Geteilte Berge: Eine Konfliktgeschichte der Naturnutzung in der Tatra [1 ed.]
 9783666355950, 9783525355954

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Bianca Hoenig

Geteilte Berge Eine Konfliktgeschichte der Naturnutzung in der Tatra

Umwelt und Gesellschaft

Herausgegeben von Christof Mauch und Helmuth Trischler

Band 20

Bianca Hoenig

Geteilte Berge Eine Konfliktgeschichte der Naturnutzung in der Tatra

Mit 6 Abbildungen und 4 Karten

Vandenhoeck & Ruprecht

Gedruckt mit Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, des Rachel Carson Center for Environment and Society, LMU München, der L. & Th. La Roche Stiftung und der Basler Studienstiftung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.de abrufbar. © 2018, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG , Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildung: Zeichnung der verschiedenen Aktivitäten in der Tatra von Vojtěch Kubašta (ca. 1951) Satz: textformart, Daniela Weiland, Göttingen Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com

ISSN 2197-1536 ISBN 978-3-666-35595-0

Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Genius loci – Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Geteilte Berge – Forschungsfelder und Forschungsstand . . . . . . . . 15 Wem gehört die Tatra? – Aufbau und Quellen der Arbeit . . . . . . . . 23 1. Die »Entdeckung« der Tatra im langen 19. Jahrhundert . . . . . . . . . 27 1.1 Materielle und mentale Aneignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 1.2 Annähern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 1.3 Gestalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 1.4 Beanspruchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 1.5 Eindeutigkeit und neues Konfliktpotential . . . . . . . . . . . . . . 53 2. Zwischen Friedensstiftung und Grenzkonflikt . . . . . . . . . . . . . . 55 2.1 Das Projekt eines grenzüberschreitenden Nationalparks . . . . . . 55 2.2 Grenzkonflikt zwischen neuen Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . 57 2.3 Entstehung und Konzeption des gemeinsamen Nationalparkplans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 2.4 Ein mitteleuropäischer peace park . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 2.5 Internationaler Erfolg, gemischte Bilanz zu Hause . . . . . . . . . . 72 2.6 »Unsere Berge, unser für immer«. Die polnische Annexion der Javorina und der Naturpark . . . . . . 77 3. Im Kampf um die Hochgebirgsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 3.1 Nationalparkpläne als innergesellschaftlicher Konfliktherd . . . . 83 3.2 Konkurrenz um das Grundeigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 3.3 Der Nationalparkplan im Nationalitätenkonflikt . . . . . . . . . . 93 3.4 Seilbahnfieber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 3.5 Wessen Nationalparks? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 4. Vertreibung und Nationalparks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 4.1 Wehmut und Pragmatismus: Die Erinnerung der Zipser Deutschen an die Tatra . . . . . . . . . 113 4.2 Hochmoderne Neuordnung von Gesellschaft und Raum . . . . . . 117 4.3 Nach den Zipser Deutschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121

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Inhalt

4.4 Die »große Transhumanz« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 4.5 Zwei Nationalparks als Produkte der unmittelbaren Nachkriegszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 5. Der kurze Frühling der Alweg-Bahn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 5.1 Modernisierung der Infrastruktur, Demokratisierung und nationale Selbstbehauptung . . . . . . . . 139 5.2 Das volkseigene Gebirge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 5.3 Der neue Streit um das Meerauge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 5.4 Parole »Smena – Alweg 405–3330«: die Alweg-Aktion als gesellschaftlicher Aktivismus . . . . . . . . . 152 5.5 Die Alweg als nationales slowakisches Projekt . . . . . . . . . . . . 159 5.6 Nach dem Frühling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 6. Die Rückkehr der Schafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 6.1 Die Enteignung der GoralInnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 6.2 Von der Allmende über Privateigentum zum Staatseigentum . . . 173 6.3 Argumente und Protestformen gegen die Enteignung . . . . . . . . 179 6.4 Lösungsansätze und dauerhafte Konfliktlinien . . . . . . . . . . . 185 6.5 Nationalparks und Eigentumsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . 190 Ausblick und Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 Ausblick: Neue Arenen, alte Konflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 Nutzungskonflikte als Aushandlung von Eigentumsansprüchen . . . . 200 Deutungsrahmen: Territorialisierung und Naturraum . . . . . . . . . . 204 Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 Archivquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 Zeitschriften, Zeitungen und Jahrbücher . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 Gedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 Sekundärliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 Bildnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237

Vorwort

Ich bin froh und glücklich, an dieser Stelle einigen der vielen Menschen und Institutionen danken zu können, die mich bei der Entstehung meiner Dissertation unterstützt und begleitet haben, auf der dieses Buch beruht. Sie haben Anteil daran, dass die Arbeit in der vorliegenden Form möglich wurde und dass die letzten Jahre eine anstrengende, schöne, ungemein reiche Zeit waren. Ich habe die Dissertation im Juli 2016 an der Universität Basel verteidigt und für den Druck leicht überarbeitet. Für das Gelingen waren das Vertrauen, der Rat und die Kritik der drei Gutachter maßgeblich. Benjamin Schenk hat mir als Erstbetreuer die Gelegenheit gegeben, unter hervorragenden Bedingungen und in einem anregenden Umfeld zu forschen. Sein stetes Interesse an meinem Thema hat ebenso dazu beigetragen, dass die Arbeit tatsächlich fertiggeworden ist, wie die Mahnungen, zu schreiben anstatt zu grübeln. Meinem Zweitbetreuer Patrick Kupper verdanke ich den Zugang zur transnationalen Umweltgeschichte. Seine inhaltlichen Anregungen haben der ursprünglichen Idee eine neue Richtung gegeben und die Arbeit viel besser gemacht. Michal Pullmann war bereit, als »externer Experte« im Doktoratskomitee zu fungieren. Von ihm habe ich viel über die verschiedenen Möglichkeiten gelernt, die Geschichte Ostmitteleuropas zu erzählen. Ich kenne niemanden, der so für Geschichte begeistern kann wie er. Für Rechercheaufenthalte erhielt ich Unterstützung durch Stipendien der Regierung der Tschechischen Republik, des Deutschen Historischen Instituts Warschau und des Schweizerischen Nationalfonds. Die Basel Graduate School of History beteiligte sich an den Kosten für Archiv- und Bibliotheksreisen. John Connelly danke ich für die Möglichkeit, ein Jahr als Gastforscherin an der University of California, Berkeley zu verbringen. Die Dissertation wurde 2017 mit dem Preis der Philosophisch-Historischen Fakultät der Universität Basel ausge­ zeichnet, worüber ich mich außerordentlich gefreut habe. Der L. & Th. La Roche Stiftung gilt mein Dank für die Stiftung des Preises. Christof Mauch und Helmuth Trischler danke ich, dass die Arbeit in der Reihe »Umwelt und Gesellschaft« erscheinen kann. Für großzügige Zuschüsse an die Druckkosten möchte ich mich beim Rachel Carson Center und der Basler Studienstiftung bedanken. Zahlreiche FreundInnen und KollegInnen haben mir wichtige Anregungen für die Auseinandersetzung mit dem Thema gegeben oder mir geholfen, die Arbeit zwischendurch zu vergessen. Julia Herzberg und Jana Osterkamp haben das Manuskript ganz oder zu großen Teilen gelesen und ausführlich kommentiert. Weitere kluge Hinweise und praktischen Beistand verdanke ich Christiane Brenner, Eva Brugger, Philipp Casula, Maike Christadler, Johannes Da-

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Vorwort

finger, Anne Dietrich, Lena Dohmann, Lenka Fehrenbach, Anna Gerhardt, Milena Guthörl, Jörn Happel, Heinrich Hartmann, Sarah Henkel, Alexis Hofmeister, Anissa Kirchner, Markus Krumm, Henning Lautenschläger, Ivo Mijnssen, Anja Rathmann-Lutz, Julia Roos, Sarah-Maria Schober, Christiane Sibille, Germán Vergara, Mirjam Voerkelius, Hannah Wadle, Katharina Wesselmann, ­Felix Westrup, Martin Zückert und dem Basler Kolloquium »Dimensionen der Sozialtheorie«. In Prag hatte ich das Glück, in den Genuss der unerschöpflichen Gastfreundschaft von Jiří und Kačenka Šolcovi sowie Jana und Michal Osecký mit Familien zu kommen. In Krakau durfte ich mehrfach wochenlang in der wunderbaren Wohnung von Sophia Polek und ihrer Familie unterkommen. Auf dem Weg zum Buch hat Stephanie Weiss unter hohem Zeitdruck, aber mit großartiger Sorgfalt das Endlektorat besorgt. Thilo Bergmann hat sich kurzfristig Zeit genommen, um die Abbildungen technisch zu bearbeiten. Der größte Dank gebührt meinen Eltern Claudia Rudolph-Hoenig und Michael Hoenig und meinem Bruder Jonas, weil sie toll sind. Prag, im Mai 2018

Bianca Hoenig

Einleitung

Genius loci – Fragestellung Die Tatra ist ein Hochgebirge im Grenzgebiet von Polen und der Slowakei. Sie markiert den höchsten Abschnitt der Karpaten, ihr höchster Gipfel mit 2.655 Meter ü. d. M. ist der Gerlachovský štít (oder kurz: Gerlach, dt. Gerlsdorfer Spitze) auf der slowakischen Seite. Ihre Ausdehnung beträgt von West nach Ost gut 50 km und von Nord nach Süd knapp 20 km, für geübte WanderInnen1 ist sie in wenigen Tagen zu durchqueren. Sie bedeckt eine Fläche wenig größer als der Stadtstaat Hamburg. Unter den Hochgebirgen der Welt und auch nur des europäischen Subkontinents ist die Tatra damit ein Zwerg. Von LiebhaberInnen und in Werbebroschüren wird sie sogar gerne als »kleinstes Hochgebirge der Welt« bezeichnet. Aber Größe und Höhe sind relativ. Zum einen stellt die Tatra in der von Ebenen und Mittelgebirgen dominierten Topographie Ostmitteleuropas tatsächlich eine alpine Besonderheit dar. Zum anderen reicht ihre kulturelle Bedeutung für SlowakInnen und PolInnen weit über den von ihren Gipfeln aus überblickbaren Horizont hinaus. In der Tatra vereinigt sich die Natur einer Art Miniaturalpen mit vielfältigen kulturellen Zuschreibungen zu einer Landschaft, die mit Bedeutung geradezu gesättigt ist. Auf einer Landkarte beschreibt der Gebirgszug ein grobes Oval (siehe Karte 2). Er wird von der Staatsgrenze in Form eines W durchschnitten, die in ihrem Verlauf überwiegend dem Hauptkamm folgt. Heute gehört die Tatra zu etwa einem Viertel zu Polen, drei Viertel befinden sich auf slowakischem Territorium. Ihre steilen Bergflanken trennen seit Jahrhunderten Herrschaftsgebiete sich wandelnder Gestalt und Bezeichnung voneinander. Während der längsten Zeit lag das Gebirge dabei nicht nur politisch, wirtschaftlich und kulturell am Rand, sondern auch in der Wahrnehmung der Menschen. Das änderte sich erst allmählich im Lauf des 19. Jahrhunderts, als die Titularnationen der heutigen Anrainerstaaten ihre jeweilige Seite der Tatra in einem parallelen Prozess für sich »entdeckten«. Ohne staatliche Eigenständigkeit, als UntertanInnen Preußens, des Habsburgischen und des Russländischen Reiches, erhoben die national gesinnten Eliten die Tatra zum Sehnsuchtsort ihres Strebens nach nationaler 1 Bei der Nennung von Personengruppen wird die Schreibung mit großem Binnen-I verwendet, wenn es sich um (möglicherweise) gemischtgeschlechtliche Gruppen handelt. Da die meisten der in diesem Buch vorkommenden konkreten Personen aber Männer sind, steht die maskuline Form, wenn es um (wahrscheinlich) rein männliche Gruppen geht. In Zitaten und Paraphrasen aus Quellen steht die dort jeweils verwendete Form.

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Karte 1: Die Lage der Tatra in Mittel- und Osteuropa

Selbstbestimmung.2 Seitdem ist die Bedeutung dieses Gebirges als Erinnerungsort für die SlowakInnen wie für die PolInnen ungebrochen. In der Slowakei beginnt die Nationalhymne mit der Zeile »Über der Tatra blitzt es« (Nad Tatrou sa blýska), nach populärer Lesart ist die Tatra durch einen der drei blauen Gipfel im Staatswappen symbolisiert und der Tatragipfel Kriváň ist auf den Cent-Münzen abgebildet. In Polen findet sie sich zwar nicht auf staatlichen Hoheitszeichen, ist jedoch als ein Bezugspunkt des Nationalbewusstseins tief im kollektiven Gedächtnis verankert. In beiden Ländern ist sie im Alltag präsent, indem sie im 2 Dieser Prozess ist Gegenstand von Kapitel 1. – Für die Slowakei: Ľubomír Lipták, Die Tatra im slowakischen Bewusstsein, in: Hannes Stekl, Elena Mannová (Hrsg.), Heroen, Mythen, Identitäten. Die Slowakei und Österreich im Vergleich. Wien 2003, 261–288. – Für Polen: Patrice M.  Dabrowski, Constructing  a Polish Landscape. The Example of the Carpathian Frontier, in: Austrian History Yearbook 39, 2008, 45–65.

Karte 2: Die Tatraregion

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Einleitung

Supermarkt auf Bierdosen und Schokoriegeln prangt. In Literatur und bildender Kunst hat sie einen festen Platz im jeweiligen nationalen Kanon. Das Thema dieser Arbeit ist die Tatra als umstrittener Naturraum seit ihrer »Entdeckung« im 19. Jahrhundert. Im Mittelpunkt stehen miteinander konkurrierende Vorstellungen und Praktiken der Naturnutzung. Untersucht wird, wie die Gestalt und der Zweck des Gebirges zwischen den VertreterInnen der drei Hauptnutzungsformen Weide- und Forstwirtschaft, Tourismus und Naturschutz ausgehandelt wurden. Welche Rolle spielte es dabei, dass es sich bei der Tatra in den Augen vieler Menschen um eine keineswegs gewöhnliche Landschaft handelte? Wie wirkte sich also vor Ort, in dem Gebirge selbst, die ihm zugesprochene große Bedeutung aus? Und wie beeinflussten umgekehrt die Aushandlungsprozesse um die Nutzung der Hochgebirgsnatur ihren Platz in der Imagination von PolInnen und SlowakInnen? Gerade weil sich das Gebirge auf einen kleinen Raum erstreckt, aber hohen symbolischen Gehalt besitzt, wurde häufig erbittert und unter großer Anteilnahme der Bevölkerung darum gestritten. Welcher Umgang mit dem Naturraum Tatra gesellschaftlich als richtig galt, stand nie dauerhaft und unwidersprochen fest, sondern musste immer wieder ausgehandelt werden. Viele Konfliktlinien überspannten die tiefen Zäsuren des 20. Jahrhunderts. Damit setzten sich die Auseinandersetzungen über verschiedene politische und sozioökonomische Systeme und sich mehrfach verändernde Staatsgebilde hinweg fort. Immer hatten die Probleme von touristischer Erschließung, Naturbewahrung und Almwirtschaft aber politischen Charakter und müssen deshalb in einem weit gefassten zeitgenössischen Kontext betrachtet werden. Mit dieser Perspektive verfolgt die vorliegende Arbeit eine doppelte Zielsetzung: Anhand der gesellschaftlichen Aushandlungsprozesse um den Umgang mit der Tatra wird erstens eine Untersuchung zu Konzepten und Praktiken der Naturnutzung in Ostmitteleuropa vorgelegt. Sie steht im Kontext der erst seit wenigen Jahren verfolgten Umweltgeschichte dieser Geschichtsregion.3 Zweitens versteht sich die Arbeit als Beitrag zur historischen Betrachtung von Land-

3 Seit wenigen Jahren entstehen dazu Arbeiten, u. a. Horst Förster, Julia Herzberg, Martin Zückert (Hrsg.), Umweltgeschichte(n). Ostmitteleuropa von der Industrialisierung bis zum Postsozialismus. Göttingen 2013.  – Bohemia 54, 2014, H. 1, Themenheft »Alpen und Karpaten«.  – Doubravka Olšáková (Hrsg.), In the Name of the Great Work. Stalin’s Plan for the Transformation of Nature and its Impact in Eastern Europe. New York 2016. – Jana Piňosová, Inspiration Natur. Naturschutz in den böhmischen Ländern bis 1933. Marburg 2017. – Nicht mehr berücksichtigt werden konnten: Thomas M. Bohn, Aliaksandr Dalhouski, Markus Krzoska, Wisent-Wildnis und Welterbe. Geschichte des polnisch-weißrussischen Nationalparks von Białowieża. Köln, Weimar, Wien 2017. – Arnošt Štanzel, Wasserträume und Wasserräume im Staatssozialismus. Ein umwelthistorischer Vergleich anhand der tschechoslowakischen und rumänischen Wasserwirtschaft 1948–1989. Göttingen 2017.

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nutzungskonflikten.4 An der Tatra lassen sich systematisch einige allgemeine Konfliktlinien beobachten, die dieses Gebirge mit anderen Regionen verbinden. Daraus ergeben sich drei weitere Fragenkomplexe, die die folgenden Kapitel strukturieren. Zunächst geht es um das Verhältnis der beiden Teile dies- und jenseits der Grenze zu der grenzübergreifenden Einheit des Gebirges. Welche Gestaltungskraft hatte die nationale Beanspruchung einer Seite, welche Bedeutung kam wiederum dem gemeinsamen Naturraum zu? Haben wir es also mit einer oder mit zwei Tatras zu tun? In dieser Frage klingt nach, dass die Tatra auf Polnisch, Slowakisch und Tschechisch, den slavischen Quellensprachen dieser Arbeit, wie etwa die Alpen oder die Karpaten im Plural steht. Aus einer historischen Perspektive wird aber deutlich, dass es nicht eine oder zwei, sondern viele Tatras gab und gibt. Die Vorstellungen davon, was die Tatra sei und wozu sie dienen solle, waren vielgestaltig. Dementsprechend war die Natur selbst Gegenstand der Aushandlung und unterlag einer fortwährenden Neubestimmung. Wo sie beginne und ende, welche Rolle der örtlichen Bevölkerung und ihrer Lebensweise zukomme, welche Eingriffe oder Schutzmaßnahmen angebracht seien, solche Fragen lagen zugrunde, wenn über die Nutzung des Hochgebirges verhandelt wurde. Eine Aufgabe der Arbeit besteht darin, die verschiedenen Vorstellungen der historischen AkteurInnen von der Tatra und ihrem Zweck herauszuarbeiten. Eng damit verbunden ist die Frage, welche Bedeutung grenzüberschreitende Beziehungen und gegenseitige Wahrnehmung hatten. Der Grenzverlauf determinierte die Erschließung des Gebirges, staatliche Zugehörigkeit steckte den rechtlichen Rahmen für seine Nutzung ab. Zugleich lässt sich ein weites Spektrum an Bezugnahmen über die Grenze hinweg beobachten, das von Annexion bis zu institutionalisierter Zusammenarbeit reichte. Der grenzüberschreitende Naturraum inspirierte im Lauf des 20. Jahrhunderts mehrfach innovative Versuche, die Grenze durch Naturschutzprojekte und Tourismus zu transzendieren. Allerdings gehören auch Grenzstreitigkeiten und militärische Aggression zur Geschichte der grenzüberschreitenden Beziehungen. Nationale Konkurrenz und

4 Diese Thematik wird in der Umweltgeschichte unter verschiedenen Aspekten bearbeitet. Für diese Arbeit sind vor allem die Beschäftigung mit Naturschutzgebieten bzw. Nationalparks und mit unterschiedlichen Eigentumsregimen relevant. Einen aktuellen Überblick bieten: Bernhard Gissibl, Sabine Höhler, Patrick Kupper (Hrsg.), Civilizing Nature. National Parks in Global Historical Perspective. New York, Oxford 2012.  – James Morton Turner, Rethinking American Exceptionalism. Toward a Transnational History of National Parks, Wilderness, and Protected Areas, in: Andrew C. Isenberg (Hrsg.), The Oxford Handbook of Environmental History. New York 2014, 282–308. – John F. Richards, Toward a Global System of Property Rights in Land, in: Edmund Burke III, Kenneth Pomeranz (Hrsg.), The Environment and World History. Berkeley 2009, 54–78.  – Louis Warren, Owning Nature. Toward an Environmental History of Private Property, in: Andrew C. Isenberg (Hrsg.), The Oxford Handbook of Environmental History. New York 2014, 398–424.

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gegenseitiges Misstrauen bilden die feindselige Kehrseite der intensiven Kontakte. Gerade dieses auf beiden Seiten so fest in nationalen Kontexten verankerte Gebiet gab also Anlass zu vielfältigen Überschreitungen der Grenze. Daraus folgt die Frage nach dem passenden analytischen Zugang, der bei der Betrachtung der Tatra als umstrittenem Naturraum sowohl diachrone als auch synchrone Zusammenhänge aufzudecken vermag. Ziel ist es, auf den beiden Seiten der Grenze parallel stattfindende Ereignisse und Prozesse zu beschreiben, ebenso aber gegenseitige Bezugnahme und Interaktion in den Blick zu bekommen. Dies leisten die Kombination von Vergleich, Transfer und Verflechtung sowie das Bemühen, mehrere historische Perspektiven miteinander zu verbinden. Darüber hinaus müssen verschiedene räumliche Ebenen miteinander kombiniert werden, um das Gebirge nicht als insular, als abgeschlossenen »Container«, erscheinen zu lassen.5 Deshalb werden im Folgenden sowohl Orte in den Bergen – konkrete Dörfer, Gipfel oder Seen – als auch Beziehungen und Vergleiche zu anderen Naturräumen hauptsächlich in Europa und Nordamerika thematisiert.6 Die in dieser Arbeit verfolgte Vorgehensweise subsumiere ich unter den titelgebenden »geteilten Bergen«. Diese Formulierung macht sich die Doppelbedeutung des Verbs »teilen« zunutze, das zugleich Verbindung und Abgrenzung bezeichnet.7 Damit sind die zahlreichen Verflechtungsverhältnisse angesprochen, in die der Naturraum Tatra eingebunden war und ist, ebenso wie die vielfach wirksamen Abgrenzungen und Konfliktlinien. Das sich daraus ergebende methodische Vorgehen wird im folgenden Abschnitt näher ausgeführt und begründet.

5 Michael Werner, Bénédicte Zimmermann, Vergleich, Transfer, Verflechtung. Der Ansatz der Historie croisée und die Herausforderung des Transnationalen, in: Geschichte und Gesellschaft 28, 2002, 607–636. – Sebastian Conrad, Shalini Randeria, Einleitung. Geteilte Geschichten  – Europa in einer postkolonialen Welt, in: Dies. (Hrsg.), Jenseits des Eurozentrismus. Postkoloniale Perspektiven in den Geschichts- und Kulturwissenschaften. Frankfurt / Main, New York 2002, 9–49.  – Für die Umweltgeschichte programmatisch: Patrick Kupper, Transnationale Umweltgeschichte, in: Manfred Jakubowski-Tiessen (Hrsg.), Von Amtsgärten und Vogelkojen. Beiträge zum Göttinger Umwelthistorischen Kolloquium ­2011–2012. Göttingen 2014, 79–90, hier v. a. 83–85. 6 Die Notwendigkeit, in der Umweltgeschichte verschiedene räumliche Maßstäbe zu kombinieren, betont: Richard White, The Nationalization of Nature, in: The Journal of American History 86, 1999, H. 3, http://www.historycooperative.org/journals/jah/86.3/white.html (letzter Zugriff: 01.04.2015). – Ebenso: Patrick Kupper, Wildnis schaffen. Eine transnationale Geschichte des Schweizerischen Nationalparks. Bern u. a. 2012, 20 f. 7 Vgl. dazu die Ausführungen zum Konzept der »geteilten Geschichten«: Conrad, Randeria, Einleitung, 17–20.

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Geteilte Berge – Forschungsfelder und Forschungsstand Das Verständnis der Tatra als »geteilte Berge« verweist auf fünf Forschungsfelder, in welche sich die Arbeit einordnet. 1. Natur als sozialer Raum. Im Mittelpunkt der Arbeit steht die Tatra als Natur­ raum. Mit »Naturraum« liegt – im Gegensatz etwa zu Erinnerungsort oder Landschaft – die Betonung auf dem physischen Raum des Gebirges, der betreten und manipuliert werden kann. Diesen Begriff verwende ich, um darauf hinzuweisen, dass alle hier untersuchten Konflikte mit geplanten oder konkreten Eingriffen in den physischen Raum verbunden waren, während ich Deutungskämpfe um das nationale Symbol Tatra ohne direkten Bezug zu den Bergen beiseitelasse. Es geht jedoch nicht darum, materiellen und imaginierten Raum auseinanderzudividieren. Im Gegenteil begreife ich Raum im Sinne des spatial turn als Voraussetzung ebenso wie als Produkt sozialer Handlungen und Wahrnehmungen, gehe also von einer wechselseitigen Konstitution von Gesellschaft und Raum aus.8 Teil dieser sozialen Hervorbringung des Raumes ist die erste Hälfte des Begriffs »Naturraum«. Natur verstehe ich nicht als das Gegenstück zu Kultur, also das von Menschenhand Unberührte, Überzeitliche. Zwar besitzt sie eine eigene physische Realität, die zunächst einmal unabhängig von menschlicher Tätigkeit existiert. Sobald aber etwas als Natur begriffen wird, ist es zum sozialen Phänomen geworden. Welche Werte mit dieser Bezeichnung verbunden sind und welche Handlungen sich dann daraus ableiten, ist ebenfalls Produkt einer gesellschaftlichen Verständigung und unterliegt damit dem historischen Wandel.9 Das findet Ausdruck in der Formulierung der vielen »Tatras«, die auf die Vielgestaltigkeit der Vorstellungen von dem Gebirge unter den historischen AkteurInnen hinweist. Zugleich wirkt sich ein Naturraum wie die Tatra auf menschliche Interaktionen aus, etwa indem Handlungsoptionen ermöglicht oder begrenzt werden.10 Die in diesem Buch diskutierten Konflikte, sei es um Almwirtschaft oder Seilbahnen, waren alle dadurch gekennzeichnet, dass es sich um ein Hochgebirge handelte. Welche AkteurInnen oder Personengruppen sich 8 Ein kurzer Überblick zum spatial turn bei Frithjof Benjamin Schenk, Russlands Fahrt in die Moderne. Mobilität und sozialer Raum im Eisenbahnzeitalter. Stuttgart 2014, 19–23. – Ein solches relationales Raummodell hat Martina Löw ausgearbeitet: Martina Löw, Raum­ soziologie. Frankfurt / Main 2001. 9 Grundlegend William Cronon, Introduction. In Search of Nature, in: William Cronon (Hrsg.), Uncommon Ground. Rethinking the Human Place in Nature. New York, London 1996, 23–56. – Siehe in langer zeitlicher Perspektive Peter A. Coates, Nature. Western Attitudes Since Ancient Times. Cambridge 1998. 10 Ich folge hier der Argumentation von Theodore Steinberg, Down to Earth. Nature, Agency, and Power in History, in: American Historical Review 107, 2002, H. 3, 798–820.

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daran beteiligten, welche Positionen sie einnahmen und welche Konsequenzen ihre Auseinandersetzungen wiederum in der Tatra hatten, war auch abhängig von den naturräumlichen Gegebenheiten. In Ergänzung zu »Naturraum« verwende ich in bestimmten Kontexten auch den Begriff der »Landschaft«. Er bezeichnet ebenfalls ein Hybrid zwischen vermeintlich unberührter Natur und menschlichem Einfluss, betont jedoch die kulturelle Überformung von Natur. Ursprünglich ein Genre der Malerei, ist die Wahrnehmung hier bereits offensichtlich integriert und integraler Bestandteil der Semantik.11 Im Folgenden kommt dieser Begriff zur Anwendung, wenn es gilt, einen gerichteten Blick auf einen konkreten Ausschnitt des Gebirges zu werfen oder dessen kulturhistorische Bedeutung zu betonen. 2. Nationale Landschaften. Häufige Verwendung findet »Landschaft« in Studien, die in einer Verbindung von umwelt- und kulturhistorischen Zugängen die Nationalisierung von Natur untersuchen. Aufgrund der tiefen Verwurzelung in der europäischen Tradition wird der Begriff meist für europäische Fälle herangezogen.12 In diesem Sinne beherbergt die Tatra zwei nationale Landschaften, separiert durch die Staatsgrenze. Das ist auch der vorherrschende Blickwinkel in der Literatur, die sich für sie entweder als polnisches oder als slowakisches Gebirge interessiert und sich damit auch nur auf einen Teil des Naturraums bezieht. Zur kulturgeschichtlichen Bedeutung dieser Berge für beide Länder existiert ein umfangreicher Forschungsstand, häufig auch aus literatur- und kunsthistorischer Perspektive. Darüber hinaus gibt es eine geradezu unüberblickbare Fülle an Arbeiten von AkteurInnen im Umkreis der Bergvereine und der Nationalparkverwaltungen sowie von aktiven BergsteigerInnen und TouristInnen.13 Explizit genannt werden muss aber ein dickleibiges Nachschlagewerk, 11 Vgl. das monumentale Werk Simon Schama, Landscape and Memory. New York 1996. 12 Ein aktueller Forschungsüberblick bei Thomas Lekan, Thomas Zeller, Region, Scenery, and Power. Cultural Landscapes in Environmental History, in: Andrew C. Isenberg (Hrsg.), The Oxford Handbook of Environmental History. New York 2014, 332–365. – Beispiele, die den Begriff zum Teil bereits im Titel tragen: David Blackbourn, Die Eroberung der Natur. Eine Geschichte der deutschen Landschaft. München 2007. – Oliver Zimmer, In Search of Natural Identity. Alpine Landscape and the Reconstruction of the Swiss Nation, in: Comparative Studies in Society and History 40, 1998, H. 4, 637–665. – Christopher David Ely, This Meager Nature. Landscape and National Identity in Imperial Russia. DeKalb 2002. – Katrina Z. S. Schwartz, Nature and National Identity after Communism. Globalizing the Ethnoscape. Pittsburgh 2006. – Dabrowski, Constructing. 13 Beispielsweise Muzeum Tatrzańskie im. Dra Tytusa Chałubińskiego w Zakopanem (Hrsg.), Tatry. Czas odkrywców. Zakopane 2009.  – Timothy J.  Cooley, Making Music in the Polish Tatras. Tourists, Ethnographers, and Mountain Musicians. Bloomington 2005. – Władysław Krygowski, Dzieje Polskiego Towarzystwa Tatrzańskiego. Warszawa, Kraków 1988.  – Alfred Grosz, Die Hohe Tatra. Geschichte des Karpatenvereins. Stuttgart 1961.  –­ Zbigniew Mirek (Hrsg.), Przyroda Tatrzańskiego Parku Narodowego. Praca zbiorowa pod red. Zbigniewa Mirka. Kraków u. a. 1996. – Ivan Vološčuk, kol. (Hrsg.), Tatranský národný park. Biosférická rezervácia. Martin 1994.

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die Große Tatraenzyklopädie, die einen unverzichtbaren Fundus an Informationen darstellt.14 Ein weiterer Vorzug besteht darin, dass sie tatsächlich, wenn auch mit polnischem Schwerpunkt, das ganze Gebirge abdeckt. Die übrigen Werke erwähnen in der überwiegenden Mehrheit gelegentlich grenzüberschreitende Verbindungen, thematisieren jedoch die Tatra im Rahmen einer Nationalgeschichte.15 Das gilt auch für die wenigen Ansätze, neuere kultur- und umweltgeschichtliche Fragestellungen auf die Tatra anzuwenden. Die Studien von David Crowley, Patrice Dabrowski, Roman Holec, Ľubomír Lipták und Daniel Stone kümmern sich hauptsächlich um eine Seite des Gebirges, allerdings mit deutlicher Berücksichtigung der vornationalen, imperialen Zusammenhänge.16 Die vorherrschende Tendenz, an der Grenze Halt zu machen, bildet unübersehbare historische Realitäten ab. Die Karpaten stellten einen paradigmatischen Grenzraum dar, indem sie durch ihre Bergrücken Herrschaftsbereiche voneinander abschlossen. Als so genannte natürliche, der Topographie nachempfundene Grenzen galten Berge wie Flüsse oder Meere seit der Frühen Neuzeit als ideale äußere Form eines saturierten Territoriums.17 Mit der fortschreitenden staatlichen Durchdringung peripherer Räume wurde die Vorstellung von der Grenze als Linie immer wichtiger. Für die sich im 19. Jahrhundert intensivierende wirtschaftliche und infrastrukturelle Erschließung, für die Gerichts­barkeit wie auch administrative Eingliederung bildete sie auch in der Tatra den Rahmen, was sich nicht zuletzt in der Struktur der historischen Überlieferung in staatlichen 14 Zofia Radwańska-Paryska, Witold H. Paryski, Wielka encyklopedia tatrzańska. Poronin 1995, http://​z-ne.pl​/​s,menu,1243,encyklopedia_​tatr.html. Ich verwende die Onlineausgabe. Die Erstausgabe erschien 1973 als Encyklopedia tatrzańska. 15 Eine erwähnenswerte Ausnahme sind die slowakisch-polnischen und teilweise zweisprachigen Sonderhefte, die die »Euroregion Tatry« und die beiden Nationalparks herausgeben. – Des weiteren einige regionalgeschichtliche Bände, z. B. Marek Gotkiewicz (Hrsg.), Góry i góralszczyzna w dziejach i kulturze pogranicza polsko-słowackiego (Podhale, Spisz, Orawa, Gorce, Pieniny). Nowy Targ 2005. 16 Dabrowski, Constructing. – Patrice M. Dabrowski, Borderland Encounters in the Carpathian Mountains and their Impact on Identity Foundation, in: Omer Bartov, Eric D. Weitz (Hrsg.), Shatterzone of Empires. Ethnicity, Identity, and Violence in the German, Habsburg, Russian, and Ottoman Borderlands. Bloomington 2012, 193–208. – Lipták, Tatra. – Roman Holec, Ochrana zvierat na Slovensku pred Prvou Svetovou Vojnou, in: Historické štúdie 40, 1999, 65–91. – Roman Holec, Človek a príroda v »dlhom« 19. storočí. Bratislava 2014. – David Crowley, National style and nation-state. Design in Poland from the vernacular revival to the international style. Manchester, New York 1992. – David Crowley, Pragmatism and Fantasy in the Making of the Zakopane Style, in: Centropa 2, 2002, H. 3, 182–196. – Daniel Stone, The Cable Car at Kasprowy Wierch. An Environmental Debate in Interwar Poland, in: Slavic Review 64, 2005, H. 3, 601–624. 17 Baramova, Maria, Grenzvorstellungen im Europa der Frühen Neuzeit, Europäische Geschichte Online (EGO), Institut für Europäische Geschichte, Mainz 03.12.2010, http://​ www.ieg-ego.eu​/​baramovam-2010-de (letzter Zugriff: 19.01.2016). – Vgl. Peter Sahlins, Natural Frontiers Revisited. France’s Boundaries since the Seventeenth Century, in: American Historical Review 95, 1990, H. 5, 1423–1451.

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Archiven widerspiegelt. Auch für die Wahrnehmungsgeschichte besitzt die Staatsgrenze große Bedeutung, was sich bereits in dem Stand der Literatur zeigt. Auf den mental maps vieler Menschen scheint die Grenze prominent eingezeichnet zu sein, eine systematische Untersuchung dieser Thematik steht aber aus.18 Die Annahme zweier voneinander getrennter Entitäten eröffnet die Möglichkeit für den Vergleich. Dieser dient zur Feststellung von strukturellen Gemeinsamkeiten und Parallelen in der Nutzung des Naturraums dies- und jenseits der Grenze. Angesichts der sehr ähnlichen politischen und sozioökonomischen Rahmenbedingungen wirft der Vergleich aber vor allem Licht auf Unterschiede. 3. Grenzregionen. Auch wenn sie den Anschein von Zwangsläufigkeit vermittelt, ist eine vermeintlich »natürliche« Grenze menschengemacht, denn sie beruht auf politischem Übereinkommen und wird mit sozialen Praktiken konstituiert, respektiert oder missachtet.19 Eine Grenze funktioniert als Kippfigur: Einerseits erschwert sie Austausch, Handel und Mobilität, ermöglicht jedoch andererseits Kontakt und Ideentransfer. Sie zerteilt die Umwelt nicht nur, sondern resultiert auch im gemeinsam geteilten Raum. Deshalb werden Grenzregionen sinnvollerweise als Zonen dies- und jenseits der politischen Trennlinie verstanden.20 Dies macht sie zu hervorragend geeigneten Untersuchungsgegenständen für die Ausbildung und Begrenztheit kollektiver Identitäten und staatlicher Durchdringung. Als Zonen des Übergangs, häufig multiethnisch, -sprachlich und -religiös geprägt, waren sie im Zeitalter des Nationalismus einem wachsenden Druck zur Vereinheitlichung ausgesetzt. Ihr Charakter als Laboratorium von Kulturtransfers und Experimentierfeld für staatliche Ordnungsversuche hat Grenzen und Grenzgebiete in den vergangenen etwa dreißig Jahren als äußerst produktives Forschungsfeld der Geschichtswissenschaft etabliert.21 Dass Natur keine Grenzen kenne, ist ein Gemeinplatz. Und dass Umweltgeschichte dadurch »gewissermaßen auf natürliche Weise transnational«22 sei, 18 Vgl. Peter Macho, Premeny symbolickej funkcie Tatier v  nacionalistickom diskurze 19. storočia, in: Dušan Kováč, kol. (Hrsg.), Sondy do slovenskích dejín v dlhom 19. storočí. Bratislava 2013, 41–47. – Akzente in diese Richtung setzt auch Lipták, Tatra. 19 Zur Grenzziehung in Naturräumen aus geographischer Sicht vgl. Juliet Fall, Drawing the Line. Nature, Hybridity, and Politics in Transboundary Spaces. Aldershot 2005. 20 Grundlegend Michiel Baud, Willem van Schendel, Toward a Comparative History of Borderlands, in: Journal of World History 8, 1997, H. 2, 211–242, hier 216, 221. – Ein Überblick über das Forschungsfeld bei Bernhard Struck, Grenzregionen, Europäische Geschichte Online (EGO), Leibniz-Institut für Europäische Geschichte, Mainz 04.12.2012, http://​w ww. ieg-ego.eu​/​struckb-2012-de (letzter Zugriff: 19.01.2016). 21 Klassisch: Peter Sahlins, Boundaries. The Making of France and Spain in the Pyrenees. Berkeley 1989. – Struck, Grenzregionen. 22 Uwe Lübken, Undiszipliniert: Ein Forschungsbericht zur Umweltgeschichte, H-Sozu-Kult 2010, http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/forum/2010-07-001.pdf (letzter Zugriff: 04.11.2015). – Einen kritischen Überblick zur Anwendung »grenzüberschreitender« Terminologie in der Umweltgeschichte bietet Joseph E. Taylor III, Boundary Terminology, in: Envi­ ronmental History 13, 2008, H. 3, 454–481.

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gehört fest zum Selbstverständnis der Subdisziplin. Zahlreiche Arbeiten belegen das eindrucksvoll.23 Dennoch wird auch beklagt, dass immer noch zu oft der Nationalstaat den Rahmen bilde.24 Die augenfälligste und weit verbreitete Methode für eine grenzüberschreitende Studie ist, als Analyseeinheit eine Formation der natürlichen Umwelt zugrunde zu legen, also zum Beispiel ein Gebirge, einen Fluss oder eine Steppe zu betrachten. Dieser Ansatz geht davon aus, dass ein Naturraum genau solch ein integriertes Grenzgebiet darstellt.25 In der Forschung zu Ostmitteleuropa haben Grenzgebiete aufgrund der vielfachen Grenzverschiebungen, Systemwechsel, multiethnischen Besiedlung und nicht zuletzt der peripheren Lage zwischen imperialen Einflusssphären einen zentralen Stellenwert. Dabei wird bisher jedoch selten eine umweltgeschichtliche Perspektive eingenommen.26 Einen grenzüberschreitenden Naturraum als Untersuchungsgebiet zu wählen, lenkt die Aufmerksamkeit auf ökologische Merkmale und Prozesse über politische Trennlinien hinweg. Ebenso lassen sich entsprechende soziale Beziehun­ gen thematisieren, also grenzüberschreitende Praktiken, gegenseitige Wahrnehmung und Interaktionen von Kooperation und Konfrontation. Diese Perspektive weist in der Tatra auf enge Verflechtungen über die Grenze hinweg hin, die einen unerlässlichen Kontext für das Verständnis bestimmter Konfliktsituationen bilden. Wenn ich von »Tatra« spreche, meine ich das Hochgebirge im slowakischpolnischen Grenzgebiet, das sich morphologisch in mehrere Abschnitte unterteilt. Die Hohe Tatra ist einer davon, ein östlich gelegener Gebirgsabschnitt der Tatra mit den höchsten Gipfeln und dem ausgeprägtesten alpinen Charakter. Die Niedere Tatra hingegen ist ein vollständig in der Slowakei gelegenes Mittelgebirge und deshalb nicht Gegenstand der Untersuchung.27 Als weiteren Begriff 23 Einen Forschungsüberblick zu Nordamerika bietet Andrew R.  Graybill, Boundless Nature. Borders and the Environment in North America and Beyond, in: Andrew C. Isenberg (Hrsg.), The Oxford Handbook of Environmental History. New York 2014, 668–687. 24 Das konstatieren z. B. Harriet Ritvo, Broader Horizons?, in: Kimberley Coulter, Christof Mauch (Hrsg.), The Future of Environmental History. Needs and Opportunities. München 2011, 22 f. – Graybill, Boundless Nature, 669. 25 Z. B. Samuel Truett, Neighbors by Nature. Rethinking Region, Nation, and Environmental History in the U. S.-Mexico Borderlands, in: Environmental History 2, 1997, H. 2, 160–178. – Mark Cioc, The Rhine. An Eco-biography, 1815–2000. Seattle 2002. – Jon Mathieu, Die Alpen. Raum – Kultur – Geschichte. Stuttgart 2015. 26 Ausnahmen umfassen Karl Schlögel, Beata Halicka (Hrsg.), Oder – Odra. Blicke auf einen europäischen Strom. Frankfurt / Main, New York 2007. – Uwe Rada u. a., Geschichte im Fluss. Flüsse als europäische Erinnerungsorte, Bundeszentrale für politische Bildung 2012–2015, http://​w ww.bpb.de​/​geschichte/​zeitgeschichte/​geschichte-im-fluss/​ (letzter Zugriff: 16.01.2016). – Bohn, Dalhouski, Krzoska, Wisent-Wildnis. 27 Für eine genauere naturräumliche Eingrenzung und Gliederung des Naturraums Tatra vgl. Ivan Vološčuk, kol. (Hrsg.), Tatranský národný park, erster Teil »Príroda«. – Zbigniew Mirek (Hrsg.), Przyroda, hier v. a. der Abschnitt »Wiadomości ogólne«.

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verwende ich »Tatraregion«. So bezeichne ich die Berge und ihr Umland, also diejenigen Ortschaften und Infrastrukturen, die mit der Nutzung der Berge unmittelbar verbunden waren. Ich folge hier Jon Mathieu, der auf die Notwendigkeit hinweist, den Gebirgsraum im Zusammenspiel mit seinem Umland zu untersuchen.28 Die Karte 2 zeigt die in dieser Arbeit wichtigsten Regionen und Orte in der Tatraregion. 4. Raumordnung als übergreifendes Problem der Moderne. Die Nutzung natürlicher Ressourcen war nicht nur in der Tatra umstritten. Dieses Problem bestand – und besteht – auch in zahlreichen anderen Regionen und unter ganz verschiedenen Bedingungen. Dadurch lässt sich die Tatra in ein Verhältnis zu anderen Naturräumen setzen, was Zusammenhänge über politische, wirtschaftliche und kulturelle Unterschiede hinweg offenbart. Die Nutzungskonflikte um die Tatra werden auf diese Weise in eine allgemeinere Konfliktgeschichte um Natur in der Moderne eingebettet. Welche Naturräume als Bezugsgröße dienen, entscheidet sich nicht nach systematisch festgelegten Kriterien, sondern aufgrund einer heuristischen Suche nach Verknüpfungen.29 Die von den historischen AkteurInnen hergestellten Beziehungen ergeben enge Verbindungen nach Nordamerika und in die Alpen, vor allem in die Schweiz. Parallele Forschungsdiskussionen zu anderen räumlichen Kontexten werden in den jeweiligen Kapiteln vergleichend herangezogen. Eine solche Einbettung fügt Interpretationen, die auf lokalen, regionalen oder staatlichen Faktoren beruhen, eine weitere Kontextualisierungsebene hinzu. Das verweist auf allgemeinere Interpretationsansätze. Insbesondere lässt sich der fortgesetzte Streit um die Nutzung und Gestaltung eines Grenzraums auf sein Potential für die Organisation von Raum durch den Staat befragen: Inwiefern trugen die Nutzungskonflikte um die Tatra zu einer Territorialisierung der Gebirgsregion bei? Welche alternativen oder gar widerstreitenden Entwürfe der Raumordnung gab es? Wie verhielten sich die beteiligten AkteurInnen, zumal die Lokalbevölkerung, gegenüber von außen kommenden Eingriffen in ihre Region? Den Begriff der Territorialisierung leite ich von Charles S. Maiers Thesen ab.30 Territorialisierung begreift Maier als einen Prozess, der darauf angelegt ist, ein Herrschaftsgebiet mit einer Zugehörigkeitssphäre in Deckung zu bringen: »Effective territories were units where decision space, the writ of effective legislation, 28 Jon Mathieu, Die dritte Dimension. Eine vergleichende Geschichte der Berge in der Neuzeit. Basel 2011, 64. 29 Damit folge ich dem von Patrick Kupper vorgeschlagenen Vorgehen: Kupper, Wild­ nis, 21. 30 Charles S. Maier, Consigning the Twentieth Century to History. Alternative Narratives for the Modern Era, in: American Historical Review 105, 2000, H. 3, 807–831. – Charles S. Maier, Transformations of Territoriality, 1600–2000, in: Gunilla-Friederike Budde, Sebastian Conrad, Oliver Janz (Hrsg.), Transnationale Geschichte. Themen, Tendenzen und Theorien. Göttingen 2006, 32–55.

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shared the same boundaries with identity space, the extended turf that claimed citizens’ loyalties.«31 Dieser Ansatz weist auf die Bestrebungen des Staates hin, seinen Herrschaftsbereich zu homogenisieren und von der staatlichen Zentrale aus kontrollierbar zu machen. Das moderne Territorialitätsregime datiert Maier auf den Zeitraum von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis in die 1970er Jahre, was dem Untersuchungszeitraum der vorliegenden Studie entspricht. Es ist zu fragen, wie sich der Begriff der Territorialisierung auf die Konfliktgeschichte der Tatra anwenden lässt. Als Naturraum an der staatlichen (Binnen-)Peripherie stellt sie einen Raum dar, der potentiell Ziel von Maßnahmen zur Durchsetzung territorialer Homogenität und staatlichen Ordnungsvorstellungen war. Zugleich ist nach den Beharrungskräften des Raumes und seiner Bevölkerung gegen Modernisierungsprojekte zu fragen. Welche gleichzeitig bestehenden unterschiedlichen Raumentwürfe beeinflussten das Denken und Handeln der AkteurInnen?32 Gerade der naturräumliche Charakter des kompakten, grenzüberschreitenden Gebirges, so die These, funktionierte immer wieder als Katalysator für das Durchbrechen einer auf das staatliche Zentrum hin ausgerichteten Orientierung. 5. Eigentumskonflikte. In der Tatra spielten sich seit dem 19. Jahrhundert Konflikte vor allem zwischen VertreterInnen der traditionellen Bewirtschaftung, des Tourismus und des Naturschutzes ab.33 Jede dieser drei Nutzungsarten erhebt einen Anspruch auf bestimmtes Terrain, schränkt damit potentiell die anderen Nutzungsinteressen ein und geht mit einem physischen Eingriff in den Naturraum einher. So konnte etwa die Almweide von Vieh sowohl mit dem Bau von touristischer Infrastruktur als auch mit der Ausweisung von Naturreservaten in Konkurrenz treten. Das Tatragebirge verstehe ich deshalb als Ressource, die zwischen den VerfechterInnen dieser drei Arten der Nutzung umkämpft war. Bei den Konflikten ging es jedoch nicht einfach darum, den jeweils eigenen Nutzungsanspruch an dem Gebirgsraum durchzusetzen. Gerungen wurde um den rechtmäßigen Zugriff, um eine gesellschaftlich akzeptierte Weise, mit den Bergen umzugehen. Immer wieder musste die Frage verhandelt werden: Wem gehört die Tatra? Diese Frage nutze ich als analytisches Instrument, um verschie 31 Ebd., 35. Hervorhebung im Original. 32 Vgl. Matthias Middell, Katja Naumann, Global history and the spatial turn. From the impact of area studies to the study of critical junctures of globalization, in: Journal of Global History 5, 2010, H. 1, 149–170, hier 164 f. – Steffi Marung, Katja Naumann, Einleitung, in: Dies. (Hrsg.), Vergessene Vielfalt. Territorialität und Internationalisierung in Ostmitteleuropa seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. Göttingen 2014. 33 Andere Nutzungsarten sind nachrangig. Der nie besonders umfangreiche Bergbau wurde im 19. Jahrhundert bereits weitgehend aufgegeben. Energiegewinnung durch Wasserkraft, ein äußerst konfliktträchtiges Thema in anderen Gebirgsregionen, spielte in der Tatra aus Mangel großer Wasserläufe keine Rolle. Kurwesen, Alpinismus und Wintersport fasse ich unter Tourismus. Naturwissenschaftliche Forschung war eng mit Tourismus und Naturschutz gekoppelt und erhob keinen selbständigen Anspruch auf exklusive Flächennutzung.

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dene Arten von Ansprüchen, die sich miteinander verbanden, sich überlagerten oder miteinander konkurrierten, zu erfassen. Ich begreife die Nutzungskonflikte als Auseinandersetzungen um Eigentumsansprüche. »Eigentum« benutze ich in einem weiten Verständnis, das über die heute hegemoniale Bedeutung des liberalen Verständnisses als eindeutige Zuordnung einer Sache zu einem Individuum hinausgeht.34 Mit diesem erweiterten Eigentumsbegriff gelingt es, auf verschiedenen Ebenen angesiedelte Ansprüche auf das Gebirge einzubeziehen, die eng und häufig unentwirrbar miteinander verknüpft waren. Den Kern dieses weiten Verständnisses bilden zwei Eigenschaften: Der Begriff impliziert einen Anspruch, der gesellschaftlich anerkannt ist, und er ist exklusiv, beinhaltet also die Möglichkeit der Ausschließung Dritter von dem beanspruchten Gebiet. Es sind vier Eigentumsdimensionen, die gemeinsam und in ihrem Wechselspiel betrachtet werden müssen. Dabei handelt es sich erstens um das Eigentumsrecht an Grund und Boden, zweitens um traditionelle Nießbrauchrechte etwa an Weiden und Wäldern, drittens um die Zugehörigkeit zu einem staatlichen Territorium und damit die Frage des Grenzverlaufs, viertens um das symbolische Eigentum einer ethnischen oder sozialen Gruppe oder einer universal verstandenen Menschheit. Diese Kombination erlaubt es mir, ein weites Spektrum an Verfügungsan­ sprüchen miteinander in Beziehung zu setzen, die sonst eher voneinander getrennt untersucht werden. So wird für »Eigentum« auch in Bezug auf Landnutzung meist ein enges Verständnis als Rechtskategorie vorausgesetzt.35 Die Umweltgeschichte hat zahlreiche Situationen in den Blick gerückt, in denen privates Eigentum, lokale Nutzungspraktiken und staatliche Regulierungsansprüche aufeinanderprallten. Sie hat auch auf die Paradoxien hingewiesen, die das Recht auf Privateigentum an Natur und natürlichen Ressourcen hervorbringt.36 Dabei sind auch miteinander konkurrierende Eigentumsverständnisse über die liberale Konzeption hinaus zur Sprache gekommen. William Cronon hat das in einer grundlegenden Arbeit für die amerikanischen UreinwohnerInnen und die 34 Zur Geschichte des Eigentumskonzepts vgl. Dieter Schwab, Eigentum, in: Otto ­Brunner, Werner Conze, Reinhart Koselleck (Hrsg.), Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland. 8 Bde, Bd. 2. Stuttgart 1972–1997, 65–115. 35 Hannes Siegrist, Dietmar Müller (Hrsg.), Property in East Central Europe. Notions, Institutions and Practices of Landownership in the Twentieth Century. New York, Oxford 2015. – Warren, Owning Nature. 36 William Cronon, Changes in the Land. Indians, Colonists, and the Ecology of New England. New York 1983.  – Theodore Steinberg, Slide Mountain or The Folly of Owning Nature. Berkeley 1996. – Richards, Toward a Global System of Property Rights in Land. – Karl Jacoby, Crimes against Nature. Squatters, Poachers, Thieves, and the Hidden History of American Conservation. Berkeley 2001. – Ein Forschungsüberblick bei Warren, Owning Nature. – Für Natur als globales Gemeingut vgl. Anna-Katharina Wöbse, Globales Gemeingut und das Naturerbe der Menschheit im Völkerbund und den Vereinten Nationen, in: Jahrbuch für Europäische Geschichte. European History Yearbook, 2014, H. 15, 83–107.

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SiedlerInnen getan und die daraus resultierenden weitreichenden Konsequenzen für die Ökologie Neuenglands analysiert.37 Auf diese Erkenntnisse baut das vorgeschlagene Verständnis von »Eigentum« auf, geht mit der Berücksichtigung der genannten vier begrifflichen Dimensionen aber darüber hinaus. Die Tatra wird dadurch fassbar als staatlicher Grenzraum, dem hoher symbolischer Wert zugesprochen wurde, in dem zahlreiche historische Gemeinnutzungsrechte galten und der sich im Grundeigentum vieler verschiedener Personen und Institutionen befand. Wie sich zeigen wird, betrafen konkrete Konflikte um den Umgang mit dem Gebirge immer wieder mehrere oder alle dieser Bereiche.

Wem gehört die Tatra? – Aufbau und Quellen der Arbeit Die Arbeit verfolgt Aushandlungsprozesse im Umgang mit dem Naturraum Tatra über einen Zeitraum von gut hundertfünfzig Jahren, also ab dem Zeitpunkt, als sie überregionale Bedeutung erlangte. Die sechs Kapitel widmen sich in chronologischer, teils einander überlappender Anordnung verschiedenen Episoden in der Konfliktgeschichte um die Nutzung der Tatra. Im Mittelpunkt stehen Situationen, in denen Eigentumsansprüche aufeinanderprallten, neu verhandelt oder geordnet wurden. Dabei geht es um Momente, wo die Tatra überregional zum Thema in der Gesellschaft oder Politik wurde. Oft riefen die Konflikte gar ein großes öffentliches Echo hervor. Jedes Kapitel stellt die Frage »Wem gehört die Tatra?« aus einem anderen Blickwinkel und diskutiert, welche Arten von Eigentumsansprüchen miteinander im Streit lagen. Die Arbeit geht exemplarisch vor. Das Ziel besteht nicht darin, die Zeitspanne erschöpfend darzustellen, sondern an ausgewählten Beispielen verschieden gelagerte Konfliktkonstellationen zu beschreiben. Zeitlich liegt der Schwerpunkt auf der Zwischenkriegszeit und der sozialistischen Periode. Das erste Kapitel handelt von der Aneignung der Tatra im langen 19. Jahrhundert. Die Leitfrage lautet, wie die Zugehörigkeit der Gebirgsnatur und ihrer BewohnerInnen innerhalb der imperialen Ordnung des Habsburgerreichs ausgehandelt wurde. Unter dem Begriff der »Entdeckung« diskutiere ich sowohl die Aktivität der slowakischen und der polnischen Nationalbewegung als auch die infrastrukturelle Erschließung der peripheren Region für den Fremdenverkehr. Ich zeige, dass dieser Prozess bereits alle vier Eigentumsdimensionen miteinander in Verbindung brachte, und frage danach, welche Voraussetzungen für den zukünftigen Umgang mit dem Gebirge sich vor 1918 entwickelten. Im Mittelpunkt des zweiten Kapitels steht das Verhältnis der staatlichen Hoheitssphären zu dem grenzübergreifenden Naturraum in der Zwischenkriegszeit. 37 Cronon, Changes. – Weitere Beispiele bei Warren, Owning Nature.

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Anhand des Projekts, einen grenzüberschreitenden Nationalpark zur Friedenssicherung zwischen den neu entstandenen Nationalstaaten Polen und Tschechoslowakei einzurichten, diskutiere ich eine alternative Konzeption zur Ordnung des Grenzgebiets. Ich zeige, dass die Gebirgslandschaft ebenso als Brücke wie als Begründung militärischer Aggression fungieren konnte, und frage nach der Rolle zwischenstaatlicher Verhandlungen sowie transnationaler Naturschutznetzwerke für die Entwicklung dieses binationalen Parkplans. Ebenfalls mit dem Blick auf die Zwischenkriegszeit schildert Kapitel 3 die innergesellschaftlichen Auseinandersetzungen um die Nutzung der Tatra. Im Fokus stehen parallel ablaufende Debatten, die Privateigentum, Nutzungsrechte sowie nationale und regionale Identifikationen miteinander in Beziehung setzten. Ich frage danach, weshalb sich das Projekt eines Nationalparks auch ohne die bilaterale Komponente als gesellschaftlich desintegrativ entpuppte und welche alternativen Nutzungskonzepte in Konkurrenz dazu standen. Der Zweite Weltkrieg und die unmittelbare Nachkriegszeit bedeuteten einen tiefen Bruch in der Nutzung der Tatra. Durch die Entrechtung und Verfolgung großer Bevölkerungsteile veränderten sich auch die Nutzungs- und Eigentumsstrukturen. Kapitel 4 diskutiert diesen Zusammenhang anhand der Zwangsmigrationen am Kriegsende und der Etablierung von Nationalparks im Nachkriegsjahrzehnt. Dieser Vorgang lässt sich in den Kontext der gewalttägigen Neuordnung von Raum und Bevölkerung in dieser Zeit stellen. Kapitel 5 widmet sich der symbolischen Aneignung der Tatra durch die (tschecho)slowakische Bevölkerung anhand eines touristischen Infrastrukturprojekts im Prager Frühling 1968. Deutlich tritt hier das Potential der Tatra zur politischen Mobilisierung hervor. Die Kontroverse um den Bau einer hochmodernen Einschienenbahn wird im Rahmen der Nutzungsgeschichte der Tatra interpretiert. Schließlich schwenkt der Fokus von der gesamtnationalen Beanspruchung der Tatra nochmals auf den konkreten Zugriff. Kapitel 6 widmet sich der Enteignung der Lokalbevölkerung in der polnischen Tatra zugunsten des Nationalparks. Anhand dieses Vorgangs wird das konfliktreiche Verhältnis zwischen dem Naturreservat und den Ansässigen diskutiert. Diese Problematik stellt sich in vielen Regionen der Welt. Deshalb wird der Fall der Tatra im Kontext der allgemeinen Konfliktgeschichte von Naturschutz und Lokalbevölkerung dargestellt. Ein Ausblick beschäftigt sich mit den Konsequenzen der politischen Neuordnung und den Auswirkungen der Marktwirtschaft seit 1989 auf das Gebirge. In der Schlussbetrachtung werden dann verschiedene Deutungsrahmen für die Konfliktgeschichte der Naturnutzung in der Tatra vorgeschlagen. Die Arbeit basiert auf einem Quellenkorpus, das sich aus Archivbeständen aus Polen, Tschechien, der Slowakei und Österreich sowie einem breiten Spektrum publizierter Dokumente zusammensetzt. Die konsultierten Archive schlie-

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ßen die drei Nationalarchive in Warschau, Prag und Bratislava, das Institut des Nationalen Gedenkens in Warschau sowie das Staatsarchiv in Krakau ein. Eingesehen wurden hier Dokumentationen der Zentralregierungen und der zuständigen Ministerien (v. a. Kultur, Forsten, Landwirtschaft) sowie Korrespondenzen mit untergeordneten regionalen und lokalen Stellen. Als besonders reichhaltig erwies sich das Archiv der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Krakau, das den Nachlass des polnischen Nationalparkprotagonisten Walery Goetel sowie die Unterlagen des Staatlichen Rates für Naturschutz (PROP) besitzt. Darüber ließ sich auch auf die Dokumentation des polnischen Nationalparks zugreifen. Ebenfalls wichtig ist der Nachlass des führenden tschechoslowakischen Naturschützers der Zwischenkriegszeit, Karel Domin, der im Archiv des Nationalmuseums in Prag liegt. Die Jahreschroniken des Polnischen Nationalparks sind online einsehbar.38 Einen reichen Fundus bieten die Veröffentlichungen der Bergverbände und der beiden Nationalparks. Darunter befinden sich die Jahrbücher des Polnischen Tatraverbands, des Ungarischen Karpathenvereins und des Slowakischen Nationalparks. Darüber hinaus wurde die deutschsprachige Wochenzeitung »Karpathen-Post« über den gesamten Erscheinungszeitraum ausgewertet. Ein Hinweis zum Gebrauch von Orts- und Flurnamen: Bei Orten (Städten, Dörfern, Gipfeln, Seen) werden die heute amtlichen Bezeichnungen unter Hinzufügung der deutschen Namen (falls sie existieren) und zeitgenössisch gebräuchlicher sprachlicher Varianten verwendet. Ausnahmen sind die Städte Warschau, Krakau und Prag, die im deutschen Sprachgebrauch fest eingeführt sind. Außerdem stehen Regionen und Landschaften auf Deutsch, um den Lesefluss zu erleichtern. Diese Festlegung ruft angesichts der vielsprachigen Untersuchungsregion an verschiedenen Stellen Anachronismen hervor, soll aber eine kohärente und handhabbare Terminologie gewährleisten.

38 Über die Seite der Małopolska Biblioteka Cyfrowa (Kleinpolnische Digitale Bibliothek): www.mbc.malopolska.pl.

1. Die »Entdeckung« der Tatra im langen 19. Jahrhundert

1.1 Materielle und mentale Aneignung Im langen 19. Jahrhundert durchlief die Tatra eine bemerkenswerte Karriere. Von Süden und von Norden aus wagten mehr Menschen als je zuvor den Weg entlang der Bachläufe, die das Gebirge zerfurchen, vorbei an tiefblauen Seen hinauf auf die Gipfel. Zuvor waren die AnwohnerInnen praktisch die Einzigen, die in die Bergwelt vordrangen. Ihnen ging es meist um die wirtschaftliche Nutzung der Bergnatur, um das Weiden des Viehs auf den Almen oberhalb der Baumgrenze, um das Sammeln von Holz, Beeren und Pilzen in den Wäldern, um die Jagd oder um die spärlichen Bodenschätze. Seit dem 16. Jahrhundert sind zwar einzelne Erkundungstouren belegt, die dem wissenschaftlichen Interesse oder der bloßen Neugier geschuldet waren.1 Erst ab Ende des 18. Jahrhunderts kam jedoch eine wachsende Anzahl an BesucherInnen in die Tatraregion. Am Vorabend des Ersten Weltkriegs hatte sich die Tatra zu einer beliebten Tourismusdestination entwickelt. Die Gäste konnten nun bequem mit der Eisenbahn anreisen und vor Ort in komfortablen Hotels logieren. Doch das war nicht der einzige Wandel, der sich in dem kleinen Hochgebirge abspielte. Zwar blieben seine geographischen Koordinaten dieselben: Es lag weiterhin an der inneren Peripherie des Habsburgerreichs, wo die Binnengrenze der Doppelmonarchie das cisleithanische Kronland Galizien vom Königreich Ungarn schied. Aber auf den mental maps vieler Menschen war die Tatra in eine zentrale Position gerückt. Für zwei in der Habsburgermonarchie lebende Völker hatte sie besondere Bedeutung erhalten. Als die Grenze 1918 zur Trennlinie zwi 1 Die meisten dieser Ausflüge in die Tatra wurden von den BewohnerInnen der umliegenden Ortschaften unternommen, doch es kamen auch einige europäische Gelehrte, etwa Balthasar Hacquet und Göran Wahlenberg. Zu Prototourismus und frühen Forschungsreisen: Ivan Houdek, Osudy Vysokých Tatier. Dejinný náčrtok so zvláštným zreteľom na Kriváň. Turčiansky Sväty Martin 1936, 15–45. – Jacek Kolbuszewski, Odkrycie Tatr: Turystyka, nauka, literatura a sztuka, in: Muzeum Tatrzańskie im. Dra Tytusa Chałubińskiego w Zakopanem (Hrsg.), Tatry. Czas odkrywców. Zakopane 2009, 15–51. – Als Überblick zur Entwicklung des Bergsteigens auf beiden Seiten der Tatra vgl. Lemma »taternictwo«, in: Radwańska-Paryska, Paryski, Wielka encyklopedia.  – Vergleichend zur Erschließung von Alpen und Karpaten, allerdings sehr skizzenhaft: Klaus Gattinger, Julius Gretzmacher, 100 Jahre Karpatenverein und die Erschließung der Hohen Tatra, in: Alpenvereins-Jahrbuch 99, 1974, 212–215.

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Die »Entdeckung« der Tatra im langen 19. Jahrhundert

schen den neuen Staaten Polen und Tschechoslowakei wurde, waren die beiden Teile des Gebirges in der jeweiligen nationalen Imagination von PolInnen und SlowakInnen bereits fest verankert. Für den steilen Aufstieg der Tatra in das polnische Pantheon war ein Mann von besonderer Bedeutung. Als der Warschauer Arzt Tytus Chałubiński im Sommer 1873 nach Zakopane kam, markierte das einen Wendepunkt in seinem Lebenslauf ebenso wie in der weiteren Geschichte des Gebirges. Von da an verbrachte er jeden Sommer in dem Dorf am Fuß der Berge, wo er sich später ein Haus baute und 1889 auch begraben wurde.2 Unermüdlich betätigte sich Chałubiński als Naturforscher, Tourismuspionier und Wohltäter der Lokalbevöl­kerung. Er popularisierte diesen abgeschiedenen, ärmlichen Winkel abseits jeden städtischen Komforts unter der Intelligenzija des russischen Teilungsgebiets als Sommerfrische. Vor allem brachte er die BesucherInnen auf seinen legendären Exkursionen in Kontakt mit den Einheimischen und der Bergszenerie. In Polen gilt er als »Entdecker der Tatra«3 – obwohl bereits zuvor Reisende die Tatragegend erkundet und einige mitunter viel beachtete Berichte und Reiseführer veröffentlicht hatten. Außerdem entfaltete sich auf der Südseite der Berge zur gleichen Zeit ein Kurbetrieb. Die Menschen vor Ort bedurften ohnehin keines Fremden, um sie auf die Existenz der Landschaft hinzuweisen, die sie seit Generationen bewohnten. Die »Entdeckung« der Tatra im langen 19. Jahrhundert steht in diesem Kapitel im Mittelpunkt. Im Zusammenhang mit den Alpen handelt es sich dabei um einen geläufigen Begriff. Er bezeichnet einen allmählichen, in der Renaissance beginnenden Wahrnehmungswandel. Anstatt als abweisend und furchteinflößend wurden die Alpen immer stärker als erhaben und lockend empfunden. Menschen von außerhalb begannen sich auf vielfältige Art mit ihnen zu beschäftigen. Die Berge wurden zum Gegenstand der Naturforschung, Motiv in der Kunst und Zielgebiet des Tourismus.4 Die »Entdeckung« der Alpen war ein wichtiger Referenzpunkt für die Erschließung der Tatra – meist als Inspira­ tion, zuweilen aber auch in Abgrenzung. Deshalb drängt sich dieser Begriff ge-

2 Chałubiński hatte die Tatra bereits in den 1850er Jahren einige Male besucht, zum Wendepunkt wurde aber erst sein Aufenthalt 1873. Zur Biographie siehe Lemma »Tytus Chałubiński«, in: Radwańska-Paryska, Paryski, Wielka encyklopedia. 3 Diese Formulierung prägte Stanisław Witkiewicz in seiner bekannten Abhandlung »Na przełęczy« über die Tatra und das Goralentum. Zum Prozess der »Entdeckung« der polnischen Tatra vgl. den hervorragenden Aufsatz von Dabrowski, Constructing, hier v. a. 50 f., das entsprechende Zitat von Witkiewicz in Anm. 12. – Ebenso den Ausstellungskatalog: Muzeum Tatrzańskie im. Dra Tytusa Chałubińskiego w Zakopanem (Hrsg.), Tatry. 4 Als Überblick und mit weiteren Literaturhinweisen siehe François Walter, Abschnitt 5.1. Die »Entdeckung« der Alpen, in: Historisches Lexikon der Schweiz, Onlineausgabe, http:// www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D8569.php (letzter Zugriff: 28.01.2016).

Materielle und mentale Aneignung

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radezu auf, um die materielle und mentale Aneignung des Hochgebirges in den Karpaten zu fassen.5 In einem weiteren Sinn lässt sich der Terminus der kolonialen Eroberung zuordnen. Ebenso wenig wie bei der europäischen Expansion handelte es sich in der Tatra um einen einseitig ausgerichteten Vorgang, in dem allein die aus der Metropole Kommenden die »entdeckte« Gegend und ihre BewohnerInnen vereinnahmten und durch ihren Einfluss veränderten. Stattdessen eröffnete sich eine wechselseitige Kommunikation, durch die etwas Drittes entstand: eine Kontaktzone, wo Bedeutungen zwischen Hiesigen und Neuankömmlingen neu ausgehandelt werden mussten.6 Und auch unter einem anderen Aspekt waren die Herrschaftsbeziehungen in der Tatra uneindeutig: Zwar stammten die ProtagonistInnen der »Entdeckung« zum Großteil aus der Bildungselite und häufig auch aus einer wohlhabenderen Schicht. Allerdings gehörten die meisten nicht der jeweils herrschenden ethnischen Gruppe an und waren selbst Gegenstand imperialer Herrschaftsausübung. Dieser Prozess verlief also im Rahmen eines komplexen Abhängigkeitsverhältnisses, in dem die EntdeckerInnen auch Subalterne waren, während die Lokalen selbst aktiv beteiligt waren. Die Aneignung der Tatra bezog sich zum einen auf die Erschließung für den Tourismus und das Verständnis des Gebirges als Raum schützenswerter Natur. Das betrifft die Berge in ihrer naturräumlichen Materialität. Zum anderen handelte es sich um die Landschaftsimagination im Gedächtnis der sich heraus­ bildenden nationalen Gemeinschaft. Als eine in den Augen nationaler AktivistInnen ursprünglich gebliebene Gegend wurde die Tatra zum Bezugspunkt für die polnische wie die slowakische Nationalbewegung auf der Suche nach dem eigenen authentischen Charakter. Die »Entdeckung« dieser Region trug dazu bei, das Selbstverständnis der jeweiligen Wir-Gemeinschaft zu konkretisieren, und war damit Bestandteil von deren »Erfindung«.7 5 Den Aspekt der »Entdeckung« im Kontext der Karpaten macht vor allem Patrice Dabrowski stark. Ihr laufendes Forschungsprojekt, in dem sie die Aneignung dreier Karpatenregionen durch die polnische nationale Imagination zu unterschiedlichen Zeitpunkten untersucht, trägt den Titel: »›Discovering‹ The Carpathians: Episodes in Imagining and Reshaping Alpine Borderland Regions«. – Zuvor hat David Crowley darauf hingewiesen: Crowley, Pragmatism, 184–186. – Auch für die slowakische nationale Aneignung spricht Ľubomír ­Lipták von der »Entdeckung der Tatra während der ›nationalen Wiedergeburt‹«: Lipták, Tatra, 261–265. 6 Mary Louise Pratt, Imperial Eyes. Travel Writing and Transculturation. 2. Aufl. London, New York 2008. – Diesen Aspekt betont der Musikwissenschaftler Timothy Cooley in Bezug auf die polnische Tatra: Cooley, Making Music.  – Für Architektur und Design vgl. Crowley, National style, 22. – Ebenfalls in Anlehnung an die Terminologie von Pratt bei: Dabrowski, Constructing, 46. 7 Zu dem in der Nationalismusforschung inzwischen klassischen Begriff: Benedict Anderson, Imagined Communities. Reflections on the Origin and Spread of Nationalism. London 1983. – Eric Hobsbawm, Introduction: Inventing Traditions, in: Ders., Terence Ranger (Hrsg), The Invention of Tradition. Cambridge 1992 [zuerst 1983], 1–14.

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Die Unterscheidung dieser beiden Arten der Aneignung ist wichtig, auch wenn bekannt ist, wie eng Tourismus und Naturschutz seit dem 19. Jahrhundert mit patriotischen Zielsetzungen verknüpft waren.8 Für die polnische Tatra lassen sich beide Aspekte tatsächlich als weitgehend deckungsgleich beschreiben. Auf der Südseite des Gebirges war die Sache jedoch komplizierter. Hier verlief die slowakische nationale Beanspruchung der Tatra nur in partieller Überschneidung mit ihrer materiellen Aneignung, welche viel stärker einen regionalen und einen imperialen Charakter aufwies. Als treibende Kraft wirkte vor allem die regionale deutsche Minderheit, von der noch die Rede sein wird. Die Gründe für den unterschiedlichen Verlauf werden in diesem Kapitel herausgearbeitet, die Konsequenzen kommen in den folgenden Kapiteln zur Sprache. Bei der »Entdeckung« der Tatra ging es um die Verhandlung von Zugehörigkeit – der vor Ort lebenden Menschen und ihrer Kultur, vor allem aber der Berge selbst. Darin wurden schon die grundlegenden Muster sichtbar, die die Konfliktgeschichte der Tatra als Naturraum das 20. Jahrhundert hindurch und darüber hinaus prägen sollten. Außerdem lagen alle vier vorgeschlagenen Eigentumslogiken bereits hier im Widerstreit miteinander – rechtlich garantiertes Grundeigentum, Nutzungsrechte, Zugehörigkeit zu einem staatlichen Territorium und symbolischer Anspruch auf ein Gebiet. Anstatt um einen abgeschlossenen Vorgang, der in der Etablierung des Gebirges als nationale Landschaft kulminierte, handelte es sich um den ersten Akt in der seither anhaltenden Auseinander­ setzung darum, wer die Tatra für sich beanspruchen könne. Und auch die transnationalen Bezüge sind unübersehbar: Neben der Erschließung der Alpen spielte auch das Nationalparkkonzept der USA hinein.9 Gerahmt von solchen westeuropäischen und nordamerikanischen Einflüssen lässt sich die »Entdeckung« der Tatra als mentale und infrastrukturelle Erschließung von außen nach innen, also ausgehend vom Flachland im Süden und im Norden, erzählen. Sie umfasste drei Elemente, die sich allerdings nicht als chronologisch aufeinanderfolgende Phasen verstehen lassen, sondern sich durchmischten. Es ging darum, sich dem Gebirge anzunähern, es zu gestalten und zu beanspruchen. Diesen drei Bestandteilen der »Entdeckung« entspricht die Glie 8 Grundlegend: Rudy Koshar, ›What ought to be seen‹. Tourists’ Guidebooks and National Identity in Modern Germany and Europe, in: Journal of Contemporary History 33, 1998, H. 1, 323–339. – Für die Habsburgermonarchie: Pieter M. Judson, Guardians of the Nation. Activists on the Language Frontiers of Imperial Austria. Cambridge, MA 2006. – Alexander Vari, From Friends of Nature to Tourist-Soldiers. Nation-Building and Tourism in Hungary, 1873–1914, in: Anne E. Gorsuch, Diane P. Koenker (Hrsg.), Turizm. The Russian and East European Tourist under Capitalism and Socialism. Ithaca 2006, 64–81. – Dabrowski, Borderland Encounters. – Carolin Firouzeh Roeder, Slovenia’s Triglav National Park. From Imperial Borderland to National Ethnoscape, in: Bernhard Gissibl, Sabine Höhler, Patrick Kupper (Hrsg.), Civilizing Nature. National Parks in Global Historical Perspective. New York, Oxford 2012, 240–255. 9 Zum internationalen Kontext der Erschließung von Bergräumen kurz Mathieu, Dimension, 162–168.

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derung des Kapitels: Der erste Abschnitt diskutiert, wie die Tatra für die VertreterInnen der polnischen und der slowakischen Nationalbewegung zum Bezugspunkt wurde, welcher Art die Begegnung mit dem Gebirge war und wie sie auf das nationale Projekt zurückwirkte. Anschließend stehen die Gründung von Bergvereinen und ihre Aktivitäten bei der touristischen Erschließung im Mittelpunkt. Schließlich werden Strategien diskutiert, Ansprüche auf den Gebirgs­ raum geltend zu machen, von seiner symbolischen Besetzung über die Konzeption eines Naturreservats bis zur offenen Konfrontation.

1.2 Annähern Man musste ziemlich entschlossen sein, in die Tatra gelangen zu wollen, um die Anreise in Kauf zu nehmen. Mehr noch von der galizischen Seite als von der ungarischen war der Weg beschwerlich und langwierig. Wer etwa Chałubiński in den 1870er Jahren aus Warschau nach Zakopane folgen wollte, fuhr meist mit dem Zug nach Krakau. Von dort aus ging es weiter in einem gemieteten Pferdewagen, gesteuert von einem Bewohner der südlichen Bergregion, einem Goralen. Da es in dem Bergdorf, in das die Reise führte, keine Geschäfte gab, waren auch die Vorräte auf dem Wagen verstaut. Über schlecht oder gar nicht befestigte Straßen gen Süden holpernd, war das Ziel zwei Tage später nach gut 100 Kilometern erreicht.10 Was den Warschauer Neuankömmling dort erwartete, war ein Tapetenwechsel der besonderen Art. Denn es war nicht allein die klare Bergluft und das majestätische Panorama der Bergkulisse, das diesen Ort vom Flachland unterschied, das der Reisende gerade hinter sich gelassen hatte. Zurückgelassen hatte er auch den Alltag in Kongresspolen, wie das zum Russländischen Reich gehörende Teilungsgebiet hieß. Während die polnischen UntertanInnen im Herrschaftsbereich des Zaren einer strengen Russifizierung unterlagen, genossen sie im habsburgischen Galizien viel größere Freiheiten. Nachdem es in der Folge des österreichisch-ungarischen Ausgleichs 1867 schrittweise Autonomie erhalten hatte, errang dieses Teilungsgebiet sogar den inoffiziellen Beinamen eines »polnischen Piemont«.11 Am ungehemmtesten konnten sich polnische PatriotInnen aber in der Tatra fühlen. Auf der Bergwanderung ließ sich sogar die inoffizielle Nationalhymne Marsz Dąbrowskiego (»Noch ist Polen nicht verloren…«) singen, ohne eine Verhaftung zu riskieren. So begründete zumindest ein aus dem preußischen Teilungsgebiet stammender Priester seine alljährliche Reise in die Bergregion.12 10 Diese Reise als liminale Erfahrung bei: Dabrowski, Constructing, 50. – Kolbuszewski, Odkrycie, 36, Anm. 27. 11 Crowley, Pragmatism, 190 f. 12 Kolbuszewski, Odkrycie, 34.

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Zakopane wurde zum Treffpunkt für PatriotInnen aus allen drei Teilungsgebieten sowie aus dem Exil, die dort der Erinnerung an ihr untergegangenes Land nachhingen und Pläne für seine Neugründung schmiedeten.13 Doch der Ort hatte mehr zu bieten als nur eine sichere Entfernung zur Staatsgewalt. Der Anblick eines an die Alpen erinnernden Hochgebirges auf historischem polnischen Gebiet war eine Erfahrung voller Exotik, denn Berge waren nicht gerade die angestammte Umgebung der PolInnen. Historisch siedelte das polnische Volk in der Nordeuropäischen Tiefebene, sein Name lässt sich gar vom Feld (poln. pole) herleiten.14 Die in den gebildeten Schichten vorherrschende Landschaftsimagination war wiederum eng mit der vergangenen Größe der polnischlitauischen Adelsrepublik verbunden, die sich einst weit nach Nordosteuropa erstreckt hatte. Ihre heute in der Ukraine, Belarus und Litauen liegenden östlichen Gebiete, die Kresy, wurden im nationalen Gedächtnis zur Stätte von Ritterlichkeit und Freiheit. Die weiten Grassteppen und ausgedehnten Wälder der Kresy fungierten als Erinnerungslandschaft für die verlorene staatliche Größe sowie die vermeintlichen ritterlichen Tugenden des polnischen Adels.15 Das Erlebnis des Hochgebirges brachte somit einen völlig neuen Typus in das landschaftliche Repertoire des polnischen Selbstverständnisses ein. Die Gegend, in der sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts immer mehr Angehörige der Intelligenzija zur Sommerfrische einfanden, war schön, aber arm. Podhale (poln. »unter den Almen«) heißt die historische Landschaft, die als schmale Verlängerung des galizischen Territoriums nach Süden reichte, von drei Seiten von ungarischem Gebiet umgeben.16 Auf der Nordseite der Berg­ flanken gelegen, bot Podhale seinen BewohnerInnen nur eine karge Lebensgrundlage. Die GoralInnen lebten von einer wenig ertragreichen Landwirtschaft, umso wichtiger war darum die Viehhaltung. Daneben blieb bloß das Handwerk als Einkommensquelle. Galizien galt als die ärmste Provinz der Donaumonar­ chie, und die Not hatte solche Formen angenommen, dass das »galizische Elend« (nędza galicyjska, oder bieda galicyjska, galizische Armut) am Ende des 19. Jahrhunderts sprichwörtlich wurde.17 Die Region am Fuß der Tatra gehörte wie-

13 Für Zakopane als »Mekka« und grenzübergreifendem Treffpunkt der polnischen Intelligenzija siehe z. B. Antoni Podraza, Fenomen Zakopanego, in: Renata Dutkowa (Hrsg.), Zakopane. Czterysta lat dziejów. 2 Bde, Bd. 1. Kraków 1991, 13–20, hier 18. 14 Zur Etymologie vgl. Rudolf Jaworski, Christian Lübke, Michael G. Müller, Eine kleine Geschichte Polens. Frankfurt / Main 2000, 37. 15 Für die Beschwörung des polnischen Kresy-Mythos siehe Schama, Landscape, 23–60. 16 Zum Namen und der Lage vgl. Lemma »Podhale«, in: Radwańska-Paryska, Paryski, Wielka encyklopedia. 17 Crowley, National style, 11 f. – Alison Fleig Frank, Oil Empire. Visions of Prosperity in Austrian Galicia. Cambridge, MA 2005, 44 f. – Larry Wolff, The Idea of Galicia. History and Fantasy in Habsburg Political Culture. Stanford 2010, 275–279.

