Gestaltet im Auftrag von ... / Designed in commission of ...: Gespräche über Graphik Design / Conversations on Graphic Design 9783035606072, 9783035606089

Applied graphic design What Stefan Sagmeister talks about in a Viennese coffee house, what Mangalica pigs have to do w

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German Pages 332 Year 2015

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Gestaltet im Auftrag von ... / Designed in commission of ...: Gespräche über Graphik Design / Conversations on Graphic Design
 9783035606072, 9783035606089

Table of contents :
Inhalt / Content
Generationen/Generations
Nicht jeder Kampf ist sinnvoll, nicht jeder Sieg ist hilfreich. / Not every battle makes sense, and not every victory is helpful
Kurzes Lexikon der Designbeziehung A Brief Lexicon of Design Relationships
Gespräch/Conversation: TOLEDO i DERTSCHEI. Gedenkstätte Karajangasse / Karajangasse Memorial Site
Bureau F. Feinkoch
ks_visuell. Zeit Punkt Lesen
Grafikdesign als Selbstverständlichkeit / Graphic Design as a Matter of Course
Über vergangene Erfahrungen und gegenwärtige Erkenntnisse / On past experiences and present realizations
buero bauer. Max F. Perutz Laboratories Wien
martha stutteregger typografie. Österreich und die Biennale Venedig 1895 – 2013 / Austria and the Venice Biennale, 1895 – 2013
Drahtzieher. winnovation
Das Leben ist immer in Beta. / Life is always in Beta.
Kerndesign. Kunstsammlung und Archiv der Universität für angewandte Kunst Wien / Collection and archive at the University of Applied Arts Vienna
Sagmeister & Walsh. Über die Dynamik unkonventioneller Ideen, den Wert von Leitsätzen und Herzensprojekte / On the dynamics of unconventional ideas, the value of guiding principles, and labours of love
studio VIE. AFA – Austrian Fashion Association
Appendix
Bildnachweise / Picture Credits
Personenregister / Index of Persons
Danksagung / Acknowlegments
Impressum / Imprint

Citation preview

Gestaltet im Auftrag von … Gespräche über Grafikdesign

Designed in Commission of … Conversations on Graphic Design

Edition Angewandte Book Series of the University of Applied Arts Vienna Edited by Gerald Bast, Rector

Marc Damm (Hrsg./Ed.)

Gestaltet im Auftrag von …

Gespräche über Grafikdesign

Designed in Commission of …

Conversations on Graphic Design

BIRKHÄUSER BASEL

Inhalt Content

Gestaltet im Auftrag von … Gespräche über Grafikdesign

Designed in Commission of … Conversations on Graphic Design

6 Marc Damm Generationen/Generations

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Oliver Kartak Nicht jeder Kampf ist sinnvoll, nicht jeder Sieg ist hilfreich. Not every battle makes sense, and not every victory is helpful. Erwin K. Bauer Kurzes Lexikon der Designbeziehung A Brief Lexicon of Design Relationships

Gespräch/Conversation 1 25



TOLEDO i DERTSCHEI Carlos Toledo, Eva Dertschei Gedenkstätte Karajangasse / Karajangasse Memorial Site Renate Prazak

G/C 2 53 Bureau

F Fabienne Feltus Feinkoch Simon Jacko

G/C 3 81 ks_visuell

109



Maximilian Sztatecsny Zeit Punkt Lesen Barbara Aschenbrenner Christian Reder Grafikdesign als Selbstverständlichkeit Graphic Design as a Matter of Course

G/C 4 125 Tino



Erben Über vergangene Erfahrungen und gegenwärtige Erkenntnisse On past experiences and present realizations

Inhalt

Content

G/C 5 153 buero

bauer Erwin K. Bauer Max F. Perutz Laboratories Wien Alwin Köhler

G/C 6 177 martha

stutteregger typografie Martha Stutteregger Österreich und die Biennale Venedig 1895 – 2013/ Austria and the Venice Biennale, 1895 – 2013 Jasper Sharp

G/C 7 201 Drahtzieher

229



Barbara Wais winnovation Gertraud Leimüller Erik Spiekermann Das Leben ist immer in Beta. Life is always in Beta.

G/C 8 245 kerndesign



Anita Kern Kunstsammlung und Archiv der Universität für angewandte Kunst Wien / Collection and archive at the University of Applied Arts Vienna Patrick Werkner

G/C 9 273 Sagmeister



& Walsh Stefan Sagmeister Über die Dynamik unkonventioneller Ideen, den Wert von Leitsätzen und Herzensprojekte / On the dynamics of unconventional ideas, the value of guiding principles, and labours of love

G/C 10 301 studio

VIE Christian Schlager, Anouk Rehorek AFA – Austrian Fashion Association Marlene Agreiter, Camille Boyer

Appendix 329 Bildnachweise / Picture Credits 330 Personenregister / Index of Persons 331 Danksagung / Acknowlegments 322 Impressum / Imprint

Generationen

Marc Damm

Generationen

Was mich zu Beginn dieser nun in Buchform vorliegenden Studie beschäftigt hat, war die Frage, welche Menschen und Persönlichkeiten die Klasse für Grafikdesign an der Universität für angewandte Kunst Wien in der Vergangenheit mitbestimmt haben und gegenwärtig mitbestimmen. Auf der Suche nach einer Antwort bin ich auf zehn ihrer ProtagonistInnen gestoßen, die meisten von ihnen ehemalige Studierende und AbsolventInnen, darunter auch einer ihrer Lehrer. Dieser Band versammelt nun drei Generationen von GrafikdesignerInnen im Dialog mit jeweils einem ihrer AuftraggeberInnen. Er spürt ihren persönlichen Haltungen nach, er verrät etwas darüber, wer sie sind, woran sie arbeiten, wie sie dies tun, warum und mit wem. Ziel dieses Buches ist es, über individuelle Erfahrungen und exemplarische Projekte Einblicke in die vielfältigen Rollen des Grafikdesigns zu geben. Anhand der zehn Dialoge wird verdeutlicht, welche Reibungspunkte sich im Zuge gemeinsamer Prozesse auftun und zu welchen herausragenden Resultaten sie führen können. Hier spielen insbesondere das Spannungsfeld zwischen Dienstleistungscharakter und Wirtschaftlichkeit einerseits – darunter wird ja der Designauftrag gerne einseitig subsummiert – sowie Autonomie und Innovation andererseits eine Rolle. Gestaltet im Auftrag von … versammelt Beispiele, die auf gemeinschaftlichen Prozessen zwischen AuftraggeberInnen und GestalterInnen beruhen. Hier sind GestalterInnen nicht als geistlos-sklavisch Ausführende den Vorgaben ihren zahlenden KundInnen ausgeliefert, sondern realisieren ihre Projekte gemeinsam mit ihren AuftraggeberInnen, entwickeln eine persönliche Haltung und, basierend auf den jeweiligen Problemstellungen, oftmals eine eigenständige Autorenschaft. Ich möchte allen Personen danken, die direkt oder indirekt an der Entstehung dieses Buches beteiligt waren, die Zeit und Ressourcen investiert und Erfahrungen geteilt haben, um es in dieser Form möglich zu machen. Möge es zukünftigen Generationen als eine kleine Bestandsaufnahme dienen. 6

Generations

Marc Damm

What interested me at the outset of this study, which has since become the book in your hands, was the question of which individuals and personalities have shaped and continue to shape the graphic design class at the University of Applied Arts Vienna. And in searching for an answer, I hit upon ten of its protagonists—most of them former students and graduates, as well as one of their teachers. So this volume now brings together three generations of graphic designers, most of them in dialog with one of their clients. It explores their personal attitudes and reveals a bit of who they are, what they work on, how they go about it, with whom, and why. The point here is to take a look at individual experiences and exemplary projects in order to gain insights into the diverse roles that graphic design can assume. The book’s ten dialogs make clear the friction that can arise over the course of collaborative processes and the outstanding results to which it all can lead. A particularly important factor here is the tension between a given job’s service-like and profit-oriented character—under which design work is quite often one-sidedly subsumed—and the ideals of autonomy and innovation. Designed in Commission of… brings together examples based on collaborative processes between clients and designers. Here, the designers are not mindless, slavish technicians at the mercy of their paying clients, but much rather realize projects together with their partners who awarded them the jobs, thereby manifesting a personal stance and often also—in response to the challenges at hand—a quality of independent authorship. I would like to extend my thanks to all those individuals who contributed directly or indirectly to the creation of this book and who shared their time, resources, and experiences in order to enable its publication in this form. May it serve future generations as a miniature snapshot of where things stand today.

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Oliver Kartak Nicht jeder Kampf ist sinnvoll, nicht jeder Sieg ist hilfreich.

Oliver Kartak Nicht jeder

Oliver Kartak

Nicht jeder Kampf ist sinnvoll, nicht jeder Sieg ist hilfreich.

Dass die Probleme anderer Menschen interessanter sind als meine eigenen, macht mich zu dem, was ich bin. Ich kann mir keine Witze merken, weiß aber genau, wie man sie erzählt. Mein größter Gegner bin ich selbst durch das, was in mir Geschmack bedeutet. Ich arbeite nie gratis. Aber ich verzichte manchmal auf Geld. Ich vermeide Marketingabteilungen. Ich spreche die Sprache nicht. Jeder Kunde verdient meine allerbeste Arbeit. Leider gelingt das nicht immer und es verfolgt mich lange. Auch Kunden können Ideen haben. Es hilft, eine Nacht darüber zu schlafen. Es ist schön, mit Kunden befreundet zu sein. Man schläft besser. Es ist schrecklich, Kunden zu hassen. Es raubt den Schlaf und ist ungesund. DesignerInnen lieben es, von Kunden gefesselt zu werden, um sich dann umso spektakulärer zu befreien. Nur andere DesignerInnen bewundern sie dafür. Je größer ein Unternehmen, desto eher wird Design zum internen Schlachtfeld. Und im Krieg kämpft die Angst gegen die Rücksichtslosigkeit. Ausnahmen sind monarchistisch geführte Unternehmen, in denen dich der König oder die Königin lieben und dir vertrauen. Die anderen Untergebenen hassen dich jedoch manchmal dafür und du fühlst dich vielleicht alleine. Ohne Kunden sind DesignerInnen freie Menschen. Aber auch oft kein Designer mehr. Studierende machen gerne „reale Auftragsarbeiten“. Auch wenn sie diese Wirklichkeit früh genug einholen wird. Bei freien Projektarbeiten in unserer Klasse werde ich, der Professor, manchmal als Kunde gesehen. Das ist schade. Manchmal lieben Studierende schnelle Lösungen. Auch das ist schade. DesignerInnen handeln in Ideen, nicht in Stunden. Leider stimmt das nicht immer. Niemand hat es verdient, dass man ihm mit modischem Schnickschnack Mund, Nase und Ohren verklebt. Gute Lösungen machen hörbar „klick“. Die Geduld, daran zu arbeiten, macht einen guten Designer/eine gute Designerin aus. Die Geduld, darauf zu warten, macht gleichermaßen einen guten Kunden aus. Die Sinne von Studierenden für Geduld zu schärfen, macht einen guten Professor aus. Ich gratuliere Marc Damm zu seiner Geduld. 9

Not every battle makes sense, and not every victory is helpful.

Oliver Kartak

Oliver Kartak

The fact that other people’s problems are more interesting than my own is what makes me who I am. I never remember any jokes, but I know exactly how to tell them. I am my own greatest adversary by virtue of what constitutes as taste. I never work for free. But I sometimes do without money. I avoid marketing departments. I don’t speak their language. Every client deserves my very best work—which I can’t always deliver, and that haunts me for a long time. Clients do have ideas, too. On which it’s good to sleep for a night. Being friends with your clients is nice. It helps you sleep better. Hating your clients is awful. It ruins your sleep, and that’s unhealthy. Designers love to be held captive by clients, from whom they then liberate themselves all the more spectacularly. Only other designers admire them for this. The larger the company, the more design can become an internal battlefield in the war between fear and recklessness. Exceptions to this are businesses with a monarch at the helm, where you enjoy the king’s or queen’s trust. For which reason the other lackeys will probably hate you and you might feel alone. Without clients, the designer is a free person. But frequently no longer a designer. Students are itching to do “real assignments”—even though this reality will catch up with them soon enough. In our class’s projects I, as professor, am sometimes treated as the client. Which is a pity. Sometimes students love a shortcut. Which is also a pity. Designers deal in ideas, not in hours. Unfortunately, this isn't always true. Nobody deserves to have his mouth, nose, and ears glued shut with fashionable gimmicks. Good solutions produce an audible “click.” The patience in working on this is what characterizes a good designer. The patience to wait for this equally characterizes a good client. Sharpening the senses of students for patience is what characterizes a good professor. I congratulate Marc Damm for his patience.

Not every battle makes sense, and not every

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k

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Erwin K. Bauer Erwin K. Bauer

Kurzes Lexikon der Designbeziehung

Kurzes Lexikon der Designbeziehung

Erwin K. Bauer Kurzes

A

Ausgezeichnet Dass Design-Awards zwar oft sehr viel kosten, dabei aber selten ein würdiges Preisgeld ausschütten, verwundert außerhalb der Design-Community so manchen. Geht hier das Ego mit den DesignerInnen durch, der Drang nach Selbstbestätigung? Geht es darum, einmal auch als Dienstleister auf der großen Bühne stehen zu dürfen? Mittlerweile gibt es so viele Awards, dass es einen eigenen Kriterienkatalog bräuchte, um beurteilen zu können, welcher Preis denn welchen Wert hat – womit sich übrigens eine Diplomarbeit an der Universität für angewandte Kunst in der Klasse für Grafik Design beschäftigt hat. Ein Student konzipierte und entwarf genau dafür einen Preis: den Award der Awards.

B

Beweis Hinter der Motivation, Awards zu bekommen, steckt natürlich auch wirtschaftliche Vernunft. Schließlich besteht ein wesentlicher Teil des Wertes von Designpreisen heute in ihrer medialen Wirkung und Verbreitung in der Öffentlichkeit. Und der erschöpft sich nicht nur in der sportlichen Tatsache, dass man sich etwa in den Reihen der besten GestalterInnen wiederfindet. Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen ist vielmehr zum fixen Bestandteil des Jobs geworden. Manche Auftraggeber sehen darin auch einen Beweis für die Fähigkeit von DesignerInnen, gezielt öffentliche Präsenz zu schaffen – etwas, das sie auch für ihre Projekte gerne beanspruchen.

Coop Wird tatsächlich jemand auf eine/n GestalterIn aufmerksam, könnte das der Anfang einer Beziehung sein. Denn jedes Auftragsverhältnis, in dem es um Kommunikation und ihre Gestaltung geht, bedeutet intensive (Zusammen-)Arbeit und damit eine Beziehung auf Zeit. Sie kann distanziert, amüsant, kurzweilig, nervtötend, beflügelnd, inspirierend, fordernd, fair oder

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Kurzes Lexikon der Designbeziehung

Erwin K. Bauer

unausgeglichen sein. Für das Gestaltungsergebnis ist es allerdings von Vorteil, wenn beide Seiten die Beziehung als ausgewogen wahrnehmen. Der Start einer Beziehung will aber gut überlegt sein, denn eine vorzeitige Trennung kann schmerzhaft sein.

Designbeziehung Der Erfolg eines jeden Designprojekts hängt für beide Seiten von der Gestaltung der Designbeziehung ab. Das gegenseitige „Beschnuppern“ am Anfang ist dabei wichtiger, als man annimmt. Für DesignerInnen ist die Verlockung, sofort in den Kreativprozess einzusteigen, oft sehr groß. Kaum wurde das Briefing überflogen, drängen sich schon die ersten Ideen auf, man beginnt sich vorzustellen, was für geniale Entwürfe sich umsetzen ließen. Manche Kunden setzen bewusst auf diesen unmittelbaren kreativen Trieb von GestalterInnen, um rasch an die besten Ideen zu kommen. Das kann für das Projekt auch durchaus gewinnbringend sein, solange beide Seiten auf Augenhöhe miteinander kommunizieren. Doch vor „Ideensammlern“, die am liebsten nur gustieren, anstatt sich auf eine ernsthafte Beziehung einzulassen, sollte man auf der Hut sein.

D

Erwartungshaltung Ob so eine Designbeziehung hält, was sie verspricht, hängt von den Erwartungen auf beiden Seiten ab. Zu Recht wünschen sich Auftraggeber außergewöhnliche Ideen. Doch ist der/die GestalterIn auch in der Lage, diese Ideen strategisch umzusetzen, das Projekt gut zu organisieren und bei engem Timing den Überblick zu bewahren? Die passenden DesignerInnen zu finden, gestaltet sich deshalb nicht einfach, weil das Feld immer größer wird, die Selbstdarstellungen dabei zwar professioneller aber die Leistungen auch immer schwerer vergleichbar werden. Bei Kunden nachzufragen, die bereits mit dem jeweiligen Studio gearbeitet haben, ist hier ein guter Weg.

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F

Fragen statt Lösungen Für DesignerInnen stellt sich die Frage, ob Auftraggeber vor allem dem Motto „Wer zahlt, schafft an!“ folgen, oder ob sie dem Gegenüber die Freiheit einräumen, tatsächlich Kreativität zu entfalten. Wenn Auftraggeber mit Fragen anstatt mit halbfertigen Lösungen kommen, dann sind die Rollen in der Beziehung richtig verteilt. Zum Arzt geht man ja auch nicht, um ihn von der selbstgebastelten Diagnose in Kenntnis zu setzen, sondern weil man professionelle Hilfe in Anspruch nehmen will.

Geschäftsbeziehung Dass jemand mit Geschäftssinn nicht gleichzeitig auch ein guter Designer/eine gute Designerin sein könne, ist ein weitverbreiteter Irrtum, der das Klischee der genial-chaotischen Kreativen noch immer befeuert. Vielmehr untermauert die unternehmerische Kompetenz die kreative Leistungsfähigkeit. Sie zeigt schon im Erstgespräch, dass das Gegenüber nicht nur die Ideenfindung, sondern auch den Gesamtprozess bis zur Fertigstellung im Griff hat. Deshalb sollte in der Ausbildung diese Kompetenz auch stärker gefördert werden.

G

Haltung Wenn soziales Engagement auf der Seite der Auftraggeber nicht grundsätzlich, sondern als medienwirksame Garnitur gedacht ist, durchschauen das nicht nur viele DesignerInnen bereits beim Briefing, sondern auch das Publikum, also jene, mit denen das Unternehmen letztlich kommuniziert. Umgekehrt richtet sich die Frage nach der Haltung auch an DesignerInnen: Welche Werte liegen der eigenen Designarbeit zugrunde? Wie wird der Erfolg des Entwurfs und später des Projekts gemessen? Welche neuen Formen kollaborativen oder interdisziplinären Arbeitens werden gewählt, um gemeinsam das Ziel zu erreichen? Es lohnt sich, diesen Fragen und einer gemeinsamen Position auf den Grund zu gehen.

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Erwin K. Bauer

I

Kurzes Lexikon der Designbeziehung

Ich DesignerInnen sind oft in ihre Idee, in ihr „Baby“, verliebt. Unternehmen sind das auch. Qualität anzustreben und dafür zu kämpfen, macht Sinn, am besten gemeinsam. Das Beziehungsmotto „unsere Idee“ hat deutlich mehr Potenzial als „meine Idee“.

Jammern Sich zu beschweren, den falschen Auftraggeber oder den/die falsche/n DesignerIn zu haben, kostet nur Energie. Wechseln hilft (siehe Trennung).

J

Kommentarpflicht Werden von Kunden mehrere GestalterInnen angesprochen, gilt es zu entscheiden, ob sich das Risiko der Investition in eine Präsentation lohnt. Die mittlerweile oft selbstverständlich geforderten Gratispräsentationen sind ein klares Zeichen für mangelnde Wertschätzung oder Kenntnis der Leistung. „Ich will ja nicht die Katze im Sack kaufen“, oder „Machen Sie zuerst einen Entwurf, sonst kann ich ja nicht sagen, ob es mir gefällt“ sind Statements, die GestalterInnen am besten mit direkter Aufklärungsarbeit über ihre Expertise kommentieren.

