Gestaltung und Funktion der Reden bei Herodot und Thukydides (the Composition and Function of Speeches in Herodutus and Thucydides) 3110195119, 9783110195118

For the modern reader, the use of direct speech, which is normally fictional, is one of the most remarkable features of

743 133 13MB

German Pages 858 [868] Year 2007

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Gestaltung und Funktion der Reden bei Herodot und Thukydides (the Composition and Function of Speeches in Herodutus and Thucydides)
 3110195119, 9783110195118

Table of contents :
Frontmatter......Page 1
Vorwort......Page 5
Inhaltsverzeichnis......Page 6
Einleitung......Page 11
1.1. Dichtung und Geschichtsschreibung in der Poetik des Aristoteles......Page 38
1.2. Die Interpretation von Texten und das narratologische Modell in der Erzählung......Page 46
1.3. Homer und die Reden......Page 56
1.4. Die Reden und die Geschichtsschreibung: Narratologie und Historiographie......Page 65
1.5. Zusammenfassung und Ausblick......Page 68
2.1. Herodots Werk und Weltanschauung......Page 70
2.2. Stil und Gestaltung des Werks......Page 118
2.3. Die Reden in den Büchern 7-9......Page 136
2.4. Gestaltung und Funktion der Reden bei Herodot......Page 336
3.1. Thukydides' Werk und Weltanschauung......Page 393
3.2. Stil und Gestaltung des Werks......Page 451
3.3. Die Reden in den Büchern 6 und 7......Page 474
3.4. Gestaltung und Funktion der Reden bei Thukydides......Page 658
4.1. Die narrative Struktur der Werke......Page 712
4.2. Die Funktion der direkten Reden in den beiden Werken......Page 727
4.3. Die rhetorische Gestaltung der Reden......Page 752
4.4. Die Funktion der Reden in der Geschichtsschreibung Herodots und Thukydides'......Page 754
5.1. Funktion und Bedeutung der Reden in Polybios' Geschichtswerk......Page 764
5.2. Narrative Modelle und die Strukturgeschichte in der Neuzeit......Page 779
5.3. Antike und moderne Geschichtsschreibung (Zusammenfassung)......Page 794
Literaturverzeichnis......Page 801
Index-locorum......Page 845

Citation preview

Carlo Scardino Gestaltung und Funktion der Reden bei Herodot und Thukydides

w G DE

Beiträge zur Altertumskunde Herausgegeben von Michael Erler, Dorothee Gall, Ernst Heitsch, Ludwig Koenen, Clemens Zintzen

Band 250

Walter de Gruyter · Berlin · New York

Gestaltung und Funktion der Reden bei Herodot und Thukydides

von

Carlo Scardino

Walter de Gruyter · Berlin · New York

© Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.

ISBN 978-3-11-019511-8 ISSN 1616-0452 Bibliografische Information der Deutschen

Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© Copyright 2007 by Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, D-10785 Berlin. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechdich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Druck und buchbinderische Verarbeitung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen

Vorwort Die vorliegende Arbeit ist die leicht überarbeitete Fassung meiner im Sommersemester 2006 der Universität Basel vorgelegten Dissertation, die von meinen hochverehrten akademischen Lehrern, Herrn Prof. Dr. J. Latacz und Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. J. von Ungern-Sternberg, angeregt, von Anfang an gefördert und mit gleichbleibendem Interesse betreut worden ist; vor allem aber fühle ich mich für die vielen Ermutigungen und die fachmännischen Ratschläge, deren ich in jeder Phase meiner Forschung teilhaftig geworden bin, zu tiefster Dankbarkeit verpflichtet. Ebenso möchte ich dem Freiburger Seminar für Klassische Philologie und insbesondere Herrn Prof. Dr. B. Zimmermann für die interessanten und vielfältigen Anregungen, die ich bei der Vorstellung und Diskussion einzelner Teile meiner Dissertation erhalten habe, herzlich danken. Bei der Entstehung und der Revision der Arbeit habe ich stets auf die unermüdliche und kompetente Hilfe von Frau Dott.ssa Giada Sorrentino zählen können, der für ihre außerordentlichen Bemühungen großer Dank gebührt. Äußerst dankbar bin ich auch der Albert Weitnauer-Stiftung in Basel, durch deren großzügige Unterstützung ich mich zweieinhalb Jahre ohne finanzielle Sorgen ausschließlich meinem Projekt habe widmen können. Für die großzügigen mir zuteil gewordenen Druckkostenbeiträge schulde ich die sowohl dem Dissertationenfonds der Universität Basel als auch dem Max Geldner-Fonds großen Dank. Schließlich danke ich dem Verlag Walter De Gruyter für die freundliche Aufnahme dieses Bandes in die Reihe BzA. Zuletzt möchte ich meinen Eltern ganz herzlich danken, ohne deren Beistand und Ermunterung diese Arbeit nicht hätte entstehen können.

Inhaltsverzeichnis Einleitung

1

I. Einführung in die Thematik der Reden in Geschichtswerken.. 28 1.1. Dichtung und Geschichtsschreibung in der Poetik des Aristoteles

28

1.2. Die Interpretation von Texten und das narratologische Modell in der Erzählung 36 1.3. Homer und die Reden 1.3.1. Die Bedeutung der Rede im politischen Leben der Griechen der Archaik und Klassik 1.3.2. Gestaltung und Funktion der Reden bei Homer

46 46 49

1.4. Die Reden und die Geschichtsschreibung: Narratologie und Historiographie

55

1.5. Zusammenfassung und Ausblick

58

II. HERODOT

60

2.1. Herodots Werk und Weltanschauung 60 2.1.1. Vorstufen der Geschichtsschreibung: Die Entwicklung bis Herodot60 2.1.2. Das Proömium: Struktur und Zielsetzung des Werks 62 2.1.3. Die historiographische Methode Herodots 82 2.1.4. Die Weltanschauung und Geschichtsphilosophie Herodots 89 2.2. Stil und Gestaltung des Werks 2.2.1. Allgemeine Merkmale des Stils und der Darstellung 2.2.2. Die narrative Struktur des Werks 2.2.3. Die direkten Reden: Allgemeiner Forschungsüberblick und Charakterisierung

108 108 111

2.3. Die Reden in den Büchern 7 - 9 2.3.1. Die Reden im 7. Buch 2.3.1.1. Direkte und indirekte Reden in 7,1-8 2.3.1.2. Die Reden im persischen Kronrat und die Träume (7,8-19) 2.3.1.3. Die Reden im Reisebericht von Asien zum Hellespont (7,20-43) 2.3.1.4. Die Überschreitung des Hellespont und das Gespräch zwischen Xerxes und Artabanos (7,44-99) 2.3.1.5. Xerxes in Europa: Das Gespräch mit Demaratos (7,100-137)....

126 126 126 132

116

172 179 195

Inhaltsverzeichnis

2.3.1.6. Die Vorbereitungen der Griechen (7,138-178) 2.3.1.7. Die Reden und die Schlacht bei den Thermopylen (7,178-239). 2.3.2. Die Reden im 8. Buch 2.3.2.1. Die Schlacht am Artemision (8,1-39) 2.3.2.2. Die Reden in den Beratungen vor der Schlacht bei Salamis (8,40-82) 2.3.2.3. Die Reden während und nach der Schlacht bei Salamis (8,83-125) 2.3.2.4. Die Reden im Winterhalbjahr 480/79: Die Beratungen in Athen 2.3.3. Die Reden im 9. Buch 2.3.3.1. Die Reden während und nach der zweiten Besetzung Athens (9,1-25) 2.3.3.2. Die Reden vor, während und nach der Schlacht von Plataiai (9,26-89) 2.3.3.3. Die Reden und die Schlacht von Mykale (9,90-106) 2.3.3.4. Die Reden und das Ende des Werks (9,107-122)

VII 208 227 241 241 248 265 277 292 292 300 315 318

2.4. Gestaltung und Funktion der Reden bei Herodot 326 2.4.1. Die Funktion von auktorialen Kommentaren und indirekten Reden 326 2.4.2. Kompositorische und dramatische Funktion der direkten Reden...335 2.4.3. Die Charakterisierung der Sprecher 337 2.4.4. Inhaltliche Leitmotive bei der Argumentation der Redner 350 2.4.4.1. Abstrakte handlungsmotivierende Kategorien: νόμος, έλευθερίη - δουλοσύνη 350 2.4.4.2. Der Neid und die Gerechtigkeit der Götter 356 2.4.4.3. Das Rachemotiv als offizielle Rechtfertigung (als δίκαιον) 357 2.4.4.4. Ruhm und Ehre (als καλόν) 360 2.4.4.5. Der Nutzen (ξυμφερον), die Leichtigkeit (ράδιον) und die Machbarkeit (δυνατόν) 360 2.4.4.6. Die Tapferkeit und die Kriegskunst 363 2.4.4.7. Der Gedanke des Präventivkriegs 365 2.4.4.8. Die irrationalen Affekte 366 2.4.4.9. Die Interpretation der Vergangenheit als Erfahrungsschatz für die Zukunft 367 2.4.4.10. Der Wert der Wohlberatenheit (εύβουλία) 370 2.4.4.11. Das Problem der Kommunikation 374 2.4.4.12. Die Uneinigkeit und Zerstrittenheit der Griechen 376 2.4.4.13. Das Thema der Jugend (ή νεότης): 377 2.4.4.14. Argumentum a persona 379 2.4.5. Rhetorische Gestaltung, Stil und Gliederung

380

2.4.6. Die Funktion der Reden im Herodoteischen Geschichtswerk

381

VIII

Inhaltsverzeichnis

III. THUKYDIDES

383

3.1. Thukydides' Werk und Weltanschauung 383 3.1.1. Das Proömium: Struktur und Zielsetzung des Werks 383 3.1.2. Die historiographische Methode des Thukydides und der Redensatz (1,22,1) 399 3.1.3. Die Weltanschauung und Geschichtsphilosophie des Thukydides. 416 3.2. Stil und Gestaltung des Werks 3.2.1. Die narrative Struktur des Werks 3.2.2. Der Stil des Thukydides 3.2.3. Die direkten Reden: Allgemeiner Forschungsüberblick und Charakterisierung

441 441 450 453

3.3. Die Reden in den Büchern 6 und 7 464 3.3.0.1. Athen und Sizilien in den Büchern 1 - 5 464 3.3.0.2. Der Melierdialog (5,85-113) 467 3.3.1. Die Reden im 6. Buch 483 3.3.1.1. Direkte und indirekte Reden in 6,1-8 483 3.3.1.2. Die Reden-Trias vor der Sizilienexpedition und die Ausfahrt (6,9-32,2) 489 3.3.1.3. Die Erwartungen in Syrakus und die Reden des Hermokrates, Athenagoras und eines Feldherrn (6,32,3-41) 538 3.3.1.4. Die Überfahrt nach Sizilien und Alkibiades' Abberufung (6,42-61) 555 3.3.1.5. Die Ereignisse in Sizilien im ersten Jahr, Erfolge und Rückschläge (6,62-75) 566 3.3.1.6. Die Reden des Hermokrates und des Euphemos in Kamarina (6,76-88,2) 572 3.3.1.7. Vorbereitungen im Winter: Rede des Alkibiades in Sparta (6,88,3-93) 592 3.3.1.8. Die Ereignisse in Sizilien im Sommer: Schlacht vor Syrakus (6,94-7,9) 602 3.3.2. Die Reden im 7. Buch 607 3.3.2.1. Die Ereignisse im Winter: Nikias' Brief an die Athener (7,10-18) 607 3.3.2.2. Krieg in Sizilien und Griechenland, Rückschläge fur die Athener (7,19-59) 612 3.3.2.3. Die Paränesen vor der letzten Schlacht im Hafen (7,60-69) 624 3.3.2.4. Die letzten Gefechte, Trostrede des Nikias und die Katastrophe (7,70-8,1) 636 3.4. Gestaltung und Funktion der Reden bei Thukydides

648

Inhaltsverzeichnis

IX

3.4.1. Die Funktion von auktorialen Kommentaren und indirekten Reden 648 3.4.2. Kompositorische und dramatische Funktion der direkten Reden...659 3.4.3. Die Charakterisierung der Sprecher durch direkte Reden 660 3.4.4. Inhaltliche Motive und Argumente der Reden 675 3.4.4.1. Abstrakte Kategorien: ανθρωπεία φύσις, άρχή, ανάγκη, ελευθερία, δουλεία 676 3.4.4.2. Das Göttliche, der Neid (φθόνος) und der Zufall (τύχη) 678 3.4.4.3. Gerechte Vergeltung und Verwandtschaft als offizieller Grund (δίκαιον) 679 3.4.4.4. Die ethnische Zugehörigkeit und der Volkscharakter 681 3.4.4.5. Ruhm und Ehre (als καλόν bzw. αίσχρόν) 682 3.4.4.6. Der Nutzen (ξυμφέρον), die Leichtigkeit (ράδιον) und die Machbarkeit (δυνατόν) 683 3.4.4.7. Das Thema der Sicherheit (δέος, άσφάλεια) und des Präventivkriegs 685 3.4.4.8. Die Tapferkeit und die Kriegskunst (Erfahrung) 687 3.4.4.9. Die irrationalen Affekte 688 3.4.4.10. Die Interpretation der Vergangenheit als Erfahrungsschatz für die Zukunft 691 3.4.4.11. Der Wert der Wohlberatenheit (εύβουλία) und rationale Elemente 693 3.4.4.12. Das Problem der Kommunikation 693 3.4.4.13. Die Uneinigkeit und Zerstrittenheit der Sizilier bzw. der Athener 694 3.4.4.14. Überlegungen zur Verfassung 695 3.4.4.15. Das Thema der Jugend (ή νεότης) 695 3.4.4.16. Argumentum a persona 697 3.4.5. Rhetorische Gestaltung, Stil und Gliederung der Reden

698

3.4.6. Die Funktion der Reden im Werk des Thukydides

700

IV. Vergleich der Reden bei Herodot und Thukydides

702

4.1. Die narrative Struktur der Werke

702

4.2. Die Funktion der direkten Reden in den beiden Werken

717

4.2.1. Dramatisieren der Handlung 4.2.2. Charakterisierung der handelnden Sprecher

717 718

4.2.3. Inhaltliche Motive und Argumente der Reden 723 4.2.3.1. Abstrakte handlungsmotivierende und exegetische Kategorien .. 723 4.2.3.2. Gerechte Vergeltung und Verwandtschaft als offizieller Grund (δίκαιον) 727

χ

Inhaltsverzeichnis

4.2.3.3. Die ethnische Zugehörigkeit und der Volkscharakter 729 4.2.3.4. Ruhm und Ehre (als καλόν bzw. αίσχρόν) 729 4.2.3.5. Der Nutzen (συμφέρον), die Leichtigkeit (ράδιον) und die Machbarkeit (δυνατόν) 730 4.2.3.6. Das Thema der Sicherheit (δέος, ασφάλεια) und des Präventivkriegs 731 4.2.3.7. Die Tapferkeit und die Kriegskunst 732 4.2.3.8. Die irrationalen Affekte 733 4.2.3.9. Die Interpretation der Vergangenheit als Erfahrungsschatz fiir die Zukunft 735 4.2.3.10. Der Wert der Wohlberatenheit (ευβουλία) und rationale Elemente 738 4.2.3.11. Das Problem der Kommunikation 739 4.2.3.12. Die Uneinigkeit und Zerstrittenheit der Parteien 740 4.2.3.13. Überlegungen zur Verfassung 741 4.2.3.14. Das Thema der Jugend (ή νεότης) 741 4.2.3.15. Argumentum a persona 742 4.3. Die rhetorische Gestaltung der Reden

742

4.4. Die Funktion der Reden in der Geschichtsschreibung Herodots und Thukydides' 744

V. Die Reden und die moderne Geschichtsschreibung

754

5.1. Funktion und Bedeutung der Reden in Polybios' Geschichtswerk.... 754 5.2. Narrative Modelle und die Strukturgeschichte in der Neuzeit

769

5.3. Antike und moderne Geschichtsschreibung (Zusammenfassung)

784

Literaturverzeichnis

791

Index locorum

835

Einleitung Neben vielen anderen Besonderheiten antiker Geschichtswerke ist wohl der Gebrauch direkter Reden das auffallendste Merkmal, wodurch sich ein antiker historischer Text vom modernen wissenschaftlichen Geschichtswerk unterscheidet. Der moderne Leser, für den ein wissenschaftliches Geschichtswerk vorab in der Darstellung, Analyse und Interpretation von aus Primärquellen erschlossenen und damit belegbaren Ereignissen durch die Person des Historikers besteht, mag einerseits darüber staunen, daß in einem antiken Geschichtswerk nur selten Originaldokumente erscheinen, andererseits aber auch dadurch irritiert werden, daß die historische Erzählung sehr oft polyphon ist und der Verfasser des Geschichtswerks nur gelegentlich in eigener Person die von ihm erzählten Ereignisse deutet und die von ihm gebrauchten Deutungskategorien und die der Interpretation zugrunde liegenden Modelle fast nie explizit angibt. Während heute narrative Geschichtswerke vorwiegend dazu dienen, einem breiten Publikum Erkenntnisse über die Vergangenheit zu vermitteln, richtet sich die wissenschaftliche Strukturgeschichte vor allem an Fachkollegen und Experten, die über einen Sachverhalt oder Aspekt belehrt werden sollen. Über die Rezipienten antiker Geschichtswerke läßt sich nichts Genaues sagen. Während Herodots Werk vielleicht eine breitere Öffentlichkeit anvisierte, schrieb Thukydides für ein Publikum von g e b i l deten' Politikern und Militärs und wollte mit der Darstellung eines Ereignisses von außerordentlicher Bedeutung (άξιολογώτατον) dem Rezipienten unmittelbar etwas Nutzbringendes (ξυμφερον) für die Zukunft zur Verfügung stellen. Der Wirk-Anspruch einer solchen a n g e w a n d t e n Geschichtsschreibung' - die zeitgenössische Tragödie hatte eine ähnliche Intention - bestand nicht in der bloßen Vermehrung von Wissen, sondern konkret im Nutzen für die Gesellschaft. Den Erwartungen seines Publikums entgegenkommend, bediente sich der antike Historiker zur Vermittlung seiner Erkenntnisse der aus dem Epos stammenden und auf die Prosa übertragenen narrativen Form der Darstellung, auch wenn die Prosa zur Zeit der Sophisten bereits andere Formen wie den Traktat vornehmlich zur Weitergabe theoretischen Wissens bereithielt.

2

Einleitung

Zwar verwendet auch die heute noch existierende Ereignisgeschichte ein narratives Modell. Doch die Quellenkritik und die seit der Moderne auch dank den verbesserten technischen Möglichkeiten, vergangene Worte und Taten exakt aufzuzeichnen, gewandelte Auffassung der Authentizität erlauben es dem Historiker nicht mehr, direkte Reden nach seinem Gusto zu modifizieren oder gar frei zu erfinden; vielmehr gehören auch die Reden zum Quellenmaterial und werden gleich wie die übrigen Daten behandelt. Neben der traditionellen Ereignisgeschichte hat sich die sogenannte Strukturgeschichte etabliert, die zur Erklärung historischer Phänomene ihr Augenmerk weniger auf ein Ereignis bzw. eine Ereigniskette als vielmehr auf die Beschreibung von gesellschaftlichen und ökonomischen Strukturen richtet. Da die Strukturgeschichte mehr beschreibt und analysiert, bedarf sie keines narrativen Erklärungsmusters, sondern greift auf andere Formen der Darstellung, wozu auch extralinguistische Mittel wie z.B. Statistiken gehören, zurück. Aber auch die Strukturgeschichte kommt bei der Darstellung nicht ohne narrative Mittel aus; umgekehrt kann keine Erzählung durch narrative Mittel allein historische Phänomene befriedigend erklären. In der Praxis des Historikers finden in der Regel sowohl narrative als auch strukturgeschichtliche Elemente Verwendung. Auch in narrativen historischen Werken kommen immer wieder beschreibende und analytische Passagen vor, in denen der Historiker auktorial in eigener Person Kategorien zum Verständnis und zur Deutung des von ihm berichteten Geschehens und - darüber hinausgehend - allgemeiner historischer Phänomene darlegt. Solche auktorialen Einschübe kommen natürlich ebenso in der fiktionalen Literatur, etwa im Epos oder im Roman, vor und haben dort dieselbe exegetische und rezeptionssteuernde Funktion. Darüber hinaus verfugt aber der Schriftsteller noch über andere Mittel, um in die Erzählung unauffällig Erklärungen und Wertungen einzuflechten und so die Rezeption subtil zu lenken. Im Gegensatz zur modernen Geschichtsschreibung teilt die antike Historiographie mit der fiktionalen Literatur den Gebrauch indirekt berichteter Gedanken handelnder Personen und vom Historiker mehr oder weniger erdichteter direkter Reden. Die Frage, wieso fast alle antiken Historiker sich des Mittels der Rede bedient haben, kann zunächst durch die Betrachtung der Genese des Genos Geschichtsschreibung beantwortet werden: Direkte Reden erscheinen in der griechischen Literatur schon ganz zu Beginn. In der Ilias, die eine wichtige Episode aus dem Troianischen Krieg als kohärente Ereigniskette, d.h. als Geschichte, darstellt und den Typus der narrativen Historiographie in nuce präfiguriert, machen sie etwa die Hälfte des Textes aus. Daher

Einleitung

3

erstaunt es nicht, daß Herodot bei der Darstellung eines großen politischmilitärischen Geschehens, wie es die Perserkriege waren, viele narrative Muster, die das Epos vorgab, übernommen hat. Daß aber direkte Reden ebenfalls dazu gehören, kann nicht nur gattungsgenetisch erklärt werden, zumal auch Thukydides dieses aus der fiktionalen Literatur übernommene und scheinbar mit dem Wahrheits- und Exaktheitsanspruch des Historikers kollidierende Mittel, über das er im Methodensatz reflektiert, eingesetzt hat. Vielmehr erfüllen die direkten Reden in einem narrativen Geschichtswerk eine wichtige exegetische Funktion, welche die herausragende Bedeutung, die ihnen in den meisten antiken Werken beigemessen wird, rechtfertigt. Durch sie kann der Historiker auf dramatische Weise Erklärungen und Kommentare, die in modernen Geschichtswerken auktorial vermittelt werden, in den Bericht ohne Bruch der Illusion einflechten. Anstatt den Erzählfluß zu stoppen und auktorial deskriptive und analytische Passagen, die von der Erzählung klar abgetrennt sind, aber zu deren Deutung und Kommentierung dienen, einzustreuen, erlaubt es die Einfügung von direkten Reden dem Erzähler, Elemente und Strukturen, die nicht auf der Ebene der Erzählung stehen, in diese dramatisch einzubauen, ohne daß die Erzählung an Schwung, Geschlossenheit und Kohärenz einbüßt. Seit der Antike haben sich Philologen und Literaturkritiker mit verschiedenen Aspekten der Reden in Geschichtswerken, insbesondere auch von Herodot und Thukydides, auseinandergesetzt, wobei Interessen und Fragestellungen j e nach Zeitalter und Persönlichkeit des Gelehrten recht unterschiedlich gewesen sind. Die antiken Literaturkritiker haben die Reden, deren Einfügung in Geschichtswerke als normal angesehen und kaum kritisiert wurde, 1 vornehmlieh unter rhetorischen Gesichtspunkten analysiert und bewertet.

1

N u r Kratippos und Pompeius T r o g u s verzichteten auf die Reden (vgl. Fornara 1983, 143.), ebenso die christlichen Chronographen, die stattdessen ihre Quellen wörtlich zitierten. Im Proömium zum 20. Buch des Diodor, das aller Wahrscheinlichkeit nach (Avenarius 1954, 152) von Ephoros stammt, wird nicht das Einlegen von Reden an sich getadelt, sondern nur das V o r k o m m e n von zu langen und zu häufigen Volksreden (20,1,1: ύ π ε ρ μ ή κ ε ι ς δ η μ η γ ο ρ ί α ι , ττυκναί ρ η τ ο ρ ε ΐ α ι ) , in denen der Historiker sein rhetorisches Talent zur Schau stelle, kritisiert, wobei aber betont wird, daß die Historiographie ein Anhängsel der (epideiktischen) Rhetorik sei (20,1,3 προσθήκη ή ολη Ι σ τ ο ρ ί α τ η ς δ η μ η γ ο ρ ί α ς ) und die Reden zur Ausschmückung der Werke dienten (τη ποικιλία κεκοσμήσθαί).

2

Eine gute Übersicht über antike Interpreten geben Wille 1965, 6 8 5 - 8 9 ; Fornara 1983, 143ff. und Köhnken 1993, 6 - 1 1 .

Einleitung

4

CICERO, fur den die Geschichtsschreibung zwar grundsätzlich ein opus oratorium maximum 3 ist, hat diese aber von der Rhetorik insofern getrennt, als in ihr die Wahrheitssuche (veritas) das oberste Gesetz sei 4 und sich die Art der Schilderung von derjenigen der Redner unterscheide, die auch bei der Behandlung historischer Stoffe grundsätzlich größere gestalterische Freiheiten hätten. 5 Gleichwohl müßten auch die Historiker bei der stilistischen Ausgestaltung der Geschichtswerke großen Wert auf die rhetorische Ausarbeitung, den Stil und die Ethopoiie legen. Cicero lobt Herodot als Vorbild (de oratore 2,55), während er Thukydides' Stil - vor allem in den Reden - als zu kurz und gedrängt und - im Gegensatz zu einigen Attizisten, die Thukydides' Stil fur den alltäglichen Gebrauch einfuhren wollten, - als für den forensischen Gebrauch ungeeignet ablehnt. 6 Etwas später hat der Rhetoriklehrer und Literaturkritiker DLONYSIOS VON HALIKARNASSOS, die stilistische Ausarbeitung und Komposition der Werke von Herodot und Thukydides, dem eine eigene Schrift gewidmet ist, untersucht. Dabei werden natürlich auch die Reden berücksichtigt, über die er im Brief an Pompeius 3 sagt: ού γαρ αν αίσχυνθείην ποιήσεις αύτάς λέγων („denn ich möchte nicht anstehen, sie Dichtungen zu nennen"). Obwohl er in der Synopsis in Bezug auf Stil und Komposition Herodot im allgemeinen höher schätzt als Thukydides, dessen Stil er Thuc. 24 als oft unnatürlich, poetisch, veraltet, hart und unklar kritisiert, bleibt 3

Cie. de legibus 1,5: Atticus: potes autem tu profecto satis facere in ea, quippe cum sit opus, ut tibi quidem videri solet, unum hoc oratorium m a x i m e . Ebenso orator 20 (66): Huic generi [sc. der sophist. Epideixis] historia finituma est, in qua et narratur ornate et r e g i o s a e p e aut p u g n a describitur, i n t e r p o n u n t u r etiam c o n t i o n e s et hortationes; sed in his tracta quaedam et fluens expetitur, non haec contorta et acris oratio. Vgl. dazu auch Leeman 1963.

4

Cie. de oratore 2 , 6 2 - 6 4 .

5

C i e . Brut. 42: c o n c e s s u m est r h e t o r i b u s ementiri in historiis, ut alquid d i c e r e possint argutius. N o c h weiter geht er im Lucceius-Brief (ad f a m . 5,12), w o er das G e n u s der Historiographie in die N ä h e des E n k o m i o n s rückt und sogar fordert, „ut et ornes ea vehementius etiam q u a m fortasse sentis et in eo leges historiae neglegas gratiam illam ..., si m e tibi v e h e m e n t i u s c o m m e n d a b i t , ne a s p e r n e r e a m o r i q u e nostro plusculum etiam quam concedet veritas largiare. Die bewußte Bitte um eine A u s n a h m e von den Gesetzen der G e s c h i c h t s s c h r e i b u n g zeigt, daß Cicero die gattungsbedingten Regeln der Historiographie durchaus kennt, aber bei sich selbst um eine A u s n a h m e bittet.

6

So Cie. orator 9 (30): nihil ab eo transferri potest ad f o r e n s e m usum et publicum. Ebenso hebt er Brutus 287 die Kraft der Thukydideischen Reden hervor, empfiehlt sie aber, da ihr Stil zu archaisch sei, nicht zur N a c h a h m u n g : eas ego laudare soleo; imitari neque possim, si velim, neque velim fortasse, si possim.

Einleitung

5

Herodot seines Erachtens aber bei den Reden (εναγώνιοι άρεταί, Thuc. 23) zurück, da die Reden bei ihm mehr der Charakterzeichnung (ήθος) als dem Hervorrufen starker Emotionen (πάθος) dienten. Bei der ausfuhrlichen Analyse verschiedener Reden, die er unter dem Gesichtspunkt des πρέπον, der rhetorischen Angemessenheit, untersucht, lobt er etwa Dem. 41 die erste Rede des Xerxes (Hdt. 7,8), ebenso Thuc. 34^19 den Dialog zwischen Archidamos und den Plataiern (Thuk. 2,72-74), die erste Rede des Perikles (1,140—44), alle Reden des Nikias (in den Büchern 6 und 7) und die Rede der Plataier (3,53-59), tadelt aber die letzte Rede des Perikles (2,59-64), die Debatte um Mytilene (3,37-48), Hermokrates' Rede in Kamarina (6,76-80) und insbesondere den Melierdialog (5,84-111). Nicht nur Dionysios, für den die Reden in den Geschichtswerken in erster Linie schmückenden Charakter haben, dazu dienen, die Erzählung abwechslungsreich und unmittelbar zu gestalten, und die rhetorische Kunst des Historikers verraten, verkannte deren historiographische Funktion, sondern auch M A R K E L L I N O S , der Biograph des Thukydides, der aber Dionysios widersprach und die Geschichtsschreibung nicht mit der Dichtung, sondern mit der Rhetorik in Verbindung brachte , wobei aber auch er die Reden cap. 38 vor allem unter den Gesichtspunkten der μιμησις und des πρέπον bewertet hat. LUKIAN, der in seinem Werk πώς δει ίστορίαν γράφειν die Geschichtsschreibung durch ihre Verankerung im Nutzen (χρήσίμον) und der Wahrheit bewußt von der Dichtung und von der epideiktischen Rhetorik unterscheidet (7-13 und 42), 9 erlaubt es dennoch dem Historiker, in den Reden seine rhetorische Fertigkeit und Stärke unter Beweis zu stellen: "Ην δε ποτε λόγους έροΰντά π ν α δεήση ε ί σ ά γ ε ι ν , μάλιστα μεν έοικότα τω προσώπω και τω πράγματι οικεία λεγέσθω, ε π ε ι τ α ώς σ α φ έ σ τ α τ α και ταύτα, πλην έφειται σοι τότε και ρητορεΰσαι και έπιδεΐξαι την τών λόγων δεινότητα.

7

Ä h n l i c h in der S y n k r i s i s auch Q u i n t i l i a n 10,1,73: d e n s u s et b r e v i s et s e m p e r instans sibi T h u c y d i d e s , dulcis et Candidus et f u s u s Herodotus; ille concitatis, his remissis adfectibus melior, ille contionibus, hic sermonibus, ille vi, hic voluptate.

8

C a p . 4 1 : ή σ υ γ γ ρ α φ ή κ ε φ α λ α ί ο ι ς δ ι α ι ρ ε ί τ α ι και ε π ί ε ί δ ο ς α ν ά γ ε τ α ι ρ η τ ο ρ ι κ ή ς „aber die G e s c h i c h t s s c h r e i b u n g läßt sich nach A r g u m e n t a t i o n s w e i s e n a u f g l i e d e r n und a u f rhetorische G a t t u n g e n z u r ü c k f ü h r e n ..." ( Ü b e r s e t z u n g nach Luschnat 1970, 1151).

9

Luschnat 1970, 1152: „Die V e r b i n d u n g zwischen ihnen wird durch den G e d a n k e n des utile hergestellt, indem j e d e s G e s c h i c h t s w e r k ' auf das Symbuleutikon zurückgeführt wird. Die Polemik gegen Dionys beschränkt sich auf die Gleichsetzung der Historiographie mit der Poesie."

Einleitung

6

„Erweist es sich nun als nötig, einen Redner einzuführen, dann soll man ihn in einer seiner Person und der Lage möglichst angemessenen Redeweise sich äußern lassen und in recht klarer Form. Einzig in einem solchen Fall ist es dem Autor auch erlaubt, seine ganze rednerische Kunst zu entfalten." 1 0

So hat auch Lukian die immanent exegetische Funktion der Reden, die er wie die anderen Kritiker nur unter rhetorischen Gesichtspunkten untersucht hat, nicht erfaßt." Der Gebrauch von fingierten direkten Reden wurde von vielen in der Tradition der antiken Historiographie stehenden Werken der europäischen Geschichtsschreibung der Neuzeit bis in die Epoche der Französischen 12

Revolution hinein übernommen. Erst im 19. Jh. hat die Geschichtsschreibung im Zuge ihres grundsätzlichen Strukturwandels dieses Element definitiv aufgegeben. Reden in antiken Geschichtswerken erschienen jetzt angesichts des Einzugs einer neuen Wissenschaftlichkeit weithin als naiver oder ornamentaler vorwissenschaftlicher Zierat, da sie j a authentische Faktizität mangels technischer Hilfsmittel (Tonband, Stenographie, Manuskriptbenutzung und - archivierung) ohnehin nicht wiedergeben konnten, also keinen ,Quellen'- oder ,Urkunden'-Status im Sinne des neuen historischen Forschungsbegriffs besaßen. Diese Geringschätzung, z.T. Verwerfung der Reden in den antiken Geschichtswerken begann jedoch mit der Emanzipation einer eigenen Wissenschaftsdisziplin ,Alte Geschichte' von der Mutterdisziplin k l a s s i sche Philologie' gegen Mitte des 19. Jh. aufgrund der nunmehr möglichen stark spezialisierten und verfeinerten Erforschung der antiken Geschichte einer differenzierteren Beurteilung zu weichen. Immer mehr rückte dabei die exegetische und deutende Funktion, die den direkten Reden in den antiken Geschichtswerken zukommt, ins Bewußtsein der modernen Gelehrten. 10

Lukian Hist. Conscr. 58.

11

Avenarius 1954, 157: Zeigt schon Lukians Forderung nach Wahrscheinlichkeit, „ wie wenig er im Grunde begriff, worum es j e n e m [sc. Thukydides] bei den Reden eigentlich ging, so wird dies durch seine Bemerkung noch unterstrichen, es sei hier dem Historiker erlaubt, mit der Beredsamkeit zu brillieren. Wenn Lukian daher bei seinen historiographischen Richtlinien sich verschiedentlich auf Thukydides beruft, so tritt gerade in der Frage der Reden recht deutlich zu Tage, daß es ihm nicht gelungen ist, seine Methodologie mit dessen Geist zu erfüllen."

12

Luschnat 1970, 1154: „In erstaunlicher Kontinuität hat sich also die rhetorische Betrachtung der Reden in Geschichtswerken bis in die Neuzeit hinübergerettet, unterstützt durch die formalen Interessen der durch Ciceros Reden geschulten Humanisten der Renaissance."

Einleitung

7

Diesen Wandel widerspiegeln auch die Urteile von Philologen und Historikern im 19. Jh., wobei gegen Ende des Jahrhunderts in der Thukydidesforschung die Deutung des Redensatzes 1,22 immer mehr in der Vor13 dergrund rückte. 1 8 4 5 (zuerst 1 8 0 3 ) hat Thukydides' Reden als „unwidersprechlichsten Beweis ..., dass ein historisches Werk unter den Griechen im Ganzen für ein Produkt freier Kunst galt, und folglich die Rede als wesentlicher Theil eines solchen ebenfalls", aufgefaßt. 1 4 Während bei anderen Historikern die rhetorische Funktion im Vordergrund stand, verfolgte Thukydides neben rhetorischen auch didaktische Absichten. 15 Dagegen hat Lord M A C A U L A Y 1 8 2 8 in einem Essay über die Geschichtsschreibung zwar die Reden bei Herodot als im Einklang stehend mit der konventionellen Wahrscheinlichkeit seines ,Dramas' akzeptiert, aber die Einfügung fiktionaler Reden - für ihn ein Fremdkörper in historischen Werken - bei Thukydides mit der Begründung, daß sie sowohl der Genauigkeit seiner Darstellung als auch der künstlerischen Gefälligkeit abträglich seien, getadelt und abgelehnt. 16 S P E N G E L 1 8 4 2 hat die Reden im Geschichtswerk, die er mit Pheidias und Aischylos' Drama verglich, nicht als Aufzeichnungen authentischer Reden, sondern als künstlerische Leistungen des Historikers, die „ganz aus der Kunst der alten Sophistik geflossen sind" und die „studiert, nicht gelesen werden wollen", aufgefaßt. 1 7 C r e u z e r

13

Ältere Beitrage, vornehmlich aus dem 19. Jh., sind bei Luschnat 1970, 1162ff. zusammengefaßt.

14

Creuzer 1845, 214.

15

Creuzer 1845, 216: Thukydides wurde „Redekünstler ... dadurch, dass er ... seine Helden nach Maassgabe der Umstände reden Hess. Zu dieser Freiheit mochte ihn wohl eben so sehr der Wunsch verleiten, w o möglich, von allen Verhandlungen dem künftigen Staatsführer eine deutliche Vorstellung zu geben, als die Gewalt der erhaltenen Bildung und der empfangenen Jugendeindrücke, der sich selbst der besonnene Geist des weisesten Historikers nicht ganz zu entwinden vermochte."

16

M a c a u l a y 1828, 329: „ T h u c y d i d e s borrowed f r o m Herodotus the practice of putting speeches of his own into the mouths of his characters. In Herodotus this usage is scarcely censurable. ... But it is altogether incongruous in the work of his successor, and violates, not only the accuracy of history, but the decencies of fiction. ... They give the whole book something of the grotesque character of those Chinese pleasure-grounds, in which perpendicular rocks of granite start up in the midst of a soft green plain. Invention is shocking, where truth is in such close juxta-position with it."

17

Spengel 1842, 28. S. 27: „Alle Reden ... sind das eigene Produkt des Geschichts-

Einleitung

8

Daß die Reden Quellen höherer Ordnung sind, hat ROSCHER 1842 klar erkannt und prägnant formuliert: „Wir haben die Reden des Thukydides als die vornehmsten Mittel zu betrachten, wodurch er die äußerlichen Thatsachen auf ihre geistigen Motive zurückführt."' 8

Er verglich sie mit den Stasima der Tragödie und den Parabasen der Komödie. Der Kunsttrieb des Thukydides habe die Umwandlung des historischen Stoffes in ein Kunstwerk ermöglicht, wobei Roscher im Gegensatz zu Macaulay keinen Widerspruch zwischen Kunst und Wahrheit feststellte.' 9 Ebenso widersprach HEHN um 1845 der Auffassung seiner Zeit, es sei eines Historikers unwürdig, Reden zu fingieren und ,die Wirklichkeit zu verfalschen'. Vielmehr sollte auch die Historiographie bei allem Wahrheitsanspruch künstlerisch verfahren. Er erklärte das Vorkommen der Reden einerseits entwicklungsgeschichtlich, andererseits mit der didakti20

sehen Absicht, ein rhetorisch brauchbares πρέπον zu schaffen. Dasselbe hat 30 Jahre später auch NlPPERDEY 1877, für den die Reden plastische Nachbildungen der Ereignisse waren, die zwar nicht authentisch seien, aber als Kunstwerk eine höhere Wahrheit vermittelten, erkannt: „Die Reden in den Geschichtswerken der Alten haben also, wenn man ihren Totaleindruck auf den Leser betrachtet, nicht weniger Wahrheit als unsere Charakteristiken der Verhältnisse und Personen, nur daß j e n e Reden die erreichbare Wahrheit zur plastischen Anschauung bringen." 21

HERBST 1879 betonte, daß ein antiker Historiker hinter sein Werk zurücktritt: „Es ist nicht seine Art, in eigener Person Betrachtungen anzustellen; was er selbst urteilt oder denkt, wird ... Fleisch und Blut der handelnden Personen. Die Beratungen, die Gespräche, die Reden, die in dem Werk als Geschichte auftreten und sich als Bestandteil der objektiven Handlung geben, tragen darum zugleich noch andere Teile in sich, die dem Subjekt des Historikers angehören, weil er noch eins mit seinem Stoffe ist." 22

Für JEBB 1880 gaben die Reden „the speaker's general line of argument, 23 the purport and substance of his speech" wieder, wobei Thukydides durch

schreibers, nicht sichere Überlieferung des wirklich Vorgetragenen." 18

Roscher 1842, 154.

19

Luschnat 1970, 1172: „Das methodisch Fruchtbare bei Roscher ist, daß er, vom Werk selbst ausgehend, seinen Wahrheitscharakter und den Kunstcharakter als identisch erkennt."

20

Hehn 1951, 793ff.

21

Nipperdey 1877, 417.

22

Herbst 1879, 559.

23

Jebb 1880,237.

Einleitung

9

eine „oratorical lie" zusätzlich eigene Gedanken nach historischen und nicht wie bei den späteren Historikern nach rhetorischen Kriterien hinzufügte. Jebb arbeitete auch die dramatische Funktion der Reden heraus („the truthful and vivid presentment of action") und verglich ihre Charakterzeichnungen mit denen der Tragödie. 24 BERGK 1887 hat in seiner Literaturgeschichte die dramatisierende Funktion der Reden betont: „ D i e Reden begleiten alle wichtigen Abschnitte des Kriegs, wie mit dramatischer Lebendigkeit w e r d e n die entscheidenden M o m e n t e uns vorgeführt. Statt selbst seine Ansichten zu äußern, läßt T h u k y d i d e s sich die h a n d e l n d e n Personen aussprechen, wir lernen ihre Motive, ihren Charakter, ihr g e s a m m t e s Wissen kennen ... Indem diese Reden in wichtigen M o m e n t e n eingeflochten werden, dienen sie nicht nur dazu, um den Oberblick über den G a n g der Ereignisse zu erleichtern, sondern bilden zugleich auch geeignete R u h e p u n k t e der Erzählung, markieren in passendster Weise die hauptsächlichsten Abschnitte der geschichtlichen Vorgänge." 2 3

Diese Erkenntnisse traten jedoch wieder in den Hintergrund bei B L A S S 1887, der bei der Beschreibung von Thukydides' Stil Dionys von Halikarnass folgte, die (direkten) Reden fast ausschließlich unter rhetorischen Gesichtspunkten (Disposition, Gestaltung und Stileinheit) analysierte und sie als Glanzpunkte bezeichnete: „ A b e r in allen Fällen steht er doch seinem S t o f f e als frei gestaltender Künstler gegenüber: es sind die Reden des Thukydides, nicht des Perikles oder Kleon ,..." 26

Blass beherrschte um die Jahrhundertwende die communis opinio zu stark, als daß sich die frühe Erkenntnis von Roscher allgemein hätte verbreiten und durchsetzen können. Viele Dissertationen und Programme beschäftigten sich mit sprachlichen und stilistischen Fragen und Vergleichen von Reden, wobei diese zwar systematisch seziert wurden, ihre historiographi27

sehe Funktion jedoch zunehmend aus dem Blickfeld geriet. Ausnahmen waren der Althistoriker Eduard MEYER 1899, der die historiographische Funktion der Reden treffend beschrieben hat. Sie 24

Jebb 1880, 2 3 8 f f . und 2 9 9 f f . Damit kam er für Luschnat 1970, 1155 „ganz nahe an die Erkenntnis heran (....), daß die Reden eine darstellerische und d.h. historiographische F u n k t i o n haben."

25

Bergk 1887, 286. Er unterstreicht auch: „Natürlich darf man diese Reden nicht als wirkliche Urkunden betrachten; sie sind dem Inhalte wie der Form nach wesentlich E i g e n t h u m des Geschichtsschreibers. A u c h da, w o er sich an eine Ü b e r l i e f e r u n g anlehnen konnte, verschmäht er es bisweilen, davon Gebrauch zu m a c h e n . "

26

Blass 1887, 229.

27

So hat etwa CYRANKA 1875 den Stil der Reden mit d e m der T r a g ö d i e verglichen; AUFFENBERG, 1879 hat neben der dramatischen Natur und Funktion der Reden vor allem ihre rhetorische Gestaltung und Disposition untersucht.

Einleitung

10

„sind das Mittel, das d e m Historiker e r m ö g l i c h t hat, w i e in der Erzählung so auch in der D a r l e g u n g der Situationen und M o t i v e hinter den T h a t s a c h e n z u r ü c k z u t r e ten, den Leser die B e g e b e n h e i t e n selbst erleben zu lassen und ihm dadurch ein unabhängiges Urtheil zu g e w ä h r e n . "

Er unterstrich die rezeptionssteuerade Funktion der Reden: „ D e r Fiction nach wird der Leser betrachtet w i e ein Z e i t g e n o s s e der Ereignisse, die ihm v o r g e f ü h r t w e r d e n . A b e r in Wirklichkeit ist er es nicht und soll es nicht sein; denn er soll in den Stand gesetzt w e r d e n , den H e r g a n g in seiner Totalität zu erfassen und zu beurtheilen, w ä h r e n d der Z e i t g e n o s s e i m m e r nur einen A u s s c h n i t t aus der augenblicklichen Situation übersehen kann." 2 8

Ebenso erklärte CROISET 1900 das Vorkommen von erfundenen Reden entwicklungsgeschichtlich, wobei er auf den Einfluß von Drama und sophistischer Rhetorik hinwies, und bezeichnete sie als Seele des Geschichtswerkes. 29 Sie sind „des c o m p t e s r e n d u e s a n a l y t i q u e s ... des r e s u m e s oü il n ' e n t r e rien de reellement dit. Mail ils ne sont pas d a v a n t a g e des exercices p u r e m e n t litteraires n ' a y a n t q u ' u n rapport e l o i g n e avec la realite. On pourrait les definir des r e c o n s t r u c t i o n s ideales dans lesquelles l'historien, s ' a p p u y a n t sur q u e l q u e s d o n n e e s positives, m a i s fragmentaires, les c o m p l e t e en vertu d ' u n e sorte de logique intime q u e sa c o n n a i s s a n c e des personnes et des choses lui permet de ressaisir et de suivre." 3 0

Ebenso verglich er Thukydides' Reden mit den Mitteln des modernen Historikers, wobei er „une difference de forme plus encore que de fond" 31 erkannte. Einen Rückschlag bildete W I L A M O W I T Z 1 9 1 2 , der die Reden als „bedenkliches Schmuckmittel" bezeichnete.

28

M e y e r 1899, 384. WASSERMANN 1931, 2 4 9 hob in seinem Forschungsüberblick die m i m e t i s c h e Gestalt und die p a r a d i g m a t i s c h e Funktion der R e d e n hervor, die „den Leser z u m u n m i t t e l b a r e n Z u s c h a u e r und Z u h ö r e r m a c h e n ... indem sie ihn in die h a n d e l n d e n P e r s o n e n und Parteien, und z w a r in b e d e u t u n g s v o l l e r L a g e und ents c h e i d e n d e n A u g e n b l i c k e n h i n e i n v e r s e t z e n , i n d e m sie ihm v o n a u ß e n her d i e W i r k s a m k e i t v e r s c h i e d e n e r Einstellungen und W e r t u n g e n n e b e n - und g e g e n e i n a n der zeigen, aber zugleich hinter dieser Relativität der S t a n d p u n k t e die geschlossene K o n s e q u e n z von seiner eigenen Mitte a u s . " E b e n s o LANDMANN 1932, 16: Die Reden h a b e n w e n i g K o n k r e t e s , weil sie „ b e w u ß t d i e E r e i g n i s s e in einer a n d e r e n S p h ä r e zeigen w o l l e n als die T a t s a c h e n e r z ä h l u n g . Sie geben den geistigen Gehalt der G e s c h i c h t e , das w a s v o n der e i n m a l i g e n Situation ü b e r t r a g b a r ist a u f j e d e s ähnliche Ereignis."

29

Croiset 1900, 139: „ C ' e s t la parole qui d e c i d e de tout. Les e v e n e m e n t s exterieurs sont la matiere d e l'histoire, m a i s c ' e s t la deliberation qui en est l ' ä m e . C ' e s t cette ä m e q u e T h u c y d i d e a voulu mettre dans les discours de son histoire."

30

Croiset 1900, 141.

31

Croiset 1900, 144.

Einleitung

11

„Thukydides hat sich auf seine Reden besonders viel zugute getan; sie sind es, denen er modischen Figurenschmuck anhängt. ... Gewiß bemüht sich Thukydides ... die leitenden Motive und Stimmungen zu Worte zu bringen ... Aber es bleibt doch Unnatur; wir würden ihn selbst viel lieber hören als einen obskuren Demagogen oder einen namenlosen Gesandten"

und kritisierte ihre mangelnde Ethopoiie und Beredsamkeit (im Vergleich etwa zu den Reden des Lysias). Wie Macaulay hätte er an ihrer Stelle 32 auktoriale Reflexionen des Thukydides bevorzugt. In den folgenden Jahren trat die Frage nach der Funktion der Reden in den Hintergrund, dafür rückten das Problem der Authentizität und das Verhältnis zwischen dem Redensatz 1,22 und den im Werk stehenden Reden in den Mittelpunkt des Interesses. Während für SCHWARTZ 1919 die Stileinheit das wichtigste Kriterium für die Fiktionalität der Reden war, „die sie durch die Vergewaltigung der natürlichen Rede und die von dem jeweiligen Sprecher völlig unabhängige Gleichmäßigkeit der sprachlichen Stilisierung aus aller Wirklichkeit... brutal hinaushebt", 3 3

meinte POHLENZ 1919, daß Thukydides im Widerspruch zu der 1,22 angekündigten Exaktheit, durch er sich von seinen Vorgängern habe abheben wollen, im Werk größtenteils frei erfundene Reden eingefügt und damit einen Wechsel in seinen darstellerischen Prinzipien vorgenommen habe. 34 Dagegen hat sich G R O B K I N S K Y 1936, für den die Reden die Frucht der Gedankenarbeit des Thukydides sind, gegen die von Pohlenz angenommene Lücke zwischen dem Redensatz und den Reden im Werk gewendet: „Die Einschaltung von Logoi in die Darstellung historischer Fakta ... erhält durch Thukydides tieferen Sinn und neue, innere Begründung in einer Funktion, die diesen λόγοι über alles Zeit- und Traditionsgebundene hinaus überzeitliche Bedeutung verleiht." 3 5

32

Wilamowitz 1912, 109. Luschnat 1970, 1174: „Die Einsicht Roschers, daß der Denker mit dem Künstler eins ist, ist wieder verloren gegangen."

33

Schwartz 1919, 25. Ebenso BOGNER 1937, 13f.: „Das zeigt schon der von einer ungeheuren Denkarbeit zeugende, die Gedanken bis ins letzte zuschleifende und in messerscharfe Antithesen auseinanderlegende Stil mit seiner düsteren, ingrimmigen Wucht, der sich von der Sprache des Alltags weit entfernt und dem Satzbau bewußt widerstreitet, ein Stil,... der all diesen Reden gleichmäßig eigen ist." Luschnat 1970, 1183 schließt sich Pohlenz an und spricht von einer gedanklichen Lücke zwischen Redensatz und den Reden im Werk. Vgl. dazu ausführlich Kapitel 3.2., S. 413.

34

35

Großkinsky 1936, 78.

12

Einleitung

Noch weiter ging PATZER 1937, gemäß dessen Interpretation der Redensatz 1,22 die freie Komposition der Reden zuließ. Die Frage nach der Interpretation des Redensatzes ist bis heute umstritten geblieben. EG ERMANN hat in verschiedenen Beiträgen zur Interpretation des Redensatzes (1937-1983) aufzuzeigen versucht, daß bei aller kompositorischen Freiheit Thukydides die tatsächliche Gesamtintention der Redner wiedergegeben habe und daß die von Pohlenz angenommene Lücke zwischen 1,22 und dem Werk nicht bestehe. Diese Erkenntnis hat WIMMER 1973 in seiner Dissertation durch die Analyse fast aller direkten Reden im Werk zu überprüfen und zu verifizieren versucht, wobei für ihn Thukydides Politiker, Künstler und Historiker zugleich war. In der Paraphrase der Reden interessierte ihn vor allem die Frage nach der Übereinstimmung mit dem Redensatz und nicht so sehr die rhetorische Gestaltung und die historiographische Funktion der Reden. Dagegen betonen vor allem angelsächsische Forscher wie GOMME 1937 / 1962 den Wirklichkeitsanschluß der Reden, die in gewisser Weise historische Dokumente seien: So seien zwar Form und Stil der Reden Thukydideisch, aber der Inhalt und die wichtigsten Argumente würden mehr oder weniger getreu wiedergegeben. 36 Hingegen versuchte REGENBOGEN 1933 (und 1949) aus dem Dilemma um den Wirklichkeitsgehalt der Reden herauszukommen und durch die Bestimmung dreier Momente (das poietische, das realistische und das denkerische Element) gleichermaßen die künstlerische Gestaltungsfreiheit, den Bezug auf die einmalige politische Situation und Wirklichkeit und den auf das Normative abzielenden denkerischen Gehalt zu berücksichtigen. Dabei sei die Sprache die des Thukydides, während der Inhalt eine Ideale Wirklichkeit widerspiegle. Damit rückte allmählich wieder die Frage nach 36

G o m m e 1962, 131. Dies ist auch der T e n o r der in der S a m m l u n g von STADTER 1973 publizierten Beiträge. Ebenso KAGAN 1975, 72ff., der von der „essential authenticity of the speeches " ausgeht und Thukydides nur die Selektion der Reden zugesteht, und WALBANK 1985, 244, für den die αληθώς λ ε χ θ έ ν τ α der Maßstab für die Gestaltung durch T h u k y d i d e s blieb. HORNBLOWER 1987, 5 5 - 6 5 diskutiert die Argumente, die fur die Fiktionalität der Reden vorgebracht werden, und kommt S. 65 zum Schluß: „None of the arguments for artificiality are so strong that we are forced to think wholly in terms of ' w h a t w a s appropriate' rather than ' w h a t w a s really said'. When Thucydides' speakers use formally perfect patterns of argument, that may indeed show, that he tidied things up ... but we should not assume that there were not real-life skilful speakers in the fifth century B C . " Ausnahmen sind SAINTE CROIX 1 9 7 2 , 8 f f . u n d BADIAN

1992, der H o r n b l o w e r s A r g u m e n t a t i o n

zu

widerlegen versucht und nur die Intention, nicht aber den Inhalt der Reden als authentisch betrachtet.

Einleitung

13

der Funktion der direkten Reden ins Blickfeld der philologischen Untersuchungen. In den dreißiger Jahren des 20. Jh. löste sich die Forschung immer mehr von einseitigen Interpretationsversuchen, wofür JAEGER steht, der in Bezug auf Demosthenes' Reden eine ganzheitliche Analyse forderte, die Form 37

und Inhalt gleichermaßen berücksichtige. Wie Regenbogen betonte er die politische Bedeutung der Thukydideischen Reden, die „ideale Gebilde seines Denkens" seien: „Allein die bloße tatsachenmäßige Darstellung eines wenn auch noch so bedeutsamen Geschehens wäre nicht imstande, dem Vorhaben des politischen Denkers zu genügen. Er bedarf einer besonderen Möglichkeit, ins Geistige und Allgemeine zu gehen. Ein Mittel der Darstellung, das für Thukydides besonders charakteristisch ist, sind die zahlreichen eingelegten Reden, und sie sind vor allem das Sprachrohr des Politikers Thukydides." 3

Ein neuer Impuls kam v o n BODIN 1935, der vor allem die Kommentarfunktion der Reden, die kein Fremdkörper seien, sondern in engem Kontakt mit dem Bericht stünden und den speziellen Fall auf eine höhere Ebene höben, unterstrich. 39 In seiner monumentalen Literaturgeschichte ging SCHMlD 1948 ausführlich auf die Reden ein und betonte zunächst die Unmöglichkeit im Altertum, den genauen Wortlaut einer Rede wiederzugeben: „Die Reden sind dann nicht von aktenmäßiger Treue und nicht in dem Sinn Geschichte wie Tatsachenberichte; aber sie geben die Möglichkeit, die Handlungen

37

Jaeger 1939, 6f.: „Es genügt nicht, nur ein paar geschichtliche Tatsachen von ihrer Oberfläche abzuschöpfen und den Rest fortzuschütten, wie der Historiker es so häufig tut; aber es ist ebenso unzulänglich, wenn der Philologe nur die Kunst der rhetorischen Form der Beachtung für wert hält, wie es etwa Friedrich Blass ... getan hat. Dabei (sc. bei der Betrachtung nur der rhetorischen Form) zerrinnt uns unter den Händen die eigentlich geistig-politische Substanz dieser Reden, die ihr Leben ausmacht und aus der auch ihre Form erst erwächst."

38

Jaeger 1934,489.

39

Bodin 1935, 54: „Cette conception du discours l ' a m e n e ä etre c o m m e un commentaire vivant des faits. 11 est en relations etroites avec le recit : expliquant par avance ce que le recit va rapporter, il trouve ä son tour confirmation dans le recit. C'est de lä qu'il tire sa valeur educative : il generalise le cas particulier pour faire entrer ... au tresor de la posterite la lefon qu'il comporte." Ebenso MONTGOMERY 1965, XIV: „Wie die moderne Forschung gezeigt hat, sind die Reden nicht um ihrer selbst willen in die Darstellung eingefügt worden, sie sollen vielmehr gewöhnlich die Handlungen erklären und den Hintergrund derselben zeichnen. ... Auch wenn die Reden hauptsächlich der Motivierung innerhalb der Darstellung dienen, spiegeln sie wahrscheinlich außerdem eine historische Wirklichkeit."

Einleitung

14

typisierend bis auf ihre persönlichen Ausgangspunkte zurückzuführen und damit menschlich verständlich zu machen. ... Die Reden sind also nicht direkter Reflex einer tatsächlichen Wirklichkeit, sondern Ergebnis j e n e r eigentlich thukydideischen Methode des ε ί κ ά ζ ε ι ν . " 4 0 Die Reden seien „ein Mittelding zwischen Wahrheit und Dichtung" 4 1 , zeigten einen tieferen Z u s a m m e n h a n g zwischen Denken und Tun auf und ersparten „dem Schriftsteller Erörterungen, Urteile, Würdigungen im eigenen Namen, indem sie diese den Mithandelnden in den Mund legen und ihnen dadurch Vielseitigkeit und den Schein voller Objektivität erwecken." 4 2

Zehn Jahre später schrieb LESKY 1957/58 in seiner Geschichte der griechischen Literatur zu den Reden: „Aber seine (sc. Thukydides') Darstellung begnügt sich nicht damit, die einzelnen Fakten zu verzeichnen, sie dringt in die Tiefe, deckt Zusammenhänge auf und gibt f ü r die entscheidenden Situationen des großen Ringens Analysen, in denen die Voraussetzungen sichtbar gemacht, die Möglichkeiten abgegrenzt und die verantwortlich Handelnden mit ihren Überlegungen und Motiven vorgeführt werden. Eben diese Analysen sind es, die dem Leser des Werkes Einsicht in das Bleibende hinter dem Veränderlicheren, das Wiederholbare hinter dem nur Einmaligen in Aussicht stellen ... Das vornehmste Mittel solch thukydideischer Situationsanalyse sind die Reden." 4 3

Weiterhin fehlte aber eine umfassende gezielte Analyse sämtlicher Reden des Thukydides. Statt dessen wurde ihre paradigmatische, exegetische und rezeptionssteuernde Funktion hervorgehoben; 44 ebenso wurden einzelne Reden oder einzelne Aspekte und Phänomene untersucht. 45 40

Schmid 1948, 162.

41

Schmid 1948, 164.

42

Schmid 1948, 167. Ebenso S. 176: „Die Reden sind keine geschichtlichen Zeugnisse im vollen Sinn, sondern auf Einsicht in die politische Lage beruhende Betrachtungen des Thukydides; sie wirken stilistisch im Sinn halbmimetischer dram a t i s c h e r B e l e b u n g , f o r m a l als Ä u ß e r u n g e n M i t h a n d e l n d e r , nicht d e s Schriftstellers, dem sie doch in Wirklichkeit alle angehören und der sich in die Rollen der Mithandelnden hineinversetzt hat, um zu sagen, nicht sowohl was diese wirklich gesagt haben, als was sie sagen konnten, j a mußten."

43

Lesky 1971, 536.

44

So etwa ERBSE 1953, 334: „Die Reden wenden sich an den Leser, nicht an den fiktiven Zuhörer, sie sind, oft über weite Zeiträume hin, einander zugekehrt, damit kenntlich werde, wie gleiche oder ähnliche Fragen sich im historischen Geschehen auswirken können. Oft werden viel mehr Antworten gegeben und Möglichkeiten angedeutet, als zum Nutzen der jeweiligen Situation unbedingt erforderlich ist." Ders. 1981, 37: Der Leser „lernt die treibenden Kräfte des Geschehens nicht nur in der abstrahierenden oder gar spekulativen Formulierung des Darstellers kennen, sondern gleichzeitig in ihrer unmittelbaren Wirkung auf die Betroffenen." Ebenso hat ARNOLD 1992, 45 die rezeptionssteuernde Funktion der Reden untersucht, die „for his readers an intellectual experience analogous to that which would have been experienced by an audience listening to political oratory" sind. S. 56: „With-

Einleitung

15

Die von Blass und Schwartz ausgesprochene Vorstellung der Stileinheit der Reden, die weitgehend die communis opinio war und ist, stellte nach früheren Versuchen vor allem die stilometrische Untersuchung von TOMPKINS 1972 in Frage. In seiner Studie versuchte er nachzuweisen, daß bereits Thukydides Mittel der Ethopoiie für die stilistische Differenzierung der Redner eingesetzt hat. 46 Originell, wenn auch nicht ganz neu (und ziemlich abwegig), war der Ansatz v o n COLE 1986 (und ausführlich 1991), nach dem Thukydides' Reden weder die Meinung des Historikers wiedergäben noch ein Mittel zur Deutung des historischen Geschehens seien, sondern anstelle eines rhetorischen Traktats ( τ έ χ ν η ) paradigmatische Musterreden als Reservoir und Übungsstoff für sophistische Redner und Politiker böten. 47

out directly interceding as narrator, therefore, by including debates within the history Thucydides asks his own audience to consider the factual, ethical and psychological factors that led to crucial decisions pertaining to war - factors that were and are likely to play similar roles in the future." Dies erreiche er durch seinen Stil, S. 57: „Although we stand as rational and objective j u d g e s of arguments in the debates, the active, intellectual involvement demanded by the style of Thucydidean speeches requires us to become more participants in and less passive witnesses of not only the debates, but also the historian's analysis of the war." 45

So hat etwa RENGAKOS 1995, 415f. auf die Fernbeziehungen als ein „Element fiktionalen Charakters" hingewiesen, die der „impliziten Kommentierung der vorgebrachten Standpunkte [dienen]" und die „einen untrügliche Beweis ... dafür darstellen, daß die Reden Schöpfungen des Thukydides sind die nicht durch Raum und Zeit identifizierbare Originale wiedergeben, nicht einer ,ephemeren', sondern einer idealen Wirklichkeit und insgesamt der Deutung des Geschehens dienen." Für COGAN 1981, 236 markieren die Reden die Bedeutung öffentlicher Beratung und rhetorischer Entscheidungsfindung und sind „a way of recovering and representing the particularity of occasions and decisions." Mit dem Teilbereich der Kampfparänesen haben sich LUSCHNAT 1942, LEIMBACH 1985, HANSEN 1993 und IGLESIAS ZOIDO 2000 befaßt.

46

Kurze Andeutungen zur stilistischen Differenzierung der Redner hatten bereits Taeger 1925, 291 und G o m m e 1937, 159 gemacht. Hervorzuheben sind die Arbeiten v o n CAIANI

1972, DEL C O R N O

1 9 7 5 u n d ORTOLÄ / REDONDO / SANCHO

2000, die sich mit einzelnen Aspekten der stilistischen Differenzierung der Redner befassen. 47

HUDSON-WILLIAMS 1948 hat die T h e s e geäußert, daß T h u k y d i d e s wie später Isokrates viele τ ό π ο ι „from a store of δ ι ά ν ο ι α ι common to all" (S. 76f.) beziehe. Von rhetorischen Musterreden spricht auch LEIMBACH 1985, 9: „Authentische Gesamttendenz und fiktiver Wortlaut sollen also paradigmatisch sein. ... Die authentische Gesamttendenz gibt ein empirisches, der fiktive Wortlaut ein normatives Muster." Ebenso sind für KÖHNKEN 1995, 28 die Reden repräsentativ'.

Einleitung

16

In der Nachfolge von Bodin befaßten sich einige Arbeiten mit der Einbettung der Reden in den Erzählkontext und ihrer exegetischen und motivierenden Funktion. So hat etwa ROMILLY 1967 die Interaktion von Reden

und Erzählung, die in einem logischen Verhältnis von Ursache und Folge bzw. Aktion und Reaktion zueinander stünden, untersucht. Ebenso meinte HUNTER 1973, d a ß

combination. In „the basic unit in the structure of the History is the logoi-erga most successful action the logoi ... anticipate the erga which follow. In turn the erga provide confirmation that the plan or strategy, and so the reasoning on which it was based, was correct." 48

Seit den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts wurde die Narratologie zur Funktionsbestimmung der Reden im narrativen Werk miteinbezogen. ROOD 1998a hat unter diesem Gesichtspunkt das Verhältnis von Erzählung und Reden erneut beleuchtet und gefolgert: „The responsions between speech and narrative generate a subtle and wide-ranging dialogue of human behaviour." Sie sind „dramatic re-enactment of attempts at persuasion, not vehicles for expressing personal opinion." 4 9

Weiterhin fand aber auch die rhetorische Gestaltung 50 und die Argumentationsstruktur Beachtung, wobei, wie die wichtige Untersuchung von MORAUX 1 9 5 4 u n d d i e s y s t e m a t i s c h e A r b e i t v o n IGLESIAS ZOIDO

1995

gezeigt haben, die Reden des Thukydides bei allen funktionalen Unterschieden zur Rhetorik in Bezug auf die Komposition mit den Lehrbüchern des 4. Jh. (vor allem mit der sogenannten Alexanderrhetorik) in Verbindung gebracht werden können; in seiner ausfuhrlichen Untersuchung s p r a c h l i c h e r u n d s y n t a k t i s c h e r P h ä n o m e n e h a t ORTOLÄ GUIXOT 2 0 0 1 e i n e

48

49

50

Hunter 1 9 7 3 , 1 7 8 . Ebenso V A T T U O N E 1 9 7 8 , 2 5 1 f.: „ I discorsi divengono una necessitä per amplificare il piano della spiegazione causale e piü che il coro tragico ... rappresentano un piano diverso su cui si situa la spiegazione." R O O D 1998a, 4 5 und 4 0 . Ebenso L E G O N 1997, der sich Coles Position nähert und für den S. 7f.: „In the organization of his history the speeches are meant to delineate alternative courses of action men faced in particular circumstances and to reveal their motives for making the choices they ultimately made." Er unterstreicht S. 8 ihre didaktische Funktion: „These episodes each constitute a paradigm of political or military situation, and, taken together, they would instruct the reader in the art of politics by providing insight into individual and mass psychology, exposing patterns of behavior, and laying out the arguments which may persuade people." So etwa die Untersuchungen zur Argumentationstechnik von D A N N I N G E R 1931 und G O M M E L 1966. F I N L E Y 1967 untersuchte den rhetorischen Stil und verglich ihn mit dem des Euripides.

Einleitung

17

stilistische Differenzierung zwischen dem Erzähl- und dem Redenstil des Thukydides nachzuweisen versucht. Doch blieb eine einschlägige Untersuchung der Reden, die die verschiedenen Ansätze verbunden und die Reden als ganzheitliches Phänomen analysiert hätte, weiterhin aus. Dagegen wurde die Erforschung der Reden bei Herodot in geringerem Maße betrieben, zumal die fiktiven Reden Herodots mit den Homerischen in Verbindung gebracht wurden und weniger Ansehen genossen als die politischen Reden des Thukydides; hinzu kam, daß Herodot nicht über den Gebrauch direkter Reden reflektiert hat. SCHÖLL 1855 hat vor allem die dramatische Funktion der Reden in den Büchern 7 - 9 erkannt 51 und auf den vermehrten Einsatz von Gnomen, denen er schmückenden Charakter attestierte, hingewiesen. In seiner Literaturgeschichte betonte B E R G K 1887, daß wie im Epos „eben durch diese Reden ... vorzugsweise die Anschaulichkeit seiner Erzählung erhöht [wird], so daß die Begebenheiten sich gleichsam vor unsern Augen entwikkeln." 5 2

Einschlägige Untersuchungen und Dissertationen wiesen wie bei Thukydides eine durchaus kunstmäßige Komposition und rhetorische Gestaltung der Reden nach. 53 K A I B E L 1893 hat die Reden kritisch beurteilt: „Herodot kennt den größten Theil des rhetorischen Apparats und verwendet ihn öfters geschickt genug, besonders in den Reden. Aber glücklich ist er eigentlich nur in der Detailarbeit: die schöngebauten Antithesen, Homoioteleuta, Isokolien ... kann man wol loben. Seltener gelingt ihm das innere Pathos durch rednerische Mittel darzustellen, und auf dem Gebiete der Gnomologie leidet er meist Schiff-

51

Schöll 1855, 76f.: „Dieser entscheidungsvolle krieg und w u n d e r b a r e sieg der Hellenen sollte hauptbau und gipfel der herodotischen schrift sein und bleiben. Wie daher die erzählung seiner Vorgänge in vollerem und gleicherem ström nach ihrer zeitfolge, mit bezeichnung derselben, und mit reichlicher ausführung der örtlichen scenen fortschreitet ..., so ist auch der auseinandersetzung in reden mehr räum gegeben."

52

Bergk 1887, 276.

53

KLEBER 1890 hat die Wortstellung und die -figuren in den Reden nach den Kategorien der Rhetorik untersuchte. NESTLE 1908, 15ff. hat bei der Gestaltung und dem Inhalt der Reden für sophistischen Einfluß (Protagoras) plädiert. Ebenso hat ALY 1921 und 1929 die Reden als Schmuck der Erzählung bezeichnet: Sie würden mit rhetorischen Kunstmitteln (Figuren, Tropen und Ethopoiie) versehen und dramatisierten wie im historischen Roman die Erzählung. Neben epischem und tragischem Einfluß hat er an Hand vieler Beispiele die sophistische Beeinflussung, die auch bei der Gliederung der Reden eine Rolle spielt (1929, 74ff.), nachzuweisen versucht.

Einleitung

18

bruch. Die einzelnen Gnomen sind zwar schön und treffend geformt, die Bilder, die zu ihrem Belege dienen sind oft groß und packend gezeichnet, aber die Verbindung der Gedanken fehlt. Was wir bei späteren Schriftstellern als ein natürliches und gegebenes hinnehmen, das hat dem Herodot noch größte Mühe gemacht ,.." 34

Während CROISET 1898 sowohl den fiktionalen als auch den ,unwissenschaftlichen' Charakter der Reden betonte, die vor allem der Dramatisierung der Erzählung dienten,55 räumte er dennoch in Bezug auf die historiographische Funktion einiger Reden ein, daß Herodot seine eigenen Gedanken und Vorstellungen dramatisiert und in die Münder seiner Figuren gelegt habe: „Mais Herodote en a d'autres [sc. discours] qui sont le produit d ' u n art plus reflechi ... ce sont ceux qu'il emploie ä faire connaitre les idees generates dont il est preoccupe."

Dagegen hielt STEIN 1901 die Reden für ein dichterisches, episches Mittel, die bloß zur Belebung der Erzählung dienten „und für die Erkenntnis der geschichtlichen Wirklichkeit allerdings fast ohne Ertrag sind. Indes als farbenreiche Illustrationen und sinnvolle Ausdeutungen der in den handelnden Personen wirkenden Gedanken und Triebgründe geben sie der Erzählung jenen reizvollen Anschein wahrhaftigen Lebens, der den prüfenden Leser immer fesselt ohne ihn zu täuschen oder täuschen zu wollen. ... Er darf eben bei seinen Zuhörern eigene Unterscheidung voraussetzen zwischen der Wahrheit der Geschehnisse und der Dichtung der zugefügten Reden. In Ton und Sprache halten sich diese Reden auf der gleichen Linie volkstümlicher schlichter Gemeinverständlichkeit, ohne sich der besonderen Weise der redenden Person j e nach Volksart, Stand und Gemütsart mit charakteristischen Zügen anzupassen. Wo sich ihr Inhalt ins Allgemeinere erhebt, suchen sie nicht, wie die entwickelte politische und epideiktische Beredsamkeit, mit der Stärke einer logischen und rhetorischen Argumentation, sondern nur mit dem ruhigen Pathos ausdrucksvoller Sentenzen zu wirken, und bereiten dem Autor Gelegenheit, die eigene Welt- und Lebensweisheit aus dem Munde eines Solon, Amasis oder Artabanos vernehmen zu lassen.' 0 6

Schärfer kritisierte Herodots Reden MEYER 1901, der die Reden des Thukydides in den höchsten Tönen lobte:

54

Kaibel 1893, 66, Anm. 1.

55

Croiset 1898, 616: „Ces dialogues si vifs, ce n'est pas sous la dictee des personnages que l'historien les a ecrits ; il les a retrouvees en lui-meme, par le libre jeu de sa fantaisie creatrice, qu'il n ' a pas supposee peut-etre infidele ä la verite, mais qui a refait d'instinct ce qu'elle croyait seulement rapporter. ... Tous les personnages sont sous nos yeux ; ils parlent, et nous les entendons. C'est le precede homerique. C'est aussi le precede de tout h o m m e du peuple ä l'imagination naive et forte, qui racontant un entretien, le refait au lieu de le resumer, et le met an action devant nous. Rien de plus vif et de plus a m ü s a n t ; rien de moins scientifique."

56

Stein 1901, xviiif..

Einleitung

19

„Zu einer tieferen A u f f a s s u n g des historischen Prozesses, zu einer Geschichtsbetrachtung, welche die wirkenden Kräfte aufzusuchen und herzuleiten vermag, ist er freilich nicht gelangt." 3 7

Ein Meilenstein war JACOBYS RE-Artikel von 1913, in dem sich dieser auch mit den Reden befaßte, wobei er die novellistischen von den politisch-historischen Reden unterschied: „Die Reden bei Herodot verlangen dringend eine Untersuchung, die sich nicht an Einzelheiten heftet, sondern vor allem ihre Struktur, den Aufbau und die Technik feststellt. Sie dürfte meines Erachtens zu einer wesentlich höheren Einschätzung der Stücke führen, als sie auch in den antiken Urteilen zum Ausdruck kommt. Diese, die j a auch ganz einseitig vom formal-rhetorischen Standpunkt aus urteilen und die inhaltliche Seite ganz, die kompositionelle Bedeutung so gut wie ganz vernachlässigen, müssen schon deshalb in die Irre gehen, weil sie vom Standpunkt der späteren athenischen Technik urteilen." 3 8

Er befaßte sich ansatzweise mit dem Stil einzelner Reden, forderte aber dazu ausfuhrliche Untersuchungen. Er erkannte die Funktion der Reden, die aus der epischen und novellistischen Tradition stammten, vor allem in der Dramatisierung und der Charakterisierung der Sprecher, deutete aber auch schon auf eine historiographische Funktion hin: „Die politischen Reden ... zeigen erkennbare Züge einer ausgebildeten politischen Beredsamkeit oder doch mindestens einer überlegten Technik. ... Wie schon bemerkt, spielen sie im Prinzip die gleiche Rolle wie bei Thukydides." 3 9

57

Meyer 1901, 10. REINHARDT 1960b, 367f.: „In den Reden, als dem rationalen Vorspiel zu den untergründigeren Gründen des geschichtlichen Geschehens, stehen Dinge, die von solcher Einsicht in die Triebkräfte der machtpolitischen Realitäten zeugen, daß sie, ständen sie bei T h u k y d i d e s und seinen N a c h f o l g e r n im neunzehnten Jahrhundert nur die höchste Anerkennung hätten finden können. ... Liest man solche Wendungen, so könnte Herodot in seiner Handhabung der Reden fast als Vorbild des Thukydides erscheinen; als bediente er sich wie Thukydides der Reden, um die ideale Dialektik zu entfalten, die in der konkreten Machtkonstellation j e w e i l s enthalten ist und die nur des Politikers als Interpreten zu bedürfen scheint, damit das innere geschichtliche Getriebe des historischen Prozesses unter der pragmatischen, oft zufälligen Oberfläche sich enthülle. Und doch ist ein Unterschied nicht nur des Grades, sondern auch im Prinzipiellen: Herodots Reden sind nicht ein Mittel der Gedankenführung, sondern Gesten und Gebärden, Sichtbarmachung von Gestalten. Was aus theoretischer Einsicht in historische Motive da zu reden scheint, haftet an der Person, an der Erscheinungsform des Mächtigen ... Was für Thukydides der Kern ist, ist für Herodot nur die Hülle, und ebenso umgekehrt."

58

Jacoby 1913, 492.

59

Jacoby 1913, 493. Ähnlich auch MYRES 1953, 80: „From tragedy - inherited, however, from epic - comes also the use of speeches, and especially of pairs of speeches, to punctuate the narrative and emphasize its turning-point ... The points

Einleitung

20

Ebenso urteilte REGENBOGEN 1930: Die Reden seien, „wenn auch formal umgebildet, und das heißt immer stärker rhetorisiert, aus der Bewegtheit des lebendigen Worte gelöst, ein dichterisches Element in der Geschichtsschreibung geblieben, ein Gefäß, das immer bereit war, auch allgemeinere Gedanken, Stimmungen und Erwägungen des Autors oder seiner Personen oder des Autors durch seine Personen A u f n a h m e und Formung zu gewähren." 6 0

Er erkannte in den Debattenreden Vorstufen zu den Thukydideischen Rede-Agonen. Ähnlich hat auch SCHMID 1934 in seiner Geschichte der Griechischen Literatur, in der er nur kurz auf die Reden einging, geurteilt: „Diese Reden wollen selbstverständlich nicht als geschichtliche Dokumente gelten, sondern sind ein Mittel künstlerischer Gestaltung des Inhalts ... Die großen Gesprächsszenen sind, rein sachlich betrachtet, nicht nötig; zum Teil beleuchten sie die Lage und die Handelnden und ihre Motive, wie sie Herodot sieht, zum Teil ... dienen sie dem Historiker in ähnlicher Weise wie der Chor dem Tragiker zur Einkleidung für die Erörterung allgemeiner Probleme ... So sehr sich Herodotos sonst um Klarlegung der Ausgangspunkte und Ursachen bemüht, so dringt er doch in die individualpsychologischen Voraussetzungen des persönlichen Handels ... nicht tiefer ein." 61

Ebenso hat LESKY zwanzig Jahre später in seiner Geschichte der griechischen Literatur geschrieben: „Eine bedeutende Rolle spielen die Reden, die allerdings nicht in thukydideischem Sinne die einer Situation immanenten Kräfte sichtbar machen, auch nicht individuelle Z e i c h n u n g e n der handelnden Personen vermitteln, wohl aber allgemein menschliche Verhaltensweisen und die das Einzelne übergreifenden großen Gesichtspunkte kräftig hervortreten lassen." 6 2

Ein anderer Strang der Forschung, der in den dreißiger Jahren des 20. Jh. aufkam, hat positiver über die Reden geurteilt und den Unterschied zu Thukydides für geringer erklärt. So beschäftige sich DEFFNER 1933 in seiner Dissertation ausfuhrlich mit der Funktion der direkten (nicht aber der indirekten) Reden: Die Reden erzeugten als Ruhepunkte vor dem Umschlag von der Ruhe zur Bewegung bzw. vor der Wende eines Schicksals Spannung und seien das Mittel zur Durchdringung des Werks mit Herodots Gedankengehalt. Wie schon im Epos seien sie „in höchstem Maße Träger der persönlichen Meinung des

of view are stated vividly, 'in character' as Herodotus conceives them." 60

Regenbogen 1930, 77.

61

Schmid 1934, 644f..

62

Lesky 1971, 371.

Einleitung

21

Autors" 63 und dienten als Maßstab zur Beurteilung des historischen Geschehens. Ebenso habe Thukydides die Reden übernommen und „zum hervorragendsten Darstellungsmittel seines Geschichtswerkes" 64 gemacht. Im gleichen Jahr erschien die Dissertation von S C H U L Z 1 9 3 3 , der wie Jacoby zwischen novellistischen und politischen Reden unterschied, wobei die ersten neben der Steigerung der Spannung und der Dramatisierung der Erzählung vor allem dazu dienten, einen psychologischen Untergrund zu schaffen sowie Resümees und Pointen zu geben. Bei den politischen Reden der drei letzten Bücher untersuchte er die Gliederung und rhetorische Gestaltung und kam zum Schluß, daß „ H e r o d o t das b e s t i m m t e r h e t o r i s c h e A u f b a u s c h e m a in einer e i n f a c h e n F o r m verw e n d e t , d a ß er auch Einzelheiten - b e s o n d e r s im E i n g a n g der R e d e n und in der A r g u m e n t a t i o n - entsprechend der späteren T e c h n i k formt." 6 3

hat in den antilogischen Reden der letzten drei Bücher, bei denen vor die künstlerische eine historische Tendenz trete, eine Vorstufe der Thukydideischen Reden gesehen:

POHLENZ 1 9 3 7

„ N e b e n die G e s p r ä c h e treten im L a u f e v o n H e r o d o t s Darstellung m e h r und m e h r die R e d e n und V e r h a n d l u n g e n . W a r die T e c h n i k der G e s p r ä c h e in der , N o v e l l e ' ausgebildet, so die der Reden im Epos ... W e n n er j e d e s m a l die Vertreter der entg e g e n g e s e t z t e n A n s c h a u u n g e n mit sorgfältiger A r g u m e n t a t i o n das Für und W i d e r erörtern läßt, so leitet ihn o f f e n b a r das Streben, nicht nur die M e n s c h e n , die an der E n t s c h e i d u n g mitwirkten, v o r z u f ü h r e n , sondern auch die sachlichen M o m e n t e , die d u r c h die R e d e n dieser M e n s c h e n G e s t a l t g e w a n n e n , und d a m i t d i e politischen Kräfte, die miteinander rangen, zur Geltung zu bringen." 6 6

Ebenso hat S O L M S E N ( 1 9 3 9 - 1 9 4 4 ) in verschiedenen Arbeiten die Funktion der politischen Reden untersucht. Sie seien nicht Schmuck, sondern hätten vor allem eine literarische und eine historiographische Funktion: „ D u r c h d i e R e d e n gibt er (sc. H e r o d o t ) nicht nur D e u t u n g e n der Ereignisse, er kann auch Situationen beschreiben ... und läßt uns a u f diese W e i s e e r k e n n e n , w i e er die Ereignisse sah und verstand und w i e er sie g e s e h e n und verstanden haben wollte." 6 7

63

Deffner 1933,41.

64

Deffner 1933,92.

65

Schulz 1 9 3 3 , 4 2 .

66

P o h l e n z 1937, 2 1 4 f . Er v e r g l e i c h t den G e b r a u c h d e r R e d e mit d e m j e n i g e n bei T h u k y d i d e s , 2 1 5 f . : „ H e r o d o t ... g i n g v o n der historischen Situation und einer allg e m e i n e n Ü b e r l i e f e r u n g über die V e r h a n d l u n g e n aus und g a b von ihnen durch frei k o m p o n i e r t e R e d e n ein Bild; T h u k y d i d e s will die wirklich gehaltenen R e d e n als historische F a k t a festhalten, ermittelt zu d i e s e m Z w e c k e ... ihre G e s a m t t e n d e n z und n i m m t diese als Richtschnur für die eigene A u s g e s t a l t u n g . "

67

S o l m s e n 1944, 667. E b e n s o dies. 1939, xliv: „ T h e y are t h e m e a n s by w h i c h he

Einleitung

22

STEINGER 1957 hat in Bezug auf den Stil und den Inhalt der Reden epische Einflüsse aufzuzeigen versucht und ist zum Schluß gekommen, daß Herodot in sprachlicher, gedanklich-dramatischer und kompositioneller Hinsicht das Epos rezipiert und besonders am Anfang und Ende einer Rede frei verarbeitet habe. Für HUBER 1965 sind die Reden „Ruhepunkte für die Reflexion über das Geschehen, über seine Triebkräfte, seine ethische Bedeutung, die historischen Möglichkeiten und Konsequenzen. ... Beratungsreden, die ein nachfolgendes Handeln verständlich machen, indem sie seine Beweggründe angeben, also motivieren." 6 8

Gemäß WATERS 1966/1985 dienen die Reden, die grundsätzlich die gleiche Funktion wie bei Thukydides erfüllen, neben der Dramatisierung auch zur indirekten Vermittlung wichtiger Informationen (Ursachen, Motivation der Handelnden, strategische Überlegungen etc.) und zur Sinndeutung des Geschehens, die nicht unmittelbar aus der Erzählung hervorgeht: „It appears that military and political considerations ... were not supplied by his sources; they are his own contribution arising from his prolonged and deep study of the events recorded by tradition. These reflections, of prime importance for the causal history of the wars, are put forward via the mouths of characters w h o can conveniently be assumed to be in a position to make them at an appropriate moment; and it may often be the case that from this point of view the speeches are more genuinely historical than parts of the narrative." 6 9 Statt in eigener Person zu sprechen, zog es Herodot vor, in direkten Reden „to convey, in a readily acceptable form, information which would make less impression on the public if it came as comment or explanation by the historian himself, instead of appearing to be ,part of the story'." 7 0

Ähnlich hat auch FORNARA 1971 die dramatische Technik und die rezeptionssteuernde Absicht Herodots hervorgehoben und mit den Tragödien und ihrem Publikum verglichen: 71

conveys his own observations, opinions and j u d g m e n t s concerning the events he reports" und 1943, 644: „Sein Mittel, Urteile anzubringen oder Ereignisse hervorzuheben und nach ihrer Bedeutung einsichtig zu machen, waren die direkten Reden, die er in den historischen Bericht einfügte." Ebenso war sich ein Historiker wie HIGNETT 1963, 34 im klaren: „The many speeches put into the mouths of real persons do not claim to reproduce faithfully the purport of what the speaker said, if he indeed delivered a speech at all on the particular occasion; they are invented to reveal character, to explain the ground of a policy, or to elucidate the strategical considerations by which the two sides were guided." 68

Huber 1965a, 81.

69

Waters 1966, 169.

70

Waters 1966, 171.

71

Fornara 1971, 61 f.: „Precisely as the audiences of Aeschylus and Sophocles were

Einleitung

23

„They are fictional. With their introduction by Herodotus, 'history' acquired a poetic and philosophical dimension that, transmuting its character, raised it to the higher imaginative level we associate with the drama. For these devices were not adopted to round a picture or give verisimilitude. ... Herodotus became a creative artist with the intention too of working on the minds and emotions of his audience." 72 D i e s e n e u e A n s i c h t , d a ß die R e d e n n i c h t n u r z u r D r a m a t i s i e r u n g b e i t r a g e n , s o n d e r n a u c h e i n e s i n n d e u t e n d e F u n k t i o n h a b e n , hat s i c h in d e r F o l g e als c o m m u n i s o p i n i o etabliert, so e t w a bei L A T E I N E R 1989: „The speeches presented directly in the later books of the Histories have a serious purpose: to convey a real person's real problems and to present real policy choices. By their psychological and political insight they also carry the author's interpretation of events. ... The conventions concerning the presentation of thought and speech permit the narrative itself to carry an interpretation without the author's obvious intrusion." 73 D a z u g a b es w e i t e r h i n i m m e r a u c h s p e z i f i s c h e U n t e r s u c h u n g e n zu einzelnen Aspekten: HOHTI 1976, d e r a l l e d i r e k t e n u n d i n d i r e k t e n R e d e n

miteinbezogen

und Jacobys Unterscheidung durch eine funktionale zu ersetzen versucht hat, w o b e i er a u c h d e n K o n t e x t d e r R e d e n z u b e r ü c k s i c h t i g t h a t , hat z w i schen kausativen und nicht-kausativen Reden unterschieden: „The speeches convey motivation for action - words and deeds have a natural relation. ... Speeches illustrate the influence of the individual and, by the same time, his responsibility. Therefore, Herodotus is interested in giving the motives behind good and evil acts. The ultimate reason for the use of speeches is established by Herodotus' conception of history and historical research. ... The speeches either

72 73

intended to form their conclusions without the explicit aid of the playwright, so does Herodotus demand or expect an involved audience participating in and judging what is evoked before them. Herodotus' artistic method is to lead the hearer by what he does not say as much as by what he does. Irony, pathos, paradox, and tragedy develop from his tacit dialogue with his audience." Fornara 1971, 22f.. Lateiner 1989, 20f. Ebenso ders. 1987, 105: „The direct speeches reveal the resources of an historical intelligence supplying motives and causes, and suggesting aspects of historical issues that the available evidence, traditions and monuments, may have only weakly implied. Speeches, in Herodotus' approach, amplify those suggestions, and Thucydides' speeches, in the view of many, were not so different. ... Herodotus expects his reader to understand the literary as well as the historical purpose of necessary 'fictions', to recognize dramatic reconstructions for what they are, namely means to transcend the prose of his predecessors, at best 'faithful reporters] of fact and tradition,' and to reach ... 'the higher imaginative level' we associate with the drama."

Einleitung

24

indicate why one thing happened and not another, or they suggest other possibilities which could have happened but did not." 74

Heni 1977 hat die Gespräche analysiert, die seiner Meinung nach prinzipiell dieselbe Funktion wie die Einzelreden haben und dazu dienen, einen psychologischen Untergrund zu schaffen, die Erzählung dramatisch zu beleben und die Spannung zu steigern. Er hat dabei analog zu Jacoby die kürzeren novellistischen von den historisch-politischen Gesprächen unterschieden, wobei er zum Schluß gekommen ist: „Historische Gespräche bestimmen eher den Gang der geschichtlichen Ereignisse, novellistische persönliches Schicksal, sie sind selbst schicksalhafte Ereignisse, sie sind Träger der Handlung. ... Das novellistische Gespräch ist stärker emotional gefärbt als das historische, die Redeweise ist oft vom Affekt bestimmt." 7 3

Mit dem Stil der Reden beschäftigten sich MÜLLER 1980, der gegen die von Jacoby und Deffner vertretene Ansicht in Bezug auf den Satzbau und die rhetorische Gestaltung Unterschiede zwischen den erzählten Partien und den Reden festgestellt hat, und LANG 1984, die die rhetorische Gestaltung, die Argumentationstechnik und die Bauformen der Reden und Gespräche ausfuhrlich, aber nicht systematisch untersucht hat. PELLING 2006 hat die dramatische Funktion der Reden betont und an Beispielen das Verhältnis von Erzählung und Reden und ihre rezeptionssteuernde Funktion untersucht, wobei „only rarely does a speech set out an actor's motives in straightforward way; it is much more typical for speakers not to speak straight at all, but to respond to the pressures of their circumstances with deflection, circumlocution, or simple deceit. Those phenomena too can be deeply expressive, and help an audience to understand how decisions are made in a particular political or thought-world. ... But this process requires a constant and energetic readerly involvement in the text, as we criticise a speaker's claims and arguments and measure them against our own understanding of events." 76

Es fehlt aber weiterhin eine umfassende Monographie, die sich mit der rhetorischen Gestaltung und der historiographischen Funktion der Reden bei Herodot beschäftigt. Ebenso spielten bei allen Vergleichen zwischen Herodot und Thukydides die Reden jeweils eine untergeordnete Rolle. Ein systematischer und 74 75

Hohti 1976b, 142. Heni 1977, 150.

76

Pelling 2006, 116f. Auch er bedauert das Fehlen einer umfassenden Monographie zu den Reden, S. 104: „If all speeches were considered, or even if all relevant aspects of a speech were discussed, this chapter would expand to fill a whole book. Such a book, indeed, is badly needed."

Einleitung

25

umfassender Vergleich ist bisher noch nicht vorgenommen worden. Ein Grund dafür mag sein, daß Herodots Reden lange Zeit nur als Vorstufe der Thukydideischen betrachtet wurden. Daher konnten diese kaum jemanden zu einem systematischen Vergleich mit den Reden seines Nachfolgers verlocken. Jacobys Appell, die Reden bei Herodot mit denen bei Thukydides zu vergleichen, fand daher nur wenig Beachtung. 77 Philologen und Althistoriker haben zwischen den Reden Herodots und Thukydides' auf manche motivische und thematische Ähnlichkeiten (dieselben patterns) hingewiesen. CORNFORD 1907, der beide Expeditionen ausfuhrlich verglichen und auf strukturelle und inhaltliche Gemeinsamkeiten hingewiesen 78

hat, hat wohl ebenfalls als erster motivische Ähnlichkeiten zwischen den Reden des Nikias und Artabanos bzw. des Alkibiades und Xerxes bzw. Mardonios festgestellt. J A C O B Y 1 9 1 3 hat die Reden in den letzten drei Büchern Herodots mit denen des Thukydides verglichen: „Vergleiche bieten sich ungesucht und sind bei näherer Untersuchung instruktiv genug: so zwischen den Szenen in der athenischen Volksversammlung, w o nacheinander bei Herodot 8 , 1 4 0 f f . A l e x a n d r a s und die Spartaner, bei T h u k y d i d e s 1,3Iff. Kerkyraier und Korinther reden; oder zwischen dem Kronrat des Xerxes Hdt. 7,8ff. mit den Verhandlungen in Sparta, Thuk. l,67ff.; oder zwischen der Rede des Xerxes an seine Feldherren vor der Überschreitung des Hellesponts (7,53) und der des Archidamos vor dem Einmarsch in attisches Gebiet (Thuk. 2,11). Ferner sind die Dialoge zwischen A r t a b a n o s - X e r x e s und D e m a r a t o s - X e r x e s zu vergleichen mit den beiden großen Periklesreden (Thuc. 1,140ff. und 2,35ff.); und bis zu einem gewissen Grade - die Diskussion der sieben Perser über die beste Regierungsform (3,80ff.) mit dem Dialog zwischen Athenern und Meliern." 7 9

Zu Herodot 7,101 ff. bemerkt

HEINIMANN

1945:

„Die drei aufeinanderhin komponierten Reden entsprechen in ihrer Funktion den Reden und Redepaaren, die T h u k y d i d e s an Höhepunkten seines W e r k e s zur Beleuchtung der G e s a m t s i t u a t i o n e i n z u l e g e n pflegt. ... A m ehesten mit H e r o d . 7,101 ff. vergleichbar ist der R e d e k a m p f N i k i a s - A l k i b i a d e s (Thuk. 6,9-23)." 8 0 1 9 6 5 hat auf Ähnlichkeiten der Motive, die in den Reden vor den Expeditionen (im Kronrat des Xerxes und in der athenischen Ekklesie vor der Sizilien-Expedition) geäußert werden, hingewiesen. Interessant ist der HUBER

77

Ebenso Hunter 1982, 293, A n m . 105: „ N e e d e d n o w is a w o r k devoted to the speeches in the t w o historians, and the w a y in which T h u c y d i d e s adopted and transformed the techniques of his predecessor."

78

Cornford 1907, 2 0 I f f .

79

Jacoby 1913, 494.

80

H e i n i m a n n 1945, 30, A n m . 30. STAHLENBRECHER 1952, 144ff. hat die Reden 8 , 1 4 0 - 1 4 4 mit Thuk. 1,32^44, HORNBLOWER 1987, 66 dagegen die erste Rede des Perikles l,140ff. mit dem Kronrat bei Herodot (7,8ff.) verglichen.

26

Einleitung

ausfuhrliche Vergleich von MARINATOS 1980 zwischen der Rede des Artabanos und der des Nikias in Bezug auf die Struktur. RAAFLAUB 1987 / 2002 hat auf Parallelen in beiden Erzählungen und in der durch die Reden ausgeführten Motivation der Feldzüge hingewiesen (Kronrat bei Herodot 81 und Volksversammlung in Athen bei Thukydides. 0 ROOD 1999, der beweisen will, daß die Sizilien-Expedition als Umkehrung der Perserkriege 82 · · ** konstruiert wird, hat viele motivische Ähnlichkeiten, aber auch Unterschiede aufgezeigt, wobei auch er mehr auf die Struktur der Erzählung als auf die Reden eingegangen ist. Wie der kurze Überblick über die Forschungsgeschichte zeigt, sind die Reden zwar immer Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchung gewesen. Doch sind sie bisher sehr selten gründlich und systematisch analysiert worden. Zwar haben bereits im 19. Jh. Gelehrte wie Roscher die deutende Funktion der direkten Reden erkannt, ebenso wurde bereits ansatzweise die rhetorische Struktur einzelner Reden untersucht und auch versucht, die Reden der beiden Historiker miteinander zu vergleichen. Doch fehlt ein systematischer und umfassender Vergleich. Wegen der Größe der beiden Textkorpora ist es jedoch nicht möglich, alle Reden bei beiden Historikern miteinander zu vergleichen. Dagegen bieten sich der Xerxesfeldzug bei Herodot und die Sizilienexpedition bei Thukydides an, die beide als Höhepunkte ihres Werks einen gescheiterten Eroberungskrieg behandeln und in denen eine für einen Vergleich genügend große Anzahl direkter Reden vorkommen. Das Ziel der vorliegenden Arbeit besteht darin, an Hand der beiden inhaltlich und formal miteinander vergleichbaren exemplarischen Erzählabschnitte erstens die Gestalt und die Struktur der Reden bei Herodot und Thukydides aufzuzeigen und zweitens die Funktionen zu erläutern, die sie bei der Sinnstiftung und Kommentierung im jeweiligen Werk erfüllen. Dieser Vergleich soll auch motivische und thematische Gemeinsamkeiten

81

82

R a a f l a u b 1987, 229: Es m u ß t e dem Leser oder Hörer auffallen, daß „the Persian leaders were facing decisions and dealing with attitudes that in very essential w a y s were similar to those o f their own time. 1 consider it likely therefore that the historian wanted his audience to continue to think of the present while they were hearing o f the past, from the confident beginnings of X e r x e s ' campaign to its miserable failure." Dasselbe gilt f ü r HARRISON 2 0 0 0 b , der a u f Ä h n l i c h k e i t e n in der Erzählung der Schlachten hinweist.

Einleitung

27

und signifikante Unterschiede beim Gebrauch der direkten Reden herausarbeiten. Im ersten Teil soll zunächst in einem kurzen Überblick gezeigt werden, welche Funktion der Geschichtsschreibung in Aristoteles' Poetik zuteil wird. In einem zweiten Schritt wird die Narratologie als Instrument der Interpretation narrativer Texte im allgemeinen und der Reden in der Ilias im speziellen kurz vorgestellt. Schließlich wird die aus dem Bereich der Literaturwissenschaft stammende Methode im Hinblick auf die Untersuchung geschichtlicher Sachtexte verfeinert und modifiziert. Der zweite Hauptteil ist dem Geschichtswerk Herodots gewidmet. Das Phänomen der Reden bei Herodot ist bisher noch nicht als Ganzes behandelt worden. Man ist auf Untersuchungen zu einzelnen Reden angewiesen. Nach allgemeinen Bemerkungen über die Weltanschauung und die Reden folgen Paraphrase, stilistische Analyse, Interpretation und Funktionsbestimmung der Reden in den Büchern des Xerxesfeldzuges (7-9). Der dritte Hauptteil behandelt die Reden bei Thukydides. Zwar sind die meisten Reden in zahlreichen Werken ausführlich behandelt worden. Gleichwohl fehlt auch hier eine einschlägige Monographie. Ebenso ist es bisher kaum gelungen, die aus der Analyse des Redensatzes (1,22,1) gewonnenen Erkenntnisse mit den im Werke vorhandenen Reden in Einklang zu bringen. Analog zu den Kapiteln im Herodot-Teil folgt auch in diesem Abschnitt der Arbeit auf allgemeine Bemerkungen eine Analyse und Interpretation der Reden in den Büchern der Sizilischen Expedition (6-7). Im vierten Hauptteil sollen auf der Grundlage der aus der Analyse der Reden im zweiten und dritten Hauptteil gewonnenen Ergebnisse die Reden bei Herodot und Thukydides systematisch miteinander verglichen werden. Der letzte Teil dieser Arbeit ist dem Vergleich einerseits mit Polybios, der in seinem Werk über die Darstellung und Funktion der Reden reflektiert und selbst dieses Mittel verwendet hat - sozusagen als Gegenprobe - , anderseits mit der eingangs kurz erwähnten modernen Geschichtsschreibung und -philosophie gewidmet.

I. Einfuhrung in die Thematik der Reden in Geschichtswerken 1.1. Dichtung und Geschichtsschreibung in der Poetik des Aristoteles Aristoteles 1 definiert am A n f a n g der Poetik die Gattungen der ττοίησις als μ ί μ η σ ι ς (Nachahmung bzw. Abbildung), und zwar „nicht von Menschen, sondern von H a n d l u n g e n und von Lebenswirklichkeit." W ä h r e n d für Piaton im zehnten Buch der Politeia (595a ff.) die künstlerische Mimesis eine tertiäre Wirklichkeit abbildet, schafft Aristoteles, der sich von der Ideenlehre und der ontologischen Basis seines Lehrers trennt, mit diesem Begriff, der die Wirklichkeit nicht photographisch abbildet, sondern simplifiziert und speziellen Regeln unterwirft, einen autonomen Raum für die Kunst. Seine Mimesis-Lehre begründet er 1448 b 4ff. mit anthropologischempirischen Kategorien: Das μιμεΐσθαι ist dem Menschen nicht nur von Natur angeboren (σύμφυτον), sondern bereitet ihm auch Freude (χαίρειν), weil er aus den Objekten der Mimesis ohne Gefahr lernen (μανθάναν) und (aus dieser Fremderfahrung) Nutzen ziehen kann. 3 Die in der Dichtung abgebildete Realität ist, da es sich um Kunst handelt, eine vom Dichter veränderte, simplifizierte und idealisierte Wirklich-

1

2

3

Es ist unklar, ob Aristoteles selbst der Verfasser der Schrift ist oder ob es sich um die von einem seiner Schüler zusammengestellten und herausgegebenen Vorlesungsnotizen handelt. Die Poetik ist keine für ein weiteres Publikum konzipierte (exoterische) Schrift, sondern wahrscheinlich ein für den Schulbetrieb geschriebenes ύπόμνημα, vgl. dazu Fuhrmann 1992, 3 ff. 1450 a 16 μίμησίς έστιν ούκ ανθρώπων άλλά πράξεων καΐ βίου: Dabei ist der Begriff μίμησίς (und μιμεΐσθοα) zweideutig: Einerseits bedeutet er wahrnehmbare Abbildung' und ,materielle Reproduktion' (Hdt. 3,37,2 und Xen. Mem. 3,10,1-3), andererseits ,Nachahmen durch Handeln' (Thuk. 2,37,1 und Aristoph. Ran. 109). Bei Piaton ist der Begriff zwar ambivalent, bedeutet aber im zehnten Buch der Politeia immer ,Nachbildung', nicht künstlerische Nachahmung'. Bei Aristoteles dagegen sind beide Komponenten vorhanden. Halliwell 2001, 88ff. weist auf den kognitiven Wert des durch μίμησίς ausgelösten Prozesses des μανθάνειν hin.

Dichtung und Geschichtsschreibung in der Poetik

29

keit, die aber, um verständlich zu sein, mit der Lebenswirklichkeit kommensurabel sein muß. Als wirkungs- bzw. rezeptionsästhetisches τ έ λ ο ς der Tragödie nennt Aristoteles später die tragödienspezifische Lust (1453 b 11 und 1459 a 21 ή άπό τραγωδίας οικεία ήδονή), die „im Erlebnis eines eigenartigen ,Gereinigtwerdens' (kätharsis, κάθαρσις) von zuvor in tief erschütternder Wucht empfundenen Affekten, an deren Spitze die besonders stark aufwühlenden G r u n d - A f f e k t e ... ,Mit-Leiden' und ... ,In-Entsetzen-Versetztwerden' (έλεος και φόβος)" stehen, und „nach Überwindung der affektbedingten ,Sichttrübung' eine als lustvoll empfundene höhere Stufe rationaler Problemreflexion" ermöglicht. 4 Entscheidend für die Wirkung der Tragödie ist die Handlungsstruktur, die organische Sinneinheit der ,fabula' (1450 a l 5 ή των πραγμάτων σύστασις bzw. 1450 a 38 ό μϋθος), ohne die keine gute Tragödie entstehen kann und im Vergleich zu der andere Aspekte wie die Charaktere, deren Denken, die sprachliche Eleganz, Lieder und Requisiten in den Hintergrund treten. Dabei sind Einheit (εν) und Ganzheit (όλον) die Kennzeichen des guten μΰθος, wobei sich die Handlungen nach Notwendigkeit oder Wahrscheinlichkeit entwickeln sollen. Der μϋθος ist so aufgebaut, daß die einzelnen Handlungen gegenseitig in einem kausalen Verhältnis, das rational verständlich und nachvollziehbar sein muß, stehen. Das neunte Kapitel (1451 a 36 - 52 a 11), das diese Überlegungen fortsetzt und vertieft, beleuchtet das Verhältnis der Dichtung zur Wirklichkeit, wobei die Geschichtsschreibung lediglich als Kontrastfolie dient und nicht als selbständiges Thema entwickelt wird. Der oft erhobene Vorwurf der Unvollständigkeit und Einseitigkeit verkennt daher Aristoteles' Argumentationsziel. 5

4

Latacz 1993, 66. Ebenso Gomme 1954, 52 und Flashar 1983, 559. Zu έλεος und φόβος vgl. Lesky 1971, 641 und Fuhrmann 1992, 92 ff. bzw. 1994, 161 ff.; zum aus der Medizin stammenden Begriff der κάθαρσις vgl. H. Flashar: Die medizinischen Grundlagen der Lehre von der Wirkung der Dichtung. In: Η 84 (1956), 12—48 und Fuhrmann 1992, 101 ff. Aristoteles, für den es sich um eine harmlose Freude handelt (Politik VIII 7, 1341 b 19 - 1342 a 18), widerspricht damit seinem Lehrer Piaton, der von der Schädlichkeit der Affekte für die Zuschauer / Hörer überzeugt war.

5

Erbse 1977, 128: „Dieser Vergleich mit der Historiographie beansprucht schwerlich selbständigen Wert, sondern er dient nur der Vertiefung des in den Kapiteln 7 - 8 entwickelten Gedankens" und S. 129: „Aristoteles gibt also nicht Urteile über alle ihm bekannten Arten der Historiographie ab, sondern er wählt solche Arten

30

Einführung in die Thematik der Reden

Zunächst (1451 a 36-1451 b 4) stellt Aristoteles fest, daß Dichter und Historiker verschiedene Aufgabenbereiche (έργον) haben. Der Dichter stellt Ereignisse von der Beschaffenheit dar, wie sie geschehen könnten (οία αν γένοιτο), 6 wobei es möglich ist (δυνατά), daß sie gemäß der Wahrscheinlichkeit (κατά τό εικός) oder der Notwendigkeit (κατά τό άναγκαιον) geschehen. Der Historiker (ό ιστορικός) m u ß dagegen das faktisch Geschehene (τά γενόμενα) wiedergeben. Das Kriterium der Differenzierung liegt also nicht auf der formalen Ebene: Geschichte ist nicht dadurch definiert, daß ihr Genos meist in Prosa steht (Herodot in Versen wäre trotzdem Geschichtsschreibung), sondern durch ihr Verhältnis zur Realität. Sein Werturteil (1451b 5f.): φιλοσοφώτερον και σπουδαιότεροι ποίησις ιστορίας, „Dichtung ist philosophischer und ernsthafter als die Geschichtsschreibung", begründet er 1451b 6 - 1 5 : Die Dichtung beschäftigt sich mehr (μάλλον) 9 mit dem Allgemein(gültigen) (τά καθόλου), die aus, die seinem Anliegen dienen, d.h. die geeignet sind, die Pflichten des Dramatikers oder die des Epikers zu verdeutlichen." 6

Die Übersetzung von οία αν γ έ ν ο ι τ ο ist umstritten. Doch ist zu bemerken, daß ο ί α nicht dasselbe wie α / ώ ς bedeutet, sondern eine Qualität der γ ε ν ό μ ε ν α ausdrückt, vgl. Horn 1988, 119.

7

V. Fritz 1962, 437: „Der Dichter ist bei dem, was er seine Personen sagen und tun läßt, fest gebunden an das, was ihrem Charakter entspricht, was innerhalb dieses möglich, wahrscheinlich, oder der gegebenen Situation nach notwendig ist. ... Der Historiker ist in dem, w a s er die Akteure in der von ihm erzählten Geschichte tun und ... widerfahren läßt, unbedingt an das wirklich Geschehene gebunden."

8

Zu den Begriffen im Kontext des Aristotelischen Werks vgl. Sainte Croix 1975 und Zoepfeil 1975, 17-24. Die ganze Argumentation ist Aristoteles' Entgegnung auf Piatons Kritik in der Politeia 607 b, w o dieser von einer διαφορά φιλοσοφία τ ε και π ο ι η τ ι κ η spricht. Für Aristoteles hat die Dichtung, im speziellen die Tragödie, eine „komplementäre Funktion zur praktischen Philosophie" (Flashar 1983, 363). Er will zeigen, daß „poetry, unlike history but like philosophy, is concerned with τ ά καθόλου" (Baldry 1957, 43).

9

Ob μάλλον zu beiden Kola τ ά καθόλου und τ ά καθ' ε κ α σ τ ο ν gehört, ist umstritten. A u f beide beziehen möchte es v. Fritz 1956, 116 ff. und 1962, 449f., der bei der Harmonisierung sogar so weit geht, Thukydides' Leistungen mit den Aussagen des Aristoteles in Einklang zu bringen. Ebenso Gribble 1999, 164. Zwischen der Tragödie und der Historiographie bestünde dann kein absoluter, sondern nur ein relativer Gegensatz: μάλλον würde eine Nuance, nicht einen kategorialen Gegensatz ausdrücken. Es ist zwar richtig, daß Aristoteles nicht unbedingt μ ά λ λ ο ν zu wiederholen braucht, weil dies etwas unbeholfen klänge. Aber gegen diese Hypothese spricht, daß Aristoteles bei der näheren Bestimmung von καθόλου und καθ' ε κ α σ τ ο ν scharf zwischen τ ω π ο ί ω τ ά π ο ί α ά τ τ α σ υ μ β α ί ν ε ι κτλ. und τ ί ' Α λ κ ι β ι ά δ η ς κτλ. unterscheidet, ohne diese Definition mit μάλλον zu relativieren.

Dichtung und Geschichtsschreibung in der Poetik

31

Geschichte mit dem Partikularen (τά καθ' εκαστον). Dabei versteht Aristoteles unter τά καθόλου, „was fur Dinge eine Person mit bestimmtem Charakter sagen oder tun kann" (τω ποιω τά ποια άττα συμβαίνει λέγειν ή π ρ ά τ τ ε ι ) gemäß der Wahrscheinlichkeit (κατά τό εικός) oder der Notwendigkeit (κατά τό άναγκαΐον). Dichtung ist nicht die Abbildung des Partikularen an sich, sondern gestaltet einmalig Geschehenes so, daß es möglich, allgeme/«gültig und in infolgedessen auch allgemeinverständlich erscheint. 10 Der Dichter steht daher der Philosophie näher, weil er modellhafte Handlungen in den Mythen und in der Geschichte sucht und diesen logische und nach rationalen Kriterien allgemein verständliche Strukturen (Plot, μϋθος) gibt. Die Tragödie muß dabei, um ihr rezeptionsästhetisches Ziel (τέλος), die tragödienspezifische Lust mit ihrer kathartischen Wirkung, zu erreichen, eine exemplarische Handlung - den durch eine αμαρτία (Fehlgriff) des ,Helden' verursachten Umschlag vom Glück ins Unglück oder vice versa" darstellen, die, soweit möglich, nicht das Abbild einer chaotischen, von uns nur sinnlich wahrnehmbaren Lebenswirklichkeit ist, sondern zu einer idealen und paradigmatischen Wirklichkeit, in der Wahrscheinlichkeit und 12 Notwendigkeit walten, hinneigt und in ihrer geläuterten und idealisierten

Besser ist m. Ε., μ ά λ λ ο ν nur auf καθόλου zu beziehen. Es relativiert die Poesie nicht im Hinblick auf die Geschichtsschreibung, sondern im Hinblick auf die Philosophie, die sich vor allem mit dem καθόλου beschäftigt. Da Aristoteles die von Piaton kritisierte Dichtung rehabilitieren will, nennt er sie φ ι λ σ ο φ ώ τ ε ρ ο ν . Vgl. dazu Zoepffel 1975, 15, Horn 1988, 123 ff. und Halliwell 2001, 97. 10

Baldry 1957, 42: „But the poet differs from the philosopher in that he expresses the universal not in universal terms, but through the individual and particular." Flashar 1983, 363: Die Mimesis-Theorie setzt voraus, „daß die Wirklichkeit des Lebens als eine vom Handeln erfüllte Wirklichkeit gefaßt wird, deren zunächst diffuse Partikularität durch die formende Reduktion in der Mimesis ... auf eine sinnvolle Ordnung ... und einen wahrscheinlichen, wenn auch nicht geschichtlich verbürgten Zus a m m e n h a n g verwandelt wird. Der Dichtung ... k o m m t so die Funktion zu, in einem allgemeinen Sinne menschliche Möglichkeiten (auch in den Grenzsituationen des Scheiterns) sichtbar zu machen und ... Sinnfigur für menschliches Handeln zu sein."

11

W e i t e r e k o n s t i t u t i v e E l e m e n t e sind δ ε ' σ ι ς und λ υ ' σ ι ς , π ε ρ ι π έ τ ε ι α und ά ν α γ ν ώ ρ ι σ ι ς , die in dieser simplifizierten Wirklichkeit dazu dienen, die Wirkung der Tragödie zu vergrößern.

12

Vgl. Else 1957, 305: „Poetic ... can offer us .. a view of the typology of human nature, freed from the accidents that encumber our vision of the real life." Dabei ist es offensichtlich, daß sich diese Aussage nur auf die fabula des Stücks und nicht auf den Mythos als G a n z e s bezieht. (So läuft etwa die Geschichte des Ödipus überhaupt nicht κατά τ ό ε ι κ ό ς ή τ ό ά ν α γ κ α ΐ ο ν ab, vgl. v. Fritz 1962, 439.)

32

Einführung in die Thematik der Reden

Kausalkette irrationale, nicht menschlich bedingte Faktoren wie göttliche Eingriffe und den Zufall, obzwar in der Wirklichkeit gewiß kein unbedeu13

tender Faktor, weitestgehend zurückdrängt. Wie die Tragödie hat auch das Epos eine ganze und einheitliche Haupthandlung (πράξις) mit einer Hauptfigur und ist übersichtlich (1459 a33 ευσύνοπτος); die Verknüpfung der Ereignisse ist im Gegensatz zu episodischen Geschichten (1451 b 3 4 - 5 2 a 10), in denen die Ereignisse chronologisch (μετ' άλληλα) sukzessiv (εφεξής) aufeinanderfolgen, logisch. Doch modifiziert 1460a 26f. Aristoteles diese strenge Definition im Hinblick auf den Rezipienten, dessen Erwartungen an die Stelle streng rationaler Kategorien treten, εικός und άναγκαΐον werden vom umfassenderen, aus der Rhetorik stammenden Begriff der Plausibilität (πιθανόν) als Relevanzkriterium abgelöst. 14 Dies kann im Extremfall dazu fuhren, daß man προαιρεΐσθαι τε δεί αδύνατα εικότα μάλλον ή δυνατά άπίθανα, „das Unmögliche, das wahrscheinlich ist, ... man dem Möglichen, das unplausibel ist, vorziehen" muß. Historisches Geschehen besitzt deswegen, weil es tatsächlich geschehen ist, zwar einen hohen Grad an Plausibilität. 15 Gleichwohl muß aber der Dichter bei der Behandlung historischer Stoffe aus der Vielzahl des Faktischen das Partikulare eliminieren, das in ihnen enthaltene allgemeinmenschlich Bedeutsame herausarbeiten, 16 und ihnen, soweit es möglich ist, eine in sich geschlossene und plausible Handlungsstruktur verleihen. 13

14

15

16

Kann zufalliges Geschehen nicht vermieden werden, sollte es wenigstens fur den Rezipienten den A n s c h e i n haben, daß es absichtlich g e s c h e h e n ( ε π ί τ η δ ε ς γ ε γ ο ν έ ν α ι ) sei. Als Beispiel erwähnt er die Geschichte der Mitys-Statue, die den Mörder des Mitys, als er die Statue betrachtete, tötete, indem sie auf ihn stürzte. Für den aufgeklärten Aristoteles ist dieses Ereignis zufällig geschehen, doch für den Rezipienten, in dessen kulturellem Kodex göttliches Walten plausibel ist, erscheint dies als Ausdruck einer höheren ,göttlichen' Gerechtigkeit. In der Regel fallen aber die Kategorien von π ι θ α ν ό ν und ε ι κ ό ς z u s a m m e n ; π ι θ α ν ό ν ist weiter gefaßt und enthält nicht nur die Kategorie des ε ι κ ό ς , sondern auch des ά ν α γ κ α ΐ ο ν . Fuhrmann 1992, 33: Das π ι θ α ν ό ν (Evidenz) ist „das subjektive Korrelat zur objektiven Möglichkeit, während das Wahrscheinliche j e nach Kontext bald mehr zur einen, bald mehr zur andern Seite hin tendiert." Wirklichkeit impliziert Möglichkeit, weil „das δ υ ν α τ ό ν über die Qualität des π ι θ α ν ό ν verfugt" (Horn 1988, 127). Daher wählt der Tragödiendichter N a m e n von Personen, die wirklich gelebt haben (των γ ε ν ο μ έ ν ω ν ονομάτων), aus. 1451b 2 9 - 3 2 : καν άρα συμβή γ ε ν ό μ ε ν α π ο ι ε ΐ ν , ούθέν ή τ τ ο ν π ο ι η τ ή ς ε σ τ ί ν τ ω ν γ ά ρ γ ε ν ο μ έ ν ω ν ε ν ι α ο ύ δ ε ν κωλύει τ ο ι α ύ τ α ε ί ν α ι ο ι α α ν ε ι κ ό ς γ ε ν έ σ θ α ι [καΐ δ υ ν α τ ά γ ε ν έ σ θ α ι ] , καθ' ο έ κ ε ι ν ο ς α ύ τ ώ ν π ο ι η τ ή ς έ σ τ ι ν . „Er ist also, auch wenn er wirklich Geschehenes dichterisch behandelt, um nichts weniger Dichter. Denn nichts hindert, daß von dem wirklich Geschehenen manches

Dichtung und Geschichtsschreibung in der Poetik

33

Die ιστορία befaßt sich dagegen wie die empirischen Wissenschaften mit dem Sammeln und Ordnen partikularer Fakten (γενόμενα). Dabei wird 1459a 2 2 - 2 4 ανάγκη χρόνου,

όσα

έν

έτυχεν έχει πρός

ουχί

τοΰτω

μιας

συνέβη

πράξεως περί

ενα

ποιείσθαι ή

δ ή λ ω σ ι ν , άλλ'

πλείους,

ών

εκαστον

ενός ώς

άλληλα,

„notwendigerweise nicht eine einzige Handlung, sondern ein bestimmter Zeitabschnitt dargestellt, d.h. alle Ereignisse, die sich in dieser Zeit mit einer oder mehreren Personen zugetragen haben und die zueinander in einem rein zufälligen Verhältnis stehen." 1 7

Im Gegensatz zur geschlossenen und einheitlichen Handlung (δλη και μία πράξις) des Epos und noch viel mehr der Tragödie, die den Umschwung des Ausgangszustandes auf den Zeitraum eines Tages komprimiert, orientiert sie sich am Partikularen (τα καθ' έκαστο ν) und drückt „alles das, was die (historische Person) Alkibiades als Individuum getan oder erlitten hat" (τι 'Αλκιβιάδης έπραξεν ή τί επαθεν), aus. 18 Ihre Einheit ist nicht organisch, sondern wird durch eine Epoche oder eine Biographie gebildet, die eine Vielzahl von menschlichen Handlungen (πράξεις), die in keinem kausalen Verhältnis zueinander stehen und stark von der Kontingenz beeinflußt sind, enthält. Dem Historiker bleibt die Möglichkeit, die von ihm dargestellte historische Wirklichkeit auf einfachere, ,ideale' Grund-

so beschaffen ist, daß es nach der Wahrscheinlichkeit geschehen könnte, und im Hinblick auf diese Beschaffenheit ist er Dichter derartiger Geschehnisse." Kyrkos 1971,32: „Der Allgemeinheitsanspruch der Dichtung hängt damit zusammen, daß sie Mögliches bzw. Ideales (= οία αν γ έ ν ο ι τ ο ) darstellt; wenn sie aber Faktisches ( γ ε ν ό μ ε ν α ) darstellt, verwandelt sie es in einen anderen , S t o f f , d.h. sie erhebt es auf die Ebene des Allgemeingültigen." 17

Zur Bedeutung von ι σ τ ο ρ ί α im Werk des Aristoteles vgl. Zoepffel 1975 passim. Die Historiker liefern „in erster Linie Fakten, die sich nicht nur auf menschliches Handeln beschränken müssen, die sie aber vermittels Historia ermittelt haben, und in dieser Faktenvermittlung liegt ihr Wert. Ihre Aitiologien bleiben im Bereich ihres jeweiligen einzelnen Gegenstandes, für den sie die causa efficiens aufsuchen, und wenn sie auch versuchen, Z u s a m m e n h ä n g e aufzudecken, so stellen sie doch, von Gnomen abgesehen, keine allgemeinen Sätze im Sinne des Aristoteles auf, d.h. sie begründen das menschliche Handeln nicht deduktiv aus einem obersten Prinzip." (S. 37f.).

18

Das Alkibiades-Beispiel ist insofern interessant, als T h u k y d i d e s eine wichtige historische Quelle für diese Figur ist. Aber anders als Herodot wird Thukydides von Aristoteles nie namentlich erwähnt, vgl. Lucas 1968, 119. Aristoteles erwähnt Alkibiades, weil dieser im 4. Jh. das Modell der biographischen Historiographie war, Hornblower 1987, 146: „Histories were written round the personality of individuals, and Alcibiades' career, his ,doings and sufferings', were singled out by Aristotle as the paradigmatic subject-matter of history."

34

Einführung in die Thematik der Reden

strukturen zu reduzieren und durch die Kategorien des εικός, άναγκαΐον und πιθανόν auf die Ebene des Allgemeingültigen und - verständlichen zu heben, somit versagt. Die Dichtung ist gemäß dieser Definition der Geschichtsschreibung insofern überlegen, als sie allgemeingültige Stoffe und Themen behandelt und an die Stelle der ungeordneten und kontingenten Dynamik der realen Welt eine paradigmatische Scheinwelt schafft, in der kontingente Faktoren, so weit es möglich ist, ausgeschaltet werden, die Ereignisse κατά τό εικός ή τό άναγκαΐον ablaufen und fur den Rezipienten πιθανόν sind. Diese, obschon skizzenhafte, Unterscheidung zwischen beiden Genera ist nicht nur für den Historiker unbefriedigend, sondern steht auch im Widerspruch zu den großen Geschichtswerken des 5. Jh., denen diese Reduktion der Geschichtsschreibung bestenfalls auf das Wesen von Annalen und Chroniken keinesfalls gerecht wird. 1 9 Vielmehr darf schon bei der ersten Betrachtung der Werke von Herodot und Thukydides postuliert und als Arbeitshypothese die Behauptung aufgestellt werden, daß die beiden ersten Historiker in einem gewissen Sinne auch Dichter gewesen sind und trotz aller kontingenten Faktoren, die der partikularen historischen Situation anhaften, aus der chaotischen Masse der einzelnen Ereignisse (τα γενόμενα) das historisch Bedeutsame und 19

Fuhrmann 1992, 113 faßt die Kritik zusammen: „Dieses Räsonnement übersieht, daß auch die Geschichtsschreibung vom Individuellen und Einmaligen zum Typischen und Repräsentativen fortschreiten kann und soll; es übersieht die Leistung eines Thukydides." Es bleibt die Frage, ob Aristoteles dem Historiker mehr als nur das Sammeln von Fakten zutraut. In der Rhetorik 1,4 liefert die Geschichte das Material, aus dem der politische Denker seine Erkenntnisse gewinnt: Der Redner der symbuleutischen Rede muß, wenn es um Krieg und Frieden geht, um gut zu beraten, auch die vorliegende Situation mit anderen vergleichen können, denn 1360 a 5 α π ό γ ά ρ των ομοίων τ ά δμοια γ ί ν ε σ θ α ι πέφυκεν. („Denn in der Regel erwachsen aus gleichen Ursachen auch gleiche Folgen", übers. Sievke 1995). Auch sonst sind geschichtliche Kenntnisse für den Redner von Nutzen: 1360 a 3 4 - 3 7 : χ ρ ή σ ι μ ο ι ... π ρ ο ς δε τ ά ς π ο λ ι τ ι κ ά ς σ υ μ β ο υ λ ά ς αί τ ω ν περί τ ά ς π ρ ά ξ ε ι ς γ ρ α φ ό ν τ ω ν ί σ τ ο ρ ί α ι · α π α ν τ α δέ τ α ϋ τ α π ο λ ι τ ι κ ή ς αλλ' οΰ ρητορικής έ ρ γ ο ν ε σ τ ί ν , („von Nutzen sind ... in Hinblick aber auf die Beratungen über staatliche Verhältnisse die geschichtlichen Darstellungen der Schriftsteller, die über vergangene Taten berichten: Das alles ist jedoch Gegenstand der Politik und nicht der Rhetorik"). Erbse 1977, 128 meint, daß „Aristoteles die Möglichkeit, Tatsachenberichte für die Politik zu nutzen und (wie Thukydides empfahl) das Typische im Individuellen aufzusuchen, kennt und an anderer Stelle erwähnt. Aristoteles teilt also der Politik Aufgaben zu, welche andere dem Historiker zuweisen."

Dichtung und Geschichtsschreibung in der Poetik

35

Paradeigmatische ausgewählt, kausal sinnvoll geordnet, das über die Singularität der Situation hinausgehende Allgemeine hervorgehoben und 20

für den Rezipienten intelligibel gemacht haben. Dabei stellt sich die Frage, wie weit diese künstlerische Freiheit gehen kann, ohne mit dem der Historie eigentümlichen Anspruch auf Wahrheit und Faktentreue (αλήθεια) zu kollidieren. Der Historiker darf zwar keine Ereignisse erfinden oder für den Sinnzusammenhang relevante Fakten verschweigen; indessen darf er bei der Selektion und Darstellung der von ihm gefundenen Ereignisse wie der Dichter künstlerische Mittel und Deutungsmuster einsetzen, um seiner Erzählung Geschlossenheit zu geben und für den Rezipienten einsichtig zu machen. Der Historiker kann die Kohärenz und Allgemeingültigkeit der Erzählung in geringerem Maße als der Dichter durch die Plotstruktur der Ereignisse herstellen; vielmehr verleihen in die Erzählung hinein verwobene sinnstiftende Kategorien, sogenannte p a t t e r n s ' , logische Einheit und erlauben es ihr, am Allgemeingültigen (καθόλου) teilzuhaben. Neben auktorialen Passagen findet man diese vor allem in den Reden, 21 die als Ruhepunkte der Sinnstiftung der historischen Erzählung dienen. Aus diesem Grund soll, von der Hypothese ausgehend, daß der antike Historiker in einer gewissen Weise auch Dichter war, in einem zweiten Schritt die Funktion der Reden in einem literarischen Text mit Hilfe der Narratologie erläutert werden.

20

Norden 1909, 91 stellt für die antike Historiographie fest: „Insofern der ι σ τ ο ρ ι κ ό ς mit Hilfe seiner Phantasie die Lücken der Tradition ausfüllt, ist er auch ein ποιητής."

21

V. Fritz 1962, 450: „Das κ α θ ό λ ο υ im Sinne des ά ν θ ρ ώ π ι ν ο ν ... des allgemein Menschlichen, wie auch vor allem des allgemein menschlich Bedeutsamen ist auch im wirklichen historischen Geschehen enthalten. Der Historiker muß es durch die Auswahl der Fakten, die er aus der unendlichen Fülle des wirklich Geschehenen trifft, herausholen. Das ist die Kunst des Historikers im Gegensatz zu seiner Wissenschaft. Aber obwohl er in diesem Sinne ein Künstler sein muß, so ist er doch infolge seiner absoluten Bindung an die γ ε ν ό μ ε ν α kein π ο ι η τ ή ς (oder doch nur der antike Historiker in Beziehung auf die Reden, die wirklich von ihm bis zu einem gewissen Grade erdichtet werden) ..." Ebenso Kyrkos 1971, 324f.: „In Wirklichkeit haben Dichtung und Geschichte dies gemeinsam, daß sie, wenn sie ihr eigentliches W e s e n erfüllen wollen, ein A l l g e m e i n e s nicht allgemein und in abstrakter Form, sondern durch die Darstellung eines Einmaligen zum Ausdruck bringen. Der Unterschied besteht nun darin, daß die einzelnen Taten und Handlungen, von denen die Historie berichtet, als solche dargestellt werden, während die Begebenheiten in der Dichtung von A n f a n g an als allgemeingültig, d.h. als Beispiele allgemeiner menschlicher Möglichkeiten gestaltet werden."

Einführung in die Thematik der Reden

36

1.2. Die Interpretation von Texten und das narratologische Modell in der Erzählung Während sich der historisch-kritische, semiotisch-strukturalistische, psychoanalytische und hermeneutische Ansatz vor allem mit der produktionsästhetischen intentio auctoris („cio che l'autore voleva dire") und der werkästhetischen intentio operis („ciö che il testo dice in riferimento alla propria coerenza contestuale e alla situazione dei sistemi di significazione a cui si rifa") befassen, ist die rezeptionsästhetische intentio lectoris („ciö che il destinatario vi trova in riferimento ai propri sistemi di significazione 22

e/o in riferimento ai propri desideri, pulsioni, arbitrii") der Ausgangspunkt für allegorische und dekonstruktionistische Literaturtheorien, die davon ausgehen, daß der Text erst durch die Interpretation des Rezipienten einen Sinn bekommen kann. Jedoch von der Auffassung ausgehend, daß „c'e un senso dei testi, oppure ce ne sono molti, ma non si puö dire che non ce ne sia nessuno, ο che tutti sono egualmente buoni" und „spesso i testi dicono piü di quello che i loro autori intendevano dire, ma 23 meno di quello che molti lettori incontinenti vorrebbero che dicessero" , besteht bei der Rekonstruktion der intentio auctoris bzw. operis zunächst die Aufgabe des Literaturwissenschaftlers darin, den historischen Kontext und soziokulturellen Rahmen eines Textes, seines Autors und seiner Rezipienten, sofern dies möglich ist, durch Zuhilfenahme von extratextuellem Material und unter weitestgehender Vermeidung von Anachronismen zu rekonstruieren. Dazu gehören die Biographie des Autors, das soziale Milieu und die grundlegenden sozialen und ideologischen vom jeweiligen kulturellen Umfeld abhängigen und sowohl vom Autor als auch von seinen Rezipienten geteilten Konventionen und Anschauungen der Epoche, deren Kenntnis

22

Eco 1990,22.

23

Eco 1990, 55 und 107. McCullagh 1991, 303f. kritisiert dekonstruktionistische Ansätze: „The fact that many texts can be understood without knowledge of the circumstances of their composition does not mean that the words they use have no association with the world. ... Derrida's theory fails to explain how w e use language to communicate as clearly and precisely as w e do. It simply ignores the conventions by which we decide which, among the various possible meanings words can have, w e should understand them to have in the case of a given text or utterance." Er schlägt dagegen S. 322f. vor: „To understand an author's intention one must find an interpretation of the text which fits well with what is known of the author's beliefs, values, and concerns. ... If the interpretation accords with the rules of the language of the text, and sometimes with the context of its creation, and with the author's intention, then it is the correct interpretation of the text."

Interpretation von Texten und das narratologische Modell

37

den für die erfolgreiche Kommunikation zwischen Autor und Rezipienten notwendigen ,Code' zu entschlüsseln hilft. 24 Auf der zweiten Ebene kommen Verfahren zur Analyse des Textes, d.h. seiner Struktur und sprachlichen Gestalt, zum Zuge und müssen mit den aus der Analyse des Kontextes gewonnenen Erkenntnissen verbunden werden, zumal es ohne Kontextwissen unmöglich ist, die vom Autor intendierte Bedeutung eines Textes zu rekonstruieren. Narratologische Modelle sind bei der Untersuchung der Struktur von 25

Romanen und in neuester Zeit auch bei der Analyse antiker Texte mit Erfolg eingesetzt worden, zumal die Grundlagen dazu in nuce schon bei Piaton und Aristoteles vorhanden sind. 26 Die Narratologie, die Gemeinsamkeiten mit Modellen der Kommunikationswissenschaften aufweist, will ein objektives Instrument sein, um einerseits das Verhältnis zwischen Erzählzeit und erzählter Zeit festzustellen, andererseits den Standpunkt des Erzählers (point of view, Fokalisation), d.h. das Verhältnis 27 zwischen dem Wahrnehmenden und dem Wahrgenommenen, zu erforschen. Zunächst wird der materielle Autor, der Schriftsteller oder Dichter als historische Person, vom ,impliziten' Autor (,implied author') unterschieden. Dieser besitzt als alter ego des materiellen Autors zwar keine extraliterarische Existenz, steuert aber die Rezeption des Lesers unmißverständlich und trägt die Verantwortung für die Aussage des gesamten Textes. Sein Adressat ist der ideale oder , implizite' Leser. Grundlegend ist bei Bai und De Jong die Dreiteilung des Textes in ,text\ ,story' und Jabula\ wobei ,story' und ,fabula' keine eigenen Entitäten, die wie der Text realiter bestehen, sondern aus diesem extrapolierte, abstrakte Größen sind. 28 24

Prince 1982, 106f.: „Comprehension depends ... on the cultural code ... framing the tale, the code in terms of which the actions, events, and situations related by a set of sentences mean something in a certain cultural context."

25

Vgl. dazu z.B. de Jong 1987, 1991 und 1999.

26

Bereits in Piatons Politeia 392 d und in Aristoteles' Poetik 1448 a 2 0 - 2 4 wird auf den Unterschied zwischen dihegetischer (άπλη δ ί η γ ή σ ε ι , ά π α γ γ έ λ λ ο ν τ α ) und m i m e t i s c h e r Erzählweise (δίά μ ι μ ή σ ε ω ς γ ί γ ν ο μ ε ν η , ώ ς π ρ ά τ τ ο ν τ α ς και έ ν ε ρ γ ο ΰ ν τ α ς ) hingewiesen, also bereits in nuce das Problem der Fokalisation angedeutet. G r u n d l e g e n d e A b h a n d l u n g e n sind L ä m m e r t 1955, Lintvelt 1981, Prince 1982, Genette 1972 und 1998, Adam 1985, Stanzel 1995 und Bai 1997.

27 28

De Jong 1987, 31: „That what the hearer/reader hears/reads is a text (first layer). The text, consisting of a finite, structured whole of language signs, is the result of the narrating activity (narration) of a narrator. That which the narrator tells, the

38

Einführung in die Thematik der Reden

Der Text wird von einem ,Narrator' erzählt, der als Erzähl-Agens vom impliziten Autor des Werkes ebenso wie die Figuren der Erzählung geschaffen wird. In der Regel ist der implizite Autor mit dem primären 29 Narrator identisch. Der Rezipient des Textes ist der ,Narratee', der nicht a priori dem materiellen Leser bzw. Hörer des Textes entspricht, sondern 30

eine Größe ist, mit der sich jener identifizieren soll. Auf der zweiten Stufe fokalisiert der Fokalisator ( l o c a l i z a t o r ' ) die ,Story', die etwa dem μΰθος bei Aristoteles und dem, was man sonst als Plot bzw. Fabula bezeichnet, entspricht und deren Rezipient der ,Focalizee' ist. Die ,Fabula' selbst ist die Geschichte, die hinter der Fokalisation steht. Sie ist eine abstrakte Größe, der bloß chronologisch geordnete Stoff, aus dem der Autor durch Selektion und Anordung die ,Story', den Sinnzusammenhang, bildet. Jeder Narrator ist auch primärer Fokalisator der Story. Dabei wird unterschieden, ob der Narrator-Fokalisator (NFi) in der dritten Person (heterodihegetisch) oder in der Ich-Form (homodihegetisch) erzählt und ob er selbst an der Handlung als Charakter beteiligt ist (intradihegetisch), also auf der Stufe der Fabula steht und retrospektiv eine selbst erlebte Geschichte erzählt, oder ein allwissender außenstehender Erzähler (extradihegetisch) ist, der nicht auf der Stufe der Fabula steht, sondern sein Wissen von außen bezieht. 31 object of his narration, is a story (second layer). The story, consisting of a fabula ... looked at from a certain specific angle, is the result of the focalizing activity (focalization) of a focalizer. Focalization comprises not only ' s e e i n g ' , but ordering, interpreting, in short all mental activities. That which the focalizer focalizes, the object of his focalization, is a fabula (third layer). The fabula, consisting of a logically and chronologically related series of events, is the result of all kind of activities by characters in a fictional world." Ebenso Bai 1997, 3ff. Ein ähnliches System schlägt Genette 1972, der S. 71 ff. einen Text in ,recit', ,histoire' und ,narration' einteilt, vor. Dagegen unterscheidet Lämmert 1955, 24 ff. zwischen ,Geschichte', der bloßen chronologischen Folge der Ereignisse, und ,Fabel', der kausal umgeordneten Erzählung des Narrators. 29

Lanser 1981, 151: „In absence of direct m a r k i n g s which separate the public narrator from the extrafictional voice, so long as it is possible to give meaning to the text within the equation author = narrator, readers conventionally make this equation."

30

Die Funktion des ,Narratee' ist, „to mediate ..., to provide the hearer/reader with clues as to how to interpret the events presented" (De Jong 1987, 53).

31

So Genette 1972, 204 ff. Dabei sind folgende Kombinationen möglich. 1. Narrateur present c o m m e personnage dans Taction + evenements analyses de l'interieur => le heros raconte son histoire 2. Narrateur present c o m m e personnage dans Taction + evenements observes de Texterieur => un temoin raconte Thistoire du

Interpretation von Texten und das narratologische Modell

39

Die dramatische Illusion, die Ich-Erzählung erzähle sich - lebendig wie auf einer Theaterbühne - im Gegensatz zur Erzählung eines Narrators in dritter Person von selbst ("the story is telling itself'), darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß auch dort, wo direkte Kommentare eines heterodihe32

getischen die Rezeption direkt steuernden Narrators fehlen, der implizite Autor des Romans die Rezeption zwar unauffällig, aber dennoch eindeutig steuert. Er steht hinter der durch den Narrator durchgeführten Selektion und trägt für alle primären, sekundären und tertiären Fokalisationen (Wahrnehmungen und Reden) der von ihm geschaffenen handelnden Charaktere die Verantwortung. 33 Damit die Kommunikation zwischen Narrator und Narratee gelingt, muß der Narrator glaubwürdig sein, um, falls es sich um den intradihegetisch erzählenden Helden handelt, die Identifikation des Empfangers mit diesem zu ermöglichen. Dagegen muß der extradihegetische Erzähler dem Rezipienten die Quellen seines Wissens angeben, der intradihegetische Erzähler Augenzeuge der Ereignisse sein. Im Homerischen Epos etwa dient der Musenanruf dazu, die Erzählung als göttliches Wissen zu legitimieren. Zusätzlich zum primären Narrator-Fokalisator (NFi) können bisweilen auch andere an der Handlung beteiligte Charaktere (C) zeitweise die Rolle des Fokalisators, j a selbst des Narrators übernehmen. De Jong definiert folgende Erzählsituationen: heros. 3. Narrateur absent c o m m e personnage de Paction + evenements observes de l'exterieur => l'auteur raconte l'histoire du heros. 4. Narrateur absent c o m m e personnage dans l'action + evenements observes de l'interieur => l'auteur analyste ou o m n i s c i e n t raconte l ' h i s t o i r e . Ä h n l i c h S t a n z e l 1995, 15 ff.: 1. IchErzählsituation mit Identität von fiktionalem Charakter und Erzähler 2. Auktoriale Erzählsituation: Ein außenstehender Erzähler erzählt die Geschichte. 3. Personale Erzählsituation: Eine denkende und f ü h l e n d e Reflektorfigur tritt als Charakter, aber nicht als bewußter Erzähler auf. Der Hauptunterschied zwischen Ich- und ErErzählung „liegt in der Art und Weise, wie die Begebenheiten einer Geschichte vom Erzähler betrachtet werden, und in der Art der Motivierung der Auswahl dessen, w a s erzählt wird. Alles, was in der Ich-Form erzählt wird, ist irgendwie von existentieller Relevanz fur den Ich-Erzähler. ... Die Erzählmotivation eines auktorialen Erzählers ist literarisch-ästhetischer, nie aber existentieller Art" (S. 133). 32

Prince 1982, 44: Der Narrator „may ... e m p h a s i z e the importance of certain incidents ...; he may j u d g e certain characters outright or in a roundabout way; he may state what he thinks explicitly or without seeming to; he may take personal responsibility for arriving at certain conclusion or deny any such responsibility."

33

Booth 1961, 18: „The author is present in every speech given by any character who has had conferred upon him, in whatever manner, the badge of reliability." Ebenso Lanser 1981, 85.

40

Einführung in die Thematik der Reden 1. Einfacher Narrator-Text: „An external narrator-focalizer ( N F | ) presents the events / persons. Recipient is an external primary narratee-focal izee (NeFei)." 2. Komplexer Narrator-Text: „The external narrator-focal izer ( N F | ) embeds in his narrator-text the focalization of one of the characters, who, thus, functions as an internal secondary focalizer (F 2 =C X ). Recipients are a secondary focalizee (Fe 2 =/φ C y ), w h o is internal or external, and, ultimately, the external primary narrateefocalizee (NeFei)." 3. Charakter-Text (Reden): „The external primary narrator-focalizer (NFi) embeds in his narrator-text a character-text, presented by a character, who, thus functions as an internal secondary narrator-focalizator (NF 2 =C X ). Recipients are an internal secondary narratee-focalizee (NeFe 2 = C y ) and, ultimately, the external primary narratee-focalizee (NeFei)." 4. Tertiäre Fokalisation: „The internal secondary narrator-focalizer (NF 2 ) embeds in his character-text, the focalization of another character, who, thus functions as tertiary focalizer(F 3 =C p ). Recipients are a tertiary focalizee, the internal secondary narratee-focalizee (NeFe 2 = C y ) and, ultimately, the external primary narrateefocalizee (NeFei)." 3 4

Durch Selektion bildet der primäre Narrator-Fokalisator (NFi) aus der chronologischen Sukzession der Ereignisse in der Fabula den kausalen Sinnzusammenhang der Story, wobei er oft um der Sinndeutung willen die zeitliche Reihenfolge der Ereignisse umstellt (Anachronie): Dazu gehören neben Pro- und Analepsen Verschachtelungen und sich schürzende und lösende Verflechtungen von Handlungssträngen und Episoden, Auf- und Abbau von Spannungsbögen sowie Akzentuierung dessen, was für ihn wichtig ist, und Auslassung (Ellipse) dessen, was seiner Meinung nach unbedeutend und aus der Tradition der Geschichte oder dem Alltag (bei 35

habituellen Handlungen) dem Rezipienten bereits bekannt ist. Interne Ana- und Prolepsen weisen auf Ereignisse in der Fabula hin, wobei Analepsen kompletiv (eine Lücke füllend) oder repetitiv (Rückgriff) sein können, externe Ana- und Prolepsen deuten dagegen auf Ereignisse außerhalb der Fabula hin: 36 „In the interaction between N F | and NeFei they create dramatic irony and suspense, incite pathos, elicit pity, signal the importance or symbolic value of objects,

34

De Jong 1987, 37. Dabei können noch komplexere Stufen der Fokalisation wie z.B. in Tausendundeiner Nacht erreicht werden.

35

Bai 1997, 82: „Playing with sequential ordering is not just a literary convention, it is also a means of drawing attention to certain things, to emphasise, to bring about aesthetic or psychological effects, to show various interpretations of an event, to indicate the subtle difference between expectation and realisation."

36

Vgl. dazu Lämmert 1955, 200 ff. und Genette 1972, 91 ff.

Interpretation von Texten und das narratologische Modell

41

recalls important information and provide background information necessary for the appreciation of following speeches." 3 7

Wie Exkurse können Analepsen als Mittel der Retardation zur Erhöhung der Spannung eingesetzt werden; ebenso tragen sie zur Überbrückung von spannungsarmen Zeiträumen bei. Sie sind insofern Mittel der Sinndeutung, als Erinnerungen, Urteile oder Erklärungen aus der Vergangenheit gegenwärtig gemacht werden, die Vergangenheit in die Gegenwart einbezogen 38

wird und diese gegebenenfalls akzentuieren oder gar modifizieren kann. Gerade bei internen repetitiven Analepsen kann die Differenz zwischen dem autoritativen Narrator-Text und dem subjektiven Charakter-Text von Bedeutung sein, um etwa die verzerrte bzw. falsche Auffassung der Vergangenheit seitens des Charakters hervorzuheben. Die proleptische Angabe des Resultats durch den allwissenden (extradihegetischen und meist retrospektiv berichtenden) Erzähler dient der Verlagerung der Spannung vom ,was' auf das ,wie'. Dieselbe Funktion haben auch Göttersprüche, Orakel oder Träume. Dagegen sind zukunftsbezogene Aussagen und Ahnungen eines NF2, der als handelnder Charakter und intradihegetischer Erzähler nicht allwissend ist, oft trügerisch und bringen den Rezipienten auf falsche Fährten (,false prolepses'). Ein Wissensgefalle zwischen Rezipienten und handelnden Charakteren führt zu erhöhter Spannung und ,Suspense'. Der Erzähler des einfachen Narrator-Textes bestimmt auch den Rhythmus der Erzählung, der sich aus der Differenz zwischen erzählter 39 Zeit auf der Ebene der Story und der Erzählzeit im Text ergibt, und lenkt durch Verzerrung der Sukzession, die durch unterschiedliche Raffungsintensitäten zustande kommt, den Erzählfluß. 40 Dabei ist es beim Erzählen so gut wie unmöglich, Isochronie zu erreichen, d.h. zeitdeckend zu erzählen. Bei der summarischen Erzählung, welche nur einige Punkte kurz andeutet, ist die erzählte Zeit größer als die Erzählzeit, dagegen kommt eine szeni37

De Jong 1987, 90 und Bai 1997, 81 ff.

38

So Genette 1972, 96: „ ... modifier apres coup la signification des evenements passes, soit en rendant signifiant ce qui ne l'etait pas soit en refutant une premiere interpretation en la remplafant par une nouvelle."

39

Vgl. dazu auch Genette 1972, 122ff.

40

Vgl. dazu Lämmert 1955, 82 ff. und Genette 1972, 129 ff. Lanser 1981, 2 0 I f f . : „Temporal pacing can provide another index of a narrator's psychological and ideological stance by suggesting what he/she finds important enough to present in depth. Further insight can be gained by measuring the way a narrator temporally paces to a particular content and the value of that content to the culture text or to the decorum of the particular story."

42

Einführung in die Thematik der Reden

sehe Erzählung, wozu auch die direkten Reden gehören, der Syn- bzw. Isochronie recht nahe. 41 Um Spannung zu erzeugen, kann der zeitliche Rhythmus verlangsamt werden, so z.B. durch reflexive Partien des komplexen Narrators, so daß die Erzählzeit die erzählte Zeit übertrifft. Bei einer nicht zur Fabula gehörenden Beschreibung eines Objekts durch den NFi wird der Zeitfluß gestoppt (Achronie), wenn nicht gleichzeitig eine Handlung im Gange ist. Ebenso gehören auktoriale Sentenzen, Exkurse, und Vergleiche zwischen der Situation der Erzählung und der Gegenwart des NeFei, ironische oder seriöse Kommentare und exegetische Glossen des NFi nicht zur Ebene der Fabula. 42 Solche Partien, die den Fortgang der Erzählung retardieren und die Spannung stauen, können aber auch dazu beitragen, durch die Illusion beim Rezipienten, daß Erzählzeit vergangen ist, Wartezeit zu überbrücken, wenn etwa eine große zeitliche Spanne übersprungen wird oder der Schauplatz der Handlung wechselt. Ebenso lenkt der primäre Narrator-Fokalisator (NFi) dadurch die Rezeption, daß er gewisse Andeutungen macht, wie ein Ereignis zu interpretieren sei. Mit Modalverben, Qualitätsadjektiven, Superlativen, deiktischen bzw. nicht-deiktischen Adverbien und Pronomina, rhetorischen Fragen und negativen Äußerungen 4 3 steuert er den Erwartungshorizont des Rezipienten und versucht durch metanarrative Äußerungen (Glossen) 44 seine Glaub41

Diese kann sprunghaft sein, „veni, vidi, vici" oder bei habituellen Handlungen wie: „Er ging j e d e n Tag zur Arbeit" iterativ-durativ („immer wieder in dieser Zeit") sein und braucht nicht jedesmal wiederholt zu werden.

42

Bai 1997, 32: „Argumentative textual passages do not refer to an element (process or object) of the fabula, but to an external topic."

43

De Jong 1987, 67f.: „The N F | uses negative statements in interaction with his addressee, the N e F e i , contradicting the latter's expectations (based on contextual knowledge, general knowledge of the world, 'historical' knowledge, or knowledge of the heroic code) and / or creating expectations (suspense)." Als Beispiel führt sie S. 68ff. die ,if-not-Situationen' oder ,Beinahe-Episoden' an, in denen der Erzähler mögliche alternative Verläufe aufzeigt und dem Rezipienten andeutet, daß die Geschichte auch anders hätte weitergehen können, wenn er es gewollt hätte; vgl. dazu auch Prince 1982, 18f. und zu den ,Beinahe-Episoden' im antiken Epos Nesselrath 1992.

44

Lintvelt 1981, 62ff. unterscheidet dabei neben dem kommunikativen Diskurs noch sechs andere Typen: 1. discours metanarratif commentatif (in dem der Narrator seine Erzählung rechtfertigt), 2. discours explicatif (in dem einige Elemente der Story erklärt werden), 3. discours evaluatif (Epitheta, Vergleiche, Kommentare etc., durch die der Narrator ein moralisches Urteil über das Erzählte oder die Charaktere fällt), 4. discours abstrait (allgemeine oder abstrakte Überlegungen zum Erzählten in Form von Gnomen, die Aufschluß über die Weltanschauung des Narrators geben), 5. discours emotif (in dem der Narrator die in ihm durch die Erzählung

Interpretation von Texten und das narratologische Modell

43

Würdigkeit zu erhöhen. Er kann zur Steigerung der Emotionen den Rezipienten (Narratee, NeFei) auch direkt ansprechen und durch die Darstellung der Ereignisse die Rezeption emotional beeinflussen und in seinem Sinne manipulieren. Durch einen Vergleich (Similitudo) illustriert der Erzähler dem Rezipienten ein Ereignis oder eine Situation, wobei die an der Handlung beteiligten Charaktere von dieser Information ausgeschlossen bleiben, da auktoriale Vergleiche im Gegensatz zu Vergleichen, die von handelnden Charakteren z.B. in den direkten Reden angestellt werden und dazu dienen, den Rezipienten emotional direkt in die Story einzubeziehen, nicht zur Fabula gehören. 45 Zum komplexen Charakter-Text gehören alle die Partien einer Erzählung, in denen der Narrator (NFi) sinnliche Wahrnehmungen, Gedanken, Gefühle, Erinnerungen und auch gesprochene Worte der handelnden Charaktere indirekt wiedergibt. Zwar behält der Narrator seine erzählende Funktion, überläßt aber die Fokalisation einem sekundären Fokalisator (F2 = C). 46 Dort, wo keine explizite Fokalisation durch einen F2 stattfindet, etwa beim Gebrauch von Epitheta, Adjektiven oder Partikeln, ist es oft schwierig festzustellen, ob der NFi oder ein anderer Charakter die Funktion des Fokalisators übernimmt. Nach Verben der sinnlichen Wahrnehmung, des Denkens und Findens erfährt der Rezipient, wie ein handelnder Charakter Vorgänge der Außenwelt stillschweigend wahrnimmt, diese deutet, beschreibt und darauf (emotional) reagiert, ohne jedoch diese Wahrnehmungen, Gedanken und Gefühle zu verbalisieren. 47 Einige Kausalsätze, Finalsätze, manchmal auch hervorgerufenen Emotionen schildert), 6. discours modal (in dem der Narrator über die Zuverlässigkeit seiner Erzählung spricht). 45

De Jong 1987, 125: Da „the characters remaining unaware of the fact they are compared", sind Vergleiche „not events of the level of the fabula, they are interpretations of events belonging to the story and text only."

46

Dabei berichtet eine 3. Person über „a particular character's feelings and thoughts, usually keeping to the character's spatial and temporal perspective as well. The language is largely the narrator's, but there may be some infiltration of the narrat o r ' s speech by the character's word; the thoughts and feelings presented are the character's, but they are filtered through the narrator's consciousness" (Lanser 1981, 188). Stanzel 1995, 194: „Der Leser erhält, wie es scheint, unmittelbar, das heißt durch direkte Einschau in das Bewußtsein der Reflektorfigur, Kenntnis von den Vorgängen und Reaktionen, die im Bewußtsein der Reflektorfigur einen Niederschlag finden." (Stanzel nennt den F 2 , Reflektorfigur').

47

De Jong 1987, 147: „Especially, it gives clues as to why a character comes into action: actions are triggered by perceptions or perceptions and emotions. Very of-

44

Einführung in die Thematik der Reden

Relativsätze und deliberative Fragen oder ein Dativus ethicus können zur Kategorie der komplexen Erzählung gezählt werden. Der Rezipient erfährt die unausgesprochenen Gedanken und Wahrnehmungen eines Charakters, über die andere an der Handlung beteiligte Charaktere nicht verfügen, so daß ein Wissensgefälle zwischen dem Narratee und den auf der Ebene der Fabula beteiligten Charakteren erzeugt wird. Ebenso zur komplexen Erzählung gehören die durch Verba dicendi eingeführten indirekten Reden, die an Stelle einer ausfuhrlicheren oratio recta durch größere Raffung und aus größerer Distanz weniger wichtige Reden zusammenfassen. 4 8 Die direkten Reden bilden die dritte Stufe, wobei der primäre Narrator (NFi) für diese Zeit in den Hintergrund tritt. Der implizite Autor läßt die ,dramatis personae' aktiv auftreten und legt ihnen Reden in den Mund. 49 So wird die Erzählung lebendig und dramatisch, zwar subjektiver und weniger sachlich, dafür emotional engagierter und vielfaltiger. Unmittelbarer Rezipient (NeFe2) einer solchen Rede ist ein Charakter oder ein auf der Ebene der Fabula präsentes Publikum, das von einer Sache überzeugt oder zu etwas überredet werden soll. Bei der Analyse einer Rede müssen sowohl der Charakter sowie die Motivation und Absicht des Redners als auch der unmittelbare Rezipient beachtet werden. 50 Dabei können verschiedene Reden ein und dasselbe Ereignis aus unterschiedlichen Perspektiven emotional und intellektuell beleuchten, kommentieren und indirekt deuten. Diese vermitteln dank ihrer Polyphonie dem Rezipienten (NeFei) ein umfassenderes und reicheres Bild als die bloße Erzählung des NFi. 5 1

ten embedded focalization forms the transition to a speech, in which a character, promoted from F 2 to NF 2 , narrates what he or she has seen, how he or she feels and what her or she intends or suggests to do." 48

49

50

51

Bal 1997, 46ff. zählt zu „free indirect discourse" die Teile im primären NarratorText, welche die Meinung eines Charakters ohne Verbum dicendi und ohne eine die indirekte Rede einleitende Konjunktion wiedergeben, etwa: ,Wenn er dies tun sollte, müßte er die Konsequenzen tragen' (sc. dachte er). Allgemein zu diesem Stilmittel Bannfield 1978. De Jong 1987, 149: „In their speeches characters t h e m s e l v e s verbalize their perceptions, emotions, interpretations, in short their focalization of events, persons, objects etc.." De Jong 1987, 151: „By putting their emotions and opinions into words, characters communicate them to other characters. This presence of an audience can influence the presentation of the speaking character (selection / interpretation / verbalization)." De Jong 1987, 226: „Their presentation is conditioned by their own identity, status, personality and emotions, by those of the characters they are addressing, by the

Interpretation von Texten und das narratologische Modell

45

Meist ist ein sprechender N F 2 anders als ein extradihegetischer N F i nicht allwissend und spricht als aktiv Beteiligter nicht ohne emotionales Engagement, was, wie bereits gesagt, beim Gebrauch von Analepsen zu einer interessanten Spannung mit der vom NFi erzählten Version fuhren kann. Redner fokalisieren und deuten Ereignisse, die der NFi berichtet hat, aus ihrer Sicht und können den Bericht subjektiv färben oder sogar quantitativ wie qualitativ (rhetorischer Zweck der Rede) abändern. Daher tragen 52

Reden auch zur indirekten Charakterisierung ihrer Sprecher bei. Somit ist die Rede als Sprechakt selbst eine Handlung, wobei „ d u r c h r e f l e k t i e r e n d e s S p r e c h e n und D e n k e n der M e n s c h im f o r t s c h r e i t e n d e n Handeln die Vergangenheit zu ,werten' und d u m p f e n Drang nach künftiger Betätigung in klares, artikuliertes Wollen zu verwandeln vermag." 3 3

In einer Rede oder einem Gespräch kann man sowohl Handlungen beschreiben, vollziehen, Entscheidungen treffen, Beziehungen verändern etc. als auch abstrakte und allgemeingültige Feststellungen, Erörterungen und theoretische Reflexionen anbringen. In einer Rede können indirekt oder direkt Worte, j a sogar eine zweite in die erste als Analepse eingebettete Rede 5 4 eines tertiären Fokalisators (F3) zitiert werden, was die Komplexität um eine weitere Stufe erhöht. Während der NFi dem F2 kaum eigene Gedanken aufdrängt, läßt der implizite Autor den sprechenden Charakter NF2 einen F3 als rhetorisches Mittel für seine eigenen Z w e c k e ausnutzen. Eingebettete Reden, die nicht automatisch über Glaubwürdigkeit verfügen, 5 5 verfolgen primär rhetorische Ziele: Dabei sollen die Autorität der eigenen Rede durch das Zitieren einer

situation in which they find themselves, and by the effect they whish their w o r d s to have." 52

Genette 1988, 130: „ D e n n o c h ist der Charakterisierungsversuch unleugbar, und die R e d e w e i s e der Personen, ob Idiolekt oder Soziolekt, wird deutlich o b j e k t i v i e r t ' , mit einer starken D i f f e r e n z i e r u n g z w i s c h e n Erzähler- und Figurenrede, w a s einen M i m e s i s e f f e k t h e r v o r r u f t , der w a h r s c h e i n l i c h intensiver ist ..." Vgl. L ä m m e r t 1955, 205: „Durch das M e d i u m der Person erfährt die erzählte Welt eine spezifische B r e c h u n g , und eben d i e s e B r e c h u n g der A u ß e n w e l t dient d e m Erzähler gleichzeitig zur Anreicherung eines typischen oder individuellen Charakterbildes."

53

Lämmert 1955, 197.

54

So zitiert z.B. O d y s s e u s II. 9 , 2 2 5 - 3 0 6 P e l e u s ' Worte, um Achill zu Uberreden. D a n e b e n gibt es auch a n o n y m e TLC-Redner, durch die der Sprecher sich eine zuk ü n f t i g e Situation proleptisch h o f f n u n g s v o l l o d e r ängstlich vorstellt und d i e s e Evaluation einer a n o n y m bleibenden Person in den M u n d legt. Vgl. De Jong 1987, 178.

55

De Jong 1987, 178.

Einführung in die Thematik der Reden

46

andern Person erhöht, die Aufmerksamkeit auf einen für den Charakter (subjektiv) wichtigen Punkt der Story gelenkt, die apologetische oder persuasive Wirkung der Rede vergrößert und die eigenen Hoffnungen und Ängste einer andern Person in den Mund gelegt werden. Gewisse Reden können wiederholt werden. Dies ist besonders dann der Fall, wenn Charakteren der Story eine Information, die der NeFei im Gegensatz zu ihnen bereits kennt, vermittelt werden soll. Zu dieser Kategorie gehören etwa Boten-Berichte, die einen Beschluß (z.B. der Götter) an die davon betroffenen Personen weiterleiten. 56 Dagegen markieren wörtliche Wiederholungen desselben Redners den Charakter oder können, wenn sie unabhängig voneinander von zwei Rednern ,zufallig' geäußert werden, eine dramatische Spannung erzeugen. Reden können auch als Rede und Gegenrede in einem antithetischen Verhältnis zueinander stehen oder als Dialog erscheinen, in dem Argument und Gegenargument einander direkt korrespondieren und konfrontieren.

1.3. Homer und die Reden

1.3.1.

Die Bedeutung der Rede im politischen Leben der Griechen der Archaik und Klassik

Die griechische Kultur blieb auch nach dem Einzug der Schriftlichkeit weitgehend oral und behielt ihre Vorliebe für agonale Debatten. Die Vorherrschaft des gesprochenen Wortes, wie wir sie im klassischen Athen in der Volksversammlung und vor Gericht erkennen, hat ihre Wurzeln in der kleinräumigen archaischen Polis-Welt mit ihren ,face-to-face-societies', wo politische Entscheidungen in Debatten im Gegensatz zum Geheimnisvollen eines Palastes im öffentlichen Raum, auf der άγορή, gefaßt wurden und der Streit mit Worten (άγων) 57 eine wichtige Funktion bei der friedli56

De Jong 1987, 185: „The verbatim repetition involved in messenger-speeches is intended by the speakers themselves and is functional on the level of the communication between characters. The NeFei w h o hears both instruction and delivery speech, has to put up with this redundancy."

57

Vernant 1982, 42: Ursprünglich bezeichnete der Begriff , ά γ ώ ν ' den Wettstreit unter den adligen Geschlechtern z.B. im Sport oder in der Musik. „Die Politik ihrerseits nimmt ebenfalls die Form des agon an: eines Redeturniers, einer mit Argumenten geschlagenen Schlacht. Ihre Bühne ist die agora, die ein öffentlicher

Homer und die Reden

47

chen Konfliktlösung spielte. Schon bei Homer hat die άγορή - sowohl ,Versammlungsplatz', V e r s a m m l u n g ' als auch konkret ,Rede', ,Beratung' - Konturen einer öffentlichen Institution, welche in der entstehenden Polis 58

als zentraler Platz eine führende Rolle zu übernehmen im Begriff war. Auf ihr wurde nicht nur Handel getrieben, sondern auch mit Worten öffentlich diskutiert, argumentiert und debattiert; es wurden Entscheidungen getroffen und Gericht gehalten. 59 Die herausragende Bedeutung, die direkte Reden in der archaischen Zeit gespielt haben müssen, findet auch in den Epen Homers, in denen diese etwa die Hälfte des Textes ausmachen, ihren Niederschlag. 60 In den Reden der Ilias, die als künstlerische Nachahmungen realer Reden betrachtet werden können, geht es meist um konkrete die Gemeinschaft betreffende Sachprobleme und Gegenstände, 61 die sich in der Diskussion meistens auf die zwei Möglichkeiten einer Alternative reduzieren lassen, die Ausdruck des für die griechische Kultur typischen Denkens in PolariVersammlungsplatz ist, bevor sie zum Markt wird." Zur Thematik vgl. auch K.-J. Hölkeskamp: Agorai bei Homer. In: Volk und Verfassung im vorhellenistischen Griechenland. Hrsg. von W. Eder und K.-J. Hölkeskamp, Stuttgart 1997, 1-19. 58

Vgl. dazu Vidal-Naquet 1989, 18.

59

Vernant 1982, 44f.: „Das System der polis beruht vor allem auf einer ungewöhnlichen Vorherrschaft des gesprochenen Wortes über alle anderen Instrumente der Macht. Es wird zum politischen Mittel par excellence, zum Schlüssel zu jeglicher Autorität im Staat, zum Werkzeug, um Herrschaft und Befehlsgewalt über andere zu erlangen. Diese Macht des Wortes ... ist nicht mehr das Wort des Rituals, die richtige Formel, sondern das der kontroversen Debatte, der Diskussion, der Argumentation. Es verlangt ein Publikum, an das es sich als einen Richter wendet und das letzten Endes durch das Heben der Hände die Entscheidung zwischen zwei Parteien fallt, die vor ihm aufgetreten sind; dieses rein menschliche Urteil bemißt die jeweilige Überzeugungskraft der beiden Reden und teilt dem einen der Redner den Sieg über seinen Gegner zu. Alle j e n e die Allgemeinheit betreffenden Fragen, deren Regelung ursprünglich die A u f g a b e des souveränen Herrschers war ..., sind nun der Gegenstand der Redekunst und müssen im Rahmen einer Debatte entschieden werden. Sie müssen sich daher in diskursiver Weise formulieren lassen und die Form antithetischer Beweisführungen ... annehmen. Zwischen Politik und logos entsteht so ein enger wechselseitiger Bezug."

60

Latacz 1975, 395. Ebenso Hölkeskamp 1998, 18.

61

Hölkeskamp 1998, 27: „Im Streit mit Worten geht es also immer - selbst wenn das oft von der kompetitiven Rhetorik der Helden verdeckt wird - um einen Streit um einen bestimmten Gegenstand, ein besonderes Problem. Und wie emotional, kampflüstern und individualistisch-ehrbesessen die Rhetorik auch immer sein mag: Der Gegenstand oder Anlaß der Versammlung geht immer auch alle anderen Griechen oder Troer, das ganze Heer, eben die Gesamtheit der Gruppe an, die sich in der einberufenen agore versammelt hat."

48

Einführung in die Thematik der Reden

täten und Analogien sind. 62 Im Rede-Agon ist derjenige Sieger, dem es gelingt, seine Meinung in der Versammlung mehrheits-, also konsens-fähig zu machen, und der die Zustimmung des anwesenden Publikums erhält. Im Idealfall wird durch die Diskussion der anfängliche Gegensatz aufgehoben und der Konflikt friedlich gelöst. 63 Während in den Homerischen Epen politische Reden im öffentlichen Raum neben der privaten Kommunikation eine wichtige Rolle spielten, verschwand das Politische in der Welt der Lyrik zwar nicht gänzlich von der Bildfläche, konzentrierte sich indessen auf die privaten Kreise der adligen Symposion-Kultur, in der die politische Lagebesprechung Teil der sozialen und geistigen Kommunikation der adligen Führungsschicht in der Hetairie war. 64 Während etwa in Alkaios' Kampfparänesen die Mitglieder seiner Hetairie beim Symposion die primären Adressaten waren, ist es wahrscheinlich, daß sich Kallinos' und Tyrtaios' Kampfparänesen an die ganze Polis-Gemeinschaft - etwa an einem religiösen Fest - richteten. 65 62

Zur Bedeutung von Polarität und Analogie im Denken der Griechen vgl. Lloyd 1966. Vidal-Naquet 1989, 28: „Die griechische Ratio, die gegensätzliche Begriffspaare definiert und in ein Schema einordnet, ist eine politische Ratio. Das gesprochene Wort triumphiert auch in der geschriebenen Sprache. ... Eine politische Frage m u ß durch ein Ja oder Nein entschieden werden. Die Tatsache, d a ß das griechische Denken mit alternativen Gegensatzpaaren operiert, hat vielleicht keinen anderen Ursprung." Hölkeskamp 1998, 36: „Das jeweilige konkrete Problem läßt sich zumeist ganz eindeutig auf zwei Alternativen reduzieren bzw. wird von den Protagonisten rhetorisch darauf zugespitzt. Bei den Griechen geht es um Abbruch oder Fortsetzung des Krieges, A n n a h m e oder Ablehnung des trojanischen Angebots oder später, nach dem Sieg, um O p f e r für die Götter oder sofortigen Aufbruch; bei den Troern geht es um defensiven Rückzug in die Stadt oder offensive Strategie oder um den Verbleib oder Rückgabe Helenas; in der Versammlung in Ithaka nach der Tötung der Freier geht es um Rache oder Ausgleich."

63

E. Flaig: Das Konsensprinzip im homerischen Olymp: Überlegungen zum göttlichen Entscheidungsprozeß Ilias 4 , 1 - 7 2 . In: Η 122 (1994), 13-31. Am Beispiel der Götterversammlungen zeigt der Autor, daß bei Streitfallen oft eine konsensfähige Lösung gesucht wurde, und glaubt, dies widerspiegle eine übliche Praxis der damaligen Zeit.

64

Grundlegend dazu: W. Rosier. Dichter und Gruppe. Eine Untersuchung zu den Bedingungen und zur historischen Funktion früher griechischer Lyrik am Beispiel Alkaios. München 1980. J. Latacz: Die Funktion des Symposions für die entstehende griechische Literatur. In: Der Übergang von der Mündlichkeit zur Literatur bei den Griechen, hrsg. W. Kullmann / R. Reichel, Tübingen 1990 (Scripta Oralia 30), 2 2 7 - 2 6 4 .

65

Natürlich ist damit zu rechnen, daß die uns überlieferten Texte für die schriftliche Publikation überarbeitet und umgestaltet worden sind. So ist es z.B. fraglich, ob

Homer und die Reden

49

In der Folge wurden - besonders in Athen als Folge von Solons Reformen - immer weitere Kreise ins politische Leben einbezogen. Die Politik wurde eine .öffentliche Sache'. Im demokratischen Athen des 5. Jh. wurden nahezu alle wichtigen Entscheidungen durch das Volk - sei es in der Ekklesia oder vor dem Volksgericht - getroffen, wobei Reden bei der Entscheidungsfindung eine eminent wichtige Rolle spielten. Der Erfolg eines Politikers hing - damals wie auch heute noch - in hohem Maße von seinen kommunikativen Fähigkeiten ab. Daher konnte sich die Rhetorik als Fach etablieren und fand im zeitgenössischen Drama ihren Niederschlag.

1.3.2. Gestaltung und Funktion der Reden bei Homer Die Reden ermöglichen es dem Dichter, den einfachen Narrator-Text durch die sekundäre Fokalisation der auf der Ebene der Fabula handelnden Akteure zu ergänzen. Sie sind formal klar vom übrigen Narrator-Text abgetrennt und werden auktorial stets durch Formeln, die im mündlichen Vortrag ursprünglich wohl Signalfunktion hatten und „a change not only in level of focalization, but also of narration" markieren, eingeleitet. De Jong definiert dabei fünf konstitutive Elemente einer solchen Formel. 66 1.

Der N a m e (und / oder das Patronymikon) des Sprechers und eventuell ein Titel (Epitheton) oder eine Funktion desselben. 6 7

2.

Der Adressat kann vor der Rede genannt sein, steht aber immer am A n f a n g der Rede im Vokativ. 6 8

Tyrtaios' Paränesen tatsächlich im ionischen und nicht im epichorischen dorischen Dialekt gehalten worden sind, und vor allem, ob die uns erhaltenen Paränesen des Kallinos und Tyrtaios realiter vor den Soldaten gesprochen worden sind, oder ob es sich nicht um die spätere poetische Fassung einer in Prosa gehaltenen Paränese handelt, die an einem Fest oder einem Symposion gehalten wurde. Gleiches gilt vor allem auch für die Elegien mit politischem Inhalt des athenischen Staatsmannes Solon, über die M. L. West: Studies in Greek Elegy and Iambus. Berlin / N e w York 1974, 12 als Hypothese aufstellt, daß „these elegies represents literary publications of speeches actually delivered in prose." 66 67

De Jong 1987, 196ff.

Z.B. II. 1,58 π ό δ α ς ώκύς Ά χ ι λ λ ε ΰ ς und 121 π ο δ ά ρ κ η ς δ ΐ ο ς Ά χ ι λ λ ε ύ ς / 69 Κ ά λ χ α ς θ ε σ τ ο ρ ί δ η ς οϊωνοπόλων οχ ά ρ ι σ τ ο ς / 102 ήρως Ά τ ρ ε ΐ δ η ς εύρύ κρείων ' Α γ α μ έ μ ν ω ν . 68 1,59 Ά τ ρ ε ΐ δ η und 122 ' Α τ ρ ε ΐ δ η κύδιστε, φ ι λ ο κ τ ε α ν ώ τ α τ ε π ά ν τ ω ν / 74 ώ ' Α χ ι λ ε ϋ ... Δι'ι φίλε / 1 0 6 μ ά ν τ ι κακών.

Einführung in die Thematik der Reden

50 3.

Ein Verb des Sprechens oder der verbalen Äußerung steht entweder in finiter oder partizipialer Form. 6 9

4.

Zusätzlich kann als weitere Information der Gemütszustand des Sprechers angegeben werden. Allerdings ist auch eine Bemerkung seitens des Erzählers zur Art, zur Absicht oder zur Wirkung der Rede möglich. 7 0

5.

A m Ende der Rede steht oft ώ ς oder ein anaphorisches Pronomen τ α ϋ τ α / τοιαύτα. 7 1

Der Dichter hat verschiedene Möglichkeiten, die direkten Reden zu gestalten. Lohmann unterscheidet drei Prinzipien der Gestaltung. 1. Verbreitet ist die Ringkomposition, in deren Zentrum ein paradigmatischer Kern oder eine Aufforderung steht. 72 Die Ringe um diesen Kern haben jedoch meistens mehr als nur formale Gliederungs- und Abschlußfunktion. So stellt z.B. der zweite Ringteil oft „das Komplement, die dialektische Ergänzung, die thematisch notwendige Abrundung oder Steigerung des Gedankens dar." 73 Ebenso kann das Verhältnis der beiden Teile zueinander durch Variation, Korrektur, chronologische Fortfuhrung, These und Antithese, Gebot und Verbot, Frage und Antwort, Illusion und Realität gekennzeichnet sein. Im Zentrum dagegen steht meist ein mythologisches Exemplum, eine Reflexion oder eine analeptische Erzählung. Das ,Paradeigma', das in der Mitte einer Ringkomposition steht und je nach der Intention des Redners als „protreptische oder apotreptische Paränese, als Präzedenzfall, der eine Norm setzt, bestätigt oder durchbricht", erscheint, kann als ,vorrhetorisches' Stilmittel betrachtet werden. 74 2. Eine andere Art, Reden zu gestalten, ist die Parallele Komposition. Im Gegensatz zur Ringkomposition, die mehr zu deskriptiven Ausweitungen neigt, dient die Parallele Komposition in erster Linie der rationalen Analy69

1,58 μ ε τ έ φ η und 121 ή μ ε ί β ε τ ' / 73 ά γ ο ρ ή σ α τ ο 450 ε ΰ χ ε τ ο /513 ε ϊ ρ ε τ ο .

70

1,70-72 wird Kalchas als Seher charakterisiert. 103f. wird der Gemütszustand A g a m e m n o n s nach Kalchas' Rede beschrieben, 148 derjenige Achills nach Agam e m n o n s Rede. 247ff. werden sowohl Nestors Rednergabe als auch seine Vernunft hervorgehoben. 1,68 ώς ε ι π ώ ν / 84 (im Gespräch) ά π α μ ε ι β ό μ ε ν ο ς / 188 ώ ς φ ά τ ο / 428 ώ ς αρα φωνήσασ'.

71 72

και

μ ε τ ε ε ι π ε ν /351 ή ρ ή σ α τ ο /

Als Beispiel vgl. Diomedes' Rede 11. 6,123-143, dazu Lohmann 1970, 12 ff.

73

Lohmann 1970, 25 ff.

74

Lohmann 1970, 70. Als Beispiel gibt er das von Nestor 11. 11,671-761 als externe Analepse erzählte Exemplum an.

Homer und die Reden

51

75

se. Den parallel strukturierten Reden ist eigentümlich, „daß sie sich mit abstrakten Vorstellungen, Analysen, dem Durchkalkulieren theoretischer Möglichkeiten beschäftigen." 7 6 77

3. Ein weiteres Kompositionsprinzip ist die Freie Reihung. Vor allem emotional geprägte Abschnitte und pathetische Steigerungen lassen eine völlig geschlossene Gliederung nicht zu und sind folglich nach diesem Prinzip gegliedert. Durch Aneinanderreihung mehrerer Reden kann Homer Wechselgespräche oder sonstige dialogische Szenen gestalten. So kann etwa in einem Dialog 78

eine zweite Rede zur Amplifikation der ersten verwendet werden. Ebenso werden in Redenpaaren These und Antithese ausgedrückt. Dabei findet oft eine Umkehrung und ein Perspektivenwechsel statt, wodurch „von zwei einander entgegengesetzten Seiten der Blick auf einen gemeinsamen Berührungspunkt, eine Art ,Symmetrie-Achse', ... sei es in der Konfrontation von These und Antithese im Streitgespräch, sei es in der räumlichen 79 Gegenüberstellung ..." , gerichtet wird. Ein Musterbeispiel eines komplexen Redeagons stellen die drei Re80

denpaare im Zelt des Achilleus im neunten Gesang dar. Die thematische Einheit der drei Redenpaare, jeweils eine Gesandtenrede und die Antwort 75

76

Lohmann 1970, 33: „Für die rationale, unpathetische, analysierende Untersuchung ... wendet der Dichter auch die rationale Form des parallelen A u f b a u s an." Als Beispiel führt er S. 30ff. Pulydamas' Warnung II. 18,254-283 an, wobei der parallel konstruierte Teil 2 6 7 - 2 8 3 „das rationale Referat eines Militärtheoretikers" ist (S. 32). Lohmann 1970, 40.

77

Lohmann 1970, 42. Vgl. etwa den letzten Teil von Pandaros' Rede II. 5,205-216.

78

Vgl. Lohmann 1970, 96ff. Als Exempel erwähnt er den Dialog zwischen Andromache und Hektor II. 6,407^165. Durch die beiden Reden, deren Teile sich chiastisch gegenüberstehen, wird eine pathetische Steigerung bewirkt.

79

Lohmann 1970, 130.

80

Finley 1967, 79: „Generalizations ... concern human beings - Odysseus speaks as the skilled and realistic orator, Achilles as the impassioned youth, Phoenix as the sage older, and thus many of H o m e r ' s characters, they embody lasting human attitudes." Lesky 1971, 86: „ W a s die Alten Ethopoiie nannten und später in der Rhetorenschule trieben, ist in ihren frühesten Dichtungen bereits gemeistert. Ihre Vollendung erreicht diese Lust im Triptychon der Gesandtenreden im 9. Gesänge der Ilias. Die A b s t i m m u n g der Reden auf Sprecher und A n g e s p r o c h e n e n , der Reichtum der Töne - all das zeigt die Kunst des Dichters in ihrer Höhe." Vgl. dazu Lohmann 1970, 2 3 I f f . Allgemein zur sprachlichen und stilistischen Differenzierung und Charakterisierung der Sprecher im Homerischen Epos Martin 1989, 89ff.

Einführung in die Thematik der Reden

52

Achills, bildet der Versuch der drei Gesandten Odysseus, Phoinix und Aias, auf drei verschiedene Arten Achilleus von seinem Kampfstreik abzubringen. Dabei charakterisiert jeweils die Art der Rede ihren Sprecher. Deutlich ist vor allem der Gegensatz zwischen dem kühlen und rationalen Rechner und Diplomaten Odysseus und dem emotionalen Aias. Dazwischen steht der väterliche Rat des alten Phoinix, der durch ein mythisches Exempel Achill zu überreden versucht. Trotz des gemeinsamen Themas haben diese Reden einen eigenständigen Charakter und weisen untereinander nur wenige inhaltliche und stilistische Übereinstimmungen auf. In der Großstruktur des Werkes bestehen unter den Reden viele interessante Verknüpfungen, ,Fernbeziehungen', wobei neben den Prinzipien von Wiederholung, Umkehr und Parallelismus vor allem „das Prinzip der Spiegelung im Kleinen wie im Großen den inneren Aufbau der Ilias be81 stimmt." Als Beispiel einer solchen thematischen Fernbeziehung können die beiden Hikesie-Szenen am Anfang und Ende der Ilias angeführt wer82 den. Dabei kennt Homer verschiedene Arten von Reden wie Feldherren83

rede, Kampfparänese, Trost- und Ermunterungsrede, Herausforderungsrede, Triumphrede, Totenklage, Bittrede, Lob- und Scheltrede etc. Die Funktion der Reden besteht zunächst darin, den einfachen NarratorText zu entlasten, 84 zu ergänzen, auszuweiten und zu vertiefen und die Erzählung unmittelbar und lebendig zu machen (Dramatisierung). Dabei kann sich der Sprecher entsprechend der Sachlage und dem beabsichtigten

81

Lohmann 1970, 192.

82

Vgl. dazu Lohmann 1970, 169ff. Während A g a m e m n o n den alten Apollon-Priester Chryses brutal zurückweist und so indirekt Achilleus' μ ή ν ί ς verursacht, löst sich diese im 24. Gesang durch die Bitten (und das Lösegeld) des Priamos auf. Dabei sind auch in f o r m a l e r Hinsicht die Ä h n l i c h k e i t e n z w i s c h e n 1 , 1 7 - 3 2 und 2 4 , 5 5 3 - 5 7 0 eindeutig. So bestehen sowohl die Rede des Chryses als auch die des Priamos - wie es die Situation erfordert - aus einem Segenswunsch und der Bitte, die Tochter bzw. den toten Sohn freizugeben. Interessant ist aber die Übereinstimmung zwischen A g a m e m n o n und Achill in der Hinsicht, daß beide in ihren Reden am Anfang und Ende (Ringkomposition) eine Drohung, die aber im zweiten Fall gegenüber Priamos nicht angebracht ist, ausdrücken.

83

Vgl. zu dieser Thematik besonders Latacz 1977 und Stoevesandt 2004, 275 ff.

84

Werkstrukturierende Prolepsen haben P r o g r a m m i e r u n g s f u n k t i o n . So geben in Achilleus' Rede 1,225 - 244 die Verse 240ff. „erste konkrete Information des Dichters über die Folgen des Streites und des daraus entstandenen Grolls ..." (Latacz 2003, 124). So zeigt etwa die Rede des Zeus 15,50 ff., die als Prolepse den weiteren Gang des Geschehens auf.

Homer und die Reden

53

Redeziel argumentativ oder emotional zur Wirklichkeit äußern, diese analysieren, kommentieren und interpretieren. Ebenfalls kann er eine Hypothese, eine Prognose, einen Plan, eine Bitte, einen Wunsch etc., also etwas, das auf das zukünftige Geschehen einen Einfluß haben wird, zur Sprache bringen. Die Reden, in denen die jeweiligen Sprecher das ihrem Charakter nach Angemessene zur jeweiligen Situation, also der vom Dichter geschaffenen Wirklichkeit, sagen, dienen somit auch zur indirekten 85

Charakterisierung der Sprecher. Agamemnon als einen

So zeigt bereits die erste Rede (1,26-32)

„überheblichen und zynischen Autokraten ..., ermöglicht dem Publikum die Assoziation von ähnlichen Menschentypen aus dem eigenen Erfahrungsraum und läßt mit der Sympathie für den weggejagten Chryses ... erste Antipathien gegen Agamemnon aufkommen." 8 6

Achilleus' Groll und Eigensinn werfen einen Schatten auf seine positiven Fähigkeiten. Dem braven und tapferen Patrioten Hektor fehlt die geistige Flexibilität, gute Ratschläge, die scheinbar gegen den Kodex der Tapferkeit verstoßen, anzunehmen. Da die Helden im Epos typische Charakterzüge aufweisen, ermöglichen es die Reden dem Dichter aufzuzeigen, wie solche paradigmatischen Figuren (rational oder emotional) die im Epos dargestellte Wirklichkeit empfinden, wie sie darauf reagieren und welche Konsequenzen sie daraus ziehen. Das ganze Werk, das sich mit den Auswirkungen des Grolls eines Heerführers beschäftigt, ist eine Konfliktanalyse, die der Dichter in der fiktiven und deshalb idealen Wirklichkeit einer 87

Episode aus der Troia-Sage stattfinden läßt. Diese Wirklichkeit, die durch den Krieg repräsentiert wird, erlaubt es dem Dichter, neben dem Großkonflikt auch den Prestigestreit zwischen zwei Heerführern, den Generationenkonflikt und andere zu seiner Zeit aktuelle Themen modellhaft zu

85

Dazu Latacz 2003, 115: „Sie machen direkte Personencharakterisierungen überflüssig, programmieren den weiteren Handlungsablauf, bringen dramatische Bewegung in die Erzählung, führen die gewohnte Denk- und Fühlweise des Publikums in die uralte Geschichte ein und lenken unauffällig die Rezeption."

86

Latacz 2003, 115. Ders. S. 126: „Das ist nicht nur der A g a m e m n o n des momentanen Streits im 9. Kriegsjahr. Es ist der A g a m e m n o n der ganzen Sage, gespiegelt in der Komprimierung der akuten Auseinandersetzung."

87

Nicolai 1983, 4 betrachtet das Epos als „eine Mimesis des realen Weltgeschehens." Fornara 1983, 77 weist auf die ,historische' Methode im Proömium hin: „The method of question and answer, involving anterior explanations, is identical with that of Herodotus (just as the motive causes of events are closely similar)." Vgl. dazu BK 1, 1 Iff: Nach der T h e m a - A n g a b e wird in „in Form einer rückwärts laufenden Kausalkette" die Frage nach der Ursache beantwortet.

Einführung in die Thematik der Reden

54 88

problematisieren. Da Homer diese in quasi-historischer Weise behandelt und nach dem Prinzip rationaler Kausalität strukturiert hat, blieb er fur die späteren Schriftsteller das große literarische Vorbild, besonders was die 89

künstlerische Gestaltung betrifft. N e b e n dem künstlerischen Genuß (τερπεσθαι) vermittelt die Ilias dem Rezipienten auch sogenanntes ,nomologisches Wissen', 9 0 ermöglicht Selbstidentifikation durch den Verweis auf das geschichtliche Geworden-Sein und legt exemplarisch dar, wie man in der Gegenwart sinnvoll handeln kann, wenn man vergangene Erfahrungen sinnvoll berücksichtigt. Dabei geben die Reden dem Epos die reflektierende Tiefe und sind das geeignete Instrument, um die Triebkräfte eines solchen Konfliktes wie Neid, Angst, Gier, Stolz etc. von mehreren Seiten her und unter verschiedenen Gesichtspunkten exemplarisch aufzuzeigen: „Die Zurückhaltung, die sich der Epiker sonst auferlegt, gibt er preis in den zahlreichen Reden ... In der Rolle einer epischen Gestalt darf und kann der Sänger reflektieren, er kann betrachten und deuten, was geschieht, er kann eine Situation beschreiben und erklären, und er kann sogar die Individualität von M e n s c h e n meisterhaft kennzeichnen und bewerten. Überhaupt sind die Reden freier und reicher; der Stil, die Denkform und der Gedankenablauf ist moderner als in der Erzählung, und nicht selten finden wir in den Reden Ansichten, Erwägungen und Verhaltensweisen, die im Widerspruch zu denen stehen, auf denen die Erzählung und Handlung beruht." 91

Die Analyse der Reden gibt interessante Einblicke in die Gedankenwelt 92 Homers und ist für die Rekonstruktion der Mentalitätsgeschichte wichtig.

88

Strasburger 1972, 32f.: „Der soziologische Aspekt beider Epen ... ist höchstwahrscheinlich das getreue nur poetisch vereinfachte Abbild der homerischen Zeit." Die mythische Vergangenheit dient als Folie zur Erklärung der Gegenwart, vgl. Gentili-Cerri 1973, 53f., die den modellhaften Charakter des Geschehens, das sich in der Welt der Heroen abspielt, betonen.

89

Strasburger 1972, 15 geht von einer stimulierenden Wirkung des Epos auf die Geschichtsschreiber aus, „insofern die Dichtung durch die Wirklichkeitsnähe ihrer Scheinwelt nicht nur die quasi-geschichtliche S t o f f m a s s e erzeugt, sondern auch geschichtliches Bewußtsein in den A u f n e h m e n d e n " bewirkt. Ders. S. 36: „ D a s Prinzip der stofflichen Selektion auf das Bedeutende hin, sowie die Akzentuierung des Aitiologischen und Paradigmatischen verbindet die Dichter von Ilias und Odyssee mit Herodot und Thukydides." Ebenso Deichgräber 1952, 7f. und Canfora 1972,21-28.

90

Hölkeskamp 1998, 24: „Die wichtigste Funktion des ,nomologischen W i s s e n s ' besteht also darin, einen Rahmen verläßlicher Orientierung und sicherer, auch Sicherheit vermittelnder Regeln zu bewahren ..."

91

Fränkel 1969, 43f.

92

So hat schon Latacz 1975 mit Recht als Resultat der Redenforschung bei Homer in Aussicht gestellt, „aus den Reden im Rahmen einer weitausgreifenden Analyse

Reden und die Geschichtsschreibung: Narratologie und Historiographie

55

Die direkten Reden sind durch Einleitungs- und Sehlußformeln bewußt von der übrigen narratio abgesondert, entsprechend dem Inhalt, dem Charakter und dem Redeziel des Sprechers, sind als Ringkomposition, Parallele Komposition und Freie Reihung gestaltet und in der Gesamtkomposition des Werkes durch motivische und thematische Fernbeziehungen miteinander verbunden. Sie dienen zur Dramatisierung der Erzählung, zur typologischen Charakterisierung der an der Handlung beteiligten ,Helden', und zur indirekten Analyse und Kommentierung des Geschehens auf der Ebene der Fabula und präfigurieren im Kern bereits alle Funktionen der Reden bei späteren Schriftstellern. 93

1.4. Die Reden und die Geschichtsschreibung: Narratologie und Historiographie Der fiktionale Text schafft durch Mimesis bzw. Verfremdung der Wirklichkeit sein eigenes geschlossenes, fiktives Bezugsfeld und seine eigene Relevanz, 94 muß aber trotz aller künstlerischen Reduktion, Transposition, Abstraktion und Simplifizierung mit der empirischen Realität kommensurabel bleiben 95 und für den Rezipienten (NeFei), der bei der Lektüre sein und Synthese Wesentliches über das Denken und Fühlen der Griechen des 8 Jh. wiederzugewinnen." 93

Deininger 1938, 117: „Die Reden stehen schon bei Homer im Dienste der Handlung: sie geben die Motive und bereiten vor: außerdem stellt der Dichter in ihnen die großen Z u s a m m e n h ä n g e heraus und gibt Vordeutungen auf Künftiges; oft dienen sie auch der Charakterisierung der Sprechenden. Man kann sagen, daß alle Möglichkeiten der Funktion der Reden bei Herodot und Thukydides im Prinzip bei Homer schon vorgebildet sind."

94

Anderegg 1973, 39: „Das in den Mitteilungen sich konstituierende Bezugsfeld des fiktiven Senders bildet nicht nur die Voraussetzung für die Kommunikation des Fiktivtextes, sondern zugleich auch die Sache, um die es ... in der Kommunikation geht, wird, wie deren Voraussetzung, durch den Text erst konstituiert." Ist die Geschlossenheit eines fiktionalen Textes gestört, kann der Autor damit beabsichtigen, im Rahmen der fiktionalen Erzählung Informationen über aktuelle Zustände und Verhältnisse, die mit der Fabula nichts zu tun haben, zu geben.

95

Lanser 1981, 291 f.: „Particularly in the novel, but also in other fictional forms, it is conventional for the alternative world to display acts and patterns that are meaningful in the historical world as well ... precisely because fiction offers a hypothetical ... reality that it can c o m m u n i c a t e something , n e w ' about the real world through a reorganize of its elements. ... In the context of literary fictions and and especially of the novel, the link between historical and alternative world is par-

56

Einführung in die Thematik der Reden

eigenes Bezugsfeld verfremden und sich in dasjenige des Textes hineindenken muß, wahrscheinlich und plausibel sein. 96 Ein Sachtext, der die äußere Form eines fiktionalen Textes wählt, kann deswegen, weil er kein in sich geschlossenes fiktives Bezugsfeld aufweist, sondern das des Rezipienten durch Information über außerhalb des Textes bestehende Dinge erweitern will 97 und an die Partikularität und Kontingenz der Lebenswirklichkeit, die seinen Bezugspunkt bildet, gebunden ist, die Geschlossenheit und Kohärenz des fiktionalen Textes zwar nicht erreichen: Der Historiker ist nämlich in viel höherem Maße als der Schriftsteller um der Glaubwürdigkeit seiner Erzählung willen immer wieder dazu genötigt, die narrative Illusion, die Geschichte erzähle sich von selbst, durch auktoriale Einschübe und exegetische Glossen zu durchbrechen und so die Erzählung auf das real Geschehene, das im Gegensatz zur fiktionalen Literatur den referentiellen Rahmen bildet, zu beziehen. Aber aus der fiktionalen Literatur übernommene Techniken tragen dazu bei, Darstellung und Sinndeutung miteinander zu verbinden und durch Anlehnung an die Geschlossenheit des fiktionalen Textes der eigenen Abhandlung Kohärenz zu verleihen. Bedient sich ein Historiker bei der Darstellung seines Werks literarischer Techniken und wird sozusagen ποιητής, so kann zur Analyse eines solchen Textes grundsätzlich das gleiche bei der fiktionalen Literatur angewandte narratologische Modell übernommen werden, wobei aber einige Modifikationen vorzunehmen sind. Angesichts des spärlichen biographischen Materials, das wir über die antiken Historiker besitzen, ist es kaum sinnvoll, den materiellen vom impliziten Autor bzw. dem primären NarratorFokalisator (NFi), der als das Ende der Erzählung kennender und vorwiegend als heterodihegetischer Narrator die autoritativ gültige Stimme des Historikers ist, zu trennen. Das biographische Material trägt dazu bei, den

ticularly close, and it is the high degree of referential discourse and the assumption of a literary preselection process that together evoke this bond within the text." Bal 1997, 176: „A structural correspondence was assumed to exist between fabulas of narrative and 'real' fabulas ... if no homology were to exist at all, ... then people would not be able to understand narratives." 96

A d a m 1985, 202: ,,Ce qui importe generalement pour l'enonciateur-narrateur, c'est d'etre cru et compris, d ' o ü son recours au vraisemblable (condition de la recevabilite du discours) et ä une superstructure narrative homogene, organisee et tendant ä la cloture."

97

So Anderegg 1973, 95.

Reden und die Geschichtsschreibung: Narratologie und Historiographie

57

produktionsästhetischen Kontext zu rekonstruieren. Ebenso ist der implizite (ideale) Leser mit dem primären Narratee (NeFei) identisch. Was die drei Textstufen von ,Text', ,Story' und ,Fabula' betrifft, so ist die Fabula der vom Historiker in seiner Forschung gefundene und durch Selektion der einzelnen historischen Fakten gebildete chronologische Ereigniszusammenhang. Die Leistung des Historikers besteht darin, die auf der Ebene der Fabula manchmal ziemlich disparat liegenden historischen Ereignisse in der Story zu einer kohärenten Erzählung mit logischem Anfangs- und Endpunkt zu vereinigen. Die chronologische Ordnung der Fakten ist vorwiegend linear, erhält aber bisweilen eine anachronische Gestalt, da der Historiker notwendigerweise aus einem a posteriori Standpunkt erklärend erzählt. Ebenso dienen verschiedene Erzählgeschwindigkeiten dazu, der Erzählung Emphase und Sinn zu geben. Das materielle Produkt dieser Arbeit ist der Text. Im einfachen Narrator-Text erzählt der Historiker als primärer Narrator-Fokalistor (NFi) die Story. Er steuert aber ebenso wie der Autor fiktionaler Literatur bewußt durch die Selektion und Anordnung des Stoffes, durch auktoriale Kommentare und analytische (deskriptive Passagen), die nicht auf der Ebene des Handlungsablaufes (Fabula) stehen, durch wertende Adjektive, Superlative etc. die Rezeption seines Textes und gibt explizit 98

oder zumindest implizit die Relevanzkriterien für seine Selektion an. Beim komplexen Narrator-Text, in dem der primäre Narrator einer an der Handlung beteiligten Person die Funktion der Fokalisation übergibt, können zwar indirekte Reden durchaus das Resümee historischer Reden sein; unausgesprochene Gedanken und Wahrnehmungen müssen aber in der Regel vom Historiker aus dem Kontext und der eigenen Lebenserfahrung erschlossen und anstelle einer auktorialen Angabe zur Motivation dramatisch lebendig auf die Ebene der Fabula transponiert werden. Noch viel mehr gilt dies für erfundene direkte Reden, in denen der Historiker allgemeine Kommentare und Analysen, welche die Einmaligkeit der historischen Situation transzendieren, dramatisch auf der Ebene der Fabula einfügen kann. Es gelingt ihm so, auf künstlerisch geschickte Art, seine Interpretation mit der Handlung zu vermengen und auf einen analytischen Einschub oder die aus den traditionellen Glossen entstandenen und

98

Stempel 1973, 327, 343 erkennt bei allen historischen Darstellungen eine „Dichotomie der erzählenden und beschreibenden Rede ... : es sind zwei Universalien der praktischen, kommunikativen Rede, von denen die erste die besondere, die zweite die allgemeine ist."

58

Einführung in die Thematik der Reden

seit der Neuzeit so beliebten Fußnoten," in denen der moderne Historiker Beweise für seine Argumentation anfuhrt, weitere nicht auf der Ebene der Fabula befindliche Erkenntnisse vermittelt und dazu Auseinandersetzung mit den Meinungen anderer Gelehrter führt, zu verzichten und dem Text erhöhte Kohärenz zu verleihen. Wieso die von Genette in Bezug auf die direkten Reden zwischen fiktionalen und nicht-fiktionalen Literaturgattungen vorgeschlagene Unterscheidung: „Die Geschichte, die Biographie oder die Autobiographie sollen Reden reproduzieren, die tatsächlich gesprochen wurden; das Epos, der Roman, das Märchen oder die Kurzgeschichte dagegen sollen die Reproduktion nur fingieren, und in Wahrheit produzieren sie ihre Reden, die also rein erfunden sind," 100

auf die Reden in der antiken Historiographie, in welcher der Historiker in einem gewissen Sinne auch Dichter war, nicht zutrifft, soll durch den Vergleich der Reden bei Herodot und Thukydides illustriert werden.

1.5. Zusammenfassung und Ausblick Gemäß der Unterscheidung des Aristoteles in der Poetik befaßt sich die Dichtung mehr mit allgemeinen Dingen, die Geschichtsschreibung mit der Darlegung spezieller historischer Fakten. Die Dichtung ist ihr überlegen, weil sie auf eine einheitliche und logisch kohärente Darstellung zurückgreift und die Wirklichkeit zu einem geschlossenen Sinnzusammenhang macht, um beim Rezipienten, der sich in diese ideale Scheinwelt hineinversetzt, die gewünschten Effekte zu erzielen. Aristoteles berücksichtigt aber nicht die Möglichkeit, daß auch ein (erzählender) Historiker seine in der 99

Zur Geschichte und Bedeutung der Fußnote in der modernen Historiographie vgl. Grafton 1997, der S. 22f. die Funktion so umschreibt: „First, they persuade: they convince the reader that the historian has done an acceptable amount of work, enough to lie within the tolerance of the field. ... Second, they indicate the chief sources that the historian has actually used. Though footnotes usually do not explain the precise course that the historian's interpretation of these texts has taken, they often give the reader who is both critical and open-minded enough hints to make it possible to work this out - in part. ... In documenting the thought and research that underpin the narrative above them, footnotes prove that it is a historically contingent product, dependent of the form of research, opportunities, and states of particular questions that the historian went to work." Vgl. auch Lateiner 1989, 19.

100 Genette 1998, 225. Ebenso Lämmert 1955, 243 ff.

Z u s a m m e n f a s s u n g und Ausblick

59

wissenschaftlichen Forschung gefundenen und im Gegensatz zur Dichtung nicht erfundenen Fakten nicht nur chronologisch, sondern auch, soweit es die Faktenlage, die den referentiellen Rahmen jedes historischen Werks bildet, zuläßt, kausal sinnvoll zu einer in sich stimmig geschlossenen Einheit zu ordnen versucht. Zur Sinnstiftung und Lenkung der Rezeption stehen dem Historiker einerseits achronische, nicht auf der Ebene der Fabula liegende auktoriale Einschübe und Glossen zur Verfügung; andererseits kann er vor allem durch Analysen und Kommentare in den direkten Reden, die den handelnden Charakteren in den Mund gelegt werden, die Erzählung indirekt deuten und am Allgemeingültigen, das auf diese Weise in die Fabula eingeflochten wird, partizipieren zu lassen. Da diese Erklärungen dank der Illusion der Fiktion auf der Ebene der Fabula liegen, sind sie im Gegensatz zu auktorialen Kommentaren eher dazu geeignet, Erkenntnisse rezipientengerecht zu vermitteln. Wie die Kapitel über die Narratologie und die Anwendung auf die Reden in der Ilias gezeigt haben, können die Reden grundsätzlich drei Hauptfunktionen erfüllen: •

Dramatisierung des Geschehens,



Charakterisierung der (handelnden) Sprecher (als Typen),



Indirekte Deutung und Kommentierung des Geschehens auf der Ebene der Fabula.

In den folgenden Kapiteln ist zu untersuchen, welche Funktionen die Reden bei Herodot und Thukydides haben und in welcher Hinsicht sie sich einerseits vom oben skizzierten Modell, anderseits untereinander unterscheiden. Der Vergleich soll vor allem auch aufzeigen, wie und mit welchen Denkkategorien die beiden Historiker das von ihnen berichtete Geschehen analysieren und deuten und welche rhetorischen Mittel sie dazu einsetzen.

II. H E R O D O T 2.1. Herodots Werk und Weltanschauung1 2.1.1. Vorstufen der Geschichtsschreibung: Die Entwicklung bis Herodot

Das geistige Umfeld, in dem Herodot sein Werk niederschrieb, hatte sich in den fast 300 Jahren, die ihn von Homer trennten, grundlegend veränΛ

dert. Im Zeitalter der großen Kolonisation und der Horizonterweiterung, die durch den steten Informationsfluß zustande kam, hatte das Aufkommen der Prosa und der Wissenschaften - und damit verbunden eine Zunahme von Empirismus, Rationalität und Pragmatismus bei gleichzeitigem Zurücktreten des traditionellen religiösen Denkens - auch für die im Entstehen begriffene Historiographie einschneidende Folgen. Wichtigster Vorläufer Herodots war der Geo- und Ethnograph Hekataios von Milet ( 5 6 0 ^ 8 0 ) , 3 dessen als Erläuterung zu seiner Erdkarte 1

Forschungsüberblicke z.B. bei Jacoby 1913; Cobet 1971, 4 - 4 1 ; Drexler; 1972, 187-227; Hampl 1975; Lachenaud 1978, 1 - 2 9 ; Beltrametti 1986, 201 ff.; Dewald / Marincola 1987; Bichler/Rollinger 2000; Schulte-Altedorneburg 2001.

2

Dazu Lesky 1971, 2 3 5 - 2 5 9 ; Schadewaldt 1995, 19-41 und Latacz 1998, 512-518. Der Sachepiker Hesiod erklärt in der Theogonie die Göttergeschichte, chronologisch und systematisch nach dem Generationenprinzip geordnet, wobei der Ist-Zustand, die Herrschaft des Zeus, als ein ,historisch' gewordener darstellt wird. In den "Εργα καΐ ήμεροα gibt er die Gründe für den Normenverfall, den er in einen historischen Prozeß (Pandora-Mythos und Weltalter) einbettet, an. Erwähnenswert sind auch die Begriffsdefinition und die vielen Gnomen. Eine wichtige Vorläuferfunktion hat natürlich auch die 1.3.1. kurz angesprochene Lyrik, wie Gentili-Cerri 1973 an Hand von M i m n e r m o s von Kolophon oder N a g y 1990 an Hand von Pindar gezeigt haben. So r e s ü m i e r e n Gentili-Cerri 1973, 53: „ U n a poesia pragmatica, direttamente impegnata ai problemi attuali della propria collettivitä, ma nello stesso tempo rivolta ad indicarne gli antecedent! storico-politici attraverso la rievocazione del passato."

3

Lendle 1992, 10-18 und Latacz 1998, 5 1 9 - 5 4 1 . Die anderen frühen Prosaschriftsteller wie Akusilaos von Argos, Charon von Lampsakos, Pherekydes von Athen,

Herodots Werk und Weltanschauung

61

gedachte Περίοδος της γ η ς neben geologisch-biologischen Informationen auch schon ethnographische und rudimentäre geschichtliche Bemerkungen enthält. In den Γενεαλογίαι versucht Hekataios, einerseits die genealogischen Traditionen der Mythen in ein einheitliches chronologisches System, das auf der Generation als Zähleinheit beruht, einzuordnen, anderseits die Sagen anhand seiner rationalistischen Methode verständlich zu machen, wobei an die Stelle der überlieferten Tradition seine eigene Person als Kriterium fur die Wahrheit tritt. 4 Auch wenn das von ihm rationalistisch analysierte Objekt, Mythen aus längst vergangenen Epochen und nicht Zeitgeschichte, noch als inadäquat angesehen werden muß, hat sich seine Methode für die nachfolgenden Forscher dennoch als wertvoll erwiesen. 5 Ob überhaupt und inwieweit Hekataios das Stilmittel der direkten Rede und allenfalls rhetorische Figuren eingesetzt hat, kann angesichts der wenigen Fragmente nicht mehr mit Gewißheit festgestellt werden. 6

Hellanikos, Ion von Chios, Xanthos der Lyder und Antiochos von Syrakus, von denen nur sehr wenige Fragmente erhalten geblieben sind, befaßten sich vornehmlich mit Genealogien, 'Myelographie' und Chroniken. Während sich die einen mit der mythischen Zeit beschäftigten und diese nicht selten einer rationalistischen Kritik unterzogen, versuchten die anderen, die Vergangenheit mit der Gegenwart zu verbinden (vgl. dazu Nielsen 1997, 26). Zur ganzen Thematik vgl. Lendle 1992, 18-35, Schadewaldt 1995, 31 ff. und Nielsen 1997. 4

So in FGrHist IF la. Gut Berteiii 2001, 81: „For Hesiodus, the divine genealogist, it is the 'objectivity' of oral tradition, symbolized by the Muses, which forms the inevitable touchstone of truth. On the contrary, for Hecataeus there is no external authority vouching for the truthfulness of his utterance; rather, the tales of the Greeks (οι Ελλήνων λόγοι.) are absolutely unreliable, being ' m a n y ' (πολλοί) and 'ludicrous' ( γ ε λ ο ί ο ι ) - the personal j u d g m e n t of the author being the only truth standard." Dasselbe gilt auch für die nachfolgenden ,Historiker'.

5

So z.B. Lesky 1971, 257f. und Latacz 1998, 536. Hekataios' Auftreten im Werk Herodots während des Ionischen Aufstandes als Warner 5,36,2; 125 und 126 ist kein Indiz dafür, daß Hekataios ein Werk über den Ionischen Aufstand, das Herodot als Vorlage benutzt haben könnte, geschrieben hat. Berteiii 2001, 94 würdigt drei wichtige Leistungen des Hekataios für die Geschichtsschreibung: 1. „definition of a standard of analysis for the transmitted material." 2. „source criticism and the search for a rational explanation." 3. „(probably) a chronological backbone to order the events." Ebenso verwendet er schon den Wahrscheinlichkeitsschluß (in FGrHist 1 F 27).

6

Immerhin scheint eine Rede in FGrHist 1 F 30 vorzukommen, w o die indirekte in die direkte Rede übergeht und die Aufforderung kunstlos mit άλλα eingeführt wird. Schulz 1933, 21 meint aber, daß diese Art von Rede „noch ohne irgendeine psychologisch motivierende oder tragisch steigernde Funktion, rein episodenhaft" dastehe. Zum Stil vgl. Dion. Hal. Thuc. 5, Schadewaldt 1995, 35ff. und Berteiii 2001,

62

HERODOT

2.1.2. Das Proömium: Struktur und Zielsetzung des Werks Im Einleitungssatz des Proömiums 7 seines Werkes, das Herodot in einer nominalen Konstruktion schlicht als Darlegung seiner Nachforschung (ίστορίης άττόδεξις 8 ήδε) bezeichnet, deklariert er nach der Angabe seines Namens und des Werktitels, noch ganz in der epischen Tradition des κλέος άφθι,τον stehend, zunächst sein Selektionsprinzip, große und bewundernswerte Taten der Menschen - Griechen und Barbaren - nicht der Vergessenheit anheimfallen zu lassen (εξίτηλα, άκλεα). Freilich unterscheidet er

79, der in Hekataios' λ έ ξ ι ς είρομένη im Gegensatz zu Hesiods poetischer Formelsprache ein geeignetes Instrument zum Beschreiben und Argumentieren erkennt. 7

Vgl. Dion. Hal. Pomp. 3; Jacoby 1913, 333ff.; Regenbogen 1930, 105ff.; Schadewaldt 1934, 116; Pohlenz 1937, 3ff.; Erbse 1956; Krischer 1965; Immerwahr 1966, 80ff.; Drexler 1972, 3ff.; Nagy 1987, 175-184; Asheri 1988, xvii ff. und 261 f.; Koenen 1993; Meier 1995, 3 6 7 f f ; Arieti 1995, Iff.; Bichler/Rollinger 2000, 14f. und Bakker 2002, 6ff.

8

Das Verbalsubstantiv άττόδεξις (Darstellung, Darlegung) ist von ά τ τ ο δ ε ί κ ν υ μ ι / δ ε ί κ ν υ μ α ι (,aufweisen, darlegen') und nicht vom sprachlich ebenfalls möglichen άττοδέκεσθαι ( , a u f n e h m e n ' ) abgeleitet, so überzeugend Erbse 1956, 209ff. und 1995. Nagy übersetzt den Ausdruck mit „public display" (1987, 177f.) und mit „public demonstration of an oral performance" (1990, 217ff.) und sieht Herodot in der Tradition des homerischen und pindarischen α ο ι δ ό ς als Bewahrer des κλέος in einer auf mündlicher Kommunikation beruhenden Gesellschaft (z.B. Pind. N e m . 6 , 2 8 - 3 0 und 4 5 - 7 , Pyth. 1,92-4). Er vergleicht die A u f g a b e Herodots, den er als λ ό γ ι ο ς bezeichnet (wohl im Sinne von Hdt. 2,77,1), mit dem α ο ι δ ό ς bei Pindar und erkennt die Gemeinsamkeit „in their function of maintainig κ λ έ ο ς ,glory of m e n ' even after death, and it implies that this activity of both logioi and aoidoi is matter of apodexis 'public presentation'" (1990, 223). Indessen gebraucht Herodot selbst den Begriff λ ό γ ι ο ς im Z u s a m m e n h a n g mit den persischen Propagandisten 1,1 negativ; er selbst bezeichnet sich nirgends als λ ό γ ι ο ς . Er ist mehr als ein „master of oral tradition" (Nagy 1990, 224), wie Nagy selbst S. 259ff. ausführt: Das Wissen der orientalischen Propagandisten beruht nicht auf ί σ τ ο ρ ι η , durch die sich Herodots άττόδεξις auszeichnet, sondern erinnert an Hekataios' Rationalisierung von Mythen. Dagegen faßt T h o m a s άττόδεξις nicht als einen Hinweis auf die Kommunikations-, sondern die Beweismethode auf, übersetzt mit „public showing of p r o o f ' , bzw. „stress on proof, display and persuasion" (1993, 242) und „demonstration with a hint of display and of p r o o f (2000, 2 2 I f . ) und verweist auf das Umfeld der mündlichen sophistischen Epideixis. Als Parallele führt sie ί σ τ ο ρ ί η ς έ π ι δ ε ι ξ ι ς in HP Arte 1 an. Hingegen unterscheidet Bakker 2002, 22 άττοδείκνυμι („the person or thing pointed at in an act denoted by apo-deik by contrast, is always changed in the act, and may not even have existed before") von έ τ η δ ε ί κ ν υ μ ι („the spectacle is an addition to a given context, or its witnesses are external spectators of the display") und meint S. 25 zum Prooimion: „The apodexis of great deeds is their accomplishment, their enactment, not their display or showing."

Herodots Werk und Weltanschauung

63

sich d a d u r c h d e u t l i c h v o n d e n e p i s c h e n V o r g ä n g e r n , d a ß e r a u f d e n A n r u f der allwissenden

Musen

verzichtet. Nicht mehr

göttliche

Inspiration,

sondern eigenständige, im Bereich der menschlichen Leistungen und Taten angesiedelte Forschungsarbeit (ίστορίη), so w i e es seine ionischen Forscherkollegen vor ihm getan hatten, verbürgt seine Darlegung und verleiht ihr d i e n ö t i g e A u t o r i t ä t . 9 A m E n d e dieser kunstvoll gesteigerten Periode, die sich v o m Allgem e i n e n z u m S p e z i e l l e n h i n b e w e g t , 1 0 setzt e r d a s L e i t m o t i v u n d z u g l e i c h die H a u p t t h e m a t i k seines W e r k e s fest: τ ά έπολέμησαν

τε

άλλα

και

δι' ή ν

αϊτίην

ά λ λ ή λ ο ι σ ι . „ V o r a l l e m a b e r [soll m a n e r f a h r e n , ] w a r u m sie

gegeneinander zum Kriege schritten."" D a s Ziel seiner F o r s c h u n g besteht schließlich auch darin, die α ί τ ί η der großen Perserkriege, wobei

9

10

11

der Begriff Ursache und

Schuld

umfaßt,

So Darbo-Peschanski 1987a, 23 und Hartog 1991, 368. Zum Begriff Asheri 1988, xvii: „ίστορίη significa indagine, inchiesta, ricerca, indipendentemente dall'oggetto della ricerca stessa." Zum juristischen' Aspekt vgl. Deichgräber 1952, 17ff., Darbo-Peschanski 1987a, 43ff. Zum homerischen ϊστωρ vgl. Nagy 1990, 250 ff. Man beachte die parallele Gliederung des zweiteiligen negativen Finalsatzes ώς μήτε - μήτε mit Homoioteleuton (γένηται), der die Symmetrieachse des Satzes bildet, und die Sperrung von ίστορίη und αίτίη. Nicht zutreffend Krischer 1965, 166, der die beiden Teilen des Finalsatzes bloß als Doppelung auffaßt, die „durch formale Gleichheit der Glieder, gekoppelt mit einer Verschiebung des Akzents, ganz zwanglos vom Namen des Verfassers zum Fugenwort als dem Anfang der Erzählung überleitet." Die formale Parallelität der beiden Glieder verbindet vielmehr die Forschertätigkeit im Sinn der ionischen ίστορίη fugenlos mit der aus dem Epos stammenden Kriegsschuldfrage (11.1,6 έξ ου ...). Dagegen Focke 1927, 5f.: „Nicht um auf einen Gegenstand von besonderer Wichtigkeit hinzuweisen, sondern lediglich um einen leidlichen Übergang herzustellen, bediente sich Herodot jener saloppen, formelhaften Verlegenheitswendung, deren Sinn wir hier etwa mit 'so auch, unter anderem' wiedergeben können. ... Es enthält keine Spur irgendeiner Emphase." Krischer 1965 faßt das letzte Kolon mit αίτίη als Fugenwort, analog zum Ilias-Proömium 1,7-12, bloß als Überleitung zur Frauenraub-Geschichte auf. Ebenso Fehling 1971, 43, Drexler 1972 und Asheri 1988, xix. Wenig überzeugend ist Hommel 1981, der den zweiten Teil des Proömiums als späteren Einschub betrachtet und im Schlußkolon einen flüchtigen Versuch der Fugenglättung bei der Endredaktion sieht. Richtig hat dagegen Erbse 1956 in Anlehnung an Pagel 1927 daraufhingewiesen, daß das letzte Kolon ein anaphorischer Rückgriff auf den Hauptsatz ist und nicht zum vorherigen Finalsatz gehört. Der adverbiale Ausdruck τά τε άλλα καί hat verstärkende Funktion und bedeutet nicht ,inter alia' (Hunter 1982, 226), sondern 'vor allem aber, insbesondere aber', vgl. Dik 1995, 47 und Wecowski 2004, 146, Anm. 22. Dadurch wird das Folgende vom Rest getrennt und gesteigert, vgl. 1,174,4; 1,193,5; 2,127,1, 5,62,3, 5,83,1; 9,25,2.

HERODOT

64

herauszufinden und in seinem Bericht darzulegen.

12

Der Einleitungssatz, 13

der auch Themen-, aber nicht Inhaltsangabe ist, präfiguriert in einem gewissen Sinne bereits die Struktur des ganzen Werkes: Herodot beschäftigt sich allgemein mit dem Geschehen im spatium humanum (τα γενόμενα έξ άνθρώπων, im Gegensatz etwa zu Göttermythen oder Heroensagen), und zwar speziell mit großen und bewundernswerten Taten und Leistungen (εργα μεγάλα και θωμαστά)14, die er kraft seiner ίστορίη vor dem Vergessen bewahrt. Zum ersten gehören die ethnographischen Exkurse, in denen er geographische und ethnographische Forschung geschickt mit dem die ganze Geschichte der Menschheit prägenden Konflikt zwischen Griechen und Barbaren verbindet. In den großen Perserkriegen erreicht dieser seinen Höhepunkt und vorläufigen Abschluß. Somit bilden die Konfliktanalyse und die Kriegsschuldfrage für Herodot den speziellen Gegenstand seines Werks.

12

Zu den Begriffen α ί τ ι ο ς , α ί τ ι ο ν , α ϊ τ ί η ausführlich Stahlenbrecher 1952, der im Einleitungssatz α ϊ τ ί η als „das, was jeweils die Ursache ihres Kampfes w a r " (S. 68) und den Anstoß zur Handlung gibt, auffaßt. Für Bornitz 1968, 139 gebraucht Herodot das Wort „ausschließlich zur Bezeichnung einer menschlichen Fehlleistung im sozialen oder religiösen Bereich" und bezeichnet somit die 'Schuld'. Ebenso tendiert Hohti 1976a, zur Bedeutung 'Schuld'. Ob aber Herodot bei α ϊ τ ί η die beiden semantischen Bereiche 'Ursache' und 'Schuld' getrennt hat, ist fraglich. Umfassend Asheri 1988, xlviii f.: „Di norma la α ϊ τ ί η erodotea e una responsabilitä ο una colpa personale di grado diverso: u n ' o f f e s a , un assassinio, un atto crudele, una mancanza di gratitudine; l'odio, il ricordo di offese ricevute, il desiderio di retribuzione ο di vendetta, di espansione territoriale ο di difesa; la fede negli oracoli, nei sogni ο nelle profezie; la brama di realizzare und grande έ ρ γ ο ν degno di memoria ...; l'influsso di donne potenti ο di consiglieri buoni e cattivi, i calcoli sbagliati, la follia. ... Questo non significa che Erodoto non intuisse anche l'esistenza di causalitä politiche ο sociali non legate ad individui ... Ma resta apparentemente convinto che anche le cause impersonali, ossia invisibili, hanno bisogno di personalitä che le incarnino per tradurle concretamente in azioni. Le storie personali lo interessano ... molto di piü delle analisi astratte di sviluppi economici e sociali." Arieti 1995, 5: „Beginning and responsibility." Bakker 2002, 14: „ α ι τ ί α ... is not a matter of nature ... but of human behaviour."

13

So z.B. Focke 1927, 38ff.

14

ε ρ γ α sind nicht nur Bauwerke (Diels 1887, 440, Jacoby 1913, 334 und Hedrick 1993, 24ff., für den im Proömium ein allgemeiner Gegensatz zwischen γ ε ν ό μ ε ν α (,events') und έ ρ γ α ( , m o n u m e n t s ' ) besteht), sondern auch „Leistungen zielbewußter Anstrengungen bei Griechen und Barbaren" (Pagel 1927, 3 f.), „finished product of an activity" (Immerwahr 1960, 269), „azioni ed opere di ogni genere: guerre, atti di grande virtü, grandi monumenti, idee originali, invenzioni, tecniche ecc." (Asheri 1988, xviii).

Herodots Werk und Weltanschauung

65

Unmittelbar nach dem Einleitungssatz beschäftigt sich Herodot mit der Frage nach der Ursache der Kriege. Nach einem mythologischen Exkurs (1,1-5,2), in dem Herodot den pseudo-epischen Erklärungsversuch, daß die Kriege zwischen Orient und Okzident durch Frauenraub verursacht worden seien, auf ironische Weise 15 als unzulänglich, weil zum Teil widersprüchlich und nicht mehr verifizierbar, erweist und zum Schluß kommt, daß sich die Kriegsschuldfrage nicht durch diese lächerliche und offenbar von orientalischen Apologeten (λόγιοι) zu propagandistischen Zwecken mißbrauchte mythische Erklärung beantworten läßt 16 , folgt der erste Hinweis auf eine neue, ,historische' Methode. Herodot versucht nicht im Stil der persischen λόγιοι und des Hekataios die mythische Erklärung zu rationalisieren, sondern will die Schuldfrage nur so weit zurückverfolgen, wie er es selbst (angesichts der mündlichen Quellen) verifizieren konnte. Wichtig ist für ihn in methodischer Hinsicht, daß seine Behauptung im Gegensatz zum 17

Mythos auf der Grundlage gesicherten Wissens fußt. Person 1,5,3:

So sagt er in eigener

15

So z.B. Bornitz 1968, 164-192 und Wecowski 2004, 151, für den die Passage ein „a divertimento" ist. „Herodotus tried amusingly to criticize the c o m m o n explanation of the origins of great wars ... Herodotus' criticism of the 'pseudo-epic causality' is directed against a peculiar habit of constructing superficial explanatory patterns of great events ... out of secondary episodes linked together by a very banal if not coarse association of ideas. ... this intellectual habit was not in fact confined to post-homeric poetry, but was probably more widespread; it almost certainly appeared in some prose writers of the time." (S. 152f.). Dagegen nehmen Hampl 1975 und Harrison 2000a den Einleitungsmythos ernst. Immerhin k o m m t schon das für den weiteren Verlauf des Werkes wichtige Paar αδικία - δίκη und 1,4,3 der Begriff δ ύ ν α μ η ( , M a c h t ' ) vor (vgl. dazu de Romilly 1971, 318; Cobet 1986, 4f. und Kuch 1995, 59ff.).

16

Gut Erbse 1979, der in Herodots methodologischer Kritik die Antwort an die orientalischen λόγι,οι, die durch die Historisierung des Mythos die Schuld am Konflikt den Griechen zuweisen wollten, sieht. Ebenso De Jong 1999, 233, die das ganze Werk als eine „longue refutation detaillee de cette these des barbares" auffaßt. Fehling 1971 hält dagegen die Quellenangabe der persischen λόγιοι 1,1 und 1,5 für fingiert und die ganze Geschichte für griechische Mythendeutung im rationalistischen Sinne, zumal nirgends in 1,1-5 „can be found any hint of superhuman influence on human affairs or a divine plan or guidance " (Shimron 1989, 28). Für Arieti 1995, 11 charakterisiert der Exkurs die Orientalen und dient dazu, „to draw as sharp a distinction as possible between the kind of understanding of human events that the Persian or other rationalizing historical writers use and that which he will exhibit."

17

So gut Weber 1976, 33 f.: „Das Ausgangsproblem wird dabei so umformuliert, daß die gesamte Problemstellung verändert ist: Die zentrale Frage lautet jetzt nicht mehr: Wer ist für die Auseinandersetzung zwischen Griechen und Barbaren als

66

HERODOT

'Εγώ δέ περί μέν τούτων ούκ έρχομαι έρέων ώς οϋτως ή άλλως κως ταΰτα έγένετο, τον δέ οιδα αυτός πρώτον ύπάρξαντα άδικων έργων ές τούς "Ελληνας, τούτον σημήνας.... „Ich werde nicht behaupten, daß sich dies so oder irgendwie anders ereignet hat, sondern werde denjenigen nennen, von dem ich selbst weiß, daß er zuerst mit ungerechten Taten gegen die Griechen begann ... ," 18

Leitmotiv ist das Wachstum zuerst des Lyderreiches unter Kroisos, der als Paradigma auch thematisch die nachfolgenden Erzählungen präfiguriert und Deutungsmuster gibt. Dann folgen in gesteigerter Reihenfolge die Perserkönige Kyros, Kambyses, Dareios und schließlich Xerxes. Das Grundschema der Erzählung ist im Grunde immer dasselbe: Nach oft bescheidenem Anfang und erfolgreichem Wachstum bewirkt der unersättliche Impuls zur Eroberung, daß der (orientalische) Monarch auf dem Höhepunkt seiner Macht ein vergleichsweise armes, aber wehrhaftes Volk angreift und unterliegt. Dieser Hauptlinie sind ana- und proleptischen Verweise 19 , dazu die ethnographischen bzw. historischen Exkurse

s c h u l d i g anzusehen, weil er z u e r s t mit frevelhaften Taten begonnen hat, die Sühne verlangen?, sondern jetzt heißt die Frage: Wer hat e r s t m a l s im Rahmen dessen, w a s ich selbst s i c h e r w e i ß , unbillige Handlungen unternommen? Aus einer wertbezogenen Frage nach der Schuld wird plötzlich eine Frage nach dem erstmaligen Auftreten eines Sachverhalts innerhalb des Bestandes gesicherten, nachweisbaren Wissens. Es entsteht somit eine Fragestellung, die möglicherweise als spezifisch ,historisch' aufgefaßt werden könnte, weil sie mit Bezug auf das Kriterium des Nachweisbaren und dort wiederum des Erstmaligen formuliert wird. ... Eine neue, verbindliche und Sicherheit des Wissens gewährende Grundlage findet Herodot aber in der Beschränkung auf verbindlich nachweisbares Wissen, das als - vermeintlich neutrale und allgemein akzeptable - Grundlage für Aussagen über die Welt dienen kann. ... Sein Werk kann dann zunächst einmal als der erfolgreiche Versuch angesehen werden, eine neue Verbindlichkeit oder rechtfertigende Grundlage bei der G e w i n n u n g von Wissen über die Welt zu s c h a f f e n . " Nicolai 1986,8, spricht von einem „Paradigmenwechsel vom Mythos zur Wirklichkeitsaussage", vgl. Asheri 1988, 266. 18

Wecowski 2004 meint, das ganze Proömium bilde eine Ringkomposition, wobei im Außenring 1,5,4 τ ά γ ά ρ π ά λ α ι μ ε γ ά λ α ήν κτλ. und τ η ν άνθρωπηίην ... ε ύ δ α ι μ ο ν ί η ν die Schlüsselbegriffe τ ά γ ε ν ό μ ε ν α έξ ά ν θ ρ ώ π ω ν bzw. έ ρ γ α μ ε γ ά λ α καΐ θ ω μ α σ τ ά des Einleitungssatzes wiederaufnähmen und mit Herodots' zyklischem Weltbild verbänden.

19

De Jong 2001, 96: „Whenever the Herodotean narrator feels that his narratee need to be informed about the background of a person or situation, he stops the main story and goes back in time to provide that information."

Herodots Werk und Weltanschauung

67

20

(προσθήκαι, παρενθήκαι.) verwoben.

untergeordnet und zu einer sinnvollen Einheit

Das folgende Schema, das die bedeutendsten Ereignisse und in Auswahl vor allem in Bezug auf die Bücher VII bis IX - die wichtigsten direkten 21 und indirekten Reden enthält, dient als Werkübersicht.