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derum zu den ärmsten Landstrichen in Galizien.18 Dementsprechend hoch war die Auswandererquote.19 Die GoralInnen übten eine enorme Faszination auf die BesucherInnen aus. Ihr Name bedeutet schlicht »BerglerInnen« (Berg poln. góra) und bezeichnet eine grenzüberschreitend in den Karpaten siedelnde Bevölkerung mit einem eigenen, stark ans Polnische angelehnten Dialekt. Über alle staatlichen Grenzen hinweg zeichnen sich die GoralInnen durch ein reiches Brauchtum aus, das sich in Trachten, Musik und Bräuchen niederschlägt.20 Dem paneuropäischen Zeitgeist entsprechend,21 erblickten die Gäste aus dem Flachland in ihnen die BewahrerInnen der nationalen Essenz: In der traditionellen Kultur entdeckten sie die Lebensformen der Ur-PolInnen, die sich nur dank der isolierten Lage der Gegend hätten erhalten können. Die Freiheitsliebe der GoralInnen, die stets verstanden hatten, sich gegen den Einfluss der Staatsgewalt zur Wehr zu setzen,22 machte sie umso attraktiver als Projektionsfläche für den Kampf um künftige nationale Größe.23 Der spätere Literaturnobelpreisträger und Zakopane-Stammgast ­Henryk Sienkiewicz beispielsweise setzte ihnen in seinem historischen Roman »Die Sintflut« ein Denkmal als tapfere polnische PatriotInnen. In den »Kreuzrittern« benutzte er wiederum ihren Dialekt als Muster für das mittelalterliche Polnisch seiner ProtagonistInnen.24 In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts kamen zunächst Forschende in die Tatragegend und begannen, über sie zu berichten. Die 1870er Jahre markierten einen quantitativen wie qualitativen Wandel, als sich in Podhale ein beständiger Tourismus entwickelte und sich die Nationalisierung der Berge und ihrer BewohnerInnen in der Intelligenzija etablierte. Um die Jahrhundertwende entstand in Zakopane schließlich eine reguläre Künstlerkolonie. Zahlreiche Künstler nahmen dort ihren Wohnsitz, die Tatrabegeisterung steigerte sich zu einer 18 Crowley, National style, 16 f. 19 Jerzy Kochanowski, Socjalizm na halach, czyli »Patologia stosunków społeczno-ekonomicznych i politycznych w Zakopanem« (1972), in: Przegląd Historyczny 98, 2007, H. 1, 71–96, 72. – Bis heute gibt es eine aktive Landsmannschaft von Podhalanie in Nordamerika, v. a. in Chicago, den Związek Podhalan (Verband der Podhale-Stämmigen). Mit der Zeitschrift »The Tatra Eagle« verfügt diese Gruppe über ein eigenes Sprachrohr. 20 Zur Musik vgl. Cooley, Making Music. 21 Bergvölker als Nukleus der Nation, in denen sich die alten Sitten, aber auch die Unbeugsamkeit gegen Unterjochung erhalten haben, treten bereits bei Herder auf. Mathieu, Dimension, 32. 22 Vor den Teilungen Polens war nur ein Teil der Podhale-Bevölkerung frondienstpflichtig gewesen. In Galizien wiederum zahlten die GoralInnen nur begrenzt Steuern an den habsburgischen Fiskus. Kai Struve, Bauern und Nation in Galizien. Über Zugehörigkeit und soziale Emanzipation im 19. Jahrhundert. Göttingen 2005, 84 f. – Crowley, National style, 17, Anm. 30. – Dieser kreative Umgang mit der Obrigkeit setzte sich im 20. Jahrhundert fort. Für die sozialistische Periode vgl. Kochanowski, Socjalizm. 23 Dabrowski, Constructing, 52–55. 24 Dazu ausführlicher Dabrowski, Borderland Encounters, 195 f.

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regelrechten Tatramanie. In der Literatur und Kunst der Młoda Polska (Junges Polen) wie auch in dem so genannten Zakopane-Stil in Architektur und Kunstgewerbe nahm die Tatraregion endgültig über die Teilungsgrenzen hinweg ihren festen Platz in der polnischen Kultur ein.25 Ihre »Entdeckung« trug zur Erweiterung des Verständnisses von der polnischen Nation bei – von ihrer geographischen Beschaffenheit wie auch ihren sozialen Trägerschichten. Die Hinwendung der SlowakInnen zu ihrem heutigen Nationalsymbol verlief in ganz anderen Bahnen. Sie bestand insbesondere in der mentalen Identifikation mit diesem höchsten und imposantesten Karpatenabschnitt, während sich kein patriotisches Fremdenverkehrswesen wie in und um Zakopane entwickelte. Das hatte erstens praktische politische Gründe: Dem »polnischen Piemont« in Galizien stand in Ungarn eine Staatsraison gegenüber, die vor allem seit dem Ausgleich 1867 auf die Magyarisierung der ethnischen Minderheiten anstatt auf deren Autonomie zielte. Zweitens unterschieden sich die sozialen und kulturellen Gegebenheiten der slowakischen Bevölkerung deutlich von denen der PolInnen. Am Beginn des 19. Jahrhunderts gab es weder eine einheitliche, kodifizierte Sprache noch die Vorstellung von einer abgesteckten territorialen Entität, mit der sich die slawische Bevölkerung Oberungarns – wie das Gebiet der heutigen Slowakei bezeichnet wurde – hätte identifizieren können. Als zeitgenössisch so genanntes geschichtsloses Volk besaßen die SlowakInnen keine etablierte Oberschicht. Erst allmählich entwickelte sich eine intellektuelle Elite, die das Bewusstsein von der Nation als integralem Ganzen verbreitete.26 Obwohl die Tatra keine volkstümliche überregionale Bedeutung besaß, wurde sie für die slowakische Nationalbewegung zur zentralen Identifikationsgröße, und das im Wortsinn: Auf der Suche nach dem Kern der Slowakizität avancierten diese Berge zum Sinnbild für den Mittelpunkt der slowakischen Nation und dienten als Beleg für die Berufung der SlowakInnen als Zentrum des Slawentums.27 Die Vorreiter der slowakischen »nationalen Wiedergeburt« in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelten in ihren literarischen und politischen Schriften nachgerade einen Kult um die Tatra. In Abgrenzung zu den in der weiten Ebene des Pannonischen Beckens siedelnden MagyarInnen erkannten sie die Eigenart der SlowakInnen in deren Verbundenheit mit den Bergen Oberungarns. In dem von Herder inspirierten zeitgenössischen Duktus maß etwa der Gelehrte und Schriftsteller Ján Kollár der Geographie fundamental prägende Kraft auf die Entwicklung der Völker bei.28 Am stärksten lud die folgende Gene­ 25 Crowley, National style, 11–24. 26 Ewa Kowalská, Slovakia in a Period of Structural Changes, 1711–1848, in: Elena Mannová (Hrsg.), A Concise History of Slovakia. Bratislava 2000, 159–184, hier 178–184. 27 Ľubomír Lipták kontrastiert die Tatra mit der Donau, die auch in Volksliedern aus weit entfernten Regionen vorgekommen sei. Lipták, Tatra, 261 f. – Ausführlicher zur Verschiebung der mental maps in der slowakischen »nationalen Wiedergeburt«: Macho, Premeny. 28 Holec, Človek, 194 f. – Macho, Premeny, 45.

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ration der Nationalbewegung um den Gelehrten, Schriftsteller und Politiker Ľudovít Štúr die Tatra in den 1830er und 1840er Jahren symbolisch auf. Ganz im Geiste der Romantik erschien die Tatra als gewaltiger und unbezähmbarer Ort und zugleich als Hort von Reinheit und Gefühl.29 Der Natur und vor allem den Bergen kam in der slowakischen Imagination auch deshalb eine so große Bedeutung zu, weil sich keine Städte als Zeugnisse nationaler Größe anboten. Die SlowakInnen waren nach dieser Auffassung zwar ein Volk ohne Vergangenheit, aber mit einer großen Zukunft, und diese gründe sich auf die in der Tatra entfesselte Kraft und den Willen zur Freiheit.30 Die Identifikation ging so weit, dass das Gebirge als Synonym für das Slowakische zu stehen kam. Praktische politische Verwendung erfuhr diese Metapher während der Revolution 1848/49, als sie bei der Erhebung gegen die ungarische Herrschaft zur Selbst- und Fremdbeschreibung des Slowakischen diente.31 Mehr als einen konkreten geographischen Ort meinte diese Ineinssetzung eine Idee, und zwar die der SlowakInnen als Bindeglied zwischen den slawischen Völkern und der Tatra als mythischem Ursprungsort, als Wiege der slawischen Kultur. Die Vorstellung vom »Tatravolk« (ľud tatranský) beinhaltete zwar eine Abgrenzung vom Magyarentum, erwies sich aber zugleich als integrativ gegenüber der slawischen Welt, in der die Vorreiter der slowakischen Nationalbewegung die Zukunft erblickten.32 Beim Vergleich der slowakischen zur polnischen Tatra-Imagination lassen sich einige deutliche Gemeinsamkeiten und Unterschiede feststellen: In beiden Fällen ging es um die Berge als Ort der Ursprünglichkeit, aus der Kraft für die Zukunft erwächst. Die romantische Vorstellung von den ungezähmten Bergen als Sinnbild der Freiheit und Anregung des individuellen Gefühls war ein gesamteuropäischer Topos. Während die Tatra im slowakischen Denken allerdings das Zentrum der Nation und ihrer Verbindung zur Außenwelt versinnbildlichte, war sie in der polnischen Imagination das Gegenteil, nämlich ein exotisches und isoliertes Grenzland.33 Analog stellten die GoralInnen in Podhale für die Intelligenzija das attraktive Andere dar, wohingegen aus Sicht der slowakischen nationalen Elite geradezu alle SlowakInnen BergbewohnerInnen waren. Ein weiterer wichtiger Unterschied bestand in der Verbreitung dieser Vorstellungen innerhalb der jeweiligen Bevölkerung. War die Tatra unter den PolInnen zu Beginn des 20. Jahrhunderts so weit als Referenz etabliert, dass es für die War 29 Lipták, Tatra, 262–264. 30 Das konstatiert der tschechische Schriftsteller und Literaturwissenschaftler Vladimír Macura im Gegensatz zum Kult der tschechischen Nationalbewegung um Prag: Vladimír Macura, The Mystifications of a Nation. »The Potato Bug« and Other Essays on Czech Culture. Madison 2010, 44–46. – Holec, Človek, 193 f. 31 Lipták, Tatra, 264 f. 32 Macho, Premeny, 43–47, passim. 33 Macura, Mystifications, 45.

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schauerin Mode im Goralenstil zu kaufen gab, zirkulierte das Wissen von der Tatra als slowakischer Landschaft bis nach dem Ersten Weltkrieg nur in einem sehr kleinen Kreis.34 Zuvor blieb die slowakische Aneignung bis auf markante Ausnahmen, die weiter unten Thema sein werden, weitgehend metaphorisch. Die Vorreiterrolle in der Erschließung der Berge von Süden übernahm hingegen eine andere ethnische Gruppe, die Zipser Deutschen. Sie mussten sich dem Gebirge nicht zuerst annähern, denn sie waren schon vor Ort und verbanden das Interesse für die Tatra mit einer regionalen Identität. Anstelle einer komplizierten programmatischen Aneignung ging es hier um den pragmatischen Umgang mit dem Gebirge als materieller Ressource.

1.3 Gestalten Während die Tatra aus polnischer Sicht vor dem 19. Jahrhundert als »wahrhaftige terra incognita« gelten konnte, führten von der Südseite bereits im 17. Jahrhundert Forschungsexpeditionen in die Bergwelt.35 Die erste Sommerfrische in der südlichen Tatra eröffnete 1797 in dem neu gegründeten Dorf Smokovec (Schmecks, ung. Tátrafüred) an einer Mineralquelle unterhalb des Slavkovský štít (Schlagendorfer Spitze, ung. Nagyszalóki-csúcs). Im Lauf des 19. Jahrhunderts etablierten sich in dieser Gegend einige Kurbetriebe von europäischem Ruf. Die Zips stieg zu einem der wichtigsten Fremdenverkehrszentren Ungarns auf, das sommers wie winters zum Besuch lockte.36 Die Zips (slow. Spiš, ung. Szepes, poln. Spisz) ist die östlichste der drei historischen Landschaften, die südlich der Grenze Anteil an der Tatra haben. In der Mitte liegt die Liptau (slow. Liptov, ung. Liptó), zu der der größte Bereich der Tatra gehört, schließlich die Arwa (slow. Orava, ung. Árva, poln. Orawa) mit einem geringen Anteil an der westlichen Tatra. Die Zips umfasst mit der Hohen Tatra, wo der alpine Charakter des Gebirges am ausgeprägtesten ist, ihre höchsten Gipfel. Im Vergleich zum isoliert gelegenen und unwirtlichen Podhale bot die Zips ihren BewohnerInnen am Fuß der Berge freundlichere Lebensbedingungen. Klimatisch begünstigter, warf die Landwirtschaft hier höhere und vielfältigere Erträge ab.37 Das Tal des Flusses Poprad (Popper, ung. Poprád), das den Gebirgszug im Süden begrenzt, diente über Jahrhunderte als wichtiger Handelsweg. Des 34 Crowley, Pragmatism, 183 f. – Lipták, Tatra, 265. 35 Kolbuszewski, Odkrycie, 20. 36 Ivan Bohuš, Vývoj osídlenia Tatranského podhoria a Ždiarskej brázdy, in: Ivan Volo­ ščuk, kol. (Hrsg.), Tatranský národný park. Biosférická rezervácia. Martin 1994, 212–220, hier 214. – Holec, Človek, 76–78. 37 Jozef Sulaček, Sociálne premeny na Spiši v prvej polovici 20. storočia, in: Peter Švorc (Hrsg.), Spiš v kontinuite času. Zborník z medzinárodnej vedeckej konferencie. Prešov, Bratislava, Wien 1995, 166–176, hier 166 f.

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halb entstanden hier einige städtische Zentren von überregionaler Ausstrahlung, allen voran Kežmarok (Kesmark, ung. Késmárk) und Levoča (Leutschau, ung. Lőcse). Noch heute zeugen prächtige Stadtkerne mit UNESCO -Welterbeprädikat vom Wohlstand und Selbstbewusstsein der in Spätmittelalter und Früher Neuzeit mit königlichen Privilegien ausgestatteten Zipser Deutschen.38 Sie stellten die wirtschaftliche und kulturelle Elite in der von großer ethnischer Vielfalt gekennzeichneten Region. Bis zum Zweiten Weltkrieg lebten in der Zips SlowakInnen, Deutsche, UngarInnen, GoralInnen, RuthenInnen, PolInnen und JüdInnen.39 Zwar verlief die soziale Schichtung weitgehend entlang ethnischer Linien, mit Deutschen und UngarInnen als Oberschicht, vor allem SlowakInnen und RuthenInnen als bäuerlicher Unterschicht. Bis weit in die Zwischenkriegszeit hinein waren im Alltag aber soziale Unterschiede bestimmender als ethnische Zugehörigkeit. Das Zusammenleben war geprägt durch einen starken Zipser Lokalpatriotismus, nationale Indifferenz und Loyalität zur Monarchie.40 Allerdings waren die Zipser Deutschen aufgrund ihrer privilegierten wirtschaftlichen und kulturellen Stellung sowie der Affinität zum deutschen Sprachraum die treibende Kraft bei der touristischen Erschließung der Berge.41 Das Evangelische Lyzeum in Kežmarok war nicht nur eine renommierte Bildungseinrichtung, die SchülerInnen von weit her anzog, sondern auch eine Keimzelle für die wachsende Bergbegeisterung in der Region.42 Der hohe Bildungsgrad und 38 Einen Überblick zu den Zipser Deutschen bei Jörg K. Hoensch, Die Zipser. Ein Überblick, in: Gerhard Grimm, Krista Zach (Hrsg.), Die Deutschen in Ostmittel- und Südost­ europa. Geschichte, Wirtschaft, Recht, Sprache. 2 Bde, Bd. 1. München 1995, 143–157. – Friedrich Gottas, Sachsen (Zips), Enzyklopädie des deutschen Ostens, Alpen-Adria-Universität Klagenfurt, http://​eeo.uni-klu.ac.at​/​index.php?title=Sachsen_​%28Zips%29 (letzter Zugriff: 07.10.2015). – Die Zipser Deutschen in der Darstellung als Teil der deutschen Siedlung auf dem Gebiet der heutigen Slowakei bei Günter Schödl (Hrsg.), Land an der Donau. Berlin 1995. 39 Auf die Spuren der Zipser Deutschen in dieser ehemals multiethnischen Region und auf Besuch zu den wenigen Dortgebliebenen begibt sich auf lesenswerte Weise Karl-Markus Gauß, Die versprengten Deutschen. Unterwegs in Litauen, durch die Zips und am Schwarzen Meer. Bonn 2005. 40 Hoensch, Zipser, 150. – Sulaček, Sociálne premeny, 171 f. – Die Zips als multiethnische historische Landschaft im Ausstellungskatalog der polnischen Kulturstiftung Pogranicze: Ośrodek Pogranicze Sztuk, Kultur i Narodów w Sejnach, Międzynarodowe Centrum Kultury w Krakowie (Hrsg.), Spisz: wystawa / Spiš: výstava / Zips: Ausstellung / Szepes: kiállítás. Sejny 1998. – Zur »nationalen Indifferenz« siehe Tara Zahra, Imagined Noncommunities. National Indifference as a Category of Analysis, in: Slavic Review 69, 2010, H. 1, 93–119. – Pieter M. Judson, Nationalism and Indifference, in: Johannes Feichtinger, Heidemarie Uhl (Hrsg.), Habsburg neu denken. Vielfalt und Ambivalenz in Zentraleuropa: 30 kulturwissenschaftliche Stichworte. Wien, Köln, Weimar 2016, 148–155. 41 Einen positiv voreingenommenen Überblick bietet Grosz, Hohe Tatra. 42 Frühe Gipfelbesteigungen wurden von SchülerInnen oder LehrerInnen des Lyzeums unternommen. Der Nestor der zipserdeutschen TatrafreundInnen im 20. Jahrhundert, Alfred Grosz, unterrichtete ebenfalls dort. Vgl. z. B. auch das Vorwort einer ehemaligen Schülerin in ebd.

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die regen Verbindungen zur Außenwelt spielten eine nicht zu unterschätzende Rolle bei der touristischen Erkundung des Gebirges. Wie die GoralInnen in Podhale kannte die ländliche Bevölkerung, die ihr Vieh auf den Almen weidete, die Berge mit Sicherheit am besten, und möglicherweise hatten BewohnerInnen der umliegenden Dörfer viele Berge schon vor der überlieferten Erstbesteigung erklommen. Die Idee aber, aus Forschungsinteresse und zur eigenen Erbauung die Bergwelt zu betreten und im Anschluss davon zu berichten, stand im Austausch mit dem Denken der Aufklärung. Später adaptierten Zipser Deutsche die neuesten Entwicklungen aus der Schweiz: Kurort, Alpinismus und Wintersport.43 Die Gründung eines Gebirgsvereins und das Engagement für den Naturschutz nahmen Entwicklungen im deutschen Sprachraum auf.44 Der Kurbetrieb in Smokovec blieb mehrere Jahrzehnte die einzige Unternehmung ihrer Art in der Tatra selbst, abgesehen von einigen Sommerfrischen im Tal des Poprad. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts kamen Herbergen für den gehobenen Anspruch hinzu, unter anderem die »Rigi« und das »Schweizerhaus«,45 aber von einer tatsächlichen touristischen Erschließung der Hohen Tatra von Süden her konnte noch keine Rede sein. Der Wendepunkt kam in den 1870er Jahren, parallel zur polnischen »Entdeckung« der Berge auf der Nordseite. Mit dem Bau der Kaschau-Oderberger Bahn 1871 erhielt das in unmittelbarer Nachbarschaft zur Tatra liegende Poprad (Deutschendorf, ung. ­Poprád) einen Anschluss an das Eisenbahnnetz. Für die weitere Entwicklung des Gebirges erwies sich das in zweifacher Hinsicht als entscheidend. Es erleichterte deutlich die Anreise in die nördliche Peripherie des ungarischen Königreichs, und zwar nicht nur von Budapest, Wien und Prag, sondern auch von Wrocław (Breslau) und Berlin, da nun eine Verbindung zum preußischen Schienennetz bestand.46 Außerdem löste diese Maßnahme in der Zips einen tiefgreifenden Strukturwandel aus. Das Handwerk der Zipser Städte war ohnehin in einem langsamen Niedergang begriffen gewesen, doch mit der neuen Bahntrasse waren die regionalen Produkte und landwirtschaftlichen Erzeugnisse auf einen Schlag nicht mehr konkurrenzfähig. Während die Emigration sprunghaft nach oben schnellte, besannen sich die Honoratioren auf eine bisher noch brachliegende Ressource vor ihrer Tür: die Tatra als Fremdenverkehrsdestination. 1873 wurde in Kežmarok der erste Touristenverein im Königreich Ungarn gegründet. Der Ungarische Karpathenverein (hier weiter UKV, slow. Uhorský karpatský spolok, ung. Magyarországi Kárpátegyesület) bestand vorwiegend aus der zipserdeutschen Oberschicht, war grundsätzlich aber überethnisch und überregional ausgerichtet. Der Karpathenverein war Bestandteil einer Konjunk 43 Houdek, Osudy, 1936, 68. – Grosz, Hohe Tatra, 42 f., 85–87. – Lipták, Tatra, 267 f. – Bohuš, Vývoj, 214 f. 44 Holec, Človek, 257. 45 Grosz, Hohe Tatra, 30. 46 Lipták, Tatra, 267.

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tur, die von London aus Europa und Nordamerika erfasste. In London gründete sich 1857 der Alpine Club, der erste Verein, der sich die touristische Erkundung der Hochgebirgswelt auf die Fahnen schrieb. In nur wenigen Jahren folgten weitere Vereinsgründungen in den Alpenländern, die in andere Gegenden ausstrahlten.47 In der Zips kam der Anstoß von in Oberungarn wohnhaften Deutschösterreichern, die sich am Vorbild des seit 1863 existierenden Österreichischen Alpenvereins orientierten. Innerhalb weniger Jahre entstanden UKV-Sektionen in einigen größeren Städten sowie entlang des Karpatenbogens, von den Beskiden westlich der Tatra bis in die heute rumänischen Ostkarpaten.48 Als Betätigungsfeld definierte der Verband die Erkundung, Erschließung und Propagierung der Tatraregion, womit er wissenschaftliche, lokalpatriotische und wirtschaftliche Ziele kombinierte.49 Sein Einsatz zahlte sich aus, denn in den folgenden Jahren erhielt die Hohe Tatra eine zuvor nur spärlich vorhandene touristische Infrastruktur an Wegen, Schutzhütten, Ausschilderung sowie die so genannte Gürtelstraße, die auf etwa 1.000 m parallel zum Tal des Poprad das Vorgebirge durchmaß. Entlang dieser Schneise entfaltete sich ein reger Kur- und Fremdenverkehrsbetrieb, der um die Jahrhundertwende zur Gründung mehrerer weiterer Ortschaften neben dem Vorreiter Smokovec führte. Sanatorien und Grandhotels schossen aus dem Boden.50 Der Effekt blieb nicht aus. 1885 konnte der führende UKV-Funktionär Viktor Emericzy in einem Vortrag vor dem Österreichischen Touristen-Club in Wien stolz von den Errungenschaften der Vereinstätigkeit berichten: »Bis vor wenigen Jahren lag die Hohe Tatra der grossen Welt gegenüber wie eine verzauberte Insel da – eine Insel, von der so Mancher so Manches gehört, die aber sehr Wenige betreten hatten.« Seit der UKV seine Tätigkeit aufgenommen habe, könne man aber sagen, der Ruf und die Anziehungskraft der Hohen Tatra ist über die Grenzen nicht nur der Zips oder Ungarns, sondern auch der Monarchie weit hinausgedrungen. Tausende von Gästen strömen aus allen Himmelsgegenden jährlich herbei, um sich an dem hehren Anblick des Gebirges zu erquicken und in seinen reinen Höhen Kraft und Muth für den Aufenthalt in der dunstigen Atmosphäre der Thäler und der bedrücken-

47 Zur Gründung von Alpenvereinen in Europa vgl. aus der reichhaltigen Literatur: Anneliese Gidl, Alpenverein. Die Städter entdecken die Alpen. Wien, Köln, Weimar 2007, 21 f., 46 f. – Peter H. Hansen, The Summits of Modern Man. Mountaineering after the Enlightenment. Cambridge, MA 2016, 182–188, 192 f. 48 Bei Holec ist eine Karte der Sektionen abgebildet, Stand 1889. Holec, Človek, 338. – Siehe auch ebd., 253–255. – Vari, Friends, 66 f. 49 Vgl. die Statuten von 1884: »Der Ungarische Karpathenverein hat den Zweck, die Karpathen zu erforschen, die Kenntniss derselben möglichst zu verbreiten und deren Bereisung zu erleichtern«. Statuten des U. K. V., in: Jahrbuch des Ungarischen Karpathen-Vereines 11, 1884, 245–251, hier 245. 50 Holec, Človek, 254. – Grosz, Hohe Tatra, 22–30.

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den Enge der Schreib- und Studierstuben zu finden. […] Dem ernsten Streben mangelte nicht der Erfolg: heute steht die Hohe Tatra e r s c h l o s s e n da!51

1900 verzeichneten die Tatrakurorte 24.000 BesucherInnen, davon über die Hälfte aus dem Ausland, vor allem Deutsche. Am Anfang des neuen Jahrhunderts konnte sich die Gegend des ersten Golfplatzes Ungarns und der längsten Bobbahn in Europa rühmen, was den mondänen Charakter des hiesigen Tourismus­wesens unterstreicht. Zu diesem Zeitpunkt nahm der UKV aber bereits eine zwiespältigere Haltung gegenüber der stürmischen Entwicklung ein, als das noch zu Emericzys Zeit der Fall gewesen war. Teile der Karpathenvereinsmitglieder drängten darauf, das Tourismuswesen zu kanalisieren, um eine ähnlich umfangreiche Erschließung wie in den Alpen zu vermeiden.52 Die Aktivitäten des UKV inspirierten auf der Nordseite der Tatra ein iden­ tisches Vorgehen. Ebenfalls 1873 wurde in Zakopane der Tatraverband (Towa­rzyst­ wo Tatrzańskie, TT) ins Leben gerufen, der erste seiner Art in der vormaligen polnisch-litauischen Adelsrepublik. Auch an der Gründung dieser Organisation war eine lokal verankerte, mitteleuropäisch zusammengesetzte Oberschicht beteiligt, bestehend aus polnischen, ungarischen und deutschen Grundeigen­ tümern und einigen der Stammgäste aus den polnischen Teilungsgebieten.53 Der TT wandte sich in seinem Wirkungsgebiet ebenfalls der touristischen Erschließung und der wissenschaftlichen Erforschung von Land und Leuten zu. Darüber hinaus verankerte er die Förderung der lokalen Wirtschaftsstrukturen und den Schutz von Gämse und Murmeltier in seiner Satzung.54 In den Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg widmete sich der TT mit großem Eifer den gleichen Aufgaben wie der UKV: Er legte Wanderwege und Schutzhütten an, förderte die touristische Infrastruktur in den umliegenden Dörfern, propagierte die Gegend in den Medien und gründete ein Museum. Zakopane bekam 1899 einen Bahnanschluss, was die BesucherInnenzahl deutlich ansteigen ließ. Waren um 1880 noch 100 bis 200 Gäste jährlich gekommen, betrug die Zahl um 1900 schon 5.000.55 51 Viktor Emericzy, Die Hohe Tátra, in: Jahrbuch des Ungarischen Karpathen-Vereines 13, 1886, 1–16, hier 15. Hervorhebung im Original. 52 Holec, Človek, 76–79. 53 Lemma »Polskie Towarzystwo Tatrzańskie (dawne, 1873–1950)«, in: Radwańska-­ Paryska, Paryski, Wielka encyklopedia. – Dabrowski, Constructing, 56 f. 54 Statut Towarzystwa Tatrzańskiego z siedzibą w Krakowie, in: Pamiętnik Towarzystwa Tatrzańskiego 1, 1876, 9–19. – Weitere Erläuterungen zur Tätigkeit des TT in diesen vier Bereichen: Krygowski, Dzieje, 23 f. – Parallelen zu zeitgenössischen Entwicklungen in den USA , den Alpen und Nordeuropa zieht Stone, Cable Car, 605. 55 Lemma »Zakopane«, in: Radwańska-Paryska, Paryski, Wielka encyklopedia. – Kolbuszew­ ski, Odkrycie, 36, Anm. 27. Leider sind diese Zahlen nicht weiter präzisiert, z. B. ob sie sich auf ganz Podhale oder bloß auf Zakopane beziehen und wie sie erhoben wurden. Als Ausdruck des eindeutig positiven Trends sind sie aber nützlich.

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Der TT entwickelte sich in kurzer Zeit zum wichtigsten institutionellen Akteur bei der Polonisierung der Tatraregion. Damit unterschied sich seine Entwicklung deutlich vom UKV, der trotz Magyarisierungsbestrebungen aus Budapest an seiner ungarnpatriotischen Haltung und universell verstandenen Naturbegeisterung festhielt.56 Zunächst als Galizischer Tatraverband eingetragen, legte der TT schon im Folgejahr die Beschränkung auf das österreichische Teilungsgebiet ab, um seinen gesamtpolnischen Anspruch zu markieren.57 Nicht nur die Erschließung, sondern auch seine beiden satzungsgemäßen Ziele – Schutz der Autochthonen und der Natur – besaßen eine patriotische Stoßrichtung. Zugleich sollten sie den Auswirkungen der erfolgreichen Öffnung für das touristische Publikum gegensteuern. Damit verwies das Programm des TT direkt auf die widersprüchlichen Implikationen der »Entdeckung« der Region. Die Unterstützung für das Wirtschaftsleben vor Ort besaß zwei Funktionen, die das Dilemma widerspiegelten, das die Charakterisierung der GoralInnen als »Ur-PolInnen« mit sich brachte. Zunächst ging es schlicht darum, der lokalen Bevölkerung durch die Förderung ihrer Erwerbstätigkeit bessere Lebensbedingungen zu ermöglichen. Vor allem aber zielte der TT darauf ab, die Ursprünglichkeit der goralischen Lebensweise zu bewahren, die durch den Einbruch der Zivilisation nun vom Verschwinden bedroht sei. Welches Idealbild des G ­ oralen den Tatraverband leitete, zeigt der Blick auf sein Jahrbuch, den »Pamiętnik­ Towarzystwa Tatrzańskiego« (Erinnerungen des Tatraverbands). Auf dem Titel­ blatt der ersten Jahrgänge thront auf einem Felsvorsprung ein Gorale in typischer Tracht, der einladend den Hut zieht. Um seine Axt, die ciupaga, windet sich ein Spruchband mit einem Zitat aus dem berühmten Gedichtzyklus »Pieśń o ziemi naszej« (Lied von unserem Land)  des Gelehrten, Dichters und Tatra­ propagators Wincenty Pol: »In die Berge, in die Berge, lieber Bruder! // Dort erwartet dich die Freiheit.« Diese Botschaft wird noch dadurch verstärkt, dass auf der rechten Seite ein Adler das Spruchband in seinen Krallen trägt – der Symbolvogel der Tatra und gleichzeitig das polnische Wappentier. Im Hintergrund erhebt sich die Silhouette der Tatra. Diesen ebenso stolzen wie gastfreundlichen Bergbewohner in seiner ungezähmten Umgebung wollte der TT schützen, aber gleichzeitig anleiten. Die umfangreichste Maßnahme, um die Lokalbevölkerung zu unterstützen, war die Gründung einer Schule für Holzverarbeitung in Zakopane. Sie sollte Jugendlichen aus der Gegend eine Ausbildung ermöglichen und traditionelle Handwerksmethoden erhalten. Das Ergebnis war ein für transkulturelle Begegnungen typisches Hybrid, das unter dem Rubrum des Zakopane-Stils um die Jahrhundertwende eine kurze Konjunktur in Architektur und Kunsthandwerk erlebte: 56 Vari, Friends, 66–70. 57 Lemma »Polskie Towarzystwo Tatrzańskie (dawne, 1873–1950)«, in: Radwańska-­ Paryska, Paryski, Wielka encyklopedia.

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Abb. 1: Titelblatt der ersten Ausgabe des »Pamiętnik Towarzystwa Tatrzańskiego«, 1876

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Anstatt eines archetypischen polnischen Nationalstils bezeichnete dieser Stil einen Eklektizismus aus lokaler Handwerkspraxis und Bauweisen, akademischer Expertise und internationalen zeitgenössischen Moden wie z. B. der Bauweise der Alpenchalets.58 Das Engagement im Naturschutz war ebenfalls zugleich Bestandteil der und Antwort auf die Modernisierung, die durch die Mithilfe des TT in die Tatraregion eingezogen war. Zu Beginn war der Verband, wie schon in der Satzung deutlich wird, der Bewahrung einzelner Arten verbunden. Bis zum Ersten Weltkrieg entwickelte der Verband aber eine Auffassung von Natur als umfassendem System, das es in seiner Gesamtheit vor dem fortgesetzten Einbruch der Moderne zu bewahren gelte.59 Auch der UKV betätigte sich im Naturschutz, jedoch niemals in dem Ausmaß und mit dem Nachdruck wie der Partnerverein in der nördlichen Tatra.60 Eine enge Zusammenarbeit und gegenseitige Befruchtung der beiden Bergvereine lässt sich aber nicht nur in diesem Bereich feststellen. In ihren Jahresberichten stellten sie ausführlich die Tätigkeit des jeweils anderen dar.61 Darüber hinaus arbeiteten sie gemeinsam an Gesetzesvorlagen und unterstützten sich bei der Wildaufsicht. Der TT trat dem UKV als juristisches Mitglied bei, ebenso wie zahlreiche Einzelpersonen aus dem Umfeld des TT.62 Darin wird das Verständnis der Tatra als grenzüberschreitender Naturraum deutlich, den es gemeinsam zu bewahren gelte. Der in Galizien ansässige Verband konnte auf eine aktive Vorarbeit aufbauen. Besonders die k. k. Krakauer Wissenschaftliche Gesellschaft (Cesarsko-Królewskie Towarzystwo Naukowe Krakowskie)  engagierte sich ab den 1860er Jahren in diesem Bereich und knüpfte ein Netzwerk aus Institutionen und Unterstützern in Cis- und Transleithanien. Ihre Bemühungen hatten ein Gesetz zum Schutz von Gämsen und Murmeltieren vor Wilderei hervorgebracht, das der Galizische Landtag 1868 verabschiedet hatte.63 Binnen kurzem ging die Tätigkeit des TT aber über diesen selektiven Artenschutz hinaus und richtete sich auf die Tatra als Naturraum. Ab den 1880er

58 Zu diesem Thema in seinen gesamteuropäischen zeitgenössischen Bezügen ausführlich die hervorragenden Arbeiten von Crowley, National style, 18–24. – Crowley, Pragmatism. 59 Ein Überblick zur Entwicklung des Naturschutzes in der polnischen Tatra bei Bianca Hoenig, Kleinod und Ressource. Die polnische Naturschutzbewegung und die Tatra, in: Bohemia 54, 2014, H. 1, 56–73, hier 61–64. 60 Ivan Bohuš, Ochrana tatranskej prírody pred rokom 1918, in: Zborník prác o TANAP u 3, 1959, 186–203, hier 187 f. – Holec, Ochrana, 77 f. 61 Siehe die Jahrbücher der beiden Organisationen, »Pamiętnik Towarzystwa Tatrzań­ skiego« und »Jahrbuch des Ungarischen Karpathenvereins«. 62 Holec, Ochrana, 78. – Holec, Človek, 257. 63 Damit war es das erste Gesetz seiner Art in den polnischen Teilungsgebieten. Zofia Radwańska-Paryska, Rozwój i realizacja idei ochrony przyrody Tatr, in: Zbigniew Mirek (Hrsg.), Przyroda Tatrzańskiego Parku Narodowego. Praca zbiorowa pod red. Zbigniewa Mirka. Kraków u. a. 1996, 35–42, hier 36. – Holec, Ochrana, 77.

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Jahren bestand das ausdrückliche Ziel darin, dem Gebirge in seiner Gesamtheit Schutz angedeihen zu lassen. Mit diesem erweiterten Anspruch rückte die Naturschutzagenda in immer größere Konkurrenz zur landwirtschaftlichen und touristischen Nutzung des Raumes, denn das Engagement des TT beschränkte sich nicht mehr auf das Vorgehen gegen Wilderei. Stattdessen wurde die Idee leitend, die Landschaftsorganisation grunsätzlich neu zu ordnen. Die Tatra, oder zumindest ihr galizischer Teil, sollte in ein Naturreservat überführt werden und damit einem völlig neuen System von Nutzungsberechtigungen unterliegen. Den bisherigen EigentümerInnen sollte der freie Zugriff entzogen werden und die bäuerliche Bewirtschaftung Einschränkungen unterliegen, während der Tourismus eine gewisse Kanalisierung durchlaufen sollte. Um diese Zielsetzung zu verwirklichen, begann der TT Grundstücke aufzukaufen. Während er die grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit ungarischen Institutionen wie dem UKV in der Naturschutzarbeit fortsetzte, verstärkte sich sein Anspruch, in der galizischen Tatra eine nationalisierte Landschaft zu schaffen. Zum Ziel wurde nämlich die Gründung eines Nationalparks.

1.4 Beanspruchen Zum ersten Mal forderte 1888 ein gewisser X. Wielkopolanin in einem kurzen Beitrag im Jahrbuch des TT, einen Nationalpark zu schaffen. Der unter Pseudonym schreibende Autor entpuppte sich später als der aus dem preußischen Teilungsgebiet stammende Priester Bogusław Królikowski, der auch Mitglied des TT war.64 Sein Aufsatz trug den pathetischen Titel: »Die polnische Tatra – ein Denkmal für Mickiewicz«. Er forderte den Tatraverband auf, sich an die Spitze einer Bewegung zu setzen, um den nördlichen Teil des Gebirges in nationales Eigentum zu verwandeln – nicht mehr bloß ideell, sondern materiell.65 Die notwendige Summe sollte in einer öffentlichen Sammlung zusammenkommen,66 um dem Nationaldichter Adam Mickiewicz das größtmögliche Denkmal zu widmen und gleichzeitig die Natur vor der Zerstörung zu bewahren. Als Vor 64 Von seiner Herkunft leitet sich auch das Pseudonym ab, denn Królikowski stammte aus der Region Großpolen (poln. Wielkopolska). Lemma »Królikowski, Bogusław« RadwańskaParyska, Paryski, Wielka encyklopedia. 65 X. Wielkopolanin [d. i. Bogusław Królikowski], Tatry Polskie pomnikiem dla Mickiewicza, in: Pamiętnik Towarzystwa Tatrzańskiego 12, 1888, 1–8. 66 Mit diesem Vorschlag lehnte sich Królikowski an die Idee des örtlichen k. k. Försters Gustaw Lettner an. Dieser hatte einige Jahre zuvor gefordert, der TT solle in diesem Sinne aktiv werden, um die Forstbestände der Tatra der Misswirtschaft durch die lokalen Nutzungsverhältnisse zu entziehen. Gustaw Lettner, Projekt uratowania lasów Tatrzańskich, a szczególnie Zakopiańskich od grożącego im zniszczenia, in: Pamiętnik Towarzystwa Tatrzańskiego 10, 1885, 27–32. Ausführlicher dazu in Kapitel 4.

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bild verwies Królikowski auf den 1872 gegründeten Prototypen, den Yellow­ stone-Nationalpark in den Vereinigten Staaten. Hier hatte zum ersten Mal eine Staatsregierung ein beträchtliches Territorium als Naturreservat designiert, in dem wirtschaftliche Aktivität unterbunden wurde, um die Natur in ihrem unveränderten Zustand für die Bevölkerung zu erhalten. Diese Konzeption und die dafür geprägte Bezeichnung Nationalpark fanden weltweit große Beachtung und verbreiteten sich in den folgenden Jahrzehnten in einem komplexen Transferprozess über die Kontinente hinweg.67 Für Królikowskis Vision eines »Nationalgartens« (ogród narodowy) bot der aus den demokratischen USA stammende Nationalpark die ideale Vorlage.68 Unter den Bedingungen der imperialen Ordnung war der Vorschlag, ein Stück nationalisierter Natur zu schaffen, als politische Aussage gegen die Fremdherrschaft aufzufassen – und zwar als generelle Kritik an den Teilungsmächten ebenso wie als Vorwurf gegenüber den GrundeigentümerInnen, die anstatt an der Pflege einzig an der Ausbeutung der natürlichen Ressourcen interessiert seien. Zu dieser Zeit war die galizische Tatra in vier Sektionen oder »Domänen« aufgeteilt, von denen sich zwei seit den 1820er Jahren erst in ungarischer, dann in deutscher Hand befanden. Diesen Personen warf der TT vor, sich unter Vernachlässigung einer nachhaltigen Bewirtschaftung bereichern zu wollen, zumal als schwere Hochwasser in Podhale und benachbarten Regionen auftraten.69 Als die Domäne Zakopane in den 1880er Jahren kurz hintereinander mehrmals zum Kauf angeboten war, mobilisierten nationalpatriotische Kreise die polnische Gesellschaft über die Teilungsgebiete hinweg. In diesen Zusammenhang ist Królikowskis Nationalpark-Vorschlag einzuordnen, denn eine spontan gegründete Gesellschaft zum Schutz der polnischen Tatra (Towarzystwo Ochrony Tatr ­Polskich) initiierte tatsächlich eine Sammlung, die immerhin etwa ein Fünftel 67 Zur Hinterfragung von Yellowstone als Modell Karen R. Jones, Unpacking Yellowstone. The American National Park in Global Perspective, in: Bernhard Gissibl, Sabine Höhler, ­Patrick Kupper (Hrsg.), Civilizing Nature. National Parks in Global Historical Perspective. New York, Oxford 2012, 31–49. – Kupper, Wildnis, Kapitel 1. – Nationalparks als transnationales Phänomen in den Beiträgen des Bandes: Gissibl, Höhler, Kupper (Hrsg.), Civilizing Nature. 68 Wielkopolanin, Tatry, 1 f. 69 Radwańska-Paryska, Rozwój, 36. – Die Deutung, dass Überschwemmungen im Flachland durch die Abholzung in Gebirgsregionen hervorgerufen werden, ist weit verbreitet. Dieses »Abholzungsparadigma« hält allerdings nicht der wissenschaftlichen Überprüfung stand. Christian Pfister, Daniel Brändli, Rodungen im Gebirge – Überschwemmungen im Vorland: Ein Deutungsmuster macht Karriere, in: Rolf Peter Sieferle, Helga Breuninger (Hrsg.), NaturBilder. Wahrnehmungen von Natur und Umwelt in der Geschichte. Frankfurt / Main, New York 1999, 297–323. – Für die slowakischen Berggebiete der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg diskutiert diese Interpretation Martin Zückert, Auf dem Weg zu einer sozialistischen Landschaft? Der Wandel der Berglandwirtschaft in den slowakischen Karpaten, in: Bohemia 54, 2014, H. 1, 23–40, hier 34.

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des Kaufpreises zusammenbrachte.70 Diese Kampagne hatte neben der antideutschen eine antisemitische Richtung, denn sie zielte auch gegen einen in Podhale wohnhaften jüdischen Mitbieter.71 Als das siegreiche Gebot feststand, bestand für die TT-Mitglieder Grund zum Jubel. Den Zuschlag bekam Graf Władysław Zamoyski, Angehöriger eines alten polnischen Adelsgeschlechts. Zamoyski betätigte sich in der Tatraregion als sozialer Wohltäter und Naturschützer. Er ließ die Wälder wiederaufforsten und löste Allmenderechte von der lokalen Bevölkerung ab, um die Viehweide auf den Almen zu reduzieren. Später kaufte er eine weitere Tatra-Domäne hinzu. Seine Besitzungen sollten den Grundstock des Nationalparks bilden, der knapp 70 Jahre nach Królikowskis Vorschlag realisiert wurde.72 In bescheidenerem Ausmaß betätigte sich auch der TT als örtlicher Grundbesitzer. Nach und nach kaufte er Allmenderechte, was ihn zum Miteigentümer an Almen des Gebirges machte. Die konkrete Absicht war dabei ebenfalls, die Tatra zumindest teilweise von der Viehweide zu befreien, der Forstleute äußerst schädliche Auswirkungen auf das Hochgebirge nachsagten.73 Der Status der GoralInnen auf den Bergweiden war also vergleichbar mit dem in der Holzfachschule in Zakopane: Einerseits als HerrInnen der Berge und Verkörperung der Freiheit verklärt, waren sie andererseits mit dem Vorwurf konfrontiert, die eigene Lebensgrundlage zu zerstören und dringend anleitungsbedürftig zu sein. Das Gleiche lässt sich mit Blick auf die Natur konstatieren. Deutlich wird das Dilemma zwischen dem romantischen Bild vermeintlich ungezähmter Berge und ihrer Funktion als Nutzungsraum. Królikowskis Nationalparkvorschlag war noch stark einem musealen Verständnis von Naturschutz im Sinne des zitier­ ten amerikanischen Vorbilds verpflichtet. Die wirtschaftliche Nutzung sollte möglichst unterbunden werden, um die Natur in unberührtem Zustand für die Öffentlichkeit zu bewahren. Der TT wurde zunehmend kritisch gegenüber der touristischen Konjunktur, die er mitangestoßen hatte. So war er maßgeblich daran beteiligt, große Erschließungsprojekte wie den Bau einer Seilbahn oder eines Hotels in den Bergen zu verhindern. Der Naturschutzbegriff entwickelte sich weg von dem Leitbild unberührter Wildnis hin zu einem Versuch, Weidebzw. Forstwirtschaft, Tourismus und Naturschutz miteinander zu vereinbaren. 70 Lemma »Towarzystwo Ochrony Tatr Polskich«, in: Radwańska-Paryska, Paryski, Wielka encyklopedia. – Towarzystwo »Ochrona Tatr Polskich«, Statut Towarzystwa »Ochrona Tatr Polskich« stowarzyszenia zarejestrowanego z ograniczoną poręką. Kraków 1888, http://​polona. pl​/​item/​3776265/​0/​ (letzter Zugriff: 25.08.2015). 71 Die antisemitische Komponente ist deutlich sichtbar etwa bei Wielkopolanin, Tatry. – K. Dobrzyński [d. i. Henryk Sienkiewicz], Kto da więcej? Szkice z licytacji Zakopanego, in: Słowo Nr. 115 vom 22.05.1889, http://www.sienkiewicz.ovh.org/16/245.html (letzter Zugriff: 18.12.2015). 72 Lemma »Kórnickie Zakłady«, in: Radwańska-Paryska, Paryski, Wielka encyklopedia. Ausführlicher dazu in Kapitel 3. 73 Dieser Vorwurf z. B. auch bei Lettner, Projekt.

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Zum führenden Vertreter dieses Denkens wurde der Lemberger Agronom und Literaturwissenschaftler Jan Gwalbert Pawlikowski.74 Sein Ziel war, verschiedene Nutzungsarten miteinander zu vereinbaren, was sich aus der mora­ lischen Verpflichtung, aber auch der wirtschaftlichen Notwendigkeit zur Erhaltung der Natur ergebe. Seine Schriften waren ein Beitrag zu der zeitgenössischen, europaweit geführten Debatte um die Übertragbarkeit des amerikanischen National­parkkonzepts auf das dicht besiedelte Europa, wo Eigentums- und Nutzungsrechte fest kodifiziert waren.75 Auf diesen Überlegungen baute die 1912 in Zakopane gegründete Verbandssektion für den Schutz der Tatra (Sekcja Ochrony Tatr TT) auf, die gleich im Gründungsjahr ihre Ideen für einen Nationalpark in einer Denkschrift darlegte. Nach dem Ersten Weltkrieg sollten diese Überlegungen dann in ein konkretes Konzept münden.76 Schon um die Jahrhundertwende etablierte sich aber der Naturschutz als dritter Nutzungsanspruch mit ebenso weitreichenden Ansprüchen auf Eingriffe in das Gebirge wie der Tourismus und die Bewirtschaftung von Weiden und Wäldern. Naturschutz in diesem neuen, umfassenden Verständnis war eine Art, die Gestaltungshoheit über den Naturraum Tatra zu beanspruchen. Eine andere Methode bestand in der symbolischen Besetzung des Gebirgsraums durch den Tourismus, was rituelle Ausflüge ebenso einbezog wie die Markierung der Landschaft durch Gedenksteine und Benennungen. Alle an der »Entdeckung« der Tatra beteiligten Gruppen versuchten auf diese Weise, die Berge für sich zu reklamieren. In der galizischen Tatra bekam Adam Mickiewicz zwar keinen National­park zugeeignet. Dafür benannte der TT aber drei untereinander liegende Wasserfälle nach dem verehrten Dichter, als dessen sterbliche Überreste 1890 von Paris nach Krakau überführt wurden.77 Solche Wegmarken begegneten den WanderInnen zuhauf.78 Auf der Südseite gab es widerstreitende Vereinnahmungsversuche: Der UKV nutzte Benennungen zur Demonstration seiner Kaisertreue und damit auch, um sich gegen den Magyarisierungsdruck der Budapester Regierung zur Wehr zu setzen. Anlässlich der Millenniumsfeierlichkeiten der ungarischen Landnahme im Pannonischen Becken 1896 regte der Karpathenverein die Umwidmung des 74 Lemma »Pawlikowski Jan Gwalbert«, in: Radwańska-Paryska, Paryski, Wielka encyklopedia. 75 Vgl. für diese Debatte in Naturschutzkreisen Kupper, Wildnis, 46–53. – Karen R. Jones, John Wills, The Invention of the Park. Recreational Landscapes from the Garden of Eden to Disney’s Magic Kingdom. Cambridge u. a. 2005, 70–73, 78. – Pawlikowskis Schlüsselwerk zu dieser Thematik: Jan Gwalbert Pawlikowski, Kultura a natura (Erstveröffentlichung 1913), in: Kultura  a natura i inne manifesty ekologiczne. Łódź 2010, 39–100.  – Ausführlicher zu Pawlikowski: Hoenig, Kleinod, 62–64. 76 Stanisław Sokołowski, Tatry jako Park narodowy. Kraków 1923, 9 f. 77 Lemma »Wodogrzmoty Mickiewicza«, in: Radwańska-Paryska, Paryski, Wielka encyklopedia. 78 Einige Beispiele angeführt bei Dabrowski, Constructing, 59 f.

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höchsten Gipfels im ungarischen Königreich, den Gerlach, in Franz-JosephSpitze an. Dieser Agenda standen Bestrebungen in der Budapester Oberschicht entgegen, das Tourismuswesen zu zentralisieren und für nationale Zwecke einzusetzen. Reisende aus dem ungarisch besiedelten Tiefland sollten die multiethnischen Bergregionen der Karpaten nicht bloß aus Neugier erkunden, sondern auch einen Herrschaftsanspruch dorthin tragen. Der Karpatenbogen wurde immer stärker als Grenzland eines eigenen ungarischen Territoriums aufgefasst. Aus den nationalpatriotischen Kreisen kam dann auch der Vorschlag, den Gerlach stattdessen nach dem ungarischen Nationalheiligen König Stefan umzubenennen, was sich aber offenbar nicht durchsetzte.79 Solch eine offizielle Benennungspolitik war den slowakischen TouristInnen unmöglich. Ohnehin waren unter der slowakischen Bevölkerung nur wenige Personen, die die Tatra zu ihrem Vergnügen aufsuchten, die meisten davon aus den umliegenden Ortschaften. Im durchaus nicht für jeden erschwinglichen UKV stellten slowakische Mitglieder lediglich ein gutes Zehntel.80 Diejenigen, die der Idee von der Tatra als nationaler Heimstatt anhingen, entwickelten ihre eigene Form touristischer Praxis. 1841 fand zum ersten Mal ein so genannter nationaler Aufstieg auf den Kriváň statt. Dieser Berg mit seiner charakteristischen Form, einer weithin sichtbaren zur Seite geneigten Spitze, hatte schon früh in der Dichtung über die Tatra eine zentrale Stellung eingenommen. Spätestens mit diesem Aufstieg, an dem die Führer der Nationalbewegung Ľudovít Štúr und Michal Miloslav Hodža teilnahmen, verankerte sich der Kriváň als unbestreitbares Nationalsymbol.81 Diese auch als »Wallfahrten« apostrophierten Anlässe markierten den Raum anhand der touristischen Praxis und boten den TeilnehmerInnen die Gelegenheit, slowakische Lieder zu singen und patriotische Reden zu halten. Von den sehr bescheidenen Ausmaßen dieses Rituals zeugt die Tatsache, dass der wohl größte Anlass 1912 etwa 100 Personen zählte. Der Effekt war dennoch deutlich sichtbar: Roman Holec zitiert einen Bericht aus demselben Jahr, der von den Solidaritätsbekundungen der polnischen TouristInnen, aber auch der Empörung der ungarischen Gäste über diese Provokation spricht.82 Die nationale Bedeutung des Berges, der zwischenzeitlich auf dem tschechoslowakischen Staatswappen abgebildet war83 und heute die slowakischen Cent-Münzen 79 Der Gerlach war im Laufe des 20. Jahrhunderts noch mehrfach politischen Umbenennungen ausgesetzt. In der Zwischenkriegszeit wurde er zur Legionärsspitze, 1949–1959 firmierte er als Stalinspitze. Holec, Človek, 258 f. – Lipták, Tatra, 268 f. – Vari, Friends, v. a. 69–71, 75 f. – Ivan Houdek, Osudy Vysokých Tatier. 2. Aufl. Liptovský Svätý Mikuláš 1951, 193 f., 237. 80 Holec, Človek, 255. – Lipták, Tatra, 268. 81 So widmet z. B. eine populäre historische Darstellung der Tatra aus der Zwischenkriegszeit dem Kriváň ein eigenes Kapitel: Houdek, Osudy, 1936, 56–63. 82 Holec, Človek, 196. 83 Es handelte sich um das Wappen der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik von 1960 bis 1990.

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ziert, setzt sich bis in die Gegenwart fort. In großen zeitlichen Abständen finden diese Aufstiege bis heute statt und reflektieren jeweils die zeitgenössischen politischen Verhältnisse.84 In der spektakulärsten Auseinandersetzung um die Zugehörigkeit der Tatra vor 1918 verschränkten sich viele der bereits angesprochenen Ebenen: Was als Landstreitigkeit zwischen zwei benachbarten Grundeigentümern begann, wuchs sich bald zu einem Konflikt um die galizisch-ungarische Grenze aus. Daneben wurden nationale Besitzstände ebenso verhandelt wie Nutzungskonkurrenzen. Die Hauptkontrahenten waren die beiden wichtigsten Grundeigentümer der Tatraregion, Władysław Zamoyski und der deutsche Fürst Christian Kraft zu Hohenlohe-Öhringen, der 1879 die Domäne Javorina (dt. auch Uhrngarten, poln. Jaworzyna)  erworben hatte. Damit nannte er den äußersten Nordosten der Tatra sein Eigen, gelegen im Königreich Ungarn und an Zamoyskis auf der galizischen Seite gelegene Ländereien grenzend. Schon kurze Zeit nach seiner Ankunft in der Tatraregion brachte Hohenlohe einen bis ins 15. Jahrhundert zurückreichenden Streitfall um eine unklare Grenzziehung wieder auf den Tisch, indem er Anspruch auf einige Dutzend Hektar von Zamoyskis Anwesen erhob. Seine Forderung schloss einen Anteil an zwei Bergseen ein, dem Morskie Oko (Meerauge, slow. Morské Oko, ung. Halas-tó) und dem Czarny Staw (Schwarzsee, slow. Čierne pleso, ung. Tengerszem).85 Aus diesem Nachbarschaftsstreit entwickelte sich eine solche Affäre, dass sie schließlich vor einem eigens einberufenen Schiedsgericht landete, das Hohenlohes Forderung eine Absage erteilte und Zamoyski Recht gab. Ins polnische kulturelle Gedächtnis ist sie als »Streit um das Meerauge« (spór o Morskie Oko) eingegangen. Der Morskie Oko besitzt für die polnische nationale Imagination vielleicht die gleiche Stellung wie der Kriváň bei den südlichen NachbarInnen. Es handelt sich dabei um den größten der zahlreichen Tatraseen. Gelegen ist er unterhalb des Rysy, Grenzpunkt und höchster Gipfel Polens, in malerischer Umgebung. Seine Lage und sein tiefblaues Wasser machten ihn zu einem bevorzugten Motiv in Literatur und bildender Kunst und zum beliebten Ausflugsziel. Daran

84 Der Kriváň bietet ein hervorragendes Beispiel für einen Erinnerungsort. In einer bald zweihundertjährigen Geschichte wurde er zum Träger zahlreicher offizieller und inoffizieller Bedeutungen, die immer wieder in Konkurrenz miteinander traten. Dieser Ansatz skizzenhaft bei Lipták, Tatra. 85 Dies sind die polnischen Bezeichnungen, die den heutigen offiziellen Namen entsprechen. Erschwert wird die historische Terminologie dadurch, dass im Sprachgebrauch der Zipser Deutschen der Morskie Oko als Fischsee bezeichnet wurde, während der Czarny Staw als Meerauge bekannt war. Auch die ungarischen Namen entsprechen dieser Benennung und nicht der polnischen. Im Polnischen selbst war ebenfalls »Rybie Jezioro« (Fischsee) gebräuchlich, »Meerauge« war eher eine allgemeine Bezeichnung für die Bergseen der Karpaten. Im 19. Jahrhundert verengte sich dieser Name auf den heutigen Morskie Oko. Genauer dazu vgl. Lemma »Morskie Oko«, in: Radwańska-Paryska, Paryski, Wielka encyklopedia.

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hatte Tytus Chałubiński, der »Entdecker« der Tatra, großen Anteil, denn er ließ seine legendären Gruppenausflüge immer als krönenden Höhepunkt dort enden. Gleich im ersten Jahr seines Bestehens baute der TT am Ufer eine Hütte mit Übernachtungsmöglichkeit. Die Wanderung zum Morskie Oko und seine Überquerung im Boot waren längst zu einer Art nationaler Pilgerreise geworden, als Hohenlohe seinen Anspruch auf die Hälfte des Sees anmeldete. Es war also unausweichlich, dass die Landstreitigkeit zwischen Privatleuten als Angriff auf den Besitzstand der polnischen Nation aufgefasst werden würde. Doch das war nicht der einzige Grund, weshalb der deutsche Prinz mit seiner Forderung aneckte. Sein Anwesen hatte er direkt nach seinem ersten Besuch in dem kleinen Hochgebirge erstanden, der ihn mit Begeisterung erfüllt hatte. Der leidenschaftliche Jäger errichtete in der Javorina ein ausgedehntes Revier mit einem Jagdschloss im gleichnamigen Dorf. In den folgenden Jahren vergrößerte er sein Grundeigentum in der ungarischen Tatra und erwarb das Jagdrecht für weitere Gebiete. Seit seiner Ankunft in der Tatraregion hatte er gemischte Reaktionen in der Bevölkerung und unter den TouristInnen hervorgerufen, denn Hohenlohe tat alles für seinen ungestörten Jagdgenuss. Einerseits traf er konsequente Vorkehrungen zum Naturschutz, andererseits ging er streng gegen Wilderei vor und unterband die örtliche Weidewirtschaft und die traditionellen Nießbrauchrechte am Wald, etwa das Holzsammeln durch die Lokalbevölkerung. Dabei trat der Eigentümer im Stil eines guten Grundherrn auf, indem er großzügige Entschädigungen zahlte und die Menschen in Lohn und Brot brachte. Seine Domäne machte er zum gepflegtesten, vorbildlich bewirtschafteten Abschnitt der ungarischen Tatra. Er erntete aber auch Kritik, da er im Laufe der Jahre über 1.000 Gämsen schoss und, der zeitgenössischen Mode entsprechend, exotische Tierarten wie Antilopen, Wapitihirsche oder Bisons einführte. Und er verbot den Zutritt zu seinen touristisch äußerst attraktiven Ländereien – ein herber Schlag für die Aktivitäten von UKV und TT.86 All das machte aus Hohenlohe das perfekte Feindbild vom preußischen Junker auf seinem abgeschotteten Adelssitz.87 Und tatsächlich wehte in den 1880er

86 Lemma »Hohenlohe Christian«, in: ebd. – Holec, Človek, 204, 261 f. – Ein Bericht über den Ausschluss von Touristen: Ungarischer Karpathen-Verein. Ausschußsitzung des Ungarischen Karpathen-Vereines, in: Karpathen-Post Nr. 5 vom 02.02.1888, 1. – Noch deutlicher: dlr., Meeraug-Fieber, in: Karpathen-Post Nr. 40 vom 02.10.1902, 1. – 1902 ging der UKV in die Offensive und machte eine Eingabe beim ungarischen Ackerbauminister, um für TouristInnen Zugang zu den Hohenlohe-Ländereien zu erwirken. Als Hohenlohe daraufhin den Zugang zu seinen Besitzungen immerhin bis auf Widerruf erlaubte, ernannte der Verein ihn zum Ehrenmitglied. Siehe: Vereinsangelegenheiten: Ausschussitzung, in: Jahrbuch des Ungarischen Karpathen-Vereines 29, 1902, 131–143, hier 132–136. Ebenso: Vereinsangelegenheiten: Generalversammlung, Präsidialbericht des UKV, in: Jahrbuch des Ungarischen KarpathenVereines 30, 1903, 110–127, hier 112, 118 f. 87 Vgl. nur Wielkopolanin, Tatry, 7 f.

Beanspruchen

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Jahren ein Hauch von Kulturkampf durch die Tatra. In der ungarischen Öffentlichkeit sah Hohenlohe sich mit dem Vorwurf konfrontiert, ungarische TouristIn­nen von den landschaftlichen Schätzen ihrer Heimat fernzuhalten.88 In der polnischen Wahrnehmung war über die Teilungsgebiete hinweg die antipolnische Politik unter dem deutschen Reichskanzler Otto von Bismarck nur zu deutlich präsent. Gerade in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts ergriff die Reichsregierung harte Maßnahmen, unter anderem die Ausweisung Zehntausender polnischer Arbeitskräfte mit russischer und österreichischer Staatsangehörigkeit, und lancierte ein Ansiedlungsprogramm, das den deutschen Bevölkerungsanteil in den preußischen Ostprovinzen erhöhen sollte.89 Es ist unsicher, ob diese Staatsraison für den gerade in die Politik eingestiegenen Prinzen eine Rolle spielte, um auf seine Gebietsforderung zu pochen.90 Jedenfalls stand ihm seit 1890 mit Graf Zamoyski ein Kontrahent gegenüber, der aus dem preußischen Teilungsgebiet ins französische Exil getrieben worden war. Die Auseinander­ setzung im österreichisch-ungarischen Grenzgebiet wurde auch zum Austragungsort für den polnisch-deutschen Gegensatz.91 Von Anfang an war das Problem des Privateigentums mit der Frage der Staatsgrenze verbunden. In einer früheren Episode dieses Streits Mitte des 19. Jahrhunderts hatten die damaligen Eigentümer der beiden aneinandergrenzenden Domänen beschlossen, dass die vereinbarte Linie zwischen ihren Ländereien den Grenzverlauf bestimmen solle.92 Zwar waren sie dazu keineswegs autorisiert, doch diese Verquickung blieb wirkungsmächtig. Als Hohenlohe nun die ungarische Regierung anrief und es Zamoyski und dem TT gelang, die Angelegenheit zur Sache des galizischen Kronlands zu machen, nahm ein erbitterter Streit seinen Lauf. Vor Ort brach ein Kleinkrieg aus, in dem sich die Bediensteten der beiden Herren prügelten und gegenseitig ihre Schutzhütten in Brand setzten. Auch die Beweidung der Nachbargrundstücke und Waldfrevel gehörten 88 Holec, Človek, 204. 89 Ulrich Herbert, Geschichte der Ausländerpolitik in Deutschland. Saisonarbeiter, Zwangsarbeiter, Gastarbeiter, Flüchtlinge. Bonn 2003, 14–21. – Gregor Thum, Imperialists in Panic. The Evocation of Empire at Germany’s Eastern Frontier around 1900, in: Maurus Reinkowski, Gregor Thum (Hrsg.), Helpless Imperialists. Imperial Failure, Fear and Radicalization. Göttingen 2013, 137–162, hier 143–145, passim. 90 Diesen Zusammenhang hält Patrice Dabrowski für möglich: Dabrowski, Construct­ ing, 61. 91 Dies deutlich in der zeitgenössischen Wahrnehmung in: An der ungarisch-galizischen Grenze. Culturelles aus der Hohen Tátra, in: Karpathen-Post vom 05.11.1896, 1 f. 92 Dargestellt etwa bei Ungarischer Touristenverein, Ungarischer Karpathenverein, Memorandum in Angelegenheit der Grenzeregulierung. Sr. Exzellenz Herrn Koloman von Szell, wirklicher geheimer Rath, Ministerpräsident und k. u. Minister des Innern, Budapest, in: Jahrbuch des Ungarischen Karpathen-Vereines 29, 1902, 172–176, hier 174. – Leopold Świerz, Przyczynek do sporu granicznego między Galicją a Węgrami o Morskie Oko w Tatrach, in: Pamiętnik Towarzystwa Tatrzańskiego, 1885, 83–91, hier 86 f.

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zum Repertoire.93 Doch als relevanter für den Ausgang der Sache sollte sich die unterschiedlich geartete Mobilisierung auf der politischen Ebene erweisen. Während weder die Budapester Regierung noch ihre UntertanInnen besonderes Interesse an der Angelegenheit zeigten,94 wurde sie auf der galizischen Seite zu einer Frage der Ehre. Die Bevölkerung ebenso wie die galizischen Abgeordneten machten den Streit um das Meerauge zu ihrer Sache. Protestversammlungen wurden abgehalten, Unterschriften gesammelt und Belege aus allen möglichen Archiven zusammengetragen, um Zamoyskis Ansprüche zu untermauern.95 Die Entscheidung fällte schließlich 1902 ein internationales Schiedsgericht, das in Graz tagte und vom Schweizer Bundesrichter Johann Winkler präsidiert wurde.96 Als die Richter Hohenlohes Forderung abwiesen und den umstrit­tenen Bergsee somit zur Gänze auf galizischem Territorium beließen, war die patriotische Begeisterung bei den PolInnen enorm. In der polnischen Gesellschaft hatte sich die nationale Lesart dieses Konflikts unangefochten durchgesetzt.97 Auf der ungarischen Seite scheint Hohenlohes Niederlage hingegen geringe Reaktionen hervorgerufen zu haben.98 Aus dem Blickwinkel der TouristIn­nen – welchen nationalen Bekenntnisses auch immer – ließ sich dieser Ausgang sogar als Gewinn verbuchen, denn so sei die Gefahr abgewendet, vom Grundeigentümer ausgesperrt zu bleiben. In diesem Sinne urteilte etwa die Breslauer »Morgenzeitung«: Die Polen Galiziens haben für die Zugänglichkeit des Fischsees [d. i. Morskie Oko, B. H.] von galizischer Seite so viel gethan, daß sie sich eigentlich schon dadurch ein Anrecht an das strittig gewesene Gebiet erworben haben. Der soeben fertig gestellte herrliche Weg von Zakopane nach dem Fischsee, auf dem man bis hart an den See gelangen kann, ist eine Kulturthat ersten Ranges.99 93 An der ungarisch-galizischen Grenze. – Jerzy M. Roszkowski, Towarzystwo Tatrzańskie wobec sporu o Morskie Oko w latach 1873–1902, in: Ders. (Hrsg.), Spór o Morskie Oko. Materiały z sesji naukowej poświeçonej 90 rocznicy procesu w Grazu. Zakopane 12–13 września 1992  r. Zakopane 1993, 25–45, hier 33.  – Zofia Nowak, Władysław hr. Zamoyski  a spór o Morskie Oko, in: Jerzy M. Roszkowski (Hrsg.), Spór o Morskie Oko. Materiały z sesji naukowej poświeçonej 90 rocznicy procesu w Grazu. Zakopane 12–13 września 1992 r. Zakopane 1993, 47–60, hier 51. 94 Siehe die Kritik interessierter Kreise, dass Budapest zu wenig Engagement für die Wahrung der eigenen territorialen Integrität aufbringe: Ungarischer Touristenverein, Ungarischer Karpathenverein, Memorandum. – dlr., Meeraug-Fieber. 95 Vom Fischsee, in: Karpathen-Post Nr. 39 vom 28.09.1893, 2. – Roszkowski, Towarzyst­ wo, 37–40. 96 Lemma »spór o Morskie Oko«, in: Radwańska-Paryska, Paryski, Wielka encyklopedia. 97 Dabrowski, Constructing, 63 f. 98 Zwar berichtet ein Artikel von Empörung in der Budapester und Zipser Presse: dlr., Meeraug-Fieber.  – Dem Jahrbuch des Karpathenvereins war das Urteil jedenfalls nur eine Randnotiz wert: Die Regulierung der Landesgrenze um den Fischsee, in: Jahrbuch des Ungarischen Karpathen-Vereines, 1903, H. 30, 179. 99 Die »Morgenzeitung« zitiert in: Der verlorene Fischsee, in: Karpathen-Post Nr. 43 vom 23.10.1902, 1.

Eindeutigkeit und neues Konfliktpotential

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1.5 Eindeutigkeit und neues Konfliktpotential Der »Streit um das Meerauge« war 1902 zwar offiziell beendet, doch in späteren Konflikten um den Grenzverlauf oder diesen speziellen Teil des Gebirges galt er immer wieder als Referenzpunkt mit Mobilisierungspotential für nationalpolnische Leidenschaften. Die »Entdeckung« der Tatra im langen 19. Jahrhundert hatte Eindeutigkeit hergestellt. Das Gerichtsurteil legte fest, dass Zamoyskis Grundstück den ganzen Bergsee einschloss. Quasi automatisch war er damit auch Bestandteil des Kronlands Galizien, ideelles Eigentum der polnischen Nation und für einen zukünftigen polnischen Staat fester Teil des potentiellen Territoriums. Die Tatra oder vor allem pars pro toto Zakopane, der Morskie Oko und noch einige andere Orte waren zu prominenten Punkten auf den kognitiven Karten derjenigen geworden, die sich als Bestandteil der polnischen Nation verstanden. Das waren mit Sicherheit mehr Personen, als es bewusste Mitglieder einer slowakischen Nation gab. Doch auch diese zweiten hatten eine innige Beziehung zu dem Hochgebirge aufgebaut, das künftige Größe versprach. Über die metaphorische Aneignung hinaus zu einer materiellen Durchdringung als Bestandteil eines slowakischen Territoriums kam es erst etappenweise in der Zwischenkriegszeit, im und nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Erschließung des Gebirges von der Südseite reflektierte die imperialen Verhältnisse noch deutlicher als auf der Nordseite, indem sie von dem explizit überethnisch organisierten Karpathenverein ausging und wesentlich von der lokalpatriotischen Bildungselite der Zipser Deutschen getragen wurde. Hinzu kamen Ansprüche der Budapester Eliten, die Tatra wie auch die anderen Grenzräume stärker zu durchdringen. Die Tatra wurde für mehr Menschen als je zuvor zum Imaginations- und Nutzungsraum, was auch zu verstärkter Konkurrenz führte. Neben der rechtlichterritorialen Eindeutigkeit brachte die »Entdeckung« also auch weitere Vieldeutigkeiten hervor. Der spektakulär verlaufene Grenzkonflikt war nur die sichtbarste Konstellation, in der konkurrierende Ansprüche aufeinanderprallten. Gebündelt traten darin das private Eigentumsrecht, die staatliche territoriale Ordnung und die symbolische Beanspruchung für das nationale Kollektiv miteinander in Beziehung. Darüber hinaus spielte sich in Bezug auf die Natur und auf die in ihr lebenden Menschen ein Aneignungsprozess ab, der zwischen Eingriffen und Bewahrung schwankte und in dessen Verlauf sich alle Beteiligten gegenseitig beeinflussten und veränderten. Wie unterschiedlich die Vorstellungen davon waren, was die Gestalt und der Zweck der Gebirgsnatur seien, zeigte sich zum Beispiel in der aufkommenden Naturschutzbewegung. Sie ging von flankierenden Maßnahmen für die Bewahrung der Natur zum Anspruch auf umfassende Regulierung anderer Nutzungsarten über. Damit trat der Naturschutz auch in Konkurrenz zu

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traditionellen Bewirtschaftungsstrukturen in Form von Gemein­eigentum und Nießbrauchrechten. Vor allem zeigte sich im Laufe der »Entdeckung« der Tatra, dass konkurrierende Interessen immer stärker in Bezug auf die Nation formuliert werden mussten, um Gehör zu finden und eine Chance auf Durchsetzung zu haben. Alternative Begründungen – wie etwa die der lokalen Identität und Alteingesessenheit, der überethnischen Loyalität zur Habsburger Dynastie, der guten und rationalen Bewirtschaftung, der Modernisierung oder einer universell verstandenen Naturästhetik – verloren allmählich an Durchsetzungskraft. Darin bestand der nachhaltigste Erfolg der Aneignung durch die polnische und die slowakische Nationalbewegung. Genau darin lag aber auch der größte Quell für zukünftige Konflikte, weil dies eine grobe Vereinfachung der Wirklichkeit bedeutete. Die Berge selbst waren und blieben ohnehin national indifferent. Die Region war weiterhin multiethnisch bewohnt und bewirtschaftet und diente einer Vielzahl unterschiedlich motivierter Nutzungsinteressen. Die Aneignung der Tatra war mit ihrer »Entdeckung« keineswegs abgeschlossen. Diese stellte lediglich die erste Etappe in einem fortdauernden Aushandlungsprozess um die Zugehörigkeit des kleinen Hochgebirges dar. Der Erste Weltkrieg brachte auch in der Tatraregion wesentliche Veränderungen. Das bezog sich allerdings nicht so sehr auf die hier aufgezeigten Modi der Nutzung und Beanspruchung. Sie setzten sich fort und verstärkten sich gar noch in Richtung einer Nationalisierung der Berge. Am Ende des Krieges stand aber eine gänzlich neue Staatenordnung in Mitteleuropa. Und in diesem Umbruch wurde auch die Tatra zum heftig umstrittenen Zankapfel zwischen neuentstandenen Staaten.

2. Zwischen Friedensstiftung und Grenzkonflikt

2.1 Das Projekt eines grenzüberschreitenden Nationalparks In der Märzausgabe 1925 des »Zoological Society Bulletin« traf die geneigte LeserIn auf einen enthusiastischen Bericht aus der Alten Welt. Unter der Überschrift »The Great Program of Poland and Czechoslovakia for National Parks« präsentierte das Periodikum der führenden amerikanischen Tier- und Naturschutzorganisation, der New York Zoological Society, einen Bericht des polnischen Geologen Walery Goetel. In seiner Einführung zeigte sich der betagte Gründungsdirektor des New York Zoo und Vorreiter des Tierschutzes William T. Hornaday voller Enthusiasmus über das vorgestellte Naturschutzprojekt: Out of the welter of post-war chaos and economic stress in Europe, the world will read, and consider with profound satisfaction, the news of the creation of these important national parks on the international boundary between Poland and Czechoslovakia, »for the protection of the natural beauties« of those two nations. The movement reveals a degree of spiritual recovery, poise and vigorous enterprise that is worthy of the utmost admiration.1

Hornadays Begeisterung bezog sich auf eine Idee, die polnische und tschechoslowakische Naturschützer nach dem Ersten Weltkrieg miteinander ersonnen und in ein erfolgversprechendes politisches Projekt ihrer beiden Regierungen verwandelt hatten. Ein binationales Naturreservat sollte einen seit Jahren schwelenden Grenzstreit schlichten. Anstatt sich gegenseitig Grenzgebiete militärisch streitig zu machen, sollten die beiden neu entstandenen Nationalstaaten diese als gemeinsamen Besitz pflegen und für kommende Generationen bewahren. Der Plan beeindruckte nicht nur Hornaday in New York. Er entsprach dem Optimismus, den die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in politischer, wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht erzeugte und der sich in der Gründung internationaler Organisationen manifestierte. Auch aus diesen Reihen erhielt der Vorschlag aus Ostmitteleuropa Beifall.2 Seine Konzeption konnte mit Fug und Recht als innovativ gelten. Die Idee, ein Naturreservat zur Friedenssicherung einzusetzen, war in dieser Zeit ein Novum. Auch die Form von Naturschutz, die 1 Walery Goetel, The Great Program of Poland and Czechoslovakia for National Parks, in: Zoological Society Bulletin 28, 1925, H. 2, 27–36. Hornadays Einführung findet sich auf S. 27. 2 Anna-Katharina Wöbse, Weltnaturschutz. Umweltdiplomatie in Völkerbund und Vereinten Nationen 1920–1950. Frankfurt / Main, New York 2012, 263–266.

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in der Tatra verwirklicht werden sollte, war fortschrittlich. Trotzdem hat diese Episode in der Geschichte von Naturschutz und Nationalparks wenig Beachtung gefunden.3 Dieses Kapitel stellt das polnisch-tschechoslowakische Projekt deshalb in einen umfassenden Kontext. Es rekonstruiert erstens seine konkreten Voraussetzungen und Zusammenhänge in der Situation nach dem Ersten Weltkrieg. Zweitens wird sein Platz in der Entwicklung des Nationalparkgedankens untersucht, indem nach den Inhalten und Austauschkanälen von Ideentransfers innerhalb der transnationalen Naturschutzcommunity gefragt wird. Dass der polnisch-tschechoslowakische Plan so wenig bekannt ist, liegt vor allem daran, dass er Makulatur blieb. Das ambitionierte Vorhaben wurde nie so in die Tat umgesetzt wie ursprünglich vorgesehen. Seine Resonanz auf dem internationalen Parkett fand innerhalb der beiden Länder nämlich nur ein begrenztes Echo. Letztlich scheiterte das Projekt an der Unentschlossenheit der Politik, großangelegten touristischen Erschließungsprojekten und dem anhaltenden Widerstand der örtlichen AnwohnerInnen. Den Nationalparks in der Tatra war damit dasselbe Schicksal beschieden wie vielen Naturschutzplänen der Zwischenkriegszeit, die mit einem sich verstärkenden utilitaristischen Verständnis von Natur konkurrieren mussten. Dazu gehörte die sich ausweitende touristische Begeisterung für die Berge und die damit einhergehende Errichtung von Infrastrukturen wie Straßen, Hotels und Seilbahnen.4 Doch die Geschichte des grenzüberschreitenden Nationalparkprojekts in der Tatra endete nicht einfach mit dem Scheitern einer ambitionierten Naturschutzidee. Die Vision des Naturreservats als Friedensstifter, die für Begeisterung in der internationalen Naturschützerszene gesorgt hatte, verkehrte sich am Ende der zwei Jahrzehnte währenden Friedenszeit in ihr Gegenteil. Unmittelbar vor dem deutschen Überfall auf Polen, dem die Zerschlagung der Tschechoslowakei 1938/39 vorausgegangen war, etablierte die polnische Regierung im Sommer 1939 einen Naturpark in der Tatra. Er umfasste unter anderem ein ehemals tschechoslowakisches Territorium, das sich Polen gewaltsam einverleibt hatte. Aus dem Garanten einer friedlichen Koexistenz an einem umstrittenen Grenzverlauf hatte sich das Projekt eines Naturreservats in der Tatra in ein Instrument verwandelt, um ein vom Nachbarn annektiertes Gebiet institutionell und symbolisch in das eigene Staatswesen zu integrieren.

3 Der polnisch-tschechoslowakische Nationalparkplan wird vereinzelt in der Literatur erwähnt, allerdings meist ohne weitere inhaltliche Diskussion. Auch Werke, die über die bloße Erwähnung hinausgehen, widmen sich dem Thema lediglich kursorisch, u. a. ebd. – Piňosová, Inspiration, 228–231.  – Łukasz Lewkowicz, Polsko-słowacka współpraca transgraniczna w regionie Tatr po 1918 roku, in: Sprawy narodowościowe, 2011, H. 38, 195–207, hier 198. 4 Stone, Cable Car.  – Kupper, Wildnis, 88, 294.  – Ute Hasenöhrl, Naturschutz in der Zwischenkriegszeit (1918–1939), in: Patrick Kupper, Anna-Katharina Wöbse (Hrsg.), Die Geschichte des Nationalparks Hohe Tauern. Innsbruck 2013, 39–64.

Grenzkonflikt zwischen neuen Staaten

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Das Projekt des Tatranationalparks diente gleichermaßen als Mittel von Verständigung und von Konflikt. Diese beiden Facetten weisen auf zwei charakteristische, paradoxe Merkmale der Zwischenkriegszeit hin: den Glauben an die friedenstiftende Wirkung supranationaler Zusammenarbeit einerseits und das Scheitern dieser Hoffnung an den machtpolitischen Gegensätzen der europäischen Staaten andererseits. Der Blick auf den Nationalpark enthüllt verschiedene, alternative Vorstellungen von einer staatlichen Grenze und nationalen Territorien. Selbst wenn die Vision des binationalen Parks nicht verwirklicht werden konnte, bot er ein interessantes Alternativmodell zu den strikten Demarkationslinien, die moderne Staaten voneinander trennen. Im Kontext meiner Leitfrage »Wem gehört die Tatra?« rückt hier die zwischenstaatliche Ebene in den Vordergrund. Tatsächlich war die Zwischenkriegszeit diejenige Periode, in der eine ansonsten weitgehend friedliche Grenze zum Objekt eines schließlich sogar bewaffnet geführten politischen Konflikts wurde. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg kam hier eine dauerhafte Einigung zustande. Zunächst steht aber der Grenzkonflikt zwischen den beiden in der Folge des Ersten Weltkriegs neu entstandenen Staaten Tschechoslowakei und Polen im Mittelpunkt.

2.2 Grenzkonflikt zwischen neuen Staaten Mit dem Zusammenbruch der europäischen Kontinentalimperien – des Zarenreichs, des Deutschen Reichs und der Habsburgermonarchie – begann in Ostmitteleuropa 1918 auf einen Schlag das Zeitalter der Nationalstaaten. Auf den Pariser Vorortkonferenzen entstand eine Reihe neuer politischer Entitäten wie die Rumpfstaaten der beiden Verlierer Österreich und Ungarn, anknüpfend an eine Tradition der Eigenstaatlichkeit wie in Polen oder neugeschaffene Gebilde wie die Tschechoslowakei. Gemeinsam war ihnen allen, dass es sich um prekäre Staatsgebilde handelte, die mit dem Aufbau und der Konsolidierung eines politischen Systems und einer nationalen Wirtschaft befasst waren und eine Gesellschaft integrieren mussten, die zu einem erheblichen Teil nicht der Titularnation angehörte. Langwierige Streitigkeiten über Territorien und Grenzverläufe sorgten für außenpolitische Feindseligkeiten.5 Einer dieser Grenzkonflikte entzweite Polen und die Tschechoslowakei. Gegenstand der Auseinandersetzung war der Grenzverlauf an mehreren Stellen im tschechischen wie im slowakischen Landesteil.6 Umstritten waren relativ klein 5 Joachim von Puttkamer, Ostmitteleuropa im 19. und 20. Jahrhundert. München 2010, 66–82. 6 Eine ausführliche Darstellung bei Marcel Jesenský, The Slovak-Polish Border, 1­ 918–1947. Basingstoke 2014. – Benjamin Conrad, Umkämpfte Grenzen, umkämpfte Bevölkerung. Die Entstehung der Staatsgrenzen der Zweiten Polnischen Republik 1918–1923. Stuttgart 2014, 102–112, 180–190.

