ein brieflicher Bericht über das Martyrium des Bischofs Polycarp 232 Dazu Frank 2008. 233 Z. B. der hl. Koloman – siehe unten, Abschnitt IV.2.2. Cyprian sagte, es gehe nicht in erster Linie um das Erleiden des Märtyrertodes, sondern um die Glaubenshaltung. Bähnk 2001, S. 289. Augustinus, Enarrationes in psalmos XXXIV, sermo II, 1 (= CCSL, Bd. 38, S. 312). Auch die Scholastiker vertraten diese Meinung. Siehe Cohen 2010, S. 247. 234 Siehe dazu Angenendt 1997b, S. 36 f. 235 Vgl. exemplarisch Thomas von Kempen, De imitatione Christi, 1414–25 (= Eichler 1966). 236 Bernt 1993, S. 25 f.; vgl. auch S. 28. 237 Solin/Brandenburg 1980, S. 278 ff., Anm. 39; Brandenburg 1981, S. 77. 238 Zur Datierung siehe zusammenfassend Baumeister 2009, S. 41 f.

Das Martyrium: Kontinuität der Gewalt  49

von Smyrna, den die christliche Gemeinde von Smyrna an die Gemeinde von Philomelium schrieb.239 Die hagiographische Tradition des lateinischen Westens, in dem sich die griechische Briefform nicht durchsetzte, wurzelt aber in den acta martyrum240 – den Berichten über christliche Märtyrer im nüchternen Stil tatsächlicher Prozessakten. Die „Passio SS. Scilitanorum“ ist das erste Zeugnis dieser Art, das dem Gerichtsprotokoll gemäß noch auf die Beschreibung der Hinrichtung selbst verzichtet.241 Ausschweifender ist die „Passio SS. Perpetuae et Felicitatis“ vom Anfang des 3. Jahrhunderts, deren Kern eine autobiographische Aufzeichnung der jungen Römerin Vibia Perpetua bildet.242 Perpetua, Saturninus, Saturus und die Sklaven Revocatus und Felicitas wurden im Jahr 202 oder 203 ad bestias verurteilt und in der Arena hingerichtet. In den Erzählungen der Märtyrerakten findet sich nach Erich Auerbach der sermo humilis des Neuen Testaments verwirklicht.243 Erstmals kommt hier auch die Vorstellung von der gloria passionis zum Ausdruck – das Hochgefühl der Christen angesichts ihres nahenden Todes. Es ist jedoch kein Heldentod, sondern das Annehmen eines von Gott vorgesehenen Schicksals.244 Schon von Beginn an sind die Märtyrerberichte von der Idee der Konformität mit Jesus bestimmt – das Leben der Märtyrer wird literarisch als imitatio vitae Christi konstruiert.245 Der Verlauf des Martyriums gleicht dem der Passion: Am Anfang steht das Verhör, auf das Vorbereitungen zur Hinrichtung und schließlich Letztere selbst folgen.246 Durch die Parallelität der Lebensläufe Jesu und der Märtyrer wird die heilsgeschichtliche Zusammengehörigkeit dieser Figuren auch narrativ bewiesen.247 Dementsprechend sind die Beschreibungen in den acta martyrum nicht, wie die Bezeichnung als Akten oder Protokolle nahelegt, als faktentreu anzusehen. Aus den acta martyrum entwickelte sich die Gattung der Passio.248 Diese wurde erweitert zur Vita, für die mit dem Aufkommen des monastischen Ideals das Martyrium bald kein integraler Bestandteil mehr war.249 Aus dem Martyrologium, das Heiligennamen unter Bei239 Dazu Berschin 1986, S. 37 f.; Buschmann 1994; Baumeister 2009, S. 217 ff. Das „Martyrium Polycarpi“ ist durch griechische Menologienhandschriften überliefert und parallel dazu durch Paraphrasen und Zitate bei Eusebius, Kirchengeschichte 4, 15. 240 Die eigentliche Gattung der Märtyrerakte im Stil römischer Prozessprotokolle verschwand im 7. Jh. Siehe Dolbeau 1993, Sp. 353. 241 Berschin 1986, S. 38 ff.; Feistner 1995, S. 26. 242 Berschin 1986, S. 46 ff. 243 Auerbach 1958, S. 51. 244 Vgl. ebd., S. 51 ff.; Berschin 1986, S. 52 ff. 245 Buschmann 1994, bes. S. 62 ff.; Baumeister 2009, S. 217 ff. Die Schilderung des Stephanus-Martyriums in Apg 7,1–60 gleicht in ihrem Verlauf der Passion – Rede gegen die Pharisäer, Steinigung als schmähliche Art der Hinrichtung – und bezieht sich daneben auch durch Wortzitate darauf. Siehe unten, Abschnitt IV.2.7. Campenhausen dagegen behauptet, die systematische Parallelisierung des Lebens Christi mit dem seiner Nachfolger sei eine Idee des Mittelalters gewesen. Buschmann 1994, S. 64. 246 Ebd., S. 72 f. 247 Ebd., S. 313. 248 Bernt 1993, S. 26 f. 249 Leonardi 1989, Sp. 1841.

50  Passion und Martyrium

fügung biographischer Daten verzeichnet, entstanden im hohen Mittelalter die ersten Legendare, in denen verschiedene Heiligenviten von einem Autor kompiliert wurden.250 Parallel zur Herausbildung eines neuartigen Passionsverständnisses seit dem 12. Jahrhundert änderte sich auch das Verhältnis der Gläubigen zu den Märtyrern. Diese waren nun gleichsam zu Vertrauten geworden. Entsprechend dem Verhältnis zu Christus wurde auch dasjenige zu den Märtyrern zunehmend persönlicher, der Märtyrer avancierte zum Helfer in der subjektiv empfundenen Not.251 Von der Mitte des 12. bis zum Ende des 13. Jahrhunderts waren volkssprachliche Versionen der Heiligenleben vornehmlich durch Einzellegenden verbreitet. 252 Zu unterscheiden sind solche aus dem höfischen Milieu und von klerikalen Verfassern. Gegenüber ihren lateinischen Vorlagen zeichnen sich die volkssprachlichen Legenden durch ihren größeren Umfang aus.253 Seit dem 13. Jahrhundert entstanden zahlreiche Legendare, die maßgeblich zur Verbreitung der Legenden und zur Popularisierung des Heiligenkultes beitrugen. Von den früheren Legendensammlungen unterscheiden sich die Legendare dadurch, dass sie keine bloßen Textsammlungen sind, sondern die Einzellegenden durch einen bestimmten Autor kompiliert und redigiert wurden.254 Die ersten Legendare dieses Typs, legendae novae genannt, wurden in Kreisen der Dominikaner verfasst. Jean de Maillys „Abbreviatio in gestis et miraculis sanctorum“ (erste Fassung um 1225) und der „Epilogus in gesta sanctorum“ (1245–51) des Bartholomaeus von Trient bildeten die Hauptquellen für die „Legenda aurea“ des Jacobus de Voragine, die zwischen 1252 und 1260 geschrieben wurde.255 Die lateinische „Legenda aurea“ verbreitete sich – im Gegensatz zu ihren beiden Hauptquellen – schnell über ganz Europa und wurde bald in alle Volkssprachen des Abendlandes übersetzt. Als Hauptgrund ihrer Verbreitung wurde ihre Polyfunktionalität angeführt, die sie sowohl in Klerikerkreisen als auch für ein Laienpublikum nutzbar machte.256 Ende des 13. Jahrhunderts entstanden mit dem „Passional“, einer Adaption der „Legenda aurea“, und dem „Buch der Märtyrer“ die ersten volkssprachlichen Legendare, zunächst noch in Versform.257 Das „Passional“ war bereits kurze Zeit nach seiner Entstehung ungleich verbreiteter als die in deutscher Sprache verfassten Einzellegenden.258 Mit dem Aufkommen der ersten volkssprachlichen Prosalegendare verloren die Verslegendare bald an Bedeutung. Die „Elsässische Legenda aurea“, in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts in Straßburg entstanden, ist die erste deutsche Überset-

250 Ebd., Sp. 1842. 251 Wolpers 1964, S. 158 f. 252 Dazu Feistner 1995, S. 90 ff. 253 Ebd., S. 148. 254 Williams-Krapp 1986, S. 12; Feistner 1995, S. 216. 255 Williams-Krapp 1986, S. 12; Fleith 1991, S. 24. Zur Bestimmung des Entstehungszeitraums eingehend ebd., S. 12 ff. 256 Dazu ebd., S. 38 ff.; Feistner 1995, S. 217 ff. 257 Zum Verhältnis von „Passional“ und „Legenda aurea“ siehe Tiedemann 1909; Feistner 1995, S. 220 ff.; vgl. des Weiteren Richert 1989; Kunze 1978. 258 Feistner 1995, S. 220.

Das Martyrium: Kontinuität der Gewalt  51

zung der „Legenda aurea“ und das erste Prosalegendar überhaupt.259 Sie erreichte einen relativ hohen, wenn auch auf den Südwesten Deutschlands beschränkten Verbreitungsgrad. Das am weitesten verbreitete Werk der volkssprachlichen Hagiographie ist das um 1400 im Nürnberger Dominikanerkloster verfasste „Der Heiligen Leben“ (auch: „Prosapassional“ oder „Wenzelpassional“).260 Es handelt sich im Gegensatz zur „Elsässischen Legenda aurea“ nicht um die Übersetzung einer lateinischen Vorlage, sondern um eine selbständige Kompilation, die sich aus vielen, vor allem volkssprachlichen Quellen speist, insbesondere dem „Buch der Märtyrer“.261 Anders als dieses weist es allerdings eine weitaus umfassendere Darstellung der Heiligenleben auf, in der die Bestätigung des Heiligen durch Wunder- und Mirakelerzählungen eine zentrale Rolle einnimmt und weniger die Schilderung des Martyriums.262 Damit einher ging eine Enthistorisierung, die sich in seiner Hauptquelle bereits ankündigte – der Heilige wird „aller biographischen und historischen Züge entkleidet und in eine zeitlose Übergeschichtlichkeit erhoben“;263 das Heilige zeigt sich in einem beliebigen Menschen.264 Seit etwa 1440 drängte „Der Heiligen Leben“ die verschiedenen Fassungen der „Legenda aurea“ im gesamten deutschen Sprachraum zurück; seit dem Erstdruck 1471/72 bis zur Reformation war das Prosalegendar deutlich dominierend. Gründe für die Beliebtheit des Werkes waren wohl das umfassende Legendenkorpus, das auch nur oder vor allem im deutschen Sprachgebiet verehrte Heilige einschließt, und der ein breites Publikum ansprechende einfache Sprachstil.265 Nachdem im 15. Jahrhundert dank des Buchdrucks die Legendare eine bis dato unerreichte Verbreitung erfahren hatten, wodurch der Heiligenkult gefördert wurde, kam mit der Reformation ein deutlicher Einschnitt. Luther lehnte die Heiligenverehrung nicht gänzlich ab, vielmehr schwankte seine Einstellung zu diesem Thema.266 In der Zeit zwischen 1521 und 1544 wurde es jedoch von katholischer Seite vermieden, Neuausgaben von Legendensammlungen herauszubringen, wohl um jede mögliche Polemik der Gegenseite schon im 259 Die „Elsässische Legenda aurea“ war vor allem im Südwesten Deutschlands stark verbreitet; WilliamsKrapp 1986, S. 35 ff. 260 Dazu Söder 1972; Williams-Krapp 1986, S. 188 ff.; Kunze 1981; editiert: Brand 1996/2004. Bis 1521 sind knapp 200 Handschriften erhalten. In handschriftlicher und gedruckter Form ist das Legendar wahrscheinlich in ca. 30.000 bis 40.000 Exemplaren im deutschen Sprachraum sowie in den Niederlanden und Skandinavien verbreitet gewesen und wurde standesübergreifend rezipiert. Brand 1996, S. XIII. 261 64 Legenden (ein Viertel des Gesamtbestands) verwenden das „Buch der Märtyrer“ als Vorlage, in 35 Fällen ist dieses die alleinige Quelle. Söder 1972, S. 38. 262 Ebd., S. 41 f. 263 Ebd., S. 42. 264 Höbing 1935, S. 42. 265 Kunze 1981; Söder 1972, S. 20 ff. 266 In seiner Vorrede zu Roths Festpostille 1527 akzeptierte er vor allem die Märtyrerlegenden, im Gegensatz zu den „unevangelischen“, enkomiastischen Mönchslegenden. Es folgte eine Phase der stärkeren Ablehnung. Der deutlichste Beleg für Luthers Polemik gegen die Legende ist die Schrift „Lügend von S. Johanne Chrysostomo“ aus dem Jahr 1537. Die letzte Phase, von 1540 bis zu seinem Tod, ist jedoch wieder von Verständnis für die Heiligenverehrung geprägt. Zur Bewertung von Heiligenlegenden durch Luther siehe Hieber 1970, S. 24 ff.

52  Passion und Martyrium

Keim zu ersticken. Seit 1545 (Beginn des Tridentinums) wurden neue Legendensammlungen veröffentlicht. 1554 entstanden die drei wichtigsten protestantischen Märtyrerbücher. Die Legenden wurden nun von beiden Seiten als Instrument im Glaubenskrieg verwendet.267 Auch in der bildlichen Darstellung kam dem Martyrium damit eine gegenüber dem Mittelalter deutlich zu unterscheidende Bedeutung zu.268

3.3 Das Grundschema der mittelalterlichen Märtyrerlegende Das Grundschema der späteren Märtyrerlegenden ist bereits in den acta martyrum angelegt. Von Beginn an zeigt sich im Aufbau die Parallelisierung mit dem Passionsbericht der Evangelien. Edith Feistner gelangt in ihrer Analyse der Struktur mittelalterlicher Heiligenlegenden zu dem Ergebnis, dass insgesamt betrachtet „das Schema der Märtyrergeschichten in der Regel substantiell und strukturell hochgradig konventionalisiert, auf ein eng begrenztes Repertoire stereotyper Elemente festgelegt“ ist.269 Kernelemente der Erzählung sind Verhör, Haft und Hinrichtung.270 Ergänzend treten in der Regel die Elemente Folter und Wunder hinzu, die beliebig addier- und reduzierbar und in ihrer Reihenfolge austauschbar sind. Dem Verhör kann eine in der Ausformung freiere Vorgeschichte vorausgehen;271 auf die Hinrichtung können Bestrafung der Feinde, Bestattung des Heiligenleichnams, unter Umständen zuvor seine inventio (Auffindung) und anschließende translatio (Überführung) sowie posthume Wunder folgen. Ausgangspunkt des Martyriums ist in der Regel die Verweigerung des Götzendienstes, woraufhin das Verhör folgt. Im Verhör kommt es seitens der heidnischen Obrigkeit zur Folterung, um den Märtyrer doch noch zur Abkehr vom christlichen Glauben zu bewegen. Die Foltern bleiben jedoch wirkungslos, werden durch göttliches Eingreifen vereitelt oder gar durch Heilungswunder rückgängig gemacht. Die Erfolglosigkeit der Folter provoziert die Anwendung neuer Folterungsversuche. Wenn die Peiniger die Sinnlosigkeit ihrer Bemühungen erkennen, wird das Todesurteil gesprochen und die Phase der Hinrichtung beginnt, an deren Anfang meist erfolglose Tötungsversuche stehen, bis in der Regel der Tod durch die Enthauptung herbeigeführt wird. Charakteristisch für die mittelalterliche Märtyrerlegende ist dadurch die Wiederholung und Variation des Gewaltmotivs. Die Beschreibung der Folterungen und Hinrichtungsversuche nimmt innerhalb der Vita großen Raum ein.272 Im Gegensatz zur vielfachen Wiederholung des Gewaltmotivs und seiner teilweise anschaulichen Beschreibung steht die Tatsache, 267 Ebd. 268 Dazu Herz 1988; Held 1996; Burschel 2004a u. Burschel 2004b; Oy-Marra 2007. 269 Feistner 1995, S. 31. 270 Zu den Bauformen der Märtyrerlegende siehe, auch für das Folgende, ebd., S. 27 ff. 271 Der Freiraum bei der Ausgestaltung der Vorgeschichte kann zur Einbindung eigentlich distinkter Inhalte führen, so wie im Falle des hl. Georg die Episode der Rettung der Prinzessin vor dem Drachen. Ebd., S. 30. 272 Vgl. die Untersuchungen von Söder 1972, S. 8 ff.; Barth 1981; Schirrmeister 2000.

Das Martyrium: Kontinuität der Gewalt  53

dass das subjektive Leiden des Opfers nicht beschrieben oder sogar negiert wird. 273 Durch das Ungleichgewicht zwischen den Gewaltaktionen der Täter und dem fehlenden Leiden der Opfer wird der Leidenstriumph des Märtyrers offenbar. Damit jedoch spielen das persönliche Schicksal des Individuums, sein Mut und seine heldengleiche Standfestigkeit im Glauben, die in den frühchristlichen Märtyrerakten zum Ausdruck kommen, nur noch eine untergeordnete Rolle. Die katalogartige Auflistung kennzeichnet nicht länger ein persönliches Schicksal, die Stationen des Martyriums sind nahezu austauschbar. „Das Martyrium wird nicht mehr als schwere, von Gott auferlegte Prüfung empfunden, sondern wird ganz als Zeichen göttlicher Gnade und Auserwählung verstanden.“274 Der Heilige des späten Mittelalters ist ‚auserwählt‘ dank der Gnade Gottes. In der spätmittelalterlichen Legende macht sich dies auch dadurch bemerkbar, dass die Vorgeschichte, die innere Entwicklung des Heiligen vor seinem Martyrium, weniger interessiert als die Episoden, in denen er sich als Auserwählter erweist, vor allem Mirakel und Martyrium. 275 Der eschatologische Aspekt des Martyriums tritt dadurch stark in den Vordergrund: „Alles Sinnen und Trachten des Heiligen ist auf die ewige Seligkeit ausgerichtet, zu der das Martyrium den Weg öffnet.“276 Für die Märtyrerlegende ist wie für das Martyrium an sich die Struktur der Wiederholung in mehrfacher Hinsicht charakteristisch: Das Martyrium ist eine imitatio der Passion Christi; die Erinnerung an das Urbild durch das Ereignis des Martyriums provoziert die immer wieder neue Nachahmung, es kommt zu einer Kette des gleichen Ereignisses. Die Erzählung des Heiligenlebens – die Vita – ist strukturell gesehen eine Wiederholung der Lebensgeschichte Jesu, die Erzählung des Martyriums – die Passio – eine Wiederholung der Passion. Innerhalb der Hagiographie werden die immer gleichen Topoi – zum Beispiel Verhaftung und Folter – verwendet, manchmal sogar ganze Viten übernommen.277 Für die einzelne Passio wiederum ist die Wiederholung von Folterungen und Hinrichtungsversuchen kennzeichnend. Das Strukturelement der Wiederholung kann als Qualität der Hagiographie hervorgehoben werden:278 Es ist kein Zeichen von Einfallslosigkeit, sondern besitzt zentrale Funktionen. Durch die gleichbleibende Struktur der Legende gewinnen die kleinen Unterschiede an Bedeutung; innerhalb der Passio herrscht durch die Aneinanderreihung von Foltern und Hinrichtungsversuchen das Prinzip der varietas. Der Grund für die Wiederholung des Gewaltmotivs liegt ja darin, dass die Foltern und Hinrichtungsversuche immer wieder scheitern. Im Prinzip der Wiederholung manifestiert sich das Vorhandensein einer unsichtbaren göttlichen Macht. Nur so kann verdeutlicht werden, dass die normalerweise negativ zu 273 Siehe dazu unten, Abschnitt IV.3.3. 274 Söder 1972, S. 8 f. 275 Ebd., S. 7 f. 276 Ebd., S. 9. 277 Dazu ebd., S. 2 ff.; Hahn 2001, S. 41. So ist z. B. das Leben der hl. Regina identisch mit dem der hl. Margarethe von Antiochien. Ebd. 278 So bei Hahn 2001, S. 38 ff.

54  Passion und Martyrium

bewertende, abschreckende Gewalterfahrung im Martyrium in ein positives Ereignis transformiert wird. Die im Mittelalter feststellbare Typisierung279 der Hagiographie trägt dazu bei, den Leidenstriumph des Märtyrers zu betonen. Diese ‚erbauliche‘ Wirkung resultiert allerdings nicht direkt aus dem tatsächlich Beschriebenen, das in erster Linie schockierend ist, sondern aus der Erkenntnis, wie sich darin die Idee der göttlichen Gerechtigkeit verselbständigt.280 ‚Genießbar‘ gemacht werden die Beschreibungen – und die bildlichen Darstellungen – durch dahinterstehende, unsichtbare Prinzipien oder Heilsgewissheiten eines christlichen Rezipienten: Das irdische Leben ist schlecht, da die Gegner der Christen die Wahrheit nicht erkennen und so dazu getrieben werden, diesen zu schaden; das irdische Leben kann allerdings ertragen werden, da man die überzeitliche Wahrheit kennt und sich der Belohnung für überstandene Qualen im Jenseits gewiss sein kann, insofern man ein untadeliges diesseitiges Leben führt.

3.4 Text und Bild Sowohl für die Passion als auch für die Heiligenmartyrien gilt, dass die Texte den bildlichen Darstellungen vorausgingen. Dies bedeutet jedoch keine Abhängigkeit des Bildes vom Text.281 Beide Medien haben ihre spezifischen Möglichkeiten, Fähigkeiten und Grenzen der Darstellung, gerade auch hinsichtlich des Gewaltmotivs. Für die bildliche Umsetzung eines bereits bekannten (durch sprachliche Überlieferung tradierten) Motivs bedeutet dies, dass das Bild nicht alle Informationen der Vorlage darstellen muss und kann, dafür jedoch Aspekte ergänzen muss oder kann, die in dieser fehlen.282 Das Bild macht anschaulich und stellt Bezüge her, die ein Text auf diese Weise nicht verdeutlichen kann. Bildliche und sprachliche Gewaltdarstellung unterscheiden sich. Charakteristisch für die bildliche Gewaltdarstellung ist die Notwendigkeit zur Konkretisierung, insbesondere im Hinblick auf die Körper von Tätern und Opfern. Die literarischen Beschreibungen sind durch die Gleichheit der Struktur und das Merkmal der Wiederholung des Gewaltmotivs gekennzeichnet. Auch wenn die erlittenen Martern und ihre Abfolge zwischen den Heiligen variieren, überlagert der starke Schematismus das Individuelle des Martyriums. In der bildenden Kunst hingegen bildeten sich einige Foltern als charakteristisch für bestimmte Heilige heraus, so dass sie in der narrativen Einzelszene oder durch ein darauf hinweisendes Attribut identifiziert werden können. Während das Auf-

279 Jauß 1968, S. 159. 280 Ebd., S. 160. 281 Überlegungen zum Verhältnis von Bild und Wort (Literatur, Schrift und Sprache) führen direkt zum Kern methodischer Schwierigkeiten des Faches Kunstgeschichte. Aus diesem Problem heraus entstanden die kunstgeschichtliche Hermeneutik und die Semiotik. Siehe dazu grundlegend Boehm 1978; Bätschmann 1984; Thürlemann 1990. 282 Ein anschauliches Beispiel hierfür ist, dass bei der bildlichen Darstellung des Brudermords von Kain an Abel durch Erschlagen die in Gen 4,8 nicht erwähnte Waffe definiert werden muss. Siehe Schapiro 1973, S. 11.

Die Frage nach dem Warum  55

einanderfolgen verschiedener Martern in der Literatur also zur Gleichförmigkeit der Heiligenleben führt, betont die Marter im Bild gerade die Individualität des einzelnen Märtyrers. Die größtenteils durch Texte überlieferten Motive der Hagiographie können nicht einfach in das Medium des Bildes ‚übersetzt‘ werden. Vor allem hinsichtlich der Gewaltmotive kommt zum Tragen, dass die Malerei zur Anschaulichkeit, insbesondere den menschlichen Körper betreffend, gezwungen ist – während sie bestimmte Informationen, die der Text vermittelt, nicht darstellen muss oder auch kann. Vergleicht man hagiographische Erzeugnisse mit Texten und Bildern über die Passion, fallen einige grundlegende Unterschiede auf, die hinsichtlich der Rezeptionserwartung relevant sind. Wie im Laufe der Arbeit gezeigt werden wird,283 spielen Bildmotive, die zur Erzeugung von compassio führen sollen, in Martyriendarstellungen eine deutlich untergeordnete Rolle. Dies ist durch die theologisch unterschiedliche Bedeutung von Passion und Martyrium begründet. Einen grundlegenden Hinweis zum Verständnis des Martyriums und damit zur intendierten Rezeption der Hagiographie liefern einige Fassungen der Passio der hl. Margarethe: Ihre Tortur führt dazu, dass der König und die Anwesenden ihre Augen verhüllen, weil sie den Anblick nicht ertragen können.284 Ausgerechnet dieser starke, von Mitleid zeugende Gefühlausdruck ist in diesem Text den Heiden vorbehalten. „Dogmatisch genommen ist aber gerade diese Gebärde ein Zeichen der Verblendung derer, die nur den gemarterten Körper und die sinnenhafte Welt, nicht aber die Überlegenheit der Seele und des Glaubens an die unsichtbar mächtige Wirklichkeit des ewigen Lebens kennen.“285

Demzufolge muss der Rezipient hagiographischer Literatur und Kunst den spontanen Schockmoment überwinden und reflektierend zu einer positiven Deutung gelangen. Primäres Ziel der Hagiographie ist also nicht, wie im Falle der spätmittelalterlichen Passionsliteratur und -bilder, compassio beim Rezipienten zu erzeugen.

4  Die Frage nach dem Warum Angesichts der spätmittelalterlichen Bildproduktion nördlich der Alpen bleibt die Frage nach dem Warum. Dass das neue Passionsverständnis zwar eine Voraussetzung dafür darstellt, es jedoch nicht der alleinige Grund sein kann, wird durch den Vergleich mit der italienischen Kunst der gleichen Zeit deutlich. Wie in Unterabschnitt I.3.3 ausgeführt, kann die Ursache nicht in einer durch Gewalt geprägten Lebensrealität gesucht werden, denn zwischen tatsächlicher und medialer Gewalt besteht kein Spiegelverhältnis. Entsprechend ist für das späte Mittelalter eine stärkere Triebhaftigkeit und daraus resultierend ein ungehemmtes Gewaltverhalten nicht belegbar, die Annahme einer besonderen Abgestumpftheit gegen den Anblick von Gewalthandlungen 283 Besonders Abschnitt IV.3 u. VI.3. 284 Z. B. im „Passional“, zitiert bei Tiedemann 1909, S. 147. Vgl. Jauß 1968, S. 162. 285 Ebd.

56  Passion und Martyrium

durch die öffentliche Straf- und Hinrichtungspraxis ist reine Spekulation. Auch die ständige Bedrohung durch den Pesttod, Klima- und Agrarkrisen, Hungersnöte und Aufstände lassen sich nicht unmittelbar als Gründe anführen, da es sich hier um gesamteuropäische Phänomene handelt, die den auffälligen Befund für die Malerei nördlich der Alpen nicht zu erklären vermögen.286 Feststellen kann man jedoch seit dem 14. Jahrhundert eine stärkere Beschäftigung mit dem Tod, die sich zum Beispiel in der ars moriendi und der TotentanzIkonographie äußert.287 Todesangst und Endzeiterwartung können als Ursachen einer tieferen Frömmigkeit angeführt werden, in deren Kontext die Gewaltbilder einzuordnen sind.288 Die Gründe erhellen sich ein wenig durch den Vergleich mit der italienischen Kunst des Quattrocento. In dieser Zeit ist der Unterschied zwischen dem nord- und südalpinen Raum besonders eklatant. Dabei waren die Voraussetzungen zunächst ähnlich: Im 12. und 13. Jahrhundert setzte sich im gesamten Westen ein neues Passionsverständnis durch, das das Leiden Jesu mehr ins Zentrum der Frömmigkeit rückte. Von besonderer Bedeutung für diese Entwicklung waren nicht zuletzt die Orden der Franziskaner und der Dominikaner, die von Italien ausgehend ihre Wirkung entfalteten. Der Unterschied in der Kunstproduktion bildete sich mit dem 13., spätestens dem 14. Jahrhundert heraus, als in Italien die christliche Schönheitsmetaphysik durch den Einfluss einer humanistisch geprägten Ästhetik zunehmend an Relevanz verlor.289 Demnach ist in der Verbindung des veränderten Passionsverständnisses mit der immer noch maßgeblich durch Augustinus geprägten Schönheitsmetaphysik der Grund für die Entstehung der spezifischen nordalpinen Kunst des späten Mittelalters zu suchen. In Verbindung mit dem zunehmenden Naturalismus, der auch die Malerei des deutschsprachigen Raums im 15. Jahrhundert erreichte, und im Rahmen eines Situationsrealismus, den die italienische Kunst im Zusammenhang mit dem Thema Passion und Martyrium nicht in solch extremer Weise kannte, führte dies zu einer besonderen Ausprägung der Gewaltdarstellungen. Plausibel wird so auch, dass sich die diesbezüglichen Unterschiede mit zunehmendem Einfluss des Humanismus nördlich der Alpen seit Anfang des 16. Jahrhunderts nivellieren. Zur Beantwortung der Frage, warum nördlich der Alpen eine Vielzahl drastischer Darstellungen der Passion und der Heiligenmartyrien entstanden, bedürften die Bedingungen des Zusammenwirkens von Passionsverständnis und Ästhetik einer genaueren Untersuchung, die im Rahmen dieser Arbeit nicht geleistet werden kann. Der Vergleich mit Italien könnte diesbezüglich aber eine Schlüsselrolle spielen.

286 Graus 1987 beschreibt gemäß seinem Buchtitel eine Kausalität zwischen ‚Pest, Judenmorden und Geißlerzügen‘; die spätmittelalterliche Judenverfolgung habe „eine Epoche des durchdachten Kollektiv-Sadismus bei öffentlichen Schaustellungen und Verstümmelungen, bei Hinrichtungen“ eingeleitet (S. 376). Umfassend zur Pest und den mit ihr in Verbindung stehenden Katastrophen und Krisen des späten Mittelalters siehe Seibt/Eberhard 1984; Zinn 1989. 287 Haas 1989, bes. S. 174 ff. 288 Zu Auswirkungen der Pest auf das Leben im Mittelalter, insbesondere die Heiligenverehrung: Bulst 1996; des Weiteren Dinzelbacher 1986; Bergdolt 1994. 289 Assunto 1961, S. 118.

III Gewaltdarstellungen – Determinanten und Strategien der Inszenierung

Die künstlerische Darstellung körperlicher Gewalt  – entweder explizit, indem Akte der Gewalt visualisiert werden, oder implizit, zum Beispiel durch die Repräsentation verwundeter oder toter Personen – hat eine lange Tradition. Schon seit den Anfängen gehört Gewalt zu den Lieblingsmotiven der Kunst.290 Die Themen, Darstellungstraditionen, Strategien der Ästhetisierung und Inszenierung sowie die Bedeutungen und die Rezeption sind dabei kontextabhängig und historisch starken Veränderungen unterworfen.

1  Täter – Opfer – Zuschauer Der Parameter der Gewaltanalyse ist das Verhältnis von Täter und Opfer.291 Bezogen auf die Themen Passion und Martyrium ist diese Beziehung eindeutig geregelt: Christus und die Märtyrer sind Opfer der Glaubensfeinde – Heiden und Juden. Für die bildliche Darstellung sind zwei Faktoren entscheidend: die Waffe bzw. das Marterinstrument (gegebenenfalls der Körper des Täters selbst) und der dargestellte Geschehensmoment. Aus ihnen resultiert die konkrete Erscheinung der Gewalt im Bild. Der im Bild dargestellte Moment eines Gewaltgeschehens entspricht nicht der Teilphase einer aktuellen Bewegung im Sinne eines erstarrten Moments,292 sondern die durative Gewaltaktion wird in komprimierter Form vor Augen geführt.293 Entscheidend ist, ob die Phase vor, während oder nach dem Gewaltakt bzw. der durativen Gewaltaktion dargestellt ist. Hieraus resultiert zumindest teilweise die Erscheinung des Opfers: unversehrt, verletzt oder fragmentiert, lebendig oder tot.

290 So schon in den steinzeitlichen Fels- und Höhlenmalereien, z. B. in der Höhle von Lascaux, um 13500 v. Chr. (Abb. in Bataille 1961, S. 40) und in der Gasulla-Schlucht („Hinrichtung“, Abb. in Wertheimer 1986, S. 9) oder in Homers „Ilias“, 8. Jh. v. Chr. 291 Braun/Herberichs 2005 (Einleitung), S. 13. Nur bei Zweikämpfen oder Schlachten liegt in der Regel kein Täter-Opfer-Verhältnis, sondern ein Gegner-Verhältnis vor. Am Ende steht eine Sieger-VerliererKonstellation. 292 Panofsky 1926, S. 141. Panofsky führt als Vergleich die Fotografie an, in der Aufnahmen von Bewegungen wie Laufen oder Springen völlig leblos wirkten. 293 Vgl. die einführenden Überlegungen bei Darian 2007, S. 175.

58 Gewaltdarstellungen

Typischerweise sind in Gewaltbildern Täter und Opfer dargestellt. An der Interaktion zwischen ihnen unter Einbeziehung der Waffe ist das Vorhandensein eines Gewaltverhältnisses erkennbar. Der Gewaltakt geht vom Täter aus und richtet sich gegen den Körper des Opfers. Dies kann in mittelbarer oder unmittelbarer Weise geschehen: Unmittelbar wirkt der Körper des Täters zum Beispiel beim Schlag auf den Körper des Opfers ein. Bei mittelbarer körperlicher Gewalt gibt es verschiedene Abstufungen: Beim Stich mit einem Messer sind die Körper von Täter und Opfer durch die Waffe noch miteinander verbunden; im Falle einer Steinigung kommt es nicht einmal mehr zu einem vermittelten Kontakt zwischen ihnen.294 In Abhängigkeit von der Waffe bzw. vom Marterinstrument ist der Täter unter Umständen entbehrlich, um die Gewalttat zu visualisieren – zum Beispiel bei der Hinrichtungsart der Kreuzigung. So ist auch in den zahlreichen Darstellungen des am Kreuz hängenden Christus der Gewaltakt nur indirekt eingeschrieben, er wird nicht explizit gezeigt.295 Zu unterscheiden von solchen implizit dargestellten Gewaltakten in szenisch-narrativen Bildern sind Darstellungen von Heiligen mit Märtyrerattribut. Die Grenzen sind hier teilweise schwer zu ziehen, da es stark handlungshaltige Attribute gibt. Bartholomäus mit dem Schindmesser oder Andreas mit einem Miniaturkreuz sind eindeutig als Repräsentations­ bildnisse von Heiligen mit Attributen zu verstehen; das Attribut ist jeweils das Werkzeug der Marter, es steht als Symbol stellvertretend für die erlittene Gewalt.296 So trägt der hl. Ste­ phanus in der Regel Steine in der Hand. Andere Darstellungen zeigen ihn jedoch mit einem am Kopf ‚klebenden‘ Stein – fasst man diese Art der Darstellung als narrativ auf, trifft der Stein ihn also exakt im Moment der Verbildlichung. Hier wird ein Geschehensmoment der Gewalthandlung attributiv verwendet. Dennoch sind solche Bilder von narrativen Dar­ stellungen des Martyriums klar zu unterscheiden, denn Letztere zeigen Stephanus in der Regel kniend und unter Anwesenheit der Steinewerfer. Bei Repräsentationsbildnissen fehlt dieser Handlungskontext. In anderen Fällen aber ist diese Differenzierung schwieriger. Das „Wiener Neustädter Retabel“ (1447; Wien, Stephansdom)297 zeigt in der ersten Wandlung 49 Heilige, zumeist mit traditionellen Attributen. Demgegenüber ist der hl. Achatius von den 10.000 Christen, die vom Berg Ararat ins Dornengestrüpp gestürzt wurden, hier in eben diesem hängend dargestellt. Das ‚Attribut‘ des Achatius ist somit stark handlungshaltig. ­In diesem Fall ist die Grenze zwischen narrativer Darstellung und Repräsentationsbild fließend. Auch die Darstellung der Waffe ist zur Darstellung eines Gewaltereignisses nicht erforderlich. Ist der Körper des Opfers äußerlich in einer Weise versehrt, der auf vorangegangene Gewalteinwirkung schließen lässt, ist der Gewaltakt wiederum implizit präsent. 294 Zur Steinigung siehe unten, Abschnitt IV.2.7. 295 Im Falle der Kreuzigung Christi tritt als Problem hinzu, dass die historisch-narrative Ebene des dargestellten Ereignisses durch die symbolische Bedeutung überlagert ist. Vgl. Mrass 1991, Sp. 1503. 296 Individuelle Heiligenattribute gibt es vermehrt erst seit dem 5. Jh., darunter jedoch lange nur wenige, die auf das spezifische Martyrium hinweisen. Zu den frühesten Heiligen mit individuellem (Märtyrer-) Attribut gehört der hl. Laurentius mit dem Rost. Schurr 1997, S. 151 f., 337. 297 Abb. bei Flor 1996, S. 36.

Täter – Opfer – Zuschauer  59

Durch die Visualisierung der Folgen auf der Seite des Opfers kann körperliche Gewalt besonders eindringlich dargestellt werden. Sichtbare Folgen können zunächst Verletzungen sein: Wunden, Blut, Fragmentierung, Deformationen; des Weiteren der Ausdruck von Schmerz durch Mimik, Gestik oder Körperhaltung – der sich windende oder angespannte Körper, das verzerrte Gesicht, der zum Schrei geöffnete Mund oder habitualisierte Schmerzgesten. Über die Verfasstheit des Körpers kann das Opfer auch als leblos dargestellt werden – durch ein fahles Inkarnat, geschlossene Augen, eine unbelebte Körperhaltung oder einen Grad an äußerer Versehrtheit, der auf nichts als den Tod schließen lässt, zum Beispiel wenn der Kopf vom Körper getrennt ist. Die Konfrontation eines Dritten mit einem Gewaltverhältnis, ob real oder medial vermittelt, fordert von diesem die Identifikation mit einer Partei. Mit welcher Partei man sich identifiziert, ob und in welchem Maße man Mitgefühl mit dem Opfer oder dem im Kampf Unterlegenen hat, hängt von der Beziehung zu den Parteien und der eigenen Empathiefähigkeit ab.298 In der christlichen Kultur seit dem späten Mittelalter ist – basierend auf der Rezeption der Passion Jesu – angesichts eines beliebigen Gewaltverhältnisses die Identifikation mit dem Opfer vorherrschend. Liegen keine Informationen vor, die die Gewalt als legitim erscheinen lassen, wird diese tendenziell als ‚böse‘ wahrgenommen. Anders verhält sich dies bei einem Gegner-Verhältnis, das bei Zweikämpfen oder Schlachten vorliegt.299 Hinsichtlich der Themen Passion und Martyrium ist das Verhältnis von Gut/Böse und Opfer/Täter eindeutig. Die Identifikation des Gläubigen mit dem Opfer, sein Mitgefühl mit ihm, kann als Prämisse gelten. Im Neuen Testament finden sich außer der Passion kaum Gewaltakte; es kommt damit praktisch keine legitime körperliche Gewalt zur Darstellung. Im Alten Testament hingegen sind die Gewaltverhältnisse vielgestaltiger: Mord, Opferung, Krieg und Gottesstrafe stehen hier als Themen nebeneinander; die Bewertung der ausgeübten Gewalt als gut oder böse ist vom jeweiligen Kontext abhängig. Angesichts bildlicher Passions- und Martyriendarstellungen weiß der gläubige Betrachter bereits zuvor um das Verhältnis von Täter und Opfer, Böse und Gut. Das Bild verfügt jedoch über Mittel, die nicht auf durch Sprache generiertem Wissen basieren, um das Verhältnis von Gut und Böse zu verdeutlichen. Maßgeblich hierfür ist die Charakterisierung von Tätern und Opfern durch ihre äußere Gestalt, ihre Bewegungen (Handlungen, Gestik, Mimik) und ihre Kleidung. Dem liegt die Vorstellung des Äußeren als Spiegel des Inneren zugrunde – eine Idee, die nicht an ein bestimmtes Leib-Seele-Modell gebunden ist und die in der künstlerischen Darstellung gegenüber der Realität unter veränderten Bedingungen gilt. Die Stigmatisierung der Täter durch ihr Äußeres ist ein Mittel der polarisierenden Gewaltdarstellung.300 298 Zu Einfühlung, Mitgefühl (als moralische Form von Einfühlung) und Mitleid siehe Löw-Beer 2004, bes. S. 108 ff. 299 Hier stehen am Ende Sieger und Verlierer. Die Einstellung verschiedener Kulturen kann dabei variieren. Darstellungen von Zweikämpfen in der attischen Vasenmalerei z. B. enthalten kaum Hinweise darauf, wer die positive Figur ist. Aus heutiger Perspektive ist das Wissen um die gesellschaftliche Bewertung dieser Art von Gewalt nötig: Das Interesse galt zwar dem Stärkeren, dem Sieger, aber dennoch wurde dem Unterlegenen aufgrund seiner Tapferkeit bis in den Tod Anerkennung gezollt. Gewalt als Bildmotiv der Vasenmalerei im Athen des 6. und 5. Jhs. ausführlich behandelt durch Muth 2008. 300 Siehe dazu unten, Abschnitt III.3.

60 Gewaltdarstellungen

In Höllendarstellungen dagegen sind die Gewaltopfer als negative Figuren gekennzeichnet und die von den Dämonen ausgeübten Gewaltaktionen sind dadurch als von Gott ausgehende, legitime Gewalt dargestellt. Offene, nichtpolarisierende Gewaltdarstellungen sind im christlichen Mittelalter selten.301

2  Kategorien der Gewalt im Kontext von Passion und Martyrium Wie bereits in Abschnitt II.3.3 erläutert, sind die passiones sowohl Christi als auch der Märtyrer durch das Aufeinanderfolgen verschiedener Gewaltakte charakterisiert. Den Auftakt machen in der Regel die Gefangennahme und das Verhör. Darauf folgen kategorial verschiedene Arten der Gewalt und schließlich die Hinrichtung. Die Gewalt lässt sich nach der jeweiligen Intention ihrer Ausübung in fünf Kategorien einteilen: körperlicher Zwang, Quälen, Foltern, Strafen und Töten.302 Körperlicher Zwang wird beispielsweise bei der Gefangennahme ausgeübt. Quälen, Foltern und Strafen unterscheiden sich intentional, können phänomenal aber nur schwer gegeneinander abgegrenzt werden. Ihre Mittel sind die Zufügung von Schmerz oder Verletzungen. Beim Quälen des Opfers ist die Gewalt Selbstzweck; das Motiv kann hier einerseits Grausamkeit sein, andererseits, wenn diese sexuell stimulierend ist, Sadismus oder Masochismus.303 Folter zielt in der Regel darauf ab, den Willen des Opfers zu brechen oder ein Schuldeingeständnis zu erreichen, nicht jedoch auf seinen Tod.304 Das Strafen ist eine Sanktion, die sich auf ein bestimmtes Vergehen des Opfers bezieht, das durch die Strafe dann aber gesühnt ist. Integrale Bestandteile von Quälen, Strafen und Foltern sind der Schmerz oder die Angst des Opfers. Bei der Tötung eines Subjekts kann zwischen (aus obrigkeitlicher Perspektive) legitimer Strafe, Totschlag und vorsätzlichem Mord differenziert werden. Christus wurde in einem Prozess verurteilt (wenn auch laut Markus 14,56 „falsch Zeugnis“ gegen ihn gesprochen wurde) – nur die Verspottung und kleinere Akte seelischer Gewalt im Rahmen der Passion entsprangen reiner Willkür. Bei den Märtyrern finden sich verschiedene Varianten: Paulus zum Beispiel wurde in Rom der Prozess gemacht, er wurde verurteilt und – wie es 301 Ein Beispiel ist die „Kreuzritterbibel“, Mitte 13. Jh., heute größtenteils in New York, Pierpont Morgan Library, MS M. 638. Die Handschrift stammt aus dem Umfeld Ludwigs IX. (1214–70), der durch die Darstellung alttestamentlicher Gewaltszenen wohl die zeitgenössischen Kriegshandlungen der Kreuzzüge legitimieren wollte. Das Alte Testament erscheint hierbei als Präfiguration der Gegenwart und Ludwig als Nachfolger der alttestamentlichen Könige und Kriegsherren. Dazu Rehm 2008, S. 213. Abb. bei Cockerell 1969 (Faksimile). 302 Vgl. Boureau 1984, S. 118 ff., der die Torturen der Märtyrer kategorisiert, um eine Morphologie des Martyriums zu konstruieren. Er teilt ein in I. Modes d’arrestation, II. Torments und III. Supplices mortels. 303 Auch wenn ‚Sadismus‘ und ‚Masochismus‘ moderne Begriffe sind, lassen sich die Konzepte auf das Mittelalter übertragen. Vorsicht ist hingegen geboten, wenn wie bei der Selbstgeißelung eine religiöse Motivation dominiert. 304 Unklar ist, wie Rhein 1995, S. 109 zu der Einschätzung gelangt, dass mit dem Abschluss des Verhörs die Phase beendet sei, in der der Märtyrer zur inneren Umkehr bewegt werden sollte, und von nun an das Ziel der Gewaltanwendung nur noch in der physischen Vernichtung bestehe. Kritisch dazu auch Schirrmeister 2000, S. 136.

Die Darstellung der Christenfeinde  61

ihm als römischem Bürger zustand – durch Enthauptung hingerichtet. Wie er galten viele frühchristliche Märtyrer als Aufrührer, die die staatliche Ordnung gefährdeten.305 Der Apostel Jakobus Minor hingegen wurde der Überlieferung zufolge von Pharisäern und Schriftgelehrten von den Zinnen eines Tempels geworfen, nachdem er von dort gepredigt hatte, und war dann, da er durch den Sturz nicht getötet worden war, mit einer Walkerstange erschlagen worden.306 Hier handelt es sich also um einen spontan ausgeführten Tötungsakt – juristisch gesprochen einen Totschlag –, der weder das Ergebnis eines rechtmäßigen Prozesses noch eines kaltblütig geschmiedeten Mordplans war. Letzteres lässt sich für den hl. Thomas Becket, Erzbischof von Canterbury, anführen, der infolge seines Konflikts mit König Heinrich II. von vier Rittern in seiner Kathedrale ermordet wurde.

3  Die Darstellung der Christenfeinde in den spätmittelalterlichen Bildern In den spätmittelalterlichen Bildern der Passion und der Heiligenmartyrien spielt die Darstellung der Täter hinsichtlich der Drastik des Gewaltgeschehens eine wichtige Rolle. Neben den von ihnen ausgeführten Gewalthandlungen, die – da sie sich gegen Jesus und die Heiligen als Vertreter des christlichen Glaubens richten – per se verabscheuungswürdig sind, werden sie auch durch äußere Merkmale – Gestalt, Mimik, Gestik, Kleidung – als negative Figuren gekennzeichnet. Wo der Text ein einzelnes körperliches Merkmal hervorheben kann, um beispielsweise einen Mörder als hässlich/böse zu charakterisieren, muss das Bild ihn in seiner gesamten Erscheinung darstellen, also konkreter sein. Die bedeutungserzeugenden Elemente der äußeren Erscheinung der Christenfeinde sind das vorliegende Bildmaterial betreffend derart vielfältig, dass an dieser Stelle nur ein summarischer Überblick geliefert werden kann. In den Kapiteln IV bis VII wird an gegebener Stelle hierauf zurückgekommen. Dass der menschliche Körper, sein Gebaren307 und die Kleidung Zeichen sind, die auf das Innere einer Person hinweisen, ist eine Vorstellung, die seit der Antike existiert und die sich bis in die Gegenwart hineinzieht. Im Bild gilt die Zeichenfunktion des Körpers unter veränderten Bedingungen, denn künstlerisch dargestellt ist keine Form, auch wenn sie auf Gegenstände referiert, lediglich ein Abbild, sondern immer auch ein Zeichen – als solche können Formen nur als Bedeutung beurteilt werden, nicht als Ausdruck.308

305 Dementsprechend wurden sie in der römischen Antike im Amphitheater öffentlich hingerichtet, um die Wiederherstellung der gesellschaftlichen Ordnung zu verdeutlichen. Vgl. Diefenbach 2000, S.  111 ff. 306 Legenda aurea (= Benz 1925, S. 342 f.); LCI, Bd. 7, Sp. 47. 307 Unter Gebaren verstehe ich das Zusammenwirken jeglicher Arten körperlicher Bewegung (sachbezogene Handlungen, unbewusste Körpersprache und bewusst eingesetzte Mimik und Gestik). 308 Siehe Rehm 2002, S. 201 ff. unter Bezug auf Roland Barthes, Mythen des Alltags (1964), dort im Hinblick auf Literatur.

62 Gewaltdarstellungen

3.1 Physiognomie, Gebaren und Kleidung im Bild Zunächst wird durch die Körperzeichen zwischen weltlicher bzw. geistlicher (jüdischer oder heidnischer) Obrigkeit mit ihrem Gefolge und dem ‚niederen Volk‘ – Henker, Schergen, Soldaten etc. – unterschieden. Erstere erscheinen – gemäß der vorherrschenden Handlungsstruktur der Märtyrerlegende – als Auftraggeber der Gewaltaktionen, Letztere als Ausführende der Befehle. Dies wird im Bild deutlich durch die Kontrastierung von körperlicher Passivität und Aktivität: Die Befehlsgeber sind häufig passiv am Bildrand dargestellt (Farbabb. 10 b).309 Ihre Handlung ist oftmals auf Rede- und Zeigegesten beschränkt, die sich daneben auch bei den Heiligen finden310 – diese sind entweder als Rechtfertigung der befohlenen Martern zu verstehen oder als Ausdruck der Verwunderung über deren Erfolglosigkeit (Farbabb. 24, 26). Nur selten beteiligen sie sich selbst an den Gewaltaktionen. Die Peiniger führen keine Rede- oder Zeigegesten aus, denn sie gehören nicht der geistigen Sphäre an. Sie sind durch körperliche Aktivität gekennzeichnet, die oftmals aggressiv und unkontrolliert erscheint (Farbabb. 13). Durch die Ausführung der Gewalthandlungen sind sie von vornherein als negative Figuren charakterisiert. Oftmals finden sich bei den Christenfeinden physiognomische Merkmale, die als hässlich erachtet wurden oder auf eine fremde Herkunft verweisen. Dazu zählen zum Beispiel auffällige Nasentypen oder, allgemeiner formuliert, disproportionale Gesichtszüge. Die Hässlichkeit der Christenfeinde wird durch den Gegensatz zu den meist mit idealtypischer Physiognomie ausgestatteten Heiligen besonders deutlich. Über die naturgegebene Hässlichkeit hinaus gehen als körperliche Anomalien wahrgenommene Merkmale – zum Beispiel Warzen und Hasenscharten (Farbabb. 9), Glatzen (ebd.), Schielen (Abb. 47), Einäugigkeit, Fettleibigkeit (Umschlagabb.) oder auch Anzeichen von Krankheit wie Wunden, Beulen oder Flecken (Farbabb. 6, 9); auf Wunden weisen oftmals Pflaster oder Verbände hin sowie auch dadurch angelockte Fliegen (Abb. 1 e). Krankheit ist in diesem Fall als Folge von Sündhaftigkeit zu deuten; daneben wurde sie im Mittelalter aber auch wissenschaftlich erklärt oder als göttliche Prüfung und somit als Gnade und Auszeichnung angesehen.311 Auch Jesus wurde in der spätmittelalterlichen Kunst ja nach der Vorausdeutung in Jesaja 53,4 als quasi leprosus dargestellt. Die Polysemantik von Krankheit schlägt sich auch im Umgang der mittelalter­ lichen Gesellschaft mit ihr nieder, der sich zwischen dem Ideal barmherziger Fürsorge312 und sozialer Marginalisierung bewegte. 309 Die im Folgenden genannten Abbildungsverweise sind exemplarisch zu verstehen. 310 Insbesondere bei Stephanus und Katharina in der Diskussion mit den Hohepriestern bzw. Philosophen. Hier wird auf verschiedene Weise verdeutlicht, dass der/die Heilige triumphiert: Bei Stephanus halten sich die Hohepriester die Ohren zu, bei Katharina fehlt selten die Szene, in der die Philosophen verbrannt werden, wodurch deren Bekehrung deutlich gemacht wird. 311 Zur Begründung und Bewertung von Krankheit im Mittelalter siehe Schreiner 1992, S. 70, Anm. 4; Toellner 1992; Bergdolt 1994, S. 21 ff.; Cohen 2010, S. 188. Der Prototyp hierfür war der durch Aussatz geprüfte Hiob, der aufgrund seiner patientia seit Tertullian als Typus Christi galt. Dazu von der Osten 1953. 312 In Bezug auf den barmherzigen Umgang mit Kranken ist das Vorbild der hl. Elisabeth zu nennen, die sich um Arme und Kranke kümmerte.

Die Darstellung der Christenfeinde  63

Die Kleidung der Peiniger ist tendenziell zeitgenössisch. Sie spielt dabei häufig auf modische Tendenzen an, die von der Kirche negativ bewertet wurden. Dazu gehören zum Beispiel die Verknappung des Wamses, geschlitzte Gewänder und Zaddeln oder bestimmte Muster und Farbkombinationen wie das Mi-Parti.313 Teilweise tragen die Peiniger aber auch ärmliche, zerschlissene Kleidung.314 Ein verbreitetes Merkmal der Kleidung in den Darstellungen des 15. Jahrhunderts ist die Körperbetontheit, die – wie sich zum Beispiel städtischen Kleiderordnungen und Predigten entnehmen lässt – als Zeichen von superbia (Hoffart) angesehen wurde. In den Passions- und Martyrienbildern findet sich neben der durch die Mode bedingten Körperbetontheit auch Freizügigkeit aufgrund von Nachlässigkeit (Farbabb. 4). Die Knappheit der Männermode erreichte ihren Höhepunkt in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Schon in den 1470er Jahren begann man, die engen Kleidungsstücke zu schlitzen, um wieder mehr Bewegungsfreiheit zu erreichen. Nach Verknappung und Körperbetontheit kam es gegen Ende des 15. Jahrhunderts zu einer Tendenz zum Massigen und Wuchtigen, die schließlich zur Mode von Pluderhosen, Puffärmeln, Kuhmaulschuh und Barrett führte.315 Hier wurde von obrigkeitlicher Seite nun die Verschwendung durch den Stoffreichtum bemängelt. In den Bildern findet sich solche Kleidung vor allem bei den Henkern der Märtyrer, insbesondere seit dem zweiten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts (Farbabb. 20). In den Bildern sind die Machthaber im Gegensatz zu den Peinigern durch kostbare und aufwändige Kleidung gekennzeichnet, die eher antikisierend-orientalisierend als zeitgenössisch gestaltet sind. Kostbare Materialien wie Brokat oder Pelz finden sich aber auch bei positiv besetzten Figuren wie den Heiligen Drei Königen oder dem Guten Hauptmann – sie sind vor allem als Standessymbol zu verstehen und nicht prinzipiell als Hinweis auf eine negative Gesinnung.316 Die zeichenhafte Bedeutung von Kleidung ist immer im Einzelfall zu überprüfen. Gezaddelte Kleidung wurde beispielsweise in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts auch noch als hochherrschaftliche Mode dargestellt, dann vor allem bei niederen Schichten.317 Kleidung gewinnt als Bildzeichen erst mit dem Aufkommen des Phänomens Mode an Bedeutung. In Deutschland kann man davon seit dem 14. Jahrhundert sprechen, als mit dem Aufschwung des Bürgertums ein prinzipieller Wandel hinsichtlich der gesellschaftlichen Bedeutung von Kleidung eintrat.318 Die Entstehung von Mode weist auf ein Infragestellen der gottgewollten Ordnung durch breite Schichten hin. Kleidung entwickelte sich zu einem komplexen Zeichensystem und konnte so zum Ausdrucksmittel des einzelnen Individuums werden, dem mit der Entstehung eines neuen Persönlichkeitsgefühls mehr Bedeutung zukam. Die in Bildern repräsentierte Kleidung darf jedoch generell keineswegs als Spiegel der 313 In Farbe und Form zweigeteilte Kleidungsstücke, häufig auch bei Narren. 314 Siehe z. B. den Messerschleifer in der Bartholomäus-Szene von Lochners „Apostelmartyrien“ (Farbabb. 10 c). Zum Kittel als Gewand der körperlich arbeitenden Unterschicht ausführlich Reichel 1998, S.  73 ff. 315 Eisenbart 1962, S. 99; Kühnel 1992, S. LVIII f. 316 Reichel 1998, S. 196. 317 Ebd., S. 166 f. m. Anm. 389. 318 Eisenbart 1962, S. 8 f.; Kühnel 1992, S. XXXVIII.

64 Gewaltdarstellungen

historischen Wirklichkeit wahrgenommen und den Darstellungen dadurch ein dokumentarischer Charakter zugesprochen werden.319 In den Augen der Kirche verwies das Modische als Ausdruck von Individualität auf eine Orientierung zum Irdischen und eine Entfernung von Gott, weshalb sie bestimmte Entwicklungen der Kleidung mit Argwohn betrachtete und, zum Beispiel durch Predigten und Kirchenordnungen, zu reglementieren versuchte. Im klösterlichen Bereich und am Hofe galten strenge Regeln, die Bedeutung auch für das gesamte öffentliche Leben hatten. Die Reglementierung modischer Erscheinungen ist an dem zunehmenden Aufkommen von Kleider-, Aufwands- und Luxusordnungen besonders seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts festzustellen.320 Diese bezogen sich auf Farben, Schnitte und den Aufwand hinsichtlich der Materialien und der Herstellung. Als Argumente für die aufgestellten Regeln wurden standesrechtliche, ökonomisch-soziale oder moralisch-sittliche Gründe angeführt.321 Als Ursache für das Bedürfnis nach Reglementierung können soziale, wirtschaftliche und demographische Folgen des Schwarzen Todes in der Mitte des Jahrhunderts genannt werden. Die Pest wurde als Strafe für Sünden angesehen und bestimmte Phänomene der Mode wurden mit Sünden, insbesondere der Hoffart, in Verbindung gebracht.322 Im Vergleich von Passions- und Martyrienbildern fällt auf, dass die Peiniger Jesu in der Regel durch ihr Äußeres abstoßender und durch ihre Körperbewegungen aggressiver als die Gegner der Märtyrer dargestellt sind. Dies hängt mit den unterschiedlichen Bedeutungen der Gewaltaktionen im Hinblick auf die Heilsgeschichte und den entsprechenden Funktionen der künstlerischen Darstellung zusammen, auf die im Folgenden noch eingegangen wird.

3.2 Die Vorstellung vom Körper als Spiegel der Seele Theorien, die sich mit der Frage beschäftigen, was der Körper des Menschen und seine Bewegungen über das Innere verraten bzw. welche Wirkung dadurch erzielt werden kann, existieren bereits seit der Antike. Zu nennen sind hier vor allem die Physiognomik einschließlich der hippokratischen Humoralpathologie und der Temperamentenlehre Galens323 sowie die Rhetorik. Im Zuge der Wiederentdeckung der aristotelischen Schriften und vermittelt durch die arabische Rezeption gewannen viele dieser Lehren im Hochmittelalter 319 Siehe zu diesem methodischen Problem sowie allgemein die eingehende Untersuchung von Reichel 1998, die sich mit der in Passionsbildern dargestellten Kleidung beschäftigt. Vgl. des Weiteren Mellinkoff 1993; Grötecke 2004. 320 Bulst 1988; Kühnel 1992, S. XXXVIII f. 321 Vgl. Eisenbart 1962; Bulst 1988, S. 41 ff.; Kühnel 1992, S. XLV ff. 322 Bulst 1988, S. 40. 323 Die Physiognomik beschäftigt sich mit den unveränderlichen körperlichen Merkmalen. Die ältesten erhaltenen Äußerungen hierzu stammen von Hippokrates, wichtiger wurde jedoch die „Physiognomonica“, die lange Aristoteles zugeschrieben wurde, heute aber als anonymes Werk aus dem 3. Jh. v. Chr. gilt. Siehe einführend Cole 2003; des Weiteren: Blankenburg 1989; Kalverkämper 2003; Klibansky 1964.

Die Darstellung der Christenfeinde  65

erneut an Bedeutung und erfuhren auch volkstümlich eine weite Verbreitung.324 Eine christliche Theorie der Körperbewegungen war zwar bereits bei den Kirchenvätern angelegt, verlor jedoch zunächst über Jahrhunderte an Aktualität. Erst im 11. Jahrhundert wurden gestus und gesticulatio als positiver und negativer Pol des gleichen Phänomens wieder thematisiert und spielten besonders seit dem 12. Jahrhundert zunehmend eine Rolle.325 Charakteristisch war – anders als in der Antike – die moralische Bedeutung, die der Bewegung zugeschrieben wurde. Aufschlussreich ist hier für den klerikalen Bereich Hugos von St. Victor († 1141) „De institutione novitiorum“ (zwischen 1120 und 1130 verfasst), worin dieser erklärt, dass ungeordnete Bewegungen des Körpers auf innere Unordnung hinweisen würden: „Denn es ist schon bewiesen worden, dass die ungeordneten Körperbewegungen die Verderbtheit und Auflösung des höheren Sinnes anzeigen.“326 Die jeweilige Art der Körperbewegung lasse sogar explizit auf bestimmte Laster schließen. Hugo unterscheidet sechs Arten, die zu rügen seien: weiche, sorglose, langsame, rasche, freche und stürmische Bewegungen. Langsame Bewegungen zum Beispiel würden das Laster Faulheit anzeigen, freche Hoffart, stürmische Jähzorn usw. Aus der Bildung von Gegensatzpaaren wie ‚langsam‘ und ‚rasch‘ wird die Forderung nach dem rechten Maß der Bewegung deutlich.327 Dabei legte Hugo besonderen Wert auf das Gesicht: „Das Gesicht ist nämlich ein Spiegel der disciplina, ein Spiegel, der um so mehr kontrolliert werden muss, je weniger man verbergen kann, wenn in ihm ein Fehler ist.“328 Dass der Leib ein Spiegel der Seele sei, ist im späten Mittelalter eine verbreitete Vorstellung, die sowohl wissenschaftlich und theologisch fundiert als auch in vereinfachter Weise volkstümlich verbreitet war.329 In der Theorie ist die Vorstellung des Leib-Seele-Verhältnisses dafür bestimmend, genauer: die Vorstellung einer Leib-Seele-Einheit.330 In der Praxis wurde ein Spiegelverhältnis von Körper und Seele jedoch auch unter der Voraussetzung eines LeibSeele-Dualismus behauptet: Augustinus vertrat ein dichotomisches Modell, nach dem der Mensch in Körper und Seele, in homo exterior und homo interior, gespalten war – dies entspricht der von ihm postulierten Unabhängigkeit von äußerem Zeichen und innerem Wert.331 Zugleich aber, dazu im Widerspruch stehend, sah er es als Funktion der äußerlich gegebenen

324 Schmitt 1990, S. 222; Borrmann 1994, S. 38; Cole 2003, S. 269. 325 Schmitt 1990, S. 146, 128 ff. 326 „Nam quod inordinati motus corporis, corruptionem et dissolutionem indicent mentis superius jam demonstratum est.“ Lateinisch und deutsch zitiert nach Schubert 1991, S. 90. 327 Schmitt 1990, S. 169 ff.; Schubert 1991, S. 90. 328 „Est enim facies, disciplinae speculum, cui tanto major custodia adhibenda est, quanto minus si quid in ea peccatum fuerit, celari potest.“ Lateinisch und deutsch zitiert nach Bumke 1994, S. 82. 329 Schmolke-Hasselmann 1977, S. 445. 330 Dagegen Schreiner 1990, S. 89: „Nur weil Leib und Seele eine Einheit bilden, besteht nach Auffassung mittelalterlicher Theologen und Literaten die Möglichkeit, an Bewegungen des Körpers (motus corporis) Bewegungen der Seele (motus animae) abzulesen, aus dem Gesicht (facies) einen Spiegel des Herzens (speculum cordis) zu machen und die Haltung des Körpers (gestus corporis) als Zeichen innerer Gesinnung (signum mentis) zu betrachten.“ 331 Siehe oben, Abschnitt II.1.3.

66 Gewaltdarstellungen

Zeichen (data signa) des Menschen an, anderen Menschen Aufschluss über die Seele zu geben.332 Auch er fasste also das Äußere als Symbol des Inneren auf.333 Durch die Figuren der Christenfeinde und ihre negative Charakterisierung mittels äußerer Merkmale wird neben das ästhetische Konzept ‚äußere deformitas entspricht innerer pulchritudo‘ (Jesus und Märtyrer) ein weiteres gestellt, bei welchem sich äußere und innere turpiditas entsprechen.334 Bei den Darstellungen der Christenfeinde liegt somit eine Übereinstimmung von Signifikant und Signifikat vor, wobei Ersteres den Körper mit seinen unveränderlichen und veränderlichen Merkmalen, Letzteres die Seele bezeichnet. Das Äußere der Christenfeinde ist nicht nur für die Opfer Bestandteil ihrer Erniedrigung, sondern stellt zugleich quasi eine ästhetische Beleidigung des Betrachters dar.335 Insbesondere in der Passionsikonographie transportiert die Hässlichkeit der gewalttätigen Meute den Grad der Demütigung, die Jesus auf sich nehmen musste, unmittelbar und trägt so zur Erzeugung von compassio bei. Das Aussehen und das Verhalten der Christenfeinde rechneten mit der Entstehung von Ekel auf Seiten des Betrachters. Ziel dieser Emotion ist aber nicht – wie heute beispielsweise in den populären Medien – eine Ekel-Lust, sondern das Verfestigen der Erinnerung an die Passion; hierzu konnte die Erzeugung heftiger Emotionen beitragen.

332 Augustinus, De doctrina christiana II, 3, 1 ff. (= CCSL, Bd. 32, S. 33): „Data uero signa sunt, quae sibi quaeque uiuentia inuicem dant ad demonstrandos, quantum possunt, motus animi sui uel sense aut intellect quaelibet.“ Kalverkämper 1984, Sp. 100. 333 Michel 1976, S. 83 f. 334 Diese Tendenz herrscht auch in der höfischen Literatur des Mittelalters vor, in der nur selten das Böse in schöner (z. B. der Verräter Ganelon im „Rolandslied“) oder das Gute in hässlicher Gestalt auftritt. Dazu Schmolke-Hasselmann 1977, S. 447 u. passim; Kellermann 1999, S. 40 ff. 335 Vgl. Suckale 1988, S. 26.

IV Körperliche Gewalt gegen Jesus und die Märtyrer in der spätmittelalterlichen Tafelmalerei

Die Betrachtung von verschiedenen Motiven und Aspekten der spätmittelalterlichen Passions- und Martyriendarstellungen soll durch eine über das Ikonographische hinausgehende Perspektive den Blick auf die Bilder erweitern und sie dadurch zu verstehen helfen. Von Bedeutung sind dabei der theologische, historische und kunsthistorische Kontext sowie Besonderheiten, die mit der bildlichen Inszenierung einzelner Motive einhergehen. Als wichtig haben sich Parallelen und Unterschiede zwischen Darstellungen der Passion und des Martyriums erwiesen; im Vergleich zueinander erhellen sie ihre jeweiligen Eigenheiten in der bildlichen Umsetzung sowie ihre Bedeutungen als heilsgeschichtliche Gewaltereignisse. Bei den im Folgenden angeführten Beispielen handelt es sich in der Mehrzahl um einzelne Bildfelder, die dem Kontext von Flügelretabeln entstammen; hier sind sie entweder Bestandteil einer narrativen Szenenfolge, die das Leben Jesu bzw. eines Heiligen darstellt, oder eines Bildprogramms, das Szenen aus verschiedenen Zusammenhängen kombiniert.

1  Einleitende Bemerkungen zu Komposition und Stil der Gewaltbilder Verallgemeinerungen hinsichtlich der Komposition und des Stils von Darstellungen des späten 14. bis frühen 16. Jahrhunderts lassen sich kaum vornehmen, da in der Malerei mit der Ablösung des sogenannten ‚Weichen Stils‘ eine Vielzahl an Stiltendenzen parallel existierte. Daher werden an dieser Stelle nur einige weitgehend kontinuierliche Grundzüge angesprochen, die hinsichtlich des Gewaltmotivs von Bedeutung sind, ohne dass dabei die spezifischen Merkmale einer Periode, einer Künstlerpersönlichkeit oder eines einzelnen Werks nivelliert werden sollen. Charakteristisch für die Darstellungen der Passion – sehen wir vom Typus des ‚Volkreichen Kalvarienbergs‘ ab – und der Heiligenmartyrien in der spätmittelalterlichen Tafelmalerei nördlich der Alpen sind die Nahsichtigkeit des Dargestellten und der relativ kleine Bildausschnitt der Szenen. Dies ist kein alleiniges Merkmal dieser Gruppe von Darstellungen, ist hinsichtlich des Gewaltmotivs jedoch wirkungsästhetisch von besonderer Relevanz: Im Bild drängen sich Opfer und Täter auf engstem Raum, was zu einer Steigerung der Drastik führt. Das Moment des Ausgeliefertseins des Opfers erfährt eine stärkere Betonung, der Betrachter wird – auch ohne das Vorhandensein von in das Bild hineinführenden Figuren o. Ä. – mehr in das Geschehen hineingezogen und so zu einer moralischen Stellungnahme gezwungen.

68  Körperliche Gewalt

Die Spezifik der nordalpinen Gewaltdarstellungen wird gerade anhand des Vergleichs mit italienischen Beispielen deutlich. Es wurde bereits festgestellt, dass im Bereich der Tafelmalerei der vornehmliche Ort von Szenen aus den Viten und insbesondere der passiones Christi und der Heiligen im Italien des 14. und 15. Jahrhunderts die Predellenzonen von Retabeln sind; großformatige Darstellungen und ausführliche Zyklen auf Altaraufsätzen wie im Norden finden sich kaum. Die italienischen Darstellungen zeichnen sich zudem in der Regel durch einen größeren Bildausschnitt aus, in dessen Mittelgrund sich die entscheidende Handlung abspielt; die Gewalt wird vor bzw. in einer präzise wiedergegebenen architektonischen bzw. landschaftlichen Kulisse inszeniert, die oftmals dominant wirkt (Farbabb. 23). Das 15. Jahrhundert, auf dem der Fokus dieser Arbeit liegt, ist durch wechselnde und teils parallel verlaufende stilistische Entwicklungen geprägt. Ab etwa 1420 ist der Wille, den darzustellenden Themen zu entsprechen, deutlich erkennbar: Form und Inhalt korrespondieren in einem vorher nicht gekannten Ausmaß.336 Die Darstellung einer Gewalthandlung im Weichen Stil um 1400 unterscheidet sich freilich von derjenigen im expressiv-dynamischen Stil, der bald nach 1460 und dann immer wieder bis in die ersten Jahrzehnte des 16. Jahrhunderts vorzufinden ist.337 Letzterer verstärkt die Wirkung, indem er die Gewalthandlungen der Täter nicht nur dynamisch, sondern auch aggressiv wirkend umsetzt. Dies spiegelt sich auch in der Mimik der Täter wider, die zuweilen übertrieben verzogen ist. Der Weiche Stil zieht seine Drastik aus anderen Elementen der Darstellung, zum Beispiel der Charakterisierung der Täter durch die Farbigkeit ihrer Kleidung. Eine situationsrealistische oder räumlich-perspektivisch überzeugende Darstellung ist keinesfalls eine Voraussetzung für die Erzeugung eines drastischen Eindrucks bildlicher Gewaltdarstellungen. Ein eindringliches Beispiel hierfür ist die „Fortführung Jesu“ von der „Karlsruher Passion“ (um 1450–55; Köln, WRM; Abb. 1 a), die durch das Übereinandertürmen der Feinde in der Bildfläche unter Vernachlässigung des dreidimensionalen Raums in unvergleichlicher Weise den Aspekt der Erniedrigung des Gottessohns veranschaulicht.

2  Motive und Aspekte spätmittelalterlicher Gewaltdarstellungen Im Folgenden sollen einige ausgewählte Motive und bildliche Phänomene hinsichtlich ihrer Darstellungstradition und Inszenierungsstrategien, ihrer Bedeutungen, Deutungen und Wirkung untersucht werden. Es handelt sich dabei größtenteils um Motive, die in der Tafelmalerei des späten 14. bis frühen 16. Jahrhunderts gehäuft auftreten, sowie um Aspekte der Darstellungen, die als charakteristisch für das analysierte Bildmaterial angesehen werden können. Einige Motive kommen in vielen Märtyrerlegenden vor, andere hingegen – insbesondere die exzeptionellen Gewaltmethoden – sind charakteristisch für einzelne Heilige oder zeichnen sich gerade dadurch aus, dass sie innerhalb der Hagiographie praktisch keine Rolle spielen. 336 Franzen 2002, S. 131. 337 Zur Stilentwicklung der spätgotischen Kunst siehe Ausst.Kat. „Spätgotik am Oberrhein“ 1970, S. 30 ff.

Motive und Aspekte spätmittelalterlicher Gewaltdarstellungen  69

Den Anfang bildet das Motiv der Kreuzigung – einschließlich der Kreuztragung und der Kreuzannagelung –, da dieses durch die vielen Darstellungen der Passion Christi in unzähligen Beispielen überliefert ist und es zudem durch die Bedeutung als Opfertod hierarchisch an erster Stelle steht.

2.1 Die Kreuzigung „[...] quia scriptum est maledictus omnis qui pendet in ligno.“338 Paulus, Brief an die Galater 3,13

Wie in Genesis 21,23 und Deuteronomium 21,23 sowie darauf Bezug nehmend in Paulus’ Brief an die Galater 3,13 formuliert, galt das Aufhängen am Holze, egal welcher Art, bei den Juden als eine von Gott verfluchte Hinrichtungsart.339 Daher, so schreibt Paulus im 1. Korintherbrief 1,23, sei der Glaube an den gekreuzigten Christus „für Juden ein empörendes Ärgernis, für Heiden eine Torheit“. In der Antike war die Kreuzigung für Sklaven und Aufrührer in den Provinzen bestimmt, hingegen nicht für römische Bürger.340 Auf die dogmatische Frage, warum ausgerechnet diese schändliche Art des Sterbens für den Gottessohn notwendig gewesen sei, finden sich bei mittelalterlichen Denkern verschiedene Antworten. Thomas von Aquin und Heinrich von St. Gallen in seinem volkssprachlichen extendit-manum-Passionstraktat (um 1400) beispielsweise führen zur Begründung das präfigurative Ereignis des Sündenfalls an: Wie der erste Mensch seinen Arm reckte und streckte nach dem Holze, so habe auch Jesus seine Arme am Holz strecken müssen, um die Menschen zu erlösen. Während dem Holz zuvor der ewige Tod entsprungen sei, sei es nun der Quell des Lebens.341 Zu unterscheiden sind verschiedene Arten, an einem Galgen oder Kreuz aufgehängt zu werden: Das Aufhängen als Selbstzweck, d. h. zur Tötung, und das Aufhängen zur Vollstreckung weiterer Straf- oder Foltermaßnahmen wie Geißeln, Brennen, Hautaufreißen, mit Steinen bewerfen oder Prügeln. Im Folgenden geht es um das Aufhängen als selbständige Hinrichtungsmethode.

338 „[...] denn es steht geschrieben: »Verflucht ist jeder, der am Holz hängt«.“ Vgl. Dt 21,23: „quia maledictus a Deo est qui pendet in ligno“ – „denn wer am Holz hängt, ist verflucht von Gott“ (Übers. d. Verf.). 339 Das jüdische Recht kannte die Kreuzigung allerdings nicht als Hinrichtungsmethode, sondern nur als Zusatzstrafe nach dem bereits eingetretenen Tod. Blinzler 1955, S. 178. 340 Dazu Ausst.Kat. „Kreuz und Kruzifix“ 2005. 341 Dazu Ruh 1950, S. 36 f.

70  Körperliche Gewalt

Kreuztragung, Kreuzannagelung und Kreuzigung Christi Die Darstellungstradition der Passion Christi in der abendländischen Kunst ist bereits kurz skizziert worden.342 Spätmittelalterliche Passionsdarstellungen wurden von der Forschung ausführlich untersucht, so dass auf ikonographische Details hier nur vereinzelt eingegangen wird.343 Die Darstellung des gekreuzigten Christus ist in der christlichen Kunst omnipräsent, im späten Mittelalter vor allem durch den Bildtypus des ‚Volkreichen Kalvarienbergs‘.344 Dass es sich um die Verbildlichung einer schändlichen Hinrichtungsart handelt, ist einerseits durch die symbolische Bedeutung überlagert, andererseits aber im Spätmittelalter für die Rezeption von zentraler Wichtigkeit, da die Schändlichkeit der Hinrichtung als wichtiger Aspekt des Leidens angesehen wurde, der Umfang des Leidens für die Unermesslichkeit der Liebe Jesu zu den Menschen stand und die Vergegenwärtigung der Schändlichkeit somit zur Erzeugung von Liebe und compassio auf Seiten des Gläubigen maßgeblich beitrug. Hierauf weisen auch die zur Kreuzigung gehörenden mitleidenden Identifikationsfiguren  – die Marien und Johannes – hin, auf deren Bedeutung in Abschnitt IV.3.2 eingegangen wird. Auch bei der gegenüber dem Christus triumphans realistischeren Darstellung des leidenden bzw. toten Jesus am Kreuz im späten Mittelalter ist das Motiv der Kreuzigung durch bildliche Mittel seiner symbolischen Bedeutung gemäß überhöht: Kreuz und Gekreuzigter sind fast ausnahmslos durch Zentralität und Frontalität sowie Statik gekennzeichnet. Die Kreuzigung als Gewaltakt ist hier nach der Vollendung gezeigt: Jesus ist tot und nicht leidend. Die bedeutungserzeugenden Motive, die im späten Mittelalter bei den meisten Kreuzigungsdarstellungen vorkommen, sind der Lanzenstich und die blutenden Wundmale, wodurch die eschatologische Bedeutung des Todes betont wird.345 Jesus ist in seiner kreatürlichen Körperlichkeit und gemäß seiner Doppelnatur Objekt der Verehrung und des Mitleids zugleich. Während das Kreuz bis ins 13. Jahrhundert eher niedrig dargestellt wurde, die übrigen Anwesenden kaum überragend, wird es im späten Mittelalter deutlich erhöht.346 Der „Benediktbeurer Kalvarienberg“ von um 1435/40 (München, Alte Pinakothek; Farbabb. 2) zeigt Jesus am Kreuz, das in die Tiefe des Raums zurückversetzt ist, oberhalb des bunten Getümmels am Boden. Tot, aber in äußerst würdevoller Haltung schwebt der Gottessohn geradezu über dem Geschehen auf dem Kalvarienberg, umgeben von rotgewandeten Engeln. Eine motivische Besonderheit dieses Werkes ist der auf der rechten Seite, etwa auf mittlerer Höhe dargestellte Reiter, der, einschließlich seines Pferdes, dem Betrachter frontal zugewandt ist. Dadurch und durch seine relativ statische Darstellung innerhalb der unruhigen, figurenreichen Komposition wird er besonders hervorgehoben. Entscheidend aber ist, dass er eine 342 Siehe oben, Abschnitt II.2.1. 343 Exemplarisch dazu: Haussherr 1963; Schiller 1968; Nitz 1971; Marrow 1979; Ausst.Kat. „Karlsruher Passion“ 1996; Ausst.Kat. „Kreuz und Kruzifix“ 2005; Suckale 2009. 344 Dazu allgemein Roth 1958; Suckale 2009, Bd. 1, S. 13 ff.: Kapitel ‚Mit den Augen des Herzens geschaut‘. Der ‚Volkreiche Kalvarienberg‘ als führende Aufgabe der Malerei im 15. Jahrhundert“. 345 Zum Blut Christi: Angenendt 1984; Dinzelbacher 1994; Bynum 2001. 346 Kemper 2006, S. 236 ff.

Motive und Aspekte spätmittelalterlicher Gewaltdarstellungen  71

Armbrust direkt auf den Betrachter richtet. Die Bedrohung, der Jesus ausgesetzt war, überträgt sich so auf den Betrachter. Im „Speculum humanae salvationis“ heißt es, alle Waffen Christi richteten sich gegen die Sünder.347 So appelliert die Darstellung an den Betrachter, seine eigene Sündhaftigkeit zu reflektieren. Die Darstellung des gekreuzigten Christus geht mit der Repräsentation der fünf Wunden – die Male der Nägel und die Seitenwunde – einher. Die Wunden können als zentrales Motiv der Kreuzigungsdarstellungen angesehen werden – ihnen kommt mehr Bedeutung zu als dem toten Körper Jesu. Aus ihnen fließt oder spritzt wie eine Fontäne Blut, das häufig mit einem Kelch aufgefangen wird. Der Seitenwunde wird auch dadurch besondere Aufmerksamkeit gezollt, dass sich in der Regel der Moment der aktuellen Handlung auf sie konzentriert, indem der Lanzenstich des Longinus dargestellt wird.348 Am Ort der Bilder, über dem Altar, verweist das Blut auf die Eucharistie. Zwar werden auch in vielen Darstellungen der Geißelung die Wunden auffällig inszeniert, doch dienen sie hier vorrangig der Vergegenwärtigung des körperlichen Leidens.349 Die Wunden der Kreuzigung wurden im späten Mittelalter als Zeichen der Liebe Jesu zu den Menschen verstanden und erfuhren als solche besondere Verehrung.350 Als pars pro toto stehen die Wunden und das Herz Jesu für das gesamte Passionsgeschehen.351 Im Gegensatz dazu haben die Wunden der Märtyrer eine weniger symbolisch aufgeladene Bedeutung. Sie sind in erster Linie Zeichen der Liebe zu Christus. Die Wunden erfahren in den bildlichen Darstellungen häufig keine besondere Inszenierung. Interessant ist, dass in den spätmittelalterlichen Bildern die Wunden von Märtyrern eine weniger bedeutende Rolle spielen als diejenigen von Stigmatisierten,352 deren Christoformitas auf diese Weise visuell verdeutlicht wird, was im Zusammenhang mit einer Aufwertung der Bekennerheiligen zu sehen ist. Drastischer als die Kreuzigung im Sinne eines aktuellen Gewaltereignisses wurden im späten Mittelalter die Kreuztragung und die Kreuzannagelung Christi bildlich umgesetzt. Die Kreuztragung ist durch die Visualisierung der wortwörtlichen Erniedrigung Jesu geprägt: Das Gewicht des Kreuzes drückt den Oberkörper des Verurteilten in Richtung Boden. Eindringlich zeigt dies die „Worcester-Kreuztragung“ (um 1425; Chicago, Art Institute; Farbabb. 4): Anders als gewöhnlich in dieser Szene ist Jesus dem Betrachter fast vollständig frontal zugewandt. Das Kreuz, von dem aufgrund der Perspektive nur der Querbalken zu sehen ist, wirkt nicht besonders groß oder massiv. Auch ist der Körper darunter nicht naturalistisch dargestellt: Er besitzt wenig Volumen, wirkt eckig, wie aus zwei flächigen Formelementen zusammengesetzt. Dennoch transportiert die Darstellung die körperliche Bürde und die see347 Bynum 2002, S. 29. 348 Diese Auffassung u. a. schon bei Tertullian und Augustinus. Burdach 1938, S. 53, 95 f.; Bynum 1989, S. 176. 349 Siehe unten, Abschnitt IV.2.3. 350 Richstaetter 1949, S. 107 ff., 157 ff., 170 ff. 351 Zu den arma Christi und den Wunden Christi: Berliner 1955; Suckale 1977; Tammen 2006. Zu der Bedeutung der Wunden Christi als mnemotische Zeichen siehe auch Müller 1997; sich darauf beziehend Meier 2004 (beide im Hinblick auf Passionsspiele). 352 Dazu z. B. Braungart 2000; Teuber 2004; Schmidt-Hannisa 2005; Belting 2006.

72  Körperliche Gewalt

lische Demütigung. Der Körper wirkt, als sei er in der Mitte wie an einem Scharnier zusammengeklappt, wodurch die Schwere des Kreuzes verdeutlicht wird. Das Moment des Erdrücktwerdens durch das Kreuz wird durch die Position Jesu und der anderen Figuren in der Bildfläche betont: Das untere Viertel des Bildes ist weitgehend freigelassen; unterhalb des Kreuzquerbalkens, also auf einer Ebene mit Jesus, sind lediglich zwei Schergen dargestellt, in der oberen Zone hingegen neben Maria, einer Begleiterin und Johannes am linken Bildrand sechs weitere Figuren. Diese Verteilung des Personals in der Fläche führt dazu, dass sie optisch auf dem Querbalken des Kreuzes lasten. Dies wird verstärkt durch eine ausgeprägte Gestik der Figuren. Zur Wirkung einer aggressiven Dynamik tragen vor allem die direkt über Jesus dargestellten Schergen bei, die jeweils gerade zum Schlag ausholen; der senkrecht erhobene Arm desjenigen, dessen Kopf sich auf einer Achse mit Jesus befindet, überschneidet sich mit der Lanze des zweiten Mannes von rechts – das Kreuzen kann einerseits als Verweis auf die Hinrichtung verstanden werden, führt andererseits aber auf rein formaler Ebene zur Erzeugung einer aggressiv aufgeladenen Atmosphäre. Das senkrechte Aufragen von ­Lanzen, Fackeln, Keulen und Ähnlichem aus der Menge der Feinde ist charakteristisch für einige Passionsdarstellungen, so zum Beispiel die „Kreuztragung“ von Hans Multschers „Wurzacher Retabel“ (1437; Berlin, Gemäldegalerie; Farbabb. 5) oder mehrere Szenen der „Karlsruher Passion“ (Abb. 1 a, c, d). Sie tragen zu einer bedrohlichen Wirkung des Geschehens bei. Entsprechend der üblichen Einteilung der Bildfelder auf spätmittelalterlichen Altarretabeln wird die Kreuztragung in der Regel im Hochformat dargestellt. Auch die daraus resultierenden Lösungen der Raumgestaltung führen vielfach zu einer Konzentration der Feinde oberhalb des Kreuzes und damit zu einer optisch nachvollziehbaren Erniedrigung des Menschensohnes. Ein seltenes Beispiel für eine querformatige Kreuztragung bzw. Darstellung von Passionsszenen im Querformat überhaupt ist die 1444/45 entstandene „Tegernseer Tabula Magna“ von Gabriel Angler (München, BNM; Abb. 2 b).353 Das Bildformat und die Profilansicht Jesu entsprechen eigentlich dem Thema der Kreuztragung, das von einer linearen Bewegung bestimmt wird. Der Aspekt der buchstäblichen (körperlichen) und metaphorischen (seelischen) Erniedrigung durch den Akt des Kreuztragens ist hierdurch weniger betont. Größtenteils zu Pferde, stehen die gegenüber Jesus überdimensionierten Feinde wie eine Mauer in der zweiten Ebene des Bildraumes – hinter den sich nach rechts bewegenden vorderen Figuren – und über seine gesamte Breite. Eines der Pferde im linken Drittel des Bildes bricht mit seinem Reiter aus der zweiten Ebene nach vorn heraus und schirmt die Gruppe aus Johannes, den Marien und Veronika vom kreuztragenden Christus ab – der Weg zurück ist damit visuell abgeschlossen, der Tod durch die Kreuzigung wird für den Betrachter zur unausweichlichen Gewissheit. Von den Figuren der zweiten Ebene blicken viele den Betrachter direkt aus dem Bild heraus an – die Atmosphäre der Bedrohlichkeit überträgt sich so auf ihn, die Ausweglosigkeit für Jesus wird spürbar. Im Gegensatz zu Kreuzigung und Kreuztragung präsentiert sich die Kreuzannagelung in der spätmittelalterlichen Malerei explizit als körperlicher Gewaltakt. Bertram von Minden zeigt Jesus auf seinem „Passionsretabel“ von um 1390/1400 (Hannover, NLM; Farbabb. 6) noch in würdevoller Haltung auf dem Kreuz liegend; drei Schergen treiben Nägel durch 353 Zum Künstler und seinem Werk eingehend Möhring 1997.

Motive und Aspekte spätmittelalterlicher Gewaltdarstellungen  73

seine Handflächen und seine übereinanderliegenden Füße, während zwei weitere damit beschäftigt sind, seine Arme mit Seilen auseinanderzuziehen bzw. seine Beine nach unten zu zerren – Passionstraktaten zufolge, damit die vorgebohrten, aber (absichtlich) zu weit auseinanderliegenden Löcher benutzt werden konnten. Der Scherge, der am rechten Arm Christi zieht, hat seinen Fuß auf dessen Bauch gestellt, um sich dagegen zu stemmen. Die entsprechende Szene des „Idar-Obersteiner Retabels“ (um 1400; Idar-Oberstein a. d. Nahe, Felsenkirche; Farbabb. 7 b) ist von der Komposition ähnlich angelegt wie die Darstellung Meister Bertrams, setzt aber den durch die vorangegangene Geißelung malträtierten, erschlafften Leib Jesu weitaus drastischer in Szene. Der Appell an das Mitleid des Betrachters gewinnt durch die Anwesenheit der trauernden Maria oben rechts im Bild an Nachdrücklichkeit. Der Bericht der Evangelien lässt offen, ob Jesus ans Kreuz genagelt oder mit Seilen daran gebunden wurde. In der Hinrichtungspraxis der römischen Antike existierten tatsächlich beide Möglichkeiten. Die Befestigung mit Nägeln war qualvoller, führte aufgrund des hohen Blutverlusts aber schneller zum erlösenden Tod.354 Die Frage nach der Art der Kreuzanbringung beschäftigte christliche Denker bereits seit spätantiker Zeit. Zur Beantwortung wurden alttestamentliche Prophezeiungen, die auf Jesus bezogen wurden, angeführt: Auf der Grundlage der Formulierung in Psalm 22(21),17, „vinxerunt manus meas et pedes meos“ („sie durchbohren mir Hände und Füße“), und der Aussage des Jüngers Thomas nach der Auferstehung in Johannes 20,25, „nisi [...] mittam digitum meum in locum clavorum [...] non credam“ („wenn ich meinen Finger nicht in die Male der Nägel [...] lege, glaube ich nicht“), wurde die Frage seit Hieronymus und Augustinus zugunsten der Nägel entschieden.355 Psalm 22(21),18, „numeravi omnia ossa mea“ („man kann alle meine Knochen zählen“), bot jedoch die Möglichkeit der Harmonisierung der beiden Varianten von Annageln und Anbinden: Im 14. Jahrhundert entwickelte sich so die verbreitete Vorstellung, die Schergen hätten die Löcher absichtlich zu weit auseinanderliegend gebohrt, so dass Jesus am Kreuz mit Seilen gedehnt werden musste, damit die Löcher dennoch benutzt werden konnten356 – so zeigen es nun auch die genannten Beispiele sowie in besonders anschaulicher Weise die Szene von der „Karlsruher Passion“ (um 1450–55; Karlsruhe, Kunsthalle; Abb. 1 d). Die ‚Quelle‘ für diese Vorstellung von der Kreuzanbringung sind also eigentlich metaphorische Textstellen des Alten Testaments. Insbesondere Frederick P. Pickering und James H. Marrow wiesen darauf hin, dass im späten Mittelalter in der Passionsliteratur und in den Bildern zur Ausgestaltung des Passionsgeschehens auf Prophezeiungen und Gleichnisse des Alten Testaments zurückgegriffen wurde, die vielfach schon seit Jahrhunderten auf Christus bezogen wurden.357 Das Wissen um das historische Geschehen konnte dadurch – typologisch legitimiert  – erweitert werden. Dadurch sei eine Überführung des Metaphorischen ins Deskriptive erfolgt.358 Eine Trennung in ‚metaphorisch‘ und ‚narrativ‘ bei der Betrachtung 354 Blinzler 1955, S. 179 f. 355 Pickering 1953, S. 19 ff.; Pickering 1966, S. 157; Merback 1999, S. 77; Kemper 2006, S. 273. Zur Vorstellung von jacente cruce und erecte cruce siehe Pickering 1966, S. 155 ff. 356 Z. B. im „Dialogus beatae Mariae et Anselmi de passione Domini“ aus der ersten Hälfte des 13. Jhs. Siehe Pickering 1966, S. 157 f.; Schelb 1972, S. 30; Kemper 2006, S. 273 f. 357 Pickering 1966, S. 157. 358 Marrow 1979, S. 190 ff.

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von Texten und Bildern ist damit aber nicht mehr sinnvoll, denn in der Darstellung präsentiert sich alles gleichberechtigt und unmittelbar. Heute können wir nicht mehr nachvollziehen, inwieweit die Künstler allegorische Assoziationen erzeugen wollten und ob oder inwieweit die Betrachter diese überhaupt verstanden; dies war sicherlich nicht zuletzt von ihrem Bildungsgrad abhängig. Metaphorische Textstellen des Alten Testaments und die Erzählung des Neuen Testaments verschmolzen im späten Mittelalter miteinander und ein allgemeines, als historisch verstandenes Wissen über das Passionsgeschehen bildete sich heraus. Die Reflexion über die Deutung von Gleichnissen, Symbolen und Prophezeiungen hinsichtlich der Passion war den Theologen vorbehalten. Der Betrachter sieht im Bild letztlich nur eine situationsrealistische Wiedergabe des Geschehens, was einem im späten Mittelalter offenbar vorhandenen Bedürfnis nach Wirklichkeit nachkommt.359 Dieses wiederum hatte in erster Linie nichts mit einer neuen Weltzugewandtheit im Sinne der Säkularisierung zu tun, sondern gerade mit dem Wunsch nach meditativer Versenkung in die heilsgeschichtlichen Ereignisse.

Die gekreuzigten Schächer Die Evangelisten berichten übereinstimmend, dass mit Jesus zusammen zwei Verbrecher gekreuzigt wurden.360 Schon im apokryphen Nikodemus-Evangelium des 5. oder 6. Jahrhunderts spielen sie eine größere Rolle und ihre Namen, Dysmas und Gestas, werden erstmalig genannt.361 Eine der frühesten Kreuzigungsdarstellungen an der Tür des Hauptportals von Santa Sabina in Rom (um 430–40) zeigt sie bereits neben Christus. In den Kalvarienbergbildern des späten Mittelalters erfahren ihre gekreuzigten Körper eine besonders drastische Inszenierung, wobei grundlegende Unterschiede zur Darstellung Jesu deutlich werden. Lukas 23,39 ff. berichtet, dass einer der beiden Verbrecher Jesus verhöhnte, während der andere ihn verteidigte und darum bat, dass Jesus an ihn denken möge, wenn er in sein Reich komme. Daraufhin prophezeite Jesus ihm, dass er noch am selben Tag ins Paradies kommen werde. Auf dieser Bibelstelle basierend, entwickelten sich zwei diametrale Rollenbilder, die eine Projektionsfläche für die Gläubigen bildeten:362 Dysmas als reuiger, ‚guter‘ Dieb, Gestas als reueloser, ‚böser‘ Dieb.363 Mitchell Merback arbeitete die Unterschiede zwischen Darstellungen Christi und denen der Diebe am Kreuz heraus.364 Die Grundlage für ihre drastische Darstellung bildete der Passionsbericht in Johannes 19,32: Weil Rüsttag war und die Leichen während des Sabbats nicht 359 Siehe Krause 2001, S. 494. 360 Mt 27,38; Mk 15,27; Lk 23,32; Joh 19,18. 361 Merback 1999, S. 23. 362 Vgl. ebd., bes. Kap. 7: „Dysmas and Gestas: Model and Anti-Model“, S. 218 ff. 363 Schon die ersten apokryphen Manuskripte erwähnen explizit, dass Dysmas auf der rechten, Gestas auf der linken Seite von Christus gekreuzigt wurde. Merback 1999, S. 23. Auf der Holztür von Santa Sabina ist der böse Schächer, der sich von Jesus abwendet, vom Betrachter aus links dargestellt. Später, als die Seitenwunde Jesu auf seine rechte Hälfte rückt, wird diese zur positiven Seite, woraufhin Dysmas hier dargestellt wird. Siehe Dinkler-von Schubert 1971, hier Sp. 513. 364 Merback 1999.

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am Kreuz hängen sollten, wurden den Gekreuzigten die Beine zerschlagen, um ihren Tod unmittelbar herbeizuführen und sie vom Kreuz nehmen zu können; da Christus bereits tot war, blieb ihm das Brechen der Beine erspart.365 In den Bildern insbesondere des 15. Jahrhunderts sind die Verletzungen der Schächer anschaulich in Szene gesetzt. Die Kreuzigung von einem Retabel des Meisters des Sterzinger Altars (Mitte 15. Jahrhundert; Karlsruhe, Kunsthalle; Farbabb. 8) und der „Kalvarienberg“ eines Kemptener Meisters (1460–70; Nürnberg, GNM; Farbabb. 9) sind besonders eindringliche Beispiele hierfür. Die weit aufklaffenden Wunden lassen nicht nur rotes Fleisch, sondern auch weiße Knochen sichtbar werden. Die Wunde am Oberschenkel des schlechten Diebs vom erstgenannten Retabel ist in Seitenansicht dargestellt und erinnert mit ihrer roten Kontur makabererweise an einen lachenden Mund, aus dem Blut herausläuft; die sich darum befindliche Haut weist eine blaue Verfärbung auf. Auch die Wunden der Diebe vom Kemptener Meister wecken Assoziationen an Münder, vor allem durch die sichtbaren Knochen, die in vertikaler Aneinanderreihung dargestellt sind und an Zähne erinnern.366 In beiden Beispielen sind offensichtlich die Schienbeine und/oder Oberschenkelknochen gebrochen, was an der deformierten Silhouette deutlich wird. In anderen Darstellungen erscheint der gesamte Körper der Verbrecher derart verrenkt, dass mehr als nur ein vorangegangenes Zertrümmern der Beinknochen nahegelegt wird. Es wirkt, als seien all ihre Glieder bereits vor der Kreuzigung gebrochen worden – entsprechend der mittelalterlichen Hinrichtungsmethode des Radebrechens, bei der dem Delinquenten die Knochen zertrümmert wurden, bevor er auf das Rad – im wahrsten Sinne des Wortes – geflochten wurde.367 Die „Kaufmannsche Kreuzigung“ aus Prag (um 1340; Berlin, Gemäldegalerie; Farbabb. 3) zeigt dies eindringlich: Die Schächer hängen an ihren Armen am Kreuzquerbalken, Oberkörper und Beine mehrfach um den Stamm gewunden, der Kopf hängend mit vom letzten Stöhnen geöffneten Mund. Beide haben vier Wunden, je an den Gliedmaßen, aus denen Blut hervorquillt wie aus der Seitenwunde Jesu. Etwa seit der Mitte des 15. Jahrhunderts wird der böse Schächer auch in der ‚Pose des gebrochenen Rückens‘ dargestellt: Er hängt dabei rücklings über dem Querbalken eines T-Kreuzes.368 Voraussetzung für die Darstellung der extremen Verrenktheit ist, dass die Schächer im Gegensatz zu Jesus nicht mit Nägeln ans Kreuz geschlagen, sondern daran gebunden gewesen sein sollen.369 Durch die Darstellung der Wunden, der zertrümmerten Glieder und des verrenkten Leibs sind die Schächer zumeist in deutlicher Abgrenzung zum gekreuzigten Jesus dargestellt.370 Während hinsichtlich der Kreuzigung Jesu aufgrund ihrer zentralen theologischen Bedeutung Gründe bestanden, diese auf bestimmte Weise darzustellen, trifft dies auf die gekreuzigten Diebe nicht zu. Der Künstler verfügte hier über mehr Freiheit in der Darstellung.371 Die Annäherung an die Hinrichtungsmethode der Räderung, die – während es die Kreuzigung 365 Zu angeführten Gründen und Deutungen des Lanzenstichs siehe Burdach 1938, S. 1 ff. 366 Merback 1999, S. 116. 367 Ebd., S. 122. Diese Feststellung bereits bei Edgerton 1972, S. 190. 368 Nach Merback geht diese Darstellungstradition von Österreich aus und verbreitet sich nördlich der Alpen rasch. Merback 1999, S. 172 ff. – dort auch diverse Bildbeispiele. 369 Diese Auffassung bereits bei Tertullian. Blinzler 1955, S. 182 m. Anm. 31. 370 Merback 1999, S. 72 ff. 371 Ebd., S. 78.

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seit mehr als einem Jahrtausend nicht mehr gab – im späten Mittelalter häufig praktiziert wurde und die der Bildbetrachter möglicherweise aus eigener Anschauung kannte, ist jedoch nicht einfach als Spiegel der Realität zu verstehen. Sie ist einem tieferen Verständnis der Kreuzigung Christi zuträglich. Die Darstellung der Kreuzigung der Schächer, die Parallelen zur zeitgenössischen Räderung aufweist, deren schändlicher Charakter der antiken Kreuzigung entsprach, hilft, das Motiv zu ‚enthöhen‘, dem Betrachter die wahre Niedrigkeit des Geschehens vor Augen zu führen und so zu wahrer compassio anzuleiten.372

Die Kreuzigungen der Apostel Petrus und Andreas Wenn „[m]anche Züge des Lebens und Leidens eines Heiligen [...] auch deshalb herausgehoben oder modifiziert oder auch geschaffen [sind], damit die Ähnlichkeit mit anderen Heiligen und vor allem die Christusähnlichkeit hervortritt“,373 dann gilt dies zuvorderst für die Kreuzigung, deren bildliche Darstellung im späten Mittelalter omnipräsent war. In den Märtyrerlegenden kommt die Kreuzigung als Hinrichtungsmethode verschiedentlich vor. In der Tafelmalerei des späten Mittelalters begegnet das Motiv vor allem im Kontext der Martyrien der Apostel Petrus und Andreas. In ihren Legenden wird der Bezug auf den Kreuzestod Jesu deutlich hergestellt: Der Überlieferung zufolge hielt Petrus sich selbst für unwürdig, auf die gleiche Weise zu sterben wie Christus und wurde deshalb kopfüber gekreuzigt.374 Dies ist möglicherweise in Verbindung mit der Domine, quo vadis?-Episode zu sehen, in der die Idee der Nachfolge durch den Tod im ‚Umkehren‘ Petri zum Ausdruck kommt: Petrus war angesichts des drohenden Martyriums aus Rom geflohen und begegnete am Stadttor Christus, den er fragte: „,Herr, wohin gehest du?‘ Sprach der Herr ,Ich gehe nach Rom, daß ich zum andern Male gekreuziget werde‘. Und Petrus sprach ,Herr, sollst du wieder gekreuzigt werden?‘ Antwortete der Herr ,Ja, ich‘. Da sprach Petrus ,So will ich umkehren, daß ich mit dir werde gekreuzigt‘.“375

Diese Episode sowie das anschließende Martyrium stellt das „Böhmische Retabel“ im Brandenburger Dom (1375; vgl. Abb. 3 a) auf seiner Predella direkt nebeneinander dar, wodurch auf den Zusammenhang des Umkehrens in beiden Szenen hingewiesen wird und der imitatio-Aspekt des Martyriums betont wird.376

372 Vgl. die Deutung ebd., S. 124 f. 373 Bernt 1993, S. 25. 374 Petrus-Akten (= Hennecke/Schneemelcher 1964, S. 178, 219 f.); Legenda aurea (= Benz 1925, S. 433). Besonders anschaulich wird der Nachfolgeaspekt der Todesart in der Darstellung einer Bible moralisée (Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Ms. 1179, fol. 192r), in der Petrus und Christus einander gegenüberstehen, jeweils – mühelos – ihr Kreuz tragend; durch die Umkehrung des Petruskreuzes entsteht mittels vertikaler und horizontaler Kreuzbalken ein fast geschlossener Rahmen um den aufgeschlagenen Codex, den Christus Petrus übergibt. Abb. bei Büttner 1983, Nr. 44. 375 Legenda aurea (= Benz 1925, S. 432 f.); Petrusakten (= Hennecke-Schneemelcher 1964, S. 218). 376 Der Hinweis darauf bei Büttner 1983, S. 58, Anm. 60.