Buch 1 216 Kapitel

1-5: Proömium: Einleitungssatz; Schuldfrage im Mythos erörtert. bis 546 v. Chr.

716-678 678-560 (analeptisch)

um 600 560-546

Lyder-Logos

(I, 6-94):

6: Kroisos als erster Schuldiger des Konfliktes zwischen Asien und Europa auktorial genannt. 7-14: Sturz der Herakliden und Machtübernahme der MermnadenDynastie durch Gyges. Orakel von Delphi verheißt Strafe in der 5. Generation. 8-9: Gespräch des Kandaules mit Gyges. 11: Gespräch von Kandaules' Frau mit Gyges. 15-25: Die Nachfolger des Gyges Ardys, Sadyattes und Alyattes dehnen die lydische Herrschaft in Kleinasien weiter aus. Exkurs 23f.: Periander und Arion. 26-32: Kroisos unterwirft Ionien. Höhepunkt des Lyderreichs. 29-33: G E S P R Ä C H : Kroisos und Solon: Frage, wer der glücklichste Mensch ist. Reichtum ist keine Garantie für das Glück Tellos, Kleobis und Biton. 34-45: ν ε μ ε σ ί ς : Kroisos' Sohn Atys wird von Adrastos getötet. 46-58: Kroisos will Persien angreifen und befragt das Orakel von Delphi. Falsche Auslegung des Orakels durch Kroisos.

20

Dazu Jacoby 1913, 3 8 0 f f „ Pagel 1927, 4 1 - 6 2 , Erbse 1961, 257, der zwei Hauptfunktionen bestimmt: „Er gibt dem Autor die Möglichkeit, bisher nicht genannte oder gänzlich unbekannte Länder und Personen in ihrer für die Gesamterzählung relevanten Eigenart dem Leser vorzustellen, und er befähigt ihn, das rätselhafte Auf und A b der politischen Geschichte in seinem Sinne zu deuten. Beide Aspekte sind episch, vor allem homerisch." Ebenso Cobet 1971 passim, der S. 78 die Exkurse folgendermaßen definiert: „Erweiterung eines in der Darstellung enthaltenen Sachverhalts unter einem Gesichtspunkt, der nicht mehr notwendig mit dem im unmittelbaren Umkreis behandelten Gedankengang z u s a m m e n h ä n g t . " Allerdings scheinen die langen ethnographischen Exkurse über Ägypten im zweiten und über die Skythen im vierten Buch durch ihren U m f a n g den Rahmen des Werkes zu sprengen. Möglicherweise waren sie ursprünglich selbständige Werke, die Herodot bei der Endredaktion in sein Werk integriert hat. Asheri 1988, xxii ff. geht von der unvollendeten Einarbeitung der verschiedenen Einzellogoi in das Gesamtwerk aus. Vgl. zu den Exkursen auch Bichler/Rollinger 2000, 2 7 - 5 9 .

21

Eine Übersicht über die direkten Reden gibt Deffner 1933, 1 1 2 f f , über direkte und indirekte Reden Lang 1984, 80ff.

HERODOT

68

Anal. Anal.

559-529

1220700

Anal.

Buch II 182 Kapitel

Buch III 169 Kapitel

529-522

Anal. 2850526 528

59-68: Bündnissuche in Griechenland ist der Anlaß für: 59-64: Exkurs: Athenische Frühgeschichte (Peisistratos). 65-68: Exkurs: Spartanische Frühgeschichte (Lykurgs Eunomie und der Streit mit den Arkadern um Tegea). 69-74: Vorbereitungen des Kroisos zum Krieg, Warnung des Sandanis (REDE) nicht beachtet. 75- 94: Krieg gegen Persien. Kyros siegt, erobert Sardeis und läßt Kroisos auf den Scheiterhaufen bringen. Dieser wird auf wunderbare Weise gerettet. 86-90: Gespräche zwischen Kroisos und Kyros. 90-91: Kroisos verlangt und erhält Rechenschaft von Apollon. 92-94: Exkurs über νόιιοι und θώαατα Lydiens. Kyros von Persien

(1. Zyklus der Perserkönige: I, 95- 216):

95-140: Kyros erobert die Macht in Persien: 95- 107: Vorgeschichte (analeptisch): Assyrer, Meder, Invasion der Skythen und Herrschaft des Meders Astyages. Traum des Astyages. 108-122: Geburt des Kyros, Aussetzung und Kindheit. 123-130: Verschwörung des Kyros gegen Astyages. Die Perser unter Kyros übernehmen der Herrschaft. 131 -140: Exkurs über die vouoi der Perser. 141-176: Unterwerfung Kleinasiens (Ionien, Lydien, Karien). 142-151: Analeptischer Exkurs: Geschichte der kleinasiatischen Griechen. 177-200: Eroberung Babylons. 178-187: Beschreibung Babylons und seiner Geschichte. 192-200: Beschreibung des Landes und der νόμοι der Babylonier. 201-216: Krieg gegen die Massageten und Tod des Kyros. 215f.: Exkurs über die νόιιοι der Massageten. Kambyses von Persien (2. Zyklus der Perserkönige: 11,1-3,83): 1: Thronbesteigung des Kambyses. 2-182: Exkurs über Ägypten: 2-98: Geographisch-ethnographisch (z.T. als Reisebericht). 99-182: Geschichte Ägyptens (analeptischer Exkurs). 1-25: Eroberung Ägyptens und eines Teils von Äthiopien. 22-35: Gescheiterte Invasion gegen die langlebigen Äthiopier. 27-30: Frevel gegen den Apis-Stier und Wahnsinn des Kambyses. 36-38: Exkurs über fremde Sitten (νόιιος βασιλεύς). 39-60: Polykrates von Samos (erster Teil). Krieg mit Sparta. 40-43: Der Ring des Polykrates (Briefwechsel mit Amasis). 50-53: Periander von Korinth. 61-67: Tod des Kambyses und Usurpation des falschen Smerdis.

Herodots Werk und Weltanschauung

69

68-83: Die Sieben Verschwörer stürzen und töten den falschen Smerdis. 80-82: Verfassungsdebatte: R E D E N des Otanes (für Isonomie), Megabyxos (für Aristokratie) und Dareios (für Monarchie).

Buch IV 205 Kapitel

522-486

Dareios von Persien (3. Zyklus der Perserkönige: III,84-VII,3):

521

84-119: Thronbesteigung und Reorganisation des Perserreiches, dessen äußere Provinzen in einem Exkurs (98-117) beschrieben werden. 120-128: Polykrates' Fall und Tod (zweiter Teil); Bestrafung des Oroites. 129-138: Der Westen: Der Arzt Demokedes und Atossa. 139-149: Samos nach dem Tod des Polykrates (Syloson). 142: R E D E des Maiandrios: Angebot der Isonomie an die Samier. 150-160: Aufstand und zweite Eroberung Babylons (Zopyros).

Anal. 513/12

Anal.

1-82: Historischer und ethnographischer Exkurs über Skvthien. 83-144: Dareios' Expedition gegen Skythien: 83-98: Anmarsch und Überschreitung des Istros. 83: Indirekte Rede des Artabanos (Warnung vor Expedition). 84: Indirekte Bitt-Rede des Oiobazos und Tötung seiner Söhne. 97-98: R E D E N des Koes und Dareios an der Istros-Brücke. 99-101: Exkurs: Topographie Skvthiens. 102-139: Gegenmaßnahmen der Skythen; erfolglose Perser. 110: Exkurs über Amazonen und Sauromaten. 118: Skythische Boten bitten Nachbarvölker vergeblich um Hilfe. 126-7: R E D E N des Dareios und des Skythenkönigs Idanthyrsos. 131-2: Indirekte Reden des Dareios und Gobryas zur Deutung der Geschenke der Skythen. 133: R E D E der skythischen Führer an die Ionier. Aufforderung, von Persien abzufallen und die Istros-Brücke zu zerstören. 134: R E D E N des Dareios und Gobryas. 138-9: Indirekte Reden des Miltiades und des Histiaios. 140-144: Rückzug des Dareios zum Hellespont. 145-205: Eroberung Libyens (Nordafrikas) durch die Perser: 145-167: Gründung und Geschichte Kyrenes. 168-199: Geographisch-ethnologischer Exkurs über Libyen. 200-205: Eroberung Libyens (Geschichte Pheretimes).

HERODOT

70 Buch V 126 Kapitel

1 -27: Weitere persische Kampagnen in Europa (Thrakien). 11-24: Belohnung und Entmachtung des Histiaios. 500-494

Anal. Anal.

Ionischer Aufstand (V,28-VI,21): 28-38: Aristagoras, Tyrannos von Milet, bittet die Perser, ihm bei der Unterwerfung von Naxos zu helfen. Nach vergeblicher Belagerung, stiftet er auf Histiaios' Geheiß die Ionier zur Revolte an. 39-98: Aristagoras sucht Hilfe in Griechenland: 39-48: Aristagoras scheitert in Sparta. 39-48: Kleomenes König in Sparta, Dorieus' Fahrten. 55-97: Aristagoras hat Erfolg in Athen. 56-96: Exkurs über die athen. Geschichte (Schrift). 62-65: Ende der Peisistratidenherrschaft durch die Alkmeoniden und Hilfe des Spartanerkönigs Kleomenes. 66-73: Phylenreform des Kleisthenes und Gegner. 74-96: Erfolgreiche Abwehr innerer und äußerer Feinde. 91: REDE der spartanischen Gesandten: Fehler Spartas, die Tyrannen gestürzt zu haben. Ein freies Athen ist für die übrigen Griechen eine Gefahr. Daher wollen sie die Tyrannis e r n e u e m .

92: REDE des Korinthers Sosikles: Da die Tyrannis das Schlimmste ist, wie er am Beispiel des Periander von Korinth zeigt, widersetzt er sich dem Vorschlag der Spartaner.

97: Athen sichert Aristagoras 20 Schiffe gegen Persien zu. 99-126: Ausbreitung und Niederschlagung des Aufstand bis zur Rückkehr des Histiaios. 99-102: Verwüstung von Sardeis durch die Griechen. 1-5: Ankunft des Histiaios in Ionien als Anführer des Aufstands. 6-21: Endgültige Niederschlagung des Aufstandes in Ionien: Seeschlacht von Lade (14-16), Fall Mi lets (18) und Reaktion in Athen (21). 11-12: REDE des Dionysios (Paränese); Antwort d. Ionier. 22-41: Persische Vergeltungsaktionen gegen die Inseln und Histiaios. 42-43: Neuordnung in Ionien durch Mardonios.

Buch VI 140 Kapitel

492

44-49: Offensive Strategie der Perser in Europa (Vernichtung der Flotte am Athos und Eroberung Makedoniens; Boten nach Griechenland). 50-86: Offensive spartanische Außenpolitik: 51-73: Kleomenes' Intervention gegen Aigina. 52-71: Streit mit König Demaratos, der nach Persien ins Exil geht. 56-60: Exkurs über die spartanischen Sitten. 74-84: Wahnsinn und Ende des Kleomenes.

Herodots Werk und Weltanschauung

490

71

85-86: L e o t y c h i d a s in A t h e n . R E D E : Die Athener sollen die ihnen anvertrauten aiginetischen Geiseln freigeben. Beispielerzählung als Beweis. 87-93: Krieg z w i s c h e n Athen und Aigina. Athen unterliegt. 94-131: Persische O f f e n s i v e g e g e n Eretria und Marathon. 9 4 - 1 0 1 : Vorstoß bis D e l o s und Eroberung Eretrias. 102-104: Perser und Athener bei Marathon in Stellung. 105-107: Hilfegesuch der Athener in Sparta. 108: Ankunft der Plataier. 109: Kriegsrat der Athener: R E D E des Miltiades (Paränese). 110-116: Die Schlacht von Marathon, Sieg der Athener. 117-120: Rückzug der Perser; verspätete Ankunft der Spartaner. 121-131: Verrat der A l k m e o n i d e n und Exkurs zu diesem Geschlecht.

Anal./ Prol.

Anal. Buch VII 239 Kapitel

132-136: Das Schicksal des Miltiades: 132-136: Expedition g e g e n Paros und Tod des Miltiades. 137-140: Exkurs: Vertreibung der Pelasger aus Attika und deren Rache. 1-3: N e u e Rüstungen g e g e n Griechenland, Abfall Ägyptens. X e r x e s z u m Kronprinzen ernannt ( i n d i r e k t e R e d e n ) .

486-478

Xerxes

von Persien

(4. Zyklus der Perserkönige; VII,4-Ende):

5-6: Beeinflussungsversuche durch Mardonios und exilierte Griechen.

481

5: R E D E des Mardonios: Xerxes soll Unrecht sühnen, Vorteil der Eroberung. 7: Niederschlagung des Aufstandes in Ägypten. 8-19: Kronrat und Träume: Griechenlandfeldzug beschlossen: 8: R E D E d e s X e r x e s : Die persische Tradition verlangt, daß er sich an Athen räche. Er verheißt den Zuhörern die Weltherrschaft. Aber Bitte um Beratung. 9: R E D E des Mardonios: Schmeichelrede: Bestrafung der Schuldigen und Vorteile, die sich aus der Eroberung ergeben. Die Griechen sind schwache Feinde. 10: R E D E d e s A r t a b a n o s : Er will den besten Rat geben: Der gescheiterte Feldzug gegen die Skythen ist ein warnendes Exempel. Angriff auf den Kriegstreiber Mardonios und Aufruf zu einer Wette. 11: R E D E d e s X e r x e s : Zornige Antwort auf Artabanos' Rede. Notwendigkeit des Krieges, da es keine Möglichkeit mehr des Ausgleiches mit den Griechen gibt. 12: In der Nacht ändert Xerxes seine Meinung. R E D E des T r a u m s : Xerxes soll den am Tag gefaßten Beschluß nicht revidieren. 13: R E D E des X e r x e s am nächsten Tag: Sinneswandel. Kein Feldzug. 14: In der Nacht: Zweite R E D E des Traums: Falls Xerxes den Zug nicht unternimmt, droht er ihm, daß er wieder klein werden wird. 15: R E D E des Xerxes, in der er Artabanos das Vorgefallene

HERODOT

72

erzählt: Wenn der Traum gottgesandt ist, können sie bedenkenlos den Feldzug wagen. Um die Natur des Traumes zu prüfen, soll Artabanos Xerxes' Platz einnehmen. 16: R E D E d e s A r t a b a n o s : Seine Rolle als Ratgeber. Träume sind menschlicher Natur. Er stimmt Xerxes' Experiment widerwillig zu. 17: In der N a c h t : R E D E d e s T r a u m s : Artabanos darf das, was geschehen muß, nicht abwenden. Androhung von Strafe. 18: R E D E d e s A r t a b a n o s : Rechtfertigung seiner Warnungen aufgrund seiner Lebenserfahrung, aber Meinungsumschwung durch den Traum. 19: Ein w e i t e r e r T r a u m v e r h e i ß t X e r x e s a n g e b l i c h d i e Weltherrschaft. 20-137: Persische Vorbereitung und Marsch nach Europa: 2 0 - 4 3 : V o r b e r e i t u n g und M a r s c h in A s i e n bis z u m H e l l e s p o n t 2 7 - 2 9 : G e s p r ä c h d e s X e r x e s m i t P y t h i o s (erster Teil): Pythios bietet spontan Xerxes sein Vermögen an. Dieser belohnt diese Geste großzügig. 35: R E D E d e s X e r x e s z u m S a l z w a s s e r n a c h Z e r s t ö r u n g der Brücke. 4 8 0 v. Chr. (Frühjahr)

Anal. 481 - 4 8 0

38-39: G e s p r ä c h d e s X e r x e s mit P y t h i o s ( z w e i t e r Teil): Pythios bittet um Dispensation eines Sohnes vom Kriegsdienst. Xerxes reagiert empört und läßt Pythios' ältesten Sohn hinrichten. 4 6 - 5 2 : G e s p r ä c h d e s X e r x e s m i t A r t a b a n o s über die Beschränktheit menschlicher Pracht. Artabanos warnt vor den Gefahren der Natur und Nachschubproblemen sowie der Loyalität der Ionier. Xerxes weist diese Ängste zurück und plädiert für seine Aktionsphilosophie. 53: R E D E d e s X e r x e s an d a s H e e r ( P a r ä n e s e ) . 54-100: Überschreitung des Hellesponts. Heeresmusterung. 101-104: G e s p r ä c h d e s X e r x e s m i t D e m a r a t o s : Demaratos stellt der von Xerxes vertretenen numerischen Überlegenheit die auf dem νόμος beruhende griechische Disziplin entgegen. Er rechtfertigt seine Rolle als loyaler Ratgeber. 105-131: X e r x e s in E u r o p a . M a r s c h bis nach T h e s s a l i e n . 130: G e s p r ä c h z w i s c h e n X e r x e s und d e n T h e s s a l e r n . 132-137: X e r x e s ' G e s a n d t e zu d e n G r i e c h e n k e h r e n z u r ü c k . 135-6: G e s p r ä c h z w i s c h e n H y d a r n e s und S p e r t h i a s und Bulis. Die beiden Spartaner lehnen das Freundschaftsangebot ab und preisen die Freiheit. 138-175: V o r b e r e i t u n g e n der G r i e c h e n : 13 8 - 1 4 4 : B e f r a g u n g d e s O r a k e l s u n d D e u t u n g in A t h e n . Flottenbau d a n k T h e m i s t o k l e s . 139: A u k t o r i a l e s L o b f ü r A t h e n s Rolle im F r e i h e i t s k a m p f . 145: K o n g r e ß der G r i e c h e n a m I s t h m o s beschließt: 146-147: E n t s e n d u n g v o n S p i o n e n n a c h Sardeis. 147: G e s p r ä c h z w i s c h e n X e r x e s und s e i n e m G e f o l g e . 148-169: D i p l o m a t i s c h e M i s s i o n e n n a c h A r g o s , S y r a k u s , K e r k y r a und K r e t a bleiben e r f o l g l o s . 150: R E D E d e s X e r x e s d u r c h einen B o t e n zu d e n

Herodots Werk und Weltanschauung

73

Argivern. 157-162: Gespräch der griechischen Gesandten mit dem Tyrannos von Syrakus Gelon: Die Griechen fordern von Gelon Hilfe, sind aber weder bereit, ihm das Oberkommando noch das Kommando über das Heer oder die Flotte zu übergeben. Daher weist Gelon ihr Begehren empört zurück. 168: Hypothetische R E D E der Kerkyraier an Xerxes, für den Fall, daß dieser siegt. 172-175: Thessaler bitten Griechen in einer R E D E um Hilfe. Daher Heer nach Thessalien gesendet, aber dann wieder zurückgezogen. Anschluß der Thessaler an die Perser. Sommer 480

175-195: Beschluß der Griechen, die Thermopylen und Kap Artemision zu verteidigen. Orakel von Delphi rät, zu den Winden zu beten. Erste Scharmützel zur See und der erste Sturm verursachen nicht geringe Verluste bei der persischen Flotte. 196-197: Xerxes rückt in das Gebiet der Malier vor. 198-239: Die Schlacht bei den Thermopylen: 198-200: Geographisch-topographische Beschreibung des Geländes. 201-208: Die griechischen Kontingente. Leonidas von Sparta. 209: Gespräch des Xerxes mit Demaratos. 210-212: Die ersten drei Tage der Schlacht: Mißerfolge für die Perser. 213-218: Verrat des Ephialtes und Manöver einer pers. Eliteeinheit. 219-222: Reaktion der Griechen auf die Einkreisung. 223-225: Der vierte Tag: Niederlage der Griechen. 226-233: Aristien und weitere Berichte. 234-237: Gespräch des Xerxes mit Demaratos und Achaimenes: Demaratos rät, Kythera zu besetzen. Achaimenes ist dagegen: Die Flotte ist stark, wenn sie zusammenbleibt. Er bezichtigt Demaratos der Neides. Xerxes akzeptiert Achaimenes' Ratschlag, weist aber dessen Beschuldigungen zurück.

238: Schändung von Leonidas' Leichnam durch Xerxes. 239: Botschaft des Demaratos an die Spartaner. Buch VIII 144 Kapitel

1-23: Die Seeschlacht am Artemision: 1-11: Die erste Schlacht, Rückzug der Griechen. 5: R E D E des Themistokles zu Adeimantos. 12-15: Der zweite Sturm und weitere Seeschlacht. 16-23: Zweite Seeschlacht. Unentschiedener Ausgang. 22: Inschrift (REDE) des Themistokles zu den Ioniern. 24-26: Xerxes zeigt das Schlachtfeld. Olympische Spiele. 26: R E D E des Tritantaichmes an Xerxes. 27-34: Invasion der Phokis und Doris. Alexander beschützt Boiotien. 29: R E D E der Thessaler an die Phoker (Erpressung). 35-39: Persischer Überfall auf Delphi scheitert.

74

HERODOT

40-83: Die Vorbereitungen zur Seeschlacht von Salamis. 43-47: Schiffskatalog der griechischen Streitkräfte. 49-50: Kriegsrat der Griechen am Tage. 51-55: Botenbericht der Eroberung Athens durch Xerxes. 56-64: Die Griechen wollen fliehen. Beratungen in der Nacht. 57: REDE des Mnesiphilos: Aufforderung an Themistokles, er soll verhindern, daß die Flotte von Salamis abziehe, da sonst ihre Sache verloren sei.

59: Gespräch zwischen Adeimantos und Themistokles. 60: REDE des Themistokles: Nachteile des Abzugs zum Isthmos, Vorteile, illustriert, wenn sie in Salamis bleiben. Er bezeichnet sich als guter Ratgeber.

61: Streit des Themistokles mit Adeimantos. 62: Droh-REDE des Themistokles an Eurybiades: Wenn die Griechen nicht in Salamis bleiben, wandern die Athener nach Unteritalien aus.

64: Eurybiades beschließt, in Salamis zu bleiben. 65: Gespräch des Dikaios und Demaratos über ein Omen: Die persische Flotte ist dem Untergang geweiht. Schweigepflicht.

67-68: Persischer Kriegsrat: 6 8 : R E D E d e r A r t e m i s i a : Xerxes soll seine Kräfte schonen. Er hat das Ziel mit der Zerstörung Athens erreicht. Überlegenheit der Griechen zur See. 6 9 - 8 2 : V o r b e r e i t u n g e n z u r S e e s c h l a c h t ( a m 2. T a g ) .

75: Themistokles schickt Boten zu Xerxes (Trug-REDE): Xerxes soll die Griechen, die uneinig sind, einschließen und nicht fliehen lassen.

77: Orakel des Bakis: Sieg der Griechen angedeutet. 79-80: Gespräch zwischen Aristeides und Themistokles. 80-82: Die Griechen erfahren, daß sie eingekreist sind. 83-96: Die Seeschlacht von Salamis (am 3. Tag): 83: Paränese des Themistokles (indirekt / Redenresümee). 84-86: Die Seeschlacht: 84: REDE des Phasma (Paränese). 87-96: Weitere Episoden (Artemisia, Adeimantos, Aristeides) und Aristien auf beiden Seiten. 97-107: Rückzug des Xerxes: 100: REDE des Mardonios: Das Landheer ist an der Niederlage unschuldig. Appell an das Ehrgefühl. Xerxes solle ihn mit dem Landheer zurücklassen.

101: REDE des Xerxes: Er fragt Artemisia um Rat. 102: R E D E d e r A r t e m i s i a : Xerxes kann Mardonios ruhig zurücklassen. Wenn dieser siegt, ist es X e r x e s ' Verdienst, unterliegt er, ist der Verlust verschmerzbar.

104-106: Exkurs: Rache des Hermotimos. 106: REDE des Hermotimos zu Panionios. 108-120: Qualvoller Rückzug des Xerxes aus Europa. 108: Indirekte Rede des Eurybiades. 109: REDE des Themistokles an die Athener: Der Sieg war göttlicher Wille. Man wird den Krieg im nächsten Frühjahr weiterfuhren.

Herodots Werk und Weltanschauung

75

110: R E D E von T h e m i s t o k l e s ' Boten an Xerxes.

I l l : Indirektes Gespräch zwischen Themistokles und den Andriern.

Winter 480/479

114: G e s p r ä c h z w i s c h e n einem spartanischen Boten und X e r x e s : Die Spartaner verlangen Genugtuung fur Leonidas' Tötung. Xerxes weist ominös auf Mardonios hin, der ihnen Genugtuung leisten wird. 118: G e s p r ä c h z w i s c h e n X e r x e s und d e m S t e u e r m a n n . 121-125: S i e g e r e h r u n g bei den Griechen, A n e k d o t e über Themistokles. 125: R E D E des T h e m i s t o k l e s an einen N e i d e r . 126-132: Ereignisse im Winter. A r t a b a z o s ' gelingt es nicht, das a b g e f a l l e n e Poteidaia z u r ü c k z u e r o b e r n . 133-135: V o r b e r e i t u n g e n z u r nächsten Schlacht. 136-144: Mission A l e x a n d e r s von M a k e d o n i e n nach A t h e n : 140: R E D E des A l e x a n d e r : Persien bietet Vergebung der Schuld und ein Bündnis an. Die Athener sollen angesichts der persischen Übermacht auf das Angebot der Perser eingehen. 142: R E D E der Spartaner: Die Athener sollen die griechische Sache nicht verraten, zumal dies ungerecht wäre. Sie bieten Hilfe an. 143: A n t w o r t - R E D E der A t h e n e r an A l e x a n d e r : Obwohl Persien stärker ist, können sie angesichts der zerstörten Heiligtümer und der gemeinsamen hellenischen Werte niemals mit Persien ein Bündnis eingehen. 144: A n t w o r t - R E D E der A t h e n e r an die Spartaner: Ihre Haltung ist unzweideutig. Bitte um Entsendung eines starken Heeres nach Attika im Frühjahr.

Buch IX 122 Kapitel

4 7 9 v. Chr. (Frühling)

1-18: U b e r g a n g zur Schlacht von Plataiai: 1: M a r d o n i o s erobert z u m 2. Mal A t h e n . B ü n d n i s a n g e b o t . 2-3: R E D E der T h e b a n e r : Rat an Mardonios, in Theben zu bleiben und durch Geld die Griechen zu bestechen. 7-11: A t h e n i s c h e G e s a n d t e in Sparta: 7: Erste R E D E der A t h e n e r : Trotz des Bündnisangebots des Mardonios wollen sie die Griechen nicht verraten, fordern dafür aber sofort Hilfe. 9: R E D E d e s T e g e a t e n Chileos: Gefahr für Sparta, wenn sich Athen mit Mardonios verbündet, bewirkt Meinungsumschwung in Sparta. 11: Z w e i t e R E D E der A t h e n e r : Da Sparta nicht hilft, werden sie sich in ihrer Notlage mit Persien verbünden. 16: Bankett des Attaginos: R E D E des v o r n e h m e n Persers: Das große persische Heer ist dem Untergang geweiht. 17: R E D E des H a r m o k y d e s an die P h o k e r (Paränese). 18: B o t s c h a f t ( R E D E ) d e s M a r d o n i o s an die Phoker. 19-25: W e i t e r e V o r b e r e i t u n g e n , S c h a r m ü t z e l ( M a s i s t i o s ' T o d ) . 2 6 - 2 8 : T e g e a t e n und A t h e n e r n streiten u m den linken Flügel. 26: R E D E der T e g e a t e n : Ein mythisches Exempel soll beweisen, daß sie die Führung des zweiten Flügels verdienen. 27: R E D E der A t h e n e r : Nicht nur mythische Beispiele, sondern die Schlacht von Marathon beweisen, daß ihnen die Führung

HERODOT

76

eines Flügels zusteht.

29-57: Vorbereitungen zur Schlacht von Plataiai: 33-38: Exkurse zu den beiden Sehern Teisamenos und Hegesistratos. 41: Indirekte Rede des Artabazos, der den Rückzug nach Theben verlangt, und des Mardonios, der das eigene Heer für überlegen hält. 42: REDE des Mardonios: Keine Gefahr für sie; er kennt Orakel. 45: REDE des Alexander: Er informiert die Griechen über die Lage bei den Persern und ruft sie auf, ihn, der ein Grieche ist, nicht zu vergessen. 46: Vorschlag des Pausanias (REDE), die Flügel zu tauschen. 48: Schmäh-REDE des Mardonios: Die Spartaner sind feige. Er fordert sie zu einem Z w e i k a m p f heraus.

53-57: Insubordination des Spartaners Amompharetos. 58-75: Die Schlacht von Plataiai: 5 8 : R E D E d e s M a r d o n i o s : Verbündete sollen guten Mutes sein, da sie den Feinden überlegen sind. Er tadelt A r t a b a z o s ' Feigheit. 6 0 : R E D E d e s P a u s a n i a s : Paränese und Bitte um Hilfe an die Athener.

76-89: Die Folgen von Plataiai und der Sieger Pausanias. 71-75: Aristien und Belohungen. 76-85: Pausanias erscheint in 3 Episoden als würdiger Sieger: 76: Gespräch des Pausanias mit einer Schutzflehenden. 78: REDE des Aigineten Lampon: Pausanias soll als Rache und zur A b s c h r e c k u n g M a r d o n i o s ' Leichnam schänden.

79: REDE: Antwort des Pausanias: Er will seinen Ruhm nicht durch frevlerische Taten besudeln und lehnt daher L a m p o n s Vorschlag ab.

82: Gastmahl des Pausanias mit ironischer REDE. 86-88: Belagerung Thebens und Bestrafung der Anführer. 87: REDE des Timagenides. Die Stadt Theben als Ganzes ist für das Bündnis mit Persien verantwortlich; daher soll der Staat die Griechen bezahlen. 89: Flucht des Artabazos und Trug-REDE an die Thessaler. 90-106: Die Seeschlacht von Mykale: 90-98: Vorbereitungen auf beiden Seiten: 91: Gespräch zwischen der ionischen Delegation und Leotychidas, der einen Namen als Omen deutet. 92-95: Analept. Exkurs: Die Geschichte des Euenos. 94: REDE der Apollonierzu Euenos. 98: REDE des Leotychidas: Paränese an die Ionier. 99-104: Landung der Griechen und Zerstörung der persischen Flotte. 105-106: Abfall loniens und Beratung über seine Zukunft. Winter 479/478

107-122: Epilog des Werks: 107-113. Die Geschichte der Familie des Masistes: 111: Gespräch zwischen Xerxes und Masistes.

Herodots Werk und Weltanschauung

Anal.

77

114-121: Belagerung und Eroberung von Sestos durch die Athener und Bestrafung des Artayktes (Frevel an ProtesilaosHeiligtum analeptisch erzählt). 116: R E D E des Artayktes vor Xerxes. 120: R E D E des Artayktes: Vorschlag, ein Lösegeld zu bezahlen. 122: Analepse in die Zeit des Kyros: Vorschlag des Artembares (direkt), in ein schöneres Land zu ziehen, und Antwort des Kyros (indirekt): Nur ein karger Boden läßt Herrschervölker entstehen. Warnung vor der Veränderung der eigenen νόμοι.

Neben der Geographie interessiert ihn als neutralen, selten wertenden 22

Beobachter die Lebensweise, Sitten und Leistungen fremder Völker, sofern diese außerordentlich und für den griechischen Rezipienten durch ihre merkwürdige Andersartigkeit gegenüber der eigenen Kultur bemer23 kenswert (θώματα, θωμάσια) sind. Daneben beteiligte er sich wohl auch am kulturhistorischen und verfassungspolitischen Diskurs seiner Zeit, wobei er zwar gewisse unter den Sophisten diskutierte Modelle als Erklärungsmuster (.patterns')24 übernahm, 25 diese aber durch seine empirische 22

Redfield 1985 nennt Herodot im Gegensatz zu den modernen Ethnologen einen Touristen, einen sich wundernden Fremden („wondering stranger"), der auf seinen Reisen verschiedene sittliche Normen (νόμοι), fast immer ohne zu werten, registriert hat (vgl. 3,38 den νόμος βασιλεύς); daneben aber: „Cultural relativism becomes ethnocentric and serves to reinforce the tourist's own norms" (S. 100).

23

Vgl. dazu Barth 1968, 109, für die θώμα: „Wertmaßstab fur die Beurteilung von Phänomenen, mit der er das ,Mitteilenswerte' vom Unwesentlichen trennte", ist. Dabei spielen Größe, Aufwand an Geld, Arbeit, Schönheit und alles, was Staunen erregt, wozu auch Worte und Taten gehören, eine wichtige Rolle. Munson 2001a, 233 definiert θώμα: „In the history, appeals to wonder draw attention especially to exceptional actions or agents - one time behaviors of individuals and animals or occurrences that appear to reveal intervention of the divine." Herodot interessiert bei der Beschreibung von Sitten und Bräuchen das, was über die Alltagserfahrung der Leser hinausgeht. Vgl. Schwabl 1969, 253ff.; Weber 1976, 57ff.; Corcella 1984a, 74: „L'esperienza del diverso, perche possa essere una vera esperienza, con un suo livello di comprensibilitä e comunicabilitä, non puö prescindere da un certo riscontro di eguaglianza rispetto al mondo abituale, ed e appunto tale riscontro di eguaglianza che rende possibili i confronti e le traduzioni." Vgl. Hartog 1991 passim, der S. 225f. gar von einer „rhetorique de l'alterite" spricht (Kritik bei Pelling 1997) und Munson 2001a.

24

So Nicolai 1986, 16, der die patterns als „Instrumente der Erkenntnis und der Darstellung zugleich" bezeichnet, wobei durch patterns einerseits bestimmte Strukturen der Wirklichkeit wahrgenommen werden, andererseits aber auch die unendliche Fülle des Stoffes selegiert, organisiert und für den Leser verständlich gemacht wird. Durch das Prinzip der Analogie gelingt es ihm, „aus vielen konkre-

78

HERODOT

Methode der ίστορίη 26 - in mancher Hinsicht derjenigen der Mediziner 27 nicht unähnlich - einer Prüfung unterzog. Dazu gehört etwa die mit den ten Einzelfallen eine abstrahierte, allgemeingültige Gesetzmäßigkeit des historischen Prozesses" zu erschließen. Ebenso Schwabl 1969, 266: „Herodot bildet ganze Ketten von gleichartigen typischen Szenen und Gestalten, wobei die sich ergebende Analogie der Einzelelemente sowohl unter dem Gesichtspunkt des Typus (als einer Geschehen stilisierenden Optik) wie auch unter dem Gesichtspunkt des Z u s a m m e n h a n g s der typischen Gegebenheiten gesehen werden m u ß . " S. 272: „Dem Prinzip der Analogie liegt eine Weltsicht zugrunde. Die Verbindungen bewirken, daß im Einzelnen das Typische sichtbar werden kann ..." Ebenso Corcella 1984a passim und Lateiner 1989, 191 ff., der zu Recht „the analogical structure of the world, by which the same laws are seen to govern its three main branches: animal kingdom, world geography, and peoples" betont. 25

Vgl. dazu Diels 1887, 424, Nestle 1908 passim, Aly 1921, 286ff. und 1929, 70ff.; Dihle 1962a und b passim. Beck 1971, 41 versucht durch das Aufzeigen von π ί σ τ ε ι ς άτεχνοι. und έντεχνοι, nachzuweisen, daß dies „ ... von daher die oft bezweifelten Einflüsse der Sophistik auf Herodot wahrscheinlich macht." So etwa 3,72,4, w o Dareios Uber den Nutzen der Lüge spricht. Neben Figuren wie dem Paradeigma, das schon bei Homer vorkommt, jetzt aber Teil eines Beweises ist (Steinger 1957, 96ff.), finden neue Formen wie die Reductio ad absurdum, Analogie, είκός-Beweise, Argumentum e contrario (z.B. 1,87,3-4) und Argumentum a fortiori (2,43) A n w e n d u n g . Ubsdell 1983 verweist auf ein sophistisches Modell als Grundlage für die Darstellung der Entstehung des Mederreiches durch Deiokes (,Tyrannis' und ,Synoikismos') l,98ff., der spartanischen Eunomie nach Lykurg 1,65ff. und der Machtentfaltung Athens 5,78ff.: „1t seems likely that reflection on ideas of how societies function and evolve, which were very much in the air while Herodotus' work was in gestation, led him to approach the reconstruction of past events with a degree of system, which he would not otherwise have attained" (S.137). Weitere Berührungspunkte mit den Sophisten sind das Interesse für die Herkunft der Völker und der Sprachen (vgl. Psammetichs Experiment 2,2). Er schließt S. 399: „There is clear evidence hat Herodotus shows the influence of the Sophistic movement in his range of interests, in his attitude to particular issues of the Sophistic debate, on culture, on the functioning of social and political systems, on human nature itself." Vgl. Hippias' Interesse an d e r , A r c h ä o l o g i e ' in Plat. Hipp. Maior 285b und 286a.

26

2,99,1 nennt er die Grundlagen seiner Methode: am wichtigsten ist ο ψ ι ς (die eigene Beobachtung/Autopsie, ebenso 2,147), dann folgen γ ν ώ μ η (Hypothesen), ί σ τ ο ρ ί η (Befragung von Zeugen), ακοή (mündliche Berichte/Traditionen). Schepens 1980, 196: „Faisant partie de sa recherche (ίστορίη), l'observation personn e l s j o u e un röle reel dans l'heuristique et critique de la matiere. L'autopsie est toutefois essentiellement mise en oeuvre dans les parties de son o u v r a g e qui s'attachent ä la description ethno-geographique de pays et de peuples etrangers." Z u r Bedeutung des Sehens als des wichtigsten „instrument de connaissance" (Hartog 1991, 270) vgl. Beltrametti 1986, 27 ff. und Darbo-Peschanski 1987a, 8 4 f f Gray 2001 meint sogar, in Periandros' Verhör (1,24,7 ίστορέεσθαι.) der Augenzeugen eine metanarrative Parallele zu Herodots eigener Methode zu erkennen.

Herodots Werk und Weltanschauung

79

Hippokratikern geteilte Hypothese, daß das Klima und die geographische Lage für die Kultur und gleichzeitig für die K a m p f k r a f t der Völker 28

ausschlaggebend seien. Die Ethnographie trägt dazu bei, das historische Geschehen durch ihre Kategorien zu gliedern und verständlich zu machen. 29 27

Ebenso wie Herodot benützt auch der Arzt eine empirische Methode, stützt sich bei Diagnose und Prognose auf die Beobachtungen von sichtbaren Symptomen ( φ α ν ε ρ ά ) und kann dank Analogieschlüssen die unsichtbare Ursache ( ά φ α ν ε ς ) erschließen (z.B. 2,33,2). Corcella 1984a, 247 und Lateiner 1986, 2: „Despite real and significant differences, both medicine and history concentrate on observable p h e n o m e n a that can be recorded in detail, analysed, and explained with varying degrees of verifiability. Both seek their causes in nature and men, not in the gods. Both demand concrete data, both employ dialectical arguments, both engage in deliberate research, both require a rhetoric to deal with opponents' objections and alternative hypotheses." Methodische G e m e i n s a m k e i t e n sind „the limitation of subject, acceptable historical evidence, the reasonable use of analogy and the construction of explanatory hypotheses, and finally, the discovery of historical signific a n c e " (S. 10). Ebenso T h o m a s 2000 passim, die auf die vielen Angaben über ,medizinisch' relevante Dinge wie Klima, Gesundheit, Eßgewohnheiten etc. in den ethnographischen Teilen des Werks hinweist, welche auch in den älteren Werken des C o r p u s Hippocraticum (besonders in π ά ύ τ . ) v o r k o m m e n und damit eine gedankliche Verwandtschaft mit Herodot aufweisen. Dagegen unterscheidet sich Herodot von den Vorsokratikern, die der sinnlichen W a h r n e h m u n g vorwiegend ablehnend gegenüberstanden (vgl. Nestle 1908, 12 und Müller 1981, 301).

28

Im Zentrum der Welt leben weiche Völker (z.B. Lyder, Babylonier und Ägypter) zwar auf einem hohen kulturellen Niveau, neigen aber infolge des Wohlstands zu Verweichlichung und Übermut, der sich als Impuls zum Eroberungskrieg manifestiert. Sobald sie die harten Völker, die an den Rändern der bekannten Welt unter feindlichen klimatischen Bedingungen in Armut leben (z.B. Skythen, Massageten, Griechen), angreifen, werden sie von diesen besiegt. Geben die harten Völker jedoch ihre Lebensweise auf und übernehmen die Sitten der kulturell überlegenen weichen Völker, droht ihnen das gleiche Schicksal wie diesen. Als Paradigma und (wohl auch) Warnung dienen die Perser, die sich von einem harten Volk durch Wohlstand und Übernahme fremder Sitten allmählich in ein weiches Volk verwandelt haben. Redfield 1985, 112: „The contrast between hard and soft thus provides a way of reading the dynamic of history, of interpreting the general character of events." Vorbehalte dagegen bei Pelling 1997 und Flower / Marincola 2002. Vgl. das hippokratische π ά ύ τ . 12ff., vor allem 16 und 23; Plat. Rep. 4 3 5 e - 3 6 a , Leg. 747c. Der Gegensatz zwischen harten (Laistrygonen und Kyklopen) und weichen (Phaiaken) Völkern ist schon in der Odyssee angelegt. Wie Kirke und Kalypso leben die Langlebigen Aithiopier (3,20ff.) am Ende der Welt - außerhalb der geschichtlichen D y n a m i k - zeitlos in einem G o l d e n e m Zeitalter und sind f ü r andere Völker unerreichbar. (So Payen 1995 und 1997).

29

Lateiner 1985b, 80: „ L ' e t n o g r a f i a ... lo aiutava a spiegare la storia, ed in particolare a spiegare come i Greci avessero potuto vincere la loro grande guerra."

80

HERODOT

Ebenso vermitteln Anekdoten und Novellen, die als geschlossene narrative Einheiten bei Herodot zur Kategorie der Kurzgeschichten 30 gehören, durch die Wiederholung bestimmter analoger patterns' und motivischer Verknüpfungen parallel und als Ergänzung zur Hauptlinie des Werks ein 31

stimmiges und kohärentes Deutungsmuster für dieses. Die Analyse der Struktur zeigt, daß das uns vorliegende Werk weder ein lose zusammengefügtes und buntes Kompendium von unterhaltsamen 32 Geschichten noch eine einförmige Monographie, sondern die unter einem einheitlichem Leitgedanken stehende umfassende Konfliktanalyse ist, die 30

Vgl. die Definition von Gray 2002, 299: „Short stories in Herodotus can be best defined by their presentation of stereotyped patterns of action of limited complexity which are concentrated and highly wrought, amass their weight toward their endings in a resolution of crisis, and can be grasped whole." Erbse 1991, 14: „Die Anekdote ist für ihn eine mögliche und auch erwünschte Form, Geschichte zu verstehen und darzustellen." Visser 2001, 26f.: „Die Form der novellistischen Ausgestaltung entspricht dabei den Möglichkeiten, die in der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts in der Prosaliteratur gegeben waren; Denk- und Darstellungsstrukturen der Sophistik waren erst im Entstehen, und eine Umsetzung dieser Strukturen auf die Historiographie im Sinne abstrahierender Formulierungen ist erst bei Thukydides zu erkennen. Das bedeutet: Herodot legt seiner Darstellung ein geschichtsphilosophisches Modell zugrunde, das er jedoch nicht in einer abstrakt-räsonnierenden Form präsentiert, sondern in Erzählungen novellistischen Typs."

31

Pohlenz 1937, 85: „Herodots Werk hat also sein eigenes Aufbaugesetz, das in dem historischen Denken des Verfassers gegründet ist. Von ihm aus verstehen wir auch ohne weiteres die Komposition des Ganzen, so wie es uns vorliegt. Wohl mag uns Moderne im ersten Augenblick Zahl und U m f a n g der einzelnen Logoi befremden; aber wir dürfen nicht vergessen: was Herodot in diesen Logoi bringt, das legt heute der wissenschaftliche Autor in Anmerkungen, Sonderkapiteln, Exkursen, Anhängen vor - , nur daß diese meist etwas weniger erfreulich zu lesen sind. Herodot kennt die moderne Buchtechnik nicht. Er hat die , A n m e r k u n g e n ' äußerlich und stilistisch mit dem ,Text' zur Einheit verbunden, hat es aber trotzdem erreicht, daß der Leser auch ohne Krücken, die ihm der Autor darbietet, mühelos dem Gange der Erzählung folgen kann." Vgl. zur Kompositionstechnik auch v. Groningen 1958.

32

So ist Howalds (1920 und 1944) belletristischer Ansatz gänzlich abzulehnen, der in der π ο ι κ ί λ ί η das wichtigste Gestaltungsprinzip für Herodots Werk sah. Die fiktiven und psychologisierenden Geschichten aus der Tradition der Rhapsoden und Logographen besäßen bloß Unterhaltungswert und seien, thukydideisch gesprochen, nur ein α γ ώ ν ι σ μ α ε ς τ ό π α ρ α χ ρ ή μ α άκουε l ν (1,22,4). Besser De Sanctis 1926, 309, für den immerhin „l'unitä artistica dell'opera erodotea sta ... nella unitä di interesse umano con cui lo storico segue i fatti piccoli e i grandi, le battaglie e gli aneddoti, le novelle e le singolaritä dei costumi e delle leggi." Ebenso steht noch für Waters 1985b eine ästhetische und nicht moralische Zielsetzung des Werkes im Vordergrund.

Herodots Werk und Weltanschauung

81

den Ubergang von der mündlichen ,oral history' zur Schriftlichkeit markiert und wegen ihrer Komplexität vornehmlich für ein lesendes Publikum bestimmt war. 34 Kaum zu bestreiten ist, daß sich Herodot bei der

33

Zur ,Oral History' allgemein Murray 2001a, 19ff.

34

Es ist möglich, daß Herodot schon vor der Publikation seines Oeuvres in mündlichen p e r f o r m a n c e s ' Teile davon an öffentlichen Anlässen präsentiert hat. A u f Grund der Tradition und der Methodenkapitel des Thukydides 1,20-22 meint Dorati 2000, 17ff., es sei wahrscheinlich, daß Herodots Werk so konzipiert worden sei, daß es an öffentlichen Anlässen, etwa in Olympia, vorgelesen werden konnte. Ebenso Waters 1985b und Murray 2001b. Dies bedeutet aber nicht, daß das Gesamtwerk eine für Vorlesungen bestimmte Sammlung von Geschichten war, also mehr als Munson 2001a, 15 annimmt: „A special version of a larger potential performance, a reservoir for potential performances, or a collection or summary designed to extend the life and usefulness of actual or possible contemporary performances." Dagegen meinen Flory 1980 und Moles 1996, Herodots Werk habe infolge seiner Länge und Komplexität nicht als υ π ό μ ν η μ α für mündliche Performances gedient, sondern sei als Buch für die geistige und politische Elite Athens bestimmt gewesen. Daher stehe 1,5,4 das Imperfekt, das wie in den Briefen eine zeitlose Gültigkeit besitze und „thus extends the time f r a m e of his enquiries into the future" (Moles 1996, 279). Longo 1978, 544, A n m . 26 stellt fest, daß Herodot ständig einen ,codice orale' gebraucht: „Nell'insieme, si puö dire che l'opera erodotea non e che un 'travaso' dall'oralitä alia scrittura: lo storico si limita a 'trascrivere', convertendo in testo scritto, il testo orale. ' V e r i t ä ' , in netto contrasto con Tucidide, e per Erodoto il 'discorso reale' (ό έών λ ό γ ο ς ) ; 'dire la veritä' si dice λ ε γ ε ι ν τ ο ν ε ό ν τ α λόγον (= Xeyetv τ η ν άληθείην)." Ebenso meint Beltrametti 1986, 80 ff., daß Herodot Mündlichkeit wegen der Rezeptionshaltung seiner Leser vortäusche, wohingegen „i richiami, i rinvii da un luogo all'altro inducono la coesione di contenuti, rintracciano tematiche, ma soprattutto segnalano e ribadiscono uno spazio di riferimento che soltanto la scrittura crea e consente. La narrazione storiografica non e affidata all'estemporaneitä di discorsi fatti per un c o n s u m o immediato, ma si deposita in un testo destinato a durare, ad estendersi ad un pubblico anche differito ma sicuramente largo ..."(S. 80). Daß in geschriebener Literatur, etwa in Romanen, Techniken der mündlichen Kommunikation zur Dramatisierung und zur Einbeziehung des Lesers verwendet werden, hat Tannen 1982 gezeigt. De Jong 1999, 221: „11 est vrai qu'il est fort probable q u ' H e r o d o t e ait donne des conferences, mais en derniere instance son texte est un texte ecrit qui contient des indices clairs qu'il voulait etre lu. Un de ces indices est Pimparfait dans le passage cite; en utilisant un passe, le narrateur se projette dans le temps de ses futurs lecteurs, pour qui, au moment de la lecture, l'actualite du narrateur est dejä passe. On pourrait done comparer cet emploi de l'imparfait avec l'imparfait epistolaire, ou le praeteritum ex futuro." Rosier 2002, 85: „This arrangement only makes sense if we presuppose that the author intended the work to be received as a whole, as the result of an individual act of reading." Als erster „Herodotus ... gives birth to an entirely new medium: the massive text written for readers in future" (S. 82). Ebenso Rosier 1991,216.

HERODOT

82

Abfassung seines Werkes auf seine eigenen (schriftlichen) Vorarbeiten stützte und das Buch nicht in einem Arbeitsgang aus einem Guß 35 schrieb. Es ist aber unmöglich, die verschiedenen Schichten oder Entwicklungsstufen mit Sicherheit zu rekonstruieren. 36

2.1.3. Die historiographische Methode Herodots Herodots Innovation besteht in der Ausdehnung einer in den Naturwissenschaften' entwickelten rationalen, empirischen und durchaus positivistischen Methode auf die bisher dem Epos vorbehaltene Materie der Vergan37

genheitsforschung. J e g l i c h e m apriorischen Konstruktivismus eines Hekataios abhold, begreift er, daß die auf Autopsie 38 und Zeugenbefragung beruhende exakte Methode des ,naiven Empirismus', die er erfolgreich in der Ethnographie angewandt hat, allein zur Rekonstruktion und Deutung vergangener Ereignisse nicht ausreichend ist. Dagegen bildet das vom Epos vorgegebene narrative Modell die Grundlage seiner Rekonstruktion. Er verbindet zwei zeitlich weit auseinander liegende Sachverhalte ('a' als zeitlich früherer Startpunkt und 'b' als Endpunkt). Die Ereignisse zwischen diesen beiden Extrempunkten werden in einer sinnvollen temporalen und kausalen Struktur logisch so geordnet, daß 'a' fur 'b' die logische Grundlage 35

Natürlich m u ß man bedenken, daß es f ü r Herodot schwierig war, den einmal geschriebenen Text zu ergänzen und zu emendieren, zumal er nicht auf lose Blätter Papier, sondern auf eine Papyrosrolle schrieb. So Lattimores T h e s e 1958, 9, ebenso Payen 1997, 4 I f f .

36

Analytiker ist Jacoby 1913, 352 ff., für den Herodot als Ethnograph begann und erst in einem weiteren Schritt zum Historiker avancierte. Ebenso Aly 1921, später v. Fritz 1967; Powell 1967, 84ff. äußerte (analog zu Schwartz 1919 für Thukydides) die Hypothese von zwei Entwürfen: In Thurioi, wo er f ü r ein unteritalisches Publikum schrieb (vgl. 4,99,4), habe er sein ethnographisches Werk begonnen, dann aber angesichts des Peloponnesischen Krieges seinen Plan geändert und sei nach Athen zurückgekehrt, wo er 426 der Pest zum O p f e r gefallen sei, ohne das Werk vollendet zu haben (ibid. S. 79). Dagegen ist Regenbogen 1930 der erste Unitarier, der im Werk eine Synthese, ein Ganzes unter einheitlichem Grundgedanken als Leistung Herodots sieht (so schon Dion. Hal. Pomp. 3, der von einem σύμφωυον ε ν σ ώ μ α sprach). Ebenso Fornara 1971 und Waters 1985b, der mehrere Etappen der Komposition, in denen die Einzellogoi zu einer Einheit verschmolzen wurden, vermutet. Ebenso de Jong 2002. Das Problem der Genese ist in den Forschungsüberblicken von Cobet 1971, 5 - 4 1 und Rollinger/Bichler 2000, 145-169 gut zusammengefaßt.

37

So Regenbogen 1930, 72, Shimron 1989, 113f. und Weber 1976, 97ff.

38

Begriff nach Weber 1976, 25.

Herodots Werk und Weltanschauung

83

bzw. Ursache und 'b' die daraus hervorgehende Wirkung bzw. Erklärung ist. Im Gesamtwerk bildet die von Kroisos begonnene und auch gegen Griechen gerichtete Expansionspolitik den zeitlich am weitesten zurückliegenden und durch exaktes Wissen gesicherten Ausgangspunkt ('a', die α ί τ ι η ) , um das Phänomen der Perserkriege, das am Ende seines Werkes den Abschluß ('b') findet, zu erklären. Die zwischen diesen beiden Punkten stehende selektive Ereigniskette, die aus den für den Handlungszusammenhang relevanten und in sinnvoller, also nicht unbedingt chronologischer Reihenfolge erzählten Ereignissen besteht, enthält implizit auch schon die Deutung derselben. 39 Gut faßt dies Weber zusammen: „Historie wird für Herodot damit zu einem Mittel der Integration disparater Erfahrungsdaten und zugleich zu einer Weise, Geschehensabläufe auch über naheliegende Muster sozialer Selbstverständlichkeiten hinaus einsehbar zu machen. Er konstruiert auf diese Weise ein Bild des Geschehens, das aus sich heraus partiell verständlich wird, ohne einer Ubergreifenden Rationalität zu unterliegen oder als einfacher zielgerichteter Prozeß organisiert zu sein. ... Herodots Historie geht es demnach nicht um eine homogene Beschreibung von Geschehenskomplexen, die möglichst vollständig und vielseitig sein soll, sondern um eine höchst selektive Beschreibung, deren Selektion sich am Ziel der Erklärung ausrichtet. In dieser Hinsicht läßt Herodots Historie alles beiseite, was nicht zur jeweiligen Erklärung gehört, und verfolgt ein G e s c h e h e n mit w e n i g e n A u s n a h m e n nicht über den Erklärungspunkt hinaus weiter." 4 0

Er stellt in einer programmatischen Erklärung 7,152,3 das Prinzip der vollständigen Berichterstattung' 41 auf, was jedoch keineswegs eine kriti-

39

Vgl. Weber 1976, 100: „Insofern Erzählungen selektiv verfahren, haben sie als solche schon eine erklärende Funktion; denn die vom Historiker hergestellte Verbindung von Ereignissen ist notwendig keine bloße komplette Beschreibung von Sachverhalten. Sie ist vielmehr stets eine Organisation von Erfahrungsdaten, die qua Organisation theoretische Elemente enthält und somit mehr als lediglich eine Beschreibung ist." Ebenso S. 134: „Insbesondere durch die Orientierung an einer Erklärungsidee erreicht Herodot somit auf der Grundlage narrativer Organisation von Erfahrungsdaten stringente historische Erklärungen für einzelne Elemente seiner Hauptargumentationslinie."

40

Weber 1976, 186-188. Für Meier 1995, 385 besteht Herodots Leistung darin, „Handlungen und Wirkungen zu einem Ganzen ... zusammenzufassen, einen Geschehenszusammenhang zu konstituieren und sich darüber literarisch Rechenschaft zu geben." Dabei hat er „auf Grund empirischer Erkundungen einen politisch-militärischen Ablauf von zwei bis drei Generationen ereignishaft, d.h. multisubjektiv nachgezeichnet" (ders. 1986, 8).

41

Ausdruck nach Weber 1976, 41; S. 42: „Innerhalb dessen, was Herodot thematisch für berichtenswert hält, bemüht er sich um möglichst vollständige Wiedergabe der jeweils relevanten Informationen, die er in seiner Forschungstätigkeit gewinnen konnte." Ebenso Jacoby 1913, 472: „Es war ein Fortschritt ersten Ranges, daß He-

84

HERODOT

sehe Selektion der Berichte ausschließt. 42 Wenn bei gegensätzlichen Versionen ein und desselben Ereignisses weder Autopsie noch Befragung von Zeugen möglich sind, 43 dient neben dem Vorhandensein von Indizien 44 die rodot als erste Pflicht des Historikers nicht w i e Hekataios die Kritik ansah, sondern die F e s t s t e l l u n g und die W i e d e r g a b e d e r O b e r l i e f e r u n g , das λ έ γ ε ι ν τ ά λ ε γ ό μ ε ν α . " 7,152,3: ε γ ώ δέ ο φ ε ί λ ω λ έ γ ε ι ν τ ά λ ε γ ό μ ε ν α , π ε ί θ ε σ θ α ί γ ε μ ε ν ού π α ν τ ά π α σ ι ν ο φ ε ί λ ω , καί μοι τ ο ΰ τ ο τ ό έ π ο ς έ χ έ τ ω έ ς π ά ν τ α τ ό ν λ ό γ ο ν . „Es ist m e i n e Pflicht, alles w i e d e r z u g e b e n , w a s erzählt w i r d . Freilich b r a u c h e ich nicht a l l e s zu g l a u b e n . D i e hier g e ä u ß e r t e A u f f a s s u n g gilt f ü r m e i n g a n z e s G e s c h i c h t s w e r k . " Ähnlich ist die M e t h o d e der Dialexeis ( Δ ι σ σ ο ί λ ό γ ο ι ) D K 90 Β. Für M u n s o n 2001a, 2 2 6 f f ist es eine W a r n u n g Herodots an die scharfe Kritik (wie in Plut. M o r a l i a 863 E). Der G e b r a u c h von έ π ο ς bestätigt nach H o l l m a n n 2 0 0 0 , 220: „the authoritative nature of t h e p r o g r a m m a t i c p r o n o u n c e m e n t that H e r o d o t u s is m a k i n g about his w o r k . " 42

O f t erzählt H e r o d o t alle V e r s i o n e n (z.B. 7,166), w ä h l t aber die w a h r s c h e i n l i c h s t e (οίκός) aus, ä u ß e r t a u f g r u n d e i g e n e r Ü b e r l e g u n g eine dritte H y p o t h e s e ( 1 , 7 0 , 3 τ ά χ α δέ α ν mit potentialem Optativ), versucht bei Zahlen eine S c h ä t z u n g (9,32,2 ε ι κ ά ζ ω ) , schlägt ein a n d e r e s m e t h o d i s c h e s V e r f a h r e n vor (1,5,3) o d e r lehnt g a n z e i n f a c h e i n e V e r s i o n a u f g r u n d e i g e n e r Ü b e r l e g u n g e n und I n d i z i e n als u n g l a u b w ü r d i g ab (8,119 ο υ δ α μ ώ ς έ μ ο ι γ ε π ι σ τ ό ς ) . Asheri 1988, lxviii f.: „ E r o d o t o insegnö c h e per risolvere un p r o b l e m a b i s o g n a f a r e ricerche; c h e ricerche h a n n o b i s o g n o di f o n t i ; c h e le fonti d e b b o n o e s s e r e a t t e n d i b i l i ; c h e l ' a t t e n d i b i l i t ä d e l l ' o s s e r v a z i o n e diretta e s u p e r i o r e a q u e l l a delle i n f o r m a z i o n i orali; c h e non b i s o g n a credere c i e c a m e n t e a tutto q u a n t o d i c o n o le fonti, m a c h e le fonti v a n n o rispettate, raccolte e presentate f e d e l m e n t e a n c h e se non s o n o d e g n e di f e d e , per Studiarle, paragonarle ed e v e n t u a l m e n t e a n c h e giudicarle; che i dati stabiliti v a n n o spiegati in m o d o c o n v i n c e n t e . T u t t o q u e s t o e s u f f i c i e n t e per c o n s i d e r a r e E r o d o t o l'inventore del m e t o d o critico."

43

Dabei b e z e i c h n e t der B e g r i f f ά λ η θ ε ί η , der nur f ü r g e g e n w ä r t i g e und s i c h t b a r e Dinge v e r w e n d e t wird, die höchste S t u f e der Erkenntnis ( D a r b o - P e s c h a n s k i 1987a, 166: „realite du fait c o n s i d e r e ... fidelite du discours qui en rend c o m p t e " ) . Diese kann a b e r von H e r o d o t nur selten erreicht w e r d e n ( D a r b o - P e s c h a n s k i 1987a, 169: „ L a rarete n ' a d ' e g a l e q u e les c o n s t a n t s s c r u p u l e s de l ' e n q u e t e u r ä se p r e s e n t e r c o m m e u n e autorite v e r i d i q u e . " ) . A u f der nächsten S t u f e stehen die a u f der Fors c h u n g b e r u h e n d e n ά τ ρ ε κ ε ί η / ά τ ρ ε κ έ ς (Haible 1963, 62: „ E i n e W e i s e des Wissens, der G e w i n n u n g des W i s s e n s ( E r k e n n e n ) und der W e i t e r g a b e des W i s s e n s ... Es ist die exakte, genaue, begründete, gesicherte Weise. Herodot sucht sie a u f allen Gebieten seiner E r k u n d u n g e n zu e r r e i c h e n . " D a r b o - P e s c h a n s k i 1987a, 180: „ O u t r e la trace de 1'experience c o n c r e t e du fait, l ' a t r e k e i a s u p p o s e une r e c h e r c h e progressive c o n t r a i r e m e n t ä l ' a l e t h e i a qui est u n e verite d e revelation et s ' a c c o m m o d e d ' u n e saisie immediate.") Fast s y n o n y m d a m i t ist σ α φ έ ς . C r a n e 1996, 54: „ A c c u rate k n o w l e d g e , is o b j e c t i f i e d k n o w l e d g e that has is o w n external existence, but that people can a c q u i r e . " In den meisten Fällen, gerade bei Berichten über die Verg a n g e n h e i t , m u ß sich H e r o d o t mit der δ ό ξ α b e g n ü g e n , die ihrem W e s e n nach ein s u b j e k t i v e s Selektionsprinzip ist. D a r b o - P e s c h a n s k i 1987a, 187: „ E n d o n n a n t ä sa p r o p r e p a r o l e v a l e u r d ' o p i n i o n , l ' e n q u e t e u r s ' a p p l i q u e ä se m e t t r e sur le merae

Herodots Werk und Weltanschauung

85

Plausibilität der Erzählung (πιστός, πιθανός), welche auf der eigenen Alltagserfahrung (Empirie) 45 , Analogie 46 und manchmal Wahrscheinlichkeitsschlüssen oder Induktionsbeweisen 47 beruht, als wichtigstes Selektions- und Entscheidungskriterium. Als Quelle wird Herodot von den modernen Historikern in der Regel geschätzt und gilt, zumal aufgrund der ziemlich unbedeutenden Nebenplan que ses informateurs dont aucun n'est ä priori source de verite, un destinateur infaillible qu'il suffirait d'ecouter pour acceder ä la connaissance." 44

Vgl. Haible 1963, 186ff. zu τ ε κ μ ή ρ ω ν und μαρτύρι,ον. Ebenso Corcella 1984a, 92 ff. und T h o m a s 2000, 191, die τ ε κ μ η ρ ί ο υ als „decisive evidence, ' p r o o f " , μαρτύριον als „evidence to back up his statement" definiert.

45

So Shimron 1989, 12. Vgl. Packman 1991, der die Wörter ά π ι σ τ ο ς , άπι,στέω , α π ι σ τ ί α untersucht hat und S. 405f. zum Schluß k o m m t : „Disbelief is almost always directed towards report of fact, past or present. Correction c o m e s most often in direct observation, usually through the faculty of sight."

46

Zum Einfluß der Analogie im Denken der Griechen vgl. Lloyd 1966, 172ff„ der S. 417 schließt: „As a method of elucidation of obscure phenomena, analogy has always been a most useful tool of science ... and the early Greeks scientists applied it extensively not only in astronomy and 'metereology', but in each of the new fields of inquiry that they opened up." Zur Bedeutung des Analogieschlusses bei Herodot vgl. Haible 1963, 152: „Es gibt also Normen, feste Verhältnisse, fast Gesetze, z.B. im Ablauf des Kampfes, in der Wirkung der Machtmittel, im menschlichen Verhalten gegenüber bestimmten Situationen. Deren Kenntnis stammt aus der Erfahrung, der Überlegung, einem inneren Wissen. Daran mißt man das Unsichere oder erschließt etwas Unbekanntes im Einzelfall. Diese Beziehung ist eine wahrscheinliche, aber keine notwendige und deshalb keine beweisbare." Weber 1976, 79: „Er zieht aus den vorliegenden, aber unzureichenden Informationen eine Schlußfolgerung über die wahrscheinliche Beschaffenheit der Realität und ersetzt damit, wohl unbeabsichtigt, die empiristische Vorstellung von der Abbildung der Realität bzw. das Verfahren der Aneinanderreihung von Informationen durch eine Konstruktion der Realität. Zu dieser Konstruktion gelangt er durch Verwendung eines Analogieschlusses." Corcella 1984a, 40: „ ... la riflessione su un esempio passato genera una aspettativa nei confronti del futuro, quando si ripetano nel presente certe condizioni. Dall'analogia tra due esempi ... si puö passare alia vera e propria generalizzazione induttiva che produce norme generali." Ders. S. 225: „Nella narrazione erodotea, infatti, il senso degli eventi, dato dal processo in atto, e intimamente fuso con l'esposizione di mille particolari empirici: le storie sono sempre diverse, ma grazie alla mediazione dell'analogia - il loro senso e sempre simile." Hunter 1982, 258: „Analogy makes material intelligible and thus helps to explain it." Darbo-Peschanski 1987a, 127ff.: Die Analogie dient dazu, eine „lacune dans les connaissances" mit einem „raisonnement c o n s t r u c t i f ' zu lösen oder schon bestehende Hypothesen zu widerlegen, zu bestätigen oder durch eine eigene Annahme zu ersetzen.

47

So kommen Enthymeme und Syllogismen, Induktion und Inferenz vor: z.B. 2,45; 137f.; 3,45.

86

HERODOT 48

Überlieferung meistens keine Alternative zum Herodottext besteht, trotz mangelndes Verständnisses für manche politische und militärische Vorgänge 49 und vor allem Zahlen und trotz seiner Retuschen an der Überlieferung 50 weitgehend als seriös, zuverlässig und unparteiisch. 51

48

O b s t 1913, 112 gelangt f ü r die Perserkriege am Beispiel der Quellen zur T h e r m o p y l e n s c h l a c h t z u m Resultat, „ d a ß H e r o d o t f ü r die T h e r m o p y l e n k ä m p f e eine fast b e ä n g s t i g e n d e Fülle wertloser Traditionen hat, in deren Mittelpunkt Sparta steht." D a g e g e n stellt M a c a n , d e r e b e n f a l l s viele M ä n g e l a u f z ä h l t , 1908ii, 119 fest: „ H e r o d o t u s e m e r g e s as, upon t h e w h o l e , the most c o n s i d e r a b l e and indeed the sup r e m e witness to the curse, character, and circumstances of t h e w a r . " J a c o b y 1913, 4 7 5 : „ H e r o d o t schreibt ε κ τ ο ϋ π α ρ α τ υ χ ό ν τ ο ς π υ ν θ α ν ό μ έ ν ο ς ; er ist sich nirgends über die Qualität der Tradition, die er verarbeitet, klar g e w o r d e n , sondern er gibt wieder, w a s m a n ihm erzählt hat und w i e m a n es ihm erzählt hat." Z u r N e b e n ü b e r l i e f e r u n g vgl. Hignett 1963, 7 - 2 5 und Burn 1962, 1 - 1 2 , der S. 6 sagt: „ W h e r e w e can test him on history of his special subject, he c o m e s well o u t . " E b e n s o C o o k 1985, 2 0 5 : „ H e r o d o t u s p r o v i d e s us with a w e a l t h of i n f o r m a t i o n . M u c h of it has been obtained by hearsay, and his longer narrative present s o m e detail w h i c h borders on the m y t h i c a l . But there does seem to be a firm substratum of g e n u i n e historical k n o w l e d g e , m u c h o f w h i c h has been o b t a i n e d f r o m Persian and M e d i a n sources." E b e n s o Lendle 1992, 45 und Lazenby 1993, 1 - 1 7 . Gottlieb 1963, der die a u ß e r h e r o d o t e i s c h e N e b e n ü b e r l i e f e r u n g u m f a s s e n d untersucht hat, k o m m t S. 134 z u m Schluß, d a ß H e r o d o t die Ereignisse der Perserkriege ziemlich vollständig berichtet hat und d a ß N e b e n ü b e r l i e f e r u n g e n (v.a. ,Oral H i s t o r y ' und lokale Traditionen, die bei späteren Historikern w i e z.B. Ktesias, Diodor, Plutarch etc. überliefert sind), die H e r o d o t w o h l kannte und o f t b e w u ß t nicht berücksichtigt hat, nur ergänz e n d e Details zu E i n z e l e r e i g n i s s e n liefern, im g a n z e n a b e r H e r o d o t s Bild nicht u m s t o ß e n k ö n n e n . E b e n s o sind poetische Quellen mit Vorsicht zu benutzen, insbes o n d e r e A i s c h y l o s ' Perser (vgl. dazu M a s a r a c c h i a 1969, 7 2 f f . ) und d i e neu entd e c k t e n und h e r a u s g e g e b e n Elegien des S i m o n i d e s ( P O x y 3 9 6 5 , dazu B o e d e k e r 2 0 0 1 , die S. 130 die Plataiai-Elegie des S i m o n i d e s als „ o n e o f his s o u r c e s " bezeichnet).

49

R a a f l a u b 1987, 2 2 2 : „ H e r o d o t u s m a y not be m u c h of a political thinker a c c o r d i n g to the standards established by the sophists and T h u c y d i d e s . . . H o w e v e r in this as every other respect, he deserves to be j u d g e d on his o w n merit."

50

De J o n g 1999 hat d i e S m e r d i s - G e s c h i c h t e analysiert und folgert S. 2 6 1 : „II ne c h a n g e pas le fond, m a i s l ' a m p l i f i e , le complete, et le m o t i v e . Voici d o n e une raison d ' e t r e t o u j o u r s sur n o s gardes, e g a l e m e n t d a n s les cas, en fait les plus n o m breux, oü n o u s n ' a v o n s pas d ' a u t r e s s o u r c e s a v e c lesquelles c o m p a r e r la version d'Herodote."

51

Asheri 1988, liv: „II fatto c h e nel 4 8 0 - 7 9 a.C. i Persiani f o s s e r o il n e m i c o ' n a z i o nale dei Greci - ο meglio, di quei Greci c h e scelsero la via di resistenza - non impedisce una valutazione m o r a l e delle loro virtu e della loro civiltä Serena ed oggettiva, priva di passioni 'sciovinistiche' ο di odio razziale: a n c h e in questo E r o d o t o si m o s t r a b u o n d i s c e p o l o di O m e r o e di E s c h i l o . " D a s s e l b e gilt hinsichtlich m ö g l i cher politischer Präferenzen Herodots, die schon in der älteren Forschung ziemlich

Herodots Werk und Weltanschauung

87

Als zu extrem erweist sich Fehlings Ansatz, der Herodots Quellenangaben durchwegs für fingiert und die scheinbare Quellenvielfalt für eine bewußte literarische Strategie hält, die als Ersatz für die Musen des Epos 52

seiner Erzählung die nötige Autorität verleihen soll. Dagegen meint Pritchett, der in einer akribischen Arbeit Fehlings Beispiele untersucht und mit guten Argumenten widerlegt hat, daß Herodot oft mündliche Erzählungen und z.T. lokale Traditionen übernommen hat, die angesichts der von den griechischen Rezipienten ausgeübten Kontrollfunktion, nicht ohne weiteres erfunden sein können. 53 Ebenso gilt Herodots chronologisches System als zuverlässig: Obgleich Herodot die Ereignisse und Geschichten nicht in ihrer chronologischen Abfolge linear wie ein Chronist erzählt, sondern diese nach logischen und

umstritten waren. Richtig Asheri 1988, lvii: „La scelta politica di Erodoto tra le fazioni di rivali ateniesi ci sfugge totalmente, cosi come ci sfugge la sua scelta tra democrazia ed oligarchia." 52

Für Fehling 1971 bzw. 1989 ist das Prinzip „der nächstliegenden Quelle" (1971, 12 und 68), w o Herodot die von ihm erzählte Version Einheimischen in den Mund legt (z.B. 7,171), Zeichen der Fiktion, ebenso wie die Übereinstimmung zweier Quellen. Ebenso Hampl 1975, der die fingierten Quellenangaben bei Herodot mit der Nennung von gewissen Autoritäten in Piatons Mythen oder in der Atlantis-Geschichte vergleicht. Beltrametti 1986, 69ff. glaubt, daß Herodot an signifikativen Stellen seines Werks, jedoch nicht in den Partien, wo er persönlich als Forscher auftrete, aus der fiktionalen Literatur übernommene Muster auf die Realität übertragen habe, um diese dadurch für den Rezipienten intelligibel zu machen. Erbse 1991 hat Fehlings Ansatz modifiziert: Herodot habe nicht alle Quellenangaben fingiert. Fingierte Quellenangaben dienten Herodot dazu, unglaubhafte Geschichten oder Wunder als Auskünfte anderer darzustellen und sich selbst davon zu distanzieren. Ähnlich Nielsen 1997, 44: „The picture of himself as a critical collector of data that Herodotus presents to his implied reader is fiction."

53

Pritchett 1993, 80 glaubt dagegen, daß „ m a n y of the alleged fabrications of Herodotos pertain to Greek sources (Samos, Athens, Korinth, etc.) whose people would easily have perceived that Herodotos had fabricated his stories about themselves. ... Fehling sees Herodotos through the eyes of a twentieth-century rationalist w h o discredits all myths, folk-tales, sagas, and legends." Ebenso schon Cobet 1974, weniger harsch Bichler 1990 und Hornblower 2002, 379, für den gerade die doppelte Quellenangabe von der Gewissenhaftigkeit des Historikers zeugt. Rubincam 2003 hat beim Gebrauch von t y p i s c h e n ' Zahlen (3,5,7,9,10,12, und Vielfachen von 10,100,1000) im Gegensatz zu Fehlings A n n a h m e durch die statistische Auswertung und den Vergleich mit Dichtern (Epos) und Historikern gezeigt, S. 462: „Not only is Herodotus' preference for 'typical' numbers lower than that of all but one of the poetic works; it is also lower than X e n o p h o n ' s and equal to that of Thucydides!"

88

HERODOT

künstlerischen Kriterien in einer anachronistischen' 5 4 Struktur miteinander verknüpft, basiert sein System dennoch auf einer in sich stimmigen Chronologie. 55 Der Hauptstrang deckt den Zeitraum von etwa 560-479 v. Chr. ab, in unzähligen (externen und kompletiven) Ana- und Prolepsen werden die übrigen Ereignisse, die von der Frühgeschichte Ägyptens bis in die Zeit des Peloponnesischen Krieges reichen, geschickt in die Hauptachse des Werks integriert. Die Erzählung erhält durch die vielen internen (repetitiven oder kompletiven) Ana- und Prolepsen neben Verzögerung und Spannungssteigerung eine innere Kohäsion, wird durch Inversion der chronologischen Reihenfolge motiviert oder bekommt Ironie bzw. Emphase. 56 Den

54

Begriff nach De Jong 1999, die S. 235 und 241 zusammenfaßt: „La structure est done 'anachronistique', parce que l'ordre principal, qui est chronologique (la succession des m o n a r q u e s orientaux), est interrompu de n o m b r e u s e s fois par des anachronies, par des analepses et prolepses. ... De plus, le reseau d ' a n a l e p s e s et prolepses donne au recit une grande cohesion. ... Herodote a adopte ... une technique narrative de son predecesseur venerable, Homere."

55

Während Jacoby 1913, 482 behauptet, „daß Herodot gar keinen Versuch gemacht hat, für den historischen Raum eine einheitliche Zeitrechnung in A n w e n d u n g zu bringen ... und sich damit begnügte, zeitlose Berichte da einzufügen, wo es sich schriftstellerisch am bequemsten machen ließ", betont G o m m e 1954, 76 das poetische (im aristotelischen Sinne) A r r a n g e m e n t der Historien. Ebenso H a m m o n d 1955, 391, der die „firm chronology for events ... in the period 556-479, and also for the foundation of colonies from the late eighth century o n w a r d s " hervorhebt. Am ausführlichsten Strasburger 1956, De Jong 2001 und Cobet 2002 und 2003.

56

Die meisten Exkurse sind Analepsen mit einer in sich geschlossenen Chronologie. Die Erzählung ist bis zu und mit der Expedition gegen die Skythen zu über 5 0 % retrospektiv (beschreibende Analepsen), aber nur zu 5% im Xerxes-Logos. Im Gegensatz zum Epos sind die Analepsen in der Regel nicht repetitiv, sondern kompletiv, geben also neues, vorher nicht erzähltes Material wieder. So De Jong 1999, 232: „Chez Homere les prolepses et analepses sont presque exclusivement le fait des personnages dans leurs discours. Chez Herodote, c'est aussi le narrateur luim e m e qui antieipe ou revient en arriere dans le temps, et cela souvent." Sie illustriert anhand des analeptischen Exkurses 5,56-96, der die in Athen herrschende antipersische Stimmung und das Hilfsangebot an Aristagoras effektvoll motiviert und erklärt, die exegetische Funktion der Ana- und Prolepsen. Ebenso Wood 1972, 14: „But the inversion in Herodotus reveals a perspective (intellectual, not emotional) which views discrete events as parts of a whole, which sees always the meaning of an event." Beltrametti 1986, 150; „Nell'analessi, il discorso trova una forma di commento e di interpretazione, sostitutivo dei commenti della voce, che conduce ai fatti a interpretarsi da soli, inserendoli in un contesto semanticamente coeso e stabile, il cui senso si ricostruisce sulle invariabili." De Jong 2001, 102 spricht bei den in oratio recta und obliqua geäußerten proleptischen Aussagen der handelnden Charaktere, die sich nicht bewahrheiten, von „false prolepses", so z.B. 5,105,1-2. Dies. 1999, 236: „Les prolepses actorielles sont en general beaueoup moins solides

Herodots Werk und Weltanschauung

89

Fixpunkt seiner Chronologie bildet das für das Verständnis des Werks entscheidende Jahr 480 (8,51), 57 von dem aus alle anderen Daten dank Intervallen von Tagen, Monaten oder Jahren (Dauer der Herrschaft eines 58

Monarchen) und Synchronismen berechnet werden können. Die einzelnen narrativen Einheiten weisen eine in sich geschlossene Chronologie auf und sind durch die Angabe von zeitlichen Intervallen oder Synchronismen mit dem Hauptstrang verbunden, wobei die Gegenwart des Autors die zeitliche Referenz bildet. 59

2.1.4. Die Weltanschauung und Geschichtsphilosophie Herodots Als Paradeigma 60 für Herodots Weltanschauung dient der Lyderkönig Kroisos (1,6), der als erster mit dem Unrecht begann und, getrieben vom que Celles du narrateur. Elles peuvent etre incertaines (quand les narrataires ne savent pas la fin du recit et done ne savent pas si les attentes d ' u n personnage seront comblees, ou, c o m m e ici, fausses (les narrataires savent que Darius ne reussira pas k tirer vengeance des Atheniens, et que sa priere ä Zeus ne sera pas exaucee)." Daneben gibt es auch ,falsche Analepsen', wenn ein Charakter die Vergangenheit verzerrt (vgl. Mardonios 7,9 a 2 über seine Erfahrungen im Kampf gegen die Griechen, die von der Narratio 6,45 und 94 widerlegt worden sind und beim Rezipienten eine ironische Reaktion auslösen). 57

58

59

60

H a m m o n d 1955, 382: „They deemed it sufficient to define only one date (Hdt. 8,51,1, Thuc. 2,2,1). From that date they worked back and forth, calculating intervals in terms of units whether years or months." Vgl. Asheri 1988, xli: „Normalmente le datazioni di Erodoto sono relative. La cronologia dei re persiani, p. es. e costituita, come quella di altre dinastie, da una serie di lunghezze di regni; in questo caso tuttavia e possibile tradurle in date assolute partendo dal sesto anno di Serse (7,20), l'anno dell'invasione persiana in Attica, che eccezionalmente Erodoto contrassegna con il nome dell'arconte ateniese Calliade (8,51,1), in carica - sulla base di fonti tarde - nel 480/79 a.C." Payen 1997, 263: „Pour rapporter les evenements avec plus de minutie, l'enqueteur expose successivement des faits s'etre deroules en synchronic, ce qui implique ä chaque fois un retour en arriere. Succession et superposition se confondent pour dilater le temps." Corcella 1984a, 213: „La vera novitä consiste ... nell'aver considerato il passato non come modello statico, ma come realtä dinamica, analizzabile con gli stessi strumenti che valgono per il presente." Ebenso Darbo-Peschanski 1987a, 24 und Payen 1997, 257. Dagegen spielt sich die Handlung im Epos in einer Zeit außerhalb der Gegenwart des Autors ab, wo eine „coincidence parfaite entre le temps du recit et celui de la narration" (Darbo-Peschanski 1987a, 23) herrscht. Cobet 1971, 159: „Die Geradlinigkeit der Entwicklung, die zu ihrem scheinbar natürlichen Zielpunkt führt, der scheinbar letzten und endgültigen Niederlage per-

90

HERODOT

Eroberungsdrang, die zuvor freien kleinasiatischen Griechen dauerhaft unterwarf und zu Tributzahlung verpflichtete. 61 1. In der extern analeptischen Gyges-Novelle wird in einem Orakelspruch 1,13,2 Kroisos' Schicksal als Vergeltung für Gyges' Vergehen (τίσι,ς ήζει κτλ.) lange vor seiner Geburt, ohne daß jener dies weiß, 62 determiniert. Durch dieses Vorwissen des Rezipienten kommt eine tragische Spannung in die ganze Kroisos-Geschichte hinein. 2. Nach einer summarischen (analeptischen) Aufzählung der Ereignisse bis zur Machtübernahme des Kroisos (1,26) werden die Unterwerfung Ioniens und weitere erfolgreiche Aktionen berichtet, wobei sich Kroisos gegenüber guten Ratschlägen aufgeschlossen und einsichtig zeigt. 63 3. Auf dem Höhepunkt (und zugleich Wendepunkt) seiner Machtentfaltung (1,29) unterbricht Herodot die Schilderung der kriegerischen Ereignisse durch das paradigmatische Gespräch zwischen Kroisos und Solon. 64 sischen Eroberungsdranges, ist also ... eine natürliche Steigerung des Phänomens, dessen einleitende und exemplarische Darstellung außerhalb der persischen Königsreihe steht, wenn auch im realen Geschehen eng damit verknüpft. ... Damit erreicht Herodot einerseits eine unmittelbare V e r k n ü p f u n g mit dem spezielleren T h e m a - denn die Lyder unterwarfen als erste die Griechen und Kroisos bringt die Perser auf den Weg nach Griechenland - als auch hat er in Kroisos exemplarisch den h i s t o r i s c h e n ' Prozeß, nach dem er auch die späteren Geschehenskreise versteht." Ebenso Fornara 1971, 24ff. und Erbse 1979, der den Kroisos-Logos als Paradeigma eines typischen Geschehens betrachtet. Asheri 1988, xcix faßt das ganze erste Buch als Paradeigma auf, das „prefigura l'intera opera di Erodoto e ne costituisce in un certo senso la quintessenza." Für Evans 1991, 49 ist seine Funktion „to foreshadow the course of empire that was to follow." Ebenso Visser 2001, 6ff. 61

Dadurch unterscheidet sich Kroisos' Eroberung qualitativ von allen früheren, zeitlich begrenzten Eroberungen.

62

Stahl 1975, 4: „Through his ancestor Gyges, the story of Croesus' life had begun long before he is actually born and ascended the throne, ...: (a) he will have to pay for the past, and (b) he does not know what can and should be known."

63

So läßt er sich 1,27 von Bias (oder Pittakos) von seinem Plan, die Inselbewohner zu unterwerfen, abbringen.

64

Immerwahr 1966, 158: „The Solon story stresses the specific condition of Croesus' greatness, (seemingly) secure wealth based, as we know, on the limitation of his conquests to Western Asia. Starting with this specific condition, Solon develops several other themes (in particular those of accident and of the importance of the end) that help to place Croesus' downfall into a more general framework showing the fate of all great rulers." Zu gedanklichen Parallelen zwischen dem Herodoteischen Solon und den Gedichten des athenischen Staatsmannes vgl. Harrison 2000a,

Herodots Werk und Weltanschauung

91

Nachdem Kroisos Solon seine Schätze gezeigt hatte, fragte er ihn 1,30,2, wen er für den glückseligsten (όλβιώτατον) Menschen halte, in der Erwartung (ελπίδων), selbst dieses Prädikat zu erhalten. Aber Solons Beispiele glücklicher Menschen im bürgerlichen Milieu der Polis (der Athener Tellos und die Argeier Kleobis und Biton) enttäuschten den König zutiefst. 65 Auf die Frage, wieso Solon sein Glück und seinen Reichtum so geringschätze, stellt dieser in seiner Antwort die scheinbar sichere Grundlage von Kroisos' Wohlstand und Macht in Frage 1,32,1: έπι,στάμενόν με τό θείον παν έόν φθονερόν τε και ταραχώδες („im Wissen, daß das Göttliche in seiner Gesamtheit neidisch und unheimlich ist"). 66 Solon weist auf die vielen Wechsel und den Zufall, denen der Mensch sein ganzes Leben lang ausgesetzt sei (32,4: παν έστι. άνθρωπος σύμφορη), hin. Kroisos aber könne er erst dann glückselig (δλβιον) preisen, wenn dieser glücklich sein Leben beendet habe. 67 Vorher könne er ihn nur als vom Schicksal Begünstigten (εύτυχέα) 6 8 bezeichnen. Solons Begriff des Glücks

35ff. Ein Treffen zwischen Solon (640-560), der 5 9 4 - 5 9 0 in Athen als Gesetzgeber gewirkt hatte, und Kroisos, der 5 6 0 - 5 4 6 herrschte, ist so gut wie ausgeschlossen. Daher ist wohl nicht nur der Inhalt des Gesprächs, sondern auch die Gesprächssituation erfunden (vgl. schon Plutarchs Zweifel in der Vita Solons 27,1; weitere Literaturhinweise bei Asheri 1988, 282f.). Dasselbe gilt auch für Kroisos' Errettung aus dem Scheiterhaufen; so überzeugend Burkert 1985, der die Überlieferung neben Herodot, namentlich die Nabonid-Chronik, die Amphora des Myson im Louvre und Bakchylides' Epinikion 3 , 2 3 - 6 6 untersucht hat. Gray 2001 weist darauf hin, daß das Leitmotiv der göttlichen Errettung aus Leiden in den Geschichten des Alyattes und des Arion Kroisos' eigene Rettung motivisch vorbereitet. 65

Für Arieti 1995, 47ff. verkörpert Tellos als Paradigma und polarer Gegensatz zu Kroisos Herodots Ideal des Polisbürgers. Ebenso steht das ruhmreiche Ende von Kleobis und Biton im Gegensatz zu Atys' unrühmlichem Tod.

66

Vgl. Od. 5,118 und Aisch. Pers. 362. Visser 2001,13: „Großer Reichtum hat schnell auch politisch-militärische Macht bei Menschen zur Folge, diese veranlaßt eine höhere Instanz, von Solon als θείον bezeichnet, zu einer Art Gegenreaktion: sie fuhrt eine Situation herbei, in der dieser Mensch im schlimmsten Fall seines Lebens, zumindest aber seiner Macht und seines Reichtums beraubt wird." Solon erkennt, wie auch in seinen Gedichten, eine sozial immanente Gesetzmäßigkeit, eine Art Sozialneid, der für den Wandel verantwortlich ist, vgl. Meier 1995, 403f.

67

Vgl. den gleichen Gedanken bei Pindar, Fragment 137,5 Maehler.

68

Bei den Definition von Glück führt Solon in der Art des Sophisten Prodikos eine Begriffsdihärese zwischen ολβιος und ε υ τ υ χ ή ς durch. Asheri 1988, 261: „1 due termini non si escludono a vicenda: 'felice' pud diventare anche l ' u o m o fortunato che non ha avuto contrattempi sino alia sua morte ... La distinzione e tra benessere passeggero e benessere interamente acquisito, e reso eterno nella memoria dei po-

92

HERODOT

ist also komplexer als Kroisos' simple Gleichsetzung von Glück mit Reichtum: Reichtum korreliert nämlich nicht automatisch mit dem Glück (όλβος), auch wenn der Reiche materiell besser gestellt ist. Niemand kann als Mensch alle Attribute des Glücks besitzen, niemand ist vor äußeren Einflüssen geschützt (αΰταρκες). Erst wenn das Leben zu Ende gegangen ist, kann beurteilt werden, ob jemand glücklich gewesen ist oder nicht, denn 32,9: σκοπέειν δέ χρή π α ν τ ό ς χρήματος την τελευτήν κή άποβήσεται. πολλοισι γαρ δή ύποδέξας δλβον ό θεός προρρί£ους ανέτρεψε. „Überall muß man auf das Ende und den Ausgang sehen. Vielen schon winkte die Gottheit mit Glück und stürzte sie dann ins tiefste Elend."

Solon ist sehr wahrscheinlich in diesem Gespräch das Sprachrohr des Verfassers, zumal seine Kernaussage mit Herodots eigener Auffassung (1,5,4) im Einklang steht. 69 4. Die Kommunikation zwischen dem Weisen und dem Herrscher war gescheitert: Kroisos hielt Solon für einen D u m m k o p f (άμαθε'α) und schickte ihn weg (33). 70 Damit verpaßte er die erste Chance, die Instabilität der condicio h u m a n a anzuerkennen. Da er in seiner Vermessenheit geglaubt hatte, der glücklichste unter den Menschen zu sein, „traf ihn Gottes furchtbare Vergeltung" (έλαβε έκ θεοϋ νέμεσις μεγάλη Κροΐσον, 71

34,1). Auf ,tragische' Weise kam sein Sohn Atys ums Leben. Aber Kroisos, ein erstes Mal von einem Unglück getroffen, meinte 45,2, daß „einer der Götter, der mir schon lange vorher die Zukunft vorausgesagt hat" ( α ί τ ι ο ς ... θεών κού τ ι ς , δς μοι και πάλαι προεσήμαινε τά

69

70 71

steri." Vgl. die Begriffsdihärese von ε ύ τ υ χ ε ω ν , όλβιος und ευδαίμων in Eurip. Antiope 198 TrGF, Ps.-Plat. Eryxias 393ff. und Aristot. Rhet. 1360b-1361. Rener 1973, 97f.: „Einen echten Geistesverwandten fand Herodot dagegen in Solon, der, wie er selbst, vom Streben nach Weisheit erfüllt um der θεωρίη willen auf Reisen ging. Durch diesen Solon läßt Herodot zu Beginn seines Werkes seine eigene Auffassung von der Geschichte und der Rolle des Menschen in ihr vertreten." Arieti 1995, 53 weist daraufhin, daß Herodot implizit eine Warnung an seine athenischen Zeitgenossen in den Mund des Atheners Solon legt. Anders Waters 1985, 1 13, der Herodots Meinung von der Solons trennen möchte. Zur Funktion der Gespräche im ersten Buch vgl. Asheri 1988, cvii: „In questi dialoghi Erodoto riassume i principi della sua teologia e della sua riflessione storica e filosoflca, che costituiscono il vero elemento unificatore del primo libro e di tutta Popera." Pelling 2006, 105: „This first great speech-encounter in the Histories ... is a failure of communication." Zu den tragischen Motiven dieser Geschichte vgl. Fohl 1913, Lesky 1977, Asheri 1988, 287ff. und Arieti 1995, 54-66.

Herodots Werk und Weltanschauung

93

μέλλοντα γενέσθαι), die Schuld trage. In der Atys-Episode bekam Kroisos die Möglichkeit, die Unbeständigkeit des menschlichen Glücks unmittelbar in der eigenen Familie zu erleben; doch war diese Einsicht weder vollstän72 dig noch von Dauer. 5. Kroisos entschloß sich nach zweijähriger Trauerzeit zum Krieg gegen die Perser. Den Impuls dazu gab (1,46) eine rationale Analyse der politischen Lage: Aus Sorge vor der wachsenden Macht der Perser (τά των Περσέων πρήγματα αύξανόμενα), die das Mederreich unterworfen hatten, 73

entschloß er sich zum Präventivkrieg. Nach dieser Grundsatzentscheidung folgte nach der Prüfung der Orakel die Befragung nach den Erfolgschancen. Das Orakel von Delphi, das er reich beschenkt hatte,74 verkündete 53,3: ήν στρατεύηται. em Πέρσας μεγάλην αρχήν μιν καταλύσεις. „Wenn Kroisos gegen die Perser ziehe, werde er ein großes Reich zerstören." Darüber war Kroisos (54,1) hocherfreut (ύπερήσθη), weil er hoffte, Kyros' Macht zu vernichten (πάγχυ τε έλττίσας καταλύσειν την Κύρου βασιληιην).75 72

Vgl. Nagy 1990, 247: „This derangement, as realized in his faulty perception of himself as the most olbios 'blissful' of men, provokes a pattern of divine retribution against Croesus in the form of two successive misfortunes, the death of his son and the loss of his empire. In both cases Croesus manifestly reveals himself as aitios by making the additional mistake, both times, of accusing the god who had forewarned him with signs."

73

1,46,1 έ ν έ β η σ ε δέ ε ς φ ρ ο ν τ ί δ α , εϊ κως δ ύ ν α ι τ ο π ρ ι ν μ ε γ ά λ ο υ ς γ ε ν έ σ θ α ι τ ο υ ς Π έ ρ σ α ς , κ α τ α λ α β ε ΐ ν αϋτών α ύ ξ α ν ο μ ε ν η ν τ η ν δ ΰ ν α μ ι ν . „Kroisos zog in Erwägung, ob er diese wachsende persische Macht nicht vernichten könne, bevor sie zu g r o ß w ü r d e . " E b e n s o die b a b y l o n i s c h e K ö n i g i n N i t o k r i s 1,185,1 ( π ρ ο ε φ υ λ ά ξ α τ ο ) ; die Spartaner 5,91,1 und insbesondere Thuk. 1,23,6. Vgl. dazu Munson 2001b, 42.

74

Kroisos will sich so die Gunst des Gottes erkaufen, 50,1 μάλλον τί τ ο ύ τ ο ι σ ι ά ν α κ τ ή σ ε σ θ α ι .

75

Wortstudien zum Wortfeld , H o f f n u n g ' zeigen, daß diese seit Homer die rationale Basis von Erwartungen, die sich erfüllen können oder nicht, ist (Myres 1949, 46: , , έ λ π ω , give reason to e x p e c t " ; C o r c e l l a 1984b, 43: , , έ λ π ο μ α ι . d e s i g n a un'operazione intellettuale considerata indipendentemente dal suo valore di veritä ... Γ έ λ π ε σ θ α ι si esercita infatti su ciö che non e direttamente conoscibile, s u l l ' d φ α ν έ ς , in particolare sul futuro, ma anche ... sul presente."). In Hes. Op. 96 ist unklar, ob die Έ λ π ί ς etwas Positive oder Negatives ist. Im 5. Jh. verlor sie weitgehend die positiven Aspekte und diente, „a indicare la sola aspettativa nel campo del futuro, e a qualificarla come passione, spinta emotiva: soprattutto la speranza, m a anche, piü raramente, il timore" (S. 50). Erst im christlichen Kontext wurde die

ελπίδων

τόν

θεόν

94

HERODOT

Daß Kroisos dieses doppeldeutige Orakel falsch deutete (Κροίσος δέ άμαρτών τοϋ χρησμού), weil er bloß das Naheliegende berücksichtigte, also nicht fähig war, weiterzudenken, betont Herodot auktorial 71,1 und nimmt die Niederlage vorweg. Ebenfalls mißachtete Kroisos l,71,2f. die auf ethnographischen Erkenntnissen beruhende Warnung (in oratio recta) des Lyders Sandanis, der vor dem Krieg gegen ein armes, aber ,hartes' Volk, das ihm im Falle des Sieges alles wegnehmen könne, warnte. Dieses Mal fand der Warner 76 im Hoffnung (NT Epheser 2,12) wieder ein positiver Wert. Während in den ethnographischen Abschnitten Herodots mit dem Verb durchaus eine auf A n a l o g i e beruhende rationale Hypothese angestellt werden kann, ist die έ λ π ί ς sonst meist trügerisch; regelmäßig werden die durch sie geweckten Erwartungen enttäuscht. Vgl. T h e o g n i s 637: έ λ π ί ς και κ ί ν δ υ ν ο ς έ ν ά ν θ ρ ώ π ο ι σ ι όμοιοι „ H o f f n u n g und Gefahr wirken bei den Menschen ähnlich"; ebenso Pind. Ol. 12,5ff.; Soph. Ant. 615ff.: d γ ά ρ δή π ο λ ύ π λ α γ κ τ ο ς έ λ / π ί ς πολλοίς μεν δ ν η σ ι ς ανδρών,/ πολλοίς δ' ά π α τ α κουφονόων ε ρ ώ τ ω ν / ε ί δ ό τ ι δ' ουδέν έ ρ π ε ι , / π ρ ί ν πυρ! θερμώ πόδα τ ι ς προσαύση. „Denn die schweifende H o f f n u n g wird vielen Menschen Quelle des Segens, v e r f ü h r t aber viel andre zu L e i c h t s i n n s w ü n s c h e n , k o m m t über Ahnungslose, bis an der Glut man sich den Fuß verbrannt hat." Ähnlich Demokrit DK 68 Β 176 und 292; Antiphon DK 87 Β 58. Zur ironischen Funktion der Hoffnung bei Kroisos vgl. auch l,27,3f.; 30,3; 50,1; 54,1; 56,1; 71,1; 75,2; 77,4 und 80,5. Hermes 1951, 35: „Die έ λ π ί ς ist bei Herodot immer die betrügende Hoffnung, die Illusion, die auf einem Irrtum beruht. Fast ausschließlich hat sie der König oder jedenfalls der, zu dessen Natur das Handeln gehört (1,50; 71; 75; 80; 3,62; 122; 7,10 a ; 210; 9,4; 13)." Huber 1965a, 67: ,,δοκέω und έ λ π ί £ ω und die dazugehörigen Substantive bevorzugt Herodot, um solche Kalkulationen darzustellen, und sehr oft kann man mithören, daß κενή έ λ π ί ς und κενή δόξα am Werke sind." Ironie des Schicksals war, daß Kroisos l,48ff. zwar eine rationale Methode anwandte, um die Richtigkeit des Orakels zu kontrollieren, aber beim Versuch scheiterte, dasselbe richtig zu deuten - nicht so sehr, weil es Hybris wäre, ein Orakel zu prüfen, sondern weil er auf Grund seiner A f f e k t e und H o f f n u n g e n ( έ λ π ί δ ε ς ) nicht mehr fähig war, rational und kritisch zu denken. 76

Zur Figur des Warners Bischoff 1932, 26: „Die E i n f ü h r u n g einer Person, die warnende Reden spricht, ist ein Mittel, das Schicksal dessen, der gewarnt wird, als beispielhaftes hervorzuheben. In den Worten des Warners kommt der Sinn, der in der Geschichte versteckt ist, zum Ausdruck. " Lattimore 1939, 34: „The warner, as such, is a motif, a mode of understanding history ... A certain situation calls for, it may even create, a sage; an impending catastrophe produces a tragic warner, a problem or a proposed stratagem, a practical adviser." Hermes 1951, 69: „Der Warner ist um des Königs willen da, nicht nur um geschichtliche Problematik überhaupt herauszustellen, sondern um als Gegengestalt die persönliche Einmaligkeit jeder Königsgestalt hervorzuheben." Zum Unterschied zwischen Warner und Ratgeber Heni 1977, 122: „Während die Argumente des Ratgebers eine Analyse der Situation geben, charakterisieren die A n n a h m e oder Ablehnung eines guten Rates den Herrscher ... als einsichtig oder verrät seine Fehleinschätzung der Lage."

Herodots Werk und Weltanschauung

95

Gegensatz zu Bias' Ratschlag (l,27,3f·) kein Gehör (71,4 ούκ επειθε). Kroisos hätte die Möglichkeit gehabt, einen alternativen Weg zu gehen, aber infolge seiner Fehleinschätzungen und seiner Selbstsicherheit, die durch die Orakelbefragung noch gestiegen war, erwies er sich als unfähig, 77

auf guten Rat zu hören. 1,73,1 spricht Herodot erneut über Kroisos' Motivation für den Kriegszug gegen Kyros: 1. Der affektive Drang zur Expansion über sein eigenes Gebiet hinaus (γης ίμερω προσκτήσασθαι

2.

προς την έωυτοϋ

μοΐραν).

Vor allem das Vertrauen in das Orakel (μάλιστα τω

χρηστηρίω

πίσυνος).

3.

Der Wille, seinen gestürzten Schwiegervater Astyages zu rächen (τείσασθαι). Zur Funktion der Warner meint Visser 2001, 27: „Ihre A u f g a b e ist ... rezeptionssteuernder Art. Sie sollen dem Leser zeigen, wie weit sich der Protagonist von dem Gefühl einer grundsätzlichen Verunsicherung, die doch als condicio humana einem Menschen ständig bewußt sein müßte, entfernt hat; hierdurch werden der Mißerfolg, der Sturz, der Tod verständlich. Warner sind in Herodots Werk implizite auktoriale Kommentare, und eben dieselbe Darstellungstechnik liegt im Großen in der Kroisos-Geschichte vor." Said 2002, 122: „Their only role in the narrative of Herodotus, as in Sophocles' tragedies, is to foreshadow what is going to happen and help the reader notice the blindness of the rulers who did not pay attention to t h e m . " Aber anders als die Orakel und die Seher bezieht der Warner analog zum Historiker das Wissen, das nicht göttlich o f f e n b a r t ist, aus der menschlichen Erfahrung (aus der θ ε ω ρ ί η und ί σ τ ο ρ ί η , vgl. Rener 1973, 96f.). Ähnlich ist die Rolle von Warnern im Epos, vgl. Nicolai 1993, 334f.: „So sehr die Berechtigung solcher Warnungen durch den weiteren V e r l a u f . . . bestätigt wird: in den meisten Fällen bleibt ihnen der Erfolg versagt."

77

Evans 1991,30: „His consequent power and affluence resulted in blindness, which in turn allowed him to blunder into fatal error. He attacked a people toughened by a hard life, whose poverty could add little to his wealth even if he were victorious." Für Schulte-Altedorneburg 2001, 149 ist klar, „daß Kroisos sich nach der vermeintlichen Sicherung des göttlichen Beistandes und der angemessenen Bestätigung seines Erfolges durch das Orakel für derartig ungefährdet hält, daß er die der Sache nach berechtigten G e g e n a r g u m e n t e nicht mehr angemessen zur Kenntnis nehmen und in seine Überlegungen einbeziehen kann." Ebenso Visser 2000, 19f.: „Die Kroisos-Solon-Geschichte lief auf den Gedanken von einer menschlichen Allmacht hinaus, einer völligen Beherrschbarkeit der Lebensumstände auf Grund von Reichtum und politischer Macht. ... Kroisos ist durch Handeln reich und mächtig geworden; das hat ihn zwar nicht moralisch depravieren lassen, wohl aber zu einer Veränderung in seinem Denken, genauer: in der Frage nach der Einschätzung seiner persönlichen Möglichkeiten geführt. Er hält sich nun, nachdem er ein Bündnis mit einem nachgewiesenermaßen leistungsfähigen Gott eingegangen ist, für grundsätzlich ungefährdet."

HERODOT

96

N a c h der totalen Niederlage gegen Kyros und der Errettung aus

dem

brennenden Scheiterhaufen gab Kroisos, der nun aus Schaden klug gewor78

den war

u n d e r k a n n t h a t t e , d a ß S o l o n s W o r t e n i c h t n u r in s e i n e m F a l l e

w a h r seien, sondern universale Gültigkeit b e s ä ß e n (1,86,5)79, auf K y r o s ' F r a g e n a c h d e m G r u n d f ü r d e n K r i e g g e g e n i h n an, er h a b e s i c h d u r c h d a s d e l p h i s c h e O r a k e l v e r l e i t e n lassen. I n s o f e r n s a h er s i c h als W e r k z e u g e i n e r göttlichen Macht, 87,3: α ί τ ι ο ς

δε

τούτων

έγένετο

ό

'Ελλήνων

θεός

έ π ά ρ α ς έ μ έ στρατεύεσθαι. „Schuld daran w a r der Griechengott, der mich zum Feldzug trieb." A u f seine Frage, wieso Apollon ihn betrogen habe ( 1 , 9 0 , 2 έ ξ α π α τ α ν ) , e r h i e l t K r o i s o s als A n t w o r t , d a ß er a l s f ü n f t e r N a c h k o m m e des Gyges fur dessen Blutschuld habe bezahlen müssen und auch Apollon nichts gegen den

Schicksalsbeschluß habe ausrichten

können

( 9 1 , 2 : ούκ ο ΐ ό ς τ ε έ γ έ ν ε τ ο π α ρ α γ α γ ε ΐ ν Μ ο80ί ρ α ς ) . A b e r e r h a b e s e i n e Herrschaft u m drei Jahre verlängern können. Doch trage auch Kroisos

78

79

80

1,207,1: τ ά δε μοι παθήματα ... μαθήματα γέγονε nimmt das Aischyleische πάθει μάθος (Ag. 177) auf. Marg 1962, 295: „Zur Einsicht kommt er durch seinen Zusammenstoß mit der Wirklichkeit, durch seine Erfahrung, die er mit seinem Glück bezahlt." So Stahl 1975, 13ff. und Harrison 2000a, 52ff. mit weiteren Stellenangaben, der S. 63 zusammenfaßt: „At any rate, the Histories are deeply marked by Solonian ideas. Every reversal in the Histories, every demonstration of the rule of the mutability of fortune ... is also ... an illustration of the force of the divine to disturb human affairs." Stahl 1975, 18: „Croesus himself, not knowing of his destiny all the time, has, by his very behaviour, fulfilled it and justified it." Shimron 1989, 49 hat insofern recht, als „the Apollo who emerges from the whole story resembles a Homeric god rather than the divinities of Herodotus who are 'godlike' even in a more modern sense and never deceptive." Nagy 1990, 240 erkennt darin ein typisches Erzählmuster der archaischen Literatur: „A pattern of narration where a man who does wrong, who is aitios, pays for that wrong by suffering a great misfortune, for which he then hold a god responsible, aitios. Then the given god makes clear that it was really the wrongdoer who was juridically responsible for the wrong that he did, and that the god is 'responsible' only for the transcendent scheme of divine retribution for that wrong." Dabei handelt es sich um eine Homerreminiszenz: Auch Agamemnon sagt II. 19,86f., nicht er sei schuld (αίτιος), sondern Zeus und die Moiren. Ob sich Herodot mit der Formel 1,91,1 την Πυθίηυ λέγεται ε ι π ε ί ν τάδε vom Gesagten distanziert, wie zuletzt Visser 2001, 21 meint, der dies für die offizielle delphische Version hält, ist schwer zu entscheiden. Visser meint auch, die drei Jahre, um die Apollon Kroisos' Herrschaft verlängert habe, seien „insofern ernst zu nehmen, als sich Herodot nicht von ihr distanziert; sie besagt in einem allgemeinen Sinne nicht weniger, als daß für Herodot das Schicksal durch das Handeln der Menschen durchaus beeinflußbar ist."

Herodots Werk und Weltanschauung

97

seinen Teil an der Schuld, weil er die an sich richtigen Orakel falsch gedeutet habe. Dies anerkennt Kroisos 1,91,6 explizit. Kroisos' Motivation für den Krieg gegen Kyros setzt sich also aus den folgenden Elementen zusammen. 1. Auf der menschlich-politischen Ebene: a. Rational, auf der Ebene der Staaten: die Sorge vor der wachsenden M a c h t der Perser als A u s l ö s e r von Überlegungen über einen 81

Präventivkrieg (1,46). b. Aus dem Bereich der Natur und der zwischenmenschlichen Beziehungen: Das Motiv der Rache für den Sturz seines Schwiegervaters Astyages (1,73,1). 82 83 c. Irrational: auf Affekten beruhender Expansionsdrang (1,73,1). (d.) fuhrt (zusammen mit 2a) zur Mißachtung einer rationalen Warnung (1,71,2). 2. Auf der göttlich-metaphysischen Ebene: a. angebliche Verleitung durch Apollons Orakel (1,45,2; 1,87,3). b. Determination durch das Schicksal (1,13,2; 1,91,2). Zwar ist Kroisos' Schicksal schon vor seiner Geburt determiniert, und die Determination umschließt als äußerster Ring (2d) die ganze Geschichte. Dagegen geht der Impuls zum Krieg von Kroisos aus (la), eine Fehlinter-

81

Solmsen 1974, 141: „Pragmatic-Political motivations are not unknown to Herodotus, but the fear of Persia's growth is here peripheral." Im Gegensatz zu Thuk. 1,23,6 fehlt bei Herodot die mit der Furcht verbundene α ν ά γ κ η .

82

Im Werk kommt 53-mal τ ί ν ω / τ ί σ ι ς und 60-mal τ ι μ ω ρ ί α / τ ι μ ω ρ ε ω vor. Thukydides verwendet das erste Wortpaar nie, das zweite 54-mal. Beispiele sind: 1,123 (Harpagos); 3,47 (die Rache der Spartaner an den Samiern wegen des Diebstahls eines Mischkrugs); 3 , 1 2 0 - 1 2 8 (Oroites' Ende als Strafe für den Mord an Polykrates (126,1 und 128,5 τ ί σ ί ε ς ) , während der politische Grund: Paktieren mit den beiden Magern 126,1 nur am Rande erwähnt wird). Vgl. Pagel 1927, 17ff., de Romilly 1971, 315ff., Evans 1991, 15-23. Das Motiv der Rache steht oft anstelle von militärisch-politischen oder wirtschaftlichen Überlegungen. Ganz allgemein weist Gould 1989, 42 auf die Bedeutung der ,sozialen patterns', die auf Reziprozität beruhen, hin: „What Herodotus does is simply to extend the model of personal relationships, based on kinship and Xenia, gratitude and revenge, familiar to everyone in his audience in the small world of their own everyday experience, until it embraces the world of narrative opened by his inquiries, the 'historical world' that constitutes his subject."

83

Fisher 2002, 219: guilty of territorial even more wealth form of aggressive

„The first Eastern imperialist king thus is shown ... as clearly greed (pleonexia), and, at this stage, if not before, his desire for and power can certainly be said to have become hubris, in the crossing of boundaries and imposition of political slavery."

HERODOT

98

pretation der Orakel (2a) verleitet ihn zusammen mit dem Expansionsdrang ( l c ) und dem eigentlich auf der privaten Ebene der zwischenmenschlichen Beziehungen stehenden Motiv der Rache dazu, die rationalen Gegenargumente und Warnungen ( l d und schon im Gespräch mit Solon) zu mißach84

ten. Nur eine radikale Änderung seiner Lebensform vom König zum Bürger einer Polis - wie es Solons Beispiele von Tellos oder Kleobis und Biton andeuteten - hätten ihn vielleicht vor dem Unglück bewahren können. Daß aber ein 85 König freiwillig auf seine Macht verzichtet, hat hypothetischen Wert ; deshalb blieben alle Warnungen wirkungslos, und das prädestinierte Schicksal nahm seinen Lauf. Das Göttliche sorgte auf der übersinnlichen Ebene dafür, daß Gyges' Untat gesühnt wurde, indem es dazu beitrug, daß Kroisos Fehler beging und sich für den Weg entschied, der den Untergang herbeiführte. Dadurch aber, daß er freiwillig diesen

84

So Marinatos 1982, 263: „Hier ist wie im Falle des Polykrates und des Xerxes ein göttlicher Plan eingeschlossen; der wirkliche Untergang tritt aber ein, weil eine Warnung entweder ignoriert oder falsch interpretiert wird."

85

Immerhin deutet Herodot bei der Geschichte des äthiopischen Königs Sabakos 2,139,2 paradigmatisch an, daß es durchaus möglich ist, dem Schicksal zu entrinnen, wenn man bereit ist, freiwillig auf Macht zu verzichten. Marinatos 1982, 263: „Sabakos hatte ... die Wahl über die Art seines eigenen Endes. Er beweist Weisheit und, wichtiger noch, Selbstbeschränkung. ... Da er nicht blind ist vor Machtgier, kann er sowohl das Verbrechen als auch die Sühne vermeiden." Corcella 1984a, 173: „II potente puö sottrarsi alla caduta che lo attende solo se si ridimensiona volontariamente, che il 'destino' e legato alla sua condizione di potente e non, genericamente, di individuo: altrimenti, anche se - come Policrate - rinuncia a qualcosa di importante, ma non smette di essere potente, i meccanismi del potere lo portano egualmente alla caduta ... Se il potente rinuncia al proprio potere, si ha una accettazione cosciente del destino, che non determina per altro cattive conseguenze per il regno; altrimenti, si ha la 'cecitä'." So war z.B. 3 , 3 9 - 4 3 Polykrates zwar bereit, auf etwas Wertvolles, nicht aber auf seine Macht zu verzichten, ging also nicht wirklich auf A m a s i s ' Ratschlag ein (vgl. Marinatos 1982, 260: „Sollen wir wirklich glauben, daß er den Ring mehr schätzte als alles andere, zum Beispiel sein Reich?" und Veen 1996, 6ff.). Dagegen ist Amasis 2,173 ein Paradeigma des einfachen Herrschers, Veen 1996, 119: „His total lack of dignity indicates the sharpest conceivable contrast with the megalomanic kings whose sole concern is with power and magnificence. He is perfectly capable of putting his importance into perspective, as the foot pan and his prosaic ways amply illustrate; and so he has an eye open for danger, because he is not conditioned by delusions of grandeur." Ebenso M y k e r i n o s 2,133; Aristodikos l,158f., der das Orakel durchschaut, Zopyros 3,153ff. und die Völker am Ende der Welt.

Herodots Werk und Weltanschauung

99

Weg beschritt und selbst den dynamischen Mechanismus auslöste, der ihn ins Verderben führte, trug er die Verantwortung für sein Scheitern. 86 Kroisos' Schicksal war für Herodot ein Paradeigma für die gerechte Weltordnung, das auf ίστορίη fußend, nicht bloß ein spekulatives Konstrukt von Rationalisten oder Sophisten, sondern empirisch nachprüfbar 87 war und seine Weltanschauung ,historisch' untermauerte. 86

Marg 1962, 293f. erkennt folgende Fehler des Kroisos: „Auch sein schicksalverhängtes Verderben ... hat also seine menschliche Kehrseite, sein M a ß an Verantwortlichem: die u n f r o m m - f r o m m e Art, den Gott zu befragen, die wunschbezogene Ichbefangenheit und dann die Selbstsicherheit, die entscheidend mitwirkten an seinem Kriegsentschluß und Verderben." Immerwahr 1966, 160: „Croesus is also the typical ruler, showing emotion (thymos), rashness, and blindness to fortune." Dagegen Visser 2001,22f.: „Kroisos scheitert vielmehr deswegen, weil er auf intellektuellem Gebiet einen Fehler gemacht hat - er hat nämlich Kyros' Macht falsch berechnet, und ein solcher individueller Denkfehler kann nach Herodots Vorstellung von einer Gottheit offensichtlich nicht ungeschehen gemacht werden, vor allem nicht von einem Gott, der geistige Klarheit und das Prinzip der Selbsterkenntnis repräsentiert." Er erkennt im Charakter eine feste Konstante und die letzte Ursache für Kroisos' Scheitern, S. 24: „Die ά ρ χ ή β λ ά β η ς ist also in Kroisos selbst, in seinem Charakter zu suchen." Schulte-Altedorneburg 2001, 155 meint, „dasjenige, d e m g e m ä ß er so handelt, j a handeln muß, wie er handelt, dem er gleichsam nicht entrinnen kann, und von dessen Verwirklichung auch die Gottheit nicht vollends abwenden kann, im Charakter des Kroisos auszumachen." Mit dem Hinweis auf Heraklit DK 22 Β 119 ήθος άνθρώπω δ α ί μ ω ν („seine Eigenart ist dem Mensch sein Dämon") glaubt er, wie schon Lachenaud 1978, 658ff., im Charakter (ήθος) die π ε π ρ ο μ έ ν η μοίρα festmachen zu können. Aber das Faktum, daß Kroisos für G y g e s ' Tat bestraft wurde, kann nicht wegdiskutiert werden. Etwas unbefriedigend erscheint bei Visser und Schulte-Altedorneburg die Beschränkung der göttlichen Macht auf das bloße Vorauswissen. Dagegen vertritt Meier 1968, 92 die entgegengesetzte Position. Alle politisch-pragmatischen Überlegungen würden sekundär, „so daß der Gott nun nicht mehr nur für den unberechenbaren Rest des Kriegsentschlusses, sondern fur den gesamten Entschluß a u f z u k o m m e n hat. Alle sonstigen Erwägungen scheinen dem gegenüber nebensächlich geworden zu sein, aufgehoben in dem bestimmenden Wirken der Gottheit."

87

Cobet 1971, 183: „Dies bedeutet f ü r Herodot nicht einfach Anerkennung einer religiösen Wahrheit, sondern er ist auf das ,Begreifen' derselben in der Wirklichkeit aus unter bewußter Anwendung strenger Methoden ... Herodots ί σ τ ο ρ ί η stellt sich so dar als die auf den Menschen bezogene Wirklichkeitswissenschaft." Rener 1973, 4f.: „Der Eindruck der Perserkriege ... mußte Herodot als Beweis für die Richtigkeit seiner Weltanschauung erscheinen. Aus seinen Reden, dem Betrachten der Natur, mehr noch dem Erforschen der Sitten der Völker und ihrer Geschichte, auf empirischem Weg, nämlich durch die ί σ τ ο ρ ί η , die bei ihm letztlich θεωρίη ist, hat Herodot als Gesetzmäßigkeit e r k a n n t . . . Seine Darstellung ist daher auch durch das Bemühen gekennzeichnet, das immanente Weltgesetz des ewigen Wandels und Ausgleichs deutlich werden zu lassen, wie umgekehrt erst das Wissen um eine sol-

HERODOT

100

Zu extrem ist daher die Position, analog zu gewissen Tendenzen in der Homerforschung: „daß göttliches Wirken in der Geschichte von Herodot nicht in der weitreichenden Determinierung historischen G e s c h e h e n s oder Handelns gesehen wird, sondern daß die Götter als eine weitere historische Determinante unter teilweise massivem psychologischem oder physischem Druck, sowie mit großer suggestiver Kraft das Erkennen und Handeln des Menschen zwar zu beeinflussen vermögen, ihn jedoch niemals seiner Entscheidungsfreiheit entheben." 8 8

So spielt das Übernatürliche bei der Darstellung des Ionischen Aufstandes oder des Skythenfeldzuges keine Rolle, zumal diese im Rahmen des Humanuni erklärt werden. Dagegen findet dort, wo Herodot keinen anderen Grund mehr rekonstruieren kann, die meist in indirekter Rede stehende » 89 Formel χρήν / e8ee γενέσθαι Anwendung. Herodots Position in Bezug auf die freie Willensentscheidung des Menschen ist nicht einheitlich, sondern schwankt zwischen mehr oder weniger großer Wahlfreiheit und Prädestination. 9 0 che Gesetzmäßigkeit Herodot die Möglichkeit gibt, die Fülle des Materials in einem e i n h e i t l i c h e n ' Werk unter einem bestimmten Gesichtspunkt zusammenzufassen und zu ordnen ..." 88

Schulte-Altedorneburg 2001, 209.

89

Für Gould 1989, 74 besteht kein Determinismus. Vielmehr stünden Formeln der Notwendigkeit dort, w o Herodot keine andere plausible Erklärung gefunden habe, wobei „the idea of inevitability substitutes for the missing explanation ... a momentous or fatal event ... is given the 'explanation' that it had to happen precisely because nor 'ordinary language' explanation seems to be available." Vgl. 1,8; 2,161,3; 3,64,5 und 65,3; 154,1; 4,79,1; 164,4; 5,33,2; 5,92δ; 7,17; 8,53. 9,16,4. Munson 2001b, 33ff. weist auf die Ähnlichkeit mit Orakelsprüchen hin.

90

Marinatos 1982, 258 merkt zu Recht an, daß man in der Antike nicht von Willens-, sondern bloß von Wahlfreiheit sprechen kann. Kleinknecht 1940, 572f.: „Jetzt werden historische Ereignisse als aktives Gestalten des Menschen betrachtet, das ethisch bewertet wird. Und Geschichte erscheint wesentlich als Produkt menschlicher Entschlüsse, Entscheidungen und Taten. Dies schließt die Mitwirkung des Göttlichen in keiner Weise aus ... Aber der entscheidende Anstoß muß im Guten wie im Bösen vom Menschen ausgehen, wenn dann auch Erfolg oder Mißerfolg nicht mehr in seiner Hand stehen. Der menschliche Willensentschluß bildet geradezu die Voraussetzung für die Mithilfe der Gottheit." Waters 1985, 100: „While he had no intention of dismissing the divine entirely from his calculations, he attributed to beg far the largest proportion of actions a specific human, and often individual motivation." So meint er S. 136: „The activities or emotions of individual persons provide the immediate triggers for events." Ähnlich Shimron 1989 und Evans 1991, 3 3 - 3 8 . Dagegen G o m m e , 1954, 212 und Erbse 1979, 196: „Die Abfolge Grund-Folge ... wird vielmehr erst unter Einbeziehung der Theodizee sichtbar. Eine solche Art der Betrachtung führt, konsequent durchgeführt, nicht zur Erkenntnis historischer Prozesse, sondern zur Darstellung menschlicher

Herodots Werk und Weltanschauung

101

In manchen Fällen kann zwar eine klug handelnde Figur ihr bedrohtes Schicksal ändern, die Entscheidungsfreiheit ist jedoch oft nur scheinbar gewährleistet, zumal das Göttliche stärkste Determinante bleibt und die einseitige Fixierung eines handelnden Akteurs nicht so sehr charakterbedingt ist, als vielmehr von einem komplexen dynamischen Prozeß herrührt. Herodot weiß, daß sich Ereignisse generell nicht monokausal erklären lassen, sondern daß jeweils verschiedene Ursachen zusammenwirken. 91 Es genügt also nicht, für die Ereignisse bloß eine theologisch-metaphysische Erklärung, die wie bei Aischylos einen transzendenten Rahmen bildet, zu finden. Ebenso beschränkt er sich noch nicht wie Thukydides auf psychologische und machtpolitische Überlegungen. So „in many instances human 92 agency and motivation are not incompatible with parallel divine causes."

Gegebenheiten." Asheri 1988, cvii: „Ogni cosa e predestinata (ved. specialmente 91,1-3), e l ' u o m o e puro accidente: in un mondo governato da divinitä 'invidiose e turbolente' la presunta felicitä di oggi pud trasformarsi domani in estrema disgrazia. Tutto quindi e relativo, effimero ed instabile nelle cose umane." Aber er räumt S. xlv ein: „Tuttavia, il fatalismo erodoteo e una disposizione d ' a n i m o che viene e passa, non un principio dogmatico. Gli uomini in genere agiscono ritenendosi liberi di scegliere la via che conviene loro di piü. Erodoto concede a l l ' u o m o una certa misura di libera arbitrio che, pur non potendo mutare il corso predestinato della storia, puö influire sulle sue scadenze e sulle sue modalitä. ... La libertä di scelta, insomma, esiste; ma poiche il fato deve avverarsi, l ' u o m o e spinto dagli dei a scegliere la via che serve meglio alia realizzazione di questo stesso fato." Ebenso Fornara 1990. Dagegen Meier 1968, 99: „In Herodots Rechnung stehen menschliche Freiheit, menschliches Verdienst und göttliches Einwirken, höhere Bestimmung also, ungeklärt nebeneinander. ... Wie sich dabei die Anteile der Götter und der Menschen mischen, bliebt offen." Ders. 1995, 406: „Entscheidend ist, daß alle Sinneinheiten durch die Z u e i n a n d e r o r d n u n g letztlich a u f g e h o b e n werden, entscheidend ist, daß letztlich offen bleibt, wie alles zusammenhängt." Ebenso Harrison 2000a, 141: „The question of whether free will or fate, human or divine causation, was predominant is simply unanswerable." 91

Meyer 1901, 11 vermerkt tadelnd: „Die wahre historische Kritik liegt ihm noch ganz fern: der aus Empirismus und Rationalismus erwachsene Zweifel an den Einzelheiten der Überlieferung vermag sich über die Tradition nicht zu erheben ... sondern nimmt sie, von einzelnen Anstößen abgesehen, hin, wie sie ist." Hingegen Schadewaldt 1934, 117, für den bei Herodot eine „Abneigung gegen j e d e konstruktive wie kritische Willkür, der Wille, den Glauben auf sich beruhen zu lassen und ein Wissen im Weitererzählen des Erzählten zu bewahren, die Ehrfurcht im Bewahren und Erhalten des Menschengeschehens" besteht.

92

Harrison 2000a, 235.

102

HERODOT

Die bei der Deutung der Homerischen Epen angewandte ,doppelte Motivation' 93 erweist sich auch bei Herodots Historien als hilfreich. 94 Das wichtigste Deutungsmuster ist der bereits am Ende des Proömiums (1,5,4) von Herodot geäußerte und von Kroisos (1,207,2) wiederholte Gedanke vom ,Kreislauf der Menschendinge' ( κ ύ κ λ ο ς τ ω ν ά ν θ ρ ω τ τ η ί ω ν π ρ η γ μ ά τ ω ν ) . Die Idee des Kyklos, welcher die radikale Unsicherheit der condicio humana und das , Prinzip des Wechseins und der Wandelbarkeit' 95 ( μ ε τ α β ο λ ή ) des Schicksals in ein logisches System einbettet, war für Herodot empirisch verifizierbar. 96 Er hatte bei vielen historisch nachweis-

93

Vgl. dazu Immerwahr 1954, 5 2 2 f „ Lesky 1961, Dodds 1970, Iff., der S. 12 die göttliche Motivation oft als „nur eine Dublette für eine natürliche psychologische Begründung" auffaßt, durch die innere Vorgänge als äußere gezeigt - zumal Homer der psychologische Wortschatz dafür noch fehlte - und auf die Götter zurückgeführt werden. Schmitt 1990 betont dagegen, der Interpretation von Latacz 1994, 461 ff. folgend, daß in der Ilias die göttliche Verführung oder Verblendung immer auf einen damit korrespondierenden Charakter z u t r e f f e : So sei der T r a u m auf A g a m e m n o n s inneres Wesen und Prädisposition abgestimmt. Janko 1992 will dagegen Homer auf keine exakte Position festlegen und betont den tragischen Charakter der Wahl des Schicksals durch die Helden, S.4: „By leaving an undefined area between free will and supernatural forces, Homer achieves two goals: his characters are seen to suffer for their own choices, which is clearly tragic, and yet the whole outcome seems beyond their individual control or even preordained, which is tragic in another way." Ebenso S. 6: „But fate and divine interference are also different w a y s of explaining the same event, depending on which one the character speaking finds more consoling or the poet dramatic."

94

Pohlenz 1937, 106 f.: „Alles vollzieht sich zunächst rein menschlich-natürlich. Aber Sinn gewinnt es erst für den, der sich bewußt ist, daß hinter und in diesem Geschehen noch ein Höheres wirkt, daß es nicht nur ein άνθρώπειον, sondern auch ein θείον π ρ ή γ μ α ist." Im Unterschied zu Hekataios' rationalistischer ί σ τ ο ρ ί η und Mythenkritik will Herodot „das große nationale Erlebnis der Gegenwart in seinem inneren Z u s a m m e n h a n g e verstehen und seinen Sinn deuten. Das tut er von einer religiösen Weltsicht aus, die offenbar in seiner Natur so tief angelegt war, daß sie durch keine moderne Wissenschaft und keine eigene Forschung erschüttert werden konnte, sondern überall die empirische Bestätigung, die sie suchte, wirklich auch fand."

95

So Späth 1968, 29. Zur μεταβολή Immerwahr 1966, 150, Anm. 3.

96

Vgl. Schadewaldt 1962, I89ff. Sein Werk ist aber kein systematisches Kompendium, Wüst 1935, 77: „So ist das g a n z e Werk Herodots eine M o r p h o l o g i e menschlichen Geschicks und Handelns; freilich werden keine bestimmten Regeln und Gesetze aufgestellt." Ebenso Asheri 1988, xliv: „In Erodoto la storia si ripete in questo senso: dietro la molteplicitä e la mutabilitä degli eventi particolari che mai si ripetono, esistono modelli esemplari, che permangono e ricorrono, che e possibile rivelare se si ha il senso di analogia." Ebenso Fisher 2002, 200f.: „ W e do not find simple or consistent messages or contrasts, but rather a subtle and flexible

Herodots Werk und Weltanschauung

103

baren Schicksalen von politisch-militärischen Akteuren festgestellt, daß nach bescheidenem Beginn, Wachstum und Erreichen des Höhepunktes (άκμή) zwangsläufig Verfall und Abstieg folgten, da sich derjenige, der auf dem Höhepunkt der Macht angelangt war, infolge von Sattheit, Übermut 97 und Verlust der Klarsicht (κόρος, ΰβρις, άτη) meist für unverwundbar 98

hielt, gegenüber Warnungen blind wurde und in der Folge alles verlor: So meinte etwa Kyros 1,204,2, wegen seiner Abstammung, πλέον τι είναι άνθρωπου „mehr zu sein als ein Mensch" und aufgrund seines bisherigen Kriegsglücks (ή εϋτυχίη ή κατά τούς πολέμους γενομένη), das ihn blind gemacht hatte, unbesiegbar zu sein." Zwar ließe sich theoretisch, wie schon gesagt, der totale Ruin durch Selbstbescheidung und Verzicht auf Macht- und Besitzerweiterung verhindern, aber da das menschliche Streben nach Macht und Besitz kaum zu vermeiden ist, entsteht eine Zwangsläufigkeit im historischen Prozeß. Dabei funktioniert in der Regel die menschliche Ordnung, die durch primäre Impulse wie den Selbsterhaltungstrieb und das Konkurrenzstreben gesteuert wird, automatisch und sorgt analog zum Bereich der Natur ohne direkte göttliche Intervention von selbst für Balance und Gerechtigkeit. 100 Daher muß das Göttliche, 101 das set of interconnected themes, hints, and explanations, which are delivered variously in speeches, in narratorial comments, and by the thematic organization of his material." 97

Zu den Begriffen Dodds 1970,19ff.: Koros = „die behagliche Selbstzufriedenheit"; Ate = „eine vorsätzliche Täuschung, die das Opfer zu neuem - intellektuellem oder moralischem - Irrtum leitet, wodurch es seinen eigenen Untergang beschleunigt"; Hybris = „Anmaßung in Wort und Tat". Ebenso Fisher 2002, 221, der Hybris folgendermaßen definiert: „The over-confident pride which ignores the limits set to mankind by the gods."

98

Hart 1982, 30: „ H e becomes over-confident, imagines himself isolated against failure, restlessly insatiable - that is the sin, familiar from so many tragedies." Dies gilt im Großen für die orientalischen Monarchien, im Kleinen aber auch für die griechischen Tyrannen wie Polykrates, die Peisistratiden oder Kypselos von Korinth. So erinnert etwa König Kleomenes in vielen Zügen an Kambyses (Maßlosigkeit, Argwohn, Wahnsinn etc., vgl. dazu Hartog 1991, 344).

99

Dies ist für Marg 1962, 297 ein typischer Fall von (hybrider) Selbstsicherheit: „So läßt bei diesem Ende Herodot etwas sichtbar werden, was jeden Mächtigen betrifft, fur Kyros aber und damit auch den persischen Imperialismus im besonderen gilt: das Bündnis von Mehrhaben-wollen und Selbstsicherheit, die Gefahren zu sicheren Gottvertrauens und des Erfolgs." Er hörte nicht auf Kroisos' Warnung 1,207,2: εί δ' ε γ ν ω κ α ς ötl άνθρωπος και σύ ε ι ς και έ τ ε ρ ω ν τοιώνδε ά ρ χ ε ι ς „wenn du aber einsiehst, daß du nur ein Mensch bist und nur über Menschen gebietest".

100 So z.B. 3,108,1, wo τ ο ΰ θείου ή προνοίη ... σοφή für den Ausgleich sorgt. Zu möglichen Beziehungen zwischen Anaximanders Δίκη und Τ ί σ ι ς (DK 12 B l ) mit

104

HERODOT 102

bei Herodot schon weitgehend des Anthropomorphismus entbehrt, nur 103 bei deren Versagen durch die regulative Kraft des göttlichen φθόνος Herodot 3,106-116 vgl. Pagel 1927, 33 und Erbse 1979, 191f.: „Diesen anaximandrinischen Gedanken des immanent im Geschehen sich vollziehenden Ausgleichs findet Herodot in allen Lebensäußerungen dieser Welt. ... Offenbar hat Herodot als erster diese von Anaximander erkannte ,Weltnorm' (Jaeger) auf das Geschehen der Vergangenheit systematisch angewandt; denn geschichtliches Leben ist erst unter diesem Gesichtspunkt verständlich geworden." Evans 1991, 20 verbindet den Gedanken des Ausgleichs mit der Idee der Rache: „This is vengeance operating as a natural force to maintain balance within the sphere of biology, and to our eyes, it seems completely amoral; but perhaps not to Herodotus or his contemporaries, for whom the universe itself was a moral construct, and thus we cannot make a sharp distinction between natural science and the divine." 101 Die von Shimron 1989,75 betonte auktoriale Distanzierung Herodots von gewissen Berichten durch λεγεταί u.ä. Ausdrücken, „used by Herodotus in his own name as an expression of doubt", läßt sich nicht verallgemeinern. Harrison 2000a, 27: „While he may indeed distance himself from his reports, he equally considers it possible that ta legomena might be clear, accurate, and reliable." An vielen zentralen Stellen bestätigt Herodot in eigener Person nicht nur die Existenz des Göttlichen, sondern hält auch dessen aktives Eingreifen für plausibel und distanziert sich nicht von allen Wundergeschichten. Vgl. Harrison 2000a, 62-102. Herodot glaubt an einige Wunder 9,65,2 (Demeterheiligtum); 100,2-101 (Plataiai und Mykale), ist aber skeptisch gegenüber anderen wie 2,181 (Ladike), 7,189 (Boreas-Gebet) und 8,37-39 (die Rettung Delphis). Offenbar göttliche Fügungen sind für ihn Sylosons Mantel 3,139,3, Kypselos' Lächeln 5,92γ3 (in der direkten Rede eines sekundären Fokalisators), der Ölbaum 8,55 und die eleusinische Prozession 8,65. Aber nicht jedes Zeichen muß göttlich sein; Skepsis äußert er gegenüber Peisistratos' List 1,60,4f„ Xalmoxis' falscher Epiphanie 4,95,4f., Skyllias' Flucht 8,8,2 oder bei der Arion-Geschichte, die er 1,24,8 den Korinthern und Lesbiern zuschreibt. Ebenso gilt es Herodot als gewiß, daß göttliche Omina ( τ έ ρ α τ α ) bestimmte zukünftige Dinge anzeigen und daß deren Nichtberücksichtigung negative Folgen hat. Den Glauben an Orakel bestätigt Herodot explizit 8,77, auch wenn natürlich nicht jedes Orakel gleichermaßen Autorität besitzt. Nicht zutreffend Shimron 1989, 39, der Herodots Aussage 8,77 entkräften will als „not supranatural occurrences in the strict sense, but rather human experiences based on belief in the supranatural power of certain persons or places to foresee the future." Die Funktion der Orakel ist für Romilly 1984a, 125, „d'expliquer les decisions humaines par des interventions exterieures, et d'attribuer leur origine aux dieux." Asheri 1988, 1: „Di norma l'oracolo adempie una precisa funzione operativa nel racconto di Erodoto; esso serve a spiegare, ed a giustificare, l'origine di certe azioni ο fatti storici, sia in campo politico-militare, sia in campo cultuale-espiatorio." 102 Zu den Begriffen θεός und θείον Harrison 2000a, 158-181, der daraufhinweist, daß der Wortgebrauch ziemlich inkonsistent ist, wobei S. 173: „The use of ό θεός to mean divinity in general need not entail a conception of a 'unified divine power'; it need not, in fact, imply any theological reflection" und S. 177: ,,τό θείον is a term applied to the diagnosis of divine intervention in the world." Zur Rolle

Herodots Werk und Weltanschauung

105

einschreiten, wenn z.B. ein sakraler Bereich direkt gefährdet ist oder wenn auf der menschlichen Ebene ein Unrecht nicht gesühnt worden ist. Denn durch die historische Erfahrung wird die Annahme empirisch bestätigt, daß Unrecht früher oder später auf irgendeine Weise immer gerächt wird. 104 So

der Religion im Denken Herodots vgl. Lachenaud 1978, Gould 1993 und Mikalson 2002. 103 το θείου π α ν έόν φθονερόν (1,32,1) und 3,40,2; 4,205; 7,46,3-4; 8,109,3. Dieses Prinzip wird jedoch nie auktorial, sondern immer nur von Figuren geäußert. Immerwahr 1966, 313: „Through φθόνος the divine preserves first of all the boundaries between men and gods; but it also preserves the order of society by preventing conquest and absolute rule." Von einer Versittlichung des Phthonos spricht Dodds 1970, 20: „Die Versittlichung des phthonos verweist... auf die Tendenz, das Übernatürliche insgesamt von Zeus im besonderen in eine Gerechtigkeit ausübende Macht umzuformen." Corcella 1984a, 154f.: „Esiste un corso naturale degli eventi, che trascende i singoli momenti in quanto si pone come un piano, invisibile di unificazione al di lä della mutabilitä del divenire storico." Camerer 1965, 88f.: „So stößt der Mensch mit seinem Wollen und Planen immer wieder auf die unverrückbare Grenze des von Gott Gesetzten, immer wieder unterliegt er so mit seiner Klugheit dem Willen der Gottheit. Es ist geradezu ein festes Gesetz für Herodot: Sooft menschlicher Bemühung ein göttlicher Beschluß und unabänderlicher Wille entgegensteht, unterliegt der Mensch." Darbo-Peschanski 1987a, 38 ff. betont die strafende und unerbittliche Natur der göttlichen Justiz, die der menschlichen überlegen ist und sich im Falle des Kontrasts immer durchsetzt. Die menschliche Justiz läuft in der Regel von selbst, die göttliche Ebene garantiert aber, daß bei deren Versagen der Schuldige bestraft wird. Dies. 1987b, 115: „Certaines evenements s'expliquent par des echanges d ' o f f e n s e s et de reparation entre les hommes, d'autres par les reactions des dieux aux outrages que certains hommes leurs ont inniges, d'autres par la combinaison des deux, d'autres enfin par la superposition des represailles humaines, divines et sacrees ä une meme agression. Juxtaposees, subordonnees ou coordonnees, les trois justices assurent la syntaxe des evenements dans l'oeuvre et, dans un meme mouvement, justifient leur emergence ... La justice est ce qui permet de donner un sens au monde et la condition du discours de l'historien sur le monde." Im Gegensatz zum Epos intervenieren die Götter selbst jedoch nur zur Verteidigung ihrer Heiligtümer; es fehlen Götterdebatten und Theogonien, das Geschehen spielt sich im spatium humanum ab. Dagegen sind für Asheri die Götter nur selten gerecht und wie im archaischen Gedankengut negative Mächte, S. xlvii: „Gli dei dunque non sono mossi da principi morali: al contrario, sono mossi dall'invidia, dall'amor proprio, dal desiderio di vendetta e di persecuzione. Sono i nemici dell'uomo: bisogna guadagnarseli, placarli, e impossibile amarli: Se da un lato la gelosia divina puö sembrare come una reazione alia hybris degli uomini, dall'altro la hybris stessa e talvolta provocata dalla divinitä secondo la famosa regola: quos deus vult perdere dementat prius." 104 So Munson 2001a, 188: „Punishment from the gods is a fundamental historical cause of human reversal in the histories and is the only historical cause at any level that the narrator proclaims in general terms." Auktorial 2,120,5: ώς των μεγάλων

106

HERODOT

ist fur Herodot das Eingreifen des Göttlichen, das nach sittlichen Kriterien gerecht handelt, eine durch die Erfahrung bewiesene Tatsache. Dabei wird „diese göttliche Ordnung von Herodot nicht in Form von Gesetzen definiert. Es ist eher ein Glaube, dessen er sich empirisch ... vergewissert. Hinter der Unbeständigkeit des menschlichen Lebens erkennt er wiederkehrende Situationen und eine Ordnung des Ausgleichs und der Gerechtigkeit." 1 0 3

Diese ausgleichende Gerechtigkeit und der Ausgleich des Glücks zeigen an, daß Herodot - im Grunde genommen - folgendes glaubt: „So bleibt die Welt sich im ganzen immer gleich, so sehr die Menschen und die Völker Verschiedenes tun und erleiden." 1 0 6 107

Gewiß sollten diese Erkenntnisse einen praktischen Nutzen haben, zumal Herodot erkennen konnte, daß die von ihm beobachteten patterns', α δ ι κ η μ ά τ ω ν μ ε γ ά λ α ι ε ί σ ί και αί τ ι μ ω ρ ί α ι π α ρ ά των θεών. „Daß einem großen Frevel auch schwere Strafen der Götter folgen." Ebenso 5,56,1, w o der Traum dem Hipparchos sagt: ο υ δ ε ί ς ανθρώπων άδικων τ ι σ ι ν ούκ ά π ο τ ι σ ε ι . „Keiner der Menschen, der unrecht getan hat, entgeht jemals der Strafe." 105 V. Leyden 1982, 181. Meyer 1899, 16 stellt fest, daß Herodot „trotz allen Rationalismus doch noch gläubig und von der Realität der göttlichen Mächte fest überzeugt ist, weil wir ihre Wirkung tagtäglich erfahren." Ebenso sieht er S. 24 in Herodots „transzendentem P r a g m a t i s m u s " einen „höchst bedeutsamen Fortschritt über Rationalismus wie über Aischylos und Pindar hinaus; an Stelle der apriorischen Konstruktion des nach vernunftmäßigen physischen und ethischen Postulaten gestalteten Weltbildes setzt sie die Erfahrung, die unumstößlichen Tatsachen, die der Verstand anerkennen m u ß . " 106 Meier 1995, 413f. Infolgedessen ist kein langfristiger Fortschritt oder Strukturwandel möglich. Ebenso Focke 1927, 54 und Immerwahr 1966, 313. 107 Während Nicolai 1986, 47 Herodots Interesse in erster Linie für theoretisch hält und ihm nur in geringem Maße eine ethisch-politische Wirkungsabsicht attestiert, betont Raaflaub 1987, 231 mit Recht: „Herodotus uses the history of the past to shed light on contemporary political issues." Ders. 2002, 167: „A commentary on political trends and developments of Herodotus' own time", dessen Absicht darin besteht, „to educate his audience and readers through his presentation and interpretation of history" (S. 181). Nagy 1990, 315 vergleicht ihn mit Pindar, dessen Intention in „conveying a moral message about the realities of wealth, power and prestige" besteht. Indessen vermag N a g y s Vergleich des Herodoteischen Werks mit Pindars α ί ν ο ς nicht ganz zu überzeugen. Er sieht den Historiker als ,Perform e r ' und Aufbewahrer von fur die Öffentlichkeit relevantem Wissen in der Form der Erzählung ( α ί ν ο ς in Od. 14,508 (aber v. 463 έ π ο ς ) ; Hesiod Erga 2 0 2 f f „ Pind. N e m . 4,83f.) und „underneath the surface, however, it is predicated on the ideology of an ideal audience, listening to an ideal performance of an ideal composition, the message of which applies to all humanity" (Nagy 1990, 247). Abgesehen davon, daß Herodot selbst den Begriff α ΐ ν ο ς nicht gebraucht, sondern seine Geschichten λόγοι nennt, schenkt Nagy m.E. wegen der einseitigen Fixierung auf die Ähnlichkeit mit Pindar der ionischen ί σ τ ο ρ ί η und Herodots Vorgänger Hekataios

Herodots Werk und Weltanschauung

107

welche in der Zeit vor 479 gewirkt hatten, auch danach im griechischen Kosmos, der zunehmend vom sich zuspitzenden Gegensatz zwischen 108

Athen und Sparta geprägt war, ihre Gültigkeit behielten. Die in der Vergangenheit wirkenden Kräfte waren in seiner Gegenwart wirksam und würden es auch in Zukunft bleiben: „Der Erkenntnisgewinn seiner im Medium der Schrift fixierten Historie ist vom Prinzip her auf eine Nachwelt bezogen und an ein künftiges Publikum übertragbar. Das Werk gewinnt damit über alle zeitgeschichtliche Aktualität hinaus eine überzeitliche Bedeutung. Dazu gehört es aber auch, das zentrale Geschehen, dem die A u f m e r k s a m k e i t gilt, in einen größtmöglichen Z u s a m m e n h a n g mit dem Wissen um die Welt zustellen." 1 0 9

Vielleicht wollte er mit seiner Darstellung einen Beitrag zur Diskussion über die aktuelle Lage in seiner Zeit leisten, indem er die Rolle Athens und der anderen griechischen Staaten in den Perserkriegen kritisch beleuchtete und die Rezipienten zu assoziativem Denken stimulierte, um „to remove the extraordinary ignorance of a present audience concerning the true nature of the events of the past and thus reveal the importance of these events for understanding the present situation." 1 1 0

nicht die gebührende Beachtung. Ebenso nicht überzeugend Payen 1997, 71: „Non c o m m e un genre narratif, mais c o m m e un acte de langage qui prend valeur de bläme ou d'eloge, en fonction du contexte dans lequel il est insere." Mit dem Hinweis, daß α ί ν ε ω bei Herodot stets ,loben' bedeute, betont er die Funktion der Verteilung von Lob und Tadel, die sowohl dem α ί ν ο ς als auch Herodots Geschichten (λόγοι.) eigen sei, S. 73: „se rattache done ä l'ainos par la valeur analogique du concept d'intrigue etendu ä une oeuvre d ' e n v e r g u r e . " Besser Munson 2001a, 5: „The Histories communicate a teaching to a contemporary audience by means of narrative." Für sie ist das Werk S. 6 „a speech act bearing advice and warnings that address the present attitudes and behavior of the Greek cities toward one another and their future prospects." 108 Vgl. Meier 1968, 104, Fornara 1971a, 79 und Raaflaub 1987, 24. 109 Bichler/Rollinger 2000, 32. Cobet 1976, 176: „Herodot will nicht mit der Deutung, die er dem Geschehen verleiht, dessen Einmaligkeit, g e s c h i c h t l i c h e ' Unwiederholbarkeit herausarbeiten, sondern umgekehrt sucht er im aktuellen Geschehen allgemein die menschliche Situation sichtbar werden zu lassen." Rosier 2002, 93 betont den schriftlichen Charakter des Werks: „The histories were put into written form because Herodotus felt the need to give his knowledge an existence independent of his own, and to preserve it for the posterity." Vgl. S. 81, Anm. 34. 110 Städter 1992, 782. Raaflaub 1987, 225: „Many of his stories gain additional depth and meaning because certain names, words, events, situations, or thoughts mentioned in them trigger associations with problems that were familiar and of great concern to his audience. The association provoked here, the notion of polis tyrannos, w a s familiar to all Greeks since roughly the middle of the century." S. 227: „The use of terminology, of course, is crucial for our purposes. Particularly im-

108

HERODOT

Die Warnung vor Überheblichkeit und Imperialismus' war gewiß in der Zeit vor und während des Peloponnesischen Krieges aktuell, zumal Athen in den Augen der übrigen Griechen als ,Polis Tyrannos' das Erbe der Perser angetreten hatte. 1 "

2.2. Stil und Gestaltung des Werks

2.2.1. Allgemeine Merkmale des Stils und der Darstellung

Die antiken Kritiker beurteilen Herodots Stil insgesamt positiv. Dionys von 112 Halikarnass, der seinen Stil zum sogenannten mittleren Stil rechnete,

portant and connotative words that the audience w a s used to hearing in specific political contexts were likely to provoke associations which helped to connect the past with the present." Ebenso Bichler 2000, 360ff. mit vielen Beispielen. Für Munson 2001a, 273 war er ein Außenseiter aus einer Randregion und wollte durch sein Werk den Griechen seiner Zeit einen Leitfaden geben, um durch die Kenntnis der Vergangenheit gewisse Fehler korrigieren zu können. Dabei spielt es keine so große Rolle, ob das Werk 425 (so die communis opinio), am Ende des Archidamischen Kriegs (Lendle 1992, 41), oder erst während des Nikias-Friedens (Fornara 1971a, 37ff. und 1971b, 2 5 - 3 4 , der für ein Datum um 414 eintritt; vgl. auch Sansone 1985, der von zwei Phasen ausgeht,) publiziert wurde. 111 Die Athener hatten nicht nur den Tribut (φόρος), sondern auch die Tributlisten von den Persern ü b e r n o m m e n (6,42). Zu weiteren Parallelen vgl. Stadter 1992 und Kuch 1995. Für Moles 1996, 269 ist Herodots Warnung „fundamentally parrhesiastic, but obliquely conveyed through the filter of a historical analogy and softened by compliments: he argues against the Athenians through the mouth of a great and revered Athenian, and he uses a heroic Athenian as one of the examples of blessedness." Z u m kritischen Verhältnis Herodots zum perikleischen Athen und der athenischen Demokratie vgl. Strasburger 1955, Forrest 1984 und allgemein Moles 1996 und 2002. G e m ä ß Beltrametti 1986, 175 bezweckte dagegen Herodot durch seine Darstellung, eine „fondazione morale dell'ideologia ateniese" zu geben. 112 Dion. Hal. C o m p . cap. 24 ( μ έ σ η αρμονία), Markellinos 40. Pseudo-Longinos bezeichnet ihn 13,3 als ό μ η ρ ι , κ ώ τ α τ ο ς . Vgl. Müller 1980, 34: „Insgesamt wirkt H e r o d o t s Diktion ruhig und g e l a s s e n ; es fehlt ihr das V o l l g e p a c k t e und Vorwärtsdrängende, das für Thukydides so charakteristisch ist." Asheri 1988, lxii: „Piacere, grazia, dolcezza, soavitä, gioconditä, naturalezza, placiditä: ecco i termini che gli antichi usano piü comunemente per caratterizzare la prosa erodotea (talvolta in contrapposizione al 'terrore' che incute lo stile di Tucidide): prosa quindi meglio adatta alla favola dilettevole che alia storia, e pregna di sfumature

Stil und Gestaltung des Werks

109

lobte besonders die Wortwahl, den Satzbau und die durch die Abwechslung der Figuren (των σχηματισμών ποικιλία) und den natürlichen Lieb (έπέων ματαίων) gerettet. Aber da er feige (κακός) und mutlos (αθυμος) 239 sei, soll er zur Strafe bei den Frauen bleiben. 238 Damit nimmt er Artabanos' Vorwurf an Mardonios 7,1 Οη 1, λόγους μ α τ α ί ο υ ς zu sagen, wieder auf, aber verstärkt durch den Gebrauch von cττος anstelle von λ ό γ ο ς seine Aussage. Der Terminus έ π ο ς bezeichnet für Hollmann 2000, 207 bei Herodot eine Aussage als „somehow special, distinctive, and authoritative as opposed to speech in general." 239 Auch hier handelt es sich um eine falsche Prolepse mit tragischer Ironie: Die Artabanos angedrohte Strafe wird am Ende auf ihn selbst zurückfallen (die Frau des Masistes 9,107-113), vgl. Fohl 1913, 72.

Die Reden in den Büchern 7-9

151

X e r x e s ' drückt seine g r i m m i g e Entschlossenheit durch die im Optativ stehende Selbstverwünschung aus, die im Fall der N i c h t b e a c h t u n g seines B e s c h l u s s e s e i n t r e t e n soll ( μ ή

γάρ

ε'ίην ε κ

Δαρείου

... γ ε γ ο ν ώ ς ,

μή

τ ι μ ω ρ η σ ά μ ε ν ο ς ) , w o b e i d i e A u f z ä h l u n g s e i n e r g a n z e A h n e n r e i h e b i s zu Achaimenes diesem Entschluß noch weiteren Nachdruck verleiht: Aus R e s p e k t vor der Tradition m u ß er die A t h e n e r bestrafen.240 Er verschärft d a m i t d i e A r g u m e n t e a u s s e i n e r e r s t e n R e d e u n d f u g t 11,2 e i n e n w e i t e r e n Grund hinzu: εί ή μ ε ί ς ή σ υ χ ί η ν ά ξ ο μ ε ν , άλλ

στρατευ-

ούκ ε κ ε ί ν ο ι , άλλα και μ ά λ α

σ ο ν τ α ι ε π ί τ η ν ή μ ε τ έ ρ η ν , εί χ ρ ή σ τ α θ μ ώ σ α σ θ α ι τ ο ΐ σ ι ύ π α ρ γ μ έ ν ο ι σ ι ε κ ε ί ν ω ν , ο'ί Σ ά ρ δ ι ς τ ε έ ν έ π ρ η σ α ν και ή λ α σ α ν έ ς

έξ

τήν'Ασίην.

„Wenn wir uns auch ruhig verhalten, jene werden es doch nicht tun, sondern unser Land erst recht angreifen, falls man daraus Schlüsse ziehen kann, was sie bereits getan: Sie haben Sardes niedergebrannt und sind gegen Asien gezogen." Er d e h n t a l s o d a s in d e r e r s t e n R e d e f ü r d i e P e r s e r allein g ü l t i g e P r i n z i p d e s ούκ ά τ ρ ε μ ί £ ε ι ν a u f d i e G r i e c h e n a u s , i n d e m er in e i n e r s u b j e k t i v e n A n a lepse den Ionischen Aufstand -

f r e i l i c h in w i l l k ü r l i c h e r V e r z e r r u n g d e r

v o m N a r r a t o r b e r i c h t e t e n F a k t e n - h y p e r b o l i s c h als K a m p f u m d i e H e r r schaft über Asien, das implizit als persisches Gebiet betrachtet wird, deutet. 2 4 1 E r g e b r a u c h t a l s o e b e n s o w i e A r t a b a n o s e i n e n

historischen

A n a l o g i e s c h l u ß , k o m m t a b e r zu e i n e m a n d e r e n E r g e b n i s . I m G e g e n s a t z zu j e n e m , der keine N o t w e n d i g k e i t sieht (1051), die Expedition zu unternehm e n , b e s t e h t f ü r X e r x e s k e i n e W a h l m ö g l i c h k e i t m e h r 11,3: ούκ παθεΐν

ών

έξαναχωρέειν

πρόκειται

ούδετεροίσι

άγων, ϊνα

ή

τάδε

δυνατώς πάντα

εχει,

ύπό

άλλα π ο ι έ ε ι ν

"Ελλησι

ή

ή

εκείνα

π ά ν τ α ύ π ό Π έ ρ σ η σ ι γ έ ν η τ α ι · τ ό γ ά ρ μ έ σ ο ν ούδέν τ η ς ε χ θ ρ η ς ε σ τ ί .

240 Vgl. Odysseus' ,bedingte Selbstverfluchung' II. 2,260: μηδ' e n Τηλεμάχοιο πατήρ κεκλήμενος ε'ίην, εϊ μή ... (vgl. dazu ΒΚ ii, 82f.). Hermes 1951, 32: „Daß Xerxes sich so stark in die Rolle des Welteroberers hineinsteigert, wäre nicht möglich, wenn die äußeren Einflüsse, denen er unterliegt, nicht in ihm selbst mit einem stark entwickelten Bewußtsein seines Königtums zusammenstoßen würden." Anders als Kyros oder Dareios ist er kein ,self-made man', sondern wie Kambyses Erbe einer Tradition und spürt daher den auf ihm lastenden Druck (vgl. 7,8ß 1-2). 241 Aristagoras hatte in seiner direkten Rede in Sparta 5,49,8 Kleomenes verheißen: παρέχον δέ τ η ς Ά σ ί η ς π ά σ η ς άρχειν ε ύ π ε τ έ ω ς . „Dabei bedeutet es doch keine große Mühe, Herr über ganz Asien zu sein." Herodot selbst spricht jedoch in seiner Darstellung des Ionischen Aufstands 5, lOOff. nirgends von einer Absicht des Aristagoras, Asien zu unterwerfen und gibt für den Zug gegen Sardes keine genaue Begründung an.

HERODOT

152

„Zurück kann also keiner mehr von beiden. Hier gilt es zu handeln oder zu leiden, damit entweder dies alles unter die Herrschaft der Griechen oder j e n e s unter die der Perser kommt. Ein Mittelding gibt es bei dieser Feindschaft nicht."

Dann wiederholt er das Rachemotiv (τι,μωρεειν). Er beendet seine Rede mit einer weiteren Variation des Aischyle'ischen πάθει μάθος, das er parodiert und mit dem er Artabanos' Schlußsatz umkehrt. Er wolle das 242

Schreckliche (τό δεινόν) erleiden , um zu erfahren, was das fur Männer seien, die vom Phryger Pelops, einem Sklaven seiner Ahnen, besiegt worden seien.243 In diesem argumentum a minore verwendet Xerxes ein mythisches Exemplum, das jenseits des gesicherten Wissens liegt, als Analogon, um daraus Schlüsse über die Erfolgschancen des bevorstehenden Feldzuges zu ziehen. 244 Seine Rede ist folgendermaßen strukturiert: 1. Anrede (11,1):

Artabanos ist feige; als Strafe dafür muß er zu Hause bei den Frauen bleiben.

(transitio 11,2):

Er ist entschlossen: Die persische Tradition verpflichtet ihn, das Unrecht zu rächen.

2. A r g u m e n t a t i o (11,3):

Ausgleich

ist u n m ö g l i c h ; w e n n sie nicht a n g r e i f e n ,

werden es die Griechen tun. Entweder fällt alles unter die Herrschaft der Perser oder der Griechen (der Angriff auf Sardeis als analeptische π ί σ τ ί ς ) . Daher Notwendigkeit zum Krieg. (transitio 11,4): 3. Epilog (11,4):

Rachemotiv und Aufruf zur Aktion. Die Unterlegenheit der Griechen wird durch eine mythische π ί σ τ ι ς (Pelops war Sklave aus Phrygien, der die Peloponnes unterworfen hat) bewiesen.

In Xerxes' emotionsgeladener Rede sind die Argumente assoziativ miteinander verbunden, wobei nach der Zurechtweisung des Artabanos der Druck

242 Vgl. die Rolle des δ ε ι ν ό ν in Artabanos' Argumentation (7,10 α 3 , ß2, γ 2 ) . Eine ähnliche Aktionsphilosophie wird Aisch. A g a m . 1564 π α θ ε ΐ ν τ ό ν ε ρ ξ α ν τ α und Choe. 313 δράσαντι. π α θ ε ΐ ν formuliert. 243 Φρύξ nimmt einen häufig gebrauchten Sklavennamen von 7,8 γ ΐ wieder auf. Mit dem Ausdruck τ ο ύ τ ο υ ς ά ν δ ρ α ς antwortet er Artabanos, der in der Peroratio 10Θ3 έπ' οίους άνδρας gesagt hatte. 244 Dabei rationalisiert Xerxes in der Art des Hekataios den Mythos des Pelops. A u s der Tatsache, daß die Peloponnes den Namen nach Pelops hat, leitet er ab, daß dieser die Peloponnes dauerhaft unterworfen hat. (Vgl. Thuk. 6,2).

Die Reden in den Büchern 7 - 9

153

der Tradition und das Rachemotiv, mit dem sich Xerxes in eigener Person identifiziert, die zentrale analytische Passage, in der er wiederum aus der Geschichte eine allgemeine Regel ableitet und deren Ergebnis die Unausweichlichkeit des Konfliktes ist, umschließen. e. Die vier Träume (7,12-19): Der Narrator trennt durch eine zeitliche Angabe die Reden im Kronrat von den Träumen: Anders als im Kronrat am Tage überkamen Xerxes in der Nacht bezüglich der Expedition Bedenken, Artabanos' Meinung plagte ihn (7,12 έκνιζε ή Ά ρ τ α β ά ν ο υ γνώμη). Er überlegte, wie der Narrator indirekt mitteilt, nochmals die ganze Angelegenheit bei sich, und kam, wie von Artabanos 7,1081 e m p f o h l e n , zum Schluß: ού π ρ ή γ μ α ε ί ν α ι στρατευεσθαι επί την 'Ελλάδα, „daß es sich für ihn nicht lohne, gegen Griechenland in den Kampf zu ziehen." In derselben Nacht erschien ihm aber im Schlaf, wie die Perser berichten (ώς λέγεται ύπό Περσέων), ein großer und schöner Mann als Traumgesicht (δψις). der in einer kurzen direkten Rede davon abriet, den am Tage gefaßten Beschluß, das Heer zu versammeln (προείπας άλί£ειν Πέρσησι στρατόν) zu revidieren (μετά δή βουλεΰεαί): 245 Eine Meinungsänderung (μεταβουλευόμενος) würde niemand billigen (συγγνωσόμενος). Vielmehr solle er an der gefaßten Entscheidung festhalten. Dann verschwand das Gesicht. Am nächsten Tag (7,13) aber dachte Xerxes nicht mehr an diesen Traum, sondern berief wiederum die Versammlung ein. In seiner direkten Rede bat er im Exordium die Anwesenden, seinen Sinneswandel zu verzeihen (συγγνώμην μοι. έ χ ε τ ε δτι άγχιστροφα βουλεύομαι). Er sei noch nicht zu seiner völligen geistigen Reife gelangt und sei ständig der Beeinflussung durch die Befürworter der Expedition ausgesetzt gewesen. Deswegen sei er in seiner Jugend 246 bei den Worten 245 Feierlich wirkt die epische Sprache des Traumes, der mit der Tmesis μ ε τ ά βουλεΰεαί beginnt.

δή

246 Dabei war Xerxes damals gewiß älter als 30 Jahre. (Vgl. Stein 1881, 26 und HowWells, 131). Evans 1991, 61: „Xerxes was in the mid-thirties when he succeeded his father, and he had already been viceroy of Babylon for a dozen years. He was an older man when he came to the throne than his father had been, and yet there is an ambience of immaturity about him that contrasts with Darius." Bodei Giglioni 2002, 73: „La giovinezza di Serse - oltra ad essere un elemento letterario che serve a m e t t e r e in rilievo il f a t t o c h e il f i g l i o di un p a d r e f a m o s o c o n t i n u a

HERODOT

154

des Artabanos sogleich aufgebraust (ή νεότης έπέζεσε) und habe den Älteren (πρεσβΰτερον) nicht nach Gebühr behandelt. Bei nochmaliger Überlegung (συγγνούς) sei er aber zum gleichen Ergebnis wie Artabanos gekommen. Daher ώς ών μεταδεδογμένον μοί μή στρατεύεσθαι επί την Ελλάδα, ήσυχοι έστε. „Da ich mich also anders besonnen habe und nicht gegen Griechenland in den Kampf ziehen will, bleibt ruhig." Damit verwirft er nicht nur seinen Kriegsplan, sondern - wenigstens in Bezug auf Hellas - auch den dahinterstehenden göttlichen Nomos, der die Perser zum ,Nichtruhigsein' zwingt (7,8a). Diese Entscheidung löste bei den versammelten Persern Freude (κεχαρηκότες) aus. In der Nacht (7,14) erschien jedoch derselbe Traum nochmals. In der direkten Rede beklagte er sich einerseits darüber, daß Xerxes den Feldzug abgeblasen und seine Anweisungen (έπεα) nicht beachtet habe, als ob sie von einem Niemand gesagt worden wären. Andererseits drohte er Xerxes, falls er nicht den Feldzug unternähme: ώς και μέγας καΐ πολλός έγένεο έν όλιγω χρόνω, οΰτω και ταπεινός οπίσω κατά τάχος έσεαι. „ S o wie du groß und mächtig geworden bist in kurzer Zeit, so wirst du auch rasch wieder klein sein." 2 4 7

Erschrocken (7,15 περιδεής) sprang Xerxes nach diesem Traum aus dem 248

Bett und ließ seinen Onkel Artabanos kommen. Er faßte nochmals in einer internen Analepse die Ereignisse aus seiner Sicht in einer direkten Rede zusammen, wobei er über seine eigenen Reden im Kronrat kritisch reflektierte: Er gibt zu, daß er zuerst nicht vernünftig gedacht (έσωφρόνεον) und Artabanos' guten Rat (χρηστής ... συμβουλίης) mit törichten Worten (μάταια έπεα von 11,1 wiederholend) beschimpft habe. Dann habe er nach kurzer Zeit seine Meinung geändert (μετέγνων). Dabei könne er aber beim besten Willen nicht bleiben (ουκ ών δυνατός τοί ε ΐ μ ι ταΰτα ποιέειν βουλόμενος). Denn ein Traumgesicht habe nicht nur seinen Sinneswandel (τετραμμένω ... μετεγνωκότι) nicht gebilligt, sondern ihm sogar gedroht. Wenn es sich nun um einen Gott handle (θεός), der den Traum gesendet nell'immaginazione a restare un ragazzo anche quando non lo e piü - costituisce non solo un mezzo per spiegare 'i tratti di carattere sfavorevoli del re', ma anche un modo per sottolineare il conflitto tra la giovinezza impulsiva e ondeggiante del monarca e la saggezza della persona di etä avanzata, Artabano." 247 Bodei Giglioni 2002, 74: „L'allusione all'essere diventato grande e potente in breve tempo va riferita alia lotta per la successione che vede Serse vincitore contro gli altri pretendenti." 248 Die poetische Tmesis ανά τ ε εδραμε verleiht dem Satz Pathos.

Die Reden in den Büchern 7 - 9

155

habe, könnten sie wohl ohne Sorge (ev ηδονή) den Feldzug unternehmen; und auch Artabanos müßte denselben Traum haben. Um dies zu prüfen, schlägt er folgendes Experiment vor. Artabanos solle seine Kleider anziehen, auf seinem Throne Platz nehmen und in seinem Bette schlafen, wobei er anstelle des Imperativs als höflichere Form des Befehls den Potentialis verwendet. Artabanos wollte jedoch, wie der Narrator (7,16) berichtet, zuerst nicht gehorchen, willigte dann aber, als er dazu gezwungen wurde (ήναγκά£ετο), ein und faßte nochmals in einer direkten Rede die Ereignisse aus seiner Sicht zusammen: Im Proömium, das den rhetorischen Zweck hat, Xerxes benevolum zu stimmen, 249 sagte er, daß es seiner Meinung nach das gleiche sei, entweder selbst vernünftig zu denken (φρονεειν eu) oder jemandem, der etwas Nützliches sagt, zu folgen (τω λεγοντι χρηστά 250

πείθεσθαι). Obwohl Xerxes beide Fähigkeiten besitze, stellten die und deren schlechten Ratgeber t 251 Einflüsterungen ein Problem dar (άνθρώπων κακών ομιλίαι σφάλλουσι). Er vergleicht diese mit dem Wind, der das Meer aufwühlt tund ihm nicht gestattet, in seinem Normalzustand zu bleiben (φυσι τη εωυτής χρασθαι). 252 Ihn habe die Tatsache gekränkt, daß

249 Frassoni 2005, 230: „L'esordio e costituito da un ultimo, rassegnato appello ... nel corso del quale egli esprime, in maniera velata, la speranza che il giovane nipote desista dal bizzarro proposito seguendo i suoi consigli." 250 Ähnlich II. 2,360f. und Hes. Op. 293ff. ο ΰ τ ο ς μεν π α ν ά ρ ι σ τ ο ς , δ ς αύτω π ά ν τ α νοήσει, /... ησι,ν άμείνατ / έσθλός δ' αΰ και κείνος, δ ς ευ ε ι π ό ν τ ι ττίθηταί, wobei aber ein Rangunterschied besteht: Frassoni 2005, 230: „Funzionale alio scopo che si prefigge, di blandire cioe l'orgoglio di Serse, e la variazione operata sul topos secondo cui la persona che accetta un buon consiglio e inferiore a chi sia in grado di decidere saggiamente da solo." Aber: „Sia le parole di Esiodo sia l'esordio di Artabano ... costituiscono un vera e propria 'prefazione', intesa a rendere accattivante il consiglio che verrä offerto tra breve all'interlocutore." 251 Zu den äußeren Einflüssen Aisch. Pers. 753f.: τ α ΰ τ ά TOL κακοί ς ομίλων άνδράσ ι ν δ ι δ ά σ κ ε τ α ι θούριος Ξ έ ρ ξ η ς . Frassoni 2005, 232f. weist d a r a u f h i n , daß der Wortstamm σ φ α λ - häufig „nel corso dei dialoghi fra Serse e Artabano" vorkomme (in 5 von 14 Belegen 7, 10 £; 7,16 a 1 / 2; 7,50,2 und 52,1; 7,6,4 gehört nicht dazu): Dabei hat σ φ α λ ε ρ ό ς 7,16 α 2 wie bereits 3,53,4 „un significato pregnante, connesso con la precarietä insita n e l l ' e s e r c i z i o stesso del potere assoluto, dove successi e disfatte dipendono unicamente dalla capacitä e dall'indole del sovrano." 252 Zur Metapher des an sich ruhigen Meeres, die für Schöll 1855, 79 „ein rein poetisches gleichniss ist, welches die schon gegebene sentenz bildlich wiederholt, also nicht beweist und nicht näher bestimmt, sondern nur putzt", vgl. Solon 12 W (εξ ά ν ε μ ω ν δέ θάλασσα τ α ρ ά σ σ ε τ α ι - ήν δε τ ι ς α ύ τ ή ν | μή Kivrj, π ά ν τ ω ν έ σ τ ι δ ι κ α ί ο τ ά τ η ) . φ ύ σ ι ς bezeichnet bei Herodot nach Heinimann 1945, 96 „die f o r male Beschaffenheit' eines Dinges gegenüber sekundären Abweichungen. ... Die

156

HERODOT

Winde stören das eigentliche Wesen des Meeres, seinen Normalzustand der Ruhe." Stahlenbrecher 1952, 99ff., definiert φύσις: 1. Der äußere Wuchs (< φύω) = der Inbegriff der Eigenschaften, die ohne menschliches Zutun (durch Wachsen) entstehen (vgl. 2,5,2; 68,1; 71; 3,22,4) 2. Die natürliche Größe (4,50,2) und 3. das Leistungsvermögen und die zureichende äußere Ursache (vgl. 7,103). Zu dieser Stelle sagt er S. 98f.: „Xerxes ist beeinflußbar und labil wie das Meer ... Für das menschliche Innere, das durch das Gleichnis veranschaulicht wird, gilt das Gleiche: Er nennt σωφροσύνη und εύ φρονεει,ν die φύσις, an deren Gebrauch er durch Überredung gehindert wird, während die Aufgewühltheit des θυμός, Begierde der Hybris, gerade nicht zur φύσις gehören und rein von außen bewirkt sein sollen." Ubsdell 1983, 74: „A man's nature (physis) is often prevented from showing through, some times for better, usually for the worse, by external influences and his behaviour like that of the sea, is frequently in contrast and unpredictable as a result." Ohne äußere Einflüsse wäre also Xerxes von Natur aus vernünftig (σώφρων); aber durch den Einfluß zuerst des Mardonios und seiner Helfer, dann durch die Drohung des Traumes hat er die σωφροσύνη gänzlich verloren, die er in der Nacht, als er alleine war, wiedergefunden hatte und die den Normalzustand seines Wesens (φύσις) darstellt. Dagegen lehnt Kirchberg 1965, für die φύσις gute und schlechte Eigenschaften umfaßt, eine Entwicklung des Xerxes von natürlicher σωφροσύνη zu ύβρις ab. Beide Eigenschaften seien in seiner Natur angelegt, die Winde (Mardonios) könnten diese bloß auslösen bzw. verstärken; vielmehr komme es auf den einzelnen Menschen an, wie er handle. Da Parallelen bei Herodot weitgehend fehlen und die rhetorische Funktion des Gleichnisses zu beachten ist, dürfen keine allzu weitreichenden Schlüsse gezogen werden. Artabanos bleibt trotz der Verwandtschaft Xerxes' Untertan und kann auch nach Xerxes' Bekehrung nicht ohne weiteres seinen Herrn kritisieren; insofern dürfte auch eine schmeichlerische Komponente im Exordium seiner Rede nicht fehlen. So kann Artabanos seinen Versuch, Xerxes analog zu Mardonios von außen zu beeinflussen, geschickt kaschieren, indem er Xerxes die gleichen Fähigkeiten, die er als Warner hat, φύσει zuspricht. Frassoni 2005, 238: „Pur volendo richiamare il passo di Solone, Erodoto non lo cita in modo letterale, ma introduce un'importante variazione: il mare, che nell'originale era enigmaticamente definito δ ι κ α ι ό τ α τ η ... e ora chiosato con l'espressione πάντων χρησιμωτάτη άνθρώποισι ... Ιο ciö coesiste la maggiore ... innovazione che Erodoto compie nell'adattare la citazione al contesto: il mare sconvolto dai venti non e piü l'immagine topica del popolo influenzato da demagoghi e tiranni (come accadrä in tutte le riprese successive del distico soloniano), ma diventa lo specchio fedele della tormentata interioritä di un tiranno, della sua volontä troppe volte fatta oggetto di violente pressioni esterne inevitabilmente trascinata nell'errore." Ob aber in 12 W das Meer tatsächlich für das Volk steht und zum gleichen Gedicht gehört wie 9 W, wo mit einem Vorgang aus der Natur ein politisches Phänomen verglichen wird, kann nicht schlüssig bewiesen werden. Ihre Schlußfolgerung S. 238f., Herodot bezwecke mit dieser Metapher, „suscitare nel suo pubblico un giudizio sul sovrano piü sfumato ed ambiguo, inevitabilmente evocato dal ricorso aH'immaginario soloniano: un patrimonio poetico e politico ampiamente condiviso nell'Atene del V secolo, dove aveva assunto caratteri quasi proverbiali," geht zu weit und nicht primär aus dieser Stelle hervor (es spricht ja

Die Reden in den Büchern 7 - 9

157

Xerxes von zwei geäußerten Meinungen (γνωμέων), von denen die eine seinen Übermut steigerte (ϋβριν αύξανούσης), die andere καταπαυούσης και λεγούσης ώς κακόν ε'ίη διδάσκειν την ψυχήν πλέον τι δί£ησθαι αίεΐ έχειν του παρεόντος „dämpfte und sagte, es sei schlecht, den Geist zu lehren, immer noch mehr besitzen zu wollen als das Vorhandene", die riskantere (σφάλερωτέρην) gewählt habe. Da Xerxes sich nun eines Besseren besonnen habe (τέτραφαι επί την άμείνω), aber von einem gottgesandten Traum daran gehindert werde, den Feldzug abzublasen, will er ihn, indem er ihn liebevoll ώ παΐ anredet, belehren (εγώ διδάξω), da er viele Jahre älter sei (πρεσβύτερος) und aus Erfahrung wisse, daß die Träume menschlicher und nicht göttlicher Natur (ουδέ θεια) sind. Die Träume seien das Resultat, τά τ ι ς ήμερης φροντίζει („worüber der Mensch bei 253

Tage nachdenkt"). In der letzten Zeit hätten sie alle viel über den Feldzug gesprochen. 254 Sei der Traum aber göttlichen Ursprungs, so müsse er folgenden rationalen Kriterien entsprechen: er müsse sich erstens wiederholen und deutlich sein, dann den Angesprochenen kennen und sich nicht durch den Kleidertausch täuschen lassen, also unabhängig von der Person erscheinen. Aber wenn Xerxes darauf bestehe, sei er bereit, zu gehorchen und zu warten, bis auch ihm der Traum erscheine. Bis zu diesem Zeitpunkt wolle er an seiner Meinung festhalten (τή παρεοΰση γνώμη χρήσομαί). Die Struktur seiner Rede sieht folgendermaßen aus: 1. Prooimion

(ι6α)

captatio

benevolenliae:

Nutzen, selbst vernünftig zu

denken, oder dem guten Rat eines anderen zu folgen. Warnung vor schlechten Ratgebern, die Xerxes zu beeinflussen suchen (Vergleich mit dem Meer und den Winden). Zusammenfassung der bisherigen Beratung (interne nicht der Narrator). Sie sieht auch Ähnlichkeiten zwischen Xerxes und dem von Solon gezeichneten athenischen Volk (irrational, begierig, beeinflußbar, maßlos). 253 Freuds Hypothese, daß der Traum nichts anderes als die Verwertung der sogenannten ,Tagesreste' sei, wird von Artabanos an dieser Stelle antizipiert. Vgl. dazu Latacz 1994, 453 mit weiteren Literaturangaben. Ebenso Thomas 2000, 266: „It may be further significant that these arguments are in the mouth o f Artabanus whose aim at this point is to defeat Xerxes' interpretation o f his dreams with the full force of what are evidently sophistic ideas about dream-interpretation. The idea that Artabanus produces to counter Xerxes' fear, that dreams merely repeat the actions and thoughts of the day-time, is a theory of the late fifth century." 254 Die conclusio dieses Syllogismus, daß es wahrscheinlich sei, daß dieses Thema Xerxes in seinem Unbewußtsein weiterbeschäftigt und er infolgedessen davon geträumt habe, versteht sich von selbst.

158

HERODOT

Analepse): V o n z w e i M e i n u n g hatte X e r x e s g e g e n seinen Rat zuerst die gefährlichere und P l e o n e x i e und Hybris enthaltende γ ν ώ μ η gewählt. Jetzt habe es sich aber eines Besseren besonnen, aber: (transitio 1 6 (3) :

M e i n u n g s u m s c h w u n g des X e r x e s durch angeblich göttlichen Traum verhindert:

2. Argumentatio

( 1 6 β - γ ) Träume sind nicht göttlich, sondern das Resultat dessen, w a s man am Tag denkt. Falls der Traum göttlich ist, muß er wiederholt erscheinen und ihn auch ohne Verkleidung erkennen.

3 Epilog

(16

7:3)

Bereitschaft, sich X e r x e s ' E x p e r i m e n t zu unterziehen. Aber erst w e n n der Traum auch ihm erscheint, will er an d e s s e n G ö t t l i c h k e i t g l a u b e n , vorher hält er an seiner γ ν ώ μ η fest.

Die Rede besteht einerseits aus der Rechtfertigung seiner Position und der Zusammenfassung der bisherigen Beratungen, andererseits aus der theoretischen Erörterung über die Träume. Der theoretische Charakter der Rede wird auch durch die hohe Dichte an Nebensätzen und nominalen Konstruktionen (Infinitive und Partizipien) deutlich. 255

Artabanos hoffte (7,17 ελπίδων), wie der Narrator kurz bemerkt, Xerxes beweisen zu können, daß der Traum keine Beachtung verdiene, und tat, wie ihm befohlen war. In der Nacht erschien auch ihm dasselbe Traumgesicht und tadelte ihn in einer direkten Rede dafür, daß er versuche, Xerxes vom Unternehmen abzubringen (άττοσπεΰδων). Dies werde weder jetzt noch in Zukunft unbestraft bleiben: άποτρέπων τό χρεόν γενέσθαι „abwenden zu wollen, was geschehen muß." Xerxes wisse, welche Strafe ihn erwarte, falls er nicht gehorche. Dann schien es Artabanos (7,18), wie der Narrator berichtet, als wolle ihm die Traumfigur mit einem Eisen die Augen ausbrennen. Er erschrak gewaltig und schrie. 256 In einer Rede rechtfertigte er sich und seine Rolle als Warner vor Xerxes. Da er als Mensch das Paradoxon erlebt habe, daß ήδη πολλά τε και

255 Durch die trügerische H o f f n u n g zeigt Herodot dem Rezipienten an, daß Artabanos' Streben z w e c k l o s ist und daß „il crollare di o g n i v e r o s i m i l e aspettativa umana quando il dio sia contrario e un e s p e d i e n t e astuto sovverta i rapporti di forza, Ρ έ λ π ί ζ ε ι ν si rivela per lo piü errato" (Corcella 1984b, 74). 2 5 6 Die e p i s c h e A p o k o p e ά μ β ώ σ α ς , das eine non-verbale Handlung ausdrückt, dient als Mittel der Emphase.

159

Die Reden in den Büchern 7 - 9

μεγάλα πεσόντα πρήγματα ύπό ησσόνων „ich habe in meinem Leben schon manches Große durch Geringeres stürzen sehen", habe er Xerxes' Jugend (ηλικία) nicht nachgeben wollen im Wissen, ώς κακόν ε'ίη τό 257

πολλών έπίθυμεει,ν „wie schlimm es ist, vieles zu begehren." Wiederum bezieht er sein Wissen aus der Empirie. Er erwähnt in einer Analepse die gescheiterten Feldzüge des Kyros gegen die Massageten, des Kambyses gegen die Aithiopen und des Dareios gegen die Skythen. Aus diesem Wissen (έπιστάμενος) habe er (im Gegensatz zu Xerxes 7,8) geg l a u b t : ά τ ρ ε μ ί £ ο ν τ ά σε μ α κ α ρ ι σ τ ό ν ε ί ν α ι π ρ ό ς π ά ν τ ω ν ά ν θ ρ ώ π ω ν 258„ d a ß

man dich, hieltest du Ruhe, selig preisen würde bei allen Menschen." Da nun aber ein göttlicher Impuls (δαιμονίη όρμή) vorliege, und die Griechen offensichtlich259einen gottverhängten Untergang erleiden werden (φθορή ... θεήλατος), ändert er 18,3 seine Meinung την γνώμην μετατίθεμαι. Er fordert Xerxes auf, den göttlichen Auftrag (τά έκ θεοϋ π ε μ π ό μ ε ν α ) z u v e r k ü n d e n , a l l e s v o r z u b e r e i t e n u n d π ο ί ε ε δε ο ϋ τ ω ς τ ο ϋ θεοϋ π α ρ α δ ί δ ο ν τ ο ς

των

σων ένδεήσει

δκως

μ η δ έ ν . „ H a n d l e so, d a d e r

Gott dir gnädig ist, daß du es an nichts fehlen läßt." Beide waren durch den Traum ermutigt (έπαρθέντες τη όψι). Am nächsten Morgen meldete Xerxes dies den Persern. Der Narrator berichtet, daß Artabanos, πρότερον άποσπεύδων

μοϋνος έφαίνετο,

τότε

επισπεύδων φανερός ην, „der zuvor als einziger offen dagegen aufgetreten war, trat nun offen dafür ein." 260 Als nun auch Xerxes den Drang verspürte, den Feldzug zu unternehmen (7,19,1 όρμημένω δέ Ξέρξη)261, hatte er einen dritten, allegorischen 257 Ebenso schon in der Rede vor dem Traum 7,16,α2 κακόν ... πλέον τι δί£ησθαι αίεί εχειν τοϋ παρεόντος. 258 Asheri 1988, xliv: „Artabano, cioe Erodoto, vuol dire che dietro le singole spedizioni persiane - diverse nei dettagli, condotte da re diversi contro popoli differenti - si nasconde un 'modello' ricorrente di espansionismo fallito." 259 Interessant ist das Adjektiv θεήλατος, das bei Herodot nur hier, sonst aber in der Tragödie vorkommt. Diese besonders wichtige Stelle ist auch durch die Wortstellung markiert: Artabanos täuscht sich auf tragische Weise (vgl. Chiasson 1982, 159). Die Partizipien als Homoioteleuta auf -menos, die Anapher μεμνημένος, gesteigert bei Dareios durch das eigene Erlebnis συστρατευόμενος und eingerahmt durch έπιστάμενος haben emphatische Wirkung. 260 Die Wiederaufnahme des Partizips άποσπεύδων vom Traum 17,2 und Ersetzung durch das stammverwandte, aber das Gegenteil bedeutende επισπεύδων (nur hier bei Herodot) zeigt eindrücklich die Wirkung des Traums auf Artabanos. 261 Während Xerxes 7,7 lediglich dazu überredet wurde (άνεγνώσθη), verspürte er nun ebenso wie Dareios (vgl. S. 127, Anm. 167) einen inneren Drang (όρμασθαι), der ihn dazu antrieb, den Feldzug durchzuführen.

160

HERODOT

Traum, den Herodot jedoch indirekt erzählt und dem er die (falsche) Deutung der Mager, Xerxes werde die Weltherrschaft erreichen (δουλεύσειν τέ οι πάντας άνθρώπους), vorausschickt:262 Xerxes träumte, daß er mit einem Ölzweig bekränzt sei, dessen Sprosse die ganze Welt umspannten. Dann aber verschwand der Kranz plötzlich von seinem Haupte. Darauf verließen die Satrapen die Hauptstadt und begannen eifrig (εΐχε προθυμίην πασαν)263 mit den Rüstungen, zumal Xerxes Geschenke in Aussicht gestellt hatte (882). f. Interpretation der Träume: In der griechischen Literatur nimmt der Traum von Beginn an einen wichtigen Platz

262 Sie beachteten nur den ersten Teil des Traumes, so daß „die Unvollständigkeit der Deutung zum schicksalhaften Irrtum" führt (Köhnken 1988, 29). Er glaubt S. 28, daß alle vier Träume zusammengehören, wobei der vierte Traum vordergründig als positives Element „die rein negative Bilanz der drei vorhergehenden ergänzt." Der Trug kommt dadurch zustande, daß die Mager den letzten Teil des Traumes unberücksichtigt lassen, S. 28: „Herodot macht durch die Inversion von Traum und Interpretation ... auf das Versäumnis a u f m e r k s a m . " Im weiteren deutet Köhnken den Ölkranz nicht als Hinweis auf Athen, sondern als griechisches Zeichen des Sieges, wie z.B. in Olympia 8,26,2 (vgl. 8,124,2). Nach Salamis, der W e n d e im Unternehmen, verschwindet dieses Siegessymbol und fällt dann logischerweise auf Griechenland. Für Marinatos 1982, 262 bekommt Xerxes eine weitere Chance, die Realität zu erkennen, ist aber wegen seines Machthungers blind: „Dieser Traum prophezeit genau das Gegenteil des ersten: Xerxes wird anfangs groß sein, dann wird er plötzlich alle Macht verlieren. Dennoch erkennt er nicht die offensichtliche Bedeutung, noch irritiert ihn, daß er vom Himmel einander widersprechende Zeichen bekommt." 263 Xerxes hatte in seiner ersten Rede 882 gefordert: προθύμως π ά ν τ α τ ι ν ά ύμεων χρήσει π α ρ ε ΐ ν α ι . 264 Zu den Träumen und deren V o r k o m m e n in der griechischen Literatur allgemein Latacz 1994 und speziell in der Geschichtsschreibung Loretto 1956, Hagel 1968, 18-60, v. Lieshout 1970 und Levy 1995. Dabei ist klar, daß nur relevante Träume, nicht Alltagsträume berücksichtigt werden. Ebenfalls mit der Deutung von literarischen Träumen (bei Homer) beschäftigt sich das Werk von Kessels 1978, 2, der die Träume als „conscious imitations of actual dreams, adapted to suit literary requirements" auffaßt, wobei S. 3: „Literary dreams must have some connection with the plot, and incoherent dreams cannot easily be used for literary purposes." Zu den Träumen in der Dichtung vgl. Walde 2001, die die Träume in Prosawerken mit der folgenden Begründung ausschließt: „Der fiktionale, literarische T r a u m wurde in der Antike zuerst nur in der Dichtung geführt. Der einschlägige Diskurs

Die Reden in den Büchern 7 - 9

161

Die relevanten Träume haben immer einen göttlichen Ursprung. Dabei tritt im Außen- bzw. Botentraum eine personifizierte Figur zum Schlafenden und spricht ihn in einer (direkten) Rede an. Der allegorische Innentraum manifestiert sich als eine nicht von außen herangetragene Vision. Der Traum erweist sich daher als Mittel zur Handlungssteuerung, das an Alternativpunkten eine weitere Motivierung überflüssig macht. So sendet z.B. Zeus zu Beginn des zweiten G e s a n g e s der Ilias in der N a c h t dem A g a m e m n o n einen trügerischen Außentraum als eine ά π α τ η

θεοΰ, der ihm in der Gestalt Nestors verheißt, noch in

derselben Nacht Troia einzunehmen. Der von Gott gesandte Traum, dessen Funktion darin besteht, „den Schlafenden zum Handeln zu bringen," hält dabei eine Rede, „die völlig logisch ist und die die vollständigste Kenntnis der derzeitigen Wachheitsumstände des Schlafenden offenbart." 2 6 3 Dieser Traum als Mittel der personalen Wahrheitserkenntnis leuchtet A g a m e m n o n sofort ein, weil er trotz der M i ß e r f o l g e der Griechen als einziger in seinem Wunschdenken an einen Blitzsieg glaubt. Der Traum, der auf den Charakter des A g a m e m n o n abgestimmt ist, charakterisiert also seinerseits in einem gewissen Sinne Agamemnon als verblendet und leichtgläubig, während Nestor den Traum für einen Trug (ψευδός) hält. 266

Dasselbe gilt auch für die Träume bei Herodot, die grundsätzlich göttlichen Ursprungs sind. 267 1.

In den Träumen werden als (meist) internen Prolepsen wichtige oder verhängnisvolle Ereignisse für den Träumenden oder ihm nahestehende Personen vorausgesagt (z.B. 1,34; 107; 209; 5,55f.; 7,19).

2.

Der Traum bestimmt die weiteren Handlungen. 2 6 8 Der Versuch, die im Traum angedeuteten Ereignisse zu verhindern, erweist sich als nichtig oder trüge-

in der Prosa kam erst später hinzu, ist sekundär und im übrigen ... beeinflußt von der Dichtung. Auch wenn in der antiken Geschichtsschreibung die Grenze zwischen Fiktion und Faktendarstellung oft schlecht gezogen werden kann, folgen die Texte dennoch einer anderen Intention, w e l c h e die methodische Position zum Traumdiskurs der Dichtung unterscheidet." (S. 4). 265 Latacz 1994,462f. 266 Homer bezeichnet A g a m e m n o n II. 2,38 als v r j m o c . Dagegen wird Penelope Od. 19,559, die sich dagegen ausspricht, einem Traum alles zu glauben, als περίφρων bezeichnet. Pietsch 2001, 215: „Dabei stellt er sich ganz auf A g a m e m n o n s Persönlichkeit ein, d.h. auf dessen sehnlichen Wunsch, sein beschädigtes Image durch einen raschen Erfolg wieder aufzubessern. Daher ist es durchaus verständlich, daß Zweifel an der Wahrhaftigkeit des Traumes A g a m e m n o n erst gar nicht in den Sinn kommen." 267 Frisch 1968, 52: „1. Alle T r ä u m e haben eine göttliche Ursache. 2. Alle T r ä u m e sind dennoch in ein psychologisch nüchternes Gewand gekleidet." 268 Loretto 1956, 241: „Ferner bestimmt der Traum mehrfach das weitere Handeln der Person." Vgl. auch Kessels 1978, 11: „Ancient authors attempted to intimate

HERODOT

162

risch, weil gerade die Gegenmaßnahmen den verhängnisvollen Prozeß auslösen oder zumindest beschleunigen. O f t trägt auch die charakterliche Disposition des Träumenden zur falschen Deutung des Traumes bei. 3.

Der Traum ist auf den Charakter des Träumenden abgestimmt und charakterisiert ihn zugleich.

4.

Der Rezipient wird von ,ängstlicher Erwartung und S p a n n u n g ' erfüllt; der T r a u m dient neben der Dramatisierung der Erzählung zur Steigerung und steuert die Erwartungshaltung und Rezeption. 2 6 9

Bei Herodot haben neben Xerxes auch andere Herrscher vor Entwicklungen, die für ihre Herrschaft entscheidend sind, Träume. Kyros' Geburt gehen zwei allegorische Träume (l,107f.) voraus, die dem Meder Astyages den Verlust der Herrschaft ankünden. Trotz der getroffenen Gegenmaßnahmen kann er sein Schicksal nicht ändern, sondern beschleunigt gerade 270

dadurch die Katastrophe. Ebenso hat Kyros auf dem Höhepunkt seiner Macht und vor dem fatalen Wendepunkt, dem Feldzug gegen die Massageten (1,209), einen Traum, der ihm den Übergang zur Herrschaft des Dareios ankündigt. Erzähltechnisch bedeutend ist der Umstand, daß ein Traum diese wichtige Wende markiert und auf die für den Träumenden nicht mehr verständliche Zukunft hindeutet. Kambyses träumt (3,30), sein Bruder Smerdis sitze auf dem Thron und sein Haupt rage bis in den Himmel. Aus Furcht vor dem Verlust der Herrschaft läßt er ihn töten. Aber gerade dadurch, daß Kambyses heimlich seinen Bruder umbringen läßt, ermöglicht er die Usurpation des Magers nach seinem Tode. 271 Da alle diese Träume in die Konzeption des Werkes passen, ist es kaum wahrscheinlich, daß Herodot überall persische Quellen vorgefunden hat. coming events and to heighten tension by means of the device of dream; modern authors make dreams a reflexion of their character's internal conflicts or wishes, using dreams as a means of effecting psychological depth." 269 Levy 1995, 19: ,,Le reve dramatise l'episode en accroissant ce q u ' o n appellerait aujourd'hui le 'suspense'." 270 Loretto 1956, 17: „Hinter allen Vorgängen bleibt der T r a u m immer die Haupttriebkraft und beeinflußt alle Handlungen mittelbar oder unmittelbar." Der Traum zeigt die Z u k u n f t an. Alles, was Astyages unternimmt, um das im Traum angedrohte Schicksal zu verhindern, erweist sich als sinnlos. Der Rezipient verfolgt mit Spannung, wie sich das im Traum angekündigte Schicksal des Kyros entwickeln wird. 271 Dagegen spielen T r ä u m e in Herodots Werk bei den Griechen - aber auch bei Dareios - eine untergeordnete Rolle.

Die Reden in den Büchern 7 - 9

163

Man kann annehmen, daß die Quellenangabe 7,12,1 bloß ausdrückt, daß Herodot das Faktum des Traumes von orientalischen Gewährsmännern übernommen hat; sehr wahrscheinlich ist auch sie wie die Träume selbst 272 fingiert. Germain weist auf Parallelen zu einem babylonischen Stellver273

treter-Ritual hin. Aber Inhalt und Gestaltung des Traumes sind griechisch. Der Traum ähnelt den homerischen Außenträumen. Ein großer, schöner Mann erscheint Xerxes und spricht in direkter Rede den Schlafenden an (7,12,2). Griechisch ist auch das vermeintliche άπάτη-Motiv, das 272 Pohlenz 1937, 127, der zwar an der Historizität des Kronrates und der T r ä u m e festhält, gibt dennoch zu: „Aber herodoteisch ist der Gedankengehalt des Ganzen ebenso wie der künstlerische A u f b a u . " So habe Herodot S.l 18 „die Geschichte von der Traumerscheinung nicht von sich aus erfunden, aber frei gestaltet, und da mag ihm neben dem ούλος öveipoc, den bei Homer Zeus dem A g a m e m n o n sendet, wieder Aischylos und seine Dareiosszene vorgeschwebt haben." Immerwahr 1954, 523f. betont, daß abgesehen von den äußerlichen Dingen die Motive und die thematische Ausarbeitung der Träume griechisch sind, so besonders die rationalistische Traumdeutung des Artabanos. Ebenso meint v. Lieshout 1970, 239, der die T r ä u m e in einem griechischen Kontext, z.B. dem Phänomen der epidaurischen ί ά μ α τ α zu fixieren sucht, daß die Quelle griechisch oder herodoteisch sei. Masaracchia 1976, 65: „L'invenzione epica e stata da Erodoto utilizzata non come puro accorgimento narrativo, ma quale mezzo per esporre la sua interpretazione dell'evento storico in e s a m e . " Dagegen betont Reinhardt 1960b, 362ff., daß das Motiv des K l e i d e r t a u s c h e s auf Persisches hindeute. Der T r a u m ist f ü r ihn persischen Ursprungs, die Reden freie Erfindungen Herodots. Frisch 1968, 71: „ M a n k o m m t nicht umhin, in den T r ä u m e n O r i g i n a l b e r i c h t e von H e r o d o t s Informanten zu sehen; ihre Einarbeitung in den G e s a m t z u s a m m e n h a n g vermittelt ein in seiner Geschlossenheit imposantes Bild einer ganz und gar von Gottheit und Schicksal regierten Welt." Bichler 1985, 125 hält die Q u e l l e n a n g a b e 7,12 f ü r fingiert, zumal seiner Meinung nach S. 134: „Es paßt zu genau in eine Konzeption, in der die w a c h s e n d e Dimension des persischen Reiches durch T r a u m s y m b o l e ausgedrückt wird." Shimron 1989, 32 meint, daß sich Herodot durch die Angabe von λ έ γ ε τ α ι von diesem Bericht distanziere. Ebenso Gould 1989, 71. Die Träume gehören für Meier 1995, 381 zum Quellenbestand. 273 Für Germain 1956 handelt es sich dabei um ein babylonisches Stellvertreter-Ritual, bei dem in einer gefahrlichen Situation anstelle des Königs ein Stellvertreter eingesetzt wurde, der Kleider und Insignien des Königs für die Dauer des Rituals übernehmen mußte. Als Sündenbock w u r d e der Stellvertreter nach Ablauf des Ritus meistens getötet. Da jedoch ein solcher Glauben nicht mit dem persischen Z o r o a s t r i s m u s vereinbar war, und X e r x e s den M a r d u k - T e m p e l in Babylon zerstören ließ, nimmt Germain an, daß Xerxes selbst nie eine solches Ritual getätigt hat, sondern daß „de sujets recents du roi de Perse, ont prete ä Xerxes et ä son oncle les usages du roi de Babylone, arrete au seuil d ' u n e guerre par un presage de d a n g e r " (S. 313). Herodot habe aber dieses f r e m d e Ritual nicht verstanden, auch wenn er eine gute Beschrebung davon gebe. Man muß aber beachten, daß im babylonischen Ritual das Motiv des Traumes fehlt.

HERODOT

164

jedoch um vieles komplexer als bei Agamemnon ist. Genau genommen entsteht der Trug erst durch die falsche Deutung der (beiden letzten) 274

Träume. In der Ilias ist hingegen der Inhalt des Traumes falsch. Artabanos glaubt nicht, daß ein von Gott gesendeter Traum ein Unternehmen mit negativem Ausgang befehlen könne. Der vermeintliche Trug des letzten Traumes entsteht durch die partielle Deutung der Mager. Entscheidend für die Bedeutung der Traumsequenz 7,12-19 ist die Frage, inwiefern sie Xerxes' Entscheidung zum Feldzug motiviert und ob dieser dadurch entlastet wird. Zunächst ist davon auszugehen, daß die beiden Blöcke: Reden im Kronrat und die Traumsequenz, fest miteinander verbunden und nicht bloß zwei lose nebeneinander gestellte Varianten, durch die dasselbe ausge275 drückt wird, sind. In beiden Teilen kommen direkte Reden, die thema274 Zu beachten ist, daß der Traum insofern richtig war, als Xerxes auch nach dem Fiasko in Griechenland bis zu seiner Ermordung weiterregierte. So Immerwahr 1954, 525. Lateiner 1989, 207: „The apparition in X e r x e s ' dream told him the truth: it is a realistic observation about political power and psychology that imperial states do not remain quiet for long ... This is a political and historical as well as psychological necessity." Evans 1991, 15: „The dream in the Iliad is a simple case of a mischievous god playing with the overconfident A g a m e m n o n , exploiting a weak point of his character by promising him victory ... The dream of Xerxes was not explicitly deceitful, for it did not presage a Greek defeat, though it left that impression. Instead it emphasized the danger of trying to reserve what was destined to be. It w a s X e r x e s ' position as king of Persia, the descendant of a line of Achaemenid imperialists who had increased the size of the empire during their several reigns." Bodei Giglioni 2002, 101: „E l ' u o m o che, messo alia prova dalla divinitä, si mostra incapace di comprendere i segni, soprattutto perche e accecato ... dalla sua smisurata brama di potere ο dalla sua eccessiva fortuna. ... Se prendiamo in esame il primo sogno di Serse, vedremo infatti che esso non contiene formalmente alcun inganno, in quanto non indica alcun esito positivo della spedizione. Ε anche nel caso del secondo ... dato che il potere del re non diminuisce affatto d o p o S a l a m i n a . " Dagegen sieht Fohl 1913, 72 im T r a u m einen ο ΰ λ ο ς öveLpoc, „um den Griechenzug des Xerxes als Willensäußerung der Götter, sein Unglück als fest bestimmtes Schicksal hinzustellen." Harrison 2002, 559: „The dreams that come to Xerxes and Artabanos clearly intended to deceive ... Even i f . . . we may j u d g e Xerxes somehow as 'responsible' for his failure to recognize divine deception, Herodotus' narrative clearly emphasizes the inevitability of the action." 275 Die Träume als Dublette fassen auf: Aly 1921, 168-170 und Bischoff 1932, 59: „Nun wäre wohl der Zug nach Griechenland durch die drei großen Reden genügend eingeleitet ... Aber es tritt ein r e t a r d i e r e n d e s M o m e n t ' ein, um die Wichtigkeit dieses ganzen Vorspiels zu betonen." V. Lieshout 1970, 243: „I am inclined to agree on the whole with Aly, who establishes that in the story of the factual events the chapters 1 2 - 1 8 inclusive are superfluous ... that the Artabanos-scene ... and the dream of Xerxes might be regarded as doublets, existing in the tradition of the

Die Reden in den Büchern 7 - 9

165

tisch eng miteinander verknüpft sind, vor. Die Träume sind mit dem Kronrat durch das gemeinsame T h e m a des B e r a t e n s (βουλεύεσθαι) verbunden. 276 Dabei endet die Serie von Meinungsumschwüngen, die schon vor dem Kronrat begonnen hatte ( 7 , 5 - 8 ) , mit dem entscheidenden Meinungswechsel des Artabanos (18,3), der, durch den Traum gezwungen, 277

seine Opposition gegen den Feldzug aufgibt. Somit ist nicht Xerxes, dessen Beeinflußbarkeit durch äußere Faktoren deutlich hervortritt, der 278 eigentliche Antagonist des Traumes, sondern Artabanos. Funktional dient dabei seine rationalistische Theorie der Träume dazu, durch Xerxes' 279 scheinbar absurdes Experiment am eigenen Leib widerlegt zu werden. events, and meant to suggest the same idea." Ebenso Solmsen 1974, 148. Dagegen betont Hagel 1968, 4 8 die Einheit der Kapitel 7 , 8 - 1 8 , welche durch die übergreifende Verfugung von Traum ( 1 2 ) und zweitem Kronrat ( 1 3 ) erzeugt wird. Dabei bildet für ihn 7,13 den Höhe- und Wendepunkt. X e r x e s geht a u f Artabanos' Warnung ein und widerruft den 7,8 angekündigten Kriegsplan. Schon vorher ( 7 , 1 2 ) beginnt jedoch mit dem ersten Traum in einem Enjambement die Gegenbewegung. Hohti 1976b, 112: „The dream sequence o f X e r x e s and Artabanus . . . is a unique case. It combines the two aspects discussed above: change o f heart based on careful thinking ( 1 2 - 1 3 ) and persuasion o f both Xerxes and Artabanos by the irrational ( 1 4 - 1 8 ) . Its uniqueness is partly based on the extraordinary importance o f the discussion at the opening o f the account o f the Greek campaign. ... The structure o f this section shows that the emphasis in this discussion is placed on the element o f persuasion, not on the initial preparations for the campaign." 2 7 6 S o z . B . bei Artabanos 7 , 1 0 8 2 ε ΰ

βουλεύεσθαι,. Mardonios hatte den Griechen

αβουλία ( 7 , 9 γ 1 ) vorgeworfen. Auch im ersten Traum des Xerxes kommt das Verb βουλεύεσθαι dreimal vor, wobei es zweimal als Kompositum μ ε τ α β ο υ λ ε ύ ε σ θ α ι . erscheint. In der Rede 7 , 1 3 , 2 teilt X e r x e s den versammelten Persern mit, daß er seine Meinung ändern will: ά γ χ ί σ τ ρ ο φ α 15,2f.: μ ε τ έ γ ν ω ν , τ ε τ ρ α μ μ ε ν ω

βουλεύομαι,

13,3 μ ε τ α δ ε δ ο γ μ έ ν ο ν ,

και μ ε τ ε γ ν ω κ ό τ ι , in 16, ß l : τετραψαι ε π ί

άμείυω (sc. γνώμην) und 18,3: τ η ν γνώμην

την

μετατίθεμαι.

2 7 7 Und zwar bei X e r x e s „through a succession o f emotions" (Solmsen 1974, 152): Von Bedauern in 13 über Angst in 15 zu Zuversicht in 18. Bei Artabanos hingegen bewirkt ein S c h o c k ( 1 8 , 1 ) den Meinungsumschwung und ist für dessen falsche Deutung des Traumes ( 1 8 , 3 ) mitverantwortlich. 2 7 8 Gärtner 1983, 14: „Herodote veut presenter le reve c o m m e le vrai antagoniste d'Artabane." Für Deffner 1933, 25 ist X e r x e s ' Handeln die Resultante aus der Gegnerschaft von Artabanos und dem Traum. Vgl. v. Lieshout 1970, 2 2 9 : „Artabanos' wisdom by experience, by which he sees the risks o f X e r x e s reckless and ambitious plan is now contrasted with knowledge by 'revelation', by which he discovers a δαι,μονίη t l c όρμή at the back o f the event." 2 7 9 Herodot zeigt, daß er die Meinung einiger Zeitgenossen, insbesondere der Sophisten, kennt, und sich damit kritisch auseinandersetzt. V . Lieshout 1970, 2 4 5 : „Our conclusion is if Herodotus really speaks his mind here, we are justified in saying that normally he reduces the dream to free-wheeling o f intense activity in the day-

HERODOT

166

Dabei ist der Rollentausch, durch den Artabanos mit dem Traum in Kontakt kommt, unverzichtbar: Denn nur so kann er einen Königstraum 280

haben. Das durch Androhung von Gewalt bewirkte Eingeständnis des Artabanos, 281 daß es sich um einen göttlichen Traum handelt, gibt dem

time, but that in exceptional cases, in which the dream repeats himself and possesses a special ε ν ά ρ γ ε ι α , he acknowledges the divine origin of the dream." Fornara 1990, 37: „He knew exactly how his contemporaries would rationalize the episode of the dreams, trivializing it, and he demonstrates that he is fully aware of their views by including them for the sake of their ultimate refutation. ... Herodotus not only believed in the divinity of dreams and in the inevitability of what they portended, but that he regarded his history as the confirmation of his beliefs." Dasselbe gilt auch fur den Traum des Kroisos, den Atys 1,39 wie ein Sophist rationalistisch einleuchtend, aber falsch deutet. Vgl. Fornara 1990, 36, der auf das typisch sophistische Vokabular hinweist, das Herodot als Kritik an sophistischen Ideen parodiert habe: „Herodotus has here informed us that human intelligence cannot evade the dictate of fate." Vgl. Christ 1994, 194ff. und Harrison 2000a, 135. 280 Vielleicht etwas übertrieben Köhnken 1988, 39: „Tatsächlich ist die Erprobung der Göttlichkeit und d.h. der Objektivität der Traumerscheinung erzähltechnisch die raison d'etre der Artabanosfigur in Herodots Traumerzählung, und sie macht auch den Rollentausch für Herodot unentbehrlich." 281 Aly 1921, 169: „Das ist kein ganzes Märchen, sondern nur ein Motiv, die Bekehrung des Zweiflers, das hier verwandt wird. Der Zweck, den die Einführung dieses Motivs verfolgt, ist durchsichtig. Ein Gedanke, dem schon Aischylos Pers. 102ff. Ausdruck verleiht." Bischoff 1932, 60: „Doch diese ganze menschliche Weisheit kam gegen den gottgesandten Traum nicht an." Ebenso Deichgräber 1952, 30, für den der Traum anzeigt, daß es für Xerxes unmöglich sei, dem Schicksal zu entk o m m e n . Der Traum zeigt für Loretto 1956, 98, „wie die Götter ins Leben der Sterblichen eingreifen, und wie sich der Mensch ihrem Willen umsonst zu widersetzen bemüht." Shapiro 1994, 353f.: ,Although it is certainly true that Artabanus changes his advice to Xerxes about the invasion, that change is not made without explanation. Herodotus make it quite clear that Artabanus changes his mind only after both he and Xerxes have been visited by divinely-sent dreams, which demand, in no uncertain terms, that the attack be carried out ... The point at issue here, however, is that Artabanus does not change his advice through any weakness or instability in his wisdom: Artabanus changes his mind only in the face of repeated divine c o m m a n d s to do so and the threat of immediate physical harm." Ebenso betont Pietsch 2001, 216, wie der Traum sich beim Weisen physischer Gewalt bedienen muß, weil er durch argumentative Mittel gar nichts gegen dessen Verstand ausrichten könne. Es entbehrt aber nicht der Ironie, daß Artabanos 18,3 mehr in den Traum hineindeutet, als dieser sagt. Etwas übertrieben Bichler 1985, 142: „Denn durch die vergeblichen Versuche, sich dem Schicksal entgegenzustemmen, und durch frevelhafte Traumerprobung im herodote'ischen Sinne schuldig geworden, verkennt Artabanos die Traumprophezeiungen." Bei Herodot hören wir aber nichts von einer späteren Strafe für diese Zweifel. Als Strafe genügte of-

Die Reden in den Büchern 7 - 9

167

Traum sein volles Gewicht. Damit deutet Herodot an, daß auch der kluge Warner den Vollzug des Schicksals nicht verhindern kann und letztlich 282

eine Gottheit die Verantwortung für den Feldzug trägt. Zwar kommt der Anstoß, den Feldzug zu beginnen, von den Menschen wie Mardonios, seinen Verbündeten und Xerxes selbst, der einen 283 großen Teil der Verantwortung für den gescheiterten Feldzug trägt. Die Erzählung entlastet fensichtlich der vom Traum 18,1 eingejagte Schrecken, der Artabanos zu seiner Fehlinterpretation verleitete. 282 Regenbogen 1930, 99: „Daß eben dies die letzte Ursache des großen Perserkrieges ist, ein Götterwille, der den stolzen Menschensinn mit Trug umnebelt, ihn im kriegerischen Rausch von Glück und Größe die Grenzen überschreiten läßt. Das ist die Auffassung der attischen Tragödie ..." Hagel 1968, 54ff. erkennt im Göttlichen die letzte Ursache für den ,rational widersinnigen' Krieg: „Da sich ... das Walten des Göttlichen in bestimmten Bahnen b e w e g t . . . und das Schicksal nicht blind ist, wird der heraufbeschworene Krieg sinnvoll und das spätere Geschehen verständlich" (S. 59). Erbse 1979, 195: „Das Unternehmen geht nun von der Gottheit aus und wird auch gegen den Willen der Menschen durchgesetzt... Damit wird ihm die Verantwortung f ü r den Entschluß zum Kriege keineswegs a b g e n o m m e n . Aber es wird kundgemacht, daß ihm seine Hybris keine Umkehr gestattet, eben weil der Gott diese Anlage zur Maßlosigkeit in seinen Ausgleichsplan schon einkalkuliert hat ... w a s der moderne Beobachter also als Eroberungsdrang oder Machtgier nur der Entscheidungsfreiheit des handelnden Individuums zur Last legen würde, betrachtet Herodot als eine der mißgünstigen Gottheit willkommene Leidenschaft, als ein Mittel, durch das sie den machthungrigen Menschen zwingt, sich zu demütigen oder gar zu zerstören." Gärtner 1983, 17: „C'est une force divine qui est responsable d ' u n e decision erronee." Fornara 1990, 44f.: „The effect of his irresolution, which makes the dream necessary, is to demonstrate to us Xerxes' real absence of free will ... in the final analysis the invasion w a s prompted by higher powers that would not allow Xerxes to avoid this tragedy." Avery 1990, 96: „The divine intervenes to nullify all previous arguments and to force Xerxes on the road that the reader knows will lead to defeat." Levy 1995, 19 meint, Herodot könne so „insister sur ^interpretation des reves et sur l'impossibilite tragique de resister ä la fatalite." Für Nielsen 1997, 70, drückt der Traum aus, daß „ X e r x e s ' downfall w a s predestined" und S. 79: „Humans are the helpless victims of fate. The ultimate reason for Persian war lies in the inscrutable, divin will." 283 Meyer 1899, 20 geht so weit zu behaupten: „ ... bei Herodot ist Xerxes ohne Schuld, er hat den Krieg nicht gewollt, aber die Götter haben ihn dazu gezwungen, ihn von seiner Höhe herabzustürzen." Ebenso sieht Jacoby 1913, 482 in den Träumen einen ,,,Schicksalsschluß', das ist Herodots Erklärung." Dihle 1962b, 31: „Xerxes trägt an diesem Verhängnis moralisch so wenig Schuld wie der Aias der sophokleischen Tragödie. Die vergeltende Katastrophe bricht über beide herein, weil sie in gottgesandter Verblendung Taten verübten, die objektiv Vergeltung heischten." Wood 1972, 153: „By means of speeches, counter-speeches, night visions, and decisions, the helplessness of Xerxes in face of the daemonic situation is shown to be a tragic conflict." Hart 1982, 31 glaubt, daß „Xerxes is not deluding

168

HERODOT

Xerxes aber insofern, als dieser nach der Bekehrung des Artabanos subjektiv keine Alternative zum Feldzug mehr sieht. Die Entscheidung, den Feldzug gegen Griechenland zu unternehmen, begründet Herodot also auf zwei Ebenen. Einmal im Kronrat, wo vor allem

himself, he is being deluded." Dagegen Pohlenz 1937, 118: „Selbst die gottgewollte Verblendung schließt freies Handeln und Verantwortung nicht aus. ... Jedenfalls wird auch bei ihm Xerxes nicht im mindesten dadurch entlastet, daß wir das ganze Geschehen als göttliche Fügung erkennen sollen. Der Gedanke an das Aufgeben des Zuges entspringt auch nur einer augenblicklichen Stimmung. Nachher wie vorher ist seine Haltung die selbstsichere Hybris, die das Eingreifen der Gottheit herausfordert." Besser V. Lieshout 1970, 249: „From this follows that from a vertical (moral) standpoint man is only responsible for the way he resigns himself to his doom, in fear or self-assuredness, form a horizontal (ethical) point of view, as with regard to polis and tradition, he is also responsible for his deeds themselves. Or concretely neither Xerxes nor Artabanos are guilty of the bridging of the Hellespont; the are only guilty through their ϋβρις permanent in Xerxes and caused by his imperialism, transient in Artabanos and caused by his human wisdom. This difference makes Xerxes the hybristic hero and Artabanos the tragic one." Vgl. Hart 1982, 31: „Xerxes ... is punished for being the sort of man he is ... and the Greeks are the instrument chosen by fate to accomplish this." Lang 1984, 45: „Consequently Xerxes ... must at the same time be guilty of wrong and not guilty and the supranatural questioning with his epic overtones provides the spur of action despite a right decision." Zu einfach Raaflaub 1987, 242: „Xerxes' hybris consists precisely of intending to enslave all the Greeks. Whether they had, like the Athenians, committed injustice against Persia or not (7.8γ.3)." Bichler 2000, 322: „Herodots Historie rückt den Entscheidungsprozeß ins Zentrum und läßt Xerxes' eigenen Anteil an seinem Verhängnis unmittelbar miterleben. ... Die Welteroberungspläne des Xerxes lehren, in ihm kein schuldloses O p f e r eines höheren Geschicks zu sehen, sondern einen überheblichen und doch wankelmütigen Machtm e n s c h e n . " S c h u l t e - A l t e d o r n e b u r g 2001, 192: „ O h n e X e r x e s ' H a n d e l n zu determinieren, freilich unter einem massiven Druck auf seine Denkweise greifen die Götter gezielt und genau zu dem Zeitpunkt in die Geschichte ein, zu dem er sich gleichsam nicht seiner Persönlichkeit gemäß zu verhalten droht, und bringen ihn dazu, aus eigenem Antrieb wieder den für ihn charakteristischen Prämissen zu folgen." Ebenso Pietsch 2001, 213f.: „Geltungsdrang als charakterlicher Grundzug bietet den Schlüssel zum Verständnis von Xerxes' Verhalten gegenüber Träumen. Wichtig ist dabei v.a. der zweite Traum, da allein er massiv das Mittel des Trugs einsetzt ... Die bloße Androhung möglicher Niedrigkeit ist Xerxes so unangenehm, daß er sie gar nicht mehr am konkreten Fall überprüft." Und S. 218: „Nicht also äußere Determination, sondern die einseitige Fixierung auf einen vermeintlichen Vorteil ist es, die Xerxes nicht frei auch die anderen in der Sache relevanten Aspekte schauen läßt. Der göttliche Eingriff tritt dagegen nur in einem Moment ein, als Xerxes von der seinem Wesen gemäßen Entscheidung abfällt. Dabei passen sich die gottgesandten Gesichte der charakterlichen Struktur des Xerxes an und machen sie sich zunutze." Aber vgl. S. 155f., Anm. 252.

Die Reden in den Büchern 7 - 9

- aber nicht ausschließlich -

169

,säkulare' Argumente zur Sprache kom-

284

men. Die infolge des Machttriebes und der Tradition (des νόμος) fur Xerxes vorliegende psychologisch-politische Notwendigkeit w a r für Herodot nicht zwingend. Diese kann Xerxes, der gemäß Artabanos' Aussage 7,16 ohne äußere Beeinflussung zu seiner wahren Natur der Vernunft zurückgefunden hat, in seinen Reden 7,13 und 15 explizit widerrufen: Dadurch wird auch das Argument, Xerxes habe 285 das einmal angekündigte Unternehmen nicht abblasen können, entkräftet. 284 Gärtner 1983, 11: Im Gegensatz zu Thukydides „lui aussi presente des arguments politiques par lesquels Xerxes justifie son expedition contre la Grece; mais le facteur decisif pour cette entreprise contre l'Europe, c'est un reve ä plusieurs phases." Cobet 1986, 9: „ W e have to accept the coexistence in Herodotus of extra-human and human causes on different, but partly interconnected, levels." Ebenso DarboPeschanski 1987a, 66ff. Zu einseitig Regenbogen 1930, 94, für den am Anfang des 7. Buches nicht „die pragmatisch-historische, wohl aber die metaphysische Motivation" dargestellt ist. Ebenso Meier 1995, 389f., fur den „bei Xerxes' Entschluß zum Kriege gegen die Griechen die politischen Motive zwar erwähnt sind, aber ganz in den Hintergrund gedrängt werden durch religiös-metaphysische Vorgänge und Motivationen." Umgekehrt einseitig Huber 1965a, 148: „Der ganze Entschluß des Xerxes, einschließlich des Traumes ... ist völlig von den menschlichen Trieben, geschichtlichen Kräften und politischen Argumenten begründet und Gipfel eines historischen G e s c h e h e n s z u g e s . " Besser Romilly 1971, 334: „La causalite religieuse existe ... mais eile n'est pas l'universalite." Fisher 2002, 223: „Traditional moral beliefs concerning the connection between overconfidence and aggression are integrated with sophisticated political analysis of imperialistic traditions and of the pressures on successive kings, and then over-determinated by the morallygrounded intervention of the divine." 285 Evans 1961, 110 f.: „I should like to suggest that what the dream means is that if Xerxes does not make his Greek campaign, he will be changing the nomoi of Persia radically, and thereby endangering himself and his empire, for these nomoi have made Persia into a great imperialist state. ... Abandoning the Greek campaign meant abandoning the nomoi of Persia which had made her empire great. If Xerxes did that, the dream said he would be reduced speedily to low estate. ... For an imperialist empire like Persia, with an absolute monarchy ... abandoning the Greek campaign, and, with it, the policy of the Persian monarchy, was perhaps more dangerous than fighting and being defeated ... Xerxes is a kind of tragic figure, but what drives him into an act of hybris is not his fate, but the nomoi of Persia, which he cannot abandon without changing the nature of his empire and endangering his own position." Ebenso v. Fritz 1967, 249: „Ein König, der in der Weise, in der dies durch Xerxes geschieht, ein großes Unternehmen angekündigt hat und es dann wieder abbläst, weil er Bedenken bekommen hat, wird auch von denen verachtet, die das Unternehmen nicht gebilligt haben. ... Auch der Mißerfolg des Unternehmens kann ihm, falls sein Land nicht von den unüberlegt angegriffenen Gegnern erobert wird, nicht in dem Maße schaden, wie das plötzliche Zurücktreten von einem Unternehmen, das er angekündigt hat." Wood 1972, 155 weist auf die Anre-

170

HERODOT

Eine so wichtige und folgenschwere Entscheidung bedurfte Herodots Meinung nach einer doppelten Motivation. Man fühlt sich unweigerlich an Aischylos' Perser 742 erinnert: άλλ' δταν σπεύδη τ ι ς αυτός, χώ θεός ξυνάπτεται „Wenn jemand aus eigenem Antrieb etwas betreibt, packt auch der Gott mit an." 286 Dabei liefern und verkörpern die Träume, die eigentlich keine άπατη θεοϋ sind, die metaphysische Basis des persischen Imperialismus. Damit wird auch Pietschs Erklärung, es handle sich bei den Träumen um den literarischen Topos der π ε ί ρ α , der anzeige, daß die Träume nicht determinierend seien und deshalb mißachtet werden müßten, wobei prinzipiell eine sachangemessene Entscheidung zwar möglich bleibe, aber durch die charakterliche Prädisposition des Entscheidungsträgers Xerxes determiniert werde, entkräftet. 287 deform des Traumes hin 7,12,2 ώ Πέρσα und 14 ώ παΐ Δαρείου: „Xerxes is addressed in his suprapersonal function as king of Persia, and heir of Persia's kings ... Xerxes is not an individual with autonomous will ..., he bears the burden of and responsibility for his people and their empire." Corcella 1984a, 170: „II re, per conservare il proprio potere, deve anche assumersi il rischio di una sconfitta che coinvolga tutto il popolo." Besser Pietsch 2001, 213f., A n m . 32: „Xerxes hatte bei Kriegsverweigerung nicht mit einem Sturz durch enttäuschte Untertanen oder anderen Nachteilen zu rechnen. Vielmehr merkt Herodot auktorial an, die Perser hätten sich vor Freude Uber den Widerruf des Kriegsentschlusses Xerxes zu Füßen geworfen (7,13,3 ...). Ein Kriegsverzicht hätte für Xerxes schlimmstenfalls den Erhalt des Status quo bedeutet. Genau diese Überlegung hatte wohl - zumindest nach Herodot - auch Xerxes selbst angestellt. Hatte er doch den Kriegsbeschluß nicht aus bloßer Angst aufgehoben, sondern aus der nüchternen Überlegung heraus, ein (gefahrvoller) Feldzug bringe ihm (gegenüber dem Status quo) keinen Nutzen (7,12,1 ...)." Vgl. die Überlegungen 3,134. 286 Ebenso erwähnt Dareios v. 725 die göttliche Mitverantwortung: μ έ γ α ς TLC ήλθε δ α ί μ ω ν ώ σ τ ε μή φρονεί ν καλώς und Xerxes selbst v. 908ff., der analog zu A g a m e m n o n dem Daimon die Schuld gibt (911 ώ ς ώμοφρόνως δ α ί μ ω ν έ ν έ β η Περσών γ ε ν ε ά ) . 287 Munson 2001b, 43: „This explains why the vision appears to Xerxes when he becomes inclined not to march against Greece ... The vision that comes to Artabanus whith threats of punishment and branding ... embodies the royal nomos from a subordinate's perspective." Zur Frage des Trugs vgl. S. 164, A n m . 274. Anders Pietsch 2001, 215: „Beide Merkmale der angeführten homerischen Träume, die Rücksichtnahme auf die charakterlichen Dispositionen des Träumenden und die erkennbare Möglichkeit des Trugs gottgesandter Träume, blieben für die Folgezeit selbstverständlich." Daraus folgt S. 220: „Die Geschichte ist für Herodot primär Folge menschlicher Entscheidungen; die Götter tragen jedoch mit Hilfe der π ε ί ρ α Sorge, daß die Menschen sich charaktergemäß entscheiden und die historischen Folgen als Lohn oder Bestrafung zu tragen haben. Die Geschichte erhält dadurch innere Folgerichtigkeit - δει γ ε ν έ σ θ α ι . " Ebenso Schulte-Altedorneburg 2001, 191: „Die Notwendigkeit, die dem Artabanos zweifellos vor Augen geführt wird,

Die Reden in den Büchern 7-9

171

Die Traumsequenz ist somit keineswegs eine die Erzählung überdeterminierende Dublette, sondern eine notwendige Ergänzung zu den Reden im Kronart, mit denen sie formal und thematisch eng verflochten ist und eine Einheit bildet. 288

bezieht sich vielmehr auf den Zusammenhang zwischen der charakterlichen Disposition des Xerxes und seines Entschlusses zum Krieg." Als Gegenbeispiel nennt Pietsch Sabakos' trügerischen Traum 2,139, er solle alle ägyptischen Priester töten. Sabakos erkannte die πείρα 139,2 (λέγει, ν ώς πρόφασίν οί δοκέοι ταύτην τους θεούς προδεικνύναι.): „So vermied Sabakos gerade durch die Mißachtung des Traumes einen folgenschweren Frevel (S. 217)." Marinatos 1982, 261: „Wenn er (sc. Xerxes) nun wirklich ernstlich überzeugt wäre von den Argumenten des Artabanos, daß der Feldzug ein Fehler sei, dann erschiene die Drohung, er werde erniedrigt werden, als nicht so folgenschwer." Corcella 1984a, 173: „ Se Serse fosse stato accorto e disinteressato come Sabacone, avrebbe rinunciato al potere (sarebbe divenuto 'piccolo') pur di non imbarcarsi in una spedizione incerta e pericolosa, fonte di lutti per la Persia (e la Grecia); scegliendo di attaccare la Grecia, cerca di salvare il proprio potere, ma pretende anche - ciecamente - di vincere: la conseguenza e la sconfitta, e la rovina per il suo esercito." Aber der Traum kam Sabakos nach Ablauf der durch ein Orakel geweissagten Herrschaft von fünfzig Jahren (2,139,3), er wußte also, daß seine Herrschaft zu Ende ging, ebenso kam der Traum nur einmal zu ihm und drohte auch nicht mit Konsequenzen bei Nichtbeachtung. Dagegen suchte der Traum zweimal Xerxes und einmal Artabanos, dem er bei weiterer Obstruktion des Laufes des Schicksals gewaltsame Konsequenzen androhte, auf und hörte erst bei der Befolgung seines eindeutigen Befehls auf. Somit handelte es sich nicht um eine πείρα, wie bei Sabakos oder Agamemnon in der llias, wo Agamemnon ebenfalls keine Konsequenzen angedroht wurden. Vgl. zu Sabakos, S. 98, Anm. 85. Ebenso einseitig ist die Position von Bodei Giglioni 2002, 106f., die glaubt, daß „l'intervento divino rappresenti una sfida che serve a far risaltare la libertä umana ... 1) Serse non e semplicemente costretto a intraprendere la spedizione contro i Greci, ma vede in questi segnali - a causa del suo desiderio illimitato di potenza e di gloria - quello che vuole vedere fino dal suo primo cambiamento di opinione, quando cioe si pone sul piano della hybris; 2) in generale, gli uomini non sono semplicemente liberi di rispondere a una sfida per dimostrare la loro autonomia: essi sono spinti a prendere certe strade piuttosto che altre. Coloro che posseggono il senso del limite ο hanno la saggezza di rientrare nei propri confini dopo aver desiderate di oltrepassarli, sono perö in grado di trasformare l'avvertimento divino in segnale di pericolo." Einerseits wird aber bei dieser Position nicht berücksichtigt, daß Xerxes' Meinungsumschwung, der ja vor dem ersten Traum stattfand und an dem dieser auch am folgenden Tag (7,13) festhielt, aufrichtig war. Andererseits wird die Rolle der Bekehrung des Artabanos, der durch den Traum gezwungen wurde, seine Meinung zu ändern, und Xerxes darauf zum Feldzug ermunterte, unterschätzt. 288 Hagel 1968 spricht von einem zweiten Prooimion, S. 80: „Die Komposition der Kapitel 7,8-18 ist eine bemerkenswerte Leistung Herodots. Er hat nicht nur die Entwicklung des persischen Reiches, den Konflikt mit den Griechen, soweit es be-

172

HERODOT

Durch das Mittel der direkten Reden sowohl im Kronrat als auch in der Traumsequenz, überläßt der Narrator den betroffenen Figuren, dem Entscheidungsträger Xerxes und den diesen zu beeinflussen suchenden Akteuren die Fokalisation, wodurch diese auch charakterisiert werden, lenkt aber durch kurze Einschübe als Regisseur im Hintergrund die Rezeption. Auf dem Höhepunkt der persischen Macht sollen die Reden als Ruhepunkte in der Erzählung der Ereignisse auf lebendige, dramatische Weise die folgenden Handlungen motivieren und dem Leser den Entscheidungsprozeß, der zum Xerxes-Feldzug führte, plastisch vor Augen fuhren, ihm wichtige Erklärungsansätze zur Deutung der folgenden Ereignisse geben und ihn schließlich auch dazu ermuntern, diese von Herodot erzählte Sequenz mit seiner eigenen Erfahrungswelt zu vergleichen. 2 8 9

2.3.1.3. Die Reden im Reisebericht von Asien zum Hellespont (7,20^13) Während der Narrator bei der Entscheidungsfindung die Fokalisation den historischen Personen überlassen hat, tritt dieser in der Folge wieder in den Vordergrund. In einem Binnenproömium beansprucht er fur sich, über den größten Feldzug der bisherigen Geschichte zu schreiben, 20,2: στόλων γαρ των ή μ ε ΐ ς ϊδμεν ττολλω δή μέγιστος O U T O C έγενετο. „Denn von allen Kriegszügen, von denen wir wissen, ist dies der weitaus größte gewesen." Das Kriterium der Größe ist dabei entscheidend: Denn weder der von Herodot selbst berichtete Feldzug des Dareios gegen die Skythen und der Skythen nach Asien noch frühere Feldzüge (externe Analepsen aus dem

reits zu direkten Zusammenstössen g e k o m m e n ist, zusammengefaßt; nicht nur den zukünftigen Verlauf des Krieges zwischen Ost und West genau vorgezeichnet; er hat auch diese zwei Komponenten in starker Verdichtung zu einer gedanklich-interpretierenden Einheit verschmolzen." 289 Pohlenz 1937, 128: „Historische Personen sind auch die Sprecher, und wenn er Vertreter der beiden entgegengesetzten Standpunkte das Wort ergreifen läßt, will er offenbar das Widerspiel der Kräfte vor Augen führen, die in diesem geschichtlichen Augenblick um die Entscheidung rangen. Auch sein Ziel steckt er sich also als der Historiker, der überlieferte Wirklichkeit darzustellen und dabei die inneren Vorgänge zu klären hat. Des Neuen, das er damit unternimmt, ist er selber sich durchaus bewußt. Denn in den früheren Büchern finden wir nirgends eine solche Beratung. Erst in dem Augenblick entfaltet er seine Kunst, in dem die Entscheidung von welthistorischer Bedeutung fällt." In der Verfassungsdebatte 3 , 8 0 - 8 2 werden drei theoretische Positionen geäußert, die kaum aufeinander Bezug nehmen und denen im Gegensatz zu den Reden in Buch VII die innere, psychische Dimension der Sprecher weitgehend fehlt.