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räumige Gebiete, die die Tschechoslowakei aufgrund historischer Territorialzugehörigkeiten beanspruchte, während die polnische Regierung argumentierte, dass es sich bei der Bevölkerung um PolInnen handele.7 Der bedeutendste Konflikt entbrannte um das Teschener Schlesien (tsch. Těšínské Slezsko, poln. Śląsk Cieszyński). Diese Region besaß als Industriestandort und Eisenbahnknotenpunkt strategische wirtschaftliche Bedeutung. Hier kam es Anfang 1919 sogar zu einem einwöchigen Krieg, der jedoch keinen der Kontrahenten als Sieger hervorgehen ließ. Daneben betraf die Konkurrenz der beiden Nachbarstaaten drei Gegenden im slowakischen Landesteil: die ebenfalls als Bahnknotenpunkt bedeutsame Stadt Čadca (poln. Czadca) in der Kysuce-Region sowie den nördlichen Teil der Arwa und der Zips. Anders als bei den beiden westlicher gelegenen Streitfällen handelte es sich bei Arwa und Zips um ländliche Gebiete mit traditioneller Land- und Weidewirtschaft, die keinen besonderen materiellen Nutzen für den Gesamtstaat besaßen. Die Auseinandersetzung war hier vor allem symbolischer Natur. Es ging der polnischen Führung darum, die als Landsleute eingestufte Bevölkerung des Grenzgebiets in das eigene Staatsgebiet zu integrieren.8 Um der verfahrenen Lage Herr zu werden, setzte die Entente im September 1919 in Teschen, der Arwa und der Zips Plebiszite an.9 Nicht nur an diesen umstrittenen Grenzabschnitten waren Volksabstimmungen vorgesehen. Auch an anderer Stelle sollten die Einheimischen ausgehend vom Selbstbestimmungsrecht der Völker selbst über ihre staatliche Zugehörigkeit entscheiden. Insgesamt sollten an den Grenzen Polens mit seinen verschiedenen Nachbarstaaten acht Plebiszite durchgeführt werden.10 In der Arwa und der Zips nahmen Alliierte Abstimmungskommissionen im April 1920 ihre Arbeit auf.11 Es wurden auch auf beiden Seiten nationale Abstimmungskommissionen eingesetzt. Wie in den übrigen Abstimmungsgebieten, etwa an der polnisch-deutschen Grenze, nahmen die nationalen Kräfte in beiden Ländern die Plebiszite zum Anlass, um unter der Bevölkerung vor Ort zu agitieren. Und ebenso wie Schlesien oder Masuren besaßen die drei Abstimmungsgebiete an der polnisch-tschechos­lo­ wakischen Grenze mit den GoralInnen eine gemischtsprachige Bevölkerung mit einer starken regionalen Identität. Für welches Land sie sich entscheiden würden, war alles andere als eine ausgemachte Sache.12 7 Jesenský, Slovak-Polish Border, 24 f. – Conrad, Umkämpfte Grenzen, 102 f. 8 Jesenský, Slovak-Polish Border, 3, 28 f. 9 Der polnische Ministerpräsident Ignacy Jan Paderewski forderte bei der Entente auch ein Plebiszit für die Region Kysuce, blieb damit jedoch erfolglos. Benjamin Conrad, Volksabstimmungen als ultima ratio? Die Plebiszite an Polens Grenzen nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, in: Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung 64, 2015, H. 2, 174–193, hier 181. 10 Von insgesamt 13 in der Zwischenkriegszeit in Europa geplanten Plebisziten. Vgl. ebd., 174 f. 11 Ebd., 181 f. 12 Jesenský, Slovak-Polish Border, 18–23, 28 f. – Conrad, Volksabstimmungen, 180.

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Den Vorsitz der polnischen Abstimmungskommission übernahm Walery Goetel, der spätere Propagator des bilateralen Nationalparks. Hauptberuflich war er seit 1920 als Professor für Geologie an der Krakauer Bergbauakademie (Akademia Górnicza w Krakowie)13 tätig. Seit seiner Jugend war er ein begeisterter Wanderer, Bergsteiger und Skifahrer, der wie kein anderer über Jahrzehnte hinweg sein Leben der Erforschung, Bereisung und Unterschutzstellung der Tatra widmete.14 Goetel ist die zentrale Figur in der Geschichte dieses Gebirges im 20. Jahrhundert. Große Teile seiner wissenschaftlichen Arbeit beschäftigen sich mit der Geologie der Tatra und dem Naturschutz. Er war führendes Mitglied aller relevanten Vereine und Institutionen, darunter schon vor dem Krieg des TT (der sich 1920 mit neuem Selbstbewusstsein in Polnischer Tatraverband, PTT, umbenannte) und seiner Naturschutzsektion. Daneben arbeitete er in der nach dem Krieg eingerichteten Staatlichen Kommission für Naturschutz (Państwowa Komisja Ochrony Przyrody) sowie im Komitee zur Verteidigung der Zips, Arwa, der Czadca-Region und des Podhale (Komitet Obrony Spisza, Orawy, Czadeckiego i Podhala)  mit, um nur die in diesem Zusammenhang wichtigsten zu nennen.15 1925 sollte die polnische Regierung ihn überdies zum Sonderbeauftragten für die Nationalparks im Grenzgebiet ernennen.16 Goetels über 50-jähriges Wirken in Bezug auf die Tatra war von ungetrübtem Idealismus und geradezu verblüffender Hartnäckigkeit geprägt. Sein unerschütterliches Sendungsbewusstsein galt der gesamtgesellschaftlichen Notwendigkeit, die Natur zu bewahren. Er setzte sich aber ebenfalls eifrig für die Gewinnung der umstrittenen Territorien für sein Land ein. Doch aus den drei geplanten Plebisziten wurde nichts. Maßgeblich aufgrund der polnischen Versuche, die Abstimmungen zu hintertreiben, sagten die EntenteMächte sie zugunsten einer Verhandlungslösung ab. Am 28. Juli 1920 legte die alliierte Botschafterkonferenz den Grenzverlauf zuungunsten Polens fest. Obwohl die Angelegenheit damit eigentlich zu einem Abschluss gekommen war, 13 Heute Akademia Górniczo-Hutnicza im. Stanisława Staszica w Krakowie (Stanisław Staszic-Akademie für Bergbau und Hüttenwesen Krakau), abgekürzt AGH . 14 Lemma »Goetel, Walery«, in: Radwańska-Paryska, Paryski, Wielka encyklopedia.  – Goetel hat eine Autobiographie verfasst, die posthum veröffentlicht wurde: Walery Goetel, Pod znakiem optymizmu. Wspomnienia. Kraków 1976. Dabei handelt es sich allerdings nur um einen kleinen Teil der geplanten umfangreichen Lebenserinnerungen, der vornehmlich Kindheit und Jugend abdeckt. Für diese Arbeit besitzt sie geringen Quellenwert. 15 Darüber hinaus engagierte sich Goetel führend in nach dem Ersten Weltkrieg entstandenen Vereinigungen zur Förderung der supranationalen Zusammenarbeit im slawischen Raum (Towarzystwo Polsko-Czechosłowackie [Polnisch-Tschechoslowakische Gesellschaft], Asocjacja Słowiańskich Towarzystw Turystycznych [Assoziation der slawischen Tourismusverbände]) und in internationalen Naturschutzvereinigungen (Office International de Documentation et de la Corrélation pour la Protection de la Nature, nach dem Zweiten Weltkrieg International Union for the Protection of Nature). 16 Lemma »Goetel, Walery«, in: Radwańska-Paryska, Paryski, Wielka encyklopedia.

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fand sie eine unmittelbare Fortsetzung. Für weitere vier Jahre, bis zu einer bilateralen Einigung im so genannten Krakauer Protokoll vom Mai 1924, stritten sich die beiden Nachbarstaaten um ein winziges Teilstück der Zips: Die Gemarkung des Dorfes Javorina erstreckte sich gerade einmal über gut 100 km², eine Volkszählung von 1921 ergab die Zahl von 454 EinwohnerInnen, davon etwa 72 Prozent slowakischer Nationalität.17 Dort lag die Jagddomäne des Fürsten Hohenlohe, der noch zu Zeiten der Doppelmonarchie durch seine Gebietsforderungen gegenüber dem Kronland Galizien das Blut polnischer und ungarischer PatriotInnen in Wallung gebracht hatte. Dieser Flecken Erde umfasste etwas Ackerland und größere Weideflächen, war aber vor allem bedeckt von Wald. Teilweise liegt das Gebiet über der Baumgrenze, denn der Hauptkamm der Hohen Tatra markiert seinen südöstlichen Rand. Dieses Terrain, das aus nicht viel mehr als Wald und Felsen besteht, bot Anlass für einen Konflikt, der von der Pariser Botschafterkonferenz über den Völkerbund bis zum Internationalen Gerichtshof in Den Haag führte. Die Entscheidung des Gerichts bildete dann die Grundlage für das Krakauer Protokoll. Der Zwist um die Javorina hatte demnach nichts mit dem materiellen Wert der Gemarkung zu tun, sondern besaß vor allem symbolische Bedeutung. In der polnischen Öffentlichkeit wurde diese Angelegenheit als Kompensation für die Niederlage in der Festlegung der Grenze durch die Botschafterkonferenz angesehen.18 Darüber hinaus handelte es sich bei der Javorina keineswegs um einen beliebigen peripheren Landstrich. Sie stellte ein Herzstück der Tatra dar, landschaftlich spektakulär und mit einer – dank Hohenlohes intensiver Hege seines geliebten Jagdreviers im Vergleich zu anderen, intensiv wirtschaftlich genutzten Abschnitten des Gebirges – besonders malerischen Natur. Hinzu kam, dass die Grenze, die ansonsten dem Hauptkamm des Gebirges folgte, in diesem Sektor davon abwich, um weiter westlich zu verlaufen. Der Ruf nach einer »natürlichen« Grenze wurde von der polnischen Seite bemüht, um die Übernahme der Javorina ins eigene Staatsgebiet zu erreichen.19 Nicht zuletzt handelte es sich um die symbolische Fortsetzung des »Streits um das Meerauge«. Im Konflikt um die Javorina in den 1920er Jahren erlebte diese Auseinandersetzung eine Neuauflage. Eine Niederlage hätte für beide Seiten einen Gesichtsverlust gegenüber 17 Pavol Jakubec, Javorina v (česko)slovensko-poľských vzťahov medzivojnového obdobia ako symbol, in: Milica Majeríková (Hrsg.), Nepokojná hranica. Zborník z medzinárodnej konferencie »Slovensko-poľské vzťahy v rokoch 1937–1947«, uskutočnenej 3. októbra 2009 v Spišskej Belej v spolupráci Spišského dejepisného spolku, Spolku Slovákov v  Poľsku, Ústavu pamäti národa. Kraków 2010, 25–51, hier 25 f. 18 Conrad, Umkämpfte Grenzen, 189, 297. – Frank Bontschek, Polen und die Tschechoslowakei. Die drei westslawischen Völker und ihre Beziehungen zueinander. Köln 1976, https:// www.vifaost.de​/​metaopac/​search?View=ostdok&db=369&id=bsb00055475 (letzter Zugriff: 28.12.2015), 25. – Jesenský, Slovak-Polish Border, 62. 19 Die natürliche Grenze nennt z. B. unter anderen Argumenten Adolf Chybiński, Dwie sprawy dla Tatr najważniejsze: I. Jaworzyna dla Polski (z mapką), in: Wierchy 1, 1923, 3–12, hier 4.

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dem Nachbarstaat und einen Rückschlag im Kampf um die Dominanz in Ostmitteleuropa bedeutet.20 In beiden Ländern erhielten die Streitigkeiten um die Grenzgebiete in den Karpaten große Aufmerksamkeit in den Medien21 und von der politischen Führung. Regierungs- und Parteispitzen reisten in die gebirgige Provinz, um den Gebietsansprüchen Ausdruck zu verleihen. Darunter befand sich sogar der polnische Staatspräsident Stanisław Wojciechowski.22 Auch für die außenstehenden Beobachter war immer deutlicher zu erkennen, dass es sich in der ganzen Affäre nicht um den materiellen Wert dieser abgelegenen Gegenden handeln konnte. Der Vorsitzende der alliierten Delimitationskommission, der französische Oberstleutant René Uffler, berichtete im Juli 1921 an die Botschafterkonferenz: »[T]he true subject of the dispute is in reality the possession of the north­ ern slope of the eastern part of the Tatras«.23 Diese Einschätzung traf zweifellos zu. Die Tatra nahm in der Berichterstattung über den zwischenstaatlichen Konflikt einen zentralen Platz ein, während die polnischen und tschechoslowakischen Bergvereine wesentlichen Anteil an der Agitation des Nationalgefühls hatten.24 Walery Goetel berichtete von einer Begegnung mit dem Vorsitzenden der tschechoslowakischen Plebiszitkommission, Bischof Marián Blaha. Die beiden fuhren mit einem Vertreter der Entente (wahrscheinlich dem französischen Hauptmann de la Forest Divonne)  nach Zakopane. Als sich vor ihnen am Horizont die in der Sonne gleißenden Gipfel der Tatra abzuzeichnen begannen, unterbrach Blaha die Plauderei der drei Herren, die sich bis dahin um Unverfängliches gedreht hatte, mit dem Ausruf: »Nicht wahr, eigentlich geht es doch bei der ganzen Sache vor allem um diese Berge?« Als begeisterter Tatraforscher, -schützer und -tourist konnte Goetel dem nur aus vollem Herzen zustimmen.25 Diese Begebenheit hatte eine Fortsetzung bei einem späteren Zusammentreffen Goetels und Blahas. Polen erhielt 1921 bei der Nachverhandlung der von der Botschafterkonferenz gesetzten Grenzen einige Morgen Land in der Zips von der Tschechoslowakei, und die beiden führten als Bevollmächtigte die Übergabe des Geländes durch. Zwar war Blaha unzufrieden mit dem Gebietsverlust seines Landes, konnte aber immerhin voller Genugtuung auf einen weit bedeutenderen 20 Zeitgenössisch wies auf den Bezug der Javorina-Angelegenheit zum Streit um das Meerauge hin: Walery Goetel, Spór o Jaworzynę a park narodowy tatrzański, in: Wierchy 3, 1925, 10–42, hier 11, 17. – Belege für diese Bezugnahme in politischen Kreisen und der Öffentlichkeit bei Jakubec, Javorina, 31, 36 f. 21 Auf die wichtige Rolle der Medien verweist ebd., 35–37. 22 Goetel, Spór, 17 f. – Jakubec, Javorina, 39. 23 Brief des Vorsitzenden der Delimitationskommission, des Franzosen René Uffler, vom 5. Juli 1921 an die Botschafterkonferenz. Zitiert nach Jesenský, Slovak-Polish Border, 66. 24 Für die Verbindungen zwischen dem Polnischen Tatraverband und Regierungskreisen siehe Jakubec, Javorina, 30 f. 25 Goetel, Spór, 12 f.

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Triumph verweisen: »Aber die Javorina haben wir nicht rausgerückt!«26 Die geographische Lage der umstrittenen Grenzgebiete in ruralen Gebirgsregionen und die ihnen beigemessene symbolische Bedeutung spielten auch nach der vorläufig endgültigen Beilegung des Konflikts 1924 eine Rolle: Nun war es die grenzüberschreitende Sorge um die Natur, die das polnisch-tschechoslowakische Verhältnis in den Karpaten maßgeblich prägte.

2.3 Entstehung und Konzeption des gemeinsamen Nationalparkplans Mit dem Krakauer Protokoll vom Mai 1924 erzielten die Regierungen der beiden Nachbarstaaten nach jahrelangem Tauziehen eine Einigung über ihren gemeinsamen Grenzverlauf. Die Entscheidung der Botschafterkonferenz von 1920 wurde bis auf geringste Korrekturen bestätigt, somit blieb die Javorina bei der Tschechoslowakei. Die Ententemächte und der Völkerbund gaben der Vereinbarung ihre Zustimmung. Über die technische Frage der Demarkationslinie hinaus enthielt das Krakauer Protokoll einen Anhang. In diesem empfahlen die beiden vor Ort mit der Grenzfrage betrauten Kommissionen ihren Regierungen zwei Maßnahmen zur Friedenssicherung. Der erste Vorschlag sah die Ausweisung einer Zone vor, in der TouristInnen der freie Grenzübertritt gestattet sein sollte. Die zweite Idee betraf das bilaterale Nationalparkprogramm. Beide Maßnahmen hatten zum Ziel, die Konkurrenz um die Grenzgebiete abzuschwächen. Das Problem der exklusiven nationalen Zugehörigkeit sollte durch eine gewisse Durchlässigkeit der Grenze und die gemeinsame Bewahrung des geteilten Naturraums entschärft werden. Darüber hinaus handelte es sich um einen geschickten Schachzug, um langgehegte Pläne der Naturschutzszene auf die politische Agenda zu setzen. Es mag nicht weiter erstaunen, dass als Bindeglied zwischen Naturschützern und hoher Politik der unermüdliche Walery Goetel auftrat. Die Ideen für den Nationalpark wie auch für die so genannte touristische Konvention gingen von der polnischen Seite aus, ganz in der Tradition des bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurückreichenden Engagements für den Schutz der Tatra. Nach der Wiedererlangung der Unabhängigkeit hatten die polnischen NaturschützerInnen zunächst an der unilateralen Umsetzung eines Reservats auf ihrer Gebirgsseite gearbeitet. Als Grundlage diente die Denkschrift der TT-Natur­schutzsektion von 1912.27 Im September 1920 fand in Zakopane eine eigens anberaumte Konferenz statt, auf der Mitglieder der TT-Naturschutzsek 26 Ebd., 13. Es ging um Grenzkorrekturen auf der Gemarkung der Gemeinde Jurgów / Jurgov, deren Wirtschaftsleben von der Grenzziehung auseinandergerissen worden war. 27 Sokołowski, Tatry, 10 f.

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Karte 3: Gebiet und Zonierung des polnischen Nationalparkkonzepts, unter Einbeziehung der Javorina

tion sowie der neu eingerichteten Staatlichen Kommission für Naturschutz über die Verwirklichung des Tatranationalparks berieten.28 Das aus diesen Beratungen entwickelte Konzept bezog sich auf den Teil der Tatra im nun unabhängigen polnischen Staatswesen, berücksichtigte aber auch die umstrittene Javorina. Dies ist zum Beispiel auf einer Karte zu sehen, die einer Broschüre von 1923 beigelegt war. Der Forstwissenschaftler Stanisław Sokołowski, der an den Gesprächen teilgenommen hatte, gab auf wenigen Seiten einen Überblick über die angestrebte Ausrichtung des Parks. Die Karte zeigt das geplante Parkgebiet, dabei sind die Grundstücke mit Buchstaben markiert: A bis C umfassen die polnische Tatra, D bezeichnet die Javorina. Die dazwischen verlaufende Markierung ist in der Legende als »provisorische Grenze mit der Tschechoslowakei« bezeichnet.29 Das Konzept zeichnete sich durch großen Pragmatismus und Verständnis für die lokalen Bedingungen aus. Es sollte vier Jahre später auch als Modell für die bilaterale polnisch-tschechoslowakische Konzeption dienen.30 Ausgangspunkt 28 Das Protokoll findet sich in der Zeitschrift des amtlichen Naturschutzes: Ochrona Tatr. Protokoł konferencji w sprawie ochrony Tatr, zwołanej przez Państwową Komisję Ochrony Przyrody w Zakopanem w dn. 5 i 6 września r. 1920, in: Ochrona przyrody 2, 1921, 60–76, http://www.wbc.poznan.pl/Content/207788/index.djvu (letzter Zugriff: 30.11.2014). 29 Sokołowski, Tatry. Die Karte befindet sich beim hinteren Einband. – Sie wurde auch mit Goetels Bericht im »Zoological Society Bulletin« abgedruckt: Goetel, Great Program, 31. 30 Das Projekt und Erläuterungen finden sich bei Sokołowski, Tatry.  – Ebenso bei Jan Gwalbert Pawlikowski, Tatry parkiem narodowym, in: Wierchy 1, 1923, 12–25. – Neu herausgegeben in: Ders.: Kultura a natura i inne manifesty ekologiczne. Łódź 2010, 101–120. Pawlikowski war der zentrale Ideengeber für das Nationalparkprojekt. – Auf den Vorbildcharakter der polnischen Überlegungen für den bilateralen Plan weist hin: Karel Domin, Tatranské obrazy. Praha 1926, 15.

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war der Doppelcharakter der Tatra als Kleinod und Ressource,31 als Region einmaliger natürlicher Schönheit einerseits, als Raum intensiver menschlicher Aktivität und wirtschaftlicher Nutzung andererseits. Dem trug der Vorschlag Rechnung, indem er drei Zonen vorsah, die auf der Karte mit römischen Ziffern markiert sind: Der Nationalpark selbst sollte aus einer strikten (I) und einer Teilschutzzone (II) bestehen, während das Vorland in einer »ethnographischen Zone« (III) organisiert werden sollte, um die dort beheimatete Folklore zu bewahren und die urbane Entwicklung zu steuern.32 Der Park sollte einer Vielzahl von gleichberechtigten Nutzungszwecken dienen, von Tourismus über wissenschaftliche Forschung zur bestehenden Weide- und Forstwirtschaft, dabei stets dem Primat der Naturbewahrung untergeordnet. In der Teilschutzzone, die die ausgedehnten Waldbestände umfassen würde, sollte nach mit der Parkverwaltung abgestimmten Plänen die Forstwirtschaft weiter durchgeführt werden. Die zum Großteil oberhalb der Baumgrenze liegende strikte Schutzzone sollte dann lediglich dem Tourismus sowie der traditionellen Almwirtschaft in streng regulierter Form zugänglich sein. Diese Programmatik entsprach keinem der beiden zeitgenössischen Vorbilder in der internationalen Naturschutzszene: weder dem touristischen Schwerpunkt bei Ausschließung land- und forstwirtschaftlicher Nutzung der US -amerikanischen Nationalparks noch dem schweizerischen »Totalschutz« mit seiner Spezialisierung auf die wissenschaftliche Forschung.33 Um eine Chance zu haben, das Naturreservat zu verwirklichen, strebten die mit dem Projekt befassten Naturschützer einen Kompromiss mit den zahlreichen Grundeigentümern und den verschiedenen Nutzungsinteressen an. Darüber herrschte allerdings beileibe keine Einigkeit in den Naturschutzgremien.34 Den polnischen Überlegungen stand auf der südlichen Seite der Berge kein konkreter Alternativentwurf gegenüber. Zwar hatte der Naturschutz auch in den böhmischen Ländern Tradition35 und in der Tatra wirkte seit Jahrzehnten der Karpathenverein. Allerdings gab es in der neugegründeten Tschechoslowaki 31 Diesen Doppelcharakter habe ich in einem Überblickstext diskutiert: Hoenig, Kleinod. 32 Sokołowski, Tatry, 16–19, 23. 33 Für diese beiden klassischen Modelle für Naturreservate vgl. Kupper, Wildnis, v. a. Kapitel 1, 2, 4. – Diesen »dritten Weg« betonte für das bilaterale Parkvorhaben Domin, Tatranské obrazy, 16. 34 Das ist wiederum deutlich sichtbar in dem Protokoll der Tagung in Zakopane im September 1920. Antipoden dieser pragmatischen Konzeption forderten ein totales Reservat für die gesamte Tatra. Siehe: Ochrona Tatr, 60–66, passim. 35 Piňosová, Inspiration. – Martin Pelc, »Das landschaftlich Gegebene, das Bestehende erhalten, es nur verschönern…«. Das touristische Projekt und die Landschaft in den böhmischen Ländern vor 1945, in: Horst Förster, Julia Herzberg, Martin Zückert (Hrsg.), Umweltgeschichte(n). Ostmitteleuropa von der Industrialisierung bis zum Postsozialismus. Göttingen 2013, 255–274, hier 264–274. – Jana Piňosová, Die Naturschutzbewegung in der Tschechoslowakei 1918–1938, in: Ebd., 275–297, hier v. a. 275–280.

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schen Republik keine ähnlich zugkräftige Organisation mit einer gesamtstaatlichen Basis wie den TT. Überdies war der Naturschutzgedanke noch eher der landschaftlichen Verschönerung und der Erhaltung von Naturdenkmälern verpflichtet anstatt der Unterschutzstellung ganzer Landstriche.36 Die Möglichkeit, ein Naturreservat einzurichten, wurde zunächst überhaupt nicht in Betracht gezogen. Auch der Prager Botanikprofessor Karel Domin, der in seinem Land ab Mitte der 1920er Jahre zum wichtigsten Propagator des Tatranationalparks und Kooperationspartner bei den bilateralen Parkplänen werden sollte, befand sich zunächst auf dieser Linie. Über seinen ersten Besuch des Gebirges 1919 schrieb er: »Ich muss aber aufrichtig eingestehen, dass ich die Einrichtung eines Naturparks im Gebiet der Hohen Tatra damals als unnötig erachtet habe.«37 Er ließ sich aber von dem Vorschlag zur Errichtung eines Reservats begeistern, den die Forstdirektion aus dem unweit der westlichen Tatra gelegenen Liptovský Hrádok 1921 vorlegte. Im darauffolgenden Jahr nahm sich das Ministerium für Schulwesen und Volksbildung dieser Sache an, die allerdings bald wieder an Schwung verlor. Erst als die Naturschutzmaßnahme von der Delimitationskommission auf die politische Tagesordnung gesetzt wurde, begann sich der Nationalparkplan zu konkretisieren.38 Deshalb setzte das bereits vorhandene polnische Modell den Maßstab für die bilateralen Planungen.39 Der Vorschlag an die beiden Regierungen im Krakauer Protokoll von 1924 lautete: K o n v e n t i o n ü b e r e i n e n N a t u r p a r k (Reservat): Nach dem Vorbild analoger Konventionen zwischen den Vereinigten Staaten von Nordamerika und Kanada sollen im polnisch-tschechoslowakischen Grenzgebiet Gebiete geschaffen werden, die der Kultur, Fauna und Flora sowie der Beschaffenheit der örtlichen Landschaft vorbehalten sind.40 36 Für den Naturschutz war bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg dieselbe Abteilung beim Ministerium für Schulwesen und Volksbildung zuständig wie für die Denkmalpflege. Vgl. ebd., 293 f. 37 Domin, Tatranské obrazy, 3.  38 Schreiben des Ministeriums für Schulwesen und Volksbildung an das Außenministerium vom 10.05.1927. NA , PMR , k. 3185, ivč. 2469, sign. 699. – Domin, Tatranské obrazy, 4 f. 39 Eine Zusammenfassung der Ziele der gemeinsam geplanten Parks, die sich in großen Teilen identisch liest mit dem polnischen unilateralen Projekt, bei Karel Domin, Walery Goetel u. a., Odezwa uczonych polskich i czecho-słowackich w sprawie Narodowego Parku Tatrzańskiego, in: Wierchy 4, 1926, 133–135. – Ebenso ausführlicher: Karel Domin, Projekt přírodního parku tatranského. Praha 1926. 40 Krakauer Protokoll vom 6. Mai 1924, zitiert in Goetel, Spór, 20 f. Hervorhebung im Original. – Die genauere Ausarbeitung der Vorschläge für Nationalpark und touristisches Abkommen fand im September desselben Jahres auf einer bilateralen Konferenz statt, an der vor allem Vertreter der Naturwissenschaften teilnahmen. Siehe: Protokoll der polnisch-tschecho­ slo­wakischen Konferenz am 6.–8.9.1924 in Zakopane. AAN, Ministerstwo Spraw Zagranicznych, Departament Polityczno-Ekonomiczny. Wydział Wschodni, 5651; B21920 (MF), 4–20.

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Die diesem Vorschlag zugrunde liegende Idee von Natur hatte nichts mit der Wildnis zu tun, die in den beiden zu der Zeit am stärksten rezipierten Nationalparkmodellen im Mittelpunkt stand. Weder bestand das Ziel in der Bewahrung von wilderness, wie es die Leitvorstellung in den amerikanischen NationalparkPrototypen war, noch imitierte das Tatra-Projekt den zweiten Modellfall der international vernetzten Naturschutzszene, den Schweizerischen Nationalpark. In dem Reservat im Engadin sollte sich durch den so genannten »Totalschutz« die durch jahrhundertelange menschliche Eingriffe verloren gegangen geglaubte Wildnis selbst wiederherstellen. Weder der Tourismus wie in den USA noch die Forschung wie in der Schweiz stellte die Hauptnutzungsform dar, sondern die Erhaltung der Kulturlandschaft mit ihren vielfältigen Funktionen für das örtliche Wirtschaftsleben, Tourismus und Kurbetrieb, Erforschung und Kontemplation. Die im Krakauer Protokoll geäußerte Vorstellung von »Kultur« schloss jedoch nicht jegliche menschliche Aktivität ein. Die Ausbeutung der Stein­brüche etwa sollte unterbleiben, ebenso die Nutzung der Wasserkraft mit wenigen Ausnahmen. Die GoralInnen und ihre traditionelle Weidewirtschaft hingegen sollten integraler Bestandteil des Schutzkonzepts sein.41 Mit dieser Ausrichtung gehörte das Tatrapark-Projekt zu den Vorreitern in der Konzeption von Naturschutzgroßreservaten. Dessen waren sich seine geistigen Väter durchaus bewusst. Voller Selbstbewusstsein wiesen sie auf den überaus modernen Charakter ihrer Schöpfung hin, die eine Art an den lokalen Verhältnissen orientierten dritten Weg darstellen würde.42 Die Idee entsprang der zeitgenössischen Debatte über die Übertragbarkeit der amerikanischen Nationalparkidee auf Europa. Ähnliche Modelle wie in dem kleinen Hochgebirge im östlichen Mitteleuropa wurden zeitgleich in anderen Landschaften erprobt, die eine lange und vielseitige Nutzung aufwiesen. So etablierte der 1922 eingerichtete erste italienische Nationalpark Gran Paradiso ein ganz ähnliches Schutzregime, das auf die Vereinbarung von Tourismus, Erforschung und örtlicher Wirtschaft angelegt war.43 In Mexiko wiederum gründete die Regierung in den dreißiger Jahren ganze 40 Parks, die als sozialpolitische Maßnahme sowie als Schutz des ländlichen nationalen Erbes fungierten. Inspirieren ließen sich die mexikanischen NaturschützerInnen unter anderem von der Parkkonzeption in Polen und der Tschechoslowakei.44

41 Goetel, Great Program, 34.  – Dies war ebenfalls übernommen aus dem polnischen Konzept, siehe Sokołowski, Tatry, 18. 42 Domin, Tatranské obrazy, 16. 43 Wilko Graf von Hardenberg, Beyond Human Limits. The Culture of Nature Conservation in Interwar Italy, in: Aether. The Journal of Media Geography 11, 2013, 42–69, hier 52 f. 44 Emily Wakild, A Revolutionary Civilization. National Parks, Transnational Exchanges and the Construction of Modern Mexico, in: Bernhard Gissibl, Sabine Höhler, Patrick Kupper (Hrsg.), Civilizing Nature. National Parks in Global Historical Perspective. New York, Oxford

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2.4 Ein mitteleuropäischer peace park Nicht nur bezüglich der internen Ausgestaltung des Naturreservats bewiesen die Naturschützer aus den Reihen des Polnischen Tatraverbands und dem Prager Kreis um Domin ein Gespür für die zeitgenössischen Bedingungen vor Ort. Dem politischen Kontext der vielfachen Grenzkonflikte trugen sie Rechnung, indem sie die zunächst allein für die Tatra gehegte Idee auf die anderen umstrittenen Gebiete übertrugen. Im Krakauer Protokoll weiteten die Naturschützer ihren Plan eines Tatrareservats auf eine ganze Kette an Parks aus. Im Ergebnis waren dann vier analog konstruierte Parks an der gemeinsamen Grenze vorgesehen. Neben der Tatra, die wegen ihrer naturräumlichen und kulturhistorischen Bedeutung sowie der bereits fortgeschrittenen Planungen das Herzstück darstellen sollte, betraf der Plan drei Mittelgebirge innerhalb der Karpaten: das nordwestlich der Tatra gelegene Massiv der Teufelspitze in den Beskiden (poln. Babia Góra, slow. Babia Hora) im umstrittenen Grenzbereich der Arwa; die Pieninen (poln. und slow. Pieniny) nordöstlich der Tatra, wo die Grenze in der Zips für Unstimmigkeiten gesorgt hatte; sowie einen Abschnitt der Waldkarpaten (poln. Czarnohora, tsch. und ukr. Čornohora, liegt heute in der Ukraine).45 Was die beiden mitteleuropäischen Nachbarstaaten hier beabsichtigten, war eine Sensation: Gerade eben hatten sie sich noch einen zähen Streit um den Grenzverlauf geliefert, und nun machten sie sich daran, gemeinsam eine ganze Kette an Reservaten zu gründen, in denen sich Naturbewahrung, Regionalentwicklung und Friedenssicherung verbinden sollten. Noch dazu handelte es sich um erst sechs Jahre zuvor durch den Willen der Alliierten aus der Konkursmasse der Kriegsverlierer entstandene Staaten, die ihren Zwist auf innovative Weise beilegen wollten. Es sollte bei den grenzüberschreitenden Naturschutzgebieten nicht darum gehen, ein staatlich neutralisiertes Territorium oder eine gemeinsam verwaltete Zone zu schaffen. Stattdessen sollte jeder Park weiterhin den jeweiligen nationalen Gesetzen unterworfen sein und eindeutig einem nationalen Staatsgebiet angehören. Dementsprechend würde es zwei separate, wenn auch eng miteinander abgestimmte Verwaltungspläne geben.46 Dieses Arrangement ist auf der einzigen mir bekannten Karte, die das projektierte Reservat in seiner vollständigen grenzüberschreitenden Form abbildet, deutlich sichtbar (siehe Karte 4). Sie liegt einer von Domin 1926 verfassten Denkschrift bei und zeigt die für den Park vorgesehene Fläche. Diese ist einerseits deutlich als Einheit zu erkennen und mit einer durchgehenden Markierung umrandet. Anderer2012, 191–205, hier 196, passim. – Emily Wakild, Border Chasm. International Border Parks and Mexican Conservation, 1935–1945, in: Environmental History 14, 2009, 453–475, hier 457–459. 45 Goetel, Great Program, 29, 31. – Goetel, Spór 19–21. 46 Goetel, Great Program, 31. – Domin, Projekt, 4.

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Karte 4: Das grenzüberschreitende Nationalparkprojekt

seits sind die jeweiligen nationalen Teile unterschiedlich schraffiert und unüber­ sehbar durch die Staatsgrenze geteilt.47 Die Karte zeigt klar, dass das Ziel nicht darin bestand, die Ordnung der Nationalstaaten auszuhebeln, was ohnehin utopisch gewesen wäre. Es ging aber sehr wohl darum, das Konfliktpotential des exakten Verlaufs der Grenzlinie abzuschwächen, indem sie von einer Zone gemeinsamer Sorge um die Natur umschlossen würde. Die Karpaten, und insbesondere die Gipfel der Tatra, sollten nicht länger als natürliches Bollwerk, sondern als miteinander geteilter Naturraum fungieren. Das politische Gewicht der Aktion resultierte aus der Übereinkunft, diese Parks als gemeinsames Projekt zu verstehen und zu realisieren.48 Zwar bezog sich das Krakauer Protokoll explizit auf Vorbilder im US -amerikanisch-kanadischen Grenzgebiet. Von einer formalisierten Zusammenarbeit war dort Mitte der zwanziger Jahre allerdings noch nicht die Rede, wenn auch gute Beziehungen zwischen dem Personal der aneinander grenzenden Parks bestanden.49 Erst im Sommer 1931 machten die örtlichen Rotary Clubs den Vorschlag, die in den Rocky Mountains gelegenen Nationalparks Glacier (auf der amerikanischen Seite) und Waterton Lakes (auf der kanadischen Seite) in 47 Ebd., 3. 48 Wöbse, Weltnaturschutz, 265 f. 49 Vgl. Alan MacEachern, Canada’s Best Idea? The Canadian and American National Park Services in the 1910s, in: Adrian Howkins, Jared Orsi, Mark Fiege (Hrsg.), National Parks beyond the Nation. Global Perspectives on »America’s Best Idea«. Norman 2016, 51–67.

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einer Partnerschaft zu verbinden. Diese Initiative fand großen Anklang bei den Gesetzgebern beider Länder, sodass nicht einmal ein ganzes Jahr später, im Juni 1932, in einer feierlichen Zeremonie der weltweit erste »International Peace Park« eröffnet werden konnte.50 Die PolitikerInnen in den Hauptstädten ebenso wie die AnwohnerInnen vor Ort ließen sich nicht bloß von dem ideellen Beweggrund überzeugen, ein Monument für den Frieden zwischen den Nachbarländern zu errichten. Inmitten der großen Depression lockte auch der wirtschaftliche Standortvorteil, den diese neue Naturreservat-»Marke« versprach. Tatsächlich entwickelte sich in der Folge der grenzüberschreitende Tourismus zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor der Gegend.51 Ungeachtet der Gemengelage an Motiven für die Konstruktion des Prototyps öffnete sich 1932 in der Geschichte des internationalen Naturschutzes das Kapitel zwischenstaatlicher Naturreservate, die häufig auch als peace park firmieren. Vor dem Ersten Weltkrieg hatte es schon Bestrebungen für ein grenzüberschreitendes Reservat zwischen der Schweiz und Italien gegeben, um den Schweizerischen Nationalpark durch eine italienische Reservation zu ergänzen. Dieser Plan wurde jedoch durch den Kriegsausbruch zunichte gemacht und anschließend nicht wiederaufgenommen.52 Realisiert wurde die Idee, aneinandergrenzende Naturreservate miteinander zu verbinden, dann erst 1932 in Nordamerika. Seitdem sind rund um den Globus immer mehr Gebiete ausgewiesen worden, in denen Naturbewahrung grenzüberschreitend stattfinden und damit dem Frieden dienen soll.53 Gerade in den letzten drei Jahrzehnten hat diese Idee einen starken Aufschwung verzeichnet. Die Konzeptionen der Parks, die sich heute unter dieser gemeinsamen Bezeichnung versammeln, unterscheiden sich zum Teil erheblich voneinander.54 Gleichwohl gilt Waterton-Glacier heute als

50 Neel G. Baumgardner, Waterton Lakes: The Business of Parks and Preservation in the North American Borderlands, in: American Review of Canadian Studies 44, 2014, H. 3, 265–278, hier 273 f. – Charles C. Chester, Conservation Across Borders. Biodiversity in an Interdependent World. Washington DC 2006, 21. – Graham A. MacDonald, Where the Mountains Meet the Prairies. A History of Waterton Country. Calgary, Alta. 2000, 88–91. 51 Baumgardner, Waterton Lakes, 273 f. 52 Kupper, Wildnis, 154. – Patrick Kupper, Nationalparks transalpin: Natur und Nation in den Alpen, in: Bohemia 54, 2014, H. 1, 74–87, hier 84 f. 53 Nach einer Erhebung des vom IUCN initiierten Global Transboundary Conservation Network gab es 2007 mindestens 227 grenzüberschreitend geschützte Gebiete (Transboundary Protected Areas, TBPA). Transboundary Protected Area Network, UNEP-WCMC Transboundary Protected Areas Inventory-2007, Transboundary Protected Area Network 2011, http://​tbpa.net​/p ​ age.php?ndx=78 (letzter Zugriff: 24.07.2015). – Graybill, Boundless Nature, 671 f. 54 Siehe die Beiträge in Saleem H. Ali (Hrsg.), Peace Parks. Conservation and Conflict Resolution. Cambridge, MA 2007. – Michael Schoon, Brief history of Transboundary Protected Areas, Transboundary Protected Area Network 2011, http://​tbpa.net​/​page.php?ndx=17 (letzter Zugriff: 24.07.2015). – Fall, Drawing, 2, passim.

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Urmodell, dessen Gründung eine weltweite Welle ausgelöst habe,55 und nimmt damit die gleiche Position ein wie Yellowstone für den Nationalpark. Ebenso wie beim »Prototyp« Yellowstone kann aber ein genauer Blick die Kontingenzen der vermeintlich »lineare[n], additiven[n] Diffusionsgeschichte« des peace parks offenbaren.56 In der Zusammenschau mit den Plänen für die Karpaten-Reservate wird zumindest deutlich, dass die Wiege der Friedensparks eher zufällig heute in den Rocky Mountains steht. Etwa acht Jahre vor der feierlichen Zeremonie in Waterton-Glacier, im Mai 1924, hatte sich Walery Goetel zum ersten Mal an William Hornaday gewandt. Goetel bat den New Yorker Zoodirektor um Informationen aus erster Hand über die beiden angrenzenden Parks an der US -kanadischen Grenze. Hornaday kam diesem Wunsch gerne nach und erhielt daraufhin den detaillierten und reich bebilderten Bericht über den Stand der polnisch-tschechoslowakischen Planungen, den er dann voll des Lobes im »Zoological Society Bulletin« veröffentlichte.57 Goetel und sein Mitstreiter, der Krakauer Botanikprofessor Władysław Szafer, wandten sich von 1925 an auch immer wieder vermittels der polnischen Botschaft in Washington an das US -Innenministerium und den National Park Service (NPS), die die beiden Naturwissenschaftler freigiebig mit Informationen und Publikationen zum amerikanischen Nationalparksystem ausstatteten.58 Der leitende NPS -Mitarbeiter Arno B. Cammerer59 hielt darüber hinaus auf Anfrage einen Lichtbildvortrag für den polnischen Außenminister und den Botschafter über die Großreservate.60 Aus all diesen Informationsquellen ergab sich, dass die Grundsätze, nach denen die Parks im Karpatenbogen aufgebaut werden sollten, sehr nah an den Strukturen von Glacier und Waterton Lakes lagen. Vorgesehen war ja eigentlich auch nichts weiter als zwei aneinandergrenzende, aber separat administrierte Einheiten, säuberlich entlang der staatlichen Demarkationslinie getrennt.61

55 Z. B. bei Baumgardner, Waterton Lakes, 266. – Ali (Hrsg.), Peace Parks. – Maano Ramutsindela, Transfrontier Conservation in Africa. At the Confluence of Capital, Politics, and Nature. Wallingford 2007, 29 f. – Folgende Autoren weisen hingegen auch auf die polnischtschechoslowakischen Pläne der 1920er Jahre hin: Chester, Conservation Across Borders, 20 f. – Schoon, Brief history. 56 Patrick Kupper, Nationalparks in der europäischen Geschichte, Themenportal Europäische Geschichte 2008, http://www.europa.clioonline.de/2008/Article=330 (letzter Zugriff: 30.06.2015), zitiert von 1 f. – Jones, Unpacking Yellowstone. 57 Goetel, Great Program, 27. 58 Die Korrespondenz ist aufbewahrt in: AAN, Ambasada RP w Waszyngtonie, spis 1614. 59 Zu dieser Zeit stellvertretender und später Direktor des NPS . 60 Schreiben Arno B. Cammerer an Chargé d’affaires Hipolit Gliwic vom 23.03.1925. Ebd., Bl. 8 f. 61 Goetel hob in seinem Brief an Hornaday die Ähnlichkeiten stark hervor. Goetel, Great Program, 31.

Ein mitteleuropäischer peace park

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Dennoch besaß der Vorschlag des Krakauer Protokolls eine ganz neue Qualität. Die beiden nordamerikanischen Nationalparks waren im Abstand von fünfundzwanzig Jahren unabhängig voneinander ins Leben gerufen worden. Die dortigen grenzübergreifenden Kontakte beschränkten sich auf informelle Zusammenarbeit vor Ort sowie herzliche Verbundenheit der beiden staatlichen Verwaltungsorgane.62 In den Karpaten kam dem Naturschutz hingegen politische Handlungsmacht zu. Die Einrichtung der Naturreservate sollte konzertiert, gleichzeitig und wohlweislich in durch die Staatsgrenze durchschnittenen Naturräumen geschehen. Orte und Zeitpunkt der Parkgründungen waren nicht zufällig gewählt, sondern der direkten Notwendigkeit der Friedenssicherung an einem lange umstrittenen Grenzverlauf geschuldet. Ohne die kleidsame Bezeichnung vorwegzunehmen, zielte die polnisch-tschechoslowakische Unternehmung auf aktiv wirksame peace parks avant la lettre ab. Soweit die visionäre Theorie. Um sie in die Praxis umzusetzen, waren unermüdliche Überzeugungsarbeit, geschickte Einflussnahme und erhebliche finanzielle Mittel notwendig. Goetel, Szafer, Domin und ihre Mitstreiter waren mit einer Vielzahl von Hindernissen konfrontiert, von der zentralstaatlichen bis hinab auf die lokale Ebene. In der Zwischenzeit nahm auf der anderen Seite des Atlantiks die Idee der Nationalpark-Partnerschaft Gestalt an. Nach reibungsloser Zustimmung durch die Zentralregierungen wurde der weltweit erste peace park aus der Taufe gehoben. Nur einen Monat später, im Juli 1932, entstand in den Pieninen die erste grenzüberschreitend geschützte Landschaft Europas. In einer feierlichen Zeremonie unter Anwesenheit von Gästen aus Wissenschaft, Verwaltung und Politik aus beiden Ländern wurden die beiden Parks in einem die Staatsgrenzen überschreitenden Ausflug erkundet.63 Fast gleichzeitig kam es also in den Rocky Mountains und den Karpaten zur Realisierung einer staatlich besiegelten Zusammenarbeit durch Naturreservate.

62 Schreiben Arno B. Cammerer an die polnische Botschaft vom 18.03.1925. AAN, Ambasada RP w Waszyngtonie, spis  1614, Bl. 5.  – Karen Routledge, »100 Dangerous Animals Roaming Loose«. Grizzly Bear Management in Waterton-Glacier International Peace Park, 1932–2000, in: Adrian Howkins, Jared Orsi, Mark Fiege (Hrsg.), National Parks beyond the Nation. Global Perspectives on »America’s Best Idea«. Norman 2016, 191–209. 63 Diese Zeremonie galt der Eröffnung des tschechoslowakischen Reservats. Der polnische Nationalpark war bereits 1930 entstanden. Den Begriff »grenzüberschreitende Landschaft« verwende ich deshalb, weil nur auf polnischer Seite ein Nationalpark entstand, auf tschechoslowakischer Seite handelte es sich hingegen um ein Naturreservat. Jan Tyszkiewicz, Akty prawne, konferencje i uroczystości związane z utworzeniem Parku Narodowego w Pieninach w latach 1929–1932, in: Pieniny – Przyroda i Człowiek 1, 1992, 5–10. – Chester, Conservation, 21 (Chester spricht von August). – NA , PMR , k. 3185, ivč. 2469, sign. 699.

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Zwischen Friedensstiftung und Grenzkonflikt

2.5 Internationaler Erfolg, gemischte Bilanz zu Hause Inwiefern der Ideentransfer in Bezug auf die grenzüberschreitenden Natur­ reservate nicht nur von West nach Ost verlief, sondern die polnisch-tschechoslowakischen Pläne der Karpatenparks auch eine Inspiration für die offizielle grenzüberschreitende Partnerschaft in den Rocky Mountains darstellten, wäre auf der Basis weiterer Quellen zu untersuchen. Es ist ungewiss, ob die lokalen RotarierInnen Notiz von der Entwicklung in den Karpaten nahmen. Auszugehen ist aber davon, dass die ProtagonistInnen der nordamerikanischen Naturschutzszene davon Kenntnis besaßen. Davon zeugt der Kontakt, den Goetel und Szafer mit dem NPS unterhielten. Darüber hinaus blieb Hornadays begeisterte Einführung von Goetels Projektvorstellung keineswegs der einzige Anlass, um ein internationales Publikum auf die Karpaten-Parks aufmerksam zu machen. Große Beachtung fanden sie in der für den Naturschutz zuständigen Institution des Völkerbunds, dem Internationalen Institut für geistige Zusammenarbeit. In einem 1928 veröffentlichten Bericht zum Stand des internationalen Naturschutzes bekam das polnisch-tschechoslowakische Programm breiten Raum.64 Auch in weiteren Fachblättern neben dem »Zoological Society Bulletin« erschienen eminent positive Berichte.65 Immer wieder reisten international besetzte Delegationen in die Region, um das Projekt aus der Nähe in Augenschein zu nehmen. Meist handelte es sich dabei um Fachpublikum wie NaturwissenschaftlerInnen oder AlpinistInnen. Aber zum Beispiel stattete auch der internationale P. E.N-Club Zakopane einen Besuch ab.66 Auf großen Widerhall stieß das Tatra-Parkprojekt unter anderem 64 Wöbse, Weltnaturschutz, 262 f.  – Anna-Katharina Wöbse, Tourismus und Naturschutz – die internationale Dimension einer schwierigen Beziehung, in: Hans-Werner Frohn, Jürgen Rosebrock, Friedemann Schmoll (Hrsg.), »Wenn sich alle in der Natur erholen, wo erholt sich dann die Natur?«. Naturschutz, Freizeitnutzung, Erholungsvorsorge und Sport – gestern, heute, morgen. Tagungsband zum gleichnamigen Symposium veranstaltet von der Stiftung Naturschutzgeschichte am 5. und 6. November 2008. Bonn, Bad Godesberg 2009, 185–205, hier 192–194. 65 Z. B. in der Zeitschrift »Society for the Preservation of the Fauna of the Empire« im Juli 1927. Wöbse, Weltnaturschutz, 265. – Harvey M. Hall, European Reservations for the Protection of Natural Conditions, in: Journal of Forestry 27, 1929, H. 6, 667–684, hier 676–678. – L. Pardé, Visite de quelques parcs nationaux de l’Europe central, in: Revue des eaux et forêts 1935 (Juin, Juillet), 485, die Tatra auf 588–594. – Zum Kontext dieser beiden Berichte siehe Kupper, Wildnis, 141, 213. – Ausführlicher zu Hall vgl. Kupper, Nationalparks in der europäischen Geschichte. Ich danke Patrick Kupper, dass er mich auf diese Quellen hingewiesen und sie mir zur Verfügung gestellt hat. 66 Walery Goetel, W walce o parki narodowe, in: Wierchy 8, 1930, 131–151, hier 135. – Hier wies Goetel auch auf die zahlreichen Publikationen im Ausland hin, die den Nationalpark behandelten, und auf den Prestigegewinn, den Polen dadurch in der Welt erlange. Siehe ebd., 134 f.

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bei dem US -amerikanischen Botaniker Harvey M. Hall. Er unternahm 1929 im Auftrag der Carnegie Institution of Washington eine einjährige Studienreise durch Europa, um dort entstandene Nationalparks zu besichtigen. Zu dieser Zeit befand sich das amerikanische Nationalparksystem in der Krise. Hall war deshalb beauftragt, Anregungen aus der alten Welt aufzunehmen und Reformvorschläge zu formulieren.67 Die polnisch-tschechoslowakische Zusammenarbeit beeindruckte ihn. In seinen Schlussfolgerungen widmete er der Tatra einen eigenen Abschnitt und empfahl sie als wertvolle Inspiration: 4. Among the best worked out plans and sets of regulations are those for the Czech and Polish parks in the Tatra Mountains. This project is especially interesting because of its international character, because of the care with which details have been attended to by international committees of experts, and because of the principle of  a buffer zone of a partially protected area. Valuable suggestions may be had from a study of these plans.68

Die Protagonisten der grenzüberschreitenden Naturkooperation selbst hatten entscheidenden Anteil an der Bekanntmachung ihrer Idee auf internationalen Bühnen. Hall bezog etwa seine Informationen von Karel Domin und Władysław Szafer.69 Szafer war es auch, der in seiner Funktion als Vorsitzender der Staatlichen Kommission für Naturschutz 1926 eine ausführliche und reich bebilderte englischsprachige Broschüre über das Naturschutzwesen und seine Errungenschaften in Polen veröffentlichte. Darin spielten die Karpatenparks und ihre internationale Bedeutung selbstredend keine geringe Rolle.70 Die internationale Zusammenarbeit bot den Wissenschaftlern aus den neugeschaffenen und relativ unbekannten Ländern im östlichen Mitteleuropa die Möglichkeit, sich und ihre Ideen auf einer großen Bühne bekanntzumachen. Vor allem Walery Goetel war ein gerngesehener Gast in den Zirkeln des »Weltnaturschutzes«. Wie Anna-Katharina Wöbse herausgearbeitet hat, spielte er dort die universale Bedeutung des Nationalparkplans für die Völkerverständigung voll aus. Auf einem internationalen Naturschutzkongress 1931 erklärte er über die tschechoslowakisch-polnischen Grenzparks: »[Y] créer des Réserves naturelles ne peut que faciliter la compréhension réciproque et la collaboration intellectuelle des peuples. Au lieu de séparer, de telles frontières rapprochent et

67 Kupper, Nationalparks in der europäischen Geschichte, 6 f. 68 Hall, European Reservations, 684. – In Auszügen online veröffentlicht: Harvey M. Hall, European Reservations for the Protection of Natural Conditions (1929), Themenportal Europäische Geschichte 2008, www.europa.clio-online.de/quelle/id/artikel-3435 (letzter Zugriff: 15.07.2015). 69 Hall, European Reservations, 667. 70 Władysław Szafer, On the Protection of Nature in Poland During the Last Five Years 1920–1925. Kraków 1926, 14, 18, 46, 48, 50.

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attachent.«71 Über Jahrzehnte, bis zu seinem Tod 1972, blieb er ein gefragter Gesprächspartner in der internationalen Naturschutzszene. Davon zeugt zum Beispiel seine Teilnahme an den beiden Weltkongressen zu Nationalparks 1964 und 1972. Zu den Konferenzbänden steuerte er Texte bei, in denen er das Modell der grenzüberschreitenden Parks in globaler Perspektive erläuterte.72 Insgesamt lässt sich eine durchaus positive Bilanz für die im Krakauer Abkommen dargelegten Vorschläge ziehen. Ein großer Wurf war zweifellos mit dem grenzüberschreitenden Pieninen-Reservat gelungen. In den anderen vorgeschlagenen Gebieten wurden immerhin politische und administrative Schritte auf demselben Weg unternommen, die aber vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zu keinem Ergebnis führten.73 Auch die touristische Konvention wurde realisiert. Sie trat 1926 in Kraft und ermöglichte den Mitgliedern der nationalen Tourismusvereine den ungehinderten Grenzübertritt in gesetzlich festgelegten, touristisch attraktiven Abschnitten der Karpaten.74 Mittelbar führte das Krakauer Protokoll zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zwischen den Tourismusverbänden. Daraus resultierte die Gründung einer allslawischen Vereinigung der Tourismusorganisationen, die auch Bulgarien und Jugoslawien einbezog. Auf Treffen in Zakopane und Prag wurde außerdem beherzt die Idee vorangetrieben, den Alpinismus international zu institutionalisieren.75

71 Deuxième Congrès International pour la Protection de la Nature. Zitiert nach Wöbse, Weltnaturschutz, 265. 72 Walery Goetel, Parks between Countries, in: Alexander B. Adams (Hrsg.), First World Conference on National Parks. Proceedings. Washington D. C. 1964, 287–295, https://archive. org/stream/firstworldconfer00adam/firstworldconfer00adam_djvu.txt (letzter Zugriff: 17.07. 2015). – Walery Goetel, The Border National Parks, in: Jean-Paul Harroy (Hrsg.), World National Parks. Progress and Opportunities. Brussels 1972, 341–343. 73 Lewkowicz, Polsko-słowacka współpraca, 198. 74 Konwencja Turystyczna pomiędzy Rzecząpospolitą Polską  a Republiką Czeskosło­ wacką, podpisana dnia 30 maja 1925 r. w Pradze, in: Dz. U., nr 57 poz. 333, http://dziennikustaw. gov.pl/DU/1926/s/57/333/1 (letzter Zugriff: 01.12.2014). – Mieczysław Orłowicz, Konwencja turystyczna polsko-czechosłowacka (z mapką), in: Wierchy 4, 1926, 135–140. – Auch diese Abmachung stieß auf auswärtiges Interesse, hier lassen sich auf Grundlage der betrachteten Quellen aber schwieriger direkte Einflüsse rekonstruieren. Zur selben Zeit gab es ähnliche Pläne an der italienisch-österreichischen Grenze. Vgl. den Vortrag von Ada Di Nucci auf der Tagung der Internationalen Gesellschaft für historische Alpenforschung vom 20.–22.09.2017 in Innsbruck. Inwieweit eine Verbindung zu der Konvention in den Karpaten bestand, wäre zu überprüfen. Lewkowicz spricht von einer Vorbildfunktion der tschechoslowakisch-polni­ schen Übereinkunft. Das bedürfte aber noch genauerer Betrachtung. Lewkowicz, Polskosłowacka współpraca, 199. 75 Walery Goetel, Asocjacja Słowiańskich Towarzystw Turystycznych, in: Wierchy 4, 1926, 141–144. – Die transnationale Geschichte des Alpinismus hat Carolin Firouzeh Roeder in ihrer 2017 an der Universität Harvard abgeschlossenen Dissertation »European Mountaineers between East and West: A Transnational History of Alpinism in the Twentieth Century« erforscht.

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All diese Erfolge konnten jedoch nicht wettmachen, dass das Herzstück des ambitionierten Planes kläglich scheiterte. Der Tatranationalpark sollte erst nach dem Zweiten Weltkrieg, 1949 in der Tschechoslowakei und 1954 in Polen, realisiert werden. Zu viele unterschiedliche Nutzungsinteressen traten mit dem Naturschutz in Wettstreit um das kleine Hochgebirge, schließlich reichte der Rückhalt für den Nationalpark weder in der Politik noch in der Gesellschaft aus. Es scheint, dass die grenzüberschreitende Perspektive angesichts der anhaltenden innenpolitischen Schwierigkeiten, mit denen das Parkprojekt in beiden Ländern zu kämpfen hatte, allmählich verblasste. Immer stärker ging es den NaturschützerInnen in beiden Ländern darum, wenigstens auf ihrer Seite das Reservat zu installieren. Die Geschichte seiner Verhinderung aufgrund vielfältiger innerstaatlicher Interessenkonflikte ist Thema des folgenden Kapitels. Aber auch die bilaterale Zusammenarbeit der Naturschutzakteure verlief nicht immer einmütig. Zwar waren sie sich der politischen Symbolik des Projekts vollends bewusst, die sie gemeinsam beschworen, um den politischen Wider­ständen und der skeptischen Öffentlichkeit zu begegnen.76 In das sehr freundschaftliche und von hoher gegenseitiger Wertschätzung geprägte Verhältnis der drei Nationalpark-Protagonisten, Goetel, Szafer und Domin, schlich sich im Laufe der Zeit aber immer offener ein drängender, bisweilen auch paternalistischer Ton ein. Er ging von der polnischen Seite aus, wo in der Tat nicht nur der Plan zum Schutz der Tatra in ausgereifterer Form vorgelegen hatte, sondern auch das gesamte Naturschutzwesen einen wesentlich größeren Rückhalt in Regierungskreisen und in der Öffentlichkeit besaß als beim südlichen Nachbarn.77 In ihrer privaten Korrespondenz drängte Goetel den befreundeten D ­ omin wiederholt, auf ein beherztes Vorgehen der tschechoslowakischen Seite in der NationalparkAngelegenheit hinzuwirken und sich dafür die eingeleiteten polnischen Maßnahmen zum Vorbild zu nehmen.78 Eine gewisse Herablassung von polnischer Seite machte sich ebenfalls im offiziellen Schriftverkehr breit.79 Die polnischen NaturschützerInnen sahen sich sogar bemüßigt, in offenen Briefen an die tschechoslowakische Bevölkerung die in ihren Augen verfehlte Politik bezüglich der

76 Domin, Goetel u. a., Odezwa, 133. 77 In Polen trat z. B. 1934 ein Naturschutzgesetz in Kraft, während ein solches in der Tschechoslowakei in der Zwischenkriegszeit nicht zustande kam. Piňosová, Naturschutzbewegung. – Innerhalb der tschechoslowakischen Naturschutzkreise galt das polnische öffentliche Naturschutzwesen als Vorbild, Goetel trat im Nachbarland als Experte auf. Piňosová, Inspiration, 229–231. – Für Polen Stone, Cable Car, 607–609. – Der polnische Naturschutz war auch international viel aktiver und besser vernetzt. Siehe z. B. bei Wöbse, Weltnaturschutz, 270. – Siehe ebenso Schreiben Goetel an Domin vom 17.06.1929 und J. M. Derscheid an Domin vom 20.06.1929. ANM , Osobní fond Karel Domin, k. 10, ivč.1179. 78 Schreiben Goetel an Domin vom 08.05.1929, 29.10.1930. ebd. 79 Etwa in NA , PMR , k. 3185, ivč. 2469, sign. 699.

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Tatra anzuprangern.80 Das Gefälle an Expertise und Enthusiasmus in dem gemeinsamen Nationalparkprojekt nahm zugunsten des polnischen Partners im Laufe der Jahre eher zu als ab. Eine nationale Konkurrenz machte sich bemerkbar, die nicht recht zu der anvisierten Völkerverständigung passen wollte. Waren sich die Hauptakteure trotz einer zeitweilig gönnerhaften Art wohlgesonnen und blieben von dem gemeinsamen ideellen Ziel beseelt, beobachteten andere die Annäherung an den bisherigen Gegner weit skeptischer. Vor allem auf tschechoslowakischer Seite äußerte sich Misstrauen gegenüber den Intentionen des Verhandlungspartners, der die Idee der gemeinsamen Parks eingebracht hatte und sich vehement für die Realisierung einsetzte. In der Presse wurden Gerüchte laut, polnische Kräfte nutzten das touristische Abkommen, um unter der Grenzbevölkerung in den ehemals umstrittenen Gebieten zu agitieren und so eine polnische Irredenta loszutreten.81 Ähnliche Verdächtigungen wurden bei interministeriellen Beratungen geäußert. Ob Polen mit den Naturreservaten nicht auch die Absicht verfolge, die Tschechoslowakei an einer effektiven Grenzsicherung zu hindern? Auch eine wirtschaftliche Vorteilsnahme des nördlichen Nachbarn wurde unterstellt, der von der Einschränkung der Wirtschaftstätigkeit und des Fremdenverkehrs in der tschechoslowakischen Tatra profitieren wolle.82 Umgekehrt kam in der polnischen Öffentlichkeit der Verdacht auf, dass die Tschechoslowakei noch kurz vor der Parkgründung große touristische Infrastrukturmaßnahmen durchbringen wolle, um auf Kosten der PodhaleRegion zum unangefochtenen Besuchermagneten in der Gegend aufzusteigen.83 Hier offenbarte sich eine Kluft zwischen dem Anspruch, das höhere Gut der grenzübergreifenden Verständigung herzustellen, und der in gegenseitigem Misstrauen verhafteten Realpolitik. Darin unterschied sich das Projekt des 80 Dokumentacja archiwum tematycznego Zofii i Witolda Paryskich (»Teki Paryskich«) ze zbiorów Ośrodka Dokumentacji Tatrzańskiej Tatrzańskiego Parku Narodowego, Apel Ligi Ochrony Przyrody w Polsce do społeczeństwa Czechosłowacji ws. prac prowadzonych na obszarze Tatr. 20.03.1932, http://mbc.malopolska.pl/dlibra/docmetadata?id=80147&from=& dirids=1&ver_id=1805233&lp=62& QI=!C1AE7342A7F11311455E2B7F9B210587-138 (letzter Zugriff: 10.08.2015). – Walery Goetel, Do Braci Turystów w Czechosłowacji!, in: Wierchy 8, 1930, 127–130. 81 Schreiben Goetel an Domin vom 12.12.1934. ANM , Osobní fond Karel Domin, k. 10, ivč. 1179. 82 Wiederholt äußerte das tschechoslowakische Außenministerium seine Bedenken gegenüber einer potentiell eingeschränkten Verteidigung und fehlenden Möglichkeiten für Truppenübungen im Grenzgebiet. U. a. Schreiben Verteidigungsministerium an Domin vom 17.06.1937, NA , PMR , k. 3185, ivč. 2469, sign. 699. – Besonders deutlich in einem Schreiben der Slezská matice osvěty lidové an PMR vom 10.03.1933. Ebd. – Goetel berichtete von einem Zeitungsartikel aus dem »Slovenský Denik« (Slowakisches Tagblatt) vom 15.09.1935 unter dem Titel: »Der Tatranaturpark. Die Polen wollen sich hinterrücks der Tatra bemächtigen«. Goetel an Domin vom 19.09.1935. ANM , Osobní fond Karel Domin, k. 10, ivč. 1179. 83 Beispielsweise in einem beigelegten Artikel aus dem »Ilustrowany Kurier Codzienny«, Schreiben Goetel an Domin vom 08.03.1934. Ebd.

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grenzüberschreitenden Tatrareservats nicht von anderen idealistischen Vorhaben der internationalen Zusammenarbeit der Zwischenkriegszeit.84 Deutliche Parallelen lassen sich zu einem peace park-Projekt im US -amerikanisch-mexikanischen Grenzland ziehen. Von der US -Regierung Mitte der 1930er Jahre als Gegenstück zur Kooperation mit Kanada vorgeschlagen, entwickelte es sich zum Quell fortgesetzter Missverständnisse zwischen den beiden nationalen Kommissionen, die mit seiner Ausarbeitung betraut waren. Der Park kam nie zustande, das Resultat der Beratungen war eine Entfremdung statt einer Annäherung der NaturschützerInnen beider Länder. Ebenso wie die TschechoslowakInnen verdächtigten die MexikanerInnen die Gegenseite, von der die Initiative ausgegangen war, vor allem ihren eigenen politischen und wirtschaftlichen Vorteil im Auge zu haben, und genauso wie die PolInnen traten die US -AmerikanerInnen gegenüber ihren Partnern stellenweise bevormundend auf.85 Anstatt mentale Gräben zu überwinden, verfestigte die Initiative des grenzüberschreitenden Naturschutzes bestehende Dissonanzen noch. Während im amerikanischen Fall jedoch die Angelegenheit einfach im Sande verlief, entpuppte sich der Zweifel an den polnischen Beweggründen als berechtigt. Denn die Grenzstreitigkeiten der frühen zwanziger Jahre hatten ein Nachspiel am Ende der Zwischenkriegszeit, das sich wiederum auf den Naturschutz in der Tatra auswirkte.

2.6 »Unsere Berge, unser für immer«.86 Die polnische Annexion der Javorina und der Naturpark Mit der Zerstörung der politischen Ordnung in Ostmitteleuropa durch das nationalsozialistische Deutschland ab 1938 kam der polnisch-tschechoslowakische Grenzkonflikt zurück auf die Tagesordnung. Die polnische Führung hatte sich niemals völlig mit den Grenzziehungen von 1920 und 1924 zufrieden gezeigt. Die Beziehungen zwischen den beiden Staaten hatten sich zwar normalisiert, waren aber weiterhin von Misstrauen geprägt. Die gegenseitigen Unterstellungen der politischen und wirtschaftlichen Vorteilsnahme in Sachen Nationalpark waren davon nur die Abbildung im Kleinen. Als die europäischen Großmächte im »Münchner Abkommen« vom September 1938 Deutschland autorisierten, die Sudetengebiete zu annektieren, und Ungarn kurz darauf Teile der Slowakei besetzte, sah die polnische Regierung ihre Chance gekommen. Zunächst verleibte sie sich das gesamte Teschener Gebiet ein, dann übte sie Druck auf die tsche­choslowakische Regierung aus, um die offenen Rechnungen an der Grenze 84 Im Bereich der Umweltdiplomatie siehe zusammenfassend Wöbse, Weltnaturschutz, 331 f. 85 Siehe hier Wakild, Border Chasm, 463–468. 86 Władysław Krygowski, Góry nasze, wiecznie nasze, in: Wierchy 16, 1938, VII–XXX .

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Abb. 2: Hohenlohes ehemaliges Jagdschloss als Residenz des polnischen Präsidenten im Winter 1938/39

zur Slowakei, in den Regionen Kysuce, Arwa und Zips zu begleichen. Prag hatte keine andere Wahl, als den polnischen Forderungen zuzustimmen.87 Im Dezember 1938 gelangte die Javorina doch noch in den Herrschaftsbereich Warschaus – und dies im buchstäblichen Sinne, denn Staatspräsident Ignacy Mościcki machte das ehemalige Jagdschloss des Fürsten Hohenlohe zu seiner Residenz und verbrachte dort die Weihnachtsfeiertage. Deutlicher konnte die polnische Führung ihren Triumph über den südlichen Nachbarn nicht zur Schau stellen, denn was Mościcki nun als Urlaubsdomizil diente, war zuvor eine Domäne der tschechoslowakischen Präsidialkanzlei gewesen.88 Die hier abgedruckte Fotografie von 1938/39 aus dem Bildarchiv einer großen polnischen Tageszeitung zeigt das Anwesen. Sie trägt die Bildunterschrift »Residenz von Präsident Ignacy Mościcki in Jaworzyna Spiska im Winter«. 87 Valerián Bystrický, Slovakia from the Munich Conference to the declaration of independence, in: Mikuláš Teich, Dušan Kováč, Martin D. Brown (Hrsg.), Slovakia in History. Cambridge, New York 2011, 157–174, hier 167. – Jesenský, Slovak-Polish Border, Kapitel 6, v. a. 85–88. – Dass Polen die prekäre Lage der Tschechoslowakei ausnutzte, brachte dem Land die Verachtung der westeuropäischen Mächte als eine Art »Hyäne von München« ein. Stanisław Żerko, Polen, die Sudetenkrise und die Folgen des Münchener Abkommens, in: Jürgen Zarusky, Martin Zückert (Hrsg.), Das Münchener Abkommen von 1938 in europäischer Perspektive. München 2013, 349–382, hier 375. 88 Bontschek, Polen, 29. – Jakubec, Javorina, 35, 46.

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Von den jahrelangen Versuchen, gemeinsam eine grenzüberschreitende Naturschutzzone zu etablieren und zu unterhalten, von der Idee, auf diese innovative Weise politische Verständigung zu befördern und vom Enthusiasmus der beteiligten Wissenschaftler war vierzehn Jahre nach dem Krakauer Protokoll nichts übrig geblieben. Die polnische Besetzung des seit langem umstrittenen Grenzstreifens markierte den kriegerischen Höhepunkt in der Auseinandersetzung um die staatliche Zugehörigkeit der Wälder, Almen und Felsen des kleinen Hochgebirges. Doch nicht nur mit der symbolischen Exilierung des tschechoslowakischen Staatsoberhaupts aus dem hölzernen Jagdschlösschen durch seinen polnischen Kollegen nahm Polen die Berglandschaft in Besitz. Während die Tschechos­lowakei in den Monaten nach »München« endgültig durch das »Dritte Reich« zerschlagen wurde und die Slowakei sich als deutscher Marionettenstaat unabhängig erklärte, trieb die polnische Regierung nämlich abermals die Gründung eines Naturreservats in der Tatra voran. Es sollte als Kompensation für den bisher verhinderten Nationalpark dienen und so die Öffentlichkeit besänftigen.89 Im Juni 1939 etablierte eine Verordnung des Landwirtschaftsministeriums einen Naturpark (park przyrody). Er umfasste nicht das gesamte Gebirge, sondern nur die Staatswälder der Forstämter Zakopane und Javorina (oder nun: Jaworzyna, unter polnischer Herrschaft), nicht aber privaten Grund. Seine Zielsetzung war laut Regierungsakt die Bewahrung der Natur und die Förderung des Tourismus.90 Unschwer ließ sich darin eine Maßnahme erkennen, um die Natur zu nationalisieren, sie eindeutig als polnischen Raum zu markieren. Indem der Park ein von der Tschechoslowakei annektiertes Territorium beinhaltete, stellte er geradezu die Antithese zu dem vorherigen Befriedungsprojekt dar. Die gemeinsame Nationalparkidee hatte darauf gezielt, der staatlichen Grenze ihr Konfliktpotential zu nehmen, sie mithilfe des gebirgigen Naturraums durchlässiger zu machen und das Grenzgebiet als Sphäre der Zusammenarbeit zu definieren. Diese Flexibilität spiegelte sich im Übrigen nicht nur in seiner grenzüberschreitenden Anlage, sondern auch in dem Vorschlag, das Parkgebiet zu zonieren. Damit wäre auch der Übergang zwischen Reservat und Umland stufenweise organisiert und die Staatsgrenze in ein System von Nutzungszonen eingebettet worden.91 89 Stone, Cable Car, 622. 90 Zarządzenie Ministra rolnictwa i reform rolnych z dnia 26. czerwca 1939 o uznaniu lasów państwowych na obszarze Nadleśnictw Jaworzyna i Zakopane w krakowsko-śląskym okręgu Lasów Państwowych za lasy ochronne i o utworzeniu jednostki organizacyjnej szczególnej pod nazwą »Park Przyrody w Tatrach«.  – Lemma »Park Przyrody w Tatrach«, in: Radwańska-Paryska, Paryski, Wielka encyklopedia. 91 Zu diesem Aspekt von Grenzschaffung und -überwindung genauer: Bianca Hoenig, Der Streit um die Javorina. Die polnisch-tschechoslowakische Grenze in der Tatra zwischen Eindeutigkeit und Verwischung, in: Geschichte der Alpen – Histoire des Alpes – Storia delle Alpi 23, 2018, im Erscheinen.

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Der polnische Naturpark dagegen stand für einen durch militärische Aggres­ sion festgelegten Grenzverlauf, der Konfrontation statt Kooperation zwischen den Nachbarstaaten ausdrückte. Die Warschauer Regierung hatte sich einen Vorposten im Grenzgebiet geschaffen, der den Eigentumsanspruch des polni­ schen Staates mit den Mitteln des Naturschutzes unmissverständlich festschrieb. Ein Territorialisierungseffekt ist Naturreservaten als Sphäre der modernen Staatlichkeit in oftmals abgelegenen Gebieten inhärent. Es lassen sich zahlreiche Beispiele anführen, wo Staaten sie dazu nutzten, um Grenzgebiete für sich zu reklamieren.92 Auch der Naturpark war ein Werkzeug zur Territorialisierung, denn mit ihm wurden Gebietsansprüche in der Landschaft markiert. Wie der Großteil der polnischen Bevölkerung begrüßten auch die Spitzen des Tatraverbands, der sich jahrelang leidenschaftlich für den grenzüberschreitenden Park eingesetzt hatte, die Gebietsgewinne ihres Landes. In einem vom Siegestaumel übervollen Editorial im Jahrbuch des Tatraverbands bejubelte der stellvertretende Vorsitzende Władysław Krygowski den Gewinn der Gegenden und der darin lebenden Menschen. Endlich seien auch die Gipfel der Javorina polnisch und, wie er in der Überschrift beteuerte, »unser für immer«.93 Hatte das Periodikum zuvor jedes Jahr verlässlich über den Stand der Nationalparkplanungen dies- und jenseits der Grenze berichtet, war nun kein Platz mehr für einen gemeinsamen Nationalpark zur Friedenssicherung. Stattdessen sprach derselbe Autor davon, dass der Tatranationalpark das beste Denkmal für die Wiedergewinnung der Javorina im zwanzigsten Jahr der staatlichen Unabhängigkeit wäre.94 Am Ende der Zwischenkriegszeit hatte auch in den Reihen des PTT der Chauvinismus über die grenzüberschreitenden Verständigungsversuche triumphiert. Dieser Stimmungsumschwung zeigt nur zu deutlich die Janusköpfigkeit des Verbands im Verhältnis zum südlichen Nachbarn. Zum einen fühlten sich die TatrafreundInnen höheren Idealen wie Kameradschaft und Ästhetik verbunden, zum anderen agitierten sie sowohl in den zwanziger Jahren als auch 1938 für den Anschluss der Javorina an Polen.95 Die Zusammenarbeit von Goetel, Szafer und Domin, die sich zu einem guten Teil aus persönlicher Sympathie und der Wertschätzung unter Kollegen speiste, blieb auch unter den NaturfreundInnen 92 Vgl. Bernhard Gissibl, Sabine Höhler, Patrick Kupper, Introduction. Towards a Global History of National Parks, in: Dies. (Hrsg.), Civilizing Nature. National Parks in Global Historical Perspective. New York, Oxford 2012, 1–27, hier 11–13. – Als Markierung einer bei der Auflösung des Habsburgerreichs erfolgten Grenzverschiebung diente auch der 1935 gegründete Stelvio Nationalpark, mit dem Italien zuvor österreichisches Territorium symbolisch besetzte. Graf von Hardenberg, Beyond, 55–63. – Südamerikanische Beispiele bei Graybill, Boundless Nature, 672. 93 Krygowski, Góry. 94 Władysław Krygowski, Polskie Towarzystwo Tatrzańskie: Refleksje, fakty, zadania, in: Wierchy 16, 1938, 146–156, hier 155. 95 Jakubec, Javorina, 29 f., 36 f., 44 f.

Die polnische Annexion der Javorina und der Naturpark

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und Wandersleuten offenbar eher eine Ausnahmeerscheinung. Der Umschwung des Tatraverbands war symptomatisch für die Paradoxien internationaler Zusammenarbeit. Zwar trieben ihre VerfechterInnen sie mit großem Engagement voran, sie scheiterte aber häufig an den Widrigkeiten des Pragmatismus, der Machtpolitik und der zwischenstaatlichen Konkurrenz. Der polnische Triumph erwies sich jedenfalls als äußerst kurzlebig. Bereits mit dem deutschen Überfall auf Polen im September 1939 ging die Javorina zurück an die als Marionettenstaat des Deutschen Reiches eigenständig gewordene Slowakei. Über den Rückgewinn der Gebiete hinaus annektierte die Slowakei ihrerseits die Teile der Zips und der Arwa, die seit 1918 zu Polen gehört hatten. In diesen beiden winzigen Gebieten wurde die Slowakei damit zur Besatzungsmacht in Polen. Mit dem Einmarsch der Roten Armee wurde 1945 der Grenzverlauf aus der Zwischenkriegszeit wieder hergestellt, der bis heute Bestand hat.96 Damit blieb auch der polnische Naturpark des Jahres 1939 Makulatur. Allerdings nahmen die Krakauer NaturschützerInnen um Goetel und Szafer unmittelbar bei Kriegsende, noch im Frühjahr 1945, ihre Arbeit für die Nationalparkgründung wieder auf.97 Der ambitionierte Plan für einen grenzüberschreitenden Friedenspark war da aber auf sehr viel bescheidenere Dimensionen zusammengeschrumpft. Erreicht wurde schließlich das, was an der US -amerikanisch-kanadischen Grenze vor 1932 bestanden hatte: zwei eher zufällig nebeneinander liegende Schutzgebiete. Genau das war nach Goetels Aussage von Anfang an das Ziel gewesen, aber es war doch sehr viel weniger, als es hätte sein können. Das Projekt, umstrittene Grenzen mithilfe eines übergreifenden Naturreservats zu relativieren, und das noch dazu zwischen zwei neu entstandenen und miteinander konkurrierenden Nationalstaaten Ostmitteleuropas, blieb offenbar über lange Jahre seiner Zeit voraus.

96 Maciej Korkuć, Słowacki udział w wojnie. Okupacja polskiego Spiszu i Orawy, in: ­Biuletyn Institutu Pamięci Narodowej, 2010, H. 1–2 (108–109), 24–30.  – Jesenský, Slovak-­ Polish Border, 93 f., 114. 97 APAN, PROP, 391, Mappe zu 1945.

3. Im Kampf um die Hochgebirgsnatur

3.1 Nationalparkpläne als innergesellschaftlicher Konfliktherd Die Vorbereitungen für den Nationalpark in der Tatra zogen sich in den Zwischenkriegsjahren hin. Von dem einstigen Enthusiasmus, der den gemeinsamen Plan polnischer und tschechoslowakischer Wissenschaftler für ein grenzüberschreitendes Naturreservat-Netz in den Karpaten beflügelt hatte, war einige Jahre später wenig übrig. Am schnellsten verlor in der Praxis die grenzüberschreitende Perspektive des Plans an Attraktivität. Anstatt ihre Vision von Friedenssicherung und Kooperation durch Naturschutz in konkrete Bahnen zu lenken, verstrickten sich die AktivistInnen um Walery Goetel und Władysław Szafer einerseits, Karel Domin andererseits in ihren Heimatländern in zähe Konflikte um die zukünftige Bestimmung der Berge. Aber selbst bei dem weit bescheideneren Ziel, in der Tatra jeweils einen nur bis zur staatlichen Grenze reichenden Park zu errichten, mussten sie kleinbeigeben. Mehr und mehr wich ihre Begeisterung der Frustration und Durchhalteparolen. Nur zu deutlich brachte Goetel dies auf den Punkt, als er 1931 den Stand der Arbeiten resümierte, gut zehn Jahre nach den ersten konkreten Ideen auf der polnischen Seite und sieben Jahre nach dem Krakauer Protokoll: Das Projekt, Gebirgsnationalparks in Polen zu gründen, führt unaufhörlich zu militanten Auseinandersetzungen. Einmal gewinnen die Befürworter der Sache, ein andermal ihre offenen oder verborgenen Gegner. Manche unserer Mitarbeiter, aber auch Unterstützer befällt in diesem Kampf schon der Überdruss. Es ist sogar vorgekommen, dass sich Leute im letzten Jahr an mich wandten und fragten: Sollen wir die ganze Aktion nicht einfach abblasen, wenn ein Ende nicht abzusehen ist […]? Darauf ist zu erwidern: Der Kampf um die Nationalparks wird zweifellos lange dauern, wir werden darin so manche Niederlage und so manche Enttäuschung erleiden. Wenn wir aber siegen und unsere schönste Berggegend vor der ihr drohenden unwiederbringlichen Zerstörung bewahren wollen, müssen wir die ganze Angelegenheit auf Jahre hin anlegen und uns in Geduld und Ausdauer üben.1 1 Walery Goetel, Bój o Parki Narodowe, in: Wierchy 9, 1931, 129–155, hier 129. – Die Darstellung als »Kampf« um den Nationalpark war eine häufig verwendete Redefigur. Vgl. neben dem Titel des zitierten Textes den Rückblick über die Errungenschaften in Sachen Nationalpark aus dem Jahr davor: Goetel, W walce. – Ebenso sprach auch einer der größten Gegenspieler der Bewegung um Goetel und Szafer, das Boulevardblatt »Ilustrowany Kurier Codzienny«, von »Triumphen« in einer »Schlacht«: 13 sukcesów w pierwszej bitwie o Tatry, in: IKC vom 17.02.1934.

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Die militärische Metaphorik war nicht zufällig gewählt. Sie rekurrierte weniger auf die zwischenstaatlichen Grenzstreitigkeiten vom Beginn der zwanziger Jahre, als dass sie auf die Dramatik hinwies, mit der die innergesellschaftlichen Auseinandersetzungen um die Nationalparks in beiden Ländern abliefen. Direkter als zuvor trafen in der Zwischenkriegszeit verschiedene Nutzungskonzepte für das kleine Hochgebirge aufeinander, deren VerfechterInnen einander unversöhnlich gegenüberstanden. Trotz mehrerer verheißungsvoller Anläufe scheiterte die Realisierung der Nationalparks in der Tatra an den auseinandergehenden Nutzungsinteressen. Dieses Kapitel geht der Frage nach, weshalb das Naturschutzprojekt in der polnischen und tschechoslowakischen Öffentlichkeit solch starke Konflikte auslösen konnte. Das ist umso erklärungsbedürftiger, als das im Krakauer Protokoll vorgestellte Konzept auf die Vereinbarung verschiedener Nutzungsweisen abgezielt hatte. Diesem Integrationswillen zum Trotz waren die NaturschützerInnen mit vielfachem Widerspruch konfrontiert. Ihr Vorschlag stieß sowohl in der Tschechoslowakei als auch in Polen bei vielen GoralInnen, SkifahrerInnen, GrundeigentümerInnen, der lokalen deutschen Minderheit, innerhalb der slowakischen Verwaltung, bei den örtlichen GastwirtInnen sowie zahlreichen Ministerien auf Ablehnung. Die GegnerInnen befürchteten ihre wirtschaftliche Schädigung, sahen sich in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt, fühlten sich von der Planung ausgeschlossen oder hatten andere Vorstellungen von der Zukunft des Gebirges. Wessen Nationalparks sollten da also eigentlich entstehen, wenn sich so viele Menschen nicht damit identifizierten? Es ist deutlich sichtbar, wie weit die Vorstellungen davon auseinandergingen, welchen Zwecken die Tatra dienen und wer darüber entscheiden solle. Die Uneinigkeit über diese Fragen reflektierte grundsätzliche gesellschaftliche Probleme dieser Zeit. Mit dem Zusammenbruch der imperialen Ordnung in Mittel- und Osteuropa standen die Führungsspitzen der beiden neuen Staaten vor der schwierigen Aufgabe, heterogene Territorien und Bevölkerungsgruppen in einem Gemeinwesen zusammenzuführen. Der Stellenwert, den nationale Behauptung und das Gefühl nationaler Benachteiligung bei den Auseinandersetzungen um die Naturschutzpläne spielten; der unter den Einheimischen kursierende Verdacht, einer Art Kolonisierung durch die Metropole zu unterliegen; die Reibungen zwischen dem Versprechen von Modernität und überdauernden Strukturen; der letztlich ungenügende Konsens über die Beschaffenheit der eigenen politischen Gemeinschaft  – das alles waren Merkmale der Nationalparkaffäre im Kleinen und der beiden Gesellschaften in der Zwischenkriegszeit im Großen. Die Vehemenz der Diskussionen lässt sich aber auch in einen transnationalen Kontext einordnen. Andernorts stießen die Bestrebungen zur Ausweisung von Naturreservaten auf vergleichbare Widerstände. In den zwei Jahrzehnten nach dem Ersten Weltkrieg stand die Naturschutzbewegung in anderen Ländern Europas und den USA vor ähnlichen Herausforderungen. Auch dort

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wuchs der Druck, Naturräume für den wachsenden Tourismus zu erschließen oder wirtschaftlich intensiver zu nutzen als zuvor. Während im vorherigen Kapitel die polnisch-tschechoslowakischen Kontakte und transnationale konzeptionelle Transfers im Mittelpunkt standen, liegt der Fokus im Folgenden auf den Auseinandersetzungen um die Tatra innerhalb der beiden Länder. Punktuell werden Vergleiche zwischen der Tschechoslowakei und Polen sowie mit den Vorgängen in anderen Ländern angestellt. Auch gegenseitige grenzüberschreitende Wahrnehmungen werden angesprochen. Auffällig ist nämlich die große Parallelität der Entwicklungen dies- und jenseits der Tatra­gipfel. Sie ist nicht allein auf gleiche Rahmenbedingungen zurückzuführen, sondern resultierte auch aus einer genauen Beobachtung der Entwicklungen im Nachbarland, und zwar seitens der BefürworterInnen wie seitens der GegnerInnen der Nationalparkprojekte. Drei große Konfliktherde stehen im Mittelpunkt. Erstens ging es um die Eigen­tumstitel an Grund und Boden. Bei Kriegsende befand sich nur ein geringer Teil des Gebirges in zentralstaatlichem Eigentum. Das meiste Land verteilte sich auf Großgrundbesitz oder befand sich im Gemeindebesitz. Auf den Versuch staatlicher Stellen, das Land für die öffentliche Hand zu erwerben, reagierten die EigentümerInnen unterschiedlich. Das Spektrum reichte von Kooperation bis zu völliger Verweigerung. Zweitens traf die Zielsetzung, mit der Gründung von Nationalparks das unwirtliche Territorium im Grenzgebiet in die neu entstandenen Staatswesen zu integrieren, auf Widerstände. In einer Gegend, die von einer aus zahlreichen Nationalitäten zusammengesetzten Bevölkerung mit einer ausgeprägten Regionalidentität bewohnt wurde, weckten die Naturschutzpläne aus den fernen Metropolen bei vielen Ansässigen Befremden und Ängste. Dabei verschmolzen häufig die wirtschaftlichen Interessen, wie sie im ersten Abschnitt im Mittelpunkt stehen, mit der Forderung nach nationaler Behauptung. In der Tschechoslowakei wurde der Nationalpark gar zum Gegenstand im Nationalitätenkonflikt zwischen TschechInnen, SlowakInnen und Deutschen. Drittens erregten Infrastrukturbauten die öffentliche Meinung zu beiden Seiten der Grenze und in der gegenseitigen Wahrnehmung. Insbesondere zwei Seilbahnen, auf den tschechoslowakischen Lomnický štít (Lomnitzer Spitze) und den polnischen Kasprowy Wierch, entwickelten sich zu Konfliktherden von gesamtgesellschaftlicher politischer Tragweite.