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Dadurch, dass Petrus im Gegensatz zu Christus kopfüber gekreuzigt wurde, entsteht zunächst eine formale Divergenz zwischen den Darstellungen. Der Grund hierfür aber, nämlich die bemerkenswerte Demut des Apostels, führt wiederum zu einer Analogisierung der Personen. Schon in den neutestamentlichen Schriften spielt der Gedanke der Nachfolge Christi im Leben Petri eine herausragende Rolle.377 In der Bibel ist er der Erstgenannte unter den Jüngern und Aposteln Jesu; zudem gilt er als vicarius (Stellvertreter) Christi.378 Im Johannes-Evangelium deutet der auferstandene Jesus den Kreuzigungstod Petri an: „Wenn du aber alt wirst, wirst du deine Hände strecken und ein anderer wird dich gürten und führen, wo du nicht hinwillst. Das sagte er aber, um anzuzeigen, mit welchem Tod er Gott preisen würde. Und als er das gesagt hatte, spricht er zu ihm: Folge mir nach!“379

Das auf das Martyrium zu beziehende ‚Gürten‘ ist wohl als Grund dafür anzusehen, warum Petrus im Gegensatz zu anderen gekreuzigten Märtyrern zumeist während des Vorgangs der Kreuzanbindung dargestellt wird, so zum Beispiel bei Stefan Lochners „Apostelmartyrien“ (um 1435; Frankfurt a. M., Städel; Umschlagabb.) vom „Weltgerichtsretabel“. Auf diese ikonographische Besonderheit, der bislang keine Beachtung geschenkt wurde, weisen insbesondere Darstellungen wie diejenige vom „Apostelretabel des Andreas Harsdörfer“ von Michael Wolgemut und Werkstatt (um 1495/98; Nürnberg, St. Lorenz; Abb. 5 a), wo ein Scherge ein Seil fest um die Taille des Apostels schnürt, ausdrücklich hin. Die entsprechende Szene vom „Peter-und-Paul-Retabel“ des Hans von Kulmbach (um 1510; Florenz, Galleria degli Uffizi; Abb. 6) zeigt Petrus mit einem auffällig gebundenen Gürtel um die Taille. Im Gegensatz zu Petrus ist Andreas fast immer schon seit unbestimmter Zeit am Kreuz hängend dargestellt. Der Legende zufolge pries der Apostel gegenüber dem römischen Statthalter Aegeas das Mysterium des Kreuzes und wurde daraufhin selbst an ein Chi-Kreuz gehängt, an dem er noch zwei Tage lang predigte und so während seines Martyriums 20.000 Menschen bekehrte.380 Die apokryphen Andreas-Akten berichten, der Apostel sei aus ­Gründen der Strafverschärfung ans Kreuz gebunden und nicht genagelt worden, damit sich sein Tod länger hinziehe.381 Ein wesentlicher Grausamkeitsfaktor bei der römischen Hinrichtungspraxis an der crux bestand darin, dass sich das Sterben des Delinquenten unter Um­ständen sehr lange hinziehen konnte, bis der Tod schließlich durch Herz-Kreislauf-Versagen oder Ersticken eintrat, wenn dem Gekreuzigten die Kraft fehlte, seinen Körper zum Atmen aufzurichten.382 Durch das Anbinden zog sich der Prozess des Sterbens noch mehr in die Länge.

377 Joh 13,36; Joh 21,19. Siehe Büttner 1983, S. 58. 378 Im Gegensatz zum Nachfolger setzt der Stellvertreter die Existenz des Vertretenen voraus. Bammel 1988, S. 56. 379 Joh 21,18–19. Zur Auslegung dieser Textstelle im Hinblick auf die Art des Todes siehe Gnilka 2010, S.  47 ff. 380 Legenda aurea (= Benz 1925, S. 20 ff.). 381 Kemper 2006, S. 208, Anm. 4. 382 Ebner 2005, S. 22; Kemper 2006, S. 208.

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Seit dem 14. Jahrhundert wird in der Regel der am Kreuz predigende Apostel dar­ gestellt,383 der Gewaltakt ist also nur implizit repräsentiert. Die Schergen und der Statthalter Aegeas befinden sich dabei meistens unter den der Predigt lauschenden Zuschauern (Farbabb. 10 a), wodurch ihre Bekehrung suggeriert wird. Eine seltene Darstellung der gerade im Vollzug befindlichen Kreuzanbindung des Andreas ist eine steirische Tafel, datiert um 1470, in der Österreichischen Galerie in Wien.384 Für den Grad der Annäherung an Darstellungen der Kreuzigung Christi ist die Komposition entscheidend. Das Andreas-Martyrium zeigt den gekreuzigten Apostel zumeist nicht zentral und frontal, sondern schräg in den Bildraum gestellt und am Rand des Bildfeldes, so zum Beispiel bei der Szene von Stefan Lochners „Weltgerichtsretabel“ (Farbabb. 10 a, linker Flügel, mittleres Register links). Die anwesende Volksmenge konzentriert sich dadurch auf eine Bildhälfte. In früheren Darstellungen hingegen wie auf dem „Stiftergruftretabel“ (um 1410/20; St. Lambrecht/Schweiz, Benediktinerstift; Abb. 4) ist das Kreuz zentral und dem Betrachter frontal gegenübergestellt positioniert, wie bei der üblichen Darstellung (Abb. 5 b) der Kreuzigung Christi. Damit geht die formale Erhöhung des Gekreuzigten gegenüber den übrigen Anwesenden einher: Bei dem vorliegenden Beispiel ist das Chi-Kreuz durch zwei vertikale Balken verstärkt, wodurch eine starke Erhöhung visuell plausibel erscheint. Weiterhin stellt die links unter dem Kreuz stehende Figur eine Verbindung zur Kreuzigung Christi her: Sie weist mit dem rechten Arm auf den Oberkörper des Heiligen und erinnert dadurch an Longinus mit der Lanze. Auch Michael Wolgemuts bereits angesprochene Darstellung weist eine zentrale Komposition mit frontal ausgerichtetem Kreuz auf. Hier wird durch die links unter dem Kreuz sitzende Figur, die in melancholischem Gestus den Kopf auf der linken Hand abstützt, an die trauernden Marien und Johannes erinnert, denen bei Kreuzigungsdarstellungen diese Stelle im Bild und die Aufgabe des Trauerns vorbehalten ist. In den meisten Darstellungen des 15. Jahrhunderts ist das Hängen der Apostel Petrus und Andreas am Kreuz nicht besonders realistisch geschildert. Das Petrus-Martyrium wirkt aufgrund der Position kopfüber prinzipiell drastischer, insbesondere in späteren Beispielen, in denen durch die Zugkraft das Körpergewicht visualisiert wird, etwa bei Hans von Kulmbach (Abb. 6): Die Schwerkraft wird vor allem durch das nach unten hängende Haar, aber auch durch die Körperhaltung selbst erkennbar. Eine deutliche Steigerung der Drastik erreicht Lucas Cranach d. Ä. mit seinem Holzschnitt aus der Serie der „Apostelmartyrien“ (um 1510; Abb. 7 a), indem er Petrus abweichend von der Darstellungstradition an ein ­Chi-Kreuz gebunden darstellt, wobei dieses jedoch nur auf einem Fuß steht, so dass der Kopf des Apostels schräg nach unten zeigt. Durch die Verlängerung des Standfußes schwebt der Gekreuzigte relativ hoch über dem Boden, wodurch das Kreuz im oberen Bereich deutliches Übergewicht zu haben scheint und instabil wirkt. Die Kreuzaufrichtung erhält so einem dynamisch-dramatischen Charakter.

383 Das erste bekannte Beispiel für die Predigt des Apostels am Kreuz ist ein um 1312 in Konstanz geschaffenes Glasfenster (Heiligkreuztal, Zisterzienserinnenkloster, Ostfenster der Kirche). Lukatis 1997, S. 220, Abb. S. 222. 384 Abb. 120 in Kat. Österreichische Galerie 1971.

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2.2 Das Erhängen Das Erhängen an einem Baum oder Galgen steht formal in Zusammenhang mit der Kreuzigung, da es ebenso ein ‚Hängen am Holze‘ ist. Daher galt es in der jüdisch-christlichen Tradition seit jeher ebenfalls als besonders schändlich. Im Gegensatz zur Kreuzigung, die im Westen seit dem 4. Jahrhundert nicht mehr praktiziert wurde, wurde das Erhängen als Todesstrafe im späten Mittelalter relativ häufig vollstreckt. Zusammen mit der Enthauptung und dem Radebrechen war es die am meisten verbreitete Hinrichtungsmethode.385 In der Straf- und Hinrichtungspraxis sowohl der römischen Antike als auch des europäischen Mittelalters und bis weit in die Neuzeit hinein existierte eine Vielzahl verschiedener Maßnahmen zur Folterung, Bestrafung und Tötung. Das Nebeneinander unterschiedlicher Hinrichtungsmethoden, die letztlich doch alle zum Tod führten, verweist auf eine der Tötung beigeordnete, symbolische Funktion der einzelnen Varianten. Im Gegensatz zum langwierigen Sterben am Kreuz bestand beim Erhängen immerhin die Option auf den sofortigen Eintritt des Todes durch den Bruch des Genicks. So schreibt Isidor von Sevilla: „Hängen ist eine weniger schlimme Strafe als das Kreuz, weil der Galgen das Opfer sofort tötet, während das Kreuz diejenigen lange quält, die an es gebracht wurden“386. Das Hängen konnte jedoch auch einen langsamen, qualvollen Tod durch Ersticken bedeuten. Die Hinrichtungsmethode ist – anders als die ehrenhafte und äußerst blutige Enthauptung – nicht mit Blutvergießen verbunden. Das Ausbleiben von Blut lässt also keinen Rückschluss über die soziale Bedeutung und Grausamkeit einer Strafe zu.

Judas, der erhängte Verräter Die Schändlichkeit der Hinrichtungsmethode ist wohl unter anderem auf den Selbstmord des Verräters Judas zurückzuführen. In der christlichen Ikonographie ist die Darstellung des Erhängtseins fast ausschließlich diesem Thema vorbehalten.387 Dem Matthäus-Evangelium 27,3–5 zufolge erhängte sich der Verräter Christi, nachdem er sein Handeln bereut und die 30 Silberlinge an die Hohepriester zurückgegeben hatte.388 Auf Judas ist es auch zurückzuführen, dass das Erhängen als angemessene Höllenstrafe für die Todsünde avaritia (Habgier/ Geiz) angesehen wurde.389 Der Judas-Selbstmord kann als durch einen inhaltlichen Gegensatz bestimmte Postfiguration der Kreuzigung Christi verstanden werden: Die Kreuzigung ist eine Konsequenz aus dem Verrat durch Judas, der Selbstmord Judas’ eine Konsequenz aus Verrat und Kreuzigung. Gemeinsam ist beiden die Schändlichkeit der Methode, wobei der Opfertod des Unschuldigen dem feigen Selbstmord des Schuldigen gegenübersteht. 385 Schild 1980, S. 197 f.; van Dülmen 1985, S. 133. 386 Isidor von Sevilla, Etymologia. Lateinisch bei Merback 1999, S. 205 m. Anm. 26 (Übers. d. Verf.). 387 Siehe dazu ausführlich Schnitzler 1996c. 388 Zur Judas-Ikonographie vgl. auch unten, Abschnitt IV.2.6. 389 Sowie das Ersticken dadurch, dass dem Sünder Münzen in den Schlund geschüttet werden; bei beiden Methoden wird der Hals zugeschnürt als Strafe dafür, dass man ‚den Hals nicht voll genug kriegen‘ konnte. Vgl. Rehm 2008, S. 220 ff.

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Das Motiv des Judastodes kommt vornehmlich in der Buchmalerei und Skulptur des Hochmittelalters vor (Abb. 30), im Spätmittelalter hingegen überraschenderweise kaum.390 Zuweilen wird der erhängte Verräter aber im Hintergrund von Passionsszenen dargestellt.391 Dass das Erhängen infolge des Judas-Selbstmords im späten Mittelalter als besonders schändlich angesehen wurde, lässt sich beispielsweise dem Sachsenspiegel entnehmen, aber auch den sogenannten ‚Schandbildern‘, die im Deutschland des ausgehenden Mittelalters und der frühen Neuzeit weit verbreitet waren.392 Im Zusammenhang mit Schmähbriefen waren diese „ein seit dem späten 14. Jahrhundert verbreitetes Mittel [...], mit dem Gläubiger in Geldstreitigkeiten säumige Schuldner und wortbrüchige Bürgen außerprozessual und außergerichtlich zur Vertragstreue anhielten. Die drohende Verletzung der persönlichen Ehre und der zu erwartende Verlust sozialen Ansehens durch das zunächst in Aussicht gestellte, bei andauernder Widersetzlichkeit schließlich vollzogene Anheften schimpflicher Briefe und Bilder an Rathäuser und Kirchentüren, an Pranger und Bordelle oder auf Messen und Reichstagen erzwangen von den Beleidigten eine Reaktion“.393

Die Schandbilder zeigen in den meisten Fällen säumige Schuldner oder deren Bürgen, um diese öffentlich bloßzustellen und zur Wiedergutmachung zu veranlassen. Häufig sind sie am Hals bzw. an den Füßen aufgehängt gezeigt oder auf das Rad geflochten – der entehrende Charakter dieser Strafen wird dadurch evident. Nicht nur indem sie häufig als Gehenkte dargestellt werden, stehen die durch Schandbilder Geschmähten in Verbindung zu Judas – sie werden auch in den Briefen oder Kommentaren häufig mit ihm verglichen.394 Durch ihre Vergehen werden sie in der Nachfolge des Verräters Jesu gesehen, der sich durch seinen Selbstmord durch den Strick ein in seiner Schändlichkeit ‚angemessenes‘ Ende bereitete.

390 Schnitzler 1996c, S. 221; vgl. das Bildmaterial bei Schiller 1968, Abb. 274 ff. 391 Z. B. Derick Baegert, Kreuztragung, um 1480, Münster, WLM – daneben im Hintergrund simultan die Kreuzigung Christi; Abb. in Kat. Westfälisches Landesmuseum 1986, S. 348. 392 Aus der Zeit von ca. 1350 bis 1600 sind aus Deutschland 200 Schandbilder und Schmähbriefe erhalten. Siehe dazu den Katalog bei Lentz 2004; vgl. des Weiteren Hupp 1930; Schild 1980, S. 153. 393 Lentz 2004, S. 161. Die deutschen Schandbilder unterscheiden sich von den italienischen pitture infamanti deutlich, denn diese waren Teil des offiziellen Strafvollzugs, insbesondere in den norditalienischen Stadtstaaten des Due- und Trecento, gemalt auf die Außenfassaden von Gemeindebauten. Siehe dazu Edgerton 1985, S. 59 ff.; Mills 2005, S. 38 ff. 394 Siehe Lentz 2004, Kat.-Nr. 34, 52, 76 u. passim. Ein italienisches Beispiel mit öffentlichem Charakter ist ein Werk Sandro Botticellis, das er kurz nach dem Attentat auf Lorenzo und Guiliano de’ Medici im Rahmen der sogenannten Pazzi-Verschwörung 1478 malte. Die Verschwörer waren, für die Öffentlichkeit sichtbar, in den Fenstern des Palastes aufgehängt worden. Botticelli sollte ihre Schande dauerhaft festhalten und wurde beauftragt, die acht Hauptverschwörer als Gehenkte an die Wand über der Tür der Dogana in der Via de’ Dondi, zwischen der Seitenfassade des Palazzo della Signoria und dem Bargello, zu malen. Unter dem Bild befand sich ein Spottgedicht, das Lorenzo de’ Medici selbst geschrieben hatte und in dem es zur Person Bernardo Bandinis heißt: „Ich bin Bernardo Bandini, ein neuer Judas / Ein tödlicher Verräter in der Kirche bin ich gewesen.“ Dazu Rehm 2008, S. 203 ff.

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Gehenkte Heilige Da in der christlichen Tradition das Motiv des Erhängens so eng mit Judas und dem Verrat an Jesus verbunden ist, wird diese Hinrichtungsart im Kontext von Heiligenmartyrien sowohl in der legendarischen Überlieferung als auch in den bildlichen Darstellungen weitgehend vermieden.395 Aus der gesamten vorreformatorischen Hagiographie sind mir derzeit nur drei Fälle gehenkter Heiliger bekannt:396 der hl. Koloman von Stockerau und die hll. Gorgonius und Dorotheus. Gorgonius und Dorotheus waren hohe christliche Hofbeamte, die unter Diocletian verfolgt und erhängt wurden. Nur im Zusammenhang mit ihnen ist in der „Legenda aurea“ vom Erhängen als Hinrichtungsart von Heiligen die Rede. 397 Darstellungen der an einem (Lebens-)Baum erhängten Heiligen finden sich in der hochmittelalterlichen Buchmalerei, nicht aber in der Tafelmalerei.398 Der hl. Koloman war ein irischer Pilger, der auf seiner Reise ins Heilige Land 1012 in Stockerau bei Wien gefangengenommen wurde, da Soldaten ihn für einen ungarischen Spion hielten. Er wurde an einem Baum erhängt und war bei seiner Auffindung – der „Elsässischen Legenda aurea“ zufolge anderthalb Jahre später399 – unverwest.400 1014 wurde er ins Kloster Melk überführt und avancierte in der Folge zu einem populären Heiligen in Süddeutschland und Österreich.401 Eine österreichische Tafel von um 1470/80 (Madison/Wisconsin, Privatbesitz; Abb. 9) zeigt den Heiligen zwischen zwei weiteren Gehenkten an einem Gabelgalgen, bei dem der Querbalken auf zwei Astgabeln aufliegt. Während schwarze Vögel seinen Nachbarn im Gesicht herumpicken, bleibt Koloman unangetastet; der Strick, an dem der Märtyrer aufgehängt wurde, hat sich in einen Blätter treibenden Ast verwandelt. Koloman blickt mit leicht geöffneten Augen nach unten auf einen Jüngling, der ihm ein Stück vom Oberschenkel abschneidet. Die „Vita Colmani“ des Erchenfridus, 1122–63 Abt von Melk, erzählt diese Episode wie folgt: Ein Jüngling war an Gicht erkrankt, wodurch sein Vater Rumaldus ernstlich besorgt war. In einem Traum wurde ihm geoffenbart, dass sein Sohn seine Gesundheit wiedererlangen werde, wenn er mit einem Stück Fleisch eines erhängten Mannes eingerieben würde. Der Vater schickte einen Boten los, um das Heilmittel zu besorgen. Dieser, als er zur Hinrichtungsstätte Kolomans kam, stach dem Leichnam des Märtyrers mit einer Lanze in die Seite, um ein Stück Fleisch herauszuschneiden, wie ihm befohlen worden war. Daraufhin floss aus dem Körper warmes Blut. Der Bote erschrak, erfüllte jedoch seinen Auf395 Vgl. auch Edgerton 1985, S. 148 ff.; Cohen 2010, S. 239. 396 Vgl. auch Edgerton 1985, S. 148, der als einziges ihm bekanntes Beispiel Koloman anführt. 397 Legenda aurea (= Benz 1925, S. 694). 398 Z. B. im „Zwiefaltner Passionale“, um 1120–35, und im „Zwiefaltner Martyrologium“, um 1162, beide Stuttgart, WLB, Cod. bibl. 2° 56–58 u. Cod. hist. 2° 415. Zur Ikonographie der Heiligen siehe LCI, Bd. 6, Sp. 420. 399 Elsässische Legenda aurea (= Williams/Williams-Krapp 1980, S. 824 ff.). 400 Koloman gehört damit zu jenen vornehmlich aus dem Hochmittelalter bekannten Märtyrern, die aufgrund eines Zufalls ihr Leben ließen und nicht durch das ausdrückliche Bekenntnis zum christlichen Glauben. Der fromme Anlass seiner Pilgerreise war offenbar ausreichend. 401 LCI, Bd. 7, Sp. 328.

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trag und berichtete seinem Auftraggeber von der wundersamen Begebenheit. 402 Mit dem Fleisch des Heiligen eingerieben, wurde der Sohn wieder gesund und dankte Gott und Koloman dafür.403 Die Tafel in Madison zeigt den Boten nicht mit einer Lanze, sondern mit einem Messer, und dieser schneidet Koloman kein Stück aus der Seite, sondern aus dem Oberschenkel. Obwohl in der Legende also ein offensichtlicher motivischer Bezug zum Lanzenstich Christi am Kreuz besteht, weicht das Bild durch motivische Modifikationen davon ab. Das Gleiche gilt für eine in der Nachfolge Jörg Breus d. Ä. entstandene Tafel von um 1505 (Stift Heiligenkreuz bei Wien),404 auf welcher der Bote, ebenfalls mit einem Messer, Fleisch vom Unterschenkel des Gehenkten abschneidet. Beide Tafelbilder verzichten zudem auf die Darstellung des herausfließenden Blutes. Die Parallele zum Kreuzestod Christi beschränkt sich darauf, dass es sich beim Erhängen um eine ebenfalls als äußerst schändlich angesehene Hinrichtungsmethode handelt. Daneben kommen am Hals aufgehängte Figuren in der christlichen Ikonographie vor allem im Zusammenhang mit Galgenwundern vor, zum Beispiel im Rahmen der Vita des hl. Jakobus d. Ä. oder des hl. Leonhard. Zu unterscheiden sind in den Legenden die Rettung von Unschuldigen und Schuldigen durch einen Heiligen vor dem Galgentod. Auffällig ist dabei, dass in der Hagiographie bis in die karolingische Zeit ausschließlich Sünder vor dem Galgentod gerettet werden und erst im 10. und 11. Jahrhundert zunehmend unschuldige Gerettete hinzukommen, die im späten Mittelalter den Typus des schuldigen Geretteten vollends verdrängen.405 Die Ursache für diesen Wandel ist möglicherweise in historisch nachweisbaren Einstellungen der Kirche gegenüber der Todesstrafe zu sehen. Basierend auf Hesekiel 33,11, wo es heißt, Gott wünsche sich nicht den Tod des Verbrechers, sondern dass dieser sich von seinem falschen Weg abwende, lehnte die Kirche die Todesstrafe zunächst weitgehend ab. Sie beanspruchte ein Interzessionsrecht – auch bei schuldigen Verurteilten –, wodurch sie zwangsläufig in Konflikt mit der weltlichen Gerichtsbarkeit geriet. Bei Gregor dem Großen kündigt sich dann der Umschwung an: Der kirchliche Schutz durch die Interzession solle nur denjenigen zuteil werden, die ihn verdienten und nicht missbrauchten.406 Offenbar wurde seitens der Kirche die Todesstrafe für Mord und Ehebruch als gerechtfertigt angesehen, weniger hingegen für Diebstahl. Im 14. und 15. Jahrhundert findet sich in der Hagiographie nur noch die Rettung unschuldig Verurteilter, also derer, die den Schutz der Kirche auch verdient hatten. Offenbar hatte sich die Kirche in dieser Zeit weitgehend dem weltlichen Recht untergeordnet.407

402 Den Boten am Bett des Kranken zeigt simultan zu dem erhängten Heiligen, dem ein Stück Fleisch aus dem Unterschenkel geschnitten wird, die Tafel aus der Nachfolge Jörg Breus d. Ä. Siehe dazu unten. 403 Nach Singelenberg 1964, S. 51. Falsche Deutung des Vorgangs (der Bote wird als Scherge bezeichnet) in LCI, Bd. 7, Sp. 328. 404 Tf. 122 bei Dworschak/Kühnel 1963. 405 Lotter 1989, S. 2. 406 Ebd., S. 11. 407 Ebd., S. 18 f.

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Angesichts der Tatsache, dass gehenkte Heilige in der Hagiographie praktisch nicht vorkommen, verwundert es nicht, dass hinsichtlich der Deutung einer Tafel von um 1510 (Graz, Joanneum; Abb. 10) lange Zeit Zweifel bestanden haben: Gezeigt sind zwei männliche Figuren, die an einem Galgen hängen. Die vornehm gekleideten Männer sind mit Stricken am Hals aufgehängt, leben aber noch, was durch ihre zum Gebet gefalteten Hände und die geöffneten Augen deutlich wird. Unter dem Galgen befinden sich zwei in lange, fließende Gewänder gekleidete Engel, welche die Männer an ihren Füßen festhalten und so offenbar ihren Tod verhindert haben. Ein Scherge steht auf einer an den Galgen gelehnten Leiter und ist dabei, den einen der Männer vom Galgen loszubinden. Der Hinrichtungsversuch durch Erhängen ist also offenbar dank göttlichen Eingreifens gescheitert. Die beiden Männer konnten mittlerweile als Cosmas und Damian identifiziert werden, obwohl es keine schriftliche Quelle für dieses Motiv gibt. Es besteht jedoch ein offensichtlicher Zusammenhang zwischen dieser Tafel und drei weiteren, die sich in der Österreichischen Galerie in Wien befinden und die zweifelsfrei Cosmas und Damian zeigen, denn die dort dargestellten Szenen basieren auf dem Bericht der „Legenda aurea“.408 Auf einer der Tafeln sind Cosmas und Damian als Nischenfiguren eines Altaraufsatzes dargestellt und tragen dort eine nahezu identische Tracht wie auf der Grazer Tafel.409 Das Motiv des Erhängens, für dessen Darstellung in der Hagiographie in Bild und Text nur wenige Beispiele existieren, zeigt, dass keinesfalls unkritisch ein Spiegelverhältnis zwischen Lebensrealität und sakralem Bild anzunehmen ist. In der Hinrichtungspraxis des Mittelalters gehörte das Erhängen zu den am häufigsten praktizierten Methoden. Die meisten Menschen kannten den Anblick aufgehängter Leichname vor den Stadtmauern wohl aus eigener Anschauung. Dass das Motiv in der Hagiographie kaum vorkommt, weist darauf hin, dass es auch innerhalb der Martyrienthematik, für die die Wiederholung und Variation grausiger Gewaltmotive bestimmend ist, Grenzen gab, die nur selten überschritten wurden. Dies überrascht insofern, als dass Jesus die in der Antike schändlichste Hinrichtungsart auf sich nehmen musste. Hier manifestiert sich ein grundlegender Unterschied zwischen der Bedeutung der Passion und des Martyriums: Erstere ist ein freiwilliges, sühnebringendes Opfer, Letzteres ein Akt göttlicher Gnade. Für den Sühneaspekt des Todes Jesu ist die Größe des Opfers entscheidend. Durch die gleichzeitige Grausamkeit und Schändlichkeit der Hinrichtungsmethode wird die Unermesslichkeit des körperlichen und seelischen Leidens am Kreuz deutlich. Im Erleiden des Martyriums hingegen kommt vor allem eine innere Glaubenshaltung zum Ausdruck, für die die Art des Sterbens und die Größe der Qual nachrangig sind.410

408 Die Identifizierung der Szenen in Wien bei Kurth 1929/30; der Zusammenhang mit der Tafel in Graz hergestellt in Kat. Joanneum 1982, S. 149 f. 409 Abb. in Kat. Österreichische Galerie 1971, Nr. 153. 410 Vgl. Cyprian, der sagt, es gehe nicht in erster Linie um das Erleiden des Märtyrertodes, sondern um die Glaubenshaltung. Bähnk 2001, S. 289.

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Variationen des Aufgehängtseins Das andere Extrem des Aufhängens, nämlich kopfüber an den Fußgelenken, war niemals eine Methode der Hinrichtung, sondern diente der Bestrafung oder Folter. Zentral ist auch hier der entehrende Charakter, wie auch Schandbilder belegen, die häufig Personen an ihren Füßen aufgehängt darstellen. In der Märtyrerikonographie bildet dieses Motiv eine Ausnahme. Eine Darstellung findet sich im Hintergrund einer Tafel aus dem Umkreis Bernt Notkes (um 1488/93; Lübeck, St. Annen-Museum):411 Die hll. Crispin und Crispinian sind hier vollkommen nackt (unter Weglassung des Genitals) kopfüber an einem Galgen hängend gezeigt, während zwei Schergen mit Knütteln auf sie einschlagen. Häufig hingegen sind die Märtyrer an den Armen aufgehängt dargestellt. In der Regel ist der Zweck die Durchführung zusätzlicher Foltern wie Geißeln. Das „Veitsretabel“ aus der Augustiner-Eremiten-Kirche St. Veit in Nürnberg (1487; Nürnberg, GNM; Abb. 11) zeigt den hl. Veit, seinen Erzieher, den hl. Modestus, und seine Amme, die hl. Kreszentia, an den Handgelenken an einem T-förmigen Galgen nebeneinander aufgehängt. Dargestellt ist jener Moment, in dem die Peiniger für ihre Tat durch göttliches Einwirken bestraft werden. Der Legende nach kam ein Sturm auf, die Erde erbebte und Donner grollte. In der Darstellung wird der Wind durch die hochflatternden Gewänder der drei Heiligen visualisiert, Feuerregen kommt vom Himmel auf die Peiniger herab, zwei von ihnen sind bereits zu Boden gestürzt. Durch die rechts anschließende Szene wird deutlich, dass die Heiligen vom Galgentod errettet werden konnten: Sie knien betend und mit geschlossenen Augen in einer idyllischen Flusslandschaft, während ihre personifizierten Seelen von einem Engel gen Himmel getragen werden. Nach den zahlreichen Torturen, die sie erleiden mussten, starben die Heiligen der Legende zufolge eines friedlichen Todes.

2.3 Die Geißelung Das Motiv der Geißelung ist freilich wesentlich durch die Passionsikonographie geprägt. Zahlreiche Märtyrer und Märtyrerinnen wurden im Verlauf ihres Martyriums ebenfalls gegeißelt. Formal lässt sich zwischen der Darstellung des Opfers an der Geißelsäule oder aufgehängt an einer Galgenkonstruktion unterscheiden.

Die Geißelung Christi Die Funktion der Geißelung innerhalb der Passion Jesu stellt sich in den Evangelien unterschiedlich dar. Bei Johannes 19,21 ist sie als eigene Strafe zu verstehen, die der Verspottung und Dornenkrönung vorausgeht. Pilatus hält Jesus für unschuldig und verhängt die Geißelung, um ihn in einen so mitleiderregenden Zustand zu versetzen, dass die Menge von der

411 Abb. bei Albrecht 2005, S. 297.

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Forderung nach der Hinrichtung absieht.412 Dies ist die Funktion der anschließenden Zurschaustellung (Ecce homo), bei der die Menge nach der Kreuzigung verlangt, die Pilatus schließlich anordnet.413 Bei Lukas 23,16 erklärt Pilatus mehrfach die Absicht, Jesus züchtigen zu lassen, um ihn anschließend freizulassen. Das nicht näher spezifizierte ‚Züchtigen‘ ist wie bei Johannes als eigenständige Strafe zu verstehen.414 Bei Matthäus und Markus hingegen folgt die Geißelung erst auf das Urteil des Pilatus über Jesus;415 sie gehört damit bereits zur Exekution des Todesurteils, wie es dem römischen Recht entsprach.416 Bei Matthäus, Markus und Johannes wird die Geißelung Christi jeweils lediglich mit einem Wort erwähnt und nicht näher beschrieben. In der Literatur und Kunst des späten Mittelalters erfuhr sie von allen Ereignissen aus der Passionsgeschichte die am weitesten gehende Ausgestaltung, insbesondere die körperlichen Folgen betreffend.417 Zwischen der lakonischen Kürze des Bibeltexts und der Überfülle der spätmittelalterlichen Vorstellung herrscht ein frappierendes Ungleichgewicht, wie Louis Réau feststellte.418 Die Szene eignete sich besonders zur Erzeugung von compassio – im Gegensatz zu anderen Stationen der Passion gelang ihr dies in der Regel ohne die Darstellung von mitleidenden Identifikationsfiguren wie Maria und Johannes, sondern ausschließlich über die Körperlichkeit Jesu sowie die Visualisierung seiner Isoliertheit und seines Ausgeliefertseins. Als eigene Szene in Passionszyklen trat die Geißelung erst im 9. Jahrhundert auf,419 war dann aber bald der Anlass für besonders extreme Darstellungen wie im „Stuttgarter Psalter“ von um 830 (Abb. 13), wo der unbekleidete Christus in gegenüber seinen Peinigern verkleinertem Maßstab und dem Betrachter den Rücken mit entblößtem Hinterteil zuwendend gezeigt ist; die in dynamisch wirkender Bewegung befindlichen Peiniger holen jeweils gerade zum Schlag aus, während sie mit ihren freien, überdimensionierten Händen höhnische Gesten ausführen. Mit der Rückenansicht geht der Entzug des Antlitzes Jesu einher. Wie Olaf Büttner ausführte, handelt es sich hier um eine extreme Bildlösung zugunsten eines ausgeprägten Situationsrealismus; das Bild könne den Betrachter so weder durch heroische noch durch pathetische, an die Emotionen appellierende Züge des Christus-Bildes erreichen.420 In der ottonischen Kunst, zum Beispiel im „Codex Egberti“ (980–93), wird die Geißelung am bekleideten Jesus vorgenommen. Die Anschaulichkeit der körperlichen Folgen spielt hier dementsprechend keine Rolle. Das Spätmittelalter verdankt die drastischsten bildlichen Umsetzungen der Passionsgeschichte dem Motiv der Geißelung. Dabei ist Christus in der Regel vor oder hinter einer steinernen Säule stehend dargestellt, seine Hände hinter bzw. vor seinem Körper oder auch 412 Joh 18,38 ff. Vgl. Stock 1998, S. 181. 413 Blinzler 1955, S. 164 f. 414 Vgl. ebd., S. 168; Stock 1998, S. 181. 415 Mt 27,26; Mk 15,15. 416 Blinzler 1955, S. 161, 168, 321 ff.; Schiller 1968, S. 76; vgl. Stock 1998, S. 181. 417 Unter Bezugnahme insbesondere auf die prophetisch gedeuteten Bibelstellen Jes 1,6 und 63,1–2. Siehe Marrow 1979, S. 47 ff., 134 ff. 418 Réau, Bd. 2, 2, S. 452. 419 Schiller 1968, S. 76; LCI, Bd. 2, Sp. 128. 420 Büttner 1993/94, bes. S. 103 u. passim.

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über seinem Kopf an dieser festgebunden.421 Die Folterknechte – in den früheren Darstellungen meist nur zwei, die Jesus im Wechselrhythmus schlagen, später in größerer Zahl – benutzen in den Bildern, die an dieser Stelle konkreter sein müssen als der biblische Bericht, verschiedene Arten von Peitschwerkzeugen: Ruten aus Zweigen, Peitschen aus Ketten, Seilen oder Lederriemen, deren Enden beschwert sein können.422 Für das spätmittelalterliche Verständnis der Geißelung ist die Entblößtheit Jesu während der Tortur zentral, was durch die Betonung dieses Umstands sowohl in der Passionsliteratur als auch in den bildlichen Darstellungen deutlich wird.423 Die Geißelung bildet einen dramatischen Höhepunkt der Passionserzählung: Im Gegensatz zur Darstellung der Kreuzigung dominiert hier im späten Mittelalter die Darstellung des kreatürlichen Leidens. Dabei sind – was zunächst überrascht – keine mitleidenden Identifikationsfiguren integriert. Jesus wird nicht in strenger Frontalität dargestellt, aber zumeist zentral auf der vertikalen Mittelachse. Sein Stand ist durch die Schläge seiner Feinde häufig ins Wanken geraten. Die „Goldene Tafel“ aus Lüneburg (um 1418/20, Hannover, NLM; Abb. 12) zeigt eine symmetrische Komposition, die durch die zentral über die gesamte Höhe des Bildfelds verlaufende Geißelsäule im Vordergrund zweigeteilt ist. Durch die strenge Symmetrie des Bildraumes und die steif wirkenden Bewegungen der Peiniger wird die formale Gegensätzlichkeit zum Gegeißelten betont, dessen vor Schmerz angespannter Körper spangenartig oder wie ein Segel im Wind unter den Schlägen mit Füßen und Händen an der Säule hängt. Im 15. Jahrhundert wurde die Geißelung auch ausgedehnt auf mehrere Szenen dargestellt: Drei Zeichnungen aus dem Skizzenbuch von Michael Wolgemut von um 1470 zeigen den Leib Christi während der Tortur dermaßen von Blut überströmt, dass er kaum noch als fest konturierte Form zu erkennen ist (Abb. 14). Eine Handschrift aus dem Karmeliterkloster in Krakau schildert die Geißelung sogar auf sieben Blättern.424 Hier besteht das Extreme vor allem in der Darstellung des gedemütigten Körpers Christi – um die Säule ‚gewickelt‘, an der Säule mit Seilen hochgezogen, auf dem Boden liegend, wie ein Ball hin- und hergestoßen. Diese Beispiele gehen jedoch weit über das hinaus, was aus dem Bereich der Tafelmalerei überliefert ist. Die körperlichen Folgen sind in den spätmittelalterlichen Darstellungen der Geißelung häufig besonders eindringlich visualisiert. Der Körper windet sich nicht nur vor Schmerz wie im oben genannten Beispiel der „Goldenen Tafel“, sondern weist in vielen Fällen auch sichtbare Verletzungen auf: Beim Meister der „Karlsruher Passion“ (Abb. 1 e) zum Beispiel ist der gesamte Leib mit Wunden übersät, aus denen Rinnsale von Blut (unter dem Lendentuch hindurch) zu Boden fließen, wo sie sich in einer Lache sammeln. Diese Schilderung des Gegeißelten lässt sich auf viele Beispiele der spätmittelalterlichen Passionsliteratur zurückzu421 Zu verschiedenen ikonographischen Ausprägungen siehe Schiller 1968, S. 76 ff. 422 Die Peitschen aus Seilen oder Ketten können durch Eisenkugeln, Haken oder Knoten beschwert sein. Mit angehängten Haken werden sie in mehreren Passionstraktaten als ‚Skorpione‘ bezeichnet – ein Begriff, der schon im Alten Testament zu finden ist. Dazu Marrow 1979, S. 136 f. 423 Siehe dazu unten, Abschnitt V.1. 424 Krakau, Kloster der Unbeschuhten Karmeliten, Ms. 287 (Dominikanische Meditationen), fol. 72r– 78r. Abb. bei Marrow 1979, Nr. 32–38.

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führen; diese wiederum gehen auf alttestamentliche Textstellen wie Jesaja 1,6 zurück: „Vom Kopf bis zum Fuß kein heiler Fleck, / nur Beulen, Striemen und frische Wunden“.425 In einigen Passionstraktaten wird sogar die Zahl der Wunden genauestens angegeben – der Autor von „Do der minnenklich got“ berichtet von 5465 Wunden,426 die der Herr an der Säule empfing. Vier Folterknechte hätten Jesus mit Geißeln geschlagen, die aus vier Ochsenlederriemen bestanden, die je in der Mitte und am Ende einen mit einer Spitze besetzten „Knopf“ besaßen.427 Jeder der von den vier Peinigern gleichzeitig ausgeführten Schläge habe so 32 Wunden erzeugt. In dieser Präzision der literarischen Beschreibung liegt etwas Schockierendes, das den Leser oder Zuhörer berühren muss. Für die malerische Darstellung ist diese Art der Präzision irrelevant, schon da sie den Körper nicht allansichtig darstellen kann. Das Anrührende liegt stattdessen in der Anschaulichkeit der Wunden, die die Kreatürlichkeit Jesu betont und so über die Identifikation des Betrachters mit ihm zu compassio führt. In vielen Beispielen sind die Wunden der Geißelung keineswegs naturalistisch dargestellt, sondern besitzen abstrakte Formen und bilden geometrische Muster.428 In der Geißelungsszene vom „Schlüsselfelder Retabel“ (um 1490; Würzburg, Mainfränkisches Museum; Farbabb. 11 a) aus der Werkstatt Wolfgang Katzheimers d. Ä. ist der Körper Christi mit Striemen übersät, die als Querstreifen dargestellt sind, aus denen das Blut rinnt, so dass die Form eines „T“ entsteht. Das hebräische signum thau, das im Alten Testament die Funktion eines Schutzzeichens für die Gerechten vor dem Zorn Gottes besitzt, wurde von vornherein mit dem Kreuz Christi in Verbindung gebracht.429 Es lässt sich auch mit dem Pessachfest in Beziehung setzen: Exodus 12,1–13 zitiert die Vorschrift Gottes, im Rahmen des Pessachfests vor dem Auszug aus Ägypten, die Türpfosten und Giebel der Israeliten als Schutzzeichen mit dem Blut der gerade geschlachteten Lämmer zu markieren. In einigen Bildwerken des hohen Mittelalters dient das blutige Tau-Zeichen dazu, einen Bezug zwischen der Kreuzigung und dem Pessachfest herzustellen: Auf einem emaillierten Kreuzsockel von 1170 aus St. Bertin in Saint-Omer (heute Musée archéologique) ist dargestellt, wie das signum an Türgiebeln angebracht wird, während unten ein geschlachtetes Lamm zu sehen ist, dessen Blut aus der Kehle in einen Kelch fließt.430 Im späten Mittelalter nimmt der Leib Christi selbst das Tau-Zeichen auf. Die Formen und Muster helfen, die Erinnerung der Gläubigen zu strukturieren. Der Körper und die Wunden werden damit zu einer Erinnerungsfläche, einem beschriebenen Buch.431 Die Gestaltung der Wunden in den Bildern hat damit eine ähnliche Funktion wie die präzise Benennung der Anzahl der Wunden in der Passionsliteratur.

425 Ebd., S. 47 ff., 134 ff. 426 Zur symbolischen und mnemotechnischen Bedeutung der Wunden Küsters 1999. Vgl. des Weiteren Angenendt 1995, S. 45 f. 427 Do der minnenklich got (= Schelb 1972, S. 266, Z. 9–13). Vgl. Ausst.Kat. „Karlsruher Passion“ 1996, S. 61. 428 Küsters 1999, S. 90 ff. 429 Ez 9,4 f.; Küsters 1999, S. 94. 430 Ebd., Abb. 5. 431 Ebd., S. 83 f., 96 f.

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Von zentraler Bedeutung für die Geißelung, diese in den Evangelien nur kurz erwähnte Tortur, präsentiert sich in den spätmittelalterlichen Darstellungen sowie in der theologischen Debatte der Zeit die seelische Demütigung Jesu durch seine Entblößtheit vor den Peinigern und Zuschauern. Diesem Aspekt widmet sich eingehend Kapitel V. In Italien wurden in der Druckgraphik und in Zeichnungen des 15. Jahrhunderts neuartige Bildlösungen für das Motiv der Geißelung, das insbesondere unter den Franziskanern an Bedeutung gewonnen hatte, entwickelt. Sieben erhaltene Zeichnungen Jacopo Bellinis belegen sein Interesse an diesem Thema.432 Charakteristisch ist die auch für die Folgezeit außergewöhnliche Größe des jeweiligen Bildausschnitts, die dazu führt, dass die Architektur sowohl von innen als auch von außen sichtbar ist und dadurch deutlich dominant wirkt. Jesus an der Geißelsäule und seine Peiniger rücken in den Mittelgrund der Darstellung. In den drei Zeichnungen aus Bellinis Frühphase (1435–45) findet eine Entwicklung weg von Frontalität und Zentralität des Gegeißelten statt.433 Auch Piero della Francesca wählt in seinem Tafelgemälde von 1452 (Urbino, Galleria Nazionale delle Marche) einen größeren Bildausschnitt als nördlich der Alpen üblich, wobei die Geißelung selbst weit in Hintergrund gerückt ist. Von Andrea Mantegna sind Studien zur Geißelung erhalten, die zu keinen bekannten Gemälden des Künstlers in Beziehung gesetzt werden können.434 Des Weiteren sind aus seinem Umkreis Kupferstiche überliefert,435 entstanden wohl in der ersten Hälfte der 1470er Jahre, die vermutlich auf Vorlagen aus Mantegnas früher Schaffenszeit (1450er Jahre oder kurz nach 1460) zurückgehen. Obgleich ein großes Interesse italienischer Künstler des 15. Jahrhunderts anhand von Zeichnungen und druckgraphischen Werken festzustellen ist, hat das Motiv hier nicht annähernd eine solche Bedeutung erlangt wie nördlich der Alpen, da es in der Tafelmalerei kaum dargestellt wurde. Unter dem Einfluss der oberitalienischen Künstler schuf Dürer innerhalb der „Kleinen Holzschnitt-Passion“ eine neue Variante der Geißelung (um 1509; Abb. 15 a), wobei er aber die nördlich der Alpen bevorzugte Nahsichtigkeit der Darstellung beibehält: Die Geißelsäule ist aus der Bildmitte nach rechts gerückt, dahinter steht, für den Betrachter in Profilansicht, Jesus, dessen Arme vorne an der Säule festgebunden sind. In der betreffenden Szene der „Großen Holzschnitt-Passion“ (1496–99) hingegen setzte er noch die traditionelle symme­ trische Bildlösung um.436 Die in den Evangelien je nur mit einem Wort erwähnte Geißelung erfährt in der Literatur und den Bildern des späten Mittelalters eine enorme Ausgestaltung. Durch die Drastik der dargestellten Versehrtheit und Hilflosigkeit Jesu unter der Gewalt der Feinde eignete sich die Szene besonders zur Erzeugung von compassio. Das Leiden Jesu während der Geißelung wurde aber nicht nur imaginativ nachvollzogen, sondern auch leiblich, seit dem 11. Jahrhun432 Degenhart/Schmitt, Teil 2, Bd. 6, S. 313. 433 Vgl. Louvre, Inv. R.F. 427, fol. alt 29 und Louvre Inv. R.F. 1483, fol. 15 (fol. alt 16). DegenhartSchmitt, Teil 2, Bd. 6, S. 342 f. u. 323; Abb. bei Degenhart/Schmitt, Teil 2, Bd. 7, Tf. 32 u. 12. 434 Lincoln 2000, S. 32. 435 Abb. in The Illustrated Bartsch, Bd. 25, S. 25 f. Dazu The Illustrated Bartsch, Bd. 25 (Commentary), S.  99 ff. 436 Zu Neuerungen in der deutschen Druckgraphik Anfang des 16. Jhs. siehe Büttner 1993.

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dert durch die monastische und später auch laikale Praxis der Selbstgeißelung sowie seit dem 13. Jahrhundert durch die Bewegung der Flagellanten.437

Die Geißelung der Märtyrer Darstellungen gegeißelter Märtyrer lehnen sich deutlich an Bildlösungen der Geißelung Jesu an. Der Märtyrer erscheint allerdings selten gleichermaßen von Wunden übersät und stark blutend wie der Gottessohn. Durch seinen überdeutlich malträtierten Körper ist der hl. Quirinus auf der Tafel eines Ende des 15. Jahrhunderts entstandenen Flügelretabels in der Kirche St. Laurentius in Revúca/Slowakei (Farbabb. 12) an Darstellungen des gegeißelten Jesus angenähert: Der Körper ist in Folge der Marter mit Wunden übersät und hat insgesamt einen fleischig-roten Farbton angenommen, der im Kontrast zum hellen Inkarnat des Gesichts steht. Zudem bezieht sich die daneben simultan gezeigte Entkleidung auf die Christus-Ikonographie (dazu unten, Abschnitt V.2.1). Die Annäherung an Darstellungen der Geißelung Christi gilt in gleicher oder vielleicht noch stärkerer Weise für weibliche Heilige. Ein grundlegender Unterschied in der Repräsentation besteht darin, dass bei einem gleichen Grad an Entblößtheit bei den Märtyrerinnen mit den Brüsten sekundäre Geschlechtsmerkmale sichtbar werden, bei den Märtyrern und Jesus hingegen nicht. Eindringlich Bezug auf die Passion Christi nimmt das Flügelretabel in der Katharinenkirche im polnischen Gościszowice (Gießmannsdorf ) von 1505 (Abb. 16), welches die Vita und das Martyrium der hl. Katharina in acht Szenen darstellt. Die erste Szene des unteren Registers zeigt die Geißelung der an eine Säule in der Mitte des Bildfeldes gebundenen Heiligen, die von vier Schergen umgeben ist. Drei von ihnen springen aggressiv-dynamisch mit Ruten bzw. Geißeln schlagend um sie herum; einer kniet am Boden und bindet offenbar gerade aus einem Bündel von Zweigen mit einem Faden eine Rute zusammen.438 Die Szenerie, die Komposition und die Charakterisierung der Schergen könnten ebenso einer Geißelung Christi entstammen.439 Der kniende Scherge erinnert zudem stark an Figuren aus der Christus-Ikonographie. Katharina selbst ist Christus äußerlich weitgehend angeglichen: Sie trägt nur ein Lendentuch, ihr ganzer Körper ist mit Wunden übersät, wie es weniger bei der Darstellung von Märtyrern als der von Christus üblich ist. Ihr Gesicht ist lieblich – was besonders im Kontrast zu dem fast karikaturistisch gezeichneten Schergen rechts, den sie anblickt, auffällt –, ihr gelocktes Haar fällt bis über die Hüften herab. Obgleich sie also als weiblich und schön charakterisiert ist, entbehrt ihr Körper weitgehend weiblicher Attri437 Dinzelbacher 2007, S. 28 f.; Art. Flagellanten, in: LexMA, Bd. 4, Sp. 509–512. 438 Das Motiv kommt auch in Darstellungen der Geißelung Christi vor, z. B. bei Hans Hesse, Hochaltarretabel der Stiftskirche Chemnitz-Ebersdorf, 1513 – hier die zwei Figuren im Vordergrund; Abb. bei Sandner 1993, S. 248. 439 Vgl. z. B. Meister von Schöppingen, „Geißelung Christi“ vom „Halderner Retabel“, 1453/54, Münster, WLM.

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bute – ihre Brüste sind kaum hervorgehoben, so dass eine starke Anlehnung an Christus erreicht wird. Was sie tatsächlich von Christus in der Geißelung unterscheidet, ist ihr jeglichen Schmerz körperlicher oder seelischer Art entbehrender Gesichtsausdruck. Die „Geißelung Katharinas“ des Monogrammisten HG von 1514 (Nürnberg, GNM; Abb. 17) übernimmt Architektur, Komposition und Bewegungsmotive der Figuren von der bereits erwähnten „Geißelung Christi“ aus der „Kleinen Holzschnitt-Passion“ Dürers (Abb.  15 a).440 Christus ist hier am Bildrand, vor einer komplexen Architektur stehend, in Seitenansicht dargestellt; er umfasst die vor ihm stehende Säule, an die er gebunden ist. Für die Darstellung der Geißelung Katharinas bietet sich dieses Darstellungsschema an, da durch den vorgestreckten linken Arm die entblößte Brust verdeckt wird. Eine ähnliche Bildlösung findet sich schon in einer Darstellung der Geißelung der hl. Engracia von Bartolomé Bermejo:441 Die Märtyrerin ist, dem Betrachter in Dreiviertelrückenansicht zugewandt, an die Säule einer Arkade gebunden. Während die Darstellung in stilistischer Hinsicht niederländischen Einfluss verrät, lassen das Motiv und die durch die Aggressivität des Peinigers erzeugte Drastik sowie die Nahsichtigkeit an deutsche Vorbilder denken. Besonders eindringlich geschildert ist die Geißelung Pauli auf dem „Peterskirchenretabel“ der Werkstätten Jan Polacks und Erasmus Grassers (München, BNM; Farbabb. 13), entstanden um 1490. Das Motiv der Geißelung Pauli ist durch keine schriftliche Quelle begründet und widerspricht sogar dem Bericht der Apostelgeschichte 22,24 ff.: Nach diesem war der Apostel in Jerusalem, lange vor seinem Martyrium, der bereits angeordneten Geißelung zum Zwecke der Folter knapp entgangen, da er römischer Bürger war. Dass die im Bild dargestellte Geißelung nicht gerade erst begonnen hat – um vielleicht im nächsten Moment abgewendet zu werden –, wird anhand des von Striemen und Blut bedeckten Körpers sichtbar. Da die Geißelsäule fehlt, weist die Darstellung formal eher eine Parallele zur Szene der Dornenkrönung als zur Geißelung Christi auf dem selben Altarretabel auf; der Verweis auf Letztere ist jedoch wiederum durch die teilweise Entblößung des Oberkörpers des Apostelfürsten deutlich – traditionell ist Paulus in den bildlichen Darstellungen seiner Vita einschließlich seines Martyriums immer vollständig bekleidet. Durch den Verweis auf den imitatio-Aspekt lässt sich auch der Gesichtsausdruck des Heiligen erklären: Er zeigt – anders als die Märtyrer in den spätmittelalterlichen Bildern üblicherweise – Leid, sogar Tränen, und ist damit Darstellungen Jesu in der Passion angenähert. Im Programm des Flügelretabels, das Szenen aus der Vita Petri und Pauli darstellt, wird durch die Umsetzung der Geißelung Pauli zudem eine Annäherung an das Martyrium Petri erreicht – der Kreuzigung –, das dem Tod Christi ähnlicher ist als das Martyrium des Paulus.

Der hl. Sebastian am Marterpfahl Motivisch verwandt mit der Geißelung ist auch die Pfeilmarter des hl. Sebastian. Während dieser dabei in italienischen Darstellungen unter noch deutlicherem Bezug auf Jesus an eine 440 Vgl. Kat. Germanisches Nationalmuseum 1997, S. 262. 441 Letztes Drittel 15. Jh.; Bilbao, Museo de Bellas Artes de Bilbao. Abb. in Kat. Art Institute 2000, S. 46.

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steinerne Säule gefesselt ist, wird er nördlich der Alpen vorwiegend an einen Baumstamm gebunden dargestellt (Abb. 18). Das populäre Bildmotiv zeigt allerdings nicht das eigentliche Martyrium des Heiligen – der Legende nach wurde er, nachdem er mit Pfeilen beschossen worden war, durch Engel vom Marterbaum befreit und von Irene, der Witwe des Märtyrers Castulus, gesund gepflegt; später wurde er erschlagen bzw. zu Tode gegeißelt. Sein Leichnam wurde in eine Kloake geworfen, um seine Verehrung als Märtyrer zu verhindern; er erschien jedoch Lucina im Traum, wurde geborgen und bestattet.442 Der Kult um den hl. Sebastian gewann im späten Mittelalter erneut an Bedeutung, was auf seine Funktion als Pestheiliger zurückgeführt wurde. Die Ursache ist aber wohl nicht unmittelbar im Ausbruch der Pest in Europa Mitte des 14. Jahrhunderts zu sehen, denn gerade in dieser Zeit sind kaum Darstellungen des Märtyrers entstanden.443 In Italien und nördlich der Alpen entstanden die meisten Darstellungen der Pfeilmarter im 15. und Anfang des 16. Jahrhunderts. Dennoch lässt sich eine Verbindung zwischen der Marter Sebastians und der Pest feststellen: Die Vorstellung, dass Pest und Seuchen durch Pfeile, dem Werkzeug seines Martyriums, von Gott zu den Menschen gesandt wurden, findet sich im Alten und Neuen Testament und lässt sich sogar bis zu Homers „Ilias“ zurückverfolgen. 444 Sie wurden im Mittelalter zum Symbol für den von Gott gesandten Tod sowie die unberechenbare und allgegenwärtige Pest, die im Mittelalter verbreitet als Strafe oder Prüfung Gottes interpretiert wurde. Sebastian bot sich daher aufgrund seiner überlebten Pfeilmarter als Fürsprecher zum Schutz vor der Pest an.445 Damit verband sich die Hoffnung, dass der Märtyrer stellvertretend für die Menschen die Pfeile abfing,446 womit er sich, gleich Christus, für ihre Sünden opferte. Die Rolle Sebastians als Schutzheiliger für Seuchen lässt sich bis ins 6. Jahrhundert zurückverfolgen. Aus dem 8. Jahrhundert stammt ein Bericht des langobardischen Geschichtsschreibers Paulus Diaconus, nach dem eine im Jahr 680 in Italien wütende Pest erst aufgehört habe, als man einen Sebastiansaltar aufstellte.447 Anders als beispielsweise das Schwert sind Pfeile Fernwaffen. Wie bei der Steinigung war ein direkter Kontakt mit dem Opfer nicht erforderlich. Das Opfer musste den Schützen – seinen Mörder – nicht einmal zwangsläufig sehen. In der mittelalterlichen Gesellschaft galten Pfeile aus diesem Grund als unritterlich.448 Mit der Wiederbelebung des Kultes entstand Ende des 14. Jahrhunderts in Italien und etwa ein Jahrhundert später auch in Deutschland die neue Tradition, Sebastian als nackten, schönen Jüngling während der Pfeilmarter darzustellen.449 Die neue Darstellungsweise fand durch die seit dem ersten Viertel des 15. Jahrhunderts im Umlauf befindlichen Pestblätter, auf denen der mit Pfeilen beschossene Heilige häufig dargestellt wurde, rasche Verbreitung. Durch den neuen Sebastianstypus kam es einerseits zu einer Annäherung an die Darstellung 442 LCI, Bd. 8, Sp. 322. 443 Bergdolt 2000, S. 55. 444 Ilias I,43–58; Ez 5,16 f.; Hiob 6,4; Ps 7,13; Offb 6. Siehe Bergdolt 2000, S. 39. 445 Ebd. 446 Bulst 1996, S. 72. 447 Legenda aurea (= Benz 1925, S. 132); LCI, Bd. 8, Sp. 318; Bergdolt 2000, S. 40; Largier 2005, S. 287. 448 Dinzelbacher 1986, S. 67. 449 LCI, Bd. 8, Sp. 318.

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des an eine Säule gebundenen und gegeißelten Christus; zugleich erinnern die Pfeile an die Dornenkrone. Doch erscheint Sebastian in seiner Tortur und trotz seiner Entblößtheit nicht erniedrigt und, trotz der in ihm steckenden Pfeile, nicht körperlich beeinträchtigt wie Jesus, sondern tendenziell unversehrt. Zudem lässt sich häufig eine artifizielle Körperhaltung feststellen, welche die Wohlproportioniertheit des Heiligenleibes hervorhebt; charakteristisch ist, dass ein Arm erhoben ist. Auf der rechten Flügelinnenseite des „Westner-Retabels“ (1509; Freising, Diözesanmuseum; Farbabb. 14 b) ist der Körper des Heiligen in einem auffälligen S-Schwung dargestellt. Zwar ist er durch eine Art Untergewand teilweise verhüllt, doch wird seine stellenweise Entblößtheit durch das im Vordergrund liegende Gewand samt Hut betont. Das im Bild prominent dargestellte, leuchtend rote Gewand mit weiß verbrämten Säumen kann auch als Hinweis auf die Entkleidung Christi vor der Kreuzigung verstanden werden, die sich im späten Mittelalter als eigene Szene in Passionszyklen herausgebildet hatte. Auf Hans Baldung Griens „Sebastiansretabel“ von 1507 (Nürnberg, GNM; Abb. 18) ist der Heilige im Kontrapost dargestellt, was ebenfalls zu einer S-Form der Körpersilhouette führt und die Pose für jemanden, der gerade mit Pfeilen beschossen wird, überaus entspannt aussehen lässt. Aufgrund solcher Beispiele sind Bilder des hl. Sebastian vom Ende des Mittelalters und aus der Renaissance oftmals dem Vorwurf ausgesetzt gewesen, ein beliebter Anlass zur Darstellung eines weitgehend unbekleideten, schönen jungen Mannes zu sein, den Heiligen also als erotisches Objekt in Szene zu setzen.450 Die Posen, die der Heilige in seiner Tortur durch die Pfeile einnimmt, bestätigen diese Annahme. Es ließen sich beliebig viele Beispiele des späten 15. und frühen 16. Jahrhunderts nennen, von denen hier das „Sebastiansretabel“ des Meisters der Heiligen Sippe (um 1500; Köln, WRM)451 angeführt sei, das nicht nur in der Hauptszene das übliche Beschießen mit Pfeilen darstellt, sondern auch, stark verkleinert im Hintergrund der Mitteltafel, die Heilung und auf der rechten Flügelinnenseite das eigentliche Martyrium – bezeichnenderweise scheint es erforderlich zu sein, Sebastian auch bei seiner Erschlagung weitgehend unbekleidet darzustellen. Hinzu kommt die Darstellung im Hintergrund rechts, die zeigt, wie Sebastian in der Nacht nach seinem Tod der hl. Lucina erscheint, um ihr mitzuteilen, wo sein Leichnam liegt – dabei ist die im Bett von der Erscheinung Überraschte mit entblößtem Oberkörper dargestellt, was keineswegs erforderlich gewesen wäre und in diesem Falle die Wahrscheinlichkeit eines intendierten erotischen Subtextes erhöht.452

450 Z. B. Schade 1989, S. 26; Caviness 2001, S. 116 f. 451 Abb. in Kat. Wallraf-Richartz-Museum 1990, S. 192. 452 Ausführlich zum „Sebastiansretabel“ ebd., S. 284 ff.

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2.4 Die Enthauptung „Virtus christianorum nonnisi in ferro vincitur, unde consulo, ut eam facias decollari.“453 Jacobus de Voragine, „Legenda aurea“ (Euphemia-Legende)

Zwei der drei im Neuen Testament erwähnten Märtyrer, Johannes der Täufer454 und Jakobus d. Ä., starben durch die Enthauptung.455 Auch der Apostelfürst Paulus starb auf diese Weise – laut Tertullian wurde er „mit der Todesart des Johannes gekrönt“.456 In der römischen Antike sowie im mittelalterlichen Europa besaß die Enthauptung als einzige Hinrichtungsstrafe keinen entehrenden Charakter.457 Dies mögen die Gründe dafür sein, dass der Märtyrerliteratur zufolge – meist nach einer Reihe vergeblicher Folterungen und Hinrichtungsversuche – die Enthauptung das Lebensende der meisten Märtyrer herbeiführte.458 Es handelt sich dementsprechend auch um das am häufigsten dargestellte Gewaltmotiv. Die Enthauptung war, sofern professionell mit einem einzigen Streich ausgeführt, die kürzeste und damit schmerzloseste Art der Tötung.459 Zu unterscheiden sind zwei Varianten ihrer Durchführung: Bei Ersterer kniet der Verurteilte in aufrechter Haltung, der Schlag erfolgt seitlich. Bei der zweiten Variante liegt der Hals des Verurteilten auf einem Richtblock; die Hinrichtung wird durch eine Art Beil vollzogen, der Schlag senkrecht von oben nach unten geführt.460 So wurde die Enthauptung wohl vorwiegend in England praktiziert.461 Eine Abwandlung hiervon ist die Enthauptung mit Barte (Beil) und Schlegel, bei der ein Gehilfe die Barte im Nacken des Verurteilten positionierte und der Henker nur noch mit ganzer Kraft zuschlagen musste.462 Der Vorteil bestand dabei wohl darin, dass weniger Präzision notwendig war, sondern vor allem Kraft. 453 Legenda aurea (= Graesse 1846, S. 621). Übersetzung nach Benz 1925, S. 718: „Die Kraft der Christen wird nicht anders gebrochen denn mit dem Schwerte, darum rate ich, daß du sie heißest enthaupten.“ 454 Zum Märtyrerstatus Johannes d. T. siehe Anm. 477. 455 Mt 14,10; Mk 6,27; Apg 12,1–2. 456 Tertullian, De praescriptione de haereticorum 36 (= BKV online: http://www.unifr.ch/bkv/kapitel96-35.htm – letzter Zugriff: 31.8.2011). 457 Van Dülmen 1985, S. 138. In anderen Kulturen hingegen wurde die Enthauptung teilweise als besonders entehrend angesehen. Siehe Stahl 1986. 458 Über die Enthauptung der hl. Caecilia berichtet die „Legenda aurea“, dass auch nach drei Schlägen das Haupt nicht vom Kopf getrennt werden konnte. Der Henker ließ sie halbtot liegen und sie lebte noch drei Tage. Legenda aurea (= Benz 1925, S. 902 f.). 459 Fraglich daher die Einschätzung von Stones 1999, S. 54: „Decapitation was a form of death that was seen to be brutal [...].“ 460 Schild 1980, S. 202. 461 Edgerton 1972, S. 88. Anne Boleyn, die Exfrau von Heinrich VIII., verlangte für ihre Hinrichtung im Jahr 1536 die ‚französische Methode‘, die ihr ermöglichte, den Tod aufrecht kniend im Gebet zu empfangen. Siehe ebd. 462 Schild 1980, S. 202.

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In den Martyrienbildern des Mittelalters dominiert deutlich die Darstellung der ersteren Variante. Der Kopf auf dem Richtblock findet sich vor allem in Verbindung mit dem Martyrium des hl. Georg (Farbabb. 15 b), entsprechend der Herkunft der Legende aus England. Der Grund für die Bevorzugung der aufrechten Haltung in den Darstellungen könnte auch ästhetischer Natur sein: Zum einen konnte der Märtyrer betend dargestellt werden, zum anderen ist es ein deutlich würdevollerer Anblick. Die Enthauptung als Hinrichtungsmethode ist durch Gegensätze zur Art des Sterbens Jesu geprägt: Sie ist ehrenhaft, die Kreuzigung hingegen schändlich, und zudem im Idealfall kurz und schmerzlos, die Kreuzigung aber langwierig und qualvoll. Durch diese Gegensätzlichkeit scheint der Aspekt der imitatio Christi durch die Todesart der meisten Märtyrer zunächst wenig hervorgehoben zu sein. Als Besonderheit dieser Hinrichtungsmethode wurde bereits die Kürze des Vollzugs hervorgehoben. Der eigentliche Gewaltakt, der in der Konfrontation von Waffe und Körper besteht, ist identisch mit dem Moment des Todes und dauert – im Idealfall – nur den Bruchteil einer Sekunde. Michel Foucault schreibt, die Enthauptung reduziere „alle Schmerzen auf eine einzige Geste und einen einzigen Augenblick [...] und [bilde] damit den Nullpunkt der Marter“.463 Für die bildliche Darstellung bedeutet dies, dass die Festlegung auf eine konkrete Phase des Geschehensverlaufes – vor, während oder nach dem tödlichen Streich – und damit auf den Status des Opfers – unversehrt, verletzt oder fragmentiert, lebendig oder tot – erforderlich ist. Deutlich wird am Beispiel der Enthauptung die Notwendigkeit zur Konkretisierung der Darstellung gegenüber dem Text. Für diesen ist die Aussage „er/sie wurde enthauptet“ als Beschreibung des Sachverhalts ausreichend. Die Märtyrerliteratur geht in der Ausführlichkeit kaum je darüber hinaus. Das Bild hingegen muss sich zunächst entscheiden, welchen Zeitpunkt des Geschehens es repräsentiert, wobei der im Bild festgehaltene Geschehensmoment nicht gleichzusetzen ist mit einer realen Momentaufnahme, in der die Bewegung eingefroren ist.464 Daraus resultiert wiederum die Notwendigkeit weiterer Entscheidungen. Die Wahl des im Bild festgehaltenen Geschehensmomentes, der den Gewaltakt repräsentiert, bestimmt wesentlich über die Verfasstheit des Opferkörpers und damit über die Wirkung der Darstellung auf den Betrachter.

Der „fruchtbare Moment“ Im Hinblick auf das untersuchte Bildmaterial überwiegen deutlich diejenigen Darstellungen, die den Moment unmittelbar vor der eigentlichen Enthauptung zeigen: Der Heilige ist in der Regel in Seitenansicht, kniend und mit zum Gebet gefalteten Händen dargestellt, wäh463 Foucault 1975, S. 46. 464 In der Beschreibung muss das Bild wieder in Sprache überführt werden. Dies führt oftmals zu grober Vereinfachung, was sich bereits an gängigen Bildtiteln bemerkbar macht, die beispielsweise „Enthauptung des hl. XY“ lauten, womit wenig über das Dargestellte ausgesagt ist. Vgl. zu diesem Themenkomplex, der mit methodischen Problemen einhergeht: Boehm 1978; Bätschmann 1984; Imdahl 1980; Imdahl 1987 u. andernorts.

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rend der Henker bereits zum tödlichen Schlag ausholt. Charakteristisch für diese Bilder ist die noch völlige Unversehrtheit des Märtyrerkörpers. Das erhobene Schwert zeigt den Beginn der Hinrichtung an, es markiert die Grenze zwischen Leben und Tod. Es handelt sich hierbei um die Darstellung eines „wahrhaft fruchtbaren Moments“, wie Erwin Panofsky unter Bezugnahme auf Gotthold Ephraim Lessing formulierte: Lebendig sei gerade die Darstellung eines nicht aktuell bewegten, sondern potentiell bewegungshaltigen Körpers, insbesondere von Wendepunkten, an denen der Stillstand der alten Bewegung mit dem Beginn einer neuen Bewegung zusammenfalle.465 Als Beispiel kann Stefan Lochners „Martyrium des hl. Jakobus d. Ä.“ von den „Apostelmartyrien“ (Farbabb. 10 a; linker Flügel, unteres Register links) des um 1435 entstandenen „Weltgerichtsretabels“ dienen: Der Henker hat sich in Position gebracht, steht breitbeinig, das Schwert mit beiden Händen erhoben, hinter dem Apostel. Sein Blick fixiert das Opfer in Vorbereitung der nächsten Handlungsphase. Das kommende Geschehen wird spannungsreich antizipiert: der Schlag, das Abtrennen des Hauptes vom Rumpf und dass Kopf und Körper zu Boden fallen. Ein in mehrfacher Hinsicht ungewöhnliches Beispiel ist eine Tafel von Marx Reichlichs „Jakobus-Stephanus-Retabel“ (1506; München, Alte Pinakothek; Abb. 19). Sie zeigt simultan zwei Szenen: links die Taufe des kurz vor seiner Enthauptung stehenden Josias durch Jakobus d. Ä., rechts die kurz bevorstehende Enthauptung des Apostels, wobei dieser ungewöhnlicherweise in Frontalansicht dargestellt ist. Durch das Nebeneinanderstellen der Taufe und des Martyriums wird die Ähnlichkeit beider Ereignisse hervorgehoben, die sich im Begriff der Bluttaufe für das Martyrium ausdrückt. Des Weiteren wird durch die Gegenüberstellung der Szenen mit den Passionstafeln der Flügelaußenseiten eindeutig auf eine physiognomische Ähnlichkeit zwischen dem Apostel und Jesus hingewiesen.466

Die missglückte Enthauptung Darstellungen der Enthauptung ‚im Vollzug‘, also des Märtyrers mit dem „Schwert in der Gurgel“,467 sind aus der spätmittelalterlichen Tafelmalerei nördlich der Alpen nicht überliefert.468 Es gibt jedoch durch das Martyrium des hl. Dionysius, das in der nordalpinen Tafelmalerei selten vorkommt, Darstellungen einer missglückten, also begonnenen, aber nicht 465 Panofsky 1926, S. 142. 466 Es handelt sich nicht um ein singuläres Bildbeispiel für dieses Phänomen, das sowohl nördlich als auch südlich der Alpen, z. B. bei Giotto, auftritt. Manchmal ist es Jakobus d. Ä., häufiger jedoch Jakobus Minor, der Jesus ähnelt. Textbelege finden sich u. a. in der „Interrogatio Sancti Anshelmi“ (mitteldeutsche Reimfassung – Cepková 1982, S. 5) sowie in der „Legenda aurea“ (Legenda aurea [Benz], S. 340). Die Ursache für diese Bildtradition ist in der Trinubiumslegende zu suchen. Ein Aufsatz d. Verf. zu diesem Thema ist in Planung. 467 So der Name eines Kapitels bei Lang 2001, S. 79. 468 In der italienischen Malerei gibt es solche Darstellungen vereinzelt schon im Trecento, z. B.: Spinello Aretino, „Enthauptung der hl. Lucilla“ auf einer Predellentafel (1385, Cambridge/Mass., Fogg Art Museum; Abb. in Kat. Fogg Art Museum 1990, S. 219). Vermehrt dann im 16. Jh. – dazu Lang 2001, S. 79 ff.; vgl. auch Uppenkamp 2004.

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vollendeten Enthauptung: Die Hinrichtung des heiligen Bischofs durch ein Beil war nach der Legende erst beim zweiten Versuch erfolgreich. Eine Tafel des „Stiftergruftretabels“ (um 1410/20; St. Lambrecht/Schweiz, Benediktinerstift; Abb. 4) zeigt Dionysius mit fast durchtrenntem Hals, aber noch am Leben, während der Henker gerade zum zweiten, tödlichen Schlag ausholt.469 In diesem Kontext ist der seit den 1390er Jahren ausgefochtene und im Jahr 1406 eskalierte Streit zwischen den Mönchen von Saint Denis und den Domherren von Nôtre-Dame in Paris von Belang: Die Mönche beanspruchten, den ganzen Kopf des hl. Dionysius zu besitzen, während die Domherren behaupteten, dem Henker sei die Enthauptung missglückt und er habe zunächst nur die Schädelkalotte abgetrennt, die sie nun besäßen.470 Die richterliche Entscheidung fiel wohl zugunsten des Klosters aus, was urkundlich nicht überliefert ist, durch die anschließende Bildproduktion in Paris jedoch nahegelegt wird.471 Auch die Tafel des „Stiftergruftretabels“ suggeriert diese Lösung, indem der von den Domherren behauptete Fehlversuch quasi umgedeutet wurde: Zwar ist der erste Hieb missglückt, er trennte jedoch nicht die Schädelkalotte ab. Es ist überliefert, dass der Scharfrichter im Mittelalter im Fall einer misslungenen Enthauptung manchmal den geballten Zorn der Zuschauer auf sich zog, so dass sein ‚handwerklicher‘ Fehler für ihn sogar tödlich enden konnte.472 Anschaulich machen dies zwei Kupferstiche aus Johann von Luykens im Jahr 1700 in Leiden erschienener „Schaubühne der Märtyrer“, die eine gelungene und eine misslungene Enthauptung einander gegenüberstellen: Bei der gelungenen Enthauptung hat der Henker den Kopf mit einem Schlag abgetrennt, aus dem Rumpf schießt eine Blutfontäne; bei der misslungenen Hinrichtung sieht man den Henker, wie er mühevoll das Haupt von dem gekrümmt am Boden liegenden Körper abzutrennen versucht; unter den Zuschauern macht sich, ersichtlich durch ihre Mimik und Gestik, bereits Unruhe bemerkbar.473 Dies verweist auf die Funktion des Publikums bei öffentlichen Hinrichtungen, die sich nicht mit ihrer Schaulust und Abgestumpftheit – zwei gängigen, aber widersprüchlichen Klischees – gegen Gewalt begründen lässt. Die Hinrichtung diente im Mittelalter der Sühne des Vergehens, welches das göttliche Gleichgewicht ins Wanken brachte. Die Anwesenheit des Volkes gewährte den korrekten Vollzug der Strafe, zudem betete es für das Seelenheil des Verurteilten.474

469 Entsprechend der bekannten Tafel aus der Kirche der Chartreuse de Champmol. Siehe dazu unten, S.  118 f. 470 Dazu Bähr 1984, S. 41. Als Indizien für die ‚richtige‘ Legendenversion zogen beide Seiten Bildzeugnisse heran. 471 Ebd. 1984, S. 55. 472 Schild 1980, S. 182; van Dülmen 1985, S. 153 ff. Eine Darstellung in der Nachrichtensammlung des J. J. Wick vom Ende des 16. Jhs. (Zürich, Zentralbibliothek) zeigt einen Henker, dem wegen Trunkenheit keine saubere Enthauptung gelingt; die empörten Zuschauer bewerfen ihn daraufhin mit Steinen. Abb. bei Schild 1980, S. 195. In Lübeck sollen nach van Dülmen 1985, S. 154 im Jahr 1533 anlässlich einer schlecht durchgeführten Exekution gleich fünf Scharfrichter erschlagen worden sein. 473 Vgl. Uppenkamp 2004, S. 59 f. 474 Schild 1980, S. 98, 102; van Dülmen 1980, S. 145, 161 ff.

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Die vollzogene Enthauptung Das Motiv der bereits vollzogenen Enthauptung geht mit zwei für die bildliche Inszenierung relevanten Merkmalen einher: der Darstellung von Blut und des fragmentierten Leibes. Im Vergleich zu anderen im Mittelalter und in der frühen Neuzeit ausgeübten Hinrichtungsmethoden – zum Beispiel dem häufig praktizierten Hängen – zeichnet sich die Enthauptung durch sehr viel Blutvergießen aus. In den bildlichen Darstellungen der bereits vollzogenen Hinrichtung resultiert daraus eine motivische Ähnlichkeit zur Kreuzigung Jesu: Das Blut spritzt häufig wie eine Fontäne aus dem Hals, ebenso wie das Blut aus der Seitenwunde des toten Jesus am Kreuz. Blut ist seit jeher ein Faszinosum für die Menschheit gewesen. Es steht sowohl für Leben (im Körper) als auch für körperliche Versehrtheit und Tod (außerhalb des Körpers). Durch das bei der Kreuzigung Jesu vergossene Blut besitzt der rote Körpersaft einen zentralen Stellenwert im christlichen Kult.475 Der eucharistische Bezug wird auch im Kontext der Enthauptungsdarstellungen zumindest mitgedacht.476 Zudem besitzt die Körperflüssigkeit durch ihre rote Farbe eine herausgehobene bildliche Präsenz. Die bereits vollzogene Enthauptung tritt vor allem im Zusammenhang mit zwei Heiligen auf: Johannes dem Täufer477 und Paulus. Andere Heilige werden im Vergleich zu ihnen nur selten mit bereits abgetrenntem Kopf dargestellt. Bis etwa 1450 dominieren Darstellungen des enthaupteten Paulus; dann jedoch wird das Martyrium des Täufers zu einem außerordentlich häufig dargestellten Motiv. Die früheren Darstellungen zeigen also zumeist den enthaupteten Paulus. Der kopflose Körper ist dabei in der Regel noch immer kniend und mit zum Gebet gefalteten Händen dargestellt. Dies trifft auch auf die Darstellung von der Predellentafel des 1375 vollendeten „Böhmischen Retabels“ im Brandenburger Dom (Abb. 3 b)478 zu; während der Kopf bereits auf dem Boden liegt, scheint der Henker gerade erst zum tödlichen Schlag auszuholen, wobei er sein Gewicht auf das linke Bein verlagert. Das „Kärntener Apostelaltärchen“ von 1425 (Klagenfurt, Diözesanmuseum; Abb. 22), in dessen Darstellung Paulus ebenfalls noch kopflos kniet und gerade erst nach vorne zu kippen scheint, reinigt der Henker bereits sein Schwert mit einem Tuch vom Blut. Es sind also jeweils mehrere Phasen des Geschehens zu einem Bildmoment verdichtet. Die späteren Darstellungen von Enthaupteten zeigen den Körper meist vornübergefallen und mit vor oder hinter dem Körper gefesselten Händen (während die Heiligen, die im Moment unmittelbar vor der Enthauptung dargestellt werden, fast nie gefesselte Hände haben). Für das häufige Vorkommen von Darstellungen des enthaupteten Paulus lassen sich zwei Gründe anführen: Erstens wird dadurch seine Identität als römischer Bürger betont, dem diese Art der Hinrichtung zustand. Zweitens existieren verschiedene Legenden über Wunder, 475 Dazu Angenendt 1984; Dinzelbacher 1994; ausführlich Bynum 2007. 476 Siehe dazu unten, Abschnitt IV.2.11. 477 Johannes der Täufer ist vor Christus geboren und gestorben, weshalb er unter den Heiligen einen Sonderstatus besitzt. Obgleich sich sein gewaltsamer Tod nicht in der Nachfolge Christi ereignete, wird er im Allgemeinen als Martyrium bezeichnet. Vgl. Mohnhaupt 2000, S. 171. 478 Dazu Wolf 2002b, S. 166 ff.

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die sich unmittelbar nach dem Abschlagen des Hauptes des Apostelfürsten ereigneten. Davon dargestellt ist in der Tafelmalerei nördlich der Alpen jedoch nur und eher selten die Legende, nach der das Haupt des Heiligen dreimal auf dem Boden aufkam, während dieser noch dreimal den Namen Jesu rief; dabei seien drei Quellen entsprungen, so wie bei Lochner dargestellt (Farbabb. 10 b).479 Heute zeugen davon angeblich noch die drei Brunnen in S. Paolo delle Tre Fontane, einer von drei Kirchen der Abbazia delle Tre Fontane bei Rom. Um das Quellwunder darstellen zu können, muss die Enthauptung also bereits vollzogen worden sein. Herausragende Bedeutung erlangt der vom Körper getrennte Kopf Pauli in Hans Holbeins d. Ä. Simultanbild „Basilica San Paolo fuori le mura“ (Augsburg, Staatsgalerie), das vermutlich im Jahr 1504 für den Kapitelsaal des Dominikanerinnenklosters St. Katharina zu Augsburg geschaffen wurde.480 Die mittlere Szene im Vordergrund der spitzbogigen Tafel zeigt die vollzogene Enthauptung einschließlich der drei Quellen, die hier in Form von Brunnen im steinernen Fußboden erscheinen.481 In der sich rechts anschließenden Szene ist die offizielle Prüfung der Reliquien dargestellt, wobei das Haupt des Apostels jedoch keinesfalls verwest ist, so dass dem Betrachter durch den Vergleich der Physiognomien innerhalb des Simultanbildes die Echtheit bereits klar sein dürfte.482 Der Kopf ist in der Darstellung zwischen die Füße des aufgebahrten Leichnams gelegt; darum herum stehen mehrere Geistliche, die das Prüfverfahren durchführen. Der Legende zufolge wurde die Echtheit der Reliquien bestätigt, indem sich der Rumpf auf wundersame Weise umkehrte.483 Wie bei Paulus lässt sich auch im Falle Johannes des Täufers die Tendenz, ihn in bereits enthauptetem Zustand darzustellen, durch die Bedeutung des abgeschlagenen Hauptes in der biblischen Schilderung des ‚Martyriums‘ erklären: Der Kopf wurde Salome in einer Schale übergeben und sie brachte diese Herodias und Herodes während des Festmahls anläss479 Im 15. Jh. war das Quellwunder durch das Legendar „Der Heiligen Leben“, entstanden um 1400, weit verbreitet: „Do tet sein havbt drei sprvng, vnd noch ietleichem sprvng ward ain lvstiger prvnn.“ (= Brand 1996, S. 204); daneben durch Pilgerführer, z. B. die deutsche Ausgabe der „Mirabilia Romae“ von Stephan Planck, 1489 (= Hülsen 1925, unpag. [S. 72]). Der Ursprung der Legende von den drei Quellen ist indes unklar: Nach Réau, Bd. 3, 3, S. 1037 geht sie auf Tertullian zurück, nach M. Lechner in LCI, Bd. 8, Sp. 130, 144 auf die apokryphen Paulus-Akten; beide geben den genauen Ort nicht an. In den Paulus-Akten 11,5 (= Hennecke/Schneemelcher 1964, S. 267) findet sich jedoch wie in der „Legenda aurea“ der Bericht, bei der Enthauptung des Apostels sei Milch aus seinem Rumpf gespritzt, aber keine Erwähnung der drei Quellen. Diese Legendenversion entstand wahrscheinlich erst um 600: Zwischen 548 und 567 wurde ein Kloster in der Nähe des Paulusgrabes errichtet; möglicherweise schufen die Mönche die Legende von den drei Quellen, um den Ort ihres Klosters, an dem es drei Quellen gab, als Stätte des Martyriums ausweisen zu können. Noch heute befindet sich dort das Kloster Tre Fontane. Zur Legende, es handle sich hier um den Ort des Martyriums (ohne Bezug auf die Entstehung des Quellwunders) siehe Erbes 1899, S. 89 f.; Tajra 1994, S. 151 ff. 480 Krause 2002, S. 290. Abb. I.73 bei Mellinkoff 1993, Bd. 2. 481 Die Tafel vereint innerhalb der räumlichen Einheit der Paulsbasilika Episoden aus dem Leben des hl. Paulus, die an verschiedenen Orten stattfanden, so dass also auch die Brunnen örtlich verlagert sind. Siehe Krause 2002, S. 291 ff. 482 Ebd., S. 292. 483 Ebd.

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lich von Herodes’ Geburtstag.484 In der Regel sind die Szenen simultan oder in zwei aneinandergrenzenden Bildfeldern dargestellt (Abb. 20 a–b, 21). Dass hauptsächlich Paulus und Johannes nach der Enthauptung gezeigt werden und dies zudem vermehrt erst nach der Mitte des 15. Jahrhunderts, legt nahe, dass zuvor größere Hemmungen bestanden, die ästhetische Grenze des kopflosen Körpers zu überschreiten und Blut darzustellen. Ist die Enthauptung bereits vollzogen, können besonders zwei Faktoren zur Dramatisierung des Gewaltgeschehens beitragen: eine aus dem Rumpf spritzende Blutfontäne und ein direkter Blick auf die Schnittstelle des Halses (Abb. 20 a, 21). Um den Blick auf die Schnittstelle zu ermöglichen, ist der Körper des Opfers dem Betrachter in Frontalansicht oder im Dreiviertelprofil zugewandt. Dabei werden Unterschiede in der Wiedergabe der Anatomie deutlich. Eine Darstellung des Martyriums der hll. Cosmas und Damian von Friedrich Pacher (um 1480/90; Innsbruck, TLM; Farbabb. 17) zeigt einen der beiden Märtyrer bereits enthauptet, während der Henker gerade das Schwert schwingt, um auch den Zweiten hinzurichten. Der blutende Rumpf wird dem Betrachter unmittelbar dargeboten, optisch hervorgehoben durch die am unteren Bildrand dargestellten Hände, die – noch wie zum Gebet gefaltet – mit Daumen und Zeigefingern ein Dreieck bilden. Die Schnittstelle ist blutrot, Muskeln, Luft- und Speiseröhre werden schonungslos im Querschnitt präsentiert. Der Blick auf die Schnittstelle wurde offenbar immer wieder als abstoßend und den Heiligen nicht würdig empfunden. Im Falle einer Tafel mit der Enthauptung Johannes’ d. T. im Bremer Roselius-Haus von um 1490/1500 (Abb. 20 a) wurde der dem Betrachter zugewandte kopflose Rumpf einst mit einem Baumstumpf übermalt485 – leider ist nicht bekannt, von wann diese Übermalung stammt. Die Form des Baumstumpfes nimmt diejenige des Halses mit der Schnittfläche auf und erinnert so trotz der entzogenen Sichtbarkeit an den grausigen Anblick. Während Frauen in der Hinrichtungspraxis des Mittelalters tatsächlich nur selten enthauptet, sondern meist verbrannt wurden, beschließt die Enthauptung auch das Leben der meisten weiblichen Heiligen, genau wie ihrer männlichen Leidensgenossen. Bei aller Ähnlichkeit des Lebensendes lassen sich in den Legenden aber auch grundlegende Unterschiede zwischen der Lebensführung weiblicher und männlicher Heiliger feststellen: Fast alle weiblichen Heiligen verfügen über die Tugend der Jungfräulichkeit, während männliche Heilige vor ihrer Konversion häufig einen sündigen Lebenswandel geführt haben. Der Begriff virginitas mit seinem inbegriffenen vir legt nahe, dass Frauen der Jungfräulichkeit bedurften, um den ‚Mangel der Weiblichkeit‘ auszugleichen.486 Daneben konnte die Enthauptung zu ihrer moralischen Vermännlichung beitragen. Der Kopf galt als Sitz der Vernunft und des Willens, 484 Mt 14,3–12; Mk 6,17–29; vgl. Lk 3,19 f. 485 In dieser Fassung reproduziert bei Gmelin 1974, S. 225. Nach Kat. Roselius-Haus 2003, S. 31 wurde die Tafel 1983 restauriert; wahrscheinlich wurde zu diesem Zeitpunkt die Übermalung entfernt. Allgemein zu dieser und einer dazugehörigen Tafel siehe des Weiteren Ausst.Kat. „Gerettete Originalität“ 1999, S. 38 ff.; Suckale 2009, Bd. 2, S. 22. Suckale schreibt die Tafeln einem Nachfolger Wolfgang Katzheimers zu. 486 Hahn 2001, S. 116; Caviness 2001, S. 89 ff.

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vorwiegend als männlich angesehene Qualitäten; zudem nahmen medizinische Autoritäten wie Hippolytus an, hier werde das Sperma produziert.487 Der Kopf war also mit Männlichkeit konnotiert, die Enthauptung als eigentlich männliche Hinrichtungsmethode bedeutete damit eine ‚Aufwertung‘ der Märtyrerin.

Der Modus der Profilansicht Das Motiv der Enthauptung ist nicht besonders geeignet, um an den Betrachter in emotionaler Weise zu appellieren. Charakteristisch für den Märtyrer in der Darstellung seiner Enthauptung ist die Profil- bzw. Dreiviertelprofilansicht, die eine Distanzierung vom Betrachter bewirkt. Dieser wird durch die Frontalansicht des Gesichts, wobei beide Augen zur Darstellung kommen, mehr angesprochen. Die Profilansicht entspricht dem Modus der Aktion, also dem agierenden ‚er‘ bzw. der agierenden ‚sie‘; die Frontalansicht hingegen steht für das ‚ich‘, das den Betrachter als ‚du‘ direkt anspricht.488 Jesus wird vornehmlich in Frontalansicht dargestellt, entsprechend dem emotionalen Appell, der im Spätmittelalter fast ausnahmslos mit seiner Darstellung verbunden ist. Die Darstellung im Profil bzw. die vollständige Abwendung des Gesichts vom Betrachter, die in Einzelfällen auch bei Christus vorkommt, bedeutet den Verlust des wichtigsten Ausdruckswertes, den ein Mensch besitzt: des Antlitzes, insbesondere des Blicks.489 Der Blick rührt den Betrachter an und ist geeignet, compassio zu erzeugen. Darstellungen von Enthauptungen mit im Profil dargestellten Märtyrern sind daher weniger geeignet, um an das Gefühl des Betrachters zu appellieren.

Kephalophoren Mit der vollzogenen Enthauptung, so müsste man annehmen, geht zwangsläufig die Darstellung des Märtyrers als tot einher. In einigen Darstellungen ist der abgetrennte Kopf dementsprechend durch Inkarnat, geschlossene Augen und Ausdruck als leblos charakterisiert. In Stefan Lochners „Paulus-Martyrium“ (Farbabb. 10 b) zum Beispiel, wo sich der Kopf nach der Enthauptung noch in der Luft zu befinden scheint, ist dieser auffallend grünlich-fahl und durch die geschlossenen Augen als tot ausgewiesen. Anders verhält es sich mit dem Kopf des hl. Kilian in der „Kilianslegende“ der Pfarrkirche von Wartberg/Österreich (um 1480; Abb. 23): Einer der beiden Gefährten Kilians von Würzburg ist bereits enthauptet worden; sein Mörder macht sich schon über den zweiten Gefährten her, während zwei andere auf Kilian losgehen. Das abgetrennte Haupt des einen Gefährten liegt vor dem dazugehörigen Leib auf dem Boden und starrt seinen Mörder äußerst grimmig mit zusammengekniffenen Augen und zusammengebissenen Zähnen an. Nach der Legende und so auch in der Darstellung von Veit Stoß’ Hochaltarretabel in 487 Krause 1997, S. 216 f. 488 Zu Frontal- und Profilansicht als symbolischen Formen siehe Schapiro 1973, S. 37 ff. 489 Büttner 1993/94, S. 109 u. passim.

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St. Maria Magdalena in Münnerstadt erwartet die Mörder des Würzburger Stadtheiligen als Strafe für ihre Tat ein besonders drastisches Ende: Sie verfallen dem Wahnsinn und bringen sich selbst um.490 Ein Sonderfall enthaupteter Heiliger sind Kephalophoren – Heilige, die der Überlieferung zufolge nach der Enthauptung ihren Kopf tragen, in der Regel zu ihrer bevorzugten Grabstätte.491 Kephalophoren verweisen auf die Bedeutungslosigkeit des diesseitigen Todes und veranschaulichen die Allmacht Gottes. In nichtnarrativen Repräsentationsbildern ist die Differenzierung zwischen Kephalophoren und ‚normalen‘ enthaupteten Märtyrern mit Kopfattribut zuweilen schwer zu treffen. Letztere zeichnen sich in der Regel durch die Unversehrtheit ihres Körpers aus, der abgeschlagene Kopf ist attributiv beigegeben, wodurch es zur Doppelung des Kopfmotivs kommt. Kephalophoren müssten der Logik zufolge kopflos mit Kopfattribut dargestellt werden, was jedoch nicht immer der Fall ist. Den frühesten Quellen nach zu urteilen entstand das Kephalophorenmotiv im merowingischen Frankreich.492 Dazu gehört auch die Legende des hl. Dionysius von Paris (um 800), dem wohl bekanntesten Kopfträger des Mittelalters.493 Die frühesten bildlichen Darstellungen finden sich im Passionale (1120–35)494 und im Martyrologium aus dem Kloster Zwiefalten (um 1162).495 Hier sind die Kephalophoren und die Märtyrer mit Kopfattribut durch ihre Erscheinungsweise kaum zu unterscheiden, was zum Beispiel durch den Vergleich der Darstellung des hl. Paulus und des Kephalophoren Alban (fol. 45r)496 deutlich wird. In der spätmittelalterlichen Tafelmalerei des heutigen deutschen Raums kommen Kephalophoren nur selten vor.497 Auf österreichischem und schweizerischem Gebiet finden sich hingegen recht viele Beispiele im Zusammenhang mit den hll. Felix, Regula und Exuperantius, die zur Thebäischen Legion gehörten und in Zürich ihr Martyrium erlitten haben sollen. Die Tafel eines Zyklus von um 1490 in Esztergom/Ungarn (Keresztény Múzeum; Abb. 25) zeigt die Enthauptung der Heiligen.498 Diese sind in einer Reihe nebeneinander kniend schräg im Bildraum positioniert. Zwei von ihnen sind bereits enthauptet worden und halten ihren Kopf in den Händen, während der hinter ihnen stehende Henker gerade zum dritten Schlag ausholt. Das um seine Hüften gewundene Tuch flattert dynamisch, wodurch 490 LCI, Bd. 7, Sp. 309. 491 Kaster 1974, Sp. 307. 492 Ebd. Der erste Beleg einer Kephalophorenlegende findet sich in der um 750 entstandenen Passio des hl. Justus von Beauvais. 493 Coens 1963, S. 10. 494 Stuttgart, WLB, Cod. bibl. 2°56–58. Dazu Boeckler 1923; von Borries-Schulten 1989. 495 Stuttgart, WLB, Cod. hist. 2°415. Dazu von Borries-Schulten 1989; Haefeli-Sonin 1992. 496 Abb. bei von Borries-Schulten 1989, S. 468. 497 Ein seltenes norddeutsches Beispiel ist das 1499 fertiggestellte „Albaniretabel“ des Hans von Geismar, Göttingen, Albanikirche. 498 Vgl. auch Meister des Winkler-Epitaphs (?), Martyrium der hll. Felix, Regula und Exuperantius, um 1490, Wien, Österreichische Galerie; Martyrium der hll. Felix, Regula und Exuperantius, Tafel aus der Wasserkirche in Zürich, um 1510, Zürich, SLM.

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der Gegensatz zu den ruhig knienden Märtyrern betont wird. Im Hintergrund sind Maximian und drei Begleiter zu sehen, deren Mimik und Gestik Verwunderung über das Geschehen ausdrücken. Anzumerken ist noch, dass die Augen der abgeschlagenen Häupter geschlossen, sie also als tatsächlich tot gekennzeichnet sind, während die Körper noch lebendig sind. Darstellungen des bekanntesten Kephalophoren, des hl. Dionysius, sind im deutschsprachigen Raum selten. Ein Beispiel ist jedoch das Hochaltarretabel des Urban Görtschacher in St. Wolfgang ob Grades/Österreich (um 1510; Abb. 24), das im geschlossenen Zustand je zwei Szenen zum Martyrium des hl. Dionysius und des hl. Emmeran präsentiert. Die untere Szene links zeigt die bevorstehende Enthauptung Dionysius’. Im Hintergrund ist der Körper mit dem Haupt in den Händen auf dem Weg zu seiner Grabstätte zu sehen. Das Gewand ist dynamisch bewegt, wodurch wiederum die Lebendigkeit des Enthaupteten hervorgehoben wird.

Die Enthauptung im „kontinuierenden Stil mit verteilten Rollen“ Im Bild kann die Enthauptung durch die Präsentation einer Phase des Geschehens – vorher, während, nachher – als verdichteter Moment dargestellt werden. Daneben können jedoch auch mehrere Phasen eines Geschehens gleichzeitig repräsentiert werden – durch eine Simultandarstellung oder den Darstellungsmodus, für den Panofsky die Bezeichnung „kontinuierender Stil mit verteilten Rollen“ geprägt hat.499 Der kontinuierende Erzählmodus zeichnet sich durch eine sukzessive Erzählweise aus; die dargestellten Momente liegen auf einer gedachten Zeitachse eng beieinander, wobei unerheblich ist, ob im einzelnen (Simultan-) Bild oder im Bilderzyklus.500 Die „Tafel von Náměšť“ vom Meister des Altars von Raigern (um 1420–30; Brno/Tschechien, Moravská galerie; Farbabb. 16 a) zeigt den Handlungsverlauf vom Stehen über das Knien bis zum Fallen des Körpers mit abgeschlagenem Kopf: Der Henker selbst oder, wenn man so will, die hinter ihm stehende Katharina repräsentieren die stehende Ausgangsposition; der irrtümlich mit einer Krone ausgestattete Porphyrius ist in kniender Haltung mit gefalteten Händen, die Kaiserin Faustina schließlich, deren Körper bereits im Fallen begriffen ist, ist mit abgeschlagenem Haupt dargestellt. Ein einschlägiges Beispiel für den kontinuierenden Stil mit verteilten Rollen ist die bereits erwähnte, Jean Malouel zugeschriebene Tafel aus der Kirche der Chartreuse de Champmol (vollendet 1416; Paris, Louvre).501 Sie zeigt simultan die Verabreichung der letzten Hostie an 499 Panofsky 1926, S. 144 ff. Thürlemann 1985, S. 144 ff. kritisiert Panofskys Begriff „kontinuierender Stil mit verteilten Rollen“, da dieser von der Renaissancenorm der Einheit von Raum, Zeit und Handlung ausgehe sowie von einem auf das Mittelalter nicht anwendbaren Identitätsbegriff. Die semantischen Ebenen von Identität und Verschiedenheit der Figuren würden sich überlagern, zwei verschiedene Lesarten seien widerspruchslos möglich. 500 Zum kontinuierenden Erzählmodus zuerst Wickhoff 1895, S. 9 ff.; Kritik an Wickhoffs Terminologie Weitzmann 1947; die Feststellung, dass für den Erzählmodus die Verteilung der Szenen auf der Zeitachse maßgeblich ist, bei Kemp 1987, S. 37. 501 Siehe auch Tammen 2005, S. 336 f. Vollendet wurde die Tafel von Henry Bellechose. Châtelet 1980, S. 17, 191. Abb. 4 ebd. 1980, S. 17.

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Dionysius durch Christus, die Kreuzigung mit Gottvater und das Martyrium der hll. Dionysius, Rusticus und Eleutherius. Die drei Märtyrer tragen identische Gewänder, nur Dionysius setzt sich durch die Mitra von seinen Gefährten ab. Ein Heiliger steht dicht am rechten Bildrand, die Hände gefesselt, den Blick nach schräg unten gerichtet. Vor ihm steht ein grobschlächtiger Henker mit dunklem Haarschopf und Vollbart, in freizügiger Kleidung, der gerade mit einem überdimensional wirkenden Beil zum Schlag ausholt, um den vor ihm auf dem Boden knienden Bischof, dessen Hals auf dem Richtblock liegt, zu enthaupten. Dass es sich bereits um den zweiten Versuch handelt, ist an der deutlich sichtbaren, blutenden Wunde an seinem Hals erkennbar. Vor dem Richtblock liegt der bereits abgetrennte Kopf des dritten Märtyrers, ein Teil seines kopflosen Körpers schaut hinter dem Richtblock hervor. Dass sich der Fußpunkt der stehenden und der knienden Figur etwa an der gleichen Stelle befinden sowie die Gleichheit der Gewänder lassen in den drei Figuren den Bewegungsablauf ein- und desselben Vorgangs sichtbar werden. Die Figuren besitzen damit eine „doppelte Figurenidentität“502 – einmal als dieselbe Person in verschiedenen Momenten und einmal als drei verschiedene Figuren im selben Moment. Die Szene des Martyriums nimmt den rechten Teil der über zwei Meter breiten Tafel ein; in der Mitte, unmittelbar neben dem bereits abgetrennten Haupt, ist der am Kreuz hängende Christus dargestellt. Liest man die Martyriumsszene von rechts nach links, wie durch Blick- und Bewegungsrichtung der Figuren vorgegeben, bewirkt das Kreuz eine deutliche Aufwärtsbewegung, die gleichsam den zu erwartenden Aufstieg der Märtyrer in den Himmel andeutet.

Mechanische Varianten der Enthauptung Die Enthauptung wurde schon in der römischen Antike sowie spätestens wieder seit dem 16. Jahrhundert in Rom, möglicherweise auch in weiteren Regionen Italiens und in Deutschland auf mechanische Weise ausgeführt: durch das spätmittelalterliche Fallbeil, italienisch mannaia,503 einem Vorläufer und Vorbild der in Frankreich im Jahr 1792 durch die Nationalversammlung eingeführten Guillotine.504 Vereinzelt finden sich Nachweise über ähnliche Maschinen schon für frühere Zeiten: Bereits 1268 wurde Konrad von Schwaben in Neapel durch die sogenannte ‚Welsche Falle‘ hingerichtet.505 In England, Irland und Schottland waren solche Instrumente als Halifax Gibbet und Maiden bekannt.506 Die Darstellung eines elaborierten Fallbeils findet sich in einem Holzschnitt Lucas Cranachs d. Ä. von um 1510, der das Martyrium des hl. Matthias zeigt (Abb. 7 c): Der Apo502 Thürlemann 1985, S. 144 ff. 503 Nicht ganz klar ist, ob der mittelhochdeutsche Begriff ‚Dille‘ (= Diele, davon die Bezeichnung ‚Diller‘ für den Henker) damit identisch ist oder nur die nichtmechanische Variante (siehe unten) bezeichnete. Vgl. Angstmann 1928, S. 14. 504 Vgl. ebd.; Edgerton 1972, S. 92 ff.; Edgerton 1985, S. 152 ff. m. Anm. 40; Schild 1980, S. 202. Für Rom erstmals 1531 dokumentarisch belegt, in bildlichen Darstellungen schon früher. Siehe Edgerton 1972, S. 93. 505 Lex 1989, S. 122. 506 Ebd.