K

Probefahrt Oft wird die „Probefahrt“ bei Designern auch aus Unwissenheit der Auftraggeber über die Leistung gefordert. Ihm zu erklären, welche Schritte von der Ideenentwicklung über die Analyse bis hin zur aussagekräftigen Präsentation notwendig sind, ist zugleich eine Chance für die Darstellung der eigenen Expertise. Nach so einem Gespräch ist dem Gegenüber meist klar, dass DesignerInnen ihre genialen Ideen nicht etwa im Kaffeehaus auf die Serviette kritzeln oder per Knopfdruck aus dem Computer locken, sondern dass sie recherchieren, analysieren und vielfältige Aspekte einbeziehen, um dann zu einer oftmals einfachen aber schlüssigen Lösung zu kommen.

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R Risiko Dass bei professioneller Auseinandersetzung mit einer Aufgabe schon die erste Präsentation einen Gutteil der Lösung – und oft auch der Arbeit – beinhaltet, wird meist unterschätzt. Zu entscheiden, ob eine symbolische Entlohnung das Risiko, am Ende keinen Zuschlag zu bekommen, wert ist, liegt bei den DesignerInnen. DesignerInnen leben von der Attraktivität ihrer Auftraggeber und deren Projekte. Sie leben davon, wie gut sich diese als Referenz darstellen lassen. Umschwärmte Auftraggeber setzen das durchaus auch als preissenkendes Argument ein. Bleibt trotz allem zu bedenken, dass Miete und Equipment bezahlt werden wollen.

T

Trennung Auch wenn die Begeisterung beim ersten Treffen groß ist, braucht es Regeln für den Abbruch einer Beziehung. DesignerInnen lassen sich oft dazu hinreißen, immer neue Adaptionen zu machen, nur um zum Schluss als Belohnung das fertige Ergebnis in Händen zu halten. Klare Regeln dafür, wer wie weit gehen darf, erhalten den Respekt voreinander und eine faire Beziehung. Dann kommt es nicht zur Trennung, sondern zum sauberen Abschluss des Projekts.

Verständnis Die Vision einer inhaltlichen bzw. unternehmerischen Idee ist ebenso wichtig wie die Fähigkeit des Gestalters/der Gestalterin, diese visuell und kommunikativ spürbar zu machen. Adjektive, die eine Idee im Vorfeld beschreiben, sind zwar rasch gefunden. Doch mit Worten wie „innovativ“, „einfach“ oder „dynamisch“ verbinden Auftraggeber und DesignerInnen unterschiedliche Vorstellungen. Diese verschiedenen Bilder in den Köpfen gleich zu Beginn abzugleichen, vermeidet einen der wichtigsten Konfliktherde – die kategorische Ablehnung eines späteren Entwurfs.

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Kurzes Lexikon der Designbeziehung

Erwin K. Bauer

Weitblick Mit ihrer Entdeckungslust, der permanenten Suche nach Neuem und der Sensibilität für aktuelle und zukünftige gesellschaftliche Entwicklungen können DesignerInnen immer einen Schritt voraus sein. Es reicht aber, in der Kommunikation einen halben Schritt voraus zu sein, um Menschen, die man ansprechen will, auch zu erreichen. Das gilt für Auftraggeber und deren Kunden gleichermaßen.

W

Zukunft Leidet die Beziehung, hat sie keine Zukunft. Manchmal ist das selbst dann der Fall, wenn man sorgfältige Beziehungsarbeit geleistet hat. Doch meine Erfahrung hat gezeigt, dass die Begeisterung, miteinander zu arbeiten und Ideen zu entwickeln anhält, selbst wenn die Beziehung nur als klassisches Auftragsverhältnis begonnen hat. Das liegt am unerschöpflichen Repertoire der Kreativität, neuer Techniken und Ideen für visionäre Designlösungen, die wir noch nicht kennen und doch entwickeln werden.

Z

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Awards The fact that design awards are often terribly expensive to put on but rarely pay out prize money worthy of that expense is a source of bemusement for more than a few observers from outside the design community. Is it all just a big ego trip for designers in need of self-affirmation, allowing service providers to enjoy center-stage themselves for once? There are so many awards by now that judging which prize has what value would really require its own special catalog of criteria— which, in fact, was the topic of a diploma thesis by a graphic design student at the University of Applied Arts Vienna. Its author went so far as to conceive and design an award based on these criteria: The Award of Awards.

designers. In fact, drawing attention to oneself has become just another essential part of the job. Some clients view success here as proof of a designer’s ability to deliberately create a public presence—which is something that said clients want for their projects, as well.

Cooperation When someone actually does take note of a designer, a relationship may be the result. Because every client-designer combination where communication and its design are at issue entails an intense (collaborative) effort and, thus, a temporary relationship. This relationship might be distanced, amusing, fastpaced, boring, uplifting, inspiring, challenging, fair, or unbalanced. But whatever the case, it’s in the interest of the end result for both sides to view the relationship as a balanced one. And embarking on such a relationship always needs to be well considered, for premature breakups can be painful.

Proof Competing for awards is, of course, motivated by a certain business rationale. After all, a large part of design awards’ value these days consists in media attention and public awareness— which doesn’t end with the quasiathletic distinction of being recognized as one of the best

Erwin K. Bauer

Design relationship, the For both sides, the success of any

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A Brief Lexicon of Design Relationships Erwin K. Bauer

A Brief Lexicon of Design Relationships

design project depends on what shape the design relationship takes. Getting acquainted at the beginning is more important than one might assume. For designers, the temptation to dive right into the creative process is often quite strong. Hardly has the briefing been skimmed over than the ideas begin to flow, and one envisions all the ingenious concepts that could be realized. Some clients will consciously bank on a designer’s immediate creative drive in order to arrive quickly at the best ideas—which can be immanently beneficial to the project, as long as both sides communicate on an equal footing. But one does need to beware of “idea collectors” who prefer just to sample a bit here and there rather than to enter into a serious relationship.

keep an eye on it all while meeting tight deadlines? Finding a suitable designer is anything but simple: the field keeps on expanding, with self-presentation growing more professional while services become tougher to compare. So a good approach here is to ask other clients who have already worked together with the studio in question.

Questions instead of solutions Designers are faced with the conundrum of whether a client will behave à la “he who pays the piper calls the tune” or concede their counterpart the freedom to be truly creative. When clients appear with questions instead of half-finished solutions, then the roles in the relationship are distributed as they should be. After all, you see a doctor not to inform him or her of your self-diagnosis, but to get professional help.

Expectations Whether such a design relationship delivers on what it promises depends on the expectations of both sides. Clients are right to want exceptional ideas. But is the designer in a position to implement these ideas strategically, organize the project well, and

Business Relationship The notion that someone with a good business sense can’t also be a good designer is a widespread misconception that still

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feeds off the cliché of the ingenious and chaotic creative. In reality, business acumen is a good foundation for creative potential. And it also shows a potential client as early as the initial meeting that his or her counterpart has a grasp not just of the inspirational side of things, but of the entire process up through its completion. Which is why there really should be a stronger emphasis on business skills in professional training.

questions—and a mutual position on them.

Ego Designers often fall in love with their ideas, their “babies.” As do businesses. Aiming for and fighting for quality makes sense, especially when it’s done together. So in such a relationship, “our idea” has more potential as a working motto than “my idea.”

Complaining Complaining about having the wrong client or the wrong designer just costs energy. A change will help (see Separation).

Attitude If social concern on the client’s part is more PR window-dressing than a matter of principle, many designers will figure this out as early as the briefing, and it will also be sensed by the public—in other words, by those with whom the business ultimately seeks to communicate. The same question of attitude also applies to the designer: What values underlie your own design work? How do you gauge the success of a design and, later on, of a project? And what new forms of collaborative or interdisciplinary work do you choose in order to reach the established goal together? It’s worthwhile to pursue these

The Obligation to be Clear If a client is approaching several designers at the same time, one needs to decide whether it’s worthwhile to risk investing in a presentation. Free presentations, which clients now often view as something standard, are a clear sign of insufficient esteem for or knowledge of the service to be provided. “I don’t want to buy a pig in the poke,” or “Do a draft of your concept first, otherwise I can’t say whether I’ll like it,” are 22

Erwin K. Bauer

A Brief Lexicon of Design Relationships

statements that designers need to counter in a direct way by providing the potential client with information on their expertise.

of the work—typically gets underestimated. The decision on whether a symbolic fee actually compensates for the risk of ultimately not getting the job lies with the designer. Designers live from the attractiveness of their clients and their projects, from leveraging these as references. And desirable clients most certainly do use this as a price-lowering argument. But even so, one still has to make enough to cover rent and equipment.

Test Drive Oftentimes, such a “test drive” of the designer is also requested because the client doesn’t understand the service that’s being offered. Explaining the necessary steps to a client, from the idea’s development to analysis to an informative presentation, is simultaneously a chance to demonstrate one’s own expertise. And such a conversation will usually make the potential client understand that designers don’t simply scribble down their ingenious ideas on a napkin at the coffeehouse or coax them out of the computer at the press of a button, but instead do research, do analysis, and consider manifold aspects in order to arrive at what is often a simple get convincing and coherent solution.

Separation Even if the first meeting is an enthusiastic one, there need to be rules for ending a relationship. Designers often give in to the temptation to make ever-new adaptations so that they can finally hold the finished results in their hands. Clear rules about who can go just how far will help to preserve respect for one another and a fair relationship. And where this is the case, breakups are rare and tidy completion of projects is common.

Risk The fact that the initial presentation of a professionally handled job already embodies the lion’s share of the solution—and often 23

can sometimes come about even when the relationship has been assiduously nurtured. But my experience has shown that once a certain enthusiasm for working together and developing ideas has arisen, it will tend to continue, even if things started out as a classic, run-of-the-mill clientdesigner relationship. This is thanks to creativity’s inexhaustible wellspring, and to new techniques and ideas for visionary design solutions that we may not yet know but will someday develop.

Understanding The existence of a vision for a substantive or business-related idea is just as important as the designer’s ability to make it felt visually and communicatively. It’s a quick matter to find adjectives for an idea’s initial description. But the notions that clients and designers associate with words like “innovative,” “simple,” and “dynamic” frequently differ. Working to harmonize these notions right up front will help avoid one of the most important sources of conflict: categorical rejection of a subsequent design.

Farsightedness With their urge to discover, their constant search for the new, and their keen sense of society’s current and future developments, designers can always be a step ahead of the game. But in the interest of reaching others, it’s enough to be half a step ahead when communicating. This goes equally for communication with clients and with clients’ customers.

Future An ailing relationship is a relationship without a future. And this 24

TOLEDO i DERTSCHEI Carlos Toledo, Eva Dertschei, TOLEDO i DERTSCHEI, Wien Renate Prazak, Lehrerin am Brigittenauer Gymnasium, Leiterin der Gedenkstätte Karajangasse, Wien Projekt: Umgestaltung/Neugestaltung der Gedenkstätte Karajangasse, Brigittenauer Gymnasium, 1200 Wien, im Rahmen des Forschungsprogramms Sparkling Science

„Ich glaube, dass man nicht davon ausgehen soll, dass so eine Ausstellung abgeschlossen ist. Es geht darum, dass man sich immer wieder traut, bestehende Gestaltungen zu verändern und etwas auszuprobieren.“

Marc Damm (MD)

Für den Anfang würde ich um eine kurze Vorstellung der eigenen Position und Tätigkeit bitten.

Mein Name ist Renate Prazak, ich bin Lehrerin für Geschichte, Politische Bildung und Mathematik im Brigittenauer Gymnasium und leite dort seit 1999 eine Gedenkstätte zur Mahnung an die Zeit des Nationalsozialismus. Im Jahr 1938 wurde ein Teil der heutigen Schule, eine ehemalige Volksschule, in ein Gestapo-Gefängnis umfunktioniert. Von da aus gingen Transporte direkt nach Dachau. Außerdem war in den 30er-Jahren etwa die Hälfte der SchülerInnen hier jüdischer Abstammung. Diese wurden alle aus der Schule geschmissen. Die Ausstellung gibt es seit den 80er-Jahren und wurde dann ab 1999 zu einer öffentlichen Gedenkstätte weiterentwickelt, die man jeden Donnerstag besuchen kann. Ein Kollege wollte damals, 1988, ein Zeichen setzen – und in einer Schule kann man außer im Keller, wo noch Platz ist, kein Zeichen setzen – und hat dort die erste Ausstellung initiiert. Ganz einfach, mit auf Karton affichierten Fotos, etwas Text. Zehn Jahre später habe ich dann die Leitung der Gedenkstätte übernommen. Damals gab es eine Kooperation mit dem Aktionsradius Augarten, einer Kulturinitiative im Bezirk, die haben die Verlorene Insel durchgeführt, ein Projekt über die jüdische Welt im zweiten und im zwanzigsten Bezirk in der Zwischenkriegszeit. Also haben wir die Gelder aufgestellt und das mit den LehrerInnen und SchülerInnen gemeinsam überarbeitet. Und so ist die Gedenkstätte entstanden: mit sehr viel Inhalt, als Schülerausstellung, in Form von Plakaten zu verschiedenen Themen.

Renate Prazak (RP)

Dann stelle ich uns vor, also wir sind zwei: Carlos Toledo und Eva Dertschei. Wir sind ein Büro für Gestaltung im siebten Bezirk in Wien und arbeiten mittlerweile seit achtzehn Jahren unter dem Namen TOLEDO i DERTSCHEI. Im Laufe der Zeit haben wir uns immer wieder mit Ausstellungsgestaltung beschäftigt. In Kontakt mit Renate sind wir über das Büro trafo.K gekommen, einem Büro für Kunstvermittlung, das an einem Projekt in Kooperation mit dem Brigittenauer Gymnasium arbeitete. Sparkling Science hieß das Förderprogramm. Im Zuge dessen haben wir dann fast zwei Jahre gemeinsam mit Renate gearbeitet.

Eva Dertschei (ED)

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TOLEDO i DERTSCHEI

Im Falle dieses Projekts ist es auch wichtig zu sagen, dass wir seit 13, 14 Jahren auch Workshops auf verschiedenen Bildungsniveaus mit Jugendlichen machen. Die Kombination aus Grafikdesign, Ausstellungsgestaltung, aber auch der Fähigkeit, Workshops mit Jugendlichen abzuhalten, war sicher ein Grund, warum uns trafo.K beauftragt hat.

Carlos Toledo (CT)

MD

Wie hat die Kommunikation zwischen trafo.K, der Schule und TOLEDO i DERTSCHEI funktioniert?

Die wissenschaftlichen Leiterinnen des Projekts, Renate RP Höllwart und Nora Sternfeld (beide u. a. Kunstvermittlerinnen bei trafo.K, Anm. MD), haben uns einander vorgestellt. Von ihnen kam auch der Anstoß, die Gedenkstätte umzugestalten. Es ging darum, dass die SchülerInnen, die zu einem hohen Anteil Migrationshintergrund haben – in einigen Klassen sind es bis zu 90 Prozent –, in Projektgruppen ihren eigenen Zugang erarbeiten und einbringen können. Das steckte auch im Titel des Projekts: Und was hat das mit mir zu tun? Der Hintergrund war eben auch, dass sich der Bezug zur Tätergeneration verliert und die Vermittlung des Holocaust neue Möglichkeiten braucht. Die beteiligten Historikerinnen und Vermittlerinnen haben gezeigt, wie man auch noch anders an das Thema herangehen kann – das war für uns auch ein Lernprozess. Nach einigen Monaten ist es dann darum gegangen, die Inhalte und Ergebnisse der Projektgruppenarbeit auszustellen. Und zu dem Zeitpunkt sind dann Eva und Carlos dazu gestoßen und haben sie eben auch beraten – mit ihrem Know-how als Vermittler und Grafiker. CT Unsere Aufgabe bestand darin, einerseits Raum zu schaffen für die neu dazugekommenen Interventionen aber auch die 20 Jahre alte Ausstellung, die Geschichte dieser Gedenkstätte, als zugängliches Archiv neu aufzubereiten. Wir wollten das Alte nicht wegwischen, sondern ergänzen.

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RP Ich hatte vorher vergessen zu sagen, dass die ganze Gedenkstätte aus Schülerarbeiten besteht. Plakate, Installationen … die Räume waren voll! Und da musste natürlich Raum geschaffen werden, wie Carlos gesagt hat. Und die Frage war jetzt: Wie geht das? Als Leiterin war ich auch darauf bedacht, dass Teile der alten Ausstellung erhalten bleiben, vor allem jene, die sich bewährt haben.

ED

Anfangs ist es immer eine heikle Situation, wenn so zwei Welten aufeinanderprallen. Wir kommen in die Schule, kommen aus der Grafikdesign-Welt, da gibt es schon auch Skepsis, auch von unserer Seite. Wir wussten nicht genau: Sollen wir etwas mit den SchülerInnen gestalten oder mit den LehrerInnen oder mit dem wissenschaftlichen Team? Wir haben uns regelmäßig getroffen und dabei wurde klar, dass wir nicht mit fertigen Entwürfen kommen werden und sagen: „So muss es ausschauen!“, sondern dass es ein Prozess sein wird. RP

… aber immer unter Einbeziehung unserer Einwände und Bedürfnisse. Wir zeigen schließlich die Gedenkstätte her und waren ein bestimmtes Design auch gewohnt. Es war uns wichtig, dass nicht nur die neuen, sondern auch die alten Plakate gezeigt werden konnten, wo es um Schule und Nationalsozialismus geht. Aber Carlos und Eva haben das ohnehin mitberücksichtigt. Wir haben lange überlegt, wie man raumsparend aber trotzdem sichtbar ausstellen kann – und dann kam eure geniale Idee, das über Archivboxen zu lösen, aus denen man Planen mit Inhalten ziehen kann.

MD (zu ED und CT)

Ich stelle mir das von eurer Perspektive her schwierig vor, wenn man nicht genau weiß: Wie ist die Gedenkstätte dann in der Schule präsent? Wie sehr ist die Öffentlichkeit eingebunden?

RP Das Projekt mit den SchülerInnen war die eine Sache, die Umgestaltung der Gedenkstätte die andere – es waren also eigentlich zwei Projekte.

28

TOLEDO i DERTSCHEI

ED

Die Umgestaltung der bestehenden Gedenkstätte war nicht von Anfang an geplant und das Budget war auch nicht auf das ausgerichtet. CT

Wenn wir die Polytechnische Schule Wien 20 nicht geholt hätten, um das Ganze technisch umzusetzen, hätte man das nicht geschafft. Die Tischlerarbeiten sind damit gedeckt worden und sämtliche anderen Reparaturen und Lichtarbeiten. RP (überlegt) Ich weiß auch nicht, wer die Umgestaltung dann letztendlich initiiert hat.

ED

Ich glaube, das wissenschaftliche Leitungsteam hat ab einem gewissen Zeitpunkt diesen Prozess in Gang gesetzt. Es war ein Anliegen, die Geschichte des Holocaust nicht in einer betroffen-machenden, paralysierenden Art, sondern aus einer agierenden Position heraus zu vermitteln. Das Budget dafür war knapp. Aber es ist halt auch nicht irgendein Thema, das ist keine Milchpackung, die du da gestaltest! In den Workshops gab es einige Auseinandersetzungen mit SchülerInnen, die sehr problematische Ansichten hatten. Ich kann mich erinnern, ein Mädchen aus einer rechtslastigen Szene hat den Workshop torpediert. Sie hat Behauptungen aufgestellt und wollte diese in der Gedenkstätte dann auch als ihre Position zeigen. Das sind so Momente, in denen man fragen muss: Wie weit gehen wir mit der Partizipation?