3.2 Konkurrenz um das Grundeigentum Eine Sache stand für die VerfechterInnen der Tatranationalparks in beiden Ländern von vornherein fest: Die Naturschutzreservate sollten auf staatlichem Grund und Boden errichtet werden. Da sich der überwiegende Teil des Gebirges nach 1918 im Eigentum der Anrainergemeinden, von Eigentümergemeinschaften

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oder physischen Personen befand, bedeutete das in der Konsequenz die Notwendigkeit, umfangreiche Gebiete in zentralstaatliche Hand zu transferieren. Pate standen offensichtlich die USA , deren Nationalparks sich gerade dadurch auszeichnen, dass es sich um staatliches Land handelt, das auf Bundesebene verwaltet wird. In der Schweiz hingegen, dem anderen einflussreichen Vorbild, verblieb ein großer Teil des geschützten Geländes bei den Gemeinden. Langfristige Pachtverträge sicherten die Zugehörigkeit zum Park, allerdings kam es auch zum späteren Ausscheiden von Gemeindegrundstücken und damit zur Verkleinerung des ursprünglichen Parkgebiets.2 Für die Tatra bestand das Ziel jedoch unbestritten darin, den Nationalpark auf nationalem Grund und Boden zu errichten. Auf der polnischen wie auf der tschechoslowakischen Seite waren die Eigentumsverhältnisse im Gebirge relativ kleinräumig strukturiert und überlagerten sich mit den traditionellen Nießbrauchrechten der Ansässigen. Im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts war die polnische Tatra versteigert worden. Seitdem war das zuvor zur Krone gehörende Terrain in vier Sektionen unterteilt. Zwei davon nannte Graf Władysław Zamoyski sein Eigen, der westlichste Abschnitt gehörte einer Eigentümergemeinschaft und der vierte Teil der Grundbesitzerfamilie Uznański. Davon ausgenommen waren die Almen, die sich im Gemeinschaftsbesitz verschiedener Goralenfamilien befanden.3 Südlich der Grenze wiederum verfügte der tschechoslowakische Fiskus über einen nicht unbeträchtlichen Teil der Berge, den er aus ungarischem Staatseigentum übernommen hatte, ein knappes Viertel der slowakischen Tatra. Fast genauso groß war das Anwesen des Fürsten Christian zu Hohenlohe. Die gut andere Hälfte verteilte sich auf etliche Gütergemeinschaften, Anrainergemeinden und Kirchenländereien. Auch hier gab es darüber hinaus zahlreiche Nießbrauchsrechte für die lokale Bevölkerung, etwa zum Sammeln von Holz in den Wäldern oder zur Mitbenutzung von Weiden und Almen.4 Die AnhängerInnen der Nationalparkidee standen vor der schwierigen Aufgabe, all diese EigentümerInnen und Nutzungsberechtigten von ihren Absichten zu überzeugen. Drei Reaktionen auf das Bekanntwerden der Pläne aus dem Krakauer Abkommen besaßen besondere Relevanz für das Fortschreiten der Vorbereitungen: erstens die eminent positive des Grafen Zamoyski, der sich im Hochgebirge als patriotischer Gönner betätigte, zweitens die Blockade des Fürsten Hohenlohe, der sich standhaft weigerte, sein geliebtes Jagdrevier zu veräußern. Drittens reagierte die Vielzahl, wenn auch keineswegs die Gesamtheit der MiteigentümerInnen beiderseits der Grenze misstrauisch und abwehrend 2 Kupper, Wildnis, 70–72, 114–131. 3 Lemma »sprawy własnościowe«, in: Radwańska-Paryska, Paryski, Wielka encyklopedia. – M. A. Liberak, Stosunki własności w Tatrach polskich, in: Wierchy 4, 1926, 37–47. 4 Lemma »sprawy własnościowe«, in: Radwańska-Paryska, Paryski, Wielka encyklopedia.

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gegenüber der aus der Stadt kommenden Vision zur Umgestaltung der territorialen Ordnung in dem Gebirgszug, der für sie Existenzgrundlage und Identifikationspunkt war. Zu beobachten ist, wie verschieden die jeweiligen AkteurInnen Eigen- und Gemeininteresse verstanden und welchen Stellenwert sie diesen zubilligten. Zamoyski und Hohenlohe hatten sich bereits um die Jahrhundertwende im »Streit um das Meerauge« als Kontrahenten gegenübergestanden. Ein Vierteljahrhundert später unterschied sich auch ihre Haltung bezüglich der symbo­ lischen Nationalisierung der Tatra qua Naturschutz. Zamoyski hatte sein Engagement im Karpatenbogen von Beginn an als Beitrag zur nationalen Behauptung verstanden. Wenige Monate vor seinem Tod wandelte der kinderlos gebliebene Adlige 1924 seine Güter in Podhale und in Großpolen in eine Stiftung öffentlichen Rechts um, die Zakłady Kórnickie (Kurniker Einrichtungen). Sie umfasste ausgedehnte Ländereien, Immobilien und eine Hauswirtschaftsschule in Kuźnice, einem Ortsteil von Zakopane. Die gesamte Domäne in Podhale floss in das Stiftungsvermögen und bildet heute etwa die Hälfte des polnischen Nationalparks.5 Für einige Jahre verblieb Zamoyskis Tatra-Anteil im Vermögen der Stiftung. 1933 kaufte der polnische Staat das Grundstück den völlig verschuldeten Zakłady Kórnickie ab. In der Begründung für den Kaufantrag hob das Landwirtschaftsministerium hervor, dass ohne dieses Herzstück die Errichtung eines Nationalparks in dem Gebirge undenkbar sei.6 Auf dem Weg zur Realisierung des Großreservats stellte diese Transaktion einen Meilenstein dar. Sie illustriert auch, welch breiten Rückhalt der Parkplan von den zwanziger bis in die Mitte der dreißiger Jahre in der Regierung besaß. Die Hauptinitiative kam aus dem Kultusministerium, wo – wie auch in der Tschechoslowakei – der Naturschutz angesiedelt war. Hier war die Staatliche Kommission für Naturschutz angebunden, später umbenannt in Staatlicher Rat für Naturschutz (Państwowa Rada Ochrony Przyrody, PROP). Präsidiert wurde sie von Władysław Szafer, dem Krakauer Botanikprofessor, der für das Kultusministerium als ehrenamtlicher Sonderbeauftragter für Naturschutzfragen wirkte.7 Darüber hinaus nahmen das Landwirtschafts- und das Außenministerium

5 Lemmata »Zamoyski Władysław«, »Kórnickie Zakłady«, in: Ebd. – Die Stiftung mit Sitz im großpolnischen Kórnik bei Poznań existiert – nach ihrer Auflösung in der Volksrepublik und der Restitution Anfang des Jahrtausends – bis heute. Website: Fundacja Zakłady Kórnickie. Organizacja Użytku Publicznego, http://​w ww.fzk.pl​/​ (letzter Zugriff: 25.09.2015). – Die Einrichtung der Stiftung regelte der Sejm per Gesetz: Ustawa z dnia 30 lipca 1925 r. o Zakładach Kórnickich, in: Dz. U., 1319–1321, http://dziennikustaw.gov.pl/DU/1925/s/86/592/1 (letzter Zugriff: 25.09.2015). 6 AAN, PRM , KERM , spis 1392. 7 Als Überblick zur Tätigkeit des amtlichen Naturschutzes Szafer, Protection, zur institutionellen Struktur S. 5.

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wohlwollend Anteil an der Realisierung des Parks, indem beide seit Mitte der zwanziger Jahre den Erwerb von Grundstücken in der Tatra unterstützten.8 Für den zukünftigen Park wurden umfangreiche öffentliche Mittel aufgewendet. Neben direkt vom Fiskus getätigten Bodenkäufen flossen staatliche Gelder auch an den PTT, der als eine Art Zweigstelle der PROP in der Tatra fungierte.9 Im Auftrag der staatlichen Kultur- und Bildungsstiftung Fundusz Kultury Narodowej (Fonds für die Nationalkultur) löste der Tatraverband damit seit 1925 Weideanteile von den GoralInnen ab. Gemeinsam mit aus Eigenmitteln schon seit dem Ende des 19. Jahrhunderts sukzessive erworbenen Beteiligungen an den Tatraalmen machte ihn das zu einem ernstzunehmenden Grundeigentümer in dem Hochgebirge.10 Mit dem Erwerb von Zamoyskis Tatraländereien durch den Staat war noch einem weiteren patriotischen, staatsnahen Ziel gedient, weil er die Zakłady Kórnickie vor dem wirtschaftlichen Ruin bewahrte. Es ist davon auszugehen, dass Staatspräsident Mościcki, gleichzeitig Vorsitzender des Stiftungskuratoriums, keinen geringen Anteil am Zustandekommen der Transaktion hatte.11 Ähnliche wirtschaftliche Aktivitäten entfalteten sich zeitgleich südlich der Grenze. Auch der tschechoslowakische Fiskus war damit befasst, Stück für Stück die Tatra in Staatseigentum zu überführen. Die gleiche strategische Bedeutung wie Zamoyskis Besitzungen besaß in der slowakischen Tatra Hohenlohes Anwesen. Beide nannten jeweils einen großen Anteil des Bodens in landschaftlich hervorragender Lage ihr Eigen, mit einigen der höchsten Gipfel und eindrücklichsten Panoramen. Der deutsche Prinz dachte jedoch nicht daran, seine Güter in den Dienst der tschechoslowakischen Allgemeinheit zu stellen. Jahrelang bemühte sich der tschechoslowakische Fiskus vergebens, die Javorina sowie die anderen Hohenlohe’schen Ländereien in der Tatra zu kaufen. Bis zu seinem Tod 1926 war an ernsthafte Verhandlungen nicht zu denken. Und auch der Erbe, Christians Neffe August, war nicht bereit, seine Domäne zu veräußern. Inwiefern es dabei um nationale Differenzen ging, lässt sich aus den konsultierten Quellen nicht rekonstruieren. Mit Sicherheit empfanden die Hohenlohes aber 8 Ein Jahr vor dem Aufkauf von Zamoyskis ehemaligen Ländereien hatte der polnische Fiskus in einer Versteigerung bereits ein anderes umfangreiches Gebiet aus der Habe der Familie Uznański erworben. AAN, PRM , KERM , spis 1390. – Auch für die übrigen geplanten Karpatenparks wurde der Staat aktiv, so z. B. mit dem Erwerb von Grundeigentum in der Arwa, das dem zukünftigen Reservat Babia Góra angehören sollte. AAN, PRM , KERM , spis 1391. – Kurzer Überblick über die Transkationen in der Tatra, Babia Góra und den Pieninen bei Walery Goetel, O czar wielkiej przyrody, in: Wierchy 10, 1935, 151–177, hier 151–153. 9 Szafer, Protection, 8. 10 Denkschrift des PTT an Ministerstwo Wyznań Religijnych i Oświecenia Publicznego vom März 1936. AAN, Ministerstwo Spraw Zagranicznych w Warszawie [1915–1917] 1918– 1939 / Departament Polityczno-Ekonomiczny. Wydział Wschodni, sygn. 5626, MF-Nr. B21895, Bl. 5. – Goetel, O czar, 151 f. 11 AAN, PRM , KERM , spis 1392.

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keine derartige Loyalität gegenüber dem Gemeinwesen, um einem Verkauf zuzustimmen, geschweige denn um philanthropische Energien zu entwickeln wie der benachbarte Grundherr jenseits der Grenze. Erst nach über einem Jahrzehnt der Bemühungen gelangte 1936 mit der Javo­ rina das größte und landschaftlich bedeutendste Stück vom Hohenlohe-Erben an den Fiskus. Auch in diesem Fall machte die Tilgung bestehender Schulden den Verkauf nötig.12 Als Sachverständige des Landwirtschafts- und des Bildungsministeriums das Terrain in Augenschein nahmen, trat Ernüchterung ein: Anders als noch auf der polnisch-tschechoslowakischen Konferenz zur Planung der grenzüberschreitenden Nationalparks in Zakopane 1924 festgehalten, konnte von einer vorbildlichen Forstwirtschaft keine Rede mehr sein. Der nicht persönlich mit dem Gelände verbundene August hatte sich augenscheinlich weit weniger um die schonende Bewirtschaftung gekümmert als sein Onkel Christian.13 Die von den Staatsforsten angekündigte sofortige Umstellung der Javorina auf die Bewirtschaftungsgrundsätze für die zukünftigen Nationalparks14 erwies sich als unerwartet schwierig, weil zahlreiche Familien Weiderechte auf dem Gebiet hatten und bisher als Waldarbeiter bei Hohenlohe beschäftigt gewesen waren. Im Krakauer Protokoll geregelt war die Pflicht, ihnen weiter ihr Auskommen zu verschaffen. Aus der imperialen Vergangenheit und der Streitgeschichte um dieses Grenzgebiet nach Ende des Weltkriegs resultierte, dass diese Unter­haltspflicht auch gegenüber den BewohnerInnen einiger angrenzender polnischer Dörfer galt.15 Deren wirtschaftlichen Zugriff auf das so stark als Symbol der nationalen Konkurrenz aufgeladene Gelände einzuschränken, hätte das ohnehin niemals konfliktfreie tschechoslowakisch-polnische Verhältnis noch weiter getrübt. Die Anstrengungen für die Nationalparks standen auch noch in einem grenzüberschreitenden Zusammenhang, nachdem die Idee vom Naturschutz als Frie 12 Schon in der ersten Hälfte der zwanziger Jahre waren Regierungsvertreter an Hohenlohe mit einem Kaufangebot herangetreten. »Ergebnis der Beratungen der Kommission für die Eröffnung von grenzüberschreitenden Naturparks am 6.9.1924 in Zakopane«. NA , PMR , k. 3185, ivč. 2469, sign. 699. – Die ebenfalls Hohenlohe gehörende Domäne um Vyšné Hágy (Hochhagi) verkaufte dieser bereits 1928 an den Staat. Überblick über die Eigentumsveränderungen bei Alojz Krajčovič, Vývoj vlastníckych pomerov v oblasti Správe Tatranského Národného Parku s krátkym prehľadam najdôležitejších udalostí od r. 1918, in: Zborník prác o TANAP u 3, 1950, 210–249, hier 211, 218. 13 »Ergebnis der Beratungen der Kommission für die Eröffnung von grenzüberschreitenden Naturparks am 6.9.1924 in Zakopane«. NA , PMR , k. 3185, ivč. 2469, sign. 699. – Referat des Forstrats ing. Bohumil Škoda an der Sitzung der Vorbereitenden Kommission für den Nationalpark am 12./13.06.1936. Ebd. 14 Schreiben Domin an Szafer vom 05.11.1936. ANM , Osobní fond Karel Domin, k. 16, ivč. 2180. 15 Protokoll der Sitzung der Vorbereitungskommission für den Nationalpark, 12./13.06. 1936. NA , PMR , k. 3185, ivč. 2469, sign. 699. – Referat des Forstrats ing. Bohumil Škoda an ebendieser Sitzung. Ebd.

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densbringer schon abgelegt worden war. Allen AkteurInnen diente die jeweils andere Seite als Argument, um die Legitimation ihrer Interessen zu unterstreichen. Für die NaturschützerInnen und die ihnen Wohlgesinnten in der Regierung diente der Verweis auf die Aktivität der anderen Seite als Druckmittel. So betonte das polnische Landwirtschaftsministerium in seiner Begründung für den Grunderwerb in der Tatra, dass die tschechoslowakische Regierung in diesem Bereich bereits Erfolge zu verzeichnen habe und Polen deshalb nachziehen müsse. Zudem sei dem Außenministerium sehr daran gelegen, die Grundlage für den mit dem Nachbarland geplanten Park zu schaffen.16 Umgekehrt argumentierten GegnerInnen des Nationalparks in der Tschechoslowakei. Potentiell vom Verlust ihres Eigentums Betroffene wie die Gemeinden am Fuß der Hohen und der östlich davon liegenden Belaer Tatra wurden nicht müde hervorzuheben, dass die Eigentumsverhältnisse in Polen mit den wenigen Großgrundbesitzern sehr viel einfacher zu regeln seien. Damit verknüpften sie den Aufruf an die eigene Regierung, das gesamte Vorhaben zu überdenken und vor allen Dingen von einer Einschränkung der lokalen Wirtschaft abzusehen.17 Beide Darstellungen entsprachen nur zum Teil der Realität, belegen aber die gegenseitige Wahrnehmung. Durch die gesamte Zwischenkriegszeit hindurch bestand bis in höchste Regierungskreise stets das Bewusstsein, dass jenseits der Grenze ähnliche Prozesse im Gange waren, an denen es sich zu messen galt. Die abwehrenden Stimmen kamen aus dem südlichen Nachbarland, was eine im vorangehenden Kapitel erwähnte Tendenz bestätigt. Der Naturschutz hatte dort einen wesentlich schwereren Stand. Es gab zwar einen staatlichen Konservator beim Bildungsministerium, Rudolf Maximovič. Dessen Kompetenz und Durchsetzungsfähigkeit wurde intern allerdings kein besonderer Respekt gezollt, wie der Briefwechsel von Domin mit Goetel und Szafer belegt.18 Hinderlicher war jedoch der mangelnde Rückhalt des Nationalparkplans in Regierungskreisen. Domin und seine Mitstreiter hofften zwar auf die zugesagte Unterstützung von Außenminister Edvard Beneš, die sich aber im Gang der Angelegenheit nicht bemerkbar machte.19 Aktenkundig geworden sind vor allem die zahlreichen Einwände aus verschiedenen Ministerien und untergeordneten Organen, die schon im vorherigen Kapitel zitiert wurden. Im Verlauf der Zwischenkriegszeit bedeutete der Argwohn gegenüber den Motiven des nördlichen 16 AAN, PRM , KERM , spis 1390. – AAN, PRM , KERM , spis 1392. 17 Häufig geäußert aus den zipserdeutschen Kreisen: Die Hohe Tatra – ein Nationalpark, in: Karpathen-Post Nr. 16 vom 18.04.1925, 1. – A. N., Der tschechoslowakische Nationalpark in der Hohen Tatra III, in: Karpathen-Post Nr. 8 vom 20.02.1926, 1 f. 18 Schreiben Domin an Szafer vom 04.09.1929. ANM , Osobní fond Karel Domin, k. 19, ivč. 2484. – Goetel an Domin vom 30.10. und 23.12.1930. ANM , Osobní fond Karel Domin, k. 10, ivč.1179. 19 Benešs Unterstützung für das Parkprojekt erwähnt Domin in einem Schreiben an Szafer vom 04.09.1929. ANM , Osobní fond Karel Domin, k. 19, ivč. 2484.

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Nachbarstaats eine effektive Bremse für das Parkprojekt. Die Erfahrung des polnischen Einmarschs in die Javorina musste den ZweiflerInnen schließlich Recht geben. Auch wenn der polnische Nationalpark unter einem günstigeren Stern als sein tschechoslowakisches Pendant stand, stießen die NaturschützerInnen in beiden Ländern auf Schwierigkeiten bei den Alteingesessenen. Viele von ihnen verknüpften ihre Identität und zumeist auch die wirtschaftliche Existenz mit den Bergen. Der Vorschlag, vor ihrer Haustür ein Naturreservat einzurichten, weckte deshalb die Befürchtung, in ihrer bisherigen Lebensweise eingeschränkt oder gar wirtschaftlich ruiniert zu werden. Anstatt in den zukünftigen Parks einen Faktor zur wirtschaftlichen Aufwertung der Region zu erblicken, wie das die VerfechterInnen darstellten, erschien ein Nationalpark wesentlichen Teilen der Lokalbevölkerung nur als weiterer Rivale um die Nutzung der knapp bemessenen und wenig freigiebigen Bergnatur. Die meisten der rings um die Tatra Ansässigen verdienten ihren Lebensunterhalt nach wie vor mit der Land- und Weidewirtschaft oder im Fremdenverkehr. In Podhale gab es ohnehin praktisch keine anderen Wirtschaftsstrukturen, bis in die fünfziger Jahre hinein galt die Region im gesamtpolnischen Maßstab als Armenhaus.20 Die Zipser Städte wiederum besaßen zwar eine stolze Tradition in Handel und Gewerbe, befanden sich aber schon seit dem Ende des 19. Jahrhunderts im Abschwung und sahen nach der Abtrennung von Ungarn ihrem Niedergang entgegen. Der Stellenwert der Landwirtschaft stieg damit sogar noch an, insbesondere für die Versorgung der UrlauberInnen und Kurgäste.21 Wie in weiten Teilen Ostmitteleuropas dominierten in der Tatraregion jenseits der adligen Domänen nach wie vor Klein- und Kleinstbetriebe die Agrarstruktur. Aufgrund der kargen natürlichen Bedingungen und der peripheren Lage herrschten traditionelle Bewirtschaftungsmethoden bei geringen Erträgen vor. Das Tatra­ gebiet verzeichnete über Jahrzehnte hohe Auswanderungsraten in die industriellen Zentren Europas und nach Übersee.22 Die Vorstellung, sich bald als AnwohnerInnen eines Naturschutzreservats wiederzufinden, ließ deshalb auf den Gehöften, in den Kurorten und Gemeinden die Sorge aufkommen, ob die Berge auch in Zukunft ein karges Auskommen liefern würden. Nicht weniger belastete die Lokalbevölkerung die Sorge, die Kontrolle über die heimische Landschaft zu verlieren. Die Tatranationalparks erschienen einem 20 Jacek Kochanowicz, The Changing Landscape of Property. Landownership and Modernization in Poland in the Nineteenth and Twentieth Centuries, in: Hannes Siegrist, Dietmar Müller (Hrsg.), Property in East Central Europe. Notions, Institutions, and Practices of Landownership in the Twentieth Century. New York, Oxford 2015, 29–47, hier 29 f. 21 Damit setzte sich die Entwicklung fort, die mit dem Anschluss der Region an das Eisenbahnnetz in den 1870er Jahren begonnen hatte. Vgl. Holec, Človek, 254. 22 Gottas, Sachsen.  – Kochanowicz, Changing Landscape, 30. – Transnational vergleichend und differenzierend Mathieu, Dimension, 153–157.

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Teil der unmittelbar Betroffenen als eine aus den Städten kommende, von Akademikern und fernen Behörden erdachte Idee, die mit der Lebensrealität vor Ort nicht das Geringste zu tun habe. In der knapp hundertfünfzigjährigen Geschichte der Institution Nationalpark ist es keine Ausnahme gewesen, dass die Planung und Implementierung des jeweiligen Naturreservats ohne Beteiligung der Betroffenen verliefen.23 Dementsprechend ertönte auch in der Tatra die Beschwerde, nicht in den Entscheidungsprozess eingebunden zu sein. In den Gremien, die den Nationalparkplan entworfen hatten und nun an seiner Umsetzung arbeiteten, waren Naturwissenschaftler, Ministerialbeamte, Förster und regionale Funktionäre vertreten. Wer im Großen und Ganzen über die gesamte Zwischenkriegszeit hinweg fehlte, waren VertreterInnen der Ansässigen.24 Umso vehementer griffen dafür Gerüchte um sich, die häufig deutlich dras­ tischer ausfielen als die tatsächlichen Pläne. Es kam sogar zu handgreiflichen Zwischenfällen. Einer trug sich 1931 bei einer in einem Podhaledorf stattfindenden Informationsveranstaltung über die anstehende Reform der Forstverwaltung zu, die mit dem geplanten Naturreservat gar nichts zu tun hatte. Dennoch äußerten die anwesenden Goralen den Verdacht, die Forstinspektoren seien gekommen, um die Enteignung der Lokalbevölkerung für den Nationalpark durchzusetzen. Die Auseinandersetzung gipfelte in der Flucht der Forstbeamten vor den aufgebrachten Waldeigentümern, die sie mit Stöcken und ihren ciupagi traktierten, langstieligen kleinen Äxten, die zur Tracht des Goralen gehören.25 Weit verbreitet war das Misstrauen gegenüber den Parkplänen auch auf der Südseite, wo zum Beispiel UnternehmerInnen aus Angst vor dem drohenden Bankrott Investitionen und Bauprojekte absagten.26 Längst nicht die gesamte Lokalbevölkerung lehnte die Parks kategorisch ab. Ein Teil konnte ihnen durchaus viel abgewinnen, sei es den ideellen Schutz der Gebirgsnatur, sei es in materieller Hinsicht als Förderung des Fremdenverkehrs oder gute Gewinnmöglichkeit durch die Veräußerung des persönlichen Anteils am Grundeigentum.27 Ablehnung und Zustimmung zu quantifizieren, scheint kaum möglich. In den Quellen haben eindeutig und wenig überraschend diejenigen die sichtbareren Spuren hinterlassen, die protestierten, widersprachen 23 Kupper, Wildnis, 98 f. 24 Z. B. hielt die Tschechoslowakische Vorbereitungskommission für den Nationalpark 1936 fest, dass bei der nächsten Sitzung auch Ansässige eingeladen werden sollten. Das unterstreicht, dass dies bis dahin offenbar nicht Usus war. Protokoll der Sitzung der Vorbereitenden Kommission für den Nationalpark am 12./13.06.1936. NA , PMR , k. 3185, ivč. 2469, sign. 699. 25 Goetel, Bój, 133–136. Hier sind noch weitere solche Vorfälle aufgeführt. 26 Die Schriftleitung, Der tschechoslowakische Nationalpark in der Hohen Tatra IV, in: Karpathen-Post Nr. 9 vom 27.02.1926, 1. 27 Zur letzten Sorte gehörten zumindest all jene, die dem PTT ihre Weideanteile verkauften.  – Auch der Naturschutz besaß leidenschaftliche Verfechter vor Ort wie etwa den in Kežmarok gebürtigen Gymnasiallehrer Alfred Grosz. Siehe z. B.  Alfred Grosz, Schafft einen Naturschutz in der Tatra!, in: Karpathen-Post Nr. 12 vom 24.03.1934, 3. – Kurioser-

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oder alternative Visionen für den Umgang mit den Bergen äußerten, als die Zustimmenden und Unterstützenden. Die Nationalparkverfechter in Polen und der Tschechoslowakei jedenfalls waren sich einig in ihrem Unverständnis: Hüben wie drüben schlage ihren selbstlosen Plänen vehementer Widerstand entgegen, obwohl doch die zukünftigen Parks nicht nur harmonische Natur, sondern darüber hinaus sicheren wirtschaftlichen Aufschwung verheißen würden.28

3.3 Der Nationalparkplan im Nationalitätenkonflikt Der Widerstand gegen ein zukünftiges Naturreservat und die damit verbundenen Einschränkungen der bisherigen Nutzungsarten war auf beiden Seiten der Landesgrenze deutlich und dauerhaft. Auf der Südseite bekam er gar eine zusätzliche Qualität. Zwischen den GoralInnen als Leuten der Berge und den Wissenschaftlern aus der Stadt als Flachländer, im Goralendialekt cepry, gab es zwar zahlreiche Verständigungsschwierigkeiten. Nicht zur Debatte stand aber die Zugehörigkeit zur selben Wir-Gemeinschaft, der polnischen Nation. Südlich der Grenze sah das ganz anders aus: Was bedeutete die Aussicht auf einen Nationalpark, wenn dieser von tschechischen Wissenschaftlern propagiert und von der Prager Bürokratie implementiert wurde, aber auf slowakischem Boden entstehen und die Lebensführung von StaatsbürgerInnen slowakischer und deutscher Sprache berühren sollte? Das Parkprojekt stellte eine Episode in der umfangreichen Konfliktgeschichte der Ersten Tschechoslowakischen Republik als Nationalitätenstaat mit den drei größten Bevölkerungsgruppen TschechInnen, SlowakInnen und Deutsche dar.29 Die symbolische Qualität eines Nationalparks an der multiethnischen Peripherie trug dieses Potential geradezu zwangsläufig in sich. Aus Sicht der slowakischen Behörden bestätigte der Ablauf der Parkplanungen einmal mehr einen Eindruck, der sich seit dem Zusammengehen mit den TschechInnen in ein Staatswesen immer weiter verstärkt hatte. Trotz der von Präsident Tomáš G. Masaryk propagierten Idee einer tschechoslowakischen Nation und der 1918 ausgehandelten Berücksichtigung slowakischer Interessen im weise sprach sich offenbar auch die Landsmannschaft der Podhalestämmigen in den USA , der Związek Podhalan, für den Nationalpark aus, weil dieser ihrer Heimatregion einen Aufschwung verspreche. Goetel, O czar, 162. 28 Ergebnis der Beratungen der Kommission für die Eröffnung von grenzüberschreitenden Naturparks am 06.09.1924 in Zakopane, Beitrag Rudolf Maximovič. NA , PMR , k. 3185, ivč. 2469, sign. 699. – Schreiben Goetel an Domin vom 18.11.1925. ANM , Osobní fond Karel Domin, k. 10, ivč. 1179. 29 In Bezug auf die Bodenreform vgl. Joachim von Puttkamer, Die tschechoslowakische Bodenreform von 1919: Soziale Umgestaltung als Fundament der Republik, in: Bohemia 46, 2005, H. 2, 315–342, hier v. a. 319, 341 f.

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Regierungsprozess wurden die Entscheidungen für das ganze Land in Prag gefällt. Schnell nach der Gründung der Tschechoslowakei hatten sich die beiden Titularnationen einander entfremdet, wobei das Gefühl seitens der SlowakInnen, übergangen zu werden, mindestens genauso schwer wog wie das tatsächliche politische Ungleichgewicht.30 Ebenso wie die Lokalbevölkerung beschwerten sich die Regionalbehörden in Bratislava darüber, über die den Nationalpark betreffenden Entscheidungen überhaupt nicht informiert, geschweige denn in die Konsultationen eingebunden worden zu sein. Diese wiederkehrende Beschwerde war sachlich berechtigt. An dem ursprüng­ lichen Kreis Prager Naturwissenschaftler um Domin, aus dem sich auch die Teilnehmer der Konferenzen mit den polnischen Tatraschützern Mitte der zwanziger Jahre in Zakopane und Krakau rekrutierten, war offenbar kein Slowake beteiligt.31 Als die tschechoslowakische Regierung ein Jahrzehnt später endlich eine Arbeitsgruppe für die Nationalparkgründung ins Leben rief, waren darin zwar Slowaken vertreten. Für die konstituierende Sitzung 1935 lud das Schulministerium aus Kostengründen dann aber doch nur die Prager Kommissionsmitglieder ein, während die slowakischen Kollegen ausgeladen wurden.32 Das oberste für die Slowakei zuständige Verwaltungsamt in Bratislava richtete zahlreiche Einwände in Bezug auf das Parkprojekt an die Adresse der Prager Regierung. Zwei Kritikpunkte blieben über die Jahre konstant: die mangelnde Einbindung slowakischer Vertreter in den Entscheidungsprozess und die in Zeiten der Wirtschaftskrise noch wachsende Furcht vor einer Schädigung der Wirtschaft in der kargen Bergregion. Diese Punkte verhinderten, dass sich innerhalb der führenden slowakischen politischen Kreise eine konstruktive Haltung zu der Nationalparkidee entwickelte.33 30 Ľubomír Lipták, VII. Slovakia in the 20th Century, in: Elena Mannová (Hrsg.), A Concise History of Slovakia. Bratislava 2000, 241–305, hier 245–256, v. a. 245 f., 255 f. 31 Biographische Informationen bei Milan Koreň, Galéria priekopníkov ochrany prírody na slovenskej strane Tatier do vzniku TANAP-u, in: Štúdie o TANAP-u, 2009, 9 (42), 11–16. – Das bestätigt eine tschechozentrische Tendenz, die auch Jana Piňosová für den tschechoslowakischen Naturschutz der Zwischenkriegszeit herausgearbeitet hat. Piňosová, Inspiration, 232. 32 Die skeptische Haltung der höchsten slowakischen Verwaltungsinstanz zusammen­ gefasst in: Schreiben des Krajinský úrad v Bratislave an das Schulministerium vom 09.03.1938 bzgl. der Arbeitsgruppe zum Tatranationalpark. NA , PMR , k. 3185, ivč. 2469, sign. 699. – Der slowakische Senator Ján Kovalik gab seiner Empörung über den Ausschluss slowakischer VertreterInnen am Planungsprozess des Nationalparks in einer Rede vor dem Senat deutlichen Ausdruck: Senát Národního shromáždění Republiky Československé, Těsnopisecká zpráva o  4.  schůzi senátu Národního shromáždění republiky Československé v  Praze ve středu dne 18. prosince 1929.18.12.1929, http://www.senat.cz/informace/z_historie/tisky/3vo/ stena/004schuz/obsah.htm (letzter Zugriff: 02.09.2015). 33 NA , PMR , k. 3185, ivč. 2469, sign. 699. – Dieses Ungleichgewicht in der Beteiligung an der Ausarbeitung des Projekts und die sich dadurch verhärtende Haltung der slowakischen Politiker und Bevölkerung blieb in Prag nicht unbemerkt. Siehe z. B. eine vertrauliche Denkschrift des Schulministeriums an das Außenministerium vom 12.12.1928. Ebd.

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Eine weitere Bevölkerungsgruppe, die ihre Interessen von den staatlichen Neuordnungsvisionen in der Tatra in fundamentaler Weise berührt sah, in dem Entscheidungsprozess jedoch noch weniger Gehör fand, waren die Zipser Deutschen. Für ihre Oberschicht bedeutete das Ende der Doppelmonarchie eine existenzielle Erschütterung. Ihre wirtschaftliche und kulturelle Vormachtstellung in der Region war plötzlich zerstört. Anstatt in Budapest fielen die politischen Entscheidungen nun im geographisch und mental weit entfernten Prag. Die politische Führungsriege der Zipser Deutschen wollte sich jedoch nicht damit abfinden, nicht mehr zu Ungarn zu gehören. Um der Integration in den sich formierenden slawischen Staat zuvorzukommen, verfiel ein am Ende des letzten Kriegsjahrs als Interessenvertretung gegründeter »Oberungarischer Volksrat« sogar auf die Idee, eine »Zipser Republik« auszurufen. Doch damit ließ sich die von den Großmächten gebilligte Nachkriegsordnung in Ostmitteleuropa nicht verhindern. Zahlreiche Angehörige der deutschen Minderheit wanderten im Laufe der folgenden Jahre aus ihrer Heimatregion nach Ungarn aus.34 Die Verbleibenden mussten sich in dem neuen politischen und gesellschaftlichen Koordinatensystem einrichten. Dabei beharrte die Meinungselite, die sich um die 1920 gegründete Zipser Deutsche Partei (ZDP) und deren Sprachrohr, die »Karpathen-Post«, scharte, auf ihren Grundüberzeugungen. Unbeirrt pflegte sie eine Mischung aus Regionalstolz und deutschungarischem Patriotismus. Sie arbeitete mit der ungarischen Minderheit zusammen, betrieb jedoch weder eine aktivistische Politik gegenüber den tschechoslowakischen staatlichen Institutionen, noch suchte sie die Nähe zu deutschnationalen Kreisen.35 Mit dieser Haltung blieben die Zipser Deutschen lange Zeit immun gegen die Versuche von DeutschtumsaktivistInnen, eine einheitliche deutsche Volksgruppe in der Tschechoslowakei zu schaffen. Erst die von der nationalsozialistischen Expansionspolitik ausgelöste innere und äußere Krise des Jahres 1938, die zur Zerstörung der Tschechoslowakei und der Verselbständigung der Slowakei unter deutscher Ägide führte, änderte dies grundlegend. Daraufhin gelang es den nationalsozialistisch eingestellten Kräften unter den slowakischen Deutschen um den Sudetendeutschen Franz Karmasin und seine Karpatendeutsche

34 Jan Kokorák, Die deutsche Minderheit in der Slowakei 1918–1945. Die Parteienlandschaft im Spannungsfeld zwischen deutschungarischer Tradition und deutsch-national(sozia­ listischem) Gedankengut. Hamburg 2013, 52 f. – Günter Schödl, Lange Abschiede. Die Südostdeutschen und ihre Vaterländer (1918–1945), in: Ders. (Hrsg.), Land an der Donau. Berlin 1995, 455–649, hier 631. – Auch die Episode um die »Zipser Republik« besaß eine Parallele auf der polnischen Seite der Tatra, wo die patriotische Intelligenz um den Dichter Stefan Żeromski zur selben Zeit die »Republik Zakopane« ausrief, um die Zugehörigkeit der peripheren Podhale-Region zum neu entstehenden polnischen Staat durchzusetzen. Lemma »Zakopiańska, Rzeczpospolita«, in: Radwańska-Paryska, Paryski, Wielka encyklopedia. 35 Schödl, Lange Abschiede, 632.

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Partei,36 die zipserdeutschen Institutionen gleichzuschalten.37 Bis weit in die Zwischenkriegszeit hinein bestand aber nicht einmal mit den beiden anderen deutschen Siedlungsgebieten um Bratislava und im mittelslowakischen Hauerland ein Zusammengehörigkeitsgefühl. Die Kategorien »Karpatendeutschtum« und »Slowakeideutschtum« besaßen für die Lebenswirklichkeit der meisten ZipserInnen keine Relevanz.38 Noch weniger Gemeinsamkeiten entdeckte ihre politische und gesellschaftliche Führungsschicht mit den in den böhmischen Ländern beheimateten Sudetendeutschen oder gar mit den »Reichsdeutschen«. Für deren zunehmend militantes Streben nach einem vereinten deutschen »Volkstum« stellten die regionale Orientierung und die ungebrochene Loyalität zur magyarischen Nation der von ihnen abfällig als »Magyaronen« bezeichneten ZipserInnen ein gewichtiges Problem dar.39 Die Zips wurde geradezu zum Paradefall einer ihrem deutschen »Volkstum« gegenüber indifferenten Sprachinsel, die es durch gezielte Kulturarbeit, einem »Dornröschenkuss« gleich, »zu erwecken« gelte.40 Mit Ausnahme des untergegangenen Reiches der Stephanskrone besaß keine politische Entität Integrationspotential für das zipserdeutsche Selbstverständnis. Dieses schöpfte umso mehr aus der regionalen Wirtschaftsstruktur, dem Kulturleben in den Städten und Dörfern und der Landschaft. Als identitätsstiftendes Merkmal der Umgebung konkurrenzlos war die Hohe Tatra, deren Gipfel über den deutsch besiedelten Orten der Oberzips thronten. Das Leben der Zipser Deutschen war auf vielfältige Weise mit diesem Gebirge verknüpft. Die Anliegergemeinden verfügten dort über umfangreiches Grundeigentum, auch in deutscher Privathand befand sich ein nicht geringer Teil. Darüber hinaus dominierten die Deutschen nach wie vor das Fremdenverkehrsgewerbe, als EigentümerInnen von Hotels und Sanatorien sowie mittels des Karpathen­vereins. Was 36 Im Oktober 1938 umbenannt in Deutsche Partei. 37 Kokorák, Minderheit, Kapitel 6, v. a. 6.3. 38 »Karpatendeutsche« ging auf den aus der Bukowina stammenden Historiker Raimund F. Kaindl zurück, der den Begriff im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts prägte, um damit die Gesamtheit der Deutschen im Karpatenbogen zu bezeichnen. In den 1920er Jahren verengte sich der Name auf die Deutschen in der Slowakei. »Slowakeideutsche« bürgerte sich nicht vor den 1930er Jahren als synonyme Sammelbezeichnung ein. Jörg K. Hoensch, Studia Slovaca. Studien zur Geschichte der Slowaken und der Slowakei. München 2000, 65. 39 Egbert K. Jahn, Die Deutschen in der Slowakei in den Jahren 1918–1929. Ein Beitrag zur Nationalitätenproblematik. München 1971, 25. – Kokorák, Minderheit, 81 f. 40 Den Bericht eines Deutschtumsaktivisten über seine Reise in die Zips analysiert Pieter M. Judson, Reisebeschreibungen in der »Südmark« und die Idee der deutschen Diaspora nach 1918, in: Peter Stachel, Martina Thomsen (Hrsg.), Zwischen Exotik und Vertrautem. Zum Tourismus in der Habsburgermonarchie und ihren Nachfolgestaaten. Bielefeld 2014, 59–76, hier 73–75. – Die zeitgenössische Metapher von der »Erweckung« durch einen »Dornröschenkuss« siehe ebd., 59 f. – Weitere Beispiele für Reiseberichte in die Zips, die die Enttäuschung der BesucherInnen über den absoluten Mangel an deutschem Volkstumsbewusstsein nicht verhehlen, bei Kokorák, Minderheit, 105, Anm. 332.

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in der Tatra geschah und wer auf sie Einfluss zu nehmen suchte, das wurde von den Zipser Deutschen aufmerksam und tendenziell kritisch verfolgt, verstanden sie die Hohe Tatra doch als »ihr« Gebirge. Es verwundert daher nicht, dass der Vorschlag, die Tatra zum Nationalpark zu machen, in der Zips große Aufmerksamkeit erhielt.41 In der »KarpathenPost« wurde der Plan nicht rundheraus verurteilt. Positiver lässt sich die Reaktion beim besten Willen nicht bezeichnen, was aber immerhin schon um eine Note freundlicher war als die generelle Ablehnung durch den Großteil der polnischen GoralInnen. In einer frühen Auseinandersetzung mit dem Projekt zeigte ein unbekannter Autor im April 1925 grundsätzliche Sympathie für den ideellen Wert des geplanten Reservats, um jedoch umgehend Bedenken zu formulieren: Der Nationalpark soll ein Denkmal der Kultur und Naturbegeisterung eines ganzen Landes sein, da darf kein Makel von gewaltsamer Enteignung von Besitz und Rechten daran haften, seine Errichtung darf nur im vollsten Einverständnis mit der Bevölkerung erfolgen.42

Wie in Podhale und bei anderen Naturreservatgründungen weltweit betraf der stärkste Einwand, den die Betroffenen vor Ort dem Nationalpark entgegen­ hielten, die Ängste der Bevölkerung um ihre wirtschaftliche Existenz. Der Verfasser dieses Artikels setzte dabei die Themen, die auch in den kommenden Jahren die Debatte bestimmen sollten. Das betraf einmal die Furcht vor der unrechtmäßigen Eigentumsregulierung und der Einschränkung der Wirtschaftstätigkeit. Außerdem bezog sich die Kritik, ebenfalls wenig überraschend, auf die Wege der Entscheidungsfindung. An fernen Konferenztischen und in unpersönlichen Behörden würde über das weitere Schicksal ihrer Heimatregion entschieden, ohne dass die AnwohnerInnen selbst Einfluss auf den Lauf der Dinge ausüben könnten. Der Appell, die Menschen vor Ort einzubinden und zu informieren, wurde zu einer Standardformel in den zipserdeutschen Äußerungen zum Nationalpark. Schon in den folgenden Wochen wurde der Ton rauer. Die ZDP berief eine Versammlung ein, um über Wege zu beratschlagen, wie gegen den Parkplan vorzugehen sei. Eingeladen waren alle, die ihren Unterhalt ganz oder zum Teil aus der Berglandwirtschaft bestritten. Das betraf individuelle Landwirte und Viehzüch 41 Eine Zusammenfassung der Debatte um den Nationalpark bei den Zipser Deutschen findet sich bei Ivan Bohuš, Ochrana tatranskej prírody v rokoch 1918–1945, in: Zborník prác o  TANAP u 6, 1963, 104–121, hier 109–111. Die Bewertung durch den Autor ist insgesamt korrekt, aber stark von dem Bemühen durchdrungen, den zum Zeitpunkt der Entstehung des Aufsatzes in den 1960er Jahren geltenden ideologischen Anforderungen zu genügen. Das macht aus den Zipser Deutschen pauschal FeindInnen der tschechoslowakischen Republik und skrupellose KapitalistInnen, ja sogar »Kulaken« – das sowjetische Feindbild eines Großbauern. 42 Die Hohe Tatra – ein Nationalpark, 1.

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ter sowie die grundbesitzenden Anliegergemeinden und die aus der ungarischen Herrschaftszeit herrührenden Gütergemeinschaften43 »ohne Unterschied der Volkszugehörigkeit«.44 Die Anwesenden verabschiedeten eine Denkschrift, die den Entscheidungsträgern in Prag und Bratislava den Ernst der Lage vor Augen führen sollte: Deutsche und slowakische Ansässige seien sich darin einig, dass der Nationalpark zum Niedergang von mindestens 20 Ortschaften führen werde. Mit all den befürchteten Einschränkungen des Wirtschaftslebens stünde die Bevölkerung in der gesamten Region vor dem Zusammenbruch ihrer Existenz und besäße nur die ernüchternde Wahl zwischen Verarmung und Auswanderung.45 Schnell gewann bei den Zipser deutschen Honoratioren allerdings die Sichtweise die Oberhand, nicht einfach als Ansässige, sondern explizit als Minderheit benachteiligt zu werden. Das Etikett »Nationalpark« weckte besonderen Argwohn, denn es vermittelte nicht das Gefühl, auch an der nordöstlichen Peripherie des Landes in die entstehende multiethnisch-nationale Gemeinschaft integriert zu sein, sondern verstärkte noch den Eindruck, von einer fremden Macht kolonisiert zu werden. Dabei ließ sich der künftige Park in eine ganze Serie von Nationalisierungsmaßnahmen einreihen. Unter der Überschrift »Genug!« machte ein sich hinter den Initialen O. S. verbergender Autor seinem Überdruss gegenüber den aus Prag kommenden Eingriffen in die regionalen Strukturen Luft: »Wir haben bis jetzt: Nationalkriegsanleihe, Nationalvermögensabgabe, Nationalsteuer. Wir werden haben: Nationalpark, Nationalbäder, Nationaltatra und zuletzt Nationallokalbahnen!«46 Das öffentliche Interesse der nationalen 43 Bei diesen kollektiven Eigentümergemeinschaften handelte es sich zum einen um die Urbargemeinschaften oder Urbariate (slow. urbárska spoločnosť, urbariát), zum anderen um die Kompossesorate (slow. komposesorát). Die Urbargemeinschaften entstanden nach der Bauernbefreiung, um die Zerstückelung der ehemaligen adeligen Großgrundbesitzungen zu verhindern, die nun von den neuen bäuerlichen EigentümerInnen gemeinsam verwaltet wurden. Kompossesorate waren adelige landwirtschaftliche Gütergemeinschaften. Beide Eigentumsformen bestanden bis nach dem Zweiten Weltkrieg. Nach 1989 wurde den Urbargemeinschaften das Eigentum restituiert. Zora Apáthyová-Rusnáková, Lemma »Urbárska spoločnosť«, in: Slovenský ľudový umelecký kolektív (Hrsg.), Tradičná ľudová kultúra Slovenska slovom a obrazom. Elektronická encyklopédia. 2011, http://www.ludovakultura.sk/index.php?id=2094 (letzter Zugriff: 14.08.2015). – Peter Slavkovský, Komposesorát, in: Slovenský ľudový umelecký kolektív (Hrsg.), Tradičná ľudová kultúra Slovenska slovom a obrazom. Elektronická encyklopédia. 2011, http://www.ludovakultura.sk/index.php?id=5744 (letzter Zugriff: 07.02.2016). 44 Die Denkschrift gegen den Naturschutzpark in der Hohen Tatra, in: Karpathen-Post Nr. 19 vom 09.05.1925, 1. 45 Ebd. – Zipser Deutsche Partei: Zur Errichtung des Naturschutzparkes in der Tatra, in: Karpathen-Post Nr. 18 vom 02.05.1925, 1. 46 O. S., Genug!, in: Karpathen-Post Nr. 50 vom 12.12.1925, 1. – Dasselbe Argument u. a. bei: Die Hohe Tatra als Naturschutzpark, in: Karpathen-Post Nr. 18 vom 05.08.1928, 1 f.  – Andor Nitsch als Abgeordneter, Emmerich Varga als Senator von der Zipser Deutschen Partei kandidiert, in: Karpathen-Post Nr. 40 vom 05.10.1929, 1–3. – Ähnlich: Vier Jahre parlamentarischer Arbeit der Zipser Deutschen Partei, in: Karpathen-Post Nr. 40 vom 05.10.1929, 3 f. – Wir geben unsere Hochweiden nicht!, in: Karpathen-Post Nr. 12 vom 21.03.1931, 1.

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Gemeinschaft, so machte die spöttische Aufzählung deutlich, sei lediglich ein durchsichtiger Vorwand für immer neue Angriffe auf das Wirtschaftsleben der Minderheit. Bezeichnenderweise maß der Autor so wie zahlreiche weitere Personen aus den Reihen der Zipser Deutschen dem Begriff »Nationalpark« einen weit größeren Symbolwert zu, als das die Initiatoren der Idee, die Tatra zum Naturschutzgebiet zu machen, selbst taten. In Karel Domins einschlägigen Schriften wie auch in der internen Behördenkorrespondenz standen »Nationalpark« und »Naturpark« oder »Reservat« ohne erkennbare Systematik nebeneinander. Betonte das eine das amerikanische Vorbild, charakterisiert durch die staatliche Trägerschaft und die beträchtliche Größe des geschützten Gebiets, waren die beiden anderen pure Funktionsbezeichnungen. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass der anvisierte Nationalpark eine bewusste Strategie gewesen wäre, um die Minderheit zu schädigen. Sein Name ließ aber verschiedene Deutungen zu, vom Bezug auf eine übergreifende politische bis zu einer exklusiven ethnischen Nation. Dass er vor Ort als Bedrohung wahrgenommen wurde, vermag trotzdem nicht zu überraschen. Die potentiell Betroffenen waren nicht in die konzeptionelle Arbeit eingebunden, darüber hinaus erhielten sie Informationen nur in völlig unzureichendem Maß. Die Wirtschaftslage in der Tatraregion verschlechterte sich durch die Krise Ende der zwanziger Jahre noch weiter, was den Ruf nach direkter staatlicher Wirtschaftsförderung verstärkte, das Verständnis gegenüber Nutzungseinschränkungen aber drastisch reduzierte. Die interethnische Verständigung in der Zwischenkriegstschechoslowakei stellte ein strukturelles Problem dar, das einerseits in fehlgeleiteter Wahrnehmung und Missverständnissen gründete. Andererseits gab es Vorstöße der Regierung, die recht offensichtlich nationalistische Zielsetzungen verfolgten. Dazu zählte eine 1927/28 lancierte Gesetzesvorlage, die kaum verhüllt darauf abzielte, das Fremdenverkehrswesen in der Region zu slowakisieren.47 Der damalige Gesundheitsminister Jozef Tiso, Abgeordneter der autonomistischen Slowakischen Volkspartei Hlinkas (Hlinkova slovenská ľudová strana, HSĽS), der im Zweiten Weltkrieg zum Präsidenten des mit Nazi-Deutschland kollaborierenden Slowakischen Staates aufstieg, schlug vor, in der Tatra einen Bezirk für Tuberkulosekranke einzurichten. Als Begründung brachte er vor, dass damit die Kranken besser betreut werden könnten und sich die Ansteckungsgefahr für die Gesunden wesentlich verringern würde. Verwunderlich war an dem Vorschlag allerdings seine geographische Ausdehnung, denn das für die Tuberkulosesperrzone vorgesehene Gebiet umfasste vier renommierte Badeorte um Schmecks und Tatranská Polianka (Tatraweszterheim), sparte aber andere wie zufällig aus, namentlich Štrbské Pleso (Tschirmer See) und Tatranská Lomnica (Tatra­lomnitz). Die beiden letztgenannten wurden staatlich betrieben, während 47 Jahn, Deutschen, 86, 120.

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die von dem Gesetzentwurf betroffenen Kurorte zipserdeutschen Privatleuten gehörten. Um die Tuberkuloseschutzzone durchzusetzen, sollte die öffentliche Hand die Enteignung dieser Kurbetriebe durchführen können.48 Die Wohlhabenden unter den Zipser Deutschen begriffen diesen Plan als offenen Angriff. Diesem Standpunkt gab ihr politischer Anführer, der Vorsitzende der ZDP und Abgeordnete in der Prager Nationalversammlung Andor Nitsch, selbst Grundeigentümer aus Tatranská Lomnica, unmissverständlich Ausdruck. In seiner Rede vor der Nationalversammlung verglich er den Vorschlag des Gesundheitsministers mit der Praxis, Ghettos für Aussätzige einzurichten. Er ließ keinen Zweifel daran, dass ein solcher Schritt medizinisch keinesfalls gerechtfertigt sei, in Zeiten, da Tuberkulose in Krankenhäusern anstatt in Hochgebirgssanatorien geheilt werde. Davos habe seine großen Zeiten hinter sich. Überhaupt sei noch nirgends jemand auf die Idee verfallen, ein Sperrgebiet für Kranke mitten im beliebtesten Urlaubsgebiet zu errichten. Der Effekt dieses Vorschlags auf die lokale Wirtschaft mache sich bereits bemerkbar: Verunsicherte Gäste hätten ihre Buchung für das nächste Jahr zurückgezogen, denn wer wolle schon seine Ferien in einem Tuberkulosesperrgebiet verbringen? Der Hintergrund der Gesetzesinitiative sei einfach zu durchschauen: Der Gesundheitsminister strebe danach, die staatlichen Bäder von der Konkurrenz der wesentlich besser besuchten privat geführten Kurorte zu befreien.49 Fallengelassen wurde das Gesetz zum so genannten Tuberkuloserayon in der Tatra schließlich nicht allein wegen des standhaften Protests der Betroffenen, sondern weil es auch unter den Abgeordneten der übrigen Parteien keine Mehrheit fand. Offenbar war die nationalistische Stoßrichtung zu durchsichtig, während die befürchteten Auswirkungen auf die beliebte Fremdenverkehrs­ destination und die profitabel wirtschaftenden privaten Kurorte nicht mit dem 48 Der Gesetzentwurf in deutscher Sprache sowie eine Dokumentation der durch ihn ausgelösten Debatte im Parlament und den Medien findet sich in der Broschüre: Johann Strobl (Hrsg.), Fremdenverkehr, Volkswohlfahrt und Tatra-Gesetz. Eine Darstellung des Entwurfes eines Gesetzes über die Hohe Tatra und der Argumentation für und wider den Entwurf. Kes­ mark 1928. 49 Národní shromáždění republiky Československé, Těsnopisecká zpráva o 169. schůzi poslanecké sněmovny Národního shromáždění republiky Československé v Praze ve středu dne 24. října 1928. 24.10.1928, http://www.psp.cz/eknih/1925ns/ps/stenprot/169schuz/obsah. htm (letzter Zugriff: 02.09.2015), 16. – Národní shromáždění republiky Československé, Těsnopisecká zpráva o 183. schůzi poslanecké sněmovny Národního shromáždění republiky Československé v Praze ve pátek dne 15. února 1929. 15.02.1929, http://www.psp.cz/eknih/ 1925ns/ps/stenprot/183schuz/s183001.htm (letzter Zugriff: 02.09.2015). – Zu diesem Thema siehe die umfangreiche Berichterstattung in der Karpathen-Post, z. B.: Andor Nitsch als Abgeordneter, Emmerich Varga als Senator von der Zipser Deutschen Partei kandidiert. – Ähnlich: Vier Jahre parlamentarischer Arbeit der Zipser Deutschen Partei. – Ebenso die Zusammenstellung in Strobl (Hrsg.), Fremdenverkehr. Darin ist neben der innertschechoslowakischen Debatte auch eine mitteleuropäische Presseschau enthalten.

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nationalen Wohl gerechtfertigt werden konnten.50 Der politische Schaden in der Tatraregion war dennoch enorm, weil dort alle aus Prag kommenden Vorschläge immer stärker geradezu reflexhaft unter Verdacht gerieten, nationalistische Politik gegen die deutsche Minderheit zu sein. Als das Thema Nationalpark in den dreißiger Jahren wieder aufs politische Tapet gelangte, nachdem der erste Versuch des grenzüberschreitenden Reservats versandet war, war in den deutsch besiedelten Gemeinden am Fuß der Hohen Tatra die Ablehnung eindeutiger als je zuvor. Im Klima von wirtschaftlicher Krise und nationalpolitischer Radikalisierung blieb immer weniger Platz für die ursprüngliche Deutung des Parks als Symbol und Instrument einer überethnischen Verständigung. Die Interessenübereinstimmung zwischen deutschen und slowakischen AnwohnerInnen trat in den Hintergrund.51 Stattdessen schlug die Berichterstattung in der »Karpathen-Post« zunehmend markige Töne an: Die zähe Lebenskraft und der ungebrochene Lebenswille des Zipser Deutschtums ist immer noch vorhanden. Und deshalb werden wir den uns aufgezwungenen Kampf um unseren Lebensraum unentwegt weiterführen! Möge er Rayonierung heißen, Nationalpark oder Enteignungsantrag: wir erkennen in allen diesen Versuchen den Zweck, unseren Besitzstand zu schmälern, unser Wirtschaftsleben einzuengen und zu entfremden.52

Aus dem idealistischen Projekt der polnischen und tschechoslowakischen Naturwissenschaftler war in den fragilen Verhältnissen der Zwischenkriegszeit etwas ganz anderes geworden: die Bedrohung der lokalen Lebensverhältnisse durch ein geographisch und mental entferntes Zentrum, das im Fall der Tschecho­slowakei noch dazu in mehreren Abstufungen als »national anders« kodiert war. Es gab neben dem Naturschutz aber noch eine andere Art, Modernisierung ins Gebirge zu bringen. Der Bau von Seilbahnen forderte den Nationalparkplan aus einer anderen Warte heraus. NaturschützerInnen, Lokalbevölkerung und die politische Öffentlichkeit der beiden Staaten gerieten über dieses Thema noch einmal in anderer Weise in Streit um die Tatra.

50 Jahn, Deutschen, 120. 51 Diese Entwicklung deckt sich mit dem allgemeineren Befund, dass in der Zips bis weit in die Zwischenkriegszeit hinein die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen gut funktionierte, aber allmählich sprachethnische oder konfessionelle Unterschiede immer wichtiger wurden. Sulaček, Sociálne premeny, 171 f. 52 Kampf um den Lebensraum. Die Enteignungs- und Rayonierungsversuche in der Tatra, in: Karpathen-Post Nr. 21 vom 23.05.1936, 1 f., zitiert von 1. Hervorhebung im Original.

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3.4 Seilbahnfieber Mitte der dreißiger Jahre wurden beinahe parallel zwei Vorhaben für Luftseilbahnen in der Tatra in Angriff genommen. Ab 1935 konkretisierte sich der Bau einer Bahn von Tatranská Lomnica auf den über dem Ort thronenden Lomnický štít. Mit seiner charakteristischen Form und als dritthöchster Gipfel der Tatra handelte es sich um einen der bekanntesten Berge der slowakischen Hohen Tatra. Die Seilbahn versprach den umliegenden Gemeinden ein rasant steigendes BesucherInnenaufkommen und der TouristIn auf bequemem Wege ein spektakuläres Panorama. Bis die Bahn ihre Fahrt bis auf den Gipfel aufnehmen konnte, dauerte es allerdings bis 1941. Ganz im Gegensatz dazu erfolgte die Konstruktion einer Seilbahn von Kuźnice, dem Vorort von Zakopane, auf den Kasprowy Wierch in denkbar kurzer Zeit. Unmittelbar oberhalb der Tatrametropole gelegen, barg dieser Gipfel die beliebtesten Skihänge auf der Nordflanke des Gebirges. In insgesamt nur sechs Monaten intensiver Schichtarbeit im winterlichen Hochgebirge entstand um den Jahreswechsel 1935/36 ein Bauwerk, das sich technisch auf der Höhe der Zeit befand und Trends der zeitgenössischen Architektur reflektierte.53 Für die geplanten Nationalparks bedeuteten diese Erschließungsvorhaben das vorläufige Aus. Während das tschechoslowakische Reservat ohnehin noch wenig konkret war, glaubten sich die polnischen NaturschützerInnen Mitte der dreißiger Jahre kurz vor dem Ziel. Der aus dem Verkehrsministerium kommende Vorstoß, der auf die Steigerung der touristischen Attraktivität der Region abzielte, brachte jedoch das schon weit ausgearbeitete Projekt zum sofortigen Stillstand. Nationalpark mit einer Seilbahn als Touristenmagnet im Herzen der polnischen Tatra, das erschien den ZeitgenossInnen als nicht kompatibel. Stärker als je zuvor wurde in Polen wie in der Tschechoslowakei der Vergleich mit den Alpen zum politischen Argument, das sowohl BefürworterInnen als auch GegnerInnen einsetzten, um ihr Anliegen durchzusetzen. Die diesem Konflikt zugrundeliegende Streitfrage war die nach konkurrierenden Modernevorstellungen. Es ging darum, welche Zukunftsvision für das kleine Hochgebirge sich durchsetzen würde: diejenige eines attraktiven Ferienressorts nach westeuropäischem Standard oder diejenige einer staatlich gelenkten Zugänglichmachung unter dem Primat der Bewahrung nationaler Landschaft und Folklore. Nicht nur in der Tatra entzündete sich dieser Konflikt an Seilbahnbauten. Wolfgang König urteilt in seiner Studie zur touristischen Erschließung der Schweizer Alpen, dass solche Bauprojekte »wie kaum ein zweiter

53 Eine lesenswerte Darstellung der Episode mit der Seilbahn auf den Kasprowy Wierch bei Stone, Cable Car.

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Gegenstand die Möglichkeit [bieten], die heikle Gratwanderung zwischen Naturerschließung und Naturbewahrung nachzuvollziehen«.54 Trotz der tiefgreifenden Wirtschaftskrise entwickelte sich die Tatra in der Zwischenkriegszeit zu einer attraktiven Tourismusdestination, die im In- und Ausland mit den Reizen ihrer schneebedeckten Gipfel warb.55 Wie in den Alpen, nur zeitversetzt, kam zum anfänglichen Sommerbetrieb nach und nach die Wintersaison hinzu, auf der Südseite bereits vor dem Ersten Weltkrieg, auf der Nordseite in größerem Stil erst nach 1918.56 Seit den 1920er Jahren war Zakopane nicht länger nur im Sommer ein äußerst beliebtes Ziel, sondern avancierte auch zur »Wintermetropole« des jungen Staates.57 Der Wintersport hielt an den Nordhängen Einzug und brachte neue Gruppen von BesucherInnen in das Gebirge. Neben den Angehörigen der KünstlerInnenkolonie strömte nun auch zunehmend das Bürgertum an den Fuß der Tatra.58 In den Kurorten und Fremdenverkehrszentren der südlichen Hohen Tatra machte sich zwar zunächst das plötzliche Fernbleiben der ungarischen Gäste schmerzlich bemerkbar, das aber bald durch die nun zahlreich einströmenden TschechInnen kompensiert wurde. Anstatt des vor 1918 stark vertretenen Adels und Großbürgertums stellten nun bürgerliche Schichten bestimmende Teile der BesucherInnen.59 Hinzu kam in Polen wie in der Tschechoslowakei ein wachsender ArbeiterInnentourismus.60 Der Tatratourismus in der Zwischenkriegszeit zeichnete sich damit allgemein durch steigende Publikumszahlen und Demokratisierung aus. Vorschläge für den Bau von Seilbahnen auf unterschiedliche Gipfel der Tatra hatte es seit der Jahrhundertwende bereits zahlreiche gegeben, doch wegen mangelnder politischer Rückendeckung und fehlender finanzieller Mittel war keiner davon zustande gekommen.61 Das war in den 1930er Jahren grundlegend anders. 54 Wolfgang König, Bahnen und Berge. Verkehrstechnik, Tourismus und Naturschutz in den Schweizer Alpen 1870–1939. Frankfurt / Main, New York 2000, 7. 55 Vgl. Stone, Cable Car, 610–612. 56 Für die südliche Tatra Lipták, Tatra, 267. 57 »Winterhauptstadt« oder »polnisches Davos« bei Stone, Cable Car, 610. Die Bezeichnung »stolica zimowa« (Winterhauptstadt) ist bis heute eine Standardbezeichnung in der touristischen Reklame für Zakopane. 58 Ebd., 605. 59 Houdek spricht davon, dass vor dem Zweiten Weltkrieg etwa 90 % der Besucher TschechInnen gewesen seien. Es ist nicht klar, wie diese Zahl erhoben wurde und wie glaubwürdig sie ist. Unbestritten ist aber der große Anteil tschechischer TouristInnen in der Tatra. Houdek, Osudy, 1951, 161 f. – Von »vielen Tschechen« spricht auch Lipták. Bei ihm auch der Hinweis auf die Demokratisierung des Publikums. Lipták, Tatra, 270 f. 60 Sei es durch spezielle, den deutschen »Naturfreunden« analoge Tourismusvereine oder durch gewerkschaftlich betriebene Strukturen. Für Polen vgl. Lemma »turystyka robotnicza«, in: Radwańska-Paryska, Paryski, Wielka encyklopedia. – Stone, Cable Car, 605 f. 61 Lemma »koleje linowe«, in: Radwańska-Paryska, Paryski, Wielka encyklopedia. – Für vorherige Gipfelbahnvorschläge: Sokołowski, Tatry, 9. – Gyula A. Hefty, Die Drahtseilbahn zum Steinbachsee, in: Karpathen-Post Nr. 9 vom 26.02.1938, 1

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Hinter den Projekten für den Lomnický štít und den Kasprowy Wierch standen politisch hervorragend vernetzte Einzelpersonen in einflussreicher Position. Sie wussten einen beträchtlichen Teil der Lokalbevölkerung hinter sich. Und auch die Imaginationen, die mit einem solchen Bauwerk verknüpft waren, hatten sich verändert. In den Alpen und vielen Mittelgebirgen funktionierten bereits zahlreiche Bergbahnen und Lifte, die den Wintersport zu einem massentauglichen Zeitvertreib machten. In den 1930er Jahren begann die Ära der Luftseilbahnen. IngenieurInnen überspannten immer größere Distanzen in schwierigstem Gelände mit Stahlseilen, SkifahrerInnen forderten immer schwierigere und spektakulärere Abfahrten. Der Wintersport war zu einem Emblem des modernen Lebens und die Eroberung der Gipfel via Bergbahn zum Gradmesser für technisches Können geworden.62 Für die beiden neu entstandenen Staaten im östlichen Mitteleuropa stellte dies eine willkommene Bühne dar, um die Modernität ihrer Gesellschaften und ihrer technischen Leistungen auf spektakuläre Art unter Beweis zu stellen. In der Tschechoslowakei passte sich der Vorstoß, den Lomnický štít per Schwebekabine bequem zugänglich zu machen, nahtlos in die um die Nationalparkpläne entstandenen Konflikte ein. 1934 verdichteten sich die Anzeichen, dass das slowakische Landesamt in Bratislava, die mit der Selbstverwaltung der Slowakei betraute Behörde, konkrete Schritte für das Bauvorhaben in die Wege leitete. Die Initiatoren waren zwei Brüder, der Landespräsident der Slowakei Jozef Országh und der Direktor des Badebetriebs in Tatranská Lomnica Juraj Országh.63 Nicht zufällig sollte die Talstation in diesem Kurort errichtet werden, immerhin versprach sie eine wesentliche Steigerung des BesucherInnenaufkommens. Mit Blick auf die Beweggründe der Behörde (außer der familiären Verbindung) wirkt der Plan wie ein Gegenentwurf zum Nationalparkprojekt. Statt des aus Prag forcierten Naturreservats, aus dessen Konzipierung man sich ausgeschlossen fühlte, machte das Landesamt die touristische Erschließung des Gebirges zur politischen Priorität. Ein beträchtlicher Teil des regionalen Budgets sollte für den Bau aufgewendet werden.64 Auch an diesem Projekt schieden sich die Geister. Vielerorts rief es Ablehnung hervor, und zwar nicht bloß in den tschechoslowakischen Naturschutzkreisen. Die Naturschutz- und Tourismusorganisationen in Polen, unter anderem PROP und PTT, verfolgten die Geschehnisse beim südlichen Nachbarn 62 König, Bahnen, 181 f., 185–188. – Stone, Cable Car, 609–611. – Andrew Denning, From Sublime Landscapes to »White Gold«. How Skiing Transformed the Alps after 1930, in: Environmental History 19, 2014, H. 1, 78–108, hier 84, 88 f. 63 Die Fremdenverkehrstagung der Tatragegend, in: Karpathen-Post Nr. 48 vom 28.11.1931, 1–3, hier 1. – Hefty, Die Drahtseilbahn zum Steinbachsee. – Schreiben Domin an Goetel vom 09.03.1934. ANM , Osobní fond Karel Domin, k. 10, ivč. 1179. 64 Schreiben Goetel an Domin vom 08.03.1934. Ebd.  – Schreiben PTT an KČST vom 28.11.1934. ANM , Osobní fond Karel Domin, k. 5, ivč. 423.

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genau und sparten nicht mit Kritik. Kernpunkte waren die Verschandelung der Landschaft durch das technische Ensemble und die notwendige Infrastruktur auf dem Gipfel sowie der zu erwartende sprunghafte Anstieg des BesucherInnenaufkommens.65 Aber auch innerhalb der slowakischen Bevölkerung stieß die Aussicht auf den kostspieligen Prestigebau keineswegs auf ungeteilte Begeisterung. In einem harschen Kommentar urteilte die Zeitung »Slovák« (Der Slowake), dass die Bahn zwar für einige Jahre eine Attraktion darstellen, dann aber zwangsläufig zum finanziellen Sorgenkind für die Slowakei verkommen würde.66 Solchen Warnungen zum Trotz erfreute sich das Seilbahnprojekt in Teilen der slowakischen Bevölkerung großer Beliebtheit.67 Ebenso kam Unterstützung vom gesamtstaatlich agierenden Tschechoslowakischen Touristenclub (Klub česko­ slovenských turistů, KČST), der eine Luftseilbahn als den perfekten Kompromiss von Erschließung und Bewahrung bezeichnete, da sie ja über die Natur hinübergeführt werde.68 Die bemerkenswerteste und für die touristische Erschließung der Tatra wahrscheinlich folgenreichste Reaktion zeigte der »Ilustrowany Kurier Codzienny« (Illustrierter Tageskurier, IKC). 1934 begann auf den Seiten des auflagenstarken Krakauer Boulevardblatts eine regelrechte Kampagne gegen die PROP und das Nationalparkvorhaben der polnischen Regierung. Als Aufhänger dienten die Entwicklungen rund um den Lomnický štít. Der Tenor des Blattes lautete, dass Szafer, Goetel und deren Mitstreiter sich jedem Fortschritt in den eigenen Bergen in den Weg stellen und sich gleichzeitig ihres wohltuenden Einflusses auf die tschechoslowakische Naturschutzpolitik rühmen würden. Die Nachbarn im Süden hätten dahingegen nichts anderes zu tun, als hinterrücks und entgegen aller Absprachen ihren Teil der Tatra mit einem touristischen Monumental­ bauwerk auszustatten. Am 15. März des Jahres titelte der IKC demgemäß: »Die slowakische Landesregierung macht den Bau der Seilbahn auf den Lomnický štít amtlich bekannt – nur unsere ›Schutzbeauftragten‹ wissen davon immer noch

65 Ebd. – In der internen Kommunikation der tschechoslowakischen Regierungsbehörden und in der Korrespondenz von Domin mit Goetel und Szafer wird immer wieder auf die schlechte Presse hingewiesen, die der tschechoslowakische Umgang mit der Tatra in Polen habe. Diese negative Berichterstattung wird auch mehrfach als Begründung angeführt, weshalb die Regierung gegen den Seilbahnbau vorgehen und den Nationalpark verwirklichen müsse. 66 Artikel im »Slovák« erschienen am 30.01.1936, zitiert in: Scharfe Stellungnahme gegen die geplante Seilbahn auf die Lomnitzer Spitze, in: Die Hohe Tatra Nr. 3 vom 22.02.1936, 5. – Ebenfalls zitiert bei Holec, Človek, 272. 67 Schreiben Domin an Goetel vom 26.03.1934, vom 11.02.1935. ANM , Osobní fond Karel Domin, k. 10, ivč. 1179. 68 Abschrift des Schreibens von Ministerství železnic an Zemský úrad v Bratislave vom 19.03.1935, »Věc: Veřejná visutá lanový draha: ›Tatranská Lomnice – Lomnický Štít‹«. NA , Klub československých turistů 1888–1948, k. 254.

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nichts!«69 Die sich aus diesen Zuständen ergebende Konsequenz stand für die Zeitung fest: Weg mit den weltfremden und korrupten Naturschützern von ihren Posten und freie Fahrt für ein dem tschechoslowakischen Projekt mindestens gleichwertiges Programm für die polnische Tatra.70 Hinter diesem Angriff standen Interessen, die noch stärkeren Rückhalt in der politischen Spitze des Landes besaßen, als es bei den Országh-Brüdern der Fall war. Aleksander Bobkowski war seit 1933 stellvertretender polnischer Verkehrsminister und als Ingenieur Verfechter des technischen Fortschritts. Privat war er Schwiegersohn von Staatspräsident Mościcki und ein leidenschaftlicher Skifahrer. Er betrachtete die Entwicklung Polens zu einer Touristendestination von europäischem Rang als sein persönliches politisches Projekt, wobei Zakopane und der Tatra als Wintersportressort besondere Bedeutung zukamen. Für diese Vision konnte er sich der unbedingten Unterstützung des IKC versichern, der regierungsfreundlich und selbst betont modern ausgerichtet war.71 Gekoppelt mit der Kampagne gegen das Nationalparkprojekt war ein konkreter Alternativvorschlag für die Zukunft der Tatra, für den Bobkowski seinen ganzen Einfluss geltend machte: eine Luftseilbahn auf den Kasprowy Wierch, das beliebte Skigebiet der Zakopane-UrlauberInnen. In seiner polarisierenden Wirkung stand dieser Vorschlag dem tschechoslowakischen Pendant in nichts nach. Breite Zustimmung fand er vor Ort, in den Verwaltungsbehörden und bei vielen EinwohnerInnen von Zakopane, GoralInnen ebenso wie Zugezogenen. Die Hoffnung auf wirtschaftliche Belebung und einen Zugewinn an mondäner Lebensart war verknüpft mit der ohnehin vorhandenen, vom IKC jedoch noch gezielt geschürten Furcht der BäuerInnen, durch den Nationalpark aus dem Gebirge ausgeschlossen zu werden.72 Auf der anderen Seite stand eine Naturschutzbewegung, die ebenfalls über einiges Mobilisierungspotential verfügte. Im ganzen Land wurden Solidaritätsbekundungen für die Sache des Naturreservats abgehalten.73 1935 trat die PROP unter Szafers Vorsitz geschlossen zurück, was ob ihres Ansehens in der polnischen Bevölkerung und der exzellenten internationalen Vernetzung einen Gesichtsverlust der Regierung bedeutete. Kurze Zeit später wurde das Gremium deswegen wieder 69 Schreiben Goetel an Domin vom 14.03.1934. ANM , Osobní fond Karel Domin, k. 10, ivč. 1179. 70 Schreiben Goetel an Domin vom 16.02.1934. Ebd. – Ein Beispiel für die Linie des IKC im Artikel: 13 sukcesów. 71 Stone, Cable Car, 609–613. – Lemma »Bobkowski Aleksander«, in: Radwańska-Paryska, Paryski, Wielka encyklopedia. In diesem Eintrag kommt deutlich der schlechte Ruf zum Ausdruck, der Bobkowski noch Jahrzehnte später in der polnischen Naturschutzszene anhing. 72 Stone, Cable Car, 613 f. 73 Schreiben Goetel an Domin vom 16.02.1934. ANM , Osobní fond Karel Domin, k. 10, ivč. 1179. – Protestschreiben in: AAN, Ministerstwo Spraw Zagranicznych w Warszawie, Departament Polityczno-Ekonomiczny. Wydział Prasowy, 9030; B25437 (MF).  – Zur Gegenkampagne der NaturschützerInnen: Stone, Cable Car, 618–620.

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eingesetzt und eine Organisationskommission für den Nationalpark berufen, aus deren Arbeit dann 1939 der Naturpark hervorging.74 Das Presseecho war wahrscheinlich noch größer als in der Tschechoslowakei. Allein in den ersten neun Monaten des Jahres 1934 kam Walery Goetel bei einer Zählung auf etwa 450 Artikel pro und contra Seilbahn in über 90 Zeitungen.75 Die öffentliche Empörung konnte jedoch nichts gegen einen Vizeverkehrsminister ausrichten, der Nägel mit Köpfen machte. Noch bevor die Baugenehmi­ gung eintraf, hatten die Arbeiter im Sommer 1935 begonnen, am Hang des Ka­ sprowy Wierch auf der vorgesehenen Strecke die Bäume zu roden und Bauteile nach oben zu schaffen.76 Im März 1936 konnte die Bahn dem öffentlichen Betrieb übergeben werden und verzeichnete schon nach kurzer Zeit hohe Auslastung.77 Aus der Repräsentation der Region und des Urlaubsziels Polen war sie seither nicht mehr wegzudenken. Die modernistischen Gebäude der Bergund Talstationen, insbesondere aber das Bild einer Kabine in schwindelnder Höhe verdeutlichten die technische Leistung, zu der Polen fähig sei. Ein solches Foto findet sich beispielweise auf einer englischsprachigen Werbebroschüre von 1939, das die Bahn auf ihrer Fahrt gefährlich nah an einer Felswand vorbei zeigt (Abb. 3). Der dazugehörige Text pries die Bahn als eine der längsten Europas und versprach: »In 20 minutes the Kasprowy railway takes its passengers into the high mountains, opening for them a wonderful panorama.«78 Für die NaturschützerIn­nen wurde dasselbe Bild dagegen zum Emblem ihrer größten Niederlage.79 Durch die Kampagne in Medien und Politik gegen den National 74 Walery Goetel, Sprawa Tatrzańskiego Parku Narodowego, in: Wierchy 14, 1936, 1­ 69–196, 169. 75 Goetel, O czar, 153–156. Seine Zählung war möglicherweise parteiisch, denn er sprach von 390 Artikeln gegen, 67 für die Seilbahn. Die Zahl der tatsächlichen Berichte in dem betreffenden Zeitraum war also vielleicht noch höher als angegeben. Ebd. gibt Goetel die Zahl von 94 Petitionen für den Nationalpark an. – Dieselben Zahlen in der von der PROP herausgegebenen Informationsbroschüre: Kolejka na Kasprowy Wierch w Tatrach. Dokumenty i fakty. Kraków 1935, http://​polona.pl​/​item/​31877440/​2/​ (letzter Zugriff: 25.08.2015), 5 f. 76 1935 wurde eine eigene Baugesellschaft für die Seilbahn gegründet. Vgl. AAN, PRM , KERM , spis 1179. 77 Stone, Cable Car, 617 f. 78 Zakopane (843–1000 m). The Tatra  – the Pieniny: Poland. Warszawa 1939, https://​ polona.pl​/​item/​zakopane-843-1000-m-the-tatra-the-pieniny-poland,NTM4MDA 3NDM /​0/​ (letzter Zugriff: 21.07.2016), zitiert von 5. – In der Datenbank »Polona« der Polnischen Nationalbibliothek finden sich einige fremd- oder mehrsprachige Broschüren aus der Zwischenkriegszeit, die die polnische oder tschechoslowakische Tatra einem ausländischen Publikum näherbringen sollten. 79 Der Eintrag zum Kasprowy Wierch in der (in der ursprünglichen Fassung in den 1970er Jahren erschienenen) Tatraenzyklopädie zeugt von der Langlebigkeit dieses Antimythos. Die Verteufelung Bobkowskis und seines Wirkens wurde noch bestärkt von der in der Volksrepublik opportunen Distanzierung von der Vorkriegsregierung. Viel eher als einen informativen Überblick stellt der vorliegende Eintrag deshalb eine politische Verurteilung dar. Lemma »Kasprowy Wierch«. Radwańska-Paryska, Paryski, Wielka encyklopedia.