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stel ist in kniender, leicht nach vorne gebeugter Haltung gezeigt, die Hände auf dem Rücken zusammengebunden. Er steckt seinen Kopf durch eine übermannshohe Rahmenkonstruktion, in die quer ein Brett mit einer Klinge eingelassen ist. Momentan noch vom Henker durch ein Seil nach oben gezogen, wird dieses im nächsten Augenblick nach unten auf den Nacken des Heiligen niedersausen und – kraftvoll durch Gewicht und Geschwindigkeit – seinen Hals durchtrennen. Das wenig konventionalisierte Martyrium des hl. Matthias, der als Ersatz für den Verräter Judas als Letzter zu den Aposteln stieß, ließ Raum für solcherlei bildliche Innovationen. Eine kleinere Variante des Fallbeils zeigt eine Szene des um 1500507 entstandenen Retabels aus der Pfarrkirche im slowenischen Kranj (Krainburg), von dem die zwei Tafeln mit der Flucht und dem Martyrium der hll. Cantius, Cantianus und Cantianilla erhalten sind (Wien, Österreichische Galerie; Abb. 26).508 Die drei Geschwister aus einer wohlhabenden römischen Patrizierfamilie waren mit ihrem Lehrer vor Kaiser Diocletian aus Rom geflüchtet und befanden sich auf dem Weg nach Aquileia, als bei der Quelle von Aquae gradatae (Grado) eines der Maultiere stürzte, so dass die Flüchtlinge von ihren Verfolgern eingeholt und enthauptet wurden.509 Die Tafel zeigt die soeben vollzogene Enthauptung des Lehrers durch das Fallbeil und die bestürzte Reaktion der Geschwister darauf – es handelt sich um eines der seltenen Beispiele für emotionale Reaktionen von Heiligen im Angesicht des Martyriums, auf das an späterer Stelle zurückzukommen sein wird. Die Konstruktion des Instruments ist im Prinzip ähnlich wie bei Cranach. Es ist allerdings weniger als halb mannshoch, so dass Zweifel bestehen müssen, ob das hinunterfallende Beil, wenn es die kurze Strecke zum Hals des Delinquenten zurücklegt, überhaupt genug Kraft aufbauen könnte, um das Haupt abzutrennen. Möglicherweise ist das Instrument auch so gedacht, dass der Scharfrichter es mittels des angebrachten Stabes per Hand bedient. Der Henker ist äußerst negativ charakterisiert. Durch Mimik, Gestik und Kleidung erscheint er eitel und handhabt die Maschine mit „spielerischer Grausamkeit“,510 die eine abstoßende Wirkung auf den Betrachter hat. Die Darstellung des Instruments trägt zu einer drastischen Bildwirkung bei. Sie erweckt den Eindruck einer kühl kalkulierten, auf Effizienz abzielenden Tötungsmaschinerie – Vorbehalte, die bald nach ihrer Einführung auch der Guillotine entgegengebracht wurden. Zwar sollte diese einen kurzen und schmerzlosen Tod des Verurteilten ermöglichen, zudem gleichberechtigt für alle Stände;511 der auf mechanische

507 Im Kat. Österreichische Galerie 1971, S. 137 noch auf um 1510 datiert. Eine frühere Entstehung legt der stilistische Vergleich mit einem inschriftlich auf 1504 datierten Fresko des Meisters in St. Primus oberhalb von Kamnik nahe. Siehe Vignjevíc 1992, S. 114. 508 Der Name des Meisters ist nicht gesichert, aber möglicherweise ist er mit dem aus mehreren Dokumenten des frühen 16. Jhs. bekannten Maler Veit aus Kamnik identisch, worauf die Künstlersignatur „VF“ auf einem Fresko desselben Meisters in St. Primus oberhalb von Kamnik hinweist. Siehe Vignjevíc 1992, S. 114. Die Martyriumstafel des „Krainburger Retabels“ enthält vermutlich ein Selbstportrait des Künstlers. Vgl. dazu unten, Anm. 752. 509 Kat. Österreichische Galerie 1971, S. 138. 510 Benesch 1972, S. 156. 511 Siehe dazu exemplarisch Martschukat 2000, S. 117 ff.

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Weise herbeigeführte Tod wurde aber als unsichtbar und unpersönlich, ja sogar barbarisch und obszön angesehen.512 Die Vorstellung eines effizienten Tötens trug zur Ablehnung bei.513 Eine primitivere, nichtmechanische Variante des Fallbeils fand ebenfalls im Mittelalter Verwendung. Wie beim mechanischen Fallbeil wird zwischen zwei Schienen, zwischen die der Hals gelegt wird, eine Schneide geführt; diese fällt allerdings nicht herunter, sondern wird auf dem Nacken des Delinquenten positioniert und dann mithilfe eines Schlegels durch seinen Nacken getrieben. Die Methode funktioniert dem Prinzip nach also wie das Enthaupten durch Barte und Schlegel. Eine Darstellung findet sich in Andrea Mantegnas Fresko mit dem Martyrium des hl. Jakobus in der Eremiten-Kirche in Padua von um 1455.514 Der Apostel liegt auf dem Bauch, schräg zur vorderen Bildgrenze und mit dem Kopf in Richtung des Betrachters. An der vorderen Bildebene befindet sich ein illusionistisches Geländer; dieses weist zwei Längsbalken auf, der eine durch einen zierlichen, aber hochgewachsenen Baum, der andere durch einen dünnen Baumstumpf gebildet. Von beiden ist am vorderen Bildrand das Wurzelwerk in der Erdschicht angedeutet. Der Querbalken, aus einem dicken Ast bestehend, überschneidet an der linken Bildseite das gemalte Rahmenwerk und dringt somit deutlich in die Sphäre des Betrachters ein, ebenso Arme und Gesicht des Soldaten, der sich über das Geländer lehnt, als wolle er dem Fallen des Hauptes genüsslich zusehen. Es entsteht der Eindruck, dass sich vor dem Geländer ein Abgrund befindet, an dessen Grund der Betrachter steht. Der Henker holt gerade mit dem Schlegel zum Schlag auf die Klinge aus, wodurch suggeriert wird, dass der christomorphe Kopf des Heiligen im nächsten Moment dem Betrachter vor die Füße fallen wird. Bei aller Nahsichtigkeit nordalpiner Martyriendarstellungen ist eine solche Integration des Betrachters in das Bildgeschehen nicht erreicht worden. Es handelt sich aber um ein auch für Italien singuläres Beispiel.

2.5 Die Schindung Bevor die Schindung im 16. Jahrhundert zu einem beliebten Sujet der italienischen Malerei wurde, war sie ein verbreitetes Motiv in der Tafelmalerei nördlich der Alpen. Im Kontext der Heiligenmartyrien ist die Schindung die signifikante Tortur des Apostels Bartholomäus. In der nordalpinen Tafelmalerei des späten Mittelalters ist es unter allen Heiligen allein er, der als Opfer dieser Marter bzw. ausgezeichnet durch seine abgezogene Haut als Attribut gezeigt wird.515 Über die Art seines Martyriums existieren verschiedene Versionen.516 Die Vorstellung, der Apostel sei geschunden worden, setzte sich erst im späten Mittelalter ganz durch. Jacobus de Voragine weist in der „Legenda aurea“ auf die heterogene Überlieferungslage hin: Dorotheus 512 Ebd., S. 121. 513 Vgl. Edgerton 1972, S. 96 ff. 514 Abb. 37 bei Edgerton 1985, S. 153. Original im Zweiten Weltkrieg zerstört. 515 Die Schindung oder das Schneiden von Riemen von der Haut kommt auch in den Legenden anderer Heiliger vor. Eine italienische Darstellung des hl. Proculus, der geschunden wird, bei Kaftal 1952, Sp. 859, Abb. 969. 516 LCI, Bd. 5, Sp. 322.

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berichte, Bartholomäus sei mit dem Haupt nach unten gekreuzigt worden; nach Theodorus sei er geschunden worden und viele andere Quellen überlieferten, er sei enthauptet worden. Jacobus schlägt daher vor, dass er zuerst gekreuzigt, dann geschunden und schließlich enthauptet worden sei.517 „Der Heiligen Leben“ schildert, wie Bartholomäus während seiner Häutung Heiden bekehrte und Wunder tat; es folgt als weitere Marter das Übergießen mit heißem Pech und Blei und schließlich die Enthauptung.518 Überliefert ist die Praxis der Schindung von asiatisch-orientalischen Kulturen wie Skythen, Persern und Assyrern.519 Für das Mittelalter und die frühe Neuzeit ist diese Hinrichtungsart nur vereinzelt nachweisbar.520 Lediglich als Leibesstrafe, die nicht der Tötung, sondern der Strafverschärfung diente, ist das Entfernen von Hautpartien bekannt, zum Beispiel durch das sogenannte ‚Riemenschneiden‘.521 Die Schindung kann aufgrund ihrer Langwierigkeit und der damit verbundenen anhaltenden Schmerzen als besonders grausame Hinrichtungsmethode bezeichnet werden. Da jeder weiß, wie sehr schon kleine Verletzungen der Haut schmerzen können, ist die Vorstellung einer Schindung, durch welche der ganze Körper zur Wunde wird, besonders grauenvoll. Die Imagination des Betrachters ist hinsichtlich der Drastik von Gewaltmotiven im Allgemeinen von zentraler Bedeutung: Die Erinnerung an Schmerz brennt sich ein ins Gedächtnis dessen, der ihn erlitten hat.522 Die Darstellung der Schindung aber, des Abziehens der Haut als flächenmäßig größtem menschlichen Organ, das dem Tastsinn zugeordnet wird, ‚berührt‘ den Betrachter auf besondere Weise. Von Relevanz hinsichtlich der Betrachterwirkung des Bildsujets der Schindung ist zudem die metaphorische Bedeutung des Begriffs ‚Haut‘. Zu unterscheiden sind zwei Sinnbereiche: Die Haut ist einerseits eine Grenzmetapher, sie verhüllt das eigentliche Selbst, grenzt es zu seiner Umwelt ab; andererseits steht die Haut für den ganzen Menschen bzw. sein Leben. Früher war das letztere Bedeutungsfeld vorherrschend – man sprach zum Beispiel von einer „bösen Haut“ oder, wie auch heute noch, von einer „ehrlichen Haut“.523 Eine Schindung kann somit metaphorisch als Erneuerung des ganzen Menschen gedeutet werden. Ältere Redewendungen beziehen sich auch direkt auf das Abziehen der Haut, so zum Beispiel 517 Legenda aurea (= Benz 1925, S. 628). 518 Der Heiligen Leben (= Brand 1996, S. 457). 519 LCI, Bd. 5, Sp. 322; Benthien 1999, S. 79; Lang 2001, S. 230. 520 Philippe und Gaultier d’Aulnay, Liebhaber der Schwiegertöchter des französischen Königs, wurden im Jahr 1314 bei lebendigem Leibe gehäutet. Siehe Stones 1999, S. 56. Der der Nekromantie überführte Hugues Géraud, Bischof von Cahors, wurde 1317 von Papst Johannes XXII. seiner Ämter enthoben, von der weltlichen Gerichtsbarkeit verurteilt und u. a. geschunden. Siehe Lützelschwab 2008, S. 123 f. m. Anm. 37. Häufiger ist die Schindung für den Orient überliefert: Um 1400 wurde in der syrischen Stadt Aleppo der islamische Mystiker und Dichter Imadeddin Nesimi durch die Schindung getötet. Heß 2007, S. 212. Im Jahr 1571 wurde der venezianische Hauptmann Marcantonio Bragadin von türkischen Truppen bei der Eroberung von Famagusta geschunden. Siehe Bohde 2003, S. 10 m. Anm. 2 (unter Angabe einer zeitgenössischen Quelle). 521 Schild 1980, S. 208 u. Abb. 130: Zeichnung des Riemenschneidens aus der Nachrichtensammlung des J. J. Wick, 1560–87, Zürich, Zentralbibliothek. 522 Siehe dazu unten, Abschnitt IV.3.4. 523 Benthien 1999, S. 25 ff.

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„jemandem die Haut über die Ohren ziehen“ oder „aus fremder Haut ist gut Riemen schneiden“.524

Bartholomäus trägt seine Haut Darstellungen des Apostels Bartholomäus, der seine abgezogene Haut als Attribut trägt, gibt es bereits seit dem frühen 13. Jahrhundert, so auf dem „Dreikönigsschrein“ im Kölner Dom von um 1220.525 Zu unterscheiden von dieser Darstellungsweise, bei welcher der Heilige vollständig bekleidet und gänzlich unversehrt erscheint und die somit die leibliche Verfasstheit nach der Auferstehung im wiederhergestellten jenseitigen Leib repräsentiert, bei der die Haut also als Attribut zu verstehen ist, ist die Darstellung des gehäuteten Märtyrers, der seine eigene Haut trägt. Die Haut bewegt sich hier auf einer anderen Ebene des Attributiven, die dem Narrativen nähersteht. Bereits ein umbrisches Fresko aus dem 14. Jahrhundert zeigt Bartholomäus auf diese Weise:526 Die stehende, unbekleidete Figur trägt ihre Haut über der Schulter und hält die Haut des Gesichts, die plastisch erscheint und mit Haupthaar und Bart ausgestattet ist, in den Händen.527 Deutlich unterscheiden sich das Inkarnat der Figur und der Haut voneinander; die dem Betrachter frontal zugewandte Figur besitzt kein Haupthaar und keinen Bart. Dadurch wird deutlich, dass tatsächlich ein gehäuteter Mensch gemeint ist,528 wenn auch nicht wie in späterer Zeit Muskeln und Sehnen dargestellt sind. In einem dezidiert szenischen Kontext kommt der geschundene Apostel mit seiner Haut in der nordalpinen Tafelmalerei des 15. Jahrhunderts vor.529 Zwei aus dem polnischen Raum stammende Beispiele sind mir bekannt: Das Altarretabel aus der Kirche St. Bartholomäus in Kamionka Wielka/Polen (wohl um 1450), das sich heute im Nationalmuseum in Krakau befindet, zeigt zunächst die Szene der Schindung in üblicher Form. Es folgt die Darstellung der Enthauptung des Heiligen, der, wie gewöhnlich, betend auf dem Boden kniet, während sein Henker gerade zum Schlag ausholt (Farbabb. 18). Vor Bartholomäus jedoch liegt ein Stab, über den seine Haut gelegt ist; das Gesicht erscheint mit Haar, Bart und den geschlossenen Augen unversehrt, was praktisch zu einer Verdoppelung der Figur führt. Die abgezogene Haut weist außen ein helles Inkarnat auf, die Innenseite ist rötlicher gefärbt. Das Inkarnat des geschundenen Apostels ist jedoch hautfarben. Durch die Position des Gesichts in der linken unteren Ecke des Bildes stellt es einen Verweis auf den folgenden Geschehensmoment dar, in dem der Kopf vom Körper getrennt auf dem Erdboden liegen wird. Bemerkenswert ist auch die ‚Körperhaltung‘ der aufgehängten Haut: Arme und Beine wirken wie angewin524 Ebd., S. 27. 525 LCI, Bd. 5, Sp. 326. Ein weiteres Beispiel ist eine Statue vom Frankfurter Gallustor aus dem 14. Jh., Abb. in Ausst.Kat. „750 Jahre Frankfurter Kaiserdom“ 1989, S. 22. 526 Amerson 1969, S. 194, Abb. 5. 527 Vgl. auch die Darstellung eines Gehäuteten in einem medizinischen Codex, Frankreich 1314; Paris, BnF, Ms. fr. 2030, fol. 10v. Abb. 5 bei Stones 1999. 528 Missverständlich dagegen die Angabe im LCI, Bd. 5, Sp. 327, der Apostel sei nackt. 529 LCI, Bd. 5, Sp. 326 f. nennt lediglich eine Pergamentminiatur aus Istrien, 15. Jh., deren Darstellung des Apostels mit seiner Haut über einem geschulterten Stecken als Unikat bezeichnet wird.

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kelt, der Körper gebeugt, fast wie im schnellen Lauf. Ein ähnliches Beispiel ist das fragmentarisch erhaltene „Bartholomäusretabel“ in der Bartholomäus-Kirche in Niedzica von 1450– 55, das in einer Szene den Apostel zeigt, der mit einem Seil, das um seine Hüften gewunden ist, von einem Schergen abgeführt wird; er ist vollkommen unbekleidet, kahlköpfig und bartlos.530 In seinen Händen hält er einen Stab, den er über die rechte Schulter gelegt hat – auf diesem hängt vollständig seine Körperhülle, die Haut mit dem dem Betrachter zugewendeten Gesicht, das, mit Haar und Bart ausgestattet, noch wie lebend wirkt. Die abgezogene Haut weist außen ein helles Inkarnat auf und ist auf der Innenseite blutrot. Die Figur des Apostels hingegen ist fleischfarben. Obgleich weder Muskeln noch Sehnen dargestellt sind, ist hier also eindeutig der Heilige im gehäuteten Zustand dargestellt. Es handelt sich bei den beiden genannten Beispielen um wenig bekannte Darstellungen, die beweisen, dass die abgezogene Haut früher als bislang angenommen auch in einem szenischen Kontext vorkam. Als naturalistisch gestalteter ‚Muskelmann‘, der seine Haut trägt, wird Bartholomäus dann häufig im 16. Jahrhundert dargestellt, vor allem in der Druckgraphik und der Skulptur.531 Das Interesse an der menschlichen Anatomie ist in dieser Zeit der entscheidende Grund für die Beliebtheit des Motivs, weniger die Bedeutung des Martyriums.

Darstellung und Bedeutung des Schindungsaktes Der Schindungsakt selbst wurde seit dem 12. Jahrhundert zum Motiv der Malerei. Das „Zwiefaltner Passionale“,532 entstanden um 1120–35, zeigt den Heiligen sitzend und mit seinem linken Arm an eine B-Initiale gefesselt, während ein Scherge an seinem rechten Unterarm mit der Häutung beginnt, wobei der Gesichtsausdruck des Apostels durchaus Leid verrät. In der nordalpinen Tafelmalerei des 15. Jahrhunderts kommt das Motiv häufig vor. Die Schindung des hl. Bartholomäus wird nun fast immer auf einer Schindbank vollzogen, auf die der Heilige in der Regel rücklings gefesselt ist. Der Apostel ist dabei nackt bis auf ein Lendentuch. Im Gegensatz dazu wählte Stefan Lochner (Farbabb. 10 c) eine andere Variante und zeigt ihn auf dem Bauch liegend, ohne dass sein Gesäß mit einem Lendentuch verhüllt wäre.533 Die Präsentation des vollkommen entblößten Märtyrergesäßes stellt in der Märtyrerikonographie eine absolute Seltenheit dar. Bei Lochner sind die übrigen Apostel, bis auf den mit nacktem Oberkörper in seinem Kessel sitzenden Johannes, in weite Gewänder gehüllt, die ihre Körperlichkeit wenig betonen. Die drei erhaltenen spätmittelalterlichen Kopien von Lochners Bartholomäus534 sowie in der Folge entstandene Beispiele aus dem Bereich der 530 Abb. ehemals unter http://www.niedzica.nazwa.pl/zabytki/niedzica_ksc/niedzica_ksc.html (letzter Zugriff: 28.9.2010). 531 Z. B. Marco d’Agrate, „San Bartolomeo“, um 1552/62, Mailand, Dom. Siehe dazu Amerson 1969. Abb. in Ausst.Kat. „Apoll schindet Marsyas“ 1995, S. 59. 532 Stuttgart, WLB, Cod. bibl. 2° 56 fol. 67 a. Boeckler 1923, Abb. 78. 533 Aus der Zeit vor Lochner lässt sich die Illustration im „Andachtsbuch der Madame Marie“ anführen (Abb. 2 b), wo ebenfalls das entblößte Gesäß zu sehen ist. 534 Ein detailgetreuer Nachstich von Wenzel von Olmütz, spätes 15. Jh. (Wien, Albertina, Graphische Sammlung, Inv.-Nr. 1928/199–200; Abb. in Kat. Städel 2002, S. 207), eine deutlich an Lochner ange-

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Tafelmalerei übernahmen die originelle Liegeposition auf dem Bauch nicht.535 Auch in Lochners Werkstatt selbst, in der offenbar eine Federzeichnung des Motivs existierte,536 setzte sich diese Darstellungsweise nicht durch, wie eine spätere Umsetzung des Themas von Lochners Werkstatt im „Darmstädter Stundenbuch“537 zeigt. In Lochners Darstellung sind von den sechs Schergen gerade vier aktiv mit dem Schinden befasst: Der ärmlich gekleidete Scherge im Vordergrund, der das grausige Geschehen hinter seinem Rücken gar nicht wahrzunehmen scheint, ist mit dem Schleifen der Schindmesser beschäftigt, was die Voraussetzung für die Prozedur darstellt. Die am Fußende der Bank stehenden Schergen ritzen die Haut ihres Opfers an der Hinterseite der Beine ein, während ein weiterer, mit karikierten afrikanischen Zügen ausgestatteter Scherge bereits mit beiden Händen und ganzer Kraft an der Haut des rechten Arms zieht, wozu er sein Schindmesser zwischen die Zähne genommen hat.538 Der Kraftaufwand, den er betreibt, wird auch durch seine breitbeinige Schrittstellung deutlich. Seine Charakterisierung als besonders grausam wird noch dadurch betont, dass er den Betrachter aus dem Bild heraus unverhohlen anschaut. Die rechts von ihm dargestellten Zuschauer steigern ebenfalls den Eindruck von Grausamkeit: Der Kahlkopf im blauen Wams hält einen Trinkbecher aus Steinzeug in der linken Hand – ein Motiv, das auf das des sogenannten trunkenen Torwächters in einigen spätmittelalterlichen Darstellungen der Geißelung (z. B. von der „Karlsruher Passion“; Abb. 1 e) zurückzuführen sein könnte. Es wurde lange als ausschließlich anekdotisches Detail gedeutet, das auf die Grausamkeit der Schergen hinweisen soll.539 Marrow wies jedoch darauf hin, dass das Motiv auf die Vorausdeutung in Psalm 69(68),13 zurückzuführen sei: „contra me loquebantur qui sedebant in porta et cantabant bibentes vinum“ – „die im Tore saßen redeten gegen mich, und die Wein tranken sangen über mich“ (Übers. d. Verf.).540 Hinsichtlich der Verwendung im Bartholomäus-Martyrium könnte eine weitere Quelle für das Motiv der 2. Korinlehnte Miniatur in einer Bibelhandschrift aus dem Augustiner-Chorherren-Kloster Gaesdonck vom Beginn der 1460er Jahre (Berlin, SBPK, Ms. theol.lat.fol. 205, fol. 75r; Abb. in Ausst.Kat. „Stefan Lochner“ 1993, S. 413) und eine Federzeichnung, die wohl zeitgleich zu den „Apostelmartyrien“ in Lochners Werkstatt selbst angefertigt wurde (Berlin, SMPK, Kupferstichkabinett; Inv.-Nr. KdZ 778; Abb. in Ausst.Kat. „Stefan Lochner“ 1993, S. 431). 535 Auch die Darstellung des in unmittelbarer Nachfolge Lochners stehenden Apostelmartyrienzyklus eines oberrheinischen Meisters (Vatikan, Pinacoteca Vaticana; Abb. in Ausst.Kat. „Stefan Lochner“ 1993, S. 361) zeigt Bartholomäus auf dem Rücken liegend. 536 Siehe oben, Anm. 534. 537 Es handelt sich um eine Initialminiatur (1451; Darmstadt, Hessische Landes- und Hochschulbibliothek, Hs. 70, fol. 162r). Abb. in Ausst.Kat. „Stefan Lochner“ 1993, S. 117. 538 Dieses Motiv kommt bereits vor Lochner in Darstellungen des Bartholomäus-Martyriums vor. Es findet sich ähnlich in der Passionsikonographie: Z. B. in Derick Baegerts „Geißelung Christi“ von um 1480 (Münster, WLM) hat ein Scherge eine Geißelrute zwischen die Zähne genommen, um mit beiden Händen das Seil um Christi Füße an der Geißelsäule festzerren zu können. Wie die Figur Lochners blickt auch der Scherge Baegerts den Betrachter direkt an. Abb. in Kat. Westfälisches Landesmuseum 1986, S. 354. 539 Siehe Ausst.Kat. „Karlsruher Passion“ 1992, S. 61 f. Dementsprechend wurde der Becher in Lochners Bartholomäus-Martyrium auch als Salzgefäß gedeutet – das Salz sei dazu gedacht, es in die Wunden des Apostels zu reiben, um seine Qual zu vergrößern. Kat. Städel 2002, S. 202. 540 Marrow 1979, S. 149 ff.; vgl. Krause 2001, S. 494.

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therbrief 4,7 sein:541 Paulus schreibt hier über die Leidensgemeinschaft des Apostels mit Christus, also über ein bezüglich der dargestellten Apostelmartyrien einschlägiges Thema: „habemus autem thesaurum istum in vasis fictilibus“ – „wir haben aber diesen Schatz [die Erkenntnis des göttlichen Glanzes auf dem Antlitz Christi] in irdenen Gefäßen“ (Übers. d. Verf.), womit das erkennende Herz oder die Seele im irdischen Leib gemeint sein könnte. Dies kann als direkter Hinweis auf die Zerstörung des Körpers im Martyrium gedeutet werden, denn es heißt weiter (4,16): „propter quod non deficimus sed licet is qui foris est noster homo corrumpitur tamen is qui intus est renovatur de die in diem“ – „deshalb ermatten wir nicht, sondern wenn auch unser äußerer Mensch aufgerieben wird [corrumpitur auch: vernichtet wird], so wird doch der innere Tag für Tag erneuert“ (Übers. d. Verf.). Im Folgenden (5,1 ff.) wird beschrieben, dass, wenn das irdische Zelt (d. i. der irdische Leib) abgebrochen werde, die Apostel mit einem ewigen himmlischen Haus überkleidet würden; auch unter der Last des irdischen Leibes solle der Geist zuversichtlich sein und gottgefällig leben. Das Motiv des irdenen Gefäßes kommt also ausgerechnet im Kontext der Leidensgemeinschaft der Apos­ tel mit Christus vor, in einer Textstelle, in der es um die Zerstörung des irdischen Leibes und das Überkleiden mit einem himmlischen Haus geht. Hinsichtlich des Apostels Bartholomäus ist diese Textstelle mit ihrer Behandlung von Innen und Außen und dem Leib als Gefäß oder Zelt besonders treffend, da das Motiv der Schindung ja ganz konkret das Entfernen oder Zerstören der umgebenden Hülle bedeutet. Der Trinkbecher in Lochners Bartholomäus-Martyrium, der passenderweise in einem hautfarbenen Ton gehalten ist,542 ist so sowohl als Hinweis auf die Zecher im alttestamentlichen Psalm als auch auf den zerbrechlichen irdischen Leib, den Paulus beschreibt, zu verstehen; in jedem Fall wird dadurch die Leidensgemeinschaft des Apostels mit Christus hervorgehoben. Dies steht jedoch keineswegs im Widerspruch zu einer litteralen Lesart, nach der der Becher ein Indiz für die Grausamkeit der Peiniger darstellt.543 Werden metaphorische Textstellen ins Deskriptive transportiert, sind sie auf einer ersten Ebene, in der unmittelbaren Anschauung des Bildes, auch als deskriptive Details zu begreifen. Erst auf einer zweiten Ebene werden – je nach Bildungsgrad des Rezipienten – übergeordnete Bezüge verstanden und können zu einem tieferen Verständnis der Darstellung beitragen. Während Lochner wie die meisten anderen Beispiele des 15. Jahrhunderts die Schindbank parallel zur vorderen Bildgrenze positioniert, gibt es einen weiteren Zweig der Darstellungstradition, der die Schindbank schräg in den Bildraum stellt, wobei diese zum Betrachter hin aufgeklappt ist. Es handelt sich in der Regel um stark hochformatige Bilder. Ein Beispiel hierfür ist das „Retabel des Jörg Westner“ im Diözesanmuseum Freising, datiert 1509 (Farbabb. 14 a). Das schmale Hochformat zeigt den Heiligen auf einer schräg in den 541 Für den Hinweis auf diese Textstelle im Zusammenhang mit Lochners „Bartholomäus-Martyrium“ danke ich Silke Tammen. 542 Während ein ‚irdener‘ Becher ausgeführt wurde, ist in der Vorzeichnung offenbar ein Metallgefäß mit längerem Hals und Standfuß angelegt gewesen (Kat. Städel 2002, S. 185 f. u. 187, Abb. 164). In Bezug auf 2 Kor 4,7 erscheint die Änderung konzeptionell durchdacht. 543 Krause 2001, S. 494 konstatiert, dass über Marrows typologisches Erklärungsmodell hinaus nach weiteren Gründen für Neuerungen in der spätmittelalterlichen Ikonographie gesucht werden müsse – die neue Weltzugewandtheit und Beobachtung könne zum bewussten Aufgreifen alttestamentlicher Textstellen geführt haben.

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Bildraum gestellten Schindbank, auf der er rücklings mit Eisenbügeln fixiert wurde. Seine Unterschenkel hängen an der Schmalseite der Bank herunter, was wahrscheinlich perspektivischen Problemen im Zusammenhang mit dem Format der Tafel geschuldet ist. Links und rechts des Heiligen befindet sich jeweils ein Scherge. Der Vordere hat gerade Bartholomäus’ Bein der Länge nach aufgeschlitzt und beginnt mit dem Abziehen der Haut. Der Hintere ist mit der Schindung des linken Arms beschäftigt. Auch der Oberkörper des Heiligen ist der Länge nach aufgeschlitzt. Aus den Wunden fließen Ströme von Blut in einen am Fußende der Bank stehenden Eimer. Anscheinend ist die merkwürdige Position der Bank nicht nur perspektivischen Schwächen zu verdanken, sondern sie ist tatsächlich zum Kopf hin erhöht gedacht, so dass das Blut gesammelt nach unten in den Eimer fließt. Die drastische Schindungsdarstellung der linken Flügelinnenseite wird auf der rechten Flügelinnenseite um das Martyrium des hl. Sebastian ergänzt. Dazu trägt auch bei, dass die Gesichter aller vier Schergen teilweise verdeckt sind, wodurch sie besonders hinterhältig und feige erscheinen. Eine seltene Darstellung, die Bartholomäus während der Schindung nicht auf einer Bank liegend zeigt, ist eine Ende des 15. Jahrhunderts in Norddeutschland entstandene Tafel (Köln, WRM; Abb. 27): Der Heilige ist an den Handgelenken an einem Galgengerüst aufgehängt. Die Häutung ist bereits weit vorangeschritten, die Haut hängt wie ein teilweise ausgezogenes Kleidungsstück vom Oberkörper herab. Einer Legendenversion des 14. Jahrhunderts zufolge war Bartholomäus der Sohn eines syrischen Königs, der auch als Jünger Jesu nicht auf seinen Purpurmantel verzichten wollte. Daraufhin sagte Jesus ihm voraus, dass er einst seine eigene Haut als blutigen Mantel umlegen werde.544 Hieraus erklärt sich, dass Bartholomäus traditionell mit einem weißen Gewand und einem weißen Umhang mit rotem Futter – Bezug nehmend auf weiße Haut und rotes Fleisch – dargestellt wird.545 Gemäß der Metapher der abgeschundenen Haut als „blutigem Mantel“ kann die Schindung mit dem Vorgang der Entkleidung in Beziehung gesetzt werden. Der Apostel wurde somit quasi Opfer einer zweifachen Entkleidung. Dieser Aspekt wird im folgenden Bildbeispiel besonders hervorgehoben. Hans Maler stellt auf seinem um 1521/24 entstandenen „Apostelretabel“ aus der Franziskanerkirche in Schwaz/Österreich den Apostel auf einem horizontal aufgebockten Kreuz dar, das als Schindbank fungiert (Nürnberg, GNM; Farbabb. 20); als Vorlage hierfür diente die Darstellung des Bartholomäus-Martyriums aus Lucas Cranachs d. Ä. Holzschnittserie der „Apostelmartyrien“ von um 1510 (Abb. 7 b), die sich wiederum an die „Kreuzannagelung Christi“ von Albrecht Dürers um 1509 entstandener „Kleiner Holzschnitt-Passion“ anlehnt (Abb. 15 b). Bei Cranachs Darstellung handelt es sich um eine Kombination der laut der Legendenversion des Jacobus de Voragine nacheinander erfolgten Torturen von Kreuzigung und Schindung. Die Schindung ist in der Darstellung Malers noch nicht weit vorangeschritten. Gerade haben zwei Schergen begonnen, die Haut des Apostels mit Messern aufzuschlitzen, das Blut fließt schon in feinen Rinnsalen auf den Boden. Das Motiv der aufgeschlitzten und vom Körper getrennten Haut wird durch zwei weitere Bildelemente aufgenommen: Der 544 Diese Version bei Petrus de Natalibus, Catalogus sanctorum et gestorum eorum (1375), Liber Septimus, Kap. XIII. Siehe Urban 1998, S. 29. 545 Dieser Hinweis ebd.

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am Kopfende des Apostels stehende Scherge weist an seinem linken Arm, mit dem er den Unterarm seines Opfers festhält, eine auffällige Schlitzung des Gewands auf, durch die gelber Stoff sichtbar wird; sie korrespondiert mit dem Schnitt an der Innenseite des linken Oberarms des Heiligen. Unter dem Kreuz befindet sich offenbar das Gewand des Apostels. Es liegt dort nicht flach auf dem Boden, sondern aufgebläht, wie eine Hülle, die noch die Form des Körpers besitzt. Besonders durch die Halsöffnung des voluminösen Gewandes, die den Blick auf das rote Innenfutter freigibt, wird eine Assoziation mit der Haut als Hülle des Körpers wachgerufen. Wie die Kombination aus Kreuz und Schindbank ist auch dieses Motiv aus Cranachs Apostelmartyrien entlehnt, dieses Mal allerdings vom „Martyrium des hl. Matthias“ (Abb. 7 c). Maler fand es offenbar für die Bartholomäus-Szene passend, so dass die Assoziation mit der Haut als Körperhülle durchaus intendiert sein könnte. Schon bei Augustinus findet sich die Gleichsetzung der Häutung mit dem Abstreifen eines Gewandes. Das Jesuswort an die Jünger in Matthäus 10,16 „estote ergo prudentes sicut serpentes“ („seid daher klug wie die Schlangen“) deutete er unter Bezugnahme auf die Häutung der Schlange: „Man sagt auch, die Schlange zwinge sich in enge Höhlenritzen ein und streife so ihr altes Kleid ab und gewinne dadurch wieder neue Kraft: wie stimmt dies nicht zur Nachahmung dieser Schlangenklugheit, nämlich zum Ausziehen des alten und zum Anziehen des neuen Menschen.“546

In seiner Deutung bezieht er sich auf das Pauluswort vom neuen Menschen. Im Brief des Apostels an die Epheser 4,23–24 heißt es: „renovamini autem spiritu mentis vestrae et induite novum hominem qui secundum Deum creatus est in iustitia et sanctitate veritatis“ – „erneuert aber den Geist eurer Seele und zieht den neuen Menschen an, der nach Gott geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit“ (Übers. d. Verf.). Der Brief an die Kolosser 3,8–10 knüpft daran an: „Jetzt aber sollt ihr das alles ablegen: Zorn, Wut und Bosheit; auch Lästerungen, hässliche Rede. Belügt einander nicht, denn ihr habt den alten Menschen mit seinen Taten abgelegt und seid zu einem neuen Menschen geworden, der nach dem Bild und zur Erkenntnis dessen, der ihn geschaffen hat, erneuert wird.“547

Jacobus de Voragine bezieht in einem Sermon über das Martyrium des hl. Bartholomäus die bei Paulus und Augustinus formulierten Gedanken direkt auf das Motiv der Schindung. Bartholomäus, so die Deutung des Jacobus, habe durch sein Martyrium die alte Haut, d. h. den alten Menschen, abgelegt, um dem neuen Menschen Raum zu geben. In diesem Sinne macht er Bartholomäus zum Vorbild für alle Gläubigen, die sich ebenso ‚häuten‘, also ihre Sünden in der Beichte enthüllen und durch die Buße zu neuen, von der Sünde gereinigten Menschen werden sollen.548 Die Schindung kann damit als Aufforderung an den Gläubigen 546 Über die christliche Lehre II, 24 (= BKV, Bd. 49, S. 71). 547 „[...] nunc autem deponite et vos omnia iram indignationem malitiam blasphemiam turpem sermonem de ore vestro nolite mentiri invicem expoliantes vos veterem hominem cum actibus eius et induentes novum eum qui renovatur in agnitionem secundum imaginem eius qui creavit eum“. Übers. d. Verf. 548 Lützelschwab 2008, S. 124.

Motive und Aspekte spätmittelalterlicher Gewaltdarstellungen  113

zur imitatio in übertragenem Sinne verstanden werden, d. h. sich durch Reue und Buße innerlich zu erneuern. Auch die Entkleidung Christi in der Passion, der im späten Mittelalter große Bedeutung beigemessen wurde,549 wurde mit Bezug auf das Pauluswort vom neuen Menschen gedeutet. Der Nürnberger Augustinereremit Reinhard von Laudenburg († 1503) schrieb: Wie Christus seiner Kleidung beraubt worden sei, so sollten wir den alten Menschen ausziehen und unser Gewissen „durch ein reines und nacktes Sündenbekenntnis“ von jedwedem Gewand der Entschuldigung und Selbstrechtfertigung entblößen, damit alles „nackt und offen“ vor Gottes Auge liege.550 Entkleidung und Schindung wurden also gleichermaßen als Vorbild für die Gläubigen in dem Sinne angesehen, dass sie sich von der Sünde befreien, Reue und Buße tun sollten. Das Motiv des Entkleidetseins wurde im Gegensatz dazu aber auch als negativer Zustand verstanden. Der Passauer Domkanoniker Paul Wann († 1489), so geht aus einer überlieferten Passionspredigt des Jahres 1460 hervor, vertrat die Auffassung, Jesus habe die „Seelenmarter“ der Entblößung, die sein Leiden noch verstärkte, auf sich nehmen müssen, um „die Schamlosigkeiten der Menschen zu büßen, um uns davor zu bewahren, daß wir einst entkleidet aller Verdienste, mit nackter, häßlicher Seele vor dem Richter des Jüngsten Tages stehen müssen“.551 Das Entkleidetsein wird hier also nicht als Zustand von Reinheit begriffen, sondern als Bloßgestelltsein. In anderen Zusammenhängen wiederum steht eine Erneuerung der Haut für die innere Erneuerung durch die Bekehrung zum christlichen Glauben: Der Silvesterlegende (5. Jahrhundert) zufolge soll Kaiser Konstantin vor seiner Konversion von Gott mit Aussatz gestraft worden sein. Seine Magier empfahlen ihm ein Bad in Kinderblut, worauf der Kaiser aus moralischen Gründen verzichtete. Im Traum erschienen ihm dann Petrus und Paulus und rieten ihm, sich von Papst Silvester das Bad der Liebe geben zu lassen. Bei der Begegnung mit dem Papst zeigte dieser ihm die Portraits der Apostelfürsten; Konstantin erkannte sie sogleich und wurde durch die Taufe im Lateranbaptisterium vom Aussatz geheilt. 552 Konstantin ist durch seine innere ‚Heilung‘ auch von seiner äußerlichen Hautkrankheit genesen, er war also rundherum erneuert und wurde der erste christliche Herrscher. Im 16. Jahrhundert gewannen die Motive der Schindung und des Geschundenen sprunghaft an Beliebtheit. Die Darstellungen zeigen den Geschundenen nun als hautlosen Muskelmann. Nicht nur Darstellungen des Bartholomäus-Martyriums und des von Apoll geschundenen Marsyas553 boten hierfür den Anlass, sondern auch zahlreiche anatomische Studien.554 549 Siehe dazu unten, Abschnitt V.1. 550 Reinhard von Laudenburg, Passio domini nostri Jesu Christi praedicata sive compilata per modum quadragesimalis a venerabili patrie Reinhardi de Laudenburg sacre theologiae lectore ordinis sancti Augustini, Nürnberg 1501, f. B IIIr; zitiert nach Schreiner 1992, S. 68. Weniger scheint ein Zusammenhang von Schindung und fleischlicher Auferstehung gesehen worden zu sein, der basierend auf Ez 37,6 und Hiob 19,25–27 hergestellt werden kann. Hierzu, bezogen auf den Bartholomäus in Michel­ angelos Fresko in der Sixtinischen Kapelle: Preimesberger 2006. 551 Die Passion des Herrn (= Zacher 1928, S. 97). Siehe auch Schreiner 1992, S. 64. 552 LCI, Bd. 2, Sp. 547. Vgl. Wolf 2002a, S. 233. 553 Siehe Ausst.Kat. „Apoll schindet Marsyas“ 1995. 554 Benthien 1999, S. 76 ff.

114  Körperliche Gewalt

Im 17. Jahrhundert, insbesondere bei Jusepe de Ribera, wird die Darstellung des Bartholomäus-Martyriums und der damit nahezu austauschbaren Schindung des Marsyas durch neue Bildideen bereichert und das Sujet so in seiner Grausamkeit nochmals gesteigert.555 Die wachsende Bedeutung des Motivs ist in Zusammenhang mit der veränderten Rolle der Anatomie seit dem 16. Jahrhundert zu sehen. Im 14. Jahrhundert entstand die Anatomie als wissenschaftliche Disziplin. Die Sektion von Leichen aus wissenschaftlichen Gründen fand an den meisten europäischen Universitäten aber erst gegen Ende des 14. Jahrhunderts und nur vereinzelt statt. Dabei stellte die Beschaffung von Leichnamen ein großes Problem dar.556 Die Sektion von Leichen und damit auch das Abziehen der Haut, um Muskeln, Sehnen und Gefäße sichtbar zu machen, galten im Mittelalter schon wegen des Auferstehungsglaubens als Tabu.557 Zur Sektion freigegeben wurden nur die toten Leiber von Hingerichteten, die durch ihr Verbrechen ohnehin aus der Gesellschaft ausgestoßen waren.558 Den Umbruch für die Anatomie markiert das Erscheinen des Werkes „De humani corporis fabrica libri septem“559 des Andreas Vesalius (1514–64) im Jahr 1543 in Basel; seitdem etablierte sich die Tradition der Leichenzergliederung als öffentliches Spektakel in ganz Europa.

2.6 Die Ausdärmung Das Ausdärmen als Methode der Hinrichtung wurde wohl auch im späten Mittelalter als besonders grausam angesehen. In der Tafelmalerei kommt das Motiv vor allem in der zweiten Hälfte des 15. und in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts im Kontext des ErasmusMartyriums vor. In die Vita des Bischofs ist das Ausdärmen wohl erst gegen Ende des 13. Jahrhunderts eingegangen.560 Zuvor kam es bereits im Zusammenhang mit anderen Märtyrern vor. Eine besonders drastische Darstellung findet sich in dem nord-französischen „Leben der Heiligen“ der Madame Marie von 1268–98 (Abb. 29 c): Die gesamte Bauchdecke des an einem Holzgerüst halb stehenden, halb aufgehängten hl. Vincentius wurde entfernt, darunter wird der in mehreren Schnecken aufgerollte und so fast ornamental wirkende Darm sichtbar; zwei äußerst abstoßend und fies wirkende Schergen ziehen an zwei Enden daran.

555 Dazu Lang 2001, S. 229–255. Ein Unterschied zwischen den Darstellungen des Bartholomäus-Martyriums und der Schindung des Marsyas ist nicht nur, wie Lang 2001, S. 245 schreibt, dass Marsyas im Gegensatz zum Apostel seinem Schmerz Ausdruck verleiht, sondern auch, dass bei Marsyas häufig Satyrn beigegeben sind, die Entsetzen angesichts des Vorgangs erkennen lassen, während solche mitleidenden Figuren bei Bartholomäus fehlen. 556 Bynum 1991, S. 272; Bergmann 1997, S. 55 u. passim. 557 Park 1994 argumentiert, in Italien habe es kein deutliches Tabu, den Körper zu öffnen, gegeben. 558 Bergmann 1997, S. 46. 559 Wer die ausführenden Künstler der „Fabrica“ waren, ist nach wie vor unklar; sie sollen jedoch aus der Werkstatt Tizians stammen. Siehe Ausst.Kat. „Zum Sterben schön“ 2006, S. 131. 560 LCI, Bd. 6, Sp. 157.

Motive und Aspekte spätmittelalterlicher Gewaltdarstellungen  115

Das Öffnen des Körpers wurde im Mittelalter vorwiegend als sündhaft angesehen, das Heraustreten von Innereien aus dem toten Körper als schändlich für die betreffende Person.561 Dazu trug auch die Vorstellung vom Judas-Selbstmord bei. In den bildlichen Darstellungen, die vornehmlich aus dem Hochmittelalter überliefert sind, vermischen sich zumeist zwei unterschiedliche Berichte über den Tod des Verräters.562 Nach Matthäus 27,3–5 bereute Judas den Verrat an Jesus, gab die 30 Silberlinge an die Hohepriester zurück und erhängte sich daraufhin. Nach der Apostelgeschichte 1,15–26 hingegen erwarb Judas von dem Lohn, den er für den Verrat erhalten hatte, ein Grundstück (den ‚Blutacker‘), auf dem er stürzte, wodurch sein Bauch aufriss und die Eingeweide heraustraten. In den Darstellungen des Hochmittelalters fließen die beiden Bibelstellen vielfach ineinander, d. h. die Motive des Selbstmords durch Erhängen und der hervorquellenden Gedärme werden kombiniert.563 Schon eine Darstellung im „Hildegard-Codex“564 vom Ende des 12. Jahrhunderts zeigt den an einem Galgen (!) hängenden Judas, zwar ohne geborstenen Leib, dafür von schwarzen Vögeln umringt, die die Verstümmelung seines Körpers ankündigen. In der Folge entstanden mehrere Darstellungen des erhängten Judas mit aus dem Bauch heraustretenden Eingeweiden, zum Beispiel im Tympanon vom Westportal des Freiburger Münsters (um 1300; Abb. 30). Hier fallen dem Toten gerade noch die Silberlinge aus der Hand, die er Matthäus zufolge zuvor an die Hohepriester zurückgegeben hatte. Der Aspekt der Reue wird also weitgehend negiert, die Schande des Verrats und des Selbstmords herausgestellt.565 In der mittelalterlichen Hinrichtungspraxis gehörte die durch Witterung und Tiere vorangetriebene Verwesung des Hingerichteten zum wichtigen Schandaspekt der Strafe. 566 Durch die Darstellung des Erhängten mit herausquellenden Gedärmen kommt der eigentlich reuige Verräter im Bild besonders schlecht weg. Darstellungen des Erasmus-Martyriums sind in großer Zahl aus den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts erhalten, aber auch schon aus dem vorigen Jahrhundert. Prägend für die nordalpine Tafelmalerei wurde die Darstellung Dierik Bouts’ auf dem 1458 entstandenen 561 Für den Schrecken des Körperöffnens stand Kaiser Nero, ‚Patron‘ der Chirurgen und Anatomen, der als Typus des Antichristen galt und der seine Mutter Agrippina hatte töten und aufschneiden lassen. Dennoch wurden im späten Mittelalter auch die Körper von toten Heiligen geöffnet, um im Inneren nach Wundern zu suchen, so z. B. Zeichen auf dem Herzen wie im Falle der Klara von Montefalco († 1308), bei der man in ihr Herz geprägte Bilder des Gekreuzigten und der Leidenswerkzeuge gefunden haben will. 562 Zur Judas-Ikonographie siehe Schnitzler 1996c. 563 LCI, Bd. 2, Sp. 446 f.; Krause 1997, S. 206, Anm. 17 zieht die Darstellung des Judas im Mittelalter als Beispiel für eine veränderte, skrupellosere Einstellung der Menschen zum Inneren des Körpers heran – dies ist aufgrund der Spezifik der Judas-Ikonographie unhaltbar. 564 München, BSB, Cod.lat. 935, fol. 57v. 565 Eine Parallele zum Judas-Selbstmord stellt die Bildtradition der Sündenpersonifikationen, die Selbstmord begehen, dar. Legitim ist der Selbstmord innerhalb der christlichen Religion nur in wenigen Fällen: im Alten Testament bei Saul, der damit den Philistern zuvorkommen will, damit sie keinen Spott mit ihm treiben können (1 Sam 31,4–5) oder bei Lucretia, die dadurch ihre Tugend bewahren kann. Siehe Garnier 1989, S. 277 ff. 566 Vgl. dazu die mittelalterlichen Schandbilder mit Darstellungen von Geräderten. Siehe oben, Abschnitt IV.2.2.

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Triptychon in St. Peter zu Löwen. Der Heilige liegt auf dem Rücken auf einer niedrigen Bank bildparallel im Vordergrund der Szene. Die über ihm befindliche Winde wird von zwei Schergen bedient. Der fadenartige Darm des Heiligen wird aus einer schlitzartigen Öffnung auf Höhe des Bauchnabels auf der horizontal verlaufenden Stange aufgewickelt. Im Hintergrund stehen vier weitere Personen. Die Öffnung des Körpers und der Darm sind nicht besonders drastisch inszeniert. Bei ansonsten großer Ähnlichkeit zur Darstellung Bouts’ ist die Körperöffnung auf einem Flügel567 des Triptychons vom Meister IT (1489; Münster, WLM; Abb. 28) nicht als schlitzartige Wunde visualisiert, sondern durch sternförmig von einem Punkt ausgehendes Blut – ebenso wie die Wunden der auf der gegenüberliegenden Seite dargestellten 10.000 Märtyrer. Optisch wird dadurch besondere Aufmerksamkeit auf die Wunden gelenkt. Das geöffnete Retabel zeigt eine Noli-me-tangere-Szene568 – auch hier stehen die vier Wundmale Jesu im Fokus, die allerdings lediglich als rote Punkte erscheinen. Aber auch der auf der rechten Seite der Tafel dargestellte hl. Quirinus greift die Wundmotivik auf: Sein Schild kann durch Form und Farbe mit der Seitenwunde in Verbindung gebracht werden. Darauf weist auch das Messer als Märtyrerattribut des Heiligen hin, das direkt über dem Schild in der Luft ‚schwebt‘, die Messerspitze auf es gerichtet. An Drastik gewinnen die Darstellungen im 16. Jahrhundert. Einflussreich war diesbezüglich möglicherweise ein Holzschnitt Lucas Cranachs d. Ä. von 1506 (Abb. 8): Erasmus ist mit schräg erhobenen Armen und leicht gespreizten Beinen an im Boden steckende Pflöcke gebunden; etwa über seiner Körpermitte ist die Winde aufgestellt, die ein barbarisch wirkender Scherge bedient. Ein Weiterer hat bereits den Bauch des Heiligen aufgeschlitzt und trägt nun das Messer zwischen den Zähnen – ein Motiv, das aus dem Repertoire des verbreiteteren Bartholomäus-Martyriums stammt. Mit der rechten Hand greift er in die Körperöffnung hinein und führt mit der anderen den Darm der Winde zu. Der Mund des Erasmus scheint vor Schreck geöffnet. Motivisch stark an Cranach orientiert ist das inschriftlich auf 1516 datierte Gemälde Heinrich Vogtherrs d. Ä. (Aschaffenburg, Staatsgalerie; Farbabb. 19), das Kardinal Albrecht von Brandenburg wohl anlässlich der Überführung der Gebeine des hl. Erasmus von Magdeburg nach Halle in Auftrag gab.569 Die Darstellung zeichnet sich durch großen Figurenreichtum aus, wobei die Gewaltszene im Vordergrund dennoch eindringlich inszeniert ist. Drastischer als in Cranachs Holzschnitt wirkt durch die Farbigkeit die aufgeschlitzte Bauchdecke; wie bei Cranach greift der Scherge, der das Messer zwischen die Zähne genommen hat, beherzt mit der linken Hand in die Körperöffnung hinein, während er mit der Rechten den dicken, roten Darm der von zwei weiteren Schergen bedienten Winde zuführt. Dass die Darstellung der Körperöffnung in Beziehung zur Seitenwunde Christi gesetzt werden kann, verdeutlicht das Motiv in der linken oberen Bildecke: Der Himmel hat sich ein Stück weit geöffnet und gibt zwischen Wolken und Engelsköpfen den Blick auf eine Christus-Halbfigur in leuchtender Gloriole frei. Christus ist als Schmerzensmann dargestellt, mit Kreuz, Dornenkrone und auf seine Seitenwunde weisend. Das Martyrium kann als symbolische Wieder567 Nicht ganz klar ist, ob es sich um die Darstellung der Flügelinnen- oder -außenseite handelt. 568 Abb. in Ausst.Kat. „Imagination des Unsichtbaren“ 1993, Bd. 2, S. 430. 569 Ausst.Kat. „Der Kardinal“ 2006, Bd. 1, S. 157 f. (Kat.Nr. 72).

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holung des Opfers Christi verstanden werden. Der Verweis auf die Seitenwunde dient in der innerbildlichen Logik dem Trost des Märtyrers und fungiert für den Betrachter als Aufforderung, in allen Situationen Glaubensgewissheit zu bewahren.

2.7 Die Steinigung Die Steinigung hebt sich insofern von anderen Hinrichtungsmethoden ab, als dass sie eine kollektive Variante des Tötens ist: Nicht der einzelne Stein tötet das Opfer, sondern die Masse; jeder trägt schließlich gleich viel Schuld am Eintritt des Todes.

Die versuchte Steinigung Jesu Nach dem Johannes-Evangelium 8,59 ist Jesus selbst Opfer einer versuchten Steinigung geworden: Nach einem Streitgespräch mit den Pharisäern im Tempel wollten diese ihn steinigen, wohl weil sie ihn für einen Gotteslästerer hielten, für welchen Deuteronomium 17,7 zufolge hierin die Strafe besteht. Diese Szene wird selten dargestellt, zumal in der Tafelmalerei, beispielsweise aber auf dem Flügelretabel Michael Pachers in der Pfarrkirche von St. Wolfgang/Österreich, das 1481 vollendet wurde.570 Nach der biblischen Überlieferung verbarg sich Jesus vor den Juden und verließ den Tempel. Dementsprechend ist Jesus hier ganz am linken Rand des Bildvordergrundes dargestellt, fast frontal, die Türschwelle des sich hinter ihm öffnenden Tempels soeben überschreitend. Auf der anderen Seite der Türschwelle befindet sich eine dichtgedrängte Gruppe von sechs Juden. Der Jesus und dem Betrachter am nächsten stehende ist in Dreiviertelrückenansicht und sich nach einem Stein bückend dargestellt; drei der Figuren sind eher passiv, wirken nachdenklich, während eine weitere gerade im Werfen begriffen ist, die Wurfhand wie bei einer sportlichen Übung mit der anderen abstützend. Die hinterste Figur der Gruppe trägt eine Ladung von Steinen; auf der gleichen Ebene befindet sich ein weiterer, sich bückender Jude – fast ein spiegelbildliches Pendant zum vorderen Steinewerfer, also in Dreiviertelfrontalansicht dargestellt. Das Stadium, das er repräsentiert, liegt allerdings den Bruchteil einer Sekunde vor dem des anderen: Der Stein liegt am Boden, er hält ihn noch nicht in der Hand, sondern greift erst danach; da er sich tiefer bückt als die vordere Person, stützt sich seine linke Hand etwas weiter unten am Bein ab. Aus der Tiefe des Raumes, die Treppe einer Art Hochchor hinabsteigend, nähern sich zwei weitere Figuren mit Steinen. Bemerkenswert ist, dass keine der Figuren Jesus ansieht – dies entspricht der Überlieferung, nach der Jesus aus dem Blick der Juden verschwunden war, als sie zum Werfen bereit waren. Das Stehen auf der anderen Seite der Türschwelle wird zum Gleichnis für das Erkennen der Wahrheit, das die Christen gegenüber den Juden für sich beanspruchen. „Nur er [der Betrachter] wird der Wahrheit gewahr, die den Steinigern im Tempelinneren verborgen bleibt.“571 Die komplexe Bildregie, die sich nicht auf 570 Dazu Rosenauer 2003, S. 452 und Abb. S. 123. 571 Ebd., S. 452.

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die Tradition früherer Steinigungsdarstellungen zurückführen lässt, wird so zum Bedeutungsträger.

Steinewerfende Kinder in Szenen der Passion Daneben sind zahlreiche Passionsdarstellungen des späten Mittelalters erhalten, in denen Kinder Jesus mit Steinen bewerfen. Die Tradition, Kinder in Szenen der Passion darzustellen, nahm ihren Anfang in Italien Ende des 13. Jahrhunderts, häufig dann im 14. Jahrhundert.572 Sie treten zunächst nicht als negative Figuren auf. Am häufigsten kommen sie in Darstellungen der Kreuztragung vor, was auf deren Schilderung in Lukas 23,28 zurückgeführt wurde, wo Jesus zu den klagenden und weinenden Frauen spricht: „[...] weint nicht über mich; weint über euch und eure Kinder!“573 Das Motiv steinewerfender Kinder findet sich zuerst in der hoch- und spätmittelalterlichen Passionsliteratur. Im „Dialogus beatae Mariae et Anselmi de passione Domini“, einem nach 1238 entstandenen fiktiven Dialog zwischen dem hl. Anselm von Canterbury und der Jungfrau Maria, berichtet die Gottesmutter von der Kreuztragung ihres Sohnes: „Auch Kinder folgten und bewarfen ihn [Jesus] mit Matsch/Kot und Steinen.“574 Jesus wird hier also nicht nur mit Steinen, sondern auch mit Schlamm oder sogar Kot beworfen; dadurch wird deutlich, dass das Bewerfen eher als Akt seelischer denn als körperlicher Gewalt bewertet wurde. In einer mittelhochdeutschen Reimfassung des Werks heißt es an der gleichen Stelle sogar explizit: „Dy kindere dy wurffin en mit quœt [...].“575 Die früheste bekannte bildliche Darstellung steinewerfender Kinder findet sich in einem um 1320 entstandenen Fresko der Kreuztragung in S. Maria Donnaregina in Neapel.576 Ein frühes Beispiel in der Tafelmalerei nördlich der Alpen ist die „Kreuztragung“ des Hans Multscher577 zugeschriebenen „Wurzacher Retabels“ von 1437 (Berlin, Gemäldegalerie; Farbabb. 5).578 Im Vordergrund der betreffenden Szene sind drei kleine Knaben dargestellt, von denen zwei Jesus mit Steinen bewerfen. Im Gegensatz zu den meisten anderen Beispielen nehmen die Knaben bei Multscher sowohl durch ihre Dreizahl als auch durch ihre konkrete Darstellung eine prominente Rolle ein. Die Kinder besitzen einen besonderen Status im Bild: Zunächst sind sie vom Maßstab her eigentlich zu klein. Zudem ist ihr Inkarnat auffallend hell und identisch mit der Farbgebung der Steine; dies lässt sich jedoch auch bei weite572 Zuerst in den „Supplicationes variae“, einem italienischen Manuskript von 1293; Florenz, Biblioteca Laurenziana, Plut. 25,3. Neff 1990, S. 215, 239 f. 573 Ebd., S. 215. 574 Dialogus beatae Mariae et Anselmi de passione Domini, Kap. VIII (= Patrologia latina, Bd. 159) (Übers. d. Verf.). Vgl. Neff 1990, S. 228. 575 Interrogatio Sancti Anshelmi (= Cepková 1982, S. 16). 576 Neff 1990, S. 223. 577 Ob der Schöpfer des „Wurzacher Retabels“ mit Hans Multscher, dem ansonsten nur Werke der Plastik zugeschrieben werden, gleichgesetzt werden kann, ist nach wie vor unklar. Siehe dazu Ausst.Kat. „Hans Multscher“ 1993, S. 17–21. 578 Weitere Beispiele bei Marrow 1979, Abb. 87 ff.

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ren Figuren im Bild feststellen. Aber auch die Gewänder der kleinen Figuren haben diese Farbe; sie erscheinen so fast, als wären sie selbst steinerne Skulpturen, wären nicht ihre Haare farblich belebt. Die genaue Bedeutung dieser spezifischen Farbgebung ist unklar, doch wird durch ihren besonderen Bildstatus zwischen Belebtsein und steinerner Skulptur das Motiv des Steinewerfens stark akzentuiert. In der Kreuztragungsszene des „Schlüsselfelder Retabels“ aus der Werkstatt Wolfgang Katzheimers d. Ä. (St. Florian, Stiftssammlungen)579 ist in der vorderen Bildebene ein Kind gezeigt, das Steine vom Boden aufsammelt. Es nimmt die gleiche Haltung ein wie ein ebenfalls im Vordergrund dargestellter Hund. Wie Hunde, die als besonders triebhaft galten, sind Kinder in nordalpinen Passionsdarstellungen in der Regel negativ konnotiert. Dies lässt sich unter anderem darauf zurückführen, dass seit Augustinus zwischen der Verspottung Christi und der Verspottung des Propheten Elija im Alten Testament (2 Kön 2,23) eine typologische Beziehung gesehen wurde.580 Seit dem späten 12. Jahrhundert werden die Szenen einander auch in typologischen Bilderzyklen gegenübergestellt.581 Auf dem Weg hinauf nach Bethel trifft Elija eine Horde Knaben, die ihm zuruft: „Kahlkopf, komm herauf! Kahlkopf, komm herauf!“ Das lateinische Wort für Kahlkopf, calve, lässt sich auf den Ort der Kreuzigung, den Kalvarienberg beziehen – so lassen sich Schädel und Knochen in der rechten unteren Ecke von Multschers Kreuztragung als direkte Anspielung auf die Verspottung des Propheten verstehen. Elija verfluchte die Kinder im Namen des Herrn, worauf 42 von ihnen von Bären zerrissen wurden. Das Fluchen, dessen Elija sich schuldig gemacht hatte, wurde in der christlichen Tradition zwar tendenziell negativ bewertet.582 Der Fluch Elijas galt jedoch zumeist als gerechtfertigt: Thomas von Aquin argumentierte beispielsweise, der Prophet habe die Knaben nicht aus sündigem Zorn verflucht, sondern aus Eifer für die göttliche Gerechtigkeit.583 Ähnlich hatte bereits Caesarius von Arles argumentiert sowie in der Nachfolge Thomas’ viele Weitere. In den bildlichen Darstellungen jedoch stehen nicht der Fluch oder das Zerfleischen der Kinder durch Bären im Vordergrund, sondern der Spott, der den Hochmut der Kinder verdeutlicht und alles Weitere zwar in den Hintergrund rückt, aber dennoch legitimiert.584 Die Spöttereien werden teilweise durch beleidigende Gesten wie die Feige und das Zähneblecken anschaulich gemacht, so zum Beispiel in der „Niederrheinischen Historienbibel“ (um 1450/60).585 Die Ergänzung der Kinder um das Motiv des Steinewerfens erklärte Marrow durch eine weitere Textstelle des Alten Testaments, die als Typus der Passion Christi angesehen wurde: Im 2. Buch Samuel 16,5–7 wird David auf seiner Flucht zum Jordan von einem Mann mit 579 Abb. 542 bei Suckale 2009, Bd. 1. 580 Der Hinweis darauf zuerst von Pickering 1953, S. 24. Vgl. Marrow 1979, S. 142 ff.; Neff 1990; Schwerhoff 1996, S. 266 ff. Weitere mittelalterliche Quellen bei Neff 1990, S. 241, Anm. 7. 581 Ebd., S. 216 ff. 582 Dazu Schwerhoff 1996, S. 258 ff. 583 Nach ebd., S. 260. 584 Vgl. ebd., S. 263. 585 Berlin, SBPK, Ms. germ. fol. 516, fol. 162r. Siehe Schwerhoff 1996, S. 253 u. Abb. 2. Vgl. dazu unten, Abschnitt VI.2.2.

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Steinen beworfen und von ihm als „vir sanguinum“ beschimpft.586 Diese Erklärung des Motivs steinewerfender Kinder ist nun quasi zweifach typologisch gedacht und taugt jenseits typologischer Bilderzyklen kaum mehr als Interpretation. Interessant aber ist, dass das Steinewerfen hier als eine Art Schandgeste im Zusammenhang mit der Beschimpfung Davids vorkommt. Dementsprechend ist auch das Bewerfen mit Steinen durch Kinder weniger als gewaltsamer denn als beleidigender Akt zu verstehen. Das Motiv ist daher in Abgrenzung zu der Steinigung mit Tötungsabsicht zu betrachten, wie es beim hl. Stephanus vorliegt.

Die Steinigung des hl. Stephanus Stephanus, einer der von den Aposteln eingesetzten sieben Diakone, ist das prominenteste Todesopfer einer Steinigung. Er besitzt unter den Märtyrern eine herausgehobene Rolle: Er war der Erste, der in der Nachfolge Christi das Martyrium erlitt, und neben dem Martyrium Jakobus’ d. Ä. ist seines das einzige, das im Neuen Testament (Apg 6,8–7,60) Erwähnung findet. Seine Steinigung wird indirekt von Jesus in seiner Rede gegen die Pharisäer und Schriftgelehrten prophezeit (Mt 23,37; vgl. Lk 13,34): „Jerusalem, Jerusalem, du tötest die Propheten und steinigst die Boten, die zu dir gesandt sind.“ Der Apostelgeschichte zufolge zog Stephanus den Zorn einiger Juden auf sich, da sie ihm in der Diskussion unterlagen; sie brachten ihn vor den Hohen Rat und bezichtigten ihn der Gotteslästerung. Stephanus hielt vor dem Rat eine lange Rede und beschuldigte die Pharisäer und Schriftgelehrten der Verfolgung und Tötung der Propheten, die das Kommen des Gerechten angekündigt hätten. Daraufhin wurde Stephanus von den Wutentbrannten aus der Stadt getrieben und gesteinigt. Seine Rolle als der Erste, der Christus insbesondere durch das Martyrium nachfolgte, manifestiert sich schon darin, dass sein Festtag der 26. Dezember ist, er also einen Tag nach dem Datum von Jesu Geburt starb. Schon Augustinus formulierte basierend auf Stephanus den Gedanken, dass der Todestag des Märtyrers sein eigentlicher Geburtstag sei. Auf Durandus geht dann ein im Mittelalter weit verbreiteter Merkvers zurück, der den Zusammenhang auf den Punkt bringt: „Heri natus est Christus in terris, ut hodie Stephanus nasceretur in coelis [...].“ – „Gestern wurde Christus auf Erden geboren, damit heute Stephanus im Himmel geboren werde [...].“587 Schon die kurze biblische Schilderung des Stephanus-Martyriums ist als Wiederholung der Passion Christi angelegt.588 Ausgangspunkt sowohl des Martyriums als auch der Passion sind jeweils Vorwürfe an die Pharisäer und Schriftgelehrten.589 Auch durch die Art der Hinrichtung ist eine Parallele gegeben: Die Steinigung ist für die Juden eine ebenso schmähliche Hinrichtungsart wie die Kreuzigung für die Römer. In den von Moses verkündeten Gesetzen der Israeliten heißt es, wer nach Aussage mehrerer Zeugen Götzendienst tue, solle zum Tor

586 Dazu Marrow 1979, S. 145 f. 587 Zitiert nach Kemp 1994, S. 474. 588 Siehe Buschmann 1994, S. 236 ff. 589 Mt 23,1–36; Mk 12,37–40; Lk 11,37–54.

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hinausgeführt und gesteinigt werden.590 Genau in dieser Weise wird mit Stephanus verfahren. In Deuteronomium 17,7 ist die Forderung formuliert, dass die Hinrichtung des Gotteslästerers von der Hand des ganzen Volkes ausgehen solle, um das Böse aus der Mitte der Gemeinschaft zu verbannen. Darin liegt der Vorteil der Steinigung als Hinrichtungsmethode: Sie kann kollektiv ausgeführt werden. Der verunreinigte und verunreinigende Gotteslästerer, das ‚Böse‘, muss dabei nicht einmal berührt werden.591 Die Steinigung ist ein kollektiver Mord par excellence: Von dem einzelnen Stein wird das Opfer nicht getötet; jeder trägt schließlich gleich viel Schuld am Eintritt des Todes. Im Deuteronomium ist weder ein Mord noch ein Opferritual beschrieben, sondern eine als legitim betrachtete Hinrichtung. In der Apostelgeschichte ist das Geschehen jedoch als unmoralische Tötung charakterisiert. Dies wird zum Beispiel durch die Erwähnung der falschen Zeugenaussagen deutlich; dass die Pharisäer und Schriftgelehrten die Wahrheit gar nicht wissen wollten, wird durch die Schilderung suggeriert, sie hätten geschrien und sich die Ohren zugehalten, als sie Stephanus aus der Stadt trieben, um seine anklagenden Worte nicht mehr hören zu müssen. Die Beschreibung der Ereignisse erweckt klar den Eindruck, dass es sich nicht um eine legitime Hinrichtung handelt, sondern um einen überstürzten Lynchmord592 – was das Martyrium des Stephanus deutlich vom Tod Christi unterscheidet. Durch die letzten Worte des Protomärtyrers wird jedoch wieder explizit auf die Kreuzigung verwiesen: Kurz vor seinem Tod ruft Stephanus: „Herr Jesus, nimm meinen Geist auf!“ (Apg 7,59), in Anlehnung an die Worte Jesu am Kreuz: „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist!“ (Lk 23,46); dann fiel Stephanus auf die Knie und rief: „Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht an!“ (Apg 7,60), so wie Jesus gebeten hatte: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ (Lk 23,34). Die Relevanz dieser letzten Worte machen auch die bildlichen Darstellungen deutlich: Mehrfach ist in sie der Ausruf des Märtyrers in Form eines Schriftbandes integriert (Farbabb. 22). Durch den biblischen Bericht vom Stephanus-Martyrium, das eine Konsequenz aus dessen Rede gegen die Pharisäer und Schriftgelehrten ist, wird ins Gedächtnis gerufen, dass auch die Ereignisse der Passion in direkter Folge der anklagenden Worte Christi stehen. In der Schilderung dieser Rede nach Matthäus 23,34–37 prophezeit Jesus den Pharisäern und Schriftgelehrten, dass sie das Blut von Propheten und Weisen vergießen werden: „[...] ihr aber werdet einige von ihnen töten, ja sogar kreuzigen, andere in euren Synagogen auspeitschen und von Stadt zu Stadt verfolgen. So wird all das unschuldige Blut über euch kommen, das auf Erden vergossen worden ist, vom Blut Abels, des Gerechten, bis zum Blut des Zacharias [Secharja] [...], den ihr im Vorhof zwischen dem Tempelgebäude und dem Altar ermordet habt. Amen, das sage ich euch: Das alles wird über die Generation kommen. Jerusalem, Jerusalem, du tötest die Propheten und steinigst die Boten, die zu dir gesandt sind.“

590 Dt 17,2–5. 591 Siehe dazu im Kontext seiner Sündenbocktheorie Girard 1978, S. 176 ff., hier 178. 592 Vgl. ebd., S. 179. Für Girard besitzt das Stephanus-Martyrium den Doppelcharakter einer rituellen Hinrichtung und eines Ausbruchs kollektiver Wut. Der Verweis auf den rituellen Charakter ist für ihn von Bedeutung, da er die Steinigung als eine Erneuerung des Gründungsmords betrachtet.

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Einerseits prophezeit Jesus damit sein eigenes Ende; andererseits weist er durch den Bezug auf Secharja im Alten Testament und die Steinigung von Boten direkt auf das Martyrium des Stephanus voraus: Secharja hatte dem Volk die Rückkehr zu Gott gepredigt und wurde daraufhin von ihm gesteinigt.593

Die Tradition von Steinigungsdarstellungen Die Steinigung wird in der schriftlichen Überlieferung nicht nur bei Stephanus, sondern auch bei anderen Märtyrern angeführt, jedoch in der spätmittelalterlichen Malerei hauptsächlich im Zusammenhang mit dem Protomärtyrer dargestellt. Das Martyrium des Stephanus wird in der Tafelmalerei des späten Mittelalters verhältnismäßig oft dargestellt, insbesondere in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Häufig geht der Szene der Steinigung diejenige der Rede vor dem Hohen Rat voraus, wobei oftmals die biblische Schilderung, dass die Juden währenddessen ihre Ohren zuhielten, integriert ist, so zum Beispiel beim „Stephanusretabel“ des Meisters von Uttenheim (um 1465/75; Moulins/Frankreich, Musée Anne de Beaujeu)594 oder Hans Klockers Altarretabel in St. Stephan in Pinzon (um 1490/95).595 In der Szene des Martyriums ist der Heilige immer kniend, versunken im Gebet dargestellt – in diesem Punkt unterscheidet sich die Umsetzung nicht von den zahlreichen Enthauptungsdarstellungen. In der Regel sind mindestens drei Steinewerfer dargestellt. Das Motiv der Steinigung wurde schon im 13. Jahrhundert genutzt, um die Figuren in unterschiedlichsten Bewegungsmotiven und aus unterschiedlichen Perspektiven darzustellen. Ein Beispiel hierfür ist die Darstellung des Stephanus in dem nordfranzösischen „Leben Christi und der Heiligen“ der Madame Marie aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts (Abb. 29 a) – hier fällt auf, dass die zwei Steinewerfer nahezu identische Bewegungsmotive aufweisen und nur in unterschiedlicher Ansicht dargestellt sind. Die bas-de-page-Darstellung des Philippus-Martyriums im „Belleville Brevier“ des Jean Pucelle von 1323–26596 zeigt den bereits gekreuzigten Apostel zwischen zwei Steinewerfern, die das Motiv des Werfens variieren: Einer ist in Vorder- und einer in Rückenansicht dargestellt, beide im Begriff, jeweils mit dem rechten Arm einen Stein auf den Heiligen zu schleudern. Stefan Lochner stellt die zwei Steinewerfer seines Philippus-Martyriums in solch ähnlichen Körperhaltungen dar, dass hier der Eindruck von Spiegelbildlichkeit entsteht (Farbabb. 10 e).597 Die verschiedenen Körperhaltungen können vor allem in der süddeutschen Malerei des späteren 15. und des 16. Jahrhunderts auch verschiedene Phasen des Geschehens – Aufheben, Ausholen, Werfen des Steins – repräsentieren. Besonders deutlich wird dies in der Darstellung des „Stephanusretabels“ des Meisters von Uttenheim (Farbabb. 22): Die Bewegungs593 2 Chr 24,20–21. 594 Abb. in Ausst.Kat. „Michael Pacher und seine Kreis“ 1998, S. 155. 595 Abb. bei Egg 1985, S. 103. 596 Paris, BnF, Ms. Lat. 10483, fol. 176. Abb. bei Lukatis 1997, S. 225. 597 Ebd., S. 224 ff. hat die Abhängigkeit Lochners vom „Belleville Brevier“ anhand von Detailübereinstimmungen aufgezeigt: Der Apostel wendet jeweils sein Gesicht leicht nach rechts, bei Lochner noch durch die leichte Schrägstellung des Kreuzes hervorgehoben, die durch die symmetrische Anlage der Komposition nicht begründet ist. Jeweils die linke der beiden Figuren trägt eine Kopfbedeckung.

Motive und Aspekte spätmittelalterlicher Gewaltdarstellungen  123

abfolge beginnt bei der vorderen Figur im blauen Gewand, die gerade zum Wurf ausholt, geht dann über die rot und die weiß gekleidete Figur im Hintergrund zu der am linken Bildrand stehenden in Gelb, die den Arm bereits zum Wurf ausstreckt. Die Verteilung der Bewegungsmotive desselben Bewegungsablaufs auf vier Figuren wirkt jedoch sehr konstruiert und wenig dynamisch. Bei der Steinigungsszene von Marx Reichlichs „Jakobus-Stephanus-Retabel“ (1506; München, Alte Pinakothek; Farbabb. 21 a) hingegen kommt zur Dynamik der Bewegung die ausgeprägt-aggressive Mimik der Peiniger hinzu, wodurch das Gewaltgeschehen eindringlicher visualisiert wird. Bei aller Dynamik und der Erzeugung des Eindrucks von Zeitlichkeit durch die Darstellung der verschiedenen Bewegungsmotive wird aber kaum je ein Stein im Flug dargestellt.598 Auch bei den Figuren in der Wurfphase – wie beim Meister von Uttenheim die Figur im gelben Gewand – ‚klebt‘ der Stein noch an der Hand. Die nächste dargestellte Phase ist erst das Auftreffen auf den Körper – vielfach direkt am Schädel oder an der Schulter des Heiligen. Darstellungen von fliegenden Steinen finden sich in der italienischen Malerei. Drei Beispiele sind mir bekannt – nur bei einer handelt es sich um eine Umsetzung des StephanusMartyriums, nämlich bei einem großformatigen, 1520 datierten Gemälde von einem Zyklus für die Bruderschaft des hl. Stephanus von Vittore Carpaccio (Stuttgart, Staatsgalerie).599 Zwei weitere Darstellungen sind Predellentafeln von Fra Angelico mit dem Martyrium der hll. Cosmas und Damian und ihrer jüngeren Brüder. Die frühere Darstellung der um 1430 entstandenen „Pala di Annalena“ (Florenz, Museo di San Marco) zeigt Cosmas und Damian gekreuzigt, im Mittelgrund auf der rechten Hälfte der Bildfläche. Die Steinewerfer befinden sich links im Vordergrund. Jeweils auf Hüfthöhe der Gekreuzigten schwebt ein Stein von immenser Größe. Das eigentlich Spektakuläre ereignet sich jedoch auf der linken Seite des Bildfeldes: Die vorderen Steinewerfer, von denen der eine mit noch ausgestrecktem Wurfarm dargestellt ist, werden selbst von den Steinen, die offenbar von den Heiligen abgeprallt sind, am Kopf getroffen; die hinterste Figur der Vierergruppe ist ein Bogenschütze, dessen Pfeil kurz nach dem Abschuss die Richtung geändert hat und nun in einem Bogen zurückfliegt.600 Die andere Darstellung, die von der Predella der wohl um 1440 geschaffenen „Pala di San Marco“ (heute in München, Alte Pinakothek; Farbabb. 23) stammt, unterscheidet sich durch ihren Bildaufbau davon: Die Gekreuzigten sind symmetrisch links und rechts der Mittelachse dargestellt. Die gesamte vordere Bildebene wird von ihren Gegnern eingenommen, die sie mit Steinen bewerfen bzw. mit Pfeilen beschießen, von denen zahlreiche in der Luft schwebend gezeigt sind. Allerdings sind einige bereits wieder auf dem Rückweg – dies wird aufgrund der immanenten Richtungsangabe freilich deutlicher bei den Pfeilen, von denen drei, die den Märtyrern schon sehr nahe sind, gerade um eine Kurve fliegen und zwei weitere bereits vollständig die Richtung gewechselt haben. Eine Figur ist von zwei Pfeilen 598 Ein Beispiel findet sich in der Glasmalerei: Meister Niklaus Magerfritz und Bernhard, Zehntausend Ritter-Fenster, 1447; Bern, Münster. Dargestellt ist, wie die Steine an den Heiligen abprallen und zurück in Richtung der Heiden fliegen. Dies ist allerdings aufgrund der durch das Medium bedingten mangelnden Räumlichkeit sowie der Entfernung schwer zu erkennen. Abb. 7 bei Hahnhloser 1950. 599 Abb. 71 bei Francesco Valcanover: Carpaccio, Florenz 1972, S. 73. 600 Vgl. die entsprechende Schilderung in der Legenda aurea (= Benz 1925, S. 738).

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durchbohrt zu Boden gestürzt, eine andere wird soeben getroffen. Ein Mann ist gerade an Schädel und Schulter von Steinen getroffen worden – in Panik wendet er sich in Richtung des Betrachters, die Hände erschrocken erhoben und das Gesicht im Schrei verzerrt. Wohl unter dem Einfluss südlicherer Beispiele entstand um 1500 eine Darstellung auf einem Flügelretabel aus Südtirol (Bozen, Museo Civico),601 die nur als Fragment erhalten ist. Einige Steine befinden sich im Flug, drei Steine treffen die Heiligen just am Körper und hinterlassen blutige Wunden, ein Pfeil hat sich durch ein Bein gebohrt. Daneben sind jedoch auch zwei Pfeile zu sehen, die sich offenbar umgekehrt haben und nun auf die Peiniger zufliegen.

2.8 Die Radmarter Eine besonders schändliche und qualvolle Hinrichtungsart des Mittelalters war das sogenannte ‚Radebrechen‘, das in der Hinrichtungspraxis bis ins 19. Jahrhundert hinein ausgeführt wurde.602 Es handelt sich um die nach dem Hängen am häufigsten verhängte Hinrichtungsmethode vom frühen Mittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts.603 Sie erfolgte gewöhnlich in zwei Schritten: Zunächst wurden dem Verurteilten mit einem Rad die Knochen gebrochen, ohne dass damit sein Tod herbeigeführt werden sollte604 – starb er schon während dieser Prozedur, wurde dies als göttliche Gnade angesehen.605 Im zweiten Schritt wurde der malträtierte Körper auf ein Rad ‚geflochten‘, das dann horizontal oder vertikal auf eine Stange gesetzt und mit dieser aufgerichtet wurde. Dort sollte der Verurteilte unter Qualen verenden, Wetter und Tieren hilflos ausgesetzt.606 Die in den Heiligenlegenden beschriebenen und in den Bildern dargestellten Radmartern sind aber nicht unbedingt identisch mit der tatsächlich praktizierten Methode. Häufig handelt es sich hier um zwei vertikal aufgestellte Räder, die das Opfer durch gegenläufige Bewegungen zerreißen sollen. Grausam erscheinende Hinrichtungsmethoden wie das Radebrechen dienten nicht nur dazu, den Verurteilten einem qualvollen Tod auszusetzen. Dies zeigt der Umstand, dass mit dem Körper des Geräderten in gleicher Weise verfahren wurde, wenn er unter der Tortur bereits gestorben war. Von zentraler Bedeutung ist die symbolische Funktion der Hinrichtung, die Schande über den Verbrecher bringen sollte. Denn während Schmerz, so furchtbar er auch sein mag, nur von relativ kurzer Dauer und an den irdischen Körper gebunden ist, besteht Schande in der mittelalterlich-religiösen Vorstellungswelt über den Tod hinaus fort.607

601 Abb. im Bildarchiv des Instituts für Realienkunde – Universität Salzburg: http://tethys.imareal.sbg. ac.at/realonline/ – hier Bild-Nr. 004352 (letzter Zugriff: 29.11.2013). 602 Van Dülmen 1985, S. 127; siehe auch Schild 1980, S. 202. 603 Ebd., S. 197 f.; van Dülmen 1985, S. 133. 604 Eine frühe profane Darstellung in der „Luzerner Chronik“ (1509–13), fol. 28r, Luzern, Zentralbibliothek. Abb. 46 bei Merback 1999. 605 Seit dem 17. Jh. wurde der Delinquent häufig bereits vorab getötet. Siehe van Dülmen 1985, S. 130. 606 Zur Praxis des Räderns siehe Schild 1980, S. 202; van Dülmen 1985, S. 130 ff. 607 Vgl. dazu Egmond 2003, S. 100 ff; 105 f.

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Die verhinderte Radmarter Die Radmarter wird vor allem im Rahmen des Katharinenmartyriums thematisiert, wo sie jedoch nie eigentlich zur Darstellung kommt.608 In der Regel ist Katharina vor dem Rad kniend dargestellt, während dieses durch Engel mit Schwertern, göttlichen Feuerregen oder Blitze zerstört wird, wobei der Legende nach 4.000 Heiden erschlagen wurden. Die „Legenda aurea“ berichtet von einem Engel, der das Rad mit „großer Ungestümigkeit“609 zerstörte – dabei haben dann mutmaßlich herumfliegende Teile des Rades die Heiden getötet. Die Getöteten werden in dieser Szene vielfach neben dem Rad dargestellt, oft handelt es sich um ein wahres Massaker wie beim „Katharinenretabel“ des Friedrich Pacher und Werkstatt im Augustiner-Chorherrenstift in Vahrn-Neustift/Italien (vor 1483; Abb. 32). Eine Tafel vom „Altarretabel des Georg Fütterer“ aus der Nürnberger Katharinenkirche (um 1506; Abb. 33), heute in St. Lorenz, zeigt die Zerstörung des Rades mit viel Liebe zum Detail: Man sieht in der Luft befindliche Teile des mit Messerklingen besetzten Rades und die bereits am Boden liegenden Schergen sowie eine abgetrennte Hand; die drei noch stehenden Heiden versuchen verzweifelt, sich mit den Armen gegen herumfliegende Teile zu schützen. Daneben kommt das Motiv vor allem im Kontext des Georg-Martyriums vor. Die „Legenda aurea“ berichtet davon, dass Georg gerädert werden sollte, das Rad jedoch zerbrach;610 es kommt dabei nicht eindeutig zum Ausdruck, ob dies geschah, bevor oder nachdem der Heilige darauf geflochten wurde.611 In der Regel wird, wie auf dem „Kölner Georgsretabel“ (um 1460; WRM; Abb. 34), dargestellt, wie das Rad durch göttlichen Feuerregen oder Ähnliches zerstört wird, während der Heilige unversehrt davor kniet. Auch hier werden häufig die Peiniger Opfer des Marterinstruments, so wie in der Szene eines Retabels aus der Filialkirche St. Peter und Paul in Kantnig/Österreich (um 1480–90; Klagenfurt, ÖLM; Abb. 35).

Die Radmarter im Vollzug Insbesondere aus dem Bereich der Wandmalerei sind auch Darstellungen der Radmarter im Vollzug bekannt,612 kaum jedoch aus der Tafelmalerei. Eine stark ästhetisierte Darstellung zeigte das heute zerstörte „Maria-Euphemia-Retabel“ des Meisters vom Marktkirchenaltar

608 Katharina auf dem Rad wird offenbar nur in der Ostkirche dargestellt. Siehe LCI, Bd. 7, Sp. 295. 609 Legenda aurea (= Benz 1925, S. 923). 610 Ebd., S. 304. 611 Hier ist Dorsch 1983, S. 104 zu widersprechen, der angibt, Georg sei in der „Legenda aurea“ bereits auf das Rad gebracht worden. 612 Bei Dorsch 1983 sind alle dem Autor bekannten Darstellungen von Georgszyklen kategorisiert. In seine Kategorie von Darstellungen des Räderns gehören aber sowohl die mit dem vor dem Rad knienden Georg als auch die mit dem auf das Rad gebrachten Heiligen. Die Überprüfung der katalogisierten Darstellungen führte zu dem Ergebnis, dass Darstellungen der Folter auf dem Rad in der Wandmalerei häufiger vorkommen.

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(um 1470):613 Hier sieht man die hl. Euphemia, flankiert von zwei Engeln, vollkommen unversehrt auf dem vertikal aufgestellten Rad thronen; am Boden liegt einer ihrer Peiniger, dessen Leib offenbar durch ein Messer des Rades in zwei Hälften geschnitten wurde – wie es dazu kommen konnte, bleibt unklar. Ein seltenes Beispiel zeigt den Vorgang des Räderns, wie er in der spätmittelalterlichen Hinrichtungspraxis tatsächlich vor sich ging. Es handelt sich um eine Tafel aus dem Kreis des Meisters der Apostelmartyrien mit dem Martyrium der Zürcher Stadtheiligen Felix, Regula und Exuperantius von etwa 1480 (Esztergom/Ungarn, Keresztény Múzeum; Farbabb. 24). Im Vordergrund liegt der hl. Felix auf einer Art Holzgitter, dessen Streben aufgrund ihres dreieckigen Querschnitts an der Oberseite spitz zulaufen. Seine Arme, Beine und der Oberkörper sind mit Seilen an fünf im Boden steckende Pflöcke gebunden. Der rechte Arm und das linke Bein weisen blutende Wunden auf und sind offensichtlich deformiert, also gebrochen. Zu den Füßen des Heiligen steht ein Scherge, der in den über den Kopf erhobenen Händen ein Wagenrad hält, das er im nächsten Moment (erneut) auf sein Opfer werfen wird. Im Hintergrund sind die hll. Exuperantius und Regula dargestellt, die bereits mit verrenkten Gliedmaßen auf große Räder aufgebracht sind, die horizontal auf übermannshohen Baumstämmen montiert sind. Ihre körperliche Deformiertheit ist immens: Arme und Beine sind zum Teil mehrmals um Speichen und Rad gewunden. Dennoch sind beide – angezeigt durch ihre geöffneten Augen – lebendig, was bei den im Hintergrund dargestellten Christenfeinden offenbar einiges Erstaunen auslöst, wie an ihrer verwunderten bis betretenen Mimik und Gestik deutlich wird.614 Der Legende zufolge scheiterte die Hinrichtung durch die Räderung und die Heiligen mussten enthauptet werden. Das „Georgsretabel“ in Alt-St. Georg in München-Milbertshofen von 1510, vermutlich aus dem Umkreis des Jan Polack stammend, zeigt auf der rechten Flügelaußenseite die Räderung des hl. Georg ebenfalls in Entsprechung zur damaligen Praxis (Farbabb. 15 c).615 Der Heilige ist auf ein mittels einer mannshohen Stange horizontal aufgestelltes Rad geflochten. Seine Gliedmaßen sind stark verdreht, die am Rad montierten Messer schneiden an mehreren Stellen in sein Fleisch, reichlich Blut fließt aus den Wunden. Im Hintergrund sieht man zudem die in der Tafelmalerei selten dargestellte Szene, in der Georg in einem mit Nägeln gespickten Fass einen Abhang hinuntergerollt wird. Am Beispiel des Räderns wird noch einmal besonders deutlich, dass die Darstellung bestimmter Gewaltmotive nicht unmittelbar auf die Straf- und Hinrichtungspraxis der Zeit zurückgeführt werden kann. Das Motiv der Radmarter wurde möglicherweise gerade aus dem Grund so selten in der Hagiographie dargestellt, weil es sich bei der Räderung um eine gängige und als besonders schändlich angesehene Hinrichtungsmethode handelte.

613 Ehemals Halberstadt, Domschatz. Abb. bei Gmelin 1974, S. 295. 614 Vgl. die Tafeln mit dem Martyrium der drei Heiligen von Hans Leu d. Ä. (1497–1502; Zürich, SLM), von denen heute nur noch die oberen Hälften erhalten sind. Der interessanteste Teil der Darstellung – die Räderung des Exuperantius – ist daher leider verloren. 615 Allgemein zu dem Retabel Hinterstocker 2006.

Motive und Aspekte spätmittelalterlicher Gewaltdarstellungen  127

Der Aspekt der Schändlichkeit Es ist auffällig, dass die Hinrichtungsarten des Erhängens und des Räderns, die im Mittelalter als besonders schändlich galten, in der spätmittelalterlichen Tafelmalerei fast nie in Verbindung mit Märtyrern dargestellt wurden. Dabei ist der Aspekt der Schändlichkeit charakteristisch für die Hinrichtungsart Christi. Die Schändlichkeit galt aus theologischer Sicht als notwendig: Das „Buch der heiligen Dreifaltigkeit“ (München, BSB, Cgm 598) aus dem 15. Jahrhundert hebt die Notwendigkeit eines schimpflichen Todes Jesu hervor. Das Werk entwickelt eine ‚saturnische Passion Jesu Christi‘. Als Saturnkinder wurden seit dem späten Mittelalter diejenigen Verbrecher bezeichnet, die sich eines besonders schändlichen Verbrechens schuldig gemacht hatten – dazu zählten Diebstahl, Mord, Betrug u. Ä. Sie galten als unter dem Einfluss Saturns stehend.616 Dem gegenüber standen die von Mars beeinflussten Verbrecher, die mit ehrenhaften Strafen, allen voran der Enthauptung, hingerichtet wurden. Das „Buch der heiligen Dreifaltigkeit“ erläutert, dass Christus die sündige Menschheit nur mit dem schimpflichsten Tod habe erlösen können und er daher auch wie ein Saturnkind habe gerädert und gehängt werden müssen. Dies ist erstaunlicherweise durch mehrere Miniaturen veranschaulicht, die Jesus unter anderem auf einem aufgestellten Rad liegend und an einem Galgen hängend zeigen.617 Die Notwendigkeit, eine schimpfliche Hinrichtungsmethode zu erleiden, folgt also kausal aus der Erlösungsfunktion des Todes Christi. An diesem Erlösungsaspekt haben die Märtyrer keinen Anteil. Wieder kommt die paradoxale christliche Ästhetik zur Geltung: Jesus wird gegenüber seinen Nachfolgern aufgewertet, indem er mit der Kreuzigung die niedrigste Hinrichtung erfuhr. Es sind also nicht nur ästhetische Gründe, die zur Vermeidung bestimmter Motive innerhalb der Hagiographie führten, sondern auch theologische.

2.9 Feuermartern Feuer ist eine der gängigsten Metaphern für Schmerz. Der Begriff wird sowohl im Zusammenhang mit Krankheiten wie dem Antoniusfeuer verwendet als auch zur Beschreibung von durch äußere Ursachen herbeigeführtem Schmerz, zum Beispiel das durch einen Schlag verursachte Brennen auf der Haut. Im Mittelalter stand Feuer (wie auch Wasser) sowohl für Zerstörung und Schmerz als auch für Reinigung von den Sünden und Erlösung. Präsent war das Motiv vor allem durch die Vorstellung von Fegefeuer und Hölle.618 Als Metapher für Schmerz verdeutlichte Feuer bei mittelalterlichen Theologen sowie in der Märtyrerliteratur den positiven Nutzen von Schmerz: Wie Gold werde der Mensch durch Feuer veredelt.619 Die hl. Margarethe wurde von ihren Peinigern mit Fackeln gebrannt

616 Schild 1980, S. 106 ff. 617 Abb. ebd., S. 110 f. 618 Cohen 2010, S. 33 f. 619 Z. B. bei Alcuin. Siehe ebd., S. 267, Anm. 34.

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und golden aufgefunden, denn Gold brenne nicht  – wie der Märtyrer.620 Wilhelm von Auvergne (um 1180–1249) schrieb in „De anima“, Schmerz reinige von den Sünden und „genau wie Feuer die Oberflächen von Geschirr härtet und stärkt und sie unempfindlich gegen Wasser macht und sogar gegen sich selbst [das Feuer], so rüstet und stärkt der Schmerz des gegenwärtigen Trübsals menschliche Seelen, sie verteidigend wie eine Rüstung“.621

Vielen Heiligen wurden im Zuge ihres Martyriums Feuerqualen zugefügt. Neben dem Brennen mit Fackeln sind hier in erster Linie das Rösten, das Sieden und das Verbrennen auf dem Scheiterhaufen zu nennen.

Rösten Das Rösten ist in der christlichen Bildtradition in erster Linie die spezifische Marter des hl. Laurentius, obgleich es legendarisch auch für andere Heilige überliefert ist. Wie Bartholomäus wird Laurentius im Zuge seines Martyriums in der Regel entblößt bis auf ein Lendentuch und auf dem Rücken liegend dargestellt. Perspektivisch stellt die Darstellung die gleichen Herausforderungen wie das Motiv der Schindung. Bei hochformatigen Bildfeldern wird aufgrund der üblichen Nahsichtigkeit der Darstellungen nördlich der Alpen oftmals die Lösung gewählt, den Rost schräg im Bildraum zu positionieren und zum Betrachter hin aufzuklappen. Ein Beispiel hierfür ist das „Warendorfer Retabel“ von um 1420 (Münster, WLM; Abb. 36). Die Schergen sind auf der Bildfläche unter und über dem Rost angeordnet. Später wurden neuartige Bildlösungen gewählt, so wie auf Michael Pachers „Laurentiusretabel“ in der Kirche St. Laurentius in St. Lorenzen/Italien (Südtirol) von um 1465 (Farbabb. 26). In vollendeter Beherrschung des Tiefenraums ist auch hier der Rost schräg in den Bildraum gerückt, wobei die Füße des Märtyrers in Richtung des Betrachters weisen.622 Sechs Heiden mit größenteils grotesken Kopfbedeckungen stehen vom Betrachter aus gesehen hinter dem Rost, einer davor. Zwei Schergen drücken den Heiligen mit Zangen auf den Rost, während ein Dritter mit einem Blasebalg die glühenden Kohlen anheizt. Der rötliche Widerschein der Kohlen ist am Rücken des Heiligen zu sehen. Im Gegensatz zu früheren Darstellungen ist hier eine deutliche Anspannung des Körpers zu erkennen, wodurch eine besondere Eindringlichkeit erreicht wird. Der Blick auf die linke Fußsohle sowie den Schritt des Märtyrers ist freigegeben. Zugleich wendet Laurentius dem Betrachter das Gesicht zu. Die ungewöhnliche, fast ‚unwürdige‘ Perspektive auf den Märtyrer spiegelt 620 Hahn 2001, S. 70. 621 Wilhelm von Auvergne, De anima 5, 1: 764a: „[...] et quemadmodum ignis lateres, et omnia alia vasa fictilia firmat, atque forticat, et abduratione quodammodo armat; non solum contra aquam, sed etiam contra se; lateres enim excocti nec ignem timent, nec aquam, sic dolor preasentium tribulationum animas humanas armas atque fortificat, et velut armaturam quandam eis patientiam operatur et praestat [...].“ Zitiert nach Cohen 2010, S. 267, Anm. 33 (Übers. d. Verf.). 622 Dadurch erinnernd an Mantegnas „Beweinung Christi“ (um 1480/90; Mailand, Brera), welche dem Betrachter im Bildvordergrund die Fußsohlen des Gottessohnes präsentiert und den Körper in extremer Verkürzung darstellt.

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eine allgemeine Tendenz des späten 15. Jahrhunderts wider, als auch für Christus in der Passion neue Bildlösungen entstanden, zunächst in Italien und dann auch in Deutschland, vor allem in der Druckgraphik. Mit Pachers Darstellung des hl. Laurentius liegt ein sehr frühes Beispiel hierfür vor. Der Grund für die Erfindung neuer Perspektiven war hinsichtlich der Passion Christi sicherlich, neue Impulse für die Entstehung von compassio auf Seiten des Betrachters zu geben. Angesichts des tapferen Märtyrers dürfte so die Bewunderung verstärkt und damit die Vorbildfunktion gefestigt worden sein. Herausragend in der Bilderfindung ist eine Darstellung des hl. Vincentius auf dem Rost auf einer Tafel des „Mariä-Krönung-Retabels“ von St. Vinzenz in Heiligenblut/Österreich (Kärnten), das etwa 1520 entstand (Abb. 37).623 Die Malereien des großen Retabels mit Doppelflügeln gehen größtenteils auf Marx Reichlich zurück; er zog sich jedoch aus unbekanntem Grund von der Ausführung zurück, bevor die Vorderseiten der Außenflügel, zu denen zwei Marterszenen des Kirchenpatrons gehören, vollendet waren. Zumindest aber die perspektivisch gewagte Konzeption der Tafeln, die in der Ausführung nicht ganz gelungen ist, ist wohl Reichlich selbst zuzuschreiben. Die Darstellung des Vincentius auf dem Rost ist in starker Untersicht gegeben und steht somit etwa im Einklang mit dem Standpunkt des Betrachters. Das Geschehen spielt sich offenbar auf einer Brücke ab, deren Tonnenwölbung für den Betrachter zu sehen ist. Direkt am Rand der Brücke befindet sich das Kopfende des Rostes, unter dem Flammen lodern. Der Heilige liegt wie üblich rücklings darauf. Die Perspektive auf ihn ist fast spiegelbildlich zu der von Pachers „Laurentiusretabel“, der Kopf ist also dem vorderen Bildrand am nächsten, aufgrund der starken Untersicht ist dem Betrachter das Gesicht des Heiligen jedoch entzogen. Dafür wird das blanke Gesäß Vincentius’ sichtbar – was nur äußerst selten vorkommt, wie bei dem bereits erwähnten „BartholomäusMartyrium“ Lochners. Hervorzuheben ist hier der Wille zu einem kühnen und neuartigen Bildschema, wie seit dem Ende des 15. Jahrhunderts bereits für verschiedene Szenen der Passion Christi zu notieren, zunächst in der Druckgraphik,624 dann auch in der Tafelmalerei. Die gewagte Perspektive basiert wahrscheinlich auf Reichlichs Begegnung mit der oberitalienischen Malerei, zum Beispiel Bellinis und Mantegnas, zu der es auf zwei Reisen des Malers nach Süden, 1508 und wohl 1512, kam.625

Sieden Die Hinrichtungsmethode des Siedens ist aus den Legenden verschiedener Heiliger bekannt, wurde jedoch zuweilen auch tatsächlich vollstreckt.626 Bei lebendigem Leibe in Wasser oder Öl gekocht zu werden, muss eine besonders qualvolle Art des Sterbens sein. In den Darstel623 Dazu Semper 1911, S. 369; Höfler 1998, S. 67 ff. 624 Vgl. z. B. Albrecht Altdorfer, Kreuzannagelung, Holzschnitt, um 1513 – entgegen der Tradition befindet sich der Kopf Jesu während des Vorgangs am vorderen Bildrand, die Beine zeigen zur Mitte. Vgl. zur Darstellung Christi in „unheroischen Situationen“ in der deutschen Druckgraphik Büttner 1993. 625 Dazu Höfler 1998, S. 65 ff. 626 Schild 1980, S. 206.

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lungen der Heiligen wirkt das Sieden jedoch geradezu harmlos, da äußerlich keine physischen Beeinträchtigungen zu erkennen sind und wie üblich der Ausdruck von Schmerz fehlt. So urteilte Johanna Schopenhauer über die „Marter des hl. Johannes“ von Stefan Lochners „Weltgerichtsretabel“ (Farbabb. 10 a, linker Flügel, mittleres Register rechts): „St. Johannes sitzt in seinem siedenden Oelkessel wie in einem lauwarmen Bade“.627 Formal ähneln Darstellungen des Siedens häufig Taufdarstellungen,628 zumal bei beiden Bildthemen Mimik und betende Haltung einander entsprechen. Inhaltlich ist die formale Parallele sinnvoll, da das Martyrium seit Tertullian als Bluttaufe bezeichnet wird.629 Den Eindruck, dass es sich beim Sieden tatsächlich um ein gemütliches Bad handle, verhindern in der Regel einige unsympathische Schergen, die eifrig darum bemüht sind, den Vorgang voranzutreiben. Zum üblichen Personal gehören eine oder mehrere Figuren, die das Feuer durch einen Blasebalg oder zusätzliche Holzscheite anheizen. Oft wird dem Heiligen auch von oben eingeheizt, indem ihm seine Peiniger mit großen Schöpfkellen heiße Flüssigkeit, meist aus einem zusätzlichen Kessel, über den Kopf schütten. In der Regel sind diese Elemente der Tortur der Szene lediglich attributiv beigefügt, sie erscheinen als tradiertes anekdotisches Beiwerk, ohne dass die Prozedur in ihrer Grausamkeit besonders betont würde. Eine drastische Darstellung des Johannes-Martyriums zeigt das Flügelretabel der Fridolfinger Johanniskirche vom Ende des 15. Jahrhunderts (Fridolfing, Pfarrhaus; Farbabb. 27): Die üblichen Elemente sind hier eindrucksvoll in Szene gesetzt und um weitere Details bereichert. Die Flammen schlagen bedrohlich unter den beiden Kesseln hervor, Funken sprühen und dunkler Rauch steigt auf. Johannes, der wie immer wohlgemut in seinem Kessel sitzt, zeigt immerhin körperliche Anzeichen der Tortur: An der Oberfläche der Flüssigkeit leuchtet sein Fleisch rötlich. Besondere Drastik verleihen der Darstellung zwei Figuren im Hintergrund der Szene: Vom Betrachter aus rechts hinter Johannes befindet sich ein Mann mit einem Blasebalg, der seine Augen mit der rechten Hand vor dem Rauch schützt oder sich vielleicht den Schweiß abwischt. Auf der anderen Seite hinter dem Apostel sieht man eine Figur, die Holzscheite geschultert hat – ein Ende der Tortur ist demnach nicht absehbar. Die Flammen, der Rauch, die grelle Farbigkeit der Gewänder, die Licht- und Schattenpartien vermitteln zusammen mit dem Goldgrund den Eindruck ‚hitziger‘ Geschäftigkeit, die dem Betrachter die Dramatik des Geschehens verdeutlicht. Der Legende nach fand die Marter des Evangelisten im Ölkessel vor der Porta Latina in Rom statt. Johannes soll sie jedoch unbeschadet überstanden haben.630 Nach dem Scheitern dieser Methode wurden, entgegen der üblichen Vorgehensweise, jedoch keine weiteren Anstrengungen unternommen, die Hinrichtung des Apostels zu vollenden, sondern er wurde in die Verbannung nach Patmos geschickt. Er soll später in hohem Alter eines natürlichen Todes gestorben sein.631 Obgleich er also kein Märtyrer ist, erscheint seine Marter im Ölkes627 Schopenhauer 1831, S. 272. 628 Vgl. das „Georgsretabel“ im Wallraf-Richartz-Museum (Abb. 34), das sowohl eine Taufe als auch eine Marter im Ölkessel zeigt. 629 Tertullian, De baptismo 16. Siehe Lohse 1955, S. 211. 630 Legenda aurea (= Benz 1925, S. 358 f.). 631 Ebd., S. 72.