Die Reden in den Büchern 7 - 9

173

,spatium mythicum') können sich damit messen. 290 In höchst polemischem Ton fügt er zwei rhetorische Fragen hinzu: τι γαρ ούκ ήγαγε έκ της Ά σ ί η ς έθνος επί την 'Ελλάδα Ξέρξης; κοΐ ο ν δέ πίνόμεν ον ϋδωρ ούκ έπελιπε πλην των μεγάλων ποταμών; „Denn welches Volk führte Xerxes nicht gegen Griechenland? Welches 291

Trinkwasser versiegte ihm nicht außer an den großen Strömen?" Die folgenden Kapitel 22 und 23 illustrieren als Exkurs den Bau des Athos-Kanals, wobei Herodot einerseits die Tatsache, daß die Arbeiten unter dem Zwang der Peitsche (ύπό μαστίγων) durchgeführt wurden, andererseits den Eingriff der Perser in die Natur betont. Auktorial fugt er als Motiv für den Bau des Athos-Kanals Xerxes' Wunsch nach Nachruhm 292 und seine Geltungssucht (μεγαλοφροσύνη) an. Der folgende Reisebericht (26^12) enthält einerseits viele interessante geographische, ethnographische und historische Notizen. Dazu kommen anekdotische und novellistische Einlagen mit symbolischer Bedeutung, die durch den Gebrauch direkter Reden dramatisch ausgeschmückt und dadurch zu Ruhepunkten von exemplarischer Bedeutung werden. Herodot selegiert, rafft und verteilt die Ereignisse auf die ganze Reise, die den kunstvollen Rahmen dieses trotz seiner Vielfalt als Einheit konzipierten Abschnitts bildet, durch den Herodot in freier Gestaltung Xerxes und

290 Vgl. zum Charakter dieses Proömiums Immerwahr 1966, 63f. Wood 1972 betont die in chronologischer Regression a u f g e z ä h l t e palindromische A n o r d n u n g der Feldzüge Europa-Asien-Asien-Europa, die an die Struktur des Proömiums 1,1-5 erinnert, wobei hier das Gewicht nicht auf das Vergelten von Unrecht, sondern bloß auf die Größe gelegt ist. 291 Den ersten Themenkreis illustriert er im Heereskatalog bei der Überschreitung des Hellesponts 7 , 6 1 - 9 9 . Dagegen pflegt er während der Beschreibung des Marsches j e w e i l s zu berichten, wann ein Fluß versiegte. So ist 7,43,1 der Skamandros in Troia der erste Fluß, der nicht genügend Wasser für das Heer hatte; in Europa versiegten der Schwarze Fluß (7,58,3), der Lisos (109,1), der Echeidoros (127,2), viele Flüsse (187,1), in Thessalien der Onochonos (196), während in Achaia nur der Epidanos genügend Wasser hatte. 292 7,24: μ ε γ α λ ο φ ρ ο σ ύ ν η ς ε'ίνεκεν α ϋ τ ό Ξ έ ρ ξ η ς ό ρ ύ σ σ ε ι ν έκέλευε, έθέλων τ ε δ ύ ν α μ ι ν ά π ο δ ε ί κ ν υ σ θ α ι και μ ν η μ ό σ υ ν α λ ι π ε σ θ α ι . „Xerxes ließ diesen Graben aus purem Geltungsbedürfnis ausbauen, um damit seine Macht zu zeigen und ein Denkmal zu hinterlassen." Den militärischen Nutzen für die Perser, deren Flotte 492 am Athos Schiffbruch erlitten hatte (6,44,2f.), nennt er nicht explizit, sondern widerlegt durch die Aussage, daß es problemlos möglich gewesen wäre, die Schiffe über die Landenge zu ziehen, implizit den Nutzen des Kanals.

HERODOT

174

seinen Zug charakterisiert. 293 Folgende drei Themenkomplexe charakterisieren die Darstellung wesentlich: „The first is the magnificence and enormity of X e r x e s ' forces, the second is a series of omens, the third a metaphysical discussion of the campaign through conversations and incidents." 2 9 4

Der erste Teil der Pythios-Novelle (7,27-29) nimmt dabei einen bedeutenden Platz ein. Das Gespräch wird auktorial vorbereitet: Der reiche Pythios, Atys' Sohn und Kroisos' Enkel, bewirtete Xerxes und bot ihm bereitwillig ,

295

sein Vermögen an (έπαγγελλετο). Zunächst wird in oratio obliqua durch die einleitende Frage des Xerxes an seine persischen Begleiter, wer jener sei und wieviel Geld er besitze (τις, κόσα χρήματα), das Gespräch angebahnt (7,27,2). In der direkten Antwort wird in einer kompletiven Analepse einerseits eine von Pythios Dareios erwiesene Wohltat erwähnt, anderer293 Macan 1908ii, 127: „The route map is involved in the narrative of the march, and that narrative itself is not a bare itinerary, but is embroidered with anecdotes, and enriched with incidents, of varying probability and significance, some of these passages, indeed, presenting data of importance for the light they throw upon general questions of the organisation, numbers, and character of the forces, and even upon general questions of policy and strategy." Myres 1953, 78f. betont die Bedeutung der Reden als statischer Ruhepunkte, „to mark statically the crucial moments, and with the main narrative broken into episodes by self-contained descriptions or incidents relevant to what precedes and follows." G o m m e 1954, 87 legt den Akzent auf die künstlerische Bearbeitung der Erzählung im Sinne der Aristotelischen Poetik: „The narrative is not a statement of a particular event, but sometimes generalized, καθόλου πεττοιημενον as generalized as Aischylus' Persai; and the events related are logically connected, the one following the other κατά τ ο ε ι κ ό ς ή τ ό ά ν α γ κ α ΐ ο ν , according to probable or necessary sequence, not ώ ς ε κ α σ τ ό ν τι ε γ ε ' ν ε τ ο . " Für Selincourt 1962, 266, gibt der Marsch nicht bloß „military and factual details", sondern „his theme is the life of Man, and his book ... is concerned to present the life of men, the human condition, with all the resources of imagination." Immerwahr 1966, 13 If.: „The real unity of the narrative is achieved by the incidental stories with their multiple themes and cross references. The measured stages of the march are articulated by static pictures which have a symbolic significance." Harrison 2002, 560: „The detailed narrative of Xerxes' itinerary through Europe digresses to include not only details of the towns and rivers passed by the Persians, but a whole range of curiosities ..." Über die Strecke von Susa nach Kritalla wird nichts gesagt, w a s für Cook 1985, 202f. bedeutet, daß „Herodotus' good faith and reliance on sources rather than invention is illustrated by his account of X e r x e s ' march westward. The detailed narrative only begins at the point where Xerxes is approaching the metropolis of the Eastern Greek world at Sardis." 294 Wood 1972, 157. 295 Pythios wird mit Patronymikon und Herkunftsbezeichnung wie ein griechischer Held, z.B. im Epos, eingeführt. Thematisch verbindet ihn der große Reichtum und der Anspruch der Autarkie 7,28,3 mit Kroisos. Vgl. dazu Lewis 1998.

Die Reden in den Büchern 7 - 9

175

seits Pythios als der reichste Mann nach Xerxes bezeichnet (πρώτος ανθρώπων πλούτω των ήμεις 'ίδμεν μετά σε). Diese Aussage löste, wie der Narrator (7,28,1) sagt, bei Xerxes Verwunderung aus (θωμάσας), so daß er nun Pythios persönlich nach seinem Reichtum fragte. In seiner Rede zählte Pythios all seinen Reichtum auf, 296 betonte aber, daß er auf das Geld verzichten und von seinem Land und den Sklaven 297 · · ' leben könne (άρκέων εστί βίος). Der Beginn von Pythios' Rede (ούτε σε αποκρύψω ούτε σκήψομαι. ..., αλλ' έ π ι σ τ ά μ ε ν ό ς TOL άτρεκέως καταλέξω) nach dem σχήμα κατ' άρσιν και θέσι,ν ist episch und erinnert an Od. 4,347—50 (των ουδέν TOL κρύψω έπος ούδ' έπικεύσω), auch wenn er von Herodot selbständig verarbeitet und komprimiert wird. Pythios kann Xerxes' Verwunderung durch die Verbindung zweier Ausdrücke mit entgegengesetzter Bedeutung, im Vorderteil mit doppelter Litotes und durch den Anspruch auf Genauigkeit souverän beschwichtigen. Xerxes war über das großzügige Angebot des Pythios sehr erfreut (28,3 ήσθείς) und lobte in seiner Antwortrede sowohl die erwiesene 298 Gastfreundschaft als auch das spontane Angebot (αύτεπάγγελτος ). Er machte ihn zum Gastfreund (ξεΓνος) und schenkte ihm eine weitere Summe Geld. Im gleichen Atemzug forderte er allerdings weiterhin dieselbe Haltung von Pythios (29,3 έ π ί σ τ α σ ό τε είναι αίεί τοιούτος). Kunstvoll ist der Chiasmus έκτησό τε - α ύ τ ό ς / α υ τ ό ς - έκτήσαο mit Homoioteleuton -so/te und έπίστασό τε. Xerxes ist der großzügige Herrscher, der sich spontan freut und die spontane Bereitwilligkeit seiner Untertanen zu belohnen weiß, diese jedoch immer und bedingungslos fordert. Die Reden und der Dialog in der oratio recta, z.T. in rhythmisierter Prosa mit vielen Anapästen, dienen erstens dazu, die ganze Novelle anschaulich und lebendig zu gestalten (Dramatisierung), zweitens dazu, den eigentlichen Protagonisten Xerxes durch ,Wort und Tat' zu charakterisieren. Gedanklich und thematisch recht eigenständig, ist dieses Gespräch 296 Zur Analyse und Interpretation des Gesprächs vgl. Heni 1977, 26ff. und Lewis 1998. 297 Während Xerxes Pythios' Autarkie-Ideal 29,3 explizit billigt, genügen ihm im Gegensatz dazu sein Besitz und sein Reich nicht. Er wird durch den persischen Imperialismus dazu getrieben, die Grenzen seines Reiches zu Uberschreiten. 298 Dieses Adjektiv, ein Hapax bei Herodot, gibt das Leitmotiv des Gesprächs, die spontane O f f e r t e des Pythios, wieder. Viermal steht das V e r b έπαγγέλλεσθαι. (27,1; 2bis; 29,1), zweimal Umschreibungen 28,2 βούλομαι δούναι und 29,1, α ύ τ ε π ά γ γ ε λ τ ο ς ... ηθέλησε σ υ μ β α λ ε σ θ α ι , zweimal δωρέομαι. (27,2 und 28,3) und 29,2 γ έ ρ ε α τοιάδε δίδωμι.

176

HERODOT

nicht direkt mit den politischen Reden verbunden, sondern gibt dem Rezipienten einen Einblick in Xerxes' Charakter, der für das Verständnis des bevorstehenden Feldzugs von entscheidender Bedeutung ist. Nach weiteren kurzen Etappen gelangte Xerxes nach Sardes, wo er überwinterte. Von dort schickte er mit Ausnahme von Athen und Sparta Boten nach Griechenland (7,32) 299 in der Erwartung, daß diejenigen, die sich nicht Dareios unterworfen hatten, sich ihm nun aus Furcht (δείσαντας) unterwerfen würden. In Abydos wurde (7,33-37) eine erste Brücke über das Meer gebaut. In einer internen Prolepse weist Herodot an dieser symbolträchtigen Stelle auf das Ende des Artayktes hin (9,116ff.); dem Leser wird also bereits an dieser Stelle in Erinnerung gerufen, daß die Perser am Ende geschlagen und aus Europa vertrieben werden. Ein Sturm zerstört die Brücke, Xerxes bestraft das Meer durch Peitschenhiebe (7,35 μ ά σ τ ι γ ι ) und sogar Brandmale, wobei er, wie Herodot vermerkt, im Affekt den Henkern auftrug, barbarische und frevelhafte Worte (βάρβαρα τε και άτάσθαλα) zu sprechen. Ώ πικρόν ϋδωρ, δ ε σ π ό τ η ς τοι δίκην ε π ι τ ι θ ε ΐ τήνδε, δτι μιν ήδίκησας ουδέν πρός εκείνου άδικον παθόν, και βασιλεύς μεν Ξέρξης διαβήσεταί σε, ην τε σύ γε βούλη ην τε μή· σο! δέ κατά δίκην άρα ουδείς ανθρώπων θύει ώς έόντι. θολερω καΐ άλμυρω ποταμώ. „Du bitteres Wasser, unser Herr legt dir diese Strafe auf, weil du ihn beleidigt hast, ohne daß er dir ein Unrecht tat. König Xerxes wird über dich hinweggehen, du magst wollen oder nicht. Dir aber opfert mit Recht kein Mensch, weil du nur ein schmutziger salziger Fluß bist."

Das Zitat dient hier dazu, Xerxes durch seine Worte dramatisch zu präsentieren und als frevelhaften Despoten zu charakterisieren, der sich auf die gleiche Stufe, j a sogar noch über die Naturgewalten setzt und sich das Recht herausnimmt, diese zu bestrafen (35,3 £ημιοΰν). Die oratio recta steigert durch die Unmittelbarkeit der Worte die Wirkung auf den Rezipienten, dessen Interpretation des Zitats von Herodot durch das wertende Adjektiv (άτάσθαλα) bewußt gesteuert wird. 300

299 Die Erzählung über diese Boten, die den Rahmen und zugleich die Klammer um Xerxes' weitere Annäherung an Griechenland bilden, bevor dann der Fokus zu den Griechen wechselt, wird erst 7,13Iff. fortgeführt. 300 Die Bestrafung des Flusses Gyndes durch Kyros 1,189 verstößt gegen die N o m o i der Perser (1,138,2). Kyros, der aus Übermut (ύπό ϋ β ρ ι ο ς ) den Fluß zu Pferd durchschreiten wollte und dabei sein Pferd verlor, ließ aus Zorn über diesen Unfall (κάρτα τ ε δή ε χ α λ ε π α ι ν ε τ ω π ο τ α μ ώ ) den Fluß in 360 Kanäle teilen und rächte sich ( ε τ ε ί σ α τ ο ) so. Für die griechischen Rezipienten besteht die B e s c h i m p f u n g

Die Reden in den Büchern 7 - 9

177

Im Frühling 480 bricht Xerxes nach der Winterpause in Sardes, die geschickt durch die Beschreibung des Brückenbaus ausgefüllt worden ist, mit dem Heer auf. Dabei hat die Geschichte der Sonnenfinsternis, die als Warnungs- und Ankündigungs-τέρας aufzufassen ist, symbolischen Charakter. Herodot erzählt den ganzen Vorfall aus der Sicht des Xerxes als eines sekundären Fokalisators, der durch die Episode als wankelmütig und leichtgläubig dargestellt wird. Zuerst w a r er nachdenklich (επιμελής) gestimmt, als aber die Magier ihm die Sonnenfinsternis positiv deuteten, kehrte sogleich seine Freude zurück (περίχαρης). 3 0 1 Nach einem zeitlichen Intervall folgt 7,38ff. der zweite Teil der Pythios-Novelle. Pythios, der ebenso wie Xerxes durch die Sonnenfinsternis in Schrecken versetzt worden war (καταρρωδήσας) und um eine Unterredung ersucht hatte, andererseits aber infolge von X e r x e s ' Großzügigkeit auch M u t gefaßt hatte (7,38 έπαρθείς

τε

τοισι

δωρήμασι

...

θαρσήσας),

bat in einer direkten Rede zunächst Xerxes, er m ö g e ihm einen leicht zu 302

erfüllenden Wunsch, der für ihn jedoch sehr bedeutend sei, erfüllen. Als Xerxes ihm dies in einer kurzen indirekt erzählten Replik zugestand, bat Pythios in oratio recta Xerxes, von seinen Söhnen wenigstens den Ältesten vom Kriegsdienst zu befreien. Doch war Xerxes über Pythios sehr empört (7,39 κάρτα τε έθυμώθη) 3 0 3 und sprach ihn nun im Gegensatz zu 29,1 (ξεΐνε

Λ υ δ έ ) a b s c h ä t z i g a l s f r e c h e n M e n s c h e n (ώ

κακέ

ά ν θ ρ ω π ε ) a n . In

seiner langen Replik in fast hysterischem Ton, die den U m s c h l a g der Affekte von Freude über Großzügigkeit zu Zorn zeigt, brandmarkt Xerxes

darin, daß Xerxes göttliche Naturgewalten schmäht (vgl. die homerische Formel ε ι ς αλα δ ΐ α ν , z.B. II. 1,141); der Hellespont als Teil der α λ ς ist das Reich Poseidons. Pharao Pheros, der aus Frevelmut ( ά θ α σ τ α λ ί η ) eine Lanze in den Nil schleuderte, wurde als Strafe dafür sogleich blind. G e m ä ß Bodei Giglioni 2002, 33f. entgeht Herodot „il significato religioso di tale flagellazione: nella prospettiva dualista zoroastriana, infatti, non solo il mare viene considerato ribelle in quanto si oppone al giusto ordine, impedendo la giusta missione del re, ma l'acqua salata non e altro che acqua dolce contaminata da una divinitä negativa." 301 Die Mager meinten, die Perser seien der Mond, die Griechen die Sonne, die ihre Städte durch die Sonnenfinsternis verlören. Auch wenn Herodot explizit dieses Deutung nicht anficht, kann man vermuten, daß sich die Mager wie 7,19 täuschten: die Dauer einer Sonnenfinsternis ist kurz, ebenso würden Xerxes' Erfolge nicht dauerhaft sein. Bicknell 1990, 177 weist auf den symbolischen Gehalt hin: Die Sonne stehe für Mithra und zeige die baldige Nemesis an. 302 Vgl. 38,1 die Antithese έλαφρόν - μ έ γ α . 303 Wut (θυμωθείς) als Reaktion des Xerxes auch 7,11,1, 210,1, 238,2 und Ebenso Kambyses 3,32,4 und 34,3.

9,115,1.

178

HERODOT

Pythios' Unverschämtheit. W o Xerxes selbst mit seiner Familie und Freunden in den Krieg ziehe, 304 wage es Pythios (σύ έτόλμησας), der doch eigentlich nur ein Sklave (δοϋλος) sei, wie die rhetorische Frage zeigt, und mit seiner ganzen Familie folgen müßte, einen solchen Wunsch zu äußern. Xerxes versucht seine Reaktion durch eine Gnome als allgemeinmenschlich darzustellen: ευ νυν τόδ' έξεπίστασο, ώς έν τοΐσι ώσί των ανθρώπων ό θυμός, ός χρηστά μεν άκουσας τέρψιος έμπιπλεει τό σώμα, ύπεναντία δέ ο 305 τουτοισι. ανοι,δεει.. „ N i m m du nun das gut zur Kenntnis, daß des Menschen Geist in seinen Ohren wohnt: Hört er Gutes, so erfüllt das seinen Körper mit Freude; erfährt er aber das Gegenteil, so braust er auf."

So wie Xerxes Pythios' spontanes Hilfsangebot (έττηγγέλλεο) großzügig belohnt habe, bestrafe er nun Pythios' Unverschämtheit (άναιδέστερον), jedoch angesichts der Gastfreundschaft weniger, als er es eigentlich verdient habe (έλάσσω τ η ς άξίης). Durch die Wiederholung von άξίη als Kyklos und λάμψεαι. als Zeugma in der verkürzten correctio will er seine Reaktion als angemessen zeigen. Er verschont ihn selbst und vier seiner Söhne, aber läßt den ältesten Sohn, um dessen Verschonung Pythios gebeten hatte, töten. 306 Dieses Gespräch ist nach demselben Schema wie das erste aufgebaut: Xerxes reagiert auf ein unerwartetes Angebot bzw. eine Bitte mit Freude bzw. Zorn und wird dadurch als wandelbar, impulsiv und als einer, der seinen θυμός nicht zügeln kann, charakterisiert. Dagegen illustriert Pythios' Schicksal den Wandel und die Unbeständigkeit des menschlichen Glücks. Er ist ein prominentes Opfer des persischen Despotismus, der den Untertanen keine Sicherheit (αυτάρκεια) vor der Übergriffen des Herrschers gewährt. 307 304 Die A u f z ä h l u n g ist als Antiklimax nach abnehmender Verwandtschaft (τταΐδας, αδελφούς, οίκηίους, φίλους) gegliedert. Vgl. dazu Heni 1977, 40ff. Hyperbolisch ist wohl die Aussage, daß Pythios mitsamt seiner Frau folgen müßte. 305 Shapiro 2000, 107 sieht eine Parallele zu K a n d a u l e s ' G n o m e 1,8,2 ώ τ α γ ά ρ τ υ γ χ ά ν ε ι άνθρώττοισί έ ό ν τ α άττιοστότερα οφθαλμών („den Ohren glauben j a die Menschen weniger als den Augen"). Kandaules hatte die G n o m e gebraucht, um einen Verstoß gegen eine Norm zu rechtfertigen: „Xerxes' gnome at 7,39,1, though expressing the opposite point of view, is similarly used to justify an inappropriate action." 306 Dabei handelt es sich wahrscheinlich um ein Erstlingsopfers. Vgl. zum rituellen Aspekt Bichler 2000, 334. 307 A u s dem S k y t h e n f e l d z u g 4,84 ist ein ähnliches Anliegen des Oiobazos, der Dareios gebeten hatte, einen seiner drei Söhne vom Kriegsdienst zu befreien, damit

Die Reden in den Büchern 7-9

179

Die weiteren Etappen des Marsches werden gerafft, während die Handlungen in Troia, die beträchtlichen symbolischen Charakter haben, ausführlich geschildert werden ( 7 , 4 2 , 2 ^ 3 ) : Zunächst wird das Heer am Ida von einem Gewitter, das im Heer Panik auslöst und große Verluste verursacht, über308 rascht. Das Opfer in Troia fallt negativ aus. Die Reaktion der Götter zeigt, daß sie nicht käuflich sind. Die nächtliche Panik (νυκτός φόβος), welche die Troia-Episode umrahmt, soll zusätzlich beweisen, daß die Götter ganz allgemein Xerxes' Handlungen nicht gutheißen und speziell seinen Feldzug mißbilligen. 309

2.3.1.4. Die Überschreitung des Hellespont und das Gespräch zwischen Xerxes und Artabanos (7,44-99) Die Heeresschau, die vor allem eine Machtdemonstration sein soll, entspringt dem Wunsch des Xerxes (7,44: ηθέλησε, ίμέρθη), seine Machtmittel zu sehen. 310 Er setzt sich an erhöhter Stelle auf einen Thron und betrachtet eine Seeschlacht seiner Flotte, über die er sich freut (ήσθη). 3 " Jedoch schlägt seine Stimmung sogleich um: Er preist sich glücklich und weint dann wie ein epischer bzw. tragischer Held (7,45 έμακάρισε ... έδάκρυσε). Dadurch wird Xerxes vom Narrator sowohl durch verbale als 312 auch non-verbale Handlungen als äußerst affekt-labil charakterisiert.

308 309

310

311 312

vergleichbar. Während Dareios die geheime Tötung derselben befahl, zog der Affektmensch Xerxes die exemplarische Bestrafung vor. Zwar war die Art der Tötung von Pythios' Sohn theatralischer und grausamer, doch verschonte Xerxes die anderen Kinder, während Dareios alle töten ließ. 7,42,2. Damit erfüllte sich eine von Artabanos 7,10 e geäußerte Befürchtung. Harrison 2000a, 81: „The implication of these passages must be that his entry into Troy, and perhaps his attempt to legitimise his possession of Troy, if not somehow to legitimise his whole campaign by propitiating Athena and the Troian heroes, in actual fact displeases them." Vgl. in 7,44 die vielen Wörter des Sehens: zweimal ίδέσθαι und die Partizipien κατορών, θηεύμενος und die finite Form ε θ η ε ΐ τ ο und 7,45 ώρα. Xerxes ist ein aisthetischer Mensch, der das, was er greifbar sieht, glaubt. Diese Szene weist auf Salamis (8,86ff.) hin, wo Xerxes ebenfalls die Schlacht, die diesmal echt ist, betrachtet. Von den Königen weint sonst nur Kroisos (1,87,2 und 3,14,11) und das Volk der Athener im Theater 6,21,2. Müller 2006, 15ff. meint, Xerxes weine Uber „die Dauer der Geschichte. ... Dauer heißt: ich selber weiß, daß es weitergeht, wenn ich selber tot bin. Dazu reichen die hundert Jahre, von denen Xerxes spricht, völlig

180

HERODOT

Der Übergang von Asien nach Europa wird von zwei Gesprächen umrahmt, die den Tatsachenbericht von innen her ausleuchten und kommen313

tieren. Das erste Gespräch zwischen Xerxes und Artabanos ergänzt und vervollständigt die Reden im Kronrat. 1. In einem Vorspiel (7,46), bestehend aus einer kurzen Frage des Artabanos und einer Antilogie aus Rede und Gegenrede, wird zunächst Xerxes' schwankendes Benehmen untersucht: In der Einführung des Artabanos erwähnt der Narrator explizit dessen freimütig geäußerte Ablehnung des Feldzugs (öc τό πρώτον γνώμην άπεδέξατο ελευθέρως ού συμβουλεύων). Als er Xerxes weinen sah, fragte er ihn in oratio recta nach dem Grund seines so gegensätzlichen Verhaltens. 314 Dieser antwortete, er habe beim Nachdenken über die Kürze des menschlichen Lebens gejammert (ως βραχύς εϊη ό πας ανθρώπινος βίος 7,46,2). In einer Hyperbole, die für den Rezipienten nicht der tragischen Ironie entbehrt, sagt er, daß in hundert Jahren keiner der Soldaten am Leben sein werde. 315 Artabanos gibt jedoch, hin. ... Sich selbst in seinem Elend anzuschauen, als wenn man ein anderer wäre, den man dann beweinen würde, ist die Voraussetzung, um überhaupt - nämlich über sich selbst - zu weinen." 313 Wood 1972, 159: „The dialogue in its setting within the narrative and contents, sums up the total situation of Xerxes: the ambivalence of his undertaking, the tragic nature of greatness, the hazardousness of human undertakings, the insecurity of existence, the impossibility of knowing the truth before it happens and the actual perils of the expedition." 314 Dabei wiederholt Artabanos wörtlich, was der Narrator 45 berichtet hatte: μακαρίσ α ς γ α ρ σ ε ω υ τ ό ν δακρύεις, was eigentlich für den Rezipienten entbehrlich, aber in der Logik des Gesprächs nötig ist. In kürzeren Gesprächen hat sonst eine in oratio obliqua stehende Einleitungsfrage dieselbe Funktion (vgl. S. 115). Durch die Wiederholung dieser Worte wird einerseits Artabanos' Erstaunen als Anbahnung des Gesprächs unmittelbar in lebendiger Dramatik dem Xerxes vermittelt, andererseits erhalten sie dadurch eine emphatische Bedeutung: Xerxes' widersprüchliches Benehmen, wie Artabanos explizit sagt (πολλόν αλλήλων κ ε χ ω ρ ί σ μ ε ν α ) , ruft Verwunderung hervor. Zu weit geht Masaracchia 1976, 69: „Artabano ha evidentemente inteso il pianto di Serse come un sintomo di debolezza ο di paura e, domandando la ragione del suo comportamento contraddittorio, spera di ottenere un ripensamento." Denn 7,47 geht die Frage nach der Erfolgschance von Xerxes aus; Artabanos verhält sich eher passiv. 315 Vgl. Bischoff 1932, 62: „Ja nicht einmal das Heer an sich, das er als Fundament und Verkörperung der königlichen Größe hier und jetzt besitzt, sieht er bedroht, sondern nur den Soldaten als menschliches Individuum; die Soldaten werden ... nach hundert Jahren nicht mehr sein; aber der König sieht nicht, daß das Heer als ganzes bald das Schicksal heimsuchen wird." Ebenso Heni 1977, 85: „Die meisten dieser Soldaten werden keine 100 Jahre mehr leben, auch keine wahrscheinlichere

Die Reden in den Büchern 7 - 9

181

ganz in der Tradition griechischer Weisheit stehend, nicht ohne rhetorische Ausarbeitung und in emphatischer Formulierung zu bedenken, 7,46,3: έν γαρ οϋτω βραχεί βίω - ουδείς ούτως - άνθρωπος έών ευδαίμων πε'φυκε - ούτε τ ο ύ τ ω ν ούτε των άλλων — τω ού παραστήσεται - πολλάκις και ούκί άπαξ — τεθνάναι βούλεσθαι — μάλλον ή £ώειν. αι τε γάρ συμφοραι προσπίπτουσαι και αί νούσοι συνταράσσουσαι και βραχύν έόντα μακρόν δοκέειν είναι ποιεΰσι τόν βίον. οϋτως ό μεν θάνατος μοχθηρής έούσης τ η ς £όης καταφυγή αίρεωτάτη τω άνθρώπω γέγονε, ό δέ θεός γλυκύν γεύσας τόν αιώνα φθονερός εν αύτω εύρίσκεται έών. „Denn in dem so kurzen Leben ist keinem, da er ein Mensch ist, solches Glück beschieden, keinem von diesen hier und sonst keinem, daß nicht an ihn der Wunsch heranträte, öfter und nicht nur einmal, lieber tot zu sein als zu leben. Denn da brechen Unglücksfälle herein, da verstören uns Krankheiten, und beides macht, daß dies Leben, so kurz es ist, uns lang vorkommt. So ist dann, wenn das Leben zur Last wird, der Tod den Menschen wünschenswerteste Zuflucht; und der Gott, der uns die Süße des Daseins kosten ließ, wird eben darin als mißgünstig erfunden." 3 1 6

Man beachte die durch die vielen verneinten Ausdrücke und Einschränkungen bewirkte Emphase des symmetrisch gebauten ersten Satzes, der retardierend den Gedanken erweitert: Dem zweiten Satz verleihen Parison und Homoioteleuton (auf -ης) Kohärenz. Im ersten Teil des Gesprächs, welches Leitmotive des Dialogs zwischen Solon und Kroisos aufnimmt, sind die Kürze des Lebens, die Vergänglichkeit des menschlichen Glücks, der Tod als bevorzugter Ausweg und der Neid der Götter die Hauptthemen. 2. Darauf lenkt Xerxes (7,47), der Artabanos' Analyse vollumfänglich akzeptiert, das Gespräch auf praktische Themen, die mit den Erfolgschancen des bevorstehenden Feldzugs zusammenhängen, und leitet damit zum zweiten Teil über. Sich nicht mehr um philosophische Fragen kümmernd, sondern sich am Sichtbaren und Konkreten orientierend (χρηστά έχοντες πρήγματα έν χερσί), fragt er provozierend Artabanos, indem er analepZeit von 60 oder 80 Jahren, sondern viele nicht einmal mehr ein Jahr, denn sie werden im Krieg u m k o m m e n . An diese bei einem bevorstehenden Krieg naheliegende Möglichkeit denkt Xerxes nicht." 316 Zur Instabilität der condicio humana im Gegensatz zu den Göttern vgl. II. 6,146ff. und 24,524ff., Semonides 1 W, Mimnermos 1 und 6 W, Bacchyl. 5,160 und frg. 3; zum Neid der Götter Od. 5,122 und 23,209ff. Daß der Tod angesichts des Neids der Götter besser sei als das Leben, hatte Solon bereits in der Geschichte von Kleobis und Biton behauptet (1,31,3 ά μ ε ι ν ο ν ε'ιη άνθρώπω τ ε θ ν ά ν α ι μάλλον ή £ώειν), vgl. 7,10e. Vgl. S. 90f.

182

HERODOT

tisch auf die Traumsequenz, die er aus seiner Sicht als evident (εναργής) wertet, zu sprechen kommt, ob dieser ohne den klaren Traum immer noch an seiner abratenden Meinung festgehalten oder diese geändert hätte (μετέστης). 3 1 7 Anstelle einer klaren Antwort äußert Artabanos nur den Wunsch, der Traum möge sich so, wie beide es wünschen, erfüllen. Ansonsten trage er große Furcht in sich (ές τάδε δείματός είμι ύπόπλεος), weil Xerxes mit zwei gewaltigen Feinden zu kämpfen habe (δυο τά μ έ γ ι σ τ α πάντων έόντα πολεμιώτατα). Xerxes (7,48), der sich bloß an sichtbaren und konkreten Dingen orientiert, fragt ihn verwundert, was er mit den gewaltigsten (πολεμιώτατα) meine. Die Repetition von πολεμιώτατα, das in Artabanos' Antwort 49,1 nochmals gesteigert wird (πολλω ετι πολεμιώτερα), zeigt die Bedeutung dieses Leitbegriffes an, um dessen genaue Definition Xerxes und Artabanos in diesem Gesprächsteil ringen. Er hält es nicht fur möglich, wie die rhetorischen Fragen zeigen, daß die Griechen sie ihn in Bezug auf die Größe der Streitkräfte überbieten können (τό ' Ελληνικόν στράτευμα ... πολλαπλήσιον εσεσθαι τοϋ ημετέρου, ή τό ναυτικόν τό ήμέτερον λείψεσθαι του εκείνων mit Chiasmus, Parallelismus der Kasus, Polyptoton und den Anaphern καί und ή), da er immer neue Ersatzheere aufbieten könne. Er versteht das Paradoxon nicht, daß gerade die Größe (πλήθος) seinem Heer zum Verhängnis werden könnte. Genau dies behauptet jedoch Artabanos (7,49): Das Land und das Meer (γή τε καί θάλασσα) bilden die größte Gefahr. Damit verschiebt er den Fokus von den Griechen, die er 7,10 a 3 als die besten κατά θάλασσαν και κατά γήν bezeichnet hatte, auf die Natur und ergänzt 7,10 ß f f , wo er von der Möglichkeit sprach, daß die siegreichen Griechen die Brücken zerstören könnten. Mit dem zweiten beginnend, fragt er in rhetorischen Fragen, welcher Hafen bei Sturm eine so große Flotte aufnehmen könne. Da nun solche Häfen in Griechenland fehlen, unterstreicht er emphatisch durch eine Gnome, die symmetrisch mit Chiasmus und Parallelismus der Kasus den Gedanken abschließt (49,3): μάθε ÖTL OLL συμφοραί των 317 Bischoff 1932, 63: „Und wir erfahren - durch dieses Zurückgreifen wird natürlich die Bedeutung der Traums im Aufbau der Geschichte wieder hervorgehoben - , daß der Traum weder die Furcht und die Bedenken beseitigen noch das Wissen verschütten, sondern nur ein erzwungenes Sichfinden in den göttlichen Willen habe bewirken können." Xerxes bezeichnet in seiner Oberflächlichkeit den Traum als eindeutig, aber auch Artabanos zweifelt den Inhalt des Traumes trotz seiner Sorge nicht an, was somit gegen das Motiv der ά π α τ η θεοϋ spricht (vgl. S. 164, A n m . 274).

Die Reden in den Büchern 7 - 9

183

ανθρώπων αρχουσι καΐ ούκί ώνθρωποι των συμφορέων, „so lerne daraus, daß die Zufälle den Menschen beherrschen und nicht der Mensch die Zufälle." 318 Im Gegensatz zu Xerxes, für den der Mensch, wie der Bau des Athoskanals und in der Folge das Gespräch mit den Thessalern zeigt, dank der Technik die Natur beherrschen kann und der, wie die Auspeitschung des Hellesponts beweist, sich sogar anmaßt, diese für ihren Ungehorsam zu bestrafen, weist Artabanos darauf hin, daß der Mensch gar nicht über die Natur verfügen kann, sondern ihrem Walten meist wehrlos ausgesetzt ist. Was das Land (γή πολεμίη) betrifft, so er nimmt er an, daß die Griechen anstatt zu kämpfen eine Politik der ,verbrannten' Erde betreiben und die Perser immer weiter von ihrer Basis weglocken könnten in eine immer feindlicher werdende Umgebung (πολεμιωτέρη). 319 Wieder schließt er mit einer Gnome: εύπρηξίης δέ ούκ εστί άνθρώποισι ούδεμία πληθώρη. „Im 320 Erfolg gibt es für den Menschen überhaupt keine Sättigung" und warnt 321 vor einer Hungersnot (λιμός). 3. Zum Schluß appelliert er wie im Kronrat mit einer Gnome an die εύβουλία (7,49,5): άνήρ δέ οΰτω άν ε'ίη άριστος, εΐ βουλευόμενος μεν άρρωδέοι, πάν επιλεγόμενος πεισεσθαι χρήμα, έν δέ τω έργω θρασύς εϊη. „Der Mann dürfte dann am besten sein, wenn er zwar bei seinen Ratschlägen Besorgnis zeigt, weil er alles einkalkuliert, w a s passieren kann, in seinem Handeln aber Mut beweist."

Das Gegensatzpaar Furcht - Mut wird auf die Antithese λόγος - έ ρ γ ο ν 322 verteilt. Die Furcht, die zur Vorsicht mahnt (άρρωδίη), ist in der Pla318 Vgl. Solons Argument im Gespräch mit Kroisos 1,32,4: π α ν σύμφορη.

εστί

άνθρωπος

319 Damit impliziert ist eine historische Analogie zum Skythenfeldzug, w o j e d o c h andere Dimensionen herrschten. 320 Vgl. Solon 13,71; 4,9f. W; Theog. 227ff.; 6 0 5 f f „ Thuk. 4,65,4. Bei der Eroberung Athens 8,54 schickt Xerxes einen Boten, um Artabanos den Erfolg ( ε ΰ π ρ η ξ ί η , der Begriff kommt nur an diesen beiden Stellen vor,) zu melden. Kurz darauf erleidet er aber in Salamis die Niederlage, weil er nicht auf Artemisias' Warnungen vor der Seeschlacht hört. 321 Vgl. Dareios in Aisch. Pers. 792 ff. α ύ τ η γ α ρ ή γ η ξ ύ μ μ α χ ο ς κ ε ί ν ο ι ς π έ λ ε ι . ... κ τ ε ί ν ο υ σ α λιμω τ ο υ ς ύπερπόλλους ά γ α ν . Artabanos hatte schon 4,83,2 vergeblich versucht, Dareios vor der ά π ο ρ ί η als G e f a h r beim Feldzug gegen die Skythen zu warnen. 322 Die mit Wörtern wie (κατ)άρρωδέω, άρρωδίη und δείδω, δέος, δ ε ι μ α ί ν ω , δ ε ί μ α ausgedrückte Furcht k o m m t nach v. Haehling 1993, 89 „bei Herodot ... überwie-

184

HERODOT

nungsphase durchaus positiv, während der kühne Mut erst in der Phase der 323 Verwirklichung nützlich wird. Xerxes verwirft zwar, rhetorisch geschickt, in einer concessio die Grundlage von Artabanos' Analyse nicht gänzlich (οίκότως ... διαιρέαι), 3 2 4 kommt aber (άτάρ) in der Replik (7,50) zu einem anderen Schluß. Zunächst nimmt er in einem hypothetischen Satz die Hauptbegriffe von Artabanos' Gnome wieder auf, erweist dieses Prinzip aber durch seine Verabsolutierung (αιεί, τό παν) als nicht praktikabel, weil zu langes Überlegen schließlich zur Untätigkeit führe (ποιήσειας άν ούδαμά ούδέν), während die entgegengesetzte auf dem Wagemut (θαρσέοντα) beruhende Handlungsweise trotz aller Nachteile größere Vorteile mit sich bringe, wie er in einer Gnome unterstreicht, 7,50,1: ει γαρ δή βοΰλοιο επί τω αίει έπεσφερομενω πρήγματι τό πάν ομοίως έπιλέγεσθαι, ποιήσειας άν ούδαμά ο υ δ έ ν κρέσσον δέ π ά ν τ α θαρσέοντα ήμισυ των δεινών πάσχειν μάλλον ή πάν χρήμα προδειμαινοντα μηδαμά μηδέν παθεΐν. ει δέ ερίδων πρός πάν τό λεγόμενον μή

gend in der Bedeutung eines vorsorgenden Sicherheitsbemühens im Z u s a m m e n hang mit Gefahrenmöglichkeiten vor." Beide S t ä m m e drücken die Folgen mangelnder Planung aus, lassen aber noch Spielraum für eine rationale Reaktion (Flucht, Rückzug) offen, während φ ό β ο ς die von Göttern geschickte Panik ist. S. 96: „Im Freisein von φ ό β ο ς sieht Herodot die eigentliche Ursache für die unerwarteten Siege der Griechen bei Marathon, Salamis, Plataiai." Vor den Schlachten haben die Griechen Angst: So v.a. 7,173,4; 183,1; 207; 8,36,1; 63; 70,2; 72; 74; 132,3; 9,46,1 und 3. Xerxes fürchtet 7,212,1 um das Heer; ebenso 8,97,1 und 103 nach Salamis und 8,118 auf dem Schiff; 8,99,2 fürchten die Perser um Xerxes; ebenso fürchtet sich Hydarnes 7,218,2 vor den vermeintlichen Lakedaimoniern. Davon wird die Panik der Barbaren unterschieden, z.B. 7,43,2 in Troia; 8,12,2 beim Sturm und 8,38 in Delphi. Der Gebrauch von , Furchtsynonymen' ist für Drobig 1958, 395ff. ein Anzeichen für eine sophistische Differenzierung der Begriffe. Während φ ό β ο ς die Massenfurcht, der Schrecken (7,43,2), das Verlorensein gegenüber Gott (7,1 Oe, 8,27,4; 38; 9,120,2) und das Insuffizienz- und Schuldgefühl (6,112; 9,120,3) ist, drückt δ ε ο ς die allgemeine Furcht und das sorgenvolle Erwägen (8,36,1; 97,1) aus. 323 Vgl. Artabanos 7, 10 52, Antiphon DK 87 Β 56 und Thuk. 1,120,5 und 2,11,5 (Archidamos). Shapiro 2000, 103: „Artabanus' gnomai consistently advocate the importance of careful planning in an uncertain world." 324 Dagegen hatte Xerxes 47,1 Artabanos' Analyse über die Kürze des Lebens (eούσ η ς τ ο ι α ύ τ η ς ο'ιην π ε ρ σύ δ ι α ι ρ έ α ι ε ί ν α ι ) , wobei er sich desselben Verbums ( δ ι α ι ρ έ α ι ) bedient, vollumfanglich zustimmen müssen. Vgl. Veen 1996: „Xerxes allows for the general truth of Artabanus' words, but he does not apply them to his particular case."

Die Reden in den Büchern 7 - 9

185

τό βέβαιον άποδέξεις, σφάλλεσθαι οφείλεις έν αύτοΐσι ομοίως και ό ύπεναντία τούτοισι λέξας. „Denn wenn du bei j e d e r bevorstehenden Sache alles nur Mögliche in gleicher Weise in Rechnung stellen wolltest, würdest du überhaupt nichts zuwege bringen. Es ist besser, alles herzhaft anzugreifen und lieber die Hälfte der bösen Folgen auf sich zu nehmen, als von vornherein alles furchtsam zu unterlassen, um niemals ein Unglück zu erleiden. Wenn man gegen alle Vorschläge ankämpft und den sicheren Weg nicht zeigen kann, so geht man dabei ebenso in die Irre wie einer, der bei allem das Gegenteil behauptet."

Der Kerngedanke (κρέσσον δέ κτλ.) wird von zwei Kondizionalsätzen umschlossen, die beide die Absurdität von Artabanos' Handlungsmaxime in der Praxis beweisen sollen. Der zweite gibt zu bedenken, daß negative und destruktive Kritik ohne konkrete auf sicherem Wissen (βέβαιον) basierende Alternativen nutzlos ist. Die aus Artabanos' Handlungsweise resultierende Untätigkeit wird durch die emphatischen Ausdrücke ούδαμά ούδέν und μηδαμά μηδέν betont; dazwischen steht antithetisch Xerxes' 325

Wagemut, der an Mardonios' Sentenz 7,9γ erinnert (πάσχει ν - παθεΐν). Damit leitet er zum zweiten Kerngedanken über, indem er, den Begriff βέβαιον wiederholend, dem Menschen sicheres Wissen abspricht (50,2) und durch eine Gnome seinen Aktionismus empirisch begründet: ειδέναι δέ άνθρωπον έ ό ν τ α κώς χρή τό βέβαιον; δοκέω μέν ουδαμώς, τοΐσι τοίνυν βουλομένοισι ποιέειν ώς τό έ π ί π α ν φιλέει γίνεσθαι τά κέρδεα, τοΐσι δέ έπιλεγομένοισί τε πάντα καΐ όκνέουσι ού μάλα έθέλει. „Wie kann aber als Mensch den sichersten W e g wissen? Ich glaube, niemals. Wer sich zum Handeln entschließt, dem gehört in der Regel auch meist der Erfolg. Wer immer nur überlegt und zaudert, wird kaum Glück haben." 3 2 6

325 Damit argumentiert er mit einem sophistisch überspitzten , π ά θ ε ι μ ά θ ο ς ' gegen Artabanos' G n o m e 49,5. Vgl. Demokrit DK 68 Β 81: τ ό άεί μέλλειν ά τ ε λ έ α ς π ο ι ε ί τ ά ς π ρ ή ξ ι α ς . „Das fortwährende Zaudern läßt die Taten nicht zur Vollendung k o m m e n . " Während Artabanos den Wagemut (θρασύς) nur dem Bereich der Tat zuweist, erstreckt sich dieser für Xerxes auch auf den Bereich der Planung, von dem er die Furcht verbannt. V. Fritz 1967, 153. Da Xerxes nun einmal beschlossen hat, den Feldzug durchzuführen, ist es unter diesen Umständen besser, „den Unsicherheiten ins Gesicht zu sehen und sich damit abzufinden, als unaufhörlich vor Angst zu beben." 326 Bischoff 1932, 64: „Das βέβαιον, dessen Erkenntnis der König für überflüssig hält, sind eben die göttlichen Gesetze, es ist die Erfahrung und das Wissen ersten Grades, das durch das vom König vertretene Analogiewissen zweiten Grades (auch er redet j a von ώ ς τ ό έ π ί π α ν , φ ι λ έ ε ι , έ θ έ λ ε ι ) nicht widerlegt wird." τ ά κέρδεα erinnert an A r t a b a n o s ' 7,1082, w o jener τ ό γ α ρ ε ΰ βουλεΰεσθαι als κέρδος μ έ γ ι σ τ ο ν bezeichnet. X e r x e s ' W i e d e r a u f n a h m e „highlights his rejection of it.

HERODOT

186 Im weiteren spreche auch nur partiell und ohne die Handlungsmaxime: Hätten hätte es das Perserreich

die persische Tradition, die Xerxes wiederum Rückschläge berücksichtigt, gegen Artabanos' Xerxes' Vorgänger auf Artabanos' Rat gehört, niemals so weit gebracht ( έ ς δ δυνάμιος 327

προκεχώρηκε, ές τοΰτο προελθόντα). Vielmehr beweise die historische Erfahrung X e r x e s ' Ideologie der ,Polypragmosyne' (50,3): vüv δέ κινδύνους άναρριπτέοντες 3 2 8 έ ς τοϋτό σφεα προηγάγοντο. μεγάλα γάρ πρήγματα μεγάλοισι κινδύνοισι έθέλει καταιρέεσθαι. „Doch sie haben auf das Risiko gesetzt und es bis auf den heutigen Stand voran gebracht. Denn große Dinge wollen unter großen Gefahren errungen werden." 3 2 9

Nach der theoretischen Zurückweisung von Artabanos' Kritik versucht er (50,4) zu zeigen, daß auch die praktischen Bedenken des Artabanos zumindest teilweise unberechtigt sind. Bei dem Feldzug, dessen Ziel, wie er nebenbei sagt, die Unterwerfung ganz Europas ist (καταστρεψάμενοι πασαν τήν Εύρώπην), hält er die Gefahr des Hungers, da sie einerseits im Sommer sind und selbst Lebensmittel mitnehmen, andererseits nicht gegen Nomaden - womit also implizit der 7,49 von Artabanos evozierte Skythenfeldzug als Vergleich mitschwingt - , sondern gegen seßhafte Ackerbauern kämpfen, deren Vorräte dem siegreichen Heere zur Verfügung stehen werden, nicht für wahrscheinlich. Dagegen geht er nicht auf die von Artabanos angedeuteten Gefahren des Meeres ein. Diese Auslassung ist um so gravierender, als Xerxes die entscheidenden Rückschläge, angefangen bei den Stürmen, gerade auf See hinnehmen muß. Zum Schluß (7,51) bittet Artabanos Xerxes, jener solle, da sein Appell an die Furcht (άρρωδέειν) nichts gefruchtet habe, die Beratung weiterführen und wenigstens seinen praktischen Rat annehmen und die mit Ausnahme Athens von Kyros unterworfenen Ionier nicht in den Krieg gegen

Xerxes sees planning as nothing but a c o w a r d ' s 2000, 104). Zum Problem der Kommunizierbarkeit του μή ό ν τ ο ς DK 82 Β 3,77 ff.: Selbst wenn man es niemandem mitteilen. 327 Ebenso steht er mit dem persischen N o m o s (7,8 Einklang.

excuse for inaction" (Shapiro von Wissen vgl. Gorgias' TTepl das Wissen besäße, könnte man a l ) und dem Traumgesicht in

328 Zu dieser Metapher vgl. auch Thuk. 4,85, 95 und 5,103 im Melierdialog. Vgl. das Polyptoton κινδύνους, κινδύνοισι. 329 Vgl. Eurip. Hik. 323 f. π α τ ρ ί ς ev γ ά ρ τ ο ι ς πόνοισι α ΰ ξ ε τ α ι und 576f. über Athen: π ρ ά σ σ ε ι ν σύ πόλλ' ε'ίωθας ή τ ε σή π ό λ ι ς | τ ο ι γ ά ρ π ο ν ο ύ σ α πολλά πόλλ' εϋδαιμονει. Vgl. Thuk. 6,18.

Die Reden in den Büchern 7 - 9

187

330

deren ,Vorfahren' mitnehmen, zumal der mögliche Nutzen im Vergleich zum zu erwartenden Schaden, den sie anrichten könnten, sehr gering sei: ή γάρ σφεας, ην έπωνται, δεί άδικωτάτους γίνεσθαι καταδουλουμένους την μητρόπολιν, ή δικαιοτάτους συ ve λε υθε ρου ντας. άδικώτατοι μεν νυν γινόμενοι ούδέν κέρδος μέγα ήμιν προσβάλλουσι, δικαιότατοι δέ γινόμενοι οίοι τε δηλήσασθαι μεγάλως 331 την σην στρατιήν γίνονται. „Wenn sie mitziehen, müssen sie sehr ungerecht handeln, indem sie mithelfen, ihre Vaterstadt zu unterwerfen, oder sehr gerecht, indem sie mit f ü r deren Freiheit kämpfen. Wenn sie nun Unrecht tun, können sie uns nicht viel nützen; handeln sie aber recht, dann können sie deinem Heer gewaltig schaden."

Ein fur den ganzen Feldzug wichtiges Thema, das Verhalten der Ionier, wird hier erstmals angedeutet. Die Terminologie dieses kunstvollen Satzes mit satzverbindender Antithese und Parallelismus ist natürlich athenisch 332

geprägt. Scharf sind die Antithesen άδικωτάτους - δικαιοτάτους und καταδουλουμένους - συνελευθεροϋντας, sowie der Gegensatz zwischen dem δίκαιον aus der Perspektive der Ionier und dem συμφέρον (κέρδος) aus der Perspektive der Perser, nach denen das Thema nach beiden Seiten hin logisch diskutiert wird. Seine Überlegung schließt er 333 pessimistisch und zugleich ominös mit folgender Gnome (παλαιόν έπος) , die zugleich seine letzten Worte bei Herodot sind, ab: τό μή αμα αρχή παν τέλος καταφαίνεσθαι. „Nicht immer erkennt man am Anfang das Ende." 334 Damit versucht Artabanos in allgemeiner Form Xerxes, der den Sieg für bereits errungen hält, durch den Hinweis auf das beschränkte Wissen zum Nachdenken zu bewegen. 330 Man beachte die Alliteration: περί Paronomasie μ η δ ε μ ι ή μ η χ α ν ή .

πολλών π ρ η γ μ ά τ ω ν

π λ ε ϋ ν α , vielleicht die

331 Schema nach Müller 1980, 99. Die Begriffsdihärese, ähnlich wie 7,10η2 über die διαβολή, erinnert an die sophistische Dialektik, z.B. in den Δισσοί λόγοι, wo ein T h e m a nach zwei Seiten hin diskutiert wird, oder an Antiphons Reden. 332 Die (mythische) Verwandtschaft ist Teil einer auf dem δίκαιον / καλόν beruhenden Argumentation. Die beiläufige Erwähnung, d a ß Kyros Athen nicht unterworfen hat, schmeichelte wohl athenischen Rezipienten. Vgl. S. 135, Anm. 195. 333 Zum autoritativen Charakter von έ π ο ς Hollmann 2000 (vgl. S. 150, Anm. 238). 334 Wood 1972, 160: „ M e n learn only through the consequences of their acts: what they learn is the hitherto hidden significance of their acts."

HERODOT

188

Xerxes versucht dagegen (7,52) zu zeigen, daß auch Artabanos' Sorge in Bezug auf die Ionier unbegründet ist (γνωμέων σφάλλεαι). Dazu benutzt er in einer werkinternen Analepse (4,137ff.) dasselbe Ereignis, das Artabanos 7,10γ mit einer anderen Argumentationsabsicht gebraucht hat, als historisches Analogon. Histiaios hat während des Skythenfeldzuges die D o n a u b r ü c k e nicht abgerissen; indessen erwähnt er den zeitlich näher liegenden Ionischen Aufstand mit keinem Wort und zeigt, daß seine Selektion willkürlich und ungenau ist. Daher besteht die Aussicht, daß sich die Ionier auch dieses Mal gegenüber den Persern loyal (δικαιοσύνην καΐ π ι σ τ ό τ η τ α , άχαρι ούδέν als euphemistische Periphrase in ironischem Kontrast zum Ionischen Aufstand) verhalten werden, wobei er das δίκαιον dieses Mal auf das Verhältnis zwischen Ioniern und Persern überträgt. Darüber hinaus haben die Perser die Familien und den Besitz der ionischen Kämpfer in ihrer Hand, was diese davor abschrecken sollte, abzufallen. Er schließt mit der Aufforderung, Artabanos solle sich nicht fürchten (μηδέ τοϋτο φοβέο), sondern guten Mutes sein und das Reich während seiner Abwesenheit verwalten. Xerxes faßt also A r t a b a n o s ' begründete Furcht (άρρωδέειν, δειμαίνειν) als irrationale Panik (φόβος) auf. Das Gespräch ist folgendermaßen strukturiert: A (46,1):

1. Einleitungsfrage: Wieso weint Xerxes, nachdem er sich glücklich gepriesen hat?

X (46,2):

Antwort: Kürze des Lebens: In 100 Jahren wird keiner der Soldaten mehr leben.

A (46,2^1):

Reflexion: Trotz des Kürze des Lebens ist kein Mensch so glücklich (ευδαίμων), daß er aufgrund von Unglücksfällen und Krankheiten nicht oftmals wünscht, tot zu sein. Neid der Götter.

X (47,1): (transitio)Xerxes akzeptiert Artabanos' Position, leitet aber zu einem neuen Thema über. 2. Hielte Artabanos ohne den Traum immer noch an der abratenden Position fest? A (47,2):

Antwort: Wunsch, alles möge nach ihren Wünschen geschehen; aber er hat große Furcht vor zwei gewaltigen Feinden (δύο τ ά

μέγιστα πάντων έόντα πολεμιώτατα): Χ (48):

Frage nach diesen ( π ο λ ε μ ι ώ τ α τ α ) . Die Griechen können die Masse (πλήθος) weder des Heeres noch der Flotte überbieten. Emphase durch rhetorische Fragen.

A (7,49):

Antwort: Land und Meer (γή τ ε και θάλασσα) größte Gefahren:

Die Reden in den Büchern 7 - 9

189

a) Bei Sturm kann kein Hafen die Flotte aufnehmen. Bekräftigende Schlußgnome. b) Versorgungsprobleme bei einer Politik der ,verbrannten Erde' für das Heer. G n o m e am Ende zur Bekräftigung. Warnung vor einer Hungersnot. c) Abschließende G n o m e empfiehlt Furcht in der Planungsphase und Mut bei der Ausführung. X (7,50):

Replik beginnt mit einer concessio, aber (άτάρ): c') Gegensätzliche Gnome: Ständiges Reflektieren führt zur Lähmung und somit letztlich zu größeren Nachteilen als (unreflektierter) Wagemut. Aktionismus gnomisch begründet: Da dem Menschen sicheres Wissen fehlt, hat der am meisten Erfolg, der am meisten wagt. Dazu kommt die persische Tradition: Das Reich fußt auf dem Aktionismus ihrer Vorfahren,

(transitio)

Abschließende Gnome: Große Ziele werden nur unter großen Gefahren erreicht: b'): Eine Hungernot ist unwahrscheinlich, da sie nicht gegen Nomaden, sondern gegen seßhafte Bauern in den Kampf ziehen.

A (7,51):

3. Aufruf zu weiterer Beratung und partikulärer praktischer Rat: Xerxes soll die lonier nicht mitführen, da sie wenig nützen, aber großen Schaden anrichten können, wenn sie ihrer Mutterstadt Athen helfen (Gegensatz δίκαιον ** συμφέρον). Abschließende Gnome: Nicht immer erkennt man am Anfang das Ende.

X (7,52):

Antwort: Artabanos' Sorge ist unberechtigt: Analeptische π ί σ τ α ς für die Treue der lonier liefert Histiaios' Verhalten an der DonauBrücke. Dazu haben sie Geiseln. Aufforderung an Artabanos, sich nicht zu fürchten, sondern guten Mutes zu sein. Er läßt ihn als Reichsverweser während seiner Abwesenheit zurück.

Die Struktur des Gesprächs gleicht der einer Antiklimax und geht in drei Schritten vom Allgemeinen zum Speziellen, indem mit der allgemeinen Reflexion über Leben und Tod angefangen wird; dann folgen allgemeine Überlegungen zu den Chancen und Risiken des Feldzugs, die mit der Prognose über die lonier enden. Der erste Teil bezieht sich auf die vom Narrator erzählte unmittelbare Situation: Xerxes' Umschlag von Freude in Trauer nach der Schau seiner Truppen und abstrahiert diese in einer philosophischen Reflexion. Bevor man über die Erfolgschancen und praktischen Belange des Feldzugs sprechen kann, wird das Ganze in einen übernatürlichen Bezugsrahmen gestellt, der die wichtigsten patterns des Solonischen Diskurses, die

190

HERODOT

Artabanos auch im Kronrat angeschnitten hat, enthält, dem Rezipienten den ,tragischen' Hintergrund des Xerxesfeldzuges in Erinnerung ruft und bewußt einen Gegenpol zum folgenden sachlichen Austausch von Argumenten bildet. Die Fragen gehen mit Ausnahme des zum zweiten Komplex überleitenden Intermezzos (47,1), das Scharnierfunktion hat, jeweils von Artabanos aus. Während am Ende der Überlegungen über das Menschenleben Xerxes dem Artabanos zustimmen muß, aber durch den Themenwechsel auf ein ihm vertrauteres Gebiet lenken kann, gelingt es Xerxes, der als Entscheidungsmächtiger der Situation das letzte Wort hat, im folgenden Artabanos rhetorisch geschickt durch Gegenargumente zu widerlegen. Im zweiten Teil findet ein sachlicher Austausch von Argumenten statt, beide Redner gehen auf die Argumente des Gegenübers ein und versuchen ihre Position rational zu verteidigen. Die Argumente sind ausgewogen verteilt und der Ton freundschaftlich. Einige Argumente sind schon in früheren Reden angeschnitten oder behandelt worden, andere werden als Prolepsen im weiteren Verlauf der Erzählung verifiziert bzw. falsifiziert werden. Dabei hat keiner der Sprecher vollkommen recht. Während Xerxes die Gefahren zur See gänzlich außer acht läßt, erweisen sich Artabanos' Befürchtungen über die Gefahren des Landes und die Loyalität der Ionier zumindest als stark übertrieben. 335 In Bezug auf die Gestaltung zeichnen sich diese Reden besonders durch die Verwendung von Begriffen und Metaphern, die sonst in den Erzählpartien fehlen und z.T. poetischen Einschlag haben, aus. 336 Der Gebrauch von Gnomen, Begriffsdihärese (51,3) und kunstvolle Satzstrukturen zeugen von einer entwickelten rhetorischen Technik aus der Anfangszeit der Sophistik. Dadurch erreichen die Reden einen hohen Grad an Allgemeinheit, da beide Redner neben der historischen Erfahrung, die als Analogon dieselbe Funktion wie das Paradeigma in den Reden des Epos hat, verschiedene Gnomen als Mittel der Argumentation benutzen, durch

335 Zu einseitig Hohti 1976b, 113: „The discussion consists here of t w o analyses ( 4 7 - 5 0 , 5 1 - 5 2 ) , both of which conclude with a refutation of Artabanos' opinions. ... In his subsequent speech to the Persian nobles Xerxes summarizes his thoughts, which are demonstrated as unfounded by subsequent events; they happen just as Artabanos has told Xerxes they would happen." Auch Artabanos' Analyse ist unvollständig und weist Lücken auf. 336 μ ο χ θ η ρ ό ς , α ι ώ ν , κ α τ α φ υ γ ή , β ι ο τ ή , β έ β α ι ο ς . Vgl. die Metaphern γ λ υ κ ύ ν γ ε ύ σ α ς τ ό ν αιώνα, κ α τ α φ υ γ ή , λιμήν φ ε ρ έ γ γ υ ο ς , ττληθώρη ε ϋ π ρ η ξ ί η ς , λιμόν τ έ ξ α σ θ α ι , κινδύνους άναρριτττέοντες, Plural statt Singular τ ά σ κ ή π τ ρ α .

Die Reden in den Büchern 7 - 9

191

die das Gespräch von der unmittelbaren Situation abstrahiert und auf eine 337 höhere Stufe gehoben wird. Aus dem Gesagten lassen sich folgende Funktionen dieses Gesprächs definieren. 1. An einer symbolischen Stelle vor dem Übergang von Asien nach Europa steht dieses Gespräch vor der irreversiblen Grenzüberschreitung und markiert durch das Anhalten des Erzählflusses und durch die lebendige und dramatische Gesprächsgestaltung die Bedeutung dieser Stelle. Der Narrator bereitet die Ausgangssituation vor und unterbricht das Gespräch lediglich, um den jeweiligen Sprecherwechsel anzuzeigen. 2. Wichtig ist vor allem die Charakterisierung der beiden Sprecher: Xerxes und Artabanos stehen sich in diesem Gespräch in polarem Gegensatz gegenüber, wobei es offensichtlich ist, daß es sich nicht um die individuell gestalteten Charaktere zweier Menschen handelt, sondern um zwei überindividuelle Gegensatztypen menschlicher Verhaltensweise. 338 Xerxes erscheint zunächst seinem Charakter entsprechend als unsicher und schwankend, am Ende ist er wieder selbstsicher: Dies jedoch nicht dank äußeren Einflüssen (wie z.B. 7,37), sondern aus eigenem Vermögen. Er ist energisch, impulsiv, entschlußfreudig und voller jugendlichen Wagemuts, ein Augenblicksmensch, ein Optimist, der sich am Sichtbaren und Handgreiflichen orientiert. Er zeigt aber auch, was er bisher nur in Ansätzen demonstrieren konnte (7,8 und 11), daß er nämlich durchaus fähig ist, mit nicht unvernünftigen Argumenten Artabanos' Analyse zu kontern und selbst plausibel zu argumentieren. Diese positive Seite des Xerxes wird auch noch im weiteren Verlauf der Erzählung zum Vorschein kommen. Natürlich birgt diese Haltung auch die Gefahr der Oberflächlichkeit, zumal er auf die von Artabanos erwähnten Gefahren, die vom Meer ausgehen, mit 337 Shapiro 2000, 105: „Artabanus' gnomai have consistently emphasized the importance o f forethought and planning. But Xerxes' gnomai, too, are consistent ... Herodotus has presented the verbal duel between Xerxes and Artabanus in order to highlight Xerxes' impatience for action and his willful ignorance of the dangers he is about to incur. The eventual failure o f Xerxes' expedition and the almost total destruction of his forces will soon reveal the folly of his 'just do it' approach ... By articulating two consistent but opposing viewpoints, each summarized by gnomai, and then showing that one of these two views was proved correct, Herodotus uses the contradictory gnomai as a means of historical explanation." 338 Regenbogen 1930, 92f.: „Die beiden treten sich im Gespräch nicht als zwei zufällig so seiende Menschen mit individuell gezeichnetem Charakter entgegen ..., wohl aber als Gegensatztypen menschlicher Verhaltungsweisen. Auch dadurch wird die Auseinandersetzung zu überindividueller Bedeutung gesteigert."

HERODOT

192

keinem Wort eingeht, sondern ihnen seinen Glauben, daß das Glück dem 339

Tüchtigen helfe, entgegenstellt. Insgesamt bewegt sich die Argumentation im zweiten und dritten Teil auf der Ebene des Menschlichen, wo sich Xerxes, der keine Hybris an den Tag legt, täuschen kann und somit keine moralische Schuld trägt. Artabanos, der als Warner weniger individualisiert dargestellt ist als Xerxes, verkörpert dagegen die Bedächtigkeit des Alters und das Wissen um die condicio humana. Er ist ein Pessimist, der außer seinen Befürchtungen und dem Appell an die gute Planung Xerxes' Argumenten eigentlich nichts Konkretes entgegenzusetzen weiß und ihn daher nicht zu überreden vermag. Zwar treffen einige Warnungen zu, aber auch Artabanos' Wissen ist beschränkt. Vor allem ist er nicht fähig, dieses Wissen Xerxes' Charakter angemessen zu vermitteln. Artabanos abratende Haltung und die Emphase auf die gute Planung wird erst im Lichte der Rolle im Kronrat und der Traumsequenz verständlich, auf die Herodot am A n f a n g 46,1 selbst und 47,1 durch Xerxes ausdrücklich verweist. Durch den Traum zur Expedition gezwungen, ist Artabanos im Gegensatz zur Rede im Kronrat außerstande, dafür zu plädieren, sich ruhig zu verhalten und auf den Feldzug zu verzichten, zumal er es nicht wagt, die Richtigkeit des Traumes in Abrede zu stellen. 3. Die Reden werden in vollem Umfang nur im Zusammenhang mit dem näheren Kontext, auf den sie Bezug nehmen und den sie beleuchten, und den übrigen Reden verständlich. Wie im einzelnen gezeigt wurde, beziehen sich viele Argumente auf die Reden im Kronrat und bieten eine wichtige Ergänzung zu ihnen. Somit dient dieses Gespräch der Sinndeutung des unmittelbaren Geschehens und wirft ein Licht auf die folgenden Ereignisse. Im voraus werden Gründe für den Mißerfolg des Feldzuges aufgezeigt: „Das Gespräch ist ... ein Schlüssel zum tieferen und besseren Verständnis der Ereignisse, es begleitet sie als ein im voraus gegebener Kommentar." 3 4 0

Schließlich eröffnet es auch einen Einblick in Argumente, mit denen das Für und Wider eines Feldzuges erörtert wird, und kann als Muster für analoge Situationen dienen.

339 Zu einseitig Lang 1984, 35: „Herodotus has been able both to portray Xerxes as the overconfident aggressor who is heedless of warnings and to present the hazards in his situation that will result in his failure." 340 Heni 1977, 102.

Die Reden in den Büchern 7 - 9

193

Xerxes schickt 7,53 Artabanos nach Susa zurück und spricht in einer Paränese mit vielen Topoi in oratio recta zu seinem Heer: Er fordert einerseits die Soldaten auf, sich als tapfer (άνδρας τε γίνεσθαι αγαθούς) und sich der persischen Tradition nicht als unwürdig zu erweisen (μή καταισχύνειν τα πρόσθε έργασμένα Πέρσησι). Er verlangt Engagement (προθυμίη, σπεύδειν) und Einsatz aller Kräfte (έντεταμένως). Andererseits stellt er a maiore wie 7,8γ in Aussicht, daß ihnen nach der Besiegung der wackeren Griechen (άνδρας ... αγαθούς) niemand die Weltherrschaft streitig machen werde (emphatisch: ού μή τις ήμιν άλλος σ τ ρ α τ ό ς άντιστή κοτε ανθρώπων). Den Übergang will er nach einem Gebet und Opfer vollziehen (dieser letzte Satz leitet als illokutionärer Sprechakt wie eine dramatische Regieanweisung zur Erzählung über). Während das Gespräch zwischen Xerxes und Artabanos in der privaten Sphäre stattfindet und die Sprecher ohne Bindung an äußere Konventionen frei ihre Meinung äußern läßt, handelt es sich bei der Paränese um eine öffentliche Rede an einer symbolträchtigen Stelle, unmittelbar vor dem Übergang nach Europa und dem Beginn des Feldzugs. Sie ist schon aus Gründen der Wahrscheinlichkeit an gewisse topische Konventionen und rhetorische Argumente gebunden und charakterisiert den Sprecher als konventionellen Feldherrn. Für die direkten Rezipienten hält sich diese Rede im üblichen Rahmen: Neben dem Aufruf zur Tapferkeit wird die Weltherrschaft als Siegespreis verkündet. Für den sekundären Rezipienten wird der Aufruf zur Tüchtigkeit im Hinblick auf die Klagen des Xerxes, sein Heer benehme sich nicht tapfer, eine ironische Kontrastfolie darstellen. 341 Ebenso erfährt er nochmals aus dem Munde des Xerxes das wahre Ziel des Feldzuges, das nicht in der Bestrafung Athens, sondern in der Unterwerfung Europas besteht. Am folgenden Tag, Herodot benutzt wieder eine relative Chronologie, vollziehen die Perser vor dem Übergang rituelle Handlungen. In indirekter Rede wird Xerxes' Gebet an die Sonne wiedergegeben (7,54,2), in dem abermals die Eroberung Europas das Ziel ist: μ η δ ε μ ί α ν οι σ υ ν τ υ χ ί η ν τ ο ι α ύ τ η ν γ ε ν έ σ θ α ι , ή μιν παύσει καταστρέψασθαι την Εύρώπην πρότερον ή επί τέρμασι τοΐσι εκείνης γενηται.

341 Mardonios 7,9γ bezeichnet die Perser als die Tapfersten, doch wird sich Xerxes über die fehlende Mannhaftigkeit des Heeres 7,210,2 (Thermopylen) und 8,88,3 (Salamis) beklagen.

HERODOT

194

„Es möge ihm kein Unglück zustoßen, daß es ihn an der Eroberung Europas hindere, ehe er an die Grenzen j e n e s Erdteils gelangt sei." 342

Der Übergang über die Brücke von Asien nach Europa, der mehrere Tage dauerte und nur mit Peitschenhieben (7,56,1 ύπό μαστιγών) vonstatten ging, markiert die Grenzüberschreitung der gesamten Macht der Perser über ihre natürliche Grenze hinaus. Ähnlich hatte Xerxes' Vater Dareios den Feldzug gegen die Skythen begonnen. 343 Das in direkter Rede wiedergegebene Apophthegma eines Hellespontiers, der Zeus fragt, wieso er die Erscheinung des Xerxes angenommen habe und weshalb er die ganze Menschheit mitführe, um Griechenland zu verheeren, wo er dies doch auch ohne diese tun könne, ist wohl wegen der Übertreibung keine Apotheose des Xerxes, sondern soll eine gewisse Ironie ausdrücken. Xerxes erscheint in seiner Pracht zwar wie ein Gott, ist aber auf Menschen angewiesen; seine Macht hat menschliche Grenzen, während ein Gott, der über die Natur gebietet, nicht auf menschliche Hilfe • . 344 angewiesen ist. 7,57 deuten τέρατα, die symbolische und proleptische Funktion haben, die Niederlage der Perser an. Dabei ist das erste Adynaton: eine Stute gebiert einen Hasen, einfach zu erklären (εύσύμβλητον). Das Pferd symbolisiert die großartige Machtentfaltung des Zuges (άγαυρότατα και μεγαλοπρεπέστατα), der Hase weist dagegen proleptisch auf die Flucht der Perser hin. An dieser Stelle fügt er noch, weil thematisch mit dem ersten verwandt, als Analepse ein weiteres Omen an. In Sardes hatte ein Maultier ein Junges mit männlichen und weiblichen Geschlechtsteilen geboren.

342 Die Tatsache, daß dieses Gebet Leser eine ironische Spannung. Hellespont geworfen, wobei der die Geißelung des Hellesponts Sonne handelte.

nicht erfüllt werden wird, erzeugt beim wissenden Danach werden verschiedene Gegenstände in den Narrator nicht weiß, ob Xerxes dies aus Reue über (7,35) tat, oder ob es sich um Weihgaben für die

343 I m m e r w a h r 1954, 509: „So hat Herodot den Hellespont zur V e r b i n d u n g des Skythenzuges des Dareios und des Xerxeszuges verwendet, weil diese beiden Ereignisse nach seiner Meinung parallele Bedeutung haben: beide stellen ein Überschreiten der Grenzen zwischen Asien und Europa dar." Beide Male wird das Heer gezählt (4,87 sowie 7,59). 344 Durch die Angabe von λ έ γ ε τ α ι distanziert sich Herodot von der Historizität des Ausspruchs. Ebenso läßt er die Deutung offen. Vgl. 7,157,1 und ähnlich hyperbolisch Aisch. Pers. 718: θούριος Ξ έ ρ ξ η ς κ ε ν ώ σ α ς π α σ α ν η π ε ί ρ ο υ π λ ά κ α und Gorgias DK 82 Β 5a: Ξ έ ρ ξ η ς ό των Περσών Ζεύς, das für Pseudo-Longinos 3,2 lächerlich ist. Für Hermes 1951, 48 handelt es sich jedoch bei der Vergöttlichung des Xerxes um Lob wegen seiner Größe, die keineswegs Hybris sei; anders die Interpretation der Griechen 7,203,2: Xerxes ist kein Gott, sondern nur ein Mensch.

Die Reden in den Büchern 7 - 9

195

Dieses Adynaton soll zeigen, daß auch das unmöglich Scheinende Wirklichkeit werden kann. 345 Aber Xerxes kümmerte sich diesmal nicht um die Vorzeichen, wie Herodot in einem Außenring am Anfang und Ende bemerkt (7,57,1 und 7,58,1). Im Gegensatz zur Sonnenfinsternis 7,37 findet an dieser Stelle eine direkte Rezeptionssteuerung durch den Narrator statt, indem er dem Hörer/Leser in einer auktorialen Prolepse (im γάρ Satz) das Adynaton erklärt. Herodot rafft den Marsch bis Doriskos (7,58-60) und erwähnt kurz einige Sehenswürdigkeiten. Dort (7,59) wurde in der Ebene das ganze Landheer aufgestellt, gezählt und nach Völkern geordnet. Herodot zählt im folgenden (7,61-99) alle Völker auf, welche die Perser für den Feldzug aufgeboten haben. Dabei beschreibt er jeweils die Ausrüstung und Bewaffnung der einzelnen Kontingente, nennt den persischen Anführer, und macht dazu einige ethnographische Bemerkungen. 7,61-83 beginnt er mit der Infanterie, 8 4 - 8 8 folgt die Kavallerie, 8 9 - 9 9 schließt die Flotte die Aufzählung ab. 346

2.3.1.5. Xerxes in Europa: Das Gespräch mit Demaratos (7,100-137) Danach (7,100) begehrte (έπεθύμησε) er wiederum, wie schon 7,44, das ganze Heer und die Flotte zu mustern (θεήσασθαι). Ebenso wie vor der Überquerung des Hellesponts folgt nach dieser Zurschaustellung persischer Macht eine kritische Beleuchtung der Situation. In Europa löst der exilierte Spartanerkönig Demaratos den alten Artabanos als Warner ab. a. Zweck des Gesprächs mit Demaratos (7,101-104) ist es, den Gegner, die Griechen, vorzustellen. Xerxes möchte zuerst von Demaratos, den er in 345 Stein 1881, 67f.: „Auch dieses Portentum sollte in ähnlicher Weise den Umschlag vordeuten: kühn als ein Mann zog der König aus, aber in weibischer Flucht kehrte er heim." Vgl. How-Wells, 151, Bichler 2000, 335 und Munson 2001a, 250, die auf die symbolische Bedeutung des Maultiers hinweist: „Mules (as well as donkeys) connote poverty and an inferior social condition, they appear in Herodotean biographies of social upstarts who rise to p o w e r . " So Kyros in Delphis Worten 1,55,2; 9 1 , 5 - 6 etc. Die Armut ist im folgenden eine Qualität der Griechen (z.B. 7,102,1). 346 Hartog 1991, 322 weist auf den Unterschied zum Homerischen Schiffskatalog, der offensichtlich Herodot inspirierte, hin: „Sans doute le catalogue de l'armee perse, au livre VII, 'ressemble'-t-il ä celui des vaisseaux, au chant II de l'Iliade, mais l'un est dicte par les Muses, tandis que l'autre se donne c o m m e la simple transcription d ' u n calcul."

HERODOT

196

einer captatio benevolentiae als Griechen, der aus einer bedeutenden Stadt stammt (101,1 σύ "Ελλην ε ι ς ... π ό λ ι ο ς ουκ ε λ α χ ί σ τ η ς ούτ άσθενεστάτης) 3 4 7 , implizit als Kenner der Materie bezeichnet, wissen (φράσον), ob seiner Meinung nach die Griechen Widerstand leisten werden, zumal 101,2: Ού γάρ, ώς εγώ δοκέω, ούδ' εί π ά ν τ ε ς "Ελληνες και οί XOLTTOL οί προς έσπέρης οΐκέοντες άνθρωποι συλλεχθείησαν, ούκ αξιόμαχοι εΐσι έμέ έπιόντα ύπομεΐναι ούκ έόντες άρθμιοι. „Denn auf keine Weise, so ist es jedenfalls meine Ansicht, auch nicht, wenn alle Hellenen und auch die übrigen Menschen, die gegen Abend wohnen, sich zusammentun, - auch dann - sind sie mir im K a m p f nicht gewachsen, da sie nicht einig sind."

Vor seiner Replik fragt Demaratos, der anders als Artabanos nicht von sich aus freimütig sprechen darf, den König 7,101,3: κότερα άληθείη χρήσωμαι προς σέ ή ήδονή „soll ich nach der Wahrheit oder dir nach dem Munde 348

reden." Xerxes heißt ihn in der kurzen Antwort, die zum Gespräch überleitet und, da weniger wichtig, in oratio obliqua steht, die Wahrheit zu sagen, ohne bei ihm dafür an Sympathie einzubüssen. In seiner Rede 102 stellt Demaratos der quantitativen Überlegenheit Asiens die qualitative der Griechen entgegen: τη 'Ελλάδι πενίη μεν αϊεί κοτε σύντροφος έ σ τ ι , άρετή δε ε π α κ τ ό ς έ σ τ ι , άπό τε σοφίης κατεργασμένη και νόμου ΐσχυροϋ· τη διαχρεωμένη ή 'Ελλάς την τε πενίην άπαμύνεται καΐ την δεσποσύνην. „Hellas ist seit eh und j e zusammen mit der Armut aufgewachsen, die Tüchtigkeit ist aber erst hinzugekommen, erworben als Folge von Umsicht und Geschicklichkeit und strengem Gesetz andererseits. Ihr bedient sich Hellas und wehrt so die Armut ab und auch die Knechtschaft." 3 4 9

347 In der doppelten Litotes ist Sparta, wenn auch nicht genannt, umschrieben (Periphrase). Damit wird der Fokus auf Sparta gerichtet, das in dieser Rede der zentrale Gegner ist. Demaratos ist Spartaner und läßt Athen außer acht. 348 Die Antithese zwischen τ ε ' ρ ψ ι ς und ά λ η θ ε ί η spielt auch bei T h u k y d i d e s eine wichtige Rolle (vgl. Plant 1999, 72). 349 Dabei ist seine Theorie komplexer als etwa 1,71 oder 9,122. Die Armut ist zwar die Voraussetzung f ü r die α ρ ε τ ή , die aber nur dann zustande kommt, wenn die σ φ ί η , wohl in erster Linie die technische Geschicklichkeit und Erfindungsgabe, die Fähigkeit, mit der man z.B. die Unfruchtbarkeit des Landes bekämpft (so Camerer 1965, 24), und der ν ό μ ο ς ι σ χ υ ρ ό ς hinzukommen. Es besteht also kein Automatismus zwischen π ε ν ί η und ά ρ ε τ ή . So Krischer 1974, 99f.: „Es scheint demnach, daß Herodot unter der α ρ ε τ ή ε π α κ τ ο ς eben das versteht, was im Falle der Griechen ... noch hinzukommt, das geschichtlich Einmalige, das nicht aus den für alle Menschen gültigen Bedingungen abgeleitet werden kann." Dagegen ist die Armut συν-

Die Reden in den Büchern 7 - 9

197

Dabei sind die Dorier und unter diesen die Spartaner die wahrsten Vertreter dieser Ideologie. Sie werden auf jeden Fall kämpfen und niemals Xerxes' Angebote, die Griechenland Knechtschaft bringen, akzeptieren (ούκ εστι δκως κοτέ σους δέξονται λόγους δουλοσύνην φέροντες τη Ελλάδι) und selbst mit nur 1000 Mann kämpfen. Xerxes lacht (103,1 γελάσας), wie der Narrator seine non-verbale Reaktion schildert, weil er offenbar diese Haltung nicht begreift. Verwundert wiederholt er in einer rhetorischen Frage Demaratos' Schlußaussage, auch 1000 Spartaner würden den Kampf mit seinem Heer aufnehmen. Durch den Ausruf οίον έφθέγξαο έπος (ebenso Histiaios 5,106,3) wird in einer rhetorischen Frage mit erhöhtem Pathos (auch gestellte) unwillige Ablehnung von Demaratos' Übertreibung ausgedrückt und die Gegenrede eingeleitet. 350 Er rechnet vor, auf der zahlenmäßigen Überlegenheit der Perser basierend, daß auf jeden mindestens 10 Mann kämen. Demaratos, der gemäß dem Königsrecht in Sparta auf das Doppelte Anrecht hat, müßte es demnach mit doppelt so vielen (διπλήσιον) Persern aufnehmen. Dabei bezieht er sich offensichtlich auf das 6,57,1 beschriebene Königsrecht in Sparta, wonach der König beim Mahl auf das Doppelte Anrecht hat (διπλήσια νέμοντες). Demaratos selbst hatte 7,3,2-3 Xerxes durch ein Analogon aus dem Königsrecht in Sparta dazu verholfen, König zu werden. Dadurch, daß Xerxes eine Analogie zwischen zwei nicht vergleichbaren Dingen herstellt, macht er sich scherzhaft über Demaratos' Methode lustig, zeigt aber durch die Betonung dieses unwichtigen Details mangelndes Verständnis für die Bedeutung von Demaratos' Argumenten. Xerxes' Ton ist provozierend und ironisch zugleich, j a fast kindisch albern. Die Formen des Personalpronomens der 2. Person kommen 103,1-2 siebenmal als Polyptoton vor und sind jeweils durch Partikeln mit ironischer Färbung (γε, ών) verstärkt. Xerxes wendet sich direkt an Demaratos, lombardiert' ihn mit den kurzen parataktischen Kola förmlich und versucht ihn so bloßzustellen. Dasselbe tut Xerxes 103,5 nochmals. Er nimmt Demaratos nicht ernst, sondern macht sich offensichtlich über diesen lustig. Daher

τ ρ ο φ ο ς (zusammen verwachsen, chronisch). Humphreys 1987, 219: „ N o m o s ... explains behavior which is characteristic and predictable for a certain social group, but cannot be deduced from general principles. Environment and nomos together explain the G r e e k willingness to resist Persia. Their e n v i r o n m e n t is partly responsible for the role of nomos among them (and for the sophie which will also play a part in their success), but nomos is more specific and more constraining than environment." 350 Vorbild sind prägnante epische Ausdrücke wie z.B. π ο ι ό ν σε έ π ο ς φ ΰ γ ε ν έρκος οδόντων (z.B. II. 4,350; 14,83; Od. 1,64; 5,22). Vgl. dazu Steinger 1957, 13 ff.

198

HERODOT

kommt er gemäß der Wahrscheinlichkeit (7,103,3 τω οίκότι) zu folgender rhetorischer Frage, nun indessen wieder in ernsterem Tone: κώς αν δυναίατο χίλιοι ή και μύριοι ή και πεντακισμύριοι, έόντες γε ελεύθεροι π ά ν τ ε ς ομοίως και μή ύπ' ενός αρχόμενοι, στρατω τοσωδε άντιστήναί; έπεί τοι ττλεΰνες περί ένα εκαστον γινόμεθα ή χίλιοι, έόντων εκείνων πέντε χιλιάδων, ύπό μεν γάρ ενός αρχόμενοι κατά τρόπον τόν ήμέτερον γενοίατ' άν δειμαίνοντες τοϋτον και παρά την έωυτών φύσιν άμείνονες και ί'οιεν άναγκα£όμενοι μάστιγι έ ς πλεϋνας ελάσσονες, άνειμένοι δέ ε ς τό ελεύθερον ούκ άν ποιέοιεν τούτων ούδέτερα. „Wie könnten wohl tausend oder auch zehntausend oder auch f ü n f z i g t a u s e n d , wenn sie doch alle gleichermaßen frei sind und nicht beherrscht von einem einzigen, einer so großen Heeresmacht Widerstand leisten? Denn es kommen doch von uns mehr als tausend auf jeden einzelnen von ihnen, wenn sie fünftausend sind. Ja, wenn sie von einem beherrscht würden, wie es bei uns der Fall ist, dann könnte es geschehen, daß sie aus Furcht vor diesem sich selber übertreffen und, gezwungen von der Geißel, sogar antreten in der Minderzahl gegen einen stärkeren Feind. Doch ihrer freien Entscheidung überlassen, werden sie nichts dergleichen tun."

In diesem kunstvollen Satz ist die zahlenmäßige Unterlegenheit, ein Verhältnis von eins zu tausend, 351 eng mit dem chiastisch 352 ausgedrückten Gegensatz zwischen der Freiheit der Griechen, die Xerxes, emblematisch für sein Verständnis von Freiheit, mit Anarchie (άνειμένοι δέ έ ς τό ελεύθερον) gleichsetzt, und der Furcht vor einem einzigen Herrscher und dem von der Peitsche ausgeübten Zwang (άναγκα£όμενοι μάστιγι), die seiner Meinung nach allein die zahlenmäßige Unterlegenheit wettmachen 353 könnten, verbunden.

351 Dabei wäre die Zahl der persischen Soldaten nach Xerxes' Rechnung 5 Millionen, was aber auch für Herodot wohl eine Hyperbel ist, zumal nach 7,184 das Landheer Γ 8 0 0 Ό 0 0 Mann, die gesamte k a m p f f ä h i g e Mannschaft 7,185: 2'641 ' 6 1 0 Mann u m f a ß t e . Erst mit dem T r o ß soll die Streitmacht auf über 5 Millionen Mann gekommen sein. 352 ελεύθεροι π ά ν τ ε ς - μή ύπ' ε ν ό ς αρχόμενοι / ύπό μεν γ ά ρ ε ν ό ς α ρ χ ό μ ε ν ο ι ά ν ε ι μ έ ν ο ι δέ έ ς τ ό έλεύθερον. 353 Maier 1985, 11 ff. weist auf die subtile Differenz zwischen dem allgemeinen Konzept der politischen έλευθερίη und dem abstrakten Adjektiv τ ό έλεύθερον „excessive liberty, licentia, Willkür" hin. (Ähnlich z.B. Eurip. Bakk. 395: τ ό σοφόν δ' ου σ ο φ ί α und T h u k y d i d e s ' Gebrauch der Abstrakta: vgl. l,97ff., 3,82f.). Dieses von Xerxes gebrauchte Konzept exzessiver Freiheit erinnert an Perikles' Epitaphios 2,39,1 ά ν ε ι μ έ ν ω ς δ ι α ι τ ώ μ ε ν ο ι und ist eine (wohl in sophistischen Kreisen propagierte) Freiheit, zu der Demaratos' Konzept in Antithese steht (vgl. Plat. Pol. 564a).

Die Reden in den Büchern 7 - 9

199

Zum Schluß erwähnt er noch Demaratos' Unkenntnis der Elitetruppen, von denen jeder Kämpfer es mit drei Griechen gleichzeitig aufnehmen kann. Fazit der Rede ist seiner Meinung nach 103,5: των σύ έών άπειρος πολλά φλυηρέεις. „Weil du das alles nicht kennst, deswegen redest du soviel Unsinn." Im letzten Kapitel (7,104) spricht Demaratos nochmals das bereits in der Einleitung (7,101,3) erwähnte Problem der Kommunikation an 104,1, wobei durch die variatio des Stammes λογΛεγ- große Emphase auf den Akt des Sprechens gelegt wird: ω βασιλεϋ, άρχήθεν ήπιστάμην δτι άληθείη χρεώμενος ού φίλα τοι έρέω. σύ δέ έπε! ήνάγκασας λέγειν των λόγων τούς αληθέστατους, έλεγον τά κατήκοντα Σπαρτιήτησι. „Hoher König, von A n f a n g wußte ich, daß meine Worte, hielten sie sich an die Wahrheit, dir nicht lieb sein würden. Doch da du mich nötigtest, so zu reden, wie es am meisten den Wahrheit entspricht, so sagte ich dir, wie es sich mit den Spartanern verhält."

Im folgenden versucht Demaratos, da Xerxes nicht bereit ist, auf seine Argumente zu hören, durch den Hinweis auf seine Person (argumentum a persona, ήθος) rhetorisch geschickt aufzuzeigen, daß ihm als politischem Flüchtling der Erfolg der Perser sehr am Herzen liegen muß, wie die Gnome 104,2 zeigt: ούκ ων οίκος έστι άνδρα τόν σώφρονα εύνοίην φαινομένην διωθέεσθαι, άλλα στέργειν μάλιστα. „Kein vernünftiger Mensch wird wahrscheinlich so offensichtliches Wohlwollen zurückstoßen, er wird vielmehr recht damit zufrieden sein." 354

Es ist klar, daß er es nicht mit mehreren Persern gleichzeitig im Einzelkampf aufnehmen kann, würde aber am liebsten, gezwungen (άναγκαίη) oder durch Siegespreis angelockt, gegen einen Elitesoldaten, der es angeblich mit drei Griechen gleichzeitig aufnehmen kann, kämpfen. Er räumt zwar ein, daß die Spartaner im Einzelkampf durchschnittliche Kämpfer seien, behauptet aber, daß sie im Verein, gemeint ist der Kampf in der Phalanx, die besten Kämpfer (άριστοι άνδρών απάντων) seien. Gerade die von Xerxes verschmähte Freiheit ist die Ursache. Er korrigiert Xerxes' Auffassung, daß Freiheit Anarchie sei, 104,4: ελεύθεροι γάρ έόντες ού πάντα ελεύθεροι είσι· έπεστι γάρ σφι δεσπότης νόμος, τόν ύποδειμαίνοιχη πολλω έτι μάλλον ή οι σοι σέ. ποιεϋσι γών τά άν έκεΐνος άνώγη· άνώγει δέ τώυτό αίεί, ούκ έών

354 Vgl. den ironischen Gebrauch von σ τ έ ρ γ ω . Er wendet sich direkt an Xerxes ( α ύ τ ό ς μ ά λ ι σ τ α ε ξ ε π ί σ τ ε α ι ) . Die vielen Doppelungen τ ι μ ή ν τ ε και γ ε ρ ε α , άπολιν τ ε και φυγάδα, βίον τ ε μοι και οίκον sind emphatisch.

HERODOT

200

φ ε ύ γ ε ι ν ο ύ δ έ ν π λ ή θ ο ς α ν θ ρ ώ π ω ν έ κ μ ά χ η ς , άλλα μ έ ν ο ν τ α ς έ ν τ η

τάξι

έ π ι κ ρ α τ έ ε ι ν ή άπόλλυσθαι. „Sie sind zwar frei, aber nicht in jeder Beziehung frei. Über ihnen steht nämlich als Herr das Gesetz, das sie noch viel mehr fürchten als deine Untertanen dich. Sie handeln stets, wie ihnen das Gesetz befiehlt. Es gebietet aber stets das gleiche: vor keiner Zahl von Gegnern aus der Schlacht zu fliehen - das läßt es nicht zu - , sondern in Reih und Glied zu bleiben und zu siegen oder zu sterben." 3 " M a n b e a c h t e d i e W i e d e r h o l u n g v o n ελεύθεροι m i t l e i c h t e m P a r a d o x o n , d i e Anadiplose άυώγη,

ά ν ώ γ ε ι u n d d i e s c h a r f e A n t i t h e s e d e r b e i d e n letzten

K o l a . B e t r a c h t e t a l s o X e r x e s s e i n e R e d e als U n s i n n (φλυηρέει,ν), w o b e i er d e s s e n W o r t v o n 7 , 1 0 3 , 5 w i e d e r h o l t , s o w i l l e r in Z u k u n f t

schweigen,

z u m a l er in d i e s e r S i t u a t i o n , w i e er s c h o n a m A n f a n g d i e s e r R e d e sagte, u n t e r Z w a n g ( α ν α γ κ α σ θ ε ί ς ) g e s p r o c h e n h a b e . 3 5 6 Z u m S c h l u ß w ü n s c h t er w i e A r t a b a n o s 7 , 4 7 , 2 in a p o t r o p ä i s c h e r M a n i e r f ü r X e r x e s '

Expedition

alles G u t e . W i e d e r u m ist X e r x e s ' R e a k t i o n 7 , 1 0 5 t y p i s c h . E r n i m m t d i e S a c h e n i c h t ernst, s o n d e r n lacht, w i e s c h o n 103,1, in f a l s c h e r S e l b s t s i c h e r h e i t u n d entläßt Demaratos ohne Zorn.

357

D i e S t r u k t u r d e s G e s p r ä c h s sieht f o l g e n d e r m a ß e n aus: X (101,1 —2):

Wunsch nach einem Gespräch und Frage an einen Kenner der Materie, ob die Griechen Widerstand leisten werden, zumal die Überlegenheit der Perser kraß ist.

D (101,3):

Vorbereitende Frage: Soll er die Wahrheit sagen oder ihm nach dem Munde reden?

X (101,3):

indirekt·. Er soll die Wahrheit sagen. Zusicherung, keine Sympathie

355 Damit steht er mit der spartanischen Ideologie (z.B. in Tyrtaios' Kampfparänesen) im Einklang und weist auf Leonidas' Heldentat, die als praktisches Exempel diese Ideologie illustrieren wird, hin. 356 Bischoff 1932, 68: „Demarat wüßte wohl noch mehr (αλλά aiyäv θέλω τό λοιπόν κτλ.) und das, was er sagt, sagt er nur αναγκασθείς, 104,5. Er ist auch gerufen und kein Warner, der aus eignem Antriebe seine Weisheit vorträgt." Vgl. Munson 2001b, 36ff. zu dem vom despotischen Herrscher ausgehenden Zwang. 357 Vgl. Lateiner 1977a, 179: „Xerxes laughs at the plain truth, a truth which contributes significantly to the utter failure of his western imperialist enterprise." Für Schulte-Altedomeburg 2001, 200 zeigt die Unfähigkeit des Xerxes, ohne äußeren Zwang auf Demaratos' Bedenken einzugehen, „in welchem Ausmaß er dem herodoteischen Geschichtsdenken zufolge Verantwortung nicht nur für die konkrete und vermeidbare Mißachtung sachrelevanter Faktoren, sondern auch für deren Folge, also das Scheitern des Feldzuges, trägt."

Die Reden in den Büchern 7-9

201

einzubüßen. D (102):

Antwort: Darlegung der Freiheitsideologie: Tapferkeit, Klugheit und Gesetz (άρετή, σοφίη, νόμος) wehren Armut und Knechtschaft (πενίη, δεσποσύνη) ab. Daher werden die Griechen, vor allem die Dorier, mit allen Mitteln gegen die Knechtung kämpfen.

X (103):

Er verspottet Demaratos und führt zwei Argumente für die Überlegenheit an: 1. Er rechnet die zahlenmäßige Überlegenheit der Perser (mindestens 1:10). Scherzhafte Analogie zum spartanischen Königsrecht: Demaratos müßte es mit doppelt so vielen Kämpfern aufnehmen. 2. Nur unter der Führung eines Mannes stehend, den sie fürchten ( δ ε ι μ α ί ν ο ν τ ε ς ) , könnten sie, durch die Peitsche gezwungen, über ihre Natur (παρά την εωυτών φύσιν άμείνονες) hinauswachsen und gegen eine Übermacht bestehen, während sie wegen ihrer tatsächlichen zügellosen Freiheit (άνει,μένοι. δέ έ ς τό ελεύθερον) zu nichts imstande sind. 3. Demaratos spricht dummes Zeug, weil er die persischen Kämpfer nicht kennt.

D (104):

Demaratos' Replik: Er beginnt mit dem Kommunikationsproblem: 1 a. Er wußte, daß es Xerxes nicht freuen würde, wenn er die Wahrheit sagte. Er hat unter Zwang (έπε! ήνάγκασας) gesprochen, b. Rechtfertigung seiner Rolle als politischer Flüchtling (iargumentum α persona): Es ist logisch, daß ihm am persischen Erfolg gelegen ist. Bekräftigende Gnome. 2a. Er kann es im Einzelkampf nicht mit mehreren gleichzeitig aufnehmen, würde aber gern gegen einen Elitesoldaten kämpfen. 2b. Ebenso sind die Spartaner durchschnittliche Einzelkämpfer, am im Verbund die besten (άριστοι άνδρών άπάντων). Ursache ist die Freiheit, die er nicht als Anarchie,sondern als Gehorsam gegen das Gesetz definiert (δεσπότης νόμος), das sie mehr fürchten als die persischen Untertanen ihren Herrscher: Es gebietet, niemals zu fliehen. 3a. Erneut Problem der Kommunikation: Betrachtet Xerxes seine Rede als Unsinn, will er in Zukunft schweigen, zumal er unter Zwang (άναγκασθείς) gesprochen habe, b. Hofnung, Xerxes' Wünsche möchten sich erfüllen.

Das Gespräch beginnt zunächst mit einer spezifischen Frage des Xerxes, Demaratos reagiert mit der Gegenfrage, ob er die Wahrheit sagen soll. Das schon im Gespräch mit Artabanos angeschnittene Problem der Kommuni-

202

HERODOT

kation zwischen dem Ratgeber und Xerxes prägt auch sein Verhältnis zu Demaratos: Zwar ist Xerxes großzügig und hört auf ihm nicht angenehme Meinungen, er ist aber im Gegensatz zum Gespräch mit Artabanos dieses Mal, einer tragischen Figur wie Oidipus oder Kreon ähnlich, nicht imstande, konstruktiv darauf einzugehen. Dieses Gespräch stellt die ethische Grundlage des griechischen, speziell spartanischen Widerstandes gegen die persische Übermacht vor. Demaratos, der verbannte König aus Sparta, ist der beste Fürsprecher dieser Ideologie, die aber gerade deshalb nicht ohne Vorbehalte auf ganz 358

Griechenland, insbesondere Athen, übertragen werden darf. Haben die Perser die materielle und zahlenmäßige Überlegenheit, dazu ein auf der Furcht vor dem Herrscher (δειμαίνοντες) und der Peitsche (μάστιξ), dem Symbol der Unterdrückung, aufgebautes Führungssystem (πλούτος, πλήθος, δεσπότης) auf ihrer Seite, beruht die spartanische Kampfkraft (αρετή) auf den harten Lebensbedingungen und der absoluten Unterwerfung unter die Herrschaft des Nomos (πενίη, σοφίη, νόμος ισχυρός, νόμος δεσπότης), der dazu dient, die Freiheit zu bewahren, oder wie Gigante es formuliert hat: „Ein ethisches Ideal ist es, Freiheit und Autorität zugleich, als Ergebnis innerer Weisheit und bürgerlicher Sitte."359 Wäh358 Ubsdell 1983, 229 ff. meint, d a ß auch D e m a r a t o s ' Freiheitsmodell ziemlich verzerrt ist und allenfalls spartanische, nicht aber gemeingriechische Werte widerspiegelt, zumal die Zwangsherrschaft des N o m o s ziemlich unattraktiv ist, S. 233: „Greek freedom is in fact much more complicated than Demaratos makes out, and Xerxes' criticisms, ignorant as they are, strike at the roots of the problem." Ebenso Raaflaub 1985, 294, der in Demaratos' Rede eine „spartanische Variante griechischer Freiheit" sieht. Daß man in dieser Passage auch speziell athenisches Gedankengut finden könne, wie Forsdyke 2001, 3 4 I f f . postuliert, trifft kaum zu, zumal Demaratos' Ausführungen einerseits zwar allgemeingriechische Konzepte umfassen, andererseits aber ganz deutlich spartanisches Gedankengut aufweisen. 359 Gigante 1962, 260. Vgl. Dihle 1962a, 2 0 9 f . , der meint, „daß unter dem ν ό μ ο ς zusammengeschlossene und gemeinsam handelnde Menschen zu Leistungen befähigt sind, die sich nicht aus der wie auch immer veränderten oder gesteigerten φύσ ι ς erklären lassen." Dihle 1962b, 25: „Das Phänomen des disziplinierten Zusammenschlusses und der daraus resultierenden Leistungssteigerung gehört nicht in die Natur, es ist π α ρ ά φ ΰ σ ι ν . " Zur Physis bei Herodot vgl. S. 155f., Anm. 252; zu dieser Stelle Stahlenbrecher 1952, 101: „ φ ύ σ ι ς ist das Vermögen zu leisten, was man für sich allein leisten kann, im Gegensatz zu dem, was man darüber hinaus leistet, wenn eine Einwirkung von außen da ist." Xerxes' These wird indirekt durch Herodots auktorialen Bericht 5,78ff. widerlegt. Nach der Befreiung von der Tyrannen wurden die Athener, die zuvor aus Unwillen über den Herrscher nicht motiviert waren ( κ α τ ε χ ό μ ε ν ο ι μ ε ν έθελοκάκεον ώ ς δ ε σ π ό τ η ε ρ γ α ζ ό μ ε ν ο ι ) , ihren Nachbarn bei weitem überlegen. Der Gedanke, daß der Menschen durch Z w a n g im-

Die Reden in den Büchern 7 - 9

203

rend Xerxes behauptet, daß allein die Furcht vor dem Herrscher die Kämpfer dazu veranlaßt, über ihre natürliche Beschaffenheit (τρόπος, φύσις) hinauszuwachsen, ist für Demaratos die unbedingte Unterwerfung unter die Herrschaft des Nomos die einzige Möglichkeit, um die Folgen der Armut zu bewältigen, die Freiheit zu bewahren und einem zahlenmäßig überlegenen Gegner erfolgreich zu widerstehen. 360 Beide Redner argumentieren klar und gehen jeweils auf die Argumente ihres Gegenübers ein. Xerxes stützt sich auf die empirische Wahrscheinlichkeit (οΐκός), ist durchaus ironisch und übertreibt die eigene zahlenmäßige Überlegenheit. Demaratos, der als Warner weniger individuell dargestellt wird, ist sich als Verbannter seiner Stellung bewußt, betont in einem argumentum a persona (ήθος) seine Dankbarkeit gegenüber Xerxes und versucht vergeblich diesen dadurch zu überreden. 361 Xerxes ist in diesem Gespräch zwar freundlich, aber in seiner nonchalanten, manchmal albernen und überheblichen Haltung - dieses Mal schwankt er nicht - außerstande, die nicht konkreten und sichtbaren immateriellen Werte des Demaratos zu begreifen. Das Gespräch stützt sich zwar weniger als das Gespräch des Xerxes mit Artabanos auf gnomisches Wissen, 362 weist aber dennoch über die unmittelbare Situation hinaus, zumal es zwei im zeitgenössischen Diskurs zentrale Themen wie das Verhältnis zwischen der inneren politischen Verfaßtheit und der Kampfkraft einerseits und das Problem der Kommunizierbarkeit von Wissen anderseits behandelt. Dabei bewegen sich die Argumente ausschließlich auf der Ebene des Humanuni, der Götterglaube wird nicht erwähnt und wird, wenn überhaupt, dem Nomos subsumiert. Ebenso werden keine konkreten Pläne oder Strategien besprochen. Das Gespräch hat eine sinndeutende und das Folgende vorbereitende Funktion: Demaratos weist auf das Ethos der Kämpfer an der Thermopylenschlacht hin, die durch dieses und weitere zwei Gespräche umrahmt und zugleich gedeutet wird. Es legt die Grundlage für das Verständnis des spartanischen Wesens, das Herodot auf dramatische Weise indirekt darstande ist, Leistungen zu erbringen, die seinen , N o r m a l z u s t a n d ' ( φ ύ σ ι ς ) übertreffen, kommt auch 5,118,2 ( ά μ ε ί ν ο ν ε ς τ η ς φ ύ σ ι ο ς ) vor. 360 Für die Perser ist aber die Furcht vor dem König ein positiver Faktor der Kampfstärke, vgl. Salamis 8,69,2 und 86. 361 Schulte-Altedorneburg 2001, 200: „Demaratos gelingt es nicht, den Großkönig zu einer sachangemessenen Erweiterung seines Blickes zu bewegen." 362 W ä h r e n d Shapiro 2000, 112 im G e s p r ä c h z w i s c h e n A r t a b a n o s und X e r x e s (7,46-52) 12 G n o m e n zählt, findet sie in diesem Gespräch bloß eine 7,104,2, die zum argumentum a persona des Demaratos gehört.

204

HERODOT

stellt, als eine der Triebkräfte eines bedingungs- und kompromißlosen griechischen Widerstandes. Wohl mit Absicht läßt Herodot den Spartaner Demaratos, durch den die Rolle Spartas illustriert werden soll, den zweiten entscheidenden Faktor: die Rolle Athens und seiner Flotte, nicht aussprechen. Vielmehr wird Herodot selbst diesen Umstand auktorial 7,139 erwähnen. b. In den folgenden Kapiteln (105-130), die sich an 7,59 anschließen, nimmt Herodot die europäische Phase des Marsches in Angriff. In einem externen proleptischen Exkurs erwähnt er das Schicksal zweier persischer Statthalter, die sich gegen die Griechen und die aufstrebende attische Herrschaft verteidigten, und deutet damit erneut implizit an, daß Xerxes' Expedition trotz ihrer imposanten Machtentfaltung schließlich scheitern wird. Der Zug von Doriskos nach Thrakien wird in geraffter Form erzählt, wobei jedoch immer wieder einige geographische und ethnographische Details wie das berühmte Dionysos-Orakel erwähnt werden. Wiederum ist Xerxes während des ganzen Marsches das wahrnehmende und handelnde Subjekt, das etwas erlebt, sieht, tut. etc.; so z.B. 7,114 beim Menschenopfer in Ennea Hodoi 363 oder 7,117, wo er über Artachaies' Tod, der wie übrigens fast alle vornehmen Perser von überaus großer Gestalt war und eine kräftige Stimme besaß, sehr trauerte (συμφορήν ποιησάμενον μεγάλην). 364 Zwei Anekdoten illustrieren den Aufwand, dessen es zur Speisung des Heeres bedurfte, wobei der Luxus, den man Xerxes bieten mußte, besonders hervorgehoben wird. In indirekter Rede wird das erwähnenswerte Bonmot (εττος εΰ είρημένον) des Abderiten Megakreon 7,120 berichtet, der seine Mitbewohner dazu aufforderte, die Götter zu bitten, ihnen in Zukunft nur die Hälfte

363 Herodot hält die Geschichte, daß die O p f e r lebendig begraben w u r d e n , f ü r glaubwürdig und führt dazu auktorial eine Parallele (als externe Prolepse) an: Xerxes' Gemahlin Amestris vollzog in hohem Alter ein solches Ritual. 364 Flower / Marincola 2002, 145: „Homeric cast of Herodotus' narrative that the commanders are prepossessing both size and beauty." Dasselbe gilt für die Leiche des Masistios, die wegen ihrer Größe und Schönheit sehenswert war (νεκρός ην θ ε η ς ά ξ ι ο ς μ ε γ ά θ ε ο ς ε ϊ ν ε κ α και κάλλεος) und Tigranes 9,96, der wie die meisten persischen Kommandanten außerordentlich groß und schön war (κάλλεϊ και μ ε γ ά θ ε ϊ ύ π ε ρ φ ε ρ ω ν τ ο υ ς άλλους Π έ ρ σ α ς ) . Ebenso erfüllte 9,24 übermäßiges Trauergeschrei ganz Boiotien (άπασαν γ ά ρ τ η ν Βοιωτίην κ α τ ε ί χ ε ήχώ).

Die Reden in den Büchern 7 - 9

205

der Übel zu senden, ihnen aber dafür zu danken, daß die Perser täglich nur eine Mahlzeit zu sich nähmen. 365 Im weiteren wundert sich der Narrator über den Grund, weshalb Löwen die persischen Kamele, die sie doch gar nicht kannten, angegriffen haben (7,125f.). 366 In Therma (7,128,1) bekam Xerxes Lust (έπεθύμησε), die PeneiosMündung, die nicht auf dem Weg lag, zu besichtigen. Herodot bringt im Ausflug des Xerxes den Exkurs über die Entstehung Thessaliens unter, verbindet also die achronische Beschreibung mit einer Handlung, wobei dieser auch eine politische Dimension hat: Die Tatsache, daß der Peneios theoretisch durch menschlichen Eingriff gestaut werden und Thessalien überfluten könnte, scheint fur Xerxes ein plausibler Grund für die perserfreundliche Haltung der Thessaler zu sein. 367 Die Erkenntnis dieses abstrakten Sachverhalts wird jedoch nicht auktorial von Herodot, sondern dramatisch in einem nach dem Frage-Antwort-Schema gegliederten Gespräch zwischen Xerxes und seinen Wegführern berichtet. Die einleitende indirekte Frage des Xerxes, ob es einen anderen Ausweg für das Wasser gebe (ei άλλη έξοδος), führt zur Antwort jener und zur Schlußfolgerung des Xerxes in oratio recta. Emphatisch sind dabei die synonymische Geminatio mit Hapax: εύαίρετόν τε και ταχυάλωτον, die Alliteration πρό ττολλοϋ έφυλάσσοντο, die Paronymie ρeei ρέεθρων und die Paronomasie χώρην χώματι. Neben Dramatisierung und Charakterisierung des Xerxes als eines strategisch denkenden Menschen, der glaubt, die Natur bändigen zu können, vermittelt das Gespräch indirekt auch den Schlüssel zur Deutung des Verhaltens der Thessaler, die Herodot im folgenden auktorial wieder aufnimmt. 3 6 8 365 Offenbar war schon zu Herodots Lebzeit das besondere Wesen der Abderiten, das in späteren Quellen als Einfalt ausgelegt w u r d e (z.B. Cie. Att. 4,19,3; 7,7,4; Martial Epigramm 10,25), bekannt. 366 Zu Anomalien in der Tierwelt vgl. 1,80 und 4 , 3 0 , 1 - 2 . Munson 2001a, 2 4 4 f f . meint, daß die Löwen als königliches Symbol einerseits die Dominanz des Königtums symbolisieren, andererseits den tapferen Widerstand der Griechen gegen die Invasoren andeuten, S. 247: „Herodotus' wondering in the lion episode is related to and foreshadows the broader sense of wonder that he wants the listener to experience at the almost numinous epiphany of heroes in the first battle of this Persian war." Der Löwe (λέων) steckt auch im Namen ,Leonidas'. 367 Die Diskussion über das Wesen des Erdbebens paßt ins f ü n f t e Jahrhundert; die vorsichtige Ausdrucksweise (129,4 Potentialis und ώς έμοί έ φ α ί ν ε τ ο ) sollte indessen nicht als allgemeiner Agnostizismus verstanden werden. 368 Fehling 1971, 132 übersieht die explikative Funktion des Exkurses: „Herodot läßt einen Herrscher einen Ausflug machen, lediglich um sich etwas anzusehen, wor-

HERODOT

206

c. Zu dieser Zeit kehrten (7,131-138) die im Winter nach Griechenland geschickten Gesandten (7,32) teils mit leeren, teils mit vollen Händen zurück. 369 Herodot nennt die Staaten, vorwiegend in Nord- und Mittelgriechenland, welche mit den Persern paktierten. Gegen diese schlossen die übrigen Griechen einen Bund. In einer internen Analepse (zu 6,48 ff.) erklärt Herodot, daß Xerxes keine Gesandtschaft nach Athen und Sparta geschickt hatte, weil Gesandte in der Vergangenheit dort getötet worden 370

waren. Das Schicksal der Spartaner bietet ihm (7,134ff.) eine willkommene Gelegenheit, um einen analeptischen Exkurs einzufügen. In Sparta rief die Ermordung der Gesandten den Zorn (μήνις) des Heroen Talthybios hervor, der den Spartanern von da an günstige Opfer versagte. Zwei edle Spartaner, Sperthias und Bulis erklärten sich bereit, Xerxes für den Mord Genugtuung zu leisten (ποινήν τείσειν). Ihren Mut (τόλμα) und ihre Worte hält Herodot für bewunderns- und erzählenswert (θώματος άξίη). So ist das Gespräch (7,135) mit dem persischen Feldherrn Hydarnes ein Exempel für die zuvor von Demaratos dargelegte spartanische Gesinnung. Hydarnes gibt ihnen in einer direkten Rede den guten Rat, Freunde (φίλοι) des Königs zu werden. Ergäben sie sich dem König, erhielten sie, da der König über Herodot berichten will." Rener 1973, 97 betont die kompositioneile Funktion des Exkurses: „Darüber hinaus läßt sich Herodot in A n l e h n u n g an die epische Technik auch von kompositionellen Erwägungen leiten, wenn er dem König ein spezifisch geographisches oder ethnographisches Interesse zuschreibt, um auf diese Weise einen ethnographischen Logos mit der historischen Darstellung zu verbinden." Christ 1994 sieht eine Analogie zwischen der Neugier der Könige und der ί σ τ ο ρ ί η Herodots. Während der Forscher keinen unmittelbaren Selbstzweck verfolge, ist dies bei den Königen anders, S. 179: „Initially Xerxes appears as an inquirer not unlike the historian in his gathering and evaluation of information (όρων, ττυνθανόμενος, άκούων) and in the persistence of his interest in viewing sights." Die aus der geographischen Lage Thessaliens gezogenen strategischen S c h l u ß f o l g e r u n g e n i m p l i z i e r e n S. 178 „a p r a g m a t i c interest in g a t h e r i n g intelligence to prepare for a conquest." Gut Bichler 2000, 326, der den Ausflug des Xerxes und den Exkurs durch Herodot eingelegt sieht, „um den M e d i s m o s der Thessaler angesichts der Landesnatur als opportun erscheinen zu lassen." 369 Zu den chronologischen Problemen Hammond 1982, S. 76ff. 370 Herodot fragt sich, welche Strafe die beiden Poleis für den Bruch des Völkerrechts bezahlen mußten, weiß aber bezüglich Athens nichts Genaues. Er glaubt 7,133,2 nicht, daß die Invasion und Zerstörung Athens die Strafe für dieses Vergehen war, weil sie j a gänzlich überproportioniert wäre. Gerade diese scheinbare A u s n a h m e von der Regel, daß auf j e d e s Vergehen früher oder später die Strafe folgt, beweist m.E., daß für Herodot der Glaube an eine Weltordnung, in der die Götter für den gerechten Ausgleich sorgen, selbstverständlich war.

Die Reden in den Büchern 7 - 9

207

tüchtige Männer (άνδρας αγαθούς) ehrt, als Geschenk gewiß die Herrschaft über Griechenland. Dieses verlockende Angebot aber lehnen sie mit dem Hinweis auf die über dem materiellen Nutzen stehende Ideologie der 371

Freiheit, die Hydarnes in seinem Sklaven-Dasein (δούλος) j a nicht kenne, ab 135,3: έλευθερίης δε οΰκω έπειρήθης, ούτ ει εστι γλυκύ οΰτ ει μή. εί γάρ αυτής πειρήσαιο, ουκ αν δόρασι συμβουλεύοις ήμίν περί αυτής μάχεσθαι, άλλα και πελέκεσι. „Von der Freiheit aber hast du noch nicht erfahren, ob sie süß ist oder nicht. Hättest du sie nämlich gekostet, du würdest uns raten, um sie zu kämpfen, nicht nur mit Lanzen, sondern auch mit Beilen." 3 7 2

Ein weiterer Beweis für diese Haltung ist ihre Weigerung nach der Ankunft in Susa, sich vor Xerxes niederzuwerfen, weil es für sie nicht Brauch sei, sich vor einem Menschen niederzuwerfen (136,1 ούτε γάρ σφίσι έν νόμω είναι άνθρωπον προσκυνέει,ν). Ihr Angebot, Sühne für das Vergehen der Spartaner zu leisten (τείσοντας), wie sie in ihrer kurzen direkten Rede sagen, lehnte Xerxes indessen in seiner Erwiderung, die im Gegensatz zum Angebot der beiden Spartaner erstaunlicherweise in oratio obliqua steht, großmütig (ύπό μεγαλοφροσύνης) und wohl nicht ohne Ironie ab, 136,2: ουκ εφη δμοι.ος 373 έσεσθαι Λ α κ ε δ α ι μ ο ν ί ο ι ς ... α υ τ ό ς δέ τά έκείνοισι έπιττλήσσει. ταϋτα ού ποίήσειν ούδέ άνταποκτείνας εκείνους άπολύσειν Λακεδαιμονίους της αϊτίης. „Er wolle es den Lakedaimoniern nicht gleichtun ... Er selbst wolle das, was er an ihnen tadle, gerade nicht tun, aber auch die Lakedaimonier von ihrer Schuld nicht lösen, indem er sie seinerseits töten lasse." 374

371 So hatte Xerxes auch Leute wie Pythios (7,39,1) bezeichnet. 372 Zum Gedanken, daß die Freiheit etwas Süßes sei, vgl. Demokrit DK 68 Β 251. Lateiner 1985b, 98: „Una testimonianza drammatica della libertä greca, della capacity greca di distinguere onori umani da quelli divini, e dei valori politici dei Greci. L'inserzione rappresenta un altro esempio della persistente contrapposizione erodotea tra libertä e asservimento, Greci e Barbari." 373 Eine ironische Persiflage des spartanischen i ^ o L o c - I d e a l s findet man z.B. auch 3,55,1 und 7,158,4 (7,234,2 ist ohne ironischen Nebensinn). Vgl. dazu Shimron 1979, 132f., der in diesem Wortspiel athenische Beeinflussung sieht. 374 Stern 1991, 306f. weist auf das pattern des Pharmakos-Rituals hin, w o der Sündenbock freiwillig zu fremden Menschen geht, sich von diesen mißhandeln bzw. töten läßt, aber dadurch den Zorn der Götter auf die Feinde lenkt. Nur besteht neben den Parallelen in diesem Fall insofern ein Unterschied, z.B. gegenüber Zopyros' Schicksal (3,156ff.), als die Gesandten für ein von ihrem Staat den Persern zugefügtes Unrecht büßen müssen, um den Zorn des Helden abwenden zu können, während Zopyros kein Verbrechen gegen die Babylonier begangen hatte.

208

HERODOT

Damit besänftigte sich der Zorn (μήνις) des Talthybios für eine Weile, traf dann aber die Söhne der beiden Spartiaten, Nikolaos und Aneristos, zu Beginn des Peloponnesischen Krieges, was Herodot zu einer externen Prolepse (7,137) veranlaßt. 375

2.3.1.6. Die Vorbereitungen der Griechen (7,138-178) a. Auktorial wiederholt Herodot zunächst in einer Antithese im Kapitel 7,138, das Scharnierfunktion hat, was Xerxes in mehreren Reden bisher indirekt angedeutet hatte:

375 Diese waren als Boten zum König der Perser unterwegs, wurden aber in Makedonien von König Sitalkes an die Athener verraten, gefangengenommen und in Athen getötet. Wie Herodot betont, büßten die Söhne für ihre Väter: τ ο ΰ τ ό μοί έ ν τοίσι. θ ε ι ό τ α τ ο ν φ α ί ν ε τ α ι γ ε ν έ σ θ α ι . ö t l μεν γ ά ρ κατέσκηψε ε ς α γ γ έ λ ο υ ς ή Τ α λ θυβίου μ ή ν ι ς ούδε έ π α ύ σ α τ ο π ρ ι ν ή εξήλθε, τ ό δ ί κ α ι ο ν οϋτω έ φ ε ρ ε . „Das scheint mir offenbar eine ganz besondere göttliche Fügung gewesen zu sein. Denn daß der Zorn des Talthybios auf den Boten lastete und nicht eher schwand, als bis er sein Ziel erreicht hatte, das brachte die Gerechtigkeit mit sich." Hellmann 1934, 48f.: „Ein besonders schlagendes Beispiel f ü r das Wirken des θ ε ί ο ν ist das Geschehnis für Herodot deshalb, weil dieses Zusammentreffen das Geschehen in Ursache und Wirkung transparent erscheinen läßt; weil es ... ihm einen Beweis gibt für die letzte Sinnhaftigkeit des durch das θείον geregelten Geschehens, einen Beweis auch für den über die Spanne des Einzellebens hinausgreifenden Vollzug der göttlichen Ordnung." Zur Vorstellung der göttlichen N e m e s i s in der Bibel vgl. Ezechiel 18 und Johannes 9,2. Interessant ist der Vergleich mit Thuk. 2,67, der über denselben Vorfall berichtet. Abgesehen von Differenzen in den Details (für Thukydides ist nicht Sitalkes, sondern sein Sohn Sakos der Verräter, Anführer der Mission ist der Korinther Aristeus, den Herodot nicht nennt) ist vor allem die Motivation anders: Erstens waren zufällig athenische Gesandte anwesend (67,2 π α ρ α τ υ χ ό ν τ ε ς δε ' Α θ η ν α ί ω ν π ρ έ σ β ε ι ς ) , die j e n e n überredeten ( π ε ί θ ο υ σ ι ) , die Gesandten auszuliefern. In Athen a n g e k o m m e n , töteten sie diese sofort und ohne Prozeß (άκριτους ... αυθημερόν ά π έ κ τ ε ι ν α ν ) aus Angst ( δ ε ί σ α ν τ ε ς ) , sie könnten im Falle der Flucht Schaden anrichten; dabei gaben sie als Begründung an (δίκαιοϋντες), Gleiches mit Gleichem zu vergelten; die Spartaner hätten j a auch athenische Schiffe gekapert und die Kaufleute getötet. Weder die athenischen Fokalisatoren noch Thukydides selbst erwähnen das Motiv der göttlichen Rache. Herodot dagegen verschweigt, daß es den Spartanern dieses Mal nicht um die Freiheit, sondern um das Geld der Perser ging. Für den Leser, der die Fakten kannte, war wohl der ironische Kontrast deutlich zu spüren. Ubsdell 1983, 235: „Irony ... the Greeks who fought so heroically in the Persian Wars to resist enslavement by the Great King ... only a generation or two later were openly courting his support to help to enslave each other." Vgl. Hornblower 1992, 152.

Die Reden in den Büchern 7 - 9

209

ή δέ στρατηλασίη ή βασιλέος οΰνομα μέν ε ί χ ε ώς έπ' 'Αθήνας έλαύνει, κατίετο δέ ες πάσαν την 'Ελλάδα. „Der Feldzug des Königs ging dem N a m e n nach zwar gegen Athen, in Wirklichkeit aber richtete er sich gegen ganz Griechenland." 3 7 6

Die Reaktion der Griechen war jedoch nicht einheitlich, wie der Narrator berichtet. Während sich die einen den Persern unterwarfen (vgl. 7,132) und glaubten, der Zukunft zuversichtlich ins Auge blicken zu können (είχον θάρσος ώς ούδέν πεισόμενοι άχαρι), gerieten die anderen έν δείματι μεγάλω κατέστασαν, ούτε νεών έουσέων έν τη 'Ελλάδι αριθμόν άξιομάχων δέκεσθαι τον έ π ι ό ν τ α , ούτε βουλομένων των πολλών άνάπτεσθαι τοϋ πολέμου, μηδι£όντων δέ προθύμως, „in große Furcht; denn es gab in Griechenland gar nicht so viele Schiffe, um dem Angreifer die Stirn zu bieten. Auch waren die meisten durchaus nicht gewillt, den Krieg anzupacken, sondern hielten es beflissen mit dem Meder."

Zur zahlenmäßigen und technischen Überlegenheit der Perser kam auch die von Mardonios und Xerxes angedeutete innere Zerstrittenheit der Griechen hinzu, wodurch das idealistische von Demaratos gezeichnete Bild der Spartaner relativiert wird. b. Im folgenden Kapitel (7,139) hält es der Narrator für seine Pflicht, eine bei einem Großteil seiner Rezipienten unbeliebte Wahrheit zu sagen. Anstelle einer direkten Rede steuert der auktoriale Kommentar die Rezeption unmißverständlich; dies war wohl angesichts der Umstände, in denen 378 Herodot schrieb, unumgänglich, 7,139,1:

376 Ebenso 7,8γ 2 - 3 , am Hellespont 7,50,4; im Gebet 7,54,2; die Griechen 7,157,1. So wird die auktoriale Position schon indirekt vorbereitet und durch Aussagen der Hauptakteure polyphon und überzeugend abgestützt. 377 Während die perserfreundlichen Griechen sich subjektiv (ώς) in Sicherheit wiegten, wird der Mangel an Schiffen und Kriegern vom Narrator als objektive Tatsache (ατε) hingestellt. Dadurch steuert er bewußt die Rezeption. 378 Asheri 1988, Ivii f.: „Erodoto ... parla ο scrive pensando a un pubblico non ateniese in un periodo di generale ostilitä contro Atene ... In realtä, il riconoscimento del ruolo di Atene nel 480 non presuppone simpatia per tutto ciö che Atene fece e rappresentö in altri periodi storici, ne per il suo regime politico, ne per il suo imperialismo brutale dell'etä di Pericle e di quella successiva." Auch wenn Evans 1979, 117 darin „profound sympathy for Athens" erkennt, ist diese Stelle keinesfalls als Apologie für den Imperialismus des Perikleischen Athen zu verstehen, vgl. 5,97; 6,98, 131.

HERODOT

210 ένθαΰτα μεν πρός

άναγκαίη379

των πλεόνων

α λ η θ έ ς , ούκ

έξέργομαι

γνώμην

ανθρώπων, δμως

δε, τ η

άποδέξασθαι γέ

μοί

έπίφθονον

φαίνεται

ειναί

έπισχήσω.

„An dieser Stelle sehe mich nun unausweichlich genötigt, offen eine Meinung darzulegen, die zwar bei den meisten Leuten auf Ablehnung stoßen wird, die aber dennoch, wie es mir wenigstens der Wahrheit zu entsprechen scheint, nicht zurückhalten will."

Durch eine reductio ad absurdum (modus tollens) beweist er in hypotheti380

sehen Sätzen, daß der athenische Beitrag zur Rettung Griechenlands entscheidend gewesen sei, zumal für die Athener die objektive Alternative bestand, ein Bündnis mit den Persern einzugehen, was in dieser Situation 379 Nach Lachenaud 1978, 69 handelt es sich hier um eine α ν ά γ κ η λ ο γ ο γ ρ α φ ί κ ή (Plat. Phaidr. 264b), nach Munson 2001b, 46ff. um eine „self-referential" ά ν ά γ κ η . Dieser Z w a n g , durch den Herodot seine metanarrative Glosse über die Rolle Athens einleitet, ist wie bei Demaratos (7, 101,3; 104,1 und 5) moralischer Natur. Der Narrator fühlt sich der Wahrheit verpflichtet und n i m m t die M i ß g u n s t (φθόνος), die seine Glosse - auch wenn er sich 139,5 vorsichtig ausdrückt - bei den Rezipienten auslösen mag, bewußt als kleineres Übel in Kauf. 380 Zur Argumentationstechnik vgl. Kleinknecht 1940, 546f.: „Um den wirklichen K a u s a l z u s a m m e n h a n g a u f z u z e i g e n , konstruiert er einen unwirklichen. ... Die Erkenntnis ist das logisch gültige Ergebnis historischer Kausalurteile und damit geschichtliche , W a h r h e i t ' . " S. 546: „Diese ursprünglich naturwissenschaftliche M e t h o d e hat Herodot als erster auf strittige Sachverhalte und Fragen der Geschichte angewandt: so wird auf diese Art ein unwahrscheinlicher Bericht über die Rückkehr des Xerxes nach Asien widerlegt (8,119), oder der wahre Grund für die Parteinahme der Phoker im Perserkrieg angegeben (8,30). Schließlich hat Herodot auch in Reden geschichtlich handelnde Personen mit dieser Methode ihren Standpunkt vertreten lassen." Er weist auf Parallelen in der ionischen Wissenschaft, z.B. in der Medizin (Hippokrates VM 1 und Arte 6), hin. Demand 1987, 747f.: „In the E n c o m i u m H e r o d o t u s seeks to establish a causal claim, and he d o e s it by demonstrating that, had the alleged cause not occurred, the effect would not have occurred. The basis of his argument is a counterfactual interpretation of causality: he understands Ά causes B,' to mean, 'If A had not occurred, Β would not have occurred'." Dabei betont sie S. 755 den mehr rhetorischen als wissenschaftlichen Gebrauch dieser Argumentationstechnik, z.B. 6,125ff. und 7,152; Eurip. Hipp. 1007-20, Antiphon Tetralogien 2,2,5; 3,3,10; 4,4,4 also in einem Kontext, w o es darum geht, die m e n s c h l i c h e V e r a n t w o r t u n g / Schuld a u f z u z e i g e n . Vgl. zu 6 , 1 2 1 - 1 2 5 Darbo-Peschanski 1987a, 155: „Pour montrer que les A l c m e o n i d e s n'ont pas trahi ä Piatees (lies: Marathon), il part de la these opposee qu'il dissocie en d e u x autres theses censees epuiser dans leur disjonetion le contenu de la premiere, puis les refuter tour ä tour." Vgl. Thukydides 1,74,4, w o die athenischen Gesandten ebenfalls das hypothetische Gedankenspiel im Irrealis anführen. Damit vergleichbar sind im homerischen Epos die sogenannten „Beinahe-Episoden" oder „if-not-Situation" (vgl. dazu S. 42, A n m . 43).

Die Reden in den Büchern 7-9

211

nicht nur verständlich und wahrscheinlich, sondern sogar noch nach der 381

Schlacht von Salamis möglich gewesen wäre. Die Spartaner hätten zwar wie epische Helden, aber ohne konkreten N u t z e n f ü r G r i e c h e n l a n d g e k ä m p f t : μ ο υ ν ω θ έ ν τ ε ς δέ ά ν και

άττοδεξάμενοι

έργα μεγάλα άπέθανον γενναίως. 382 „Alleingelassen aber ... nach tapferen Taten ruhmvoll den Tod gefunden." Denn auch die Mauer am Isthmos wäre bei der Seeherrschaft der Perser nutzlos g e w e s e n (139,4 βασιλέος έττικρατέοντος τ η ς

θαλάσσης).

Somit stimmt die am Anfang des Kapitels aufgestellte Behauptung, daß die Athener Retter Griechenlands waren und daß dies von ihrer Parteinahme abhängig war, wobei 139,5 der Bezug zur Realität hergestellt wird: νυν δέ ' Α θ η ν α ί ο υ ς ά ν τ ι ς λ έ γ ω ν σ ω τ ή ρ α ς γ ε ν έ σ θ α ι

της

ούκ ά ν ά μ α ρ τ ά ν ο ι τ ά λ η θ έ ο ς · σΰτοι ό κ ό τ ε ρ α τ ω ν π ρ η γ μ ά τ ω ν

'Ελλάδος έτράποντσ,

τ α ϋ τ α ρέψειν έμελλε. „Nun aber dürfte einer, der die Athener als die Retter Griechenlands bezeichnet, die Wahrheit nicht verfehlen. Denn auf welche Seite sie sich schlugen, da mußte die Waage sinken." 383

Herodot betont also a) die freie Entscheidung der Athener (139,5 έλόμενοι), die nach den Göttern zur Zurückschlagung der Perser am meis384 ten beigetragen hat (βασιλέα μ ε τ ά γε θεούς άνωσάμενοι),

u n d b) die

Bedeutung der Flotte, die wirkungsvoller als die spartanische άρετή war. Herodot ergänzt und widerspricht damit teilweise der von Demaratos 381 Kleinknecht 1940 passim, Haible 1963, 233f.: „Es wird gezeigt, was Athen für Griechenland bedeutet, indem abgeschätzt wird, was aus Griechenland ohne Athen geworden wäre." 382 Kleinknecht 1940, 545: „Das rein heroische, epische Heldenideal der isoliert dastehenden großen Tat und des rühmlichen Untergangs hat bei Herodot an Bedeutung verloren." 383 Die Vorsicht ist durch das indefinite τ ι ς (impliziter Leser) anstatt ε γ ώ und den Potentialen Optativ ausgedrückt. Ebenso ist das Lob 7,139,1 Tfj γε μοι φαίνεται άλήθεα είναι „wie es mir wenigstens wahr erscheint" durch die einschränkende Partikel γ ε relativiert und als subjektive Meinung deklariert. So Ubsdell 1983, 237f. Dagegen etwas oberflächlich Munson 2001a, 173: „Though accompanied by the narrator's more normal vocabulary of opinion and evidence, this is the Histories' most unambiguous proclamation of 'truth' in the sphere of human knowledge. It emphasizes not only the maximum certainty of the gnome in terms of evidence (φαίνεται) but also its validity ..." 384 Auch an dieser Stelle gibt es wieder eine höhere metaphysische Stufe, wobei menschliche und göttliche Entscheidung zusammenfallen. Die doppelte Motivation kommt auch hier zum Zuge, wobei das Göttliche nur angedeutet wird; die Athener tragen für ihre richtige Entscheidung die volle Verantwortung und erhalten, da sie richtig ist, auch göttliche Unterstützung, vgl. Themistokles 8,60γ und 8,109,3.

212

HERODOT

vertretenen spartanischen Version, die einseitig die spartanische Tüchtigkeit betont (7,101-4) und die Bedeutung der Flotte im allgemeinen und Athens im speziellen vernachlässigt hatte. Die darauf folgende merkwürdige Orakelgeschichte (7,140 ff.), in der 385 vieles an tragische Motive erinnert, ist das erste Exempel für die oben beschriebene athenische Haltung. Trotz des ersten negativen Orakels (als direkte Rede in Versen), das in der Flucht die einzige Rettung für die Athener verheißt und in poetischer Form die kommende Zerstörung Athens und der Göttertempel durch die Perser voraussagt, geben die Gesandten aus Athen nicht auf, sondern erbitten sich von Apollon ein günstigeres Orakel. Als Ergänzung und Präzisierung des ersten Orakels (7,141) verheißt die Pythia, daß eine Holzmauer verschont bleiben wird (ξύλινον τ ε ί χ ο ς ) , und nennt die Insel Salamis (θείη Σαλαμίς) als Ort einer verheerenden Schlacht. In der Volksversammlung (7,142ff.) wurde dieser mildere Spruch Gegenstand der Interpretation, wobei sich zwei gegensätzliche Positionen herauskristallisierten, die in indirekter Rede wiedergegeben werden: Vor allem ältere Bürger (των πρεσβυτέρων ... μετεξέτεροι), unterstützt von den Orakelspezialisten (χρησμολόγοι), plädierten dafür, man solle die Akropolis, deren Dornenhecke sie für die hölzerne Mauer hielten, verteidigen. Andererseits hielten manche die Schiffe für die hölzerne Mauer, doch machten ihnen die beiden letzten Verse, die in Salamis eine schlimme Schlacht verhießen, zu schaffen, zumal die Orakeldeuter diese Verse so interpretierten, daß die Athener dort im Falle einer Seeschlacht eine gewaltige Niederlage erleiden würden. Der 7,143 als Emporkömmling eingeführte (ήν δε τ ι ς κτλ.) 386 Themistokles verhalf der zweiten Position zum Sieg, indem er die Interpretation der Orakeldeuter insofern korrigierte, als fur ihn das zu Salamis zugehörige Adjektiv θείη etwas Positives bedeuten müsse; andernfalls hätte

385 Vgl. dazu Goldscheider 1965, 16ff. 386 Vgl. Dolon II. 10,314 und Xenophon in der Anabasis 3,1,4. Er war wohl schon 493/2 Archon gewesen. Ubsdell 1983, 40 meint, Herodot habe Themistokles' ακμή um des dramatischen Effekts willen mit den Ereignissen um Salamis zusammenfallen lassen, seine frühere Karriere auf diesen Punkt verdichtet und in einer zeitlich u n b e s t i m m t e n A n a l e p s e 7,144 den Flottenbau der Orakelinterpretation untergeordnet. Zum Wortspiel ν ε ω σ τ ί und dem N a m e n seines Vaters Ν ε ο κ λ ή ς Moles 2002, 45: „Doubtless, a hostile source provided misleading facts, but Herodotus' virtuosic punning subverts their implications."

Die Reden in den Büchern 7 - 9

213

387

Apollon ein Adjektiv wie σχετλίη gebraucht. Diese Deutung sagte den Athenern mehr zu; daher beschlossen sie, sich für den Seekrieg zu rüsten und nicht den Empfehlungen der Orakeldeuter zu folgen, die Attika zu verlassen rieten. In einer internen Analepse (7,144) wird Themistokles' Leistung, die Einkünfte aus den Silberminen von Laureion zum Bau einer Flotte gegen die Aigineten zu verwenden, erwähnt. Herodot wertet 144,2 diesen Umstand auktorial: ούτος γάρ ό πόλεμος συστάς εσωσε τότε την 'Ελλάδα, >

388

άναγκάσας

ι

θαλασσίους γενέσθαι'Αθηναίους.

„Dieser Krieg, der damals ausbrach, rettete ganz Griechenland dadurch, daß er die Athener zwang, ein Seevolk zu werden." 3 8 9

Dank diesem Umstand hatten sie schon einige eigene Schiffe. Dazu ließen sie weitere Schiffe bauen, um den Persern zur See begegnen zu können, und begannen eine Koalition gegen die Perser aufzubauen. c. Nach den Orakelsprüchen beendeten die vaterländisch' gesinnten Griechen ihre Fehden, so etwa Athen und Aigina, und beschlossen, als Xerxes in Sardes war, 390 folgende diplomatische Gegenmaßnahmen 7,145,2:

387 Miletti 2004, 222 betont, daß Themistokles' Leistung in der Lösung zweier Textprobleme bestehe; bei ξυλινον τ ε ί χ ο ς „la difficoltä e proprio quella di capire che si tratta di una metafora, di un'espressione che σ η μ α ί ν ε ι un'altra cosa da quella che apparentemente significa. Nel secondo caso ... il problema e il referente: comprendere a quali uomini l'oracolo faccia riferimento. Per dimostrare ciö Temistocle si basa su un ragionamento κ α τ ά τ ό ε ι κ ό ς , e cosi sulla scarsa verosimiglianza d e l l ' i m p i e g o di un termine positivo riferito ad un evento negativo: θ ε ί η v i σ χ ε τ λ ί η . " Die Art der Interpretation erinnert auch an Piaton Protagoras 339ff., w o Sokrates zusammen mit Protagoras und Hippias ein Gedicht des Simonides interpretiert und durch Begriffsdefinition (wie Prodikos) erklärt. Das Orakel läßt dem Menschen immerhin die Möglichkeit der Wahl der Interpretation. Kirchberg 1965, 93f. meint, das Orakel sei wohl der Deckmantel für Themistokles' Politik gewesen, aber Herodot stelle es so dar, „daß menschliches Überlegen hier sich erst am Objekt göttlicher Offenbarung entfaltet. ... ,Dem Gott gehorchen' heißt nicht, sich blind seinem Willen fügen, sondern seine Zeichen verständig auslegen und besonnen handeln." So argumentiert Themistokles auch 8,60γ. 388 Diese unpersönliche Art der α ν ά γ κ η , die durch die äußeren Umstände hervorgerufen wird und bei Thukydides typisch ist (vgl. 7,21,3 und 8,3,1), ist bei Herodot sehr selten (normalerweise steht χρή / δει), vgl. Munson 2001b, 40. 389 Der Krieg gegen Aigina, mit dem Athen eine alte Fehde hatte, fallt nach 490. Wolski 1985 glaubt, daß Herodots Interpretation, die Flotte sei nur gegen Aigina gewesen, richtig sei, und widerspricht damit T h u k . 1,14,2, der explizit T h e mistokles' Voraussicht der Persergefahr als weiteres Motiv für den Flottenbau angibt.

HERODOT

214 α) ß) γ) δ) e)

Spione nach Asien zu entsenden, Boten nach Argos zwecks eines Waffenbündnisses (όμαι.χμίη), ebenso zu Gelon, nach Kerkyra und Kreta zu senden.

Gleichzeitig gliedert dieses Überlegungen der Griechen γένοιτο τό Έλληνικον και ώς δεινών έπιόντων ομοίως

Kapitel die folgenden Kapitel bis 171. Die gibt Herodot indirekt wieder: ε'ί κως έν τε εΐ συγκύψαντες τώυτό πρήσσοιεν πάντες, πάσι "Ελλησι.

„Ob irgendwie alles Hellenische eins werden und alle zusammenrücken und gleich handeln könnten, da auf alle Hellenen in gleicher Weise Furchtbares zukäme."

α) Die nach Sardes geschickten Spione werden entdeckt, gefoltert und zum Tod verurteilt, aber von Xerxes gerettet und, nachdem sie alles haben sehen dürfen, laufen gelassen. In einer indirekten Rede (147,1) erklärt Xerxes, wieso es für die Perser von Nutzen sei, die Gesandten unversehrt nach Griechenland zurückkehren zu lassen: Wenn man sie töte (ει μεν άπώλοντο), hätte dies zur Folge, daß die Griechen nicht schon vorher einen Eindruck von seiner Macht bekämen (οΰτ' άν τά έωυτοϋ πρήγματα προεττύθοντο οί "Ελληνες έόντα λόγου μέ£ω). Außerdem würden sie durch die Tötung dreier Feinde diesen keinen großen Verlust zufügen (οΰτ1 άν τι τούς πολεμίους μέγα έσίνοντο). D a g e g e n e r f ü h r e n die G r i e c h e n n a c h deren H e i m k e h r (τούτων ν ο σ τ η σ ά ν τ ω ν ) v o n seiner M a c h f ü l l e (άκοΰσαντας ... τ ά έωυτοϋ πρήγματα), würden sich demzufolge freiwillig vor der Expedition unterwerfen (προ τοΰ στόλου ... παραδώσειν σφέας την ίδίην έλευθερίην) und den Persern somit die Kampfhandlungen ersparen (ούδέ δεήσειν ... πρήγματα εχειν). Xerxes' Argumentation ist völlig rational und machtpolitisch einsichtig; sie orientiert sich am Nutzen (συμφέρον). Das vorgelegte Thema: ,die Späher töten oder nicht töten' wird angesichts der Folgen in zwei symmetrischen Perioden behandelt, wobei die beiden zu erwartenden 391 Folgen entgegengesetzt sind. Es besteht aber ein Unterschied zwischen diesen beiden: Während die Folgen beim Töten unmittelbar eintreten, 390 Während Herodot keinen chronologischen Hinweis bezüglich der O r a k e l - G e schichte gibt, dient diese Zeitangabe in der Analepse dazu, die Parallelität der Vorbereitungen auf beiden Seiten nachverfolgen zu können. 391 Keine Kunde von X e r x e s ' Macht bei den Griechen / bzw. K u n d e davon; kein großer Schaden für die Feinde, d.h. kein großer Nutzen für die Perser,/ bzw. großer möglicher Nutzen für sie. Ähnlich argumentiert Artabanos 7,51,3.

Die Reden in den Büchern 7 - 9

215

handelt es sich bei den Folgen des Nicht-Tötens, die j a weitere Folgen sind, bloß um Hypothesen, die sich nicht notwendigerweise bewahrheiten müssen. Aber als Gedankenspiel ist Xerxes' Überlegung logisch und 392 stimmt mit seinem quantitativen Denken überein. Nicht so sehr Großmut, sondern ein politisches Kalkül veranlaßt also Xerxes zu diesem Akt der Milde, wodurch er als durchaus rational denkender Protagonist charakterisiert wird. Ebenso wird sein Selbstvertrauen in der analeptischen Geschichte der griechischen Kornschiffe in Abydos, die thematisch hierhin paßt, gezeigt. Auf die indirekte Frage des Xerxes, was fur Schiffe das seien, erhält er eine Antwort in direkter Rede. Ebenfalls in direkter Rede antwortet er mit zwei rhetorischen Fragen und zeigt die zwar nonchalante, aber strategisch begründete Haltung: 393 Man solle die Kornschiffe ruhig passieren lassen, zumal sie den Proviant nach Griechenland brächten, wohin j a auch die Perser zögen. ß) Was die Mission nach Argos betrifft (7,148-152), liegen Herodot zwei Berichte vor, die er indirekt erzählt: Gemäß der ersten, von den Argeiern selbst erzählten Variante, seien sie trotz eines Orakels, das ihnen geraten habe, neutral zu bleiben, unter der Bedingung eines dreißigjährigen Friedens und gleichmäßiger Machtteilung mit Sparta bereit gewesen, sich dem griechischen Bündnis anzuschließen. Da indes die Spartaner nicht bereit waren, das Kommando zu teilen, und ihre Arroganz (ττλεονεξίην 394 ) den Argeiern unerträglich war, zogen sie es vor 149,3: μάλλον ύττό των βαρβάρων άρχεσθαι ή τι ύπείξαι Λακεδαιμονίοισι, „unter die Herrschaft der Barbaren zu geraten als den Spartanern irgendwie nachzugeben."

Gemäß der zweiten, analeptischen Version (7,150 άλλος λόγος) hat Xerxes durch einen Boten zu den Argeiern in direkter Rede gesprochen: Auf Grund (mythischer) verwandtschaftlicher Beziehungen zwischen Perseus 392 Xerxes will seine Stärke nicht verbergen, sondern glaubt, daß die Griechen angesichts dieser zur Schau gestellten Übermacht schneller kapitulieren würden. 393 Das gleiche Schema, das zur Dramatisierung dient: indirekte Frage, kurze direkte Antwort, und direkte Replik, kommt schon bei Xerxes' Schau des Peneios-Tals in Thessalien 7,130 vor. Wie in 7,136 ist auch hier nicht ersichtlich, wieso dieses kurze, für den Gesamtsinn entbehrliche Gespräch in dramatischer oratio recta, dagegen die um einiges wichtigere Überlegung des Xerxes 147,1 bloß in indirekter Rede steht. Zum Problem der Lebensmittel vgl. 7,50,4. 394 Dies ist der erste Beleg für diesen zunächst in der Politik, dann in der Philosophie wichtigen Begriff.

216

HERODOT

und Perses, dem Stammvater der Perser, schicke es (οίκος) sich weder für die Perser, gegen ihre Vorfahren, noch für die Argeier, gegen ihre Nachkommen zu kämpfen, sondern sie mögen zu Hause bleiben (ήσυχίην 395 έχοντας κατήσθαι.). Im Falle des Erfolgs verspricht er ihnen, kein anderes Volk höher zu achten. Daher hätten die Argeier gegenüber den spartanischen Unterhändlern unannehmbare Forderungen gestellt, um unter diesem Vorwand neutral bleiben zu können (150,3 Iva επί προφάσιος ήσυχίην άγωσι). Um diese (nicht sonderlich glaubwürdige) Geschichte zu untermauern, fugt Herodot als externe proleptische Parallele (7,151) den Bericht an, wonach Artaxerxes bei der Gesandtschaft des Kallias das Freundschaftsbündnis (φιλί ην) Persiens mit Argos bestätigt habe. 396 Da er aber weder Xerxes' Botschaft noch die Gesandtschaft der Argeier zu Artaxerxes 7,152 bestätigen kann (ούκ έχω άτρεκέως ειπείν), will er sich an die Erzählung der Argeier, die er in Schutz nimmt, halten und sie deswegen nicht brandmarken. 397 γ ) Zuerst beginnt Herodot mit einem explikativen analeptischen Exkurs (153-156) über Gelon, in dem er zeigt, wie dieser an die Macht gekommen und zum mächtigen Tyrannos von Syrakus (156,3 τύραννος ... μέγας) avanciert ist. Die griechischen Gesandten beginnen ihre Rede 7,157 ziemlich respektlos ohne Anrede und ohne captatio benevolentiae, um die Dringlichkeit ihres Anliegens zu unterstreichen. Zunächst beschreiben sie die Gefahr: Xerxes steht am Hellespont ... έπάγων πάντα τον ήωον στρατόν έκ της Ά σ ί η ς στρατηλατήσειν έπί την 'Ελλάδα πρόσχημα μέν ποιούμενος ώς έπ' 'Αθήνας έλαύνει, έν νόω δέ έχων πάσαν τήν Ελλάδα ύπ' έωυτώ ποιήσασθαι. „und mit allem Volk des Morgenlandes aus Asien gegen Griechenland ziehen will. Er gibt vor, sein Zug richte sich nur gegen Athen; in Wirklichkeit aber hat er die Absicht, sich ganz Griechenland zu unterwerfen."

395 Vgl. das rhetorische Schema κατ' αρσίυ και θεσιυ. Die mythologische Verwandtschaft dient als wichtiges Argument der Politik, vgl. Artabanos 7,50 bezüglich der Ionier. O f f e n b a r befaßten sich persische Propagandisten (λόγιοι) mit der griechischen Mythologie, vgl. 1,1 (vgl. S. 65, besonders Anm. 16). 396 Herodot schweigt aber über den Z w e c k dieser Mission, die dem kundigen Leser wohl bekannt war (ebenso wie 7,137). 9,12 leisteten die Argeier Mardonios freiwillig einen Freundschaftsdienst und verrieten die Hellenen. Dieses werkinterne Indiz hat Herodot indessen nicht verwendet. 397 An dieser Stelle fügt er die berühmte Passage über die Handhabung der Quellen hinzu. Vgl. S. 83, A n m . 41.

Die Reden in den Büchern 7 - 9

217

Sie wiederholen eine dem Rezipienten schon bekannte Tatsachen, einerseits um Gelon auf den gleichen Wissensstand zu bringen - was eigentlich auch in indirekter Rede geschehen könnte - , andererseits fugen sie dem Tatsachenbericht ihre eigene subjektive Deutung des Geschehens hinzu, die sich in Bezug auf das Ziel des Feldzuges mit Xerxes' und Herodots eigener Deutung deckt und so als überall akzeptierte Erklärung die sekundäre Rezeption unmißverständlich steuert. Daher appellieren sie an Gelon, dessen Macht (δύναμις) der Leser dank dem Exkurs nun kennt, 157,2: βοήθει τε τοισι έλευθερούσι την Ελλάδα και συνελευθέρου. „Hilf denen, die Hellas' Freiheit verteidigen, und verteidige sie mit ihnen!" Dies wird durch die gnomische Antithese, daß ein einiges Griechenland stark ist (άλής ... πάσα ή 'Ελλάς χειρ μεγάλη συνάγεται και άξιόμαχοι γινόμεθα), Verrat und Abseitsstehen den ,gesunden' Teil verringert und ganz Griechenland gefährdet (ήν δε ήμέων οί μεν καταπροδιδώσι, οί δέ μή θέλωσι τιμωρέειν, τό δέ ύγιαΐνον της 'Ελλάδος η ολίγον, τούτο δέ ήδη δεινόν γίνεται μή πέση πάσα ή ' Ελλάς), begründet. Diese antithetische Periode besteht aus einem positiven und einem negativen Teil, wobei im ersten Teil der Kondizionalsatz partizipial und die Folgen in zwei Kola ausgedrückt sind, während die Protasis des negativen Teils drei Kola umfaßt, von denen das dritte eigentlich die Folge der ersten beiden ist und die Symmetrieachse des Satzes durchbricht: Während im positiven Teil die große Streitmacht (in der Metapher χείρ μεγάλη συνάγεται) Griechenlands als Folge der Einigkeit im Hauptsatz erscheint, steht das entsprechende antithetische Kolon in der zweiten Hälfte noch in der Protasis (ebenso metaphorisch τό δέ ύγιαΐνον τ η ς 'Ελλάδος ή ολίγον). Beachtung verdient dabei das Polyptoton 'Ελλάς 398

und die Paronomasie πέση πάσα. Zum Schluß (157,3) warnen sie ihn im Falle des Abseitsstehens vor den negativen Konsequenzen und raten ihm im Sinn einer präventiven Sicherheitsstrategie, dem Feind zuvorzukommen, da Xerxes weiterreichende Pläne (157,1) hege. Ihre Rede beenden sie mit einer Gnome über den Wert der Wohlberatenheit (ευβουλία), wodurch sie rational und ohne moralischen Ton, rhetorisch wirkungsvoll implizieren, daß die Erfüllung ihrer Bitte ein Akt der ευβουλία sei. μή γάρ έ λ π ι σ η ς , ήν ή μ έ α ς καταστρέψηται ό Πέρσης μ ά χ η κρατήσας, ώς ούκι ήξει παρά σέ γε, άλλά προ τούτου φύλαξαι.· βοηθέων γάρ ήμιν σεωυτώ τιμωρέεις· τω δέ εύ βουλευθέντι πρήγματι τελευτή ώς τό έπίπαν χρηστή έθέλει έπιγίνεσθαι. 398 Wie bei A l k m a i o n DK 24 Β 21 gibt es eine gegenseitige Beeinflussung der Vokabulare von Politik und Medizin.

218

HERODOT „Erwarte nicht, daß dich die Perser, wenn es im K a m p f gewinnt und uns unterwirft, etwa zu dir nicht kommen wird, sondern beuge rechtzeitig vor! Denn indem du uns beistehst, hilfst du dir selbst. Ein wohlberatenes Unternehmen führt in der Regel auch zu einem glücklichen Ende."

Gelon fährt sie 7,158 wegen dieser respektlosen Rede an (ττολλός ένέκειτο) und sagt eindringlich: λόγου έ χ ο ν τ ε ς ττλεονέκτην έτολμήσατε έμέ σύμμαχον έπΐ τόν βάρβαρον παρακαλέοντες έλθεΐν. „Ihr führt doch eine freche Rede, daß ihr es wagt zu kommen, um mich zum Bundesgenossen gegen die Barbaren zu gewinnen."

Denn die Griechen hätten, wie er in einer Analepse erklärt, als er sie in einer analogen Situation gegen die barbarischen Karthager um Hilfe bat, um gemeinsam die Handelsplätze (εμπόρια), die fur alle Griechen nützlich seien (ύμιν μεγάλαι ώφελίαι), zu befreien (συνελευθεροϋν) 399 und Dorieus' Tod zu rächen, keinen Finger gerührt. Jetzt, wo sie selbst vom Krieg bedroht seien, erinnerten sie sich, wie Gelon bitter-ironisch bemerkt, wieder an ihn. Aber er wolle nicht Gleiches mit Gleichem vergelten (ούκ όμοιώσομαι 400 ύμϊν), sondern sei bereit, ein beträchtliches Kontingent zu stellen, aber unter der Bedingung, daß er das Oberkommando bekomme (158,5 έττ ω τε σ τ ρ α τ η γ ό ς τε και ήγεμών των 'Ελλήνων έσομαι, eindringlich durch die synonymische congeries) verstärkt. Darauf antwortet (7,159) der spartanischen Gesandte Syagros wie bei der Forderung der Argeier (148), wobei er sich in einer epischen Reminiszenz als Agamemnons Nachfahre betrachtet, daß es für die Spartaner unerträglich sei, die Führung (ήγεμονιην) einem Syrakuser zu übergeben, und sagt recht arrogant, daß sie auf Gelons Hilfe verzichteten, wenn dieser sich nicht unter die spartanische Führung unterordnen wolle. Der Einleitungssatz ή κε μέγ' οιμώξειε ό Πελοπίδης'Αγαμέμνων ist eine gedanklich-dramatische Verarbeitung von Nestors Ausruf II. 7,125 ή κε μέγ' οίμώξειε γέρων ίππηλάτα Πηλεύς, der in einer Paränese durch den Hinweis auf die ungehaltene Reaktion des Peleus die Griechen zum Kampf antreiben will. Syagros durchbricht mit dem ebenfalls episch klingenden Patronymikon Πελοπίδης zwar den Daktylos, erzeugt aber gleichwohl Pathos und zeigt die Entrüstung des Spartaners, der sich auf die allgemein anerkannte Autorität Agamemnons beruft, der als Peloponnesier mit Sparta verbunden wurde. 401 399 Ironisch wirkt die Wortwiederholung der Bitte der Griechen 157,2 συνελευθερου. 400 Damit mokiert er sich über das spartanische δ μ ο ι ο ς -Ideal. Vgl. 7,136,2 (S. 207, Anm. 373). 401 Steinger 1957, 38: „ W a s bei Homer nur als augenblicklicher Tadel und als Mißfallenskundgebung angelegt ist, weitet sich bei Herodot zu einer Charakterisierung

Die Reden in den Büchern 7-9

219

eines nationalbewußten Spartaners aus." Grethlein 2006, 491 weist mit Recht daraufhin, daß in beiden Fällen der Verweis auf eine Autorität aus der Vergangenheit (Peleus und Agamemnon) eine ähnliche rhetorische Funktion hat (er dient als moralisches Druckmittel): „Nestor and Syagros pursue the same rhetorical strategy. Both not only refer to a tradition but more specifically make up the reaction of a great hero of the past to criticise somebody in the presents who does not live up a tradition." Weitergehende intertextuelle Verbindungen können allenfalls als das, wie Grethlein selbst zugibt - was mit Phantasie ausgestattete Rezipienten erkennen wollen (vgl. dazu Eco 1990, 107 auf S. 36 dieser Arbeit), aufgefaßt werden, sind aber wohl kaum von Herodot beabsichtigt. Der jeweilige Kontext der beiden Reden ist sehr unterschiedlich: Für Grethlein ibid. „in the context of a panhellenic war against barbarians there is a similar controversy: while in Iliad 7 the best of the Achaeans is challenged to a duel, Herodotus describes the Greeks' struggle for the supreme command. That the argument over leadership corresponds to the search for the best hero becomes evident when the Athenians back up their claim to command the navy by referring to the fact that Menestheus was άνηρ άριστος of the Greeks." Bei Herodot geht es aber nicht um ein Duell, ebenso hat der Abwehrkrieg noch nicht begonnen, während in der llias der Angriffskrieg schon seit neun Jahren dauert. Inwiefern ein Duell dem Streit um die Führung entsprechen soll, bleibt unklar. Während Nestor, der selbst als Alter und König von Pylos über das nötige Ansehen verfügt, um die jungen Krieger zu ermahnen, benimmt sich der Gesandte Syagros, obzwar Vertreter einer von alters her angesehenen Stadt, in deren Namen er spricht, gegenüber dem Tyrannos, den er zum bedingungslosen Verzicht auf die Führung bewegen will, ziemlich respektlos. Grethlein erwähnt S. 492 mit Recht die analeptische Erzählung Nestors 11,765-90, wie er mit Odysseus zusammen Achilleus für den Feldzug gewonnen hat. Doch ist diese Erzählung zu weit von der Passage im 7. Gesang der llias entfernt und die Tatsache, daß beide Male Nestor spricht, ein zu vages Indiz (Nestor spricht ja auch sonst oft in der llias), als daß der halbe Iliasvers 7,125 als Hinweis auf eine von Herodot beabsichtigte intertextuelle Verbindung zum 11. Gesang aufgefaßt werden könnte. Dasselbe gilt auch für allfällige Bezüge auf die Hikesie-Szene im 9. Gesang: So ist Grethleins Hinweis S. 493 nicht überzeugend: „When finally Syagros not only quotes the Iliad but also backs up his claim to leadership by referencing Agamemnon, who started the fight with Achilles in the Iliad, it seems possible that Gelon's rejection appears against the background of Achilles' dismissal of the embassy in Iliad 9." Dagegen begegnet Grethlein einer anderen möglichen und m. E. evidenteren intertextuellen Beziehung zwischen Homer und Herodot mit großer Skepsis, S. 495: Daß nämlich Syagros mit Agamemnon „insofar as he is a bad model of leadership in the Iliad ... undermines his own point." Den von ihm zitierten Beispielen aus dem 4. Jh. (ζ. B. Isokrates Panathenaikos (12) 72 und 74-84) steht das negative Bild Agamemnons in der attischen Tragödie des 5. Jh. gegenüber. Doch meint Grethlein ibid. „This may indicate that the interpretation I have suggested here tends to bee too subtle and does not do justice to the image of Agamemnon in political speeches." Es ist ziemlich sonderbar, daß der Leser, der doch viel abwegigere intertextuelle Verbindungen zur llias erkennen soll, dies gerade an dieser Stelle nicht tun sollte, zumal der Name Agamemnons unmittelbar auf den

220

HERODOT

Geduldig entgegnet Gelon (7,160), der, wie der Narrator zeigt, trotz des Affronts seine Fassung nicht verliert und so seine Überlegenheit offenbart, in einer Gnome: ώ ξείνε Σπαρτιήτα, όνείδεα κατιόντα άνθρώπω φιλέει έ π α ν ά γ ε ι ν τόν θ υ μ ό ν σύ μέντοι άττοδεξάμενος ύβρίσματα έν τω λόγω ού με πείσεις άσχήμονα έν τη αμοιβή γενέσθαι. „Freund aus Sparta, Schmähworte, die einen Menschen treffen, empören gewöhnlich seinen Zorn. Wenn du dich auch stolz und hochfahrend gegen mich in diesen Worten gezeigt hast, will ich mich nicht dazu hinreißen lassen, in meiner Entgegnung unhöflich zu werden."

Zwar bestätigt Gelon indirekt Xerxes' Gnome 7,39,1, zeigt jedoch dadurch, daß er nicht wie jener hysterisch reagiert, daß er charakterlich nicht nur diesem, sondern auch seinen griechischen Gesprächspartnern überlegen, eben nicht όμοιος, ist. Er ist bereit, von seiner ursprünglichen Forderung etwas abzurücken (τι ύπείξομεν τοϋ αρχαίου λόγου). So fordert er (οΐκός) angesichts der Größe seines Kontingents wenigstens das Oberkommando über die Flotte oder das Landheer. Dieses Mal nun vereitelt der anonyme athenische Gesandte (7,161) in einer durch viele scharfe Antithesen geprägten Rede dieses Angebot. Sie seien gekommen, nicht weil sie einen Führer (ήγεμών), sondern weil sie ein Heer (στρατιή) bräuchten. Er unterstellt ihm als niedrige persönliche Ambition, über Griechenland, das der Hilfe bedürfe, herrschen zu wollen (ώς δε στρατηγήσεις αύτής γλίχεαι), wodurch er rhetorisch geschickt davon ablenkt, daß Gelon den größten materiellen und militärischen Beitrag zu leisten bereit ist; man beachte dabei die streng parallele Gedankenfuhrung mit jeweils einem negativen und positiven Teil, wobei eine Antimetabole die beiden Sätze verbindet. Nur den Spartanern sind die Athener bereit das Kommando über die Flotte abzutreten, nicht jedoch einem Syrakuser, zumal Athen über die größte Flotte verfüge. Diesen Anspruch begründet er mit Gemeinplätzen, die an einen Epitaphios Logos 402 erinnern, etwa dem Alter des Volkes (άρχαιότατον έθνος), der Autochthonie

Halbvers aus der Ilias folgt und zusammen mit dem Patronymikon den epischen Kontext geradezu evoziert. Oder zeigt etwa der Bruch des Hexameters durch ό Π ε λ ο π ί δ η ς ' Α γ α μ έ μ ν ω ν an, daß der Leser in diesem Teil nicht mehr an den Agamemnon des Epos (und der Tragödie) denken soll? 402 Diese R e d e bereitet die A r g u m e n t e der R e d e 9 , 2 7 vor und e r g ä n z t sie. Interessanterweise gebrauchen sie im Gegensatz zu 9,27 aber nur Argumente und Beispiele aus der mythischen Zeit. So fehlt z.B. der Hinweis auf Marathon.

Die Reden in den Büchern 7 - 9

221

(μοΰνοι. έόντες ού μετανάσται) 4 0 3 und der Stellung des besten Feldherrn im Kampf gegen Troia (των και "Ομηρος ... άνδρα άριστον εφησε έ ς "Ιλιον άπικέσθαι τάξαι τε και διακοσμήσαι στρατόν). Der literarische Verweis auf den Schiffskatalog der Ilias dient neben der Pathossteigerung (emphatisch ist anstelle von κοσμήσαι die synonymische congeries τάξαι. τε και διακοσμήσαι) als Rechtfertigung des athenischen Führungsanspruchs in Griechenland. Athens Funktion ist übertrieben, zumal in der Ilias die Athener Teil eines Ganzen waren, hier jedoch isoliert betrachtet , 404 werden. Nun hat Gelon endgültig die Geduld verloren und antwortet (7,162) dem Athener auf ironische Weise in prägnanter Formulierung - durch die Wiederholung des Stammes ά ρ χ - als verbales Polyptoton und Homoioteleuton - , daß diese zwar viele Herrscher (άρχοντας έ χ ε ι ν ) , aber keine Beherrschten (άρξομένους ούκ εξειν) haben würden. Da sie sich im Gegensatz zu ihm nicht kompromißbereit gezeigt hätten, fordert er sie nachdrücklich auf wegzugehen (ούκ άν φθάνοιτε την τ α χ ί σ τ η ν όπίσω απαλλασσόμενοι) und: άγγέλλοντες τη 'Ελλάδι δτι έκ του ένιαυτοϋ τό έαρ αύτη εξαράρηται. 4 0 5 „Meldet Griechenland, daß das Jahr für sie 403 Damit stehen die Athener im Gegensatz zu Herodots Meinung, der als Forscher dem Anspruch der Autochthonie sehr kritisch gegenübersteht (z.B. 1,57,3; 6,137). Dagegen übernimmt Thuk. 1,2,5 den Anspruch der Autochthonie. 404 II. 2,546ff. wird der Athener Menestheus 553f. als τ ω δ' οΰ π ώ τ ι ς όμοιος έττιχ θ ό ν ι ο ς γ έ ν ε τ ' άνήρ / κοσμήσαι 'ίππους τ ε και ά ν ε ρ α ς ά σ π ι δ ι ώ τ α ς bezeichnet, was Herodot in prosaischer Paraphrase verarbeitet und umgesetzt hat. Ob diese Passage im Schiffskatalog authentisch ist oder erst in der attischen Redaktion unter Peisistratos im dritten Viertel des 6. Jh. dazukam (vgl. dazu BK ii, 175f.), würde für ihre Verwendung bei Herodot nur dann eine Rolle spielen, wenn gezeigt werden könnte, daß Herodot den athenischen Sprecher eine von den anderen Griechen nicht akzeptiere Version des Schiffskataloges hat benutzen lassen. Für eine solche Vermutung gibt es aber nirgends einen Hinweis. 405 O f f e n b a r läßt Herodot Gelon aus einem Epitaphios des Perikles zitieren (vgl. Aristot. Rhet. 1365 a 3 0 - 3 3 und 1411 a 2 - 4 ) . Fornara 1971, 84 glaubt, daß Zeitgenossen wußten: „ G e l o n ' s reference to the Greek unwillingness to compromise, their insistence on .having the whole', is directly linked to a phrase celebrating the first to die from the fraternal conflict centering on precisely that issue." Gould 1989, 118 erkennt darin eine „technique of ironical fore-shadowing." Unpassend Diels Kritik (1887, 424): „ D a s herrliche Wort des Perikles aus dem samischen Epitaphios ..., ist in einer Rede des Gelon 7,162 sehr ungeschickt zur Verwendung g e k o m m e n . Doch hier m a g die Entlehnung hingehen, da sie vielleicht eine Schmeichelei gegen den Urheber des geflügelten Wortes beabsichtigt." Gut erklärt Grethlein 2006, 499 die Metapher: „At the level of content, Gelon uses the spring metaphor to counter the references to ancient glory with his present vigour: while the Spartan and the Athenian turn to the past, his empire has future." Da dies im

HERODOT

222

keinen Frühling mehr hat." Dabei, so erklärt Herodot oder eine Glosse, ist der Frühling eine Metapher fur Gelons Macht. Das Gespräch ist folgendermaßen strukturiert: Griechen (157):

1. Man hat sie gesendet, um Hilfe gegen X e r x e s ' Invasion Griechenlands zu holen. 2. A u f r u f zur Solidarität: Gelon soll mit ihnen Griechenland befreien (συνελευθέρου). Denn nur ein einiges Griechenland (άλής ... π α σ α ή ' Ελλάς) kann bestehen, während Verrat und Abseitsstehen eine Gefahr für ganz Hellas bedeutet. 3. Abseitsstehen birgt für Gelon Gefahr, während eine prophylaktische Strategie ihm nützt. Bekräftigende Abschluß-Gnome: ευβουλία bringt meistens Erfolg.

Gelon (158):

1. Vorwurf, daß die Griechen ihn respektlos um ein Bündnis bitten. 2. Analeptischer Beweis: Als Gelon die Griechen in analoger Situation um Hilfe gegen die Karthager gebeten hat (Rache und Nutzen), haben sie ihn im Stich gelassen. 3. Angebot, ein großes Kontingent zu stellen, fordert aber das Oberkommando.

Syagros (159):

Homer-Reminiszenz: Es ist für Sparta unerträglich, die Führung einem Syrakuser zu überlassen. Er ist bereit, auf Gelons Hilfe zu verzichten.

Gelon (160):

Trotz des A f f r o n t s will er nicht seine Fassung verlieren, sondern bietet einen K o m p r o m i ß an: Er fordert das K o m m a n d o entweder über das Landheer oder die Flotte.

Athener (161):

1. Sie sind gekommen, weil sie ein Heer, nicht einen Heerführer brauchen. 2. Gelon wolle nicht helfen, sondern wolle über Helleas herrschen. 3. Sie treten nur den Spartanern das K o m m a n d o über die Flotte ab, zumal sie das größte Kontingent stellen: Preis des Alters des athenischen Volks, seiner Autochthonie und Leistungen bei Homer (Anspielung auf den Schiffskatalog).

Gelon (162):

1. Die Griechen haben zwar viele Befehlshaber, aber keine Befehlsempfänger.

Kontext des Epitaphios des Perikles eine Metapher für die mors immatura ist, erscheint ihr Gebrauch hier als nicht angemessen.

Die Reden in den Büchern 7 - 9

223

2. Da sich j e n e im Gegensatz zu ihm nicht kompromißbereit gezeigt hätten, fordert er sie auf, schleunigst wegzugehen. Nachdruck durch den poetischen Vergleich.

Das aus einer Hexade bestehende Gespräch zeigt eindrücklich die von Mardonios (7,9) und Xerxes (7,101,2) angedeutete Uneinigkeit auf und deutet auf die Spannungen zwischen den einzelnen Poleis in der zweiten Hälfte des 5. Jh. voraus. 406 Neben dem interessanten Aspekt der Prophylaxe geht es vor allem um die Festlegung der Rangordnung unter den griechischen Poleis. Im folgenden Kapitel 7,163 fügt Herodot auktorial hinzu, daß Gelon zwar befürchtete (δείσας), die Griechen würden unterliegen, es aber für inakzeptabel hielt (δεινόν δέ καΐ ούκ άνασχετόν), sich den Spartanern unterzuordnen. Daher beschloß er, in abwartender Haltung drei Pentekonteren mit Schätzen und freundlichen Worten für den Sieger in Richtung Delphi zu schicken. Diese sollte man im Falle eines persischen Sieges Xerxes übergeben, andernfalls nach Syrakus zurückbringen. Wie im Falle von Argos fugt Herodot auktorial noch eine zweite Version, welche die Sikeler erzählen, hinzu (λέγεται). Gelon hätte den Griechen im Mutterland gewiß geholfen, wenn er nicht selbst zur gleichen Zeit mit einer gewaltigen karthagischen Invasion konfrontiert gewesen wäre. Im weiteren (166: λέγοιχπ) wird die Synchronie von Salamis und Himera als Antizipation (Prolepse) des Sieges in Salamis, aber ohne Emphase, wie-

406 Ubsdell 1983, 254: „The moral of this embassy is clear: the dispute over hegemony is meant to show up the pleonexia of the Greeks ... and the fatuousness of their desire to lead rather than to be lead." Einleuchtend Crane 1992, 9: „Both the Spartans and the Athenians ... feel that their lineage and history entitle them to precedence over Syracuse or any such 'derivate' state. Even defeat at the hands of the Persians and subjugation to a foreign empire is preferable to such an immediate loss of prestige within the Greek world. ... Had they accepted G e l o n ' s offer, they would have subverted the relative hierarchy of the Greek world, and thus, in their own eyes, would have lost more status than if they were subjugated to an external power." Bichler 2000, 331: „Die Szene mischt sehr gekonnt historisch authentische M o m e n t e - wie Spartas formellen Oberbefehl über die Bundesflotte - mit aktuellen Reflexionen über Athens Machtansprüche aus dem Erleben der Zeit, die zum Peloponnesischen Krieg geführt hatte, und bietet interessante mythologische Argumentationen. Ebenso zeigt es, daß sich die Griechen aus Prestigegründen lieber von den Persern unterwerfen ließen, als einem Kolonisten das O b e r k o m m a n d o zu Ubergeben."

224

HERODOT

dergegeben. 4 0 7 Großes Interesse erweckt dabei das spurlose Verschwinden des karthagischen Feldherrn Amilkas, dem Herodot einen langen Exkurs (7,167) widmet. δ) N a c h d e m Herodot recht ausfuhrlich über Argos und Sizilien berichtet hat, rafft er die Ereignisse in Kerkyra (7,168) zusammen: Da die Boten, von Sizilien kommend, die gleiche Rede wie vor Gelon hielten, gibt er nur die Antwort der Kerkyraier, die Hilfe in Aussicht stellten, indirekt wieder, fügt aber auktorial hinzu, 168,2: ύπεκρίναντο μεν ουτω ευπρόσωπα, έπεί δέ εδει βοηθέει.ν, άλλα νοέοντες. „Ihre Antwort klang ganz schön und gut. Als sie aber zur Hilfeleistung ausrücken sollten, änderten sie ihre Gesinnung." Ähnlich wie Gelon (163) glaubten sie nicht an die Möglichkeit eines griechischen Sieges (άελπτε'οντες μεν τους "Ελληνας ύπερβαλέεσθαι.), sondern wollten sich durch Abwarten alle Optionen für eine Verständigung mit Xerxes offenhalten, wobei Herodot auch schon eine mögliche direkte Rede für den Sieger, in der die Kerkyraier Xerxes ihre Bereitwilligkeit und Wahl, bei ihrer nicht geringen Macht und Flotte nicht auf Seiten der Griechen zu k ä m p f e n , darlegen, bereithält (168,3). Dabei betonen sie emphatisch ihre Macht durch die zweimalige Litotes ούκ έλαχίστην - ούδέ έλαχίστας und legen das Gewicht auf die autonome Wahl, Xerxes nicht entgegenzutreten oder etwas Widerwärtiges (mit dem poetischen H a p a x bei Herodot άποθύμι,ον) anzutun. Ebenso dachten sie 407 Ebenso werden in Aristoteles' Poetik c. 23 diese beiden Schlachten als Beispiel für eine bloße zeitliche Koinzidenz zweier Ereignisse ohne inneren Z u s a m m e n h a n g erwähnt (1459a 25f. κ α τ ά τ ο ύ ς α υ τ ο ύ ς χρόνους ... ουδέν π ρ ό ς τ ό α υ τ ό συντ ε ί ν ο υ σ α ι τ έ λ ο ς ) . Erst im 4. Jh. wurden sie von Ephoros miteinander verbunden und als Teil eines persisch-karthagischen Planes gegen Griechenland gesehen (FGrHist 70, F 186, Diodor 11,1,4f., die strategische Überlegungen aus dem späten 5. und 4 Jh. wiedergeben, vgl. Gottlieb 1963, 69ff.). Interessant ist der Synchronismus der wichtigsten Abwehrschlachten gegen barbarische Invasionen sowie die Tatsache, daß es sich immer um eine See- und eine Landschlacht gehandelt hat auch f ü r Herodot, zumal diese Symmetrie einen göttlichen Plan suggeriert, von dem Herodot freilich nicht spricht. Er hat wohl bewußt die Schlacht von Himera von Salamis getrennt, zumal in Sizilien nicht die Perser die Aggressoren waren. Die Antizipation der Schlacht von Himera, von der dann in Buch 8 nicht mehr die Rede sein wird, ist Herodots Versuch, entsprechend seiner Wertung 7,139, die Schlacht von Salamis zum einzigartigen Ereignis des Krieges, das die Wende bringt, zu machen. So hat sich Herodot implizit mit seinem Bericht wohl gegen mögliche Versuche von Zeitgenossen gewehrt, die Schlacht von Salamis, bei der die Athener eine zentrale Rolle spielten, abzuwerten. Wie 7,139 hat dies nicht mit Parteilichkeit zu tun, sondern zeugt von seinem Versuch, eine objektive Wertung der Bedeutung von Salamis zu geben.

Die Reden in den Büchern 7 - 9

225

sich eine Ausrede (σκήψις) fur die Griechen aus, die Herodot indirekt wiedergibt: zwar hätten sie 60 Schiffe stellen wollen, seien wegen der Etesien aber daran gehindert worden, Kap Malea zu umschiffen und hätten daher, wie Herodot proleptisch andeutet, nicht aus Bosheit (ούδβμιή κακότητι) in Salamis gefehlt. 4 0 8 e) Zuletzt berichtet Herodot über die Gesandtschaft nach Kreta. Aufgrund eines Orakels, das die Kreter an vergangene (aus dem Epos bekannte) Desaster erinnerte, versagten diese den Griechen ihre Hilfe. In einem erklärenden mehrgliedrigen Exkurs erläutert Herodot in Analepsen die katastrophalen Expeditionen der Kreter in der Vergangenheit. 409 Fazit: Die diplomatischen Missionen der Griechen sind, wie Herodot ausführlich und eindrücklich zeigt, im Gegensatz zu den erfolgreichen persischen ein völliger Mißerfolg. Die panhellenische Solidarität ist gering, niemand ist bereit, Kompromisse einzugehen, die Vergangenheit wird gebraucht, um die Bitte um ein Bündnis (Xerxes), den eigenen Führungsanspruch (Spartaner und Athener) und das Abseitsstehen (Kreter) zu begründen; die Chancen des Widerstandes gegen Xerxes werden von den übrigen Griechen als schlecht eingestuft; man sucht sich lieber irgendwie mit Xerxes zu arrangieren. Diese Erkenntnisse werden in der Mitte durch das lange Gespräch in oratio recta zwischen Gelon und den griechischen Gesandten lebendig illustriert. Die Sprecher sind nicht als Individuen, sondern als Vertreter ihrer jeweiligen Polis, deren Standpunkt sie vertreten, dargestellt. Der Tyrann Gelon repräsentiert kraft seiner autokratischen Stellung die Polis Syrakus. Während der spartanische Gesandte namentlich bekannt ist, treten der athenische ebenso wie die übrigen Gesandten als anonyme Vertreter ihrer Polis auf.

408 Die schlauen Kerkyräer antizipieren die Argumente ihrer N a c h k o m m e n (Thuk. 1,31 ff.), die am Vorabend des Peloponnesischen Kriegs ihre eigennützige Neutralität aufgaben. Munson 2001a, 221: „The point of Herodotus' narrative ... is that C o r c y r a ' s fleet which recently did so much to exacerbate the internal conflicts in Greece, could have helped the Greek at the time of their defensive war against Persia but deliberately failed to do so." Vgl. die Attizismen ά ν ε κ ώ χ ε υ ο ν und καραδ ο κ ε ο ν τ ε ς (ebenso 7,163,2; 168,2 und 8,67), wobei κ α ρ α δ ο κ έ ο ν τ ε ς ν ν ί β ή λ π ι ί ο ν als rationaler t.t. des 5. Jh., der angesichts des Schicksals, das den Griechen den Sieg vorausbestimmt hat, versagt, eine ironische Färbung erhält. 409 In einer externen Prolepse (χρόνω ύστερον πολλω) erwähnt Herodot die Schlacht von Hyrie (wohl um 473 v. Chr., vgl. How-Wells, 204), die seiner Meinung nach 170,3 φόνος ' Ε λ λ η ν ι κ ό ς μ έ γ ι σ τ ο ς war (analog Thuk. 7,85,4).

226

HERODOT

d. In einer weiteren Analepse betont Herodot 7,172, daß die Thessaler aus Not (ύπό άναγκαίης) auf die Seite der Perser traten und das Handeln der mit Xerxes befreundeten Aleuaden nicht billigten (οΰ σφι ήνδανε τά οί Αλευάδαί έμηχανώντο). Daher schickten sie, als Xerxes daran war, den Hellespont zu überschreiten, Gesandte zum Isthmos. In einer direkten Rede mit paränetischem Charakter, die ihre Bitte dramatisch gestaltet und ihr Emphase gibt, fordern sie von den Griechen, direkt und ohne Umschweife beginnend, den Paß am Olymp zu bewachen (172,2 δε! φυλάσσεσθαι την έσβολήν την Όλυμτηκήν) und zum Schutze Thessaliens und ganz Griechenlands ein starkes Heer in den Norden zu senden. Andernfalls drohen sie, sich mit den Persern zu verständigen (ήμέας όμολογήσαν τω Πέρση), zumal sie nicht allein den Preis für die Freiheit Griechenlands bezahlen wollen. Dieser Satz erhält durch die dreimalige Setzung von προ- mit drei verschiedenen Bedeutungen in der Art einer Traductio seinen intellektuellen Reiz, wobei die Äquivozität die Schärfe der Aussage abmildert. Sie begründen ihre Haltung in einer Gnome: βοηθέειν δε ού βουλόμενοι. άναγκαίην ή μ ΐ ν οΰδεμίαν οίοί τέ έ σ τ ε π ρ ο σ φ έ ρ ε ι ν ούδαμά γαρ άδυνασίης ανάγκη κρέσσων εφυ. ή μ ε ΐ ς δε πειρησόμεθα αυτοί τίνα σωτηρίαν μηχανώμενοι. „Wollt ihr uns nicht zu Hilfe kommen, so könnt ihr uns auf keine Weise zwingen; denn noch nie war Z w a n g stärker als Unvermögen. 4 1 0 Wir aber werden versuchen, von uns aus irgendeinen Weg zur Rettung zu finden."

Daher beschlossen die Griechen (173), ein Heer von 10Ό00 Mann unter der Führung des Spartaners Euainetos und des Atheners Themistokles nach Thessalien zu entsenden. Dazu kam die thessalische Kavallerie. Alexander von Makedonien riet indessen durch Boten den Griechen (in indirekter Rede), sich zurückzuziehen, um nicht vom Perserheer erdrückt zu werden. Da ihnen dieser Rat nützlich (χρηστά) schien, und er als loyal (εΰνοος) galt, folgten sie ihm. Herodot glaubt indessen, wie er auktorial anführt 173,4, daß Furcht ihr Ratgeber gewesen ist (άρρωδίη 4 " ήν τό πεΐθον), besonders auch als sie von einem anderen Paß, der nach Thessalien führte, erfuhren. Von den Griechen im Stich gelassen, machten die Thessaler ihre Drohung wahr und traten, wie Herodot 175 sagt, entschlossen auf die Seite

410 Ähnlichen menschlichen Z w a n g üben 7,233,1 f. und 8,11 l,2f. Griechen auf Griechen aus, jedoch ist dieser „weaker than their powerlessness vis-ä-vis the compulsion applied by Xerxes" (Munson 2001b, 38, Anm. 44). 411 άρρωδίη ist hier nach v. Haehling 1993, 89 „inaktive Verhaltenheit, die vor möglichen Gefahren empfunden wird."

Die Reden in den Büchern 7 - 9

227

der Perser (έμήδισαν προθύμως ούδ' έτι ένδοιαστώς). 4 1 2 Die Griechen hielten ihrerseits am Isthmos Rat über Alexanders Worte. In geraffter Form und in oratio obliqua wird die Meinung, die sich durchsetzte (ή νικώσα γ ν ώ μ η ) , erwähnt: den Thermopylenpaß zu verteidigen, weil er im Gegensatz zum Paß in Thessalien schmaler ( σ τ ε ν ό τ ε ρ η ) und näher (άγχοτέρη) an der Operationsbasis der Griechen (d.h. Attika und die Peloponnes) lag. 413 Ebenso beschlossen sie, die Flotte zum Kap Artemision zu entsenden und so den Seeweg nach Süden zu blockieren. In einem auktorialen Exkurs beschreibt Herodot die Region um Kap Artemision und die Thermopylen und betont (177) die strategisch günstige Lage des Ortes (χώρος επιτήδειος). Die Griechen lösten den Kongreß am Isthmos auf, als die erfuhren, daß Xerxes in Pieria war. Damit endet der 7,137 begonnene zweite Strang. 4 1 4

2.3.1.7. Die Reden und die Schlacht bei den Thermopylen (7,178-239) a. Die Angst der Griechen ist bei der Empfehlung des Orakels von Delphi (178), zu den Winden zu beten, 415 und beim ersten Scharmützel mit der persischen Flotte das dominierende Motiv (καταρρωδηκότες, δεινώς καταρρωδέουσι τον βάρβαρον, καταρρωδήσαντες), das diese zum zeitweiligen Rückzug nach Chalkis zwang. 416 412 Dies wird 9,1 bestätigt und sogar gesteigert: ούτε τ ά πρό τ ο ϋ π ε π ρ η γ μ έ ν α μ ε τ έ μ ε λ ε ουδέν ττολλω μάλλον έττήγον („sie bereuten ihr früheres Verhalten nicht, sondern feuerten die Perser nur noch mehr an"). 413 Vom Anopaia-Pfad, der, wie Herodot in einer auktorialen Parenthese antizipiert, die Umgehung des Passes ermöglichte, erfuhren sie erst bei der Ankunft in Trachis durch die einheimische Bevölkerung. 414 Zur Inschrift von Troizen, die im Gegensatz zu Herodot von einer frühen Evakuierung der Bevölkerung aus Attika spricht, aber bei der es sich wohl um eine Fälschung handelt, Burn 1962, 364ff. Dagegen meint Hammond 1982, 93, daß „this Decree is a copy made in the third century not of a fourth-century forgery but of a literary version of the original decree of September 481." Dagegen hält Eder 2002, 870 mit Recht die Inschrift für eine Fälschung des 4. Jh., die zu politischen Z w e c k e n angefertigt w u r d e , weil „der in der T(roizen-Inschrift) v e r w e n d e t e Begriff der politischen Freiheit (Z. 15 ε λ ε υ θ ε ρ ί α ) erst nach den Perserkriegen entstanden sein dürfte." Ebenso Asheri 2003, 367-69. 415 Diese Äußerung ist indirekt eine Prolepse auf Artemision und verweist auf die göttliche Ebene. 416 Dabei betont Herodot die Aristie des Aigineten Pythes, der wegen seiner Tapferkeit von den Persern gepflegt und gut behandelt wurde Diese Geschichte zeigt, daß die Perser j e d e Art von Tapferkeit, auch beim Feind, bewunderten.

228

HERODOT

An dieser Stelle, vor den ersten Verlusten des Heeres, zählt Herodot die Zahl aller Teile des Perserheeres auf und kommt mit dem Troß auf 5'283'220 Mann. 417 Interessant ist die auktoriale Bemerkung 187,2, daß sich bezüglich Größe und Schönheit niemand unter den Persern mit Xerxes messen konnte (κάλλεός τε ε'ίνεκα και μεγάθεος ουδείς αύτών άξιονικότερος ήν αύτοΰ Ηέρξεω εχειν τοΰτο τό κράτος). 418 b. Als der Sturm losbrach, konnten die Perser, da der Küstenstreifen nicht breit genug war, nur einige Schiffe an Land ziehen, die übrigen wurden auf offener See überrascht. 419 Der Sturm, den die Mager erst nach drei Tagen durch Opfer beschwichtigen konnten, vernichtete laut Herodots vorsichtiger Schätzung mindestens 400 Schiffe, dazu Menschen, Vorräte und Schätze.420 Während sich die Perser im Lager verschanzten, dankten und

417 Natürlich ist die Zahl der persischen A r m e e bei Herodot bei weitem übertrieben: Herodot will im Grunde damit bloß die erdrückende Übermacht der Perser vor Beginn der eigentlichen Kampfhandlungen in Erinnerung rufen. Wie schon 7,21 verteidigt Herodot seine Zahlen durch den Hinweis, d a ß viele Flüsse versiegten (187,1). Vgl. dazu How-Wells, 3 6 3 - 3 6 9 , Burn 1962, 3 2 2 f f „ Bengtson 1965, 163f. und Lazenby 1993, 90ff. 418 Vgl. die Beschreibung A g a m e m n o n s II. 3,162ff. und zum epischen Effekt Matsudaira 1981, 289ff.; zur Schönheit als Topos der persischen Kommandanten vgl. S. 204, Anm. 364. 419 Damit bewahrheitete sich Artabanos' Aussage 7,49,2, der vor der von Stürmen ausgehenden G e f a h r gewarnt hatte. Daß eine göttliche Ursache hinter dem Sturm steht, suggeriert auch der Beschwichtigungsversuch durch die Mager, wird aber nicht explizit von Herodot bestätigt. Die Athener sollen (189,1 λ ε γ ε τ α ι ) den N o r d w i n d aufgrund eines Orakels herbeigerufen haben, zumal dieser nach der Sage ( ψ ά τ ι ς ) eine Athenerin geheiratet haben soll. Daher beteten sie zu Boreas, er solle die Schiffe der Barbaren wie am Athos zerschellen lassen (6,44,2f.). Aber Herodot ist vorsichtig 189,3: eL μεν νυν δίά τ α ϋ τ α τ ο ΐ σ ί βαρβάροίσί όρμεουσι ό Βορέης έ π έ π ε σ ε , ούκ ε χ ω ε ι π ε ί ν κτλ. „Ob nun die Barbaren deshalb auf ihrem Ankerplatz von Boreas überfallen wurden, kann ich nicht sagen." Vielmehr ist es eine athenische Kunde. Daß die Athener später dem Boreas ein Heiligtum bauten, dient als bestätigendes Indiz. 420 Zu Geographie, Zahlen, Chronologie und historischer Interpretation vgl. Burn 1962, 378^105, Hignett 1963, 149-192 und Lazenby 1993, 90ff. Die Verluste der Perser waren wohl geringer. Herodot wollte aber die Flotte, deren Zahl zu hoch angesetzt war, vor Salamis irgendwie auf eine vernünftige Größe reduzieren und zeigen, daß die Götter den Griechen beistanden. Als Beweis für die Richtigkeit der Erzählung führt der Narrator in einem abschweifenden Exkurs den π α ι , δ ο φ ό ν ο ς Ameinokles an, der durch die an Land gespülten Schätze reich, aber nicht glücklich wurde.

Die Reden in den Büchern 7 - 9

229

opferten die Griechen (192) dem Retter Poseidon und zogen sich in der Hoffnung, es nur noch mit wenigen Schiffen zu tun zu haben (έλπίσαντες ολίγας τινάς σφι αντίξοους έσεσθαι νέας), schleunigst nach Kap Arte.. ,

421

mision zuruck. Xerxes hielt im Gebiet der Malier einen Wettkampf ab (196), wobei die thessalische Kavallerie der persischen weit unterlegen war (έλείποντο ττολλόν).422 Wie in einem Reisebericht werden (198-201) geographische Angaben mit anderen Informationen vermengt, wobei die Enge (200 στεινότατον) der Thermopylen betont wird. Das Kontingent der Griechen, das aus 300 Spartiaten und anderen Verbündeten bestand, umfaßte über 5000 Mann, also nur die Hälfte des nach Thessalien gesandten Heers. In oratio obliqua (λέγοντες δι' άγγέλων) wird die strategische Überlegung der Griechen in ihrer Botschaft an die Phoker geschildert (203,2): Sie seien nur eine Vorhut (πρόδρομοι); die übrigen Bundesgenossen würden bald kommen, und der Seeweg in Richtung Süden werde von der Flotte bewacht. Ihre Überlegung schließen sie gnomisch mit einem Syllogismus ab, der viele Leitgedanken des Werks in sich vereinigt und als Prolepse dient: καί σφι. εϊη δεινόν ούδέν. ού γαρ θεόν είναι τον έπιόντα επί την Ελλάδα, άλλ' άνθρωπον, είναι δέ θνητόν ούδένα ούδέ έσεσθαι τω κακόν έξ α ρ χ ή ς γινομένω ού συνεμείχθη, t o l o l δέ μεγιστοισι αυτών μέγιστα· όφείλειν ών και τον έπελαύνοντα, ώς έόντα θνητόν, άπό της δόξης πεσειν. „Sie hätten nichts zu furchten. Denn nicht ein Gott rücke gegen Griechenland heran, sondern ein Mensch. Es gebe aber keinen Sterblichen, noch werde es in Zu-

421 In einem analeptischen Exkurs (194) erzählt Herodot, um thematisch z u s a m m e n gehörende Dinge chronologisch nicht zu trennen, das Schicksal des persischen Kommandanten Sandokes, den Dareios hatte bestrafen lassen, der aber mit dem Leben d a v o n g e k o m m e n war: 194,3: τ ό τ ε δέ έ ς τ ο ύ ς " Ε λ λ η ν α ς κ α τ α π λ ώ σ α ς έ μ ε λ λ ε ού τ ό δεύτερον δ ι α φ υ γ ώ ν έ σ ε σ θ α ι , „als er aber mitten in die Griechenschiffe fuhr, sollte er nicht ein zweites Mal entrinnen." Er wurde gefangengenommen und gefesselt nach Korinth geschickt. Herodot verbindet den früheren Fehler, dem er entronnen war (διαφυγών), mit dem jetzigem, dem er nicht mehr entrinnen kann. Die Analogie und die Inversion der Logik erzeugen beim Rezipienten eine ironische Spannung. Ähnlich ist Lykaons Schicksal in der Ilias 21, 34ff. (besonders v. 44-49). 422 Weiter kommt Xerxes nach Achaia (7,197), wo Herodot eine lokale aitiologische Sage ( έ π ι χ ώ ρ ι ο ν λόγον) des Athamas, die mit dem Hauptstrang nichts zu tun hat, erzählt.

230

HERODOT kunft einen geben, dem nicht gleich in der Wiege auch das Unglück beigegeben sei; die Größten aber treffe das größte. So werde auch dieser Angreifer aus seiner stolzen Höhe stürzen, weil er nur ein Sterblicher sei." 423

Dies ist gewissermaßen die Antwort auf das Wort des Hellespontiers 7,56 (vgl. schon 7,136,1). In ihrer Überlegung, die dem sterblichen Menschen antithetisch Gott gegenüberstellt, nehmen sie ein zentrales Prinzip Solons (1,31,3) und Kroisos' (1,207,2) auf und machen daraus einen Syllogismus. Bemerkenswert ist, daß diese wichtige Aussage nicht in oratio recta steht. Im folgenden wird der spartanische König Leonidas durch die Aufzählung seiner ganzen Ahnenreihe bis Herakles 424 geehrt, wobei erzählt wird, wie er unerwartet (εξ άπροσδοκήτου) König geworden sei. Mit seiner Elitetruppe von 300 Mann und den peloponnesischen Verbündeten sollte er gemäß der strategischen Überlegung der Spartaner, die Herodot (7,206) aus ihrer Perspektive indirekt berichtet, den anderen Griechen ein Beispiel geben, damit diese mit ihnen ins Feld zögen und sich nicht auf die Seite der Perser stellten, zumal sie eine allgemeine schnelle Mobilmachung (κατά τάχος ... πάνδημεl) wegen religiöser Feste verschoben, und vor allem: ουκ ών δ ο κ έ ο ν τ ε ς κατά τ ά χ ο ς οϋτω δι,ακριθήσεσθαι. τ ό ν έν θερμοπύλησι. πόλεμον έπεμπον τούς προδρόμους. „Da sie also nicht glaubten, daß der K a m p f an den Thermopylen so schnell entschieden würde, schickten sie nur eine Vorausabteilung."

Die Griechen bekamen beim Näherrücken der Perser wiederum große Angst (207 καταρρωδέοντες), und vor allem die Peloponnesier dachten an einen Rückzug zum Isthmos, was Phokern und Lokrern mißfiel. Leonidas beschloß zu bleiben und schickte Boten nach Sparta, die Verstärkung anfordern sollten. c. Ein von Xerxes geschickter Kundschafter sah die spartanischen Soldaten, die vor der Mauer mit Turnübungen und dem K ä m m e n der Haare beschäftigt waren, und wunderte sich darüber (θεώμενος έθώμα£ε), 425 daß er die Spartaner unbehelligt zählen und dann in Ruhe (κατ ήσυχίην) zurückreiten konnte.

423 Die Gnome, die bei Shapiro 2000 fehlt, erinnert an Artabanos 7,10e (und 7,46,3; vgl. 5,4,2). 424 Vgl. Leotychidas 8,131,2, Alexander 8,139, Pausanias 9,64 und Xerxes 7,11,2 in seiner Rede. 425 Für einen Perser, der nicht in den von Demaratos 7,101 —4 vorgegebenen Kategorien denkt, ist diese Sitte der Spartaner, analog zu den exotischen Völkern fur den Narrator, unverständlich. Daher wundert er sich.

Die Reden in den Büchern 7 - 9

231

Als Xerxes dies hörte (άκούων), (209): ούκ είχε συμβαλεσθαι. τό έόν, δτι παρεσκευά£οντο ώς άπολεόμενοί τε καΐ άπολέοντες κατά δ ύ ν α μ ι ν άλλ' αύτω γελοία γαρ έφαίνοντο ποιέειν, „konnte er den Sinn des Vorgangs nicht verstehen, weshalb sie sich nach besten Kräften herrichteten, um unterzugehen oder zu siegen. Ihr Tun schien ihm lächerlich." 426

Daher rief er erneut Demarat zu sich und fragte ihn in einer vorbereitenden indirekten Rede nach den Einzelheiten. In seiner direkten Rede bezog sich Demarat zuerst auf das im letzten Gespräch (ήκουσας και πρότερον) behandelte Problem der Kommunikation und seiner Person: άκουσας δέ γέλωτά με έθευ λέγοντα rrj περ ώρων έκβησόμενα τά πρήγματα ταϋτα. έμοί γάρ την άληθείην άσκέειν άντία σεϋ, ώ βασιλεΰ, άγών μέγιστος έστι. 427 „Damals hast du mich ausgelacht, als ich dir erzählte, wie ich den k o m m e n d e n Ausgang dieser Unternehmungen ansehe. Denn ich gebe mir immer große Mühe, vor dir, König, die Wahrheit zu sagen."

Daß die Spartaner kämpfen werden, ist durch den im vorausgehenden Gespräch definierten νόμος, auf den er sich 209,3 explizit bezieht, garantiert: Wenn sie ihr Leben aufs Spiel setzen, schmücken sie ihre Haare. In einer stolzen Hyperbel, die mit 7,139 in Widerspruch steht, behauptet er (ähnlich wie die Perser aber in Bezug auf Sparta): εί τούτους τε και τό ύπομένον έν Σπάρτη καταστρέψεαι, εστι ουδέν άλλο έθνος ανθρώπων τό σε, βασιλεΰ, ύπομενέει χ ε ί ρ α ς άνταείρόμενον νυν γάρ πρός βασιληίην τε καλλίστην των έν "Ελλησι προσφέρεαι καΐ άνδρας άριστους. 428 „Wenn du diese Leute hier und noch den Rest in Sparta unterwirfst, dann gibt es tatsächlich kein anderes Volk mehr auf Erden, das gegen dich, König, die Waffen erhebt. Jetzt nämlich rückst du gegen das schönste Königreich in Griechenland und gegen die tapfersten Männer vor."

426 Xerxes lacht „because he does not understand, he cannot fit together, the pieces of reality" (Lateiner 1977a, 179). Er unterschätzt das Unbedeutende, vgl. DarboPeschanski 1987a, 182 und Veen 1996 allgemein. 427 Xerxes hatte über Demaratos' Schilderung des spartanischen N o m o s 7,103,1 und 105 gelacht, über dessen konkrete Auswirkungen er nur gehört hat. Auch hier kann sich Xerxes als aisthetisch-konkreter Mensch kein Bild machen von dem, w a s er hört (in dieser Passage ist das viermalige V o r k o m m e n des Verbs ά κ ο ύ ε ι ν zu beachten, einmal auktorial und dreimal von Demaratos gebraucht). Erst nach der Schlacht versteht er - πάθει μάθος - Demaratos' Wahrheit. 428 Man beachte die Äquivozität von ύ π ο μ έ ν ε ι ν ; Leitmotiv ist die Tapferkeit der Männer (άνδρας α ρ ί σ τ ο υ ς ) .

232

HERODOT

Da Xerxes dies unglaubwürdig (dm στα) schien, wie er in einer indirekt berichteten Zwischenfrage sagte, erkundigte er sich nach der geringen Zahl. Darauf antwortete Demarat kurz und effektvoll in oratio recta, er solle ihn, falls er die Unwahrheit sage, als Lügner (άνδρί ψεύστη) behandeln. 429 Aber auch damit konnte der Warner, wie Herodot auktorial hinzufügt, Xerxes nicht überzeugen (ούκ επειθε). Dieses Gespräch, das aus zwei indirekten protatischen Fragen des Xerxes, einer längeren direkten Rede des Demaratos und einem kurzen effektvollen Spruch am Schluß besteht, retardiert, unmittelbar vor der Schlacht, den Fortgang der Handlung und steigert so die Spannung. Es verbindet die nachfolgende Schlacht mit dem Gedankengut des Gesprächs 7,101-4, auf das sich Demaratos zu Beginn explizit bezieht. Was dort noch Theorie über den spartanischen Nomos war, steht jetzt unmittelbar vor der praktischen Bewährung und hilft dem Rezipienten, das Verhalten des Leonidas besser zu verstehen. Dabei ist Xerxes zwar wiederum nicht unfreundlich, aber er ist nicht imstande, auf die Dinge, die er hört und die nicht zu seinen Denkkategorien gehören, einzugehen, sondern kann nur lachend darauf reagieren. Demaratos legt zwar großes Gewicht auf das Problem der Kommunikation und geht so weit, in eigener Person (ήθος) fur das Gesagte zu bürgen; trotzdem gelingt es ihm wie beim ersten Gespräch nicht, Xerxes zu überreden. Damit deutet er die Grenzen der menschlichen Erkenntnis- und Kommunikationsfahigkeit an. d. Xerxes, der auch während der Schlacht Fokalisator 430 bleibt, wartete vier Tage in der Hoffnung (7,210,1 έλπί£ων), die Griechen würden abziehen, 431 schickte am f ü n f t e n , οι έ φ α ί ν ο ν τ ο ά ν α ι δ ε ί η τ ε και άβουλίη διαχρεώμενοι („weil sie seiner Meinung nach aus Frechheit und Unüberlegtheit blieben"), erzürnt (θυμωθείς) medische und kissische Truppen mit dem Befehl, jene gefangenzunehmen. Sie versuchten es, fielen aber in Massen und machten so jedem und besonders ihrem König klar, wie die Antithese mit leichtem Paradoxon zeigt: δτι πολλοί άνθρωποι elev, ολίγοι δέ άνδρες, „daß sie viele Menschen, aber wenige Männer waren." 429 Damit steigert er hier das schon 7,101,3 und 104,5 angeschnittene Problem der adäquaten Kommunikation. 430 Die Schilderung der Schlacht aus der Sicht der an ihr direkt Beteiligten als sekundärer Fokalisatoren wirkt viel lebendiger als ein bloßer Tatsachenbericht. Der Narrator bleibt im Hintergrund, lenkt unauffällig die Erzählung und steuert ihre Rezeption durch Glossen und durch die Selektion des Erzählten. 431 Vgl. seine Erwartung 7,147,1, die Griechen würden nach dem Bericht der Spione angesichts der überwältigenden Übermacht den Widerstand aufgeben.

Die Reden in den Büchern 7 - 9

233

Danach (211) schickte er seine Elitetruppe unter Hydarnes in der Meinung (ώς δή οΰτοί γε), diese könnten problemlos der Lage Herr werden (cijttctcojc κατεργασόμενοι). Auch sie waren nicht erfolgreicher, weil sie, wie der Narrator weiß, in der Enge des Raumes (στει.νοπόρω χώρω) und infolge kürzerer Speere (δόρασι βραχυτέροι.σι) ihre zahlenmäßige Übermacht nicht ausspielen (πλήθεϊ χρήσασθαι) konnten. Xerxes soll daher ob dieses unerwarteten Geschehens aus Furcht um sein Heer dreimal von seinem Thron aufgesprungen sein (212,1 λέγεται βασιλέα θηεΰμενον τρις άναδραμειν εκ τοϋ θρόνου δείσαντα περί τη στρατιά). Diese nonverbale Handlung eignet sich dazu, Xerxes' Gemütszustand plastisch aufzuzeigen. Auch am zweiten Tag wurde die Hoffnung der Perser (έλπίσαντες), daß die Griechen infolge der Wunden und angesichts ihrer geringen Zahl nur noch schwachen Widerstand leisten würden, wie am Vortag enttäuscht. Als Xerxes schon ratlos war (άπορέοντος βασιλέος), brachte der Verrat des Ephialtes (7,213), der davon zu profitieren hoffte (ώς μέγα t l παρά βασιλέος δοκέων οισεσθαι), die Wende. In einem Exkurs über Ephialtes, der als Prolepse seinen Tod erwähnt, bezeichnet Herodot explizit und autoritativ Ephialtes als den Schuldigen (214,3 αίτιον γράφω). 432 Xerxes, der vorher noch niedergeschlagen schien, gefiel (ήρεσε) Ephialtes' Angebot, wobei sich seine Gemütsstimmung sofort änderte (αύτίκα περίχαρης γενόμενος). Er schickte die Elitetruppe unter Hydarnes. Nach einem Exkurs über den Anopaia-Pfad (215f.) folgt das nächtliche Manöver der persischen Eliteeinheit unter Hydarnes. Schlimme Vorzeichen und Berichte von Überläufern, welche die Umzingelung schon in der Nacht gemeldet hatten, wurden am Tage von den Spähern definitiv bestätigt. Nach gemeinsamer Beratung (έβουλεύοντο), die nun in aussichtsloser Lage indirekt geschildert wird und die keine gemeinsame Position ergeben hatte (έσχί£οντο αί γνώμαι), weil sich die einen gegen das Verlassen der Stellung (ουκ εων την τ ά ξ ι ν εκλιπειν), die andern hingegen für den Rückzug aussprachen, zogen die einen ab, die

432 Es darf als ausgeschlossen gelten, daß der persische Generalstab nicht schon lange vorher durch Kundschafter über die genaue Topographie Griechenlands informiert worden war. Die emphatische Schuldzuweisung an Ephialtes verschleiert vielmehr den strategischen Fehler des Leonidas, der den Anopaia-Pfad nicht durch ein stärkeres Kontingent bewachen ließ. So Burn 1962, 412 und Hignett 1963, 141. Nach De Jong 2004, 106 ist die Funktion der Prolepse: „In his subtle and implicit way the narrator makes clear that crime does not pay."

234

HERODOT

anderen aber blieben in ihren Stellungen. 433 Einer anderen Version zufolge (220) habe Leonidas die übrigen Verbündeten aus Sorge um ihre Rettung (μή άπόλωνται κηδόμενος) weggeschickt, habe es aber für unmöglich gehalten, ehrenhaft die Stellung zu verlassen (ούκ έ χ ε ι ν εύπρεπέως έκλίπείν την τάξιν). Herodot ist überzeugt, daß Leonidas die nicht zum Kampfbereiten (άπροθύμους) Verbündeten weggeschickt habe 220,2 (vgl. die Paronomasie): αύτω δε άπιέναι ού καλώς έ χ ε ι ν μένοντι δέ αύτω κλέος μέγα έλείπετο καΐ ή Σπάρτης εύδαιμονιη ούκ έζηλείφετο. „Daß es für ihn selbst aber nicht anständig gewesen wäre abzuziehen. Durch sein Bleiben hinterließ er sich großen Ruhm, und Spartas Glück war noch nicht ausgelöscht."

Dann fugt Herodot in einer Analepse mit steigerndem dramatischen Effekt ein Orakel an, das zu Beginn des Krieges verheißen hatte, daß entweder Sparta zerstört werden oder ein König aus dem Hause der Herakliden fallen werde. Daher habe Leonidas die übrigen heimgeschickt, um allein mit den Spartanern des Ruhmes (κλέος) teilhaftig zu werden. 434 Herodot betont, daß im Gegensatz zu den Barbaren, die durch Peitschenhiebe (μάστιγας) angetrieben wurden und so kopflos kämpften, daß viele von ihnen ins Meer stürzten oder von den eigenen Kameraden zertrampelt wurden, die Griechen wie (epische) Helden im Wissen um den bevorstehenden Tod mit dem Mut der Verzweiflung (223,4) kämpften. Leonidas (224) focht zusammen mit den 300 Spartanern tapfer und fiel wie ein epischer Held (πίπτει άνήρ γενόμενος άριστος). 435

433 Dieser Abschnitt wird auktorial und mit indirekten Reden erzählt, da Herodot die Spannung nicht weiter stauen will. 434 Herodot glaubt, das Orakel durch einen weiteren Beweis (221 als μ α ρ τ ύ ρ ι ο ν ) in der Art einer parallelen Geschichte erhärten zu können. Damit verwirft er die erste w e n i g e r e h r e n h a f t e Version (219) des Streites unter den Griechen durch ein Enthymem, indem er von der Folge ausgeht, um auf die Ursache zu schließen (vgl. Haible 1963, 225). Kirchberg 1965, 101 sieht im Orakel eine göttliche Bestimmung, um „vor Beginn der Schlacht vom Menschen auf die Gottheit, um dann von deren Sich-offenbaren wiederum auf den Menschen und seine Entscheidung zu verweisen - nun aber auf den Menschen, der sich unter sein Schicksal stellt und es freiwillig an sich vollzieht." Diese Übereinstimmung zwischen die beiden Ebenen, dem göttlichen Willen und der freiwilligen menschlichen Wahl des Schicksals, ist typisch episch (und auch tragisch), ebenso das Ideal des Erwerbens von κλέος, das Herodot nur den beiden Spartanern Leonidas und Pausanias (9,48 und 78) zuspricht. 435 Sein K a m p f und sein Ende erinnern an Patroklos (II. 17). Munson 2001a, 176: „Herodotus ... directs the audience to interpret Thermopylae in terms of epic code

Die Reden in den Büchern 7 - 9

235

Im folgenden (226f.) erwähnt Herodot verschiedene Aristien der Griechen in Form von Anekdoten: Dienekes' Galgenhumor verdanken wir ein Apophthegma (επεα ... λιττέσθαι μνημόσυνα) in oratio obliqua: Der Umstand, daß die persischen Geschosse den Himmel verdunkelten, ermögliche es ihnen, im Schatten zu kämpfen. Ebenso zitiert Herodot (228) verschiedene berühmte Ehreninschriften für die Thermopylenkämpfer. Dann beschäftigt ihn das Schicksal des Spartaners Aristodemos, der wegen eines Augenleidens die Schlachtreihe verlassen hatte (λιττοψυχέοντα λειφθήναι) 436 und später in Sparta öffentlich ein Feigling (τρέσας) geschimpft wurde. Er wird diese Schande in der Schlacht von Plataiai, wie Herodot in einer Prolepse ankündigt, wiedergutmachen. 437 Herodot betont in der Schlachtbeschreibung weniger die strategischen Überlegungen und Manöver als vielmehr die Überlegungen, Gefühle und

of heroic achievement and commemoration, thereby reinforcing elements of that code that are scattered throughout the narrative." Leonidas' Haltung 207ff. erinnert an gewisse Sophokleische Gestalten, die das ,Schöne' dem , N u t z e n ' vorziehen. Egermann 1962, 249f. „Gemeinsam ist diesen und anderen großen Gestalten des Sophokles, daß sich ihr Verhalten an einem reinen, ideellen Wert orientiert und von einem höheren Gebot geleitet ist, dem sie Folge leisten, obwohl dies für sie mit Nachteil, Gefahr und drohendem oder gar sicherem Verderben verbunden ist." Leonidas verschmäht das Nützliche um der Arete willen. Er ist ein typischer Spartaner, ein Bürger-Soldat, der durch seine α ρ ε τ ή auch das Solonische Ideal des Tellos verwirklicht. Immerwahr 1966, 262: „The combination of personal f a m e and service to the country shows him to be typical representative of the citizen soldier of Greek polis ..." In Wahrheit übertönt diese Erzählung vom Königsopfer für die Freiheit (7,220), die an Roland erinnert, die Tatsache, daß die Griechen eine schwere Niederlage erlitten haben: Burn 1962, 420f. „For the Greek cause, the fact that a disaster w a s suffered, was only to clear. ... The best that propaganda could do was to emphasize the courage of Leonidas and his rearguard." 436 Dagegen k ä m p f t e und fiel sein Kamerad Eurytos, der dieselbe Krankheit hatte. Interessant ist die lange Periode, in der Herodot das gegensätzliche Schicksal der beiden Spartiaten mit verbindenden und trennenden Partikeln (τε καί, αμα, ή ... ή, μεν ... δε) kunstvoll schildert; vgl. dazu Lateiner 2002. 437 Weitere Parallelen zwischen der Schlacht bei Thyrea (1,82) und den Thermopylen, wie Dillery 1996 sie postuliert, sind kaum evident, zumal es sich im ersten Fall klar um ein Duell zwei gleich großer Armeen (je 300 Elitesoldaten) handelt und es um die Kontrolle eines umstrittenen Territoriums geht, während Leonidas als Verteidiger griechischer Freiheit gegen einen übermächtigen Feind kämpft. Z w a r werden beide Heere total zerstört, ebenso kommt das pattern der langen Haare vor; dagegen sind bei den Thermopylen neben Leonidas' Elite auch Heloten und andere K ä m p f e r beteiligt. Daher läßt sich Dillerys These, Herodot betrachte auch die Thermopylen als Duell (S. 234: „Thyrea looks like Thermopylae because Herodotus in fact thought of Thermopylae as a duel") nicht stichhaltig beweisen.

236

HERODOT

die Taten der einzelnen Kämpfer und Akteure, die durch ihre Handlungen auf lebendige Weise charakterisiert werden. Xerxes ist passiver Zuschauer mit schwankendem Charakter, Leonidas verkörpert das ήθος des epischen Helden. Indem Herodots Darstellung die Schuld am raschen Sieg des Xerxes dem Verrat des Ephialtes zuschreibt, spricht er ihn von strategischen Fehlern frei und verwandelt so die schwere Niederlage in ein Königsopfer. 438 Am Schluß (233) spricht er über das Schicksal der Thebaner, die gezwungenermaßen (ύττ άναγκαίης) gegen die Perser kämpften und, um ihr Leben zu retten, zum König überliefen, sich in einer indirekten Rede rechtfertigten, aber ob dieser Tat nicht glücklich wurden (ού μέντοι τά γε πάντα ευτύχησαν) und als Strafe königliche Brandmale erhielten. e. Xerxes erkennt im nachhinein Demaratos' Aufrichtigkeit und Wahrhaftigkeit, 234,1: τεκμαίρομαι δέ τη άληθείη. 439 δσα γαρ είπες, άπαντα απέβη οΰτω. „Dafür ist mir die Wirklichkeit Zeuge; denn alles ist so gekommen, wie du gesagt hast." Daher fragt er, wie viele Lakedaimonier es gebe und ob diese ebenso tapfer seien. Demarat antwortet, daß 8000 (Spartiaten) diesen gleichkommen (ομοιοι) und der Rest immerhin aus guten Kämpfern (ούκ ομοιοι, άγαθοί δέ) bestehe. Die Alliteration auf p, die Assonanz und das Polyptoton (πλήθος, πολλόν, πάντων, πόλίες, πολλαί) verleihen dem Gedanken Emphase. Auf die Frage des Xerxes, wie er diese mit dem geringsten Aufwand (άπονητότατα) besiegen könne, zumal Demaratos als Exkönig ihre Gedankengänge (διεξόδους των βουλευμάτων) kenne, folgt 235 eine längere Ausführung des Demaratos, der zu Beginn wieder, ähnlich wie in den beiden vorhergehenden Gesprächen, auf seine Loyalität als Ratgeber (als ήθος) hinweist: εί μεν δη συμβουλεύεαί μοι προθΰμως δίκαιον μέ

438 Immerwahr 1966, 261: „The account of the battle of Thermopylae thus consists of two superimposed structures moving on two different levels. The first, on the level of pragmatic and dramatic action, is the plot of the battle, with the encirclement under Ephialtes as the decisive factor in the three days of fighting. It shows that the Greeks were successful against the Persians until they were encircled.... The defeat of the Greeks was not due to Spartan failure to send a full contingent of troops, but entirely to Ephialtes' treachery, without which the Persian attack would have remained ineffective. On the Persian side, the plot structure reveals hybris and inferiority." 439 Dies war ebenso Leitmotiv in seinen beiden anderen Gesprächen mit Xerxes (7,101,3; 102,1; 104,1 und 209,2).

Die Reden in den Büchern 7-9

237

σοί έστι φρά£ειν τό άριστον. „Wenn du mich so ernstlich um Rat fragst, ist es billig, daß ich dir aufs beste rate." Sein Plan sieht vor, 300 Schiffe gegen die Insel Kythera zu senden, zumal die Spartaner diese Insel als ständigen Gefahrenherd betrachten, wie das in oratio obliqua (έφη ε ί ν α ι ) zitierte Paradeigma des weisen Chilon (άνήρ σοφώτατος) als eines tertiären Fokalisators beweist, der am liebsten gewollt hätte, daß diese Insel im M e e r v e r s ä n k e (κέρδος με£ον ... καταδεδυκέναι), weil er ständig von ihr G e f a h r vermutete (προσδοκών). Durch diese Analepse wird analog zum Paradeigma des Epos durch eine prominente Autorität - Chilon gehört zu den Sieben Weisen (Plat. Prot. 3 4 3 A ) - der eigene Standpunkt gestützt. 440 Er stellt zwei proleptische Szenarien dar. Besetzen die Perser diese Insel und j a g e n den Lakedaimoniern so Schrecken ein (φοβεόντων), dann 235,3: πάροικου δέ πολέμου έ ό ν τ ο ς οικηιου ουδέν δεινοί έσονται τοι μή τ η ς άλλης ' Ε λ λ ά δ ο ς ά λ ι σ κ ο μ έ ν η ς ύπό τοϋ πε£οΰ βοηθέωσι τ α ύ τ η , καταδουλωθείσης δέ τ η ς άλλης 'Ελλάδος άσθενές ήδη τό Λακωνικόν μοϋνον λείπεται. „Und wenn denen zu Hause der Krieg vor der Tür steht, dann brauchst du nicht mehr zu befürchten, daß sie dem übrigen Hellas, wenn es von dem Landheer genommen wird, zu Hilfe kommen. Ist aber das übrige Hellas erst unterworfen, dann bleibt der lakonische Teil, ohnehin schon geschwächt, für sich allein übrig." In einer Gegenrechnung zeigt Demaratos auf, welche K ä m p f e Xerxes zu erwarten hat (προσδοκά). Verschanzen sich alle Mitglieder des peloponnesischen B u n d e s ( π ά ν τ ω ν Πελοποννησίων σ υ ν ο μ ο σ ά ν τ ω ν ) am engen Isthmos ( σ τ ε ι ν ό ς ) , sind viel härtere K ä m p f e ( ί σ χ υ ρ ο τ έ ρ α ς ) als an den Thermopylen zu erwarten (προσδέκεο). Er schließt seine Rede geschickt durch die Wiederaufnahme seines Rates ab, durch den er im Gegensatz zur zweiten Variante, wie er in einer Hyperbole am Ende der Rede wirkungsvoll ausdrückt, kampflos (αμαχητί) 4 4 1 den Isthmos und die Städte besetzen kann. D e m a r a t o s ' Rat widersprach (236) in einer Rede X e r x e s ' Bruder A c h a i m e n e s , der K o m m a n d a n t der Flotte, der, w i e H e r o d o t auktorial bemerkt, zufallig anwesend w a r ( π α ρ α τ υ χ ώ ν ) und befürchtete (δείσας), Xerxes könne von Demaratos überredet werden:

440 In Werken späterer Rhetoriker wurden solche Aussprüche als Chrien (χρεΐαι) bezeichnet. 441 Damit nimmt er Xerxes' άπονητότατα 234,3 wieder auf.

238

HERODOT

Zunächst stellt er Demaratos' Loyalität in Frage und unterstellt ihm Mißgunst und Sabotagepläne (φθονέει tol ευ πρήσσοντι ή καΐ προδιδοΐ πλήγματα τά σά). Denn: και γάρ δή και τρόποισι τοιοΰτοισι χρεώμενοι "Ελληνες χαίρουσι· του τε εύτυχέειν φθονέουσι και τό κρέσσου στυγέουσι. „Es ist eine besondere Freude der Griechen, so handeln zu können. Sie neiden das Glück und hassen das Stärkere."

Die Alliteration pr- und die vielen harten Verschlußlaute (dentale wie t-) geben der ganzen Rede (auch 236,2) einen dunklen Ton und Emphase, ebenso das Homoioteleuton φθονέουσι - στυγέουσι. Seiner Kritik folgt eine strategische Überlegung. Die Parallelität des Gedankengangs wird durch die Wiederholung des zentralen Begriffs der Kampfstärke αξιόμαχοι zuerst negiert, dann positiv unterstrichen. Nach dem Verlust von 400 Schiffen bedeutete die Entsendung von weiteren 300 Schiffen, daß die Griechen den Persern ebenbürtig (αξιόμαχοι) sein würden. Wenn aber die Flotte zusammenbleibe (άλής Ιών), sei sie von den Griechen kaum zu besiegen (δυσμεταχείριστος), da j e n e ihnen nicht gewachsen sein (ούκ αξιόμαχοι) würden. Denn die persische Strategie bestehe darin, wie Herodot Achaimenes sagen läßt, daß Land- und Seestreitkräfte gemeinsam agierten, 236,2: καΐ π α ς ό ναυτικός τώ πεζω άρήξει και ό πεζός τω ναυτικω όμοϋ πορευόμενος· εί δε διασπάσεις, ούτε σύ έσεαι έκείνοισι χρήσιμος οΰτε εκείνοι σοι. „Die gesamte Seemacht wird der Landmacht zur Seite stehen und die Landmacht der Seemacht, wenn sie zusammen vorgehen. Reißt du sie aber auseinander, wirst du weder ihnen noch sie dir nützen."

Effektvoll ist dabei der doppelte Chiasmus: ναυτικός - πε£ω / π ε ζ ό ς ναυτίκώ und συ — έκείνοισι /εκείνοι - σοί. Emphatisch fordert er Xerxes auf 236,3: τά σεωυτοΰ δε τιθέμενος εΰ γνώμην έ χ ε τά των άντιπολέμων μή έπιλέγεσθαι πρήγματα, τη δέ στήσονται τον πόλεμον τά τε ποιήσουσι όσοι τε πλήθος είσι. „Halte du nur deine Sache in Ordnung und befolge weiter die Linie, nicht um die Angelegenheiten der Feinde besorgt zu sein, w o sie den Kampf aufnehmen werden und was sie sonst vorhaben und wie groß ihre Zahl ist." 442

442 Vgl. 7,49,5 f. Übertrieben Bischoff 1932, 70: „Das sind fast Töne, die uns in der Rede des Königs bei Abydos begegneten; eine ähnliche Abwehr des έ π ι λ ε γ ε σ θ α ι , ein ähnliches Empfehlen des blinden Handelns." Achaimenes empfiehlt aber nicht ,blindes Handeln', sondern das Festhalten an der eigenen als überlegen betrachteten Strategie.