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Abb. 3: Die Seilbahn auf den Kasprowy Wierch in einer polnischen Werbebroschüre von 1939

park wurde dessen Gründung auf Eis gelegt, der Naturpark von 1939 konnte lediglich ein Trostpflaster sein. Noch dazu hatte das Programm der ungehinderten Zugänglichmachung der Berge für den Fremdenverkehr auf weithin sichtbare Weise über die gelenkte Vereinbarung von Nutzung und Bewahrung triumphiert. Was hier aufeinanderprallte, war der Konflikt zwischen Modernisierung im Sinne der größtmöglichen Durchdringung aller Gegenden mit dem technischen Fortschritt und im Sinne der wohlgeordneten, paternalistischen Entwicklung der Tatraregion. In dieser Diskrepanz hallte das Dilemma vieler anderer Naturregionen wider: von den amerikanischen Nationalparks, die bereits seit den zwanziger Jahren mit dem massenhaften Autotourismus zu kämpfen hatten, zu

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den Alpen, wo in dieser Zeit große Infrastrukturbauten verwirklicht wurden, von Seilbahnen bis zu Talsperren.80 Auf dem Spiel standen in den Augen der GegnerInnen solch einer »Zivilisierung« der Berge nicht bloß die Natur, sondern auch der Mensch. Alfred Grosz, der die Naturschutzfraktion im sich gegenüber der weiteren Erschließung der Tatra ambivalent gebenden Karpathenverein anführte, bediente sich der gängigen Stereotypen gegen den verweichlichten Lebenswandel moderner StädterInnen: »Nach dieser Auffassung wäre das Endziel etwa erlangt, wenn auf den Tatrahöhen Kaffeehäuser stehen würden, in die die Autofexe in aller Behaglichkeit bei Jazzmusik tanzen fahren können.«81 Wenigstens die Berge, so lautete der flehentliche Tenor, sollten von diesen Phänomenen verschont bleiben. Solch eine Sichtweise hatte es schwer in Gesellschaften, die wirtschaftlich und sozial zu Westeuropa aufschließen wollten. Sowohl für SeilbahnbefürworterInnen als auch für deren GegnerInnen waren die Alpen die Referenzgröße. Während beispielsweise der IKC darauf drängte, mit der dortigen touristischen Entwicklung mitzuhalten und sich für Zakopane den Schick der Schweizer Winterkurorte ausmalte,82 wies Grosz, ebenso wie seine SinnesgenossInnen, auf den augenfälligen Unterschied in Fläche und Höhe zwischen den beiden Gebirgen hin: »Es ist also klar, daß man aus der Tatra nicht die Alpen machen kann und soll die Tatra auch nicht als Konkurrenz derselben auftreten wollen.«83 Gerade charakteristische Gipfel wie das Matterhorn oder die Meije würden von Bergbahnen verschont, und dieser Linie gelte es auch in der Tatra zu folgen. Insbesondere der Lomnický štít müsse deshalb tabu sein.84 Diese Einwände konnten sich schließlich nicht durchsetzen, auch wenn der Gipfel noch einige Jahre seine unveränderte Form behielt. Der erste Abschnitt zum Skalnaté pleso (Steinbachsee) wurde 1938 fertiggestellt und konnte wie die Bahn auf den Kasprowy Wierch als Ingenieursleistung auf der Höhe der damaligen Maßstäbe gelten.85 Als die Fahrt bis auf den Lomnický štít 1941 aufgenommen wurde, hatten sich die politischen Zustände fundamental gewandelt. Die deutsche Aggression in Ostmitteleuropa und der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs bedeuteten auch für die Tatraregion einen tiefen Einschnitt. Aus der Zerschlagung der Tschecho 80 Paul Sutter, Driven Wild. How the Fight Against Automobiles Launched the Modern Wilderness Movement. Seattle 2005. – Hasenöhrl, Naturschutz. 81 Grosz, Schafft, 4. 82 Zitiert in Stone, Cable Car, 621. 83 Grosz, Schafft, 4. Hervorhebung im Original. 84 Verweise auf die Schweiz finden sich in zahlreichen der Protestschreiben gegen Seilbahnen auf den Kasprowy Wierch und Lomnický štit, gesammelt in: AAN, Ministerstwo Spraw Zagranicznych w Warszawie, Departament Polityczno-Ekonomiczny. Wydział Prasowy, 9030; B25437 (MF). – Schreiben PTT an KČST vom 28.11.1934. ANM , Osobní fond Karel Domin, k. 5, ivč. 423. – Walery Goetel, Rozwój prac nad górskiemi parkami narodowemi, in: Wierchy 12, 1934, 140–160, hier 149, 156 f. 85 Ein begeisterter Bericht: Hefty, Drahtseilbahn. – Stone, Cable Car, 618.

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slowakei durch das nationalsozialistische Deutschland ab 1938 ging die Slowakei als formal selbstständiger, aber vom deutschen Einfluss abhängiger Staat hervor.86 Polen wiederum teilten Deutschland und die Sowjetunion untereinander auf, wodurch Podhale und die nördliche Tatra plötzlich im deutsch besetzten Generalgouvernement lagen.87 Der »Kampf« um die Berge hatte damit eine neue Bedeutung angenommen. Nun ging es nicht länger um den Grenzkonflikt zwischen den Nachbarstaaten oder um den heftig geführten Streit zwischen konkurrierenden Interessengruppen. Die Nutzung der Berge war nicht mehr Gegenstand einer offenen gesellschaftlichen Diskussion. Stattdessen wurden die Tatraregion und ihre BewohnerInnen gewaltsam den Zielen des nationalsozialistischen Eroberungs- und Vernichtungskriegs untergeordnet.

3.5 Wessen Nationalparks? Im Verlauf der Zwischenkriegszeit kam es zu verschiedenen, zeitweise in martialischer Rhetorik ausgetragenen innergesellschaftlichen Konflikten um die Zukunft der Tatra als Raum von Naturbewahrung und menschlicher Aktivität. In den Auseinandersetzungen um die Tatra taten sich verschiedene Konfliktlinien auf, die grundsätzliche Probleme berührten. Bei den FremdenverkehrsunternehmerInnen der Zips verband sich zum Beispiel die Furcht vor sozialem Abstieg mit dem Verdacht, nationalitätenpolitisch benachteiligt zu werden. In der polnischen öffentlichen Debatte um die Seilbahn ging es wiederum um die Frage, ob der Nationalpark nicht bloß ein Elitenprojekt sei, während die Interessen der Bevölkerung in der breiten Zugänglichmachung und ungehemmten Bewirtschaftung der Berge lägen. Dabei zeugte die engagiert geführte öffentliche Debatte von der Pluralität und politischen Kultur, die sich in kurzer Zeit herausgebildet hatte. Die mangelnde Einbeziehung der Lokalbevölkerung und der entscheidende Einfluss von Einzelpersonen mit den richtigen politischen Beziehungen weist hingegen auf die Grenzen einer offenen Entscheidungsfindung hin. Das Nationale im Nationalpark machte den Disput umso heftiger, denn damit wurden viel grundsätzlichere Probleme angesprochen. Anstatt im integrativen Sinn als Projekt einer politischen Gemeinschaft zu gelten, betrachteten verschiedene Gruppen das Naturreservat immer mehr als exklusives, von außen oktroyiertes Gebilde. Das lag nicht nur an den disparaten Vorstellungen in Bezug auf die Tatra und an der Unversöhnlichkeit der verschiedenen Interessengruppen, 86 Ivan Kamenec, The Slovak state, 1939–1945, in: Mikuláš Teich, Dušan Kováč, Martin D. Brown (Hrsg.), Slovakia in History. Cambridge, New York 2011, 175–192. – Tatjana Tönsmeyer, Das Dritte Reich und die Slowakei 1939–1945. Politischer Alltag zwischen Kooperation und Eigensinn. Paderborn 2003. 87 Teodor Gąsiorowski, Podhale w planach niemieckiego okupanta, in: Biuletyn Institutu Pamięci Narodowej, 2010, H. 1–2 (108–109), 20–23.

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sondern war schon im Vorschlag selbst angelegt. Obwohl der Nationalparkplan ursprünglich auf die Vereinbarung verschiedener Interessen abgezielt hatte, erwies er sich als nicht flexibel genug für die Realitäten vor Ort. Mit dem Titel »Nationalpark«, der Fokussierung auf das gesamte Gebirge und der Prämisse, dass es sich um Land im zentralstaatlichen Eigentum handeln müsse, hatten die NaturschutzaktivistInnen die Latte sehr hoch gehängt. Im Verlauf der Konflikte zeigten sie geringe Kompromissbereitschaft, von diesen Setzungen abzuweichen. Unter diesen Voraussetzungen war es offensichtlich nicht möglich, einen allgemein akzeptierten Umgang mit dem Hochgebirge zu finden. Zu sehr wichen die Vorstellungen voneinander ab, ob daraus ein ideelles kollektives Eigentum in staatlicher Obhut werden solle oder ob es vor allem eine wirtschaftliche Res­ source in privater Hand sei. Ebenso war umstritten, inwiefern die Einheimischen die Hoheit über die Berge behalten würden oder ein Modernisierungsimpuls von außen die Region verändern würde. Noch dazu gab es mit den Nationalparks und den Seilbahnen zwei diametral entgegengesetzte Visionen von der Moderne. Bei allen Auseinandersetzungen ging es immer auch um die Position der Tatra im gesamtstaatlichen Rahmen  – um die Rolle, die die Berge für die Gesamtgesellschaft spielen sollten, und die Frage, wie stark die Region durch von außen kommende Impulse geprägt würde. Die Nationalparkidee wurde dann in beiden Ländern in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg realisiert. Dieser Schritt wies eindeutig in eine Richtung: Es war das Projekt von AkteurInnen aus Wissenschaft und Politik, das den Anspruch auf gesamtgesellschaftliches Eigentum und staatliche Regulierung ausdrückte. Wie das folgende Kapitel zeigt, wurde dieses Vorgehen durch die gewaltsamen Bevölkerungsverschiebungen und die damit verbundene Verletzung der Eigentumsordnung während des Krieges und unmittelbar danach wesentlich erleichtert.

4. Vertreibung und Nationalparks

4.1 Wehmut und Pragmatismus: Die Erinnerung der Zipser Deutschen an die Tatra Bald lag Groß-Lomnitz hinter uns. Noch einmal blickte ich auf die ›Lumntz‹ zurück, dann wandte sich mein Auge unseren majestätischen Bergriesen zu, deren Grate in den farbenprächtigen Strahlen der untergehenden Sonne mich noch einmal zum Abschied grüßten. War das möglich? Diese Frage bewegte uns alle. Vorgestern stand ich noch auf der Schlagendorfer Spitze und vor mir lag im Glanz der Sonne das Poppertal, hinter mir blickte ich in die großartige Märchenwelt der Berge – nun war alles mit einem Schlage vorbei.1

In diesen Worten schilderte ein Deutscher aus der Zips, ein gewisser H. K.,2 den Moment des Abschieds von seinem Heimatort, dem heutigen Veľká Lomnica (Großlomnitz). Er verließ am Abend des 29. August 1944 mit seiner Familie und den übrigen BewohnerInnen Hals über Kopf die zwischen Kežmarok und Poprad gelegene Gemeinde. Ein strahlender Sommertag ging zu Ende, an dem sich »ein tiefblauer Himmel über dem Poppertal und der Hohen Tatra«3 gewölbt hatte. An diesem Tag brach der Slowakische Nationalaufstand aus. Ein Teil der slowakischen Armee unter Führung des oppositionellen Slowakischen Nationalrats erhob sich gegen die Allianz aus slowakischem Kollaborationsregime und deutscher »Schutzmacht«. Das Zentrum des Aufstands lag in der Mittelslo­ wakei um die Stadt Banská Bystrica (Neusohl), aber ihr Operationsgebiet erstreckte sich bis in die Tatraregion.4 Als der Ruf durch Veľká Lomnica dröhnte, die Partisanen seien im Anmarsch, warfen die verängstigten EinwohnerInnen in aller Eile das Nötigste auf ihre Pferdewagen und machten sich auf den Weg 1 H. K., Auf der Flucht nach Zakopane. Erinnerungen eines Großlomnitzers an die Partisanenzeit, in: Die Karpatenpost Nr. 8 vom August / September 1951, 11 f., hier 11. 2 Wahrscheinlich handelte es sich um einen Jungen oder jungen Mann. 3 Ebd. 4 Martin Zückert, Slowakei. Widerstand gegen Tiso-Regime und nationalsozialistische Vorherrschaft, in: Gerd R. Ueberschär (Hrsg.), Handbuch zum Widerstand gegen Nationalsozialismus und Faschismus in Europa 1933/39 bis 1945. München 2008, 241–249, hier 248. – Vilém Prečan, The Slovak National Uprising. The most dramatic moment in the nation’s history, in: Mikuláš Teich, Dušan Kováč, Martin D. Brown (Hrsg.), Slovakia in History. Cambridge, New York 2011, 206–228. – Für die Ausdehnung des Aufstandsgebiets siehe die Karte in Kamenec, Slovak state, 176.

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in Richtung Nordosten. Sie folgten dem Tal des Poprad, um sich dann nach Osten zu wenden. Unterwegs schlossen sich die BewohnerInnen des Nachbarorts Huncovce (Hunsdorf) dem Zug an und die Nachricht vom Vorrücken der PartisanInnen trieb die Menschen und Tiere weiter auf ihrem Weg. Das Tal des Beler Baches führte sie auf die für sie als Volksdeutsche sichere Nordseite der Berge, in das Generalgouvernement. Am 31. August erreichte der Flüchtlingszug Zakopane. Vorerst war es für H. K. nur ein einstweiliger Abschied von seiner Heimatgemeinde. Bereits nach einer Woche waren die PartisanInnen des Nationalaufstands so weit zurückgedrängt, dass der Treck in die Zips zurückkehren konnte.5 Doch ebenso wie das Exil in Zakopane war auch die Rückkehr nicht von langer Dauer. Als die Rote Armee immer näher rückte, befahl der Reichsführer-SS Heinrich Himmler am 26. Oktober 1944 die Evakuierung der Zipser Deutschen. Viele flüchteten auch auf eigene Faust nach Westen, nachdem sie oft bis zum letzten Moment gewartet hatten. Zwischen 100.000 und 120.000 Deutsche flohen schließlich aus der gesamten Slowakei oder wurden evakuiert. Ein kleiner Teil von ihnen kehrte nach Kriegsende zurück, unterlag aber genauso wie die Sudetendeutschen im tschechischen Landesteil der Zwangsaussiedlung durch die Regierung der wiederhergestellten Tschechoslowakei. Von den 1937 fast 160.000 Deutschen in der Slowakei blieben danach etwas mehr als 27.000 im Land.6 Die Quelle gibt keine Auskunft über den Weg, der H. K. letzten Endes aus der Zips führte. Aus seinem Bericht geht aber hervor, dass er zu dem überwiegenden Teil dieser Bevölkerungsgruppe gehörte, die sich von da an als Heimatvertriebene bezeichnete. Dieser Bericht erschien im Spätsommer 1951 in der »Karpatenpost«, dem »Organ der Karpatendeutschen Landsmannschaft Slowakei«. So wie H. K. veröffentlichten dort viele andere ihre Erinnerungen an Flucht und Vertreibung und vor allem an die »alte Heimat«. Diese Texte waren Teil der umfangreichen Erinnerungskultur, die die deutschen Vertriebenen in der Bundesrepublik schufen, um den Gedanken an ihre Herkunftsregionen wachzuhalten, und nicht selten auch, um den Anspruch auf Rückkehr zu untermauern.7 Auch H. K. schloss 5 H. K., Flucht. 6 Dušan Kováč, Die »Aussiedlung« der Deutschen aus der Slowakei, in: Detlef Brandes, Edita Ivaničková, Jiří Pešek (Hrsg.), Erzwungene Trennung. Vertreibungen und Aussiedlungen in und aus der Tschechoslowakei 1938–1947 im Vergleich mit Polen, Ungarn und Jugoslawien. Essen 1999, 231–236. – Dušan Kováč, Deutsche aus der Slowakei, in: Kristina Kaiserová, Dmytro Myeshkov, Krzysztof Ruchniewicz (Hrsg.), Lexikon der Vertreibungen. Deportation, Zwangsaussiedlung und ethnische Säuberung im Europa des 20. Jahrhunderts. Wien 2009, 171–173. 7 Eva Hahn, Hans Henning Hahn, Flucht und Vertreibung, in: Etienne François, Hagen Schulze (Hrsg.), Deutsche Erinnerungsorte. Eine Auswahl. Bonn 2005, 332–350. Die AutorInnen betonen das Auseinandertreten der individuellen Erinnerung an die Flucht und Vertreibung und des kollektiven Erinnerungsortes »Deutscher Osten«.

Die Erinnerung der Zipser Deutschen an die Tatra

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seinen Artikel mit der »aus unserem Inneren immer wieder neu hervorquellende[n] Frage: Wann werden wir wieder zurückgehen?«8 In der Erzählung des Lebens vor der Vertreibung wie auch des erzwungenen Weggangs selbst nahm die Tatra bei ZipserInnen, aber auch allgemein bei den Karpatendeutschen eine wichtige Position ein. Das ist nicht verwunderlich, denn in der Flut an Literatur, die den Verlust der Heimat im »deutschen Osten« beklagte, spielte Landschaft eine zentrale Rolle.9 Es lassen sich drei Funktio­nen unterscheiden, die das Gebirge in den untersuchten Vertriebenenmedien erfüllte.10 Zunächst war es Gegenstand der Nostalgie, der Sehnsucht nach der verlorenen Heimat. Diesem sentimentalen Blick entsprang auch die eingangs zitierte Schilderung, die die Naturschönheit und Majestät der Berge betonte. Auch die Darstellung der Gipfel als derjenige Teil der Heimat, der als letztes aus dem Blick gerät und somit als eine Art Zeuge des eigenen Schicksals fungiert, ist nicht nur in dieser Erinnerung zu finden.11 Darüber hinaus lässt sich, zweitens, ein pragmatischer Blick auf das Gebirge feststellen, wenn es vorwiegend als Nutzungsraum Erwähnung findet. Dabei geht es in der Darstellung um die Vorreiterrolle der Zipser Deutschen bei der touristischen Erschließung und als ausdauernde BewirtschafterInnen der kar 8 H. K., Flucht, 12. 9 David Blackbourn, ›The Garden of Our Hearts‹. Landscape, Nature, and Local Identity in the German East, in: David Blackbourn, James N. Retallack (Hrsg.), Localism, landscape, and the ambiguities of place. German-speaking central Europe, 1860–1930. Toronto 2007, 149–164, hier 150. – Blackbourn bezieht sich auf Belletristik, aber die Schilderung der von Deutschen urbar gemachten Landschaft und ihrer Bedeutung für die Heimatverbundenheit findet sich prominent auch in anderen Medien der Vertriebenenerinnerung. Siehe Mateusz J. Hartwich, Das schlesische Riesengebirge. Die Polonisierung einer Landschaft nach 1945. Wien u. a. 2012, Kapitel 5. – Gregor Thum, Mythische Landschaften. Das Bild vom »deutschen Osten« und die Zäsuren des 20. Jahrhunderts, in: Gregor Thum (Hrsg.), Traumland Osten. Deutsche Bilder vom östlichen Europa im 20. Jahrhundert. Göttingen 2006, 181–211, hier 199–208. 10 Die vorliegenden Ausführungen beruhen auf Stichproben aus der »Karpatenpost«, dem »Karpatenjahrbuch« (beide herausgegeben von der Karpatendeutschen Landsmannschaft) und weiteren Veröffentlichungen karpatendeutscher Vertriebener in der Bundesrepublik. Zurückgegriffen wurde auf den Bestand des Instituts für die Volkskunde der Deutschen im östlichen Europa, Freiburg / Breisgau. Da es sich bei den Karpatendeutschen um eine relativ kleine Vertriebenengruppe handelte, war auch ihr Schrifttum weit weniger umfangreich als etwa bei Sudetendeutschen, SchlesierInnen oder OstpreußInnen und die Aufmerksamkeit in der deutschen Öffentlichkeit wesentlich geringer. 11 Z. B.  Magdalena Brendl, Gruß an die Berge der Heimat, in: Die Karpatenpost vom Feber 1951, 1. – Die Erinnerung wird häufig in Gedichtform wiedergegeben, etwa: Julius Robert Luchs, Hohe Tatra, in: Die Karpatenpost. Organ der Karpatendeutschen Landsmannschaft vom April 1967, 6. – Die Tatra als letzter Eindruck vor der Vertreibung auch bei Maria Markotschi, Erinnerung an das Lager in Poprad [1946], in: Ferdinand Klein, Aranka Liptak, Johann Schürger (Hrsg.), Zipser erzählen I. Potoken und Mantaken dazähln. Stuttgart 2000, 66–70, hier 69. – Parallele Schlüsse zieht Mateusz Hartwich für die Erinnerung der Vertriebenen aus der Riesengebirgsregion. Hartwich, Riesengebirge, 190.

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gen Region. Bekannte Topoi von den deutschen SiedlerInnen, die den Urwald gerodet und das Land urbar gemacht hätten, tauchen auch hier auf.12 Platz war aber auch für die Betonung der jahrhundertelangen fruchtbaren Koexistenz mit SlowakInnen und UngarInnen, ein Aspekt, der im karpatendeutschen Selbstbild hohe Priorität genoss.13 Außerdem war der Rückblick in die Zwischenkriegszeit geprägt durch die Betonung der wirtschaftlichen Bedeutung der Tatra als Waldressource und Tourismusgebiet für die Zipser Deutschen, die sich deshalb den Nationalparkplänen entgegenstellen mussten.14 Vor allem dienten die Berge aber als Chiffre für die eigene Identität als Karpatendeutsche. Am häufigsten tauchte das Gebirge nicht als tatsächlicher Gegenstand der Beschreibung auf, sondern als symbolische Ortsbestimmung. Während die Zips das »Land unter der Hohen Tatra« war, tauchte in unzähligen Wiederholungen die Rede von den »Deutschen zwischen Donau und Hoher Tatra« auf.15 Damit festigte sich die Erinnerungsgemeinschaft »Karpatendeutsche« als einheitliche Gruppe aller Deutschen in der Slowakei. Das ist bemerkenswert, weil dieses Konstrukt sich erst in den 1920er Jahren durchsetzte und bis weit in die Zwischenkriegszeit hinein nur eine sehr begrenzte Entsprechung im Selbstverständnis der über das Land verstreuten deutschen Siedlungsgruppen fand.16 Erst im Slowakischen Staat von 1939 bis 1945 entwickelte sich das Bewusstsein eines einheitlichen Deutschtums mit bewusster Zugehörigkeit zum Deutschen Reich. Die in der Zeit des Nationalsozialismus eingeführten Zugehörigkeitskategorien blieben also noch lange Zeit wirkmächtig. Die Tatra bildete nun die nordöstliche Begrenzung dieses vorgestellten Territoriums, das von der Ober- über die Unterzips und die Siedlungsgebiete in der Mittelslowakei bis nach Bratislava reichte. Die Berggipfel waren ein Emblem mit hohem Wiedererkennungswert, dessen Entsprechung im Südwesten die Silhouette der Pressburg gemeinsam mit dem Lauf der Donau darstellte.

12 Für die deutsche Ostkolonisation als zentraler Topos siehe Blackbourn, Garden, 152. 13 Gleich in der ersten Ausgabe auf Seite 1 der Karpatenpost etwa: Im neuen Jahre, in: Die Karpatenpost vom Jänner 1950, 1. – Weitere Beispiele: Wir und die slowakischen Emigranten, in: Die Karpatenpost Nr. 1 vom Jänner 1951, 2. – Neuschmecks – eine Glanzleistung der Zipser. Symbol deutscher, ungarischer und slowakischer Aufbauarbeit, in: Die Karpatenpost vom August 1975, 1 f. 14 Neues aus der Hohen Tatra, in: Die Karpatenpost vom März 1967, 5. – Die Hohe Tatra – ein Nationalpark?, in: Die Karpatenpost vom März 1975, 6. – Olympia in der Hohen Tatra? Bewerbung um die Winterspiele 1984, in: Die Karpatenpost vom Oktober 1975, 1. 15 Beispielsweise Anton Birkner, Weihnachten 1951, in: Die Karpatenpost vom Dezem­ ber 1951, 1 f.  – Wir und die slowakischen Emigranten.  – Adalbert Hudak, Weihnachtsgrüße [1953], in: Ferdinand Klein, Aranka Liptak, Johann Schürger (Hrsg.), Zipser erzählen I. Potoken und Mantaken dazähln. Stuttgart 2000. 16 Jahn, Deutschen, 14 f.

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4.2 Hochmoderne Neuordnung von Gesellschaft und Raum Den Vertriebenen blieb nur der ideelle Besitz an der Tatra in ihren Erinnerungen, im Wesentlichen reduziert auf die Silhouette der Gipfelkette. Sie wurde zum Bestandteil ihrer »virtuellen Heimat«,17 einer vermeintlich einst durch deutsche Schaffenskraft zur Blüte gebrachten Landschaft, während die Zeit beim Abschluss der Aussiedlung 1946 auch auf den Höhen des Gebirges selbstverständlich nicht stehenblieb. Der erzwungene Weggang des Großteils der deutschen Bevölkerung hatte entscheidenden Einfluss auf die weitere Entwicklung der Tatra­region. Der Vorkriegsplan, einen Nationalpark zu gründen, wurde wiederaufgenommen, der wesentlich am Einspruch der Zipser deutschen EinwohnerInnen gescheitert war. Er wurde noch in den vierziger Jahren umgesetzt. Im Folgenden führt dieses Kapitel von den »Erinnerungslandschaften«18 karpatendeutscher Vertriebener in der Bundesrepublik zurück in die Tatra. Wie in anderen Regionen in Ostmittel- und Südosteuropa brachte die Vertreibung der Deutschen in der unmittelbaren Nachkriegszeit die Gelegenheit, Gesellschaft und Wirtschaft grundlegend neu zu ordnen. Dieser Vorgang ist sowohl für die Sudetengebiete in der Tschechoslowakei als auch für die der Volksrepublik Polen im Westen und Norden zugefallenen ehemals deutschen Gebiete, zeitgenössisch als »Wiedergewonnene Gebiete« bezeichnet, in den letzten Jahren intensiv erforscht worden.19 Eine parallele Entwicklung lässt sich in der Zips beobachten. Bezieht man die Nordseite des Gebirges in die Betrachtung ein, weitet sich der Blick auch von der Vertreibung der Deutschen auf den umfassenderen Kontext der Zwangsmigrationen am Ende des Zweiten Weltkriegs. In der Podhale-Region selbst kam es nach dem Krieg nicht zu größeren Bevölkerungsverschiebungen. Die Veränderungen im Naturraum Tatra waren aber abhängig von der ethnischen Säuberung, die die polnische Regierung an der ukrainischen Minderheit vornahm, die im Südosten des umgestalteten polnischen Staatsgebiets ansässig war. Auch in diesem Fall ließ das plötzliche Fehlen einer ethnischen Bevölkerungsgruppe Platz und Ressourcen freiwerden, die sich als grundlegend für die Realisierung des polnischen Nationalparks 1954 herausstellen sollten. Der Zusammenhang zwischen Naturschutzreservaten und Vertreibungen hat in der Umweltgeschichte in den letzten Jahren verstärkt Beachtung gefunden und stellt ein brisantes Thema in der aktuellen Diskussion um Natur- und 17 Hartwich, Riesengebirge, 188. 18 In dieser Bedeutung für die aus dem Riesengebirge Vertriebenen verwendet ebd., 190. 19 Als Überblick über die reiche Forschung der letzten Jahre etwa die Beiträge in P ­ hilipp Ther, Ana Siljak (Hrsg.), Redrawing Nations. Ethnic Cleansing in East-Central Europe, 1944–1948. Lanham 2001. – Ebenso die Beiträge im Themenheft der Bohemia 50 (2010), H. 1: »Zwangsmigration und neue Gesellschaft in Ostmitteleuropa nach 1945«.

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­ rtenschutz dar. Dabei geht es vor allem um Fälle von Vertreibung wegen NatioA nalparks. Angesprochen ist damit ein breitgefächertes Spektrum von Ausschlussmechanismen aus geschützten Gebieten, das vom Verbot der wirtschaftlichen Nutzung durch die Lokalbevölkerung bis zum tatsächlichen Verlust ihrer Siedlungsgebiete reicht. Wie in Sachen Naturschutz sind die Nationalparks der USA auch in dieser unrühmlichen Hinsicht zum weltweiten Vorbild geworden: Erst die Entfernung der native americans aus ihren seit Jahrhunderten angestammten Gebieten verwirklichte die Idee der wilderness, Natur als dem von Menschenhand unberührten Gegenstück zu Kultur. Bevor die vermeintliche Wildnis in den Nationalparks geschützt werden konnte, musste sie erst auf ­Kosten der amerikanischen UreinwohnerInnen geschaffen werden. Für die Gegenwart sprechen Studien von mehreren Millionen conservation refugees weltweit.20 Im Fall der Tatra in den 1940er Jahren ging es hingegen grundsätzlich um die umgekehrte Kausalität, um Nationalparks wegen Vertreibungen. Wie gezeigt wird, stellte die Zwangsmigration der Zipser Deutschen und der polnischen UkrainerInnen eine Voraussetzung für die Realisierung der Tatrareservate dar. Zugleich lassen sich aber auch Maßnahmen zum wirtschaftlichen Ausschluss der Einheimischen feststellen. Vor allem auf der polnischen Seite machte sich in der Nachkriegszeit zunehmend die Tendenz bemerkbar, von dem ursprünglich anvisierten Projekt eines Kulturlandschaftsschutzes, der auch die lokale Wirtschaftsweise einbezog, abzurücken. Die ethnische Säuberung am Kriegsende war der erste Schritt in Richtung einer so genannten fortress conservation, die das unter Schutz gestellte Territorium gegen die Besiedlung und Bewirtschaftung durch die Menschen vor Ort abriegelt.21 Somit ermöglichte die Zwangsmigration am Ende des Zweiten Weltkriegs die umfassende Neubestimmung der eigentumsrechtlichen Ordnung wie auch der Nutzungsverhältnisse in der Tatra. Beide Parks entstanden in einem Möglichkeitsraum nach der gewaltsamen Homogenisierung der mittel- und osteuropäischen Siedlungsverhältnisse. Die etwa zehn Jahre währende Phase zentral geplanter und durchgeführter Zwangsmigrationen von der nationalsozialistischen Umsiedlungspolitik Ende der dreißiger Jahre bis zum Abschluss der von den Alliierten beschlossenen Aussiedlung 20 Mark David Spence, Dispossessing the Wilderness. Indian Removal and the Making of the National Parks. New York, Oxford 1999. – Jacoby, Crimes. – Mark Dowie, Conservation Refugees. The Hundred-Year Conflict between Global Conservation and Native Peoples. Cambridge, MA 2009. – Arun Agrawal, Kent Redford, Conservation and Displacement. An Overview, in: Conservation and Society 7, 2009, H. 1, 1–10. – Kupper, Wildnis, 13, 98 f. – Einen Forschungsüberblick dazu bietet Turner, Rethinking, 290 f., 293–298. 21 Zum Begriff vgl. Dan Brockington, Fortress Conservation. The Preservation of the Mkomazi Game Reserve, Tanzania. Oxford, Bloomington 2002.  – Roderick P.  Neumann, Making Political Ecology. London, New York 2005, 129–139.  – Kupper, Wildnis, 99 f.  – Synonym wird exclusionary conservation verwendet bei Dowie, Conservation Refugees, 12.

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der Deutschen aus Ostmittel- und Südosteuropa Ende der vierziger Jahre war Ausdruck des Glaubens an die Formbarkeit von Gesellschaften. Es ging dabei darum, die Bevölkerung restlos zur Deckung mit dem Staatsgebiet zu bringen und dadurch homogene Nationalstaaten zu schaffen.22 In dieser Zielsetzung lässt sich ein Höhepunkt hochmoderner Ideologie erkennen, wie James C. Scott sie beschrieben hat. Ihm zufolge strebten Staaten im 19. und 20. Jahrhundert danach, Menschen und Raum immer eindeutiger zu ordnen und damit effektiver zu steuern. Insbesondere autoritäre Staaten mit einer instabilen gesellschaftlichen Ordnung griffen dazu mit oftmals katastrophalen Folgen tief in individuelle Lebensläufe, gesellschaftliche Strukturen und die Umwelt ein.23 Die rücksichtslose Vereinfachung der Bevölkerungs- und Eigentumsstrukturen begann in der Tatraregion mit der nationalsozialistischen Expansionspolitik in Ostmitteleuropa. Sowohl im Generalgouvernement als auch im Slowakischen Staat wurden ganze Bevölkerungsgruppen aufgrund ihrer »rassischen« Zugehörigkeit entrechtet. Am schlimmsten traf es die jüdischen EinwohnerIn­ nen, die auf beiden Seiten der Berge massiv verfolgt und ihres Eigentums beraubt wurden. Von den etwa 7.000 JüdInnen im Bezirk Nowy Targ, zu dem die Podhale-Region gehört, überlebten einige Hundert.24 Der Slowakische Staat erließ ebenfalls strenge antisemitische Gesetze und verfolgte seine jüdischen BürgerInnen. In der Zips waren von 1940 etwa 6.200 JüdInnen vier Jahre später fast 90  Prozent deportiert oder umgebracht worden. Das Eigentum der jüdischen MitbürgerInnen wurde »arisiert«, das heißt vom Staat geraubt. Davon profi­ tierten zum Teil direkt die nichtjüdische Lokalbevölkerung oder die jeweiligen Gemeinden.25 Auch in Bezug auf die Berge wurden bisherige EigentümerInnen und NutzerInnen brutal ausgeschlossen, während andere ohne Zögern ihren Platz einnah 22 Philipp Ther, A Century of Forced Migration. The Origins and Consequences of ­»Ethnic Cleansing«, in: Ders., Ana Siljak (Hrsg.), Redrawing Nations. Ethnic Cleansing in East-Central Europe, 1944–1948. Lanham 2001, 43–72, hier 43 f., 50–53. 23 James C. Scott, Seeing Like a State. How Certain Schemes to Improve the Human Condition Have Failed. New Haven, London 1998. – Mit Bezug auf den tschechoslowakischen Kontext: Eagle Glassheim, Cleansing the Czechoslovak Borderlands. Migration, Environment, and Health in the Former Sudetenland. Pittsburgh 2016, 8, 10. 24 Dawid Golik, Niepodległość pod wierchami. Z Maciejem Korkuciem i Wojciechem Szatkowskim rozmawia Dawid Golik, in: Biuletyn Institutu Pamięci Narodowej, 2010, H. 1–2 (108–109), 3–18, hier 14. 25 Die Umverteilung zugunsten der Lokalbevölkerung war in den von der Slowakei annektierten Teilen der Zips und Arwa (siehe Kapitel 2) eine Methode, um Zustimmung unter der Bevölkerung herzustellen. Jozef Sulaček, Tragicke osudy židovskej komunity na Spiši v rokoch druhej svetovej vojny, in: Slovensko-Poľska Komisia Humanitných Vied (Hrsg.), Terra Scepusiensis. Stav bádania o dejinách Spiša. Levoča 2003, 785–804, hier 793, 797.  – Julian Kowalczyk, Spisz podczas II wojny światowej i w pierwszych latach powojennych, in: Slovensko-Poľska Komisia Humanitných Vied (Hrsg.), Terra Scepusiensis. Stav bádania o dejinách Spiša. Levoča 2003, 905–925, hier 915 f.

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men. Als Rechtsnachfolger der Tschechoslowakei übernahm der Slowakische Staat das staatliche Grundeigentum. Er bemächtigte sich der Tatra auch als Symbol für die eigenständige Slowakei. In politischen Ansprachen oder Marschliedern sollten die Berge die nationale Unnachgiebigkeit und Autarkie versinnbildlichen.26 Der Tourismus wurde reorganisiert, deshalb fielen die Hütten des KČST dem neu gegründeten Slowakischen Touristen- und Skifahrerclub (Klub slovenských turistov a lyžiarov) zu.27 Der Karpathenverein wurde gleichgeschaltet und »gesäubert«, sodass er nur noch »Volksdeutschen« offenstand.28 Analog diente die nördliche Tatraregion Angehörigen der Besatzungsmacht als Urlaubsort und verletzten Soldaten zur Rekonvaleszenz, während Einheimischen die touristische Betätigung untersagt war. Das Gebiet um Zakopane wurde zur Sperrzone erklärt, aus der Einheimische umsiedeln mussten oder eine spezielle Genehmigung für den weiteren Verbleib benötigten.29 Der PTT wurde aufgelöst, sein Eigentum an Berghütten und die von ihm geschaffenen Strukturen übernahm der Fremdenverkehrsverband des Generalgouvernements. 1943 gründete sich die vor allem aus ins Generalgouvernement versetzten »Reichsdeutschen« bestehende Sektion Krakau des Deutschen Alpenvereins, der die Hütten bewirtschaftete und das bergsteigerische Erbe des Tatraverbands übernahm.30 Nach Kriegsende wurden diese Eigentumsübertragungen zum Teil wieder rückgängig gemacht. So wurde zum Beispiel das polnische und tschechoslowakische staatliche Grundeigentum wiederhergestellt und der PTT restituiert. Fortgesetzt wurde aber die Praxis der Entrechtung und Enteignung gegenüber bestimmten Bevölkerungsgruppen. Es ist wichtig, auf das unterschiedliche Ziel der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik einerseits und der ethnischen Säuberungen bei Kriegsende andererseits, die »nur« die Entfernung, nicht aber die planmäßige Vernichtung von Bevölkerungsgruppen zum Ziel hatten, hinzuweisen. Beide hatten aber die Konsequenz, dass nun Menschen fehlten, die Grundeigentum in dem Gebirge oder einer benachbarten Region besessen hatten. Sie konnten keinen Einspruch mehr gegen staatliche Maßnahmen erheben und auf ihre alternativen Nutzungsvorstellungen für die Tatra pochen. Dieser Effekt wird zuerst an der Südseite der Tatra nach dem erzwungenen Weggang der Zipser Deutschen untersucht, wobei sich ein Vergleich mit 26 Lipták, Tatra, 274 f. – Bohunka Koklesová, Tschechen und Slowaken vor dem Zweiten Weltkrieg. Ihre Auseinandersetzungen und Konflikte im Spiegel der Presse und der Fotografie, in: Tanja Zimmermann (Hrsg.), Brüderlichkeit und Bruderzwist. Mediale Inszenierungen des Aufbaus und des Niedergangs politischer Gemeinschaften in Ost- und Südosteuropa. Göttingen 2014, 415–436, hier 425–427. 27 Houdek, Osudy, 1951, 160–162. 28 Historisches Archiv des OeAV, Sektion Krakau, OeAV SE /253/301, 79. 29 Gąsiorowski, Podhale, 21–23. 30 Dies in den Unterlagen der Sektion im Archiv des OeAV in Innsbruck: Historisches Archiv des OeAV, Sektion Krakau, OeAV SE /253/101. – Historisches Archiv des OeAV, Sektion Krakau, OeAV SE /253/301. – Houdek, Osudy, 1951, 161 f. – Gąsiorowski, Podhale, 21, 23.

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dem Landschaftswandel in den böhmischen Sudetengebieten anbietet. Danach geht es um den begonnenen Eingriff in die Wirtschaftsstruktur in der polnischen Tatra und ihren Zusammenhang mit der Zwangsmigration der UkrainerInnen. Das Bindeglied zwischen den Vorgängen in Podhale und dem südöstlichen Grenzgebiet zur Sowjetunion stellten die Schafe dar. In der landesweiten Neuordnung von Territorium, Bevölkerung und Eigentum wurden sie von der Tatra in das Bieszczaden-Gebirge im äußersten südöstlichen Zipfel des polnischen Staatsgebiets verbracht. Abschließend gilt ein vergleichender Blick den beiden Nationalparkgründungen in ihrem Entstehungskontext des ersten Nachkriegsjahrzehnts.

4.3 Nach den Zipser Deutschen Die Aussiedlung und Enteignung der Slowakeideutschen geschah auf derselben rechtlichen Grundlage wie in der tschechischen Landeshälfte. Im Frühjahr 1945 hatte sich die Tschechoslowakei – bis auf die an die Sowjetunion verlorene Karpatenukraine – wieder in ihrem Vorkriegsbestand konstituiert.31 Das von Präsident Edvard Beneš unterzeichnete Verfassungsdekret Nr. 33/1945  Sb. entzog mit wenigen Ausnahmen allen Deutschen und UngarInnen auf dem tschecho­ s­lowakischen Territorium die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft. Dieses Dekret legalisierte die bisher schon durchgeführten, so genannten »wilden« Vertreibungen und schuf die innerstaatliche Rechtsgrundlage für die auf der Potsdamer Konferenz beschlossene Aussiedlung der Deutschen. Wie die Karpatendeutschen in der Ersten Tschechoslowakischen Republik nur etwa ein Zwanzigstel der deutschen Minderheit ausgemacht hatten,32 war auch ihr Anteil an den Zwangsausgesiedelten relativ gering. Während insgesamt etwa 3 Millionen Personen die böhmischen Länder verlassen mussten, waren nach Flucht und Evakuierung vor Ende des Krieges von der Aussiedlung nur noch 32.400 Personen aus der Slowakei betroffen.33 Mit der Aberkennung der Staatsbürgerschaft und der Aussiedlung ging ebenfalls per Dekret des Präsidenten die Konfiszie 31 Am 4. April verkündete die tschechoslowakische Regierung im schon durch die Rote Armee befreiten Košice (Kaschau) in der Ostslowakei das Regierungsprogramm für die erneuerte Tschechoslowakei. Bereits hier war den Deutschen und UngarInnen die Staatsbürgerschaft verweigert worden. 32 1930 umfasste die deutsche Minderheit in der Tschechoslowakei etwa 3,2  Mio Personen, davon lebten 3,05 Mio in den böhmischen Ländern (so genannte Sudetendeutsche), die übrigen waren Karpatendeutsche in der Slowakei. Volker Zimmermann, Deutsche aus den böhmischen Ländern, in: Kristina Kaiserová, Dmytro Myeshkov, Krzysztof Ruchniewicz (Hrsg.), Lexikon der Vertreibungen. Deportation, Zwangsaussiedlung und ethnische Säuberung im Europa des 20. Jahrhunderts. Wien 2009, 133–136, hier 133. 33 Kováč, »Aussiedlung«, 173.

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rung ihrer landwirtschaftlichen Besitztümer im gesamten Land einher.34 Schon im Krieg war der Großteil der slowakischen JüdInnen in Vernichtungslager deportiert und ihr gesamtes Eigentum »arisiert« worden. Viele JüdInnen hatten sich traditionell zur deutschen Sprache und Nationalität bekannt.35 All diese Schritte trugen wesentlich zur Homogenisierung von Bevölkerung und Eigentum im landesweiten Maßstab bei. In der Zips belief sich die Zahl der Verblieben schließlich auf 32.000 von ursprünglich etwa 40.000  Deutschen. Bemerkbar machte sich das vor allem auf dem Land. Mit am stärksten waren die beiden Tatrakreise Poprad und Kežmarok betroffen, wo Dörfer nicht selten praktisch zur Gänze entvölkert wurden. Die Abwesenheit der deutschen BewohnerInnen wirkte sich stark auf die Agrarstruktur und Wirtschaftsweise aus. Einerseits war ein großer Teil der BewirtschafterInnen nicht mehr da, die auch immer wieder landwirtschaftliche Innovationen in der Gegend eingeführt hatten. Die lange Zeit über ethnische Zugehörigkeiten hinweg funktionierenden Dorfgemeinschaften waren zusammengebrochen. Andererseits war Boden zur Umverteilung freigeworden. Ab dem Frühjahr 1945 arbeitete bereits eine vom Slowakischen Nationalrat (Slovenská národná rada, SNR), der vorläufigen slowakischen Regierung, eingesetzte Ansiedlungskommission, um die freigewordenen Hofstellen slowakischen Familien zuzuweisen.36 In der Tatra geschah das in den Jahren ab 1946 und betraf die­jenigen Gebiete, die vorher Deutschen gehört hatten, sowie Reste von unga­ rischem Großgrundbesitz.37 Für die Planungen zum Nationalpark bedeutete diese Entwicklung einen Durchbruch. Im Oktober 1945 fand auf Einladung des Beauftragten für Landwirtschaft und Bodenreform (also des slowakischen Landwirtschaftsministers) eine Versammlung statt, die sich mit den aktuellen Möglichkeiten zur Gründung eines Nationalparks beschäftigte. Geladen waren die zuständigen Minister aus Prag und Bratislava sowie regionale und lokale Verwaltungsträger. Wegen der Konfiszierung des deutschen Eigentums, so die Einladung, sei die Zeit nun reif, die Vorarbeiten aus der Zwischenkriegszeit zu einem guten Ende zu bringen. 34 Für die böhmischen Länder galt das Dekret Nr. 12/1945 des Präsidenten der Republik, http://aplikace.mvcr.cz/sbirka-zakonu/SearchResult.aspx?q=12/1945&typeLaw=zakon& what=Cislo_zakona_smlouvy (letzter Zugriff: 08.04.2015). – Für die Slowakei analog der Erlass des SNR 4/1945, mit Änderungen 104/1945 und 64/1946. – Siehe den Überblick bei Jan Rychlík, Collectivization in Czechoslovakia in Comparative Perspective, 1949–1960, in: Constantin Iordachi, Arnd Bauerkämper (Hrsg.), The Collectivization of Agriculture in Communist Eastern Europe. Comparison and Entanglements. Budapest, New York 2014, 181–210, hier 185. 35 Kováč, Deutsche, 172. – Kamenec, Slovak state, 187–190. 36 Die Zahlen aus: Jahn, Deutschen, 17. – Peter Švorc, Poľnohospodárstvo na Spiši  a jeho vývoj po roku 1945, in: Ders. (Hrsg.), Spiš v kontinuite času. Zborník z medzinárodnej vedeckej konferencie. Prešov, Bratislava, Wien 1995, 222–232, hier 224 f. 37 Krajčovič, Vývoj, 211, 232 f. – Švorc, Poľnohospodárstvo, 224–226.

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Die Umstände zeigten sich günstiger als je zuvor, denn in den Worten eines der Referenten, eines gewissen Ing. Dr. Macko (wohl aus dem slowakischen Landwirtschaftsministerium) sprächen »ethnische, wirtschaftliche, propagatorische und soziale Gründe, vor allem aber die Bewahrung von Flora und Fauna« für den Park. Mackos Institution wurde dann damit beauftragt, einen Plan für die Umsetzung zu erarbeiten.38 Zu den bekannten Argumenten, die die AnhängerInnen des Nationalparkgedankens schon seit langem vorgebracht hatten, war also durch die zeitgenössischen Ereignisse noch die »ethnische« Komponente getreten. Die Vermutung liegt nahe, dass diesem Begriff eine doppelte Bedeutung innewohnte, nämlich zum einen die des vom ethnisch Anderen gesäuberten Gebiets, das aber zum anderen mit der Gründung des Naturreservats zukünftig eindeutig national demarkiert werden würde. In beiden Lesarten bedeutete der Prozess der Nationalparkgründung, die vom SNR als dem obersten politischen Organ des slowakischen Landesteils vorgenommen wurde, eine »Slowakisierung« der Tatra. Die Kompetenz des SNR sei gegeben, so wurde auf einer internen Besprechung argumentiert, da es sich dabei um eine die Slowakei betreffende Angelegenheit handele.39 Das bedeutete eine deutliche Abkehr von den Nationalparkprojekten der Zwischenkriegszeit, wo mit Karel Domin und seinen Mitstreitern im Planungs­ gremium tschechische Personen federführend gewesen waren. Diese Kompetenzverschiebung entsprach der neuerworbenen Stellung der aus der staatlichen Unabhängigkeit in den wiedervereinigten Staat mit den böhmischen Ländern zurückkehrenden Slowakei. Ihre politische Elite war nach dem Krieg nicht mehr gewillt, die auf Prag orientierte Ordnung der Ersten Republik wiederherzustellen, sondern forderte mehr Autonomie ein. Auch wenn diese nach dem kommunistischen Putsch im Februar 1948 wieder zugunsten einer zentralistischen Entscheidungsstruktur aufgehoben wurde,40 war die Sache des Nationalparks in der Tatra wohl eine, die von zu geringem gesamtstaatlichen Interesse, aber von genügend Bedeutung für national gesinnte slowakische PolitikerInnen war, um sie zu einem baldigen Resultat zu führen. Mit den Zipser Deutschen fehlte nun aber nicht bloß eine maßgebliche Gruppe der früheren GrundeigentümerInnen in der Tatragegend, die keinen Wider 38 Protokoll der Versammlung vom 11.10.1945. SNA , Povereníctvo vnútra, PV prez / por. II 1945–1950, k. 18, Nr. 25, Mappe 4963/45. – Vor Ort bezogen die lokalen Behörden ebenfalls die Nationalparkplanungen in ihr Handeln ein. Das Weidevieh der Gemeinde Kežmarok wurde etwa ab 1946 direkt auf die freigewordenen Wiesen und Äcker getrieben. Ladislav Harvan, Ako sa vyriešila pastva v Tatranskom národnom parku, in: Zborník prác o TANAP u 8, 1965, 231–253, hier 241. 39 Schreiben Úrad Predsedníctva SNR an Predsedníctvo SNR vom 11.04.1948. SNA , Úrad Predsedníctva Slovenskej národnej rady, k. 94, Sitzung IV/1948, Nr. 5. 40 Michal Barnovský, The Slovak question, 1945–1948, in: Mikuláš Teich, Dušan Kováč, Martin D. Brown (Hrsg.), Slovakia in History. Cambridge, New York 2011, 229–246.

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spruch mehr gegen den Naturpark einlegen konnte. Analog zu den Sudetengebieten im tschechischen Landesteil war auch in der Slowakei mit der Konfiszierung Land frei geworden, das der Staat an die vorher Landlosen oder Kleinstbauern verteilen konnte. Die meisten UmsiedlerInnen, die in die leerstehen­den Häuser einzogen und die verwaisten Höfe übernahmen, kamen aus nahegelegenen Bergregionen der Zips, unter anderem aus den slowakisch besiedelten Dörfern bei der Tatra. Sie ließen sich vor allem nahe an den städtischen Zentren Poprad und Kežmarok nieder, während abgelegenere Weiler weitgehend sich selbst überlassen blieben.41 Damit nahm der Nutzungsdruck auf die Bergalmen ab, denn jetzt boten sich die freigewordenen Felder und Weiden als Ausgleichsflächen an.42 Der nächste Schritt in der Regulierung des Eigentums in der Tatra, der auf die ethnische Homogenisierung in den unmittelbaren Nachkriegsjahren folgte, verlief parallel zur Transformation der landwirtschaftlichen Strukturen im ganzen Land, allerdings auf separater rechtlicher Grundlage. Nach der Machtübernahme durch die Kommunistische Partei im Februar 1948 ging die Landwirtschaftspolitik auch in der Tschechoslowakei zur Kollektivierung über. Ein Jahr später, im Februar 1949, verabschiedete die Nationalversammlung das Gesetz zur Gründung Landwirtschaftlicher Produktionsgenossenschaften. Die Zwangskollektivierung begann im Jahr darauf.43 Weit entfernt von den politischen Umbrüchen in Prag und Bratislava entstand zur selben Zeit der erste Nationalpark des Landes. Das Gesetz trat Anfang 1949 in Kraft und legte das Gebiet fest, das in die Zuständigkeit der neuen Park­ verwaltung fallen sollte. In den beiden folgenden Jahren konfiszierte der Staat diesen Grundbesitz, der Gemeindeallmenden und Kirchenbesitz umfasste.44 Genauso wie bei den zu Produktionsgenossenschaften zusammengeschlossenen landwirtschaftlichen Flächen gehörten auch die dem Nationalpark zugeschlagenen Ländereien formal weiterhin den bisherigen EigentümerInnen, auch wenn diese nicht mehr darauf zugreifen konnten. Für den Ausfall bei der Schafweide und der Forstwirtschaft erhielten einige Gemeinden sowie die Staatsforsten eine einmalige Entschädigung.45 Schließlich wurden 1958 in der ganzen Slowakei die traditionellen, noch aus habsburgischer Zeit stammenden Allmendegemein 41 Švorc, Poľnohospodárstvo, 225 f. 42 Harvan, Ako sa vyriešila pastva, 241 f. 43 Zákon Nr  69/1949 o  jednotných zemědělských družstvech, in: Sbírka zákonů z 15.03.1949. Die tschechische Variante der Kolchose wurde als JZD (Jednotné zemědělské družstvo) bezeichnet, auf Slowakisch hieß sie JRD (Jednotné rolnické družstvo). – Rychlík, Collectivization, 184–189, hier ebenfalls die Übersicht über den Ablauf der Kollektivierung 208–210. 44 Krajčovič, Vývoj, 211. 45 Zákon SNR o TANAP u, § 5. – Poslanec SNR Bohumil Heřman, 7. Plenarsitzung SNR am 18.12.1948, http://www.psp.cz/eknih/1948snr/stenprot/007schuz/s007001.htm (letzter Zugriff 06.04.2015). – Eine Kalkulation der Entschädigungsposten in: SNA , Povereníctvo vnútra, PV-adm. 1949, II /1–875, k. 51.

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schaften, die so genannten Urbargemeinschaften, aufgelöst.46 Ihr Land fiel an die öffentliche Hand, im Bereich des Naturreservats wurde es der Parkverwaltung unterstellt. Damit war die Verstaatlichung des gesamten Nationalparkgebiets innerhalb von zehn Jahren abgeschlossen.47 Wie in den Sudetengebieten brachte die Vertreibung der deutschen Minderheit in der Tatraregion einen Wandel in der Bewirtschaftung und der Beziehung zur Landschaft mit sich. Hier wie dort erleichterte es die Umsetzung von Projekten und Visionen staatlicher Neuordnung. Das von den sudetendeutschen BewohnerInnen zurückgelassene Gebiet, von den TschechInnen »Grenzland« (pohraničí) genannt, wurde unter der Herrschaft der Kommunistischen Partei zum Experimentierfeld für die Schaffung einer sozialistischen Gesellschaft, einschließlich einer forcierten Schwerindustrie und kollektivierten Landwirtschaft. Insbesondere im bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts als Industrieregion entwickelten Nordböhmen führten der weitausgreifende Tagebau und die Konzentrierung von Fabriken in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem tiefgreifenden Landschaftswandel. Als Bestandteil des »Schwarzen Dreiecks« mit den angrenzenden Industrieregionen in der DDR und Polen wurde Nordböhmen zum Symbol für die rücksichtslose Ausbeutung der Natur und der Menschen durch das sozialistische Regime.48 In überraschender Übereinstimmung zweier sehr ungleicher Gruppen etablierte sich im tschechoslowakischen Dissens ebenso wie in den westdeutschen Vertriebenenkreisen die These, dass für die Verwahrlosung des Grenzgebiets die mangelnde lokale Bindung der nach dem Krieg angesiedelten BewohnerInnen verantwortlich sei. An die Stelle der vorherigen sudetendeutschen Bevölkerung, die das Land seit Jahrhunderten bewirtschaftet hatte, sei eine entwurzelte Grenzlandgesellschaft getreten, die der Zerstörung der gesellschaftlichen Bindungen und der Umwelt nichts entgegenzusetzen gehabt habe.49 In den Dis 46 Per Gesetz SNR Nr. 2/1958. Apáthyová-Rusnáková, Lemma »Urbárska spoločnosť«. 47 Für den gesamten Prozess der Umschichtung der Eigentumsverhältnisse zugunsten des TANAP siehe: Krajčovič, Vývoj. Hier auch eine Karte und Tabellen auf 236–242. 48 Horst Förster, Raumbewertung und Kulturlandschaftswandel. Das Beispiel Nordböhmen, in: Horst Förster, Julia Herzberg, Martin Zückert (Hrsg.), Umweltgeschichte(n). Ostmitteleuropa von der Industrialisierung bis zum Postsozialismus. Göttingen 2013, ­83–103. – Eagle Glassheim, Ethnic Cleansing, Communism, and Environmental Devastation in Czechoslovakia’s Borderlands, 1945–1989, in: The Journal of Modern History 78, 2006, 65–92. 49 Ebd. – Parallele Interpretationen finden sich im Milieu der aus Polen Vertriebenen, die ebenfalls oftmals den Verfall der ehemals deutsch besiedelten Regionen bemängelten. Hartwich, Riesengebirge, 201 f. – Es ist mir nicht bekannt, dass es im polnischen Dissens eine Entsprechung der tschechoslowakischen Diskussion gegeben hätte. Der Literaturhistoriker und Dissident Jan Józef Lipski verfasste die bekannteste Auseinandersetzung mit der Vertreibung der Deutschen. Dort weist er ebenfalls auf die großen Verluste hin, die durch die Vertreibung entstanden seien, bezieht dies aber ausschließlich auf die kulturelle und zivilisatorische Ebene. Siehe die zweisprachige Auswahl seiner Texte: Jan Józef Lipski, Dwie ojczyzny – dwa

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sidentInnenkreisen war diese Argumentation Teil einer ab Ende der siebziger Jahre kontrovers geführten Auseinandersetzung um die Neubewertung der Vertreibung. Sie wandten sich gegen den regierungstreuen Diskurs, in dem dieses brisante Thema zuerst propagandistisch missbraucht und später meist verschwie­ gen wurde.50 Eine einflussreiche Stimme in dieser Debatte, das Autorenkollektiv unter dem Pseudonym »Bohemus«, wies direkt auf die ökologischen Konsequenzen hin, die der Tschechoslowakei durch den Weggang der Deutschen entstanden seien: Die Aussiedlung verwandelte die Kulturlandschaft der Sudeten stellenweise in eine von Narben besäte, halbleere Ödlandschaft, mehr oder weniger extensiv von den entwurzelten Neusiedlern bestellt. Von einigen Wunden hat sich das tschechoslowakische Grenzgebiet bis heute nicht zu erholen vermocht, und einige Folgen werden höchstwahrscheinlich  – vom ökologischen Standpunkt aus betrachtet  – überhaupt nicht wiedergutzumachen sein.51

Ein Mitautor von »Bohemus« war der Psychiater Petr Příhoda. Er machte in seinen Schriften wiederholt auf die Zerstörung und Verwahrlosung der Grenzgebiete aufmerksam. Am eindrücklichsten illustrierte er in einem Fotoband die mit der Vertreibung der Sudetendeutschen »[v]erlorene Geschichte« der Grenzgebiete.52 Zuweilen stößt man heute in Bezug auf die Tatraregion nach dem erzwungenen Weggang der Zipser Deutschen auf dasselbe Argument. Es bezieht sich einerseits auf die Städte und Dörfer, auf die dort zurückgelassenen Gehöfte und brachliegenden Äcker. Andererseits geht es um die verlorene Symbiose der ver-

patriotyzmy. Uwagi o megalomanii narodowej i ksenofobii Polaków; Zwei Vaterländer – zwei Patriotismen. Bemerkungen zum nationalen Größenwahn und zur Xenophobie der Polen, in: Georg Ziegler (Hrsg.), Powiedzieć sobie wszystko… Eseje o sąsiedztwie polsko-niemieckim. Wir müssen uns alles sagen … Essays zur deutsch-polnischen Nachbarschaft. Gliwice, War­ szawa 2006, 36. 50 Die Diskussion innerhalb der unabhängigen tschechischen Öffentlichkeit analysiert Bradley F. Abrams, Die Vertreibung der Sudetendeutschen und die tschechoslowakische Opposition in den 70er Jahren, in: Transit, 1995, H. 10, http://www.iwm.at/publ-tr/t23-abr.pdf (letzter Zugriff: 07.08.2015). 51 Bohemus [d. i. Tomáš Brod, Jiří Doležal, Milan Otáhal, Petr Pithart, Miloš Pojar, Petr Příhoda], Stanovisko k  odsunu Němců z  Československa, in: Bohumil Černý u. a. (Hrsg.), Češi, Němci, odsun. Diskuse nezávislých historiků. Praha 1990, 179–202, hier 199. Deutsche Übersetzung zitiert nach: »Bohemus«, Ein Wort zur Aussiedlung, in: Leopold Grünwald (Hrsg.), Wir haben uns selbst aus Europa vertrieben. Tschechische Selbstkritik an der Vertreibung der Sudetendeutschen. Eine Dokumentation. München 1985, 87–104, hier 101 f. 52 František Jedermann [d. i. Petr Příhoda], Verlorene Geschichte. Bilder und Texte aus dem heutigen Sudetenland. Köln 1985. Der Band erschien zuerst auf Deutsch in der Bundesrepublik. – In der Tschechoslowakei konnte das Buch offiziell erst 1991 erscheinen: Ders., Ztracené dějiny. Praha 1991.

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schiedenen Ethnien, die der Region ihre Eigenart verliehen habe.53 Auch in der Zips, analog zum Sudetenland, war die Frage der Landverteilung hochpolitisch. Die Kommunistische Partei konnte sich der höchsten Zustimmung unter den slowakischen LandarbeiterInnen und KleinstlandwirtInnen erfreuen, die von der Verteilung des Landes aus ehemals deutschem Eigentum profitierten.54 Auch hier beraubte die Kollektivierung die Gemeinden ihres Umlands, das die BürgerInnen zuvor als Pachtgründe oder als Allmenden bestellt hatten. Damit sei die Bindung zwischen Stadt und Land abgebrochen und habe für vierzig Jahre der Struktur einer »sozialistischen Provinz« (socialistický vidiek) Platz gemacht.55 Für das tschechische »Grenzland« und besonders für den Fall der Industrieregion Nordböhmen hat diese Interpretation in der aktuellen Forschung eine Neubegutachtung erfahren. Eagle Glassheim und Matěj Spurný haben Kritik an der These geäußert, die Umweltzerstörung im Grenzgebiet lasse sich mit der mangelnden Verwurzelung der neu angesiedelten Bevölkerung erklären. Sie weisen darauf hin, dass schon vor dem Zweiten Weltkrieg über großangelegte Projekte für die wirtschaftliche Ausbeutung des »Grenzlands« nachgedacht wurde. Nach dem Krieg habe die Bevölkerung die materialistische Denkart der politischen Führung im Allgemeinen geteilt, die sich also nicht als pure Ideologie des sozialistischen Regimes seit 1948 abtun lasse. Statt von einer zu geringen Identifikation der neuen GrenzlandbewohnerInnen mit ihrer Umgebung müsse von einem alternativen Identitätsentwurf gesprochen werden. Im Gegensatz zu dem romantisierenden Heimatbild der vormaligen deutschen BewohnerInnen sei die Nachkriegsgesellschaft auf die Nutzbarkeit des Raumes fixiert gewesen.56 Anstatt die Gründe für die Umweltzerstörung in der spezifischen regionalen Situation des »Grenzlands« zu suchen, stellen die Autoren sie in den Kontext blockübergreifender Entwicklungen nach dem Zweiten Weltkrieg. So können sie zeigen, dass die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen dieselben hochmodernen Wurzeln hatte wie die Homogenisierung der Gesellschaft durch 53 Vgl. etwa die Ausstellung der polnischen Kulturstiftung Pogranicze: Ośrodek Pogranicze Sztuk, Kultur i Narodów w Sejnach, Międzynarodowe Centrum Kultury w Krakowie (Hrsg.), Spisz. – Švorc, Poľnohospodárstvo, 222 f. 54 Ebd., 227. 55 Dieses Argument verwenden etwa die Ethnologin Hana Zámečníková und die Mitarbeiter des TANAP Peter Líška und Milan Koreň. Hana Zámečníková, Príčiny zmien vo využívaní životného priestoru intravilánu a extravilánu obcí na území Tatranského národ­ ného parku (Tragédia spoločných pasienkov), in: Etnologické rozpravy 7, 2000, H. 1–2, ­40–46. – Peter Líška, Milan Koreň, Rozdiely vo vývoji medzi Tatranským národným parkom (TANAPom) a Tatrzanskim Parkom Narodowym (TPN) v ostatnom desaťročí, in: Zbigniew Krzan (Hrsg.), Tatrzański Park Narodowy na tle innych górskich terenów chronionych. Tom III: Człowiek i środowisko. Zakopane 2005, 29–33, hier 30. 56 Glassheim, Ethnic Cleansing. – Glassheim, Cleansing the Czechoslovak Borderlands. – Matěj Spurný, Most do budoucnosti. Laboratoř socialistické modernity na severu Čech. Praha 2016.

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die Zwangsmigration. Beide resultierten aus einem weitverbreiteten Glauben an einen objektiven Fortschritt, die Steuerbarkeit sozialer Prozesse und eine unbegrenzt steigerbare Produktivität.57 Diese Arbeiten machen die Zusammenhänge zwischen ethnischen Säuberungen und der Durchsetzung von neuen Formen der Landschaftsnutzung deutlich.58 Hier lässt sich eine Verbindung zur Entwicklung in der Tatra ziehen. Projekte, die zuvor an der Einwohnerschaft vor Ort gescheitert oder zumindest auf Protest gestoßen waren, ließen sich nach dem Bevölkerungswechsel und unter veränderten Eigentumsverhältnissen wesentlich einfacher realisieren. Allerdings stand dieser Freiraum in verschiedene Richtungen offen: Während in Nordböhmen Platz für eine auf der Ausbeutung fossiler Brennstoffe basierenden Industriemoderne geschaffen wurde, ermöglichte dieselbe Politik in der Tatra mit der Einrichtung des Nationalparks eine andere Strategie moderner Raumnutzung. Ebenso begünstigten die nach 1948 erfolgten Schritte in der sozialistischen Umgestaltung der Landwirtschaft die Ausbeutung der Ressourcen im »Grenzland« und die gleichzeitige Lösung der Eigentumsfragen in der Tatra. Dieselben Prozesse von Vertreibung, Neuansiedlung und forcierter Neuordnung der Landschaft führten damit in der einen Region zum ökologischen Notstand, in der anderen hingegen zur Verwirklichung des Nationalparkplans aus der Zwischenkriegszeit.

4.4 Die »große Transhumanz« 1948 begann die Weidesaison in Podhale anders als all die Jahre zuvor. Der Almauftrieb wurde seit jeher festlich begangen, aber am 12. Mai dieses Jahres verwandelte er sich in ein Volksfest, und darüber hinaus in eine Demonstration der landwirtschaftlichen Modernisierung in der Volksrepublik Polen.59 AnwohnerInnen säumten als Schaulustige die Straßen Zakopanes, wo der Zug startete. Festlich gekleidete Hirten in ihrer besten Tracht fanden sich aus den umliegenden Höfen mit ihren Herden ein. Aus Warschau, Krakau und der Kreisstadt Nowy Targ war eine ganze Reihe von Funktionären für den festlichen Anlass angereist. Zwei Minister waren darunter, der Minister für öffentliche Verwaltung Edward Osóbka-Morawski sowie Landwirtschaftsminister Jan Dąb-Kocioł.

57 Glassheim, Cleansing the Czechoslovak Borderlands, 8, 10. – Spurný, Most. 58 Vgl. dazu ebenfalls einige Beiträge in Heidi Hein-Kircher, Martin Zückert (Hrsg.), Migration and Landscape Transformation. Changes in Central and Eastern Europe in the 19th and 20th Century. Göttingen 2016. 59 Damit gleicht dieser Festakt den Zeremonien bei der Übergabe von Staatsland an IndividualbäuerInnen zum Nießbrauch, die in Polen 1947 durchgeführt wurden. Siehe Ther, Century, 59.

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Letzterer hielt eine Festrede, in der er die bisherige verfehlte Bewirtschaftung von Podhale anprangerte und stolz die Wende beschwor, die der heutige Tag hervorbringe. Die Wochenschau »Polska kronika filmowa« (Polnische Filmchronik) war ebenso vor Ort wie zahlreiche JournalistInnen.60 Selbst ein Dokumentarfilmer, S­ tanisław Możdżeński, war mit seinem Team anwesend. Sein Film schaffte es bis zum Filmfestival nach Cannes, wo er den Preis für die beste Kamera bei Kurzfilmen gewann.61 Unmittelbar vor dem Auftrieb, ganz nach alter Tradition, segnete der örtliche Pfarrer die Schafe. Dann setzten sich die Herden in Bewegung, durch die Straßen von Zakopane gen Osten, aus dem Schatten der Berge auf die fetten Weiden von Czorsztyn und Szczawnica. Damit war die »große Transhumanz« (wielki redyk) gestartet. Die Transhumanz, der saisonale Wechsel zwischen zuweilen weit voneinander entfernt gelegenen Weidegründen, ist ursprünglich eine im Mittelmeerraum beheimatete Form der Weidewirtschaft, bei der das Klima die Wanderung der Herden bedingt.62 Im Südostpolen der Nachkriegszeit ging es jedoch nicht darum, der Dürre zu entfliehen. Stattdessen kehrten die Hirten ihrer traditionellen Sommerweide in der Tatra den Rücken, weil es dort einfach viel zu viele Schafe gab. Über 6.000 Schafe aus den Gemeinden unterhalb der Tatra verbrachten in diesem Jahr erstmals die Sommermonate in der Pieninenregion. In den folgenden Jahren wanderten im Frühjahr immer größere Herden immer weiter nach Osten. Zunehmend wurde das Vieh auch in Eisenbahnwaggons transportiert. Ab den fünfziger Jahren erstreckte sich die Sommerweide der Tatraschafe am Saum der Karpaten bis an die Staatsgrenze zur Sowjetunion.63 Den Wandersleuten, die nach den Schrecken und Entbehrungen des Krieges zum ersten Mal wieder den Ranzen schnürten und sich in die Bergwelt aufmachten, können die Schafe nicht entgangen sein. Sie grasten überall, auf den Almen, in den Wäldern und an noch so abschüssigen Böschungen. Mögen sie der SonntagswanderIn durchaus einen hübschen Anblick geboten haben, so konnten die 60 Manuskript eines Artikels von Inż.Wł.St. vom Mai 1948: »Sukces gospodardzy Rządu rozwiązujący nadmiar owiec w Tatrach«. AP w Krakowie, Urząd Wojewódzki Krakowski, UW II 302, Bl. 45–47. – Józef Kolowca, Wielki Redyk, in: Włodzimierz Antoniewicz (Hrsg.), Hodowla owiec i bydła w Tatrach polskich i na Podhalu. Teraźniejszość i przyszłość. Wrocław, Kraków, Warszawa 1961, 115–130, hier 115 f., 122 f. 61 Film »Wielki redyk«, Polen 1949. Filmplattform »Film polski«, http://filmpolski.pl/fp/ index.php?film=427356 (letzter Zugriff: 28.01.2016). 62 Siehe Fernand Braudel, Das Mittelmeer und die mediterrane Welt in der Epoche Philipps II. Darmstadt 2001 [zuerst 1949]. Teil 1, Kapitel 1.4: »Transhumanz und Nomadismus«. – Mathieu, Dimension, 142 f. 63 Zbigniew Korosadowicz, Przepęd owiec z Podhala i obszarów sąsiednich na nowe tereny wypasowe (objaśnienia do mapy i diagramów), in: Włodzimierz Antoniewicz (Hrsg.), Hodowla owiec i bydła w Tatrach polskich i na Podhalu. Teraźniejszość i przyszłość. Wrocław, Kraków, Warszawa 1961, 131–135. Siehe hier auch Diagramme und eine Karte. – Kolowca, Wielki Redyk, 115 f.

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Fachleute nur die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Ihnen erschienen die Schafherden in der Tatra als Invasion, als regelrechte Plage. Józef ­Kolowca, der Agrarwissenschaftler und einschlägige Experte für Weidewirtschaft in der Tatra, der die »große Transhumanz« vorgeschlagen hatte, bemühte das Schreckensbild von dem Heuschreckenschwarm, der über das Gebirge hereinge­ brochen sei und mit von Menschen durchgeführter Bewirtschaftung nicht mehr viel gemein habe.64 Tatsächlich war die Zahl der Schafe schon im Krieg steil angestiegen. Die deutsche Besatzungsmacht hatte die Rinder beschlagnahmt, nur die Schaf­ haltung war weiter erlaubt geblieben. Zudem konnten die BäuerInnen Schafe im Gebirge besser vor feindlichem Zugriff verbergen.65 Nach dem Krieg setzte sich dieser Trend fort: 1947 grasten mit 30.000 Schafen so viele wie nie in den Bergen, während die Fachleute von einer tragbaren Obergrenze von wenigen tausend ausgingen.66 Dort, wohin die Hirten ihre Herden trieben, wuchs hinterher buchstäblich kein Gras mehr. Stattdessen hinterließen die Schafe erodierte Hänge und kahlgefressene Wälder. Die Wildtiere zogen sich vor dem Ansturm von Vieh, Hirten und Hütehunden hinter die Grenze in die slowakische Tatra zurück, wo die Zahl der geweideten Tiere sogar rückläufig war.67 Nicht nur die ExpertInnen, sondern auch die WeidebäuerInnen selbst beklagten die Ent­ stehung einer veritablen Mondlandschaft mitten im Hochgebirge.68 Die Klage über die Schädigung der Natur durch übermäßige Beweidung gehört zum klassischen Repertoire von AgrarreformerInnen und ÖkologietheoretikerInnen. Schon John Muir, der Vordenker des US -amerikanischen Naturschutzes, bezeichnete 1894 die in der kalifornischen Sierra Nevada weidenden Schafe abfällig als »hoofed locusts«.69 Als »Tragödie der Allmende« (Tragedy of the Commons) hat das Problem der Überweidung Eingang in die breitere öffentliche Debatte über gerechte Ressourcenverteilung gefunden. Der Biologe Garret Hardin prägte diesen Begriff in einem Aufsatz von 1968. Darin beschreibt er 64 Ebd., 116. 65 Walery Goetel, Dzieje realizacji Tatrzańskiego Parku Narodowego, in: Władysław Szafer (Hrsg.), Tatrzański park narodowy. 2. Aufl. Kraków 1962, 593–625, hier 612 f. – Marceli Marchlewski, Pracowałem w tatrzańskich lasach. Zakopane 2009, 175. 66 Zofia Śmiałowska, Zagospodarowanie hal i uregulowanie pasterstwa w Tatrzańskim Parku Narodowym, in: Włodzimierz Antoniewicz (Hrsg.), Pastwiska podgórskie i górskie Tatr Polskich i Podhala. Teraźniejszość i przyszłość. Wrocław, Kraków, Warszawa 1960, 8­ 1–119, hier 82. – Goetel, Dzieje, 614. 67 Ebd. – Śmiałowska, Zagospodarowanie, 84, 116. 68 Protokoll der 19. Versammlung der PROP. APAN, PROP, K I-6, 344/I, 25. – Protokół z nadzwyczajnego posiedzenia Komisji Rolnej, 21.04.1954, Bericht von Jerzy Kolowca. APAN, ZOP, 146. Weiteres dazu in dieser Mappe. 69 John Muir, The Mountains of California. New York 1894, https://​vault.sierraclub.org​/​ john_​muir_​exhibit/​w ritings/​t he_​mountains_​of_​california/​ (letzter Zugriff: 04.04.2016), Kapitel 16: »The Bee Pastures«.

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den verhängnisvollen Prozess, der zwangsläufig zur Übernutzung einer gemeinsam genutzten Weidefläche führe: Es müssten nur einige der MitbenutzerIn­ nen mehr Vieh als die ihnen zustehende Zahl auf die Allmende treiben, um die Weidebedin­gungen für alle deutlich zu beeinträchtigen. Selbst die Ehrlichen seien dadurch gezwungen, immer mehr Vieh zu weiden, um überhaupt satt zu werden. Bei Hardin handelt es sich nicht um eine empirische Studie, sondern lediglich um eine Metapher für die unausweichliche Schädigung von Gemeinbesitz. Er leitet daraus die Notwendigkeit ab, den Zugang zu Ressourcen genau zu reglementieren, um dem Egoismus Schranken aufzuerlegen.70 AgrarreformerInnen seit dem 18. Jahrhundert sahen jedoch tatsächlich in der Verwüstung der Weideflächen und der sprichwörtlichen »dürren Allmendkuh« untragbare Zustände, die die staatliche Modernisierungspolitik aus der Welt schaffen müsste. Allerdings ist diese pauschale Verurteilung traditioneller Gemeingüterbewirtschaftung nur zum Teil historisch gerechtfertigt, weil sie durchaus ein langanhaltendes Gleichgewicht der Ressourcennutzung herbeiführen konnte.71 Zudem besaß das von ExpertInnen gegenüber traditionellen Nutzungspraktiken gepflegte degradation narrative häufig eine zivilisatorische Stoßrichtung, die darauf zielte, die ländliche Bevölkerung effektiverer staatlicher Kontrolle zu unterwerfen.72 Genau solch ein Allmendeproblem bescheinigten Agrar- und ForstexpertInnen der Tatra. Diese Deutung besaß Tradition: Schon der k. k. Förster Gustaw Lettner hatte in den 1870er Jahren öffentlich vor dem Ruin der Wälder durch die Überbeanspruchung der Dienstbarkeiten gewarnt.73 Seitdem setzten Fachleute und Mitglieder der Intelligenzija dieses Thema immer wieder auf die Tagesordnung. Die Rettung der Natur und die Gesundung der Bevölkerung sollten dabei Hand in Hand gehen. Podhale sollte endlich seinen Ruf als Armenhaus loswerden, der ihm seit der Zeit der Habsburgermonarchie anhaftete. Bereits die nationalen Akti­v istInnen zu Zeiten des Tatra-»Entdeckers« Tytus Chałubiński hatten sich dafür engagiert, die Einheimischen zu schulen und ihnen wirtschaftliche Hilfe zur Selbsthilfe zukommen zu lassen. Seitdem hatte die zivilgesellschaftliche Arbeit in der paradoxen Kombination von Modernisierung einerseits und Bewahrung der regionalen Tradition und der Natur andererseits bestanden. Trotz des Aufschwungs, den die Region zwischenzeitlich als Tourismusgebiet genommen hatte, blieb Podhale auch nach dem Zweiten Weltkrieg eine strukturschwache Gegend, wenn nicht sogar die ärmste Region in den neuen Staats-

70 Garret Hardin, The Tragedy of the Commons, in: Science 162, 1968, H. 3859, 1243–1248. 71 Joachim Radkau, Natur und Macht. Eine Weltgeschichte der Umwelt. München 2002, 90–98. – Elinor Ostrom, Die Verfassung der Allmende. Jenseits von Staat und Markt. Tübingen 1999. 72 Jacoby, Crimes, 16 f. – Gissibl, Höhler, Kupper, Introduction, 6. 73 Lettner, Projekt. – Lemma »Lettner Gustaw«, in: Radwańska-Paryska, Paryski, Wielka encyklopedia.

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grenzen.74 Das transformierte Territorium des polnischen Staates ebenso wie die Neuverteilung von Personen und die Umgestaltung der Eigentumsverhältnisse direkt nach Kriegsende bot in den Augen der NaturschützerInnen wie auch von VertreterInnen der staatlichen Verwaltung die einmalige Gelegenheit, die seit langem notwendige grundsätzliche Neustrukturierung der Podhale-Region anzugehen. Im gleichen Zug sollten traditionelle Bewirtschaftungsweisen effizienteren und besser kontrollierbaren Methoden weichen. Die Überfülle an Schafen war offenbar sogar im gesamtpolnischen Kontext auffällig. In Kenntnis dieses Problems in der Wojewodschaft Krakau bat der Wojewode von Danzig um Unterstützung, da in seinem Verwaltungsbezirk ein Mangel an Vieh herrschte. Deshalb bat er seinen Krakauer Kollegen darum, einen Teil der überzähligen Schafe dem neu hinzugewonnenen Norden des Landes abzutreten, um gleichzeitig die dortigen Strukturen der Weidewirtschaft aufrechtzuerhalten und Kleinpolen von einem Teil seines Schafproblems zu befreien.75 Auch den beteiligten ExpertInnen schwebte eine Lösung im landesweiten Maßstab vor. Direkt nach dem Krieg fiel in internen Naturschutzgremien immer wieder der Gedanke, das überschüssige Vieh, und am besten auch gleich die EigentümerInnen der Tiere von Podhale in die »Wiedergewonnenen Gebiete« umzusiedeln.76 Anstatt an der Ostsee fanden die überzähligen Tiere ihre neuen Weidegründe aber in einer anderen entvölkerten Gegend, am entgegengesetzten Ende des polnischen Territoriums in seiner neuen Gestalt, im äußersten Südosten. Dort waren bis zur Mitte der vierziger Jahre insgesamt etwa 700.000 UkrainerInnen heimisch gewesen. Sie wurden in den Jahren 1944 bis 1947 in die Sowjet­ ukraine zwangsausgesiedelt oder in die »Wiedergewonnenen Gebiete« deportiert. Grundlage war zunächst ein Abkommen zwischen der Ukrainischen Sowjet­republik und dem Lubliner Komitee, der von Moskau abhängigen provisorischen polnischen Regierung (offiziell Polski Komitet Wyzwolenia Narodu, PKWN, Polnisches Komitee der Nationalen Befreiung). Die Vereinbarung sah einen Bevölkerungsaustausch vor, der die ethnischen mit den neu gezogenen staatlichen Grenzen zur Deckung bringen sollte.77 Etwa 482.000  Personen 74 Manuskript von Stefan Jarosz: Zagospodarowanie Tatr i Podhala, 16.10.1945. APAN, PROP, 391, 1. 75 Brief des Wojewoden von Danzig an den Krakauer Wojewoden vom 10.09.1946. AP w Krakowie, Urząd Wojewódzki Krakowski, UW II 302, 25. 76 Manuskript Stefan Jarosz: Zagospodarowanie Tatr i Podhala, 16.10.1945. APAN, PROP, 391, 9 f. 77 Ein analoges Abkommen bestand auch zwischen Polen und der Belarussischen Sowjetrepublik, das allerdings eine wesentlich kleinere Bevölkerungsgruppe betraf. Es wurden 33.000 BelarussInnen aus Polen in die Sowjetunion ausgesiedelt. Marek Jasiak, Overcoming Ukrainian Resistance. The Deportation of Ukrainians within Poland in 1947, in: Philipp Ther, Ana Siljak (Hrsg.), Redrawing Nations. Ethnic Cleansing in East-Central Europe, 1944–1948. Lanham 2001, 173–194, hier 177.

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wurden bis 1946 in die Sowjetunion ausgesiedelt. Die Übrigen deportierte das polnische Militär in der »Aktion Weichsel« 1947 in die polnischen West- und Nordgebiete. Die »Aktion Weichsel« war eine Strafaktion gegen die Ukrainische Aufstandsarmee (Ukrains’ka Povstans’ka Armija, UPA), die den militärischen Arm der ukrainischen nationalistischen Untergrundbewegung bildete. Es wurde auch gegen die ukrainische Bevölkerung vorgegangen, unter der die UPA großen Rückhalt genoss. Die UPA blockierte seit 1945 die Deportationen von UkrainerInnen in die Sowjetunion und führte einen Partisanenkrieg gegen das polnische Militär. Ukrainische und polnische ZivilistInnen wurden terrorisiert und getötet, zahlreiche Dörfer zerstört. Als der populäre polnische Verteidigungsminister, General Karol Świerczewski, im März 1947 bei einer Inspektion in der Krisenregion einem UPA-Hinterhalt zum Opfer fiel, setzte die polnische Regierung bereits bestehende Pläne um, die UkrainerInnen in die »Wiedergewonnenen Gebiete« zu deportieren. Dort wurden sie zerstreut wiederangesiedelt, um zukünftigem Widerstand gegen die polnische Staatsmacht endgültig den Nährboden zu entziehen. Betroffen waren etwa 150.000 Personen. Der größte Teil der im Frühjahr 1947 noch im südöstlichen Grenzgebiet verbliebenen UkrainerIn­nen waren LemkInnen. Diese ostslawische Bevölkerungsgruppe siedelte in einem Teil der Karpaten östlich der Tatra.78 In die dort freigewordenen Besitzungen zogen seit Ende der vierziger Jahre in der »großen Transhumanz« jeweils im Frühjahr Herden aus Podhale. Solange in den unmittelbaren Grenzgebieten die UPA noch einen Partisanenkrieg gegen das polnische Militär führte, beschränkte sich die Umleitung der Tatraschafe auf relativ nah gelegene Weidegründe.79 Ab Mitte der 1950er Jahre gingen die größten Kontingente dann in die fast vollständig entvölkerte Gegend im BieszczadenGebirge.80 1949 wurde das gesamte von den UkrainerInnen hinterlassene Eigentum zugunsten der öffentlichen Hand enteignet.81 Ein Teil der nationalisierten Weidegründe war explizit als Entlastungsflächen für die Schafe aus den Tatra­ anrainergemeinden vorgesehen, die später auch direkt der Verwaltung durch die

78 Orest Subtelny, Expulsion, Resettlement, Civil Strife. The Fate of Poland’s Ukrainians, 1944–1947, in: Philipp Ther, Ana Siljak (Hrsg.), Redrawing Nations. Ethnic Cleansing in EastCentral Europe, 1944–1948. Lanham 2001, 155–172. – Dem widerspricht Jasiak mit dem Hinweis, dass es unter den LemkInnen durchaus zahlreiche UnterstützerInnen der UPA gegeben habe: Jasiak, Overcoming. 79 Korosadowicz, Przepęd. Siehe die informative Karte zu den Zielgebieten des Schaftriebs aus Podhale im Anhang zu Korosadowicz’ Aufsatz. 80 Patrice M. Dabrowski, Encountering Poland’s »Wild West«. Tourism in the Bieszczady Mountains under Socialism, in: Cathleen M.  Giustino, Catherine J.  Plum, Alexander Vari (Hrsg.), Socialist Escapes. Breaking Away from Ideology and Everyday Routine in Eastern Europe, 1945–1989. New York, Oxford 2013, 75–97, hier 77. 81 Jasiak, Overcoming, 189.