29

CT

Teil unserer Aufgabe ist das, was ich auch „Bildpolitik“ nenne: Wie wird Inhalt dargestellt? Wir haben die SchülerInnen in ihren Beiträgen grafisch unterstützt und sie beraten. Insgesamt hatte das Ganze aber eine Ästhetik des Nicht-Designs, das heißt: SchülerInnen machen Plakate. ED

Es stand nicht im Vordergrund, schön gestaltete Plakate zu machen. RP

Der Anspruch war, die Information möglichst klar zu präsentieren und zum Beispiel dafür zu sorgen, dass innerhalb der typografischen Ebenen eine gewisse Stringenz herrscht. CT

Es hat durchaus eine Ästhetik, die man nicht zerstören will. Es waren auch noch maschinengeschriebene Notizen dabei, handgeschriebene, Fotokopien. Diese wollten wir erhalten und dazu haben wir sie mit einer hochauflösenden Kamera fotografieren lassen, sodass noch die kleinste Schrift lesbar war. Das wurde beidseitig auf LKW-Planen gedruckt und dann mit Schienen angebracht, so kann man jedes Thema herausholen und wieder zurückschieben. ED

Wir haben das „Archivboxen“ genannt. Das sind gelbe Boxen, aus Doka-Platten zusammengeschraubt, und die haben so etwas wie Vorhangschienen an der Decke. Aus diesen Boxen kann man sozusagen die einzelnen Plakate der SchülerInnen rausziehen. Es sind nicht mehr die Originale – die waren auch schon zu verschimmelt – aber ein Abbild dessen, was sie vor zwanzig Jahren gemacht haben. CT

Der Vorteil ist, dass du bis zu zwanzig Plakate in so einen Kasten ordnen kannst und nicht alles an der Wand unterkommen muss. RP

Jede Platte, oder eigentlich Plane, wird erst sichtbar, wenn man sie rauszieht. Das heißt jetzt auch, ich kann auf ganz bestimmte Inhalte eingehen, ohne gleichzeitig alle anderen auch da zu haben. 30

TOLEDO i DERTSCHEI

Es ist dann jedes Mal eine Spezialausstellung und jedes Mal eine andere.

MD

Für jedes der Gespräche habe ich ein Motiv, sozusagen als vertiefendes Thema, definiert. In diesem Fall bin ich beim Motiv „Inhalt“ gelandet. Ich sehe das so, dass ihr als Gestalter ganz massiv auf den Inhalt dieser Ausstellung eingewirkt habt. Wie habt ihr den Inhalt konkret mitinterpretiert?

CT

Eva sagt anstelle von „schön“ immer „formal sinnvoll“; dass man also aufgrund des Inhalts die richtige formale Lösung findet. Schon vor diesem Projekt gab es unendliche Diskussionen mit trafo.K über Inhalt und Form, „schön“ und „sinnvoll“ und so weiter. ED

Die Kuratorinnen wussten, dass wir nicht einfach mit dem Material weggehen und etwas „Schönes“ entwerfen. Wir wollten am inhaltlichen Prozess beteiligt sein und uns nicht auf die Designebene beschränken. Bei diesem Thema ist es schwer, zu sagen: „Wir machen ein schönes Design.“ RP

Ich habe da auch einen Wandlungsprozess durchgemacht. Einerseits wollte ich nicht, dass Änderungen gemacht werden – Interventionen ok, aber keine komplette Umgestaltung –, andererseits war ich begeistert von den Ideen, die die beiden eingebracht haben. Der Ort hat jetzt eine andere Qualität, es ist jetzt mehr eine Arbeitsstätte und man hält sich dort lieber und länger auf. Insofern funktioniert der Ansatz von trafo.K sehr gut. ED

Es ist zu einem Ort der Recherche geworden, der Auseinandersetzung und Forschung. Man muss aber zugeben, dass man es nicht immer allen recht machen kann. Man muss mit manchen Konflikten leben. Bei so vielen Beteiligten an einem Projekt geht es sich nicht immer aus, dass sich alle wiederfinden. Wir sind ja auch keine Künstler, sondern Designer, und wir müssen was gestalten, womit du als Lehrerin dann umgehen musst und das du benützen kannst. 31

CT

In diesem Fall geht der Spagat von Wiener SchülerInnen, die zeigen wollen, wie sie damit umgehen, bis hin zu internationalen BesucherInnen, die zum Teil Opfer waren oder deren Eltern Opfer waren und die Respekt empfinden, wenn sie da hinkommen. Das war der große Spagat.

MD

War Ästhetisierung ein Aspekt, der euch beschäftigt hat?

ED

Wir haben versucht, eine Gestaltungsform zu finden. Eine Art Ästhetisierung war also im Spiel. Wir wollten, dass die SchülerInnen merken: Ihre Arbeit wird ernst genommen, das wird professionell umgesetzt und nicht irgendwie. CT

Es wurde diskutiert, welche Farben, Schriften usw. man verwendet. Dass man die Schrift Times verwendet ist auch eine bewusste Entscheidung von uns, weil die in den 30er-Jahren in England entstanden ist, in einer Zeit, wo es hier eine stärkere Auseinandersetzung zwischen Fraktur und Grotesk gab. Sie ist eigentlich eine humanistische Schrift. Und es ist auch keine, die dich bevormundet, denn jeder Computer hat die Times.

MD

Solche gestalterischen Faktoren können ja auch sehr interessant sein. Wie argumentiert man da auf ästhetischer Ebene?

ED

Wir versuchen in der Regel alles zu argumentieren, was wir gestalterisch machen. RP

Man bemerkt, gerade bei den Archivboxen und bei den Planen, dass die Farbe Gelb dominiert. Warum habt ihr diese Farbe gewählt? CT

Das haben wir mit trafo.K lange diskutiert. Die Doka-Platten sind handelsüblich gelb, und von dem ausgehend … 32

TOLEDO i DERTSCHEI

RP

Diejenigen, die wissen, dass Gelb die Farbe des Judensterns war, und jetzt sehen sie das Gelb, das ist irgendwie schon so eine Überwindung. So hab ich es interpretiert.

MD (zu RP)

Wie geht es dir und den beiden BetreuerInnen mit der Arbeit in der Ausstellung?

RP

Es kommen wenige BesucherInnen aus dem Bezirk, es sei denn, sie haben sie haben ein spezifisches Interesse an der Gedenkstätte. Aber wenn Leute kommen, dann bleiben sie sehr lange und kommen oft auch wieder. Viele haben uns gesagt, dass es viel interessanter sei als im Jüdischen Museum, wo man so viele Inhalte gar nicht findet. Das ist insofern ein bisschen überholt, als dass das Internet genau solche Informationen auch tausendfach bietet. Es gibt einen Raum, der den ehemaligen jüdischen SchülerInnen gewidmet ist und es gibt einen Raum, in dem es um den Widerstand geht, also Widerstand im 20. Bezirk. Deshalb kommen auch einige. Aus aller Welt waren Leute da, Verwandte der ehemaligen jüdischen SchülerInnen. Ich arbeite vor allem mit Schulklassen dort, man zieht ein paar Planen heraus und geht dann themenspezifisch zum Beispiel auf „Kunst und Nationalsozialismus“ ein. Das ist Information, wie man sie in einem Schulbuch nicht so schnell finden würde. Und von den neueren Interventionen ist zum Beispiel der Balkankrieg wichtig, der ist ja im Bewusstsein von sehr vielen unserer SchülerInnen.

MD

Eine Gedenkstätte hat einen emotionalen Aspekt, schafft Betroffenheit. Eine Ausstellung stellt ja, wenn man so will, eine Versachlichung dar. Gab es hierbei einen inhaltlichen Konflikt?

RP

Konflikt nicht, aber es gab schon diese zwei Ansätze in der Vermittlung. Am Anfang ist diese Betroffenheitspädagogik sehr stark im Vordergrund gestanden, die auch im Geschichtsunterricht State of the Art war. Alle Gedenkstätten waren so, denn damals

33

musste man ja die Leute noch überzeugen, dass das wirklich so war, da war ja die Tätergeneration noch aktiv. Jetzt hat eine Gedenkstätte auch eine andere Funktion, man muss nicht mehr darüber aufklären, dass es Mauthausen gegeben hat, sondern vielmehr, wie es dazu gekommen ist, man muss zum Reflektieren anregen. CT

Es ist Generationensache. Wenn ich mich erinnere, Anfang der Neunziger, als ich studiert habe, wie erschrocken ich von manchen AssistentInnen war, weil sie so wenig von der Zeit des Nationalsozialismus wussten … und ich glaub die Achtziger waren noch schlimmer. Die Bereitschaft zu Reparationszahlungen ist erst in den Neunzigern entstanden. Für Museen ist Provenienzforschung erst seit 2000 verpflichtend. Da hat Renate Recht, dass es agitatorisch sein musste in den 80er-Jahren. 2011 wurde auch die Gedenkstätte Mauthausen neu gestaltet, mit einem ganz anderen pädagogischen Ansatz als zuvor.

MD

Mir geht es auch um die Haltung in den Gestaltungsprozessen. Man hat eine starke Verantwortung, gerade bei solch einem Thema. Hat es noch immer einen gewissen Aspekt von Unberührbarkeit oder wie ist da die persönliche Haltung?

RP

Mein antifaschistisches Engagement, das als Studentin begonnen hat, war natürlich aus einer Betroffenheit heraus, sonst hätt ich mich nie bereit erklärt, diese Arbeit zu meiner Aufgabe zu machen. Das ist ja irrsinnig viel Arbeit, die ja auch nicht so gut bezahlt ist. Man muss irgendwas wollen, sonst tut man sich das nicht an, (zu ED und CT) das gilt ja auch für euch. CT

Bevor ich an der „Angewandten“ aufgenommen wurde, habe ich Architektur studiert, aber damals schon viele politische Plakate gemacht. Das Gestalten und Agieren mit dem Wort war mir sehr wichtig und damit hab ich meine Aufnahmeprüfung gemacht – politische Plakate, damals mit Fokus Lateinamerika. Professor Erben (Tino Erben, Anm. MD), der die 40er-Jahre erlebt hat, war Sympathisant kritischer Positionen, ohne militant oder aktiv zu sein. 34

TOLEDO i DERTSCHEI

Er hat immer gern die Anekdote erzählt, wie er dafür demonstrieren war, dass Brecht in Wien auftreten darf. Und er hat mich dann mit dieser Erwartungshaltung aufgenommen und mich damit fast überfordert. Er wollte dann ständig, dass ich eine politische Position zu allen möglichen Themen habe und war enttäuscht, wenn ich plötzlich doch „nur“ gestaltet habe. Also es war eher umgekehrt: Ich hab mir erkämpfen müssen, dass ich auch „nur“ gestalten darf.

MD

Ich möchte schon langsam zu einem Abschluss kommen und fragen, mit welchen Maßnahmen man so ein wichtiges Thema inhaltlich weiter am Leben erhält? Was sind da die Ansätze?

ED

Ich glaube, dass man nicht davon ausgehen soll, dass so eine Ausstellung abgeschlossen ist. Es geht darum, dass man sich immer wieder traut, bestehende Gestaltungen zu verändern und etwas auszuprobieren. Es kommen neue Generationen mit neuen Fragestellungen. Wir sind ja noch sehr nahe dran an dieser Zeit, meine Eltern waren fast dabei.

RP

In vier Jahren werde ich in Pension gehen, jetzt stellt sich diese Frage ganz besonders. Es wird auch bürokratisch komplizierter, so etwas am Leben zu erhalten. Ich weiß nicht, ob es die Gedenkstätte in zehn Jahren noch geben wird, und das wäre sehr traurig, aber letztlich hängt es halt doch an den Personen. 35

TOLEDO i DERTSCHEI Carlos Toledo, Eva Dertschei, TOLEDO i DERTSCHEI, Vienna Renate Prazak, teacher at the secondary school BORG 20 (Brigittenauer Gymnasium) on Karajangasse in Vienna’s 20th district (Brigittenau), head of the Karajangasse Memorial Site Project: Remodeling / Redesign of the Karajangasse Memorial Site at BORG 20 as part of the research program Sparkling Science

“I think one should never assume that such an exhibition is finished. It’s about repeatedly daring to change existing designs and try new things out.”

TOLEDO i DERTSCHEI

districts. And we put up the money and reworked things together with the teachers and the students. So that’s how the memorial developed: with lots of content and as a student exhibition, comprised of posters on various themes.

Marc Damm (MD) To start, why don’t you briefly introduce your respective lines of work and roles in the project.

Renate Prazak (RP)

My name is Renate Prazak, I teach history, civics, and mathematics at the Brigittenauer Gymnasium, and since 1999 I’ve led a memorial project that educates its visitors about the National Socialist period. In 1938, part of our present-day school (a primary school at the time) was repurposed to house a Gestapo prison. They shipped people off to Dachau from here. Furthermore, around half of our school’s students during the 1930s were of Jewish descent. All of them were thrown out of school. Our exhibit here was created in the 1980s and became a public memorial in 1999, and it’s currently open every Thursday. It came about because, back in 1988, a colleague of mine wanted to make a statement—but at a school, there isn’t really any space to make such a statement, except in the basement. So it was there that he realized the first exhibit. He started out very simple, with photos on cardboard and a bit of text. Ten years later, I assumed responsibility for the memorial. Back then, we were cooperating with Aktionsradius Augarten, a cultural initiative in the district; they did The Lost Island, a project about the interwar-period Jewish world in the second and twentieth

Eva Dertschei (ED)

I’ll introduce the two of us: we’re Carlos Toledo and Eva Dertschei. We run a design studio in Vienna’s seventh district, and we’ve spent eighteen years working as TOLEDO i DERTSCHEI. Over the years, we’ve done frequent exhibition design projects. We hit upon Renate through our contact with trafo.K, an arts education agency that was working together with the school in Brigittenau. Sparkling Science was the name of the program that provided the funding. And as part of that, we worked together with Renate for nearly two years. Carlos Toledo (CT)

In the case of this project, it’s also important to note that we’ve been doing workshops for young people at various educational levels for 13, 14 years now. And the combination of graphic design, exhibition design, and our ability to do workshops for young people was certainly one reason why trafo.K gave us the job.

37

MD How did the communication between trafo.K, the school, and TOLEDO i DERTSCHEI work?

CT

Our job was to create space for the new interventions while also coming up with a new way to present the 20-year-old exhibition—this memorial’s history—as an accessible archive. We didn’t want to wipe away what was there; we wanted to add to it.

RP

The academic heads of the project, Renate Höllwart and Nora Sternfeld [both also art educators with trafo.K—Ed.], introduced us to each other. They also gave the impetus to remodel the memorial. The point was to have the students, a large share of whom come from immigrant backgrounds (up to 90 percent in some classes), work on and contribute their own approaches in project groups. That was also reflected in the project’s title: And what does this have to do with me? One of the considerations here was how the ties to the perpetrators’ generation are disappearing, which makes necessary new approaches to teaching about the Holocaust. So the participating historians and educators demonstrated novel ways of approaching the theme—and for us, too, that was a learning process. After several months’ work, the task was to exhibit the content and outcomes of the project groups’ activities. That was the point where Eva and Carlos joined us and likewise helped our students with their know-how as educators and graphic designers.

RP

I forgot to say, before, that the memorial consists entirely of material created by students. Posters, installations … the rooms were full! And our job, as Carlos said, was to make space. So the question was: How to do it? As project head, I also wanted to make sure that parts of the old exhibition were preserved, especially the parts that had proven their value time and time again. ED

Things always start out a bit touchand-go when two worlds collide like that. When we walk into a school, coming from the graphic design world, there’s some skepticism, there, even on our part. We weren’t really sure: Should we design something with the students, or with the teachers, or with the academic team? So we had regular meetings, and it soon became clear that we wouldn’t appear with finished designs and say: “This is how it should look”; instead, it would be a process.

38

TOLEDO i DERTSCHEI

RP

CT

… but always taking our requests and needs into account. After all, this memorial is something we show publicly, and we’d been used to a certain design. It was important to us to show not only the new posters, but also the old posters—for example those about the school and national socialism. But Carlos and Eva took this into account of their own accord. We spent a long time puzzling over how we could exhibit in a way that was space-efficient but still visible— and then came your brilliant idea for archive boxes containing retrievable displays.

And if we hadn’t involved the 20th district’s Polytechnic School in the project’s technical realization, we wouldn’t have been able to do it, either. They did all the carpentry and handled all the necessary repairs and lighting issues. RP (thinks for a moment)

I don’t even know who actually initiated the remodeling effort. ED

At some point, I think, the academic leading team set this process in motion. There was a desire to show the history of the Holocaust not in an emotionally shocking, paralyzing manner, but from a position of agency. The budget was tight. But it wasn’t just any theme; it wasn’t a milk carton we were designing! In the workshops, we had a number of confrontations with students whose views were quite problematic. I can remember how one girl from a very right-wing scene tried to torpedo the workshop. She made some wild claims and wanted to have them represented in the memorial, too, as her position. And those are moments when you’ve got to ask yourself: how far do we take the idea of participation?

MD (to ED and CT) I imagine that was difficult from your perspective, not really knowing much about the memorial’s degree of presence in the school or the extent of public involvement. To what degree is the public involved?

RP

The project with the school students was one thing, and remodeling the memorial was the other—it was really two projects. ED

Remodeling the existing memorial wasn’t part of the original plan, nor had the budget been allocated with that in mind.

39

CT

ED

Part of our job is what you might also call “pictorial policy”: How is content portrayed? We gave the students graphic design help and advised them on their contributions. But on the whole, there was an aesthetic of non-design, which is to say: students making posters. ED

This is what we meant by “archive boxes.” They’re yellow boxes, screwed together from Doka panels and equipped with something like curtain rails beneath their top sides. They let you pull out the individual student posters. These are no longer the originals, which were too moldy to keep. But they show you what was done 20 years ago.

Doing nicely designed posters wasn’t our main concern.

CT

A box like that lets you store up to twenty posters so that you don’t have to hang everything up on the wall.

RP

The goal was to present the information in the clearest possible way and to ensure things like a certain stringency in terms of the typographical levels.

RP

The individual panels (that is, the tarps) only become visible when you pull them out, which also means that I can retrieve specific content without showing all the rest. So it’s a different special exhibition every time.

CT

It really does have a certain aesthetic to it that one wouldn’t want to destroy. There were also typewritten notes, and handwritten ones, and photocopies. We wanted to preserve that, too, so we had them photographed with a high-resolution camera so that even the smallest print could still be read. We then printed it all up on both sides of truck tarpaulins and placed these on tracks, so that every topic can be pulled out and pushed back in afterwards.

MD For each of these conversations, here, I’ve chosen a motif—some topic to pursue in greater depth. Here, the one I thought of was “content.” It looks to me like you two, as designers, had an enormous influence on this exhibition’s content. Exactly what role did you play in its interpretation?

CT

Eva always says “formally meaningful” rather than “nice looking”; what she means by that is the right formal 40

TOLEDO i DERTSCHEI

solution for the content at hand. Prior to this project, we’d had endless discussions with trafo.K about content and form, nice-looking and sensible, and so on.

ED

It’s become a place of research, confrontation, and exploration. But admittedly, you can’t please everyone all the time. You have to live with certain conflicts. And with so many people participating in a project, it’s not always possible for all of them to see something of themselves in the end result. And we’re also not artists, but designers, assigned to design something that you, as a teacher, have to engage with and should be able to use.

ED

So the curators knew that we wouldn’t just take the material and design something “nice.” We wanted to participate in the project’s substance rather than limiting ourselves to the design level. And with this topic, after all, it’s difficult to say: “We’ll do a nice-looking design.”

CT

In this case, the real tightrope act was between Viennese school students, who want to show how they deal with the topic, and international visitors, some of whom were themselves victims or whose parents were victims—and who have a keen feel for issues of respect when they’re there. Both groups needed to be done justice.

RP

I also went through a sort of transformative process, there. On the one hand, I was against making changes —interventions, ok, but not a complete redesign. On the other hand, though, I ended up being really impressed by the ideas that they contributed. The site now has a different quality to it; it’s become more a place of work, a place that people like better and where they stay longer. So in this sense, trafo.K’s approach has worked very well.

MD Was “aestheticization” an aspect that you grappled with?

ED

We attempted to arrive at some kind of formal and substantive concept. So sure, a kind of aestheticization was in play. We wanted the students to feel that their work was being taken seriously, that the project was 41

being implemented professionally rather than haphazardly.

RP

Those who see the yellow here and know that yellow was the color of the Jewish star-badge do kind of have to swallow hard. That’s how I interpreted it.

CT

We had discussions on what colors, fonts, etc. we’d use, and our conscious decision to use the Times font was because it was created in England during the 1930s—a period during which, in these parts, there was a fairly intense battle for supremacy between fraktur and sans serif. Times is really quite a humanistic font. And it’s not one that seems patronizing or domineering, because every computer has Times.

MD (to RP) How is it for you and your two assistants, working in the exhibition? RP

We generally don’t get that many visitors from the neighborhood or elsewhere in the outside world, and those who do come tend to have their specific reasons for doing so. They then stay for quite a while, and they’ll often even pay us a return visit. Many of them have told us that it’s far more interesting than the Jewish Museum, which leaves out several aspects entirely—even if the point’s somewhat moot, since the Internet provides precisely that kind of information a thousand times over. We have one room dedicated to the school’s former students who were Jewish, and another room about resistance efforts in the 20th district. And some of them come to see those. People from all over the world have been here, including former Jewish students’ relatives. My work is primarily with school classes—we’ll pull out a couple of tarps that focus on specific themes, like “Art and National Socialism.” That’s the kind of information you won’t find so

MD Such aspects of design really can be very interesting. How do you argue such things on the aesthetic level?