Die Reden in den Büchern 7 - 9

239

Ebenso können die Spartaner ihre gegenwärtigen Verluste in einer weiteren Schlacht nicht mehr wettmachen (ούδέν τό παρεόν τρώμα άκεϋνται). Damit appelliert Achaimenes an Xerxes' Gefühl des Selbstvertrauens und der Überlegenheit. Xerxes nimmt (237) Achaimenes' Rat an, läßt aber die Kritik an Demaratos' gutem Willen nicht gelten: Δημάρητος δέ λέγει μέν τά άριστα έλπεται εΐναι εμοί, γνώμη μέντοι έσσοΰται ύπό σεϋ. „Demaratos aber spricht, was seiner Erwartung nach das Beste für mich ist, nur ist sein Urteil dem deinen unterlegen."

Xerxes ist von Demarats Loyalität (εΰνοέει) überzeugt. Dies schließt (σταθμώμενος) er aus dessen früheren Worten und der jetzigen Lage. Zwar weiß auch Xerxes, daß πολιήτης μεν πολιήτη εΰ πρήσσοντι φθονέει καΐ εστί δυσμενής τη σιγή ούδ' άν συμβουλευομένου τοϋ άστοϋ πολιήτης τά άριστα οί δοκέοντα ύποθέοιτο, ει μή πρόσω ά ρ ε τ ή ς άνήκοι. σπάνιοι δέ εΐσι οί τοιούτοι. „Denn ein Bürger ist wohl neidisch auf einen erfolgreichen Mitbürger und zeigt durch Schweigen seine Mißgunst. Deshalb dürfte auch ein solcher Bürger, wenn er von einem Mitbürger um Rat gefragt wird, vielleicht nicht das raten, w a s ihm selbst das beste erscheint, es sei denn, er ist ein äußerst rechtschaffener Mann; und solche Menschen sind selten."

Er korrigiert jedoch seinen Bruder: ξεινος δέ ξείνω εΰ πρήσσοντί έστι ε ύ μ ε ν έ σ τ α τ ο ν πάντων, συμβουλευομένου τε άν συμβουλεύσειε τά άριστα. „Ein Gastfreund aber freut sich über das Wohlergehen seines Freundes am allermeisten von allen und rät ihm aufs beste, wenn von ihm um Rat gefragt wird." 4 4 3

Besondern kunstvoll ist diese antithetische Periode durch die Wiederholungen derselben Begriffe einmal positiv, dann negativ mit Klimax und parenthetischer Digressio gestaltet. Da nun Demaratos sein Gastfreund (ξεΐνος) ist, vertraut er - als Conclusio dieses Syllogismus - auf Demaratos' Loyalität und läßt keine Verunglimpfung zu. 444 Die Struktur des Gesprächs sieht folgendermaßen aus:

443 Damit schränkt er O t a n e s ' allgemeine A u s s a g e 3,80,3: ύ β ρ ι ς ... φ θ ό ν ο ς δέ ά ρ χ ή θ ε ν έ μ φ ΰ ε τ α ι άνθρώπω auf die Polisbürger ein. Die Gastfreundschaft ist Xerxes sehr wichtig, wie er in der Pythios-Geschichte 7,39,2 zeigt. 444 Wie schon bei Mardonios 7,9 ist ein T h e m a aus der griechischen Innenpolitik Gegenstand der Erörterung der Perser. Z w a r zielen diese Gedanken zunächst auf die Person des Demaratos, doch widerspiegeln sie Überlegungen von Herodots Zeitgenossen über den Zusammenhalt einer Polis-Gemeinschaft, was um 430 wohl sehr aktuell war.

HERODOT

240 Χ. (234,1):

Xerxes anerkennt, daß Demaratos die Wahrheit gesagt hat und fragt ihn, wie viele Spartaner noch übrig bleiben und wie stark sie militärisch sind.

D. (234,2):

Antwort: 8000 Spartiaten (όμοιοι) und dazu noch andere gute Kämpfer.

X. (234,3):

Frage: Wie kann er diese am leichtesten besiegen. Demaratos kennt als Exkönig die Pläne und kann darüber am besten Auskunft geben.

D. (235):

1. Loyalitätsbezeugung des Demaratos: Er will ihm den bestmöglichen Rat geben. 2. Plan: 300 Schiffe gegen Kythera zu senden, das ein ständiger Gefahrenherd ist: Beweis durch analeptisches Paradeigma mit Zitat des weisen Chilon. 3. Zwei proleptische Szenarien vorgestellt: a) Besetzen sie Kythera, sind die Spartaner durch Krieg in der Nähe beschäftigt und können anderen Griechen nicht helfen, die so schwach sind. Hat er diese besiegt, ist Sparta alleine auch nicht mehr imstande, großen Widerstand zu leisten. b) Folgt er seinem Rat nicht, so hat er am Isthmos noch härtere Kämpfe als an den Thermopylen zu erwarten, a') Dagegen kann er dank seinem Rat den Isthmos und den Rest kampflos erobern.

A. (236):

1. Angriff auf die Loyalität des Demaratos als Ratgeber (argumentum ad hominem): Beweis durch eine allgemeine Aussage: Natürliche Mißgunst der Griechen. 2. Strategische Analyse von Demaratos' Plan: a) Wird die Flotte aufgeteilt, sind die Griechen ihnen ebenbürtig. b) Bleibt die Flotte zusammen, sind ihnen die Griechen nicht gewachsen. Gemeinsames Vorgehen von Land- und Seestreitkräften als persische Strategie deklariert. c) Wird das Heer aufgeteilt, können die einzelnen Teile einander nicht mehr helfen. 3. Man soll auf die eigene Überlegenheit setzen und um die Strategie der Feinde kümmern. 4. Sparta kann keine zweite Niederlage wie an den Thermopylen verkraften.

X. (237):

Er billigt Achaimenes' Rat als den besseren, anerkennt aber Demaratos' Loyalität: Er korrigiert Achaimenes' These über die Griechen durch einen Syllogismus: Mißgunst herrscht nur unter Bürgern,

Die Reden in den Büchern 7 - 9

241

nicht Gastfreunden. Da Demaratos sein Gastfreund ist, traut er ihm und läßt keine Verunglimpfung zu.

Dem Gespräch liegt eine konkrete symbuleutische Absicht zugrunde. 445 f. Der Zorn (έθυμώθη) auf den lebendigen Leonidas (238), der durch seinen unerwarteten Widerstand Xerxes' Überlegenheitsgefühl in Mitleidenschaft gezogen hatte, war so groß, daß Xerxes offenbar auch dem Toten noch so sehr zürnte und, gegen alle Sitten verstoßend (παρενόμησε), dessen Leichnam schändete. 446 Im letzen Kapitel 239 schildert Herodot in einer auktorialen Analepse, daß Demaratos schon aus Susa den Lakedaimoniern, sei es aus Wohlwollen (εύνοίη) oder Schadenfreude (καταχαίρων), die Nachricht vom bevorstehenden Krieg auf einer Wachstafel, die nur Kleomenes' kluge Tochter Gorgo entschlüsseln konnte, zukommen ließ. 447

2.3.2. Die Reden im 8. Buch

2.3.2.1. Die Schlacht am Artemision (8,1-39) a. In einer Analepse aus der Zeit noch vor der Entsendung der Gesandten nach Sizilien lobt Herodot explizit die Tatsache, daß die Athener infolge

445 Hohti 1976b, 112f. „Xerxes' discussion with Demaratos and A c h a i m e n e s after Thermopylae (VII 2 3 4 - 2 3 7 ) also contains features which differ from the discussions included in the earlier books. ... The counsel accepted by Xerxes did not mean success, as is shown by the battles at Artemisium and Salamis. In fact the result proved to be contrary to expectation. The same relationship between the discussion and the actual result of action can also be seen in connection with the other long discussions. The emphasis in this discussion is placed on the reliability of Demaratos, as is shown by the first part of the discussion and by the defence which Xerxes puts up for him in his final speech." 446 Herodot weiß, daß die Perser sonst t a p f e r e M ä n n e r ( ά ν δ ρ α ς π ο λ έ μ ι α ) über alles ehren (vgl. z.B. 7,181).

αγαθούς

τά

447 Vielleicht handelt es sich bei diesem letzten Kapitel um eine Interpolation, so Stein 1881, 219 und How-Wells, 234, zumal es eher ungeschickt zu den Griechen (8,1) überleitet. Allerdings illustriert es gut das in den Reden des Achaimenes und Xerxes angeschnittene Thema, daß zwischen den griechischen Polisbürgern Mißgunst herrsche.

242

HERODOT

des Widerstandes der übrigen Verbündeten auf den Oberbefehl der Flotte trotz der Größe ihres Kontingents verzichteten, 8,3,1: είκον οί 'Αθηναίοι, μέγα τε πεποιημένοι περιεϊναι την 'Ελλάδα και γ ν ό ν τ ε ς , εΐ στασιάσουσι. περί τ η ς ήγεμονίης, ώς άπολεεταί ή 'Ελλάς, όρθά νοεΰντες· στάσις γαρ έμφυλος πολέμου όμοφρονέοντος τοσούτω κάκιόν ,Λ , , 448 εστί οσω πολεμος ειρήνης. „Die Athener gaben nach, weil ihnen Hellas' Rettung am Herzen lag und sie wohl wußten, daß Hellas, wenn sie sich um den Oberbefehl stritten, zugrunde gehen müsse. Das war ein richtiger Gedanke; denn Zwietracht im Innern ist um so viel schlimmer als ein einmütig geführter Krieg, wie Krieg schlimmer ist als Friede."

Durch einen explikativen, externen proleptischen Hinweis auf die Zeit nach 479 relativiert Herodot jedoch die selbstlose Haltung der Athener. 449 b. Es gelang den Euboiern (8,4-5) durch Bestechung des Themistokles, der seinerseits Eurybiades und den korinthischen Befehlshaber Adeimantos bestach, für sich aber den Löwenanteil des Geldes behielt, zu verhindern, daß die Griechen aus Furcht (καταρρωδήσαντες) vor der persischen Flotte ins Landesinnere flüchteten. Bemerkenswert ist die Antwort des Themistokles in oratio recta auf Adeimantos' Drohung abzusegeln: In einem kunstvollen antithetischen Satz 8,5,2 verspricht er ihm größere Geschenke (mit der Paronomasie δώρα δώσω) als der Perserkönig ihm beim Verlassen geben könnte. Damit unterstellt er Adeimantos nicht nur Bestechlichkeit, sondern auch Verrat, und drückt durch die Gewißheit, daß jener nicht absegeln werde (ού σύ γε ήμέας απολείψεις), seine Verachtung fur den Korinther aus. Er selbst wird durch seine Handlung und den auktorialen Kommentar als kluger und trickreicher, aber auch habgieriger und bestechlicher Feldherr charakterisiert. 450 448 Vgl. 7,139 und 8,140ff. Zur politischen G n o m e , die vielleicht ursprünglich ein Hexameter war und bei Shapiro 2000 fehlt, äußert Herodot indirekt seine Meinung (De Jong 2004, 105). Vgl. Hdt. 1,87,4, Solon 4,19 W und Theognis 51 f. 449 Solange die Athener die übrigen Griechen brauchten (μέχρι οσου κάρτα ε δ έ ο ν τ ο α υ τ ώ ν ) , gaben sie nach. Dann nahmen sie, indem sie Pausanias' Arroganz vorschützten ( π ρ ό φ α σ ι ν τ η ν Π α υ σ α ν ι ε ω ΰβριν π ρ ο ϊ σ χ ό μ ε ν ο ι ) , den Lakedaimoniern den Oberbefehl weg. Zum sprachlichen Problem, wer das Subjekt des Satzes μέχρι οσου ist, vgl. How-Wells, 236: „As long as the Athenians stood in sore need of the Peloponnesians." Ebenso Masaracchia 1977, 157 und Asheri 2003, 201. Dagegen treten Pohlenz 1937, 150f. und Späth 1968, 206f. für einen Subjektswechsel ein. 450 Die Geschichte ist kaum wahrscheinlich. Blösel 2001, 182 ff. meint, die ganze Geschichte sei ein Konstrukt aus der Zeit nach 465, in der Themistokles als Verräter galt und in der Herodot (oder seine Gewährsleute) versuchte(n), Themistokles

Die Reden in den Büchern 7 - 9

243

c. Der Plan der Perser (8,6), mit 200 Schiffen Euboia zu umsegeln, wird aus deren Sicht und Wahrnehmung (πυθόμενοι, ϊδόντες) geschildert. Viel Raum widmet Herodot der Geschichte von der Flucht des Tauchers Skyllias. 451 Über die Beratung und die vielen Reden (πολλών δέ λεχθέντων) der Griechen (9) teilt der Narrator nur den daraus resultierenden Plan mit, den Feind direkt anzugreifen. 452 Als die Perser (10) dies sahen (όρώντες) 453 , meinten sie, die Griechen seien verrückt (μανίην έπενείκαντες), und stachen in See in der Hoffnung, diese leicht zu besiegen (έλπίσαντές σφεας εύπετέως αίρήσειν), wobei in einer Parenthese der Narrator diese Hoffnung für plausibel hält (οΐκότα κάρτα έλπίσαντες) und so den ironischen Effekt der Aussage verstärkt, zumal sie wenige griechische Schiffe sahen (όρώντες ολίγας νέας) und selbst mehr und bessere Schiffe hatten (πλήθεί τε πολλαπλησίας καΐ άμει,νον πλεούσας). Diese erste Seeschlacht wird lebendig aus der Sicht der Akteure, die als sekundäre Fokalisatoren ihre Erwartungen und Reaktionen indirekt äußern, dargestellt. Als die Ionier, die nun als Fokalisatoren dienen, die Umzingelung sahen (όρώντες), befürchteten diejenigen, die den Griechen wohlgesinnt waren (ευνοοί) und widerwillig (άέκοντες) mitfuhren, daß keiner der Griechen heil entkommen würde. 10,2 fügt Herodot auktorial leicht spöttisch hinzu: ουτω σφι άσθενέα έφαίνετο είναι τά τών 'Ελλήνων πρήγματα. 454

„So schwach schien ihnen offenbar die Sache der Griechen zu sein."

von den Vorwürfen des Verrats reinzuwaschen. Er sieht Parallelen zur Pentekontaetie, wo Perikles mit 10 Talenten den Spartaner Pleistoanax bestach, damit dieser abzöge und er so freie Hand hätte, um den Aufstand in Euboia niederzuschlagen (Plut. Per. 2 2 - 2 3 , Ephoros FGrHist 70 F 193). Diese Ankedote dient indirekt der Charakterisierung des Themistokles, Asheri 2003, 205: „L'aneddoto tradisce ... un misto di ammirazione per la scaltrezza e di ripugnanza per Pamoralismo, contribuendo alia sua caratterizzazione." 451 Herodot bezweifelt indessen diese übertriebene Geschichte (8,2 ουκ έ χ ω ά τ ρ ε κέως ε ι π ε ί ν , θαυμάζω δέ εϊ τ ά λεγόμενά έστι άληθέα). In der Art des Hekataios rationalisiert er die Geschichte durch die eigene Hypothese (γνώμη μοι), daß Skyllias die weite Strecke nicht unter Wasser, sondern in einem Boot zurückgelegt habe. 452 Zum δ ι έ κ π λ ο υ ς (vgl. 6,12,1 und 15,2) How-Wells, 68, Masaracchia 1977, 161f. und Asheri 2003, 21 Of. 453 Zur Bedeutung des Sehens und Planens (όράω z.B. 8,6,1 ;7,2; 10,1) vgl. Montgomery 1965. 454 Ebenso hatten die Kerkyräer 7,168,2 die Chancen der Griechen als sehr schlecht eingestuft.

244

HERODOT

Die übrigen Ionier hingegen waren darüber erfreut (ήδομένοισι) und wetteiferten miteinander, als erste ein attisches Schiff zu kapern und dafür vom König belohnt zu werden. Die Schlacht (11) endete, im ganzen gesehen, unentschieden (έτεραλκέως). Der zweite Sturm (8,12-14), der bei den Soldaten Panik (ές φόβον) auslöste und die Schiffe, die um Euboia herum segeln sollten, zerstörte, wird auktorial (8,13,2) als Werk der Gottheit gedeutet: έποιέετό τε παν ύπό τοΰ θεοΰ δκως αν έξισωθείη τω Έλληνικω τό Πέρσικόν μηδέ πολλω πλέον εϊη. „Das alles geschah nach dem Willen der Gottheit, damit die persische Seemacht der griechischen gleich würde und nicht mehr überlegen sei." 433

Dagegen wuchs durch die Verstärkung von 53 athenischen Schiffen und besonders durch die Kunde von den feindlichen Verlusten der Mut der Griechen (14,2 έπέρρωσαν). d. Die Wut (15,1 δεινόν tl ποιησάμενοι) der persischen Kommandanten und ihre Furcht vor Xerxes' Zorn (δειμαίνοντες) löste den nächsten Angriff aus. Der Narrator erwähnt die zeitliche Koinzidenz (συνέπιπτε) der Kämpfe am Artemision (8,15-18) und bei den Thermopylen sowie das jeweilige strategische Ziel, den Vormarsch zu stoppen bzw. den Feind zu vernichten. Die entscheidende Schlacht (16) war wiederum ausgeglichen (παραπλήσιοι άλλήλοισι). Das Resultat wird 16,3, rhetorisch wirkungsvoll, vom Narrator durch Polyptoton und anaphorisches πολύς in einer Klimax mitgeteilt, die die erheblichen griechischen Verluste durch den Vergleich als gering hinstellt: πολλαΐ των 'Ελλήνων νέες διεφθείροντο, πολλοί δέ άνδρες, πολλω δ' έτι πλεΰνες νέες τε των βαρβάρων καΐ άνδρες. „Da gingen nun viele Schiffe der Hellenen zugrunde und viele ihrer Männer, aber noch viel mehr Männer und Schiffe und Männer der Barbaren." 436

Nach der allgemeinen Schlachtbeschreibung und dem Resultat folgt analog zum Epos die Aufzählung der Aristien (17) auf beiden Seiten.

455 Davor hatte Artabanos 7,49 gewarnt. Harrison 2000a, 94: „This sequence, this coincidence o f a number of misfortunes, appears to be one of the grounds for Herodotus' deduction that there was a divine purpose behind." 456 Die Schlacht präfiguriert Salamis. Wood 1972, 175: „Each time the Persian fleet attempts to surround the Greeks, each time the strategy fails or is somehow thwarted; each time the Greek fleet remains to cover the retreat of the local population; each time Themistocles is opposed by Adeimantos the Corinthian (8,5 and 59); each time Themistocles forces the Greeks by a trick to stay and fight."

Die Reden in den Büchern 7 - 9

245

e. Themistokles ist beim Versuch (19-23), die Ionier zum Abfall zu bewegen, wieder handelndes Subjekt. In einer indirekten Rede vor den Feldherren sagt er nur: ώς δοκέοι έ χ ε ι ν τ ι ν ά παλάμην τη έλττί£οι των βασι_λεος συμμάχων άττοστήσειν τους άριστους. „Er glaube ein Mittel zu wissen, wodurch er den König um seine besten Bundesgenossen bringen könne, wie er hoffe."

8,22 begründet er in einer Inschrift, die von Herodot wie eine direkte Rede (τα γράμματα έλεγε τάδε) zitiert wird, seine Bitte, die Ionier mögen von der Persern abfallen und nicht gegen die eigenen Väter ziehen, mit der Verwandtschaft (als δίκαιον). 457 In einer Antiklimax zählt er weitere Möglichkeiten auf: Wenn sie nicht die Seiten wechseln können, sollten sie nicht gegen die Griechen k ä m p f e n . Sei auch dies unmöglich (irrf άναγκαίης μέ£ονος), sollen sie sich zurückhalten und absichtlich versagen: μεμνημένοι οτι απ' ήμέων γεγόνατε και δτι άρχήθεν ή εχθρη προς τον βάρβαρον άπ' ύμέων ήμΐν γέγονε. „Denkt daran, daß ihr von uns abstammt und daß ursprünglich ihr die Schuld tragt an unserer Feindschaft mit dem Barbaren." 4 3 8

Da Themistokles ihnen keinen konkreten Nutzen (συμφέρον) anbieten kann, muß er sich auf die rhetorisch schwächeren Kategorien der Verwandtschaft und des Rechts (δίκαιον), die als Ring die Bitte umrahmen, stützen. 459 Auktorial wird die Absicht (22,3 δοκέειν ε μ ο ι ) des Themistokles mitgeteilt, die Ionier im Falle, daß die Perser davon erführen, dadurch zu kompromittieren (διαβάλλειν) und so von der Seeschlacht fernzuhalten. f. Der Schauplatz wechselt (24) zu den Thermopylen, wo Xerxes wieder Protagonist ist: Von den 2 0 Ό 0 0 persischen Gefallenen ließ er nur l'OOO liegen; die übrigen Toten wurden, damit man sie nicht sehe (ίνα μή

457 Die Vorstellung, die Ionier seien A b k ö m m l i n g e Athens, tritt wohl erst nach den Perserkriegen im Zeitalter des Seebunds auf und ist Teil der athenischen Propaganda in der Perikleischen Zeit, vgl. Asheri 2003, 223. 458 Damit schiebt er den Ioniern die Schuld, die Feindseligkeiten ausgelöst zu haben (sie sind die α ρ χ ή ) , zu; dagegen weisen Herodot 5,97 und die Spartaner 8,142,2 den Athenern diese Verantwortung zu. 459 Mit d e m s e l b e n A r g u m e n t w e i g e r t e n sich die Phoinikier 3,19,2 gegen die Karthager, die sie als ihre Kinder bezeichneten, zu ziehen. Ebenso Xerxes an die Argeier 7,150,2. Aber da die ganze Aktion wirkungslos bleibt - in Salamis kämpfen die Ionier tapfer (8,85,Iff.) - dient sie dazu, einerseits Themistokles' Fähigkeit, j e d e mögliche Gelegenheit zu nutzen, aufzuzeigen, andererseits dazu, auf die Ionier ein schlechtes Licht zu werfen.

246

HERODOT

όφθείησαν), verscharrt. In einer Botschaft in direkter Rede gestattete Xerxes den Bundesgenossen, die wollten, herüberzukommen (24,2), θεήσεσθαι δκως μάχεται προς τους άνοήτους 4 6 0 των ανθρώπων οι ήλπισαν την βασιλεος δύναμιν ύπερβαλεεσθαι., „um zu sehen, wie er gegen die unvernünftigen Menschen kämpft, die über des Königs Macht zu siegen hofften."

Viele wollten darauf (25) sein Werk sehen (θεήσασθαι). Als sie die Toten betrachteten (έθηεϋντο), glaubten sie, es handle sie ausschließlich um Lakedaimonier, während sie auch Heloten sahen (όρώντες). Doch blieb der von Herodot als lächerlich (γελοΐον) bezeichnete Kniff des Xerxes den wenigsten verborgen. In dieser Episode wird Xerxes' Wesen durch Reden und Handlungen auf lebendige Weise charakterisiert: Nach der demütigenden Verzögerung, die seinen Stolz und seine Selbstsicherheit so sehr gekränkt hat, will er sich nun quasi durch die für alle sichtbare Zurschaustellung 461 seiner Macht und seines Sieges für seine Qualen revanchieren. Als die Perser durch Überläufer erfuhren, daß die Griechen die Olympischen Spiele feierten und daß der Siegespreis in diesem Wettkampf ein Kranz aus Olivenzweigen sei (της έλαίης στέφανον), 462 griff Tritantaichmes, Artabanos' Sohn, die Rolle seines Vaters übernehmend, in einer direkten Rede, die ihm zwar, wie proleptisch berichtet wird, bei Xerxes den Vorwurf der Feigheit (δειλίην) einbrachte, aber die der Narrator als trefflich (γνώμην γενναι.οτάτην 26,2) bezeichnet, Mardonios an. 463 Er be-

460 Der Terminus α ν ό η τ ο ς nimmt die Diskussion mit Demaratos 7,209 und Xerxes' Einschätzung 210 wieder auf. Nach der kurzen Phase der Erkenntnis unmittelbar nach der Schlacht 7,234 fühlt sich Xerxes wieder selbst- und siegessicher. 461 Konstan 1987, 67 weist auf die Bedeutung des Verbs θεασθαί hin: 8,24f. verbirgt Xerxes die Leichen, damit sie nicht gesehen werden (vgl. auch 7,43,1; 44; 56,1 und 100,1; 128,1; 130,3; 146,3; 148,1 und 208,1; bei Salamis 8,86; 88,2 und 116,2: „All of this quantifiable things have an extrinsic character, and are represented as objects of observation, to be enumerated, organized, written down in record books. We might expect to hear of a desire to acquire or increase the quantity of such things, but what w e find above all is a passion to gaze upon them ... As quantitative and extrinsic, having such objects in view is the negation of human arete."). Dies paßt zur Persönlichkeit des Xerxes, der sich am konkret Sichtbaren orientiert und sogar versucht, die sichtbare Realität durch einen Trick zu manipulieren. 462 Dieses Symbold spielt auch in Xerxes' letztem Traum 7,19 eine wichtige Rolle, vgl. S. 160, Anm 262. 463 Ebenso wie sein Vater Artabanos (7,10) kann auch er nicht schweigen (οϋτε ήνε ' σ χ ε τ ο σ ι γ ώ ν ) und nimmt dessen Worte 7,10 Θ3: ε π ' ο ϊ ο υ ς ά ν δ ρ α ς ά ν α γι,νώσκεις στρατεύεσθαι. κτλ. wieder auf.

Die Reden in den Büchern 7 - 9

247

ginnt mit der tragischen Anrede παπαί Μαρδόνιε und betont in einer Antithese, sich gedanklich an Demaratos' Argumentation anschließend, daß die Griechen an den Olympischen Spielen nicht für Geld (χρήματα), sondern für die immaterielle αρετή kämpften (τον αγώνα ποιούνται). 464 g. Nach der Niederlage (τρώμα) bei den Thermopylen schickten die Thessaler (8,27ff.) einen Herold zu den Phokern, denen sie, wie der Narrator einleitend berichtet, andauernd grollten (ατε σφι. ένέχοντες αίεί χόλον), besonders aber wegen der letzten in einer Analepse 465 erzählten Niederlage. In einer direkten Rede (29) forderte zunächst der thessalische Herold in einer rhetorischen Frage von den Phokern, die Überlegenheit der Thessaler anzuerkennen (τι

μάλλον

γνωσιμαχεετε

μή

είναι,

όμοιοι.

ήμΐν),

zumal sie es dank ihrem guten Verhältnis zum Perserkönig in der Hand hätten, jenen das Land wegzunehmen und sie zu versklaven. Es folgt eine e t w a s p l u m p e E r p r e s s u n g . Sie s e i e n n i c h t n a c h t r a g e n d (ού μνησικακέομεν), sondern forderten als Wiedergutmachung fur die vergangene Schmach 50 Silbertalente. Die Phoker hatten (30) sich als einzige in Mittelgriechenland wegen der Feindschaft zu den Thessalern, wie Herodot auktorial vermutet (ώς

εγώ

συμβαλλόμενος

εύρίσκω

κατά

δέ

εχθος

τό

Θεσσαλών), nicht den Persern unterworfen. Dagegen gaben sie in ihrer Antwort, in der sie das Angebot der Thessaler zurückwiesen, als Motiv für ihr Abseitsstehen vom Bündnis mit den Persern propagandistisch und den P a t r i o t i s m u s b l o ß v o r s c h ü t z e n d , a n : ούκ εσεσθαι. έ κ ό ν τ ε ς ε ί ν α ι

προδότας

τ η ς 'Ελλάδος. „Doch werde es nicht dazu kommen, daß sie aus freien Stücken zu Verrätern an Hellas würden." Aus Zorn (κεχωλομένοι) über diese Antwort (31), zeigten die Thessaler den Persern den W e g nach Süden. Das Land der feindlichen Stämme wurde geplündert und verheert. h. Ein Teil des Heeres sollte das Heiligtum von Delphi ausplündern und Xerxes die Schätze, die er, wie Herodot erfahren hat (35,2 ώς εγώ ττυνθάνομαι), besser als seine eigenen kannte, übergeben. 466 Als die Delpher von

464 ά γ ω ν steht metaphorisch fur den ganzen Krieg, in dem die Griechen fur immaterielle Werte kämpfen. 465 Die Analepse wird durch das Motiv der Zornes der Thessaler in der Form einer Ringkomposition umschlossen (27,1 χ ό λ ο ν und 29,1 έ γ κ ο τ ο ν ) . Zorn bestimmt auch ihre Reaktion 8,31 auf die Ablehnung ihres Angebots. 466 Diese m e r k w ü r d i g e Motivation paßt nicht in den Kontext. Daß X e r x e s nach Schätzen gierig war, ist sonst nirgends in der Erzählung ersichtlich. Ebenso paßt der Vorwurf der Habgier nicht zum Charakter des Königs. Ist dies ein Indiz dafür,

248

HERODOT

der Expedition erfuhren, gerieten sie in Furcht (ές πασαν άρρωδίην, ev δείματι δε μεγάλω). Auf ihre Frage in indirekter Rede, was zu tun sei, antwortete der Gott, er sei selbst in der Lage, sein Gut zu verteidigen (αύτός ικανός είναι. των έωυτοΰ προκατήσθαι). Für das im folgenden erzählte Wunder ( 3 7 f f ) , das in einer Klimax viele übernatürliche Phänomene (τέρατα) und das Wirken von zwei Heroen, die die Feinde in Angst und Schrecken versetzten (38: πάντων φόβος τοισι βαρβάροισι ένεπέτττωκε), enthält, bürgt Herodot in einer auktorialen Bemerkung. 467

2.3.2.2. Die Reden in den Beratungen vor der Schlacht bei Salamis (8,40-82) a. Die Evakuierung der Zivilbevölkerung aus Attika wird aus der Sicht der Athener erzählt. Sie sahen sich in ihrer Erwartung getäuscht (ώς εψευσμενοι γνώμης), als sie erfuhren (έπυνθάνοντο), daß die Peloponnesier nicht in Boiotien waren, sondern den Isthmos befestigten, da sie την Πελοπόννησον περί πλείστου τε ποιεομένους περιεΐναι και ταυτην έχοντας έν φυλακή, τά άλλα δέ άπιεναι. „Es liege ihnen nur an der Rettung der Peloponnes. Nur diese wollten sie verteidigen; alles übrige hätten sie aufgegeben." 4 6 8

Darauf zählt Herodot in einer Art Schiffskatalog die einzelnen Kontingente auf, wobei er jeweils einige wenige geographische und ethnographische Bemerkungen zu jeder Polis anfügt (8,43-47). Insgesamt waren es 378 Trieren und einige Pentekonteren. Im folgenden wechseln sich der Kriegsrat der Strategen (49,56-63,74,78) als statisches Element und Schnittstelle, wo alle Fäden zusammenlaufen, daß die ganze Geschichte von Herodot schlecht in den Kontext eingefügt wurde (so Masaracchia 1977, 173f.)? 467 Während Fehling 1971, 11 ff. und Erbse 1991, 8 die Quellenangabe (38 ώ ς ε γ ώ πυυθάνομαι.) für fingiert halten und glauben, diese absurde Wundergeschichte soll die Parteinahme des Orakels von Delphi für die Perser im nachhinein verheimlichen, meint Pritchett 1993, 11 ff., es handele sich um eine mündliche Überlieferung, zumal Herodot 8,38 nicht sage, er habe die Geschichte direkt von den überlebenden Barbaren erfahren. Asheri 2003, 235f. vermutet, Herodot habe die offizielle delphische Version, die mit apologetischer Tendenz erklärte, wieso Xerxes das Heiligtum unversehrt ließ, und dabei die perserfreundliche Haltung des Orakles zu verschleiern suchte, literarisch überarbeitet. 468 Der Unwille der Peloponnesier, außerhalb der Peloponnes zu kämpfen, wird von Demaratos 7,235 angekündigt.

Die Reden in den Büchern 7 - 9

249

mit weiteren die Schlacht von Salamis vorbereitenden Erzählungen, vornehmlich Wundern (41,55,64,65,77), ab. Ebenso verschiebt sich der Fokus langsam zu den Griechen. 469 Das Strategenkolleg wahrt wie ein tragischer Chor die Einheit des Ortes und nimmt zu den verschiedenen Ereignissen Stellung, so etwa zu der - wie in einem Botenbericht analeptisch erzählten - Eroberung Attikas durch Xerxes. 470 Auffällig ist auch der Gegensatz zwischen den am Tage gefaßten Beschlüssen und den nächtlichen Ereignissen, welche die Strategen dazu zwingen, infolge der geänderten Situation ihre Entscheidungen zu revidieren. 471 Die zu einer Einheit geformte und künstlerisch stilisierte Szene zeigt auch die Uneinigkeit der Griechen, insbesondere den Kontrast zwischen Athen und Korinth. Dazwischen fehlen auch nicht Bezüge zur göttlichen Ebene (8,53, 65 und 77). Die Schlacht selbst wird jeweils durch zwei Redenpaare umrahmt. Zuerst hält Themistokles 8,60, dann Artemisia 8,68 eine direkte Rede. Sowohl Themistokles als auch Artemisia sprechen sich gegen die allgemein vorherrschende Meinung aus. 472 Nach der Schlacht runden Reden von Artemisia und Themistokles (8,102 und 109) die Erzählung ab. 469 Wood 1972, 176: „The narrative viewpoint is reversed for the while, and the Greek side predominates, for the fate of the Persian campaign is determined by the Greek resistance." 470 Pohlenz 1937, 148f.: „Wir haben einen Botenbericht wie in der Tragödie, und damit ist sofort auch das andere klar: Herodot hält das Strategenkollegium dauernd zusammen, damit es wie der Chor oder die Hauptpersonen der Tragödie Berichte empfangen, Erkundigungen einziehen und in sich gleichsam das ganze Geschehen auffangen und durch seine Entscheidungen wieder ausstrahlen kann. Wir haben in unserm Abschnitt eine ,Einheit des Ortes und der H a n d l u n g ' , die - unbewußt unter dem Einfluß des Dramas steht. ... Zweifellos hat Herodot hier in chronologisch unmöglicher Fülle die Ereignisse auf eine Nacht zusammengedrängt. Bei Aischylos hat Themistokles schon am Tage vorher seinen Boten entsandt, und die Umzingelung beginnt am Abend und dauert die ganze Nacht hindurch." Bedeutend ist, daß drei Viertel des Berichts 8 , 4 0 - 8 2 den Vorbereitungen und nur ein Viertel 8 , 8 3 - 9 6 der Schlacht selbst gewidmet sind. Immerwahr 1966 betont die Emphase Herodots auf den intellektuellen Gehalt der Beratungen, S. 74: „This intellectual element is so important in Herodotus that council scenes sometimes overshadow the account of the action itself, e.g. in the accounts of the great battles in the Persian Wars." 471 Immerwahr 1966, 273: „In the daytime the decision is in favor of fleeing, at night of staying: for during the first night Themistocles forced the decision of the second council, and during the second night he arranged for the encirclement." Diese Szene kann als Analogon zu X e r x e s ' Kronrat gesehen werden, w o in der Nacht Xerxes und Artabanos ihre Meinungen durch den Einfluß des Traumes ändern. 472 D e f f n e r 1933, 18: „Dadurch entsteht ein strenger Parallelismus im A u f b a u , der sich sogar bis in die Durchführung der beiden Reden hinein fortsetzt."

250

HERODOT

b. In der ersten Versammlung der Kommandanten (49) schlug Eurybiades vor, γνώμην άττοφαίνεσθαι τον βουλόμενον, δκοι δοκέοι έπιτηδεότατον εΐναι ναυμαχίην ποιέεσθαι των αύτοί χωρέων έγρατέες είσί, J e d e r , der sprechen wolle, solle darlegen, w o seines Erachtens die Seeschlacht am vorteilhaftesten zu schlagen sei innerhalb des Bereiches, dessen sie Herr sind." 4 7 3

Die meisten (αϊ γνώμαι. ... αί πλείστα ι) votierten dafür, beim Isthmos vor der Peloponnes zu kämpfen, wobei Herodot die pessimistischen Überlegungen indirekt zusammenfaßt, 49,2: ώς εΐ νικηθέωσι τη ναυμαχίη έν Σαλαμΐνι μεν έ ό ν τ ε ς πολιορκήσονται έν νήσω, ϊνα σφι ουδεμία τιμωρία έπιφανήσεται, πρός δέ τω Ίσθμω έ ς τους έωυτών έξοίσονται. „Würden sie zur See besiegt und lägen auf Salamis blieben, würden sie auf der Insel belagert werden, w o sich ihnen keinerlei Hilfe zeigen werde; beim Isthmos aber könnten sie sich zu den Ihren zurückziehen."

c. Der Kriegsrat vor Salamis löste sich (8,50) bei der Nachricht von der Eroberung Athens durch Xerxes, die ein Athener - wie in einem analeptischen Botenbericht - überbrachte, panikartig auf. 474 Im Bericht wird (8,53) auktorial betont: έδεε γάρ κατά τό θεοπρόπιον πασαν τ ή ν ' Α τ τ ι κ ή ν την έν τή ήπείρω γενέσθαι ύπό Πέρσησι, „denn nach dem Götterspruch war es bestimmt, daß ganz Attika, soweit es auf dem Festland lag, in die Gewalt der Perser gelangte." 4 7 3

Als Xerxes (54) ganz Athen in seiner Hand hatte, entsandte er (auf dem relativen Höhepunkt und vor der Peripetie) einen Boten nach Susa, um Artabanos den errungenen Erfolg (την παρεοϋσάν σφι εύπρηξίην) zu melden. 476 Mit der Eroberung Athens hat Xerxes zwar den offiziellen 473 Ebenso wie im Kronrat findet zwar die Versammlung nicht in der Öffentlichkeit statt, aber im Gegensatz zum Kronrat, w o Xerxes allein der Entscheidungsträger ist, nimmt jeder Feldherr an der Entscheidung teil. 474 Vgl. Wood 1972, 177: „Therefore Herodotus views the capture of the city not as military and strategic accomplishment, but as a factor on the decision of the Greeks where and if to fight." Damit verliert die Eroberung an Bedeutung und wird den übrigen Ereignissen untergeordnet. 475 Damit ist also die Unterwerfung Attikas göttlicher Wille, die menschliche Ebene ist auch hier wieder einer höheren metaphysischen Instanz untergeordnet, Xerxes nur ein Instrument, um diesen auszuführen. Vgl. das Orakel 7,140 ff. 476 Aber vgl. 7,49,4: ε ύ π ρ η ξ ί η ς ούδεμία ττληθώρη, vor der Artabanos gewarnt hatte. Vgl. dazu z.B. Thuk. 4,65,4. Ebenso ließ er Opfer durchführen, offenbar, wie der Narrator vermutet, weil es ihm ein Traum befohlen hatte oder weil er die Verbrennung des Heiligtums bereute. Xerxes' Reue über die Zerstörung des sakralen Bereichs ist für Hermes 1951, 50 echt: „Das ist nicht nur Furcht vor der strafenden Gottheit, sondern auch ein Ausdruck echter religiöser Toleranz." Vgl. auch 7,54,3.

Die Reden in den Büchern 7 - 9

251

Auftrag, Rache für die Verbrennung von Sardes zu nehmen, erfüllt, aber wie Herodots Darstellung schon von Beginn an mehrfach suggeriert, war Athen nur ein Vorwand und eine Etappe eines viel ehrgeizigeren Planes. d. Auch nach dieser Nachricht hielten die meisten Strategen (8,56-63) an ihrer Meinung fest, vor dem Isthmos zu kämpfen (έκυρώθη προ τοΰ Ισθμοΰ ναυμαχεειν). In der Nacht tritt als erster Ruhepunkt in der Erzählung nach der Panik der Athener Mnesiphilos (57), eine historische, wohl aus einer The477

mistokles feindlichen Quelle übernommene Figur, auf: Dabei ist sein Auftreten nicht so sehr der böswillige Versuch Herodots, Themistokles' geniale Persönlichkeit durch den Vorwurf des Plagiats zu verleumden, als vielmehr die Verwendung einer künstlerischen, schon im Epos angewandten Technik: Anstatt über einen inneren Gedanken des Themistokles in indirekter Rede zu berichten, bietet die Figur des Mnesiphilos die Möglichkeit, eine wichtige, aber vor dem Strategenkolleg nicht angebrachte Überlegung in einer Rede plastisch darzulegen. Er ist eine protatische Figur, die mit der negativen Prolepse ein Gegenszenario zum tatsächlichen Verlauf entwirft und so die Bedeutung von Themistokles' Handlung hervorhebt. Seine Meinung stimmt mit den Argumenten anderer Redner 478 und den auktorialen Überlegungen Herodots (7,139) überein.

Im folgenden (8,55) berichtet er von einem von den Athenern erzählten Wunder mit symbolischer Bedeutung: Aus dem Stumpf des abgebrannten heiligen Ölbaums soll ein ellenlanger Stumpf nachgewachsen sei. 477 So Späth 1968, 1 5 0 f f , für den diese Quelle Themistokles die Originalität des άυήρ σ ο φ ό ς absprechen wolle. Während er f ü r Plutarch T h e m i s t o k l e s ' Lehrer war (Them. 2,6), ist er eine historische Figur aus demselben Demos wie Themistokles und angesichts der Ostraka-Funde vielleicht ein Politiker, vgl. Asheri 2003, 260. 478 Z u r Funktion der Rede vgl. G o l d s c h e i d e r 1965, 61: „Hätte Herodot die von Mnesiphilos ausgesprochenen G e d a n k e n ohne M n e s i p h i l o s ' Vermittlung Themistokles in direkter Rede Eurybiades vortragen lassen, so wäre zwar die gefahrliche Lage Griechenlands ebenfalls darstellbar gewesen, aber die Funktion des Gespräches als Rahmen und als Ruhepause wäre verlorengegangen." Heni 1977, 120 meint, daß die Figur dazu geschaffen sei, die Gedanken statt eines inneren Monologs dramatisch darzustellen. Ebenso Lendle 1992, 56: „Mit ihrer Hilfe gelang es ihm, die ,wahrhaftigste Ursache' ... unterhalb der offen ausgesprochenen Argumente für das Verhalten des Themistokles bloßzulegen." Masaracchia 1969, 89 und 1977, 184 vergleicht Mnesiphilos als Beispiel epischer narrativer Technik mit den psychologischen Götterinterventionen im Homerischen Epos. Diese Rede bildet z u s a m m e n mit dem Aristeides-Gespräch 8,79 den Rahmen der Salamis-Beratungen, wobei die Reden spiegelbildlich aufeinander bezogen sind.

252

HERODOT

Als er von den Plänen der Strategen gehört hatte (πυθόμενος), eilte er zu Themistokles und zeigte ihm in seiner Rede die große Gefahr fur die griechische Sache auf, wenn es jenem nicht gelänge, die Pläne der Mehrheit, die sich 8,49,2 dafür ausgesprochen hatte, Salamis zu verlassen, zu vereiteln. Ού TOL αρα ην άπάρωσι τ ά ς νέας άπό Σαλαμίνος ουδέ περί μι,ής έτι πατρίδος ναυμαχήσεις- κατά γαρ ττόλις έκαστοι τρέφονται και ούτε σφέας Ευρυβιάδης κατέχειν δυνήσεται ούτε τ ι ς άνθρώπων άλλος ώστε μή ού διασκεδασθήναι τήν σ τ ρ α τ ι ή ν άπολέεταί τε ή Ελλάς άβουλίησι. „Wenn sie die Schiffe wirklich von Salamis wegführen, wirst du die Seeschlacht nicht mehr für ein einziges einheitliches Vaterland ausfechten. Denn sie werden stadtweise nach Hause eilen, und weder Eurybiades noch ein anderer sonst werden verhindern können, daß sich die Flotte zerstreut. So wird Griechenland durch Unvernunft zugrunde gehen."

Daher appellierte er an Themistokles, dieser solle, wenn er einen Weg (μηχανή) wisse, alles versuchen, um die Flucht zu verhindern. Themistokles übernahm gern den Ratschlag (58,1 θεμιστοκλέϊ ήρεσε ή ύποθήκη) und ging wegen der Dringlichkeit der Sache wortlos weg. Themistokles erläuterte Eurybiades auf dessen Schiff unter vier Augen die Lage und brachte Mnesiphilos' Argumente, die er sich zu eigen machte und die Herodot deshalb nicht wiederholt, vor. Er forderte eine neue Beratung. Durch einen gnomischen Ausspruch des Korinthers Adeimantos provoziert (59), antwortete er ebenfalls schlagfertig und freundlich (60,1 ήπίως) mit einer Gnome. e. In der folgenden direkten Rede (60) wiederholte er Mnesiphilos' Befürchtungen nicht, da er auf die Empfindungen der Bundesgenossen Rücksicht nehmen mußte und sie nicht verletzen wollte. Im Gegensatz zum privaten Gespräch mußte er in der Öffentlichkeit darauf achten, das primäre Publikum zu überzeugen und die Konventionen der Volksrede nicht zu brechen. Daher wählte er eine andere rhetorische Strategie und andere Argumente (άλλου λόγου εϊχετο). Im emphatischen Prooimion (έν σοι νΰν έστι σώσαι τήν Ελλάδα), das an Miltiades' Rede an Kallimachos erinnert, 479 stellt er Eurybiades in einem antithetischen Satz vor die Wahl, auf ihn zu hören und in Salamis zu bleiben oder abzufahren, wie es die anderen raten; aber er impliziert dabei sogleich, daß es eigentlich keine echte Alternative zu seinem Plan gebe,

479 6,109,3: έν σοι vvv, Καλλίμαχε ... (Emphatische Steigerung durch Hinweis auf die Bedeutung der Entscheidung).

Die Reden in den Büchern 7 - 9

253

um Griechenland zu retten. Die positive Apodosis σώσαι την 'Ελλάδα wird von der Annahme von Themistokles' Rat und der Ablehnung der Ratschläge der übrigen Feldherren, chiastisch in der Antithese εμοΐ πείθη - π ε ι θ ό μ ε ν ο ς τούτων τοίσι λόγοισι, abhängig gemacht. Dadurch vermeidet Themistokles, die von Mnesiphilos skizzierten Befürchtungen explizit erwähnen zu müssen, was einer offenen Kritik an den zu Überredenden gleichkäme und im Prooimion äußerst unpassend wäre. Die kurze Prothesis (άντίθες γαρ έκάτερον άκουσας, „Höre zu und halte beides gegeneinander"), enthält den antithetischen Bauplan der dreiteiligen Rede. 480 Durch den Vergleich beider Ansichten kann man die bessere herausfinden. 481 Im ersten Hauptteil (προς μεν τω Ίσθμω), der als Apotrope gedacht ist, zählt er drei Nachteile (το Ή KL στα ... σύμφορον) fur die Flotte auf: Die Schlacht auf offener See (έν πελάγεϊ άναπεπταμένω) ist fur die technisch schwächere, da schwerfälligere, und zahlenmäßig unterlegene Flotte von Nachteil. Ebenso könnte ein Sieg am Isthmos die Verluste von Salamis, Aigina und Megara nicht wettmachen. Schließlich besteht die Gefahr, da 482

das feindliche Landheer jeweils der Flotte nachrückt, daß die Perser ungestört mit dem Landheer und der Flotte bis zum Isthmos vorrücken, und somit direkt die Peloponnes und ganz Griechenland gefährden (κινδυνεύσεις τε άπάση τη Ελλάδι). Im zweiten Hauptteil (60ß), der als Protrope den ersten ergänzt, werden die Vorteile (χρηστά) von Themistokles' Vorschlag, in Salamis zu bleiben, dargelegt: Aller Wahrscheinlichkeit nach (ήν τά οίκότα έκ τοϋ πολέμου έκβαίνη) werden die Griechen vollständig siegen. Dabei ist die Gliederung der Punkte streng parallel zum ersten Hauptteil und bildet dazu die Antithese. In Salamis kann die persische Flotte ihre zahlenmäßige und technische Überlegenheit nicht nutzen, denn in den engen Gewässern (έν στεινω) ist die höhere Mobilität der Perser ein Nachteil. Zweitens kann Salamis Zufluchtsort für die athenischen Familien bleiben. Und was die Peloponnesier betrifft, so spielt es für die Verteidigung der Peloponnes keine Rolle, w o die feindliche Flotte abgewehrt wird: ομοίως αύτοΰ τε μένων

480 Ähnlich spricht der Herold in Eurip. Herak. 153ff.: φέρ' ά ν τ ί θ ε ς γ α ρ ... Vgl. D e f f n e r 1933, 71 f. und v. Groningen 1958, 237: 1. Emotionales Exordium (έν σοί). 2. demonstratio (γάρ-Satz). 3. Epilog mit allgemeiner G n o m e (οίκότα). 481 Vgl. Artabanos' Goldprobe 7,10a. 482 Zuvor hatte der Perser Achaimenes in seiner Rede 7,236,2 dieses taktische Prinzip dargelegt.

254

HERODOT

προναυμαχήσεις Πελοποννήσου καΐ προς μεν τώ Ίσθμώ ουδέ σφεας, εϊπερ φρονέεις, άξεις έπΐ την Πελοπόννησον. „Wenn du hier bleibst, verteidigst du auch die Peloponnes ebensogut wie am Isthmos, und du wirst, wenn du klug bist, die Feinde nicht auf die Peloponnes hinlenken."

Hatte er am Ende des ersten Hauptteils (60a) die Gefahr für Griechenland erwähnt, so stellt er nun die für Eurybiades und die Peloponnesier wichtigere Peloponnes in den Vordergrund. Im Epilog (60γ) werden die Vorteile eines Sieges in Salamis thematisiert. Treffen Themistokles' Erwartungen ein (ήν δε γε και τά εγώ ελπίζω γένηται), so werden erstens die Perser nicht zum Isthmos marschieren, sondern ohne Ordnung (ούδενΐ κόσμω) entfliehen: Somit kann in Salamis auch das Landheer gestoppt werden. Zweitens werden Megara, Aigina und Salamis nicht verlorengehen, zumal ein Orakel ihnen an diesem Ort den Sieg vorausgesagt hat. Herodot hat Themistokles rein säkulare Argumente in den Mund gelegt. Der kurze Verweis auf das Orakel 7,140ff. zeigt an, daß Themistokles auch anders hätte reden können. Im Gegensatz zu den Peloponnesiern, die (8,59) das Schlachtfeld unter dem negativen Aspekt des Entkommens nach der Niederlage auswählten, schaute Themistokles nach günstigen Vorbedingungen für den Sieg, wobei sich rationale und göttliche Ebene ergänzen, wie die Gnome am Ende zeigt: οίκότα μεν νυν βουλευομενοισι άνθρώποισι ώς τό έ π ί π α ν έθέλει γίνεσθαι · μή δέ ο ί κ ό τ α βουλευομένοι,σι. ουκ έθελει ουδέ ό θεός προσχωρέειν πρός τ ά ς άνθρωπηίας γνώμας. „Planen sie so, wie es dem Wahrscheinlichen entspricht, pflegt es im allgemeinen auch so zu k o m m e n ; planen sie aber gegen das Wahrscheinliche, mag auch der Gott nicht auf die Seite der menschlichen Entwürfe treten." 4 8 3

Das Göttliche unterstützt die οίκότα des menschlichen Plans, wenn dieser moralisch einwandfrei ist. Der Optimismus des Themistokles, der auf die 483 Zur Antithese ο ί κ ό τ α - μ ή ο ί κ ό τ α vgl. Goldscheider 1965, 68: „In dieser Lücke zwischen der theoretischen Schlüssigkeit der taktischen Berechnung und ihrem tatsächlichen Eintreffen ist der Platz für die Götterhilfe. Werden aber die Regeln der Kriegsführung mißachtet, so wird die Lücke zwischen menschlichem Planen und der tatsächlichen Erfüllung unüberbrückbar. Themistokles überträgt den epischen Gedanken, daß die Menschen selbst durch ihre Fehlhandlungen die Götterhilfe verscherzen, um dann den Göttern die Schuld zu geben, und daß umgekehrt die Götter den Verständigen unmittelbar, in der Regel durch einen guten Rat, helfen, auf die Situation von Salamis; durch das Orakel von der hölzernen Mauer billigen die Götter Themistokles Überlegungen über den besten K a m p f p l a t z . " Dabei wird der göttliche Einfluß eingeschränkt (ούδέ ό θεός) und parallel zu ώ ς τ ό ε π ί π α ν gestellt.

Die Reden in den Büchern 7-9

255

rationale Stärke der m e n s c h l i c h e n P l a n u n g vertraut, stützt sich a u f die A r g u m e n t e d e s N ü t z l i c h e n ( σ ύ μ φ ο ρ α , χ ρ η σ τ ά ) u n d W a h r s c h e i n l i c h e n (ter ο ί κ ό τ α ) , d i e zu d e n τ ε λ ι κ ά κ ε φ ά λ α ι α g e h ö r e n , u n d b i l d e t s o m i t d i e p o s i t i v e E r g ä n z u n g z u A r t a b a n o s ' G n o m e 7 , 1 0 82. S e i n e R e d e ist f o l g e n d e r m a ß e n strukturiert: 1. Prooimion (60a):

Emphatischer Appell an Eurybiades (attentum facere): Das Wohl von Hellas hängt von seiner Entscheidung ab, ob er seinem Rat folgt und in Salamis bleibt oder zum Isthmos fährt.

2.Prothesis: 3. Argumentatio (60α):

Er soll beide Varianten gegeneinander abwägen: 1. Variante: 3 Nachteile (ήκιστα ... σύμφορον) bei der Abfahrt zum Isthmos (Apotrope): a) Der Kampf auf offener See ist für die technisch und zahlenmäßig schwächere Flotte von Nachteil. b) Auch Sieg kann den Verlust von Salamis, Megara und Aigina nicht wettmachen. c) Bei Abzug kann persisches Heer ungestört bis zum Isthmos vorrücken. Folge: Gefahr für ganz Griechenland (κινδυνεύσεις τε απάστ] τη Ελλάδι).

(60β):

2. Variante: 3 Vorteile (χρηστά) beim Bleiben in Salamis (Protrope): a) In der Enge kann der Gegner weder Mobilität noch zahlenmäßige Überlegenheit nutzen, so daß ein vollständiger Sieg zu erwarten ist. b) Salamis bleibt Zufluchtsort für athenische Familien. c) Es spielt für die Peloponnesier keine Rolle, wo die Feinde abgewehrt werden.

Epilog (60γ):

1. Folgen des auf seinem Plan beruhenden Sieges (Zusammenfassung): a) Statt zum Isthmos zu marschieren, werden die Perser fliehen. b) Megara, Aigina und Salamis gehen nicht verloren. Hinweis auf Sieges-Orakel.

256

HERODOT

2. Abschluß-Gnome: Vernünftiger Plan birgt Erfolg, bei schlechtem Plan entzieht auch die Gottheit dem Menschen ihre Hilfe.

Diese Musterrede ist vordergründig ein Appell an Eurybiades, der, wie die vielen Verbformen in der 2. Sg. zeigen, das Subjekt in Themistokles' Gedankengang ist, wobei er Eurybiades für das Scheitern bei Nichtbefolgung seiner Ratschläge verantwortlich macht, während die positiven Resultate bei Befolgung seiner Ratschläge in der 1. PI. (κρατήσομεν, νικήσωμεν, κερδανέομεν) stehen, also alle Griechen betreffen. Die Rede besticht durch ihre einfache parataktische Form und klare Gliederung, die einerseits im voraus mögliche Gegenargumente entkräftet, andererseits die eigenen Argumente und Ratschläge in hypothetischen Sätzen (fünfmal ήν) diskutiert und begründet, indem sie Vor- und Nachteile symmetrisch einander gegenüberstellt (die Teile 60a und ß) und in einem abschließenden Teil durch eine Gnome resümiert. Seine strategische Analyse der Lage ergänzt Mnesiphilos' negative Punkte durch eigene positive Überlegungen über den Sieg bei Salamis. Durch die Betonung des Vorteils und den Verzicht auf das δίκαιον verletzt er die Erwartungshaltung der primären Rezipienten nicht. Gleichwohl greift ihn (61), wie schon zuvor, der Korinther Adeimantos in einer indirekten Rede an, in der er behauptet, Themistokles habe als Heimatloser (τω μή έστι πατρίς, ά π ο λ ι ς ) kein Recht, seine Meinung zu äußern. Die nicht mehr freundliche Antwort (πολλά τε και κακά) des Atheners, in der er aufzeigt, daß Athen dank seinen 200 Schiffen bedeutender und mächtiger als Korinth ist, faßt Herodot indirekt zusammen. Dagegen wird die eindringliche und ernsthafte (μάλλον έπεστραμμένα) Drohrede an Eurybiades (62) in direkter Rede wiedergegeben: Wenn Eurybiades bleibt, dann erweist er sich als guter Mann (άνήρ αγαθός), sonst aber zerstört er Griechenland (αναστρέψεις την Ελλάδα). Während er in der Rede 60,1 aus Höflichkeit die negativen Folgen der Flucht nicht ausgesprochen hat, greift er Eurybiades jetzt direkt und brutal an und wirft ihm vor, die aktive Verantwortung für die (mögliche) Niederlage zu tragen: το πάν γάρ ήμΐν του πολέμου φέρουσι. αί νέες. άλλ' έμοί πείθεο. „Denn die Entscheidung des Krieges liegt bei unseren Schiffen. Darum folge meinem Rat." Er droht schließlich, mitsamt den Familien nach Siris in Italien zu segeln und sagt ominös:

Die Reden in den Büchern 7 - 9

257

ύμεΐς δέ τοι,ώνδε συμμάχων μουνωθέντες 484 μεμνήσεσθε των έμών λόγων. „Ihr aber, solcher Bundesgenossen verlustig, werdet noch an meine Worte denken." 485 Wohl nicht zuletzt wegen dieser offenen Drohung verfehlte Themistokles' Rat seine Wirkung nicht (63), und Eurybiades entschied sich vor allem aus Furcht (άρρωδήσας) vor dem Abfall der Athener, nicht zum Isthmos zu segeln, zumal er wußte, daß ohne die Athener die Griechen dem Feind nicht mehr gewachsen waren (ούκέτί αξιόμαχοι). f. Nach dieser Redeschlacht (64,1 έπεσι. άκροβολισάμενοι) begann man mit den Vorbereitungen für die Seeschlacht. Nach einem Erd- und Seebeben beschloß man nach dem Gebet zu den Göttern, die Aiakiden Aias und Telamon aus Aigina zu Hilfe zu holen. Neben der Retardierung und dem Spannungsstau wird (8,65), in der Mitte zwischen Themistokles' (8,60) und Artemisias (8,68) Reden, auf eine höhere göttliche Ebene hingewiesen. Dikaios, ein Verbannter aus Athen im Gefolge des Xerxes, berichtet indirekt Demaratos, er habe von Eleusis her eine Staubwolke eines etwa 3 0 Ό 0 0 Mann starken Heeres gesehen, wobei er den Gesang der Mysten von Eleusis gehört habe. 65,2 antwortet er auf die indirekt wiedergegebene Frage des Demaratos in der oratio recta. Δημάρητε, ούκ εστί δκως ού μέγα TL σίυος έσται. τή βασιλέος στρατιή. τάδε γαρ άριδηλα έρημου έούσης τ η ς ' Α τ τ ι κ ή ς , ÖTL θείον τό φθεγγόμενον, άπ' Ελευσινος ιόν έ ς τιμωρίην Άθηναίοισί τε και τοισι συμμάχοισι. „Demaratos, es kann nicht anders sein, ein großes Unheil wird kommen f ü r das Heer des Königs. Da Attika ganz menschenleer ist, so ist es eindeutig, daß der Laut etwas Göttliches ist, das von Eleusis her den Athenern und ihren Bundesgenossen zu Hilfe kommt." 4 8 6

484 Mit der Wiederholung des Ausdrucks μ ο υ ν ω θ έ ν τ ε ς von 7,139,3 deutet er in Übereinstimmung mit Herodots eigener Einschätzung auf die Bedeutung Athens hin. 485 Masaracchia 1969, 94 weist auf epische A n k l ä n g e hin. „La finale minaccia di Temistocle, che gli Ateniesi si ritireranno in Italia, lasciando soli e in difficoltä gli alleati ... e sagomata secondo il modello epico del guerriero che si ritira dal campo di battaglia, lasciando in difficoltä gli altri: e cfr. specialmente A 169 ... e 240 sgg. ... Notevoli come i motivi sono i toni. L'appassionato άλλ' έμοί π ε ί θ ε ο di Temistocle, nel momento culminante della perorazione, ha timbro epico: basta ricordare A 259 άλλά πίθεσθ' di Nestore ad Agamennone e Achille." 486 Zu beachten ist in dieser Passage die poetische Diktion mit Wörtern wie άδαήμων, άρίδηλος und σίνος.

258

HERODOT

Dabei drohe entweder dem Landheer oder der Flotte die Vernichtung. Das jährliche Fest zu Ehren von Demeter und Persephone, das zu den erzählenswerten Dingen gehört und Demaratos nicht bekannt ist, wird auf dramatische Weise anstelle einer auktorialen Glosse kurz erläutert, ohne daß der Narrator den Dialog unterbrechen muß. Demaratos befiehlt ihm jedoch zu schweigen: Σίγα τε και μηδενι άλλω τον λόγον τούτον ε'ίπης. ήν γάρ τοι ές βασιλέα άνενειχθή τά επεα ταϋτα, άποβαλεεις τήν κεφαλήν καί σε ούτε εγώ δυνήσομαι ρύσασθαι ούτ' άλλος ανθρώπων ούδέ ε ΐ ς . αλλ' έχ' ήσυχος, περί δέ στρατιής θεοΐσι μελήσει. 487 „Schweig und erzähle dies keinem andern! Denn gelangen diese Worte zu den Ohren des Königs, ist dein Kopf verloren, und kein Mensch auf der Welt, auch ich nicht, kann dich retten. Sondern verhalte dich ruhig! Dieses Heeres werden aber die Götter sich annehmen."

Wieder wird das zentrale Problem der Kommunikation angeschnitten. Über seine Mißerfolge bei den Überredungen mit Xerxes enttäuscht, glaubt Demaratos nicht, daß jener auf jemanden hört, und deutet so auf Artemisias Erfolglosigkeit und die Niederlage der Perser hin. Als sie sahen, daß sich die Staubwolke in Richtung Salamis wandte, wurde ihnen klar, daß Xerxes' Flotte dem Untergang geweiht war (65,6 ö t l τό ναυτι,κόν ... άπολέεσθαι μέλλοι). g. Durch den Zuzug weiterer Griechen hatten das persische Landheer und die Flotte nach der Meinung Herodots (ώς μεν έμοί δοκέειν) die Verluste der Kämpfe an den Thermopylen und Kap Artemision wieder wettgemacht. In Phaleron versammelten sich alle Kontingente der Perser und warteten dort auf die Schlacht. Xerxes berief eine Versammlung der Admirale ein. Um ihre Meinungen einzuholen (67,1 έθέλων ... καί ττυθέσθαί ... τάς γνώμας), schickte er Mardonios, um jeden einzeln zu fragen, ob er eine Seeschlacht wagen solle oder nicht. Während sich (68,1) alle übrigen Befehlshaber für die Schlacht aussprachen, widersprach n u r Artemisia, die Herrscherin von Halikarnassos, der Herodot als einziger eine direkte Rede zugesteht. 488 487 Vgl. die ähnliche Formulierung II. 17,515 τ ά δε κεν Δ ι ί π ά ν τ α μ ε λ ή σ ε ι . Ebenso 5,430 und 23,724. Mit der Wendung ά π ο β α λ έ ε ι ς τ ή ν κεφαλήν n i m m t Demaratos Dikaios' Prophezeiung τ ό ν ναυτικόν σ τ ρ α τ ό ν κινδυνεύσει βασιλεύς ά π ο β α λ ε ΐ ν sarkastisch (mit der Wortwiederholung von ά π ο β α λ ε ΐ ν ) wieder auf, vgl. Powell 1937, 104. 488 Herodot bewundert sie 7,99,1 ( τ η ς μ ά λ ι σ τ α θώμα ποιεϋμαι.), lobt als Oxymoron ihre ά ν δ ρ ε ί η in den Taten, gibt ihr aber 99,3 in einer Prolepse auch intellektuelle

Die Reden in den Büchern 7 - 9

259

Im Proömium (68α 1) ihrer Rede trägt sie zunächst Mardonios auf, Xerxes ihre Worte zu berichten, und empfiehlt sich angesichts ihrer am Artemision bewiesenen Tapferkeit, die sie in einer subjektiven, kompletiven Analepse elliptisch - durch die Litotes ούτε κακίστη ούτε ελάχιστα άττοδεξαμένη verstärkt - andeutet, als Ratgeberin, indem sie wie Demaratos (7,235,1) über ihre Rolle als Ratgeberin reflektiert: δέσποτα, την δε έοΰσαν γνώμην με δίκαιον έστι άποδείκνυσθαι, τά τυγχάνω φρονέουσα άριστα ές πρήγματα τά σά. „Gebieter, es kommt mir zu, meine wirkliche Meinung vorzutragen, das, was nach meiner Überlegung das Beste ist für deine Sache."

Die Botschaft, mit der sie den ersten Hauptteil einleitet, ist simpel: Xerxes soll seine Flotte schonen und nicht zur See kämpfen (φείδεο των νεών μηδέ ναυμαχίην ποιεο). Sie begründet ihre These damit, daß erstens die Griechen, die sie indirekt lobt, den Persern zur See überlegen seien, wobei sie dies in einem paradoxen Vergleich, der zusätzlich an Ironie gewinnt, weil er von einer Frau angestellt wird, kraß ausdrückt 68a2: οι γαρ άνδρες των σων άνδρών κρέσσονες τοσοϋτόν είσι κατά θάλασσαν δσον άνδρες γυναικών. „Diese Männer sind deinen Männern zur See so überlegen wie Männer den Frauen." 489 Zweitens hat ja Xerxes die (offiziell) gesteckten Ziele erreicht, wie sie in rhetorischen Fragen mit Geminatio zeigt (tl ...; ούκ εχεις ... εχεις;): Athen, weswegen er den Krieg doch begonnen hat, ist erobert. Und das übrige Griechenland kann sich ihm nicht widersetzen (έμποδών δέ τοι ισταται ουδείς). In einem zweiten Hauptteil (68ß) entwirft sie analog zu Themistokles' Argumentation zwei parallele hypothetische Szenarien des Ausgangs der Schlacht aus der Sicht der Feinde: 490 Wenn Xerxes auf die Seeschlacht verzichtet (60ß ην μεν μη έπειχθης ναυμαχίην ποιεύμενος) und auf dem Land gegen die Peloponnes zieht, kann er leicht seine Ziele erreichen (εύπετεως χωρήσει. τά νοέων έλήλυθας). Als Begründung nennt sie ein ähnliches Argument wie MneFähigkeiten: π ά ν τ ω ν δέ των σ υ μ μ ά χ ω ν γ ν ώ μ α ς ά ρ ί σ τ α ς βασιΛέϊ ά π ε δ έ ξ α τ ο , („sie gab auch dem König die besten Ratschläge von allen Bundesgenossen"). 489 Zu diesem Motiv vgl. 7,210; 9,107. Sie selbst wird Paradeigma werden, wie Xerxes 8,88,3 sagen wird. Vgl. Artabanos 7,10a3 o'l κατά θάλασσάν τ ε ά ρ ι σ τ ο ι . Dagegen ist Themistokles' Analyse differenzierter 8,60a. 490 Ebenso Demaratos 7,235. Dagegen hatte Achaimenes 7,236,3 gefordert, nicht an die Situation der Feinde zu denken. Eine weitere Analogie bei Munson 1988, 98: „The strategies which the two advisers prescribes are mutual opposites, both conducive to success and both unpopular with the majority (8,67,2; 8,57, 74)."

260

HERODOT

siphilos (8,57,2). Sie glaubt nicht, daß die Peloponnesier lange Zeit in Salamis bleiben können, sondern daß jeder in seine Stadt fliehen wird, weil die Griechen keine Lebensmittel (σίτος) haben. Es ist nicht wahrscheinlich (οίκος), daß diese angesichts des Vorrückens von Xerxes' Landheer still bleiben werden (άτρεμιεΐν), zumal es ihnen dann nicht daran gelegen sein wird, für die Athener zu kämpfen. Wenn jedoch Xerxes sogleich bei Salamis kämpfen will (68γ ήν δέ αύτίκα έπειχθής ναυμαχήσαι), befürchtet sie (δειμαίνω), daß eine mögliche Niederlage der Flotte auch das Landheer in Mitleidenschaft ziehen werde (προσδηλήσεται.). 491 Sie schließt ihre Überlegungen mit einer schmeichlerischen Gnome ab, wobei die Paronomasie βασιλεΰ ... βαλε υ der Aufmerksamkeitssteigerung dient. Die Gnome besteht aus einem verkürzten Syllogismus aus zwei in umgekehrter Proportionalität - als Paradoxon - zueinander stehenden antithetischen Teilen: Tüchtige Menschen (χρηστοίgl) haben gewöhnlich (φιλεουσι) schlechte Diener (κακοί δοϋλοι) und umgekehrt. Da nun Xerxes der beste (άρίστω) unter den Menschen ist, hat er auch die schlechtesten Diener, womit sie die Völker, die Schiffskontingente stellen, meint. 492 Ebenso wie Themistokles' Rede ist auch Artemisias Rede klar gegliedert: 1. Prooimion (68α 1):

Anrede an Mardonios und Auftrag, Xerxes ihre Rede zu übermitteln. Ihre bisherige Tapferkeit (Analepse auf Artemision) macht sie zur loyalen Ratgeberin.

2. Prothesis:

I. Xerxes soll die Flotte schonen und keine Seeschlacht wagen: Denn:

3. Argumentatio (68a2):

1. Sie sind den Griechen zur See unterlegen wie Frauen Männern. 2. Mit der Eroberung Athens hat Xerxes die offiziellen Kriegsziele erreicht. 3. Das übrige Griechenland kann ihm nicht widerstehen. II: Zwei hypothetische proleptische Szenarien entworfen (nach ράδίον — χαλεττόν):

491 Vgl. Aisch. Pers. 728 ναυτικός σ τ ρ α τ ό ς κακωθείς πεζόν ώλεσε στρατόν. Diesselben Überlegungen äußern auch moderne Historiker, so z . B . Balcer 1989, 137f. 492 Vgl. Artabanos' Vergleich mit dem Meer 7,16 a l (dazu S. 155, Anm. 252), und auch Aisch. Pers. 753.

Die Reden in den Büchern 7 - 9

261

1. Wenn Xerxes auf die Seeschlacht verzichtet, kann er auf dem Land seine Ziele erreichen, da die Griechen fliehen werden. Denn sie haben keine Vorräte auf Salamis und werden beim Vorrücken des Xerxes zum Isthmos nicht ruhig bleiben. (68γ):

2. Wenn er sofort kämpfen will, fürchtet sie, daß die Niederlage der Flotte auch das Landheer beeinträchtigt.

4. Epilog:

Schmeichelhafte G n o m e mit Enthymem: Die besten Männer (wie Xerxes) haben die schlechtesten Diener: Daher kann er nicht auf die Verbündeten zählen.

Nach dem Proömium, in dem sie über die kommunikative Situation reflektiert, und nach der propositio folgt streng symmetrisch die argumentatio mit proleptischer These und Antithese 493 ; eine wirkungsvolle Gnome, welche Xerxes schmeichelt, schließt die Rede ab. Ihre Argumentation ist sachlich und bleibt wie die des Themistokles innerhalb des Humanum. Sie stützt sich auf bekannte Fakten und gebraucht durchaus wirkungsvoll rhetorische Mittel zur Steigerung sowohl der Stringenz als auch zur Emphase. Diese für den Fortgang der Erzählung allerdings wirkungslose Rede zeigt dem sekundären Rezipienten des Werks Gründe auf, weshalb die Perser in Salamis scheiterten, zumal Artemisias Überlegungen mit denen des Mnesiphilos bzw. Themistokles übereinstimmen und sich widerspruchslos gegenseitig ergänzen. Die Reaktion (69) auf ihre Rede wird indirekt durch die sekundäre Fokalisation ihrer Freunde und Feinde gezeigt. Ihre Freunde (δσοί μεν ήσαν εΰνοοι) fürchteten, ihr Worte würden ihr zum Nachteil gereichen. Ihre Feinde und Neider indessen (οι δέ άγαιόμενοί τε και φθονέοντες) freuten sich, weil sie meinten, ihre Antwort bringe ihr Verderben. Ebenso wird Xerxes' Reaktion indirekt berichtet: er freute sich sehr (κάρτα ήσθη) über Artemisias Meinung (γνώμη), weil er um ihren Einsatz wußte. Er folgte indessen dem Rat der Mehrheit. 494 Auch meinte er 69,2, beim Artemision habe die Flotte feige gekämpft, weil er nicht anwesend war (έθελοκακέει,ν ώς ού παρεόντος αϋτοϋ); nun wollte er sich jedoch die Schlacht an-

493 Vgl. Pulydamas in der Ilias, dessen Reden parallele Kompositionen sind, z.B. 11. 18,254-283 (Lohmann 1970, 30ff.). 494 Xerxes verhielt sich auf dieselbe Weise gegenüber Demaratos 7,238.

262

HERODOT

schauen (θεήσασθαι ν α υ μ α χ ε ο ν τ α ς ) , um die K a m p f k r a f t der Truppe erhöhen. 495 Wie nach Demaratos' Reden ist Xerxes unfähig, die Botschaft Artemisias zu verstehen. 496 Xerxes, der anders als im Kronrat nicht mit Zorn auf die abratende Rede reagiert, verliert die Initiative, ist passiv und verblaßt allmählich. Er erhält keine direkte Rede und geht auch nicht auf die strategischen Überlegungen ein, zumal im Gegensatz zu den Gesprächen mit Artabanos oder Demaratos auch kein Zwiegespräch zwischen den beiden, die räumlich voneinander getrennt sind, stattfindet. h. Die Griechen, insbesondere die Peloponnesier, überkamen indessen wiederum Ängste und Befürchtungen (δέος τε και άρρωδίη), wie Herodot indirekt erzählt, 8,70,2: άρρώδεον δε, ö t l αυτοί μεν έν Σαλαμίνα κατήμενοι. ύπέρ γ η ς των'Αθηναίων ναυμαχέειν μέλλοι,εν, νικηθέντς τε εν νήσω άπολαμφθε'ντες πολιορκήσονται, ά π ε ' ν τ ε ς τ η ν έαυτοϋ άφυλακτον. „Sie fürchteten, sie müßten hier bei Salamis festsitzen und sich für attisches Land zur See schlagen. Wenn sie aber die Schlacht verlören, würden sie abgeschnitten und auf der Insel belagert werden, während sie ihre Heimat ohne Schutz lassen müßten." 4 9 7

Das persische Landheer marschierte in der Nacht (71) in Richtung Isthmos, wo sich die Peloponnesier verschanzt hatten. Herodot berichtet in einem analeptischen Exkurs (72-74), 4 9 8 der durch die Wiederholung der Furcht (άρρώδεον, δειμαίνοντες) eingerahmt wird, daß sich die peloponnesischen Mannschaften über Eurybiades' Unbesonnenheit (άβουλίην) wunderten. Da Themistokles (75) in der Versammlung den Beschluß, von Salamis abzusegeln, nicht verhindern konnte (έσσοϋτο τη γνώμη), ersann er 495 Herodot betont 8,86 die erhöhte Motivation der Perser, weil sie glaubten, vom König gesehen zu werden. 496 Schulte-Altedorneburg 2001, 204f.: „Während demnach Themistokles das seinem Erkenntnisvermögen Zugängliche und Sachgemäße erwägt, seine Entscheidungen danach fällt, ... verstellt sich Xerxes trotz der gleichgearteten Befähigung aufgrund seiner charakterlichen Ausrichtung den Blick auf das für ihn erreichbar Richtige, urteilt entsprechend falsch." 497 Ebenso 8,49,2 und 56: Neben der Steigerung der Spannung durch Retardation wird gezeigt, welche ,Zangengeburt' der Erfolg von Salamis tatsächlich gewesen ist und wie sehr sich die Griechen gegen ihren Sieg sträubten. 498 Herodot erzählt in einer Analepse, daß sich die Peloponnesier nach Leonidas' Niederlage am Isthmos zu verschanzen begannen und daran Tag und Nacht arbeiteten. Es folgt (72) ein ethnographischer Exkurs über die Stämme und Städte aus der Peloponnes, welche am Isthmos Truppen aufgestellt hatten.

Die Reden in den Büchern 7 - 9

263

angesichts der Meuterei der Peloponnesier eine List. E r schickte seinen Pädagogen Sikinnos zu den P e r s e r n . 4 9 9 In einer direkten Rede, die dazu dient, die Szene lebendig und dramatisch darzustellen, stellt er sich als B o t e des athenischen Strategen, der a u f der Seite der Perser stehe (φρονέων τά βασιλέος), vor, berichtet, daß die Griechen aus Furcht (καταρρωδηκότες) die Flucht planten, und empfiehlt: νϋν παρέχει

κάλλιστον

ύμέας

έργον

απάντων

έξεργάσασθαι,

ήν

μη

περιιδητε διαδράντας αύτούς. „Jetzt bietet sich euch die Gelegenheit, den glänzendsten Erfolg überhaupt zu erringen, wenn ihr sie nicht auseinanderlaufen laßt." Die Gelegenheit sei günstig, weil die Griechen weder einmütig (ούτε γαρ άλλήλοισι όμοφρονέουσι.) noch fähig seien, Widerstand zu leisten (ούτ

έτι.

άντιστήσονται. ύμίν). In einer nicht mehr ganz der Wahrheit entsprechenden Übertreibung ( 7 5 , 3 ) behauptet er sogar, daß die Perser j e n e gegeneinander

kämpfen

\ 500

sehen

werden

(πρός

έωυτους

τε

σφέας

όψεσθε

ναυμαχεοντας). D a den Persern ( 7 6 ) diese Botschaft glaubwürdig schien ( π ι σ τ ά ) , begannen sie mit der Einschließung der griechischen Flotte mit der (indirekt berichteten) Absicht, dieser den F l u c h t w e g abzuschneiden (ίνα δή Ελλησι TLOLV

τοΐσι

μηδέ φυγείν έ ξ η ) und sich für Artemision zu revanchieren (δοΐεν των έ π ' Ά ρ τ ε μ ι σ ί ω

άγωνισμάτων). Dies geschah in der Stille der

Nacht, um beim Feind keinen Verdacht zu wecken. Allerdings mangelte es den Persern vor der Schlacht, wie der Narrator hinzufügt, an Schlaf. A n dieser Stelle ( 7 7 ) werden die Göttersprüche des Bakis, die sowohl proleptische als auch retardierende Funktion haben und die für Herodot

499 In einer Prolepse, die indirekt den Sieg der Griechen andeutet, erwähnt Herodot, daß ihn Themistokles später reich beschenkte. Stern 1991, 309 meint, analog zur Geschichte der Gesandten Sperthias und Bulis oder zu Zopyros darin ein säkularisiertes Pattern eines Sündenbocksopfers (Pharmakos), wo eine fremde Bevölkerung den Sündenbock aufnimmt und dadurch großes Leid auf sich lädt, zu erkennen. Er faßt die Episode als gesteigertes Finale dieses patterns auf, das eine Umkehrung des Warner-Motivs sei. Während sich jedoch Zopyros selbst verstümmelt und so im Sinne des Sündenbocks Leiden auf sich lädt, für die die fremde Bevölkerung zahlen muß, fehlt dieses Motiv bei Sikinnos ganz. Im Gegensatz zu Aischylos Pers. 354ff. (φανείς άλάστωρ ή κακός δαίμων ...) fehlt der Bezug auf das Göttliche: „il tono solenne e severo dell' ispirazione religiosa" (Masaracchia 1969, 73). Der Trug ist allein Themistokles' Verdienst. 500 Die meisten Historiker halten diese Sequenz für eine Erfindung. So z.B. Hignett 1963, 229f.: „The message o f Themistokles, adduced by Herodotus to account for their decision, is a legend."

HERODOT

264

eindeutig sind, zitiert. 501 Das Orakel besagt, einem für die archaische Zeit und Herodot typischen Denkmuster folgend, daß die göttliche Gerechtigkeit (Δίκη) den Übermut (Κόρον,"ϊβριος υίόν) bestraft und Griechenland Freiheit und Sieg bringt. Vor der Schlacht wird wieder (wie 8,65) auf die Ebene der Götter, die letztlich für den Sieg verantwortlich waren, verwie502

sen. Während die ahnungslosen griechischen Feldherren (78) sich immer noch Wortgefechte lieferten (ώθισμός λόγων πολλός), kam (79) der verbannte Athener Aristeides, den Herodot kurz als äußerst tüchtig und gerecht (άριστον άνδρα ... και δικαιότατον) vorstellt, 503 aus Aigina, rief seinen Rivalen Themistokles (εόντα μέν ... ού φίλον, έχθρόν δε) aus der Versammlung, im Augenblick der größten Gefahr die persönliche Rivalität hintansetzend, (er könnte die von Xerxes 7,237,2 genannte Ausnahme sein), und sagte 79,3 in oratio recta: ήμέας στασιά£ειν χρεόν έστι εν τε τω άλλω καιρώ και δή και έν τωδε περί τοϋ όκότερος ήμέων πλέω αγαθά την πατρίδα έργάσεται. „Es ist Bestimmung, daß wir miteinander streiten, sonst bei jeder passenden Gelegenheit und besonders auch bei dieser, wer von uns beiden dem Vaterland mehr Gutes erweist."

Es habe jetzt gar keinen Sinn mehr, über die Abfahrt zu streiten, zumal er mit eigenen Augen gesehen habe (αυτόπτης γενόμενος), daß sie alle eingeschlossen seien. Dies solle Themistokles der Versammlung melden.

501 Wood 1972, 175: „The anticipatory function serves to knit the narrative into a tighter unity." 502 Kirchberg 1965, 105: „Der nachdrückliche Hinweis auf die Bedeutung der Orakel als Verkünder des Schicksals ist von Herodot bewußt eingefügt an der Stelle der Kriegsschilderung, w o mit der Rüstung zur Schlacht alles Geschehen in der Vordergründigkeit des Nur-Menschlichen zu liegen scheint. Nur im Wissen um den göttlichen Plan, so meint Herodot, kann man den folgenden unerwarteten Sieg der Hellenen verstehen. Dies ist der Augenblick, auf den die ganze frühere Schilderung des persischen Siegeszuges als eines gottgewollten hinzielt." Auch Themistokles hatte darauf verwiesen 8,60γ, ebenso Dikaios 8,65. Das gleiche Konzept findet man bei Pind. Ol. 13,6-12, wo Δίκα und Είρήνα die "Τβριν, Κόρου μ α τ ε ρ α θρασΰμυθον abwehren. Dieses höhere göttliche Wissen deckt sich mit der Gedankenwelt anderer archaischer Dichter (Belege bei Masaracchia 1977, 196 und Nagy 1990, 326ff.), aber vor allem auch mit der im Werk bestehenden Anschauung: Munson 2001a, 200: „The oracle of Bacis interprets the Persian defeat of Salamis in a way that agrees with the generalization of divine retribution formulated by the narrator (2,120,5) and by the dreams of Hipparchus (5,56,1)." 503 Herodot wußte wohl mehr über Aristeides, hat dies aber f ü r seine Erzählung bewußt nicht verwertet.

Die Reden in den Büchern 7 - 9

265

Dieser (80) antwortete in seiner Rede, daß Aristeides' Rat sehr nützlich sei (κάρτα χρηστά), zumal er als Augenzeuge (αύτόπτης γενόμενος) bestätige, daß sich sein Wunsch verwirklicht habe: ϊσθι γάρ έξ έμέο τάδε ποιεΰμενα ύπό Μήδων. εδεε γάρ, δτε ούκ έκόντες ήθελον έ ς μάχην κατίστασθαι οι "Ελληνες, άέκοντες παραστήσασθαι. „Denn wisse: Auf mein Veranlassen haben die Perser das getan. Weil die Griechen sich nicht gutwillig zur Schlacht stellen wollten, mußten sie mit Gewalt dazu gebracht werden."

Da Themistokles vermutete, daß die übrigen Griechen ihm nicht trauen würden (δόξω πλάσας λέγειν καΐ ού πείσω), forderte er Aristeides auf, dieser solle es melden. Wenn die Griechen es glaubten, sei es sehr gut, andernfalls aber auch nicht schlimm, denn jene könnten ja, nachdem sie eingeschlossen seien, nicht mehr entfliehen (ού γάρ έτι. διαδρήσονται). Aber die meisten Feldherren glaubten (81) auch Aristeides' Bericht nicht, und der Streit ging weiter (λόγων άμφισβασίη). 5 0 4 Erst der Mannschaft eines Schiffs aus Tenos (82), die überlief und die ganze Wahrheit (την άληθείην πάσαν) berichtete, wurde Glauben geschenkt.

2.3.2.3. Die Reden während und nach der Schlacht bei Salamis (8,83-125) a. Am frühen Morgen (83) sprach Themistokles nochmals zu den Griechen, denen er den Sieg voraussagte. Seine aus Antithesen bestehende Paränese gibt Herodot in einem Resümee, um die Spannung nicht weiter zu stauen, folgendermaßen wieder: τά δέ έπεα ην πάντα τά κρέσσω τοισι ήσσοισι αντιτιθέμενα, όσα δη έν άνθρωπου φύσι καΐ κατάστασι 5 0 5 έγγίνεται. „Seine Worte aber waren alle so, daß sie das Bessere dem Schlechteren gegenüberstellten in allem, was bei der jeweiligen Natur und Lage des Menschen geschieht."

Er forderte sie dabei auf, das Bessere (τά κρέσσω) zu wählen, und hieß sie, die Schiffe zu besteigen. 506 504 Analog schon 8,64,1, dann vor Aristeides' Ankunft 8,78. Vgl. auch 9,26,1. 505 Die beiden Ausdrücke bilden wohl ein Hendiadyoin, Heinimann 1945, 144, A n m . 65. Vgl. Demokrit DK 68 Β 278. 506 In dieser Antithese wird er wohl konventionelle rhetorische Topoi gebraucht haben. Masaracchia 1977, 198 vermutet, er habe dabei analog z.B. zu Tyrt. 12 W allgemeinen Gütern wie Kraft, Schönheit, Reichtum, die er als minderwertig (ήσσοισι) erweise, die Kampfstärke als allein entscheidendes Kriterium (κρέσσω) entgegengesetzt. Parry 1979, 16 faßt dies als Indiz auf „and Herodotus' description makes it fairly clear that this speech must have turned on abstract antitheses."

266

HERODOT

Zu Beginn der Schlacht (84) wird eine dramatisch effektvolle Erzählung berichtet (λέγεται δέ και τάδε). Eine weibliche Erscheinung (φάσμα γυναικός) habe die Griechen mit lauter Stimme und einer rhetorischen Frage ermahnt: Ώ δαιμόνιοι, μέχρι κόσου e t l πρΰμνην άνακρούσεσθε; „Ihr Toren, wie weit wollt ihr denn noch rückwärts fahren?" Im folgenden (85) erwähnt Herodot, daß nur wenige Ionier Themistokles' Aufruf Folge leisteten und ohne Eifer kämpften (έθελοκάκεον ... ολίγοι, οί δέ ττλεΰνες οϋ). 507 Herodot geht bei der Erzählung der Schlacht von Salamis nach dem epischen Muster vor: Er erzählt zuerst die wichtigsten Fakten und das 508 Ergebnis, dann folgen einzelne άριστεΐαι und beachtenswerte Dinge. T h o m a s 2000, 266 meint: „An echo of the Protagorean claim to be able to make the weaker argument the stronger may perhaps be visible in Herodotus' description of Themistocles' speech in which he persuades the Greeks to fight." Für Fornara 1983, 163 beweist die Zusammenfassung, daß Herodot diese Rede nicht erfunden hat, sondern „heard a report of T h e m i s t o c l e s ' w o r d s . " Dies ist aber nicht zwingend, da die Argumente allgemein und topisch sind. Da Herodot die Schlachterzählung nicht mehr verzögern will, deutet er in einem Resümee auf eine der Figur des Themistokles angemessene Paränese hin, die zwar plausibel, aber nicht authentisch sein muß. 507 Als Beweis nennt er nur den Samier Theomestor, der, wie er in der Prolepse andeutet, zum Dank Tyrannos von Samos wurde. Somit wird Artabanos' Befürchtung 7,51 und Themistokles' Versuch 8,22 durch die Fakten widerlegt. 508 Während How-Wells, 265 die ungeordnete Erzählung rügen, betont Hermes 1951, 61, A n m . l : „Das ist epische Technik, auf dem Hintergrund einer Massenszene die Einzelepisoden sich abheben lassen." Weiter geht Masaracchia 1969, 98, für den die ganze Schilderung von Salamis „appare pensata e costruita in termini omerici, rielaborata perö totalmente dallo scrittore nel suo Stile." Zu den Schlachtschilderung im Epos mit dem Wechsel der Perspektive zwischen Massen- und Einzelszenen vgl. Latacz 1977, 8 1 - 8 4 und De Jong / Nünlist 2004, 7 6 - 7 9 . Kritisch Asheri 2003, 282: „Erodoto dedica alia battaglia una raccolta di aneddoti piuttosto deludente ο di episodi abbastanza sconessi, come se si trattasse di duelli isolati di una battaglia omerica." Dagegen De Jong 1999, 262ff.: Herodot hat zwar die homerische Form der Schlachtbeschreibung übernommen, in der sich Massen- und Einzelkampf ablösen (z.B. Ilias 5 , 5 1 9 - 6 0 7 ) , aber er hat sie inhaltlich durch die Abwechslung von Anekdoten und analytischen Passagen verändert, S. 270: „Aussi le dispositions de bataille, les pertes, les evaluation de peuples et de personnes, parfois sous forme d ' u n e aristeia, bref des passages analytiques, qui presque toujours se rapportent ä la bataille entiere. Ces passages analytiques et les anecdotes interrompent le recit chronologique." Als Grund erkennt sie die gegenseitigen Beschuldigen und Vorwürfe der Poleis in der Gegenwart des Herodot, S. 271: „C'est dans ce contexte de rivalite, merae d ' a n t a g o n i s m e , que nous devons, il me semble, interpreter l'insertion de passages evaluatifs, qui font du recit de bataille dans les Histoires quelque chose de radicalement different de ce qu'il est dans l'epopee."

Die Reden in den Büchern 7 - 9

267

Dabei ist die ganze Erzählung von polaren Gegensätzen durchzogen. 509 So wird bei der auktorialen Beschreibung der Schlacht die Überlegenheit der Griechen durch ihre geschlossene und geordnete Kampfesweise (σύν κόσμω, κατά τάξι ν) im Gegensatz zur Unordnung und Kopflosigkeit der Feinde (ούτε τεταγμένων έτι ούτε σύν νόω) erklärt. Gleichwohl fugt Herodot lobend hinzu, daß sie viel besser (μακρω άμείνονες) als vor Euboia kämpften: πάς τ ι ς προθυμεόμενος και δειμαίνων Ξέρξην, έδόκεέ τε έκαστος έωυτόν θεήσεσθαι βασιλέα. „Jedermann legte sich ins Zeug und scheute Xerxes, und jeder glaubte, gerade auf ihn sähe der König." 510 Nun folgen Einzelepisoden, so z.B. die Geschichte Artemisias (87f.), die durch das Versenken eines verbündeten Schiffes glücklich 511 entkommen konnte und bei Xerxes, der dies sah (θηεύμενον), aber nicht richtig interpretierte, ihr Ansehen steigerte (μάλιστα εύδοκιμήσαι). Als er sie erkannte, soll er folgendes Apophthegma, das symbolisch die ganze Schlacht gemäß Xerxes' Terminologie charakterisierte, von sich gegeben haben: οί μεν άνδρες γεγόνασί μοι γυναίκες, αϊ δέ γυναίκες άνδρες. „Die Männer sind mir zu Weibern geworden, die Weiber aber zu Man512

nern." Die Verleumdung (90) der Ionier durch die Phoinikier wurde durch die Heldentat (έργον μέγα) eines Schiffs aus Samothrake widerlegt, so daß Xerxes seinen Zorn (ύπερλυπεόμενος) gegen die Phoinikier wandte, denen er die ganze Schuld für die Katastrophe gab und deren Befehlshaber daher ihre Köpfe verloren: ι να μή αυτοί κακοί γενόμενοι τούς 509 Immerwahr 1966, 282: „A general series of antitheses thus runs through the whole account. The Greeks do not want to fight, but are brave; the Aeginetans compete with the Athenians; a w o m a n is superior to men; the Phoenicians quarrel with the Ionians. The Corinthian Adeimantus meets a mysterious boat while attempting to flee, just as a w o m a n ' s voice had been heard by the Greeks before the battle: this story continues the quarrel of T h e m i s t o c l e s and A d e i m a n t u s in the council. Aristeides in turn cooperates with Themistocles by occupying Psyttaleia. Adeimantus and Aristeides stand in different antithetical relationships to Themistocles, one as an outright enemy, the other as a peaceful rival. Thus, even where Themistocles is not mentioned, the stories help to bring out his central position in the battle." 510 Somit bestätigte sich Xerxes' Erwartung von 8,69,2, war aber für den Ausgang des Gefechts nicht entscheidend. 511 Vgl. die Rolle des Zufalls 87,3 κ α τ ά τ ΰ χ η ν , 87,4 ε ϋ τ υ χ ί η χ ρ η σ α μ ε ν η , 88,3 συνήνεικε έ ς ε ύ τ υ χ ί η ν . 512 Vgl. Chiasmus und Antithese mit leichtem Oxymoron. Übertrieben Munson 1988, 102: „From the point of view of intellectual achievement, then, Xerxes ironically indicts himself above all: he has been the major cause of the Persian defeat by providing inferior to a woman in strategy - g n o m e - and now blind to her g n o m e in action." Vgl. 11. 2,235.

HERODOT

268

άμείνονας δίαβάλλωσι „damit sie, die selbst versagt hatten, nicht bessere Leute verleumdeten." Auf griechischer Seite (91) waren die Aigineten, nach ihnen die Athe513

ner die tapfersten. Am Ende folgt (94) ein Bericht der Athener, dem jedoch die übrigen Griechen widersprechen, 5 ' 4 über die Feigheit und den Verrat des Korinthers Adeimantos. 515 Trotz des Erfolges (95) des Aristeides und seiner Hopliten auf Psyttaleia erwarteten die Griechen (96) einen weiteren Angriff der Perser mit den restlichen Schiffen (έλπί£οντες τήσι περιεοΰσησι νηυσί). 516 Zum Schluß werden noch Orakelsprüche erwähnt. b. Auf die Nachricht der Niederlage (97,1 ώς έμαθε το γεγονός πάθος) sann Xerxes, der als sekundärer Fokalisator wieder Protagonist ist, aus Angst (δα σας), daß die Ionier die Brücke über den Hellespont zerstörten und er in Europa in der Falle sitze, auf Flucht (δρησμόν έβοΰλευσε). Da er jedoch weder Freund noch Feind davon Notiz geben wollte (θέλων δέ μή έπίδηλος είναι μήτε τοΐσι "Ελλησι μήτε τοισι έωυτοϋ), ließ er einen Damm bauen und tat so, als wolle er eine zweite Seeschlacht vorbereiten. Ebenso schickte Xerxes eine Botschaft (άγγελίη) der Niederlage nach Susa. Während die erste Botschaft (99) übermäßige Freude auslöste, bewirkte die zweite entsetzliche Trauer, wobei die Menschen Mardonios die Schuld gaben und sich vor allem um Xerxes' Wohlergehen sorgten (ώς περί αύτω Ξέρξη δειμαίνοντες). 5 1 7

513 Dabei nennt er den athenischen Kapitän Ameinias, der Artemisia verfolgt hatte, weil die Athener ihr übelnahmen, daß sie als Frau gegen sie gekämpft hatte (δεινόν γ ά ρ τ ι έ π ο ι ε ΰ ν τ ο γυναίκα έπ'ι τ ά ς ' Α θ ή ν α ς σ τ ρ α τ ε ύ ε σ θ α ι ) . 514 94,1: λ έ γ ο υ σ ι ' Α θ η ν α ί ο ι und 4 τ ο ι α ύ τ η φ ά τ ι ς έ χ ε ι ύττό ' Α θ η ν α ί ω ν . Dagegen μαρτυρέει δέ σφί καΙ ή άλλη ' Ε λ λ ά ς . Der Narrator greift ein, ohne sich selbst zu entscheiden. Vgl. dazu How-Wells, 267. 515 Die Geschichte wird durch die direkte Rede 94,3 der Besatzung eines gottgesandten Schnellseglers (θείτ| π ο μ π ή ) , in der sie den angeblich flüchtenden Adeimantos als Verräter schelten ( κ α τ α π ρ ο δ ο ϋ ς τ ο υ ς " Ε λ λ η ν α ς ) und den Sieg der Griechen auf lebendige Weise verkünden, dramatisch wirkungsvoll erzählt. 516 Indirekt wird damit zu verstehen gegeben, daß der Sieg der Griechen w e d e r Uberwältigend noch eindeutig gewesen war. Vgl. Burn 1962, 471 und Hignett 1963,245. 517 Ebenso hatte er bei der Einnahme Athens 8,54 eine Botschaft nach Susa gesandt. Die zweite Botschaft zeigt die Peripetie der Ereignisse an, wobei der Narrator durch non-verbale Handlungen den Gegensatz der Reaktionen anzeigt. Die beiden Botschaften symbolisieren dem Umschlag vom Glück ins Unglück (Asheri 2003,

Die Reden in den Büchern 7 - 9

269

Als Mardonios, der nun wiederum in der Vordergrund tritt und aus dessen Perspektive Herodot erzählt, (100) diese Lage sah (όρων) und vermutete ( ύ π ο π τ ε ύ ω ν ) , daß Xerxes die Flucht plante (δρησμόν 518

βουλεύειν) , geriet er in Sorge (φροντίσας), er müsse dafür bezahlen (δώσει δίκη ν), daß er Xerxes zum Feldzug überredet habe (άναγνώσας βασιλέα στρατεύεσθαι). 5 1 9 D a h e r glaubte er, οί κρε'σσον εί'η άνακινδυνεΰσαι ή κατεργάσασθαι την 'Ελλάδα ή αυτόν καλώς τελευτήσαι τον βίον ύπέρ μεγάλων αίωρηθέντα, „daß es für ihn das beste sei, sich neuer Gefahr auszusetzen und dabei entweder Griechenland zu unterwerfen oder sein Leben ruhmvoll zu enden beim Einsatz für ein großes Spiel."

Durch diese einleitenden Bemerkungen motiviert der Narrator die folgende Rede und gibt dem Rezipienten Hinweise, wie diese zu verstehen ist. Zunächst beschwichtigt Mardonios Xerxes: Dieser solle sich über den Rückschlag nicht zu sehr grämen, da j a die Landmacht der Perser noch nicht geschlagen sei, wie er in einem antithetischen Satz mit Homoioteleuton und der Metonymie von ξύλων fur νεών (lebloses Material statt das vollendete Werk , S c h i f f , das eher mit der Besatzung assoziiert werden kann, verstärkt die Antithese ,unbelebt' - ,belebt') behauptet: ού γαρ ξύλων άγών ό τό παν φέρων έστί ήμΐν, άλλ' ανδρών τε και ίππων. „Denn nicht ein K a m p f auf den Schiffsplanken ist es, der uns die Entscheidung bringt, sondern ein Kampf mit Männern und Pferden."

Dies beweise der Umstand, daß niemand von den Feinden es wage, Xerxes anzugreifen. Daher schlägt Mardonios vor, sogleich die Peloponnes anzugreifen. Dabei macht er Xerxes immer wieder Mut, 100,3: μη δέ δυσθύμα • ού γαρ εστι'Έλλησι ουδεμία έκδυσις μη ού δόντας λόγον τών εποίησαν νΰν τε καΐ πρότερον είναι σους δούλους. 300). Dies wird dadurch verstärkt, daß Herodot erst nach der Niederlage die Wirkung beider Botschaften an dieser Stelle berichtet. 518 Er wiederholt, was der Narrator 97,1 über X e r x e s ' Absichten berichtet hat, und zeigt an, Xerxes' Wesen zu kennen. Schon beim Bau des Dammes hatte Mardonios als einziger 97,2 gemerkt, was die Absicht des Xerxes war, da er dessen Gesinnung gut kannte (ώς μ ά λ ι σ τ α ε μ π ε ι ρ ο ν έ ό ν τ α τ η ς ε κ ε ί ν ο υ δ ι α ν ο ί α ς ) und wußte, was in ihm vorging. 519 Diese komplexe Motivation mit vier Partizipien ist schon ganz thukydideisch (vgl. z.B. Hdt. 9,89,2 und Thuk. 1,1,1). Montgomery 1965, 11: „Herodot bereichert also seine Darstellung der Tatsachen durch die Wiedergabe dessen, w a s die Hauptperson mit ihrer Handlung beabsichtigte oder von ihr erwartete. Dadurch tritt die handelnde Person mehr in den Mittelpunkt, während die Handlung zugleich in einen größeren Zusammenhang eingefügt wird."

270

HERODOT „Nur gib deinen Mißmut auf! Für die Griechen gibt es keinerlei Ausweg, daß sie nicht die Rechnung bezahlen für das, was sie jetzt und früher getan haben, und deine Knechte werden." 3 2 0

Da er jedoch um Xerxes' Gemütszustand weiß, gibt er ihm die Möglichkeit, sich ohne Gesichtsverlust zurückzuziehen. Wenn Xerxes mit dem Heer abziehen wolle, schlägt er ihm eine Alternative (αλληυ βουλήν) vor, fordert aber gleichzeitig, das Prestige Persiens nicht aufs Spiel zu setzen (Πέρσας ... μή ποίησης καταγελάστους γενέσθαι). Der Erfolg des ganzen Unternehmens ist nicht in Gefahr, die Schuld an der Niederlage in Salamis gibt er wie Artemisia 68γ den Bundesgenossen, etwa den Phoinikern oder Ägyptern: ού Πέρσαι. TOL αιτιοί εΐσι., έμοί 521

πείθεο. „Und darum, weil du den Persern keine Schuld geben kannst, folge meinem Rat!" Wenn Xerxes nicht länger bleiben wolle, soll er ihm eine Streitmacht von 300000 Mann zurückzulassen, mit der er, wie er am Schluß verspricht, Griechenland unterwerfen werde (την ' Ελλάδα παρασχεΐν δεδουλωμένην). Die Struktur seiner Rede sieht folgendermaßen aus: 1. Prooimion (100,2):

Xerxes soll sich nicht zu sehr grämen, da das Landheer von der Niederlage nicht betroffen ist. Beweis ist, daß niemand es anzugreifen wage. Wer sich widersetzt hat, ist bestraft worden.

2. Argumentatio (100,3):

Er unterbreitet zwei das weitere Vorgehen betreffende Vorschläge: a) Sofortiger Angriff auf die Peloponnes oder noch Abwarten, wenn Xerxes will. Appell: Die Griechen haben keine Möglichkeit, der Strafe zu entgehen. b) Wenn Xerxes abziehen will, schlägt er eine Alternative vor: Appell: das Prestige Persiens nicht aufs Spiel zu setzen, zumal nicht die Perser, sondern die Verbündeten schuld an der Niederlage zur See sind.

520 Derselbe eindringlich mit doppelter Negation formulierte G e d a n k e steht 7,5,2, 7,8ß2 und 7,9,2. Solmsen 1944, 647: „Die Argumente, die er Mardonios vorbringen läßt, waren Argumente, die ihm am geeignetsten schienen für einen Mann von Mardonios' Temperament in seiner Lage." 521 Ebenso eindringlich mit Imperativ Artabanos 7,10 81 und Themistokles 8,62,1.

Die Reden in den Büchern 7 - 9

271

Angebot: X e r x e s soll ihn mit einem Heer in Griechenland zurücklassen, und Versprechen, Griechenland zu knechten, während jener nach Hause geht.

Die sehr emotionale Rede mit kurzen parataktischen Kola, vielen Negationen und Imperativen ist von polaren Gegensätzen und Antithesen durchzogen, so z.B. zwischen der Tapferkeit der Perser und der Untauglichkeit der Bundesgenossen oder zwischen der Pflicht, den Ruf der Perser nicht zu schädigen, und der Möglichkeit der Heimkehr fur Xerxes. Der sich selbst treu gebliebene Kriegstreiber Mardonios (vgl. die Reden 7,5 und 9) ver522

spricht dabei, Hellas allein zu unterwerfen. Die Rede hat keine klare Gliederung, Trost und Appelle an den Ehrenkodex der Perser sind mit seinem Plan, an Stelle Xerxes' weiterzukämpfen, verwoben. Als Xerxes dies thörte (101), war er darüber hocherfreut, aus den Übeln r 523 herauszukommen (ως εκ κακών εχάρη τε και ησθη) , und versprach Mardonios, eine Antwort zu geben. Er ließ Artemisia holen, da sie (wie Demaratos vor den Thermopylen) als einzige vor Salamis einen trefflichen Rat gegeben hatte (πρότερον έφαίνετο μουνη νοέουσα τα ποιητέα ήν). Er faßt ihr in einer direkten Rede Mardonios' Überlegungen zusammen: 524 Dieser wolle zurückbleiben und die Peloponnes erobern, da die persische Landmacht schuldlos an der Flottenniederlage sei (οϋδενός μεταίτίος πάθεος) und nur eine Gelegenheit suche, dies zu beweisen. Dazu wähle sich dieser 3 0 0 Ό 0 0 M a n n aus, um Griechenland zu knechten (δεδουλωμένην). Er bittet Artemisia, die vor Salamis recht geraten habe (εΰ συνεβούλευσας), ihm zu sagen, was er tun solle (συμβούλευσον), damit er gut beraten sei (ευ βουλευσάμενος), wobei durch die Wiederholung von συμβουλεύει,ν und dazu von ευ βουλεύεσθαι Emphase auf das Moment der guten Beratung gelegt wird. Artemisia antwortet in einer Rede (102): Im Proömium spricht sie wie in ihrer ersten Rede von den kommunikativen Schwierigkeiten des Ratge-

522 Positiver Masaracchia 1976, 88: „L'analisi della situazione politico-militare da lui fatta e serrata e acuta. Si tratta del m o m e n t a migliore di questo personaggio, c h e ora e il portavoce di Erodoto: il p e s s i m i s m o per l'esito negativo di una battaglia e e c c e s s i v o , dato che e nel combattimento terrestre che i Persiani p o s s o n o ottenere il loro vantaggio." 523 D i e s ist eine typische Reaktion des Xerxes, vgl. 7,28,3; 37,3; 215; 8,69,2. 524 Durch die Wiederholung des für den Rezipienten schon bekannten Materials wird die Gesprächssituation w i e im Epos realistisch und lebendig. E b e n s o erhält Mardonios' Vorschlag mehr Nachdruck.

HERODOT

272 bers,

guten

Rat

συμβουλευομένω

zu

τυχείν

erteilen: τά

άριστα

βασιλεΰ, ε'ίπασαν.

χαλεπόν525

μεν

„ H e r r , e s ist

έστι

schwierig,

einem Ratsuchenden den besten Rat zu geben." Auch ihr scheint es richtig, daß Xerxes heimkehre und Mardonios in Griechenland zurücklasse. Ist jener erfolgreich, so ist es dennoch Xerxes' Verdienst, da Sklaven für ihn die Arbeit verrichtet hätten (σον τό έργον ... οι γαρ σοι δοϋλοι κατεργάσαντο). Sie n i m m t sie den Gegensatz zwischen

Xerxes und seinen Sklaven aus ihrer Rede 6 8 γ wieder auf. Unterliegt indessen Mardonios, sei dies kein Unglück (ουδεμία σύμφορη), weil Xerxes am Leben und seine Hauptmacht in Asien unversehrt bleibe (σέο τ ε π ε ρ ι ε ό ν τ ο ς και ε κ ε ί ν ω ν τ ω ν π ρ η γ μ ά τ ω ν π ε ρ ί οΐκον τ ο ν σ ό ν ) u n d er

die Griechen noch oft herausfordern könne, wobei die Paronymie πολλούς πολλάκις der Hervorhebung dieses Gedankens dient.Diese würden keinen wirklichen Sieg erringen, da sie nur seinen Knecht besiegten (δοϋλον άπολέοντες). Der im hypothetischen proleptischen Szenario als einmalig dargestellte Sieg der Griechen wird durch das Paradoxon, verstärkt durch das v e r b a l e Polyptoton ν ι κ ώ ν τ ε ς

... νικώσι (ein Teilsieg ist kein Sieg),

wieder aufgehoben. Zum Schluß erinnert sie ihn daran, daß er j a das offizielle Ziel, an Athen Rache zu nehmen, schon erreicht habe. 526 Darauf (103) freute sich Xerxes (ήσθη), da sie seine Gedanken genau getroffen hatte. Herodot fügt auktorial seine eigene Meinung hinzu: Xerxes w ä r e a b g e z o g e n : ουδέ

γαρ

ei

πάντες

και

πάσαι

συνεβούλευον

αύτω,

έ μ ε ι ν ε αν δ ο κ έ ε ι ν μοι.· ο ύ τ ω κ α τ α ρ ρ ω δ ή κ ε ε . „Hätten im übrigen auch alle Männer und Frauen ihm geraten zu bleiben, er wäre doch nicht geblieben, meine ich; eine solche Furcht hatte ihn befallen." 327

525 Hat sie dies 8,68 α 1 noch als δίκαιον bezeichnet, ist sie sich jetzt der kommunikativen Schwierigkeiten bewußt. 526 Dies hatte sie schon 8,68a2 gesagt (von Xerxes 7,8ß2 angekündigt und 8,53 auch erreicht). Interessant ist die Wiederholung 102,3 πυρώσας τ ά ς 'Αθήνας κτλ. Zu πυρόω vgl. S. 134, Anm. 194. Chiasson 1982, 158: „Thus, Herodotus marks the beginning and the end of Xerxes personal involvement in the invasion of Greece by using a verb that may well have strong association with tragedy for the historian's original audience." 527 Hermes 1951, 78: „Er sucht also die letzten Gründe historischen Geschehens im Menschen selbst, wie wir es schon bei den Motivierung am Anfang des 7. Buches beobachten konnten, und nicht in den objektiven politischen oder militärischen Gegebenheiten." Marg 1953, 627: „Kurz, die strategische Lage allein reicht nicht aus, um den Abzug der Flotte und des Königs mit einem großen Teil des Heeres zu erklären. Es muß etwas anderes dazugekommen sein, das in der Person des unumschränkten Herrschers lag. Wenn die Flotte sofort in der Richtung nach dem Hellespont abgefahren ist, so weist das auf die Furcht des Xerxes um diese Stelle.

Die Reden in den Büchern 7 - 9

Ausschlaggebend für Xerxes' Entscheidung zum Rückzug waren nicht so sehr strategische Überlegungen, sondern seine persönliche Furcht, wie Herodot in den äußeren Ringen 97,1 und 103 (δείσας, οϋτω καταρρωδήκεε) behauptet. Beide Redner vertreten dieselbe Position, wobei Artemisias Rede Mardonios' Überlegungen, die von einem Sieg des Landheeres ausgehen, durch die Einschätzung der Folgen der Niederlage ergänzt. Daneben charakterisieren sie ihre Sprecher: So ist Artemisia wie vor Salamis die gute und loyale Ratgeberin, auf die Xerxes diesmal hört, weil 528

sich ihr Ratschlag mit seiner Absicht deckt. den Übergang zur Schlacht von Plataiai an:

Daneben deuten die Reden

„Die Reden von Mardonios und Artemisia nebeneinandergestellt beleuchten und erklären mehrfach den Entschluß, Mardonios allein zurückzulassen, um den Krieg weiterzuführen, und sind somit integrale Bestandteile und nicht äußerlicher, störender Schmuck von Herodots Bericht." 3 2 9

c. In einem locker angefügten anekdotischen Exkurs (8,104-106) wird die Geschichte des aus Pedasos stammenden Hermotimos, eines angesehenen Eunuchen des Xerxes, angefugt. Es gelang ihm, sich an Panionios, der ihn viele Jahre zuvor verstümmelt hatte, zu rächen. In einer direkten Rede, dem dramatischen Höhepunkt der Geschichte, begründet er seine Rache, zumal er selbst Panionios nichts angetan hatte, 106,3: έδόκεές τε θεούς λήσειν οία έμηχανώ τότε - οι σε ποίήσαντα ανόσια, νόμω δικαίω χρεώμενοι., ύττήγαγον ες χείρας τάς εμάς ώστε σε μή μέμψεσθαι. την απ' έμέο τοι έσομένην δίκην. „Du dachtest wohl, die Götter würden nicht merken, was du dir damals ausgedacht hast. Sie haben dich, der Ruchloses tat, in gerechtem Verfahren mir in die Hände geliefert, so daß du dich nicht beklagen kannst über die Strafe, die ich dir d a f ü r auferlegen werde."

Herodot kommentiert auktorial die Geschichte: Πανιώνιον μεν νυν οΰτω περιήλθε ή τε τίσις και Έρμότιμος.

Aus solchen Erwägungen etwa über die damalige Lage muß Herodot das Motiv der Angst erschlossen haben." 528 Marg 1953, 620f.: „Artemisias unabhängige M e i n u n g ist beidemal ausführlich gegeben, Xerxes' Meinung liegt beidemal schon vorgängig fest ..., beidemal von inneren Triebkräften bestimmt; nur daß Artemisias Rat seiner eigenen Tendenz zuwiderläuft und ihn unbeeinflußt läßt, ... das zweite Mal seiner Meinung entgegenkommt." Wood 1972, 184: „This is the only time that Xerxes acts according to the better alternative, not because it is better however, but because is coincides with the plan his terror dictates." 529 Solmsen 1944, 649.

HERODOT

274

„So wurde denn Panionios von der Vergeltung ereilt und von Hermotimos." 3 3 0

d. Nach Mardonios' Zusammenstellung seines Kontingents (107) fuhr Xerxes' Flotte in der Nacht in aller Eile (ώς τ ά χ ε ο ς είχε έκαστος) zum Hellespont. 5 3 1 Herodot beschreibt die Lage nach der Schlacht aus der Perspektive der Griechen

als

Fokalisatoren

(όρώντες,

ήλπι£ον,

έδόκεον,

έπύθοντο,

έδόκεε), die das persische Landheer sahen und eine neue Seeschlacht erwarteten. Als sie erfuhren, daß Xerxes' Flotte geflohen war, verfolgten sie diese bis Andros, wo sich in der Beratung zwei Positionen herauskristallisierten, die in indirekten Reden berichtet werden: Themistokles wollte die Flotte verfolgen und die Hellespontbrücke zerstören. Dagegen meinte Eurybiades, man solle die Feinde ungehindert abziehen zu lassen. Als Begründung entwarf er in einer proleptischen reductio den hypothetischen Verlauf der Ereignisse, falls die Perser, vom Rückzug abgeschnitten, gezwungenermaßen (αναγκασθείη) in Europa bleiben müßten: Sie könnten sich nicht ruhig verhalten (ήσυχίην μή άγει.ν). Denn durch erfolglose Untätigkeit könnten sie den Rückzug nicht erzwingen, sondern stürben vor Hunger. Daher müßten sie, wie er in einer Übertreibung sagt, ganz Europa durch Gewalt oder Vertrag erobern und von der Ernte Griechenlands 532

leben. Aber da es den Anschein habe, daß die Perser nach der Niederlage nicht bleiben wollten, solle man sie ungehindert in ihr Land abziehen

530 Die Rache des Hermotimos an Panionios dient als Beweis für Herodots Weltanschauung, daß Unrecht von den Göttern immer bestraft wird. Gleichzeitig bildet sie einen Kontrast zum Geschehen. Er ist der einzige Barbar, der ungestraft Rache am griechischen Peiniger nehmen kann (so Bichler 2000, 345). Dagegen ist eine Analogie zwischen dem Ionier Panionios und Xerxes, wie Gray 2002, 310 zu sehen vermeint, unvollständig und nicht evident. Asheri 2003, 303 warnt indessen davor, diese Episode, die bloß den Umschlag des Glücks und die gerechte Rache bzw. die göttliche Strafe illustriere, überzuinterpretieren. 531 Erst nach der Flucht begreifen die Griechen das A u s m a ß ihres Sieges, Hermes 1951, 77: „Erst durch das Versagen des Königs wird Salamis in Herodots Darstellung zu einer Katastrophe. Die Flucht ist eine persönliche Flucht des Xerxes, nicht die notwendige Flucht einer vernichteten Armee." Vgl. auch Balcer 1989, 139f. 532 In einem gewissen Sinn parodiert er Xerxes' Welteroberungsabsicht und widerspricht Artabanos' und Artemisias Befürchtungen (7,49, 7,50,4 und 8,102), indem er die u m g e k e h r t e G e f a h r befürchtet. Ebenso wie T h e m i s t o k l e s wollten die Skythen das demoralisierte Heer der Perser vernichten und baten die lonier darum, die Donau-Brücke zu zerstören, damit diese keine Möglichkeit zur Flucht hätten (4,136). Die Ionier kamen dieser Bitte nicht nach, weil ihre Tyrannen eine Gefährdung ihrer Herrschaft ohne persischen Schutz befürchteten.

Die Reden in den Büchern 7 - 9

275

lassen und erst später zur Offensive übergehen und ihre Besitzungen angreifen (τό ένθεΰτεν δε περί τ η ς εκείνου ποιέεσθαι ήδη τόν 533 αγώνα). Seine Rede, die ebensogut in oratio recta stehen könnte, wird indirekt wiedergegeben, vielleicht, weil sie für Themistokles' Rede an die Athener, die für Herodot die entscheidende ist, die grundlegenden Argumente liefert. Dasselbe meinten (ταύτης τ η ς γνώμης) auch die übrigen Peloponnesier. Als Themistokles merkte, daß er mit seiner Meinung unterlegen war, wandte er sich in einer direkten Rede an die Athener, die über die Flucht der Perser empört waren und auch ohne Verbündete zum Hellespont segeln wollten (περιημέκτεον, όρμέατό τε έ ς τόν Έλλήσποντον πλέειν), und beschwichtigte sie. In seiner Rede, die aus einer dreiteiligen Apotrope und einer zweiteiligen Protrope besteht, macht er sich das fremde Argument des Eurybiades zu eigen und amplifiziert es. Zunächst empfiehlt er sich im Proömium als Ratgeber (ήθος): Sowohl seine persönliche Erfahrung (και αυτός ήδη πολλοί σι παρεγενόμην) als auch das von andern übernommene Wissen (και πολλώ πλέω άκήκοα γενέσθαι τοίάδε) liegen seinem Rat zugrunde, wobei die Verdoppelung der parallel gebauten Glieder mit Anapher (και), die Alliteration mit Polyptoton (πολλοΐσι. παρεγενόμην / πολλώ πλέω) und die an(a)-Assonanz den Gedanken emphatisch unterstreichen. 534 Er befürchtet, daß die Perser in der Zwangslage (ές άναγκαίην άπειληθέντας) aus Verzweiflung kämpfen und das Kriegsglück wenden könnten (άναμάχεσθαί τε καΙ άναλαμβάνειν την προτέρην κακότητα). "

232 Tapferkeit (άνδραγαθία) nur bei gleicher Stärke (άπό τοϋ ίσου) gelten. 233

Wenn es um das nackte Uberleben (σωτηρία) geht, ist es für den Schwächeren keine Schande (αισχύνη), vor dem Stärkeren zu weichen. Auf der Kenntnis (102) des das Kräfteverhältnis nivellierenden Krieges ( k o l v o τέρας τ ά ς τυχας) beruht ihre Hoffnung (έλπίς). Doch warnen die Athener in Gnomen (103): Die Hoffnung tröstet zwar bei Gefahr (κινδύνω παραμυθιού), aber sich auf sie zu verlassen ist gefahrlich. Wer wie die Melier als Schwacher ohne Reserven alles auf die Hoffnung setzt, den richtet sie völlig zugrunde. Es hat keinen Sinn, sich auf die Hoffnung zu verlassen, wenn es noch möglich ist, auf Menschenwegen gerettet zu werden (άνθρωπείως σω£εσθαι), denn bei Gefahr richten unklare Hoffnungen (ελπίδες άφανεΐς), Weissagungen und Göttersprüche Unheil an. 234 Der ganze Gedankengang der Melier (104), den diese als vernünftige (ούκ άλόγως) Basis ihrer Hoffnung bezeichnen, ist paradox: Sie wissen, daß angesichts der athenischen (Über)macht t>\jva\uc (a) und der τ ύ χ η (b) es nicht geboten ist, Widerstand zu leisten. Sie wagen es trotzdem, weil sie auf die göttliche Lenkung des Schicksals (b' τη τ ύ χ η έκ του θείου) 232 Deininger 1938, 27: „Sie versuchen die Melier wieder zur , O r d n u n g ' zu rufen und die Verhandlungen auf die reale Basis zu bringen, indem sie d a r a u f h i n w e i s e n , daß es um ,die Rettung der Stadt' geht (vgl. 87, 88, 91,2)." 233 Der kunstvolle antithetische Satz besteht a u s e i n e m negativen: ά ν δ ρ α γ α θ ί α ς ά γ ω ν - ά π ό τ ο υ ί σ ο υ - μή α ϊ σ χ ύ ν η ν ό φ λ ε ί ν und e i n e m positiven Teil σ ω τ η ρ ί α ς - βουλή - π ρ ο ς τ ο ύ ς κ ρ ε ί σ σ ο ν α ς - μή ά ν θ ί σ τ α σ θ α ι . Das mit dem Verlust der U n a b h ä n g i g k e i t v e r b u n d e n e Konzept der σ ω τ η ρ ί α wird vor allem in und nach Sizilien aktuell werden. 234 Kallet 2001, 13f. weist auf die ö k o n o m i s c h e W a a g e - M e t a p h e r ε π ί ρ ο π ή ς μ ί α ς ο υ τ ε ς hin, da termini a u s dem ö k o n o m i s c h e n Bereich wie δ ά π α ν ο ς , π ε ρ ι ο υ σ ί α etc. v o r k o m m e n . Z u g r u n d e liegt der G e d a n k e , d a ß „ h o p e is e x p e n s i v e " (S. 15). Gervasi 1981, 99: „ T h e A t h e n i a n s are not d e n y i n g the value of elpis in absolute terms. Rather they are d e n y i n g the value of abstractions in reality, and they are criticizing the Melians for reliance on what they regarded as ineffectual bases for hope, namely, intangible spiritual or moral values as o p p o s e d to actual physical strength."

THUKYDIDES

474

vertrauen und meinen, durch Spartas Hilfe ( a ' ) die militärische

Unterle-

genheit w e t t z u m a c h e n , a ' und b ' sind E n t h y m e m e ( a ' : w e r die V e r p f l i c h tungen g e g e n die Götter einhält (δσιος),

erhält göttliche Hilfe; b ' :

Ver-

w a n d t s c h a f t ( ξ υ γ γ έ ν ε ι α ) u n d a u f S c h a m f u ß e n d e E h r g e f ü h l ( α ι σ χ ύ ν η ) als Handlungsmotive

für sie Spartaner), w e l c h e die A t h e n e r

im

folgenden

( 1 0 5 ) d u r c h d e n H i n w e i s a u f d i e m e n s c h l i c h e N a t u r ( φ ύ σ ι ς ) als K o n s t a n t e widerlegen: ηγούμεθα παντός

άπό

γαρ

τό

φύσεως

θέντες

τον

νόμον

βόντες

και

έσόμενον

τε

θείον

αναγκαίας,

ούτε

κειμένω

ές

αίεί

δόξη οΰ άν πρώτοι

τό

άνθρώπειόν

κράτη,

άρχειν.

χρησάμενοι,

καταλείψοντες

τε

σαφώς

και

ήμεΐς

όντα

χρώμεθα

δέ

αύτώ,

καΐ ύ μ ά ς αν έ ν τ η α ύ τ η δ υ ν ά μ ε ι ή μ ΐ ν γ ε ν ο μ έ ν ο υ ς δ ρ ώ ν τ α ς άν

δια ούτε

παραλαεΐδότες ταύτό.

„Wir glauben nämlich, vermutungsweise, daß das Göttliche, ganz gewiß aber, daß alles Menschenwesen allezeit nach dem Zwang seiner Natur, soweit es Macht hat, herrscht. Wir haben dies Gesetz weder gegeben noch ein vorgegebenes zuerst befolgt, als gültig überkamen wir es, und zu ewiger Geltung werden wie es hinterlassen, und wenn wir uns daran halten, so wissen wir, daß auch ihr und jeder, der zur Macht wie wir gelangt, ebenso handeln würde." 2 3 3 Die Hoffnung, daß Sparta aus A n g s t v o r U n e h r e (δια

τό

αισχρόν)236

zu

H i l f e k o m m e n w e r d e , ist n a i v ( τ ό ά π ε ι ρ ό κ α κ ο ν ) u n d u n v e r n ü n f t i g ( ά φ ρ ο ν ) . A u c h d i e s p a r t a n i s c h e ά ρ ε τ ή ist d e n e i g e n e n I n t e r e s s e n u n t e r w o r f e n ( ή δ έ α καλά

νομι£ουσι). Den >

M e l i e r n nützt es nichts, a u f eine so 237

unplausible

R e t t u n g (αλόγου σ ω τ η ρ ί α ς ) zu warten. Die Melier definieren ( 1 0 6 ) den Nutzen (τω

ξυμφέροντι), den Sparta

a u s d e r H i l f e für s e i n e K o l o n i e ( α π ο ί κ ο υ ς ) z i e h e n k a n n , d a r i n , d a ß sie bei d e n i h n e n l o y a l e n G r i e c h e n n i c h t als t r e u l o s ( α π ί σ τ ο υ ς ) , d e n F e i n d e n n i c h t als h i l f r e i c h ( χ ρ η σ ί μ ο υ ς ) g e l t e n w ü r d e n . D i e s w i d e r l e g e n d i e A t h e n e r ( 1 0 7 )

235 Rengakos 1984, 99: „Das Recht des Stärkeren wird nun kraft eines übergeordneten Naturzwanges ... auch a u f den göttlichen Bereich ausgedehnt, erhält also einen metaphysischen Überbau und wird zum allgemeingültigen, zeitlosen Gesetz für das ganze Universum erhoben." Zum Recht des Stärkeren vgl. S. 4 1 9 , Anm. 80. 2 3 6 Zu dieser Bedeutung von α ι σ χ ρ ό ν hier und im folgenden als „sentiment de l'honneur" vgl. Huart 1968, 4 5 9 . 2 3 7 Es gibt nirgends einen Hinweis, daß eine formelle Allianz ( ξ υ μ μ α χ ί α ) zwischen Melos und Sparta bestand. Rodriguez Alfageme 1999, 3 0 4 betont den ironischen Ton der Athener bezüglich Sparta, der euphemistisch abgemildert wird durch καίτοι oü πρός τ η ς ύ μ ε τ ε ρ α ς νϋν

αλόγου σωτηρίας ή τοιαύτη διάνοια. Vgl.

Eurip. Suppl. 187: Σπάρτη μέν ώμή και πεποικιλται τρόπους; Andr. 4 4 5 - 6 3 ; Hdt. 9 , 5 4 , 1 . Mit άφρον und άλογος negieren die Athener den Ausdruck der Melier 5 , 1 0 4 οΰκ άλόγως und heben so das intellektuelle Defizit j e n e r hervor; ähnlich Eurip. Alk. 1093 αινώ μέν αινώ· μωρίαν δ' όφλισκάνεις.

Die Reden in den Büchern 6 und 7

475

durch eine rhetorische Frage und einen modus tollens: D a für Sparta der Nutzen mit der Sicherheit zusammenfallt (τό ξυμφέρον μετά ασφαλείας), das Gerechte und Schöne dagegen mit Gefahren verbunden ist (τό δίκαιον και καλόν μετά κινδύνου), die Spartaner aber am wenigsten riskieren (τολμωσι ν), folgt als unausgesprochene Conclusio, daß Sparta kein Risiko eingehen wird. Dessenungeachtet meinen die Melier (108), daß die Spartaner ihnen wegen der Nähe zur Peloponnes (της Πελοποννήσου εγγύς) und der Verwandtschaft (τω ξυγγενεΤ) helfen werden. Die Athener wiederholen (109), daß nicht die Zuneigung (τό εύνουν) der Gesuchsteller, sondern die tatsächliche Macht(verteilung) (των έργων δυνάμει) der ausschlaggebende Faktor ist. E s ist unwahrscheinlich (ουκ εικός), daß die Spartaner, die ihrer eigenen Heeresmacht mißtrauen und nur mit den Verbündeten zusammen ein Land angreifen, es wagen, sich auf dem Meer gegen die t > 238 führende Seemacht zu stellen (ημών ναυκρατόρων όντων). In einer absurden Hypothese meinen die Melier (110), daß die Spartaner auf dem weiten Meer andere schicken oder Athen zu Lande angreifen und gegen dessen Verbündete ziehen könnten - noch weiter, als Brasidas 239

kam. E b e n s o die historische Erfahrung als Analogon gebrauchend, entgegnen (111) die Athener, daß, geschähe dies alles, es keinen Einfluß auf die Belagerung von Melos hätte, da sie noch nie eine Belagerung aus Furcht vor anderen aufgegeben hätten. Die Melier ihrerseits aber hätten, obwohl sie über ihre Rettung (περί σωτηρίας) hätten beraten sollen, nichts gesagt, wodurch Menschen a u f Rettung zählen können (ω άνθρωποι πιστεύσαντες νομίσειαν σωθήσεσθαι). Anstatt von der Schwäche ihres Potentials (τα ύπάρχοντα βραχέα) auszugehen, vertrauten sie am meisten den Hoffnungen (τα ισχυρότατα έλπι£όμενα), was Unverstand (άλογία) und Verlust des Realitätssinnes bedeute. In der pathetischen Peroratio raten sie eindringlich, einen anderen, vernünftigeren Beschluß zu fallen (σωφρονέστερον γνώσεσθε) und in einer so kritischen L a g e (έν τοις αίσχρόϊς και προύπτοις κινδύνοις) nichts auf das Verderben bringende Schamgefühl (αισχύνη) zu geben. Eine Gnome stützt ihren Gedanken: Viele, die eigentlich voraussähen (προορωμένοις), wohin sie sich begeben, verführt das sogenannte Ehrgefühl, die Furcht vor Schande, (τό αΐσχρόν), gewaltig wie ein Zaubwort (όνοματος επαγωγού δυνάμει), so daß sie, von diesem 238 Dieser locus a

m i n o r e wird durch d i e E r e i g n i s s e im A r c h i d a m i s c h e n

Krieg

bestätigt (2,87; 3 , 2 5 f f ) . 2 3 9 B e m e r k e n s w e r t ist die interne A n a l e p s e a l s G r u n d l a g e für eine die Z u k u n f t betreffende V e r m u t u n g . (Erst G y l i p p o s wird e s dank N i k i a s ' N a c h l ä s s i g k e i t gelingen, eine athenische B l o c k a d e zu umgehen.)

476

THUK.YDIDES

Wort (ρήμα) überwältigt, in Wahrheit (έργω) nicht nur willentlich (έκόντ α ς ) in riesige Not geraten, sondern dazu noch schmählichere Schmach zusammen mit Unverstand (αΐσχύνην αίσχίω μετά άνοιας) erleiden als durch einen Schicksalsschlag (τύχη). 240 Es ist auch keine Schande (ούκ άπρεπες), der athenischen Übermacht zu weichen, zumal diese maßvolle Forderungen stellt (μέτρια προκαλούμενης). 24 ' Sie sollen Bundesgenossen (ξυμμάχους) werden, ihren Besitz behalten (έχοντας την ύμετέραν) und eine Steuer entrichten (ύποτελεΐς). Sie haben also die Wahl (αϊρεσίς) zwischen Krieg (πόλεμος) und Sicherheit (ασφάλεια). Emphatisch schließen sie den Gedankengang mit einer Gnome ab: Zwar ist es richtig, dem Gleichstarken ( ί σ ο ι ς ) nicht zu weichen, doch soll man den Stärkeren (κρείσσοσι) respektvoll begegnen und sich den Schwächeren (ήσσους) gegenüber maßvoll (μέτριοι) - diese Aussage beziehen sie implizit auf sich selbst (vgl. §4) - verhalten. Die Melier müßten nun gut über ihr Vaterland ( π α τ ρ ί ς ) beraten, da ihre ganze Existenz auf dem Spiel stehe und eine Fehlentscheidung sie ins Verderben fuhren werde. e. Definitiver Entschluß der Melier und Ende des Gespräches (5,112-113): Nach einer Sitzungspause und separater Beratung geben die Melier (112) ihre definitive Antwort (als recapitulatio). Sie wollen angesichts des 242

700-jährigen Bestehens ihrer Stadt nicht auf die Freiheit (έλευθερία) verzichten, sondern vertrauen wie 5,104 dem Schicksal, das sie bis dahin geschützt hat (σω£ούση τύχη), den Göttern (έκ του θείου) und der Hilfe der Menschen (άπό των άνθρώπων τιμωρία). Sie bieten wohlwollende Neutralität (φίλοι μεν είναι, πολέμιοι δε μηδετέροίς) und einen für beide Seiten dienlichen (έπιτήδειοι) Vertrag (σπονδάς), verbunden mit dem athenischen Abzug von Melos, an. Verärgert erwidern die Athener in ihrem Schlußvotum (113), daß die Melier sich mehr (σαφέστερα) auf die Zukunft (τά μέλλοντα) anstatt auf das gegenwärtig Sichtbare (των όρωμένων) verlassen, das Unsichtbare (τά 240 Huart 1968, 4 5 9 : „En aucun autre point de l'histoire, ne s ' e t a l e aussi c r ü m e n t cette doctrine q u e les b e a u x s e n t i m e n t s ne servent r i g o u r e u s e m e n t ä rien, sauf ä v o u s faire t o m b e r dans le m a l h e u r . " O r w i n 1994, 114: „Nobility, which d e m a n d s indiff e r e n c e to success or h a p p i n e s s a p p e a r s to i n f l a m e the M e l i a n s ' h o p e s f o r t h e s e beyond all reason." 241 Vgl. die Athener in Sparta 1,76,4 μ ε τ ρ ι ά ζ ο μ ε ν und 1,77,1. 242 Hyperbolisch und propagandistisch wird das A r g u m e n t der Kontinuität der Freiheit v e r w e n d e t , das implizit eine A n a l o g i e z w i s c h e n V e r g a n g e n h e i t und Z u k u n f t herstellt, o h n e j e d o c h die g e g e n w ä r t i g e n G e g e b e n h e i t e n und das K r ä f t e v e r h ä l t n i s gebührend zu berücksichtigen.

Die Reden in den Büchern 6 und 7

477

αφανή) schon als Geschehen (γιγυόμενα) ansehen und sich - durch ihr Vertrauen auf die Spartaner, den Zufall ( τ ύ χ η ) und die Hoffnungen (έλττίσι) in höchstem Maße verblendet (παραβεβλημενοι) - geradewegs ins Verderben stürzen (σφαλήσεσθε), wie sie in ihrem Schlußwort ominös andeuten. 243 Dieser Dialog hat vor der Sizilienexpedition paradigmatische Bedeutung und ist nicht das Abbild eines realen Dialogs. 244 Die melischen Oligarchen vertreten kompromißlos ein kleines, konservatives, dorisches Kollektiv, das seine Ehre und Unabhängigkeit um jeden Preis verteidigen will und sich, wie die Athener ihnen zu Recht vorwerfen, zu sehr auf traditionelle Werte, unklare Hoffnungen, Göttliches und den Zufall anstatt auf klare rationale Erwägungen verläßt. Ihnen fehlt angesichts der militärischen Drohkulisse Klugheit, Voraussicht, Rationalität und der Wille zum Kompromiß. 245 Nach 5,100 gelingt es ihnen zwar, die von den Athenern ausgeschlossenen Themen, insbesondere die Konsequenzen der athenischen Politik, anzusprechen; 246 das Gespräch wendet sich ins Irreale, These folgt auf These, beide Seiten reden aber aneinander vorbei, verwenden ideologisch gefärbte antithetische Begriffe, um dieselben Konzepte auszudrü-

243 Nach der Belagerung (115) fiel die Stadt im Winter (116) durch Verrat. 244 Macleod 1974, 400: „The peculiar privacy of the negotiations ... gave the opportunity for a dialectical treatment of some major historical themes. Moreover, the position of the dialogue just before the Sicilian Expedition allows the two situations to illumine one another." Ebenso Proctor 1980, 83. Für Amit 1968, 226 ist der Dialog keine Erfindung, sondern die abstrakte Rekonstruktion des athenischen Denkens. Aber schon die Beschränkung 5,89 auf wenige Themen weist auf die Abwendung von der realen Situation zu einer paradigmatischen hin. 245 Vgl. 5,103, 105, 111 und 113. So Williams 1998, 201 f. Proctor 1980, 84f. prangert dagegen die Kompromißlosigkeit der Athener an: „Instead of developing their claim to be offering fair and reasonable terms by expatiating on the moderate character of their rule and the equal justice available to their subjects in Athenian courts, as the other Athenians had done at Sparta ... they go out of their way to tell these representatives of an island state that the islanders are those of their subjects who chafe most acutely under their yoke." 246 Morrison 2000, 132f.: „While such resistance is ultimately unsuccessful in persuading Athens, the Melians' arguments at 5,1 OOff. amount to a nullification of the original stipulations on permissible discourse. ... By resisting the A t h e n i a n s ' 'rules', the Melians are able to raise broader issues than the Athenians are willing to address ... As 'masters of the sea' the Athenians are successful, as 'masters of discourse' they cannot control the Melians. In countering and nullifying Athenian restrictions, the Melians raise an important issue: the long-term consequences of Athenian policy."

THUKYDIDES

478

cken,

247

und zeigen ihre gegensätzliche Auffassung von historisch rele248

vanten Faktoren. Den Meliern bleibt nur die Flucht aus der Realität in eine irreale von Göttern, Hoffnung und Zufall regierte Welt, obwohl άνθρωπείως σο'/ε σθαι noch möglich ist. 249 Ihre Argumente, vor allem die Hoffnung auf Sparta, sind naiv; es gelingt den Athenern nicht, ihnen die Augen zu öffnen. Sie täuschen sich in Bezug auf Sparta, das sich im Laufe des Krieges immer mehr verändert und den Athenern angleicht. Die AtheFehler. Sie schätzen den ner begehen in ihrem konsequenten Handeln keine 250 Nutzen und das mögliche Risiko richtig ein. Der Ausschluß propagan2 4 7 S o b e z e i c h n e n d i e M e l i e r die U n t e r w e r f u n g n e g a t i v a l s δ ο υ λ ε ί α , d i e Athener positiv als σ ω τ η ρ ί α , α σ φ ά λ ε ι α ; die Melier setzen d a g e g e n den Widerstand positiv mit ε λ ε υ θ ε ρ ί α , die Athener mit δ ε ι ν ό τ α τ α π α θ ε ί ν , π ό λ ε μ ο ς gleich. 248 M o r r i s o n 2 0 0 0 , 134 glaubt, daß b e s o n d e r s die unterschiedliche A u f f a s s u n g von G e s c h i c h t e einer V e r s t ä n d i g u n g beider Parteien im W e g e stehe: „ B o t h Athens and M e l o s present e x t r e m e l y restricted v i s i o n s o f the past. T h i s n a r r o w n e s s results from each s i d e ' s r e f u s a l to a c k n o w l e d g e i s s u e s the other side introduces. M e l o s has no r e s p o n s e to the A t h e n i a n s ' characterization o f past Spartan action - which the reader k n o w s to a large extent to be accurate. B y failing to a c k n o w l e d g e the s i g n i f i c a n c e o f p r e v i o u s caution and tentativeness on the part o f the Spartans, the M e l i a n s put t h e m s e l v e s in a p o o r position to determine the c h a n c e s o f their receiving future aid. On the other side, by refusing to allow s h a m e , j u s t i c e , or freed o m into the d i s c u s s i o n , the A t h e n i a n s ignore an essential c o m p o n e n t o f how the M e l i a n s define themselves in terms o f their own history." 2 4 9 Stahl 1966, 167: „ S e l b s t a n g e s i c h t s d e s eigenen U n t e r g a n g s a l s o weigert sich der M e n s c h , die Gegebenheiten der Realität a n z u e r k e n n e n . " S . 165: „ D e r Z u f a l l , d.h. d a s per definitionem U n b e r e c h e n b a r e , wird z u m Garanten der Wunscherfiillung. Die Wortbedeutungen scheinen sich umzukehren: d a s E i n z i g e , w a s bei objektiver Betrachtung der L a g e vorm T o d bewahren könnte, wird in m e l i s c h e r Sicht ein ά ν ε λ τ η σ τ ο ν , in dem a priori a u s s i c h t s l o s e n Handeln aber wird die e i n z i g e έ λ τ τ ί ς erblickt." C o r c e l l a 1 9 8 4 b , 9 0 : „ L e s p e r a n z e dei Melii s o n o cioe agli occhi degli Ateniesi irrazionali perche basate solo sul futuro, e non radicate in una valutazione del presente: in realtä, quindi, p o g g i a n o s u l l a T Ü x r | . " 2 5 0 Während für C o r n f o r d 1907, 182 T h u k y d i d e s die Athener a l s „ m a d " , von üßpLc und ά τ η b e s e s s e n e S p r e c h e r zeigt, charakterisiert für Sainte C r o i x 1972, 14 der W i d e r s t a n d s w i l l e n die M e l i e r a l s „ f o o l i s h , o v e r - o p t i m i s t i c " , d a g e g e n haben die Athener „correct and excoriating a n a l y s i s o f Spartan behaviour ... which w a s certainly j u s t i f i e d by the e v e n t . " D i e Provokation Spartas während des formalen Friedens, w i e es Herter 1954, 3 7 4 f. nennt, war ein äußerst g e r i n g e s Risiko, d a Sparta andere P r o b l e m e und Prioritäten hatte, (vgl. 5 , 1 0 5 ; 107; 109; 7 , 1 8 ; d a g e g e n R e n g a k o s 1984, 9 9 , der meint, daß die scheinbar törichten H o f f n u n g e n der Melier ein Hinweis a u f die Torheit der Athener, die glaubten, Sparta vernachlässigen zu können, sei). R o m i l l y 1951, 2 4 4 meint, Athen habe sich dadurch verhaßt g e m a c h t und sei O p f e r seiner eigenen ungezügelten und von blinder N o t w e n d i g k e i t geleiteten Politik g e w o r d e n . E b e n s o H o g a n 1989, 138. M a c l e o d 1974, 391 behauptet, die

Die Reden in den Büchern 6 und 7

479

distischer (ονόματα καλά) und ethischer Argumente (δίκαιον, αίσχρόν, ξυγγενεια etc.) und die Konzentration auf σωτηρία, Nutzen und Sicherheit (ξυμφερον, άσφάλεια) ist nicht ein Zeichen einer Radikalisierung des athenischen Imperialismus', sondern der Versuch, in der Außenpolitik nur reale, auf der Macht fußende Argumente zuzulassen (5,89). Sie vertreten mit entlarvender Aufrichtigkeit eine neue Philosophie des politischen 251 Realismus und Pragmatismus, sprechen mehr als die Melier (145 zu 88 Zeilen der Melier) und gleichen mehr Missionaren, die vergeblich versu-

A t h e n e r beschäftigten sich nicht richtig mit der Z u k u n f t , es fehle ihnen die πρόνοια: „And in the Melian Dialogue there is in fact an important question about A t h e n s ' future which c o m e s to the fore in 5,90: the question of her e m p i r e ' s security." Ebenso Morrison 2000, 137: „But to make such a selective dismissal of the f u t u r e as irrelevant, as Athens does here, is clearly c o n d e m n e d by what Thucydides himself has already emphasized in his work." Doch gilt das gleiche für die Melier (vgl. 5,91 ;107 und 113). 251 Richtig Wassermann 1947, 33f.: „As an outstanding characteristic of their people and times, his Athenians present the straightforward frankness, which has so frequently caused the Dialogue to be misunderstood as an example of ruthless brutality." Schmid 1998, 66: In der Außenpolitik „gilt das Gesetz der φ ύ σ ι ς ohne Einschränkung. Der Fehler, den die Melier machen ..., scheint darin zu bestehen, daß sie mit ν ό μ ο ς , mit innenpolitisch sinnvollen Regeln, , W e r t e n ' und Anstandspflichten k o m m e n . " Die paradigmatische Funktion Thukydideischer Reden, die nicht ,das wirklich G e s a g t e ' , sondern die (auch unausgesprochene) Intention der Sprecher wiedergibt, verkennt Meier 1993, 612: „ W o andere sich natürlich auch nicht immer an die Gebräuchlichkeiten hielten, diese aber zumindest äußerlich respektierten, tat Athen sich etwas darauf zugute, deren bedenkenlose Mißachtung offen zu proklamieren. ... Es fragt sich vergeblich, was an Entlarvendem die Athener hier nicht vorgebracht haben." Schon Dion. Hal. hat sich Thuc. 3 7 - 4 1 empört und gemeint, 5,89 βασιλεϋσι γ ά ρ βαρβάροις τ α ϋ τ α π ρ ό ς " Ε λ λ η ν α ς ή ρ μ ο τ τ ε λέγ ε ι ν . Proctor 1980, 84f.: „In fact, they seem deliberately to avoid adducing any arg u m e n t s w h i c h might have appealed to the particular susceptibilities of the Melians. They do nothing to mitigate the natural reluctance of a Dorian island to join their predominantly Ionian confederacy by pointing to the number of Dorian cities already belonging to it, in particular, the example of their neighbours at Thera. They do not try to anticipate objections from oligarchically-minded Melian leaders to aligning themselves with a democracy, by drawing attention to the latitude allowed to their subject cities to settle their own affairs, in contrast to the constitutional restrictions imposed by Sparta on her allies in the Peloponnese. They do not attempt to soften the blow to their pride in accepting submission to the mistress of the seas by rehearsing her glorious record in the service of Greece against Persia, as their predecessors had done at Sparta." Morrison 2000, 127, A n m . 29: „It is note-worthy that the Melian oligarchs' appeal to freedom and honor shows a sensitivity to popular morality and discourse, while the Athenians - a democracy dismiss such concepts as mere words."

480

THUKYDIDES

c h e n , d e n M e l i e r n d i e A u g e n z u ö f f n e n , als U n t e r h ä n d l e r n .

252

Sie widerle-

gen die A r g u m e n t e der Melier Punkt für Punkt, da sich die Melier nicht 253

innerhalb des von ihnen 5 , 8 5 - 8 9 vorgegebenen Rahmens befinden.

Die

Athener, die das irrationale A r g u m e n t i e r e n der Melier kritisieren, haben „ n u r i n s o f e r n u n r e c h t , als sie d a s V e r h a l t e n d e r M e l i e r als e i n m a l i g d a s t e h e n d (μόνοι ..., ώ ς ή μ ι ν δ ο κ ε ΐ τ ε 113) a n s e h e n . " 2 5 4 D a h e r k a n n m a n a u c h nicht behaupten, die Sympathien des Historikers lägen auf Seiten

der

M e l i e r , w ä h r e n d d255 ie A t h e n e r als brutale u n d u n m o r a l i s c h e Angreifer dargestellt würden. D e n K o n t r a s t d a z u b i l d e t in t r a g i s c h e r U m k e h r u n g

252 Wassermann 1947, 35: „They try hard to convince the Melians not only of the hopelessness of physical resistance, but even more, in lines intentionally overdrawn through the emphatic frankness of the dramatic presentation, of the superiority of the modern political philosophy of power for the strong and expediency for the weak." 253 Macleod 1974, 394f. zu 5,1 OOff.: „Here too the Athenians are the mouthpieces of a critical and disillusioned rhetoric. The Melians' arguments are reminiscent of Rhet. ad Al. 1425a9ff„ where the author lists all the possible advantages to mention in advocating war. To ch. 100, compare his εϋδοξίαν (1425al5); to ch. 102, his τ ά ς μεταβολάς τ ά ς εν τω πολεμώ, ώς πολλαΐ καΐ παράλογοι (1425b3—4: used there with the reverse intention); to ch. 104, his την των θεών ευνοιαν, ήν εύτ υ χ ί α ν ή μ ε ΐ ς καλοϋμεν (1425a21—2) and συμμάχων άρετήν (1425a23). But the Athenians demolish these with the same rigour that they showed in ch. 87. And within its limits their realism is convincing." 254 Stahl 1968, 170. 255 So Romilly 1951, die S. 239 von einer „agression injustifiee et scandaleuse" spricht, meint S. 243: „Entre cet imperialisme et ses victimes la Sympathie va de tout evidence ä ces derniers." Ähnlich Hogan 1989, 143, für den Thukydides Athens Brutalität demaskiert. Williams 1998, 202f.: „The Athenians ... may be considered guilty of hubris, aiming for increasing imperial power, and tyranny in its bad sense ... This interpretation tips the scale in favor of Melos in a ethical sense and Grote is quite correct to focus on the terrible injustice of the Athenians in the Melian Dialogue." Besser Stahl 1966, 170: „Auch will Thukydides sicherlich nicht brandmarken (die ,bösen' oder ,klugen' Athener und die ,törichten' oder ,tapferen' Melier), es geht weder um Verteidigung noch um Tadel der auf beiden Seiten vertretenen Haltungen, sondern um die Darstellung als für geschichtlich bedeutsam erkannter Fakten (dieses Wort allerdings in höherem Sinne genommen), d.h. letztlich von Gehalten, die für die Seinsweise des Menschen schlechthin konstitutiv sind." Es geht nicht um das tapfere Volk von Melos, das Volk hat gar nichts zu sagen gehabt (5,85), sondern um die bedenkenlose Haltung der Oligarchien, das Volk in den Tod zu schicken. Er meint S. 171, Thukydides habe allenfalls Bedauern über die Melier, die nicht fähig waren, die Bedingungen ihrer eignen Gegenwart zu erfassen, empfunden. Ähnlich Zagorin 2005, 105f.: „The historian's narrative is quite detached. If he feels any horror at Athens's action, he does not express it. Possibly the sympathy he had for the Melians was qualified by

Die Reden in den Büchern 6 und 7

481

der Rollen Sizilien: Die Athener, die im Kleinen (Melos) rational und richtig kalkulieren und den Meliern vorwerfen, sich von Affekten und unbegründeten Hoffnungen leiten zu lassen, versagen im Großen und begehen die gleichen Fehler wie die Melier. Man kann aber nicht behaupten, Melos sei ein Gradmesser für die athenische Hybris und Verblendung (άτη), die in Sizilien ihre Vergeltung (νεμεσις) 2 5 6 finden. Mit dem Melierthe fact that they had brought their fate upon themselves by their unwillingness to grasp the reality of their situation. Many if not most readers are likely to agree that they were irrational to choose resistance against such overwhelming odds." Canfora 1979, 38: „Naturalmente il dialogo assolveva alia sua funzione polemica anche perche ... forniva una visione falsa della vicenda, facendo apparire Melo, da sempre neutrale, come improvvisamente aggredita da Atene per uno spietato disegno imperialistico. ... Ma se l'attuale dislocazione del dialogo e decisiva per attribuirgli un'implicita funzione di condanna deH'imperialismo ateniese, esso e perö, giä di per se, politicamente esplicito, in quanta antilogia sofistica tra 'discorso giusto' (Melii) e 'ingiusto' (Ateniesi)." Ganz abwegig ist die Behauptung von Vickers 1999, 275, Alkibiades sei, wenn auch physisch nicht präsent, so doch geistig der eigentliche Sprecher der Athener. (Dagegen spricht aber, daß im Gegensatz zu Plut. Alk. 16 Thukydides jegliche Verwicklung des Alkibiades in die Melos-Affäre ausblendet.) Dazu habe Thukydides den aus der Komödie bekannten Sprachfehler des Alkibiades ( τ ρ α υ λ ι σ μ ό ς bzw. λ α μ β δ α ι α σ μ ό ς , bei dem 1 statt r ausgesprochen wurde, Aristoph. Vesp. 44f.) übernommen, um Wortspiele zu machen, etwa 5,85 statt ξ υ ν ε χ ε ΐ ρήσει. ξ υ ν ε χ ε ΐ λήσει. ('continuous seizure'), καΐ π ρ ώ τ ο ν εί άρεσκε l zu και π λ ώ τ ο ν εί άλεσκει und και ων όλατε πελί σ ω τ η λ ί α ς „simply for the sake of cacophony." Ebenso weist er auf Aristophanes' Wolken hin, S. 278f.: „The Weaker Argument came forward as Alcibiades, the Stronger Argument as Pericles. In this way, the generation gap, and the contrast between the old ways and the new, were effectively personalized." 256 Cornford 1907, 185: „The Athenians, on the eve of the Sicilian expedition, are good counsellors to warn the Melians against spendthrift Hope! T h e irony is repeated at the close of the conference ... The speaker is unconscious that even now Hope is busy in attendance at Athens, with her flattering suggestion of the wealth in Fortune's store." Wassermann 1947, 30f.: „Thucydides wants the reader to feel the tragic irony behind the taunting remarks of the Athenians about the belief in the τ ύ χ η α π ό τ ο υ θείου, if he remembers that not so much later is ... Nicias, w h o in a desperate situation counts on τ ύ χ η and hopes for a miracle wrought by the gods (7,61,3; 77,2f.), and in this case the Athenians leader himself e x e m p l i f i e s what in the dialogue the Athenians d e m o n s t r a t e with such selfassurance: the futility of hopes based on righteousness without power." Connor 1985a, 161f.: „The Thucydidean reader is too enlightened to believe in any simple divine retribution, yet he realizes that the Athenians are about to overstep their proper boundaries, to set off over the high seas against an enemy whose strength has been misassessed. ... Mythic patterns ... thus coincide with a rational and practical assessment based on the size and complexity of the Sicilian expedition." Aber Zagorin 2005, 106: „His account of the Sicilian expedition does not suggest

482

THUKYDIDES

dialog, der ein unbedeutendes Ereignis am Ende der Friedenszeit paradigmatisch beleuchtet, gibt Thukydides dem Leser, der die vorgebrachten 257

Argumente im Lichte der ersten fünf Bücher beurteilt, quasi den Maßstab, um bei der Betrachtung des Sizilienfeldzugs den Geist und die Fehler der athenischen Planung und Durchführung an Hand der aus dem Melierdialog gegebenen Beispiele selbst genauer erkennen und beurteilen zu können. 258 Möglicherweise birgt aber wohl bereits die Schärfe und Kälte, mit der Thukydides die Athener ihre Argumente vorbringen läßt, eine subtile Kritik des Autors in sich. Der an die Melier gerichtete Vorwurf der Athener, daß Rettung nach menschlichen Kategorien (ανθρωπίνως) noch möglich sei, fallt vielleicht in gewisser Weise auf sie selbst zurück. Auch sie denken einseitig und ,unmenschlich', da sie die irrationalen Seiten und möglichen Schwächen ihres Mensch-Seins ganz außer acht lassen. Da auch at any point that that its failure was a punishment designed to right the moral balance, but he treats it rather as due entirely to h u m a n f a c t o r s that might conceivably have been different." 257 Morrison 2000 meint, der Leser solle aus der Erfahrung der ersten f ü n f Bücher die Argumente beider Seiten nach deren Stichhaltigkeit beurteilen, S. 145: „Everything demonstrated in the first five books puts the reader in an epistemological position superior to that of the Melians and the Athenians. In earlier situations in the History ... Thucydides guides, instructs, and makes connections for the reader. ... The Melian episode may have many goals, but one of these is to test the reader regarding what the History itself teaches. The reader's ultimate task is to examine lessons from the rest of the History and apply them in this new context." 258 Wassermann 1947, 35f.: „The Dialogue is meant to show the spirit of Athens at the apparent zenith of her power, at the critical turning point from victory to defeat, when the restless dynamism, which so well appears in the Dialogue, made her embark upon her most daring enterprise, which w a s to become the test of her strength and of her weakness ... Thucydides wanted to give a striking and concentrate picture of the forces and ideas which stood behind the greatness and the fall of the Athenian character and empire." Deininger 1938, 80: „So wird Melos Typus und Paradeigma im höchsten Grade; der ideelle Knotenpunkt in der Geschichte des Krieges." Der Dialog bereite die Ideologie der Expansion ad infinitum des Alkibiades vor. Ähnlich Morrison 2000, 129: „ W e may view what the Athenians are doing here - arguing that the discussion must be restricted to advantage and survival - as a kind of instruction for the Melians that is analogous to what Thucydides teaches the reader of his History. ... In the end, the Athenians fail to teach the Melians this lesson. Such a lesson, however, must be taken seriously." Für Polacco 2001a präfiguriert der Dialog mit dem Leitmotiv σ ω τ η ρ ί α das 8. Buch, in dem es nur noch um Athens Rettung geht: „In sintonia con il libro VIII e collocato in antitesi al racconto del disastro siciliano, quale paradigma di tutta la storia success i v e (S. 15).

Die Reden in den Büchern 6 und 7

483

sie nur Menschen sind und den gleichen von Diodotos in der MytileneDebatte (3,45) dargelegten irrationalen Impulsen ausgesetzt sind, ist ihre Haltung, die nur bei konsequenter Befolgung erfolgreich ist - langfristig gesehen - gefährlich, da der Mensch von Natur nicht konsequent ist und weil die Konsequenzen einer unmenschlichen Politik, wie die Melier zu bedenken geben, im Falle des Scheiterns ebenfalls verheerend sein können.

3.3.1. Die Reden im 6. Buch

3.3.1.1. Direkte und indirekte Reden in 6,1-8

Das sechste Buch beginnt 6,1,1 mit einem neuen Erzählsegment, in dem der Autor zum einen den neuen Krieg an Größe als ebenbürtig dem im Mutterland bezeichnet, zum andern den Gegensatz zwischen dem im Prädikat stehenden Wollen (έβούλοντο) und dem in der modalen Partizipialkonstruktion ausgedrückten Unwissen (άπειροι οί πολλοί) der Athener über die Größe (μέγεθος) der Insel und deren Einwohnerzahl (πλήθος) feststellt. 259 Dieser Satz dient auch zur Exposition der folgenden Kapitel, wobei der Anfangsteil am Ende 6,6,1 wiederaufgenommen wird, die beiden in der partizipialen Konstruktion erwähnten Faktoren (Größe und Bevölkerungszahl) die Thematik des mit explikativem γ α ρ (6,1,2) eingeleiten ethnographischen Exkurses darstellen und die auktoriale Feststellung über die Größe des neuen Krieges leitmotivisch die ganze Darstellung durchzieht. 6,1,2 behandelt Thukydides zunächst den ersten Punkt des athenischen Unwissens durch die Angabe, ein Frachter brauche 20 Tage für die Fahrt um Sizilien herum. Den zweiten Punkt, die große Zahl von Sizilien bewohnenden Völkern, illustriert er nicht durch eine Beschreibung der sizili-

259 Durch die Zeitangabe του δ' αύτοϋ χ ε ι μ ώ ν ο ς „rückt die sizilische Expedition und die Zerstörung von Melos ... zusammen (formale kompositorische Einheit)", α ΰ θ ι ς und die Vergleiche μείζουι π α ρ α σ κ ε υ ή κτλ. und ού πολλω τιυΐ ύ π ο δ ε έ σ τ ε ρ ο ν π ό λ ε μ ο ν κτλ. „stellen den Anschluß an die bisherige Handlung her und bereiten eine Steigerung vor (Handlungseinheit). Themen und Motive wie π ό λ ε μ ο ς ..., , G r ö ß e ' ... π α ρ α σ κ ε υ ή , π λ ή θ ο ς ..., die Erwähnung der Peloponnesier neben den Athenern erinnern schließlich an die Einleitung des Werks 1,1,1 (literarische Einheit)" (Tsakmakis 1995a, 157f)· Durch die Erwähnung der Feldherren der Expedition von 427 knüpft Thukydides an diese an.

484

THUK.YDIDES

sehen Städte, Völker und Machtmittel im Jahre 415, sondern in einem kurzen mehrere Jahrhunderte umfassenden historisch-ethnographischen Exkurs (6,2-5), der dem Leser die nötigen Hintergrundinformationen fur das Verständnis der partikularen Situation vor der Entscheidungsfindung 415 und der Argumente der folgenden Reden gibt, 260 so daß durch das Wissensgefälle eine dramatische Spannung zwischen dem wissenden, aber an der Entscheidung unbeteiligten Leser und den unwissenden athenische Entscheidungsträgern entsteht. Der Exkurs behandelt zuerst in chronologischer Abfolge 6,2 die nichtgriechischen Völker (βάρβαροι). 261 Er beginnt mit den mythischen Kyklopen und Laistrygonen, über die er jedoch keine sicheren Informationen besitzt, 262 erwähnt dann als erste Einwanderer die Sikaner, die Elymer, 260 Sammartano 1998, 209: „Per correggere la visione distorta di chi si era lasciato prendere fatalmente dall'entusiasmo, Tucidide presenta l'excursus siciliano con una completezza ed una precisione d ' i n f o r m a z i o n e tali da non lasciare dubbi sull'infondatezza dei calcoli delle masse ateniesi." Der Exkurs hat S. 201 „dunque l'aspetto di una vera e propria π α ρ ε ν θ ή κ η aperta per finalitä didascaliche, alio scopo di illustrare per rapidi tratti la situazione etnica e politica della Sicilia contemporanea." Luginbill 1997, 129 vergleicht ihn mit Herodots Darstellung des Perserreiches: „Beyond merely informing the reader, it has the effect of bringing home the immensity of the task which lies ahead, the conquest of a vast island with a large and varied population and colorful history in its own right." Die Archäologie 1,1-19 beweist durch die Darstellung der Machtbildung T h u k y d i d e s ' These von der Größe des Kriegs, die sizilische Archäologie illustriert das Unwissen und die Unterschätzung des Gegners durch die Athener (Kallet 2001, 25). Tsakmakis 1995a, 173: „Durch die Angabe der Größe Siziliens und die Darstellung der Siedlungsgeschichte der Insel werden dem Leser die realen Umstände bewußt, die sich die Athener bei ihrer Entscheidung fur die Expedition hätten vor Augen halten müssen. Die Insel ist wegen ihrer geographischen und politischen Eigenart nicht mit den bisherigen Einsatzbereichen der athenischen Flotte vergleichbar." Zur Frage nach den Quellen und Vorlagen am besten Sammartano 1998, 212 ff. 261 Dabei beschränkt er sich auf das N o t w e n d i g e und gibt Herkunft, Grund, nähere Umstände und Datierung der Einwanderung, Völker- und Ländernamen, geographische Verteilung und allfallige Umsiedlung an. 262 Westlake 1977, 360: „He does not deny that the C y c l o p e s and Laestrygones existed or that they lived in Sicily ... but it applies only to the statement that they were the earliest inhabitants of Sicily. ... His contemptuous attitude suggests that he has before him an account of the Cyclopes and Laestrygonians which he considers to be far too speculative, mainly because of its dependence upon the poets." Ebenso Tsakmakis 1995a, 159 und Sammartano 1998, 218: „Resta fermo che egli non mostra alcun intento polemico nei confronti delle tradizioni sui Ciclopi e sui Lestrigoni; piuttosto manifesta il suo scetticismo, riconoscendo che avevano finalitä diverse da quelle che sono proprie dell'indagine storica." Weiterreichende Analogien und epische Reminiszenzen zwischen O d y s s e u s ' Abenteuern und der

Die Reden in den Büchern 6 und 7

485

einige Phokaier, die Sikeler, deren Geschichte ihrer B e d e u t u n g

wegen

ausfuhrlicher behandelt wird, und die Phoiniker.263 Kapitel 3 - 5 geben einen Überblick über die griechischen Kolonien und ihre Gründer, w o b e i auch N a m e n u n d Schicksal des jeweiligen Gründers und besonders der politische Aspekt hervorheben wird. Eine besondere R o l l e spielt S y r a k u s , d e s s e n S t ä r k e u n d m i l i t ä r i s c h e Ü b e r l e g e n h e i t b e r e i t s angedeutet wird. A u c h werden A n g a b e n zu den verschiedenen Phasen der Besiedlung

und

Vertreibung

der

verschiedenen

Bevölkerungsgruppen

gemacht. Trotz der E r w ä h n u n g des Altars Apollons, der eine kultische Einheit der sizilischen Griechen suggeriert, b e k o m m t der Leser den Eindruck instabiler Verhältnisse, die durch den Gegensatz zwischen Griechen und Barbaren sowie den Partikularismus der griechischen Städte verursacht • Λ 264 sind.

athenischen Expedition postuliert Frangoulidis 1993, 96: „The Sicilian expedition of the Athenians and their subsequent disaster at the island which is associated with the giant and savage forces of the myths parallels Odysseus' adventures and defeats at both the Cyclopeia and Laestrygoneia narratives." Er erkennt darin ein „epic reversal", weist S. 98 auf ähnliche Motive des Odysseus (Neugierde und Piraterie Od. 9,548-557 und 10,100f.) und der Athener 6,24,3 hin und vergleicht den Großen Hafen in Syrakus mit dem Hafen der Laistrygonen (Od. 10,122ff.). Ebenso Mackie 1996, 106, der den (nicht ausgesprochenen) Hinweis auf Odysseus' mythisches Debakel als eine implizite Rezeptionssteuerung auffaßt. Doch geht dies entschieden zu weit, zumal weder Odysseus genannt wird, noch sonst Hinweise zu finden sind, daß Thukydides beim Leser diese Assoziationen hervorrufen wollte (vgl. die angebrachte Kritik bei Rood 1998b). 263 Die vielen Einwanderer und Umsiedlungen „suggerieren die Größe und Bedeutung der Insel und ihr großes Einwohnerpotential" (Tsakmakis 1995a, 162). 264 Der Fokus liegt ausschließlich auf dem Aspekt der Macht und -bildung und endet mit dessen Abschluß vor den Ereignissen des 5. Jh.; andererseits will Thukydides offenbar die athenische Sizilienpolitik, die es von der Mitte des 5. Jh. an wohl gab, ausblenden, weil dies „Thukydides' Behauptung, daß die Expedition deshalb zustande kommen konnte, weil die Athener unkundig über Sizilien waren, als unglaubwürdig erscheinen lassen." (Tsakmakis 1995a, 168). Die Expedition als Kontrast zu den in der Archäologie als erfolgreich gezeigten Kolonisationsvorhaben zu deuten (so Avery 1973, 8ff. und Kallet 2001, 26f.) ist mangels eindeutiger Hinweise abwegig. Alonso-Nunez 2000, 75 betont den Gegensatz Dorier: Ionier in der Siedlungsgeschichte und glaubt, Thukydides habe die Rivalität Athen-Sparta auf den neuen Gegensatz Athen - Syrakus übertragen. Sammartano 1998, 254f. meint, Thukydides widerlege im voraus Alkibiades' Behauptungen 6,17 über die Uneinigkeit der Sizilier: „Uno dei temi principali sfruttati da Alcibiade per convincere i suoi concittadini ... era incentrato sulla tesi che la popolazione siciliana fosse composta in prevalenza da un confuso ξύμμικτος οχλος, la qual cosa avrebbe impedito la formazione di una coalizione posta sotto un unico comando ed un efficace organizzazione che potesse fronteggiare l'avanzata ateniese ... In questa situa-

486

THUKYDIDES

6,6,1 faßt Thukydides nochmals beide Punkte zusammen und schließt den 6,1,1 geöffneten Ring. Gleichzeitig gibt er die Motivation der Athener an: οι 'Αθηναίοι στρατεύειν ώρμηντο έφιέμενοι μεν τη αληθέστατη προφάσει τ η ς π ά σ η ς (sc. νη'σου) άρξαι, βοηθεΐν δέ αμα εύπρεπώς βουλόμενοι. τ ο ι ς εαυτών ξ υ γ γ ε ν έ σ ι και τ ο ι ς π ρ ο σ γ ε γ ε ν η μ ε ν ο ι ς 265 e ξυμμαχοις. „die Athener schickten sich nun an auszufahren. Der wahrste Grund war gewiß ihr Wunsch, die ganze Insel zu unterwerfen, zugleich wollten sie zum schönen Schein ihren Stammverwandten Hilfe leisten und den dazugekommenen Verbündeten." 266

zione, avrebbero avuto buon gioco le alleanze strette in precedenza dagli Ateniesi con gli abitanti dell'isola a loro legati da rapporti di syngheneia per attirare una parte cospicua della popolazione siciliana. ... 11 quadro etnografico dell'isola offerto da Tucidide, eterogeneo ma nello stesso tempo coerente nella sua organicitä, sembrava proprio contraddire le opinioni di Alcibiade circa l'incapacitä di organizzazione interna delle popolazioni dell'isola, soprattutto in quanto dimostrava l'insostenibilitä delle argomentazioni di chi era convinto, non senza superficiale, di ottenere un facile successo della politica diplomatica intavolata con le genti epicorie di Sicilia sulla base di dello specioso motivo della syngheneia." 265 Roos 1960 weist mit Recht d a r a u f h i n , daß das in den besseren Handschriften überlieferte προσγεγενημενοι,ς dem in EMG überlieferten προγεγενημενοι,ς vorzuziehen sei, S. 12: „Thukydides setzt vielmehr als eine bekannte Tatsache voraus, daß die ξ υ γ γ ε ν ε ΐ ς in Sizilien eo ipso ξυμμαχοι sind, und ihnen werden dann in dem nächsten Glied die προσγεγενημενοι ξυμμαχοί, die nicht ξ υ γ γ ε ν ε ΐ ς sind, gegenübergestellt." 266 Während Thukydides 6,1,1, noch ohne eine Ursache dafür anzugeben, neutral von einem Wollen (έβούλοντο) der Athener gesprochen, allerdings auch ihr Unwissen betont hat, bezeichnen die Verben όρμασθαί (getrieben werden) und έφίεσθαι (affektives Begehren, vgl. S. 431) eine weitere Phase, welche das Resultat des intensiven Wollens ist und irrationalen und emotionalen Kräften Raum läßt. Ebenso unterscheidet er zwischen einer „wahrsten Ursache", die auf der Ebene der menschlichen Pleonexie liegt, und einem unmittelbaren Anlaß (das Hilfegesuch Egestas). Dies erinnert an 1,23,6, vgl. Rechenauer 1991, 100; Iglesias Zoido 1995, 71;Tsakmakis 1995a, 172: „Es liegt auf der Hand, daß die άληθεστάτη π ρ ό φ α σ η von Buch I als Folie für die Darstellung der Ursachen der sizilischen Expedition dient." Dem εύπρεπώς entsprechen dort ε ς τό φανερόν λεγόμενοι α ί τ ί α ι . Analog zum ersten Buch wird zunächst das ε ύ π ρ ε π ώ ς , dann die άληθεστάτη πρόφασ ί ς illustriert. Er geht aber S. 175 zu weit: „Bei der Motivation der Entscheidung für die sizilische Expedition spielen die Faktoren ,Rhetorik' und ,politisch-historische Reflexion' im Vergleich zur Motivation des spartanischen Entschlusses direkt entgegengesetzte Rollen. Anders als die Lakedaimonier im ersten Buch lassen sich die Athener von trügerischen Reden beeinflussen, berücksichtigen dagegen die historische Dynamik der aktuellen Situation nicht im geringsten." Beide Male steht ein Affekt, 1,23,6 φόβος, 6,6,1 έφίεσθαι., hinter der άληθεστάτη πρόφασι,ς. Die ,trügerischen Reden' der Egester ebenso wie die Alkibiades-Rede haben die

Die Reden in den Büchern 6 und 7

487

Thukydides erwähnt zuerst den Konflikt zwischen Egesta und Selinus, in dem die Egester unterlagen und in der Folge Athen um Hilfe ersuchten. Sie begründeten ihre Bitte um Intervention mit folgenden Argumenten, um die Athener anzustacheln (6,2 μάλιστα ... έξώρμησαν ... καΐ προθυμότερου επικαλούμενοι): Einerseits erinnerten sie diese an das im vergangenen Krieg mit Leontinoi geschlossene Bündnis. 267 In oratio obliqua folgt ihr auf einer Hypothese ( e i ) beruhendes Hauptargument (κεφάλαιον): Sie warnen die Athener, indem sie ein negatives proleptisches Szenario entwerfen, davor, Syrakus könnte nach der Unterwerfung Siziliens auf der Seite Spartas wegen der dorischen Verwandtschaft (κατά τό ξυγγενές) in den Peloponnesischen Krieg eintreten. 268 Daher erachten sie eine athenische Intervention zum Schutze der Verbündeten für klug (σώφρον) 269 , zumal sie dadurch eine syrakusische Hegemonie verhinderten. Sie selbst

Funktion eines Auslösers, durch die das im Wesen der A t h e n e r potentiell vorhandene έφίεσθαι. aktualisiert und konkretisiert wird. Das gleiche gilt auch für die Beschwerden von Spartas Verbündeten, die Sparta zum Handeln veranlaßten (vgl. S. 385f„ Anm. 8). 267 Bemerkenswert ist, daß Thukydides ein wahrscheinlich 418/7 zwischen Athen und Egesta geschlossenes Bündnis nicht erwähnt. Chambers 1990 identifiziert auf der Vertragsstele (IG 13 11) dank modernen technischen Methoden den dritt- und viertletzten Buchstaben des N a m e n des Archonten mit ι φ , so daß es sich wohl nicht um Habron (458/7 Archon) handelt, sondern mit großer Wahrscheinlichkeit um Antiphon (418/7 Archon). Zustimmend Muratore 1992, 48f. Kritisch dagegen Henry 1995, 239f., f ü r den „irrefutable evidence" f ü r j e d e der beiden Lösungen fehle. Thukydides kondensiert und fokussiert verschiedene Ereignisstränge auf einen entscheidenden M o m e n t (vgl. in Buch I die beiden Landtage in Sparta) und beschränkt die Motive auf das seines Erachtens Wesentliche. Für ihn erfolgt das athenische Eingreifen nicht in erster Linie aus Bündnistreue, sondern in der Absicht, die Insel zu unterwerfen. Daher ist das 418/7 geschlossen Bündnis zur Erklärung der Expedition irrelevant und zur Genüge 6,6,1 in ε ύ π ρ ε π ώ ς enthalten. 268 Welwei 1972, 301: „Die Intervention Athens im Westen wird ... bereits an dieser Stelle des Berichts über die Vorgeschichte der Sizilischen Expedition vor dem Hintergrund des athenisch-spartanischen Dualismus gesehen." Vgl. auch von Fritz 1967, 725ff. und Hunter 1973, 130 ff. Tsakmakis 1995a, 170f. meint aber: „Die Beflirchtungen der Egestaier beruhen weder auf Erfahrung noch auf realer Evidenz. Ein N a c h w e i s f ü r die Wahrscheinlichkeit der angeblichen G e f a h r d u n g Athens durch die Syrakuser wird nicht erbracht. Die Vermutung wird begründet durch die Bindung zwischen Syrakus und den Peloponnesiern (κατά τ ό ξ υ γ γ ε ν έ ς και ά μ α ά π ο ι κ ο ι ...); die A t h e n e r hatten allerdings kurz z u v o r ä h n l i c h e Überlegungen der Melier zurückgewiesen." 269 Der oft die (spartanische) Zurückhaltung (so etwa die Politik des A r c h i d a m o s 1,68,1; 79,2; 84,2) bezeichnende Ausdruck, wird hier wie 3,82,4 von den Egestern umgedeutet und für eine präventive Intervention gebraucht.

THUKYDIDES

488

gaben indessen an, über große finanzielle Ressourcen, um eine Expedition zu finanzieren, zu verfügen. Eine zur Prüfung der Angaben der Egester gesandte athenische Dele270

gation (6,3) kehrte im Sommer 415 zusammen mit einer egestischen Gesandtschaft aus Sizilien zurück. In der danach einberufenen Volksversammlung hörten die Athener, wie auktorial 8,2 gesagt wird: των τε Ε γ ε σ τ α ί ω ν και τ ω ν σ φ ε τ έ ρ ω ν π ρ έ σ β ε ω ν τ ά τ ε άλλα ε π α γ ω γ ά

και

ουκ

άληθή καΐ περί τ ω ν χ ρ η μ ά τ ω ν ώ ς ε ϊ η έ τ ο ί μ α , „von den Egestern und ihren Gesandten viel anderes Verlockendes, was nicht stimmte, und auch daß reichlich Geld vorhanden sei ..." 2?l

Daher beschlossen die Athener, 60 Schiffe unter der Führung dreier στρατηγοί αυτοκράτορες, nämlich Alkibiades, Nikias und Lamachos, nach

Sizilien zu entsenden. Vier Tage später (8,3) kam es zu einer zweiten Volksversammlung, in der über die Ausrüstung der Flotte und allfallige weitere Wünsche der Feldherren debattiert w e r d e n sollte (καθ' δτι χρή τ η ν παρασκευήν τ α ι ς ναυσί τ ά χ ι σ τ α γ ί γ ν ε σ θ α ι ) . Auktorial w e r d e n vor der ersten Rede N i k i a s '

Motive, der gegen seinen Willen zum Feldherrn gewählt worden ist ( ά κ ο ύ σ ι ο ς ή ρ η μ έ ν ο ς ά ρ χ ε ι ν ) , g e n a n n t . E r g l a u b t (8,4 ν ο μ ί μ ω ν ) , d i e V o l k s -

versammlung habe ihren Beschluß nicht auf Grund von kluger Beratung (ούκ όρθώς βεβουλεϋσθαι) gefallt, sondern aus d e m emotionalen, nichtrationalen Begehren, sich Siziliens zu bemächtigen ( τ η ς Σ ι κ ε λ ί α ς ά π ά σ η ς ... έ φ ί ε σ θ α ι ) - d e r A n l a ß ( π ρ ό φ α σ ι ς ) ist f u r ihn g e r i n g ( β ρ α χ ε ί α ) u n d n u r

dem Schein nach ehrenhaft (ευπρεπής), chiastisch dazu steht die Größe 5

(μεγάλου έργου) des Unterfangens.

272

D a h e r will er n a c h d e m bereits

270 Durch die Einschiebung der weiteren Ereignisse im Winter 416/15 wird die Zeit, welche die Gesandten für die Reise nach Sizilien und wieder zurück gebraucht haben, geschickt überbrückt. Übertrieben Hogan 1989, 165, der die Erwähnung der Kavallerie (6,7,3f.) als Hinweis an den Leser, daß diese wichtige Gattung in Sizilien fehle, auffaßt. 271 Vgl. Thuk. 5,85 (δπως δή μή ξυνεχεΐ ρήσει οί πολλοί ε π α γ ω γ ά και ανέλεγκτα έ ς άπαξ άκοΰσαντες ήμών άπατηθώσι). Tsakmakis 1995a, 171: „Den λόγοι der Egestaier werden hier die beiden negativen Eigenschaften der Gorgianischen λόγοι zugeschrieben: ε π α γ ω γ ά και ούκ άληθή. Die Athener werden gerade aufgrund dieser λόγοι überzeugt, einen neuen Krieg zu eröffnen." Ebenso Kallet 2001, 27: „Thus Thucydides immediately encourages the reader to question the truth of the Egestans' claims and continues the theme introduced in the Melian Dialogue: the visible versus the invisible." 272 Seine Überlegungen decken sich mit den auktorialen 6,6,1. So werden πρόφασις, έφίεσθαι und ευπρεπής und die Größe des Unterfangens 6,8,4 wiederholt.

Die Reden in den Büchern 6 und 7

489

gefällten Beschluß nachträglich eine Debatte über die Zweckmäßigkeit der 273 Expedition fuhren. Das Ziel seiner Rede ist apotreptisch (άποτρεψαι).

3.3.1.2. Die Reden-Trias vor der Sizilienexpedition und die Ausfahrt (6,9-32,2) а. Die erste Rede des Nikias (6,9-14): б,9: Im Proömium seiner apotreptischen Rede beginnt Nikias sachlich mit der verkürzten Erwähnung des bereits 8,3 genannten offiziellen Themas r

274

der Tagesordnung (καθ1 ötl χρή ε ς την Σικελίαν πλείν). Davon wendet er sich ostentativ ab und seinem persönlichen Anliegen (ή μεν εκκλησία ** έμοί μέντοι δοκεΐ) zu, wobei er in Übereinstimmung mit der Aussage 8,4 einerseits die nochmalige Prüfung (σκεψασθαι ei αμεινον) des Gegenstands fordert, andererseits die 275 „zu kurze Beratung gemessen an der Wichtigkeit des Gegenstandes." und das fremden Leuten entgegenge273 Von Fritz 1967, 727: „Gerade daß die Reden in einer Situation gehalten werden, in welcher eine Umkehr auf dem bereits eingeschlagenen Wege zu erreichen, bereits so gut wie aussichtslos ist, gibt dem Geschehen Tiefe und Hintergrund." Tsakmakis 1995a, 174: „Die Darstellung der Entscheidung der Athener für die sizilische Expedition ist ein Lehrstück über die Notwendigkeit historischen Wissens für das T r e f f e n richtiger politischer Entscheidungen." Wenig überzeugend ist Cornford 1907, 201 f., A n m . 2, der in dem in der Rhetorik gebrauchten t.t. άττοτρέψαι. eine religiöse Assoziation zu erkennen vermeint: Wie Artabanos Hdt. 7,17 versuche Nikias, das Schicksal aufzuhalten: „The word is still reminiscent of a belief that Ruin is an evil spirit to be charmed away by rites of magical 'aversion'." 274 Vattuone 1978, 47: „Tale opposizione prende f o r m a in un contesto fortemente topicizzato: Γ ά π ο τ ρ ο π ή e presentata infatti in formula d'interrogazione attraverso il criterio dell' α μ ε ι , ν ο ν / σ υ μ φ έ ρ ο ν ... e lo screditamento della parte proponente (άνδράσι,ν άλλοφύλοίς); per di piü, alia prima f o r m u l a probuleumatica di 6,8,3 viene tolto il τ ά χ ι σ τ α in 6,9,1, a cui si contrappone, implicito, il sintagma μή οϋτω β ρ α χ ε ί α βουλή ..." Für ihn ist „il concetto di fretta" (S. 49) ein Leitmotiv von Nikias' Argumentation und vordergründiger Anlaß, weshalb er sich gegen das Vorhaben, das er anscheinend in der ersten V o l k s v e r s a m m l u n g nicht b e k ä m p f t hatte, wendet. Zu beachten ist, daß Nikias nach der f o r m e l h a f t e n W e n d u n g et α μ ε ι ν ο ν nicht die objektive Prüfung von Pro und Contra folgen läßt, sondern daß er „das zweite Glied seiner deliberativen Frage überspringt und mit και ... μή ... αρασθαι. sofort das fertige Ergebnis seiner eigenen Prüfung vorlegt" (Kohl 1977, 6). Vgl. auch Barth 1965,60. 275 Kohl 1977, 7. S. 6: „Bemerkenswert ist die schlagwortartige Komprimierung aneinandergereihter Sinnabschnitte, gegen Satzende hin an U m f a n g z u n e h m e n d , überdies durch nahezu regelmäßige Alliteration scharf gegeneinander abgegrenzt,

490

THUK.YDIDES

brachte Vertrauen bemängelt, βραχεία βουλή (β - β, 5 Silben) - περί μεγάλων πραγμάτων (π - π, 8 Silben) - άνδράσιν άλλοφύλοις πειθομένους (α - α - φ - π, 11 Silben) - π ό λ ε μ ο ν ού προσήκοντα αρασθαι (π - π - α, 11 Silben) mit Alliteration, Homoioprophoron und Wortantithese (βραχεία - μεγάλων). Der Gegensatz zu 8,4 besteht nicht mehr zwischen dem großen Unternehmen und dem geringen Vorwand, sondern zwischen dem Unternehmen und der zu kurzen Beratungszeit, προφάσει βραχεία και εύπρεπεΐ wird durch άνδράσιν άλλοφύλοις πειθομένους konkretisiert und negativ gefärbt. Der Ausdruck αλλόφυλος bezeichnet üblicherweise nicht-stammverwandte Griechen (vgl. 1,2,4; 102,3; 4,64,4 und 92,3), während die Egester Nichtgriechen sind (6,2,3); auf die ebenfalls anwesenden Leontiner (vgl. 19,1) geht er nicht ein. Nikias nennt sie vorsichtig, fast euphemistisch, Fremde und nicht Barbaren, weil er das Wohlwollen der Zuhörer nicht durch den Vorwurf, sie vertrauten Barbaren, von vornherein im Proömium verlieren will. Ein Krieg in Sizilien ist nicht opportun (προσήκων). 276 Während er im ersten Satz das Publikum auf sein Anliegen aufmerksam gemacht (attentum parare) hat, dient der zweite als captatio benevolentiae, in der Nikias durch eine ήθική πι στις a persona spricht und 277

gleichzeitig in einer anticipatio (προκατάληψης) möglichen Kritikpunkten der Zuhörer, die private Interessen (ούσία) und Angst um sein Leben vermuten könnten, zuvorkommt. Den ersten Punkt versucht er durch das 278 Paradoxon, daß er persönlich durch einen solchen Krieg Ehre erwerben zusammengehalten lediglich durch die weite Sperrung von Negation und Infinitiv an Satzanfang und -ende." Vgl. Archidamos 1,85,1: μηδέ έ π ε ί χ θ έ ν τ ε ς έν βραχεί μορίω ημέρας περί πολλών σωμάτων και χρημάτων καΐ πόλεων καΐ δόξης βουλεΰσωμεν, „nicht unter Zeitdruck in ein paar Stunden eines Tages über viele Menschenleben und Besitztümer, Städte und guten Namen entscheiden." Avezzü Tenuta 1977, 62f. weist auf die paradoxe Spannung zwischen der Verneinung und dem medialen Verb άρασθαί hin: „II soggetto 'si' sceglie una soluzione negativa (in questo caso la 'guerra'), ovvero viene delineata la possibilitä di una soluzione di questo genere (in effetti questa possibilitä paradossale viene scartata con il μη, con un conseguente invito alia doxa." 276 Ähnlich 4,95,2 Hippokrates' Paränese: έν τη άλλοτρία ού προσήκον τοσόυδε κίνδυνον άναρρίπτοΰμεν, Iglesias Zoido 1995, 70f.: „Nicias, intentando evitar la guerra, fundamenta su argumentaciön en que, ni hay que hacer caso de la quejas de un pueblo que no tiene una estrecha relaciön con Atenas, ni la intencion de ampliar el imperio es conveniente para la ciudad. Esto ya es evidente en el proemio del discurso, que introduce de manera esquemätica los dos motivos ... que, de hecho, conforman las dos ideas bäsicas sobre las que se estructura la demostracion (6,9,1)." 277 Terminus nach RhAl. 1432 bl Iff., vgl. Lausberg 1990, 425 (§ 855). 278 Das Verb τι,μασθαι., „le sentiment de l'honneur joue un grand röle dans la vie du personnage" (Huart 1968, 394), vgl. 2,44,4 und 63,1. Vattuone 1978, 52: „Si gioca

Die Reden in den Büchern 6 und 7

491

k ö n n t e , z u w i d e r l e g e n . Z w a r r e l a t i v i e r t ( ή σ σ ο ν έ τ ε ρ ω ν ) er d i e F u r c h t u m 279

sein L e b e n ( σ ώ μ α ) ,

r ä u m t a b e r in e i n e r G n o m e e i n , d a ß V o r s i c h t ( π ρ ο -

ν ο ή τ α ι ) in B e z u g a u f L e b e n ( σ ώ μ α ) u n d H a b e ( ο ύ σ ί α ) i m p r i v a t e n B e r e i c h grundsätzlich eine Qualität des α γ α θ ό ς π ο λ ί τ η ς , mit d e m er sich identifiziert, ist u n280 d die, quasi a m i n o r e auf die Politik übertragen, der Polis von N u t z e n ist.

D u r c h d e n k u r z e n H i n w e i s a u f sein s c h o n f r ü h e r e r w o r b e n e s

Sozialprestige, auf das er nur kurz anspielt, u m beim Publikum möglichst w e n i g A n s t o ß u n d N e i d z u e r r e g e n , w i l l e r s e i n e G l a u b w ü r d i g k e i t als kohärenter und selbstloser Sprecher, der nicht auf seine persönliche τ ι μ ή a c h t e t , s o n d e r n s i c h i m m e r d a r u m b e m ü h t , d a s f ü r d i e π ό λ ι ς B e s t e zu s a g e n , u n t e r m a u e r n . 281 sul campo semantico di τιμή che convoglia sul personaggio una 'caratterizzazione conservatrice' rispetto ai valori tradizionali, ribadita dal verbo προνοήται ..." Kohl 1977, 9: „Will er gegen etwas Stellung nehmen, dann wird er aufzeigen, was er sich dadurch alles entgehen läßt." εκ τοϋ τοιούτου bezieht sich auf den πόλεμον ου προσήκοντα und nicht allgemein auf den Krieg (vgl. Kohl 1977, 10). 279 Tsakmakis 1995a, 178: „Obwohl Nikias die persönliche Angst ... als Beweggrund für seine Haltung mit Nachdruck leugnet (9,2), ist er der einzige thukydideische Redner, der in einer Demegorie Angst überhaupt offen eingesteht und sie zur Grundlage einer politischen Forderung erhebt." όρρωδέω bezeichnet nach Drobig 1958, 392f. „Furcht, die um die Erhaltung der beim Betroffenen bestehenden Werte kreist", es ist „inaktive Verhaltenheit, Zurückweichen vor einer als wahrscheinlich erwogenen Gefahr." Die Gleichsetzung von Reichtum und Feigheit ist topisch (Kohl 1977, 12, Anm. 3). Barth 1965, 63 glaubt, Nikias weise mit der Erwähnung der Furcht um sein σώμα auf seine militärischen Erfolge hin. 280 μάλιστα γάρ αν ό τοιούτος και τά τ η ς πόλεως δι' εαυτόν βοΰλοιτο όρθοΰσθαι. Vgl. Diodotos 3,42,5. Damit antizipiert er die Anklage gegen Alkibiades 6,12,2 τό έαυτοϋ μόνον σκοπεΐν. Kohl 1977, 10 f. „Das Verhältnis des Einzelnen zur Gemeinschaft wird dabei - ganz im Einklang mit älterer griechischer Verhaltensweise, wo ,der Sinn für die Idee der politischen Gemeinschaft graduell zurückgeblieben (zu sein scheint) hinter der Ethik der persönlichen Bindungen'weniger von einem abstrakten Sittengesetz als von zweckmäßigem Denken bestimmt." Vattuone 1978, 53: „L'anziano stratego ... costruisce per se, con tratti progredienti, l'immagine di uomo della pace, di αγαθός πολίτης nel senso della tradizionale immagine del 'buon cittadino' che prevede la situazione politica e la controlla. πρόνοια e valore pericleo per eccellenza e su di esso ... si costruisce la γνώμη fondamentale di questo primo discorso." Anders als Perikles (2,40,2; 42,3; 60,5 und 65,7), dessen πρόνοια ausschließlich auf die Polis bezogen war, läßt er durchaus 'ίδια κέρδη zu, Kallet 2001, 32: „Such considerations and values, earlier seen as belonging to the collective, have been transferred now to the individual. ... Nikias inverts the 'Periklean' definition of the good citizen, in which the polis will flourish only by being placed first, with individuals benefiting only by accepting its primacy." 281 διά τό προτιμασθαι ist nicht final, sondern kausal (Kohl 1977, 14, Anm. 1).

THUK.YDIDES

492

Das Proömium (9,3) endet mit der „Erörterung der Erfolgsaussichten 282

der Rede" und der Nennung des Redeziels. In einer Art concessio schließt er mit Rücksicht auf den athenischen Charakter (τρόποι) eine theoretische Erörterung über die imperialistische Politik an, für deren Paradigmenwechsel er in einer kurzen Praeteritio, die ihn dem Wesen nach als , Spartaner' charakterisiert, eintritt: τά τε ύπάρχοντα σώζε ι ν ... και μή τοις έτοίμοις περί των άφανών και μελλόντων κινδυνεύειν („das Bestehende zu bewahren und das283 Vorhandene nicht fur Ungewisses und Künftiges aufs Spiel zu setzen"). Im Gegensatz etwa zu Diodotos (3,42^18) wagt er es indessen nicht, direkt das Problem, das auf der Ebene der Natur des Menschen liegt, anzusprechen, sondern begnügt sich damit, zwei konkrete negative Aspekte, die mit dem Unternehmen verbunden sind, zu beleuchten: das Begehren der Athener berücksichtigt weder „die Inopportunität des Zeitpunkts" (εν καιρώ) noch „die Unmöglichkeit, das, was es < 284 einmal erobern wird, auch dauerhaft festzuhalten" (ράδια). Damit gibt er die Struktur der weiteren Argumentation vor und leitet am Ende des Proömiums geschickt zur Prothesis über. Im Proömium versucht Nikias das Publikum, das mehrheitlich fur die Expedition gestimmt hat und eine Rede über das Thema der Tagesordnung erwartet, von der Bedeutung seines Anliegens zu überzeugen (attentum parare) und durch ein argumentum a persona dessen Gunst zu gewinnen (benevolum parare). Die vielen Antithesen, konzessiven und adversativen Partikeln zeigen aber, daß Nikias als Sprecher übervorsichtig ist, was ein Zeichen seiner mangelnden Fähigkeit zu kommunizieren ist. Er wagt es nicht, die auf der Ebene der τρόποι liegende allgemeine Problematik des Imperialismus anzusprechen, sondern beschränkt sich auf eine spezifische, für die deliberative Situation typische, Argumentation (utilitas, tempus). 282 Kohl 1977, 14. 283 Vgl. den V o r w u r f der Korinther an σ ω ζ ε ι ν κτλ. (vgl. A r c h i d a m o s p e r i k l e i s c h ( 1 , 1 4 4 , 1 und 2 , 6 5 , 7 ) , w a r n e n die A t h e n e r in M e l o s 5,87, den ά φ α ν ώ ν και μ ε λ λ ό ν τ ω ν .

die Spartaner 1,70,2: ύ μ ε ΐ ς δέ τ ά ύ π ά ρ χ ο ν τ α l , 8 4 f . ; 2 , 1 1 , 5 ) . D i e s e r W e s e n s z u g ist n i c h t w i e W i m m e r 1973, 21 l f . m e i n t . H i n g e g e n 111,2 und 113 und bereits D i o d o t o s 3,45,5 vor

284 R e n g a k o s 1984, 104. V a t t u o n e 1978, 5 3 : „ F a t t o a n c o r a piü s i g n i f i c a t i v o e il r i c h i a m o in sede c o n c l u s i v a del leitmotiv della ' f r e t t a ' con cui si sta allestendo la spedizione (ούτε ev καιρώ σ π ε ύ δ ε τ ε ) . " Kohl 1977, 17 vergleicht dies mit einer praeteritio (vgl. H e r m o k r a t e s 4,59,2, w o die praeteritio mit der a f f e k t i v b e g r ü n deten m a n g e l n d e n A u f n a h m e f ä h i g k e i t der Hörer begründet wird). Er betont S. 18, d a ß N i k i a s mit den V e r b e n σ π ε υ δ ε ι ν und ό ρ μ ά σ θ α ι indirekt doch a u f die τ ρ ό π ο ι der A t h e n e r zu s p r e c h e n k o m m t . A b e r m a n m u ß b e a c h t e n , d a ß N i k i a s nicht d a s σ π ε υ δ ε ι ν und όρμάσθαι generell in Frage stellt, sondern nur in d i e s e m Einzelfall.

Die Reden in den Büchern 6 und 7

493

Aufschlußreich ist die äußere Form von 6,9: Ή μέν εκκλησία

εμοί μέντοι δοκεΐ

και σκέψασθαι, εί και μή ... άρασθαι

καίτοι έ γ ω γ ε καΐ τ ι μ ώ μ α ι καΐ ήσσον έ τ ε ρ ω ν όρρωδώ ο ς αν

νομίμων ομοίως αγαθόν πολίτην,

και και ( μ ά λ ι σ τ α γ α ρ αν)

δ μ ω ς δε

οΰτε έ ν τ ώ πρότερον εΐττον οΰτε νϋν

και ... μέν άσθενής άν ό λόγος ε'ίη,

ε κ ε ί ) u n d f o l g e n d e m A r g u m e n t a t i o n s b e g i n n (και

τά

ένθάδε) und der weitgehend parallele A u f b a u der Sätze der Aussage Kohär e n z u n d E m p h a s e v e r l e i h e n . D a r a u f leitet er ü b e r z u r L a g e in G r i e c h e n l a n d ( έ ν θ ά δ ε ) , d i e , w i e e r in e i n e r H i n w e n d u n g z u m P u b l i k u m a u s f ü h r t , kein

Hindernis

für

die

Expedition

darstellt, w o b e i

ήν ύ μ ε ι ς όρθώς

β ο υ λ ε ύ η σ θ ε N i k i a s ' ει σ ω φ ρ ο ν ο ϋ μ ε ν ( 1 1 , 7 ) e n t s p r i c h t u n d a u f d i e E b e n e d e r ε υ β ο υ λ ί α h i n w e i s t . N i k i a s ' B e f ü r c h t u n g , A t h e n k ö n n t e in e i n e n Z w e i f r o n t e n k r i e g 3 4 7 g e r a t e n , v e r s u c h t e r in e i n e r s u b j e k t i v e n h i s t o r i s c h e n A n a l e p s e d u r c h d e n H i n w e i s a u f d i e e r e r b t e P o l i t i k u n d d i e F l o t t e n s t ä r k e zu zerstreuen: „Alkibiades vereinigt nun Flottenüberlegenheit und Arche-Gewinnung der Väter mit der Antwort auf Nikias' Zwei-Fronten-Krieg-Vorwurf in einem Satz." 348 D i e V ä t e r , d i e ihr R e i c h i m K a m p f e g e g e n d i e ( v o n N i k i a s a u f g e z ä h l t e n ) Feinde und dazu noch die Perser dank der Flottenstärke erworben haben, d i e n e n als a r g u m e n t u m a m a i o r e . 3 4 9 In e i n e r h ö c h s t s e l e k t i v e n u n d s u b j e k -

347 Z.B. 6,10 und 6,11,4. 17,7 πολεμίους ύ π ο λ ε ί π ο ν τ α ς nimmt 10,1 π ο λ ε μ ί ο υ ς πολλούς ... ύπολιπόντας wieder auf. 348 Kohl 1977, 121. Vattuone 1978, 134f.: „La connessione operata da Alcibiade fra i temi 'Sicilia/Peloponneso' si esplica in un π α ρ ά δ ε ι γ μ α che ha la funzione di avvalorare le 'prove' precedenti ... II richiamo al passato e un fatto topico per questo tipo di π ί σ τ ε ι ς ; Alcibiade polemizza apertamente con Vincipit dell'dπoτρoπή niciana ... e si ricollega con analoghe formulazione periclee, in particolare con 1,144,4." 349 Er bezieht sich (wie 18,6) nicht auf die Perserkriege, wie Tzifopoulos 1995, 99 meint, sondern auf die Zeit der Pentekontaetie. Der Satz 17,7 nimmt wörtlich Nikias 6,10,1 οϋσπερ vüv φασί πολεμίους ύπολείποντας άυ ύμας πλειν κτλ. wieder auf und antwortet auf den Einwand 10,4ei δίχα ήμών την δύναμιν κτλ. Seine Interpretation der Pentekontaetie ist sehr subjektiv und historisch selektiv, ja sogar verzerrt, da sie Prämisse des argumentum a maiore ist. Anders als Nikias 6,10 geht er nicht auf die Unruheherde in Griechenland ein und „verharmlost... die wirkliche Lage in Sizilien und im griechischen Mutterland und stellt sie in ein für die Athener günstiges Licht" (Wimmer 1973, 211). Ellis 1979, 47 zu 6,17,7: „This is simply untrue. The Persian invasion itself had been repulsed by the Hellenic allies, not by Athens with the Peloponnesians inimical. The latter had then remained allies when Athens began building the empire at Persian expense (1,89-102, esp. 95). When enmity with Sparta had developed and the Egyptian expedition was undertaken, the Peloponnesians, far from being overawed by this seemingly un-

516

THUK.YDIDES

tiven Analyse der gegenwärtigen Lage geht er im Gegensatz zu Nikias nur auf Sparta ein, das keine Hoffnung mehr (ανέλπιστοι) habe, den Krieg zu gewinnen. Als Landmacht kann es (wie bereits im Archidamischen Krieg) auch ohne die Sizilische Expedition bloß ins Land einfallen, ohne aber dadurch der Flotte schaden zu können, zumal zum Schutz Athens eine zweite ebenbürtige vorhanden ist. 6,18: Das Thema des Bündnisses mit den sizilischen Bündnispartnern leitet er mit einer doppelten rhetorischen Frage ein und fuhrt es nach den τελικά κεφάλαια von δίκαιον und ξυμφέρον (als π ί σ τ ε ι ς ) aus. 350 Mit welchem Argument (εικός) können sie sich rechtfertigen, wo sie erstens durch den Bündnisvertrag (ξυνωμόσαμεν) gebunden (χρεών) sind, zweitens Interesse daran haben müssen, daß die sizilischen Verbündeten (präventiv) ein mögliches Eingreifen von Syrakus in Griechenland verhindern, ihnen also in dieser Hinsicht nützlich sind? Mit μή άντιτιθέναι widerspricht er Nikias, der 6,13,2 behauptet hatte, ώφελίας δ' αυτοί δ ε η θ έ ν τ ε ς οϋ τευξόμεθα. 351 Alkibiades will seine Politik zur Gewinnung eines Reiches als allgemeingültige und von Athen in der Vergangenheit angewandte Praxis darstellen. Durch bereitwillige (προθΰμως) Unterstützung von Griechen und Barbaren haben sie ihr Reich vergrößern können. Befolgten sie aber die von Nikias vorgeschlagene Politik der Ruhe (ήσυχάζοιεν), könnte bald 352 ihre Existenz bedroht sein (κινδυνεύοιμεν). Er fordert eine präventive

bounded optimism, fought several engagements against Athens, some successfully (1,102-108). All other involvements with Persia, or with Persian-backed revolts, were executed while Athens was the ally of, or at least at peace with Sparta ." 350 Kohl 1977, 123f.: „Der erste Satz hat ausschließlich Bindegliedfunktion. ... Von seinen beiden parallelen Hälften (Fragepronomen am Satzanfang und finite Verben am Satzende in direkter Entsprechung, partizipiale Ausdrücke in der Mitte in chiastischer Anordnung) schließt die erste die in den §§ 7 und 8 dargelegten Argumente ab, während die zweite Hälfte das Stichwort für Alkibiades' im folgenden gegebene Definition des sizilischen Symmachie-Begriffes liefert." Dies entspricht den Empfehlungen in der RhAl. 1425a 9ff. für die π ρ ο τ ρ ο π ή , wobei die Frage des Bündnisses zuerst im Lichte des δ ί κ α ι ο ν und dann - gewichtiger - der ώ φ ε λ ί α betrachtet wird (vgl. Iglesias Zoido 1995, 71). 351 Vattuone 1978, 137: „11 comportamento dei Segestani e dei Leontinesi non gli interessa in quanto ciö che conta e che spiega l'utilitä degli accordi e il ruolo che questi possono avere in Sicilia in funzione antisiracusana." 352 Zur π ρ ο θ υ μ ί α als wichtiger geistiger Fähigkeit der Athener vgl. 1,74,1 f.; 75,1; 92,1; 2,36,4. In kontradiktorischem Gegensatz zu Nikias sieht Alkibiades die quietistische Politik des a) ή σ υ χ ά ζ ε ι ν (=τά υ π ά ρ χ ο ν τ α σ ω £ ε ι ν ) und b) φ υ λ ο κ ρ ι ν ε ΐ ν

Die Reden in den Büchern 6 und 7

517

Strategie (προκαταλαμβάνειν), durch die allein seiner Meinung nach das Reich gesichert werden kann. Er kehrt dabei Nikias' Bedenken 10,1 bezüglich der von Syrakus ausgehenden Gefahr ins Gegenteil, was der rheto353

rischen Figur der Retorsion' entspricht. In einer Steigerung entwickelt er die „Theorie des maßlosen Imperialismus", 354 gemäß der Athen die Größe seines Rivalen als Gefahr (κινδυνεΰειν) für das Reich an. Argumentationsschema nach Kohl 1977, 128: την ... αρχήν ... εκτησάμεθα (a) παραγι,γνόμενοι. προθύμως (b) ήσυχάζοιεν ... ή φυλοκρινοΐεν βραχύ άν t l προσ κτώμενοι

|

κίνδυνεύοίμεν

(b') ούκ ε σ τ ί ν ... ταμιεύεσθαι ... άλλ'

|

δια τό άρχηθήναι κίνδυνον είναι

(a') ανάγκη έπίβουλεΰειν. S. 129f.: „Zweimal werden die zwei gegensätzlichen außenpolitischen Verhaltensweisen in chiastischer Anordnung mit ihren jeweiligen Folgen dargestellt, in § 3 die Politik des ήσυχά£ει.ν zum ersten Mal mit dem Volkscharakter in direkte Beziehung gesetzt. Bei der ersten Gegenüberstellung geht es um das Anfangsstadium der Arche (έκτησάμεθα, προσκτώμενοι.). Der den Gedanken weiterfuhrende Ausdruck ist das zunächst unbestimmte κίνδυνεΰοι,μεν, spezifiziert durch die folgende Gnome mit der Quintessenz: eigene Nicht-Aktivität bewirkt Gegenaktivität. Bei der zweiten Gegenüberstellung geht es um ein weiter fortgeschrittenes Stadium der A r c h e : ihre S i c h e r u n g . D e m ή σ υ χ ά £ ε ι . ν / φ υ λ ο κ ρ ι , ν ε ί ν entspricht jetzt τ α μ ι ε ΰ ε σ θ α ί . " Macleod 1975, 57: „Thus έπίβουλεΰειν becomes not, as for Cleon, what Athens' allies doe, but what she herself must do." 353 Vgl. dazu Lausberg 1990, 940, § 1246 und Macleod 1975, 55. Welwei 1972, 299: „Die Argumentation des Alkibiades beruht... auf der These, daß ein neuer Machtkampf der beiden hellenischen Hegemonialstaaten zu erwarten sei und in diesem Fall eine Kräfteverschiebung zugunsten Spartas eintreten werde, wenn es Athen nicht gelingen sollte, die Vereinigung seiner Feinde auf Sizilien und im griechischen Mutterland zu vereiteln." 354 Rengakos 1984, 107. Ebenso Gundert 1940, 131: „Noch klarer als im Melierdialog (5,99) zeigt sich darin die Verabsolutierung des Machtwillens." Jung 1991, 130: „Eine einmal errungene α ρ χ ή entwickelt eine Eigendynamik, so daß es an einem bestimmten Punkt der Machtakkumulation ohne Selbstgefährdung kein Zurück mehr gibt." Mader 1993a, 187: „With α ν ά γ κ η as its mainspring the process becomes a kinetic spiral, a psychological moto perpetuo that necessarily negates the restraint and equilibrium that characterized the Periclean view of empire." Ebenso Cogan 1981, 99 und Forde 1989, 92. Grossmann 1950, 96 faßt ταμιεύεσθαι als Pendant zur konservativen ά κ ρ ί β ε ι α auf, der Sparsamkeit als aristokratischem Ideal (Theogn. 931 f.), gegen das sich Alkibiades stellt. Kallet 2001,40 weist auf den Gebrauch des Verbs τ α μ ι ε ύ ε σ θ α ι hin: „It is reasonable to suggest that this financial metaphor carries an implicit idea of financial gain from the extension of

THUKYDIDES

518

seiner α ρ χ ή nicht begrenzen kann (ταμιεύεσθαι), Herrschaft folgenden Zwang

(άνάγκη)

s o n d e r n d e m aus der

gehorchen muß:

„apxeivoder

ά ρ χ ε σ θ α ι h e i ß t d i e A l t e r n a t i v e , e i n e n u n v e r ä n d e r l i c h e n s t a t u s q u o g i b t es 355

nicht."

Die Paragraphen

18,2 u n d

3 drücken

in c h i a s t i s c h e r

Form

d i e s e l b e I d e e a u s : 18,2 E x p a n s i v e P o l i t i k - τ ό ή σ υ χ ο ν - G n o m e / 18,3 τ ό ήσυχον - expansive Politik - G n o m e . D e r E p i l o g ( 1 8 , 4 - 7 ) b e g i n n t m i t d e r r e c a p i t u l a t i o , in d e r er als w e i t e r e Ziele seines Planes: „(1) (aktive) Sicherung der A r c h e ; (2) Demoralisier u n g S p a r t a s ...; (3) H e r r s c h a f t ü b e r g a n z G r i e c h e n l a n d , " 3 5 6 a b e r als M i n i malziel die S c h ä d i g u n g von Syrakus und die Unterstützung der V e r b ü n d e t e n a n g i b t , u n d h a t p r o t r e p t i s c h e F u n k t i o n , w e s h a l b bei i h m i m G e g e n s a t z zu N i k i a s alle n e g a t i v e n H y p o t h e s e n e i n e r N i e d e r l a g e f e h l e n , z u m a l s e i n e r M e i n u n g n a c h die Flotte auch für den Fall, daß die Expedition keinen E r f o l g h a b e n sollte, G e w ä h r f ü r e i n e n s i c h e r e n R ü c k z u g bietet: „Kein Zufall wird es auch sein, daß Nutzen und Sicherheit (Gefahrlosigkeit), zwei der wichtigsten Argumente eines Redners, der für etwas (zumal für Krieg) spricht, hier direkt nebeneinander stehen (ώφελησόμεθα, τό δέ ασφαλές)." 337 In d e n l e t z t e n b e i d e n S ä t z e n d e r p e r o r a t i o w e n d e t s i c h A l k i b i a d e s direkt ans Publikum. Er lehnt den von Nikias h e r a u f b e s c h w o r e n e n Generationenk o n f l i k t ( δ ι ά σ τ α σ ι ς ) a b u n d b e s c h w ö r t in k r a s s e m G e g e n s a t z zu d e n v o n i h m b e s c h r i e b e n e n V e r h ä l t n i s s e n in S i z i l i e n - z u g l e i c h als V e r f e c h t e r d e r

empire" und λογί£εσθαί ^the link between 'calculation' and 'expansion' inherent in the vocabulary used, and the resonance of arche in the vocabulary of expansion, connect the idea of material, financial gain with (the extension of) empire." 355 Kohl 1977, 131. 356 Kohl 1977, 132. Zur Metapher Πελοποννησίων τε στορέσωμεν τό φρόνημα, der das Bild der Beruhigung des Meeres zugrunde liegt (z.B. Od. 3,158 στορεσαι πόντον), vgl. Classen-Steup vi, 47 und Smith 1900, 75. Abwegig ist die Vermutung von Vickers 1999, 272, der ein Wortspiel im Sinne von Alkibiades' Lispeln (λαμβδαιασμός, vgl. S. 481, Anm. 255) sehen will: Π ε λ ο π ο ν ν η σ ί ω ν τε στολέσωμεν τό πλΰνημα (,laßt uns den Peloponnesiern ein Bad richten'). 357 Kohl 1977, 133. Ibid.: „Entsprechend wird im folgenden Satz eine Begründung nur für das μένειν gegeben, das άπελθειν dagegen wird lediglich konkretisiert. Bereits im Satz zuvor war nur bei αρξομεν die Voraussetzung genannt worden (των έκεΐ προσγενομένων), nicht bei κακώσομεν: hier sind es die Folgen, die fur das Aufzeigen eines - doppelten (και ... καί) Nutzens gebraucht werden." Analog zu Nikias beginnt er in der peroratio mit dem Aufruf zur Expedition, dann folgt die refutatio des Stasis-Argumentes. Während Nikias vor allem Präsensformen gebraucht, verwendet Alkibiades Futurformen, Vattuone 1978, 147: „L'antitesi niciana επιθυμία/πρόνοια ha come correlate il presente della riflessione ed il futuro del desiderio e del progetto; Alcibiade di qui a poco trasformerä la coppia επιθυμία / πρόνοια nell'ideologia politica del rapporto fra άπραγμοσύνη e πολυπραγμοσύνη."

Die Reden in den Büchern 6 und 7

519

traditionsgemäß aktiven Außenpolitik, wodurch das Paradox zustande kommt, daß der konservative Nikias als Neuerer erscheint - die innenpolitische Einigkeit aller Altersgruppen, durch die allein die Polis Erfolg haben 358

kann. Als Vergleich verwendet er das aus der Medizin entnommene Modell der κρασί ς verschiedener Altersstufen, von deren Addierung die Stadt profitiert. 359 Dabei betont er in einer gnomischen Antithese, daß die 358 Wassermann 1976, 120f.: „He sees the foundations of Athenian power and greatness in the cooperation of the presbyteroi... and the neöteroi... The representative of the active and restless younger generation tries to beat the older conservative with a catchword expressing their won roots in tradition." Grossmann 1950, 47, Anm. 59: „Indem Alkibiades hier den Imperialismus als alte athenische Tradition darstellt, gibt er der unkonservativen Politik mit sophistischer Verdrehung einen nikianisch-konservativen Anstrich." Ebenso Williams 1998, 214. Ähnlich Perikles 1,144,4: πατέρες ... ε ς τάδε προήγαγον αύτά und 2,36,2 / 62,3 (των πάτερων μή χείρους ... φανήναι.); Rengakos 1984, 107f.: „Während Perikles sich dieses Beispiels bedient, um die Athener zum Widerstand zu bewegen ..., benutzt es Alkibiades, um seine Forderungen nach unbegrenzter Expansion als der Tradition entsprechend hinzustellen." Auch in dieser Argumentation geht er aufsteigend vom Speziellen zum Allgemeinen (Vattuone 1978, 147). Durch das Hapax δ ι ά σ τ α σ ι ς wird Nikias indirekt beschuldigt, bei seinem Versuch, die Bürgerschaft nach Altersklassen zu scheiden, eine Stasis zu verursachen (vgl. Perikles' Warnung 2,64,1 μήτε ύπό των τοιώνδε πολιτών παράγεσθε κτλ.), und als Gegner der Eintracht (ομόνοια) und Tradition (6,13,2 μή ... ώσπερ είώθαμεν) abgestempelt. Rengakos 1984, 111: „Die Politik der Expansion ist also in Alkibiades' Augen ... auch ... Mittel der Vermeidung möglicher innenpolitischer Konflikte." Menu 1994,140: „Alcibiade enferme definitivement Nicias dans le paradoxe : Nicias se reclame de la vieillesse, la vieillesse se reclame de la tradition ; or Nicias, avec l'assentiment des presbuteroi, recourt au fleau du modernisme contemporain : le conflit politique des classes d'äge ; il contribue ainsi ä saper l'unite de la cite et ä ruiner la survie de l'empire. Alcibiade se reclame de la jeunesse, la jeunesse se reclame de la νεωτεροποιία; or Alcibiade, fort de l'appui des neöteroi, recourt au principe de la tradition (τω είωθότι. κόσμω) : la collaboration politique entre les classes d'äge ; il contribue ainsi ä preserver la cohesion de la cite et ä conduire l'empire sur la voie du progres." Das Gefühl der Einheit wird durch den parataktischen Stil gefordert, Tompkins 1972, 212: „The use of καί permits Alcibiades to revise and elaborate on Nicias' simple antithesis of youth against age, and to show that the two groups must be mutually dependent." 359 Die Vorstellung der aus der Medizin (z.B. Alkmaion von Kroton (DK 24 B4); HP NatHom. 3 ff.) entnommenen κράσις-Theorie ist, „daß verschiedene Qualitäten für sich genommen keine besondere Wirkungskraft ausüben können, sondern erst in der Mischung mit anderen effektiv werden ..." (Rechenauer 1991, 298). Der Fortschritt zur bloßen Kpäaix-Theorie besteht darin, daß in der πόλι,ς „non plus seulement un equilibre entre ses elements, mais une etroite association de tous ceux qui la composent" (Romilly 1976, 96) herrscht. Dabei beziehen sich die drei Adjektive φαϋλον, μέσον und πάνυ άκριβές wohl eher auf die Altersstufen als

520

THUKYDIDES

Stadt bei lahmer Außenpolitik (ήσυχά£τι) sich selbst aufreibt, während durch eine dynamische Politik, die im Einklang mit der Tradition steht, militärische Übung und Kenntnis (επιστήμη, εμπειρία) gestärkt werden. 360 Im letzten Satz (18,7) faßt Alkibiades seine Erkenntnisse nochmals in gesteigerter Form gnomisch zusammen, wobei „die Antinomie der beiden politischen Konzeptionen genau der Antinomie zweier therapeutischer Konzeptionen, die wir bei den Medizinern greifen können", 361

auf politische Klassen (Macleod 1975, 59; Kohl 1977, 136ff.; Rechenauer 1991, 300f.; weniger überzeugend ist dagegen Nippel 1980, 48f., für den „das einfache Volk, eine ... Mittelschicht und eine schmale Oberschicht gemeint sind. Hier liegt vermutlich eine assoziative Verknüpfung der Forderung nach dem Zusammenwirken der Generationen mit der nach Kooperation von Schichten, die durch den Gang der Argumentation (die sich nur auf den Generationengegensatz bezieht) nicht unmittelbar begründet ist."), πάνυ άκριβές bezeichnet ,jene starre Art des Handelns nach bestehenden Normen" (Kurz 1970, 39) und ist eine Qualität des Alters (Aristot. Rhet. 1390al5): „For τό πάνυ ακριβές corresponds to Nicias' word, πρόνοια; therefore it is something good and should not be combined with t o φαϋλον which is simply bad. At the same time, τό πάνυ άκριβές could be an attempt to discredit Nicias' πρόνοια; it would then carry the unfavourable connotation of 'pedantry' and would genuinely supply an opposite extreme to τό φαϋλον" (Macleod 1975, 59). Als Handlungsmaxime ist sie nach Grossmann 1950, 82 das aristokratische Konzept der Reinlichkeit' und mit σωφροσύνη verwandt, (vgl. Ps.Xen. 1,5; Crane 1996, 64: „The akribeia of the elite is ... precise knowledge directed towards ta chresta, 'things that are good/ useful,' and as such allows the elite to be better citizens than the non-elite." Nach Jouanna 1980, 303 verbindet Alkibiades zwei medizinische Theorien: 1. Mischung verschiedener Elemente. 2. Diätetische Theorie, die den Wandel der Verhaltensformen als schädlich bezeichnet. Hingegen betont Fuä 1980, 406 die rhetorische Funktion: „Non si puö escludere un tentativo di Alcibiade di accattivarsi le simpatie degli anziani in vista del voto finale, ma e probabile che la superioritä mentale dell'anziano sia divenuta un luogo comune, cui non si sottraggono i giovani." 360 Ähnlich betont Perikles l,142,5ff„ daß nur durch ständige Übung (μελέτη) die Überlegenheit der Flottentechnik bewahrt werden kann. Dabei nimmt er verbal ώσπερ και άλλο τι von 1,142,9 wieder auf, Hogan 1989, 204: „Alcibiades echoes Pericles' language in order to imply similarity between his recommendations and Pericles' policies." Ebenso 2,63,3: τό γαρ άπραγμον ού σώζεται μή μετά του δραστήριου τ ε τ α γ μ ε ν ο ν und l,71,2f: πολλής τ η ς έ π ι τ ε χ ν ή σ ε ω ς δει und 6,87,3. Kohl 1977, 140: „Nach der Kennzeichnung einer Politik des ή σ υ χ ά £ ε ι ν durch έγγηράσεσθαι assoziieren die Zuhörer Ausdrücke wie άγωνιζομένην und έ ρ γ ω leicht mit jugendlichem Alter, während λόγω eher dem Bereich des ήσυχάζειν zugeordnet und damit auf Nikias bezogen werden wird." Vgl. 6,10,5; 11,7; 13,2. Rodriguez Alfageme 1999, 296 betont, daß das Verb άγωνίζεσθαι als Euphemismus für ,Krieg führen' nur in direkten Reden gebraucht wird (vgl. 1,69,5; 2,63; 4,73,3; 5,104; 6,16,6 und 18,6). Beachte die Antithese λόγω - έργω.

Die Reden in den Büchern 6 und 7

521

e t w a in περί δ ι α ί τ η ς οξέων entspricht, d e r e n V e r f a s s e r f ü r d a s Festhalten an d e r g e w o h n t e n L e b e n s w e i s e , selbst w e n n sie s c h l e c h t ist, eintritt, w e i l der r a d i k a l e W e c h s e l f ü r d e n G e s u n d h e i t s z u s t a n d g e f ä h r l i c h sei. D e m e n t s p r e c h e n d ist es f ü r sie a m s i c h e r s t e n ( α σ φ α λ έ σ τ α τ α ) , a n d e r d u r c h lypragmosyne

g e p r ä g t e n L e b e n s w e i s e (ήθεσι

και

νόμοι c )

Po-

festzuhalten,

w ä h r e n d der V e r s u c h , e i n e d i e s e m C h a r a k t e r e n t g e g e n g e s e t z t e Politik der U n t ä t i g k e i t ( ά π ρ α γ μ ο σ ΰ ν η ς μ ε τ α β ο λ ή ) d u r c h z u s e t z e n , w i e es N i k i a s , der das m e d i z i n i s c h e K o n z e p t d e s W e c h s e l s der D i ä t a u f die Politik überträgt, t u n will, ins V e r d e r b e n fuhrt. 3 6 2 c. D i e z w e i t e R e d e des N i k i a s u n d der e n d g ü l t i g e B e s c h l u ß ( 6 , 2 0 - 2 4 ) : D e r D r a n g zur E x p e d i t i o n w a r , w i e der A u t o r 6 , 1 9 berichtet, n a c h A l k i b i a d e s ' R e d e u n d d e n B i t t e n d e r S i k e l e r n o c h g r ö ß e r g e w o r d e n (ττολλω μάλλον ή π ρ ό τ ε ρ ο ν ώ ρ μ η ν τ ο σ τ ρ α τ ε ύ ε ι ν ) . N i k i a s ä n d e r t e s e i n e T a k t i k u n d v e r s u c h t e in einer z w e i t e n R e d e die A t h e n e r d u r c h die A u f z ä h l u n g der

361 Rechenauer 1991, 356f. Ebenso de Romilly 1976, 104 und Jouanna 1980, 304ff. Vgl. die Litotes μή άπράγμονα. 362 Jouanna 1980, 305: „Chez le Medecin et chez l'historien, l'idee est analogue. Pour l'homme politique le regime habituel de la cite, comme pour le medecin le regime habituel du corps, est preferable, meme s'il n'est pas bon. Les termes aussi correspondent : ä la subordonnee eventuelle d'Alcibiade ήυ και χείρω fj ... correspond la subordonnee eventuelle ήυ και μή αγαθά ή φύσει, du medecin hippocratique." Während Nikias wie die ,alten' Ärzte den Kurs der athenischen Politik radikal ändern will (13,1 άντίπαρακελεΰομαι. und άντιχειροτονεΐν, vgl. HP Acut. 26 άντίμεταβάλλειν, 28 und 36 und den Aphorismus 2,50), steht Alkibiades ebenso wie die Athener 1,71,3 (τά ακίνητα νόμιμα αριστα) und Kleon 3,37,3 (γνωσόμεθα ... χείροσί νόμοίς άκινήτοις χρωμένη πόλίς κρείσσων) als der Bewahrer der alten Tradition im Einklang mit dem Verfasser von Acut., S. 313f.: „Nicias est le representant de cette therapeutique traditionnelle critiquee ... Alcibiade, lui, critique la position de Nicias avec les arguments qui rejoignent jusque dans le detail ceux que l'auteur Regime des maladies aigues avance contre la therapeutique traditionnelle." Die wohl aus der damaligen Diskussion unter Ärzten stammende medizinische Metapher nimmt in beiden Reden eine wichtige Stelle in der Argumentation ein, S. 307ff.: „Loin d'affleurer 9a et lä au hasard du texte, la metaphore medicale trouve sa coherence et sa signification dans l'opposition de deux conceptions de la politique incarnees par Nicias et Alcibiade ... Deux politiques s'affrontent qui semblent la transposition de deux therapeutiques, dans une problematique centree sur les notions de changement et d'habitude. Et il est piquant de constater que Thucydide, par un renversement sophistique ... met l'argumentation conservatrice dans la bouche du jeune Alcibiade au service de l'aventure, et la these du changement dans la bouche du vieux Nicias au service de la sagesse."

522

THUKYDIDES

seiner Meinung nach benötigten Mittel (παρασκευής πλήθει.) von ihrem Vorhaben abzubringen (άποτρεψαε). 3 6 3 6,20: Nikias stellt im kurzen Prooimion die emotionale Begeisterung (ώρμημένους) der Athener für die Expedition fest und stellt antithetisch dem fast apotropäischen Wunsch nach Erfolg eine weitere Analyse der Situation entgegen. 364 Die detaillierte Analyse der Lage in Sizilien vervollständigt die Argumentation der ersten Rede. Er betont nach dem Prinzip der wachsenden Glieder, wobei die Wörter πόλεις - μεγάλας ... πολλάς τ ά ς 'Ελληνίδας den Rahmen bilden, die Größe und Unabhängigkeit der Städte und korrigiert, indem er negativ mit ούτε - ούτε die politische Lage: weder gegenseitige Abhängigkeit noch Interesse am Umschwung beschreibt, Alkibiades' Behauptung, die sizilischen Städte seien an einem Wechsel (μεταβολή, μετάστασις) der Lage interessiert; vielmehr bezweifelt er in einem Wahrscheinlichkeitsargument (είκότως), daß jene bereit sind, ihre Freiheit (ελευθερία) gegen die athenische αρχή einzutauschen. 365 363 Er versucht wie schon in der Pylos-Debatte 4,27f. durch einen rhetorischen Kniff (RhAl. 1425 a 30 ff.: ού συμφερει π ο λ ε μ ε ΐ ν ... τ ά π ρ ό ς ν ί κ α ς συν τ ε ί ν ο ν τ α τ ο ϋ π ο λ έ μ ο υ τ ο ι ς έ ν α ν τ ί ο ι ς ύ π ά ρ χ ο ν τ α ) die Athener von ihrem Vorhaben a b z u b r i n g e n . Kallet 2001, 42: „ N i k i a s ' main rhetorical strategy is, first, to emphasize the odds and, second, ... to stress the need for increased resources. But he does so not by presenting a clear lucid accounting; rather, since his primary hope is to make the totality appear as c u m b e r s o m e and complicated as possible deterrent, he instead presents a c o n f u s i n g j u m b l e of information that is as conspicuous for its ultimate vagueness as for its detail." 364 ε π ί δέ τ ω π α ρ ό ν τ ι α γ ι γ ν ώ σ κ ω σημάνω. Ähnlich hatte er sich 9,2 geäußert: η αν γ ι γ ν ώ σ κ ω β έ λ τ ι σ τ α έρώ. 365 Mit Recht stellt Kohl 1977, 147, A n m . 2 fest, daß τ ά ς ' Ε λ λ η ν ί δ α ς kein Glossem ist. Vielmehr drückt Nikias dadurch eine weitere Qualität der sizilischen Städte als Griechenstädte aus. Avezzü Tenuta 1977, 113: „La tensione nasce fra quantitä numeriche ... II tentativo di Nicia e quello di ritradurre in termini reali quella μ ί α ν ή σ ο ς ..., che, rappresentando il minimo della scala numerica, potrebbe venir trascurata dall'uditorio. Questa ritraduzione porta ad un grande aumento dei valori numerici, aumento non graduale, ma quasi ad esponente Potenziale, visto che i campi implicati sono piü d ' u n o . " Nikias gebraucht in seiner Quellenangabe 20,2: ώ ς ε γ ώ ακοή α ι σ θ ά ν ο μ α ι dieselben Worte wie Alkibiades 17,6. Auch er stützt sich bloß auf „conoscenza che deriva loro da informazioni ' a c o e t i c h e ' " (Vattuone 1978, 155). Z w a r stellt er A l k i b i a d e s ' A u s f ü h r u n g 17,2-5 über die d e m o g r a phische Struktur der sizilischen Städte nicht grundsätzlich in Frage, zieht jedoch, von derselben Datenmenge ausgehend, die entgegengesetzten Schlüsse. Dagegen Ober 1994, 114: „By mimicking his opponent's words, Nikias initiates a contest of facts: Alkibiades' information about Sicily versus his own. Nikias supposes that he can win this contest and thereby deflate Athenian enthusiasm."