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Vertreibung und Nationalparks

Nationalparkdirektion unterstanden.82 Die Entlastung der Hochgebirgswälder von den weidenden Schafen wurde bei der Planung der »Aktion Weichsel« explizit berücksichtigt. Denn neben der Vernichtung des Widerstands sollte die Vertreibung der UkrainerInnen auch Platz machen für die Umstrukturierung der regionalen Landwirtschaft, die bisher von Kleinstbetrieben mit geringer Produktivität geprägt war.83 Als eine Art doppelte Entwicklungshilfe sollten damit die wirtschaftlichen und sozialen Zustände sowohl in der intensiv genutzten Tatraregion als auch in dem nun weitgehend entvölkerten polnischen Südosten modernisiert werden. Meistens blieb die Wanderung der Hirten und Schafe auf die Weidesaison beschränkt. Denn die Idee, in großem Stil GoralInnen in die verlassenen LemkInnen-Dörfer und die »Wiedergewonnenen Gebiete« umzusiedeln, wurde nicht realisiert. Das reflektierte eine landesweite Entwicklung: Die polnische Regierung gab bereits in den vierziger Jahren den Plan wieder auf, BäuerInnen aus Kernpolen zur Aufgabe ihrer Hofstelle im Austausch mit einem Anwesen in den »Wiedergewonnenen Gebieten« zu bewegen. Die Bindung der BäuerInnen an ihr ererbtes Land erwies sich als zu eng, der Widerstand als zu stark.84 Auch die GoralInnen dachten in ihrer überwiegenden Mehrheit nicht daran, ihre geliebten Berge zu verlassen,85 auch wenn Agrar- und RegionalplanerInnen die Gegend als heillos überbevölkert einstuften.86 Die NaturschützerInnen hofften ihrerseits auf eine Erleichterung bei der Realisierung des Nationalparks, analog zum Effekt der Vertreibung der Zipser Deutschen.87 82 Sitzung des TPN-Beirats, Protokoll vom 10.07.1965. APAN, Spuścizna Walerego G ­ oetla, KIII-36, I/329. 83 Michael G.  Esch, Gesunde Verhältnisse. Deutsche und polnische Bevölkerungspolitik in Ostmitteleuropa 1939–1950. Marburg 1998, 291–293 – Schreiben aus dem Landwirtschaftsministerium an das Ministerium für öffentliche Verwaltung vom 02.07.1947. AAN, Ministerstwo Administracji Publicznej 1945–1950. Departament Polityczny. Wydział Narodowościowy, 781, Bl. 14. 84 Dariusz Jarosz, The Collectivization of Agriculture in Poland: Causes of Defeat, in: Constantin Iordachi, Arnd Bauerkämper (Hrsg.), The Collectivization of Agriculture in Communist Eastern Europe. Comparison and Entanglements. Budapest, New York 2014, 113–146, hier 118. 85 Auf tatsächliche Umsiedlungen von GoralInnen aus Podhale wird extrem selten verwiesen. Dabei handelte es sich nicht um eine Massenumsiedlung, sondern um Einzelfälle. Z. B. der Hinweis auf die bis 1963 geplante Ansiedlung von 13 Familien aus Podhale bei Ryma­ nów in der damaligen Wojewodschaft Rzeszów: Zofia Śmiałowska, Historia starań o tereny wypasowe w Bieszczadach i Beskidach dla współwłaścicieli hal tatrzańskich, in: Kronika TPN. Tom 1. Zakopane 1961, 15–24, hier 22. 86 Stefan Jarosz: Zagospodarowanie Tatr i Podhala, 16.10.1945. APAN, PROP, 391, 9 f. – Gesprächsnotiz vom 21.6.1946. Ebd., 1195/46. 87 Protokoll der 19. Versammlung der PROP im September 1945. APAN, PROP, K I-6, 344/I, 27. – Die PROP wandte sich 1946 mit einem Appell an die Regierung, die Bevölkerung von Podhale teilweise umzusiedeln. Protokoll der 20. Versammlung der PROP, Oktober 1946. AAN, Ministerstwo Oświaty, 3228, Bl. 128.

Die »große Transhumanz«

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Die offizielle Nationalparkgründung in der polnischen Tatra ließ noch einige Jahre auf sich warten. Als Grund für den Aufschub wurde den ungeduldigen NaturschützerInnen von Regierungsseite immer wieder die ungelöste Frage der Weidewirtschaft genannt.88 Ein weiteres Hindernis waren die verwickelten Eigentumsverhältnisse, die eben nicht wie auf der Südseite der Tatra durch den plötzlichen Weggang der GrundeignerInnen auf einen Schlag stark vereinfacht worden waren. Die Agrarreform hatte keinen größeren Effekt auf die nach tradi­ tionellen Weidegemeinschaften gegliederten Eigentumsverhältnisse in der Tatra. Diese Probleme sollten zur dauerhaften Belastung zwischen den Ansässigen und der Nationalparkdirektion werden. Vorerst mussten Provisorien die Lücke füllen. Nachdem die Vorbereitungen für den Nationalpark während des Krieges völlig zum Erliegen gekommen waren, wurden sie bereits im Frühjahr 1945 wiederaufgenommen.89 Dies lässt sich angesichts der hohen Bevölkerungsverluste und des Ausmaßes an Zerstörung in dem Land nicht anders als bemerkenswert nennen. Die knapp vor Kriegsausbruch eingerichtete Verwaltungseinheit in Gestalt des »Naturparks« diente als institutioneller Ausgangspunkt, den das Forstministerium per Verordnung 1947 in eine »Sondereinheit unter der Bezeichnung Tatranationalpark« überführte. Obwohl so eine eigene Verwaltungseinheit entstand, waren ihre Kompetenzen nicht besonders umfassend. Die Bewirtschaftung des Gebiets lag bei der Kreisforstdirektion in Nowy Targ,90 was auf seine anhaltende Bedeutung als Wirtschaftsraum hinweist. Auch als sieben Jahre später tatsächlich per Verordnung der Regierung eine Nationalparkdirektion eingerichtet wurde, der die Bewirtschaftung des Hochgebirges oblag, waren die Fragen von Eigentum und landwirtschaftlicher Nutzung weiterhin unbeantwortet. Die »große Transhumanz« in die verlassenen Lemken-Gebiete hatte zwar Erleichterung für die Almen und Wälder der Tatra gebracht, aber nicht den Durchbruch, den die Vertreibung der Zipser Deutschen für den Nationalpark auf der Südseite bedeutete.

88 Diskussionsbeitrag des Vizeministers für öffentliche Verwaltung W. Wolski. APAN, PROP, K I-6, 344/II, Mappe 1. 89 Die erste Sitzung der PROP fand im März 1945 statt, ein wichtiges Thema war der Tatranationalpark. Protokoll der ersten Sitzung der PROP vom 31.3.1945. AP w Krakowie, Urząd Wojewódzki Krakowski, UW II 302, Bl. 7–17. – Im August desselben Jahres wandte sich dann der Nationalrat der Wojewodschaft Krakau an die Krajowa Rada Narodowa (Landesnationalrat), das damalige provisorische Parlament, mit der Bitte um die schnellstmögliche Eröffnung des Tatranationalparks. Marchlewski, Pracowałem, 187 f. 90 Ebd., 188.

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Vertreibung und Nationalparks

4.5 Zwei Nationalparks als Produkte der unmittelbaren Nachkriegszeit Das erste Jahrzehnt nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs brachte die lange geplanten Nationalparks für die Tatra. In der Tschechoslowakei war es bei der Gründung 1949 der erste Nationalpark des Landes, der zunächst auch nur den östlichen Teil des Gebirges, die Hohe Tatra betraf – dort wo die deutsche Bevölke­rung nun fehlte. In Polen verlieh die Regierung 1954 gleichzeitig noch zwei weiteren Territorien den Status von Nationalparks und knüpfte damit an die sehr aktive Naturschutzpolitik der Zwischenkriegszeit an.91 Auffällig ist, dass es nicht zu einer Neuauflage des bilateralen Parkprojekts kam.92 Im Gegenteil forderten die polnischen NaturschützerInnen 1945 von der Regierung intern die erneute Grenzkorrektur auf Kosten der Tschechoslowakei, wie sie schon 1939 kurzzeitig stattgefunden hatte.93 Doch auch diese unfreundlichere Art der grenzüberschreitenden Bezugnahme hielt nicht lange an und wurde zugunsten des unilateralen Alleingangs aufgegeben. Dennoch zeigen die Quellen deutlich, wie stark die Aktivitäten auf der jeweils anderen Seite der Grenze wahrgenommen wurden, sei es die Konzeption des Naturschutzes oder das Management von Tourismus oder Weidewirtschaft.94 Als es ab Mitte der fünfziger Jahre auf beiden Seiten eine offizielle Nationalparkdirektion und einen wissenschaftlichen Beirat 91 Im selben Gesetzblatt wurden die Verordnungen des Ministerrats zur Eröffnung der Nationalparks in der Tatra, den Pieninen und der Babia Góra veröffentlicht. Bei den Pieninen handelte es sich um eine Neuauflage des bereits in der Zwischenkriegszeit bestehenden Parks. Diese drei Reservate waren diejenigen Gebiete, die im Krakauer Protokoll für die Kette von Karpatennationalparks vorgesehen waren und sich nach 1945 noch auf polnischem Territorium befanden. Der vierte Kandidat in den Waldkarpaten lag inzwischen in der Sowjetunion. Damit knüpfte die polnische Regierung an die Zwischenkriegspläne an, allerdings erhielt auf tschechoslowakischer Seite nur die Tatra ebenfalls Nationalparkstatus. Rozporządzenie RM z dnia 30 października 1954 r. w sprawie utworzenia Tatrzańskiego Parku Narodowego, in: Dz.  U., 25–29, http://dziennikustaw.gov.pl/DU/1955/s/4/23 (letzter Zugriff: 17.03.2015). Die Verordnungen für die Pieninen und die Babia Góra auf 29 bzw. 32. 92 In den ersten Nachkriegsjahren gab es bei den polnischen NaturschützerInnen noch die interne Forderung, dem zukünftigen Park einen internationalen Charakter zu verleihen. Protokoll der ersten Sitzung der PROP vom 31.03.1945. AP w Krakowie, Urząd Wojewódzki Krakowski, UW II 302, Bl. 7–17 – Projekt Rozporządzenia RM o utworzenie TPN, o. D., in: AAN, Ministerstwo Oświaty, 3235, Bl. 42–47. 93 Stefan Jarosz: Zagospodarowanie Tatr i Podhala, 16.10.1945. APAN, PROP, 391.  – Schreiben Szafer und Jarosz von November 1945 an das Außenministerium. Ebd. 94 Die polnischen NaturschützerInnen verwiesen neidisch darauf, dass die Tschecho­ slowakInnen nicht nur reden, sondern einfach handeln würden, und studierten aufmerksam die konzeptionellen Vorschläge: Polnische Übersetzung des ersten Nationalparkplans nach dem Krieg, »Najnovší projekt Tatranského národného parku«, veröffentlicht in: Krásy Slovenska, 1945/46. AAN, Ministerstwo Oświaty, 3235. – Artikel von Antoni Liberak: »Jeszcze o Parku Narodowym w Tatrach«, in: Naprzód vom 06.02.1949. Ebd.

Zwei Nationalparks als Produkte der unmittelbaren Nachkriegszeit 

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gab, richteten diese unverzüglich regelmäßige gemeinsame Arbeitstreffen ein.95 Damit war ein Gutteil der von den binationalen NaturschutzaktivistInnen um Goetel, Szafer und Domin gehegten Pläne Realität geworden, wenn es auch keinen offiziellen Festakt zur Eröffnung eines grenzüberschreitenden Schutzgebiets gab. Auch die »Architektur« der beiden Parks, wie sie in den zugrundeliegenden Rechtstexten vorgesehen war, wies deutliche Parallelen auf und zeigte eine unverkennbare Kontinuität zu den bisherigen Projekten. Die Zielsetzung bestand nach wie vor in der Vereinbarung der diversen Nutzungsweisen mit dem übergeordneten Zweck der Naturreservate, dem Naturschutz. Dazu gehörten Tourismus und Forschung sowie Forst- und Weidewirtschaft. Ebenso wie in der Zwischenkriegszeit waren die Parks grundsätzlich als integrativ gegenüber der örtlichen Bevölkerung und ihrer Wirtschaftsweise angelegt. Es erscheint deshalb als Ironie der Geschichte, dass in beiden Fällen ihre Realisierung auf Vertreibungen aufbaute und den wirtschaftlichen Ausschluss der Ansässigen nach sich zog. Dieser für die lokale Bevölkerung einschneidenden Konsequenz widmet sich Kapitel 6.  Die Einrichtung der Parks war eng mit den erzwungenen Bevölkerungstransfers und der damit einhergehenden Umgestaltung der Eigentumsverhältnisse im und unmittelbar nach dem Krieg verbunden. Besonders die Zwangsmigration am Kriegsende hatte für diesen Bereich einschneidende Konsequenzen. Wie in anderen von der Vertreibung betroffenen Regionen konnten hier umfassende Pläne innerhalb kurzer Zeit umgesetzt werden. Die Naturreservate waren damit Bestandteil der umfassenden Neuordnung von Territorium, Gesellschaft und Eigentumsstrukturen in Mittel- und Osteuropa. Das betraf zum einen die eigentumsrechtliche Seite, indem enteignetes Land an den Staat übertragen wurde. Zum anderen wurde der Zugang für die wirtschaftliche Aktivität der Einheimischen begrenzt. Das Resultat waren Verhältnisse, die ganz nach hochmodernem Denken vereinfacht worden waren und damit durch den Staat besser reguliert und kontrolliert werden konnten. Die staatliche Präsenz in der Region nahm im Zuge der Regulierungsmaßnahmen und später durch die Etablierung der Reservate deutlich zu. Die Tatra befand sich nun nicht nur zu einem weit größeren Teil im staatlichen Grundeigentum und wurde der lokalen Nutzung schrittweise entzogen, sondern war mit den Parks eindeutig als ideelles Eigentum des jeweiligen »gereinigten« nationalen Kollektivs markiert. Darin lässt sich geradezu ein Schub hin zu territorialer Eindeutigkeit erkennen, der durch den Krieg und vor allem die unmittelbare Nachkriegszeit möglich wurde. Ein Blick zurück auf die Debatten 95 Das erste offizielle gemeinsame Treffen fand 1956 statt. Stefan Skiba, Rada Naukowa Tatrzańskiego Rada Naukowa Tatrzańskiego Parku Narodowego w 50 lat istnienia parku, in: Zbigniew Krzan (Hrsg.), Tatrzański Park Narodowy na tle innych górskich terenów chronionych. Tom III: Człowiek i środowisko. Zakopane 2005, 35–40, hier 37.

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Vertreibung und Nationalparks

und Konflikte der Zwischenkriegszeit zeigt, wie sehr sich die Verhältnisse verändert hatten. Diese Sicht teilten übrigens auch Zipser Deutsche, wenn sie sich aus ihrer neuen westdeutschen Existenz an ihre Rolle als BewirtschafterInnen der Tatra erinnerten: Mit ihnen hatte es keinen Park geben können, da sie auf den Ertrag aus Holz- und Weidewirtschaft angewiesen gewesen seien. Nur ihre Vertreibung hatte den Weg zum Naturreservat ebnen können.96

96 Die Hohe Tatra – ein Nationalpark? – Javorina-Nationalpark, in: Die Karpatenpost vom Juni 1976, 5.

5. Der kurze Frühling der Alweg-Bahn

5.1 Modernisierung der Infrastruktur, Demokratisierung und nationale Selbstbehauptung In den ersten Wochen und Monaten des bewegten Jahres 1968 war im östlichen Landesteil der Tschechoslowakei ein Wort in aller Munde: Alweg. Für Alweg kamen in einer spontanen Spendenaktion Millionen tschechoslowakischer Kronen zusammen, Benefizgalas wurden ausgerichtet, Studierende veranstalteten einen Demonstrationszug durch die Innenstadt von Bratislava, Tausende leisteten freiwillig Zusatzschichten in ihren Betrieben, Schulkinder opferten ihre Spardose. Ein aufmerksamer Besucher der slowakischen Hauptstadt, der im österreichischen Exil lebende Publizist Otto Tureček, berichtete im Frühjahr: »Nicht etwa Dubček, sondern Alweg steht auf allen Ecken und Enden der abbröckelnden Fassaden der Provinzstadt Preßburg.«1 Im Januar hatte der zuvor als slowakischer Parteichef amtierende Alexander Dubček den orthodoxen Kommunisten Antonín Novotný als Ersten Sekretär der KSČ (Komunistická strana Československa, Kommunistische Partei der Tschechoslowakei) abgelöst. Der neue Parteichef verkörperte den politischen Umschwung, der sich bereits seit einiger Zeit abgezeichnet hatte und als Prager Frühling in die Geschichte eingegangen ist. Als sich die bisher strikt nach Moskau ausgerichtete Tschechoslowakei in den folgenden Monaten immer mehr in ein Land des demokratisierten Sozialismus wandelte, war der Slowake Dubček der Mann der Stunde. Wichtiger war den Einwohnern von Bratislava offenbar trotzdem Alweg. Die Alweg ist eine in den 1950er Jahren entwickelte, aufgeständerte Einschienenbahn mit Elektroantrieb, die nach den Initialen ihres Finanziers, des schwedischen Großunternehmers Axel Lenard Wenner-Gren benannt ist. Zu ihrer Zeit, die geprägt war von Zukunftsutopien und Technikbegeisterung, erregte sie Aufsehen aufgrund ihres futuristischen Designs und des Versprechens, die rapide wachsenden Verkehrsprobleme in den Großstädten zu lösen.2 Dennoch ist die aufwändige Technologie nur an wenigen Orten tatsächlich zum Einsatz gekommen. Mitte der sechziger Jahre war nur in Tokio eine Alweg-Bahn auf 1 Otto Tureček, Von Novotný zu Dubček, in: Wort und Wahrheit. Zeitschrift für Religion und Kultur 23, 1968, H. 2, 168–170, hier 168. Hervorhebung im Original. 2 Als zeitgenössische Schilderung vgl. einen ausführlichen Bericht im Spiegel: AlwegBahn: Das Geschäft von morgen, in: Der Spiegel Nr. 3 vom 18.01.1956, 16–23.

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Der kurze Frühling der Alweg-Bahn

mehr als zwei Kilometern Länge in Betrieb, und dabei ist es im Grunde bis heute auch geblieben.3 Der Durchbruch als revolutionäres Massentransportmittel blieb jedenfalls aus. Ungeachtet dessen verfielen einige slowakische Verkehrsplaner zu dieser Zeit auf die Alweg als eine Art Wundermittel, um das veraltete und überlastete Transportwesen in der touristischen Ballungsregion der Hohen Tatra zu modernisieren. Ihrer Ansicht nach war diese Spitzentechnologie gerade richtig für das bei den TouristInnen so beliebte Hochgebirge.4 Die Alweg-Vision versprach einen grundlegenden Wandel des Transports: schneller und komfortabler, eine mehrfach höhere Transportkapazität und eine Attraktion für BesucherInnen aus dem In- und Ausland. In einer Skizze hielten die Planer 1967 ihre Zukunftsvision fest: Darauf ist die Alweg-Bahn zu sehen, wie sie im Vorland der Tatra majestätisch dahingleitet. Ihre Schiene überspannt Straßen und Baumwipfel und dominiert die Landschaft somit weithin. In diesem futuristischen Element sahen die beteiligten Verkehrsexperten die Lösung für die Probleme der Tatra. Sie entwarfen gleich ein Verkehrssystem für die ganze Region rund um die Hohe Tatra bis über die Grenze nach Zakopane.5 Das Vorhaben erforderte allerdings Risikobereitschaft. Weder die Kosten noch die Bauzeit ließen sich aufgrund der wenigen bereits realisierten Trassen verlässlich kalkulieren. Das Prager Verkehrsministerium zeigte sich abwehrend und gab der Alweg-Option allenfalls auf längere Sicht eine Chance.6 Mit diesem Machtwort war die Sache aber noch nicht beendet. Als der Internationale Skiverband FIS (Fédération Internationale de Ski) der Tschechoslowakei die Ausrichtung der Nordischen Skiweltmeisterschaften 1970 in der Hohen Tatra übertrug, wurde die Konsolidierung des überlasteten Verkehrsnetzes zur politischen Priorität. Auch die Alweg-Idee kam wieder auf die Tagesordnung. In der neu erwachenden Anteilnahme an öffentlichen Angelegenheiten nach Dubčeks Wahl zum Parteichef erlebte das Konzept eine erstaunliche Renaissance. Die Bahn wurde in kürzester Zeit zum Kristallisationspunkt der ersten spontanen Massenmobilisierung seit der Durchsetzung der kommunistischen Alleinherrschaft zwanzig Jahre zuvor und zum Symbol für die slowakische Forderung nach größerer nationaler Selbstständigkeit.7 3 Neben der besagten Verbindung zwischen der Tokioter Innenstadt und dem Flughafen Haneda bestanden nur noch einige sehr kurze Alweg-Strecken: In dem Kölner Vorort Fühlingen gab es eine Teststrecke, im Praxisbetrieb fuhr sie auch in Seattle, Turin und einigen Disneyland-Parks in den USA . 4 Alexander Valentinovič, Doprava vo Vysokých Tatrách  a čo s  ňou súvisí, in: Krásy Slovenska 44, 1967, H. 11, 431–433. 5 Ebd. Die abgebildete Skizze ist von S. 431. Auf S. 433 ist ein Schema des vorgeschlagenen Verkehrssystems für die Tatra abgebildet. 6 Jan Rychlík, »Causa Alweg« – první projev slovenského národního pohybu v roce 1968, in: Jiří Pernes (Hrsg.), Po stopách nedávné historie. Sborník k 75. narozeninám doc. Karla Kaplana. Brno 2003, 287–296, hier 288–290. 7 Lipták, Tatra, 279. – Rychlík, »Causa Alweg«, 288 f.

Infrastruktur, Demokratisierung und nationale Selbstbehauptung 

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Abb. 4: Vision der Alweg-Bahn, veröffentlicht 1967 in der landeskundlichen Zeitschrift »Krásy Slovenska« (Die Schönheiten der Slowakei)

Die ostmitteleuropäische Karriere der Einschienenbahn war in ihrem Verlauf ebenso stürmisch wie ihr Ende kläglich. Ihr Bau wurde nicht einmal begonnen. Als der »Prager Frühling« an Dynamik gewann, wandten sich die BürgerInnen auch in der Slowakei lieber der sich überschlagenden Tagespolitik zu. Vermutlich wurden die »Alweg«-Aufschriften auf den Häuserwänden in Bratislava nach dem Einmarsch der Warschauer Pakt-Truppen am 21. August 1968 getilgt, gemeinsam mit all den Schlagworten und Parolen, die die aufgebrachten EinwohnerInnen während der Okkupation in der Stadt angebracht hatten. Mit den Graffiti verschwand auch die Erinnerung an die »Causa Alweg«. Was hatte es also auf sich mit dieser Aufregung um eine Gebirgsbahn an einem der dramatischsten politischen Wendepunkte der Nachkriegszeit? Bisher haben sich nur wenige Personen an einer rückblickenden Deutung versucht. Vor allem die Zeitzeugen kamen zu wenig schmeichelhaften Urteilen: Einer der führenden tschechischen Dissidenten und spätere Spitzenpolitiker Petr Pithart schrieb in seiner zunächst 1980 im Samisdat erschienenen Analyse des Prager Frühlings vom »tristen Symbol der ungestillten slowakischen Aspirationen, die sich für den Anfang eben nur mit einem Symbol zufriedengaben, wenn auch vielleicht mit einem sehr pompösen.«8 Milan Šútovec wiederum, slowakischer Literaturwissenschaftler, Publizist und in den ersten Jahren nach 1989 ebenfalls als Politiker tätig, bezeichnete die ganze Alweg-Aktion in der Retrospektive als



8 Petr Pithart, Osmašedesátý. 3. Aufl. Praha 1990, 114.

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Der kurze Frühling der Alweg-Bahn

»bizarr«.9 Dem stimmen die Historiker Ľubomír Lipták und Jan Rychlík zu. In Liptáks Worten war die Alweg ein »Stellvertreterthema« für die Unzufriedenheit der SlowakInnen mit ihrer benachteiligten Stellung in der Republik.10 Zu einem Zeitpunkt, als mit dem Nachlassen der Repressionen lange totgeschwiegene Probleme wieder an die Oberfläche treten konnten, drängte in der Slowakei mit aller Macht die Frage größerer nationaler Selbstbestimmung auf die Tagesordnung. Dieses Problem überdeckte im östlichen Landesteil sogar die Forderung nach demokratischen Reformen.11 Es greift allerdings zu kurz, die Alweg-Kampagne allein als leere Chiffre anzusehen. Zwar ist es unbestreitbar, dass sie ein Stellvertreterthema war. Aber auch im Weiteren ist Ľubomír Lipták zuzustimmen, wenn er darauf hinweist, dass Symbolkraft nicht willkürlich irgendeiner Sache angeheftet werden kann: In Krisen- und Umbruchszeiten entsteht das nachhaltige Bedürfnis, komplizierte Probleme zu einer einzigen, überschaubaren und jedem verständlichen Erscheinung, Losung oder Forderung zu vereinfachen. Als »Stellvertreter« können verschiedene Probleme ausgewählt werden, aber keine beliebigen.12

Die Alweg war kein beliebiges Problem. Wenn sie nicht als politikgeschichtliches Kuriosum, sondern als Bestandteil der Nutzungsgeschichte der Tatra betrachtet wird, werden drei Gründe sichtbar, weshalb sie die Bevölkerung so stark mobilisieren konnte. Erstens bildete sie den Anlass für die nächste Etappe in der Slowakisierung des Gebirges. Zweitens lässt sich die populäre Forderung nach einem zeitgemäßen Ausbau des Transportwesens in der Fremdenverkehrshochburg Tatra als Einforderung des staatlichen Versprechens eines demokratischen und modernen Tourismuswesens verstehen. Drittens bot die Alweg eine Antwort auf ein tatsächlich vorhandenes Problem, das nicht nur in der Tatra bestand. Das rapide Wachstum des Massentourismus in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg brachte auch in Westeuropa und den USA die Frage auf, wie sich der BesucherInnenstrom kanalisieren und Schaden von der Natur abwenden ließe. In der Alweg-Aktion erhielt ein real vorhandenes, vor allem technisches Problem eine symbolische Bedeutung, die rasch weit über die Sachfrage hinausstrahlte. Im Folgenden geht es darum, das Bahnprojekt zu kontextualisieren. Zunächst werden die Neuausrichtung des Tourismuswesens unter sozialistischen 9 Milan Šútovec, Semióza ako politikum, alebo »Pomlčková vojna«. Niektoré historické, politické a iné súvislosti jedného sporu, ktorý bol na začiatku zániku česko-slovenského štátu. Bratislava 1999, 102, 105. 10 Lipták, Tatra, 279–282. – Rychlík fasst die Positionen der drei anderen zusammen und schließt seine eigene Bewertung an: Rychlík, »Causa Alweg« 1968, 293 f. 11 Vgl. Stanislav Sikora, Slovakia and the attempt to reform socialism in Czechoslovakia, 1963–1969, in: Mikuláš Teich, Dušan Kováč, Martin D. Brown (Hrsg.), Slovakia in History. Cambridge, New York 2011, 299–314, hier v. a. 314. – Lipták, Slovakia, 286–290. 12 Lipták, Tatra, 282.

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Das volkseigene Gebirge

Vorzeichen und ihre Auswirkungen in der Tatraregion erläutert. Anschließend geht es in einer vergleichenden Perspektive um die zunehmende Konkurrenz zwischen Naturschutz und Tourismus und den Beitrag zur Problemlösung, den sich die VerfechterInnen der Alweg von ihrem Vorschlag erhofften. Schließlich stehen der Ablauf und die politischen Konsequenzen der Kampagne rund um die Einschienenbahn im Mittelpunkt.

5.2 Das volkseigene Gebirge Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte die traditionelle touristische Destination Tatra einen kräftigen Aufschwung, der im Zusammenhang mit der Neu­ ausrichtung des Tourismuswesens als System staatlich organisierter ArbeiterInnenerholung stand. Implementiert nach dem Vorbild der Sowjetunion, aber auch mit großer Ähnlichkeit zum »Kraft durch Freude«-Programm im Nationalsozialismus, verband sich eine sozialpolitische Maßnahme mit dem offiziellen Projekt, eine neue Ordnung mit einem neuen Menschen durchzusetzen. Mit dem polnischen Historiker Paweł Sowiński lässt sich für das erste Nachkriegsjahrzehnt vom Tourismus als einem »Labor« sprechen, in dem die zu schaffende sozialistische Gesellschaft im Kleinen hergestellt werden sollte.13 Im Zeichen der Systemkonkurrenz setzten sich die selbsternannten volksdemokratischen Regime in ganz Osteuropa zum Ziel, die Urlaubsreise von einer Domäne vermögender Schichten in ein Anrecht der Werktätigen zu transformieren. Die rapide Zunahme des BesucherInnenaufkommens fußte auf dem Postulat, der arbeitenden Bevölkerung die Regeneration und kulturelle Hebung in der Freizeit zu ermöglichen.14 Der Urlaub sollte nicht mehr in der Familie, sondern mit anderen Werktätigen verbracht werden, wobei Menschen unterschiedlicher Profession aus allen Teilen des Landes in einer Gruppe vereint werden sollten. Eine weitere Funktion des ArbeiterInnentourismus bestand in der ritualisierten Völkerverständigung innerhalb des sozialistischen Blocks. Nicht zuletzt funk-

13 Paweł Sowiński, Gestaltung des historischen Gedächtnisses und Formung eines offiziellen Volkspolen-Bildes mittels organisierter Urlaubsreisen 1945–1989, in: Krzysztof Ruchniewicz, Stefan Troebst (Hrsg.), Diktaturbewältigung und nationale Selbstvergewisserung; Geschichtskulturen in Polen und Spanien im Vergleich. Wrocław 2004, 163–171, hier 163. – Ähnlich argumentiert Anne Gorsuch für die spätstalinistische Sowjetunion, indem sie die erzieherische und propagandistische Komponente des sozialistischen Tourismus betont: Anne E. Gorsuch, »There’s No Place Like Home«. Soviet Tourism in Late Stalinism, in: Slavic Review 62, 2003, H. 4, 760–785. 14 Alžběta Čornejová, Dovolená s  poukazem. Odborové rekreace v  Československu ­1948–1968. Praha 2014. – Dariusz Jarosz, »Masy pracujące przede wszystkim«. Organizacja wypoczynku w Polsce, 1945–1956. Warszawa, Kielce 2003. – Gorsuch, »There’s No Place Like Home«.

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Der kurze Frühling der Alweg-Bahn

tionierte eine solche Zentralisierung des Urlaubswesens auch als effektives Kontrollinstrument über die Freizeitgestaltung der Bürgerinnen und Bürger.15 Neben dem blockweiten Wachstum des Tourismuswesens hatte der Boom der Tatraregion aber auch spezifische Gründe. Durch den sich in den vierziger Jahren immer tiefer über Europa senkenden »Eisernen Vorhang« war das östliche Europa quasi vollständig von den Alpen abgeschnitten. Selbst innerhalb des sozialistischen Blocks wurden die Vorschriften für den Auslandsreiseverkehr bis zur Mitte der fünfziger Jahre äußerst restriktiv gehandhabt.16 Reisewilligen in Ostmitteleuropa blieb deswegen die Tatra als einziges Hochgebirge alpinen Charakters. Das Renommee als Luftkur- und Wintersportdestination sowie die bereits bestehende Infrastruktur an Verkehrswegen, Hotels, Skipisten und anderem empfahlen sich geradezu zur intensiven Weiternutzung. Eine solche Kontinuität zeigt sich beispielsweise im zu Beginn der 1930er Jahre erbauten Ferienheim »Morava« in Tatranská Lomnica, das nach dem Krieg von der Einheitsgewerkschaft ROH (Revoluční odborové hnutí, Revolutionäre Gewerkschaftsbewegung) übernommen wurde.17 Auf symbolischer Ebene ging es wie etwa in den böhmischen Bädern auch darum, zuvor adelig-großbürgerlich geprägte Orte für die arbeitende Bevölkerung in Besitz zu nehmen.18 Die Organisation des Urlaubswesens oblag den Gewerkschaften und Betrieben, die die TeilnehmerInnen auswählten, Ferienhäuser betrieben und das – tagesfüllende und obligatorische – Programm durchführten.19 Die zahlreichen bestehenden Pensionen und Hotels rund um die Tatra fielen in der Tschechoslowakei wie in Polen an die öffentliche Hand. Dort einen Platz zu bekommen, galt ebenso als Auszeichnung für verdiente ArbeiterInnen 15 Paweł Sowiński, Wakacje w Polsce Ludowej. Polityka władz i ruch turystyczny (1945– 1989). Warszawa 2005, 59–80. 16 Die Völkerverständigung durch Tourismus blieb zum größten Teil eine propagandistische Formel. Exemplarisch für das Grenzregime der PRL siehe Mikołaj MorzyckiMarkowski, How People Crossed Borders in Socialism. The Polish Case, in: Włodzimierz Borodziej, Jerzy Kochanowski, Joachim von Puttkamer (Hrsg.), Schleichwege. Inoffizielle Begegnungen sozialistischer Staatsbürger zwischen 1956 und 1989. Köln, Weimar, Wien 2010, 55–66. 17 Dieses und weitere Beispiele in der slowakischen Tatra bei Čornejová, Dovolená, Kapitel 7, eine Übersicht über von ROH übernommene Erholungsheime und Hotels befindet sich im Anhang. 18 Die Öffnung der böhmischen Bäder wie Mariánské Lázně (Marienbad), Teplice (Teplitz) und Karlovy Vary (Karlsbad) für ArbeiterInnen wurde bereits 1945 durchgeführt, um den Stellenwert der Sozialpolitik für die neue Republik zu verdeutlichen. Das kommunistische Regime führte diese Politik dann ab 1948 weiter. Glassheim, Ethnic Cleansing, 78. – Čornejová, Dovolená, 115–120. 19 Anne E. Gorsuch, Diane P. Koenker, Introduction, in: Dies. (Hrsg.), Turizm. The Russian and East European Tourist under Capitalism and Socialism. Ithaca 2006, 1–14. – Knapík, Jiří: Lemma »rekreace ROH«, in: Ders., Martin Franc, kol., Průvodce kulturním děním  a životním stylem v českých zemích 1948–1967. Praha 2011, 773 f. – Jarosz, Masy, Kapitel 1.

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wie es für einen Betrieb ein Privileg war, über ein Ferienheim in Zakopane oder Tatranská Lomnica zu verfügen.20 In den tschechoslowakischen populärkulturellen Kanon ist die Tatra als Ort der ArbeiterInnenerholung durch den Film »Anděl na horách« (Anděl in den Bergen) von 1955 eingegangen. Auch heute noch ist der Film allgemein bekannt und besitzt inzwischen den Status einer nostalgischen Reminiszenz an das Leben im Staatssozialismus. Darin wird der misanthropische Prager Fahrkarten­ kontrolleur Gustav Anděl als Belohnung für seine gewissenhafte Arbeit zum Winterurlaub in die Tatra geschickt. Untergebracht ist er in dem besagten Ferienheim Morava in Tatranská Lomnica. Während seines Aufenthalts erlebt er nicht nur heitere Episoden beim Wintersport und den zahlreichen Gemeinschaftsaktivitäten, sondern aus dem Griesgram wird ganz nebenbei ein freundlicherer, sozialerer, schlicht besserer Mensch. Auf ebenso unterhaltsame wie erzieherische Art präsentierte der Film den KinogängerInnen das zentralisierte Erholungswesen als Errungenschaft der neuen Ordnung und die Tatra als für alle erreichbaren Sehnsuchtsort, der »neue Menschen« schafft.21 Die Bedeutung der Tatra wurde damit in der Zeit des Staatssozialismus um eine weitere Schicht an politischen Bezügen ergänzt und auf diese Weise aktua­lisiert. Diese Art der Inbesitznahme verlief parallel zur Umgestaltung der Eigentumsstruktur in der Bergregion zugunsten der öffentlichen Hand und der Etablierung des Nationalparks 1949. Die Statuten des TANAP räumten dem Tourismus einen zentralen Platz ein.22 Gemeinsam führten diese Maßnahmen zu einer umfassenden »Popularisierung« der Tatra. Selbst eine Briefmarken­ serie verkündete 1951 das Motto: »Die Berge gehören den Werktätigen«.23 Auch wenn revolutionäre Rhetorik sich nicht automatisch mit der Realität deckte, so wurde hier doch auf ein Bewusstsein in der Bevölkerung hingewirkt, die Tatra als das kollektive Eigene zu verstehen. Dass diese Berge für viele Menschen in der Slowakei des Jahres 1968 zu einer so emotionalen Angelegenheit wurden, spiegelt nicht zuletzt die Auffassung wider, dass es sich dabei um eine Art Volkseigentum handelte.

20 Čornejová, Dovolená, 119–127. – Kochanowski, Socjalizm, 74 f. 21 »Anděl na horách« war die Fortsetzung des populären Films »Dovolená s Andělem« (Urlaub mit Anděl) von 1952, ebenfalls mit Jaroslav Marvan in der Hauptrolle. Der Plot ist recht ähnlich und erzählt in beiden Fällen die Wandlung (nicht nur) des Protagonisten zu einem besseren Menschen dank der während des gemeinsamen Urlaubs entstandenen Kameradschaft. Eine genauere Interpretation beider Filme unternimmt Čornejová, Dovolená, Kapitel 11. 22 Siehe die entsprechende Verordnung in deutscher Übersetzung: Verordnung des Beauftragtenrats vom 28. Oktober 1952 über den Tatra-Nationalpark, in: Zborník prác o TANAP u 1, 1957, 10–13. 23 Neben einem Motiv aus der Tatra gab es Motive aus den Beskiden und dem Riesengebirge. Die Tatra-Briefmarke zeigte wiederum das Erholungsheim Morava.

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Die nicht mehr zu bewältigenden BesucherInnenscharen in der Hochgebirgsregion, die mit der Alweg kanalisiert werden sollten, resultierten jedoch nicht allein aus der organisierten ArbeiterInnenerholung. Sie lassen sich vor allem auf den Individualtourismus zurückführen, der sich mit dem »Tauwetter« allmählich in den Gesellschaften Osteuropas verbreitete. Das Tourismuswesen stellte eine privilegierte Bühne dar, auf der die Regierungen der sozialistischen Staaten ihre gesellschaftliche Modernisierungspolitik in Szene setzten. Zugunsten des individuellen Reiseverkehrs erfuhr die durchgeplante und überwachte Gruppenerholung aber zunehmend eine Abwertung in der Gesellschaft. Anstatt auf die Zuteilung eines attraktiven Ferienheimplatzes durch ihren Betrieb oder die Gewerkschaft zu hoffen, entschieden sich immer mehr Menschen dazu, ihren Urlaub auf eigene Faust mit Familie oder FreundInnen zu verbringen.24 Dieser Prozess lief parallel zur Entwicklung in Westeuropa, wo die Urlaubsreise ebenfalls in der Nachkriegszeit für immer mehr Menschen zum festen Bestandteil des Lebenswandels wurde. In den sechziger Jahren explodierten die Reisezahlen in West und Ost.25 Dementsprechend stieg das BesucherInnenaufkommen in der Tatra seit dem Ende der fünfziger Jahre erheblich an. Die vorliegenden Zahlen geben einen eindeutigen Trend wieder, wenn sich auch nicht überprüfen lässt, ob die Zuwachsraten tatsächlich so massiv ausfielen. Auf der polnischen Seite wurden 1938 60.000 BesucherInnen gezählt. Nachdem der Tourismus im Krieg eingebrochen war, war der Stand der Zwischenkriegszeit mit 150.000 Gästen im Jahr 1948 schon kurze Zeit später übertroffen. 1962 wurde die Million überschritten, bereits zwei Jahre später die Zweimillionenmarke. Der bisherige BesucherInnenhöchststand lag 1978 bei 3,6 Millionen.26 In der slowakischen Hohen Tatra lässt sich genau dieselbe Dynamik beobachten. Von 24.500 BesucherInnen 1924 stieg 24 Zum Tourismus als sozialpolitische Modernisierungsmaßnahme seit der Entstalinisierung vgl. folgende Textauswahl zu verschiedenen Ländern aus der wachsenden Literatur: Martin Franc, Jiří Knapík, Volný čas v českých zemích 1957–1967. Praha 2013, 338. – Jerzy Kochanowski, Jenseits der Planwirtschaft. Der Schwarzmarkt in Polen 1944–1989. Göttingen 2013, 391–393. – Christian Noack, Coping with the Tourist. Planned and »Wild« Mass Tourism on the Soviet Black Sea Coast, in: Anne E. Gorsuch, Diane P. Koenker (Hrsg.), Turizm. The Russian and East European Tourist under Capitalism and Socialism. Ithaca 2006, 281– 304. – Mary Neuburger, Smoke and Beers. Touristic Escapes and Places to Party in Socialist Bulgaria, 1956–1976, in: Cathleen M. Giustino, Catherine J. Plum, Alexander Vari (Hrsg.), Socialist Escapes. Breaking Away from Ideology and Everyday Routine in Eastern Europe, 1945–1989. New York, Oxford 2013, 145–163. 25 Anne E. Gorsuch, Diane P. Koenker, Introduction. The Socialist Sixties in Global Perspective, in: Dies. (Hrsg.), The Socialist Sixties. Crossing Borders in the Second World. Bloomington 2013, 1–21, hier 6. – Rüdiger Hachtmann, Tourismus-Geschichte. Göttingen 2007, 140 f. 26 Zbigniew Mirek, Antropogeniczne zagrożenia i przekształcenia środowiska przyrodniczego, in: Ders. (Hrsg.), Przyroda Tatrzańskiego Parku Narodowego. Praca zbiorowa pod red. Zbigniewa Mirka. Kraków u. a. 1996, 595–617, hier 602.

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die Zahl auf gut 100.000 im Jahr 1950. Ein Jahrzehnt später lag die Besucherzahl schon bei über einer Million, und 1970 bei weit über drei Millionen.27 Einen besonderen Anreiz für einen Abstecher in die Tatra bot die Wiederbelebung der grenzüberschreitenden touristischen Konvention aus der Zwischenkriegszeit. Seit 1956 war TouristInnen der Grenzübertritt mit einem Passierschein möglich.28 Diese Maßnahme besaß Pioniercharakter, denn sie schlug eine Art erste Bresche in die zuvor streng bewachten Grenzen zwischen den »Bruderstaaten«. In den folgenden Jahren kamen weitere Abkommen dazu, zum Beispiel 1961 in den Sudeten.29 Die Popularität der Tatra für den Tourismus stieg stetig. Immer weniger zu übersehen waren allerdings auch die Kehrseiten des BesucherInnenzustroms: die Überlastung der Verkehrsinfrastruktur, ein Mangel an Unterkünften und Gaststätten ebenso wie die Schädigung der Hochgebirgsnatur.

5.3 Der neue Streit um das Meerauge Die Liberalisierung des Urlaubswesens in Osteuropa nach 1956 war nicht allein dem staatlichen Versprechen geschuldet, der Bevölkerung einen besseren Lebensstandard zu ermöglichen. Ein weiterer, pragmatischer Grund lag darin, den BürgerInnen die Möglichkeit zu geben, die Unzulänglichkeiten der Planwirtschaft durch Eigeninitiative auszugleichen. Der staatliche Urlaubssektor war vor allem in beliebten Urlaubsgegenden mit der wachsenden Nachfrage heillos überfordert. Privat organisierte Anreise, Unterbringung und Verpflegung bewahrten ihn vor dem Kollaps, blieben aber immer in einer halblegalen Grauzone.30 Weil in allen Staaten des »Ostblocks« Mangelwirtschaft herrschte, betätigten sich viele TouristInnen darüber hinaus als HändlerInnen. Die Ferienreise ins Aus 27 Für 1982 spricht diese Statistik gar von 4,5 Millionen BesucherInnen. Erika Otrubová, Cestovný ruch vo Vysokých Tatrách, in: Jadwiga Warszyńska (Hrsg.), Karpacka konferencja turystyczna. Materiały międzynarodowj konferencji geografów krajów karpackich. Kraków, 13–16 maja 1985. Carpathian Tourist Conference. Papers of the International Conference of Geographers from Carpathian Countries, Cracow 13–14th may, 1985. Kraków 1989, 13–20, hier 16. 28 Informationen zu den Vergabemodalitäten in: AAN, Komitet dla Spraw Turystyki w Warszawie, 256/4. 29 Jaroslav Kučera, Der sozialistische Staat und die Kontakte seiner Bürger mit den »Bruderländern«, in: Włodzimierz Borodziej, Jerzy Kochanowski, Joachim von Puttkamer (Hrsg.), Schleichwege. Inoffizielle Begegnungen sozialistischer Staatsbürger zwischen 1956 und 1989. Köln, Weimar, Wien 2010, 365–378, hier 368. – Mateusz J. Hartwich, Tourismus, Traditionen und Transfers. Rahmenbedingungen und Wahrnehmungen der Reisen von DDR-Bürgern ins Riesengebirge in den 1960er Jahren, in: Ebd., 153–178, hier 169. 30 Kochanowski, Socjalizm, 74–77.  – Paweł Sowiński, Socjalistyczna stabilizacja. Dwie dekady wypoczynku w PRL 1956–1980, in: Dariusz Stola, Marcin Zaremba (Hrsg.), PRL – Trwanie i Zmiana. Warszawa 2003, 281–303.

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land nutzten sie zum Einkaufen und Schmuggeln, zum Teil trat der Urlaubsaspekt ganz hinter diese inoffizielle wirtschaftliche Tätigkeit zurück.31 Die in der Bevölkerung immer weiter wachsende Unzufriedenheit angesichts der schlechten Versorgung, mangelnden Qualität der Produkte und der veralteten Infrastruktur war auch ein politisches Problem. Denn in einem System, in dem der Staat beanspruchte, alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens zu organisieren und seinen BürgerInnen weitreichende Versprechen auf ein besseres Leben machte, kam das offensichtliche Versagen des staatlichen Sektors einer Niederlage gleich. Die BürgerInnen reagierten darauf, indem sie, etwa durch den Handelstourismus, auf »Schleichwegen« Ausgleich zu schaffen versuchten. Außerdem nahmen sie die offiziell postulierten Ansprüche ernst und formulierten, je nach den im eigenen Land möglichen Spielräumen, offen oder verdeckt Kritik an den zahllosen Schwachstellen sozialistischer Sozialpolitik.32 Das gleiche galt in Bezug auf die Natur. Das bis dahin ungekannte BesucherInnenaufkommen stellte das Tatragebirge auf eine harte Belastungsprobe. Ähnlich wie vor den völlig überfüllten Restaurants mussten die Menschen auch an den malerischsten Orten in den Bergen Schlange stehen. Dem Mangel an Unterkünften und Warenangebot entsprach ein Mangel an Gebirge. Die sich vor allem in der Hauptsaison auf den Wanderwegen oder Skipisten drängenden BesucherInnenmassen waren aber nur das unmittelbare Problem. Dazu kam ein steigendes Verkehrsaufkommen an Bussen, Motorrädern und Autos. Immer mehr Personen reisten mit dem eigenen Auto an, ein weiteres Ergebnis der staatlichen Modernisierungspolitik. Ausgreifende Parkplätze und Staus auf dem Gebiet des Nationalparks wurden in der Tatra zu beiden Seiten der Grenze zum gewöhnlichen Anblick. Solche Zustände hätten sich die AkteurInnen in den Nationalparkverwaltungen und Naturschutzinstitutionen zuvor nicht träumen lassen. Frühere Klagen über die Auswirkungen des Tourismus auf die Natur schienen im Angesicht der neuen Bedrohungen harmlos.33

31 Dazu grundlegend Jerzy Kochanowskis Arbeiten zu Polen: Kochanowski, Jenseits, Kapitel 9. – Auch die Beiträge in Włodzimierz Borodziej, Jerzy Kochanowski, Joachim von Puttkamer (Hrsg.), Schleichwege. Inoffizielle Begegnungen sozialistischer Staatsbürger zwischen 1956 und 1989. Köln, Weimar, Wien 2010. 32 Für das Tourismuswesen in Polen: Bianca Hoenig, Erholung für den Staat oder Erholung vom Staat? Tourismus in der Volksrepublik Polen, 1956–1970. München 2013 (Digitale Reihe der Graduierungsschriften / Universitäten Deutschland 3), http://ostdok.de/id/ BV041233540/ft/dspaceBV041233540?page=46&c=solrSearchOstdok (letzter Zugriff: 23.01. 2016), v. a. Kapitel 3. – Hartwich, Riesengebirge, 117–126. – Vielfach herausgearbeitet an der Konsumgeschichte Osteuropas, vgl. z. B. den Band David Crowley, Susan Emily Reid (Hrsg.), Pleasures in Socialism. Leisure and Luxury in the Eastern Bloc. Evanston 2010. 33 Vgl. nur die beiden Polemiken: Walery Goetel, Z walki o piękno Tatr, in: Wierchy 30, 1961, 47–64. – Józef Kowalski [d. i. Władysław Krygowski], Ku czemu idą Tatry?, in: Wierchy 30, 1961, 65–71.

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Was sich in der Tatra abspielte, war die lokale Variante einer andernorts gut bekannten Geschichte. Der Ansturm von BesucherInnen und Autoschlangen waren auch am Saum des Grand Canyon, im Yosemite-Tal, dem englischen Dartmoor und vielen anderen geschützten Naturgebieten Nordamerikas und Westeuropas ein vertrautes Bild. In den USA waren Autos bereits in der Zwischenkriegszeit eine Massenerscheinung in den Nationalparks. In Westeuropa setzte sich der motorisierte Tourismus als Massenphänomen in den fünfziger Jahren durch.34 Die wachsende Popularität von Nationalparks bei den IndividualtouristInnen war zweischneidig: Einerseits bedeutete sie gesellschaftliche Anerkennung und die Stärkung ihrer Position in der Öffentlichkeit. In den USA investierten die Parkverwaltungen bis in die sechziger Jahre gezielt in den Ausbau der touristischen Infrastruktur. Andererseits klagten NaturschützerInnen schon früh über Abgase, Lärm und Platzbedarf der Fahrzeuge und über die dazugehörigen PassagierInnen, die sich nur noch fahrend fortbewegten und mit dem Ideal der die Wildnis durchstreifenden WandererIn nichts mehr gemein hätten.35 Als der BesucherInnenzustrom in den 1970er Jahren auf seinen bisherigen Höchststand kletterte,36 zog auch in der breiteren Öffentlichkeit ein Krisenbewusstsein ein. In den USA grassierte gar die Furcht, die TouristInnen könnten »die Parks zu Tode lieben«.37 In der Tatra hielt die Massenmotorisierung in den sechziger Jahren Einzug. Diese Entwicklung provozierte in Polen 1964 eine öffentliche Debatte, die in der Presse mit einem martialischen Namen etikettiert wurde. Als »zweiten Krieg um das Meerauge« – nach dem »ersten« Streit um die territoriale Zugehörigkeit des Bergsees um die Jahrhundertwende – betitelte ein Reporter der Sportzeitschrift »Tempo« seinen Bericht. Er beschäftigte sich darin mit den Auseinandersetzungen zwischen dem TPN und den Zakopaner Verwaltungsstellen um die weitere Erschließung des Morskie Oko für den Massentourismus. Wie zu Chałubińskis Zeiten war dieser Ort nach wie vor der Höhepunkt eines jeden Abstechers in die polnische Tatra. Jahr für Jahr wälzten sich immer längere Autokolonnen den Fahrweg entlang, der bis zum Seeufer führte, wo sich an Sommertagen bis zu 20.000 Personen gegenseitig auf die Füße traten. Abbildung 5 zeigt den großen 34 Sutter, Driven Wild, Kapitel 2. – Hachtmann, Tourismus-Geschichte, 163–167. 35 Patrick Kupper, Nationalpark und Tourismus. Eine vergleichende Geschichte der USA und der Schweiz, in: Hans-Werner Frohn, Jürgen Rosebrock, Friedemann Schmoll (Hrsg.), »Wenn sich alle in der Natur erholen, wo erholt sich dann die Natur?«. Naturschutz, Freizeitnutzung, Erholungsvorsorge und Sport – gestern, heute, morgen. Tagungsband zum gleichnamigen Symposium veranstaltet von der Stiftung Naturschutzgeschichte am 5. und 6. November 2008. Bonn, Bad Godesberg 2009, 207–228, hier 210–214. – Sutter, Driven Wild. – Matthew Kelly, National Parks in Britain: The Social Democratic Paradox, in: The Arcadia Project, Arcadia item 2015/7, http://​w ww.environmentandsociety.org​/a​ rcadia/​national-parks-britainsocial-democratic-paradox (letzter Zugriff: 13.01.2016). 36 Kupper, Nationalpark und Tourismus, 208 f. 37 Jones, Wills, Invention, 81–83, 86–90. – Kupper, Wildnis, 249–266.

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Andrang am Morskie Oko im Hochsommer 1963. Es ist auch ein Auto zu sehen, das in nächster Nähe zum Ufer parkt. Das Bild wurde an einem Feiertag, dem 22. Juli, aufgenommen. Ähnliche Szenen waren während der Hauptsaison aber ein alltäglicher Anblick und sind auch vielfach fotografisch dokumentiert.38 Angesichts des immensen Andrangs plante das zuständige Straßenbauamt einen Parkplatz für 400  Fahrzeuge und einen großen Wendekreis sowie ein Ausflugslokal mit 3.000 Plätzen direkt beim See. Dagegen machte sich im Frühjahr 1964 öffentliche Entrüstung breit. Der besagte Artikel in »Tempo« gab den Anlass zu einer Welle der Solidarität mit dem TPN als Beschützer der ideellen Naturreichtümer. Zahlreiche Briefe und Petitionen erreichten die Redaktion, und auch weitere Zeitungen berichteten über den Streit. Schließlich konnte ein Kompromiss gefunden werden. Die Ankommenden mussten ihre Autos auf halbem Weg abstellen und die letzten anderthalb Kilometer zu Fuß bewältigen, verpflegen mussten sie sich anderswo.39 Zur selben Zeit wurde die angespannte Verkehrslage auch auf der Südseite der Berge zum akuten Problem. Das Dilemma zwischen der Zugänglichkeit für den Tourismus und dem Naturschutz war hier sogar noch größer, weil sich mit den im 19. Jahrhundert begründeten Kurorten ein Teil der touristischen Basis selbst innerhalb des Nationalparks befand. In Polen bestand das Problem nur darin, die TouristInnen von ihren Unterkünften außerhalb des Parks an die beliebtesten Punkte im Park zu befördern, während im TANAP geschlossene Siedlungen existierten, die Unterkunft in Sanatorien, Erholungsheimen und Hotels boten. Aneinandergereiht wie Perlen auf einer Schnur, wurden sie von der noch vom Karpathenverein gebauten Gürtelstraße verbunden, welche seit der Zwischenkriegszeit die Bezeichnung »Cesta slobody« (Freiheitsstraße) trug. Außer dieser auf etwa 1.000 m am Gebirge entlangführenden Verkehrsader gab es nur noch die ebenfalls aus den Zeiten der Doppelmonarchie datierende Elektrische Tatrabahn (Tatranská elektrická železnica, TEŽ), die von Poprad aus in die Kurorte entlang der Gürtelstraße führte.40 Dass die zum größten Teil auf dem Stand der Zwischenkriegszeit verbliebene Verkehrsinfrastruktur dem seit dem Kriegsende rasch steigenden BesucherInnenaufkommen nicht mehr gewachsen war, ließ sich spätestens zu Beginn der sechziger Jahre nicht mehr ignorieren. Deshalb wandte sich der Ostslowakische Kreisnationalausschuss in Košice (Kaschau), in dessen Zuständigkeit die Hohe Tatra fiel, 1963 an das in Bratislava ansässige Staatsinstitut für Bezirksplanung. 38 Siehe z. B. Goetel: Z walki, 50. – Chronik des TPN 1963, Bildteil, Abb. 37–39. – Marchlewski, Pracowałem, 211. 39 Eine ausführliche Berichterstattung über diesen Konflikt in der Jahreschronik des TPN: Jerzy Zembruski, Druga »wojna« o Morskie Oko, in: Kronika TPN. Tom 4. Zakopane 1964, 36–57. – Marceli Marchlewski, Turystyka, in: Kronika TPN. Tom 4. Zakopane 1964, 33–35. 40 Rychlík, »Causa Alweg«, 288.

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Abb. 5: TouristInnen am Morskie Oko, Sommer 1963, veröffentlicht in »Wierchy« 1964

Dieses bekam den Auftrag erteilt, eine langfristige Infrastrukturlösung für die gesamte Region unter Berücksichtigung ihres herausragenden Stellenwerts als touristische Destination zu erarbeiten.41 Die VerkehrsexpertInnen diskutierten drei Optionen: die Renovierung der TEŽ , den vierspurigen Ausbau der Gürtelstraße oder aber die Konstruktion einer Alweg-Trasse. Die Ideengeber des Alweg-Vorschlags, die Ingenieure Alexander Valentinovič und Peter Hubka, argumentierten, dass der Ausbau der TEŽ nicht zu einer dauerhaften Entlastung führen würde, während eine Schnellstraße mitten im Nationalpark sich eigentlich von selbst verbiete.42 Das Mittel gegen das Verkehrsproblem erblickten die beiden Experten in der radikalen Modernisierung: Die Einschienenbahn sollte die bestehende Struktur ergänzen und entlasten, sodass eine Verbreiterung der Straße unnötig würde. Sie sollte den Massentourismus geräuschlos und ohne Ausstoß von Abgasen kanalisieren und so dazu beitragen, die Tatra als attraktive Reisedestination zu erhalten. Das Prager Verkehrsministerium erteilte dem Vorschlag jedoch eine 41 Valentinovič, Doprava. – Michal Štofa, Posúdili návrh odborníci?, in: Smena Nr. 30 vom 31.01.1968, 3. 42 Valentinovič, Doprava. – Peter Hubka, A. Valentinovič, Prehliadka strateného času, in: Smena Nr. 18 vom 19.01.1968, 1.

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klare Absage. Zu teuer, nicht zu realisieren bis zur Weltmeisterschaft 1970 und ungeeignet für die Tatraregion, lauteten die Argumente. Die Alweg-Idee landete vorerst in der Schublade.43

5.4 Parole »Smena – Alweg 405–3330«: die Alweg-Aktion als gesellschaftlicher Aktivismus Als die Zeitung »Práca« (Die Arbeit) den Vorschlag der Verkehrsplaner 1967 wieder aufgriff, löste ihre Berichterstattung kein nennenswertes Echo aus.44 Erst Alexander Dubčeks Wahl zum Ersten Sekretär der KSČ verlieh der Gesellschaft Schwung und setzte auch für diese Idee Energien frei. Am 5. Januar 1968 übernahm Dubček das Amt, das den Reformer zum mächtigsten Mann im Staate machte. Ab dem 7. Januar nahm die »Causa Alweg« ihren Lauf. Am Anfang stand die Zuschrift einiger MedizinstudentInnen aus dem mittelslowakischen Martin an die beliebte Tageszeitung »Smena« (Die Schicht), das Organ des slowakischen Ablegers des Tschechoslowakischen Jugendverbands (Československý svaz mládeže, ČSM).45 Im Namen des ČSM-Ausschusses in ihrer Fakultät fragten sich die AbsenderInnen: »Kommt die Alweg oder kommt sie nicht?« Sie warnten davor, denselben Weg wie bei vielen großen Bauvorhaben einzuschlagen, zuletzt bei der Regulierung der katastrophalen Verkehrslage in der Hauptstadt Prag. Jahrelang seien nur die Symptome bekämpft worden, um sich erst in letzter Minute zu einer grundsätzlichen Lösung durchzuringen, dem Bau der Metro. Das Fremdenverkehrsproblem in der Tatraregion erfordere ebenfalls ein beherztes Eingreifen, und alle Beteiligten – ArchitektInnen, RaumplanerInnen, NaturschützerInnen, TourismusvertreterInnen und weitere ExpertInnen – stünden hinter der Alweg. All diese Voten beeindruckten das Verkehrsministerium aber offenbar nicht im Geringsten, konstatierten die VerfasserInnen enttäuscht.46 Folgenreich war aber nicht so sehr die Klage über die Blockade im politischen Prag, sondern der Appell, den die Martiner MedizinstudentInnen an die jugendliche »Smena«-LeserInnenschaft richteten: Die slowakische Bevölkerung solle sich ein Beispiel an ihrem Brudervolk und die Angelegenheit selbst in die Hand

43 Valentinovič, Doprava. – Rychlík, »Causa Alweg«, 288 f. 44 Lipták, Tatra, 279. – Rychlík, »Causa Alweg«, 288 f. 45 Zur Karriere der »Smena« als erfolgreiche politische Jugendzeitung siehe die Erinnerung des ehemaligen Mitarbeiters Rudolf Belan, Smena, už len ako výročie!?, in: Nové slovo vom 22.02.2012, http://www.noveslovo.sk/node/54915 (letzter Zugriff: 17.08.2015). 46 Fakultný výbor Československého sväzu mládeže pri Lekárskej fakulte UK Martin, Bude Alweg, či nebude? List fakultného výboru ČSM v Martine redakcii Smeny, in: Smena Nr. 6 vom 07.01.1968, 3.

Parole »Smena – Alweg 405–3330«

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nehmen.47 Immer wieder hatten die TschechInnen nämlich öffentliche Sammlungen initiiert, um Geld für ein gemeinnütziges Ziel zusammenzubringen. Als leuchtendes Vorbild diente ohne Zweifel das Prager Nationaltheater, geplant und erbaut von den 1840er bis in die 1880er Jahre. »Národ sobě!« – »Die Nation sich selbst!« prangt in Goldlettern auf dem Bühnenportal in dem prächtigen Bauwerk mit der goldenen Kuppel am Moldauufer. Das Projekt einer tschechischsprachigen Bühne in Prag fungierte als machtvoller symbolischer Ausdruck der eigenständigen Kultur der seinerzeit zur Habsburgermonarchie gehörenden tschechischen Nation. Tatsächlich wurde der Bau nur zum Teil durch mehrere Spendenaktionen unter der tschechischen Bevölkerung finanziert, die dennoch zum nationalen Mythos geworden sind.48 Genau solch eine Sammlung nach dem Vorbild der tschechischen Nationalbewegung des 19. Jahrhunderts schwebte den mittelslowakischen MedizinstudentInnen für die Tatra vor. Einmal auf den Weg gebracht, war die Initiative nicht mehr einzudämmen. Unmittelbar nachdem der Aufruf erschienen war, erhielt die Redaktion der »Smena« die ersten Briefe und Geldsendungen. Anstatt nach einigen Tagen zu versiegen, trafen bis Mitte Februar über 2.000 Briefe, Telegramme und Anrufe ein.49 Daraufhin richtete die Zeitung nur zwei Wochen später ein Spendenkonto ein.50 Das Konto »Smena – Alweg 405–3330« wuchs rasant und überstieg am 9. Februar eine Million Kronen.51 Täglich veröffentlichte die Jugendzeitung in der gleichnamigen Rubrik Zuschriften der SpenderInnen. Viele waren junge Leute, die KernleserInnenschaft eben, die in ihrem eigenen Namen schrieben. Es waren aber auch zahllose erwachsene Berufstätige darunter, Gruppen wie Schulklassen, Brigaden oder Untergruppen des Jugendverbands, ebenso Eltern und Großeltern, die im Namen ihrer Kinder oder Enkel spendeten. Alle vereinte ein unbändiger Enthusiasmus, der bei der Quellenlektüre noch immer anzustecken vermag. Greifbar wird die Begeisterung für ein Projekt, das nicht wie viele andere zuvor »von oben« dekretiert war, sondern auf einer breiten Basis gesellschaftlicher Zustimmung ruhte.

47 Ebd. 48 Ausführlich zu Projekt, Baugeschichte und der Symbolik der Architektur und künstlerischen Ausgestaltung des Nationaltheaters Michaela J. Marek, Kunst und Identitätspolitik. Architektur und Bildkünste im Prozess der tschechischen Nationsbildung. Köln 2004. Zu den Sammlungen und dem Wahlspruch des Theatervereins »Národ sobě« siehe v. a. 91–95, 183, 280–282. – Rychlík, »Causa Alweg«, 290. 49 Tlačová konferencia o Alwegu. Výťah zo stenografického záznamu, in: Smena Nr. 45 vom 15.02.1968, 1. 50 Telegramy na adresu ALWEG . Na výzvu čitateľov Smena otvorila bankové konto. Číslo učtu: 405–3330 ŠBČS Bratislava, in: Smena Nr. 22 vom 23.01.1968, 1. – Rudolf Belan, Pravda o  Alwegu, in: Nové slovo vom 14.04.2013, http://www.noveslovo.sk/c/Pravda_o_Alwegu (letzter Zugriff: 15.08.2015). 51 Smena – Alweg Nr. 41, in: Smena vom 11.02.1968, 1.

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Die Leute trugen nach ihren jeweiligen Möglichkeiten zum Gelingen des Alweg-Projekts bei. Neben Geld wurde Arbeitskraft als zweite, äquivalente Währung angeboten. Ein Maschinenschlosser der städtischen Verkehrsbetriebe Bratislava deklarierte kurz und bündig: »Ich arbeite im Urlaub zwei Wochen unentgeltlich auf der Alweg-Baustelle.«52 Ein Student aus dem westslowakischen Boleráz gab sich aufopferungsvoll: »Anstatt [die tschechoslowakische Ersatzcola, B. H.] Kofola werde ich Wasser trinken und so kann ich 100 Kronen schicken. In den Ferien – Brigade in der Tatra.«53 Neben solchen individuellen Beiträgen schritten vor allem Gruppen zur Tat. Gewerkschaftskollektive, Betriebsbrigaden, Aktive des Jugendverbands und Schulklassen widmeten ihre gemeinsame Anstrengung der Realisierung der Einschienenbahn. Sämtliche Spielarten des sozialistischen Arbeitswettkampfes kamen zum Zuge: Betriebskollektive verpflichteten sich zur Normübererfüllung und zur Samstagsarbeit, versprachen Hunderte an Überstunden abzuleisten, sammelten Geld. Die Angehörigen der Waggonfabrik »Tatra« in Poprad forderten Kollegen andernorts zum Wettstreit auf: »Wer gibt mehr Kronen pro Arbeiter für Alweg?«54 All die Formen gesellschaftlichen Engagements, die zuvor für zwei Jahrzehnte zur Pflichtübung anlässlich der Maifeiern und anderer propagandistischer Anlässe geronnen waren, erhielten nun neuen Sinn. Die Alweg-AnhängerInnen füllten die verordneten Formen sozialistischer Kollektivbegeisterung mit einem selbstgewählten Inhalt, der wohl gerade wegen seiner offensichtlichen Überspanntheit dem neu erwachten Idealismus in der Bevölkerung entsprach. Eine weitere Aneignung etablierter Mobilisierungsformen war die Forderung, aus der Alweg eine Baustelle der Jugend zu machen. Sie knüpfte an die im ganzen »Ostblock« verbreitete Gepflogenheit an, Vorzeigeprojekte als Bauvorhaben des Sozialismus, der Freundschaft oder eben der Jugend zu deklarieren. Die Jugendbaustellen standen unter der Organisation des jeweiligen staatlichen Jugendverbands und symbolisierten mit ihren oftmals international zusammengesetzten Jugendbrigaden das grenzüberschreitende Aufbauwerk der jungen Generation auf dem Weg in eine kommunistische Zukunft. Zu den bekanntesten propagandistischen Bauprojekten dieser Art zählen die Baikal-Amur-Magistrale in der Sowjetunion und die Družba-Trasse in der DDR .55 Im slowakischen Landesteil 52 Telegramy na adresu ALWEG , 1. 53 Smena – Alweg, in: Smena Nr. 42 vom 12.02.1968, 1. 54 Rozruch a plná podpora. Po vyhlásení konta Smena-Alweg vo Vysokých Tatrách. Ďalšie príspevky na bankové konto 405–3330, in: Smena Nr. 23 vom 24.01.1968, 1. – In jeder Ausgabe der »Smena« im ersten Halbjahr 1968 lassen sich zahlreiche Beispiele für eine solche Teilnahme finden. 55 Franc, Martin: Lemma »stavby mládeže«, in: Knapík, Franc, kol., Průvodce, 873 f. –­ Ulrich Best, Arbeit, Internationalismus und Energie. Zukunftsvisionen in den Gaspipelineprojekten des RGW, in: Martin Schulze Wessel, Christiane Brenner (Hrsg.), Zukunftsvorstellungen und staatliche Planung im Sozialismus. Die Tschechoslowakei im ostmitteleuropäischen

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diente insbesondere eine knapp 20 km lange Bahnstrecke von Hronská Dúbrava nach Banská Štiavnica (Schemnitz) als Vorbild. Sie war direkt nach der Machtübernahme der KSČ zur »Trasse der Jugend« (Trať mládeže) deklariert worden.56 Nun hatte der ČSM bereits die Bauprojekte anlässlich der WM 1970 zu einer solchen Jugendbaustelle ausgerufen. Das sollte nach Meinung vieler LeserInnen auch und vor allem für das Alweg-Projekt gelten. Einst sei besagte Eisenbahnstrecke für die Aufbaugeneration Kristallisationspunkt und Ausdruck des Enthu­siasmus für die sozialistische Zivilisationsleistung gewesen. Das gleiche könne nun die Alweg für die bereits in den Sozialismus Hineingeborenen symbolisieren.57 Besonders nachdrücklich trugen VertreterInnen des ČSM selbst diese Forderung vor, die die Initiative der slowakischen Jugend nicht ungenutzt verpuffen lassen wollten.58 Die Spitzen des Jugendverbands versicherten sich gemeinsam mit »Smena«-RedakteurInnen der Unterstützung durch VeteranInnen der Jugendbaustellen aus der Aufbauzeit der tschechoslowakischen sozialistischen Ordnung.59 Der immer höher kletternde Kontostand wirkte wie eine Art Gradmesser für die politische Liberalisierung im ganzen Land. In den Zuschriften, die die »Smena« massenhaft abdruckte, gingen die LeserInnen mit den bisherigen politischen Zuständen im Lauf der Wochen immer offener ins Gericht. Sie übten Kritik an dem »verkrusteten zentralen Modell«,60 das weder auf gesellschaftliche Initiativen noch die lokalen Gegebenheiten und Bedürfnisse eingehe. Erst die Demokratisierung der Strukturen in der letzten Zeit, so zeigte sich etwa der Vorstand des slowakischen Zweigs des ČSM in einer offenen Mitteilung an die Regierung und das Verkehrsministerium überzeugt, habe die spontane Initiative für Alweg möglich gemacht.61 Der wichtigste Effekt der ganzen Aktion bestand zweifelsohne in dem Erwachen einer spontanen Begeisterung in der Bevölkerung. Der Bruch mit der jahrelangen Lethargie war für die ZeitgenossInnen Kontext 1945–1989. München 2010, 137–157.  – Johannes Grützmacher, Die Baikal-Amur-­ Magistrale. Vom stalinistischen Lager zum Mobilisierungsprojekt unter Brežnev. München 2012, 275–289. 56 Franc: Lemma »stavby mládeže«. 57 Fakultný výbor Československého sväzu mládeže pri Lekárskej fakulte UK Martin, Bude Alweg, či nebude? – Telegramy na adresu ALWEG . – Stanovisko Predsedníctva SÚV ČSM Predsedníctvu vlády a Ministerstvu dopravy, Iniciatíva sa volá Alweg, in: Smena Nr. 30 vom 31.01.1968, 1. 58 Členovia Stredoslovenského krajského výboru ČSM v Banskej Bystrici, Výzva mládeži republiky. Stanovisko pléna Stredoslovenského KV ČSM k výstavbe Alwegu, in: Smena Nr. 27 vom 28.01.1968, 1. – Stanovisko Predsedníctva SÚV ČSM Predsedníctvu vlády  a Ministerstvu dopravy, Iniciatíva sa volá Alweg. 59 Rychlík, »Causa Alweg«, 290. 60 Vedenie fakulty politickej ekonómie Vysokej školy ekonomickej Bratislava, Stanovisko fakulty politickej ekonómie, in: Smena Nr. 30 vom 31.01.1968, 3. 61 Stanovisko Predsedníctva SÚV ČSM Predsedníctvu vlády  a Ministerstvu dopravy, Iniciatíva sa volá Alweg, 1.

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so faszinierend wie unerklärlich. Ein in Košice wohnhafter tschechischer Leser appellierte an die Redaktion: Ist euch eigentlich bewusst, wie sehr ihr die Sache ins Rollen gebracht habt? Begreift ihr, dass ihr jetzt die Möglichkeit habt, den still daliegenden Fischteich so aufzuwühlen, dass es bis zum anderen Ende der Republik spritzt? Wisst ihr, dass das wohl die erste Aktion ist, zu der wir die Leute nicht drängen und künstlich den Eindruck erwecken müssen, dass etwas passiert? Leute, lasst das nicht einschlafen und lasst es euch vor allem nicht entgleiten. […] In Gottes Namen!!! Verbockt es nicht!62

Tatsächlich wirkte sich die Causa bis nach Prag aus. In der Phase tiefster Verunsicherung, die der Prager Frühling für das politische Establishment bedeutete, war es gerade die Aufregung um die Alweg, die zu bisher nicht gekannten Zugeständnissen seitens des Regimes führte. Der durch die »Smena« erzeugte öffentliche Druck zum einen, die interne Einflussnahme durch das Zentral­ komitee des Jugendverbands auf die Prager Regierung zum anderen brachten den zuständigen Verkehrsminister Alois Indra dazu, das eigentlich schon abgelehnte Projekt erneut zu prüfen. Am 9. Februar, durch Zufall am selben Tag, als die erste Million das Spendenkonto füllte, berief Indra in Bratislava eine Konferenz der slowakischen Planungskommission ein, um sich nochmals mit der Angelegenheit auseinanderzusetzen. An diese ExpertInnenrunde schloss sich eine sechsstündige Pressekonferenz an, auf der die geladenen Fachleute Rede und Antwort stehen mussten.63 Bei dieser Gelegenheit machte der Minister unmissverständlich deutlich, dass er eine Realisierung der Alweg-Trasse in der kurzen Zeit bis 1970 für ausgeschlossen halte. Er versprach aber die Einsetzung einer ExpertInnenkommission, um einen etwaigen Bau nach der Weltmeisterschaft prüfen zu lassen. Konkret bedeutete das die nochmalige Ablehnung der Alweg-Pläne. Weit weniger unbeirrbar als in der Sache war er allerdings in seinem Auftreten. Immer wieder verhaspelte er sich während seiner Ausführungen, augenscheinlich überfordert von der Notwendigkeit, eine unliebsame politische Entscheidung vor der Öffentlichkeit zu verteidigen, noch dazu stundenlang gegenüber einem Saal voller schlagfertiger JournalistInnen.64 Nicht nur die für den Spitzenpolitiker eines sozialistischen Einparteienstaats unbekannte Situation, sich öffentlich für die eigene Position rechtfertigen zu müssen, war im »Ostblock« ein Novum.65 In den Tagen nach der Pressekonferenz veröffentlichte »Smena« den Wortlaut der Protokolle, 62 Zitiert bei Slávo Kalný, Kto to spískal?, in: Smena Nr. 29 vom 30.01.1968, 1. 63 Alweg znovu na posúdenie. Záznam z tlačovej besedy uverejníme v utorňajšom čísle, in: Smena Nr. 40 vom 10.02.1968, 1. – Rychlík, »Causa Alweg«, 291. 64 Tlačová konferencia o Alwegu. Výťah zo stenografického záznamu, in: Smena Nr. 44 vom 14.02.1968, 3. 65 Zu den Vorgängen am 09. und 10.02.1968 und ihrer Bewertung vgl. Lipták, Tatra, 280. – Rychlík, »Causa Alweg«, 291. – Belan, Smena.

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Abb. 6: Studentische Kundgebung für den Bau der Alweg, 10. Februar 1968

sodass jeder und jede sich ungehindert informieren konnte.66 Das stand in denkbar großem Kontrast zu der bisher von der Partei gelenkten Berichterstattung. Ein weiteres starkes Zeichen kam von den enttäuschten Studierenden Bratislavas, die die Demokratisierung souverän in verschiedene Formen politischen Protests übersetzten. Am Tag nach Minister Indras Auftritt veranstalteten sie eine Kundgebung in der Aula der Technischen Universität. Abbildung 6 zeigt die Ränge voll besetzt mit engagierten jungen Leuten. Einige halten Schilder in die Höhe, die unter anderem »Die Alweg für die Tatra« fordern. Die Anwesenden verabschiedeten eine Resolution, in der sie die Regierung zum sofortigen Handeln in punkto Alweg und Indra bis zum 15. März zu einer persönlichen Aus 66 Tlačová konferencia o Alwegu. Výťah zo stenografického záznamu, in: Smena Nr. 43 vom 13.02.1968, 1. – Tlačová konferencia o Alwegu vom 15.02.1968. – Tlačová konferencia o Alwegu vom 14.02.1968.

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kunft aufforderten.67 Anschließend zog ein etwa 2.000 TeilnehmerInnen zählender Protestmarsch unter den wohlwollenden Blicken der PassantInnen durch die Innenstadt bis vor das Redaktionsgebäude der »Smena«.68 Die Ereignisse dieser beiden Februartage demonstrierten eindrucksvoll, wie stark die Alweg-Aktion als Katalysator für die Liberalisierung des politischen und gesellschaftlichen Lebens im slowakischen Landesteil wirkte. Die zivilgesellschaftliche Empörung über die diktatorischen Herrschaftsmethoden hatte in einem modernen Transportmittel für das Tatragebirge ihre passende Gestalt gefunden. Auch wenn die Aktion zusehends zur Trägerin eines breiteren politischen Protests wurde, blieb doch der Zusammenhang mit dem Tatratourismus erhalten. Bereits die Martiner MedizinstudentInnen begründeten ihre Initiative für den Bau der Alweg-Bahn damit, dass sich unter ihnen viele NaturliebhaberInnen befänden, die die Berge der Slowakei genau kennen würden. Deshalb sei ihnen die zukünftige Entwicklung der Tatra als touristische Region eine Herzensangelegenheit.69 Als die HochschülerInnen als Reaktion auf die Pressekonferenz des Verkehrsministers ihre Resolution verabschiedeten, forderten die Unterzeichnenden ihn sowie die ganze Regierung auf, das Alweg-Projekt unverzüglich und »unter größtmöglicher Bewahrung der natürlichen Werte« der Tatra anzugehen.70 Den direktesten Bezug zum Massentourismus als politischer Zielsetzung stellte der Filmwissenschaftler und Publizist Pavol Branko her. Weil die Tatra klein, aber eine unverzichtbare Destination der sozialistischen Massenerholung sei, sei die Schaffung einer zeitgemäßen Infrastruktur eine Pflicht. Der vorsintflutliche Transport sowie die Warteschlangen vor den Liften und dem Mittagstisch würden den Erholungseffekt gleich wieder zunichtemachen. Nur die Modernisierung, durch Alweg und weitere Maßnahmen, könne der arbeitenden Bevölkerung ihre verdiente Regeneration garantieren.71 Die Alweg eignete sich perfekt als Symbol für die Untätigkeit der Regierenden gegenüber den Bedürfnissen der Bevölkerung. Mit ihrer Technik und ihrem Design verkörperte sie die Modernität, die das sozialistische System so gern für sich reklamierte, was jedoch in offensichtlichem Widerspruch zur Lebensrealität der Menschen stand. Gerade für die Tatra als zentralem Ort für die Erholung der Werktätigen forderten diejenigen, die sich in der »Smena« zu Wort meldeten, eine großformatige Lösung. Das vorgeschlagene Bauwerk, das sich weithin sichtbar über die Baumwipfel erheben sollte, erschien nicht als Zerstörung der Berg 67 Rezolúcia zo stretnutia bratislavskych vysokoškolákov. Adresát: Predsedníctva vlády ČSSR , predsedníctvo SNR , in: Smena Nr. 41 vom 11.02.1968, 1. 68 Vyše dvetisíc vysokoškolákov včera skandovalo: Nech žije Alweg! Nech žije Smena!, in: Smena Nr. 41 vom 11.02.1968, 1. 69 Fakultný výbor Československého sväzu mládeže pri Lekárskej fakulte UK Martin, Bude Alweg, či nebude? 70 Rezolúcia zo stretnutia bratislavskych vysokoškolákov. 71 Pavol Branko, Tatranské výhľady, in: Smena Nr. 39 vom 09.02.1968, 5.

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landschaft, sondern als ein dem Naturschauspiel adäquates technisches Mittel, um die Lärm- und Abgasemissionen des Autoverkehrs zu begrenzen und den BürgerInnen einen ungetrübten Genuss der Natur zu ermöglichen. Auch die Verwaltung des Nationalparks sprach sich aus diesen Gründen für den Bau der Alweg aus.72 Niemand rief hingegen nach der Eindämmung des TouristInnenaufkommens. Anders als die in den siebziger Jahren einsetzende ökologische Bewegung übte die Alweg-Kampagne keine Kritik an der Erschließung der Natur. Es ging nicht darum, das staatliche Modernitätsversprechen in Frage zu stellen, sondern gerade darum, seine Umsetzung einzufordern. Immer stärker verband sich dieser Anspruch mit einer anderen Bedeutungsebene: der Alweg als Projekt der slowakischen Nation gegen die empfundene tschechische Vormachtstellung.

5.5 Die Alweg als nationales slowakisches Projekt Sechs Wochen nach ihrem ersten offenen Brief, der die Sammelaktion ins Rollen gebracht hatte, wandten sich die MedizinstudentInnen aus Martin erneut an die Leserschaft der »Smena«. Nun kritisierten sie die abwehrende Haltung der Regierungsstellen, die den Volkswillen missachteten. Neben diesem bereits bekannten Vorwurf ertönte hier aber eine bisher leiser gespielte Note in voller Lautstärke, nämlich der Hinweis auf die nationale Bedeutung der Alweg als slowakische Unternehmung. Als historisches Vorbild für eine Sammlung unter der Bevölkerung ersetzten die AutorInnen das Prager Nationaltheater, das von einem gemeinsamen tschechisch-slowakischen Referenzrahmen gezeugt hatte, durch einen explizit slowakischen Verweis: Über hundert Jahre zuvor hätte die slowakische Bevölkerung für die Matica slovenská Geld gegeben, und an diesem Vorbild solle sie sich auch heute orientieren.73 Die Matica ist die 1863 gegründete nationale Kulturinstitution mit Sitz wiederum in Martin, die durch Bildungsund Kulturarbeit einen entscheidenden Beitrag zur Entstehung eines nationalen Bewusstseins unter den SlowakInnen leistete.74 Mit dieser gewandelten Referenz gaben die MedizinstudentInnen einer Tendenz Ausdruck, die die Alweg-Debatte immer stärker beherrschte: Das Bahnprojekt wurde zum Symbol des slowa­ kischen Nationalstolzes, wodurch es zusätzliche politische Brisanz gewann.

72 Rozruch  a plná podpora.  – Hubka, Valentinovič, Prehliadka strateného času.  – Der TANAP unterstützte den Vorschlag der Verkehrsplaner bereits 1966: Rychlík, »Causa Alweg«, 288. 73 Medici z Martina. Za Fakultný výbor ČSM pri Lékarskej fakulte UK v Martine: Ivan Belan, Druhý list martinských vysokoškolákov verejnosti, in: Smena Nr. 45 vom 16.02.1968, 2. 74 Dušan Kováč, The Slovak political programme. From Hungarian patriotism to the Czecho-Slovak state, in: Mikuláš Teich, Dušan Kováč, Martin D. Brown (Hrsg.), Slovakia in History. Cambridge, New York 2011, 120–136, hier 129.