Motive und Aspekte spätmittelalterlicher Gewaltdarstellungen  131

sel gleichberechtigt neben den anderen Martyrien – vor allem in Kombination mit den Martyrien des Täufers oder der übrigen Apostel.

Brennen und Verbrennen Das Brennen mit Fackeln kommt als Marter in vielen Legenden und bildlichen Darstellungen vor, beispielsweise bei Georg (Abb. 34), Margarethe (Farbabb. 1 c), Barbara (Abb. 60 c) und zahlreichen anderen Heiligen. Dominierend sind in den Darstellungen nicht die Folgen der Gewalt am Leib des Opfers, sondern der Aspekt der Entblößtheit in der Tortur, der in Kapitel V behandelt wird. Das Verbrennen des gesamten Körpers ist hingegen als Motiv selten, da die vollständige Vernichtung des Heiligen in der Hagiographie vermieden wird.632 Eine bekannte Ausnahme sind die 50 Weisen, die der hl. Katharina in der disputatio unterlagen und dadurch bekehrt wurden, worauf sogleich ihr Martyrium folgte. Aufgrund der Popularität der hl. Katharina im späten Mittelalter ist diese Szene recht häufig dargestellt worden. Ein Retabelflügel aus dem Umkreis Bernt Notkes im Lübecker St. Annen-Museum von um 1490 zeigt im Hintergrund in stark verkleinertem Maßstab die Verbrennung der hll. Crispin und Crispinian.633 Erkennbar ist, dass die Peiniger unter der Hitze leiden, die Heiligen aber offenbar nicht. Reizvoll ist die Kombination mit der im Vordergrund dargestellten Szene: dem versuchten Ertränken der durch Mühlsteine beschwerten Heiligen in einem Fluss. Die Märtyrer sitzen jedoch auf den Mühlsteinen wie auf überdimensionalen Seerosenblättern und gehen offenbar, trotz Nachhelfens der Peiniger durch Eisenstangen, nicht unter. Die Mimik und Gestik der dem Geschehen beiwohnenden Auftraggeber verrät Verwunderung. Die Erfolglosigkeit der beiden im gleichen Bildfeld dargestellten, so gegensätzlichen Hinrichtungsmethoden stellt eine visuell eindringliche Formulierung der Allmacht Gottes dar. Eine seltene Darstellung der verbrennenden Apollonia (Salzburg um 1490; Farbabb. 29) findet sich im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg. Die Heilige steht in anmutiger, betender Haltung auf einigen aufgeschichteten Holzscheiten, aus denen Flammen ­schlagen – Eusebius zufolge sollte sie verbrannt werden und sprang zuvor selbst ins Feuer.634 Als charakteristische Marter Apollonias hat sich jedoch das Herausziehen ihrer Zähne herausgebildet.635 Das Verbrennen auf dem Scheiterhaufen wird im späten Mittelalter auch mit Ketzerei assoziiert, was ein Grund für die Seltenheit solcher Darstellungen im Zusammenhang mit Heiligen sein könnte. Es kam jedoch vor, dass die Kirche jemanden zum Ketzer erklärte, der von anderen für unschuldig gehalten und zum Märtyrer erhoben wurde. 632 Siehe unten, Abschnitt IV.2.12. 633 Abb. bei Albrecht 2005, S. 297. 634 Historia Ecclesiastica 6, 41 (= BKV online: http://www.unifr.ch/bkv/kapitel52-40.htm  – letzter Zugriff: 31.8.2011). 635 LCI, Bd. 5, Sp. 232 ff.

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Jan Hus – ein böhmischer ‚Märtyrer‘ des 15. Jahrhunderts Die Flügel eines Altarretabels aus der Kirche des hl. Wenzel in Raudnig/Tschechien (Abb. 38), die sich heute im nahegelegenen Ústí nad Labem im Museum befinden,636 zeigen je zwei Martyriumsszenen übereinander: die Enthauptung des Jakobus über Laurentius auf dem Rost sowie die Pfeilmarter Sebastians über einem ‚Märtyrer‘ auf dem Scheiterhaufen. Bei Letzterem handelt es sich um den 1371 geborenen Jan Hus, Leitfigur der hussitischen Reformbewegung, der im Jahr 1415 auf dem Konzil von Konstanz als Ketzer verbrannt worden war. Die Hinrichtung wurde von seinen Anhängern zum Märtyrertod erhoben – dies kommt durch seine Einreihung in die Gruppe der frühchristlichen und frühmittelalterlichen Heiligen auf dem Retabel aus Raudnig deutlich zum Ausdruck. Wie die Übrigen ist auch Hus mit gestenreich diskutierenden Gegnern dargestellt, im Gegensatz zu den Heiligen jedoch beidseitig gerahmt von ihnen. Die Historie aber lehrt, dass die Figuren, die bei Jakobus, Laurentius und Sebastian Heiden sind, in diesem Fall Christen sind; Hus ist durch Hut und Gewand eindeutig als Ketzer aus römisch-katholischer Sicht ausgewiesen – dadurch wird hervorgehoben, dass die Katholiken bei seiner Verurteilung ebenso irrten wie die Heiden im Falle der frühchristlichen Märtyrer. Hus steht inmitten von zusammengeschnürten Holzscheiten, ähnlich wie sonst Johannes der Evangelist in seinem Ölkessel, während zwei Schergen mit dem Entzünden des Haufens beschäftigt sind – erste dünne Flämmchen züngeln bereits hervor. Das Konzil von Konstanz, auf welchem Jan Hus verurteilt und hingerichtet wurde, wurde von Sigismund, seit 1410 römischer König, einberufen, um die Konflikte seines Bruders Wenzel, römischer Kaiser und König von Böhmen, mit den Hussiten zu beenden. Sigismund hatte Hus freies Geleit versprochen, damit er dort seine Ansichten verteidigen könne. Hus wurde in Konstanz jedoch angeklagt und hingerichtet, wozu Sigismund seine Zustimmung gegeben haben soll.637 Dieser zog sich so die Rolle des Verräters zu und hatte zudem das tschechische Nationalgefühl verletzt. Nach dem Tod seines Bruders im Jahr 1419 wurde Sigismund zum römischen Kaiser gekrönt und hatte Anspruch auf den böhmischen Thron, wogegen sich die Hussiten standhaft wehrten. In mehreren bekannten hussitisch beeinflussten Bildern fällt Sigismund die Rolle des Bösewichts zu  – ein Beispiel ist die Tafel von Náměšť (Brno/Tschechien, Moravská galerie), entstanden um 1420–30, die auf einer Seite das Martyrium einer als Katharina identifizierten Heiligen zeigt, wobei der berittene heidnische Herrscher die Züge des Kaisers trägt (Farbabb. 16 a).638 Sigismund musste Böhmen 1421 mit dem Beginn der Hussitenkriege verlassen. Die Hussiten hatten seine Anerkennung als König an bestimmte Bedingungen geknüpft, die er nicht akzeptierte. Erst nach mehreren Kreuzzügen und zahllosen Schlachten söhnten sich die Utraquisten, die gemäßigten Hussiten, mit der römisch-katholischen Kirche aus; 1436 konnte Sigismund nach Böhmen zurückkehren. 636 Abb. beider Flügel bei Bartlová 2005, S. 428; Farbabb. der Jan-Hus-Szene in Ausst.Kat. „Die Elbe – ein Lebenslauf“ 1992, S. 219 (Kat.-Nr. 4/58). 637 Lambert 1977, S. 321 ff. 638 Bartlová 1999, S. 6.

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Zwar waren die Hussiten traditionell bilderfeindlich eingestellt und der Ausbruch der hussitischen Revolution wurde von einem Bildersturm begleitet – dennoch hatte sich bald nach dem Tode des Jan Hus eine hussitische Kunst mit einer eigenen Ikonographie und spezifischen Ausdrucksmitteln herausgebildet.639 Das bekannteste Beispiel ist wohl das sogenannte „Raigerner Retabel“ (um 1410–20; Brno/Tschechien, Moravská galerie). Das erste bekannte Bildnis des Jan Hus findet sich in der „Martinice-Bibel“, entstanden in Prag 1430– 34, also bereits geraume Zeit nach seinem Tod.640 Wie die meisten späteren Darstellungen zeigt es Hus gemäß dem Bericht über die Ereignisse in Konstanz seines Gefährten Petr von Mladoňovice mit dem Ketzerhut auf dem Scheiterhaufen. Von einer Portraitähnlichkeit ist dabei nicht auszugehen. Ab 1436 konnten die Kunstwerke in die Kirchen zurückkehren und 1441 erneuerte die utraquistische Kirche die Heiligenverehrung.641 Die Hoffnung auf Versöhnung und vollwertige Anerkennung der Utraquisten zerschlug sich im Jahr 1458, als Papst Pius II. den neugekrönten ‚Hussitenkönig‘ Georg von Podiebrad mit einem Bann belegte. Die reformatorische Haltung gewann erneut an Schärfe. Das Flügelretabel aus Raudnig entstand wohl erst in den 1480er Jahren.642 Während des Aufstands der Prager Utraquisten 1483 wurden nur wenige Kunstwerke zerstört und parallel war es offenbar noch möglich, dass dezidiert antikatholische Werke entstanden. Die Erinnerung an den Verrat Sigismunds war über ein halbes Jahrhundert später noch immer lebendig. Jan Hus stand als Märtyrerfigur nicht nur für die religiöse Unabhängigkeit der Utraquisten, sondern auch für die politische Unabhängigkeit Tschechiens.

2.10 Massensterben: das Martyrium der 10.000 Christen In der spätmittelalterlichen Malerei gibt es zwei Bildthemen, die einem wahren Massenmord gleichen: das Martyrium des hl. Achatius mit den 10.000 Christen von Armenien und das Martyrium der hl. Ursula mit den 11.000 Jungfrauen. Beide Themen erfreuten sich in der spätmittelalterlichen Tafelmalerei außerordentlicher Beliebtheit. Eine Erklärung hierfür könnte der Umstand sein, dass man sich in Zeiten der Pest mit dem dargestellten Massensterben identifizieren konnte und Achatius und Ursula, die beide zu den 14 Nothelfern gehören, sich als Fürbitter eigneten. Im Folgenden soll nur auf das Martyrium der Zehntausend eingegangen werden.643 Der Tod als Massenphänomen entspricht dem Charakter des christlichen Martyriums in besonderer Weise, da dieses in der Nachahmung eines Urbildes, dem Kreuzestod Christi, 639 Dazu Krása 1974, S. 47 f. Zur Charakterisierung hussitischer Kunst vgl. ebd., S. 49; Bartlová 1999; Suckale 1993, S. 67. 640 Krása 1974, S. 49. 641 Dazu und zum Folgenden Bartlová 1999, S. 20 f. 642 Ebd. 643 Das zentrale Element der Darstellungen des Ursula-Martyriums ist das Schiff. Wasser steht für das Bekenntnis zum christlichen Glauben und für die Reinigung von den Sünden (Taufe und Bluttaufe). Das Schiff steht symbolisch für die Macht und rettende Kraft Gottes (Arche Noah) sowie der Kirche (Sakrament der Taufe; Kirchenschiff). Vgl. dazu Kussin 1937, S. 79.

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besteht. Der Tod Christi und jedes Märtyrers wird immer wieder neu reproduziert. Jedes einzelne Martyrium bringt neue Märtyrer hervor, es entsteht eine „Genealogie des Sterbens“.644 Dieser Umstand findet in Darstellungen von Massenmartyrien einen adäquaten Ausdruck.645 Der Legende nach wurde der heidnische Fürst Achatius mit seinen 9.000 Soldaten von den römischen Kaisern Hadrian und Antonius für einen Feldzug in Kleinasien angeworben. Engel verhießen den Unterlegenen den Sieg, wenn sie zu Christus beteten. Nach gewonnenem Kampf wurden die Soldaten auf den Berg Ararat geführt und im christlichen Glauben unterwiesen, wobei sich der Himmel öffnete. Auf Anweisung der verärgerten Kaiser wurden sie gefoltert, wobei 1000 Heiden bekehrt wurden. Nach verschiedenen Martern – je nach Überlieferung in unterschiedlicher Kombination und Reihenfolge Steinigung, Geißelung, Dornenkrönung und Kreuzigung – wurden alle Zehntausend vom Berg ins Dornengestrüpp hinunter gestoßen.646 Die Legende entwickelte sich im 12. Jahrhundert nach dem Vorbild der Thebäischen Legion. Entstanden als Ansporn für die Kreuzritter, wurde die Legende 1343 ins Deutsche übertragen647 und stieg offenbar in der direkten Folge zu einem beliebten Bildthema auf, sicherlich auch bedingt durch Achatius’ Zugehörigkeit zu den 14 Nothelfern. Insbesondere im Raum Köln entstanden auffallend viele Darstellungen des Martyriums der 10.000 Christen. Köln war zuvor ein Zentrum der Verehrung des hl. Gereon und seiner Gefährten gewesen, einem Truppenteil der Thebäischen Legion, das sein Martyrium vor den Toren der Stadt erlitten hatte648 – die Verehrung scheint den Bildzeugnissen zufolge fast gänzlich auf Achatius und die Zehntausend übergegangen zu sein, obgleich diese keinen spezifischen Bezug zur Stadt Köln aufweisen. Die Beliebtheit des Themas steht sicherlich im Zusammenhang mit dem Ausbruch der Pest in Europa 1347/48 – etwa um diese Zeit setzt in Deutschland eine umfassende Bildproduktion ein. Die Legende konnte aber auch auf geschickte Weise als Motivation für die Kreuzritter fungieren. Schon Ludwig IX. (1214–70), König von Frankreich, hatte in einer durch Zeitzeugen überlieferten Ansprache den Krieg mit dem Martyrium in Verbindung gebracht und verherrlicht: „Alles geschieht zu unserem Besten, was uns auch begegnen mag. Wenn wir besiegt werden, sind wir Märtyrer; wenn wir siegen, wird der Ruhm Gottes dadurch erhöht und auch der Frankreichs und der Christenheit selber.“649 Der Krieg kann für die christlichen Soldaten also nur mit dem Sieg enden – entweder dem Sieg über die Feinde oder dem Sieg durch die Gnade des Martyriums. Die Möglichkeit einer Niederlage wird dadurch negiert. Im Falle der 10.000 Märtyrer folgte das Martyrium erst auf den Sieg in der Schlacht, da sich die heidnischen Herrscher gegen ihre eigenen Truppen wandten. Diese Gefahr 644 Weigel 2007, S. 20. 645 Auch wenn der Seriencharakter der Märtyrer erst in der Epoche von Fotografie und Film sein ideales Medium gefunden hat – ebd., S. 21. 646 LCI, Bd. 5, Sp. 16 f. 647 Ebd., Sp. 17. 648 LCI, Bd. 8, Sp. 429–432. 649 Zitiert nach Rehm 2008, S. 217.

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bestand im Falle der mittelalterlichen Kreuzzüge aber nicht, da sie unter christlichen Herrschern ‚im Namen Gottes‘ geführt wurden. Dennoch wurden die Kreuzritter durch Ludwig IX. moralisch auf die gleiche Ebene wie Achatius und seine Soldaten gehoben. Durch die Motive Geißelung, Dornenkrönung und Kreuzigung steht das Martyrium der Zehntausend in einem deutlichen Bezug zur Passion Christi.650 Bildlich dargestellt wurden zunächst nur die in den Dornen hängenden Märtyrer; der Sturz vom Berg Ararat wurde erst in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts und insbesondere Anfang des 16. Jahrhunderts zum Motiv.

Ornament und Pose Schon die frühe Darstellung eines Kölner Meisters von um 1325–30 (Köln, WRM; Farbabb. 28) lässt die Tendenz erkennen, die aufgespießten Körper der Märtyrer als Formgelegenheit zu nutzen und durch ihre Anordnung in der Bildfläche einen ornamentalen Eindruck zu erzielen. Die Fläche der vier einzelnen Bildfelder des Diptychons ist fast vollständig durch die insgesamt zehn in den Dornen hängenden Körper ausgefüllt, die unterschiedlichste Posen einnehmen. Das erste Bildfeld zeigt links den heidnischen Herrscher, der in gezierter Pose mit übergeschlagenem Bein auf dem Thron sitzt, in der linken Hand das Schwert als Zeichen seiner ‚Gewalt‘, mit der Rechten entschieden zur Mitte der Szene weisend und dadurch als Verursacher des Geschehens gekennzeichnet. In der Mitte ist Achatius dargestellt, der durch seine aufrechte Haltung und die ausgestreckten Arme an den gekreuzigten Christus erinnert. Der Scherge, der seinen Arm festhält, sucht den Blick seines Auftraggebers. Neben Achatius zeigt das erste Bildfeld nur noch einen weiteren Märtyrer, der kopfüber in den Dornen hängt – und eine Bischofsmitra trägt. Vom Betrachter aus rechts neben dem Kopf des hl. Achatius und oberhalb vom Körper des Bischofs findet sich die Inschrift „S. Agacius“, die irrtümlicherweise auf den Bischof bezogen wurde.651 So hatte das Kölner Diptychon wesentlichen Anteil daran, dass sich wohl seit 1914 und später durch Joseph Brauns Standardwerk „Tracht und Attribute der Heiligen in der Deutschen Kunst“ (1943) die Deutung der Figur, die in zahlreichen weiteren Beispielen vorkommt, als Achatius etablierte.652 Christoph Stöcker wies darauf hin, dass der Bischof in einer erweiterten Version der Legende, die schon vor 1350 entstand, namentlich erwähnt wird: Es ist der hl. Hermolaus, der die 10.000 Märtyrer vor ihrem Tod getauft haben soll.653 Der Bischof tritt an die Stelle der Engel und der wundersamen Öffnung des Himmels. Die Ergänzung der Legende verweist so auf die Bedeutung der Taufe und der Institution der Kirche. 650 Die theologischen Implikationen des Martyriums der Zehntausend vernachlässigt Sandner 1993, S. 152 und reproduziert das Klischee der gegen Gewalt abgestumpften mittelalterlichen Menschen, indem er feststellt: „Der tödliche Sturz der Gefangenen auf dornenartige Pfähle war trotz Gewöhnung an Grausamkeiten im Rechtsvollzug geeignet, die Menschen zu tiefem Mitleid und Zorn zu bewegen.“ 651 Stöcker 1984, S. 124. 652 Braun 1943, Sp. 20 f.; siehe auch LCI, Bd. 5, Sp. 20 f. 653 Stöcker 1984, S. 127 f.

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Die nächsten Bildfelder zeigen weitere in den Dornen hängende Märtyrer. Diese waren und sind zum großen Teil immer noch, trotz ihres Aufgespießtseins, lebendig; die Schergen töten sie durch Schläge mit einem Hammer. Tröstend wirkt die Anwesenheit von Engeln, aus rosa Wölkchen am oberen Rand des zweiten und dritten Bildfelds kommend, die für die Aufnahme der Seelen bereit sind. Eine noch stärker ornamentale Behandlung des Motivs zeigen einige weitere Beispiele, die außerhalb eines narrativen Kontextes stehen. Sie kombinieren das Martyrium der Zehntausend mit der Kreuzigung Jesu in der gleichen Szene und verweisen somit auch auf den Aspekt der imitatio Christi, der durch das Motiv der Dornen als Marterinstrument hier besonders auffällig ist. Eines der Beispiele (um 1440/60; Bardejov/Slowakei, Šarišské múzeum; Farbabb. 30) zeigt übereinander aufgetürmt zehn in den Dornen hängende Märtyrer, allesamt unbekleidet bis auf ein weißes Lendentuch. Ihre Körper sind in unterschiedlichen Posen aufgespießt, bilden zusammen gesehen aber eine kreisförmige Einheit, was durch die auffällige Präsenz der sich von dem dunklen Hintergrund abhebenden goldenden Nimben hervorgehoben wird. Am Scheitelpunkt der Kreisform erwächst gleichsam das Kreuz mit dem toten Christus. Zwischen dem makaberen Motiv des zehnfachen Todes und der Harmonie der Form sowie der Schönheit des Ornamentalen besteht aus heutiger Sicht ein seltsamer Widerspruch.654 Verwandt mit dieser Gruppe von Darstellungen, die das Martyrium der Zehntausend und die Kreuzigung Christi kombinieren, ist eine um 1470/80 entstandene Tafel im Rathaus von Grodków in Polen (Abb. 39):655 Sie zeigt im Vordergrund die Szene der Gregorsmesse, hinter dem Altar mit Schmerzensmann in viel größerem Maßstab die Kreuzigung mit Maria und Johannes, während der vegetabil (Eichenlaub und Eicheln) punzierte Goldgrund mit zehn von Dornengestrüpp aufgespießten Märtyrern übersät ist.656

Das Martyrium der Zehntausend als Formgelegenheit Das Bildthema bietet wie kaum ein anderes im sakralen Bereich die Gelegenheit, ungewöhnliche Körperhaltungen darzustellen; vergleichbar sind allenfalls Darstellungen der Sünder und ihrer Bestrafungen in der Hölle. Zunächst werden die Märtyrer, wie im Falle des frühen Kölner Diptychons, nur in den Dornen hängend dargestellt. Dabei nehmen sie aber bereits verschiedenste Posen ein, zum Beispiel kopfüber. In dieser Weise wird das Martyrium noch bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts dargestellt. Ein spätes Beispiel, entstanden um 1508/09, ist die Darstellung auf dem „Passionsretabel“ der Kapelle des Kappelerhofes des Ersten Zürcher Nelkenmeisters (Zürich, SLM; Abb. 40): Im Hintergrund ist ein aufgespießter Märtyrer zu sehen, der eine auffallend artifizielle Haltung annimmt. Positioniert auf einem anderen aufgespießten Märtyrer, der mit dem Gesicht zum Boden hängt, ist er in 654 Zum eucharistischen Bezug der Darstellung siehe unten, Abschnitt IV.2.11. 655 Die ungewöhnliche Kombination der Motive wurde bereits festgestellt von Tammen 1993, S. 87. 656 Ähnlich eine Wandmalerei von um 1418–20 in Brzeg/Polen, Nikolai-Kirche, Sakristei; Abb. in Karłowska-Kamzowa 1982, S. 279.

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einer liegenden Haltung mit angewinkeltem rechten Arm und angewinkelten Beinen dargestellt, die fast identisch mit der von Michelangelos Figur der Morgendämmerung vom 1521–34 entstandenen Medici-Grabmal in der Neuen Sakristei von San Lorenzo ist – nur, dass an allen erdenklichen Körperstellen riesige Dornen aus seinem aufgespießten Körper herausragen. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts wird neben den in den Dornen hängenden Märtyrern nun auch der Sturz vom Berg Ararat als Formgelegenheit erkannt. Ein frühes Beispiel ist die Darstellung auf dem Flügel des „Nothelferretabels“ aus der Kirche Allerheiligen in Kleinschwarzenlohe vom Meister des Veldener Hochaltars, um 1465 (Nürnberg, GNM; Farbabb. 32): Während im Vordergrund einige in den Dornen hängende Märtyrer dargestellt sind, ist im Mittelgrund links eine Klippe zu sehen, von der die Christen geworfen werden. Das um 1500 verwendete Bildschema ist hier im Wesentlichen vorgebildet. Originell in der Umsetzung ist eine um 1480 entstandene Darstellung in der Pfarrkirche von Salzburg-Morzg (Farbabb. 31), in der die Märtyrer von einer Brücke geworfen werden. Vorbildhaft für viele Umsetzungen des Motivs in der Tafelmalerei nach 1500 war Dürers Holzschnitt von um 1496 (Abb. 43). Auf seiner Darstellung basieren beispielsweise die Flügelinnenseiten des 1506 entstandenen „Achatiusretabels“ aus der Werkstatt des Erasmus Grasser (Reichersdorf, St. Leonhard; Abb. 44) und die Flügelaußenseiten von Hans Raphons „Kreuzigungsretabel“ (Heiligenstadt, St. Marien) von um 1512.657 Ersterer hält sich hinsichtlich der Organisation des Bildraums stärker an das Vorbild Dürer, obgleich er das Geschehen auf zwei Tafeln verteilt, unter Weglassung der Szene bei Dürer im Vordergrund, der Blendung des hl. Hermolaus. Die linke Flügelinnenseite zeigt im Vordergrund den Kaiser samt Gefolge, im Hintergrund die Märtyrer, die den Berg Ararat hinaufgetrieben werden; auf der rechten Flügelinnenseite ist im Hintergrund der Sturz der Märtyrer vom Berg dargestellt, im Vordergrund die Geißelung von vier Männern, wobei das anatomische Interesse an der Darstellung des vorderen, nur mit einem Lendenschurz bekleideten jungen Mannes auffällig ist, gerade auch im Gegensatz zu dem bärtigen Älteren links von ihm. Das Motiv des Sturzes vom Berg wird genutzt, um verschiedene Körperhaltungen des Springens und Fallens zu zeigen. Die Flügelaußenseiten vom „Kreuzigungsretabel“ aus der Werkstatt des Hans Raphon modifizieren Dürers Märtyrer an der Geißelsäule zum hl. Sebastian;658 die Bildorganisation der rechten Flügelaußenseite ist gegenüber Dürer verändert, da die Szenerie nun auf einer hochrechteckigen Tafel Platz finden muss und die von Dornen aufgespießten Märtyrer deutlich in den Vordergrund gerückt sind.659 Die Körperhaltungen der Stürzenden sind nahezu identisch geblieben, auch die der bereits am Boden angekommenen und aufgespießten sind sehr ähnlich; sie sind nur weitläufiger verteilt und reichen so bis in den Vordergrund. Die 657 Abb. bei Gmelin 1974, S. 581. 658 Im Hintergrund eine seltene Darstellung des eigentlichen Martyriums Sebastians – nachdem er mit Pfeilen beschossen worden war, wurde der für tot Gehaltene von der Witwe Irene gesund gepflegt und später erschlagen. 659 Die Darstellung der rechten Flügelaußenseite wurde mehrfach als Martyrium der Thebäischen Legion gedeutet, was naheliegt, da im Eichsfelder Heimatmuseum Reliquien der Märtyrer vorhanden sind; die Ikonographie aber widerspricht dieser Deutung, da sie sich eindeutig auf das Martyrium der 10.000 Christen bezieht.

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Annahme, die Darstellung der Anatomie und der Körperhaltungen sei ein wesentliches Anliegen dieser Darstellungen, wird gestützt durch die Tatsache, dass in allen drei Darstellungen der jeweils Vorderste im Dornengestrüpp ein recht beleibter Mann ist – sehr ungewöhnlich für die Darstellung eines Heiligen. Dürer selbst übernimmt Versatzstücke seines Holzschnitts in dem Tafelgemälde, das er 1507/08 für Kurfürst Friedrich den Weisen von Sachsen schuf und das sich heute im Kunsthistorischen Museum in Wien befindet.660 Er erweiterte die schon im Holzschnitt vorkommenden Motive um die im Vordergrund stattfindenden Kreuzigungen und Enthauptungen. Die Blendung des links im Mittelgrund dargestellten Bischofs ist jedoch nur noch angedeutet, durch einen in der linken unteren Bildecke liegenden Bohrer. In dieser Umsetzung des Themas scheint es Dürer jedoch weniger um die Darstellung von Körpern oder Körperhaltungen gegangen zu sein, als um die Vergegenwärtigung des Martyriums als kolossalem Massenmord. Für Dürer bot das Thema die Gelegenheit, das Ideal von varietas, das im Zentrum seiner Proportionslehre steht,661 bildnerisch umzusetzen. Dennoch kommen dieses Motiv sowie die Themen Martyrium und Passion im Allgemeinen bei ihm nur selten vor – Panofsky stellte fest, dass der Gegenstand Dürers „künstlerische[m] Geschmack nicht besonders zusagen konnte“.662 Der Grund für die Entstehung des Gemäldes ist beim Auftraggeber Friedrich dem Weisen zu suchen: Dieser hatte in der Stiftskirche Allerheiligen zu Wittenberg eine riesige Sammlung von Reliquien zusammengetragen, in der sich, wie durch eine zeitgenössische Quelle belegt ist,663 auch zwei ganze Gebeine und 23 Partikel von den „10.000 Rittern“ und 36 Partikel von der „geselschafft sancti Achatius“ sowie drei von Achatius selbst befanden. Das Tafelbild, das der Kurfürst bei Dürer in Auftrag gab, erinnerte einerseits an die Legende der 10.000 Märtyrer, rühmte andererseits aber vor allem die bedeutende Reliquiensammlung und sollte von der tiefen Frömmigkeit ihres Besitzers zeugen.664 Wie bereits erwähnt, finden sich in der Kunst des Mittelalters kaum Motive, die in ähnlicher Weise die Darstellung des weitgehend nackten Körpers in verschiedenen Posen und Bewegungen sowie unterschiedlicher Physiognomien ermöglichen. In der Zeit der Frührenaissance wuchs in Italien das Interesse an der Darstellung des bewegten und unbewegten nackten menschlichen Körpers. Dennoch erlangte das nördlich der Alpen so beliebte Bildthema ‚Martyrium der Zehntausend‘ hier kaum Bedeutung. In der italienischen Druckgraphik des letzten Drittels des Quattrocento sind andere Motive der Anlass für vergleichbare 660 Abb. in Kat. Gemäldegalerie Wien 1984, S. 99. 661 Dies bestätigt er selbst in einem Entwurf zum „Ästhetischen Exkurs“ (1513): „Item es möcht einer also saghen: wer will albeg dy mü vnd erbet haben, wy˝ dw hernach sagst, vnd lange tzeit vertzeren, pis daz er ein pild allein macht, so doch oft einer 1000 matery˝ soll pringen, keins dem anderen gleich.“ Rupprich 1969, S. 274. 662 Panofsky 1943, S. 162. 663 Friedrich ließ seine Sammlung 1509 in Form eines Buchs mit dem Titel „Dye zaigung des hochlobwirdigen hailigthums der Stifft kirchen aller hailigen zu wittenburg“ (Wittenberger Heiltumsbuch) veröffentlichen, das mit mehr als 100 Holzschnitten von Lucas Cranach d. Ä. ausgestattet ist. Anzelewsky 1971, S. 216. 664 Ebd., S. 215 ff.

Motive und Aspekte spätmittelalterlicher Gewaltdarstellungen  139

Darstellungen, vor allem Kampfszenen. Das bekannteste Beispiel dürfte Antonio Pollaiuolos Stich „Kampf der nackten Männer“ (Abb. 41) aus den frühen 1470er Jahren sein.665 Auch hier ist, wie schon der Titel sagt, eine größere Zahl vollständig nackter Männer in verschiedenen Haltungen und aus verschiedenen Perspektiven unter genauer Widergabe der Anatomie gezeigt; im Gegensatz zu allen Darstellungen der 10.000 Märtyrer nördlich der Alpen sind dabei auch ihre Genitalien sichtbar. Die vegetabilen Formen, die beim Martyrium der Zehntausend als Marterinstrument fungieren, sind hier in den Hintergrund gerückt und erzeugen den Eindruck unzivilisierter Wildnis. Sowohl das christliche als auch das mythische Thema sind in einer vom Hier und Jetzt geschiedenen Realität angesiedelt. Pollaiuolos Stich „Kampf der nackten Männer“ zeichnet sich dadurch aus, dass er keine moralische Stellungnahme zur dargestellten Gewalt beinhaltet: Zwei für den Betrachter ununterscheidbare Parteien bekämpfen sich hier aus unbekannten Gründen in einer fernen, unzivilisierten Vergangenheit. Das Thema erlangt in erster Linie als Formgelegenheit Bedeutung, während hinsichtlich des Martyriums der Zehntausend die künstlerische nie von der theologischen Komponente zu trennen ist. Für die italienische Druckgraphik und Malerei wurde seit Beginn des 16. Jahrhunderts Dürers Holzschnitt mit dem Martyrium der 10.000 Christen von um 1497 zum Vorbild oder zumindest zur Inspirationsquelle.666 Obgleich Dürers Komposition, die den Fall vom Berg Ararat und das Hängen im Dornengestrüpp räumlich geschickt miteinander verbindet, sicherlich herausragend ist, steht sie doch am Ende einer langen Entwicklung von Darstellungen des Motivs in der nordalpinen Malerei. Während Dürer für sein Wiener Bild noch von Carpaccios Fresko mit dem Martyrium der hl. Ursula und ihrer Gefährtinnen in der Scuola di Sant’Orsola, Venedig, beeinflusst gewesen sein mag, greift Carpaccio für sein „Martyrium der 10.000 Christen“ (Venedig, Galleria dell’Accademia) von 1515 auf verschiedene Werke des Nürnberger Künstlers zurück – auch wenn es sich keinesfalls um Kopien, sondern Anregungen handelt, und er seinem venezianischen Stil treu bleibt.667 Die Gesamtanlage von Carpaccios Gemälde hat mit den Darstellungen des Nordens wenig gemein: Im Hintergrund sind – in einer himmlisch erscheinenden Sphäre – die Soldaten und die Engel, die diese zum christlichen Glauben bekehrten, auf dem Berg Ararat zu sehen sowie darüber, angedeutet durch vertikale, ineinandergeschobene Kreisformen, die Öffnung des Himmels. Im Mittelgrund befinden sich mehrere hochgewachsene Bäume; vornehmlich in ihren Kronen hängen die Märtyrer. Diese sind jedoch nicht zufällig dort gelandet, nachdem sie vom Berg Ararat gestoßen worden sind, sondern sind hier – in merkwürdigen Posen und fixiert durch Nägel – gekreuzigt worden. Einige von ihnen tragen Dornenkronen und haben vielfach sogar blutende Seitenwunden.

665 Nur ein Abzug der Originalplatte ist erhalten (Cleveland Museum of Art), hingegen viele Abzüge der zweiten Fassung mit überarbeitetem, dunklerem Hintergrund. 666 Dazu Mészáros 1983, S. 72 ff. 667 Vgl. ebd., S. 75.

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Die Politisierung des Martyriums Das Konzept des Martyriums, in dem der Einzelne für eine Wahrheit steht, die von der Herrschaft nicht anerkannt wird, bietet sich an, um durch die künstlerische Darstellung gegenwärtige Zustände zu kritisieren. Zu diesem Zweck wurde das Motiv der 10.000 Märtyrer auffallend oft genutzt. Das „Wernigeröder Retabel“ (Darmstadt, HLM; Farbabb. 33), entstanden um 1390 oder 1420,668 zeigt sowohl die Steinigung, die Dornenkrönung als auch die Kreuzigung von stellvertretend dreien der 10.000 Märtyrer, jedoch weder den Sturz vom Berg noch die im Dornengestrüpp aufgespießten Heiligen. Die erste Szene der Bildfolge zeigt den Bischof Hermolaus669 im Disput mit dem heidnischen Herrscher. Der frontal dargestellte Hermolaus wird zugleich von einem Schergen belagert, der, hinter ihm stehend, mit der rechten Hand seinen Kopf berührt und sein Gesicht mit dem Mund dem Ohr des Heiligen nähert; seine Unterlippe steht deutlich vor. Die Bedeutung dieser Darstellung ist unklar – möglicherweise flüstert er ihm Spöttereien ins Ohr oder spuckt ihn an, vielleicht schmeichelt er ihm auch, um ihn von seinem Glauben abzubringen. Je nach Deutung der Szene könnte die Darstellung formal und motivisch an die Verspottung Christi oder den Judaskuss erinnern.670 Am rechten Bildrand sind zwei Märtyrer dargestellt, die von einem Schergen mit Steinen beworfen werden; der rechte von ihnen, der durch seine Kopfbedeckung gegenüber allen Übrigen ausgezeichnet ist, ist wohl Achatius. Die nächste Szene zeigt die Kreuzigung der Gefährten, deren Zahl in der Legende nun von 9.000 auf 10.000 angewachsen ist. Einer hängt bereits am Kreuz, während der zweite gerade an das auf dem Boden liegende Kreuz genagelt wird. Die Annagelung erfolgt nach dem Bildschema der Annagelung Christi. Schon die Tatsache, dass der Heilige nicht an das Kreuz gebunden, sondern mit Nägeln daran fixiert wird, was außer bei Christus durchaus unüblich ist, verweist auf den imitatio-Aspekt. In der folgenden Szene sind die drei Heiligen gekreuzigt und mittlerweile zudem dornengekrönt gezeigt. Das Dreierschema weckt wiederum in formaler Hinsicht die Assoziation mit der Kreuzigung Christi und der beiden Schächer. Die darauf folgende Kreuzabnahme ist üblicherweise ebenfalls der Christus-Ikonographie vorbehalten. Durch die legendarisch vorgegebenen Motive der Kreuzigung und der Dornenkronen, durch die Auswahl der dargestellten Geschehensmomente und die formale Gestaltung ist hier der Verweis auf die Nachfolge Christi in seiner Passion unübersehbar.

668 Die Spätdatierung z. B. in Kat. Hessisches Landesmuseum 1990, S. 161 und im Rahmen der jüngsten Ausstellung des Retabels im Frankfurter Städel („Mord im Mittelalter. Der gewaltsame Tod des Grafen Dietrich von Wernigerode“, 18.9.2009–7.3.2010) vertreten. Für die Frühdatierung, um 1390 oder kurz danach, plädiert Fitz 2001, S. 86 ff. Die Qualität und Originalität des Werkes müsste in diesem Fall anders beurteilt werden als bisher. 669 In Kat. Hessisches Landesmuseum 1990, S. 161 noch als Achatius bezeichnet. 670 Die hinter einer Person stehende, dieser ins Ohr sprechende Figur ist in der mittelalterlichen Ikonographie häufig negativ konnotiert. Siehe Garnier 1982, S. 108 f.

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Auf den Anlass der Stiftung des Flügelretabels weist die Inschrift auf dem Rahmen hin: „anno domini d[omi]ni mccclxxxvi ipla671 die b[ea]te marie magdalene obiit nobilis vir d[omi]n[u]s dhidericus comes d[e] wernigherode cui[u]s a[n]i[m]a requiescat i[n] pace amen“. Auf der Mitteltafel ist dargestellt, wie Petrus der thronenden Maria und dem Christuskind den genannten Graf Dietrich von Wernigerode empfiehlt, auch sein Wappen ist hier gezeigt. Dietrich wurde am 22. Juni 1386 ohne ordentlichen Prozess hingerichtet, da er Landfriedensbruch begangen haben sollte.672 Das Triptychon wurde zunächst als von den Brüdern in Auftrag gegebenes Sühneretabel interpretiert,673 Dietrich also als schuldig angesehen. Bei genauerer Betrachtung vermittelt das Bildprogramm aber eine andere Deutung der Ereignisse, nach welcher der Graf das Opfer eines hinterhältigen Mordkomplotts seiner Gegner geworden ist674 – darauf weist das Stifterbildnis der Mitteltafel, das Dietrich mit einem Dolch im Hals zeigt, eindeutig hin; das Inschriftenband, welches das sich dem Grafen zuwendende Jesuskind in den Händen hält, trägt das Versprechen auf Erlösung für den unschuldig Hingerichteten. Aber auch der Zyklus mit dem Martyrium der 10.000 Christen verweist auf die Schuldlosigkeit Dietrichs, indem dieser mit dem hl. Achatius gleichgesetzt wird. Die Identität der Märtyrer ist in den vier Szenen konstant. In der ersten Szene des Zyklus, links oben, ist von den hier noch zwei Soldaten einer durch eine auffällige Kopfbedeckung ausgezeichnet. Er wird auch in den folgenden Szenen hervorgehoben: Während die anderen beiden Soldaten Wamse in unterschiedlichen Grüntönen tragen, ist seines rot; in der zweiten und dritten Szene weist die Figur mit dem roten Wams die größte räumliche Nähe zum heidnischen Herrscher auf, dessen Hand ihn – in der Fläche betrachtet – jeweils berührt; in der Begräbnisszene nimmt er die mittlere Position ein. Seine Hervorhebung im Bild weist darauf hin, dass es sich um Achatius handelt. In der ersten Szene stößt der am äußersten rechten Rand befindliche Achatius mit dem in die Mittelszene integrierten Wappen Dietrichs buchstäblich zusammen. Es wird deutlich, dass die Figur des Heiligen zugleich den ermordeten Grafen meint – die Ähnlichkeit der Physiognomie und der Haartracht zum Stifterbildnis weisen verstärkend darauf hin. Die Parallelisierung mit dem Heiligen ist der Intention des Werks besonders dienlich, Dietrich von Schuld reinzuwaschen, denn ‚Achatius‘ bedeutet auf Griechisch ‚der Unschuldige‘. Das Martyrium der 10.000 Christen als Bildthema wurde auch zum Zweck antiklerikaler Propaganda instrumentalisiert. Silke Tammen führte hierfür in ihrer Dissertation zwei sich nahestehende Beispiele an: zwei Retabelfügel eines rheinisch-westfälischen Meisters (Münster, WLM; Abb. 42) und eine Tafel des Meisters der Kleinen Passion (Köln, WRM), jeweils

671 Bisher gelesen als Kurzform für ‚in plena‘, wohl aber verschrieben für ‚ipsa‘. Siehe Fitz 2001, S. 84, Anm. 7. 672 Kat. Hessisches Landesmuseum 1990, S. 161; Fitz 2001, S. 85 m. Anm. 9 u. 10. 673 So z. B. bei Griep 1974. 674 Der offizielle Grund der Anklage im Jahr 1486 war der 1378 unternommene Überfall auf die Blankenburg, der aber bereits gesühnt worden war. Die Verurteilung Dietrichs erfolgte nicht vor einem ordentlichen Landfriedensgericht, sondern durch eine Gruppe ihm feindlich gesinnter Fürsten und Adliger. Diese Umstände machen es wahrscheinlich, dass es sich tatsächlich um einen Mordkomplott handelte. Siehe Fitz 2001, S. 85, Anm. 10.

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um 1420 entstanden.675 Beide Darstellungen beinhalten eine Gruppe aus fünf bzw. sieben berittenen Figuren – offenbar die Auftraggeber des Massakers. Ihr Anführer trägt jeweils eine päpstliche Tiara. Pikanterweise befindet sich je direkt unterhalb dieser Gruppe eine Darstellung des Bischofs Hermolaus, der das Opfer einer Blendung wird. Die Entstehungszeit der beiden Werke lässt es zumindest denkbar erscheinen, dass es sich um prohussitische Bilder handelt:676 Der Hussitenführer Jan Hus wurde im Jahr 1415 auf dem Konzil von Konstanz hingerichtet, was zu einer Radikalisierung der tschechischen Reformbewegung führte. Am 1. März 1415 erließ Papst Martin V. eine Kreuzzugsbulle gegen die Hussiten, worauf viele Jahre kämpferischer Begegnungen folgten. Nun ist Westfalen nicht gerade als Zentrum der Hussitensympathie bekannt677 – doch galt in der Zeit von 1421 bis 1431 mit Erzbischof Konrad von Vechta ein gebürtiger Westfale als Oberhaupt der hussitischen ‚Kirche‘. Da der Entstehungskontext des westfälischen Diptychons unbekannt ist, kann die These eines hussitischen Entstehungskontextes nicht weiter erhärtet, sondern es können lediglich allgemein antipäpstliche Züge konstatiert werden. Für Köln lassen sich einige Belege für hussitisches Gedankengut finden, jedoch ist auch hier der ursprüngliche Bestimmungsort der Tafel nicht mehr rekonstruierbar.678 Das Bildthema ‚Martyrium‘ bietet sich prinzipiell zur kirchenpolitischen Aufladung an, da es zum ursprünglichen Konzept des christlichen Martyriums gehört, dass der Rechtgläubige oder ‚der Gute‘ getötet wird, ohne dass sich die Mörder der moralischen Illegitimität ihres Handelns bewusst wären. Sie erkennen schlicht nicht, dass der in ihren Augen als Gotteslästerer erscheinende Christ auf der Seite der Wahrheit steht. Diese Konzeption des Martyriums macht das Motiv fruchtbar vor allem für diejenigen Christen, die sich von der kirchlichen Obrigkeit ungerecht behandelt fühlen, wie es etwa die Hussiten taten. Das Martyrium, dieses zentrale christliche Thema, taugt somit zur Erschütterung dessen, was allgemein als Wahrheit angenommen wird. Die Darstellungen können die christliche Wahrheit daher nicht nur bestärken, sondern die Vorstellung davon auch immer wieder in Frage stellen.

2.11 Eucharistische Bezüge in Martyriumsdarstellungen Die Analogisierung des Kreuzestodes Christi mit dem Martyrium unter dezidiert eucharistischen Gesichtspunkten lässt sich in der Literatur und in den bildlichen Darstellungen immer wieder feststellen. Schon in der frühen Märtyrerliteratur finden sich Anspielungen auf die Eucharistie. Ignatius schreibt im Römerbrief im Hinblick auf sein eigenes Martyrium und die von ihm erwünschte Todesart ad bestias: „Gottesweizen bin ich und von Bestienzähnen werde ich zermahlen, damit ich als reines Brot Christi erfunden werde.“679 Der Vergleich des Märtyrerkör675 Dazu detailliert Tammen 1993, S. 83 ff. 676 Diese These und Argumentation ebd., S. 86 f. 677 Siehe auch ebd., S. 88. 678 Ebd., S. 90 ff. 679 Ad Romanos 4,1–3. Zitiert nach Gnilka 2010, S. 87.

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pers mit Brot bzw. Getreide als Bezugnahme auf den Leib Christi vor der Wandlung in der Messe findet sich auch noch in spätmittelalterlichen Märtyrerlegenden: In der „Legenda aurea“ setzt Agatha ihren Körper im Martyrium mit Weizen gleich, dessen Hülse kräftig gewalkt werden muss, um in die Scheuer zu kommen und von der Spreu getrennt zu werden.680 Auch hochmittelalterliche Bildbeispiele, die sich durch ihre relative Unblutigkeit auszeichnen, stellen explizit die Verbindung zwischen dem Martyrium und der Eucharistie her. Bruno Reudenbach führt als Beispiel ein Reliquienkästchen aus Limoges (um 1170/80; St. Petersburg, Eremitage) an.681 Auf seiner Längsseite ist die Enthauptung der hl. Valeria von Limoges dargestellt; unmittelbar darüber, auf der Dachfläche, ist zu sehen, wie Valeria ihren Kopf dem am Altar die Messe zelebrierenden hl. Martialis überreicht. Die Gleichsetzung von Märtyrerleib und eucharistischem Leib bei gleichzeitigem Verzicht auf die Darstellung von Märtyrerblut deutet Reudenbach als Hinweis auf ein sich etablierendes neues Heiligkeitsideal, nämlich das der Kleriker- und Bekennerheiligen.682 Daraus ergibt sich indes die Frage, warum im späten Mittelalter, als das Martyrium ebenfalls keine gängige Praxis auf dem Weg zur Heiligkeit war, die Martyrien im Verhältnis sehr viel blutiger dargestellt wurden. Möglicherweise spielte hier das Vierte Laterankonzil von 1215 eine Rolle, auf dem die Vorstellung, dass sich während der Eucharistiefeier die tatsächliche und nicht nur symbolische Verwandlung von Brot und Wein in Leib und Blut ereignet, festgeschrieben wurde. In seiner Folge ist zumindest das Phänomen der Stigmatisierten zu sehen: Der erste anerkannte Fall einer Stigmatisierung, nämlich der des hl. Franziskus, ereignete sich im Jahr 1224. Auch die Legende von der Messe des Papstes Gregor dem Großen, während derer ihm der leibhaftige Christus erschien, aus dessen Seitenwunde sich Blut in den Messkelch ergoss, entstand in dieser Zeit.683 Wie die Stigmatisierung resultiert auch das Martyrium – im Gegensatz zu anderen Praktiken des Leidensvollzugs wie der Selbstgeißelung  – idealerweise nicht aus einem bewussten Streben nach imitatio, sondern ist Zeichen des Auserwähltseins. Der imitatio-Aspekt zeigt sich erst und nur im Annehmen des Schmerzes. Im Gegensatz zum Martyrium ist der eucharistische Bezug im Falle der Stigmatisierungswunder klarer: Der Körper des Stigmatisierten erfährt durch die wundersame Empfängnis von Wunden oder Narben eine transformatio wie Brot und Wein in der Messe. Der Stigmatisierte ruft damit die fleischliche Natur der Hostie in Erinnerung.684 Der Märtyrerkörper hingegen erfährt keine wundersame transformatio, denn die Veränderung des Körpers und das Auftreten von Blut sind der Gewalt der Glaubensfeinde geschuldet. Dennoch lassen sich gerade in den Martyrienbildern des 15. Jahrhunderts eucharistische Anspielungen feststellen. Dies gilt insbesondere für das Martyrium Johannes’ d. T. In Verbindung mit seinem Tod wird die vollzogene Enthauptung unter Entstehung einer Blutfontäne in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts am häufigsten dargestellt. Die Person des Täufers 680 Legenda aurea (= Benz 1925, S. 199 f.). 681 Reudenbach 2010, S. 78 f. 682 Ebd., S. 79 ff. 683 Zur Einordnung des Phänomens der Stigmatisierung in diesen Kontext Schmidt-Hannisa 2005. Zur Gregorsmesse siehe Gormans/Lentes 2007. 684 Schmidt-Hannisa 2005, S. 73 f.

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steht im Vergleich zu anderen Heiligen in einem ganz besonderen Verhältnis zu Jesus. Eine Sonderrolle nimmt er schon dadurch ein, dass er Jesus nicht nachgefolgt, sondern ihm vorausgegangen ist. Die Leben des Johannes und Jesu sind zudem von Beginn an parallelisiert durch die wundersamen Schwangerschaften Elisabeths und Mariens. Mit der Heimsuchung Elisabeths durch Maria kreuzten sich die Lebenswege der beiden Ungeborenen zum ersten Mal, ein weiteres Mal, was für die Person des Täufers von besonderer Bedeutung ist, bei der Taufe Jesu im Jordan.685 Hinsichtlich eucharistischer Anspielungen ist ein Motiv des Johannes-Martyriums von besonderem Interesse: das Einritzen des abgeschlagenen Hauptes mit einem Messer durch Herodias, als dieses in einer Schale beim Gastmahl des Herodes präsentiert wird – ein Racheakt durch die Schändung des Leichnams. Eines der ersten Beispiele für das Motiv in der Malerei findet sich Anfang des 15. Jahrhunderts in den „Belles Heures des Duc de Berry“ der Brüder Limburg (New York, The Cloisters, fol. 212v).686 In der Tafelmalerei ist es erstmals im Hintergrund der Martyriumsszene vom „Johannes-Triptychon“ Rogier van der Weydens (1453–55; Berlin, Gemäldegalerie) belegt,687 in der Folge dann auch in spätmittelalterlichen Darstellungen aus dem deutschen Raum, zum Beispiel in der Gastmahlszene des „Blaubeurener Hochaltarretabels“ (Abb. 21)688 und auf der Tafel im Roselius-Haus (Abb. 20 b), beide Ende des 15. Jahrhunderts entstanden. Der Ursprung für dieses Motiv ist angeblich ein in Amiens befindlicher Schädel des Täufers, der ein Loch an der linken Stirnseite besitzt.689 Dass das Motiv der eingeritzten Stirn oder auch Wange die Seitenwunde Jesu präfiguriert, wird durch ein Beispiel wie das Alabasterrelief im Ashmolean Museum in Oxford (15. Jahrhundert) deutlich, wo das Johanneshaupt mit Stirnwunde über einem halbfigurigen, auf seine Wunde hinweisenden Schmerzensmann dargestellt ist.690 Darüber hinaus verweisen Messtexte zum Fest der Enthauptung des Täufers, das am 29. August gefeiert wurde, darauf, dass das Martyrium in Verbindung zur Eucharistie gebracht wurde. Im „Brevier von York“ aus dem späten 15. Jahrhundert heißt es: „Caput Johannis in disco: signat corpus Christi quo pascimur in sancto altari.“691 Das Motiv des abgeschlagenen Täuferhauptes in der Schüssel präfiguriert also die Eucharistie.692 Gegenüber Rogier van der Weydens Darstellung rückt das Motiv des Einritzens in der Tafelmalerei in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts mehr in den Vordergrund und wird 685 Zur Parallelität der Leben und zu Kreuzungen der Lebenswege von Johannes d. T. und Jesus vgl. Mohnhaupt 2000, S. 171 ff. 686 Lane 1978, S. 665. 687 Ebd. 688 Schon die Szene der Gefangennahme auf dem Retabel verweist auf den imitatio-Christi-Aspekt, indem sich die Darstellung an den Kupferstich der „Gefangennahme Christi“ von Israhel van Meckenem anlehnt. 689 Arndt/Kroos 1969, S. 301. Vgl. Réau, Bd. 2, 1, S. 435. 690 Abb. bei Lane 1978, S. 662. 691 Breviarum ad Usum Insignis Ecclesiae Eboracensis, II. Zitiert nach Lane 1978, S. 663, Anm. 45. Deutsch bei Mohnhaupt 2000, S. 180: „Das Haupt des Johannes auf der Schale bezeichnet den Leib Christi, der uns auf dem Hl. Altar nährt.“ 692 Lane 1978, S. 662 ff.; Mohnhaupt 2000, S. 179 f.

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zum integralen Bestandteil der Gastmahlszene. Der situative Kontext des Gastmahls führt in der bildlichen Darstellung zu Parallelen zum Letzten Abendmahl und damit inhaltlich zur Einsetzung der Eucharistie durch Christus: Wie Christus sitzt Herodias am Tisch; anstelle des Brotbrechens tritt das Einritzen des Hauptes. Häufig wird in unmittelbarer Nähe zum Johanneshaupt auf dem Tisch Brot dargestellt, das im Falle des „Blaubeurener Hochaltarretabels“ (Abb. 21) gar die Form einer Seitenwunde besitzt. In der Darstellung des Johannesretabels Rogier van der Weydens wird der eucharistische Bezug noch dadurch betont, dass ein Diener Wein bringt.693 Während die Analogisierung von Christus und Johannes theologisch sinnvoll erscheint, besteht auf der Ebene der Erzählung eine krasser Gegensatz zwischen der Leichenschändung der Herodias und dem symbolischen Einsetzen der Eucharistie durch Christus. Bernd Mohnhaupt stellte die Besonderheit des typologischen Bezugs heraus: Das Gastmahl ist eine Travestie des Abendmahls.694 Dieses Verhältnis wird in vielen spätmittelalterlichen Darstellungen der Übergabe des Hauptes durch die Darstellung prunkvoller Kelche oder, wie auf dem Hochaltarretabel in St. Johannes d. T. und Martin in Schwabach (1505– 08), eines Bottichs zur Kühlung von Kannen hervorgehoben. Auch im Kontext anderer Martyriendarstellungen lassen sich eucharistische Anspielungen erkennen, insbesondere beim Martyrium des hl. Achatius und der 10.000 Christen. Die Tafel im Rathaus von Grodków/Polen von 1470/80 (Abb. 39) zeigt Jesus am Kreuz flankiert von Maria und Johannes mit der in kleinerem Maßstab dargestellten Gregorsmesse im Vordergrund und den in den Dornen hängenden Märtyrern im Hintergrund. Die Tafel im Šarišské múzeum in Bardejov/Slowakei von um 1440/60 (Farbabb. 30) zeigt am Fuße des gekreuzigten Jesus übereinander aufgetürmt zehn in den Dornen hängende Märtyrer. Ihre in unterschiedlichen Posen aufgespießten Körper bilden zusammen gesehen eine kreisförmige Einheit, was durch die auffällige Präsenz der sich von dem dunklen Hintergrund abhebenden goldenden Nimben hervorgehoben wird. Man könnte hier an die Hostie denken, aus welcher in der Transsubstantiation der reale Leib Jesu wächst. Wie die Stigmatisierten werden die Märtyrer dadurch zu ‚lebenden Hostien‘695 erhoben. Theologisch ist der Zusammenhang zwischen dem Phänomen des Martyriums und der Eucharistie schwer zu deuten; eucharistische Anspielungen in den Darstellungen des späten Mittelalters weisen aber auf eine wachsende Bedeutung des Martyriums, d. h. der Funktion der Märtyrer als Vermittler zwischen Gott und den Menschen, hin.

2.12 Fragmentierung und Zusammenführung des Körpers Das Stichwort ‚Fragmentierung‘ steht in engem Zusammenhang mit der mittelalterlichen Heiligenverehrung.696 Fragmente heiliger Körper waren im mittelalterlich-christlichen Kult omnipräsent: durch ‚redende‘ Reliquiare, in Ostensorien sichtbar präsentierte Reliquien oder 693 Vgl. ebd., S. 180. 694 Ebd. 695 Schmidt-Hannisa 2005, S. 73. 696 Vgl. Bynum 1991.

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als pars-pro-toto-Zeichen in arma-Christi-Bildern. Hingegen kommt der infolge von Gewalt zerteilte Körper in der Tafelmalerei relativ selten vor, vor allem beim Motiv der vollendeten Enthauptung.697 Häufig wird die körperliche Fragmentierung durch die Darstellung lediglich antizipiert oder vom Betrachter mitgedacht. So wird beispielsweise auch das Abschneiden der Brüste bei weiblichen Heiligen meist nur angedeutet, indem das Messer bereits an der Brust angesetzt ist. Wie schon anhand des Motivs der bereits vollzogenen Enthauptung deutlich wurde, bildet die Darstellung des fragmentierten Körpers vor allem in diesem Medium offenbar die Überschreitung einer ästhetischen Grenze, was durch die Bedeutung der Fragmentierung für die Legende legitimiert sein musste. Die extremste mir bekannte Darstellung eines fragmentierten Heiligenkörpers ist eine Tafel mit dem Stanislaus-Martyrium aus der Paulinerkirche in Krakau, heute im Königsschloss auf dem Wawel (um 1504; Abb. 49). Bischof Stanislaus (um 1030–79) wurde in Polen verehrt und seine Vita hier häufig dargestellt, wobei das Martyrium wegen seiner Drastik aus Bilderzyklen meist ausgeklammert wurde.698 Unser Beispiel zeigt jedoch anschaulich, wie Stanislaus von seinen Gegnern in Stücke gehackt wird: Kopf, Beine, ein Arm und eine Hand liegen neben dem Torso auf dem Boden; zwei Schergen haben das Schwert bzw. die Axt bereits zum nächsten Schlag erhoben. Über der grausigen Szene aber sind vier fliegende Adler dargestellt, die der Überlieferung zufolge die Überreste des Märtyrers vor Geiern schützten.699 Auch der hl. Emmeran wurde Opfer einer Zerstückelung. „Der Heiligen Leben“ berichtet, dass ihm die Augen ausgestochen, Hände und Füße, Glieder, Ohren, die „scham seiner Kevschait“ und seine Zunge abgeschnitten wurden.700 Dargestellt wurde diese Episode allerdings selten. Auf dem Hochaltarretabel in St. Wolfgang ob Grades/Österreich (um 1510; Abb. 24) hat die Tortur aber bereits ihren Anfang genommen: Die Füße des Bischofs sind schon abgetrennt und stehen – ordentlich wie ein Paar Pantoffeln – auf dem Boden im Bildvordergrund. Ein Scherge ist im Begriff, dem Heiligen die rechte Hand abzuhacken, ein weiterer, ihm seine Augen auszustechen, worauf die Aufmerksamkeit des Betrachters besonders gelenkt wird, indem Emmeran ihn aus dem Bild heraus direkt anblickt. Die vollständige Vernichtung des Körpers ist in der Märtyrerliteratur selten. Zwar schreibt Ignatius in seinem Brief an die Römer (um 110) von seinem Wunsch, dass sein Körper durch den Tod ad bestias vollständig verschwinden werde, damit wie von Jesus keine sterblichen Überreste von ihm zurückbleiben.701 Saturus, Perpetua, Revocatus und Felicitas aber, die nach dem zweitältesten lateinischen Märtyrerbericht (Anfang 3. Jahrhundert) ad bestias verurteilt wurden, wurden von den Löwen und Leoparden nicht aufgefressen.702 Poly697 Bynum 2002 zieht die Grenze zwischen der Darstellung des fragmentierten und des versehrten Körpers nicht deutlich genug. 698 Vgl. Otto-Michałowska 1982, (o. S.) zu Nr. 26. 699 Das Motiv des Adlers, der den Leichnam schützt, findet sich auch in der Legende des hl. Florian. Dargestellt vom Meister des Krainburger Altars (um 1500; Graz, Joanneum); Abb. 70 in Kat. Joanneum 1982. 700 Der Heiligen Leben (= Brand 1996, S. 561). 701 Ad Romanos 4,1; nach Gnilka 2010, S. 86 ff. 702 Die Akten der Hl. Perpetua und Felizitas 19–21 (= BKV online: http://www.unifr.ch/bkv/kapitel1685-20.htm – letzter Zugriff: 31.8.2011).

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carp sollte verbrannt werden, damit seine Überreste nicht verehrt werden könnten – doch scheiterte der Hinrichtungsversuch und er wurde erstochen, wobei sein Blut das Feuer zum Erlöschen brachte; sein Leichnam wurde auf den Scheiterhaufen geworfen, doch seine Knochen blieben nach dem Verbrennen erhalten.703 In den jüngeren Legenden kommt die vollständige Vernichtung des Körpers kaum vor. In der „Legenda aurea“ findet sich dieser Fall – entgegen dem ursprünglichen Bericht – nur bei den gerade erwähnten Saturus, Perpetua, Revocatus und Felicitas, die von Löwen und Leoparden zerrissen werden.704 Dagegen existieren zahlreiche Erwähnungen von Zerstückelungen. So wird beispielsweise beschrieben, wie Jakobus ‚der Zerschnittene‘ in zahlreiche Einzelteile zerlegt wird: Nacheinander werden ihm sämtliche Finger abgeschnitten, dann die Zehen, die Füße, die Hände und die Arme; danach wird das Fleisch von seinen Schenkeln geschnitten und ihm der Kopf abgeschlagen.705 Auf die langwierige Schilderung der Zerstückelung folgt abschließend die versöhnliche Nachricht, Christen hätten den Leichnam heimlich begraben. Im Unterschied zur gewaltsamen Zerstückelung des Heiligenkörpers ante mortem ist seine Fragmentierung post mortem zu sehen. Gegenüber der posthumen Zerteilung des Körpers von Heiligen weist die mittelalterliche Märtyrerliteratur ambivalente Einstellungen auf, so auch die „Legenda aurea“: Die posthume Zerstückelung des hl. Augustinus zum Beispiel wird dort als akzeptabler Vorgang beschrieben. Es finden sich jedoch auch zahlreiche Berichte von toten Heiligen, die vor der Zerstückelung bewahrt werden oder sich selbst aktiv dagegen wehrten: Der hl. Vincentius wurde nach seinem Tod wilden Tieren zum Fraß vorgeworfen, aber ein Engel bewachte ihn und ein Rabe vertrieb die Tiere.706 Im Reliquienkult des Hoch- und Spätmittelalters war die Zerteilung der Heiligenkörper gängige Praxis. Anders im frühen Mittelalter: Aufteilung und Zerteilung der Heiligen waren hier noch weniger üblich. Nur post mortem nachwachsende Teile wie Haare und Nägel durften abgetrennt werden, ante mortem voneinander isolierte Körperteile – wie bei enthaupteten Märtyrern Kopf und Körper – konnten an verschiedenen Orten aufbewahrt werden. 707 Im Hochmittelalter, insbesondere seit dem 12. Jahrhundert, wurde die Zerteilung des toten Heiligenkörpers üblicher, unter anderem, um den großen Bedarf an Reliquien decken zu können.708 Mit der Scholastik hatte sich die Vorstellung einer Leib-Seele-Einheit verbreitet – danach wurde der Körper vom Menschen nicht nur als Werkzeug benutzt, er galt nicht als

703 Martyrium des Hl. Polycarp 16–18 (= BKV online: http://www.unifr.ch/bkv/kapitel1680-17.htm – letzter Zugriff: 31.8.2011). 704 Legenda aurea (= Benz 1925, S. 929). Vgl. Schirrmeister 2000, S. 141. 705 Legenda aurea (= Benz 1925, S. 930 ff.). Eine seltene Darstellung in einer florentinischen Handschrift (1. Viertel 15. Jh.; Florenz, Biblioteca Nazionale, Ms. II–113, fol. 42v) – die Arme des an einen Pfahl gebundenen Heiligen sind sichtbar in Stücke geschnitten, er erscheint jedoch vollständig nach Art einer Gliederpuppe. Abb. in Degenhart/Schmitt, Teil 1, Bd. 4, Tf. 207. Für den Hinweis danke ich Anna Degler. 706 Legenda aurea (= Benz 1925, S. 140). 707 Angenendt 1991, S. 332 ff. 708 Bynum 1995a, S. 322.

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der Seele unterlegen, sondern gehörte mit ihr zusammen zur Identität einer Person.709 Während Paulus (1 Kor 15,35 ff.) den verweslichen irdischen Leib (corpus corruptione) und den unverweslichen himmlischen Leib (corpus incorruptione) klar unterscheidet, wurde später von der Identität beider ausgegangen – gemäß Hiob 19,26 in der Version der Vulgata: „et rursum circumdabor pelle mea et in carne mea vidibo Deum“ (und wieder umgeben von meiner Haut und in meinem Fleische werde ich Gott sehen; Übers. d. Verf.710). Die Seele des Heiligen, die direkt nach seinem Tod zu Gott kam, war demnach nur vorübergehend von ihrem Körper getrennt.711 Im Jenseits, so wurde angenommen, würden alle Menschen durch die Wiederherstellung ihrer Körper erneut zu einer vollständigen psychosomatischen Einheit werden. Diese Vorstellung von der Leib-Seele-Einheit stand dem Reliquienkult und der Zerteilung der toten Heiligenleiber aber keineswegs entgegen, sondern förderte ihn sogar: Das corpus totum wurde nicht als Voraussetzung für die Wiederherstellung der psychosomatischen Einheit im Jenseits angesehen.712 Dies verdeutlicht eine Miniatur in einer Handschrift aus Bamberg-Eichstätt von um 1255,713 welche die jenseitige Erlösung darstellt: Im unteren Register finden sich zwei aus ihren Gräbern auferstehende Figuren, denen von einem Vogel die Hand bzw. von einem wilden Tier (Bär oder Löwe) der untere Teil des Beins zurückgebracht wird. Dennoch wurde das Zusammenführen von vor dem Tod fragmentierten Körperteilen positiv bewertet, wie einige Bildbeispiele verdeutlichen: Eine Szene des einstigen Hochaltarretabels der Pfarrkirche St. Oswald in Eisenerz/Österreich (heute Wien, Österreichische Galerie), entstanden nach 1472,714 zeigt, wie die Gebeine des in der Schlacht gegen die Heiden gefallenen northumbrischen Königs Oswald gesammelt und in einen prunkvollen Tragsarg gelegt werden, um auf Geheiß der Königin in die Kathedrale von Durham gebracht zu werden. Während in der vorderen Bildebene ein geistlicher Würdenträger soeben den Schädel in den Sarg legt, ist dahinter eine Gruppe aus sechs Figuren zu sehen, von denen vier als gebrechlich erkennbar sind – einer, dessen Augen mit einem Tuch verbunden sind, ist offenbar blind, die Übrigen, die sich allesamt auf Krücken oder Stöcke stützen, lahm o. Ä. Ihre Aufmerksamkeit gilt nicht dem Sarg und seinem Inhalt, sondern der dahinterliegenden unverwesten Hand des Heiligen, von welcher der Legende zufolge eine Heilkraft ausging. Die Zusammenführung der Gebeine wird also positiv bewertet, das Heil geht aber auch von dem isolierten Körperfragment aus. Der Meister der Ursula-Legende stellte innerhalb eines ausführlichen Zyklus das Begräbnis Ursulas und ihrer Gefährtinnen dar (1492–96; Köln, WRM).715 Während der Leichnam Ursulas im Vordergrund unversehrt dargestellt ist, sind Körperteile anderer Jungfrauen und 709 Dazu Bynum 1989, 188 ff. 710 Dagegen die Einheitsübersetzung: „Ohne meine Haut [...] und ohne mein Fleisch werde ich Gott schauen.“ 711 Angenendt 1991, S. 339. Angenendts Vorstellung vom corpus incorruptum als Leitidee der mittelalterlichen Reliquienverehrung wird in Frage gestellt von Swinarski 2000. 712 Ebd., S. 340. 713 Melk, Stiftsbibliothek, MS 1903 [olim 1833], fol. 109v. Abb. bei Bynum 1995a, Tf. 17. 714 Siehe Rosenauer 2003, S. 465 f., Abb. S. 466. 715 Abb. 251 in Kat. Wallraf-Richartz-Museum 1990.

Motive und Aspekte spätmittelalterlicher Gewaltdarstellungen  149

Begleiter im Hintergrund verstreut. Einige fromme Männer und Frauen tragen die Einzelteile zusammen, andere schaufeln Gräber oder nehmen die Bestattung vor. Darstellungen der vollzogenen Enthauptung von Märtyrern sind häufig erweitert um eine Bestattungsszene, entweder von Kopf und Körper gemeinsam (z. B. Meister der Georgslegende, Georgsretabel, Köln, WRM; Abb. 34) oder an verschiedenen Orten wie beim Hochaltarretabel in Blaubeuren.716 In den narrativen Darstellungen des späten Mittelalters ist der fragmentierte Körper in der Regel als Zeichen eines bestehenden oder vergangenen Gewaltaktes zu verstehen.717

2.13 Fazit Die Gewaltmotive der spätmittelalterlichen Darstellungen der Passion Christi und der Heiligenmartyrien sind vielgestaltig. Jedes Motiv geht mit bestimmten Bedingungen und Möglichkeiten der bildlichen Inszenierung einher und lässt sich in bestimmten historischen Kontexten verorten. Dementsprechend lieferte die Betrachtung der einzelnen Gewaltmotive jeweils spezifische Erkenntnisse. So wurde am Motiv der Enthauptung als punktuellem Gewaltakt deutlich, wie entscheidend der in der Darstellung gewählte Geschehensmoment hinsichtlich der körperlichen Verfasstheit des Opfers – unversehrt oder fragmentiert, lebendig oder tot – ist. Die Entscheidung darüber ist aber keine rein künstlerische – vor allem Johannes der Täufer und Paulus kamen in der spätmittelalterlichen Tafelmalerei als Enthauptete zur Darstellung und wurden dadurch gegenüber anderen Heiligen ausgezeichnet. Durch die Untersuchung der Motive des Erhängens und des Räderns wurde auf das komplexe Verhältnis von historischer Realität und sakralem Bild hingewiesen: Wurden die beiden Hinrichtungsmethoden im späten Mittelalter auch häufig vollstreckt, kommen sie im Kontext der Hagiographie kaum zur Darstellung. Die Schändlichkeit war vornehmlich ein Kennzeichen des Opfertodes Christi. Ganz andere Einsichten vermitteln Darstellungen des Martyriums der 10.000 Christen. Es besitzt deutlich auch als Formgelegenheit Bedeutung: Das Motiv ermöglichte die Darstellung weitgehend nackter menschlicher Körper in verschiedensten Posen und Bewegungen – seltsamerweise wurde es in der italienischen Malerei kaum rezipiert. Hier wurden im

716 Abb. bei Kahsnitz 2005, Tf. 102. 717 Dabei sind fast nie verwesende Körperteile dargestellt; bei einer Kreuzigung Cranachs (vor 1500; Wien, Kunsthistorisches Museum; Abb. in Suckale 2009, Bd. 1, S. 95) allerdings sind neben skelettierten Knochen auch ein Bein und Kopf mit Torsoansatz im Zustand der Verwesung gezeigt. Häufiger finden sich in Kreuzigungsdarstellungen aber Knochen, die auf den Ort als Schädelstätte verweisen. Angemerkt werden muss hier, dass sich der Körper im Zuge des natürlichen Verwesungsprozesses selbst fragmentiert, so dass das zerteilte Skelett im Gegensatz zum zerteilten Körper nicht unbedingt mit Gewalt in Verbindung steht. Für diesen Hinweis danke ich Anna Degler. Zu Körperfragmenten im Verwesungszustand bei Carpaccio siehe ihre Dissertation zu Parergon/Beiwerk, die voraussichtlich 2014 erscheint.

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15. Jahrhundert, also geraume Zeit später als im Norden, vor allem profane Bildthemen in vergleichbarer Weise genutzt. Dies sind nur einige Ergebnisse, die aus der Analyse der religiösen Gewaltdarstellungen resultieren. Der Vielfalt der Motive und ihrer Bezüge entspricht die Vielfalt der Einsichten, die die Bilder uns heute liefern können.

3  Körperlicher und seelischer Schmerz Die Ausübung körperlicher Gewalt durch einen Täter führt auf der Seite des Opfers zu körperlichem Schmerz, zu Verletzungen, Verstümmelungen oder gar zum Tod, aber auch zu seelischem Leid in Form von Schrecken oder Angst bzw. langfristig gesehen einem psychischen Trauma. Bei einem Zuschauer kann durch den Anblick der Gewalt und das Leiden des Opfers ebenfalls seelischer Schmerz hervorgerufen werden – Mitleid, aber auch Angst oder Trauer. Im Mittelalter sowie bereits in der Antike galt Schmerz als affectus oder passio der Seele, der bzw. die durch eine Einwirkung auf den Körper (dolor) oder die Seele (tristitia) hervorgerufen wird.718 Die enge Verbindung, die zwischen körperlichem und seelischem Leid gesehen wurde, wird beispielsweise durch die Repräsentation der Leiden Mariä durch ein Schwert in ihrer Brust deutlich, also die Darstellung von tristitia durch Zeichen von dolor. Körperlicher und seelischer Schmerz werden im Folgenden übergreifend als ‚Emotionen‘ bezeichnet. Die Definition der Begriffe ‚Emotion‘, ‚Gefühl‘ und ‚Affekt‘, insbesondere hinsichtlich ihrer Abgrenzung zueinander, ist in der Emotionsforschung heute umstritten.719 In dieser Arbeit wird der Begriff ‚Emotion‘ als deskriptiver Überbegriff verwendet, der über die Qualität der Empfindung keine Aussage machen soll.720 Das Medium des Bildes gilt hinsichtlich der Repräsentation des Phänomens Schmerz als besonders ‚geeignet‘.721 Schmerz als solcher ist am Körper des Menschen nicht sichtbar, sondern nur sein kulturell determinierter Ausdruck. Dieser manifestiert sich in Mimik, Gestik und Lauten. So sind beispielsweise Tränen nicht das Gefühl, sondern nur dessen (kulturspezifisch konventionaler) Ausdruck. Für die bildliche Darstellung bedeutet dies, dass Emotionen zweifach codiert sind: die alltagsweltliche expression wird zur medialen representation.722 Die Darstellung emotionalen Ausdrucks durch Mimik und Gestik kommt den Fähigkeiten des Bildes entgegen.

718 Laarmann 1995. Zu den passiones animae in der Theologie und Philosophie des Mittelalters siehe den Sammelband Schäfer/Thurner 2009. 719 Herding 2004, S. 5 ff.; Schnell 2004, S. 202 ff. 720 Damit folge ich Rüdiger Schnell, der übergreifend ebenfalls den Begriff ‚Emotion‘ verwendet und vorschlägt, sobald eine systematisch-theoretische Diskursivierung von Emotionen in Mittelalter und früher Neuzeit angeschnitten wird, sich dem damals dominierenden Emotionskonzept mitsamt Terminologie anzupassen und von ‚Affekten‘ zu sprechen. Schnell 2004, S. 202 ff., 205. 721 Sofsky 1996, S. 67. 722 Schnell 2004, S. 177 ff.

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Sprachlich beschreiben oder artikulieren, in Worte fassen, lässt sich Schmerz schwerlich – sowohl die Art als auch das Ausmaß des Schmerzes.723 Das Vokabular für Schmerz ist beschränkt: Beschreibungen wie ‚ziehender‘ oder ‚stechender‘ Schmerz beziehen sich nur wieder auf die äußeren Ursachen zurück, ohne die Wirkung adäquat zu erfassen. 724 Sowohl die Beschreibung der Art als auch der Größe des Schmerzes kann durch Sprache nicht vorgenommen werden. „Der Körper im Schmerz sperrt sich der sprachlichen Repräsentation.“ 725 Der Schmerz vermittelt sich dem Zuschauer nur durch körperliche Indizien wie der Mimik des Leidenden – er lässt sich nur zeigen und „das Medium des Zeigens [...] ist nicht die Sprache, sondern das Bild“.726

3.1 Der Ausdruck von Schmerz im Mittelalter Nach der Vorstellung von Johan Huizinga (1872–1945) und Norbert Elias (1897–1990) äußerte der mittelalterliche Mensch Emotionen spontaner und heftiger als dies heute üblich ist; erst im ‚Prozess der Zivilisation‘ sei es zu einer Affektsublimierung gekommen.727 Gerd Althoff legte jedoch dar, dass die vielfältigen emotionalen Ausdrucksformen im Mittelalter nicht aus der Heftigkeit von Gefühlen und der Spontaneität ihrer Äußerung resultierten, sondern dass sie innerhalb eines komplexen Kommunikationssystems zweckorientiert eingesetzt wurden.728 Im Gegenteil wurde im Mittelalter der ungehemmte Ausdruck von Emotionen – also auch körperlichen und seelischen Schmerzes – durch Laute, Gestik, Mimik oder Tränen wie jegliche unkontrollierte gesticulatio729 tendenziell negativ bewertet.730 Das Zeigen von Schmerz wurde erst im späten Mittelalter, etwa seit Ende des 13. Jahrhunderts, zunehmend gesellschaftlich akzeptiert. Hierfür war das veränderte Passionsverständnis mit der zentralen Forderung nach compassio mitverantwortlich.731 Das Trauerverhalten folgte im Mittelalter vorgegebenen Formen. Gesten wie das Hochwerfen der Arme, die uns heute als ungehemmter Ausdruck von Trauer erscheinen mögen, 723 Vgl. Scarry 1985, Kap. Die Unausdrückbarkeit körperlichen Schmerzes, S. 11–23; Hermann 2000, S. 45 f. – Hermann sieht im Scheitern der Sprache an der Darstellung und der daraus resultierenden Mehrdeutigkeit der repräsentierten Schmerzäußerung eine Chance für die ästhetische Behandlung. Fleury 2000, S. 164 f. übt im Hinblick auf das „Bernhardstraktat“, welches das Leiden Mariens durch verschiedene Strategien transportiert, Kritik an Scarrys Einschätzung. Zu den Möglichkeiten, Schmerz literarisch darzustellen, siehe auch Gerigk 2000. 724 Von Trotha 1997, S. 29. 725 Sofsky 1996, S. 67; vgl. von Trotha 1997, S. 28 ff.; Hermann 2000, S. 45: „Wo er Sprache werden soll, da entzieht sich Schmerz.“ 726 Sofsky 1996, S. 67. 727 Althoff 2004b, S. 146 f. 728 Althoff 1996 u. andernorts. 729 Zu gesticulatio als negativem Gegenpol von gestus siehe Schmitt 1990, S. 146. 730 Althoff 1996, S. 64. 731 Barasch 1976.

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folgten in Wahrheit gesellschaftlichen Konventionen und sind somit in diesem Sinne diszipliniert.732 Nach Esther Cohen wird auch das Vokabular zum Ausdruck physischen Schmerzes im 15. Jahrhundert gegenüber den vorigen Jahrhunderten sehr viel größer, was auf eine zunehmende Legitimität, diesen auszudrücken, verweise.733 Als Beleg führt sie die Passionsikonographie an, in deren Kontext jedoch vorrangig das seelische Leid Christi und seiner Gefährten zur Darstellung kommen. Die von Cohen konstatierte Entwicklung kann zumindest anhand des Befunds für die spätmittelalterliche Tafelmalerei nicht bestätigt werden.

3.2 Die Repräsentation von Schmerz in spätmittelalterlichen Darstellungen der Passion und der Heiligenmartyrien In der bildlichen Darstellung können dolor und tristitia – wie Emotionen im Allgemeinen – durch Mimik und Gestik der Figuren repräsentiert werden. In der christlichen Kunst des späten Mittelalters lässt sich eine größere Legitimation des Ausdrucks von tristitia feststellen. Äußerungen des Körpers, die als Ausdruck von dolor zu verstehen sind, finden sich vor allem bei negativen Figuren wie den Sündern in Fegefeuer oder Hölle:734 Sie gestikulieren wild, schreien und entblößen ihre zusammengebissenen Zähne. Ein anschauliches Beispiel hierfür ist die Mitteltafel des „Weltgerichtsretabels“ von Stefan Lochner (Farbabb. 10 a): Hier fällt der Gegensatz zwischen der Mitteltafel mit den Sündern auf dem Weg zur Hölle, die ihr Gesicht vor Schmerz und im Schrei verzerren, und den ihr Martyrium passiv ertragenden Märtyrern auf den Seitenflügeln auf. Der expressive Ausdruck körperlichen Schmerzes war somit tendenziell negativ konnotiert und meist auch mit dem Verlust der Möglichkeit, das jenseitige Heil zu erfahren, verbunden.

Das Leiden Jesu Für die Theologie und die Passionsliteratur seit dem 12. Jahrhundert war das körperliche und seelische Leiden Jesu in der Passion von zentraler Bedeutung. Von den Gläubigen wurde bei der Betrachtung der Passion compassio erwartet. Nach Thomas von Aquin war der Schmerz Jesu in der Passion der größte je von einem Menschen erlittene.735 Im Verhältnis zu dieser Aussage erscheint der Ausdruck von Schmerz in spätmittelalterlichen Bildern der Passion eher verhalten – die Mimik des Gottessohnes ist beherrscht, zumindest nicht schmerzverzerrt.736 Auch bei der Darstellung extremer äußerlicher Verletzungen wie in der Geißelungsszene der „Karlsruher Passion“ (Abb. 1 e) oder bei äußerster Aggressivität der Täter wie 732 Siehe ebd., S. 35 f. 733 Cohen 2000, S. 55 f. 734 In Bezug auf Italien Barasch 1976, S. 1 ff. 735 Stock 1998, S. 129. 736 Vgl. dagegen die Pestkruzifixe des 13. Jhs. Bleyl 2000, S. 87.

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bei Marx Reichlichs „Jakobus-Stephanus-Retabel“ (Farbabb. 21 b) weist in erster Linie nicht der mimische Ausdruck Jesu auf das Leiden hin, sondern die gewaltförmigen Aktionen der Täter, ihre Waffen und die daraus resultierenden äußerlich sichtbaren Wunden sind Zeichen des Leidens.737 Die in den Darstellungen häufig sanft nach außen hin abfallenden Augen und Augenbrauen des Gottessohnes scheinen eher auf seelisches Leid als auf körperlichen Schmerz hinzuweisen. Extremer ist hier schon die Darstellung der Kreuzaufbürdung vom „Todesangst-Christi-Retabel“ des Monogrammisten L. Cz. (um 1475; Nürnberg, GNM; Farbabb. 34 b), wo Jesus Tränen über das Gesicht laufen. Dabei wäre der Ausdruck körperlichen Leidens italienischen Kunsttheoretikern des 15. Jahrhunderts zufolge ein wirksames Mittel, um compassio auf der Seite des Betrachters zu erzeugen.738 Doch entsprach eine solche Darstellung des Gottessohnes wohl auch bei allem Situationsrealismus nicht der sakramentalen Bedeutsamkeit des Geschehens und seiner göttlichen Würde. Die Darstellung des Schmerzes war wohl auch deshalb nicht notwendig, weil die Ereignisse der Passion und die Unermesslichkeit des Leidens von den Gläubigen ausreichend verinnerlicht waren – so genügten ja schon die arma Christi oder eine isolierte Seitenwunde, um das memorierte Geschehen und die passenden Empfindungen abzurufen.

Das (Mit-)Leiden der Anhänger Jesu In vielen Passionsszenen treten typischerweise positive Figuren auf, die durch den Ausdruck von seelischem Schmerz – resultierend aus dem Mitleid mit dem Gottessohn und der Trauer über ihren eigenen Verlust – den Betrachter zu compassio aufrufen. Diese Figuren sind die Gottesmutter, ihre Schwestern, Maria Magdalena sowie Johannes der Evangelist. Sie fungieren als Identifikationsfiguren und helfen dem Betrachter bei der Erzeugung eigener compassio.739 Das Rezeptionsideal von compassio ist im Zusammenhang mit dem spätmittelalterlichen Passionsverständnis und der damit einhergehenden Emotionalisierung des Glaubens zu sehen. Das Leiden der Gottesmutter angesichts der Passion ihres Sohnes spielt im Zuge dieser Emotionalisierung eine bedeutende Rolle. Die Marienklagen stehen so auch am Beginn der spätmittelalterlichen Passionsliteratur. Von großem Einfluss waren das sogenannte „Bernhardstraktat“740 und die „Interrogatio Anselmi“ aus dem 13. Jahrhundert. Die Texte beschreiben mit verschiedenen literarischen Mitteln die Leidenspartizipation und Leidensangleichung Mariens. Im „Quis-dabit-Traktat“ beispielsweise, einer Übertragung des „Bernhardstraktats“, spielen die von Maria vergossenen Tränen eine zentrale Rolle: Am Anfang 737 Als isoliert dargestelltes Fragment, z. B. unter den arma Christi, scheint die Seitenwunde mehr auf körperliches, das Herz mehr auf seelisches Leid zu verweisen. 738 Leon Battista Alberti und Leonardo da Vinci z. B. gingen von der Identität von dargestellter Emotion und Betrachteremotion aus. Siehe die entsprechenden Zitate unten, Abschnitt IV.3.4. 739 Andere Figuren wie Longinus und der Gute Hauptmann in der Kreuzigung können ebenfalls als Identifikationsfiguren fungieren, zeigen aber nicht Mitleid, sondern eher Stufen des Erkennens bzw. der Erkenntnis. 740 Dieses Traktat wurde Bernhard von Clairvaux zugeschrieben, geht aber auf eine um 1205 gehaltene Predigt des Zisterziensers Oglerius von Trino (1136–1214) zurück. Fleury 2010, S. 147.

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fordert Maria den Schreiber auf, ihre unter Tränen geäußerten Worte aufzuschreiben; die Beschreibung der Kreuzigung ist durch das Weinen Mariens, Johannes’ und der übrigen Anwesenden geprägt; am Schluss wird das Publikum direkt zum Weinen aufgefordert.741 Daneben wird die Metapher des Schwerts in der Brust, die dem Bereich körperlichen Leids entlehnt ist, verwendet. In einer deutschen Fassung des „Bernhardstraktats“ dominiert hingegen die Metapher des gebrochenen Herzens, um die Trauer der Gottesmutter zu veranschaulichen.742 Auf die emotionale Aufladung der Bildinhalte weist bereits die Entwicklung der Beweinung Jesu zur eigenständigen Szene im Italien des 11. Jahrhunderts hin. Da in den Evangelien keine Totenklage erwähnt wird, liegt es nahe, das Bedürfnis nach einer solchen Szene im Rahmen der Passion auf tatsächliche Totenbräuche und das Bedürfnis nach Trauerritualen zurückzuführen.743 Während in der italienischen Kunst des späten 13. und 14. Jahrhunderts auch expressive, im alltäglichen Leben tendenziell negativ bewertete Gesten dargestellt wurden, wie das Hochwerfen der Arme oder das Zerreißen des Gewandes,744 sind die Trauergesten von Maria, Johannes und Maria Magdalena angesichts des Todes Christi nördlich der Alpen eher verhalten.745 Die wichtigsten Trauergesten sind die zu den Augen geführten verhüllten Hände, wodurch Weinen repräsentiert wird,746 und die Hand an der Wange des geneigten Kopfes.747 Aber auch expressivere Gesten finden sich: In der Kreuzigungsszene des „Niederwildunger Retabels“ von Conrad von Soest (1403; Bad Wildungen, Stadtkirche; Farbabb. 35 a) reißt Johannes in verzweifelt-dynamischer Geste seine Hände über den Kopf. Maria hingegen ist vor Trauer über den Tod ihres Sohnes kraftlos in sich zusammengesunken und muss von ihren Schwestern gestützt werden. Der Ausdruck ihrer Verzweiflung scheint ihr körperlich nicht mehr möglich zu sein. In der Kreuzigungsszene der „Tegernseer Tabula Magna“ (Abb. 2 a) stützt Johannes seinen Kopf melancholisch mit der Hand ab. In vielen anderen Beispielen weinen die Gefährten Jesu, was durch Tränenfluss oder Gestik visualisiert sein kann.748 In mehreren Szenen der „Karlsruher Passion“ (Abb. 1 c, d) sind Tränen dargestellt. Andere Darstellungen zeigen, wie die verhüllten Hände zum Gesicht geführt werden, um dieses von Tränen zu trocknen – so bei Maria in der „Kreuztragung“ von Meister Franckes „Thomasretabel“ (1424–36; Hamburg, Kunsthalle; Abb. 45 b) oder bei Johannes in der 741 Dazu detailliert ebd., S. 149 ff. 742 Ebd., S. 153 ff. 743 Schiller 1968, S. 187. 744 Vgl. Barasch 1976, S. 57 ff.; Garnier 1989, S. 258 f. 745 Ambrosius vertrat die Ansicht, Maria habe über den Tod ihres Sohnes nicht geweint. Andere frühmittelalterliche Autoren glaubten, sie habe zumindest nicht laut geweint und auch keine sonstigen Trauergesten ausgeführt. Barasch 1976, S. 35. 746 Die Geste hat ihren Ursprung in der römisch-antiken Kunst. Siehe Barasch 1976, S. 23. 747 Die Geste kann auch für physischen Schmerz stehen und tritt nicht nur bei positiven Figuren auf. Siehe Garnier 1982, S. 182 ff. 748 Während gestisch artikuliertes Weinen bereits eine lange Tradition in der mittelalterlichen Bildkunst hatte, wurden Tränen erst seit dem frühen 15. Jh. dargestellt, zuerst bei den Altniederländern. Ganz 2008b, S. 27; Söntgen/Spiekermann 2008.

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Kreuzigungsszene des „Idar-Obersteiner Retabels“ (Farbabb. 7 a). Das Gesicht wird zuweilen auch weitgehend verhüllt wie in der Kreuzigungsszene des „Breslauer Barbararetabels“ (Abb. 61 b). Durch diese trauernden Figuren wird dem Betrachter nahegelegt, ebenfalls mitzuleiden und Anteil zu nehmen an der Passion. Verstärkend wirkt dabei die Darstellung beleidigender Gesten gegen die positiven Identifikationsfiguren (siehe Abschnitt VI.2.2). In den Szenen der Verspottung mit der Dornenkrönung und der Geißelung hingegen fehlen mitleidende Figuren in der Regel. Dabei handelt es sich gerade um die beiden Szenen, in denen körperliche Gewaltakte und Demütigungen am drastischsten dargestellt werden. Akzentuiert wird hier dagegen der Aspekt des Verlassenseins, betont dadurch, dass diese Szenen traditionell in einem Innenraum angesiedelt sind. Die dargestellte räumliche Isolation und das Ausgeliefertsein Jesu an seine Feinde tragen dazu bei, dass Mitleid beim Betrachter erzeugt wird, ohne dass dazu Identifikationsfiguren nötig wären. Im Gegenzug finden sich hier zuweilen Gaffer, die, dem Betrachter gegenübergestellt, dem Gewaltgeschehen beiwohnen. Die Szene der Dornenkrönung von der „Karlsruher Passion“ (Abb. 1 b) zeigt gleich vier solche Figuren: Zwei schauen vom Balkon der Hausarchitektur herunter, zwei weitere blicken über die Mauer auf das in einem Innenhof stattfindende Geschehen; die eine hat den oberen Abschluss der Mauer über einen kahlen Baum erreicht, die andere steht auf einer Leiter. Solche Gafferfiguren fordern den Betrachter zu einer kritischen Selbstüberprüfung und Stellungnahme gegenüber den Gewaltereignissen auf.

Die fehlenden Schmerzäußerungen bei den Märtyrern Zeigt schon Jesus selbst wenig Anzeichen von Schmerz, so wurde bereits festgestellt, dass in den spätmittelalterlichen Darstellungen der Martyrien in der Regel jegliche Äußerungen von Furcht und Leid fehlen. Vielmehr sind die Heiligen in stiller Versunkenheit oder gar hoffnungsfroher Erwartung ihres jenseitigen Schicksals wiedergegeben. Das Fehlen von Schmerz­ äußerungen steht in den Bildern in einem deutlichen Kontrast zu den oft drastisch und detailliert ausgemalten Gewaltaktionen der Täter sowie den anschaulich dargestellten körperlichen Folgen auf Seiten des Opfers. Lochners „Weltgerichtsretabel“ (Farbabb. 10 a) macht durch die Gegenüberstellung der unbewegten Mimik der Apostel und der zum Teil ausgeprägt-aggressiven Mimik ihrer Peiniger sowie der in Fegefeuer und Hölle leidenden Sünder mit ihren schmerzverzerrten Gesichtern deutlich, dass die Märtyrer keine Schmerzen zeigen. Demgegenüber ist zum Beispiel bei dem in der Nachfolge Lochners entstandenen Apostelmartyrienzyklus des „Winkler-Epitaphs“ (um 1477)749 kein wirklicher Unterschied zwischen der Mimik der Apostel und ihrer Peiniger festzustellen – sie ist durchgängig unbewegt und ausdruckslos. Visuell wird hier nicht deutlich, dass die Heiligen ihr Schicksal erleiden, ohne ihrem Schmerz Ausdruck zu verleihen.

749 Abb. 255 in Kat. Städel 2002.

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In vielen Martyriendarstellungen wirken die Märtyrer entrückt, insbesondere kurz vor der Enthauptung, wenn sie vollkommen im Gebet versunken zu sein scheinen. Nun muss man aber einräumen, dass im Moment kurz vor der Enthauptung aktuell auch kein Schmerz erzeugt wird. Doch auch während der Durchführung äußerst grausiger Martern wirken die Märtyrer teilweise geradezu erfreut – so zum Beispiel Agatha während ihrer Brustfolter auf der Tafel einer Münchner Werkstatt (Agatharied, St. Agatha).750 Nur in seltenen Fällen verrät die Mimik etwas von der körperlichen Qual, der die Märtyrer ausgesetzt sind – so zum Beispiel beim hl. Thomas von Canterbury in der Ermordungsszene von Meister Franckes „Thomasretabel“ (Farbabb. 36 b) oder bei Barbara in der Szene der Brustabschneidung vom „Breslauer Barbararetabel“ (Farbabb. 37 a). Thomas’ Mund ist leicht geöffnet, die Winkel nach unten gezogen; hinzu kommt ein durch niedergeschlagene Lider gequält wirkender Blick auf die Peiniger. Auch Barbaras Mund ist in der durch reichlich Blutvergießen und die Aggressivität der Schergen besonders drastisch dargestellten Tortur geöffnet, als würde ihm ein schmerzvolles Stöhnen entweichen. Ähnlich wirkt der hl. Emmeran von Urban Görtschachers Hochaltarretabel in St. Wolfgang ob Grades (Abb. 24) etwas gequält, nachdem ihm bereits beide Füße abgehackt worden sind, sein rechtes Auge gerade ausgebohrt, seine Hand abgeschlagen und er zusätzlich mit einem Hammer malträtiert wird.

Das Fehlen von mitleidenden Identifikationsfiguren Anders als in vielen Passionsszenen finden sich in den Bildern der Heiligenmartyrien in den meisten Fällen lediglich Opfer und Täter, aber keine weiteren Figuren, die moralisch auf der Seite des Opfers stünden und Mitleid, Angst oder Schrecken zeigen. Dies ist auch insofern auffällig, als dass die Öffentlichkeit für das Martyrium eigentlich ein integraler Bestandteil ist – sowohl aus der Perspektive der Christengegner, die die Störung der Ordnung beseitigen und ein Exempel statuieren wollen, als auch für die Märtyrer, die mittels ihrer Standhaftigkeit die Wahrheit des christlichen Glaubens unter Beweis stellen. Dies gelingt ihnen den Legenden zufolge auch häufig, indem noch während des Martyriums Heiden und Juden zum Christentum bekehrt werden. Dem Betrachter werden somit keine Identifikationsfiguren angeboten, die ihn zu Mitleid mit dem Heiligen aufrufen würden. Dies und die Tatsache, dass die Märtyrer selbst keinen Schmerz zeigen, weist darauf hin, dass die Erzeugung von compassio keine zentrale Funktion der Martyriendarstellungen sein kann. Freilich finden sich Ausnahmen von der Regel. Ein bemerkenswertes Beispiel ist die „Tafel von Náměšť“ des Meisters vom Raigerner Altar mit dem Martyrium der hl. Apollonia (Farbabb. 16 b): Einer spätmittelalterlichen Legende gemäß wird Apollonia als Königstochter mit Krone dargestellt; sie soll auf Befehl ihres Vaters gemartert worden sein.751 Dieser thront am rechten Rand der Szene unter einer Baldachinarchitektur und weist mit der rech750 Abb. bei Bös/Klinger 1992, S. 130. 751 LCI, Bd. 5, Sp. 232.

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ten Hand zur Mitte der Szene, wo Apollonia von mehreren Schergen gefoltert wird. Ihr wird gleichzeitig mit einer Kelle flüssiges Blei ins Ohr gegossen und die Zähne werden ihr mit einer Zange herausgerissen. Zuvor sind ihr offenbar die Augen ausgestochen worden: Blutrote ‚Tränen‘ laufen aus den geschlossenen Lidern über ihre Wangen. Am linken Bildrand ist zu sehen, wie ihre Augen, Zähne und offenbar auch ihre Zunge ihrer Mutter von einem Schergen mit fratzenhaften Gesichtszügen präsentiert werden. Die Kaiserin leidet mit ihrer Tochter, was durch ihre Mimik und Tränen anschaulich wird. Die mit der Marter beschäftigten Schergen besitzen karikaturhafte Gesichtszüge mit grotesk geformten Nasen. Die Abscheu des Betrachters gegen die grausamen Folterer wird dadurch noch gefördert. Die Begleiterinnen der Kaiserin aber, zwei aufgrund ihrer Schönheit tugendhaft wirkende Frauen, von denen eine die Kaiserin tröstend am Arm berührt, zeigen keinerlei Anzeichen von Schrecken oder Trauer und repräsentieren so die aus christlicher Perspektive angemessene Reaktion auf das Geschehen, das als Gnade Gottes zu verstehen ist. Ein weiteres Beispiel ist eine Tafel mit dem Martyrium der hll. Cantius, Cantianus und Cantianilla vom ehemaligen „Krainburger Retabel“, entstanden um 1500 (Abb. 26): Dargestellt sind die soeben vollzogene Enthauptung des Lehrers der heiligen Geschwister und ihre Reaktion darauf. Diese ist bemerkenswert differenziert und anrührend dargestellt und wird durch die links neben den Heiligen stehende Figur mit der Netzhaube – wohl ein Selbstbildnis des Künstlers752 –, die den Betrachter aus dem Bild heraus direkt anblickt, besonders hervorgehoben: Cantianilla schaut flehend, mit zum Gebet gefalteten Händen gen Himmel, Cantius hält sich erschüttert am Hals seines Bruders fest, während sich seine Hand verkrampft, als der Henker nach seinem Arm greift. Eine solch emotionale Reaktion der Heiligen ist in den spätmittelalterlichen Martyriendarstellungen wohl singulär. Otto Benesch deutete sie als Angst vor dem eigenen Tode,753 was jedoch nicht im Einklang mit der Theologie des Martyriums stünde. Es kann sich hier nur um die Reaktion auf den Verlust eines nahestehenden Menschen handeln. Die emotionale Ansprache des Betrachters wird nicht nur 752 So auch Kat. Österreichische Galerie Wien 1971, S. 138. Als Einzige wirkt diese Figur, abgesehen von dem Griff an ihren Kragen, regungslos, während alle anderen, sogar die Heiligen, dynamisch bewegt sind, vielfach wild gestikulieren oder ihre Gesichter verziehen. Zudem blickt der bärtige Mann den Betrachter eindringlich an; dies tun auch andere Figuren in dem Bild wie der Jüngling am rechten Bildrand, aber der Maler scheint – wie Baldung Grien auf seinem „Sebastiansretabel“ – eher zu starren, während die Übrigen nur blicken: der sogenannte Selbstbildnisblick, der durch das abwechselnde Fixieren des Künstlers von Spiegel und Bild während des Malaktes erzeugt wird. Suckale 2009, Bd. 1, S. 406. Ein ähnlicher Kopf findet sich in der Darstellung des Erasmus-Martyriums aus der Werkstatt des Meisters IT von 1489 (Abb. 28). Der im Vergleich zu den übrigen, stereotyp gezeichneten Figuren äußerst individuell wirkende Kopf ist zwar in stärkerem Profil dargestellt und blickt nicht aus dem Bild heraus, ähnelt dem Selbstbildnis des „Krainburger Retabels“ aber durch Bart und Haube und befindet sich zudem gespiegelt an ähnlicher Stelle im Bild. Die Tafel steht in einer gewissen Abhängigkeit zum „Erasmusretabel“ von Dierik Bouts in Löwen (1460), ebenso wie die Tafeln aus Krainburg. Auch bei Bouts ist ein portraithafter Kopf dargestellt, der aus dem Bild herausblickt. Das Selbstbildnis des Meisters vom „Krainburger Retabel“ erscheint wie eine Mischform der beiden früheren Werke. Die Geste, welche die Figur mit seiner linken Hand ausführt, ähnelt derjenigen Domenico Ghirlandaios in seinem Selbstbildnis am rechten Bildrand des Freskos mit der Vertreibung Joachims aus dem Tempel in der Cappella Maggiore von S. Maria Novella in Florenz (1485–90). 753 Benesch 1972, S. 156.