Die Reden in den Büchern 6 und 7

523

Im folgenden spricht er über die militärische Stärke der Feinde, wobei das Mittel der α ύ ξ η σ ι ς (etwa die steigernden Ausdrücke μάλιστα (μάλλον) - ούχ ήκιστα) die Periode prägt. Außer Naxos und Katane, von denen er hofft, daß sie infolge des Verwandtschaftsverhältnisses zu Leontinoi auf athenischer Seite kämpfen werden, gibt es sieben Städte, die der athenischen Art in jeglicher Hinsicht (όμοιοτρόπως) ähnlich sind, am meisten Syrakus und Selinus, Athens Hauptgegner. In einer weiteren Steigerung beschreibt er 20,4 ihre militärische Stärke durch die ausfuhrliche Aufzählung der Machtmittel: Hopliten, Bogenschützen, Speerwerfer, viele Schiffe, genügend private und öffentliche Geldmittel. Aber überlegen sind die Sizilier den Athenern durch Pferde und die autarke Lebensmittelversorgung (σίτω οίκείω καΐ ούκ έπακτω als σ χ ή μ α κατ' άρσιν και θέσιν). 366 6,21: Nikias argumentiert im folgenden άπό του χαλεπού. Im Gegensatz zu Alkibiades meint er, daß die Flottenüberlegenheit allein in Sizilien nicht genügt, sondern zusätzlich starke Infanterie- und Kavallerieeinheiten nötig sind, zumal er mit der die Feinde einenden Kraft der Furcht vor Athen rechnet, während sie nur auf Egestas Reiterei zählen können. 367 In einer Parenthese wird die schlechte Planung (άκεπτέως βουλευσαμένους), die zum Rückzug führt oder weitere Verstärkung erfordert, als αίσχρόν bezeichnet. Nikias' Hinweis auf die ευβουλία erscheint dem Leser als ironische Prolepse auf sein persönliches Drama. Guter Rüstung (παρασκευή άξιόχρεω) bedarf es im Gegensatz zu früheren in Griechenland durchgeführten Unternehmungen, vor allem angesichts der Versorgungsschwierigkeiten, die von der wiederum emphatisch erwähnten großen Entfernung verursacht werden. 368 366 Kohl 1977, 150: „Außer auf den Kontrast zu Athen wird hier von Nikias sicher auf ihre Unverwundbarkeit durch Seeblockaden angespielt (Dover) und damit auch an dieser Stelle indirekt an den bereits von Thukydides 6,1,2 betonten BeinaheFestlandcharakter Siziliens erinnert." 367 Drobig 1958, 327: „So aber stellt Nikias die sizilischen Städte nicht als Athen unterlegen dar, ... um über der Lebensnotwendigkeit, aus der heraus sich die Sikelioten mit Wahrscheinlichkeit gegen Athen verbünden würden, die Unumgänglichkeit einer entsprechenden Rüstung aufzuweisen." Kallet 2001, 43: „The word order, juxtaposing dunamin and ou nautikes at the beginning of the sentence would have been unexpected to Athenians accustomed to think of their navy as invincible; the negation - emphasizing that although they would be attacking an island, their navy would be useless - will have jarred." 368 Zu den Schwierigkeiten des Satzes καΐ ούκ έν τω όμοίω στρατευσόμενοι. - και δτε ... ήλθετε ... - άλλά... άπαρτήσοντες vgl. Classen-Steup vi, 54f.; HCT iv,

524

THUKYDIDES

6,22: Ausfuhrlicher beschreibt Nikias mit rhetorischer Emphase die notwendige παρασκευή: Viele Hopliten, Bogenschützen und Schleuderer sind gegen die sizilische Reiterei nötig. Große Emphase wird dabei auf die an der Spitze des Satzes stehenden Hopliten gelegt und durch folgendes Polyptoton (ημάς / ήμών), Anapher von κ α ι , Homoioteleuton (ημών αυτών των ξυμμάχων των τε ύπηκόων) verstärkt, die die Periode ausbreiten und deren Rhythmus verlangsamen. Viele Mittel wie die Attribute πολλούς (zweimal), πολύ, πολλή, δσον δυνατόν, μάλιστα, ώς πλείστα, Alliteration (auf m: μυλώνων ... μέρος ήναγκασ^ένους, έμμισθους und ρ: πολύ περιεΐναι. /πολλή ... πάσης ... πόλεως ύποδέξασται), Gleichklang (άπλοίας άπολαμβανώμεθα) verstärken den emphatischen Charakter der Periode. Im letzten Teil macht er sich mit der angedeuteten λόγος - έργον Antithese über die Hilfe der Egester, die nur dem Wortlaut nach vorhanden ist (λέγεται - λόγω), lustig. 369 Die Überlegenheit zur See wird fur den Nachschub mit Lebensmitteln dringend gebraucht. Dazu ist viel Geld nötig, da er den Versprechungen der Egester nicht glaubt. Im Gegensatz zu Alkibiades, der allein auf die überlegene Flotte setzt, ist fur Nikias der Erfolg nur bei Autarkie und militärischer Überlegenheit in allen Bereichen denkbar. 6,23: Nikias versucht seine These, daß die Athener mit einer großen Übermacht nach Sizilien segeln müssen, durch eine Art argumentum a maiore

257 f. und Kohl 1977, 151-155. Dabei wird die Konjektur des überlieferten ουκ zu δτε allgemein akzeptiert. Nikias begründet den Bedarf nach παρασκευή άξιόχρεω mit der durch die unterschiedliche Entfernung von der Basis bedingte Inkommensurabilität der beiden Kriegsschauplätze Sizilien und Griechenland. Nicht angebracht ist es, den Aorist ήλθετε auch auf das zukünftige Geschehen in Sizilien zu beziehen (so Kohl 1977, 153f., für den der „Wechsel des Urteilsstandpunktes die in dieser zweiten Stufe insgesamt sichtbar werdenden Emotionen kennzeichnet, die außerdem abzulesen sind an dem unvermittelten Personenwechsel (μέλλομεν, ή λ θ ε τ ε ) , der Ausschließlichkeit der Argumentation (άλλοτρίαν π α σ α ν ) ..."). Vattuone 1978, 167: ,,Un"esagerazione' all'interno del discorso ha una funzione specifica di ordine formale (αίίξησις) ... l'oratore mette in evidenza, sul piano di una logica dei preparativi, la differenza profonda che esiste fra le consuete operazioni in Grecia e nell'Egeo da quelle occidentali e, per questa via, stabilisce un sistema con il paradigma alcibiadeo di 6,17,7-8." 369 Mader 1993a, 183: „Nicias' misgivings about the Segestan claims are expressed as casual obiter dicta intended to discredit the request from the latter: he cannot have had additional hard facts ..., for if he had, he would not have failed to use this damaging information to undermine the basis for Athenian intervention." Vgl. 6,12,1.

Die Reden in den Büchern 6 und 7

525

370

zu erläutern, weist aber einschränkend darauf hin, daß auch diese den Erfolg keineswegs garantiert, zumal es nicht darum geht, in einer Schlacht zu gewinnen, sondern die Insel in ihre Gewalt zu bringen. Nikias vergleicht die Expedition im nächsten Satz, einem παράδειγμα, mit einem Unternehmen von Kolonisten, die sogleich nach der Landung das Gebiet unter ihre Kontrolle bringen und sich in einer ihnen gänzlich feindlichen Region behaupten müssen. Im letzten, rhetorisch kunstvoll gestalteten Paragraphen, dem Epilog der Rede, faßt Nikias in erster Person seine Argumente 371

zusammen. Im Gegensatz zu Alkibiades, der mit dem irrationalen Glück des Nikias (ευτυχής 17,1) rechnet, will sich Nikias selbst nur auf die gute (rationale) Planung verlassen (ευ βουλεύσασθαι). In höherem Maße ist Glück (εύτυχία), das für Menschen schwer (χαλεπόν άνθρώπους όντας) zu erreichen ist, nötig; da er sich jedoch möglichst wenig der irrationalen ( τ ύ χ η ) aussetzen will, ist eine gute Ausrüstung (παρασκευή), die allein Sicherheit bieten kann, unentbehrlich. Bemerkenswert ist die Steigerung πολλά, ετι πλείω, δτι ελάχιστα in der parallelen und zugleich antithetischen Konstruktion mit den Gegensatzpaaren εΰ βουλεύσασθαι εύτυχήσαι und τύχη - π α ρ α σ κ ε υ ή , wobei das erste Gegensatzpaar komplementär, das zweite konträr ist. Die Ausdrücke, welche die irrationale Ebene 370 Der überlieferte Text der Parenthese lautet π λ η ν γ ε π ρ ό ς τ ό μάχιμοι/ αύτών, τ ό ό π λ ι τ ι κ ό ν . Entweder faßt man die Einschränkung positiv auf, d.h. die sizilischen Hopliten sind den athenischen unterlegen, in allen anderen Bereichen sind jedoch die Athener unterlegen, oder negativ, d.h. die sizilischen Hopliten sind den athenischen überlegen, vgl. Classen-Steup vi, 262f. (Anhang); Dover 1954, 7f.; Kohl 1977, 160-164: Nikias versuche durch den Hinweis auf die Unterlegenheit im Bereich der Hopliten zu zeigen, daß auch im Idealfall: Überlegenheit der Athener in allen Bereichen ( τ ο ι ς π α σ ι ) dennoch nicht automatisch mit Erfolg zu rechnen sei. Es bleibt dann die Frage, worin abgesehen von der Flotte die athenische Überlegenheit bestehen soll. Nikias nennt 6,20,4 die Überlegenheit der Sizilier in Bezug auf Pferde, die er 6,22 durch Hopliten und andere Spezialtruppen wettmachen will. Daher stellt die g e r i n g f ü g i g e von Urlich 1861, 347 vorgeschlagene Emendation von ό π λ ί τ ι κ ό ν zu ι π π ι κ ο ύ eine Verbesserung dar: „Die Hopliten der Syrakuser waren nicht zu fürchten (denn daß diese den Athenern nicht gewachsen waren, leugnet auch Nikias nicht), sondern ihre Reiterei." Ebenso Classen-Steup vi, 57. Im übrigen nennt der syrakusische Feldherr 6,41,3 die Reiter an erster Stelle vor den Hopliten, was als Indiz dienen mag, daß diese Heeresgattung die wichtigste war. Der weitere Verlauf (6,69,1 und 72,4) zeigt übrigens, daß die syrakusanischen Hopliten den athenischen am Anfang bei weitem unterlegen waren. 371 T o m p k i n s 1972, 196: „Nicias seems compelled to speak in the first person singular, to stress the personal nature of his concerns. At the very start of the expedition we thus see a tendency in Nicias to use himself as his constant point of reference, and to neglect other points of view."

THUKYDIDES

526

bezeichnen, werden von den rationalen Werten ευ βουλεύσασθαι

und

372

παρασκευή (= ασφαλής) umrahmt. Im Falle, daß die Athener nicht auf seine Argumente eingehen wollen, ist er bereit, auf das Kommando zu verzichten. Die Redentrias mit zwei Sprechern folgt dem einfachen Muster von These (Nikias), Antithese (Alkibiades) und Synthese (Nikias), wobei die erste Nikias-Rede, die Elemente eines αποτρεπτικός und κατηγορικός λόγος enthält, und Alkibiades' Rede, die aus einem απολογητικός und προ373 τρεπτικός λόγος besteht, gleich lang und parallel aufgebaut sind: 1. Prooimion 9,1—3:Absicht: attentum und benevolum

16—17,1: Absicht: λύσις διαβολής

facere durch ηθική π ί σ τ ι ς des α γ α θ ό ς

durch These: προσήκει μοι α ρ χ ε ι ν

π ο λ ί τ η ς . Beweisziel apotreptisch 9,3:

nach ά ξ ι ο ς ( = τ ι μ ή ) und ώφελία

a) οΐ>τε έν καιρώ σ π ε ύ δ ε τ ε

a ) T d ί δ ι α (16,2—5)

b ) ο ΰ τ ε ράδια

b) τ ά δημόσια (16,6—17,1) 2. Prothesis

10,1 These: Expedition nach Sizilien

(17,1: assoziativer Übergang durch

gefährdet Sicherheit in Griechenland

interne recapitulatio zur προτροπή)

3. Argumentatio ( π ί σ τ ε ι ς ) : 10,1—12,1 Strategische Analyse:

17,2—18,4. Strategische Analyse:

a) Instabilität in Griechenland trotz

a) Instabilität in Sizilien nach

des Nikias-Friedens mit abschließendem

ράδιου, ά σ φ α λ έ ς (17,2—8)

Beispiel und Überleitung (6,10,2—5)

b) Bündnistreue (δίκαιον) als Tradi-

b) Sizilien kann nicht kontrolliert werden:

tion, ώφελία und Theorie des unbe-

Gnomen, Überleitung nach Athen (6,11 — 12,1)

grenzten Imperialismus, Gnomen

c) Appell an die Bürger, κατηγορικός λ ό γ ο ς

(18,1-3)

Alkibiades als Gegenparadigma (12,2—5) 4. Epilog (παλλιλογία): 6,13: recapitulatio: Appell an Publikum

a) 18,4—5: Kriegsziel: 1. maximal:

mit Ziel ούκ αίσχρόν, πρόνοια (ευβουλία).

Herrschaft über Hellas, 2. minimal:

Antrag gegen die Expedition und für

den Feinden zu schaden.

372 Vgl. Kohl 1977, 166-168 und Vattuone 1978, 180: Der Satz erinnert ans Proömium 6,9,2: „Nicia, ε υ τ υ χ ή ς per Alcibiade (6,17,1), rifiuta in partenza questa caratterizzazione ed intende fondare il suo atteggiamento sulla previsione e sulla prudenza, i valori di π ρ ό ν ο ι α . " Anders als Perikles 1,144,4 und 2,62,4, der auch die τ ύ χ η ablehnt, fehlt bei ihm der Hinweis auf die athenische τ ό λ μ α . 373 Beide sind 110 O C T - Zeilen lang. Andere Schemata bei Vattuone 1978, 45 / 112 und Caiani 1972, 152.

Die Reden in den Büchern 6 und 7

politischen Kurswechsel.

527

b) 18,6: Appell an Mitbürger: gegen die δ ί ά σ τ α σ ί ς und für die

6,14: Apostrophe mit medizinischer

Tradition des Imperialismus.

Metapher in Gnome.

18,7: Appell mit medizin. Metapher

Beide Redner gehen mehr oder minder von derselben faktischen Grundlage aus, heben aber verschiedene Aspekte hervor, so verzerren sie in Analepsen durchaus den vom Narrator gegebenen Bericht, und interpretieren die Realität aufgrund ihrer ideologischen und charakterlichen Veranlagung gegensätzlich. 374 Dabei ist die sizilische Thematik unzertrennlich mit der griechischen verbunden. Während Nikias das Schwergewicht auf die Lösung der Probleme im Mutterland legt, erachtet Alkibiades Sizilien und allgemein die Expansion als Schlüssel zur Lösung auch dieser Schwierigkeiten; während Nikias andauernden Erfolg für unerreichbar hält und immer wieder vor dem Mißerfolg warnt, schließt Alkibiades diesen aus. Daneben werden der Generationenkonflikt und Alkibiades' Lebenswandel antilogisch behandelt. Ebenso gelingt es Thukydides, die beiden Redner 375

durch den Stil zu charakterisieren: Nikias' Perioden sind komplex, hypotaktisch und weisen viele Negationen, Abstrakta (z.B. Adjektive im Neutrum wie ράδιον, αΐσχρόν, δίκαιον, δεινόν, άναγκαΐον etc. vor allem in der zweiten Rede), unpersönliche Ausdrücke (χρή, δει, δοκεΐ, εικός, ανάγκη, (ά)δύνατον etc.), Antithesen, Parenthesen, Einschränkungen, 376 Andeutungen 3 7 7 sowie potentiale Verbformen auf. 378 Nikias fordert die 374 Vattuone 1978, 21 Of. spricht von einem Modell aus faktischem Kern (nucleo) und gegensätzlicher Einschätzung (opposizioni valutative): „Ci troviamo, dunque, di fronte ad una premessa, prodotta da una scelta di sequenze di erga, e ad opposizioni valutative che non escono mai dal suo ambito." S. 213: „In ogni singola valutazione non puö essere letta un'interpretazione globale di un problema poiche l'oratore sostiene, rispetto al tema del nucleo, una tesi che amplifica un aspetto della questione che privilegia un'ottica ne confront! di un'altra, in stretta connessione con il proprio ruolo politico e con le proprie matrici culturali." 375 Für Westlake 1968, 171 werden „two diametrically opposite individuals as well as t w o diametrically opposite policies" dargestellt. Ebenso T o m p k i n s 1972 passim und Del Corno 1975, 55. Der Stil zeigt, daß Thukydides „intese contrapporre non soltanto le tesi e gli argomenti dell'uno e dell'altro, ma anche i loro caratteri e moti psicologici, individuandoli mediante gli strumenti espressivi del linguaggio" (S. 46). 376 Vgl. Kohls Schema zu 6,9 (S. 493). Beachtenswert ist auch der Gebrauch von einschränkenden Partikeln wie μεVTOL, ομως, καίτοι, άλλά etc. 377 Rodriguez A l f a g e m e 1999, 302f.: „Un anälisis mäs complejo parecen tener las alusiones de Nicias a Alcibiades ..., cuando evita mencionarle por su propio nom-

528

THUKYDIDES 379

Zuhörer mehrmals auf, die Situation rational zu betrachten, und neigt dazu, denselben Gedanken in einer Antithese positiv und negativ zu for380 mulieren. Zusammenfassend sagt Del Corno: „II discorso di Nicia si articola come un ragionamento continuo, il quale mira a c o m p r e n d e r e tutte le possibilitä che si a p r o n o nel futuro, e in genere nella complessitä del reale (onde la predilezione per formule alternative, strutture potenziali, espressioni polari) ... La sua analisi tende cosi a raggiungere un massimo di obiettivitä, nel tempo stesso a spersonalizzarsi." 3 8 1

Ganz anders Alkibiades, dessen Rede sich durch parataktischen Stil auszeichnet. Die Sätze werden oft das in seiner Rede „increases an effect of vividness effect of swiftness and an emphatic tone elsewhere." 382

einen geradlinigen, mit και verbunden, and directness / an Kennzeichen dieses

bre. En la primera alusion (6,12,2) el indefinido t l c sirve para introducir una serie de acusaciones malintencionadas, de forma que la presencia del indefinido sirve para llamar mäs aiin la atenciön sobre el personaje aludido. Y hay que notar que Alcibiades no pierde la ocasion de hacer lo m i s m o con el (6,16,6): σ κ ο π ε ί τ ε ε'ί τ ο υ χ ε ί ρ ο ν μ ε τ α χ ε ψ ί £ ω . En cambio, cuando Nicias se vuelve a referir a el en el capitulo siguiente con la expresion τ ω αύτω άνδρί, parece que la sustituciön es mäs bien eufemistica, Nicias, ahora, mäs que aludir malintencionadamente a su oponente, quiere evitar pronunciar su nombre." 378 Del Corno 1975, 50f. So gebraucht Nikias a v viel häufiger als Alkibiades. Dazu T o m p k i n s 1972, 189ff. und 2 0 0 - 2 0 4 . Ja, sogar im Schlußsatz seiner letzten Paränese 7,77,7 steht ein kondizionales Satzgefüge. 379 So 9,1 (xpfjvaL σ κ ε ψ α σ θ α ι ) , 10,5 (χρή σκττοπεΐν), 11,6 (χρή ή γ ή σ α σ θ α ί ) , 11,7 (ei. σωφρονοϋμεν), 12,1 (μεμνήσθαι. χρή), 23,1 (νομίσαι χ ρ ή ) etc. 380 Del Corno 1975, 51: „Questa struttura costituisce un prezioso strumento per lo scrupolo analitico di Nicia. In una sorta di forma polare, egli puö abbracciare l'insieme degli eventi in atto ο previsti, oppure dei modi di considerarli; e soprattutto, si trova in grado di indicare pure la portata e il significato di ciö che esclude ο nega, nello stesso tempo precisando mediante il procedimento 'per negativo' tutte le possibili valenze di cid che afferma." So 9,1; 12,1; 21,1. 381 Del Corno 1975, 53. Er erkennt S. 54 „une passione analitica e razionale, che drammaticamente richiama - anche nel tragico esito dell'errore cui essa conduce l'archetipo mitico di Edipo." Tompkins 1972, 193 stellt fest, daß Nikias häufiger als Alkibiades unpersönliche Ausdrücke wählt. Er sieht darin „a tendency to view life in abstractions ..." Zum Gebrauch der Abstrakta vgl. Ortolä Guixot 2001,140: „ A m b d ö s tenen la mateixa extensiö de pägines i ... manifesten igualtat numerica d'abstractes - 81 i 83 respectivament - . La differencia trona a apreciarse al detail de les f o r m e s utilizades: Nicies destaca par 1'us de l'infinitiu a m b article - 7 registeres vs. 3 del seu contrincant -, mentre Alcibiades ho fa respecte de les f o r m e s en neutre -33 front a 23 de Nicies - i per l'excepcionalitat de l'iis de formacions en -σύνη, que manquen al seu oponent." 382 Tompkins 1972, 206f. stellt fest, daß die höchste Quote von καί am Satzanfang in Alkibiades' Rede 6 , 1 6 - 1 8 v o r k o m m t . Es bildet „a logical development of that

Die Reden in den Büchern 6 und 7

529

Stils sind Einfachheit und Durchsichtigkeit. Sein Gedankengang ist durch die klare und unkomplizierte Abfolge der Ideen leicht verständlich und besser als Nikias' komplizierte Diktion geeignet, ein Publikum zu überre383 den. Weder mag er Antithesen noch bietet er dem Publikum Alternativen 384

an, sondern will ein Klima von Harmonie erzeugen. Er gebraucht vor allem indikative Verbformen, oder iussive Formeln und eine rhetorische 385 Frage (16,6). Auch scheut er sich nicht, seinen Kontrahenten Nikias explizit beim Namen zu nennen, während jener Alkibiades nie beim Namen nennt, sondern nur auf ihn anspielt. 386 Dazu del Corno: „Suo tratto distintivo e l'interpretazione univoca della realtä e dei suoi sviluppi, nella quale l'enunciato precede e condiziona la motivazione. Essa risulta quindi irreversibile, ne ammette di venire revocata in dubbio ... La presentazione stilistica dei suoi argomenti, affidata a drastici e perentori asserti, dä origine a un impressionante ritratto psicologico del personaggio." 3 8 7 sentence with no need to explain the sequence by a subordinating conjunction, or to alter the train of thought by a limitative or adversative particle (άλλα, ουν, δε, γ έ ) . The ultimate effect of this practice is to give an impression of clarity and simplicity. Moreover, και often functions as to prevent antithesis" (S. 209). 383 Tompkins 1972, 210: „Alcibiades sweeps the reader along as though there were no call for discussion of nuances and no need of subordination of thought. O n e idea follows directly on the last, while shifts of direction and emphasis occur below the surface structure." So z.B. 1 7 , I f f . Del C o r n o 1975, 52: „ S i s t e m a t i c a m e n t e Tucidide presta alia dizione di Alcibiade gli strumenti stilistici idonei piü ad attrarre l'assemblea in un approvazione emozionale della sua tesi che a suggerire una valutazione razionale dell'opportunitä della spedizione." 384 Statt μεν - δε bevorzugt er τ ε - καί (Tompkins 1972, 21 Of.). So hebt er in 18,6 die von Nikias angezeigte δ ί ά σ τ α σ ί ς unter den Generationen (6,13) durch τ ε - καί auf und erzeugt damit bei den Athenern Harmonie. Del Corno 1975, 50: „Mentre Nicia tende ad attrarre nel momento decisionale la corresponsabilitä dell'uditorio, facendolo partecipe delle sue valutazioni, all'opposto Alcibiade mira ad escluderlo, presentando i suoi giudizi come dati di fatto: l'assemblea non e invitata ad approfondirli, ne a prendervi parte attiva; basta, in definitiva, che decida in conformitä ad essi." 385 Del C o r n o 1975, 51. Der Potentialis ist selten. Daher „questa struttura non e utilizzata per suggerire una g a m m a di previsioni in rapporto a una scelta; bensi serve ad offrire una conferma ο una motivazione a posteriori di quanto e apoditticamente affermato in precedenza" (Del Corno 1975, 52). So dient der seltene Potentialis 18,3 „ad offrire una conferma ο una affermazione a posteriori di quanto e apoditticamente affermato in precedenza" (Del Corno 1975, 52). 386 So in 17,1. Nikias spielt 12,2 τ ι ς αρχει.ν ά σ μ ε ν ο ς und 13,1 τ ω αύτω άνδρί auf jenen an. Dagegen nennt Alkibiades Nikias zweimal 17,1 und 18,6. 387 Del Corno 1975, 54. Im Gegensatz zu Nikias, der seine Sätze beginnt mit „l'invito ad una valutazione razionale" (9,1; 10,5; 11,6 und 7; 12,1 etc.), sind bei Alkibiades „formule iussive, che presuppongono giä risolto ogni margine di scelta", z.B. 17,1

THUKYDIDES

530

Als aufschlußreich erweist sich auch die Analyse der von den beiden Rednern gebrauchten Begriffe, die ihr Wertesystem anzeigen. Für Nikias, der wesensmäßig als Spartaner erscheint, dessen

sicherheitspolitisches

Credo 9,3 τά ύπάρχοντα σω£ειν ist und der kein Risiko (κίνδυνος) eingehen will, sind Begriffe wie πρόνοια, σω£ειν, σωφροσύνη, όρθοΰσθαι und φυλάσσεσθαι wichtig,

388

·

>

während er Affekte wie z.B. επιθυμία / ερως mit

Alkibiades assoziiert und als der rationalen Planung im W e g e stehend ablehnt ( 1 3 , 1 ) . Dagegen gelingt es Alkibiades, die Nikianischen Schlüsselbegriffe in einem neuen Kontext in seinem Sinne umzuwerten. Beim Demagogen Alkibiades, der mit seiner Politik als Bewahrer der ererbten Tradition die positive προθυμία (als Korrelat zur τόλμα) betont und Nikias' άπραγμοσύνη bzw. ησυχία als unathenisch und für die ά ρ χ ή sogar als gefahrlichen Wechsel zurückweist, 3 8 9 erfahren Begriffe wie άνοια, νεότης, δόξα, λαμπρύνεσθαι etc., die Nikias negativ beurteilt, eine durch Beifügung positiver Termini wie δύναμις, ισχύς, ώφελία - manchmal bewußt paradox scheinende - positive Umwertung. 3 9 0 Somit rückt er seine Person als Verkörperung einer neuen individualistischen Politik, für die die άρχή Selbstzweck geworden ist, ins Zentrum. 3 9 1 An der entscheidenden Stelle vor der Sizilischen Expedition erfahrt der Leser in einer Antilogie, die die Funktion der Exposition hat, mit welchen (μή

πεφόβησθε,

αλλ

...

άποχρήσασθε), 17,2 (μή

μεταγιγυώσκετε),

18,2

(ποιώμεθα) und 6 (μή άποτρεψη) die Regel (Del Corno 1975, 49). 388 Caiani 1 9 7 2 , 153f.: „Πρόνοια, όρθοΰσθαι ε σ ω £ ε ι ν

sono dunque strettamente

legati, dal momento che sono uno condizione dell'altro: se e vero infatti che la previdenza (πρόνοια) premette alia cittä di prosperare (όρθοΰσθαι), όρθοΰσθαι significa conservare il giä acquisito (σω£ειν τά υπάρχοντα)." 3 8 9 Zu βέβαιον 6 , 1 0 , 2 ; 10,5; 2 3 , 4 ; ασφαλές 6 , 1 8 , 5 ; 18,7; 2 3 , 3 ; προθυμία S. 516, Anm. 3 5 2 . Caiani 1972, 167: „ S e per Nicia Ι ' ά ρ χ ή si consolida nella tranquillitä, per Alcibiade ciö avviene nell'azione; per Nicia i padri hanno consegnato ad Atene qualcosa di compiuto, da tutelare ... per Alcibiade, invece, hanno solamente raggiunto una tappa, e la loro ereditä consiste nelle modalitä del loro procedere, non in un punto di arrivo, che essi per primi non vollere prefissarsi." 3 9 0 Caiani 1972, 165f.: „II radicale capovolgimento di valori ... e ottenuto soltanto mediante l'inserimento di termini uguali in un contesto diverso: cambiando l'ambito semantico, cambiando i valori, al punto che le parole non paiono piü nemmeno le stesse." Und 180: „I due personaggi parlano lingue diverse." 391 Caiani 1972, 180f.: „Cosi Alcibiade introduce, nella politica ateniese, un individualismo che non ha valori, perche nasce dalla dissoluzione dei valori consacrati ... Al posto di quei valori, quali che fossero, si ha cosi il costituirsi di una nuova gerarchia, nella quale non conta tanto ... l'interesse dello Stato ... ma l'individuo geniale, superiore, che e collocato dalla sua eccezionalitä al di sopra degli usuali, tradizionali criteri di valutazione."

Die Reden in den Büchern 6 und 7 Problemen

die

Athener

konfrontiert

wurden

H a u p t r e p r ä s e n t a n t e n d i e s e z u lösen g e d a c h t e n .

531 und

wie

die

zwei

392

T h u k y d i d e s b e s c h r e i b t ( 6 , 2 4 ) in e i n e m a u k t o r i a l e n N a c h s a t z d i e W i r k u n g v o n N i k i a s ' zweiter Rede. Er hat z w a r sein Ziel, die A t h e n e r durch das Aufzählen der benötigten Streitkräfte von ihrem Begehren

abzubringen

( ά π ο τ ρ έ ψ ε ι ν ) , verfehlt, d a f ü r aber seiner M e i n u n g nach die Sicherheit ( ά σ φ α λ ώ ς ) der Expedition vergrößert. Paradoxerweise betrachteten

die

A t h e n e r s e i n e Z u s a t z f o r d e r u n g e n als E r f o l g s g a r a n t i e ( α σ φ ά λ ε ι α ) , 3 9 3 d i e d a s v o r h a n d e n e e m o t i o n a l e B e g e h r e n n u r n o c h s t e i g e r t e ( τ ό μ ε ν ε π ι θ υ μ ο ύ ν ... ούκ

έξηρέθησαν

... π ο λ ύ

δε

μάλλον

ώρμηντο): Die ganze

athenische

Gesellschaft w u r d e v o n e i n e m unwiderstehlichen V e r l a n g e n ( έ ρ ω ς ) gepackt.394 Bei seiner soziologisch nach Alter u n d ö k o n o m i s c h e m

Status

392 Liebeschütz 1968, 297: „The speeches ... contain a complete analysis of the military problems facing the Athenian expedition. By this use of the speeches Thucydides has succeeded in presenting at the beginning ... statements of the factors favouring each of the combatants." HCT iv, 229: „There is no debate in which Thucydides has given us so striking a representation of rhetorical technique at work. ... though he casts their arguments into his own peculiar language, the reader requires in at least two passages to visualize their gestures and facial expressions and to hear their tone of voice in his mind's ear ... No statement or prediction or factual implication in these speeches can be taken at its face value; everything is coloured; everything is exaggeration, insinuation, or half-truth. ... it serves only to remind us that persuasion is a serious art and that all the vital decisions were taken by a sovereign assembly under the impact of rhetoric, not by a small body of professional representatives who can decide first and explain their reasons afterwards." 393 Kohl 1977, 177: „Und gerade Nikias ist es, der seine Forderung nach einer παρασκευή πολλή am Ende ausführlich mit dem Sicherheitsfaktor (ελάχιστα τή τύχη παραδοΰς, παρασκευή ... ασφαλής, βεβαιότατα, σωτηρία) koppelt und damit selbst dafür sorgt, daß das durchaus vorhandene schlechte Gewissen der Athener (6,31,1) beruhigt wird." 394 Irrationale Kräfte wie έρως („fureur de s'embarquer", Huart 1968, 391), πόθος als „special name for the desire of what is distant" (Cornford 1907, 215; vgl. Plat. Krat. 420a) und έ λ π ί ς überwogen nun, wie Nikias 13,1 befürchtet hatte. Das Verlieren der Vernunft betrachtet Romilly 1951, 273 als eine säkulare Form der Hybris: „L'hybris ... est done un mecanisme parfaitement logique ... strictement humaine." Canfora 1983b, 11 ff. spricht von einem „mal di Sicilia." Als Parallelen vgl. Pind. Nem. 11,48 (άπροσίκτων δ' 'Ερώτων όξυτεραι Μανίαι); Aisch. Ag. 341 f. (έρως δε μή τις πρότερον έ μ π ί π τ η στρατω / πορθεΐν κτλ.; Eurip. Iph. Aul. 808 und Prodikos DK 84 Β 7. Cornford 1907, 206ff. faßt dies als die Übernahme ,mythischer patterns' auf; Connor 1985a, 168: „The echo of Aischylus reminds the reader of the underlying mythic pattern and the traditional expectation of

532

THUKYDIDES

differenzierten Analyse verbindet Thukydides materielle mit psychologischen Motiven: Die Älteren glaubten an den Erfolg des Unternehmens im Vertrauen, daß eine so große Streitmacht nicht untergehen könne (ούδέν αν σφαλεΐσαν μεγάλην δύναμιν). Die Jüngeren wurden von Fernweh gepackt (της τε απούσης πόθω όψεως και θεωρίας) und waren zuversichtlich, heil nach Hause zurückzukehren (ευέλπιδες όντες σωθήσεσθαι). Die große Masse und die Soldaten erhofften sich durch den Machtgewinn materielle Vorteile und immerwährenden Sold (άργΰριον ο'ίσείν και προσκτήσεσθαι δ ύ ν α μ η όθεν αΐδιον μισθοφορίαν ύπάρξειν). 395 In diesem durch die übermäßige Begierde der Masse (δια την άγαν των πλειόνων έπιθυμίαν) aufgeputschten Klima verstummte, wie Nikias befurchtet hatte, aus Angst, als Feind des Volkes zu gelten (δεδιώς μη άντι.χειροτονών κακόνους δόξει.εν), jegliche zur Vorsicht mahnende Kritik, wobei der Narrator durch das Adverb άγαν die Rezeption beeinflußt. 396 Es folgen (6,25) zwei kurze indirekte Einschübe: Ein anonymer Sprecher zwang Nikias, seine Verzögerungstaktik aufzugeben und die erforderliche 397

Streitmacht (παρασκευή) genau zu bestimmen. Widerwillig (ακων) nannte er vorläufige Zahlen: mindestens 100 Trieren - also fast das Doppelte des ursprünglichen Kontingents - , dazu Transportschiffe, 5000 Hopliten sowie Schleuderer und Bogenschützen. Dies wurde (6,26) von disaster for those who travel overseas after excessive violence." Für Gervasi 1981, 109 ist der Gegensatz zwischen den hochfliegenden Hoffnungen und dem Wissen der Leser um die Katastrophe tragisch. Swain 1994, 307 weist auf den medizinischen t.t ε μ π ί π τ ε ι ν hin, der „the discomforting psychological consequences of disease" bezeichnet. Ebenso spricht sich Ludwig 2002, 155 gegen die bei έ μ π ί π τ ε ι ν theoretisch mögliche Personifikation von Eros aus. 395 Diesner 1956, 154 weist daraufhin, daß diese Beschreibung topischen Schemata entspricht: Besonders die Hoffnung der Masse, „im Krieg die Befriedigung ihrer ökonomischen Bedürfnisse - und zwar typisch fur die antike ... Einstellung, ohne besondere Anstrengungen und möglichst für immer" zu finden. Nikias' Annahme eines Generationenkonflikts wird dadurch widerlegt; offensichtlich hatte seine zweite Rede auch die Sicherheitsbedenken der Alten ausgeschaltet. Kallet 2001, 37 bemerkt, daß die Masse der Athener in ihrem Streben und Verlangen Alkibiades (vgl. 6,15) gleicht. 396 Nikias' Appell 6,13,1 zum άντιχειροτονεΐν, durch das der Narrator explizit auf seine Rede verweist, war somit fruchtlos geblieben, κακόνους ist wie μαλακός ein t.t. aus dem Jargon der Demokraten, der deren Gegner bezeichnet. 397 Vattuone 1978, 197 zur Funktion: „1 due logoi indiretti appaiono come la trascrizione delle linee di un decreto, le proposte che normalmente seguono la formula ... ε ΐ π ε ..." Nach Plut. Nik. 12,6 sprach der Demagoge Demostratos. Dieses irrelevante Detail unterschlägt Thukydides offenbar, um den Leser nicht unnütze Information aufzubürden.

Die Reden in den Büchern 6 und 7

533

den Athenern bewilligt und konnte dank dem Bevölkerungszuwachs und dem wirtschaftlichen Aufschwung nach der Pest und dem Waffenstillstand 398 ziemlich leicht beschafft werden. d. Der Hermenfrevel und die Ausfahrt (6,27-32,2): In derselben Zeit (6,27 ev δέ τούτω) fand, wie der Narrator referiert, die Verstümmelung der Hermen statt, ohne daß jemand wußte, wer hinter der Tat stand. Die Athener nahmen den Vorfall ziemlich ernst (το πραγμα μει.£όνως έλάμβανον), weil sie ihn neben dem bösen Omen (οιωνός) έπι ξυνωμοσία αμα νεωτερων πραγμάτων και δήμου καταλύσεως „als Anzeichen einer Verschwörung zu Aufruhr und Sturz der Volksherrschaft" betrachteten. 399 Infolge weiterer von Jugendlichen (ύττό νεωτέρων) ohne 398 Bedeutend ist das dreimalige Vorkommen von π α ρ α σ κ ε υ ή , die wie 2,13,2 ff. auf ihrem Höhepunkt ist, wobei Kallet 2001, 48 einen Unterschied sieht: „The irrationality creates a sense of unease about the nature of decision ... Athenian paraskeue may once be at its height; yet Thucydides' narrative is layered with ambiguity and represents the Athenians as c o n f u s i n g the display of power with its augmentation." 26,2 erinnert durch wörtliche Anklänge an 6,12,1, unterscheidet sich davon aber durch das Fehlen subjektiv wertender Wörter und Antithesen (vgl. S. 502, Anm. 312). 399 Erklärungsversuche z.B. bei Hatzfeld 1940, 163ff., HCT iv, 2 6 4 f f ; Vattuone 1978, 94ff.; Romilly 1995, 101 ff. und Graf 2000, 114ff. Während Plut. Alk. 18,7 diese Tat als ein Manöver korinthischer Agenten, um die Ausfahrt der Athener gegen Syrakus zu verhindern, deutet, vermuten die meisten (Andokides 1,12ff.; Plut. Alk. 19f.; Isokrates 16,5-6) innenpolitische Rivalen des Alkibiades als Urheber der Tat, etwa die Hetairien; Vattuone 1978, 95 verdächtigt Nikias als Drahtzieher der Tat und der folgenden innenpolitischen Manöver gegen diesen - mit der Absicht, „screditare Alcibiade e toglierli di mano quel programma occidentale che era stato appannaggio dei moderati e di Nicia stesso fino al 418/17." Kagan 1981, 194 weist auf die (von Thukydides unterdrückte) religiöse Bedeutung hin: „Hermes was the god of travelers, and the mutilation of his statues was plainly a warning against the imminent expedition to Sicily." Mackie 1996, 109 meint darin die Gegenfolie zum günstigen O m e n des Priamos II. 24,308ff. zu erkennen; doch weist Thukydides nirgends auf die Funktion des Gottes als „heroic guide through danger and darkness, the god w h o ... conveys Priam safely to Achilles and b a c k " hin. Ebenso übertrieben ist die Deutung der V e r s t ü m m e l u n g der Hermen als Kastration des Demos, der „embody the idealized masculinity of the Athenian citizen. ... the mutilation of the Herms becomes a serious attack on both the sexual and the political autonomy of the demos. In the sexual register it is a castration; in the political, a potential act of tyranny ... castration is political disenfranchisement" (Wohl 1999, 359f.). Graf 2000, 120 vermutet, daß es sich beim Hermenfrevel um die „in allen Geheimbünden bekannten Solidarisierungen durch eine kollektive Untat" durch die Mitglieder einer von Mitgliedern der damaligen Jeunesse doree gebildeten Hetairie

534

THUKYDIDES

politische Hintergedanken ( μ ε τ ά π α ι δ ι α ς και οίνου) verübter (6,28) Freveltaten, besonders privater Feiern der Mysterien, wurde der Verdacht auf Alkibiades, den seine politischen Gegner kaltstellen wollten, gelenkt. 400 Diese bauschten die Vorfälle auf (έμεγαλύνων καΐ έβόων) und starteten eine, indirekt erzählte, Hetzkampagne, indem sie behaupteten, daß die Demokratie in Gefahr sei (ώς επί δήμου καταλύσει), und als Indiz sein abnormes Gebaren (ού δημοτικήν παρανομίαν) anführten. Alkibiades (6,29) versuchte sich zu rechtfertigen (άπελογείτο) und war bereit, wie in oratio obliqua berichtet wird, sich vor der Ausfahrt einem Gerichtsverfahren zu stellen, um entweder bestraft zu werden oder im Falle eines Freispruchs sein Amt zu übernehmen; vor allem beschwor er sie, während seiner Abwesenheit nicht auf die Verleumdungen gegen ihn zu hören; vielmehr wäre es klüger (σωφρονέστερον), ihn nicht mit diesem Verdacht zu entsenden. 4 0 1 Aus Angst (δεδιότες), die Soldaten könnten beim Prozeß Alkibiades' Partei ergreifen (εύνουν εχη), und das Volk würde wegen seiner Rolle bei der Teilnahme der Argeier und Mantineer nachgeben (μαλακί£ηται), verschleppten die Gegner das Verfahren und handelt. Graf hält politische Lesungen für problematisch, „weil die Häufigkeit der Herme im athenischen Stadtbild sie nicht zwingend zum Symbol für die radikale Demokratie macht" (S. 122). Gegen diese sehr interessante Hypothese spricht aber die große Zahl zerstörter Hermen und der für den Anschlag wohl kaum zufällig gewählte Zeitpunkt vor der Ausfahrt. In Bezug auf die Mysterienfeiern meint Graf: „Es ist in diesen Clubs ,in', im Anschluß an ein Symposion Mysterien zu inszenieren ... Das schließt beim einen oder anderen der Teilnehmer und Veranstalter ernsthafte politische Motive nicht aus, redimensioniert sie aber doch; allein schon die Bedeutung der Mysterien für die Stadt Athen konnte Grund genug sein, mit ihnen respektlos u m z u g e h e n . " (S. 126). Während T h u k y d i d e s z.B. vor dem Epitaphios einen längeren Exkurs 2 , 3 4 , 2 - 7 über den Brauch einfügt, fehlt 6,27,1 eine detaillierte Beschreibung des Kultes, was für Westlake 1973b, 13 d a r a u f h i n d e u t e t , daß Thukydides in den späteren Büchern noch rigoroser a u f , i r r e l e v a n t e s ' Material und Exkurse verzichtet habe. Die Andeutung 27,1 π ε ρ ι ε κ ό π η σ α ν τ ά πρόσωπα ist euphemistisch zu verstehen, vgl. Rodriguez Alfageme 1999, 308f. 400 Dadurch, daß Thukydides den Gegnern das Fokalisieren überläßt, markiert er ihre Aussagen als subjektiv. Canfora 1983b, 23: „II suo racconto mira a squalificare gli accusatori di Alcibiade." Tsakmakis 1995a, 181 f.: „Thukydides läßt durch die Darstellung der Ereignisse deutlich erkennen, a) daß Gegebenheiten aus einem faktischen Z u s a m m e n h a n g auf einen anderen projiziert werden, und b) daß aus nebensächlichen Aspekten eines Sachverhalts Elemente herausgearbeitet werden, die durch entsprechende Manipulation zum Mittelpunkt der Diskussion erhoben werden." 401 Zu beachten ist, daß auch in dieser kurzen indirekten Rede der parataktische Stil des Alkibiades mit vielen kurzen Sätzen (4mal et, einmal ÖTL, dazu καί und nur einmal Hypotaxe mit π ρ ί ν und ein absoluter Genetiv) durchschimmert.

Die Reden in den Büchern 6 und 7

535

setzten sich für die sofortige Abfahrt des Heeres ein, um während seiner Abwesenheit die öffentliche Meinung leichter gegen ihn aufzubringen (εκ μείζονος διαβολής), ihn dann zurückzurufen und vor ein feindseliger gestimmtes Gericht zu stellen. 402 Beim Hermenfrevel vermischen sich die private und die religiöse Sphäre, wobei die religiöse Dimension völlig ausgeblendet und der Akzent auf die politischen Auswirkungen der Tat und den Ge- bzw. Mißbrauch der Religion als Mittel der Politik gelegt wird. 403 Bei der Ausfahrt (6,30) um die Mitte des Sommers versammelte sich neben Verwandten und schaulustigen Fremden die ganze Stadt Athen frühmorgens im Piräus, wobei Thukydides das Wechselbad der Gefühle zwischen Hoffnung auf Erfolg und Klagen, ob sie jene wiedersähen (και μετ' ελπίδος τε άμα ιόντες καΐ όλοφυρμών, τά μεν ώς κτήσοιντο, τούς δ' ε'ί ποτε δψοιντο) (massen)psychologisch feinfühlig beschreibt und kommentiert: Im Moment des Abschieds (6,31), der beide Seiten in einer gefahrvollen L a g e zurückließ (μετά κίνδυνων), wurden die Athener mehr von Sorgen (τά δεινά) gepackt als damals in der Volksversammlung, faßten aber durch den Anblick ihrer Macht wieder Mut. In der ganzen Schilderung hebt Thukydides den „visual aspect" hervor. 404 Die Fremden und 402 Genau das, was Alkibiades verhindern wollte, wird hier mit wörtlichen Anklängen (διαβολή, α π ό ν τ ο ς ) geplant, und proleptisch das 6,53,2 folgende Geschehen angedeutet. 403 Williams 1998, 230: „Religion is used as a pretext for political fighting; there is no respect for the g o d s . " 404 Vgl. τ η παροΰση ρώμη, διά τό πλήθος εκάστων ων έώρων, τ η ό ψ ε ι ά ν έ θ α ρ σ ο ν . R e g e n b o g e n 1930b, 2 2 f f . , weist a u f die D i c h o t o m i e ' Α θ η ν α ί ο ι ξ ύ μ μ α χ ο ι , αστοί - ξένων, kurze antithetische K o l a und Klimax mit dem Zwiespalt έ λ π ί ς - ό λ ο φ υ ρ μ ο ί am Höhepunkt hin. Während die Einheimischen voller Emotionen sind, erscheint eine sachliche Distanziertheit bei den Fremden. Jordan 2 0 0 0 , 68: „ T h e visual impressions are intensified by the elaborate formal structure o f the whole. Relatively short and simple clauses alternate with longer and more complex periods imparting an extraordinary rhythm and sonority to the narrative, the main body o f which consists o f two e n o r m o u s periods o f un-paralleled weight and power ... T h e chapters represent a spectacle, as at Olympia, or a scene, as in the theatre, in which the civilians are the spectators and the military the a c t o r s . " Er weist a u f die Korrespondenz mit der R e d e d e s Alkibiades ( 1 6 , 2 - 3 Ό λ υ μ π ί α ζ ε θ ε ω ρ ί α ) hin. Kallet 2 0 0 1 , 2 2 : „ O p s i s a l w a y s i n v o l v e s interpretation; it is a participatory, reciprocal act in which the relationship between subject and object is fluid. O p s i s is fundamentally a m b i g u o u s : it can be illusory or real, but even in the later case, it must be interpreted correctly."

THUKYDIDES

536

Schaulustigen ( κ α τ ά θ έ α ν ) w o l l t e n den B e g i n n d i e s e s g e w a l t i g e n und fast surrealen Unternehmens sehen (ώς ε π ί ά ξ ί ό χ ρ ε ω ν και ά π ι σ τ ο ν

διάνοιαν).

D i e s e erste ( v o n einer e i n z i g e n griechischen Stadt ausgerüstete Streitmacht war besonders prächtig und kostbar ( π ο λ υ τ ε λ έ σ τ α τ η π ε σ τ ά τ η ) u n d übertraf a u c h Hagnon,

405

die

Expeditionen des

δή

και

εύπρε-

Perikles und

des

die bei vergleichbarer Größe in der N ä h e operierten und gerin-

ger ausgerüstet w a r e n . D i e v i e l e n Superlative z e i g e n w e n i g e r die reale Macht als v i e l m e h r den s c h ö n e n S c h e i n (im Sinn v o n N i k i a s 6 , 1 1 , 4 und A l k i b i a d e s 6 , 1 6 an). D a s s e l b e gilt für die Flotte, für deren S c h m u c k und Pracht k e i n A u f w a n d ( μ ε γ ά λ α ι ς

δαπάναις,

κατασκευαΐς

πολυτελέσι,

ε ΰ π ρ ε π ε ί α ) g e s c h e u t wurde. 4 0 6 D e r Wettstreit unter den A t h e n e r n war g e w a l t i g (epLv) und schien 3 1 , 4 : και έ ς τ ο ύ ς ά λ λ ο υ ς " Ε λ λ η ν α ς μάλλον

είκασθήναι.

της

δυνάμεως

και

εξουσίας

ή

επί

έπιδειξιν πολεμίους

π α ρ α σ κ ε υ ή ν , „vor den anderen H e l l e n e n mehr nach einer Vorführung v o n Macht und Reichtum als nach einer Rüstung g e g e n Feinde." 4 0 7

405 Vgl. Macleod 1975, 54. Diese Unternehmen (2,56 und 58) endeten trotz der beachtlichen Truppenstärke ohne Resultat. Vgl. die chiastische Struktur von τό μεν ναυτικόν und τό δέ πε£όν. Regenbogen 1930b, 25f.: „Sie wollen in ihrer schweren und ausladenden Wucht die Größe und Pracht der Rüstungen und den ungeheuren Aufwand ... mit den Mitteln der Sprache sozusagen konkret machen und die Größe des Zusammenbruchs einleuchten lassen." 406 Kallet 2001, 54: „The second appearance of the adjectives poluteles and euprepes evokes the costly but wasteful nature of the display ... Besides the implicit charge that the Athenians are wrongly spending on display, the additional sting is that the Athenians are making beautiful and extravagant what will not be especially useful in the war." 407 Kallet 2001, 55 meint, daß in diesem Abschnitt nicht Thukydides, sondern die Griechen die Fokalisatoren seien, die: „enhancing the credibility of his negative emphasis on appearance and opsis by asserting that others had a similar view. By this means, his implicit interpretation is thus given a sense of objectivity and thus authority over competing interpretations." Sie f a ß t e i K d £ e i v in der Bedeutung ,vermuten, schließen' (ebenso Betant 1843 s.v. είκά£ει.ν) u n d nicht als ,represent, portray' (Dover 1965, 295) auf. Ihre Paraphrase S. 54f. ist aber nicht korrekt: „The rest of the Greeks conjectured that it was more a display of power and resources than a military expedition." Dies ist aber ausgeschlossen, da ε ς τούς "Ελληνας nicht die Fokalisatoren - dies müßte doch ύπό των 'Ελλήνων heißen - , sondern die Adressaten der ε π ί δ ε ι ξ ι ς sind, es also ein ,display of power to the rest of the Greeks' war. Die von ihr zitierte Parallele 1,10,3 (διπλασίαν αν την δύναμιν εΐκά£εσθαι άπό τ η ς φανερας όψεως) und der Hinweis auf den Epitaphios deuten zwar auf die „irrelevance of opsis as a practical criterion, or as a sign" (S. 57) hin, beweisen aber nicht, daß die übrigen Griechen 6,31 Fokalisatoren sind. Zweck einer Machtdemonstration ist bekanntlich, stärker zu scheinen als man

Die Reden in den Büchern 6 und 7

537

Thukydides betont erneut den Aufwand (άνάλωσιν), der Polis und Private viel Geld kostete und in der Nachahmung von Alkibiades' extravagantem Lebensstil ihr finanzielles Potential zweckentfremdete. 4 0 8 Er kommentiert 6,31,6: και ό στόλος ούχ ήσσον τόλμης τε θάμβει και όψεως λαμπρότητι. περιβόητος έγένετο ή στρατιάς προς ους έπησαν 409 ύπερβολη, και ότι μ έ γ ι σ τ ο ς ήδη διάπλους άπό τ η ς οικείας και επί μεγίστη έλπίδι των μελλόντων προς τά ύπάρχοντα έπεχειρήθη. „Es war bei diesem Zug noch mehr das Staunen vor der Kühnheit und die Pracht des Anblicks als eigentlich die Übermacht des Heeres über die Angegriffenen, daß alle Welt davon redete, und weil hier schon die weiteste Überfahrt von der Heimat weg und mit den größten Hoffnungen auf Künftiges im Vergleich zum Gegebenen unternommen wurde." 4 1 0

realiter ist (vgl. Nikias 6,11,4 und Alkibiades 16,2); tragisch ist, daß sich die Athener selbst von ihrer Pracht blenden ließen. 408 Für Kallet 2001, 61 bezweckt 6,31 „the element of wasteful display and the appearance or impression of power", daher fehlen auch konkrete Zahlenangaben. Sie vergleicht dies mit Kroisos' Vorführung des Reichtums vor Solon (Hdt. 1,30), aber S. 62: „ T h u c y d i d e s ' point is not to make a case about hubris but rather to show the Athenians' inability to understand the relationship between money and power, and to criticize those w h o mistakenly infer power from display." Damit wird Perikles' Grundsatz 2,40,1: π λ ο ΰ τ ω τ ε έ ρ γ ο υ μάλλον καιρώ ή λόγου κόμπω χρώμεθα verkehrt. Darin glaubt sie ein Leitmotiv der ganzen Expedition zu erkennen, S. 82f.: „Thucydides attempts to dismantle an entire ideology, manifest in both the aristocratic and civic spheres, ... for example, in Alkibiades' perceptions of his display." 409 Luginbill 1997, 131 will wie 2,65,11 die attractio relativa π ρ ό ς ους έ π η σ α ν nicht in π ρ ό ς τ ο ύ τ ο υ ς ο ι ς έ π η σ α ν , sondern in π ρ ό ς τ ο ύ τ ο υ ς ο'ι έ π η σ α ν („because of the extravagance lavished on the invasion force relative to the n u m b e r s w h o actually participated") auflösen: „Thucydides is not saying that the expedition was excessive from the standpoint of the Sicilian opposition (in regard to which it really w a s insufficient as e v e n t s w e r e to prove), but rather that it w a s an extravagant display, expending precious Athenian resources, considering its actual s i z e . " E i n e r s e i t s b e d e u t e t οι έ π η σ α ν nicht „ t h e n u m b e r s w h o a c t u a l l y participated", andererseits wäre dieses Satzglied unnötig pleonastisch, da OL έ π η σ α ν = ό σ τ ό λ ο ς sind, also wäre: ό σ τ ό λ ο ς π ε ρ ι β ό η τ ο ς ... σ τ ρ α τ ι ά ς π ρ ό ς τ ο ν στόλον ύπερβολή. Luginbills Interpretation müßte wohl, wenn es sich auf die Teilnehmer, mit σ τ ρ α τ ι ά ς τ ω ν έ π ι ό ν τ ω ν ύ π ε ρ β ο λ η , w e n n es sich auf die athenische Macht bezöge, π ρ ό ς τ η ν δύναμιν αύτών ausgedrückt werden. 410 Vgl. die vielen Superlativen Ausdrücke, das Polyptoton μ έ γ ι σ τ ο ς , die Antithese negativ - positiv (ούχ ήσσον ... ή), die wachsenden Glieder der Klimax, und das homerische θ ά μ β ο ς . Regenbogen 1930b, 24: „Das μ έ γ ε θ ο ς auch dieser entscheidend wichtigen Leistung Athens im Höhepunkt seiner Kraftentfaltung, in der Krisis des ganzen ungeheuren Krieges, als die er die sizilische Expedition ansieht, ins rechte Licht zu stellen, dient dieser Gedanke ... als Unterbau für die großartige

538

THUKYDIDES

Die Abfahrt (6,32) und die Wettfahrt der Schiffe bis Aigina werden nur kurz erwähnt. 4 "

3.3.1.3. Die Erwartungen in Syrakus und die Reden des Hermokrates, Athenagoras und eines Feldherrn ( 6 , 3 2 , 3 ^ 1 ) 4 ' 2 Thukydides' Bericht über die Ereignisse ist chronologisch unbestimmt und kondensiert exemplarisch die ganze Darstellung auf die Volksversammlung. Diese dient weniger dazu, konkrete Gegenmaßnahmen aufzuzeigen als die in Syrakus herrschende Stimmung zu beschreiben und durch den Schauplatzwechsel geschickt die Zeit der Überfahrt der Flotte nach Aigina zu überbrücken. Obwohl gerüchteweise in Syrakus von der Ausfahrt der Athener berichtet worden war, wollte lange Zeit niemand daran glauben (ού μεντοι έπιστεύετο). In der Debatte darüber trat Hermokrates, wie der Narrator einleitend bemerkt, in der Meinung auf, über diese Dinge genau unterrichtet z u sein (ώς σ α φ ώ ς ο ί ό μ ε ν ο ς είδέναι. τ ά περί

αύτών):

a. Er beginnt (6,33) mit einer methodischen Feststellung über das Problem der Kommunizierbarkeit von Wissen: Zwar werden seine Ausführungen unglaubwürdig erscheinen (άπιστα), dennoch geben sie den wahren Sachverhalt über den Angriff wieder (της αληθείας). Eine erläuternde Gnome

Wirkung der hier geballten Kräfte und zugleich für die zerschmetternde Wucht der endlichen Katastrophe." Wie die von den Athenern kritisierten Melier (5,103, 111,2, 113) setzen sie gegen Nikias' Rat 9,3 ihre H o f f n u n g auf die Z u k u n f t ( τ ά μ έ λ λ ο ν τ α statt auf τ ά υ π ά ρ χ ο ν τ α , w a s für Parry der Antithese von λ ό γ ο ς und έ ρ γ ο ν entspricht. Während für Cornford 1907, 220 „the hope ... was vain - a last delusion of Elpis", vermutet Gervasi 1981, 111 keine Kritik an den Athenern: „The word suggests the same strong faith in Athens ... which appeared in Pericles' Funeral Oration, and it is used within the dramatic situation to suggest the actual expectations of the Athenians.") λ α μ π ρ ό τ η ς knüpft an Alkibiades' Rede 6,16,3 an, Jordan 2000, 73: „The echoes from Alcibiades' speech (... 6 , 1 6 , 2 - 3 ) in the description of the armada seem to be saying that its apparent strength w a s also deceptive (6,31,4)." 411 Vgl. Xerxes' Schaukampf am Hellespont (Hdt. 7,44); Thukydides beschränkt sich im Gegensatz zu Herodot auf einen kurzen Bericht über die vor der A b f a h r t vollzogenen rituellen Handlungen. 412 Rawlings 1981, 85 vergleicht diese V e r s a m m l u n g mit der ersten Ekklesie in Sparta: „Through the presentation of speeches in these two assemblies Thucydides has given us an intimate portrait of the future opponents of Athens."

Die Reden in den Büchern 6 und 7

539

führt diese A u s s a g e als Prämisse eines E n t h y m e m s weiter: οι τ ά μή π ί σ τ α δοκοϋντα ε ΐ ν α ι ή λ έ γ ο ν τ ε ς ή ά π α γ γ έ λ λ ο ν τ ε ς ού μόνον ού πείθουσιν, άλλα καΐ άφρονες δοκοϋσιν είναι. „Wer das Unwahrscheinliche sagt ..., findet nicht nur keinen Glauben, man hält ihn obendrein für einfaltig." Die synonymische c o n g e r i e s λ έ γ ο ν τ ε ς , ά π α γ γ έ λ λ ο ν τ ε ς mit anaphorischem ή und Homoioteleuton ist emphatisch. Die unausgesprochene - um das Publikum im Proömium nicht zu sehr zu brüskieren (er sagt j a nicht: ich m a g zwar άφρων scheinen, ihr aber seid ά φ ρ ο ν ε ς ) conclusio des Enthymems 4 1 3 in Kauf nehmend (ού καταφοβηθείς), stellt er antithetisch und gegen die allgemeine δόξα angesichts der Gefahr für die Stadt (κινδυνεύουσης τ η ς πόλεως) sein klareres Wissen, durch das er sich als Ratgeber empfiehlt (πείθων γ ε έμαυτόν σαφέστερόν TL έτερου είδώς λ έ γ ε ι ν ) und die Sympathie des Publikums zu erwerben sucht, entgegen. Der leitende Gedanke in diesem Satz ist der Gegensatz zwischen dem Schein (δόξω, δοκοϋντα, δοκοϋσι), der mit der Plausibilität (άπιστα, τ ά μή πιστά, ού πείθουσιν) korreliert, und der tatsächlichen Lage (άλήθεια), die auf sicherem Wissen beruht (σαφέστερόν ... ειδώς) und als Motivation des Redners mit leicht ironischer W i e d e r a u f n a h m e des π ε ί θ ω ν γ ε έ μ α υ τ ό ν die auktoriale Einleitung 32,3 σαφώς οιόμενος εΐδέναι wiederholt. 4 1 4 Im nächsten Satz erläutert er emphatisch sein Wissen um die Gefahr: D i e A t h e n e r sind mit g r o ß e r Streitmacht g e g e n sie im Anmarsch (ώρμηνται), wobei das Polysyndeton και ναυτική και π ε ζ ή mit Homoioteleuton emphatisch πολλή σ τ ρ α τ ι ά erläutert. Er entlarvt wie der Narrator

413 Praemissa maior: οι τά μή πιστά δοκοϋντα είναι ... λεγοντες ού μόνον ού πείθουσιν, αλλά και άφρονες δοκοϋσιν είναι. Praemissa minor: άπιστα ϊσως ... δόξω ύμΐν ... περί τοΰ επίπλου της αληθείας λέγειν. Unausgesprochene conclusio: ού μόνον ού πείσω ύμας άλλά και άφρων ύμιν είναι δόξω. Vgl. Nikias 6,9,3. 414 Die Kritik an der δόξα wird unter die allgemeine Thematik der Kommunizierbarkeit von Wissen gestellt. Frank 1984, 100, für den „the persuasive power of the truth in the political sphere" das Thema ist, meint: „Truth is not a sufficient condition for belief or trust. Its persuasive power is not assured." Daher S. 103: „It implies (1) the weakness of impotence of truth to persuade in the political arena, (2) the tragic condition of the man who really does know, and (3) the (equally) tragic condition of those who do not trust or believe the man who knows." Vgl. die Kritik der Korinther 1,68,1 an den Spartanern, worin Rawlings 1981, 82 eine Analogie zwischen beiden Reden erkennt: „Both speeches begin with an appeal for trust first, then immediately defensive actions." Beide spielen auf das Perserdebakel (1,69,5) an und wollen die Zuhörer zum Handeln bewegen (1,71,1/3 = 6,34,4). Bloedow 1996, 142f.: „From what the reader already knows about him, he is in no doubt about what Hermocrates means by 'the truth of the matter'..."

540

THUK.YDIDES

6,6,1 das Bündnis mit Egesta und die Heimführung der Leontiner ( Έ γεσταίων ξυμμαχία και Λεοντίνων κατοικίσει) als Vorwand (πρόφασιν) und gibt als wahres Motiv (τό δέ άληθές) an: Σικελίας επιθυμία, μάλιστα δέ τ η ς ημετέρας πόλεως, ηγούμενοι, εί ταύτην σχοΐεν, ραδίως και ταλλα έξειν, „weil sie Sizilien begehren, und vor allem unsere Stadt, und denken, wenn sie die bekämen, hätten sie bald auch den Rest." Die Antinomie von πρόφασιν und τό δέ αληθές ist stark und fuhrt auf einer anderen Ebene den Gegensatz δόξα - αλήθεια von 33,1 fort; zu beachten sind das Isokolon und H o m o i o p t o t o n Έ γ ε σ τ α ί ω ν ξυμμαχία και Λεοντίνων κατοικίσει im ersten Teil, der Wechsel der Konstruktion und die Steigerung im zweiten Teil ( μ ά λ ι σ τ α ) mit der partizipialen (hypothetischen) Überlegung aus der Sicht der Feinde (ηγούμενοι). Auf diese Darlegung der Gefahr folgt als Forderung des Hermokrates der paränetische Appell an die Zuhörer, zuzusehen, wie sie am besten (κάλλιστα) die Athener abwehren könnten (άμυνεϊσθε). Er lehnt proleptisch mit A n g a b e der Folge zwei Reaktionen ab: Geringschätzung (καταφρονήσαντες), wovor bereits Nikias 6,11,3 gewarnt hat, läßt sie zur u n g e s c h ü t z t e n B e u t e w e r d e n (άφαρκτοι ληφθήσεσθε); Unglaube ( ά π ι σ τ ή σ α ν τ ε ς ) verursacht die Vernachlässigung des Staates (του ξύμπαντος αμελήσετε). Die Isokolie der beiden antithetischen Kola μήτε ληφθήσεσθε und μήτε - α μ ε λ ή σ ε τ ε , die Homoioteleuta (καταφρονήσαντες, άπιστήσαντες - ληφθήσεσθε, αμελήσετε) und der Parallelismus der Konstruktion erzeugt Emphase. Nehmen sie ihn jedoch ernst (33,4 πιστά), ist auch nicht Defaitismus angebracht: sie sollen nicht wegen der athenischen Kühnheit (τόλμαν) und Macht (δύναμιν) die Fassung verlieren (μη έκπλαγή). 415 Dies zeigt er durch Widerlegung der größten Befürchtung seiner Zuhörer. Die Größe der Streitmacht (μεγάλω στόλω) birgt ebenso große Gefahr für die Athener, zumal diese bewirkt, daß die Sizilier infolge der Bestürzung (έκπλαγέντες) eher bereit sein werden, sich mit Syrakus zu verbünden. Die artifizielle Wortfolge οίίτε γάρ βλάπτειν ημάς πλείω οίοί τ' έσονται ή π ά σ χ ε ι ν durch die Klammerstellung von β λ ά π τ ε ι ν und π ά σ χ ε ι mit leichtem Zeugma ist prägnant. Geschickt die Möglichkeit des Mißerfolgs übergehend, evoziert er bereits in einem Einschub die Aussicht, 415 Sie sollen sich nicht durch diese beiden Faktoren psychologisch lahmen lassen ( έ κ π λ α γ ή ν α ι ) . Ο ϊ β έ ' κ π λ η ξ ι ς ist gleichzeitig die Voraussetzung für die Rückkehr zur Vernunft (Drobig 1958, 372). Dabei ist die Argumentation leicht paradox: Die Syrakuser sollen nicht ob der athenischen Macht bestürzt sein ( έ κ π λ α γ ή ) , weil die Sizilier vor ihr bestürzt sind ( έ κ π λ α γ έ ν τ ε ς ) . Den von Athen ausgelösten Schrecken in Sizilien kann nach Hermokrates derjenige, der um die heilsame Wirkung dieses Schreckens weiß, durchaus zu seinen Gunsten nutzen. Vgl. 33,5.

Die Reden in den Büchern 6 und 7

541

falls die Athener bezwungen oder wenigstens unverrichteter Dinge heimgeschickt werden, auf eine ruhmvolle Tat (κάλλιστον έργων), die er für nicht aussichtslos hält (ούκ άνέλπιστον), wie 33,5 er in einem analogen historischen Paradeigma (als βεβαίωσις und Teil eines Syllogismus) zeigt, das den Gedanken des μ έ γ α ς στόλος wiederaufnimmt und vertieft: Nur wenige, weit weg von der Heimat operierende (πολύ άττό τ η ς εαυτών) Expeditionen von Griechen oder Barbaren (στόλοι μεγάλοι ή 'Ελλήνων ή βαρβάρων) waren von Erfolg gekrönt (κατώρθωσαν). Er nennt dieselben Gründe, die Nikias apotreptisch gebraucht hatte, protreptisch: erstens die zahlenmäßige Unterlegenheit gegenüber den sich verbündenden Einwohnern (ύπό δέους ξυνίσταται), zweitens den Mangel an Lebensmitteln (άπορίαν των επιτηδείων). 4 1 6 Daher wird ihr Scheitern (σφαλώσι) den Angegriffenen Ruhm (όνομα) und Größe bescheren, wobei das Homoioteleuton έπιβουλευθεΐσιν, σφι'σιν, πταίσωσιν, καταλείπουσιν Emphase erzeugt. Er führt als historische Analogie und Beweis 33,6 Athens Erfolgsgeschichte an: όπερ αυτοί οΰτοι τοϋ Μήδου παρά λόγον πολλά σφαλέντος, επί τω ονόματι ώς έπι 'Αθήνας ήει ηύξήθησαν, και ή μ ΐ ν ούκ άνέλπιστον τό τοιούτο ξυμβήναι. „Genau so sind j a auch die Athener selbst durch den unerwarteten jähen Untergang des Persers, darum, weil er doch gegen Athen ausgezogen war, so hoch gestiegen, und so dürfen auch wir hoffen, daß sich ähnliches wiederholt." 4 1 7

Nach dieser Aussicht auf Ruhm und Größe folgt 6,34 der konkrete Aktionsplan. Zuversichtlich ( θ α ρ σ ο ϋ ν τ ε ς ) wollen sie sich rüsten (παρασκευαζώμεθα) und durch Gesandte 1. in Sizilien a) bei den Sikelern bestehende Bündnisse festigen und neue zu schließen versuchen, b) mit dem Hinweis auf die gemeinsame Gefahr (κοινός κίνδυνος) die übrigen (griechischen) Staaten auf ihre Seite bringen; 2. ebenso in Unteritalien Bündnisse schließen oder wenigstens vereinbaren, daß die Athener nicht aufgenommen werden. 3. Da auch die Karthager einen athenischen Angriff erwarten (ού γάρ άνέλπιστον), ja, wie er hyperbolisch sagt, sogar in ständiger Furcht (αίεί διά φόβον) davor leben, könnten sie vielleicht (τάχ' άν ίσως) ein prophylaktisches Interesse daran haben, sie nicht im Stich zu lassen und ihnen 416 Bei Nikias: 1) Entfernung (6,11,1; 21,2); 2. einigende Furcht (6,21,1: Nikias verwendet δ έ ο ς statt φ ό β ο ς , um den Zuhörern kein Gefühl der Unterlegenheit zu geben, so Drobig 1958, 327); 3. Versorgungsschwierigkeiten (6,21,2). 417 Damit stimmt er in Bezug auf das Ziel mit Herodot 7,138 überein, deutet aber wie die Korinther 1,69,5 den athenischen Erfolg als Fehler der Perser (τον βάρβαρον αύτόν περί αύτω τ ά π λ ε ί ω σ φ α λ ε ν τ α ) .

542

THUKYDIDES

angesichts ihres Reichtums, der, wie er gnomisch in einer Parenthese anmerkt, Grundlage der Kriegsführung ist (χρυσόν γάρ και άργυρον ... όθεν δ τε πόλεμος και ταλλα εύπορεΐ), 4 1 8 insgeheim oder offen zu helfen, sofern sie dazu bereit sind. 419 4. Ebenso sollen Sparta und Korinth um rasche Hilfe und Wiederaufnahme des Krieges gebeten werden (δεΰρο κατά τ ά χ ο ς βοηθεΐν και τόν εκεί πόλεμον κινάν emphatisch durch Antithese (δεϋρο - έκεΐ), Parison, Homoioteleuton). 5. Zusätzlich dazu hält er 34,4 einen offensiven Plan, der auf dem psychologischen Effekt des Überraschungsmoments beruht, zwar für günstig (μάλιστα έπίκαιρον), aber, wie er in einer Parenthese sagt, angesichts der friedlichen Verfassung (δια τό ξΰνηθες ήσυχον) der Syrakuser kaum für durchführbar. 420 Sie sollen präventiv mit ihrer ganzen Flotte nach Unteritalien in die Gegend des ihnen freundlich gesinnten Tarent fahren und dort die Athener, die nach der langen Fahrt kaum die Linien halten (έν τάξει μ ε ϊ ν α ι ) werden können, am ehesten aus der Fassung (μάλιστα ... εκττλήξαίμεν) bringen. Proleptisch zeigt er die Erfolgsaussichten seines Plans aus der Sicht der Athener an: Infolge der Erschöpfung und aus Lebensmittelmangel werden sie in große logistische Schwierigkeiten geraten (άποροιεν), womöglich ihre Rüstung verlieren und angesichts mangelnder Sicherheit mutlos werden (άθυμοιεν). Im günstigsten Fall könnten die Athener, wenn sie von ihren Gegenmaßnahmen erführen, infolge dieses unvorhergesehenen Umstandes die Überfahrt aufgeben (καταπλαγέντας τω άδοκήτω καταλΰσαι αν τόν πλουν), zumal er gehört hat, daß der erfahrenste Feldherr (έμπείροτάτου) (Nikias), den er aber nicht namentlich nennt, gegen seinen Willen (άκοντος ηγουμένου) mitfahre und gern einen Vorwand (πρόφασιν) fände, wenn er eine durch das Gerücht noch vergrößerte starke Macht am Horizont sähe. Seine Überlegung stützt er auf folgende psychologische Gnome 34,7: των δ' άνθρώπων προς τά λεγόμενα και αί γνώμαι ϊστανται, καΐ τους προεπιχειροΰντας ή τοις γε έπιχειροϋσι προδηλοϋντας ότι άμυνοϋνται μάλλον πεφόβηνται, ίσοκινδύνους ήγούμενοι. 418 Ä h n l i c h betonen A r c h i d a m o s 1,83,2 und Perikles 2,13,2 die B e d e u t u n g von Geld und Reichtum für den Krieg. 4 1 9 Dabei handelt es sich um eine rhetorische Hyperbel mit z w e i m a l γ ε und καν; τ ά χ ' α ν ϊ σ ω ς (nur N i k i a s 6,10,4 und er selbst 6,78,3 g e b r a u c h e n diese Floskel) deutet eine vorsichtige H y p o t h e s e an (vgl. aber 6,15,2 und 90,2). 420 W ä h r e n d N i k i a s 6,9,3 seinen Rat w e g e n der τ ρ ό π ο ι der A t h e n e r f ü r e r f o l g l o s hält, k ä m p f t H e r m o k r a t e s g e g e n die a u f der E b e n e des ν ό μ ο ς a n g e s i e d e l t e T r ä g h e i t an. Daher ist sein Versuch auch nicht aussichtslos.

Die Reden in den Büchern 6 und 7

543

„Menschen richten sich aber in ihren Gedanken nach dem, was sie hören; und wer den Angreifern zuvorkommt oder seinen Wehrwillen vorauszeigt, den fürchten sie eher, bei der gleich verteilten Gefahr." 4 2 1

Die Athener betrachten sie als minderwertig (κατεγνωκότες), weil sie noch nicht zusammen mit Sparta gekämpft hätten. 34,8: ει δ' ί'δοιεν παρά γυώμην

τολμήσαντας,

τοΰ άληθοΰς

τω

άδοκήτω

μάλλον άν καταττλαγεΐεν ή τ η

άπό

δυνάμει.

„Sähen sie uns wider Vermuten schlagfertig, so würde dies Unerwartete sie noch mehr einschüchtern als unsre wirkliche Macht." 4 2 2

421 Drobig 1958, 95: „Im Interesse einer präventiven G e g e n o f f e n s i v e beschreibt Hermokrates hier mit einer eindrucksvollen Bildlichkeit die Wirkung des Gerüchts, das demjenigen vorangeht, der sich erkühnt, gegen einen eigentlich als überlegen einzusehenden Gegner die Hand zu erheben." Dabei ist ίσοκίνδυνος, „wer eben einen Gegner gewahrt, der sich einer ihm zugemuteten riskanten Gefahr so gewachsen zeigt, daß er zur Gegenoffensive zu schreiten vermag, hat Anlaß sich ihm gegenüber unterlegen zu fühlen" (S. 97). Ähnlich 2,89,5; 6,68,4. 422 G o m m e 1937, 169 hält seinen Plan für „fatal to his country, and soon fatal." Ebenso Liebeschütz 1968, 297; H C T iv, 299. Westlake 1973c, 182 betrachtet ihn als rhetorischen Kniff, um die Syrakuser aufzurütteln und wenigstens zu beschränkten M a ß n a h m e n zu bewegen. Für Kallet 2001, 68 zeigt sein Vorschlag: „The effect is once again to reinforce the perception of ambiguity concerning Athens' actual power, for whereas in his preceding arguments he assumed the reality of Athenian power, here he seems to endorse its illusory aspect." Mit Recht weist Hunter 1973, 157 auf den psychologischen Aspekt hin: „Hermokrates' strategy is based on a simple rule of human behaviour. Men are confused and dismayed by the unexpected. In war this can work to the advantage of the weaker side, for the stronger may well be caught off guard because he does not expect resistance." So bei Phormion 2,91f. und Brasidas 5,10: S. 159: „ K n o w i n g what did happen, Thucydides put in Hermokrates' mouth a strategy which makes use of the same psychology which proved so successful for Phormion and Brasidas and which later actually did defeat the Athenians." Bloedow 1993, 124: „A carefully crafted strategy that had good prospects of success ... a plan that must strike also the modern critic as intelligent and compelling." Für Stahl 2002, 81 wollte Hermokrates durch eine überraschende Präventiv-Aktion Zeit gewinnen und „falls möglich, den Feind davor abschrecken und davon abhalten, überhaupt zu k o m m e n . " Übertrieben ist aber seine Folgerung S. 83: „ W a s wie eine voraussagbare Ereigniskette aussehen mag, kann unterbrochen und von seinem Kurs abgedrängt werden durch unvorhergesehene Faktoren, hier bestehend in kühner Planung der Gegenseite. Die bloße Möglichkeit solcher Abweichung, selbst wenn sie nie Wirklichkeit wird, ist wichtig genug für den Historiker, daß er sie in sein Werk einführt und detailliert ausarbeitet." Indessen muß festgehalten werden, daß das Gelingen des Überraschungseffekts Fehler und Unerfahrenheit des Gegners voraussetzt, was aber nicht auf die Athener zutrifft (vgl. 6,70). Auf der anderen Seite kann ein solch gewagtes Manöver bei eigenen Fehlern die ,Ereigniskette' beschleunigen.

THUKYDIDES

544

Im aus recapitulatio und Appell bestehenden Epilog 34,9 fordert er sie auf (πείθεσθε), kühn zu sein (τολμήσαντας): και παραστήναι παντι τό μεν καταφρονεί ν τούς έπιόντας έν των έργων τη άλκη δείκνυσθαι, τό δ' ήδη τάς μετά φόβου παρασκευάς άσφαλεστάτας νομίσαντας ως επί κινδύνου πράσσειν χρησιμώτατον αν ξυμβήναι. „Und halte sich j e d e r vor Augen, daß Verachtung des Angreifers sich erst beim wirklichen Aufprall erweist, für jetzt aber es heilsamer sein wird, in ängstlichen Vorbereitungen die größte Sicherheit zu sehn und zu handeln wie unter Gefahr." 4 2 3

Am Schluß wiederholt er, an den Anfang der Rede wieder anknüpfend, seine Überzeugung, daß die Athener unterwegs sind und kommen werj 424 den. Seine Rede weist folgende Struktur auf:425 1. Prooimion

33,1: Problem der Vermittlung von Wissen zeigt exemplarisch die Impotenz dessen auf, der die Wahrheit kennt: Gegensatz von Schein und Wissen. Wegen der Größe des κίνδυνος für die Stadt spricht er: Selbstlose Empfehlung als Ratgeber.

2. Prothesis

33,2—3: Beschreibung des κίνδυνος. Die Athener sind im Anmarsch Appell zur richtigen Reaktion und Abwehr (κάλλιστα άμυνεϊσθε).

3. Pisteis

1. 33,4—6: Er widerlegt Furcht vor der Größe der feindlichen

423 Romilly 1966, 122: „Et l'on arrive bientöt ä ce paradoxe que la crainte devient une force et rend le faible superieur au fort." Iglesias Zoido 1995, 138 „la confirmacion de que no se trata de un simple discurso a favor de la guerra, sino que las circunstancias llevan a un empleo cruzado de π ά θ η que presenta concomitancias con el tema de las alianzas, en donde el φ ό β ο ς es fundamental para mover los änimos de los oyentes a una alianza en contra de un e n e m i g o c o m u n . " Ähnlich 1,36,1; 2 , 1 1 , 3 - 5 ; 3,83,3. Z u m κ α τ α φ ρ ο ν ε ΐ ν vgl. Perikles 2 , 6 2 , 3 - 6 4 , 4 , dagegen Nikias 6,11,5 (vgl. S. 499, A n m . 305), zu den π α ρ α σ κ ε υ ά ς ά σ φ α λ ε σ τ ά τ α ς vgl. Nikias 6,23,3 παρασκευή ά π ό των εικότων άσφαλής έκπλεϋσαι. 424 Allison 1997a, 159 faßt 34,7 ε π ί τ ό πλέον und 9 έ ν πλω als Paronomasie auf: „This rhetorical ploy is not subtle as it may at first seem, for the movement in the speech is paralleled by the actual progress of the Athenians." 425 Anders Bloedow 1993, 115f., der zwei Teile bestimmt: Α. 1. „He recognizes certain fundamental weakness in his fellow-citizens - their ignorance of facts and reluctance to accept facts when confronted with them (33.1). 2. Awareness of the problem he faces in attempting to overcome these difficulties (33.1). 3. His confidence in his own ability to offer a solution - based on his knowledge of the facts (33.2). 4. His knowledge of truths behind the facts: he draws a distinction between the alleged and real object of Athens' expedition (33.2). 5. A challenge to his fellow-citizens to action: B. Hermocrates' Six-Point Strategy for action."

Die Reden in den Büchern 6 und 7

(Argumentatio)

545

Streitmacht durch allgemeine Überlegungen zum T h e m a μ έ γ α ς σ τ ό λ ο ς , Analepse zu den Perserkriegen als möglichem Analogon und Aussicht auf Ruhm (κάλλιστου έργου). 2. 34: Konkreter diplomatischer und militärischer Aktionsplan in 5 Punkten (Klimax). Er schlägt (34,4—8) einen Überraschungsangriff vor und malt proleptisch die psychische Wirkung, persuasiv durch γυώμαι gesteigert, auf die Feinde auf.

4. Epilog:

34,9: recapitulatio: Appell zur m u t i g e n Aktion und

heilsame

Wirkung der Furcht. Die Chancen stehen gut; die Athener werden kommen (als Ring mit 33,2).

Seine Überlegungen stimmen in einigen Punkten e contrario mit denen des Nikias überein. 426 Er gebraucht viele Komparative und Superlative, die der Argumentation Kraft und Emphase verleihen. 427 Hermokrates, der als Ratgeber auftritt, bringt seine Person vor allem mit den Verba sentiendi et putandi ins Spiel, richtet sonst aber vor allem adhortative Appelle in der 1. PI., durch die er sich vor heimischem Publikum miteinschließt, an seine Zuhörer. Seine Rede ist sich von vielen formalen Antithesen geprägt, die durch parallele Konstruktion und viele Homoioteleuta ausgewogen gegliedert sind und sich inhaltlich zu einem ganzheitlichen und umfassenden Bild ergänzen. Sein hypothetischer Plan (34,4ff.) zeichnet sich durch die hohe Zahl hypothetischer Gebilde und Partikeln aus. Auktorial wird die Reaktion auf seine Rede illustriert (35), wobei die Befürchtungen von 33,3 genau zutrafen: Die einen bezweifelten a priori die Richtigkeit (αληθή) seiner Rede, die anderen hielten die athenische Expedition zwar für möglich, sahen aber darin keine große Bedrohung. Eine weitere Gruppe schätzte die Gefahr gering ein und zog sie ins Lächerliche (καταφρονοΰντες έ ς γέλωτα ετρεπον). Nur wenige glaubten Hermokrates

und nahmen die Gefahr ernst (ολίγον ήν τό πιστεΰον ... και φοβούμενον τό

μέλλον).428

426 Parallelen zu Nikias: 33,4 = 21,1; 33,5 = 21,2/22; 36,4 = 10,2; 3 7 , I f . = 21,2 (vgl. auch S. 541, Anm. 416). 427 So 34,2 ά μ ε ι ν ο ν , μ ά λ ι σ τ α , π λ ε ί σ τ ο υ und am Ende 3 4 , 7 - 9 neun Superlative, welche die positiven Eigenschaften bekräftigen, vgl. Allison 1997a, 152ff. 428 Die beiden Reaktionen von 6,33,3 ( κ α τ α φ ρ ο υ ή σ α υ τ ε ς bzw. ά τ η σ τ ή σ α υ τ ε ς ) werden differenziert und gesteigert. Das Lachen als typisches nonverbales Deutungs-Pattern unterstreicht den Gegensatz zwischen dem unwissenden Publikum und dem wissenden Leser (Bloedow 1996, 145: „The effect on the reader, who of course knows that the Athenians are coming, is that the majority of the Syracusans

546

THUKYDIDES

Nach Hermokrates sprach der Vorsteher des Volkes Athenagoras, der damals, ähnlich wie Kleon (3,36,6 und 4,21,3), beim Volk über das meiste Ansehen verfugte (ττιθανώτατος). 429 Er geht medias in res (36) und meint recht sarkastisch, daß nur jemand, der feige oder der Stadt nicht wohlgesinnt ist (δειλός ή τη πόλει ούκ εΰνους), sich nicht wünscht, daß die Athener so schlecht beraten (ούτως κακώς φρονήσαι.) seien und ihnen Untertan würden (υποχείριους ήμίν γενέσθαι); damit erweist er Hermokrates' Sorge als Wunschdenken, 4 3 0 hinter der aber nicht die Sorge um die Polis, sondern das politische Kalkül gewisser Kreise stecke, die durch die Erzeugung von Panik (περιφόβους ύμας ποιοϋντες, την ττόλιν έ ς έκπληξιν καθιστάναι, τω κοινω φόβω) ihre eigene Angst (δεδιότες ιδία, τό σφέτερον έπηλυγά£ωνται) kaschieren wollen, womit implizit Hermokrates gemeint ist. 431 Er wundert sich nicht

must be naive: they are made to look ultra-simplistic when it comes to analysing a highly dangerous situation"). Die Spaltung der Bevölkerung erscheint weniger als Generationen-Konflikt denn als Streit zwischen den (oligarchischen) Anhängern des Hermokrates und den Führern des Demos. 429 Im Gegensatz zur Einführung des Hermokrates wird keine spezifische Motivation angegeben. Bloedow 1996 weist auf den Unterschied zu Kleon 3,37ff. hin: „While they may be portrayed as demagogues, they are able to use the same 'data' to argue diametrically opposed theses. This is the essence of Sophistic rhetoric." 430 Bemerkenswert ist der nach Classen-Steup vi, 85 „entschlüpfte" Hexameter im ersten Satz: τ ο ύ ς μέυ ... οϋτω. 431 Drobig 1958, 221: „In der ängstlichen Sorge um die Wahrung ihrer ganz persönlichen Interessen wollen sie die Stadt durch Bangemacherei zum Opfer eines Ablenk u n g s m a n ö v e r s machen, das keinem anderen Ziel dient, als in der allgemeinen Unterlegenheit, nun, ihre eigene Unterlegenheitsfurcht zu verstecken." Gärtner 2000 glaubt, die Oligarchen fürchteten wegen ihrer früheren Intrigen Repressivmaßnahmen des Volks, S. 123f.: „Mit dieser die ganze Stadt betreffenden Furcht h o f f e n sie, ihre persönliche Furcht ,überschatten' zu können ( ό π ω ς τ ω κοινω φόβω . . . ) , konkret gesprochen: Sie hoffen, daß die öffentlichen Wirrungen, die die Furcht vor einer solchen Invasion nach sich zieht, auf den eignen drohenden Prozeß ... ,einen Schatten w i r f t ' , ihn also in den Hintergrund treten läßt." Während Jones /Powell im O C T dem Scholiasten folgen und τ ο υ σ φ έ τ ε ρ ο ν (sc. φόβου) lesen, faßt Steup das in den codices stehende τ ό σ φ έ τ ε ρ ο ν als „ihr Unternehmen" ( C l a s s e n - S t e u p vi, 267f.) auf. Dagegen schlägt G ä r t n e r 2000, 124 vor, τ ό σ φ ε τ ε ρ ο ν die Rechtmäßigkeit r > • 513αρχή sprechen (ανάγκη καΐ περί της αρχής ειπείν ώς είκότως έχομεν). Der größte Beweis (μεγιστον μαρτύριον) ist, wie er in einer vor einem dorischen Publikum gewagten concessio behauptet, das von seinem Vorredner 6,80,3, den er wörtlich zitiert, gebrauchte Axiom, daß die Ionier immer den Doriern feind sind ( Ί ω ν ε ς αΐεί πολέμιοι τοις Δωριεΰσι). 514 Dieses Leitmotiv bestimmt die in einer subjektiven Analepse in einseitiger Reduktion gegenüber dem auktorialen Bericht subjektiv interpretierte 511 Bayer 1985,61. 512 Wie Diodotos ist er ein sonst unbekannter Politiker, vgl. Hogan 1989, 251: „Euphemus, whom Thucydides mentions nowhere else and about w h o m he gives no other information ... represents the common public speech of his day." 513 Eine analoge Reaktion auf einen verleumderischen Angriff zeigen die Athener in Sparta 1,73ff. (73,2 ά ν ά γ κ η ) und Alkibiades 6,16,Iff. ( α ν ά γ κ η ) . Es gehört zu den Topoi des Bündnissuchenden zu zeigen, daß τ ο ύ ς τ η ν σ υ μ μ α χ ί α ν π ο ι ο ύ μ ε ν ο υ ς μ ά λ ι σ τ α μεν δικαίους ο ν τ ά ς (RhAl. 1424b 35ff.), vgl. Iglesias Zoido 1995, 60. 514 Ähnlich 1,73,5 die Gesandten: τεκμήριον δε μ ε γ ι σ τ ο ν κτλ.

582

THUKYDIDES

Geschichte der Perserkriege und der Pentekontaetie: 515 Die Athener mußten sich seit jeher als Ionier in der Nähe der dorischen Peloponnesier gegen deren Dominanz behaupten. Daher haben sie sich nach den Perserkriegen dank der Schiffe (ναϋς κτησάμενοι) 516 von der Hegemonie Spartas befreit (της μεν Λακεδαιμονίων αρχής και ήγεμονίας άπηλλάγημεν), zumal jene aus keinem anderen Grund als wegen ihrer damaligen Überlegenheit geherrscht hatten (μείζον ισχύον). Bemerkenswert ist die Emphase auf den A u s d r ü c k e n des B e f e h l e n s b z w . H e r r s c h e n s w i e ύπακουσόμεθα, επιτάσσει ν und die Hyperbel durch synonymische congeries αρχής και ήγεμονίας. Der Chiasmus εκείνους ή μ ι ν - ή μ ά ς έκείνοίς weist auf ein Verhältnis hin, das weder auf gemeinsamen Verpflichtungen noch Interessen, sondern auf dem Recht des Stärkeren beruht. Ε silentio wird die auf Athen selbst zutreffende aprioristische Vorstellung, daß der Stärkere über seine Nachbarn herrschen will, auf Sparta vor, während und nach den Perserkriegen übertragen, was aber nicht mit den Fakten übereinstimmt. Das Fehlen von Beweisen zur Stützung seiner Behauptung zeigt implizit die Schwäche der Argumentation an. 517 Als Herrscher (ηγεμόνες) über die 515 Orwin 1994, 130: „He agrees with these envoys that Athens has had empire thrust upon her. His account of this process, however, is more cautious (and less truthful) than theirs. He does not even invoke compulsion (save for the rhetorical one under which he labors: 6.82.1 ...). ... A s w e have seen, he garbs the empire in security and freedom alone, those goods fear of the loss of which anyone would recognize as politically decisive." Rengakos 1984, 120: „Es handelt sich ... um die Übertragung der Pleonexietheorie auf die Geschichte der Gründung und der ersten Jahre der Symmachie. In markanter Abweichung zu dem in der Athenerrede in Sparta Gesagten werden folgende neue Behauptungen aufgestellt: a) letzter Grund für die durch die Athener zielbewußt erstrebte (und nicht auf die ausdrückliche Bitte der Bündner erfolgte, 1,75,2) Gründung des Seebundes ist ihre Sorge gewesen, sich von der spartanischen Herrschaft zu befreien (damit wird das freundschaftliche Verhältnis zu Sparta während und auch lange nach den Perserkriegen geleugnet, s. 1,74,4 und 102,3); b) das Recht zur Herrschaft über die Bündner kommt Athen billigerweise wegen des Verrats der Ionier zu ...; c) ganz und gar nebensächlich ist in dieser Darstellung das Argument der Würdigkeit zur Herrschaft (gegen 1,75,1; 76,2), das auf der Flotte und der Bereitwilligkeit der Athener (wie in 1,74,1) beruht, die sie den übrigen Griechen während der Perserkriege zur Verfügung stellten; deswegen wird dieser Gesichtspunkt auch als ,schöne Worte', die Formulierung der Redner des Melierdialogs wiederholend, abgetan." Vgl. Hogan 1989, 246. 516 Im Gegensatz zu 1,74,1 f. nennt Euphemos nur die Schiffe, es fehlt Themistokles (άνδρα σ τ ρ α τ η γ ό ν ξ υ ν ε τ ώ τ α τ ο ν ) , die προθυμία ά ο κ ν ο τ ά τ η ... πολύ τολμηροτ ά τ η wird in τόλμα ά π ρ ο φ ά σ ι σ τ ο ς verwandelt. 517 1,75,2 gaben die a t h e n i s c h e n G e s a n d t e n als Motiv f u r die G r ü n d u n g des Seebundes die Bitten der Bündner an: τ ω ν ξ υ μ μ ά χ ω ν και α ϋ τ ώ ν δ ε η θ ε ν τ ω ν ή γ ε μ ό ν α ς κ α τ α σ τ ή σ α ι , e b e n s o H e r m o k r a t e s 6,76,3 έ κ ό ν τ ω ν τ ω ν Ι ώ ν ω ν .

Die Reden in den Büchern 6 und 7

583

v o r h e r i g e n U n t e r t a n e n d e r P e r s e r g l a u b t e n sie, s i c h a m e h e s t e n g e g e n d i e Peloponnesier mit einer solchen M a c h t verteidigen zu können (δύναμιν > • ? 518 έ χ ο ν τ ε ς η άμυνούμεθα). A u c h unter d e m Gesichtspunkt des δίκαιον w i d e r s p r i c h t e r d e n S y r a k u s e r n : Sie h e r r s c h e n g e n a u g e n o m m e n n i c h t zu U n r e c h t (ουδέ

αδίκως) über die stammverwandten ( ξ υ γ γ ε ν ε ΐ ς

δντας)

Ionier (δεδουλώσθαι), weil diese z u s a m m e n mit den Persern ihre Mutters t a d t a n g e g r i f f e n u n d n i c h t d e n M u t h a t t e n , u n t e r G e f a h r f ü r ihre H e i m a t a b z u f a l l e n (ούκ έ τ ό λ μ η σ α ν ά π ο σ τ ά ν τ ε ς τ α ο ι κ ε ί α φ θ ε ί ρ α ι ) , s o n d e r n f ü r s i c h s e l b s t K n e c h t s c h a f t (δούλε ί α ν ) w ä h l t e n u n d a u c h i h n e n a u f e r l e g e n wollten. D e r Status quo wird mit dem Prinzip der Vergeltung für erlittenes Unrecht gerechtfertigt.519 S i e h a b e n , w i e e r in e i n e r i n t e r n e n r e c a p i t u l a t i o , d i e in u m g e k e h r t e r R e i h e n f o l g e d i e b e i d e n 82 b e s p r o c h e n e n P u n k t e z u s a m m e n f a ß t , a u s f ü h r t , (6,83) die H e r r s c h a f t verdient (άξιοι

ό ν τ ε ς α ρ χ ο μ ε ν ) , w e i l sie e i n e r s e i t s

die g r ö ß t e F l o t t e ( ν α υ τ ι κ ό ν π λ ε ί σ τ ο ν ) u n 520 d unbedingten Einsatz (προθυμίαν άπροφάσιστον) für Hellas gezeigt haben,

während die Ionier dem Perser

d i e n t e n u n d i h n e n zu s c h a d e n t r a c h t e t e n , a n d e r e r s e i t s sie n a c h S t ä r k e g e g e n die P e l o p o n n e s i e r t r a c h t e t e n ( π ρ ο ς Π ε λ ο π ο ν ν η σ ί ο υ ς 'ισχύος ό ρ ε γ ό μ ε ν ο ι ) . In d e r T r a n s i t i o h e b t er a b e r a b s i c h t l i c h d e n e r s t e n P u n k t a u f : In e i n e r P r a e t e r i t i o l e h n t e r a l l e p r o p a g a n d i s t i s c h e n S t e r e o t y p e n a b : sie s i n d k e i n e Während die Gesandten in Sparta auch die Perserabwehr als Grund angaben (1,73f.), „the new point here ... is that now Athens' desire to free herself from Sparta is seen as eternal and thus antedating the Persian Wars. It is an outgrowth of racial animosity" (Hogan 1989, 240f.). 518 82,3 ήκιστ' αν ύπό Πελοποννησίοις οϋτως είναι nimmt 82,2 ήκιστα αυτών ύπακουσόμεθα wieder auf. Die Errichtung der athenischen άρχή dient also dem übergeordneten Ziel der Unabhängigkeit von Sparta. 519 Darbo-Peschanski 1987b, 131: „Quand ... Euphemos veut ... nier cette injustice canonique qui consiste ä asservir des gens de son lignage (ξυγγενεις), il ne recule pas devant le coup de force inou'i de mettre en balance deux mots qui disent la servitude, en d'autres termes, de produire un effet de justice avec le comble de l'injustice." Vgl. das verbale Echo 6,82,4 auf 1,74,2 ε κ λ ι π ό ν τ ε ς κτλ.: Hogan 1989, 248: „While for the Athenians in Book 1 the phrase εκλιπόντες την πάλιν ... is one of the traditional fine phrases applied to Athens' bravery against the Mede, Euphemus changes the tone of the phrase by using it invidiously to blame those kinsfolk of the Athenians who sided with the Mede." 520 Dazu in Sparta: 1,73,1 ούτε άπεικότως ... άξια, 75,1 άξιοι; und Euphemos 6,82,1 εΐκότως, 83,1 άξιοι. Vgl. die verbalen Echos zu 1,74,1 αριθμόν τε νεών πλείστον, προθυμίαν άοκνοτάτην. Hogan 1989,245: „Euphemus' account of the worthiness of Athens to rule refers to the power and bravery of the Athenians ... but not to intelligence (ξύνεσις) of their leadership, although this claim forms an important part of the Athenian ambassadors' account..."

THUKYDIDES

584

Festredner (οΰ καλλιεπούμεθα), die aus vergangenen Taten das Recht zu >

521

herrschen ableiten (είκότως άρχομεν). In einem allgemeingültigen Satz (Gnome) behauptet er statt dessen, daß man es niemandem verübeln kann, für seine Sicherheit zu sorgen (πασι δέ άνεπίφθονον την προσήκουσαν σωτηρίαν έκπορί£εσθαι), womit er zwar implizit Hermokrates' Vorwurf 76,4 akzeptiert - die concessio bereitet die retorsion vor - , aber mit dem Selbsterhaltungstrieb und im folgenden mit dem Sicherheitsstreben be522 gründet. Dabei stimmt ihre eigene Sicherheit (άφάλεια) mit dem Nutzen (ύμΐν ξυμφέροντα) der Kamariner überein. Diesen Umstand beweist die Verleumdung des Hermokrates (διαβάλλουσι) und der übertriebene Argwohn der Kamariner, die er mit einer auf der Antithese von λόγος - έργον beruhenden Gnome erläutert und fast schmeichelnd realpolitische Vernunft bei den Zuhörern suggeriert: είδότες τούς περιδεώς ύποπτεύοντας λόγου μεν ήδονή τό παραυτίκα τερπομενους, τη δ' εγχειρήσει ύστερον τά ξυμφέροντα πράσσοντας. „Weil bekanntlich der verängstigte Argwohn am Genuß einer Rede sich im Augenblick freut und doch später in der Entscheidung der Tat dem Vorteil folgt."

Die Antithese der Kola ist durch den Gegensatz der Begriffe: ηδονή τερττομε'νους «-» τά ξυμφέροντα πράσσοντας u n d τό παραυτίκα «-» , „daß wir, scheinbar die Belagerer einer anderen Stadt, in Wirklichkeit selbst, wenigstens zu Lande, die Belagerten sind." 574 Jene suchten (7,12) Verstärkung aus der Peloponnes und dem übrigen Sizilien, um die jetzt noch Neutralen (νϋν ήσυχά£ουσιν) auf ihre Seiten zu bringen und von den anderen noch mehr Land- und Seestreitkräfte (πε£ήν και ναυτικοΰ παρασκευήν) zu erhalten. Er hat erfahren (πυνθάνομαι), daß sie einen Angriff zu Wasser und zu Lande planen; niemandem soll der 572 Es handelt sich dabei um eine direkte Rede, die mit δηλοϋσαν τ ο ί ά δ ε beginnt und mit τ ο σ α ϋ τ α έδήλου endet. 573 Rood 2004a, 124: „Exploring the contrast between N i c i a s ' letter and the surrounding narrative is important for what it reveals about Nicias, and especially about his interaction with his secondary narratees. The defensive tone taken by Nicias as he tells his story to the Athenians is a telling contribution to Thucydides' analysis of the troubled relation between the Athenians and their leaders." 574 Das Paradoxon besteht aus dem Gegensatz δ ο κ ο ϋ ν τ α ς sc. π ρ ά σ σ ε ι ν und dem passiven π ά σ χ ε ι . v , wobei nach Avezzü Tenuta 1977, 86: „In tal m o d o vengono sintetizzate le due sfere, ciö che ' a p p a r e ' e ciö che ' e ' , ο meglio, i due momenti, quello iniziale e quello conclusivo; gli stessi gruppi ( ή μ α ς e ά λ λ ο υ ς ) si sottopongono a questa doppia implicazione, dove una esclude l'altra e viceversa. La struttura subordinante coadiuva la formazione della tensione."

608

THUK.YDIDES

Angriff zur See seltsam erscheinen (μηδέν! δεινόν δόξη), zumal die Flotte nicht mehr auf der Höhe (ήκμαζε) ist, sondern die Schiffe Wasser aufgesogen haben und nicht getrocknet werden können; dazu sind die Mannschaften geschwächt, während jene alle Freiheit haben, sich zu üben und ihre Schiffe zu trocknen. Dagegen (7,13) sind ihre Schiffe durch den Wachdienst beansprucht und müssen ständig mit Nachschubproblemen kämpfen, zumal die Soldaten beim Fouragieren von der feindlichen Kavallerie aufgerieben werden. Des weiteren laufen die Diener und Söldner, gezwungen oder durch Sold und Geschäfte angelockt, über oder stellen minderwertige Sklaven zum Ruderdienst ein, so daß die Schlagkraft (άκρίβει,αν) der Flotte gebrochen ist. Als Beweis fugt er das mit dem Publikum geteilte Wissen (έπι,σταμέVOLC) (7,14) hinzu, daß eine Mannschaft nur kurz auf der Höhe ist (βραχεία άκμή πληρώματος), und er kein Mittel weiß (άπορώτατον), um die Disziplin zu bewahren und die Erosionserscheinungen zu stoppen, zumal, wie er in einer Parenthese als licentia zur Rechtfertigung sagt, χαλεπα! γαρ αί ύμέτεραί φύσεις άρξαί, „ihr seid j a nicht gerade lenksam von Natur." Da sie keinen Zuzug haben, müssen sie mit denen, die sie mitgenommen haben, auskommen, zumal ihre Verbündeten Naxos und Katane außerstande sind (αδύνατοι). Er zeichnet, πάθος erregend, die Gefahr auf, daß, wenn die italischen Städte, die sie unterhielten, merkten, in welcher Lage sie seien und daß sie aus Athen keine Hilfe erhielten, diese die Seite wechseln und, so paradox dies klinge, den Krieg kampflos beenden könnten (διαπεπολεμήσεται αύτοΐς άμαχεί). 5 7 5 In einem überleitenden parenthetischen Einschub 14,4 weist er auf das Problem der Kommunikation angesichts der Erwartungen der Athener hin. Er rechtfertigt in einer durch zwei Antithesen geprägten Periode seine Wahl, nicht die Zuhörer zu erfreuen (ήδίω), weil genaues Wissen (σαφώς εΐδότας τά ένθάδε) erstens für die Beratung der Adressaten nützlicher (χρησιμώτερα), zweitens τάς φύσεις έπιστάμενος ύμών, βουλομένων μεν τά ήδιστα άκούειν, αίτιωμενων δε ύστερον, ην τι ύμιν απ' αύτών μη όμοΐον έκβή, άσφαλέστερον ήγησάμην τό αληθές δηλώσαι. 576 575 Zum Paradoxon Avezzü Tenuta 1977, 108: „Pur appartenendo ad uno stesso campo semantico, πόλεμος e μάχη si differenziano nell'uso contestuale per estensione temporale ed intensitä, e si escludono quindi a vicenda. ... Certamente, nel passo tucidideo, e sentita la affinitä semantica dei termini, affinitä che rende possibile il paradosso: il portatore e positivo e la qualitä negativa, quasi a dimostrare la completa paralisi delle forze ateniesi." 576 Analog dazu 1,22,4 (άτερπέστερον - ώφέλι,μον), vgl. Flory 1990, 206: „Nikias makes a distinction between pleasant, flattering speeches and practical advice. Ni-

Die Reden in den Büchern 6 und 7

609

„Und da ich zudem eure Art kenne, immer das Angenehme hören zu wollen und nachher Vorwürfe zu machen, wenn euch der Erfolg nicht dem entspricht, halte ich es für sicherer, euch die Wahrheit kundzutun."

Im Epilog versucht er möglichen Vorwürfen zuvorzukommen und macht ebenso in der recapitulatio äußere Umstände für den Umschwung der Lage verantwortlich. Das Heer war (7,15) ursprünglich ausreichend stark. Mit Homoioteleuton auf -on, A s s o n a n z und Litotes (πρώτον των σ τ ρ α τ ι ω τ ώ ν και τ ω ν η γ ε μ ό ν ω ν ού μ ε μ π τ ώ ν γ ε γ ε ν η μ έ ν ω ν ) b e g i n n t N i k i a s seine

Apologie. Wie er, die Lage vorwegnehmend, in einer Hyperbole ausfuhrt, sind sie infolge des Z u s a m m e n s c h l u s s e s ganz Siziliens (Σικελία τ ε α π α σ α

ξ υ ν ί σ τ α τ α ι ) und der Hilfe aus der Peloponnes nicht einmal mehr den dortigen Feinden gewachsen (άνταρκούντων), wie er in einem argumentum a minore andeutet. Daher müssen die Athener, wie er in einem Wortspiel sagt, sie entweder zurückholen oder ihnen ein ebenso starkes Heer (μεταπ έ μ π ε ι ν - έ π ι π έ μ π ε ι ν ) und für ihn einen N a c h f o l g e r senden, da er wegen eines Nierenleidens nicht bleiben k a n n ( α δ ύ ν α τ ο ς ... π α ρ α μ έ ν ε ι ν ) . Z u m Schluß bittet er sie, ήθος gebrauchend, um Nachsicht ( ξ υ γ γ ν ώ μ η ς ) eingedenk seiner früheren Erfolge (δτ 1 έρρώμην πολλά εΰ έποίησα), die er aber

im Einklang mit seinem schon 6,9 gezeigten schüchternen Wesen im Gegensatz etwa zu Alkibiades nur andeutet, und empfiehlt ihnen, sofort im Frühling zu handeln, da die Feinde aus Sizilien und der Peloponnes Hilfe erhalten werden und die Athener bei Unachtsamkeit durch Zuvorkommen 577 überlisten können. Der Brief ist wie eine Rede aufgebaut: Proömium (11,1):

Publikum durch Bedeutung des καιρός aufmerksam machen (attentum parare).

Narratio (11,2—13): 1. Subjektive und selektive Analepse der Ereignisse im Sommer: Umschwung nach Gylippos' Ankunft (11,2—4), wobei externe Faktoren verantwortlich sind.

cias' proposal, which the Athenians only partially accept, may not be good advice, but the analogy with 1,22,4 is valid, for Thucydides presents there an almost identical idea: his 'advice' ... will be useful precisely because he avoids pleasure-giving patriotism." Vgl. Kleons Kritik an der Erwartung der Athener 3,38. 577 Diesen Vorwurf hält HCT iv, 391 angesichts von Nikias' eigenem Versagen (6,104ff.) für ziemlich unfair. Doch paßt dies, wie seine subjektive Analepse gezeigt hat, zu seiner Redenstrategie, die Schuld für sein Versagen äußeren Faktoren zu geben. Vgl. ευθύς και μή έ ς άναβολάς als σχήμα κατ' άρσιν καΐ θεσιν.

THUKYDIDES

610

2. S c h i l d e r u n g d e r j e t z i g e n S i t u a t i o n : V e r s t ä r k u n g f ü r F e i n d e (12,1—2), d e s o l a t e r Z u s t a n d d e r Flotte und N a c h s c h u b p r o b l e m e (12,3-13). A r g u m e n t a t i o (14) B e w e i s durch allgemeine Reflexion über den Zustand der Flotte erregt π ά θ ο ς . Parenthese. Problem der K o m m u n i k a t i o n . G e g e n s a t z Ergötzung — N u t z e n (14,4). Epilog (15)

a) E m p h a t i s c h e recapitulatio (15,1) b) Appell (15,2): Hilfe oder R ü c k z u g ! Bitte um Nachsicht (ηθος).

Im Unterschied zu den übrigen Reden ist der deskriptive Teil (narratio), der eine subjektive interne (repetitive und kompletive) Analepse enthält und implizit als Apologie dient, wobei Nikias den staus quo ausschließlich durch willkürliche Selektion der Fakten als das Resultat äußerer Einflüsse 578

und nicht als Folge eigener Fehler beschreibt, länger als der argumentative; die Perioden sind eher parataktisch, es kommen weniger hypothetische Sätze, Antithesen, keine Gnomen, dafür Paradoxa und Pathos vor; sein Pessimismus grenzt fast an Defätismus. Dem Leser zeigt der Brief, daß die Athener ihre im Archidamischen Krieg ausgebaute finanzielle (Geld), technische (Flotte) und geistige (γνώμη) Überlegenheit eingebüßt haben. Epische Anklänge sind unverkennbar, auch wenn Zadorojnyis Vergleich mit Agamemnons Paränese II. 2,110—41 zu weit geht. 579 578 So e r w ä h n t er im G e g e n s a t z z u m N a r r a t o r 6,104 nicht, d a ß er, die B e d e u t u n g von G y l i p p o s ' A n k u n f t u n t e r s c h ä t z e n d , k e i n e e n e r g i s c h e n M a ß n a h m e n , um d e s s e n L a n d u n g zu verhindern, u n t e r n o m m e n hat. E b e n s o geht er nicht a u f seinen Fehler ein, die Basis nach P l e m m y r i o n zu verlegen, deren Folgen auktorial 7,4 als π ρ ώ τ ο ν κ ά κ ω σ ι ς bezeichnet w e r d e n . 579 Zu Parallelen z w i s c h e n N i k i a s ' B r i e f und A g a m e m n o n s R e d e II. 2 , 1 1 0 - 4 1 vgl. Z a d o r o j n y i 1998: A g a m e m n o n w e i s t a u f T r o i a s starke V e r b ü n d e t e ( 1 3 0 - 3 ) , den schlechten Z u s t a n d der S c h i f f e (134f.; e b e n s o das Scholion p. 3 7 8 H u d e zu 12,3) und d i e S c h w i e r i g k e i t e n ( 1 3 6 f . ) hin und f o r d e r t z u m R ü c k z u g a u f ( 1 3 9 - 4 1 ) . E b e n s o w i e A g a m e m n o n w o l l e N i k i a s mit dieser provokativen Strategie die A t h e ner a u f r ü t t e l n , S. 3 0 0 f . „ B y p l a y i n g u p h a r d s h i p s it e v e n t u a l l y p r o m p t s t h e A t h e n i a n s to a p o s i t i v e d e c i s i o n , that m i g h t c h a n g e t h e c a m p a i g n to t h e better ( 7 , 1 5 , 2 ; v g l . 7 , 1 1 , 1 ; 7 , 1 4 , 1 ; 7 , 1 5 , 1 ) . T h a t is w h a t N i c i a s really w a n t s , not p e r m i s s i o n to w i t h d r a w f r o m S i c i l y . " M i t R e c h t w e i s t R o o d 1 9 9 8 b a u f U n t e r s c h i e d e hin: „ F o r one thing, t h e a u d i e n c e s are d i f f e r e n t : A g a m e m n o n is addressing t h e s u f f e r i n g t r o o p s at Troy, N i k i a s the A t h e n i a n s at h o m e . M o r e importantly, N i k i a s explicitly presents the A t h e n i a n s with an alternative: 'it is necessary either to recall the troops in Sicily or to send over j u s t as m a n y to r e i n f o r c e t h e m ' (7. 15. I). If he is repeating A g a m e m n o n ' s trick, at least he d o e s not d i s s e m b l e . Even m o r e telling is the fact that N i k i a s has been presented as hostile to t h e e x p e d i t i o n ' s aims: w h y should his proposal to w i t h d r a w not be sincere? It is only w h e n

Die Reden in den Büchern 6 und 7

611

Die Athener (7,16) entbanden Nikias zwar nicht von seiner Aufgabe, gaben ihm aber zwei Helfer, dazu schickten sie ein neues Heer, Schiffe und bestimmten als Mitstrategen Demosthenes und Eurymedon, den sie sogleich nach Sizilien mit der Botschaft, daß Hilfe komme und man sich um sie kümmere, sandten. Demosthenes bereitete (7,17) derweil das Heer für den Frühling vor; zugleich sollten 20 Schiffe verhindern, daß Hilfe von Korinth ausfahren könne, zumal diese nach den ersten Erfolgen großen Mut faßten (πολλω μάλλον έπέρρωντο) und weitere Schiffe senden wollten. Auf Betreiben der Korinther und Syrakuser (7,18 Συρακοσίων καί Κορινθίων εναγόντων) planten die Lakedaimonier nun den Einfall nach Dekeleia. Thukydides gibt 18,2ff. aus der Sicht der Spartaner die Gründe für ihren Optimismus an: Sie glaubten, daß Athen durch den Zweifrontenkrieg leichter zu bezwingen sei und sie - wie 6,105 - dieses Mal als erste Unrecht erlitten und nicht begangen hätten: ötl τ ά ς σπονδάς προτέρους λελυκέναι ήγοϋντο αύτούς· έν γάρ τω προτέρω πολεμώ σφέτερον τό παρανόμημα μάλλον γενέσθαι ... και δια τοϋτο είκότως δυστυχεί ν τε ένόμι£ον, και ένεθυμοϋντο την τε περί Πύλον ξυμφοράν και εί τ ι ς άλλη α ΰ τ ο ι ς έ γ έ ν ε τ ο . ε π ε ι δ ή δε οί Αθηναίοι τ α ΐ ς τριάκοντα ναυσιν έξ "Αργούς ορμώμενοι 'Επιδαύρου τι ... καΐ άλλα έδήωσαν καΐ έκ Πύλου άμα έληστεύοντο, καΐ οσάκις περί του διαφοραί γένοιντο των κατά τ ά ς σπονδάς άμφισβητουμένων, ε ς δίκας προκαλούμενων των Λακεδαιμονίων νομίσαντες τό παρανόμημα, δπερ και σφίσι πρότερον ήμάρτητο, αΰθις έ ς τους 'Αθηναίους τό αυτό περιεστάναι, πρόθυμοι ήσαν ές τον πόλεμον,

the reinforcements have arrived that he changes his tune slightly (7. 48 - but note that even here he is also concerned about the practicalities of withdrawal)." Allison 1997a, 228 hingegen vermutet, Nikias habe wie bereits 6,19 gehofft, durch seine Schilderung von seinem Amt enthoben zu werden: „He does not really want to have the Athenians send more men and supplies; he wants to come home with some exemption of prosecution." Auktorial werden 7,8,1 beide Alternativen, Verstärkung oder Abberufung, als gleichwertig bezeichnet und Nikias keine Präferenzen für eine der beiden zugeschrieben. Zusammenfassend Rood 1998b zu epischen Reminiszenzen: „The obvious difference is that whereas the Achaians are saved from a dishonourable retreat, the Athenians are in fact magnifying their eventual disaster. But it is the similarity which underlies this difference that in both cases increases readers' emotional engagement with the story (an engagement magnified by our knowledge of the different endings): w e are encouraged to imagine how close the Achaians came to throwing away all their toil at Troy, and how easily the Athenians could have avoided disaster."

612

THUKYDIDES „daß Athen diesmal den Frieden zuerst gebrochen habe; im ersten Krieg sei die Schuld mehr auf ihrer Seite gewesen ... Darum meinten sie, ihr Unglück sei verdient gewesen - und bedachten ihre Niederlage bei Pylos und wenn sie sonst noch eine erlitten. Seit aber die Athener mit den dreißig Schiffen von Argos aus ein Stück von Epidauros ... und anderes verheert hatten und zugleich von Pylos aus räuberten und, sooft auch die Meinungen über die Auslegung des Vertrages auseinandergingen, einem Schiedsgericht, wie es Sparta vorschlug, sich nicht stellen wollten, seitdem also dachten die Spartaner, genau die gleiche Schuld, die vorher sie selbst begangen, sei jetzt umgekehrt drüben auf Athens Seite, und führten nun den Krieg mit aller Kraft."

Die Spartaner denken in den Kategorien von δίκαιον und τ ί σ ι ς , doch spielen die Götter offenbar als Garanten dieser Weltordnung keine Rolle mehr. Thukydides nennt diese einem traditionellen Denkmuster entsprungene Überlegung nicht etwa, weil er sie teilt oder logisch findet (in diesem Abschnitt sind bezeichnenderweise die Spartaner Fokalisatoren und nicht Thukydides), sondern weil er sie als psychologische Motivation für die 580 Moral der Spartaner für bedeutsam erachtet.

3.3.2.2. Krieg in Sizilien und Griechenland, Rückschläge für die Athener (7,19-59) Im Frühling 413 v. Chr. (7,19) fielen die Peloponnesier in Attika ein, befestigten Dekeleia und schickten zugleich ein Heer nach Sizilien. Die Blockade der athenischen Schiffe im Golf von Naupaktos scheiterte. In Sizilien (7,21) wollte Gylippos, wie er in einer indirekten Rede sagte, möglichst viele Schiffe bemannen und eine Seeschlacht versuchen. Dabei hoffte er, sie könnten dem Risiko entsprechend hinsichtlich der Kriegsführung profitieren (έλπί£ει.ν γάρ άπ' αΰτοϋ t l έργον άξιον τοΰ κίνδυνου έ ς τόν πόλεμον κατεργάσεσθαι). Derselben Meinung war auch Hermokrates, der ihnen zum Angriff Mut (μη άθυμοΐεν) machte und dies gnomisch mit dem Rückgriff auf die νόμος-φΰσις-Antithese begründete. Athens Erfahrung zur See sei weder angeboren noch ewig (ούδ' ... πάτριον την έμπειρίαν ούδ' άίδιον τ η ς θαλάσσης εχειν), sondern beruhe, wie er in einem historischen Beispiel (als externer Analepse) sagt, auf dem durch die P e r s e r g e f a h r ausgelösten Z w a n g ( ά ν α γ κ α σ θ ε ν τ α ς ύπό Μήδων

580 Interessant ist, daß Sparta weder den Angriff auf Melos noch die Expedition nach Sizilien als casus belli betrachtet. Für Dietzfelbinger 1934, 67 zeigt dieses Kapitel, „wie sehr einmal der Glaube, im Unrecht zu sein, und umgekehrt das Bewußtsein, das Recht auf ihrer Seite zu haben, auf den Mut der Spartaner gewirkt hat." Vgl. auch 1,128,1: Die Spartaner halten eine Freveltat für die Ursache des Erdbebens.

Die Reden in den Büchern 6 und 7

613

581

ναυτικούς γενέσθαι). Wie in der Rede 6,34,8 setzt er auf die psychologische Wirkung des Überraschungsmomentes: και πρός άνδρας τολμηρούς, οϊους και 'Αθηναίους, τούς ά ν τ ι τολμώντας χαλεπωτάτους αν φαίνεσθαι. ώ γαρ εκείνοι τούς πέλας ού δυνάμει ε σ τ ί ν δτε προύχοντες, τω δέ θράσει έπιχειρούντες καταφοβούσι, και σφας άν τό αύτό όμοίως τ ο ι ς έ ν α ν τ ί ο ι ς ύ π ο σ χ ε ΐ ν . και Συρακοσίους εΰ είδέναι εφη τω τολμήσαι άπροσδοκήτως πρός τό Αθηναίων ναυτικόν άντιστήναι πλέον τι δια τό τοιούτον έκπλαγέντων αυτών περιγενησομένους ή 'Αθηναίους τη επιστήμη την Συρακοσίων άπειρίαν βλάψοντας. ιέναι οΰν έκέλευεν έ ς την πειραν τοϋ ναυτικού και μη άποκνεΐν. „Und einem verwegenen Volk wie den Athenern dürfte nichts so zu schaffen machen wie seiner Gegner Gegenmut. Denn womit die Athener die anderen in Schrecken setzten - oft gar nicht durch einen Vorsprung an Kräften, aber durch kecken A n g r i f f - , mit dem gleichen könnten sie selbst ebensogut den Athenern dienen. Er wisse genau, sagte er, daß die Syrakuser durch das Wagnis eines unerwarteten Widerstandes gegen die attische Flotte mehr Übergewicht über die darob erschrockenen Athener bekommen würden, als deren Erfahrung der syrakusischen Unerfahrenheit schaden könne. Sie sollten also den Versuch mit der Flotte wagen und nicht kleinmütig zurückscheuen." 3 8 2

Daher verspürten die Syrakuser den Drang (ώρμηντο) zur Seeschlacht und bereiteten den gleichzeitigen Angriff in beiden Häfen und gegen die Befestigungen am Plemmyrion vor. In der Seeschlacht unterlagen die zunächst siegreichen Syrakuser, weil sie ohne Ordnung (23,3 ούδενι κόσμω, ταραχθεΐσαί περί άλλήλας) angriffen. Doch verloren die Athener Plemmyrion, dazu Menschen, Geld, Nachschub und Schiffe (7,24), was für sie schwerwiegende Folgen (μέγιστόν τε καΐ έν τ ο ι ς πρώτον έκάκωσε), insbesondere in Bezug auf den Nachschub und die Moral (κατάπληξίς, άθυμία), hatte. Die Syrakuser wollten durch Gesandte (7,25) den Peloponnesiern ihre Zuversicht (έν έλπίσιν ε ί σ ί ) melden und sie auffordern, den Krieg in Griechenland zu forcieren (έτι μάλλον έποτρΰναι). Im weiteren versuchten beide Seiten, sich Vorteile zu verschaffen, wobei die summarische Erzählung 7,25,8 einen längeren Zeitabschnitt durch habituelle Handlungen im Imperfekt abdeckt.

581 E b e n s o Hdt. 7,144,2: ο ΰ τ ο ς γ ε ν έ σ θ α ι ' Αθηναίους.

γαρ

ό

πόλεμος

...

άναγκάσας

θαλασσίους

582 Vgl. die Antithese ΐ έ ν α ι ... και μή ά π ο κ ν ε ΐ ν mit dem σ χ ή μ α κατ' ά ρ σ ι ν και θ έ σ ι ν . Ähnliche psychologische Überlegungen hatten ebenso Lamachos 6,49 und Hermokrates selbst 6,34 und 72,2-3 angestellt.

THUKYDIDES

614

Die syrakusischen Gesandten berichteten in der Peloponnes in einer indirekten Rede über die erfolgreiche Besetzung des Plemmyrion und begründeten die Niederlage zur See nicht mit der eigenen Schwäche, sondern mit ihrer Unordnung (ού τη τών πολεμίων ισχύι μάλλον ή τη σφετέρα ταραχή). Dennoch hätten sie Hoffnung (έν έλττίσιν) und forderten Hilfe, da die Athener ein weiteres Heer erwarteten; könnten sie ihnen zuvorkommen und das Heer der Athener zerstören, wäre der Krieg zu Ende 583

(διαπεπολεμησόμενον). Sie fassen in ihrer repetitiven Analepse die 23,3 auktorial erzählten Ereignisse zusammen. Durch diesen ,Botenbericht' erhält zwar der Leser keine neuen Informationen, erfährt aber etwas über die Stimmung der Syrakuser. In einem Exkurs (7,27) erwähnt der Narrator, daß thrakische Söldner, die zu spät gekommen waren, angesichts der durch die Belagerung von Dekeleia verursachten finanziellen Engpässe wieder zurückgeschickt werden mußten. In einer Parenthese bestätigt Thukydides, daß die dauerhafte (ξυνεχώς) Belagerung von Dekeleia den Athenern materiell sehr 584 schadete (πολλά έβλαπτε, μεγάλα ... έβλάπτοντο). Aber 28,3: ές φιλονικίαν καθέστασαν τοιαύτην, ήν πριν γενέσθαι ήπίστησεν άν τ ι ς άκουσας, τό γάρ αυτούς πολιορκουμένους έ π ι τ ε ι χ ι σ μ ώ ύπό Πελοποννησίων μηδ' ώς άποστήναι έκ Σικελίας, άλλ' έκεΐ Συρακούσας τω αύτω τρόπω άντιπολιορκειν, πάλιν ούδέν έλάσσω αυτήν γε καθ' αύτήν τ η ς των'Αθηναίων, και τον παράλογον τοσούτον ποιήσαι τοις Ελλησι τ η ς δυνάμεως και τόλμης, όσον καθ' άρχάς του πολέμου οί μεν ένιαυτόν, οί δέ δύο, οί δέ τριών γε ετών ουδείς πλείω χρόνον ένόμι£ον περιοίσειν αυτούς, ει οί Πελοποννήσιοί έσβάλοιεν ές την χώραν, ώστε έτει έπτακαιδεκάτω μετά την πρώτην έσβολήν ήλθον ές Σικελίαν ήδη τώ πολέμω κατά πάντα τετρυχωμένοι, και πόλεμον ούδέν έλάσσω προσανείλοντο τοΰ πρότερον ύπάρχοντος έκ Πελοποννήσου,

583 Der A u s d r u c k n i m m t die von N i k i a s im Brief 14,3 g e ä u ß e r t e B e f ü r c h t u n g ( δ ι α π ε π ο λ ε μ ή σ ε τ α ι ) wieder auf und stimmt mit dessen Analyse überein. 584 Kallet 2001, 132 faßt die Metapher α δ ύ ν α τ ο ι τ ο ι ς χ ρ ή μ α σ ι auf als „both metaphorical and non metaphorical, for lack of money acts as a kind of disease w e a k e n i n g the A t h e n i a n s and c a u s e s actual h u m a n d e s t r u c t i o n . ... T h e concentration of this language associated with disease creates a kind of 'medical field' within which Thucydides can represent the polis as body ... whose strength w a s nourished and measured by chremata." Der Gebrauch eines medizinischen Vokabulars (βλάπτω, κακόω, τ α λ α ι π ο ρ ο ϋ μ α ι , π ι έ ζ ω , α δ ύ ν α τ ο ς , π ρ ο σ π ί π τ ω ( , b e f a l l e n ' ) ) als „clusters of vocabulary of disease" (S.130) ist typisch f ü r die analytischen Partien (z.B. die Pest und die Pathologie).

Die Reden in den Büchern 6 und 7

615

„einen verbissenen Siegeswillen entwickelt hatten, den man, eh m a n ' s erlebt, keinem Bericht geglaubt hätte: daß sie, mit einer peloponnesischen Burg im eigenen Land und selbst belagert, immer noch nicht von Sizilien abließen, sondern drüben Syrakus auf die gleiche Weise auch belagerten, eine Stadt, die auch für sich selbst nicht geringer war als Athen, und daß sie j e d e Berechnung der Hellenen über ihr Können und Wagen Lügen straften: zu A n f a n g des Krieges hatten ihnen die einen ein Jahr, andre zwei, niemand mehr als drei gegeben, die sie ausdauern könnten, wenn die Peloponnesier in ihr Land einfielen: und nun waren sie sechzehn Jahre nach dem ersten Einfall nach Sizilien gegangen, so schwer sie der Krieg auch schon in jeder Weise heimgesucht hatte, und hatten sich in einen zweiten nicht geringeren Krieg gestürzt, als der schon vorher bestehende peloponnesische war." 3 8 3

Danach (7,29) wird berichtet, wie die Thraker plündernd durch Boiotien zogen und die aus dem Gefühl der Sicherheit (αδεία) ungeschützte Stadt Mykalessos unerwartet (άπροσδοκήτοις) überfielen und im Mordrausch alle Bewohner, Alte und Junge, Frauen und Kinder, und dazu die Tiere niedermachten. Diese Klimax der Gewalt erklärt Thukydides auktorial mit der barbarischen Herkunft der Thraker. Besonders drastisch wird der Überfall auf die Schule, in der alle Kinder getötet wurden, geschildert, 2 9 , 5 : και

ξυμφορά

αδόκητος

τε

τη

έπέπεσεν

πόλει. αϋτη

πάση καΐ

ουδεμίας

ήσσων

μάλλον

ετέρας

δ ε ι ν ή , „ m e h r n o c h a l s all d e r J a m m e r ,

der die ganze Stadt befiel, war ihr dies unfaßbar und entsetzlich." 586 585 Für Bartoletti 1937, 233 ist φ ι λ ο ν ι κ ί α „la forza che fa superare un f r a n g e n t e difficilissimo e sconvolge il complesso piano d e l l ' o f f e n s i v a nemica." Sie führt nicht zur Überspannung der Kräfte, sondern ist für die anderen π α ρ ά λ ο γ ο ς . 586 Ebenso wird 7,30 die Größe des π ά θ ο ς betont (οϋδενός ώ ς ε π ί μ ε γ ε θ ε ι τ ω ν κ α τ ά τ ό ν π ό λ ε μ ο ν ήσσου όλοφύρασθαι). Lateiner 1977b, 47: „The ' p a t h o s ' is emphasized by the surprise of the attack, by the polysyndeta connecting all things killed, and by the cluster of litotes and superlatives, a sure indication of our author's personal engagement. ... The invitation to the reader to lament is remarkable for its a c k n o w l e d g m e n t of our existence and its acceptance of e m o t i o n . " Quinn 1995, 573: „ T h u c y d i d e s ' grim picture of people being slaughtered like animals and his focusing on the killing of children leaves a clear impression of condemnation on his part." Aber die Erzeugung von π ά θ ο ς ist begrenzt, S. 572: „Thucydides does not make any undue appeal to the emotions of his readers. He does not dwell on the horror of what happened at Mycalessus and he gives no details of the killings. In particular he does not make any attempt to arouse compassion for the children murdered at the school. This is not coldness or aloofness. His method is to allow the situation to speak for itself and to make little or no c o m m e n t . " Mit Recht bemerkt Orwin 1994, 135: „The fate of Mycalessus is not tragic ... It is partly the fault of the victims." Ebenso Bonelli 2002, 58f.: „Egli descrive come tutti gli uomini soffrano, non giudica il significato del loro destino ... Per questo nella rappresentazione del massacro non si avverte un richiamo alia commiserazione del lettore: questo sarebbe un m o d o di venire incontro alle sue attese, di rendergli meno brutale la scena."

THUK.YDIDES

616

Trotz eines kleinen Erfolgs von Nikias (7,32) stand nun fast ganz Sizilien außer Akragas gegen Athen (7,33,2 ξυστάντες) zusammen. Ein weiteres wichtiges Moment (7,34) ist der Erfolg der Korinther, die in Naupaktos in Unterzahl die athenischen Schiffe angriffen und dank einer Innovation, indem sie bugvoran (άντίπρωροι.) die Ruderverschalung der Feinde zerstörten, mehr Schiffe seeuntüchtig machten als selbst verloren. Folgendermaßen faßt der Narrator die psychologische Wirkung dieses Gefechts zusammen 34,7: οι τε γαρ Κορίνθιοι ήγήσαντο κρατειν ei μή και πολύ έκρατοϋντο, οι τ"Αθηναίοι ένόμιζον ήσσασθαι, δτι οϋ πολύ ένίκων. „Denn die Korinther fühlten sich als Gewinner, wenn sie nicht eindeutig verloren hatten, und die Athener nannten Niederlage, daß sie nicht bei weitem gesiegt hatten."

Dieser kunstvolle Satz besteht aus zwei parallelen antithetischen Kola, die selbst wiederum aus zwei antithetischen Teilen, die ein Paradoxon bilden, bestehen. Dabei wird jeweils der erste Begriff (κρατειν, ήσσασθαι) durch den negativen zweiten Teil mit dem semantischen Gegenteil definiert, wobei die aktiven Begriffe des Siegens (κρατείν, ένίκων) die passiven der Niederlage (έκρατοϋντο, ήσσασθαι) umgeben und der paradoxe Effekt im ersten Teil durch geminatio (πολύ) und verbales Polyptoton (κρατειν, έκρατοϋντο) verstärkt wird. Auch die Syrakuser (7,36) verbesserten gemäß den vom Narrator indi587

rekt berichteten Überlegungen ihre Schiffe, verstärkten wie zuvor die Korinther in Naupaktos den Bug gegen die leichten athenischen Schiffe und paßten sie den Gegebenheiten des engen Raumes (στενοχώρια) im Großen Hafen an, wo den Athenern der Spielraum für Manöver fehlte und die technische Geschicklichkeit nichts nützte, während die Syrakuser dank dem verstärkten Bug die leichten Schiffe beim direkten Zusammenstoß versenken konnten: τή δε πρότερον άμαθίαν των κυβερνητών δοκούση είναι, τό άντίπρωον ξυγκρούσθαι, μάλιστ' άν αύτοί χρήσεσθαι. „Und was vorher Steuermannstorheit hieß, Bug gegen Bug zusammenzustoßen, wollten sie selbst vor allem anwenden."

Da die Athener nach dem Verlust des Plemmyrion und der Hafenmündung die Kontrolle über das Land verloren hatten, konnten sie in der Enge des Hafens nicht zurücklaufen, sondern stießen und behinderten sich gegensei-

587 Der Gedankengang der Syrakuser ist nach Hunter 1973, 86 „a masterpiece of reasoning form εικός in which every γαρ implies a question," und bereitet 7,40,5 vor, wobei S. 87f.: „Thus the proper sequence of thought is στενοχώρια, topographical conditions, to dianoia, strategy, to techne or episteme, tactics commensurate with skill, to dynamis, resources, i.e. ships adapted to all three."

Die Reden in den Büchern 6 und 7

617

tig (άλλήλοίς ταράξεσθαι.). Die Syrakuser paßten (7,37) ihren Plan ihrer Erfahrung und Macht (έπιστήμην τε και δύναμιν) an und waren durch die π 588 letzte Seeschlacht viel kühner (άμα τεθαρσηκότες μάλλον) geworden. Der plötzliche (άφνω) Angriff zu Wasser und zu Lande verwirrte (έθορυβοΰντο) zwar die Athener, da sie aber prompt Gegenmaßnahmen 589

einleiteten, gingen die Kämpfe zu Lande und zu Wasser ohne nennenswerte Vorteile aus. Der kluge Einfall (7,39f.) 590 eines deshalb namentlich genannten korinthischen Steuermanns, die Athener, die nach einem Scheinangriff der Syrakuser keinen Angriff mehr erwarteten und unverpflegt waren, erneut anzugreifen, stürzte diese in große Verwirrung (δια πολλοί) θορύβου, ούδενί κόσμω). Die erschöpften Athener unterlagen den Syrakusern, die B u g gegen B u g fuhren (άντιπρωροις) und 7,41,4 την ελπίδα ήδη έχυράν είχον τ α ΐ ς μεν ναυσί πολύ κρείσσους είναι, έδόκουν δέ καΐ τον πε£όν χεψώσεσθαι., „hofften nun schon ganz zuversichtlich, zur See eindeutig die Stärkeren zu sein, gedachten aber auch das Landheer zu besiegen."

Eine Verzögerung (7,42), aber keine Wende stellte die Ankunft von Demosthenes und Eurymedon mit der Verstärkung von 73 Schiffen und 5000 Hopliten dar. Dies löste bei den Syrakusern und ihren Verbündeten große Bestürzung aus (κατάπληξις έν τω αύτίκα ούκ όλίγη), weil die Athener trotz der Belagerung Dekeleias nochmals ein so starkes Heer senden konnten und Athens Macht nach allen Seiten gewaltig erschien (την των Αθηναίων δύναμιν πανταχόσε πολλήν φαινομένην). In seiner Analyse der Lage (ίδών, νομίσας) wollte Demosthenes nicht wie Nikias Zeit verlieren (διατρίβειν): Obwohl jener, wie in einer in diese eingebetteten explikativen auktorialen Analepse bestätigt wird, in der mit zwei irrealen Sätzen ein

588 Hunter 1973, 90f.: „What gives the Syracusans the opportunity to use their experience is their readiness to learn from example and make innovations, in a word, to use their power of ε ί κ ά £ ε ι ν . " 589 Plastisch wird dies durch drei K o m p o s i t a mit ά ν τ ι - (d ν τ ι π α ρ ε τ ά σ σ ο ν τ ο , άντεπεξήσαν, άντανήγον) ausgedrückt. 590 Der Korinther Ariston ließ die Verpflegungsmöglichkeiten für die Schiffsmannschaften direkt an den Strand bringen, so daß diese δι' ολίγου αύθις καί αυθημερόν άπροσδοκήτοις τ ο ι ς Ά θ η ν α ί ο ι ς ε π ι χ α ρ ώ σ ι ν „nach kurzer Pause am gleichen T a g die Athener mit einem zweiten Angriff Uberraschen können." Beabsichtigt ist wohl die Paronomasie 7,39,2 'Αρίστων ... άριστος (so Powell 1937, 103), die aber nicht die Funktiones eines Omens hat. Lateiner 2005, 44: „Thucydides, as part of his silent polemics against Herodotus' quirky inclusions and popular religion, may distance himself from ominous names that Herodotus' radar registered as significant - or at least noteworthy to his audiences."

618

THUKYDIDES

alternativer V e r l a u f der Ereignisse e n t w o r f e n wird, 5 9 1 a n f a n g s Schrecken einflößte (φοβερός), w u r d e er, da er nicht sogleich (εύθύς) Syrakus angriff, geringgeschätzt (ύπερώφθη); ebenso ließ er zu, daß Gylippos k a m , den die Syrakuser gar nicht geholt hätten, hätte Nikias sofort (ευθύς) angegriffen, z u m a l j e n e m e i n t e n , den A t h e n e r n überlegen zu sein ( Ι κ α ν ο ί ) , u n d ihre Unterlegenheit zu spät e i n g e s e h e n hätten (εμαθον ήσσους ό ν τ ε ς ) . W i e L a m a c h o s b e g r i f f er 4 2 , 3 : ότι και α ύ τ ό ς έν τ ω π α ρ ό ν τ ι τ η π ρ ώ τ η ήμε'ρα δ ε ι ν ό τ α τ ο ς έ σ τ ι τ ο ι ς έ ν α ν τ ί ο ι ς , έ β ο ύ λ ε τ ο ό τ ι τάχος άποχρήσασθαι τη παρούση τοϋ σ τ ρ α τ ε ύ μ α τ ο ς εκπλήξει, „diesmal selber den Gegnern am ersten Tag am furchtbarsten zu sein, beschloß Demosthenes, sehr rasch den frischen Schreck der Mannschaften auszunützen."392 A u f G r u n d der L a g e a n a l y s e (όρων) stellt er proleptisch einen hypothetischen Verlauf mit den Konsequenzen des A n g r i f f s auf das von den Syrakusern gehaltene Hochplateau auf. D a d u r c h w ä r e es leicht (ραδίως αν), die Q u e r m a u e r zu erobern und eine Entscheidung herbeizufuhren, u m : ή γ ά ρ κ α τ ο ρ θ ώ σ α ς ε ξ ε ι ν Σ υ ρ α κ ο ύ σ α ς , ή ά π ά ξ ε ι ν τ η ν σ τ ρ α τ ι ά ν και ού τρι'ψεσθαι ά λ λ ω ς ' Α θ η ν α ί ο υ ς τ ε τ ο ύ ς ξ υ σ τ ρ α τ ε υ ο μ έ ν ο υ ς και τ η ν ξύμπασαν πόλιν. „entweder es glückte, dann hätte er Syrakus, oder er würde das Heer heimführen, damit die Athener, die mit im Felde waren, und die ganze Stadt sich nicht fruchtlos aufrieben."

591 Die Parenthese άφικόμενος γάρ κτλ. ist analog zu 1,25,4 auktorial, wie durch den Indikativ und die Repetition des Subjekts ersichtlich ist, so z.B. Donini 1964, 119; Schneider 1974, 55f., Dickie 1976, 218 und Hornblower 1994, 135. Dagegen meint Liebeschütz 1968, 300, die Parenthese gebe nicht Thukydides' Meinung wieder, da sie mit der Erzählung in Widerspruch stehe (6,70,2 ff.); ebenso Laffi 1970, 296, der auf 6,71,2 verweist. Aus demselben Grund hält Kopff 1976 7,42,3 άφικόμενος bis άνασκοπών ό Δ. für ein Fragment des Philistos, da es S. 29 „goes against the whole tenor of Thucydides' presentation of the Sicilian Expedition." Der auktoriale Kommentar ist aber in die sekundäre Fokalisation des Demosthenes eingebettet, Gribble 1998, 59: „The focalisation slips smoothly from secondary focalisation (trough Demosthenes) to narrator focalisation, and back again." 7,42,3 zeigt „an important connection between narrator intervention as a means of suggesting analysis, and the devices of attributed motivation (i.e reported thoughts) and reported speech ... Intervention is made to emerge imperceptibly out of the dialogue of focalisation and voices in the text, so that ... the impression of an authorial judgement intrusively imposed on the text is avoided" (S. 59). 592 Hunter 1973, 99: „Through the logoi-erga-logoi technique Lamachos' predictions anticipate not merely an isolated incident but the whole course of events up to Demosthenes' arrival. The latter, by confirming the correctness of these predictions, seems to wipe the slate clean." Vgl. die partizipiale Motivierung: ίδών, ανασκοπών, γιγνώσκων, όρων.

Die Reden in den Büchern 6 und 7

619

Auf dramatische Weise wird die Peripetie mit Spannungsverzögerung und Klimax geschildert. Der unerwartete (7,43) nächtliche Ansturm (άδοκήτου τοϋ τ ο λ μ ή μ α τ ο ς ) der Athener versetzte zwar die Syrakuser in Panik (έκπεπληγμένοι). Die Athener eroberten die Quermauer und schlugen die Syrakuser in die Flucht, doch da sie ungeordnet (έν άταξία) vorrückten und sich schon als Sieger fühlten (ήδη ώς κεκρατηκότων), 593 wurden sie (7,44) im folgenden allgemeinen Chaos (ταραχή), dem Leitmotiv dieser Schilderung, in dem sie sich schließlich gegenseitig erschreckten und behinderten, geschlagen. 594 In einer metanarrativen Glosse spricht der Narrator über die große Schwierigkeit, bei Nacht genaue Informationen über das Geschehen zu erhalten. Eine allgemeine rhetorische Frage πώς αν τ ι ς σαφώς TL ήδει steht anstelle einer auktorialen Formulierung (etwa 6,2,1) und rechtfertigt sein mangelndes Wissen in dieser Situation als natürlich. Durch diesen unerwarteten Sieg (7,46 άπροσδοκήτω εύπραγία) faßten die Syrakuser wieder Mut (πάλιν άναρρωσθέντες), und nach Ankunft von Verstärkung aus Akragas hoffte (έν έλπιδι ων) Gylippos, die Mauern der Athener mit Gewalt erobern zu können. In einer Beratungsszene (7,47f.) mit zwei indirekten Reden, die an die Versammlung 6,47ff. erinnert und mit dieser in Kontrast steht, 595 reagieren die athenischen Feldherren auf die Niedergeschlagenheit des Heers, das des Ausharrens überdrüssig war (άχθομένους τη μονή), von Krankheiten geplagt wurde und keine Hoffnung mehr (ανέλπιστα) hatte. Demosthenes meinte (47,3) in seiner Lageanalyse, man solle nicht länger bleiben, sondern nach dem gescheiterten Angriff unverzüglich abziehen (άπι.εναι. και μή διατρίβειν, verstärkt durch das σ χ ή μ α κατ' άρσιν και θέσιν), 5 9 6 solange man zur See noch überlegen sei. Ebenso nütze (ώφελιμώτερον) es Athen mehr, die Kräfte zu Hause gegen die Belagerer einzusetzen, statt für dieses nicht mehr leichte Unterfangen (ούκέτι ράδιον) zu verschwenden (ούδ' ... χρήματα πολλά δαπανώντας εικός), wobei er zur Untermauerung am Ende die τελικά κεφάλαια von utile, facile und aequum gebraucht. 593 Die Partikel ώ ς zeigt in subjektiver Fokalisation die Fehlkalkulation der Athener an und ist ironisch. 594 So 43,7 ά τ α ξ ί α , 44,1 τ α ρ α χ ή και α π ο ρ ί α , 44,3 ε τ ε τ ά ρ α κ τ ο ; 44,4 θόρυβον π ο λ ύ ν ; 44,6 ά π ο ρ ί α ν καί φ ό β ο ν ; 44,7 ε τ α ρ ά χ θ η σ α ν ... και ε ς φ ό β ο ν κ α τ έ σ τ η σ α ν . Vgl. Patras 2,84 und Naupaktos 2,9If. 595 Kirby 1983, 210: „The first conference shows the Athenian generals taking counsel together in their strength. The second ... stands in pitiful contrast ...; all that is left for the generals to discuss is how, when, and where to retreat." 596 Das μή δ ι α τ ρ ί β ε ι ν hatte er schon 7,42,3 und 43,1 gefordert.

THUKYDIDES

620

Zunächst gibt Thukydides Nikias' eigene unausgesprochene Überlegungen wieder (7,48), durch welche die Rezeption seiner indirekten Rede gesteuert werden. Er sah zwar ihre schlechte Lage ein (πονηρά σφών τά πράγματα), wollte dies aber nicht offen (τω δε λόγω) zugeben. Einerseits wollte er verhindern, daß die Feinde vom Rückzug erfuhren, andererseits verfügte er über Informationen, die ihm etwas Hoffnung gaben (ελπίδος τι), daß es den Feinden bei der Belagerung noch viel übler gehe (πονηρότερα των σφετέρων έσεσθαι), da jene Mangel an Geld (χρημάτων άπορία), die Athener wieder zur See die Oberhand hätten ( τ α ΐ ς ναυσί θαλασσοκρατούντων) und es Kreise in Syrakus gebe, die den Athenern die Stadt übergeben wollten (βουλόμενοι ... τά π ρ ά γ μ α τ α ένδούναι). Im Wissen darum (ä έπιστάμενος) erwog er faktisch beides (έργω έτι έπ' αμφότερα), weigerte sich aber in der Rede (έμφανεΐ τότε λόγω), wobei wiederum der Gegensatz έ ρ γ ο ν - λ ό γ ο ς vorkommt, das Heer ohne Volksbeschluß zurückzuführen, aus Angst, dafür später in der Volksversammlung verleumderischer Kritik ausgesetzt zu sein, indem er in einer allgemeinen für ihn typischen Reflexion davon ausgeht, daß er sein Wissen in der Volksversammlung, wo sich verleumderische Rhetorik durchsetzt, nicht kommunizieren kann, 7,48,3: και γαρ ού τους αύτούς ψηφιεΐσθαί τε περί σφών και τά π ρ ά γ μ α τ α ώσπερ και αΰτοι ορώντας και ούκ άλλων επιτιμήσει, άκούσαντες γνώσεσθαι, άλλ' έξ ων άν τ ι ς εΰ λέγων διαβάλλοι, έκ τούτων αύτούς πείσεσθαι. „Es seien j a nicht die gleichen, die über sie abstimmen würden und die urteilen könnten als Augenzeugen, nicht nach Anhörung fremder Tadler; sondern wie einer in geschickter Rede über sie herfalle, darauf werde das Volk hören."

Durch die vielen Polysyndeta und die drei auf -σθαι endenden Infinitive bekommt die Antithese Emphase. Viele Soldaten, die sich jetzt über die schlechte Lage beklagen, könnten später in Athen behaupten, die Feldherren seien zum A b z u g b e s t o c h e n w o r d e n (ύπό χ ρ η μ ά τ ω ν 597

καταπροδόντες). Das persönliche Wohl im Auge behaltend zieht er ein episches Ende vor und will: αυτός γε έ π ι σ τ ά μ ε ν ο ς τ ά ς 'Αθηναίων φύσεις έπ' αισχρά τε α ι τ ί α και αδίκως ύπ' 'Αθηναίων άπολέσθαι μάλλον ή ύπό των πολεμίων, εί δει, κινδυνεύσας τούτο παθειν ιδία. „selbst, der die Art der Athener kenne, statt mit Schimpf und Schande und ungerecht in Athen den Tod zu erleiden, lieber vorm Feind, wenn es sein müsse, nach mutigem Wagen für sich allein fallen."

597 Dies geschah angeblich am Ende der ersten Sizilischen Expedition 4,65,3. Vgl. das verbale Polyptoton βοώσιν, βοήσεσθαι.

Die Reden in den Büchern 6 und 7

621

Im zweiten Teil wiederholt er sein Wissen um die mißliche Lage der Syrakuser: auf Grund der vielen gedungenen Soldaten hätten sie kaum mehr Geld (τά μεν άπορειν, τά δ' έτι άμηχανήσειν), bald würden sie den Unterhalt nicht mehr bezahlen können, da sie Söldner hätten und nicht wie Athen durch Zwang verpflichtete (δι' α ν ά γ κ η ς ) Soldaten. Im Vertrauen auf die materielle Überlegenheit forderte er entgegen seinem Grundsatz τά υπάρχοντα σω£ειν und in Antithese zu Demosthenes 48,6: τρίβειν οΰν έφη χρήναι. προσκαθημένους και μή χρήμασιν, ών πολύ κρείσσους εισί, νικηθέντας άπιέναι. „Also solle man die Belagerung in die Länge ziehn und nicht abziehn aus einer Schwäche vor dem Gelde, woran sie j a weit stärker seien." 3 9 8

Nikias (7,49) bekräftigte dies, 599 weil er genau erfahren hatte (αισθόμενος ... ακριβώς), daß die Syrakuser Mangel an Geld (χρημάτων άπορία) hatten und es athenfreundliche Kreise gab (πολύ τό βουλόμενον τοίς Ά θ η ν α ί ο ι ς γίγνεσθαι τά πράγματα), die ihn baten, nicht aufzugeben (μή άπανίστασθαι). Dazu war er trotz der Niederlage hinsichtlich der Flotte wieder zuversichtlicher (ναυσΐ θαρσών). Demosthenes war damit nicht einverstanden und forderte, wenigstens nach Thapsos oder Katane zu gehen, wo die Versorgung besser sei und die Flotte nicht in engem Gewässer, sondern auf offener See (ούκ έν στενοχώρια ... άλλ' έν ευρυχωρία), wo sie ihre größere Erfahrung in den Manövern ausspielen könne (τά τε τ η ς εμπειρίας χ ρ ή σ ι μ α ) , kämpfen könne. Daher wollten (49,3) er und Eurymedon sogleich (cm τ ά χ ι σ τ α ) abfahren. Durch Nikias' Widerspruch verzögerte sich alles (όκνος τ ι ς και μέλλησις). Da seine Unnachgiebigkeit auf einem Mehrwissen zu fußen schien (ύπόνοια μή τι και πλέον είδώς), blieben die Athener dort. Gylippos (7,50) hatte inzwischen Verstärkung nach Syrakus gebracht 600 und plante einen Doppelangriff. Als die athenischen Feldherren den Zuwachs des feindlichen Heeres sahen (όρώντες) und merkten, daß sich ihre Lage nicht zum Bessern wandte, sondern täglich schlimmer wurde, und sie von Krankheit geplagt waren, μετεμέλοντό τε πρότερον ούκ ά ν α σ τ ά ν τ ε ς , „bereuten sie, nicht vorher aufgebrochen zu sein." Da

598 Stein 1987, 109: „Nikias glaubt, durch Nichthandeln nichts zu verlieren, den Gegner aber zu Fehlern zu bewegen." 599 Dieser auktoriale Ring (=48,2), der Nikias' Motive angibt, umrahmt seine indirekte Rede. 600 Ganz kurz ist der Exkurs über die Irrfahrt dieses Kontingents nach Libyen, wobei j e d o c h geo- und e t h n o g r a p h i s c h e A n g a b e n über das Land fehlen. Nicht zur Haupthandlung gehörendes Material wird konsequent gekürzt.

622

THUKYDIDES

sich auch Nikias nicht mehr widersetzte, beschlossen sie, heimlich abzufahren. Eine Mondfinsternis 6 0 ' verhinderte jedoch die Abfahrt, da die Soldaten aufgebracht waren und Nikias, wie in einer auktorialen Parenthese gesagt wird, ήν γάρ τι και άγαν θειασμω τε και τω τοιοΰτω προσκείμενος („wohl etwas zu viel auf Propheterei und dergleichen gab")· 602 _ Als die Syrakuser (7,51) dies erfuhren, begehrten (επηρμένοι) sie, die Athener nicht mehr abziehen zu lassen, sondern jene, die sich selbst zu Wasser und zu Lande unterlegen fühlten (μηκέτι κρεισσόνων ... μήτε τ α ι ς ναυσί μήτε τω πε£ω), möglichst schnell, solange die Bedingungen für sie selbst günstig waren, zu einer Seeschlacht zu zwingen (ώς τ ά χ ι σ τ α καΐ εν ω σφίσι ξυμφέρει άναγκάσαι αυτούς ναυμαχειν). Wiederum wird der Plan partizipial (πυθόμενοι, βουλόμενοι) auf der Ebene des λόγος ausführlich vorbereitet. Die Ausführung ist dann das logische Komplement auf der Ebene der έργα. In den folgenden Schlachten (7,52f.) siegten die Syrakuser zur See, auch wenn die Athener viele Schiffe vor dem Angriff der ungeordnet anstürmenden Feinde (ατάκτως προσφερομένους) vor der Zerstörung retten konnten. Doch die klare Niederlage zur See (7,55) auch nach der Verstärkung durch Demosthenes, welche die Syrakuser zuerst gefürchtet hatten (πρότερον γάρ έφοβοϋντο), löste bei den Athenern Mutlosigkeit, Perplexität und vor allem Reue aus (άθυμία, ό παράλογος αύτοΐς μέγας ήν, πολύ δέ μείζων έτι της στρατείας ό μετάμελος). Durch die wachsenden Glieder erhält die Klimax mehr Gewicht, wobei die beiden letzten Kola chiastisch formuliert sind (παράλογος - μ ε ' γ α ς μει'£ων μετάμελος). Auktorial wird in Übereinstimmung mit Nikias' Warnung 6,20 die Stärke der Sizilier 55,2 mit der ähnlichen Verfaßtheit der Städte (πόλεσι όμοιοτρόποις ... δημοκρατουμέναις), bei denen der Umsturz der 601 Im Jahre 413 fand am 27.8. eine totale Mondfinsternis von 20.15 bis 23.40 statt, vgl. Stephenson/Fatoohi 2001, 249: „Following the characteristic pattern of total lunar eclipses, the Moon would probably turn blood red in colour, or may possibly have even disappeared from sight for a while." Zu verschiedenen Deutung der Mondfinsternis vgl. Plut. Nie. 23. 602 Oost 1975, 192 meint: „If Nicias w a s excessively devoted to divination, the presumptive implication is that T h u c y d i d e s had a conception of a degree of devotion which is not excessive." Dabei verkennt er aber die milde Ironie von Thukydides' Formulierung. Ebenso meint Marinatos 1981, 63, Thukydides' Kritik beziehe sich nicht auf seine F r ö m m i g k e i t im a l l g e m e i n e n , sondern auf den Mißbrauch der Weissagung. Nicht zu vergessen ist auch die Reaktion der Masse, die auf die Feldherren Druck machte und für die Verzögerung mitverantwortlich war (Powell 1979, 25f.).

Die Reden in den Büchern 6 und 7

623

Verfassung nicht möglich war, und der großen Macht an Schiffen und Reitern (ναΰς και ί π π ο υ ς και μεγέθη), welche die Athener nicht überbieten konnten, begründet. 603 Nach den Mißerfolgen und vor allem dem unerwarteten Verlust der Überlegenheit zur See, waren die Athener völlig ratlos (ήπόρουν ... πολλω δέ μάλλον έ τ ι ) . Die Syrakuser beabsichtigten (7,56) die Mündung des Großen Hafens zu schließen. Ihre Ambitionen richteten sie nicht mehr nur auf die eigene Rettung (σωθήναί μόνον), sondern sie wollten, da sie sich nun bei weitem überlegen fühlten (πολύ ... καθυπέρτερα), die Athener zu Lande und zu Wasser besiegen, was ihnen die Aussicht auf einen herrlichen Sieg vor den Griechen (καλόν ... ε ς τούς "Ελληνας τό αγώνισμα) zu eröffnen schien. So könnten sie einen Teil der Griechen sofort befreien (έλευθεροϋσθαι), den anderen die Furcht vor einem für weitere Kriege zu schwachen Athen nehmen (φόβον άπολυεσθαι) und schließlich selbst als Urheber dieses Umstandes (δόξαντες ... αίτιοι) von den Menschen und der Nachwelt bewundert werden (ύπό των έπειτα πολύ θαυμασθήσεοθαι). Was schon angedeutet ist, bestätigt der Autor: In diesen Kampf wurde Syrakus zusammen mit Korinth und Sparta eine Führungsmacht (ήγε μόνες τε γενόμενοι) mit vielen Verbündeten, da sie - analog zu Athen 480 v. Chr. - ihre Stadt aufs Spiel gesetzt (προκίνδυνεΰσαι) und in Bezug auf die Flotte große Fortschritte gemacht hatten (τού ναυτικού μέγα μέρος προκύψαντες). 604 Der Exkurs (7,57) über die an diesem Kriege beteiligten Völker beginnt mit der auktorialen Feststellung, daß die Bündnisse ού κατά δίκην TL μάλλον ουδέ κατά ξ υ γ γ έ ν ε ι α ν μετ' αλλήλων σ τ ά ν τ ε ς , άλλ' ώς έκάστοις της ξυντυχίας ή κατά τό ξυμφέρον ή άνάγκη έσχεν. „Nicht e t w a nach Rechtstiteln oder durch Stammverwandtschaft, als vielmehr zufällig, w i e Vorteil oder Z w a n g sie gerade leitete,"

geschlossen worden waren. 605 Die Tatsache, daß der Heereskatalog unmittelbar vor der für die Athener verhängnisvollen Schlacht steht, markiert 603 A u f beide Punkte (Umsturz der Verfassung / materielle Stärke der Gegner) hatte Nikias 6 , 2 0 hingewiesen. 604 D a m i t w i e d e r h o l t sich die G e s c h i c h t e v o n 4 8 0 , v g l . 1,18,3 (auktorial),

1,74

(Athener) und 6 , 3 3 , 5 - 6 (Hermokrates). 605 Anders als bei H o m e r und Herodot steht der Völkerkatalog unmittelbar vor der Schlacht, da erst zu d i e s e m Zeitpunkt die größte Zahl an Streitkräften erreicht wurde. Dabei spielen nicht g e o - bzw. ethnographische Kriterien, sondern die M o tivation und der Grad der A b h ä n g i g k e i t eine Rolle. Luschnat 1970, 1223 betont, daß keine der beiden Seiten eine h o m o g e n e , sondern eine „'auf Augenblicksinteressen oder Z w a n g g e g r ü n d e t e K o a l i t i o n ' und ein V ö l k e r g e m i s c h " ins Feld

624

THUK.YDIDES

nicht nur die Größe der daran beteiligten Kontingente, sondern amplifiziert - auf tragische Weise - durch den Ruhepunkt in der Erzählung die Bedeutung der darauf folgenden Ereignisse. Auf Seiten Athens folgen neben den freiwillig (έκόντες) kämpfenden Athenern nach Abhängigkeitsgrad die übrigen Völker: Abkömmlinge mit gleichen Gebräuchen und Sprache (τη αύτη φωνή και νομίμοις ... άποικοι), also Verwandte, dann tributpflichtige Untertanen (υπήκοοι), autonome Bundesgenossen (άπό ξυμμαχίας αυτόνομοι) und schließlich Söldner (μισθοφόροι). Während die (vorwiegend ionischen) Untertanen gezwungenermaßen (άνάγκη) mitzogen, kämpften (meist dorische) Verbündete und Söldner aus Haß (Kerkyra), Rivalität (έχθος, διαφορά wie Argos) oder um des Gewinns willen (κέρδος, ώφελία) gegen Stammverwandte. Auf Seiten der Syrakuser (7,58) kämpften neben diesen selbst die stammverwandten und autonomen dorischen Nachbarn; dazu leisteten wegen der Verwandtschaft (κατά τό ξυγγενές) die Dorier aus der Peloponnes, vornehmlich aus Sparta und Korinth, Hilfe, hinzu kamen Söldner. Doch die meisten Hopliten, Schiffe, Reiter und Fußvolk stellten die großen sizilischen Städte (ατε μεγάλας πόλεις οικοϋντας), am meisten Syrakus, wegen der Größe der Stadt und der Gefahr (δια μέγεθος τε τ η ς πόλεως και ότι έν μεγίστω κίνδύνω ήσαν): Den totalen Sieg anstrebend, sperrten sie sogleich den Großen Hafen. 606

3.3.2.3. Die Paränesen vor der letzten Schlacht im Hafen (7,60-69) Die Athener hielten (7,60) in dieser Notlage (απορία) Rat: Sie wollten Ausrüstung und Kranke zurücklassen, mit den übrigen Infanteristen alle 110 Schiffe füllen und im Falle des Sieges nach Katane segeln, sonst die Schiffe verbrennen und auf dem Landweg abziehen. Als Nikias sah (όρων), daß die Soldaten wegen der vielen ungewohnten Niederlagen zur See (τω παρά τό είωθός πολύ τ α ς ναυσί κρατηθήναι) verzagten (άθυμοΰντας), schickte. Dabei ist die V e r w a n d t s c h a f t kein echtes Motiv mehr, Alty 1982, 7: „Despite appearing to concede that the Athenians and even Ionian subjects went, as Ionians, willingly against the Dorian Syracusans, he denies kinship feeling any influence. ... The polemical style and arrangement suggests a reaction against other people's views." 606 Die Sperrung des Hafens erinnert nach Mackie 1996, 111 an die Sperrung des Hafens durch die Laistrygonen Od. 10,118ff. und das Schließen der Höhle Polyphems mit dem Steinblock (9,240).

Die Reden in den Büchern 6 und 7

625

und er wegen des Mangels an Lebensmitteln möglichst schnell den Kampf wagen wollte (ως τ ά χ ι σ τ α βουλόμενος διακινδυνεύειν), hielt er folgende Kampfparänese: In der Anrede (7,61) an Soldaten und Bundesgenossen beginnt er pathetisch mit dem topischen Appell an den Überlebenswillen und das Vaterland (περί τε σωτηρίας και πατρίδος). Sehr emphatisch ist das Homoioteleuton (των άλλων ξυμμάχων ... άγών μέλλων, ebenso 61,3) und die Betonung, daß der άγων alle gleichermaßen betrifft (ομοίως κοινός ά π α σ ι ν mit leichtem Pleonasmus). 607 Siegen sie (ήν κρατήσωμεν), kann mancher seine Heimat Wiedersehen (την οικείαν πάλιν έσιδεΐν). Allgemein versucht er sie in einer Antithese durch den Hinweis auf ihre Erfahrung zu trösten: Sie sollen nicht mutlos sein (άθυμεΐν) wie ganz unerfahrene (άπειρότατοι) Leute, die nach den ersten Mißerfolgen (τοις πρώτοις άγώσι σφαλέντες) - angesichts der Serie von Mißerfolgen eine hyperbolische Untertreibung und ungeeigneter Vergleich - την ελπίδα τοϋ φόβου όμοίαν τ α ΐ ς ξυμφοραΐς έχουσιν, „nur Schrecknisse erwarten entsprechend dem eben Erlebten." Die Athener und ihre Bundesgenossen haben eine reiche Kriegserfahrung (έμπειροι), daher fordert er in einem paradoxen Appell μνήσθητε των έν τοις πολέμοις παραλόγων, και τό τ η ς τ ύ χ η ς καν μεθ' ημών έ λ π ί σ α ν τ ε ς στήναί „gedenkt der Überraschungen im Kriege, und [seid] guten Mutes, weil das Schicksal auch wieder für uns sein kann." Mit dem Unberechenbaren (παραλόγων, τύχη) als Erfahrungstatsache zu rechnen, steht aber mit seiner Aussage 6,23,3 (δτι ελάχιστα τ ΐ ΐ τύχη παραδούς κτλ.) in Widerspruch. 608 Ausführlich versucht Nikias (7,62) durch die Analyse der bisherigen Niederlagen und der Ankündigung von Gegenmaßnahmen den Soldaten Mut zu machen: Angesichts der Enge des Hafens (τοϋ λιμένος στενότητί), des Gedränges der Schiffe und der Ausrüstung der Feinde auf den

607 Dagegen hatte er in seiner Paränese 6,68,3 behauptet, nur die Feinde kämpften für ihr Vaterland. 608 Leimbach 1985, 102: „ W e r auf das Unvorhersehbare vertraut, ist unerfahren oder leichtfertig." Nikias bezweckt damit, dem völlig demotivierten und entmutigten Heer den Boden für die sachliche Erörterung (7,62) psychisch vorzubereiten. Ganz anders war Perikles z.B. 1,140,1 vorgegangen. Hogan 1989, 269: „With these verbal echoes Thucydides calls attention to the contrast and shows once again how under the pressure of the War and political discord word change their sense. Nicias sees chance as his main hope, while for Pericles it is simply an incalculable danger of war."

THUK.YDIDES

626

V e r d e c k e n , die ihnen bisher am meisten schadeten (έβλαπτόμεθα) 6 0 9 , haben sie den U m s t ä n d e n entsprechend (εκ των παρόντων) folgende Gegenmaßnahmen getroffen: Sie nehmen Bogenschützen, Speerwerfer und Fußvolk mit, was in einer Seeschlacht auf offener See wegen der Schwere der S c h i f f e ihrer E r f a h r u n g schadete (δια τ ό β λ ά π τ ε ι ν civ τ ό τ η ς ε π ι σ τ ή μ η ς τ η βαρύτητι των νεών). In ihrer N o t l a g e (ήναγκασμένη) müssen sie eine Landschlacht von den Schiffen aus fechten (άπό των νεών π ε ζ ο μ α χ ί α ) , also ihre gewohnte Taktik und Erfahrung als Seemacht über Bord werfen. Dabei betont er nur die Vorteile der neuen Taktik, erwähnt aber nicht, daß sie im engen Hafen k ä m p f e n müssen und das Fußvolk auf den S c h i f f e n u n e r f a h r e n ist. Als G e g e n m a ß n a h m e n (άντιναυπηγήσαι) haben sie gegen die verdickten Ohrlappen der Syrakuser, die ihnen am meisten schadeten (μάλιστα έβλαπτόμεθα), eiserne Hände angebracht. Er wiederholt das Paradoxon, daß sie in ihrer Zwangslage (ήναγκάσμεθα) eine Landschlacht zur See f ü h r e n m ü s s e n ( π ε £ ο μ α χ ε ϊ ν άπό νεών), w o es nützlich ist (ώφέλιμον), weder selbst zurückzulaufen (άνακρούεσθαι) noch den Feinden dies zu gestatten, zumal der größte Teil des Strandes in deren Händen ist. Daher (7,63) sollen sie sich nicht ans U f e r abdrängen lassen, sondern von einem feindlichen Schiffe erst ablassen, w e n n die gegnerischen Hopliten vom Verdeck gestoßen sind. Er ermahnt zuerst die Hopliten, von denen der Sieg abhängt. Die Seeleute bittet er, sich von den Rückschlägen nicht zu sehr erschrecken zu lassen (έκπεπλήχθαι τι τ α ι ς ξυμφοραΐς άγαν) 6 1 0 , denn nun ist sowohl ihre Ausrüstung auf den Verdecken als auch die Zahl an Schiffen größer (ναϋς πλείους). In einem emotionalen epideiktischen Teil wendet er sich zuerst an die Verbündeten und evoziert deren H o c h g e f ü h l (την ήδονήν): Obwohl sie keine Athener sind, wurden sie wegen der Kenntnis der Sprache und der N a c h a h m u n g ihrer Art für solche gehalten (νομι£όμενοι) und bewundert (έθαυμά£εσθε κατά τ η ν Ε λ λ ά δ α ) , και τ η ς ά ρ χ ή ς τ η ς η μ ε τ έ ρ α ς ουκ έλασσον κατά τό ώφελεΐσθαι έ ς τε τό φοβερόν τ ο ι ς ύπηκόοις καΐ τ ό μή άδικεΐσθαι πολύ πλέον μ ε τ ε ί χ ε τ ε , „und nicht geringen Anteil hattet an unsrer Herrschaft, wegen der Vorteile und der Scheu der Untertanen auch vor euch, und daß keiner euch zu beleidigen wagte."

609 Er bezieht sich auf die Innovation der Syrakuser 7,36,4 und ihre Wirkung 7,40,5

(μεγάλα εβλαπτον). 610 Leimbach 1985, 106: „Gerade das Zugeständnis einer Restfurcht bei vorhandener stärkster Entmutigung ist geeignet, diese weit stärker zu mildern, als wenn sie für gänzlich unbegründet angegeben würde."

Die Reden in den Büchern 6 und 7

627

Wiederum k o m m t der Gegensatz zwischen νόμος und φ ύ σ ι ς vor (νομι£όμενοι - μή ό ν τ ε ς ) . Die Vorteile betreffen erstens die τ ι μ ή (έθαυμά£εσθε wie im Epitaphios 2,41,4), zweitens allgemeine Vorteile (ώφελεΐσθαι), die konkret mit der auf der Furcht der Untertanen beruhenden Sicherheit bezeichnet w e r d e n . 6 " Als freie Teilhaber an der Herrschaft (κοινωνοί μόνοι ελευθέρως τ η ς α ρ χ ή ς ) sollen sie diese nicht verraten (μή καταπροδίδοτε), sondern κ α τ α φ ρ ο ν ή σ α ν τ ε ς δέ Κορινθίων τε, οϋς π ο λ λ ά κ ι ς ν ε ν ι κ ή κ α τ ε , και Σικελιωτών, ών οΰδ' ά ν τ ι σ τ ή ν α ι ο υ δ ε ί ς έ ω ς ή κ μ α ζ ε τ ό ν α υ τ ι κ ό ν ήξίωσεν, άμύνασθε αυτούς, και δ ε ί ξ α τ ε δτι και μετ' α σ θ ε ν ε ί α ς και ξυμφορών ή ή μ έ τ ε ρ α ε π ι σ τ ή μ η κρείσσων ε σ τ ί ν ε τ έ ρ α ς ε ύ τ υ χ ο ύ σ η ς ρώμης, „seht herab auf die Korinther, die ihr oft besiegt habt, und die Sizilier, von denen keiner auch nur an Widerstand gedacht hat, solang unsre Flotte noch auf der Höhe war; schlagt sie zurück und zeigt ihnen, daß auch in Schwäche und Unglück eure Erfahrung immer noch stärker ist als der andern Glück und Kraft."

Im Gegensatz zu Perikles (2,62,4) fußt die καταφρόνησις nicht auf γνώμη, sondern auf der Erinnerung an die bisherigen Vorteile, aus denen er die Verpflichtungen für die Gegenwart ableitet. Ebenso ist die B e r u f u n g auf die έ π ι σ τ ή μ η nach dem völligen Wechsel der Strategie unglaubwürdig. Er versucht, die eigene Schwäche als ξυμφορά und die Stärke des Gegners als ε ύ τ υ χ ί α soweit zu relativieren, daß als Gesamteindruck das Stärkeverhältnis umgekehrt erscheint. Die Antithese zwischen den negativen Ausdrücken (μετ' ασθενείας, ξυμφορών) bei den Athenern und chiastisch dazu den positiven ( ε ύ τ υ χ ο ύ σ η ς ρ ώ μ η ς ) bei den Feinden wird durch die έπιστήμη der Athener aufgehoben. 6 1 2

611 πολύ πλέον ist aufgrund der tautologischen Formulierung des letzten Gedankens nicht zu athetieren (HCT iv, 443). 612 Avezzü T e n u t a 1977, 50: „In questo schema, Ι ' έ π ι σ τ ή μ η esula, s f u g g e alia struttura negativo-positivo ripetuta due volte. In realtä e qualche cosa di 'in piü', di estraneo, che non necessita tutto il resto, se non per ragioni retoriche. ... Se per la communis opinio negativo < positivo, qui succede l'inverso. ... Qui si verifica che: negativo + χ > positivo." Nikias argumentiert ähnlich wie die Spartaner 2,87, vgl. Rengakos 1996, 408: „Auch die Peloponnesier beriefen sich in Naupaktos sofort auf das Schicksal, behaupteten, daß eine Reihe von Zufällen gegen sie gewesen sei (2,87,2), oder sprachen vom widrigen Ausgang des Geschicks (87,3). Für die bevorstehende Schlacht waren sie aber auf Grund ihrer π α ρ α σ κ ε υ ή und ihres πλήθος νεών (2,87,6) siegessicher. Auf diese beiden Faktoren stützt nun auch Nikias seine H o f f n u n g e n : dreimal erwähnt er in seiner Rede die stärkere Flotte der Athener (7,62,3; 63,2; 63,3) und verweilt lange bei den besonderen Vorbereitungen, die für die Schlacht getroffen wurden (c. 62; 63,2) ... Der Leser, der weiß, daß die Argu-

THUKYDIDES

628

Den Athenern ( 7 , 6 4 ) zeichnet er ein negatives proleptisches Szenario auf, das eher dazu geeignet ist, Ängste zu schüren als Mut zu machen: D a sie zu Hause weder Schiffe n o c h Hopliten haben, können im Falle der Niederlage, die nicht explizit, sondern euphemistisch als t l

άλλο ή

τό

κρατεΐν bezeichnet wird, die Feinde aus Sizilien nach Athen fahren, ohne daß j e m a n d sie von dort vertreiben kann. 6 1 3 Sie selbst würden in die Hände der Syrakuser geraten, wobei er sich in der Praeteritio 'ίστε οϊα

γνώμη

έπήλθετε sehr v a g e äußert, aber implizit die Wahrscheinlichkeit der R a c h e evoziert und so Ängste schürt, die Athener in Attika könnten den Spartanern in die Hände fallen. Sie kämpfen jetzt für beide und sollen bedenken wobei

die polysyndetische A u f z ä h l u n g mit

Klimax

und

wachsenden

Gliedern Nikias' emphatische Peroratio verstärkt: ότι

οί

έν

Αθηναιοις εισι

ταις

ναυσίν

ύμών

νϋν

έσόμενοι

και ν ή ε ς και ή υπόλοιπος πόλις

και

και τό

των 'Αθηνών, περί ών, ει τ ί ς τι έ τ ε ρ ο ς έτερου προφέρει ή εύψυχία,

οΰκ αν έν άλλω

μάλλον καιρώ

αύτώ ώφέλιμος γένοιτο καΐ τ ο ι ς ξυμπασι

πε£οι μέγα

τοις όνομα

ή έπιστήμη

άποδειξάμενος

αύτός

τε

σωτήριος.

„Was von euch jetzt die Schiffe besteigt, ist der Athener Fußvolk und Flotte, j a die ganze übrige Stadt und der große Name Athens, derentwegen, wenn einer einen andern irgendwie an Erfahrung oder Tapferkeit übertrifft, er es wohl nicht zu anderer Stunde besser beweisen könnte, um damit jeder sich selber zu helfen und das Ganze zu retten." 614 Seine Rede hat folgende Struktur: Proömium (7,61): Pathetischer Appell an σωτηρία und πατρίς. Er setzt Hoffnung auf irrationale Überraschung und Zufall (παράλογος, τύχη) als Erfahrungstatsache. Argumentatio

Analyse der bisherigen Niederlagen, dagegen getroffene technische

mente der Peloponnesier durch den Ausgang der damaligen Schlacht widerlegt worden waren, wird hier Nikias' Behauptungen als illusorisch bereits vor dem Eintreten der Niederlage durchschauen." 613 Vgl. wie 6,10 ff. die Ortadverbien-jetzt umgekehrt - τους τε ένθάδε πολεμίους εύθύς έπ' εκείνα πλευσομένους και τούς έκεΐ υπολοίπους ήμών άδυνάτους έσομένους ... άμύνασθαι. 614 όνομα (ebenso 2,64,3 bei Perikles) entspricht der τιμή der Athener-Rede 1,75,3; 76,1. Der emotionale Teil erinnert an den Epitaphios (vgl. 2,37,2; 38,1; 36,4), die Verbindung von εύψυχία und επιστήμη an 2,87,4; doch anders als in Naupaktos 2,89,8 nützte ihnen angesichts der στενοχώρια und πε£ομαχία ihre επιστήμη nichts.

Die Reden in den Büchern 6 und 7

(7,62)

629

Maßnahmen und Taktik der Landschlacht zur See sollen Mut machen (62).

Paränet. Appelle:

an Hopliten, Seeleute, Verbündete, die er als freie (63—64) Teilhaber an der α ρ χ ή an Ehre und Nutzen erinnert, und als Klimax an die Athener, die er durch die Erinnerung an die Zwangslage und das μ ε γ α όνομα Athens zur Tapferkeit anspornt (πάθος).

Nikias versucht durch Ausdrücke wie κοινός, άπασι, έκάστοι,ς etc. den Soldaten, die sich in einer verzweifelten Lage befinden, das Gefühl einer Schicksalsgemeinschaft zu geben. Das Vertrauen auf irrationale Faktoren wie παράλογος und τ ύ χ η statt auf die bewährten γνώμη und τόλμα (eines Perikles oder Phormion), aber auch die technischen Maßnahmen, die einen Bruch mit der bisherigen athenischen Seetaktik darstellen und ihre nautische ε π ι σ τ ή μ η über Bord werfen, zeigen die Hoffnungslosigkeit seines Appells an. Am meisten erregt aber die Erwähnung der Heimatpolis und der athenischen αρχή als Garanten ihrer aller Existenz, deren Fortbestehen auf dem Spiel steht, πάθος. In der Paränese sind seine Sätze eher parataktisch und erhalten durch Polysyndeton Emphase. Als Gylippos und die Syrakuser (7,65) merkten, daß sich die Athener zur Schlacht rüsteten und eiserne Greifhände angefügt hatten, verkleideten sie, wie der Narrator proleptisch anmerkt und damit Nikias wichtigsten Punkt bereits vor der Erwiderung widerlegt, den Bug mit Häuten, damit die Greifhände abglitten, und hielten ihrerseits eine Paränese: Im Proömium bezeichnen sie die bisherigen Leistungen (7,66) als ruhmvoll (καλά). Jetzt kämpfen sie für eine ruhmvolle Zukunft (ύπέρ καλών τών μελλόντων), wie die meisten Zuhörer wohl wissen (δοκειτε ... είδέναι.) und darum eifrig (προθύμως) gekämpft haben. Die fingierte antithetische Unterstellung der Redner: εϊ TIC μη έπΐ δσον δεΙ ήσθηται, wird als Anlaß für die ausführliche Darlegung genommen, wobei durch das indefinite τ ι ς die angebliche Wiederholung von für den Großteil der Zuhörer schon Bekanntem nicht als Vorwurf erscheint, sondern dazu beiträgt, diese benevolos par are. Sie wiederholen den von Alkibiades (6,90) illustrierten Kriegsplan der Athener, um durch die Erregung von πάθος die Entschlossenheit und den Zorn der Hörer zu steigern: Nach der Unterwerfung Siziliens (της Σικελίας καταδουλώσει.) wollten jene, die schon jetzt das größte Reich der Griechen besitzen (άρχήν τήν ήδη μεγίστην τών τε πρίν 'Ελλήνων και τών νϋν), die Peloponnes und das übrige Griechenland angreifen. Deren Flotte haben sie als erste (πρώτοι, άνθρώπων) besiegt und den Nimbus ihrer Unschlagbarkeit zur See gebro-

THUKYDIDES

630 chen (τάς

μέν

νενικήκατε

ήδη

ναυμαχίας,

την

δ' έ κ

τοΰ

εικότος

ν ι κ ή σ ε τ ε ) . D i e s e B e h a u p t u n g b e w e i s e n sie e r s t e n s , i n d e m sie d i e B e f i n d l i c h k e i t d e r A t h e n e r in ein a l l g e m e i n e s p s y c h o l o g i s c h e s S c h e m a (in F o r m e i n e r G n o m e ) , d a s als P r ä m i s s e e i n e s W a h r s c h e i n l i c h k e i t s s c h l u s s e s

dient,

einfügen: άνδρες

τό

γαρ

έπειδάυ

ω άξιοΰσι

προΰχειν

κολουθώσι,

ύ π ό λ ο ι π ο ν α ύ τ ώ ν τ η ς δ ό ξ η ς ά σ θ ε ν έ σ τ ε ρ ο ν α ύ τ ό έ α υ τ ο ϋ ε σ τ ί ν ή ει ώ ή θ η σ α ν τ ό π ρ ώ τ ο ν , και τ ω παρ' ε λ π ί δ α τ ο ϋ α ύ χ ή μ α τ ο ς και

παρά

ίσχύν

της

δυνάμεως

ένδιδόασιν

δ

γ'

μηδ'

σφαλλόμενοι

νυν 'Αθηναίοι

εικός

πεπονθέναι. „Denn wenn man Männer da, wo sie sich Uberlegen fühlen, zurückstutzt, sinkt der Rest ihres Selbstgefühls tiefer unter sich selbst, als wenn sie sich von Anfang nichts eingebildet hätten, und wider alle Hoffnungen ihres Stolzes gestürzt, geben sie nach über die Kräfte ihrer Macht. So ist es wahrscheinlich den Athenern jetzt gegangen." 613 U m g e k e h r t h a b e n sie (7,67), die zuerst o h n e Erfahrung, aber mit

Mut

(άνεπιστήμονές

zum

... ά π ε τ ο λ μ ή σ α μ ε ν )

kämpften, wie

s i e in e i n e r

zweiten Punkt überleitenden recapitulatio sagen, jetzt noch

sichereren

Grund zum Optimismus (βεβαιότερον), da der Eindruck, den eine G n o m e untermauert (δόκησις), entstand: τό

κρατίστους

έκαστου

ή

έλπίς·

εΐναι τα

δέ

εί

τούς

πολλά

κρατίστους πρός

έ λ π ί ς μ ε γ ί σ τ η ν καΐ τ ή ν π ρ ο θ υ μ ί α ν

τάς

ένικήσαμεν,

επιχειρήσεις

ή

διπλασία μεγίστη

παρέχεται.

„Daß wir die Stärksten sind, wenn wir die Stärksten besiegt haben, ist eines jeden Hoffnung verdoppelt; bei den meisten Taten aber folgt der besten Hoffnung auch der vollste Einsatz." Der

Satz

gibt

in e i n e m

Dreischritt ( κ ρ α τ ί σ τ ο υ ς

ε ί ν α ι - » έ λ π ί ς ->

π ρ ο θ υ μ ί α ν ) seiner Ü b e r l e g u n g eine allgemeine G r u n d l a g e ; ein doppeltes superlativisches Polyptoton verleiht ihm die nötige E m p h a s e . E r s t e n s s i n d sie g e g e n d i e t e c h n i s c h e n G e g e n m a ß n a h m e n , als ά ν τ ι μ ί μ η σ ι ς bezeichnet,616

der

Athener

sehr

wohl

abschätzig

gerüstet

(οΰκ

615 Luschnat 1942, 96: „Zugrunde liegt der thukydideische Gedanke, daß Überlegenheit durch das Hinzukommen eines entscheidenden Umstandes in Unterlegenheit umschlagen kann, wobei die Stufe des Gleichgewichts übersprungen wird." Zum Enthymem, vgl. Iglesias Zoido 2000, 525 praemissa minor: αρχήν τ ή ν ήδη μ ε γ ί σ τ η ν ... πρώτοι ανθρώπων ύ π ο σ τ ά ν τ ε ς τω ναυτικώ, ωπερ π ά ν τ α κατέσχον, τ ά ς μέν νενικήκατε ήδη ν α υ μ α χ ί α ς - conclusio: τήν δ' έκ τοϋ εικότος νικήσετε - praemissa maior: άνδρες γάρ έπειδάν ω άξιούσι προύχειν κολουθώσι, τό γ' ύπόλοιπον αύτών τ η ς δόξης άσθενέστερον αυτό εαυτού ε σ τ ί ν ή εί μηδ' ώήθησαν τό πρώτον. 616 Durch den abschätzigen Neologismus ά ν τ ι μ ί μ η σ ι ς deuten sie an, daß die Athener ihren Vorsprung eingebüßt haben, zumal diese jetzt die Syrakuser nachahmen (vgl.

Die Reden in den Büchern 6 und 7

631

ανάρμοστοι). Die Athener haben auf den Schiffen gegen ihre Gewohnheit (παρά τό καθεστηκός) viele Hopliten, die sich gegenseitig behindern. Daher fragen sie in einer rhetorischen Frage πώς ού σφαλοϋσί τε τ ά ς ναϋς και εν σ φ ί σ ι ν α ύ τ ο ΐ ς π ά ν τ ε ς ουκ έν τω εαυτών τρόπω κινούμενοι ταράζονται; „Wie sollten die nicht die Schiffe verderben und sich alle gegenseitig bei so unvertrauten Bewegungen verwirren?" Zweitens nützt ihnen die Menge der Schiffe nichts (τω πλήθει τών νεών ούκ ώφελήσονται), sondern, wenn es noch eine Restfurcht auf ihrer Seite geben sollte (ε'ί τ ι ς ... πεφόβηται): in der Enge (έν όλίγω) schaden ihnen die Überzahl, die Unbeweglichkeit der Schiffe und die syrakusischen Gegenmaßnahmen (άργότεραι μεν έ ς τό δράν τι ών βούλονται έσονται, ράσται δέ έ ς τό βλάπτεσθαι άφ' ών ήμιν παρεσκεύασται). Schließlich fuhrt er noch gesicherte Berichte (τό δ' άληθέστατον γνώτε έξ ών ήμεΐς οιόμεθα σαφώς πεπύσθαι) über die psychologische Befindlichkeit der Feinde an: ύπερβαλόντων γαρ αύτοΐς τών κακών και βιαζόμενοι ύπό τ η ς παρούσης απορίας έ ς άπόνοιαν καθεστήκασιν ού παρασκευής πίστει μάλλον ή τύχης άποκινδυνεύσαι ... „Das Übermaß ihres Unglücks und der Z w a n g ihres jetzigen Mangels hat sie so zum Äußersten getrieben, daß sie, auf den Zufall mehr als auf ihre Streitmacht bauend, ihr Letztes wagen wollen ..." 6 I 7

Jetzt wollen sie (wie der Narrator 7,60 angegeben hat) entweder zur See oder zu Lande abziehen, weil ihnen nichts schlimmer als die jetzige Lage erscheine (ώς τών παρόντων ούκ αν πράξαντες χείρον). Im Epilog schüren sie (7,68) durch den Gebrauch von τελικά κεφάλαια eine emotionale Reaktion der Zuhörer (indignatio und ira): π ρ ό ς οΰν ά τ α ξ ί α ν τ ε τ ο ι α ύ τ η ν και τ ύ χ η ν ανδρών έ α υ τ ή ν παραδεδωκυΐαν πολεμι,ωτάτων όργή προσμείξωμεν καΐ νομίσωμεν άμα μεν νομιμώτατον είναι πρός τούς εναντίους όί άν ώς ε π! τιμωρία τοϋ προσπεσόντος άδίκως ί'ωσιν 618 άποπλήσαι τ η ς γνώμης τό θυμούμενον,

Allison 1997a, 47). Die Redner haben eine rationale έ λ π ι ς (wie Perikles 1,144,1). Iglesias Zoido 2000, 525f.: „La parte central del discurso se dedique a desarrollar un razonamiento basado en la π α ρ α σ κ ε υ ή ο preparacion militar (7,67,2-4) con la que cuenta el ejercito, que, ademäs, responde punto por punto a la planteada por Nicias ... Todo ello muestra con claridad que el orador pretende ante todo activar π ά θ ο ς concreto en su auditorio, el θ ά ρ σ ο ς ο confianza, de nuevo un elemento caracteristico de los discursos deliberativos." 617 Dies stimmt mit 7,60 und N i k i a s ' H o f f n u n g 61,3 überein. ά π ό ν ο ι α ist die Umkehrung der Perikleischen πρόνοια. 618 Der Text ist hier unheilbar verderbt; Maurer 1995, 94f. schlägt α δ ί κ ω ς Ι ω σ ι ν statt codd. δικαιώσωσιν vor.

632

THUKYDIDES

άμα δέ εχθρούς άμύνασθαι έκγενησόμενον ήμΐν και τό λεγόμενόν που ήδιστον εΐναι. „Solche Unordnung und das sich schon selbst preisgebende Geschick der bittersten Feinde wollen wir grimmig angreifen und denken, daß es nur gerecht und erlaubt ist, wenn an den Gegnern zur Rache fur ihren Einfall das zürnende Herz sich ersättigen darf, und daß uns vergönnt ist, den Feinden zu vergelten, was, wie man wohl sagt, die süßeste Freude ist."

Das δίκαιον (τιμωρία) und καλόν (ήδιστον) sollen πάθος und όργή erregen. Die Enallage τύχην ανδρών έαυτήν παραδεδωκυιαν dient zur Steigerung der A u f m e r k s a m k e i t , e b e n s o die A s s o n a n z νομίσωμεν άμα μεν νομιμώτατον. Sie bezeichnen in der Folge konkreter als Nikias 64,1 und sie selbst im Proömium 66,2 (als Ring) die Athener als die schlimmsten Feinde (εχθροί καΐ έχθιστοι), wobei das Konzept ,Feind' durch den Gebrauch der allgemeinen Termini πολέμιος, ενάντιος und steigernd εχθρός (mit einer emotionalen Komponente) in der Art des Prodikos umfassend definiert wird, die ihr Land knechten (δουλωσόμενοί) und im Falle des Sieges (in einer Klimax) den Männern Schmerzliches (τάλγιστα), den Frauen und Kindern Unehre (τά απρεπέστατα) zufügen und der ganzen Stadt einen schlechten Ruf (την α ί σ χ ί σ τ η ν έπίκλησιν) bescheren wollten, wobei die vielen Superlative und die Klimax Männer (Zuhörer)- wehrlose Familie (privat) Stadt (öffentlich) Emphase erzeugt. 619 Daher darf man nicht untätig bleiben (μή μαλακισθήναι) und es für vorteilhaft erachten, die Athener gefahrlos abziehen zu lassen (τό ακινδύνως άπελθειν αυτούς κέρδος νομίσαι), zumal jene auch im Fall des Sieges nur abziehen können. Dem wird wie im Proömium topisch die Aussicht auf den Siegespreis (Bestrafung, Freiheit, Ehre, die τελικά κεφάλαια von καλόν und ασφαλής) entgegengestellt und mit dem Argument der Sicherheit gnomisch abgerundet, τό δέ πραξάντων έκ τοϋ εικότος α βουλόμεθα τούσδε τε κολασθήναι και τή πάση Σικελία καρπουμένη και πριν έλευθερίαν βεβαιοτέραν παραδοΰναι, καλός ό άγων. και κινδύνων οΰτοι σπανιώτατοι όϊ άν ελάχιστα έκ του σφαλήναι βλάπτοντες πλείστα διά τό εύτυχήσαι ώφελώσιν.

619 Rodriguez Alfageme 1999, 294 faßt τ α λ γ ι σ τ α als Euphemismus für ,Tötung' auf. Dasselbe gilt auch für die vagen Formulierungen τ ά α π ρ ε π έ σ τ α τ α und τ η ν α ι σ χ ί σ τ η ν έ π ί κ λ η σ ι ν , unter denen sich die Z u h ö r e r z.B. V e r g e w a l t i g u n g , Sklaverei etc. vorstellen können. Dabei hat vermutlich auch die Betonung der ,Unehre/Schmach' eine große emotionale Wirkung. Aus einer Stelle wie dieser hat wohl ein späterer Historiker die Information abgeleitet, die Athener hätten von Anfang an die Versklavung der Sizilier beabsichtigt (so z.B. Diod. 13,2,6).

Die Reden in den Büchern 6 und 7

633

„Wenn wir aber, wie es wahrscheinlich ist, vollbringen, was wir wünschen, die Feinde strafen und ganz Sizilien die früher schon gekostete Freiheit gefestigt zurückgeben - das ist ein K a m p f der lohnt. Solche Wagnisse sind aber die allerseltensten, w o ein Mißgeschick kaum schadet und das Gelingen herrlichsten Gewinn bringt."

Emphatisch ist der Schluß mit den polaren Gegensatzpaaren: έλάχκττα πλείστα, σφαλήναι - ευτυχήσω, βλάπτοντες - ώφελώσιν. 620 Ihre Rede ist folgendermaßen gegliedert: Proömium (7,66,1)

Die Erwähnung der bisherigen Leistung (καλόν) und die Ankündigung noch größerer Taten soll das Publikum sowohl attentum als auch benevolum parare (a).

transitio

Die Erwähnung des athenischen Kriegsplans soll όργή als π ά θ ο ς erregen (66,2, b)

Argumentatio (66,2—67)

Analepse und daraus gezogener Analogieschluß sollen Zuversicht (προθυμία) und Optimismus ( έ λ π ί ς ) wecken (66,2—67,1), da in Klimax als ράδιον gezeigt: a) technische Gegenmaßnahmen der Feinde sind zwecklos (67,2) b) Überzahl ihrer S c h i f f e in σ τ ε ν ο χ ώ ρ ι α

ist

kontraproduktiv (67,3) c) Feinde sind deprimiert und setzen auf τ ΰ χ η statt παρασκευή (67,4) Epilog (7,68)

πάθος (όργή) erregt durch nochmalige Erwähnung des Plans der Athener, die als schlimmste Feinde definiert werden ( V ) . Sie fordern totale Vernichtung der Athener und stellen Vorteile und Ruhm (a^) bei minimalem Risiko in Aussicht.

Der Zweck der Paränese ist zweifach: Einerseits soll im argumentativen Mittelteil durch Aufzeigen der eigenen Überlegenheit und Widerlegung von Nikias' Gegenmaßnahmen Zuversicht, die auf einer rationalen Grundlage beruht, erzeugt werden. Andererseits wird am Anfang und Ende durch πάθος die Entschlossenheit gesteigert: die Erwähnung der Absichten der Feinde erweckt Rachegeftihle und Zorn, die jegliches Mitleid im Keime ersticken. Die Aussichten auf Ruhm und Vorteil (als konventionelle τελικά 620 Iglesias Zoido 2000, 526: „El π ά θ ο ς que se pretende excitar es la όργή, la ira, a fin de impedir que pueda surgir la menor posibilidad de compasion con respecto a los atenienses."

THUKYDIDES

634

κεφάλαια) sind dazu die positive Ergänzung. E b e n s o erzeugen viele Sup e r l a t i v e u n d A n t i t h e s e n π ά θ ο ς . I m V e r g l e i c h zu d e n b e i d e n P a r ä n e s e n im z w e i t e n B u c h h a t ein R o l l e n t a u s c h s t a t t g e f u n d e n . N i k i a s s p r i c h t w i e d i e S p a r t a n e r , w e n n er a u f έ λ π ί ς u n d τ ύ χ η v e r t r a u t , G y l i p p o s u n d d i e S y r a k u ser w i e P h o r m i o n , d e r a u f γ ν ώ μ η u n d τ έ χ ν η setzt. 6 2 1 Vor dem Gefecht war Nikias (7,69) auf Grund der U m s t ä n d e konsterniert ( ύ π ό τ ω ν π α ρ ό ν τ ω ν έ κ π ε π λ η γ μ έ ν ο ς ) , s a h d i e n a h e G e f a h r (όρων ο ί ο ς ό κίνδυνος

και

ένδεά είναι

ώς ε γ γ ύ ς ) u n d da er meinte, π ά ν τ α τ ε και

λόγω αύτοις

ούπω ικανά είρήσθαι

έργω έτι

σφίσιν

( „ a l l e s G e t a n e sei

n o c h u n z u l ä n g l i c h u n d g e s a g t sei a u c h n o c h l a n g e n i c h t g e n u g " ) , 6 2 2 g i n g er zu j e d e m T r i e r a r c h e n , d e n er b e i m N a m e n , P a t r o n y m i k o n 6 2 3 u n d D e m o t i k o n n a n n t e , u n d f o r d e r t e j e w e i l s w i e i m E p i l o g 7 , 6 4 in e i n e r P a r ä n e s e in o r a t i o o b l i q u a u n d in e i n e m a u k t o r i a l b e r i c h t e t e n R e d e n r e s ü m e e m i t k o n ventionellen Topoi: τό τε

καθ' ε α υ τ ό ν , ω ύ π ή ρ χ ε λ α μ π ρ ό τ η τ ό ς τ ι , μή π ρ ο δ ι δ ό ν α ι

τ ά ς π α τ ρ ι κ ά ς ά ρ ε τ ά ς , ών ε π ι φ α ν ε ί ς ή σ α ν οι π ρ ό γ ο ν ο ι , μή πατρίδος

τε

τής

έλευθερωτάτης

ύπομιμνήσκων

άνεπιτάκτου πάσιν ές τήν δίαιταν εξουσίας,

και

άλλα τ ε

τινά

άφανι£ειν,

τής λέγων

έν

αύτή

όσα

έν

621 So Hunter 1973, 109 und Rawlings 1981, 174. 622 Interessant ist wiederum die Aufteilung der Realität in έργον und λόγος, wobei Nikias durch die Paränese nur die Mängel im Bereich des λ ό γ ο ς zu beheben versuchen kann. Die Mängel im Bereich des έργου bleiben unverändert. 623 Die Nennung des Patronymikon ist wohl eine homerische Reminiszenz: Agamemnon rät Menelaos II. 10,68: πατρόθεν εκ γ ε ν ε ή ς ονομάτων ανδρα εκαστον. Cagnazzi 1986, 496 meint, Nikias habe durch den Gebrauch des Hapax πατρόθεν diese Stelle vor den aristokratisch gesinnten Trierarchen evozieren wollen. Allison 1997b, 510 weist auf die Parallele zu Agamemnon hin, „which includes an ironic identification of him as commander of the Athenians with Agamemnon, who despite his bumbling, eventually succeeded." Dagegen zu Recht Rood 1998a: „Nikias is using patronymics himself, Agamemnon is merely instructing someone else to use patronymics ... The 'identification' of the two men would be more convincing if Agamemnon were himself calling on his troops in the midst of battle. ... Nikias' appeal to the trierarchs differs in two important respects, then, from the Homeric passage alleged as a parallel: he is making an actual appeal, not enjoining someone else to make an appeal, and he appeals to people by the name of their tribe as well as by their own and their father's name. These differences ... tell against efforts to identify Nikias with Agamemnon or to depict his appeal as oldfashioned. We should rather see the Homeric reminiscence - like the unique appeal to tribe names - as underlining the seriousness and increasing the emotional impact of Nikias' appeals." Er weist zudem bei πατρόθεν auf Parallelen bei Herodot 3,1,4; 6,14,3 und 8,90,4, oft im Zusammenhang mit Inschriften, hin.

Die Reden in den Büchern 6 und 7

635

τώ τοιούτω ήδη τοΰ και.ροϋ ό ν τ ε ς άνθρωποι προς τό δοκειν τ ι ι/ι άρχαιολογείν 624 φ υ λ α ξ α μ ε ν ο ι εΐποιεν αν, και υπέρ απάντων παραπλήσια έ ς τε γυναίκας και π α ΐ δ α ς και θεούς πατρώους προφερόμενα, άλλ' έπΐ τή παροΰση εκπλήξει ωφέλιμα νομί£οντες έπιβοώνται. „Seine eignen Ruhmestaten, wenn er von früher welche aufzuweisen hatte, nicht zuschanden zu machen, oder die Leistungen seiner Familie, wenn einer glorreiche Ahnen hatte, nicht auszulöschen; er erinnerte sie an die herrliche Unabhängigkeit ihrer Vaterstadt und die zwanglose Freiheit, die sie allen im täglichen Leben gewährte, und machte noch manches, was in solchem Schicksalsaugenblick Menschen wohl sagen mögen unbekümmert um den Schein, Altbekanntes zu wiederholen, Dinge, die so oder ähnlich für jede Lage vorgebracht werden, über die Frauen und Kinder und die altehrwürdigen Götter, deren Aufrufung ihnen gegen die Angst und Erregung in dieser Stunde nützlich scheint." 623

624 Während der Begriff für Finley 1967, 45 die alte Aischyleische Doktrin bezeichnet, bedeutet er für Hudson-Williams 1948, 80: „'saying other things which men would say at such a time without caring whether they are thought to be speaking in an old way ... For Thucydides is not merely saying that Nicias used commonplaces, but that in the stress of the moment (like Isocrates when handicapped by old age) he failed to disguise them in appropriate language ..." Ebenso Lateiner 1985c, 206: „Nicias embodies the rhetoric of conventional values and nostalgia for the code of the heroic defender - although, ironically, he is the aggressor." Zadorojnyi 1998, 301: „To act like an epic hero outside epic is a fatal attitude. But is there a feasible alternative? Nicias probably does the best thing in the given circumstances." 625 Seine topische Argumentation ist fast ein „modello 'antropologico' di discorso da rivolgere ai capi" (Cagnazzi 1986, 497), wobei Shorey 1893, 88 das Resümee als kalte Distanz des Autors, Lateiner 1985c, 203 als Kritik an einer solchen Redeweise auffaßt. Schon Nestor versuchte II. 15,66Iff. den bedrängten Achaiern Mut zu machen, indem er sie aufforderte: έπι δέ μνήσασθε έκαστος / παίδων ήδ' άλόχων καΐ κτήσιος ή δε τοκήων „Und dazu gedenke jeder der Kinder und Frauen und der Habe und seiner Eltern." Vgl. die Paränese in Aisch. Pers. 402-5: έλευθεροϋτε πατρίδ', έλευθεροϋτε δε / π α ΐ δ α ς γυναίκας θεών τε πατρώων έδη κτλ. Connor 1985a, 201, Anm. 43: „The echo of Aeschylus' Persae ... emphasizes how old-fashioned Nicias' approach is and reminds the reader of the continuing, usually implicit, comparison between the Sicilian Expedition and the great Persian invasion of Greece." Jordan 2000, 78 erkennt Anklänge an Alkibiades' Rede 6,16,3: λαμπρύνομαι, 16,6 λαμπρότης, 16,1 πρόγονοι, π α τ ρ ί ς : „It almost looks as if in the desperation of the moment Nicias is appealing to the same brilliance of his captains that he had censured in Alcibiades two years before - another piece of tragic irony. The balance of the sentence, which on the surface is a laudation of Athenian democracy, also acquires an Alcibiadean flavour on closer scrutiny. Nicias reminds the trierarchs that Athens, the freest state of all, affords all citizens unrestrained freedom in conduct of their daily life. The language and the thought seem not too different from Thucydides' words about Alcibiades." Die άνεπιτάκτου ... έ ς την δίαιταν εξουσίας ist aber nicht mit Alkibiades' παρανο-

THUKYDIDES

636

Im A n s c h l u ß an diese n a c h N i k i a s ' M e i n u n g trotzdem emotionale Paränese (ούχ

ικανά

μάλλον

ή

και

άναγκαια

unzulängliche νομίσας)626

stellte er Infanterietruppen a m Strand auf, u m den B e s a t z u n g e n auf den S c h i f f e n ein G e f ü h l v o n S i c h e r h e i t zu g e b e n .

3 . 3 . 2 . 4 . D i e letzten G e f e c h t e , T r o s t r e d e d e s N i k i a s u n d d i e K a t a s t r o p h e (7,70-8,1) Die Syrakuser (7,70) sperrten die H a f e n m ü n d u n g u n d wollten die Athener zu W a s s e r u n d z u L a n d e e i n k r e i s e n . A l l e k ä m p f t e n m i t E i f e r ( π ρ ο θ υ μ ί α ) und dem

Einsatz ihrer Fertigkeiten ( ά ν τ ι τ ε χ ν η σ ι ς ) . D a die etwa

200

S c h i f f e im engen R a u m (στενοχώρια) k ä m p f t e n , herrschte überall Chaos u n d E n t s e t z e n ( τ α ρ α χ ή , ε κ π λ η ξ ι ς ) . B e i d e n P a r t e i e n f e u e r t e n ihre K ä m p f e r m i t i n d i r e k t b e r i c h t e t e n P a r ä n e s e n an, d i e d i e A r g u m e n t e d e r v o r a n g e g a n genen Reden der Feldherren wiederaufnehmen.627 Die Athener forderten, sie s o l l t e n d i e A u s f a h r t e r z w i n g e n ( 7 0 , 7 β ι ά £ ε σ θ α ι

τόν έκπλουν) und für

d i e R e t t u n g ins V a t e r l a n d (περί τ η ς έ ς τ η ν π α τ ρ ί δ α σ ω τ η ρ ί α ν ) k ä m p f e n ;

μίας ε ς την δίαι,ταυ (6,15,4), sondern dem Epitaphios 2,39 zu vergleichen (vgl. Roscher 1842, 209 und Rawlings 1981, 155ff. der auf 2,36,1; 41,1-3; 42,1-4 mit „ironic reversals and contrasts" (S. 156) hinweist). Hogan 1989, 271 f.: „Thucydides makes both men appeal to Athens as a free homeland (2,36,1; 37,2; 7,69,2), and to their audience's families (2,36,4; 45,If.; 7,69,2). Just as Nicias asks his men not to extinguish his forbearer's reputation for αρετή (7,69,2), so Pericles reminds his audience of their fathers' great deeds ... Thucydides' undramatic method of recording Nicias' speech indicates the low value Thucydides places on Nicias' use of the appeals." 626 Lateiner 1985c, 201: Die Paränese zeige „the general's inability to adapt his words and actions to new circumstances as his chief defect from Book 3 to Book 7." 627 Finley 1967, 47 vergleicht die folgende Schilderung mit Aisch. Pers. 412f. (=70,2/4) und 426f. (=71,6), ebenso Rood 1999, 160. Hunter 1973, 113: „Chapters 70-71 are masterly drama. Ever concerned with psychology, Thucydides now brings all his powers of description to bear on the fluctuating emotions of both participants and spectators. Close analysis suggests that it was this - emotion, mood, psychology - which captured his imagination, not the bare facts of the matter, details of individual encounters, manoeuvres etc. The latter are there, yes, but in a most general way, as a kind of backdrop against which the historian performs a tour de force with pathos and suspense as his real aim." Bakker 1997b, 41: „The mimetic nature of the presentation is achieved through a point of view that is not only internal and distributive, but also multiple: watching the battle is a collective experience, and the description reaches an intensity that not even a direct first-person narrative could easily achieve."

Die Reden in den Büchern 6 und 7

637

die Syrakuser meinten, es sei herrlich, jene nicht entkommen zu lassen (καλόν ε ί ν α ι

κωλΰσαί

τε

αυτούς

διαφυγειν) und das eigene Vaterland

durch den Sieg zu erhöhen (την οίκείαν ... πατρίδα νικήσαντος έπαυξήσαί). Auch die Feldherren ermunterten ihre Schiffshauptleute: die Athener emphatisch durch die paradoxe rhetorische Frage, ob sie das feindliche Land heimischer als das mit Mühe eroberte Meer betrachteten (et

την πολεμιωτάτην

γήν οίκειοτέραν

ήδη τ ή ς

ού δι' ο λ ί γ ο υ

πόνου

κεκτημένης θαλάσσης ήγούμενοι), die Syrakuser vorwurfsvoll durch das Paradoxon, ob sie selbst vor den Fliehenden flöhen (τούτους αυτοί φεύγοντας φεύγουσι), wobei die rhetorische Gestaltung durch rhetorische Fragen, Litotes und die paradoxe Paronymie (φεύγοντας φεύγουσι) bemerkenswert ist. Die beiden Landheere (7,71) verfolgten die Seeschlacht mit großer Anspannung, wobei die Syrakuser um größeren Ruhm eiferten (φιλονικών ... περί τ ο ύ π λ έ ο ν ο ς ή δ η καλού), d i e A t h e n e r A n g s t h a t t e n , es

könne noch schlimmer kommen (δεδιότας ... μή των παρόντων ετι χει ρω πράξωσιν). Ihre Stimmung wechselte entsprechend dem wechselvollen (άνώμαλον) Gang der Schlacht. Meisterhaft beschreibt der Narrator den Gemütszustand der Zuschauer aus ihrer Sicht indirekt, indem er wie bereits bei der Ausfahrt 6,31 den (non-verbalen) visuellen und akustischen Aspekt der Wahrnehmung betont. 628 Als die Syrakuser sie wieder ans Ufer drängten, erfaßte das ganze Fußvolk Jammer und Stöhnen (οιμωγή τε καΐ

628 Plutarch lobt in Moralia 347 diese Schilderung als Beispiel der ε ν ά ρ γ ε ι α , „efficacia espressiva" (Gallo / Mocci 1992, 51), durch die er den Zuhörer zum Zuschauer macht. Reinhardt 1960a, 210 vergleicht damit das Stimmungsbild beim Kampf um die Mauer des Schiffslagers II. 12,437, die dieselbe Formulierung πριν γε δή wie 71,5 enthält. Walker 1993, 356: „Thucydides turns our attention from the spectacle itself to the psychology of the spectators who look on, and he draws into relief the disparity between the incidents (ergon) and their visual perception (opsis)." Jordan 2000, 76ff. betont „the emphasis is on the visual" (6,31,1-2 = 7,71,2-3 mit verbalen Echos θέα, δψις, όράω, άναθαρσέω), den Eifer (6,31,3 = 70,3: προθυμία άμιλληθέν = ά γ ω ν ι σ μ ό ς ; 6,32,2 und 7,71,3 άμιλλα), und „acoustic element" (6,30,2 όλοφυρμός, 7,71,3ff. όλοφυρμός, βοή, οιμωγή, στόνος). Dabei entsteht ein ironischer Kontrast zur Ausfahrt, so 71,2 = 6,30,6+31,1; 72,1 = 24,3; 71,3 = 6,31,3. Kern 1989, 78: „By using the same narrative device, Thucydides reminds us of the beginning of the expedition so that we feel the contrast with its end all the more forcefully." Ebenso Allison 1997b, 503f. und Connor 1985, 12, für den die dramatische ένάργεια beim Leser „the involvement of the reader in the events and the activation of the reader's own evaluative capacities" bezweckt. Kallet 2001, 165: „In both 6,31 and 7,71 words of emotion are prominent, and while the latter passage emphasizes the differing emotional responses based on varying observations, the ultimate emotion for all become terror and hopelessness."

638

THUKYDIDES

στόνω). 629 Sie versuchten den Schiffen oder bei der Mauer zu helfen, vor allem aber für sich Rettung zu finden (δττη σωθήσονται). Alle erfaßte sogleich ein noch nie dagewesenes Entsetzen (έκπληξις). Diese Situation vergleicht Thukydides in einer internen auktorialen Analepse explizit mit den Ereignissen in Pylos u n d Sphakteria, 71,7: παραπλήσια τε έπεπόνθεσαν και έδρασαν αύτοί έν Πύλατ διαφθαρεισών γαρ των νεών τοίς Λακεδαιμονίοις προσαπώλλυντο αύτοΐς και οί εν τη νήσω άνδρες διαβεβηκότες, και τότε τοις Ά θ η ν α ί ο ι ς άνέλπιστον ήν τό κατά γήν σωθήσεσθαι, ήν μή τι παρά λόγον γίγνηται. „Jetzt widerfuhr ihnen selbst, was sie den andern zugefügt in Pylos, als mit dem Untergang der Flotte den Spartanern auch die auf die Insel übergesetzten Leute mit verloren waren: ähnlich mußten die Athener jetzt daran verzweifeln, sich zu Lande zu retten, wenn nicht ein Wunder geschähe." 6 3 0

Nach dem Sieg der Syrakuser (7,72) wollten die Athener sogleich in der Nacht abziehen. Demosthenes' Vorschlag, angesichts der größeren Zahl an Schiffen nochmals den Angriff zu wagen, wurde wegen der Weigerung der durch die Niederlage niedergeschlagenen Seeleute, die den Sieg nicht mehr für möglich hielten (διά τό καταπεπλήχθαι τή ήσση και μή άν έτι οϊεσθαι κρατήσαι), vereitelt. Als Hermokrates (7,73) merkte (ύπονοήσας), daß sie auf dem Landweg abziehen wollten, machte er den Behörden in oratio obliqua (λέγων) den Vorschlag, die Wege und Engpässe zu besetzen. Jene hielten dies aber wegen der nach der Schlacht ausgelassen feiernden Soldaten, die πάντα μάλλον έλπί£ειν dv σφών πείθεσθαι αύτούς ή δπλα λαβόντας έν τω παρόντι έξελθειν („wahrscheinlich für alles andre eher zu haben sein würden als für einen bewaffneten Auszug im jetzigen Augenblick"), für unmöglich. Daher ersann er eine List (μηχανάται, άπάτην) und ließ durch Reiter, die Athens Parteigänger schienen (ώς ... δντες), in oratio obliqua die Falschmeldung verbreiten, alle Wege seien gesperrt. Die Athener erkannten den Trug nicht, blieben auch noch am folgenden Tag und rüsteten sich mit dem Nötigsten aus. Die Syrakuser besetzen inzwischen alle Fluchtwege. Am dritten Tag (7,75) brachen 4 0 Ό 0 0 Athener auf. Thukydides beschreibt ihren Gemütszustand und das unsägliche menschliche Leid bildhaft mit vielen Details und Pathos in kunstvollen parataktischen Sätzen

629 Die non-verbale K o m m u n i k a t i o n verstärkt das π ά θ ο ς . Vgl. Aisch. Pers. 426f. ο ι μ ω γ ή δ' όμοΰ κωκΰμασιν. 630 Vgl. 4,12,3; 14,3; 29,2; 55,3 (έκπληξι,υ μ ε γ ι σ τ η ν bei der Besetzung Kytheras).

Die Reden in den Büchern 6 und 7

639

aus der Sicht der leidenden Akteure. 631 Sie glichen einer eroberten Stadt auf der Flucht (πόλει έκπεπολιορκημένη ύποφευγούση). 632 Als Kontrast dient der Auszug 75,6f.: και μην ή άλλη αίκία και ή ισομοιρία των κακών, εχουσά τινα δμως τό μετά πολλών κούφισιν, ούδ' ως ράδια εν τώ παρόντι έδοξάζετο, άλλως τε και από οι'ας λαμπρότητος και α ύ χ ή μ α τ ο ς τοϋ πρώτου ές οϊαν τελευτήν και τ α π ε ι ν ό τ η τ α άφΐκτο. μεγιστον γάρ δή τό διάφορον τοΰτο Έλληνικω στρατεύματι έ γ έ ν ε τ ο οίς άντι μεν τούς άλλους δουλωσομένους ήκειν αύτούς τοΰτο μάλλον δεδιότας μή πάθωσι ξυνέβη άπιέναι, άντι δ' ε υ χ ή ς τε και παιάνων, μεθ' ών έ ξ έ π λ ε ο ν π ά λ ι ν τούτων τ ο ι ς έ ν α ν τ ί ο ι ς έ π ι φ η μ ί σ μ α σ ι ν άφορμασθαι, πεζούς τε άντι ναυβατών πορευομένους και όπλιτικώ π ρ ο σ έ χ ο ν τ α ς μάλλον ή ναυτικω. δ μ ω ς δέ ύπό μεγε'θους τοϋ > / >ι / ~ > ~ > \ > . / 633 0/ επικρεμάμενου ετι κίνδυνου παντα ταύτα αυτοις οιστα εφαινετο. „Dazu die ganze Schmach und die Gleichheit im Unglück, die sonst doch noch die Erleichterung geteilten Leides bringt, wurde in diesem Augenblick doch nicht als Milderung e m p f u n d e n , zumal im Gedanken, aus welcher Herrlichkeit und Pracht am A n f a n g nun welches Ende und Elend g e k o m m e n war. Denn nie hat sonst ein hellenisches Heer einen solchen Wechsel erlebt: statt daß sie kamen, um andre zu unterjochen, war jetzt ihr Los, abzuziehen in der Angst, dasselbe eher selbst zu erleiden, statt der Gelübde und Kriegsgesänge, mit denen sie ausgefahren waren, nun aufzubrechen mit den gegenteiligen Zurufen, und dies zu Fuß statt zu Schiff, und

631 Allison 1997b, 502ff. unterstreicht den epischen Charakter von 75,4-5, wobei sie bei den folgenden Termini a u f h o m e r i s c h e Parallelen hinweist: ό λ ο φ υ ρ μ ό ν , έπιβοώμενοι, ο ι μ ω γ ή ς , δάκρυσι ... πλησθέν, άφορμασθαι, κ α τ ή φ ε ι α . Dabei ist κ α τ ή φ ε ι α και κ α τ ά μ ε μ φ ι ς das Thukydideische Äquivalent zum homerischen κ α τ ή φ ε ι α και ό ν ε ι δ ο ς (in Paränesen, II. 16,498 und 17,556), S. 508: „Thucydides gives prominence to κ α τ ή φ ε ι α in the climactic sentence of the description of the departure by linking it in alliteration to a fifth-century and, therefore, modern prose synonym of ό ν ε ι δ ο ς ... This word too is probably Thucydides' invention and here provides e m p h a s i s while carefully avoiding direct quotation of the H o m e r i c formula ... Like the Homeric warriors the Athenians are being beaten, but unlike their Homeric counterparts, they have no opportunity to go on fighting, no space left to exhort one another to fight on." 632 Diesner 1956, 163: „Das ... Heer erscheint denn Thukydides sinngemäß auch nicht als militärische Formation, sondern als M e n s c h e n h a u f e n ... Das gewählte Bild zeigt also die U m w a n d l u n g von einer Streitmacht in einen nur äußerlich noch sichtbar zusammenhängenden und undisziplinierten Menschenhaufen mit sehr divergierenden Zielen, in dem jeder hauptsächlich an seiner Rettung Interesse hat." Furley 1990, 182 vergleicht es mit 6,23,2: „Nikias' Mahnung geht in Erfüllung: als die Athener sich von Syrakus zurückziehen, ist alles gegen sie: sie leiden an Nahrungs- und Wassermangel: der sie verfolgende Feind kennt sich im Gelände besser aus ... π ά ν τ α π ο λ έ μ ι α εξουσιν ..." 633 Eindrucksvoll wird dieser Gegensatz durch die Anapher α ν τ ί hervorgehoben.

640

THUKYDIDES mehr gestützt auf die Gepanzerten als auf die Flotte. Und doch schien ihnen dies alles zu ertragen vor der Größe der über ihnen hängenden Gefahr."

Als Nikias (7,76) merkte, daß das Heer mutlos und sehr verändert war (άθυμοΰν καΐ έν μεγάλη μεταβολή δν), versuchte er es in einer Paränese zu trösten und ihm Mut zu machen (έθάρσυνέ τε και παρεμυθείτο): Zunächst (7,77) verlangt er, man müsse noch Hoffnung haben (ελπίδα χρή εχειν), zumal einige Leute schon aus viel schlimmeren Lagen gerettet worden seien ( n e e c και έκ δεινότερων ... έσώθησαν), und sich nicht zu sehr über das Unglück und unverdiente Leid grämen, wobei er emphatisch durch Polysyndeton die Niederlagen wie schon in der Paränese 7,63,4 als ξυμφοραί und nicht als intellektuelle Fehler bezeichnet. In einer sehr emotionalen Ausführung sagt er, daß er selbst wie sie durch die Krankheit geschwächt sei - er, der niemandem im privaten (ίδιος βίος) und öffentlichen Leben an Glück nachstand (ουτ' ευτυχία δοκών που ύστερος), steht auf der gleichen Stufe wie die Schwächsten (έν των αύτω κινδύνω τοίς φαυλοτάτοις αιωρούμαι). Anstatt sich darüber zu beklagen, ist seine Schlußfolgerung als Teil eines Syllogismus aber paradox, wobei besonders durch die drei Partikeln TOL, δή, που Pathos erzeugt wird: 634 Da er sich gegen Götter und Menschen korrekt verhalten hat (πολλά μεν ές θεούς νόμιμα δεδιήτημαι, πολλά δέ ές ανθρώπους δίκαια και άνεπίφθονα), ist seine H o f f n u n g für die Z u k u n f t intakt (έλπίς δμως θρασεια τοϋ μέλλοντος); 635 die Schicksalsschläge ängstigen sie zu sehr (ού κατ' άξίαν δή φοβοϋσιν). Vielleicht lassen sie nach. Dabei verläßt er sich auf ein allgemeines traditionelles Gedankenmuster als Grundlage für einen locus a 634 T o m p k i n s 1972, 199: „Nicias puts equal stress on his suffering, but then, rather than protesting, reaffirms his merit and restates his confidence that this will safe him. ... But the emotion of VII 77,2 may by this point have undermined our confidence in religious beliefs." Interessant in diesem Z u s a m m e n h a n g ist der Hinweis auf seine ε υ τ υ χ ί α , die sein ήθος anzeigt und Indiz für die Gunst der Götter ist (vgl. RhAl. 1425 a 20 ff.: π ε ρ ι γ ί γ ν ο ν τ α ι δέ π ά ν τ ε ς π ο λ ε μ ο ϋ ν τ ε ς ή διά τ η ν τ ω ν θεών εϋυοιαν, ήν ε ϋ τ υ χ ί α ν π ρ ο σ α γ ο ρ ε ΰ ο μ ε ν ) . Iglesias Zoido 1995,107: „^Que aporta credibilidad a quien habla?: la buena predisposiciön de los dioses y, por lo m e n o s , su ε υ τ υ χ ί α ... Lo interesente es que T u c i d i d e s hace d e p e n d e r la credibilidad del general de esta caracteristica, decisiva en un momento crucial en el que los atenienses van de derrota en derrota." 635 Murray 1961, 34: „In this irrational sphere Nicias is still conscientious enough to think that every thing depends on his personal right actions. ... Piety takes the place of ξ ύ ν ε σ ι ς . ... So long as he keeps within the behaviour limits prescribed by tradition as proper by the gods, Nicias hopes to avoid nemesis." Williams 1998, 268: „Nicias give up hope in m a n ' s rationality, and views the Athenian's defeat as punishment of the Gods, while neglecting to consider the part he himself played in it." Vgl. die Emphase durch anaphorisches πολλά.

Die Reden in den Büchern 6 und 7

641

s i m i l i , w o b e i d e r H i n w e i s a u f d i e a u s g e s c h ö p f t e ε υ τ υ χ ί α d e r F e i n d e zu seiner kurz zuvor erwähnten ε υ τ υ χ ί α unfreiwillig einen ironischen Kontrast bildet: ι κ α ν ά γ ά ρ τ ο ι ς τ ε π ο λ ε μ ί ο ι ς η ύ τ ύ χ η τ α ι , καΐ ε'ί τ ω θεών έ π ί φ θ ο ν ο ι έστρατεύσαμεν,

άποχρώντως

ήδη

τετιμωρήμεθα.

ήλθον

γάρ

που

άλλοι τ ι ν έ ς ή δ η εφ' έ τ ε ρ ο υ ς , καΐ α ν θ ρ ώ π ε ι α δ ρ ά σ α ν τ ε ς α ν ε κ τ ά και

ημάς

εικός

νυν

τά

τε

άπό

τοϋ

θεοϋ

έλπί£ειν

καΐ

έπαθον.

ήπιώτερα

έξειν

(οίκτου γ ά ρ άπ' α ύ τ ώ ν ά ξ ι ώ τ ε ρ ο ι ήδη έ σ μ έ ν ή φθόνου). „Denn den Feinden ist nun genug geglückt, und wenn einer der Götter an unserm Feldzug Anstoß nahm, sind wir bereits hinlänglich gestraft. Es sind doch wohl auch andere schon ausgezogen gegen Dritte, haben nach Menschenart gehandelt und Erträgliches erlitten. So haben auch wir jetzt Grund zu hoffen, was von Göttern kommt, müsse jetzt milder kommen (denn ihr Mitleid verdienen wir jetzt eher als ihren Groll)." 636 E b e n s o s o l l e n sie a n g e s i c h t s d e r v i e l e n H o p l i t e n n i c h t n i e d e r g e s c h l a g e n sein ( μ ή κ α τ α π έ π λ η χ θ ε

ά γ α ν ) , sondern - hier gebraucht er eine Metapher

-

eine

bedenken,

daß

sie

Stadt

sind

(πόλις

ευθύς

έστε

δποι

άν

κ α θ έ ζ η σ θ ε ) . 6 3 7 Sie s o l l e n s c h a u e n , d a ß sie s i c h e r u n d g e o r d n e t ( α σ φ α λ ή καΐ ε ύ τ α κ τ ο ν ) m a r s c h i e r e n u n d d e n O r t , a n d e m sie z u k ä m p f e n g e z w u n g e n s i n d ( ά ν α γ κ α σ θ ή ) , w e n n sie s i e g e n , f ü r ihr V a t e r l a n d u n d i h r e M a u e r n ( π α τ ρ ί δ α και τ ε ί χ ο ς κ ρ α τ ή σ α ς ) h a l t e n . D a sie w e n i g L e b e n s m i t t e l h a b e n , w o l l e n sie s i c h z u b e f r e u n d e t e n , a u s A n g s t v o r S y r a k u s l o y a l e n ( δ ι ά

τό

636 Murray 1961, 42: „He may be following a traditional and familiar pattern of thought which they found in their Homer. A man meets with disaster on disaster because of the wrath of some deity. Finally when he has confessed his crime, and has sufficiently suffered for it, there is the possibility of atonement." Vgl. Aischylos δράσαυτι παθεΐυ und den Polykrates-Logos Hdt. 3,39-43. Westlake 1968, 203: „These ideas about the relation between god and man, which resemble those of Pindar and Herodotus, were already old-fashioned ... they were no longer acceptable to the intellectual movement of that period." Tzifopoulos 1995, 1 OOf. zum φθόνος: „Nikias opens up the possibility that the Sicilian expedition caused the jealousy of the gods, and this is the one and only instance in Thucydides' History that an Athenian employs the topos not for the justification of the empire, as it was done before in books 1 and 6, but as a paradeigma." Besser Rood 1999, 163: „Unlike in Herodotus, however, there is no overt authorial support for a claim of divine involvement; the Herodotean echo, and Nicias' speech, contribute, rather, to the heightended and tragic tone of the end of the Sicilian narrative." Zu beachten ist aber auch Nikias' Absicht, die Soldaten in dieser ausweglosen Lage zu ermutigen. Daher kann man daraus keine weitergehenden Schlüsse betreffend die Interpretation der vorangegangenen Ereignisse ziehen, zumal auktoriale Hinweise auf eine göttliche Ebene fehlen. 637 Leimbach 1985, 125: „Die Fata morgana der mauergeschützten Heimatpolis soll die düstere Wirklichkeit umfärben."