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Das Problem der slowakisch-tschechischen Beziehungen hatte auch nach dem Zweiten Weltkrieg keine dauerhafte Lösung gefunden. Die Führung des Slowakischen Nationalaufstands sprach sich zwar für die Wiederherstellung des gemeinsamen Staates aus, verlangte aber größere Selbstbestimmung für die SlowakInnen nach dem Prinzip einer Partnerschaft auf Augenhöhe. Am Kriegsende war nur klar, dass der Weg nicht einfach zurück zum Status quo der Ersten Republik mit ihrer unitarischen, auf Prag ausgerichteten Struktur führen konnte. In der wiedererrichteten Tschechoslowakei, die zunächst einen dritten Weg zwischen marktwirtschaftlicher Demokratie und Sozialismus einschlug, wurden verschiedene staatsrechtliche Modelle diskutiert. Das Kaschauer Programm, das erste Regierungsprogramm vom April 1945, ging von der Existenz zweier Staatsnationen aus, der TschechInnen und der SlowakInnen. Ausdruck und politisches Organ der slowakischen Souveränität war der Slowakische Nationalrat.75 Die Frage nach der innenpolitischen Architektur und der konkreten Verteilung von Kompetenzen wurde im Machtkampf zwischen bürgerlichen Kräften und der KSČ jedoch bald zuungunsten der slowakischen Selbstbestimmung entschieden. Nach dem kommunistischen Coup im Februar 1948 blieben zwar mit dem SNR und dem Beauftragtenrat eigene slowakische Staatsorgane bestehen, die aber in der ganz auf die Prager Parteiführung zugeschnittenen Diktatur machtlos waren. Seit 1948 war an eine wie auch immer geartete slowakische Autonomie nicht mehr zu denken. Der Vorwurf des »bourgeoisen Nationalismus« führte in den fünfziger Jahren sogar zu einem Schauprozess gegen einen Teil der slowakischen Parteielite, der auf die im Kaschauer Programm festgeschriebene Gleichberechtigung gepocht hatte. Die so genannte sozialistische Verfassung von 1960 räumte den slowakischen Organen schließlich auch formal nur noch verschwindend geringe Kompetenzen ein.76 Dennoch blieb das Thema unter der Oberfläche bestehen und wurde zu einem wichtigen Auslöser der Liberalisierung in der ersten Hälfte der sechziger Jahre. Wie schon zuvor im tschechischen Landesteil erschütterte eine Untersuchungskommission, die sich mit den Schauprozessen der fünfziger Jahre befasste, die Position von Partei- und Staatschef Antonín Novotný und seinen Getreuen. Die so genannte Barnabiten-Kommission, eingesetzt durch den seit April 1963 als slowakischer Parteichef amtierenden Alexander Dubček, rehabilitierte die Gruppe der wegen »bourgeoisen Nationalismus« verurteilten Spitzenfunktionäre. Der bedeutendste unter ihnen war Gustáv Husák, der als Dubčeks Nachfolger als Partei- und später auch als Staatschef zum Totengräber des »Sozialismus mit menschlichem Antlitz« werden sollte. Gemeinsam mit den Ver 75 Barnovský, The Slovak question, 1945–1948. 76 Ebd. – Jan Pešek, The establishment of totalitarianism in Slovakia after the February coup of 1948 and the culmination of mass persecution, 1948–1953, in: Mikuláš Teich, Dušan Kováč, Martin D. Brown (Hrsg.), Slovakia in History. Cambridge, New York 2011, 284–298, hier 292. – Sikora, Slovakia, 299 f., 303.

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fechtern kehrte auch ihre Forderung nach größerer nationaler Selbstständigkeit für die Slowakei ins politische Geschehen zurück. Es dauerte zwar einige Zeit, bis sie von einer auf enge politische Kreise beschränkten zu einer breit rezipierten gesellschaftlichen Frage wurde. Im Zuge der allmählichen Liberalisierung im Lauf der sechziger Jahre führte dies dann aber dazu, dass sich in den beiden Landeshälften unterschiedliche Forderungen entfalteten: Während in den böhmischen Ländern die Demokratisierung des sozialistischen Systems ganz oben auf die Agenda rückte, wurde in der Slowakei seine Föderalisierung zum bestimmenden Thema.77 Die Alweg-Aktion war bei der Mobilisierung für die nationale Frage unersetzlich. Im Lauf der Wochen trat die Konfliktlinie Bevölkerung versus politisches Establishment immer weiter hinter die Problematik SlowakInnen gegen TschechInnen zurück. Zwar gab es auch ausdrückliche Beteuerungen, dass die ganze Republik angesprochen sei. Zum Beispiel betonten die Studierenden in ihrer Petition, dass es sich bei der Tatra um das gemeinsame Eigentum von Slowaken und Tschechen handle. Daraus resultiere, dass auch die moderne Ver­ kehrslösung für die Region eine Angelegenheit sei, die alle angehe. An die Führung des ČSM richteten die Unterzeichnenden die Forderung, die Jugend im ganzen Land über die Aktivitäten rund um Alweg in Kenntnis zu setzen.78 Vereinzelt lassen sich auch Zuschriften von tschechischen LeserInnen finden, die sich euphorisch über das Projekt äußerten und ihre Mithilfe anboten.79 Der Großteil der tschechischen Öffentlichkeit nahm allerdings keine Notiz von den Vorkommnissen.80 Dafür eigneten sich die SlowakInnen die Alweg-Bahn als nationales Projekt an. Prag, das keine Mittel für die östliche Landeshälfte bereitstellen wolle, war nicht länger das Synonym für die Politikerkaste, sondern für die TschechInnen. Weshalb sei denn Geld für den Metrobau in der Hauptstadt vorhanden, aber nicht für die dringend benötigte Infrastruktur in diesen slowakischen Bergen, fragten sich die LeserInnen. »Die Metro für Prag, Alweg für die Tatra« – das war ein in den Zuschriften oft geäußertes Motto.81 Die Einschienenbahn wurde als »Bauwerk des Nationalstolzes« (stavba národnej hrdosti) oder in ähnlichen Varianten gefeiert.82 Hochsymbolisch war der offene Brief, in dem die Mitarbei 77 Ebd. – Šútovec, Semióza, 89–95. 78 Rezolúcia zo stretnutia bratislavskych vysokoškolákov. 79 Zdeněk Šisler, Dopis všem, in: Smena Nr. 32 vom 02.02.1968, 2. – Smena – Alweg, in: Smena Nr. 79 vom 20.03.1968, 2. 80 Rychlík, »Causa Alweg«, 290. 81 Smena – Alweg, in: Smena Nr. 81 vom 22.03.1968, 2. – Ebenso Adresa: SMENA-ALWEG , in: Smena Nr. 27 vom 28.01.1968, 5. – Zur Symbolkraft dieses Vergleichs Šútovec, Semióza, 103 f. 82 Zahlreiche Beispiele in den Zuschriften an die Zeitung, z. B.: Smena – Alweg, in: Smena Nr. 101 vom 11.04.1968, 1 f.

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terInnen der Matica slovenská ihre vorbehaltlose Unterstützung ausdrückten. Mit dem Hinweis auf die Geschichte der eigenen Institution stellten sie die Bahn in eine Reihe mit der nationalen Kulturbewahrerin.83 Gleichzeitig oszillierte die semantische Bedeutung, die die oft beschworene Formel »unsere Tatra« trug. Eine betonte Slowakizität lässt sich meist eher aus dem Kontext erschließen, als dass sie direkt angesprochen wurde. Aber solche Fälle gab es auch: Laut den MedizinstudentInnen aus Martin wäre der etwaige Bau einer Schnellstraße durch den Nationalpark ein Unding – vergleichbar mit der Einrichtung eines Steinbruchs am nationalen Symbolgipfel Kriváň. Selbst wenn wirtschaftliche Argumente für das eine oder das andere sprächen, verbiete sich schon der Gedanke daran.84 Die MitarbeiterInnen der Matica begründeten ihre Unterstützung für den Bahnbau damit, dass die Tatra das wichtigste slowakische und tschechoslowakische Fremdenverkehrsgebiet von internationaler Bedeutung sei, und hoben damit nationale und gesamtstaatliche Zugehörigkeit auf dieselbe Ebene.85 Der Vorzeigecharakter des Gebirges, der hier anklingt, trieb auch den gewerkschaftlichen Ausschuss eines eisenverarbeitenden Betriebs in Zvolen um: Als Slowaken seien sie daran interessiert, die Tatra möglichst reprä­sentabel zu machen.86 Die slowakisch-nationale Aufladung dieser Berge erreichte in der Alweg-Kampagne mit ihrem breiten gesellschaftlichen Aktivismus eine neue Stufe. Was bei der fast grenzenlosen Begeisterung allerdings auf der Strecke blieb, waren sachliche Argumente. Die Einwände, die nicht nur der Verkehrsminister, sondern auch viele Fachleute vorbrachten, galten der slowakischen öffentlichen Meinung spätestens seit Indras Auftritt in Bratislava im Februar pauschal als Vorwand, um die Alweg zu verhindern, sei es aus Missgunst oder mangelnder Phantasie. Eher selten fanden auch kritische Positionen Eingang in die Berichterstattung der »Smena«, die gegen die nationale Vereinnahmung Stellung bezogen. Der Komponist Pavol Šimai etwa warnte: Es wäre schlecht, wenn aus dieser spontanen Veranstaltung ausschließlich eine Art nationale slowakische Sache werden würde. Es handelt sich ja doch um eine Herzensangelegenheit der Tschechen und Slowaken, und unser Staat sollte diesen Wunsch respektieren.87

Die SkeptikerInnen der ganzen gesellschaftlichen Aufregung um die Einschienenbahn meldeten sich in »Kultúrny život« (Kulturelles Leben) zu Wort. Diese 83 Pracovníci Matice slovenskej v Martine, Stanovisko Matice. Matica slovenská sa obracia k Slovenskej národnej rade, in: Smena Nr. 29 vom 30.01.1968, 1. 84 Medici z Martina. Za Fakultný výbor ČSM pri Lékarskej fakulte UK v Martine: Ivan Belan, Druhý list martinských vysokoškolákov verejnosti. 85 Pracovníci Matice slovenskej v Martine, Stanovisko Matice. 86 Smena – Alweg, in: Smena Nr. 86 vom 27.03.1968, 1. 87 Pavol Šimai, Interview s jednou otazkou: Alweg?, in: Smena Nr. 33 vom 03.02.1968, 1.

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Wochenzeitung war eines der Leitmedien im slowakischen Vorfrühling, das auch Texte tschechischer AutorInnen publizierte, die die strengere Prager Zensur abgelehnt hatte.88 Gegen die massive Kampagne in der »Smena« kamen die nüchternen Intellektuellen jedoch nicht an, die zu bedenken gaben, dass es noch wichtigere Probleme gebe, die dringend gelöst werden müssten.89 Die überbordende Popularität der Alweg musste den VerfechterInnen größerer nationaler Selbstbestimmung als ein Geschenk des Himmels erscheinen. Und tatsächlich gibt es Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei dem Erfolg der Medienkampagne wohl nicht um einen bloßen Zufall handelte. Wenn der Linie der »Smena« von politischer Seite nicht aktiv nachgeholfen wurde, dann scheinen maßgebliche Parteikreise in Bratislava sie doch zumindest wohlwollend toleriert zu haben. Darauf weisen die Beobachtungen des bereits zitierten Zeitzeugen Milan Šútovec hin, der aus 30 Jahren Abstand mit der Angelegenheit hart ins Gericht ging. Ihm zufolge fand der Wandel der politischen Priorität in der Slowakei von Demokratisierung zu Föderalisierung nicht zufällig in den ersten Monaten des Jahres 1968 statt, parallel zur Alweg-Aktion. Er berichtet zum Beispiel von einem zufälligen Gespräch mit dem damaligen »Smena«-Chefredakteur, der ihm zur Zielsetzung der Alweg-Aktion sagte, dass die Bahn zwar vielleicht nie gebaut werden würde – »…aber dafür wird die Föderation daraus.«90 Genau so kam es schließlich auch. Ende Februar befasste sich das Regierungskabinett mit der Verkehrsinfrastruktur in der Tatraregion. Das Resultat war ebenso eindeutig wie endgültig: Die Alweg war vom Tisch. Stattdessen wurden der Ausbau und die Modernisierung des Eisenbahnsystems beschlossen.91 Die Reaktion der slowakischen Öffentlichkeit auf diese Entscheidung fiel allerdings viel verhaltener aus, als zu erwarten gestanden hätte. Zu dieser Zeit hatten sich die politischen Ereignisse bereits so beschleunigt, dass die gesellschaftliche Aufmerksamkeit nicht länger auf das Verkehrsproblem in der Tatra fokussiert war. Zunächst flüchtete am 25./26. Februar General Jan Šejna, ein enger Vertrauter des entmachteten Antonín Novotný, in die Vereinigten Staaten, wo er sich bei der CIA (Central Intelligence Agency) andiente. Drei Wochen nach dieser Staatsaffäre, die in den Medien intensiv verfolgt wurde, beschloss der SNR eine Resolution, in der er konkrete Schritte zur Föderalisierung der Tschechoslowakei

88 Sikora, Slovakia, 309 f. 89 Ein Beispiel: Dokument 5: 1968, 2. únor, Bratislava.  – Článek Rudolfa Olšinského Národ pre Alweg, uveřejněný v literárním týdeníku Kultúrny život, in: Jiří Hoppe (Hrsg.), Pražské jaro v médiích. Výběr z dobové publicistiky. Praha, Brno 2004, 37–39. – Lipták, Tatra, 282. – Rychlík, »Causa Alweg«, 292. 90 Šútovec, Semióza, 104. – Jan Rychlík stimmt Šútovec in seiner Bewertung zu und weist auf die auffällige Chronologie zwischen den Föderalisierungsforderungen und den Höhepunkten der Alweg-Kampagne hin. Rychlík, »Causa Alweg«, 294 f. 91 Erläutert ist der vorgenommene Streckenausbau ebd., 293.

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forderte.92 Die föderale Umgestaltung der Republik war auch Teil der Reformvorhaben, die das Zentralkomitee der KSČ am 5. April in seinem Aktionsprogramm verabschiedete. Damit war die slowakische Frage endgültig in der Arena der großen Politik angekommen, während das Interesse an der Alweg allmählich erlahmte. Die Spendenaktion ging zwar weiter, und »Smena« veröffentlichte regelmäßig den Kontostand, aber das Alweg-Projekt hatte seinen Zenit bereits überschritten.

5.6 Nach dem Frühling Nur wenige Monate später war alles vorbei. Das reformsozialistische Experiment in der Tschechoslowakei kam mit dem Einmarsch der Warschauer Pakt-Truppen am 21. August zu einem jähen Ende. Alexander Dubčeks Mitstreiter wurden gegen eine Riege moskautreuer Funktionäre unter Gustáv Husáks Führung ausgewechselt. Für die kommenden gut 20 Jahre war jede Hoffnung auf eine erneute Demokratisierung zunichte gemacht, denn die so genannte »Normalisierung« bedeutete die strikte Abkehr von der Liberalisierung im Prager Frühling. Sie umfasste politische Verfolgung und die Säuberung öffentlicher Organe, die Wiedereinführung der Zensur sowie des uneingeschränkten Machtmonopols der Partei bei gleichzeitiger Entpolitisierung der Gesellschaft.93 Auch die kurze Karriere der Alweg war zu Ende. Nach der Invasion war kein Platz mehr für die Realisierung von Projekten, die von gesellschaftlicher Initiative ausgingen. Die Skiweltmeisterschaft ging im Februar 1970 über die Bühne, ohne dass die nun wieder weithin regulierte Öffentlichkeit etwas anderes als den erwartbaren Beifall für das prestigeträchtige Großereignis hätte verlauten lassen.94 Die einzige Entwicklung des Prager Frühlings, die nicht durch die »Normalisierung« vergessen gemacht werden sollte, war die Neubestimmung des Verhältnisses zwischen den Landesteilen. Noch im Oktober 1968 trat die Föderalisierung der Tschechoslowakei in Kraft, die bis zum Sturz des Regimes 21 Jahre später Bestand hatte. In dieser Hinsicht hatten die BefürworterInnen größerer Eigenständigkeit der Slowakei in der gemeinsamen Republik einen Sieg errungen, wenn auch die Rivalitäten um die Kompetenzverteilung bis 1989 und letztlich bis zur Trennung der neuentstandenen Staaten Slowakische und Tschechische

92 Ebd., 292. 93 Milan Otáhal, Opozice, moc, společnost, 1969–1989. Příspěvek k  dějinám »norma­ lizace«. Praha 1994. – Paulina Bren, The Greengrocer and His TV. The Culture of Communism After the 1968 Prague Spring. Ithaca 2010. 94 Vgl. z. B. die Berichterstattung von Januar und Februar 1969 in der »Smena«.

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Republik 1993 andauerten.95 Ob die Föderation auch ohne die durch die Alweg-Kampagne mobilisierte slowakische Öffentlichkeit zustande gekommen wäre, muss Spekulation bleiben. Ganz sicher aber schaffte es das Bahnprojekt, diese verfassungspolitische Frage für breite Kreise zu einer Sache zu machen, die persönlich bedeutsam war. So gesehen hatte das Stellvertreterthema seine Aufgabe erfüllt. In einer längeren zeitlichen Perspektive auf das Verhältnis der SlowakInnen zur Tatra lässt sich diese Beanspruchung als weiterer Schritt in einer langen Nationalisierungsgeschichte seit der »nationalen Wiedergeburt« im 19. Jahrhundert begreifen. Als der Karpathenverein die touristische Erschließung der südlichen Tatra vorantrieb, spielten SlowakInnen dabei kaum eine Rolle. Auch zwischen den Weltkriegen lag die Initiative vor allem bei den Zipser Deutschen und der Zentralregierung in Prag, trotz der Seilbahninitiative. Die Slowakizität des Gebirges war weiterhin eher eine Vorstellung, als dass sie dem Eingriff in den Naturraum selbst entsprach. In der kurzen Zeit des Slowakischen Staates wurde die Tatra zum offiziell instrumentalisierten Symbol der nationalen Eigenständigkeit. Durch die Ausweitung des Tourismus auf größere Bevölkerungsteile lernten immer mehr SlowakInnen die Berge in der Nachkriegszeit aus eigener Anschauung kennen.96 Mit der Alweg-Aktion war dann eine neue Stufe erreicht. Sie zeigte, wie fest die Berge inzwischen als slowakische Landschaft im Bewusstsein breiter Bevölkerungsschichten verankert waren und wie daraus Handlungspotential entstand. Bei dieser Episode in der langen Konfliktgeschichte um das Eigentum an der Tatra ging es vor allem um den symbolischen Anspruch, und zwar in zwei Dimensionen: Zunächst zielte die Vereinnahmung der Berge durch die AlwegAnhängerInnen darauf ab, diese Region gegen die wahrgenommene Ignoranz der politischen Führungsriege als Eigentum der Bevölkerung zu behaupten. Erst in einem zweiten Schritt verengte sich diese ideelle Gemeinschaft auf die SlowakInnen in Abgrenzung zu der tschechischen Übermacht im gemeinsamen Staat. Auch wenn sich die Kampagne zusehends verselbständigte, ging es im Grundsatz um die Frage, wer rechtmäßig auf das Gebirge zugreifen und über den Umgang mit ihm entscheiden könne. Dass gerade der Vorschlag zum Bau einer Bahn solche Aufmerksamkeit erhielt, erstaunt nicht, denn solche Projekte besitzen ein hohes Mobilisierungspotential. Das zeigt der Blick zurück auf die Auseinandersetzungen der Zwischenkriegszeit (die in der Alweg-Debatte keine Rolle spielten), lässt sich aber zum Beispiel auch in den Alpen beobachten.97 95 Jozef Žatkuliak, Slovakia’s position within the Czecho-Slovak federation, 1968–1970, in: Mikuláš Teich, Dušan Kováč, Martin D. Brown (Hrsg.), Slovakia in History. Cambridge, New York 2011, 315–329, hier 323–326. 96 Lipták, Tatra, 277. 97 Vgl. z. B. die Konflikte um den Plan einer Matterhornbahn am Anfang des 20. Jahrhunderts. Kupper, Nationalpark und Tourismus, 216 f.

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Der kurze Frühling der Alweg-Bahn

Im Ergebnis lässt sich der Nationalisierungsschub der Tatra durch Alweg und die folgende Föderalisierung als weiterer Schritt der Territorialisierung hin zur Übereinstimmung von decision space und identity space verstehen. Allerdings blieb relativ lange in der Schwebe, welche Identität, die politische oder die nationale, gemeint war. Erst allmählich kristallisierte sich heraus, dass es auf eine symbolische Inbesitznahme für die slowakische Nationalität hinauslief. Es wäre aber zu einfach, in der »Causa Alweg« lediglich den Ausdruck der unterdrückten slowakischen Hoffnung auf nationale Selbstbestimmung zu erkennen. Das Verkehrsproblem in der Tatra war real, und ebenso real war das Interesse vieler BürgerInnen an seiner Lösung. Sie hörten nicht auf, Beiträge auf das Konto einzuzahlen, als das Interesse der »Smena« allmählich nachließ. Mit Sicherheit wäre niemals eine so durchschlagende überregionale Kampagne zustande gekommen, hätte sich nicht eine ebenso leser- wie meinungsstarke Zeitung das Thema zu Eigen gemacht. Aber das Problem des Fremdenverkehrs in der Tatra hatte sich nicht erledigt. Wie in anderen Ländern bedurfte es in der Tschechoslowakei keiner ungelösten nationalen Frage oder politischen Umbruchsituation, um in den folgenden Jahren eine Debatte über das Verhältnis von Massentourismus und Naturbewahrung auszulösen. Diese Debatte beschränkte sich nicht auf die inoffiziellen Kanäle der kleinen ökologischen Protestbewegung oder auf ExpertInnenkreise.98 1973 berichtete etwa »Pravda« (Die Wahrheit), die Zeitung der Slowakischen Kommunistischen Partei, dass »Abgasprobleme nun schon in der Hohen Tatra« bemerkbar wären.99 Und Anfang der achtziger Jahre veröffentlichte die tschechische Parteizeitung »Rudé právo« (Rotes Recht) eine Bestandsaufnahme über die Auswirkungen des Massentourismus in der Tatra, auf die zahlreiche Zuschriften aus der LeserIn­ nenschaft folgten.100 An die Stelle des Vertrauens in die Technik als Problemlösung, das die Alweg-Aktion ausgezeichnet hatte, trat zusehends eine generelle Skepsis gegenüber den weiter anwachsenden BesucherInnenströmen. Hier machte sich ein wachsendes Bewusstsein für ökologische Probleme bemerkbar, das sich nicht nur als Vehikel für nationale Forderungen verstehen lässt.101 98 Zu diesen Milieus Ján Mlynárik, Ekológia po slovensky. Otázky životného prostredia na Slovensku (1948–1988). Praha 1994. – Edward Snajdr, Nature Protests. The End of Ecology in Slovakia. Seattle 2008. 99 Zitiert in Ivan Bohuš, Tatranský kaleidoskop. Martin 1977, 97. 100 Eduard Drábik, Čas k rozhodnému zásahu. Dřív, než pojedete do Vysokých Tater, in: Rudé právo vom 12.08.1980, 3, http://archiv.ucl.cas.cz/index.php?path=RudePravo/1980/8/ 12/3.png#nastaveni (letzter Zugriff: 25.01.2016). – Eduard Drábik, Tatrám otálení nesvědčí. Z ohlasů na kritický článek v Rudém právu, in: Rudé právo vom 04.01.1981, 3, http://archiv. ucl.cas.cz/index.php?path=RudePravo/1981/1/4/3.png (letzter Zugriff: 25.01.2016). 101 Zur Kritik dieser in der Forschung zum (späten) Sozialismus verbreiteten Interpretation des Natur- und Umweltschutzes als Stellvertreter für politische Opposition vgl. Zsuzsa Gille, From Nature as Proxy to Nature as Actor, in: Slavic Review 68, 2009, H. 1, 1–9. – Ein in der Bevölkerung und ebenso in der politischen Klasse anwachsendes Problembewusstsein für

Nach dem Frühling

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Die Geschichte der Alweg ist hier aber noch nicht ganz zu Ende. Es gab nämlich noch das Geld, das auf dem von der »Smena« eingerichteten Spendenkonto zusammengekommen war. Als der öffentliche Aufruhr um die Einschienenbahn im März und April abflaute, wurde die Sammlung trotzdem unbeirrt fortgesetzt. Direkt vor dem Einmarsch der Okkupationstruppen betrug der Kontostand gut fünf Millionen Kronen.102 Das war lediglich ein Bruchteil der für den Bau auf mehrere Hundert Millionen veranschlagten Kosten,103 aber doch eine beträchtliche Summe Geld. Schließlich entschied die Redaktion der Jugendzeitung, es für den Neubau einer Schule in dem Dorf Nemecká (Deutschdorf an der Gran) einzusetzen, weitab von der Tatra. Als Gedenkort eines Massakers der deutschen Besatzung während des Slowakischen Nationalaufstands, der von der Kommu­ nistischen Partei zum Fanal der revolutionären Tradition in der Slowakei stilisiert wurde, erschien dieser Ort in der Mittelslowakei wohl als passendes Investitionsziel, um die Ergebenheit der einst eigensinnigen Zeitung gegenüber der politischen Restauration zu unterstreichen. Zahlreiche SpenderInnen hatten zuvor auf Anfrage ihre Beiträge zurückerhalten.104 Die karitativ-propagandistische Verwendung der Alweg-Millionen hat im kollektiven Gedächtnis allerdings einer Fama der nationalen Benachteiligung Platz gemacht: Bis heute halten sich Gerüchte, dieses Geld sei in irgendwelchen Kanälen versickert oder gar in den Bau der Metro im fernen Prag geflossen.105

Umweltschäden und die Bewahrung von Umwelt und Kulturgütern lässt sich auch für den Fall Nordböhmen feststellen: Glassheim, Ethnic Cleansing, 85–87. – Spurný, Most, Kapitel »Kritika«. 102 Die Ausgabe vom 21. August gab das letzte Mal Auskunft über den Kontostand. Smena – Alweg, in: Smena Nr. 231 vom 21.08.1968, 1. 103 Der Verkehrsplaner und Alweg-Befürworter Alexander Valentinovič schätzte die Kosten auf 405,8 Millionen Kronen. Valentinovič, Doprava, 433. 104 Vb, Alweg na Národ deťom, in: Smena Nr. 272 vom 19.11.1969, 1. – Auf die symbolische Bedeutung der Entscheidung für Nemecká weist das Zitat aus der »Smena« hin, das ab­ gedruckt ist bei Belan, Pravda. 105 Ebd. – Lipták, Tatra, 282. – Siehe auch die O-Töne von PassantInnen in einem Bericht des Fernsehsenders TV Markiza zum Verbleib der Alweg-Spenden. Abrufbar auf youtube: https://www.youtube.com/watch?v=aiXlWzR7Vfc (letzter Zugriff 27.06.2015).

6. Die Rückkehr der Schafe

6.1 Die Enteignung der GoralInnen Im Dezember 1960 waren die Tage der Schafe in der Tatra gezählt. In ihrem Beschluss Nr. 415/60 verfügte die polnische Regierung, sämtliches Privateigentum an Grund und Boden auf dem Gebiet des TPN zu verstaatlichen. Diese Maßnahme begründete der Ministerrat mit der Zerstörung der Vegetation und des Landschaftsbilds durch das »nicht organisierte und übermäßige Weiden von Schafen und anderem Vieh«.1 In einem Zeitraum von fünf Jahren sollten alle Eigentums- und Nutzungsrechte an den Fiskus übergehen. Das betraf etwa ein Viertel der polnischen Tatra und Tausende von Menschen.2 Es waren zwei Arten vorgesehen, die EigentümerInnen zu entschädigen: entweder finanziell, nach festgesetzten Quoten, oder durch Ausgleichsflächen, die durch die Vertreibung der LemkInnen freigeworden waren. Dieser Schritt besiegelte das Ende der jahrhundertealten Weidewirtschaft in der polnischen Tatra. Die NaturschützerInnen zeigten sich begeistert über diese Maßnahme, die sie schon jahrzehntelang gefordert hatten. Aus ihrer Sicht stellte der Regierungsbeschluss einen Meilenstein dar. Der stellvertretende Nationalparkdirektor Czesław Madeyski bewertete ihn gar als »epochal«.3 Es erstaunt nicht, dass die betroffenen GrundeigentümerInnen darüber ganz anderer Meinung waren. Bis heute ist der Protest gegen die Enteignungen in Podhale nicht verstummt. Während des Sozialismus richteten die GoralInnen zahllose Eingaben an die Staatsverwaltung, verschleppten die Durchführung des Enteignungsprozesses oder widersetzten sich dem Verbot, das Vieh auf den ehemaligen Allmenden zu weiden. Seit der Wiedereinführung von Demokratie und Marktwirtschaft 1989 haben sich Interessengruppen gebildet, die vor Gericht um die Rückgabe der Flächen streiten, bisher indes mit geringem Erfolg. 1 Uchwała Nr 415/60 Rady Ministrów z dnia 8 grudnia 1960 r. w sprawie uregulowania stosunków własnościowych na terenie Tatrzańskiego Parku Narodowego, abgedruckt bei Władysław Szafer (Hrsg.), Tatrzański park narodowy. 2. Aufl. Kraków 1962, 577 f. 2 Schreiben TPN vom 16.04.1968. APAN, Spuścizna Walerego Goetla, KIII-36, 443. – Marceli Marchlewski, Dane historyzcne, in: Kronika TPN. Tom 1. Zakopane 1961, 1–4, hier 2. – Zofia Śmiałowska, Aktualne zagadnienia pasterstwa w TPN, in: Władysław Szafer (Hrsg.), Tatrzański park narodowy. 2. Aufl. Kraków 1962, 559–578, hier 559. 3 Schreiben des Vizedirektors des TPN Madeyski an Ministerstwo Leśnictwa i Przemysłu Drzewnego, Zarząd ochrony przyrody vom 05.06.1967. APAN, Spuścizna Walerego Goetla, KIII-36, 443.

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Die Rückkehr der Schafe

Der 1998 ins Leben gerufene »Verein der enteigneten Eigentümer und Miteigentümer der Almen und Weiden in der Tatra« versammelt die Unzufriedenen und bietet ihnen ein Sprachrohr. Der Gründerin und Vorsitzenden Zofia StachońBigos verhalfen ihre Fernsehauftritte zu Bekanntheit, aber nicht nur in diesem Medium verschaffte sie den Restitutionsforderungen unmissverständlich Gehör. In der Kommunalpolitik sind sie und ihre Vereinigung zur festen Größe geworden. Sie vertreten den Standpunkt, dass die Enteignungen unrechtmäßig waren und dringend rückgängig gemacht werden müssen. Auch sei der Naturschutz in den Händen der Einheimischen besser aufgehoben als beim Nationalpark.4 Der Entstehungskontext des Parks in der Ära des Staatssozialismus birgt ein schweres Erbe. Er erlaubt die Deutung, die Parkgründung und vor allem die Verstaatlichung des Gebirges seien die Taten einer Diktatur oder gar politische Maßnahmen des Regimes gewesen, um die unbotmäßigen GoralInnen zu bestrafen.5 Der Landrat der Tatraregion, Andrzej Gąsienica-Makowski, sprach etwa 1999 davon, dass der Nationalpark durch seine Entstehung in den »für Polen finsteren Zeiten des Stalinismus« kontaminiert sei, als das kommunistische Regime die Eigentums- und Menschenrechte mit Füßen getreten habe.6 Eine solche Auffassung passt zu der Vorstellung von der sozialistischen Diktatur, die von oben ihre Interessen rücksichtslos durchgesetzt habe. Sie ist ein lokales Symptom der Vergangenheitsbewältigung, die im gesamten postsozialistischen Raum zu bisweilen heftigen gesellschaftlichen und politischen Auseinandersetzungen um Verantwortung, Schuld, Wiedergutmachung und Deutungshoheit über die jüngste Geschichte geführt hat.7 Angesichts des rauen Windes, der die Tatraregion am Ende des Jahrtausends durchwehte, ließ es sich der Lokalreporter einer führenden polnischen Zeitung, der »Gazeta wyborza« (Wahlzeitung), in Anlehnung an Landrat Gąsienica-Makowski auch nicht nehmen, sarkastisch von der im Park herrschenden »stalinistischen Atmosphäre«8 zu schreiben. 4 Zu den unterschiedlichen Konfliktpositionen und den gewandelten Proteststrategien der Einheimischen vgl. Wioletta Kucina, Konflikt społeczny na tle własności gruntów w Tatrzańskim Parku Narodowym, in: Acta Universitatis Lodziensis. Folia Geographica SocioOeconomica 8, 2007. Die Position des Vereins ist dargestellt auf 198 f. 5 Dies wird in einen Zusammenhang mit der Unterstützung für den antikommunistischen Widerstand direkt nach Ende des Zweiten Weltkriegs gestellt. Die in Podhale aktive Partisanengruppe von Józef Kuraś »Ogień« fand Unterstützung unter der Goralenbevölkerung. Diese Deutung etwa bei Krzysztof Fijałek, Bartłomiej Kuraś, Góralska Krzywda, in: Gazeta wyborcza Kraków Nr. 250 vom 25.10.1999, 4. 6 Zitiert in Bartłomiej Kuraś, Stalinowski klimat parku, in: Gazeta wyborcza Kraków Nr. 218 vom 17.09.1999, 3. – Weitere Erwähnung z. B. bei Kinga A. Komorowska, Świadomość ekologiczna górali podhalańskich a ich postawy wobec Tatrzańskiego Parku Narodowego, in: Studia regionale i lokalne 4, 2000, H. 4, 133–151. 7 Vgl. z. B. die Beiträge in: Osteuropa (2008) H. 6: Geschichtspolitik und Gegenerinnerung. Krieg, Gewalt und Trauma im Osten Europas. 8 Kuraś, Stalinowski klimat.

Die Enteignung der GoralInnen

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Ich schlage hier eine andere Deutung vor. Bei der Enteignung handelte es sich zweifellos um eine Disziplinierungsmaßnahme gegenüber der örtlichen Bevölkerung. Eine direkte politische Zielrichtung als kollektive Vergeltung des sozialistischen Regimes an den GoralInnen lässt sich in den von mir ausgewerteten Quellen jedoch nicht nachweisen. Dieser Schritt steht vielmehr in der Kontinuität eines Denkens seit dem 19. Jahrhundert, dass es den Raum und die Wirtschaftsweise in Podhale effizienter zu ordnen gelte. Entsprechende konkrete Vorhaben von staatlicher Seite lassen sich bis in die Zwischenkriegszeit zurückverfolgen. Ein vergleichender Blick zeigt außerdem, dass die in der Tatra durchgeführte Enteignung im Namen des Naturschutzes kein Einzelfall war. An vielen anderen Orten kam es zu ähnlichen Entwicklungen, auch in demokratischen Staaten mit kapitalistischer Wirtschaftsordnung. Besonderheiten des sozialistischen Systems zeigen sich eher in der tatsächlichen Durchführung. Damit ist der andauernde Konflikt zwischen Einheimischen und Nationalpark, in dem sich bis heute kein Kompromiss gefunden hat, aber noch nicht erklärt. Dazu ist es nötig, die Rolle näher zu betrachten, die die GoralInnen bei dem Wandel der Wirtschafts- und Eigentumsstrukturen in der Tatra spielten. Dazu werden drei analytischen Perspektiven vorgeschlagen. Erstens geht es um die Position, die die Einheimischen in Institutionen einnahmen, die mit der Regulierung der Landnutzung befasst waren. Das betrifft vor allem die lokale Bewirtschaftung der Weideallmenden und den Nationalpark. Konzepte aus der Institutionenökonomik und der politischen Ökologie stimmen darin überein, dass eine nachhaltige Nutzung von Naturressourcen davon abhängt, ob die Betroffenen an der Regelsetzung und -überwachung beteiligt sind und es transparente Möglichkeiten gibt, diese Regeln zu verändern.9 Ein wesentlicher Grund für das Scheitern einer ökologisch tragbaren Weidewirtschaft ebenso wie für die fehlende Akzeptanz des Nationalparks ist somit die mangelnde Einbindung der Bevölkerung in Entscheidungsprozesse vor Ort. Zweitens geht es um die Handlungsweisen, denen sich Angehörige der örtlichen Bevölkerung bedienten. Die Auseinandersetzung um die öffentlich sanktionierte Form der Landnutzung in der Tatra lässt sich als asymmetrisches Herrschaftsverhältnis verstehen, das die lokalen AkteurInnen in Abhängigkeit zu den Instanzen der staatlichen Gewalt brachte. Aufgrund der fehlenden Beteiligung an offiziellen Entscheidungsprozessen blieb ihnen nur ein schmaler Bereich an Handlungsoptionen, »Taktiken« im Sinne von Michel de Certeau. Anders als den mit Macht ausgestatteten Institutionen, die längerfristige Strategien zur Beeinflussung individuellen Handelns einsetzen, bleiben dem Individuum lediglich spontane, situationsabhängige Taktiken, um sich die gegebenen politischen und sozioökonomischen Bedingungen im Alltag kreativ anzueignen.10 Die Gren 9 Ostrom, Verfassung. – Neumann, Making, 145–148. 10 Michel de Certeau, Kunst des Handelns. Berlin 1988, 23 f.

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Die Rückkehr der Schafe

zen zwischen nicht zwingend als politischem Protest intendiertem »Eigen-Sinn« (Alf Lüdtke)11 und Formen mikroskopischen, lokalen Widerstands im Sinne von James C.  Scotts »Weapons of the Weak«12 waren und sind fließend. Zu solchen Taktiken gehören das Verfassen von Eingaben, das Verschleppen von Verwaltungsprozessen, Wilderei oder die nicht gestattete Weiterführung der Ressourcennutzung.13 Bei solchen Aneignungspraktiken spielt auch der dritte Aspekt eine wichtige Rolle, das tradierte Bild der GoralInnen in der polnischen Öffentlichkeit, also Stereotype positiver und negativer Art. Diese diskursive Ebene ist komplementär zu den beiden anderen, die sich auf Praktiken beziehen. Sowohl das Vorgehen staatlicher Organe als auch die Selbstdarstellung der GoralInnen und die Art, wie sie ihre Anliegen vertraten, rekurrierte auf das fest im polnischen kulturellen Gedächtnis verankerte Bild von dem in Podhale beheimateten eigentümlichen Menschenschlag. Im Folgenden diskutiere ich den Wandel der Eigentumsverhältnisse in der polnischen Tatra durch den Beschluss Nr. 415/60 zur Verstaatlichung der Tatra, die in der Verdrängung der Weidewirtschaft resultierte. Ich schildere die langwierige und unvollständige Umsetzung dieser Maßnahme, die erst 1978 zum Abschluss kam. Weiter widme ich dem Protest der GoralInnen Aufmerksamkeit, der zu der partiellen Wiederzulassung der Schafweide, jedoch nicht zu einer Revision der Enteignungen führte. Schließlich vergleiche ich den Fall der polnischen Tatra mit dem Verhältnis von privatem und staatlichem Eigentum in Naturreservaten in anderen Fällen, um den Zusammenhang mit dem politischen System in einem weiteren Kontext zu hinterfragen. Während die Südseite des Gebirges als Vergleichsfolie dient, steht aus drei Gründen seine Nordseite im Mittelpunkt. Erstens geschah die Regulierung der Eigentumsverhältnisse auf der polnischen Seite weitgehend unabhängig von landesweiten Eingriffen in die Agrarstruktur, wohingegen die Entwicklung im TANAP viel stärker parallel zur Kollektivierungspolitik verlief. Zweitens blieb die Regelung der Eigentumsverhältnisse im TPN prekärer als im benachbarten Park. Drittens lässt sich an diesem Fall besonders deutlich die Annahme hinterfragen, es habe sich um ein Produkt der Willkürherrschaft eines totalitären Regimes gehandelt, dem die Betroffenen als passive Opfer gegenüberstanden. Vielmehr begegneten die GoralInnen den staatlichen Eingriffen in der Tatra mit fortgesetztem, zuweilen offen artikuliertem Protest. 11 In der Übertragung auf den Staatssozialismus: Thomas Lindenberger, Die Diktatur der Grenzen. Zur Einleitung, in: Thomas Lindenberger (Hrsg.), Herrschaft und Eigen-Sinn in der Diktatur. Studien zur Gesellschaftsgeschichte der DDR . Köln 1999, 13–44, hier 23–26. 12 James C.  Scott, Weapons of the Weak. Everyday Forms of Peasant Resistance. New Haven 1985. 13 Turner, Rethinking, 296.

Von der Allmende über Privateigentum zum Staatseigentum

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6.2 Von der Allmende über Privateigentum zum Staatseigentum Der Beschluss Nr. 415/60 des polnischen Ministerrats stellte einen fundamentalen Eingriff in die bisherigen Wirtschafts- und Eigentumsverhältnisse in der Tatra dar. Aus Sicht der beteiligten Stellen im Staatsapparat, vorwiegend im Forst- und Landwirtschaftsministerium, war diese Maßnahme notwendig geworden, weil die »große Transhumanz« keine grundsätzliche Lösung des Weideproblems gebracht hatte. Zwar hatte die Verlagerung eines Teils der Schafe auf die ehemaligen Flächen der LemkInnen eine gewisse Entlastung für die Hochgebirgsalmen bedeutet. Doch weder war damit die Modernisierung der Landund Weidewirtschaft realisiert worden, die die AgrarexpertInnen anmahnten, noch erschien den NaturschützerInnen und ForstwissenschaftlerInnen diese Verminderung ausreichend, um die Bewahrung des Gebirges und die rationale Bewirtschaftung des Waldes sicherzustellen. Mit der offiziellen Gründung des TPN 1954 hatte sich die Weideproblematik noch weiter verkompliziert, denn der Park umfasste beträchtliches Gelände, das sich in Privateigentum befand. Auch die Bodenreform von 1944 hatte daran nichts Wesentliches geändert. Lediglich der einzige verbliebene Großgrundbesitz, die Besitzungen von Jerzy Uznański, war 1945 verstaatlicht worden.14 Etwa die Hälfte der Weiden und Wälder auf dem etwa 22.000 Hektar umfassenden Gebiet des TPN befand sich aber nach wie vor im Gemeinbesitz der Tatraanrainergemeinden.15 Mit über 2.000 Hektar entfiel ein großer Anteil davon auf eine Forstgemeinschaft, die seit dem 19. Jahrhundert den westlichsten Abschnitt der polnischen Tatra bewirtschaftete. Die Wspólnota Leśna Uprawnionych Ośmiu Wsi (Forstgemeinschaft der Berechtigten der acht Dörfer) erhielt 1955 von staatlicher Seite den Status einer Genossenschaft und damit eine anerkannte Struktur. Ihre Gebiete innerhalb der Parkgrenzen unterlagen den Naturschutzrichtlinien und der Aufsicht des Parkpersonals.16 Wesentlich schwieriger zu überblicken und zu verwalten war der Gemeinbesitz an den Almen. Es handelte sich dabei um Allmenden, die nicht in private Parzellen aufgeteilt waren, sondern von den Berechtigten gemeinsam genutzt wurden. Die Nutzungs-

14 Marceli Marchlewski, Las i pastwisko w Tatrach. Charakterystyka lasów tatrzańskich, in: Włodzimierz Antoniewicz (Hrsg.), Pastwiska podgórskie i górskie Tatr Polskich i Podhala. Teraźniejszość i przyszłość. Wrocław, Kraków, Warszawa 1960, 171–184. 15 Marceli Marchlewski, Turystyka w Tatrzańskim Parku Narodowym, in: Kronika TPN. Tom 1. Zakopane 1961, 122–134, hier 122. 16 Mieczysław Jerzy Adamczyk u. a., Tatrzańska Współnota Leśna w Witowie. Nowy Targ 1995, 111.  – Lemma »Lasy Siedmiu Gmin«, in: Radwańska-Paryska, Paryski, Wielka encyklopedia.

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rechte drückten sich nicht in Ar oder Hektar aus, sondern in der Stückzahl des Viehs, das die jeweilige MiteigentümerIn berechtigt war, im Sommer zu weiden. Die kommunale gemeinschaftliche Bewirtschaftung von Weideallmenden war im Europa der Vormoderne weit verbreitet und wird vereinzelt bis heute praktiziert. Am bekanntesten sind wahrscheinlich kollektive Nutzungssysteme in den Alpen, wo die Weidegemeinschaften bisweilen in Selbstverwaltung sehr erfolgreich die nachhaltige Nutzung der Ressourcen organisieren.17 In Podhale hingegen waren die Allmenden in einem lange währenden Prozess durch Erbteilung, Gewohnheitsrecht und mangelnde Melioration immer weiter aufgesplittert und verödet. Schließlich betrug die Anzahl der MiteigentümerInnen an einer Alm in der Mitte des 20. Jahrhunderts zuweilen mehrere Hundert Familien. Viele von ihnen besaßen nicht mehr als das Recht zur Weide »einer Schafklaue«, also eines Schafes alle vier Jahre. Einige konnten schließlich nur noch einen eher symbolischen Bruchteil einer Alm ihr Eigen nennen.18 Neben den gemeinschaftlichen Weiderechten auf den Allmenden gab es noch eine Reihe traditioneller Nießbrauchrechte, so genannte Servitute oder Dienstbarkeiten. Aus feudaler Zeit stammend, berechtigten sie die BewohnerInnen der umliegenden Orte, in festgelegtem Umfang Holz aus den Wäldern der jeweiligen Grundherrschaft zu entnehmen und ihre Tiere dort zu weiden. Im Lauf der Zeit dehnten sich die Servitute der Podhale-BewohnerInnen auf immer umfangreichere Gebiete aus, bis sie sich nach dem Zweiten Weltkrieg auf etwa 86 Prozent der Tatrawälder erstreckten.19 Diese Nießbrauchrechte galten unter AgrarexpertInnen ebenso wie die Allmendewirtschaft seit langem als schädlich und unproduktiv. Im Sommer 1939 hatte die polnische Regierung im Zuge der Agrarmodernisierung ein Gesetz zur Abschaffung der Servitute verabschiedet, das aber wegen des Kriegsausbruchs nicht mehr umgesetzt wurde.20 Nach dem Krieg blieben die Dienstbarkeiten zunächst bestehen, bis die Verordnung zur Verstaatlichung in der Tatra von 1960 auch ihnen ein Ende bereitete. Der Ministerratsbeschluss zielte also auf die vollständige Beendigung der landwirtschaftlichen Tätigkeit ab und stand dabei in der Kontinuität von bereits weiter zurückreichenden Anstrengungen, die traditionelle, extensive und von Agrono-

17 Radkau, Natur, 90–94. – Elinor Ostrom hat u. a. den Gemeinbesitz an Weide und Wald in einem Walliser Dorf untersucht. Ostrom, Verfassung, 79–85. 18 Józef Kolowca, Historia i podstawy pasterstwa w Tatrach, in: Władysław Szafer (Hrsg.), Tatrzański park narodowy. 2. Aufl. Kraków 1962, 547–558. – Lemma »współwłasności«, in: Radwańska-Paryska, Paryski, Wielka encyklopedia. 19 Stefan Jarosz: Zagospodarowanie Tatr i Podhala, 16.10.1945. APAN, PROP, 391, 5 f. 20 Ustawa z dnia 21 czerwca 1939  r. o zniesieniu służebności w województwach: krakowskim, lwowskim, stanisławowskim, tarnopolskim i cieszyńskiej części województwa śląskiego, in: Dz.  U., 923–930, http://dziennikustaw.gov.pl/du/1939/s/59/389/1 (letzter Zugriff: 24.02.2015).

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mInnen und ForstwirtInnen als nicht nachhaltig bewertete Bewirtschaftung des Naturraums Tatra zu regulieren. Das Urteil fiel noch negativer aus, wenn die andere Seite der Grenze als Vergleichsfall herangezogen wurde. In ihrer detaillierten Studie von 1931, die zum Standardwerk über die Weidewirtschaft in der Tatra geworden ist, betonte die polnische Geographin Zofia Hołub-Pacewiczowa die fragmentierten Eigentumsstrukturen sowie das Fehlen von Regulations- und Kontrollinstanzen in Podhale. Dem stellte sie die Organisation des Pastoralismus in der slowakischen Tatra gegenüber, der sich durch weitaus übersichtlichere Eigentumsverhältnisse und eine effiziente gemeinschaftliche Verwaltung des Weidebetriebs auszeichnete. Dadurch wurde einer Übernutzung der Allmenden vorgebeugt, was dem Ressourcenerhalt und dem Ertrag zugutekam. Nicht zuletzt, so ließe sich hinzufügen, war dies auch dem sozialen Frieden zuträglich, indem Streitfälle bei klareren Regelungen einfacher beizulegen waren.21 Hołub-Pacewiczowas Ergebnisse aus der Zwischenkriegszeit decken sich mit den Erkenntnissen aus der Forschung zur Gemeingüternutzung. Die US -amerikanische Wirtschaftsnobelpreisträgerin Elinor Ostrom hat lokale Systeme der Allmendeverwaltung untersucht, von Weidegemeinschaften in den Schweizer Alpen über türkische FischerInnen bis zu philippinischen Bewässerungs­ systemen. In ihrem im englischen Original 1990 erschienenen Hauptwerk »Die Verfassung der Allmende« belegt sie, dass die lokale Selbstverwaltung von Gemeingütern sehr gut funktionieren kann. Sie führt also nicht automatisch zur Übernutzung der Ressourcen, wie Garett Hardin in seiner »Tragödie der Allmende«22 gewarnt hatte. Ostrom kann zeigen, dass lokale Selbstverwaltung als Ordnungsinstanz neben Staat und Markt bestehen kann, oft sogar überlegen ist. Allerdings gilt das nur für eine Selbstverwaltung, die durch klare Grundsätze gekennzeichnet ist: Laut Ostrom müssen deren Ordnungsprinzipien eine stabile und sich selbst regulierende Gruppe an NutznießerInnen erfassen und verlässliche Zuständigkeiten und Sanktionsmöglichkeiten garantieren.23 Vor diesem Hintergrund ist es einleuchtend, weshalb die Allmendewirtschaft in der slowakischen Tatra, wie sie bis nach dem Zweiten Weltkrieg existierte, derjenigen in Podhale überlegen war. Es gab fest umrissene und rechtlich anerkannte Institutionen, die für die Verwaltung der Allmenden zuständig waren. 21 Zofia Hołub-Pacewiczowa, Osadnictwo pasterskie i wędrówki w Tatrach i na ­Podtatrzu. Z 11 mapami i 99 rycinami. Kraków 1931. Das Buch beinhaltet eine ausführliche Zusammenfassung auf Französisch. 22 Hardin, Tragedy. 23 Ostrom, Verfassung. – Ihre Arbeiten werden in der Geschichtswissenschaft stark in Zusammenhang mit den global commons rezipiert. Vgl. Andrea Rehling, Isabella Löhr, ­»Governing the Commons«. Die global commons und das Erbe der Menschheit im 20. Jahrhundert, in: Jahrbuch für Europäische Geschichte. European History Yearbook 15, 2014, 3–31, hier 17 f.

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Teilweise waren die Gemeinden selbst dafür zuständig, teilweise eigene Organisationsformen aus habsburgischer Zeit wie die Urbargemeinschaften oder die aus adligen Erbschaftsstrukturen hervorgegangenen Kompossesorate. Sie begrenzten den Zugang zu den verwalteten Gemeingütern auf ihre jeweiligen Mitglieder und organisierten den gemeinsamen Weidebetrieb. In Podhale waren die Weidegemeinschaften, die sich aus den EigentümerInnen einer bestimmten Alm zusammensetzten, hingegen schwach und die rechtlichen Verhältnisse häufig ungeklärt.24 Damit entsprachen die Zustände in der polnischen Tatra viel eher dem Schreckensbild der zur Zerstörung verurteilten Weidegründe, auf das sich der pessimistische Hardin in seinem vielzitierten Aufsatz bezog.25 Daran hatte sich in der Nachkriegszeit wenig geändert, wie das vernichtende Urteil der polnischen AgrarexpertInnen über die in der Tatra betriebene Weidewirtschaft zeigt. Trotzdem wurden anscheinend weder in der Zwischenkriegszeit noch nach 1945 konkrete Versuche unternommen, der slowakischen Allmendeverwaltung gleichwertige Institutionen zu installieren. Offenbar gab es Anfang der fünfziger Jahre den kurzlebigen Versuch, im Zuge der sozialistischen Umgestaltung Weidegenossenschaften einzurichten. Wie im ganzen Land scheiterte die Kollektivierung aber innerhalb weniger Jahre am Widerstand der Betroffenen und an der Schwäche des Staatsapparats und wurde 1956 endgültig fallengelassen.26 In den Quellen, die sich mit der Organisation der Weidewirtschaft beschäftigen, hat dieser Regulierungsversuch so gut wie keine Spuren hinterlassen.27 Um die Wirtschaftsstrukturen zu reformieren, bestand das Rezept der Warschauer Regierung stattdessen darin, die Servitute aufzuheben und das Vieh durch das Ausweichen auf die ehemaligen Flächen der LemkInnen allmählich zu reduzieren. In jedem Fall ging es nicht darum, Entscheidungsmacht auf der lokalen Ebene und angepasst an die spezifischen Verhältnisse vor Ort zuzulassen, sondern um die Vereinheitlichung von Verwaltungsabläufen und -strukturen. Das führte das degradation narrative aus den Nachkriegsjahren fort. Die vermeintliche Misswirtschaft der Ansässigen wurde als Rechtfertigung für den staatlichen Eingriff in lokale Wirtschaftsstrukturen angeführt. Als das simple Verschieben der Schafe nach Südosten nicht automatisch eine substanzielle Verbesserung der Weidewirtschaft in der polnischen Tatra mit sich brachte, beschloss die Regierung, sie vollständig zu beenden. Daraus resultierte die zweifache Transformation der Eigentumsverhältnisse. Bevor die Allmenden in Staatseigentum überführt werden konnten, mussten sie zu Privateigentum werden. Um Verkaufs- oder Enteignungsurkunden ausstellen, Entschädigungen

24 Hołub-Pacewiczowa, Osadnictwo, 460–463. 25 Hardin, Tragedy. 26 Jarosz, Collectivization. 27 Eine der wenigen Erwähnungen bei Marchlewski, Las, 181.

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berechnen und ein reguläres Kataster anlegen zu können, waren metrische Flächenangaben anstatt »Schafklauen« vonnöten. Der damit verbundene Aufwand war ungleich größer als bei der Verstaatlichung der slowakischen Tatra gut zehn Jahre zuvor. Als die Landwirtschaft in der Tschechoslowakei ab 1949 kollektiviert wurde, konnten die Urbargemeinschaften, Kompossesorate und Gemeindeallmenden ziemlich reibungslos in staatliche Schemata übernommen werden – ganz zu schweigen von der Vereinfachung des Prozesses durch die Vertreibung der Zipser Deutschen. Im Podhale der sechziger Jahre ging es aber nicht um die kategorische Enteignung juristischer Personen, sondern um die Feststellung und Entschädigung all der Einzelpersonen, die ein Weiderecht oder Servitut ihr Eigen nannten, sei es in auch noch so geringem Umfang. Die Anstrengung, die Weideberechtigungen zunächst in Privateigentum umzurechnen, anstatt einfach die Almen in ihrer Gesamtheit zu enteignen, ist wahrscheinlich auf eine Besonderheit der sozialistischen Eigentumsordnung zurückzuführen. Sowjetisch beeinflusste Rechtssysteme gingen nicht von einem einheitlichen Eigentumsbegriff aus wie im liberalen Verständnis, sondern von einem abgestuften Modell. Privateigentum genoss dabei am wenigsten Schutz, während dem so genannten gesellschaftlichen und vor allem dem Volkseigentum ein höherer gesellschaftlicher Wert und dementsprechend höherer rechtlicher Status zugesprochen wurde.28 Der Regierungsbeschluss hatte ausdrücklich verfügt, das »individuelle Eigentum« – ein Synonym für Privateigentum – zu verstaatlichen. Deshalb ließ sich die Enteignung erst durchführen, nachdem die Nutzungsanteile in private Eigentumstitel umgerechnet waren. Selbst die Angehörigen der Forstgemeinschaft waren davon betroffen.29 Offenbar gab es einen Unterschied zwischen dem gesellschaftlichen Eigentum der Genossenschaft an den Wäldern und den individuellen Weideanteilen und Servituten der Genossenschaftsmitglieder. Mochte TPN-Vizedirektor Madeyski davon schwärmen, was für ein denkwürdiger Schritt diese Maßnahme sei, als »epochal« stellte sie sich vor allem in ihrer Langwierigkeit heraus. Anstatt wie vorgesehen bis Ende 1965 abgeschlossen zu sein, zogen sich Aufkauf und Tausch bis 1978 hin. Sie erforderten einen 28 Herbert Küpper, Property in East Central European Legal Culture, in: Hannes Siegrist, Dietmar Müller (Hrsg.), Property in East Central Europe. Notions, Institutions and Practices of Landownership in the Twentieth Century. New York, Oxford 2015, 65–99, hier 77–79. – Hannes Siegrist, Dietmar Müller, Property in East Central Europe. Notions, Institutions and Practices of Landownership in the Twentieth Century, in: Dies. (Hrsg.), Property in East Central Europe. Notions, Institutions and Practices of Landownership in the Twentieth Century. New York, Oxford 2015, 1–26, hier 8–10. – Das spiegelt sich auch in der polnischen Verfassung von 1952 wider. 29 Vgl. die Rechenschaftsberichte des TPN zum Fortgang der Verstaatlichung, die auch die Almen im Bereich der Forstgemeinschaft einschlossen, etwa: Zofia Śmiałowska, O pasterstwie w Tatrach Polskich. Rys historyczny, in: Kronika TPN. Tom 9. Zakopane 1969, 53–70, hier 64. – Ebenso in der Chronik 1976, 67 f. – Chronik 1977, 80.

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großen bürokratischen Einsatz, der von einer eigenen Arbeitsgruppe bei der Direktion des TPN geleistet wurde.30 In den Archiven hat dieser Prozess einen ansehnlichen Stapel an bürokratischer Dokumentation hinterlassen. Dort ist verzeichnet, wenn Madeyski, Nationalparkdirektor Marceli Marchlewski und die übrigen mit der Durchführung Betrauten Auskunft über den Ablauf und die Gründe für die Verzögerung gaben. Dabei wiesen sie einerseits nach Warschau, besonders weil der Fiskus die benötigten finanziellen Mittel für die Entschädigungen nicht schnell genug bereitstellte, um die Verkaufswilligen auszubezahlen.31 Neben dem Geld sei auch die veranschlagte Zeit zu knapp kalkuliert. Gerade die Umrechnung der Allmendeaufteilung in Privateigentum war aufwendig. Deshalb lag von den 42 planmäßig bis 1965 zu enteignenden Almen 1963 erst für sechs überhaupt der Beschluss über die Enteignung vor, doch weder Flächenausgleich noch Entschädigung waren abgeschlossen.32 Andererseits verzögerte sich das komplizierte Verfahren durch den großen Unmut vor Ort. Es ist auffällig, dass in den Gremien und Arbeitsgruppen, die vom Kriegsende an die Pläne für die »große Transhumanz« und dann für die Verstaatlichung der Tatra erarbeiteten (angesiedelt beim Forst-, Landwirtschaftsund Innenministerium in Warschau, den Nationalräten in Krakau und Nowy Targ sowie dem TPN), keine VertreterInnen der Lokalbevölkerung beteiligt waren. Die von den Maßnahmen Betroffenen selbst kritisierten diese Tatsache schon kurz nach dem Krieg, und sie bestätigt sich bei der Lektüre von Sitzungsprotokollen.33 Elinor Ostroms Argument, dass die Ansässigen die vorhandenen Ressourcen bei entsprechender Institutionalisierung besser verwalten können, als eine zentrale Steuerung durch Staat oder Markt dies vermag, lässt sich von der rein wirtschaftlichen Nutzung auf die Naturbewahrung übertragen. Forschungen in der politischen Ökologie sind sich darin einig, dass sich Akzeptanz vor Ort nur erzielen lässt, indem die Lokalbevölkerung und ihre Lebensweise in 30 Marchlewski, Turystyka, 122. – Marchlewski, Dane, 1 f. – Śmiałowska, Zagospodarowanie 83. 31 Dokumentation der Enteignung u. a. in: APAN, Spuścizna Walerego Goetla, KIII-36, 443. – Kronika TPN 1964, 60. – APAN, Spuścizna Walerego Goetla, KIII-36, 421. – Schreiben Madeyski an Goetel vom 11.05.1968. APAN, Spuścizna Walerego Goetla, KIII-36, I/422. 32 Bericht »Akcja wywłaszczania hal tatrzańskich« von PWRN w Krakowie, Urząd Spraw Wewnętrznych vom 31.03.1962. AIPN Warszawa, Ministerstwo Spraw Wewnętrznych w War­ szawie [1944] 1954–1990 // Ministerstwo Spraw Wewnętrznych w Warszawie 1956–1990 // Materiały administracyjne // Departament Społeczno-Administracyjny, MSW, IPN BU 72/64, Bl. 546–548.  – Notatka w sprawie wywłaszczeń związanych z urządzeniem Tatrzańskiego Parku Narodowego vom 16.02.1963. AIPN Warszawa, Ministerstwo Spraw Wewnętrznych w Warszawie 1956–1990 // Materiały administracyjne // Departament Społeczno-Administra­ cyjny, MSW, IPN BU 66/24, Bl. 167 f. 33 Resolution des Verbands der Almeigentümer des Kreises Nowy Targ auf der Vorstandssitzung vom 18.04.1946. AP w Krakowie, Eksposytura w Spytkowicach, Miejska Rada Narodowa w Zakopanem, MRN Z 164.

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das Konzept von Naturschutzreservaten einbezogen wird. Hingegen schafft der Ausschluss lokaler Siedlungs-, Wirtschafts- und Kulturtraditionen durch eine fortress conservation dauerhaftes Konfliktpotential.34 Dementsprechend hing dem Nationalpark, der all die Einschränkungen im Wirtschaftsleben der Tatra auslöste, weithin der Ruf eines Eindringlings an.35 Den Betroffenen blieb nur ein schmaler Raum jenseits der offiziellen Entscheidungswege, um sich zu artikulieren. Diesen nutzten sie aber hartnäckig und mit großer Kreativität.

6.3 Argumente und Protestformen gegen die Enteignung Die Verordnung des Ministerrats zog eine eindeutige Linie zwischen Natur und Kultur, also zwischen dem, was zum Nationalpark gehören durfte und was aus ihm ausgeschlossen war. Die GoralInnen selbst und ihre tief mit der Bewirtschaftung der Tatra verbundene Kultur – die ritualisierten und festlich begangenen Almauftriebe, die Bergbauden und Käserei, die auf der Alm gepflegten Bräuche, und nicht zuletzt die Hütehunde und die Schafe – wurden damit eindeutig als nicht dazugehörig definiert. Das brach mit einer langen Tradition in der Imagination des Gebirges. Seit der »Entdeckung« der Tatra hatten die BergbewohnerInnen und ihre Lebensweise als untrennbarer Bestandteil des Gebirges, also der Natur gegolten. Im Zusammenhang mit der Nationalparkidee hatte Władysław Szafer, der Vorsitzende der PROP, dazu eindeutig Stellung bezogen. In seiner Denkschrift von 1936 »Über den Tatra-Nationalpark« beteuerte er gleich zu Beginn unmissverständlich: »Es gibt keine Tatra ohne Goralen und keine Goralen ohne Tatra!« Es sei unmöglich, diese seit Jahrhunderten mit dem Gebirge verwachsenen Menschen aus dieser Umgebung herauszureißen, nachdem sie so lange Zeit »in wunderbarer Harmonie« und »in friedlicher Einheit« mit der Natur koexistiert hätten.36 Das Nationalparkprojekt der Zwischenkriegszeit hatte den Einheimischen folgerichtig einen Sonderstatus eingeräumt: Aus der strikten Schutzzone sollte jegliche Wirtschaftstätigkeit ausgeschlossen sein, mit Ausnahme ihrer traditionellen Weidepraxis.37 Wie in Kapitel 4 gezeigt, war auch in der Nachkriegszeit zunächst von einer allmählichen Einschränkung der alpinen Wirtschaft die Rede. Durch die Ausgleichsflächen in den ehemaligen Gebieten der LemkInnen sollte die Anzahl des Weideviehs in der Tatra schrittweise reduziert, nicht aber die Weidewirtschaft 34 In einer Forschungssynthese bei Neumann, Making, Kapitel 5, v. a. 129–152. 35 Vgl. die soziologische Studie von Tomasz Grabowski, Stanisław Marmuszewski, Świadomość ekologiczna górali i ich postawy wobec Tatrzańskiego Parku Narodowego, in: Studia socjologiczne 96, 1985, H. 1, 241–258. 36 Władysław Szafer, O Tatrzańskim Parku Narodowym. Kraków 1936, 3. 37 Sokołowski, Tatry, 18. – Goetel, Great Program, 34.

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vollständig unterbunden werden.38 Die Verordnung von 1954 über die Eröffnung des TPN sah dann ausdrücklich die Beweidung und die Weiterführung der Servitute vor, solange sie dem übergeordneten Ziel des Naturschutzes nicht im Wege standen (§ 3.1).39 Allerdings war diese Formulierung weder mit einer Quantifizierung der Wirtschaftstätigkeit verbunden (etwa einer Höchstzahl an zugelassenem Vieh) noch gab es institutionelle Vorkehrungen, die einen Dialog und die Konfliktschlichtung zwischen der Parkdirektion und den Nutzungsberechtigten ermöglicht hätten. Damit war die konkrete Ausgestaltung der Weidewirtschaft im Park im Unklaren gelassen, was zu ständigen Konflikten führte, in denen sich die Positionen der Beteiligten immer mehr verhärteten. Viele GoralInnen erkannten die Autorität der Parkverwaltung nicht an und verstießen deshalb demonstrativ gegen deren Anweisungen oder bewirtschafteten einfach weiter ihre Wiesen und Wälder im Gebirge. Die TPN-MitarbeiterInnen echauffierten sich ihrerseits über das verantwortungslose und egoistische Verhalten, das zur Zerstörung dieses nationalen Wahrzeichens führen würde. Überdies waren sich die Landund ForstwirtschaftsexpertInnen zuweilen untereinander nicht einig, denn die Nationalparkdirektion stand auch in Konflikt mit den Warschauer KollegInnen. Vor allem das Verhältnis zwischen dem TPN und den Lokalbehörden war angespannt, was immer wieder in den Quellen sichtbar wird.40 Anstatt einer Kompromisslösung erfolgte letztlich der Ausschluss. Die neu gezogene Abgrenzung zwischen Natur und Kultur, zwischen Tatra und GoralIn, war den davon Betroffenen selbst wohl bewusst. So berief sich ein gewisser Kamiński 1965 auf einer Informationsveranstaltung zum weiteren Vorgehen bei der Regulierung der Eigentumsverhältnisse auf die zitierte Denkschrift von 1936. Er betonte, dass laut Professor Szafer »der Goral, die Gämse und das Murmel­tier in der Tatra bleiben sollen«.41 Diese Aufzählung fasste den Menschen mit zwei Tierarten zusammen, noch dazu mit zwei ganz speziellen. Gämse und Murmeltier gehören zu den ikonischen Tieren der Tatra und stehen unter strengem Schutz. Das Gesetz zu ihrer Bewahrung, das der Galizische Landtag 1868 verabschiedet hatte, war die erste Naturschutzverordnung für die Tatra gewesen.42 In Kamińskis Darstellung erschienen die GoralInnen damit automa-

38 Z. B. forderte die später im TPN für die Materie zuständige Expertin 1953 nur die Einschränkung und Regulierung, nicht aber die Beendigung der Weidewirtschaft. Śmiałowska, Zagospodarowanie, 84. 39 Rada Ministrów, Rozporządzenie RM z dnia 30 października 1954 r. w sprawie utwo­ rzenia Tatrzańskiego Parku Narodowego. 40 Beispiele für diese zahlreichen Konfliktlinien z. B. bei: Śmiałowska, Historia. 41 Protokoll der Sitzung Rada TPN vom 10.02.1965. APAN, Spuścizna Walerego Goetla, KIII-36, I/329, 5. 42 Holec, Človek, 77. – Siehe Kapitel 1.

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tisch nicht nur als untrennbarer Bestandteil der Natur, sondern als ein gefährdeter und schutzbedürftiger obendrein. Ein Grund für die häufige standhafte Weigerung, die Weideanteile in der Tatra aufzugeben, mag neben der emotionalen Bindung an den ererbten Grund und Boden ihrer Heimatregion und fehlenden beruflichen Alternativen zur Schä­ferei allerdings auch die große Gewinnmarge aus inoffiziellen Aktivitäten gewesen sein. Jerzy Kochanowski zufolge kauften die polnischen GoralInnen in den sechziger Jahren sogar noch Schafe aus ganz Polen dazu, weil sie mit ihren selbst gefertigten Pelzwaren hohen Profit im In- und Ausland erzielen konnten. Die Kürschnerei in Podhale blieb in der Volksrepublik durchgehend eines der Zentren der landesweit äußerst lebendigen Schattenwirtschaft.43 Ohnehin zeichneten sich die GoralInnen durch einen ausgeprägten Geschäftssinn aus. Unter den Bedingungen der sozialistischen Mangelwirtschaft wurde Zakopane nicht nur zum Touristenzentrum, sondern auch zur Hochburg des Schwarzmarkts in Polen.44 Das im polnischen kulturellen Gedächtnis verankerte Bild des Goralen beinhaltet nicht nur Stärke und Freiheitswillen, sondern besitzt auch eine Schattenseite. Eigennutz und Gier sind verbreitete Stereotype,45 die auch die Einstellung der NaturschützerInnen zu ihrem Gegenüber beeinflussten. Immer wieder ist die Rede vom Konservatismus und dem Egoismus, der die AlmbewirtschafterInnen davon abhalte, zugunsten des Gemeinwohls zu handeln.46 Seitdem der Beschluss Nr. 415/60 in Kraft getreten war, ließen viele der von der Enteignung Betroffenen nicht davon ab, ihren Widerspruch in den zur Verfügung stehenden Kanälen zu äußern. Der Standardweg, um sich als BürgerIn im Staatssozialismus zu beschweren, war das Verfassen von Eingaben. Die streitbare Zofia Stachoń-Bigos etwa, die nach dem Systemwechsel die Interessen­ vertretung der Enteigneten organisieren würde, begann nach Selbstaussage 1966 damit, Beschwerden an die Regierung in Warschau zu senden.47 Zahlreiche solcher Schreiben erreichten auch die Parkverwaltung.48 Alle Register zog eine Eingabe dreier MiteigentümerInnen der Alm Kalatówki-Strążyska vom August 1963. Die Unterzeichnenden wehrten sich damit gegen einen Beschluss des Nationalrats der Wojewodschaft Krakau, sie zugunsten des Nationalparks zu ent 43 Kochanowski, Jenseits, 169. 44 Kochanowski, Socjalizm. 45 Vgl. Lemma »Górale«, in: Radwańska-Paryska, Paryski, Wielka encyklopedia. – Deutlich sichtbar im liebevoll-spöttischen Feuilleton des Schriftstellers Andrzej Stasiuk: Every­ thing for 9.99, in: Salon.sk / Mirrors of Europe, http://salon.eu.sk/en/9935/vsetko-po-9-99stlpcek/ (letzter Zugriff: 05.09.2015). 46 Śmiałowska, Zagospodarowanie, 82. – Bericht von der Vorbereitung der Sommerweide auf den Tatraalmen [o. D., wahrsch. 1954]. APAN, ZOP, 146. 47 Cezary Łazarewicz, Marek Wielgo, Po pierwsze honor, po drugie dutki, in: Gazeta wyborcza Nr. 305 vom 31.12.1998, Beilage »Magazyn« Nr. 53, 18. 48 Marceli Marchlewski, Pasterstwo, in: Kronika TPN. Tom 21. Zakopane 1981, 7–22. – Zwei solcher Schreiben sind enthalten in der Chronik des TPN 1963, 59–61.

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eignen.49 Dieses Schreiben präsentierte die wiederkehrenden Argumentations­ muster der Betroffenen mit großem Nachdruck. Die AbsenderInnen verbanden wirtschaftliche Argumente mit Identitätsfragen, wobei sie besonders ihre Klassenzugehörigkeit und die enge Bindung an die sozialistische Lebensweise herausstellten. Geschickt vermengten sie ihre Partikularinteressen mit dem gesamtgesellschaftlichen Interesse. Der Gegensatz zwischen sich selbst als Alteingesessenen einerseits und den BesucherInnen und der Nationalparkverwaltung als Eindringlingen aus dem Flachland andererseits trat dabei klar hervor. Diese Abgrenzung ließ sich nicht deutlicher markieren, in geographischer, sozialer und charakterlicher Hinsicht. Bemüht wurden dabei auch Topoi des korrupten Staatsbeamten in der Provinz, der die einfache, aber ehrenwerte Landbevölkerung betrüge: Als »Karrieristen« wurden die MitarbeiterInnen des Nationalparks abfällig bezeichnet, denen es gar nicht um den Schutz der Natur, sondern vor allem um »gut bezahlte Arbeitsstellen« gehe. Die TouristInnen wiederum hätte niemand gerufen, und nun werde »die Tatra-Natur von hunderttausenden dahergelaufenen Städtern geschädigt, die die Vegetation zertrampeln, herausreißen und kaputtmachen«. Sie selbst hingegen, »die Goralen, kennen die Gesetze und Paragraphen nicht, wir sind wenig gebildete Leute«, die nun der Verelendung preisgegeben würden. In der Realität war der eklatante Gegensatz jedoch nicht klar auszumachen. Immerhin wies Direktor Marchlewski auf einer Sitzung des wissenschaftlichen Beirats des TPN darauf hin, dass viele seiner MitarbeiterInnen selbst von der Enteignung betroffen seien. Das gleiche Problem bescheinigte er den Verwaltungsorganen in Zakopane und der Podhale-Region. Um Interessenkollisionen zu vermeiden, schlug er die Einsetzung eines separaten zuständigen Gremiums vor.50 Da weiterhin sein Stellvertreter Madeyski die Sache durchführte, blieb die Interessenverquickung in Nationalpark- und Lokalverwaltung jedoch bestehen. Dieses Problem begleitete auch die Kollektivierung in Polen vor 1956 und vielen anderen Ländern der Region: Die lokalen FunktionärInnen, die mit der Durchführung beauftragt waren, kamen oft selbst vom Land und fühlten sich den Interessen und der Mentalität der BäuerInnen verbunden.51 Genauso doppelbödig war der Hinweis auf die eigene Klassenzugehörigkeit in der selbst postulierten Volksdemokratie. Die AutorInnen erinnerten an ihre Identität als BäuerInnen und appellierten an das sozialistische Staatswesen, sie als eine derjenigen Gruppen zu schützen, die in der neuen Ordnung Gerechtig 49 Im Folgenden zitiert nach einem Zeitungsartikel von Robert Jarocki in »Dookoła świata« (Rund um die Welt) vom 22.08.1971, 8. Enthalten in: APAN, Spuścizna Walerego Goetla, KIII-36, 443. – Das Faksimile der Quelle ist auch abgedruckt in Marchlewski, Praco­ wałem, 216. 50 Sitzungsprotokoll des TPN-Beirats vom 16.07.1963, Tagesordnungspunkt  7. APAN, Spuścizna Walerego Goetla, KIII-36, I/329. 51 Jarosz, Collectivization, 124 f.

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keit und eine Steigerung des Lebensstandards erfahren sollte. Außerdem betonten sie ihren Anteil am sozialistischen Aufbauwerk: »Wir, die Goralen, wollen unsere Minister und Parteifunktionäre beherbergen, unsere Gelehrten, Arbeiter aus den Hüttenwerken und Fabriken, alle Menschen guten Willens – aber wer wird euch bewirten, wenn ihr erlaubt, dass wir zerstört werden?« Die richtige Klassenzugehörigkeit musste allerdings mit dem gesamtgesellschaftlichen Interesse konkurrieren, in dessen Namen die Neuordnung der Eigentumsverhältnisse durchgeführt und die Unterschutzstellung der Tatra verwirklicht wurden. Auch die Gegenseite argumentierte mit der ideologischen Rechtfertigung ihrer Forderungen. Seit das sozialistische System regierte, hatten die NaturschützerInnen stets betont, dass es nur unter diesen politischen Bedingungen möglich gewesen sei, das Naturreservat gegen Partikularinteressen durchzusetzen. Das mag zum größeren Teil politisches Kalkül gewesen sein, wobei Aleksander Bobkowskis Alleingang in der Affäre um die Seilbahn auf den Kasprowy Wierch als Schreckbild für die zerstörerische Kraft der bourgeoisen Gesellschaft diente.52 Dieses Argument ließ sich indes auch gegen die Vielzahl an KleineigentümerInnen wenden, die sich Naturschutz und Agrarmodernisierung entgegenstellten, ganz im Einklang mit dem viel bemühten Stereotyp von der konservativen und eigennützigen BergbewohnerIn.53 Eine besondere Wendung nahm die Verbindung von Tradition und sozialistischem Gedankengut, die die VerfasserInnen in verschiedenen Facetten ausspielten. Einerseits pochten sie auf ihr Eigentumsrecht, das sie auf ein Geschenk des polnischen Königs für ihren patriotischen Einsatz bei der Landesverteidigung zurückführten. Andererseits aber betonten sie ihre urkommunistische Lebensweise, die sogar die Formierung der Sowjetunion beeinflusst habe: Wir Goralen können uns rühmen, dass wir bei der Weide großer Schafherden verschiedener Eigentümer sowie dem Zusammenleben der Bauern in den Bergen und auf den Almen die sozialistische Gemeinschaft umgesetzt haben und umsetzen – wir können uns dessen rühmen, dass als Lenin unter uns gelebt hat, er sich für die Schöpfung von Sozialismus und Kommunismus vom lebendigen Beispiel unserer Gemeinschaft inspirieren ließ.

Tatsächlich hatte der spätere Revolutionsführer 1913/14 sein Exil im nahe Zakopane gelegenen Dorf Poronin gewählt. Seine Zeit dort nutzte er neben seiner Tätigkeit als Berufsrevolutionär auch zu Wanderungen und agitatorischer A ­ rbeit unter den polnischen GenossInnen. Ob er wirklich Inspirationen von der Sozialorganisation der örtlichen BäuerInnen aufnahm, die er später in der Sowjet 52 Die Abgrenzung von Bobkowski gehörte in der Nachkriegszeit fest zum Selbstverständnis der polnischen Naturschutzbewegung. Vgl. exemplarisch Kowalski, Ku czemu, 66. 53 Etwa: Korrespondenz von J. Vogtman vom März / April 1946 mit der PROP. APAN, PROP, 391, 404/46.

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union umsetzte, steht auf einem anderen Blatt. Zumindest passte das aber zur offiziellen Deutung in der polnischen Propaganda, die nicht müde wurde, die Bedeutung seines polnischen Exils – für Lenin selbst, vor allem aber für die sozialistische Zukunft in Polen  – zu betonen. Lenins Aufenthalt war in der Tat eine der wenigen Verbindungslinien zwischen Polen und der Sowjetunion, die den Schulterschluss zwischen beiden Ländern symbolisieren konnte. Zahlreiche Publikationen, Ausstellungen sowie mehrere Museen widmeten sich dieser Aufgabe.54 Indem nun die GoralInnen selbst (und nicht nur in dieser Quelle, sondern als verbreitete Referenz)55 ihr einflussreiches Erbe und ihre Nähe zum Vater der bolschewistischen Revolution hervorkehrten, spielten sie ihren Trumpf aus, der die Notwendigkeit zur Bewahrung ihrer Lebens- und Wirtschaftsweise in der Tatra unmissverständlich belegen sollte. Aber nicht einmal dieser besondere Schutzpatron reichte aus, um die staatlichen Stellen von der Rechtmäßigkeit ihrer Forderungen zu überzeugen. Das Gemeineigentum an den Almen und die Nutzungsberechtigungen entsprachen nicht dem gesetzlich geschützten »gesellschaftlichen Eigentum«, wie ja auch der Fall der Forstgemeinschaft gezeigt hatte. Stattdessen galten sie den ExpertInnen, ob sie linientreu waren oder nicht, als Überbleibsel einer überkommenen und unproduktiven Wirtschaftsweise. In der negativen Beurteilung traditioneller Eigentums- und Nutzungssysteme stimmen liberale und marxistische Eigentumsvorstellungen überein, die beide von der Überlegenheit »modernen«, kodifizierten Eigentums ausgehen.56 Der Nationalpark, das Ende der Weidewirtschaft und die Vereinfachung der Verwaltungsstrukturen im schlecht regierbaren Hochgebirge überwogen deshalb eine etwaige Genealogie revolutionärer Vergemeinschaftung, die von der Tatra in die Sowjetunion und wieder zurück nach Polen führte.

54 In Auswahl: Wydział historii partii KC PZPR (Hrsg.), Muzeum Lenina w Poroninie. Warszawa 1952. – Władysław A. Serczyk, Lenin w Krakowie i na Podhalu. Kraków 1970. – Janina Sołtyk, Muzeum Lenina w Poroninie. Przewodnik. Kraków 1970. 55 Vgl. z. B. auch Kronika TPN 1963, 60. 56 Für diese Übereinstimmung in der Bewertung traditioneller Eigentumsstrukturen vgl. Jacek Kochanowicz, The Changing Landscape of Property. Landownership and Modernization in Poland in the Nineteenth and Twentieth Centuries, in: Hannes Siegrist, Dietmar Müller (Hrsg.), Property in East Central Europe. Notions, Institutions and Practices of Landownership in the Twentieth Century. New York, Oxford 2015, 29–47, 30. – Rosa Congost, Property Rights and Historical Analysis: What Rights? What History?, in: Past & Present, 2003, H. 181, 73–106, 80.