ED

We usually try to back up everything we do design-wise with a good argument. RP

Particularly where the archive boxes and tarps are concerned, the color yellow is clearly dominant. Why yellow? CT

That was something we discussed a long time with trafo.K. The Doka panels typically come in yellow, and based on that…

42

TOLEDO i DERTSCHEI

readily in a standard school textbook. And the more recent interventions also make reference to the Balkan War, since that war is present in many of our students’ minds.

reparation payments only crystallized during the 90s. And for museums, provenance research has only been obligatory since 2000. So Renate’s right, there, that one really had to agitate back in the ’80s. But in 2011, the memorial at Mauthausen was likewise redone with an entirely different pedagogical approach than before.

MD There’s an emotional aspect to such memorials; they elicit shock, dismay, consternation. But an exhibition, one could say, undertakes a sort of objectification. Does that conflict with the content at hand?

MD I’m also interested in the attitude behind your creative work, here. There’s a lot of responsibility, especially with a theme like this one. Did or do certain aspects still feel somehow too hot to touch, or what are your personal stances?

RP

It doesn’t per se, but we have taken both of these approaches in our educational work. In the beginning, there was a strong focus on “shock pedagogy,” which was considered a state-of-the-art way to teach history. At the time, all such memorials were like that because people still had to be convinced that it really had happened that way—the perpetrators’ generation was still quite active. But now, a memorial has a different function. One no longer needs to make people aware of Mauthausen’s existence; today, you explain to them how it came to be— the point is to evoke reflection.

RP

My anti-fascist commitment, which goes back to my student days, naturally grew out of shock—otherwise I’d never have agreed to take on this job. It’s a whole lot of work, and it’s anything but well paid. You have to really want to do it, or else you won’t; (turning to ED and CT) that goes for you, too. CT

Before I got accepted to the University of Applied Arts, I studied architecture, but even back then I’d already done a lot of political posters. Designing and doing things with words was very important to me, so that was how I applied for admission—with political posters that, at the time, were focused on Latin America. Professor Erben

CT

It’s a generational thing. I can remember that some of the university assistants back in the early 90s horrified me with how little they knew about the national socialist era ... and I suppose the 80s were even worse. Austria’s willingness to make 43

[Tino Erben—Ed.], who had experienced the 1940s, sympathized with critical positions without himself being militant or active. He was always fond of telling how he’d gone out and demonstrated in favor of Brecht being allowed to appear in Vienna. And then he accepted me with commensurate expectations, which almost ended up overwhelming me. He was constantly wanting me to take political positions on all kinds of themes, and was disappointed whenever I’d “just” design something. So in my case, it was more the other way around: I had to fight for the right to “just” design.

RP

I’ll be retiring in four years, so this question really is becoming an urgent one. And it’s getting more complicated to keep something like this alive bureaucracy-wise, as well. I don’t know if this memorial will still exist in ten years, and it would be very sad if it didn’t—but it will ultimately depend on the people who are involved.

MD I’d like to gradually steer us toward a conclusion by asking you this: What substantive thrust or thrusts can be employed to keep such an important theme alive? What are the approaches, here?

ED

I think one should never assume that such an exhibition is finished. It’s about repeatedly daring to change existing designs and try out new things. We’ve got new generations coming along, with new questions. And we’re still quite close to the time period at issue; my parents almost still experienced it.

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Umgestaltung/Neugestaltung der Gedenkstätte Karajangasse, Brigittenauer Gymnasium, Wien Remodeling/Redesign of the Karajangasse Memorial Site at BORG 20, Vienna

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Bureau F Fabienne Feltus, Bureau F, Wien Simon Jacko, Gründer und Inhaber von Feinkoch – Der Rezeptmarkt in Wien Projekt: Gestaltung der gesamten CI von Feinkoch

„Die Schwierigkeit dahinter ist, nicht werberisch zu wirken, sondern persönlich, witzig und charmant.“

Marc Damm (MD)

Für den Anfang würde ich vorschlagen, dass ihr beide kurz euch und eure Tätigkeit vorstellt.

Mein Name ist Fabienne Feltus und ich betreibe seit mittlerweile vier Jahren ein Designstudio in Wien. Seit kurzem habe ich mein Büro in einem Gassenlokal eingerichtet, das gleichzeitig auch ein Showroom ist. Meine Kunden sind eher kleine Unternehmen oder auch Start-ups, und die meisten kommen aus dem Kulturbereich, wie beispielsweise das techno cafe. Witzigerweise betreue ich mittlerweile einige Kunden aus dem Foodund Gastrobereich; das begann mit Feinkoch und da sind noch die Cider-Produzenten Goldkehlchen und das Lokal Mochi dazugekommen. Der Schwerpunkt liegt momentan sehr auf Corporate Design, wobei ich in letzter Zeit auch viele Webseiten gestaltet habe. Ich würde meine Herangehensweise als klassisches Grafikdesign mit einem Illustrations-Twist bezeichnen – oder eigentlich gar nicht so wirklich als klassisches Grafikdesign!

Fabienne Feltus (FF)

Mein Name ist Simon Jacko, ich bin der Gründer von Feinkoch, das ist ein Lebensmittelmarkt in Wien, den es jetzt seit etwas über zwei Jahren gibt. Man kauft bei uns nach Rezepten, nicht nach einzelnen Zutaten, ein. Das heißt: Die Kunden kommen, suchen sich ein von uns entwickeltes Rezept aus, erhalten genau die Zutaten, die sie dafür benötigen und können diese dann zuhause laut Rezept zubereiten. Uns ist es wichtig, dass die visuelle Aufmachung unserer Kommunikationsmittel ansprechend ist. Mir hat Fabiennes Arbeit, dieses Illustrative, das Handgemachte, gefallen. Auf sie wurde ich ganz zufällig aufmerksam. Ich hab damals mit drei Jungunternehmern ein Geschäftslokal bezogen, eine davon war eine Freundin von Fabienne. Wir beide arbeiten nun schon über zwei Jahre zusammen. Los ging es mit den Rezeptkarten, dann kamen Flyer dazu, Sackerln, und jetzt die Website. Und das zieht sich immer weiter, da wir auch versuchen zu wachsen. Unser Team und unser Geschäft werden größer, wir brauchen mehr Grafik, mehr Piktogramme, die Fabienne entwickelt. Da ist es schön, wenn man jemanden hat, auf den man sich verlassen kann und der das auch so umsetzt, wie wir uns das vorstellen.

Simon Jacko (SJ)

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Bureau F

MD

War von Anfang an klar, dass ihr auf längerfristiger Basis zusammenarbeiten wollt?

FF Das haben wir eigentlich gar nie wirklich ausgesprochen, oder? Wir haben nicht gewusst, was da auf uns zukommt. (zu SJ) Du hast mich nicht gekannt, du wusstest nicht, ob ich jetzt überhaupt deinen Geschmack treffe.

SJ

Ich hatte auch keine Erfahrung darin, mit Agenturen zu arbeiten und bin im Nachhinein sehr froh, dass es zu unserer Zusammenarbeit gekommen ist. FF

Mir ist es sehr wichtig, die Kunden auch persönlich zu betreuen. Ich denke, das ist etwas anderes, als wenn man als Auftraggeber bei einer großen Agentur eigentlich nur mit einem Projektleiter Kontakt hält. (zu SJ) Ich komme gern zu dir in den Laden und schaue mir die Dinge vor Ort an. Und das freundschaftliche Verhältnis tut dem Projekt auch sehr gut. SJ

Es sind bei jungen Unternehmern oder gerade bei einem Start-up wie unserem auch einfach andere Bedürfnisse vorhanden. Man denkt zwar, man weiß, was man will aber man weiß es dann doch nicht so genau. Es ist einfach ein Prozess, der sich über längere Zeit hinzieht, und der wäre bei einer großen Agentur relativ schnell abgeschlossen gewesen. So sind wir wesentlich flexibler. FF

Was beispielsweise „Die treue Tomate“ anbelangt – das ist eine Kundenkarte, die gleichzeitig auch ein Stempelpass ist –, die wurde erst anderthalb Jahre nach Eröffnung initiiert. Eine große Werbeagentur hätte dir das vielleicht gleich aufgeschwatzt und du hättest zu dem Zeitpunkt noch gar nicht gewusst, ob du das wirklich brauchst. SJ

Es ist schön, wenn man bei den nächsten Projekten auf den richtigen Zeitpunkt setzen kann. Gerade als Jungunternehmen 55

muss man natürlich auch auf das Finanzielle achten. Wir waren jetzt beispielsweise an dem Punkt, wo wir sagen konnten: “Okay, jetzt können wir Stofftaschen drucken lassen.“ Das sind Sachen, die erst nach und nach dazukommen. FF (zu SJ) Oder es werden für einen Messeauftritt spontan T-Shirts gebraucht; solche Dinge haben wir dann immer recht schnell umgesetzt, nicht? Man denkt bereits ähnlich und ich kann auf deine Überlegungen sehr schnell gestalterisch reagieren. Und es war auch noch nie so, dass du einen Vorschlag meinerseits dann abgelehnt hättest.

SJ

Das hat damit zu tun, dass der Stil einfach von Anfang an dem entsprochen hat, was ich mir für das Unternehmen vorgestellt hatte. Ich habe Fabienne auch deshalb beauftragt, weil ich den Eindruck hatte, sie kann innerhalb des Projektes sie selbst sein. FF

Den Eindruck einer gewissen Freiheit hatte ich auch, ich hatte nicht das Gefühl, mich hier in einem kleinen Quadrat zu bewegen. Viele Dinge kamen dann hinzu, wie beispielsweise die witzigen Texte für die Werbekarten von Feinkoch: „Kochen kann ich besser als anbraten“, oder: „Ich koche vor Freude.“ Die waren ursprünglich rein als Flyer angedacht, die an den Unis verteilt werden sollten. Aber die gehen jetzt so gut, dass daraus mehr geworden ist. SJ

Ja, wir legen die in Lokalen auf und flyern damit auch gezielt. Man merkt, wie gut die ankommen und ich würde gerne wissen, an wie vielen Kühlschränken sie hängen. Bei neuen Projekten habe ich meistens schon eine relativ klare Vorstellung und mache erste Skizzen. Erst Fabiennes Stil macht es komplett und schafft auch den Bezug zu den bisher entstandenen Dingen.

MD

Wohin entwickelt sich das Projekt gerade?

56

Bureau F

FF Gerade bei den Promokarten gehen wir in eine neue Richtung und verwenden zusätzlich zu den Piktogrammen auch handgezeichnete Typografie. Im Moment haben wir auch die neue Website mit Webshop und dem Bestellservice für ganz Wien fertiggestellt. Das war ein recht großes Baby …

SJ … das schon vor Weihnachten da sein wollte, aber dann doch erst im März kam. Ja, diese Dinge kommen gut an, vor allem die Karten. Da weiß ich schon jetzt, dass wir die Serie auf jeden Fall erweitern werden.

FF Simon ist sehr geschickt, was PR und Marketing anbelangt. Er hat charmante Ideen, wie man Menschen für eine Sache begeistern kann, zum Beispiel mit monatlichen Gewinnspielen.

SJ

Die Schwierigkeit dahinter ist, nicht werberisch zu wirken, sondern persönlich, witzig und charmant. Viele haben eine Agentur, die so etwas für sie übernimmt und oft kommt dabei trotzdem etwas vollkommen Langweiliges raus. Mir ist die persönliche Ansprache sehr wichtig.

MD

Ich habe das vertiefende Gesprächsthema zu Beginn angekündigt. Ich denke, es ist nicht zu weit hergeholt, hier den Begriff „Geschmack“ zu wählen. Was meint ihr?

FF

Geschmack an sich ist natürlich sehr subjektiv. Mit dem, was Simon und ich gemeinsam machen, versuchen wir natürlich, den Geschmack seiner potenziellen Kunden zu treffen. SJ

Mir persönlich ist das Feld „Geschmack“ sehr wichtig. Ob ich jetzt an Essen denke oder an Grafikdesign oder Einrichtung. Ich versuche, in meiner Arbeit und auch in ihrer visuellen Kommunikation das zu machen, was mir selber gut gefällt und mir entspricht. Das beginnt bereits bei den Rezepten, der Einrichtung und der Aufmachung. Wir brauchen uns nicht zu verstellen und uns nicht überlegen: „Was könnte den Leuten gefallen?“ Wir machen nur, was uns gefällt. Und dadurch, dass die Dinge dann entsprechend Anklang finden, denkt man sich: „Okay, so kann man weitermachen!“ FF

In so einem Fall kann man auch hundertprozentig dahinterstehen.

MD (zu SJ)

Habt ihr euch gleich zu Beginn auf ein bestimmtes Publikum eingestellt, das ihr ansprechen wolltet?

SJ

Ja, wir hatten das eingeschränkt. Unser Hauptzielpublikum sind Menschen zwischen 25 und 40, also Leute, die bereits arbeiten und oft wenig Zeit haben. Unser Konzept soll ihnen die Möglichkeit 58

Bureau F

geben, selber zu kochen und gut zu essen, auch ohne die aufwändigen Schritte Inspiration, Auswahl, Einkauf und so weiter. Mittlerweile kommen auch Familien, da dürfen die Kinder aussuchen und sogar kochen; da schon das Rezept, die richtige Menge und die Anleitung dabei sind, ist das dann nicht mehr so schwer. Überraschenderweise kommen auch viele ältere Leute zu uns, die dann zum Beispiel ein asiatisches Rezept ausprobieren und zum ersten Mal Currypaste verwenden!

MD

Also ihr arbeitet auch daran, dass die Leute ihren eigenen Geschmack hinterfragen, erweitern und Neues ausprobieren?

SJ

Auf jeden Fall!

MD (zu FF)

Wenn du gestaltest, ist es dir da wichtig, dass du damit möglichst viele Leute ansprichst?

FF

Also was mir bisher immer wichtig war: Ich muss ein Projekt gut finden und zu hundert Prozent dahinterstehen können. Wenn ein Kunde zu stark interveniert, ist es nach der zwanzigsten Korrektur einfach zerrissen und nicht mehr das, was eigentlich meine Intention dahinter war. Bei dem Projekt Feinkoch bin ich von Anfang an vollends dahintergestanden. Zum Beispiel arbeiten wir – abgesehen von Farbfotografie – ausschließlich mit Schwarz-WeißZeichnung, die ich persönlich besonders ansprechend finde. Spannend wird es, wenn sich ergänzende Dinge einbeziehen lassen, wie zum Beispiel die Papierfarbe, das braune Kraftpapier, das im Shop bei der Verpackung eine wesentliche Rolle spielt. Bei diesem Projekt bin ich übrigens auch persönlich betroffen, denn ich kann wirklich nicht kochen! Dafür ist mein Freund zuständig. Seltsamerweise bin ich in dieser Hinsicht total unkreativ und der Geschmack bleibt eigentlich immer aus. Simons Rezepte dagegen, die Art, wie die Dinge Schritt für Schritt erklärt werden, gelingen mir ohne Probleme! 59

MD (zu FF)

Wenn ich das im Gesamten betrachte, hab ich das Gefühl, dass dir diese Verbindung von Funktion – dass die Dinge kommunizieren – und Genuss – dass sie einen gewissen ästhetischen Wert besitzen – sehr wichtig ist.

FF

In gewisser Weise ist mein Grafikdesign schon schmückend, aber trotzdem ist Funktion ein wesentlicher Faktor. Ich könnte mir vorstellen, dass viele Menschen mittlerweile, wenn sie schwarzweiße, von Hand illustrierte Piktogramme sehen, automatisch an Feinkoch denken, weil sie innerhalb der gesamten Markenkommunikation konsequent eingesetzt werden. SJ

Es wäre schön, wenn wir bereits soweit wären. Bei manchen Kunden könnte man wirklich schon von einer gewissen Identifikation sprechen. Vieles von dem, was wir gestalten, findet Einzug in ihre Privatbereiche, ihre Küchen. Sie sammeln die Karten, hängen sie an die Kühlschranktüren – was ganz unserer Intention entspricht, da sie vom ästhetischen Standpunkt her auch dazu animieren sollen. Das Illustrative, Verspielte und dann doch wieder Reduzierte – das ist eine Mischung, die viel Raum für persönliche Identifikation lässt. Wir verzichten bewusst auf Unnötiges und das, was drauf steht, sind sozusagen kleine Statements, die Sinn ergeben. FF

Und die Dinge funktionieren auch gut miteinander. In dieser Hinsicht bin ich eben keine klassische Grafikdesignerin, sondern setze gerne Akzente in Form von Illustration. Allerdings würde ich mich auch nicht als reine Illustratorin bezeichnen – das hier sind Illustratoren. (zeigt auf Arbeiten von KünstlerInnen ihrer Illustrations-Agentur Agent Azur) Aber wer auf mich zukommt, tut das oft deshalb, weil er eben weiß, dass er von mir diese eigene Mischung aus Grafik und Illustration bekommt.

MD (zu FF)

Zurück zum Geschmack: Kann der persönliche Geschmack auch hinderlich sein? Ihr arbeitet ja sehr eng zusammen; du könntest aber auch genauso zu Simon sagen: „Meine Profession ist die Gestaltung und du kennst das Business, also trennen wir das strikt!“ Ich kann mir vorstellen, dass da auch Welten 60

Bureau F



aufeinanderprallen, zumal er auch bereits recht konkrete Vorstellungen hat.

FF

Nehmen wir das Beispiel Website. Simon hatte bereits eine Website, die ein Freund programmiert hat. Mit diesem haben wir dann am Re-Design gearbeitet. Ziel war unter anderem, die Startseite zu beleben, ein Content-Management-System zu etablieren, über das Simon einzelnen Bilder oder Texte austauschen und Dinge wie Newsletter oder Gewinnspiele schalten kann. Es sollte alles ein bisschen „bloggiger“ werden, ohne dass es ein Blog wird. Da führten wir dann zum ersten Mal Diskussionen, die wir so über Gestaltung noch nie hatten. Bei der Website hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, als Beraterin und weniger als Gestalterin involviert zu sein. Wir sind dann mit dem Programmierer Seite für Seite durchgegangen und ich habe, sozusagen mit Hilfe meines gestalterischen Auges, dann angemerkt, was nicht passt, warum diese und jene Linie da oder dort sein muss und wo Änderungen zu machen wären.

MD

Bestimmt der „Geschmack“ auch die eigentliche visuelle Lösung, das System?

FF

Ich würde das mehr als Bauchgefühl bezeichnen. Gerade was die Komposition betrifft, versuche ich zu spüren, wenn etwas nicht passt.



MD (zu FF)

FF

Wenn ich das Projekt hier so vor mir liegen sehe (deutet auf die Drucksorten und Medien auf dem Tisch), habe ich das Gefühl, dass es genauso Simons Projekt ist wie deines, Fabienne. Ich würde wagen zu behaupten: In wahren Best-Practice-Projekten im Grafikdesign sind beide Positionen, nämlich die des Gestalters und die des Auftraggebers, gleichermaßen spürbar. Siehst du das ähnlich?

Ja, eigentlich schon.

61

MD

Wie geht ihr Konflikten aus dem Weg?

FF

(flüstert) Wir haben keine Konflikte! (lacht)

SJ Ich habe sehr viel Vertrauen in Fabienne. Auch wenn ich mit einer Idee komme und mich traue, ihr meine Vorstellungen mitzuteilen, herrscht von Anfang an eine offene Gesprächssituation und viele Dinge werden erst durch ihren Input für mich logisch nachvollziehbar. Sie hat ein Gespür dafür, was umsetzbar ist und was nicht, was man ändern oder ergänzen könnte.

MD

Welches Feedback erhaltet ihr von den Leuten, die dieses gemeinsame Projekt im Endeffekt rezipieren?