642

THUKYDIDES

Συρακοσίων δ έ ο ς έ τ ι βέβαιοι.), Sikelern durchschlagen. Zusammenfassend wird 77,7 im Epilog, der den topischen Appell an die Tugend umfaßt und durch die nochmalige A n r e d e an die Soldaten den Charakter einer Beschwörung bekommt, negativ das, was 77,4 positiv gesagt worden war, ergänzt und mit einer Schlußgnome abgerundet: N u r im Falle des Sieges besteht Hoffnung, dem Untergang zu entrinnen: Τό τε ξύμπαν γνώτε, ώ άνδρες στρατιώται, άναγκαΐόν τε δν ύμίν ά ν δ ρ ά σ ι ν ά γ α θ ο ΐ ς γ ί γ ν ε σ θ α ι ώς μή ό ν τ ο ς χωρίου ε γ γ ύ ς δποι αν μαλακισθέντες σωθείητε και, ήν νϋν διαφΰγητε τους πολεμίους, ο'ί τε άλλοι τευξόμενοι ών ε π ι θ υ μ ε ί τ ε που έπιδειν 6 3 8 και οι 'Αθηναίοι τ η ν μεγάλην δύναμιν τ η ς πόλεως καίπερ π ε π τ ω κ υ ι α ν έ π α ν ο ρ θ ώ σ ο ν τ ε ς · άνδρες γάρ πόλις, και οΰ τ ε ί χ η ούδέ νήες ανδρών κεναί. „Im ganzen aber, Soldaten, erkennt die Notwendigkeit, jetzt eure Tapferkeit zu beweisen - es ist kein Ort in der Nähe, wohin ihr euch, wenn ihr davonlauft, retten könntet; nur wenn ihr jetzt den Feinden entrinnt, könnt ihr andern dereinst mal wiedersehn, wonach ihr euch sehnt, und ihr Athener die große Macht eurer Stadt aus ihrem tiefen Fall wiederaufrichten: denn Männer machen eine Stadt aus, nicht Mauern und nicht unbemannte Schiffe." Die Athener in Syrakus werden in dieser Schlußmetapher als Keim einer neuen Stadt , die sie angesichts ihrer Zahl gründen können, bezeichnet. Damit erreicht der in den Reden 6,23,2 und 37,2 (Athenagoras) angelegte und in den Büchern 6 und 7 an verschiedenen Stellen vorkommende Vergleich des Expeditionsheeres mit einer Polis 640 , wobei die G n o m e die emphatische Wirkung des Appells verstärkt, ihren Höhe- und Schlußpunkt. 6 4 ' 638 Ähnlich im Proömium seiner Paränese 7,61,1: Im Fall des Sieges εστί τω την ύπάρχουσάν που πόλιν έπιδειν. 639 Longo 1975, 90: „L'identificazione metaforica 'armata/cittä' (στράτευμα/πόλις) non si esaurisce ... nell'equazione 'uomini/cittä' (άνδρες/πόλις), ma ha un suo corrispettivo concreto nella particolare struttura dell'insediamento ateniese intorno a Siracusa. Gli 'uomini' sono raccolti entro la doppia cerchia delle 'mura' e negli altri caposaldi, e con gli 'uomini' tutta l'attrezzatura tecnica, logistica e finanziaria della spedizione. Questo quadro giä in certo qual modo 'urbano' si completa ... nel porto con le installazioni a terra - un embrione almeno di νεώρια e di νεώσοικοί." 640 Longo 1975, 91: „Le proporzioni immani che dovrebbe avere il corpo di spedizione valgono dunque d'argomento a Nicia per sconsigliarla agli Ateniesi (.dissuasio, nel genus deliberativum), ad Atenagora per dimostrare la improbabilitä ai Siracusani (argomentazione del non verisimile, nel genus demonstrativum)." Vgl. auch das Wortspiel mit der Ansiedlung 6,63,3 und 76,2; die Belagerer sind zu Belagerten geworden: 7,11,4; 28,3 und 75,5. 641 Die Allegorie der Polis ist bei Alkaios fr. 112,10 L.P (άνδρες γάρ πόλιος πύργος άρεύιος); Hdt. 8,61,2; Aisch. Pers. 349; Soph. OT 56f. (ώς ούδέν εστίν ούτε πύργος οϋτε ναϋς / έρημος ανδρών μή ξυνοικούντων έσω); Isokrat. 7,13

Die Reden in den Büchern 6 und 7

643

Seine paränetische Trostrede enthält kein einziges abstraktes Adjektiv im Neutrum oder Verbalnomen, dafür kommen die irrationale έλττίς (dreimal), θεοί, φθόνος, dazu σωτηρία, ευτυχία, κακοπαθία vor. An die Stelle rationaler Argumentation tritt die traditionelle Idee der göttlichen Vergeltung, wobei er angesichts seines untadeligen privaten Lebenswandels und nicht aufgrund der vorhandenen Machtmittel auf Rettung hofft. 6 4 2 Dabei hat Nikias alle intellektuellen athenischen Fähigkeiten wie γνώμη, ξύνεσις, τόλμα, Enthusiasmus, Opferbereitschaft etc. über Bord geworfen. 643 Zwar sind seine parataktischen Sätze (και) durch Polysyndeton oft emphatisch, doch schwächen adversative Konjunktionen (sogar im Schlußappell), Negationen und Potentialis seine Aussage ab. etc. belegt. L o n g o 1975, 87f.: „II significato da ascrivere al t e m a di base (l'identificazione degli uomini con la cittä, e cioe del corpo di spedizione con Atene stessa), e ... di 'totalitä': totale e l'impegno che Atene si e assunto con l'impresa, totali ne saranno le conseguenze - totale (e implicante non meno la polis che la sua 'metafora', il corpo di spedizione) la distruzione in cui la impresa si conclude." Aber S. 100: „Alla illimitata facoltä e libertä di reperire ed occupare un 'luogo' che diventi quasi il territorio di una nuova polis, proposta in 7,77,4, si oppone qui l'impossibilitä di cercare scampo, in caso di sconfitta, in una qualunque cittä amica. Questo secondo svolgimento del tema ... rientra in una tipologia convenzionale dell'allocuzione parenetica. Ε il motivo, se cosi si puö dire, d e l P ' u l t i m a trincea', alle spalle della quale non c ' e piü difesa ne scampo." In. II. 15,737ff. präfiguriert Aias Nikias' Argumentation. S. 100f.: „ L ' e f f e t t o d'esortazione e ottenuto, in 77,4 per via positiva e in relazione aH'armata ... in 77,7 per via negativa e in relazione alla situazione ... In caso di successo, la prospettiva e ormai solo quella dello scampo ... che riapre la possibilitä, ... di riacquistare la patria, ... che era presente nell'animo dei combattenti come oggetto del loro desiderio." 7,77 untergräbt das 77,·4f. evozierte Bild der Stadt, Tompkins 1972, 203: „The men are the city, but the resemblance fatally undercuts the gnomic sentence just cited, for by Nicias' own admission the 'city' built on these men is now a shambles." 642 Rawlings 1981, 159 vergleicht damit Perikles 2 , 6 0 , 5 - 7 : „Pericles stands for the city, Nicias for the individual." 643 Kagan 1981, 338: „Such was Nicias' attempt to deal with the religious fears of his men. From the point of view of logic and reasoned discourse it was no more convincing than most efforts to explain the ways of god to man, but it w a s probably emotionally effective, for he spoke to desperate and discouraged men, hungry for any words of comfort." Ebenso Edmunds 1975, 131: „Nicias is the ideal spokesman of an interpretation of the disaster in terms of tyche." Während Perikles in der letzten Trostrede 2,59,3 an die γ ν ώ μ η appelliert, zeigt die formale Analogie bei Nikias eine konzeptuelle Differenz, Rawlings 1981, 158: „One attempts to manipulate his audience by superior intelligence and psychology, the other to console his fellow soldiers with sympathetic and personal encouragement." Palmer 1992, 109: „Like the Melians, Nicias clings to hope in powers invisible, and like the Melians, he is utterly destroyed."

THUKYDIDES

644

Im folgenden beschreibt Thukydides die letzten Tage der athenischen Agonie und macht diese zu einem Paradeigma. Die Syrakuser sperrten alle Wege und engten ihren Aktionsradius immer mehr ein, dazu litten sie an Lebensmittelknappheit. So erschreckte sie (7,79,3) auch ein zufälliges, der Jahreszeit entsprechendes (οία ... φιλεΐ) Gewitter mit Blitz und Donner, so daß μάλλον

ετι

ήθύμουν

και

ένόμι£ον

έπι

τω

σφετέρω

όλέθρω

και

τ α ϋ τ α π ά ν τ α γ ί γ ν ε σ θ α ι „die A t h e n e r darüber noch m e h r den M u t verlo-

ren und meinten, all dies geschehe zu ihrem Verderben." Dieses Gewitter steht im Gegensatz zu demjenigen von 6,70: Die Athener haben in der Panik ihre επιστήμη eingebüßt. Ebenso gelang es ihnen (7,80) wegen des Chaos (ταραχή) nicht, in der Nacht nach Kamarina zu fliehen. Der Narrator erklärt 80,3 diesen Umstand mit einem allgemeinen Satz: οίον φιλεΐ και πάσι

στρατοπέδοις,

έγγίγνεσθαι,

άλλως

μάλιστα τε

και

δέ έν

τοις νυκτί

μεγιστοις, τε

και

π ο λ ε μ ί ω ν ού π ο λ ύ ά π ε χ ό ν τ ω ν ιοϋσιν, ε μ π ί π τ ε ι

δια

φόβοι

και

πολέμιας

δείματα και

άπό

ταραχή.

„Wie nun in allen Heeren, und am meisten in den größten, gern Angst und Schrecken sich verbreiten, zumal nachts und auf Märschen in Feindesland und in Feindesnähe, so gerieten auch sie in Verwirrung."

Die von Demosthenes kommandierte Abteilung wurde, da sie langsamer u n d w e n i g e r geordnet (7,81 σ χ ο λ α ί τ ε ρ ο ν και ά τ α κ τ ό τ ε ρ ο ν ) marschierte,

vom übrigen Heer abgehängt, umzingelt, und von fern niedergemacht. 644 Daher kapitulierten diese unter der Bedingung, daß sie am Leben bleiben und weder Gefängnis noch Mangel an Lebensmitteln haben sollten. Nikias bot dagegen (7,83) den Syrakusern an, für die Kosten des Abzugs des Heeres aufzukommen, worauf diese jedoch nicht eingingen. Trotz ihrer m i ß l i c h e n L a g e u n d Lebensmittelknappheit ( σ ί τ ο υ τε και των ε π ι τ η δ ε ί ω ν άπορία) marschierten sie weiter. Besonders drastisch u n d als

αΰξησις wird das Gemetzel des erschöpften und durstigen Heeres beim ungeordneten (ούδενί κόσμιο) Ü b e r g a n g über den Assinaros geschildert. 6 4 5

644 Smith 1900, 74 und Allison 1997b, 510 weisen auf den epischen Anklang der Passage 81,4f. περισταδόν έβάλλοντο ... οΰ ξυσταδόν μ ά χ α ι ς , die an 11. 13,551, wo Antilochos gegen die Troianer kämpft, erinnert; vgl. Eurip. Andr. 1136 und Hdt. 7,225 über den Kampf um den Leichnam des Leonidas (περιελθόντες πάυτοθεν περίσταδόν). Allison 1997a, 90 erkennt darin eine Anspielung auf den Kampf an den Thermopylen: „As the Spartan perished at Thermopylae, the Athenians perish in Sicily ... The allusions to Homer and Herodotus are cruel." 645 Mackie 1996, 11 If. betrachtet die Schilderung des blutigen Flusses als Reminiszenz an den Skamander (11. 21,122ff. und 214ff.) und an die Massaker der Laistrygonen Od. 10,121 und Polyphems 9,481 ff.). Ps.-Longin zitiert 38,3 diese

Die Reden in den Büchern 6 und 7

645

Schließlich ( 7 , 8 5 ) e r g a b sich Nikias und das, w a s v o m H e e r Übriggeblieben w a r n a c h d e m M a r s c h und d e m , w a s auktorial als das gewaltigste Gemetzel dieses Kriegs bezeichnet wird (πλείστος καΐ

ούδενός

έλάσσων

των

έν

γαρ

τω { Σ ι κ ε λ ι κ ω } πολεμώ

δή

φόνος

τούτω

οΰτος

έγένετο),

dem Gylippos. D i e S y r a k u s e r ( 7 , 8 6 ) b r a c h t e n d i e G e f a n g e n e n in d i e S t e i n b r ü c h e , t ö teten D e m o s t h e n e s und Nikias g e g e n den Willen des Gylippos τ ο υ Γ υ λ ί π π ο υ ) , fur d e n e s ein h e r r l i c h e r K a m p f p r e i s (καλόν τ ό gewesen wäre, diese nach

Sparta zu bringen.

(άκοντος αγώνισμα)

Syrakuser und

v e r h i n d e r t e n d i e s a u s A n g s t , N i k i a s k ö n n t e i h n e n in Z u k u n f t

Korinther Schwierig-

k e i t e n b e r e i t e n . D e r N a r r a t o r w ü r d i g t 7 , 8 6 , 5 in e i n e r p e r s ö n l i c h e n G l o s s e Nikias: ή KL σ τ α

δή άξιος

ών τ ω ν γ ε

έπ' έ μ ο ϋ

'Ελλήνων έ ς

α ς άφικέσθαι δια τ ή ν πασαν έ ς άρετήν νενομι,σμένην

τοϋτο

δυστυχί-

έπιτήδευσιν.

„Ein Mann, der bis zu einem solchen Grad von Unglück zu gelangen am wenigsten verdient hätte von allen Hellenen wenigstens meiner Zeit, so hatte er sein Leben lang den Ruhm bürgerlicher Tugend gesucht." 6 4 6

Stelle als Beispiel für die Hyperbole. Zum Stil von 7 , 8 3 - 8 5 Regenbogen

1930b,

2 9 : „In knappen eintönigen Sätzen zieht das Schauspiel des letzten Zusammenbruchs, des Hinlöschens gleichsam des glanzvollsten athenischen Heeres am Zuhörer vorbei, unheimlich vergegenwärtigt durch die hier sehr zahlreichen PräsensFormen in der historischen Erzählung. In der gehaltenen Starrheit, die j e d e n Ausdruck des Mitempfindens, der Bewunderung, der Klage mit steinerner Härte unterdrückt, liegt etwas vom eigensten Wesen des Thukydides." 646 Thommen 1889, 7 0 meint, Thukydides habe seinen Standesgenossen Nikias trotz der strategischen Mängel in der Führung im Privatleben als tadellos erweisen wollen und daher geschont, αρετή ist für ihn die rechtschaffene, sittliche Gesinnung, für Schwartz 1919, 51 das Verbalnomen zu αγαθόν γενέσθαι: „nicht eine immanente Eigenschaft, sondern der ethisch-politische Wert des Mannes, der nicht durch das, noch nicht entwickelte, individuelle Gewissen, sondern durch die G e meinschaft bestimmt wird, für die der Mann sich als wertvoll erwiesen hat." Ebenso Adkins 1975, 3 8 8 : „Nicias ... is evaluated primarily in terms o f traditional criteria o f excellence ... Nicias was least worthy ... to come to such extreme misfortune, inasmuch as he had sustainendly endeavoured to satisfy all the - primarily competitive and social demands made upon an αγαθός made by Athens, and possessed the characteristics o f position and wealth which were necessary conditions o f being considered αγαθός in the first place." Ebenso Pearson 1957, 2 4 1 , Connor 1985a, 2 0 6 f . und Lateiner 1985c, 2 1 2 . Hogan 1989, 2 7 6 : „Nicias' virtue is conventional, and not the ideal arete o f Pericles." Anders Edmunds 1975,

140f.:

„Thucydides' opinion o f Nicias was negative. ... the judgment bears on the sort o f death that Nicias met and is not a reflexion on the goodness or badness o f his career." Ebenso Leppin 1999, 163.

THUKYDIDES

646

Abschließend wertet der Narrator auktorial die ganze Expedition 87,5 in einem kunstvollen superlativischen Satz mit einer Klimax und epischem Anklang:647 ξυνέβη τε έργον τοϋτο τόνδε ϊσμεν,

μέγιστον και

τοις

γενέσθαι, τε

κρατήσασι

δ υ σ τ υ χ έ σ τ α τ ο ν κατά π ά ν τ α ές

ούδέν

κακοπαθήσαντες

και ν ή ε ς και ο ύ δ έ ν ö t l

' Ελληνικόν των κατά τον

δ ο κ ε ΐ ν δ' έ μ ο ι , γ ε

και

λαμπρότατον

ών α κ ο ή και

γάρ πάντως νικηθεντες πανωλεθρία648

δή

τό

ούκ ά π ώ λ ε τ ο , και ο λ ί γ ο ι

τοις και

πόλεμον

'Ελληνικών διαφθαρείσι. ουδέν

λεγόμενον

και

ολίγον πε£ός

ά π ό π ο λ λ ώ ν έ π ' ο'ίκου

άπενόστησαν. „Man kann wohl sagen, daß dies Ereignis von allen in diesem Kriege das bedeutendste war, meines Erachtens sogar von allen, die wir aus der Überlieferung der Hellenen kennen, für die Sieger der größte Ruhm, für die Untergegangenen das größte Unglück: auf der ganzen Linie ganz besiegt und unter Leiden, von denen keines etwa klein war, hatten sie in buchstäblicher Vernichtung Fußvolk und

647 Connor 1985a, 20f.: „Stylistically the extremes are represented by and alternation between the accumulation of words for the aggregate, such as πολλούς, όμοϋ ..." Er weist auf die vielen Alliterationen von p- und o-Lauten, viele negative Wörter (z.B. ούδέν) und die Litotes (οϋδεν δτι ούκ) hin; vgl. Aisch. Pers. 800 παϋροί γε πολλών. Hornblower 1987, 116: „Here what is so effective is the combination of the simple 'few out of many' with the rich Homeric apenostesan, which perhaps suggests the sufferings and nostoi ... from Troy ..." Allison 1997b, 514: „Indeed the whole passage at 7,87,6 is artfully contrived: the pseudo-epic κακοπαθήσαντες modelled on the common epic κακο-compounds, the assonance of the παν-words, and the alliteration of the π ' β emphasize the conclusions that are expressed through heavily negative words, crafted in hyperbole and litotes, all connected by the staccato sound of the Kai's inbalanced cola; and finally a line of dactylic/spondaic resonances confirms the irrevocable conclusion." 648 Ebenso kommt πανωλεθρία bei Hdt. 2,120,5 vor. Marinatos Kopff / Rawlings 1978, 336f. glauben, daß Thukydides nicht nur πανωλεθρία, sondern implizit auch den zugrundeliegenden theologischen' Gedanken von Hdt. 2,120,5 übernommen habe, daß: μεγάλων αδικημάτων μεγάλαι είσΐ αί τιμωρίαι παρά των θεών. Vorsichtig zustimmend Connor 1985a, 208f., der jedoch betont: „Thucydides withdraws and provides no guidance. He is no theologian ..." Richtig Rood 1998b: „The theological interpretation suggested for the destruction of the Athenian force in Sicily would be without parallel in the History. ... But there is another way of reading the allusion that is also attractive: Thucydides' choice of words proclaims the parity of his subject, and his treatment of it, with both Herodotos and 'Homeric' epic. ... The specific allusion to the fall of Troy is all the more portentous if we recall Troy's status in tragedy as 'a permanent reminder of the fact that cities are mortal'. ... Thucydides, I conclude, is dwelling on destruction rather than on the divine. Indeed, even if it is felt ... that the commonness of the adjective panolethros in tragedy militates against the interpretation I have proposed, ... it is still on destruction that he is dwelling." Ebenso Hornblower 1987, 148.

Die Reden in den Büchern 6 und 7

647

Schiffe und überhaupt alles verloren, und nur wenige von so vielen kehrten nach Hause zurück." 649

In Athen (8,1) wurde die Nachricht zunächst nicht geglaubt (ήττίστουν). Doch als die Wahrheit ans Licht kam, waren sie, wie der Narrator in einer kompletiven internen Analepse anmerkt, empört über die Redner, die sie zur Expedition ermuntert hatten, als ob sie, wie der Narrator sarkastisch hinzufugt, diese nicht selbst beschlossen hätten (ώσπερ ούκ αύτοί ψηφισάμενοι). Dasselbe widerfuhr Orakeldeutern, Sehern und anderen Propheten, die ihnen Hoffnung gemacht hatten, Sizilien zu erobern (έπήλπισαν 649 Rood 1998b: „When Thucydides calls the Sicilian expedition the greatest ergon of the war, and perhaps of Greek history, he is not just referring to its historical importance: as the phrase 'most splendid (lamprotaton) for those who won' shows, he is thinking in terms of fame and glory. He is echoing, indeed, the assessment of the Syracusan speaker Hermokrates (... kalliston de ergon, 6. 33. 4), ... I conclude that Thucydides' closing assessment of the Sicilian expedition has the sort of commemorative tone that we usually associate with Herodotus; ... this Herodotean manner is itself part of the way in which Thucydides sets the greatness of the Sicilian expedition against the greatness of Xerxes' expedition." Ebenso „the polar expression 'land-force and ships' {kaipezos kai nees) at 7. 87. 6 recalls depictions of the Greek victory over Persia as a victory on land and sea is strengthened not just by Thucydides' own depiction of the Persian Wars in terms of the land/sea dichotomy, but also by the agonistic spirit that seems to bind the various Persian Wars epigrams." Ebenso wie Herodot gebraucht er δοκείν δ' εμοι,γε, um seinen Anspruch, etwas Einzigartiges zu überliefern, geltend zu machen. Ähnlich ist auch Herodots Kommentar zur Schlacht von Hyrie 7,170,3: φόνος 'Ελληνικός μέγιστ ο ς ούτος δή έ γ έ ν ε τ ο πάντων των ή μ ε ΐ ς ϊδμεν. Daneben bestehen auch Beziehungen zur Tragödie, so weist Rood 1998b auf καΐ τοις διαφθαρείσι δύστυχ ε ' σ τ α τ ο ν hin, das ein iambischer Trimeter ist und mit Aisch. Pers. 431 f. verglichen werden kann, zumal der Stamm δυστυχ- zwar häufig in der Tragödie, in der Prosa jedoch selten vorkommt. Frangoulidis 1993, 101 weist auf das epische Motiv des Nostos hin, das aber im Gegensatz zur Odyssee nicht von Erfolg gekrönt wird. Ebenso weist Allison 1997b, 513 ff. auf Parallelen zu Homer II. l,59f.; 17, 406.; Od. 13,6; 24,471 hin. Kritik bei Rood 1998b, der auf die Parallele Hdt. 7,229 verweist: „Indeed, if we are to claim a narrower range of allusion for Thucydides' use of apenostesan, it is in Herodotus, not in epic, that this should be sought. Herodotus uses the word several times to express how only a small number of an original group survived (6. 27. 2 ... 6. 92. 3...). And once his expression is almost exactly the same as Thucydides' (4. 159. 6 : 'few of them returned home to Egypt', oligoi tines auton apenostesan es Aigupton): all this is lacking here is the explicit apo pollon. So while Herodotus draws on epic, Thucydides draws not just on epic, but also on epic as its themes are reflected in, and transformed by, Herodotus' History." Daneben bestehen Parallelen zu Salamis in Aisch. Pers. 508-12: „Since there are other echoes of Aeschylus' depiction of Salamis in the Persae in the closing sections of the Sicilian narrative, Thucydides' oligoi apo pollon can plausibly be read as an allusion to this very passage of the Persae." Vgl. Anm. 647.

THUK.YDIDES

648

ώς λήψονται Σικελίαν). Neben dem Kummer herrschten vor allem große Angst und Entsetzen (φόβος τε και κατάττληξις μεγίστη δή). Außer den privaten Verlusten hatte die Stadt viele Hopliten, Reiter und die Jugend, wie durch die Betonung des visuellen Aspektes gezeigt wird, 650 verloren; da sie auch nicht genügend Schiffe, Geld und Mannschaften für die Schiffe hatten, schien die Rettung hoffnungslos (ανέλπιστοι ... σωθήσεσθαί).

3.4. Gestaltung und Funktion der Reden bei Thukydides

3.4.1. Die Funktion von auktorialen Kommentaren und indirekten Reden

Die in der Einleitung gemachten Feststellungen über die Rolle des Narrators sind in der Paraphrase der Bücher VI und VII weitgehend bestätigt worden: Außer in seiner Funktion als Erzähler greift der Narrator auktorial in der ersten Person oder mit einem kategorischen Urteil nur selten in die Erzählung ein, in der er die Fokalisation oft anderen überläßt. Vor allem in Exkursen legt er in kurzen metanarrativen Glossen sein überlegenes Wissen dar 651 oder äußert Zweifel bzw. Unsicherheit über seine Quellen, 652 verteidigt aber meistens seine Erzählung und gibt dazu Indizien an. 653 Extern analeptische explikative Exkurse dienen ausschließlich dazu, eine

650 Canfora 1983b, 19: „II richiamo tra i due passi e evidente, tra l'altro per il ricorso, anche qui insistente, all'elemento visivo, questa volta nella forma negativa." Kallet 2001, 234: „The parallels between 6,31 and 8,1 enhance the reading of the latter chiefly through irony: Hope, extravagance, and the misinterpretation of what one sees have all resulted in negatives: the Athenians lack hope, they do not see. The irony is intensified by the fact that in 415 the Athenians had the greatest hopes for what they could not see and were bolstered by what they did see. They mistake what real resources are and count on nonexistent ones. In 413 they are no longer under the illusions ... and they see it clearly." 651 So betont er im Tyrannen-Exkurs 6,54,1 und 55,1 emphatisch in erster Person sein überlegenes Wissen. 652 So 6,2,1 bei den Kyklopen und Laistrygonen in erster Person; 60,2 kleidet er sein Unwissen über die Schuldigen des Hermenfrevels in einen allgemeinen Satz, der die Unmöglichkeit genauen Wissens ausdrückt; 7 , 4 4 , 1 - 2 rechtfertigt er mit γ α ρ und einer rhetorischen Frage die Schwierigkeiten, g e n a u e Berichte über eine nächtliche Schlacht zu erhalten. 653 So im Tyrannen-Exkurs 6,55.

Gestaltung und Funktion der Reden bei Thukydides

649

auktoriale These zu erläutern bzw. zu beweisen; 654 ansonsten sind digressive Partien, die nicht direkt mit einem Leitmotiv oder Beweisziel in Verbindung stehen, sehr kurz oder fehlen gänzlich. 655 Die Rezeption wird hingegen oft durch exegetische und kommentierende Parenthesen, die meistens mit γάρ eingeleitet werden und Floskeln wie ώς εικός, μοι δοκεΐ, φαίνεται, οίον φιλεΐ etc., 656 wertende Adjektive, 657 Superlative und ähnliche Ausdrücke, 658 Beinahe-Situationen, 659 oder Hinweise auf einen impliziten Leser (τις) 6 6 0 enthalten, subtil gelenkt. Auktorial werden als Leitmotive die Größe des Kriegs 661 und die damit v e r b u n d e n e n Leiden 662 s o w i e die K a t e g o r i e d e s Unerwarteten 663 664 (παράλογος) hervorgehoben, daneben werden Ereignisse gewertet 665 654 So erläutert die ,Archäologie' Siziliens 6 , 1 - 5 die These von der Größe der Insel, der Exkurs über die Tyrannoktonen 6 , 5 4 - 5 9 die Furcht der Athener vor der Tyrannis und der Exkurs 7,27 die Finanzprobleme Athens. 655 6,27 fehlen weitere Angaben über die Hermen (vgl. S. 534, Anm. 399); 7,50 ist der Exkurs Uber Gylippos' Irrfahrt nach Libyen sehr kurz. 656 So 6,55,3 (μοι. δοκεϊ), 6,103,4 (οία δέ ε ι κ ό ς ) ; 7,59,2 ( ε ί κ ό τ ω ς ) ; dagegen hat 7,87,5 δοκειν ε μ ο ι γ ε eine mildernde Wirkung; οίον φιλεΐ zur Erklärung eines typischen Verhaltens z.B.: 6,63,2 (das Volk), 7,79,3 (das Gewitter) und 7,80,3 (das Heer); auktoriale Parenthese mit δ π ε ρ καί z.B.: 6,6,2 (Konflikt zwischen Egesta und Selinus), 6,27,1 (Hermen), 7,36,6 (Seeschlacht), 7,44,1 (Nachtgefecht); 7,59,2 (Hafen von Syrakus) und 7,80,2 (Weg des Rückzugs), ώ ς gibt im Gegensatz zu α τ ε (7,44,5) eine subjektive Färbung an, so z.B. 7,43,7 (ώς κεκρατηκότων, vgl. S. 619, Anm. 593). 657 7,56,3 ά ξ ι ο ς ; aber auch Adverbien: z.B. 6,24,4 und 7,50,4 ά γ α ν . 658 Superlativ 6,46,2; 70,1; 7,4,6; 24,3; 44,6; 86,5; 87,5; Litotes wie ούχ έλάσσων z.B. 6,1,1.

ήσσων /

659 So 7,2,4 π α ρ ά τ ο σ ο ύ τ ο ν ... ήλθον κινδύνου. Umgekehrt 7,42,3 mit alternativem Verlauf. 660 Z.B. 6,31,5; 6,55,1; 7,28,3. 661 So bei der Ausfahrt 6,31, den finanziellen A u f w e n d u n g e n für den Krieg 7,28,3f., dem Völkerkatalog 7,56,4, der Niederlage 75,7 und der Zusammenfassung 7,87,5f. 662 So Mykalessos 7,30,3 und die Zusammenfassung aus athenischer Sicht 7,87,5f. 663 So 7,28,3 und 55,1 und die Niederlage 71,7. 664 Ähnlich definiert Finley 1967, 129 für die Sizilische Expedition folgende vier Leitideen („leading ideas, patterns"): 1. „The magnitude and decisiveness of the struggle at Syracuse." 2. „The surprising nature ( π α ρ α λ ό γ ο ς ) of Athens' defeat." 3. „Defeated by democratic Syracuse" (im Gegensatz zu Sparta, das ein „easy adversary" war). 4. „Reasons for the defeat inherent in the character of her government and leadership." 665 6,54,1 wertet er auktorial den Anschlag der Tyrannoktonen, weist 7,2,4 auf die knapp vermiedene G e f a h r für Syrakus hin, erklärt 7,29,5 die Blutrünstigkeit der Thraker und wertet 7,87,5 die ganze Expedition.

650

THUKYDIDES

und die an der Handlung beteiligten Personen charakterisiert und gewürdigt, 666 jedoch fehlen Aristien. 667 Selten, aber außerordentlich wichtig fur das Verständnis des Gesamtwerkes und seiner Intention, sind die längeren die Erzählung deutenden auktorialen Kommentare und Zusammenfassungen (Achronien), welche die Rezeption unmißverständlich und eindeutig steuern und mit den übrigen Wertungen des Thukydides, so besonders 2,65, in Einklang stehen. 668 So ist 6,1 das Unwissen der Athener nicht nur erzähltechnisch Anlaß für den folgenden Exkurs, der eine Spannung zwischen dem wissenden Leser und den unwissenden Athenern bildet, sondern beeinflußt auch die Rezeption der folgenden Handlung; 6,6,1 wird das wahrste Motiv der Athener auktorial festgelegt; mit diesem kann der Leser dann die verschiedenen von den Rednern geäußerten Rechtfertigungs- und Erklärungsversuche vergleichen; 6,24 werden weitere Motive und Handlungsimpulse der Athener genannt; die Entscheidung zur Expedition erscheint als Klimax von τόλμα und ερως. 6,15 werden zusammenfassend Alkibiades' Wesen, seine Motive und die Beziehung zum Demos proleptisch festgelegt, wodurch die Rezeption nicht nur der folgenden Rede, sondern der ganzen Erzählung gelenkt wird. 6,31,2f. werden durch einen 666 6,15 Alkibiades; 6,72,2 Hermokrates; 7,50,4 und 86,5 Nikias. 667 Eine Ausnahme ist wegen seiner militärischen Bedeutung die Nennung 7,39,2 des Korinthers Ariston mit Patronymikon. Sonst neigt Thukydides dazu, keine Namen zu nennen: so wird weder 6,25 der N a m e des Demagogen Demostratos und noch 6,60,2 der des Andokides genannt, da sie irrelevante Details sind. 668 So Rood 1998a, 128: „The anachronies in the Sicilian narrative pick up themes from the analysis of post-Periklean Athens at 2,65: political tensions and ambition (6,15), departure from a defensive strategy (6,31), and Athenian power and resilience (7,28)." Eine Akzentverschiebung zwischen 2,65 und den Büchern VI und VII erkennen Hornblower 1994, 157, für den Thukydides eine Erwartung des Lesers implizit enttäuscht, und Gribble 1998, 58, für den es natürlich ist, daß 2,65 „the focus should be on the internal dissensions which undermined the expedition. ... but the 'not so m u c h ' clause is also a way of calling attention to the alternative causal motif where it might have been passed over in silence, thus signalling it in advance as important." Gegen einen Widerspruch mit 2,65, wo der innenpolitische Aspekt betont wird, Bleckmann 1998, 329: „Wenn Thukydides behauptet, der Plan sei nicht falsch gewesen, was die angegriffenen Feinde betrifft, so mag dies insofern mit der Aussage gerade des sechsten Buches in Widerspruch stehen, als Thukydides in seinem geographisch-ethnographischen Exkurs (VI 2 - 6 ) darauf verweist, wie wenig sich gerade die athenischen Massen über die Größe Siziliens im klaren waren. A u f der anderen Seite zeigt aber Thukydides eindeutig auf, daß gerade am A n f a n g der Expedition reale Chancen auf einen Sieg bestanden. Der Widerstand von Syrakus wäre vergeblich geblieben, wenn nicht die Fehler der athenischen Kriegführung und der Einsatz des in letzter Minute vor dem Abschluß der Ummauerung eintreffenden Gylippos Syrakus gerettet hätten."

Gestaltung und Funktion der Reden bei Thukydides

651

analeptischen Vergleich die Größe des Expeditionskorps und, mit kritischem Unterton, der dazu notwendige Aufwand unterstrichen; 6,69,1 wird proleptisch die Unterlegenheit der Syrakuser angedeutet und dadurch die Rezeption der folgenden Schlacht durch den Leser vorbereitet. 7,4,6 wird Nikias' Entschluß, die Basis nach Plemmyrion zu verlegen, kritisch kommentiert; ebenso werden die Folgen des Verlustes von Plemmyrion 7,24,3 als schwerwiegend bewertet. Der durch einen Exkurs (7,27f.) über die athenischen Finanzen eingeleitete proleptische Hinweis 7,28,3 auf die Widerstandskraft Athens bereitet die Erzählung bis Kriegsende vor. 7,71 wird die sich anbahnende Katastrophe explizit in einer Analepse mit Pylos verglichen. Dagegen erfolgt der Vergleich mit Salamis im auktorialen Bericht nur implizit durch die Betonung der στενοχώρια. 669 7,87,5 wertet er die sizilische Expedition und hebt dabei in Korrespondenz und Umkehrung von 6,31 seine Leitmotive Größe und Leiden hervor. Das Abweichen von der chronologischen Reihenfolge der Ereignisse trägt dazu bei, gewisse Vorfalle prägnant hervorzuheben und die Rezeption subtil zu lenken: Der Trug der Egester wird erst 6,46, als ihn die Athener merkten und er sich für sie negativ auswirkte, analeptisch angeführt und zusammen mit anderen unerwarteten, ungünstigen Umständen als erster Rückschlag vermerkt; die günstigen Voraussagen vor der Expedition werden erst nach der Katastrophe 8,1 mit bitterem Sarkasmus nachgetra670

gen. Weniger auffällig ist 7,42,3 das auktoriale in Demosthenes' Analyse eingebettete Urteil über die Fehler des sizilischen Feldzuges, das in einer hypothetischen Periode einen alternativen Verlauf der Ereignisse andeutet und dem Leser hilft, die bisherige Kampagne zu beurteilen. Vor den Schlachten zählt Thukydides auktorial 6,69,3 und 7,56,2 die Motive - nach den verschiedenen Völkern bzw. Angreifern und Verteidigern differenziert - auf. 671 7,57 gibt er die Motivation der Bundesgenossen beider Seiten an. 669 So das Paradigma in Naupaktos 7,34 und im Bericht 70,4 und 6. Ebenso wie die Perser setzten die Athener leichtere, manövrierfähigere Schiffe gegen plumpe syrakusische Schiffe, die im engen Raum Vorteile hatten, ein. 670 Zu 6,46 vgl. S. 556f., A n m . 455. Durch die kompletive interne Analepse zeigt Thukydides 8,1 an, daß das religiöse Motiv bei der Entscheidungsfindung (etwa. 6,24 ff.) keine Rolle gespielt hatte und erst jetzt relevant wurde. Rood 1999, 154: „Thucydides ... could have increased his emphasis on delusory hope by mentioning the oracle-mongers and seers ... he exploits them only later, to make a different psychological point." 671 Während 6,69,3 die Syrakuser f ü r ihre π α τ ρ ί ς , σ ω τ η ρ ί α , ε λ ε υ θ ε ρ ί α k ä m p f t e n , die Athener dagegen ein f r e m d e s Land erobern und ihre Heimat nicht schädigen

652

THUKYDIDES

Bei den Schlachten sind Ordnung und Chaos (τάξις, αταξία, θόρυβος, τ α ρ α χ ή ) , 6 7 2 W i s s e n ( ε π ι σ τ ή μ η , ε μ π ε ι ρ ί α ) 6 7 3 überraschende Handeln

(απροσδόκητος,

αφνω,

κόσμος,

u n d das schnelle,

εύθύς,

κατά

τάχος)674

wichtige Indikatoren fur E r f o l g u n d Mißerfolg. E b e n s o zeigen die Verteilung von Zuversicht und H o f f n u n g (έπιρρώννυσθαι,

θαρσεΐν,

bzw. Mutlosigkeit u n d Depression (απορία, άθυμία, άπόνοια,

έλπίς)675 εκπληξις,

κατάπληξις, άνελπιστον)676 und die spiegelbildliche U m k e h r u n g paradigm a t i s c h e r S i t u a t i o n e n w i e U n w e t t e r u n d L i s t 6 7 7 an, d a ß d i e S y r a k u s e r d e m

wollten, trachteten 7,56,2 die Syrakuser neben σωτηρία und ελευθερία auch nach Ehre und Ruhm (καλόν ... αγώνισμα, θαυμασθήσεσθαι), während die Athener nur noch an ihre Rettung dachten (σωθήναι μόνον). 672 6,97,4 Syrakuser άτακτότερον; 7,23,3 syrakusische Schiffe unterliegen, da ούδενΐ κόσμω ταραχθεισαι; Syrakuser stürmen 7,43,7 εν άταξία und 7,53,2 α τ ά κ τ ω ς ; Athener 7,81,2 ά τ α κ τ ό τ ε ρ ο ν ; 84,3 ούδενϊ κ ό σ μ ω ; in der Nacht 7,44,3 ε τ ε τ ά ρ α κ τ ο ; 44,4 θόρυβον πολύν; 44,6 άπορίαν καΐ φόβον; 44,7 έταράχθησαν ... καΐ ε ς φόβον κατέστησαν, 80,3 ταραχή. 7,40,3 ούδενί κόσμω; Hunter 1973, 180: „ Τ α ρ α χ ή seems in fact to have haunted the historian. It recurs in the battle of Naupactos as well as in the first, second, and final naval confrontations of the Athenians and Syracusans in the great harbour. Thus all the earlier sea-battles serve as models against which to set the final battle." 673 6,69,1 Mangel der Syrakuser an ε π ι σ τ ή μ η . Im Gewitter 70,1 waren die Athener εμπειρότεροι; 7,37 paßten die Syrakuser ihre Taktik ihrer ε π ι σ τ ή μ η τε και δύναμις an. 6,1,1 waren die Athener άπειροι. 674 6,69,1 die Athener εύθύς und die Syrakuser άπροσδόκητοί; 7,29,3 bei Mykalessos; 7,37 der Angriff der Syrakuser (εύθύς, άφνω, κατά τ ά χ ο ς ) ; θόρυβος bei den Athenern 7,3; 37; die Schnelligkeit im Handeln: 6,58 Hippias handelt sofort (εύθύς); die Athener beim Mauerbau 6,97,2 (εύθύς, φθάνειν, τ ά χ ο ς ) ; 98,2f. διά τάχους, ev τ ά χ ε ι ; nach Lamachos' Tod die Syrakuser (εύθύς κατά τ ά χ ο ς φ θ ά ν ο υ σ ι ν ) ; Gylippos 6,104 (διά τ ά χ ο υ ς , ÖTL τ ά χ ι σ τ α ) im Gegensatz zu Demosthenes (7,17, erst 26,3 εύθύς, ότι τ ά χ ι σ τ α ) , ebenso die Athener 7,22,2 (διά τάχους, εύθύς) und die Syrakuser 7,40 (εξαίφνης bis, εύθύς). 675 So ändert sich die Verteilung von Hoffnung und Zuversicht: positiv bei den Athenern und negativ bei den Syrakusern: 6,24,3; 31,6; 103,2; 104,1 und umgekehrt nach Gylippos' Ankunft: 7,2,2; 4,4; 7,4; 17,3; 18,2; 21,2; 25,1 und 9 (indirekt); 37,1; 41,4; 46; 47,2; 51,1; 71,7; 75,2; 8,1,2. 676 Die Athener erzeugen έ'κπληξις z.B. 6,98,2; kurz nach Demosthenes' Ankunft 7,42,2 (κατάπληξις). Sie selbst sind davon betroffen 6,46,2; 7,3,1 (αιφνιδίως ... έθορυβήθησαν); 7,24,3; 44,1 (ταραχή και απορία); 47,1; 7,55,1; 63,3; 71,7; 76; 79,3 und 81,4 έν πολλω θορύβω. 677 Während 6,70 ein Gewitter die unerfahrenen Syrakuser in Schrecken versetzte, wurden die deprimierten Athener 7,79,3 bei einem ähnlichen Ereignis von Panik gepackt. Während 6,64 die Athener durch eine List die Syrakuser weglocken konnten, glückte Hermokrates 7,73 eine auf der Verbreitung einer Falschmeldung beruhende List.

Gestaltung und Funktion der Reden bei Thukydides

653

Sieg, die Athener der Katastrophe entgegengehen. Was in der Erzählung, den indirekten und direkten Reden vorbereitet ist, bestätigt Thukydides 7,55 auktorial, daß die Athener der Überlegenheit zur See verlustig gehen und die Syrakuser durch technische Innovation an ihre Stelle treten, wobei er die Emphase auf die seines Erachtens kaum zu unterschätzende psychologische Wirkung dieses Umstandes legt; 678 als tieferer Grund für den Mißerfolg wird ebenda das ähnliche Wesen und die demokratische Verfassung der sizilischen Hauptgegner genannt. Dagegen bewertet er die Rolle des Zufalls (τύχη) zurückhaltend. Ebenso wird die religiöse Dimension fast immer (wohl bewußt) ausgeblendet. 679 Auktoriale Bemerkungen bilden meist den Rahmen der (direkten) Reden und steuern durch die Angabe zusätzlicher relevanter Informationen ihre Rezeption. 680 Oft gibt der Narrator vor oder nach der Rede den Anlaß und die Absicht (das Überredungsziel) des Redners an: meistens sind es auf einer rationalen Erwägung fußende Überlegungen, die auch indirekt berichtet werden können. 681 Bisweilen wird der Sprecher durch eine län678 Adcock 1963, 41 f.: „In general, Greek battles depended more on morale than on tactics, and the morale of the troops is one branch of that psychological observation of human nature and behaviour that was Thucydides' constant study." Kirby 1983, 190: „The combined effects of these two factors - the military and the psychological - figure so powerfully in Thucydides' presentation of the narrative that it is clear that he considered the war to be as much psychological as one of arms. It is interesting that so much of the growth of Syracusan confidence depends on the growth of their belief that their naval forces are a factor for the Athenians to reckon with ... Hence the significance of this series of Syracusan naval victories; so much of the Athenian self-confidence had been bound up in their supposed naval superiority that when it failed them, their discouragement and the corresponding encouragement of the Syracusans was almost inevitable." 679 Vgl. S. 651, A n m . 670. Dagegen meint Powell 1979, 26, der Hermenfrevel erscheine als schlechtes O m e n ; 7,50,4 werde ein Zeichen falsch gedeutet. Aber im Gegensatz zu Plutarch, der Nik. 23 das Omen ausführlich deutet, oder Herodot, der 9,43 bei Mardonios den Fehler auktorial korrigiert, blendet Thukydides sowohl beim Hermenfrevel als auch bei der Mondfinsternis die religiöse Dimension zugunsten der politischen aus und trägt erst 8,1 die Omina nach. 680 Westlake, 1973, 105: „The preambles and the postscript supply an abundance of information about the motives and failings of the principal speakers, especially Nicias." 681 Bei Nikias 6,8,4 Unwille, indirekt berichtete Überlegung und Absicht (ακούσιος, νομίζων, ά π ο τ ρ ε ψ ο α ) ; 6,19 Redeziel und -Strategie (άττοτρέψειε, τ ά χ ' dv μ ε τ α σ τ η σ ε ί ε ν ) ; 6,24,1 Absicht und Wirkung von Nikias' zweiter Rede (νομίμων, ά π ο τ ρ ε ψ ε ι ν ) ; 6,67,3 paränetischer Anlaß ( π α ρ ε κ ε λ ε ύ ε τ ο ) ; 7,8,If. Motivation und Überlegung, die ihn veranlaßt, den Brief zu schreiben ( α ί σ θ ό μ ε ν ο ς , όρων, φοβούμενος, νομίμων); 7,60,5 indirekt berichtete Lageanalyse und Absicht (όρων,

654

THUKYDIDES

gere auktoriale Bemerkung charakterisiert. 682 Nie äußert sich Thukydides zum Inhalt einer direkten Rede oder nimmt das Ergebnis der Rede vorweg, ebensowenig korrigiert er explizit eine Aussage als fehlerhaft. Oft kommentiert Thukydides die Wirkung einer symbuleutischen Rede auf den bzw. die primären Rezipienten. 683 Fehlt eine solche Angabe, weist dies e silentio auf deren Wirkungslosigkeit hin; 684 nach Paränesen fehlt diese ebenso, da sogleich die Aktion folgt. 7,69 gibt Thukydides auktorial das Resümee von Nikias' Paränese, die auf die vorangehende indirekte Rede folgt, wieder. Der Abfolge der Ereignisse, die durch die annalistische Struktur des Werks vorgegeben wird, ist nicht immer linear; der Narrator lenkt die Rezeption durch eine maßvolle, anachronistische Struktur mit Ana- und Prolepsen, die Aufteilung zusammengehöriger Sequenzen auf verschiedene Szenen, die Verknüpfung verschiedener Stränge, den Rhythmus, der von der Ellipse über die summarische und geraffte Erzählung bis zu den Reden als Ruhepunkten reicht, die beschränkte Anzahl patterns, die wie die Peripetie z.T. mit der Tragödie geteilt werden und die dramatische Wirkung erhöhen, 685 inhaltliche Leitmotive, welche die Erzählung wie ein Netz auf allen

βουλόμενος, π α ρ ε κ ε λ ε ύ σ α τ ο ) ; 7,76 indirekt berichtete Lageanalyse und Absicht (όρων, έθάρσυνέ τ ε και π α ρ ε μ υ θ ε ΐ τ ο , βουλόμενος); 6,15 Alkibiades' Motivation, auktoriale Charakterisierung und Redeziel (βουλόμενος, έ π ι θ υ μ ώ ν και ε λ π ί δ ω ν , π α ρ ή ν ε ι ) ; 6,88,10 Absicht (παρώξυνε, έ ξ ώ ρ μ η σ ε ) ; Hermokrates 6,32, Motivation (οϊόμενος, π α ρ ή ν ε Ο und 6,75,4 Absicht (βουλόμενος ττροδίαβάλλείν); A t h e n a g o r a s 6,35,2 auktorial Situation und C h a r a k t e r i s i e r u n g des Sprechers ( π ι θ α ν ώ τ α τ ο ς ) ; Euphemos 6,81 Angabe des Amtes ( π ρ ε σ β ε υ τ ή ς ) ; bei Gylippos und den Syrakusern wird 7,65 indirekt eine Lageanalyse und paränetische Absicht (όρώσι, π α ρ ε κ ε λ ε ΰ σ α ν τ ο ) berichtet; beim syrakusischen General wird 6,41 bloß die Rede angezeigt. 682 Bei Alkibiades 6,15 und ganz kurz Athenagoras 6,35. 6,72 vor Hermokrates' indirekter Rede. 683 So die Wirkung von N i k i a s ' und A l k i b i a d e s ' Reden 6,19 (ττολλω μάλλον ... ώ ρ μ η ν τ ο ) ; 6,24 N i k i a s ' Motivation und Wirkung (νομίμων, πολύ μάλλον ... ώ ρ μ η ν τ ο ) ; 6,35,1 die Wirkung von H e r m o k r a t e s ' Rede und die verschiedenen Reaktionen des Publikums (ό δ ή μ ο ς , οί μεν, οί δέ, άλλοι); 6,88 die Reaktion der Kamariner auf Hermokrates' und E u p h e m o s ' Reden (ευνοι ήσαν, ωοντο, δ ε δ ι ό τ ε ς κτλ.), die Maßnahmen der Athener nach Nikias' Brief (7,16,1). 684 So etwa nach Athenagoras' Rede 6,41. 685 G y l i p p o s ' und D e m o s t h e n e s ' A n k u n f t werden in Etappen geschildert, wodurch besonders im ersten Fall die dramatische Wirkung als Peripetie verstärkt wird. Während Gylippos schnell (6,93,2 μ ά λ ι σ τ α και τ ά χ ι σ τ α , 104,1 δ ι ά τ ά χ ο υ ς )

Gestaltung und Funktion der Reden bei Thukydides

655

Ebenen (der auktorialen Erzählung, der indirekten Fokalisation und der direkten Reden) umspannen und ihr Einheit und Kohärenz verleihen, die Selektion des Materials und die Beschränkung auf wenige zentrale und entscheidende Episoden (κρίσεις), 686 die Thukydides auf Stunden oder Tage kondensierend paradigmatisch gestaltet und die sich z.T. spiegelbildlich entsprechen und auch über weite Entfernungen hinweg gegenseitig beleuchten, 687 und durch die inhaltliche Kongruenz verschiedener Fokalisatoren, die eine polyphone Harmonie vermitteln. 688 Geschickt ist der Wechsel der Schauplätze gestaltet. Nach der Abfahrt der Flotte aus Athen (6,32) wechselt der Schauplatz nach Syrakus. Danach ist (6,42) die Flotte bereits in Kerkyra; im folgenden wechselt der Schauplatz ebenso wie die sekundäre Fokalisation mehrmals von Sizilien nach Athen bzw. Sparta und wieder zurück nach Sizilien, 689 wo die militärischen Ereignisse des ersten Jahres gerafft und selektiv vorwiegend aus der Sicht der Athener erzählt werden. 690 Dieselbe Technik wird auch im folgenden angewendet, wobei die weniger wichtigen zeitgleichen Ereignisse, die in Griechenland geschehen, jeweils am Ende einer Jahreszeit kurz erwähnt werden. Nach 7,36 findet kein Schauplatzwechsel mehr statt. Dabei bildet die durch Alkibiades' Rede in Sparta ausgelöste Ankunft des Gylippos den Wendepunkt. Während in Buch 6 Alkibiades die dominante Persönlichkeit ist, wird nach der Peripetie in Buch 7 Nikias, 691 in dessen Schicksal sich nach Sizilien segelt, verliert D e m o s t h e n e s Zeit (παρεττλεί 7 , 2 6 , 3 ) . V g l . S. 6 5 2 , A n m . 674. 686 Stahl 2 0 0 2 , 103 glaubt, daß an s o l c h e n Krisenpunkten „die Ereigniskette die T e n d e n z hat, sich unabhängig zu entwickeln von der bislang beobachteten Richtung und unabhängig auch von den ursprünglich von den Planern beider Seiten erw o g e n e n Faktoren." D i e s bedeutet aber nicht, „daß für T h u k y d i d e s historische Entwicklungen alles andere als voraussagbar, und d.h. steuerbar, sind" (S. 84). S o hat zwar 6 , 9 6 , 1 - 7 , 2 , 4 einen „mäandrierendes Ereignisablauf' mit internen Peripetien, d o c h beginnt die G e g e n b e w e g u n g bereits mit A l k i b i a d e s ' Flucht und Hermokrates' indirekter Rede 6,72. Dazu trugen Nikias' vermeidbare Fehler entscheidend zum Erfolg des Gylippos bei. 6 8 7 S o entsprechen sich die S z e n e der Ausfahrt der Flotte ( 6 , 3 1 ) und der letzten Schlacht (7,70f.), vgl. S. 6 3 7 , A n m . 6 2 8 . 688 Vgl. dazu auch Kern 1989, 77. 6 8 9 Vgl. das S c h e m a der Schauplatzwechsel bei Kirby 1983, 2 0 7 . 6 9 0 A u c h in der Folge wird die Erzählung meistens aus der Sicht der Athener berichtet. Kern 1989, 82: „He c h o s e an Athenian perspective that made his story an Athenian tragedy rather than a Syracusan triumph." 691 Kern 1989, 79: „The fall o f Alcibiades leaves N i c i a s as the central figure o f B o o k VII, and just as T h u c y d i d e s organized B o o k VI around the fall o f Alcibiades, he organizes B o o k VII around the failure o f N i c i a s . " Edmunds 1975, 81: „This turn-

656

THUK.YDIDES

auch das athenische widerspiegelt, die zentrale Figur. Einige strukturelle patterns erinnern hierbei an die Tragödie, wobei zu bemerken ist, daß diese den Ereignissen inhärent sind, wenigstens in der Wahrnehmung der Zeit, und dazu rezeptionsbedingt der Dramatisierung der Erzählung und Sinnstiftung dienen. 692 Während Nikias in seinem Brief (7,1 Iff.) über eine weite Strecke die Erzählfunktion, als interne Analepse, übernimmt (und auch sonst Redner kurze analeptische Erzählungen einfügen, um ihre Argumente zu bekräftigen), behält der Narrator in vielen Fällen zwar die Erzählfunktion, überläßt aber die Fokalisation den beteiligten Charakteren, entweder Individuen 693 oder überwiegend Gruppen, 694 und zwar nach Verba sentiendi und affectus, sich furchten, hoffen etc. (sehr oft in der partizipialen Form) oder in subjektiv gefärbten Nebensätzen (z.B. mit Infinitiv, obliquem Optativ, Finalsätzen). Dadurch werden rationale Lageanalysen und konkrete Aktionspläne, aber auch unausgesprochene Gedanken und Absichten geschildert, die durch die folgende kurze Erzählung oft bestätigt werden. 695

ing point is also reflected by a broader shift in narrative structure. The structure of Book VII is strikingly different form that of Book VI. Book VI is the story of two men: Nicias and Alcibiades; Book VII is the story of one man: Nicias. In Book VI defeats alternate with victories; in Book VII events move rapidly to the final and complete destruction of the Athenian force in Sicily." 692 Polacco will drei Dramen erkennen: 6 , 1 - 9 3 als Einleitung; 6,94-7,15 ein mittleres, in dem sich der U m s c h w u n g auf den Epipolai vollzieht und 7 , 1 6 - E n d e als κ α τ α σ τ ρ ο φ ή im Großen Hafen von Syrakus. Zwar gibt es t h e a t r a l i s c h e ' Szenen, wie auch Plutarch bereits bemerkt hat (Nie. 1,1 und 21,1), so die Ausfahrt 6,32, ebenso eine Art Peripetie am Ende von Buch 6, Pathos in der Beschreibung von M y k a l e s s o s und der letzten Schlacht im H a f e n ; aber die Reden in Syrakus 6,32,3^-1 etwa als Parodos aufzufassen geht entschieden zu weit. 693 So z.B. Gylippos' Überlegungen 6,104 und 7,1; die des Nikias 7,48,1 f. 694 Die Athener vor der Ausfahrt 6,30,2 (ώς κτήσοι,ντο, εί δψοιντο, ενθυμούμε VOL), gegensätzliche Erwartungen der A t h e n e r und Syrakuser: die Athener bei der Überfahrt 6,42f.; A n a l y s e und Plan der athenischen Feldherren 6,64 und die Lagenanalyse 6,71,2 (έδόκει., äv, ο π ω ς μη, δεοί, ώ ς ) ; 7 , 3 6 , 3 - 6 Analyse der Syrakuser mit Hypothesen (ήν) und Begründungen (γαρ); Reaktion der Kamariner auf die Reden 6,88. 695 Die Absichten von Alkibiades' Gegnern 6,28,2 (ύττολαμβάνοντες, ν ο μ ί ζ ο ν τ ε ς ) , die in indirekte Rede übergehen und 29,3 ( δ ε δ ι ό τ ε ς μή κτλ.); die Spartaner 7,18,2 ff. (ένόμιζον bis, ή γ ο ϋ ν τ ο , ν ο μ ί σ α ν τ ε ς ) . Der athenische Plan 6,64 (βουλόμενοι., γ ι γ ν ώ σ κ ο ν τ ε ς , ε ί δ ό τ ε ς , α ν ) , 7,34,7 die gegensätzlichen A u f f a s s u n g e n nach der Schlacht von N a u p a k t o s (ώς ν ι κ ώ ν τ ε ς , νομίσαντες, ή γ ή σ α ν τ ο , ένόμιζον); Demosthenes' Analyse und Plan 7,42,3-5 (ΐδών, ν ο μ ί σ α ς ,

Gestaltung und Funktion der Reden bei Thukydides

657

In der paränetischen Rede der egestischen Gesandten werden das Hauptargument (6,6,3 κεφάλαιον) der Verwandtschaft (ξυγγενές) und ihr Gedankengang, der eine Hypothese (et) enthält, gnomisch (σώφρον) zur Prophylaxe rät und ein negatives proleptisches Szenario entwirft, in oratio obliqua wiedergegeben: Dadurch kann sich Thukydides in einem gewissen Sinne distanzieren. 6,25 werden indirekt die protatische Frage eines anonymen Demagogen und die konkreten Forderungen des Nikias erwähnt. Ebenfalls werden Anklage und Verteidigung des Alkibiades nach dem Hermenfrevel 6,28f. indirekt berichtet, ebenso kurz die unergiebigen Verhandlungen mit den Rhegiern 6,44,3, wobei die Athener das Argument der Stammverwandtschaft, die Rhegier das der italischen Solidarität anfuhren. 6,50,4 wird das offizielle Argument (ξυμμαχίαν καΐ ξυγγένειαν) als Begründung der Expedition indirekt verkündet. 6,63,3 wird die Verhöhnung der Athener durch die syrakusische Kavallerie indirekt mit sarkastischem Wortspiel wiedergegeben. 6,64,3 steht die Trugrede des athenischen Doppelagenten in oratio obliqua, ebenso die 7,73,3 von den Reitern, die Hermokrates an die Athener geschickt hatte, kolportierte Falschmeldung. Komplexer ist die Versammlung der athenischen Feldherren 6 , 4 7 ^ 9 : Während Nikias und Alkibiades vor allem konkrete Aktionspläne mit verschiedenen Hypothesen entwerfen, Nikias dazu seinen Grundsatz τά οικεία μή κινδυνευειν wiederholt, Alkibiades mit dem αϊσχρόν argumentiert, enthält Lamachos' Rede eine Analyse mit den allgemeinen psychologischen Kategorien der Überraschung und ihrer Wirkung (αιφνίδιοι, αύτίκα, γνώμη άναθαρσοϋντας, τη όψει καταφρονεΐν, έκφοβήσαι), hypothetischem α ν / ή ν in der Gnome, dazu γ α ρ , einen Wahrscheinlichkeitsschluß (εικός) und die Analyse aus der Sicht der Feinde mit rhetorischer Ausgestaltung. Während Nikias' Votum mit dessen direkter Rede 6,9ff. in Einklang steht, weicht Alkibiades' Votum von seiner Rede 6,16ff. und der auktorialen Einfuhrung ab. Es mag sein, daß Alkibiades in dieser Situation, nach den ersten faktischen Rückschlägen, aus taktischen Gründen konziliantere Töne anschlägt als in Athen und Sparta, um mit seinen Mitstrategen eine gemeinsame Position zu finden.696 6,72 wird Hermokra-

άνασκοπών, γιγνώσκων, (ττυθόμενοι, ού βουλόμενοι).

ό ρ ω ν ) ; 7,51 A n a l y s e und Plan der

Syrakuser

696 Allison 1989, 98 meint, Alkibiades habe die Notwendigkeit einer „unified strate g y " erkannt. Doch ist diese Erkenntnis m. E. nicht Zeichen eines tatsächlichen Wandels, sondern eher ein zeitlich beschränkter Schachzug, um die Kollegen zu überreden; es ist kaum wahrscheinlich, daß Alkibiades seine Ziele (vgl. 6,15) aufgegeben hat.

658

THUK.YDIDES

tes' Trostrede indirekt wiedergegeben, wobei seine Analyse die Ursachen der Niederlage in Übereinstimmung mit dem Autor analysiert (Mangel an επιστήμη, μελέτη u n d ε υ τ α ξ ί α , dazu π ο λ υ α ρ χ ί α und nicht γνώμη / άνδρεία), mit Gnomen, Wahrscheinlichkeitsschluß und rhetorischem Zierat versieht; daneben stellt er auch konkrete sich aus der Analyse ergebende Forderungen auf. Seine psychologische Analyse bestätigt Gylippos' indirekte Rede 7,5, der dazu noch einen Appell an die Ehre hinzufugt. 7,21,3f. betont Hermokrates in seiner indirekten Paränese die psychologische Bedeutung des Überraschungsmoments (§4 τολμήσαι άπροσδοκήτως, επιστήμη, απειρία) und gebraucht eine externe Analepse als Beweis für seine These, daß die athenische Überlegenheit im Gegensatz zum dorischen Mut nicht angeboren, sondern das Resultat einer in einer Notsituationen getroffenen Entscheidung ist. Kurz melden syrakusische Gesandte 7,25,9 indirekt in einer repetitiven subjektiven Analepse die dem Leser schon bekannte Niederlage der Athener und fugen ihrem Optimismus die Forderung nach Verstärkung hinzu, wobei die oratio obliqua einerseits den Bericht dramatisch macht, andererseits Aufschluß über die Stimmung der Sizilier gibt. 7,47 steht als Pendant zur ersten Versammlung der Strategen zunächst die indirekte Rede des Demosthenes, der Analyse und Plan mit den τελικά κεφάλαια von utile, facile und aequum untermauert. Interessant ist 7,48 die Unterscheidung zwischen der unausgesprochenen Fokalisation des Nikias, in der seine wirklichen Gedanken genannt werden, und seiner indirekten Rede, die sich davon unterscheidet und in der er zuerst über das (schon bekannte) Problem der Kommunikation mit den Athenern reflektiert, dann in einem paränetischen Teil die Lage analysiert, ihre Überlegenheit in Bezug auf das Geld äußert und den Soldaten Mut macht. In einer zweiten indirekten Rede will Demosthenes dagegen wenigstens erreichen, daß sie abziehen und nicht in engem, sondern offenem Gewässer (ούκ έν στενοχώρια ... άλλ' έν ευρυχωρία) kämpfen, wo sie ihre Erfahrung (εμπειρία) ausspielen können. Ebenso indirekt ist die Paränese des Nikias 7,69 mit traditionellen τελικά κεφάλαια, die in einem auktorialen Resümee endet. Indirekt werden auch die prägnanten paränetischen Zurufe beider Seiten 7,70,7 berichtet, die konventionelle patterns mit rhetorischer Ausarbeitung (wie Litotes, Paradoxon, rhetorische Frage, Paronomasie) enthalten und z.T. αποφθέγματα wiedergeben könnten. Ebenso wird 7,73 Hermokrates' Analyse und Plan, den die Behörden aber nicht umsetzten, geschildert. Oft stehen direkte und indirekte Reden nebeneinander, wobei die direkte stärker dramatisiert, die indirekte ein rationales Resümee von Gedankengängen enthält und auch zur kurzen Wiederholung schon bekannter

Gestaltung und Funktion der Reden bei Thukydides

659

Themen/ Leitmotive dient. Es kann jedoch nicht immer ein funktionaler Unterschied zur oratio recta gefunden werden (so besonders 6,49; 72; 7,21); in der Regel ist aber die indirekte Rede kürzer und dient nur selten dazu, eigenständige Gedankengänge zu entwickeln. 697 In kurzen Paränesen werden konkrete Forderungen, offizielle oder topische Motive, ebenso Falschmeldungen und fur die Handlung wichtige Impulse ausgedrückt. Im Gegensatz zur direkten Rede befaßt sich die indirekte mehr mit konkreten Situationen, ist also situationsbedingt; gegenüber den direkten Reden ist das argumentative Spektrum eingeengt; meist werden Motive und Argumente nur kurz angeschnitten oder in direkten Reden behandelte Konzepte wiederholt; dennoch kommen in einigen Reden ausfuhrliche strategische Analysen und allgemeine Überlegungen über psychologische Mechanismen vor, die abstrakte Konzepte, Gnomen, irreale Hypothesen, historische Analepsen enthalten und proleptische Szenarien entwerfen. Solche Reden (so besonders 6,6,3; 49; 72; 7,21; 48) unterscheiden sich von den direkten nur darin, daß sie kürzer sind und in der Regel keine vollständige rhetorische Gliederung, weniger rhetorische Stilmittel aufweisen und selektiv oft schon bekannte Argumente wiedergeben.

3.4.2. Kompositorische und dramatische Funktion der direkten Reden Die Reden stehen an wichtigen Scharnierstellen, Höhe- und Wendepunkten der Erzählung, oft als Ruhepausen mit paradigmatischer Bedeutung. Während die einen den Umschwung von Ruhe zur Handlung markieren, also kausativ sind, bleiben andere ohne Wirkung und dienen dazu, eine Situation zu beleuchten, sind also explikativ. Während dem Melierdialog, dem einzigem Gespräch, in dem die Redner aufeinander direkt Bezug nehmen können, als Reflexionspause eine fur den Ausgang des Kriegs unbedeutende Aktion folgt, unterstreicht die Redentrias in Athen, die nach dem Muster von These - Antithese - Synthese gebildet ist, das Moment der Entscheidung und dient als Impuls zur folgenden Kette von Handlungen. Dagegen illustriert die nach demselben Muster gebildete Redentrias in Syrakus paradigmatisch das Moment der Reaktion in der Lage des Unwis-

697 Während für Egermann 1972, 576 der Redensatz nur für die direkten Reden gilt er hält die indirekten Reden für „sinngetreue Inhaltsreferate" (S. 581), für die andere Regeln gelten - , beziehen Dover 1973, 23 und Wilson 1982, 101f., die Gültigkeit des Redensatzes wohl zu Recht auch auf die indirekten Reden.

660

THUK.YDIDES

sens, ergänzt und beleuchtet den athenischen Beschluß. Die Reden in Kamarina geben zwar der Handlung keinen direkten Impuls, kommentieren aber antilogisch nochmals die Motivation der Expedition, behandeln exemplarisch die athenische Herrschaft und die Bündnisse und illustrieren das Scheitern der diplomatischen Strategie der Athener. Wie die Reden in Syrakus und der Melierdialog dienen sie der exegetischen Vertiefung der Lage. Alkibiades' Einzelrede in Sparta hingegen steht an einem Ruhepunkt vor dem Umschwung der Lage, der durch diese Rede, welche die folgenden Handlungen geistig vorbereitet, verursacht wird. Vor den jeweiligen Schlachten zeigen Paränesen die Gemütsverfassung der beiden Seiten an, vertiefen die Situation geistig und bereiten die folgenden Aktionen vor. Vor der großen Schlacht im Hafen beleuchten die paränetischen Reden des Nikias und der gegnerischen Feldherren die Erfolgsaussichten; zwar räumlich voneinander getrennt, bilden die beiden Reden eine Antilogie nach dem Muster von These und Antithese. Zwischen allen Reden bestehen motivische Fernbeziehungen, wodurch sie sich gegenseitig beleuchten und die Rezeption indirekt steuern. Während der Rhythmus von Buch VI wegen der Vorbereitung durch viele Reden, die die geistige Grundlage bilden, unterbrochen ist, werden nach 6,92 die Ereignisse schneller erzählt, und es kommen mit Ausnahme von Paränesen weniger direkte Reden

3.4.3. Die Charakterisierung der Sprecher durch direkte Reden Schon in der ersten Werkhälfte prägen herausragende Persönlichkeiten wie Perikles, Archidamos, Brasidas oder Kleon das Geschehen. Thukydides beabsichtigt dabei kein literarisches Porträt einer Persönlichkeit mit individuellen Zügen, sondern, von der historischen Realität einer Figur ausge-

698 Roscher 1842, 166: „Überhaupt ist die zweite Hälfte des syrakusischen Krieges nur sparsam mit Reden durchflochten: sehr natürlich, wenn man bedenkt, daß die Charaktere und Ursachen, welche den Gang des Krieges bestimmen sollten, schon in der ersten Hälfte genügend waren durch Reden erörtert worden." Edmunds 1975, 81 zum Rhythmus von Buch 7: „This requires a faster narrative pace, and accordingly Thucydides eschews speeches. While speeches dominate Book VI, there are only three speeches in Book VII, all coming toward the end and all exhortations to the troops. On several other occasions when speeches were given, Thucydides briefly paraphrases them in order to keep moving the rapid flow of events inexorably leading the Athenians to catastrophe. Speeches would therefore interrupt this effect, and therefore Thucydides subordinates them to the narrative."

Gestaltung und Funktion der Reden bei Thukydides

661

hend, das Paradigmatische und Typische eines Akteurs herauszuarbeiten, wobei für die Erzählung nur der politisch-militärische Aspekt bar alles Anekdotischen relevant ist. Die individuelle Differenzierung der Charaktere, die durch die Reden im Gegensatz zu den wenigen die Rezeption leitenden auktorialen Bemerkungen einprägsamer und lebendiger erscheint, ist nicht Ausdruck einer auf festen Topoi fußenden Ethopoiie, sondern ein Mittel zur Analyse des Geschehens und seiner Akteure. 699 Als Sprecher treten dabei nicht nur bekannte Persönlichkeiten, sondern auch Sprecher, die anonym oder sonst unbekannt sind, und Kollektive auf. Nach Perikles' Tod spielen in Athen, wie auktorial 2,65 angekündigt, die Individuen und ihr Verhältnis zum Kollektiv der Polis eine größere Rolle. a. Nikias: Der tragische Protagonist der Expedition, der auch am meisten direkte Reden hält, ist Nikias. Als Nachfolger des Perikles trifft die auktoriale Kritik 2,65 auch auf ihn zu. Er erscheint bereits als Feldherr bei der Eroberung von Minoa und Kythera (4,53f.). In der Pylos-Debatte (4,27f.) 700 tritt er erfolgreich als Gegner Kleons auf, stellt aber dabei die eigene Person über die Interessen der Polis. Er ist für den Frieden verantwortlich (5,16,1), doch unterstellt ihm der Autor wiederum keine schmeichelhaften oder selbstlosen Motive: 699 Vattuone 1978, 49 ff. meint, daß die Differenzen zwischen Nikias und Alkibiades nicht biographischer oder charakterlicher Natur, sondern das Resultat einer rhetorischen Situation seien, topisch die politische Antinomie von άπραγμοσΰνη (Nikias) und πολυπραγμοσύνη (Alkibiades) ausdrückten und verschiedene Lagebeurteilungen markierten, S. 54: „Non si puö ... affermare che Tucidide 'individualizzi' i propri personaggi, cercando per essi una caratterizzazione che spieghi i termini biografici, psicologici, del loro comportamento; al contrario ci pare che il loro diverso atteggiamento politico, proveniente anche da caratteri giä giudicati e, comunque, introdotti senza specificazioni ulteriori nel testo venga polarmente formalizzato in quella 'Einteilung der Menschen in Typen' che e operazione di stampo retorico in funzione di esplicazione causale." S. 86: ,,L' Einteilung der Menschen in Typen e qualcosa di fondamentalmente opposto alla dimensione della biografia perche, mentre questa rende paradigmatici gli eventi, quella al contrario, attraverso una emblematizzazione dei personaggi, punta alia spiegazione dei fenomeni." Ellis 1979, 56: „Characterization serves Thucydides as a useful device, but he is careful not to tell his story just in terms of individuals." Wassermann 1931, 257 spricht dabei von einer negativen Aufsplitterung der unter Perikles vereinten athenischen Qualitäten. Hogan 1989, 215: „Alcibiades and Nicias, each having an inadequate share in the virtues of a great political leader, and neither sufficient by himself as one whole ideal political man, reveal the disunity of Athens at its head." 700 Vgl. zur ganzen Episode 4,27 f. die kritische Rekonstruktion von Flower 1992.

THUKYDIDES

662 Er

wollte

sein

Prestige

und

Glück

bewahren

(διασώσασθαι

εύτυχίαν).701 Diese beiden Leitmotive spielen auch im weiteren

την

Verlauf

e i n e w i c h t i g e R o l l e u n d b e k o m m e n in s e i n e n d i r e k t e n R e d e n d i e t h e o r e t i sche Grundlage. In s e i n e r e r s t e n R e d e n e n n t er 6 , 9 m i t τ ά ύ π ά ρ χ ο ν τ α σ ω ζ ε ι ν sein p o l i tisches Credo und gebraucht termini wie τύχη, ασφάλεια, τ ά οικεία

μή

702

κ ι ν δ υ ν ε ύ ε ι ν , d i e ihn d e m W e s e n n a c h z u m S p a r t a n e r m a c h e n .

E r ist sich

b e w u ß t , d a ß seine G r u n d s ä t z e mit der d y n a m i s c h e n N a t u r ( τ ρ ό π ο ι ) der A t h e n e r , d i e d u r c h d i e π ο λ υ π ρ α γ μ ο σ ύ ν η g e k e n n z e i c h n e t ist, u703 nvereinbar s i n d . In d e r S e k u n d ä r l i t e r a t u r ü b e r w i e g e n d i e n e g a t i v e n U r t e i l e : Mochte

701 Roscher 1842, 421 hält seine Motivation 5,16 für „etwas egoistisch", διασώσασθαι ist „common in contexts which the instability of human affairs is expressed" (Edmunds 1975, 112f.); vgl. Hdt. 5,9,2f.; Pind. Nem. 7,98-101 Eupolis 219 PCG. Aber S. 120: „Eutychia cannot be transferred from activity to quietude and kept as a possession." Als Leitmotiv kommt es zuerst in ironischer, dann in tragischer Umkehrung 6,17,1; 6,23,3; 7,63,4; 77,2 und 86,5 vor. 702 Er gebraucht den Wortstamm von σώ£ειν 1 lmal. Bender 1938, 48: „Nikias gleicht den Spartanern: er liebt die Ruhe, die Untätigkeit, die Sicherheit." Hunter 1973, 129 vergleicht seine Rede 6,9ff. mit der des Archidamos 1,79-84: 1. Beide warnen vor einer überstürzten Entscheidung von großer Tragweite (1,85,1 = 6,9,1 und 12,1); 2. Beide prangern private Interessen der Kriegsbefürworter und Verbündeten an (1,82,5; 83,3; 82,6 = 6,9,1; 11,7; 12,2); beide stellen sich gegen Emotionen (επιθυμία 1,80,1 = 6,13,1; έ λ π ί ς / έπαίρεσθαι 1,81,6 und 84,4 = 6,11,6 π ρ ο ς τ ά ς τ ΰ χ α ς έπαίρεσθαι); 3. Appell an ältere Männer (1,80,1 = 6,13,1); 4. Appell an σωφροσύνη (1,80,2 und 84 = 6,11,7) und πρόνοια (1,84,4 = 6,13,1) als Mittel der Politik und Garantie für die Sicherheit (ασφάλεια). Während aber Archidamos ruhig bleibt, ist Nikias unruhig, sieht überall Gefahren und fuhrt eine persönliche Attacke gegen seinen Widersacher. Carter 1986, 102f.: „Nicias ... represents an interesting paradox. His ambition is is consonant with the prestige and importance of time ... at the same time, he is rather cautious by temperament. But it is this latter quality which makes him so popular ... Nicias is both philotimos and apragmon, and this contradiction in his character... was responsible for his defeat and death." Sein Ehrgeiz war dafür verantwortlich, daß er trotz seiner Bedenken die Strategie übernahm. 703 Negatives Gesamturteil bei Taeger 1925, 245f., der ihm eine „Borgeoisiemoral" zuschreibt; für Murray 1961, 35 ist er ein negativer Charakter. Westlake 1968 attestiert ihm zwar hohes Pflichtbewußtsein und persönliches Heldentum (S. 210), aber „grave defects of leadership ... were to a considerable degree responsible for the ultimate disaster" (S. 185). Für Harding 1973, 131 zeigt die Rede 6,9-14 seine „stupidity, timidity, and incompetence." Lateiner 1985c, 212 wirft ihm „lack of long-range policy ... embodied in a moralistic rhetoric that accorded poorly with empire" vor. Gribble 1999, 212: „Excessively cautious, timorous, superstitious"; Kallet 2001, 158 kritisiert seinen „lack of decisiveness" und spricht ihm S. 152 γ ν ώ μ η und finanziellen Sachverstand gänzlich ab. Ebenso Bender 1938, 43 und

Gestaltung und Funktion der Reden bei Thukydides

663

er auch wie Perikles - jedoch unter gewichtigen Vorbehalten - γνώναί τε τ ά δέοντα, 7 0 4 auch w e n n er nur die negativen A s p e k t e betont und in Sizilien einen Erfolg a priori ausschließt, so fehlten ihm als dem athenischen Wesen f r e m d e m Menschen die für den Politiker so wichtigen komr

705

munikativen Fähigkeiten (και έρμηνεΰσαι. ταΰτα). Z w a r unbestechlich, war er aber in Bezug auf das φιλόπολις nicht über alle Zweifel erhaben und hatte wohl 'ίδια κέρδη, zumal sein Paradeigma des αγαθός πολίτης an seinem Leben hängt und vornehmlich ein guter Verwalter eigner Habe (ουσία) ist, der diese Kompetenz, Privates mit Staatlichem vermischend, der Stadt zur V e r f u g u n g stellt. 706 Zumindest fahrlässig ist der Versuch

Stein 1987, 108: „Bei allen persönlichen Qualitäten scheitert er letztlich an der fehlenden Fähigkeit, gnome sinnvoll zu gebrauchen." 704 Für Hunter 1973, 128f. erweist sich seine Prognose auf der Basis der Fakten als realistisch. Ebenso Stahl 1973, 65 und Bloedow 1990, 14, für den die Phrase ei σ ω φ ρ ο ν ο ϋ μ ε ν a priori „ c o n f i r m s the correctness of N i c i a s ' arguments." Rood 1998a, 163: „His counter-productive caution is in harmony with his insight into Athens' best policy." Er glaubt (wie Tsakmakis 1995a), daß der Exkurs 6 , 2 - 6 ihm Recht gebe. Positiv Williams 1998, 238: „Nicias is successful in war, popular with the people, eager to benefit his polis, and one who is willing to advance himself not at the expense of the state but through helping the state. He is also very cautious, eager to avoid danger, and fond of rest and inaction ... characteristics that can be both positive and, in excess, negative." Aber S. 269: „Nicias carried caution to an extreme, mad pour decisions, and was guilty of lack of offensive planning." Zwar erkannte er als einziger im voraus den Betrug der Egester, doch unterschätzte er, wie Thukydides 6,104,3 kritisch anmerkt, Gylippos' Bedeutung und ließ sich 7,73 von Hermokrates täuschen. Ebenso hätte er unrecht, wenn 6,23,1 τ ό όττλίτικόν im Text stünde. Die Tatsache, daß in der Beratung 6 , 9 - 2 3 Nikias das letzte Wort hat, beweist nicht, wie Bloedow 1990, 16 und 1992, 146 meint, daß dieser recht behalte. Kohl 1977, 169: „In Nikias' Argumentation hat ein Sieg auf Sizilien keinen Platz, bei Alkibiades entsprechend keine Niederlage. Trotzdem äußern beide Überlegungen, die sich später als richtig herausstellen." Ellis 1979, 47: „In every respect... Nikias is correct in his prognostications and Alkibiades incorrect." Ebenso Hogan 1989, 213; Bloedow 1990; Luginbill 1999, 154; Stahl 2002, 71: „Es ist klar, daß der Autor seine eigenen Ansichten über das schlechtberatene Unternehmen in der Person dieses Feldherrn widerspiegelt. Nikias' Argumente werden sich im Laufe des Feldzuges als zutreffend herausstellen, und Thukydides streicht jeweils betont die Übereinstimmung heraus zwischen Nikias' vorausgegangenen Warnungen und späteren Ereignissen." 705 Vgl. dazu Hogan 1989, 215 und Ober 1994, 115f. 706 Pouncey 1980, 125 Nikias hat „predominant concern for his reputation over his city's welfare." Hogan 1989, 167: „Nicias ... places the good of individual before the welfare of the polis, and he fundamentally misunderstands the nature of the Athenian people." Ebenso Palmer 1992, lOlf. Für Tsakmakis 1995a, 178 betrachtet er „die Sphären des Privaten und des Politischen als eine Einheit; nicht nur die

664

THUK.YDIDES

6,19, durch denselben Trick wie 4,28,3 die Athener von der Fahrt abzuhalten, zumal er damit erstens die Unkenntnis des athenischen Wesens beweist und zweitens für das Ausmaß der Katastrophe verantwortlich ist. Die große Rüstung durchkreuzt in einem gewissen Sinne auch Alkibiades' diplomatische Strategie, der ein Bündnissystem gegen Syrakus aufbauen und dieses isolieren will, und löst gegenüber den offiziellen' Absichten Athens Mißtrauen, das in eine ganz Sizilien einende Furcht mündet, erst 707 aus. Auch der Brief weist auf dasselbe Kommunikationsproblem hin; 708

wieder macht er denselben Fehler. Sein Vertrauen 7,61,3 auf Konzepte wie των έν τοις πολεμοις παραλόγων, και τό τ η ς τύχης und 7,77 zusätzlich dazu auf göttlichen Beistand, (auch wenn er in dieser Situation wohl kaum etwas anderes hätte sagen können), zeigen ihn nicht nur als Vertreter eines traditionellen Weltbildes, sondern deuten auch seine Verzweiflung an, zumal sie mit seiner zweiten Rede in Widerspruch stehen (6,23,3 ότι ελάχιστα τη τύχη παραδούς έμαυτόν). 709 In Sizilien war er als Feldherr wider Willen, dessen zögerliches Verhalten der Vermeidung von Gefahr dienen sollte, den Anforderungen des Feldzuges in keiner Weise gewachsen. So war es ein Fehler, nach der ersten gewonnenen Schlacht gegen Syrakus sich nach Katane zurückzuziehen (6,68-71), was 7,42,3 auktorial kritisiert wird. Ebenso konnte er nach Lamachos' Tod weder die Vorteile, die er während der Belagerung erlangt hatte, nutzen, noch Gylippos' Ankunft verhindern. Dazu gehören die allgemeine Untätigkeit der Flotte während der Belagerung von Syrakus, die er im Brief 7,13, in dem er die Fakten zu seinen Gunsten manipuliert, als allgemeines Phänomen zu rechtfertigen sucht, die auktorial kritisierte Motivation, sondern auch die Auswirkungen des politischen Handelns steht mit dem privaten Leben des Staatsmannes in engem Z u s a m m e n h a n g . " Ebenso Kallet 2001, 33f. 707 K a g a n 1981, 2 1 4 : „ A force o f 60 Athenian triremes without infantry might well have gained the support o f Sicilian cities, hostile to and frightened o f Syracuse and seeking to use the Athenian force in their own interests. They could not fear that Athens would try to conquer the island with such a force. T h e larger armament, however that arrived 4 1 5 , seemed to post Sicilians a greater threat than S y r a c u s e . " 708 Orwin 1994, 121: „While the force still at his disposal is perfectly sufficient for retreating (and while the Syracusans would still be glad to permit it to depart), and now that even a larger force can no longer assure victory, N i c i a s offers the Athenians at home a choice between recalling the expedition and committing to it most o f their remaining resources. By now he really ought to know which o f these options they will adopt ( 7 . 1 0 - 1 6 ) . " 709 Kirby 1983, 192: „ B u t throughout B o o k VII he b e c o m e s increasingly superstitious and obsequious to τ ύ χ η ..."

Gestaltung und Funktion der Reden bei Thukydides

665

Befestigung des Plemmyrion (7,4), die Verzögerung der Abfahrt aus Angst vor Strafe (7,48), wobei er gegen seinen Grundsatz des τά υπάρχοντα 710

σω£ειν zur Verschwendung von Geld rät, und die Reaktion nach der Mondfinsternis. Zwar würdigt Thukydides 7,86,5 seine tadellose private Lebensführung und traditionelle αρετή gegen Götter und Menschen, bedauert auch sein trauriges Ende, schreibt ihm aber anders als bei Themistokles, 711 Perikles, Brasidas und Hermokrates keine intellektuellen Fähigkeiten zu. Er ist ein pflichtbewußter Mensch, ein Nachfahre des kimonischen Athens, der den Tod eines epischen Helden stirbt, er paßt aber 712

geweder ins Athen des Perikles, dessen Gegenteil er verkörpert, schweige denn in das des Alkibiades, dessen Charakter er überhaupt 713 nicht zu beeinflussen vermag. Er erinnert an einen tragischen Warner. Dabei hat Thukydides aus dem ihm zur Verfugung stehenden Material nach den 710 Westlake 1968, 198: „Nicias was guilty of unpardonable selfishness in subordinating the vital interests of Athens to his own desire to avoid personal dishonour." Bereits 5,46,4 wird diese Angst ( έ φ ο β ε ΐ τ ο μή ... διαβληθή) erwähnt. 711 Auf diesen Punkt weist besonders Murray 1961, 36 hin. 712 Romilly 1951, 157: „Assurer l'avenir, retenir tranquilles, c'est dejä une morale assez contraire ä celle de Pericles." Macleod 1975, 62: „Nicias retains of Pericles only the caution, he fails to stand for the democratic empire." Edmunds 1975, 114: „Nicias' quietism flatly contradicts Pericles' exhortation to toil and defense the empire." Rawlings 1981, 129 nennt sie „complete opposites in almost all respects." W ä h r e n d Perikles seiner rationalen γ ν ώ μ η vertraut und die τ ύ χ η ausschließt (l,140ff.), räumt Nikias 5,16,1 und 6,23 und noch mehr 7,61 und 77 der ε υ τ υ χ ί α und τ ύ χ η große Macht ein. W i m m e r 1973, 209ff. betrachtet τ ά υ π ά ρ χ ο ν τ α σ ω £ ε ι ν als Fortsetzung der perikleischen Politik (1,144,1 α ρ χ ή ν τ ε μή ε π ι κ τ α σ θ α ι α μ α π ο λ ε μ ο ϋ ν τ ε ς und 2,65,7), übersieht aber, daß N i k i a s ' Prinzip zeitlich unbegrenzt ist. 713 Z a d o r o j n y i 1998, 302f vergleicht in mit A g a m e m n o n . : „ H o m e r i c o v e r t o n e s contribute to Nicias' characterization. In T h u c y d i d e s ' Nicias we find a peculiar combination of plotting, defeatism, and valour; A g a m e m n o n as a commander cuts likewise a controversial figure in the Iliad. More important, A g a m e m n o n serves as the model through which Thucydides seems to express his overall conviction that traditional patterns of political behaviour fall short of success under the pressure of the Peloponnesian w a r . " A b e r A g a m e m n o n , der im ersten G e s a n g der Ilias Achilleus' Groll auslöst, ist ein ganz anderer Typus als Thukydides' Nikias. Marinatos 1980, 308f. vergleicht ihn als Warner mit dem Perser Hdt. 9,16 und Kassandra Aisch. Ag. 1202f„ die selbst u m k o m m e n . S. 310 meint sie, Thukydides bezwecke weder Mitleid noch Ironie, sondern wolle „bringing out Nicias' virtue and tragic fate. In his person, Thucydides did not only present the political man, but the tragic ' w a r n e r ' , a well-known type in fifth century literature." Rood 1998a, 167 weist aber auf Nikias' Mitschuld des hin, der durch sein kommunikatives Defizit und seine falsche Kriegsführung die Katastrophe verschlimmert hat.

666

THUKYDIDES

flir ihn relevanten Kriterien ein zwar vielschichtiges, aber dennoch stimmiges Porträt geschaffen und dabei die Antinomie zwischen Nikias' Rechtschaffenheit und seinen kommunikativen und militärischen Defiziten herausarbeitet. Daß Thukydides die von Diodor 13,20,2 erwähnte Proxenie mit Syrakus wohl ,unterschlagen' hat, ist wie beim Egesta-Dekret damit zu erklären, daß er diese nicht nur als nicht relevant, um Nikias' Handlungen zu verstehen, sondern sogar als schädlich für das Wesentliche, nämlich das Wesen des Nikias, einschätzte. 714 Abzulehnen ist auch De Sanctis' spitzfindige Rekonstruktion, gemäß der Nikias zwar der spiritus rector der Expedition gewesen, aber von Thukydides durch Entstellung der Fakten 715 absichtlich geschont worden sei.

714 Für Trevett 1995, 246 deuten Nikias' gute Informationen über Syrakus (7,48,2ff.) auf die Proxenie hin: Umgekehrt könnten genau diese auch anderweitig gewonnenen Erkenntnisse dazu geführt haben, daß ein späterer Historiker eine Proxenie postuliert hat. Trevett kritisiert diese Unterschlagung S. 247: „It is possible that he omitted the proxeny as a personal detail, and as such irrelevant. ... But if he did omit it for this reason, he is guilty of misleading his readers when he represents Nikias as denying that he has any personal interest in speaking against the expedition (6,9,2)", meint aber S. 248: „Any reference to the proxeny, even to deny its relevance, might distract the reader from the strength of the arguments which Nikias advances. ... But sympathy any also have played a part." Ob dies mit Sympathie zu tun hat, ist angesichts der auktorialen Kritik und der insgesamt negativen Darstellung des Nikias zu bezweifeln. Vgl. bereits Ellis 1979, 59: „The character Nikias represents ... opposition to the expedition; equally clearly we are to see that this opposition is soundly based on proper knowledge about the nature of Sicily ... T o admit that Nikias had, or had had close business contacts with Syracuse ... would be to distract attention from this understanding." 715 De Sanctis 1927, 148 betrachtet die Darstellung als „l'apologia piü efficace quanto meno appariscente del generale che ha voluto la grande spedizione e l'ha condotta al disastro finale." Ähnlich Laffi 1970, 284, für den „Nicia non era contrario per principio ad un intervento in Sicilia" und die von Alkibiades gewollte Expedition „a malincuore" schon vor der zweiten Ekklesie akzeptiert habe. Dagegen meint Vattuone 1978, lOOf., Nikias' Sinneswandel werde von Thukydides ex post als totale A b l e h n u n g des Feldzuges dargestellt, da er „interpreta Nicia opposizionalmente ad Alcibiade come uomo della pace, attribuisce alia proposta di ingrandire l'impresa il significato di opposizione all'impresa" (S. 152). Daß Nikias ursprünglich die Beibehaltung einer Abschreckungspolitik gegen Syrakus befürwortet habe, dann in der ersten Volksversammlung überrumpelt worden sei und sich erst in der zweiten Ekklesie dagegen ausgesprochen habe, wie v. Fritz 1967, 741 meint, ist möglich, entbehrt aber jeglicher Grundlage im Text.

Gestaltung und Funktion der Reden bei Thukydides

667

b. A l k i b i a d e s : S c h o n b e i m e r s t e n A u f t r e t e n d e s A l k i b i a d e s , d e r als G e g n e r d e s N i k i a s f r i e d e n s f ü r d a s B ü n d n i s m i t A r g o s eintritt, b e t o n t T h u k y d i d e s s e i n e n E h r g e i z ( 5 , 4 3 , 2 φ ι λ ο ν ι κ ώ ν ) u n d sein E i g e n i n t e r e s s e . 7 1 6 A u k t o r i a l w i r d er 6,15 vor seiner ersten R e d e charakterisiert: Ehrgeiz und E m o t i o n e n prägen ihn, dazu trübt seine extravagante L e b e n s w e i s e , die als Z e i c h e n v o n Tyrannis angesehen wurde, das Verhältnis zu seinen Mitbürgern so sehr, daß T h u k y d i d e s darin einen G r u n d für A t h e n s N i e d e r l a g e sieht. Seine Diplom a t i e in d e r P e l o p o n n e s k u l m i n i e r t e in d e r S c h l a c h t v o n M a n t i n e i a . 7 1 7 E r z ä h l t d i e s e in s e i n e r R e d e z u d e n E r f o l g e n u n d e r l ä u t e r t g l e i c h z e i t i g d i e seinem W e s e n kongeniale diplomatische Strategie, die auf der persuasiven ' » 7 1 8 (πείθω) W i r k u n g seiner hochdosierten A f f e k t e (όργή) u n d seiner άνοια f u ß t ; d i e s e h a t l e t z t l i c h a u c h s e i n e n E r f o l g ü b e r N i k i a s in d e r R e d e n t r i a s bewirkt.719 Seine M a c h t beruht auf dem Glanz (λαμπρότης) seines privaten L e b e n s , v720 o n d e m er s e i n e n A n s p r u c h a b l e i t e t u n d a u f d i e A u ß e n p o l i t i k überträgt. E r v e r a c h t e t , w i e e r in s e i n e n R e d e n a u s d r ü c k t , d i e v o n P e r i 716 Rood 1998a, 154. Von Perikles unterscheidet ihn „stressing his vexation at a personal slight ... Other features (his youth, his prominent ancestors, his concern for honour, his rivalry with Nikias) look ahead to the Sicilian debate." 717 Ellis 1979, 48 betont zu Recht: „Thucydides shaped the narrative of 421 and the following years to emphasize that brilliance, as much as Nicias ineffectiveness. ... it was the author's view that Alkibiades' qualities of leadership were considerable and that, consequently, his removal from the command was critical (11,65,11)." 718 avoLa als Gegenteil von ευβουλία (3,48,2) ist „Alcibiades' tendency to rush madly into the most audacious enterprises, apparently without the necessary backing, and then bring them to fruition " (Forde 1989, 87). 719 Hunter 1973, 144 beschreibt seine Rolle bei der Entscheidung zur Expedition folgendermaßen: „Emotion prevails over reason and they vote for war. In this decision Alkibiades plays a triple role: As the type of ε π ι θ υ μ ί α he symbolizes their major passions, έ ρ ω ς and έ λ π ί ς . Along with the Egestians he also represents πειθώ. And finally, sharing as he does in the general απειρία, he increases their ardor with misinformation." 720 So Forde 1989, 104. Ebenso Carter 1986, 14: „Lamprotes ... is doing duty for Homeric kleos and brings time in its wake ... But through the character of Alcibiades, the idea of lamprotes leads on to that of tolma- daring to far." Bloedow 1992, 140: „The basic meaning of λ α μ π ρ ό ς has to do with outward appearance, and when applied to persons it means 'well-known, illustrious by deeds, stations etc.', but it does not define the origin or source of the 'deeds, station, etc.'." Für Jordan 2000, 78f. ist es das Leitmotiv der Sizilischen Expedition und Alkibiades, S. 79: „Of the six occurrences of λαμπρότης in Thucydides, four refer to Alcibiades and the Sicilian expedition: (έλ)λαμπρΰνεσθαι is used twice and only of Alcibiades." Dasselbe gilt für αΰχημα und α ΰ χ η σ ι ς 2,64,2: λαμπρότης 2,64,5 Perikles, 4,62,2 Hermokrates; 6,31,6; 7,69,2; 77,6; 6,12,2; 16,3.

668

THUK.YDIDES

kies so hoch geschätzte demokratische Gleichheit. Dem Primat der Polis 721

bei jenem setzt er den Primat des Individuums entgegen und ordnet das Wohl der Polis seinem eigenen unter, und von einer krankhaften Geltungssucht geprägt, ist für ihn das Streben nach persönlichem Prestige (τιμή bzw. φιλοτιμία), das er als Wert 722 verabsolutiert und dem er alle anderen Werte unterordnet, höchstes Ziel. Selbst nicht institutionalisierbar und 723

kompatibel mit der demokratischen Polis, geht er so weit, implizit fur sich selbst die Geltung einer Polis mit eigener Gesetzlichkeit zu fordern, womit er auch den Verrat an seiner Heimatpolis und das Bündnis mit Sparta rechtfertigt. 724 Dabei verkörpert er den dynamischen athenischen Volkscharakter der πολυπραγμοσύνη und spielt im Transformationsprozeß 721 Erbse 1989a, 169: „Den Ansprüchen der staatlichen Gemeinschaft, den Idealen der Einigkeit und Gleichheit steht der Egoismus des Einzelnen gegenüber, der persönliche Ehrgeiz ..." Forde 1989, 68: „Alcibiades ambition and talent have liberated themselves from any ordinary attachment to city." Orwin 1994, 123f.: „While Pericles had extolled an equality of glory among citizens predicated on the preeminence of Athens among cities, Alcibiades enjoins his fellow citizens to confront their c o m m o n inferiority to h i m . " Romilly 1995, 120: „La poursuite d'avantages personnels ... passent devant la preoccupation du bien public." Friedrichs 2000, 73 spricht von einer 'Ethik des Eigennutzes': Während früher, S. 77f. „nur die Stadt als Kollektiv berechtigt ist, die Grundsätze der Moralität durch die amoralischen und interessengeleiteten Prinzipien des Imperialismus zu ersetzen. ... beginnt die kollektive Amoralität auf die Individuen zurückzuwirken." 722 Die Suche nach τ ι μ ή ist die raison d'etre für große Individuen wie Achill, Aias etc. (Gribble 1999, 12ff.). Woodhead 1970, 93: „He wishes others to confide in his ability, he wishes to requite that confidence with success and he wishes to receive the honour success has deserved." Forde 1989, 186: „The extreme character of Alcibiades' hybris consists in his unshakeable conviction that he is worthy of the position he aspires to, and that the force of his superiority, made plain by his deeds and his rhetoric will be enough to obtain and maintain that position for h i m . " Gribble 1999, lOff. weist mit Recht d a r a u f h i n , daß Alkibiades' Individualismus nicht bedeute, daß sich Alkibiades als außerhalb der Polis stehend betrachtete und Vorbote einer individualistischen Gesellschaft war, sondern daß er in der Gesellschaft einen Superlativen Status suchte, der dem Gleichheitsideal der Demokratie zuwiderlief. 723 Rechenauer 1991, 315, A n m . 129 bezeichnet ihn als „nichtintegriertes, dissoziiertes Element im Staat." Die Metapher des Löwen Aristoph. Ran. 1431 f. steht für„a fiercely proud and powerful creature arousing admiration, but also a savage figure of nature rather than of culture, unacceptable and dangerous when released in the city" (Gribble 1999, 1). 724 Forde 1989, 98 f.: „Alcibiades ... considering himself an actor not only of great significance within the city but virtually of equal significance with the city. ... the statesman is an independent actor, on whose ambitions carry their own justification."

Gestaltung und Funktion der Reden bei Thukydides

669

725

der Spartaner eine wichtige Rolle. Er rechtfertigt 6,16 seinen ausschweifenden privaten Lebenswandel mit den gleichen Kategorien wie die Athener (1,73,1; 75,1; 76,2) ihre Polis und Perikles die άρχή. 726 Aber gerade sein unbürgerlicher, altaristokratischer und exzessiver Lebenswandel nährte den von seinen Gegnern geschürten und vergrößerten Verdacht des Demos, er strebe die Tyrannis an. Alkibiades besitzt von den vier 727 Perikleischen άρεταί wohl z.T. γνώναί τ£ τά δέοντα και έρμην^υσαι, ist aber als Verräter keineswegs φιλόττοf

728

λίς τ€ και χρημάτων κρείσσων. Diese Gegensätze haben, wie aus den Anmerkungen hervorgeht, auch in der Forschung zu gegensätzlichen, selten ausgewogenen Urteilen geführt. Gerade weil ihm das Ethos des perikleischen Staatsmannes fehlte, „konnte seine 729 vielseitige Begabung weder ihm selbst noch dem Staat von Nutzen sein." Mehr als Perikles,

725 E d m u n d s 1975, 11 Of".: „ A l c i b i a d e s is s i m p l y the recrudescence o f the true Athens, with his scorn o f c h a n c e and his w i l l i n g n e s s to run all risks ... N i c i a s believes that he is o p p o s i n g the youthful r a s h n e s s o f A l c i b i a d e s , but in reality it is the spirit o f A t h e n s which s p e a k s through A l c i b i a d e s . " C o n n o r 1985a, 166: „ H i s speech succ e e d s b e c a u s e his p o l i c i e s are g r o u n d e d in the Athenian t e n d e n c i e s toward constant activity, e x p a n s i o n , and a g g r e s s i v e n e s s . ... T h e s i g n i f i c a n c e o f A l c i b i a d e s ' speech ... lies ... in its understanding and illumination o f Athenian character." Debnar 2 0 0 1 , 2 1 5 : „ A l c i b i a d e s d o e s not merely a d v i s e the S p a r t a n s to act like the Athenians, he enacts the transformation." 726 Für M a c l e o d 1975, 4 8 ist es nicht erstaunlich, daß A l k i b i a d e s ähnlich w i e Athen, d a s a l s π ό λ ι ς τ ύ ρ α ν ν ο ς 1,122,3 und 2 , 6 3 , 2 erscheint, bezichtigt wurde, die Tyrannis anzustreben (6,15,4). V g l . Forde 1989, 81 und Gribble 1999, 193. 7 2 7 M c G r e g o r 1965, 4 3 , gibt ihm „ability to predict the f u t u r e " von A n f a n g seiner Karriere an. E b e n s o L o b bei B e n g t s o n 1972, 3 2 f f . , der ihn a l s einen großen Feldherrn und Strategen bezeichnet. 728 B e n d e r 1938, 75: „ D i e persönlichen F e i n d e im Vaterland stehen bei A l k i b i a d e s höher a l s die Spartaner, die L a n d e s f e i n d e . Mit d e m Parteifeind gibt es keine Versöhnung, wohl aber mit dem L a n d e s f e i n d . " S e i n e R e d e in Sparta, z e i g t „ d a ß der V e r b a n n t e a l s Hochverräter handelt und a u s Eitelkeit oder E h r g e i z seine L a n d s leute kaltblütig dem sicheren Verderben ausliefert" ( E r b s e 1989a, 88). 7 2 9 E r b s e 1989a, 92. E b e n s o Westlake 1968, 2 6 0 . S c h a d e w a l d t 1929, 18: Er ist „der große Sohn j e n e r Zeit des politischen Z e r f a l l s " und hat „ H y p e r t o n i e der individuellen K r ä f t e . " G u t K i r b y 1983, 2 0 2 : „ P o l i t i c a l c h a m e l e o n , o p p o n e n t o f N i c i a s , seeker o f g l o r y ... He is a f a s c i n a t i n g but a l s o terrifying c r e a t u r e . " Zu weit geht C o r n f o r d 1907, 1 8 8 f f „ der ihn a l s Verkörperung der ' Α π ά τ η sieht, der die Athener versucht und täuscht, S . 194: „ A l c i b i a d e s c o m e s b e f o r e us a s an incarnation o f A p a t e . " B l o e d o w 1992, 156f. aberkennt ihm positive Fähigkeiten: „ H e m a y have been ' c l e v e r ' , ... as result o f which he w a s looked upon a s 'brilliant', but he lacked intelligence in the s e n s e in which T h u c y d i d e s a p p l i e s ξ ύ ν ε σ ι ς to certain individu-

THUKYDIDES

670

auf dessen Tradition er sich implizit beruft, die er aber nach seinen Vor730

731

Stellungen verändert, gleicht er Themistokles. Im Gegensatz zu Perikles stellt er in den Reden, 732 die beide apologetische Tendenz aufweisen, die eigene Person ins Zentrum. Dabei waren seine Rückberufung und Flucht nach Sparta, das er mit ,Insider-Wissen' versorgte und aus der Lethargie aufweckte, in der Darstellung des Thukydides ausschlaggebend für das Scheitern der Expedition. Inwieweit Alkibiades in Thukydides' Augen mit seiner vor allem diplomatischen Strategie in Sizilien Erfolg gehabt hätte, ist schwer abzuschätzen und wird in der modernen Sekundärliteratur 733 kontrovers diskutiert. Zwar hatte er in Bezug auf die Spannungen in als. Whatever degree of intelligence he may have possessed, it was chiefly a negative." 730 Romilly 1951,180: „Non seulement il se fait, c o m m e Pericles - quoique dans un domaine autre - l'adepte d ' u n e impopularite que compense la gloire: il exprime encore sur r i m p e r i a l i s m e meme des idees tres similaires. C o m m e Pericles ... Alcibiade se rattache ä la grande tradition des guerres mediques et des Cinquante Annees (2,62,3 = 6 , 1 7 , 7 ) ; c o m m e lui, il se reclame de tous ceux qui ont jamais exerce I'empire (2,64,5 = 6,18,2). C o m m e lui enfin il evoque le danger que l'hostilite de tous les peuples fait courir ä Athenes, et qui la contraint ä poursuivre indefiniment son imperialisme (2,63,2 = 6,18,3)." Dagegen Leppin 1999, 167: „Trotz seiner Brillanz reicht Alkibiades nicht an Perikles heran. Es fehlt ihm nicht nur die Fähigkeit, auf Dauer das Vertrauen des Volkes zu gewinnen, er verfolgt überdies ausschließlich seine eigenen Interessen." 731 Vgl. 1,138,3 und 6,12,2 und 16,3, dazu Rawlings 1981, 98: „It seems quite likely that the digression on Themistocles is written in order to provide an historical paradigm for the problem of Athenian leaders and their treatment at the hands of the Athenian democracy, and specifically for the career of Alcibiades." 732 Barth 1965, 252ff. Hogan 1989, 197: „In the Funeral Oration Pericles praised the selfless devotion of those who had died in the War (2,42,4). Even more pointed is the contrast with Pericles' last speech, in which he, like Alcibiades ... was forced to defend himself against the anger of the people, and thus faced a rhetorical problem similar to Alcibiades." 733 Westlake 1958b, 107: „The narrative of Books 6 and 7 certainly does not provide obvious corroboration of the thesis that the Sicilian expedition failed because Alcibiades was recalled. It is true that the decision to recall him is represented as an important event." Brunt 1952, 64 meint, die Expedition sei zum Scheitern verurteilt gewesen und Alkibiades durch die Ereignisse widerlegt worden; ebenso Stahl 1973, 66; für Hunter 1973, 139 ist sein Plan ein γ ν ώ μ η ς α μ ά ρ τ η μ α , der auf ε π ι θ υ μ ί α (6,15) fußt. Macleod 1975, 42: „But it does not imply that his presence on the campaign would have brought success, only that his recall and condemnation began a chain of events which ended in catastrophe." Kagan 1981, 182: „Alcibiades' account of Sicilian affairs, though one-sided and exaggerated, w a s not entirely wrong." V. Fritz 1967, 747 kritisiert seine diplomatische Strategie 6,48, weil „die Verzögerung des von Lamachos vorgeschlagenen sofortigen A n g r i f f e s auf Syra-

Gestaltung und Funktion der Reden bei Thukydides

671

Syrakus und die Unterlegenheit der syrakusischen Hopliten und den (anfänglich) schlechten Zustand der syrakusischen Infrastruktur recht. Alkibiades unterschätzte aber die vom riesigen Expeditionsheer augelöste Furcht, die die Sizilier einte, und rechnete die Wesensgleichheit des demokratischen Syrakus, das anders als das oligarchische Sparta viel dynamischer war, nicht ein. Auch erklärte er nicht, wie er nach einem möglichen Sieg über die sizilischen Feinde die Herrschaft dort sichern und stabilisieren wollte. Ebenso schätzte er 6,18,6 die Eintracht der athenischen Bürgerschaft falsch ein, wie sich in der Reaktion des Volkes auf den Hermenfre1

·

t vel zeigte.

734

c. Hermokrates: Hermokrates wird 6,72 von Thukydides auktorial als intelligenter, erfahrener und tapferer Mann gewürdigt; ebenso wird er von den modernen Interpreten wegen seiner Fähigkeiten durchweg gelobt, mit Themistokles 735 und Perikles verglichen und als Antinomie zu Alkibiades aufgefaßt. kus, in Verbindung mit weiteren Mißerfolgen ... ein rapides Absinken des Prestiges der Athener bei den Syrakusern zur Folge" hatte; hingegen meint Maele 1970, 27ff., der Plan hätte bei mehr Zeit Aussicht auf Erfolg gehabt. Dieselbe diplomatische Strategie verfolgten Nikias nach Alkibiades' Flucht und Gylippos. Reale Erfolgschancen räumen ein: Hatzfeld 1940, 145; McGregor 1965, 33f.; Laffi 1970, 291: „L'analisi di Alcibiade partiva da un'acuta valutazione della situazione politica quale si presentava in Sicilia e in Grecia. Considerati gli elementi favorevoli e quelli contrari, non era insensato ... nutrire buone speranze in un esito favorevole della spedizione." S. 300: „La f u g a di Alcibiade a Sparta con le conseguenze politiche e militari che comportö decise in senso sfavorevole ad Atene l'esito della spedizione siciliana. M a Alcibiade aveva preparato un piano che avrebbe potuto assicurare ... ad Atene la vittoria." Vattuone 1978, 109: „Agli occhi di Tucidide lo stratego Alcibiade avrebbe potuto contribuire al successo della cittä ed il suo allontanamento dalla Sicilia fu un grave errore." Ebenso Forde 1989, 180 und Orwin 1994, 123: „Athens fails in Sicily not because the project is doomed from the start, but because Nicias and the rank and file doom it by their Melianism." 734 Macleod 1975, 61: „His present policy is based on more impressions; above all an ideal image of Athens together with a distorted view of Sicily and faith in the politic qualities of youth and fortune." 735 Bender 1938, 82ff., der ihm alle vier Perikleischen Fähigkeiten von 2,60,5 zuschreibt, lobt in ihm den Ausgleich zwischen „dorischer Z u c h t " und „athenischem W a g e m u t " (S. 106). Westlake 1973c, 200: „He was indeed a true patriot; ... his patriotism was not limited by the boundaries of his own city-state but embraced all Greek Sicily." Hunter 1973, 172: „Hermokrates is truly the most fully developed statesman in the History, in Thucydidean terms, ά ρ ι σ τ ο ς ε ί κ α σ τ ή ς . " Tzifopoulos 1995, 113f. übertreibt Hermokrates' Bedeutung und treibt den Vergleich mit Themistokles zu weit, wenn er meint, Thukydides schreibe Hermokrates dessen Qua-

672

THUKYDIDES

Nach Perikles und Nikias ist er der wichtigste Redner, der drei Reden, einmal ohne Gegenrede, hält. In Gela plädiert er für die Einheit aller Sikeler; in Syrakus tritt er als Patriot auf, der sich für das Wohl der Polis einsetzt, und schlägt konkrete Maßnahmen vor, die bis auf den riskanten offensiven Vorstoß, der auf der psychologischen Wirkung des Überraschungsmoments fußt, umgesetzt werden; ebenso interpretiert er die athenischen Absichten richtig und zeigt wie Athenagoras e contrario die Gefahr des athenischen Plans auf; seine strategische Analyse erweist sich aber nicht in allen Punkten als korrekt, zumal er Athens Militärmacht und Erfahrung unterschätzt. 736 In seiner indirekten Rede 6,72 macht er seinen Mitbürgern Mut, analysiert und begreift die Niederlage nicht als Mangel an Mut, sondern an επιστήμη und straffer Führung, die in einem Lernprozeß wettgemacht werden kann, und schlägt konkrete Reformen vor, die ihn als gemäßigten Oligarchen, der ein demokratisches System akzeptiert, charakterisieren. In Kamarina setzt er sich nicht ohne Erfolg, sophistisch geschickt aus einer ungünstigen Position argumentierend, wie in Gela für die Einheit der stammverwandten Dorier und gegen die äußere athenische Einmischung ein. Er engagiert sich an Gylippos' Seite beim Transformationsprozeß des mit Athen wesensgleichen Syrakus zur Seemacht, wie seine

litäten zu, „since only such a general would be able to accomplish what nobody at Athens could ever believe possible when they voted for the expedition." Hinrichs 1981, 57 weist auf auffällige Entsprechungen in den Lebensläufen von Hermokrates und Alkibiades, die beide ehrgeizige Pläne hatten und verbannt wurden, hin, muß sich dabei aber auf viel außerthukydideisches Material stützen. Dabei sei Hermokrates die positive Folie zu Alkibiades' Egozentrismus (besonders in den Reden, die jeweils mit der Erwähnung seiner eigenen Person und mit einer persönlichen Rechtfertigung beginnen), S. 59: „Vermutlich hat Thukydides den Hermokrates von Syrakus und dessen Selbstlosigkeit so sehr hervorgehoben, weil er hierin zum Alkibiades das positive Gegenbild abgab." Doch ist diese Rekonstruktion zu schematisch und simplifizierend. In der Rede in Kamarina spricht er als Syrakus' Gesandter und vertritt die Interessen seiner Polis. Negativ wird Hermokrates von Grosso 1966 bewertet. Trotz strategischer Qualitäten sei Hermokrates antidemokratisch gewesen und habe die Macht in Syrakus angestrebt. Dabei geht aber Grosso, der die Bedeutung des auktorialen Lobes 6,72,2 einschränken möchte, stillschweigend davon aus, daß Thukydides als Demokrat Hermokrates' angebliche oligarchische bzw. tyrannische Tendenzen tadle. 736 Laffi 1970, 288: „Contrariamente alle pessimistiche previsioni di Nicia e alle ottimistiche speranze di Ermocrate e Atenagora l'union sacree delle cittä siceliote sotto l'egida siracusana non si verificö." Daher nicht zutreffend Mader 1993, 439: „Athenagoras' insistence on Athenian intelligence is used by Thucydides to suggest that their daring undertaking evinces - quite contrarily - άμαθία and lack of λογισμός. Nicias' verdict of the expedition as άνόητον is implicitly endorsed."

Gestaltung und Funktion der Reden bei Thukydides

673

indirekte Rede 7,21,4 zeigt, die die Überlegungen von 6,72 weiterfuhrt und ergänzt. 7,73 gelingt es ihm, durch eine List den Abzug der besiegten Athener zu verhindern. Als Redner ist er besonders in seinen Reden in oratio obliqua ziemlich erfolgreich, auch wenn er sich nicht immer zur 737

Gänze durchsetzen kann, und trägt dazu bei, vor Gylippos' Ankunft den syrakusischen Widerstand zu organisieren. d. Gylippos: Gylippos' Ankunft bewirkt die Peripetie. Neben spartanischer Disziplin hat er auch athenische Fähigkeiten, die an Brasidas erinnern; er macht den verzweifelten Syrakusern Mut und legt in indirekten Reden (7,5,3 und 7,21) seine Strategie dar. Zusammen mit den syrakusischen Strategen erkennt er 7,66ff. in der Paränese die günstige Gelegenheit, die Athener 738 vollständig zu vernichten. e. Athenagoras / Euphemos: Athenagoras, der keine individuellen Züge aufweist, repräsentiert wie Kleon den Typus des Demagogen; dasselbe gilt für den Gesandten Euphemos, der als Sprecher Athens für den Leser, der weiß, daß er seine wahren Absichten verbirgt, eine politisch vernünftige Position vertritt. Beide Redner sind erfolglos und geben der Handlung keine Impulse. Vielmehr dienen sie dazu, durch die Erweiterung des argumentativen Spektrums die Analyse des Geschehens zu vertiefen. f. Demosthenes: Demosthenes, der erfolgreiche Feldherr in Pylos, analysiert 7,42 die Situation richtig; ebenso plädiert er nach dem Scheitern seines Planes 7,47 realistischerweise für den Abzug. Thukydides macht ihn im Gegensatz zu Nikias nicht zum Protagonisten der Niederlage. Daher hält er auch keine direkte Rede ™ g. Die Menge: 737 Daher ist Hinrichs 1981, 53 abzulehnen: „Alle drei [sc. Reden] sind durch die Ereignisse nicht eigentlich gefordert, sie stehen im Werk verhältnismäßig unabhängig vom Gang der Handlung. Sie bewirken nichts." 738 Für Harding 1973, 212 zeigt er in der Paränese 7,66 „imagination, prompt decision, and energy." 739 Kern 1989, 79: „The representation of Demosthenes remains curiously flat, and Thucydides never gives him a speech. ... Thucydides finds the story of Nicias especially appropriate to his larger story ... of the defeat of Athens."

674

THUKYDIDES

Außer den auktorial berichteten non-verbalen Reaktionen des Publikums (όρμή in Athen 6,19 und 24, Lachen in Syrakus 6,35), bleibt dieses, obzwar in Athen und Syrakus Entscheidungsträger, weitgehend stumm. Dabei weist der Entscheidungsprozeß in Athen, wie die zwei Volksversammlungen und die Redentrias beweisen, große Defizite auf. Mangelndes Wissen (6,Iff.), Manipulierbarkeit der von kühnem Charakter (τόλμα) und Affekten (έρως) geleiteten Masse, die nach Perikles' Tod wegen der zunehmenden Führungslosigkeit und dem Individualismus des begabtesten Politikers nicht mehr gebremst und in vernünftige Kanäle geleitet wurden, und Zerstrittenheit im Innern (nach dem Hermenfrevel und Alkibiades' Flucht, wobei die Schwächen des Systems gezeigt werden,) illustrieren den Zerfall des nachperikleischen Athen an und sind, wie auktorial 2,65 und 6,15 angeben, Gründe für die Niederlage. 740 Der Gegensatz im Wesen zwischen Athens πολυπραγμοσύνη und Spartas ήσυχία bröckelt während des Peloponnesischen Krieges allmählich ab, wichtige Konzepte wie σωφροσύνη, ήσυχία, κόσμος etc. verschwinden, die Spartaner erachten athenische Konzepte für wichtig; Brasidas, Hermokrates und Gylippos haben als Dorier athenische Wesenszüge, Nikias gleicht dagegen einem

740 Ellis 1979, 56: „It is for this reason - that Thucydides saw and wished us to see the decision as an Athenian responsibility - that the debate is given in the setting of the second assembly, with the decision already made, and not the first." Zu schematisch Ober 1994, 119: „After Perikles' death, demokratia existed as an ergon ... As a result, decisions were predicated on speech-contests rather than on fact and foresight. Speech-contests were the result of, and in turn exacerbated, selfishness and factionalism. ... In Thucydides' text, the public performance of a speech act in the democratic polity does not felicitously call into being socio-political realities, it evokes a false and fragile vision of reality that is shattered by its inevitably collision with brute fact. Perikles' inferior successors competed through public speech for the 'leadership' of the demos - a leadership that the text now reveals as the spurious privilege of using lies in order to persuade the demos to enact fiction." Differenziert Bleckmann 2006, 5 8 I f . : „Thukydides hält in seiner Darstellung des Alkibiades beispielhaft die Einwirkung biographisch-kontingenter Faktoren auf den Verlauf der Weltgeschichte fest, und zwar in sehr differenzierender ... Art und Weise. Motor der historischen Entwicklung sind ... die Entscheidungen der athenischen Volksversammlung gewesen. ... Von einer Reduktion historischer A b l ä u f e auf rein moralisierende Deutungsmuster kann bei Thukydides nicht die Rede sein. Vielmehr zeigt er mustergültig auf, wie in ... der athenische Demokratie, in der die Richtlinien der Politik im personalen Beziehungsgefüge von leitenden Politikern einerseits und dem Demos andererseits bestimmt werden - ganz konkrete und kontingente persönlich-biographische Faktoren, ... die tiefe Prägung des arroganten Alkibiades durch obsolet g e w o r d e n e altaristokratische Verhaltensweisen, historische Entscheidungen nach dieser oder jener Seite bestimmen können."

Gestaltung und Funktion der Reden bei Thukydides

675

Altspartaner. Während die Spartaner am Anfang eines durch Alkibiades' A n k u n f t beschleunigten Transformationsprozesses ihres Charakters stehen, 74 ' vollzieht Syrakus, das ähnliche Anlage und demokratische Verfassung wie Athen besitzt (ομοιότροποι), dieselbe von Athen zur Zeit der Perserkriege durchgemachte Entwicklung unter umgekehrten Vorzeichen, wie Hermokrates andeutet (6,33), eignet sich dessen τόλμα an, löst es durch technische in der Not vollzogene Innovation im Bereich des Seekriegs als Thalassokraten ab und übernimmt dessen τι μή (7,56 und 66). 742

3.4.4. Inhaltliche Motive und Argumente der Reden Wie bei Herodot ergänzen und vertiefen die direkten Reden, die dem Rezipienten ein polyphones Netz von Deutungsansätzen und Interpretationskategorien eröffnen, die in auktorialen Kommentaren und indirekten Reden geäußerten Argumente und Motive: Die Argumentation ist meist sachlich und konkret, es fehlen außer in Notsituationen Hinweise auf das Göttliche; vielmehr rückt neben abstrakten Kräften vor allem die Psyche des Menschen mit seinen rationalen und irrationalen Aspekten in den Mittelpunkt.

741 Debnar 2001, 216 erkennt in der enthusiastischen Reaktion auf Alkibiades' Rede eine Transformation des spartanischen Wesens, das sich während des Peloponnesischen Krieges allmählich dem athenischen anglich. 742 So bezeichnet Rawlings 1981, 175 die Syrakuser als neue Athener, weil diese γνώμη, εμπειρία, επιστήμη, τ έ χ ν η haben. Ebenso Williams 1998, 264. Vgl. die auktorialen Kommentare 7,55,2 und 8,96,5. Aber Connor 1985a, 173: „Only gradually do the Syracusians fully embody the old Athenian characteristics. In a similar way the Athenians find it increasingly difficult to sustain and apply their old qualities of boldness, decisiveness, swiftness." Luginbill 1999, 174f. zu 8,96,5: „Thucydides' treatment of the transformation of Syracusian behavior indicates that he did believe that national character was susceptible to change over the long run, but that, ... dramatic events were necessary to effect such change ... As in the minting of coins, the collective psychological disposition of a people can be 'stamped' by the pressure of anangke of significant historical events that leave a lasting impression on the national psyche, producing, in effect, a national character." Der Wandel beginnt 7,21 ff. und ist 7,55,2 abgeschlossen; daneben hat aber gegen Luginbill 1999, 187, Anm. 69 auch die demokratische Verfassung eine Rolle gespielt, vgl. S. 429, Anm. 97.

676

THUKYDIDES

3.4.4.1. Abstrakte Kategorien: ανθρωπεία φύσις, αρχή, ανάγκη, ελευθερία, δουλεία Die athenischen Gesandten in Melos rechtfertigen in Übereinstimmung mit den Aussagen der früheren Redner 743 5,105 ihren Herrschaftstrieb mit einem auf der konstanten Natur fußenden Zwang (από φύσεως αναγκαίας) und verleihen ihm als ewiggültigem Gesetz (νόμον) im menschlichen Bereich universelle Geltung. Darauf aufbauend erweitert Alkibiades 6,18,3 diese Theorie. Zum einen wird der Drang zur Herrschaft mit einem immanenten Zwang (ανάγκη) verbunden; zum anderen wird die Expansion mit dem athenischen Charakter der πολυπραγμοσύνη und der ererbten (und schon von Perikles in Anspruch genommenen) Tradition 744 verbunden, wobei die Eigendynamik im Gegensatz zu Perikles' Grundsatz, während des Krieges auf Expansion zu verzichten, zeitlich und örtlich nicht begrenzt werden kann (ταμιεύεσθαι) und ein dem athenischen Wesen widersprechender Wechsel der Politik zu Ruhe und Untätigkeit (άπραγμοσύνη) eine existentielle Gefahr für Athen (κινδυνεύοι.μεν) darstellt. 745 Euphemos geht 6,82 wie die athenischen Gesandten 1,73 ff. e silentio vom Recht des Stärkeren aus und betont 6,84 ff. die Aspekte der Selbsterhaltung und Sicherheit (ασφάλεια), des Nutzens (ξυμφέρον) und wie Alkibiades die durch den athenischen Charakter ausgeübte Zwangsläufigkeit (πολλά άναγκά£εσθαι. πράσσειν, πολυπραγμοσύνη). Im Gegensatz dazu fordert Nikias die Bewahrung des status quo und die totale Abkehr von der bisherigen Expansions- und Bündnispolitik als ,Therapie' gegen die πλεονεξία. Diese Maßnahme, die im Gegensatz zu Perikles' zeitlich begrenztem Verzicht einen Paradigmenwechsel bedeutet, verkennt nicht nur die Tradition und Dynamik des athenischen Imperialismus, sondern auch den Charakter der Athener (6,9,3).

743 Zu 1,73ff. vgl. S . 4 1 9 f . 744 Vgl. 1,144,4; 2,36,2 und 2,62,3. 745 Zu Perikles vgl. 1,144,1 und 2,65,7. Die schwer zu beantwortende Frage ist nach Fliess 1966, 110, „whether it was possible to bring expansion to a halt and stabilise present possessions or whether the security of the empire could be insured only through ceaseless expansion." Dietzfelbinger 1934, 62 und Palmer 1992, 102 meinen, es handle sich um eine neue Erkenntnis des Thukydides, daß ein Machtstaat dem Z w a n g zur Expansion unterliege; Perikles hätte wohl mit der Zeit selbst den Paradigmenwandel vollzogen und diese Restriktion aufgehoben. Dies ist aber reine Spekulation, da Thukydides sich auktorial nicht darüber äußert, sondern dem Leser lediglich verschiedene Meinungen unterbreitet.

Gestaltung und Funktion der Reden bei Thukydides

677

Die άνάγκη 7 4 6 drückt einerseits die dem Imperialismus (6,18,3 und 87,2 / 4), der Demokratie (6,89,4) und in den zwischenstaatlichen Beziehungen (5,89) inhärenten Zwänge aus und rechtfertigt alle damit verbundenen Handlungen, anderseits steht sie konkret in Notsituationen, in denen subjektiv kein anderer Ausweg gesehen wird: so gebraucht Nikias den Begriff in Bezug auf den Friedensschluß der Spartaner 6,10,2, im Brief 7,13,1 und 14,2 und in Paränesen zur Erregung von πάθος 6,68,4; 7,62,2 / 4 und 77,5 / 7. Daneben drückt άνάγκη den psychologischen Zwang zu einer Apologie aus, die bei Euphemos 6,82,1 die Herrschaft, bei Alkibiades 6,16,1; 89,1 / 92,3 die eigene Person betrifft. Daneben hat der Selbsterhaltungstrieb (σωτηρία), konkret das Überle747

ben, als Argument besonders im Melierdialog eine wichtige Funktion. In den Paränesen spielt die Aussicht auf σωτηρία eine bedeutende Rolle für die Motivation: Nikias gebraucht es in der Paränese zusammen mit πατρίς, um die Soldaten aufzumuntern (7,61,1). Ebenso stellt Hermokrates 6,78,3 als Resultat der Hilfe an Syrakus die σωτηρία für Kamarina in Aussicht; das gleiche tut Alkibiades 6,92,5. Mit dem Selbsterhaltungstrieb rechtfertigt Euphemos 6,83,2 (vgl. auch 87) das attische Reich. Er spricht gelassen und ohne moralische Konnotation von δουλεία in Bezug auf die Ionier und in Bezug auf Leontinoi von έλευθεροϋν. Die Kategorien von ελευθερία und δουλεία haben ihren prägnanten Sinn noch mehr als bei Herodot einge748 büßt. Sie kommen in den Reden vor allem in Paränesen und der Propaganda der Gegner Athens, aber auch als Thema im Melierdialog mit der Antithese δουλεία = άρχή ελευθερία (5,92 und 112 als immaterieller Wert betont) vor, wogegen die Athener den Gegensatz zwischen Erhaltung des Lebens (σωτηρία) und dem Tod (τά δεινότατα παθεΐν) betonen; aber auch innenpolitisch kommt bei Athenagoras die Antithese δουλεία « ελευθερία 6,40 vor. Ebenso bezeichnet Hermokrates 6,77 das athenische

746 Allgemein dazu S. 428 f., A n m . 96. Auktorial wird damit der auf die K ä m p f e r ausgeübte Z w a n g bezeichnet: 7,57,1 / 6 f. kämpfen auf beiden Seiten Bündner ά ν ά γ κ η . 7,21,3 nennt Hermokrates in einer indirekten Reden den durch die Persergefahr ausgeübten Z w a n g als Ursache dafür (für den Innovationsschub), daß Athen Seemacht wurde. 747 So 5,85ff. 748 Oft wird in den Reden die athenische ά ρ χ ή als δουλεία bezeichnet: von den Korinthern: 1,68,3; 69,1; 121,5; 122,2; 124,3; den Mytilenaiern: 3 , 1 0 , 3 - 5 ; 13,6; den Thebanern: 3,63,3; 70,3 und 71,1; Brasidas: 4,86,1; 87,3; 5,9,9; Pagondas: 4,92,4; den Meliern: 5,86; 92, 100; Hermokrates; 6,76,2; 4; 77,1; 80,5; 82,3; Gylippos: 7,66,2; 68,2; vgl. Ps.-Xen. 1,18.

678

THUK.YDIDES

Reich als Beispiel der δουλεία, das die Antinomie zu den freien Peloponnesiern (ελεύθεροι) bildet. 749

3.4.4.2. Das Göttliche, der Neid (φθόνος) und der Zufall (τύχη) Das Göttliche spielt in den auktorialen und indirekten Passagen keine 750 Rolle. Auch in den direkten Reden kommt es nur sehr beschränkt vor: Die Athener begründen 5,105 das Recht des Stärkeren mit der menschlichen Natur; dasselbe wird, wenn auch als Vermutung, auf die göttliche Ebene übertragen, die aber für die menschliche Ebene als irrelevant betrachtet wird. Dagegen berufen sich Bedrohte auf göttliche Hilfe, so hoffen etwa die Melier 104 und 112 auf die τύχη εκ του θείου oder Nikias in der letzten Paränese 7,77, in der er in einem modernen Wahrscheinlichkeitsschluß (εικός) das archaische Konzept begründet, daß ein keine Mißgunst erregender Lebenswandel (άνεπίφθονα) und Glück auf göttliche Hilfe schließen lassen und daß nach dem Leiden die göttliche Mißgunst (φθόνος) nachläßt. Außerhalb dieses Kontextes hat der 751φθόνος keine göttliche Konnotation mehr, sondern ist gänzlich säkular; er widerfährt dem stärkeren Individuum wie Alkibiades im Privaten 6,16,3 (φθονείται) oder der stärkeren Macht wie Syrakus (6,78,2). Alkibiades meint 6,17,6, der Haß (μίσει) der nichtgriechischen Sizilier auf Syrakus sei ein Motiv für ein Bündnis. Die irrationale τύχη wird von den Meliern 5,104 unter die Lenkung des Göttlichen gestellt. Ansonsten ist sie ein unkontrollierbarer Faktor, der flir die Melier im Krieg das Stärkeverhältnis nivelliert (5,102 κοινοτέρας τ ά ς τ ύ χ α ς ) ; aber Nikias, der zwar auf die für Menschen schwer erreichbare 752 εύτυχία setzt, vertraut 6,23,3 der τύχη nicht. 6,11,6 betont er, daß man sich nicht durch ein vom Zufall verursachtes Mißgeschick der Feinde (τύχας) verleiten lassen (έπαίρεσθαι) dürfe, sondern diesen im Bereich der rationalen Planung (τάς διανοίας κρατήσαντας) überlegen sein müsse. 749 R a a f l a u b 1985, 321 weist a u f den G e g e n s a t z z w i s c h e n den w e r t n e u t r a l e n α ρ χ ή , ύττήκοοι und den n e g a t i v - p o l e m i s c h konnotierten τ υ ρ α ν ν ί ς , δοϋλοί hin. Alle diese Termini s t a m m e n aus der Propaganda. 750 So fehlt j e g l i c h e r B e z u g zu den G ö t t e r n auch in den indirekt berichteten Überleg u n g e n der S p a r t a n e r , o b w o h l d i e s e in den K a t e g o r i e n v o n δ ί κ α ι ο ν und τ ί σ ι ς dachten. 751 So wird v o m Narrator der Stil der R e g i e r u n g der T y r a n n e n 6,54 als ά ν ε π ι φ θ ό ν ω ς bezeichnet. 752 Zu N i k i a s ' ambivalentem Verhältnis zu τ ύ χ η und ε ύ τ υ χ ί α vgl. S. 662, A n m . 701.

Gestaltung und Funktion der Reden bei Thukydides

679

Ebenso meint der besonnene Hermokrates 6,78,2, daß der Mensch weder die affektive επιθυμία noch die τ ύ χ η kontrollieren könne. Wie in Bezug auf das Göttliche vertraut Nikias 7,61,2-3 in der äußersten Not nicht der ratio, sondern wie die Melier paradoxerweise gegen seine eigenen Grundsätze und nicht ohne Ironie, dem Irrationalen (των έν τοΤς πολέμοις παραλόγων, και τό τ η ς τ ύ χ η ς καν μεθ' ήμών έλπίσαντες στήναι.). Der Kontrast zwischen seiner letzten Rede (7,77) und der faktischen Realität zeigt implizit an, daß diese traditionelle Sicht im Peloponnesischen Krieg für Thukydides keine Berechtigung mehr hatte.

3.4.4.3. Gerechte Vergeltung und Verwandtschaft als offizieller Grund (δίκαιον) Das Motiv des Rechts spielt in den zwischenstaatlichen Beziehung als Rechtfertigung des Imperialismus eine untergeordnete Rolle. In Übereinstimung mit der auktorialen Aussage 6,6,1, gemäß der rechtliche Motive, die Verwandtschaft mit Leontinoi und das Bündnis mit Egesta, bloß als Vorwand (εύπρεπώς) für die Expedition dienten, erkennt Hermokrates, daß die Hilfestellung an die Bundesgenossen nur ein Vorwand ist (6,33,2 πρόφασιν μεν ... τό δε άληθές, 76,2 προφάσει μεν ... διανοία δε, 77,1 753

σόφισμα, 79,2 καλού δικαιώματος). Die Athener in Melos lassen das Recht nur in den Beziehungen gleichstarker Partner gelten und dehnen im Gegensatz zu den Meliern dieses Prinzip auch auf Sparta aus (5,89, 97, 107). Dagegen stehen die Melier auch in der Außenpolitik - entsprechend zu den im Innenleben der Polis geltenden Kategorien - für eine auf Gerechtigkeit, Billigkeit und Freundschaft beruhende (5,90 δίκαιον, εικότα, 94 φιλία und 112) Ordnung ein. Einem traditionellen pattern folgend, versucht Hermokrates in Kamarina aufzuzeigen, daß die Athener keine würdigen Bündnispartner sind, da sie Unrecht tun (6,77,1 αδικεί). 754 6,79,1 fordert Hermokrates in Bezug auf die Bündnisse, daß diese nicht zum Schaden der Nachbarn oder Freunde geschlossen werden dürfen. Dagegen läßt Nikias die rechtlichen Verpflichtungen gegenüber den sizilischen Verbündeten nicht gelten und tritt für eine Änderung der athenischen Politik ein, wobei man bei der Wahl der Verbündeten auf das Gleichgewicht von Risiko und Nutzen achten soll (6,12,1), während Alkibiades 6,18,1 rhetorisch geschickt auf die rechtli753 Ebenso hatte er in seiner Rede in Gela 4,60,1 und 61,3 vor den Athenern gewarnt. 754 Vgl. S. 574, Anm. 499.

THUK.YDIDES

680

chen Verpflichtungen (χρεών) gegenüber den Bündnern hinweist. Diese werden jedoch dem Nutzen und dem Drang nach Expansion untergeord755

net. Ebenso werden nach Euphemos die Beziehungen unter den Staaten ausschließlich durch die Kategorien des Nutzens und der Sicherheit geregelt. Immerhin erwähnt er auch, daß die Verbündeten sie wegen erlittenen Unrechts zu Hilfe gerufen hätten. Nikias wendet die Kategorie des Rechts auf Athen selbst an, wobei er damit die Priorität, an die eigenen Interessen vor denen der Bündner zu denken, rechtfertigt (6,10,5 und 12,1); innenpolitisch wirft er Alkibiades 12,2 vor, der Polis Unrecht zu tun (τά μεν δημόσια άδικειν). Dagegen erachtet er es 7,63,4 für gerecht (δικαίως), daß die freien Verbündeten angesichts der Vorteile der α ρ χ ή diese nicht im Stich lassen. Während Euphemos die Legitimität der athenischen αρχή und die Unterwerfung der stammverwandten Ionier als Vergeltung für Unrecht betont (6,82 ff. ούδέ αδίκως, είκότως άρχομεν), verwendet Alkibiades persönlich erlittenes Unrecht (6,89 und 92 αδικούμαι, αδίκως άπολέσας) als Rechtfertigung für seine Rache an den Spartanern (δικαίως), wobei er die Wut darüber für nicht angebracht (ούκ είκότως) hält. In Epilogen und paränetischen Appellen sind termini des moralischen Kodex häufig (6,80 άδικειν, δίκαιον, φίλους, άμαρτείν); Alkibiades, der 6,16,4 seine Ablehnung der Isonomie nicht für ungerecht hält (ούδέ άδίκον), bezieht auf sich selbst ein moralisches Vokabular (6,89 πονηρότερα und 92 πονηρία). Gylippos und die Feldherren wollen im Epilog 7,68 durch Erwähnung des Unrechts Rachegefuhle erwecken (τιμωρία) und diese als gerecht erweisen (νομιμώτατον). Ansonsten spielt die gerechte Vergeltung eine untergeordnete Rolle und wird wie das δίκαιον von anderen Kategorien abgelöst. Sie fehlt aber nicht in emotionalen und traditionellen Kontexten: Davor warnen die Melier 5,90, und Hermokrates droht 6,80,5 damit den Kamarinern. Nikias glaubt 7,77, daß sich die Götter genügend an ihnen gerächt haben (τιμωρία) und sie deshalb auf Rettung hoffen können. In einem innenpolitischen Kontext gebraucht Athenagoras, der 6,38,4 δυναστείας als άδικους bezeichnet, §5 die Kategorie des Gesetzes, die dem δίκαιον nahekommt, zur Verteidigung der Verfassung (εννομον) und bezeichnet die Oligarchen, welche die Verfassung stürzen wollen, 39,2 als ά δ ι κ ώ τ α τ ο ι . Für den Dorier Hermokrates bildet 6,80 - mangels besserer Argumente - das δίκαιον die 755 Mader 1993a, 184: „He regarded the potential financial contribution as a subsidiary issue that did not warrant serious discussion: what really mattered to him was that Segestan request afforded a welcome opportunity for Athenian intervention which could proceed with or without promised money ..."

Gestaltung und Funktion der Reden bei Thukydides

681

Grundlage für die Hilfe, die Verwandten zu leisten ist; er erachtet wie die Melier in Bezug auf Sparta (5,104, 106 und 108) das Motiv der Verwandtschaft (ξυγγένεια), das er selbst in Bezug auf Athen als Ausrede ausdrücklich verworfen hat, als Grundlage für den Zusammenschluß der Dorier gegen Athen. Ebenso erwartet Nikias 6,20,3, daß die ionischen Städte Katane und Naxos sich mit Athen verbünden werden. In der Realität spielt indessen, wie der Autor zeigt, dieses Argument im Gegensatz zum Nutzen oder Zwang fast keine Rolle mehr. 756 Die auf den ersten Blick idealistische Feststellung des Euphemos 6,87,3, der Seebund unterbinde Unrecht, fällt bei näherer Betrachtung in die Kategorie des Nutzens. Ebenso spielt die Erwähnung des Vaterlands vor allem in paränetischen Kontexten eine bedeutende Rolle: So erinnert Nikias 6,68, die Soldaten daran, daß die Feinde dadurch, daß sie für ihr Vaterland kämpfen, motiviert werden; (dies wird auktorial 69,3 bestätigt). Am Ende erwähnt er 7,61,1, daß nur ein Sieg ihnen ermögliche, das Vaterland wiederzusehen und betont im Epilog 7,64, daß sie für die gesamte Heimatpolis kämpfen. Während Hermokrates und die Feldherren in der Paränese für eine sizilische Identität eintreten (6,78,1; 79,2 und 7,68), die bei Hermokrates auf der 757

Feindschaft zwischen Doriern und Ioniern beruht, reflektiert Alkibiades 6,17,2 und 6,92 über die Beziehung des Individuums zu seiner Heimatpolis, wobei er in Sparta den Begriff ώιλόττολίΛ definiert.

3.4.4.4. Die ethnische Zugehörigkeit und der Volkscharakter Der Gegensatz zwischen den beiden Stämmen spielt in den direkten und indirekten Reden noch eine wichtige Rolle. So betrachten sich die Dorier, wie Hermokrates 6,77 sagt, als autonom und frei (ελεύθεροι), während die Ionier, die sich von den Persern und Athenern knechten lassen (δου-

756 Der Autor zeigt, daß diese nur noch als Vorwand vorgeschützt wird: die stammverwandten ionischen Städte in Unteritalien verhalten sich bei der ersten Expedition 3,86,4 und bei der zweiten 6,6,1. 6,46 wider Erwarten passiv. Dies wird im Völkerkatalog 7,57 bestätigt, w o die Verwandtschaft fast bedeutungslos geworden ist, wenn auch bei Doriern dieses Argument noch stärker wirkt und durchaus als M o v e n s betrachtet werden kann (1,95,1; 6,6,2 ( Δ ω ρ ι ή ς Δ ω ρ ι ε ϋ σ ι κ α τ ά τ ό ξ υ γ γ ε ν έ ς ... βοηθήσαντες). 757 Longo 1975, 99: Die Sizilier zeigten, daß ,,'patria' diventa anzi per essi qualcosa di piu della polis di appartenenza, diventa Tunica e c o m u n e terra di Sicilia, che va difesa in concordia d'intenti, anche combattendo, nella circostanza, per una polis (Siracusa) che non e quella 'propria' degli altri Sicelioti."

THUK.YDIDES

682

λούνται), als feige dargestellt werden. Daraus leiten die Dorier ihre natürliche Tapferkeit (εύψυχία, ανδρεία, γνώμη) und militärische Überlegenheit ab, besonders in den indirekten Reden (6,72,4; 7,5,4 und 21, aber auch 758

6,77,1 und 7,64,2). Hermokrates betrachtet den Haß zwischen den beiden Stämmen als natürlich (6,79,2 φύσει); Euphemos, der den Gegensatz der Völker voraussetzt, stimmt ihm bei (6,82,2). Während in den Paränesen der Syrakuser dieser Gegensatz vorkommt, können sich die Athener, in deren Reihen auch Dorier (Argeier und Kerkyraier) kämpfen, nicht darauf berufen. Wie in den Erga (etwa 7,57f.) nimmt auch in den Reden mit Ausnahme der Antilogie in Kamarina die Bedeutung der ethnischen Selbstdefinition ab. 759

3.4.4.5. Ruhm und Ehre (als καλόν bzw. αίσχρόν) Die Athener lehnen 5,89 ονόματα καλά als Movens in der Reichspolitik als bedeutungslos ab, ebenso Euphemos 6,83,2 (οΰ καλλιεπούμεθα). Hingegen spielt das καλόν und als Pendant das αίσχρόν in paränetischen Kontexten vor allem im Proömium und Epilog - eine bedeutende Rolle; daneben haben sie im Kontext der Dorier durchaus ihre Bedeutung: Während die konservativen Melier Ehre und Männlichkeit für Sparta als Anlaß zur Aktion erachten (5,100f., 104f., 111 κακότης και δειλία, άνδραγαθία, αισχύνη, αίσχρόν, άπρεπες), lehnen die athenischen Gesandten dies auch in Bezug auf Sparta ab und behaupten, daß anstelle des καλόν das Angenehme (5,105 ή δε α) und die Vermeidung von Gefahr (5,107) träten. Ebenso glaubt Nikias, daß die Spartaner nach diesen Kategorien handeln (6,10,2 eκ τοΰ αίσχίονος, 6,11,6 τό σφετερον άπρεπες εΰ θήσονται), und schließt nicht ganz aus, daß wohl (ίσως) einzelne Städte den Spartanern zuliebe (χάριτι) diesen helfen könnten. In seiner zweiten Rede bezeichnet er 6,21,2 einen möglichen Rückzug oder Bitte um Hilfe bei schlechter Vorbereitung als αίσχρόν. Bereits in Syrakus evoziert Her-

758 E b e n s o weist B r a s i d a s in seiner P a r ä n e s e 5,9,1 a u f die Freiheit und den überlegenen Mut der Dorier hin. 759 Vgl. S. 429, A n m . 97. Alty 1982, 6f. interpretiert 7,57,7 als p o l e m i s c h e A u s e i n a n d e r s e t z u n g mit anderen M e i n u n g e n , die die e t h n i s c h e Z u g e h ö r i g k e i t als w i c h t i g betrachteten. Leppin 1999, 111: „ D o c h T h u k y d i d e s suggeriert seinem Leser, d a ß U n t e r s c h i e d e z w i s c h e n den S t ä m m e n im P e l o p o n n e s i s c h e n K r i e g an B e d e u t u n g v e r l o r e n , a u c h w e n n die R e d n e r g e l e g e n t l i c h aus d e m e i n s c h l ä g i g e n R e p e r t o i r e s c h ö p f e n . O b w o h l m a n sich a u f die V e r w a n d t s c h a f t beruft, verringert sich die Bedeutung dieses Gesichtspunkts bei Bündnisentscheidungen merklich."

Gestaltung und Funktion der Reden bei Thukydides

683

mokrates die Kategorie des καλόν (6,33,4 κάλλιστοι» έργων). Im Epilog in Kamarina verbindet er 6,80 κάλλιο ν mit δίκαιον. In den Paränesen erinnert Nikias die Bündner neben dem Nutzen an das Hochgefühl (την ήδονήν, έθαυμά£εσθε κατά την ' Ελλάδα) und die Athener an früheren Ruhm und Größe des Vaterlandes (7,64 τό μ έ γ α δνομα των Α θ η ν ώ ν ) , ebenso evozieren Gylippos und die Syrakuser zu Beginn ihrer Rede das καλόν (7,66,1 καλά, ύπέρ καλών τών μελλόντων) und im Epilog (7,68,3 καλός ό άγων). Während Nikias 6,9,2 im individuellen Bereich sein Prestige (τιμώμαι) aus dem für die Stadt nützlichen Lebenswandel ableitet, lehnt er Alkibiades' Ruhmsucht, der für die Polis gefahrlich und schädlich ist (12,2 θαυμασθή, ιδία έλλαμπρύνεσθαι) ab. Dagegen rechtfertigt Alkibiades seinen Ruhm mit dem impliziten Nutzen für die Polis, der von seinem Glanz auf sie fallt (6,16,1-3 δόξα, ώφελία, διαπρεπές, τιμή, ισχύς). Dagegen stellt Hermokrates 6,33,1 sein persönliches Ansehen hinter den Nutzen für Polis. Eng mit dem Ruhm und der Ehre ist die Auffassung verbunden, einer Sache würdig (άξιος) zu sein. Besonders in apologetischen Teilen spielt sie eine Rolle, so bei Alkibiades in eigener Person ( 1 6 , l ^ t in Athen άξιος und 6,89 bzw. 92 in Sparta χειρών) und bei Euphemos in Bezug auf die άρχή (6,82,1 εΐκότως, 83,1 άξιοι).

3.4.4.6. Der Nutzen (ξυμφέρον), die Leichtigkeit (ράδων) und die Machbarkeit (δυνατόν) Für die athenischen Gesandten in Sparta ist der Nutzen (ξυμφέρον, ώφελία) einer der drei Grundimpulse (1,75,3 und 76,2); in Melos argumentieren die Athener damit (5,91 ώφελία, χρησίμως) und weisen die moralischen Kategorien der Melier (5,90) zurück; wie die Melier kann Hermokrates mangels konkreten Nutzens 6,80,2 nur eine κοινή ώφελία anbieten. Alkibiades meint 6,16, sein Verhalten bringe der Polis Nutzen (ώφελία, ούκ άχρηστος, ώφελή), ebenso sein Ratschlag den Spartanern 6,92,2 und 5. Nikias wie Alkibiades gehen (6,13,2 und 18,4) davon aus, daß ein Bündnis auf gegenseitigem Nutzen beruhen muß, sind sich aber konkret über den Nutzen der Verbündeten in Sizilien nicht einig. Euphemos anerkennt den Nutzen als alleiniges Kriterium des Handelns (83f. ξυμφέροντα), besonders wenn er mit der Sicherheit zusammenfällt, und behauptet 86,5, daß die άρχή allen nütze. Nikias erwähnt 7,63,3 den Nutzen (ώφελεΐσθαι), den das attische Seereich den Verbündeten gebracht habe. In der Paränese nennen Gylippos und die Feldherren die Aussicht auf Nutzen (καρπουμένη,

684

THUK.YDIDES

ώφελώσιν) im Falle des Sieges. Innenpolitisch kritisiert Athenagoras 6,39,2, daß in der Oligarchie das Volk vom Nutzen ausgeschlossen bleibt, während die Demokratie auch den Eliten nützt. Auf die Antithese Ergötzung - Nutzen spielt Nikias 7,14,4 an und rechtfertigt damit seine wahrheitsgemäße Schilderung der Lage. Die athenischen Gesandten rechtfertigen das Angebot an die Melier 5,91 damit, daß sie ihre Herrschaft ohne Kampf mühelos (άπόνως) vergrößern können. Das Argument des ράδιον gebrauchend, behauptet Alkibiades 6,17,6-18,5, daß der mögliche Widerstand der Sizilier angesichts der heterogenen Masse gering und das Risiko fur Athen angesichts der eigenen Überlegenheit zur See klein ist (εύπορώτερα). Diese Einschätzung der Lage wiederholen Alkibiades in einer Analepse in der Rede in Sparta (6,90,3 ραδίως κτλ.) und Hermokrates 6,33,2 (ήγούμενοι. ... ραδίως κτλ.). Ebenso argumentieren Gylippos und die syrakusischen Feldherren in der Paränese 7,67 mit ράδιον: Angesichts der durchschauten athenischen Gegenmaßnahmen sind deren Schiffe leicht zu versenken (ράσται. δε έ ς τό βλάπτεσθαι), wobei das Risiko für sie selbst gering ist 7,68 (κινδύνων ούτοι σπανιώτατοι). Umgekehrt argumentiert Nikias in seiner ersten Rede άττό του χαλεπού (6,9,3 ούτε ράδια, 11,1 hält er in einer Hypothese die Konsolidierung der Herrschaft über Sizilien für χαλεπώς), ebenso in der zweiten Rede 6,21, in der ersten Paränese (6,68,3f. μή ραδίως άποχωρεΐν) und im Brief 7,12ff. Mit der Einschätzung der Schwierigkeiten stimmt er weitgehend mit den syrakusischen Rednern Hermokrates und Athenagoras überein. Diese sind konkret: 1. Entfernung von der Basis (6,10,1-4; 11,2; 21,2; πολύ τε άπό τ η ς ημετέρας; 33,5 in der Analepse allgemein πολύ άπό τ η ς εαυτών, 6,68,3 ούκ έν πατρίδι., 7,77 ώς μή δντος χωρίου ε γ γ ύ ς , vgl. 5,108;), 2. die Versorgungsprobleme (im Feindesland 6,21,2; Lebensmittelmangel 6,22; 33,5), 3. Mangel an Pferden (6,21,1; 37,1) und 4. an Ressourcen (6,12,1 und 37,1). Hingegen sind die Feinde gut ausgerüstet und haben große Machtmittel (6,20,3^1). Während sie außer Egesta und vielleicht den ionischen Verwandten (6,20,3; 37,1) keine Verbündeten haben, können jene wegen der Furcht vor Athen auf viele Verbündete zählen (21,1 und 33,4f.); ebenso ist es schwierig, durch den Umsturz der Verfassung etwas zu bewirken (6,20,1, was 7,55,2 auktorial bestätigt wird). Die Athener lehnen 5,89 das καλόν und δίκαιον ab und betonen in der Außenpolitik das δυνατόν in Korrelation mit dem Machtverhältnis. Hermokrates meint 6,78, es sei unmöglich, Syrakus nach dessen Untergang zu

Gestaltung und Funktion der Reden bei Thukydides

685

beneiden; Alkibiades glaubt daß die Syrakuser allein nicht imstande seien, den Athenern Widerstand zu leisten (91,2 αδύνατοι ... ά ν τ ι σ χ ε ΐ ν ) . Athenagoras behauptet 6,39,2, daß es für die Jungen und die Oligarchen in einer großen Stadt unmöglich sei, ihre Umsturzpläne zu verwirklichen. Ebenso spricht Euphemos 6,86,3 von der Unmöglichkeit angesichts der Entfernung, der Schwierigkeiten und der Größe und Macht Siziliens, in Sizilien ohne Hilfe der Verbündeten Fuß zu fassen (ούτε έ μ μ ε ΐ ν α ι δυνατοί), geschweige denn die Insel dauerhaft zu unterwerfen (αδύνατοι κατασχεΐν). Hermokrates spricht 6,78,3 von der Unmöglichkeit, Affekt und Zufall zu kontrollieren (ού γαρ οΐόν τε). Ähnlich ist das Argument des richtigen Zeitpunkts (καιρός): Neben dem ούτε ράδιον ist für Nikias 6,9,3 der unpassende Zeitpunkt (ούτε έν καιρώ) der zweite Gesichtspunkt, unter dem er im folgenden die politische Lage in Griechenland untersucht und von der Expedition abrät. Alkibiades meint 17,1, die Athener sollten die günstige Gelegenheit, solange er auf dem Höhepunkt der Kräfte ist und Nikias' Kriegsglück andauert, nutzen. Hermokrates weist 6,34,4 auf die günstige Ausgangslage (μάλιστα επί καιρόν) seines offensiven Plans hin. Euphemos erinnert die Kamariner an die einmalige Chance (6,86,5 ού πολλάκις und 87,5). Nikias betont die Bedeutung des Augenblicks (καιρός) fur die Athener 7,11,1 in Bezug auf die Beratung und 7,64,2 in Bezug auf die Entscheidung.

3.4.4.7. Das Thema der Sicherheit (δέος, ασφάλεια) und des Präventivkriegs Wie der Nutzen ist das Streben nach Sicherheit ein Grundimpuls des Herrschenden. 760 Er ist fur die Athener in Melos ein wichtiges Motiv, das die zwischenstaatlichen Beziehungen regelt und auch auf Sparta ausgedehnt wird (άσφαλές 5,97, 99, 107 und 111). Für Nikias bietet der gleichnamige Frieden keine ausreichende Sicherheitsgarantie (6,10,2 βέβαιον). Sicherheitsbedenken veranlassen ihn 6,23,3, eine umfangreiche Ausrüstung zu beantragen, um ausreichend gewappnet zu sein (παρασκευή από των εικότων ασφαλής έκπλεϋσαι), wohingegen fur Alkibiades die Flotte die Garantie für einen sicheren Abzug bietet (18,5 άσφαλές). Er verheißt den um ihre Sicherheit besorgten Spartanern 6,92,5, daß sie nach Athens Fall

760 Im T y r a n n e n - E x k u r s wird auktorial die Suche nach α σ φ ά λ ε ι α als Motiv für Hippias' Grausamkeit (6,59,2) genannt. Ebenso veranlaßte Nikias' zweite Rede die Athener 6,24 dazu, die Expedition schon im voraus für sicher zu betrachten.

686

THUK.YDIDES

άσφαλώς οίκήτε. Er stellt fest, daß es im Krieg unsicher ist, das demokratische System zu ändern (89,6), und daß seine Loyalität gegenüber Athen solange dauerte, wie er sich dort sicher fühlte (92,4 άσφαλώς έπολιτεύθην). Dagegen hält es Nikias 7,14,4 für sicherer (άσφαλέστερον), den Athenern im Brief die Wahrheit zu sagen. Hermokrates meint 6,33,5, daß die Sizilier aus Sorge um ihre Sicherheit (ύπό δέους) sich gegen Athen vereinen werden, und 34,5, daß ein präventiver Angriff gegen die Athener diese wegen mangelnder Sicherheit (ούκ αν βεβαία έχοντες) dazu veranlassen könnte, die Expedition abzublasen. Dagegen rät er den Syrakusern § 9, ängstliche Vorbereitungen als die beste Sicherheitsgarantie zu betrachten (τάς μετά φόβου παρασκευάς άσφαλεστάτας). In Kamarina behauptet er 6,78,1 f., daß es im Interesse von Kamarinas Sicherheit (άσφαλέστερον) ist, Syrakus zu unterstützen, während das Gegenteil die eigene Sicherheit nicht erhöht, zumal 80,1 ihre Vorsicht (προμηθίαν) gegen Syrakus ihnen selbst nicht mehr Sicherheit (άσφαλή) biete. Dagegen verspricht Euphemos den Kamarinern 6,86,5 eine wirklichere Existenzsicherung (επί άληθεστέραν σωτηρίαν) und 87,5 άσφάλειαν. Er begründet 6,83,1 Athens Politik wie die Gesandten in Sparta 1,75,5 mit dem Sicherheitsstreben. Diese beruht auf dem allgemein akzeptierten Grundsatz, daß ein jeder für seine eigene Sicherheit sorgt (την προσήκουσαν σωτηρίαν έκττορί£εσθαι). Mit der Sicherheit (6,83,2 άσφαλείας ένεκα) Athens begründet er auch die Intervention in Sizilien und rechtfertigt 83,4 die Herrschaft in Griechenland (δι ά δέους). Ebenso werden sie zu prophylaktischen Maßnahmen veranlaßt, so in Bezug auf Syrakus, das er 85,3 ein Sicherheitsrisiko nennt (ες Συρακοσίους δέος). Dieselbe Furcht vor Syrakus bewirkt für Nikias 7,77,6, daß sie bei der Flucht auf ihre sizilischen Verbündeten zählen können. Das geringe Risiko und die Sicherheit sind Teil der Motivation des Gylippos und der Feldherren im Epilog der Paränese an die Syrakuser 7,68,3. Für Alkibiades ist der Präventivkrieg als Teil einer offensiven Strategie wichtig 18,2 (προκαταλαμβάνει). 76 ' Athenagoras plädiert fur eine präventive Strategie im Innern gegen die Oligarchen 6,38 (προαμύνεσθαι, προφυλαξάμενός, προπείσεται).

761 Vgl. die Kerkyraier 1,33,3 π ρ ο κ α τ α λ α μ β ά ν ε ι ν und 33,4 προτερήσαι., προεττι.βουλεύει,ν und Eurip. Med. 289.

Gestaltung und Funktion der Reden bei Thukydides

687

3.4.4.8. Die Tapferkeit und die Kriegskunst (Erfahrung) Ein zentrales Motiv in auktorialen und indirekten Partien des Geschichtswerks ist das Verhältnis zwischen der natürlichen Tapferkeit (ανδρεία, εύψυχία, γνώμη) und der Kriegskunst und E r f a h r u n g (επιστήμη, ε μ π ε ι ρ ί α ) . Auch in den direkten Reden wird dieser Themenkomplex behandelt. 762 Für Alkibiades kann die überlegene athenische επιστήμη und εμπειρία zur See 6,18,6 nur durch ständige Übung (d.h. Aktivität) bewahrt werden. 763 Athenagoras glaubt 6,36,3, daß die Athener aufgrund ihrer großen Erfahrung die Lage in Griechenland richtig einschätzen (und nicht kommen). Obwohl Nikias 7,62 angesichts der Notlage eine Taktik, die nicht auf der athenischen ε π ι σ τ ή μ η (7,60 παρά τό είωθός) beruht, entwirft, beruft er sich 7,63 auf ihre επιστήμη im Gegensatz zur εύτυχοϋσα ρώμη der Feinde und fordert sie im Schlußappell zusammen mit εύψυχία 7,64. Er vertritt also implizit die Meinung, daß Athens Übermacht auf Wissen und Erfahrung (επιστήμη, εμπειρία) beruhe. Dagegen weisen Gylippos und die Syrakuser auf ihren eigenen Lernprozeß (άνεπιστήμονες) und auf die für die Athener ungewohnte Art der Seeschlacht hin 7,67 (ούκ έν τω εαυτών τρόπω κινούμενοι ταράζονται). Sie betonen auch, daß die Athener gegen ihre Gewohnheit (παρά τό καθεστηκός) zur See kämpfen werden, und unterstreichen die psychologische Bedeutung des Umstandes, den Nimbus der Unbesiegbarkeit Athens zur See gebrochen zu haben. 764 Dagegen sind die topischen Aufrufe zur Tapferkeit vor allem in den (indirekten und direkten) Paränesen, besonders am Ende wichtig (so 6,68,4; 7,64,2). So hebt Nikias die Notwendigkeit zur Tapferkeit 7,77,7 (άνδράσιν αγαθοί ς γίγνεσθαι) hervor. 765

762 Dieses Thema spielt bei den Korinthern 1 , 1 2 1 , 2 / 4 , Perikles 1,142,5 ff., Phormion 2,89,2-3 und Demosthenes 4,10,5 eine bedeutende Rolle. 763 Vgl. 1,142,6-9; 2,89,3, 3,78; 6,18,6; 68,2; 69,1; 72,3 ff.; 7,21,4; 36,4 ( τ έ χ ν η ) ; 37,1; 49,2; 62,2; 63,3f.; 64,2; ε μ π ε ι ρ ί α 1,8,3; 71,3; 99,3; 142,5; 2,85,2; 89,3; 4,10,5; 6,18,6; 7 2 , 2 - 3 ; 7,21,3; 49,2; 61,3; 67,1 ( ά υ ε π ι σ τ ή μ ο ν έ ς ) ; ebenso werden in der Rede des Alkibiades 6,91,2 die Sizilier als ά π ε ι ρ ό τ ε ρ ο ί bezeichnet. Vgl. auch S. 436. 764 Die Korinther, die 1,71,2 f. die Notwendigkeit der Innovation angedeutet hatten, vollziehen sie selbst in N a u p a k t o s (7,34) und geben sie den Syrakusern weiter. Diese sind durch die von der athenischen Invasion verursachte α ν ά γ κ η zur technischen Innovation gezwungen und überflügeln dadurch die Athener. 765 Das άρετή-Dcnkcn charakterisiert vor allem die traditionsbewußten Spartaner, vgl. Brasidas 4,126,2 und 5,9,9, ebenso den Boioter Pagondas 4,92,7.

688

THUK.YDIDES

Als wichtiges Mittel zum Erfolg wird die Rüstung (παρασκευή) betrachtet. 766 Während Alkibiades 6,17,5 die Rüstung der Feinde absichtlich untertreibt, selbst aber nicht über die athenische spricht, besteht Nikias 6,20-23 darauf, daß Athen angesichts der sizilischen Rüstungen mit überlegener παρασκευή fahren muß. Hermokrates, der 6,34 dazu aufruft, sich zu rüsten, spricht 34,2 abstrakt von der Bedeutung der Geldmittel (χρυσόν γαρ καΐ άργυρον ... όθεν δ τε πόλεμος και ταλλα εύπορε!). 767 Athenagoras hebt die allgemeine syrakusische Überlegenheit 6,37 (την αλλην παρασκευή ν) hervor. Der syrakusische General betont 6,41 die Bedeutung einer ausreichenden παρασκευή. Nikias meint dagegen in seiner Paränese 6,68,1, daß die bessere Bewaffnung den Athenern (παρασκευή ίκανωτέρα) am meisten Mut verleiht. Hermokrates behauptet dagegen 6,79,3, daß die Athener in Bezug auf die παρασκευή den vereinten sizilischen Kräften unterlegen seien. Euphemos benutzt dasselbe Argument 6,86,3, um die Kamariner zu überzeugen, daß die athenische παρασκευή keine Gefahr für sie darstellt. In seinem Brief fordert Nikias 7,12 weitere Verstärkung (πε£ήν και ναυτικοϋ παρασκευής). 7,67,4 behaupten Gylippos und die syrakusischen Feldherren, daß die Athener in ihrer Verzweiflung mehr dem Zufall als ihrer παρασκευή vertrauen.

3.4.4.9. Die irrationalen Affekte Im auktorialen Bericht und in der indirekten Motivation spielen die Affekte eine bedeutende Rolle, 768 in den direkten Reden in VI und VII hingegen sind Reflexionen darüber - zumal schon in den Büchern zuvor angestellt weniger prominent. Trotzdem wird Überlegungen über gewisse psychologische Abläufe eine bedeutende Rolle beigemessen. Dabei steht der Mensch mit seiner einheitlichen Psychologie im Zentrum und ist das Maß für Gnomen. Nikias lehnt 6,13,1 die επιθυμία im Gegensatz zur πρόνοια ab, weil sie verbunden mit Gefahr (κίνδυνος) am wenigsten Erfolg garantiert, ebenso 766 Allison 1989 hat den G e b r a u c h v o n π α ρ α σ κ ε υ ή bei T h u k y d i d e s untersucht und gezeigt, d a ß in der S i z i l i e n e x p e d i t i o n a n a l o g z u m G a n g der Ereignisse nach der Peripetie 6 , 1 0 4 f f . a l l m ä h l i c h „the shift to S y r a c u s a n p r e p a r e d n e s s and A t h e n i a n inability to prepare" (S. 108) feststellbar ist. 767 Ä h n l i c h betonen A r c h i d a m o s 1,83,2 und Perikles 2,13,2 die B e d e u t u n g von Geld und Reichtum für den Krieg. 768 Auktorial 6,6,1; 15,2; 24,2; 30f.; N i k i a s ' Einschätzung 6,8,4 (indirekt).

Gestaltung und Funktion der Reden bei Thukydides

689

den Drang (ερως) der Athener, nach Sizilien zu fahren. In der athenischen επιθυμία erkennt Hermokrates 6,33,2 den tieferen Grund für die Expedition. In einer Warnung an die Kamariner verneint er 6,78,2, daß ein Mensch gleichzeitig die affektive ε π ι θ υ μ ί α und die τ ΰ χ η beherrschen könne. Alkibiades begründet seine Strategie auch mit dem Hinweis auf die athenische προθυμία bzw. τόλμα. 769 Euphemos rechtfertigt 6,82,4 den Führungsanspruch Athens gegenüber den Ioniern auch damit, daß diese im Gegensatz zu Athen es 480 v. Chr. nicht gewagt hatten, von den Persern abzufallen. Dagegen verlangt 6,33,4 Hermokrates, man solle die athenische τόλμα und δύναμις nicht furchten; sein Gegenplan 34,8f. beruht auf der überraschenden Wirkung der syrakusischen τ ό λ μ α , welche die Athener mehr als reale Macht verwirren kann. Dasselbe Konzept wiederholt er indirekt 7,21,3: Tollkühne Menschen wie die Athener (τολμηρούς) kann man nur mit derselben Waffe besiegen (άντιτολμώντας). Um erfolgreich zu sein, m u ß die τ ό λ μ α bzw. π ρ ο θ υ μ ί α ein geistiges Komplement (επιστήμη) haben, wie der Narrator in Bezug auf Syrakus 6,69,1 feststellt, sonst ist sie bloß eine αλόγιστος τόλμα wie bei den Tyrannenmördern. Auch Nikias behauptet 6,68,2, daß die τόλμα der Feinde geringer als ihre επιστήμη sei, doch beruft er sich in Bezug auf die Athener in den letzten Paränesen nicht mehr auf diese Qualität. Hermokrates 6,72 und Gylippos und die Syrakuser erwähnen 7,67,1, daß die Syrakuser noch ohne ε π ι σ τ ή μ η zunächst bloß άπετολμήσαμεν: die hinzugewonnene Erfahrung und das Wissen, die Stärksten besiegt zu haben, verleiht ihnen die größte προθυμία. Kühnen Wagemut gepaart mit Unverstand wirft Athenagoras den syrakusischen Oligarchen 6,36,1 und 39,2 (τόλμης, άξυνεσίας) vor. Dasselbe unterstellt Euphemos den Syrakusern 6,86,4 (τολμώσι) in Bezug auf die Sizilier. Ebenso spielt die hybride Erwartung / H o f f n u n g ( έ λ π ί ς ) nicht nur im auktorialen Bericht eine bedeutende Rolle. Während sich die Melier (5,102) Hoffnungen machen, den Athenern widerstehen zu können, warnen die athenischen Gesandten diese eindringlich vor irrationalen Hoffnungen (5,103 ελπίδες άφανεις), die, auf die Zukunft gerichtet, die gegenwärtigen Gegebenheiten nicht gebührend berücksichtigen. Ebenso wie im auktorialen Bericht und in den indirekten Reden zeigt die Verteilung der Hoffnung die psychologische Verfassung der Redner an. Alkibiades beh a u p t e t 6,17,8, daß die Spartaner keine H o f f n u n g m e h r hätten 769 V g l . S. 4 3 1 .

690

THUK.YDIDES

(ανέλπιστοι), den Krieg zu gewinnen. Hermokrates rechnet sich 6,33,4 und 6 (ούκ άνέλπιστον) gute Chancen aus, gegen Athen bestehen zu können; ebenso meint er, Karthago könnte sie unterstützen (34,2 ούκ άνέλπιστον). Während Nikias 6,68,3 angesichts der Ausrüstung μεγάλην την ελπίδα auf Sieg hat, äußern sich Gylippos und die Syrakuser nach der Wende auf der See 7,67,1 (ή μ ε γ ί σ τ η έ λ π ί ς μ ε γ ί σ τ η ν καί την προθυμίαν π α ρ έ χ ε τ α ι ) optimistisch. In einer Gnome erklären sie 7,66,3, daß die Athener, nachdem sie wider Erwarten dort, wo sie sich am sichersten fühlen, zurückgestutzt w o r d e n sind (παρ 1 ε λ π ί δ α τοϋ α ύ χ ή μ α τ ο ς σφαλλόμενοι), kein Selbstwertgefuhl mehr haben. Dagegen äußert sich Nikias, der 7,48,2 noch etwas Hoffnung besaß (ελπίδος τι), in den Paränesen zweckoptimistisch. Er schöpft wie die Melier 7,61,3 Hoffnung aus dem Unberechenbaren als Erfahrungstatsache (παραλόγων, τύχη); ebenso beruht 7,77,1; 3 und 4 seine Hoffnung nicht mehr auf einer rationalen (materiellen oder psychologischen), sondern auf einer metaphysischen Grundlage, die er empirisch beweisen will. Bedeutend sind auch die Analysen der psychologischen Reaktionen. So rechnet Hermokrates mit der Wirkung des Überraschungsmomentes seiner präventiven Strategie 6,34,3 ff. und erklärt diese mit Gnomen (καταπλαγέντας τω άδοκήτω, παρά γνώμην, τω άδοκήτω μάλλον άν καταπλαγεΐεν). Ähnlich ist das indirekte Räsonnement des Lamachos 6,49. Alkibiades betont 6,91,6 die psychologische Wirkung des Angriffes auf das, was den Feinden am meisten Sorge bereitet (δεδιότας). Gylippos und die Syrakuser erörtern 7,66,3 die Wirkung, die der Bruch des Nimbus der Unbesiegbarkeit zeigt. Mit einer psychologischen Wirkung der Machtdemonstration (Einschüchterung der Feinde έκπεπληγμένοι) rechnet Nikias 6,11,4 ( δ ε ί ξ α ν τ ε ς την δύναμιν), was er in der indirekten Rede 6,47 (έπιδείξαντες μεν την δύναμιν) kurz wiederholt. Während die mit δέος bezeichnete Furcht dem rationalen Sicherheitsstreben entspricht (vgl. 3.4.4.7.), haben φόβος, εκ- u n d κατάπληξι,ς eine 770

starke affektive Komponente. Die Athener in Melos lassen sich niemals durch die Furcht vor anderen (5,111) von einer Belagerung abbringen. Hermokrates stellt 6,78,2 fest, daß man das Stärkere furchtet. Neben Appellen gegen die Furcht (6,79,3 und 7,67,3) rechnen Nikias und Hermokrates mit der einigenden Macht der Furcht (6,21,1; 33,4 7 7 '; sogar Karthago könnte aus Furcht 34,2 Syrakus unterstützen); Hermokrates weist 34,9 auf die heilsame Wirkung der Furcht bei der Vorbereitung der Ab770 Vgl. S. 437, vor allem A n m . 118. 771 Dagegen argumentiert er 6,33,5 mit δ έ ο ς , vgl. S. 541.

Gestaltung und Funktion der Reden bei Thukydides

691

wehrmaßnahmen hin (μετά φόβου παρασκευής άσφαλεστάτας); dagegen wehrt sich Athenagoras gegen die Bangemacherei der Oligarchen, durch die sie ihre eigene Furcht verbergen und politische Vorteile erringen wollen (6,36,2 und 38,2). Euphemos will den Kamarinern 6,85,3 beweisen, daß ihre von seinem Vorredner geschürten Befürchtungen keine Berechtigungen haben. Während sich Nikias 6,13,1 vor den Jungen furchtet, will Alkibiades 17,1 die Furcht vor seiner φύσις und άνοια verscheuchen. Mit der Furcht ist die καταφρόνησις gekoppelt: Nikias bezeichnet damit 6,11,5 das Resultat des unerwarteten Siegs Athens, der das ursprüngliche Insuffiziengefühl (α έφοβεισθε) in Verachtung (καταφρονήσαντες) verwandelt und ihrem affektiven Begehren Auftrieb (έφίεσθε) gegeben hat; ebenso warnt Hermokrates 6,33,3 und 34,9 davor, die Feinde verachtend zu unterschätzen. Gerade damit rechnet Lamachos 6,49 in seiner indirekten R e d e . N i k i a s fordert 7,63 in seiner Paränese die A t h e n e r auf, καταφρόνησις, hier als Gefühl der Überlegenheit, das der Perikleischen am nächsten kommt, zu zeigen; doch fußt diese im Gegensatz dazu nicht auf 772 einer rationalen Berechnung oder realer Macht.

3.4.4.10. Die Interpretation der Vergangenheit als Erfahrungsschatz für die Zukunft Kurze historische Paradeigmata und interne und externe (repetitive und kompletive) Analepsen dienen meist als Teil eines Wahrscheinlichkeitsoder Analogieschlusses der Beweisführung und Stützung der Argumenta773

tion. Die Melier fuhren 5,110 nur kurz Brasidas' Feldzüge als Paradeigma an, um ihre These, daß Sparta ihnen helfen kann, zu beweisen. Dagegen will Nikias 6,10 durch eine Auswahl der Ereignisse nach 421 v. Chr. die Instabilität des Nikias-Friedens beweisen; 6,11 erwähnt er analeptisch Athens Reaktion nach dem unerwarteten Sieg in Pylos, um analog dazu ein hypothetisches proleptisches Szenario im Falle des unerwarteten Erfolges der Sizilier zu entwerfen. Er erinnert 6,12,1 in einer internen Analepse kurz an die Pest. In einer längeren z.T. repetitiven, z.T. kompletiven internen Analepse beleuchtet Nikias in seinem Brief 7 , 1 1 - 3 die Kampagne des vergangenen Sommers, wobei er jedoch durch erklärende Zusätze die Rezeption steuert und sich rechtfertigt, indem er die Ereignisse 772 Vgl. S. 627. 773 Rood 2004, 128: „They tend rather to insert snippets of narratives dealing, rather generally, with their own or their opponents' past behaviour."

THUK.YDIDES

692

nicht als seine Versäumnisse bezeichnet, sondern äußere Faktoren dafür verantwortlich macht; 774 dazu ergänzt er insbesondere den Aspekt der Flotte, den der Narrator nicht beleuchtet hatte. Während Nikias in seiner Paränese nur flüchtig auf die vergangene Überlegenheit gegenüber Korinth (7,63,4) hinweist, erwähnen 7,66,2 und 68,2 Gylippos und die syrakusischen Generäle in einer internen Analepse Athens Kriegsplan und Absichten, um Zorn zu erregen, und weisen auf den unerwarteten Verlauf des Feldzugs hin, um den Soldaten Mut zu machen. Ebenso selektiv verfahrt Alkibiades: Er verlagert 6,16 die Größe (und deren Anstößigkeit) auf seine Vorfahren und beweist seinen Nutzen für die Stadt durch den analeptischen Hinweis auf seinen Erfolg bei den Olympischen Spielen. Um die durch ihn bewirkten Vorteile für die Polis in der Außenpolitik zu beweisen, verzerrt er die Fakten betreffend die Schlacht von Mantineia 6,16,6 so, daß die Niederlage in einen Sieg umgewandelt 775

wird. Die Darstellung der Pentekontaetie als eines Zweifrontenkrieges (6,17) ist gegenüber der auktorialen Schilderung (1,97 ff.) verzerrt. In einer Analepse rechtfertigt er in Sparta seine Rolle und die seiner Familie im demokratischen Athen (6,89). Ebenso ist 6,90,2 der analeptisch erzählte athenische Kriegsplan massiv übertrieben. Hermokrates verwendet in Syrakus 33,5-6 die Perserkriege als Analogon eines κίνδυνος fur Sizilien und Teil eines syllogistischen Beweises. Er gebraucht in seiner Rede in Kamarina 6,76f. die Pentekontaetie als abschreckendes Paradeigma athenischer Herrschaft und bezweckt, durch die Fremderfahrung (Geschichte) bei den Kamarinern eine negative Reaktion hervorzurufen. In einer kurzen Analepse erwähnt er 6,79,3 die letzte Schlacht, legt aber die Emphase nicht auf die Niederlage, sondern die Tatsache, daß die Athener sogleich abgezogen sind, um zu beweisen, daß die Lage der Syrakuser nicht aussichtslos ist. Euphemos interpretiert dieselben Fakten umgekehrt und verschärft Alkibiades' Deutung der Geschichte, indem er die Feindschaft zwischen Athen und Sparta a priori setzt, nicht als etwas historisch Gewordenes, sondern als Ursache der historischen Entwicklung. Ebenso verwendet er das Schicksal von Leontinoi 6,86 als abschreckendes Beispiel, um Syrakus' Ambitionen zu entlarven. Hermokrates und Euphemos verkürzen also in ihrer subjektiven Analepse und in einseitiger Reduktion gegenüber dem auktorialen Bericht die Geschichte der Perserkriege und der Pentekontaetie. Im Gegensatz zu Hermokrates' positiver (untertriebener) Deutung der syrakusischen Nie774 Vgl. S. 604 ff. 775 Vgl. S. 511.

Gestaltung und Funktion der Reden bei Thukydides

693

derlage 6,79,3 benutzt Alkibiades 6,91,2 dieselbe, deren Bedeutung aber klar übertreibend, als erstes und einziges bewiesenes Glied eines hypothetischen Kettenbeweises, um wie bei der retrospektiven Schilderung des athenischen Planes die Spartaner aufzurütteln und zu Gegenmaßnahmen zu bewegen: Die Niederlage beweise, daß die Syrakuser allein (μόνοι.) nicht imstande seien, der athenischen Übermacht zu trotzen.

3.4.4.11. Der Wert der Wohlberatenheit (ευβουλία) und rationale Elemente Die Melier weisen 5,90 auf die Zukunft hin, aber ihre Hypothese, daß Sparta eingreifen werde, wird von den Athenern abgelehnt (104 f.). Die Appelle der Athener an die Vernunft (z.B. 5,101 σωφρόνως, 105 άφρον, 111 άλογία, σωφρονέστερον) und ihre Aufforderung, die realen Gegebenheiten zu berücksichtigen (5,87 έκ τών παρόντων και ων άρατε und der Vorwurf 5,113), bleiben in Melos fruchtlos. Nikias rechtfertigt seine Rede mit der Aufforderung zur Beratung (6,9,1 σκέψασθαι εί άμεινον) und dem Appell 9,3, die Realität zu berücksichtigen (μή τοις έτοίμοίς περί των αφανών και μελλόντων κινδυνεύειν), dazu folgen Appelle an γνώμη und πρόνοια 6,9,2 und 14 und 21 (άκεπτέως βουλευσαμένους) und 23 (ευ βουλεύσασθαί) als Gegensatz zur τ ύ χ η und Warnungen vor dem Scheitern (σφαλήναι). 776 Ebenso verweist Alkibiades auf das Konzept der εύβουλία (17,6 ην ύμεΐς όρθώς βουλεύησθε), doch spielt es in seinem Denken eine untergeordnete Rolle. Hermokrates und Euphemos fassen ihre Argumentation als εϊίλογον bzw. in Litotes ούκ αλογον (6,76,2; 79,2; 84,2; 3; 85,1) auf. Athenagoras setzt 6,36,3 die εύβουλία der Syrakuser damit gleich, daß sie die Athener als zweckrational handelnd einschätzen und selbst rational überlegen sind (λογιεισθε τά εικότα).

3.4.4.12. Das Problem der Kommunikation Nikias spricht mehrmals das Kommunikationsproblem an. In seiner Rede macht er 6,9 den Charakter (τρόποι) der Athener, der mit seiner Politik

776 Das im Melierdialog (5,90 und 103) gebrauchte σ φ ά λ ε ν τ ε ς und Formen von σ φ ά λ λ ο μ α ι finden sich neben der auktorialen Bewertung 2,65,12 in Nikias' Rede 6 , 1 0 , 2 ; 11,4; 2 3 , 3 ( σ φ α λ λ ω ν τ α ι ) , in seiner P a r ä n e s e 7,61,2 und in der Einschätzung der Gegner 66,3.

694

THUK.YDIDES

inkompatibel ist, dafür verantwortlich. Ausführlich erörtert er im Brief 7,14,4 das Problem, das in der Natur der Athener wurzelt (φύσεις): Sie wollen nur angenehme Nachrichten hören und sind dann verärgert, wenn die Realität nicht mit dem Wunschdenken übereinstimmt. Seine Warnungen stoßen aber auf taube Ohren, weil er die im Wesen der Athener verankerte Triebhaftigkeit dadurch, daß er die Unangemessenheit der Expedition zeigt, nicht in die richtige Bahnen zu lenken vermag. Die von ihm empfohlene radikale Kur, die entgegen ihrer bisherigen Tradition den Wechsel der Gewohnheiten bedeutet, hat im Gegensatz zu Alkibiades' Plan, wie er selbst einsieht, keine Chance auf Erfolg. 777 6,33 behandelt Hermokrates das Problem der Kommunizierbarkeit von Wissen und erklärt in einer Gnome, daß eher plausible als wahre Berichte geglaubt werden.

3.4.4.13. Die Uneinigkeit und Zerstrittenheit der Sizilier bzw. der Athener Während Alkibiades 6,17,3f. meint, daß die Sizilier angesichts ihrer heterogenen Zusammensetzung keine gemeinsame Aktion zustande bringen werden (ούκ εικός), und in seiner Annahme durch Athenagoras' Schilde778

rung der Lage in Syrakus (6,38) bestätigt wird, ist der Zusammenschluß Siziliens als Folge der Furcht vor Athen ein Leitmotiv in den Reden des Nikias (6,21,1 ξυστώσιν und 7,15 Σικελία τε απασα ξυνίσταται), des Hermokrates 33,4 f. (ξυνίσταται) 77,1 (ξυστραφεντες) und 79,3 (ήν ξυστώμεν), des Athenagoras 37,2 (ξυστήσεται.) und als retorsion bei Euphemos 6,85,3 (ξυστήσαντες, ήν ξυστήτε, έ ς εν ξυστασα). Auktorial wird dieser Zusammenschluß, der allmählich zustande kommt, nachgezeichnet. 779 Während in den Paränesen der Athener Nikias auf die verschiedenen Komponenten des Heeres eingeht, sie z.T. in Apostrophen anspricht und mit verschiedenen Argumenten zu motivieren versucht, gehen in der letzten Paränese Gylippos780und die syrakusischen Feldherren von einer kompakten Hörerschaft aus. Die in Athen und in den Ver-

777 So hatten auch die Spartaner in Athen mit ihren E r m a h n u n g e n gegen Kleon keine Chance, weil 4,21,2 die Athener bereits τ ο ϋ ττλεονος ώ ρ ε γ ο ν τ ο . So auch 4,65,4. 778 D a ß seine V o r a u s s a g e nicht z u t r i f f t , ist nicht prinzipiell ein Z e i c h e n der Fehlerhaftigkeit im R ä s o n n e m e n t , sondern hängt auch von seinem Seitenwechsel, der die Entsendung des G y l i p p o s verursacht, ab. 779 Auktorial wird dies 7,33,2 bestätigt ( ξ υ σ τ ά ν τ ε ς ) . 780 Zu d i e s e m T h e m a vgl. L o n g o 1983, der j e d o c h d a r a u s keine S c h l ü s s e über die Kompaktheit des Heeres ziehen kann.

Gestaltung und Funktion der Reden bei Thukydides

695

Sammlungen der Feldherren (6,47ff. und 7,48f.) gezeigte Uneinigkeit wird in den Reden hingegen nicht thematisiert.

3.4.4.14. Überlegungen zur Verfassung Während Alkibiades 6,16 die Grundsätze der im Epitaphios geschilderten demokratischen Isonomie angesichts des Individuums in Frage stellt, verteidigt Athenagoras theoretisch die Grundlagen der isonomen δημοκρατία, die alle Bürger entsprechend ihren Fähigkeiten an der Verwaltung des Staates beteiligt und (wie Perikles' Ideal im Epitaphios) niemanden ausschließt, und grenzt sie gegen die ολιγαρχία ab (6,39). Die innere Verfassung der Demokratie beleuchtet Alkibiades in Sparta, bestimmt sie (im Widerspruch mit dem Epitaphios stehend) als , Ochlokratie' und als vereinbarten Unverstand (όμολογουμένης άνοιας) und definiert 6,92 das Verhältnis des Bürgers im Exil zum Vaterland. Ansonsten spielen innenpolitische Überlegungen eine untergeordnete Rolle.

3.4.4.15. Das Thema der Jugend (ή νεότης) Der topische Gegensatz zwischen Alt und Jung hat zwar nicht die Bedeu781 tung wie bei Aristophanes, wird aber bereits in Sparta von Archidamos 781 So Diesner 1956, 77. Menu 1994, 142: „La querelle de jeunes ä vieux instauree par Nicias est sterile ; eile est dictee par son interet personnel. La collaboration entre les classes d ' ä g e proposee par Alcibiade est constructive ; eile cautionne l'interet collectif." S. 145: „Le tour lexical qui traduit le conflit des deux generations est lui-meme unique et confere par lä un importance accrue ä la realite historique. Thucydide semble s'etre consciemment complu ä affiner, dans la version ecrite livree ä la posterite, les armes de la theorique qu'il a obligeamment pretees ä Alcibiade : ainsi se trouvent justifies le credit obtenu aupres de la masse des citoyens et le triomphe de la jeunesse des ses ambitions politiques grace ä sa precellence dans l'exercice de la rhetorique." Leppin 1999, 121: „Daneben hat eine andere Schichtung in der Polisbürgerschaft Bedeutung, die von Alt und Jung. Sie wird aber nur vereinzelt erwähnt. Dabei bewegt sich Thukydides ganz im Rahmen konventioneller Anschauungen, wie sie auch seine Redner formulieren: Das Alter sei erfahrener als die Jugend und übe damit tendenziell einen mäßigenden Einfluß auf die Politik aus ... Besonders auffällig ist die Rolle der Jugend bei dem Umsturz der 400: 8,65,2 verüben die Νεανίσκοι unter den Demokraten einen Mord; laut 8,69,4 dienen Ν ε α ν ί σ κ ο ι als Knüppelgarden." Vgl. die Kritik bei Eupolis frg. 104 PCG (μηκέτ 1 ... έ ά σ α τ α ρ χ ε ι ν μ ε ι ρ ά κ ι α κ ι ν ο ύ μ ε ν α κτλ.), 133 PCG (μή π α ι δ ί τ ά κ ο ι ν ά ) , und 333 PCG. Theseus Eurip. Suppl. 2 3 2 ^ 1 9 (mit ähnlichen Vorwürfen

THUKYDIDES

696

782

und Sthenelaidas verkörpert. Nikias, der Alkibiades auch jugendliche Unerfahrenheit vorwirft (6,12,2), evoziert am Ende seiner Rede einen Generationenkonflikt (6,13,1), während Alkibiades (6,18,6) das Problem der διάστασι,ς verneint und das Zusammenspiel (κρασιά) zwischen den verschiedenen Generationen als unabdingbar für das Wohl der Polis bezeichnet. Er stellt 6,16f. innen- und vor allem außenpolitisch die Vorzüge seiner ανοια und νεότης in den Vordergrund. Ebenso evoziert in Syrakus Athenagoras einen Konflikt mit den jungen Aristokraten, die sich nicht an 783

die demokratische Ordnung halten wollen. Er deutet eine Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen sozialen Gruppen und Altersklassen als Ideal der isonomen Demokratie an. Thukydides selbst gibt keinen Hinweis darauf, daß ein solcher Konflikt wirklich bestand. 6,24,3 stellt er fest, daß έρως ένέπεσε τ ο ί ς πασιν 784

έκπλεϋσαι. Wenn auch die Motive der Alteren sich von denen der Jüngeren unterschieden, so ist es für Thukydides dennoch evident, daß die άνθρωπεία φύσις mit ihren Affekten über die Altersgrenzen hinweg ähnlich auf Verlockungen reagiert; beim Hermenfrevel und in der auf die Niederlage folgende Krise spielt der Generationenkonflikt eine untergeordnete Rolle. 785 wie Nikias 6,12,2-13,1), Erechtheus 362, 21 T r G F ( ο μ ι λ ί α ς δέ τ ά ς γ ε ρ α ι τ ε ρ ω ν φ ί λ ε ι ) . Vgl. den Generationenkonflikt in Aristoph. Nub. als Vater-Sohn-Konflikt (vgl. dazu und zu anderen Autoren Strauss 1993). 782 So auch der Gegensatz zwischen erfahrenem Alter und unerfahrener Jugend bei Archidamos 1,80,1 und 2,11,1. Daß die Jugendlichen unerfahren waren ( α π ε ι ρ ί α ) , bestätigt Thukydides 2,8,1 auktorial. 783 Wassermann 1976, 121: „Here it is the younger man, Hermocrates, who offers the more realistic approach to the political situation ... His ... warnings are rejected by the older democratic demagogue, Athenagoras." Carter 1986, 124 weist auf Ähnlichkeiten zwischen Syrakus und Athen hin, wo jeweils j u n g e Männer verdächtigt werden, die Oligarchie anzustreben. Menu 1994, 143f. gibt aber mit Recht zu bedenken: „Mais la correspondance par rapport ä l'antilogie Nicias-Alcibiade n'est pas systematique. Car nous ne pouvons pas, par simplification reductrice, assimiler les veoL aux oligarques, ni a fortiori faire d'Hermocrate un j e u n e h o m m e et un oligarque. N o u s notons seulement q u ' H e r m o c r a t e parle le premier, sans alimenter de querelle entre j e u n e s et vieux, mais que c'est Athenagoras qui prend l'initiative du conflit, sans pour autant voir les effets de l'argumentation rhetorique tourner ä son avantage." Ebenso Nippel 1980, 50. 784 Vgl. dazu S. 533. 785 Forrest 1975, 47 glaubt, daß es in den Jahren nach 420 tatsächlich zwischen den älteren Demokraten und den nach 450 geborenen j u n g e n Männern einen Konflikt („generation gap") gab. Nippel 1980, 48, A n m . 23: „Hierin spiegelt sich ... wider, daß vor allem j ü n g e r e Angehörige der traditionellen Elite unter dem Einfluß so-

Gestaltung und Funktion der Reden bei Thukydides

697

3.4.4.16. Argumentum a persona In den symbuleutischen Reden betont der Ratgeber meistens am Anfang, bisweilen auch im Epilog der Rede, über genaues Wissen, Erfahrung etc. zu verfugen. So empfiehlt sich Nikias 6,9 durch ήθος und das Paradeigma des αγαθός πολίτης als guter Ratgeber und greift Alkibiades 6,12,2 ad hominem an, wenngleich er ihn nicht beim Namen nennt. Dagegen verteidigt sich Alkibiades in einer λυσις διαβολής in Athen und in Sparta (6,16 und 89); dasselbe muß Euphemos 6,82 für Athens Herrschaft in Kamarina tun. Der syrakusische General lehnt 6,41 Verleumdungen als schädlich ab. 6,33,1 behauptet Hermokrates, σαφέστερον t l έτερου είδως und als guter B ü r g e r a n g e s i c h t s d e r G e f a h r d u n g t r o t z m ö g l i c h e r persönlicher Anfeindung das beste zu sagen. Alkibiades empfiehlt sich in Sparta 6,91 durch Wissen als (ηθική π ί σ τ ι ς ) . Ebenso will Nikias bei seiner Apologie 7,15 mit dem kurzen Hinweis auf frühere Taten Sympathie erwerben und macht 7,77 mit dem Beispiel seiner Person den Soldaten Mut.

phistischer Lehren und Techniken die absolute Bindung an die Polis, ihre Gesetze und Götter aufgaben und stattdessen einen amoralischen Individualismus und eine zynische Einstellung zur Politik entwickelten, die in einer Krisensituation zu einer Aufkündigung der Loyalität gegenüber der Polis und ihrer demokratischen Verfassung führen konnte." Ebenso Strauss 1993, 136ff., der für diese Zeit „a generational change in politics - from old to young, from father to son" (S. 149), d.h. von der Generation des Perikles zu der des Alkibiades, der ebenso im Drama und in der Rhetorik seine Spuren hinterlassen hat, feststellt. Wassermann 1976, 121: „Thucydides could not fail to observe the clash between the generations, especially when the political and moral crisis of the later decades of the Fifth Century increased the bitterness of strife. However, in line with his emphatic concentration on the political sphere, he disregarded the general human issue." Leppin 1999, 121: „Selbst als Thukydides den Überschwang der Athener vor der Sizilischen Expedition schildert, schreibt er Alten und Jungen unterschiedliche Motive zu, wobei die Älteren trotz ihrer Bejahung des Unterfangens etwas skeptischer hinsichtlich des Ausgangs wirken als die Jungen. Gleichwohl überwiegt das Gemeinsame. Es sind eben nicht nur die Jungen, sondern auch die Alten, die sich zur Sizilischen Expedition hinreißen lassen." Dagegen Luschnat 1942, 129f.: „Die Fahrt nach Sizilien stellt sich dem Thukydides als ein Unternehmen dar, das im wesentlichen durch eine politisch aktive Jugend, wie sie z a h l e n m ä ß i g damals wieder stark vorhanden war (26,2) und durch ihren Führer Alkibiades gegen die Widerstände der älteren Bürger durchgeführt wurde."

698

THUK.YDIDES

3.4.5. Rhetorische Gestaltung, Stil und Gliederung der Reden Es ist eine erwiesene Tatsache, daß Thukydides eine stilistische Differenzierung und demzufolge auch Charakterisierung der Reden und Redner durch Hervorhebung stilistisch relevanter Züge vornimmt. Zwar gibt es gewisse charakterliche Stileigenheiten der Redner, wie Tompkins nachgewiesen hat, doch bestimmt in mindestens ebenso hohem Maße wie das Individuum des Redners auch die Rede-Situation, die Absicht und die Art der Rede - eine Paränese ist anders als eine symbuleutische Rede strukturiert - ihren Stil. 786 Tompkins' Kriterien, um die Komplexität einer Rede zu eruieren, sind nicht zur Gänze befriedigend: Er behandelt nominale Konstruktionen (Partizipien und Infinitive) gleich wie Nebensätze, die aber in der Regel satzwertig (mit Subjekt und Prädikat sowie einleitender Konjunktion) sind, während viele nominale Konstruktionen oft nur aus einem Wort bestehen, und will etwas willkürlich die Komplexität der Reden durch die „proportion of sentences with three or more levels of 787

complexity" aufzeigen. Weitere Kriterien sind unpersönliche Ausdrücke, Abstrakta und der Gebrauch von Partikeln. Betrachtet man Tompkins' 788 Daten, zeigt sich, daß seine Folgerungen z.T. revidiert werden müssen. Tompkins hat zwar recht, daß die Sätze in Nikias' Reden einen hohen Grad an Komplexität erreichen und789er der Redner ist, der am meisten unpersönliche Ausdrücke gebraucht. Ebenso stimmt es, daß Alkibiades viele Sätze mit καί einleitet. Aber in den Paränesen und im Brief ist Nikias' Stil einfacher als in seinen Reden in Athen. In der Paränese vor der Schlacht 7,61 ff. läßt er etwa ein Drittel der Sätze mit καί (bzw. τ ε ) beginnen, gebraucht viele Relativsätze, dagegen weniger hypothetische Nebensätze und adversative Partikeln. 7,77 fehlen substantivierte Abstrakta. Wie der Dorier Hermokrates verwendet auch Nikias die Wendung τάχ' αν ίσως 786 In diesem Sinne formuliert R e d o n d o 2 0 0 2 , 131 die Hypothese, daß j e d e s R e d e g e nos (epideiktisch, symbuleutisch und dikanisch) eine eigene Syntax a u f w e i s e . 7 8 7 T o m p k i n s 1972, 186f. 788 D a z u bedürfte es einer M o n o g r a p h i e , in der zunächst die Kriterien fiir die D i f f e renzierung festzulegen wären: Dabei müßten wohl neben dem Stil auch die rhetorische G e s t a l t u n g und A r g u m e n t a t i o n s t e c h n i k berücksichtigt werden. Erst die a u s der A n w e n d u n g einer s o l c h e n M e t h o d e g e w o n n e n e n Daten könnten dann mit T o m p k i n s ' Resultaten verglichen werden und z e i g e n , inwieweit T o m p k i n s ' F o l g e rungen richtig sind. 789 Dazu T o m p k i n s 1972, 1 8 4 - 1 8 8 , der in 5 0 % der S ä t z e eine Subordination bis zum dritten G r a d e ermittelt hat. Dabei wird N i k i a s nur von den Spartanern 4 , 1 7 f f . und den Korinthern l , 3 7 f f . , nicht aber von einem Einzelredner übertroffen.

Gestaltung und Funktion der Reden bei Thukydides

699

(6,10,4 und 34,2 und 6,78,3); ebenso gebrauchen die Dorier und Nikias kaum den nominalen Infinitiv mit Artikel. 790 Während die Unterschiede zwischen Alkibiades und Nikias durchaus deutlich sind, fallen diese bei den anderen Antilogien geringer aus und stehen in enger Verbindung mit der Situation und Absicht des Sprechers (bei Hermokrates oder den Paränesen); Sprecher wie Athenagoras oder Euphemos werden als Typen charakterisiert, wobei durch den Gebrauch von Partikeln das emotionale Engagement des Athenagoras sehr emphatisch erscheint. Der Gebrauch von Tropen (Litotes, Hyperbole, Metapher, Periphrase und Ironie), Klang-, Wort- und Gedankenfiguren (Anapher, Paronomasie, Alliteration, Polyptoton, Homoioteleuton, Isokolon, Klimax, Antithese, Chiasmus, Zeugma, Synonymie, Apostrophe), τελικά κεφάλαια (δίκαιον, καλόν, αίσχρόν, δυνατόν, ράδιον, χαλεπόν, ξυμφέρον, ασφαλές), Enthymemen, Analogie- und Wahrscheinlichkeitsschlüssen (εικός), denen eine einheitliche Psychologie des Menschen zugrunde liegt und die vor allem das Verhalten von Menschen und politischen Organismen (πόλεις) be791

leuchten, Begriffsdihäresen und anderen logischen argumenta sowie Gnomen widerspiegelt die in der damaligen Rhetorik gebrauchten Mittel, wobei oft ein Gegensatz zwischen der rhetorischen Absicht des Redners und der für den mehr als das Publikum wissenden Leser durchsichtigen Argumentation besteht. Dabei ist in den Reden, wie schon erwähnt, die Antithese eine der wichtigsten Gedankenfiguren. Wie im übrigen Werk ist besonders der Gegensatz zwischen λόγος und έργον auch in den Reden prominent vertreten. Wie im Detail die Paraphrase der einzelnen Reden gezeigt hat, weisen diese in der Regel typische Gliederungen mit Proömium, Argumentationsteilen und Epilog auf, sind aber im Gegensatz zu realen Reden viel kürzer 793

und gedrängter. Das Proömium hat oft die Funktion, gegnerische Argumente zu widerlegen (bei Euphemos 6,82), eine Apologie vorzubereiten 790 Redondo 2002, 116. Ebenso kaum bei Archidamos und Brasidas: „Com a hipötesi podriem acceptar que Tucidides l'ha assimilat a la que els moderns coneixem com a retorica espartana." 791 So Nikias 6,11,3: kein Imperium greift ein anderes an; Alkibiades 6,17; eine gemischte Bevölkerung ist nicht wehrhaft; Nikias 6,20,2: niemand tauscht freiwillig Freiheit gegen die athenische α ρ χ ή ein. 792 Etwa bei Nikias 6,12,1; 22; 68,1 und auktorial 7,48,3; Hermokrates 6,76,1 und Euphemos 83,3. 793 Vgl. dazu S. 453 ff.

700

THUK.YDIDES

(Alkibiades 6,16 φθόνος und 89 όργή) oder über das Problem der Kommunikation bei nicht a priori freundlich gesinntem Publikum (Nikias 6,9 und Hermokrates 6,33 α π ι σ τ ί α ) nachzusinnen. 794 Sehr oft wird dabei Ethos eingesetzt. Im längeren argumentativen Mittelteil wird meist ein komplexer über mehrere Stufen gehender oder aus mehreren Teilen bestehender Beweis geführt, der rhetorisch durch analeptische π ί σ τ ε ι ς und παραδείγματα, Syllogismen, Wahrscheinlichkeitsschlüsse, Gnomen etc. bereichert und verstärkt wird und in einen Epilog mündet, der meistens eine recapitulatio und einen emotionalen Appell (meist mit Pathos verstärkt) enthält.

3.4.6. Die Funktion der Reden im Werk des Thukydides Die direkten Reden bilden zusammen mit den indirekten Reden und der auktorialen Rezeptionssteuerung das Interpretationsgerüst der Erzählung. Während die oratio obliqua dazu dient, in geraffter und konziser Form kürzere Gedankengänge wiederzugeben und Bekanntes zu wiederholen, hebt die oratio recta das Besondere und Wichtige lebendig und dramatisch hervor. Daneben werden wichtige Akteure redend und mit Verwendung einiger Mittel der ηθοποιία typisierend charakterisiert. Am bedeutendsten ist jedoch die indirekte Kommentierung und Sinnstiftung des Geschehens gemäß den oben dargelegten Deutungspatterns. Dabei sind die Reden in einem bestimmten Kontext verhaftet 795 und erfüllen jeweils auch einen

794 Tosi 1980, 96 spricht von einer , , ' e s o r c i z z a z i o n e ' iniziale" eines negativen G e f ü h l s des P u b l i k u m s g e g e n ü b e r der R e d e o d e r d e m Redner und e r w ä h n t als M u s t e r b e i spiele 2,35 und 1,73. 795 Für W e s t l a k e 1973 sind die R e d e n ab Buch 6 realistischer, besser in den Kontext e i n g e b u n d e n , w e i s e n w e n i g e r G r u n d s a t z d i s k u s s i o n e n und A b s t r a k t i o n e n a u f und zeigen einen Wechsel in der M e t h o d e an, S. 107: 6 , 9 - 2 3 : „ T h e s p e e c h e s o f N i c i a s and A l c i b i a d e s , t h o u g h t h e y c o n t a i n g e n e r a l i z a t i o n s o f t h e kind f o u n d in all T h u c y d i d e a n s p e e c h e s , are almost exclusively c o n c e r n e d with the practical p r o b lems of the situation as it existed on the day o f the d e b a t e . " E b e n s o Proctor 1980, 5 8 : „ W h e r e a s N i c i a s and A l c i b i a d e s stay c l o s e to t h e matter in hand, and m a k e their p o i n t s in r e l a t i v e l y s t r a i g h t f o r w a r d l a n g u a g e , C l e o n a n d D i o d o t u s r a n g e w i d e l y into generalities, both o f t h e m , in fact f r o m their d i f f e r e n t points of v i e w delivering lectures on t h e vices of t h e A t h e n i a n d e m o c r a c y ; and their l a n g u a g e is a d o r n e d with all t h e f l o w e r s of Sicilian r h e t o r i c i n t r o d u c e d by G o r g i a s . T h e i r s p e e c h e s are studied literary c o m p o s i t i o n s ... T h e w h o l e debate is a long w a y f r o m the realities of the actual s i t u a t i o n . . . . In the one, he is concerned, if not precisely to point a moral, at least to d e p l o y g e n e r a l principles; in t h e other, to exhibit h o w

Gestaltung und Funktion der Reden bei Thukydides

701

rhetorischen Zweck. Die dazu benutzen Argumente sind, wie Thukydides im Redensatz 1,22 angegeben hat, der jeweils vorliegenden Lage angemessen und widerspiegeln den Charakter und vor allem die Intention der Sprecher, auch wenn wohl die meisten Argumente und Gedankengänge nicht authentisch sind. Doch weisen die allgemeinen, in den Antilogien meist kontrovers gebrauchten Reflexionen z.B. über die Natur des Imperialismus oder über die als τελικά κεφάλαια bekannten Themen sowie die aus analeptischen Erzählungen gewonnenen Erkenntnisse über die spezielle Situation hinaus, wobei oft das Partikulare als spezieller Fall eine allgemeine Regel illustriert. Diese die spezielle Situation transzendierenden allgemeinen Überlegungen geben dem Leser durch Zusammenschau (durch das Mittel der ,Fernbeziehungen') Einsicht in die Triebkräfte des menschlichen Handelns, wobei sich Thukydides' Interesse weitgehend auf den politisch-militärischen Bereich beschränkt. Durch die z.T. kontroverse Behandlung einer begrenzten Anzahl Leitmotive, die durch Fernbeziehungen miteinander verbunden sind, wird dem Leser ein Instrumentarium zur Interpretation der vom Narrator berichteten Ereignisse gegeben, das dieser durch analoges Denken für seine eigene Zeit und Lage fruchtbar machen kann. Somit sind es also vor allem die direkten Reden, die Thukydides einsetzt, um dem 1,22,4 angegebenen didaktischen Wirkanspruch seiner Geschichtsschreibung gerecht zu werden. Die Reden sind nicht, wie Cole meint, in erster Linie ein Reservoir von Musterargumenten, die anstelle einer rhetorischen τ έ χ ν η dem Redner Argumente zur Überredung bieten, sondern ein Instrument zur Analyse des politischen Geschehens, das über dessen Einmaligkeit hinausweist.

things actually happened at a critical turning-point in the history of the war." Betrachtet man aber den Melierdialog, Athenagoras' Reflexionen (6,38f.) über die Staatsformen und die kontroverse Interpretation der Geschichte bei Nikias, Alkibiades, Hermokrates und Euphemos, die aus der Geschichte allgemeine Regeln ableiten wollen, muß diese Einschätzung relativiert werden. Um diese Frage abschließend zu beantworten, müßte man die Zahl und Dichte von Abstrakta, Gnomen und Begriffsdihäresen in allen Reden ermitteln und prüfen, ob diese gegen Ende abnimmt.

IV. Vergleich der Reden bei Herodot und Thukydides 4.1. Die narrative Struktur der Werke Ein Vergleich der Struktur der beiden in dieser Arbeit untersuchten Erzählsegmente zeigt, daß Thukydides Herodots Perserkriege an vielen Stellen, so besonders am Anfang und Ende, als Folie verwendet hat.

Herodot VI: Marathon und Miltiades' Ende. VII, 1-7: 486—481 v. Chr (gerafft): Xerxes wird Dareios' Nachfolger; Mardonios und griechische Verbannte überreden Xerxes zum Feldzug (direkte und indirekte Reden).

Thukydides Vorgeschichte Externe Faktoren lösen όρμή nach dem Feldzug aus: Erster Beschluß gefaßt

8-19: drei Tage und Nächte: Kronrat und Träume: Reden der jüngeren Xerxes und Mardonios für und des älteren Artabanos gegen die Expedition. Meinungsumschwünge: Reden des Traumes zwingen Xerxes und Artabanos zur Expedition.

Beratung und definitiver Beschluß

20-137: Vorbereitung

Vorbereitung,

V, 89-113: Melierdialog VI, 1-7: Winter 416/ 15 v. Chr.: Auktoriale Angabe der Motivation der Athener und Exkurs. Gesandte aus Sizilien bitten um Hilfe (indirekte Reden). 8-26: an einem Tag: Volksversammlung in Athen: Reden des älteren Nikias gegen und des jüngeren Alkibiades für die Expedition. Auktoriale Charakterisierung des Alkibiades.

27-32,3: Hermenfre-

703

Die narrative Struktur der Werke

Abfahrt / Anmarsch: έττίδειξις δυνάμεως ist vor allem Schein

vel (indirekte Reden) und Abfahrt des Heeres. Skandal um Alkibiades. Auktoriale Bemerkungen zur Größe des Expedition und Vergleich mit früheren Feldzügen. Wettfahrt der Flotte.

138-175: Erwartungen und Vorbereitung der Griechen (Analepse). Auktoriale Würdigung der Rolle Athens als Retter Griechenlands. Bündnissuche der Griechen scheitert: Gespräch mit Gelon und Reden der Argiver, Kerkyraier und Thessaler. Uneinigkeit der Griechen. Exkurs zu Gelon von Syrakus.

Wechsel der Fokalisatoren: Reaktion der Angegriffenen; Gegenmaßnahmen beschlossen bzw. in Tat umgesetzt (Bündnissuche)

32,2—41: Erwartungen in Syrakus Reden des Hermokrates, des Athenagoras und eines Generals.

175—VIII,23: Scharmützel zur See. Vorbereitungen und Schlacht bei den Thermopylen. Persischer Sieg. Gespräche zwischen Xerxes, Demaratos und Achaimenes vor und nach der Schlacht über die weiteren Aussichten und Strategien. Seeschlacht am Artemision endet unentschieden.

Ankunft und erste Gefechte: Erfolge für die Angreifer

42-72: Überfahrt nach Sizilien, Beratung (indirekte Reden) der athenischen Feldherren über die Strategie. S ommerkampagne. Angriff auf Syrakus und Rückzug. Paränese des Nikias vor und indirekte Rede des Hermokrates nach der Schlacht.

und Marsch nach Europa: Auktoriale Bemerkungen zur Größe des Expedition und Vergleich mit früheren Feldzügen. Gespräche mit Pythios während der Reise und nach der Winterpause. Seeschlacht zum Schein. Gespräche des Xerxes mit Artabanos vor und mit Demaratos nach der Überschreitung des Hellesponts. Heereskatalog der Perser.

Uneinigkeit der Syrakuser.

704

Vergleich der Reden bei Herodot und Thukydides

Abberufung des Alkibiades. Analeptischer Exkurs zum Ende der Tyrannis.

Themistokles' List und Reden.

24-82: Vorbereitung der Schlacht von Salamis, Eroberung Athens durch Xerxes (Höhepunkt persischer Machtentfaltung). Schiffskatalog der Griechen. Debatte und Streit der Griechen um die beste Strategie: Bleiben oder Rückzug. Reden von Mnesiphilos, Themistokles; auf persischer Seite Rede der Artemisia. Gespräche des Themistokles mit Adeimantos und Aristeides. Nur durch List kann sich Themistokles schließlich durchsetzen. 83-125: Schlacht von Salamis. Sieg der Griechen und persischer Rückzug: Auktorialer Kommentar zur Zuverlässigkeit des Bakis-Orakels: Trostreden des Mardonios und Artemisia: Rückzug des Xerxes. Reden des Themistokles an die Athener, Gespräch mit den Andriern. Siegerehrung zeigt Neid.

Diplomatische Manöver

Streit unter den Griechen: Bleiben oder Flucht

Bündnispartner von beiden Parteien gesucht

Wendepunkt nach Schlacht Entscheidende Niederlage zur See

Nach Höhepunkt erste Rückschläge

73-93: Bündnissuche: Antilogische Reden des Hermokrates und des Euphemos in Kamarina; Rede des Alkibiades in Sparta. Beschluß, Hilfe nach Sizilien zu senden und in Attika einzufallen.

94-VII,18: Belagerung von Syrakus. Ankunft des Gylippos und der Hilfe aus Sparta (indirekte Rede). Den Athenern gelingt es nicht, Syrakus zur Kapitulation zu bewegen. Erste bedeutende Rückschläge. Brief des Nikias: Bitte um Abzug oder Verstärkung.

Die narrative Struktur der Werke

126-IX,25: Diplomatische Mission in Athen: Reden Alexanders, der Spartaner und der Athener. Weitere Missionen im Frühjahr in Athen und in Sparta. Reden der Thebaner an Mardonios, der Athener, des Tegeaten Chileos, der Sparta zum Handeln bewegt. Bankett des Attaginos mit der Rede des vornehmen Persers.

705

19-54: Beginn des Dekeleischen Kriegs. Trotz Verstärkung unterliegen die Athener den Syrakusern. Indirekte Reden des Gylippos und Verstärkung Hermokrates, sowie Beratung von Nikias bringt keine Wende und Demosthenes in oratio obliqua. Auktorial Widerstandswille Athens und Massaker von Mykalessos und Heereskatalog beider Koalitionen.

Übergangsphase und Vorbereitung zur letzten entscheidenden Schlacht

Bündnispartner von beiden Parteien gesucht

27-106: Endgültiger Sieg der Griechen in Plataiai und Mykale: Redeagon zwischen Tegeaten und Athenern. Reden von Mardonios, Alexander, Pausanias, Lampon und Timagenides vor und nach der Schlacht. Rede und Paränese des Leotychidas vor der Seeschlacht. Mehrere analeptische Exkurse.

Endgültige Entscheidung und Vernichtung des angreifenden Heeres

55-87: Endgültige Niederlage im Hafen, verlustreicher Rückzug und Kapitulation der Athener. Heereskatalog beider Seiten. Paränesen des Nikias und der syrakusischen Feldherren mit Gylippos. Trostrede des Nikias. Auktoriale Bilanz der Expedition.

107-122: Familienzwist zwischen Xerxes und Masistes durch Reden dramatisiert. Eroberung von Sestos durch die Athener und Bestrafung des Artayktes mit Reden. Analepse in Zeit des Kyros.

Epilog

VIII,Iff.: Reaktion in Athen und Vorbereitungen zum Krieg in Ionien.

Vergleich der Reden bei Herodot und Thukydides

706

Bei beiden Autoren wird die anfängliche όρμή zum Feldzug durch Redeagone vergrößert. 1 Dabei treten in beiden Fällen ausländische Bittsteller auf. In beiden Werken treiben ehrgeizige und eigennützige junge Männer, die eine besondere Stellung im Staat anstreben, den Entscheidungsträger Xerxes bzw. das athenische Volk an, die Entscheidung für die Expedition ο

zu fällen. In beiden Fällen findet schließlich die Debatte nach dem bereits gefällten Beschluß statt, also in einer Situation, in der eine Umkehr praktisch schon unmöglich geworden ist. Doch während bei Thukydides die Verhandlungen an einem Tag und öffentlich in der εκκλησία stattfinden, sind bei Herodot die Reden auf drei Tage mit dem Gegensatz von Tag und Nacht und (halb)öffentlichem Rat bzw. Bettraum verteilt. Während bei Herodot das stumme Publikum über keine Entscheidungsgewalt verfügt, werden bei Thukydides andere Voten unterschlagen und dem Publikum nur non-verbale Äußerungen zugestanden. In beiden Fällen sind, wie in 4.2.3 ausfuhrlich zu zeigen ist, die Argumente ähnlich verteilt: Mit dem Hinweis auf die aus der Analyse der Geschichte abgeleitete Tradition, die Rache, die Zwänge und Dynamik der Macht sowie die Leichtigkeit des Unternehmens plädieren die jüngeren Xerxes bzw. Mardonios und Alkibiades dafür, den Feldzug zu wagen. Die älteren Artabanos und Nikias warnen auf Grund einer gegensätzlichen Analyse der jüngeren und jüngsten Geschichte vor der affektiven Begierde, betonen die Wichtigkeit der ευβουλία und raten wegen möglicher Risiken davon ab, den Feldzug zu unternehmen. Weitere thematische Gemeinsamkeiten weisen die Reden in Syrakus (Hdt. 7,157ff.) bzw. in Athen (8,140ff.) und in Kamarina (Thuk. 6,76ff.) bzw. der Melierdialog (5,85-113) auf: Es geht jeweils darum, Verbündete zu gewinnen, und es werden Argumente wie Nutzen, Sicherheit, καλόν, δίκαιον und Drohungen für bzw. wider das Bündnis geäußert; wie die Gesandten der Griechen in Syrakus (7,157,3) warnt auch Hermokrates (6,78) in Kamarina vor den Gefahren des Abseitsstehens und empfiehlt eine präventive Strategie; er argumentiert wie die Spartaner in Athen (Hdt. 8,142) vorwiegend mit Rechtsgründen, während Alexander (Xerxes und Mardonios) vor allem den Nutzen hervorheben und damit Euphemos gleichen; doch während die Überlegungen der Kamariner auktorial genannt

1

Hdt. 7,1,1; 1,3; 4 und Thuk. 6,6,1; 19,1; 24,2.

2

Bei Herodot sind es die Gesandten der Aleuaden und die im Exil lebenden Peisistratiden, bei Thukydides die Egester (und wohl auch die Leontiner).

3

Mardonios will, wie auktorial Hdt. 7,6 mitgeteilt wird, seine früheren Mißerfolge wettmachen und Satrap Griechenlands werden, Alkibiades strebt, wie Thuk. 6,15 auktorial berichtet wird, nach Ehre und Reichtum.

Die narrative Struktur der Werke

707

werden, sprechen bei Herodot sowohl Gelon in einem Dialog mit den Gesandten als auch die Athener in einer Rede ausfuhrlich und motivieren ihre Entscheidung; wie Alexander 8,140 auf die positiven Aspekte des Angebots des Königs eingeht, betonen die Athener im Melierdialog die Vorteile der Unterwerfung; wie die Melier argumentieren die Spartaner und dann die Athener, die sich ihrer Unterlegenheit bewußt sind, mit dem καλόν (8,142f.). 4 In beiden Darstellungen wird auf die große Pracht der angreifenden Macht, die jedoch mehr Schein als Sein ist, Wert gelegt, wie die Scheinschlacht und die Wettfahrt als επίδειξις δυνάμεως zeigen. 5 Den Kontrast dazu bildet jeweils die entscheidende Niederlage des Expeditionskorps, wobei bei Herodot die Niederlage eindeutig, aber nicht vollständig und auf drei große Schlachten verteilt ist (Salamis 8,88 bzw. 115-120; Plataiai 9,58-75 und Mykale 9,90-106), während bei Thukydides die vernichtenden Niederlagen zu Lande und zu Wasser dicht beieinander liegen und die Katastrophe total ist (7,71 f f ) . Als erster hat Cornford die beiden Expeditionen ausfuhrlich verglichen und auf strukturelle und inhaltliche Gemeinsamkeiten hingewiesen. 6 Während fur Hunter in der Darstellung der Sizilischen Expedition alle bisherigen von Thukydides genannten Expeditionen, zu denen auch der Xerxesfeldzug gehört, kulminieren, erkennt Connor in der Darstellung der Kämpfe im

4

Man kann auch Themistokles' Trugrede (Hdt. 8,75) mit den indirekten Trugreden (Thuk. 6,64 und 7,73) vergleichen.

5

Hdt. 7,44 und Thuk. 6,32,2, wobei in beiden Fällen ά μ ί λ λ α ν v o r k o m m t . Die Wettfahrt in den Gewässern von Salamis - auch wenn Thukydides περί Α ϊ γ ί ν η ς sagt - ist für Cornford 1907, 218 symbolisch. Kallet 2001, 87ff. betrachtet den Ionischen Aufstand als Vorlage, so z.B. die Unkenntnis des Artaphernes und des athenischen Volkes, die beide die Zahl der Schiffe erhöhen (Hdt. 5,31,4; Thuk. 6,24); die Übertreibung und List des Aristagoras und der egestischen Gesandten; Aristagoras und die Athener wollen herrschen (Hdt. 5,30,3; Thuk. 6,6,1), Aristagoras und Alkibiades haben persönliche Motive; die Finanzierung wird versprochen (Hdt. 5,30-31,2; Thuk. 6,8), aber nicht geleistet. Aber neben diesen motivischen Gemeinsamkeiten überwiegen die Unterschiede: Während Athen wie Xerxes mit der Expedition sehr weitreichende Ziele verfolgte, war A r i s t a g o r a s ' Ziel beschränkt; während neben Aristagoras auch Histiaios eine wichtige Rolle beim Ionischen Aufstand spielt, fehlt bei der Sizilischen Expedition eine solche Figur; zum Motiv des Trugs vgl. S. 556 f., Anm. 455.

6

Cornford 1907, 2 0 I f f .

708

Vergleich der Reden bei Herodot und Thukydides η

Großen Hafen in Syrakus implizit Parallelen zur Schlacht von Salamis. Dabei gleichen die Athener in Sizilien den Persern und die Syrakuser den ο Athenern bei Herodot. Rood meint, daß die Expedition als Umkehrung der Perserkriege konstruiert wird, wobei Athen anstelle der Perser die Rolle der tyrannischen Macht eingenommen habe. 9 Explizit vergleicht Hermokrates 6,33 die bevorstehende athenische Expedition mit den Perserkriegen; 10 ebenso 7

Hunter 1973, 166 zu Thukydides' Interpretationen: „Like the Persian expedition the defeat was a paralogos, ... like Agamemnon's force the first major problem was lack of supplies and money ... Finally, as in the case of the Egyptian expedition destruction was total ... in its magnitude the defeat of the Athenian expedition against Sicily incorporates features of all previous 'large armaments', thus attaining the level of the ultimate paradeigma." Connor 1985a, 197: „But more important is the implicit comparison between the Athenian invasion of Sicily and the Persian invasion of Greece. The battle in the harbor inevitably evokes the Battle of Salamis." Longo 1975, 96 weist auf die Analogie zwischen Hdt. 8,61 und Thuk. 7,77 (Drohung des Themistokles / Trost des Nikias) hin: „Nel raffronto delle due situazioni e dato ravvisare una duplice analogia: una negativa (nel Porto Grande le triremi attiche si trovano, per l'esiguitä dello spazio in una situazione di difficoltä analoga a quella della flotta persiana a Salamina), e una positiva (una polis intesa come άνδρες che si dispone ad abbandonare la propria sede per cercarne una altrove."

8

Connor 1985a, 174f.: „We see the growing confidence and the increasing assimilation to the qualities that in the early parts of the Histories have been ascribed to the Athenians ... the Athenians are to the Syracusans as the Persians once were to the Athenians themselves." Rood 1998a, 197: „The defeat in Sicily is constructed as a reversal of the Athenians' greatest triumph: their victory against Persia. Formerly victorious against tyranny now the tyrannical city, the Athenians' imperialistic drive leads them on to fresh conquest - until they encounter men like themselves, who take to the sea and undertake danger themselves so as to liberate others." Ebenso Rood 1999, 159: „The force of the Herodotean parallels drawn by Thucydides is to suggest that the Athenian invasion of Sicily is in some ways a rerun of the Persian invasion of Greece. This suggestion in enhanced by Thucydides' presentation of the defeat of the Athenian fleet at Syracuse as a reversal of its victory over the Persian fleet at Salamis - a presentation that itself recalls his construction of the Spartan surrender on Sphacteria as a reversal of the Spartan resistance at Thermopylae." Pelling 1999 weist auf die rezeptionssteuernde Funktion von Intertextualität hin; S. 345f.: ,,Ιηtertextuality thus generates interpretation and intelligibility. ... Whereas Herodotus' own patterns are authenticated within his text, Thucydides can graft his own analysis on the same patterns, and we can sense the Herodotean sequence reasserting itself."

9

10

Übertrieben aber Rood 1999, 163: „The idea that Syracuse reverses Salamis also makes a historical point: Hermocrates learns a strategic lesson from Athens' performance at Salamis, and the Syracusans want to emulate that performance." Her-

Die narrative Struktur der Werke

709

beginnen beide Expeditionen auf dem relativen Höhepunkt der Macht (Hdt. 7,1,2 bzw. Thuk. 6,26,2). Rood weist auch auf das Motiv des όρμασθαι vor der Expedition, auf die Rolle von äußeren hilfesuchenden Mächten, ehrgeizigen j u n g e n Feldherren, den Debatten erst nach der bereits gefaßten Entscheidung, den Gegensatz von Wissen (Leser) und Unwissen (internes Publikum) und von Macht und Schein, die (erfolgreiche) Flucht des Xerxes und die (mißlungene) der Athener hin. Während der Erfolg von Sphakteria mit dem bei den Thermopylen zu vergleichen ist, entspricht die Enge von Salamis der Enge des Hafens, die die angegriffene Partei begünstigt, wobei Themistokles 8,60 ebenso wie Thukydides auktorial 7,70,4 auf den Gegensatz έν σ τ α ν ω und εύρυχωρίη hinweist." Während Salamis ein einmaliges Ereignis ist und nur indirekt durch die Schlachten am Artemision vorbereitet wird, muß die syrakusische Strategie als das Ergebnis eines Prozesses über mehrere Seeschlachten hin, die bei Naupaktos mit dem unentschiedenen Ausgang der Schlacht zwischen Korinthern und Athenern angefangen hat, betrachtet werden. Rood weist auch Unterschiede hin: So haben die Athener bei Herodot andere Nomoi als die Perser, während die Syrakuser gerade deswegen siegen, weil sie den Athenern ähnlich (όμοιοτρόποι) werden. Im Unterschied zu Thukydides' Bericht durchzieht die Darstellung des Xerxesfeldzuges ein dichtes Netz von übernatürlichen die Rezeption indirekt lenkenden Zeichen und Orakelsprüchen. 12 Harrison, der ebenso von der Umkehrung des zum Mythos gewordenen 13

Sieges bei Salamis in Syrakus ausgeht, weist auf Ähnlichkeiten in der Erzählung der Schlachten hin 14 und glaubt, daß Thukydides bewußt Echos ausgestreut habe, um den Leser an Herodots Darstellung zu erinnern. 15 Raaflaub, der schon früher auf Parallelen in beiden Erzählungen hingewiemokrates impliziert nur, daß große Expeditionen scheitern können, gibt aber in s e i n e m Plan 6,34,5 nirgends Details oder strategische A n w e i s u n g e n , die Salamis evozieren; sein Plan, die Athener auf o f f e n e r S e e frontal anzugreifen, beruht auf der Umkehrung der Strategie von Salamis. 11

Rood 1999, 159: „ T h u c y d i d e s a n a l y z e s the Athenians' defeat at Syracuse in the same terms: their greater skill and their greater numbers are u s e l e s s in the narrow space o f the harbor at Syracuse."