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6.4 Lösungsansätze und dauerhafte Konfliktlinien Vorerst blieben die Eingaben der GoralInnen an offizielle Stellen und die Konfrontationen mit den RepräsentantInnen des Nationalparks erfolglos. Ab 1978 war die Tatra frei von Schafen und befand sich, neben der Ausnahme der Forstgemeinschaft, weitgehend in Staatseigentum. Der Auftrag zur Regulierung der Eigentumsverhältnisse war damit nach 18 Jahren erfüllt. Aber schon nach drei Jahren, in der nächsten und tiefsten der zahlreichen Krisen der Volksrepublik, kehrten die Schafe, und mit ihnen auch die GoralInnen und ihr Brauchtum, auf die Almen zurück. Als im Zeichen der unabhängigen Gewerkschaft Solidarność eine neue Dynamik die polnische Zivilgesellschaft erfasste, machte sich das auch in Podhale bemerkbar. Eine der zentralen Forderungen der Solidarność-Mitglie­ der in der Region lautete: »Die Schafe müssen in die Tatra zurückkehren.«57 Im Sommer 1981 stand die Gewerkschaft in ihrem Zenit, während die Herrschaft der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (Polska Zjednoczona Partia Robotnicza, PZPR) so fragil wie nie zuvor war. Im Juni nutzten einige GoralIn­ nen die Gelegenheit, um wieder Schafe auf ihre ehemaligen Weideflächen zu treiben.58 Nach all den Auseinandersetzungen mit, Klagen über und Protesten gegen den Nationalpark als Produkt einer aus Warschau übergestülpten Ordnung besaß diese Aktion Symbolwert.59 Die von der Obrigkeit verhängten Nutzungsverbote zu missachten, gehört zum Repertoire alltäglicher bäuerlicher Widerständigkeit, ebenso wie das Festhalten an hergebrachten Wegen und Jahresrhythmen. Auch die GoralInnen nutzten diese »Waffen der Schwachen«.60 Die Aktion im Juni 1981 hatte schnell einen politischen Effekt. Nur wenige Wochen später trat ein geändertes TPN-Statut in Kraft, das seither die »Kulturweide« (wypas kulturowy) auf wenigen Flächen und mit einer festgelegten Höchstzahl an Schafen und Kühen zulässt.61 Die Bezeichnung »Kulturweide« 57 Paweł Skawiński, The role of pastoral economy in shaping the landscape of the Tatra National Park. Culture and nature: The European heritage of sheep farming and pastoral life. Research theme 5: Landscape as shaped by by sheep farming. Research report for Poland. Lubaczów November 2011, 8. 58 Sitzungsprotokoll des Nationalrats der Stadt Zakopane und der Tatragemeinde Nr. XXVI/ 1981 vom 06.10.1981. AP w Krakowie, Eksposytura w Spytkowicach, Biuro Rady Narodowej Miasta Zakopanego i Gminy Tatrzańskiej w Zakopanem, 1977–1990, 11, Bl. 359. 59 Deutliche Auskunft über die vergiftete Atmosphäre vor Ort geben die Sitzungsprotokolle der Lokalverwaltung von Zakopane aus den Jahren 1980 und 1981: AP w Krakowie, Eksposytura w Spytkowicach, Biuro Rady Narodowej Miasta Zakopanego i Gminy Tatrzań­ skiej w Zakopanem, 1977–1990, 54. – AP w Krakowie, Eksposytura w Spytkowicach, Biuro Rady Narodowej Miasta Zakopanego i Gminy Tatrzańskiej w Zakopanem, 1977–1990, 11. 60 Scott, Weapons. 61 Rozporządzenie RM z 13 lipca 1981 r. zmieniające rozporządzenie w sprawie utwo­ rzenia Tatrzańskiego Parku Narodowego, in: Dz. U. 1981, Nr 18, poz 87. – 1981 wurden insgesamt 959 Schafe und 36 Kühe geweidet. Marchlewski, Pasterstwo, 12–14 (auf S. 14 ist eine

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bezog sich dabei in erster Linie auf die Volkskultur. Per Vorschrift durften die Hirten nur Tracht tragen und traditionelle Werkzeuge benutzen, das Vieh musste regionalen Rassen angehören und von den für die Region charakteristischen weißen Hütehunden bewacht werden.62 Damit handelte es sich um Kulturlandschaftsschutz im buchstäblichen Sinne, bei dem die in jahrhundertelanger menschlicher Prägung hervorgebrachte Landschaft als schützenswert definiert wird. Auch heute stoßen TouristInnen, die den Wanderpfaden auf beweidete Almen folgen, in den Schutzhütten am Wegesrand auf traditionell gekleidete Goralen, die ihnen aus schweren Holzeimern oscypek, den in kleine runde Formen gepressten Räucherkäse, verkaufen. Ohne darauf Bezug zu nehmen, entsprach die »Kulturweide« zum Zeitpunkt ihrer Entstehung dem zeitgenössischen Trend im internationalen Naturschutz, der sich im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts hin zu einer new conservation bewegte. Darunter subsumieren sich zahlreiche Versuche, Natur und Kultur besser und flexibler miteinander zu vereinbaren, als es der bis dahin hegemoniale Reservatschutz erlaubte, der strikte Grenzen zwischen der Natur drinnen und der Zivilisation draußen zog. Ziel ist die Schaffung von Hybriden von Kultur und Natur. In vielen Naturreservaten ist seither die traditionelle Bewirtschaftung in reguliertem Ausmaß wieder gestattet. Anstatt kategorischer Enteignung werden Modelle von Eigentum-Partnerschaften mit GrundeigentümerInnen oder indigenen Völkern erprobt.63 Solche Maßnahmen lassen sich jedoch auch kritischer bewerten. Das erklärte Ziel der »Kulturweide« bestand darin, die Bräuche und Traditionen der PodhaleRegion zu bewahren. Mit den umfassenden Vorschriften wurde auch festgelegt, was als Bestandteil dieser Volkskultur zu gelten habe, und damit ein gewisses Idealbild sozusagen eingefroren. Die goralische Kultur wird auf diese Weise musealisiert und Wandel unterbunden. Diese Ansicht teilten auch von den Regeln Betroffene. Im lokalen Solidarność-Umfeld wurde dem TPN vorgeworfen, er wolle »aus der Tatra und der Podhale-Region ein Reservat machen, in dem die Goralen sich wie Museumsexponate fühlen und behandelt werden würden«.64 In Übersicht über die beweideten Flächen und Anzahl der Tiere abgebildet). – AIPN Warszawa, Ministerstwo Spraw Wewnętrznych w Warszawie [1944] 1954–1990 // Ministerstwo Spraw Wewnętrznych w Warszawie 1956–1990 // Materiały administracyjne // Biuro prawne, IPN BU 1098/8 t. 409. 62 Anna Kozak, Pasterstwo w Tatrach Polskich i na Podhalu, in: Tatrzański Park Narodowy (Hrsg.), Pasterstwo w Tatrach i na Podtatrzu. Zakopane 2012, 4–14, hier 13 f. – Ska­ wiński, Role, 12. 63 Thomas R. Vale, The American Wilderness. Reflections on Nature Protection in the United States. Charlottesville 2005, 222–239. – Ein Überblick mit Schwerpunkt auf außereuropäische Regionen bei Neumann, Making, 139–148. – Turner, Rethinking, 294, 296–300. 64 Zitiert nach: Mateusz Szpytma, »Solidarność« rolników indywidualnych na Podhalu, Spiszu i Orawie w latach 1980–1981, in: Biuletyn Institutu Pamięci Narodowej, 2010, H. 1–2 (108–109), 93–101, hier 98.

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extremer Ausprägung kann ein solcher »erzwungener Primitivismus« so streng gehandhabt werden, dass ein Verstoß gegen die Vorschriften zum Ausschluss aus dem Parkgebiet führt.65 Auch in der Tatra wird großer Wert auf die Einhaltung der Regeln gelegt. Die Geographin Juliet Fall berichtet von einer Situation im Jahr 2000, als ein Parkranger einen Hirten ertappte, der Jeans trug. Dieser wurde dafür gebührend getadelt und angewiesen, sich umzuziehen, was er umgehend tat.66 Trotz dieser Einwände überwiegen aus Sicht des TPN heute klar die Vorteile. Der Park weist mit Selbstverständlichkeit auf die Institution der »Kulturweide« hin, die TouristInnen anzieht und zur Erhaltung der Artenvielfalt auf den beweideten Lichtungen beiträgt.67 MitarbeiterInnen des TANAP wiederum bedauern, dass in der slowakischen Tatra nicht ein ähnlicher Weg eingeschlagen wurde, um die örtliche Bevölkerung besser in die Pflege des Parks einzubinden und Konflikte vor Ort zu begrenzen.68 Anfang der achtziger Jahre war die Stimmung aber eine ganz andere. Zur Schlichtung des Streits zwischen GoralInnen und dem TPN fand sich sogar eine eigene überministeriale Kommission zusammen,69 die aber keine Lösung herbeiführen konnte. Sie blieb bis 1991 bestehen, und danach ging ihr Aufgabenbereich, gemeinsam mit all den ungelösten Konflikten, an die Nationalparkdirektion über.70 Die NaturschützerInnen waren hellauf empört über den eigenmächtigen Almauftrieb und mussten nicht zum ersten Mal feststellen, dass sie nicht mit der Unterstützung durch die Zentralregierung und noch viel weniger der örtlichen Verwaltung rechnen konnten.71 Angesichts völlig verhärteter Fronten konnte die Einführung der »Kulturweide« keine grundsätzliche Lösung für den Konflikt bewirken. Die Aktion, die Schafe eigenmächtig auf ihre ehemaligen Almen zu treiben, war durch die Unzufriedenheit mit der Situation im TPN und der erfolglosen Kommissionsarbeit motiviert. Doch in einer soziologischen Studie von 1983 zum ökologischen 65 Kupper, Wildnis, 100. 66 Fall, Drawing, 62. Die Autorin fasst die Kritik an solchen Schutzkonzepten auf 60–62 zusammen. 67 Z. B. in der zitierten, vom TPN herausgegebenen Broschüre: Kozak, Pasterstwo.  – Skawiński, Role, 10–12. 68 Líška, Koreň, Rozdiely, 30. 69 Międzyresortowa Komisja Robocza do spraw stosunków pomiędzy społecznością góralską a Tatrzańskim Parkiem Narodowym, seit November 1980. – Verweise darauf in: AP w Krakowie, Eksposytura w Spytkowicach, Biuro Rady Narodowej Miasta Zakopanego i Gminy Tatrzańskiej w Zakopanem, 1977–1990, 11. 70 Aussage des Senators Bachleda-Księdzularz, Franciszcek, Senat RP, V. kadencja, 53. posiedzenie Senatu, 9 stycznia 2004 r., oświadczenie skierowane do premiera w sprawie sto­ sunków własnościowych na terenie Tatrzańskiego Parku Narodowego, http://​w w2.senat.pl​/​ k5/​dok/​sten/​oswiad/​bachleda/​index.htm (letzter Zugriff: 10.07.2014). 71 Marchlewski, Pasterstwo, 12–14. – Lemma »pasterstwo«, in: Radwańska-Paryska, Paryski, Wielka encyklopedia.

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Die Rückkehr der Schafe

Bewusstsein unter den GoralInnen und ihrer Einstellung gegenüber dem TPN diagnostizierten die Autoren »Symptome eines ›klinischen Falles‹«. Der Konflikt um die Eigentumsrechte an Wald und Weideflächen habe eine außergewöhnliche Dimension angenommen.72 Die wichtigste Forderung der befragten GoralInnenbevölkerung zielte darauf, die Schafweide im TPN wieder regulär zuzulassen.73 Die Gründe für diese verfahrene Situation fanden die Autoren der Studie in bereits erwähnten Faktoren: Wie im Fall des zitierten Kamiński überwog bei den Befragten auch nach über zwanzig Jahren das Gefühl, aus dem Gebirge verbannt worden zu sein, dessen traditionelle und rechtmäßige EigentümerInnen sie seien. Den Nationalpark konnten die meisten nicht als ideelles Eigentum der gesamten Nation ansehen, sondern es überwog die Wahrnehmung als Filiale des Zentralstaats, die weit von der örtlichen Bevölkerung und ihren Bedürfnissen entfernt sei.74 Diese Interpretation entspricht dem seit der Zeit der Teilungen tief in der polnischen Kultur verankerten Muster des »wir« und »sie«, das die Gesellschaft (społeczeństwo) der fremd beherrschten Obrigkeit (władza) dichotom entgegenstellt. In der Volksrepublik erlebte es eine Neu­ auflage in der Vorstellung eines Antagonismus zwischen der Gesellschaft und dem sozialistischen Regime.75 Die Polarisierung blieb über den Systemwechsel 1989 hinaus erhalten. Zwar haben sich in der neuen politischen und sozioökonomischen Ordnung die Formen des Protests gewandelt. Aber weder wurden seitdem die Eigentumsverhältnisse revidiert, noch wurde ein langfristig tragfähiger Kompromiss gefunden.76 Auch heute nehmen viele Ansässige den Park als fremdes Element wahr. Die überdauernden Vorbehalte illustriert eine analog zu der Studie aus den achtziger Jahren angelegte Befragung aus dem Jahr 2000. Ihre Autorin belegt, dass viele GoralInnen die Institution Tatranationalpark nach wie vor nicht als »ihren« Park sehen, auch wenn eine allgemeine Bereitschaft, die Natur zu schützen, durchaus vorhanden sei.77 Die Politik der heutigen Republik Polen ist den ehemaligen EigentümerInnen nicht entgegengekommen. Diese bemühen sich bis heute vergebens um die Restitution der Almanteile in der Tatra. Damit stehen sie nicht allein, denn in Polen hat bis heute keine umfassende Rückgabe des im Sozialismus enteigneten Eigentums stattgefunden. Gerade Nationalparks als 72 Studie durchgeführt 1983, veröffentlicht 1985. Grabowski, Marmuszewski, Świado­ mość, 243. 73 Ebd., 252 f. 74 Ebd., 254 f. 75 Hans-Henning Hahn, Die Gesellschaft im Verteidigungszustand. Zur Genese eines Grundmusters der politischen Mentalität in Polen, in: Hans-Henning Hahn, Michael G. Müller (Hrsg.), Gesellschaft und Staat in Polen. Historische Aspekte der polnischen Krise. Berlin 1988, 15–48. 76 Die verschiedenen Phasen des Konflikts dargestellt bei: Kucina, Konflikt, 205–207. 77 Komorowska, Świadomość.

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Einrichtungen von gesamtgesellschaftlichem Interesse sind in ihrem Bestand gegen diesbezügliche Ansprüche abgesichert.78 An dieser Stelle ist der Vergleich mit der slowakischen Tatra instruktiv. Dieser Zustand steht nämlich im starken Kontrast zur Situation im TANAP, wo sich die Eigentumsfrage nach 1989 in eine ganz andere Richtung entwickelt hat. Ausgehend von einem 1991 verabschiedeten Gesetz fand in der zu dieser Zeit bestehenden Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik und seit 1993 in den beiden unabhängigen Staaten Tschechische Republik und Slowakei die Reprivatisierung des Bodens statt.79 Der TANAP war davon stark betroffen: Bis 2005 musste die Parkverwaltung 46 Prozent seiner Fläche an die ehemaligen PrivateigentümerInnen zurückgeben. Den Vorschlag, für den Nationalpark eine Ausnahmeregelung festzulegen, lehnte der Gesetzgeber ab. Von der Restitution profitiert haben vor allem die ehemaligen Urbargemeinschaften und die Anrainergemeinden, in geringerem Maße auch die Kirchen und Privatpersonen.80 Trotz all der Konflikte mit der Lokalbevölkerung besitzt der polnische Park damit einen wesentlich sichereren rechtlichen Status, was seinen Territorialbestand angeht, als der halbprivatisierte TANAP. Die slowakische Parkleitung sieht sich mit einer Reihe an schwerwiegenden Problemen konfrontiert, die aus der großangelegten Restitution des Bodens resultieren. Viele der alt-neuen Grundeigen­ tümerInnen wollen Forstwirtschaft betreiben und von der boomenden Tourismusbranche profitieren.81 Im TANAP haben also wie im Rest des Landes die Spielregeln der Marktwirtschaft Einzug gehalten. Die Veränderung der Eigentumsverhältnisse in der slowakischen Tatra verlief in der gesamten Nachkriegszeit relativ stark parallel zu den landesweiten Entwicklungen. Sowohl die Verstaatlichung nach dem Krieg als auch die Restitution nach 1989 lassen sich im Rahmen der gesamtstaatlichen Umgestaltung im Sozialismus und Postsozialismus verstehen. In der polnischen Tatra war es dagegen eine spezielle Maßnahme, die zur flächendeckenden Enteignung führte. Sie soll abschließend in einer erweiterten Perspektive betrachtet werden, aus der sichtbar wird, dass die Frage der Eigentumsordnung als grund 78 Gąsienica-Byrcyn, Klementyna, The Influence of the Property Restitution in the Tatra Mountains on Their Current and Future Nature Protection Management. MA Thesis, Utrecht 2010, 6 f. – In Bezug auf Grundeigentum im Allgemeinen vgl. Kochanowicz, Changing Landscape, 44 f. 79 Zákon 229/1991 Sb. ze dne 21. května 1991 o  úpravě vlastnických vztahů k půdě  a ­jinému zemědělskému majetku. 80 Líška, Koreň, Rozdiely, 30. – Ivan Bohuš, Vývoj vlastníckych vzťahov k lesom, in: Ivan Vološčuk, kol. (Hrsg.), Tatranský národný park. Biosférická rezervácia. Martin 1994, 256–261, hier 267 f. – Zámečníková, Príčiny, 43. 81 Maros Finka, Tatiana Kluvankova, High Tatra – The Challenges of Natural Disaster Recovery and Complex Changes, in: Velma I. Grover u. a. (Hrsg.), Impact of Global Changes on Mountains. Responses and Adaptation. Boca Raton 2015, 366–380. – Siehe den Ausblick im Schlussteil.

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legendes Problem von Naturschutzreservaten überall auf der Welt gelten kann. Das lässt auch Rückschlüsse für die eingangs aufgeworfene Frage zu, welche Rolle das politische System hierbei spielt.

6.5 Nationalparks und Eigentumsordnung Lokale Konflikte um die Errichtung und Unterhaltung von Naturschutzreservaten – das hat sich auch schon in den vorherigen Kapiteln gezeigt – sind ein globales Phänomen. Es war kein Zufall, dass die Idee, große Naturgebiete unter Schutz zu stellen und dazu von der wirtschaftlichen Nutzung auszunehmen, sich nicht zuerst in Europa durchsetzte. Denn wegen der intensiven Landnutzung und dichten Besiedlung über den ganzen Kontinent und den festgefügten Eigentumsansprüchen auf das meiste Land stießen großangelegte Naturschutzinitiativen auf erhebliche Gegenwehr. In den britischen Siedlergesellschaften Nordamerikas, Australiens und Neuseelands sowie in den europäischen Kolonien in Afrika, Asien und Südamerika ließen sich solche Projekte viel einfacher rea­ lisieren. Die dort lebenden Menschen waren dagegen oft machtlos.82 In Europa entwickelten sich verschiedene Strategien, um mit dem Problem umzugehen. Im Deutschland des 19. Jahrhunderts nahm sich die Naturschutzbewegung so genannter Naturdenkmäler an. Dabei ging es darum, einzelne Felsen, Bäume oder andere kleinräumige Naturkuriositäten vor der Zerstörung durch die fortschreitende Industrialisierung und Urbanisierung zu bewahren.83 Bei dem Vorhaben, große zusammenhängende Gebiete aus dem Wirtschaftsprozess herauszunehmen, war die Palette an Realisierungsmöglichkeiten erst recht beschränkt. Zwar besaßen private Wildreservate auf adligen Anwesen eine lange Tradition, aber öffentliche Initiative stieß auf zahlreiche Hindernisse. Eine große Ausnahme war Schweden, wo in den 1910er Jahren Nationalparks auf staatlichem Grund eingerichtet wurden. Die dafür gewählten Gebiete im Norden des Landes waren dünn besiedelt und wurden vor allem von den nomadisch lebenden SamInnen genutzt. Sie wurden zeitgenössisch als Teil der Natur angesehen, weshalb ihnen keine Ansprüche auf das Land zugestanden wurden.84 In Italien schenkte der König sein ehemaliges Jagdrevier in den Alpen dem

82 Kupper, Nationalparks in der europäischen Geschichte.  – Melissa Harper, Richard White, How National Were the First National Parks? Perspectives From the British Settler Societies, in: Bernhard Gissibl, Sabine Höhler, Patrick Kupper (Hrsg.), Civilizing Nature. National Parks in Global Historical Perspective. New York, Oxford 2012, 50–67. 83 Friedemann Schmoll, Erinnerung an die Natur. Die Geschichte des Naturschutzes im deutschen Kaiserreich. Frankfurt / Main, New York 2004, 113–132. 84 Tom Mels, Nature, Home, and Scenery. The Official Spatialities of Swedish National Parks 20, 2002, H. 2, 135–154, 139, 142 f. – Kupper, Wildnis, 113.

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Staat, woraus 1922 der Gran Paradiso Nationalpark entstand.85 An vielen Orten wurden Natur- und Heimatschutzvereine oder Tourismusorganisationen aktiv und sammelten Geld, um ein in Frage kommendes Stück Land zu erstehen und privat unter Schutz zu stellen. Was der TT in Galizien unternahm, praktizierte zum Beispiel am Anfang des 20. Jahrhunderts der Verein Naturschutzpark in Deutschland in weit größerem Maßstab. Er hatte die Hohen Tauern in den österreichischen Alpen und die Lüneburger Heide in der norddeutschen Tiefebene als Terrain für zukünftige Naturschutzgebiete auserkoren und sammelte in einer großangelegten Aktion Geld für den Grundstückskauf.86 In der Schweiz schloss die offiziell ernannte Eidgenössische Nationalparkkommission zur selben Zeit mit den Anliegergemeinden langfristige Pachtverträge, die den Gemeinden eine finanziell attraktive Alternative zur landwirtschaftlichen Nutzung boten.87 Pacht wurde in der polnischen Tatra anscheinend nie erwogen. Stattdessen wurde seit ihrer »Entdeckung« großer Aufwand getrieben, um das Gebiet in nationalen, später staatlichen Besitz zu bringen. Die großangelegte Enteignungsaktion der 1960er Jahre ist in dieser Kontinuität zu verstehen. Vergleichbare Maßnahmen lassen sich in unterschiedlichen politischen Kontexten finden. Im kolonialen Zusammenhang wurden Ansprüche von Einheimischen ohnehin oft schlicht übergangen und keinerlei Entschädigungen bezahlt.88 Aber auch in demokratischen Staatswesen mit einer liberalen Rechtsordnung, die das private Eigentum schützt, ist es zu Enteignungen für Nationalparks unter Berufung auf das öffentliche Interesse gekommen. Mit Sicherheit handelt es sich nicht um eine Massenerscheinung, aber eine Reihe von Fällen lässt sich feststellen. In den USA mussten bis in die 1950er Jahre hinein als Nationalpark designierte Ländereien dem Staat übertragen werden.89 Daraus entstanden Situationen wie bei dem Big Bend National Park in Texas. Dort wurde EigentümerInnen in den vierziger Jahren für ihre Parzellen ein festgesetzter Preis unterhalb des Marktwerts ausbezahlt, ohne dass die Geschädigten dagegen vorgehen konnten.90 An 85 Graf von Hardenberg, Beyond, 50–55. 86 Patrick Kupper, Die Etablierung eines Naturschutzparks (bis 1918), in: Patrick Kupper, Anna-Katharina Wöbse (Hrsg.), Die Geschichte des Nationalparks Hohe Tauern. Innsbruck 2013, 11–37, hier 16, 21–27. – Vgl. auch den Kauf des Triglavgipfels durch den Vertreter der slowenischen Nationalbewegung Jakob Aljaž. Roeder, Triglav, 242 f. 87 Kupper, Wildnis, 70–72, 114–131. 88 Bernhard Gissibl, A Bavarian Serengeti. Space, Race and Time in the Entangled History of Nature Conservation of East Africa and Germany, in: Ders., Sabine Höhler, Patrick Kupper (Hrsg.), Civilizing Nature. National Parks in Global Historical Perspective. New York, Oxford 2012, 102–119, hier 105 f. – Roderick P. Neumann, Imposing Wilderness. Struggles Over Livelihood and Nature Preservation in Africa. Berkeley 1998. 89 Kupper, Wildnis, 113. 90 Neel G. Baumgardner, Big Bend – »Some sort of scenic beauty«. Not Even Past, The Department of History at the University of Texas at Austin, 13.02.2011, https://​notevenpast.org​/​ big-bend-some-sort-scenic-beauty/​ (letzter Zugriff: 10.01.2016).

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der Atlantik­küste siedelte die kanadische Regierung ab 1969 1.200 BürgerInnen um, um auf deren Land den Kouchibouguac Nationalpark zu gründen.91 In allen diesen Fällen agierte der Staat als »ultimate landlord«,92 der im Na­ men des Gemeininteresses in die Eigentumsrechte des Einzelnen eingreift. Was meistens für den Bau von Infrastrukturen oder die Ressourcengewinnung angewendet wird, kann auch für die Einrichtung von Naturreservaten zum Einsatz kommen. Maßnahmen dieser Art stellen eine Disziplinierung der Betroffenen durch den Staat dar, indem abstrakt begründete Ansprüche auf ein Gebiet über die Interessen von Einzelpersonen gesetzt werden. In der Tatra wurde eine über Generationen entstandene, äußerst komplexe Landschaft einander überlappender Eigentumstitel, Nutzungsberechtigungen und -praktiken durch ein wesentlich vereinfachtes und dadurch viel besser steuerbares Schema des Zugriffs auf das Land ersetzt. Dieser Vorgang stellte insofern einen deutlichen Territorialisierungsschritt dar, als staatliche Regulierung in der Tatra auf nunmehr staatlichem Gebiet durchgesetzt wurde. Er entspricht auch dem Bemühen, die »Lesbarkeit« von Territorium und Bevölkerung zu erhöhen, das James C. Scott für den modernen Staat konstatiert hat.93 Ob und in welchem Umfang solche Eingriffe gerechtfertigt sind, ist eine politische Frage, die öffentlich und unter Einbezug der verschiedenen Interessengruppen diskutiert werden muss, um Akzeptanz zu finden. Eine solche gesellschaftliche Debatte war in der Volksrepublik nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich und von offizieller Seite auch nicht erwünscht. Das staatliche Vorgehen war durch geringe Rücksicht auf lokale Verhältnisse und das Vertrauen auf zentrale Regulierungsmacht gekennzeichnet. Es fällt aber auch auf, wie begrenzt der Spielraum des Staates war. Grundsätzlich hatte das Projekt, die Wirtschaftsund Eigentumsstrukturen zu reformieren, bereits Jahrzehnte Vorlauf. Als 1960 schließlich die radikale Maßnahme einer flächendeckenden Enteignung erfolgte, resultierte das aus dem Scheitern vorheriger Regulierungsversuche und zog einen fast zwei Jahrzehnte dauernden Verwaltungsvorgang nach sich, der mit der Aufwendung beträchtlicher öffentlicher Mittel verbunden war. Seine Durchsetzung wurde letztlich stark von den Betroffenen mitbestimmt: von ihrer Bereitschaft, Anteile zu veräußern, oder der Weigerung zu kooperieren. Wie der illegale Almauftrieb von 1981 und die nachfolgende Änderung des TPN-Statuts 91 Ronald Rudin, Removing the People. The Creation of Canada’s Kouchibouguac National Park. Environment and Society Portal, The Arcadia Project, Arcadia item 2013/17, http://​w ww.environmentandsociety.org ​/​a rcadia/​removing-people-creation-canadas-kouchi bouguac-national-park (letzter Zugriff: 01.02.2016). 92 Richards, Toward, 56. 93 Scott, Seeing, 2 f. – Maiers und Scotts Ansätze in Bezug auf die Verdrängung lokaler BewohnerInnen bzw. NutzerInnen durch Naturreservate bei: Thomas Lekan, The National State, in: Frank Uekötter (Hrsg.), The Turning Points of Environmental History. Pittsburgh 2010, 55–71, 67.

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zeigen, besaß der Protest der GoralInnen angesichts des schwachen polnischen Staates ein nicht zu unterschätzendes politisches Gewicht. Seit 1989 wird die Eigentumsfrage in der Tatra in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert. Aber auch weiterhin genießt der kollektive Anspruch auf das Gebirge höhere politische Priorität als die Forderungen der ehemaligen EigentümerInnen. Dass das Verhältnis zwischen einem Teil der Lokalbevölkerung und dem Nationalpark heute zerrüttet ist, hat also mindestens bis in die Zwischenkriegszeit reichende Wurzeln und auch zeitgenössische Gründe. Dennoch stellt die Entstehung des Parks im Sozialismus auf der mentalen Ebene eine gewichtige Erblast dar. Das Misstrauen gegenüber einem zentral verordneten Naturschutzreservat – unabhängig, welches Regierungssystem dafür verantwortlich zeichnet – verbindet sich mit dem speziellen Unbehagen gegenüber einem als fremd empfundenen sozialistischen Staatswesen.

Ausblick und Fazit

Ausblick: Neue Arenen, alte Konflikte Am 19. November 2004 fegte ein Orkan über die südlichen Flanken der Hohen Tatra. Innerhalb eines Nachmittags schlug der Sturm eine 30 Kilometer lange und bis zu fünf Kilometer breite Schneise in den Wald unterhalb der Gipfel. Mit einer Geschwindigkeit von bis zu 200  Stundenkilometern entwurzelte er die Bäume auf über 12.000  Hektar. Das entspricht etwa einem Sechstel des ­ ANAP.1 Dieses Ereignis rief in der slowakischen Öffentlichkeit Bestürzung herT vor und erhielt auch im Ausland mediale Aufmerksamkeit. In der Tatraregion selbst hatte der Sturm Auswirkungen, die über die Zerstörung des Forstbestands weit hinausgingen. Er funktionierte als Katalysator, der bereits vorher begonnene Entwicklungen beschleunigte und neue anstieß. Anhand dieses Moments der »Verdichtung« wird abschließend die Frage der Nutzungskonkurrenzen um den Naturraum Tatra in der postsozialistischen Periode seit 1989 exemplarisch dargestellt. Nach dem Fall des »Eisernen Vorhangs« haben sich die politischen und sozioökonomischen Rahmenbedingungen in der Tatraregion ein weiteres und das vorerst letzte Mal grundsätzlich gewandelt. An die Stelle der sozialistischen Herrschaftsstrukturen und der Planwirtschaft traten demokratische Staatswe­ sen mit einer ausgeprägt liberalen Marktwirtschaft. 1993 löste sich die Tschechoslowakei friedlich auf, seitdem liegt die südliche Seite der Tatra in der Slowakischen Republik. Die Slowakei und Polen sind in zahlreiche internationale und transnationale Netzwerke eingebunden, 2004 traten sie der Europäischen Union bei. Zwar wirken sich diese Faktoren deutlich auf den gesellschaftlichen Umgang mit dem Gebirge aus. Wie sich an den Vorgängen nach dem Orkan zeigen lässt, sind die tieferliegenden Konfliktlinien aber stabil geblieben. Die Konsequenzen des Orkans vom November 2004 lassen sich grob in ökologische, wirtschaftliche und politische unterteilen. Zunächst zu den ökolo­ gischen Folgen: Unübersehbar waren die entwaldeten Flächen. Die enorme Menge an Sturmholz wurde rasch vom Borkenkäfer befallen, während der nun ungeschützte Waldboden zusehends erodierte. Noch dazu brachen im folgenden Sommer Feuer auf Teilen der zerstörten Flächen aus. Dass die Schäden ein so 1 Milan Koreň, Vetrová kalamita 19. novembra 2004. Nové pohľady  a konsekvencie, Štátne lesy TANAP u 05.11.2005, http://​w ww.lesytanap.sk​/​sk/​vetrova-kalamita/​ (letzter Zugriff: 26.01.2016). – Finka, Kluvankova, High Tatra, 369.

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Ausblick und Fazit

großes Ausmaß annehmen konnten, war zum Teil menschengemacht. Die vorherrschenden Fichtenmonokulturen boten dem Wind geringen Widerstand und den Schädlingen eine ideale Grundlage, um sich ungestört zu vermehren. Eine unklare Gesetzeslage sowie Kompetenzstreitigkeiten der örtlichen Naturschutz- und Forstbehörden erschwerten die Bewertung des Ereignisses und die Ableitung von Konsequenzen für das zukünftige Management. Während die Forstverwaltung mehr Kompetenzen forderte, um den Waldbestand zu regulieren, Totholz zu entfernen und wiederaufzuforsten, sprach sich die Nationalparkdirektion dafür aus, die Natur sich selbst regenerieren zu lassen. Die schon zuvor bestehenden Diskrepanzen zwischen einem regulativen und einem stärker prozesshaften Verständnis von Naturschutz schlugen angesichts des großen Schadens in einen offenen Konflikt um. In einer polarisierten Diskussion warfen sich die Beteiligten gegenseitig vor, den Ausverkauf der Natur zu betreiben oder aber sie vor den Menschen abschotten zu wollen. Dieser Streit bezog auch die Verwaltung des TPN ein, denn die Verbreitung des Borkenkäfers war ein gemeinsames Problem, das auch die polnische Tatra betraf.2 Die divergierenden Vorstellungen von Natur und dem richtigen Umgang mit ihr sind eng mit der wirtschaftlichen Nutzung des Gebirges als Ressource verbunden. Auch die um ihr Auskommen fürchtenden EigentümerInnen der restituierten Gebiete innerhalb des TANAP und benachbarter Waldflächen drängten zu mehr Maßnahmen gegen die Ausbreitung von Schädlingen. Die Tourismusbranche wiederum sorgte sich anfänglich um Umsatzeinbußen, erkannte jedoch bald die unverhofften Expansionsmöglichkeiten, die sich auf den plötzlich vorhandenen Freiflächen boten. In den folgenden Jahren setzte ein Bauboom ein, der neue Hotels und Apartmentanlagen immer näher an den Bergen entstehen ließ und den Ausbau der Infrastruktur für den Wintersport einschloss. Viele Menschen vor Ort hofften darauf, durch die Modernisierung des Tourismussektors am steigenden Wohlstand des Landes teilzuhaben, während InvestorInnen ein lukratives Geschäft witterten. Diese Erschließung inmitten des Nationalparks geschah weitgehend unreguliert. Weder bot die Gesetzgebung eine Grundlage, um die Bewirtschaftung der Tatra als Naturressource mit ihrer Bewahrung zu vereinbaren, noch wurden die bestehenden Vorschriften konsequent angewendet.3 Der Orkan und seine Folgen haben die Landschaft der slowakischen Hohen Tatra innerhalb weniger Jahre stark verändert. Die Frage, welchen Zweck das Gebirge zukünftig erfüllen solle, wurde aber einmal mehr zu einem politischen Problem, das immer weitere Kreise zog. Zunächst blieb es noch auf der nationalen Ebene. Ein bis heute nicht gelöster Streit entzündete sich an einer neuen Zonierung für den Nationalpark, 2 Ebd., 368, 372. – Koreň, Vetrová kalamita. – Fall, Drawing, 250. 3 Finka, Kluvankova, High Tatra, 369, 372. – Croft, Roger u. a., IUCN Mission to Tatra National Park, Republic of Slovakia, April 2005. Gland 2005.

Ausblick und Fazit

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mit der Nutzungsintensität und Schutzvorschriften innerhalb des Reservats ab­ gestuft und damit variabler kombiniert werden könnten als bei dem seit Mitte der neunziger Jahre bestehenden System. Dieses war wenig differenziert angelegt, unzureichend implementiert und vor allem vor Ort so umstritten, dass es anstatt Ausgleich Unstimmigkeiten herbeiführte. Naturschutz- und Forstbehörden erarbeiteten verschiedene Vorschläge, die jedoch in der Regierung keine Umsetzung fanden.4 Währenddessen setzte sich die Bautätigkeit im Nationalpark ungehemmt fort. 2007 entließ das Umweltministerium den Direktor des Nationalparks, Tomáš Vančura, da dieser sich den Erschließungsprojekten in den Weg gestellt hatte.5 In der Zwischenzeit war noch eine andere Institution auf die Vorgänge im TANAP aufmerksam geworden: Die IUCN (International Union for Conservation of Nature and Natural Resources) ist die weltweit größte Nichtregierungsorganisation für Naturschutz. Ihre Kategorisierung für Schutzgebiete nach Nutzungszweck und Strenge des Naturschutzes ist das weltweit anerkannte Vergleichsraster. Dabei entspricht ihre Kategorie II »Nationalpark« nicht unbedingt der von der jeweiligen Staatsregierung eingeführten Benennung, denn die IUCN hat keine Handhabe, um die staatlichen Regierungen auf ihre Einteilung zu verpflichten.6 2005 sandte die IUCN ein ExpertInnenteam in den TANAP, um dessen Status zu überprüfen. Bislang hatte die Organisation ihn in Kategorie  II geführt, aufgrund der Entwicklungen seit dem Sturm hielt sie aber eine Überprüfung für angebracht. Der von den GutachterInnen vorgelegte Bericht sprach eine deutliche Sprache: Die Kompetenzverteilung sei unklar, ein umfassendes ManagementKonzept fehle, es bestehe kein Mechanismus, um die polarisierten Nutzungsinteressen auszugleichen, und große Erschließungsvorhaben besäßen Unterstützung bis hinein in Regierungskreise.7 Wenn sich daran nichts ändere, so die Schlussfolgerung der IUCN, drohe dem TANAP die Herabstufung. Das ist zwar bisher nicht geschehen, die Organisation erhält jedoch ihre Drohung aufrecht.8 4 Finka, Kluvankova, High Tatra, 373–375.  – Radovan Krčmárik, Zonácia národných parkov má byť do roku 2016, in: Pravda, http://spravy.pravda.sk/domace/clanok/257866-zona cia-narodnych-parkov-ma-byt-do-roku-2016/ (letzter Zugriff: 28.01.2016). 5 Rf, Riaditeľa Vančuru v TANAP-e odstavili, in: Pravda vom 22.03.2007, http://spravy. pravda.sk/domace/clanok/153218-riaditela-vancuru-v-tanap-e-odstavili/ (letzter Zugriff: 28.01.2016). 6 Der Schweizerische Nationalpark ist z. B. nicht in der Kategorie II eingeschlossen, während diese auch Schutzgebiete umfasst, die offiziell nicht als Nationalpark bezeichnet sind. Gissibl, Höhler, Kupper, Introduction, 13–16. 7 Croft u. a., IUCN Mission, 3, passim. 8 Z. B. 2008 und 2013 berichteten slowakische und polnische Medien davon, dass VertreterInnen der IUCN erneut die Gefahr einer Herabstufung des TANAP öffentlich ins Spiel gebracht hätten. Etwa Michal Piško, Juraj Koník, Svet má strach o Tatry. Ak bude stavebný ruch v Tatrách pokračovať, prestanú byť národným parkom, in: Sme vom 20.09.2008, http:// www.sme.sk/c/4084766/svet-ma-strach-o-tatry.html (letzter Zugriff: 27.01.2016).

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Formal würde der Ausschluss aus der Kategorie  II nichts ändern, denn die Slowakei besäße weiterhin ihren Tatranationalpark. Der Prestigeverlust in der global vernetzten Naturschutzcommunity wäre aber enorm. Genau beobachtet werden die Entwicklungen im TANAP und die Kritik der einflussreichen internationalen Naturschutzinstitution an den dortigen Zuständen auch in Polen. Ein Statusverlust des slowakischen Parks wäre ebenfalls ein Gesichtsverlust für sein polnisches Pendant, da die beiden Naturreservate seit 1992 als grenzüberschreitendes Biosphärenreservat der UNESCO anerkannt sind.9 Deswegen verfolgt die polnische Öffentlichkeit das Geschehen aufmerksam.10 Die nationale Konkurrenz darum, wer mit seinem Stück der Tatra besser umgehe, ist auch hier wieder spürbar. Zur direkten Konfrontation zwischen den Nachbarstaaten kam es 2011, als sich in Polen ökologische Bedenken mit Wirtschaftsnationalismus verbanden. Die bisher zu den polnischen Staatsbahnen (Polskie Koleje Państwowe, PKP) gehörende, unter den TouristInnen noch immer äußerst beliebte Seilbahn auf den Kasprowy Wierch stand zum Verkauf. Unter den InteressentInnen befand sich ein slowakisches Unternehmen, das große Summen in die touristische Erschließung im TANAP investiert hatte und nun über die Grenze expandieren wollte.11 Als dieses Kaufgebot öffentlich bekannt wurde, rief es Protest von mehreren Seiten hervor. Die Direktion des TPN sowie weitere Naturschutzorganisationen warnten davor, dass der nördlichen Tatra eine ähnliche Umgestaltung bevorstehen könnte.12 Dieses sachliche Argument benutzten auch Teile der Lokal­ bevölkerung und PolitikerInnen, denen es jedoch vor allem darum ging, die Bahn nicht in ausländische Hände fallen zu lassen. Die Erregung steigerte sich bis zu dem Punkt, an dem der damalige Präsident Bronisław Komorowski erklärte, er würde die Schirmherrschaft über eine nationale Geldsammlung übernehmen, sollte eine solche zustandekommen.13 9 Gemeinsam mit dem tschechisch-polnischen Riesengebirge handelt es sich um das erste grenzüberschreitende UNESCO -Biosphärenreservat. Seine Gründung war seit den achtziger Jahren in Vorbereitung. UNESCO, The MAB Programme. Biosphere Reserve Information: Poland / Slovakia, Tatra, http://​w ww.unesco.org​/m ​ abdb/​br/​brdir/​directory/​biores.asp?code =POL -SLO +01&mode=all (letzter Zugriff: 28.01.2016).  – Zbigniew Krzan, The Tatra National Park and Transboundary Biosphere Reserve, in: National Research Council (Hrsg.), Biodiversity Conservation in Transboundary Protected Areas. Proceedings of an International Workshop, Bieszczady and Tatra National Parks, Poland May 15–25, 1994. Washington D. C. 1996, 116–119. 10 Ich beziehe mich hier auf die Berichterstattung der »Gazeta wyborcza«, aber auch in anderen Zeitungen und im Internet wird über die slowakische Tatra berichtet. 11 Bartłomiej Kuraś, Ireneusz Sudak, Tatr obcym nie oddamy, in: Gazeta wyborcza Nr. 175 vom 30.07.2014, 4. 12 Bartłomiej Kuraś, Kłócą się górale o Kasprowy, in: Gazeta wyborcza Nr. 247 vom 22.10.2011, 5. 13 Bartłomiej Kuraś, PiS chce i nie chce zbiórki na kolejkę, in: Gazeta wyborcza Kraków Nr. 118 vom 22.05.2013, 4.

Ausblick und Fazit

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Der Verkauf der Seilbahn endete als Schildbürgerstreich. Nachdem das slowakische Unternehmen sein Angebot wegen der Proteste frustriert zurückgezogen hatte, erhielt ein ungewöhnliches Konsortium den Zuschlag. Es bestand aus der Stadt Zakopane und drei weiteren Tatraanrainergemeinden, die damit geworben hatten, die Seilbahn als regionales Unternehmen zu betreiben. Den Kaufpreis brachte allerdings der fünfte Partner auf, ein international agierender Investitionsfonds mit Sitz in Luxemburg. Um die Bahn unter keinen Umständen der Firma aus dem Nachbarland zu verkaufen, überließ die polnische Regierung sie dem globalen Finanzkapital. Die 2015 gewählte nationalkonservative Regierung hat angekündigt, den Verkauf rückgängig zu machen, um die Seilbahn auf den Kasprowy Wierch zurück in polnisches Staatseigentum zu überführen. Die rechtlichen Hürden für eine einfache Annullierung sind allerdings hoch.14 Ob es sich bei diesem Versprechen nur um Wahlkampf gehandelt hat oder ob es tatsächlich umgesetzt wird, muss sich noch erweisen. Obwohl die touristische Erschließung in der slowakischen Tatra im letzten Jahrzehnt viel intensiver betrieben wurde als auf der polnischen Seite, handelt es sich nur um einen graduellen Unterschied. Die Entwicklungen auf beiden Seiten der Grenze gleichen sich sehr stark und sind ähnlich politisch kontrovers. Auch rund um Zakopane wurde seit der Rückkehr zur Marktwirtschaft kräftig gebaut, worüber InvestorInnen und örtliche TourismusunternehmerInnen mit der Nationalparkleitung und Naturschutzorganisationen in Streit gerieten. Die Bewirtschaftung von Almen und Wäldern steht in einem konfliktreichen Verhältnis zu den beiden Parks, ob es nun um die Regulierung der Wirtschaftstätigkeit durch die PrivateigentümerInnen wie im TANAP oder um die weiterhin offene Frage der Restitution wie im TPN geht. Wie sein slowakischer Kollege Vančura musste der Direktor des TPN, Wojciech Gąsienica-Byrcyn, 2001 seinen Hut nehmen, weil er sich der wirtschaftlichen Nutzung des Nationalparks entgegenstellte. Es gibt für die PolInnen also wenig Anlass, der anderen Seite ihren Umgang mit der Tatra zum Vorwurf zu machen. Außerdem hat es mehrere Initiativen gegeben, die Tatra gemeinsam weiter zu erschließen. Die wohl eher kuriose Idee, einen Tunnel unter dem Gebirge hindurchzuführen, und der Vorschlag, sich gemeinsam für die Ausrichtung der Olympischen Winterspiele zu bewerben, sind nur zwei Beispiele aus den neunziger Jahren.15 Die Reichweite der Zusammenarbeit im Naturschutz wiederum ist begrenzt. Die vor 1989 bestehende Kooperation auf Arbeitsebene wird fortgesetzt. Einige Maßnahmen wie die regelmäßige Gämsenzählung werden gemeinsam durchgeführt.16 Das grenzüberschreitende UNESCO -Biosphären­ 14 Bartłomiej Kuraś, Sprzedaż kolejki na Kasprowy Wierch będzie unieważniona?, in: Gazeta wyborcza Kraków vom 28.12.2015. 15 Vgl. Gąsienica-Byrcyn, Influence, 60 f. 16 Fall, Drawing, 132.

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reservat scheint jedoch keine zusätzliche stabilisierende Ebene der Zusammen­ arbeit geschaffen zu haben.17 Der Systemwechsel sowie die Einbindung in weltweite institutionelle Netzwerke inklusive der EU-Mitgliedschaft haben die Beziehungen über die Grenze hinweg intensiviert. Allerdings bestanden diese Kontakte zum Teil bereits vorher oder beruhten auf länger tradierten – positiven wie negativen – gegenseitigen Wahrnehmungen. Der Konflikt um die Nutzung der Tatra als Ressource für die Weide- und Forstwirtschaft, als Investitionsziel für die Tourismusindustrie oder als Naturraum für das nationale und grenzübergreifende Naturschutzmanagement weist zahlreiche Elemente auf, die einigen Wiedererkennungswert haben: Sei es das Mittel der nationalen Sammlung oder der Argwohn gegenüber den Absichten der AkteurInnen auf der anderen Seite der Berge; sei es die Frage, ob und wie der Mensch in die geschützte Natur eingreifen soll, oder der Ruf nach größerer Zugänglichkeit für immer mehr TouristInnen. Von diesem vorerst letzten Kapitel in der Konfliktgeschichte des Naturraums Tatra führt die Betrachtung nun noch einmal an den Anfang. Im nächsten Abschnitt werden die Ergebnisse zusammengefasst. Daran schließen sich die Schlussfolgerungen für die Leitfragen dieser Arbeit an.

Nutzungskonflikte als Aushandlung von Eigentumsansprüchen Das Erkenntnisinteresse galt der Konfliktgeschichte der Tatra als Naturraum, seit diese Berge überregionale Bedeutung erlangten. Obwohl die Nutzung der Tatra viel früher begonnen hat und auch schon vorher nicht konfliktfrei verlaufen ist, hat diese Untersuchung deshalb im 19. Jahrhundert eingesetzt. Im Mittelpunkt stand die Wechselwirkung zwischen einerseits der Naturnutzung vor Ort durch die drei Nutzungsarten Weide- und Forstwirtschaft, Tourismus und Naturschutz und andererseits dem Stellenwert dieser Landschaft für die nationale Imagination der SlowakInnen und PolInnen. Die hier beschriebenen Konflikte um einen gesellschaftlich anerkannten Anspruch auf die Tatra umfassen einen Zeitraum von über 150 Jahren. Sie überspannen damit mehrere politische und sozioökonomische Zäsuren, und sie fanden in einem grenzüberschreitenden Naturraum statt. Die Arbeit ist von der Annahme ausgegangen, dass die große Bedeutung dieses Gebirges für die polnische und die slowakische Imagination die Konkurrenz um die Tatra entscheidend geprägt hat. Das heißt, lokale Nutzungskonflikte wurden zu national bedeutsamen Angelegenheiten oder die AkteurInnen beanspruchten die nationale Bedeutung dieser Landschaft für sich, um ihren Anspruch vor Ort durchzusetzen. Diese Dimension verlieh den Konflikten zusätzliche Vehemenz. 17 Ebd., 206–201, 250 f., 269 f.

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Ich habe vorgeschlagen, Nutzungskonflikte als Konkurrenz von Eigentumsansprüchen zu begreifen. Der zugrundeliegende Eigentumsbegriff ist weit gefasst und umschreibt einen gesellschaftlich anerkannten, exklusiven Anspruch auf ein Gebiet. Das hat mir erlaubt, die Konflikte in ihrer Komplexität und ihrem Changieren zwischen rechtlichem und symbolischem Anspruch, der Konkurrenz um staatliche Hoheit und dem Anrecht auf wirtschaftliche Nutzung eines bestimmten Gebiets zu erfassen. Dieser Zugang hat auch ermöglicht, Vergleichslinien zu anderen Naturräumen zu ziehen, wo mitunter die Eigentumsverhältnisse im rechtlichen Sinn anders geregelt waren, sich aber trotzdem vergleichbare Konflikte abspielten. Als gliederndes Prinzip der Arbeit hat die Frage gedient: »Wem gehört die Tatra?«, die sich unter verschiedenen Aspekten durch sechs Kapitel gezogen hat. Wem sollte die Tatra nun also gehören? An dem Zeitpunkt, an dem diese Arbeit einsetzt, lag die Tatra auf dem Staatsgebiet der Habsburgermonarchie, wobei der nördliche Teil zur österreichischen Reichshälfte und der südliche Teil zum Königreich Ungarn gehörte. Eine große Anzahl an Personen oder Institutionen verfügte in dem Gebirge über Eigentums- oder Nutzungsrechte. Für viele derjenigen, die in ihrer Um­ gebung lebten, war die Tatra ein wichtiger Bestandteil ihrer Lebenswelt, egal ob sie einen rechtlichen Anspruch geltend machen konnten oder nicht. Im Lauf des 19. Jahrhunderts entwickelte eine wachsende Zahl an Menschen, die nicht aus der Region stammten, eine Bindung zu diesen Bergen. Damit verbanden sich neue Eigentumsansprüche: unter anderem der Kauf von Land und Nießbrauchrechten, die Durchdringung der Landschaft mit Wanderpfaden oder Pläne für die Ordnung des Raumes durch ein Naturschutzreservat. Sie alle haben die Geschichte der Tatra seither geprägt. Darüber hinaus entdeckten die polnische und die slowakische Nationalbewegung die jeweilige Seite des Gebirges für sich. Die nationale Beanspruchung war besonders folgenreich, weil sie anders motivierte Forderungen nach einem Zugriff auf das Gebirge zu überformen vermochte. In der Zwischenkriegszeit war die überregionale Bedeutung dieser Berge bereits so weit gefestigt, dass sie die Grundlage für die Konkretisierung alter und die Entstehung neuer Ansprüche bot. Ein Zwist der beiden neu entstandenen Staaten Polen und Tschechoslowakei stellte den Grenzverlauf und damit die Zugehörigkeit zum Territorium des Nachbarn in Frage. Als Antwort darauf entwickelten Naturschützer in binationaler Zusammenarbeit das Konzept von Nationalparks zur Friedenssicherung, das im Inneren und nach Außen integrativ angelegt war. Durch Kooperation sollten sowohl die politische Bedeutung der Grenze relativiert als auch Nutzungskonkurrenzen zwischen dem geplanten Naturreservat, der Weide- und Forstwirtschaft und dem Tourismus entschärft werden. Der Nationalparkplan scheiterte an der Rivalität der verschiedenen Nutzungskonzepte und an der Art seiner Ausarbeitung, die trotz aller integrativen Zielsetzungen unter Ausschluss der Lokalbevölkerung erfolgte.

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Der Streit zwischen den AnhängerInnen der verschiedenen Nutzungskonzepte zog sich in der Tschechoslowakei wie auch in Polen durch die ganze Zwischenkriegszeit. Viele der GrundeigentümerInnen und Nutzungsberechtigten bangten um ihre wirtschaftliche Existenz. Ebenso wuchsen Befürchtungen, der Nationalpark würde die Einheimischen in ihrer Lebensweise einschränken. Das Parkprojekt, das die Tatra als das Eigentum der jeweils ganzen Nation und darüber hinaus einer weiter verstandenen Zivilisation konzipierte, rief Widerspruch hervor: Zum einen gab es BürgerInnen, die sich nicht in der durch den Park repräsentierten Nation wiederfanden, zum anderen solche, die eine alternative Zukunftsvorstellung für die Tatra als nationalem Raum hatten. Letzteres galt vor allem für die BefürworterInnen einer infrastrukturellen Erschließung der Berge durch Seilbahnen. Diese Personen stellten die Demokratisierung des Tourismus und den wirtschaftlichen Gewinn für die Region den Nutzungseinschränkungen durch ein Naturschutzreservat gegenüber. Mit dem Zusammenbruch der Zwischenkriegsordnung und dem Beginn des Zweiten Weltkriegs führte die Auseinandersetzung, welche Eigentumsansprüche auf die Tatra gerechtfertigt seien, erneut zu zwischenstaatlicher Aggression. Die Konkurrenz zwischen den beiden Nachbarstaaten wurde mit Waffengewalt und der territorialen Markierung anhand eines Naturschutzparks ausgetragen. Anschließend bestimmte für einige Jahre die Besatzungsherrschaft in Polen bzw. der entscheidende Einfluss NS -Deutschlands auf die Slowakei die Frage, wer die Tatra als Wirtschaftsraum oder Tourismusgebiet nutzen durfte, während ein Teil der bisherigen NutzerInnen aufgrund ihrer »rassischen« Zugehörigkeit ausgeschlossen wurde. Die Vernichtung der jüdischen Bevölkerung, die »Arisierung« ihres Eigentums und die Entrechtung weiterer Gruppen betrafen auch die Eigentumsordnung in der Tatra. Die Zwangsmigrationen bei Kriegsende bildeten einen weiteren Schritt in der gewaltsamen Homogenisierung der Bevölkerung. Das Fehlen dieser Menschen, ihrer Eigentumsansprüche und Nutzungsvorstellungen für das Gebirge war eine wichtige Voraussetzung für die Eröffnung eines tschechoslowakischen und eines polnischen Nationalparks im ersten Nachkriegsjahrzehnt. Eine weitere Etappe in der kollektiven Beanspruchung des Gebirges spielte sich in der Zeit des Prager Frühlings im Bereich des Tourismus ab. Die Frage eines der touristischen Ballungsregion und der Hochgebirgsnatur angemesse­ nen  Personentransports wurde in der slowakischen Bevölkerung zum politischen Thema. Zahlreiche BürgerInnen setzten sich für eine moderne technische  Lösung ein, die sie angesichts des Tourismusaufkommens und der symbolischen Bedeutung der Berge als geboten ansahen. Im Lauf dieser zivil­ gesellschaftlichen Initiative verengte sich allerdings die Bezugsgröße dieser symbolischen Bean­spruchung: Aus einer Forderung im Namen der tschechoslowakischen Bevölkerung entwickelte sich eine Kampagne für die slowakische Selbst­bestimmung.

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Während das Grundeigentum auf der tschechoslowakischen Seite bereits in der direkten Nachkriegszeit nationalisiert wurde, dauerte die Verstaatlichung in der polnischen Tatra bis in die 1970er Jahre hinein. Privateigentum und Nutzungsrechte der Einheimischen waren nicht mit dem Willen des Staates vereinbar, die Tatra symbolisch durch den Nationalpark sowie materiell als Eigentum der nationalen Gemeinschaft zu besitzen. Der Konflikt zwischen dem Staat und den GrundeigentümerInnen erwies sich als langlebig. In den 1980er Jahren konnte ein bis heute gültiger Kompromiss zwischen staatlichem Eigentum und privater Weidenutzung erzielt werden. Diese Vereinbarung blieb jedoch fragil, zumal sie nicht die Forderung nach Restitution des Privateigentums verhindern konnte. In der slowakischen Tatra wurden die verstaatlichten Gebiete in den neunziger Jahren an die ehemaligen EigentümerInnen zurückgegeben. Dieser Schritt brachte neue Nutzungskonkurrenzen hervor und ließ alte Konflikt­ konstellationen wieder aufleben. Nach 1989 haben internationale AkteurInnen bei der Aushandlung von Eigentumsansprüchen an der Tatra an Relevanz gewonnen. Institutionen wie die UNESCO oder die IUCN stehen für eine in dieser Arbeit nur angedeutete Facette des Spektrums möglicher Eigentumsansprüche, nämlich das Verständnis von Natur als Gemeingut der Menschheit. Dieser Aspekt hat die Auseinandersetzungen in den letzten Jahrzehnten ergänzt, während die bereits etablierten Konfliktlinien weiter bestehen. Am Endpunkt des betrachteten Zeitraums ist die Tatra Bestandteil der beiden Nationalstaaten Slowakei und Polen. Auf beiden Seiten der Grenze existiert seit über einem halben Jahrhundert ein Nationalpark. Beide Parks sind mit der Bewahrung der Natur beauftragt und verfügen über Regulierungskompetenz gegenüber anderen Nutzungsarten. Ein unterschiedlich großer Teil des Nationalparkgebiets gehört der öffentlichen Hand: Im Jahr 2001 traf das im polnischen TPN auf über 80 Prozent zu, im slowakischen TANAP lediglich auf 54 Prozent. Die restlichen Gebiete gehören physischen Personen, Eigentümergemeinschaften, Gemeinden oder der Kirche.18 Die EigentümerInnen bewirtschaften ihren Grund und Boden zur Holzgewinnung, als Viehweide oder im Tourismussektor, was zu anhaltenden Spannungen mit der zuständigen Nationalparkverwaltung führt. Die symbolische Bedeutung der jeweiligen Seite der Tatra für die nationale Imagination ist weiterhin groß, was sich am deutlichsten in Krisensituationen wie dem Verkauf der Seilbahn auf den Kasprowy Wierch zeigt. Zugleich besteht in Teilen der Lokalbevölkerung nach wie vor eine starke Identifikation mit den Bergen. Die Kooperation mit internationalen Organisationen hat die binationale Qualität des Naturraums Tatra aufgewertet, am deutlichsten durch die Registrierung als grenzüberschreitendes UNESCO -Biosphärenreservat. 18 Líška, Koreň, Rozdiely, 30. Seitdem hat es keine grundsätzlichen Eigentumsverschiebungen mehr gegeben.

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In der Konfliktgeschichte der Tatra als Naturraum hat die Bedeutung für die nationale Imagination stets eine entscheidende Rolle gespielt. Für die polnische wie für die slowakische Beanspruchung lässt sich eine schrittweise »Demokratisierung« dieses Symbols feststellen, vom Bezugspunkt einer kleinen Gruppe bis hin zu einer allgemein akzeptierten Chiffre. Dabei ließ sich der nationale Charakter der Berge für viele unterschiedliche, miteinander konkurrierende Ansprüche anführen. Umgekehrt konnten die verschiedenen Arten, die Tatra zu nutzen, im Sinne der nationalen Durchdringung dieser Region eingesetzt werden, sei es die touristische Erschließung, die Gründung eines Naturreservats oder die traditionelle Bewirtschaftung. Dennoch gab und gibt dieses Gebirge vielfältigen Anlass für Bezugnahmen jenseits des nationalen Kontextes: Die historischen AkteurInnen etablierten Kontakte und Zusammenarbeit innerhalb des Naturraums oder stellten Verbindungen zu anderswo gelegenen Orten her. Für die historiographische Betrachtung ergibt sich daraus die Notwendigkeit, über nationale Rahmungen hinauszugehen und unterschiedliche Interpreta­ tionsmaßstäbe miteinander zu kombinieren, um diese Verknüpfungen zu fassen zu bekommen.

Deutungsrahmen: Territorialisierung und Naturraum Wie lässt sich die Konfliktgeschichte der Naturnutzung in der Tatra also kontextualisieren? Ich schlage zwei komplementäre Lesarten vor. Die eine bezieht sich auf den größtmöglichen Maßstab, die Globalgeschichte. Die andere fokussiert auf den Naturraum. Aus der ersten Perspektive ist die Territorialisierung der Tatraregion zu erkennen. Charles S. Maiers Begriff der Territorialisierung beschreibt die allgemeine Dynamik moderner Staaten, ihren geographischen Raum zu durchdringen und zu homogenisieren. Das Ziel ist dabei, Verfügungsgewalt und Territorium zur Deckung zu bringen, also eine Art letztgültigen Eigentumsanspruch über ein bestimmtes Gebiet und seine BewohnerInnen auszuüben. Den Höhepunkt dieser Entwicklung sieht Maier im Zeitraum zwischen etwa 1860 und 1970 (bzw. in den Staaten des »Ostblocks« bis zum Ende der 1980er Jahre), dem »age of territoriality«.19 Maiers Modell lässt sich gut auf die Geschichte der Naturnutzung in der Tatra anwenden. Der Ausgangspunkt ist die Aneignung eines unwirtlichen Grenzgebiets an der Binnenperipherie des Habsburgerreichs durch zwei National­ bewegungen im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts. Am Ende dieses Prozesses ist die Tatra entlang der nationalstaatlichen Grenze in zentral verwaltete Organisationseinheiten in der Gestalt zweier Nationalparks unterteilt. In einem Jahrzehnte währenden Prozess wurde das Gebirge von Süden und von Norden 19 Maier, Consigning, zitiert von 823. – Maier, Transformations.

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her infrastrukturell erschlossen und administrativ durchdrungen. Komplizierte Eigentums- und Nutzungsrechte wurden zum großen Teil in die einheitliche Form des nationalstaatlichen Hoheits- und Interventionsgebiets überführt. Im Zuge dieser Entwicklung wurde die zuvor für verschiedene sprachethnische, konfessionelle oder soziale Gruppen als Nutz- und Identitätsraum bedeutsame Tatra immer stärker in einen polnischen und einen slowakischen Teil homogenisiert. Mit der Unabhängigkeit der Slowakei 1993 ist auf beiden Seiten der Grenze die Deckung zwischen dem staatlichen decision space und dem nationalen identity space hergestellt worden. Das Ergebnis sind zwei Gebirgshälften, die sozusagen mit dem Rücken zueinander als Herrschafts- und als Identitätsraum auf die jeweiligen politischen Zentren hin ausgerichtet sind. Die Entwicklung in der Tatra stimmt auch mit Maiers Vermutung überein, dass sich die staatliche Territorialisierung ab den späten sechziger, im östlichen Europa ab den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts abgeschwächt hat. Tatsächlich lassen sich zwei einander ergänzende Tendenzen feststellen, die in diese Richtung weisen, Regionalisierung und Globalisierung. Das Erstarken regionaler Kräfte spiegelt sich in der Initiative für die Wiederzulassung der Weidewirtschaft in der polnischen Tatra und der aktiven Rolle ehemaliger EigentümerInnen auf beiden Seiten der Grenze wider. Mit dem Biosphärenreservat der UNESCO sowie einer »Euroregion Tatra« der Europäischen Union sind in den neunziger Jahren supranationale Ordnungselemente hinzugekommen, die die Geltungskraft der nationalen Ordnung ein Stück weit abschwächen.20 Das Konzept der Territorialisierung ermöglicht es, die einzelnen Konfliktsituationen um die Nutzung des Naturraums Tatra als Teil eines Prozesses zu sehen, in dessen Verlauf sich der Gebirgsraum und seine Bedeutung für die polnische und slowakische Staatlichkeit verändert haben. Außerdem hilft dieser Begriff dabei, die einzelnen Etappen dieses Prozesses aus dem konkreten politischen Kontext zu lösen und in einen Vergleichszusammenhang zu stellen. Dadurch lässt sich die Geschichte der Naturreservate in der Tatra samt ihrer mehrfach misslungenen Gründung und ihren weitreichenden Auswirkungen auf die lokalen Eigentumsverhältnisse als Bestandteil der global verbreiteten Raum­ordnungskategorie »Nationalpark« verstehen.21 Auch die infrastrukturelle Durchdringung des Gebirges – vom Wanderweg bis zur Bergbahn – stellt sich als zentraler Bestandteil der Territorialisierung dar, ebenso wie seine demographische Homogenisierung und die ideelle Nationalisierung. Diese Deutungsperspektive stellt die eine Möglichkeit dar, um die Geschichte der Tatra in ihren vielfältigen Bezügen zu interpretieren. Für die zweite Lesart dient der Naturraum als Bezugsrahmen. Wird der räumliche Maßstab variiert, sodass die Tatraregion selbst in den Fokus rückt, verändert sich auch die Wahr 20 Zur Euroregion vgl. Lewkowicz, Polsko-słowacka współpraca, 202–207. 21 Gissibl, Höhler, Kupper, Introduction, 11–13.

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nehmung der geschilderten Nutzungskonflikte. Anstatt als Schritte auf einem linearen, zielgerichteten Weg stellen sie sich dann als Variationen eines im Grundsatz gleichbleibenden Problems dar. Es ging immer wieder um den rechtmäßigen Zugriff auf die Natur der Tatra, die aufgrund ihrer physischen Beschaffenheit und der ihr zugesprochenen Bedeutungen von den AkteurInnen als knappe Ressource wahrgenommen wurde. Dabei gaben die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse sehr wohl den Rahmen dafür vor, wie sich die konkrete Konfliktsituation gestaltete und welches Ergebnis sie zeitigte. Das spiegelt sich in der Gliederung der Arbeit wider, deren Kapitel sich an politischen Zäsuren orientieren. Das entspricht den einzelnen Konfliktgeschichten, die sich innerhalb eines politisch bestimmten Zeitraums entfalteten, an Zäsuren häufig endeten, um sich unter neuen politischen Bedingungen in veränderter Form fortzusetzen. Es ist aber auch deutlich geworden, dass die Konfliktgeschichte um die Nutzung der Tatra über politische und sozioökonomische Brüche hinweg von vielen wiederkehrenden Elementen geprägt ist: AkteurInnengruppen oder sogar dieselben Einzelpersonen verfolgten ihre Nutzungsvorstellungen für das Gebirge über einen langen Zeitraum hinweg. Das ist besonders auffällig im Fall des polnischen Nationalparks, dessen Realisierung vom ersten Vorschlag bis zur formalen Einrichtung fast siebzig Jahre in Anspruch nahm. Auch die Konfliktlinien und gegenseitigen Wahrnehmungen weisen große Kontinuitäten auf, ob es sich um die Sichtweise der Einheimischen handelt, vom staatlichen Zentrum aus kolonisiert zu werden, oder ob es die schwierige Balance zwischen touristischer Zugänglichkeit und Bewahrung der Natur ist. Die genannten Konflikte können geradezu als Grundprobleme im Umgang moderner Gesellschaften mit Natur gelten. Im Vergleich der slowakischen und der polnischen Tatra lassen sie sich differenzierter betrachten. Da die Rahmenbedingungen für beide Fälle ähnlich waren, rücken die synchronen Unterschiede ins Blickfeld. Das betrifft etwa die unterschiedlich verlaufene nationale Aneignung der Tatra bei SlowakInnen und PolInnen oder die Differenz bei der Regulierung der Eigentums- und Nutzungsverhältnisse in den Nationalparks zugunsten der öffentlichen Hand. Es handelt sich dabei gewissermaßen um zwei Versionen derselben Geschichte. Dieselbe Geschichte ist es vor allem wegen der gegenseitigen Wahrnehmung und der Interaktion über die Grenze hinweg. Zeitgleich zur nationalen Aufladung und staatlichen Territorialisierung der jeweiligen Seite bewirkte der kleinräumige Naturraum einen grenzüberschreitenden Austausch. Das Interesse galt denjenigen Grenzüberschreitungen, die sich komplementär zur nationalen Aneignung der Tatra entwickelten. Im Mittelpunkt der Betrachtung standen Initiativen aus dem Milieu der Naturschutz- und TourismusaktivistInnen, während grenzüberschreitende Alltagspraktiken der Lokalbevölkerung wie Viehweide, Schmuggel, Wilderei beiseitegelassen wurden. Einige der betrachteten Kontakte zielten auf Zusammenarbeit ab: das gemeinsame Nationalparkprojekt der Zwischenkriegszeit, das die feindliche Bezug-

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nahme auf das Nachbarland durch eine friedliche ersetzen sollte; die touristische Konvention aus der Zwischenkriegszeit, die bei ihrer Wiedereinführung in den fünfziger Jahren die starren Grenzen zwischen den »Bruderstaaten« durchlässiger machte; die bereits in den achtziger Jahren aufgenommene Initiative zur Einrichtung eines übergreifenden Biosphärenreservats. Teil der Beziehungsgeschichte sind auch die Differenzen: zum Beispiel die Grenzkonflikte vor und nach 1918; das Misstrauen gegenüber den Absichten des Nachbarn beim Naturschutz und im Tourismuswesen; die Bevormundung der tschechoslowakischen durch die polnischen NaturschützerInnen; der immer wieder auflebende Wirtschaftsnationalismus, wie er sich beim Verkauf der Seilbahn auf den Kasprowy Wierch zeigte. Werden beide Lesarten  – die globalhistorische und die regionalgeschichtliche – miteinander kombiniert, zeigt sich die Geschichte der Tatra als Variante allgemeiner Entwicklungen und zugleich als einzigartiger Natur- und Imaginationsraum. Diese Verbindung von Makro- und Mikroeinstellung ist eine weitere, und hier die abschließende, Facette der in dieser Arbeit beschriebenen »geteilten Berge«.

Abkürzungen

AAN AIPN

Archiwum Akt Nowych w Warszawie (Archiv der neuen Akten, Warschau) Archiwum Instytutu Pamięci Narodowej (Archiv des Instituts für nationales Gedenken) ANM Archiv Národního muzea (Archiv des Nationalmuseums, Prag) AP Archiwum Państwowe (Staatsarchiv) APAN Archiwum Polskiej Akademii Nauk (Archiv der Polnischen Akademie der Wissenschaften, Krakau) Bl. Blatt CIA Central Intelligence Agency ČSM Československý svaz mládeže (Tschechoslowakischer Jugendverband) ČSR Tschechoslowakische Republik d. i. das ist Dz. U. Dziennik Ustaw Rzeczypospoliej Polskiej (Gesetzblatt der Republik Polen) ebd. ebenda FIS Fédération Internationale de Ski H. Heft Hrsg. Herausgeber HSĽS Hlinkova slovenská ľudová strana (Slowakische Volkspartei Hlinkas) IKC Ilustrowany Kurier Codzienny (Illustrierter Tageskurier) IPN Instytut Pamięci Narodowej (Institut für nationales Gedenken) IUCN International Union for Conservation of Nature and Natural Resources ivč. inventární číslo (Inventarnummer) k. Karton KČST Klub československých turistů (Tschechoslowakischer Touristenclub) KERM Komitet Ekonomiczny Rady Ministrów (Wirtschaftskomitee des Ministerrats) k. k. kaiserlich-königlich kol. AutorInnenkollektiv KSČ Komunistická strana Československa (Kommunistische Partei der Tschechoslowakei) NA Národní archiv (Nationalarchiv, Prag) NPS National Park Service OeAV Österreichischer Alpenverein poln. polnisch PKWN Polski Komitet Wyzwolenia Narodu (Polnisches Komitee der Nationalen Befreiung) PMR Předsedníctvo Ministerské Rady (Vorsitz des Ministerrats) PRL Polska Republika Ludowa (Volksrepublik Polen) PRM Prezydium Rady Ministrów (Präsidium des Ministerrats) PROP Państwowa Rada Ochrony Przyrody (Staatlicher Naturschutzrat) PTT Polskie Towarzystwo Tatrzańskie (Polnischer Tatraverband) PTTK Polskie Towarzystwo Turystyczno-Krajoznawcze (Polnischer Verband für Tou­ rismus und Landeskunde) PZPR Polska Zjednoczona Partia Robotnicza (Polnische Vereinigte Arbeiterpartei) slow. slowakisch

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Abkürzungen

SNA Slovenský národný archiv (Slowakisches Nationalarchiv, Bratislava) SNR Slovenská národná rada (Slowakischer Nationalrat) sv. svazek (Bündel) sign. signatura (Signatur) spis Verzeichnis TANAP Tatranský národný park (Tatranationalpark / Slowakei) TEŽ Tatranská elektrická železnica (Elektrische Tatrabahn) TPN Tatrzański Park Narodowy (Tatranationalpark / Polen) tsch. tschechisch TT Towarzystwo Tatrzańskie (Tatraverband) ukr. ukrainisch UKV Ungarischer Karpathenverein ung. ungarisch UPA Ukrains’ka Povstans’ka Armija (Ukrainische Aufstandsarmee) ZDP Zipser Deutsche Partei ZK Zentralkomitee ZOP Zakład Ochrony Przyrody (Naturschutzinstitut)

Quellen- und Literaturverzeichnis

Archivquellen Archiv Národního muzea (Archiv des Nationalmuseums, ANM), Prag Osobní fond Karel Domin

Archiwum Akt Nowych (Archiv der neuen Akten, AAN), Warschau Ambasada RP w Waszyngtonie Komitet dla Spraw Turystyki Ministerstwo Administracji Publicznej Ministerstwo Oświaty w Warszawie Ministerstwo Spraw Zagranicznych w Warszawie [1915–1917] 1918–1939 Prezydium Rady Ministrów 1917–1939

Archiwum Instytu Pamięci Narodowej (Archiv des Instituts des Nationalen Gedenkens, AIPN), Warschau Ministerstwo Spraw Wewnętrznych w Warszawie [1944] 1954–1990 Ministerstwo Spraw Wewnętrznych w Warszawie 1956–1990

Archiwum Państwowe w Krakowie (Staatsarchiv in Krakau, AP), Krakau Urząd Wojewódzki Krakowski

Archiwum Państwowe w Krakowie, Eksposytura w Spytkowicach (Staatsarchiv in Krakau, Zweigstelle in Spytkowice, AP w Spytkowicach), Krakau Biuro Rady Narodowej Miasta Zakopanego i Gminy Tatrzańskiej w Zakopanem, 1977–1990 Miejska Rada Narodowa w Zakopanem

Archiwum Polskiej Akademii Nauk (Archiv der Polnischen Akademie der Wissenschaften, APAN), Krakau Państwowa Rada Ochrony Przyrody Spuścizna Walerego Goetla Zakład Ochrony Przyrody

Historisches Archiv des Österreichischen Alpenvereins, Innsbruck Sektion Krakau

Národní archiv (Nationalarchiv, NA), Prag Klub československých turistů 1888–1948 Předsedníctvo Ministerské Rady

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Zeitschriften, Zeitungen und Jahrbücher Jahrbuch des Ungarischen Karpathen-Vereines (1884–1914) Karpathen-Post (1880–1942) Karpatenpost (1950–1989) Pamiętnik Towarzystwa Tatrzańskiego (1876, 1885, 1888) Smena (1968, 1969) Wierchy (1923–2008) Zborník prác o Tatranskom národnom parku (1957–1996)

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Bildnachweis

Karte 1: »File: Europe relief laea location map.jpg« von: Wikimedia Commons, https:// commons.wikimedia.org/wiki/File:Europe_relief_laea_location_map.jpg?uselang= de (letzter Zugriff 28.01.2018); Kartengrundlage von http://naturalearthdata.com/, Urheber: Alexrk2, geändert von Bianca Hoenig. Lizenziert unter der Creative Commons-Lizenz CC BY-SA 3.0, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed. de (letzter Zugriff 28.02.2018). Karte 2: Karte: © Klaus Kühner, Hamburg, huettenwerke.de. Karte 3: Sokołowski, Stanisław: Tatry jako Park narodowy [Die Tatra als Nationalpark]. Kraków 1923 (Państwowa Komisja Ochrony Przyrody w Polsce 4), hinterer Einband. Bestände Biblioteka Narodowa. Public Domain, https://polona.pl/item/tatry-jakopark-narodowy,MzE4Nzc0Njk/37/#item (letzter Zugriff: 05.03.2018). Karte 4: Domin, Karel: Projekt přírodního parku tatranského [Das Projekt des Tatranaturparks]. Praha 1926, 3. Abb. 1: Titelblatt der Erstausgabe des Pamiętnik Towyarzystwa Tatrzańskiego, 1876. Bestände Biblioteka Narodowa. Public Domain, http://polona.pl/item/39733176 (letzter Zugriff 05.03.2018). Abb. 2: Schabenbeck, Henryk: Rezydencja prezydenta Ignacego Mościckiego w Jaworzynie Spiskiej podczas zimy 1938–39 [Die Residenz von Präsident Ignacy Mościcki in Jaworzyna Spiska im Winter 1938–39]. Bestände des Nationalen Digitalarchivs, Polen: Narodowe Archiwum Cyfrowe. Public Domain, https://audiovis.nac.gov.pl/ obraz/105630/ (letzter Zugriff: 05.03.2018). Abb. 3: Touristische Broschüre »Zakopane (843–1000 m). The Tatra – the Pieniny: Poland.« Warszawa 1939. Bestände Biblioteka Narodowa. Public Domain, https://polona.pl/ item/zakopane-843-1000-m-the-tatra-the-pieniny-poland,NTM4MDA 3NDM /0/# info:metadata (letzter Zugriff 21.07.2016), Abbildung auf der Rückseite. Abb. 4: Valentinovič, Alexander: Doprava vo Vysokých Tatrách a čo s ňou súvisí [Das Verkehrswesen in der Hohen Tatra und was damit zusammenhängt], in: Krásy Slovenska 44, 1967, H. 11, 431–433, abgebildet auf 431. Abb. 5: Jerzy Zembrzuski: Morskie Oko w dniu 22 lipca 1963 [Der Morskie Oko am 22. Juli 1963], in: Marchlewski, Andrzej / Ziemilski, Andrzej: Zwiad socjologizcny w ­Tatrach. Badania nad ruchem turystycznym w rejonie Gąsienicowej [Soziologische Erkundung in der Tatra. Erforschung des Touristenaufkommens im Gebiet Gąsienicowa], in: Wierchy 33, 1964, 51–76, hier 70. Abb. 6: Tlačová agentúra Slovenskej republiky / Ján Bakala.

Register

A Alpen  13, 20, 28, 30, 32, 40, 102–104, 109, 144, 165, 174 f., 190 Arwa  36, 58 f., 67, 78, 81 Australien 190 B Banská Bystrica  113 Banská Štiavnica  155 Belaer Tatra  90 Belarus 32 Beneš, Edvard  90, 121 Berlin 38 Beskiden  39, 67 Bieszczaden  121, 133 Bismarck, Otto von  51 Blaha, Marián  61 Bobkowski, Aleksander  106 f., 183 »Bohemus« 126 Boleráz 154 Branko, Pavol  158 Bratislava  25, 94–96, 98, 104, 116, 122, 124, 139, 141, 150, 154, 156 f., 162 f. Budapest  38, 41, 95 C Čadca 58 Cammerer, Arno B.  70 Cannes 129 Chałubiński, Tytus  28, 31, 50, 131, 149 Cronon, William  22 Crowley, David  17 Czarny Staw  49 Czorsztyn 129 D Dąb-Kocioł, Jan  128 Dabrowski, Patrice  17 Dartmoor 149 DDR  125, 154 de la Forest Divonne (Hauptmann)  61 Den Haag  60 Deutschland  57, 77, 99, 110, 190 f., 202

Domin, Karel  25, 65, 67, 71, 73, 75, 80, 83, 90, 94, 99, 123, 137 Dubček, Alexander  139 f., 152, 160, 164 E Emericzy, Viktor  39 f. Engadin 66 F Fall, Juliet  187 G Galizien  27, 31–34, 43, 52 f., 60, 191 Gąsienica-Byrcyn, Wojciech  199 Gerlachovský štít  9, 48 Glassheim, Eagle  127 Goetel, Walery  25, 55, 59, 61 f., 70–73, 75, 80 f., 83, 90, 105, 107, 137 Grand Canyon  149 Graz 52 Großpolen 87 Grosz, Alfred  109 H Habsburgermonarchie  9, 23, 27, 57, 131, 153, 201, 204 Hall, Harvey M.  73 Hamburg 9 Hardin, Garret  130 f., 175 f. Himmler, Heinrich  114 Hodža, Michal Miloslav  48 Hohe Tatra  19, 36, 38–40, 60, 65, 90, 96 f., 101, 103, 113, 116, 136, 140, 146, 150, 166, 195 f. Hohe Tauern  191 Hohenlohe-Öhringen, August zu  88 f. Hohenlohe-Öhringen, Christian Kraft zu  49–52, 60, 78, 86–89 Holec, Roman  17, 48 Hronská Dúbrava  155 Hubka, Peter  151 Huncovce 114 Husák, Gustáv  160, 164

238 I Indra, Alois  156 f., 162 Italien  69, 190 J Javorina  49 f., 60, 62 f., 77–81, 88 f., 91 K Kanada  65, 77 Karmasin, Franz  95 Karpaten  9, 13, 17, 29, 33 f., 39, 48, 61 f., 67 f., 70–74, 83, 87, 129, 133 Karpatenukraine 121 Kasprowy Wierch  85, 102, 104, 106–109, 183, 198 f., 203, 207 Kežmarok  37 f., 113, 124 Kleinpolen 132 Kollár, Ján  34 Kolowca, Józef  130 Komorowski, Bronisław  198 Kongresspolen 31 König, Wolfgang  102 Košice 150 Krakau  25, 31, 47, 128, 178 Kriváň  10, 48 f., 162 Królikowski, Bogusław 44–46 Krygowski, Władysław  80 Kuźnice  87, 102 Kysuce  58, 78 L Lettner, Gustaw  131 Levoča 37 Lipták, Ľubomír  17, 142 Liptau 36 Liptovský Hrádok  65 Litauen 32 Lomnický štít  85, 102, 104 f., 109 London 39 Lüneburger Heide  191 M Macko (Ing. Dr.)  123 Madeyski, Czesław  169, 177 f., 182 Maier, Charles S.  20 f., 204 f. Marchlewski, Marceli  178, 182 Martin  152, 159, 162 Masaryk, Tomáš G.  93 Mathieu, Jon  20 Matterhorn 109 Maximovič, Rudolf  90

Register Meije 109 Mexiko 66 Mickiewicz, Adam  44, 47 Morskie Oko  49 f., 52 f. 149–151 Możdżeński, Stanisław  129 Muir, John  130 N Nemecká 167 Neuengland 23 Neuseeland 190 New York  55 Niedere Tatra  19 Nitsch, Andor  100 Novotný, Antonín  139, 160, 163 Nowy Targ  119, 128, 135, 178 O Oberungarn  34, 39 Országh, Jozef  104, 106 Országh, Juraj  104, 106 Osóbka-Morawski, Edward  128 Österreich  24, 57 P Paris 47 Pawlikowski, Jan Gwalbert  47 Pieninen  67, 71, 74, 129 Pithart, Petr  141 Podhale  32 f., 35 f., 38, 45 f., 76, 87, 91, 97, 110, 117, 119, 121, 128 f., 131–133, 169, 171 f., 174–177, 181 f., 185 f. Polen  9 f., 24, 28, 31, 49, 56–59, 61, 66, 73, 75 f., 79–81, 83–85, 90, 93, 102–104, 106 f., 110, 117, 125, 128 f., 134, 136, 144, 149 f., 170, 181 f., 184, 188, 195, 198, 201–203 Poprad  36, 113, 124, 150, 154 Prag  25, 74, 94 f., 98, 101, 104, 122–124, 152 f., 156, 160, 165, 167 Preußen 9 Příhoda, Petr  126 R Rocky Mountains  68, 70–72 Russland  9, 31, 57 Rychlík, Jan  142 Rysy 49 S Schlesien 58 Schweden 190

239

Register Schweiz  20, 38, 66, 69, 86, 191 Scott, James C.  119, 172, 192 Šejna, Jan  163 Sienkiewicz, Henryk  33 Sierra Nevada  130 Šimai, Pavol  162 Skalnaté pleso  109 Slavkovský štít  36 Slowakei  9 f., 19, 24, 34, 77–79, 81, 94 f., 104 f., 110, 113 f., 116, 120 f., 123 f., 141 f., 145, 158, 161, 163 f., 167, 189, 195, 198, 202 f., 205 Smokovec  36, 38 f., 99 Sokołowski, Stanisław  63 Sowiński, Paweł  143 Sowjetunion  110, 121, 129, 133, 143, 154, 183 f. Spurný, Matěj  127 Stone, Daniel  17 Štrbské Pleso  99 Štúr, Ľudovít  35, 48 Šútovec, Milan  141, 163 Świerczewski, Karol  133 Szafer, Władysław  70–73, 75, 80 f., 83, 87, 90, 105 f., 137, 179 f. Szczawnica 129 T Tatranská Lomnica  99 f., 102, 104, 144 f. Tatranská Polianka  99 Teschen  58, 77 Tiso, Jozef  99 Tschechien 24 Tschechoslowakei  24, 28, 56–58, 61–63, 66, 75 f., 79, 84 f., 87, 90, 93–95, 99, 101–104, 107, 109, 114, 117, 120 f., 124, 126, 136, 139 f., 144, 160, 163 f., 166, 177, 195, 201 f.

Tureček, Otto  139 U Uffler, René  61 Ukraine  32, 67 Ungarn  27, 34, 36, 38, 39 f., 48 f., 57, 77, 91, 95, 201 USA  30, 45, 65 f., 84, 86, 118, 142, 149, 163, 191 Uznański (Familie)  86, 173 V Valentinovič, Alexander  151 Vančura, Tomáš  197 W Warschau  25, 31, 128, 178, 181, 185 Wenner-Gren, Axel Lenard  139 Wien  38 f. Winkler, Johann  52 Wöbse, Anna-Katharina  73 Wojciechowski, Stanisław  61 Wościcki, Ignacy  78, 88, 106 Wrocław 38 Y Yosemite Valley  149 Z Zakopane  28, 31–34, 40 f., 45–47, 52 f., 62 f., 72, 74, 79, 87, 89, 94, 102 f., 106, 109, 114, 120, 128 f., 140, 145, 181–183, 199 Zamoyski, Władysław  46, 49, 51–53, 86–88 Zips  36–39, 58, 60 f., 67, 78, 81, 91, 96 f., 110, 113 f., 116 f., 119, 122, 124, 127