SJ Ein sehr, sehr gutes. Also zum Beispiel die Rezeptkarten: Da fragen Leute bei mir an, ob wir die auch verschicken, ob sie die bestellen können. Es war auch das Ziel, dass die Leute sie verbreiten. Mittlerweile sind es über einhundert Rezepte. Unser nächstes Projekt konzentriert sich dann auf das Sammeln der Karten. Ich halte es für eine schöne Idee, wenn sich die Leute ein eigenes Kochbuch erstellen können, mit Rezepten, die sie schon gekocht haben, mit denen sie eine Erfahrung verbinden. Meistens kauft man sich ein Kochbuch, kocht drei oder vier Sachen daraus und das war‘s.

FF Um möglichst unabhängig zu sein, war es wichtig, Simon eine geeignete Vorlage für das Layout-Programm InDesign zur Verfügung zu stellen, in der er alle erforderlichen Parameter wie Zubereitungszeit, den Schwierigkeitsgrad, die Utensilien, Titel, Bild, Zutatenliste, Tipps und Kochanleitung editieren kann.

SJ

Ja, ein Baukastensystem. Aber sobald wir neue Sachen bekommen, wenn es also um Piktogramme geht, oder darum, Schrift oder neue Gestaltungselemente zu entwickeln, wenden

62

Bureau F

wir uns an Fabienne. Wenn es nur darum geht, auf der Website ein Bild auszutauschen, machen wir das selbst. Wir haben uns auch erst neuerdings überlegt, dass wir, anstatt Papiersackerln rauszugeben, den Leuten Baumwolltaschen anbieten und sie kriegen dann jedes Mal ein Tartufo, wenn sie mit der Tasche zum Einkaufen kommen. Wir sparen Papiersackerln, machen was Gutes für die Umwelt und unsere Kunden freuen sich über das Tartufo. Davon abgesehen habe wir auch die Hänger für die Produktsäckchen auf Basis einer Vorlage gemacht, die Fabienne gestaltet hat. FF

Bei Feinkoch herrscht wahrhaftig Liebe zum Detail. Allein, wie die Zutaten verpackt sind, in so kleinen schönen Säckchen mit einer Schnur zugebunden, so liebevoll … SJ

„Hier wird mit Liebe gekocht“ – das ist auch ein schöner Spruch, aber ich würde ihn nicht mehr für uns anwenden, weil ihn eigentlich jeder benutzt.

MD (zu FF)

FF

Wird bei dir mit Liebe gestaltet?

Mit sehr viel Liebe! (lacht)

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Bureau F Fabienne Feltus, Bureau F, Vienna Simon Jacko, founder and proprietor of Feinkoch – Der Rezeptmarkt in Wien Project: overall CI design for Feinkoch

“What’s difficult is to have it seem not like advertising, but like something personal, humorous, and charming.”

Bureau F

customers choose a recipe we’ve developed, receive exactly the ingredients they’ll need, and can then prepare these at home according to the recipe. It’s important to us that the materials we use to communicate are visually attractive. And I really like Fabienne’s work, with its illustrative and handmade quality. I hit upon her totally by chance, back when I moved into a shop with three young businesspeople—one of whom was friends with Fabienne. And by now we’ve been working with each other for over two years. It started with the recipe cards, and then came the flyers, the bags, and recently the website. And on it goes, since we’re also looking to grow the business. Our team and our store are getting bigger, and we need more graphic design, more pictograms—which Fabienne develops. For a business like ours, it’s great to have someone you can rely on and who also does things in keeping with your ideas.

Marc Damm (MD) To start out, I’d like you both to introduce yourselves and what you do.

Fabienne Feltus (FF)

My name is Fabienne Feltus, and I’ve been running a design studio in Vienna for the past four years. I recently moved my studio into a street-level place with a storefront that simultaneously functions as a showroom. My customers are primarily small companies and startups, and most of them—like the party series techno cafe—have something to do with culture. Funnily enough, I've also started working for several clients who do food and hospitality; that started with Feinkoch, and they've since been joined by the cider producer Goldkehlchen and the restaurant Mochi. I currently have a strong focus on corporate design, although I’ve also been doing a lot of websites, recently. I’d call my approach classic graphic design with an illustration-related twist—though, actually, maybe it’s really not all that classic!

MD Was it clear right away that you’d be working together for the long term?

Simon Jacko (SJ)

My name is Simon Jacko, and I’m the founder of Feinkoch—we’re a food retailer in Vienna, and we’ve been around for just over two years. People buy from us according to recipes, rather than coming in for individual ingredients. Which means: the

FF

We didn’t really ever say that, did we? We had no idea what lay ahead. (to SJ) You didn’t know me, so you couldn’t know whether you’d like what I’d do.

65

SJ

SJ

I also didn’t have any experience working with agencies, and I’m now very happy that we ended up working together.

It’s nice when you can always let the next project wait until the time is ripe. Because especially as a young entrepreneur, you have to keep a close eye on costs. It was only recently, for example, that we got to the point where we said: “Okay, now we can have cloth bags printed.” Things like that can be added gradually.

FF

For me, serving clients personally is very important. I think that’s different from hiring a large agency, where you really only communicate with the project head. (to SJ) I like visiting your store and seeing how things look for real. And the fact that we’re friends also does the project good.

FF (to SJ)

Or you need T-shirts on short notice for a trade fair appearance; we’ve always managed things like that pretty fast, haven’t we? We already think in a similar way, so as a designer, I can react very fast when you have an idea. And as yet, you haven’t ever rejected a suggestion from my end.

SJ

It’s also the case that young entrepreneurs just have different needs, especially at startups like ours. You think you know what you want, but you actually don’t really know it all that precisely. So it’s necessarily a long process, but a big agency would have made relatively quick work of it. Our arrangement gives us a lot more flexibility.

SJ

That’s because, right from the beginning, your style really did correspond to what I’d envisioned for the business. One of the reasons I chose Fabienne was that it seemed like she could really be herself as part of the project.

FF

Take the “treue Tomate” [Loyal Tomato; in German, a disloyal person can be referred to as an “untreue Tomate”— Trans.], for instance—that’s a customer card that doubles as a bonus card, and we only launched it once you’d been around for a year and a half. A big ad agency might have talked you into that immediately, before you knew whether you actually needed it.

FF

For me, too, there was this impression of a certain freedom; I didn’t feel confined to a small box, here. Lots of things ended up coming along, like the funny texts for the Feinkoch promo cards: “Kochen kann ich besser als anbraten” [in Austrian German, this sentence is a play on words that can mean “I'm better at boiling than 66

Bureau F

at frying” or “I'm better at cooking than at hitting”—Trans.], or: “Ich koche vor Freude” [“I’m boiling over with joy.”—Trans.]. We originally conceived them just as flyers for distribution at the universities around town. But they were such a hitthat they’ve since gone on to become more.

Christmas but was only born in March. And these things have been very well received, especially the cards. So I’m already certain we’ll be expanding this series. FF

Simon has a really good hand for PR and marketing. He has charming ideas about how to get people enthused about something, like offering the chance to win a different item each month.

SJ

Yeah, we now leave them at restaurants and bars and also have them handed out. You do notice how well they’re being received, and I’d really like to know how many refrigerators they’re hanging on by now. For new projects, I usually have a fairly clear idea of what I want, so I do a few initial sketches myself. But it’s Fabienne’s style that makes it what it is and connects it with what we’ve done previously.

SJ

What’s difficult is to have it seem not like advertising, but like something personal, humorous, and charming. Many businesses have agencies that do stuff like this for them, and the results often still turn out totally boring. So the personal approach is very important to me.

MD What direction is the project currently going in?

MD At the beginning, I mentioned that I’d like to talk about one topic in depth. And I think it’s not that far-fetched here to choose the term “taste.” What do you think?

FF

We’re trying something new with the promo cards, adding hand-drawn typography to the pictograms. And we’ve just finished the new website complete with a Web shop and our Vienna-wide order service. That was a pretty big baby…

FF

Taste in and of itself is very subjective, of course. But with what Simon and I do together, we do try to satisfy the tastes of his potential customers. SJ

For me personally, the entire realm of “taste” is very important. Whether I’m

SJ

…that wanted to arrive before 67

thinking about food or about graphic design or about interior design. In my work, and in its visual communication, I try to do what I like and what seems right for me. And that starts with the recipes, the shop’s interior design, and the presentation. We don’t need to put on an act or to think: “What might people like?” We do only what we like. And because it’s all been received so well, we think: “Ok, we can continue this way!”

And surprisingly, we also get a lot of older people—like folks who want to try an Asian recipe and end up using curry paste for the first time! MD So you’re also encouraging people to question and expand their own tastes, to try out new things?

SJ You bet!

FF

MD (to FF) In doing your designs, is it important to you to address the greatest-possible number of people?

When things are like that, you really can stand behind it 100%. MD (to SJ) Did you gear yourselves to addressing a certain audience right from the beginning?

FF

What’s always been important to me is this: I have to think well of a project and be able to stand behind it 100%. But even then, if a client intervenes too much in something, it gets destroyed after the twentieth correction because it no longer has anything to do with my original intentions. In the Feinkoch project, I was behind it 100% right from the beginning. For example, I really like how—apart from color photography—we work exclusively with black-and-white drawings. And it gets really exciting when things can be brought in that complement each other, like the color of the brown kraft paper that plays a large role in packaging at the shop. By the way, this project even helps

SJ

Yes, we chose a narrow focus. Our main target audience consists of people between 25 and 40; in other words, people who’ve already begun working and frequently don’t have much time. Our concept gives them the opportunity to cook on their own and eat well by cutting out steps like inspiration, selection, shopping, etc., which consume time and energy. Though now, we’re also attracting families who let their children choose the recipes and even cook—with the ingredient list, the right amounts, and step-by-step instructions all there, that’s no longer so difficult.

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Bureau F

me personally—because I absolutely cannot cook! That’s my boyfriend’s domain. It’s strange, but I’m totally uncreative that way, and my ideas always taste like nothing. Simon’s recipes, on the other hand, with the step-by-step way things are explained, always turn out great for me!

that leaves lots of space for personal identification. We consciously do without things that aren’t necessary and limit ourselves to what I’d call small statements that make sense. FF

And all these things work well together. In this respect, I’m indeed not a classic graphic designer—I like to accentuate things with illustrations. But I also wouldn’t say I’m purely an illustrator—these people here are illustrators. (points to works by artists from her illustrators’ agency Agent Azur) Though when people come to me, the reason often is because they know I’ll give them this unique mixture of graphic design and illustrations.

MD (to FF) Taking all this in, I get the feeling that the connection between communication functionality and the enjoyment of things’ aesthetic value is very important to you.

FF

In a certain sense, my graphic design is definitely ornamental—but even so, its functionality is important. I can imagine that a lot of people automatically think of Feinkoch when they see black-and-white, hand-illustrated pictograms, because they’re employed throughout the brand’s communication.

MD (to FF) Coming back to taste: Can personal taste also be a stumbling block? After all, you work together very closely, but you could just as well say to Simon: “My profession is design and yours is your business, so let’s keep them strictly separate!” I can even imagine you totally clashing on occasion, since he sometimes has very concrete ideas.

SJ

It would be nice if we were already that far. With some customers, at least, one really can say that they already kind of identify with us. A lot of the things we design end up in their homes, in their kitchens. They collect the cards and stick them on their refrigerator doors, which is definitely the kind of thing these cards’ aesthetics are meant to encourage. Illustrative and playful, but also minimalistic—it’s a mix of qualities

FF

Let’s take the website as an example. At first, Simon had a website that a friend had programmed for him. So we worked together with that friend on a redesign. Our goals included livening up the start page and setting up a content management system 69

that Simon could use to switch out individual images and texts and insert things like newsletters and sweepstakes. We wanted to make it all a bit “bloggier” without actually turning it into a blog. And that led to discussions of a kind we’d never before had about design. That website project was the first time I’d felt like I was acting like more of a consultant than a designer. We went through it page by page with the programmer, and I used what you might call my designer’s eye to make comments on why this or that line should be there or there, and on where changes needed to be made.

FF

Pretty much, yes. MD So how do you avoid conflicts?

FF

(whispering) We don’t have any conflicts! (laughs) SJ

I have a great deal of trust in Fabienne. Even if I do come to her with ideas and presume to tell her my visions, it’s an open conversation from the very beginning—and lots of things only become logical for me thanks to her input. She has a sense of what’s doable and what’s not, and of what could be changed or expanded.

MD Does “taste” also govern the actual visual solution, the system?

MD What kind of feedback do you get from the people who end up being the audience of this joined project?

FF

I’d say it’s something more like a gut feeling. Especially where composition is concerned, I try to just let my instincts tell me when something’s not right.

SJ

The feedback we get is very, very positive. Like on our recipe cards: people come to me and ask if we could send them out, or if they can order them. That was the idea, after all, to have people spread them around. And they now total over 100 recipes, so our next project concentrates on having people collect these cards. I think it’s a nice idea for people to be able to put together

MD (to FF) When I see the project here in front of me (points to the printed material and media on the table), I get a feeling that it’s just as much Simon’s project as it is yours, Fabienne. I’d even dare to say that, in graphic design projects that are truly bestpractice, both positions—that of the designer and that of the client—can be felt equally. Is your thinking similar?

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their own cookbooks with recipes that they’ve already made, recipes with experiences connected to them. Because normally, you’ll buy a cookbook, try two or three recipes, and that’s that.

FF

FF

SJ

For Simon to have the greatest possible independence with this, it was important to give him a suitable InDesign template where he could edit all the necessary parameters like prep time, degree of difficulty, required utensils, title, image, ingredient list, tips, and cooking instructions.

“We cook with love, here”—that’s a nice slogan, too, though I wouldn’t use it for Feinkoch because it’s something pretty much everyone says.

SJ

FF

Feinkoch is a business that’s definitely in love with details. Even how the ingredients are packaged, in pretty little bags tied with string, it’s all done with such care …

MD (to FF) Do you design with love?

With a whole lot of love! (laughs)

Right, a modular system. So whenever we get new things for which we need pictograms, or when we want to develop new lettering or design elements, we turn to Fabienne. But if it’s just swapping out photos on the website, we do it ourselves. And it was just recently that we had the idea of substituting our usual paper bags by offering people cotton ones and giving them a tartufo for free every time they come to shop with one of those bags. We save on paper bags and do something good for the environment, and our customers enjoy the tartufo. And apart from the shopping bags, Fabienne also designed the labels we use on the little ingredient bags.

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Flyerkarten / Flyer cards

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Rezeptkarte / Recipe card Sammelpass „Die treue Tomate“ Stamp card “The Loyal Tomato”

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Webauftritt / web presence

ks_visuell Maximilian Sztatecsny, ks_visuell, Wien Barbara Aschenbrenner, PR- und Kulturmanagerin, Wien Projekt: Gestaltung der Medien und Maßnahmen zur Leseinitiative Zeit Punkt Lesen des Landes Niederösterreich

„Ich finde es wichtig, dass ein Auftraggeber bereits eine Vorstellung von dem hat, was er möchte, dass diese aber nicht zu festgelegt ist. Es muss ein gewisser Spielraum da sein […]“

Marc Damm (MD)

Für den Anfang würde ich vorschlagen, dass ihr beide euch kurz vorstellt.

Maximilian Sztatecsny (MS) Ich bin Grafikdesigner, das habe ich auch studiert und mit Diplom an der Hochschule für angewandte Kunst abgeschlossen. Anschließend haben meine Studienkollegin Stephanie Krieger und ich das Büro für visuelle Gestaltung Krieger|Sztatecsny – später ks_visuell – gegründet. Anfangs haben wir fast ausschließlich für den Kulturbereich gearbeitet, mittlerweile hat sich unsere Tätigkeit auf zahlreiche Bereiche erweitert. Von der Bandbreite her übernehmen wir, was man unter dem Begriff Grafikdesign zusammen fassen kann: Print, Webdesign, Erscheinungsbilder, die Gestaltung von Büchern, Beschriftungssystemen …

Barbara Aschenbrenner (BA) Bei mir ist es nicht ganz so eindeutig definiert. Ich habe Theaterwissenschaft und Publizistik studiert und danach im Presse- und Marketingbereich in Kulturinstitutionen gearbeitet. Zurzeit leite ich die Abteilung Kommunikation und Neue Medien im Belvedere. Zuvor habe ich als Projektverantwortliche und Geschäftsführerin zwei Leseprojekte geleitet, bei denen ich auch mit Max zusammengearbeitet habe. Damit haben sich meine Presse- und Marketingtätigkeiten um Aspekte des Kultur- und Bildungsmanagements erweitert.

MD

Unter welchen Umständen hat die Zusammenarbeit stattgefunden?

BA 2007 bin ich zu Zeit Punkt Lesen gekommen. Der Auftrag lautete, eine Leseinitiative für das Land Niederösterreich aufzubauen. Ich war frei, dazu eigene Überlegungen anzustellen und mir auch mein Team selbst zusammenzustellen. Es war klar, dass ich als Projektleiterin ein Team brauchte, das in den Bereichen Konzeption, Grafik sowie PR mitarbeitet. Grafik war mir sehr wichtig, denn Inhalte, so gut sie auch sein mögen, können nur dann lustvoll konsumiert werden, wenn die Grafik stimmt. Ich habe also nach Grafikern gesucht und mir letztendlich zehn näher angesehen, wie 82

ks_visuell

sie arbeiten, in welchem Stil sie sich darstellen. Nach den Gesprächen hatte ich immer noch nicht das Gefühl: Das ist es! Ich war da schon etwas frustriert. Jemand hat mir dann den Tipp gegeben, ich solle mir ks_visuell ansehen, die ein Projekt für den 20. Bezirk grafisch umgesetzt hatten. Nachdem ich mir Folder und Website angesehen hatte, war ich extrem begeistert. Die Folge war ein Gespräch mit Max. Letztendlich hat sowohl der Preis, aber vor allem die Ästhetik gut gepasst und wir haben begonnen, zusammenzuarbeiten. Was mir bei einem Grafiker wichtig ist, ist sein ästhetischer Zugang. Ich persönlich bevorzuge einen klassisch-eleganten Stil. Die meisten Illustrationen und Grafiken, die für Kinderprojekte gemacht werden, halte ich für nicht sehr gelungen. Auch Kinder haben ein Anrecht auf professionelle, qualitativ hochwertige grafische Gestaltung. Mir war wichtig, dass die Grafik klassisch ist aber eben auch den Link zu Zeitgenössischem hat. Es gibt viele Grafiker, die zwar machen, was man sagt aber nicht mitdenken. Ich fand gut, dass du von Anfang an immer wieder inhaltliche Aspekte eingebracht hast.

MD

Du hast gerade gesagt, was du an Grafikern gut findest. Max, was ist dir bei Auftraggebern wichtig?

MS Ich finde es wichtig, dass ein Auftraggeber bereits eine Vorstellung von dem hat, was er möchte, dass diese aber nicht zu festgelegt ist. Es muss ein gewisser Spielraum da sein und die Bereitschaft, die eigene Position zu überdenken. Aufgaben, die bereits zu sehr festgelegt sind, sind außerdem uninteressant, denn dann ist man lediglich Ausführender und nicht Gestalter.

MD

Ich habe versucht, für jedes Gespräch ein Motiv zu generieren, das als thematischer Aufhänger dienen soll. Für dieses Gespräch ist es das Motiv „Verständnis“. Warum, meint ihr, habe ich dieses Motiv gewählt?

BA (überlegt) Das ist sicher ein Basiselement, denn ohne Verständnis füreinander ist Dialog schwierig. Bevor der Gestaltungsprozess beginnt müssen unterschiedliche Vorstellungen geklärt werden. 83

MD

Die Idee zu dem Motiv entspringt natürlich auch der Initiative Zeit Punkt Lesen, von der ich erfahren habe, dass sie sich an Kinder richtet, die Probleme mit dem Verständnis von Schrift- und Zeichensystemen haben. Der Begriff „Verständnis“ soll aber hier eher in Bezug auf die Beziehung zwischen Gestalter und Auftraggeber ausgelegt werden.

MS Ich kann mich beispielsweise an den ersten Entwurf für die Website erinnern. Den hast du abgelehnt, da er so gar nicht dem entsprochen hat, was du dir vorgestellt hattest, und ich habe dann entsprechend adaptiert und überarbeitet. Das sind natürlich Dinge, die mit der Zeit wachsen; am Schluss muss man vieles nicht mehr im Detail besprechen oder erklären, weil es klar ist und es eine Linie gibt. Speziell bei Zeit Punkt Lesen ist Verständnis, etwa im Hinblick auf die Zeichensysteme, die du erwähnt hast, ganz wichtig. Das Projekt war auch so angelegt und es war Barbaras Verdienst, dass man ein wenig über die Vorstellungen, die bei den Initiatoren bestanden haben, hinausgegangen ist. Also das Verständnis, was so eine Initiative wie Zeit Punkt Lesen sein kann, wurde auch erweitert.