12

Rood 1999, 155.

13

Harrison 2000b, 93.

14

Harrison 2 0 0 0 b , 92: „Themistocles' cunning trick finds its counterpart also in the m e s s a g e sent by Hermocrates to N i c i a s in order to block the Athenians' retreat by land." S o sei Thuk. 7,73 = Hdt. 7 , 5 6 , 1 - 5 9 , aber der Trick hat bei Thukydides auch eine werkinterne Parallele 6 , 6 4 (vgl. dazu S. 652, A n m . 677).

15

Harrison 2000b, 95.

Vergleich der Reden bei Herodot und Thukydides

710

sen und überzeugend gezeigt hat, daß Herodot den Xerxesfeldzug mit den Kategorien seiner Zeit interpretiere, 16 geht jedoch mit seinem unbeweisbaren und abwegigen Versuch zu weit: Als historische Vorlage für Herodots Kronrat vermutet er die ,realen' Debatten in Athen vor der ersten Sizilischen Expedition 424, von denen Thukydides nichts berichtet, die aber seiner Meinung nach ähnliche Argumente wie die Redentrias 415 enthiel17

ten. Die Parallelen sprechen aber weniger für ein direktes Abhängigkeitsverhältnis, vor allem, wenn man die Unterschiede berücksichtigt, als für eine gemeinsame ,geistige' Grundlage, die beiden Werken zugrunde liegt. Dabei spielen besonders die Reden, wie im folgenden zu zeigen sein wird, eine bedeutende Rolle. Die Gestaltung der beiden fast monographischen Erzählungen ist in vielen Punkten ähnlich, doch gibt es auch gewichtige Unterschiede: Bei Herodot verbinden die ersten Kapitel des 7. Buches äußerst gerafft Marathon (490 v. Chr.) mit dem Kronrat 484 v. Chr., dann überbrückt der Exkurs über den Bau des Athoskanals (7,22—4) weitere drei Jahre. Bis 7,138 erzählt Herodot aus der Sicht der Perser, bis diese von Asien in Europa angekommen sind, dann ergänzt er analeptisch aus der Erzählperspektive der Griechen deren Vorbereitungen, um ab 7,178 beide Stränge zu verbinden und die folgenden Schlachten mit jeweiligem Wechsel des Schauplatzes zu berichten. Salamis bildet den Höhe- und die Wendepunkt und ist der chronologische 16

Raaflaub 2002a, 21: „Herodot ... deutet vergangene Geschichte mittels der Erfahrungen seiner Zeit und benützt die an der Vergangenheit bewährten Deutungsmuster wiederum zur Erhellung der Zeitgeschichte." Vgl. auch S. 26 dieser Arbeit.

17

Raaflaub 2002a, 35: „Ich denke deshalb, daß es gerade die Bedrohung der sizilischen Griechen durch das imperialistische Athen war, die Herodots Denken anregte und ihm half, dem Wesen der hier ablaufenden gegensätzlichen Prozesse auf den Grund zu kommen - oder doch mindestens allgemeine Einsichten, die er allenfalls schon zuvor gewonnen hatte, noch schärfer und grundsätzlicher zu verstehen." Daß gerade die Expansion nach Westen Herodots Assoziationen anregten, ist kaum wahrscheinlich, zumal Athen bereits viel früher die Ägyptenexpedition unternommen hat. Im weiteren ist die Expedition 424 sehr gering, die Konsequenzen 4,65 f ü r Athen glimpflich, während X e r x e s ' eine große Niederlage einstecken muß. Erst die Sizilienexpedition 4 1 5 - 1 3 hat ein mit dem Xerxesfeldzug vergleichbares Engagement Athens zur Folge; die S. 23ff. beschriebenen Parallelen, so der j u n g e Herrscher und Alkibiades, die Orakel etc. haben 424 keine Entsprechung, wodurch der Katalog zwar nicht um den Punkt des Imperialismus und der präventiven Strategie, aber um weitere Parallelen gekürzt wird. Raaflaub ist genötigt, die Debatten über die Expedition 424 anzusetzen, weil er sonst den Terminus von Herodots Publikation nach 415 (wie Fornara 1971b) oder noch viel später ansetzen müßte, wenn man annimmt, daß Thukydides nach 404 publiziert hat.

Die narrative Struktur der Werke

711

Fixpunkt, der auch durch den Wechsel der Fokalisation markiert wird: Ging bis zu diesem Zeitpunkt die Initiative von den Persern aus, sind es jetzt die Griechen, die Aktivitäten entfalten. Nach Salamis weist das Werk eine annalistische Struktur auf: in der Regel ohne explizite Markierung werden die Ereignisse nach Jahreszeiten erzählt. 18 Dagegen ist die Struktur des Werks bei Thukydides annalistisch, wobei die Jahreszeiten durch feste Formeln markiert sind und die Erzählsegmente abtrennen. 19 Dabei liegt die Emphase auf der Anfangsphase, wobei der Schauplatz mehrmals zwischen Athen und Sizilien wechselt und mehrheitlich aus der Sicht der Athener erzählt wird; das Jahr 414 wird gerafft und ohne Reden (mit Ausnahme des Briefs) berichtet; dagegen wird im Sommer 413 auf die entscheidenden Schlachten und die totale Vernichtung des Expeditionsheeres großes Gewicht gelegt, wobei nach 7,36 kein Schauplatzwechsel mehr stattfindet. Dabei ist die Erzählung bei Thukydides im großen und ganzen linear. Wie sein Vorgänger wählt auch Thukydides im Hauptstrang wenige paradigmatische Sequenzen, die er mit einer relativen internen Chronologie, die meistens nur wenige Tage abdeckt, versieht. Anachronie wird auktorial sparsam eingesetzt und hat vornehmlich exege20

tische und ironische Funktion. Dagegen wird die Erzählung bei Herodot viel öfter durch analeptische und proleptische, meist exegetische Zusätze (Exkurse und Kurzgeschichten) unterbrochen, so daß der Eindruck einer bunten, asyndetisch aneinandergereihten Erzählung entsteht, die auch wegen der oft bunten Polyphonie und Quellenvielfalt nicht immer die innere Kohärenz und die daraus resultierende dramatische Betroffenheit 21 des Lesers von Thukydides' Darstellung erreichen kann und will. 18

8,130 fehlt eine Ü b e r g a n g s f o r m e l , dagegen wird 9,121 eine A b s c h l u ß f o r m e l angedeutet.

19

Vgl. dazu S. 4 4 I f .

20

Exegetisch sind die Sizilische Archäologie und der Exkurs über das Ende der Tyrannis; der Betrug der Egester hat neben der exegetischen Funktion einen ironisch-kritischen Unterton (vgl. S. 556f., A n m . 455). Vgl. auch S. 649, Anm. 654. Hingegen dient die analeptisch erzählte Eroberung Athens als Botenbericht (Hdt. 8,53f.) dazu, deren Bedeutung zu schmälern und dem Hauptstrang, der zum Sieg in Salamis fuhrt, unterzuordnen, vgl. S. 250, Anm. 474.

21

Immerwahr 1954, 497: „Bei Thukydides folgt ihnen der Leser mit unmittelbarem Interesse, während er sie bei Herodot immer aus einer gewissen Distanz aus betrachtet." Weber 1976, 164: Zum Reisebericht in Buch VII: „Der Grad narrativer Organisation bleibt für den gesamten hier behandelten Geschehenskomplex recht niedrig und uneinheitlich. ... Es gelingt ihm hier also nicht immer, sein Informationsmaterial so zu organisieren, daß er innerhalb seiner Argumentation eine kohärente Reihe von Ereignissen erhält, mit der eine auch inhaltlich plausible Erklärung

Vergleich der Reden bei Herodot und Thukydides

712

Während etwa bei Herodot der Heeres- (7,61-99) und der Schiffskatalog (8,43^17) neben der Bewaffnung auch ethnographische Informationen über die Völker und ihre Sitten geben, interessiert Thukydides im Schiffskatalog 7,57 nur das Abhängigkeitsverhältnis und die Motivation der an der Schlacht teilnehmenden Völker. Während bei Herodot die Konsolidierung von Gelons Macht in einem sehr anekdotischen analeptischen Exkurs erzählt wird (Hdt. 7,153-6), enthält Thukydides' sizilische Archäologie (Thuk. 6,2-5) nur wenige Abschweifungen vom Thema der Konsolidierung der Macht. Während bei Thukydides nur auktoriale Prolepsen eindeutig sind, verleihen bei Herodot Orakelsprüche, Omina und Opfer dem Rezipienten in Bezug auf die folgende Erzählung Gewißheit. Während Herodot entsprechend seiner im Proömium dargelegten Absicht und im Einklang mit seinem Weltbild in analeptischen Exkursen und novellistischen Episoden durchaus abschweifend - viele Mirabilia (εργα μεγάλα και θωμαστά) schildert, die neben der exegetischen Funktion oft eine handelnde Figur 22

charakterisieren oder symbolisch die condicio humana erläutern, wählt Thukydides paradigmatische Ereignisse aus, wobei er entsprechend seiner sektoralen Beschränkung auf den Krieg (1,1 τον πόλεμον, ώς έπολέμησαν) und auf die damit verbundenen Phänomene nicht allgemeinmenschliche oder individuelle Schicksale, sondern für das Verstehen des Kriegs wichtige Ereignisse auswählt, Exkurse 23 auf ein Minimum reduziert und die göttliche Ebene fast völlig ausblendet. Bei Thukydides ist der Mensch möglich w ä r e . " Dewald 1999, 245: „The T h u c y d i d e a n narrator ... is not one speaker a m o n g many on stage; his own voice rather dominates and defines the terms through which w e will measure all the others who figure as actors within his account. Thus where Herodotus focalizes logoi or stories spoken by unidentified or very generally identified informants, Thucydides focalizes the words and then later the tacitly reported thoughts of actors in events." S. 250: „Herodotus' is the integrity of generosity, collecting as many stories as possible and framing them, but with a generalized authorial irony, for our contemplation; Thucydides' is the integrity of rigorous analysis, relentlessly dismembering stories, abstracting from them basic factors that shape events, and investigating with a high degree of analytical j u d g e m e n t and political understanding both his own voice and the voices of others focalized in his text." 22

Vgl. die Pythiosgeschichte 7 , 2 7 - 2 9 und 3 8 - 3 9 Hermotimos' Rache 8 , 1 0 4 - 6 und Masistes' Weib 9 , 1 0 7 - 1 1 3 . Ebenso werden in Analepsen Informationen zu Personen an der für die Haupthandlung relevanten Stelle gegeben (so z.B. 7,6 Onomakritos, 9,33-38,1 die Seher vor Plataiai).

23

Er kommt mit einem Minimum an ethnographischen Details bei Exkursen aus, vgl. S. 649, A n m . 655. Die Topographie wird wie bei Herodot beschrieben, um die Schilderung der Schlachten zu verstehen (so etwa in Syrakus).

Die narrative Struktur der Werke

713

entsprechend seiner φύσις, der wichtigsten Determinante, als Träger der Handlungen das alleinige Subjekt und Objekt der Geschichte, während bei Herodot auch andere Faktoren die Handlungen determinieren. Beide Erzähler, die vorwiegend heterodihegetisch berichten, greifen nur gelegentlich in die Erzählung, in der die Fokalisation meist anderen Figuren überlassen wird, ein. 24 Die achronischen Eingriffe des Erzählers, also die Durchbrechung der narrativen Illusion und Geschlossenheit, sind bei Herodot häufiger und vielfaltiger als bei Thukydides, der diese Mittel subtiler einsetzt: In kurzen metanarrativen Glossen, die bei Herodot durch die häufige Präsenz der 1. Sg. gekennzeichnet sind, wird zunächst über die 25

Quellen und die Selektion Rechenschaft gegeben, während Thukydides kaum Einsicht in seine Selektionsprinzipien und seine Quellenkritik gibt, nur selten Zweifel oder Unsicherheit äußert und fast nie Widersprüche stehenläßt, sondern im Gegenteil seine Erzählung verteidigt. 26 Bei beiden wird die Rezeption oft durch explikative und wertende Parenthesen, die meistens mit γάρ eingeleitet und Floskeln wie έμοι δοκεΐν, φαίνεται etc., wertende Adjektive und Adverbien, Superlative und ähnliche Ausdrücke, rhetorische Fragen, Beinahe-Situationen und Hinweise auf 27 einen impliziten Leser enthalten, diskret gelenkt. Auktorial werden nicht nur Ereignisse und Maßnahmen gewertet, sondern auch die an der Hand28

lung beteiligten Figuren charakterisiert und gewürdigt. Herodot beschreibt die Schlachten nach epischem Muster (8,85), faßt das Ergebnis am A n f a n g auktorial zusammen, gibt eher selten über militärische Details Auskunft, erzählt dagegen viele Anekdoten, nennt jeweils nach den 29 Schlachten die Tapfersten beim Namen und erwähnt ihre Aristien. Dage24 25 26

27 28 29

Bei Herodot Individuen und Gruppen, S. 331, Anm. 691 f.; bei Thukydides vorwiegend Gruppen, S. 656, Anm. 692f. Vgl. S. 326, Anm. 656-59. Vgl. S. 648, Anm. 651-53. Gribble 1998, 44f.: „Unlike Herodotus, Thucydides does not seek to appear in his work ... as 'organiser'. Reference to the narrator's role in organising the material would be hard to reconcile with the impression of an unmediated approach to the veracity of events. Whereas Herodotus introduces the principle of a multitude of possible stories at an early stage in his work, Thucydides eliminates alternative and competing stories ... Unlike Herodotus, Thucydides does not seek to enter into dialogue with the reader, who only appears in the History as the impersonal τ ι ς . " Vgl. S. 327, Anm. 660-67 (Herodot) und S. 649, Anm. 656-60 (Thukydides). Vgl. S. 327, Anm. 668; 328f. (Herodot) und S. 649f„ besonders Anm. 665f. (Thukydides). Vgl. S. 327, Anm. 669.

Vergleich der Reden bei Herodot und Thukydides

714

gen selegiert Thukydides, der auf individuelle Taten und Aristien verzieh30

tet, paradigmatische und relevante Sequenzen, wobei auch er zwar wenig über den militärischen Verlauf sagt, dagegen aber die psychologische Verfassung der kämpfenden Parteien beleuchtet. Beide haben als Leitmoti31 ve die epische Kategorie der Größe des Kriegs und die Kategorie des 32

Wunderbaren bzw. Unerwarteten. Während bei Thukydides im auktorialen Bericht die göttliche Dimension (Orakel, τέρατα und Götterinterven33 tionen) und die Religion, die bei Herodot der Sinnstiftung dienen, fast gänzlich ausgeblendet werden, 34 spielt die Kategorie des Leidens bei Herodot eine sekundäre Rolle und beschränkt sich hauptsächlich auf individuelle Schicksale in der privaten Sphäre. 35 Dagegen sind bei Thukydides die Leiden mit dem Krieg verbunden, dienen zu seiner Amplifikation und betreffen nicht nur individuelle Schicksale. Bei beiden spielt der Zufall eine untergeordnete Rolle. 36 Auktorial werden ebenfalls die Motivation der Redner vor und bzw. oder 37

nach ihren Reden sowie die Wirkung der Rede, die bei Herodot oft auch durch nonverbale Reaktionen ausgedrückt werden kann, angegeben. 38

30

Vgl. aber S. 650, A n m . 667. Doch steht dieses Beispiel nicht nach der Schlacht

31

Vgl. S. 327, Anm. 670 (Herodot) und S. 649, Anm. 661 (Thukydides).

und ist daher keine eigentliche Aristie. 32

Vgl. S. 327, Anm. 671 (Herodot) und S. 649, Anm. 663 (Thukydides).

33

Vgl. S. 327f., A n m . 672f. (Herodot) und S. 653, A n m . 679. Während bei Herodot 7,6 Onomakritos günstige Orakel zitiert, bedient sich Alkibiades bei Thukydides im Gegensatz etwa zu Plutarchs Bericht Nie. 13,2 nicht dieses Mittels.

34

Vgl. S. 651, A n m . 670. Dagegen vertraut Xerxes 7,6,3 den Orakelsprüchen, auch wenn anzufügen ist, daß in der Motivation zur Expedition diese auch bei Herodot lediglich eine untergeordnete Rolle spielen.

35

37

Vgl. 7 , 3 8 - 9 die Bestrafung von Pythios' Söhnen; daß Ameinokles 7,190 τταίδοφότ voc war, wird nicht weiter ausgeführt; Hermotimos rächt sich auf brutale Weise für die Verstümmelung, die ihm Panionios zugefügt hatte; die Bestrafung der Söhne eines thrakischen Königs 8,116; die Kreuzigung des Artayktes und die brutale Bestrafung seines Sohnes 9,120; Renehan 2001, 181: „For it is remarkable how often in Herodotus the inevitable grief and sorrow endemic to human existence is centered squarely upon the f a m i l y . " Bei T h u k y d i d e s ist hingegen die Kategorie der π α θ ή μ α τ α eng mit dem Krieg und seinen Folgen, etwa der σ τ ά σ ι , ς , verbunden, vgl. S. 429, Anm. 95 und S. 649, Anm. 662. Vgl. S. 328, A n m . 6 7 4 - 7 5 (Herodot) und S. 4 3 3 f „ 653f. und 655, A n m . 686 (Thukydides). Vgl. S. 330, Anm. 6 8 3 - 8 5 (Herodot) und S. 653f„ A n m . 681 f. (Thukydides).

38

Vgl. S. 330, Anm. 6 8 6 - 8 8 (Herodot) und S. 654, Anm. 683 (Thukydides).

36

Die narrative Struktur der Werke

715

Beide sehen den Grund fur den Sieg der Griechen bzw. Syrakuser nicht so sehr in der Kampfkraft und dem Mut (ρώμη, λήμα), die Herodot auch 39

den Persern, besonders den Kommandanten, und Thukydides bis zur Wende den Athenern attestiert, sondern in der Bewaffnung, Erfahrung, Disziplin, Taktik, Ordnung und Chaos (δττλα, παρασκευή, σοφίη, επιστήμη, κόσμος, τάξις, αταξία, θόρυβος, ταραχή) 4 0 und im Wissen (επιστήμη, εμπειρία); 4 1 hinzu kommen bei Thukydides schnelles und überraschendes Handeln (απροσδόκητος, άφνω, εύθύς, κατά τάχος). 4 2 Während bei Herodot die Furcht (άρρωδίη, δέος) typisch griechisch und die Panik (φόβος) persisch ist, 43 zeigt Thukydides psychologisch viel differenzierter als sein Vorgänger durch die Verteilung von Zuversicht und Hoffnung (έπιρρώννυσθαι, θαρσέω, έλπίς) 4 4 bzw. Mutlosigkeit und Depression (απορία, άθυμία, άπόνοια, έκπληξις, κατάπληξις, άνέλπιστον), 4 5 durch Angabe der Motive vor den Schlachten 46 und der spiegelbildlichen Umkehrung paradigmatischer Situationen wie Unwetter und List 47 an, wie sich die anfangliche athenische Überlegenheit in ihr Gegenteil verwandelt und die Überlegenheit zu den Syrakusern übergeht. Während bei Herodot auch non-verbale Äußerungen dazu dienen, die Hauptfiguren zu charakterisieren, gebraucht Thukydides dieses Register nicht mehr in Bezug auf die handelnden Individuen, sondern vor allem bei der Beschreibung der Schlacht im Hafen zur Erregung von πάθος. 48 Ebenso wird der Aspekt des Sehens und Hörens hervorgehoben. 49 39

Vgl. S. 329, Anm. 679.

40

Vgl. S. 329, Anm. 680 (Herodot) und S. 652, Anm. 672 (Thukydides).

41

Vgl. S. 329, Anm. 680 (Herodot) und S. 652, Anm. 673 (Thukydides).

42

Vgl. S. 652, A n m . 674 (Thukydides). M u n o z Llamosa 2001, 311, A n m . 26 bemerkt, daß bei Herodot im Gegensatz zu Thukydides Begriffe wie α ι φ ν ί δ ι ο ς , αν έ λ π ι σ τ ο ς , α σ τ ά θ μ η τ ο ς , π α ρ ά δ ο ξ ο ς und π α ρ ά λ ο γ ο ς fehlen und άπροσδόκητος nur zweimal vorkommt. Aber vgl. immerhin S. 372, Anm. 815.

43

Vgl. dazu S. 183f., A n m . 322; S. 226, Anm. 411 und S. 329, Anm. 655.

44

Vgl. S. 652, Anm. 675 (Thukydides). Bei Herodot steht nur einmal 8,14,2 έπέρρατ σαν.

45

Vgl. S. 652, Anm. 676.

46

Vgl. S. 651 f., Anm. 671.

47

Vgl. S. 652, Anm. 677.

48

Z u m Weinen und Lachen vgl. S. 330, A n m . 684; X e r x e s ' Erregung und Furcht wird 7,212,1 durch ά ν α δ ρ α μ ε ί ν ausgedrückt. Bei Thukydides dienen 7,70ff. Ausdrücke des Klagens und der Trauer dazu, Pathos zu erregen.

49

Bei z.B. Hdt. 8,24 (vgl. dazu S. 246, A n m . 461), bei Thuk. 6,31 (vgl. dazu S. 535, A n m . 404), 7,71 (vgl. dazu S. 637, A n m . 628) und 8,1 (vgl. dazu S. 648, A n m . 650). Wie Xerxes (Hdt. 7,45) sind die Athener (Thuk. 6,31 und 8,1) ,aisthetische'

716

Vergleich der Reden bei Herodot und Thukydides

Bei beiden erfüllt die sekundäre Fokalisation durch handelnde Charaktere und (bei Thukydides in höherem Maße) Gruppen eine wichtige Funktion, wobei besonders durch Partizipien (vor allem bei Thukydides) Lageanalysen und Pläne vorgestellt werden. 50 Die oratio obliqua ist in der Regel gerafft und kürzer und wiederholt schon Bekanntes. 5 ' Bei Herodot ist die dramatisierende Funktion noch stärker sichtbar: indirekt werden Pointen (7,120) und protatische Fragen (7,27; 130,1; 147,3; 209,5; 8,65; 118), die eine Antwort oder ein Gespräch in oratio recta einleiten, wiedergegeben; bei Thukydides hat die indirekte Rede (als indirekte Frage) nur einmal protatische Funktion (6,25), faßt ein Gespräch zusammen (6,28), gibt ein Wortspiel wieder (6,63,3), deutet vielleicht Apophthegmata an (7,70,7) und gibt zwei Trugreden wieder (6,64,3 und 7,73,3). Ebenso kommen bei beiden indirekte Paränesen und Verhandlungen vor. Meistens jedoch dienen sie der konkreten und situationsbezogenen Analyse der Lage und Darlegung eines Plans oder der Absichten, wobei durchaus auch allgemeine, die partikulare Situation transzendierende Gedankengänge mit abstrakten Konzepten, εικός, Analogie, Enthymemen und irrealen Hypothesen, Analepsen, Gnomen, τελικά κεφάλαια, etc. vorkommen können; meistens werden bekannte Leitmotive wiederholt und nur selten eigenständige Gedankengänge entwickelt; bei Thukydides wird dabei wie in der übrigen Erzählung auch in der oratio obliqua der psychologische 52

Aspekt stärker betont. Indessen fehlen bei beiden in den indirekten Reden Themenkomplexe wie der Imperialismus, die ευβουλία und die Gründe des Krieges etc. Im Gegensatz zu Thukydides stehen bei Herodot indirekte und direkte Rede unmittelbar nebeneinander. Während bei Herodot die indirekte Rede in der Regel sachlich, situationsbezogen ist und weniger rhetorische Mittel aufweist, gewinnt man bei Thukydides darüber hinaus den Eindruck, daß mehr als bei Herodot weniger wichtige, vor allem topische und offizielle Argumente wie die Verwandtschaft, indirekt wiedergegeben werden.

Menschen, die sich von dem, was sie sehen und hören, beeindrucken und täuschen lassen. 50 51 52

Vgl. S. 331, A n m . 6 9 1 - 3 bzw. S. 332 (Herodot) und S. 656, A n m . 6 9 3 - 5 (Thukydides). Beispiele S. 332-5 (Herodot) und S. 6 5 7 - 9 (Thukydides). Bei Herodot 8,108,2 modus tollens, irreale Prolepse, ebenso 9,41; 7,203 Syllogismen und Gnomen und Abstraktionen 8,111. Bei Thukydides 6,72; 7,21,4; 6,49 mit irrealen Hypothesen und 7,48 mit τ ε λ ι κ ά κεφάλαια.

Die Funktion der direkten Reden in den beiden Werken

717

Bei beiden gibt es etliche Fälle, bei denen es schwierig zu erklären ist, wieso eine Rede in oratio obliqua und nicht in oratio recta und vice versa steht.

4.2. Die Funktion der direkten Reden in den beiden Werken Die Forschung hat zwischen den Reden beider Werke motivische und thematische Ähnlichkeiten (dieselben patterns) festgestellt, dabei aber nicht nur die Reden in den beiden Expeditionen miteinander verglichen, sondern Analogien zwischen den Reden Herodots und den Reden im ersten Teil des Thukydideischen Werks postuliert. 53 Beim Fehlen von wörtlichen Anklängen ist davon auszugehen, daß trotz aller Unterschiede die Ähnlichkeit bei der Wahl der Motive und Personen nicht im Sinne eines literarischen Spiels zu verstehen ist, sondern daß beide Historiker kommensurable Ereignisse auf ähnliche Weise und mit den exegetischen Kategorien, die der Kosmos der klassischen Polis ihnen zur Verfügung stellte, zu erklären versuchten.

4.2.1. Dramatisieren der Handlung Während bei Herodot kürzere Reden und Gespräche vor allem in Anekdoten die Geschichte dramatisieren, den Höhepunkt bzw. die Pointe hervorheben, zur (typologischen) Charakterisierung der beteiligten Personen dienen und der Hauptstrang der Erzählung durch Apophthegmata, kurze (protatische) Reden, Gespräche und Paränesen lebendig gestaltet wird, 54 fehlen bei Thukydides, für den die Reden eher Reflexionspausen als ein Mittel zur Dramatisierung sind, mit Ausnahme der Paränesen und des Melierdialogs diese Redengattungen. Bisweilen kann bei Herodot ein Sprecher, besonders in längeren kompletiven Analepsen, sogar die Erzählfunktion des Narrators übernehmen. 55 Beide Historiker setzen bewußt Reden (bzw. Gespräche) an wichtigen Scharnierstellen, Höhe- und Wendepunkten der 53

C o r n f o r d 1907, 201 ff. hat N i k i a s mit A r t a b a n o s und A l k i b i a d e s mit X e r x e s b z w . M a r d o n i o s verglichen und ähnliche M o t i v e und A r g u m e n t e festgestellt. Vgl. auch J a c o b y 1913, 4 9 4 ; H e i n i m a n n 1945, 30 [zu den Zitaten vgl. S. 25 dieser Arbeit] und Huber 1965. Vgl. S. 702 ff. dieser Arbeit.

54

Vgl. dazu S. 335, A n m . 6 9 9 - 7 0 3 .

55

Vgl. 7,103; 8,65; 79 und 9,120. Bei T h u k y d i d e s ist dies nur in N i k i a s ' Brief 7,1 Iff. der Fall.

718

Vergleich der Reden bei Herodot und Thukydides

Erzählung, als Ruhe- und Reflexionspausen ein, wobei die Situationen, in denen Reden gehalten werden, oft ähnlich sind. 56 Die Reden bereiten eine Handlung vor, leiten zu ihr über, unterbrechen sie und stauen dramatisch die Spannung. Während die einen kausativ sind, den Umschwung von Ruhe zur Handlung markieren, meist am A n f a n g der Handlungskette stehen und diese geistig vorbereiten und motivieren, sind andere explikativ, bleiben ohne Wirkung, beleuchten, erklären und kommentieren indirekt eine in der Erzählung des Narrators geschilderte Situation. Vor allem längere Reden, Antilogien und Gespräche, dazu motivische und thematische Fernbeziehungen zu anderen Reden oder Dialogen dienen dazu, durch die bewußt sichtbar gemachte Analogie im Geschehen Deutungsmuster zu 57

geben und indirekt die Rezeption zu steuern. Während bei Herodot die Gespräche mit zwei oder drei Sprechern aus mehreren kurzen Redeeinsätzen bestehen und zwischen den Sprechern eine Diskussion stattfindet, sind bei Thukydides die Reden länger und komplexer und mit Ausnahme des Melierdialogs meist in Antilogien geordnet. Das zu überredende Publikum bleibt stumm und äußert sich allenfalls nonverbal. Dagegen sprechen bei Herodot Xerxes, der Entscheidungsträger, ebenso Gelon und das Kollektiv der Athener 8,143 f.

4.2.2. Charakterisierung der handelnden Sprecher Bei beiden Historikern werden wichtige handelnde Figuren als paradigmatische Typen ohne übermäßige individuelle Züge gezeichnet, wobei bei Thukydides die Zahl der handelnden und sprechenden Individuen zugunsten von überindividuellen Gruppen (Poleis) - was im Kern auch schon bei Herodot angelegt ist - abnimmt, auch wenn gerade in der zweiten Werkhälfte die Bedeutung von Individuen, die durch Ethopoiie z.T. differenziert werden, zunimmt und im Gegensatz zu Herodot, der auch privates und anekdotisches Material berücksichtigt, eine Beschränkung auf das politischmilitärisch Relevante stattfindet. Dabei ist der individuelle Charakter der Protagonisten ein historisch bedeutender Faktor, der zur Analyse und Erklärung des historischen Geschehens dient. 56

57

Vgl. S. 702ff. Im Kronrat und in der Redentrias haben beide Geschichtsschreiber „historisch bedeutsame und kompositionell wirksame Stellen dafür ausgewählt ..., um durch die Rede das ganze Interesse des Lesers auf sie zu konzentrieren und die Folgenschwere des Augenblickes hervorzuheben" (Deffner 1933, 100). Bei Thukydides, aber auch bei Herodot, wo sie vor allem motivisch sind; vgl. S. 124, A n m . 160 und 350 ff.

Die Funktion der direkten Reden in den beiden Werken

719

Gemeinsamkeiten zwischen verschiedenen Charakteren sind, wie die folgende Diskussion zeigt, vor allem situationsbedingt und können nicht als Hinweis dafür aufgefaßt werden, daß Thukydides Herodots Charaktere als Folie genommen hat, zumal auch gewichtige Unterschiede bestehen. Ebenso kann in den behandelten Werkabschnitten kein Charakter als alter ego des Autors betrachtet werden; kein Sprecher wird in allen Punkten durch die Fakten bestätigt. Folgende Parallelen sind jedoch bemerkbar. a. Xerxes, Mardonios und Alkibiades:

58

Alle drei sind jung, wobei Xerxes und Alkibiades über diese Tatsache reflektieren: Während Xerxes damit sein Verhalten zu entschuldigen sucht (7,13), hebt Alkibiades in einer längeren Erörterung die Vorteile seiner νεότης-ανοια hervor (6,16). Während Xerxes nicht nur als Politiker und Militär in Erscheinung tritt, sondern auch in (unpolitischen) novellistischen Kontexten (Pythios und Masistes) unerfahren, wankelmütig, beeinflußbar, aufbrausend und von Affekten beherrscht ist - aber wie ein μέσος in der Tragödie auch großzügig sein und rational argumentieren kann (so mit Artabanos 7,50ff. und 130 / 147) - , wird bei Alkibiades das extravagante Privatleben nur kurz in den Reden des Nikias (6,12), der auktorialen Einführung (6,15) und der Rede des Alkibiades selbst (6,16), in der er es rechtfertigt, gestreift; während Xerxes als Herrscher nicht nur antragstellende Partei, sondern zugleich Entscheidungsträger ist - dasselbe gilt im 9. Buch dann für Mardonios - ist Alkibiades der rational und vor allem emotional argumentierende ,Spiritus rector', der andere Entscheidungsträger (die Athener und die Spartaner) zu etwas überreden will. Dagegen wird Xerxes mit Warnungen und Ratschlägen konfrontiert, die er nur dann befolgt, wenn sie ihm zusagen, wobei im Kronrat durch die göttlich gesandten Träume die Entscheidungsfindung komplexer als bei Thukydides ist. Wie Mardonios, der als Kriegstreiber, Draufgänger und Schmeichler ehrgeizig ist, von Affekten geleitet wird und sein Eigeninteresse betreibt (auktorial 7,6), hat auch Alkibiades, wie auktorial angemerkt wird (6,15), egoistische Motive und will eine besondere Stellung in seiner Polis - wohl nicht die Tyrannis - erreichen; darin gleicht er auch Themistokles, der bei all seinen Handlungen eigennützige Motive hat (etwa 8,4-5 und 109f.). Doch während Mardonios sich seinem Schicksal stellt und einen ,epischen' Tod findet, flieht Alkibiades, der sich als Individuum in den Mittelpunkt rückt und dessen Verhältnis zu seiner Heimatpolis gestört ist, zu den 58

Vgl. dazu vor allem S. 3 3 7 - 4 3 und 6 6 7 ff.

720

Vergleich der Reden bei Herodot und Thukydides

Feinden und wird zum Verräter (was bei Herodot in Bezug auf Themistokles angedeutet wird). Dort versorgt er wie Demaratos die Feinde mit Expertenwissen (7,102; 234 und 6,91), wobei beide über ihre Rolle als Verräter reflektieren (7,104 und 6,92). Wie Xerxes im Kronrat (7,9 und 11) rechtfertigt Alkibiades die imperialistische Politik mit der Tradition, dem Charakter der Völker (πολυπραγμοσύνη) und der Prävention (6,18); während Xerxes die Weltherrschaft anstrebt (7,8), verheißt Alkibiades den Athenern die Herrschaft über Griechenland und Sizilien (6,18,4) und gibt (wohl in einer Hyperbole) in Sparta als Ziel der Athener an, nicht nur Sizilien, sondern auch Unteritalien, Karthago und Griechenland unterwerfen zu wollen (6,90). Mardonios (7,9) und Alkibiades (6,17) meinen in ihrer protreptischen Rede, daß die Expedition angesichts der militärischen Unterlegenheit und Uneinigkeit der Feinde ohne Mühe durchgeführt werden kann. Während Mardonios die größere Tapferkeit der Perser betont, unterstreicht Alkibiades die Flottenüberlegenheit der Athener. 59 Während Mardonios' Aufruf zur Aktion dem Prinzip ,Wer wagt, gewinnt' folgt, betont Alkibiades die Notwendigkeit zur Expansion. Während Xerxes als orientalischer Despot die Dynamik und die αρετή der Griechen, deren Grundlage ihre ελευθερία bildet, nicht versteht, schätzt Alkibiades die Furcht der Sizilier, die Wesensgleichheit der Syrakuser und die mangelnde Harmonie in Athen falsch ein. b. Die Warner Artabanos und Nikias: 6 0 Beide fungieren in den Reden vor der Expedition als Warner, haben ein apotreptisches Redeziel (Artabanos 7,17; Nikias 6,8,4 und 19) und wollen (wie Solon 4,30 W) das Publikum unterweisen (7,16ß2 und 6,9,3 διδάξω); beide sind älter, vorsichtig und betonen ihre Erfahrung. Beide warnen vor den Affekten und unüberlegten Handlungen (7,16a2 bzw. 18,2 und 6,13,1), heben den Wert der guten Planung und der Vorsicht bzw. Furcht in der Planungsphase hervor (7,1062, 49ff. und 6,9; 14 und 23; ebenso 6,34,9), mißtrauen der τύχη (7,1062 und 6,23), betonen die mit der Expedition verbundenen Schwierigkeiten (7,49 und 6,20-23), plädieren aufgrund der Analyse der jüngeren Geschichte für eine Politik der Ruhe (7,10£ und

59

Etwas zu weit geht Cornford 1907, 213: „There is hardly a point in the speeches of Mardonius and Xerxes which is not echoed in the words of Alcibiades."

60

Vgl. dazu S. 343 und 6 6 1 - 6 . Ausführliche Vergleiche bei Cornford 1907, 201 ff. und Marinatos 1981 passim.

Die Funktion der direkten Reden in den beiden Werken

721

6,9,3), 61 weisen auf die natürlichen Grenzen der Herrschaft hin (implizit 7,18,2 und 6,13,1) und greifen in einem λόγος κατηγορικός ihre Widersacher ad hominem an (7,10 und 6,12) und erkennen das Problem der Kommunikation mit dem Herrscher bzw. dem herrschenden Volk (7,16 und 6,9). 62 Während für Artabanos keine Notwendigkeit zur Expedition besteht (7,1081), argumentiert Nikias από τοΰ χαλεποΰ (6,10); während Nikias 6,9ff. bloß säkulare Argumente vorbringt, erstreckt sich Artabanos' Wissen auch auf den göttlichen Bereich (7,10e); dagegen erwähnt Nikias erst in der verzweifelten Lage das Göttliche (7,77). 63 Während Nikias das Problem der Entfernung von der Basis, der überlegenen Rüstung und des Zusammenschlusses der Feinde (6,20-3) anspricht, ist Artabanos weniger konkret, deutet die Tapferkeit der Griechen und die mit der Natur verbundenen Gefahren an, denen ein großes Heer ausgesetzt ist (vor allem 7,49ff.). Der Hauptunterschied besteht aber darin, daß als Protagonist Nikias nicht nur warnt, sondern auch agiert. 64 Im Gegensatz zu Artabanos hat Nikias egoistische Motive, wie auch das Paradeigma des άγαθός 61

E b e n s o äußern beide fast apotropäisch den W u n s c h , das Begehren m ö g e gelingen (Hdt. 7,47,2 ώ ς

βουλόμεθα

τ ε λ ε υ τ ή σ ε ι ε und T h u k . 6,20,1 ξ υ ν ε ν ε γ κ ο ι

μεν

τ α ϋ τ α ώ ς βουλόμεθα). 62

Explizit weist N i k i a s 6,13,1 a u f das M e e r als G r e n z e (όροι.) hin. Der H i n w e i s a u f den Bau der B r ü c k e über den Hellespont, die Asien mit E u r o p a verbindet, s y m b o lisiert das Überschreiten der natürlichen G r e n z e n (7,10ßl

63

Gut ist das S c h e m a bei Marinatos 1980, 307f.: = Nikias „ A r t a b a n o s second part = 6,9,1 c o n d e m n a t i o n of haste 7,10C = 6,12,1 attack on M a r d o n i o s 7,10η = Nikias A r t a b a n o s first part = 6,20 7,10α correct estimate of e n e m y : 7,10ß

7,10δ 7,10e

G r e e k s are aristoi difficulties will arise if Persians get cut o f f f r o m home avoidance of tyche by m a king the best possible plan expedition will be hybris

= 6,21

= 6,23,3 = 7,77,3

ζεύξας).

first speech c o n d e m n a t i o n of haste attack on Alcibiades second speech correct estimate of e n e m y , m a n p o w e r and m o n e y difficulty of getting supplies being far f r o m home avoidance of tyche by taking the best precautions expedition w a s hybris."

A b e r d e r V e r g l e i c h z w i s c h e n 7,10α und 6 , 2 0 ist nicht ü b e r z e u g e n d . W ä h r e n d A r t a b a n o s nur allgemein die Feinde in einem A n a l o g i e s c h l u ß als ά ρ ι σ τ ο ι b e z e i c h net, ist N i k i a s ' A n a l y s e konkreter; e b e n s o ist die Einschätzung beider nicht in allen P u n k t e n , c o r r e c t ' . Die Ä u ß e r u n g e n 7,10ε und 7 , 7 7 , 3 f i n d e n in v e r s c h i e d e n e n Kontexten statt.

64 M a r i n a t o s 1980, 306: „ W h i l e A r t a b a n u s is a figure which r e m a i n s outside political and military action, N i c i a s is a general, w h o leads an expedition for the failure of which he is, to s o m e extent, responsible."

722

Vergleich der Reden bei Herodot und Thukydides

πολίτης zeigt (6,9), während bei Herodot die Figur des Artabanos auf die Funktion des Warners reduziert wird. Wie Mardonios (8,100) zieht Nikias (7,48f.) einen heldenhaften Tod einer Strafe für die eigenen Fehler vor und nimmt dabei die Gefährdung der Soldaten und der Polis in Kauf. c. Andere Figuren: Punktuell verwenden, wie im nächsten Kapitel ausfuhrlich dargelegt werden wird, die sprechenden Figuren ähnliche Argumente. Dabei dienen bei Herodot die übrigen Ratgeber wie Demaratos und Artemisia als Kontrastfolien vor allem dazu, Xerxes' strategische Fehler und das Problem der Kommunikation zu illustrieren. Auf der Seite der Griechen ist vor allem Themistokles, der, wie oben gesagt, eigennützige Ziele verfolgt und wenig an die Polis gebunden ist, mit Alkibiades vergleichbar, während die Klarheit und Richtigkeit seiner strategischen Analysen (ebenso wie die Artemisias) von keinem Redner in der zweiten Werkhälfte des Thukydides erreicht werden (am ehesten Perikles im ersten Teil und in den indirekten Reden Hermokrates und Gylippos); ebenso kann Hermokrates' patriotisches Wesen nicht wirklich mit Pausanias' Verhalten verglichen werden. Während bei Herodot Xerxes die Entscheidungen trifft und die Verantwortung dafür trägt, werden in Griechenland die Entscheidungen nicht von einem Einzelnen gefällt, sondern es ist die Masse der Bürger, die in der εκκλησία den von den Politikern vorgeschlagenen Kurs festsetzen. Für Thukydides stellt die Polis einen dem Menschen ähnlichen Organismus dar. Aber auch Herodot hat dieses Phänomen in Bezug auf die Stadt Athen erkannt, wobei der Demos als Ganzes hier - zwar noch nicht so deutlich wie bei Thukydides - dieselbe Stellung wie ein König bzw. Tyrannos einnimmt. 65 Während bei Thukydides die demokratische bzw. oligarchische Polis der Kosmos ist, in dem sich die Akteure bewegen, agieren bei Herodot die Figuren in Persien unter der Monarchie, in Griechenland beherr-

65

Huber 1965, 172: „Rachedurst, Haß, Begierde, Sattheit, Übermut, Verblendung: das alles bestimmt ursprünglich das Leben des Einzelnen, wird aber hier auch auf das Gemeinwesen übertragen: aus denselben Motiven, die von jenen her bekannt sind, sucht man dieses zu verstehen." Die Herrscher bei Herodot, deren willkürliches Handeln im sexuellen wie im politischen Bereich von ε π ι θ υ μ ί α und ε ρ ω ς (S. 320, A n m . 642) geprägt ist, entsprechen dem traditionellen Bild der Tyrannen. Gleiches gilt auch für Athen, das als Polis-Tyrannos - mit gleichen Attributen versehen - erscheint (vgl. dazu Sanchos Arbeit, besonders 1994, 62f.). 6,60 ist das Volk nach Andokides' Geständnis ά σ μ ε ν ο ς , ebenso ist dies eine häufige Reaktion des Xerxes (vgl. S. 330, A n m . 687).

Die Funktion der direkten Reden in den beiden Werken

723

sehen z.T. Tyrannoi (wie Gelon) das Geschehen. Die Untertanen ertragen meist stumm (vgl. 9,16) die despotische Herrschaft; als Ganzes werden die Perser als imperialistisches Volk (Xerxes 7,8) dargestellt und gleichen den Athenern bei Thukydides, 66 während die Griechen ihre partikularen Interessen verfolgen und diesen bisweilen ihren Kampf für die Freiheit unterordnen. Andeutungsweise werden bei Herodot Charakterzüge der griechischen Völker mitgeteilt; so sind die Spartaner langsam, haben Angst und argumentieren in der Rede 8,142 mit den traditionellen καλόν und δίκαιον, während die Athener in nuce schon imperialistische Neigungen und barbarische Brutalität entwickeln. Dagegen bröckelt bei Thukydides gegen Ende des Werks der ethnische Gegensatz zwischen den Stämmen ab.

4.2.3. Inhaltliche Motive und Argumente der Reden Im Gegensatz zu auktorialen Einschüben, die vorab das Geschehen kommentieren, weisen die Reden über die partikulare Situation hinaus, vermitteln gnomisches Wissen und behandeln im Gegensatz zum Autor und den indirekten Reden Themen wie die νεότης, ευβουλία, νόμος und φύσις, πολυπραγμοσύνη, Imperialismus etc.

4.2.3.1. Abstrakte handlungsmotivierende und exegetische Kategorien 67 Bei Herodot erläutert Xerxes (7,8) die theoretische Grundlage des Imperialismus: 68 Für die Perser hat die Expansion den Stellenwert eines verbind-

66

Pohlenz 1961, 124 bezeichnet Xerxes als „Exponenten eines Volkes, das nicht ruhen kann. ... In ähnlicher Weise haben später Euripides und Thukydides den Charakter des nimmer rastenden, ständig vorwärts drängenden Athenervolkes geschildert." Huber 1965a, 138: „Als Ganzes mag man die Schilderung der ewigen Unruhe der Athener durch die Korinther oder Hermokrates ... mit der persischen Expansion bei den von ihr Bedrohten ... vergleichen." Für Montgomery 1965, 45f. entspricht Xerxes dem athenischen Volke, Mardonios dem Alkibiades und Artabanos dem Nikias. Hunter 1973, 181, Anm. 7: „If one follows the major tragedy of the History, the downfall of Athens, it is not difficult to see that Athens, the pol is itself, is Xerxes, Nikias, Artabanos, Alkibiades, Mardonios and Hermokrates, Themistokles."

67 68

Vgl. dazu S. 350 ff. und 676 f. Romilly 1951, 178f. und 1995, 94 wird mit ihrer Aussage zu Thuk. 6,18,3: „Alcibiade est le premier theoricien de l'activisme en tant que tel", Xerxes' Erörterung in seiner ersten Rede (Hdt. 7,8) nicht gerecht.

724

Vergleich der Reden bei Herodot und Thukydides

liehen Nomos, der auf einen Gott (θεός) zurückgeht; ähnlich argumentieren die athenischen Gesandten in Melos (5,105): Im Unterschied zur Position des Xerxes liegt dem imperialistischen Nomos hier nicht mehr ein Gott, sondern der von der menschlichen Natur ausgeübte Zwang (φύσεως άναγκαίας) 69 zugrunde, während für Alkibiades die Tradition den Nomos bildet (6,18,7). Während Xerxes das Prinzip der Expansion auch auf die Griechen ausdehnt (7,11), trennen die athenischen Gesandten den menschlichen vom göttlichen Bereich, den sie jedoch fur die Politik als irrelevant erklären. Xerxes und Alkibiades leiten aus der Geschichte und Tradition ihres Volkes das Prinzip der rastlosen Dynamik (πολυπραγμοσύνη), der ein irrationales affektives Begehren zugrunde liegt, 70 als Charakteristikum sowohl für sich selbst als auch für ihre Völker (Hdt. 7,8; 11; 9,41 (Mardonios) und Thuk. 6,18,2) und als Impuls zur Expansion ab und wollen selbst nicht hinter ihren Vätern zurückstehen (7,8; 11 und 6,17,7 / 18,2). Beide sind davon überzeugt, daß das Prinzip der permanenten Eroberung und Expansion die Grundlage der Stabilität des Reiches bildet, während eine Politik der Ruhe gefahrlich ist (7,11,2 und 6,18,7). Dazu kann für Alkibiades der militärische und technische Vorsprung gegenüber den Feinden nur durch ständige, praktische Übung gewahrt werden (6,18,6). Während bei Herodot die Kategorie des Rechts explizit dem Eroberungsdrang untergeordnet wird (7,8γ3 und 9,2), wird dies von Thukydides' Rednern nur implizit angedeutet (5,89; 6,82 und 84). Xerxes strebt mit der Eroberung Europas die Weltherrschaft an (7,8γ2); Alkibiades will durch die 69

Evans 1991, 28: „Herodotus did not treat imperialism itself as an expression of human nature, as Thucydides did, but rather as a nomos that is elected freely, but once chosen cannot be abandoned without cost." Wie die Gesandten in Melos rechtfertigt in Piatons Gorgias 483c-e Kallikles mit der φ ύ σ ι ς , die anstelle des Göttlichen die Grundlage fur den persischen Nomos bildet, sowohl das Recht des Stärkeren als auch den Imperialismus: νόμω μεν τοϋτο άδικου και αίσχρόν λέγεται, τό πλέον £ η τ ε ΐ ν έ χ ε ι ν των πολλών, καΐ άδικεΐν αύτό καλοϋσι· ή δέ... φύσις αύτη άποφαίνει, δτι δίκαιον έ σ τ ι ν τον άμείνω του χείρονος πλέον ε χ ε ι ν και τόν δυνατώτερον τοϋ άδυνατωτερου. έ π ε ! ποίω δικαίω χρώμενος Ξέρξης έπΐ την'Ελλάδα έστράτευσεν ή ό πατήρ αύτοϋ έπι Σκύθας; ... άλλ' οιμαι ούτοι κατά φύσιν τήν τοϋ δικαίου τ α ύ τ α πράττουσιν και να! μά Δία κατά νόμον γε τόν τ η ς φύσεως ... Vgl. Gorgias Helena DK 82 Β Ι1,6:πεφυκε γάρ ού τό κρεΐσσον ύπό τού ήσσονος κωλύεσθαι, αλλά τό ήσσον ύπό τού κρείσσονος άρχεσθαι καΐ άγεσθαι, Thrasymachos Plat. Rep. 338c und Aristoph. Nub. 1068-82.

70

So Hdt. 7,16a2 und 18,2; bei Thuk. 6,13; 18,3 und 87,2, wobei die Warner dieses Streben affektiv und negativ fast schon als ,πλεονεξία' bezeichnen, während die Befürworter es als πολυπραγμοσύνη mit dem Charakter der Herrschaft und der Tradition verbinden.

Die Funktion der direkten Reden in den beiden Werken

725

Unterwerfung Siziliens und später Karthagos die athenische αρχή um ein Vielfaches vergrößern (6,15,2 (auktorial); 18,4 und 90,2). Nikias und Artabanos nehmen gegen diese Auffassung von Machtpolitik Stellung. Sie treten dafür ein, das bisher Erreichte zu sichern und zumindest momentan auf weitere Expansion zu verzichten. Die an sich vernünftige (zeitweise von Xerxes selbst anerkannte) Politik der ήσυχία (άτρεμί£ειν, έττισχείν 7,10£; 13; 15 und 6,9,3 τά υπάρχοντα σω£ειν) ist aber in beiden Fällen angesichts der Eigendynamik des Imperialismus nicht mehr durchführbar. 71 Ebenso warnen sie davor, die natürlichen Grenzen zu überschreiten. Ebenso wie Xerxes die Notwendigkeit der Expedition implizit mit der Gefahr, daß die Griechen angreifen könnten (7,11,3 ού δυνατώς έχει), andeutet, rechtfertigen Alkibiades und Euphemos den Expansionsdrang mit dem Zwang (ανάγκη), den die Herrschaft, deren Dynamik nicht dosiert werden (ταμιεύεσθαι) kann, auf ihre Inhaber ausübt (6,18,3; 87,2/4; 89,4), während Artabanos (im Gegensatz zu Nikias, der mit dem χαλεπόν argumentiert,) dies explizit verneint (7,1081). Bei Herodot, dessen Position zwischen mehr oder weniger großer Wahlfreiheit und Prädestination 72 schwankt, übt das Göttliche nicht direkt άνάγκη auf die Handelnden aus; ebensowenig obsiegt der Zwang im Gespräch des Themistokles mit den 73

Andriern im Gegensatz zum Melierdialog nicht. Hingegen spielt die , selfreferential' oder logographische ανάγκη bei Demaratos (7,101,3; 104,1

71

I m m e r w a h r 1966, 207: „ T h e m a i n d i f f e r e n c e b e t w e e n H e r o d o t u s and T h u c y d i d e s is that in the latter d y n a m i s is a direct causal factor for historical action, w h e r e a s in H e r o d o t u s it is possible for a ruler to e n j o y his p o w e r w h i l e 'sitting still,' to use a p h r a s e c o m m o n l y e m p l o y e d by t h e historian. T h e activism of states in H e r o d o t u s is d u e not to p o w e r as such, but to hybris in s o m e f o r m , and thus a moral j u d g m e n t is a l w a y s i m p l i e d . " Z u S a b a k o s vgl. S. 98, A n m . 85 und S. 170 f., A n m . 287, zu Perikles vgl. S. 676, A n m . 745, wobei sich die beiden Historiker a u f keine Position festlegen lassen.

72

Vgl. S. 100, A n m . 89f. und S. 357, A n m . 776.

73

D a g e g e n v e r m ö g e n die Melier nicht v o n ihrer S c h w ä c h e zu p r o f i t i e r e n , sondern v e r s u c h e n v e r g e b l i c h der a t h e n i s c h e n M a c h t e t w a s e n t g e g e n z u s e t z e n . G o l d s c h e i der 1965, I07f.: „ S o nahe sich also H e r o d o t und T h u k y d i d e s in der A u s g a n g s l a g e k o m m e n , so ist doch H e r o d o t s L ö s u n g , die A u f h e b u n g der M a c h t durch ihr G e genteil, f ü r T h u k y d i d e s u n d e n k b a r . Die f ü r H e r o d o t s e l b s t v e r s t ä n d l i c h e Identität der inneren, sich im W i d e r s t a n d s b e s c h l u ß m a n i f e s t i e r e n d e n , und der äußeren militärischen A b w e h r der A n s p r ü c h e eines M ä c h t i g e n ist bei T h u k y d i d e s nicht m e h r g e g e b e n ; A b w e i s u n g e i n e s A n s p r u c h e s und m i l i t ä r i s c h e M a c h t p r o b e sind verschiedene D i n g e . " Vgl. auch M u n s o n 2001b, 37f.

726

Vergleich der Reden bei Herodot und Thukydides

und 5) und in der λύσις διαβολής bei Alkibiades (6,16,1 und 89,1; Euphemos 6,82,1) eine bedeutende Rolle. Für Demaratos steht der νόμος, der 7,104,4 über die Macht eines Despoten verfugt, über der φ ύ σ ι ς und ist seiner Meinung nach dafür verantwortlich, daß der Mensch die ihm von der φύσις gesetzten Grenzen überschreiten kann. Der Gegensatz zwischen δουλεία und ελευθερία ist ideologisch; während bei Herodot alle Perser außer dem Herrscher Sklaven sind, 74 verteidigen die Griechen ihre Freiheit, die sie aber nur in den Reden als höchstes Gut bezeichnen und sonst ihren partikularen Interessen unterordnen. Bei Thukydides werden diese Begriffe auf Athen und den Seebund bezogen (6,77) und von Athenagoras auch in die Innenpolitik übertragen (6,40). Während der Selbsterhaltungstrieb als Motiv nur von den Thessalern und Alexander als Motiv angedeutet wird (7,172 und 8,140), ist die σωτηρία im Melierdialog und in Kamarina ein Leitmotiv, das thematisiert wird (5,91; 111; 6,78,3; 83,2 und 87). Während bei Herodot für Artabanos der φθόνος als gerechtes göttliches Regulativ Übermut stutzt (κολούειν), zur condicio humana gehört (7,10ε und 46,3) und zur Erklärung von Xerxes' Niederlage verwendet wird (8,109,3), kommt φθόνος, wie aus der Sicht der Perser gesagt wird, in der griechischen Innenpolitik 7,236f. bereits als Mißgunst der Polisbürger vor. Ebenso ist φθόνος bei Thukydides säkular und spielt vor allem in der Innenpolitik eine Rolle: Neid widerfahrt von Natur aus dem stärkeren Bür75

ger (6,16,3) und der stärkeren Macht (6,78,2). Erst in der Not beruft sich Nikias 7,77 wie die Melier 5,104 und 112 auf das traditionelle Modell des φθόνος als Ursache göttlicher Strafe. 76 Bei Herodot wird die τύχη als Kontingenz nur im Zusammenhang mit der Wohlberatenheit (cf. 4.2.3.10.) von Artabanos gebraucht; bei Thuky74

Vgl. S. 355, Anm. 766f.

75

Ebenso hat (wie auch in der späteren Prosa) das Verb koXouelv bei Thuk. 7,66,1 als Hapax keinen religiösen Bezug, sondern dient der Illustration eines psychologischen Sachverhalts.

76

Corcella 1984b, 96: Herodot benutzt „φθόνος θεών per descrivere il processo, non pensava perö certo a un ο ί κ τ ο ς θεών che giungesse a interrompere il processo e a salvare il potente nella sua caduta; Nicia, al contrario, ... mostra di credere in una maniera piü ingenua al movente divino della storia e 'spera' in un salvifico intervento degli dei." Dabei ist aber der unterschiedliche Kontext und die unterschiedliche rhetorische Absicht zu beachten: Während Artabanos das Argument apotreptisch gebraucht, will Nikias durch dasselbe Argument die Soldaten trösten und Hoffnung erwecken.

Die Funktion der direkten Reden in den beiden Werken

727

dides ist die Kategorie des Irrationalen mit Ausnahme der Melier, die 5,104 die τ ύ χ η (wie Artabanos) entgegen den Warnungen der Athener mit dem Göttlichen verbinden, keine eigene Entität, sondern der irrationale Rest, den die gute Planung miteinbeziehen muß. Während Nikias 6,11,6 und 23,3 dies einsieht, vertraut er in der Not wie die Melier der τύχη (7,61 und 77); dagegen mißt ihr Hermokrates größere Bedeutung bei (6,78,2). Der Gegensatz zwischen der letzten Rede des Nikias und dem Faktenbericht zeigt eindrücklich auf, daß diese traditionelle Weltanschauung, mit der Herodot die Perserkriege plausibel hatte erklären können, im Peloponnesischen Krieg Schiffbruch erlitt und durch andere Kategorien ersetzt wurde.

4.2.3.2. Gerechte Vergeltung und Verwandtschaft als offizieller Grund (δίκαιον) Auktorial unterscheidet Herodot 7,138 zwischen der offiziellen Legitimation und dem wahren Grund, der nicht in der Rache an Athen, sondern im Wunsch bestand, Griechenland zu erobern, und läßt die Redner diesen 77

äußern. Auch Thukydides unterscheidet auktorial 6,6,1 zwischen einer άληθεστάτη πρόφασις und dem Hilfegesuch der Egester, das den Athenern eine willkommene Legitimation für die Intervention in Sizilien lieferte. 78 In den Reden der79Perser spielt das im zwischenmenschlichen Bereich wichtige Rachemotiv eine zwar bedeutende Rolle und dient dazu, in einem emotionalen Appell (durch Pathos) Xerxes zur Aktion zu bewegen (7,5) und die Expedition zu legitimieren (7,8ß; 9,2; 11,4; 9,58,4), wird aber dem Expansionsdrang untergeordnet (7,8ß und 9,2); Artemisias Behauptung, daß durch die Eroberung Athens Rache geübt worden sei, gibt Xerxes die Möglichkeit, sich ohne Gesichtsverlust zurückzuziehen (8,68a2 und 102,3). Bei Thukydides wird die Kategorie der Rache von den in traditionellen Mustern denkenden Meliern (5,90), von Hermokrates als Drohung (6,80,5), Nikias zum Trost (7,77) und in den paränetischen Teilen zur Erregung von Pathos gebraucht (6,80 und 7,68); Euphemos rechtfertigt die Unterwerfung der Ionier als gerechte Vergeltung für erlittenes Unrecht (6,82 ff.), auch wenn er im zweiten Teil der Rede dies dem Sicherheitsstreben unterordnet; das δίκαιον wird von Alkibiades auf sich selbst bezogen 77

S. 209, A n m . 3 7 6 und S. 357f.

78

Vgl. S. 679, A n m . 753.

79

So z.B. in der G e s c h i c h t e des H e r m o t i m o s .

728

Vergleich der Reden bei Herodot und Thukydides

und in der λύσις διαβολής (zusammen mit dem verwandten άξιον) eingesetzt (6,16; 89 und 92). Die Rache steht im privaten und politischen Raum bei Herodot in Verbindung mit dem göttlichen Bereich, wie die Geschichten der Heroen Talthybios (7,134ff.) und Protesilaos (9,120) zeigen; während Xerxes auf die Rache an den spartanischen Gesandten (aus Angst vor negativen Konsequenzen und aus politischem Kalkül) verzichtet, wird die Geißelung des Hellesponts und die Zerstörung der Heiligtümer von Themistokles 8,109,3 als Grund für die Niederlage der Perser genannt. In den Reden wird nicht über die Rache an sich reflektiert, sondern diese als selbstverständlicher Teil der göttlich sanktionierten Ordnung aufgefaßt. Hingegen ist bei Thukydides die Kategorie der Rache und des Rechts gegenüber anderen Überlegungen wie Nutzen und Sicherheit sekundär und wird in der Regel nicht mit dem Göttlichen in Verbindung gebracht, auch wenn gerade die Dorier z.T. für die Applizierung dieser Kategorie auch in den zwischenstaatlichen Beziehungen plädieren (die Melier 5,90, 94 und 112 und Hermokrates 6,79,1), während Alkibiades' Erwähnung des moralischen χρεών (6,18,1) fadenscheinig ist. 80 Dagegen wendet Nikias das δίκαιον auf die eigene Polis an (6,12 gegen die Sizilier und Alkibiades) und verbindet es mit dem Nutzen; für die athenischen Gesandten in Melos und Euphemos werden die Beziehungen der Staaten ausschließlich vom Stärkeverhältnis, dem Nutzen und der Sicherheit bestimmt. Während Hermokrates die Athener als ungerecht bezeichnet und sie so rhetorisch geschickt als Bündnispartner disqualifizieren will (6,77,1), bezeichnet Athenagoras im innenpolitischen Kontext die Gegner der Demokratie als ungerecht (6,38,4 und 39,2). Bei Thukydides hat also die Erwähnung des δίκαιον vor allem eine rhetorische Funktion, indem es emotional und emphatisch wirkt, und wird besonders wirkungsvoll in Paränesen und Apologien eingesetzt. Dasselbe gilt auch für Herodot. Dabei wird das δίκαιον nie allein eingesetzt, sondern es hat zusammen mit anderen τελικά κεφάλαια amplifizierende und emphatische Funktion. So erzeugt auch bei Herodot ethisches Vokabular besonders dort, wo jemand einen Anspruch geltend machen will (7,150,2 und 9,116,3 οίκός; 9,26,7 δίκαιον und 27,6 δίκαιοι), Emphase. Ebenso spielt das Argument der Verwandtschaft in den Reden bei Herodot eine untergeordnete Rolle und dient als emotionales Mittel der Überredung (7,150,2 und 8,22). Dasselbe gilt für Thukydides, wo es von den Rednern (auch in oratio obliqua) als Mittel der Propaganda gebraucht wird

80

A b e r vgl. auktorial 7,18 (S. 612, A n m . 580).

Die Funktion der direkten Reden in den beiden Werken

729

- vor allem dann, wenn sie keine besseren Argumente haben (die Melier 5,104ff.; Hermokrates 6,80; Nikias 6,20,3; indirekt: 6,6,1; 44,3 und 50,4).

4.2.3.3. Die ethnische Zugehörigkeit und der Volkscharakter Während bei Thukydides der Gegensatz zwischen Doriern und Ioniern vor allem von den Doriern thematisiert wird (6,77,1 und 7,64,2; aber auch Euphemos setzt axiomatisch den Haß voraus 6,82,2), fast topisch in Verbindung mit der Tapferkeit steht und durch das Beispiel von Syrakus, das als dorische Stadt mit demokratischer Verfassung beweist, daß der Volkscharakter sich durchaus (bei Gefahr) ändern läßt, in Frage gestellt wird, kommt bei Herodot in den Reden der Gegensatz zwischen den Stämmen kaum vor. Der Gegensatz zwischen den Persern und den Griechen, die eine freiheitliche Ideologie besitzen (7,100ff; 136 und 8,143f.), wird in einigen Geschichten zwar behandelt (7,134ff.), spielt sonst aber nur eine Nebenrolle, weil auch für Herodot die Nomoi etwas geschichtlich Gewordenes und Veränderliches sind, wie der Wandel Persiens und (zu seinen Leb81 zeiten) Athens zur imperialistischen Macht andeutet. Nicht die ethnische Zugehörigkeit, sondern politische Faktoren und Entschlüsse bilden und prägen den Volkscharakter und lassen Veränderungen zu; doch ist dies nur indirekt Gegenstand der Reflexion in den Reden.

4.2.3.4. Ruhm und Ehre (als καλόν bzw. αίσχρόν) In den Reden Herodots dient die Erwähnung von Ruhm und Ehre bzw. ihres Verlustes als Anlaß zur Aktion (7,5; 8a2; 8,100,4; 9,78). Während bei den Griechen das Prestige untereinander höher als die Behauptung der Unabhängigkeit geschätzt wird (7,161 ff. in Syrakus; dasselbe gilt für Alkibiades, der 6,92 u.a. mit dem Prestigeverlust in seiner Heimatpolis den Verrat begründet), wenden diejenigen Sprecher, die keine anderen Argumente vorzubringen haben, die Kategorie des καλόν analog zum δίκαιον, mit dem es oft verbunden wird, an (so die Spartaner 8,142,2 und Tegeaten 9,26; ebenso Hermokrates 6,76ff.). Erwägungen über Ruhm und die Ehre sind nie allein Auslöser von Handlungen, sondern unterstützen als rhetorisch bedeutsame Argumente die Absicht eines Redners. Dasselbe gilt auch für Thukydides' Redner, wo sie vorwiegend in paränetischen Reden als

81

V g l . S. 108, A n m . 111 und S. 323, A n m . 6 4 8 .

730

Vergleich der Reden bei Herodot und Thukydides

Mittel der Motivation (6,33,4; 7,64; 66,1; 68,3) vorkommen; die Melier und Nikias betrachten das καλόν im Gegensatz zu den Athenern als Hand82

lungsmotiv der Spartaner (5,100ff., 6,10,2 und 11,6). Bietet im persönlichen Bereich Lampon Pausanias an, Ruhm zu erwerben (9,78), und gibt Leonidas dies als Grund für sein Bleiben an (7,220), rechtfertigt Alkibiades mit allgemeinen Reflexionen seinen Ruhm und Glanz gegen Nikias' Anschuldigungen mit dem daraus für die Polis entstandenen Nutzen (6,16,1-3 gegen 12,2); während Nikias den Nutzen für sich und die Polis in einem Gleichgewicht sieht (6,9), setzt Hermokrates die persönliche Ehre dem Wohl der Polis (6,33,1) hintan. Nikias und Alkibiades warnen, daß ein verfrühter Rückzug für Athen αϊσχρόν und folglich mit einem gefährlichen Prestigeverlust verbunden wäre (6,21,2 und 48). Aus Angst vor einer ungerechten und schimpflichen Strafe zieht es Nikias vor, im Kampf zu sterben (7,48,4; dagegen handelt Mardonios 8,100,1 so nur in Konsequenz sehr schlechter Ratschläge, die er Xerxes gegeben hat, aus Sorge (φροντίσας), er könne dafür bestraft werden).

4.2.3.5. Der Nutzen (συμφέρον), die Leichtigkeit (ράδιον) und die Machbarkeit (δυνατόν) Die Erwägung des Nutzens und Vorteils bzw. Schadens und Nachteils bildet in allen symbuleutischen Reden eine wichtige Kategorie, die Anstoß 83

zum Handeln ist. Nützlichkeitserwägungen sind in den Reden Herodots vorhanden (so vor allem 8,60), spielen aber als Movens ebenso wie die Erwägungen über Ruhm und Ehre eher eine untergeordnete Rolle, da sie in einem gewissen Sinne als selbstverständlich und als nicht der expliziten Erwähnung wert betrachtet werden. Bei Thukydides ist der Gegensatz zwischen den moralischen Kategorien und dem rationalem Abwägen des Vorteils, die bei Herodot immerhin im Redeagon in Athen (8,140ff.) bereits angedeutet werden, um Athens προαίρησις deutlich aufzuzeigen, klar zu erkennen: Während die Melier in der Außenpolitik entsprechend den innenpolitischen Kategorien den Nutzen noch eng mit moralischen Kategorien (z.B. δίκαιον) verbinden (5,90), ist dieser für Euphemos das einzig relevante Kriterium (6,83f.). Im Gegensatz zu Herodot beziehen bei Thukydides Athenagoras den Nutzen auf die Innenpolitik (6,39,2) und Alkibiades Nützlichkeitserwägungen auf seine Person (6,16 und 92). Ebenso wird 82

So kommt κλέος nur in Verbindung mit Spartanern vor (vgl. S. 234, Anm. 434).

83

Vgl. die Beispiele S. 360 ff. und 683 f.

Die Funktion der direkten Reden in den beiden Werken

731

in beiden Werken der topische Gegensatz zwischen τέρψις und ώφελία erwähnt (Hdt. 7,101,3 und Thuk. 6,83,2f. / 7,14,4). Bei beiden Historikern kommen - oft auch in oratio obliqua - Überlegungen, die sich mit der (Un)möglichkeit (αδύνατον/δυνατόν), Leichtigkeit bzw. Schwierigkeit (ράδιον/χαλεττόν) und dem richtigen Zeitpunkt (καιρός) befassen, vor; meistens betreffen sie rationale Themen (Strategie, Topogra84

phie, Kampfstärke, Bewaffnung etc.), wobei bei Herodot ein Gegensatz zwischen quantitativer und qualitativer Überlegenheit besteht, wohingegen bei Thukydides dieser Gegensatz fehlt und andere Faktoren, so die Erfahrung und die psychologische Verfassung der Kämpfenden eine wichtige Rolle spielen, was bei Herodot allenfalls angedeutet wird (7,235 Demaratos). Bei beiden wird in den strategischen Überlegungen der Flotte, der Versorgung, den Geldmitteln und den übrigen Ressourcen eine große Bedeutung beigemessen (z.B. Hdt. 9,2,3 und Thuk. 6,34,2 mit einer Gnome). Alkibiades betont 6,17 die Überlegenheit der athenischen Flotte und der Hopliten. Nikias dagegen bemerkt 6,20ff., daß die Überlegenheit zur See allein nicht genügt, und weist auf die Stärke der sizilischen Reiterei und die Schwäche der athenischen Bundesgenossen in Sizilien hin. Vor dem Gelände und vor Nachschubproblemen warnt auch Artabanos anläßlich des Übergangs des Heeres über die Brücke nach Europa (7,49ff.), während Alexander auf die geographische Lage Athens verweist (8,140ß3). Wie die anderen τελικά κεφάλαια werden Nutzen, Leichtigkeit und Möglichkeit in den symbuleutischen Reden sowohl pro- also auch apotreptisch gebraucht und sind nie allein handlungsmotivierend.

4.2.3.6. Das Thema der Sicherheit (δέος, ασφάλεια) und des Präventivkriegs Das Thema der Sicherheit an sich wird bei Herodot nur in Verbindung mit der Prävention angesprochen: Die Beispiele (Mardonios 7,5,2; implizit Xerxes selbst 7 , l l , 2 f f . ; die griechischen Gesandten 7,157,3; Lampon 9,78,2 und Artayktes 9,116,3 erwähnen die Notwendigkeit bzw. den Vorteil eines präventiven Schlags) zeigen, daß diese Erwägungen zwar vorhanden sind, auch wenn sie manchmal, etwa bei Lampon und Artayktes, wegen der UnVerhältnismäßigkeit eine Parodie zu sein scheinen; ebenso wird das Thema der Sicherheit nicht problematisiert. So benutzt zwar Alexander 84

B e i s p i e l e S. 3 6 2 f. und 6 8 4 f.

732

Vergleich der Reden bei Herodot und Thukydides

die geographische Lage Athens als Argument der Überredung (8,140ß3), doch findet keine Vertiefung unter dem Aspekt der Sicherheit statt. Herodot kennt zwar die Argumente der zeitgenössischen Strategen, doch spielen sie insgesamt eine untergeordnete Rolle. Bei Thukydides ist dagegen das Thema der Sicherheit ein Leitmotiv, das in Melos, bei Nikias, Alkibiades, in Kamarina etc. prominent vertreten und gnomisch vertieft wird. Wie Xerxes glaubt auch Alkibiades, daß entsprechend den Gesetzen des Imperialismus jedes Machtgebilde früher oder später aggressiv werden wird (Hdt. 7,11,2, Thuk. 6,18,2). Hinter der Prävention stehen sicherheitspolitische Risiken (δέος 6,78,1 und 85,3). Euphemos verallgemeinert 6,83,1 das Thema der ασφάλεια und erhebt es zum Grundsatz der athenischen Politik. Die gleiche präventive Strategie fordert Athenagoras 6,38 gegen die Feinde der Demokratie. Alkibiades wendet es auch auf den privaten Bereich an (6,89,6 und 92,4), ebenso Nikias in Bezug auf die Berichterstattung (7,14,4). Dagegen behauptet Alkibiades 6,18,7, einem zeitgenössischen therapeutischen Prinzip folgend, daß das Festhalten an der bisherigen Lebensweise, selbst wenn sie schlecht ist, am meisten Sicherheit (ασφαλέστατα) bietet.

4.2.3.7. Die Tapferkeit und die Kriegskunst Während bei Herodot die aus dem Epos übernommene Tapferkeit der Krieger nicht nur in Paränesen vorkommt, sondern auch als Leitmotiv in den Reden vor allem des Mardonios, aber auch der Griechen thematisiert wird (etwa im Gegensatz zwischen persischer und griechischer Tapferkeit), beschränkt sie sich bei Thukydides auf emotionale Appelle in den Paränesen. 85

Während bei Herodot auktorial auch die Perser als tapfer gelten, besteht die qualitative Überlegenheit der Griechen einerseits im Ethos (Demaratos 7,100: Freiheit und Nomos als Ursache der Überlegenheit; ebenso Tritantaichmes 8,26,3), andererseits aber auch in der erfolgreichen Strategie, wohingegen Geld, Ressourcen und Nachschub (cf. 4.2.3.5.), bei denen die Perser quantitativ überlegen sind (Mardonios 7,9 und 100, Artabanos 7,49; Griechen 7,157), eine untergeordnete Rolle spielen. Das gleiche gilt für die Erfahrung (εμπειρία / επιστήμη). In den Reden des Thukydides ist hinge-

85

V g l . S. 329, A n m . 6 7 9 .

Die Funktion der direkten Reden in den beiden Werken

733

gen der Gegensatz zwischen Mut und Erfahrung zentral, 86 ebenso spielen die Geldmittel, die technische Ausrüstung der Schiffe und allgemein die Rüstung (παρασκευή), über die auch in abstracto reflektiert wird, eine wichtige Rolle (6,20-3). Statt Heldenmut sind überlegene Macht und Erfahrung die Schlüssel zum Erfolg.

4.2.3.8. Die irrationalen Affekte Psychologische Faktoren wie die Affekte (z.B. επιθυμία, έρως κτλ.) und die Hoffnung (έλπίς), die für das Streben (όρμή), den Feldzug zu beginnen, verantwortlich sind, spielen als primäre Impulse zur Handlung zwar eine wichtige Rolle, fallen jedoch meist in den Bereich der auktorialen Deutungskategorien, durch die Handlungen und Reden motiviert werden. Fast nie werden Faktoren wie das affektive Verlangen in den direkten Reden bei Herodot Gegenstand der Reflexion, wohingegen Thukydides dank der ανθρωπεία φύσις viel konsequenter auf eine einheitliche Aktionspsychologie beim Menschen, die frei von göttlichen Eingriffen ist, zurückgreifen, diese differenzieren und gnomisch vertiefen kann. So reflektieren Nikias und Hermokrates über die Rolle der επιθυμία (6,13,1; 33,2 und 78,2), die sich (im Gegensatz zu den Rednern im ersten Teil des Werks) der Kon87

trolle durch die Vernunft (γνώμη) widersetzt. Hermokrates verlangt von der Syrakusern, daß sie sich die (bis zu diesem Zeitpunkt athenische) Eigenschaft der τόλμα (6,34,8f.; 72 und 7,21,3; bei Nikias noch 6,68,2), die bei Herodot noch keine positive Qualität ist, zu eigen machen. Dagegen wirft Athenagoras seinen Widersachern Wagemut und Unverstand vor (6,36,1 und 39,2). Bemerkenswert ist in der Diskussion zwischen Artabanos und Xerxes die Rolle der Furcht. Während die rationale άρρωδίη für Artabanos in der Planungsphase nützlich ist, lehnt Xerxes diese ab und setzt sie mit dem irrationalen φόβος gleich; dagegen meint er, daß die Angst vor dem Herrscher die Krieger dazu befähige, Höchstleistungen zu vollbringen (7,103); ebenso weist Hermokrates 6,34,9 auf die heilsame Wirkung der Furcht (φόβος) hin, die innen- und außenpolitisch eine wichtige Rolle spielt (im Innern: Athenagoras 6,36,2 und 38,2, Nikias 6,13,1 und Alkibiades 17,1; in 86

Vgl. S. 687f. So erkennt auch ein Dorier wie Hermokrates, daß nicht die Tapferkeit, in der die Dorier von Natur aus überlegen sind, sondern Erfahrung und Übung nötig sind, um die Athener zu besiegen (6,72 und 7,21,4).

87

Vgl. S. 434 f.

734

Vergleich der Reden bei Herodot und Thukydides

der Außenpolitik 6,21,1; 33,4; 34,2), und zur Einigung der Sizilier gegen die athenische Bedrohung führt, während bei Herodot dieses Motiv so nicht vorkommt. Alkibiades weist auf die verheerende psychologische Wirkung hin, wenn das, was man am meisten befürchtet (δεδιότας), eintrifft (6,91,6), und bezeichnet diese Sorge als größte Furcht der Athener. Während Alkibiades diese Furcht gnomisch begründet, zeigt Demaratos 7,235,2f. noch ohne psychologische Durchdringung auf, wie sich Xerxes diese Furcht zunutze machen kann. Die Hoffnung (έλπίς), deren trügerisches Wesen in Herodots Reden vorausgesetzt wird, kommt in Warnungen vor, während das Verb manchmal die rationale Erwartung ausdrückt (7,157,3 und 8,60). Dagegen wird bei Thukydides, bei dem das Verb und das negierte Adjektiv ανέλπιστοι' meist die rationale Erwartung bezeichnet (6,33,4; 6; 34,2; 68,1 und 7,67,1), über ihre Rolle im Melierdialog (5,102f.) reflektiert, wobei die έλττίς bei 88

Thukydides viel irrationaler als bei Herodot ist. Auch wird über die Rolle von enttäuschten Erwartungen und über die darauf folgenden psychologischen Wirkungen nachgedacht (7,66,3). Bei Herodot ist Xerxes, der tyrannische δεσπότης, das Subjekt der έλπίς, bei Thukydides das Kollektiv der Polisbürger, wobei die rationale Komponente von den Athenern zu den Syrakusern übergeht, die damit die Basis ihrer Überlegung ausdrücken, wohingegen Nikias sich auf irrationale Hoffnungen verläßt und rationale Fehler begeht, während bei Herodot das Göttliche letztlich für Fehlkalkulationen verantwortlich ist. Ebenso spielt das Überraschungsmoment und die psychologische Wirkung eine wichtige Rolle bei Hermokrates (6,34,3ff. und Lamachos in oratio obliqua 6,49). Bei Herodot deutet Xerxes 7,147,2 (indirekt), bei Thukydides Nikias 6,11,4 (δείξαντες την δύναμι,ν) und 6,47 (έπιδείξαντες μεν την δύναμιν) die Wirkung der Machtdemonstration auf die Gegner an. Das Motiv des καταφρονεί ν, das in den Reden bei Herodot fehlt, verliert als Verachtung, die wie bei Perikles auf rationaler Überlegenheit beruht, in der zweiten Werkhälfte an Bedeutung und ist für Nikias und Hermokrates *"(6,11,5; 33,3 und 34,9) die Umkehrung der Wirkung der · 89 Furcht, die zum Ubermut fuhrt und vor der man sich in acht nehmen muß. 88

Corcella 1984b, 99: „Laddove a Erodoto interessava mettere in luce i limiti delle previsioni razionali umane una volta che si fosse messo in moto il meccanico processo che a per protagonista e vittima il tiranno, a Tucidide premeva invece sottolineare come le valutazioni politiche potessero giungere all'irrazionalitä senza la prudenza di un grande uomo politico come Pericle." Aber vgl. das ausgewogenere Urteil S. 366 f.; S. 432, Anm. 108f. und 689.

89

Vgl. S. 544, Anm. 423; S. 627 und 690.

Die Funktion der direkten Reden in den beiden Werken

735

Insgesamt gesehen sind die Affekte bei Thukydides facettenreicher und werden eingehender als bei Herodot der theoretischen Reflexion unterzogen.

4.2.3.9. Die Interpretation der Vergangenheit als Erfahrungsschatz für die Zukunft Die meist kurzen Analepsen haben in der Argumentation durchwegs wie das Paradeigma im Epos beweisende Funktion und erfüllen oft als Teil eines Wahrscheinlichkeits- oder Analogieschlusses einen rhetorischen Zweck, weshalb j e nach Redeziel geringfügige Manipulationen oder arge Verzerrungen gegenüber dem auktorialen Bericht auftreten. Interessant ist besonders, wie einzelne Redner die vom Narrator erzählten Ereignisse in ihrer Argumentation verwenden und subjektiv deuten, wodurch für den Leser besonders bei werkinternen Analepsen eine interessante Spannung zwischen dem auktorialen Bericht und der Einschätzung der Sprecher entsteht. Durch den Vergleich mit der vom Narrator erzählten Version kann der Rezipient die Beschränktheit und Einseitigkeit einer solchen subjektiven Argumentation oder deren Richtigkeit und Zuverlässigkeit leicht erkennen. Die Vergangenheit ist also nicht a priori festgelegt, sondern wird je nach der rhetorischen Absicht von allen Rednern in der Argumentation eingesetzt. Dabei dienen Selektion, Verkürzungen, Auslassungen, aber auch ergänzende Details, Andeutungen (Praeteritio), Übertreibung etc. dazu, die Rezeption der internen Hörer zu beeinflussen. Nur selten übernehmen Redner die Erzählfunktion des Narrators; meistens geben sie in kompletiven Analepsen Details an, die auf die Hörer eine emphatische Wirkung haben. 90 Bei Herodot werden sowohl Exempla aus dem spatium mythicum als auch aus dem spatium historicum gebraucht, während bei Thukydides die Redner nur historische Beispiele erwähnen. Mythische (z.T. literarische) Analepsen dienen dabei bei Herodot in einem emotionalen Kontext, indem sie vorwiegend als Beweis für das δίκαιον, καλόν und selten συμφέρον eingesetzt werden, vor allem zu Propagandazwecken (7,11,4; 150,2; 159; 90

So e t w a A r t e m i s i a (8,68α 1: b e w i e s e n e Tapferkeit) und die Melier (5,110: Brasidas als P a r a d e i g m a ) . Bei H e r o d o t erläutert D i k a i o s 8,65 die M y s t e r i e n v o n Eleusis; X e r x e s ' B e r i c h t ü b e r d i e V e r b r e n n u n g v o n S a r d e i s enthält ein w e i t e r e s Detail; e b e n s o versieht N i k i a s in seinem Brief 7 , 1 1 - 3 die Erzählung subjektiv mit w e i t e ren Einzelheiten, läßt aber zugleich w i c h t i g e P u n k t e des auktorialen Berichts aus (Ellipsen), vgl. dazu S. 610, A n m . 578.

736

Vergleich der Reden bei Herodot und Thukydides

161; 9,116,3 und ausführlich 9,26f., wo der Anspruch auf den zweiten Flügel von Tegeaten und Athenern analeptisch begründet wird). Während Xerxes und Alkibiades auf Grund einer einseitigen Deutung der vergangenen Geschichte und Tradition die Ideologie des absoluten Imperialismus entwerfen, für allgemeingültig erklären (Hdt. 7,8a und 11; Thuk. 6,17,6) und als normative Forderung fur die Gegenwart die Implementierung des Imperialismus verlangen, stützen werkinterne Analepsen die Argumentation der Warner. Während bei Artabanos Beispiele aus dem Skythenfeldzug enthymematisch (a simili) seine Argumentation abstützen, er dabei sogar eine Beinahe-Situation als Argument für seine Hypothese gebraucht (7,10) und aus der Deutung der selektiv angeführten historischen Ereignisse seine These ableitet (7,18), verwendet Nikias die Zeit des Friedensschlusses, um die Unsicherheit der Lage und die Schwäche des nach ihm benannten Friedens zu illustrieren. Beachtenswert ist die Diskrepanz bei der Beurteilung desselben Faktums durch zwei verschiedene Sprecher: Während Artabanos 7,10γ pathetisch die große Gefahr unterstreicht, die darin bestand, daß Dareios' Schicksal von Histiaios' Wohlwollen abhing, gebraucht Xerxes 7,52,1 dasselbe Ereignis, um auf die Loyalität der Ionier zu schließen, wobei es dem Rezipienten überlassen ist, die Güte der Argumentation zu beurteilen. 91 In Syrakus verwendet Hermokrates 6,33,5f. die Perserkriege als historisches Analogon, um die Hypothese, daß auch der athenische Feldzug keine großen Chancen auf Erfolg hat, zu beweisen. Während Hermokrates die Pentekontaetie als Beweis und Paradeigma für Athens Absicht, die Verbündeten zu knechten, verwendet, versucht Euphemos dieselbe Periode differenzierter unter dem Gesichtspunkt des Nutzens und der Sicherheit zu deuten und verwendet 6,86 in einer retorsion Leontinoi als abschreckendes Beispiel, um Syrakus' Absichten zu erläutern. Durch eine listige Manipulation der Fakten gelingt es Sikinnos, Themistokles' List umzusetzen (8,75 und 110). Hermokrates verkleinert 6,79,2 die Bedeutung der Niederlage im Winter, während Alkibiades dieselbe Niederlage 6,91,2 als Beweis für die Unterlegenheit der Sizilier anfuhrt. Besonders kraß sind die Verzerrungen der beiden Kriegstreiber Mardonios und Alkibiades (7,9a2 und 6,16,6), die durch willkürliches Umbiegen der (im Werk geschilderten) Fakten zu ihren Gunsten ein faktisches Fiasko rhetorisch geschickt verschleiern, j a in einen Sieg umwandeln. Als emotionales rhetorisches Element wird die Analepse eingesetzt, um Rachegefuhle zu erregen (Hdt. 7,8ß), und wird besonders im Epilog 91

V g l . S. 369, A n m . 8 0 7 .

Die Funktion der direkten Reden in den beiden Werken

737

verwendet, um Zorn oder Haß zu schüren (Thuk. 7,68,2). Die kurze Andeutung von Ereignissen in der praeteritio, die bisweilen den Redner vor einem informierten Publikum von einem längeren Beweisgang dispensiert (Hdt. 7,8α 1 und 7,9ßl; Thuk. 5,89; 6,77,1; 83,2 und 89,6), wirkt besonders wegen ihrer Unschärfe oft nachdrücklich (Hdt. 7ß3; Thuk. 6,9,3; 6,80,3 und 7,64,1). Bei Herodot beleuchtet Xerxes auch seine unmittelbar ausgeführten Handlungen kritisch (7,13 und 15), während bei Thukydides die Redner nicht unmittelbar vollzogene, sondern allgemein ihre Aktionen rechtfertigen (Nikias 6,9; 7,15 und Alkibiades 6,16-17,1 und 89). Ebenso dient die Erwähnung der athenischen Absichten durch die Feldherren 7,66,2 und 68,2 der Erregung von Pathos. Dagegen können interne analeptische Analysen indirekt durchaus der Rezeptionssteuerung dienen, auch wenn bei Herodot eine seltsame Spannung zwischen Deutung und rhetorischer Absicht des Redners besteht (8,109,3 Themistokles und 9,78,2 Lampon; ebenso erwähnt Nikias die Pest 6,12,1). Die fast immer internen subjektiven Prolepsen der Figuren können 92

durch die weitere Erzählung bestätigt oder widerlegt werden, dienen in Beratungsreden dazu, durch Analogie oder sonstiges Wissen ein künftiges Szenario, oft in Form von Alternativen, aufzuzeigen, und sind meistens mit dem ράδιον bzw. χαλεττόν verbunden. Sie dienen dazu, den eigenen Standpunkt plausibel zu machen oder eine Drohung zu äußern, wobei der Narrator durch die Erzählung den Wert der Prognose und des damit verbundenen Ratschlages zeigt. Zu beachten sind auch die negativen Prolepsen, die in der Form des modus tollens stehen. Ebenso ist Alkibiades' Erzählung des athenischen Plans 6,90 interessant: Massiv übertreibend schildert er die Erwartungen der Athener in Bezug auf die Zukunft. Um seine Zuhörer aufzurütteln, konstruiert er eine proleptische ,BeinaheSituation': die athenischen Pläne werden in Erfüllung gehen, wenn die Spartaner nicht eingreifen. Während bei Herodot Redner in proleptischen Szenarien manchmal von den Handlungen der Feinde ausgehen (Demaratos 7,235 und Artemisia 8,68ß2), berücksichtigen bei Thukydides die Redner nicht nur die Handlungen der Feinde, sondern sogar deren psychologische Reaktion (Hermokrates 6,33,2 mit der Hypothese aus Sicht der Feinde).

92

Vgl. S. 370, A n m . 808f.

738

Vergleich der Reden bei Herodot und Thukydides

4.2.3.10. Der Wert der Wohlberatenheit (ευβουλία) und rationale Elemente Bei beiden erfüllen protreptische und apotreptische emphatische Appelle an die Vernunft einen rhetorischen Zweck. 93 Besonders Artabanos betont 7,1082 den Wert der guten Planung gegen die Wirkung der Affekte und des Zufalls ( τ ύ χ η ) und stellt ihre Güte in einer Gnome über die Kontingenz, welche die Macht hat, den guten Plan zu vereiteln und dem schlechten zum Erfolg zu verhelfen; dasselbe meint Nikias (6,9; 14, 21 und 23), der auf den Gegensatz zwischen guter Planung, Kontingenz und Glück hinweist. Ausfuhrlich und mit gegensätzlichem, aber trotzdem allgemeingültigem Wissen (in Gnomen) debattieren in Abydos 7,49 ff. Artabanos und Xerxes über die richtige Planung, wobei Furcht und Mut auf die Antinomie von λ ό γ ο ς und έ ρ γ ο ν verteilt werden: Während Artabanos vorsichtige Furcht für die Planungsphase und Wagemut für die Ausführung empfiehlt (ebenso Hermokrates 6,34,9), plädiert Xerxes für Wagemut auch in der Planungsphase und stellt wie Mardonios 7 , 9 γ das ,Probieren' (πείρα) über das ,Studieren'. Während die griechischen Gesandten 7,157,3 die ευβουλία als Grundlage des Erfolgs betrachten, kulminiert diese Überlegung bei Themistokles 8,60γ, wo die ευβουλία als positive Kategorie mit dem Wahrscheinlichkeitsschluß in Verbindung gebracht wird. Dabei wenden sich Artabanos und Nikias gegen die Eile bei der Planung (Hdt. 7,IOC mit Gnome und Thuk. 6,9,1). Bei Herodot gehört zur richtigen Planung auch die Berücksichtigung kultureller Regeln und Normen (Pausanias 9,79), während bei Thukydides der Erfolg alleiniges Kriterium ist, wobei die Bedeutung der Vernunft und Voraussicht (γνώμη und πρόνοια) nach Perikles' Tod abnimmt (cf. Nikias' und Hermokrates' Pessimismus 6,23 und 78,2). Während bei Herodot der mit der Traumsequenz verbundene Meinungswechsel ein Leitmotiv ist, wird dies bei Thukydides nur kurz angedeutet und von den meisten athenischen Rednern abgelehnt. 94 Des weiteren kommt bei beiden das Pattern der Androhung negativer Konsequenzen vor; 95 häufig wird bei Herodot das Motiv des πάθει μάθος in

93

So z.B. Hdt. 8,140; 7,157,3; Thuk. 5,101; 105; I I I ; 6,9; 11,7; 14 und 17,6 (kurze Andeutung).

94

So allgemein Alkibiades 18,7 gegen Nikias 6,14; ebenso Perikles 1,140 und Kleon 3,38,1. Der Verweis auf die eigene Kohärenz hängt dabei fast in allen Fällen mit der den Handlungsspielraum einengenden Reichspolitik zusammen.

95

Westlake 1971 hat festgestellt, daß bei Thukydides oft gegen Ende einer Rede eine Warnung vor negativen Folgen steht, die z u s a m m e n mit den positiven Anreizen dazu dient, die Rezipienten zu ermuntern. S. 497: „The speaker issues at or near the end of his speech a warning drawing the attention of his audience to the un-

Die Funktion der direkten Reden in den beiden Werken

739

verschiedenen Variationen oft am Ende der Rede eingesetzt, fehlt jedoch bei Thukydides. Bei Thukydides wird dem Feind rationales Handeln zugeschrieben (Athenagoras 6,36,3), während bei Herodot Artabanos und Artemisia Xerxes schmeicheln und nur ihm Verstand attestieren (7,16al und 8,68γ).

4.2.3.11. Das Problem der Kommunikation Mit dem Problem der Vermittlung von Wissen setzen sich besonders die Warner auseinander. Während bei den Persern Xerxes der Adressat ist, wendet sich Themistokles an einen Rat; wie bei Thukydides sprechen Alexander und die Spartaner vor einer Volksversammlung. Der Ratschlag muß oft gerechtfertigt werden (7,10a) und mit Schmeicheln (Artabanos 7,16γ und Artemisia 8,68γ) oder List (Themistokles 8,60,1 und 80) verbunden werden. Demaratos ist dabei das Paradeigma dieses Problems (7,101,3 und 104 bzw. 209), das 8,65 und dann 9,16 beim vornehmen Perser seinen Höhepunkt erreicht. Ebenso beleuchten Artemisia und Mardonios selbst dieses Problem (8,68α 1; 102,1 und 9,42,2). Xerxes folgt Artemisias zweitem Rat nur deshalb, weil er von sich aus, wie auktorial mitgeteilt wird, zur Flucht neigte. Typisch für den Warner ist zudem, daß er sein Wissen fast nie erfolgreich vermitteln und den zu Warnenden, dem das Gesagte unglaubwürdig erscheint, nur selten überreden kann. Ebenso wie Demaratos spricht Nikias über das Problem der Kommunikation von Wissen (6,9; 13,1; 7,14,4 und 48,4 in indirekter Rede), wobei er als Ursache für die Kommunikationsprobleme den Charakter und die Natur der Athener (τρόποι, φύσεις) angibt, während bei Artabanos im Meergleichnis äußere Einflüsse dafür verantwortlich gemacht werden. Hermokrates 6,33 spricht mit gnomischer Verallgemeinerung über das Problem der Plausibilität von Wissen; dasselbe Thema wird von Aristeides und Themistokles 8,79f. angesprochen.

pleasant consequences likely to ensue if his recommendations are not accepted and implemented. The warning, which is usually brief, constitutes an entirely new argument; the speaker is not recapitulating in his epilogue a point which he has made earlier." So 6,68,3f.; 7,64,1; 68,3 und 77,7 bei den Paränesen; 6,18,7 und 80,4 in den symbuleutischen Reden. Er vergleicht damit Xenophons Hellenika, wo dieses Phänomen kaum auftaucht. Dieses rhetorische Mittel kommt aber bereits bei Herodot vor: Themistokles 8,62,2 ( μ ε μ ν ή σ ε σ θ ε ) ; die Athener 9,11,2 ( μ α θ ή σ ε σ θ ε ) ; Xerxes 9,111,5 ( μ ά θ η ς ) und Artayktes 9,116,3 ( μ ά θ η ) und kann nicht als Beweis für den fiktionalen Charakter der Reden bei Thukydides dienen.

740

Vergleich der Reden bei Herodot und Thukydides

4.2.3.12. Die Uneinigkeit und Zerstrittenheit der Parteien Sehr wichtig ist bei Herodot das Thema der Zerstrittenheit der Griechen, wie die Verhandlungen zwischen den griechischen Gesandten und Gelon (7,145ff.), die Beratungen vor Salamis (8,49, 56-63, 74, 78), vor Plataiai die Auseinandersetzungen zwischen Athenern und Spartanern (9,7-11) und dann zwischen Athenern und Tegeaten zeigen. Dabei geht es zwischen Argeiern und Spartanern, in Syrakus bei Gelon und vor Plataiai jeweils um die Rangordnung der Griechen untereinander und den Führungsanspruch. Ebenso thematisieren die Perser die Uneinigkeit der Feinde, wobei Herodot, ähnlich wie viel später Montesquieu in den Lettres persanes, wohl seine Kritik den Persern in den Mund legt, um sich freier und schärfer äußern zu können, ohne direkt die griechischen Rezipienten zu verletzen. Mardonios 7,9ß2 macht sich über die gegenseitigen Kämpfe der Griechen, die seiner Meinung nach als Stammverwandte Schiedsgerichte benützen sollten, lustig. Achaimenes bemängelt 7,236 die fehlende Loyalität unter den Polis-Bürgern, die sich durch in ihrem Charakter (τρόποι) verankerte Mißgunst (φθόνος) einander gegenüber auszeichnen. Xerxes, der sich über die Uneinigkeit gewundert hat (7,101,2), bestätigt Achaimenes' Vorwurf, stellt aber der mangelnden Solidarität der Bürger die besonders in der archaischen Zeit so wichtige Gastfreundschaft entgegen. Das von den Athenern 8,144 als Kontrastfolie dazu entworfene Ideal des Panhellenismus mit Blutsverwandtschaft, Sprache, Kult und Ritualen wirkt auch in der Erzählung utopisch. Interne Spannungen in den einzelnen Städten werden während der Perserkriege nur angedeutet. 96 Bei Thukydides wird auktorial auf die Uneinigkeit in Athen (in einer Prolepse 2,65) und in Sizilien hingewiesen, wobei aber durch die athenische Expedition eine Gegenbewegung ausgelöst wird, die zur Einigung der Insel führt. In Syrakus zeigen sich starke innere Spannungen besonders 97 in der Rede des Athenagoras 6,36ff. Die innere Uneinigkeit wird auch 98

von verschiedenen Rednern thematisiert: Alkibiades, der 6,17,3 meint, die Zerstrittenheit der Feinde ausnutzen zu können, definiert in Sparta das 96

Vgl. S. 377, Anm. 836.

97

Hermokrates tadelt 6,72 in indirekter Rede das vielköpfige K o m m a n d o (πολυαρχ ί α ) und glaubt wie Xerxes 7,103, daß nur eine straffe Führung zum militärischen Erfolg führen kann.

98

Nikias 6,21,1 ξ υ σ τ ώ σ ι ν und 7,15 Σ ι κ ε λ ί α τ ε α π α σ α ξ υ ν ί σ τ α τ α ι , Hermokrates 3 3 , 4 - 5 ξ υ ν ί σ τ α τ α ι , 77,1 ξ υ σ τ ρ α φ έ ν τ ε ς und 79,3 ην ξ υ σ τ ώ μ ε ν , Athenagoras 37,2 ξ υ σ τ ή σ ε τ α ι und als retorsion Euphemos 6,85,3 ξ υ σ τ ή σ α ν τ ε ς , ήν ξ υ σ τ ή τ ε , έ ς εν ξυστασα.

Die Funktion der direkten Reden in den beiden Werken

741

φιλόπολι. neu. Dagegen erweist sich die von ihm gepriesene Harmonie der Generationen 6,18,6 angesichts der inneren Spannungen, über die nicht reflektiert wird, als utopisch, wenn man an die auf den Hermenfrevel folgenden Ereignisse denkt. Innenpolitisch deutet Athenagoras' Diskussion 6,38 die Spannungen an. Während Mardonios 8,100 nur indirekt auf die heterogene Zusammensetzung des Heeres eingeht und den Sieg von der Tapferkeit der Perser abhängig macht, geht Nikias im Gegensatz zu den Syrakusern in seinen Paränesen auf die verschiedenen Komponenten des Heeres ein.

4.2.3.13. Überlegungen zur Verfassung Während bei Thukydides Alkibiades über seine Rolle in der Polis und die Demokratie reflektiert (6,16; 89 und 92) und Athenagoras über die Bedrohung der demokratischen Verfassung durch Umsturzversuche der Oligarchien nachdenkt und diese in einer allgemeinen Erörterung über Demokratie und Oligarchie verteidigt, fehlen in den Büchern 7 - 9 Herodots Überlegungen über dieses Thema. Wie die Verfassungsdebatte 3,80-2 zeigt, ist diese Kategorie Herodot nicht fremd, spielt aber bei der Erklärung der Perserkriege keine Rolle: Imperialismus ist prinzipiell mit jeder Verfassung kompatibel. Vielmehr wird über den Gegensatz zwischen der Freiheit der Griechen und dem despotischen Perserreich (7,100ff.) und über die Rolle der Freiheit und der Art der Bürger reflektiert.

4.2.3.14. Das Thema der Jugend (ή νεότης) Bei Herodot ist sich Xerxes seiner jugendlichen Emotionen bewußt, wie er 7,13,2 explizit zugibt. Dagegen verweist sein Onkel Artabanos implizit 7,18 auf sein Alter und seine Erfahrung. Aber der Gebrauch dieses Topos ist noch sehr konventionell. Bei Thukydides sind die jungen Männer und 99

der jugendliche Alkibiades der Motor der Expedition. Doch weist Alkibiades durch sprachliche und rhetorische Mittel (Synonymik) nicht nur Nikias' Vorwurf, der implizit νεότης und άνοι α verbunden hat, explizit zu99

H u n t e r 1982, 2 5 6 : „In T h u c y d i d e s the youth of the d e s p o t e s b e c o m e s t h e youth of t h e polis, w h o are ignorant and inexperienced, and thus m o r e prone to t h e e m o t i o n s ... than the older generation." S. 2 5 7 : „Both historians thus e m p h a s i z e the e m o t i o n s of youth as a source on the o n e hand of energy and a c c o m p l i s h m e n t , on the other, of inspiration for the stolos with his attendant d a n g e r s . "

742

Vergleich der Reden bei Herodot und Thukydides

rück, sondern versucht auch den durch seine ανοια für die Polis entstandenen Nutzen darzulegen.

4.2.3.15. Argumentum a persona Bei beiden Historikern setzen Ratgeber und Warner in symbuleutischen Reden ήθος als ττίστις ein, um das Publikum zu überreden, wobei sie entweder auf ihre Erfahrung (Artabanos 7,18, Themistokles 8,109,1; Nikias 6,9), ihre guten Taten (Artemisia 8,68α 1, Nikias 7,15), Loyalität (Demaratos 7,104,2, von Xerxes 7,237 bestätigt; Alexander 8 , 1 4 0 ß l ) oder ihr Expertenwissen (Demaratos 7,101 und 209; Alkibiades 6,91, Hermokrates 6,33,1) hinweisen, greifen einen Kontrahenten in einem λόγος κατηγορικός an oder verteidigen sich in einer λύσις διαβολής gegen eine Verleumdung. 100 W ä h r e n d bei H e r o d o t dieses Mittel im zwischenmenschlichen Bereich eingesetzt wird, wird in Kamarina die διαβολή von beiden Rednern gegen die gegnerische Macht verwendet (Hermokrates passim und Euphemos in der retorsion 6,85, während bei Herodot 7,161 Gelon als Person beschuldigt wird). Während Artabanos moralisch 7,10η über die Schlechtigkeit der Verleumdung reflektiert (als άδικον), lehnt der syrakusische General 6,41 diese in einer allgemeinen Gnome als unklug (ού σώφρον) ab.

4.3. Die rhetorische Gestaltung der Reden Bei beiden Historikern werden die Reden wie im Epos durch Einleitungsund Abschlußformeln klar von der übrigen Erzählung (εργα) abgetrennt. In den Reden Herodots, besonders in den syntaktisch komplexeren ab Buch VII, besteht eine verstärkte Tendenz zur Hypotaxe und zu nominalen Konstrukten (mit mehr Infinitiven und Partizipien), auch wenn sie noch nicht die Dichte der Thukydideischen Perioden, deren Satzbau komplexer ist, erreichen.' 01 Hingegen können in den Thukydideischen Reden Schwankungen in Bezug auf die Komplexität der Syntax festgestellt werden. 100 Artabanos gegen Mardonios 7,10η; der athenische Gesandte gegen Gelon 7,161; Achaimenes gegen Demaratos 7,236; die Spartaner gegen Alexander 8,142,5 und Nikias gegen Alkibiades 6,12,2. Dieser verteidigt sich 6,16 und 89. 101 Müller 1980, 50: „Zum einen kommen die Kondizionalsätze bei Thukydides im Durchschnitt häufiger vor, vielleicht ein Anzeichen der verstärkten theoretischen A r g u m e n t a t i o n . Z u m andern geht bei T h u k y d i d e s die Zahl der Temporalsätze

Die rhetorische Gestaltung der Reden

743

Beide verwenden rhetorische Mittel wie Tropen (Litotes, Hyperbole, Metapher, Periphrase und Ironie), Klang-, Wort- und Gedankenfiguren 102

(Antithese , Anapher, Paronomasie, Alliteration, Polyptoton, Homoioteleuton, Isokolon, Klimax, Chiasmus, Zeugma, Synonymie), kunstvolle Perioden und eine (oft komplexe) logische Gliederung. Ein besonderes Merkmal in der Argumentation der direkten Reden ist der Einsatz von τελικά κεφάλαια (δίκαιον, καλόν, αίσχρόν (ά)δυνατόν, ράδιον, χαλεττόν, συμφέρον, dazu bei Thukydides ασφαλές), Enthymemen, Analogie- und Wahrscheinlichkeitsschlüssen (εικός), Begriffsdihäresen und -definitionen, Abstrakta (zur Konzeptualisierung) und von anderen logischen argumenta sowie von Gnomen (besonders am Ende eines Abschnittes), durch die die Argumentation auf eine allgemeinere und abstraktere Stufe gehoben wird. Während bei Herodot die Gnomen in der Tradition der Weisheitsliteratur (Hesiod) stehen, sich mit der condicio humana und den auf die Menschen wirkenden göttlichen Einflüssen befassen, empirisch verifizierte Erfahrungstatsachen und allgemeine Handlungsmaximen wie: „Wer wagt, gewinnt" aufstellen und besonders das Thema der εύβουλία betreffen, fehlt bei Thukydides, abgesehen von wenigen Ausnahmen, der Bezug auf das Übernatürliche; die Handlungsmaximen sind oft abstrakt, unpersönlich und betreffen nicht so sehr den Menschen als Individuum, sondern als Gruppe bzw. Polis, die jedoch mit den Kategorien der individuellen Psychologie analysiert werden. 103 Dazu sind die Gnomen bei Thukydides oft Prämissen von Syllogismen, Wahrscheinlichkeitsschlüssen oder Teile anderer komplexer Räsonnements, 104 während bei Herodot die Beweisfunktion im Vordergrund steht. Ebenso kommen bei Thukydides viel mehr Abstrakta, die Konzepte ausdrücken, vor, dafür fehlen epische Figuren wie Tmesis und Apokope; da Herodot mehr Gespräche hat, in denen die Redner direkt aufmerklich zurück, da sie weitgehend durch Partizipialkonstruktionen ersetzt werden." 102 Bei Thukydides ist der Gegensatz λ ό γ ο ς - έ ρ γ ο υ zentral (vgl. S. 699, A n m . 792), während er bei Herodot nur in Ansätzen sichtbar ist (etwa 7,49,5 und 9,27). Eng damit verwandt ist der Gegensatz τ έ ρ ψ ι ς - αλήθεια bzw. Nutzen (Hdt. 7,101,3 und Thuk. 6,83,3 und 7,14,4, Flory 1990, 199: „In both cases the choice is not between trivial anecdotes and factual evidence, but between bad counsel which is flattering and therefore deceptively attractive, and good counsel which tells the truth even if it may be unpleasant to hear"). 103 Bei Herodot sprechen Xerxes und Gelon von der psychologischen Wirkung des Hörens auf den θ υ μ ό ς ; die Thessaler zitieren 7,172 eine abstrakte G n o m e über die Konzepte von άδυνασίη und α ν ά γ κ η . 104 Die A u s n a h m e bei Herodot bildet das Gespräch 7,49 ff., w o G n o m e n r e i h e n kontradiktorisch eingesetzt werden.

744

Vergleich der Reden bei Herodot und Thukydides

einander antworten, fehlen sermocinatio, das Zitieren des Gegners und die προκατάληψις weitgehend. Ansatzweise sind bei Herodot Mittel der Ethopoiie j e nach Gesprächssituation und Überredungsziel vorhanden. Dabei sind aber weniger der individuelle Charakter als vielmehr der Anlaß und die rhetorische Absicht von Bedeutung, wobei in den Gesprächen in erhöhtem Maße dialogische Elemente vertreten sind. In einem emotionalen Kontext ist die Struktur der Sätze einfacher (mehr Parataxe) als bei einer beweisenden und theoretischen Argumentation. Während etwa Mardonios' Stil parataktisch und emphatisch ist, verwenden Ratgeber wie Artabanos, Demaratos, Artemisia, Themistokles sowie auch Xerxes selbst teilweise komplexe (oft hypothetische) Satzstrukturen, können aber j e nach Situation auch emphatische Mittel zur Überredung einsetzen. Reden von Kollektiven unterscheiden sich im Stil nicht von individuellen; die ethnische Zugehörigkeit spielt eine untergeordnete Rolle, auch wenn auffallt, daß die Spartaner eher einfache, die Athener dagegen oft komplexere Satzgebilde verwenden. Auch Thukydides nimmt die stilistische Differenzierung und Charakterisierung der Redner durch Hervorhebung stilistisch relevanter Züge vor, wobei neben gewissen charakterlichen Stileigenheiten der Redner ebenso die RedeSituation, die Absicht und die Art der Rede - eine Paränese ist anders als eine symbuleutische Rede strukturiert - ihren Stil bestimmen. Dabei ist der Gegensatz besonders zwischen Nikias und Alkibiades in der Redentrias auffallig, während bei den anderen Rednern die Gegensätze eher punktuell und situationsbedingt sind. Sowohl die Reden bei Herodot als auch bei Thukydides sind bereits nach bestimmten rhetorischen Schemata gegliedert und weisen Redeteile wie Proömium, Propositio (Prothesis), Argumentatio und Peroratio (Recapitulatio, Appell) etc. auf, wobei die Gliederung der Thukydideischen Reden in der Regel konsequenter eingehalten wird als bei den Gesprächen Herodots, auch wenn die Reden von Xerxes (7,9) und Themistokles (8,60) in Bezug auf die rhetorische Gliederung den Thukydideischen Reden nahekommen.

4.4. Die Funktion der Reden in der Geschichtsschreibung Herodots und Thukydides' Trotz einiger, wie gezeigt, bedeutender Differenzen in der Methode, Darstellung und Sinnstiftung überwiegen die Gemeinsamkeiten. Der Haupt-

Die Funktion der Reden in der Geschichtsschreibung Herodots und Thukydides'

745

unterschied besteht darin, daß Herodot über nichterlebte Vergangenheit berichtet, einen universalgeschichtlichen Ansatz hat, dabei neben dem Konflikt zwischen Griechen und Barbaren auch Interessen für Geo- und Ethnographie bekundet und über die menschliche noch eine zweite göttliche Ebene setzt, die durch Orakel und τέρατα, die von den handelnden Figuren nur selten verstanden werden, ihren Willen und die Zukunft klar kundtut, während Thukydides z.T. selbst erlebte Gegenwartsgeschichte behandelt, seinen Fokus sektoral auf den griechischen Raum richtet und sich bei der Schilderung auf menschliche, vorwiegend politische Geschichte, in deren Zentrum die Machtfrage steht, beschränkt. 105 Während Thukydides explizit vom Nutzen seiner Darstellung, der eng mit der gleichbleibenden menschlichen Natur verbunden ist, für künftige Generationen spricht, deutet Herodot den Nutzen seiner Darstellung nur implizit an. Für Herodot beweist sowohl die empirische Forschung als auch die Analyse der Geschichte, daß nicht nur in der Natur, sondern auch in der Menschenwelt die Gottheit als höchste Instanz für das ordnungsgemäße Ablaufen der Ereignisse verantwortlich ist. Die auf der menschlich-psychologischen Ebene liegende Motivation allein genügt nicht, da die rational-menschliche Erklärungsebene noch für zu schwach befunden wird. Daher ist vor der Expedition des Xerxes eine doppelte Motivation mit dem gottgesandten Traum nötig, 106 damit die im Kronrat auf der Ebene des Menschlichen dargelegte politisch-psychologische Notwendigkeit das nötige Gewicht erhält, wohingegen Thukydides die säkulare ανθρωπεία φύσις als anthropologische Grundkonstante und die von ihr ausgehende ανάγκη anstelle des Göttlichen als solide Grundlage menschlichen Verhaltens und Sitte menschlicher (νόμος) zur Erklärung und Motivierung des Expansionsdrangs der 107 Athener zur Verfügung stehen, wobei diese ανάγκη φύσεως ebenso 105 Cobet 1986, 16: „He excludes extra-human causes and takes as his subjects cities, not individual rulers." Hunter 1982, 236: „Here then, in the polis, in stasis, in tyche, which in their interplays produce change, resides the major difference between Herodotus und Thucydides." Hornblower 1987, 29 bezeichnet als Hauptunterschiede zwischen beiden neben der Ethnographie und der Rolle von Barbaren und Frauen „their theology and view of causation." 106 Vgl. S. 168 f. 107 Übertrieben Jacoby 1913, 479: „Denn in der Tat hat Herodots Auffassung von den Göttern durchaus retardierend gewirkt und ihm vielfach eine wirklich historische Darstellung, die alles menschliche Geschehen nach den Gesetzen der Kausalität verknüpft, unmöglich gemacht." Ebenso Cochrane 1929, 14: „But it is when Herodotus comes to the ultimate questions of human history that he reaches an impasse, the reason being that he is unable to determine whether it is ultimately God or man who pulls the strings." Besser Pohlenz 1937, 218: „Gerade der Gegensatz zu die-

746

Vergleich der Reden bei Herodot und Thukydides

Zwang ausübt wie bei Herodot, bei dem das Konzept der ανθρωπεία φύσις 1 0 8 fehlt, die übernatürliche Ebene. 109 Ist bei Herodot jeder νόμος göttlich sanktioniert und steht mit der göttlichen Ordnung in Einklang, nimmt die Bedeutung des Nomos bei Thukydides markant ab.' 1 0 Während

sem (sc. Herodot) hat ihm (sc. Thukydides) dazu verholfen, den Begriff der Wissenschaftlichkeit strenger zu fassen und den Kausalablauf des Geschehens nicht mehr aus metaphysischen Zusammenhängen, sondern aus der menschlichen Natur abzuleiten." Tsakmakis 1995, 30ff.: „Herodotus needs a controlling rationale to preserve the coherence of his system of interpretation. ... Thucydides replaces supernatural causes with causes whose roots are on the level of human action and perception ... In Herodotus the sphere of the gods communicates with the sphere of men. Not so in Thucydides. In Herodotus, nature is under the absolute domination of the gods. In Thucydides, nature becomes rather autonomous, but the break with the divine has not been accomplished in every respect." Ebenso Heitsch 1996, 102, aber etwas zu einseitig: „Hatte der Vorgänger Herodot die im geschichtlichen Proz e ß w i r k e n d e Konstante im ,Göttlichen' gesehen, so sieht T h u k y d i d e s sie im , M e n s c h l i c h e n ' , und in Angst, Begehrlichkeit und Geltungsdrang meint er j e n e Kräfte zu finden, die menschliches Verhalten auf politischem Felde bestimmen So will seine Erzählung die Geschichte im Augenblick ihres Entstehens erfassen ... seine Analyse aber Einblicke öffnen in ihre Motorik." Auch Herodots Analyse eröffnet Einblicke in die Motorik des Geschehens, zumal die göttliche Determination die Entscheidungsfreiheit der handelnden Charaktere nicht ständig einengt und absehbar, logisch konsistent, und nicht willkürlich ist. 108 Zum Physis-Begriff bei Herodot vgl. S. 155f„ Anm. 252 und S. 202f., Anm. 359. 109 M.E. ist Herters Schlußfolgerung 1950, 271 nicht zutreffend: „Mit der Verlagerung des entscheidenden M o m e n t e s in das menschliche Verhalten wird nun aber das Gewicht der historischen Notwendigkeit sehr abgeschwächt ... nicht mehr so unwiderstehlich wie in Herodots theonomer Sicht." Besser Stahlenbrecher 1952, 160: „Daß Z w a n g der Verhältnisse und die φ ύ σ ι ς eine bestimmte Entscheidung herbeifuhren, war die Entdeckung des Thukydides. Bei Herodot gibt es nur Zwang, den Menschen oder Dämonen (bei Xerxes) auf den, der wählen muß, ausüben." Rengakos 1984, 128: Im Gegensatz zu Herodot wird bei Thukydides der „Kausalablauf des Geschehens ... nicht mehr aus metaphysischen Z u s a m m e n h ä n g e n abgeleitet, sondern allein machtpolitisch erklärt." Corcella 1984b, 98 spricht von einer „tragico-teologica" Sicht bei Herodot und einer „psico-sociologica " bei Thukydides. Kleinlogel 1990, 190: „Während noch für Herodot das geschichtliche Geschehen in eine höhere, göttliche Weltordnung eingebettet erscheint und seine bewegenden Anstöße aus dieser bezieht, ist bei Thukydides auf jegliche Transzendenz verzichtet." Romilly 1984a, 216: „Au lieu de la justice divine, on a la Psychologie humaine. Au lieu d'oracles des analyses portant sur l'habituelle conduite des homines. ... quand tout ce qui arrive depend de l'homme, c'est dans sa psychologie que doit se trouver la causalite." 110 Pohlenz 1937, 124f.: „Herodot läßt Xerxes vom N o m o s , von der Tradition der Perser sprechen. Aber dieser N o m o s ist für ihn noch nicht willkürliches Menschenwerk. ... Zur natürlichen Motivierung tritt die metaphysische." ... Es ist deut-

Die Funktion der Reden in der Geschichtsschreibung Herodots und Thukydides'

747

bei Thukydides das Innere des Menschen differenzierter analysiert wird und der Impuls zur Aktion letztlich von der dynamischen und triebhaften menschlichen Natur ausgeht, fallen bei Herodot externe (menschliche wie göttliche) Antriebe mehr ins Gewicht (vgl. 7,16). Dabei ist die psychologische Durchdringung der handelnden Personen und Gruppen bei Thukydides viel tiefer und differenzierter als bei Herodot, bei dem der Mensch als Einheit, der verschiedenen äußeren Impulsen ausgesetzt ist, betrachtet wird und auch andere Faktoren die Handlungen determinieren. 111 Bei Herodot spielt der Charakter der handelnden Figuren, die in typischen Situationen

lieh, „daß X e r x e s ' Unternehmen zum Scheitern verurteilt war, weil das Streben nach der Weltherrschaft der gottgesetzten Weltordnung widersprach. Auch für Herodot ist das der Sinn von Salamis. ... Der φθόνος τ ο υ θεού ist nicht Neid oder Willkür, sondern Ausdruck des religiösen Glaubens an die Unverbrüchlichkeit der göttlichen Weltordnung, die kein Überschreiten menschlicher Grenzen duldet." Herrmann 1967, 123f.: „Zwar gehen die Auffassungen bei beiden Autoren davon aus, daß die Nomoi grundsätzlich auf menschlicher Satzung und Anerkennung beruhen und der Vergänglichkeit wie auch der Veränderlichkeit unterworfen sind. Während aber die Verbindlichkeit der Nomoi und der Wert des Nomosgehorsams bei Herodot außer Frage stehen, werden im Werk des Thukydides ... doch auch Stimmen laut, die unter dem Einfluß des Physisdenkens das Nützliche als Richtschnur des politischen Handelns e m p f e h l e n und in der A u s ü b u n g überlegener Macht die Wirksamkeit eines naturgesetzlichen N o m o s sehen." Darbo-Peschanski 1987b betont den Unterschied in der Rechtsauffassung: Bei Herodot verläuft das Geschehen g e m ä ß der gerechten, von den Göttern sanktionierten Rechtsordnung, die nicht hinterfragt wird; bei Thukydides wird der Rechtsbegriff selbst Gegenstand der Debatte in Reden, wo anstelle der Gesetzestreue (νόμος) die Machtbalance und Reziprozität (ίσον) treten, S. 135: „Thucydide met done fin ä la vision herodoteenne de l'histoire, dans laquelle la justice se confond avec l'ordre raerae des faits et oü reperer l'une revient ä saisir les autres. II n'est plus question d'eriger la justice en systeme d'explication, mais de constater l'ecart qui se creuse irremediablement entre eile et le cours des choses impulse par d'autres moteurs." 111 Zu scharf Romilly 1984a, 125: „La volonte divine dispense l'auteur de chercher un mobile et la causalite metaphysique rend superflue l'analyse des causes psychologiques." So ist die Bemerkung, daß Xerxes simple, kurz dauernde Emotionen hat, S. 130: „Chaque fois, Xerxes cede ä des influences exterieures, sans q u ' H e r o d o t e nous dise en langage clair ce qui, en lui, le pousse ä y ceder," wobei S. 135: „Herodote nous montre des exemples d'entrainement affectifs : Thucydide en decrit le mecanisme, les classe et les explique", ungenau. Es ist aber wahr, daß bei Herodot wegen des Fehlens der ανθρωπεία φ ύ σ ι ς als Konstante nur wenige allgemeine Reflexionen Uber das Handeln des Menschen angestellt werden. Der Mensch wird von Artabanos im Meergleichnis 7 , 1 6 a l als eine Einheit, die äußeren Einflüssen und Impulsen ausgesetzt ist, betrachtet, während bei Thukydides etwa Diodotos 3,45ff. eine viel komplexeres Menschenbild zeichnet, bei dem die Impulse zum Handeln auch von inneren Trieben ausgehen.

Vergleich der Reden bei Herodot und Thukydides

748

u n d im K o n t r a s t z u a n d e r e n F i g u r e n (z.B. W a r n e r n ) c h a r a k t e r i s i e r t w e r d e n , als D e u t u n g s p a t t e r n eine w i c h t i g e Rolle; bei T h u k y d i d e s stehen

neben

P e r i k l e s u n d d e n im z w e i t e n T e i l d e s W e r k s i m m e r w i c h t i g e r w e r d e n d e n Individuen vor allem Gruppen und das überindividuelle Kollektiv Polis, die mit den Kategorien der individuellen Psychologie

der

analysiert

ι ιΛ

w e r d e n , im M i t t e l p u n k t d e s I n t e r e s s e s . A b g e s e h e n davon lassen beide Historiker die Frage nach der Macht u n d Expansion ^ I m p e r i a l i s m u s ' ) mit ähnlichen aus ihrer G e g e n w a r t stamm e n d e n Kategorien analysieren, w o b e i viele Patterns, die bei T h u k y d i d e s e i n e w i c h t i g e R o l l e s p i e l e n , bei H e r o d o t s c h o n a n g e d e u t e t w e r d e n ; " 3 w ä h r e n d a b e r d a s P o l i t i s c h e bei T h u k y d i d e s als a u t o n o m e r R a u m d e r O r t d e r E n t s c h e i d u n g ist, d e t e r m i n i e r e n bei H e r o d o t n e b e n d e m G ö t t l i c h e n w e i t e r e o f t p e r s ö n l i c h - m e n s c h l i c h e F a k t o r e n d a s G e s c h e h e n . ' 1 4 Ist b e i T h u k y d i d e s

112 Späth 1968, 23: „Das zumindest im allgemeinen auf die Polis bezogene Menschenbild des Thukydides sticht deutlich von dem des Herodot ab. Praktisch läßt Thukydides nur politische Kriterien gelten, ... wobei die Polis für ihn aber immer noch ,Trägerin des politischen Geschehens' blieb." Hunter 1982, 234: „His analysis thus centers on the mass of mankind and its emotions and responses, which are an expression of anthropeia physis. Secondly, in place of a single individual, the despotes, he studies the polis." Asheri 1988, xlix: „La storia di Erodoto tende a 'biografizzarsi' intorno alle figure di grandi personaggi. Erodoto non avverti il bisogno di creare una terminologia eziologica precisa, di tipo ippocratico ο tucidideo."

113 Roscher 1842, 286: „Fast alle t i e f e r g e h e n d e n A n s i c h t e n des Thukydides lassen sich auch bei Herodot nachweisen: ... Nur daß sie bei diesem minder klar und consequent ausgearbeitet sind, auch minder innig mit der Erzählung verbunden, oft nur als Urtheile, nicht selten als Beispiele mit einer Art von Nutzanwendung angefugt. Auch Herodot ist bemüht, aus den Thatsachen die Seele der Handelnden zu erkennen; aber seine Charaktere sind viel weniger scharf und plastisch, als die des Thukydides, fast in demselben Maße, wie auch seine Sprache unbestimmter und weicher ist. ... Weil diese Männer gleich an übermenschliche Instanzen appeliren, so haben sie auch viel weniger Anlaß, nach einer scharfen Zeichnung der Charaktere hinzustreben." Romilly 1971, 326 und 330: „Ces considerations percent ici ou lä dans le recit d'Herodote; mais elles ne sont jamais clairement affirmees. Elles ne commandent jamais la structure meme de l'expose. ... Herodote n'avait pas encore pris une conscience assez claire de ce que pouvait etre une histoire politique pour leur donner une place officielle dans son oeuvre et pour construire ä partir d'elles les grands enchainements qu'il laisse seulement deviner." 114 Pohlenz 1937, 202f.: „Vor das Politische drängt sich freilich oft das PersönlichMenschliche ... Aber daß sich in despotisch regierten Ländern mannigfachste persönliche Einflüsse geltend machen und unter Umständen Entscheidungen von welthistorischer Bedeutung herbeiführen können, das hat doch die Geschichte -

Die Funktion der Reden in der Geschichtsschreibung Herodots und Thukydides'

749

der Krieg ein Prozeß, an dessen Ende Athens δύναμιχ vernichtet wird, stellt der kriegerische Konflikt bei Herodot am Ende jedes Zyklus und abschließend am Ende des 9. Buchs den Status quo ante und das Gleichgewicht zwischen Ost und West wieder her, wofür in letzter Instanz das Göttliche verantwortlich ist. 115 Beide zeigen die Gefahren des hemmungslosen und unkontrollierten Machtstrebens, das zum Niedergang führt, auf. Doch wird bei Herodot außer dem Verzicht auf die Macht zu dieser Politik des Imperialismus keine echte Alternative angeboten; auch tritt, wie der Sturz aller großen barbarischen und griechischen Figuren zeigt, keine überragende Persönlichkeit auf, welche die Zwänge der Macht richtig einschätzen, die eigenen Begierden und die Affekte des Volkes zügeln kann; dagegen man denke an den Zarenhof im Weltkriege - bis in die jüngste Zeit gelehrt." Beim Xerxeszug spielen daneben ,.jugendlicher Tatendrang und R a c h e w ü n s c h e mit. Aber die letzte Erklärung bietet der imperialistische Trieb des Perservolkes, der nicht zur Ruhe kommt, ehe nicht die Weltherrschaft errungen i s t . . . Da stößt Herodot doch über das Persönliche bis zu den letzten in der Tiefe wirkenden Kräften vor." Huber 1965, 138 stellt neben den sonst üblichen Differenzen in den beiden Redeagonen vor der Expedition eine Ähnlichkeit bei den politischen und psychologischen Motiven fest, die beweist, „daß Herodot ... eine Sprache gebraucht, deren auch politische Bedeutsamkeit bei Thukydides ... eindeutig zu Tage tritt", und „daß das Bild, das Herodot von der persischen Macht, von ihrer inneren Gefährdung und ihrer dynamischen Unruhe nach außen, von dem merkwürdigen Verhältnis von Gezwungen-Sein und freiwilliger, spontaner A n n a h m e und Bejahung dieses Zwanges, zeichnet, in erstaunlicher Weise dem gleicht, das Thukydides von dem imperialistischen attischen Reich entwirft." Hunter 1973, 181, A n m . 7: „It would be necessary to leave aside the φ θ ό ν ο ς of the gods and instead disentangle human errors and responsibility for them from α ν ά γ κ η and τ ύ χ η . I am confident that the gulf between Herodotus and Thucydides would be substantially narrowed and that in the latter one would discover an outlook less religious but non less metaphysical." 115 2,64,3 sagt Perikles in Bezug auf Athens Macht: π ά ν τ α γ ά ρ πεφυκε καΐ έ λ α σ σοϋσθαι., aber das Verb ύ π ε ν δ ί δ ό ν α ι . ,ein bißchen w e i c h e n ' , das nur an dieser Stelle in der klassischen Prosa bezeugt ist, zeigt an, daß Perikles zwar während des Krieges mit einem momentanen Machtverlust rechnete, aber nicht mit der Niederlage. Sonst wäre sein Kriegsplan zwecklos gewesen. Gleichermaßen verlöre Thukydides' didaktische Absicht ihre Berechtigung. Gut Parry 1972, 55, der zwei Linien sieht, eine zyklische (wohl als Sinus), in der Reiche entstehen und wieder untergehen, und eine lineare, die mit der Zunahme der Macht und Größenverhältnisse einhergeht: „In terms of this historical curve, which could be represented as a periodic curve on the graph of history, the Empire of Athens ... is but one term in an endless series, perhaps the largest term so far, but still not a unique point, not the convergence of all history. The second historical curve is a line of continuous development, ignoring minor ups and downs, from earliest times ... to Athens in 431 BC."

Vergleich der Reden bei Herodot und Thukydides

750

ist bei Thukydides Perikles das Paradeigma, das im Gegensatz zu seinen Nachfolgern nicht durch Macht korrumpiert wird und das Triebhafte der Natur durch sein Wesen in die richtigen Bahnen lenken kann. Während bei Herodot auf der menschlichen Ebene der Mißerfolg meistens auf falscher Erkenntnis und Planung beruht, der Erfolg oft das Resultat von Zufällen und Listen ist, lenkt darüber eine zweite Ebene das Geschick der Menschen, wobei aber in der Regel die moralisch-ethische Ebene mit der intellektuellen übereinstimmt. Bei Thukydides hängt dagegen der Erfolg bzw. Mißerfolg einer Aktion allein vom intellektuellen Vermögen ( γ ν ώ μ η ) des verständigen Staatsmannes oder Feldherrn ab, der bis zu einem gewissen Grad auch die Folgen der Kontingenz ( τ ύ χ η ) meistern ,

116

kann. Die Scheidung zwischen einer symptomatischen Historiographie bei Herodot und einer kausalen paradeigmatischen politischen Geschichte bei Thukydides ist zu scharf." 7 Die Vielschichtigkeit der Kausalität, die Ein116 Schneider 1974, 171: Thukydides' Intellektualismus „setzt die A u f f a s s u n g voraus, daß richtige Erkenntnis und richtiges Handeln in einem notwendigen Zusammenhang stehen." Dagegen glaubt Herodot „a un destino meccanico, pressoche inevitabile se sussistono certe condizioni ... e per questo parla di una forza divina, che esprime appunto una necessity incontrollabile. La conseguenza e una certa sfiducia nella possibilitä del controllo politico del reale, ben comprensibile in un esule ionico come lui, che guarda la situazione dall'esterno. Tucidide, al contrario, e piu profondamente politico: per lui, Pericle e l'esempio di una azione politica che puö tenere sotto controllo i processi storici in atto, puö assicurare alia potenza dominatrice una guida prudente che eviti ο almeno allontani la crisi e consenta di serbare la 'grandezza'. Erodoto, che ha riflettuto sui tiranni orientali e ha vissuto in prima persona la tirannide, non sembra confidare molto nelle possibilitä di un Pericle di controllare la realtä; Tucidide, cittadino ateniese, si fa sostenitore di un progetto di espansione controllata sotto la guida di un potente primo cittadino ... Erodoto tende a una riflessione piü generale sul passato, i cui risultati si estendono a un presente che non e, perö, affrontato direttamente, in quanto non concluso; Tucidide, impegnato attivamente nelle vicende della sua polis, e invece tutto teso al presente, alla politica." (Corcella 1984, 265). 117 Reinhardt 1960b, 368: „ W i e in T h u k y d i d e s die kausale Geschichtsschreibung beginnt, beginnt mit Herodot, durch j e n e abgelöst ... die symptomatische. ... Vom Symptomatischen aus gesehen, kann das bloß Faktische bis zur Bedeutungslosigkeit verblassen. Statt der Schlüssigkeit des Faktischen dient als Gewähr bei Herodot die Anschaulichkeit menschlich gültiger Gebärden." Cobet 1979, 181: „Der Bereich der α ϊ τ ί α ι , der kausal verknüpften W i r k u n g s z u s a m m e n h ä n g e - Gegenstand d e r , k a u s a l e n Geschichtsschreibung' - ist ganz der menschliche Bereich; die Dynamik j e d e s geschichtlichen Prozesses' enthält in der funktionalen Zuordnung alles Einzelnen aufeinander den Kern des historischen Sinnes' dieses Geschehens. Die s y m p t o m a t i s c h e Geschichtsschreibung' sieht daneben einen anderen Verursa-

Die Funktion der Reden in der Geschichtsschreibung Herodots und Thukydides'

751

beziehung nichtmenschlicher Faktoren entsprechen zwar nicht dem modernen Begriff der Kausalität - ebensowenig stimmt Thukydides' Erklärung 1,23 damit überein - , doch es gelingt Herodot trotzdem, die von ihm behandelten Ereignisse stimmig zu deuten. Es scheint fast, als habe Herodot in seinem Werk das traditionelle z y k l i s c h e ' Weltbild gegen die Angriffe von sophistischen Neuerern, die er wahrscheinlich kannte, durch das 118

historische Verfahren verteidigen wollen. Sein Werk erklärt die Vergangenheit in den Kategorien, die göttliche und menschliche Faktoren enthalten, stimmig und kann als Warnung fur seine Zeitgenossen und künftige Generationen betrachtet werden; Thukydides' Beschränkung auf menschliche Faktoren zeugt von einem anderen Menschen- und Weltbild, ist aber nicht a priori ein Fortschritt'. Vielmehr sind Herodot und Thukydides gleichberechtigte Archegeten der Historiographie." 9 Bei beiden dienen auktoriale Bemerkungen im wesentlichen der eindeutigen Lenkung der Rezeption, wobei auf die Leitmotive, soweit für die Deutung der Ereignisse relevant, hingewiesen wird. Ebenso gibt der Narrator Hinweise zu den Personen und Ereignissen, Mut, Erfahrung, Auschungsbereich, der immer in gleicher Weise alles Menschliche bedingend auf dieses einwirkt und in bezug auf dessen Erkenntnis räumlich und zeitlich Getrenntes wesentlich zusammengehört, ohne daß über die Gewißheit eines solchen Zusammenhangs hinaus j e d e s Teil eines Geschehens in einem funktionalen Wirkungszusammenhang seinen unverrückbaren Platz einnähme: die Art der Z u s a m m e n h ä n g e gibt sich nur in Symptomen zu erkennen." 118 Ähnlich Fornara 1990, 34: „Herodotus is attempting to demonstrate, on the basis of the historical record, that the pure rationalism of his contemporaries (the kind of thinking we observe in most of the Thucydidean speeches) is a faulty explanation of human phenomena. He is, in other words, a self-conscious proponent of some of the older ideas." Herodot kennt die Zeitgenossen, S. 39, „whose arguments he anticipates and attempts to refute by demonstration of their futility." Meier 1995, 431: „Um es etwas überspitzt zu sagen: nicht nur Thukydides hat sich mit seinem Vorgänger Herodot auseinandergesetzt, sondern auch Herodot mit Thukydides, genau müßte es heißen: mit der A u f f a s s u n g von menschlicher Macht, von Veränderung und Fortschritt, die uns bei Thukydides ... entgegentritt." Raaflaub 2002b, 152 meint, „that Herodotus' interpretation of history is no less influenced by theories and overarching concepts of historical causation and dynamics than T h u c y dides' - even if he does not overtly argue with theory." 119 Übertrieben Jacoby 1913, 484: „So ist das erste griechische Geschichtswerk noch weit entfernt von dem Ideal einer historischen Darstellung. Man vermag es kaum zu glauben, daß schon die nächste Generation einen Mann erzeugt hat, der die Historiographie auf den Gipfel führte, der nur noch erreicht, nicht überschritten werden kann." Pohlenz 1937, 216: „Herodot und Thukydides haben etwa noch ein Menschenalter nebeneinander gelebt, aber sie gehören zwei völlig verschiedenen geistigen Welten an."

752

Vergleich der Reden bei Herodot und Thukydides

rüstung, Geldmitteln und bei Thukydides auch zur psychologischen Befindlichkeit der Handelnden, während bei Herodot auch die non-verbale Kommunikation eine größere Rolle als bei Thukydides spielt. Nur selten nennt der Historiker allgemeine Erfahrungstatsachen und Regeln (meistens als kurze Parenthesen). Bei beiden ist die oratio obliqua situationsbezogen und kurz, umfaßt aber bisweilen ansatzweise weitere, den direkten Reden vorbehaltene Themen. Dagegen dienen die auf der Ebene der fabula angesiedelten direkten Reden, die zwar nicht authentische Reden wiedergeben, aber nach dem Vorbild echter Reden gestaltet sind und diese in komprimierter Form abbilden, als Reflexionspausen der Erzählung nicht nur zur Dramatisierung des Geschehens und Charakterisierung der handelnden Gestalten, sondern erfüllen werkintern durchaus auch eine rhetorische Funktion, wobei das Private der Gespräche bei Herodot immer mehr den antilogischen Reden in der Volksversammlung weicht. Die Redner befassen sich ausfuhrlich mit den Triebkräften menschlichen Handelns und Themen wie dem Imperialismus, der ευβουλία, der Jugend, Kommunikationsproblemen etc. und ergänzen die auktorialen Kommentare und die in indirekten Reden geäußerten Überlegungen durch ausfuhrliche Räsonnements, Angabe und Diskussion der fur die Handlungen relevanten Kategorien (vorwiegend gemäß den topischen τελικά κεφάλαια), die dank Gnomen und Definitionen die Ebene des Partikularen durchbrechen und das Allgemeine erreichen, und durch Ana- und Prolepsen, mit denen sie das Spektrum der möglichen Deutungen erweitern, wobei bei Thukydides vermehrt abstrakte Kategorien, die psychologische Durchdringung, der Nutzen und die Sicherheit, bei Herodot, der noch näher beim Epos ist, die individuelle Tapferkeit und die übernatürliche Ebene im Vordergrund stehen. Diese Unterschiede zeugen von den verschiedenen und gegenseitig im Wettstreit stehenden geistigen Strömungen, die im Laufe des 5. Jh. v. Chr. in Griechenland und besonders in Athen auftraten und auch im Drama ihre Spuren hinterlassen haben. Anstelle auktorialer Abschweifungen haben in beiden Werken die direkten Reden nicht nur exegetische und sinnstiftende Funktion, die sie mit den auktorialen Einschüben teilen, sondern sind für den Rezipienten auch ein Kaleidoskop, das die Bedingungen und Möglichkeiten menschlichen Handelns aufzeigt und die einmalige historische Situation zwar transzendiert, gleichzeitig aber ihr auf die Ebene des Allgemeinen gehobenes Wissen im Gegensatz zu den Spekulationen der zeitgenössischen Sophisten und der dichterischen Scheinwelt durch den Bezug zur geschichtlich belegbaren Realität verbürgt.

Die Funktion der Reden in der Geschichtsschreibung Herodots und Thukydides'

753

Die Resultate dieser Arbeit, die aus dem Vergleich zweier wichtiger Abschnitte der Werke von Herodot und Thukydides hervorgehen, sind nicht als abschließend zu betrachten, sondern können als Teilergebnisse die Grundlage fur weitere Analysen bilden: So könnten etwa monographische Untersuchungen über die Reden bei Herodot bzw. Thukydides zeigen, ob die in der beschränkten Perspektive dieser Arbeit festgestellten Charakteristika der Reden durch die Analyse des Gesamtwerks bestätigt werden oder Änderungen vorgenommen werden müssen. Ebenfalls wären systematische Vergleiche mit den Reden anderer Historiker wie Xenophon, Polybios, Sallust, Livius, Tacitus etc., wie im nächsten Kapitel am Beispiel des Polybios skizzenhaft gezeigt wird, von Nutzen, um die Besonderheit jedes Historikers an Hand seiner Auffassung von Geschichte aufzuzeigen.

V. Die Reden und die moderne Geschichtsschreibung 5.1. Funktion und Bedeutung der Reden in Polybios' Geschichtswerk Polybios, 1 der in bewußter Abgrenzung von den übrigen Historikern seiner Zeit in der Geschichtsschreibung neue Maßstäbe setzt, behandelt den Aufstieg Roms zur Weltherrschaft. Er wählt einen universalgeschichtlichen Ansatz (5,33 καθόλου), weil sich in einer umfassenden Perspektive historische Prozesse besser zeigen lassen als in Monographien (κατά μέρος), die oft für das Gesamtverständnis des historischen Prozesses irrelevante Details überbewerten. Seine pragmatische' Geschichte (9,2,4 πραγματικός τρόπος) befaßt sich mit politisch-militärischen Ereignissen (9,1,4 περί τ ά ς πράξεις των εθνών και πόλεων και δυναστών). 4 Da seine Darstellung „etwas Strenges, Abweisendes an sich hat und wegen der Einseitigkeit nur eine bestimmte Art von Lesern ansprechen und bei ihnen Beifall finden wird" (9,1,1 αύστηρόν TL και προς εν γένος ακροατών οίκειοϋσθαι και κρίνεσθαι δια τό μονοειδές τ η ς συντάξεως), kommt „dieses Thema nur einer einzigen Art von Lesern entgegen, während wir der Mehrzahl keine Lektüre anzubieten haben, die sie fesseln könnte" (9,1,5 προς έν μεν τι γένος· ... οικειως ήρμόσμεθα, τω δέ πλειονι μέρει των άκροατών ά ψ υ χ α γ ώ γ η τ ο ν παρεσκευάκαμεν την άνάγνωσιν). 5 Sein Publikum bilden also die im weitesten Sinne politisch 1

Zum Leben vgl. die Einleitung zur Ausgabe von Musti 2001, 5ff.

2

Walbank, 1979 i, 9: „Yet it is only from universal history that one can gain a proper notion of cause and effect and estimate the real importance of events, and so understand and appreciate the work of Tyche." Für weitere Belege des Begriffs vgl. Mioni 1949, 17-32; Geizer 1955, 273 ff.; Pedech 1964, 2 1 - 3 2 ; Walbank, 1979 i, 8, Anm. 6 und Mohm 1977, 8ff.

3 4

Mohm 1977, 22. Ebenso Petzold 1969, 7 und Musti 2001, 18f.

5

Dionysios von Halikarnass zählt in De comp. Verb. 4 Polybios zu der Klasse von Autoren, deren Werk man nicht zu Ende lesen mag (οίας ουδείς ύ π ο μ έ ν ε ι μέχρι κορωνίδος διελθείν). Ebenso ist für Gigante 1951 Polybios' Stil monoton und ohne Klarheit, Glanz, Lebendigkeit und Frische.

Funktion und Bedeutung der Reden in Polybios' Geschichtswerk

755

aktiven und interessierten Leser. Selbsterleben (αύτοπάθεια 12,25,h4), praktische Erfahrung (αυτουργία 12,28,a6), volles Engagement bei der Untersuchung (πολυπραγμοσύνη 12,27,6) und ein ausgeklügeltes Verfahren bei der Befragung von Augenzeugen sind wesentliche Eigenschaften des guten Historikers. Polybios unterscheidet bei der Bestimmung der Kausalität (αιτίαι) zwischen äußeren Umständen (καιροί) und inneren Motiven und Stimmungen (όρμαί και διαθέσεις 12,25 i 8). 6 Ein weiteres wichtiges aitiologisches Moment ist die Kenntnis der Staats-form, während er als rationaler Denker ähnlich wie Thukydides Götter- und Wundergeschichten ablehnt. Im Gegensatz zu Thukydides, dessen Aitiologie stets mit übergeordneten Ideen und Konzepten in Verbindung steht, sucht Polybios eine einfache und auf der Ebene der menschlichen Handlungen liegende Begründung. Dadurch, daß der Rezipient die richtige Kausalkette der vergangenen Ereignisse klar erkennen kann, eröffnet ihm Polybios' sogenannte ,apodeiktische' Geschichtsschreibung (2,37,3 αποδεικτική ιστορία) 9 die Möglichkeit, aus Vorbildern und abschreckenden Beispielen der Vergangenheit zu lernen, die Gegenwart ,methodisch' (9,2,5 μεθοδικώς) zu meis-

6

3,6 u n t e r s c h e i d e t P o l y b i o s in B e z u g a u f den H a n n i b a l i s c h e n K r i e g die w a h r e n U r s a c h e n ( α ι τ ί α ι ) v o n den A n f ä n g e n d e s K r i e g e s ( ά ρ χ α ί ) und d e m V o r w a n d ( π ρ ό φ α σ ι ς ) . D a b e i b e z e i c h n e t ά ρ χ α ί d i e e r s t e n S c h r i t t e und H a n d l u n g e n ( έ π ι β ο λ α ί , π ρ ά ξ ε ι ς ) einer bereits b e s c h l o s s e n e n Sache, w ä h r e n d α ι τ ί α ι das, w a s vor d e m B e s c h l u ß steht, also die M o t i v e , A b s i c h t e n und E r w ä g u n g e n ( ε π ί ν ο ι α ι , δ ι α θ ε ί σ ε ι ς , σ υ λ λ ο γ ι σ μ ο ί ) sind. E b e n s o 2 2 , 1 8 , 6 f f . und 4,13,6, w o α ι τ ί α , α φ ο ρ μ ή und α ρ χ ή v o r k o m m e n , w o b e i α φ ο ρ μ ή e t w a π ρ ό φ α σ ι ς entspricht.

7

So 1,1,5 und 6,2,3. Mioni 1949, 104: „ L e istituzioni politiche e militari s o n o per Polibio tra le c a u s e storiche piü potenti c h e esercitano u n ' a z i o n e decisiva sopra gli u o m i n i . . . . " E b e n s o Pedech 1964, 3 0 3 - 3 3 0 .

8

Die Rolle der Religion und die A n g s t vor den Göttern als N u t z e n f ü r die Gesells c h a f t ( δ ε ι σ ι δ α ι μ ο ν ί α ) hat P o l y b i o s 6,56 ( a n a l o g zu T h u k y d i d e s 3,82ff.) in der B e t r a c h t u n g ü b e r die r ö m i s c h e V e r f a s s u n g explizit bejaht. Ein s c h w i e r i g e s Problem f u r die F o r s c h u n g stellt der B e g r i f f der τ ύ χ η dar. Ist Τ ύ χ η eine Art göttliche V o r s e h u n g und m a n c h m a l s o g a r s t r a f e n d e . G e r e c h t i g k e i t d e r G e s c h i c h t e ' (Lab u s k e 1977, 4 1 2 ) , eine blinde, u n b e s t ä n d i g e und a m o r a l i s c h e S c h i c k s a l s g ö t t i n , oder bezeichnet der A u s d r u c k τ ύ χ η w i e bei T h u k y d i d e s den irrationalen Rest, der sich nicht der m e n s c h l i c h e n P l a n u n g f u g t ? Mit Recht ist festgestellt w o r d e n , d a ß τ ύ χ η an den verschiedenen Stellen des W e r k s ein ambivalenter und nicht h o m o g e ner B e g r i f f ist, der z w i s c h e n den Polen von irrationalem Z u f a l l und aktiv handelnder V o r s e h u n g s c h w a n k t . Vgl. Z i e g l e r 1952, 1 5 3 2 - 1 5 4 3 ; Mioni 1949, 1 4 0 - 1 4 7 ; Roveri 1956, 2 9 7 - 3 2 6 ; Pedech 1964, 3 3 1 - 3 5 4 , W a l b a n k 1972, 6 0 - 6 5 und 1979 i, 16-26.

9

Vgl. zu diesem A u s d r u c k Pedech 1964, 4 3 - 5 3 und Musti 2001, 19.

756

Die Reden und die moderne Geschichtsschreibung

tern und auch zukünftige Ereignisse vorherzusehen und aus der geschichtlichen Fremderfahrung (l,35,7f.) im Gegensatz zur eigenen Erfahrung gefahrlos praktischen Nutzen zu ziehen. 10 Diesen didaktischen Nutzen, der - für den aktiven πολιτικός άΐ'ήρ - vornehmlich politisch-militärischer Art ist und die sittliche Förderung des Menschen im öffentlichen und privaten Leben hintansetzt, hebt er schon im Proömium zum Gesamtwerk hervor." Aus diesem Grund lehnt er die auf Effekt und Sensation zielende Historiographie, die in der älteren Forschung fälschlich als ,Tragische Geschichts12 Schreibung' bezeichnet wurde, ab. In der Kritik an Phylarchos 2,56,10-12

10

Mioni 1949, 93: „La conoscenza delle cause e utile perche le medesime cause producono i medesimi effetti e le situazioni del passato si possono riprodurre nel presente e nell'avvenire."

11

1,1,2: ά λ η θ ι ν ω τ ά τ η ν μεν ε ί ν α ι π α ι δ ε ί α ν καΐ γ υ μ ν α σ ί α ν π ρ ό ς τ ά ς π ο λ ι τ ι κ ά ς π ρ ά ξ ε ι ς τ η ν εκ τ η ς ι σ τ ο ρ ί α ς μάθησιν, έ ν α ρ γ ε σ τ ά τ η ν και μόνην διδάσκαλοι; τοϋ δΰνασθαι τ ά ς τ η ς τ ύ χ η ς μ ε τ α β ο λ ά ς γ ε ν ν α ί ω ς ύ π ο φ ε ρ ε ι ν τ η ν των άλλοτρίων π ε ρ ι π ε τ ε ι ώ ν ύ π ό μ ν η σ ι ν ... „Die Belehrung aus der Geschichte ist die sicherste Schule und Vorübung für eine öffentliche Tätigkeit, die Erinnerung an eine plötzliche Wende, die das Schicksal anderer g e n o m m e n habe, die eindrücklichste, die einzige Lehrmeisterin, wie man selbst die Wechselfalle des Glücks mit Würde tragen könne ..." Im weiteren vermittelt eine solche Geschichtsschreibung nicht nur Nutzen, sondern im Gegensatz etwa zu Thuk. 1,22,4 auch wahren Genuß für den Kenner. Allerdings ist „die τ ε ρ ψ ι ς ... für Polybios nur ein sekundäres τ έ λ ο ς der Historiographie, da der Genuß ... vom Nutzen wesensmäßig abhängig ist" (Mohm 1977, 138).

12

Unter dem Einfluß von Schwartzens RE-Artikel über Duris wurden Polybios' Zeitgenossen in der älteren Forschung unter dem Begriff der „Tragischen Geschichtsschreibung" zusammengefaßt. Duris von Samos, ein Schüler Theophrasts, kritisiert FGrHist. 76 F 1 die beiden Historiker des 4. Jh. Ephoros und Theopomp, weil bei diesen seiner Meinung nach die dramatische Anschaulichkeit von μ ί μ η σ ι ς und ηδονή fehle, was für Schwartz 1905, 1855 „nichts als die Übertragung der aristotelischen Poetik und Stillehre auf die Geschichtsschreibung ist." V. Fritz 1956, 108: „Es handelt sich dabei um eine „Art der Geschichtsschreibung ..., welche diejenigen Stil- (und vielleicht Kompositions)prinzipien, welche Aristoteles für die Dichtung und speziell für die Tragödie im Gegensatz zur Geschichtsschreibung aufgestellt hat, nun gerade auf die Geschichtsschreibung a n z u w e n d e n suchte." Ebenso Ullman 1942, 39; Strasburger 1966, 81 und Fornara 1983, 124ff. O f t bezweckt aber diese Art von Geschichtsschreibung durch emotionale und sensationelle Berichte anstelle seriöser Belehrung bloß Unterhaltung. Auch bedeutet bei Duris μ ί μ η σ ί ς nicht eine auf das Universale zielende Kraft, sondern die nach dem rhetorischen Kriterium des π ρ έ π ο ν stilistisch angemessene Wiedergabe der Realität. Walbank 1972: „For as we can tell, mimesis, to Duris means simply a vivid and emotional representation of events, such as is constantly to be found in the fragments of his history." Pedech 1989, 371 verweist auf das Verb έ κ μ ι μ ε ϊ σ θ α ι in F 89 und kommt zum Schluß, daß Duris' Mimesis-Begriff „ne suppose pas un recit

Funktion und Bedeutung der Reden in Polybios' Geschichtswerk

757

unterscheidet Polybios explizit das Genos der Historiographie von dem der 13

,Tragödie'. Mit diesem Begriff bezeichnet er eine Art der geschichtlichen Präsentation, die auf Sensation (τερατεία), Effekthascherei und emotionale Sinnesbetörung (έκττλήξαι και ψυχαγωγήσω) 1 4 der Zuhörer abzielt und emouvant ni une histoire utilisant les ressorts tragiques, qui sont chez Aristote la crainte et la pitie", sondern „une representation concrete, quasi picturale de la realite", die nicht davor zurückscheut, auch theatralische Mittel einzusetzen, bezeichnet. Die daraus resultierende ηδονή ist S. 372 „un plaisir esthetique, q u ' u n e narration fidele ä la realite eveille dans l'esprit du lecteur, c o m m e le ferait un tableau." Dagegen ist für Gray 1987, 482 Mimesis ein rhetorischer t.t., z.B. bei Dionysios v. Halikarnass und Pseudo-Longin, um die stilistische Beachtung der Gebote des π ρ έ π ο ν zu bezeichnen (S. 485). Sie meint, diesen Gebrauch von μ ί μ η σ ι ς schon für Duris und Theophrast postulieren zu können. Dabei handelt es sich weniger um inhaltliche Aspekte, die mehr oder weniger tragisch oder sensationell sein können, als vielmehr um die stilistische Angemessenheit, die Wirklichkeit adäquat wiederzugeben. Walbank 1990, 258 akzeptiert Grays These, zumal auch sie den Begriff der „tragic history" mit größter Vorsicht gebraucht. Ebenso lehnt Späth 1998, 176-178 den Begriff der „Tragischen Geschichtsschreibung" als Phantom zu Recht ab. Die Art, sensationell und emotional zu berichten, war schon vor Aristoteles weit verbreitet, wie Hellanikos oder Ktesias beweisen (vgl. dazu Marasco 1988). Dramatische Elemente kommen bereits bei Herodot und Thukydides vor, vgl. Ortolä / Redondo / Sancho 2000, 201. 13

Das A d j e k t i v τ ρ α γ ι κ ό ς bezeichnet eine auf Sensation ausgerichtete Art der Darstellung, die nicht zur Historiographie paßt (Walbank 1972, 38). Ähnlich hat Plut. Them 32 und Per. 28 diese Art der Geschichtsschreibung als έ π ι τ ρ α γ ω δ ε ΐ ν bezeichnet und getadelt. Polybios b e k ä m p f t also eine „mehr dem Sentimentalen und Abstrusen als geschichtlicher Realität zugewandte, innerlich unwahre Manier, ihre Überbewertung der stilistischen Gestaltung ... und auf der andern Seite die romanhafte Unbekümmertheit eines Duris in einer auf Sensation und Irrationales zielenden Effekthascherei" (Lehmann 1974, 150). Ansonsten ist er „tragischen" Elementen, solange die Ereignisse diese zulassen, nicht abgeneigt, wie schon im Proömium 1,1,2f die Begriffe τ ά ς τ η ς τ ύ χ η ς μ ε τ α β ο λ ά ς , π ε ρ ι π ε τ ε ι ώ ν , τ ό παράδοξον τ ω ν πράξεων etc. zeigen. Ebenso kommt nur schon in den ersten drei Büchern das Adjektiv π α ρ ά δ ο ξ ο ς 51 mal vor, dazu oft auch die synonymen Adjektive π α ρ ά λ ο γ ο ς , ά ν ε λ π ι σ τ ο ς , α π ρ ο σ δ ό κ η τ ο ς κτλ.. Walbank, 1979 i 15: „If Polybius seems often to lay special stress on the unexpected, it is because he regards it as objectively present in the fabric of events, and necessarily to be stressed if the historian is to fulfil his true function as a moral historian." Dazu legt er auf Peripetien Gewicht. Vgl. die Geschichte des Regulus 1,35, bei der Polybios aus Euripides' Antiope zitiert, und die Darstellung des Falls Philipps V. 23,10 ff.

14

M o h m 1977, 108 ff.: τ ε ρ α τ ε ί α und der s y n o n y m e Begriff π α ρ α δ ο ξ ο λ ο γ ί α bezeichnen die durch Übertreibung bzw. Aufbauschung unwahre, auf Sensation und Effekt ( έ κ π λ η ξ ι ς ) abzielende Darstellungsweise. Vielleicht hat er einige übertriebene Schilderungen von Schlachten eingeflochten, um sie lebendiger zu gestalten, z.B. Hannibals Rhone-Übergang (3,43,7f.) oder die Schlacht von Kynoskephalai

758

Die Reden und die moderne Geschichtsschreibung

auf formale Gestaltung großen Wert legt, jedoch nicht die Wahrheit - für Polybios 1,14,6 alleiniger Garant fur das Zustandekommen des primären τέλος der Geschichte, des im Gegensatz zum momentanen Genuß dauerhaften (εις τον πάντα χρόνον) Nutzens (ωφελεία) - in den Mittelpunkt rückt. Als Narrator ist Polybios grundsätzlich „a highly intrusive explicator of that narrative." 15 Er lenkt durch viele wertende Wörter, affektive Einschübe, im Unterschied zu Herodot und Thukydides viel häufigere rhetorische Fragen, 16 präzise und zahlreiche metanarrative und explikative Glossen, impliziten Leser, unpersönliche Ausdrücke etc. immer und überall eindeu17 18 tig die Rezeption. Seine Methode ist subjektiv istisch·. Viel häufiger als Herodot und Thukydides gibt er auktorial (oft in der ersten Person) direkte Urteile über das von ihm Berichtete ab, fuhrt psychologische Motive und allgemeine Reflexionen an. Im 12. Buch, das vordergründig als Polemik gegen den Historiker Timaios erscheint, in Wirklichkeit aber eine Anleitung gibt, wie man Geschichte schreiben soll, äußert er sich auch zu den direkten Reden, wobei er drei Arten unterscheidet:

15

16

17

18

(18,25,Iff.). Walbank, 1979i, 15: „In such passages ... Polybius does not develop the situation at length nor with the resources of emotional and tragic writing necessary to elicit the pity of his readers and to thrill them with sensation for its own sake." Marincola 1997, 10. Bruns 1898, 7: „In der polybianischen Erzählung vergessen wir nie den Autor. Wohl weiß auch er lange Strecken hindurch mit einnehmender Schlichtheit zu erzählen, aber nie hindert ihn ein principieller Zwang, diese Erzählung zu unterbrechen. Bei allen denkbaren Gegebenheiten knüpft er Reflexionen an das Vorgetragene, polemisiert gegen andere Historiker, weist auf problematische Punkte hin, kurz: er gewährt überall den vollsten Einblick in seine persönliche Arbeit." Rood 2004b, 157: „The frequency of such questions gives Polybius' work a very different texture from Thucydides' or Xenophons' ... Perhaps, while Thucydides had avoided elements that seemed too 'oral', rhetorical questions had come by Polybius' time to be an acceptable part of the professional style." Zusammenfassend Rood 2004b, 164: „Polybius ... does not share Thucydides' concern to preserve that clarity of narrative that seems to offer the narratee unmediated access to events. His narrator is much more obtrusive even than the Herodotean narrator. With a persona close in some ways to that of modern academics, Polybius emerges as a professional historian writing for narratees committed to the enquiry into historical causation." Zum Ganzen vgl. Bruns 1896 und 1898 passim.

Funktion und Bedeutung der Reden in Polybios' Geschichtswerk

1.

2.

759

Die wörtliche Wiedergabe der ipsissima verba (τά ρηθέντα), was aber wohl auf die genaue „Nachzeichnung des Gedankengangs und Argumentationsablaufes des Redners in der Sprache des Polybios" 19 hinausläuft. Ein Resümee der wirklich gesprochenen Argumente (ώς έρρήθη κατ' 20

3.

άλήθειαν) , wobei der Gesamtinhalt authentisch, Form und Gestaltung aber von Polybios sind. 21 Die freie Erfindung von Reden nach einem rhetorischen Muster t t 22 (προθέ μένος ως δει ρηθήναι), so wie es Timaios getan hat.

An der bereits oben erwähnten Stelle 2,56,10 fordert er: ούκ ... τους έντυγχάνοντας ουδέ τους ενδεχομένους λόγους £ητεΐν και τα παρεπόμενα τ ο ι ς ύποκειμένοις έξαριθμεΐσθαι, καθάπερ οι τραγωδιογράφοι, των δε πραχθέντων και ρηθέντων κατ' άλήθειαν αυτών μνημονεύειν πάμπαν, (κ)άν πάνυ μέτρια τυγχάνωσιν όντα, „keine schönen Reden einlegen, die vielleicht so hätten gehalten werden können, nicht das Geschehen mit Nebenzügen und Begleitumständen ausschmücken, wie es die Tragödiendichter tun, sondern einzig und allein das wirklich Getane und Gesagte berichten, auch wenn es nur ganz schlichte Dinge sind."

Aber nicht nur über die Gründe und Motive der Redner, sondern auch über ihren Erfolg bzw. Mißerfolg muß der Historiker informiert sein und darf nichts erfinden, 12,25, i8: εί γαρ οι συγγραφείς ύποδείξαντες τους καιρούς καΐ τ ά ς όρμάς και διαθέσεις των βουλευομένων, κάπείτα τους κατ' άλήθειαν ρηθέντας λόγους έ κ θ έ ν τ ε ς δ ι α σ α φ ή σ α ι ε ν ή μ ϊ ν τ ά ς α ί τ ι α ς , δι' α ς ή 19

Mohm 1977, 56. Ebenso Pedech 1964, 260.

20

Walbank 1985, 249 übersetzt den Ausdruck mit „the sense of what was said".

21

M o h m 1977, 62: „Seine Forderung beschränkt sich auf die Vorschrift, den Gesamtsinn einer wirklich gehaltenen Rede - unter Auswahl der passendsten und wichtigsten Gesichtspunkte wiederzugeben." Nicolai 1999, 285 meint, daß die Differenzierung zwischen τ ά ρηθέντα und ώ ς έρρήθη κατ' άλήθειαν nur dazu diene, „per enfatizzare i difetti di Timeo: la riproduzione letterale delle parole dette - comunque difficile ο impossibile da ottenere - non rientrava neanche tra gli obiettivi dello storico, che si proponeva al piü la fedeltä ai concetti espressi."

22

Zur Problematik von 12,25, i 4 τ ο ϋ ς έ ν ό ν τ α ς λ ό γ ο υ ς (,die möglichen Argumente') Sacks 1981, 87f.: „The Phrase 'possible arguments' would seem to refer to all of the actually spoken pronouncements collected by the historian before he has chosen those that most effectively portray the situation ... for Polybius this means only those arguments actually spoken or at least resumes of them." Nicolai 1999, 288: „Qualunque sia il preciso significato di τ ο ύ ς έ ν ό ν τ α ς λ ό γ ο υ ς ('inerenti' ο 'possibili'), sembra evidente che non si possa sovrapporre alle parole realmente pronunciate."

760

Die Reden und die moderne Geschichtsschreibung

κατευστοχήσαι συνέβη τούς ε ί π ό ν τ α ς ή διαπεσεΐν, γένοιτ' civ τ ι ς έ ν ν ο ι α του π ρ ά γ μ α τ ο ς αληθινή και δυναίμεθα άν άμα μεν διακρίνοντες, αμα δε μεταφέροντες επί τά παραπλήσια κατευστοχείν άεΐ των προκειμένων. „Denn wenn die Historiker die Logik der Situation und die Intentionen und Handlungsdispositionen der Kommunikations-Partner dargelegt haben, dann die tatsächlich gesprochenen Worte und uns (schließlich) die Ursachen angeben würden, aufgrund deren die Redner zu einem vollen Erfolg gelangten oder scheiterten, dann könnte man eine wirklichkeitsgetreue Vorstellung von dem Geschehen gewinnen und sein Urteil dadurch schärfen, indem man es auf ähnliche Fälle anwendet, und sicher sein, stets sein Ziel zu erreichen." 2 3

Die Konzentration auf authentisches Material schließt natürlich keineswegs das Prinzip der Selektion aus, wie 36,1,6-7 zeigt: So wie die Redner jeweils die passenden (άρμό£ουσι) Argumente anfuhren, gehört es sich für die Geschichtsschreiber nicht, έμμελετάν τ ο ι ς άκούουσιν ούδ' έναποδείκνυσθαι τήν αυτών δύναμιν, άλλά (τά) κατ' άλήθειαν ρηθέντα καθ' δσον οΐόν τε πολυπραγμονήσαντας διασαφειν, και τούτων τά καιριώ" τατα καΐ πραγματικώτατα, „vor ihren Lesern zu deklamieren und ihre stilistischen Fähigkeiten zu beweisen, vielmehr das tatsächlich Gesagte durch möglichst sorgfältige Erkundung festzustellen und mitzuteilen, und zwar die entscheidendsten, durchschlagendsten Gesichtspunkte und Argumente." 2 4

Bei der Analyse der Reden im Werk überwiegt in der Forschung die Meinung, daß Polybios die in der Theorie aufgestellten Postulate in der Praxis weitgehend eingehalten hat, vor allem bei den Reden, bei denen er sich in der Regel auf authentische Berichte stützen oder sogar auf schrift25 liehe Zusammenfassungen zurückgreifen konnte. 23

Übersetzung aus Podes 1990, 239 und Drexler 1961. Ähnlich 12,25,b 1 - 4 .

24

Champion 2000, 436: „Polybius' historiographical practice in recording speeches, then, of necessity leads the historian not only to select exclusively what he believes to be the most historically significant portions of a given speech, but also to shape the material of an historical agent's speech according to his own understanding of the events."

25

Vgl. zu den Quellen Pedech 1964, 2 5 9 - 2 7 6 und Walbank 1979 i, 2 6 - 3 5 . Er kommt S. 45 zum Schluß: „But taken together the speeches recorded in Polybius were delivered on occasions such that Polybius can have had authentic sources of information about them and it is note-worthy that many of them have been selected for reproduction because they illuminate critical moments in the history of Greece." Er relativiert dies zwar S. 261 (zu 2,56,10): „Of these some are based on authentic material, while others, despite the principles here laid down, seem to give a mere rhetorical exposition suitable to the occasion." So glaubt er 1985, 254, daß die

Funktion und Bedeutung der Reden in Polybios' Geschichtswerk

761

Die Reden dienen zunächst vor allem dazu, wichtige historische Momente dramatisch zu betonen, wie z.B. die Paränesen der Feldherren und die Gesandtenreden zeigen. 26 Von den Reden sind nur drei direkte erhalten geblieben: 9,28-31 und 9,32-39 die Reden des Chlaineas und des Lykiskos und 11,4-6 die Rede 27

des Thrasykrates. Am zahlreichsten sind indirekte - oft knappe - Redenresümees, welche die Argumente (oft konventionelle Topoi) der jeweiligen Redner zusammenfassen. Häufig kommen auch Reden vor, die indirekt beginnen und in die oratio recta, die der Rede am Ende effektvoll dramatische Emphase gibt, übergehen. Dazu gehört etwa 5,104 die Rede des Aitolers Agelaos in Naupaktos, in der dieser die von Rom ausgehende Gefahr mit der Metapher der drohenden Wolken im Westen bezeichnet (104,10: τά προφαινόμενα άπό της εσπέρας νέφη). Gegen die Annahme, diese Metapher sei ex post erfunden worden, spricht die Tatsache, daß Polybios 5,103,9 die äußeren Umstände der Rede genau beschreibt und wohl kaum einem ihm verhaßten Aitoler ein solches Argument in den Mund gelegt hätte. Ebenso paßt es zur Situation und zur rhetorischen 28 Absicht des Sprechers. vielen loci c o m m u n e s der Reden-Antilogie vor der Schlacht am Ticinus 3,63f. oder die Paränesen Hannibals und Scipios vor der Schlacht von Z a m a 15,6,4ff. nicht Polybios' Reflexionen wiedergeben, sondern „the simpler and, to me, more likely explanation is that he found versions of these speeches in the general written source (or one of the sources) from which he drew his account of these battles, and developed them because of the interest in the family of Scipio." G e r a d e die Schlacht von Z a m a bekommt durch die sorgfältige Ausarbeitung und Übernahme literarischer Topoi, die man bis H o m e r z u r ü c k v e r f o l g e n kann, Emphase, wie D ' H u y s 1990 gezeigt hat. Daher hat Nicolai 1999, 288 recht: „Nell'enunciazione della teoria - e in funzione della polemica con T i m e o - l'esigenza di veridicitä e costantemente sbandierata. Ciö non esclude che Polibio lasci trapelare qualcosa anche della sua prassi, fondata in larga misura sul π ρ έ π ο ν e sul κ α ι ρ ό ς , e certamente meno rigorosa di quanto le sue affermazioni teoriche lasciano pensare." 26

Vgl. zu diesem Aspekt Wiedemann 1990.

27

Pedech 1964, 277, A n m . 117 und S. 280. Daneben kommen noch etwa ein Dutzend kurze Zitate wie Eumenes' Ansprache 21,10,5-10 und Fragmente von größeren Reden hinzu.

28

Zur Authentizität dieser Rede vgl. Pedech 1964, 264, Walbank 1972, 69 und Deiniger 1973, 107, der zum Schluß kommt, „daß der Versuch, die Rede des Agelaos als eine freie Komposition des Polybios zu erweisen, einer kritischen Überprüfung nicht standhält. Zum einen sind die tatsächlich bestehenden Übereinstimmungen zwischen Agelaos und eigenen Gedanken des Polybios so allgemein bzw. aus der Situation der Zeit heraus zu verstehen, daß daraus keinesfalls der Schluß einer , E r f i n d u n g ' der ganzen Rede durch Polybios gezogen werden kann; zum andern sind wesentliche Grundgedanken der Rede, insbesondere der einer politischen So-

762

Die Reden und die moderne Geschichtsschreibung

Die Antilogie (9,28-39) zwischen Chlaineas, dem Gesandten der Aitoler, und Lykiskos, dem Gesandten der Akarnanen, in der es darum geht, Sparta zum Verbündeten zu gewinnen, gehört zum γένος συμβουλευτικών: Chlaineas, der medias in res geht, versucht zunächst in einem λόγος κατηγορικός mit langem analeptischen Exkurs, der bis in die Zeit Philipps II reicht, durch Exempel seine These, daß die Makedonen seit jeher den Griechen Knechtschaft (δουλεία) verursacht und sich brutaler und ruchloser Verbrechen gegen Götter und Menschen schuldig gemacht haben, zu beweisen (28,2-30,2). Dabei behauptet er, in einer προκατάληψις möglichen Einwänden zuvorkommend, daß Antigonos Doson aus Furcht vor einer möglichen Hegemonie und aus Mißgunst handelte, als er Sparta schonte, und daher wegen der Verhinderung von Spartas Hegemonie gehaßt werden muß (29,7-12). Daneben erwähnt er kurz die Wohltaten der Aitoler für Griechenland (30,3,^1), versucht in einem proleptischen Szenario und einem argumentum a minore aufzuzeigen, daß der Krieg durch den Zuzug starker Bundesgenossen wie Rom und Attalos leicht sein wird (30,5-9). Im letzten Teil (31,1-6) zeigt er zunächst in hypothetischen Gedankenspielen (modus ponens und modus tollendo ponens), daß es einerseits nicht logisch wäre, ein zuvor freiwillig gewähltes Bündnis im Falle der Bedrohung aufzugeben, und daß andererseits angebliche makedonische Wohltaten (unter Antigonos) älter als das Bündnis mit den Aitolern sind und seitdem die Spartaner weder von den Makedonen Wohltaten noch von den Aitolern Unrecht erfahren haben. Durch die Erinnerung an Verträge und Eide unterstreicht er am Ende pathetisch die Rechtmäßigkeit des Bündnisses mit den Aitolern. Dagegen greift Lykiskos, der im Proömium zunächst das Publikum dadurch, daß er seine Position als Fürsprecher Makedoniens erläutert, fur sich zu gewinnen sucht, in der refutatio direkt die Positionen seines Vorredners an, indem er mit diesem scheinbar in einen Dialog (sermocinatio) tritt und

lidarität der Hellenen und der des ,Barbarentums' der Römer, dezidiert unpolybianisch und lassen sich nur durch die Annahme einer von ihm unabhängigen Überlieferung erklären." Dagegen meint IVterkholm 1974, angesichts der Anachronismen in der Rede einen „gap between Polybius' theories regarding speeches and his practice" (131) finden zu können. Daher sei diese Rede von Polybios erfunden worden. So hält Champion 1997, 117ff. die Rede für „a vehicle for Polybius' editorial voice" (S. 126). Doch steht die auch sonst gut belegte Metapher συμττλεκοντες τ ά ς χείρας 5,104,1 nicht, wie Champion meint, für die Polybianische συμπλοκή („the unification of the oikumene"), sondern deutet die Einheit der Griechen im Abwehrkampf gegen die Barbaren an.

Funktion und Bedeutung der Reden in Polybios' Geschichtswerk

763

in einer concessio zwar die Conclusio des Syllogismus, den Chlaineas im letzten Teil (31,3f.) aufgestellt hat, übernimmt, aber beweisen will, daß die Prämissen falsch sind und daß es sich für Sparta schickt (πρέπον) und nützlich (συμφέρον) ist, sich ihnen anzuschließen oder wenigstens neutral zu bleiben. In der Transitio (33,1) leitet er durch den Hinweis auf die Notwendigkeit, die Vorwürfe des Vorredners zu korrigieren (άναγκαϊον ... άφελέσθαι την άγνοιαν), zur λΰσις διαβολής in Form eines analeptischen Exkurses über. In der Analepse (33,2-36,4), die denselben Zeitraum abdeckt, versucht Lykiskos einerseits durch Gegenbeispiele, andererseits durch Korrektur von Chlaineas' Ausführungen dessen These zu widerlegen und statt dessen die Wohltaten der Makedonen für die Griechen und besonders des Antigonos gegenüber Sparta herauszuarbeiten, wobei er Verbrechen der Aitoler, die Chlaineas verschwiegen habe, erwähnt und deren Verdienste um Griechenland dadurch schmälert, daß er sie als Vergleich für die viel größeren Wohltaten der Makedonen heranzieht (argumentum a minore) und zum Schluß (als licentia) kommt, daß sich schon aus diesem Grunde die Spartaner eigentlich mit ihnen verbünden müßten (36,5-9). In einer weiteren transitio geht er zur anfangs angekündigten Widerlegung von Chlaineas' Syllogismus (37) über. In einem modus ponendo tollens zeigt er, daß sich die Lage in Griechenland gegenüber der Situation, als die Spartaner mit den Aitolern ein Bündnis geschlossen hatten, grundlegend geändert habe. Während die Spartaner damals in innergriechischen Angelegenheit Partei ergriffen hätten, gehe jetzt die 29

eigentliche Gefahr von den Römern aus, die er als Barbaren und, Agelaos' Metapher übernehmend, als drohende Wolke aus dem Westen (37,9 νέφος άπό τ η ς ε σ π έ ρ α ς ) bezeichnet. In einer weiteren analeptischen Analogie (38) weist er sowohl 30auf die Behandlung der von Xerxes geschickten persischen Gesandten , die die Spartaner in den Brunnen warfen, als auch auf Leonidas' Opfer für Griechenlands Freiheit hin. Daher sollen sie als Nachkommen dieser Leute mit den Griechen gegen die Barbaren zusammenstehen und nicht mit den Aitolern, die er Verräter schimpft, gemeinsame Sache machen. Zum Schluß erregt er (39) durch die 29

Vgl. dazu C h a m p i o n 2 0 0 0 p a s s i m . E b e n s o bezeichnet T h r a s y k r a t e s 11,5,8 in einer direkten R e d e die R ö m e r als β ά ρ β α ρ ο ι . Dieses pattern k o m m t fast ausschließlich in den direkten R e d e n v o r und stellt ein t y p i s c h g r i e c h i s c h e s Vorurteil d a r (ob er 1 2 , 4 b , 2 - 3 beim Vergleich einer r ö m i s c h e n Sitte mit den B r ä u c h e n der B a r b a r e n auktorial a u c h die R ö m e r zu den B a r b a r e n rechnet, ist umstritten, d a g e g e n W a l bank ii, 328, d a f ü r C h a m p i o n 2000, 431 f.).

30

N a c h H e r o d o t s Bericht 6 , 4 8 f f . w a r es nicht X e r x e s , sondern D a r e i o s , der d i e s e Boten gesendet hatte.

764

Die Reden und die moderne Geschichtsschreibung

Erwähnung der von den Aitolern mit römischer Hilfe begangenen Untaten und einem ironischen Hinweis auf die antibarbarische Haltung ihrer Vorfahren, die Theben für das Paktieren mit dem Feind bestraft hatten, Pathos. In der Peroratio mit Recapitulatio und Appell (39,6f.) lobt er eine solche Haltung und fordert sie auf, sich vor den Römern in acht zu nehmen, sich an Antigonos' Wohltaten zu erinnern und, statt mit den Aitolern zu paktieren, sich ihnen anzuschließen oder wenigstens neutral zu bleiben. Beide Redner versuchen gemäß dem bereits in der Alexanderrhetorik 1424 b27ff. bei der Bündnissuche beschriebenen Verfahren, sich selbst als gerecht und die andere Seite als ungerecht und des Bündnisses als unwürdig zu erweisen. Im Zentrum der Argumentation steht das τελικόν κεφάλαι,ον des δ ί κ α ι ο ν . Beide Darstellungen sollen ihre These durch vorwiegend extern analeptische Vergleiche, die allesamt aus dem spatium humanum stammen, also historisch sind, und mehr als die Hälfte des Texts ausmachen, beweisen. 31 Während Chlaineas' Beispiele bis in die Zeit Philipps II reichen, gehen Lykiskos' Beispiele bis auf die Zeit der Perserkriege zurück. Beide selegieren ihre Beispiele willkürlich und gebrauchen sie nicht anders als die Redner bei Herodot und Thukydides in ihrem Argumentationskontext in parteiischer Absicht als Mittel der Überredung. Während sie bei Philipp II und Alexander verschiedene Beispiele auswählen, interpretieren sie im Falle von Antigonos Doson das gleiche historische Ereignis gegensätzlich. Beide Redner gebrauchen in ihrer Argumentation Tropen und Figuren, unterschieden sich dabei aber weder im Stil noch in der rhetorischen 32

Ausgestaltung sonderlich von der übrigen Narratio: Häufig sind bei beiden Anapher, sehr viele rhetorische Fragen, Praeteritio, Ironie und Metapher; durch Apostrophe und Sermocinatio (Ethopoiie) gestaltet Lykiskos seine Widerlegung lebendig. Beide bedienen sich in einem wichtigen Punkt ihrer Argumentation der Syllogistik (modus ponens und tollens, argumentum a minore). Dagegen kommen fast keine Gnomen vor. Da die 31

Rood 2004b, 161: „Many of the speeches in Polybius' history do contain narratives. But these narratives tend to be as brief and allusive as those told by Thucydides' speakers."

32

Wooten 1974, 237: „The speeches are written in the same style which Polybius uses in the narrative sections of the work, which indicates that he is not quoting in the speeches but at the most recording what arguments, figures, and c o m m o n places were used in a given occasion ... The style is basically plain and straightforward, lacking in rhetorical flourish and schematization. It is not an elegant style."

Funktion und Bedeutung der Reden in Polybios' Geschichtswerk

765

Argumentation beider vor allem das τελίκόν κεφάλαίον des δίκαιον ins Zentrum rückt, werden patterns wie der Nutzen, die Sicherheit und die 33

Prävention in den Hintergrund (etwa 37,6ff.) gedrängt. Vor allem fehlen allgemeine Reflexionen über Themen wie die Macht, die Wohlberatenheit, das Verhältnis von Planung und Affekten, Probleme der Kommunikation etc., die bei Herodot und Thukydides im Zentrum der Reden stehen und besonders häufig durch Gnomen, Definitionen oder abstrakte Konzepte ausgedrückt werden. Vergleicht man mit diesen Reden etwa die Reden von Hermokrates und Euphemos bei Thukydides, so fallen in Bezug auf die rhetorische Gestalt und die Argumentationstechnik keine großen Unterschiede auf, ebenso haben die analeptischen Beispiele Beweisfunktion; hingegen ist trotz der Länge der Reden bei Polybios (15 Teubner-Seiten gegenüber 7,5 Oxford-Seiten bei Thukydides) die Argumentation viel einfacher und platter; es fehlen vor allem allgemeine Reflexionen, durch die die Reden bei Thukydides die Ebene des Partikularen transzendieren und auf die Stufe des Allgemeinmenschlichen und -gültigen gelangen (bei Hermokrates 6,78ff., bei Euphemos 8 4 f f ) . Als Beispiel der von Polybios kritisierten Reden des T i m a i o s kann die bei Diodor 13,20—32 überlieferte Antilogie zwischen Nikolaos und Gylippos in Syrakus am Ende der Sizilischen Expedition, die Diodor wahrscheinlich von Timaios übernommen hat, angeführt werden. 3 4 Auktorial wird 13,19,6 e f f e k t v o l l geschildert, wie der Greis N i k o l a o s von zwei Sklaven gestützt auf die Rednertribüne schritt. Im Proömium (13,20) versucht er durch ήθος die Sympathie des Publikums dadurch zu gewinnen, daß er das Opfer seiner beiden Söhne, die dem alten Vater nun fehlen, für die Rettung des Vaterlands erwähnt. Obwohl daher Haß auf die Athener die normale Reaktion wäre, will er dennoch den Nutzen (συμφέρον) ins Zentrum seiner Erwägungen stellen. In der Propositio (21) erstaunt er durch ein ά π ρ ο σ δ ό κ η τ ο ν das Publikum: Die Athener sind durch die Niederlage in Sizilien von Göttern und Menschen schon g e n u g gestraft w o r d e n . Dabei deutet er den f ü r die M e n s c h e n unerwarteten Sieg (ανθρωπίνως

33

Ähnlich wie die Reden des Demosthenes konzentrieren sie sich auf ein τ ε λ ι κ ό ν κεφάλαιον, meistens auf den Nutzen (συμφέρον) und / oder die Ehre (καλόν) bzw. die Gerechtigkeit (δίκαιον). Wooten 1974, 247f.: „More than half of the speeches delivered by Greeks (eighteen out of twenty-nine) forms on an single argument. ... T h e most prevalent argument used in these speeches is that of expediency (TO συμφέρον)."

34

Vgl. Pearson 1986, 358: „It cannot be proved that Diodorus took any of these speeches from Timaeus. It may thought, indeed, that Gylippus' speech must be from Ephoros ... But N i c o l a u s ' speech may reasonably be claimed Timean, because it seems to illustrate the criticisms of Polybius . . . "

766

Die Reden und die moderne Geschichtsschreibung

ά ν έ λ π ι , σ τ ο ν ) über die Athener als Werk der τ ύ χ η , die man, da das Glück sich schnell abwenden kann, nicht überbeanspruchen dürfe. Vielmehr soll man die Athener auch durch Menschenfreundlichkeit ( φ ι λ α ν θ ρ ω π ί α ) übertreffen und die Gefangenen, die er als Schutzflehende bezeichnet ( ί κ έ τ α ί ) , billig ( ε π ι ε ι κ ε ί ς ) behandeln. Zunächst argumentiert er mit dem Nutzen (22): Während hart unterworfene Völker auf Vergeltung sinnen, wenn ihr Herr fallt, halten menschlich behandelte Völker zu ihren Herren. Diese These beweist er durch zwei analeptische Beispiele: Kyros gewann die Hegemonie durch Menschenfreundlichkeit, ebenso der Tyrann Gelon. Er glaubt auch, daß die nachsichtige Behandlung der Kriegsgefangenen den Grundstein für eine künftige Freundschaft bilden könne (23). Den Sieg Syrakus' erneut als Paradoxon deutend, meint er, daß sich bei der Unstetigkeit menschlicher Dinge Milde (eXeoc) am meisten auszahlt, während brutale Vergeltung einen Präzedenzfall bilden und im Falle einer Niederlage in Zukunft auf sie selbst zurückfallen könne. Als analeptische Beweise (24) erwähnt er die Freilassung der G e f a n g e n e n in Sphakteria, die er durch A n f ü h r u n g allgemeinmenschlicher Gnomen stützt. Als weiteres Argument für die Beendigung des Konflikts mit Athen (25) führt er Athens Stärke an und beweist durch analeptische Beispiele, daß sich Athen nach großen Niederlagen in Ägypten und nach der Zerstörung der Stadt durch Xerxes schnell erholt habe. Die Tötung der Athener diene nur der Befriedigung ihres θ υ μ ό ς , die Schonung bringe ihnen dagegen Dankbarkeit der Verschonten und Ruhm bei den übrigen Menschen ein. In einer προκατάληψι,ς kommt er (26) der möglichen Rechtfertigung, daß auch andere Griechen Massaker begangen hätten, zuvor, indem er auf das Völkerrecht und auf die aus dem spatium mythicum stammenden und topisch gewordenen Wohltaten der Athener als Stifter der Kultur und (27) auf die Bedeutung Athens als Stätte der Bildung sowie auf die Mysterien hinweist. Daher sollten die Athener geschont werden und vor allem Nikias, der im Gegensatz zu Alkibiades, dem Anstifter der Expedition, als π ρ ό ξ ε ν ο ς 3 5 gegen den Feldzug gewesen sei und sich von den A t h e n e r n am m e n s c h e n f r e u n d l i c h s t e n

(φιλανθρωπότατος)

gegenüber Syrakus verhalten habe. Daher habe Nikias, dessen früheres Glück bekannt ist, Mitleid verdient und nicht barbarische Brutalität. Da Nikolaos' Rede im Publikum auf Zustimmung stieß, sprach (28) Gylippos, der, wie auktorial berichtet, weiterhin Haß ( μ ί σ ο ς ) hegte, dagegen: 3 6 Im Proömium zeigt er sich in einer licentia über den Sinneswandel erstaunt und erweckt durch Erwähnung der von den Athenern zugefügten Leiden, Apostrophe und Argumentum ad hominem gegen Nikolaos π ά θ ο ς (Zorn und Haß). Seine These, daß es absurd ( ά τ ο π ο ν ) wäre, sich an den feindlichsten Männern nicht zu rächen ( λ α β ε ί ν τ ι μ ω ρ ί α ν ) , beweist er zunächst durch Widerlegung von Nikolaos' Argumenten: Durch die Definition des Begriffs ι κ έ τ η ς zeigt er, daß dieser Terminus nicht auf die Athener,

35

Vgl. dazu S. 666.

36

Damit unterscheidet sich diese Version diametral von T h u k y d i d e s ' Bericht 7,86, gemäß dem Gylippos sich für die Schonung der athenischen Feldherren eingesetzt hatte.

Funktion und Bedeutung der Reden in Polybios' Geschichtswerk

767

die aus π ο ν η ρ ί α und π λ ε ο ν ε ξ ί α freiwillig einen ungerechten Krieg angefangen hätten, angewandt werden kann. Dies unterstreicht er pathetisch in rhetorischen Fragen (30) und führt als analeptischen Beweis Athens Plan, Syrakus zu versklaven und Sizilien zu unterwerfen, an. Als weitere analeptische Beweise f ü r athenische Kriegsverbrechen erwähnt er Mytilene, Melos und Skione; daher verdienten diese keine bessere Behandlung. Daß die Athener weder von Göttern noch Menschen Mitleid (ού δ ί κ α ι ο ς

...

έ λ ε ο ς ) verdienten, beweist erneuet die Absicht der Athener, Sizilien zu knechten. Auch lehnt er die Schuldzuweisung an Alkibiades ab. Da das Volk der Athener die Expedition beschlossen habe, müsse es auch die Konsequenzen tragen. Ebenso lehnt er eine Schonung des Nikias (32) ab, da dieser ihnen in Sizilien keine Wohltaten erwiesen habe. Im Schlußappell entlarvt er den Glauben, durch die Schonung der Gefangenen den Konflikt mit Athen zu lösen, als naiv, droht indirekt mit der Feindschaft der Spartaner und anderer Verbündeter, die sich gegen Athen engagiert haben, und erinnert indirekt an den prophylaktischen Charakter der Rache. Während Gylippos' Rede kürzer ist und sich mehr an die Situation hält, abstrahiert Nikolaos' Rede, die viele Gnomen enthält, von der partikularen Lage und wendet sich allgemeinen Überlegungen zu. Doch ist das Hauptmotiv der φ ι λ α ν θ ρ ω π ί α nicht nur anachronistisch, sondern die ganze Argumentation ist schulmäßig und sehr konventionell. 37 Der an die Argumentation der Melier erinnernde Kerngedanke, daß die Schonung der G e f a n g e n e n angesichts der Wandelbarkeit des Glücks angemessen ist und dazu beitragen kann, den Konflikt mit Athen zu beenden, wird weitschweifig ausgeführt, dagegen werden fast keine Deutungspatterns, die bei Herodot und Thukydides vorkommen, gebraucht, auch wenn zu bemerken ist, daß Gylippos p r a g m a t i s c h e r ' und situationsnäher argumentiert. Die Antilogie zwischen Kleon und Diodotos (Thuk. 3,37—48) scheint dabei die Vorlage gewesen zu sein, die Timaios übertreffen wollte, wobei er sich nicht an περί των α ΐ ε ι π α ρ ό ν τ ω ν τ ά δ ε ό ν τ α , sondern an die rhetorische Kategorie des π ρ έ π ο ν hielt. Insgesamt scheint also Polybios' Kritik, falls es sich hierbei um Reden des Timaios handelt, gerechtfertigt zu sein. 38

Während in weiten Teilen der Methode zwischen Polybios und Thukydides Konvergenz, die aber nicht die Kenntnis des Vorgängers und die Über39 nähme seiner Methode impliziert, besteht, 37

Pearson 1986, 358: „Nicolaus presents a string of conventional, general arguments in favor of clemency - not unlike the unimaginative student of w h o m Polybius speaks, who has studied the handbooks but has no notion of the kind of argument that will be appreciated in the Assembly."

38

Pearson 1986, 368: Diese Reden „may very well persuade us that he [s.c. Polybius] was right when he said that Timaeus' speeches were unrealistic and bore no relation at all to τ ά λ ε χ θ έ ν τ α . "

39

Die Übernahme von T h u k y d i d e s ' topisch gewordener Aussage 1,22,4 impliziert nicht, daß Polybios auch den Rest des Werks gekannt hat. Ohne Zweifel zitiert Polybios an mehreren Stellen Begriffe aus T h u k y d i d e s ' Methodensatz 1,22,4, so

768

Die Reden und die moderne Geschichtsschreibung „hat Polybios auf dem Gebiet der direkten historischen Reden - durchaus im Gegensatz zum Thukydideischen Methodenkapitel 1,22,1 - streng die Forderung nach Authentizität und α κ ρ ί β ε ι α ... των λ ε χ θ έ ν τ ω ν erhoben und ist hier in Theorie und konkreter Darstellung entschieden über Thukydides' problematisches Verfahren hinausgegangen." 4 0 „II punto di vista di Polibio e quello moderno che considera la parola sacra come un monumento ο un documento e non si puö inventare." 41

Die Reden geben die wichtigsten authentischen Argumente wieder und haben dokumentarischen Wert; ihre exegetische Funktion ist eingeschränkt. Sie sind „not ... intended as models of oratory for statesmen. Rather, Polybius uses them to explain the circumstances (kairoi) surrounding events and the decision making process, and he intends their didactic purpose to be precisely and solely that." 4 2

Im Gegensatz zu den allgemeinen Reflexionen in Herodots und Thukydides' Reden „Polybe a une technique exactement contraire: on trouve chez lui peu d ' i d e e s ,generates, mais une grande abondance de faits, de preuves et de precedents." 4 3

z.B. 2,56,10; 3,31,10 und 3,57,8f. sowie 7,7,1 den Begriff λ ο γ ο γ ρ ά φ ο ι aus Thuk. 1,21,1. Namentlich erwähnt er seinen Vorgänger nur einmal en passant 8,11,3. Geizer 1955, 279f.: „Ich glaube, daß Polybios - w o nicht überhaupt - zum mindesten auch noch durch entsprechende Erörterungen in der nachthukydideischen Historiographie angeregt wurde." Ebenso Ziegler 1956, 163f„ dagegen neigen Walbank 1972, 41 und M o h m 1977, 134 zur Auffassung, daß Polybios T h u k y d i d e s ' Werk gut kannte. Beide verfügen zwar über militärische und politische Erfahrung, befassen sich mit Zeitgeschichte, haben eine kritische Methode, wodurch sie sich von ihren Vorgängern unterscheiden, und verfechten bei der Aitiologie und Motivation der Handlung, die ohne göttliche Intervention auskommt, rationalistische Positionen. Doch sind die Unterschiede nicht nur in der Darstellung, sondern auch im geschichtlichen Verständnis nicht zu übersehen: So fehlt Polybios die anthropologische Konstante, das Verständnis der τ ύ χ η ist unbestimmter und weiter gefaßt, dazu mißt er der Verfassung eine viel wichtigere Rolle bei. Zum Vergleich zwischen den beiden vgl. Mioni 1949, 127-131 und Ziegler 1956 passim. Zur Rezeption des Thukydideischen Werks im 4. Jh. vgl. Hornblower 1995. 40

Lehmann 1974, 166. Dagegen glaubt Nicolai 1999, der in Thukydides' Redensatz die ξ ύ μ π α σ α γ ν ώ μ η als ,Gesamtsinn' auffaßt und somit zu einem anderen Verständnis gelangt, daß Polybios „reagi a questa situazione sia mediante una serie di dichiarazioni teoriche che costituiscono un'esegesi del programma di Tucidide sia nella prassi, selezionando i discorsi e riferendone alcuni per sommi capi" (S. 298).

41

Mioni 1949, 115. Vgl. auch Pedech 1964, 257f.: „Or Polybe considere le discours c o m m e un evenement et un acte, qui tient sa place dans la trame des faits ... et qui d o i t . . . d'abord etre v r a i . . . "

42

Sacks 1981, 95. Pedech 1964, 259: „L'originalite de Polybe est d'avoir degage le discours de la technique oratoire et de l'avoir rattache d ' u n e part ä sa theorie etiologique, de l'autre ä sa conception psychologique de l'histoire."

Narrative Modelle und die Strukturgeschichte in der Neuzeit

769

Mit seiner subjektivistischen Methode, welche die exegetische und indirekt deutende Funktion der Reden weitgehend zugunsten direkter exegetischer und kommentierender auktorialer Passagen eingeschränkt hat, steht Polybios, den man eher als Thukydides den Archegeten der modernen wissenschaftlichen Historiographie nennen könnte, 44 dieser viel näher als seine beiden Vorgänger, die, wie gezeigt, die indirekte Methode bevorzugten.

5.2. Narrative Modelle und die Strukturgeschichte in der Neuzeit Gabriel Bonnot de Mablys ,De la maniere d'ecrire l'histoire' ist während der Französischen Revolution als Brief entstanden und postum 1795 veröffentlicht worden. In einem fingierten Gespräch zweier Freunde werden verschiedene Themen der Geschichtsschreibung behandelt. Höchst interessant ist dabei der Teil über die direkten Reden: Im ersten Abschnitt beklagt sich Theodon über Polybios' (oben ,subjektivistisch' genannte) Art der Erzählung, in der die Reden bloß Dokumente seien und weder deutende noch exegetische Funktion hätten, sondern sich auf die Wiedergabe der wichtigsten wirklich geäußerten Argumente beschränkten. Dagegen gebrauchten Herodot, Thukydides, Xenophon und Livius die ,indirekte' Methode mit dramatisierenden und indirekt deutenden mimetischen Reden. Auf den Einwurf, daß eine solche lebendige Geschichtsschreibung Gefahr laufe, dem historischen Roman zu gleichen, wird erwidert, daß der fiktive Charakter der Reden den Rezipienten bekannt sei. Wenn sie „veulent connaTtre les motifs, les pensees, les interets des personnages qui agissent; on exige que l'historien qui doit les avoir etudies, eclaire et guide notre jugement;

43

Pedech 1964, 281 f. Ebenso Mioni 1949, 131: „Tucidide usa i metodi obiettivi di un drammaturgo ... Polibio dedica pagine all'esposizione dello schema della sua storia, da riassunti cronologici di tutto il suo lavoro, mette in luce i processi d'analisi, fa digressioni con elaborate critiche degli altri storici, mostra una puerile sollecitudine affinche il lettore comprenda la costruzione del suo lavoro ..." Wooten 1974, 248: „In Thucydides, however, demonstrative material, treaties, examples, similarities is largely lacking; pure reasoning, quite apart from facts and precedents, plays a much large role. T h e speeches of Thucydides, consequently, are full of generalities and sententiae. The speeches of Polybius, on the other hand, and those of Demosthenes as well, are full of facts, written documents, and historical precedents; generalities and common places are less important."

44

Gigante 1951, 117. Ebenso Bruns 1898, 87, für den Polybios' Geschichtsbetrachtung, „was seine historische Forschung betrifft, der modernen tendenzlosen Geschichtsschreibung nähersteht als irgend ein antiker Historiker."

770

Die Reden und die moderne Geschichtsschreibung et on lui sait gre de prendre un tour qui frappe vivement notre imagination et rend la verite plus agreable ä notre raison. Ces harangues animent une narration; nous oublions l'historien, nous nous t r o u v o n s en c o m m e r c e a v e c les plus grands hommes de l'antiquite, nous penetrans leurs secrets, et leurs le9ons se gravent plus profondement dans notre esprit. Je suis present aux deliberations et ä toutes les affaires; ce n'est plus un recit, c'est une action qui se passe sous mes yeux." 4 3

Er nennt die direkten Reden die Seele der Geschichtswerke und weist auf den didaktischen Nutzen im Bereich der Politik hin, sofern bei ihrer Komposition darauf geachtet wird, daß sie im Erzählzusammenhang notwendig (necessaires) sind und bei wichtigen Anlässen gehalten werden. Dabei soll man kluge Köpfe ein Thema kontrovers diskutieren lassen und Platitüden und loci communes der Schulrhetorik vermeiden. Im letzten Teil wiederholt der Autor die dramatische und illusorische Wirkung einer solchen durch Ethopoiie 46 verstärkten Geschichtsschreibung, die zugleich angenehm wirkt und nützlich ist. 47 Am Ende erwähnt er kurz die indirekten Reden, die er als kalt und dazu geeignet, weniger 48 wichtiges Material zu enthalten, bezeichnet. Nur 20 Jahre nach Mably unterzog Niebuhr 1811 in seiner Vorlesung zur römischen Frühgeschichte Livius als Quelle einer kritischen Prüfung und konnte zeigen, daß das meiste Quellenmaterial nicht authentisch war. Fingierte Reden in Geschichtswerken, die noch in der Renaissance üblich waren und bis in die Zeit der Französischen Revolution vorkamen, wurden, weil sie nicht authentisch waren, abgelehnt. Geschichte wurde primär das Studium geschriebener Quellen über die Vergangenheit und nicht mehr die eigene Beobachtung gegenwärtiger Ereignisse und Augenzeugenbefragung. Ganz allgemein wurden nun fiktionale aus der Literatur stammende

45

Mably 1982, 5f.

46

Mably 1982, 7: „Je vous conseille de faire parier chaque personnage suivant son caractere et celui de son siecle ; cette regle prescrite aux poetes par les maitres de Part, est egalement faite pour les historiens."

47

Mably 1982, 7: „Elles reveillent l'attention du lecteur, interrompent la monotonie de la narration, et autorisent, ou plutöt le forcent ä prendre tour ä tour tous les tons d'eloquence tantot sublime tantöt temperee. Sans q u ' o n paraisse m ' e n instruire, on m e fera connaitre les opinions, le m o e u r s et le caractere de c h a q u e siecle. L'historien mettra avec succes dans la bouche des personnages qu'il fait parier, des choses qui choqueraient dans la sienne."

48

Mably 1982, 7: „Pour les harangues indirectes qui sont presque les seuls dont nos historiens modernes fassent usage, elles sont par leur nature froides et languissantes. Les anciens les employaient rarement, et seulement dans les affaires moins importantes, ou quand la narration devait marcher avec plus de rapidite."

Narrative Modelle und die Strukturgeschichte in der Neuzeit

771

Elemente aus der historischen Darstellung, die nur das Tatsächliche, „wie es eigentlich gewesen", 4 9 wiedergeben sollte, verbannt. 50 Während zunächst im Historismus die Historiker an der narrativen Form der Geschichtsschreibung, freilich ohne direkte Reden, festhielten, wurde im Laufe des 19. Jh. die Forderung, die Geschichte solle wie die Naturwissenschaften eine exakte, empirisch überprüfbare Gesetzeswissenschaft werden, immer konsequenter erhoben. Die Historiker, die Strukturgeschichte betrieben, beschäftigten sich die nicht mehr nur mit den Ereignissen selbst, sondern suchten nach unter deren Oberfläche liegenden und fur den Wandel verantwortlichen Strukturen und versuchten aprioristische Modelle aus den im Entstehen begriffenen Sozialwissenschaften, der Ökonomie und der Psychologie, die auf quantifizierbarer empirischer Forschung der Gegenwart beruhten, auf die Geschichte zu übertragen, während politische, militärische, religiöse und geistige Faktoren in den Hintergrund gedrängt wurden. 51 Die Entpersonalisierung der Geschichte bedingte eine Verlagerung vom individuellen Agens zur Gruppe und Gesellschaft. Als Formen der Darstellung wählte die Strukturgeschichte zumeist deskriptive und analytische Verfahren. Es gab nach Hegel verschiedene positivistische Tendenzen, analog zu den Naturwissenschaften durch notwendige Verkettung von Ursache und

49

So in der Vorrede von Rankes ,Geschichte der romanischen und germanischen Völker von 1 4 9 4 - 1 5 3 4 ' , Leipzig / Berlin 1824, S. vi. White 1986, 149: Die meisten Historiker im 19. Jh. „glaubten weiterhin, daß verschiedene Interpretationen derselben Ereignisfolge Funktion ideologischer Entstellungen oder unzureichenden Faktenmaterials seien. Sie glaubten weiterhin, daß, wenn sie nur Ideologie vermeiden, und sich an die Fakten halte, die Geschichte zu Erkenntnissen führe, die ebenso gesichert seien, wie alles, was die Naturwissenschaften zu bieten hätten, und ebenso objektiv wie eine mathematische Rechung seien."

50

White 1986, 146f.: „Bis zur Französischen Revolution w u r d e die Geschichtsschreibung konventionellerweise als literarische Kunst betrachtet ... sie wurde als ein Teil der Rhetorik verstanden, ihr ,fiktiver' Charakter war allgemein anerkannt. Obwohl Theoretiker des 18. Jahrhunderts ziemlich streng ... zwischen ,Tatsache' und ,Phantasie' unterschieden, betrachteten sie die Geschichtsschreibung nicht insgesamt als eine Darstellung von Tatsachen ohne Beimischung von Elementen der Phantasie. ... Theoretiker von Bayle bis Voltaire und DeMably erkannten die Unvermeidlichkeit, bei der Darstellung realer Ereignisse im historischen Diskurs auf Verfahren der Fiktion zurückzugreifen."

51

Stone 1979, 7: „Many ... regarded intellectual, cultural, religious, psychological, legal, even political, developments as mere epiphenomena. Since economic and/or d e m o g r a p h i c d e t e r m i n i s m largely dictated the content o f the new genre of historical research, the analytic rather than the narrative mode was best suited to organize and present the data."

Die Reden und die moderne Geschichtsschreibung

772

Wirkung die Kausalität mechanistisch zu konstruieren und die Geschichte als das sinnvolle Ergebnis einer historischen Notwendigkeit (etwa bei Marx) oder sonstiger für das Geschehen nachweislich determinierender Kräfte, die durch Extrapolation auch für die Zukunft eine Prognose erlaubten, aufzufassen. Neben den sich auf statistisches Material stützenden ,Kliometrikern' versuchten im 20. Jh. Neopositivisten um den Wiener Kreis, eine allgemeingültige Theorie der Wissenschaft auf die Geschichte anzuwenden und Erklärungen als deduktive Schlüsse allgemeiner Hypothesen mit universeller Gültigkeit zu verbinden (Covering-Law-Theorie). Gegen eine solche Geschichtsschreibung, die Gesetze mit notwendiger Verkettung von Ursache und Wirkung formuliert und aus den Einzelereignissen das Typische in Form allgemeiner Regeln definiert, dabei aber das Individuelle (große Persönlichkeiten) und für das Geschehen so wichtige Faktoren wie seelische Vorgänge, den freien Willen, den Zufall und dominante Ideen vernachlässigt, haben sich vor allem professionelle Historiker wie z.B. Eduard Meyer, für den die Geschichte zu komplex ist, als daß man aus ihr analog zu den Naturwissenschaften allgemeingültige Regeln ableiten könne, gewandt. 52 Hingegen grenzte der besonders von Dilthey entwickelte hermeneutische Ansatz die Geschichte als Geisteswissenschaft von den exakten Naturwissenschaften ab und setzte ihr nicht das ,Erklären', sondern das ,Verstehen' eines in seiner Einmaligkeit und Besonderheit unwiederholbaren Faktums zum Ziel, wobei die Vergangenheit nicht wiederhergestellt werden soll, sondern vom Standpunkt der Gegenwart zunächst durch Hineinversetzen (Dilthey), später durch Begreifen der zeitlichen (historischen) Distanz (Gadamer) gezeigt werden soll, wie die Gegenwart geworden ist.53 Die Lehrbücher der historischen Methode des 19. Jh. widerspiegeln bei den Anweisungen zur Darstellung das Mißtrauen ihrer Zeit gegenüber narrativen Formen. In seiner Historik legt Droysen großes Gewicht auf die wissenschaftliche Forschung, besonders die Quellenkritik, und fordert, der Historiker solle möglichst hinter den Fakten zurücktreten. Er lehnt sowohl die künstlerische Geschlossenheit des historischen Romans 54 als auch die

52

Meyer 1924.

53

Vgl. dazu Baberowski 2005, 99ff.

54

Droysen 1977, 420: In der Kunst ist „das so Geschaffene eine Totalität, eine Welt in sich; das Musische hat die Macht, in diesem Ausdruck den Schauenden oder Hörenden voll und ausschließlich zu empfangen ... Anders die Wissenschaften.

Narrative Modelle und die Strukturgeschichte in der Neuzeit

773

psychologische Interpretation der Geschichte ab, weil die Quellenlage in der Regel das Eindringen in die persönlichen Motive der handelnden Figuren versage und weil der menschliche Charakter zu komplex sei und sich nicht auf einige psychologische Konstanten reduzieren lasse.55 Bei der Darstellung der Forschungsergebnisse bevorzugt er die ,untersuchende Darstellung', bei der der Historiker von einer bestimmten Frage ausgehend und Indizien anführend, nicht in erzählender, sondern in argumentierender Form die Ergebnisse seiner Forschung darlegt. Der , erzählenden Darstellung' liegt die Selektion der relevanten Ereignisse während einer bestimmten Zeitspanne nach einem die Erzählung ordnenden Leitgedanken zugrunde. Für die Wissenschaftlichkeit dieser in eine literarische Form eingekleideten Darstellung kann nur die exakte und gewissenhafte Forschung des Historikers bürgen; trotzdem ist sie wegen der Selektion der Ereignisse und der Beschränkung auf einen Leitgedanken weniger objektiv, neigt zur Einseitigkeit und eignet sich besonders zur Darstellung eines großen umwälzenden Kriegs als Drama. 56 Als dritte Form nennt er in Anlehnung an Thukydides 1,22,4 die .didaktische Darstellung'. Wegen der Einmaligkeit der Ereignisse lehnt er die Vorstellung ab, die Geschichte gebe „Muster zur Nachahmung" oder „Regeln zur Wiederanwendung." Ihr Nutzen definiert sich vielmehr durch „das Verständnis des im Geiste Durchlebten, eine Fülle von Ideen und Vorstellungen, die ihm in dem Moment, wo er selbst ähnliche Aufgaben lösen soll, vor der Seele stehen; nicht als Anweisung, was er nun nachahmen soll, sondern als ein Vorrat von Ideen, Vorstellungen, gleichsam Denkformen, aus denen ihm das für diesen Fall Angemessene entspringt." 57 Vor allem die empirischen haben keine strengere Pflicht, als die Lücken festzustellen, die in den Objekten ihrer Empirie bedingt sind, die Fehler zu kontrollieren, die sich aus ihrer Technik ergeben, die Tragweite der Methoden zu untersuchen ..." 55

56

57

Droysen 1977, 174 bemerkt dazu ironisch: „Wäre die psychologische Interpretation die wesentliche Aufgabe des Historikers, so würde Shakespeare der größte Historiker sein." Unterkategorien sind für Droysen 1977 die pragmatische Erzählung als „die Erklärung des Gewordenen durch die Kontinuität und den sachgemäßen Verlauf seines Werdens" (S. 289), die Biographie, die den historischen Prozeß vom Standpunkt eines wollenden und handelnden Subjekts berichtet und die Ereignisse aus dessen Persönlichkeit zu erklären versucht, die Monographie, die nur einen Aspekt, etwa das Werden eines Staates oder einer Institution durch verschiedene Epochen hindurch verfolgt, und schließlich der katastrophische Verlauf, bei dem „alle Momente, alle Interessen und Tendenzen zu ihrem Recht kommen, um miteinander ringend ein Ergebnis hervorzubringen, das eben den höheren Gedanken ausspricht" (S. 295). Droysen 1977, 300. Ebenso Halkin 1973, 49.

774

Die Reden und die moderne Geschichtsschreibung

Schließlich versucht der Historiker in der ,diskussiven Darstellung' Erkenntnisse aus der Vergangenheit durch Extrapolation auf die Zukunft zu übertragen, wobei im Gegensatz zu den Naturwissenschaften keine exakte Vorhersage möglich ist. Bernheim klammert in seinem Lehrbuch bewußt ästhetische Fragen aus und beschränkt sich in seinem Kapitel über die Darstellung darauf, Mittel zur adäquaten Vermittlung des Wissens anzuführen. Dazu gehören Auswahl, Verdichtung und vor allem die Disposition des Stoffes, die bedingt „daß wir bei irgend größerem Thema und Vorwurf die chronologische und räumliche Ordnung der Thatsachen nicht zum alleinigen Leitfaden der 58

Erzählung machen dürfen." Das Mittel der Konzeptualisierung, z.B. durch Termini technici, nennt er ,Vertretung', „vermöge dessen wir mehrere Vorstellungen oder ganze Vorstellungsmassen in eine einzelne Vorstellung einschließen und mit der Mitteilung der letzten zugleich mitteilen." 59 Bei der Darstellung lehnt er die Vorstellung, „der darstellende Historiker müsse unbedingt Künstler sein," 60 ab und wendet sich gegen übertriebene bildliche Ausdrucksweise. So „dürfen die allgemeinen Anforderungen der Ästhetik nur insoweit berücksichtigt und befriedigt werden, als es der erste und nächste Zweck der Geschichtswissenschaft gestattet. Dieser Zweck ist nicht, Kunstwerke herzustellen, sondern Erkenntnis zu vermitteln." 6 1

58

Bernheim 1903, 725f. Er vergleicht dies S. 726 mit der Perspektive bei einem Gemälde, die „wie diese das räumliche Vor- und Hintereinander, das Fern und Nah der Dinge durch künstliche Anordnung in dem zusammenhängenden Nebeneinander einer Fläche veranschaulicht, so muß die Disposition das zeitliche und räumliche Durcheinander der Erscheinungen durch künstliche Anordnung in dem Nacheinander der Erzählung vorstellig machen."

59

Bernheim 1903, 729. Topolski 1987, 86: Die K o n z e p t u a l i s i e r u n g mit ihrem d a r u n t e r l i e g e n d e n t h e o r e t i s c h e n Stratum verleiht der E r z ä h l u n g K o h ä r e n z : „Theoretical content in historical narrative m a k e s it possible, through the construction of concepts, to link together individual data about historical facts; further, by discovering recurrent relationships ... it m a k e s it possible to explain facts and processes not interpreted in terms of human actions, which in turn must be explained by the discovery of their underlying motives. ... the theoretical conceptualization of historical narratives, if it can be verified, not only helps to neutralize the deforming influence of valuations that do not lend themselves to empirical verification, but also makes those narratives more coherent by linking together scattered facts into certain wholes ... and ... by bringing out the relations that link together facts of various kinds."

60

Bernheim 1903, 734.

61

Bernheim 1903, 735.

Narrative Modelle und die Strukturgeschichte in der Neuzeit

775

Nur in Ausnahmefällen gelingt es, beide Ansprüche harmonisch miteinander zu vereinigen. Dagegen ist Eltons Lehrbuch aus der Mitte des letzten Jahrhunderts der Erzählung gegenüber aufgeschlossener. Er definiert bei der Darstellung drei Arten: „description, analysis, and narrative." 62 Auf der einen Seite stehen die Beschreibung, die „attempts to display a manifestation of the past without giving it the dimension of a change of time", und die Analyse, die „is still fundamentally static but sets the situation or thing described in a wider context of adjoining situations and things, studies interrelations, and attempts to establish causal connections and motives"; auf der anderen Seite die Erzählung. Während die analytische Methode „takes a problem, or a complex of problems, and investigates them by dissecting them into their component parts and their relationships" und sich dazu eignet, allgemeine gesellschaftliche Strukturen zu analysieren (,social history'), 63 ordnet die Erzählung vor allem partikulare und einmalige (menschliche) Handlungen „in a series of happenings and divides its matter in the main into chronologically consecutive segments." 64 Ein einheitliches, meist politischmilitärisches Ereignis oder eine Biographie verleihen ihr Geschlossenheit. In der Regel kommt sie nicht ohne analytische Sektionen (auktoriale Passagen) aus. Diese müssen so in die Erzählung eingebettet werden, daß sie den Erzählfluß möglichst wenig unterbrechen. Weiter geht Veyne, der betont, daß die Geschichte wie der Roman Ereignisse auswählt und die Wirklichkeit simplifizierend darstellt, wobei die Selektion durch das Interesse des Historikers geleitet wird, der die Ereignisse zu ,fabulae' ordnet. Die vom Historiker gefundenen Tatsachen müssen dabei einsichtig und verständlich gemacht werden: „Die Ereignisse sind keine Dinge, keine festen Gegenstände oder Substanzen; vielmehr sind sie das Resultat unserer Zerlegung und Einteilung der Wirklichkeit, ein Aggregat von Prozessen, in denen interagierende Substanzen - Menschen und

62

Elton 1967, 150.

63

Elton 1967, 167.

64

Elton 1967, 161. E b e n s o Stone 1979, 3: „ N a r r a t i v e is taken to mean the organization of material in chronologically sequential order and the focusing of the content into a single coherent story, albeit with subplots. The two essential ways in which narrative history differs from structural history is that its arrangement is descriptive rather than analytical and that its central f o c u s is on man not circumstances."

776

Die Reden und die moderne Geschichtsschreibung Dinge - Wirkungen hervorbringen und erleiden. Die Ereignisse haben keine natürliche Einheit." 6 5

Während etwa als extremste Vertreterin der wissenschaftlichen' Strukturgeschichte die französische Schule der Annales narrative Formen als ideologische Manipulation wegen der in der Erzählung inhärenten Illusion der Realität ( „ e f f e t du riel") ablehnte, 66 wurde seit der Mitte des letzten Jahrhunderts, wie die Veränderung in den Lehrbüchern zeigt, die immer schon existierende Ereignisgeschichte (histoire evenementielle), die „das Ereignis als Ergebnis einer Entwicklung zu deuten, Prozeßlinien zu bündeln und in Rückblick oder Vorblick fur die Erkenntnis wirksam zu machen" 67 versucht, zur Sinngebung aus der fiktionalen Literatur stammende narrative Muster übernimmt und im Gegensatz zu den deterministischen ökonomischen Systemen das Spezielle und Individuelle betont - zeitgleich mit dem Niedergang des Marxismus und der Desillusion über deterministische Modelle mit monokausaler Erklärungen 68 - rehabilitiert und bekam nachträglich eine theoretische Grundlegung. Rezeptionsästhetische Überlegungen haben dabei gewiß auch eine Rolle fur die Rückkehr zur narrativen Geschichte, die besser als die Tabellen oder Statistiken der Strukturgeschichte Erkenntnisse auch für ein nicht-wissenschaftliches Publikum vermitteln kann, gespielt. 69 Die Erzählung ist nicht nur ein Instrument, um 65

Veyne 1990,40.

66

B a r t h e s 1982, 2 0 : „Le d i s c o u r s historique est e s s e n t i e l l e m e n t elaboration ideologique, ou pour etre plus precis, imaginaire, ... le discours historique est un discours performatif truque, dans lequel le constatif (le descriptif) apparent n'est en fait que le signifiant de l'acte de parole c o m m e acte d'autorite " Kritisch faßt diese Position White 1984, 9f. z u s a m m e n : „The rejection of narrative history by the Annalistes was due as much to their distaste for its conventional subject-matter, that is, past politics, as to their conviction that its form was inherently 'novelistic' and 'dramatizing' rather than 'scientific' ... a distaste for a genre of literature that puts human agents rather than impersonal processes at the center of interest and suggests that such agents have some significant control over their own destinies."

67

Müller 1986,27.

68

Stone 1979, 10: „ E c o n o m i c and d e m o g r a p h i c determinism has not only been u n d e r m i n e d by a recognition of ideas, culture and even individual will as independent variables. It has also been sapped by a revived recognition that political and military power, the use of brute force, has very frequently dictated the structure of the society, the distribution of wealth, the agrarian system, and even the culture of the elite ... Civilizations have risen and fallen due to fluctuations in political authority and shifts in fortunes of war ... A belated recognition of the importance of power, of personal political decisions by individuals, of the chances of battle, have forced historians back to the narrative mode."

69

Stone 1979, 15. Vgl. zu diesem Aspekt auch Kocka 1984.

Narrative Modelle und die Strukturgeschichte in der Neuzeit

777

die Rezeption der Geschichte zu erleichtern, nicht bloß ein ästhetisches Mittel, sondern auch ein kognitiver Prozeß, der es erlaubt, die Lebenswirklichkeit zu begreifen, durch Strukturen zu ordnen und zu ganzheitlichen 70

Gebilden zu gestalten. In der geschichtsphilosophischen Diskussion geht es zunächst um die Frage, ob wir „in constructing a narrative history, impose a narrative 71 order on the past, or do we simply read off an order that is already there?" Danto u.a. gehen davon aus, daß die narrative Form bereits exegetische Funktion besitzt, die auf der Selektion und logischen Anordnung der dargestellten Ereignisse, die der Historiker mit seinem Wissen ex post 72

beschreibt, beruht. Das Explanandum ist dabei die Veränderung eines Gegenstandes innerhalb einer bestimmten Zeitspanne. Das Explanans bildet eine Erzählung, die erklärt, wie die Veränderung vom Anfang bis 73 Ende stattgefunden hat. Komplexe Geschehenszusammenhänge bestehen aus Ketten solcher aus Explanandum und Explanans gebildeten Minimalereignisse. Die Ähnlichkeit mit dem Plot aus der Literaturwissenschaft dient dazu „historische Erklärungen auch dort durchsichtig zu machen, wo nicht nur nomologisches oder hermeneutisches Wissen mit seinen Theorieelementen hilfsweise verwendet wird, sondern die erzählende Präsentation eines zeitlichen Verlaufs selber eine Erklärungsfunktion hat." 74

70

Meran 1985, 159: „Die eigentliche Aufgabe der historischen Erzählung liegt nicht in der kausalen Erklärung eines geschichtlichen Geschehens, sondern in der Mitwirkung an der Sinngebung eines geschichtlichen Geschehens. Der Beitrag der Erzählung zur historischen Sinnstiftung besteht darin, dem sowohl temporalen als auch thematischen Zusammenhang eines Geschehens sprachlichen Ausdruck zu verleihen."

71 72

Norman 1991, 121. Henning 1980, 76: „Historische Erzählungen sind keine willkürlichen Aneinanderreihungen geschichtlicher Begebenheiten; sie folgen einer inneren Logik, die Wichtiges von Unwichtigem, Bedeutsames von Nebensächlichem und Erzählenswertes von zu Vergessendem zu scheiden gestattet." Ricoeur 1996, 114: „So gesehen wird die narrative Form nicht der Erklärung nachträglich übergestülpt, sondern sie ist ihrerseits ein wesentliches Moment derselben, was durch die unvermeidliche Unterwerfung unter die Chronologie belegt wird. Die Narratologie als Wissenschaft der Erzählung hat gezeigt, daß die Erzählung sogar in ihrer populären und folkloristischen Form bereits Erklärungswert besitzt."

73

Das Schema nach Danto 1974, 376 in drei Schritten: 1. Anfang: X ist F zur Zeit t l . 2. Η ereignet sich mit X zur Zeit t2. 3. Ende: X ist G zur Zeit t3. 1 und 3 sind Explanandum (Veränderung), 2 ist das Explanans in Form einer Erzählung.

74

Rüsen 1986b, 47.

778

Die Reden und die moderne Geschichtsschreibung

Rüsen betont mit Recht, daß die narrative Erklärung rekonstruktiv ist und nur sehr begrenzt dazu dienen kann, Prognosen fur die Zukunft aufzustellen. Das Explanans stimmt nicht, wie Danto meinte, mit der neopositivistischen Covering-Law-Theorie überein, sondern muß neben allgemeingültigen ,historischen' Gesetzen auch kontingente Faktoren und den freien Willen der Handelnden berücksichtigen. 75 Während Carr davon ausgeht, daß wir zeitliche Sequenzen nicht als isolierte und disparate Ereignisse, sondern als einheitliche, kohärente narrative Strukturen wahrnehmen, daß jede Erfahrung von Natur narrativ strukturiert ist und keiner nachträglichen künstlichen Struktur bedarf, sondern vom Erzähler als Wissendem ex post von der Gegenwart aus retrojizierend wahrgenommen wird, 76 und daß auch komplexe Erfahrungen und soziale Vorgänge sich in Form von Erzählungen vermitteln lassen, unterstreicht Dray, daß die Fakten, welche die narrative Struktur vorgeben, in den Quellen gefunden werden müssen und daß die zeitliche Ordnung der Ereignisse auf der Ebene der Fabula (im Gegensatz zur Story) nicht geändert werden dürfe. 77 Dagegen glaubt Mink nicht, daß die Vergangenheit bereits narrativ vorstrukturiert ist, sondern daß sie erst vom Historiker eine narrative Struktur erhält. Er schreibt der Erzählung einen epistemologischen Status zu und betrachtet sie primär als kognitives Instrument, das Mittel aus der fiktionalen Literatur, die der Konsistenzbildung und Intelligibilität dienen und rezeptionsästhetische Bedeutung haben, auf die Geschichtsschreibung 78 überträgt und eine Alternative zur theoretischen Erklärung bildet. Der

75

Baumgartner 1979, der Dantos Ansatz übernimmt, betont, daß historische Erklärungen nicht auf die Z u k u n f t übertragbar sind. S. 274: „Historie als Geschichtsschreibung erklärt durch Präsentation von Erzählzusammenhängen, nicht durch deduzierende Argumente." Ebenso Rüsen 1986b, 43.

76

So Carr 1986, 124.

77

Dray 1989, 154: „It must, first, display the true temporal succession of its elements, as in chronicle, although the elements need not be cited in their order of occurrence. It must ascribe them to a central subject, also as in chronicle, a narrative having to be about something which undergoes changes of some kind. It must relate at least some of its elements to others in such a way that they explain the others . . . "

78

Mink 1978, 144: „The cognitive function of narrative form, then, is not j u s t to relate a succession of events but to body forth an ensemble of interrelationships of many different kinds as a single whole." Ausführlich ders. 1970, 549ff.

Narrative Modelle und die Strukturgeschichte in der Neuzeit

779

Unterschied zur fiktionalen Literatur besteht nicht in der Form oder der narrativen Technik, sondern im Wahrheitsanspruch der Geschichte. 79 Ebenso meint Stierle, daß wir vergangene Geschichten in narrativer Form erfahren, ordnen und vermitteln, wobei die fiktionalen Elemente zur 80

Kommunikation dieser Erfahrung dienen. Während in der fiktionalen Narratio die Fiktion eine Funktion des Erzählens ist, die sich ihre eigenen Relevanzkriterien und ihren eigenen referentiellen Rahmen schafft, bildet in der Geschichte die (vergangene) Wirklichkeit den referentiellen Rahmen. Durch Selektion werden gemäß den Relevanzkriterien des Historikers, die „sich aus der Differenz von Anfang und Ende der Narration und der impliziten konzeptuellen Opposition, die in dieser Differenz zur Gege81

benheit kommt", ergeben, die relevanten Geschehensmomente aus ihrem Weltzusammenhang herausgelöst und in einen neuen diachronen und im Hinblick auf Anfang und Ende sinnvoll konstruierten Zusammenhang, der, da er auch die Kontingenz in die 82 narrative Ordnung einbezieht, nie abschließend sein kann, integriert. Eignet sich die narrative Form dazu, Handlungen, die Veränderungen von Situationen auf einer Zeitachse hervorrufen, darzustellen, sind zusätzlich immer auch Beschreibungen statischer Elemente und analytische Passagen vonnöten, um die Erzählung verständlich zu machen, wobei explizit oder implizit auch die für die Selektion relevanten Kriterien und Anschauungsformen genannt werden müssen. 79

Mink 1970, 545: „History does not as such differ from fiction, therefore, insofar as it essentially depends on and develops our skill and subtlety in following stories. History does of course differ from fiction insofar as it is obliged to rest upon evidence of the occurrence in real space and time of what it describes and insofar it must grow out of a critical assessment of the received materials of history . . . " Ebenso Iggers 1995, 568f.: „Denn Geschichtserzählungen, auch wenn die Formen der Darstellung, die sie gebrauchen, oft mehr mit der Literatur als mit den Wissenschaften gemeinsam haben, erheben doch einen Anspruch auf Wahrheit, der in der fiktiven Literatur sehr viel weniger auftritt, wenn er auch nicht vollständig fehlt."

80

Stierle 1979, 92: „Nicht nur ist ein wesentlicher Teil der auf uns g e k o m m e n e n Erfahrung der Vergangenheit narrative gebundene Erfahrung, wir sehen uns selbst in unserer Lebenswelt immer schon im Z u s a m m e n h a n g von Geschichten ... Wir erfahren die Welt immer schon so, daß wir unsere Erfahrung auf die Möglichkeit von Geschichten selegieren."