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durch die dargestellten Affekte und das mutmaßliche Selbstportrait des Künstlers, sondern auch durch den vorne am rechten Bildrand befindlichen Jüngling in kostbarer venezianischer Tracht betont: Er weist mit der rechten Hand in Richtung des Henkers und blickt dabei den Betrachter ebenfalls direkt an.754 Wie bereits das in der Einleitung genannte Beispiel des Margarethenmartyriums zeigte, gibt es auch Beispiele für negative Figuren, die eine Art von Mitleiden mit dem Märtyrer zeigen, indem sie sich von dem grausigen Anblick der Marterung abwenden. Dies ist als Zeichen des Unglaubens zu werten. Ein solches Beispiel ist auch die Szene der Feuermarter vom „Breslauer Barbararetabel“ von 1447 (Abb. 60 c) – hierauf wird in Abschnitt VII.2, in dem das Bildprogramm des Werkes behandelt wird, gesondert eingegangen. Auch eine Tafel mit dem Martyrium des hl. Leodegar von Autun (Nürnberg, GNM; Abb. 50)755 zeigt eine solche Figur: Dem am Boden liegenden, an Händen und Füßen gefesselten Heiligen wird von einem Schergen mit einem Handbohrer das rechte Auge ausgestochen. Dem Ereignis wohnt eine Vielzahl von Personen bei, ohne jedoch angesichts dieser Grausamkeit eine Reaktion zu zeigen: Zwei in der Mitte des Bildes stehende Männer führen eine intensive Unterhaltung, wie durch ihre Redegesten betont wird; ein grün gewandeter Scherge gibt dem Mann mit dem Bohrer offenbar Anweisungen, so suggeriert es sein ausgestreckter Zeigefinger. Die links hinter ihm stehende Figur zeigt als einzige Mitleid: Der Mann wendet sich nach links, weg von dem Gewaltgeschehen, und schirmt mit der linken Hand seine Augen ab, womit er motivisch zugleich Bezug auf die Blendung des Heiligen nimmt. Damit ist er im Verhältnis zu den anderen Figuren zwar positiver charakterisiert, wird aber wiederum als ungläubig entlarvt. Diese Figuren können dazu dienen, den Betrachter zur Reflektion über die Bedeutung des Martyriums und, mehr auf das eigene Leben bezogen, der Nachfolge Christi anzuregen. Diese Funktion haben auch Figuren, die den Betrachter in das Geschehen hineinziehen. Die Szene mit dem Martyrium Jakobus’ d. Ä. von Stefan Lochners „Apostelmartyrien“ (Farbabb. 10 a, linker Flügel, unteres Register links) zeigt am linken Bildrand eine Rückenfigur, die zur Gruppe der Machthaber gehört und die durch ihr hellblaues Gewand auffällt, das eine relativ große einheitliche Farbfläche darstellt. In der Gesamtkomposition des „Weltgerichtsretabels“ befindet sie sich am unteren linken Bildrand. An entsprechender Stelle der Mitteltafel, wo der Einzug der Seligen ins Paradies dargestellt ist, findet sich ebenfalls eine männliche Dreiviertelrückenfigur, vollständig nackt, die ihren Kopf nach hinten wendet, in Richtung der Jakobus-Szene, so dass ihr Gesicht im Profil zu sehen ist. Solche formalen Analogien bzw. Bezugnahmen (durch den Blick), die inhaltlich nicht in Einklang zu bringen 754 Die Figur wurde als römischer Beamter Sisinius gedeutet, der die Hinrichtung der Heiligen forderte, nachdem sie die Huldigung des Götzenbildnisses verweigert hatten. Er trägt eine kostbare venezianische Tracht, die im Italien des 15. Jhs. bei wohlhabenden Bürgern beliebt war. Die Figur richtet sich durch ihre Position im Bild und ihre Gestik ganz offensichtlich an den Betrachter, den sie zum Eintreten in die Szene einlädt. Im Gegensatz zur italienischen Malerei der Renaissance finden sich solche Figuren in der Kunst nördlich der Alpen äußerst selten. Siehe Vignjevíc 2004, S. 389 f. 755 Die Darstellung des steif am Boden liegenden Leodegar weist starke Ähnlichkeit mit der Blendung des hl. Hermolaus von Dürers Holzschnitt mit dem Martyrium der 10.000 Christen von um 1496 auf (Abb. 43).

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sind, da die eine Figur ein Täter, die andere ein Seliger ist, sind geeignet, die Betrachter zur Überprüfung ihrer eigenen inneren Einstellungen zu bewegen.756

Mitleiderregende Blicke der Opfer? Eine Konstante in der Darstellungstradition der Passion ist die Frontalität des Gesichts Jesu. Nur vereinzelt wird hiervon abgewichen, vermehrt erst in der Druckgraphik um 1500.757 Die Frontalansicht bedeutet Sichtbarkeit des ganzen Gesichts und insbesondere der Augen als den zentralen Ausdruckswerten der menschlichen Figur.758 Olaf Büttner hat die Bedeutung des Antlitzes und insbesondere der Augen in Darstellungen der Passion hinsichtlich der pathetischen Bildwirkung beschrieben.759 Im Gegensatz zum Christusbild mit heroischen Zügen, das bis ins Hochmittelalter hinein vorherrschend war, appelliere das ‚unheroische Christusbild‘, wie es in den spätmittelalterlichen Bildern begegnet, vor allem an das Mitgefühl des Betrachters. Bestätigt werden Büttners Überlegungen durch die häufige Darstellung des Vera Icon in Passionsbildern, in denen der Blick Jesu dem Betrachter entzogen ist – vor allem in der Szene der Kreuztragung aufgrund der Profilansicht und in der Szene der Kreuzigung, da Jesus bereits tot ist und mit geschlossenen Augen am Kreuz hängt (Farbabb. 2, Abb. 2 a). Das Schweißtuch mit dem frontalen Bildnis des Gottessohnes kann hier als Ersatz fungieren – das Bild im Bild bietet, was das Hauptmotiv nicht leisten kann. Auch in den meisten anderen Passionsszenen wird selten auf die frontale Gesichtsdarstellung mit geöffneten Augen verzichtet. So lässt der Meister der Karlsruher Passion Jesus auch bei seitlicher Bewegungsdarstellung dem Betrachter sein Gesicht zuwenden (Abb. 1 a, c). Außergewöhnlich und extrem ist in dieser Hinsicht die Szene der Entkleidung, die erst im 15. Jahrhundert häufiger dargestellt wurde760 und in der das Haupt Jesu manchmal durch das darübergezogene Gewand vollkommen verdeckt ist.761 Anders als sein Abbild auf dem Schweißtuch scheint Jesus selbst den Blick des Betrachters nur selten zu suchen. Auch in Darstellungen der Martyrien ist es die Ausnahme, dass der Heilige Blickkontakt zum Betrachter aufnimmt. Beim hl. Laurentius von Michael Pacher (Farbabb. 26) wird dies durch die kühne Perspektive betont: Durch den schräg in die Tiefe des Bildraumes positionierten Rost mit dem darauf liegenden Körper, wobei sich der Kopf auf der dem Betrachter entlegeneren Seite befindet, wird der Blick des Betrachters zum Gesicht des Heiligen hingezogen. Obwohl sich der Kopf des Heiligen in der Tiefe des Bildraums befindet, ist dem Betrachter das Antlitz nicht entzogen: Über seine Schulter und zwischen dem angewinkelten Arm hindurch schaut Laurentius aus dem Bildraum heraus, fast, als suche er aktiv den Blick den Betrachters. Parallel dazu zeichnet sich die Darstellung durch 756 Siehe dazu auch unten, Abschnitt VII.1. 757 Siehe dazu Büttner 1993. 758 Büttner 1993/94, S. 109. 759 Ebd., passim. 760 Vgl. Schiller 1968, S. 94. 761 Vgl. dazu unten, Abschnitt V.1.

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die Betonung der Leiblichkeit mittels naturalistischer Anatomie, Plastizität sowie Licht-undSchatten-Spiel aus. Obgleich seine Mimik keinen Schmerz zeigt, rührt die Darstellung durch das Zeigen des Gesichts an, da es die (Noch-)Menschlichkeit des Märtyrers hervorhebt. Menschlichkeit und Kreatürlichkeit stehen einander gegenüber und steigern ihren Effekt gegenseitig.

3.3 Der Schmerz der Märtyrer in der Theorie und in den literarischen B ­ eschreibungen Was bedeutet es nun aber hinsichtlich theologischer Fragen, dass die Märtyrer in den Bildern keine Schmerzäußerungen erkennen lassen? Wird hierdurch der Meinung Ausdruck verliehen, dass sie zwar Schmerz empfinden, ihn jedoch nach außen hin nicht zeigen, oder dass sie gar keine Schmerzen empfinden?

Theorien zum Schmerz der Märtyrer Bis ins 13. Jahrhundert hinein finden sich kaum kohärente Theorien christlicher Denker über menschlichen Schmerz und nur wenige Aussagen darüber, ob Märtyrer Schmerzen empfinden.762 Von übergeordneter Bedeutung war seit jeher die Frage, ob und in welchem Maße bzw. welcher Art Christus in der Passion Schmerzen hatte. In diesem Zusammenhang ist die Frage nach der Natur Christi von besonderer Relevanz gewesen: Seit dem Konzil von Chalcedon im Jahre 451 waren sich die führenden christlichen Autoritäten einig, dass Christus sowohl Gott als auch Mensch gewesen sei. Aufgrund seiner menschlichen Natur habe er die Schmerzen der Passion wahrhaftig erleiden müssen – eine Notwendigkeit, die aus der Erbsünde resultiert sei.763 Thomas von Aquin versuchte in seiner „Summa theologica“ mit einer verzweigten christopsychologischen Argumentation den Nachweis zu erbringen, dass der in der Passion Christi erlittene Schmerz der größte je von einem Menschen erfahrene sei.764 Entscheidend hierfür sei der freie Wille des Gottessohnes gewesen: Hätte er nicht leiden wollen, hätte er nicht gelitten.765 Christus habe in seinem geschichtlich einmaligen Leiden am Leiden der Menschheit in jeder wesentlichen Dimension teilgehabt – keine Art des Menschheitsleidens ist ihm fremd geblieben.766 762 Cohen 2010, S. 168. 763 Cohen 2000, S. 45; Cohen 2010, S. 198 ff. Hilarius von Poitiers (um 315 – um 367) hingegen hatte als harter Gegner der Arianer etwa 100 Jahre zuvor noch die Ansicht vertreten, Christus sei rein göttlicher Natur gewesen und habe daher nicht wie ein Mensch Schmerzen gefühlt. Ebd., S. 171, 244. 764 Stock 1998, S. 129. 765 So neben Thomas von Aquin z. B. auch Philip von Harveng und Anselm von Canterbury. Siehe Cohen 2000, S. 46; Cohen 2010, S. 199 ff. 766 Stock 1998, S. 129.

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Thomas vertrat zudem die Auffassung, dass der größere Teil der Schmerzen Christi seelischer Art gewesen sei, unter anderem hervorgerufen durch den Verrat des Judas, die Verleugnung Petri und die Demütigungen durch seine Peiniger.767 Von der Passion, die Jesus freiwillig auf sich genommen hatte, um die Menschheit von der Erbsünde zu befreien, unterscheidet sich das Konzept des Martyriums jedoch grundlegend. Bei den Kirchenvätern findet sich zuweilen der Gedanke, dass die Märtyrer Schmerz überwinden konnten. Tertullian, der den Körper als der Seele untergeordnet betrachtete, formulierte an verschiedenen Stellen in seinen Schriften die Meinung, dass die Märtyrer es vermeiden könnten, Schmerz zu spüren, wenn ihre Seele sich während ihrer Tortur bereits auf den Himmel konzentriere oder sich schon dort befinde.768 Bezüglich der Schmerzen der Märtyrer existierten in Spätantike und Mittelalter jedoch teils parallel verschiedene Auffassungen. Die zugrundeliegende Vorstellung des Leib-SeeleVerhältnisses ist hierfür nicht unbedingt entscheidend, denn sowohl unter der Voraussetzung eines Leib-Seele-Dualismus als auch einer Leib-Seele-Identität lässt sich für das Nichtzeigen und das Überwinden von Schmerz der Märtyrer argumentieren; im Zweifel wird innerhalb der Argumentation auf die sich einschaltende göttliche Instanz verwiesen. Nach der Theorie Augustinus’ litten entgegen früherer Auffassungen nicht Leiber vermittelt durch die Seele, sondern Seelen vermittelt durch die Körper. In „De civitate Dei“ heißt es: „Und übrigens sind die sogenannten leiblichen Schmerzen eigentlich Schmerzen der Seele im Leibe und infolge der Leiblichkeit. Der Leib an sich ohne Seele fühlt weder Schmerz noch Begier.“769 Und an späterer Stelle: „Denn der Seele ist es eigentümlich, Schmerz zu empfinden, nicht dem Leibe, auch dann, wenn die Ursache der Schmerzempfindung für sie vom Leibe kommt; sie empfindet dann Schmerz an der Stelle, wo der Leib verletzt ist.“770 Augustinus bezog sich dabei auf Aristoteles’ Annahme, dass die Sinne einen Teil der Seele bildeten und Schmerz zu den taktilen Sinnen gehöre.771 Die Ursache physischen Schmerzes liege demnach im Körper, die Empfindung finde aber in der Seele statt.772 Die Märtyrer könnten daher den Schmerz durch ihre Hoffnung auf das jenseitige Heil der Auserwählten aushalten, aber nicht überwinden.773

767 Summa Theologiae 3a, 46, 4. Siehe Cohen 2000, S. 46; Cohen 2010, S. 204. 768 De anima 58, 867 ff. Siehe Bynum 1995a, S. 43 m. Anm. 97. 769 De civitate Dei XIV, 15 (= BKV, Bd. 16, S. 336). „Dolores porro, qui dicuntur carnis, animae sunt in carne et ex carne. Quid enim caro per se ipsam sine anima uel dolet uel concupiscit?“ (= CCSL, Bd. 48, S. 438). Vgl. Cohen 2010, S. 171. 770 De civitate Dei XXI, 3 (= BKV, Bd. 28, S. 357). „Animae es enim dolere, non corporis, etiam quando ei dolendi causa existit a corpore, cum in eo loco dolet, ubi laeditur corpus.“ (= CCSL, Bd. 48, S. 760). 771 Nach Aristoteles bestand der Mensch aus der Seele, dem Geist und dem Körper, der Schmerz sei den taktilen Sinnen zuzuordnen, die in der Seele zu verorten seien, welche mit dem Körper interagiere. Siehe Cohen 2000, S. 43. Die Vorstellung, der Schmerz sei in der Seele zu verorten, bestand bis ins 17. Jh. hinein. Siehe Toellner 1992, S. 138 ff.; Morris 1991, S. 152 ff. 772 Meier 1912, S. 107. 773 Lössl 2002, S. 588.

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Basierend auf Augustinus wurde aber auch ein Konzept entwickelt, das gegenüber dem Kirchenvater zu einem gegenteiligen Ergebnis gelangte, dass nämlich die Märtyrer im Martyrium überhaupt keine Schmerzen erleiden würden.774 Nachdem Augustinus den Schmerz in der Seele verortet hatte, entwickelte Hugo von St. Victor († 1141) darauf aufbauend die Theorie, dass die Ursache des Schmerzes Angst sei.775 Als logische Konsequenz folgte daraus für ihn, dass die demütigen und tugendhaften Märtyrer keine Angst vor ihrem jenseitigen Leben haben mussten und daher im Martyrium auch frei von jeglichen Schmerzen waren. Hugo geht von einem Leib-Seele-Dualismus aus, nach welchem die Seele – die eigentliche Person – den Körper benutzt.776 Diese Vorstellung wurde kurz nach seinem Tod, um die Mitte des 12. Jahrhunderts, mit der Scholastik und der Annahme einer Einheit von Leib und Seele innerhalb einer Person in Frage gestellt.777 Diese Entwicklung stand in engem Zusammenhang mit dem Auferstehungsglauben und der Behauptung der Identität von ir­dischem und Auferstehungsleib. In der neuen Tradition steht – bei einer noch eher abwertenden Haltung gegenüber dem Körper – schon Bernhard von Clairvaux, der überzeugt war, die Märtyrer nähmen ihre Schmerzen nicht wahr, weil sie so von der Liebe zu Christus erfüllt seien: „Eine große Kraft der Liebe hatte diese Seelen [der Märtyrer] ganz nach innen gezogen, so daß sie ihre leibliche Hülle preisgaben und die Qualen verachten konnten. Das Empfinden des heftigsten Schmerzes konnte ihre Heiterkeit nämlich höchstens trüben, aber nicht zerstören.“778

Und an anderer Stelle: „Es wird nämlich seine eigenen Wunden nicht spüren, wer seinen Blick auf dessen [Jesu] Wunden richtet. So steht der Märtyrer frohlockend und triumphierend, wenn auch sein ganzer Leib zerfleischt ist. Während das Schwert seine Seite spaltet, schaut er nicht nur tapfer, sondern heiter zu, wie sein heiliges Blut aus seinem Fleische strömt. Wo ist dann die Seele des Märtyrers? Gewiß an einem sicheren Ort, gewiß in dem Felsen, gewiß im Herzen Jesu, dessen Wunden zum Eintritt offenstehen. Würde er in seinem eigenen Herzen verweilen, so würde er das ihn durchbohrende Schwert sicher spüren; er könnte den Schmerz nicht ertragen, würde erliegen und leugnen. Nun aber wohnt er in einem Felsen, und ist es dann verwunderlich, wenn er hart wie ein Fels wurde? Aber auch das ist nicht verwunderlich, daß er, fern vom Leib, die Qualen seines Leibes nicht fühlt. Und doch macht das nicht die Gefühllosigkeit, sondern die Liebe. Das Empfinden wird nämlich unterworfen, nicht verworfen. Der Schmerz fehlt nicht, doch er wird verachtet.“779

In der Zeit der Scholastik existierte ein weites Spektrum verschiedener Meinungen über das Thema Schmerz, während Einigkeit darin bestand, dass Christus gleichermaßen göttlicher und menschlicher Natur war und in der Passion wie ein Mensch Schmerzen erleiden musste. 774 Cohen 2000, S. 62 f. 775 Hugo von St. Victor, De sacramentis. Nach Cohen 2000, S. 44. 776 Bynum 1995a, S. 135. 777 Bynum 1989, S. 188 f.; Bynum 1995a, S. 135. 778 Bernhard von Clairvaux, De diligendo Deo X, 29 (= Winkler, Bd. 1, S. 125); vgl. Bynum 1995a, S. 164. 779 Bernhard von Clairvaux, Sermones super Cantica Canticorum 61, 8 (= Winkler, Bd. 6, S. 321).

Körperlicher und seelischer Schmerz  163

Augustinus’ Meinung, dass Schmerz in der Seele und nicht im Körper gefühlt werde, wurde von den Scholastikern weitgehend akzeptiert – ging sie ja schließlich auf Aristoteles zurück.780 Die verbreitete Auffassung in dieser Zeit war, dass die Märtyrer in der Lage waren, den Schmerz zu ertragen und zu verstecken, aber nicht, dass sie keinen fühlten.781 Spirituelle Liebe und innere Stärke aber könnten zu annähernder Schmerzlosigkeit führen. 782 Nach Thomas von Aquin strömte im Martyrium bereits die visio beatifica des Geistes auf übernatürliche Weise in die Leiber der Märtyrer.783 In der Unmittelbarkeit der bildlichen Präsentation bleiben die fehlenden Schmerzäußerungen für den Betrachter jedoch eine Leerstelle. Seiner Erfahrung gemäß erwartet er bei dem Aufeinandertreffen von Gewalt ausübenden Tätern und Gewalt erleidenden Opfern Schmerz als Ergebnis. Gerade über das dadurch erzeugte Moment der Irritation wird aber das Konzept des Martyriums deutlich, innerhalb dessen das Erleiden der Gewalt eine Gnade ist und die erlittene Gewalt zum jenseitigen Heil des Märtyrers führt. Zugleich bedeutet das Nichtzeigen des Schmerzes den Triumph über die Feinde des christlichen Glaubens. Durch das Fehlen von Schmerzäußerungen wird so auf die christliche Idee der gloria passionis, des Triumphes im und durch das Leiden, verwiesen.

Literarische Beschreibungen Betrachtet man die Rolle von Schmerz in den spätmittelalterlichen Märtyrerlegenden, ergibt sich ein heterogeneres Bild als in der Tafelmalerei. Differenziert werden muss zwischen dem weitgehenden Ignorieren des Themas Schmerz und dem expliziten Negieren seines Vorhandenseins. Vielfach sind die Aussagen schon innerhalb einer einzelnen Legende oder eines Kompendiums konträr.784 In den Berichten der frühchristlichen Märtyrerakten wird noch hervorgehoben, dass die Heiligen dank ihrer Glaubensstärke den Schmerz ertragen konnten – demnach empfanden sie ihn also durchaus. In der römischen Kaiserzeit erlitten die christlichen Märtyrer ihr Martyrium unter den Augen der Öffentlichkeit im Amphitheater, was dem Zweck dienen sollte, die Macht der heidnischen Obrigkeit unter Beweis zu stellen.785 Von den Christen wurde die Tortur als Prüfung begriffen und das geduldige Ertragen des Schmerzes als Demonstration

780 Cohen 2010, S. 173. 781 Ebd., S. 244. 782 Ebd., S. 246 f. 783 Bynum 1989, S. 195; Bynum 1995a, S. 310; zum scholastischen Leib-Seele-Verständnis Bynum 1989, S.  188 f. 784 Vgl. dazu auch Cohen 2010, S. 227 ff. Hier eine ausführliche vergleichende Analyse der Erzählungen über die Martyrien von Agnes, Agatha, Vincentius und Laurentius in Prudentius’ „Peristephanon“, den Schriften des Jacobus de Voragine und späteren Sermones. 785 Zur Folter von Märtyrern in der römischen Kaiserzeit siehe Diefenbach 2000; Feichtinger-Zimmermann 2004.

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von Stärke und Sieg über die paganen Peiniger.786 Indem dem Schmerz nach außen hin kein Ausdruck verliehen wurde, konnte auch durch körperliche Passivität Überlegenheit gezeigt werden. Schon im ältesten bekannten Bericht über ein Martyrium, dem „Martyrium Polycarpi“, kommt aber eine nichtkonsistente Auffassung hinsichtlich vorhandener Schmerzempfindungen zum Ausdruck. An einigen Stellen wird das heroische Erdulden der Tortur gepriesen, an anderen hingegen Leidlosigkeit suggeriert: Während ihrer Tortur seien die Märtyrer abwesend von ihrem Fleisch;787 für diejenigen, die ihre Gedanken auf Christus richteten, fühle sich Feuer kalt an.788 Die künftige Märtyrerin Felicitas klagte der „Passio SS. Perpetuae et Felicitatis“ zufolge im Kerker über Geburtswehen und wurde deswegen von einem Wärter verspottet: „Wenn du jetzt schon so schwer die Schmerzen empfindest, was wird erst werden, wenn du den wilden Tieren vorgeworfen wirst?“ Darauf antwortet sie: „Jetzt bin ich es, die leidet, was ich zu leiden zu habe. Dort aber wird ein anderer in mir sein, der für mich leiden wird, wie ich auch für ihn leide.“789 Der Schmerz im Martyrium, der aus der Notwendigkeit der Nachfolge Christi resultiert, ist demnach mit gewöhnlichem Schmerz nicht unbedingt vergleichbar, er scheint erträglicher. In der „Legenda aurea“ finden sich in den meisten Fällen keine Angaben dazu, ob die Märtyrer während ihrer Tortur Schmerzen hatten – Schmerz wird zumeist weder eindeutig negiert noch explizit erwähnt. Dem Aspekt des subjektiven Leidens kommt im Vergleich zu den Schilderungen der praktizierten Martern eine deutlich untergeordnete Rolle zu. Nur einige Male wird das Vorhandensein von Schmerz erwähnt, während die Schmerzhaftigkeit der Bestrafungen im Fegefeuer hervorgehoben wird.790 Die Märtyrer preisen das Leiden und kleiden es in Gleichnisse. Jakobus der Zerschnittene vergleicht sich selbst, als ihm alle zehn Finger einzeln abgeschnitten werden, mit einem Weinstock, der beschnitten werden muss, um dadurch umso mehr zu wachsen.791 Agatha setzt ihren Körper im Martyrium mit Weizen gleich, dessen Hülse kräftig gewalkt werden muss, um in die Scheuer zu kommen und von der Spreu getrennt zu werden.792 Mehrfach werden die Freuden des Martyriums ausdrücklich hervorgehoben: Für Laurentius ist das Martyrium ein „Freudenmahl“.793 Gorgonius und Dorotheus werden mit Nägeln und Geißeln zerrissen, mit Essig und Salz eingerieben, so dass ihre Eingeweide beinahe bloß liegen – „Das litten sie alles fröhlich.“794 Als sie auf dem Rost gebraten werden, heißt es: „aber sie empfanden keinen Schmerz“.795 So 786 Cohen 2000, S. 62; vgl. Feichtinger-Zimmermann 2004, S. 294: „Das ist vielleicht das überraschendste Paradoxon, das der Märtyrerliteratur eignet: hochgradige Subversivität (als Potential) zu transportieren, ohne (tatsächlich) revolutionär zu sein.“ 787 Cohen 2010, S. 229. 788 Bynum 1995a, S. 43, 46. 789 Zitiert nach Richstaetter 1949, S. 21. 790 Bynum 1995a, S. 309 f. 791 Legenda aurea (= Benz 1925, S. 931). 792 Ebd., S. 199 f. 793 Ebd., S. 568. 794 Ebd., S. 694. 795 Ebd.

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ausdrücklich wird das Vorhandensein von Schmerz allerdings selten negiert. Wie inkonsistent die Position Jacobus’ de Voragine bereits innerhalb einer einzelnen Passio ist, zeigt das Beispiel Laurentius. In der eigentlichen Erzählung behauptet Laurentius selbst, keine Schmerzen zu haben.796 In der anschließenden Deutung unter Bezug auf die Kirchenväter wird im Gegensatz dazu die Größe der Pein mehrfach ausdrücklich hervorgehoben und als Grund für die Vorrangstellung des Heiligen unter den Märtyrern angeführt.797 Im ­gleichen Zuge wird Ambrosius mit folgenden Worten zitiert: „Sanct Laurentius konnte die Feuerqualen nicht fühlen in seinen Eingeweiden, denn in seinen Sinnen war Kühle des Paradieses.“798 In dem nördlich der Alpen am weitesten verbreiteten volkssprachlichen Legendar „Der Heiligen Leben“ ist Gott – anders als in seiner Hauptquelle, dem „Märterbuch“ – weniger der Fordernde als der Erbarmende.799 Dementsprechend wird das Martyrium als Gnade begriffen. Vielfach wird explizit ausgedrückt, dass das Fehlen von Schmerzen im Martyrium ebenfalls auf die Gnade Gottes zurückzuführen sei.800 So heißt es über Leodegar von Autun, dem die Zunge herausgeschnitten wird: „Da half im got, das es im nicht schat.“801 Bei Dorotheus und Gorgonius wird das Vorhandensein von Schmerz noch expliziter verneint: „Do tet in got sein gnod vnd half in, daz in daz leiden niht we tet.“802 In den „Meditationes vitae Christi“ wird in Anlehnung an Bernhard von Clairvaux folgende Ansicht über das Leiden des Märtyrers geäußert: „Das geduldige Ausharren im Martyrium ist so zu erklären: Die Seele des Märtyrers war versenkt in die andächtige und ständige Betrachtung der Wunden Christi. In diesen Wunden weilte der Martyrer [sic] und so ging er frohlockend seine Siegeslaufbahn, mochte auch sein ganzer Leib zerrissen sein. [...] In den Wunden Jesu Christi haben nicht bloß die Martyrer, sondern auch die Bekenner zu allen Zeiten ihre große Geduld in Leiden und Trübsalen geholt, so daß sie nicht nur geduldig, nein sogar fröhlich blieben. Das kommt daher, daß ihre Seele nicht in ihrem Leibe weilte oder weilt, sondern in Christus infolge eifriger Betrachtung seines Leidens.“803

Für die hagiographische Literatur des späten Mittelalters ist die anschauliche Beschreibung der Martern charakteristisch, wobei dem tatsächlichen körperlichen Leiden in der Regel wenig Beachtung geschenkt wird.804 Bleibt der Text oft unkonkret, kann es das Bild an dieser Stelle nicht sein, denn die Weglassung von Schmerzäußerungen bedeutet in der bildlichen Darstellung nicht eine Nichtthematisierung von Schmerz, sondern die Behauptung von Schmerzlosigkeit. 796 Ebd., S. 569: „Wisse du armer Mensch, diese Kohlen sind mir eine Kühle [...].“ 797 Ebd., S. 573 ff. 798 Ebd., S. 577; vgl. Cohen 2010, S. 237. 799 Söder 1972, S. 55; Kunze 1981, Sp. 622. 800 Höbing 1935, S. 46. 801 Der Heiligen Leben (= Brand 2004, S. 45). 802 Ebd., S. 524. 803 Zitiert nach Richstaetter 1949, S. 163. 804 Vgl. Lützelschwab 2008, S. 128.

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3.4 Zur Rolle von Schmerz hinsichtlich der Wirkung von Gewaltdarstellungen Fraglos haben Gewaltdarstellungen in der Kunst eine besondere Wirkung auf den Betrachter, die sich von derjenigen anderer Motive deutlich unterscheidet. Dadurch erklärt sich, dass Gewalt seit jeher zu den Lieblingsmotiven der Kunst gehört. Woraus aber resultiert diese Wirkung? Und welche Rolle spielt der untrennbar mit körperlicher Gewalt verbundene Aspekt des Schmerzes dabei? Zu diesen komplexen Fragestellungen sollen im Folgenden einige Überlegungen angeführt werden. Gewalt stellt eine universell-menschliche Extremsituation dar, die sich an der Grenze zwischen Leben und Tod bewegt. Dies wird dem Gewalt erleidenden Individuum durch das Erfahren von Schmerz bewusst. Der Aspekt des Schmerzes, so meine These, ist wesentlich dafür verantwortlich, dass Gewaltdarstellungen eine außerordentliche Wirkung auf den Betrachter haben. Voraussetzung hierfür ist die eigene Schmerzerfahrung, über die jedes Individuum verfügt, wobei diese nicht notwendigerweise auf Gewalt zurückgehen muss. Schmerz ist eine elementare Erfahrung, die sich im Gedächtnis tief einprägt. Die Fähigkeit des Menschen, Schmerz zu imaginieren, ist aus diesem Grund sehr groß.805 Bezüglich der nonrationalen Erinnerungsfähigkeit wurde im christlichen Abendland dem Tastsinn (tactus) und damit dem taktilen Schmerz die größte Bedeutung beigemessen.806 Extremen Phänomenen807 und insbesondere Schmerz wurden bereits seit der Antike eine mnemotechnische Funktion zugeschrieben.808 Das planmäßige Zufügen von Schmerz wurde von der Antike bis in die frühe Neuzeit auch als Lernhilfe eingesetzt.809 Ein anschauliches Beispiel für diese Praxis ist eine Miniatur im „Codex Manesse“ aus dem 14. Jahrhundert: Sie zeigt, wie der edle Minnesänger Hartwig von Raute einem Knaben, der ein Gedicht überbringen soll, diesem den Auftrag mittels einer Ohrfeige ‚einschärft‘.810 Durch den taktilen Extremreiz sollte die Erinnerung an Situationen, Orte oder Ähnliches gestärkt werden. Ein sinnlich schwacher Reiz (der Auftrag) sollte so durch einen starken taktilen Reiz umkodiert werden.811 Die Methode diente auch dazu, höchst abstrakte Inhalte einzuprägen. Dass solche Methoden keineswegs negativ bewertet wurden, zeigt beispielsweise eine Darstellung des Albertus Magnus, selbst Gedächtnistheoretiker, als Lehrer, der mit einer Rute ausgestattet ist.812

805 Bestätigung erhält die Annahme der Einprägsamkeit von Emotionen im Allgemeinen durch die Theorie vom ‚somatischen Marker‘ des Neurowissenschaftlers António Damásio. Freedberg 2007, S. 35 f. 806 Berns 2002, S. 248. 807 Vgl. Thomas von Aquin, Summa Theologiae: „Von den Dingen, die einer erinnern will, sollte er passende Bildvorstellungen wählen, nicht zu alltägliche, denn wir wundern uns mehr über ungewöhnliche Dinge, und der Geist wird durch sie stärker bewegt.“ Zitiert nach Yates 1966. 808 Der Zusammenhang von Schmerz und Erinnerung bildet ein eigenes, noch nicht etabliertes Forschungsfeld. Zum Stand der Forschung siehe Borgards 2005, S. 11 ff. 809 Berns 2002, S. 250 f.; vgl. auch Pincikowski 2010, S. 28. 810 Berns 2002, S. 250 f. 811 Ebd., S. 250. 812 Dazu ebd., S. 250 ff. (mit Abb.).

Körperlicher und seelischer Schmerz  167

Ebenfalls seit der Antike wusste man um die Wirkung schaudererregender Darstellungen in Literatur, Bild oder Schauspiel.813 In der mittelalterlichen Meditationspraxis wurden grausige Bilder verwendet, um meditierend in den Zustand der Reue zu gelangen; dies wurde compunctio cordis genannt – die Verwundung des Herzens, was das Einprägen ins Gedächtnis meint.814 Die mnemotechnische Funktion von Gewalt und Schmerz funktioniert also nicht nur über das reale Erleben, sondern auch über Rezeption der Darstellung in den Künsten.815 Die christliche Religion machte sich dies von vornherein zu Nutze, da der Moment des Schmerzes durch die Ereignisse der Passion Christi eine zentrale Position innerhalb des Kultes einnimmt. Als wesentlich für die mnemotechnische Funktion der künstlerischen Darstellung extremer Phänomene wie Gewalt/Schmerz gilt seit der Antike die Übertragung des repräsentierten Affekts auf den Rezipienten. Angesichts einer Gewaltdarstellung ist zu erwarten, dass dieser geschockt ist oder Mitleid mit dem Opfer empfindet. Aristoteles’ Wirkungskonzept der Katharsis setzt voraus, dass durch die in der Tragödie dargestellte Handlung die Affekte Furcht und Mitleid zunächst erzeugt werden, um dadurch von ihnen zu reinigen.816 Da sich der Zuschauer bewusst ist, dass das Dargestellte fiktiv ist, ist die Katharsis mit Lust verbunden, er gewinnt bald wieder Distanz von seiner Ergriffenheit und gelangt so wieder zu einer affektiven Mitte.817 In seiner Rhetorik hingegen legt Aristoteles dar, der Redner müsse in seiner actio – Stimme, Gestik und Mimik des Vortrags – überzeugend sein, da so das Publikum in die gleiche affektive Stimmung versetzt und es folglich vom Inhalt des Gesagten überzeugt werde.818 Wie für die Rhetorik galt auch für die bildende Kunst die Repräsentation einer affektiven Haltung mittels Mimik und Gestik als von zentraler Bedeutung hinsichtlich der Erzeugung derselben.819 Entsprechend Aristoteles gingen Kunsttheoretiker wie Leon Battista Alberti von der Identität des repräsentiertem und des erzeugtem Affekts aus. In „Della Pittura“ schreibt er: „Ferner wird ein Vorgang dann die Seele bewegen, wenn die dort gemalten Menschen ihre eigenen seelischen Bewegungen ganz deutlich zu erkennen geben. Aus der Natur, die wie nichts anderes begierig ist als nach ihr ähnlichen Dingen, kommt es, dass wir weinen mit dem Weinenden, lachen mit dem Lachenden und leiden mit dem Leidenden.“820

813 Carruthers 1990, S. 130 ff.; Pincikowski 2010, S. 24 ff. 814 Carruthers 1997, S. 2; Pincikowski 2010, S. 26 f. 815 Siehe Enders 1999; Berns 2002; Pincikowski 2010. 816 Bei Aristoteles eleos und phobos, von Lessing mit „Mitleid und Furcht“, heute auch mit „Jammer und Schauder“ übersetzt. Schnackertz 2005, S. 674 ff.; Gessmann 2005; Grimminger 2000, S. 18 ff.; Rapp 2008, S. 57 ff. 817 Gessmann 2005, S. 725. Auch in der frühen Psychotherapie fand das Konzept der Katharsis noch seinen Niederschlag (Josef Breuer, Sigmund Freud). Heute gelten jedoch alle Varianten der Katharsisthese als empirisch widerlegt. Kunczik/Zipfel 2002, S. 153. 818 Gessmann 2005, S. 725. Aristoteles: „[...] der Hörer [befindet sich] immer in der gleichen affektiven Stimmung wie der affektiv Redende, selbst wenn er nichts [Stichhaltiges] vorbringt [...].“ Zitiert nach ebd., S. 726. Dazu, auf welche Weise die Emotionen gezielt zu erzeugen seien: Rapp 2008, S. 58 f. 819 Auch moderne Varianten der Katharsistheraphie (Breuer/Freud) gehen zum Teil davon aus, dass kathartische Effekte nur eintreten, wenn Schmerzen und Verletzungen des Opfers in aller Ausführlichkeit gezeigt würden. Kunczik/Zipfel 2006, S. 152 f. 820 Alberti, Della Pittura, 41 (= Bätschmann/Gianfreda 2002, S. 131).

168  Körperliche Gewalt

Dargestellte Emotion und Betrachterreaktion werden damit als identisch angenommen. 821 Diese Annahme findet sich schon in der noch jungen kunsthistorischen Forschung wieder und wird auch durch neueste neurowissenschaftliche Erkenntnisse bestätigt.822 Andrea Biglia schreibt in seinem „Liber de institutis, discipulis et doctrina fratris Bernardini Ordinis Minorum“ von um 1430: „Auch bei uns ist es ja Brauch, daß die Heiligen und insbesondere die Märtyrer auf Plätzen und an den Kirchenwänden in der Gestalt gemalt werden, daß sie den Betrachtern ein leuchtendes Bild ihrer Heiligkeit bieten: Der eine durch Steine zerfleischt, der andere mit Geißeln geschlagen, wieder ein anderer von Pfeilen durchbohrt, ein vierter durch Skorpione gepeinigt, wenn wir schließlich alle übrigen auf die vielfältigsten Marterstrafen gequält sehen, so erleiden wir selbst in unserer Seele dieselben Foltern und erdulden sozusagen dieselben Qualen.“823

Diese Äußerung lässt allerdings einen wesentlichen Punkt offen, nämlich ob die dargestellten Märtyrer tatsächlich leidend dargestellt sind. Betrachten wir die Fresken an den Kirchenwänden des Tre- und Quattrocento, die Andrea gemeint haben könnte, muss dies wohl verneint werden. Dies würde den Verdacht nähren, dass hinsichtlich Gewaltdarstellungen die Repräsentation der Emotion auf Seiten des Opfers (Schmerz, Schrecken, Angst) gar nicht notwendig ist, um einen entsprechenden Affekt auf Seiten des Betrachters zu erzeugen – die Darstellung der Gewalthandlung selbst oder ihrer körperlichen Folgen reichen dazu aus, der Affekt wird vom Betrachter antizipiert. Verantwortlich hierfür ist meines Erachtens die Schmerzerfahrung, die jeder Mensch besitzt, ob aus Gewalt, Unfällen oder Krankheit resultierend. Die Gedächtnistheorien gehen, wie oben gezeigt wurde, von der Einprägsamkeit des Schmerzes aus, d. h. die Erinnerung an den Schmerz kann leicht abgerufen und der aus einer Gewalthandlung resultierende Schmerz in gewisser Weise imaginiert werden. Innerhalb der Emotionsforschung ist bislang unklar, wie der Transformationsprozess von einem durch eine künstlerische Darstellung, eine Rede oder Predigt visuell wahrgenommenen, gelesenen oder gehörten Affekt zum Affekt des Betrachters/Lesers/Hörers funktioniert.824 Paradox erscheint es, dass das Wissen um die Fiktionalität eines dargestellten Affekts

821 Alberti konnte sich dabei insbesondere auf Ciceros actio-Lehre stützen. Michels 1988, S. 23 ff. In der Nachfolge Albertis lassen sich ähnliche Äußerungen finden, z. B. in Leonardo da Vincis „Malerbuch“: „Die Zusammenstellungen gemalter Historien sollen die Beschauer und Betrachter derselben zu Äußerungen des gleichen Affekts bringen, um dessentwillen die Historie figuriert wird, d. h. wenn die Historie Schreck darstellt, Angst oder Furcht oder aber Schmerz, Weinen und Wehklagen oder Wohlgefallen, Jubel und Gelächter oder ähnliche Gemütserregungen, so soll die Seele der Beschauer und Beobachter, dessen Glieder zu Bewegungen veranlassen, daß es den Anschein hat, als seien sie selbst an dem Fall beteiligt, der in der Figuration der Historie zur Vorstellung kommt.“ Zitiert nach Frey 1929, S. 145. 822 Zu nennen sind hier vor allem die Forschungen von António Damásio. Zu Erkenntnissen der Neurowissenschaft und ihrem Nutzen für die Kunstgeschichte Freedberg 2007, S. 27 ff., 35 ff. 823 Zitiert nach Pfisterer 2002, S. 133 ff. 824 Dazu Schnell 2004, S. 254; Freedberg 2007, S. 32. Freedberg bezieht sich vielfach auf Kriegsfotografie und problematisiert dabei nicht das Verhältnis von realer/fiktionaler Gewalt in dokumentarischen bzw. künstlerischen Medien. Dazu Keppler 1997; Keppler 2006.

Körperlicher und seelischer Schmerz  169

der Affizierung des Rezipienten keinen Abbruch tut.825 Es wird jedoch angenommen, dass die Emotionalisierung durch eine dramatische Aufführung aufgrund der Möglichkeiten von Gestik und Stimme, die unmittelbar auf den Zuschauer wirken, leichter gelingen kann als beispielsweise durch die literarische Beschreibung oder Repräsentation des Affekts.826 Es ist davon auszugehen, dass auch Gewaltdarstellungen, in denen die Repräsentation von Schmerz fehlt, zunächst den Betrachter affizieren, dass er also Mitleid verspürt, das ihm im äußersten Fall so erscheinen kann, also würde er selbst die körperlichen Schmerzen des Opfers spüren. Das Mitleiden vollzieht sich jedoch ausschließlich im Kopf.827 Für die ­Wirkung der spätmittelalterlichen Martyriendarstellungen ist die spontane Affizierung des Betrachters trotz fehlender Schmerzrepräsentation von Relevanz, da erst über die Erkenntnis, dass die Reaktion des Heiligen den vor Augen geführten Torturen nicht entspricht, die ­religiöse Aussage der Bilder anschaulich wird: Die Peinigung des Körpers führt zum Heil der Seele  – „carnis cruciatio est animae salvatio“.828 Die Voraussetzung für das Verständnis der Bilder bildet das christliche Wirklichkeitsverständnis – das Wissen um ein übergeordnetes, jenseitiges Leben, das erst nach den Widrigkeiten des irdischen Daseins erlangt werden kann. Das diesseitige Ereignis des Martyriums, das in seiner Erscheinung grausig und abschreckend ist, steht im Verhältnis zu einer höheren Realität, die sich dem Betrachter nicht unmittelbar darbietet, sondern Auflösung nur durch den festen Glauben an ein Jenseitiges erfahren kann. „Daß die Wirklichkeit des Häßlichen nurmehr das unvollendete Gegenbild der Transzendenz des vollendet Schönen, Wahren und Guten ist, bleibt der natürlichen Wahrnehmung entzogen und erschließt sich erst in der Einsicht dessen, der im gegenwärtig Wirklichen die typologische Beziehung zum Vergangenen und Zukünftigen, zum Anfang und zum Ende der Heilsgeschichte zu erkennen vermag.“829

Gerade die Leerstelle im innerbildlichen Gewaltverhältnis bildet so den Kern der heilsgeschichtlichen Bildbotschaft.

3.5 Zum Verhältnis von Kunst und Gewalt Wie in Abschnitt IV.3.4 dargelegt wurde, ist das Phänomen Schmerz durch seine erinnerungsfixierende Funktion maßgeblich für die Wirkung einer dargestellten Gewalthandlung, insofern, als dass es die Imagination des Betrachters anstößt. Gewaltdarstellungen besitzen daher, so lässt sich metaphorisch verstanden sagen, eine ‚gewaltige‘ Wirkung.

825 Schnell 2004, S. 253. 826 Ebd., S. 254. Dazu Kasten 2002, mit Bezug auf Passionsspiele. 827 Seel 2000, S. 300 ff. Siehe dazu auch den folgenden Abschnitt, IV.3.5. 828 Legenda aurea, dort: Legende der hl. Margarethe (= Graesse 1846, S. 401). 829 Jauß 1968, S. 158.

170  Körperliche Gewalt

‚Darstellungsgewalt‘ und ‚Sprachgewalt‘? Insbesondere innerhalb der Literaturwissenschaft jedoch wurden mehrfach fragwürdige Thesen zum Verhältnis von Kunst und Gewalt aufgestellt.830 Der Literaturwissenschaftler Karl Heinz Bohrer konstatiert ein generelles „Bedingungsverhältnis von Gewalt und Ästhetik“, das unabhängig von der thematischen oder motivischen Gewaltbehandlung ist.831 Dem folgt Hans Ulrich Gumbrecht, ebenfalls Literaturwissenschaftler, denn: „Sollte es nämlich zutreffen, daß ästhetische Erfahrung immer ein Aktivieren der Sinne – ein Aktivieren der physischen Wahrnehmung – impliziert und zugleich eine spezifische ­Aufmerksamkeit auf diese Sinneswahrnehmung lenkt, dann folgt daraus, daß ästhetische Erfahrung nicht darauf verzichten kann, die Körper derer, die sich ihr aussetzen wollen, in – typischerweise: nicht vorhersehbaren – Modalitäten zu affizieren.“832

In Anlehnung an Bohrer formuliert Klaus-Peter Philippi zugespitzt: „Kunst ist Gewalt – oder sie ist nicht.“833 In dieser Tradition stehend, äußert sich auch Martin Zenck: „Nur durch die intentionslose Gewaltlosigkeit [der Musik] entsteht die ästhetische Gewalt der Überwältigung, die allerdings, und dies gilt es zu bedenken, den Getroffenen so trifft wie die reale Gewalt, die ihn vollkommen ausliefert.“834 Unter dieser Voraussetzung stellt man sich allerdings die Frage, inwiefern der Titel des von Zenck herausgegebenen interdisziplinären Tagungsbandes „Gewaltdarstellung und Darstellungsgewalt“835 überhaupt noch eine Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands bedeutet. Geht es nun um die spezifische Wirkung von Gewaltdarstellungen oder ist die Betrachtung vollkommen unabhängig von der motivischen Gewaltbehandlung? In dem Band sind Beiträge zu beiden Varianten vereint, der Begriff ‚Darstellungsgewalt‘ bleibt dabei vollkommen unscharf. Kritisch gegenüber Bohrer und seinen Nachfolgern äußerte sich der Philosoph Martin Seel, der den bislang weitreichendsten Versuch machte, die Wirkmächtigkeit von Gewaltbildern zu erklären oder sich ihr zumindest anzunähern, und dabei die ‚Gewalt der Kunst‘ als

830 Neben den nun ausgeführten Überlegungen gibt es noch weiterreichende Ansätze: Theodor W. Adorno, Jacques Derrida und Michel Foucault vertreten die Auffassung, die Gewaltsamkeit der Sprache sei in der Struktur jener selbst, nicht (nur) in Worten, begründet. Dazu Herrmann/Kuch 2007, S. 13 ff. Andere Überlegungen beziehen sich auf das Verhältnis von Gewalt und sprachlichen Äußerungen, die beispielsweise als Drohungen oder Beleidigungen bestimmt werden können. Judith Butler setzte sich in „Hate Speech“ von 1997 vor dem Hintergrund von John L. Austins Sprechakttheorie mit diesem Problem auseinander. Butler 1997; vgl. dazu Koch 2008, S. 18 f. Austin unterscheidet zwischen illokutionären (unmittelbar wirklichkeitserzeugenden) und perlokutionären (möglicherweise Effekte generierenden) Sprechakten. Während das Verhältnis von Beleidigungen zu körperlicher Gewalt rein metaphorisch ist, ist das Verhältnis von Drohungen und Gewalt schwieriger zu bestimmen. Butler 1997, S. 11 ff. 831 Bohrer 1998; siehe auch Bohrer 2000. 832 Gumbrecht 2000, S. 141. 833 Philippi 2006, S. 49. 834 Zenck 2007b, S. 17. 835 Zenck 2007a; auch Zenck 2007b.

Körperlicher und seelischer Schmerz  171

metaphorisch entlarvt.836 Unabhängig von dem Gegenstand seiner Darstellung – sofern es einen hat – möchte das Kunstwerk den Betrachter in besonderer Weise ‚berühren‘. Bei der Darstellung gewaltsamer Ereignisse erscheint uns dieses Berühren zuweilen so, als würde sich die dargestellte Gewalt gegen uns selbst richten. Das Kunstwerk könne uns erschrecken oder den Schmerz des Opfers nahezu nachfühlen lassen. „[Der Betrachter] mag überrascht oder schockiert werden, aber es stößt ihm nichts zu. Buchstäbliche Gewalt widerfährt ihm nicht. Nicht umsonst aber wird das, worauf Kunst in ihren Werken aus ist, oft als Berührung beschrieben. Berührt oder angerührt oder überwältigt, gefesselt oder mitgenommen zu werden, ist eine berechtigte Erwartung an die Wahrnehmung von Werken der Kunst. Das alles sind Metaphern aus dem Feld einer leiblichen Bedrängnis, zu der es in Wirklichkeit gar nicht kommen darf, wenn ästhetische Wahrnehmung möglich bleiben soll.“837

Gerade weil die leibliche Bedrängnis nur metaphorisch sei, sei die Darstellung schockierender Motive wie körperlicher Gewalt besonders reizvoll. Es bleibt aber wichtig festzuhalten, „daß sich die Gewalt der Kunst kategorial von aller buchstäblichen, auf physische und psychische Verletzung zielende Gewalt unterscheidet“.838 „Diese performative Kraft von Kunstwerken kann sich unabhängig von jeder Repräsentation gewaltförmiger Ereignisse entfalten. Eine besondere Bedeutung gewinnt die metaphorische Gewalt von Kunstwerken jedoch gerade dann, wenn sie Gewaltvorgänge zum Inhalt ihrer Darbietungen macht. Die Darbietung von Gewalt lebt hier von der Gewalt der künstlerischen Darbietung. Nur aus diesem Verhältnis läßt sich das Potential der künstlerischen Behandlung des Phänomens der Gewalt verstehen. Nur weil Kunst über eine besondere Macht der Darbietung verfügt, kann sie das Gewaltsame der Gewalt zeigen, wie es kein anderes Medium vermag.“839

Schon für Aristoteles’ Poetik sind derartige Überlegungen von zentraler Bedeutung. Innerhalb der Katharsistheorie galt Gewalt als besonders pathoshaltig und daher als Gegenstand der Darstellung geeignet zur Erzeugung einer ‚gewaltigen‘ Wirkung, nämlich indem sie die Wirkungsaffekte eleos und phobos („Mitleid und Furcht“ bzw. „Jammer und Schaudern“) erst evoziert, um dann von ihnen zu reinigen.840 Von klangvollen Formulierungen wie „Gewalt und Ästhetik als Bedingungsverhältnis“841 oder „Darstellungsgewalt“842 ist unter analytischen Gesichtspunkten abzusehen, da sie kaum geeignet sind, Aussagen zu treffen, die über die Erkenntnis, dass Kunst eine aus dem Alltag herausgehobene Wirkung besitzt, hinausgehen. Die besondere Wirkung von Gewaltdarstellungen, so kann hier festgehalten werden, ist auf die Exzeptionalität des Phänomens Gewalt als menschliche Erfahrung zurückzuführen, die in enger Verbindung mit Schmerz steht. 836 Seel 2000, Kap. V: „Variationen über Kunst und Gewalt“. 837 Ebd., S. 300 f. 838 Ebd., S. 301 f. 839 Ebd., S. 302 f. 840 Gessmann 2005, S. 725; Schnackertz 2005, S. 674 f. 841 Bohrer 1998. 842 Zenck 2007a, Zenck 2007b.

172  Körperliche Gewalt

Gewalt als Stil? Bohrer konstatiert, Gewalt sei ein Modus, um einen bestimmten Stilwillen zu exerzieren, was vor allem in der Kunst des Manierismus deutlich werde.843 Betrachtet man die Entwicklung der spätmittelalterlichen Malerei, scheint das Verhältnis jedoch umgekehrt zu sein: Die Zentralität des Gewaltthemas in der christlichen Kunst hat möglicherweise zum Teil zur Ausprägung bestimmter stilistischer Tendenzen in der Malerei beigetragen. Das Ende des Weichen Stils und die Hinwendung zu einem stärkeren ‚Realismus‘ wird dem Aufkommen eines veränderten Kunstwollens in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts zugerechnet.844 Diese Zeit ist durch eine Vielfalt von Stilen geprägt. An einem Künstler wie Stefan Lochner, der an der Wende dieser Entwicklung steht, zeigt sich, dass Gewaltmotive einen eigenen Stil hervorbringen können: Der Stil der „Apostelmartyrien“ (Farbabb. 10 a) unterscheidet sich deutlich von demjenigen seiner „Muttergottes in der Rosenlaube“ (um 1450; Köln, WRM), und zwar nicht nur aufgrund einer Veränderung des ‚Personalstils‘. Der Meister der Karlsruher Passion (Abb. 1 a–e) entwickelte nach Robert Suckale um 1450 einen „persönlichen Passionsstil“. „Wenn ein Stil“, so Suckale, „so sehr den Themen zu entsprechen versuchte, konnte er in sich nicht einheitlich sein, wie wir es im Stilbegriff wie selbstverständlich implizieren, zu Unrecht.“845 Der Passionsstil des Meisters der Karlsruher Passion entstand demnach also gerade aus der thematischen Vorgabe von Leid und Gewalt heraus. Dies wird auch deutlich, wenn man die einzige der Tafeln des Meisters betrachtet, in der nicht eine explizite Gewalthandlung dargestellt ist: „Christus am Ölberg“, deren Darstellung viel weicher, ruhiger und harmonischer erscheint. Der expressive Stil, der sich in der Folge Lochners  – bald nach 1460846 – herausbildete und neben anderen Stiltendenzen bis in die ersten Jahrzehnte des 16. Jahrhunderts fortbestand, kommt der Gewaltdarstellung als Darstellung einer dynamischen Gewaltaktion der Täter entgegen. Als Beispiel sei hier Marx Reichlichs Geißelungsszene vom „Jakobus-Stephanus-Retabel“ (Farbabb. 21 b) genannt. Ausgeprägte Mimik und Gestik der Täter verdeutlichen deren Aggressivität und tragen zur Erzeugung von Drastik bei. Das Gewaltmotiv bedingt zum Teil und ermöglicht eine bestimmte künstlerische Form. Im späten Mittelalter bildete die Zentralität der Gewaltthemen Passion und Martyrium in der Theologie und Frömmigkeit die Voraussetzung für neue stilistische Tendenzen. Der stilistische Wandel, der sich im 15. Jahrhundert vollzog, lässt sich daher nicht nur aus dem Willen nach Wirklichkeit heraus erklären, der eine Abkehr vom Glauben bedeutet, sondern entspringt gerade einem tiefen Verständnis der Passion und einem starken Glauben an das Jenseitige, das nach christlichem Verständnis neben der und über die Wirklichkeit hinaus existiert. Bohrer stellt über den eben dargelegten Zusammenhang von Gewaltmotiv und Stil hinausgehend die Frage, „inwiefern im künstlerischen Stil selbst schon eine Affinität zur Gewalt843 Bohrer 2000, S. 42. 844 Ausst.Kat. „Spätgotik am Oberrhein“ 1970, S. 26 ff. 845 Suckale 1990, S. 26. 846 Ausst.Kat. „Spätgotik am Oberrhein“ 1970, S. 32.

Körperlicher und seelischer Schmerz  173

phantasie liegen könnte. Nicht in diesem oder jenem Stil, sondern im definitiven Stilbewußtsein überhaupt“.847 In jedem ausgeprägten Stil liege etwas Aggressives, da eine spezifische Formentscheidung ein Abschneiden vom Ganzen darstelle. Als Referenz für diese Überlegung führt er Michel de Montaigne (1533–92) an, der diejenige Rede für gut erachtet habe, die verwundet oder erschüttert. „Gewaltthemen treten deshalb so oft in der Kunst auf, weil ihre formale Expression der dem großen Künstler eingeborenen Affinität zum Stil, der verwundet, entgegenkommt.“848 Bohrers These von der Gewalt des Stils entlarvt sich selbst wieder als reine Metaphorik ohne materielle Basis, indem er „das Phänomen des Stils als Gewaltsyndrom“ an zwei Autoren darstellt – Heinrich von Kleist und Franz Kafka –, die auch inhaltlich Gewalt behandeln.849 Damit verharrt die Behauptung vom ‚gewaltsamen Stil‘ im luftleeren Raum, wirkt beliebig und geht nicht über die nachvollziehbare Annahme hinaus, das Gewaltthema begünstige bestimmte Stilmodi bzw. diese kämen dem Gewaltthema oder gewissen Aspekten des Themas entgegen.850

847 Bohrer 2000, S. 26. 848 Ebd., S. 27. 849 Kritik daran auch bei Braun/Herberichs 2005, S. 15, Anm. 48. So räumt Bohrer 2000, S. 27 selbst ein: „Konsequenter noch wäre es, wenn man das Phänomen des Stils als Gewaltsyndrom an einem Typus von Dichter zeigte, der inhaltlich gewaltfern wäre, also etwa Stifter. In der Tat wäre Stifters Stil eine besondere Belegstelle für unsere Vermutung [...]. Dieser Befund könnte aber als bizarr mißverstanden werden [...].“ 850 Fraglich bleibt daher, was Darian 2007, S. 179 sich von den Überlegungen Bohrers hinsichtlich eines gewaltsamen bildlichen Stils erhofft.

V  Der Topos der Entblößtheit

Die Passion und das Martyrium waren im späten Mittelalter die Themen, die am häufigsten den Anlass zur Darstellung des entblößten menschlichen Körpers boten. Weitaus seltener kommt Nacktheit als Attribut des Sünders im Kontext der Bildthemen Sündenfall und Fegefeuer/Hölle oder bei Personifikationen der Sünden vor.851 Betrachtet man die christliche Bildproduktion des späten Mittelalters in ihrer Gesamtheit, so kann man sagen, dass Nacktheit hier vornehmlich ein Zeichen für das Vorhandensein eines Gewaltverhältnisses ist. Sie ist damit jedoch nicht ausschließlich negativ konnotiert, sondern besitzt in den thematischen Kontexten von Passion und Martyrium gleichzeitig die Bedeutung von Erlösung und Heil. Realiter betrachtet stellt die Entblößung des Opfers oftmals die Voraussetzung zur Durchführung bestimmter Foltern dar; zugleich ist sie aus der Perspektive der Peiniger jedoch auch als selbständiges Element der Demütigung zu sehen, das auf die Verletzung der Seele bzw. Ehre852 des Opfers abzielt. Die Entblößtheit als Topos der spätmittelalterlichen Bilder nimmt daher in dieser Arbeit die Scharnierstelle zwischen körperlicher und seelischer Gewalt ein. Entgegen Elias, dessen Konzept eines Prozesses der Zivilisation, das mit einem in der Neuzeit anwachsenden Peinlichkeitsgefühl rechnet, von einem geringen Schamgefühl des mittelalterlichen Menschen ausgeht,853 legte Hans Peter Duerr dar, dass Nacktheit in der mittelalterlichen Gesellschaft deutlich mit Scham verbunden war.854 Dies manifestiert sich auch in der mittelalterlichen Strafpraxis, in der die Entblößung die Funktion hatte, den Delinquenten vor den Augen der Öffentlichkeit im wahrsten Sinne des Wortes bloßzustellen, ihn in seiner Ehre zu verletzen.855 Nacktheit bedeutete nicht nur den Verlust von Status, den die Kleidung repräsentierte, sondern stellte eine andauernde Demütigung dar, die den Zeitraum des aktuellen Entblößtseins, ja sogar den Tod überdauerte. Wie in der Gegenwart auch war es im Mittelalter wesentlich vom jeweiligen situativen Kontext abhängig, ob Nacktheit mit Schamgefühl verbunden war. Bereits Augustinus stellte 851 Freilich kommt der nackte Körper auch in anderen Kontexten vor, z. B. bei Memento-Mori-Bildern oder den Seligen bei ihrer Auferstehung. 852 Zum Begriff ‚Ehre‘ siehe unten, Abschnitt VI.1. 853 Elias 1939, Bd. 1 u. 2, passim. 854 Duerr 1988, passim. 855 Dazu Schreiner 1989, S. 181; Schwerhoff 1993.

Die Entblößung und Entblößtheit Christi  175

fest: Ein nackter Mensch, der auf dem Forum herumspaziert, erscheine unziemlich, aber nicht so im Badehaus.856 Ebenso ist heute die weitgehende Entblößtheit im Schwimmbad gesellschaftlich akzeptiert und sogar gefordert, im Restaurant hingegen nicht. Dementsprechend ist auch die Bedeutung dargestellter Nacktheit abhängig vom Kontext und der Haltung des Rezipienten. Nacktheit ist damit als Zeichen polysemantisch. Zwischen der Entblößtheit Jesu in der Passion und derjenigen der Heiligen während ihres Martyriums ist gemäß der unterschiedlichen theologischen Bedeutungen zu differenzieren. Während die Nacktheit im späten Mittelalter als wesentlicher Bestandteil der Demütigung Christi angesehen wurde, ist sie bei den Märtyrern und Heiligen nicht unbedingt mit Scham und Schande konnotiert.857 Dies wird im Folgenden anhand einiger signifikanter Unterschiede zwischen Passions- und Martyriendarstellungen deutlich werden. Im Hinblick auf die Märtyrer verweist die Entblößtheit in erster Linie auf die Sündhaftigkeit der Peiniger, deren Intention die Demütigung ihres Opfers durch die Entblößung ist.

1  Die Entblößung und Entblößtheit Christi in der Passion Der spätmittelalterlichen Passionsliteratur sowie theologischen Texten lässt sich entnehmen, dass der Vorgang der Entblößung und die daraus resultierende Entblößtheit Christi im Zuge der Passion als wesentliche Bestandteile seiner Demütigung verstanden wurden. Der Passauer Domkanoniker Paul Wann († 1489) hob in einer Predigt aus dem Jahr 1460 hervor, das Schamgefühl Jesu sei viel zarter gewesen als bei irgendeinem anderen Menschen, weil es bei ihm nicht von der Sünde der ersten Menschen komme.858 Er schreibt weiterhin, Jesus habe die „Seelenmarter“ der Entblößtheit erleiden müssen, um „die Schamlosigkeiten der Menschen zu büßen, um uns davor zu bewahren, daß wir einst, entkleidet aller Verdienste, mit nackter, häßlicher Seele vor dem Richter des Jüngsten Tages stehen müssen“.859 Die Frage, ob Jesus in verschiedenen Stationen der Passion weitgehend oder gar vollständig entblößt war, wurde als wichtiges moraltheologisches Problem diskutiert.860 Unter diesen Voraussetzungen konnte sich die Entkleidung vor der Kreuzannagelung im späten Mittelalter zu einer eigenen Szene innerhalb von Passionszyklen entwickeln. Die Scham, die Jesus aufgrund seiner Entblößtheit empfand, wird aber erst durch den Blick der anderen konstituiert. Das Medium des Bildes potenziert quasi die Scham, indem es den Entblößten einer noch größeren Menge von Zuschauern, den Betrachtern, vorführt. Dass Jesus im Zuge der Passionsgeschehnisse entkleidet wurde, geht größtenteils nur indirekt aus dem biblischen Bericht hervor. Im Kontext der Geißelung wird nicht explizit 856 Nach Michel 1976, S. 43. 857 Der hl. Franziskus wurde auf seinen Wunsch hin nach seinem Tod „nackt auf den nackten Erdboden gelegt, um dem Beispiel Christi zu folgen, der nackt am Kreuz gestorben ist“. Zitiert nach Schreiner 1989, S. 183. 858 Die Passion des Herrn (= Zacher 1928, S. 97). 859 Ebd. Siehe auch die Textbeispiele aus der spätmittelalterlichen Passionsliteratur in Ausst.Kat. „Karlsruher Passion“ 1996, S. 90 ff. 860 Vgl. dazu Schreiner 1992.

176  Der Topos der Entblößtheit

erwähnt, dass Jesus seine Kleidung ablegen musste – es ist jedoch zwecks der Durchführbarkeit der Folter davon auszugehen. Von der Verspottung berichtet Matthäus 27,28, Jesus sei zuvor ausgezogen worden; im Anschluss sei ihm der Spottmantel aus- und seine eigenen Kleider wieder angezogen worden.861 Die Nacktheit von Christus am Kreuz wird nahegelegt, da dies der antiken Tradition entsprach und weil dem biblischen Bericht zufolge die Soldaten seine Kleider unter sich aufteilten und über das ungenähte Gewand das Los warfen.862 Obgleich also aufgrund der textlichen Überlieferung und der Logik der Ereignisse in einem historischen Verständnis davon auszugehen ist, dass Jesus in der Passion mehrfach zumindest weitgehend entblößt war, ergibt sich daraus für die Bildkunst keinesfalls die Notwendigkeit, dies auch so darzustellen – so konnte die ottonische Kunst Stationen der Passion wie die Geißelung und sogar den Lanzenstich auch mit einer vollständig bekleideten Christusfigur verbildlichen.863 Die früheste bekannte Textstelle, die die Nacktheit Christi als Problem thematisiert, findet sich in den „Libri miraculorum“ des Gregor von Tours (6. Jahrhundert) und betrifft eine bildliche Darstellung des Gekreuzigten.864 Gregor berichtet von einem Bild in der ältesten Kirche von Narbonne, das Jesus am Kreuz nur mit einem Tuch verhüllt gezeigt habe. Christus sei dreimal dem Priester Basileus erschienen und habe sich darüber beklagt, dass er in seiner Nacktheit ständig den Blicken der Kirchenbesucher ausgesetzt sei. Daraufhin ließ der Priester den Gekreuzigten mit einem Schleier verhüllen.865 In den ersten überlieferten Darstellungen wird der Gekreuzigte lediglich mit einer um die Lenden gewickelten schmalen Binde, dem subligaculum, gezeigt – so wie wahrscheinlich auch das Bildnis, das Gregor beschrieb. Offenbar wurde diese Darstellungsweise jedoch verbreitet als problematisch empfunden: Im 6. Jahrhundert setzte sich die Darstellung des mit einem ärmellosen langen Rock bekleideten Gekreuzigten durch.866 Im 9. Jahrhundert etablierte sich das um die Hüften geschlungene Lendentuch, das unterschiedliche Längen annehmen konnte.867 Änderungen und Neuerungen in der Ikonographie entstanden mit der Etablierung eines neuen Passionsverständnisses im 12. und 13. Jahrhundert. Seit dem 12. Jahrhundert ist der Gekreuzigte meist unbekleidet bis auf ein Lendentuch. Dieses ist zuweilen transparent, so zum Beispiel beim „Breslauer Barbararetabel“ von 1446 (Farbabb. 37 b), wobei das Geschlecht darunter jedoch nicht sichtbar wird. Auch im späten Mittelalter wird Jesus in Szenen der Passion nur selten vollkommen nackt dargestellt, sein Genital wird in diesem Fall weggelassen oder verdeckt. Ein Beispiel für die Darstellung der vollständigen Entblößtheit Jesu aus dem Bereich der Tafelmalerei ist die Geißelung vom „Todesangst-Christi-Retabel“ 861 Mt 27,31; Mk 15,20. 862 Mt 27,35; Mk 15,24; Lk 23,34; Joh 19,24. Es entsprach dem römischen Spolienrecht, dass die Kleider des Gekreuzigten an die Soldaten fielen, die die Hinrichtung vornahmen. Blinzler 1955, S. 183; Ebner 2005, S. 23. 863 Büttner 1993/94, S. 100. So z. B. im Codex Egberti, Trier, Stadtbibliothek, Ms. 24, fol. 80v. 864 Liber I: In gloria martyrum, Kap. XXII. Vgl. Schreiner 1992, S. 63. 865 Nach ebd. 866 Hahn 2005, S. 137. 867 Ebd.

Die Entblößung und Entblößtheit Christi  177

des Monogrammisten L. Cz. (um 1475; Paris, Louvre; Farbabb. 34 a): Christus steht mit vor Scham niedergeschlagenen Augen hinter der Geißelsäule, an die er mit über Kreuz gelegten Händen gebunden ist – seine Blöße ist daher durch die Säule verdeckt. Sein Inkarnat ist aschfahl, der Körper wirkt geschwächt, weist aber nur relativ wenige, schwach blutende Wunden auf. Im Gegensatz zur mitleiderregenden Entblößtheit Jesu stehen die bunten, teils üppigen Gewänder seiner Peiniger: Der rechte Scherge hat die oberen Knöpfe seines Wamses geöffnet und seine Ärmel ausgezogen, so dass das Kleidungsstück an seiner Taille herunterhängt;868 gerade schiebt er mit der linken Hand den rechten Hemdsärmel zurück, um besser mit seiner Geißel agieren zu können. Auch die Geißelungsszenen des „Schlüsselfelder Hochaltarretabels“ (um 1480; Würzburg, Mainfränkisches Museum; Farbabb. 11 a) und des „Hersbrucker Hochaltarretabels“ (um 1485; Hersbruck, Kirche St. Marien; Abb. 53)869, beide aus der Werkstatt Wolfgang Katzheimers d. Ä., stellen Jesus gänzlich entblößt bei verborgener Scham dar  – während im ersten Fall der Arm eines Schergen das Geschlecht verdeckt, ist es bei Letzterem ein Fuß, der Jesus an der entsprechenden Stelle gerade einen Tritt versetzt. In der betreffenden Szene von Marx Reichlichs „Jakobus-Stephanus-Retabel“ (Farbabb. 21 b) steht Jesus mit nach vorne gebeugtem Körper vor der Geißelsäule, die Hände hinter seinem Rücken an diese gebunden. Seine Scham ist somit nicht durch die Säule verdeckt, liegt aber gänzlich im Schatten der Darstellung. Im Gegensatz dazu ist das Geschlechtsteil des links stehenden Schergen durch die auffällige Schamkapsel deutlich hervorgehoben. Wegen der Heftigkeit seiner in Gewalt umgesetzten Bewegung haben sich offenbar sowohl die Knöpfe als auch die Nesteln an seinem Wams gelöst, wodurch seine Aggressivität, auf welche die absurd verzerrte Mimik besonders hinweist, visualisiert wird.870 Zugleich hat die hinter ihm stehende Figur Christus soeben mit einer Geißelrute an der Schulter getroffen, wobei ihr Arm eine Verlängerung des zum Schlag ausholenden Schergen im Vordergrund bildet, dessen nächste Bewegung auf diese Weise vorweggenommen wird. Positive Schamhaftigkeit und ungezügelte Triebhaftigkeit und Aggressivität sind einander durch die Figuren gegenübergestellt. Mit der zunehmenden Konzentration auf das Menschsein und das Leid Christi gewann im 13. Jahrhundert die Frage nach der vollständigen oder partiellen Nacktheit Jesu sprunghaft an Aktualität und wurde in zahlreichen Passionsbetrachtungen behandelt. Im „Dialogus beatae Mariae et Anselmi de passione Domini“ des 13. Jahrhunderts kommt die Episode vor, wie Maria die Scham des von den Knechten vollständig entblößten Jesus mit ihrem Schleier verhüllt.871 Die teilweise oder vollständige Entblößtheit Jesu in der Passion wurde als besonders schändlich angesehen und verdeutlichte die Größe des vom Gottessohn erbrachten Opfers. Die „Meditationes vitae Christi“ des Johannes de Caulibus (um 1350 oder 1400) schildern, wie Jesus nach der Geißelung völlig entblößt seine Kleider sucht und erst im Anschluss an die folgende Verspottung seine Sachen aufsammeln kann, die er dann beschämt 868 Vgl. auch Rogier van der Weyden, Johannes-Triptychon, 1453–55, Berlin, Gemäldegalerie. 869 Dazu Suckale 2009, Bd. 1, S. 332 ff. 870 Vgl. Reichel 1998, S. 178. 871 Nach Schreiner 1992, S. 63.

178  Der Topos der Entblößtheit

anzieht.872 Der Autor von „Do der minnenklich got“ (Anfang 15. Jahrhundert) führt aus: „Si tribent ovch grossen spot vnd vnfuor mit im, die wil er nakent stuond, eb er an di sul wurd gebunden vnd im sin scham sines heimlichen gelides vngedekt waz [...].“873 Paul Wann formulierte 1460: „Ohne jede Hülle steht er ja vor ihnen [den Juden]. Das Lendentuch hat man bei der Hinrichtung gewöhnlich jedem Verbrecher gelassen. Am Heiland aber hat man diese Rücksicht nicht geübt, und so er ganz nackt und bloß vor einer lüsternen Menge. Und sein Schamgefühl war doch viel zarter und empfindsamer als bei irgendeinem Menschen [...].“874

Hier wird also von der vollständigen Entblößtheit Jesu ausgegangen. Die Legende, Maria habe die Scham ihres Sohnes mit ihrem Schleier verhüllt, findet sich in der Passionsliteratur seit dem 13. Jahrhundert und in der Folge auch in zahlreichen bildlichen Darstellungen, zum Beispiel in der Szene der Entkleidung von der „Karlsruher Passion“ (Abb. 1 c). Während die Passionsliteratur zumeist die zumindest zeitweise vollständige Entblößtheit Jesu beschreibt, besteht von theologischer Seite keineswegs Einigkeit in der Frage, ob der Gottessohn gänzlich nackt oder ob zumindest seine Scham verdeckt gewesen sei. Eine hitzige, brieflich ausgefochtene Debatte zwischen Jakob Wimpfeling und dem Heidelberger Theologieprofessor und Universitätsprediger Daniel Zanckenried im Jahr 1499 hatte dieses Problem zum Gegenstand.875 Zanckenried hatte in einer Karfreitagspredigt behauptet, Christus habe vollkommen nackt am Kreuz gehangen. Dagegen richtete sich Wimpfeling, der nicht nur der Meinung war, Jesu Scham sei mit einem Lendentuch verhüllt gewesen, sondern es daneben für unangemessen hielt, über diese Frage überhaupt zu predigen.876 Auch der Erfurter Augustinereremit Johannes von Paltz († 1511), der in seiner „Coelifodina“ (1502) zahlreiche Gründe für und gegen die Nacktheit Christi am Kreuz benennt, empfahl, dieses Problem nicht zum Gegenstand öffentlicher Predigten zu machen, da dadurch fromme Ohren verletzt werden könnten.877 Paltz führt als einen Grund für die Nacktheit Jesu Noah als figura Christi an.878 Die Geschichte in Genesis 9,18–29, auf die sich Paltz hier bezieht, ist eine Geschichte über Scham: Noah pflanzte einen Weinberg. „Er trank von dem Wein, wurde davon betrunken und lag entblößt in seinem Zelt. Ham, der Vater Kanaans, sah die Blöße seines Vaters und erzählte davon draußen seinen Brüdern.“879 Die Brüder Sem und Jafet gingen daraufhin rückwärts, um die Blöße des Vaters nicht zu sehen, in das Zelt und bedeckten ihn. Als Noah

872 Nach Büttner 1993/94, S. 127. 873 Do der minnenklich Got (= Schelb 1972, S. 264). Siehe auch Ausst.Kat. „Karlsruher Passion“ 1996, S. 61. 874 Die Passion des Herrn (= Zacher 1928, S. 97). 875 Schreiner 1992, S. 64 f. 876 Ebd., S. 65. 877 Coelifodina (= Burger/Stasch 1983, S. 51 ff.). Siehe auch Schreiner 1992, S. 65 ff. 878 Ebd., S. 65. Paltz meint jedoch unter Berufung auf Bonaventura und Thomas von Aquin, der figurativen Theologie komme keine zwingende Beweiskraft zu. Schuppisser 1993, S. 186. 879 Gen 9,21 f.

Die Entblößung und Entblößtheit Christi  179

erwachte und von den Geschehnissen erfuhr, verfluchte er den ungeborenen Kanaan wegen des von seinem Vater getriebenen Spotts. Die Entblößung Noahs wird typologisch üblicherweise mit der Dornenkrönung in Beziehung gesetzt.880 Eine Miniatur im „Turiner Stundenbuch“ (um 1422/24) aber stellt eine bas-de-page-Darstellung der Entblößung Noahs der Geißelung Christi gegenüber.881 Beide Szenen, Geißelung Christi und Verspottung Noahs, weisen Abweichungen von der üblichen Ikonographie auf: Die Geißelung ist nicht, wie dies in der Regel der Fall ist, im Vollzug, sondern in der Vorbereitung dargestellt – es handelt sich also nicht um die Darstellung eines expliziten körperlichen Gewaltaktes. Bei Darstellungen der Schande Noahs wird zumeist die bereits wieder verdeckte Blöße gezeigt, nicht jedoch, wie hier, das noch vollkommen entblößte Geschlecht, angesichts dessen seine Söhne sich erschrocken abwenden. Der Fokus ist in dieser Darstellung daher besonders auf die Peinlichkeit der Nacktheit und speziell der Entblößtheit der Genitalien gerichtet, woraus die abweichende Ikonographie der Geißelung, die den Fokus auf die Entblößung Jesu legt, verständlich wird. Mit dem wachsenden Interesse an der Frage nach der Entblößtheit Christi etablierte sich der Vorgang der Entkleidung als eigene Szene innerhalb von Passionszyklen, die vor der Mitte des 15. Jahrhunderts aber nur selten dargestellt wurde.882 Diese Episode war besonders geeignet, um das seelische Leid Christi bildlich zur Geltung zu bringen. Die Entkleidung verdeutlicht die Erniedrigung, die der Gottessohn in der Passion erfuhr, und appelliert somit in besonderer Weise an das Mitgefühl des Betrachters.883 Einige Darstellungen der Entkleidung sind in ihrer Umsetzung besonders extrem: Ein oberrheinisches Diptychon von um 1410/20 (Nürnberg, GNM; Farbabb. 39) zum Beispiel zeigt, wie das Gewand Jesu über den Kopf gezogen wird. Dadurch ist dessen Antlitz verborgen, der Körper mit den durch den Vorgang der Entkleidung aufreißenden Wunden von der Geißelung hingegen vollständig entblößt und dem Betrachter in Seitenansicht dargeboten. Während hier das Moment der Entblößtheit durch die stark blutenden Wunden um den Aspekt körperlichen Schmerzes bereichert wird und so besonders geeignet ist, den Betrachter zu compassio anzuregen, betont eine Randminiatur zu einer Illustration der Kreuztragung im „Schwarzen Stundenbuch“ (vor 1468; Wien, Österreichische Nationalbibliothek)884 in erster Linie den Aspekt der Scham: Der nackte Körper Christi ist durch den schwarzen Hintergrund der Buchseite hervorgehoben; sein Haupt ist durch das Gewand verborgen, hingegen wird das Hinterteil Jesu durch die Rückenansicht dem Betrachter unmittelbar dargeboten – eine ikonographische Ungeheuerlichkeit. Büttner wies auf verschiedene Wirkungsweisen von Christusbildern auf den Betrachter hin.885 Das ältere heroische Christusbild sei im späten Mittelalter antiheroischen Darstellungen gewichen, die das Leiden Jesu betonen und dadurch von ihrem pathetischen Gehalt 880 Schwerhoff 1996, S. 268. Die übliche typologische alttestamentliche Szene zur Geißelung ist die Misshandlung Alchiors (Jdt 6,6–8) oder des Jeremias (Jer 38,6). Siehe Schiller 1968, S. 78. 881 Turin, Museo Civico, Ms. 47, fol. 30r. Abb. in Ausst.Kat. „Karlsruher Passion“ 1996, S. 63. 882 Vgl. ebd.; Franzen 2002, S. 44. 883 Suckale 1990, S. 84, Anm. 51. 884 Cod. 1856, fol. 68v; Abb. in Ausst.Kat. „Karl der Kühne“ 2008, S. 181. 885 Büttner 1993/94, passim.

180  Der Topos der Entblößtheit

bestimmt seien – sie würden in erster Linie an das Mitgefühl des Betrachters appellieren. Zentral für den pathetischen Gehalt ist nach Büttner jedoch die Darstellung des Leid ausdrückenden, menschlichen Antlitzes, das in Darstellungen wie den beiden eben betrachteten Entkleidungsszenen fehlt.886 Seit jeher gab es starke Hemmungen, das Antlitz Christi der Darstellung zu entziehen – schon Profildarstellungen des Gottessohnes sind daher selten. Auch im späten Mittelalter werden nur in Ausnahmefällen pathetische Züge zugunsten eines extremen Situationsrealismus aufgegeben. Ein böhmisches Diptychon mit Passions- und Auferstehungsszenen von um 1410/20 (Churburg bei Schluderns/Italien; Farbabb. 42 b) zeigt so zwar den Vorgang der Entkleidung unter Entzug des Antlitzes Christi, stellt aber quasi als Ausgleich im selben Bildfeld die Kreuzannagelung dar – es handelt sich hierbei um die einzige Simultandarstellung unter den zwölf Bildfeldern des Passionszyklus. Die wichtige Rolle des Antlitzes und insbesondere der Augen Jesu hinsichtlich der Anrührung des Betrachters in situationsrealistischen Darstellungen der Passion erklärt auch, warum die Blendung Jesu bei der ersten Verspottung im Hause des Hohepriesters im späten Mittelalter so selten dargestellt wurde.887 Auch bei Darstellungen des gekreuzigten, toten Christus werden die Augen, da sie geschlossen sind, dem Betrachter entzogen. Als Ausgleich kann hier das Schweißtuch der hl. Veronika fungieren, von dem das Abbild des Gesichts Jesu frontal und mit weit geöffneten Augen aus dem Bildraum herausblickt (Farbabb. 2). Durch die besondere Schmach der Nacktheit wurde die Sühnewirkung des Passionsgeschehens verstärkt. In diesem Sinne lässt sich die Entkleidung Christi mit der Bekleidung Adams und Evas durch Gott in Genesis 3,21 in Beziehung setzen: Das Überziehen der Gewänder war die Konsequenz aus dem Sündenfall, es bedeutete irdisches Exil und Tod888 und machte die Erniedrigung Jesu in der Passion, unter anderem durch seine Entblößung, erforderlich. Im späten Mittelalter sind bezüglich der Deutung divergierende Auffassungen anzutreffen: Die Entkleidung wurde als Offenlegen der Sünden verstanden, einmal aber im Sinne eines ‚Aufdeckens‘, einmal im Sinne eines ‚Ausziehens‘. Der bereits erwähnte Paul Wann antwortete auf die Frage, warum Christus die zusätzliche Demütigung der Entblößtheit habe erfahren wollen, er habe dadurch die Schamlosigkeiten der Menschen büßen wollen, um sie davor zu bewahren, eines Tages entkleidet aller Verdienste mit nackter hässlicher Seele vor dem Richter stehen zu müssen.889 Im Gegensatz dazu galt die Entkleidung metaphorisch gesehen aber auch als Vorbild: Die Gläubigen sollten – in Anlehnung an Paulus’ Worte über den neuen Menschen890 – den alten, sündigen Menschen ‚ausziehen‘ und den neuen Men886 Büttners Bezeichnung dieser Bilder als von „niedriger Stilhöhe“ scheint mir allerdings problematisch, da es in erster Linie um bestimmte Motive und nicht um einen bestimmten Stil geht. 887 Büttner 1993/94, S. 106 ff. Siehe dazu auch unten, Abschnitt VI.2.1. 888 Entsprechend qualvoll ist der Akt des Bekleidens in der seltenen Darstellung dieser Szene auf dem Reliquiar des hl. Isidor (1063; León, San Isidoro) gezeigt. Der sich nur mühsam durch die Halsöffnung pressende Kopf Adams lässt das Ankleiden als Metapher für die Geburt in das irdische Leben verstehen. Entsprechend wurde ja auch das Entkleiden als Neugeburt vor Gott verstanden. Siehe Bredekamp/Seehausen 2005, S. 159 f. (Abb. S. 146). 889 Schreiner 1992, S. 64. 890 Eph 4,24; Kol 3,9–10.

Die Entblößtheit der Heiligen  181

schen ‚anziehen‘.891 Die Entkleidung Christi ist damit gerade durch ihr Verständnis als besondere Schmach Sinnbild für das Abstreifen der Sünden, das der Gläubige durch aufrichtige Buße erreichen konnte.

2  Die Entblößtheit der Heiligen Partielle Nacktheit ist sowohl bei männlichen als auch bei weiblichen Heiligen zuweilen die Voraussetzung zur Darstellung ihrer Martern. Märtyrer, deren charakteristische Folter realiter betrachtet mit der Entblößung des Opfers einhergeht – wie zum Beispiel die Schindung des hl. Bartholomäus – werden notwendig öfter nackt dargestellt als andere, deren Martyrium nicht unbedingt mit der Entblößung verbunden ist. Bei beiden Geschlechtern werden niemals die Genitalien dargestellt; bei männlichen Heiligen sind sie entweder durch ein Lendentuch verdeckt oder schlicht weggelassen.892 Obwohl nackte Märtyrer in der spätmittelalterlichen Malerei ein häufiges Motiv sind, wird der Vorgang der Entblößung selbst bei Heiligen praktisch nie dargestellt, während sich die Entkleidung Jesu im späten Mittelalter zu einer eigenen Szene in Passionszyklen entwickelte.

2.1 Nacktheit, Entkleiden und Bekleiden Mir ist lediglich ein Beispiel für die noch in der Ausführung befindliche Entkleidung eines Märtyrers in der Tafelmalerei bekannt, nämlich in einer Darstellung des hl. Quintinus. Das betreffende Bildfeld eines Ende des 15. Jahrhunderts entstandenen Flügelretabels in der Laurentiuskirche in Revúca/Slowakei (Farbabb. 12) zeigt simultan zwei Szenen: links die Entkleidung, rechts, in einem Innenraum, die Geißelung des Heiligen. Die Entkleidung wird von drei Schergen vorgenommen, deren Mimik wenig ausdrucksstark ist und die dadurch fast gutmütig wirken. Der blondgelockte Heilige ist in Dreiviertelfrontalansicht gezeigt, die Arme vom Körper abgewinkelt, den Blick versonnen nach oben richtend. Die beiden ihn flankierenden Schergen nehmen gerade die Rüstungsteile vom rechten Arm und den Brustharnisch des Heiligen ab. Der dritte, am Boden halb zwischen den Beinen Quintinus’ kniende Scherge entfernt die Beinteile. Unter der Rüstung trägt der Heilige hellrote Kleidung. Das Abnehmen einer Rüstung ist mehr noch als der Verlust anderer Arten ständespezifischer Kleidung als ehrverletzender Akt zu verstehen. Der hl. Quintinus stammte der Überlieferung zufolge aus dem römischen Senatorenstand. Seine Darstellung als mittelalterlicher Ritter – wahrscheinlich beeinflusst durch die Darstellungstraditionen anderer Heiliger893  – sollte 891 Vgl. dazu Schreiner 1992, bes. S. 68; siehe auch oben Abschnitt IV.2.5. 892 Die Darstellung des männlichen Genitals ist im Mittelalter, außer beim Christuskind (siehe dazu Steinberg 1983), weitgehend tabuisiert; Ausnahmen finden sich v. a. in der Buchmalerei (z. B. Turiner Stundenbuch, Turin, Museo Civico, Ms. 47, fol. 30r) und im Bereich der Drôlerien an Kapitellen u. Ä. 893 LCI, Bd. 8, Sp. 239 f.

182  Der Topos der Entblößtheit

wohl auf seine edle Herkunft verweisen. Der Akt der Entkleidung ist damit als Angriff auf seine Standeswürde zu verstehen;894 ihm wird das ritterliche Recht, selbst anderen Schmerz zuzufügen, abgesprochen.895 Das Abnehmen der weltlichen Rüstung könnte in diesem Kontext auch auf das Abwenden von der vita carnalis hin zur vita spiritualis bezogen werden – die gloria mundi, für die weltliche Kleidung höherer Stände steht, wird zugunsten der gloria Dei, der Ehre vor Gott, aufgegeben.896 Formal ist das Abnehmen einer Rüstung nicht mit der Entkleidung Christi von seinem Gewand zu vergleichen. Auf die Parallele zur Passion Christi weist jedoch die angrenzende Szene der Geißelung Quintinus’ hin, die den Darstellungen der Geißelung Jesu sehr ähnelt. Die physischen Folgen der Folter sind drastisch in Szene gesetzt: Der Körper des Märtyrers setzt sich durch seine hellrote Tönung deutlich von dem hellen Inkarnat des Gesichts ab; er ist vollständig mit blutenden Wunden übersät. Sein Gesichtsausdruck ist immer noch wohlgemut, der Blick scheint ins Leere zu gehen. Der Entkleidung Jesu formal ähnlicher ist eine Darstellung, die nicht ein Entkleiden, sondern ein Bekleiden zeigt: das Bekleiden mit einem glühenden Kettenhemd. Darstellungen dieses Motivs finden sich im Zusammenhang mit dem hl. Georg und dem hl. Erasmus, wobei das Kettenhemd in der Regel entweder noch über dem Märtyrer schwebt897 oder er es bereits trägt. In der Darstellung des Meisters der Laufener Georgslegende von um 1465/70 (Laufen, Katholische Kirchenstiftung Mariä Himmelfahrt; Farbabb. 25)898 wurde dem hl. Georg das von drei Schergen mit Zangen gehaltene glühende Kettenhemd bereits über Kopf und Arme gezogen, so dass das Gesicht – wie in einigen Darstellungen der Entkleidung Jesu – nicht zu sehen ist. Unterhalb des Hemdes schauen die nackten Beine und die Unterhose Georgs hervor. Die Art der Darstellung betont, dass viele Torturen zugleich auf ­kör­perlichen Schmerz und seelische Demütigung abzielen. Diese Ambivalenz des Leidens wird auch in bildlichen und literarischen Darstellungen der Passion immer wieder hervorge­ hoben. Daneben hat der Akt des Bekleidens in den sakralen Bildern des späten Mittelalters aber vor allem positive Bedeutung. So ist eine Konversion im Bild häufig mit dem impliziten Ablegen der weltlichen Kleidung und dem Anziehen eines monastischen Gewandes verbun-

894 Zur Bedeutung von Kleidung hinsichtlich der Standeswürde des Ritters siehe Duerr 1988, S. 24 ff.; Jütte 1992. 895 Vgl. in Hartmann von Aues „Erec“ die Beschreibung, wie der Ritter Cadoc von seinen Gegnern, den Riesen, entkleidet und gegeißelt wird; durch die nicht standesgemäße Verstümmelung Cadocs betont Hartmann, wie prekär die höfische Identität ist. Er spielt so mit den Ängsten der höfischen Rezipienten, denen sich das grauenhafte Bild ins Gedächtnis einbrennt. Gleichzeitig wird die Tötung der Riesen durch Erec und damit die Ausübung ritterlicher Gewalt legitimiert. Siehe Pincikowski 2010, S. 38 ff.; vgl. auch Wandhoff 1999. 896 Ernst 1978, S. 173, 212 ff. 897 Z. B. bei Andreas Hallers „Erasmus-Triptychon“ (1522; Innsbruck, TLM), dessen zentrale Darstellung der Marter im Ölkessel durch die simultane Ausführung sechs verschiedener Foltermethoden und die übertrieben abstoßenden Physiognomien der Schergen auf den heutigen Betrachter geradezu absurd wirkt. 898 Allgemein zu dem Zyklus Ausst.Kat. „Spätgotik in Salzburg“ 1972, S. 113 f.; Ausst.Kat. „Sanct Georg“ 2001, S. 193 ff.

Die Entblößtheit der Heiligen  183

den.899 Die Nackten zu kleiden ist außerdem eines der sechs bei Matthäus 25,31 ff. genannten Werke der Barmherzigkeit. In diesem Zusammenhang wurden häufig Heilige dargestellt, die ein Gewand an eine durch Armut oder Krankheit gezeichnete Person überreichen.900 Die Genitalien männlicher Heiliger kommen im Mittelalter nie zur Darstellung. Nahezu mit dem gleichen Grad an Schande scheint das Zeigen des männlichen Gesäßes verbunden gewesen zu sein. Dieses kommt bei den Heiligen – wie auch bei Jesus – nur in seltenen Fällen zur Darstellung, wie in der oben behandelten „Schindung des Bartholomäus“ von Stefan Lochner (Farbabb. 10 c) oder der Schleifungsszene vom „Kölner Georgsretabel“ (Farbabb. 38), in der es unter der durchsichtigen Bruech – eine Art spätmittelalterlicher Unterhose – sichtbar wird. Der Vorgang der Schleifung des entblößten Heiligen durch die Stadt, unter den Augen der Öffentlichkeit, hatte wesentlich den Zweck, ihn buchstäblich bloßzustellen. Dass gerade in dieser Szene das Gesäß Georgs – verhüllt, aber zugleich enthüllt – zu sehen ist, weist auf die Schändlichkeit der Entblößtheit dieses Körperteils hin. Der Entblößtheit des Gesäßes männlicher Heiliger entspricht die Zurschaustellung der Brüste bei den Märtyrerinnen. Diese werden weitaus öfter dargestellt als das männliche Gesäß. Die körperlichen Unterschiede zwischen den Geschlechtern führen dazu, dass die Darstellung bestimmter Gewaltmotive geschlechterspezifisch unterschiedliche Bedeutungen besitzt – so zum Beispiel die Geißelung. Vergleicht man die bereits oben erwähnte Geißelung des hl. Quintinus und die der hl. Katharina vom „Gießmannsdorfer Retabel“ von 1505 (Gościszowice/ Polen, Kirche St. Katharina; Abb. 16), die formal sehr ähnlich und beide deutlich an die Bild­ tradition der Geißelung Christi angelehnt sind, offenbart sich, dass bei gleichem Motiv zwischen den Geschlechtern Bedeutungsunterschiede bestehen, weil bei Katharina Geschlechtsmerkmale sichtbar werden. Auf den zeitgenössischen Betrachter wirken die Darstellungen weiblicher Märtyrerinnen daher oftmals weitaus spektakulärer, was ihnen einige Aufmerksamkeit seitens der kunsthistorischen Forschung einbrachte. Unterstellt wird den mittelalterlichen Konzepteuren und Rezipienten oftmals eine sexuell motivierte – erotische, sadistische oder sado-masochistische – Intention bzw. Rezeption. Maßgeblich hierfür ist die moderne Wahrnehmung weiblicher Nacktheit und insbesondere der weiblichen Brust als vornehmlich erotisch. Bestätigung scheint diese Sicht durch zahlreiche große Flügelretabel des 15. Jahrhunderts zu erhalten, die im Rahmen der Vita weiblicher Heiliger das Martyrium ausführlich in mehreren Szenen darstellen, wobei es mehrfach zur Repräsentation der entblößten sekundären Geschlechtsmerkmale kommt. Ist die moderne Sichtweise der Martyriendarstellungen als ‚erotisch aufgeladen‘ auf das späte Mittelalter übertragbar oder gilt die Äußerung der hl. Agatha in der „Legenda aurea“: „ich [bin] so gar zerzerret [...] und übel gehandelt an meinem Leib, daß niemand Lust daran möchte gewinnen“?901 899 Z. B. eine niedersächsische Tafel (1495; Hannover, NLM), die zeigt, wie der hl. Benedikt dem bereits tonsurierten Knaben Maurus, den sein Vater zu ihm gebracht hat, ein Mönchsgewand überstreift, während der danebenstehende Knabe Placidus in weltlicher Kleidung noch nicht aus den Händen des Vaters entlassen wurde. Abb. in Kat. Niedersächsisches Landesmuseum 1992, S. 173. 900 Z. B. Kölnisch, Die hl. Elisabeth kleidet Arme, Ende 14. Jh., Köln, WRM. Abb. in Kat. WallrafRichartz-Museum 1986, S. 117. 901 Legenda aurea (= Benz 1925, S. 200).

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2.2 Martyrienbilder als ‚religiöse Pornographie‘? Zeitgenössische und aktuelle Wahrnehmungen Margaret Miles prägte die Bezeichnung ‚religiöse Pornographie‘ bezogen auf Meister Franckes „Barbararetabel“ von um 1415 (Helsinki, Suomen kansallismuseo; Abb. 51 a–c), das im geschlossenen Zustand902 einen achtszenigen Zyklus zum Martyrium Barbaras bei Entblößtheit des Oberkörpers in zwei Szenen zeigt. Miles nahm dabei weder eine Begriffsdefinition noch eine argumentative Herleitung vor.903 Dennoch erfuhr ihre Idee verbreitet Aufnahme in der Forschung. Martha Easton übernahm den Begriff für Darstellungen des Agathenmartyriums.904 Madeline H. Caviness, die sich bewusst von theologischen Deutungen der Martyrienbilder abwendet, bevorzugt den Begriff „sado-eroticism“905 und konstatierte, die Darstellungen der Märtyrerinnen in der Tortur seien „spectacles for a public that scarcely knew »pornographic« pictures. Whatever the theological resistance to such a notion, it is hard to imagine that some members of the viewing community did not share with the fictional perpetrators the desire to do violent harm to these virginal bodies that were unavailable for sex.“906

Dies geht einher mit einem speziellen Vorwurf an die Bilder im Gegensatz zum Text: „Women in texts could die like men, women in pictures no longer could.“907 Angesichts des „Barbararetabels“ des Meisters von St. Korbinian (Abb. 48), das im geöffneten Zustand ausschließlich Szenen zum Martyrium der Heiligen zeigt, gelangte Elisabeth Vavra zu dem fragwürdigen Schluss: „[Die] Vollstreckung von sexuell determinierten Martern an realistisch dargestellten Körpern, wie z. B. das Abschneiden der Brüste der hl. Barbara, lassen die moralisierend belehrende Funktion in den Hintergrund treten, setzen eine durch Brutalität erotisierende Wirkung frei.“908

Sigrid Schade konstatiert, spätmittelalterliche christliche Bilder, die nackte Menschen zeigen (zum Beispiel Christus am Kreuz oder den hl. Sebastian), produzierten „schaulustige Andachtskulturen, deren heimliche Motivationen noch kaum erforscht sind“.909 Gabriele Sorgo sieht einen generellen Zusammenhang von den Darstellungen der Martyrien (in Text und Bild) und der modernen Pornographie. Der Bereich der Sexualität sei durch die Kirche aus dem Alltag marginalisiert worden; vordergründig sei das Martyrium zwar das Gegenteil von Fleischeslust,910 in den hagiographischen Erzählungen werde der Leib 902 Zur Rekonstruktion als Doppelflügelretabel siehe Waismaa-Pietarila 1994, S. 172 ff. 903 Miles 1989, S. 156. 904 Easton 1994, S. 98. 905 Caviness 2001, S. 84. 906 Ebd., S. 35 f.; vgl. dort auch S. 99. 907 Ebd., S. 119. 908 Vavra 1986, S. 292. 909 Schade 1989, S. 26. 910 Im Gegensatz dazu ist für Barth 1981, z. B. S. 72 die zentrale Funktion der Märtyrerlegende der Aufruf zur Abkehr von der Fleischeslust, in der sich für den mittelalterlichen Menschen das Böse schlechthin verkörpere. Auch diese Sichtweise erscheint einseitig.

Die Entblößtheit der Heiligen  185

jedoch so dargestellt wie sonst nur in pornographischen Texten.911 Die Darstellungen würden als „gesicherter Bereich“ für die unterdrückte Fleischeslust fungieren, der als Stütze der Religion diente.912 Aus dem späten Mittelalter sind vereinzelt Aussagen von Zeitgenossen erhalten, die auf die Möglichkeit einer sexuell motivierten Rezeption der sakralen Bilder hinweisen. Sie stammen jedoch vorwiegend aus reformatorischen und bilderkritischen Kreisen. Die auch nur geringe Möglichkeit einer erotischen Wahrnehmung könnte daher auch zur Verfolgung übergeordneter kirchenpolitischer Ziele instrumentalisiert worden sein. Nikolaus von Dresden schreibt in seinem bilderfeindlichen Traktat „De imaginibus“ (1415) über die Gefahr, dass die Darstellungsweise mancher kirchlicher Bilder den voyeuristischen Begierden des rohen Volkes entgegenkommen könne. Den Malern wirft er vor, sie würden die Heiligen genauso wie Buhler und Buhlerin darstellen.913 In seinem Traktat wird Nikolaus’ grundsätzliches Misstrauen gegen das menschliche Auge – auch dem des wahren Gläubigen – deutlich. Auch der Hussitenführer Jakoubek von Stříbo († 1429) sah die Gefahr, dass aus dem Anblick schöner Jungfrauen („ex visione pulchorum virginum“) nur fleischliche Liebe zu den Heiligen erwachse („venit talibus solum amor carnalis ad sanctos“). 914 Hier wird jedoch Nacktheit als Merkmal der Darstellungen gar nicht explizit erwähnt. Der Kommentar des lutherischen Bauern Karsthans in der um 1520 in Straßburg erschienenen Schrift „Neu-Karsthans“ bezieht sich auf zwar „unschamhaft“, aber doch bekleidete Frauenfiguren, wenn er über seine Reaktion auf die Kirchenausstattung in jugendlichem Alter schreibt: „Hett auch offt böse gedancken in anschauwung der fräwlichen bildungen [weiblichen Gestalten] auff den altaren. Dann kein bulerin mag sich üppigklicher oder unschamhafftigklicher becleiden oder zieren, dann sie yetzund die mutter gottes, sant Barbaram, Katherinam und andere heiligen formieren.“915

Bekleidet zu sein schützt also im Falle einer bestimmten Betrachtereinstellung auch nicht vor erotischen Assoziationen. Ähnliche Aussagen finden sich gleichermaßen bezogen auf die Darstellung männlicher Heiliger, die unter dem Stichwort ‚Pornographie‘ jedoch weniger im Fokus der Forschung standen. Huldrych Zwingli schrieb zum Beispiel: „Dört stat ein Sebastion, Mauritius und der fromm Johanns evangelist so jünckerisch, kriegisch, kuplig, daß die wyber davon habend ze bychten ghebt.“916 Zumindest die Möglichkeit einer erotischen Wahrnehmung sowohl weiblicher als auch männlicher Akte bestand also, ganz unabhängig von Rezeptionserwartungen, die mit der Darstellung von Heiligenfiguren einhergehen. Ein pornographischer Zug, so Christine 911 Sorgo 1997, S. 13 f., 17 f. 912 Ebd., S. 17, 188, 205. 913 Schnitzler 1996a, S. 56 f.; vgl. Tammen 2003, S. 119. 914 Zitiert nach Kalina 1995, S. 254; vgl. Tammen 2003, S. 119. 915 Zitiert nach Baxandall 1980, S. 100. 916 Zitiert nach ebd.

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Ruhrberg im Hinblick auf die Texthagiographie, sei im Blick begründet.917 Welche Rezeptionsvorgaben aber finden sich in den hagiographischen Texten und Bildern tatsächlich? Ist ihre Bezeichnung als ‚religiöse Pornographie‘ oder auch nur ihre Einschätzung als erotisch aufgeladen aufrechtzuerhalten oder handelt es sich lediglich um eine moderne Projektion? Zur Beantwortung dieser Frage werden im Folgenden zunächst die Legenden der Märtyrerinnen in ihren Grundstrukturen betrachtet, um anschließend die bildlichen Darstellungen hinsichtlich ihrer Rezeptionsangebote zu untersuchen.