BA Man ist als Auftraggeber oft Teil eines Systems und hat einerseits mit dem Grafiker, aber auch dem Vorgesetzten, zu kommunizieren. Denkt man an Niederösterreich, dann hat man sofort die Plakate und das typische „N“-Logo mit der sehr touristisch orientierten visuellen Linie im Kopf. Max hat für Zeit Punk Lesen das Logo in einem wunderschönen Sandbraun und Blau entworfen. Nach der internen Präsentation musste ich ihm sagen: „wunderschönes Logo, aber es muss leider blau-gelb werden, da man in Niederösterreich alles in blau-gelb gestaltet.“ (zu MS) Für dein Verständnis war ich sehr dankbar, du hättest auch sagen können: „mach ich nicht!“

MD

Fühlt man sich nicht unverstanden, wenn es „nur“ an der Farbgebung liegt?

MS Wenn dafür alles andere umgesetzt werden kann, ist die Änderung der Farben ein Kompromiss, den man eingehen kann.

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ks_visuell

Wenn etwas funktioniert und ein Erfolg ist, überdenkt man durchaus auch seine eigene Position und sieht, dass manche Änderung doch gut war oder ihren Sinn hatte.

MD (zu MS)

Wie denkst du über Kompromisse nach?

MS Es ist mir an einem Dialog und einer Auseinandersetzung gelegen. Wenn jemand willkürlich sagt, er will es blau, obwohl nur rot Sinn machen würde, dann gibt es sicher Grenzen, wo man sagt: Das ist für mich jetzt nicht mehr interessant oder durchführbar. Vieles entwickelt sich natürlich erst im Laufe der Auseinandersetzung, das würde ich dann aber nicht als Kompromiss bezeichnen, sondern als Prozess. Aber Einflussnahme und Kompromisse gibt es natürlich, da muss man eben diskutieren, was Sinn macht und was nicht.

MD

Würdet ihr sagen, man trifft dann Entscheidungen, die nicht unbedingt objektiv begründbar sind, sondern eher subjektiv-persönlich?

BA (überlegt) Bei Zeit Punkt Lesen, das wir von Null an aufgebaut haben, hatte ich schon sehr klare Vorstellungen, welchen Stil die Leseinitiative haben sollte: luftig-frei, viel weißer Raum.

MS Man muss auch sagen, es gibt viele Dinge, die sich konzeptionell nicht so stark auswirken. Wenn der Rand eineinhalb anstatt zwei Zentimeter beträgt, ist das jetzt keine wirklich konzeptionelle Veränderung, eher eine gestalterische. Natürlich hat jeder Auftraggeber einen gewissen Geschmack und auch gewisse Präferenzen, das ist auch legitim und hängt immer davon ab, worum es geht. Und ich finde, als Gestalter ist man auch ver-pflichtet, sich damit bis zu einem gewissen Grad auseinanderzusetzen. Ich würde das nicht übergehen und sagen: „So muss es sein!“ Das finde ich das Spannende an diesem Beruf, dass man

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mit sehr vielen verschiedenen Menschen aus ganz unterschiedlichen Bereichen zu tun hat. Manche haben mehr visuelle Schulung oder setzen sich vermehrt mit diesen Dingen auseinander, andere weniger. Das ist schon sehr interessant.

MD (zu BA)

Wenn du an die Zusammenarbeit mit Grafikdesignern denkst – welche Vorstellung hat man da vom Arbeitsprozess als solchen und wie entsteht sie?

BA Die entsteht aus der beruflichen Anforderung. Meine erste Zusammenarbeit mit einem Grafiker war im Herbert von Karajan Centrum, wo ich im Bereich Presse und Marketing tätig war. Das Haus änderte gerade seine Mission und man brauchte ein anderes Design, das eine neue Wertigkeit visualisierte. Für die Zusammenarbeit mit dem Grafiker wurde ein Briefing geschrieben, auf dessen Grundlage erste Entwürfe entstanden. In dieser Weise geht man auch an die nächsten Projekte heran.

MD (zu MS)

Was ist deine Einstellung zum generellen Verständnis von Grafikdesign, wenn du über Erfahrungen nachdenkst, die du bei deiner Arbeit gemacht hast?

(überlegt) Ich denke, dass viele Leute noch immer keine konkrete Vorstellung davon haben, was ein Grafikdesigner tatsächlich macht. Früher hat es oft geheißen, dass man wohl viel zeichnet … Heutzutage sagt das natürlich keiner mehr, da inzwischen bekannt ist, dass auch Grafiker am Computer arbeiten. Die Spanne reicht natürlich bis hin zu Menschen, die sich intensiv mit Grafikdesign auseinandersetzen, auch, weil sie schon mit Grafikern gearbeitet haben. Mit der Zeit nimmt der missionarische Eifer aber auch ein wenig ab, mit dem man allen Menschen und potenziellen Auftraggebern erklären möchte, wie wichtig die eigene Arbeit ist. Das macht man zu Beginn mit viel Enthusiasmus.

MS

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ks_visuell

MD Wie würdest du die gemeinsame Arbeit an der Initiative Zeit Punkt Lesen bewerten?

MS Aus meiner Sicht ist es ein sehr umfangreiches Projekt gewesen, das sich über mehrere Jahre entwickelt hat. Wir haben viele verschiedene Sachen umgesetzt, von Roadshows über Spiele, Riesen-Puzzles und „Lesedocks“ bis hin zu allen möglichen Installationen und Lesefesten, also eine große Bandbreite. Ich denke, in dieser Konstellation mit der section.a (Wiener Consultingunternehmen an der Schnittstelle von Wirtschaft, Kunst und Design, Anm. MD), die viele Dinge überlegt und konzipiert haben, und Barbara als Auftraggeberin, ist es sicher ein Best-Practice-Beispiel, da eben sehr viel möglich war und es wenig Intervention gab. Wir lagen alle auf einer Linie, Differenzen oder sonstige Hürden waren eigentlich marginal.

MD Weil du gerade Bezug auf Verständnis genommen hast: Wie verständnisvoll darf man eigentlich sein, ohne die eigenen Erwartungen an eine Sache zu kompromittieren?

BA Ich denke, es gibt eine Grenze, bis zu der Kompromisse möglich sind. Ich als Auftraggeber habe natürlich die Letztentscheidung. Wenn keine Übereinstimmung mehr möglich ist, muss man sich trennen.

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MS Es hängt davon ab, wie sehr man das als Gestalter ausreizt. Wenn ich sage, ich mache es nur so, wie ich mir das vorstelle, dann werde ich natürlich ein Problem mit dem Verständnis des Auftraggebers bekommen. Ich gehe anders an die Sache heran, denn mir ist klar, dass ich für jemanden arbeite, der auch seine Interessen verfolgen muss. Die Auseinandersetzung damit ist mir schon auch wichtig und die Selbstverwirklichung als Gestalter steht für mich jetzt nicht an oberster Stelle.

BA Das ist natürlich der Unterschied: Wenn man als Künstler für sich ein Kunstwerk schafft, dann ist das eine Sache; wenn man als Grafiker für einen Auftraggeber ein visuelles Erscheinungsbild gestaltet, dann ist das eine Partnerschaft, ein Dialog.

MS Das widerspricht auch meiner Vorstellung von Grafikdesign als angewandte Kunst, wenn es denn eine Kunst ist. (lächelt) Ich finde das ja auch das Reizvolle daran.

MD (zu MS)

Weil gerade der Kunstbegriff aufgetaucht ist: Würdest du Grafikdesign als Kunst definieren?

MS Die Definition, was Kunst ist, ist schwierig und viel diskutiert und auch schon ein wenig überholt. Ich finde das nicht entscheidend. Grafikdesign ist ein weites Feld und nicht alles, was dort passiert, hat künstlerischen Wert. Aber es gibt sicher Arbeiten, die man in den Bereich einordnen könnte. Es gibt Plakate, die im Museum hängen, über die man dann sagt: „Das ist Kunst!“, also diejenigen, die das wollen oder brauchen. (lacht)

Ich stimme dir zu. Aber wenn für Menschen, die nicht sehr viel mit Kunst zu tun haben, der Begriff „Kunst“ oder „Künstler“ eine Wertschätzung ausdrückt, dann bin ich dafür, dass Grafikdesign auch als Kunst gilt. Denn die Geringschätzung, die vielfach Grafikdesign entgegengebracht wird, finde ich furchtbar, so frei nach dem Motto: „Ich habe ein Word-Programm und mache schnell mal einen Folder …“

BA (zu MS)

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ks_visuell

MS Das ist aber die Frage: ob die Wertschätzung steigt, wenn es in irgendeiner Weise als künstlerisch erachtet wird? (lacht)

BA Was man zu unserem Projekt noch ergänzen muss: Es konnte von Grund auf neu gestaltet werden. Bei dem nachfolgenden Projekt ZiS (Zeitung in der Schule, Anm. MD) gab es bereits eine grafische Linie, die nur leicht verändert werden konnte. Damit war man bereits in einem Kompromiss, da Vorgaben und tradierte Befindlichkeiten berücksichtigt und in ein neues Erscheinungsbild integriert werden mussten. Das birgt natürlich Probleme.

MS Das empfinde ich eher als Herausforderung und eher als spannend denn problematisch – eine Situation vorzufinden, in der es Elemente gibt, die sich verändern sollen und andere Teile, die bleiben und zu überlegen: Wie bekommt man das jetzt zusammen und macht daraus ein Ganzes? Man kommt ja meistens irgendwo hin, wo schon etwas existiert, das eine Geschichte hat und eine Entwicklung durchgemacht, genauso wie die Menschen auch. Man kann natürlich sagen, es muss alles einheitlich sein; man kann aber auch eine gewisse Vielfalt zulassen. Da fließen die Haltungen von Designern in Prozesse ein, die sich dadurch auch wieder verändern.

BA Aber als Unternehmen brauche ich dennoch ein einheitliches Gesicht.

MS Natürlich, ja. Aber Einheitlichkeit ist auch ein relativer Begriff. Gerade er hat sich im Grafikdesign in den letzten Jahrzehnten verändert. Diese Stringenz, die ein Erscheinungsbild früher hatte, das in umfangreichen Manuals dokumentiert wurde, damit nichts auch nur einen Millimeter daneben sitzt – davon ist man vielerorts schon länger abgekommen. Die Dinge dürfen auch wieder ein Eigenleben haben und belebt werden.

MD (zu MS)

Auf deine eigene Arbeit und auch auf dieses Projekt bezogen: Interessiert es dich prinzipiell mehr, wenn Dinge eine gewisse Flexibilität aufweisen, oder hältst du Stringenz für konsequenter? 89

MS Grundsätzlich bin ich schon eher für Stringenz und dafür, dass Dinge einer gewissen Logik folgen. Aber es hängt natürlich von den Aufgaben und der Größenordnung ab. Bei einem Projekt wie Zeit Punkt Lesen, wo so viele verschiedene Arbeiten entstanden sind, ist eine gewisse Vielfalt und Flexibilität notwendig und gefordert. Wenn man jetzt Briefpapier und Visitenkarte macht, ist eine gewisse Stringenz vermutlich sinnvoll.

MD

Als Schlussfrage an beide: Was ist am Ende des Tages wichtiger? Dass man seine Miete bezahlen kann oder dass man die Gewissheit hat, sich selbst treu geblieben zu sein?

(überlegt) Also wichtiger ist bestimmt, dass man sich selbst treu bleibt, aber natürlich muss man auch seine Miete bezahlen, und zwar durch das Glück und die Möglichkeit, Arbeiten zu realisieren, mit denen man auch zufrieden ist. Das hat jetzt einen gewissen Idealcharakter, aber ich darf sagen, bislang ist es mir gelungen, beide Aspekte einigermaßen zufriedenstellend zu vereinen.

MS

BA (überlegt) Ich stehe als Auftraggeberin nicht vor derselben existenziellen Entscheidung. Wenn ich als Auftraggeberin mit einem Projekt betraut bin und einen Grafiker an meiner Seite habe, von dem ich mich verstanden fühle und der die Euphorie, die ich für dieses Projekt empfinde, visuell umsetzt, dann gibt es kaum etwas Schöneres. Das Zusammenspiel von Inhalt und Erscheinungsbild empfinde ich als so wichtig, dass ich mich als Projektleiterin ein wenig wie amputiert fühlen würde, wenn die Grafik nicht gelungen wäre. Ich finde, Inhalt und Design sind wie zwei Beine, und wenn das Zusammenspiel nicht funktioniert, dann humpelt das ganze Projekt.

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ks_visuell Maximilian Sztatecsny, ks_visuell, Vienna Barbara Aschenbrenner, PR and cultural manager, Vienna Project: Design of media and overall measures for the State of Lower Austria’s pro-reading initiative Zeit Punkt Lesen

“I think it’s important that clients already have an idea of what they’d like but not yet be dead set on it. A certain leeway has to be there […]”

ks_visuell

Marc Damm (MD) To get things rolling, why don’t you both introduce yourselves and what you do.

MD Within what kind of framework did your collaboration take place?

Maximilian Sztatecsny (MS)

BA

I’m a graphic designer with a diploma from the Academy of Applied Arts [today’s University of Applied Arts Vienna—Ed.]. After graduating, I joined up with my classmate Stephanie Krieger to open Büro für visuelle Gestaltung Krieger| Sztatecsny—which later became ks_visuell. At first, we worked almost exclusively in the cultural field, but we’ve now branched out into a number of other areas. In terms of scope, we do pretty much everything you’d associate with graphic design: print, Web design, brand identities, book design, labeling systems, etc.

I came to Zeit Punkt Lesen in 2007, and my assignment was to develop and establish a pro-reading initiative for Lower Austria. I was free to come up with my own ideas and to put together my own team. It was clear to me that, as project head, I’d need people for the areas of conception, graphic design, and PR. Graphic design was particularly important to me, because no matter how great your content is, people will only want to consume it if the visual presentation is right. So I searched for graphic designers and wound up taking a closer look at ten of them, at how they worked and presented themselves. But none of those talks gave me a feeling of: “There it is!” So I was kind of frustrated. Then, someone told me to have a look at ks_visuell, who’d done the graphic design for a project in Vienna’s 20th district. And when I saw their folder and website, I was really impressed. That led to talking with Max. And since his price and, most importantly, his aesthetic sense turned out to be suitable, we started working together. For me, the important thing about a graphic designer is his or her aesthetic approach. I prefer a classically elegant style, personally, and I don’t

Barbara Aschenbrenner (BA) In my case, things aren’t quite as

clearly defined. I did theater studies and communication studies, and then went to work in press and marketing jobs for cultural institutions. I currently head the Department of Communication and New Media at the Belvedere. Prior to that, though, I held overall and administrative responsibility for two pro-reading projects, for which Max also worked. Those projects added aspects of cultural and educational management to my previous press and marketing activities.

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feel that most of the illustrations and graphics I see in children’s projects are all that well done. Children have just as much right to professional, high-quality graphic design as anyone else! And it was important to me that the design have a classic quality to it as well as a contemporary touch. There are lots of graphic designers that do what you tell them but don’t actually think together with you. (to MS) So I was really glad that, from the very beginning, you were also referring constantly to the content.

BA

(thinking) It’s definitely a basic element, because without an understanding of one another, it’s difficult to have a dialog. Before the design process begins, you have to get your differing notions in tune. MD The idea also ties in to Zeit Punkt Lesen, of course, since it addresses children who have trouble understanding systems of writing and signs. Though here, the “understanding” I mean is more in terms of the designer-client relationship.

MD You’ve just said what you like in a graphic designer. So, Max, what’s important to you in terms of clients?

MS

One thing I think back to, here, is the initial design for the website. You rejected it because it wasn’t anything like what you’d envisioned—so I modified and adapted it accordingly. Of course, these are things that get easier over time; eventually, there’s lots that you no longer need to discuss or explain in detail because it’s clear and there’s a sense of mutual trust. Particularly in Zeit Punkt Lesen, understanding—like of the systems of signs you mentioned— was extremely important. That was the whole point of the project, after all, and it was to Barbara’s credit that we even managed to go a bit beyond its initiators’ original ideas. So the general understanding of what an initiative like Zeit Punkt Lesen can be also got expanded upon.

MS

I think it’s important that clients already have an idea of what they’d like but not yet be dead set on it. A certain leeway has to be there, plus a willingness to reconsider one’s own position. Assignments that are already too inflexible just aren’t interesting, because in those, you end up being more of a technician than a designer. MD I’ve attempted to come up with a motif for each conversation that serves as something like a thematic anchor. In our case, I chose “understanding”. Why do you suppose I did?

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ks_visuell

BA

MS

As a client, you’re often still part of a system, like when you have to communicate both with the graphic designer and with whomever’s above you. And if you think of Lower Austria, you also think right away of the billboards with their typical “N” logo [for Niederösterreich (Lower Austria)— Trans.] and tourism-oriented visuals. For our project, Zeit Punk Lesen, Max’s initial logo design was done in a wonderful sand-brown and blue. And after the internal presentation, I had to tell him: “Beautiful logo, but unfortunately, it’s got to be in blue and yellow, because Lower Austria does everything in blue and yellow.” (to MS) And I was very grateful for your understanding, because you could have just said, “No way!”

Dialog and dealing with things together are important to me. If someone arbitrarily says he wants it blue even if it really only makes sense in red, then there’s definitely a point where it’s time to say, “I’m not interested anymore,” or “I can’t do it.” But lots of things only develop over the course of the exchange, and I wouldn’t call that compromise; it’s more of a process. But sure, influence does get exerted, compromises do get demanded, and then you do have to discuss what makes sense and what doesn’t. MD Would you two say that you make decisions that are subjective and personal, and that can’t necessarily be justified in an objective sense?

MD Don’t you feel misunderstood if the objection is “only” about the colors?

BA

(thinking) For Zeit Punkt Lesen, which we put together from scratch, I did have very clear ideas about what style the campaign should be done in: airy and free, with lots of white space.

MS

Well, if they let you do everything else, then a color change is a compromise you can make. And if something works and meets with success, then you really do tend to rethink your own position and realize that some changes perhaps were good or did make sense after all.

MS It also needs to be said that many

things don’t so hugely affect the concept. If the border is one and a half centimeters instead of two, that’s not really a conceptual change, it’s more technical. Every client has a certain taste and certain preferences, of course; that’s legitimate, and it

MD (to MS) What are your thoughts on compromise as such? 95

always depends on what’s at issue. And I think that, as a designer, you’re obligated to take such things into account up to a certain point. I wouldn’t override something and say: “It has to be like this!” And that’s what’s interesting about this profession, I think: dealing with lots of people from all kinds of fields. Some have more visual training or think more about these things than others do, and that’s very interesting to see. MD (to BA) In terms of working with graphic designers, how do you develop a vision of the work process?

BA

Collaborating with graphic designers is an integral part of what I do. My first such experience was at the Herbert von Karajan Center, where I did press and marketing. That institution was in the process of reorienting itself, and they needed a new design that would visually signal their new significance. So I worked together with the graphic designer based on a briefing according to which the first design sketches were made. And that was how I approached subsequent projects, as well.

MS

(thinking) I think lots of people still don’t have a good idea of what graphic designers actually do. It used to be that people often thought you do a lot of drawing; today, of course, you don’t hear that anymore, since it’s clear that we also work on computers. On the other hand, you do also encounter people with an intense interest in graphic design, sometimes because they’ve worked together with graphic designers before. At any rate, the missionary zeal with which you try to explain just how important your work is to everyone, including your potential clients,

MD (to MS) How do you feel about the general public’s understanding of graphic design when you think of experiences you’ve had in your work?

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ks_visuell

Viennese consulting firm that interfaces between business, art, and design—Ed.], who did a lot of conceptual work, and with Barbara as my direct client, it was certainly an example of “best practice” in the sense that intervention was minimal and a whole lot of things were possible. And disagreements and other such obstacles were really pretty marginal; we were all on the same wavelength. MD Speaking of which: how much understanding do you think it’s possible to show without compromising one’s own expectations of something?