81

Stierle 1979, 93.

82

Stierle 1979, 96: „Gerade dadurch, daß die Geschichte mehr ist als die Funktion ihrer eigenen Struktur, daß sie diese Struktur notwendig überschreitet, kann sie zum Instrument der Artikulation von Erfahrung werden, die nicht in der Endgültigkeit und Abgeschlossenheit eines Wissens verharrt, sondern sich als Kontinuum von Erfahrungsmomenten entfaltet."

Die Reden und die moderne Geschichtsschreibung

780

Jauß zeigt, daß Elemente aus der fiktionalen Literatur, die in allen histori83 sehen Werken vorkommen, wie der Gebrauch von narrativen Illusionen der Konsistenzbildung dienen und rezeptionsästhetische Funktion haben: 84 Am wichtigsten ist dabei die „Illusion des vollständigen Verlaufs" , durch die eine fiktive Konsistenz entsteht, wobei durch Inferenz faktische Lücken geschlossen und für den Erzählzusammenhang überflüssige Details ausgesondert werden. Im Gegensatz zum Roman muß aber der Historiker solche Lücken Anfangs und • eingestehen. 85 Dazu· verleihen die . „Illusion . . des . ersten . definiten Endes" und die „Illusion eines objektiven Bildes der Vergangenheit" 86 der Geschichte Geschlossenheit, ebenso87tragen Analogien dazu bei, vergangene Ereignisse erfahrbar zu machen. Die dramatische Geschichte gibt dem Leser die Illusion, dem Geschehen beizuwohnen und selbst das moralische Urteil und Fazit fallen zu können. In seinem hermeneutischen Ansatz geht Ricoeur davon aus, daß wir die Welt als Erzählung erfahren und nur durch Mimesis die Erfahrung der Zeit symbolisch auf einen Text übertragen können. In der Ereignisgeschichte bildet die Mimesis Aktionen durch Wiederholung der Zeit in narrativen Strukturen nach. Er verbindet dabei, sich an Aristoteles' μίμησίς πράξεως anlehnend, die Geschichte mit einer Handlungstheorie. Dafür, daß die in der Erzählung erfaßten Strukturen der Vergangenheit erfahrbar sind, bürgt

83

Jauß 1982, 421: „Der Gebrauch fiktionaler Mittel ... schlägt auch eine Brücke zwischen Gegenwart und Vergangenheit, die am ehesten erlaubt, die Alterität fern und fremd gewordener historischer Welten dank der erschließenden Kraft der Fiktion ... verstehbar und damit kommunizierbar zu machen."

84

85

Jauß 1982, 422. Ebenso White 1980, 11: „Narrative strains to produce the effect of having filled in all gaps, to put an image of continuity, coherency, and meaning in place of the fantasies or emptiness." Jauß 1982,423.

86

Jauß 1982,422.

87

Jauß 1982, 439f.: „Das Ereignis, das der narrativen Form bedarf, um seine Relevanz für den rückschauenden Betrachter erkennbar zu machen, wird also gerade nicht durch seine Singularität, sondern durch sein Vermögen, der geschichtlichen Erkenntnis Analogien der Erfahrung zu eröffnen, oder ... durch seine Normierbarkeit, zur hermeneutischen Kategorie." Ebenso weist Baumgartner 1979, 265f. auf die sinnstiftende Funktion von literarischen Mitteln wie „Vor- und Rückverweisungen, Erörterungen von möglichen Alternativen, von Interpretationen, die früheren Ereignissen im Lichte späterer Ereignisse Bedeutung zuweisen, von Herausheb u n g e n den F o r t g a n g der G e s c h i c h t e k e n n z e i c h n e n d e r c h a r a k t e r i s t i s c h e r Ereignisse, von verschiedenen Formen geraffter Zeit, Anspielungen auf additive, korrelative und kausale Handlungszusammenhänge" hin.

Narrative Modelle und die Strukturgeschichte in der Neuzeit

781

die T a t s a c h e , d a ß d i e M e n s c h e n d e r V e r g a n g e n h e i t w i e w i r έ π ρ α ξ α ν

ή

επαθον.88 F ü r W h i t e hat die V e r g a n g e n h e i t selbst k e i n e i m m a n e n t e n a r r a t i v e S i n n struktur, s o n d e r n besteht aus d i s p a r a t e n T a t s a c h e n , die ein o r d n e n d e r Geist z u s a m m e n f u g e n m u ß . H ä t t e d i e V e r g a n g e n h e i t s e l b s t s c h o n e i n e PlotStruktur, k ö n n t e es gar nicht v e r s c h i e d e n e historische E r z ä h l u n g e n dersel89

ben Ereignisse geben.

F i k t i o n a l e L i t e r a t u r u n t e r s c h e i d e t s i c h v o n der

G e s c h i c h t e n i c h t so s e h r in d e r F o r m als v i e l m e h r in i h r e m I n h a l t . I m Gegensatz zur Chronik, die Ereignisse bloß temporal

aneinanderreiht,90

gibt der H i s t o r i k e r d e r E r z ä h l u n g d u r c h , E m p l o t m e n t ' ( V e r l e i h u n g einer P l o t s t r u k t u r ) u n d K o d i e r u n g , d.h. d u r c h A u s w a h l g e m ä ß s e i n e n R e l e v a n z kriterien (präexistenten moralischen bzw. ideologischen Kategorien) und A n e i n a n d e r r e i h u n g d e r E r e i g n i s s e in e i n e r l o g i s c h e n S t r u k t u r

willkürlich

K o h ä r e n z u n d Sinn, i n d e m er a n a l o g zur D i c h t u n g e i n e n Plot mit A n f a n g , M i t t e u n d E n d e u n d der Illusion der V o l l s t ä n d i g k e i t u n d G e s c h l o s s e n h e i t , die f ü r die V e r m i t t l u n g v o n Sinn unerläßlich s i n d , 9 1 konstruiert, w o b e i

88

89

90

91

Ricoeur 1996, 122: „Das menschliche Handeln ist so geartet, daß es, um sich selbst zu begreifen, nach der Erzählung verlangt, die seine grundlegenden Artikulationen rekonstruiert." White 1978, 43. Ebenso Norman 1991, 127: „The fact that a true historical account has a plot structure does not imply that the past it articulates has a plot structure, any more than the fact that 'the sky is blue' has a grammatical structure implies that the sky has a grammatical structure. ... A plot, like a grammar, is a structure that belongs to discursive entities." Vgl. dazu White 1981, 7ff. mit Beispielen aus Chroniken. Topolski 1987, 78ff. bestimmt drei Arten der historischen Aufzeichnung: Die Annalen enthalten in chronologischer Reihenfolge „extraordinary events, in particularly disasters of various kinds, wonders, and the like." Chroniken machen dazu bereits Aussagen über die Gründe des Geschehens und erhalten durch Analepsen erhöhte Kohärenz. Die historische Erzählung zeichnet sich zusätzlich dazu durch proleptische Äußerungen des das Ende kennenden und ex post schreibenden Historikers aus. White 1981, 23: „This value attached to narrativity in the representation of real events arises out of a desire to have real events display the coherence, integrity, fullness, and closure of an image of life that is and can only be imaginary." Ebenso ist für Norman 1991, 121 die Selektion und die „imposition of structure" mit Anfang und Ende willkürlich: „Artificial closure is created by the choice of beginning and end. The facts must then be integrated or configured in a way that creates a unity and coherence that are, strictly speaking, foreign to the past itself. 'Imposition', then, signifies the activity wherein criteria of relevance are applied, closure is attained, and coherence and unity are created - a process, in short, that generates an emplotted account of the past."

782

Die Reden und die moderne Geschichtsschreibung „most historical sequences can be emplotted in a number of different ways so as to provide different interpretations of those events and to endow them with different meanings. ... Historical situations are not inherently tragic, comic or romantic ... All the historian needs to do to transform a tragic into a comic situation is to shift his point of view or change the scope of his perceptions." 92

I m A n s c h l u ß an d i e R h e t o r i k d e r R e n a i s s a n c e u n d V i c o p o s t u l i e r t er f u r d i e G e s c h i c h t s s c h r e i b u n g im 19. J h . v i e r a u f d e n T r o p e n v o n M e t a p h e r , M e t o n y m i e , S y n e k d o c h e u n d I r o n i e f u ß e n d e A r t e n , d i e er als R o m a n z e , Satire, K o m ö d i e und Tragödie bezeichnet. Diese haben eigene Stilgesetze, weisen e i n e i d e o l o g i s c h e T e n d e n z ( a n a r c h i s t i s c h , k o n s e r v a t i v , r a d i k a l b z w . liberal) auf und ermöglichen dem Historiker durch Allegoresis,93 prinzipiell jeden E r e i g n i s v e r l a u f in e i n e m d e r v i e r T r o p e n z u k o d i e r e n . 9 4 D a b e i g i b t d e r k u l t u r e l l e K o n t e x t , d e n d e r H i s t o r i k e r in d e r R e g e l m i t s e i n e m P u b l i k u m teilt, 9 5 d i e D e u t u n g s p a t t e r n s f ü r d i e K o d i e r u n g d e s P l o t s v o r . W h i t e l e h n t a u c h d i e U n t e r s c h e i d u n g in A r i s t o t e l e s ' P o e t i k z w i s c h e n F i k t i o n

und

G e s c h i c h t s s c h r e i b u n g ab: „Die ältere Unterscheidung zwischen Fiktion und Geschichtsschreibung, in der die Fiktion als die Darstellung des Vorstellbaren und die Geschichtsschreibung als die Darstellung des Tatsächlichen verstanden wird, muß der Erkenntnis Platz machen, daß wir das Tatsächliche nur erkennen, wenn wir es mit dem Vorstellbaren kontrastieren oder vergleichen. So verstanden sind historische Erzählungen komplexe Strukturen, in denen eine Erfahrungswelt als auf mindestens zwei Weisen bestehend vorgestellt wird, wovon die eine als ,reaP kodiert ist und die andere im Verlauf der Erzählung als illusionär,entlarvt' wird." 96 W i e d e r f i k t i o n a l e R o m a n b i l d e t d i e G e s c h i c h t e d i e r e a l e W e l t a b u n d gibt ihr d u r c h w i l l k ü r l i c h a u f e r l e g t e K o h ä r e n z u n d i d e o l o g i s c h e

Kodierung

92 93 94

White 1978,48. White 1978, 53 bezeichnet dies als „translation of fact into fiction." White 1984, 22: „The historical narrative does ... test the capacity of a culture's fictions to endow real events with the kinds of meaning that literature displays to consciousness through its fashioning of patterns o f ' i m a g i n a r y ' events. Precisely insofar as the historical narrative endows sets of real events with the kinds of meaning found otherwise only in myth and literature, we are justified in regarding it as a product of allegoresis."

95

White 1986, 106: „Der Historiker teilt mit seinen Lesern allgemeine Vorstellungen von den Formen, die signifikante menschliche Situationen annehmen müssen, aufgrund dessen, daß er an den spezifischen Prozessen der Sinnstiftung (sensemaking) teilhat, die ihn als Mitglied einer bestimmten Kulturgemeinschaft ausweisen."

96

White 1986, 120.

Narrative Modelle und die Strukturgeschichte in der Neuzeit

783

einen Sinn, den diese selbst nicht schon besitzt und der daher immer wieder verändert werden kann. 97 98

Neben der Kritik an Whites Reduktion der Formen der Geschichtsschreibung auf vier Tropen, die als zu simpel und schematisch aufgefaßt worden i s t , " betont etwa Norman, der von denselben Überlegungen wie White ausgeht, daß sich die historische Erzählung als referentieller Akt auf die Vergangenheit beziehe und im Gegensatz zur fiktionalen Literatur diese wahrheitsgemäß abzubilden beansprucht. Jeder Historiker selegiert zwar Ereignisse gemäß seinen Relevanzkriterien, ordnet sie zu einem logisch strukturierten Sinnganzen und interpretiert sie gemäß seinen Deutungskategorien. Gleichzeitig bemüht er sich aber in seiner Aufzeichnung um die Vollständigkeit der relevanten Daten, vermeidet Auslassungen, die das Gesamtbild verändern können, und sorgt dafür, daß die Erzählung gleichmäßig mit Details versehen wird und überall denselben Grad an Abstraktion erreicht. 100 Dabei sind Inferenzen, die als solche immer gekennzeichnet werden müssen, nicht willkürlich, sondern fußen auf erschlossenem und belegbarem Kontextwissen oder auf alltäglichen Erfahrungen. Literarische Fiktion kann Ereignisse konstruieren, die nie stattgefunden haben (in Schillers ,Maria Stuart' trifft Maria Stuart Elisabeth, was unhistorisch ist), aber dennoch plausibel sind; diese Freiheiten kann sich kein moderner Historiker erlauben. Meistens besteht für den Rezipienten, der Zugang zu denselben Quellen und anderen konkurrierenden Versionen hat, die Möglickeit, eine Erzählung auf ihre Richtigkeit und Angemessenheit zu überprüfen. 101 97 98 99

White 1986, 121. Allgemein Momigliano 1984; Gossman 1990, 285ff.; Iggers 2000, 336f. Aber auch das Modell von Rüsen 1986b, der als Gegenvorschlag zu White die Geschichtsschreibung funktional in vier Arten einteilt, die zugleich eine genetische Entwicklung widerspiegeln, überzeugt nicht: Während das traditionelle Erzählen Zeit als Sinn verewigt und Werte affirmativ bestätigt, dient die exemplarische Erzählung im Sinne der historia vitae magistra dazu, allgemeine abstrakte Prinzipien durch konkrete Beispiele zu erläutern. Das kritische Erzählen problematisiert historische Erfahrungen und traditionelle Werte. Das genetische Erzählen befaßt sich mit den statischen und dynamischen Elementen der Geschichte und dem Strukturwandel, die zur Selbstdefinition dienen.

100 McCullagh 1987, 35. 101 McCullagh 1987, 46: „What keeps historical narratives from totally misrepresenting historical time is that they always do indicate the dates and times of the events they describe. So the reader is informed of the historical, chronological time of the events, even though the narrative's pace and some of its language may not reflect them." Iggers 2000, 346: „Uns ist es heute bewußter als

Die Reden und die moderne Geschichtsschreibung

784

5.3. Antike und moderne Geschichtsschreibung (Zusammenfassung) Obgleich narrative Strukturen der Lebenswirklichkeit selbst nicht immanent sind, spielen diese bei der Wahrnehmung, der Sinngebung und vor allem bei der Kommunikation vergangenen Geschehens durch den Menschen eine zentrale Rolle. Selektion und Disposition der Ereignisse beeinflussen dabei die Exegese stark. Da die Wahrnehmung und Erinnerung je nach Individuum und kulturellem Kontext unterschiedlich sind, ist auch die Form der narrativen Erklärung und Sinngebung verschieden. Da Plausibilität nicht unbedingt mit Wahrheit übereinstimmt und die Richtigkeit eines historischen Textes kaum durch werkimmanente Verfahren, sondern nur durch Kontextwissen festgestellt werden kann, gebietet es das Ethos des Historikers, wirklich geschehene und durch eine exakte Methode ermittelte Fakten zu berichten und - besonders in der modernen auf schriftlichen Quellen beruhenden Forschung - auch die der Erklärung zugrundeliegenden Daten und Quellen anzugeben, damit sie der Rezipient überprüfen ] 02

kann. Das aus der fiktionalen Literatur übernommene narrative Modell mit Anfang, Mitte und Ende eignet sich vor allem dazu, den in erster Linie durch individuelle menschliche Handlungen im politisch-militärischen Bereich verursachten Wandel adäquat wiederzugeben. Im Zentrum steht, wenn man Dantos Modell übernimmt, die Veränderung eines Zustandes innerhalb eines jeweils vom Historiker klar definierten Zeitabschnittes mit Anfangs- und Endpunkt, die durch eine vom Historiker geschaffene Erfrüher, wie kompliziert der Erkenntnisprozeß in der Rekonstruktion der Vergangenheit ist, daß Interpretationen auseinanderklaffen und ideologische Wurzeln haben. Andererseits sind wir auch überzeugt, daß Unwahrheiten unzulässig sind und in vielen Fällen ermittelt werden können." Baberowski 2005, 213: „Die Wissenschaftlichkeit der Geschichte besteht darin, daß Historiker belegen müssen, wie sie zu einem Ergebnis gekommen sind, daß sie sich auf die Dokumente beziehen müssen, mit denen sie ihre Fragen beantworten wollen. Historiker erfinden keine b e schichten', sie ordnen Ereignisse, die in Texten überliefert sind, in Geschichten ein. Diese Einordnung ist überprüfbar, sie beruht auf einer Methode, und darin ist die Wissenschaftlichkeit der Geschichte begründet." 102 Mink 1978, 145: „As historical it claims to represent, through its form, part of the real c o m p l e x i t y of the past, but as narrative it is a product of imaginative construction which cannot defend its claim to truth by any accepted procedure of argument or authentication." Schadewaldt 1962, 185: „So bleibt es ... doch ein schlichtes Faktum, daß Unparteilichkeit, Verpflichtung auf die einfache Wahrheit des Gewesenen, bei aller ihrer theoretischen wie praktischen Problematik, eine der entscheidendsten Regulative für das Tun des Historikers war und wohl auch ist."

Antike und moderne Geschichtsschreibung (Zusammenfassung)

785

zählung (als Explanans) erklärt wird. Wie oben erwähnt, besitzt aber auch die Ereignisgeschichte strukturgeschichtliche Elemente. Deskriptive und analytische Passagen tragen dazu bei, die auf der Oberfläche angesiedelten Ereignisse zu deuten und die Rezeption eindeutig zu lenken. Neben den exegetischen auktorialen Glossen und Kommentaren erlaubt es der Gebrauch von mit Mitteln aus der fiktionalen Literatur durchsetzten und auf der Ebene der Handlungen angesiedelten erfundenen Reden dem antiken Historiker, die Ereignisse (εργα) transparent zu machen, zu deuten und unter der Oberfläche der narrativen Struktur allgemeine, heute zur Strukturgeschichte gehörende Überlegungen anzubringen und seiner Erzählung eine der Deutung dienende Tiefenstruktur zu verleihen. 103 Im Gegensatz zu den direkten auktorialen Hinweisen und Kommentaren, die den Erzählfluß bremsen und vor allem dem Verständnis der Erzählung dienlich sind, ermöglicht die Einfügung von direkten Reden dem Erzähler, einerseits Elemente und Strukturen, die sich nicht auf der Ebene der fabula befinden, in diese dramatisch einzubauen, ohne daß die Erzählung durch die vielen Unterbrechungen an Schwung einbüßt, anderseits die relevanten Kategorien, die implizit die Auswahl und die Darstellung beeinflussen, indirekt anzugeben. Dabei drücken vor allem die häufigen Gnomen und abstrakten Konzeptualisierungen als kondensierte Erfahrungen allgemeine Auffassungen und Regeln aus, die den Horizont erweitern, das Partikulare des dargestellten geschichtlichen Ereignisses transzendieren, zum Allgemeingültigen (τα καθόλου) im Sinne der künstlerischen Postulate, die Aristoteles im neunten Kapitel der Poetik fur die Dichtung aufgestellt hat, fuhren und sogenanntes nomologisches Wissen vermitteln. Die direkten Reden widerspiegeln die große Bedeutung, die das gesprochene Wort in der damaligen Gesellschaft besaß, und legen dabei die Emphase auf das geistige Moment des Reflektierens und Planens, das hauptsächlich in symbuleutischen Reden und Gesprächen ihren Ausdruck findet.

103 W i m m e r 1973, 1: „Der m o d e r n e Historiker pflegt seine grundsätzlichen und theoretischen Erwägungen in eigenem N a m e n in der Form des gedanklichen Räsonnements zu geben. Thukydides tut das nur äußerst selten. Die Funktion, die bei den meisten Geschichtsschreibern die eigene Reflexion hat, übernehmen bei Thukydides die Reden." Ebenso Williams 1998, 9: „The speeches dramatically suggest causes in a more interesting and vivid manner than would a narrative exposition on the part of the historian. What today would form historical interpretation on the part of the historian is expressed by Thucydides indirectly in a literary and almost poetic way. However, these speeches, or 'interpretations', are based upon and arise from factual material and should not be considered to depart from reality."

786

Die Reden und die moderne Geschichtsschreibung

So gelingt es dem antiken Historiker, seine in der Forschung gewonnenen Erkenntnisse dem Rezipienten in einer künstlerisch geschlossenen, übersichtlichen und für das Erfassen des Sinnzusammenhanges adäquaten Form zu vermitteln. 1 0 4 Die einheitliche Auffassung der menschlichen Natur und das Zusammenspiel von menschlichem Planen, menschlichen Affekten und externen, kontingenten Faktoren haben es etwa Thukydides ermöglicht, den Peloponnesischen Krieg zu entzeitlichen und paradeigmatisch zu einer Fallstudie zu gestalten und die speziellen Ereignisse, soweit es der Anspruch, wahrhaft zu berichten, zuließ, von der Einmaligkeit zu befreien und ihnen durch Z u h i l f e n a h m e v o n dichterischen Mitteln, die nicht ästhetische, sondern kognitive Funktion haben, allgemeingültige Formen zu geben. Die im Entstehen b e g r i f f e n e Rhetorik stellte Kategorien (wie die τελικά κεφάλαια, είκός-Schlüsse und Syllogismen) und Erklärungspatterns zur Verfügung, die heute in den Bereich der Psychologie fallen, 105 um das Verhalten des Menschen als Individuum und als Gruppe zu verstehen und zu deuten. Auch abstrakte Phänomene wie der Imperialismus werden bei Herodot z.T. metaphysisch, bei Thukydides als Resultat der menschlichen Natur erklärt. Das antike Zeitverständnis und die relativ kurze Dauer, die der Hauptstrang der Erzählung jeweils abdeckt, rücken das Interesse für allfalligen Wandel in Gesellschaft und Wirtschaft als historisch wirksame Faktoren in den Hintergrund (z.B. in den Exkursen bei Herodot oder in Thukydides' Archäologie). Vielmehr betonen beide die Analogie im Geschehen als Referenzgröße und Grundlage für ihre exegetischen Modelle: Die Welt im allgemeinen und die Polis im speziellen bleiben gleich und bilden die Basis für individuelle politisch-militärische Handlungen, die zwar kurzfristig das Kräfteverhältnis, aber nicht die Welt an sich verändern können. Das mo-

104 Gomme 1937, 185: „To collect and sift and test evidence, to decide what events are significant and what not - and hence to select what actions and what speeches are to be recorded and at what length - is the work of the historian as scientist; to present them in an intelligible manner, and so that the reader receives the impression intended by the author, is the work of the artist." Immerwahr 1966, 5: „History combines science and art with the educational aim of persuading one's own generation of certain aims in life which are upheld by a particular vision of the past. In this sense, history is always actual." 105 Cornford 1907, 64: „It appears to us to be characteristic of ancient historians in general, that in so far as they look for causes of human events, they look, apart from supernatural agencies, solely to psychological causes - the motives and characters of individuals and cities."

Antike und moderne Geschichtsschreibung (Zusammenfassung)

787

derne lineare Zeitverständnis 106 und der seit der Industriellen Revolution bei vielen Forschern vorhandene Fortschrittsgedanke haben ein Interesse fur den langfristigen (sozialen und wirtschaftlichen) Strukturwandel hervorgerufen, wobei aber die Bedeutung der politisch-militärischen Handlungen und des Menschen mit seinen geistigen Fähigkeiten und Emotionen als Subjekt des historischen Prozesses meistens unterschätzt worden sind. 107 106 Vgl. dazu Hunter 1982, 244ff. 107 Croiset 1900, 144f.: „Cette liberte poetique avec laquelle Thucydide reconstitue, au m o y e n des discours, le d r a m e de l'histoire, est fort eloignee des scrupules modernes. ... N o u s trouvons dans cette mise en scene, ä cote d ' u n vif plaisir litteraire, un certain mensonge dans las forme qui nous inquiete. N o u s voudrions que la forme m e m e traduisTt avec une fidelite plus delicate les doutes de l'historien sur le fond des choses, ou ses ignorances. ... il est clair que l'emploi du discours n ' e s t ... q u ' u n artifice destine ä traduire d ' u n e maniere vive et c o m m o d e le caractere d ' u n e situation : mais ce caractere |lui-meme, pour etre represente au moyen d ' u n discours, n'en sera ni moins profondement analyse par l'historien, ni explique avec moins d'ampleur ou de force. ... Entre la maniere dont un moderne dirait ces choses et celle de Thucydide, il n ' y a ... q u ' u n e difference de guillemets. ... 11 est certain que l'historien peut avoir donne ä la pensee de l'orateur ou plus de logiques qu'elle n ' e n avait peut-etre, ou une logique un peu differente. Mais que fait done l'historien m o d e r n e qui, sans c o m p o s e de discours proprement dits, entreprend pourtant d'expliquer ses personnages et de les faire comprendre ä son lecteur ? II fait, sous forme differente, ... la m e m e chose que Thucydide. II essaie de montrer la logique intime qui gouverne les actes de son heros ; il developpe, il interprete, il devine. ... II est done vrai de dire que e'est le precede d'expression, la forme, qui differe ici du procede moderne plutöt que ce n ' e s t le fond m e m e de l ' i d e e . " C o r n f o r d 1907, 66: „The great contrast, in fact, between ancient and modern history is this: that whereas the moderns instinctively and incessantly seek for the operation of social conditions, of economic and topological factors, and of political forces and processes of evolution, - all of which elements they try to bring under laws, as general and abstract possible; the ancients looked simply and solely to the feelings, motives, characters of individuals or of cities. These, and (apart from supernatural agencies) these only, appeared to them to shape the course of human history." Montgomery 1965, 234: „Der moderne Forscher neigt dazu, ein historisches Geschehen durch die Heranziehung sozialer oder wirtschaftlicher Faktoren zu erklären. Wenn antike Geschichtsschreiber dagegen die seelischen Vorgänge, die ihrer Meinung nach einer Handlung zugrunde lagen, schildern, so sind sie dabei humanistisch im eigentlichen Sinne des Wortes: der Mensch als Individuum oder als Angehöriger einer Gruppe ist das Maß der Geschichte." Hunter 1982, 248f.: „They have no concept of the economy or of social classes in the modern sense, nor do they think to isolate levels or structures or divide reality in any way into the economic, the political, the intellectual etc. In this they reflect the reality of the polis, which knew no institutionalized compartments such as politics, economics, war or religion. All these were integrated in one life, one view of the

788

Die Reden und die moderne Geschichtsschreibung

Die von beiden Historikern gebrauchten Kategorien und Deutungskon108

zepte waren fur die damaligen Rezipienten plausibel. So bildete Herodots Deutung der Perserkriege, die eine menschliche und eine göttliche Ebene der Erklärung umfaßte, in seinem kulturellen Kontext adäquat die von ihm wahrgenommene vergangene Wirklichkeit ab. Für Croiset, Cornford und Egan übernahm Thukydides patterns und mythische Sinnmuster aus der Tragödie und verwendete diese durch ,infiguration' in die Ereignisse - besonders in die Reden - zur Bildung der Kausalität und zur Sinngebung. 109 Es stimmt zwar, daß die zeitgenössische Tragödie für beide Historiker eine wichtige Funktion hatte; doch ist sie nicht das einzige den kulturellen Kontext des 5. Jh. prägende Element, das die Weltanschauung und die Wahrnehmung der Historiker beeinflußte; im übrigen ist die ,tragische' Strukturierung der Ereignisse kein willkürliches Emplotment im

world. The polites was at once a soldier, a demesman, the head of an oikos, and the heir to the f a m i l y ' s religious rites. ... The world of the ancient historians, which reflects the integrity of life in the polis, and which k n o w s no division of the ' h u m a n sciences', is a total world with its own set of interrelationships, its own interplay of forces, and its own kind of movement. All this has been subsumed under the term process." De Jong 1999, 225: ,,Le fait que les historiens ont adopte l ' h a b i t u d e d ' H o m e r e d ' i n s e r e r dans leur recit les pensees des personnages ... temoigne de leur grand interet pour la vie emotionnelle de leurs personnages. II me s e m b l e typique pour les historiens anciens, qui mettent l'accent sur l'aspect individuel plutot que sur les facteurs e c o n o m i q u e s et sociaux, que chez eux l'histoire soit dominee par les emotions, la haine, la jalousie, et surtout la peur." 108 Schneider 1974, 169: „Der Geschichtsschreiber, der gelesen werden und Glauben finden will, ist zur Plausibilität verpflichtet." Pelling 1999, 344: „The story is simply more believable if it corresponds to the audience's expectations, more or less conscious, of how stories work." 109 Egan 1978, 82: „ D r a m a is an element of meaning, composed by creating and relating discrete events crudely hacked out of the process represented. ... Drama cannot reside in events; it is derived from the manner of composing and organizing events." Fornara 1983, 171f.: „The historian's visualization of history in terms of dramatic structure necessarily entailed his adoption of dramatic techniques of description as well as personal reticence. Like the dramatist, therefore, he became the tacit observer of his own creation resisting the temptation of speaking in his own person." Bicknell, 1990, 177: „Towards achieving their didactic purposes the tragic poets manipulate myth, a tapestry of pseudofacts relating to a remote and largely imaginary past. T o the s a m e end Herodotus and T h u c y d i d e s adapt the immediate past and the events of the present. Message and lesson are overriding for both. ... Their work is a hybrid of history and the historical novel." Ebenso Ortolä / Redondo / Sancho 2000, 200.

Antike und moderne Geschichtsschreibung (Zusammenfassung)

789

Sinne Whites, sondern in der damaligen Wahrnehmung der Ereignisse selbst angelegt." 0 Wie Künstler selegieren Herodot und Thukydides die Ereignisse und rekonstruieren die Wahrheit g e m ä ß ihren eigenen Relevanzkriterien, ordnen die Vergangenheit nach den patterns der Gegenwart und machen sie zu einem in Zukunft nützlichen Paradeigma. Dabei beschränken sie sich auf eine Fragestellung, die ihren eigenen Interessen und denen ihrer Zeitg e n o s s e n ) entspricht; diese mag zwar nur bedingt mit den Interessen und Fragen moderner Historiker übereinstimmen, verdient es aber, ernstgenommen zu werden. 1 " Gehrke, der von der Auffassung ausgeht, daß die Ermittlung der Ereignisse mittels einer exakten Methode und die Sinngebung stets miteinander verbunden sind, nennt m. E. zu Recht Thukydides' Rekonstruktion der Vergangenheit, in der gerade die Reden bei der Sinngebung eine zentrale Rolle spielen, eine intellektuelle Konstruktion, die nicht weniger als die Versuche der modernen Historiker Anspruch auf 112

,Richtigkeit' und Plausibilität erheben darf; gleiches gilt selbstverständlich auch für Herodot. Gerade die Reden erlauben Einblicke in die Denkkategorien der beiden Historiker und können auch bei der Rekonstruktion der Mentalitätsgeschichte von großem Nutzen sein. Im Gegensatz zur Dichtung, die gemäß dem Urteil der Poetik der Geschichte insofern überlegen ist, als sie in plausibeln Fabeln, in denen Wahrscheinlichkeit und Notwendigkeit walten, mehr das Allgemeingültige abbildet, stehen der antiken Geschichtsschreibung zwar nicht alle Mittel fiktionaler Literatur zur Verfugung, um Kohärenz und Geschlossenheit zu erreichen. Doch bieten dem Historiker die Selektion und Disposition der 110 Vgl. dazu S. 417 f., Anm. 74. 111 Daher ist auch der Vorwurf von Momigliano 1966, 117 nicht angebracht: „If there is something that Thucydides does not succeed in doing, it is to explain the remote origins of the conflict between Sparta and Athens. The whole of the diplomatic and social history of the thirty years before the Peloponnesian War is perhaps irretrievably lost for us just because Thucydides was not interested in it." 112 G e h r k e 1993, 19. Dabei ist „die Konstruktion des T h u k y d i d e s nicht als die schlechthin richtige, aber als eine mögliche Konstruktion zu verstehen. Sie ist möglich, d.h. passend und angemessen, weil sie nicht nach subjektivem Gutdünken verfährt, sondern sich mit großer methodischer Strenge und unter Einhaltung fester Regeln ihren Weg bahnt." Ebenso Rawlings 1981, 277: „The History of the Peloponnesian war is not the truth, it is T h u c y d i d e s ' truth. As a record of late fifth century Greece, however, it is more valuable than all the inscriptions, coins, architectural remains ... It is an intelligent and passionate m a n ' s view of the tragedy of his city."

790

Die Reden und die moderne Geschichtsschreibung

Fakten in der narrativen Form und die auf der Ebene der fabula angesiedelten direkten Reden die Möglichkeit, das Partikulare zu transzendieren und allgemeingültige Überlegungen anzubringen, die nicht nur der Deutung und Kommentierung des Erzählten dienen, sondern darüber hinaus allgemeine Verhaltensmuster und Deutungsansätze liefern und den Erfahrungshorizont des Rezipienten erweitern. Somit sind die Reden ein wichtiges Mittel zur Erfüllung des didaktischen Wirkanspruchs der Geschichtsschreibung, der ebenso wie derjenige der Dichtung darin besteht, dem Rezipienten durch Fremderfahrung zu nützen. Da aber in der Historiographie reale Geschehensverläufe den referentiellen Rahmen der Erzählung bilden, ist diese der Dichtung an Nutzwert insofern überlegen, als die daraus gezogenen Schlüsse nicht auf einer imaginären durch Mimesis bewirkten Scheinwirklichkeit, sondern auf tatsächlich geschehenen und auf dem Prüfstein der Wirklichkeit verifizierten Fakten beruhen.

Literaturverzeichnis α) Ausgaben, kommentierte Ausgaben und Kommentare·. Alberti: I.B. Alberti: Thucydidis Historiae. 3. Bde., Roma 1972-2000. Asheri 1988: D. Asheri: Erodoto. La Lidia e la Persia. Libro I delle Storie. Milano 1988 (= 3 1991). Asheri 2003: ders.: Erodoto. La vittoria di Temistocle. Libro VIII delle Storie. Milano 2003. BK: Homers Ilias. Gesamtkommentar auf der Grundlage der Ausgabe von Ameis-Hentze.Cauer (1868-1913). Hrsg. v. J. Latacz. München / Leipzig (Prolegomena, Bd. 1 und 2). 2 0 0 0 - . Buchheim 1989: T. Buchheim (Hrsg.): Gorgias von Leontinoi. Reden, Fragmente und Testimonien. Mit dt. Übers, und Kommentar. Hamburg 1989. Classen-Steup: Thukydides. Erklärt von J. Classen, bearbeitet von J. Steup. 8 Bde., Berlin 4 1963 (= Neudruck der 3. Auflage von 1879-1905). DK: Die Fragmente der Vorsokratiker. Griechisch und deutsch v. H. Diels. Hrsg. v. W. Kranz. Zürich 6 1951. Else 1957: G.F. Else: Aristotle's Poetics. Cambridge (Mass.) 1957. Fantasia 2003: U. Fantasia: Tucidide, L a g u e r r a d e l Peloponneso. Libro II, testo, traduzione e commento con saggio introduttivo. Pisa 2003. FGrHist : F. Jacoby. Die Fragmente der griechischen Historiker. Berlin / Leiden 1923-1958. Flower / Marincola2002: M. A. F l o w e r / J . Marincola: Herodotus Histories. Book IX. Cambridge 2002. Gagarin 1997: Μ. Gagarin: Antiphon. The Speeches. Cambridge 1997. Gallo / Mocci 1992: I. Gallo / M. Mocci: Plutarco. La Gloria di Atene. Introduzione, testo critico, traduzione e commento. Napoli 1992. HCT: A. W. G o m m e , A. Andrewes, K. J. Dover: A Historical Commentary on Thucydides. 5 Bde., Oxford 1962-1981. Hornblower: S. Hornblower: A commentary on Thucydides, 1,1—V,24. 2 Bde., Oxford 1991-1995. How-Wells: W.W. How / J.Wells: A Commentary on Herodotus. With Introduction and Appendices. 2 Bde., Oxford 2 1928. HP: Corpus Hippocraticum: Hrsg. v. E. Littre. Paris 1839-1861. Hude: C. Hude: Herodoti Historiae. Oxford 3 1927. Jones / Powell: H.S. Jones / J.E. Powell. Thucydides Historiae. Oxford 1902 / 1942. Janko 1992: R. Janko: The Iliad: A Commentary. Vol. iv, books 13-16. Cambridge 1992. Lachenaud 1981: G. Lachenaud: De la malignite d'Herodote. In: Plutarque. Oeuvres morales, tome xii. Paris 1981. Lucas 1968: D. W. Lucas: Aristotle. Poetics. Introduction, Commentary and

792

Literaturverzeichnis

Appendix. Oxford 1968. Macan 1908i: R.W. Macan: Herodotus. The seventh, eighth and ninth Books (Einleitung, Text, Apparat, Kommentar). 2 Bde., London 1908. Macan 1908ii: ders.: Herodotus. The seventh, eighth and ninth Books (Appendices, Index, Karten). London 1908. Maddalena 1951: A. Maddalena: Thucydidis Historiarum liber primus. Firenze 1951. Masaracchia 1977: A. Masaracchia: Erodoto. La battaglia di Salamina. Libro VIII delle Storie. Milano 1977 (= 4 1999). Masaracchia 1978: ders.: Erodoto. La sconfitta dei Persiani. Libro VIII delle Storie. Milano 1978 (= 4 2000). PCG: R. Kassel / C. Austin: Poetae comici Graeci. Berlin / N e w York 1 9 8 3 Pritchett 1975: W.K. Pritchett: Dionysius of Halicarnassus: On Thucydides. Übers, und Kommentar. Berkeley / Los Angeles / London 1975. Rosen 1997: H.B. Rosen 1997: Herodoti Historiae II. Stuttgart / Leipzig 1997. Rüsten 1989: J.S. Rüsten: Thucydides. The Peloponnesian War, Book II. Cambridge 1989. Stein 1881: H. Stein: Herodotos. Erklärt von Η. Stein, Bd. 4. Berlin 1881. Stein 1882: ders.: Herodotos. Erklärt von H. Stein, Bd. 5. Berlin 1882. Stein 1901: ders.: Herodotos. Erklärt von H. Stein, Bd. 1. Berlin 1901. TrGF: B. Snell / R. Kannicht. Tragicorum Graecorum Fragmenta. Göttingen 1986-2004. Usher 1974/1985: S. Usher: Dionysius of Halicarnassus. Critical Essays. 2 Bde., Cambridge Mass. 1 9 7 4 / 1985. Walbank: F.W. Walbank: A Historical Commentary on Polybius. 3 Bde., Oxford 1957-1979.

b) Übersetzungen: Bowen 1992: Plutarch. The Malice of Herodotus: Translated with an Introduction and Commentary by A. Bowen. Warminster 1992. Diller 1994: H. Diller: Hippokrates. Ausgewählte Schriften. Übers, und hrsg. von H. Diller. Stuttgart 1994. Bibliographischer Anhang von K.-H. Leven. Drexler 1961: H. Drexler: Polybios. Geschichte. Zürich / Stuttgart 1961. Feix 2001: J. Feix: Herodot. Historien. Griechisch-deutsch. 6., verb. Auflage D ü s s e l d o r f / Zürich 2001. Neuere Herodot-Literatur, von J. Latacz, in Bd. 2, 1305-1313. Fuhrmann 1994: M. Fuhrmann.: Aristoteles. Poetik. Griechisch und deutsch, übers, und hrsg. v. M. Fuhrmann. Stuttgart 1994. Homeyer 1965: H. Homeyer: Lukian. Wie man Geschichte schreiben soll. München 1965. Landmann 1991: G.P. Landmann: Thukydides. Geschichte des Peloponnesischen Krieges. Übersetzt und erläutert. München / Zürich / 1991. Marg 1983: W. Marg: Herodot. Geschichten und Geschichte. Übersetzt v. W. Marg, bearbeitet v. G. Strasburger, mit einem Essay , H e r o d o t als Geschichtsforscher' v. H. Strasburger. Zürich / München 1983 Musti 2001: D. Musti: Polibio. Storie. Introduzione D. Musti, traduzione M. Mari, note J. Thornton. Milano 2001. Romilly 1990a: J. de Romilly: Histoire de la guerre du Peloponnese. Traduction,

Literaturverzeichnis

793

introduction, notes. Paris 1990. Schleiermacher 1991: Piaton: Sämtliche Werke. Griechisch und Deutsch. Nach der Übersetzung F. Schleiermachers, ergänzt durch F. Susemihl u.a. Frankfurt a.M. 1991. Sieveke 1995: F.G. Sieveke: Aristoteles. Rhetorik. Übersetzt, mit einer Bibliographie, Erläuterungen und einem Nachwort. München 1995. Stoessl 1952: F. Stoessl: Aischylos: Sämtliche Tragödien und Fragmente. Zürich 1952. (Basiert auf der Übersetzung von G. Droysen). Willige 1999: Sophokles Antigone. Übers, v. W. Willige, überarbeitet von K. Bayer, mit einem neuen Anhang hrsg. v. B. Zimmermann. Düsseldorf / Zürich 1999.

c) Lexika und Grammatiken: Betant 1847: E.A. Betant: Lexicon Thucydideum. Genf 1847. Kühner-Gerth: R. Kühner: Ausführliche Grammatik der griechischen Sprache. 3. Aufl. besorgt von F. Blass und B. Gerth. 2. Teil. 2 Bde., Hannover 3 1890-1904. LSJ: G. Liddell / R. Scott / H.S. Jones / R. McKenzie: A Greek-English Lexicon. With a revised supplementum. Oxford 9 1996. Montanari 2004: F. Montanari: Vocabolario della Lingua Greca. Milano 2 2004. Powell 1938: J. E. Powell: A Lexicon to Herodotus. Cambridge 1938. Schwyzer 1968: E. Schwyzer: Griechische Grammatik. Handbuch der Altertumswissenschaft 2,1, Bd. 2, München 4 1968.

d) Forschungsliteratur: Abrahamson 1960: E. Abrahamson: Herodotus' Portrait of Xerxes. In: ders.: The Adventures of Odysseus. Literary Studies. St. Louis 1960, 7 - 1 3 . Adam 1985: J. M. Adam: Le texte narratif. Precis d'analyse textuelle. Paris 1985. Adcock 1963: F.E. Adcock: Thucydides and his History. Cambridge 1963. Adkins 1975: A.W.H. Adkins: The Arete o f N i c i a s : Thuc. 7,86. In: G R B S 16 (1975), 379-392. Albertus 1908: J. Albertus: Die παρακλητικοί in der griechischen und römischen Literatur. Diss. Straßburg 1908. Allison 1989: J.W. Allison: P o w e r a n d preparedness in Thucydides. Baltimore / L o n d o n 1989. Allison 1997a: dies.: Word and concept in Thucydides. Atlanta 1997. Allison 1997b: dies.: Homeric Allusions at the Close of Thucydides' Sicilian Narrative. In: AJP 118(1997), 4 9 9 - 5 1 6 . Alonso-Nunez 2000: J. M. Alonso-Nunez: Die Archäologien des Thukydides. Konstanz 2000 (= Xenia, Heft 45). Alty 1982: J. Alty: Dorians and Ionians. In: JHS 102 (1982), 1 - 1 4 . Aly 1921: W. Aly: Volksmärchen, Sage und Novelle bei Herodot und seinen Zeitgenossen. Göttingen 1921. Aly 1928: ders.: Form und Stoff bei Thukydides. In: RhM 77 (1928), 361-383. Aly 1929: ders.: Formprobleme der frühen griechischen Kunstprosa. In: Philologus Suppl. 21 (1929), H. 3. Amit 1968: M. Amit: The Melian Dialogue and History. In: Athenaeum 46 (1968), 216-239.

794

Literaturverzeichnis

Anderegg 1973: J. Anderegg: Fiktion und Kommunikation. Ein Beitrag zur Theorie der Prosa. Göttingen 1973. Andersen 2001: O. Andersen: Im Garten der Rhetorik. Die Kunst der Rede in der Antike. Darmstadt 2001. Andrewes 1959: A. Andrewes: Thucydides on the causes of the war. In: C Q N.S. 9 ( 1 9 5 9 ) , 2 2 3 - 2 3 9 . Andrewes 1960: ders.: The Melian Dialogue and Perikles' Last Speech. In: PCPhS 186 (N.S. Nr. 6), 1960, 1 - 1 0 . Andrewes 1961: ders.: Thucydides and the Persians. In: Historia 10 (1961), 1 - 1 8 . Arieti 1995: J.A. Arieti: Discourses on the First Book of Herodotus. Boston 1995. Arnold 1992: P.E. Arnold: The persuasive style of debates in direct speech in London Thucydides. In: Η 120 (1992), 4 4 - 5 7 . Aron 1961: R. Aron: Thucydide et le recit des evenements. In: H & T 1,2 (1961), 103-128. Aron 1964: ders.: Dimensions de la conscience historique. Paris 1964. Auffenberg 1879: L. Auffenberg: De orationum operi Thucydideo insertarum origine, vi historica, compositione. Crefeld 1879. Aust 1995: H. Aust: Die Ordnung des Erzählens oder Die Geburt der Geschichte aus dem Geiste des Romans. In: Ästehik der Geschichte. Hrsg. v. J. Holzner u. W. Wiesmüller. Innsbruck 1995, 3 9 - 5 9 . Avenarius 1954: G. Avenarius: Lukians Schrift zur Geschichtsschreibung. Diss. Frankfurt am Main 1954. Avery 1973: H.C. Avery: Themes in Thucydides' Account of the Sicilian Expedition. In: Η 101 (1973), 1-13. Avery 1990: ders.: The Resolution of Rhetorical Conflict in Greek Historians. In: C o n f l i c t , Antithesis, and t h e A n c i e n t Historian. Hrsg. v. W. A l l i s o n . Columbus 1990, 92-111. Avezzü Tenuta 1977: E. Avezzu Tenuta: Procedimenti paradossali e tecniche della persuasione in Tucidide. Rom 1977. Baberowski 2005: J. Baberowski: Der Sinn der Geschichte. Geschichtstheorien von Hegel bis Foucault. München 2005. Badian 1992: E. Badian: Thukydides on rendering speeches. 1,22. In: Athenaeum 80 (1992), 288-291. Badian 1993: ders.: From Plataea to Potidaea. Studies in History and Historiography of the Pentecontaetia. Baltimore / London 1993. Badian 1994: ders.: Herodotus on Alexander I of Macedon: A Study in Some Subtle Silences. In: Greek Historiography. Hrsg. von S. Hornblower. Oxford 1994, 107-130. Bakker / de Jong / van Wees 2002: E. J. Bakker, I. J.F. de Jong, H. van Wees (Hrsg.): Brill's Companion to Herodotus. Leiden / Boston / Köln 2002. Bakker 1997a: E. J. Bakker (Hrsg.): Grammar as Interpretation. Greek Literature in its Linguistic Contexts. Leiden / N e w York / Köln 1997. Bakker 1997b: ders.: Verbal Aspect and Mimetic Description in Thucydides. In: Bakker 1997a, 7 - 5 4 . Bakker 2002: ders.: The Making of History: Herodotus' Histories Apodexis. In: Bakker / de Jong / van Wees 2002, 3 - 3 2 . Bal 1997: M. Bal: Narratology. Introduction to the Theory of Narrative. Toronto / Buffalo / London 2 1997. Balcer 1989: J.M. Balcer: The Persian Wars against Greece: A reassessment. In:

Literaturverzeichnis

795

Historia 38 (1989), 127-143. Baldry 1957: H.C. Baldry: The Interpretation of Poetics IX. In: Phronesis 2 (1957), 41—45. Baldry 1965: ders.: The Unity of Mankind in Greek Thought. Cambdrige 1965. Balestrazzi 1992: M. Balestrazzi: Note sulla figura di Alcibiade: il suo ambiente e la spedizione in Sicilia. In: Cataldi 1992, 2 1 - 3 5 . Bannfield 1978: A. Bannfield: Where Epistemology, Style, Grammar Meet Literary History: The Development of Represented Speech and Thought. In: N e w Literary History 9 (1978), 4 1 5 ^ 5 4 . Barcelo 1990: P. Barcelo: Thukydides und die Tyrannis. In: Historia 39 (1990), 401^125. Barth 1965: K.L. Barth: Individuelle Züge in den Reden des Thukydides. Diss. Innsbruck 1965. Barth 1968: H. Barth: Zur Bewertung der Auswahl des Stoffes durch Herodot. In: Klio 50(1968), 93-110. Barthes 1982: R. Barthes: Le discours de l'histoire. In: Poetique 49 (1982), 13-21. Bartoletti 1937: U. Bartoletti: Potenza della Sicilia e ardore degli Ateniesi in Tucidide. In: SIFC 14(1937), 2 2 7 - 2 3 5 . Baum 2003: A.D. Baum: Zu Funktion und Authentizitätsanspruch der oratio recta. Hebräische und griechische Geschichtsschreibung im Vergleich. In: Z A W 115 (2003), 586-607. Baumgartner 1979: H.M. Baumgartner: Erzählung und Theorie in der Geschichte. In: Kocka / Nipperdey 1979, 2 5 9 - 2 8 9 . Bayer 1985: K. Bayer: Athenische Realpolitik. Zu Thuk. 6,76-88. In: Festschrift für F. Egermann zu seinem 80. Geb. am 13.2. 1985. Hrsg. v. W. Suerbaum u. F. Maier unter Mitarbeit v. G. Thome. München 1985, 5 7 - 6 5 . Beck 1971: I. Beck: Die Ringkomposition bei Herodot und ihre Bedeutung für die Beweistechnik. Hildesheim / N e w York 1971. Belloni 2002: L. Belloni: Un'aposiopesi in Erodoto (Hdt. 7.10.1). In: Lexis 20 (2002), 24-31. Beltrametti 1986: A. Beltrametti: Erodoto: una storia governata dal discorso. II racconto morale come forma della memoria. Firenze 1986. Bender 1938: G.F. Bender: Der Begriff des Staatsmannes bei Thukydides. Würzburg 1938. Bengtson 1965 : H. Bengtson: Griechische Geschichte. Von den Anfangen bis in die römische Kaiserzeit. München 3 1965. Bengtson 1979: ders.: Zu der strategischen Konzeption des Alkibiades. In: Bayerische A k a d e m i e der W i s s e n s c h a f t e n . Phil.-Hist. Klasse. Sitzungsberichte H. 3, 1979. Bergk 1887: T. Bergk: Griechische Literaturgeschichte. Bd. 4. Berlin 1887. Bernheim 1903: Bernheim: Lehrbuch der historischen Methode und der Geschichtsphilosophie. Leipzig 4 1903. Berteiii 2001: L. Berteiii: Hecataeus: From Genealogy to Historiography. In: Luraghi 2001,67-94. Bianco 1992: E. Bianco: La composizione delle Storie di Tucidide e il problema dei libri siciliani: uno status quaestionis. In: Cataldi 1992, 7 - 1 9 . Bichler 1985: R. Bichler: Die ,Reichsträume' bei Herodot. In: Chiron 15 (1985), 125-147. Bichler 1990: ders.: Rezension von Fehling 1989. In: A A H G 43 (1990), 4 9 - 5 5 .

796

Literaturverzeichnis

Bichler 1995: ders.: Geschichte und Fiktion. B e m e r k u n g e n zur klassischen Historie der Griechen. In: Ästhetik der Geschichte. Hrsg. v. J. Holzner u. W. Wiesmüller. Innsbruck 1995, 1 7 - 3 7 . Bichler 2000: ders.: Herodots Welt. Der A u f b a u der Historie am Bild der f r e m d e n Länder und Völker, ihrer Zivilisation und Geschichte. Berlin 2000. Bichler / Rollinger 2000: R. Bichler / R. Rollinger: Herodot. Hildesheim 2000. Bicknell 1990: P. Bicknell: T h u c y d i d e s 1,22: A Provocation. In: A C 59 (1990), 172-178. B i s c h o f f 1932: Η. Bischoff: Der Warner bei Herodot. Diss. M a r b u r g 1932. Björk 1986: R. Björk: H o w to narrate a Structure or h o w to structure a Narrative. In: Hist. Historiographie 1 0 ( 1 9 8 6 ) , 1 8 2 - 1 9 3 . Blass 1887: F. Blass: Die attische Beredsamkeit. Leipzig 2 1887 (= 1 1868). B l e c k m a n n 1998: B. B l e c k m a n n : A t h e n s W e g in die Niederlage. Die letzten Jahre des Peloponnesischen Krieges. Stuttgart / Leipzig 1998. B l e c k m a n n 2006: ders.: Alkibiades und die Athener im Urteil des T h u k y d i d e s . In: HZ 282 (2006), 5 6 1 - 5 8 3 . B l o e d o w 1990: E. F. Bloedow: " N o t the Son of Achilles, but Achilles h i m s e l f ' : Alcibia d e s ' Entry on the Political Stage at A t h e n s II. In: Historia 39 (1990), 1 - 1 9 . B l o e d o w 1992: ders.: Alcibiades: 'Brilliant' or 'intelligent'? In: H i s t o r i a 4 1 (1992), 139-157. B l o e d o w 1993: ders.: H e r m o c r a t e s ' Strategy Against the Athenians in 415 B.C. In: A H B 7 (1993), 1 1 5 - 1 2 4 . B l o e d o w 1996: ders.: T h e S p e e c h e s of Hermocrates and A t h e n a g o r a s at Syracuse in 415 BC: Difficulties in Syracuse and in T h u c y d i d e s . In: Historia 45 (1996), 141-158. Blok 2002: J. Blok: W o m e n in Herodotus Histories: In: Bakker / de Jong / van W e e s 2002, 2 2 5 - 2 4 2 . Blösel 2001: W . Blösel: T h e Herodotean Picture of Themistocles: A Mirror of Fifthcentury Athens. In: Luraghi 2001, 1 7 9 - 1 9 7 . Bodei Giglioni 2002: G. Bodei Giglioni: Erodoto e i sogni di Serse. L ' i n v a s i o n e persiana d e l l ' E u r o p a . R o m a 2002. Bodin 1935: L. Bodin: T h u c y d i d e et la Campagne de Brasidas en Thrace. R e m a r q u e s sur la composition de l ' e x p o s e . In: M e l a n g e s O. Navarre. T o u l o u s e 1953, 47-55. Boedeker 1987: D. Boedeker: T h e t w o faces of Demaratus. In: Arethusa 20 (1987), 1 8 5 - 2 0 1 . B o e d e k e r 1988: dies.: Protesilaos and the End of H e r o d o t u s ' Histories: In: C l A n t 7 (1988), 30—48. B o e d e k e r 2001: dies.: Heroic Historiography: S i m o n i d e s and Herodotus on Plataea. In: Boedeker / Sider 2001, 1 2 0 - 1 3 4 . Boedeker 2002: dies.: Epic Heritage and Mythical Patterns in Herodotus. In: Bakker / de Jong / van W e e s 2002, 9 7 - 1 1 6 . Boedeker 2003: dies.: Pedestrian Fatalities: T h e Prosaics o f Death in Herodotus. In: D e r o w / Parker 2003, 1 7 - 3 6 . Boedeker / Sider 2001: D. B o e d e k e r / D. Sider (Hrsg.): T h e N e w Simonides. C o n t e x t s of Praise and Desire. O x f o r d 2001. Bogner 1937: H. Bogner: T h u k y d i d e s und das W e s e n der altgriechischen Geschichtsschreibung. H a m b u r g 1937. Bonelli 2002: G. Bonelli: Tucidide: I m p e g n o conoscitivo e distanziamento

Literaturverzeichnis

797

autoriale. In: A C 71 (2002), 5 1 - 6 3 . Bonelli 2003: ders.: Tucidide 1,22,1: In: Studi di filologia e tradizione greca in memoria di A. Colonna. Hrsg. v. F. Benedetti u. S. Grandolini. Perugia 2003, 155-164. Booth 1961: W.C. Booth: The Rhetoric of Fiction. Chicago 1961. Bornitz 1968: H.-F. Bornitz: Herodot-Studien. Beiträge zum Verständnis der Einheit des Geschichtswerks. Berlin 1968. Bosworth 1993: A.B. Bosworth: The Humanitarian Aspect of the Melian Dialogue. In: JHS 113 (1993), 3 0 ^ 4 . Both 1875: P. Both: De Antiphontis et Thucydidis genere dicendi. Diss. Marburg 1875. Bouvier 2000: D. Bouvier: Temps chronique et temps meteorologique chez les premiers historiens grecs. In: Constructions du temps dans le monde grec ancien. Hrsg. v. C. Darbo-Peschanski. Paris 2000, 115-141. Breitenbach 1873: L. Breitenbach: Über die Abfassungszeit des Thukydideischen Geschichtswerkes. In: NJB 107(1873), 185-191. Bremer 1969: J.M. Bremer: Hamartia.Tragic Error in the Poetic of Aristotle and in Greek Tragedy. Amsterdam 1969. Brock 2003: R. Brock: Authorial Voice and Narrative Management in Herodotus. In: Derow / Parker 2003, 3 - 1 6 . Browning 1958: R. Browning: Greek Abstract Nouns in - s i s , - t i s . In: Philologus 102 (1958), 6 0 - 7 3 . Bruns 1896: I. Bruns: Das literarische Porträt der Griechen im fünften und vierten Jahrhundert vor Christi Geburt. Berlin 1896. Photomechanischer Nachdruck, Hildesheim / Zürich / N e w York 1985. Bruns 1898: ders.: Die Persönlichkeit in der Geschichtsschreibung der Alten. Berlin 1898. Photomechanischer Nachdruck, Hildesheim / Zürich / N e w York 1985. Brunt 1952 : P.A. Brunt: Thucydides and Alcibiades. In: REG 3 0 4 - 5 (1952), 5 9 - 9 6 . Brunt 1967: d e r s . : Rezension von Stahl 1966. In: CR N.S. 17 (1967), 278-280. Buck 1988: R.J. Buck: The Sicilian Expedition. In: A H B 2 (1988), 7 3 - 7 9 . Burkert 1985: W. Burkert: Das Ende des Kroisos: Vorstufen einer herodoteischen Geschichtserzählung. In: Catalepton. Festschrift für B. Wyss. Hrsg. v. Chr. Schäublin. Basel 1 9 8 5 , 4 - 1 5 . Burn 1962: A.R. Burn: Persia and the Greeks. The Defence of the West, 5 4 6 ^ 7 8 B.C. London 1962. Butti de Lima 1988: P.F. Butti de Lima: Dalla veritä nella guerra alia veritä nella storia. In: Q U C C N.S. 28 (1988), 9 1 - 1 0 2 . Cagnazzi 1977: S. Cagnazzi: Tre note tucididee. In: SIFC 49 (1977), 197-208. Cagnazzi 1986: dies.: ί ' ά ρ χ α ι , ο λ ο γ ε ΐ ν di Nicia (Thuc. 7,69,2). In: Athenaeum 64 (1986), 492^197. Cagnetta 1990: M. Cagnetta: Riforma della dialettica agonale nel dialogo dei Meli. In: QS 3 2 ( 1 9 9 0 ) , 159-162. Caiani 1972: G. Caiani: Nicia e Alcibiade: il dibattito βυΐΐ'άρχή alle soglie della spedizione in Sicilia. In: SIFC 44,2 (1972), 145-183. Camerer 1965: L. Camerer: Praktische Klugheit bei Herodot. Untersuchung zu den Begriffen μηχανή, τ έ χ ν η , σοφίη. Diss. Tübingen 1965. Canary / Kozicki 1978: R.H. Canary / Η. Kozicki (Hrsg.): The Writing of History. Literary Form and Historical Understanding. Madison (Wisconsin) 1978. Canfora 1970: L. Canfora: Tucidide continuato. Padova 1970. Canfora 1971: ders.: II ciclo storico. In: Belfagor 26 (1971), 653-670.

798

Literaturverzeichnis

Canfora 1972: ders.: Totalitä e selezione nella storiografia classica. Bari 1972. Canfora 1977: ders.: Storia antica del testo di Tucidide. In: QS 6 (1977), 3 - 3 9 . Canfora 1979: ders.: Strutture e funzione del dialogo in Tucidide e in pseudoSenofonte. In: La struttura della fabulazione antica. Pubblicazioni dell'istituto di filologia classica e medievale 54, Genova 1979. Canfora 1982: ders.: Tucidide Erodoteo. In: QS 16 (1982), 7 7 - 8 4 . Canfora 1983a: ders.: Analogie et Histoire. In: H & T 22 (1983), 22^*2. Canfora 1983b: ders.: Storie di oligarchi. Palermo 1983. Canfora 1990: ders.: Le but de l'historiographie selon Diodore. In: Verdin / Schepens / De Keyser 1 9 9 0 , 3 1 3 - 3 2 2 . Canfora 1992: ders.: Tucidide e l'impero. Bari 1992. Canfora 1999: ders.: La storiografia greca. Milano 1999. Carr 1963: Ε. H. Carr: Was ist Geschichte? Mainz 6 1981. Carr 1986: D. Carr: Narrative and the Real World: An Argument for Continuity. In: H & T 25 (1986), 117-131. Carratelli 1976: G.P. Carratelli: Ippocrate e Tucidide. In: ders., Scritti sul mondo antico. Napoli 1976,460^173. Carter 1986: L.B. Carter: The Quiet Athenian. Oxford 1986. Cartledge / Greenwood 2002: P. Cartledge / Ε. Greenwood: Herodotus as a Critic: Truth, Fiction, Polarity. In: B a k k e r / de Jong / van Wees 2002, 351-371. Caserta 2001: C. Caserta: "Non fidarti del narratore ma della storia." Tucidide protos euretes e la guerra del Peloponneso. In: δρμος 3 - 4 (2001/02), 149-176. Caserta 2003: dies.: La voce muta. Memoria collettiva, scrittura, identitä ne La Guerra del Peloponneso. ορμος 5 (2003). Cassinari 2004: F. Cassinari: "Fatto storico" e "volontä politica": su Tucidide. In: QS 5 9 ( 2 0 0 4 ) , 133-155. Cataldi 1992: S. Cataldi (Hrsg.): ΤΤλοϋς έ ς Σικελίαν. Ricerche sulla seconda spedizione ateniese in Sicilia. Alessandria 1992. Cawkwell 1975: G. Cawkwell: Thucydides' Judgment of Periclean Strategy. In: YC1S 24(1975), 53-65. Cawkwell 1997: ders.: Thucydides and the Peloponnesian War. London / N e w York 1997. Chambers 1984: M.H. Chambers. Rezension von Rawlings 1981. In: CPh 79 (1984), 58-61. Chambers 1990: M.H. Chambers / R. Gallucci / P. Spanos: Athens Alliance with Egesta in the Year of Antiphon. In: ZPE 83 (1990), 3 8 - 6 3 . Chambers 1993: ders.: The A r c h o n ' s N a m e in the Athens-Egesta Alliance (IGI 3 11). In: ZPE 98 (1993), 171-174. Champion 1997: C. Champion: The Nature of Authoritative Evidence in Polybius and Agelaus' Speech at Naupactus. In: T A P h A 127(1997), 111-128. Champion 2000: ders.: Romans as ΒΑΡΒΑΡΟΙ: Three Polybian Speeches and the Politics of Cultural Indeterminacy. In: CPh 95 (2000), 4 2 5 ^ 4 4 . Chatman 1975: S. Chatman: The Structure of Narrative Transmission: In: Style and Structure in Literature. Hrsg. v. R. Fowler. Oxford 1975, 213-257. Chiasson 1982: Ch. C. Chiasson: Tragic Diction in Herodotus: Some Possibilities. In: Phoenix 36 (1982), 156-161. Christ 1989: M.R. Christ: The authenticity of Thucydides 3,84. In: T A P h A 119 (1989), 137-148. Christ 1994: ders.: Herodotean Kings and Historical Inquiry. In: ClAnt 13,2 (1994),

Literaturverzeichnis

799

167-202. Cobet 1971: J. Cobet: Herodots Exkurse und die Frage der Einheit seines Werkes. In: Historia Einzelschriften H. 17. Wiesbaden 1971. Cobet 1974: ders.: Rezension von Fehling 1971. In: Gnomon 4 6 ( 1 9 7 4 ) , 737-746. Cobet 1986: ders.: Herodotus and Thucydides on war. In: Past Perspectives Studies in Greek and Roman historical writing. Cambridge 1986, 1 - 1 8 . Cobet 2002: ders.: The Organization of Time in the Histories. In: Bakker / de Jong/ van Wees 2 0 0 2 , 3 8 7 ^ 1 1 2 . Cobet 2003: ders.: Zeit und Raum in der frühen griechischen Geschichtsschreibung. In: Zum Verhältnis von Zeit und Raum in der griechischen Kunst. PassavantSymposion 8.-10. Dezember 2000. Hrsg. v. P.C. Bol. Bibliopolis Möhnesee 2003, 105-122. Cochrane 1929: C.N. Cochrane: Thucydides and the Science of History. Oxford 1929. Cogan 1981: M. Cogan: The Human Thing. The Speeches and Principles of Thucydides' History. Chicago / London 1981. Cohen 1984: D. Cohen: Justice, Interest, and Political Deliberation in Thucydides: In: Q U C C 45, N.S. 16 (1984), 3 5 - 6 0 . Cohen 1994: ders.: Classical Rhetoric and modern theories of discourse. In: Persuasion: Greek Rhetoric in Action. Hrsg. v. I. Worthington. London / N e w York 1994, 69-82. Cole 1986: Th. Cole: Le origini della retorica. In: Q U C C N.S. 23,2 (1986), 7 - 2 1 . Cole 1991: ders.: The Origins of Rhetoric in Ancient Greece. Baltimore / London 1991. Collingwood 1993: R.G. Collingwood: The Idea of History. Oxford 1993. Connor 1977: W.R. Connor: A Post Modernist Thucydides? In: CJ 72 (1977), 2 8 9 - 2 9 8 . Connor 1985a: ders.: Thucydides. Princeton 2 1985. Connor 1985b: ders.: Narrative Discourse in Thucydides. In: The Greek Historians. Literature and History. Papers presented to A.E. Raubitschek. Saratoga 1985, 1-17. Conte 1986: G.B. Conte:The Rhetoric of Imitation. Genre and Poetic Memory in Virgil and Other Latin Poets. Ithaca N.Y. 1986. Cook 1985: J.M. Cook: The Rise of the Achaimenids and Establishment of their Empire. In: Cambridge History of Iran, Bd. 2. Cambridge 1985, 2 0 0 - 2 9 1 . Coray 1993: M. Coray: Wissen und Erkennen bei Sophokles. Untersuchungen zur griechischen Begrifflichkeit im Bereich W I S S E N und E R K E N N E N im fünften Jahrhundert v. Chr. anhand eines Vergleichs von Sophokles und Thukydides. Diss. Basel 1992. Basel / Berlin 1993. Corcella 1984a: A. Corcella: Erodoto e l'analogia. Palermo 1984. Corcella 1984b: ders.: έ λ π ί ς : punti di vista sul valore delle aspettative umane nel V secolo. In: A F L B 17 (1984), 4 1 - 1 0 0 . Cornford 1907: F. M. Cornford: Thucydides Mythistoricus. London 1907. Crane 1992: G. Crane: Power, Prestige, and the Corcyrean Affair in Thucydides I. In: ClAnt 12(1992), 1 - 2 7 . Crane 1996: ders.: The Blinded Eye. Thucydides an the N e w Written Word. Boston / London 1996. Creuzer 1845: F. Creuzer: Die historische Kunst der Griechen in ihrer Entstehung und Fortbildung. Leipzig / Darmstadt 2 1845. Croiset 1898: A. Croiset / M. Croiset: Histoire de la litterature Grecque. Bd. 2. Paris 2 1898. Croiset 1900: dieselben: Histoire de la litterature Grecque. Bd. 4. Paris 2 1900.

800

Literaturverzeichnis

Culler 1975: J. Culler. Defining Narrative Units. In: Style and Structure in Literature. Hrsg. v. R. Fowler. Oxford 1975, 123-142. Cuscunä 2004: C. Cuscunä: Le poleis siceliote tra autonomia ed egemonia nei discorsi di Tucidide. In: Poleis e Politeiai. Atti del convegno internazionale di storia greca, Torino 29.-31.5 2002. Hrsg. v. S. Cataldi. Alessandria 2004, 153-165. Cwiklinski 1877: L. Cwiklinski: Über die Entstehungsweise des zweiten Theiles der thukydideischen Geschichte. In: Η 12 (1877), 2 3 - 8 7 . Cyranka 1875: L.A.L. Cyranka: De orationum Thucydidearum elocutione cum tragicis comparata. Diss. Breslau 1875. Danninger 1931: Ο. Danninger: Über das €Ϊκός in den Reden des Thukydides. In: WS 4 9 ( 1 9 3 1 ) , 12-31. Danto 1974: A.C. Danto: Analytische Philosophie der Geschichte. Frankfurt a.M. 1974. Darbo-Peschanski 1985: C. Darbo-Peschanski: Les "logoi" des autres dans les "Histoires" d'Herodote. In: QS 22 (1985), 105-128. Darbo-Peschanski 1987a: dies.: Le discours du particulier. Essai sur l'enquete herdoteenne. Paris 1987. Darbo-Peschanski 1987b: dies.: Thucydide: Historien, Juge: In: Metis 2 (1987), 109-140. Debnar 2001: P. Debnar: Speaking the same language: speech and audience in Thucydides' Spartan debates. Ann Arbor 2001. Deffner 1933: A. Deffner: Die Rede bei Herodot und ihre Weiterbildung bei Thukydides. Diss. München 1933. Deichgräber 1952: K. Deichgräber: Das griechische Geschichtsbild in seiner Entwicklung zur wissenschaftlichen Historiographie. In: Der listensinnende Trug des Gottes. Göttingen 1952, 7 - 5 6 . Deininger 1938: G. Deininger: Der Melierdialog (Thuk.5,85-113). Diss. ErlangenBruck 1938. Deininger 1973: J. Deininger: Bemerkungen zur Historizität der Rede des Agelaos 217 v. Chr. (Polyb. 5,104). In: Chiron 3 (1973), 103-108. De Jong 1987:1. J. F. de Jong: Narrators and Focalizers. The Presentation of the story in the Ilias. Amsterdam 1987. De Jong 1991: dies.: Narrative in Drama. The art of the Euripidean messenger-speech. Mnemosyne. Suppl. 116 (1991). De Jong 1999: dies.: Aspects narratologiques des "Histoires" d'Herodote. In: Lalies 19 (1999), 215-275. De Jong 2001: dies.: The Anachronical Structure of Herodotus' Histories. In: Harrison 2001,93-116. De Jong 2002: dies.: Narrative Unity and Units. In: Bakker / de Jong / van Wees 2002, 245-266. De Jong 2004: dies.: Herodotus. In: Narrators, Narratees, and Narratives in Ancient Greek Literature. Studies in Ancient Greek Narrative. Hrsg.v. dies., R. Nünlist, A. Bowie. Leiden / Boston 2004, 101-114. De Jong / Nünlist 2004: dies. / R. Nünlist: Form bird's eye view to close-up. The standpoint of the Narrator in the Homeric Epics. In: Antike Literatur in neuer Deutung (= Festschrift Latacz). Hrsg. v. A. Bierl, A. Schmitt, A. Willi. München / Leipzig 2004, 6 3 - 8 4 . Del Corno 1975: D. Del Corno: Nicia e Alcibiade all'assemblea. In: WJA N.F. 1 (1975), 4 5 - 5 8 . Delebecque 1965: E. Delebecque: Thucydide et Alcibiade. Aix-en-Provence 1965.

Literaturverzeichnis

801

Demand 1987: Ν. Demand: Herodotus' Encomium of Athens. Science or Rhetoric? In: AJPh 108(1987), 746-758. Denniston 1952: J.D. Denniston: Elastizität des Stils. In: Marg WdF, 754-758. Derow / Parker 2003: P. Derow / R. Parker (Hrsg.): Herodotus and his World. Essays from a Conference in Memory of George Forrest. Oxford 2003. De Sanctis 1929: G. De Sanctis: I precedenti della grande spedizione ateniese in Sicilia. In: Riv. Fil. N.S. 7 (1929), 433^456. Desmond 2004: W. Desmond: Punishments and the Conclusion of Herodotus' Histories. In: G R B S 44 (2004), 19-40. Develin 1990: R. Develin: Thucydides on Speeches. In: A H B 4.3 (1990), 5 8 - 6 0 . Dewald 1975: C.J. Dewald: Taxis: The Organization of Thucydides' History, Books II—VIII. Diss. Berkeley (California) 1975. Dewald 1985: dies.: Practical Knowlegde in the Historian's Role in Herodotus and Thucydides. In: The Greek Historians. Literature and History. Papers presented to A.E. Raubitschek. Saratoga 1985, 4 7 - 6 3 . Dewald 1987: dies.: Narrative Surface and Authorial Voice in Herodotus' Histories. In: Arethusa 20 (1987), 147-170. Dewald 1990: dies.: Rezension von Hartog 1991: In: CPh 85 (1990), 2 1 7 - 2 2 4 . Dewald 1997: dies.: Wanton Kings, Pickled Heroes, and Gnomic Founding Fathers: Strategies of Meaning at the End of Herodotus's Histories. In: Classical Closure. Hrsg. v. D. H. Roberts, F. M. Dunn, D. Fowler. Princeton 1997, 6 2 - 8 2 . Dewald 1999: dies.: The Figured Stage: Focalizing the Initial Narratives of Herodotus and Thucydides. In: Contexualizing Classics. Essays in Honor of J.J. Peradotto. Hrsg. v. T. M. Falkner, Ν. Felson, D. Konstan. Lanham B o u l d e r / N e w Y o r k / O x f o r d 1999, 221-252. Dewald 2001: dies.: Rezension von Rood 1998. In: AJPh 122 (2001), 138-143. Dewald 2002: dies.: Ί didn't give my own genealogy': Herodotus and the authorial persona. In: Bakker / de Jong / van Wees 2002, 267-289. Dewald / Marincola 1987: C. Dewald / J. Marincola: A Selective Introduction of Herodotean Studies. In: Arethusa 20 (1987), 9^10. Dewald / Marincola 2006: dies.: The Cambridge Companion to Herodotus. Cambridge 2006. D ' H u y s 1990: V. D ' H u y s : Χρήσιμον και τ ε ρ π ν ό ν in Polybios' Schlachtschilderungen. Einige literarische Topoi in seiner Darstellung der Schlacht von Z a m a . In: Verdin / Schepens / De Keyser 1990, 267-288. Diaz-Tejera 1978: A. Diaz-Tejera: Concordancias terminologicas con "La Poetica" en la historia universal: Aristoteles y Polibio. In: Habis 9 (1978), 33^18. Dickey 1996: Ε. Dickey: Greek Forms of Address: from Herodotus to Lucian. Oxford 1996 Dickie 1976: M.W. Dickie: Thucydides, not Philistus. In: G R B S 17 (1976), 2 1 7 - 2 1 9 . Diels 1887: H. Diels: Herodot und Hekataios. In: Η 22 (1887), 411—444. Diener 1889: Ο. Diener. De sermone Thucydidis quatenus cum Herodoto congruens differat a scriptoribus Atticis. Diss. Leipzig 1889. Diesner 1956: H.-J. Diesner. Wirtschaft und Gesellschaft bei Thukydides. Halle ( a . d . Saale) 1956. Diesner 1959: ders.: Peisistratidenexkurs und Peisistratidenbild bei Thukydides. In: Historia 8 (1959), 12-22. (= Herter WdF, 531-545, danach zitiert). Dietzfelbinger 1934: E. Dietzfelbinger: Thukydides als politischer Denker. Diss. Erlangen 1934.

802

Literaturverzeichnis

Dihle 1962a: A. Dihle: Herodot und die Sophistik. In: Philologus 106 (1962), 207-220. Dihle 1962b: ders.: Aus Herodots Gedankenwelt. In: Gymnasium 69 (1962), 2 2 - 3 2 . Dik 1995: H. Dik: Word Order in Ancient Greek. A Pragmatic Account of Word Order Variation in Herodotus. Amsterdam 1995. Dik 1997: dies.: Interpreting Adjective Position in Herodotus. In: Bakker 1997a, 5 5 - 7 6 . Dillery 1996: J. Dillery: Reconfiguring the Past: Thyrea, Thermopylae and Narrative Patterns in Herodotus. In: AJPh 117 (1996), 2 1 7 - 2 5 4 . Dodds 1970: E. R. Dodds: Die Griechen und das Irrationale. Darmstadt 1970. (Dt. Übersetzung von: The Greeks and the Irrational, Berkeley / Los Angeles 1966). Donini 1964: G. Donini: Thuc. 7,42,3: Does Thucydides agree with Demosthenes' view? In: Η 92 (1964), 116-119. Dorati 2000: Μ. Dorati: Le storie di Erodoto: Etnografia e racconto. Pisa / Roma 2000. Dover 1953: K.J. Dover: La colonizzazione della Sicilia in Tucidide. In: Maia 6 (1953), 1-20. Dover 1954: ders.: Problems in Thucydides VI and VII. PCPhS Nr. 183 (N.S. Nr. 3), 1954/55, 4 - 1 4 . Dover 1973: ders.: Thucydides. Oxford 1973. Dover 1983: ders.: Thucydides ' A s History' and ' A s Literature'. In: H & T 22 (1983), 54-63. Dover 1988: ders.: Thucydides' Historical Judgement: Athens and Sicily. In: ders.: The Greeks and their Legacy, vol. 2, Oxford 1988, 7 4 - 8 2 . Dover 1997: ders.: The Evolution of Greek Prose Style. Oxford 1997. Dray 1971: W.H. Dray: On the Nature and Role of Narrative in Historiography. In: H & T 10(1971), 153-171. Dray 1989: ders.: Narrative and Historical Realism. In: Philosophy of History and Culture. L e i d e n / N e w York / Kopenhagen / Köln 1989, 131-163. Drexler 1972: ders.:Herodot-Studien. Hildesheim 1972. Drexler 1976: ders.:Thukydides-Studien. Hildesheim 1976. Dreyer 2002: B. Dreyer: Die Thrasykrates-Rede bei Polybios (11,4-6) und die Bezeichnung der „ O p f e r " im römisch-aitolischen Vertrag von 212 v. Chr. Zur inhaltlichen Ergänzung der Inschrift von Thyrrheion (Akarnanien) IG IX l 2 , 2 Nr. 241 = StVA III 536 vor der sog. Klausel a. In: ZPE 140 (2002), 3 3 - 3 9 . Drobig 1958: B. Drobig: Psychologie und Begrifflichkeit bei Thukydides, dargestellt an den Problemen seiner Furchtsynonyma. Diss. Masch. Bonn 1958. Drögemüller 1969: H.P. Drögemüller: Syrakus. Zur Topographie und Geschichte einer griechischen Stadt. Heidelberg 1969. Droysen 1977: J.G. Droysen: Historik. Vorlesungen über Enzyklopädie und Methodologie der Geschichte. Hrsg. v. R. Hübner. Darmstadt 7 1977. Eberhardt 1959: W. Eberhardt: Der Melierdialog und die Inschriften ATL A9 (IG I 2 63+) und IG I 2 97+. In: Historia 8 (1959), 284-314. Eco 1990: U. Eco: I limiti dell'interpretazione. Milano 1990. Eder 2002: W. Eder: Troizen-Inschrift. In: DNP, Bd. 12,1. Stuttgart / Weimar 2002, 870-871, s.v. Troizen-Inschrift. Edmunds 1975: L. Edmunds: Chance and Intelligence in Thucydides. Cambridge (Mass.) 1975. Edmunds 1993: ders.: Thucydides in the Act of Writing. In: Tradizione e innovazione nella cultura greca. Hrsg. v. R. Pretagostini. Rom 1993, 831-852. Egan 1978: K. Egan: Thucydides, Tragedian. In: Canary / Kozicki 1978, 6 3 - 9 2 .

Literaturverzeichnis

803

Egermann 1937: F. E g e r m a n n : N e u e Forschung zu T h u k y d i d e s (Methodenkapitel). In: D L Z 58 (1937), 1 4 7 1 - 8 0 und 1 5 0 3 - 1 5 0 9 . E g e r m a n n 1938: ders.: Das G e s c h i c h t s w e r k des Herodot. Sein Plan. In: N e u e Jahrbücher für Antike und deutsche Bildung 1 (1938), 1 9 1 - 1 9 7 und 2 3 9 - 2 5 4 . E g e r m a n n 1942: ders.: Die Geschichtsbetrachtung des T h u k y d i d e s . In: Das N e u e Bild der Antike 1 (1942), 2 7 2 - 3 0 2 . Egermann 1961: ders.: Z u m historiographischen Ziel des T h u k y d i d e s . In: Historia 10 (1961), 4 3 5 ^ 1 4 7 . Egermann 1962: ders.: Herodot - Sophokles. H o h e Arete. In: M a r g W d F , 2 4 9 - 2 5 5 . Egermann 1972: ders.: T h u k y d i d e s über die Art seiner Reden und über seine Darstellung der Kriegsgeschehnisse. In: Historia 21 (1972), 5 7 5 - 6 0 2 . E g e r m a n n 1983: ders.: Zu den G r u n d b e g r i f f e n der T h u k y d i d e i s c h e n Geschichtsschreibung. In: Historia Einzelschriften H. 4 0 (1983), 4 4 - 5 5 . Ehrenberg 1947: V. Ehrenberg: P o l y p r a g m o s y n e . Α Study in Greek Politics. In: J H S 6 7 (1947), 4 6 - 6 7 . Ehrhardt 1995: C . T . H . R . Ehrhardt: S p e e c h e s b e f o r e battle? In: Historia 44 (1995), 120-121. Ellis 1979: J.R. Ellis: Characters in the Sicilian Expedition. In: Q S 5 (1979), 3 9 - 6 9 . Elton 1967: G . R . Elton: T h e Practice of History. C a m b r i d g e 1967. Erbse 1951: Η. Erbse: Z u r Entstehung des polybianischen G e s c h i c h t s w e r k e s . In: R h M 9 4 ( 1 9 5 1 ) , 1 5 7 - 1 7 9 (= Stiewe / Holzberg 1982, 1 6 2 - 1 8 5 , d a n a c h zitiert). Erbse 1953: ders.: Über eine Eigenheit der thukydideischen Geschichtsbetrachtung. In: RhM 96 (1953), 3 8 - 6 2 (= Herter W d F , 3 1 7 - 3 4 3 , danach zitiert). Erbse 1956: ders.: Der erste Satz im W e r k e Herodots. In: Festschrift B r u n o Snell. M ü n c h e n 1956, 2 0 9 - 2 2 2 . Erbse 1961a: ders.: Z u r Geschichtsbetrachtung des T h u k y d i d e s . In: A & A 10 (1961), 19—43 (= Herter W d F , 5 9 4 - 6 1 9 , danach zitiert). Erbse 1961b: ders.: Tradition und Form im W e r k e Herodots. In: G y m n a s i u m 68 (1961), 239-257. Erbse 1969: ders.: Die politische Lehre des T h u k y d i d e s . In: G y m n a s i u m 76 (1969), 393^116. Erbse 1970: ders.: Über das Prooimion ( 1 , 1 - 2 3 ) des thukydideischen Geschichtswerkes. In: R h M 113 (1970), 4 3 - 6 9 . Erbse 1975: ders.: A r g o s und Melos im Fünften Buch des T h u k y d i d e s . In: W J A N . F . 1 (1975), 5 9 - 7 0 . Erbse 1977: ders.: Aristoteles über Tragödie und Geschichtsschreibuung (zum 9. Kapitel der ,Poetik'). In: B o n n e r Festgabe, J o h a n n e s Straub z u m 65. Geburtstag. B o n n 1977, 1 2 7 - 1 3 6 . Erbse 1979: ders.: A u s g e w ä h l t e Schriften zur Klassischen Philologie: Berlin / N e w York 1979. Erbse 1981: ders.: T h u k y d i d e s über die Ärzte A t h e n s (2,47,4^48,3). In: R h M 124 (1981), 2 9 - 4 1 . Erbse 1989a: ders.: Thukydides-Interpretationen. Berlin / N e w Y o r k 1989. Erbse 1989b: ders.: T h u k y d i d e s und Alkibiades. In: Festschrift für N i k o l a u s H i m m e l mann. Hrsg. v. H.-U. Cain, Ν . H i m m e l m a n n , Η. G a b e l m a n n , D. S a l z m a n n . M a i n z 1989, 2 3 1 - 2 3 5 . Erbse 1991: ders.: Fiktion und Wahrheit im W e r k e Herodots. Göttingen 1991. Erbse 1992: ders.: Studien z u m Verständnis Herodots. Berlin / N e w Y o r k 1992. Erbse 1995: d e r s . : ' I a - r o p ^ c άττόδεξις bei Herodot. In: Glotta 73 (1995), 6 4 - 6 7 .

804

Literaturverzeichnis

Erler 1997: Μ. Erler: Ideal und Geschichte. Die Rahmengespräche des Timaios und Kritias und Aristoteles' Poetik. In: Interpreting the Timaeus-Critias. Hrsg. v. T. Calvo u. L. Brissan. Sankt Augustin 1997, 83-98. Evans 1961: J.A.S. Evans: The Dream of Xerxes an the " N o m o i " of the Persians: In: CJ 5 7 ( 1 9 6 1 ) , 109-111. Evans 1979: ders.: Herodotus and Athens: the Evidence of the Encomium. In: AC 48 (1979), 112-118. Evans 1991: ders.: Herodotus, Explorer of the Past. Three Essays. Princeton N.J. 1991. Fauber 2001: C. M. Fauber: Hermocrates and Thucydides: Rhetoric, Policy, and the Speeches in Thucydides' History. In: ICS 26 (2001), 3 7 - 5 1 . Fehling 1971/1989: D. Fehling: Die Quellenangaben bei Herodot. Studien zur Erzählkunst Herodots. Berlin / N e w York 1971. (verbessert und erweitert in der engl. Fassung: Herodotus and His Sources: Citation, Invention and Narrative Art. Obers. v. J. G. Howie. Leeds 1989.) Finley 1947: J.H. Finley, Jr.: Thucydides. Cambridge (Mass.) 2 1947. Finley 1967: ders.: Three Essays on Thucydides. Cambridge (Mass.) 1967. Finley 1975: M.I. Finley: The Use and Abuse of History. Cambridge 1975. Finley 1984: ders.: Soziale Modelle zur Antiken Geschichte. In: HZ 239 (1984), 265-308. Fisher 2002: N. Fisher: Popular Morality in Herodotus. In: Bakker / de Jong / van Wees 2002, 199-224. Flaig 1992: E. Flaig: Den Kaiser herausfordern. Die Usurpation im Römischen Reich. Frankfurt / New York 1992. Flashar 1969: H. Flashar. Der Epitaphios des Thukydides. Heidelberg 1969. Flashar 1983: ders.: Ältere Akademie - Aristoteles - Peripatos (= Grundriß der Geschichte der Philosophie. Die Philosophie der Antike, Bd. 3. Basel / Stuttgart 1983.) Fliess 1966: P.J. Fliess: Thucydides and the Politics of Bipolarity. Louisiana 1966. Flory 1980: S. Flory: Who read Herodotus' Histories? In: AJPh 101 (1980), 12-28. Flory 1990: ders.: The Meaning ο ί τ ό μή μυθώδες (1,22,4) and the Usefulness of Thucydides' History. In: C Q 85 (1990), 193-208. Flower 1992: H. Flower: Thucydides and the Pylos Debate (4,27-29). In: Historia 41 (1992), 4 0 - 5 7 . Focke 1927: F. Focke: Herodot als Historiker. Tübinger Beiträge zur Altertumswissenschaft, Heft 1. Stuttgart 1927. Fohl 1913: H. Fohl: Tragische Kunst bei Herodot. Diss. Rostock 1913. Forde 1989: S. Forde: The Ambition to Rule. Alcibiades and the Politics of Imperialism in Thucydides. Ithaca / London 1989. Fornara 1968: C.W. Fornara: The "Tradition" about the Murder of Hipparchus: In: Historia 17(1968), 4 0 0 ^ 2 4 . Fornara 1971a: ders.: Herodotus. An Interpretative Essay. Oxford 1971. Fornara 1971b: ders.: Evidence for the date of Herodotus' Publication. In: JHS 91 (1971), 2 5 - 3 4 . Fornara 1983: ders.: The nature of History in ancient Greece and Rome. Berkeley / Los Angeles / London 1983. Fornara 1990: ders.: Human History and the Constraints of Fate in Herodotus. In: Conflict, Antithesis, and the Ancient Historian. Hrsg. W. Allison. Columbus 1990, 2 5 - 4 5 . Forrest 1966: W.G. Forrest: Rezension von Huber 1965. In: Gnomon 38 (1966),

Literaturverzeichnis

805

293-295. Forrest 1975: ders.: An Athenian generation gap. In: YC1S 24 (1975), 3 7 - 5 2 . Forrest 1979: ders.: Motivation in Herodotos: The Case of the Ionian Revolt. In: The International History Review 1 (1979), 311-322. Forrest 1984: ders.: Herodotos and Athens: In: Phoenix 38 (1984), 1 - 1 1 . Forsdyke 2001: S. Forsdyke: Athenian Democratic Ideology and Herodotus' Histories. In: AJPh 122 (2001), 329-358. Forsdyke 2002: dies.: Greek History, c. 525^180 BC. In: Bakker / de Jong / van Wees 2 0 0 2 , 5 2 1 - 5 4 9 . Forssmann 1873: T. Forssmann: De infinitivi temporum usu Thucydideo. Diss. Leipzig 1873. Fowler 2003: R. Fowler: Herodotus and Athens. In: Derow / Parker 2003, 305-318. Francis 1993: E.D. Francis: Brachylogia Laconica: Spartan Speeches in Thucydides. In: BICS 38 (1991-1993), 198-212. Frangoulidis 1993: S.A. Frangoulidis: A Pattern from H o m e r ' s Odyssey in the Sicilian Narrative of Thucydides. In: Q U C C 44,2 (1993), 9 5 - 1 0 2 . Frank 1984: D. H. Frank: The Power of Truth: Political Foresight in Thucydides' A c c o u n t of the Sicilian Expedition ( 6 , 3 2 - 4 2 ) . In: Prudentia 16 (1984), 99-107. Frankel 1924: Η. Frankel: Eine Stileigenheit der frühgriechischen Literatur. In: N G G 1924, 63-127. Auszüge in Marg WdF, 737-747, danach zitiert. Frankel 1969: ders.: Dichtung und Philosophie des frühen Griechentums. München 3 1969. Frassoni 2005: M. Frassoni: Una citazione soloniana in Erodoto (Hdt. 7.16 α 1). In: Prometheus 31 (2005), 2 2 9 - 2 4 2 . Frazier 2001: F. Frazier: L ' h o m m e face ä Taction. Quelques emplois de γ ν ώ μ η chez Thucydide. In: CCG 12 (2001), 3 3 - 6 7 . Frazier 2003: dies.: Quelques remarques autour des antonymes de demos chez Thucydide. In: K t e m a 2 8 (2003), 87-104. Freundlich 1987: R. Freundlich: Verbalsubstantive als Namen für Satzinhalte in der Sprache des Thukydides. Frankfurt a.M. 1987. Friedrichs 2000: J. Friedrichs: Aufschlußreiche Rhetorik. Ein Versuch über die Redekultur und ihren Verfall bei Thukydides. Würzburg 2000. Frisch 1968: P. Frisch: Die Träume bei Herodot. Meisenheim am Glan 1968. v. Fritz 1956: K. v. Fritz: Die Bedeutung des Aristoteles für die Geschichtsschreibung. In: Fondation Hardt, Entretiens 4 (1956), 85-145. v. Fritz 1962: ders.: Entstehung und Inhalt des neunten Kapitels von Aristoteles' Poetik. In: ders.: Antike und moderne Tragödie. Berlin 1962, 4 3 0 ^ 5 7 . v. Fritz 1967: K. v. Fritz: Die Griechische Geschichtsschreibung. Band 1. Berlin 1967. Frye 1957: N. Frye: Anatomy of Criticism: Four Essays. Princeton 1957. Fuä 1980: Ο. Fuä: La dignitä dell'anziano negli scrittori greci fino al IV secolo A.C. In: AIV 138 (1979-80), 397^114. Führer 1967: R. Führer: Formproblem-Untersuchungen zu den Reden in der frühgriechischen Lyrik. München 1967. Fuhrmann 1992: M. Fuhrmann: Dichtungstheorie der Antike. Aristoteles-Horaz,Longin'; eine Einführung. Darmstadt 2 1992. Fuhrmann 1995: ders.: Die antike Rhetorik: eine Einführung. Zürich 4 1995. Funke 1986: H. Funke. Poesia e storiografia. In: QS 23 (1986), 7 1 - 9 3 . Furley 1990: W.D. Furley: Natur und Gewalt - die Gewalt der Natur. Zur Rolle der

806

Literaturverzeichnis

Natur und der Landschaft bei Thukydides. In: Ktema 15 (1990), 173-182. Gaiser 1975: K. Gaiser: Das Staatsmodell des Thukydides. Zur Rede des Perikles für die Gefallenen. Heidelberg 1975. Garrity 1998: T.F. Garrity: Thucydides 1,22,1: Content and Form in the Speeches. In: AJPh 119(1998), 361-384. Gärtner 1983: H.A. Gärtner: Les reves de Xerxes et d'Artabane chez Herodote. In: Ktema 8 (1983), 11-18. Gärtner 2000: T. Gärtner: Die Furcht der Oligarchen (Thuk. 6,36,1 f.). In: Eikasmos 11 (2000), 121-124. Gärtner 2003: ders.: Eine mißverstandene Versetzung Rauchensteins im Thukydidestext (6,1 l,4f.). In: Eikasmos 14 (2003), 87-90. Gärtner 2004: ders.: Die Mytilene-Debatte im thukydideischen Geschichtswerk. In: Gymnasium 111 (2004), 225-245. Gehrke 1993: H.-J. Gehrke: Thukydides und die Rekonstruktion des Historischen. In: A & A 39 (1993), 1-19. Geizer 1955: Μ. Geizer: Die Pragmatische Geschichtsschreibung des Polybios. In: Festschrift C. Weickert, Berlin 1955, 87-91 (= Stiewe / Holzberg 1982, 273-280, danach zitiert). Genette 1972: G. Genette: Discours du recit. Essai de methode. In: Figures III, Paris 1972, 67-282. Genette 1998: ders.: Die Erzählung. München 2 1998. Gentiii 1983: B. Gentiii: P o e s i a e pubblico nella Grecia antica. Bari 1983. Gentiii / Cerri 1973: B. Gentiii, G. Cerri: Strutture comunicative del discorso storico nel pensiero storiografico dei Greci. In: II Verri, Giugno 1973, 5 3 - 7 8 . Germain 1956: G. Germain: Le songe de Xerxes et le rite babylonien du Substitut royal. (Etude sur Herodote 7,12-18). In: REG 69 (1956), 303-313. Gervasi 1981: R.A. Gervasi: The Concept of Elpis in Thucydides. Diss. Columbus (Ohio) 1981. Gigante 1951: M. Gigante: Die Krise des Polybios, Übers, von Lacrisi di Polibio. In: PP 6 (1951), 3 3 - 5 3 (= Stiewe / Holzberg 1982, 114-139, danach zitiert). Gigante 1962: ders.: Herodot, der erste Historiker des Abendlandes. In: Marg WdF, 259-281. Gilula 2003: D. Gilula: Textual and Historical Problems. In: Derow / Parker 2003, 73-87. Ginzburg 2001: C. Ginzburg: Die Wahrheit der Geschichte. Rhetorik und Beweis. Berlin 2001. Giovannini 1943: G. Giovannini: The Connection between Tragedy and History in Ancient Criticism. In: PhQ 22 (1943), 3 0 8 - 3 1 4 . Golan 1976: D. Golan: Some Comments on Thucydides 1,20-23. In: SCI 3 (1976/77), 1-7. Goldscheider 1963: K. Goldscheider: Die Darstellung des Themistokles bei Herodot. Diss. Freiburg 1963 (= Freiburg 1965). G o m m e 1937: A.W. G o m m e : The speeches in Thucydides. In: ders.: Essays in Greek History and Literature. N e w York 2 1967 (= 1 1937), 156-189. G o m m e 1954: ders.: The Greek Attitude to Poetry and History. Berkeley / Los Angeles 1954. (S. 7 3 - 1 1 5 nach Marg WdF, 2 0 2 - 2 4 8 zitiert). G o m m e 1962: ders.: Thucydides and Fourth-Century Political Thought. In: More Essays in Greek History and Literature. Oxford 1962, 122-138. Gommel 1966: J. Gommel: Rhetorisches Argumentieren bei Thukydides. Hildesheim

Literaturverzeichnis

807

1966. Gomperz 1912: Η. Gomperz: Sophistik und Rhetorik. Das Bildungsideal des ευ λ ε γ ε ί ν in seinem Verhältnis zur Philosophie des 5. Jh. Leipzig / Berlin 1912. Görgemanns 1977: H. Görgemanns: Macht und Moral. Thukydides und die Psychologie der Macht. In: Spielarten der Macht. Humanistische Bildung. Hrsg. von E. Olshausen.Stuttgart Η. 1 (1977), 6 4 - 9 3 . Gossman 1978: L. Gossman: History and Literature. Reproduction or Signification. In: Canary / Kozicki 1978, 3 - 3 9 . Gossman 1990: ders.: Between History and Literature. Cambridge (Mass.) / London 1990. Gottlieb 1963: G. Gottlieb: Das Verhältnis der außerherodoteischen Überlieferung zu Herodot. Diss. Frankfurt a.M. 1963. Gould 1989: J. Gould. Herodotus. New York 1989. Gould 1994: ders.: Herodotus and Religion. In: Greek Historiography. Hrsg. von S. Hornblower. Oxford 1994, 9 1 - 1 0 6 . Graf 2000: F. Graf: Der Mysterienprozeß. In: Große Prozesse im antiken Athen. Hrsg. v. L. Burckhardt u. J. von Ungern-Sternberg. München 2000, 114-127. Grafton 1997: A. Grafton: The Footnote. A curious history. London 1997. Graham 1996: A.J. Graham: Themistocles' speech before Salamis: the interpretation of Herodotus 8,83,1. In: C Q N . S . 46 (1996), 321-326. Grant 1974: J.R. Grant: Toward knowing Thucydides. In: Phoenix 28 (1974), 81-94. Gray 1987: V. Gray: Mimesis in Greek Historical Theory. In: AJPh 108 (1987), 467-486. Gray 2001: dies.: Herodotus' Literary and Historical Method: Arion's Story (1,23-24). In: AJPh 122 (2001), 11-28. Gray 2002: dies.: Short Stories in Herodotus' Histories. In: Bakker / de Jong / van Wees 2002, 2 9 1 - 3 1 7 . Greimas 1973: A.J. Greimas: Sur l'Histoire Evenementielle et l'Historie Fondamentale. In: Geschichte - Ereignis und Erzählung (Poetik u. Hermeneutik 5). Hrsg. v. R. Koselleck u. W.D. Stempel. München 1973, 139-153. Grene 1950: D. Grene: Man in His Pride: Α Study in the Political Philosophy of Thucydides and Plato. Chicago 1950. Grethlein 2004: J. Grethlein: Logogräphos und Thuc. 1,21,1. In: Prometheus 30 (2004), 209-216. Grethlein 2006: ders.: The Manifold Uses of the Epic Past: The Embassy Scene in Herodotus 7,153-63. In: AJPh 127 (2006), 4 8 5 - 5 0 9 . Gribble 1998: D. Gribble: Narrator Interventions in Thucydides. In: J H S 118 (1998), 41-67. Gribble 1999: ders.: Alcibiades and Athens. A Study in Literary Presentation. Oxford 1999. Griffin 1990: J. Griffin: Die Ursprünge der Historien Herodots: In: Palingenesia 32 (Festschrift C.J. Classen). Hrsg. v. W. Ax. Stuttgart 1990, 5 1 - 8 2 . v. Groningen 1958: Β. A. van Groningen: La composition litteraire archaique grecque. Precedes et realisations. Amsterdam 1958. Großkinsky 1936: Α. Großkinsky: Das Programm des Thukydides. Neue dt. Forschungen 68 = Abteilung für Klassische Philologie 3. Berlin 1936. Grossmann 1950: G. Grossmann: Politische Schlagwörter aus der Zeit des Peloponnesischen Krieges. Inaugural-Diss. Basel 1950. Grosso 1966: F. Grosso: Ermocrate di Siracusa. In: Kokalos 12 (1966), 102-143.

808

Literaturverzeichnis

Grube 1950: G.M.A. Grube: Dionysius of Halicarnassus on Thucydides. In: Phoenix 4 (1950), 95-110. Gundert 1940: H. Gundert: Athen und Sparta in den Reden des Thukydides. In: Die Antike 16 (1940), 9 8 - 1 1 4 (= Herter WdF, 114-134, danach zitiert). Guthrie 1971: W.K.C. Guthrie: The Sophists. Cambridge 1971. v. Haehling 1993: R. v. Haehling: Furcht und Schrecken in Herodots Darstellung und Deutung der Perserkriege. In: Klio 75 (1993), 8 5 - 9 8 . Hagel 1968: D. Hagel: Das zweite Prooimion des herodotischen Geschichtswerkes. (Zu Hdt. 7,8-18). Diss. Erlangen-Nürnberg 1968. Haible 1963: F. Haible: Herodot und die Wahrheit. Diss. Tübingen 1963. Halkin 1973: L.-E. Halkin: Initiation ä la critique historique. Cahiers des Annales 6. Paris 1973. Hall 1997: J.M. Hall: Ethnic identity in Greek antiquity. Cambridge 1997. Halliwell 2001: S. Halliwell: Aristotelian Mimesis and Human Understanding. In: Making Sense of Aristotle. Essays in Poetics, ed. O. Anderson. London 2001, 87-107. Hammond 1955: N.G.L. Hammond: Studies in Greek Chronology of the Sixth and the Fifth Centuries B.C. In: Historia 4 (1955), 371^111. Hammond 1973: ders.: The Particular and the Universal in the Speeches in Thucydides with Special Reference to that of Hermocrates at Gela. In: Städter 1973, 49-59. Hammond 1982: ders.: The Narration of Herodotus vii and the Decree of Themistocles o f T r o i z e n : In: JHS 102 (1982), 7 5 - 9 3 . Hampl 1975: F. Hampl: Herodot. Ein kritischer Forschungsbericht nach methodischen Gesichtspunkten. In: G B 4 (1975), 9 7 - 1 3 6 . Hansen 1993: M.H. Hansen: The Battle Exhortation in Ancient Historiography. Fact or Fiction? In: Historia 42 (1993), 161-180. Harding 1973: H.F. Harding: The Speeches of Thucydides. With a General Introduction for the Main Speeches and the Military Harangues. Lawrence, Kansas 1973. Harrison 1937: A.R.W. Harrison: Thucydides 1,22. In: CR 51 (1937), 6 - 7 . Harrison 2000a: T. Harrison: Divinity and History. The Religion of Herodotus. Oxford 2000. Harrison 2000b: ders.: Sicily in the Athenian Imagination. In: Sicily from Aeneas to Augustus. New Approaches in Archaeology and History. Hrsg. v. C. Smith u. J. Serrati. Edinburgh 2000, 8 4 - 9 6 . Harrison 2001: ders.: Texts, Ideas, and the Classics. Scholarship, Theory, and Classical Literature. Oxford 2001. Harrison 2002: ders.: The Persian Invasions. In: Bakker / de Jong / van Wees 2002, 551-578. Harrison 2002: ders.: 'Prophecy in Reverse'? Herodotus and the Origins of History. In: Derow / Parker 2003, 237-255. Hart 1982: J. Hart: Herodotus and Greek history. London & Canberra 1982. Hartog 1982: F. Hartog: L'oeil de Thucydide et I'histoire veritable. In: Poetique 49 (1982), 2 2 - 3 0 . Hartog 1991: ders.: Le miroir d'Herodote. Essai sur la representation de I'autre. Mayenne 2 1991. Hatzfeld 1940: J. Hatzfeld: Alcibiade. Etude sur I'histoire d'Athenes ä la fin du V e siecle. Paris 1940. Heath 1986: M. Heath: Thucydides 1,23,5-6. In: LCM 11 (1986), 104-105.

Literaturverzeichnis

809

Heath 1990: ders.: Justice in Thucydides' Athenian Speeches. In: Historia 39 (1990), 385—400. Hedrick 1993: C.W. Hedrick Jr.: The Meaning of Material Culture: Herodotus, Thucydides and Their Sources. In: Nomodeiktes, Greek Studies in Honor of M. Ostwald. Michigan 1993, 17-37. Hehn 1951: V. Hehn: Über die Authenticität der Reden des Thukydides. Ca. 1845 Leipzig. In: Aus Victor Hehns Nachlaß. Abh. Akad. Mainz 9 (1951, hrsg. v. K. Deichgräber), 793-804. Heinimann 1945: F. Heinimann: Nomos und Physis. Basel 1945. Heitsch 1996: E. Heitsch: Geschichte und Situation bei Thukydides. Beiträge zur Altertumskunde, Bd. 71. Stuttgart / Leipzig 1996. Hellmann 1934: F. Hellmann: Geschichte und Schicksal bei Herodot. In: F. Hellmann: Der Kroisos-Logos. Berlin 1934, 116-119 (= Marg WdF, 53-56). Hemmerdinger 1948: B. Hemmerdinger: La division en livres de l'oeuvre de Thucydide. In: REG 61 (1948), 104-117. Heni 1977: R. Heni: Die Gespräche bei Herodot. Diss. Heidelberg 1977. Henning 1980: H.C. Henning: Erklären - Verstehen - Erzählen. In: Theorien in der Geschichtswissenschaft. Hrsg v. J. Rüsen u. H. Süssmuth. Düsseldorf 1980, 60-78. Henry 1992: A. Henry: Through a Laser Beam Darkly. Space-age-Technology and The Egesta Decree (IG I3 11). In: ZPE 91 (1992), 137-146. Henry 1995: ders.: Pour encourager les autres: Athens and Egesta encore. In: CQ N.S. 45 (1995), 237-240. Herbst 1879: L. Herbst: Jahresberichte. Thukydides. In: Philologus 38 (1879), 503-584. Hermes 1951: E. Hermes: Die Xerxesgestalt bei Herodot. Diss. Kiel 1951. Herrmann 1967: J. Herrmann: Nomos bei Herodot und Thukydides. In: Gedächtnisschrift Hans Peters. Berlin 1967, 116-124. Herter WdF: H. Herter: Thukydides. Wege der Forschung 98. Darmstadt 1968. Herter 1950: ders.: Freiheit und Gebundenheit des Staatsmannes bei Thukydides. In: Rh Μ 93 (1950), 133-153 (= Herter WdF, 260-281, danach zitiert). Herter 1954: ders.: Pylos und Melos. Ein Beitrag zur Thukydides-Interpretation. In: Rh Μ 97 (1954), 316-343 (= Herter WdF, 369-399, danach zitiert). Herter 1976: ders.: Thukydides und Demokrit über Tyche. In: WS N.F. 10 (1976), 106-128. Heubeck 1980: A. Heubeck: Πρόφασίς und kein Ende (zu Thuk 1,23). In: Glotta 58 (1980), 222-236. Hignett 1963: C. Hignett: Xerxes' Invasion of Greece. Oxford 1963. Hinrichs 1981: F.T. Hinrichs: Hermokrates bei Thukydides. In: Η 109 (1981), 46-59. Hirzel 1895: R. Hirzel: Der Dialog. 2 Bde., Leipzig 1895. Hogan 1989: J.T. Hogan: The decline of logos in Thucydides' Athenian Speeches. Diss. North Carolina at Chapel Hill 1989. Ann Arbor 1991. Hohti 1974: P. Hohti: Freedom of Speech in Speech Sections in the Histories of Herodotus. In: Arctos 8 (1974), 19-27. Hohti 1975: ders.: Über die Notwendigkeit bei Herodot: In: Arctos 9 (1975), 31-37. Hohti 1976a: ders.: Die Schuldfrage der Perserkriege in Herodots Geschichtswerk. In: Arctos 10(1976), 37^18. Hohti 1976b: ders.: The Interrelation of Speech and Action in the Histories of Herodotus. In: Commentationes Humanarum Litterarum, Societas Scientiarum Fennica 57, Helsinki 1976.

810

Literaturverzeichnis

Hölkeskamp 1998: K.-J. Hölkeskamp: Zwischen Agon und Argumentation. Rede und Redner in der archaischen Polis. In: Rede und Redner - Bewertung und Darstellung in den antiken Kulturen: Kolloquium Frankfurt a.M., 14.-16. Oktober 1998. Hrsg. v. Chr. Neumeister u. W. Raeck. Möhnensee, Bibliopolis Autumn 2000, 3, 17^13. Hollmann 2000: A. Hollmann: Epos as Authoritative Speech in Herodotus' Histories. In: HSPh 100 (2000), 207-225. Hommel 1981: H. Hommel: Herodots Einleitungssatz: ein Schlüssel zur Analyse des Gesamtwerks? In: Gnomosyne: Festschrift fur W. Marg zum 70. Geburtstag. Hrsg. v. G. Kurz, D. Müller, W. Nicolai. M ü n c h e n 1981, 271-287. Horn 1988: H.-J. Horn: Zum neunten Kapitel der aristotelischen Poetik. In: RhM 131 (1988), 113-136. Hornblower 1987: S.H. Hornblower: Thucydides. London 1987. Hornblower 1992: ders.: Thucydides' Use of Herodotus. In: Philolakon: Lakonian studies in honour of Hector Catling. Hrsg. v. J.Μ. Sanders. London 1992, 141-154. Hornblower 1994: ders.: Narratology and Narrative Techniques in Thucydides. In: Greek Historiography. Hrsg. von S. Hornblower. Oxford 1994, 131-166. Hornblower 1995: ders.: The Forth-Century and Hellenistic Reception o f T h u c y d i d e s . In: J H S 115 (1995), 4 7 - 6 8 . Hornblower 2001: ders.: Epic and Epiphanies: Herodotus and the "New Simonides". In: Boedeker/Sider 2001, 135-147. Hornblower 2002: ders.: Herodotus and his Sources of Information. In: Bakker / de Jong / van Wees 2002, 3 7 3 - 3 8 6 . Hornblower 2003: ders.: Panionios of Chios and Hermotimos of Pedasa (Hdt. 8,104-6). In: Derow / Parker 2003, 3 7 - 5 7 . Hose 2004: M. Hose: A m Anfang war die Lüge? Herodot, der „Vater der Geschichtsschreibung". In: Große Texte alter Kulturen. Literarische Reise von Gizeh nach Rom. Hrsg. v. M. Hose. Darmstadt 2004, 153-174. Howald 1923: E. Howald: Ionische Geschichtsschreibung. In: Η 58 (1923), 113-146. Howald 1944: ders.: Vom Geist antiker Geschichtsschreibung. München / Berlin 1944. Huart 1968: P. Huart: Le vocabulaire de l'analyse psychologique dans l'oeuvre de Thucydide. Etudes et Commentaires 69. Paris 1968. Huart 1973: ders.: ΓΝΩΜΗ chez Thucydide et ses contemporains. Etudes et Commentaires LXXXI. Paris 1973. Huber 1965a: L. Huber: Religiöse und politische Beweggründe des Handelns in der Geschichtsschreibung des Herodot. Diss. Tübingen 1965. Huber 1965b: ders.: Herodots Homerverständnis. In: Synusia. Festgabe für W. Schadewaldt zum 15.3.1965. Hrsg. v. H. Flashar u. K. Gaiser. Pfullingen 1965, 29-52. Hudson-Williams 1948: H.L. Hudson-Williams: Thucydides, Isocrates and the Rhetorical Method of Composition. In: C Q 42 (1948), 7 6 - 8 1 . Humphreys 1987: S. Humphreys: Law, Custom and Culture in Herodotus: In: Arethusa 20 (1987), 2 1 1 - 2 2 0 . Hunter 1973: V. Hunter: Thucydides the Artful Reporter. Toronto 1973. Hunter 1977: dies.: The composition o f T h u c y d i d e s ' History. A new Answer to the Problem. In: Historia 26 (1977), 269-294. Hunter 1982: dies.: Past and Process in Herodotus and Thucydides. Princeton 1982.

Literaturverzeichnis

811

Hunter 1986: dies.: Thucydides, Gorgias and the Masspsychology. In: Η 114 (1986), 412^129. Hunter 1988: dies.: Thucydides and the Sociology of Crowd. In: CJ 84 (1988), 17-30. Hussey 1985: E.L. Hussey: Thucydidean History and Democritean Theory. In: Crux: Essays in Greek History presented to G.E.M. de Ste. Croix on his 75th birthday. Hrsg. v. P.A. Cartledge u. F.D. Harvey. London 1985, 118-138. Iggers 1995: G.G. Iggers: Zur „linguistischen Wende" im Geschichtsdenken und in der Geschichtsschreibung. In: Geschichte und Gesellschaft 21 (1995), 557-570. Iggers 2000: ders.: Geschichtstheorie zwischen postmoderner Philosophie und geschichtswissenschaftlicher Praxis. In: Geschichte und Gesellschaft 26 (2000), 335-346. Iglesias Zoido 1989: J.C. Iglesias Zoido: Acercamiento al la polemica sobre Tucidides 1,22,1. In: Anuario de estudios filologicos 12 (1989), 125-132. Iglesias Zoido 1995: ders.: La argomentacion en los discursos deliberativos de Tucidides y su relacion con la normativa retorica del siglo IV. Diss. Univ. de Extremadura 1995. (=Anejos del Anuario de Estudios Filologicos 13). Iglesias Zoido 2000: ders.: ^Se pronunciaron realmente las arengas de Tucidides? El testimonio de Th. VII, 6 1 - 7 0 . In: Athenaeum 88 (2000), 515-528. Immerwahr 1954: H.R. Immerwahr: Tat und Geschichte bei Herodot. In: Marg WdF, 497-540. Immerwahr 1960: ders.: Ergon: History as a Monument in Herodotus and Thucydides. In: AJPh 81 (1960), 2 6 1 - 2 9 0 . Immerwahr 1966: ders.: Form and thought in Herodotus. Cleveland 1966. Immerwahr 1973: ders.: Pathology of Power and the Speeches in Thucydides. In: Städter 1973, 16-31. Immerwahr 1985: ders.: Common Elements of Fifth-Century Historiography. In: Cambridge History of Classical Literature. Hrsg. v. P.E. Easterling u. B.M.W. Knox. Cambridge 1985, 456^158. Iser 1972: W. Iser: Der implizite Leser. München 1972. Jacoby 1913: F. Jacoby: Herodot. In: RE, Suppl. 2, Sp. 2 0 5 - 5 2 0 . 1913. Jaeger 1934: W. Jaeger: Thukydides als politischer Denker. In: Paideia B d . l , Berlin / Leipzig 1934, 4 7 9 - 5 1 3 . Jaeger 1939: ders.: Demosthenes. Der Staatsmann und sein Werden. Berlin 1939. Janssens 1998: Janssens: Thucydide I 23 ou la demystification de la guerre. In: AncSoc 29 (1998-1999), 5 - 1 9 . Jauß 1982: H.R. Jauß: Der Gebrauch der Fiktion in Formen der Anschauung und Darstellung der Geschichte. In: Koselleck / Lutz / Rüsen 1982,415^151. Jebb 1880: R.C. Jebb: The Speeches of Thucydides. In: Harding 1973, 2 2 3 - 3 0 9 . Reprint aus: Hellenica: A collection of Essays on Greek Poetry, Philosophy, History, and Religion. Hrsg. von E. Abbott. Oxford und C a m b r i d g e 1880, 266-323. Jenkins 1995: K. Jenkins: On 'What is History?' From Carr and Elton to Rorty and White. London / N e w York 1995. Johnson 2001: D.M. Johnson: Herodotus' Storytelling Speeches: Socles (5,92) and Leotychides (6,86). In: CJ 97 (2001), 1 - 2 6 . Jordan 1985: B. Jordan: Rezension von Kagan 1981. In: CPh 80 (1985), 7 4 - 7 8 . Jordan 1986: ders.: Religion in Thucydides. In: T A P h A 116 (1986), 119-147. Jordan 2000: ders.: The Sicilian expedition was a Potemkin fleet. In: C Q N.S. 50 (2000), 6 3 - 7 9 .

812

Literaturverzeichnis

Jouanna 1980: J. Jouanna: Politique et medecine: La problematique du changement dans le R e g i m e des maladies aigues et chez T h u c y d i d e (livre vi). In: Hippocratica. A c t e s du colloque hipp. Paris 4 - 9 . 9 . 1978. Hrsg. v. M.D. Grmek. Paris 1980, 299-318. Jung 1991: V. Jung: Thukydides und die Dichtung. Frankfurt a.M. / Bern / N e w York / Paris 1991. Kagan 1975: D. Kagan: The speeches in Thucydides and the Mytilean Debate. In: YC1S 24(1975), 71-94. Kagan 1981: ders.: The Peace o f N i c i a s and the Sicilian Expedition. Ithaca / London 1981. Kaibel 1893: G. Kaibel: Stil und Text der Π Ο Λ Ι Τ Ε Ι Α ΑΘΗΝΑΙΩΝ des Aristoteles. Berlin 1893. Kallet-Marx 2001: L. Kallet-Marx: Money and the corrosion of power in Thucydides: the Sicilian expedition and its aftermath. Berkeley 2001. Kapp 1930: Ε. Kapp: Rezension von Schadewaldt 1929. In: Gnomon 6 (1930), 76-100. Kazazis 1978: J.N. Kazazis: Herodotus' Stories and History: A Proppian Analysis of his Narrative Technique. Diss. Urbana-Champaign (Illinois) 1978. Kellner 1987: Η. Kellner: Narrativity in History: Post-Structuralism and Since. In: H & T Beiheft 26 (1987), 1 - 2 9 . Kennedy 1963: G. Kennedy: The Art of Persuasion in Greece. Princeton N.J. 1963. Kerferd 1981: G.B. Kerferd: The sophistic movement. Cambridge 1981. Kerferd / Flashar 1998: G.B. Kerferd u. H. Flashar: Die Sophistik: In: Grundriß der Geschichte der Philosophie. Band 2,1. Hrsg. v. H. Flashar. Basel 1998. Kern 1989: P.B. Kern: The Turning Point in the Sicilian Expedition. In: CB 65 (1989), 77-82. Kessels 1978: A.H.M. Kessels: Studies on the Dream in Greek Literature. Utrecht 1978. Keßler 1982: Ε. Keßler: Das rhetorische Modell der Historiographie. In: Koselleck/ Lutz/Rüsen 1982,37-85. Kiechle 1963: F. Kiechle: Ursprung und Wirkung der machtpolitischen Theorien im Geschichtswerk des Thukydides. In: Gymnasium 70 (1963), 2 8 9 - 3 1 2 . Kinzl 1973: K.H. Kinzl: Zu Thukydides über die Peisistratiden: In: Historia 22 (1973), 504-507. Kirby 1983: J.T. Kirby: Narrative Structure and Technique in Thucydides vi-vii. In: C l A n t 2 (1983), 183-211. Kirchberg 1965: J. Kirchberg: Die Funktion der Orakel im Werke Herodots. Göttingen 1965. Kirkwood 1952: G.M. Kirkwood: Thucydides' Words for "Cause". In: AJPh 73 (1952), 37-61. Kirkwood 1986: G. Kirkwood: From Melos to Colonus: Τ ί ν α ς χώρους ... ά φ ί γ μ ε θ ' . . . In: TAPhA 116(1986), 9 9 - 1 1 7 . Kitto 1966: H.D.F. Kitto: Poiesis. Structure and Thought. Berkeley / Los Angeles 1966. Kleber 1890: P. Kleber: De genere dicendi Herodoteo quaestiones selectae. Diss. Löwenberg 1899. Kleinknecht 1940: H. Kleinknecht: Herodot und Athen 7 , 1 3 9 / 8 , 140-144. In: Η 75 (1940), 241-264. (= Marg WdF, 541-573, danach zitiert). Kleinlogel 1990: A. Kleinlogel: Mythos, Rede und Fiktion im Geschichtswerk des Thukydides. In: Mythos: Erzählende Weltdeutung im Spannungsfeld von Ritual, Geschichte und Rationalität. Hrsg. v. G. Binder u. B. Effe. Trier 1990

Literaturverzeichnis

813

(= BAC 2), 188-204. Kocka 1984: J. Kocka: Zurück zur Erzählung? Plädoyer für historische Argumentation. In: Geschichte und Gesellschaft 10 (1984), 395^108. Kocka / Nipperdey 1979: J. Kocka / T . Nipperdey: Theorie und Erzählung in der Geschichte. (= Theorie der Geschichte, Bd. 4). München 1979. Koenen 1993: L. Koenen: Der erste Satz bei Heraklit und Herodot. In: ZPE 97 (1993), 95-96. Kohl 1977: W. Kohl: Die Redetrias vor der sizilischen Expedition (Thukydides 6,9-23). Meisenheim am Glan 1977 (= Beiträge zur Klass. Philol. 91). Köhnken 1988: A. Köhnken: Der dritte Traum des Xerxes bei Herodot. In: Η 116(1988), 2 4 ^ 0 . Köhnken 1995: ders.: Antike und moderne Thukydideskritik (Der Redensatz Thuk. 1,22,1 in seinem Kontext). In: Offenheit und Interesse, Studien zum 65. Geburtstag v. G. Wirth. Hrsg. v. R. Kinsky. Amsterdam 1993, 5 - 3 0 . Kolmer / Rob-Santer 2002: L. Kolmer / C. Rob-Santer: Studienbuch Rhetorik. Paderborn / München / Wien / Zürich 2002. Konstan 1987: D. Konstan: Persians, Greeks and Empire. In: Arethusa 20 (1987), 59-73. Kopff 1976: E.G. Kopff: Thuc. 7,42,3. An Unrecognized Fragment of Philistus. In: G R B S 17(1976), 2 3 - 3 0 . Koselleck / Lutz / Rüsen 1982: R. Koselleck / H. Lutz / J. Rüsen: Formen der Geschichtsschreibung (= Theorie der Geschichte, Bd. 4). München 1982. Kraus 1999: C. S. Kraus (Hrsg.): The Limits of Historiography. Genre and Narrative in Ancient Historical Texts. Leiden / Boston / Köln 1999. Krischer 1965: T. Krischen Herodots Prooimion. In: Η 93 (1965), 159-167. Krischer 1974: ders.: Herodots Schlußkapitel, seine Topik, seine Quellen. In: Eranos 72 (1974), 9 3 - 1 0 0 . Kuch 1995: H. Kuch: Narrative Strategie bei Herodot. In: Eikasmos 6 (1995), 5 7 - 6 5 . Kurz 1970: D. Kurz: ΑΚΡΙΒΕΙΑ. Das Ideal der Exaktheit bei den Griechen bis Aristoteles. Göppinger akademische Beiträge Nr. 8. Göppingen 1970. Kyrkos 1971: B.A. Kyrkos: Der tragische Mythos und die Geschichte bei Aristoteles. In: Philosophia 1 (1971), 3 1 5 - 3 3 8 . Labuske 1977: H. Labuske: Zur geschichtsphilosophischen Konzeption des Polybios. In: Klio 5 9 ( 1 9 7 7 ) , 4 0 3 ^ 1 5 . Lachenaud 1978: G. Lachenaud: Mythologies, Religion et Philosophie de l'histoire dans Herodote. Lille / Paris 1978. (= Diss. Paris 1976). Laffi 1970: U. Laffi: La spedizione ateniese in Sicilia 415 a. C. In: Riv. Storica Italiana 82 (1970), 277-307. Laize 1999: H. Laize: Aristote. Poetique. Paris 1999. Lämmert 1955: E. Lämmert: Bauformen der Erzählens. Stuttgart 7 1980 (= 1 1955). Landmann 1932: G.P. Landmann: Eine Rede des Thukydides. Die Friedensermahnung des Hermokrates. Diss. Basel 1932. Lang 1955: M.L. Lang: The Murder of Hipparchus. In: Historia 3 (1955), 395-407. Lang 1984: dies.: Herodotean narrative and discourse. Cambridge Mass. 1984. Lang 1995: dies.: Participial Motivation in Thucydides. In: Mnemosyne 48,1 (1995), 48-65. Lang 1999: dies.: The Thucydidean Tetralogy (1.67-88). In: C Q N.S. 4 (1999), 326-329. Lang 2002: dies.: Thucydidean Thought. In: Mnemosyne 55,2 (2002), 2 0 0 - 2 0 3 .

814

Literaturverzeichnis

Lanser 1981: S.S. Lanser: The Narrative Act. Point o f V i e w in Prose Fiction. Princeton 1981. Larivalle 1974: P. Larivalle: L'analyse (morpho)logique du recit. In: Poetique 19 (1974), 368-388. Larrain 1987: C.J. Larrain: Struktur der Reden in der Odyssee 1 - 8 . Hildesheim / Zürich / N e w York 1987. Latacz 1975: J. Latacz: Zur Forschungsarbeit an den direkten Reden bei Homer (1850— 1970). Ein kritischer Literatur-Überblick. In: G B 3 (1975), 3 9 5 ^ 2 2 . Latacz 1977: ders.: Kampfparänese, Kampfdarstellung und Kampfwirklichkeit in der I lias, bei Kallinos und Tyrtaios. München 1977. Latacz 1980: ders.: Die rätselhafte ,Große Bewegung'. Zum Eingang des Thukydi deischen Geschichtswerks. In: WJA N.F. 6a (1980, Festschrift f. H. Erbse), 77-99. Latacz 1994: ders.: Funktionen des Traumes in der antiken Literatur. In: Der Traum als universales Phänomen. In: ders: Erschließung der Antike. (= Kleine Schriften). Stuttgart / Leipzig 1994, 4 4 7 - 4 6 7 . Latacz 1993: ders.: Einführung in die griechische Tragödie. Göttingen 1993. 2 2003. Latacz 1998: ders.: Die griechische Literatur in Text und Darstellung. Bd. 1. Archaische Periode. (Hrsg. sowie eingeleitet, übersetzt und kommentiert.) Stuttgart 2 1998. Latacz 2003: ders.: Homer. Der erste Dichter des Abendlandes. Düsseldorf / Zürich 4 2003. Lateiner 1977a: D. Lateiner: N o Laughing Matter: A Literary Tactic in Herodotus. In: T A P h A 107(1977), 173-182. Lateiner 1977b: ders.: Pathos in Thucydides. In: Antichthon 11 (1977), 4 2 - 5 1 . Lateiner 1985a: ders.: Limit, Propriety, and Transgression in the Histories of Herodotus. In: The Greek Historians. Literature and History. Papers presented to A.E. Raubitschek. Saratoga 1985, 87-100. Lateiner 1985b: ders.: Polaritä: il principio della differenza complementare. In: QS 22 (1985), 79-103. Lateiner 1985c: ders.: Nicias' Inadequate Encouragement (Thuc. 7,69,2): In: CPh 80 (1985), 2 0 1 - 2 1 3 . Lateiner 1985d: ders.: Rezension von Hunter 1982. In: CPh 80 (1985), 6 9 - 7 4 . Lateiner 1986: ders.: The Empirical Element in the Methods of Early Greek Medical Writers and Herodotus. A Shared Epistemological Response. In: Antichthon 20(1986), 1-20. Lateiner 1987: ders.: Nonverbal Communication in the Histories of Herodotus. In: Arethusa 20 (1987), 83-119. Lateiner 1989: ders.: The Historical Method of Herodotus. Toronto 1989. Lateiner 2002: ders.: The Style of Herodotus: A Case Study (7,229). In: C W 95 (2002), 363-371. Lateiner 2005: ders.: Signifying N a m e s and Other Ominous Accidental Utterances in Classical Historiography. In: G R B S 45 (2005), 3 5 - 5 7 . Lattimore 1939: R. Lattimore: The wise adviser in Herodotus: In: CPh 34 (1939), 24-35. Lattimore 1958: ders.: The composition of the History of Herodotus. In: CP 53 (1958), 9-21. Lauffer 1965: S. Lauffer: Die Lehren des Thukydides von der Zunahme geschichtlicher Größenverhältnisse. In: Spengler-Studien. München / Wien 1965, 177-192.

Literaturverzeichnis

815

Lausberg 1990: Η. Lausberg: Handbuch der literarischen Rhetorik. Stuttgart 3 1990. L a z e n b y 1993: J . F . L a z e n b y : T h e D e f e n c e of G r e e c e . W a r m i n s t e r 1993. Lee 1978: Η.Μ. Lee: Slander (διαβολή) in Herodotus 7,10 η, and Pindar, Pythian 2,76. In: Η 106 (1978), 2 7 9 - 2 8 3 . Leeman 1963: A.D. Leeman: Orationis ratio: The Stylistic Theories and Practices of the Roman Orators, Historians, and Philosophers. Amsterdam 1963. Legon 1997: R. Legon: Thucydides & the Case for Contemporary History. In: Polis and Polemos: Essays on Politics, War, and History in Ancient Greece in Honor of D. Kagan. Hrsg.v. C.D. Hamilton u. P. Krentz. Claremont (California), 1997, 3-21. Legrand 1966: Ph.-Ε. Legrand. Herodote. Introduction. Paris 3 1966. Lehmann 1968: G.A. Lehmann: Bemerkungen zur Themistokles-Inschrift von Troizen. In: Historia 17 (1968), 2 7 6 - 2 8 8 . Lehmann 1974: ders.: Polybios und die ältere zeitgenössische Geschichtsschreibung: einige Bemerkungen. In: Fondation Hardt, Entretiens 20 (1974), 145-205. Lendle 1992: O. Lendle: Einführung in die griechische Geschichtsschreibung: von Hekataios bis Zosimos. Darmstadt 1992. Leimbach 1985: R. Leimbach: Militärische Musterrhetorik. Eine Untersuchung zu den Feldherrenreden des Thukydides. Stuttgart 1985. Leppin 1999: H. Leppin: Thukydides und die Verfassung der Polis. Ein Beitrag zur Politischen Ideengeschichte des 5. Jh. v. Chr. Berlin 1999. Lesky 1961: A. Lesky: Göttliche und menschliche Motivation im homerischen Epos. Sitzungsberichte der Heidelberger A k a d e m i e der Wissenschaften, phil.-hist. Klasse. Heidelberg 1961. Lesky 1971: ders.: Geschichte der griechischen Literatur. Bern / München 3 1971. Lesky 1977: ders.: Tragödien bei Herodot? In: Greece and the Eastern Mediterranean in Ancient History and Prehistory. Studies presented to F. Schachermeyr. Hrsg. v. Κ.Η. Kinzel. Berlin / New York 1977, 2 2 4 - 2 3 0 . Levy 1995: E. Levy: Le reve chez Herodote. In: K t e m a 2 0 (1995), 17-27. Lewis 1998: S. Lewis: Who is Pythius the Lydian? In: Histos 2 (1998). v. Leyden 1982: W.M. v. Leyden: Spatium Historicum. In: Marg WdF, 169-181. Liebeschütz 1968: W. Liebeschütz: Thucydides and the Sicilian Expedition. In: Historia 17(1968), 2 8 9 - 3 0 6 . v. Lieshout 1970: R.A.G. van Lieshout: A Dream on a καιρός of History. An Analysis of Herodotos Hist. 7,12-19; 47. In: Mnemosyne 4 (1970), 2 2 5 - 2 4 9 . Link 2000: S. Link: Das Paros-Abenteuer des Miltiades (Hdt. 6,132-136). In: Klio 82 (2000), 4 0 - 5 3 . Lintvelt 1981: J. Lintvelt. Essai de typologie narrative. Le "point de vue". Paris 1981. Lloyd 1966: G.E.R. Lloyd: Polarity and Analogy. T w o Types of Argumentation in Early Greek Thought. Cambridge 1966. Lohmann 1970: D. Lohmann: Die Komposition der Reden in der Ilias. Berlin 1970. Longo 1975: Ο. Longo: La polis, le mura, le navi (Tucidide 7,77,7). In: QS 1 (1975), 87-113. Longo 1978: ders.: Scrivere in Tucidide: comunicazione e ideologia: In: Studi in onore di Anthos Ardizzoni. Hrsg. v. E. Livrea u. G.A. Privitera. Roma 1978, Bd. 1, 517-554. Longo 1983: ders.: I discorsi Tucididei: Uditorio indiviso e scomposizione d'uditorio. In: McR 18(1983), 139-160. Loraux 1980: N. Loraux: Thucydide n'est pas un collegue. In: QS 12 (1980), 5 5 - 8 1 .

816

Literaturverzeichnis

Loraux 1981: dies.: L'invention d'Athenes. Histoire de l'oraison funebre dans la "cite classique". Paris / Den Haag / N e w York 1981. Loraux 1986a: dies.: Thucydide a ecrit la Guerre du Peloponnese. In: Metis 1 (1986), 139-161. Loraux 1986b: dies.: Thucydide et la sedition dans les mots. In: QS 23 (1986), 9 5 - 1 3 4 . Loretto 1956: F. Loretto: Träume und Traumglaube in den Geschichtswerken der Griechen und Römer. Diss. Graz 1956. Loriaux 1982: R. Loriaux: Les discours de Thucydide (1,22). In: LEC 50 (1982), 289-292. Lossau 1990: M. Lossau: ' Ιστορία ττοίησις. Aristotelisches im Polybios. In: P. Steinmetz (Hrsg.): Beiträge zur Hellenistischen Literatur und ihrer Rezeption in Rom. Stuttgart 1990, 109-122. Louch 1969: A.R. Louch: History as Narrative. In: H & T 8 (1969), 54-70. Liidtke 1930: W. Lüdtke: Untersuchungen zum Satzbau des Thukydides. (Das sog. Anakoluth). Diss. Kiel 1930. Ludwig 1952: G. Ludwig: Thukydides als sophistischer Denker. Diss. Frankfurt a. M. 1952. Ludwig 2002: P.W. Ludwig: Eros and Polis. Desire and Community in Greek Political Theory. Cambridge 2002. Luginbill 1997: R.D. Luginbill. Thucydides' Evaluation of the Sicilian Expedition 2,65,11. In: A n c W 2 8 , 2 ( 1 9 9 7 ) , 127-132. Luginbill 1999: ders.: Thucydides on War and National Character. Boulder 1999. Luppino Manes 2003: Ε. Luppino Manes: Tucidide e Alcibiade. In: Ktema 28 (2003), 235-254. Luraghi 2001: N. Luraghi (Hrsg.): The Historian's Craft in the Age of Herodotus. Oxford 2001. Luschnat 1942: O. Luschnat: Die Feldherrnreden im Geschichtswerk des Thukydides. Leipzig 1942 (= Philologus Supplementband 34, Heft 2). Luschnat 1970: ders.: Thukydides. In: RE, Suppl. 12, Sp. 1085-1354. 1970. Luschnat 1974: ders.: Thukydides. In: RE. Suppl. 14 (Anhänge), Sp. 764-768. 1974. Mably 1982: G. Bonnot de Mably: L'historien, le romanicier, le poete. Auszüge aus De la maniere d'ecrire histoire (1789) in: Poetique 49 (1982), 5 - 1 2 . Macaulay 1828: T.B. Lord Macaulay: History. In: ders.: Reviews, Essays, and Poems. London ca. 1890, 322-352. Mackie 1996: C. Mackie: Homer and Thucydides: Corcyra and Sicily. In: C Q N.S. 46 (1996), 103-113. Macleod 1974: C.W. Macleod: Form and Meaning in the Melian Dialogue. In: Historia 23 (1974), 3 8 5 ^ 0 0 . Macleod 1975: ders.: Rhetoric and history (Thucydides, 6,16-18). In: QS 1,2 (1975), 39-65. Macleod 1977: ders.: Thucydides' Platean Debate. In: G R B S 18 (1977), 2 2 7 - 2 4 6 . Macleod 1978: ders.: Reason and Necessity: Thucydides 3,9-14, 3 7 ^ 8 . In: JHS 98 (1978), 6 4 - 7 8 . Macleod 1979: ders.: Thucydides on Faction (3,82-3). In: PCPhS 205 (1979), 5 2 - 6 8 . Macleod 1983: Thucydides and Tragedy. In: Collected Essays: Colin Macleod. Oxford 1983, 140-158. Mader 1993a: G. Mader: Rogues' Comedy at Segesta (Thucydides 6,46): Alcibiades Exposed? In: Η 121 (1993), 181-195. Mader 1993b: ders.: Strong Points, Weak Argument: Athenagoras on the Sicilian

Literaturverzeichnis

817

Expedition. (Thuc. 6,36-38). In: Η 121 (1993), 4 3 3 ^ 4 0 . Maele 1970: S. Van de Maele: Le recit de l'expedition athenienne de 415 en Sicilie et l'opinion de Thucydide sur le rappel d'Alcibiade. In: AC 40 (1971), 21-37. Maier 1985: F. Maier: Griechische ,Freiheit' - nicht nur ein philologisches Problem. In: Festschrift fur F. Egermann zu seinem 80. Geb. am 13.2. Hrsg. v. W. Suerbaum u. F. Maier unter Mitarbeit v. G. Thome. München 1985, 57-65. Malitz 1982: J. Malitz: Thukydides' Weg zur Geschichtschreibung. In: Historia 31 (1982), 257-289. Mandelbaum 1967: M. Mandelbaum: A Note on History as Narrative: In: H&T 6 (1967), 413—419. Marasco 1988: G. Marasco: Ctesia, Dinone, Eraclide di Cuma e le origini delle storiografia "tragica". In: SIFC 81 (1988), 48-67. Marg 1953: W. Marg: Herodot über die Folgen von Salamis. In: Η 81 (1953), 196-210. (= Marg WdF, 609-628, danach zitiert). Marg 1962: ders.: ,Selbstsicherheit' bei Herodot. In: Marg WdF, 290-301. Marg WdF: ders. (Hrsg.): Herodot. Wege der Forschung 26. Darmstadt 3 1982. Marinatos 1980: Ν. Marinatos: Nicias as a Wise Advisor and Tragic Warner in Thucydides. In: Philologus 124 (1980), 305-310. Marinatos 1981: dies.: Thucydides and Religion. In: Beiträge zur Klassischen Philo logie, Η. 129. Königstein 1981. Marinatos 1982: dies.: Wahl und Schicksal bei Herodot. In: Saeculum 33 (1982), 258-264. Marinatos Kopff / Rawlings 1978: N. Marinatos K o p f f / H.R. Rawlings III: Panolethria and Divine Punishment: Thuc. 7,87,6 and Hdt. 2,120,5. In: PP 33 (1978), 331-337. Marincola 1987: J. Marincola: Herodotean Narrative and the Narrator's Presence: In: Arethusa 20 (1987), 121-137. Marincola 1989: ders.: Thucydides 1,22,2. In: CPh 84 (1989), 216-223. Marincola 1997: ders.: Authority and Tradition in Ancient Historiography. Cambridge 1997. Marincola 2002: ders.: Rezension von Rood 1998a. In: BMCR 2002.01.16. Martin 1974: J. Martin: Antike Rhetorik. Technik und Methode. München 1974 (= Handbuch der Altertumswissenschaft, 2. Abteilung, 3. Teil). Martin 1989: R.P. Martin: The Language of Heroes. Speech and Performance in the Iliad. Ithaca / London 1989. Martineau 1977: Ε. Martineau: Un indecidable philologique. In: Les etudes philosophiques 3 (1977), 347-367. Masaracchia 1969: A. Masaracchia: La battaglia di Salamina in Erodoto: In: Helikon 9/10(1969/1970), 68-106. Masaracchia 1976: ders.: Studi Erodotei. Messina 1976. Matsudaira 1981: C. Matsudaira: Xerxes, der Sohn des Dareios. In: Gnomosyne: Festschrift für W. Marg zum 70. Geburtstag. Hrsg. v. G. Kurz, D. Müller, W. Nicolai. München 1981, 289-297. Maurer 1995: K. Maurer: Interpolation in Thucydides. Leiden / New York / Köln 1995 (= Mnemosyne Suppl. 150). Mayer 1911: H. Mayer: Prodikos von Keos und die Anfänge der Synonymik bei den Griechen. Diss. München 1911 (= Rhetorische Studien I, Paderborn 1913). McCullagh 1987: C.B. McCullagh: The Truth of Historical Narratives. In: H&T Beiheft 26(1987), 30-46.

818

Literaturverzeichnis

McCullagh 1991: ders.: Can our Understanding of Old Textes be Objective? In: H & T 3 0 ( 1 9 9 1 ) , 302-323. McCulloch 1991: Η. Y. McCulloch Jr.: The Historical Process and Theories of History in the 'Annals' and 'Histories' of Tacitus. In: A N R W II, 33,4, 1991, 2928-2948. McGregor 1965: M.F. McGregor: The Genius of Alcibiades. In: Phoenix 19 (1965), 27-46. Meautis 1949: G. Meautis: Thucydide et Eschyle. In: RA 32 (1949), 716-719. Meier 1968: Chr. Meier: Beobachtungen an H e r o d o t z u m Problem der Deckungslücken im Haushalt historischer Zusammenhänge. In: Die nicht mehr schönen Künste. Hrsg. v. H.R. Jauß. München 1968, 91-110. Meier 1986: ders.: Die Entdeckung der Ereignisgeschichte bei Herodot. In: SStor 10 (1986), 5 - 2 4 . Meier 1987: ders.: Historical Answers to Historical Questions: the Origins of History in Ancient Greece. In: Arethusa 20 (1987), 4 1 - 5 7 . Meier 1988: ders.: Die politische Kunst der griechischen Tragödie. München 1988. Meier 1993: ders.: Athen. Ein Neubeginn der Weltgeschichte. Berlin 1993. Meier 1995: ders.: Die Entstehung der Historie. In: Die Entstehung des Politischen bei den Griechen. Frankfurt a.M. 3 1995, 360^434. Meister 1955: C. Meister: Die Gnomik im Geschichtswerk des Thukydides. InauguralDiss. Basel 1955. Meister 1975: K. Meister: Historische Kritik bei Polybios. Palingenesia 9. Wiesbaden 1975. Meister 1997: ders.: Die Interpretation historischer Quellen: Schwerpunkt Antike. B d . l . Paderborn / München / Zürich / Wien 1997. Menu 1994: Μ. Menu: Thucydide (VI, 9 - 1 8 ) : Rhetorique, sociologie et politique. In: La rhetorique grecque. Actes du colloque "Octave Navarre". Hrsg. v. J.-Μ. Galy u. A. Thivel. Nice / Paris 1994, 131-145. Meran 1985: J. Meran: Theorien in der Geschichtswissenschaft. Die Diskussion über die Wissenschaftlichkeit in der Geschichte. Göttingen 1985. Meuss 1892: H. Meuss: Thukydides und die religiöse Aufklärung. In: Jahrbücher f. Classische Philologie 38 ( = N J B 145), (1892), 225-233. Meyer 1899: Ed. Meyer: Forschungen zur alten Geschichte II. Halle 1899. (Seiten zahlen jeweils gemäß den bei Marg W d F und Herter WdF publizierten Auszügen zitiert.) Meyer 1901: ders.: Geschichte des Altertums. Bd. 4,1, S. 226-230. Stuttgart 1901 .(= Marg WdF, 7-12). Meyer 1924: ders.: Zur Theorie und Methodik der Geschichte. In: Kleine Schriften, Bd. 1. Halle 2 1924, 1-67. Meyer 1939: E. Meyer: Erkennen und Wollen bei Thukydides. Untersuchung über den Sprachgebrauch. Diss. Göttingen 1939. Mikalson 2002: J. D. Mikalson: Religion in Herodotus. In: Bakker / de Jong / van Wees 2002, 187-198. Miletti 2004: L. Miletti: L'analisi dei testi oracolari in Erodoto. In: L'ultima parola. Hrsg. v. G. Abbamonte, F. Conti Bizzarro, L. Spina. Napoli 2004, 2 1 5 - 2 3 0 . Mink 1970: L.O. Mink: History and Fiction as Modes of Comprehension: In: New Literary History 1 (1970), 541-558. Mink 1978: ders.: Narrative Form as a Cognitive Instrument. In: Canary / Kozicki 1978, 129-149.

Literaturverzeichnis

819

Mioni 1949: Ε. Mioni: Polibio. Padova 1949. Mohm 1977: S. Mohm: Untersuchungen zu den historiographischen Anschauungen des Polybios. Diss. Saarbrücken 1977. Moles 1993: J.L. Moles: Truth and Fiction in Herodotus and Thucydides. In: Lies and Fiction in the Ancient World. Hrsg: v. C. Gill u. T.P. Wiseman. Exter 1993, 88-121. Moles 1996: ders.: Herodotus warns the Athenians. In: Papers of the Leeds Latin Seminar 9 (1996), 259-284. Moles 2001: ders.: A False Dilemma: Thucydides' History and Historicism. In: Harrison 2001, 195-219. Moles 2002: ders.: Herodotus and Athens. In: Bakker / de Jong / van Wees 2002, 33-52. Momigliano 1929: A. Momigliano: Le cause della spedizione di Sicilia. In: Riv. Fil. N.S. 7(1929), 371-377. Momigliano 1960: ders.: The place of Herodotus in the history of historiography. In: A.M.: Secondo contributo alia storia degli studi classici. Roma 1960, 2 9 ^ 4 . (= Marg WdF, 137-156, danach zitiert). Momigliano 1966: ders.: Studies in Historiography. London 1966. Momigliano 1971: ders.: L'excursus di Tucidide in 6,54-59. In: Studi di storiografia antica in memoria die Leonardo Ferrero. Torino 1971, 31-35. Momigliano 1978: ders.: Greek Historiography. In: H&T 17 (1978), 1-28. Momigliano 1980: ders.: The Historians of the Classical World and Their Audiences. In: Sesto Contributo alia Storia degli Studi Classici e del Mondo Antico. Roma 1980, 361-376. Momigliano 1981: ders.: The Rhetoric of History and the History of Rhetoric. On Hayden White's Tropes (1981). In: Settimo Contributo alia Storia degli Studi Classici e del Mondo Antico, 49-59. Roma 1984, 49-59. Montgomery 1965: H. Montgomery: Gedanke und Tat: Zur Erzähltechnik bei Herodot, Thukydides, Xenophon und Arrian. Lund 1965. Montiglio 2000: S. Montiglio: Silence in the Land of logos. Princeton 2000. Moraux 1954: P. Moraux: Thucydide et la rhetorique. Etude sur la structure de deux discours (3,37-48). In: LEC 22 (1954), 3 - 2 3 . Morkholm 1974: O. Morkholm: The Speech of Agelaos again. In: Chiron 4 (1974), 127-132. Morrison 1999: J. V. Morrison: Preface to Thucydides: Rereading the Corcyrean Conflict (1.24-55). In: ClAnt 18 (1999), 94-131. Morrison 2000: ders.: Historical Lessons in the Melian Episode. In: TAPhA 130 (2000), 119-148. Müller 1980: D. Müller: Satzbau, Satzgliederung und Satzverbindung in der Prosa Herodots. Meisenheim am Glan 1980. Müller 1981: ders.: Herodot - Vater des Empirismus? Mensch und Erkenntnis im Denken Herodots. In: Gnomosyne: Festschrift für. W. Marg zum 70. Geburtstag. Hrsg. v. G. Kurz, D. Müller, W. Nicolai. München 1981, 299-318. Müller 1986: R. Müller: Zum Verhältnis von narrativen und strukturellen Elementen in der antiken Geschichtsschreibung. In: SStor 10 (1986), 25-35. Müller 1997: F. Müller: Das Problem der Urkunden bei Thukydides. Die Frage der Überlieferungsabsicht durch den Autor. Stuttgart 1997. Müller 2006: B. Müller: Die Tränen des Xerxes. Von der Geschichte der Lebendigen

820

Literaturverzeichnis

und der Toten. Springe 2006. Munn 2000: M. Munn: The school of History. Athens in the Age of Socrates. Berkeley / Los Angeles / London 2000. Munson 1988: R. Vignolo Munson: Artemisia in Herodotus. In: ClAnt 7 (1988), 91-106. Munson 2001a: dies.: Telling Wonders. Ethnographic and Political Discourse in the Work of Herodotus. Ann Arbor (Michigan) 2001. Munson 2001b: dies.: Ananke in Herodotus. In: JHS 121 (2001), 3 0 - 5 0 . Munson 2005: dies.: Black Doves Speak: Herodotus and the Languages of Barbarians. Cambridge (MA) / London 2005. Munoz Llamosa 2001: V. Munoz Llamosa: El piano irracional en Tucidides: τ ύ χ η , παράλογος, άνέλπι,στος, α π ρ ο σ δ ό κ η τ ο ς . In: Gerion 19 (2001), 293-311. Murari Pires 1998: F. Murari Pires: The Rhetoric of Method (Thuc. 1.22 and 2.35). In: A H B 12 (1998), 106-112. Muratore 1992: D. Muratore: Note sulla seconda spedizione ateniese in Sicilia. In: Cataldi 1992, 3 7 - 6 2 . Müri 1947: W. Müri: Beitrag zum Verständnis des Thukydides. In: MH 4 (1947), 251-275. (= Herter WdF, 135-170, danach zitiert). Müri 1969: ders.: Politische Metonomasie (zu Thuk. 3,82,4-5). In: MH 26 (1969), 65-79. Murray 1961: H.A. Murray: T w o Notes on the Evolution o f N i c i a s in Thucydides. In: BICS 8 ( 1 9 6 1 ) , 3 2 - 4 6 . Murray 2001a: O. Murray: Herodotus and Oral History. In: Luraghi 2001, 16—44. Murray 2001b: ders.: Herodotus and Oral History Reconsidered. In: Luraghi 2001, 314-325. Myres 1949: J.L. Myres: έ λ π ί ς , έλπω, ελττομοα, ε λ π ί ζ ε ι . In: CR 63 (1949), 46. Myres 1953: ders.: Herodotus. Father of History. Oxford 1953. Nagy 1987: G. Nagy: Herodotus the Logios: In: Arethusa 20 (1987), 175-184. Nagy 1990: ders.: Pindar's Homer: The Lyric Possession of an Epic Past. Baltimore / London 1990. Navarre 1900: O. Navarre: Essai sur la Rhetorique Grecque avant Aristote. Paris 1900. Nesselrath 1992: H.G. Nesselrath: Ungeschehenes Geschehen. ,Beinahe'-Episoden im griechischen und römischen Epos von Homer bis zur Spätantike. Stuttgart 1992. Nestle 1908: W. Nestle: Herodots Verhältnis zur Philosophie und Sophistik. Programm Schöntal 1908. Nestle 1914: ders.: Thukydides und die Sophistik. In: Griechische Studien. Stuttgart 1948, 3 2 1 - 3 7 3 (= Neue Jahrbücher f. d. Klass.- Altertum 1914, 649-681). N e w m a n 1986: J.K. Newman: Protagoras, Gorgias and the Dialogic Principle. In: ICS 11 (1986), 4 3 - 6 1 . Nicolai 1983: W. Nicolai: Rezeptionssteuerung in der Ilias. In: Philologus 127 (1983), 1-12.

Nicolai 1986: ders.: Versuch über Herodots Geschichtsphilosophie. Heidelberg 1986. Nicolai 1993: ders.: Gefolgschaftsverweigerung als politisches Druckmittel in der Ilias. In: Anfänge politischen Denkens in der Antike. Hrsg. v. K. Raaflaub. München 1 9 9 3 , 3 1 7 - 3 4 1 . Nicolai 1998: R. Nicolai: I discorsi in Tucidide: analisi storico-politica, paradigmati citä, integrazione nella diegesi, verosimiglianza. In: Storiografia 2 (1998), 288-294.

Literaturverzeichnis

821

Nicolai 1999: ders.: Polibio interprete di Tucidide: la teoria dei discorsi. In: SemRom 2 (1999), 2 8 1 - 3 0 1 . Nickau 1990: K. Nickau: Mythos und Logos bei Herodot: In: Palingenesia 32 (Festschrift C.J. Classen). Hrsg. v. W. Ax. Stuttgart 1990, 83-100. Nielsen 1997: A.J.F. Nielsen: The Tragedy in History. Herodotus and the deutero nomistic history. Sheffield 1997. Nippel 1980: W. Nippel: Mischverfassungstheorie und Verfassungsrealität in Antike und früher Neuzeit. Stuttgart 1980. Nipperdey 1877: K. Nipperdey: Von der antiken Historiographie überhaupt und der römischen insbesondere. In: Opuscula. Hrsg. v. R. Schoell. Berlin 1887, 411 —422. Norden 1909: E. Norden: Die antike Kunstprosa. Leipzig / Berlin 1909. Norman 1991: A.P. Norman: Telling it like it was: Historical Narratives on their own Terms. In: H & T 3 0 ( 1 9 9 1 ) , 119-135. Ober 1994: J. Ober: Civic Ideology and Counterhegemonic Discourse: Thucydides and the Sicilian Debate. In: Athenian Identity and Civic Ideology. Hrsg. v. A.L. Boegehold u. A.C. Scafuro. Baltimore / London 1994, 102-126. Ober 1998: ders.: Political Dissent in Democratic Athens. Intellectual Critics of Popular Rule. Princeton (N. J.) 1998. Obst 1913: Ε. Obst: Der Feldzug des Xerxes. In: Klio Beiheft 12. Leipzig 1913. Oost 1975: S.I. Oost: Thucydides and the Irrational: Sundry Passages. In: CPh 7 0 ( 1 9 7 5 ) , 186-196. Ophuijsen / Stork 1999: J.M.v. Ophuijsen / P. Stork: Linguistics into Interpretation. Speeches of War in Herodotus VII 5 & 8 - 1 8 . Brill / Leiden / Boston / Köln 1999. (= Mnemosyne Suppl. 195). Ortolä Guixot 2001: A.F. Ortolä Guixot: Forma i funcio als discursos de Tucidides. Diss. Valencia 2001. Ortolä Guixot 2003: ders.: Breu noticia sobre la qüestiö tucididia. In: Faventia 25 (2003), 3 7 - 6 8 . Ortolä / Redondo / Sancho 2000: A.F. Ortolä / J. Redondo / S. Sancho: La influencia de la tragedia en la historiografia grega contemporänia. In: Das Tragische. Hrsg. v. C. Morenilla u. B. Zimmermann. Stuttgart / Weimar 2000, 179-201. Orwin 1994: C. Orwin: The Humanity of Thucydides. Princeton (N.J) 1994. Ostwald 1988: Μ. Ostwald: ' Α ν ά γ κ η in Thucydides. Atlanta 1988. Packman 1991: Ζ.Μ. Packman: The Incredible and the Incredulous: The Vocabulary of Disbelief in H e r o d o t u s , T h u c y d i d e s , and X e n o p h o n . In: Η 119 (1991), 399^114. Pagel 1927: K.-A. Pagel. Die Bedeutung des aitiologischen Moments für Herodots Geschichtsschreibung. Diss. Berlin. Leipzig 1927. Palmer 1992: M. Palmer: Love of Glory and the C o m m o n Good. Aspects of the Political Thought of Thucydides. Boston 1992. Parry 1970: A.M. Parry: Thucydides' use of abstract language. In: Yale French Studies 45 (1970), 3 - 2 0 . Parry 1972: ders.: Thucydides' Historical Perspective. In: YCIS 22 (1972), 4 7 - 6 1 . Parry 1981: ders.: Logos and Ergon in Thucydides. New York 1981. Passmore 1987: J. Passmore: Narratives and Events. In: H & T Beiheft 26 (1987), 6 8 - 7 4 . Patzer 1937: Η. Patzer: Das Problem der Geschichtsschreibung des Thukydides und die thukydideische Frage. Neue dt. Forschungen. 6, Berlin 1937. Payen 1990: P. Payen: Discours historique et structures narratives chez Herodote. In:

822

Literaturverzeichnis

Annales 45,3 (1990), 527-550. Payen 1995: ders.: Comment resister ä la conquete ? Temps, espace et recit chez Herodote. In: REG 108 (1995), 308-338. Payen 1997: ders.: Les Ties des nomades. Conquerir et resister dans l'Enquete d'Herodote. Paris 1997. Pearson 1939: L. Pearson: Thucydides and the Geographical Tradition. In: C Q 33 (1939), 4 8 - 5 4 . Pearson 1947: ders.: Thucydides as Reporter and Critic. In: T A P h A 78 (1947), 3 7 - 6 0 . Pearson 1949: ders.: Note on a Digression o f T h u c y d i d e s (VI, 54-59). In: AJPh 7 0 ( 1 9 4 9 ) , 186-189. Pearson 1952: ders.: Prophasis and Aitia. In: T A P h A 83 (1952), 205-223. Pearson 1957: ders.: Popular Ethics in the World o f T h u c y d i d e s . In: CPh 52 (1957), 228-244. Pearson 1972: ders.: Prophasis: A Clarification. In: T A P h A 103 (1972), 381-394. Pearson 1986: ders.: The Speeches in Timaeus' History. In: AJPh 107 (1986), 350-368. Pedech 1964: P. Pedech: La methode historique de Polybe. Diss. Paris 1964. Pedech 1989: ders.: Trois historiens meconnus. Theopompe, Duris, Phylarque. Paris 1989. Pelling 1991: C.B.R. Pelling: Thucydides' Archidamus and Herodotus' Artabanus. In: Georgica. Greek Studies in Honour of G. Cawkwell. Hrsg. v. M.A. Flower u. M. Toher. (= BICS Suppl. 58.). London 1991, 120-142. Pelling 1997: ders.: East is East and West is West - Or are they? National Stereotypes in Herodotus: In: Histos 1 (1997). Pelling 1999: ders.: Epilog. In: Kraus 1999, 325-357. Pelling 2006: ders.: Speech and narrative in the Histories. In: Dewald / Marincola 2006, 103-121. Peremans 1956 : W. Peremans: Thucydide, Alcibiade et l'expedition de Sicilie 415 a. J . C . In: AC 25 (1956), 331-344. Petzold 1969: K.-E. Petzold: Studien zur Methode des Polybios und zu ihrer historischen Auswertung. München 1969. Pietsch 2001: C. Pietsch: Ein Spielwerk der Götter? Zur geschichtlichen Kausalität des Menschen bei Herodot am Beispiel der Kriegsentscheidung des Xerxes (Hist. VII 5 - 1 9 ) . In: Gymnasium 108 (2001), 2 0 5 - 2 2 1 . Pippidi 1948: D.M. Pippidi: Aristote et Thucydide: En Marge du Chapitre IX de la Poetique. In: Melanges offerts ä J. Marouzeau. Paris 1948, 4 8 3 ^ 9 0 . Pippidi 1960: ders.: Sur la Philosophie de l'histoire d'Herodote. In: Eirene 1 (1960), 7 5 - 9 2 . Plant 1988: I. Plant: A Note on Thucydides 1,22,1: ή ξ ύ μ π α σ α γ ν ώ μ η = General Sense? In: Athenaeum 66 (1988), 201-202. Plant 1999: ders.: The Influence of Forensic Oratory on Thucydides' Principles of Method. In: C Q 49,1 (1999), 6 2 - 7 3 . Podes 1990: S. Podes. Handlungserklärung bei Polybios: Intellectualisme historique? Ein Beitrag zur hellenistischen Historiographie. In: AncSoc. 21 (1990), 215-240. Pohlenz 1919: M. Pohlenz: Thukydidesstudien I. In: N G G 1919; 9 5 - 1 3 8 . (= Pohlenz 1965, 2 1 0 - 2 5 3 , danach zitiert). Pohlenz 1920: ders.: Thukydidesstudien II und III. In: N G G 1920, 5 6 - 6 8 ; 6 8 - 8 2 (= Pohlenz 1965, 254-280, danach zitiert). Pohlenz 1936: ders.: Die thukydideische Frage im Lichte der neueren Forschung. In:

Literaturverzeichnis

823

GGA 198 (1936), 281-300. (= Herter WdF, 59-81, danach zitiert). Pohlenz 1937: ders.: Herodot. Der erste Geschichtsschreiber des Abendlandes. Leipzig 1937. Pohlenz 1965: ders.: Kleine Schriften. Bd. 2. Hildesheim 1965. Polacco 1989: L. Polacco: Una tragedia greca in prosa. La spedizione ateniese in Sicilia. In: AIV 148 (1989/90), 21-56. Polacco 2001a: ders.: Un caso diplomatico singolare: Le trattative tra Ateniesi e Meli nell'estate del 416 a.C. (Thuc. V 84-116). In: AIV 160 (2001/02), 1-17. Polacco 2001b: ders.: Tucidide e i filosofi del suo tempo. In: AIV 160 (2001/02), 117-165. Poppo 1821: E. F. Poppo: Thucydidis de bello Peloponnesiaco libri octo. Prolegomena. Leipzig 1821. Porciani 1995: L. Porciani: Come si scrivono i discorsi. Su Tucidide 1,22,1 av ... μάλιστ ειπείν. In: QS 49 (1995), 103-135. Porter 1990: S.E. Porter: Thucydides 1,22,1 and Speeches in Acts: is there a Thucydidean view? In: NT 32,2 (1990), 121-142. Postgate 1907: J.P. Postgate: Thucydides the Mythistorian. (Rezension von Cornford 1907). In: CQ 1 (1907), 308-318. Pouncey 1980: P.R. Pouncey: The Necessities of War. A Study of Thucydides' Pessimism. New York 1980. Powell 1937: J. E. Powell: Puns in Herodotus. In: CR 51 (1937), 103-105. Powell 1939: ders.: The History of Herodotus. Amsterdam 1939. Powell 1979: L.A. Powell: Religion and the Sicilian Expedition. In: Historia 28 (1979), 15-31. Prentice 1930: W.K. Prentice: How Thucydides wrote his History. In: CPh 25 (1930), 117-127. Price 2001: J. Price: Thucydides and Internal War. Cambridge 2001. Prince 1982: G. Prince: Narratology: The Form and Function of Narrative. Berlin / New York / Amsterdam 1982. Pritchett 1993: W.K. Pritchett: The Liar School of Herodotos. - Amsterdam 1993. Proctor 1980: D. Proctor: The Experience of Thucydides. Guildford 1980. Pusey 1940: N.M. Pusey: Alcibiades and το φίλόπολί. In: HSPh 51 (1940), 215-231. Quinn 1995: T.J. Quinn: Thucydides and the Massacre at Mykalessus. In: Mnemosyne 48 (1995), 571-574. Raaflaub 1985: K.A. Raaflaub: Die Entdeckung der Freiheit. Zur Semantik und Gesellschaftsgeschichte eines politischen Grundbegriffs der Griechen. München 1985. Raaflaub 1987: ders.: Herodotus, Political Thought, and the Meaning of History. In: Arethusa 20 (1987), 221-248. Raaflaub 2002a: ders.: Herodot und Thukydides: Persischer Imperialismus im Lichte der athenischen Sizilienpolitik. In: Festschrift J. Deininger z. 65. Geburtstag. Hrsg. v. N. Eberhardt u. L.-M. Gunther. Stuttgart 2002, 1 1 ^ 0 . Raaflaub 2002b: ders.: Philosophy, Science, Politics. Herodotus and the Intellectual Trends of his Time: In: Bakker / de Jong / van Wees 2002, 149-186. Raubitschek 1973: A.E. Raubitschek: The Speech of the Athenian at Sparta. In: Städter 1973,32^18. Rawlings 1975: H.R. Rawlings III: A Semantic Study of Prophasis to 400 B.C. In: Hermes Einzelschriften, H. 33. Wiesbaden 1975. Rawlings 1981: ders.: The structure of Thucydides' History. Princeton 1981.

824

Literaturverzeichnis

Rebuffat 2000: F. Rebuffat: Les 120 talents de la prise d'Hykkara. In: RN 155 (2000), 71-78. Rechenauer 1991: G. Rechenauer: Thukydides und die hippokratische Medizin. Zürich / N e w York 1991. Redfield 1985: J. Redfield: Herodotus the Tourist. In: CPh 80 (1985), 97-118. Redondo 2002: J. Redondo: Notes sobre la sintaxi dels discursos a les Histories de Tucidides. In: Studia Philologica Valentina 6 (2002-2003), 111-131. Regenbogen 1930a: O. Regenbogen: Herodot und sein Werk. Ein Versuch. In: Die Antike 6 (1930), 2 0 2 - 2 4 8 (= Marg WdF, 5 7 - 1 0 8 , danach zitiert). Regenbogen 1930b: ders.: Drei Thukydidesinterpretationen. In: Monatsschrift für höhere Schulen, Beilage zu H. 4. 1930, 2 1 - 2 9 . Regenbogen 1933: ders.: Thukydides als politischer Denker. In: Gymnasium 44 (1933), 2 - 2 5 (= Herter WdF, 2 3 - 5 8 , danach zitiert). Regenbogen 1949: ders.: Thukydides. Politische Reden. Leipzig 1949. Rehm 1934: A. Rehm: Über die sizilischen Bücher des Thukydides. In: Philologus 89 (1934), 133-160. Reinhardt 1960a: K. Reinhardt: Thukydides und Machiavelli. In: Vermächtnis der Antike. Göttingen 1960, 184-218. Reinhardt 1960b: ders.: Herodots Persergeschichten. In: Vermächtnis der Antike. Göttingen 1960, 133-174 (= Marg WdF, 320-369, danach zitiert). Renehan 2001: R. Renehan: Herodotos Philanthropos. In: Η 129 (2001), 173-187. Rener 1973: M. Rener: Historie und Theorie als Elemente der Personendarstellung bei Herodot. Diss. Göttingen 1973. Rengakos 1984: A. Rengakos: Form und Wandel des Machtdenkens der Athener bei Thukydides. In: Hermes Einzelschriften, H. 48. Stuttgart 1984. Rengakos 1996: ders.: Fernbeziehungen zwischen den Thukydideischen Reden. In: Η 124(1996), 3 9 6 ^ 1 7 . Rhodes 1998: P. J. Rhodes: 'Epidamnus is a City'. On Not Overinterpreting Thucydides. In: Histos 2 (1998). Rhodes 2003: ders.: Herodotean Chronology Revisited. In: Derow / Parker 2003, 58-72. Ricoeur 1981: P. Ricoeur: Narrative Time. In: On Narrative. Hrsg. v. W.J.T. Mitchell. Chicago / London 1981, 165-186. Ricoeur 1996: ders.: Geschichte und Rhetorik. In: Der Sinn des Historischen. Hrsg. v. H. Nagl-Docekal. Frankfurt a.M. 1996, 107-125. (= Dt. Übers, v. Histoire et rhetorique, Diogene 68 (1994) von I. Utz). Ridley 1981: R.T. Ridley: Exegesis and audience in Thucydides. In: Η 109 (1981), 25^6. Rittelmeyer 1915: F. Rittelmeyer: Thukydides und die Sophistik. Diss. Erlangen 1915. Rivier 1969: A. Rivier: Prognostic et previson chez Thucydide: In: MH 26 (1969), 129-145. Rodriguez Alfageme 1999:1. Rodriguez Alfageme: Eufemismos en Tucidides. In: Studi sulPeufemismo. Hrsg. v. F. De Martino u. A. Sommerstein. Bari 1999, 283-311. Rohrer 1959: K. Rohrer: Über die Authentizität der Reden bei Thukydides. In: W S 72 (1959), 3 6 - 5 3 . Rokeah 1962: D. Rokeah: A Note on Thucydides 1,22,1. In: Eranos 60 (1962), 104-107. Rokeah 1982: ders.: Τ ά δ έ ο ν τ α ττερί των αίεΐ παρόντων. Speeches in Thukydides:

Literaturverzeichnis

825

factual reporting or creative writing? In: Athenaeum 60 (1982), 3 8 6 ^ 0 1 . Romilly 1951: J. de Romilly: Thucydide et l'imperialisme Athenien. Paris 2 1951. Romilly 1956a: dies.: L'utilite de l'histoire selon Thucydide. In: Fondation Hardt, Entretiens4 (1956), 3 9 - 8 1 . Romilly 1956b: dies.: Histoire et raison chez Thucydide. Paris 1956. Romilly 1956c: dies.: La crainte dans l'oeuvre de Thucydides. In: C & M 17 (1956), 119-127. Romilly 1966a: dies.: La condamnation du plaisir dans l'oeuvre de Thucydide. In: WS 7 9 ( 1 9 6 6 ) , 142-148. Romilly 1966b: dies.: Thucydide et l'idee du progres. In: A S N P 35 (1966), 143-191. Romilly 1967: dies.: Histoire et raison chez Thucydide. Paris 2 1967. Romilly 1968: dies.: Rezension von Stahl 1966. In: Gnomon 40 (1968), 2 3 2 - 2 3 6 . Romilly 1971a: dies.: La vengeance c o m m e explication historique dans l'oeuvre d'Herodote. In: REG 84 (1971), 3 4 1 - 3 3 7 . Romilly 1971b: dies.: La notion de necessite dans l'histoire de Thucydide. In: Science et conscience de la societe. Melanges en l'honneur de R. Aron. Paris 1971, 109-128. Romilly 1973: dies.: Le theme du prestige chez Thucydide. In: AncSoc. 4 (1973), 39-58. Romilly 1974: dies.: Fairness and Kindness in Thucydides. In: Phoenix 28 (1974), 95-100. Romilly 1976: dies.: Alcibiade et le melange entre jeunes et vieux: politique et medecine. In: WS 89 (1976), 9 3 - 1 0 5 . Romilly 1979: dies.: Der Optimismus des Thukydides und das Urteil des Historikers über Perikles (Thuk 2,65). In: Perikles und seine Zeit. Hrsg. v. G. Wirth. Darmstadt 1979, 290-311. Romilly 1984a: dies.: „Patience mon coeur." L'essor de la psychologie dans la litterature grecque classique. Paris 1984. Romilly 1984b: dies.: Reflexions paralleles chez Euripide et Thucydide. In: Mededelingen Nederlandse Akademie N.R. 47,3 (1984), 7 3 - 9 2 . Romilly 1986: dies.: Les manies de Prodicos et la rigueur de la langue grecque. In: MH 43 (1986), 1 - 1 8 . Romilly 1988: dies.: Les Grands Sophistes dans l'Athenes de Pericles. Paris 1988. Romilly 1990b: dies.: La construction de la verite chez Thucydide. Alenfon 1990. Romilly 1990c: dies.: Les previsions non verifiees dans l'oeuvre de Thucydide. In: REG 103 (1990), 370-382. Romilly 1995: dies.: Alcibiade ou les dangers de l'ambition. Paris 1995. Romm 1998: J. Romm: Herodotus. N e w Haven / London 1998. Rood 1998a: T. Rood: Thucydides. Narrative and Explanation. Oxford 1998. Rood 1998b: ders.: Thucydides and his Predecessors. In: Histos 2 (1998). Rood 1999: ders.: Thucydides' Persian Wars. In: Kraus 1999, 141-168. Rood 2000: ders.: Rezension von Luginbill 1999. In: BMCR 2000.02.20. Rood 2004a: ders.: Thucydides. In: Narrators, Narratees, and Narratives in Ancient Greek Literature. Studies in Ancient Greek Narrative. Hrsg. v. I.J.F. De Jong, R. NUnlist, A. Bowie. Leiden / Boston 2004, 115-128. Rood 2004b: ders.: Polybius. In: Narrators, Narratees, and Narratives in Ancient Greek Literature. Studies in Ancient Greek Narrative. Hrsg. v. I.J.F. De Jong, R. Niinlist, A. Bowie. Leiden / Boston 2004, 147-164. Roos 1960: E. Roos: Textkritische Betrachtungen über einige Stellen im 6. Buch des

826

Literaturverzeichnis

Thukydides. Scripta Minora. Lund 1960-1961, 4. Abhandlung. Ros 1938: J. Ros: Die METABOLH (Variatio) als Stilprinzip des Thukydides. Diss. Paderborn 1938. Roscher 1842: W. Roscher: Leben, Werk und Zeitalter des Thukydides. Göttingen 1842. Rosenkranz 1930: B. Rosenkranz: Der lokale Grundton und die persönliche Eigenart in der Sprache des Thukydides und der älteren attischen Redner. Diss. Berlin / Leipzig 1930. Rosier 1980: W. Rosier: Die Entdeckung der Fiktionalität in der Antike. In: Poetica 12 (1980), 283-318. Rosier 1991: ders.: Die Selbsthistorisierung des Autors. Zur Stellung Herodots zwi sehen Mündlichkeit und Schriftlichkeit. In: Philologus 135 (1991), 215-220. Rosier 2002: ders.: The Histories and Writing. In: Bakker / de Jong / van Wees 2002, 79-94. Roveri 1956: A. Roveri: Tyche bei Polybios. Übers, von: Tyche in Polibio. In: Convivium 24 (1956), 275-293 (= Stiewe / Holzberg 1982, 297-236). Rubincam 2003: C. Rubincam: Numbers in Greek Poetry and Historiography. In: CQ N.S. 53 (2003), 448-63. Riisen 1982: J. Rüsen: Die vier Typen historischen Erzählens. In: Koselleck / Lutz / Rüsen 1982, 514-605. Rüsen 1986a: ders.: Narrative und Strukturgeschichte im Historismus. In: Hist. Historiographie 10(1986), 145-151. Rüsen 1986b: ders.: Rekonstruktion der Vergangenheit. Grundzüge einer Historik II. Die Prinzipien der historischen Forschung. Göttingen 1986. Rüsen 1987: ders.: Historical Narration: Foundation, Types, Reason. In: H&T Beiheft 26(1987), 87-97. Sacks 1981: K. Sacks: Polybios on the Writing of History. Classical Studies, vol. 24. Berkeley / Los Angeles / London 1981. Sacks 1983: ders.: Historiography in the Rhetorical Works of Dionysius of Halicarnassus. In: Athenaeum 61 (1983), 65-87. Sacks 1986: ders.: Rhetoric and Speeches in Hellenistic Historiography In: Athenaeum 64(1986), 383-395. Sai'd 1980: S. Said: Guerre, intelligence et courage dans Herodote. In: AncSoc 11/12 (1980/81), 83-117. Sai'd 2002: dies.: Herodotus and Tragedy. In: Bakker / de Jong / van Wees 2002, 117-148. Sainte Croix 1954: G.E.M. de Sainte Croix: The Character of the Athenian Empire. In: Historia 3 (1954/55), l ^ H . Sainte Croix 1972: ders.: The Origins of the Peloponnesian War. New York 1972. Sainte Croix 1975: ders.: Aristotle on History and Poetry (Poetics 9, 1451a36-bl 1). In: The Ancient Historian and his Materials. Essays in honour ofC.E. Stevens on his seventieth birthday. London 1975, 45-58. Sammartano 1998: R. Sammartano: Origines Gentium Siciliae. Ellanico, Antioco, Tucidide. Roma 1998. Sancho 1994: L. Sancho: Tucidides y el tema de la polis-tyrannos. In: QS 40 (1994), 59-83. Sancisi-Weerdenburg 2002: H. Sancisi-Weerdenburg: The personality of Xerxes, King of Kings. In: Bakker / de Jong / van Wees 2002, 579-590. Sansone 1985: D. Sansone: The Date of Herodotus' Publication. In: ICS 10 (1985),

Literaturverzeichnis

827

1-9. Scaife 1989: R. Scaife: Alexander in the Histories of Herodotus: In: Η 117 (1989), 129-137. Scanion 2002: T.F. Scanlon: ' T h e clear truth' in Thucydides 1.22.4. In: Historia 51 (2002), 131-148. Schadewaldt 1929: W. Schadewaldt: Die Geschichtsschreibung des Thukydides. Berlin 1929. Schadewaldt 1934: ders.: Herodot als erster Historiker. In: Die Antike 10 (1934), 144-168. (= Marg WdF, 109-121). Schadewaldt 1962: ders.: Das Religiös-Humane als Grundlage der geschichtlichen Objektivität bei Herodot. In: Marg WdF, 185-199. Schadewaldt 1995: ders.: Die Anfange der Geschichtsschreibung bei den Griechen. Herodot. Thukydides, Tübinger Vorlesungen, Bd. 2. Frankfurt am Main 4 1995. Schepens 1980: G. Schepens: L'autopsie dans la methode des historiens grecs du V e siecle avant J.-C. Brüssel 1980. Schmid 1934: W. Schmid / O. Stählin: Geschichte der griechischen Literatur. Handbuch der Altertumswissenschaft 7,1 Bd.2. München 1934. Schmid 1948: W. Schmid / O. Stählin: Geschichte der griechischen Literatur. Handbuch der Altertumswissenschaft 7,1 Bd.5. München 1948. Schmid 1954: ders.: Zu Thukydides 1,22,1 und 2. In: Philologus 99 (1954), 2 2 0 - 2 3 3 . Schmid 1998: A. Schmid: Kinesis, Physis, Politik - ,Anschauungsform' bei Thukydides. In: WJA N.F. 22 (1998), 4 7 - 7 2 . Schmitt 1990: A. Schmitt: Selbständigkeit und Abhängigkeit menschlichen Handelns bei Homer. Hermeneutische Untersuchungen zur Psychologie Homers. Stuttgart 1990. Schneider 1974: Chr. Schneider: Information und Absicht bei Thukydides. Göttingen 1974. Schöll 1855: A. Schöll: Herodot's entwickelung zu seinem beruf. In: Philologus 10 (1855), 2 5 - 8 1 . Schuller 1956: S. Schuller: About Thucydides' use of Α ι τ ί α and Π ρ ό φ α σ ί ς . In: RBPh 34,4(1956), 971-984. Schulte-Altedorneburg 2001: J. Schulte-Altedorneburg: Geschichtliches Handeln und tragisches Scheitern. Herodots Konzept historiographischer Mimesis. Frankfurt a. M. / Berlin / Bern / Bruxelles / N e w York / Oxford / Wien 2001. Schulte-Sasse / Werner: J. Schulte-Sasse / R. Werner: Einführung in die Literatur Wissenschaft. München 7 1999. Schulz 1933: E. Schulz: Die Reden im Herodot. Diss. Greifswald 1933. Schwabl 1969: H. Schwabl: Herodot als Historiker und Erzähler. In: Gymnasium 76 (1969), 2 5 3 - 2 7 2 . Schwartz 1905: Ε. Schwartz: Duris. In: RE, Bd. 5, Sp. 1853-1856. Stuttgart 1905. Schwartz 1919: ders.: Das Geschichtswerk des Thukydides. Bonn 1919. Schwartz 1926: ders.: Rezension von Taeger 1925. In: Gnomon 2 (1926), 6 5 - 8 2 . Schwinge 1996: E.-R. Schwinge: Zu Thukydides' historischer Erzählung. In: Poetica 28 (1996), 297-326. Seager 1967: R. Seager: Alcibiades and the Charge of Aiming at Tyranny. In: Historia 16 (1967), 6 - 1 8 . Sealey 1957: R. Sealey: Thucydides, Herodotus and the Causes of War. In: C Q N.S. 7 ( 1 9 5 7 ) , 1 - 1 2 .

828

Literaturverzeichnis

Selincourt 1962: Α. de Selincourt: The World of Herodotus. London 1962. Shapiro 1994: S.O. Shapiro: Learning through Suffering: Human Wisdom in Herodotus. In: CJ 89 (1994), 349-355. Shapiro 2000: dies.: Proverbial Wisdom in Herodotus. In: T A P h A 130 (2000), 89-118. Shimron 1979: B. Shimron: Ein Wortspiel mit H O M O I O I bei Herodot. In: RhM 122 (1979), 131-133. Shimron 1989: ders.: Politics and Belief in Herodotus. In: Historia Einzelschriften, Η. 58. Stuttgart 1989. Shorey 1893: P. Shorey: On the Implicit Ethics and Psychology of Thucydides. In: TAPhA 24(1893), 68-88. Shrimpton 1998: G. Shrimpton: Accuracy in Thucydides. In: A H B 12 (1998), 7 1 - 8 2 . Sicking / Stork 1997: C.M.J. Sicking / P. Stork: The Grammar of the So-Called Historical Present in Ancient Greek. In: Bakker 1997a, 131-168. Siewert 1985: P. Siewert: Zur Wahrheitssuche bei Thukydides und vor attischen Gerichtshöfen des 5. Jh. v. Chr. In: Römische Geschichte, Altertumskunde und Epigraphik. Festschrift A. Betz: Hrsg. v. E. Weber u. G. Dobesch. Wien 1985, 565-574. Siewert 1986: ders.: Die Entstehung des athenischen Großmachtbewußtsein nach historischen und mythologischen Zeugnissen. In: Festschrift S. Lauffer: Hrsg. v. H. Kalcyk, B. Gullath, A. Gräber. Rom 1986, Bd. 3, 853-873. Slings 2002: S.R. Slings: Oral Strategies in the Language of Herodotus. In: Bakker / de Jong / van Wees 2002, 5 3 - 7 7 . Smith 1891: C.F. Smith: Traces o f T r a g i c usage in Thucydides: In: TAPhA 22 (1891), xvi-xxi. Smith 1892: ders.: Poetic Words in Thucydides. In: T A P h A 23 (1892), xlviii-li. Smith 1894: ders.: Poetical Constructions in Thucydides. In: T A P h A 25 (1894), 6 1 - 8 1 . Smith 1900: ders.: Traces of Epic Usage in Thucydides. In: T A P h A 31 (1900), 6 9 - 8 1 . Solmsen 1939: L. Solmsen: The Speeches in Herodotus' Account of Salamis. In: TAPhA 7 0 ( 1 9 3 9 ) , xliv-xlv. Solmsen 1943: dies: Die Reden Herodots beim ionischen Aufstand. In: Marg WdF, 629-644. (Berichtigte deutsche Fassung von: Speeches in Herodotus' Account of the Ionian Revolt. In: AJPh 64 (1943), 194-207). Solmsen 1944: dies.: Die Reden in Herodots Bericht der Schlacht von Platää. In: Marg WdF, 645-667. (Berichtigte deutsche Fassung von: Speeches in Herodotus' Account of the Battle of Plataeae. In: CPh 39 (1944), 241-253). Solmsen 1971: F. Solmsen: Thucydides' treatment of words and concepts. In: Η 99 (1971), 385—408. Solmsen 1974: ders.: T w o crucial decisions in Herodotus. In: Mededelingen der koninklijke Nederlandse Akademie van der Wetenschappen, Afd. Letterkunde. Nieuwe Reeks-Deel 37-No. 6 (1974), 139-168. Sordi 1981: Μ. Sordi: Ermocrate di Siracusa: Demagogo e tiranno mancato. In: Scritti sul mondo antico in memoria di Fulvio Grosso. Hrsg. v. L. Gasperini. Roma 1981, 595-600. Späth 1968: Τ. Späth: Das Motiv der doppelten Beleuchtung bei Herodot. Diss. Wien 1968. Späth 1994: T. Späth: Texte et Tacite. La proposition d ' u n modele de texte historiographique. In: SStor 26 (1994), 3 - 3 8 . Späth 1998: ders.: Salluste, Bellum Catilinae: un texte tragique de l'historiographie? In:

Literaturverzeichnis

829

Rome et le tragique, P A L L A S 49 (1998), 173-195. Spengel 1842: L. Spengel: Über das Studium der Rhetorik bei den Alten. München 1842. Stadter 1973: Ph.A. Stadter (hrsg.): The speeches in Thucydides. Chapel Hill 1973. Stadter 1992: ders.: Herodotus and the Athenian Arche. In: A S N P ser. 3, vol. 22 (1992), 781-809. Stahl 1966: H.P. Stahl: Thukydides: Die Stellung des Menschen im geschichtlichen Prozess. München 1966. Stahl 1973: ders.: Speeches and Course of Events in Book Six and Seven of Thucydides. In: Stadter 1973, 6 0 - 7 7 . Stahl 1975: ders.: Learning through suffering? Croesus' conversations in the history of Herodotus. In: YC1S 24 (1975), 1 - 3 6 . Stahl 2002: ders.: Literarisches Detail und historischer Krisenpunkt im Geschichtswerk des Thukydides: die Sizilische Expedition. In: RhM N.F. 145 (2002), 6 8 - 1 0 7 . Stahlenbrecher 1953: W. Stahlenbrecher: Die Motivation des Handelns bei Herodot. Diss. Hamburg 1953. Stanzel 1995: F. Stanzel: Theorie des Erzählens. Göttingen 6 1995. Stein 1987: J. Stein: Standortbewußtsein und Entscheidungskompetenz bei Thukydides und Aristoteles. Eine Untersuchung zur politischen Bedeutung des Begriffs „gnome". Diss. Köln 1987. Steinger 1957: G. Steinger: Epische Elemente im Redenstil des Herodot. Diss. Kiel 1957. Stempel 1973: W.D. Stempel: Erzählung, Beschreibung und der Historische Diskurs. Geschichte - Ereignis und Erzählung (= Poetik und Hermeneutik 5). Hrsg. v. R. Koselleck u. W.-D. Stempel. Müchen 1973, 325-346. Stephenson / Fatoohi 2001: F.R. Stephenson / L.J. Fatoohi: The eclipses recorded by Thucydides. In: Historia 50 (2001), 2 4 5 - 2 5 3 . Stern 1991: J. Stern: Scapegoat Narratives in Herodotus: In: Η 119 (1991), 3 0 4 - 3 1 1 . Stierle 1979: Κ. Stierle: Erfahrung und narrative Form. Bemerkungen zu ihrem Z u s a m m e n h a n g in Fiktion und Historiographie. In: Kocka / Nipperdey 1979, 85-118. Stiewe / Holzberg 1982: K. Stiewe und N. Holzberg: Polybios. WdF, 347. Darmstadt 1982. Stock 1946: L. Stock: Die Geschichtsauffassung bei Thukydides und Sallust. Diss. Freiburg i. Br. 1946. Stoevesandt 2004: M. Stoevesandt: Feinde - Gegner - Opfer. Zur Darstellung der Troianer in den Kampfszenen der Ilias. Diss. Basel 2004. Stone 1979: L. Stone. The Revival of Narrative: Reflections on a N e w Old History. In: Past and Present 85 (1979), 3 - 2 4 . Strasburger 1954: Η. Strasburger: Die Entdeckung der politischen Geschichte durch Thukydides. In: Saeculum 5 (1954), 3 9 5 ^ 2 8 (= Herter WdF, 412^176, danach zitiert). Strasburger 1955: ders.: Herodot und das perikleische Athen. In: Historia 4 (1955), 1-25. Strasburger 1956: ders.: HerodotsZeitrechnung. In: Historia5 (1956), 129-161. (= Marg WdF, 688-736, danach zitiert). Strasburger 1958: ders.: Thukydides und die politische Selbstdarstellung der Athener. In: Η 86 (1958), 17-40 (= Herter WdF, 4 9 8 - 5 3 0 , danach zitiert). Strasburger 1966: ders.: Die Wesensbestimmung der Geschichte durch die antike

830

Literaturverzeichnis

Geschichtsschreibung. In: Sitzungsberichte der wissenschaftl. Gesellschaft an der J. W. Goethe-Universität Frankfurt a.M. Bd. 5 (1966) Nr. 3, 4 7 - 9 6 . Strasburger 1972: ders.: Homer und die Geschichtsschreibung. In: S H A W 1972, 1. Heidelberg 1972. Strauss 1993: B.S. Strauss: Fathers and Sons in Athens. Ideology and Society in the Era of the Peloponnesian War. London 1993. Swain 1993: S. Swain: Thucydides 1,22,1 and 3,82,4. In: Mnemosyne 46 (1993), 33^15. Swain 1994: ders.: Man and Medecine in Thucydides. In: Arethusa 27 (1994), 303-327. Taeger 1925: F. Taeger: Thukydides. Stuttgart 1925. Tannen 1982: D. Tannen: Oral and Literate Strategies in Spoken and Written Narratives. In: Language 58 (1982), 1-21. Tessitore 1994: F. Tessitore (hrsg.): Tucidide nella Storiografia moderna. Napoli 1994. Thomas 1993: R. Thomas: Performance and Written Publication in Herodotus and the Sophistic Generation. In: Vermittlung und Tradierung von Wissen in der griechischen Kultur. Hrsg. v. W. Kullmann u. J. Althoff. Tübingen 1993, 225-244. Thomas 2000: dies.: Herodotus in Context. Cambridge 2000. Thommen 1889: E. Thommen: Studien zu Thukydides. Diss. Basel 1889. Tompkins 1972: D.P. Tompkins: Stylistic characterization in Thucydides: Nikias and Alcibiades. In: YC1S 22 (1972), 181-214. Topitsch 1943: E. Topitsch: ' Α ν θ ρ ω π ε ί α φ ύ σ ι ς und Ethik bei Thukydides. In: WS 61 (1943), 50-67. Topolski 1987: J. Topolsky: Historical Narrative: Towards a Coherent Structure. In: H & T Beiheft 26 (1987), 7 5 - 8 6 . Tosi 1980: R. Tosi: La funzione "argomentativa" dell'esordio nei discorsi tucididei. In: AIV 1 3 9 ( 1 9 8 0 - 8 1 ) , 85-96. Tosi 2001: ders.: Sul testo di Thuc. VI 17,2: π ο λ ι τ ώ ν ο π ο λ ι τ ε ι ώ ν ? In: Eikasmos 12 (2001), 9 3 - 1 0 5 . Trede 1983: Μ. T r e d e : ' Α Κ Ρ Ι Β Ε Ι Α chez Thucydide. In: Melanges Edouard Delebecque. Aix-en-Provence 1983, 405—415. Treu 1954: Μ. Treu: Athen und Karthago und die thukydideische Darstellung. In: Historia 3 (1954/55), 4 1 - 5 7 . Treu 1968: ders.: Staatsrechtliches bei Thukydides. In: Historia 17 (1968), 129-165. Trevett 1995: J.C. Trevett: Nikias and Syracuse. In: ZPE 106 (1995), 2 4 6 - 2 4 8 . Tsakmakis 1995a: A. Tsakmakis: Thukydides über die Vergangenheit. Tübingen 1995. Tsakmakis 1995b: ders.: Thucydides and Herodotus: remarks on the Attitude of the Historian Regarding Literature. In: SCI 14 (1995), 17-32. Tsakmakis 1998: ders.: Von der Rhetorik zur Geschichtsschreibung: Das ,Methodenkapitel' des Thukydides (1,22,1-3). In: RhM 141 (1998), 2 3 9 - 2 5 5 . Tzifopoulos 1995: Y.Z. Tzifopoulos: Thucydidean Rhetoric and the Propaganda of Persian Wars Topos. In: PP 50 (1995), 9 1 - 1 1 5 . Ubsdell 1983: S. Ubsdell: Herodotus on Human Nature: Studies in Herodotean Thought, Method and Exposition. Diss. Oxford 1983. Ullman 1942: B.L. Ullman: History and Tragedy. In: TAPhA 73 (1942), 2 5 - 5 3 . Ullrich 1846: F.W. Ullrich: Die Entstehung des Thukydideischen Geschichtswerkes. Herausgegeben und eingeleitet von H. Herter. Darmstadt 1968. (Nachdruck aus F.W. Ullrich: Beiträge zur Erklärung des Thukydides. Hamburg 1846). Urlich 1861: L. Urlich: Zerstreute Bemerkungen. In: Philologus 17 (1861), 3 4 7 - 5 0 .

Literaturverzeichnis

831

Usher 1978: ders.: Rezension von Hohti 1976b. In: JHS 98 (1978), 173-174. Vattuone 1978: R. Vattuone: Logoi e storia in Tucidide. Contributo alio studio della spedizione ateniese in Sicilia del 415 a.C. Bologna 1978. Veen 1996: J. E. van der Veen: The Significant and the Insignificant. Five studies in Herodotus' View of History. Amsterdam 1996. Vercruysse 1990: M. Vercruysse: A la recherche du mensonge et de la verite. La fonction des passages methodiques che Polybe. In: Verdin / Schepens / De Keyser 1990, 17-38. Verdin 1971: H. Verdin: De historisch-kritische Methode van Herodotus. Brüssel 1971. Verdin 1974: ders.: La fonction de l'histoire selon Denys d'Halicarnasse. In: AncSoc 5 (1974), 2 8 9 - 3 0 7 . Verdin / Schepens / De Keyser 1990: H. Verdin, G. Schepens, E. De Keyser: Purposes of History. Studies in Greek Historiography from the 4th to the 2nd Centuries B.C. Proceedings of the International Colloquium Leuven, 2 4 - 2 6 May 1988. Lovanii 1990. Vernant 1982: J.P. Vernant: Die Entstehung des griechischen Denkens. Frankfurt a.M. 1982. Veyne 1990: P. Veyne: Geschichtsschreibung - und was sie nicht ist. Frankfurt a.M. 1990. Vickers 1995: M. Vickers: Thucydides 6,53,3-59: not a 'digression'. In: DHA 21,1 (1995), 193-200. Vickers 1999: ders.: Alcibiades and Melos: Thucydides 5,84-116. In: Historia 48 (1999), 2 6 5 - 2 8 1 . Vidal-Naquet 1989: P. Vidal-Naquet: Der Schwarze Jäger. Denkformen und Gesell schaftsformen in der griechischen Antike. Frankfurt a.M. etc. 1989 (frz. 1981). Vischer 1873: W. Vischer: Über das Historische in den Reden des Thukydides. In: Kleine Schriften, Bd. 1. Leipzig 1873. Visintin 1999: C. Visintin: La νεωτεροττοΰα di Atene in Tucidide tra impulso costruttivo e trasgressione. In: Aevum 73 (1999), 4 3 - 5 2 . Visser 2000: E. Visser: Herodots Kroisos-Logos: Rezeptionssteuerung und Geschichtsphilosophie. In: WJA 24 (2000), 5 - 2 8 . Vogt 1956: J. Vogt: Das Bild des Perikles bei Thukydides. In: HZ 182 (1956), 249-266. Volk 1978: H. Volk. Rezension von Schneider 1974. In: Gnomon 50 (1978), 2 7 3 - 2 8 3 . Vössing 2005: K. Vössing: Objektivität oder Subjektivität, Sinn oder Überlegung? Zu Thukydides' γ ν ώ μ η im Methodenkapitel (1,22,1). In: Historia 54 (2005), 210-215. Wakker 1997: G. C. Wakker: Modal Particles and Different Points of View in Herodotus and Thucydides. In: Bakker 1997a, 215-250. Walbank 1960: F.W. Walbank: History and Tragedy. In: Historia 9 (1960), 2 1 6 - 2 3 4 . Walbank 1972: ders.: Polybius. Berkeley / Los Angeles / London 1972. Walbank 1985: ders.: Speeches in Greek Historians: In: Selected Papers. Studies in Greek and Roman History and Historiography. Cambridge 1985, 2 4 2 - 2 6 1 . Walbank 1990: ders.: Profit or Amusement: Some Thoughts on the Motives of Helle nistic Historians. In: Verdin / Schepens / De Keyser 1990, 253-260. Walbank 1997: ders.: Rezension von Marincola 1997. In: Histos 1 (1997). Walde 2001: C. Walde: Die Traumdarstellung in der griechisch-römischen Dichtung. München / Leipzig 2001.

832

Literaturverzeichnis

Walker 1993: A. D. Walker: Enargeia and the Spectator in Greek Historiography. In: T A P h A 123 (1993), 353-377. Wallace 1964: W.P. Wallace: Thucydides. In: Phoenix 18 (1964), 251-261. Wassermann 1931: F.M. Wassermann: Das Neue Thukydidesbild. In: Neue Jahrbücher 7 ( 1 9 3 1 ) , 248-258. Wassermann 1947: ders.: The Melian Dialogue. In: TAPhA 78 (1947), 18-36. Wassermann 1954: ders.: Thucydides and the Desintegration of the Polis. In: T A P h A 85 (1954), 4 6 - 5 4 . Wassermann 1976: ders.: The Conflict of Generations in Thucydides. In: The Conflict of G e n e r a t i o n s in A n c i e n t G r e e c e and R o m e . Hrsg. v. S. B e r t m a n . Amsterdam 1976, 119-121. Waters 1966: K.H. Waters: The Purpose of Dramatisation in Herodotus. In: Historia 15 (1966), 257-271. Waters 1971: ders.: Herodotus on Tyrants and Despots. Historia Einzelschriften, Η. 15. Wiesbaden 1971. Waters 1985a: ders.: Herodotus the Historian. London / Sydney 1985. Waters 1985b: ders.: The relationship of material and structure in the History of Herodotos. In: SStor 7 (1985), 123-137. Weber 1976: H.-A. Weber: Herodots Verständnis von Historie. Untersuchungen zur Methodologie und Argumentationsweise Herodots. Bern / Frankfurt / Milchen 1976. Wecowski 2004: M. Wecowski: The Hedgehog and the Fox: Form and Meaning in the Prologue of Herodotus. In: JHS 124 (2004), 143-164. Wees 2002: H. v. Wees: Herodotus and the Past: In: Bakker / de Jong / van Wees 2002, 321-349. Weidauer 1954: Κ. Weidauer: Thukydides und die Hippokratischen Schriften. Der Einfluß der Medizin auf Zielsetzung und Darstellungsweise des Geschichtswerks. Heidelberg 1954. Weil 1985: R. Weil: Par quoi commencer? In: SStor 7 (1985), 2 8 - 3 7 . Wehrli 1947: F. Wehrli: Die Geschichtsschreibung im Lichte der antiken Theorie. In: Eumusia. Festgabe für E. Howald. Zürich 1947, 54-71. Welwei 1972: K.W. Welwei: Das Problem des „Präventivkrieges" im politischen Denken des Perikles und des Alkibiades. In: Gymnasium 79 (1972), 289-305. West 1973: W.C. West III: The Speeches in Thucydides. A Description and Listing. In: Stadter 1 9 7 3 , 3 - 1 5 . Westlake 1958a: H.D. Westlake:'QZ ΕΙΚΟΣ in Thucydides. In: Η 86 (1958), 4 4 7 - 4 5 2 . Westlake 1958b: ders.: Thucydides 2,65,11. In: C Q N.S. 8 (1958), 102-110. Westlake 1968: ders.: Individuais in Thucydides. Cambridge 1968. Westlake 1969: ders.: Essays on the Greek Historians and Greek History. Manchester 1969. Westlake 1971: ders.: Sting in the Tail: a Feature of Thucydidean Speeches. In: G R B S 12 (1971), 4 9 7 - 5 0 3 . Westlake 1973a: ders.: The Settings o f T h u c y d i d e a n Speeches. In: Städter 1973, 90-108. Westlake 1973b: ders.: Irrelevant notes and minor excursuses in Thucydides. In: Essays on the Greek Historians and Greek History. Manchester / New York 1973, 1-38. Westlake 1973c: ders.: Hermocrates the Syracusan. In: Essays on the Greek Historians and Greek History. Manchester / N e w York 1973, 174-202.

Literaturverzeichnis

833

Westlake 1977: ders.: Λ έ γ ε τ α ι in Thucydides. In: Mnemosyne 30 (1977), 345-362. White 1978: H. White: The Historical Text as Literary Artecfact. In: Canary / Kozicki 1978,41-62. White 1981: ders.: The Value ofNarrativity in the Representation of Reality. In: On Narrative. Hrsg. v. W.J.T. Mitchell. Chicago / London 1981, 1 - 2 3 . White 1984: ders.: The Questions of Narrative in Contemporary Historical Theory. In: H & T 2 3 (1984), 1 - 3 3 . White 1986: ders.: Auch Klio dichtet oder Die Fiktion des Faktischen. Studien zur Tropologie des Faktischen. Stuttgart 1986. Wiedemann 1990: Τ. Wiedemann: Rhetoric in Polybius. In: Verdin / Schepens / De Keyser 1990 Wiesehöfer 1998: J. Wiesehöfer: Das antike Persien. Düsseldorf / Zürich 2 1998. Wilamowitz 1912: U. v. Wilamowitz: Die Griechische und Lateinische Literatur und Sprache. Zusammen mit K. Krumbacher, J. Wackernagel, Fr. Leo, E. Norden, F. Skutsch. Leipzig / Berlin 3 1912. Wille 1965: G. Wille: Zu Stil und Methode des Thukydides. In: Synusia (Festschrift W. Schadewaldt). Pfullingen 1965, 5 3 - 7 7 (= Herter WdF, 683-716, danach zitiert). Williams 1998: M.F. Williams: Ethics in Thucydides: the ancient simplicity. Lanham / N e w Y o r k / O x f o r d 1998. Wilson 1982: J. Wilson: What does Thucydides claim for his speeches? In: Phoenix 36 (1982), 9 5 - 1 0 3 . Wimmer 1973: Η. Wimmer: Die thukydideischen Reden in der Beleuchtung durch den XoyoL-Satz. Diss. München 1973. Winton 1999: R.I. Winton: Thucydides 1,22,1. In: Athenaeum 87 (1999), 527-533. Wohl 1999: V. Wohl: The Eros of Alcibiades. In: ClAnt 18 (1999), 3 4 9 - 8 5 . Wolff 1964: Ε. Wolff: Das Weib des Masistes: In: Η 92 (1964), 5 1 - 5 8 . (Zitiert nach Marg WdF, 668-678). Wolski 1985: J. Wolski: Herodote et la construction de la flotte athenienne par Themistocle. In: SStor 7 (1985), 113-122. Wood 1972: H. Wood: The Histories of Herodotus. An Analysis of the Formal Structure. Den Haag / Paris 1972. Woodhead 1970: A.G. Woodhead: Thucydides on the Nature of Power. Cambridge (Mass.) 1970. Woodman 1988: A.J. Woodman: Rhetoric in Classical Historiography. Portland 1988. Woodruff 1992: Aristotle on Mimesis: In: Essays on Aristotle's Poetic. Hrsg. v. A. O. Rorty. Princeton 1992. Wooten 1974: C. Wooten: The Speeches in Polybius. An insight into the Nature of Hellenistic Oratory. In: AJPh 95 (1974), 2 3 5 - 2 5 1 . Wössner 1937: W. Wössner: Die synonymische Unterscheidung bei Thukydides und den politischen Rednern der Griechen. Würzburg 1937. Wundt 1903: M. Wundt: De Herodoti elocutione cum sophistarum comparata. Diss. Leipzig 1903. Wüst 1935: K. Wüst: Politisches Denken bei Herodot. Diss. Würzburg 1935. Wyatt 1996: W.F. Wyatt: Thucydides 1,22. In: Hyperboreus 2,1 (1996), 191-193. Young-Bruehl 1986: E. Young-Bruehl: What Thucydides Saw. In: H & T 25 (1986), 1-16. Zadorojnyi 1998: A.V. Zadorojnyi: Thucydides' Nicias and H o m e r ' s Agamemnon. In: C . Q . N . S . 48 (1998), 2 9 8 - 3 0 3 .

834

Literaturverzeichnis

Zagorin 2005: P. Zagorin: Thucydides. Princeton / Oxford 2005. Zahn 1934: R. Zahn: Die erste Periklesrede (Thukydides 1,140-144). Interpretation und Versuch einer Einordnung in den Zusammenhang des Werkes. Diss. Kiel 1934. Ziegler 1952: K. Ziegler: Polybios. In: RE XXI (1952), sp. 1439-1578. Ziegler 1955: ders.: Thukydides und Polybios. In: Wissenschaftliche Zeitschrift der E.M. Arndt-Universität Greifswald. Gesellschafts- und sprachwissenschaftliche Reihe, Nr. 2/3, Jahrgang V (1955/1956), 161-170. Ziegler 1967: ders.: Zur Datierung der sizilischen Bücher des Thukydides. In: Gymnasium 74 (1967), 327-342. Zoepffel 1975: R. Zoepffel: Historia und Geschichte bei Aristoteles. In: Abh. d. Heidelberger Akad. d. Wiss. Phil.-hist. Klasse, 1975, 2. Abh.

Index locorum1 Agathon Frg 6: 435, A. 112Aischylos Ag: 177: 96, A. 78 -341f.: 431, A. 104; 531, A. 394 - 452ff.: 416, A. 68 468ff.: 147, A. 229 - 683ff.\ 317, A. 633 - 1202f.: 665, A. 713 - 1564: 152, A. 242 Ch.: 313: 152, A. 2 4 2 Pers.: 50: 359, A. 780 - 72: 134, A. 192 - 73: 3 3 8, A. 711 - 102ff.: 166, A. 281; 353, A. 758 -233ff.: 359, A. 780 - 234: 135, Α. 197 - 345ff.: 275, A. 536 - 349: 642, A. 641 - 354ff.: 263, A. 499 - 362: 91, A. 66 - 402-5: 599, A. 551; 635, A. 625 - 412f.: 636, A. 627 - 426f.: 636, A. 627; 638, A. 629 431f.: 647, A. 649 - 506: 278, A. 543 508-12: 647, A. 649 - 718: 194, A. 344 - 722: 134, Α. 192 - 725: 170, A. 286 - 728: 260, A. 491 - 742: 170 744: 338, A. 711; 340, A. 713 - 749: 338, A. 711- 753: 260, A. 492 - 753f.: 155, A. 251 - 753-56: 342 - 782f: 378, A. 837 - 792ff.: 183, A. 321 800: 646, A. 647 - 827: 147, A. 229 908ff.: 170, A. 286 - 911: 170, A. 286 - 1035: 147, A. 2 2 9 Sept.: 483ff.: 147, A. 2 2 9 Alkaios 112,10 L.-P.: 642, A. 641 - 364L.-P.: 277, A. 541 Alkmaion (DK 24) Β 4: 217, Α. 398; 519, Α. 3 5 9 1

Altes Testament (AT) 1. Könige: 1,1 I f f . : 128, Α. 172 Ezechiel: 18: 208, Α. 375 Anaximander (DK 12) Β 1: 103, Α. 100Anaximenes v. Lampsakos RhAl.: 1421b17-33: 420, A. 83 1424b 27ff: 764 - 1424b 35ff: 581, A. 513 - 1424b 39f: 577, A. 505 - 1425a 1-5: 504, A. 320; 574, A. 499 - 1425a 9 f f : 480, A. 253; 516, A. 3 5 0 1425al5: 480, A. 253 - 1425a 20f: 640, A. 634 - 1425a21-2: 480, A. 253 - 1425a23: 480, A. 253 - 1425a 3Off.: 522, A. 363 - 1425b3-4: 480, A. 253 1431b9ff: 497, A. 300 - 1432bllff: 490, A. 277 - 1436a 33ff:. 455, Α. 183 - 1437al-bl5: 507, A. 329 - 143 b 33f: 512, A. 340 - 1439a5-39: 420, A. 83Andokides 1,12ff: 533, A. 399 - 2,7: 509, A. 335 Antiphon (DK 87 und Rhetor) Β 56: 184, Α. 323 - Β 58: 94, Α. 75; 433, Α. 109orationes: 1,6: 411, Α. 57 - 2,2,5: 210, Α. 380 2,3,3: 452, Α. 166 - 3,2,1: 403, Α. 39 3,3,10: 210, Α. 380 -4,3,1: 404, Α. 39 - 4,4,4: 210, Α. 380 - 5,54: 404, Α. 42 -5,69: 435, Α. 112 - 5,72: 435, Α. 112 -5,86: 404, Α. 3 9 -

N i c h t berücksichtigt sind Stellenangaben in Ü b e r s c h r i f t e n und Tabellen. Die A b k ü r z u n g e n der Werke entsprechen in der Regel denen in Montanari 2004, 3 ff.

836

Index locorum

Aristophanes

Cicero

Lys.: 675ff: 344, A. 7 3 2 -

Att.: 4,19,3: 205, A. 365 - 7,7,4: 205, A. 365 -

Nub.: 94-103·. 347, A. 740 - 889ff.: 419, A. 77 - 1068-82: 724, A. 69 PL: 1151:599, A. 551 — Ran. : 109: 28, A. 2 - 1118: 411, A. 57 - 1431f.: 668, A. 723 -

Brut.: 29: 451, A. 164-42: 4, A. 5 287: 4, A. 6 fam.: 5,12: 4, A. 5 leg: 1,5: 4, A. 3 -

Ve.:44f.: 481, A. 255 -

or.: 30: 4, Α. 6; 454, Α. 180 - 39: 109, Α. 113 -66: 4, Α. 3 -

Aristoteles

de or: 2,55: 4; 109, Α. 113 - 2,62-64: 4, Α. 4 -

EM: 1124 b: 291, A. 5 7 8 Poet: 1448a20-24: 37, A. 26 - 1448b 4ff.: 28 - 1450al5: 29 - 1450al6: 28, A. 2 - 1450a38: 29 - 1450b5: 406, A. 47 -1451a36-1452al: 29 I451a36-1451 b4: 30 - 1451b 5f: 30 1451b6-15: 30 - 1451 b29-32: 32, A. 16 -1451b34-52 alO: 32 - 1453a 8 f f : 340, A. 714 - 1453bll: 29 - 1459a21: 29 - 1459a22-24: 33 - 1459a 25f.: 224, A. 407 - 1459a33: 32 -1460a 26f: 32 Pol.: 1341bl9-1342al8: 29, A 4 Rh.: 1355bl0: 406, A. 47 - 1355b 37ff:. 455, A. 184 -1360a5: 34, A. 19 - 1360a34-37: 34, A. 19 1360b-1361: 92, A. 68 - 1365a30-33: 221, A. 405 - 1382a 2 I f f : 498, Α. 302 - 1382a 24f: 575, A. 502 - 1382b 22ff: 498, A. 302 - 1389a 3 f f : 378, A. 837; 502, A. 312 - 1390al5: 520, A. 359 -1394a 2 I f f : 119, Α. 1 4 5 1409a24-31: 109, Α. 114 - 1411a2-4: 221, Α. 4 0 5 SE: 183b 36f: 470, A. 223 -

Bacchylides

Epinik: 3,23ff: 91, A. 64 -5,160: 181, A. 316 -frg. 3 (Prosodia): 181, A. 316

Caesar B.C.: 2,38,2: 378, A. 8 3 7 -

Tusc: 5,108: 599, Α.551 -

Demokrit (DK 68) A 66: 428, Α. 96 -Β 33: 425, Α. 92 -Β 58: 433, Α. 109 - Β 66: 433, Α. 1 1 0 Β81: 185, Α. 3 2 5 - Β 119: 433, Α. 110 -Β 176: 94, Α. 75; 433, Α. 109 - Β 197: 435, Α. 1 1 2 - Β 251: 207, Α. 372 -Β 267: 419, Α. 80 -Β 278: 265, Α. 505 - Β 289: 428, Α. 96 -Β 292: 94, Α. 7 5 - 4 3 3 , Α. 1 0 9 -

Demosthenes 18,156: 385, Α. 8 -

Diodor ll,l,4f: 224, Α. 4 0 7 12,82,3-13,34,1: 445, Α. 142 - 13,2,6: 632, Α. 619 - 13,19,6: 765 - 13,20: 765 - 13,20-32: 765 - 13,20,2: 666 13,21: 765 - 13,22: 766 - 13,23: 766 13,24: 766 - 13,25: 766 - 13,26: 766 13,27: 766 - 13,28: 766 - 13,30: 767 13,32: 767-20,1,1: 3, Α. 1 -20,1,3: 3,

Α. 1 Dionysios von Halikarnass Comp: 4: 754, Α. 5 -24: 108, Α. 112 Dem: 41: 4; 137, Α. 201 -51: 411, Α. 58Pomp: 3: 4; 62, Α. 7; 82, Α. 36; 109, Α. 1 1 3 -

837

Index locorum

Thuc.: 6: 410, A. 5 5 - 2 0 - 1 : 410, A. 55 -23:5-23,7: 109, A. 1 1 3 - 2 4 : 4; 451, A. 161; 451, A. 163 und 164 34-49: 5-37-41: 479, A. 251 - 41: 406, A. 47 - 45: 464, A. 207 - 48: 573, A. 492 -

Suppl. (Hiketiden): 187: 474, A. 237 232-49: 502, A. 312; 695, A. 781 323f: 186, A. 329; 421, A. 86 -403ff: 470, A. 223 - 479ff: 433, A. 109 — 576f: 186, A. 328; 421, A. 8 6 -

Hekataios (FGrHist 1) Duris (FGrHist 76) F 7:756, A. 12 - F 89: 756, A. 1 2 -

Fla:6\, A. 4 -F27: 61, A . 6 -

61, A. 5

-F30:

Ephoros (FGrHist 70)

Gorgias (DK 82)

F 186: 224, A. 407 — F 193: 243, A. 450 -F196: 438, A. 1 2 5 -

Β 3,77ffi. 186, A. 326 - Β 5a: 194, A. 344 - Β 6: 406, A. 47; - Β 11,6: 724, A. 69 -B ll,12ff: 400, A. 29 -B 11a, 22: 403, A. 39 -

Eupolis 104 Ρ CG: 695, Α. 781 - 133 PCG: 695, Α. 781 -219 PCG: 662, Α.701 333 PCG: 695, Α.781 -

Heraklit (DK 22) Β 119: 99, A. 8 6 -

Euripides

Hermogenes

Ale.: 785ff.: 435, Α. 112 - 1093: 474, Α. 2 3 7 -

Id.: 2,319: 111, A. 1 1 7 -

Andr.: 445-63: 474, Α. 237 - 1136: 644,Α. 644 -

Herodot

Ant.: Frg. 183: 422, Α. 86 - Frg. 187: 422, Α. 86 - Frg. 187,5f: 424, Α. 89 Frg. 193: 421, Α. 8 6 - F r g . 198: 92, Α. 68 - Frg. 200: 422, Α. 86 Arch.: Frg. 261: 419, A. 80 Auge: Frg. 265a: 424, A. 89 Bac.: 395: 198, A. 353 Chrysippos: Frg. 840,2: 424, A. 89 Erechtheus: Frg. 362,21: 696, A. 781 Her(acl).: 134ff: 420, A. 83 - 148: 504, A. 319 - 153ff: 253, A. 480 329ff: 422, A. 87 Hip(pol).: 1007-20: 210, A. 380 1A:808: 431, A. 104; 531, A. 3 9 4 IT: 89: 435, A. 1 1 2 Med.: 289: 686, A. 761 - 1079f: 431, A. 1 0 4 Or. : 126: 424, A. 8 9 Ph.: 524f: 421, A. 8 4 -

Buch 1: 1-5: 65, A. 16; 173, A. 290; 322, A. 647 - 1-5,2: 65 - 1,1: 62, A. 8; 65, A. 16; 216, A. 395 - 4,3: 65, A. 1 5 4,4: 322, A. 6 4 7 - 5 : 65, A. 1 6 - 5 , 3 : 65; 84, A. 42; 1 1 1 - 5 , 4 : 66, A. 18; 81, A. 34; 92; 102; 301, A. 5 9 9 - 6 : 89 - 8 : 100, A. 89; 351, A. 751 - 8,2: 178, A. 305 - 8,3: 319, A. 639 - 11,3: 319, A. 638 - 13,2: 90; 97 - 20: 286, A. 567 24,7: 78, A. 26 - 24,8: 104, A. 101 26: 90 - 27: 90, A. 63 -27,3f: 94, A. 75; 95 -29: 90 - 30ff: 124, A. 161 30,2: 91 -30,3: 94, A. 15-31,3: 181, A. 316; 2 3 0 - 32: 147; 333, A. 6 9 7 32,1: 91; 105, A. 1 0 3 - 3 2 , 4 : 9 1 ; 183, A. 318 - 32,9: 92; 325, A. 654 - 33: 92; 374, A. 8 2 3 - 3 4 : 1 6 1 - 3 4 , 7 : 9 2 39: 166, A. 279 - 42: 280, A. 549 45,2: 92; 9 7 - 4 5 , 3 : 109, A. 114 -46: 93; 97 -46,1 : 93, A. 73 - 4 8 f f : 94, A. 75 - 50: 94, A. 75 - 50,1: 93, A. 74; 94, A. 75 - 5 3 , 3 : 93 - 54,1: 93; 94, A. 7 5 - 5 5 , 2 : 195, A. 345 - 56,1: 94, A.

838

Index locorum

75 -57,3: 221, Α. 403 -60,4/.: 104, Α. 101 -61,4: 286, Α. 567 -64,2: 286, Α. 567 - 65: 351, Α. 749 - 65ff.: 78, Α. 25 - 70,3: 84, Α. 4 2 - 7 7 : 196, Α. 349; 325; 341, Α. 721 - 71,1: 94; 94, Α. 75 - 71,2: 97 - 71,2/.: 94 - 71,4: 9 5 - 73: 472, Α. 230 - 73,1: 95; 97; 352, Α. 755 - 75,2: 94, Α. 75 - 77,4: 94, Α. 75 80: 205, Α. 366 -80,5: 94, Α. 75 - 82: 235, Α. 437; 309, Α . 6 1 7 - « 6 , 5 : 109, Α. 114 - 86,5: 96 -87ff.: 372, Α. 8 1 7 87,2: 179, Α. 312; «7,5: 96; 9 7 «7,5-4: 78, Α. 25; 118, Α. 142 -87,4: 242, Α. 448 - 90,2: 96 - 91,1: 96, Α. 80 - 91,1-3: 101, Α. 90 - 91,2: 96; 97 -91,5-6: 195, Α. 345 - 91,6: 97-96,1: 282, Α. 554 - 98ff.: 78, Α. 25 - 707: 1 6 1 - / 0 7 / . : 162 - 123: 97, Α. 8 2 328, Α. 677 351, Α. 749; 354, Α. 762; 365, Α. 793 - 725,7: 134, Α. 191 - 72(5,(5: 328, Α. 6 7 7 135: 352, Α. 757 - 75«,2: 176, Α. 300 - 140: 149, Α. 235 - 153: 325 - 155,4: 324, Α. 653; 325 - 158/: 98, Α. 85 169: 280, Α. 549 - 174,4: 63, Α. 11 183,3: 131, Α. 182; 340, Α. 7 1 6 185,1: 93, Α. 17,-189: 176, Α. 3 0 0 193,5: 63, Α. 11 -201: 352, Α. 755 204,2: 103-206,3: 136, Α. 2 0 0 207,1: 96, Α. 78; 319, Α. 640 - 207,2: 102; 103, Α. 99; 2 3 0 - 2 0 9 : 161; 1 6 2 212: 118, Α. 1 3 9 - 2 7 4 : 118, Α. 1 3 9 -

19,2: 245, Α. 459 - 20ff.: 79, Α. 28 27,2: 352, Α. 755; 352, Α. 757 - 22,4: 156, Α. 252 -30: 162 -32,4: 177, Α. 303 -34,3: 177, Α. 303 - 57,2: 28, Α. 2 - 38: 77, Α. 22 - 39-43: 98, Α. 85; 641, Α. 636 - 40,2: 105, Α. 1 0 3 - 4 5 , 7 : 109, Α. 114; 298, Α. 590; 298, Α. 591; 374, Α. 826 - 45: 85, Α. 47 - 47: 97, Α. 82 -49-52: 113, Α. 1 2 4 - 5 5 , 4 : 155, Α. 251 - 5 5 , 7 : 2 0 7 , Α. 373 -56,2: 280, Α. 549 - 62: 94, Α. 75 - 64,5: 100, Α. 8 9 - 6 5 , 5 : 100, Α. 89; 147, Α. 232; 298, Α. 591 - 77,5: 147, Α. 232 72,4: 78, Α. 25 -80-82: 118, Α. 140; 124, Α. 161; 125, Α. 165; 172, Α. 289; 354, Α. 762; 741 - 80ff.: 25 - 80,2: 136, Α. 200 - 80,3: 239, Α. 443 80,4/.: 321, Α. 644 - « 2 , 7 : 301, Α. 598 -82,5: 118, Α. 143; 132, Α. 1 8 6 «5,7: 301, Α. 598-106-116: 104, Α. 1 0 0 - 7 0 « , 7 : 103, Α. 1 0 0 - 7 2 0 - 7 2 « : 97, Α. 82 - 722: 94, Α. 75 - 725/: 557, Α. 455 - 72(5,7: 97, Α. 82 - 128,5: 97, Α. 82-134: 128, Α. 172; 170, Α. 285; 352, Α. 756 - 134,3: 378, Α. 837 139,3: 104, Α. 101 - 153ff.: 98, Α. 85 757,2: 111, Α. 1 1 7 - 7 5 4 , 7 : 100, Α. 89 - 156ff: 207, Α. 374 -

Buch 2: 2: 78, Α. 25 - 5,2: 156, Α. 252 - 33,2: 79, Α. 27 - 43: 78, Α. 25 - 47: 85, Α. 47 - 68,1: 156, Α. 2 5 2 - 77: 156, Α. 252 - 77,7: 62, Α. 8 - 99,1: 78, Α. 26 120,5: 105, Α. 104; 264, Α. 502; 646, Α. 648; - 727,7: 63, Α. 11 - 133: 98, Α. 85 - 134,3: 400, Α. 29 - 147: 78, Α. 26-139: 171, Α. 287 - 139,2: 98, Α. 85; 171, Α. 287-139,3: 171, Α. 2 8 7 143,1: 400, Α. 29; - 161,3: 100, Α. 89 - 7 7 5 : 9 8 , Α. 85-181: 104, Α. 1 0 1 757/: 85, Α. 4 7 -

Buch 4: 1,1: 358, Α. 778 - 4,1: 358, Α. 778 8,3: 329, Α. 677 - 30,1-2: 205, Α. 366 - 4 5 : 340, Α. 7 1 6 - 5 0 , 2 : 156, Α. 2 5 2 79,1: 100, Α. 8 9 - « 5 : 144, Α. 2 2 2 «5,2: 145, Α. 226; 183, Α. 321 - « 4 : 178, Α. 307 -87: 194, Α. 343 - 88,2: 133, Α. 1 8 9 - 9 5 , 4 / : 104, Α. 101 97: 339 - 99,4: 82, Α. 36 - 118: 352, Α. 755; 358, Α. 7 7 8 - 77«,2: 118, Α. 143 - 754: 339 - 136: 274, Α. 532 757: 369, Α. 807 -137ff.: 145; 188; 286, Α. 567; 369 - 745,7: 358, Α. 778 - 159,6: 139, Α. 205; 647, Α. 649 164,4: 100, Α. 89 - 165,3: 358, Α. 778 - 7 6 7 , 5 : 3 5 8 , Α. 778 -205: 105, Α. 103-

Buch 3: 1,4: 634, Α. 623 - 5: 404, Α. 42 - 72: 131, Α. 182 - 14,11: 179, Α . 3 1 2 -

Buch 5: 4,2: 230, Α. 423 - 9,2/.: 662, Α. 701 18//.: 345, Α. 734 - 19: 378, Α. 8 3 7 -

Index locorum

30-31,2: 707, A. 5 - 30,3: 707, A. 5 31,2: 129, A. 177 -31,4: 707, A. 5 32: 346, A. 736; 348, A. 743 - 33,2: 100, A. 89 - 36,2: 61, A. 5; 363, A. 788; 400, A. 29 - 49: 316, A. 632 49,3: 365, A. 793 - 49,4: 135, A. 1 9 7 49,8: 151, A. 241 - 55ff.: 161 -56-96: 88, A. 56 - 56,1: 106, A. 104; 264, A. 502 - 62,3: 63, A. 11 - 72: 278, A. 542 - 75: 323, A. 648 - 78ff.: 78, A. 25; 202, A. 359; 354, A. 760 -83,1: 63, A. 11 - 91,1: 93, A. 7 3 - 9 2 : 143, A. 215; 300, A. 597; 335, A. 704 - 92a: 287, A. 571 -92γ3: 104, A. 101; 329, A. 677 - 928: 100, A. 89 - 92ζ1β\: 286, A. 567 - 92ζ2: 147, A. 229 - 96: 130, A. 179 - 97: 209, A. 378; 245, A. 458; 316, A. 632; 354, A. 7 6 0 - / 0 0 : 1 3 5 lOOff.: 151, A. 241 -105,1-2: 88, A. 56 -105,2: 113, A. 125; 127, A. 167; 358, A. 779 - 106,3: 197; 319, A. 639 - 118,2: 203, A. 359 - 125: 61, A. 5; 400, A. 2 9 - 126: 61, A. 5 Buch 6: 9:363, A. 7 8 8 - / 7 , 2 : 132, A. 1 8 5 12,1: 243, A. 452 - 14,3: 634, A. 623 15,2: 243, A. 452 - 21,2: 179, A. 3 1 2 27,2: 647, A. 649 - 42: 108, A. 1 1 1 42,1: 140, A. 208 - 43-45: 139, A. 206 -43,1: 342, A. 722; 378, A. 837 - 44: 358; 358, A. 119-44,1: 127, A. 167; 358, A. 119-44,2/.: 173, A. 292; 228, A. 419- 45: 89, A. 56 -45,2: 139, A. 206 - 48ff.: 206; 763, A. 30 - 50: 278, A. 542 -50,3: 317, A. 633 -51: 128, A. 171 -57,1: 197- 63: 278, A. 542 70: 128, A. 170-77,2: 133, A. 1 8 9 86: 335, A. 704 - 91: 323, A. 648 92,3: 647, A. 649 - 94: 89, A. 56; 130, A. 178; 130, A. 179; 358; 358, A. 779 -94,1: 127, A. 167-9S: 209, A. 378; 318, A. 636; 354, A. 760 - 98,2: 348, A. 743 -98,3: 317, A. 633 - 103-120: 126 -107ff.: 130, A. 1 7 9 - 709,3: 252, A. 4 7 9 - 7 / 7 : 3 0 2 - / 7 2 : 184, A. 3 2 2 7 / 3 : 3 0 2 - 7 / 9 , 7 : 127, A. 1 6 7 - / 2 0 : 126 -121-125: 210, A. 3 8 0 121-131: 126 - 131: 209, A. 378 -

839

134-136: 323, A. 648 - 137: 221, A. 403Buch 7: /: 1 2 6 - 7 - 7 : 1 2 6 - / , / : 127, A. 167; 706, A. 1 -1,2: 127, A. 168; 709-7,3: 127, A. 167; 127; 706, A. 1 - 3: 332 3,1: 128, A. 170; -3,2: 128 -3,2-3: 197; 367, A. 802 - 3,4: 327, A. 662; 331, A. 690 - 4: 126; 127; 127, A. 167 und 169; 134, A. 193; 706, A. 1 - 5 : 271; 334; 342; 358; 360; 727; 729 5-8: 165-5,7: 129; 131, A. 181 -5,2: 132, A. 185; 134, A. 194; 138, A. 202; 270, A. 520; 313; 314; 322, A. 646; 365; 731 -5,3: 129; 134, A. 191; 3 6 0 6: 330, A. 683; 706, A. 3; 712, A. 22; 714, A. 33; 719 - 6,1: 130; 342 - 6,3: 714, A. 3 4 - 6 , 3 / : 130 -6,4: 134, A. 192; 155, A. 251; 296, A. 584 - 7: 159, A. 261; 321 -8:5; 138; 159; 165, A. 275; 191; 341, A. 717; 352; 358; 368; 369; 720; 723; 723, A. 68; 724 - 8ff.: 25 - 8-11: 339, A. 712 - 8-18: 165, A. 275; 171, A. 288; 336;-8a: 131 - 5 a : 134, A. 191; 144; 154; 305; 419, A. 80; 736 - 8al: 186, A. 327; 351, A. 752; 737 -8a2: 134, A. 193; 360; 361; 729 - 8 ß : 134, A. 191; 136; 137; 727; 7 3 6 8β-γ: 339, A. 712 - 8ßl: 134, A. 1 9 3 8ßl-2: 151, A. 240-8/32: 134, A. 193; 270, A. 520 -8β3:\ 34; 368, A. 806; 737 - 8γ: 135; 137; 193 -8γ1: 152, Α. 243 - 8γ2: 361; 724 - 8γ2-3: 209, Α. 376 - 8γ3: 135; 168, Α. 283; 352, Α. 757; 724 - 8δ: 137 - «