2.3 Entblößte Märtyrerinnen: Grundzüge der Legende und bildliche Darstellung Von der Forschung zur Hagiographie wurden wiederholt die Unterschiede zwischen den Legenden männlicher und weiblicher Heiliger herausgestellt.918 Charakteristisch für die christlichen Märtyrerinnen sind den Legenden zufolge in der Regel ihre Schönheit, ihre vornehme Herkunft und ihre Jungfräulichkeit. Die Jungfräulichkeit bildet nahezu die Voraussetzung für die Heiligwerdung von Frauen. Die Frau galt durch die Urahnin Eva als Ursprung der Sünde; durch die Jungfräulichkeit konnte dieser Malus quasi ausgeglichen werden, durch sie wird ihr das vir von virginitas verliehen.919 Im Gegensatz zu männlichen Heiligen, die zum Teil vor ihrer Konversion einen sündigen Lebenswandel geführt haben, ist das Leben weiblicher Heiliger beständig, der Entschluss zur Keuschheit muss zwecks Jungfräulichkeit früh gefällt werden, so dass sich die Vita gleichmäßig zur Heiligkeit hin entwickelt. Fleischeslust, durch die männliche Heilige zuweilen in Versuchung geraten, wird bei den weiblichen Heiligen völlig negiert. Ihre Jungfräulichkeit gerät in den meisten Fällen durch ihre Schönheit von außen in Gefahr, die gerade aus ihrer Tugendhaftigkeit heraus resultiert, die jedoch sexuelle Begierde in den Männern wachruft. Die Frau erscheint trotz ihres festen Willens zur Keuschheit als Verführerin. Dennoch ist in der Legende das aktive Begehren der Männer betont, die nicht als Opfer der verführenden Frau erscheinen, auch wenn diese Projektion der männlichen Lust auf die Frau in der christlichen Welt lange vorherrschend war. Den Ausgangspunkt des Martyriums bildet dann vielfach die Verweigerung der Heirat mit einem mächtigen Mann aus dem Wunsch nach Keuschheit heraus und unter Berufung auf den christlichen Glauben.920 In der Folge kommt es zu verschiedenen Maßnahmen der 917 Ruhrberg 1995, S. 415. Kritisch dazu Schirrmeister 2000, S. 145, der jedoch nicht ausreichend differenziert zwischen Rezeptionsvorgaben und einem möglichen Blick auf die Bilder. Nicht uneingeschränkt zuzustimmen ist daher der Einschätzung von Thomas Lentes, Erbe des Christentums sei es, dass westliche Gesellschaften nicht anders als mit compassio auf einen gequälten Körper blicken könnten. Lentes 2004, S. 58. 918 Ruhrberg 1995; Hahn 2001, S. 90 ff.; vgl. Miles 1989; Easton 1994; Caviness 2001. 919 Vgl. Hahn 2001, S. 116. 920 Feistner 1995, S. 29. Z. B. bei der hl. Katharina: Nach der Verbrennung der 50 Weisen bietet Kaiser Maxentius Katharina an, seine zweite Frau zu werden; auf ihre Zurückweisung hin muss sie sich ausziehen und wird ausgepeitscht. Nach der Enthauptung der bekehrten Kaiserin offeriert er ihr, die erste Frau im Palast zu werden, wenn sie sich vom christlichen Glauben abwende; auf ihre Weigerung folgt die Enthauptung. Siehe Legenda aurea (= Benz 1925, S. 921, 923 f.).

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Folter, die die Christin zur Umkehr (Abkehr vom Glauben und Heirat) bewegen sollen. Die in der Literatur beschriebene Folter unterscheidet sich von derjenigen männlicher Heiliger in zwei Punkten: Häufig richtet sie sich gegen die sekundären weiblichen Geschlechtsmerkmale, während niemals männliche Geschlechtsmerkmale zum Ziel der Tortur werden. Des Weiteren richtet sie sich auch gegen das Gut der Jungfräulichkeit, indem den Frauen mit Vergewaltigung und Zwangsprostitution gedroht wird, deren Durchführung jedoch immer durch göttliches Einwirken vereitelt wird.921 Sowohl der Brustfolter als auch der Androhung von Vergewaltigung wohnt ein sexuelles Rachemotiv inne: Weil der Mann die Frau nicht durch die geschlechtliche Vereinigung besitzen kann, tut er es durch Gewalt und bezeichnenderweise durch Gewalt gegen ihr am deutlichsten sichtbares Geschlechtsmerkmal.922 Etwas anders verhält es sich etwa bei der hl. Barbara, denn ihr Kontrahent ist der eigene Vater:923 Weil er sie keinem Mann zur Heirat geben wollte, errichtete er einen Turm, um sie dort einzusperren. Der Turm wurde folgerichtig als phallisches Symbol patriarchaler Macht gedeutet.924 Barbara, einer Vision folgend, ließ in Abwesenheit des Vaters den zwei Fenstern des zum Turm gehörenden Badehauses ein drittes hinzufügen, der Trinität zu Ehren. Die männliche Autorität, symbolisiert durch den Turm, wird durch den christlichen Glauben in Frage gestellt; die Frau erfährt durch ihren Glauben eine Aufwertung. In den Legenden der Märtyrerinnen spielt also in der Regel das Motiv der Sexualität durchaus eine Rolle – durch die Begierde der Männer und ihre Rache für die Zurückweisung. Sexuelle Begierde und Rache sind damit aber ausschließlich den Peinigern zugeordnet und eindeutig negativ konnotiert. Die Frauen sind in den Legenden aber keinesfalls als passive Objekte männlicher Begierde dargestellt:925 Die Heilige widersetzt sich den männlichen Herrschern – zunächst in Wortgefechten, aus denen sie stets als Siegerin hervorgeht, und dann durch ihren Körper, indem sie keinen Schmerz zeigt und sich durch die Gewaltaktionen nicht von ihrem Glauben abbringen lässt. Die für die hagiographischen Texte charakteristischen Topoi Jungfräulichkeit, angedrohte Vergewaltigung und Prostitution spielen in den bildlichen Darstellungen der spätmittelalterlichen Tafelmalerei kaum je eine Rolle.926 Das steirische „Margarethenretabel“ von um 921 Die hl. Lucia sollte ins Bordell gebracht werden, doch sie wurde so schwer, dass sie nicht bewegt werden konnte. Legenda aurea (= Benz 1925, S. 37). Die hl. Agnes konnte durch ein Wunder ebenfalls vor der Prostitution beschützt werden. Ebd., S. 134 f. Die Jungfrau von Antiochien konnte im Gewand eines Ritters, der ihr zu Hilfe gekommen war, aus dem Bordell fliehen und so ihre Keuschheit bewahren. Ebd., S. 317 ff. – Zur Jungfräulichkeit der Märtyrerinnen, die immer bedroht, aber schließlich bewahrt wird, siehe Kelly 2000. 922 Easton 1994, S. 97. 923 Zur verworrenen Überlieferung der Legende siehe Labuda 1984a, S. 29 ff.; LCI, Bd. 5, Sp. 304 f. 924 Caviness 2001, S. 113. 925 Vgl. Lewis 2000, S. 73 ff. 926 Anders in der hochmittelalterlichen Buchmalerei, z. B. einem Libellus aus St. Vincent in Metz mit der Vita der hl. Lucia (um 1130, Berlin, Kupferstichkabinett, 78 A 4, fol. 66r): Nach ihrer Weigerung, dem christlichen Glauben abzuschwören, soll die Heilige ins Bordell gebracht werden; sie kann jedoch nicht einmal mit der Kraft von zwei Ochsen von der Stelle bewegt werden, was durch ihre im Verhältnis zu ihren Peinigern enorme Körpergröße visualisiert wird. Siehe Hahn 2001, S. 112 ff., Abb. S. 115.

188  Der Topos der Entblößtheit

1455/60 (St. Georgen ob Murau/Österreich, Pfarrkirche St. Georg) scheint in einer Szene das Werben des Präfekten Olibrius um die schöne Jungfrau darzustellen (Farbabb. 1 a): Margarethe steht am rechten Rand der Szene, sich von Olibrius und den übrigen vier männlichen Figuren, unter ihnen der berittene Machthaber, abwendend; ein Bediensteter von Olibrius, der sie verzückt ansieht, berührt ihre Schulter und Hüfte. Die Szene bildet den Auftakt des Zyklus, es folgen die Einkerkerung und verschiedene Martern sowie schließlich die Enthauptung der Jungfrau (Farbabb. 1 b–d). Die Schönheit der Märtyrerinnen und die Entblößung durch ihre Peiniger weisen auf das in den Legenden zentrale Moment der sexuellen Begierde der heidnischen Machthaber hin. Indizien hierfür sind vielfach auch Marterwerkzeuge oder andere Attribute, die als phallische Symbole gedeutet werden können. Diese verweisen auf die Triebhaftigkeit der Peiniger und verdeutlichen das Ideal einer über das Körperhaft-Sinnliche hinausgehenden Rezeption der Darstellungen. Ein Beispiel für ein eindeutig phallisches Symbol findet sich in der „Brustmarter Agathas“ vom „Dorotheenretabel“ in der Marienkirche von Danzig (um 1435; Abb. 46): Der linke Scherge, dem Betrachter in Dreiviertelrückenansicht dargeboten, hat auf der Höhe seines Gesäßes unter einem Gürtel offenbar eine Art Metalltröte befestigt, welche zweifelsohne die Form eines Phallus aufweist, der sich durch seine goldene Farbe auffällig von dem dunklen Hintergrund des Gewandes abhebt.927 Es ist festzustellen, dass die Forschung in der Darstellung einer Waffe, die sich gegen eine Märtyrerin richtet – zum Beispiel dem erhobenen Schwert in einer Enthauptungsszene –, eher geneigt ist, ein Phallussymbol zu sehen als bei entsprechenden Darstellungen männlicher Heiliger.928 Dabei findet sich das Urbild der Waffe mit phallischer Symbolik im Motiv der Kreuzigung Christi: Die Seitenwunde erinnert formal an die Vagina und entspricht ihr insofern, als dass sie blutet und gebärt.929 Die Lanze, die die Wunde penetriert, was zur Geburt der Kirche führte, kann somit mit dem Phallus in Verbindung gebracht werden. Autoren der Mystik beschrieben den Vorgang der meditativen Vereinigung oftmals mit leiblichen Metaphern, die sexuelle Anspielungen enthalten.930 Zu bedenken ist außerdem, dass die Betonung des Geschlechts auch bei den Peinigern Jesu vorkommt.931 Die Zuschreibung der Forschung sexueller Anspielungen zur Darstellung des weiblichen Geschlechts erfolgt vielfach aus einem durch moderne Sehgewohnheiten geprägten Blick, der bereits mit bestimmten Erwartungen auf die mittelalterlichen Bilder gerichtet wird. Vernachlässigt wird dabei vor allem, dass Jesus als Vorbild aller Märtyrer weibliche Eigenschaften besitzt – insbesondere indem er die Kirche ‚gebar‘ und die Gläubigen ‚nährt‘, aber auch durch seine 927 Das „Dorotheenretabel“ weist deutlichen Einfluss durch Meister Franckes „Barbararetabel“ auf. So findet sich auch dort ein phallisches Symbol: In der Szene der Feuermarter trägt ein Scherge hier einen Gürtel mit Tasche, deren Lasche zum Verschließen sich auf der Höhe seines Geschlechts befindet und formal an dieses erinnert. 928 Diese Tendenz z. B. bei Caviness 2001, S. 91. 929 Bynum 1989, S. 174 ff.; Bynum 1991, S. 77 ff. 930 Ebd., S. 70 ff. Vgl. die Darstellung in den „Rothschild Canticles“, New Haven, Beinecke Rare Book and Manuscript Library, Ms. 404, fol. 18v u.19r, wo auf der linken Seite eine Nonne mit einer Lanze dargestellt ist, die sie auf den entblößten, auf seine Seitenwunde weisenden Jesus richtet. 931 Z. B. bei Marx Reichlichs „Geißelung Christi“ vom „Jakobus-Stephanus-Retabel“, Farbabb. 21 b.

Die Entblößtheit der Heiligen  189

Gewaltlosigkeit –, dass also die christliche Religion Weiblichkeit nicht prinzipiell ablehnen oder gar verteufeln kann. Die Entblößtheit kommt im Zusammenhang mit verschiedenen Gewaltmotiven vor. Häufig dargestellte Foltermethoden sind das Geißeln, das Brennen mit Fackeln und das Aufreißen der Haut durch Eisenstangen. Dabei sind die Märtyrerinnen in der Regel an eine Säule gebunden oder mit ausgebreiteten Armen an einem Galgengerüst aufgehängt – eine formale Analogisierung mit Jesus während der Geißelung und der Kreuzigung ist auffällig. Die „Geißelung Katharinas“ vom „Gießmannsdorfer Katharinenretabel“ (Abb. 16) weist kaum Unterschiede zur üblichen Darstellung der Geißelung Jesu auf: Der Körper der hl. Katharina ist christusgleich vollkommen mit Wunden übersät. Ihre Brüste sind wenig betont, nur das lange Haar weist auf ihre weibliche Schönheit hin. Die spezifisch weibliche Tortur aber ist das Abschneiden bzw. Abschnüren der Brüste, das naturgemäß bei männlichen Heiligen nicht vorkommt. Das Motiv ist besonders verdächtig hinsichtlich einer sexuell motivierten Produktion bzw. Rezeption, denn zwangsläufig kommen hier die weiblichen Geschlechtsmerkmale zur Darstellung und stehen im Zentrum der Gewalthandlung.

Die Brustmarter Das Abschneiden der Brüste kam wohl vereinzelt zu allen Zeiten und in allen Kulturen vor; durch verschiedene Quellen ist es zum Beispiel für den Dreißigjährigen Krieg belegt.932 Im Mittelalter galt es als besonders grausame Tat, die hart bestraft wurde. Es wurde diffamierend den Sarazenen und Juden nachgesagt.933 Die Zuordnung dieser Grausamkeit zu den Feinden des christlichen Glaubens spiegelt sich ebenfalls in den Legenden der Märtyrerinnen wider. In den mir bekannten Beispielen der spätmittelalterlichen Tafelmalerei findet sich das Abschneiden der Brüste bei Barbara, Agatha,934 Katharina und der durch Katharina bekehrten Kaiserin Faustina, während es in den Legenden und in anderen medialen Gattungen bei weiteren Heiligen vorkommt.935 In der Mehrzahl der Darstellungen – und dies gilt auch für die Buchmalerei des Hoch- und Spätmittelalters – ist der Moment unmittelbar vor oder während dem Abtrennen der Brust dargestellt. Es finden sich jedoch auch Beispiele wie die 1495 in München entstandene Darstellung der hl. Agatha in St. Agatha zu Agatharied:936 An 932 Duerr 1993, S. 286 ff. 933 Ebd., S. 286. 934 Zur Darstellung der hl. Agatha und ihrer Brustfolter in der mittelalterlichen Buchmalerei siehe Easton 1994; Caviness 2001, S. 89 ff.; in der neapolitanischen Malerei des 16. und 17. Jhs. siehe Lang 2001, S. 171–225. 935 Der Wandteppich aus Neuburg a. D. (um 1435; Köln, Museum für Angewandte Kunst) beispielsweise zeigt das Brustabschneiden auch bei Christina, Apollonia und Reparata. Bei Braun 1943, S. 118, Abb. 50 – Sieben Märtyrerinnen sind hier in einer Reihe dargestellt, wobei alle bis auf Katharina mit entblößtem Oberkörper gezeigt werden, an denen jeweils vom Körper des Täters isolierte Hände unter Verwendung verschiedener Waffen Folterungen vornehmen. 936 Abb. bei Bös/Klinger 1992, S. 130.

190  Der Topos der Entblößtheit

der Stelle der rechten Brust klafft bereits eine blutende Wunde, während die linke Brust, wie in der „Legenda aurea“ geschildert, mit Seilen abgeschnürt wird, wobei die Heilige einen ausgesprochen fröhlichen Eindruck macht. Aus dem 15. Jahrhundert sind mehrere Barbara-Zyklen von großen Flügelretabeln erhalten. Auch hier wird die Brustmarter vor ihrem eigentlichen Vollzug dargestellt. Indem Barbara in der auf die Brustabschneidung folgende Szene wieder mit unversehrten Brüsten gezeigt wird, ist implizit das legendarische Heilungswunder repräsentiert. In Meister Franckes „Barbararetabel“ im Finnischen Nationalmuseum korrespondiert die Brustabschneidung der hl. Barbara des geschlossenen Zustands (Abb. 51 b) mit der Beschneidung Christi im Mittelschrein. Valerie Möhle qualifiziert die Paarung als voyeuristisch motiviert, es würden dadurch Kastrationsängste geschürt; das Motiv der Brustabschneidung sei in der vorliegenden Kombination nicht geeignet, um Christusähnlichkeit zu vermitteln937 – dem ist nicht zuzustimmen. Motivisch steht jeweils ein Geschlechtsmerkmal im Zentrum der dargestellten Handlung. Die Beschneidung wird als Vorausdeutung auf die Kreuzigung verstanden und steht somit auch in Verbindung zum Martyrium als symbolische Wieder­ holung der Passion. Brustmartern können generell mit der in Folge der Kreuzigung ent­ standenen Seitenwunde Jesu in Beziehung gebracht werden: Durch ihre Position steht die weibliche Brust in Verbindung zur Seitenwunde Christi. Oftmals wird dies in den Marty­ riendarstellungen betont, indem die Heilige an einem Galgen hängt wie Jesus am Kreuz und Marterwerkzeuge wie Eisenhaken, Fackeln oder Zangen in Entsprechung zu Longinus’ Lanze schräg nach oben weisend die Brust verletzen.938 Caroline Walker Bynum wies darauf hin, dass die Seitenwunde der zentrale Ort der Weiblichkeit Christi sei.939 Während ihre Position derjenigen der Brust entspricht, steht sie formal und funktional in Verbindung mit der Vagina: Aus ihr wurde die Kirche geboren.940 Die Kirche wird von Bernhard von Clairvaux als Braut Christi bezeichnet, die die Gläubigen nährt und selbst von Christus genährt wird. Die Seitenwunde ist also wie die weibliche Brust lebenspendend. Verschiedene Mystiker berichten von der visionären Erfahrung, Blut aus der Seitenwunde Christi zu trinken, was ihrem Verlangen nach Vereinigung mit Christi entsprang.941 Im 13. Jahrhundert manifestiert sich in theologischen Texten die Erlösungsfunktion von Marias Brust in Entsprechung zur Seitenwunde Christi. Arnold von Chartres († nach 1156) aus dem Umkreis Bernhards von Clairvaux schrieb in „De laudibus“:

937 Möhle 2004, S. 166. 938 Z. B. in der Szene des Hautaufreißens vom „Breslauer Barbararetabel“ (Abb. 59 b) oder der Brustmarter Agathas vom „Dorotheenretabel“ in der Danziger Marienkirche (Abb. 46). Vgl. Easton 1994, S. 94. 939 Bynum 1989; Bynum 1991, S. 69 ff. Bynum reagierte damit auf Leo Steinberg, der die Betonung der männlichen Sexualität Jesu in Bildern der Renaissance herausstellte. Steinberg 1983. Bynum argumentierte, die Sexualität Jesu sei als Hinweis auf seine Menschlichkeit, nicht auf seine Männlichkeit zu verstehen. 940 Diese Auffassung u. a. schon bei Tertullian und Augustinus. Burdach 1938, S. 53, 95 f.; Bynum 1989, S. 176. 941 Lentes 1995, S. 154.

Die Entblößtheit der Heiligen  191

„Einen sicheren Zugang hat nunmehr der Mensch zu Gott, wo er als Mittler in seiner Sache den Sohn vor dem Vater und vor dem Sohn die Mutter hat. Christus, mit entblößter Seite, zeigt dem Vater seine Seite und Wunden, Maria dem Christus ihre Brüste, und es kann keinesfalls eine Abweisung erfolgen, wo diese Zeichen der Gnade und Zeichen der Liebe zusammenkommen und beredter als jede Zunge reden.“942

Die Brust Mariens steht also wie die Wundmale Christi für Gnade und Erlösung. Im 13. Jahrhundert entstand die Legende vom Milchwunder des hl. Bernhard, der vor einem Marienbild betete, welches als Zeichen der Mütterlichkeit Marias Milch auf seine Lippen spritzte. Ebenfalls seit dem 13. Jahrhundert wird Maria als Fürbitterin vor dem Weltenrichter mit entblößter Brust auch bildlich dargestellt, wobei es häufig zu einer Parallelisierung von Brust/Milch und Seitenwunde/Blut Christi kommt.943 Die Präsentation der nackten weiblichen Brust in den spätmittelalterlichen Martyriendarstellungen verweist daher nicht in erster Linie auf ein Geschlechtsmerkmal, das erotisch wahrgenommen wurde, sondern durch Bezugnahme auf die Seitenwunde auf den Aspekt der Erlösung durch körperliches Leid. Da die Darstellungen in der Regel erst den ‚fruchtbaren Moment‘ zeigen, in dem das Messer oberhalb der Brust angesetzt wird, fehlt zumeist Blut, das die Analogisierung von Brust und Seitenwunde verdeutlichen würde. Sogar die drastische Szene des „Breslauer Barbararetabels“ zeigt nur ein schmales Rinnsal Blut, das unterhalb der Brust herunterläuft (Farbabb. 37 a). Ein kleines Triptychon vom Meister des Laufener Altars von 1467 (heute in amerikanischem Privatbesitz; Abb. 52)944 aber zeigt auf der rechten Flügelinnenseite, wie infolge der nicht dargestellten Brustmarter Blut aus den Brustwarzen Barbaras läuft.945 Dadurch wird einerseits die Assoziation an Milch geweckt, andererseits die Ähnlichkeit zur Seitenwunde betont – insbesondere, da das obere Bildfeld der Mitteltafel eine Kreuzigung Christi mit stark blutender Seitenwunde zeigt und die Rückseite einen auf die Wunde weisenden Schmerzensmann.

Verbergen und Inszenieren der Entblößtheit Während das Motiv der Brustabschneidung zwingend erfordert, die weiblichen Geschlechtsmerkmale in Szene zu setzen, wird in anderen Beispielen die Darstellung der entblößten Brüste vermieden. Der Monogrammist HG von 1514 (Nürnberg, GNM; Abb. 17) zeigt die hl. Katharina in Seitenansicht hinter der Geißelsäule stehend, so dass ihr an die Geißelsäule gefesselter Arm ihre Brüste verdeckt. Der Künstler verwendete für seine Darstellung eine druckgraphische Vorlage: Dürers Holzschnitt der Geißelung Christi aus der „Kleinen Holzschnitt-Passion“ (Abb. 15 a). Dürer prägte hier ein neues Bildschema, bei dem Jesus nicht 942 Zitiert nach Marti/Mondini 1994, S. 80. 943 Z. B.: Schule des Konrad Witz, Schmerzensmann und Maria als Fürsprecher bei Gottvater, Flügel eines Triptychons, um 1450, Basel, Kunstmuseum. 944 Abb. bei Ramisch 1964, S. 158. 945 Es ist anhand der Abbildung nicht erkennbar, ob die Brustwarzen abgeschnitten wurden.

192  Der Topos der Entblößtheit

wie üblich auf der Mittelachse und in Frontalansicht gezeigt wird, sondern in eben der Weise, in der der Monogrammist HG Katharina darstellt. Für die Darstellung der Geißelung einer weiblichen Heiligen hat das von Dürer geprägte Bildschema den Vorteil, dass das Entblößtsein zwar dargestellt wird, die Geschlechtsmerkmale jedoch vor dem Blick des Betrachters verborgen bleiben. Der Maler macht sich nicht zum Komplizen der Peiniger, indem er die entblößte Heilige dem Betrachter vorführen würde. Die Adaption von Dürers Vorlage erfolgte also keineswegs aus einem Mangel an eigenem Erfindungsreichtum, sondern zeugt von einem reflektierten Umgang mit dem Motiv und der druckgraphischen Vorlage. Einige Altarretabel des 15. Jahrhunderts setzen das Motiv weiblicher Nacktheit auffallend in Szene und wurden daher als Argumente für eine sexuell motivierte Produktion respektive Rezeption der Darstellungen im späten Mittelalter herangezogen. Es handelt sich dabei um Retabel, welche die Vita einer Heiligen ausführlich schildern, wobei dem Martyrium, in dem es zur Entblößung kommt, immer mehrere Szenen gewidmet sind. Die meisten von ihnen behandeln die Vita der hl. Barbara. Zurückführen lässt sich die Betonung ihrer Entblößtheit auf eine Episode in der legendarischen Überlieferung: Johannes von Damaskus (8. Jahrhundert) berichtet, die Heilige sei unbekleidet durch die Gegend geführt und dabei ausgepeitscht worden. Aus Liebe zum Gekreuzigten nahm sie auch diese Schmach auf sich. Im Zustand der Unschuld habe sie sich dabei ihrer Nacktheit nicht geschämt, so wie auch die Stammeltern vor dem Sündenfall sich nicht geschämt hätten. Sie betete aber zu Gott, ihren Leib nicht den Blicken der Bösen aussetzen zu müssen. Daraufhin sandte ihr Gott einen Engel, der sie mit einem weißen Gewand bedeckte.946 Den mit einem Tuch herabschwebenden Engel zeigen das „Breslauer Barbararetabel“ (Farbabb. 37 b), das „Barbararetabel“ des Meisters von St. Korbinian (vor 1498; Vahrn-Neustift/Italien, Augustiner-Chorherrenstift; Abb. 48) und das Bernt Notke zugeschriebene „Barbararetabel der Schuhmacher“ in der Danziger Marienkirche (um 1495; Abb. 47).947 Bei den beiden letztgenannten Beispielen ist die Scham Barbaras lediglich durch ein transparentes bzw. teilweise transparentes Tuch bedeckt, wodurch die Entblößtheit besonders hervorgehoben wird. Das durchsichtige Lendentuch findet sich auch in der Szene der Feuermarter von Meister Franckes „Barbararetabel“ (Abb. 51 c). In der Szene der Brustmarter (Abb.  51 b) hingegen ist der Unterkörper Barbaras durch ein langes weißes Tuch verdeckt. Silke Tammen deutete das Schleiertuch in Bezug auf das „Barbararetabel“ des Meisters von St. Korbinian als „ambivalentes Rezeptionszeichen“, das „einerseits den voyeuristischen Wunsch nach visueller Verfügbarkeit [thematisiert] und [...] dem Betrachter andererseits [signalisiert], die Verblendung der am schönen Schein orientierten Götzenanbeter, abgewiesenen Liebhaber und Henker der Märtyrerinnen zu überwinden und in deren Schönheit ein Erlösungsversprechen für einen jeden sterblichen Körper zu entdecken, also eine Wahrheit hinter dem Schleier zu entdecken“.948

946 So die Fassung bei Johannes von Damaskus, paraphrasiert nach der deutschen Übersetzung des Originaltexts bei Kotter 1988, S. 251. 947 Zu Letzterem Eimer 1985, S. 136. 948 Tammen 2005, S. 325 f.

Ergebnisse 193

Ergänzend hierzu scheint mir die Feststellung wichtig, dass sich transparente Lendentücher bzw. Kleidungsstücke häufig auch bei dem gekreuzigten Christus949 und in Einzelfällen auch bei männlichen Märtyrern finden: Das „Georgsretabel“ im Wallraf-Richartz-Museum (um 1460; Farbabb. 38) – eines der wenigen erhaltenen männlichen Pendants zu den ausführlichen Zyklen über Märtyrerinnen des 15. Jahrhunderts – zeigt die sonst seltene Schleifung des Heiligen. Dieser liegt dabei auf dem Bauch, wodurch sein mit einer transparenten ‚Unterhose‘ bekleidetes Gesäß sichtbar wird, das hinsichtlich des damit assoziierten Schamgefühls gleichsam als Äquivalent der weiblichen Brust zu verstehen ist. Die Entblößtheit ist als wesentlicher Aspekt der intendierten Demütigung der Heiligen zu verstehen – dies macht insbesondere die Episode der Barbara-Legende, in der ein Engel gesandt wird, um ihre Blöße zu bedecken, deutlich. Plausibel wird dadurch auch, dass sich ausgerechnet für diese Szene der örtliche Kontext Stadt – dargestellt durch Häuserfassaden im Hintergrund – als notwendig erweist. In den betreffenden Szenen des „Breslauer Barbararetabels“, des Meisters von St. Korbinian und des „Barbararetabels der Schuhmacher“ schauen je mehrere Gaffer aus Fensterlaibungen und Türöffnungen heraus und verdeutlichen so das öffentliche Umfeld der Marter, das für die Bloßstellung der Heiligen erforderlich ist. Die Darstellung der Entblößtheit wird dadurch als Aspekt der intendierten Demütigung durch die Peiniger erkennbar, die nicht mit einem männlich-sadistischen Betrachterblick zu vereinbaren ist.

3 Ergebnisse Die Entblößtheit Christi in verschiedenen Stationen der Passion galt im späten Mittelalter als wesentlicher Bestandteil seines Leidens und wird dementsprechend in den Bildern inszeniert. Auch die Heiligen werden im Rahmen ihres Martyriums vielfach nackt dargestellt. Ihrer Nacktheit kommt jedoch nicht die gleiche Bedeutung zu wie derjenigen Jesu. Mehr geht es um die negative Darstellung der Peiniger zur Verdeutlichung der niederen Beweggründe für ihre Taten. Die Inszenierung der Entblößtheit weiblicher Heiliger ist in der Regel bedeutsamer als die ihrer männlichen Leidensgenossen, da im Bild vielfach Geschlechtsmerkmale zur Darstellung kommen. Häufig lehnen sich die Bilder motivisch und kompositionell an die Passionsikonographie an. Gerade die Darstellung der Brustmarter, der viele Märtyrerinnen zum Opfer fielen, ist durch die Analogisierung von Brust und Seitenwunde Jesu als christologische Anspielung zu verstehen. In Anbetracht der Tatsache, dass die in den Martyrienbildern dargestellten Handlungen, in deren Rahmen es zur Entblößung der Heiligen kommt, von den Gläubigen dezidiert moralisch verurteilt werden mussten, erscheint ihre Deutung als ‚religiöse Pornographie‘ erstaunlich.

949 Z. B. bei den Kreuzigungsszenen vom „Niederwildunger Retabel“ (Farbabb. 35 a) und der ersten Wandlung des „Breslauer Barbararetabels“ (Abb. 60 b), in dessen zweiter Wandlung Barbaras Unterleib hingegen stets vollständig verhüllt ist.

194  Der Topos der Entblößtheit

Die Bezeichnung spätmittelalterlicher Bilder als ‚religiöse Pornographie‘ ist im Prinzip lediglich eine Übersteigerung des Topos von der mittelalterlichen ‚Schaufrömmigkeit‘.950 Ildefons Herwegen führte 1927 den Begriff der ‚Schaudevotion‘ ein, der Veränderungen im christlichen Kult seit etwa 1200 zu erklären versuchte. Dazu gehört das Erheben der konsekrierten Hostie in der Messe, so dass diese für alle Gläubigen sichtbar war, während der Blick auf sie zuvor nur dem mit dem Rücken zur Gemeinde stehenden Priester vorbehalten war.951 Zur gleichen Zeit entstanden die ersten Ostensorien, die durch Schauöffnungen den Blick auf die Reliquie freigaben.952 Darüber hinaus etablierte sich nördlich der Alpen das Flügelretabel sowie neue Bildtypen, für die das Schauen eine besondere Rolle zu spielen scheint. Herwegens Begriff der ‚Schaudevotion‘ sollte derartige Veränderungen in Kult und Liturgie erklären, er benennt aber letztlich selbst nur ein Symptom, ist Befund und Deutung zugleich, was ihn wohl gerade verlockend machte.953 Herwegens Schüler Anton L. Mayer954 nahm den Begriff als Bezeichnung für das sensationslüsterne Schauen des Volkes auf, um dadurch die Frömmigkeit des (einen) gotischen Menschen insgesamt in Frage zu stellen.955 Trotzdem wird der Begriff, wie oben gezeigt, auch heute noch vielfach von der Forschung herange­ zogen.956 Die Topoi ‚religiöse Pornographie‘ und ‚Schaufrömmigkeit‘ stellen Reduktionen komplexer historischer Wirklichkeiten dar, die die Funktionen religiöser Kunstwerke simplifizieren. Als Erklärungsmodelle für feststellbare Phänomene taugen sie keineswegs. Einer Deutung der mittelalterlichen Bilder als ‚religiöse Pornographie‘ liegen offensichtlich zeitgenössische Seherfahrungen zugrunde, die weibliche Nacktheit mit Sexualität gleichsetzen.957 Im Mittelalter waren Repräsentationen von Nacktheit im Allgemeinen und von der nackten Brust im Besonderen jedoch polysemantisch. Der nackte Körper steht gerade im späten Mittelalter durch die Omnipräsenz des entblößten Gottessohnes in der Passion nicht nur für Sünde und Sexualität, sondern gleichermaßen für Unschuld und Erlösung. Er ist Träger eines Heilsversprechens,958 das durch das Martyrium und die Darstellung der gepeinigten, vielfach entblößten Körper der Märtyrer bestätigt und erneuert wird.

950 Kritik an dem Begriff jüngst umfassend bei Toussaint 2011, S. 17 ff.; des Weiteren bei Kühne 2000, S.  814 ff. 951 Gemäß dem Beschluss der Pariser Synode von 1198–1203. Toussaint 2011, S. 15 ff. 952 Dazu Kühne 2000, S. 814 u. passim; Toussaint 2011, S. 20 f. u. passim. 953 Ebd., S. 20. 954 Mayer 1938. 955 Toussaint 2011, S. 19. 956 Siehe oben, Abschnitt V.2.2. 957 Auch heute kann Nacktheit nicht immer mit Sexualität gleichgesetzt werden – das Entblößen der mütterlichen Brust zum Stillen in der Öffentlichkeit beispielsweise wird weitgehend akzeptiert und als ‚natürlich‘ angesehen. 958 Schmitt 1990, S. 65.

VI  Beleidigungen als Form ‚seelischer Gewalt‘

Im Kapitel über körperliche Gewalt wurden Aktionen der Täter behandelt, die auf die Schädigung des Opferkörpers abzielen. Körperliche Gewaltaktionen werden in den bildlichen Darstellungen der Passion und des Martyriums am Körper des Opfers oder Täters bzw. der Waffe sichtbar gemacht – durch Blut, Wunden, Deformationen oder Fragmentierung bzw. durch die dargestellte Handlung (z. B. das zum Schlag erhobene Schwert) antizipiert. In den Passions- und Martyrienbildern werden jedoch auch intersubjektive Aktionen dargestellt, die nicht auf die Erzeugung von körperlichem Schmerz, die Unterdrückung, Verletzung oder Zerstörung des Opferkörpers abzielen, dennoch aber offensichtlich der absichtsvollen Schädigung der Person des Opfers dienen. Es handelt sich dabei um verschiedene Formen von Beleidigungen, die der ‚Verletzung‘ der Ehre dienen und die dem Bereich ‚seelischer Gewalt‘ angehören. Die Bezeichnung von Beleidigungen als ‚seelische Gewaltakte‘ ist metaphorisch zu verstehen. Die Veranschaulichung von Vorgängen, die seelisches Leid verursachen, durch Metaphern aus dem Bereich des Körperlichen hat eine lange Tradition – so beschreibt Psalm 42(41) das durch den Hohn der Peiniger erzeugte Leid als „Stechen“ in den Gliedern.959

1  Begrifflichkeiten und Erscheinungsformen Im Folgenden sollen die Begriffe ‚seelische Gewalt‘ und ‚Beleidigung‘ definiert werden, um anschließend verschiedene Formen der Ausführung und die Möglichkeiten ihrer bildlichen Darstellung zu beleuchten.

1.1 Zum Verhältnis körperlicher und seelischer Gewalt Der Begriff ‚seelische Gewalt‘ ist nicht ganz unproblematisch, da er in Konflikt mit einem engen, körperlichen Gewaltbegriff steht. Zuerst bedarf es im Verhältnis zum Begriff körperlicher Gewalt einer terminologischen Klärung: Körperliche Gewalt geht (unmittelbar oder 959 „Wie ein Stechen in meinen Gliedern ist für mich der Hohn der Bedränger; denn sie rufen mir ständig zu: »Wo ist nun dein Gott?«“

196 Beleidigungen

mittelbar) vom Körper des Täters aus und richtet sich gegen den Körper des Opfers – wenngleich sie auch seelische Auswirkungen (Angst, Schrecken, Trauma) haben kann. Während körperliche Gewalt also sowohl aus der Opfer- als auch aus der Täterperspektive körperlich ist, verhält es sich bei seelischer Gewalt nach dem Begriffsverständnis in dieser Arbeit anders: Sie geht zwar vom Körper des Täters aus – in Form von Worten oder Aktionen –, ihr Ziel ist aber die Seele des Opfers, genauer: diese zu ‚verletzen‘, wobei jedoch auch der Körper des Opfers zum ‚Spediteur‘ der Gewalt werden kann, zum Beispiel bei dem Verachtung ausdrückenden Anspucken oder der erzwungenen öffentlichen Entblößung. Das Adjektiv ‚seelisch‘ bezieht sich also auf das Medium der Gewalt, nicht auf ihre Ursache oder Wirkung, ebenso wie im Falle körperlicher Gewalt das ‚Medium‘, hier verstanden als ‚vermittelndes Element‘, der Körper des Opfers ist.960 Nur durch ihn kann die Gewalt zu ihrer Wirkung kommen, so wie Malerei nur durch das Medium der Farbe und des Bildträgers materialisiert wird. Daher ist das Medium nicht der Körper des Täters, wie der vorwiegend aktiv verstandene Gewaltbegriff suggerieren könnte. Schlägt zum Beispiel eine Person mit einem Schwert durch die Luft, ist keine Gewalt vorhanden; wird aber der Kopf einer Person abgeschlagen, ist sie es sehr wohl. Entscheidend für das Vorhandensein eines körperlichen Gewaltverhältnisses ist also der Körper des Opfers. Es bleibt wichtig festzuhalten, dass der Begriff ‚seelische Gewalt‘ letztlich metaphorisch verstanden werden muss: Worte und Handlungen ‚verletzen‘ die Seele oder die Ehre nur in einem übertragenen Sinne. Bereits seit der Antike werden Vokabeln aus dem Bereich körperlicher Gewalt zur Verdeutlichung der Auswirkung seelischer Gewalt verwendet. Schon im Alten Testament finden sich Formulierungen wie „Keule und Schwert und scharfer Pfeil: das ist einer, der falsch aussagt gegen seinen Nächsten“ (Spr 25,18). Im Neuen Testament wird Jesu Angst, die er angesichts seiner kurz bevor stehenden Passion am Ölberg empfindet, durch das Bild von „Schweiß [...] wie Blut“ (Lk 22,44) versinnbildlicht. Ein anderes prägnantes Beispiel ist die Darstellung des (seelischen) Leidens Mariä aufgrund von Furcht über das bevorstehende Schicksal ihres Sohnes bzw. ihre Trauer über seinen Tod durch ein oder sieben in ihrem Herzen steckende(s) Schwert(er).961 Der Grund für die Verwendung von Begriffen aus der Sphäre körperlicher Gewalt hat einerseits die Funktion der Veranschaulichung schwer zu greifender Prozesse, die sich zwischen der Aktion des Täters und der Wirkung auf das Opfer abspielen; andererseits bestehen zwischen körperlicher und seelischer Gewalt Parallelen, die die Verwendung des Begriffs rechtfertigen: Jeweils handelt es sich um eine vorsätzliche, intersubjektive Aktion, die das Ziel hat, dem Opfer zu schaden. Dabei sind die Erscheinungsformen und Wirkungsweisen jedoch sehr unterschiedlich.

960 Zum Begriff ‚Medium‘ siehe Schulte-Sasse 2005. 961 Dieses Bild geht auf Lk 2,35 zurück, wo Simeon im Tempel das Schicksal des acht Tage alten Jesus weissagt und Maria prophezeit: „Dir selbst aber wird ein Schwert durch die Seele dringen.“ Vgl. z. B. die „Interrogatio Sancti Anselmi“, Vers 194 f., 630 f. (= Cepková 1982, S. 7, 17). Vgl. LCI, Bd. 4, Sp.  85 ff.

Begrifflichkeiten und Erscheinungsformen  197

Die Zusammenfassung körperlicher Gewaltakte und auf die Seele abzielender Aktionen unter dem Oberbegriff ‚Gewalt‘ ist gerade hinsichtlich der Passion Christi sinnvoll, da diese seit dem späteren Mittelalter als Summe der körperlichen Angriffe sowie der Beleidigungen und Demütigungen, als Einheit körperlichen und seelischen Leidens also, begriffen wurde.

1.2 Beleidigungen durch Gesten und gestische Handlungen Viele Formen seelischer Gewalt lassen sich unter dem Begriff der Beleidigung zusammenfassen.962 Unter Beleidigung ist der „Angriff auf die Ehre durch eine [...] Kundgabe (Äußerung) der eigenen Nicht-, Gering- oder Missachtung“963 zu verstehen. Die ‚Ehre‘, welche von der Beleidigung angetastet wird, ist begrifflich selbst schwer fassbar. „[D]ie Semantik der Ehre [verweist] auf einen sehr flexiblen und kontextabhängigen Code“.964 Er ist daher kaum allgemeingültig zu definieren: „Im Kontext verschiedener Zeiten, Situationen und sozialer Gruppen konnte der Ehrcode unterschiedliche, bisweilen sogar widersprüchliche Ausprägungen annehmen. [...] Zugespitzt könnte man formulieren: Ehre wird heute weniger als Qualität einer Person gedacht denn als Medium, das die soziale Interaktion und Kommunikation zwischen Menschen bestimmte [...].“965

Wodurch die Ehre eines Individuums also konkret verletzt werden kann, ist einerseits von der jeweiligen Person, andererseits von dem kulturellen sowie situativen Kontext abhängig.966 Dementsprechend vielfältig sind die Erscheinungsformen von Beleidigungen. Beleidigende Äußerungen können in Worten (z. B. Schimpfworten oder unwahren, ehrenrührigen Tatsachenbehauptungen, aber – bei nichtbeleidigendem Inhalt – auch durch einen ironischen Tonfall), gestischen Handlungen oder Gesten des Täters bestehen. 967 Verbale Beleidigungen können mit genuin bildlichen Mitteln nicht visualisiert werden.968

962 Eine andere Form seelischer Gewalt sind z. B. Drohungen, die nicht auf die Ehre des Opfers abzielen, sondern mit der Angst vor etwas (z. B. Beschädigung der Ehre, körperlicher Gewalt) kalkulieren. 963 So die strafrechtliche Definition von Küper 2008, S. 76. 964 Schwerhoff 1993, S. 182 ff. Vgl. zur Ehre als Gegenstand wissenschaftlicher Forschung Schreiner/ Schwerhoff 1995. 965 Ebd., S. 9 f. 966 Der Begriff ‚Verletzung‘ im Zusammenhang mit dem Straftatbestand der Beleidigung ist juristisch nicht unumstritten. Vgl. zur Diskussion in der Rechtswissenschaft exemplarisch Hirsch 1967; Amelung 2002, S. 5 f.; Küper 2008, S. 76; Kindhäuser 2010, S. 698 ff. 967 Vgl. Weinrich 1971, S. 342, der zwischen Beleidigungen durch Handlungen (Realinjurie) und durch schimpfliche Rede (Verbalinjurie) differenziert. Er führt daneben auch Gesten an, definiert diese jedoch nicht und setzt sie nicht ins Verhältnis zu den beiden anderen Kategorien. 968 Aber durch Beischriften wie im Falle des Hochaltarretabels aus St. Marien in Toruń (Abb. 54), dessen Dornenkrönung den Schriftzug „ave rabi“ als ironische Huldigung aufweist. Siehe unten, Abschnitt VI.2.1.

198 Beleidigungen

Die Begriffe ‚gestische Handlung‘ und ‚Geste‘ sind erklärungsbedürftig. Die Termini ‚Geste‘ und ‚Gestik‘ sowie damit verbunden ‚Mimik‘ und ‚Gebärde‘969 erfahren innerhalb der Forschungsliteratur verschiedener Disziplinen eine höchst heterogene Verwendung.970 Das Desiderat einer begrifflich sinnvollen, einheitlichen Definition kann im Rahmen dieser Arbeit freilich nicht geleistet werden, doch soll das Verständnis der für das Folgende relevanten Begriffe ‚Geste‘ und ‚gestische Handlung‘ kurz erläutert werden. Unter Gesten verstehe ich Bewegungen und/oder Haltungen des ganzen Körpers einschließlich des Gesichts,971 die intentional sind und eine ausschließlich kommunikative Funktion besitzen, d. h. keinen über die kommunikative Bedeutung hinausgehenden Nutzen. Beispiele hierfür sind redebegleitende Gesten (z. B. das Abzählen von Argumenten an den Fingern), (habitualisierte) Affektäußerungen (z. B. das Hochwerfen der Arme als Trauergeste) und emblematische Gesten (z. B. das Herausstrecken der Zunge). Gestische Handlungen definiere ich als praktische Handlungen mit vorrangig kommunikativer Bedeutung. Ein Beispiel hierfür wäre das Anspucken als Form der Beleidigung – im Gegensatz zum Ausspucken vor jemandem (Geste) – oder die Krönung eines Königs (Zeremonie). Sowohl Gesten als auch gestische Handlungen sind kulturspezifisch und ihre zeichenhafte Bedeutung muss erlernt werden. Zu unterscheiden sind Gesten und gestische Handlungen von den Aspekten der Körpersprache, zu der die Physiologie des Körpers, nichtgestische Körperbewegungen und -haltungen (auch innerhalb praktischer Handlungen) sowie die Körperdekoration (Kleidung, Haar- und Barttracht, Schmuck etc.) gehören. Auch die Körpersprache gehört zum Bereich der nonverbalen Kommunikation und wird vom Empfänger als Zeichen wahrgenommen; der Grad ihrer Intentionalität und Kodifizierung unterscheiden sich dabei stark. Die durch gestische Handlungen und Gesten im Bild dargestellten Beleidigungen besitzen eine doppelt zeichenhafte Funktion: einmal als Äußerung gegenüber dem Empfänger und einmal als dargestellte Äußerung im Bild.972 Während in Primärsituationen der Sender zugleich Medium der nonverbalen Nachricht ist, ist diese in der Sekundärsituation textuell durch einen anderen semiotischen Code – hier Malerei – abgebildet.973 969 Der Begriff ‚Gebärde‘ wird im Folgenden nicht verwendet, da seine Definition höchst umstritten und seine Verwendung äußerst heterogen ist. Mrass 2005, S. 99 ff., hier 123 versteht unter Gebärden unwillkürliche, symptomatische Bewegungen. Dies ist schon aufgrund des etablierten Begriffs der Gebärdensprache, eines komplexen sprachersetzenden Zeichensystems, höchst kontraintuitiv. Außerdem sind auch scheinbar ausdruckhafte Äußerungen wie Weinen kulturspezifisch konventionalisiert. Siehe Nöth 2000, S. 298; Rehm 2002, S. 212, Anm. 58 (kritisch zu Mrass). 970 Dazu ein Überblick bei Nöth 1985, S. 298 ff. 971 Ebd., S. 298: Nöth grenzt den Begriff ‚Geste‘ auf Hände, Arme und Kopf (ohne Gesicht) ein – dies scheint mir nicht sinnvoll zu sein, da gerade die auch von ihm S. 299 angeführten „emblematischen Gesten“ die gesamte Körperhaltung und Bewegungen des Gesichts einbeziehen. 972 Rehm 2002 behandelt die methodischen Probleme, die mit der Differenzierung zwischen ‚konventionaler‘ Gestik (Mrass: Gesten) und ‚ausdruckhafter‘ Gestik (Mrass: Gebärden) in bildlichen Darstellungen einhergehen. Eine derartige Differenzierung sei erst auf der Interpretationsebene der Aussageabsicht möglich, da im Bild zunächst alles Dargestellte zeichenhafte Bedeutung habe. 973 Nöth 1985, S. 327.

Akte seelischer Gewalt in Passionsdarstellungen  199

Auch vordergründig nichtkommunikative, praktische Handlungen können in beleidigender Absicht ausgeübt werden. Ein Beispiel hierfür ist die erzwungene Entblößung des Opfers zum Zwecke der Durchführung von Foltern. Des Weiteren gibt es auch körperliche Gewaltakte, deren Bedeutung weniger in der Zufügung von körperlichem als seelischem Schmerz besteht. Das beste Beispiel hierfür ist die Ohrfeige, deren Absicht zuvorderst die Demütigung des Empfängers ist. Die Grenze ist hier freilich zuweilen schwer zu ziehen. Ohnehin gehen körperliche und seelische Gewalt oft ineinander über, körperliche Gewalt kann seelisches Leid, seelische Gewalt körperlichen Schmerz nach sich ziehen – dies entspricht der heutigen Vorstellung des Menschen als einer psychosomatischen Einheit.974 Aber gerade auch die mittelalterliche Straf- und Hinrichtungspraxis rechnet mit der Verbindung körperlicher und seelischer Komponenten: Strafen wie das Brandmarken sind kurzfristig betrachtet Akte körperlicher Gewalt, die das Opfer jedoch langfristig stigmatisieren, also seine Ehre ‚verletzen‘ und damit seelisches Leid verursachen; die Vielfalt der Hinrichtungsmethoden weist auf die dem Tötungsakt innewohnende übergeordnete Bedeutung hin:­ So zielen beispielsweise das Erhängen und das Rädern auf eine über die Abtötung des Leibes hinausgehende Schändung des Hingerichteten ab. Die Ehre wird durch schändliche Hinrichtungsarten der religiösen Vorstellung gemäß über den Tod hinaus beeinträchtigt. Die Vielfältigkeit der Hinrichtungsmethoden erklärt sich überhaupt erst dadurch, dass diese in ein Vorstellungssystem eingebunden sind, das mit der Möglichkeit einer überzeitlichen seelischen Demütigung rechnet.

2  Akte seelischer Gewalt in Passionsdarstellungen Schon der Bericht der Evangelien sowie die spätmittelalterliche Passionsliteratur stellen die Passion Christi als gleichermaßen durch körperliche und seelische Gewaltakte geprägt dar. Das Finale des Passionsgeschehens, die Kreuzigung, ist sowohl ein auf die Vernichtung des Körpers als auch die Demütigung des Gekreuzigten durch die Schändlichkeit der Hinrichtungsmethode abzielender Akt. Sowohl körperliche als auch seelische Gewaltakte der Täter, körperliches und seelisches Leiden des Opfers sind für die spätmittelalterliche Theologie und Frömmigkeit von Bedeutung und werden in Texten und Bildern gleichermaßen ausgestaltet. Verdeutlicht wird dadurch die Allumfassenheit und Unermesslichkeit des Leidens Christi.

2.1 Die Verspottungen als komplexe Aktionen seelischer Gewalt Die Evangelien berichten von mehreren Verspottungen Jesu. Diese sind Kombinationen aus beleidigenden Gesten und gestischen Handlungen sowie körperlichen Gewaltakten. Im Unterschied zu den übrigen Stationen der Passion wie Geißelung und Kreuzigung ist hervor974 David B. Morris z. B. lehnt eine scharfe Trennung zwischen physischem und psychischem Schmerz kategorisch ab. Morris 1991, S. 19 ff.

200 Beleidigungen

zuheben, dass die Verspottungen nicht dem Prozess der gerichtlichen Vollstreckung angehören, sondern allein dem Wunsch des Volkes (Juden und Römer) nach der Demütigung Jesu entsprangen. Die erste, weniger durch bildliche Darstellungen bekannte Verspottung erfuhr Jesus den Synoptikern zufolge nach seiner Gefangennahme im Hause des Hohepriesters Kaiphas durch dessen Knechte.975 Diese spien ihn an, ohrfeigten und schlugen ihn.976 Die Ohrfeigen und Schläge sind hier weniger als körperliche Gewaltakte denn als Zeichen der Missachtung zu verstehen.977 Erst auf diese Reihe beleidigender Handlungen folgt in den Evangelien der eigentlich ‚Verspottung‘ zu nennende Teil: Die Knechte verdeckten das Angesicht Jesu durch ein Tuch, schlugen ihn und forderten ihn höhnisch auf, weiszusagen, wer ihn schlug.978 Durch diese Aktion sollte der Verspottete seiner Nichtallwissenheit überführt und damit als Lügner entlarvt werden. Eine der wenigen bekannten Darstellungen dieser Szene in der Tafelmalerei wurde um 1468 von Mikolaj Haberschrack geschaffen (Krakau/Polen, Muzeum Narodowe; Farbabb. 43): Christus kauert, fernab von jeglicher herrscherlicher Inszenierung, mit gekreuzten und gefesselten Händen sowie verbundenen Augen auf dem Boden, umringt von insgesamt sieben Schergen. Er wird mit Stöcken geschlagen und getreten, geohrfeigt und an den Haaren gezogen – der linke Scherge hält bereits ein Büschel Haar in seiner Hand. Einer der Männer hält sich die Nase zu – wohl ein Zeichen der Verachtung. Möglicherweise zeigt die Geste an, dass die Figur sich schnäuzt. Sich auf diese Weise, mit den Fingern, zu schnäuzen, war im Mittelalter keineswegs verpönt,979 erhielt aber – wie das Ausspucken – durch den Kontext und die Ausrichtung auf eine Person zeichenhafte Bedeutung. Die Erste Verspottung wurde selten dargestellt. Das zu ihr gehörende Motiv der Augenbinde wurde häufig für die Zweite Verspottung übernommen.980 Die nächste Verspottung kommt nur bei Lukas 23,11 vor: Als sich herausstellte, dass Jesus Galiläer war, wurde er von Pilatus zu Herodes geschickt. Dieser und seine Soldaten trieben ihren Spott mit ihm; dann ließ Herodes Jesus ein weißes Prunkgewand (veste alba) umhängen. Das weiße Gewand findet sich in einigen Darstellungen, zumeist fließen hier jedoch Elemente der anderen Verspottungen mit ein bzw. das weiße Gewand wird von den anderen Verspottungsszenen vereinnahmt. So vereint die um 1430 entstandene Darstellung eines unbekannten Malers aus dem Kreis des Meisters von St. Sigmund (Thal/Österreich, Kirche St. Korbinian; Farbabb. 40) das weiße Gewand und die Dornenkrönung der Zweiten Verspottung. Das Weiß des Gewands wird durch die Kleidung der vier Schergen in leuch­ tendem Grün, Blau, Gelb und Rot besonders betont. Das Prunkgewand wurde Jesus aus 975 Mt 26,67–68; Mk 14,65 (jeweils nach dem Verhör durch Kaiphas); Lk 22,63–65 (hier vor dem Verhör, durch die Wächter); siehe dazu Schiller 1968, S. 68 f. 976 Nur bei Lukas wird Jesus nicht angespien. 977 Zur symbolischen Bedeutung der Ohrfeige siehe Mrass 2005, S. 39 ff. 978 Bei Matthäus fehlt das Verhüllen des Gesichts. 979 Im „Sachsenspiegel“ wird das Schnäuzen hinsichtlich seiner Straffreiheit, wenn es im Gerichtssaal ausgeführt wird, thematisiert. Siehe dazu die Illustration im Dresdner Exemplar (bei Mrass 2005, S. 46, Abb. 27). Vgl. ebd., S. 48. 980 Schiller 1968, S. 68.

Akte seelischer Gewalt in Passionsdarstellungen  201

Spott gegeben, stand ihm jedoch aus christlicher Sicht tatsächlich zu. In der Darstellung betont es die würdevolle Haltung des Thronenden und lässt die anderen Spöttereien und die Erniedrigung in den Hintergrund treten. Bei Lukas wird Jesus nach der Verspottung zurück zu Pilatus geschickt. Dieser verurteilte den Gottessohn schließlich zum Tode am Kreuz, der nach römischem Recht von der Geißelung eingeleitet wurde.981 An die Geißelung schließt die von den übrigen Evangelisten vergleichsweise detailliert geschilderte, sogenannte ‚Zweite Verspottung‘ durch die römischen Soldaten an, zu der die Dornenkrönung gehört.982 Im Matthäus-Evangelium 27,28–30 heißt es dazu: „Sie zogen ihn aus und legten ihm einen purpurroten Mantel um. Dann flochten sie einen Kranz aus Dornen; den setzten sie ihm auf und gaben ihm einen Stock in die rechte Hand. Sie fielen vor ihm auf die Knie und verhöhnten ihn, indem sie riefen: Heil Dir, König der Juden! Und sie spuckten ihn an, nahmen ihm den Stock wieder weg und schlugen ihm damit auf den Kopf.“983

Johannes von Paltz hat dieser Szene in der „Coelifodina“ eingehende Aufmerksamkeit gewidmet.984 Durch die Ausstattung mit ironischen Surrogaten der Macht – Mantel, Dornenkranz/Krone, Stock/Zepter – und die Huldigung persiflierten die Spötter absichtlich zentrale Elemente eines herrschaftlichen Investiturzeremoniells.985 Ausgedrückt wird dadurch, dass die Spötter Jesus seinen Status als König der Juden absprechen. Zur Verdeutlichung des Umstands, dass es sich bei der Zeremonie um eine Persiflage handelt, tragen Zeichen der Verachtung wie das Anspucken und Ohrfeigen bei. Die frühchristlichen Bilder zeigen nur die Dornenkrönung, während die übrigen Elemente der Zweiten Verspottung fehlen. Es lassen sich kaum Unterschiede zu einer tatsächlichen Herrscherkrönung erkennen. Noch bis ins hohe Mittelalter hinein wurde die Krone nicht als Zeichen der Schmach, sondern des Sieges angesehen.986 Auch in vielen frühmittelalterlichen Darstellungen fehlt jeglicher Hinweis darauf, dass es sich bei der Huldigung und Krönung um eine Verspottung handelt. Erst die spätmittelalterlichen Bilder machen unzweifelhaft deutlich, dass es sich um reinen Hohn handelt – insbesondere durch das Äußere der Peiniger, das an ihrer niederen Gesinnung keinen Zweifel aufkommen lässt. Dazu trägt auch die Darstellung von Gesten bei, die nicht auf dem biblischen Bericht basieren, zum Beispiel 981 Bei Johannes ist die Geißelung im Gegensatz zu den Synoptikern nicht als Teil der Todesstrafe zu verstehen, sondern als eigene Bestrafung, in deren Zusammenhang sich die Verspottung durch die Soldaten mit der Dornenkrönung ereignete; erst auf die anschließende Zurschaustellung Jesu folgt das Todesurteil durch Pilatus. 982 Mt 27,28–31; Mk 15,16–19; Joh 19,2–3 (bei Lukas nur die Verspottung vor Herodes ohne die Dornenkrönung); siehe dazu Schiller 1968, S. 79 ff. 983 Vgl. auch Mk 15,17–19; Joh 19,2. 984 Coelifodina (= Burger/Stasch 1983, S. 39 ff.). 985 Siehe Schnitzler 1996, S. 24. Nach Blinzler 1955, S. 163 gehören purpurne Chlamys, das Stabzepter und der goldene Blätterkranz zu den Insignien der hellenistischen Vasallenkönige; „Heil Dir“ erinnert an das römische „Ave Caesar“; die fußfällige Verehrung, die sogenannte Proskynese, gehörte zum hellenistischen Herrscherkult. 986 Schiller 1968, S. 80.

202 Beleidigungen

das Herausstrecken der Zunge. Im Gegensatz zum würdelosen Gebaren der Peiniger steht das erhabene, frontale Thronen Christi, das in fast allen Darstellungen der Zweiten Verspottung beibehalten wird. Seine Haltung ist in sich ruhend. Seine Form ist geschlossen und wirkt statisch, während die Spötter durch offene, von diagonalen Linien geprägte Formen dynamisch erscheinen.987 Durch den Gegensatz wird visuell deutlich, dass der Verspottete tatsächlich der Messias der Juden ist und die Spötter einem Irrtum unterliegen. Der biblische Bericht schildert sowohl die Erste Verspottung als auch die Zweite Verspottung mit der Dornenkrönung als in erster Linie auf die Seele des Opfers abzielenden Vorgang. In der spätmittelalterlichen Passionsliteratur und den bildlichen Darstellungen erscheint die Dornenkrönung dann gleichermaßen als physischer Gewaltakt: Die Römer pressen die Krone in der Regel mittels zweier Stangen und mit deutlich erkennbarem Kraftaufwand auf das Haupt Jesu, das häufig blutüberströmt ist (Abb. 1 b). In der Darstellung der Szene von Jörg Breu d. Ä. (1501; Herzogenburg/Österreich, Stift; Farbabb. 41) wird sogar ein Schemel verwendet, um die Dornenkrone durch die über Kreuz gelegten Stangen in den Schädel zu drücken. Das Hochaltarretabel aus der ehemaligen Franziskanerkirche St. Marien in Toruń/Polen, um 1370/80 (Pelplin/Polen, Muzeum Diecezjalne; Abb. 54),988 zeigt die gewaltsame Dornenkrönung und die spöttische Huldigung zwar in der gleichen Szene – der einheitliche Bildraum erfährt jedoch eine deutliche Gliederung in ein oberes und ein unteres Bildfeld: In der unteren Bildhälfte knien vor einer Felsformation sechs Figuren am Boden, die Hände jeweils huldigend oder betend erhoben. Über ihnen befindet sich als Versprachlichung des Spotts der Schriftzug „ave rabi“. Auf den Felsen, in der oberen Bildhälfte, ist eine Art Plateau mit einer Thronarchitektur dargestellt; die Schnittkante des Sockels bildet die Grenze zwischen oberer und unterer Bildhälfte. Auf dem Thron allerdings sitzt das Objekt der ‚Huldigung‘ der unten dargestellten Spötter: Jesus, dem von zwei weiteren Figuren die Dornenkrone gewaltsam mit zwei diagonal übereinandergelegten Stangen auf das Haupt gepresst wird. Das im Neuen Testament mehrfach genannte Motiv des Anspuckens wird in spätmittelalterlichen Verspottungsdarstellungen häufig gezeigt. Anspeien ist ein seit langer Zeit und in vielen Kulturen verbreiteter Verachtung ausdrückender Akt, allerdings in Abhängigkeit vom jeweiligen Kontext. Parallel gibt es das Ausspucken als mehr oder weniger gesellschaftlich tolerierte Handlung ohne kommunikative Funktion.989 Als beleidigende Akte sind das Anspeien einer Person, das in der Bibel genannt wird, und das Ausspucken vor einer Person zu unterscheiden. Ersteres funktioniert unter Einbeziehung des Opferkörpers, Letzteres hingegen ohne jene und gehört daher in die Kategorie emblematischer Gesten.990 Beim Angespucktwerden tritt neben der beleidigenden Wirkung durch die symbolische Bedeutung des 987 Vgl. Theissing 1987, S. 44 ff. 988 Zum „Thorner Retabel“ siehe Suckale 2001, S. 255 ff. 989 Das Ausspucken ist – wie das Schnäuzen – dem „Sachsenspiegel“ zufolge während eines Gerichtsprozesses erlaubt; auch bei Bernhard von Clairvaux wird das Ausspucken als normales Verhalten thematisiert, das nur bei der Darstellung heiliger Bildnisse auf Fußböden von Kirchen zum Problem wird. Dazu Mrass 2005, S. 45 ff. 990 Dazu unten, Abschnitt VI.2.2.

Akte seelischer Gewalt in Passionsdarstellungen  203

Aktes noch der Aspekt des Ekels auf Seiten des Empfängers hinzu. Dieser Ekel überträgt sich auch auf den Betrachter.991 In der Passionsliteratur spielt das Anspeien eine wichtige Rolle und wird teilweise detailliert beschrieben.992 Das Anspucken als Beleidigung wurde auch in arma-Christi-Bilder integriert, was die Wirksamkeit des Aktes als Zeichen der Missachtung unter Beweis stellt.993 Das Zeichen hierfür wird in der Regel aus dem isolierten Kopf einer im Spucken begriffenen Figur gebildet. Eine belgische Buchillustration des frühen 14. Jahrhunderts zeigt jedoch ausschließlich den Speichel in Form mehrerer kleiner Blasen, die sicherheitshalber mit sputae bezeichnet sind.994 Ein Beispiel für die Darstellung des Motivs in narrativem Zusammenhang ist die Verspottung des „Franziskanerkirchenretabels“ aus der Werkstatt Jan Polacks (1491/92; München, BNM; Farbabb. 44). Die Szene zeigt mit den verbundenen Augen Christi, der ironischen Huldigung und der Dornenkrönung Elemente aus der Ersten und der Zweiten Verspottung. Durch den Entzug des Augenlichts wird in dieser Darstellung die Wirkweise des Anspuckens deutlich, das im Gegensatz zum (nur) symbolischen Ausspucken vor jemanden auch eine körperliche Dimension besitzt. Das Ausspucken wirkt rein über die visuelle Wahrnehmung, das Anspucken hingegen auch über die taktile Wahrnehmung, die zudem mit dem Aspekt des Ekels verbunden ist. Im Gegensatz zu vielen früheren Darstellungen ist der Akt des Anspeiens durch die Mimik der ausführenden Figur veranschaulicht, deren Wangen aufgebläht und Lippen gespitzt sind. Häufig findet sich auch das Motiv des Reißens am Bart und an den Haaren Jesu in Darstellungen der Passion, so in der oben erwähnten Ersten Verspottung Haberschracks (Farbabb. 43). Sie sind weniger als Akte körperlicher Gewalt zu verstehen denn als gestische Handlungen, die der Machtdemonstration dienen. Weitere Beispiele für ihre Darstellung sind die Geißelung von Meister Franckes „Thomasretabel“ (Abb. 45 a) und die Dornenkrönung von der „Karlsruher Passion“ (Abb. 1 b). Pseudo-Bonaventura sah es als erwiesen an, dass die Peiniger am Bart Christi zogen, da Jesaja 50,6 in der Person Gottes, vorausweisend auf die Ereignisse der Passion, gesagt habe: „meine Wangen gab ich denen, die an mir rissen“ (Übers. d. Verf.).995 Das Motiv einer Haar umgreifenden Hand wurde auch in die Reihe der arma Christi aufgenommen, beispielsweise bei Roberto d’Oderisio (um 1354; Cambridge/Mass., Fogg Museum; Farbabb. 47) oder auf den Flügelaußenseiten eines Triptychons aus dem Kloster St. Klara in Köln von um 1340/50 (Hamburg, Kunsthalle).996 991 Auch wenn es den Begriff des Ekels im Mittelalter nicht gab, spielte das Phänomen innerhalb des Lebens und hinsichtlich künstlerischer Darstellungen eine Rolle. Siehe dazu die folgende Anmerkung. Zur Bedeutung des Ekels in der mediävistischen Forschung siehe Schnell 2005. 992 Z. B. in einer rheinfränkischen Fassung von „Christi Leiden in einer Vision geschaut“ (= Priebsch 1936, S. 39), wo beschrieben wird, dass die Peiniger Speichel und Nasensekret in den Mund Jesu spien, so dass dieser fast erstickte oder ertrank. 993 Vgl. Berliner 1955, S. 83. 994 Brüssel, Bibliothèque Royale, Ms. 4459–70, fol. 150v (Belgien, 1320). Abb. bei Berliner 1955, S. 49. 995 Eingehend zu den alttestamentlichen Quellen des Motivs und der Auslegung in der spätmittelalterlichen Passionsliteratur Marrow 1979, S. 68 ff. 996 Abb. 43 in ebd.

204 Beleidigungen

In den Martyriendarstellungen ist an den Haaren gezogen zu werden ein fast spezifisch weibliches Motiv: Meister Francke zeigt auf seinem „Barbararetabel“, wie die Heilige von ihrem Vater an den Haaren gepackt und in den Turm geführt wird (Abb. 51 a). Das „Breslauer Barbararetabel“ stellt dar, wie die Heilige nach dem Verrat durch den Hirten von ihrem Vater an den Haaren hinter ihm hergezogen wird (Abb. 60 a); sie umklammert das Handgelenk seiner linken Hand, die ihren Schopf gepackt hat, mit ihrer anderen Hand hält sie sich den Kopf – hier wird angesichts der Grausamkeit des Vaters sogar Schmerz angedeutet. Ein herausragendes Beispiel findet sich auf dem steirischen „Margarethenretabel“ (Farbabb. 1 c): Die Heilige ist an den Handgelenken an einem Galgen aufgehängt und wird mit Fackeln gebrannt, wobei ihre Peiniger sie an ihrem Rock und ihren beiden langen geflochtenen Zöpfen festhalten. Möglicherweise ist die Intention dabei auch, dass ihre Haare durch das Feuer keinen Schaden nehmen sollen, was jedoch innerbildlich widersinnig wäre, da in der vorherigen Szene die Zöpfe noch als Kranz um den Kopf gebunden sind. Das um 1520 entstandene Flügelretabel in der Kirche von Langenstriegis997 zeigt das Motiv gleich bei zwei, übereinander dargestellten Szenen aus der Vita der hl. Agatha, ihrer Ergreifung und ihrer kurz bevorstehenden Enthauptung. Die Liste der Beispiele ließe sich beliebig verlängern. Bei männlichen Märtyrern hingegen findet das Motiv nur selten Verwendung, zum Beispiel aber bei einer Darstellung des Martyriums der Zehntausend vom „Passionsretabel“ des Ersten Zürcher Nelkenmeisters (um 1508/09; Zürich, SLM; Abb. 40). Die Dornenkrönung selbst ist freilich ein spezifisch christologisches Motiv. Dennoch beziehen sich Darstellungen von Märtyrern zuweilen unmissverständlich auf sie. Als eindringliches Beispiel ist hier die Szene mit der Brustabschneidung vom „Breslauer Barbararetabel“ (Farbabb. 37 a) zu nennen, dessen Bildkomposition bereits auf die Dornenkrönung verweist; zudem schlägt ein Scherge der Heiligen mit einem großen Schlegel auf das Haupt, so dass – christusgleich – Blutströme über ihr Gesicht fließen.998 Auch die Kreuzigung Jesu war dem Passionsbericht der Synoptiker zufolge von Spöttereien und Beschimpfungen durch die Juden, die Soldaten, das Volk und die mit Jesus zusammen gekreuzigten Diebe begleitet.999 In bildlichen Darstellungen der Kreuzigung kommen explizit beleidigende Gesten und Handlungen aber nur vereinzelt vor, zum Beispiel beim Kalvarienberg des Hochaltarretabels aus Ebern (um 1450–55; Nürnberg, GNM; Farbabb. 45 a, b), wo sich unter dem linken Kreuzesarm gleich zwei Fratzenschneider finden.1000 Die Kreuzigung an sich genügte aufgrund ihrer außerordentlichen Schändlichkeit wohl, um das Leid Jesu während seiner Hinrichtung zu verdeutlichen. Häufiger werden beleidigende Gesten in Kreuzigungsdarstellungen gegen Maria und Johannes ausgeführt (Abb. 56).  997 Abb. in Sandner 1993, S. 156.  998 Dazu eingehend unten, Abschnitt VII.2.  999 Mt 27,39–44; Mk 15,26–32; Lk 23,35–39. Bei Lk 23,40 f. ist es nur einer der beiden Verbrecher, der Jesus verspottet. 1000 Abb. in Suckale 2009, Bd. 1, S. 12, 35. Ein karolingisches Beispiel für Christus am Kreuz mit Spöttern ist die Illustration zu Psalm 1 im Stuttgarter Psalter, St. Germain-des-Prés um 830, Stuttgart, WLB, Ms. bibl. fol. 23, fol. 25v; Abb. in Schiller 1968, S. 452, Nr. 355. Dieses Beispiel stellt die Einschätzung bei Engemann 1980, S. 498 in Frage, der sog. corna-Gestus (ausgestreckter Zeigefinger und kleiner Finger) habe erst in der frühen Neuzeit eine beleidigende Funktion erhalten.

Akte seelischer Gewalt in Passionsdarstellungen  205

2.2 Emblematische Gesten mit beleidigender Funktion Von zentraler Bedeutung für bildliche Darstellungen der Passion aus spätmittelalterlicher Zeit sind verschiedene emblematische Spott- und Schandgesten, die nicht auf dem biblischen Bericht basieren. Emblematische Gesten sind intentionale nonverbale, kommunikative Akte mit festgelegter Bedeutung. Sie sind kulturspezifisch konventional und müssen daher vom Empfänger erlernt worden sein und wiedererkannt werden, um als Zeichen zu funktionieren.1001 Obgleich von Spöttereien und Schmähungen in der spätmittelalterlichen Passionsliteratur immer wieder die Rede ist,1002 finden dort konkrete emblematische Gesten – in Abgrenzung zum allgemeinen Verziehen des Gesichts – nur selten explizite Erwähnung.1003 Die in den bildlichen Darstellungen vorkommenden emblematischen Gesten scheinen unmittelbar aus der Lebenswirklichkeit der damaligen Menschen in die Bildwelt eingegangen zu sein.1004 Basierend auf den berichteten Schmähungen stellen sie eine Erweiterung des Überlieferten dar. Für den mittelalterlichen Betrachter, der solche Gesten aus seinem eigenen Erleben kannte, trugen sie somit auch zu einer Aktualisierung des Passionsgeschehens bei. Gemäß der oben vorgenommenen Definition funktionieren beleidigende emblematische Gesten im Gegensatz zu beleidigenden gestischen Handlungen wie das Anspeien einer Person vollkommen ohne Einbeziehung des Opferkörpers, sondern ausschließlich über die visuelle Wahrnehmung des Empfängers und/oder Zuschauers. Hierin liegt der ‚Vorteil‘ bildlich dargestellter emblematischer Gesten, auch gegenüber körperlicher Gewalt im Bild: Sie werden immer ausschließlich visuell vermittelt – dem real vorgestellten Empfänger sowie dem Zuschauer/Betrachter –, so dass sie in der bildlichen Darstellung weniger an Funktionalität verlieren. Die Wirkung auf den Bildbetrachter ist daher unmittelbarer, die Darstellung muss nicht den ‚Umweg‘ über die Imagination gehen – während es im Falle körperlicher Gewalt erforderlich ist, sich in das Opfer hineinzuversetzen, um seinen Schmerz vorstellbar zu machen. Im Gegensatz dazu eignen sich solche Gesten für die sprachliche Beschreibung wenig und kommen daher in der spätmittelalterlichen Passionsliteratur kaum vor. Für Prozessionen und Passionsspiele, in denen sie wiederum auf visuellem Wege ihre Wirkung entfalten können, ist ihre Verwendung jedoch belegt.

1001 Dazu Nöth 2000, S. 299; Hübler 2001, S. 22 (Definition nach Ekman/Friesen); Mrass 2005, S. 52 ff. 1002 Z. B. in der „Vita Jesu Christi“ Ludolfs von Sachsen oder im Passionstraktat „Christi Leiden in einer Vision geschaut“. 1003 Bei Ludolf von Sachsen findet sich die Bemerkung, die Juden würden „sannia foetidissima“ (die gemeinsten Gebärden) ausführen. Nach Suckale 2009, Bd. 1, S. 35 u. Bd. 2, Anm. 134. In der Predigt, die Paul Wann 1460 im Passauer Dom hielt (vgl. oben, Abschnitt V.1), heißt es in der Beschreibung der Dornenkrönung: „Dazu streckt einer die Zunge aus gegen ihn, ein anderer macht ihm eine lange Nase [...].“ Die Passion des Herrn (= Zacher 1928, S. 79). Diese Beschreibung könnte jedoch schon ein Reflex der bildlichen Darstellungen dieser Zeit sein. 1004 Darauf verweist auch die Darstellung von Feige und Zähneblecken in der Szene zum 4. Gebot („Du sollst Vater und Mutter ehren“) von Cranachs „Zehngebotetafel“ (1516; Wittenberg, Lutherhalle).

206 Beleidigungen

Die Feige Die in den Passionsdarstellungen am häufigsten vorkommende Geste ist die sogenannte Feige. Diese wird gebildet, indem der Daumen zwischen Zeige- und Mittelfinger eingeklemmt wird. Die Geste steht in Zusammenhang mit der Sphäre des Geschlechtlichen – ob sich ihre Form konkret auf das weibliche Genital oder den Geschlechtsakt zwischen Mann und Frau bezieht, ist nicht eindeutig nachzuweisen.1005 Schon in der Antike war sie bekannt als Zeichen zur Abwehr des ‚bösen Blicks‘.1006 Aus dieser ursprünglich positiven Bedeutung wurde wohl im Zuge der Christianisierung und der mit dieser einhergehenden teilweisen Tabuisierung des Geschlechtlichen ein negativ konnotiertes Zeichen.1007 In der Verwendung der Feige im Mittelalter wurde der geschlechtliche Bezug von Ausführendem und Empfänger aber nicht unbedingt mitgedacht.1008 Die Loslösung vom ursprünglichen (obszönen) Gehalt emblematischer Gesten kann man auch heute feststellen, zum Beispiel beim verbreiteten Herausstrecken der Zunge.1009 In italienischen Passionsdarstellungen kommt der Feigengestus bereits im 13. Jahrhundert vor, fand dort aber schon im 14. Jahrhundert nur noch ausnahmsweise Verwendung, obgleich er im Alltag noch immer verbreitet war.1010 Im 15. Jahrhundert erfreute sich die Feige in der Kunst nördlich der Alpen großer Beliebtheit. Ihre Wirksamkeit als Zeichen manifestiert sich auch darin, dass sie Eingang in die Gruppe der arma Christi fand (Farbabb. 47).1011 Nördlich der Alpen kommt die Feige vor allem im Kontext der Dornenkrönung vor. Ein frühes Beispiel ist die Szene von dem Diptychon eines böhmischen Meisters auf der Churburg bei Schluderns/Italien (um 1410–20; Farbabb. 42 a). Die betreffende Figur spuckt Jesus gleichzeitig an. Selten taucht das Motiv in anderen Szenen der Passion auf, beispielsweise aber in einem frühen Zeugnis, der „Worcester-Kreuztragung“ (Farbabb. 4). Durch den Bildaufbau und die Anordnung der Figuren erreicht die Darstellung hier eine besondere Sogwirkung: Das untere Drittel der Tafel ist nahezu leer, lediglich Bodenfläche ist zu sehen. Dem Betrachter am nächsten stehen zwei Soldaten, dahinter in Frontalansicht Jesus, der mit seinem in ein flächiges monochromes Gewand gehüllten Körper die Figuren im Hintergrund 1005 Vgl. Meschke 1930; Rettenbeck 1955, S. 33 f.; Schnitzler 1996b, S. 19. 1006 Mrass 2005, S. 73 ff. Schnitzler 1996b, S. 20 hingegen behauptet, der Feige sei erst seit der frühen Neuzeit apotropäische Wirkung zugeschrieben worden. 1007 Mrass 2005, S. 75. 1008 Überliefert ist beispielsweise in Prozessakten, dass ein bilderfeindlich eingestellter Priester namens Jakobus aus hussitischen Kreisen 1389 von einer Prager Synode für zehn Jahre von seinem Amt suspendiert wurde, da er während einer Predigt einem Bild der Maria die Feige gezeigt habe; Schnitzler 1996a, S. 89. Mrass nennt dies als Beleg für die Feige als blasphemische Äußerung, die insbesondere aus italienischen Quellen hervorgeht (z. B. Dante, Divina Commedia, Inferno, Canto XXV, 1). In der blasphemischen Bedeutung sieht er die Ursache für ihre Beliebtheit in Darstellungen der Verspottung. Mrass 2005, S. 68 ff., 71. Wahrscheinlicher aber ist, dass die blasphemische Bedeutung erst auf die Verwendung als beleidigende Geste in der Passionsikonographie zurückgeht. 1009 Siehe dazu den folgenden Abschnitt. 1010 Mellinkoff 1993, Bd. 1, S. 201. 1011 Dazu eingehend Schnitzler 1996b, passim.

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vom Betrachter abschirmt. Im Fokus der Darstellung stehen Jesus und der linke Soldat; dieser ist durch sein gelbes Gewand und dadurch, dass er dem Betrachter am nächsten ist, besonders hervorgehoben. Zudem führt er gleich zwei beleidigende Gesten parallel aus: Er zeigt die Feige und streckt seine Zunge heraus. Der Blick des Betrachters pendelt zwischen den Figuren Jesu und des Soldaten, in denen sich das ganze Wesen der Passion konzentriert: die Grausamkeit der Gegner und das ganz und gar menschliche Leiden des Gottessohnes. Die bereits erwähnte Dornenkrönung vom „Franziskanerkirchenretabel“ (Farbabb. 44) ist ein typisches Beispiel für Darstellungen des späten 15. Jahrhunderts, die sich vielfach durch die Simultaneität verschiedener beleidigender Gesten und gestischer Handlungen sowie körperlicher Gewaltakte auszeichnen.1012 Die gewaltsame Dornenkrönung, die ironische Huldigung, die Blendung, das Anspucken und Ohrfeigen sind hier nebst zwei emblematischen Gesten dargestellt, die wie bei der „Worcester-Kreuztragung“ von derselben Person, die vor dem Verspotteten niederkniet, ausgeführt werden. Bezeichnend ist, dass in der situativ verstandenen Repräsentation des Bildes Jesus als eigentlicher Empfänger die Feige gar nicht wahrnehmen kann, da seine Augen mit einem Tuch verbunden sind. Deutlich wird hier wieder die unmittelbare Funktionsweise visuell wirkender Gesten über die Wahrnehmung des Bildbetrachters, die ihre Wirkmächtigkeit ausmacht.

Zannen und Blecken Neben der Feige wird als emblematische Geste vor allem das ‚Zannen‘ oder ‚Zähneblecken‘ dargestellt – eine emblematische Geste mit ebenfalls obszöner Bedeutung, bei welcher der Mund weit aufgesperrt, die Zähne gezeigt und folglich das Gesicht verzogen wird.1013 In Passionsszenen tritt das Zähneblecken häufig in Kombination mit dem Herausstrecken der Zunge auf. Dabei gibt es diverse Variationsmöglichkeiten: Ein oder zwei Finger können zum Auseinanderziehen der Mundwinkel verwendet werden, möglich ist auch das gleichzeitige Herunterziehen des unteren Augenlids. Die Geste tritt bereits in der Buchmalerei des 13. Jahrhunderts auf, in einer Illustration des Vincentius-Martyriums im nordfranzösischen „Leben Jesu und der Heiligen“ der Madame Marie (Abb. 29 c). Ein frühes Beispiel aus dem Bereich der Tafelmalerei ist die Dornenkrönung des „Niederwildunger Retabels“ des Conrad von Soest (1403; Bad Wildungen, Evangelische Stadtkirche; Farbabb. 35 b): Der am rechten Bildrand dargestellte Scherge hat offenbar soeben seine blaue Kopfbedeckung abgenommen und zieht seine Kapuze zurück, damit sein Gesicht gut sichtbar ist. Er schiebt seinen Kopf nach vorne und streckt seine Zunge aus dem geöffneten Mund.1014 Besonders betont wird die Geste durch ihre Position in der Bildfläche: Während über dem Kopf des Schergen eine schwarze Fläche angeordnet ist, stoßen unterhalb seines Kinns das Grün seiner Kapuze, das Rot seines Wamses und 1012 Weitere Beispiele bei ebd. 1013 Vgl. Art. ‚Zannen, Zännen‘, in: Grimm Deutsches Wörterbuch, Bd. 31, Sp. 256–257. 1014 Eine – weniger prominent dargestellte – Figur, die ihre Kapuze zurückzieht und die Zunge herausstreckt, auch in der Kreuzigungsszene vom „Idar-Obersteiner Retabel“ (Farbabb. 7 a).

208 Beleidigungen

das Gelb des neben ihm stehenden Schergen aneinander. Oberhalb dieser farblich auffälligsten Stelle des Bildes findet sich das bedeutungsvolle Zeichen. Die ohne die Dornenkrönung dargestellte Zweite Verspottung vom „Coronatioretabel“ (Schwerin, Schloss Güstrow; Farbabb. 46), das 1430–35 für die Kirche St. Jakobi in Lübeck von einem Schüler Conrads von Soest geschaffen wurde,1015 zeigt verschiedene Varianten des Zannens. Gleich drei Figuren führen die emblematische Geste aus: Die linke von ihnen, die Jesus zugleich einen Palmzweig in die rechte Hand gibt, streckt die Zunge heraus und führt in Ergänzung der Geste den linken Arm von hinten über seinen Kopf und die Finger an den Haaransatz – die Bedeutung ist unklar. Der im Vordergrund auf dem Boden hockende Spötter zieht mit den Fingern der linken Hand seine Unterlippe nach unten und mit der rechten die Nasenspitze nach oben, während er zugleich die Zunge herausstreckt. Die hinter Jesus dargestellte Figur hingegen zieht die Mundwinkel mit den Fingern auseinander – auf die geschlechtliche Konnotation der Geste verweist das kleine goldfarbene Blasinstrument in Form eines Phallus auf der Höhe seines Geschlechts. Jesus wird damit von verschiedenen Varianten des Zannens umgeben. Eine erweiterte Variante des Zannens zeigt auch die Dornenkrönung vom „Heilig-KreuzRetabel“ aus der Franziskanerkirche St. Anna in Bamberg (München, BNM; Abb. 57): Ein Scherge zieht seine Mundwinkel mit beiden Mittelfingern auseinander und gleichzeitig mit den Zeigefingern die unteren Augenlider nach unten. In einer Darstellung Hinrik Bornemanns (um 1490; Münster, WLM; Abb. 55) zieht ein Scherge nur einseitig den Mundwinkel nach außen, während er zugleich mit dem Daumen der gleichen Hand das untere Augenlid herunterzieht. Es handelt sich hier um Gesten, die wie die Feige aus dem Alltagsleben in die Bildwelt übernommen wurden und nicht auf schriftlichen Vorbildern basieren. Zugleich lassen sich das Zannen und allgemein das Verziehen des Gesichts als Spottgeste aber auch auf Vorausdeutungen des Alten Testaments auf die Passion Christi zurückführen. In Psalm 22(21),8 heißt es: „omnes videntes me subsannant me dimittunt labium movent caput“ („Alle, die mich sehen, verlachen mich, verziehen die Lippen, schütteln den Kopf“), in Psalm 35(34),16–17: „[...] sie verhöhnen und verspotten mich, knirschen gegen mich mit den Zähnen. – Herr, wie lange wirst du das ansehen? Rette mein Leben vor den wilden Tieren, mein einziges Gut vor den Löwen!“1016 Das Aufsperren bzw. Verziehen des Mundes tritt in beiden Psalmen also in direkter Verbindung mit Hohn auf. Das Zähnefletschen findet sich auch bei Hiob 16,10: „comminans mihi infremuit contra me dentibus suis“ (mich bedrohend fletschte er gegen mich seine Zähne; Übers. d. Verf.). Daneben wiederum im Zusammenhang mit Tiermetaphern lautet Psalm 22(21),14: „aperuerunt super me os suum quasi 1015 Allgemein zu dem Flügelretabel Pfeiffer 2007. 1016 In der Vulgata: „scindentes et non tacentes in simulatione verborum fictorum frendebant contra me dentibus suis Domini quanta aspicies converte animam meam a calamitatibus a leonibus solitariam meam“. Vgl. die Illustration zu Psalm 35(34) im „Stuttgarter Psalter“ (Abb. 13) durch die Geißelung Christi: Christus steht mit dem Rücken zum Betrachter, von Wunden übersät, vor der Geißelsäule, zwei Schergen geißeln ihn und führen mit der freien Hand jeweils Spottgesten aus; der Linke von ihnen berührt mit seinem Zeigefinger die Nase.

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leo capiens et rugiens“ (sie rissen gegen mich ihren Rachen auf wie reißende, brüllende Löwen; Übers. d. Verf.).1017 Darauf basierend werden in der spätmittelalterlichen Passions- und, seltener, auch in der Märtyrerliteratur vielfach Tiermetaphern zur negativen Charakterisierung der Schergen verwendet.1018 In einer Fassung des Passionstraktats „Christi Leiden in einer Vision geschaut“ heißt es entsprechend bei der Beschreibung der Kreuztragung: „Sy vurten in mit schalle, mit stoissen, mit iagen, mit dryuen als doeuende hunde die eynen wulf iagent.“1019 Die Bezugnahme der Geste des Zannens insbesondere auf Psalm 22(21),14 und 17 („circumdederunt venatores concilium“) wird vor allem durch das oben genannte Beispiel des „Coronatio Retabels“ plausibel, in welchem Jesus durch die ihr Maul aufreißenden Peiniger buchstäblich umzingelt ist. Wie so oft ist die Grenze zwischen alttestamentlicher Metaphorik und situativem Realismus im Bild fließend. Dies macht das von James H. Marrow angeführte Beispiel, die Dornenkrönung vom „Schlüsselfelder Retabel“ Wolfgang Katzheimers d. Ä. (um 1480; Würzburg, Mainfränkisches Museum; Farbabb. 11 b) deutlich, in der das Zannen von einem Jungen ausgeführt wird, der in Begleitung eines zähnefletschenden Hundes dargestellt ist – der Bezug auf die Hundemetapher ist hier naheliegend. Direkt vor dem Jungen ist jedoch ein kniender Spötter gezeigt, der die Feigengeste ausführt. Es wird offensichtlich, dass die Herkunft des Zannens weder ausschließlich auf typologische Texte noch auf die zeitgenössische Gestensprache zurückgeführt werden kann. Häufig finden sich in den Darstellungen der Passion auch tatsächlich Hunde, die miteinander raufen, auf Knochen herumkauen, urinieren oder gar ihr Geschlecht präsentieren, wie in der Kreuzigungsszene des „Niederwildunger Retabels“ (Farbabb. 35 a).1020 Die Hunde sind letztlich als Attribute der Schergen zu sehen und verweisen auf deren Aggressivität und Triebhaftigkeit. Schon die Bezeichnung der Geste als Zähne-‚Blecken‘ verweist auf ihre obszöne Bedeutung: Als Blecken bezeichnete man das Entblößen des Hinterteils, was im Mittelalter offenbar lediglich als Schalk verstanden wurde. Zahlreiche spätmittelalterliche Darstellungen von Bleckern – vornehmlich Drôlerien in Kirchenräumen – beschränken sich jedoch nicht auf die Präsentation des nackten Hinterteils, sondern zeigen auch deutlich das männliche Genital und den After, wodurch die Geste an Schärfe gewinnt.1021 Katrin Kröll liefert einige Beispiele für Blecker in skandinavischen Passionsdarstellungen – das Entblößen des Hinterteils 1017 In einer älteren Übertragung der Vulgata, Psalm 22(21),17 heißt es zudem: „circumdederunt me canes multi“ (viele Hunde umlagerten mich; Übers. d. Verf.). Siehe Marrow 1977, S. 174 ff.; Marrow 1979, S. 33 f., 38. In der Ausgabe von 2007 statt „canes“ „venatores“ (Jäger). 1018 Z. B. in der Vita der hl. Margarethe in der „Legenda aurea“ beschimpft die Heilige einen ihrer Peiniger als „schamlosen Hund“ und „unersättlichen Löwen“. Legenda aurea (= Benz 1925, S. 464); vgl. in der lateinischen Fassung (= Graesse 1846, S. 401): „impudens canis et insatibilis leo“. 1019 Christi Leiden in einer Vision geschaut (= Pickering 1952, S. 74); bei Priebsch 1936, S. 41: „huende die eynen huent jagen“. Statt „wulf“ oder „hunt“ wäre Hase o. Ä. zu erwarten. 1020 Hier sind drei Windhunde dargestellt, zwei miteinander raufend, der dritte sein Geschlecht präsentierend. 1021 Kröll 1994, S. 244.

210 Beleidigungen

ist hier jedoch jeweils nicht dezidiert als Spottgeste gemeint; es handelt sich um eine Konsequenz der Mode des 15. Jahrhunderts, als sich das Wams zunehmend verkürzte;1022 die aus der Knappheit des Wamses resultierende weitgehende Entblößtheit des Hinterteils könnte durchaus eine bewusste Parallele zu einer existierenden Spottgeste darstellen, dennoch ist es nicht als von der Figur bewusst ausgeführte Geste zu verstehen. Dies wird dadurch deutlich, dass die vermeintlichen ‚Blecker‘ eigentlich gerade mit anderen Tätigkeiten beschäftigt sind, nämlich der körperlichen Peinigung Christi. Ein entsprechendes Beispiel aus der deutschen Tafelmalerei ist die „Worcester-Kreuztragung“ (Farbabb. 4), die rechts in vorderster Ebene eine Rückenfigur zeigt, die Jesus mit einem Seil vorwärts zieht und die dem Betrachter einen Teil ihres Gesäßes und ihrer Bruech präsentiert, da die Beinlinge am oberen Ende heruntergerutscht sind. Der Kalvarienberg vom „Kreuzretabel“ aus der Benediktbeurer Abteikirche Tegernsee (um 1450; München, Alte Pinakothek) zeigte ursprünglich rechts unten einen Schergen mit entblößtem Gesäß, das jedoch in den 1970er Jahren einer Restaurierung zum Opfer fiel, so dass die Figur jetzt eine Art Windel trägt.1023 Die Bedeutung eines entblößten, einer heiligen Person zugewandten Gesäßes ist in der spätmittelalterlichen Bildwelt ambivalent: Die Nachlässigkeit und/oder Freizügigkeit der Kleidung verweisen auf die innere Lasterhaftigkeit der Christenfeinde; insgesamt sind die Bestandteile ihres Äußeren – die Physiognomie, Anzeichen von Krankheit, veränderliche Merkmale wie Kleidung, absichtslose Bewegungen und als vorsätzlich zu begreifende Gesten – gleichsam als ästhetische Beleidigungen Christi und der Märtyrer sowie des Betrachters selbst zu verstehen. Während deutlich als vorsätzliches Blecken erkennbare Gesten in der Tafelmalerei des späten Mittelalters nicht vorkommen, findet sich das absichtsvolle Zeigen des bekleideten Gesäßes: In der „Dornenkrönung“ von Jörg Breu d. Ä. im Stift Herzogenburg (Farbabb. 41), in der sich die Peiniger insgesamt durch ihr abstoßendes Äußeres auszeichnen, findet sich im Vordergrund eine Figur, die Jesus (und dem Betrachter) in hockender Haltung ihr Hinterteil entgegenstreckt. Das Zukehren des Rückens ist als Zeichen mangelnden Respekts zu verstehen, das darauf hinweist, dass die Identität Jesu als König der Juden nicht anerkannt wird, denn einem König würde man niemals den Rücken zuwenden.1024 Der Scherge, dessen tätowierter linker Arm seine Primitivität verdeutlichen soll, wendet seinen Kopf mit hämischem Gesichtsausdruck zu Jesus um und streckt ihm die Zunge heraus, während er in eindeutiger Geste mit der rechten Hand an sein Gesäß greift.1025 Der situative Kontext und die Körperhaltung weisen darauf hin, dass es sich zweifelsfrei um eine obszöne Geste handelt, die auf den Bereich von Fäkalien verweist.1026 1022 Siehe dazu oben, Abschnitt III.3.1. 1023 Suckale 2009, Bd. 1, S. 18 u. Abb. S. 19. 1024 Vgl. Mellinkoff 1993, Bd. 1, S. 205. 1025 Ebd., Bd. 1, S. 200 m. Anm. 28 identifiziert den Schergen als Narren, da auf der Höhe seines Mundes ein Stück eines Narrenstabes sichtbar sei. 1026 Kocher 1978, S. 151 sieht hier eine Parallele zur spätmittelalterlichen Praxis, den am Pranger stehenden Delinquenten mit Kot zu bewerfen.

Akte seelischer Gewalt in Passionsdarstellungen  211

Dass vorsätzliche Gesten und absichtsloses lasterhaftes Verhalten wie beim Blecken respektive freizügigen und nachlässigen Kleiden vielfach ineinander übergehen, zeigt eine Dornenkrönung aus dem Jahr 1469 im österreichischen Güssing im Burgenland (Schloss Draskovich, Schlosskapelle):1027 Der Scherge im Vordergrund rechts ist gerade unter äußerstem Kraftaufwand dabei, das Ende einer der beiden Stangen, mit denen die Dornenkrone auf das Haupt Jesu gepresst wird, nach unten zu drücken; dabei nimmt er eine – in der künstlerischen Umsetzung etwas ungeschickt wirkende – gebeugte Haltung ein, hält die Stange mit beiden Händen fest und lehnt sich mit dem Gewicht des Oberkörpers auf sie. Das Ende der Stange befindet sich zwischen seinen Beinen auf Höhe des Schritts, wodurch deutlich Assoziationen an einen Phallus geweckt werden. Wie bereits am Beispiel des „Danziger Dorotheenretabels“ (Abb. 46) gezeigt, sind phallische Symbole in spätmittelalterlichen Darstellungen keine Seltenheit. Nicht nur begrifflich sind das Zähneblecken/Zannen und das Blecken des Gesäßes miteinander verbunden: Ganzfigurige Darstellungen von Zannern aus spätmittelalterlicher Zeit zeigen diese häufig mit gespreizten Beinen, wodurch die Geste mit der Sphäre des Geschlechtlichen in Verbindung gebracht wird.1028 Diese Verbindung legt ein weiterer Befund von Kröll nahe: Die spätmittelalterlichen Blecker hätten die hochmittelalterlichen ‚Sheelas‘ abgelöst – vor allem in der romanischen Bauplastik auftretende Frauenfiguren, die ihre Vulva zeigen und mit den Händen auseinanderziehen. Formal ist die Ähnlichkeit der Zanner zu den Sheelas noch größer als zu den Bleckern.1029 Das Zannen ist somit als Euphemismus des Vulvazei­ gens zu begreifen; durch das Herausstrecken der Zunge wird die Geste in symbolischer Annäherung an den Geschlechtsakt verschärft. Während das Blecken eine ‚männliche‘ obszöne Geste ist, ist das Zannen, für das weitaus mehr Beispiele in der spätmittelalterlichen Kunst erhalten sind, also eine versteckt ‚weibliche‘ obszöne Geste.1030 Mit Bezug auf exegetische Texte gelangt Kröll zu einer Deutung von Zannern und Bleckern als „›abtrünniges Gottesvolk‹, das die religiösen Gebote missachtet und der göttlichen Gnade buchstäblich den Hintern zukehrt“.1031 Dies trifft zweifelsohne auf die Zanner in den spätmittelalterlichen Passionsdarstellungen zu. Emblematische Gesten mit beleidigender Funktion richten sich in den Darstellungen der Passion seit dem 15. Jahrhundert auch gegen die Marien und Johannes; zu den frühesten Beispielen gehören die „Worcester-Kreuztragung“ (Farbabb. 4) und der „Große Kalvarienberg“ eines westfälischen Meisters in Köln (1415–20; Köln, WRM; Abb. 56). Eine wesentliche Funktion der Maria-Johannes-Gruppe, dem Betrachter als Rollenmodell zu dienen und so compassio zu erzeugen, wird durch das Motiv unterstützt.

1027 Abb. im Bildarchiv des Instituts für Realienkunde – Universität Salzburg: http://tethys.imareal.sbg. ac.at/realonline/ – hier Bild-Nr. 000938 (letzter Zugriff: 29.11.2013). 1028 Kröll 1994, S. 244. 1029 Ebd., S. 256 ff. Zum Anasyrma, dem Hochziehen des Gewands, um das weibliche Genital zu zeigen, siehe Kislinger 1992, daneben Duerr 1993, S. 105 ff. 1030 Kröll 1994, S. 260 f. 1031 Ebd., S. 266 ff., hier 271.

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Vermeintlich beleidigende Gesten Als weitere in den Szenen der Passion auftretende Geste kann das Kreuzen der Zeigefinger genannt werden, wie zum Beispiel in einer Ecce-homo-Darstellung der Werkstatt Martin Schongauers dargestellt (Ende 15. Jahrhundert; Colmar, Musée d’Unterlinden; Abb. 58). Jean-Claude Schmitt unterstellte dieser Geste eine vorrangig sexuelle Bedeutung ähnlich der Feige.1032 Unter Berufung auf die volkskundliche Forschung ist die Geste der gekreuzten Finger daneben als das sogenannte ‚Rübenschaben‘ identifiziert worden, bei dem mit einem Zeigefinger über den anderen, auf den Empfänger nach vorn weisenden Finger geschabt wird. Es handelt sich dabei ursprünglich um eine auf einen zurückgewiesenen Liebhaber bezogene Spottgeste. Hinsichtlich der Darstellung der gekreuzten Zeigefinger im Rahmen der Passion Christi stellte Mrass jedoch zweierlei fest: dass die Finger hier stets nach oben weisen würden und dass die Geste ausschließlich in der Ecce-homo-Szene vorkomme. Daraus lasse sich schließen, dass es sich um eine direkte Übertragung der in den Evangelien geschilderten verbalen Aufforderung an Pilatus, „Kreuzige ihn!“, handelt und somit keineswegs um eine beleidigende emblematische Geste.1033 Als Beleg verweist Mrass auf signa-Listen von Mönchen, die während der Schweigezeiten nur mit Hilfe von Zeichensprache kommunizieren durften, in welchen diese Fingerhaltung für crux angegeben ist.1034 Schmitt meint des Weiteren, in der „Dornenkrönung“ des „Dominikanerretabels“ Martin Schongauers (Ende 15. Jahrhundert; Colmar, Musée d’Unterlinden; Abb. 59) eine verachtende Geste zu erkennen: Der rechts hinter Christus stehende Scherge erhebt seinen rechten Arm mit der flach ausgestreckten Hand bis über seinen eigenen Kopf; Schmitt identifizierte dies als „sich herabsenkende Hand mit zum Boden gewandter Handfläche“, die als „Zeichen der Verachtung“ gelte.1035 Wie jedoch bereits Mrass bemerkte, handelt es sich hierbei schlicht um eine Ohrfeige, also ein auf den Bericht der Evangelien zurückgehendes Motiv.1036 Spezifisch für den Bereich emblematischer Gestik ist die rein visuelle Funktionsweise, aus der in der künstlerischen Darstellung die Eindringlichkeit resultiert. Anders als im Falle von körperlichen Gewaltaktionen und Handlungen symbolischer und praktischer Art mit beleidigender Wirkung, spielt der Körper des Opfers hier keine Rolle, weder als Medium noch als Spediteur. Die Bedeutung der emblematischen Geste erschließt sich dem (mit dem Zeichen vertrauten) Betrachter unmittelbar und bedarf keines vermittelnden Zwischenschritts wie der Imagination im Falle dargestellter körperlicher Gewaltakte. Obszöne Gesten verweisen zudem auf die unkontrollierte Körperlichkeit der Christenfeinde, durch die sie als negatives Gegenbeispiel zu Christus ausgewiesen werden. Beleidigungen, die aus Sicht der Schergen 1032 Schmitt 1990, S. 247. 1033 Ausführlich Mrass 2005, S. 75 ff. Ein eindringliches Beispiel ist die Ecce-homo-Szene vom „Schlüsselfelder Retabel“ Wolfgang Katzheimers d. Ä., in der gleich drei Figuren in der Masse der Anwesenden diese Geste ausführen. 1034 Ebd., S. 79 f. 1035 Schmitt 1990, S. 247. 1036 Mrass 2005, S. 35 ff.

Akte seelischer Gewalt in Passionsdarstellungen  213

der Erniedrigung Christi dienen, erniedrigen die Ausführenden in den Darstellungen auf diese Weise selbst und stigmatisieren sie als lasterhaft und bösartig.1037

2.3 Die Repräsentation von Schandmusik In einigen wenigen Bildern der Verspottungen Jesu werden Schergen dargestellt, die auf Blasinstrumenten spielen. Es handelt sich bei der Erzeugung von – mutmaßlich nicht wohlklingender – Musik offenbar um einen als seelische Gewalt zu verstehenden Akt. Der Brauch, Personen, die sich etwas zu Schulden haben kommen lassen, durch ‚Katzenmusik‘ zu verspotten bzw. zu schmähen, existierte in der Privatjustiz seit dem Mittelalter und bis ins 19. Jahrhundert hinein.1038 Diese Katzenmusik bestand wohl mehr in der Erzeugung von Lärm als in tatsächlicher Musik, Instrumente mussten dabei nicht zum Einsatz kommen, stattdessen fanden Bratpfannen u. Ä. Verwendung. Sie war vor allem „soziale Abwehr gegen sittlich verwerfliche, vom Staate nicht bestrafte Handlungen“.1039 Historisch ist damit die Verwendung von ‚Musik‘ zur Schmähung von Personen belegt, wenn der direkte Bezug zu Passionsdarstellungen auch nur vage ist. Das prägnanteste Beispiel aus der nordalpinen Malerei ist wohl die bereits angeführte Dornenkrönung eines unbekannten Malers aus dem Kreis des Meisters von St. Sigmund von um 1430 (Farbabb. 40). Christus thront im weißen Spottgewand in der Mitte der Szene, umgeben von vier Schergen. Die beiden mehr im Hintergrund befindlichen Figuren pressen die Dornenkrone mit zwei überkreuzten Stangen auf das Haupt Jesu. Die beiden Vorderen ‚huldigen‘ ihm in leicht gebückter Haltung. Beide halten in ihrer jeweils linken Hand ein hornähnliches Blasinstrument, wobei der Linke mit der anderen Hand zusätzlich die Geste der Feige ausführt. Die Musik, deren Erzeugung durch die Hörner man sich vorstellen muss, wird zum Bestandteil der Verspottungszeremonie. Die Darstellung von Instrumenten in der Szene der Verspottung ist überaus selten.1040 Ein frühes Beispiel findet sich in einem Fresko des Athos-Klosters Dionysiu, wo die Musiker jedoch weitaus weniger prominent im Hintergrund dargestellt sind.1041 Ein italienisches Beispiel ist die „Dornenkrönung Christi“ vom sogenannten Amici di Daddi (auch: Maestro di S. Martino alla Palma) (Manchester, Barlow Collection) aus dem zweiten Drittel des 14. Jahrhunderts;1042 ähnlich der Darstellung in Thal finden sich hier neben zwei Hornspielern auch zwei Feigengesten. Aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts stammt eine niedersächsische Darstellung der Dornenkrönung (Hannover, NLM), in der ein glatzköpfiger Scherge Jesus mit einem Horn direkt ins Ohr bläst.1043 Aus dem frühen 16. Jahrhundert 1037 Schnitzler 1996b, S. 30. 1038 Phillips 1849; Hellwig 1910, S. 130–132; vgl. Schild 1980, S. 42. 1039 Hellwig 1910, S. 132. 1040 Siehe LCI, Bd. 4, Sp. 445. 1041 Abb. in: Gabriel Millet: Monuments de l’Athos, Bd. 1: Les peintures, Paris 1927, Tf. 200, Nr. 2. 1042 Abb. in: Bollettino d’Arte, F. 3, Bd. 31 (1937), S. 69. Der Hinweis hierauf bei Berliner 1955, S. 120, Anm. 86. 1043 Abb. bei Gmelin 1974, S. 499 (Kat. 170).