BA

I think there’s a point up to which compromises can be made. Of course, since I’m the client, I get to make the final decision. And if an agreement absolutely cannot be reached, then we have to go our separate ways.

tends to cool as time goes by. Though you’re really enthusiastic about that at first. MD How would you assess your work together on the Zeit Punkt Lesen campaign?

MS

It depends on how far you, as a designer, push your clients. If I say that I’ll only do things as I’ve imagined them, then I’ll naturally have problems getting clients to understand. So I take a different approach, because I realize that I’m working for someone who also has to pursue their own interests. In any case, addressing the client’s needs is important to me,

MS

From my perspective, it was a huge project that developed over several years. We realized all kinds of stuff: road shows and games, giant puzzles and “reading stations,” all kinds of installations, reading festivals—a very broad range. And I think that in this constellation with section.a [a 97

BA (to MS)

too, and self-fulfillment as a designer is no longer my number-one priority.

I agree. But if the term “art” or “artist” expresses a kind of esteem among people who don’t have much to do with art, then I’d be in favor of defining graphic design as art. Because I think it’s terrible how graphic design often gets belittled or derided, à la: “I’ll just whip out a folder with MS Word…”

BA

That’s the difference, of course: when you work as an artist to create an artwork for its own sake, that’s one thing; but when you’re working for a client as a graphic designer to create a visual identity, that’s a partnership, a dialog.

MS

I think it’s really an open question, though, whether people would actually value it more highly if it were viewed as being somehow artistic… (laughs)

MS

Which also clashes with my notion of graphic design as applied art, if it’s even art to begin with. (smiling) Which is precisely what I find interesting.

BA

One thing I should add about our project: we were able to design everything from scratch. But for the follow-up project ZiS [Zeitung in der Schule (Newspaper at School)—Ed.], we already had an established style to which we could only make slight changes. So in this respect, we were compromising right from the start, since guidelines and traditional sentiments had to be taken into account and integrated into a new appearance. Naturally, there are problems inherent there.

MD (to MS) Speaking of art: What do you really think, then—is graphic design art?

MS

Defining art is difficult; that definition gets discussed a lot, and perhaps the whole idea’s already a bit obsolete. To me, it doesn’t matter that much. Graphic design is a big field, and not everything it produces is of artistic value. But there certainly are works that could be placed in that category. There are posters hanging in museums where people say: “That’s art!”—those who want it or need it to be, at least. (laughs)

MS

But that’s something I find more challenging and interesting than problematic—arriving in a situation where there are things that should 98

ks_visuell

change and other things that should stay as they are, and thinking: How do I tie all this together and make it into a whole? When you arrive somewhere, it’s typical for something to already be there, something with its own history and development behind it, just like human beings. So sure, you can say it all has to be consistent, but you can also allow a certain variety. And what happens, in any case, is that the designer’s attitudes get injected into processes that will themselves change as a result.

MS

In principle, I prefer stringency and for things to follow a certain logic. But it depends on the task at hand and its size, of course. In a project like Zeit Punkt Lesen, with so many different individual assignments, it’s necessary and desirable for there to be a certain degree of variety and flexibility. But if you’re doing letterhead paper and business cards, on the other hand, it probably makes more sense to be stringent. MD As a concluding question to both of you: What’s more important, at the end of the day? Being able to pay your rent, or the feeling that you’ve remained true to yourselves?

BA

If I’m a business, though, then I ultimately do need to present a consistent-looking face to the public. MS

Of course. But “consistency” is relative, and what it means has changed over the past few decades, particularly in graphic design. In many quarters, the stringency that visual appearances used to exhibit—as we find documented in extensive manuals that ensured that nothing was off by even one millimeter—has long since become a thing of the past. Instead, it’s become acceptable again to allow things a life and liveliness of their own.

MS

(thinking) Certainly, it’s more important to remain true to yourself, but you do also have to pay your rent, and you’re able to thanks to luck and opportunities to realize assignments that provide you with satisfaction. That might sound a bit idealistic, but I can say for myself that I’ve succeeded so far in uniting both aspects in a way that’s been reasonably satisfying. BA

(thinking) As a client, I’m not faced with quite the same existential decisions. When I’m entrusted with a project as the client and have a graphic designer at my side who,

MD (to MS) In your own work, in this project, and in general: Are you interested more in things’ exhibiting a certain flexibility, or do you think stringent consistency makes more sense? 99

I think, understands me and can realize my euphoric feelings about the project visually, then there’s hardly anything better. I think the interplay of content and appearance is so important that, as project head, I’d feel quite hobbled if the graphic design didn’t turn out well. I think that content and design are like two legs, and if they don’t work well together, then the entire project can only stumble along.

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ZeitPunktLesen Logo Finalversion (blau), Entwurfsversion (sand) / Logo; final version (blue), draft version (sand)

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alphabeTiSCH Lese-Sitzmobiliar / Readable reading furniture Design: Christian Sturminger

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Stilblüten /(Literary) “style blossom” Literarisches Orientierungssystem / Literary orientation system

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Zeichenbox /“sign box” Raummodul zur Vermittlung piktografischer Zeichensysteme Exhibition module communicating pictographic sign systems

Christian Reder Christian Reder

Grafikdesign als Selbstverständlichkeit

Grafikdesign als Selbstverständlichkeit

Christian Reder Grafikdesign

Weil ich ständig Texte produziere, ob als Berater, Verfasser von Konzepten, Hochschullehrer oder Buchautor, ist mir deren Visualisierung stets wichtig gewesen. Sollte doch das Produkt insgesamt überzeugen, bis zum letzten grafischen Detail. Ein solches Bemühen um sichtbare Qualität hat sich auch durchsetzen lassen, was, wie weithin geläufig, keinesfalls die Regel ist, weil gerade dabei – auch gedanklich – so gerne apathisch gespart wird. Die ständige Auseinandersetzung mit künstlerischen Möglichkeiten, mit Grafikdesign sowie intensive Kooperationen waren die Voraussetzung dafür. Von Wien aus an die Arbeitsfelder visueller Kommunikation denkend, die weltweit Alltagskulturen, die Orientierung und die Kämpfe um Aufmerksamkeit prägen, können – historisch gesehen – bereits die bahnbrechenden Piktogramme der Moderne mentalen Rückhalt liefern, die Otto Neurath (1882–1945) und Gerd Arntz (1900–1988) ab 1925 als „Wiener Methode der Bildstatistik“ zum International System of Typographic Picture Education (ISOTYPE) entwickelt haben. Ging es ihnen doch nicht um bloßes Marketing, sondern um eine universell verständliche Sprache, die selbst AnalphabetInnen nicht mehr ausgrenzt, als essenzielle Bestärkung von Chancengleichheit. Urbane Leitsysteme und jede Informationskartografie basieren längst auf solchen grafischen Standards, ohne dass das noch auf deren Initiatoren zurückweisen würde. Allein sind sie mit solchen Verständigungsintentionen nicht gewesen. Denn als damals „der Film zu sprechen“ begonnen hat, so Luis Buñuel (1900–1983), machte ihm das bewusst, wie sehr die Unmittelbarkeit des Eindrucks beeinträchtigt wurde, denn „damit verlor er schlagartig seinen internationalen Charakter“, während beim Stummfilm „für die verschiedenen Länder nur die Zwischentitel“ auszuwechseln waren. Als weit drastischere Zäsur wirken sich die grafischen Benutzeroberflächen von Computerbildschirmen auf die Wahrnehmung und das Verhalten aus, mit milliardenfachem Mausklick auf wiedererkennbare Symbole. Zur spontanen Orientierung ist das, analog zu Markenzeichen, unerlässlich. Zugleich wurde der genaue Blick durch den Sucher irrelevant, seit die ausgestreckten 110

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Grafikdesign als Selbstverständlichkeit

Hände mit Digitalkameras Fotos zum privaten Fernseherlebnis machen. Praktisch die gesamte Menschheit starrt nun gebeugt auf die Touchscreens von Smartphones als davor nie dagewesene kollektive Erwartungshaltung, bei der die Vernetzung wichtiger ist als alles, was erfahren werden könnte. Bei jeder Abweichung von grafisch aufgezeigten Routen sagt die GPS-Stimme aus dem Off: „Neuberechnung im Gang.“ Soweit ein paar Stichworte zur kaum noch bewusst wahrgenommenen Präsenz von Grafikdesign als Steuerungsfaktor und als weite Sphäre tendenziell nonverbaler Kommunikation neben ostentativer Werbung. Denn ohne reflexartiges Reagieren auf durch Symbole vermittelte Komplexität könnte all das nicht funktionieren. Durch Schrift und das Medium Papier vermitteltes stilles Verstehen wird zunehmend von Bild-Ton-Konstellationen abgelöst. Aufklärende emanzipatorische Zwecke – wie sie für Otto Neurath bis hin zu Luis Buñuel zentral waren – sind bestenfalls noch ein Element in der exponentiell zunehmenden Vielfalt ausufernder, von Angebot und Nachfrage gesteuerter Prozesse, die kaum noch Anhaltspunkte an bislang Gewohntes brauchen. Das mit Fons Hickmann diskutierend – er lehrte nach Tino Erben an der Universität für angewandte Kunst Wien, wo ihm Oliver Kartak nachfolgte –, antwortete er auf meine Frage nach Perspektiven: „Kommunikation heißt ja nicht nur Verstehen, sondern genauso Empfinden, das Transformieren von Vorstellungen.“ Deswegen definiere er sich, nun an der Universität der Künste in Berlin für Studierende engagiert, mit seinem Team als Kommunikationsdesigner. Gedrucktes sei nur noch ein Teilbereich. „Bewegte Bilder, Akustisches, Sound-Design spielen in meiner Arbeit eine wichtige Rolle. Mich interessiert, wenn viele Codierungsformen zusammentreffen.“ Grundlegend bleibe, „Handlungsabläufe sinnvoll zu unterstützen“ und mit Informationsdesign „komplexe Sachverhalte verständlich“ zu machen, „einschließlich emotioneller Komponenten“. Globale Bezüge seien unerlässlich: „Wer etwa in Asien unterwegs ist, dem wird ständig bewusst, wie stark visuelle Zeichen präsent sind, als die zahllose Sprachen überlagernde Verständigungsebene. Visuelle Codes 111

ermöglichen unmittelbares Verstehen. Alles Nonverbale, bis hin zur Körpersprache, gehört in diesen Bereich. Dass durch Synchronisieren vieles verloren gehen kann – Eigenständiges, Eigensinniges, Doppelsinniges, Ungewöhnliches bestimmter Ausdrucksformen –, ist das Bedrohliche dabei. Dem mit visueller Sorgfalt entgegenzuarbeiten verringert im Idealfall solche Nivellierungstendenzen. Die Bereicherung, die aus der Überlagerung unterschiedlicher Kulturen, unterschiedlicher Zeichensysteme entstehen kann, muss als potenzielle Qualität im Blick bleiben.“ „Leuten etwas schmackhaft zu machen, das sie nicht brauchen“, habe ihn nie interessiert. Denn „sich in dieser Branche ohne Fragen nach gesellschaftlicher und politischer Relevanz zu bewegen“, sei absurd. Sobald „einem das bewusster wird, gehen wir vielleicht auch bewusster mit den Möglichkeiten um, die wir haben.“ Notwendig sei – was auch für meinen Lebensweg prägend war – eine „individuelle Balance zwischen bezahlter und unbezahlter Arbeit“, denn „voll in kommerziellen Strukturen zu versinken, nabelt einen von wichtigen Aktivitätsfeldern ab“. Um wirkungsvoll daran zu arbeiten, dass „Bilder, Typografie, Komprimierungen entsprechend ineinander greifen“, könne das, so Hickmann dezidiert, nicht „Fachidioten, die nur ihre eingeschränkte Disziplin beherrschen“, überlassen bleiben, weil das selten „zu neuen Sichtweisen“ führe. Gestaltung sei stets „als einer von vielen Bausteinen“ zu begreifen, als wichtiges Segment permanenten Arbeitens an einer Unternehmenskultur oder dem Selbstverständnis von Institutionen in einer Zeit flexibler Zeichensysteme. Gerade angesichts der grassierenden Gedankenlosigkeit rundum sei Visuelles „schon wegen seiner Alltagsbezogenheit ein ergiebiges Feld“, um „reformerisch im Sinn positiver Veränderungen weiter zu arbeiten“ – wobei es angesichts oft restriktiver Auftragsbedingungen und ästhetisch defensiver Hierarchien um das Durchsetzen plausibler Handlungsspielräume gehe, denn „Qualität hat sehr viel mit den zugestandenen Freiheitsgraden zu tun“. Solche Freiheitsgrade sind mir an meinem ersten Arbeitsplatz nach dem Studium als Junior-Consultant beim Beratungsunternehmen Knight Wegenstein in Zürich 1970 rasch zugestanden 112

Christian Reder

Grafikdesign als Selbstverständlichkeit

worden. Nachdem sich in Wien nichts Interessantes ergeben hatte, war ich dort gleich als Assistent des Chefs Willy O. Wegenstein für die Jahresberichte mit Kommentaren zu Politik und Wirtschaft zuständig. Bis dahin waren hyperseriöse silbergraue Broschüren üblich, was ich für kontraproduktiv hielt, sollte doch die Kompetenz für Ideen und Reformprojekte signalisiert werden. Das hat überzeugt und von nun an gab es jedes Jahr ein völlig neu gestaltetes Produkt, wofür ich – trotz des Renommees Schweizerischer Grafik – aus Wien Tino Erben holte, der damals hauptsächlich wegen seiner Plakate, Katalog- und Buchgestaltungen geschätzt war. Daraus ist eine zehnjährige Zusammenarbeit geworden, ohne dass wir ahnen konnten, viel später einmal an der Universität für angewandte Kunst in Wien Kollegen zu werden. Ihn haben „Gegenrichtungen zum damals üblichen Funktionalismus“ interessiert, als freigeistiges Experimentieren in engem Dialog mit den inhaltlich Verantwortlichen, so Erbens Kommentar dazu in unserem Gespräch für sein Buch sooderauchanders. Gearbeitet hat er damals noch mit Handskizzen, Buntstiften und UHU-Stick-geklebten Collagen, unter Seidenpapier glatt gewalzt. Fotoserien arrangierten wir mit FreundInnen, um keine übertriebenen Kosten zu verursachen. Einmal war der spätere Rektor der „Angewandten“, Oswald Oberhuber, unser unkenntlich gemachtes Manager-Modell. Ich lieferte die mehrfach abgetippten, manuell korrigierten Texte, um sie gemeinsam zu ansprechenden Seiten und Abfolgen zu gestalten. Inzwischen sitzen alle vor dem Bildschirm, die Arbeitsweisen sind ähnlicher geworden. Überzeugt blieb Tino Erben davon: „Wenn in visuellen Welten Aufmerksamkeit erzeugt werden soll, ist jede Kontinuität problematisch. Sie immer wieder zu brechen, durch subtil eingesetzte Irritationsmomente, ist die eigentliche Herausforderung. Alle kopieren, auch sich selbst. Nur entsteht dann bald nichts Akzeptables mehr, bloß Automatik.“ War damals das handwerkliche Ausprobieren diverser Varianten möglich, erfordere nun der Bildschirm, unmittelbar in die „Realität als Grafikdesigner“ einzusteigen. „Weil sich die Grundlagen des Berufs total verändert haben, funktioniert auch die Ideenfindung anders. Da ein Experimentieren 113

mit Formen, mit Farben, mit Fotos, mit Schriften so glatt und schnell umgesetzt werden kann, fallen frühere Widerstände weg; die muss sich jetzt jeder selbst erzeugen. Zugleich sind die Anforderungen an die Präzision enorm gestiegen.“ Die Beschleunigung aller Vorgänge hat die Arbeitsteilung völlig verschoben, mit druckreifen PDFs als Symbol einer neuen Do-it-yourself-Tendenz. Dass wir gerade für das trockene Thema Geschäftsberichte internationale Resonanz erzeugten, hat etwa die Zeitschrift Novum Gebrauchsgrafik in einem großen Bildbericht kommentiert, in dem es heißt: „So lohnt es sich nicht nur für beratungsbedürftige Unternehmer, sondern auch für Art Directoren, Texter, Layouter – für die Macher –, diese Geschäftsberichte zu beachten und sich schließlich von dem faszinierenden Ergebnis begeistern zu lassen, in dem Texte, Illustrationen und die ‚Lebensgemeinschaft’ von beiden im Layout deutlich und mit identischer Lautstärke auftreten.“ Mein dazu abgedrucktes Statement klang in einer kommerzialisierten Welt explizit unrealistisch, könnte aber weiterhin als Devise gelten: „Wir wollen einfach einen guten Jahresbericht machen, der eine kontinuierliche Linie dokumentiert und dennoch jedes Mal ein neues, eigenständiges Produkt ist. Wir machen primär das, was wir für gut halten – ohne Tests, ohne Marktforschung und ohne große Spekulationen über den tatsächlichen Wirkungsgrad. Wir gehen davon aus, dass wir mit Menschen, denen diese Berichte gefallen oder deutlich missfallen, eine qualifiziertere Kommunikationsbasis finden, als dies anhand gefälliger Äußerungen der Fall wäre. Es ist uns wichtiger, fünfzig Leuten echte Anregungen zu vermitteln, als fünftausend Leute über unsere Firma zu informieren. Auch noch so gut gestaltete Firmennachrichten interessieren niemanden, wenn sie nicht die Kritikfähigkeit herausfordern.“ Zwanzig Jahre danach begannen gerade besonders innovative Unternehmen, sich als Ausdruck von Problembewusstsein mit jeweils neu konzipierten Geschäftsberichten zu exponieren, so die Zumtobel Gruppe („Wir schaffen Lichterlebnisse – weit über Beleuchtung hinaus“), die seit 1992 diese Aufgabe renommierten risikofreudigen Gestaltungskräften überträgt von Kjetil Thorsen 114

Christian Reder

Grafikdesign als Selbstverständlichkeit

über David Chipperfield, Anish Kapoor, Olafur Eliasson, Hani Rashid, Dominique Perrault bis Stefan Sagmeister oder Neville Brody. Ein nächster Kooperationsschub mit Grafikdesign ergab sich durch meine Mitwirkung beim Aufbau des Falter-Verlages, wo in den ersten Jahren die experimentierfreudigen Covers der Stadtzeitung Falter von Ecke Bonk oder Gregor Eichinger und die Gestaltung von Werner Korn visuelle Markierungen bedeutet haben. Mit allen haben sich weitere Kooperationen ergeben, ob für meine Bücher oder als Berater des Springer-Verlages Wien/ New York, dem ich Ecke Bonk für die Corporate Identity empfohlen habe, die aber bald wieder ihrer Finessen beraubt wurde, weil sich dauernd ändernde Konzernstrukturen für Nuancen wenig übrig haben. Mit Stefan Fuhrer, Tina van Duyne oder Richard Ferkl entstanden Bücher. Meine Website konzipierten Carlos Toledo und Eva Dertschei. Das zum Thema Vielfalt. Verbindend blieb, was Tino Erben als gemeinsame Erfahrung über die Jahre hinweg so zusammengefasst hat: „Dass sich die Querbeziehungen zu bildender Kunst, zu Architektur, zu Literatur heute in Grenzen halten, ist auffällig; nur die Musikszene verbindet. Für mich sind solche Bezüge entscheidend gewesen, als Austausch, als Aufbruch, als Zugang zum Interdisziplinären.“

Günther Sander: Otto Neurath. Eine politische Biographie, Wien 2014 Luis Buñuel: Mein letzter Seufzer. Erinnerungen, Königstein/Taunus 1983, S. 118 Fons Hickmann im Gespräch mit Christian Reder, in: Christian Reder (Hg.): Lesebuch Projekte. Vorgriffe, Ausbrüche in die Ferne, Wien/New York 2008, S. 113 ff. Willi Baumeister: „Knight Wegenstein International. Geschäftsberichte als multi-funktionales Medium“, in: Novum Gebrauchsgraphik, München, Nr. 2/1978 Zumtobel-Geschäftsberichte: http://www.zumtobelgroup.com/de/2672.htm Tino Erben im Gespräch mit Christian Reder, in: sooderauchanders. Tino Erben. Grafik-Design 2000–1960, Diplomarbeiten seiner Studentinnen und Studenten 2000–1990, Wien 2001, S. 7 ff.