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haben sich einige entsprechende Beispiele erhalten, unter anderem von Albrecht Dürer und Matthias Grünewald.1044 Daneben kommen Musikinstrumente vereinzelt in Darstellungen der Fortführung Christi, der Kreuztragung und der Kreuzigung vor.1045 Hier handelt es sich zumeist nicht um Hörner, sondern um trompetenähnliche Instrumente. Die erzeugte Musik ist weniger als Bestandteil der Demütigung zu verstehen denn als Bekanntmachung des Prozesses bzw. der Hinrichtung.1046 Außerdem wurde in diesem Zusammenhang das Instrument als Symbol, das auf den nahenden Tod Christi verweist, gedeutet.1047 Marrow führt mehrere Textstellen aus niederländischen Passionstexten an, die diese Deutung belegen.1048 Als Quelle lassen sich des Weiteren mehrere Textstellen des Alten Testaments anführen, die als Vorausdeutung auf die Passion Christi verstanden wurden.1049 Trotz der Seltenheit in narrativ-szenischen Darstellungen findet sich das Motiv des fragmentierten Horn spielenden Kopfes seit dem 14. Jahrhunderts auch unter den arma Christi, sowohl südlich als später auch nördlich der Alpen.1050 Beispiele hierfür sind Roberto d’Oderisios „Schmerzensmann mit Maria und Johannes und arma Christi“ von um 1354 (Farbabb. 47) und Goswyn van der Weydens „Schmerzensmann mit arma Christi“, der Mitteltafel vom Triptychon des Antonius Tsgrooten (1507; Antwerpen, Musée des Beaux Arts).1051 Auch Fra Angelicos Fresko im Kloster San Marco in Florenz (26. Zelle; 1437–45; Farbabb. 48) mit der ungewöhnlichen Zusammenstellung des auferstehenden Christus mit Maria und dem hl. Thomas zeigt vor einem dunklen Hintergrund zusätzlich die arma Christi einschließlich des isolierten Horns. Die Bedeutung der Musik ist hier besonders augenscheinlich: Unter dem Kreuzquerbalken ist vom Betrachter aus rechts das Schulterbildnis Jesu als Fragment dargestellt. Jesus trägt die Augenbinde der Ersten Verspottung und das weiße Gewand der Verspottung vor Herodes. Als Zeichen der Gewalttat ist neben zwei Stöcken, einer schlagenden Hand, einer Feigengeste und einem spuckenden Gesicht auch ein Horn dargestellt, unmittelbar neben dem rechten Ohr Jesu. Das Horn reiht sich nahtlos in die Reihe der Motive, die körperliche und seelische Gewaltakte symbolisieren, ein. Sowohl seelische als körperliche Gewaltakte funktionieren über die Sinne des Opfers. Die bei Fra Angelico repräsentierten Gewaltmotive sprechen dabei unterschiedliche Sinne an: Schläge die taktile Wahrnehmung, die Feige die visuelle Wahrnehmung, Musik die akusti1044 Albrecht Dürer, Erste Verspottung von der Kleinen Holzschnitt-Passion (1508/09), Abb. in: The Illustrated Bartsch, Bd. 10, S. 125. Matthias Grünewald, Erste Verspottung (1508; München, Alte Pinakothek), Abb. 195 in Schiller 1968, S. 382. 1045 Marrow 1979, S. 153 ff. Z. B. Meister der Karlsruher Passion, Gefangennahme sowie Kreuztragung Christi (Abb. 11 b, e). 1046 Vgl. Schild 1980, S. 42 u. 59, Abb. 109 – Miniatur in der „Chronik des Jean Froissart“ aus dem 15. Jh., die die Ankündigung des Vollzugs der Prügelstrafe durch den Stadttrompeter zeigt. 1047 Ausst.Kat. „Karlsruher Passion“ 1996, S. 51 f. 1048 Marrow 1979, S. 160. 1049 Ebd., S. 154 ff. 1050 Als zu den Passionswerkzeugen gehörend angesehen wurde spätestens im 17. Jh. auch eine Trompete. Antonio di Paolo Masini (17. Jh.) zufolge wurde sie geblasen, als Jesus zur Geißelung und zur Kreuzigung geführt wurde. Nach Berliner 1955, S. 38 m. Anm. 86. 1051 Marrow 1979, S. 161 u. Abb. 42.

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sche Wahrnehmung. Die Schandmusik eröffnet also eine dritte Dimension der Gewalt: Schräge Musik quält das Opfer über den Hörsinn. Die Multisensualität des Passionsgeschehens wird auch in der Passionsliteratur vielfach beschrieben. So wird in „Christi Leiden in einer Vision geschaut“ der Leichengeruch der „fulen unreinen schelmen“,1052 die auf dem Kalvarienberg begraben lagen, erwähnt.1053 Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang, dass das Motiv in den meisten Beispielen der nordalpinen Tafelmalerei sowie auch bei Fra Angelico ausgerechnet in Kombination mit den verbundenen Augen vorkommt. Bei der – anders als bei Fra Angelico – szenisch-narrativ verstandenen Darstellung der Verspottung mit verbundenen Augen freilich würde die Hinzufügung visuell wirksamer emblematischer Gesten wie der Feige aus Sicht der Täter sinnlos sein, da das Opfer diese nicht wahrnehmen könnte und sie ihre kommunikative Funktion so nicht erfüllen würden. Stattdessen wird nun der Hörsinn durch Schandmusik angesprochen. Es lässt sich aus der Perspektive des Opfers vorstellen, dass der Entzug des Augenlichts in Kombination mit den körperlichen Gewaltakten und der Musik eine bedrohliche Atmosphäre erzeugt. Durch die Darstellung von Gewaltakten, die über verschiedene Sinne des Opfers wirken, wird die Imagination des Betrachters auf vielfältige Weise angeregt. Er kann versuchen, sich den körperlichen Schmerz, die Demütigung und die Geräuschkulisse vorzustellen. Das Geschehen wird so auf verschiedenen Ebenen nachfühlbar und dadurch in der memoria verankert. Die Gründe für die Einbeziehung Horn spielender Schergen in Verspottungsszenen sind wahrscheinlich vielfältig. Sie könnten sich zum einen auf Bräuche im Rahmen einer Volksjustiz beziehen oder, zum anderen, auch höfische Traditionen der Herrschereinsetzung zitieren, die von den Schergen parodiert werden. In erster Linie aber verweisen die Instrumente erneut auf die Sündhaftigkeit der Feinde Jesu. Blasinstrumente erfuhren sowohl in der Antike als auch im Mittelalter eine tendenziell negative Bewertung, die mit der Tätigkeit des Blasens und der dadurch bedingten Entstellung des Gesichtes zusammenhing.1054 Sie wurden mit Sünde in Verbindung gebracht und mit Abscheu betrachtet – dies spiegelt sich auch in ihrer übergreifenden Bezeichnung als fistulae wider,1055 möglicherweise aufgrund der formalen Ähnlichkeit ihrer Blasöffnung zum menschlichen Anus.1056 In der spätmittelalterlichen Malerei stehen sie in besonderer Verbin1052 In der rheinfränkischen Fassung (= Priebsch 1936, S. 41). 1053 Vgl. die Kreuzigungstafel des „Raigerner Retabels“ (1410–20; Brno/Tschechien, Moravská galerie), wo sich eine Figur als Verweis auf den herrschenden Leichengeruch ein Tuch vor Mund und Nase hält. 1054 Die Verzerrung des Gesichts durch das Spielen von Blasinstrumenten wird schon in einem seit dem 5. Jh. v. Chr. belegten griechischen Mythos thematisiert, dem zufolge die Möglichkeit, mit einer Flöte Musik zu machen, von Athene entdeckt wurde, sie ihre Entdeckung jedoch verwarf, als sie die Entstellung ihres Gesichts beim Spiel feststellte. Siehe Der Neue Pauly, Bd. 7, Sp. 955. 1055 Hammerstein 1980, S. 25. 1056 Vgl. die Illustration in einem Manuskript des 15. Jh., die die Instrumente zeigt, die der englische Chirurg John of Aderne (14. Jh.) zur Entfernung von Fisteln im Anus entwickelte. Abb. in Peter Murray Jones: Medieval Medical Miniatures, London 1984, Fig. 50.

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dung zum Thema Tod – einerseits durch Weltgerichtsdarstellungen, in denen sowohl Engel als auch Dämonen Blasinstrumente spielen, andererseits als Attribut des personifizierten Todes in Totentanzdarstellungen.1057 Sie besitzen also vorrangig eine negative Bedeutung. Ein auslösender Impuls dafür, die Peiniger Christi auf Blasinstrumenten spielend darzustellen, könnte aber auch im Neuen Testament selbst zu finden sein. Im Matthäus-Evangelium 27,29–30 in der Fassung der Vulgata heißt es in der Beschreibung der Dornenkrönung: „posuerunt [...] harundinem in dextera eius [...] et expuentes in eum et acceperunt harundinem et percutiebant caput eius“. „Harundinem“ wird in der Regel als ‚Rohr‘ oder ‚Stock‘ übersetzt, bedeutet jedoch auch ‚Hirtenflöte‘ oder ‚Rohrpfeife‘. Für den Bereich der Martyriendarstellungen ist mir nur ein Beispiel bekannt, in dem ein Blasinstrument eine zentrale Rolle spielt: Es handelt sich um eine Szene von dem Bernt Notke zugeschriebenen „Barbararetabel der Schuhmacher“ von um 1495 (Danzig, Marienkirche; Abb. 47), in der die Heilige zum Zwecke ihrer Demütigung vollständig entblößt, ihre Scham lediglich mit einem durchsichtigen Schleier bedeckt, durch die Gassen einer Stadt zum Richtplatz geführt wird. Eine prominent im Vordergrund dargestellte Figur, die durch Schielen, Mi-parti-Kleidung und Kapuze mit (Esels-)Ohr als Narr gekennzeichnet ist, spielt auf einem Dudelsack. Der Scherge links im Vordergrund ist mit geöffnetem Mund dargestellt – er scheint zur Musik zu singen. Man kann sich vorstellen, dass die Musik dazu diente, die Aufmerksamkeit der Bewohner zu erregen und so ein möglichst großes Publikum für die erniedrigende Prozedur zu gewinnen  – Ähnliches ist für die mittelalterliche Strafpraxis belegt.1058 Dazu passen die beiden Figuren im Hintergrund, die aus den Fensteröffnungen der dargestellten Architektur herausblicken. Der Dudelsack war spätestens seit dem 14. Jahrhundert ein vornehmlich negativ bewertetes Instrument.1059 Man nahm an, dass er der Gesundheit abträglich war.1060 Im Vergleich zu anderen Blasinstrumenten scheint er in besonderer Weise sexuelle Assoziationen hervorgerufen zu haben.1061 Dies belegt eindringlich eine Randzeichnung in einer AristotelesHandschrift des 14. Jahrhunderts,1062 die ein Schwein mit einem Dudelsack1063 neben einem Narren mit entblößtem Genital zeigt. In der spätmittelalterlichen Totentanzikonographie kommt der Dudelsack häufig in Verbindung mit Frauen niederer Stände – Dirnen und Hei1057 Gemäß der Totentanz-Texte des 14. und 15. Jhs. Dazu Hammerstein 1980, S. 41 ff. 1058 Schild 1980, S. 42 u. 59, Abb. 106. 1059 Unter den um 1280/1300 entstandenen Chorpfeilerengeln im Kölner Dom spielt einer – mit angestrengtem Gesichtsausdruck – den Dudelsack; hier ist die Bedeutung nicht negativ, sondern, worauf Tammen 2000, S. 64 hinweist, dem Bezug auf Ps 150 geschuldet; daneben kommt der Dudelsack als Attribut der Hirten in Szenen der Verkündigung der Geburt Christi u. Ä. (z. B. Kölnisch, Andachtstafel mit dem Leben Christi, um 1370–80, Köln, WRM) vor, wo er die bukolische Sphäre kennzeichnet. 1060 Tammen 2000, S. 54. 1061 Hammerstein 1980, S. 52; Tammen 2000, S. 63. 1062 British Library, Ms. Sloane 748, fol. 82v. Abb. 22 in Schouwink 1985. Im Text der betreffenden Seite, einem Auszug aus „De Natura“, geht es um die Hitze des Blutes. 1063 Im 15. Jh. war der Dudelsack unter den Tieren dem negativ besetzten Schwein zugeordnet. Siehe Tammen 2000, S. 418 f.

Akte seelischer Gewalt gegen die Märtyrer  217

dinnen – vor und verweist dadurch wohl auf die Sünde Wollust,1064 aber auch als Attribut des Todes selbst, so zum Beispiel bei dem ebenfalls Notke zugeschriebenen „Revaler Totentanz“ (1468; Reval, Nikolaikirche).1065 Zudem galt der Dudelsack als Instrument der Narren. In Sebastian Brandts „Narrenschiff“ von 1494 kommt die ‚Sackpfeife‘ vor, hier von einem Narren gespielt, der sich, dem Text zufolge, dadurch als dem Narrenschlitten zugehörig erweist. In den „Totentanz“-Holzschnitten von Hans Holbein d. J., entstanden in Basel vor 1526, ist der Tod mit dem Attribut des Dudelsacks dem Narren zugeordnet, die Motivpaarungen Tod/ Dudelsack und Narr/Dudelsack verschmelzen hier also. Im Fall des „Danziger Barbararetabels“ verweist der Dudelsack auf die Lüsternheit der Peiniger und der Gaffer. Ähnlich ist auch ein Detail der Brustmarter Agathas vom „Dorotheenretabel“ (um 1435; Abb. 46), ebenfalls in der Danziger Marienkirche, zu verstehen: Der linke Scherge trägt unter seinem Gürtel befestigt eine Art Tröte aus Metall, die die Form eines Phallus besitzt. Das gleiche Motiv kommt auch in der Verspottungsszene des etwa zeitgleich entstandenen „Coronatioretabels“ (Farbabb. 46) vor.

3  Akte seelischer Gewalt gegen die Märtyrer Seelische Gewalt gegen die Heiligen in Form von Schmähungen und Spöttereien kommen – abgesehen von der Entblößung – sowohl in der hagiographischen Literatur als auch in den bildlichen Darstellungen kaum vor. Es handelt sich hier um einen wesentlichen Unterschied zur Passionsikonographie, der mit der theologischen Bewertung des Märtyrertodes und der darauf basierenden Rezeptionserwartung zusammenhängt. Seelisches Leid, auf das seelische Gewalt vorrangig abzielt, wurde offenbar vor allem Christus zugeordnet. Der seelische Schmerz, den Christus erleiden musste, wird in der Passionsliteratur und der theologischen Debatte immer wieder hervorgehoben, um das Ausmaß des Leidens sowie die Größe des Opfers und der Liebe Jesu zu den Menschen zu verdeutlichen. In der Märtyrerliteratur hingegen spielt das Vorhandensein von seelischem Leid noch weniger eine Rolle als dasjenige körperlichen Schmerzes: Das Martyrium wird als Gnade verstanden, als Auszeichnung durch Gott, aufgrund dessen sich die Auserwählten des ewigen Heils gewiss sein können. Es liegt also schlicht kein Grund für seelisches Leid wie Furcht oder Trauer vor. Akte seelischer Gewalt richten sich in vielen Fällen gegen die Ehre des Empfängers. Grundlegend ist dabei ein Überstimmen von Ehrvorstellungen von Tätern, Opfern und möglichen Zuschauern. Ein weltlicher Begriff der Ehre unterschied sich im Mittelalter von einem spirituell-christlichen Ehrverständnis. Gloria mundi und gloria Dei stehen sich hier gegenüber.1066 Für die Heiligen sind nicht die weltlichen Werte wie Besitz oder Zugehörigkeit zu einem gehobenen Stand entscheidend, sondern die gänzlich konträren Werte der christlichen Gemeinschaft, die in sittlichen Tugenden bestehen. Bei den Märtyrern findet die 1064 Siehe bei Hammerstein 1980, S. 52; Nr. 34 u. 49. 1065 Zu dem Werk Reimer 1985, S. 43 ff. u. Tf. II b. 1066 Dazu Ernst 1978, S. 172 ff. Augustinus kritisiert in „De civitate Dei“ den römischen Ruhmesgedanken und entwickelte in Opposition dazu die christliche Idee der gloria Dei.

218 Beleidigungen

Ehre den höchsten Ausdruck im Tod für den Glauben gemäß der Vorstellung der gloria passionis. Aufgrund der abweichenden Vorstellungen von gloria bei Tätern und Opfern können die Akte seelischer Gewalt ihre Wirkung nicht entfalten. Einige vereinzelte Beispiele für beleidigende Gesten und gestische Handlungen in Darstellungen der Martyrien gibt es dennoch. Eine obszöne Geste findet sich in Stefan Lochners „Apostelmartyrien“: In der Szene des Philippus-Martyriums (Farbabb. 10 e) zieht der heidnische Priester, der vom Betrachter aus links unter dem Querbalken des Kreuzes steht, seine Mundwinkel mit den Zeigefingern auseinander und streckt dem Apostel seine Zunge entgegen. Bezeichnenderweise handelt es sich hier um die seltenere ikonographische Variante des Philippus-Martyriums, die den Apostel an einem Kreuz aufgehängt zeigt. In Kombination mit der emblematischen Geste des Zannens, die ja in erster Linie in Darstellungen der Passion Christi vorkommt, wird so der Aspekt des Martyriums als Akt der imitatio Christi besonders betont. Ein weiteres, bislang nicht im vollen Umfang als beleidigende Geste oder gestische Handlung erkanntes Beispiel findet sich auf Meister Franckes „Thomasretabel“ (Farbabb. 36 a) von 1424–36, das Szenen aus dem Leben des hl. Thomas Becket, Erzbischof von Canterbury, zeigt. Schon die Vita des hl. Thomas Becket (1118–1170) enthält in der 1175–81 entstandenen Fassung des Mönchs Wilhelmus, der „Vita Sancti Thomae Cantuariensis episcopi et martyris, auctore Willelmo filio Stephani“, eine Verspottungsepisode. Wilhelmus, der ein Augenzeuge des Martyriums gewesen sein will, berichtet darin, dass die Gefolgsleute der Ritter, die Thomas später im Dom ermordeten, Thomas’ Pferd den Schweif abschlugen. Aus der Legende geht hervor, dass das Abschneiden des Schweifes nicht als Akt physischer Gewalt gegen das Tier zu verstehen ist, sondern verübt wurde „in dedecus archiepiscopi“ 1067 – zur Schmach des Erzbischofs. Das Abschneiden des Schweifes galt im Mittelalter als diffamierender Akt, denn der Schweif war für den Wert des Pferdes entscheidend.1068 Das Retabel Meister Franckes zeigt diese Szene mit der Verhöhnung des hl. Thomas.1069 Thomas auf seinem Schimmel und seine ebenfalls reitenden Begleiter bewegen sich auf den rechten Bildrand zu. Hinter ihnen sind vier düstere Gesellen dargestellt; der rechte von ihnen steckt gerade sein Schwert in die Scheide zurück,1070 nachdem er dem Pferd soeben den Schweif abgeschlagen hat.1071 Der Schimmel blutet an der Schnittstelle, zeigt jedoch keine Schmerz1067 Zitiert nach Martens 1929, Bd. 1, S. 29; vgl. Leppien 1992. 1068 Siehe Brunner 1992, S. 699. 1069 Dazu Martens 1929; Ausst.Kat. „Meister Francke“ 1969, S. 47 f., 52 ff.; Leppien 1992; Ausst.Kat. „Goldgrund und Himmelslicht“ 1999, S. 141 ff.; Kat. Kunsthalle Hamburg 2007, S. 152 ff. 1070 Der Legende nach war es John, der Neffe Roberts de Broc of Saltwood – siehe Kat. Kunsthalle Hamburg 2007, S. 154. Er wirkt in der Darstellung jedoch wie ein Mann aus dem niederen Volk. 1071 Das Schweifabschlagen als ehrverletzender Akt scheint im mittelalterlichen England durchaus verbreitet gewesen zu sein. Aus dem Jahr 1303 ist folgender Fall überliefert: Der Erzbischof von Canterbury (!) schickte Richard Christian, den Dekan von Ospringe, nach Selling in Kent, um Vorladungen zu machen; die Bürger von Selling aber attackierten ihn, warfen ihn in den Matsch, setzten ihn rücklings auf sein Pferd, den Schweif statt der Zügel in den Händen, und ließen ihn so begleitet von Liedern und Tanz durch die Stadt reiten; danach schnitten sie dem Pferd Schweif, Ohren und Lippen ab, warfen Richard wieder in den Matsch und hinderten ihn an der Erfüllung der ihm übertragenen Aufgaben. Given 1977, S. 89. Vgl. auch Schreiner 1989, S. 190, Anm. 141.

Akte seelischer Gewalt gegen die Märtyrer  219

reaktion auf die Tat. Bemerkenswert ist nun aber, wie die bildliche Darstellung über die Textfassung hinausgeht und dadurch den Aspekt der beabsichtigten Ehrverletzung noch anschaulicher macht: Die am linken Bildrand stehende Figur hält den abgetrennten Schweif auf der Höhe ihres Geschlechts vor sich. Der diffamierende Akt des Schweifabschlagens wird durch das Halten vor das Geschlecht im Bild um eine eindeutig obszöne Geste erweitert, die nach der Intention des Ausführenden der zusätzlichen Demütigung des Heiligen dienen soll.1072 Thomas aber, „patiens tam in prosperis quam in adversis“1073 (geduldig im Glück wie im Unglück), begegnet dem „seine Ehre vergeblich antastenden Angriff voll Würde“ 1074 durch eine Milde ausdrückende Geste seiner rechten Hand. Der Heilige ist gegenüber seinen Spöttern formal in der Komposition sowie moralisch überlegen. Das Ereignis wurde schon von dem Verfasser des zitierten Augenzeugenberichts auch als Vorausdeutung auf das Martyrium angesehen.1075 Die Bereicherung des Berichts um die obszöne Geste hebt einerseits den imitatio-Charakter des in der folgenden Szene dargestellten Martyriums hervor; andererseits wird der moralische Kontrast zwischen Thomas und seinen Widersachern verstärkt, indem der würdevollen Geste des Heiligen die obszöne Geste seines Gegners gegenübergestellt wird. Bezogen auf einige Darstellungen der Verspottung des Propheten Elija durch Kinder1076 führte Gerd Schwerhoff die Überlegung an, der Griff einiger Knaben an ihren Schritt könne darauf hindeuten, dass sie ihn wegen seines Alters, genauer: seiner mangelnden Virilität, verspotteten.1077 Ähnlich könnte die Intention der Täter zur Ausführung der obszönen Geste in der Szene des „Thomasretabels“ gedeutet werden – hier würde sie sich nicht auf das Alter beziehen, sondern könnte das Unverständnis der Heiden für das monastische Ideal der Keuschheit ausdrücken. Wenn auch die Verspottung des hl. Thomas auf einer Textquelle basiert, ist die Ergänzung um die obszöne Geste eine eigenständige Erfindung des Bildes. Emblematische Gesten kommen als Motive, die einen komplexen Sinn komprimiert zu einem durch den Körper dargestellten Symbol ausdrücken, den Fähigkeiten des Mediums Bild entgegen. Sie fungieren ausschließlich über die visuelle Wahrnehmung des Opfers und Zuschauers/Betrachters, so dass sie als dargestellte Gesten unmittelbar wirken. Da sie der Lebenswirklichkeit der mittelalterlichen Betrachter entlehnt sind, diese also den Sinn des Zeichens verstehen, erschließt sich ihnen sogleich die erniedrigende Bedeutung. Daneben tragen sie zur Stigmatisierung der Christenfeinde bei: Das durch den Körper geäußerte obszöne Zeichen entspricht der moralischen Hässlichkeit ihrer Seele.

1072 Das Abschlagen des Schweifes als schmählicher Akt ist bereits vielfach in der Literatur zum „Thomasretabel“ behandelt worden; die obszöne Geste, für die der Schweif im Bild verwendet wird – die eigentliche Invention Meister Franckes – fand hingegen nur andeutungsweise Erwähnung bei Sitt (o. J.), S. 7. 1073 Zitiert nach Martens 1929, Bd. 1, S. 29. Vgl. Leppien 1992, S. 8. 1074 Martens 1929, Bd. 1, S. 29. 1075 Ebd. 1076 Siehe dazu auch oben, Abschnitt IV.2.7. 1077 Schwerhoff 1996, S. 279.

220 Beleidigungen

4 Ergebnisse Wenn beleidigende emblematische Gesten in der Märtyrerikonographie trotz ihrer hohen visuellen Wirksamkeit kaum vorkommen, müssen hierfür Gründe vorliegen. Ebenso wie das weitgehende Fehlen von Schmerzäußerungen und mitleidenden Identifikationsfiguren verweist dieser Bildbefund auf die Funktion der Martyrienbilder, die sich von derjenigen der Passionsdarstellungen grundlegend unterscheidet: Die Passion Christi sollte im späten Mittelalter vor allem mit compassio betrachtet werden. Die Größe des Leidens Jesu war ein Zeichen der unermesslichen Liebe Gottes zu den Menschen, was auch durch die Gleichsetzung von Seitenwunde und Herz als pars-pro-toto-Zeichen deutlich wird. Dieser Akt der Liebe war aber erst durch die Sündhaftigkeit der Menschen notwendig geworden und so ist das Empfangen und Spenden von Liebe immer auch mit dem eigenen Schuldbewusstsein verbunden sowie mit der Angst vor dem jenseitigen Schicksal. Die diesseitige Tortur der Märtyrer hingegen ist – was zunächst widersprüchlich erscheinen mag – eher als Heilsversprechen zu verstehen. Darüber hinaus werden die Widrigkeiten des irdischen Lebens gerade durch ihre Verbildlichung heruntergespielt: Im Gegensatz zur ewigen Schönheit des jenseitigen Heils sind sie schließlich nur von kurzer Dauer.

VII Die Inszenierung der Gewalt im Medium des Flügelretabels – drei Fallbeispiele

Bei der Betrachtung einzelner Motive bzw. Aspekte der Passions- und Martyriendarstellungen in den Kapiteln IV bis VI trat der Werkzusammenhang, aus dem die Darstellungen stammen, in den Hintergrund. Die Gewaltszenen aus der Tafelmalerei des späten 14. bis frühen 16. Jahrhunderts stammen in der Regel von Flügelretabeln – einem Medium, das spezifische Möglichkeiten der Gewaltinszenierung sowohl innerhalb seines Bildprogramms als auch des Kirchenraums besitzt. Die Bildprogramme betreffend lassen sich in der Kombination szenischer Darstellungen zwei Haupttypen benennen: Erstens der in sich geschlossene, narrative Zyklus, wie er aus dem späten Mittelalter vor allem in Gestalt von Leben-Jesu- oder Passionszyklen, aber auch von Heiligenviten überliefert ist; zweitens die Reihung und Juxtaposition von Szenen aus verschiedenen Erzählkontexten. Als Unterschiede der Malerei auf Flügelretabeln oder auch Altartafeln gegenüber der Glasmalerei wurden bereits die relative Nähe, gegenüber der Buchmalerei das Format und der öffentliche Charakter hervorgehoben. Charakteristisch ist daneben die Einbeziehung in die Predigt und Liturgie, unter anderem durch das Schließen und Öffnen der Flügel.1078 Im Folgenden sollen drei Flügelretabel und vielmehr einzelne Wandlungen dieser analysiert werden, in denen das Gewaltmotiv jeweils eine auffallende Dominanz besitzt. Das „Weltgerichtsretabel“ Stefan Lochners (um 1435) präsentiert im geöffneten Zustand auf den Flügelinnenseiten einen Apostelmartyrienzyklus, der das Mittelbild mit dem Weltgericht flankiert; Gewaltaktionen gegen die Heiligen stehen neben den Bestrafungen der Sünder in Fegefeuer und Hölle. Das „Breslauer Barbararetabel“ (1447) zeigt in der ersten Wandlung einen Passionszyklus, im vollständig geöffneten Zustand eine Barbara-Vita; zwischen den beiden Wandlungen lassen sich vielfältige Bezüge feststellen. Das „Rosenkranzretabel“ aus St. Jakobi in Einbeck (um 1500) präsentiert in der ersten Wandlung einen von Hans von Geismar geschaffenen Bartholomäus-Zyklus, bestehend aus vier großformatigen Szenen, von denen drei das Martyrium behandeln.

1078 Die Frage, wer wann die Flügel öffnete und schloss, kann aufgrund der Quellenlage nicht befriedigend geklärt werden. Reudenbach 1999, S. 32; weiterführend jüngst Rimmele 2010.

222  Die Inszenierung der Gewalt

1 Stefan Lochners „Weltgerichtsretabel“ – Wiederholung und Variation der Gewalt Stefan Lochners um 1435 entstandenes „Weltgerichtsretabel“ (Farbabb. 10 a) zeigte vor seiner Zerlegung im geöffneten Zustand auf den Flügeln einen Apostelmartyrienzyklus (Frankfurt a. M., Städel) und auf der Mitteltafel ein Jüngstes Gericht (Köln, WRM).1079 Die Darstellungen der Flügelinnenseiten sind ein frühes und qualitativ herausragendes Beispiel für einen Martyrienzyklus in der Tafelmalerei. Auf zwölf Bildfeldern sind die Martyrien von 13 Aposteln1080 gezeigt, namentlich von Petrus, Paulus, Andreas, Johannes, Jakobus d. Ä., Bartholomäus, Thomas, Philippus, Jakobus Minor, Matthäus, Simon und Judas Thaddäus (in einem Bildfeld) sowie Matthias. Bei einem Martyrienzyklus, wie er mit den „Apostelmartyrien“ von Stefan Lochners „Weltgerichtsretabel“ vorliegt, wird das Motiv des Bekennertodes in serieller Aneinanderreihung präsentiert. Martyrienzyklen unterscheiden sich grundlegend von der narrativen Struktur bildlicher Leben-Jesu- bzw. Passionszyklen oder bildlichen Heiligenviten. Die Einzelszenen sind nicht durch die übergeordnete Erzählung, sondern durch das Motiv der Gewalt im thematischen Kontext des Martyriums miteinander verbunden. Der Zyklus ist gekennzeichnet durch die Wiederholung und Variation des Gewaltmotivs. Vergleichbare Bildprogramme, in denen ein ähnliches Motiv derart oft und ungebrochen wiederholt wird, sind nicht bekannt. Im Martyrienzyklus entsprechen sich Form und Inhalt, denn das Martyrium selbst ist durch Wiederholung gekennzeichnet: Zunächst wird das Urbild, die Passion Christi, nachgeahmt, dann immer wieder reproduziert. Das Martyrium tradiert sich selbst und führt zu einer nicht endenden Serie von Martyrien. Die Gattung der Hagiographie ist insgesamt durch Wiederholung gekennzeichnet:1081 Die Erzählung vom Martyrium bezieht sich auf den Passionsbericht der Evangelien. Innerhalb der Heiligenvita kommt es zur Wiederholung des Gewaltmotivs, da Folter und Hinrichtungsversuche vereitelt und daher immer wieder neue Gewaltaktionen provoziert werden. Die Leben der Heiligen sind Wiederholungen voneinander oder sogar Plagiate. Dadurch kommt den kleinen Unterschieden große Bedeutung zu, unter anderem: Auf welche Weise wurde der jeweilige Heilige gemartert und umgebracht? Die Struktur der Viten bleibt jedoch gleich. Durch die serielle Aneinanderreihung von Szenen des Martyriums hingegen wird die Individualität des einzelnen Heiligen betont, während er sich in die Gemeinschaft des Leidens einreiht. Dem Bildprogramm ‚Martyrienzyklus‘ wurde bisher wenig Beachtung geschenkt, da nicht allzu viele Ausführungen erhalten sind. Mehr Beispiele als aus dem Bereich der Tafel

1079 Die Flügelaußenseiten mit sechs gemalten Heiligenfiguren und zwei Stiftern befinden sich heute in der Alten Pinakothek in München. 1080 Die Zahl von 13 Aposteln ergibt sich aus der Einziehung des Paulus, der nicht von Jesus zum Apostel berufen wurde, und ohne dass zu seinen Gunsten ein weniger wichtiger Apostel wie z. B. Judas Thaddäus oder Matthias weggelassen worden wäre. 1081 Dazu Hahn 2001, S. 40 ff.

Stefan Lochners „Weltgerichtsretabel“  223

malerei sind aus der Buch-, der Wand- und der Glasmalerei überliefert.1082 In der Tafelmalerei sind in der Folge Lochners einige Martyrienzyklen entstanden.1083 Keines der Beispiele aber übertrifft Lochners „Apostelmartyrien“ hinsichtlich der durch innovative Bildlösungen sowie die künstlerische Umsetzung erreichten Qualität. Zudem ist die Kombination mit dem Weltgericht hervorzuheben, gerade auch bezogen auf die kompositionsübergreifende Inszenierung der Gewaltmotive.1084 Durch die Zusammenstellung der Martyrien und der dargestellten Bestrafungen der Verdammten in Fegefeuer und Hölle präsentiert das Triptychon das Motiv der Gewalt in kaum zu überbietender Konzentration.1085 Im Folgenden soll besonders auf die Bedeutung formaler Kriterien hinsichtlich der Bildwirkung eingegangen werden, der im Hinblick auf Gewaltdarstellungen in der Forschungsliteratur bislang kaum Aufmerksamkeit geschenkt worden ist. Dabei ist es die Form, durch die sich das Bild in seiner Ausdrucksfähigkeit vom Text unterscheidet. Zu ihr zählen das Bildmedium, der Bildausschnitt, die Komposition (im Falle des gemalten Bildes einmal auf der zweidimensionalen Fläche und einmal im imaginären dreidimensionalen Bildraum), in der Fläche durch Motive und Komposition entstehende Formen, Farben, Technik sowie übergreifend der Stil. Eine Methode, in der all diese Elemente Beachtung finden, ist die von Max Imdahl entwickelte Ikonik, die

1082 Als frühe Vorbilder können Menologien und Kalenderikonen der Ostkirche angeführt werden. Eine Kalenderikone im Katharinenkloster auf dem Sinai beispielsweise zeigt etwa 90 Bildfelder mit knapp geschilderten Martyrien sowie einigen Einzelfiguren. Siehe von Borries-Schulten 1989 (Abb. S. 456). Nach deren Vorbild entstanden im Westen illustrierte Martyrologien und Passionale. Als frühestes illustriertes Passionale weist das dreibändige „Zwiefaltner Passionale“ (Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, Cod. bibl. 2° 56–58), entstanden um 1120–35, in seinem ersten Band vorwiegend Illustrationen von Marterszenen auf. Von Borries-Schulten, S. 455, 457. Beispiele in der Glasmalerei finden sich in: Eßlingen, Stadtpfarrkirche St. Dionys, Nordostfenster des Chores (um 1280, eingesetzt um 1330) – 26 Märtyrerscheiben in den beiden mittleren Bahnen des Lanzettfensters. Siehe Lukatis 1993, S. 70 ff.; Regensburg, Dom (um 1315). Fritzsche 1987, S. 44 ff.; Wandmalerei: Wienhausen, Nonnenchor (um 1335) – friesartiger Zyklus über dem Chorgestühl. Dazu Michler 1967; Appuhn 1986; Mohnhaupt 2000, S. 149 ff. 1083 Z. B.: Oberrheinischer Meister, fünf Tafeln eines Apostelmartyrienzyklus, um 1450; Johannes, Matthäus: Freiburg, Augustinermuseum; Bartholomäus u. Simon m. Judas Thaddäus: Vatikan, Pinacoteca Vaticana; Philippus: ehem. Breslau, heute verschollen. Meister des Winkler-Epitaphs, zehn Tafeln m. Apostelmartyrien vom ehem. „Zwölfbotenaltar“ aus Wiener-Neustadt, 1480er Jahre, Frankfurt, Städel, u. Budapest. 1084 Die Zusammengehörigkeit von Mitteltafel und Flügeln ist noch immer umstritten, obgleich schon Maße und Provenienz sowie die auf allen Tafeln zu findenden, auch im Werk Lochners singulären Unterzeichnungen dafür sprechen – ganz zu schweigen von unübersehbaren inhaltlichen und formalen Korrespondenzen. Erste Zweifel an der Zusammengehörigkeit: Troescher 1939; weiterhin Kat. Wallraf-Richartz-Museum 1990, S. 214 f. Pro Zusammengehörigkeit: Kat. Alte Pinakothek 1972, S. 197 f.; Lukatis 1991; Lukatis 1993; Kat. Städel 2002, S. 213 ff.; Chapuis 2004. 1085 Inhaltlich ist die Kombination von Martyrien und Weltgericht im Hinblick auf das Talionsprinzip durchaus sinnvoll, woraus sich auch zahlreiche formale Korrespondenzen zwischen den Figuren der Apostel und der Sünder erklären lassen. Ein Argument für die Zusammengehörigkeit findet sich der Inszenierung der Gewalt selbst, worauf im Folgenden eingegangen wird.

224  Die Inszenierung der Gewalt

„anders als die Ikonographie und Ikonologie [...] außer den wiedererkennbaren natürlich-gegenständlichen, figürlichen und dinglichen Bildwerten gerade auch formale Relationen sowie bloße Linien oder Richtungen jenseits des Sinns aller gegenständlichen Trägerschaften“1086

berücksichtigt.1087 Mit der Ikonik geraten so gerade die Aspekte des Mediums in den Blick, die spezifisch bildlich sind. Die Methode ist dabei jedoch nicht radikal formalistisch und gegenstandsindifferent, da sie an die Ergebnisse einer ikonographisch-ikonologischen Untersuchung anschließt.1088 Erst mit der Form kann sich das volle Wirkungspotential des Gewaltmotivs entfalten. Das Motiv selbst, so grausig es auch sein mag, wirkt auf den Betrachter erst mittelbar nach dem Erkennen und Verarbeiten der bildlichen Information. Die Form aber gibt unmittelbare Signale, die auf die Bedeutung des Dargestellten hinweisen können. In der bisherigen Analyse verschiedener Gewaltmotive oder bestimmter Aspekte der Gewaltdarstellung wurden formale Kriterien hinsichtlich der Bildwirkung immer wieder gewürdigt, so zum Beispiel in Bezug auf die „Worcester-Kreuztragung“.1089 Hervorzuheben an Lochners Darstellungen ist ihre malerische Qualität. Vor allem die Charakterisierung der Peiniger verleiht der Darstellung eine besondere Intensität. Deutlich herausgearbeitet ist der Unterschied zwischen der Gruppe der Obrigkeit und der des niederen Volkes. Die Vertreter der weltlichen und geistlichen Obrigkeit sind äußerst aufwändig und kostbar gekleidet und stehen somit im Kontrast zu den Aposteln, die in schlichte, in gedeckten Farben gehaltene Gewänder gehüllt sind; die Christenfeinde werden durch ihr Kostüm in Verbindung mit der Todsünde der Hoffart gebracht. Das niedere Volk – Henker, Schergen, Soldaten u. Ä. – ist als derbe und affektgeleitet charakterisiert, in bunter, körperbetonter, modischer, aber oft auch in zerschlissener Kleidung und mit unkontrollierter Mimik und Gestik. Lochner stellt sie jedoch nicht, wie in der deutschen Malerei ab etwa 1450 verbreitet, fast karikaturistisch, mit stark übertriebener Mimik und Gestik dar. Die Christenfeinde erscheinen individuell und naturalistisch, wodurch die Gewalthandlungen umso bedrohlicher auf den Betrachter wirken. Deutlich kommen dadurch jedoch auch die Tugendhaftigkeit der Apostel und die Stärke, die ihr fester Glaube ihnen verleiht, zum Ausdruck. Eine Besonderheit hinsichtlich der Gewaltinszenierung stellt die durchdachte, flügelübergreifende Komposition dar, die zur Steigerung des Gewalteindrucks beiträgt. Der Betrachterblick wird sich zunächst auf die große Szene der Mitteltafel konzentrieren und sich dann den beiden Flügeln zuwenden. Die Bildfelder der linken Flügelinnenseite sind bestimmt von ausgewogenen Dreieckskompositionen, die trotz des Gewaltgeschehens einen gewissen Eindruck von Harmonie vermitteln. Gestik und Mimik der Peiniger sind verhalten. Unter den sechs Bildfeldern dieser Seite nimmt das letzte unten rechts eine Sonderstellung ein. Es han1086 Imdahl 1979, S. 432. 1087 Vgl. dazu ebd. und Imdahl 1980. Zu Gemeinsamkeiten mit und Unterschieden zu Sedlmayrs Strukturanalyse siehe ebd., S. 99 ff. Imdahls Untersuchung von Giottos Fresken in der Arena-Kapelle in Padua macht deutlich, wie die Methode gerade auch hinsichtlich der Analyse der Gewaltvisualisierung nützlich sein kann. Siehe Imdahl 1979, S. 433 ff. 1088 Brassat/Kohle 2003. 1089 Siehe oben, Abschnitt IV.2.1.

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delt sich um das durch die Exzeptionalität der Methode grausigste Motiv des Zyklus, die Schindung des Apostels Bartholomäus (Farbabb. 10 c). Die Peiniger sind eifrig am Werk und, wie der Scherge mit dem Messer im Mund, als besonders brutal charakterisiert. Diese Szene bereitet auf die Darstellungen der rechten Flügelinnenseite vor, die gegenüber der linken Seite von einer Steigerung des Gewalteindrucks durch die Komposition innerhalb der einzelnen Bildfelder gekennzeichnet ist: Diese sind formal weniger ausgewogen als auf der linken Seite, es herrschen dynamische, diagonale Linien vor. Die Heiligen, die größtenteils bereits zu Boden gegangen sind, werden gleichzeitig von mehreren, äußerst brutal agierenden Peinigern attackiert. In der ersten Szene (Farbabb. 10 d) ist der Bauch des Apostels Thomas bereits von einer Lanze durchbohrt und sein Hals von einem Schwert durchstochen worden; obgleich dies schon zu seinem Tod geführt haben sollte, holt ein weiterer Scherge gerade zum Schlag mit einem Knüppel aus. Die ausladenden Bewegungen und die zügellose Mimik lassen den Eindruck von unkontrolliertem Morden im Gegensatz zu den von der Obrigkeit gelenkten Gewaltakten des linken Flügels entstehen. Die Arme der Christenfeinde sind durch den Gebrauch von Waffen  – Knüppel, Lanzen, Schwerter, Steine usw.  – bewegt. Durch das Zusammentreffen von gestreckten Gliedmaßen und länglichen Marterwerkzeugen kommt es in der Flächenkomposition ständig zur Kollision von Linien, wodurch der Eindruck der Drastik noch gesteigert wird. Diese Steigerung der Drastik auf der rechten Flügelinnenseite steht mit dem Programm der Mitteltafel im Einklang: Auf deren rechter Hälfte sind Fegefeuer und Hölle dargestellt, die Bestrafungen der Sünder werden hier eindringlich gezeigt. Als Opfer von Gewalt besteht also eine Parallele zwischen den Märtyrern und den Sündern – der moralische Unterschied zwischen ihnen wird jedoch umso deutlicher herausgestellt: Die Sünder schreien und scheinen unvorstellbare Schmerzen zu haben. Die Apostel – und dies wird durch die expressive Mimik ihrer Peiniger und der Sünder noch offensichtlicher – ertragen ihre Schmerzen würdevoll und blicken ihrem irdischen Ende voller Gelassenheit entgegen. Ihre Qualen sind diesseitig und im Verhältnis zur Ewigkeit des jenseitigen Heils gering und kurz. Die Schmerzen der Sünder hingegen sind jenseitig und von ungewisser oder sogar ewiger Dauer. Zwischen den Darstellungen der Apostel und der Sünder sind konkrete formale und motivische Analogien festzustellen, die als Argumente für die immer noch umstrittene Zusammengehörigkeit von Flügeln und Mitteltafel herangezogen werden können. Es seien hier nur zwei Beispiele genannt: Der gerade aus seinem Grab auferstehende Jüngling links im Vordergrund der Mitteltafel, um den sich zwei Engel und zwei Dämonen noch streiten, korrespondiert mit der Figur des hl. Bartholomäus im links angrenzenden Bildfeld: Beide präsentieren dem Betrachter ihren sorgfältig ausgearbeiteten Rücken einschließlich des entblößten Gesäßes und drehen ihren Kopf über die rechte Schulter nach hinten, so dass ihr Gesicht im verlorenen Profil zu sehen ist. Die Darstellung des entblößten männlichen Gesäßes war im Mittelalter überaus selten, insbesondere bei positiv besetzten Figuren. Im Vordergrund der Weltgerichtstafel, etwa auf der Mittelachse, ist prominent ein dicklicher, nackter Mann dargestellt, der, auf dem Rücken liegend, von einem Dämonen in Richtung Hölle geschleift wird, während er in seiner linken Hand einen aufgeplatzten Sack, aus dem Goldmünzen quellen, hält. Auf gleicher Höhe zeigt die rechts auf dem Flügel angrenzende Szene das Martyrium der hll. Simon und Judas Thaddäus, wobei Letzterer – von seinen Peinigern zu Boden

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gebracht – in ähnlicher Pose auf dem Boden liegt wie der füllige Mann. Frappierend ist das Detail, dass ein Knopf seines Gewandes über dem Bauch aufgesprungen ist – ebenso wie der Goldsack des Sünders. In beiden Fällen ist keinesfalls von einer inhaltlichen Analogisierung der Personen auszugehen. Angeregt wird der Betrachter durch die Ähnlichkeiten jedoch wiederum zur Reflexion über irdisches und jenseitiges Leid, Tugendhaftigkeit und Sünde. Wiederholung und Variation des Gewaltmotivs bestimmen das Bildprogramm der Flügel­ innenseiten des „Weltgerichtsretabels“. Auch auf ein frommes Publikum, das um den himmlischen Lohn der Märtyrer wusste, muss der Anblick zunächst schockierend gewirkt haben. Durch die Darstellung der Seligen auf dem Weg zur Himmelspforte wird der Lohn des Leidens jedoch unmittelbar visualisiert. Auch der Betrachter darf diesen Lohn erwarten, wenn er in seinem irdischen Leben mit der erforderlichen Härte gegen sich selbst vorgeht. Dadurch, dass die Seligen bei ihrem Einzug ins Paradies allesamt in Rückenansicht dargestellt sind, entsteht ein Tiefensog, der dem Betrachter die Identifikation mit den Auserwählten leicht macht. Zugleich sind aber die Bestrafungen der Sünder auf der düsteren rechten Seite des Fegefeuers und der Hölle dargestellt. So wirken die Martyriumsdarstellungen auch als Aufforderung an den Betrachter, wie die Apostel ein tugendhaftes Leben zu führen, im übertragenen Sinne rufen sie also zur imitatio Christi auf.

2 Das „Breslauer Barbararetabel“ – das Heiligenleben als imitatio vitae Christi Das „Breslauer Barbararetabel“ (Mitteltafel: Warschau, Muzeum Narodowe; Flügel verschollen; Abb. Falttafel) wurde für die Begräbniskirche St. Barbara in Breslau geschaffen.1090 Von dem einstigen Polyptychon ist heute nur noch die Mitteltafel erhalten, die Darstellungen der beiden Flügelpaare sind jedoch durch Abbildungen überliefert. Das Retabel ist auf dem in der Mittelszene dargestellten Steinsockel auf das Jahr 1447 datiert. Im geschlossenen Zustand zeigte es einst die Verherrlichung Mariä. Die erste Wandlung präsentierte einen zehnszenigen Passionszyklus, wobei die Innenseiten der äußeren Flügel je vier Szenen in zwei Registern und die Außenseiten der inneren Flügel je eine große Szene, Kreuzigung und Kreuzabnahme, zeigten.1091 Auf der Mitteltafel wurde im vollständig geöffneten Zustand eine Sacra Conversazione mit den hll. Felix, Barbara und Adauctus sichtbar.1092 Links und rechts schloss sich ein ehemals zwölfszeniger Zyklus zur Vita Barbaras in zwei Registern an, von dem heute nur die vier das Mittelbild flankierenden Szenen der mittleren Tafel erhalten sind. Adam S. Labuda schrieb die Malereien des geöffneten Zustands einem oberrheinischen Anonymus zu, der den Notnamen ‚Meister des Breslauer Barbara-Altars‘ erhielt, die übrigen Darstellungen einem in Nürnberg ausgebildeten Maler, dem sogenannten Meister der Passionsfolgen.1093 Der Meister des Breslauer Barbara-Altars konnte jüngst als Schöpfer des Reta1090 Dazu Labuda 1984a. 1091 Abb. ebd., S. 25, 27. 1092 Felix und Adauctus sind ebenfalls Patrone der Barbara-Kirche. Labuda 1984b, S. 205. 1093 Labuda 1984a, S. 25.

Das „Breslauer Barbararetabel“  227

bels aus der Neisser Jakobikirche (um 1450; heute in Breslau/Polen, Muzeum Archidiecezjalne) identifiziert werden; durch Vertragsdokumente aus der Zeit von 1451–53 sind dessen Name – Wilhelm Kalteysen – und Herkunft aus Aachen belegt.1094 Das „Breslauer Barbararetabel“ kombiniert durch die Darstellungen der ersten und zweiten Wandlung ein Heiligenleben mit der Vita Christi. Dass es sich um eine intendierte Parallelisierung handelt, wird durch gegenseitige Bezugnahmen auf verschiedenen Ebenen deutlich. Die Zusammenstellung von Heiligenzyklus und Christuszyklus tritt gerade im spätmittelalterlichen Norddeutschland häufig auf, wobei der Christuszyklus anders als bei dem vorliegenden Werk meist inwändig dargestellt ist. Ein Beispiel hierfür ist das Hochaltarretabel in der St. Jacobi-Kirche in Göttingen, vollendet 1402: Der Jakobus-Zyklus des geschlossenen Zustands ist dem Christus-Zyklus der ersten Wandlung gegenübergestellt, wobei vielfältige formale, motivische und thematische Bildbezüge auffallen.1095 Auf diese Weise wird der Betrachter durch die strukturelle Angleichung der Zyklen hingelenkt: Der Jakobus-Zyklus folgt der typisch christologischen Aufteilung in Vita und Passio. Demgegenüber weist das „Breslauer Barbararetabel“ eine deutliche Fokussierung auf Szenen des Leidens, also auf Passion und Passio auf. Das Martyrium wird so als imitatio der Passion ausgewiesen. Der Aspekt der imitatio Christi ist allerdings weniger als bewusstes Streben hin zur Nachfolge durch den Heiligen zu verstehen, sondern als Verfahren, das der Hagiograph anwendet und das zur Einbindung der Heiligengeschichte in die Heilsgeschichte führt.1096 Schon die frühesten Beschreibungen christlicher Martyrien – des Stephanus, Jakobus und Polycarp – weisen die Parallelisierung mit der Christus-Vita als strukturierendes Merkmal auf.1097 Wie Bernd Mohnhaupt bemerkte, ist daher imitatio Christi, welche ein bewusstes Streben des Heiligen nach Ähnlichkeit mit Jesus meint, häufiger als imitatio vitae Christi des Hagiographen zu verstehen.1098 Im Folgenden wird der Barbara-Zyklus beschrieben, wobei an gegebener Stelle auf die Bezüge zum Passionszyklus verwiesen wird. Vorab sei die Vita der hl. Barbara in aller Kürze skizziert: Barbara war die schöne Tochter des wohlhabenden Heiden Dioscorus, der sie in einen Turm sperrte, um sie den Blicken der Männer zu entziehen.1099 Durch brieflichen Kon1094 Dazu Ausst.Kat. „Meisterwerke mittelalterlicher Kunst“ 2006, S. 85; Kapustka 2006, S. 3, Anm. 6; Wółkiewicz 2008. Für den Hinweis auf die Identifizierung des Meisters vom Breslauer Barbara-Altar danke ich Mateusz Kapustka. 1095 Dazu Möhle 2004, S. 151 ff. Vgl. auch Möhle 2005 und Reudenbach 2005 im Band zur Tagung zu dem betreffenden Flügelretabel. 1096 Mohnhaupt 2000, S. 139 ff. 1097 Buschmann 1994, S. 62 ff. 1098 Mohnhaupt 2000, S. 141. 1099 Die textliche Überlieferung der ursprünglich syrischen Barbara-Legende ist verworren. Im späten Mittelalter existierten zahlreiche Versionen nebeneinander, des Weiteren gab es andere Quellen wie Mysterienspiele, aus denen sich die bildlichen Darstellungen speisen konnten. Die wesentlichen Stationen der Vita bleiben in der Überlieferung aber gleich und unterscheiden sich nur in den Details. Labuda 1984a, S. 26 ff. Der Zyklus folgt ziemlich genau der Version des Johannes von Damaskus aus dem 8. Jh. Siehe den griechischen Text und die deutsche Zusammenfassung bei Kotter 1988, S. 249 ff. Vgl. z. B. die unterschiedlichen Versionen in Ausst.Kat. „Meister Francke“ 1969, S. 45 f.; Mills 2005, S. 112 ff.

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takt zum Kirchenvater Origenes wurde sie zum Christentum bekehrt. Sie verpflichtete sich der Keuschheit und berichtete ihrem Vater davon, der diese Entscheidung begrüßte, ohne von dem Grund dafür, ihrer Bekehrung, zu erfahren. Dioscorus gab den Bau eines Badehauses in Auftrag und ging auf Reisen. Währenddessen ordnete Barbara an, dass in das Badehaus ein drittes Fenster eingebaut werden sollte, zu Ehren der heiligen Dreifaltigkeit. 1100 So kommt es bei der Rückkehr des Vaters zum Ausbruch des Konflikts. Auf die Flucht und Gefangennahme Barbaras folgen verschiedene Foltern, Heilungswunder und schließlich der Tod durch Enthaupten sowie die Bestrafung der Peiniger. Die erste Szene des Barbara-Zyklus zeigt, wie die zum christlichen Glauben bekehrte Jungfrau dem Maurer befiehlt, dem im Bau befindlichen Badehaus zu Ehren der Trinität ein drittes Fenster hinzuzufügen. Er scheint, wie durch seine Gestik angedeutet, zunächst zu widersprechen, kommt ihrem Wunsch dann jedoch nach, was durch die Darstellung des fertigen Gebäudes in der nächsten Szene deutlich wird. In dieser Szene ist der Vater Dioscorus von seiner Reise zurückgekehrt und bemerkt die drei Fenster im Turm. Zornig blickt er seine Tochter an und ist schon im Begriff, sein Schwert aus der Scheide zu ziehen; der hinter ihm stehende, fast vollständig verdeckte Mann legt ihm beschwichtigend die linke Hand auf die Schulter und hält seine das Schwert ergreifende Hand fest. Ein weiterer Mann gestikuliert etwas unbeholfen, während Barbara und eine Begleiterin mit adäquaten Gesten den Grund für die Planänderung erklären. Die nächste Szene, in der Barbara selbst nicht dargestellt ist, zeigt Dioscorus mit seinem Gefolge vor einem Tempelbau mit zwei Götzenbildnissen, die seine Tochter während seiner Abwesenheit zerstört hat. Nun ist der Vater endgültig gegen Barbara aufgebracht – mit einem Ausdruck von Ratlosigkeit im Gesicht greift er erneut nach seinem Schwert. Im angrenzenden Bildfeld sieht man ihn mit erhobener Waffe durch die Tür in ein Gebäude gehen, in das er seine Tochter zuvor eingesperrt hat, während die eigentlich schon dem Tod geweihte Jungfrau auf wundersame Weise, gelenkt durch einen Engel, durch die Mauer flieht. Im Gegensatz zu den beiden anderen erhaltenen Szenen zum Martyrium zeichnet sich diese Szene durch ihre abweichende Farbgebung aus: Es dominiert das Weiß des Gebäudes, von dem sich das Blau von Barbaras Gewand sowie ihr Heiligenschein effektvoll abheben; die kühle, strahlende Helligkeit der Darstellung betont das Wundersame des Ereignisses. Nach der erfolgreichen Flucht Barbaras begibt sich ihr Vater auf die Suche nach ihr. In der folgenden Szene ist dargestellt, wie ein Hirte dem berittenen Dioscorus das Versteck Barbaras zwischen den Felsen weist, während im Hintergrund ein zweiter Hirte gezeigt ist, welcher der Legende zufolge die Heilige nicht verraten hatte. Mit dem Zeigefinger weist der vordere Hirte senkrecht nach oben, wo ein Stück vom Gesicht und Heiligenschein zwischen einer Felsformation sichtbar wird. Hier besteht eine Parallele zum Schicksal Christi: Für die Heilige wie für Christus bildete ein Verrat den Ausgangspunkt der Passion. Die letzte Szene des oberen Registers (Abb. 60 a) stellt den Ausgangspunkt der Tortur dar: Dioscorus zieht Barbara an den Haaren aus ihrem Versteck hervor und holt mit einem Knüppel zum Schlag aus. Die Schafe und der Hund des ‚bösen‘ Hirten haben sich indessen 1100 Nach einer Legendenversion erfährt Barbara im Anschluss daran die mystische Taufe durch Johannes d. T., weshalb das Badehaus als Symbol der Wassertaufe verstanden werden kann.

Das „Breslauer Barbararetabel“  229

zur Strafe für den Verrat in Heuschrecken verwandelt; der Hirte selbst, in Dreiviertelrückenansicht gezeigt, schaut mit gefalteten Händen, an den rechten Bildrand zurückgewichen, dem Geschehen zu. Was anhand der Schwarz-Weiß-Abbildungen, durch die die heute verlorenen Teile des Retabels überliefert sind, nicht klar wird, ist, ob hier die Legendenversion dargestellt ist, nach der sich der Hirte in Stein verwandelt hat. 1101 Durch seine anbetende Haltung und die Rückenansicht bildet der böse Hirte nun auch eine Identifikationsfigur für den Betrachter. Diese könnte die Funktion haben, den Betrachter ins Bild zu holen, ihn aber auch zur kritischen Selbstreflexion anzuregen hinsichtlich der Frage, wie er sich in der Situation verhalten hätte. Der ‚gute‘ Hirte ist im Hintergrund dargestellt, nun sitzend – möglicherweise vor Schreck über die Ergreifung Barbaras oder die Bestrafung des anderen Hirten – zu Boden gesunken. Die Grausamkeit des Vaters wird durch die idyllische, durch Flora und Fauna belebte Landschaft noch hervorgehoben. Der malträtierte, diagonal auf der Bildfläche angeordnete Körper der Heiligen beherrscht die Szene; die Bewegungsmotive kulminieren im Bereich von Barbaras Kopf und dem von ihrem Vater grob gepackten Haarschopf, wodurch seine Brutalität akzentuiert wird. Die folgenden drei Szenen (Farbabb. 37 a, Abb. 60 b–c) zeichnen sich durch äußerst grausame und blutige Folterungen der Heiligen aus. Ihre Peiniger sind durch ihr Äußeres sowie durch ihre dynamische Bewegtheit als aggressiv und grausam charakterisiert. Die Fokussierung auf das Moment der Gewalt wird jedoch, wie Labuda feststellte, durch das „höfische Ethos“ der Darstellung abgemildert.1102 Dieses manifestiert sich vor allem in der Figur des Dioscorus: Gerade im Vergleich zu Meister Franckes „Barbararetabel“ (Abb. 51 a–c) wird deutlich, dass er einen weniger rohen, eher seinem sozialen Status als wohlhabendem Heiden entsprechenden Ausdruck besitzt.1103 Indes sind die körperlichen Folgen der Gewalt bei Barbara weitaus drastischer dargestellt als bei Meister Francke: Zwar zeigt die Heilige ebenfalls keinen Schmerz, doch wirkt ihr Körper unter der Tortur angespannt und ihr Gesichtsausdruck ist weniger lieblich und fröhlich. Das erste Bildfeld des unteren Registers (Abb. 60 b) zeigt die Heilige mit bloßem Oberkörper an einem Holzgerüst aufgehängt. Ihre Haut wird von dem Schergen vorne links mit einer Eisenstange aufgerissen, gleichzeitig wird sie gegeißelt und ihre Wunden werden mit einem Tuch gerieben – der Legende ist zu entnehmen, dass es sich um ein härenes Tuch handelt, das ihre Qual vergrößern soll.1104 Neben dem Hängen und der Geißelung als motivischen Parallelen zur Passion Christi ist die Szene insbesondere zu der umseitig dargestellten Kreuzigung (Abb. b Falttafel) in Beziehung gesetzt. Die größte Wunde, die Barbara durch 1101 So Labuda 1984a, S. 35. Eindeutig gemeint ist diese Episode in dem von Labuda angeführten „Barbararetabel“ von Gonzalo Pérez (um 1420–30; Barcelona, Museu Nacional d’Art de Catalunya), der den Hirten in der Bewegung erstarrt und in Grisaille gemalt zeigt. Siehe Labuda 1984a, S. 47, Abb. 24. Hier fehlen im Gegenzug jedoch auch die in Heuschrecken verwandelten Schafe der anderen Legendenversion. 1102 Ebd., S. 45. 1103 Bemerkenswert ist, dass das Gesicht des Vaters bei Meister Francke einen milderen Ausdruck annimmt, sobald der Statthalter Marcianus erscheint. 1104 Im „Menologium“ des Metaphrastes handelt es sich um eine Decke aus Ziegenhaaren. Labuda 1984a, S. 40.

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die Eisenstange zugefügt worden ist, befindet sich an ähnlicher Stelle wie die Seitenwunde Christi; wie bei dem Gekreuzigten läuft Blut an ihrem Oberkörper herab und unter ihrem Gewand hindurch. Bei Christus läuft es schließlich mit dem Blut der Fußwunden am Kreuzesstamm hinab, bei Barbara tropft es in Rinnsalen unter dem Gewand hervor. Der vom Betrachter aus links vom Gerüst stehende Dioscorus und sein Begleiter nehmen eine sehr ähnliche Haltung ein wie der bekehrte Longinus und der Speerträger in der Kreuzigungsszene; Longinus und Dioscorus führen zudem beide ihre Hände bzw. eine Hand zum Bart.1105 Longinus war der legendarischen Überlieferung zufolge blind und wurde durch das Blut der Seitenwunde sehend; die Blindheit kann dabei als Metapher für das Nichterkennen des Messias verstanden werden, die Heilung als Erkenntnis.1106 Barbaras Vater jedoch wird nicht den wahren Glauben erkennen – dies macht die folgende Szene deutlich (Abb. 60 c), in welcher er anscheinend, um die Tortur seiner Tochter nicht sehen zu müssen, seine Augen mit der Hand abschirmt. Überliefert ist eine solche Reaktion in einem Text über die hl. Margarethe:1107 Der König, der die Tortur veranlasste, und die Anwesenden verhüllen hier ihre Augen, weil sie den Anblick der gemarterten Jungfrau nicht ertragen. Was zunächst als starke Gefühlsregung, als Zeichen von Empathie erscheint, ist aber „ein Zeichen der Verblendung derer, die nur den gemarterten Körper und die sinnenhafte Welt, nicht aber die Überlegenheit der Seele und des Glaubens an die unsichtbar mächtige Wirklichkeit des ewigen Lebens kennen“.1108 Eine alternative Deutung der Geste wäre, dass Dioscorus seine Augen vor dem hellen Feuerschein abschirmt, so wie einer der Schergen von Johannes dem Evangelisten auf dem Altarretabel der Fridolfinger Johanneskirche (Farbabb. 27). In dieser Szene hängt Barbara noch immer an einem Gerüst, jedoch einem anderen als zuvor: Es ist schmaler und Barbara ist nun nicht mehr an den Handgelenken, sondern an den Armbeugen aufgehängt, während sie mit Fackeln angesengt wird. Diese Szene korrespondiert mit derjenigen der Kreuzabnahme Christi auf der Außenseite des rechten inneren Flügels (Abb. b Falttafel): einmal durch die an das Gerüst gelehnte Leiter, des Weiteren wiederum durch die Figur des Dioscorus-Begleiters, dessen Gesicht wie das der Figur am linken Bildrand der Kreuzabnahme im Dreiviertelprofil zu sehen ist und dessen Hand ebenfalls, wenn auch in einem völlig anderen Handlungskontext, unterhalb seines Kinns nach rechts oben weist. Wie die vorherige Szene ist die Darstellung von äußerster Drastik geprägt. Dieser Eindruck wird einerseits durch die halb entblößte, malträtierte und ihren Peinigern völlig ausgelieferte Hei1105 Ein anderes, hochmittelalterliches Beispiel aus der Buchmalerei betreffend, deutet Hahn 2001, S. 117 das Berühren des Bartes als Zeichen der sexuellen Begierde, die der heidnische Richter Paschasius für die hl. Lucia verspürte. Hier ist es hingegen entsprechend der Deutung der Geste von Garnier 1989, S. 89 als Zeichen von Traurigkeit oder zumindest Nachdenklichkeit zu verstehen. 1106 Zur Entstehung und Überlieferung der Longinus-Legende sowie zur Bedeutung der Blindheit Longinus’ siehe Burdach 1938, S. 283 ff, bes. 289 ff.; Dauven-van Knippenberg 1990, bes. S. 47 ff. Im Neuen Testament kommt der Lanzenstich nur bei Joh 19,34 vor. 1107 Jauß 1968, S. 162, ohne Quellenangabe – gemeint ist wohl die Schilderung im „Passional“: „Olybrius der valsche man / enmochte nicht wol gesen / daz leit, daz an ir was geschen. / den mantel er vor die ougen zoch / hiemite er von dem wege vloch / und barc vor den noten sich.“ Zitiert bei Tiedemann 1909, S. 147. 1108 Jauß 1968, S. 162.

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lige, andererseits durch die Charakterisierung der Peiniger selbst erzeugt. Durch ihre Physiognomie und Kleidung wirken sie roh, in ihrer Aktion mit den jeweiligen Waffen – Eisenhaken, Geißeln, Fackeln  – sind sie als überaus brutal gekennzeichnet. In der Szene der Feuerpein weisen auf dem Boden liegende Ruten auf vergangene Qualen hin – die zahlreichen abgebrochenen Äste lassen darauf schließen, dass sie bereits verwendet worden sind. Das Motiv findet sich ebenfalls in der Geißelung Christi der ersten Wandlung. Das am Boden liegende Schwert hat einer der Schergen möglicherweise dort abgelegt, um freier agieren zu können; es weist zugleich auf den bevorstehenden Tod Barbaras durch die Enthauptung hin. In der folgenden Szene wird das Geschehen in einen Innenraum verlegt, was durch den gefliesten Boden angedeutet ist (Farbabb. 37 a). Barbara sitzt auf einer Bank, umringt von drei Schergen, ihrem Vater und dessen Begleiter. Durch die Figurenkonstellation wird der Eindruck von Bedrängnis vermittelt – viel stärker als zum Beispiel bei der gleichen Szene von Meister Franckes „Barbararetabel“ (Abb. 51 b), bei der je rechts und links ein Scherge neben Barbara steht, während der Vater und seine Begleiter am Bildrand dargestellt sind. Die Schergen des „Breslauer Barbararetabels“ sind mit unterschiedlichen Aktionen beschäftigt: Derjenige, der hinter der Heiligen steht, fesselt sie entweder gerade oder hält sie an den Seilen fest. Der Scherge auf der rechten Seite umfasst Barbaras linke Brust mit seiner linken Hand und setzt mit der Rechten von oben ein Messer an. Der linke Scherge, sich mit dem linken Knie auf der Bank abstützend, hält Barbara am Kopf fest und holt mit der anderen Hand zum Schlag mit einem Hammer aus – vermutlich nicht zum ersten Mal, denn von Barbaras Haupt fließt Blut über ihr Gesicht.1109 Dioscorus hebt seine rechte Hand zu einem Redegestus  – möglicherweise soll angedeutet werden, dass er Rechtfertigungen für die Behandlung seiner Tochter hervorbringt. Eine besondere Rolle hinsichtlich der Bildwirkung besitzt in dieser Szene die Gestaltung des Fliesenbodens. Dieser weist nicht nur darauf hin, dass sich das Geschehen im Gegensatz zu allen übrigen Szenen in einem Innenraum abspielt, er stellt deutlich eine Beziehung zum Passionszyklus der ersten Wandlung her: Die Geißelung und die Dornenkrönung (Abb. b Falttafel, Abb. 60 d) dort fallen ebenfalls durch auffällige Bodengestaltungen auf, die wiederum, der ikonographischen Tradition entsprechend, einen Innenraum als Ort des Geschehens angeben. Zur Szene der Dornenkrönung besteht des Weiteren die Parallele, dass Barbara wie Jesus sitzend gezeigt ist, was für die Darstellung der Brust­abschneidung sehr ungewöhnlich ist. Wie Christus ist Barbara von drei Schergen umzingelt und genau wie ihm läuft ihr von der Schädelkalotte aus Blut über das Gesicht. Das Motiv des Hammers lässt sich wohl auch daraus erklären, dass eine deutliche Parallele zwischen der Pein Barbaras und Christi hergestellt werden sollte. Mehr als in der Szene der Geißelung besitzt die formale Gestaltung des Fußbodens in der Szene der Dornenkrönung und der Brustabschneidung eine besondere Funktion. Bei der Dornenkrönung ist jede der quadratischen Fliesen diagonal geteilt  – die eine Hälfte ist schwarz, die andere weiß. Die Fliesen erhalten dadurch einen quasi ‚aggressiven‘ Charakter. Die einzelnen schwarzen Dreiecke weisen mit ihren Spitzen auf Christus bzw. auf den 1109 Das Motiv in der Legendenversion des Johannes von Damaskus. Siehe den griechischen Text und die deutsche Zusammenfassung bei Kotter 1988, S. 249 ff., hier 251.

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Betrachter und bewirken so durch die formale Gestaltung eine Steigerung der Bedrohlichkeit des Gewaltgeschehens für das betrachtende Subjekt. Daneben greifen sie formal das Motiv der sich kreuzförmig überschneidenden und so Dreiecke formenden Stangen, die zum Herunterpressen der Dornenkrone verwendet werden, auf. In der Szene der Brustabschneidung ist die Fußbodengestaltung auf einer Breite, die etwa der Bank, auf der Barbara sitzt, entspricht, von derjenigen am linken und rechten Bildrand abgesetzt. Es entsteht ein Muster aus abwechselnd schwarzen und weißen Zacken in acht Bahnen nebeneinander, die allesamt in die Bildtiefe und somit auf Barbara zeigen. Das pfeilartige Motiv korrespondiert daneben mit der Spitze des Messers, das der Scherge gerade oberhalb von Barbaras Brust angesetzt hat. Die rein formale Gestaltung lässt die gegen die Heilige ausgeübte Gewalt noch drastischer erscheinen und trägt somit zur Steigerung des Gewalteindrucks bei. Dass all die grausamen Torturen erfolglos geblieben sind, macht die folgende Szene deutlich (Farbabb. 37 b): Barbara ist nicht nur noch am Leben, sondern äußerlich gänzlich unversehrt. Wieder im Freien, vor dem Hintergrund einer Architektur, wird die Heilige, die ihre Hände zum Gebet gefaltet hat, noch immer halb entblößt an den Füßen von einem Handlanger ihres Vaters zu Pferd durch die Straßen geschleift. Von oben jedoch kommt ein Engel mit einem Tuch herabgeschwebt, mit dem er Barbara zudecken und so vor der öffentlichen Bloßstellung bewahren wird. In dieser Szene steht der Aspekt der Entblößung als Element einer intendierten Demütigung deutlich im Vordergrund. Betont wird dies durch die im Hintergrund dargestellte Stadtarchitektur, durch deren Tür- und Fensteröffnungen zahlreiche Figuren dem Geschehen als Gaffer folgen. Der Betrachter ist diesen Figuren gegenübergestellt und gerät so selbst in die Rolle des Voyeurs. Andere Darstellungen dieser Szene machen dies noch deutlicher: Auch beim „Barbararetabel“ des Meisters von St. Korbinian (Abb. 48) und dem Bernt Notke zugeschriebenen Danziger „Barbararetabel“ (Abb. 47) kommen die aus Fenstern blickenden Gaffer vor. Bei Letzterem wird die Heilige vollkommen entblößt durch die Straßen zum Richtplatz getrieben, wobei ihre Scham lediglich mit einem transparenten Tuch verhüllt ist. Der Engel, bepackt mit einem schweren Brokatstoff, ist indes erst im Anflug. Mit den Szenen der Geißelung, des Brennens, der Brustabschneidung und der Schleifung reihen sich beim „Breslauer Barbararetabel“ vier Bildfelder, die die Heilige mit entblößtem Oberkörper zeigen, aneinander. Gerade die Szene der Schleifung thematisiert die öffentliche Entblößung und lässt den Betrachter in die Rolle des Voyeurs schlüpfen. Tertullian äußerte im „Liber de Virginibus Velandis“, dass jede öffentliche Zurschaustellung einer ehrbaren Jungfrau für diese wie eine Vergewaltigung sei.1110 Ist dies ein Hinweis auf eine erotische Aufgeladenheit der Darstellungen, wie sie beispielsweise das „Breslauer Barbararetabel“ zeigt? Nein, denn jegliche körperliche Schönheit, auch wenn sie durch die Entblößung offenbar wird, ist letztlich nur als Zeichen innerer Tugend zu verstehen. Damit führt die Nacktheit der Märtyrerinnen nur zu größerer Anteilnahme des Betrachters bzw., unter der Voraussetzung der Schmerzlosigkeit, zur stärkeren Bewunderung ihrer Standhaftigkeit. Das Motiv der Gaffer in der Schleifungsszene verdeutlicht, welche Rezeptionshaltung der Betrachter einnehmen soll: Indem er Gefahr läuft, selbst ein Voyeur zu sein, kann er seine eigene Einstel1110 Mills 2005, S. 115.

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lung und seinen Blick auf das Dargestellte überprüfen und gegebenenfalls korrigieren. Denn nicht auf die sinnenhafte Welt soll er seinen Blick richten, sondern – wie Longinus und anders als Barbaras Vater – die verborgene Schönheit und Wahrheit des christlichen Glaubens mit den ‚Augen des Herzens‘1111 erkennen. Im Vergleich zum Barbara-Zyklus Meister Franckes und zum „Danziger Barbararetabel“ sind die Darstellungen des „Breslauer Barbararetabels“ durch die drastische Darstellung der körperlichen Folgen der Tortur gekennzeichnet. Es fließt reichlich Blut, wodurch eine Angleichung an Jesus des umseitigen Passionszyklus stattfindet. Durch die Kombination von Martyriums- und Passionszyklus wird, so Labuda, auf die Bluttaufe als höchste Form der Nachahmung Christi hingewiesen.1112 Auch die Entblößtheit Barbaras erschließt sich dadurch als Hinweis auf die Christusähnlichkeit der Jungfrau in ihrem Martyrium. So wie die Entblößtheit Jesu im späten Mittelalter als wesentlicher Bestandteil seines unermesslichen Leids begriffen wurde, steht die Nacktheit der Märtyrerin für die Schwere der zugefügten Demütigungen, die sie jedoch würdevoll erträgt. Die nächste Szene markiert das Ende der Tortur: Barbara kniet betend in der Bildmitte, hinter ihr schwingt der Vater das Schwert zum tödlichen Streich. Am linken Bildrand stehen drei Gefährtinnen der Heiligen und bezeugen das Geschehen. Im Gegensatz zu den Marien und Johannes bei der Kreuzigung und Grablegung Jesu zeugt ihre Mimik weniger von Trauer. Den Abschluss des Zyklus bildet eine Darstellung von Dioscorus, seinem Gefolge und den Schergen, die für ihre Taten mit dem Tod bestraft werden. Die letzte Szene des Barbara-Zyklus ist durch die Abwesenheit der Heiligen gekennzeichnet – ebenso wie die letzte Szene des Passionszyklus, die die Himmelfahrt darstellt, durch die Abwesenheit Jesu. Hier sind nur noch die gen Himmel strebenden Füße und die Fußabdrücke im Fels zu sehen, während in der Bestrafungsszene des Barbara-Zyklus die Präsenz Gottes durch den Feuerregen sichtbar wird.

Exkurs: Zur Funktion der Hagiographie Durch die Parallelisierung der Passion Christi und des Martyriums der hl. Barbara im Falle des „Breslauer Barbararetabels“ wird eine generelle Funktion der Hagiographie deutlich: Nur durch sie wird die Zeit der Heiligen, also die Zeitspanne seit der Auferstehung einschließlich der mittelalterlichen Gegenwart, überhaupt in die Heilsgeschichte einbezogen. Noch im Geschichtsverständnis des Augustinus war die Epoche, die wir heute als Mittelalter bezeichnen, aufgrund der Erwartung der baldigen Parusie gar nicht vorgesehen – der Zustand sub gratia sollte über das Leben Jesu auf Erden andauern, bis zum Ende der Welt.1113 Die Verzögerung der Parusie machte es jedoch zunehmend schwierig, die Gegenwart als Zeit des Heils wahrzunehmen. Die Zeit der Heiligen ist die Phase der Abwesenheit Gottes auf Erden und des Wartens auf das Jüngste Gericht. Die Existenz Gottes ist nur durch die Heiligen als Medium wahr1111 Vgl. oben, Anm. 5. 1112 Labuda 1984a, S. 41. 1113 Mohnhaupt 2000, S. 148.

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nehmbar: durch ihr tugendhaftes Leben, die von ihnen gewirkten Wunder und die Gnade ihres Martyriums. Die Darstellungen des Heiligenlebens erinnerte einerseits als imitatio an Christus und rief die Gläubigen andererseits, in Erwartung des Jüngsten Gerichts, selbst zu imitatio – in Form eines tugendhaften, gottgefälligen Lebens – auf. Nach ihrem Tod fungierten die Heiligen – vor allem durch ihre auf Erden zurückgebliebenen Reliquien – als Vermittler zwischen den Menschen und Gott und waren damit Träger der Hoffnung auf das zukünftige Heil. Die Beschreibungen und Bilder der Martyrien wirkten gleichsam wie ein Versprechen – das Versprechen vom nahenden Weltgericht und von der Belohnung der Seligen durch das ewige Leben. Obgleich im hohen und späten Mittelalter die Möglichkeit, selbst ein Martyrium zu erleiden, nur mehr in geringem Maße gegeben war, konnten die Gläubigen in den Berichten von den Heiligen und ihren Konflikten mit der heidnischen Welt ihr eigenes Leben mit den alltäglichen Widrigkeiten und Niedrigkeiten – so wie im späten Mittelalter zum Beispiel der ständigen Bedrohung durch den Schwarzen Tod – wiedererkennen. Durch die Parallelisierung der Leben Jesu und der Heiligen wird die Hagiographie und damit die Gegenwart als Teil der Heilsgeschichte vermittelt. Stationen im Leben der Heiligen wie das Martyrium können somit als Postfigurationen bezeichnet werden.1114 Das Verhältnis des Heiligen zu Christus ist dabei der präfigurativen Beziehung gegenüber reziprok: Der Heilige geht Christus nicht voraus, sondern folgt ihm nach, er stellt keine Erhöhung des Vorausgegangenen dar, wie etwa Christus gegenüber Adam.1115 Die typologische Beziehung zwischen der Hagiographie und dem Neuen Testament unterscheidet sich von derjenigen zwischen Altem und Neuem Testament durch einen weniger freien Umgang aufgrund der Unantastbarkeit der Christus-Vita. Häufig wirken die Bezüge daher schematisch, wenn zum Beispiel Motive aus dem Leben Jesu in der Hagiographie nur reproduziert werden.1116 Unter diesen Voraussetzungen erlangte die Hagiographie eine neuartige Funktion.1117 Sie nahm einerseits Bezug auf das niedrige Leben in der Gegenwart, funktionierte andererseits in eskapistischer Weise.1118 Die eskapistische Wirkungsweise der Hagiographie in Bild und Text vollzieht sich nicht unmittelbar in der reinen Anschauung, sondern nur mittelbar. Die Schönheit des christlichen Glaubens wird im Bild durch das äußerlich Niedrige verkörpert. So zeigen mittelalterliche Bilder der Martyrien die körperlichen Torturen anschaulich, nicht aber den daraus resultierenden himmlischen Lohn. Dabei liegt hierin die positive Bedeutung, die der gläu1114 Die Bezeichnung der Heiligenleben als Postfigurationen erstmals bei Schulmeister 1971, S. 73 ff.; ausgeführt und bezogen auf die bildende Kunst bei Mohnhaupt 2000, S. 139 ff. 1115 Schulmeister 1971, S. 73; Mohnhaupt 2000, S. 145. Vgl. dagegen die Kritik von Ohly 1988, S. 38: „Der abwegige, für eine historische oder legendäre Nachfolge Christi [...] unglücklich erfundene, weil eine Steigerung Christi implizierende Begriff der Postfiguration [...] sollte endgültig begraben werden.“ 1116 Mohnhaupt 2000, S. 146. 1117 Einhergehend mit einer neuen Bewertung des Martyriums, dessen Bedeutung mit der Parusieve­ rzögerung nicht mehr vorrangig im Bekenntnis, sondern in der imitatio durch das Leiden selbst lag. Siehe Lohse 1955, S. 203 ff. 1118 Mohnhaupt 2000, S. 149.

Der Bartholomäus-Zyklus des Hans von Geismar  235

bige Betrachter aus den grausigen Bildern und Texten ziehen kann: dass auf ein von Niedrigkeiten geprägtes irdisches Leben für die Frommen im Jenseits die Belohnung des ewigen Lebens wartet. In dieser Hinsicht entsprechen die Darstellungen dem Prinzip der Religion selbst – nicht sehen und dennoch glauben1119 oder: das Hässliche sehen und an das Schöne glauben. Für das christliche Weltverständnis ist die Beziehung zu einer unsichtbaren, sich nicht unmittelbar darbietenden höheren Realität charakteristisch: „Daß die Wirklichkeit des Häßlichen nurmehr das unvollendete Gegenbild zur Transzendenz des vollendet Schönen, Wahren und Guten ist, bleibt der natürlichen Wahrnehmung entzogen und erschließt sich erst der Einsicht dessen, der im gegenwärtig Wirklichen die typologische Beziehung zum Vergangenen und Zukünftigen, zum Anfang und zum Ende der Heilsgeschichte zu erkennen vermag. [...] die Zeugnisse der christlichen Hagiographie zeigen darum eine nicht ganz aufhebbare Spannung in der Darstellung des Häßlichen und Grausigen, das durch die typologische Realität der Heilsgeschichte, durch die imitatio Christi oder durch die Idee der Gerechtigkeit Gottes (Talionsprinzip) gerechtfertigt ist [...].“1120

Die Hagiographie führt das Jenseitig-Schöne, das dem Irdisch-Hässlichen entgegengesetzt ist, nicht vor Augen, sondern fordert vom Rezipienten eine aktiv affirmative Rezeption ein. Wesentlich ist dabei dessen Imagination – von etwas, das weder die Passionsliteratur und die bildlichen Darstellungen der Passion noch die Hagiographie beschreiben, sondern nur andeuten. Die Hagiographie taugt daher kaum dazu, Ungläubige zu bekehren. Weiterhin sind spätmittelalterliche Bild-‚Erzählungen‘ keinesfalls geeignet als ‚Bücher der Analphabeten‘,1121 da das Erzählte nur vor der Hintergrund eines der Religion immanenten Prinzips verstanden werden kann, das eben nicht zur Darstellung kommt.

3 Der Bartholomäus-Zyklus des Hans von Geismar – zur Mehrdeutigkeit bildlichen ‚Erzählens‘ Im Niedersächsischen Landesmuseum befindet sich ein um 1500 für die Jakobi-Kirche in Einbeck geschaffenes Doppelflügelretabel, das im geschlossenen Zustand die Massenmartyrien der hl. Ursula und der 11.000 Jungfrauen sowie des hl. Achatius und der 10.000 Märtyrer, in der ersten Wandlung auf vier Tafeln mit je einer ganzseitigen Szene das Martyrium des hl. Bartholomäus zeigt (Farbabb. 49).1122 Im Schrein befindet sich eine Mondsichelmadonna im Rosenkranz mit vier weiteren Heiligenfiguren, die Innenseiten der inneren Flügel zeigen im Relief links die Verkündigung über der Beschneidung Christi, rechts die Geburt Jesu über der Anbetung der Könige. Hans von Geismars Bartholomäus-Zyklus stellt vier chronologisch aufeinanderfolgende Ereignisse dar, davon drei Gewaltakte aus der Vita des Apostels, wobei er dem Vorschlag von 1119 Vgl. Jauß 1968, S. 158. 1120 Ebd. 1121 Kritik an dem Diktum Gregor des Großen: Camille 1985. 1122 Siehe dazu Gmelin 1974, S. 510 ff.; Kat. Niedersächsisches Landesmuseum 1992, S. 76 ff.

236  Die Inszenierung der Gewalt

Jacobus de Voragine angesichts der heterogenen Überlieferungslage folgt: Der Heilige sei zuerst gekreuzigt, dann geschunden und schließlich enthauptet worden.1123 Auf einer Zeitachse gedacht liegen die vier dargestellten Ereignisse relativ weit auseinander, 1124 die Bild‚Erzählung‘ lässt gegenüber der Legende vieles offen. Das bedeutet, der Betrachter muss durch zuvor bereits vorhandenes Wissen – über die christliche Heilsgeschichte, die Struktur der Legenden oder die Bartholomäus-Vita im Speziellen – die zeitlichen Lücken ergänzen. Gleichzeitig kann der Bilderzyklus aber gemäß seiner eigenen medialen Eigenschaften bestimmte Aspekte der Erzählung sinnfällig machen.1125 Die erste Tafel des Bartholomäus-Zyklus thematisiert den heidnischen Götzendienst. Eine dämonisch aussehende, vollkommen schwarze Figur steht wie ein Götzenbildnis erhöht auf einer Säule, deren Kapitell die Inschrift „ASSATOT“ trägt. In der rechten Hand hält die Figur einen horizontal gefalteten, weißen Zettel, in der linken eine Fahne; ihr Oberkörper befindet sich vor der rundbogigen Fensteröffnung des dargestellten Innenraumes, die den Blick auf eine bergige Landschaft und den Himmel freigibt. Der „Legenda aurea“ zufolge kam Bartholomäus nach Indien und vertrieb dort zunächst einen bösen Geist aus einem Bildnis des Abgottes Astaroth (d. i. Assatot); einige Zeit später hieß er in einem Tempel den Teufel aus einem Bildnis auszufahren und alle Bildnisse des Tempels zu zerstören. Der Teufel war „schwärzer als der Ruß und hatte ein scharf Angesicht, sein Bart war lang und die Haare gingen ihm bis auf die Füße; seine Augen brannten wie glühend Eisen und gingen Funken daraus, und Schwefelflammen schlugen ihm aus Mund und Augen“.1126 Nachdem Bartholomäus den Teufel vertrieben hatte, bekehrten sich der König Polimius und seine Familie zum christlichen Glauben. Die erste Szene des Retabels zeigt eine Kombination aus den beiden Episoden der „Legenda aurea“, indem der leibhaftige Teufel auf der Bildnissäule des Astaroth steht. Bedeutsam sind die Blicke und Gesten der dargestellten Figuren, insbesondere hinsichtlich der Lenkung des Betrachterblicks.1127 Auffällig viele Hände konzentrieren sich unterhalb des Säulenkapitells, wobei die wundertätige Geste des Bartholomäus, der mit Zeige- und Mittelfinger in Richtung des Dämons weist, besonders hervorzuheben ist. Die Gesten und Blicke der übrigen Figuren verraten Erregtheit und Verwunderung der Heiden, die Zeugen der vorangegangenen Götzenzerstörung und der gerade stattfindenden Vertreibung des Teufels wurden. Die anschließende Tafel zeigt die Kreuzigung des Apostels. Am linken Bildrand erscheint ein berittener Mann, der dem in der ersten Szene dargestellten Polimius stark ähnelt, von diesem aber durch die Gestaltung seiner Krone und durch eine etwas hellere Haar- und Barttracht unterschieden ist. Der Legende lässt sich entnehmen, dass es sich um den Polimius feindlich gesinnten Bruder Astrages handelt, der auf Bestreben der aus dem Tempel vertrie1123 Legenda aurea (= Benz 1925, S. 628). 1124 Vgl. zur Bedeutung dieses Aspektes Kemp 1987, S. 37. 1125 Zu den Fähigkeiten des Bildes hinsichtlich des Erzählens siehe Duggan 1989, S. 243 f. 1126 Legenda aurea (= Benz 1925, S. 627). 1127 Sie bedürften einer genaueren Untersuchung, die im Rahmen dieser Arbeit nicht geleistet werden kann.

Der Bartholomäus-Zyklus des Hans von Geismar  237

benen Heiden den Apostel in seine Gewalt gebracht hat. Aus diesem Wissen heraus kann der Scherge am linken Bildrand der ersten Szene bereits als Soldat des Königs Astrages gedeutet werden. Gegenüber der Legende bedeutet dieser Personalwechsel in der Figur des Königs eine große Lücke in der Erzählung. In der Legendenversion von Jacobus de Voragine nimmt die Episode, in der es um die Bekehrung des Polimius, die Zerstörung von Götzenbildnissen und die Unbelehrbarkeit des Astrages geht, großen Raum ein, die Schilderung des Martyriums hingegen ist sehr knapp gehalten. In der Darstellung des Flügelretabels ist das Verhältnis genau umgekehrt: Nur eine Szene behandelt die Götzenthematik, drei hingegen das Martyrium. Die Episode um Götzenbildnisse, Teufelsvertreibung und Bekehrung ist stark verkürzt in einer Szene zusammengefasst. Die Lesart des Zyklus hängt davon ab, wie genau der Betrachter die Legende kennt und ob er den Identitätswechsel des dargestellten Königs bemerkt oder von der personalen Identität der beiden Königsbrüder ausgeht; in beiden Fällen erzeugt die Bilderzählung jedoch Sinn. Der weniger informierte Betrachter kann übersehen, dass es sich in der ersten und zweiten Szene nicht um den gleichen König handelt; da es Brüder sind, ist die Ähnlichkeit der beiden inhaltlich sinnvoll, nur die Krone gibt den entscheidenden Hinweis. Werden die beiden Figuren als identisch betrachtet, erscheint die erste Szene als direkte Ursache der im Folgenden dargestellten Torturen. Die beiden Figuren als unterschiedliche Personen zu erkennen, setzt eine detaillierte Kenntnis der Legende voraus; in diesem Fall wird die verkürzende Behandlung der Episode mit Polimius und Astrages verwirklicht, die größeren Leerstellen werden erkannt, können aber durch das bereits vorhandene Verständnis gefüllt werden. Die bildliche Version der Legendenerzählung ist mehrdeutig, jedoch in beiden Fällen sinnproduzierend. In der zweiten Szene nun ist der nur mit einem Lendentuch bekleidete Bartholomäus rücklings auf den Querbalken eines T-Kreuzes gebracht worden. Seine Haltung ist verdreht, er ist an Fuß- und Handgelenken an das Kreuz gebunden, die Fesseln schneiden tief in sein Fleisch. Die Quelle für diese Art der Darstellung findet sich in der „Legenda aurea“, in der Jacobus berichtet, Bartholomäus sei nach Meinung des Dorotheus mit dem Kopf nach unten gekreuzigt worden.1128 Die bildliche Umsetzung orientiert sich dabei nicht, wie man annehmen könnte, am Petrus-Martyrium, sondern an der gängigen Darstellung der mit Jesus gekreuzigten Schächer im 15. Jahrhundert in der Pose des ‚gebrochenen Rückens‘, die Assoziationen an das Radebrechen weckt.1129 Die gesamte Anlage der Szene entspricht der rückwärtigen Ansicht einer Kreuzigung, unter Weglassung der Schächerkreuze. In der Figur des Bartholomäus vereinen sich quasi Jesus und die Schächer: Dem gekreuzigten Jesus entsprechen die Zentralität und das mit einem Knoten versehene Lendentuch, den Schächern der verrenkte Körper. Die beiden Figuren vom Betrachter aus rechts im Hintergrund entsprechen dabei Longinus und der Figur, die in vielen Beispielen dessen Lanze führt – die Anlehnung an diese Personen wird auch dadurch nahegelegt, dass die linke von ihnen eine Lanze in der Hand hält, deren Spitze in auffälliger Weise am rechten Ende des Kreuzquerbalkens,

1128 Legenda aurea (= Benz 1925, S. 628). 1129 Vgl. dazu oben, Abschnitt IV.2.1, sowie konkret zu diesem Beispiel Merback 1999, S. 208 f.

238  Die Inszenierung der Gewalt

an der rechten Seite des Oberkörpers des Gekreuzigten, erscheint.1130 Der heidnische König Astrages auf seinem Pferd entspricht dem Guten Hauptmann. Die rückwärtige Ansicht der Kreuzigung verweist jedoch darauf, dass die Figuren zwar formal mit dem Personal der Kreuzigung Christi analogisiert werden, im Gegensatz zu diesen jedoch angesichts des Martyriums nicht die christliche Wahrheit erkennen. Dementsprechend geht der Blick des vorderen Schergen, der das Seil um den Kreuzesstamm bindet, demonstrativ zu Boden und die Augen der Rückenfigur links sind durch ihre Kopfbedeckung verborgen, was ein häufiges Zeichen für Unglauben (das Wahre nicht sehen) ist.1131 Der Blick des Lanzenträgers dagegen geht nach oben, wo direkt über der Lanzenspitze zwei Engel dargestellt sind – wie Longinus erkennt er möglicherweise angesichts der Kreuzigung die Wahrheit des christlichen Glaubens.1132 Der Scherge, der dem Betrachter den Rücken zukehrt, winkelt seinen linken Arm hinter seinem Rücken an, wobei er den Zeige- und Mittelfinger ausstreckt und den kleinen und den Ringfinger anwinkelt – entsprechend Bartholomäus’ Wundergeste in der vorausgehenden Szene. Die Bedeutung der Geste in dieser Szene ist unklar, aufgrund ihrer Prominenz in der Darstellung und der Ähnlichkeit zur Geste Bartholomäus’ ist sie aber sicherlich von besonderer Relevanz. Auf die Kreuzigung folgt die Szene der Schindung, die drastisch dargestellt ist. Der Apostel liegt rücklings auf einer quer in den Bildraum gestellten Schindbank. Vom Betrachter aus gesehen dahinter stehen drei mit der Schindung beschäftigte Schergen, von denen der Linke den Betrachter sadistisch grinsend anblickt. Rechts hinter ihnen steht der König mit einem Begleiter. Der König ist zwar der Schindbank zugewandt, richtet die Augen jedoch gezielt nach oben, weg von der grausigen Tortur; sein Begleiter schaut nach rechts aus dem Bildraum heraus. Wieder wird hier das nichterkennende Sehen der Heiden thematisiert: Ähnlich wie Barbaras Vater angesichts der Feuermarter des „Breslauer Barbararetabels“ kann Astrages den Anblick der grausigen Marter nicht ertragen, weil er die positive Bedeutung des Leidens nicht erkennt. Die Schindung ist in vollem Gange: Ein Teil des Oberschenkels, das Knie und ein Teil des Unterschenkels sind schon von Haut befreit. Die bereits vom Fleisch gelöste Haut wirft Falten wie ein Stück Stoff und ist von dem Lendentuch um Bartholomäus’ Hüfte kaum zu unterscheiden. Der linke Arm ist schon fast vollständig gehäutet; der vordere Scherge zieht 1130 Die frontal und in starker (nach Gmelin 1974, S. 511 „grotesker“) Verkürzung dargestellte Figur findet sich auch im Kalvarienberg des Hans Raphon (1499; Prag, Národní galerie), rechts unter dem Kreuz, nahe Longinus und dem Lanzenstützer. Hahn-Jänecke 1965, S. 132 u. Abb. S. 117. Weitere zahlreiche Parallelen verweisen auf die enge Verbindung des Hans von Geismar zu Raphon. Die Darstellung der Schächer bei Raphon entspricht indes nicht derjenigen des Bartholomäus in unserem Zyklus. 1131 Ausgehend wohl von der Darstellungstradition der Personifikation der Synagoga mit verbundenen Augen. Ein Beispiel für Longinus mit (noch) durch eine Kopfbedeckung verdeckten Augen ist ein Fresko von Barna da Siena, 1350–55, San Gimignano, Chiesa della Collegiata, (Abb. in Schiller 1968, S. 524). In Martyriendarstellungen vielfach bei den Peinigern vorkommend, z. B. Stefan Lochner, „Bartholomäus-Martyrium“ vom „Weltgerichtsretabel“ (Abb. 10 c). 1132 Vgl. auch die Darstellung der Feuermarter Barbaras vom „Breslauer Barbararetabel“.

Der Bartholomäus-Zyklus des Hans von Geismar  239

kraftvoll an dem noch an zwei Seiten festhängenden Hautlappen. Direkt unter der Hand des vorderen Schergen ‚schwebt‘ ein Messer, als habe er es soeben weggeworfen, um die Hände frei zu haben und sein Werk fortsetzen zu können. Das Inkarnat des weitgehend entblößten Apostels ist betont blass, wodurch der Kontrast zu dem hellroten Fleisch besonders hervorgehoben wird. Die Farben von Haut und Fleisch kehren im hellroten Gewand und weißen Mantel, die der Apostel in der ersten und letzten Szene trägt, wieder.1133 Von dem hellen Inkarnat hebt sich das in kleinen Tropfen spritzende Blut ab. Zum Schutz davor hat sich der vordere Scherge eine Schürze umgebunden. Es ist festzustellen, dass sich das Aussehen von Bartholomäus in der zweiten und dritten Szene von demjenigen in der ersten Szene deutlich unterscheidet: Haar- und Barttracht sind wesentlich heller, auch die Physiognomie ist anders und ähnelt mehr derjenigen des Astrages. In der Schindungsszene richten der König und der Märtyrer sogar in gleicher Weise den Blick nach oben. In der legendarischen Überlieferung wird der Schindungsakt direkt mit der Aufforderung an Astrages zur Umkehr verbunden. Unmittelbar nach der erfolgten Häutung richtet Bartholomäus in „Der Heiligen Leben“ das Wort an den heidnischen König: „Hostu aber reve vber dein sunt, so kert got sein guet zu dir vnd vergibt dir alle dein suend. Wi du mir mein haut host abgeschunden, do von ker dich noch zu got.“1134 Die Ähnlichkeit von Astrages und Bartholomäus könnte eine direkte Aufforderung an den Betrachter sein, seine eigene innere Einstellung zu reflektieren, um sich nach dem Vorbild des Märtyrers und anders als der König selbst zu erneuern. Das Aufeinanderfolgen von drei Szenen mit verschiedenen Martern impliziert, dass weder die Kreuzigung noch die Schindung zum Tod des Bartholomäus führten; die konkrete bildliche Umsetzung schließt des Weiteren eine zwischenzeitliche Heilung ein, denn in der Szene der Enthauptung erscheint der Märtyrer vollkommen unversehrt. Das letzte Bild zeigt schließlich die Enthauptung des Heiligen. Dieser ist kniend nach rechts, mit zum Gebet gefalteten Händen und niedergeschlagenen Augenlidern dargestellt. Schräg hinter ihm steht der Henker, mit beiden Händen zum tödlichen Streich mit dem Schwert ausholend und mit einem leichten Lächeln auf den Lippen. Im Hintergrund sieht man mehrere Zuschauer, rechts, in direkter Flucht über Bartholomäus, den König auf seinem Pferd und einen jungen, ebenfalls berittenen Begleiter. Bemerkenswerterweise trägt Astrages nun die Krone des Polimius – dieser hatte sie der Legende zufolge direkt nach seiner Bekehrung abgelegt;1135 wahrscheinlich soll dadurch nahegelegt werden, dass Astrages sich nun des Reichs seines Bruders bemächtigt hat. Nach dem Bericht der „Legenda aurea“ gab dieser nach seiner Taufe sein Herrscheramt auf und wurde ein Jünger des Apostels bzw. sogar Bischof. 1136 Demzufolge kann die Figur links, die ein antikisierendes Gewand trägt, als Polimius identifiziert werden, der sämtliche Zeichen seines weltlichen Standes abgelegt hat – an die Stelle der 1133 Zur individuellen Tracht des hl. Bartholomäus als Hinweis auf seine charakteristische Tortur siehe Urban 1998. 1134 Der Heiligen Leben (= Brand 1996, S. 457); vgl. Märterbuch (= Gierach 1928, S. 341): „wie du hast geschunden mir / die hut ab alz ainem rinde, noch wider winde, ez wirt dir allez vergeben, und wiltu nach Got leben.“ 1135 Märterbuch (= Gierach 1928, S. 339); Der Heiligen Leben (= Brand 1996, S. 456). 1136 Ebd., S. 456; Legenda aurea (= Benz 1925, S. 628).

240  Die Inszenierung der Gewalt

gloria mundi ist die gloria Dei getreten.1137 Der Wechsel des Gewandes bei derselben Person, der mit dem Identitätswechsel bei gleichbleibenden Elementen der Kleidung wie der Krone korrespondiert, ist auch in Beziehung zur oben dargelegten Deutung des Vorgangs der Schindung als Entkleidung und Erneuerung zu setzen: Das Vorbild Bartholomäus hat zur Konversion des Königs und seiner Familie geführt, die Standhaftigkeit während der grausigen Marter der Schindung, der Entkleidung von der Haut, zur vollständigen inneren Erneuerung, die an der Kleidung des Polimius in der letzten Szene zum Ausdruck kommt.1138 Dem durch den Kleidungswechsel angezeigten inneren Wandel des Polimius entgegengesetzt sind das Äußere und das Innere der zu seiner Linken stehenden Figur: Elemente der der Hoffart verdächtigen Kleidung (fast bodenlange Fransen an den Ärmeln, Kappe mit Federbausch) ähneln stark der Rückenfigur in der zweiten Szene, auch wenn keine vollständige Übereinstimmung vorliegt und die Farbgebung abweicht. Die Person ist also offenbar eine andere, die Gemeinsamkeit besteht aber im Nichterkennen des wahren Glaubens. Der Scherge blickt den Betrachter direkt an, wobei er die linke Hand mit ausgestrecktem Zeigefinger erhebt,1139 während wiederum Polimius, der den Blick gesenkt hat, mit der Rechten auf den Schergen zeigt. Eine genauere Analyse der Gestensprache der Figuren wäre hinsichtlich der Bedeutung des Zyklus sicherlich lohnenswert.

1137 Zur Idee der gloria Dei bei Augustinus siehe Ernst 1978, S. 172 ff. 1138 Vgl. die Interpretation zu Hans Malers „Bartholomäus-Martyrium“ (Farbabb. 20) oben, Abschnitt IV.2.5. 1139 Gmelin 1974, S. 512 schreibt über die Figur: „Ungewöhnlich ist die betende Geste eines jungen Mannes in gegürtetem Leibrock und rotem Federhut, der den Rock über der Brust aufreißt, wie um sich vor seinen beiden Begleitern vom Geschehen zu distanzieren.“ Völlig unklar ist, wie der Zeigegestus als „betend“ gedeutet werden kann; zudem ist von einem „Aufreißen“ nichts zu merken, wie durch das in gleicher Weise geöffnete Wams bei einem Schergen in der zweiten Szene deutlich wird. Durch die auffälligen Fransen an ihren Ärmeln scheint eine positive Bedeutung der Figur wenig plausibel.

Bildteil

Bildteil 243

1 Meister der Karlsruher Passion (Hans Hirtz?), Karlsruher Passion, um 1450–55 a) Fortführung, b) Dornenkrönung, c) Entkleidung, d) Kreuzannagelung

244 Bildteil

1 Meister der Karlsruher Passion (Hans Hirtz?), Karlsruher Passion, um 1450–55 e) Geißelung

Bildteil 245

2 Meister der Tegernseer Tabula Magna (Gabriel Angler), Tegernseer Tabula Magna, 1444/45 a) Mitteltafel, obere Hälfte: Kalvarienberg

b) Mitteltafel, untere Hälfte: Kreuztragung

246 Bildteil

3 Böhmisches Retabel, 1375 a) Predella, Detail: Martyrium des hl. Petrus  b) Predella, Detail: Martyrium des hl. Paulus

4 Meister des Stiftergruftaltars, Stiftergruftretabel, Detail: Martyrium des hl. Andreas und Martyrium des hl. Dionysius, um 1410/20

Bildteil 247

5 Michael Wolgemut und Werkstatt, Apostelretabel des Andreas Harsdörfer, um 1495/98 a) Detail: Martyrium des hl. Petrus b) Detail: Martyrium des hl. Andreas

6 Hans von Kulmbach, Peter-und-Paul-Retabel, Detail: Martyrium des hl. Petrus, um 1510

7 Lucas Cranach d. Ä., Apostelmartyrien, um 1510 a) Martyrium des hl. Petrus

b) Martyrium des hl. Bartholomäus

248 Bildteil

7 Lucas Cranach d. Ä., Apostelmartyrien, um 1510 c) Martyrium des hl. Matthias

8 Lucas Cranach d. Ä., Martyrium des hl. Erasmus, 1506

Bildteil 249

9 Österreichisch, Martyrium des hl. Koloman, um 1470/80

10 Meister der Legendenszenen, Cosmas und Damian am Galgen, um 1510

250 Bildteil

11 Meister des Augustiner-Altars und Werkstatt, Veitsretabel, Detail: Marter der hll. Veit, Modestus und Kreszentia, 1487

12 Lüneburger Goldene Tafel, Detail: Geißelung Christi, um 1418/20

Bildteil 251

252 Bildteil

13 Stuttgarter Psalter, fol. 43v, Detail: Geißelung Christi, um 830

14 Michael Wolgemut, Skizzenbuch, fol. 50v, 51v u. 52v: Geißelung Christi, um 1470

15 Albrecht Dürer, Kleine Holzschnitt-Passion, um 1509 a) Geißelung Christi

b) Kreuzannagelung

Bildteil 253

16 Gießmannsdorfer Katharinenretabel, Detail: Geißelung der hl. Katharina, 1505

17 Monogrammist HG von 1514, Geißelung der hl. Katharina, 1514

254 Bildteil

18 Hans Baldung Grien, Sebastiansretabel, Mitteltafel: Martyrium des hl. Sebastian, 1507

19 Marx Reichlich, Jakobus-Stephanus-Retabel, Detail: Taufe des Josias und Enthauptung des hl. Jakobus d. Ä., 1506

Bildteil 255

256 Bildteil

20 Niederländisch oder norddeutsch, Flügel eines Johannesretabels, um 1490/1500 a) Enthauptung Johannes’ d. T. b) Gastmahl des Herodes

Bildteil 257

21 Werkstatt Bartho­lomäus Zeitblom, Blaubeurener Hochaltarretabel, Detail: Enthauptung Johannes’ d. T. und Gastmahl des Herodes, 1494

22 Kärntener Apostelretabel, Detail: Abschied und Martyrien der hll. Petrus und Paulus, 1425

23 Meister der Kilianslegende, Wartberger Kilianslegende, Detail: Enthauptung der hll. Kilian, Kolonat und Totnan, um 1480

24 Urban Görtschacher, Hochaltarretabel in St. Wolfgang ob Grades, Detail: Martyrium des hl. Dionysius und Martyrium des hl. Emmeran, um 1510

258 Bildteil

25 Umkreis Meister der Apostelmartyrien, Enthauptung der hll. Felix, Regula und Exuperantius, um 1480

26 Meister des Krainburger Altars, Krainburger Retabel, Detail: Martyrium der hll. Cantius, Cantianus und Cantianilla, um 1500

Bildteil 259

27 Norddeutsch, Martyrium des hl. Bartholomäus, Ende 15. Jh.

28 Meister IT, Martyrium des hl. Erasmus, 1489

260 Bildteil

29 Leben Jesu und der Heiligen, Andachtsbuch der Madame Marie, Ende 13. Jh. a) fol. 76r: Martyrium des hl. Stephanus, b) fol. 76v: Martyrium des hl. Bartholomäus, c) fol. 78r: Martyrium des hl. Vincentius

Bildteil 261

262 Bildteil

30 Tympanon vom Portal des Freiburger Münsters, Detail: Judas-Selbstmord, um 1300

31 Hans von Wilten (?), Martyrium des hl. Stephanus, um 1415

Bildteil 263

32 Friedrich Pacher und Werkstatt, Katharinenretabel, Detail: Verhinderung der Radmarter, vor 1483

33 Nürnberger Maler, Flügelretabel des Georg Fütterer, Detail: Zerstörung des Rades, um 1506

34 Meister der Kölner Georgslegende, Georgsretabel, um 1460

264 Bildteil

35 Flügel eines Georgsretabels in Kantnig, Detail: Verhinderte Radmarter des hl. Georg, um 1480–90

36 Meister des Warendorfer Altars, Warendorfer Retabel, Detail: Der hl. Laurentius auf dem Rost, um 1420

Bildteil 265

266 Bildteil

37 Marx Reichlich und Nachfolger, MariäKrönung-Retabel, Detail: Der hl. Vincentius auf dem Rost, um 1510–20

38 Utraquisten-Retabel, Detail: ‚Martyrium‘ des Jan Hus, 1480er Jahre

39 Gregorsmesse mit Maria, Johannes und Märtyrern, 1470/80

Bildteil 267

40 Erster Zürcher Nelkenmeister, Passionsretabel, Detail: Martyrium der 10.000 Christen, um 1508/09

41 Antonio Pollaiuolo, Kampf der nackten Männer, um 1469–70

268 Bildteil

42 Rheinisch-westfälischer Meister, Zwei Retabelflügel mit dem Martyrium der 10.000 Christen, um 1420

43 Albrecht Dürer, Martyrium der 10.000 Christen, um 1496

Bildteil 269

44 Werkstatt Erasmus Grasser, Achatiusretabel, Flügel­ innenseiten: ­Martyrium der 10.000 Christen, 1506

45 Meister Francke, Thomasretabel, 1424–1436 a) Detail: Geißelung Christi

b) Detail: Kreuztragung

270 Bildteil

46 Danziger Meister, Dorotheenretabel, Detail: Brustmarter der hl. Agatha, um 1435

47 Bernt Notke, Barbararetabel der Schuhmacher, Detail: Die hl. Barbara wird nackt durch die Straßen geführt, um 1495

48 Meister von St. Korbinian, Barbararetabel, Detail: Schleifung der hl. Barbara, vor 1498

Bildteil 271

49 Werkstatt Meister des Altars Johannes’ des Almosengebers, Martyrium des hl. Stanislaus, um 1504

50 Donauschule, Martyrium des hl. Leodegar von Autun, um 1510/15

272 Bildteil

51 Meister Francke, Barbararetabel, um 1415 a) Detail: Barbara wird in den Turm gebracht, b) Detail: Brustmarter Barbaras, c) Detail: Brennen mit Fackeln

Bildteil 273

274 Bildteil

52 Meister der Laufener Georgslegende, Barbararetabel, 1467

Bildteil 275

53 Wolfgang Katzheimer d. Ä. und Werkstatt, Hersbrucker Hochaltarretabel, Detail: Geißelung Christi, um 1485

54 Thorner Hochaltarretabel, Detail: Verspottung und Dornenkrönung Christi, um 1370/80

55 Hinrik Bornemann, Verspottung und Dornenkrönung Christi, um 1490

276 Bildteil

56 Westfälischer Meister, Großer Kalvarienberg, um 1420

57 Heilig-Kreuz-Retabel aus Bamberg, Detail: Verspottung und Dornenkrönung Christi, 1429

Bildteil 277

278 Bildteil

58 Werkstatt Martin Schongauer, Ecce Homo, Ende 15. Jh.

59 Martin Schongauer, Dominikanerretabel, Detail: Verspottung und Dornenkrönung Christi, Ende 15. Jh.

Bildteil 279

60 Breslauer Barbararetabel, 1447 a) geöffneter Zustand, Detail: Barbara wird von ihrem Vater gefasst

b) geöffneter Zustand, Detail: Aufreißen der Haut

c) geöffneter Zustand, Detail: Brennen mit Fackeln

d) erste Wandlung, Detail: Dornenkrönung Christi

Bildteil 281

1 Steirisch, Margarethenretabel, um 1455/60 a) Detail: Brautwerbung des Olibrius, b) Detail: Aufreißen der Haut, c) Detail: Brennen mit Fackeln, d) Detail: Enthauptung

2 Meister der Benediktbeurer Kreuzigung, Benediktbeurer Kreuzigung, um 1435/40

3 Böhmisch, Kaufmannsche Kreuzigung, um 1340

282 Bildteil

4 Meister der Worcester-Kreuztragung, Worcester-Kreuztragung, um 1425

5 Hans Multscher, Wurzacher Retabel, Detail: Kreuztragung, 1437

Bildteil 283

284 Bildteil

6 Bertram von Minden, Passionsretabel, Detail: Kreuzannagelung, um 1390/1400

b) Detail: Kreuzannagelung

7 Idar-Obersteiner Retabel, um 1400 a) Detail: Kreuzigung

8 Meister des Sterzinger Altars, Kreuzigung, Mitte 15. Jh.

9 Kemptener Meister, Kemptener Kalvarienberg, 1460–70

Bildteil 285

10 Stefan Lochner, Weltgerichtsretabel, um 1435 a) geöffneter Zustand (Rekonstruktion): Weltgericht und Apostelmartyrien

286 Bildteil

Bildteil 287

10 Stefan Lochner, Weltgerichtsretabel, um 1435 b) Detail: Martyrium des hl. Paulus, c) Detail: Martyrium des hl. Bartholomäus, d) Detail: Martyrium des hl. Thomas, e) Detail: Martyrium des hl. Philippus

11 Werkstatt Wolfgang Katzheimer d. Ä., Schlüsselfelder Johannesretabel, um 1490  a) Detail: Geißelung Christi

b) Detail: Dornenkrönung und Verspottung

288 Bildteil

12 Quintinusretabel, Detail: Entkleidung und Geißelung des hl. Quintinus, Ende 15. Jh.

13 Werkstätten Jan Polack und Erasmus Grasser, Hochaltarretabel aus St. Peter in München, Detail: Geißelung Pauli, um 1490

Bildteil 289

290 Bildteil

14 Umkreis Jan Polack, Flügelretabel des Jörg Westner, 1509 a) linke Flügelinnenseite: Martyrium des hl. Bartholomäus

b) rechte Flügelinnenseite: Martyrium des hl. Sebastian

Bildteil 291

15 Umkreis des Jan Polack, Georgsretabel, 1510 a) geöffneter Zustand, Detail: Georg werden die Glieder abgehackt

b) geöffneter Zustand, Detail: Enthauptung des hl. Georg

292 Bildteil

15 Umkreis des Jan Polack, Georgsretabel, 1510 c) geschlossener Zustand: Georg tötet den Drachen, Radmarter des hl. Georg

16 Meister des Altars von Raigern, Tafel von Náměšť, um 1420–30 a) Außenseite: Martyrium der hl. Katharina (?)

Bildteil 293

16 b) Innenseite: Martyrium der hl. Apollonia

17 Friedrich Pacher, Martyrium der hll. Cosmas und Damian, um 1480/90

294 Bildteil

18 Bartholomäusretabel aus Kamionka Wielka, Detail: Enthauptung des hl. Bartholomäus, um 1450

19 Heinrich Vogtherr d. Ä., Martyrium des hl. Erasmus, 1516

Bildteil 295

20 Hans Maler, Apostelretabel aus Schwaz, Detail: Martyrium des hl. Bartholomäus, um 1521/24

21 Marx Reichlich, Jakobus-Stephanus-Retabel, 1506 a) Detail: Steinigung des hl. Stephanus

b) Detail: Geißelung Christi

296 Bildteil

23 Fra Angelico, Pala di San Marco, Predella, Detail: Martyrium der hll. Cosmas und Damian, um 1440

22 Meister von Uttenheim, Stephanusretabel, Detail: Steinigung des hl. Stephanus, um 1465/75

Bildteil 297

24 Umkreis Meister der Apostelmartyrien, Radmarter der hll. Felix, Regula und Exuperantius, um 1480

25 Meister der Laufener Georgslegende, Laufener Georgslegende, Detail: Anziehen des glühenden Kettenhemds, um 1465/70

298 Bildteil

26 Michael Pacher, Laurentiusretabel, Detail: Der hl. Laurentius auf dem Rost, um 1465

27 Fridolfinger Johannesretabel, Detail: Ölmarter Johannes’ des Evangelisten, spätes 15. Jh.

Bildteil 299

28 Kölnisch, Diptychon mit dem Martyrium des hl. Achatius und der 10.000 Christen, um 1325–30

300 Bildteil

29 Salzburgisch, Tafel mit dem Martyrium der hl. Apollonia, um 1490

30 Kruzifix mit Achatius und 10.000 Märtyrern, um 1440/60

31 Salzburgisch, Veitsretabel, Detail: Martyrium der 10.000 Christen, um 1480

Bildteil 301

302 Bildteil

32 Meister des Veldener Hochaltars, Nothelferretabel aus Kleinschwarzenlohe, Detail: Martyrium der 10.000 Christen, um 1465

33 Meister des Wernigeröder Altars, Wernigeröder Retabel (Mitteltafel), um 1390 oder 1420

34 Monogrammist L. Cz., Todesangst-Christi-Retabel, um 1475 a) Detail: Geißelung Christi

b) Detail: Aufbürdung des Kreuzes

Bildteil 303

35 Conrad von Soest, Niederwildunger Retabel, 1403 a) Detail: Kreuzigung Christi

b) Detail: Verspottung und Dornenkrönung Christi

304 Bildteil

36 Meister Francke, Thomasretabel, 1424–1436 a) Detail: Verspottung des hl. Thomas

b) Detail: Martyrium des hl. Thomas

Bildteil 305

306 Bildteil

37 Breslauer Barbararetabel, 1447 a) geöffneter Zustand, Detail: Brustmarter der hl. Barbara

b) geöffneter Zustand, Detail: Schleifung der hl. Barbara

38 Meister der Kölner Georgslegende, Georgsretabel, Detail: Schleifung des hl. Georg, um 1460

Bildteil 307

39 Oberrheinisch, Flügel eines Diptychons, Detail: Kreuztragung und Entkleidung Christi, um 1410/20

40 Kreis des Meisters von St. Sigmund, Passionsretabel, Detail: Verspottung und Dornenkrönung Christi, um 1430

308 Bildteil

41 Jörg Breu d. Ä., Verspottung und Dornenkrönung Christi, 1501

42 Böhmisch, Diptychon, um 1410/20 a) Detail: Verspottung und Dornenkrönung Christi

b) Detail: Entkleidung und Kreuzannagelung Christi

43 Mikolaj Haberschrack, Augustinerretabel, Detail: Erste Verspottung Christi, um 1468

44 Werkstatt Jan Polack, Franziskanerkirchenretabel, Detail: Verspottung und Dornenkrönung Christi, 1491/92

Bildteil 309

45 Hochaltarretabel aus Ebern, um 1450–55 a) Detail: Kalvarienberg

b) Detail von a: Scherge

46 Schüler Conrads von Soest, Coronatioretabel, Detail: Verspottung Christi, 1430–35

310 Bildteil

47 Roberto d’Oderisio, Schmerzensmann mit Maria, Johannes und arma Christi, um 1354

48 Fra Angelico, Auferstehender Christus, Maria, Thomas von Aquin und arma Christi, 1437–45

Bildteil 311

49 Hans von Geismar und Werkstatt, Rosenkranzretabel, erste Wandlung: Bartholomäus-Zyklus, um 1500

312 Bildteil

VIII  Die verborgene Schönheit der Gewalt

Der Kreuzestod des Gottessohnes als eines der zentralen heilsgeschichtlichen Ereignisse bedingt die besondere Rolle der Gewalt innerhalb des christlichen Kultes und dadurch eine spezifische christliche ‚Ästhetik der Gewalt‘: Jesus wurde im Rahmen der Passion erniedrigt und äußerlich deformiert. Seiner deformitas (formale Hässlichkeit) aber entsprechen seine innere pulchritudo (Schönheit) sowie die Wahrheit des christlichen Heilsversprechens. Die Gewalt gegen Jesus und die Märtyrer ist zwar böse (turpis), aber auch notwendig zur Er­füllung des Heilsplans. Das Erleiden von Gewalt besitzt dadurch auch positive Bedeutungen: Es führte zur Erlösung der Menschheit von der Erbsünde und eröffnete somit den Menschen wieder die Möglichkeit, das jenseitige Heil zu erfahren. Im Martyrium ist das Erleiden von Gewalt als göttliche Gnade zu begreifen, die mit dem sofortigen Eintritt in das Paradies verbunden ist. Durch ihre Funktion als Vermittler zwischen Diesseits und Jenseits nähren die Märtyrer die Hoffnung der Gläubigen, nach ihrem Tod ins Himmelreich zu gelangen. Innerhalb der Entwicklung der Passionsfrömmigkeit erwies sich letztlich der Konflikt zwischen der göttlichen und der menschlichen Natur Jesu als problematisch. War es schon schwierig, diese theoretisch miteinander zu vereinbaren, stellte die künstlerische Darstellung des erniedrigten Gottes offenbar ein besonderes Problem dar. Mit der Herausbildung eines neuen Passionsverständnisses im hohen Mittelalter, in dessen Zentrum Jesus als der leidende Mensch stand, änderte sich dies grundlegend. Das Leiden Jesu wurde nun betont, um die Liebe Gottes zu den Menschen zu vergegenwärtigen. Dies bildete die Voraussetzung für die Entstehung der drastischen Gewaltdarstellungen nördlich der Alpen vom 14. bis zum frühen 16. Jahrhundert. Für die Bilder gilt jedoch, dass ihre verborgene Schönheit, die Wahrheit der christlichen Offenbarung, nur mit den ‚Augen des Herzens‘ gesehen werden kann, das heißt die Umschaltung des ästhetischen Urteils erfolgt im Geiste des gläubigen Betrachters. Wie der Vergleich mit Italien deutlich macht, wo im 15. Jahrhundert keine Gewaltdarstellungen in vergleichbarer Menge und von ähnlicher Drastik entstanden, stellte der neuartige Blick auf die Passion Jesu nur eine vieler Voraussetzungen dar. Ein entscheidender Faktor waren ästhetische Vorstellungen, die in Italien zu dieser Zeit bereits deutlich humanistisch geprägt waren. Der Unterschied zwischen Norden und Süden verdeutlicht darüber hinaus, dass die drastischen Passions- und Martyriendarstellungen nicht als Reflex historischer Umstände wie der omnipräsenten Todesbedrohung durch die Pest oder die Konfrontation mit öffentlichen

314  Die verborgene Schönheit der Gewalt

Hinrichtungen zu verstehen sind. Anschaulich wird dies unter anderem am Beispiel des Räderns – einer Todesstrafe, die im späten Mittelalter relativ häufig verhängt wurde, die jedoch als Motiv im Kontext der Hagiographie kaum zur Darstellung kam. Hinsichtlich der konkreten bildkünstlerischen Umsetzung unterliegt jedes Gewaltmotiv spezifischen Bedingungen: Es existieren unterschiedliche Darstellungstraditionen, verschiedene Herausforderungen und Möglichkeiten in der konkreten Umsetzung sowie an das einzelne Motiv gebundene Entscheidungen des Künstlers oder Auftraggebers. Historisch und gesellschaftlich steht jeder zum Bildmotiv werdende Gewaltakt in unterschiedlichen Kontexten, zum Beispiel in Abhängigkeit davon, ob es sich um eine aktuell praktizierte Hinrichtungsart handelt. Anhand des Bildmaterials konnten konzeptuelle Unterschiede in der Bedeutung der Passion Christi und des Martyriums herausgearbeitet werden: Der Mangel an Schmerzäußerungen, das Fehlen von mitleidenden Identifikationsfiguren und das seltene Auftreten von Motiven seelischer Gewalt in Darstellungen der Martyrien weisen darauf hin, dass es bei der Betrachtung dieser Bilder nicht auf die Erzeugung von compassio angekommen sein kann, während diese aber als Haltung für die Rezeption der Passion zentral war. Obwohl das Martyrium als höchster Akt der imitatio Christi galt, besaß es eine ganz andere Bedeutung als das Vorbild – sowohl in Bezug auf den Heilsplan als auch für das Gewalt erleidende Opfer selbst. Die Gewaltmotive, die in den Bildern der Passion und der Heiligenmartyrien vorkommen, sind größtenteils bereits in Texten vorformuliert. Ziel der Arbeit war es aber, die Motive aus einer über das Ikonographische hinausgehenden Perspektive zu betrachten. Gerade hinsichtlich mittelalterlicher Bildwerke ist innerhalb der Kunstgeschichte immer noch eine stark textbezogene Lesart üblich. Das Präexistieren der sprachlichen Erzählungen über die Passion und die Martyrien führt jedoch nicht per se zu einer Abhängigkeit des Bildes von diesen, da es medial auf einer ganz anderen Ebene operiert. Die Ikonographie kann nur die Basis eines Verstehens dieser Bilder sein. Die Konzentration auf das Phänomen der Gewalt innerhalb dieser Arbeit half den Blick auf die Bilder zu erweitern. Überhistorische Fragestellungen, die sich mit den untersuchten Bildern verbinden, betreffen die Wirkung von Gewaltdarstellungen im Allgemeinen: Warum haben Darstellungen von Gewalt eine solch besondere Wirkung auf den Rezipienten? Wie ‚funktionieren‘ sie? Welche Unterschiede lassen sich in der Rezeption sprachlicher und visueller Darstellungen feststellen? Und welchen Unterschied macht es, ob es sich um reale oder fiktionale Gewalt handelt? Auch zu diesen Fragen sind innerhalb der Arbeit Überlegungen angestellt worden. Interdisziplinäre Ansätze könnten hier der weiteren Klärung förderlich sein. Das Thema Gewalt als Motiv spätmittelalterlicher sakraler Bilder ist noch lange nicht erschöpft. Beispielsweise wären Untersuchungen im Hinblick auf den Entstehungs- und Rezeptionskontext der Bilder möglich. Zu untersuchen wäre unter anderem, ob Unterschiede zwischen Retabeln für Pfarr- und Klosterkirchen festzustellen sind. Besonders drastische Darstellungen der Passion und der Martyrien wie das „Jakobus-Stephanus-Retabel“ des Marx Reichlich entstanden beispielsweise um 1500 im Umkreis der Augustiner-Chorherren. Darüber hinaus wären hinsichtlich verschiedener Fragestellungen vergleichende Untersuchungen über die Kunstproduktion in Italien und Deutschland sinnvoll. Gerade im Zusammenhang mit der jeweiligen Frömmigkeit und den ästhetischen Vorstellungen könnten

Die verborgene Schönheit der Gewalt  315

dadurch wegweisende Erkenntnisse über die Funktionen und Bedeutungen von Kunstwerken gewonnen werden. Die vorliegende Arbeit hat die größte Gruppe grausiger Gewaltdarstellungen des späten Mittelalters erstmals umfassend und motivübergreifend in den Blick genommen. Nicht das ‚finstere Mittelalter‘ wurde dabei entdeckt, sondern eine Bildwelt, die auf die religiösen Empfindungen und Hoffnungen des Betrachters abzielte. Dazu machte sie sich die Eigenschaften von Gewaltbildern zunutze, denn diese waren zu jeder Zeit am meisten geeignet, die Menschen zu berühren und – um abschließend noch eine Metapher aus dem Gewaltkontext zu bemühen – sich in ihr Gedächtnis ‚einzubrennen‘.

Anhang

Abkürzungsverzeichnis BnF = Bibliothèque nationale de France BNM = Bayerisches Nationalmuseum BSB = Bayerische Staatsbibliothek GNM = Germanisches Nationalmuseum HLM = Hessisches Landesmuseum NLM = Niedersächsisches Landesmuseum ÖLM = Österreichisches Landesmuseum SBPK = Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz SLM = Schweizerisches Landesmuseum SMPK = Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz TLM = Tiroler Landesmuseum WLB = Württembergische Landesbibliothek WLM = Westfälisches Landesmuseum WRM = Wallraf-Richartz-Museum

318 Anhang

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Abbildungsnachweis 367

Abbildungsnachweis Wenn nicht anders angegeben, handelt es sich bei den abgebildeten Werken um Malerei auf Holztafel.

1. Schwarz-Weiß-Abbildungen   1 Meister der Karlsruher Passion (Hans Hirtz?), Karlsruher Passion, um 1450–55, Köln, WallrafRichartz-Museum (a) und Karlsruhe, Staatliche Kunsthalle (b–e); Abb.: a–d: Ausst.Kat. „Karlsruher Passion“ 1996, S. 19–23, Tf. 2–6; e: Abb.: Lüdke 2008, S. 5.   2 Meister der Tegernseer Tabula Magna (Gabriel Angler), Hochaltarretabel aus der Benediktinerabtei Tegernsee, sog. Tegernseer Tabula Magna, 1444/45, Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum (a), u. München, Bayerisches Nationalmuseum (b); Abb.: a: Suckale 2003, S. 77; b: Mellinkoff 1993, Bd. 2, Abb. VI.38.   3 Böhmisches Retabel, 1375, Brandenburg, Dom St. Peter und Paul; Abb.: a: Wolf 2002b, S. 168 (Detail); b: Peter Moraw (Hg.): Akkulturation und Selbstbehauptung. Studien zur Entwicklungsgeschichte der Lande zwischen Elbe/Saale und Oder im späten Mittelalter, Berlin 2001, Tf. 6.   4 Meister des Stiftergruftaltars, Stiftergruftretabel, um 1410/20, St. Lambrecht/Schweiz, Benediktinerstift, Stiftsmuseum; Abb.: Ausst.Kat. „Gotik in der Steiermark“1978, Abb. 31.   5 Michael Wolgemut und Werkstatt, Apostelretabel des Andreas Harsdörfer, um 1495/98, Nürnberg, Kirche St. Lorenz; Abb.: Strieder 1993, S. 209.   6 Hans von Kulmbach, Peter-und-Paul-Retabel aus Erlangen-Bruck, um 1510, Florenz/Italien, Galleria degli Uffizi; Abb.: Strieder 1993, S. 252.   7 Lucas Cranach d. Ä., Apostelmartyrien, um 1510, Holzschnitt-Serie; Abb.: Jahn 1972, S. 264, 269, 275.   8 Lucas Cranach d. Ä., Martyrium des hl. Erasmus, 1506, Holzschnitt; Abb.: The Illustrated Bartsch, Bd. 11, S. 377.   9 Österreichisch, Martyrium des hl. Koloman, um 1470/80, Madison/Wisconsin/USA, Privatsammlung; Abb.: Singelenberg 1964, S. 47. 10 Meister der Legendenszenen, Cosmas und Damian am Galgen, um 1510, Graz/Österreich, Joanneum; Abb.: Kat. Joanneum 1982, Abb. 72. 11 Meister des Augustiner-Altars und Werkstatt, Veitsretabel aus der Augustiner-Eremiten-Kirche St. Veit in Nürnberg, 1487, Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum; Abb.: Strieder 1993, S. 223. 12 Goldene Tafel aus der Klosterkirche St. Michael in Lüneburg, um 1418/20, Hannover, Niedersächsisches Landesmuseum, Landesgalerie; Abb.: Kat. Niedersächsisches Landesmuseum 1992, S. 127 (Detail). 13 Stuttgarter Psalter, St. Germain-des-Prés um 830, Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, Ms. bibl. fol. 23, hier fol. 43v; Abb.: Schiller 1968, S. 398. 14 Michael Wolgemut, Skizzenbuch, um 1470, Museen zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Kupferstichkabinett, Ms. 78 b 3a; Abb.: Bellm 1959, Tf. XVI f. 15 Albrecht Dürer, Kleine Holzschnitt-Passion, um 1509; Abb.: The Illustrated Bartsch, Bd. 10, S. 128, 134.

368 Anhang

16 Gießmannsdorfer Katharinenretabel, 1505, Gościszowice (Gießmannsdorf )/Polen, Kirche St. Katharina; Abb.: Ausst.Kat. „Schlesische Malerei und Plastik des Mittelalters“ 1929, Tf. 141 (Detail). 17 Monogrammist HG von 1514, Flügel eines Katharinenretabels, 1514, Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum; Abb.: Kat. Germanisches Nationalmuseum 1997, S. 263. 18 Hans Baldung Grien, Sebastiansretabel aus der ehemaligen Klosterkirche St. Paul zum Heiligen Kreuz in Halle/Saale, 1507, Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum; Abb.: Anne-Marie Bonnet/ Gabriele Kopp-Schmidt: Die Malerei der deutschen Renaissance, München 2010, S. 285. 19 Marx Reichlich, Jakobus-Stephanus-Retabel aus dem Augustiner-Chorherrenstift in Vahrn-Neustift/Italien, 1506, München, Alte Pinakothek; Abb.: Egg 1985, S. 433. 20 Niederländisch oder norddeutsch, Zwei Flügel eines Retabels, um 1490/1500, Bremen, RoseliusHaus; Abb.: Ausst.Kat. „Johanniter im Nordwesten“ 1999, S. 52, 53. 21 Werkstatt Bartholomäus Zeitblom, Hochaltarretabel in der ehemaligen Abteikirche St. Johannes d. T. in Blaubeuren, 1494; Abb.: Kahsnitz 2005, Tf. 102. 22 Kärntener Apostelretabel aus der Pfarrkirche St. Peter und Paul in Rangersdorf/Österreich, 1425, Klagenfurt/Österreich, Diözesanmuseum; Abb.: Fritz 1987, S. 58. 23 Meister der Kilianslegende, Wartberger Kilianslegende, um 1480, Wartberg/Österreich, Pfarrkirche St. Kilian; Abb.: Stange, Bd. XI, Abb. 236. 24 Urban Görtschacher, Hochaltarretabel in St. Wolfgang ob Grades/Österreich, um 1510; Abb.: Demus 1991, S. 367 (Detail). 25 Umkreis Meister der Apostelmartyrien, Tafeln eines Flügelretabels mit Szenen zum Martyrium der hll. Felix, Regula und Exuperantius, um 1480, Esztergom (Gran)/Ungarn, Keresztény Múzeum; Abb.: M. Boskovits et al.: Das christliche Museum von Esztergom (Gran), Budapest 1967, S. 131. 26 Meister des Krainburger Altars, Tafel des Retabels aus der Pfarrkirche der hll. Cantius, Cantianus und Cantianilla in Kranj (Krainburg)/Slowenien, um 1500, Wien/Österreich, Belvedere; Abb.: Kat. Österreichische Galerie 1971, Abb. 93. 27 Norddeutsch, Tafel eines Flügelretabels mit dem Martyrium des hl. Bartholomäus, Ende 15. Jh., Köln, Wallraf-Richartz-Museum; Abb.: Kat. Wallraf-Richartz-Museum 1986, S. 168. 28 Meister IT, Tafel eines Flügelretabels mit dem Martyrium des hl. Erasmus, 1489, Münster, Westfälisches Landesmuseum; Abb.: Kat. Westfälisches Landesmuseum, S. 231. 29 Leben Jesu und der Heiligen, Andachtsbuch der Madame Marie, Nord-Frankreich Ende 13. Jh., Paris/Frankreich, Bibliothèque nationale de France, Ms. nouv. acq. fr. 16251; Abb.: Stones 1997, fol. 76r, 76v, 78r (Details). 30 Tympanon vom Portal der Vorhalle des Freiburger Münsters Unserer Lieben Frau, Detail, Skulptur, um 1300; Abb.: Aronica 2004, S. 35. 31 Hans von Wilten (?), Flügel eines Retabels aus der Kirche des Prämonstratenser-Chorherrenstifts in Innsbruck-Wilten: Martyrium des hl. Stephanus, um 1415, Innsbruck/Österreich, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Inv. Nr. Gem 1966; Abb.: © TLM, Innsbruck 32 Friedrich Pacher und Werkstatt, Katharinenretabel, vor 1483, Vahrn-Neustift/Italien, AugustinerChorherrenstift, Pinakothek; Abb.: Ausst.Kat. „Michael Pacher und sein Kreis“ 1998, S. 237. 33 Nürnberger Maler, Flügelretabel des Georg Fütterer aus St. Katharina in Nürnberg, um 1506, Nürnberg, Kirche St. Lorenz; Abb.: Strieder 1993, S. 229. 34 Meister der Kölner Georgslegende, Georgsretabel, um 1460, Köln, Wallraf-Richartz-Museum; Abb.: © Rheinisches Bildarchiv Köln

Abbildungsnachweis 369

35 Flügel eines Georgsretabels aus der Filialkirche St. Peter und Paul in Kantnig/Österreich, um 1480–90, Klagenfurt/Österreich, Österreichisches Landesmuseum; Abb.: © Institut für Realienkunde – Universität Salzburg 36 Meister des Warendorfer Altars, Warendorfer Retabel, um 1420, Münster, Westfälisches Landesmuseum; Abb.: Kat. Westfälisches Landesmuseum 1986, S. 74. 37 Marx Reichlich und Nachfolger, Mariä-Krönung-Retabel, um 1510–20, Heiligenblut/Österreich, Kirche St. Vinzenz; Abb.: Höfler 1998, S. 244. 38 Flügel des Utraquisten-Retabels aus der Kirche des hl. Wenzel in Raudnig/Tschechien, 1480er Jahre, Ústí nad Labem (Aussig)/Tschechien, Muzeum (Leihgabe der Sammlungen des Bistums Litoměřice); Abb.: Ausst.Kat. „Die Elbe – Ein Lebenslauf“ 1992, S. 219 (Detail). 39 Gregorsmesse mit Maria, Johannes und Märtyrern, 1470/80, Grodków (Grottkau)/Polen, Rathaus; Abb.: Suckale 1977, S. 42 (Detail). 40 Erster Zürcher Nelkenmeister, Passionsretabel aus der Kapelle des Kappelerhofes, um 1508/09, Zürich/Schweiz, Schweizerisches Landesmuseum; Abb.: Kat. Schweizerisches Landesmuseum 1996, S. 54. 41 Antonio Pollaiuolo, Kampf der nackten Männer, um 1469–70, Kupferstich, Cleveland/USA, Cleveland Museum of Art (Abzug der Originalplatte); Abb.: Renaissance Florence. The Art of the 1470s, Ausst.Kat. National Gallery, London, London 1999, S. 259, Abb. 114. 42 Rheinisch-westfälischer Meister, Zwei Retabelflügel mit dem Martyrium der 10.000 Christen, um 1420, Münster, Westfälisches Landesmuseum; Abb.: Kat. Westfälisches Landesmuseum 1986, S.  406 f. 43 Albrecht Dürer, Martyrium der 10.000 Christen, um 1496, Holzschnitt; Abb.: The Illustrated Bartsch, Bd. 10, S. 212. 44 Werkstatt Erasmus Grasser, Achatiusretabel, 1506, Reichersdorf, Kirche St. Leonhard; Abb.: Bös/ Klinger 1992, S. 135. 45 Meister Francke, Thomasretabel der Englandfahrer aus der Dominikanerkirche St. Johannis in Hamburg, 1424–1436, Hamburg, Kunsthalle; Abb.: Ausst.Kat. „Meister Francke“ 1969, Tf. 14, 15. 46 Danziger Meister, Dorotheenretabel, um 1435, Danzig/Polen, Kirche St. Marien; Abb.: Stanisław Bogdanowicz: Die Basilika zu St. Marien in Danzig, hrsg. von Mariola Malerek, 3. Aufl., Dülmen 2001 (1: 1993), S. 82. 47 Bernt Notke, Barbararetabel der Schuhmacher, um 1495, Danzig/Polen, Kirche St. Marien; Abb.: Drost 1963, Tf. 128. 48 Meister von St. Korbinian, Barbararetabel, vor 1498, Vahrn-Neustift/Italien, Augustiner-Chorherrenstift, Pinakothek; Abb.: Ausst.Kat. „Michael Pacher und sein Kreis“ 1998, S. 253. 49 Werkstatt Meister des Altars Johannes’ des Almosengebers, Fragment eines Flügelretabels aus der Paulinerkirche St. Michael und Stanislaus in Krakau, um 1504, Krakau/Polen, Zamek Królewski na Wawelu/Państwawe Zbiory Sztuki; Abb.: Otto-Michałowska 1982, (nicht pag.) Nr. 26. 50 Donauschule, Martyrium des hl. Leodegar von Autun, um 1510/15, Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum; Abb.: Kat. Germanisches Nationalmuseum 1997, S. 273. 51 Meister Francke, Barbararetabel, um 1415, Helsinki/Finnland, Suomen kansallismuseo; Abb.: Ausst.Kat. „Meister Francke“ 1969, Tf. 4, 6, 7 (Details). 52 Meister der Laufener Georgslegende, Barbararetabel, geöffneter Zustand, 1467, amerikanischer Privatbesitz; Abb.: Ramisch 1964, S. 158.

370 Anhang

53 Wolfgang Katzheimer d. Ä. und Werkstatt, Hochaltarretabel in der Kirche St. Marien in Hersbruck, um 1485; Abb.: Suckale 2009, Bd. 1, S. 335. 54 Hochaltarretabel aus der ehemaligen Franziskanerkirche St. Marien in Toruń (Thorn)/Polen, um 1370/80, Pelplin/Polen, Muzeum Diecezjalne; Abb.: Suckale 2001, S. 261. 55 Hinrik Bornemann, Verspottung und Dornenkrönung Christi, um 1490, Münster, Westfälisches Landesmuseum; Abb.: Kat. Westfälisches Landesmuseum 1986, S. 443. 56 Westfälischer Meister, Großer Kalvarienberg, um 1420, Köln, Wallraf-Richartz-Museum, Fondation Corboud; Abb.: Wallraf-Richartz-Museum (Hg.): Von Stefan Lochner bis Paul Cézanne. 120 Meisterwerke der Gemäldesammlung, Köln/Mailand 1986, S. 65. 57 Heilig-Kreuz-Retabel aus der Franziskanerkirche St. Anna in Bamberg, 1429, München, Bayerisches Nationalmuseum; Abb.: Suckale 2009, Bd. 1, S. 28 (beschnitten). 58 Werkstatt Martin Schongauer, Ecce Homo, Ende 15. Jh., Colmar/Frankreich, Musée d’Unterlinden; Abb.: Mellinkoff 1993, Bd. 2, Abb. VI.27. 59 Martin Schongauer, Dominikanerretabel, Ende 15. Jh., Colmar/Frankreich, Musée d’Unterlinden; Abb.: Stephan Kemperdick: Martin Schongauer. Eine Monographie, Petersberg 2004, S. 203, Abb. 72. 60 Breslauer Barbararetabel, 1447, Mitteltafel: Warschau/Polen, Muzeum Narodowe; Flügel: seit dem Zweiten Weltkrieg verschollen; Abb.: a–c: Labuda 1984a, S. 35, Abb. 10, S. 36, Abb. 11 u. 12; d: Ausst.Kat. „Schlesische Malerei und Plastik des Mittelalters“ 1929, Tf. 190 (Detail).

2. Farbabbildungen   1 Steirisch, Margarethenretabel aus der Kirche St. Cäcilia in St. Georgen ob Murau, um 1455/60, St. Georgen ob Murau/Österreich, Pfarrkirche St. Georg; Abb.: © Institut für Realienkunde – Universität Salzburg   2 Meister der Benediktbeurer Kreuzigung, Benediktbeurer Kreuzigung, um 1435/40, München, Alte Pinakothek; Abb.: Warnke 1999, S. 137.   3 Böhmisch, Kaufmannsche Kreuzigung, um 1340, Staatliche Museen zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Gemäldegalerie; Abb.: Suckale 2009, Bd. 1, S. 20.   4 Meister der Worcester-Kreuztragung, Worcester-Kreuztragung, um 1425, Chicago/USA, Art Institute; Abb.: Mellinkoff 1993, Bd. 2, Abb. IV.14.   5 Hans Multscher, Wurzacher Retabel, 1437, Staatliche Museen zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Gemäldegalerie; Abb.: Köllermann 2007, S. 93.   6 Bertram von Minden, Passionsretabel, um 1390/1400, Hannover, Niedersächsisches Landesmuseum, Landesgalerie; Abb.: Mellinkoff 1993, Bd. 2, Abb. VIII.2.   7 Idar-Obersteiner Retabel, um 1400, Idar-Oberstein a. d. Nahe, Felsenkirche; Abb.: Mellinkoff 1993, Bd. 2, Abb. I.49 (Detail), III.41 (beschnitten).   8 Meister des Sterzinger Altars, Kreuzigung von einem Flügelretabel, Mitte 15. Jh., Karlsruhe, Staatliche Kunsthalle; Abb.: Merback 1999, Abb. 40.   9 Kemptener Meister, Kemptener Kalvarienberg, 1460–70, Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum; Abb.: Mellinkoff 1993, Bd. 2, Abb. II.26. 10 Stefan Lochner, Weltgerichtsretabel, um 1435, Köln, Wallraf-Richartz-Museum (Mitteltafel: Weltgericht), Frankfurt a. M., Städel Museum (Flügelinnenseiten: Apostelmartyrien), München,

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Alte Pinakothek (Flügelaußenseiten: Sechs Heilige mit Stiftern); Abb.: a: Chapuis 2004, Farbtf. 1; b–e: Kat. Städel 2002, S. 178, 179 (Details). Werkstatt Wolfgang Katzheimer d. Ä., Schlüsselfelder Johannesretabel, um 1490, Würzburg, Mainfränkisches Museum (Dauerleihgabe des Bayerischen Nationalmuseums); Abb.: Suckale 2009, Bd. 1, Abb. 539, 540. Flügelretabel mit Szenen zum Martyrium des hl. Quintinus, Ende 15. Jh., Revúca/Slowakei, Kirche St. Laurentius; Abb.: © Institut für Realienkunde – Universität Salzburg Werkstätten Jan Polack und Erasmus Grasser, Hochaltarretabel aus der Stadtpfarrkirche St. Peter in München, um 1490, München, Bayerisches Nationalmuseum (Leihgabe der Katholischen Pfarrkirchenstiftung); Abb.: Ausst.Kat. „Jan Polack“ 2004, S. 221. Umkreis Jan Polack, Flügelretabel des Jörg Westner, 1509, Freising, Diözesanmuseum; Abb.: Hinterstocker 2006, S. 89 (Details). Umkreis des Jan Polack, Georgsretabel, 1510, München-Milbertshofen, Alt-St. Peter; Abb.: a–b: Hinterstocker 2006, S. 82 (Details); c: S. 79 (Detail). Meister des Altars von Raigern, Tafel von Náměšť, um 1420–30, Brno/Tschechien, Moravská galerie; Abb.: Ausst.Kat. „Kunst der Gotik aus Böhmen“ 1985, S. 94, 95. Friedrich Pacher, Tafel eines Flügelretabels mit dem Martyrium der hll. Cosmas und Damian, um 1480/90, Innsbruck/Österreich, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Inv. Nr. Gem 1291; Abb.: © Frischauf-Bild, Innsbruck Bartholomäusretabel aus der Kirche St. Bartholomäus in Kamionka Wielka/Polen, um 1450, Krakau/Polen, Muzeum Narodowe; Abb.: © Fotostudio des Nationalmuseums in Krakau Heinrich Vogtherr d. Ä., Martyrium des hl. Erasmus, 1516, Aschaffenburg, Staatsgalerie; Abb.: Ausst.Kat. „Der Kardinal“ 2006, Bd. 1, S. 160. Hans Maler, Apostelretabel aus der Franziskanerkirche in Schwaz/Österreich, um 1521/24, Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum; Abb.: Kat. Germanisches Nationalmuseum 1997, S. 313. Marx Reichlich, Jakobus-Stephanus-Retabel aus dem Augustiner-Chorherrenstift in Vahrn-Neustift/Italien, 1506, München, Alte Pinakothek; Abb.: © bpk – Bayerische Staatsgemäldesammlungen Meister von Uttenheim, Stephanusretabel, um 1465/75, Moulins/Frankreich, Musée Anne de Beaujeu; Abb.: Ausst.Kat. „Michael Pacher und sein Kreis“ 1998, S. 155. Fra Angelico, Pala di San Marco, um 1440, München, Alte Pinakothek; Abb.: http://it.wikipedia. org/wiki/Pala_di_San_Marco – letzter Zugriff: 31.7.2011. Umkreis Meister der Apostelmartyrien, Tafeln eines Flügelretabels mit Szenen zum Martyrium der hll. Felix, Regula und Exuperantius, um 1480, Esztergom (Gran)/Ungarn, Keresztény Múzeum; Abb.: Merback 1999, S. 112. Meister der Laufener Georgslegende, Laufener Georgslegende, um 1465/70, Laufen, Katholische Kirchenstiftung Mariä Himmelfahrt; Abb.: © Institut für Realienkunde – Universität Salzburg Michael Pacher, Laurentiusretabel, um 1465, St. Lorenzen/Italien, Kirche St. Laurentius; Abb.: Ausst.Kat. „Michael Pacher und sein Kreis“ 1998, S. 42. Johannesretabel aus der Kirche St. Johann in Fridolfing, spätes 15. Jh., Fridolfing, Pfarrhaus; Abb.: Ausst.Kat. „Spätgotik in Salzburg“ 1972, Farbtf. VII. Kölnisch, Diptychon mit dem Martyrium des hl. Achatius und der 10.000 Christen, um 1325– 30, Köln, Wallraf-Richartz-Museum, Fondation Corboud; Abb.: © Rheinisches Bildarchiv Köln

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29 Salzburgisch, Tafel mit dem Martyrium der hl. Apollonia, um 1490, Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum; Abb.: Foto d. Verf. 30 Kruzifix mit Achatius und 10.000 Märtyrern, um 1440/60, Bardejov/Slowakei, Šarišské múzeum; Abb.: © Institut für Realienkunde – Universität Salzburg 31 Salzburgisch, Veitsretabel, um 1480, Salzburg-Morzg/Österreich, Pfarrkirche; Abb.: © Institut für Realienkunde – Universität Salzburg 32 Meister des Veldener Hochaltars, Nothelferretabel aus der Kirche Allerheiligen in Kleinschwarzenlohe, um 1465, Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum; Abb.: Strieder 1993, S. 45. 33 Meister des Wernigeröder Altars, Wernigeröder Retabel, um 1390 oder 1420, Darmstadt, Hessisches Landesmuseum; Abb.: Kat. Hessisches Landesmuseum 1990, S. 163/164. 34 Monogrammist L. Cz., Todesangst-Christi-Retabel, um 1475, Paris/Frankreich, Musée du Louvre (a), Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum (b); Abb.: a: Suckale 2009, Bd. 1, Abb. 455; b: Grünewald und seine Zeit, Ausst.Kat. Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, München u. a. 2007, S. 249. 35 Conrad von Soest, Niederwildunger Retabel, 1403, Bad Wildungen, Evangelische Stadtkirche; Abb.: Engelbert 1995, S. 55, 59. 36 Meister Francke, Thomasretabel der Englandfahrer aus der Dominikanerkirche St. Johannis in Hamburg, 1424–1436, Hamburg, Kunsthalle; Abb.: Ausst.Kat. „Meister Francke“ 1969, Tf. 12, 13. 37 Breslauer Barbararetabel, 1447, Mitteltafel: Warschau/Polen, Muzeum Narodowe; Flügel: seit dem Zweiten Weltkrieg verschollen; Abb.: Ausst.Kat. „Meisterwerke mittelalterlicher Kunst“ 2006, S. 85 (Details). 38 Meister der Kölner Georgslegende, Georgsretabel, um 1460, Köln, Wallraf-Richartz-Museum, Privatsammlung; Abb.: © Rheinisches Bildarchiv Köln 39 Oberrheinisch, Flügel eines Diptychons mit Passionsszenen, um 1410/20, Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum; Abb.: Ausst.Kat. „Spiegel der Seligkeit“ 2000, S. 219, Abb. 48 (Detail). 40 Kreis des Meisters von St. Sigmund, Passionsretabel, um 1430, Thal/Österreich, Kirche St. Korbinian; Abb.: © Institut für Realienkunde – Universität Salzburg 41 Jörg Breu d. Ä., Verspottung und Dornenkrönung Christi, 1501, Herzogenburg/Österreich, Stift; Abb.: © Institut für Realienkunde – Universität Salzburg 42 Böhmisch, Diptychon mit Passions- und Auferstehungsszenen, um 1410/20, Churburg bei Schluderns/Italien; Abb.: © Institut für Realienkunde – Universität Salzburg 43 Mikolaj Haberschrack, Augustinerretabel, um 1468, Krakau/Polen, Muzeum Narodowe; Abb.: Ausst.Kat. „Meisterwerke mittelalterlicher Kunst“ 2006, S. 35. 44 Werkstatt Jan Polack, ehem. Hochaltarretabel aus der Franziskanerkirche St. Antonius in München, Detail: Verspottung und Dornenkrönung Christi, 1491/92, München, Bayerisches Nationalmuseum; Abb.: Ausst.Kat. „Jan Polack“ 2004, S. 179. 45 Hochaltarretabel aus Ebern, um 1450–55, Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum; Abb.: Suckale 2009, Bd. 1, S. 12, Abb. 2 (beschnitten), S. 35, Abb. 21 (beschnitten). 46 Schüler Conrads von Soest, Coronatioretabel (auch: Neustädter Retabel) aus der Kirche St. Jakobi in Lübeck, 1430–35, Staatliches Museum Schwerin, Schloss Güstrow; Abb.: © Staatliches Museum Schwerin 47 Roberto d’Oderisio, Schmerzensmann mit Maria, Johannes und arma Christi, um 1354, Cambridge/Mass./USA, Harvard Art Museums, Fogg Museum; Abb.: The Body of Christ in the Art of

Abbildungsnachweis 373

Europe and New Spain, 1150–1800, Ausst.Kat. Museum of Fine Arts, Houston, hrsg. von James Clifton, München/New York 1997, S. 21. 48 Fra Angelico, Auferstehender Christus, Maria, Thomas von Aquin und arma Christi, 1437–45, Fresko, Florenz/Italien, Kloster San Marco, 26. Zelle; Abb.: Postkarte Firenze Musei 2000. 49 Hans von Geismar und Werkstatt, Rosenkranzretabel aus der Kirche St. Jakobi in Einbeck, erste Wandlung: Bartholomäus-Zyklus, um 1500, Hannover, Niedersächsisches Landesmuseum; Abb.: © Landesmuseum Hannover

Falttafel Wilhelm Kalteysen (Meister des Breslauer Barbara-Altars) und Meister der Passionsfolgen, Breslauer Barbararetabel, 1447, Mitteltafel: Warschau/Polen, Muzeum Narodowe; Flügel: seit dem Zweiten Weltkrieg verschollen; Abb.: Ausst.Kat. „Schlesische Malerei und Plastik des Mittelalters“ 1929, Tf. 187–189, 190–191.

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Namens- und Ortsregister 1. Namensregister 10.000 Märtyrer, siehe Achatius, hl., u. 10.000 Märtyrer 11.000 Jungfrauen, siehe Ursula, hl., u. 11.000 Jungfrauen 14 Nothelfer 133 f., 137, Farbabb. 32 50 Weise 131, 186 Fn. 920 Abel 15 Fn. 27, 32, 54 Fn. 282 Abraham 32 Achatius, hl., u. 10.000 Märtyrer 133 ff., 145, 235, Abb. 39 f., Abb. 42 ff.; Farbabb. 28, Farbabb.  30 ff. Adam 180 u. Fn. 888, 234 Aegeas 77 f. Agatha, hl. 163 Fn. 784, 183, 188 ff., 204, 217, Abb. 46 Agnes, hl. 163 Fn. 784, 187 Fn. 921 Agrippina 115 Fn. 561 Alberti, Leon Battista 153 Fn. 738, 167, 168 Fn. 821 Albertus Magnus 166 Albrecht von Brandenburg 116 Alchior 179 Fn. 880 Alcuin 127 Fn. 619 Alexamenos 41 Fn. 179 Altdorfer, Albrecht 129 Fn. 624 Ambrosius, hl. 154 Fn. 745, 165 Amici di Daddi 213 Andreas, hl. 58, 76 ff., 222, Abb. 4, Abb. 5 b Angler, Gabriel 72, Abb. 2 a–b Anselm von Canterbury, hl. 44, 95 Fn. 466, 118, 153, 160 Fn. 765, 196 Fn. 961 Antonio de Beatis 16 Fn. 28 Antonio di Paolo Masini 214 Fn. 1050 Antonius, röm. Kaiser 134 Apoll 24 Fn. 67, 113 Apollonia, hl. 131, 156 f., 189 Fn. 935, Farbabb. 29

Aretino, Spinello 95 Fn. 468 Aristoteles 34 Fn. 130, 64 Fn. 323, 161, 163, 167, 171, 216 Arnold von Chartres 190 f. Assatot, siehe Astaroth Astaroth 236 Astrages 236 ff. Athene 215 Fn. 1054 Auerbach, Erich 27 Fn. 84, 35, 45 Fn. 219, 46, 49 Augustinus, hl. 12 Fn. 5, 20, 32 Fn. 115, 33 Fn. 127, 34 ff., 38, 41, 56, 65, 71 Fn. 348, 73, 112, 119 f., 147, 161 ff., 174 f., 190 Fn. 940, 217 Fn. 1066, 233, 240 Fn. 1137 Baegert, Derick 80 Fn. 391, 109 Fn. 538 Baldung Grien, Hans 92, 157 Fn. 752, Abb. 18 Bandini, Bernardo 80 Fn. 394 Barbara, hl. 17 Fn. 30, 131, 155 f., 158, 176, 184 f., 187, 188 Fn. 927, 189 f., 191 ff., 204, 216 f., 221, 226 ff., 238, Abb. 47 f., Abb. 51 a–c, Abb. 52, Abb. 60 a–c, Farbabb. 37 a–b, Falttafel a Barna da Siena 238 Fn. 1131 Bartholomaeus von Trient 50 Bartholomäus, hl. 17 Fn. 31, 24 Fn. 67 u. 69, 58, 63 Fn. 314, 105 ff., 116, 128 f., 181, 183, 221 f., 225, 235 ff., Abb. 7 b, Abb. 27, Abb. 29 b, Farbabb. 10 c, Farbabb. 14 a, Farbabb. 18, Farbabb. 20, Farbabb. 49 Basileus 176 Bataille, Georges 22 Becket, Thomas, hl. 47, 61, 156, 218 f., Farbabb. 36 a–b Bellechose, Henry 102 Fn. 501 Bellini, Jacopo 88, 129 Benedikt von Nursia, hl. 183 Fn. 899 Benesch, Otto 157 Bermejo, Bartolomé 90

Namens- und Ortsregister  375

Bernhard von Clairvaux, hl. 12 Fn. 5, 36 f., 39, 44 f., 153 Fn. 740, 162, 165, 190 f., 202 Fn. 989 Bertram von Minden 72 f., Farbabb. 6 Biglia, Andrea 168 Boleyn, Anne 93 Fn. 461 Bonaventura, hl. 39, 44, 178 Fn. 878 Bonifatius, hl. 47 Bornemann, Hinrik 208, Abb. 55 Botticelli, Sandro 80 Fn. 394 Bouts, Dierik 17 Fn. 31, 115 f., 157 Fn. 752 Bragadin, Marcantonio 106 Fn. 520 Brandt, Sebastian 217 Braun, Joseph 135 Breu d. Ä., Jörg 202, 210, Farbabb. 41 Breuer, Josef 167 Fn. 817 u. 819 Burckhardt, Jacob 27 Cadoc 182 Fn. 895 Caecilia, hl. 93 Fn. 458 Cambyses 17 Fn. 31 Cantius, Cantianus u. Cantianilla, hll. 104, 157, Abb. 26 Caravaggio, Michelangelo Merisi da 24 Fn. 68, 26 Fn. 80 Carpaccio, Vittore 17 Fn. 28, 123, 139, 149 Fn. 717 Castulus, hl. 91 Christian, Richard 218 Fn. 1071 Christus passim Cicero 12 Fn. 5, 33, 35, 168 Fn. 821 Clemens von Alexandria 47 Conrad von Soest (Schüler) 208 f., 217, Farbabb. 46 Conrad von Soest 154, 207, Farbabb. 35 a–b Cosmas und Damian, hll. 83, 99, 123, Abb. 10, Farbabb. 17, Farbabb. 23 Cranach d. Ä., Lucas 78, 103 f., 111 f., 116, 138 Fn. 663, 149 Fn. 717, 205 Fn. 1004, Abb. 7 a–c, Abb. 8 Crispin u. Crispinian, hll. 84, 131 Cyprian von Karthago, hl. 48 Fn. 233, 83 Fn. 410

Dante Alighieri 206 Fn. 1008 David 24 Fn. 67, 119 f. David, Gerard 17 Fn. 31 Diebe, siehe Schächer Dietrich von Wernigerode, Graf 141 Diocletian, röm. Kaiser 81, 104 Dionysius, hl. 95 f., 101 ff., Abb. 4, Abb. 24 Dioscorus 227 ff. Dorotheus 105, 237 Dorotheus von Nikomedien, hl. 81, 164 f. Dürer, Albrecht 19, 88, 90, 111, 137 ff., 158 Fn. 755, 191 f., 214, Abb. 15 a–b, Abb. 43 Dysmas, siehe Schächer Eike von Repgow 80, 200 Fn. 979, 202 Fn. 989 Eleutherius, hl. 103 Elija 119, 219 Elisabeth von Thüringen, hl. 62 Fn. 312, 183 Fn. 900 Elisabeth, hl. (Mutter Johannes’ d. T.) 144 Emmeran, hl. 102, 146, 156, Abb. 24 Erasmus, hl. 114 ff., 157 Fn. 752, 182, Abb. 8, Abb. 28, Farbabb. 19 Erchenfridus, Abt 81 Erec 182 Fn. 895 Erster Zürcher Nelkenmeister 136, 204, Abb. 40 Euphemia, hl. 93, 125 f. Eusebius von Caesarea 49 Fn. 239, 131 Eva 180, 186 Exuperantius, hl. 101, 126, Abb. 25, Farbabb. 24 Faustina, hl. 102, 189 Felicitas, hl. 49, 146 f., 164 Felix, hl. 101, 126, 226, Abb. 25, Farbabb. 24 Florian, hl. 146 Fn. 699 Fra Angelico 123, 214 f., Farbabb. 23, Farbabb. 48 Franziskus von Assisi, hl. 44, 143, 175 Fn. 857 Freud, Sigmund 167 Fn. 817 u. 819 Friedrich der Weise, sächs. Kurfürst 138 Froissart, Jean 214 Fn. 1046 Fütterer, Georg 125, Abb. 33

376 Anhang

Galen 64 Ganelon 66 Fn. 334 Gaultier d’Aulnay 106 Fn. 520 Georg von Podiebrad 133 Georg, hl. 17 Fn. 30, 19 Fn. 40, 52 Fn. 271, 94, 125 f., 130 Fn. 628, 131, 149, 182 f., 193, Abb. 34 f., Farbabb. 15 a–c, Farbabb. 25, Farbabb. 38 Géraud, Hugues 106 Fn. 520 Gestas, siehe Schächer Ghirlandaio, Domenico 157 Fn. 752 Giotto di Bondone 95 Fn. 466, 224 Fn. 1087 Goethe, Johann Wolfgang von 27 Fn. 87 Goliath 24 Fn. 67 Gorgonius von Nikomedien, hl. 81, 164 Görtschacher, Urban 102, 156, Abb. 24 Grasser, Erasmus 90, 137, Abb. 44, Farbabb. 13 Gregor der Große, hl., Papst 82, 136, 143, 145, 235, Abb. 39 Gregor von Tours, hl. 176 Grünewald, Matthias 214 Guter Hauptmann 37, 63, 153 Fn. 739, 238 Haberschrack, Mikolaj 200, 203, Farbabb. 43 Hadrian, röm. Kaiser 134 Haller, Andreas 183 Fn. 897 Ham 178 Hans von Geismar 101 Fn. 497, 221, 235 ff., Farbabb. 49 Hans von Kulmbach 77 f., Abb. 6 Hans von Wilten Abb. 31 Harsdörfer, Andreas 77, Abb. 5 a–b Hartmann von Aue 182 Fn. 895 Hartwig von Raute 166 Hauptmann, siehe Guter Hauptmann Heilige Drei Könige 63 Heinrich II., engl. König 61 Heinrich VIII., engl. König 93 Fn. 461 Heinrich von St. Gallen 69 Hermolaus, hl. 135, 137, 140, 142, 155 Fn. 755 Herodes 37, 98 f., 144, 200, 201 Fn. 982, 214, Abb. 20 b, Abb. 21

Herodias 98 f., 144 f. Herwegen, Ildefons 194 Hesekiel 82 Hesse, Hans 89 Fn. 438 Hieronymus, hl. 73 Hilarius von Poitiers, hl. 160 Fn. 763 Hiob 62 Fn. 311, 148 Hippokrates 64 Hippolytus, hl. 17 Fn. 31, 100 Hirtz, Hans, siehe Meister der Karlsruher Passion Holbein d. Ä., Hans 98 Holbein d. J., Hans 217 Holofernes 24 Fn. 67 Homer 57 Fn. 290, 91 Hugo von St. Victor 12 Fn. 5, 37 Fn. 150, 38 Huizinga, Johan 27 f., 151 Hus, Jan 132 f., 142, 146, Abb. 38 Ignatius von Antiochien 47, 142 Innozenz II., Papst 44 Fn. 206 Irene, hl. 91, 137 Fn. 658 Isaak 32 Iselin, Isaak 27 Fn. 87 Isidor von Sevilla, hl. 47, 79, 180 Fn. 888 Israhel von Meckenem 144 Fn. 688 Jacobus de Voragine 11, 25 Fn. 77, 50 f., 81, 83, 93, 95 Fn. 466, 98 Fn. 479, 105 f., 111 f., 125, 143, 147, 163 Fn. 784, 164 f., 183, 190, 209 Fn. 1018, 236 f., 239 Jafet 178 Jakobus (Priester) 206 Fn. 1008 Jakobus d. Ä., hl. 18 Fn. 35, 48, 82, 93, 95, 105, 120, 132, 158, 222, 227. Abb. 19 Jakobus der Zerschnittene, hl. 147, 164 Jakobus Minor, hl. 61, 95, 222 Jakoubek von Stříbo 185 Jean de Berry 17 Fn. 32, 144 Jean de Mailly 50 Jeremias 179 Fn. 880 Jesaja 36, 40, 62, 87, 203 Jesus passim Joachim, hl. 157 Fn. 752

Namens- und Ortsregister  377

Johann von Luyken 96 Johannes de Caulibus 44, 177 Johannes der Evangelist, hl. 70, 72 ff., 77 f., 84 f., 108, 117, 130, 132, 136, 145, 153 ff., 185, 201 Fn. 981, 204, 211, 214, 222, 223 Fn. 1083, 230, 233, Abb. 39, Farbabb. 27, Farbabb. 47 Johannes der Täufer, hl. 24 Fn. 67, 93, 97 ff., 131, 143 ff., 149, 228 Fn. 1100, Abb. 20 a–b, Abb. 21 Johannes von Damaskus, hl. 192, 227 Fn. 1099, 231 Fn. 1109 Johannes von Paltz 178, 201 Johannes XXII., Papst 106 Fn. 520 John of Aderne 215 Fn. 1056 Josias 95, Abb. 19 Judas Iskariot 15 Fn. 27, 41, 79 ff., 104, 115, 140, 161, Abb. 30 Judas Thaddäus, hl. 222, 223 Fn. 1083, 225 f. Judith 24 Fn. 67 Justus von Beauvais, hl. 101 Fn. 492 Kafka, Franz 173 Kain 15 Fn. 27, 32, 54 Fn. 282 Kaiphas 200 Kalteysen, Wilhelm 155 f., 158, 176, 190 Fn. 938, 191 ff., 204, 221, 226 ff., Abb. 60 a–c, Farbabb. 37 a–b, Falttafel a Kanaan 178 f. Karsthan 185 Katharina von Alexandrien, hl. 19 Fn. 40, 62 Fn. 310, 89 f., 102, 125, 131 f., 183, 185, 186 Fn. 920, 189, 191 f., Abb. 16 f., Abb.  32 f. Katzheimer d. Ä., Wolfgang 87, 99 Fn. 485, 119, 177, 209, 212 Fn. 1033, Abb. 53, Farbabb. 11 a–b Kilian von Würzburg, hl. 100, Abb. 23 Klara von Montefalco, hl. 115 Fn. 561 Kleist, Heinrich von 173 Klocker, Hans 122 Koloman von Stockerau, hl. 48 Fn. 233, 81 f., Abb. 9

Kolonat, hl., siehe Kilian von Würzburg, hl. Konrad von Vechta 142 Konradin von Schwaben, König 103 Konstantin, röm. Kaiser 40 f., 113 Kreszentia, hl. 84, Abb. 11 Laurentius, hl. 58 Fn. 296, 128 f., 132, 159 f., 164 f., Abb. 36, Farbabb. 26 Leodegar von Autun, hl. 158, 165, Abb. 50 Leonhard, hl. 82 Lessing, Gotthold Ephraim 95, 167 Fn. 816 Leu, Hans d. Ä. 126 Fn. 614 Limburg, Brüder 17 Fn. 32, 144 Lochner, Stefan 95, 98, 100, 108 ff., 122, 129, 130, 152, 155, 158, 172, 183, 218, 221 ff., 238 Fn. 1131, Farbabb. 10 a–e Löffelholz, Wilhelm 19 Fn. 40 Longinus, hl. 71, 78, 153 Fn. 739, 190, 230, 233, 237 f. Lucia, hl. 187 Fn. 921 u. 926, 230 Fn. 1105 Lucina 91 f. Lucretia 115 Fn. 565 Ludolf von Sachsen 44 f., 205 Fn. 1002 u. 1003 Ludwig IX., frz. König 60 Fn. 301, 134 f. Lukas, hl. 74, 85, 118, 200 Fn. 976, 201 Luther, Martin 51, 185 Madame Marie, siehe Marie de Gavre Maestro di S. Martino alla Palma, siehe Amici di Daddi Magerfritz, Niklaus 123 Fn. 598 Maler, Hans 111 f., 240 Fn. 1138, Farbabb. 20 Malouel, Jean 102 Mantegna, Andrea 17 Fn. 28, 88, 105, 128 Fn. 622, 129 Marco d’Agrate 108 Fn. 531 Margarethe von Antiochien, hl. 11, 53 Fn. 277, 55, 127 f., 131, 158, 169 Fn. 828, 187 f., 204, 209 Fn. 1018, 230, Farbabb. 1 a–d Maria Kleophas, hl. 70, 72, 78, 153, 211, 233 Maria Magdalena, hl. 70, 72, 78, 141, 153, 211, 233 Maria Salome, hl. 70, 72, 78, 153, 211, 233

378 Anhang

Maria, hl. (Muttergottes) 44, 70, 72 f., 78, 85, 118, 136, 141, 144 f., 150, 151 Fn. 723, 153 f., 172, 177 f., 185, 190 f., 196, 204, 206 Fn. 1008, 211, 214, 226, 233, Abb. 39, Farbabb. 47 f. Marie de Gavre 17 Fn. 32, 18, 108 Fn. 533, 114, 122, 207, Abb. 29 a–c Markus, hl. 60, 85 Martin V., Papst 142 Martorell, Barnardo 17 Fn. 30 Marzal de Sax 17 Fn. 30 Matthäus, hl. 79, 85, 112, 115, 121, 176, 183, 200 Fn. 978, 201, 216, 222, 223 Fn. 1083 Matthias, hl. 103 f., 112, 222, Abb. 7 c Mauritius, hl. 185 Maurus, hl. 183 Maximian, röm. Kaiser 102 Mayer, Anton L. 194 Medici, Guiliano de’ 80 Fn. 394 Medici, Lorenzo de’ 80 Fn. 394 Meister Bernhard 123 Fn. 598 Meister der Apostelmartyrien (Umkreis) 101, 126, Abb. 25, Farbabb. 24 Meister der Benediktbeurer Kreuzigung 70, 159, 180, Farbabb. 2 Meister der Georgslegende 125, 149, 193, Abb. 34, Farbabb. 38 Meister der Heiligen Sippe 92 Meister der Karlsruher Passion 68, 72 f., 86, 109, 152, 154 f., 159, 172, 178, 203, 214 Fn. 1045, Abb. 1 a–e Meister der Kilianslegende 100, Abb. 23 Meister der Kleinen Passion 141 f. Meister der Laufener Georgslegende 182, 191, Abb. 52, Farbabb. 25 Meister der Legendenszenen 83, Abb. 10 Meister der Passionsfolgen 155, 176, 193 Fn. 949, 221, 226 ff., Abb. 60 d, Falttafel b Meister der Tegernseer Tabula Magna, siehe Angler, Gabriel Meister der Ursula-Legende 148 f. Meister der Worcester-Kreuztragung 71, 206 f., 210 f., 224, Farbabb. 4

Meister des Altars Johannes’ des Almosengebers 146, Abb. 49 Meister des Altars von Raigern 102, 133, 156 f., 215 Fn. 1053, Farbabb. 16 a–b Meister des Augustiner-Altars 84, Abb. 11 Meister des Breslauer Barbara-Altars, siehe Wilhelm Kalteysen Meister des Krainburger Altars 104, 157, Abb. 26 Meister des Sterzinger Altars 75, Farbabb. 8 Meister des Stiftergruftaltars 78, 96, Abb. 4 Meister des Veldener Hochaltars 137, Farbabb. 32 Meister des Warendorfer Altars 128, Abb. 36 Meister des Wernigeröder Altars 140 f., Farbabb. 33 Meister des Winkler-Epitaphs 101 Fn. 498, 155, 223 Fn. 1083 Meister Francke 154, 156, 184, 188 Fn. 927, 190, 192, 203 f., 218 f., 229, 231, 233, Abb. 45 a–b, Abb. 51 a–c, Farbabb. 36 a–b Meister in St. Primus 104 Fn. 507 u. 508 Meister IT 116, Abb. 28 Meister vom Marktkirchenaltar 125 f. Meister von Schöppingen 89 Fn. 439 Meister von St. Korbinian 184, 192 f., 232, Abb. 48 Meister von St. Sigmund (Umkreis) 200, 213, Farbabb. 40 Meister von Uttenheim 121 f., Farbabb. 22 Metaphrastes 229 Fn. 1104 Michel de Montaigne 173 Michelangelo Buonarroti 113 Fn. 550, 137 Modestus, hl. 84, Abb. 11 Monogrammist HG von 1514 191 f., Abb. 17 Monogrammist L. Cz. 153, 176 f., Farbabb. 34 a–b Moses 120 Multscher, Hans 72, 118 f., Farbabb. 5 Nero, röm. Kaiser 115 Fn. 561 Nesimi, Imadeddin 106 Fn. 520 Nikolaus von Dresden 185

Namens- und Ortsregister  379

Noah 133 Fn. 643, 178 f. Notke, Bernt 131, 192 f., 216 f., 232, Abb. 47 Novalis 27 Fn. 88 Oglerius von Trino 153 Fn. 740 Olibrius 11, 188 Origenes 40 Fn. 174, 47, 228 Oswald, hl., König 148 Ovid 12 Fn. 5 Pacher, Friedrich 99, 125, Abb. 32, Farbabb. 17 Pacher, Michael 117, 128 f., 159, Farbabb. 26 Panofsky, Erwin 15 Fn. 24, 57 Fn. 292, 95, 102, 138 Paschasius 230 Fn. 1105 Paschasius Radbertus, hl. 43 Paulus Diaconus 91 Paulus, hl. 33, 60 f., 69, 90, 93, 97 ff., 100 f., 109 f., 112 f., 148 f., 180, 222, Abb. 3 b, Abb. 22, Farbabb. 10 b, Farbabb. 13 Pérez, Gonzalo 17 Fn. 30, 229 Fn. 1101 Perpetua, Vibia, hl. 49, 146 f., 164 Petr von Mladoňovice 133 Petrarca 27 Petrus de Natalibus 111 Fn. 544 Petrus, hl. 76 ff., 113, 141, 222, 237, Abb. 3 a, Abb. 5 a, Abb. 6, Abb. 7 a, Abb. 22 Philip von Harveng 160 Fn. 765 Philippe d’Aulnay 106 Fn. 520 Philippus, hl. 122, 218, 222, 223 Fn. 1083, Farbabb. 10 e Piero della Francesca 88 Pilatus 84 f., 200 f., 212 Pius II., Papst 133 Placidus, hl. 183 Fn. 899 Planck, Stephan 98 Fn. 479 Platon 12 Fn. 5, 34 Fn. 130, 36 Plotin 36 Polack, Jan 90, 126, 203, Farbabb. 13 ff., Farbabb. 44 Polimius 236 ff. Pollaiuolo, Antonio 139, Abb. 41 Polycarp von Smyrna, hl. 48 f., 146 f., 164, 227

Porphyrius, hl. 102 Poussin, Nicolas 25 Fn. 70 Proculus, hl. 105 Fn. 515 Prudentius 163 Fn. 784 Pseudo-Bonaventura 44, 203 Pseudo-Dionysius Areopagita 38 Pucelle, Jean 122 Quintinus, hl. 181 f., 183, Farbabb. 12 Raphon, Hans 137, 238 Fn. 1130 Räuber, siehe Schächer Réau, Louis 85 Regina, hl. 53 Fn. 277 Regula, hl. 101, 126, Abb. 25, Farbabb. 24 Reichlich, Marx 95, 123, 129, 153, 172, 177, 188 Fn. 931, 314, Abb. 19, Abb. 37, Farbabb. 21 a–b Reinhard von Laudenburg 113 Revocatus, hl. 49, 146 f. Ribera, Jusepe de 24 Fn. 68, 114 Richstaetter, Carl 40 f. Robert de Broc of Saltwood 218 Fn. 1070 Roberto d’Oderisio 203, 214, Farbabb. 47 Roth, Stephan 51 Fn. 266 Rousseau, Jean-Jacques 27 Rubens, Peter Paul 25 Fn. 70 Rumaldus 81 Rusticus, hl. 103 Salome 98 Saturn 127 Saturninus, hl. 49 Saturus, hl. 49 Saul 115 Fn. 565 Schächer 16 f. Fn. 28, 30, 42, 74 ff., 140, 204, 237, 238 Fn. 1130 Schongauer, Martin 212, Abb. 58 f. Schopenhauer, Johanna 130 Scotus, Johannes 38 Sebastian, hl. 90 ff., 111, 132, 137, 184 f., Abb. 18, Farbabb. 13 b Secharja 121 f.

380 Anhang

Sedlmayr, Hans 42, 224 Fn. 1087 Sem 178 f. Sigismund, röm.-dt. Kaiser 132 f. Silvester I., hl., Papst 113 Simeon 196 Fn. 961 Simon, hl. 222, 223 Fn. 1083, 225 Sisamnes 17 Fn. 31 Sisinius 158 Fn. 754 Sokrates 34 Fn. 130 Stanislaus, hl. 146, Abb. 49 Stephanus, hl. 48, 49 Fn. 245, 58, 62 Fn. 310, 120 ff., 227, Abb. 29 a, Abb. 31, Farbabb. 21 a, Farbabb. 22 Stoß, Veit 100 f. Suger von St. Denis 38 f. Tengler, Ulrich 28 Fn. 101 Tertullian 40 Fn. 174, 47, 62 Fn. 311, 71 Fn. 348, 75 Fn. 369, 93, 98 Fn. 479, 130, 161, 190 Fn. 940, 232 Thebäische Legion 101, 134, 137 Fn. 659 Theodosius, röm. Kaiser 40 Thomas von Aquin, hl. 39, 69, 119, 152, 160, 163, 166 Fn. 807, 178 Fn. 878, 214, Farbabb. 48 Thomas von Kempen 48 Fn. 235 Thomas, hl. (Apostel) 73, 222, 225, Farbabb. 10 d Thomas, hl. (Erzb. von Canterbury), siehe Becket, Thomas, hl. Tizian 114 Fn. 559 Totnan, hl., siehe Kilian von Würzburg, hl. Tsgrooten, Antonius 214

Ursula, hl., u. 11.000 Jungfrauen 133, 139, 148 f., 235 Valeria von Limoges, hl. 143 van der Weyden, Goswyn 214 van der Weyden, Rogier 144 f., 177 Fn. 868 Veit aus Kamnik 104 Fn. 508 Veit, hl. 84, Abb. 11 Velázquez, Diego 24 Fn. 68 Veronika, hl. 72, 159, 180 Vesalius, Andreas 114 Vincentius, hl. 114, 129, 147, 163 Fn. 784, 207, Abb. 29 c, Abb. 37 Vogtherr d. Ä., Heinrich 116, Farbabb. 19 Wann, Paul 113, 175, 178, 180, 205 Fn. 1003 Wenzel von Olmütz 108 Fn. 534 Westner, Jörg 92, 110 f., Farbabb. 14 a–b Wick, Johann Jakob 96 Fn. 472 Wilhelm von Auvergne 128 Wilhelmus 218 Wimpfeling, Jakob 178 Winchelsey, Robert 218 Fn. 1071 Witz, Konrad 191 Fn. 943 Wolgemut, Michael 46, 77 f., 86, Abb. 5 a–b, Abb. 14 Zacharias, siehe Secharja Zanckenried, Daniel 178 Zeitblom, Bartholomäus 144 f., 149, Abb. 21 Zwingli, Huldrych 185

Namens- und Ortsregister  381

2. Ortsregister Aachen 227 Agatharied, St. Agatha (Kirche) 156, 189 Aleppo 106 Fn. 520 Altheim, Kloster Heiligkreuztal 78 Fn. 383 Antwerpen, Musée des Beaux Arts 214 Aquileia 104 Ararat, Berg 58, 134 f., 137, 139 Aschaffenburg, Staatsgalerie 116, Farbabb. 19 Athen 23 Fn. 58, 59 Fn. 299 Augsburg St. Katharina (Kloster) 98 Staatsgalerie 98 Aussig, siehe Ústí nad Labem Bad Wildungen, Evangelische Stadtkirche 154, 207, Farbabb. 35 a–b Bamberg allgemein 28 Fn. 101 -Eichstätt 148 St. Anna (Kirche) 208, Abb. 57 Barcelona, Museu Nacional d’Art de Catelunya 17 Fn. 30, 229 Fn. 1101 Bardejov, Šarišské múzeum 136, 145, Farbabb. 30 Basel allgemein 114, 217 Kunstmuseum 191 Fn. 943 Benediktbeuren 70, 210, Farbabb. 2 Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz 46, 72, 75, 109 Fn. 534, 118, 119 Fn. 585, 177 Fn. 868, 187 Fn. 926, Abb. 14, Farbabb. 3, Farbabb. 5 Bern, Münster 123 Fn. 598 Bilbao, Museo de Bellas Artes de Bilbao 90 Fn. 441 Blankenburg 141 Fn. 674 Blaubeuren, St. Johannes (Kirche) 144 f., 149, Abb. 21 Boston, Museum of Fine Arts 17 Fn. 31 Bozen, Museo Civico 124 Brandenburg, St. Peter und Paul (Kirche) 76, 97, Abb. 3 a–b

Bremen, Roselius-Haus 99, 144, Abb. 20 a–b Breslau, St. Barbara (Kirche) 155 f., 158, 176, 190 Fn. 938, 191 ff., 204, 221, 226 ff., Abb. 60 a–d, Farbabb. 37 a–b, Falttafel a–b Brno, Moravská galerie 102, 132 f., 215 Fn. 1053, Farbabb. 16 a–b Brügge Brugse Vrije 17 Fn. 31 Groeningemuseum 17 Fn. 31 Brünn, siehe Brno Brüssel, Bibliothèque Royale 203 Fn. 994 Brzeg, St. Nikolai (Kirche) 136 Fn. 656 Cambridge/Mass., Harvard Art Museums, Fogg Museum 95 Fn. 468, 203, Farbabb. 47 Chalcedon 160 Chemnitz-Ebersdorf, Stiftskirche 89 Fn. 438 Chicago, Art Institute 17, 71, 206 f., 210 f., 224Fn. 30, Farbabb. 4 Churburg, siehe Schluderns Cleveland, Cleveland Museum of Art 139 Fn. 665, Abb. 41 Colmar, Musée d’Unterlinden 212, Abb. 58 f. Danzig, St. Marien (Kirche) 188, 190 Fn. 938, 192, 211, 216 f., 232 f., Abb. 46 f. Darmstadt Hessische Landes- und Hochschulbibliothek 109 Fn. 537 Hessisches Landesmuseum 140, Farbabb. 33 Dijon, Chartreuse de Champmol 96 Fn. 469, 102 Ebern 204, Farbabb. 45 Einbeck, St. Jakobi (Kirche) 221, 235 ff., Farbabb. 49 Eisenerz, St. Oswald (Kirche) 148 Erfurt 178 Erlangen-Bruck 77 f., Abb. 6 Eßlingen, St. Dionys (Kirche) 223 Fn. 1082 Esztergom, Keresztény Múzeum 101, 126, Abb. 25, Farbabb. 24 Famagusta 106 Fn. 520

382 Anhang

Florenz Biblioteca Laurenziana 118 Fn. 572 Biblioteca Nazionale 147 Fn. 705 Galleria degli Uffizi 77 f., Abb. 6 Museo di San Marco 123, Farbabb. 48 Palazzo del Bargello 80 Fn. 394 Palazzo della Signoria 80 Fn. 394 S. Lorenzo (Kirche), Neue Sakristei 137 S. Marco (Kloster) 214, Farbabb. 23, 48 S. Maria Novella (Kirche), Cappella Maggiore 157 Fn. 752 Frankfurt a. M. Gallustor 107 Fn. 525 Städel Museum 63 Fn. 314, 77 f., 95, 98, 100, 108 ff., 122, 129 f., 140 Fn. 668, 152, 155, 158, 172, 183, 218, 221 ff., Farbabb. 10 a–e Freiburg i. Br. Augustinermuseum 223 Fn. 1083 Unserer Lieben Frau (Kirche) Abb. 30 Freising, Diözesanmuseum 92, 110, Farbabb. 14 Fridolfing St. Johann (Kirche) 130, Farbabb. 27 Pfarrhaus 130, Farbabb. 27 Gaesdonck (Kloster) 109 Gasulla-Schlucht 57 Fn. 290 Gießmannsdorf, siehe Gościszowice Gościszowice, St. Katharina (Kirche) 89, 183, 189, Abb. 16 Göttingen St. Albani (Kirche) 101 Fn. 497 St. Jacobi (Kirche) 227 Grado 104 Gran, siehe Esztergom Graz, Joanneum 83, 146 Fn. 699, Abb. 10 Grodków, Rathaus 136, 145, Abb. 39 Grottkau, siehe Grodków Güssing, Schloss Draskovich 211 Halle a. d. Saale allgemein 116 St. Paul (Kirche) 92, 157 Fn. 752, Abb. 18

Hamburg Kunsthalle 154, 156, 203, 218 f., Abb. 45 a–b, Farbabb. 36 a–b St. Johannis (Kirche) 154, 156, 203, 218 f., Abb. 45 a–b, Farbabb. 36 a–b Hannover, Niedersächsisches Landesmuseum 72, 86, 183 Fn. 899, 213, 221, 235 ff., Abb. 12, Farbabb. 6, Farbabb. 49 Heiligenblut, St. Vinzenz (Kirche) 129, Abb. 37 Heiligenkreuz, Stift 82 Heiligenstadt Eichsfelder Heimatmuseum 137 Fn. 659 St. Marien (Kirche) 137 Helsinki, Suomen kansallismuseo 184, 188 Fn. 927, 190, 192, 204, 229, 231, Abb. 51 a–c Hersbruck, St. Marien (Kirche) 177, Abb. 53 Herzogenburg, Stift 202, 210, Farbabb. 41 Idar-Oberstein a. d. Nahe, Felsenkirche 73, 155, 207 Fn. 1014, Farbabb. 7 a–b Innsbruck Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum 99, 183 Fn. 897, Abb. 31, Farbabb. 17 -Wilten, Stiftskirche Abb. 31 Kalkar, St. Nikolai (Kirche) 19 Fn. 40 Kamionka Wielka, St. Bartholomäus (Kirche) 107, Farbabb. 18 Kamnik, St. Primus (Kirche) 104 Fn. 507 f. Kantnig, St. Peter und Paul (Kirche) 125, Abb. 35 Karlsruhe allgemein 68, 72, 159, 172, Abb. 1 a Staatliche Kunsthalle 72 f., 86, 109, 152, 154 f., 159, 172, 178, 203, 214 Fn. 1045, Abb. 1 b-e Klagenfurt Diözesanmuseum 97, Abb. 22 Österreichisches Landesmuseum 125, Abb. 35 Kleinschwarzenlohe, Allerheiligen (Kirche) 137, Farbabb. 32

Namens- und Ortsregister  383

Köln allgemein 134, 142 Museum für Angewandte Kunst 189 Fn. 935 St. Klara (Kloster) 203 St. Petrus (Kirche) 42, 107, 216 Fn. 1059 Wallraf-Richartz-Museum 68, 72, 92, 111, 125, 135 f., 141 f., 148 f., 159, 172, 183 Fn. 900, 193, 211, 216 Fn. 1059, 221 ff., Abb. 1 a, Abb. 27, Abb. 34, Abb. 56, Farbabb. 28, Farbabb. 38 Konstanz 78 Fn. 383, 132 f., 142 Krainburg, siehe Kranj Krakau Karmeliterkloster 46, 86 Muzeum Narodowe 107, 200, Farbabb. 18, Farbabb. 43 Paulinerkirche 146, Abb. 49 Zamek Królewski na Wawelu 146, Abb. 49 Kranj, St. Cantius, Cantianus und Cantianilla (Kirche) 104, Abb. 26 Lascaux, Höhle von 57 Fn. 290 Laufen, Katholische Kirchenstiftung Mariä Himmelfahrt 182, Farbabb. 25 Léon, San Isidoro (Kirche) 180 Fn. 888 Limoges 143 Litoměřice 132, Abb. 38 London British Library 216 Fn. 1062 British Museum 41 Victoria and Albert Museum 17 Fn. 30 Löwen, St. Peter (Kirche) 175 Fn. 752 Lübeck allgemein 96 Fn. 472 St. Annen-Museum 84, 131 St. Jakobi (Kirche) 208, Farbabb. 46 Lüneburg, St. Michael (Kirche) 86, Abb. 12 Luzern, Zentralbibliothek 124 Fn. 604 Madison/Wisconsin 81 f., Abb. 9 Magdeburg 116

Mailand allgemein 40 Dom 108 Fn. 531 Pinacoteca di Brera 128 Fn. 622 Manchester, Barlow Collection 213 Melk, Stift 81, 148 Fn. 713 Metz, St. Vincent (Kloster) 187 Fn. 726 Milbertshofen, siehe München Morzg, siehe Salzburg Moulins, Musée Anne de Beaujeu 122, Farbabb. 22 München allgemein 189 Alte Pinakothek 68, 70, 95, 123, 153, 159, 172, 177, 188 Fn. 931, 210, 214 Fn. 1044, 222 Fn. 1079, Abb. 19, Farbabb. 2, Farbabb. 21 a–b, Farbabb. 23 Bayerisches Nationalmuseum 72, 90, 203, 208, Abb. 2 b, Abb. 57, Farbabb. 13, Farbabb. 44 Bayerische Staatsbibliothek 18 Fn. 35, 115 Fn. 564, 127 -Milbertshofen, Alt-St. Georg (Kirche) 126, Farbabb. 15 a–c St. Antonius (Kirche) 203, 207, Farbabb. 44 St. Peter (Kirche) 90, Farbabb. 13 Münster, Westfälisches Landesmuseum 80 Fn. 391, 89 Fn. 439, 109 Fn. 538, 116, 128, 141 f., 208, Abb. 28, Abb. 36, Abb. 42, Abb. 55 Narbonne 176 Neapel allgemein 103 S. Maria Donnaregina (Kirche) 118 Neuburg a. D. 189 Fn. 935 Neustift, siehe Vahrn New Haven, Beinecke Rare Book and Manuscript Library 188 Fn. 930 New York Metropolitan Museum, The Cloisters 17 Fn. 32, 144 Pierpont Morgan Library 60 Fn. 301

384 Anhang

Niedzica, St. Bartholomäus (Kirche) 108 Nürnberg allgemein 113, 139, 226 Dominikanerkloster 51 Germanisches Nationalmuseum 75, 77, 84, 90, 92, 111, 131, 137, 153, 158, 179, 191, 204, Abb. 17 f., Abb. 50, Farbabb. 2 a, Farbabb. 9, Farbabb. 20, Farbabb. 29, Farbabb. 32, Farbabb. 34 b, Farbabb. 39, Farbabb. 45 a–b St. Katharina (Kirche) 125, Abb. 33 St. Lorenz (Kirche) 125, Abb. 5, Abb. 33 St. Sebald (Kirche) 19 Fn. 40 St. Veit (Kirche) 84, Abb. 11 Padua Arena-Kapelle 224 Fn. 1087 Chiesa degli Eremitani 105 Paris allgemein 96, 194 Fn. 951 Bibliothèque nationale de France 18, 107 Fn. 527, 122 Fn. 596, 207, Abb. 29 a–c Musée du Louvre 17 Fn. 30, 102, 176 f., Farbabb. 34 a Nôtre-Dame (Kirche) 96 St. Germain-des-Prés 204 Fn. 1000, Abb. 13 Passau allgemein 113, 175 St. Stephan (Kirche) 205 Fn. 1003 Patmos 130 Pelplin, Muzeum Diecezjalne 197 Fn. 968, 202, Abb. 54 Pinzon, St. Stephan (Kirche) 122 Prag allgemein 75, 133, 206 Fn. 1008, Farbabb. 3 Národní galerie 238 Fn. 1130 Rangersdorf, St. Peter und Paul (Kirche) 97, Abb. 22 Raudnig, St. Wenzel (Kirche) 132 f., Abb. 38 Regensburg -Prüfening (Kloster) 18 Fn. 35 St. Peter (Kirche) 223 Fn. 1082

Reichersdorf, St. Leonhard (Kirche) 137, Abb. 44 Reval, St. Nikolai (Kirche) 217 Revúca, St. Laurentius (Kirche) 89, 181, Farbabb. 12 Rom Abbazia delle Tre Fontane, S. Paolo delle Tre Fontane (Kirche) 98 allgemein 16 Fn. 28, 26 Fn. 80, 60, 76, 103 f. u. passim Palatin, Palast 41 Fn. 179 Porta Latina 130 Römisches Reich 33, 40 u. passim S. Sabina (Kirche) 42, 74 Saint-Denis, St. Denis (Kloster) 96 Saint-Omer Musée archéologique 87 St. Bertin (Kirche) 87 Salzburg allgemein 131, Farbabb. 29 -Morzg 137, Farbabb. 31 San Gimignano, Chiesa della Collegiata 238 Fn. 1131 San Lorenzo di Sebato, siehe St. Lorenzen Schluderns, Churburg 180, 206, Farbabb. 42 a–b Schwaz, Franziskanerkirche 111, 240 Fn. 1138, Farbabb. 20 Schwerin, Staatliches Museum, Schloss Güstrow 208 f., 217, Farbabb. 46 Selling/Kent 218 Fn. 1071 Sinai, Katharinenkloster 42 Fn. 190, 223 Fn. 1082 Sluderno, siehe Schluderns St. Georgen ob Murau St. Cäcilia (Kirche) 11, 187 f., 204, Farbabb. 1 a–d St. Georg (Kirche) 11, 187 f., 204, Farbabb. 1 a–d St. Lambrecht, Benediktinerstift, Stiftsmuseum 78, 96, Abb. 4 a–b St. Lorenzen, St. Laurentius (Kirche) 128, 159, Farbabb. 26 St. Petersburg, Eremitage 143

Namens- und Ortsregister  385

St. Wolfgang ob Grades, St. Wolfgang (Kirche) 117, 146, 156, Abb. 24 Straßburg 50, 185 Stuttgart Staatsgalerie 123 Württembergische Landesbibliothek 81 Fn. 398, 85, 101 Fn. 494 f., 108, 204 Fn. 1000, 208 Fn. 1016, Abb. 13, 223 Fn. 1082 Tegernsee, Benediktinerabtei 72, 154, 210, Abb. 2 a–b Thal, St. Korbinian (Kirche) 200, 213, Farbabb. 40 Thorn, siehe Toruń Toruń, St. Marien (Kirche) 197 Fn. 968, 202, Abb. 54 Trier, Stadtbibliothek 176 Fn. 863 Urbino, Galleria Nazionale delle Marche 88 Ústí nad Labem, Muzeum 132, Abb. 38 Vahrn-Neustift, Augustiner-Chorherrenstift 95, 123, 125, 153, 172, 177, 184, 188 Fn. 931, 192, 232, Abb. 19, Abb. 32, Abb. 48, Farbabb. 21 a–b Valencia 17 Fn. 30 Varna, siehe Vahrn Vatikan St. Peter (Kirche), Cappella Sistina 113 Fn. 550 Pinacoteca Vaticana 109, Fn. 535, 223 Fn. 1083 Venedig Galleria dell’Accademia 17 Fn. 28, 139 Scuola di Sant’Orsola 139

Warendorf 128, Abb. 36 Warschau, Muzeum Narodowe 155 f., 158, 176, 190 Fn. 938, 191 ff., 204, 221, 226 ff., Farbabb. 37 a–b, Falttafel a Wartberg, St. Kilian (Kirche) 100, Abb. 23 Wernigerode 140 f., Farbabb. 33 Wien Albertina, Graphische Sammlung 108 Fn. 534 allgemein 81 f. Kunsthistorisches Museum 138, 149 Fn. 717 -Neustadt 58, 223 Fn. 1083 Österreichische Galerie Belvedere 78, 83, 101 Fn. 498, 104, 148, 179, Abb. 26 Österreichische Nationalbibliothek 76 Fn. 374 Stephansdom 58 Wienhausen (Kloster) 18 f., 223 Fn. 1083 Wittenberg Allerheiligen (Kirche) 138 Lutherhalle 205 Fn. 1004 Würzburg, Mainfränkisches Museum 87, 177, 209, Farbabb. 11 a–b Zürich allgemein 101 Kappelerhof 136, 204, Abb. 40 Schweizerisches Landesmuseum 101 Fn. 498, 126 Fn. 614, 136, 204, Abb. 40 Wasserkirche 101 Fn. 498 Zentralbibliothek 96 Fn. 472, 106 Fn. 521 Zwiefalten, Kloster 81 Fn. 398, 101, 108, 223 Fn. 1082

Breslauer Barbararetabel, 1447 a) geöffneter Zustand (Rekonstruktion): Wilhelm Kalteysen (Meister des Breslauer Barbara-Altars), Barbara Zyklus und Sacra Conversazione

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Bresslauer Barbararetabel b) erste Wandlung (Rekonstruktion): Meister der Passionsfolgen, Passionszyklus

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zWiscHen Wort und Bild WaHrneHmunGen und deutunGen im mittel alter

»Wahrnehmung« und »Deutung« sind Schlüsselbegriffe der jüngeren Kunstgeschichte wie auch der Geschichts- und Literaturwissenschaft. Der Band führt die Forschung zu diesen Begriffen fächerübergreifend zusammen: Er bietet Fallstudien zu Reliquiaren und zum Heiligenkult, zur Visualität sowie zu Fremdheit und Vergangenheit. Die Studien zeigen, wie in den verschiedenen Disziplinen die Begriffe »Wahrnehmung« und »Deutung« verwendet werden können. Zusammengenommen machen sie aber auch deutlich, welches Potential die Frage nach Wahrnehmungen und Deutungen hat, sobald interdisziplinäre Missverständnisse »zwischen Wort und Bild« aus dem Weg geräumt sind. 2010. V, 291 S. 17 S/w-Abb. Auf 16 TAf. Gb. 155 x 230 mm. ISbN 978-3-412-20537-9

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Obwohl das Siegel ein verbreitetes Bildmedium im europäischen Mittelalter war, hat die Forschung es lange ausschließlich als Rechtszeichen wahrgenommen. Folglich ist es eine Quelle der Geschichtswissenschaft geworden. Der Kunstgeschichte, die dem Siegel trotz seiner reichen Ikonographie und seiner aufwändigen kleinplastischen Gestaltung bislang wenig Interesse entgegengebracht hat, bieten sich durch bildwissenschaftliche Impulse jedoch neue Zugriffsmöglichkeiten. Die hier versammelten Beiträge aus beiden Disziplinen gehen am Beispiel der korporativen Siegel des Spätmittelalters der Frage nach, welche Bilder eine vielgliedrige Gruppe für ihre spezifische Identität fand und wie sie sich dabei mit den Traditionen des Mediums auseinandersetzte.

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K arin Kr ause / BarBar a schellewald (hg.)

Bild und TexT im miTTel alTer (sensus. sTudien zur miTTel alTerlichen KunsT, Band 2)

Die Kulturen des europäischen Mittelalters wurden ganz entscheidend durch das Zusammenwirken von Texten und Bildern geprägt. Ein breites Spektrum an aktuellen Forschungsansätzen unterschiedlicher mediävistischer Disziplinen zum Thema bildet dieser Band ab. Die Beiträge befassen sich mit abendländischen und osteuropäischen Denkmälern von der Spätantike bis zum ausgehenden Mittelalter und nehmen dabei auch interkulturelle Phänomene der Migration und der Rezeption von Bildern und Texten in den Blick. In konkreten Fallstudien werden der Facettenreichtum von Bild-Text-Relationen erhellt sowie bisherige Untersuchungsmethoden und Interpretationsmodelle kritisch diskutiert. Darüber hinaus werden laufende Digitalisierungsprojekte zur wissenschaftlichen Erschließung von Bildern und Texten vorgestellt. 2011. 420 S. 191 S/w-Abb. und 35 fArb. Abb. Auf 24 TAf. Gb. 170 x 240 mm. ISbn 978-3-412-20642-0

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SILVIA SCHLEGEL

MITTELALTERLICHE TAUFGEFÄSSE FUNKTION UND AUSSTATTUNG (SENSUS. STUDIEN ZUR MITTELALTERLICHEN KUNST, BAND 3)

Mittelalterliche Taufgefäße gehörten zur Ausstattung verschiedener Kirchentypen. Ihre Form und ihre bildnerische Gestaltung sind überaus vielfältig. Sie reichen vom schlichten Kessel bis zur höchst qualitätvollen Bildhauer- oder Bronzegießer-Arbeit. Ausgehend von einer umfassenden Bestandsaufnahme sowie der Beschreibung von liturgischem Kontext und Funktion im jeweiligen Kirchentypus entwirft die Autorin ein differenziertes Bild des mittelalterlichen Taufortes. Form, Situierung, Inszenierung und bildnerische Ausstattung des Taufgefäßes waren Kirche, Ritus und Feier gemäß gestaltet. In dem reich bebilderten Band werden die unterschiedlichen Typen mittelalterlicher Taufgefäße beschrieben und die wichtigsten figürlichen Werke bis um 1300 erstmals in einem Katalog vorgestellt. Er stellt damit einen bedeutenden Beitrag zur Erforschung des mittelalterlichen Kirchenraums und seiner Ausstattung dar. 2012. 686 S. 160 S/W-ABB. GB. 170 X 240 MM. | ISBN 978-3-412-20782-3

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BARBARA SCHEDL

DER PLAN VON ST. GALLEN EIN MODELL EUROPÄISCHER KLOSTERKULTUR

Der Klosterplan von St. Gallen gehört zu den bedeutendsten Denkmälern der karolingischen Zeit. Er ist die früheste erhaltene und umfangreichste Visualisierung eines Baukomplexes und ist seit seiner Anfertigung, wohl vor 830, im Besitz der Stiftsbibliothek St. Gallen. Barbara Schedl erläutert in dieser Publikation erstmals seit Beginn der fast 400 Jahre andauernden Forschungsgeschichte zum Klosterplan das schrittweise Entstehen der Architekturzeichnung und die ursprüngliche Intention der Planverfasser. Im Mittelpunkt stehen die Herstellungs- und die dabei zu vermutenden Denkprozesse, die dem bildlichen Entwurf zugrunde liegen. Eine Textanalyse und Interpretation der im 12. Jahrhundert auf der Rückseite angebrachten Martins-Vita vom Mittelalterhistoriker Karl Brunner ergänzt die Arbeit. Das beigelegte verkleinerte Faksimile zeigt den Klosterplan aus dem 9. Jahrhundert und auf seiner Rückseite die im 12. Jahrhundert niedergeschriebene Martinsvita. 2014. 146 S. 23 S/W- UND FARB. ABB., 1 FALTPLAN. FRANZ. BR. 170 X 240 MM. | ISBN 978-3-205-79502-5

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KATJA SCHRÖCK, BRUNO KLEIN, STEFAN BÜRGER (HG.)

KIRCHE ALS BAUSTELLE GROSSE SAKRALBAUTEN DES MITTELALTERS

Wer sich heute große mittelalterliche Kirchen in den alten Städten Europas anschaut, sieht zumeist nur das künstlerische Resultat, ohne die schwierige Entstehungsgeschichte dieser Monumente zu bedenken. Die Bauherren lösten mit ihrem Bauauftrag stets Prozesse aus, die sie in vielerlei Hinsicht nicht überblicken konnten: Weder ließ sich die zeitliche Dauer abschätzen noch die endgültige künstlerische Gestalt. Vor allem aber vermochten sie die potenzielle soziale Dynamik eines solchen Projektes nicht zu kalkulieren, da solche großen Bauvorhaben das Engagement zahlreicher Personen und Gruppen erforderten. Dabei konnte jeder Stifter und Förderer versuchen, seine soziale Stellung und politische Position zu stabilisieren oder zu verändern. Dass diese Aktivitäten als Teil der baukünstlerischen Qualität zu verstehen sind, wird im vorliegenden Band systematisch und anhand zahlreicher Einzelfälle dargestellt. 2013. 428 S. 134 S/W-ABB. GB. 178 X 260 MM | ISBN 978-3-412-20976-6

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