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Graphic Design as a Matter of Course Because I constantly produce texts as a consultant, as an originator of concepts, as a university instructor, and as a book author, their visual design has always been important to me. After all, the overall product should be convincing—right down to the tiniest graphic detail. I’ve been able to enforce this desire for visible quality, which is of course anything but the norm in a world where apathetic frugality, including in terms of thought given, is far more common. To succeed in this, I've had to devote constant thought to artistic possibilities and graphic design as well as engage in intensive collaboration. Contemplating the fields of visual communication work that so strongly impact worldwide cultures of the everyday, general orientation, and the battle for attention from my vantage point in Vienna, the pioneering pictograms of the modern era—developed by Otto Neurath (1882–1945) and Gerd Arntz (1900–1988) into the “International System of Typographic Picture Education” (ISOTYPE) beginning in 1925—can provide some historical ground to stand on. After all, Neurath and Arntz were concerned not with mere marketing, but rather with a universally intelligible language accessible even to illiterates that would make an essential contribution to equality of opportunity. Urban guidance systems and all examples of information cartography have long since come to be based upon such graphical standards, with are by no means derived strictly from these two innovators. For they were not alone in their intention to promote understanding. Luis Buñuel (1900–1983) noted how, back when “film learned to speak,” he became conscious of the extent to which impressions’ immediacy had been impaired, for “with one fell swoop, it had lost its international character”—formerly, when silent movies were to be shown in different countries, “only the intertitles had needed to be changed.” A far more drastic break in perception and behavior comes thanks to graphical user interfaces on computer screens, with billions of clicks being made on recognizable symbols. These are indispensible in the interest of spontaneous orientation, much like trademarks. But at the same time, the precise gaze through the viewfinder has become irrelevant since digital cameras held in outstretched hands have transformed photos into private television experiences. Practically all 116

Christian Reder

Graphic Design as a Matter of Course

of humanity now stands hunched over smartphone touchscreens, gripped by a heretofore unknown collective expectation where networking trumps any and all real-world experience. And upon any and every deviation from one’s graphically depicted course, the GPS voice-over announces: “recalculating route.” Examples like these illustrate how graphic design has come to enjoy a nearly subliminal presence as a guiding factor and a major sphere of nonverbal communication alongside obvious advertising. For without the ability to react reflexively to the sort of complexity that symbols now communicate, none of this would work at all. Silent understanding via writing and the medium of paper is increasingly being displaced by constellations of visual images and audio. And explanatory, emancipatory purposes—as were central for figures from Otto Neurath to Luis Buñuel—are, at best, just one element in the exponentially growing diversity of ever-more-elaborate processes governed by supply and demand, which hardly still need any points of contact to the previously normal. In a discussion of all these things with Fons Hickmann, successor to Tino Erben and predecessor to Oliver Kartak at the University of Applied Arts Vienna, my question about perspectives elicited the following: “Communication doesn’t just mean understanding; it’s equally a matter of feeling, of the transformation of ideas.” Hickmann says this is why, in his work for students at the Berlin University of the Arts, he defines himself and his team as communication designers. Print is now just one area among many. “Moving images, acoustic elements, and sound design all play an important role in my work. I’m interested in cases where multiple forms of coding come together.” It remains fundamental to support “processes of action in a sensible way” and to use information design to render “complex material, including emotional components, understandable.” And global references are essential. “Anyone who travels around Asia is constantly made aware of the strong presence of visual signs, which form a level of communication that overlays the countless languages. Visual codes facilitate immediate comprehension. Everything non-verbal, right down to body language, is part of this category. What’s threatening, though, is that much of what’s independent, headstrong, ambivalent, 117

or unusual about certain forms of expression can get buried by such synchronization. Working against this with a degree of visual care can ideally reduce such leveling tendencies. And the enrichment that can result from the overlapping of different cultures and different systems of signs needs to remain in view as a potential quality.” “Making people want things they don’t need” has never interested him. Because it’s absurd, he says, “to work in this industry without asking questions about social and political relevance.” And as soon as “we become more conscious of this, we just might also begin dealing more consciously with the possibilities that we have.” He thinks it necessary—and this has also been important in my career— to strike “an individual balance between paid and unpaid work,” since “total immersion in commercial structures cuts you off from important fields of activity.” In order to work effectively on having “images, typography, and compression interlock in an appropriate way,” the job can’t be left to “pure geeks who’ve only mastered their own limited disciplines,” says Hickman adamantly, because doing so rarely “leads to new perspectives.” He holds that design always needs to be understood “as one of many building blocks,” as a central element of ongoing work on corporate culture or institutional self-understanding in an age where systems of signification are flexible. Particularly in view of the rampant thoughtlessness all around, the visual realm is “a rich field simply in how it relates to everyday life,” in the interest of “continuing work towards positive reform”—even if frequently restrictive working conditions and aesthetically defensive hierarchies make it a matter of asserting plausible latitudes of action, for “quality has a whole lot to do with how much freedom you’re conceded.” Such a degree of freedom was conceded to me very quickly in my first job after graduating from my studies in 1970, as a junior consultant with the consulting firm Knight Wegenstein in Zurich. Having found nothing interesting in Vienna, I started there as an assistant to company head Willy O. Wegenstein and was responsible for their annual reports, which contained commentaries on public policy and the economy. Up to then, the norm had been hyper-serious, silver-gray brochures—which I considered counterproductive, since the point 118

Christian Reder

Graphic Design as a Matter of Course

was to signal competence in terms of new ideas and reform projects. I managed to win them over to my position, and from then on, every year featured a completely new design for the product, for which— despite the renown of Swiss graphic design—I used Tino Erben from Vienna, who at the time was known and admired mainly for his poster, catalog and book designs. That was the beginning of a decade-long collaboration where neither of us suspected that we’d one day end up as colleagues at Vienna’s University of Applied Arts. Erben was interested in “contradicting the functionalism that was common at the time” via free experimentation in close dialog with those responsible for content, as he put it in our conversation for his book sooderauchanders. Back then, he still worked with hand sketches, colored pencils and stick-glued collages, pressed smooth beneath silk paper. And we produced photo series using friends of ours as models in order not to incur any excessive expense. At one point we used the future rector of the University of Applied Arts, Oswald Oberhuber, whom we rendered unrecognizable as our manager model. I delivered the texts, typed out multiple times and hand-corrected, and we arranged them to create appealing pages and sequences. Nowadays, though, the ways in which people work have grown more uniform, with everyone staring into a screen. Tino Erben remains convinced that “any continuity in visual worlds is problematic if the point is to draw attention. So creating repeated breaks with subtly employed irritants is the true challenge. Everyone copies; they even copy themselves. But soon you’re left with nothing acceptable, just automatism.” While it was still possible to try out different variants by hand, back then, today the computer screen creates a “graphic design reality” that you have to plunge right into. “Since the fundaments of the profession have completely changed, we also arrive at ideas differently. The fact that we can experiment so smoothly and rapidly with shapes, colors, and fonts eliminates the resistances that used to exist; now, everyone has to create those for themselves. And at the same time, standards of precision have risen enormously.” The acceleration of all processes has occasioned a total shift in the division of labor, with print-ready PDFs as the symbol of a new do-it-yourself tendency. 119

The fact that we generated international resonance for such dry stuff as annual reports, of all things, received comment in the periodical Novum Gebrauchsgrafik as part of a major illustrated report, which read: “It would thus pay off not only for the entrepreneur in need of consulting but also for art directors, text authors, layout editors— generally, for those who produce annual reports—to heed these examples and ultimately get enthused about their fascinating results, in which texts, illustrations, and their mutual interaction within the layout come through clear and equally loud.” The statement by me that they quoted sounded ostentatiously unrealistic against the backdrop of a commercialized world, but can still be taken as a motto: “We just want to put together a good annual report that documents a continual course of development but also embodies a new, independent product every time. For the most part, we just do what we think is good—without any tests, market research, or elaborate speculation about its ultimate effectiveness. We assume we’ll achieve a better-founded basis for communication with the individuals who like or clearly dislike these reports than would have been the case if we’d made more innocuous statements. We find it more important to provide fifty people with real impulses than to simply inform five thousand people about our company. Even the best-formulated company news interests nobody if it fails to challenge people’s ability to think critically.” Twenty years thereafter, it was above all highly innovative companies that began to go out on a limb with ever-new annual report designs as expressions of their awareness of the various issues at hand, for example the Zumtobel Group (“We create experiences of light – far beyond illumination”), which has handed this task to famously fearless design personalities from Kjetil Thorsen to David Chipperfield, Anish Kapoor, Olafur Eliasson, Hani Rashid, and Dominique Perrault, not to mention Stefan Sagmeister and Neville Brody. My next concentrated period of collaboration in graphic design resulted from being involved in setting up the publisher Falter-Verlag, where the initial years saw the experimental covers of their weekly city paper Falter done by figures such as Ecke Bonk and Gregor Eichinger, with the overall newspaper being designed by Werner Korn. I was to have further collaborative working experiences with all of them, whether 120

Christian Reder

Graphic Design as a Matter of Course

for my books or as a consultant working for the publisher SpringerVerlag Vienna/New York, to whom I recommended Ecke Bonk for their corporate identity—which was soon, however, stripped of its fine points because constantly mutating group structures have little tolerance for nuance. Books were produced together with Stefan Fuhrer, Tina van Duyne, and Richard Ferkl. My website was done by Carlos Toledo and Eva Dertschei. All in all, a group of individuals with widely varying approaches. What still ties everything together is something Tino Erben and I both experienced over all these years, which he describes as follows: “It’s conspicuous that the points of contact to fine art, architecture, and literature have grown fewer, these days; only the music scene really still connects them all. But for me, such relationships have been pivotal—as exchange, as new beginnings, and as gateways to the interdisciplinary.”

Günther Sander: Otto Neurath. Eine politische Biographie, Vienna 2014 Luis Buñuel: Mein letzter Seufzer. Erinnerungen, Königstein/Taunus 1983, p. 118 Conversation between Fons Hickmann and Christian Reder, in: Christian Reder (Ed.): Lesebuch Projekte. Vorgriffe, Ausbrüche in die Ferne, Vienna/New York 2008, p. 113 ff. Willi Baumeister: “Knight Wegenstein International. Geschäftsberichte als multi-funktionales Medium”, in: Novum Gebrauchsgraphik, Munich, Nr. 2/1978 Zumtobel annual reports: http://www.zumtobelgroup.com/de/2672.htm Conversation between Tino Erben and Christian Reder, in: sooderauchanders. Tino Erben. Grafik-Design 2000–1960, Diplomarbeiten seiner Studentinnen und Studenten 2000–1990, Vienna 2001, p. 7 ff.

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Tino Erben Gespräch mit Tino Erben, Grafikdesigner, von 1988–2001 Professor und Leiter der Meisterklasse für Graphik, Universität für angewandte Kunst Wien. Über vergangene Erfahrungen und gegenwärtige Erkenntnisse

„Ich habe nie erlebt, dass mir jemand gesagt hat: so nicht.“

Marc Damm (MD)

Darf ich Sie bitten, sich kurz vorzustellen?

Mein Name ist Tino Erben. Ich habe in den verschiedensten Sparten des Kultur- und Kunstbereichs als Grafikdesigner gearbeitet. Dabei hatte ich das Glück, dass ich schnell, noch als ganz junger Grafiker, gleich nach dem Abschluss für die Albertina arbeiten durfte. Das war damals eine hochrangige Institution, noch nicht mit dem großen Ausstellungsbetrieb und diesen Blockbustern, die jetzt vom Schröder gemacht werden

Tino Erben (TE)

(Klaus Albrecht Schröder, seit 2000 Direktor der Wiener Albertina, Anm. MD).

Dafür habe ich Kataloge und Plakate gemacht und bin das erste Mal in die Domäne der älteren Generation eingedrungen: Hans Fabigan, Hermann Kozel und noch ein paar dieser Generation haben das in der Hand gehabt, auch Kurt Schwarz, mein Vorgänger an der „Angewandten“ (Universität für angewandte Kunst Wien, Anm. MD). Und so hat sich das dann entwickelt. Wenn man einmal präsent ist, ergeben sich eigentlich automatisch immer weitere interessante Arbeitsmöglichkeiten. Man lernt dabei dann Leute kennen, die einen weiterempfehlen. Zum Thema Auftraggeber: Ich habe sehr früh über die Musik Kontakt mit Leuten gehabt, die in Architektur und Kunst Wesentliches geleistet haben, wie zum Beispiel Wilhelm Holzbauer – daher auch der Zusammenhang mit der Wiener U-Bahn (Tino Erben gestaltete im Jahr 1970 das gegenwärtige Leitsystem in den Wiener U-Bahnen, Anm. MD). Wir haben uns damals, in den 50er-Jahren, sehr

für „die Reihe“ interessiert, das war eine von Friedrich Cerha – einem bekannten Komponisten – initiierte Konzertserie. Dort hat man zum ersten Mal zeitgenössische Musik gehört. Da waren wir ganz wild darauf, denn was hat sich zu der Zeit schon abgespielt? Es war ja alles verboten während des Krieges und der Nazizeit. Und allmählich haben mir dann der Architekt Sowieso und der Maler Sowieso gesagt: „Tino, da gibts was, schau dir das an, red mit den Leuten.“ Mit Aufträgen hab ich da keine Schwierigkeiten gehabt. Man musste damals nicht in Konkurrenz um ein Projekt antreten, so wie heute. Ich habe auch nie für Werbeagenturen gearbeitet, ich wollte keine Produktwerbung machen. Natürlich hab ich aber Werbung für Ausstellungen gemacht und Kataloge.

126

Tino Erben

MD

Worin unterscheidet sich Werbung für ein Produkt von Werbung für Ausstellungen?

TE Das unterscheidet sich darin, dass ich zuerst einmal für ein Produkt, das mir wertvoller erscheint als Waschmittel, also Kunst und Kultur, arbeite. Außerdem hab ich mit Leuten zu tun, die mir eher liegen. Viele meiner Kollegen haben in Agenturen gearbeitet, da ist dann ein Kontakter mit dem Entwurf zum Auftraggeber gegangen, der hat gesagt: „So will ich es nicht, ich möchte diese und jene Änderung“, dann ist der Kontakter wieder zurückgegangen zum Grafikdesigner; das ist dann manchmal hin- und hergegangen, so dass von der ursprünglichen Idee des Gestalters fast nichts mehr übrig geblieben ist. Ich habe nie erlebt, dass mir jemand gesagt hat: so nicht. Mit einem Museumsdirektor hat man natürlich besprochen, worum es geht, wie es sein soll und so weiter. Später hat das dann „Briefing“ geheißen und „Re-Briefing“ und so weiter. Meine Art der Kommunikation war sehr persönlich und individuell, also sehr angenehm.

MD

Sie waren auch als Karikaturist unter der Signatur „TINO“ tätig. Was hat das für einen Einfluss auf ihre weitere Arbeit gehabt?

TE Das war der Versuch, einmal etwas anderes zu machen. Ich hatte ein gewisses zeichnerisches Talent und das hat mich interessiert. Es war auch ein Ferienjob, denn ich war im Sommer immer in Stockholm und habe für schwedische Zeitungen Cartoons gezeichnet, für das Svenska Dagbladet vor allem und für Dagens Nyheter. Die haben so gut bezahlt, dass ich, wenn ich dort zwei Monate gearbeitet habe, das ganze Jahr über studieren hab können, ohne finanzielle Schwierigkeiten. Dann habe ich viele Leute kennengelernt, viele Journalisten. Damals hat Gustav Peichl, der immer noch unter „Ironimus“ Karikaturen zeichnet, gesagt, ich solle für Die Presse zeichnen. So habe ich also ein- bis zweimal in der Woche, von 1960 bis 1963, für Die Presse gearbeitet. Nachdem ich aber mit der politischen Linie nicht so einverstanden war, habe ich nur

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außenpolitische Karikaturen gemacht, bei der Innenpolitik war der Peichl ohnehin konkurrenzlos. Das war natürlich eine stressige Arbeit, deshalb habe ich das nach drei Jahren auch wieder aufgegeben. Ich habe dann auch sukzessive einen Auftrag nach dem anderen auf dem Gebiet der Gebrauchsgrafik bekommen, wie es damals genannt wurde. Der Begriff „Grafikdesign“ ist ja erst viel später erfunden worden. Wir waren Gebrauchsgrafiker, obwohl uns damals ein bisschen aufgeregt hat, dass man „gebraucht“ wird – oder „missbraucht“. Viele meiner Kollegen sind auch wirklich missbraucht worden, indem sie alles gemacht haben, was der Auftraggeber gesagt hat. Das war bei mir nicht der Fall. So konnte man sich dann mit der Zeit profilieren, wenn über einen gesagt wurde: „Der hat den und den Stil.“ Es wurde zu der Zeit viel gezeichnet, Typografie war dagegen in Österreich ziemlich vernachlässigt, die hat man ignoriert. Man hat geschaut, dass es gut lesbar war und das war schon alles, das hatte keine Kultur.

MD

Wir haben uns für dieses Gespräch auf das vertiefende Thema „Humor“ geeinigt. Sie werden in Aufzeichnungen über sich als „ironischer Minimalist“ beschrieben. Als ich mir Ihre Arbeit genauer angesehen habe – bleiben wir bei den Plakaten –, da habe ich mich gefragt, ob Humor oder Ironie heutzutage noch ebenso funktionieren wie zu Ihrer Zeit.

TE Naja, ich finde heute nicht mehr viel davon, aber wenn Sie sich zum Beispiel den Stefan Sagmeister anschauen, der hat das auch, er macht sich auch über sich selbst lustig, das ist, denke ich, sehr wichtig. Aber auch vom Bild her kann man Humor erzeugen. Aus der Zeit, in der ich für die Albertina gearbeitet habe, gibt es ein Plakat, das ich immer noch sehr liebe, den „Callot“ (Jacques Callot, 1592–1635, Anm. MD), der war ein barocker Zeichner. Er hat Szenen gezeichnet und ich habe einen sehr kleinen Ausschnitt auf ein Ein-Bogen-Plakat vergrößert. Das ist ja ein Eingriff, ein ironischer Eingriff, würde ich sagen. Das hab ich auch dem damaligen Direktor erklären müssen, der meinte: „Das ist doch zu klein, Herr Erben!“ Ich sagte: „Wir zeigen ein Detail als Anregung. Der Besucher muss dann selber für sich entscheiden, ob er das so akzeptiert oder nicht.“ Damals war das eine Provokation! 128

Tino Erben

MD

Sind Illustration und Zeichnung puncto Ironie durch ihre Unmittelbarkeit für Sie eindringlicher als Typografie?

TE Nein, ich kann auch mit Typografie sehr ironisch arbeiten, dann wird sie aber zum Bild, dann wird unter Umständen die Lesbarkeit vernachlässigt. Aber ich kann durch Vergrößerung,Verkleinerung, Hervorhebung schon etwas machen, das prickelt. In gewissen Fällen jedenfalls. Das „SENS“-Plakat ist ein Beispiel dafür.

MD

In dem Buch über Sie und Ihre Studenten namens sooderauchanders (Tino Erben, 2001, Anm. MD) kommt auch Vilém Flusser und dessen Text „Die Schrift“ vor und es wird gesagt, dass das Alphabet immer mehr in den Hintergrund tritt und sich neue, visuelle, Codes ergeben. Wie sehen Sie das? Haben Sie den Eindruck, dass das Bild wesentlich präsenter wird als die Schrift?

TE Nein, das sehe ich nicht. Heute sind Grafiker sehr gut in Typografie ausgebildet. Darauf habe ich auch in der Klasse großen Wert gelegt und das sozusagen eingeführt. Den Lehrauftrag für experimentelle Typografie hat es damals in der Klasse noch nicht gegeben. Ich hab gesehen, dass das ganz einfach notwendig war, denn ich habe im Studium an der Akademie überhaupt nichts über Typografie erfahren. Bei meinem ersten Auftritt in einer Druckerei fragte mich der Setzer: „Was für eine Schrift wollen Sie?“, und ich hab tatsächlich gesagt: „eine schöne.“ (lacht) Und er fragte: „und wie groß?“ Da hab ich gesagt: „ungefähr so.“ (misst zwischen Daumen und Zeigefinger). Es war insofern wunderbar, weil der das ernst genommen hat. Er hat mich ernst genommen und mir Auskunft gegeben, ohne mich als Trottel hinzustellen. Das waren meine ersten Erfahrungen mit Typografie. Ich habe ja Druckgrafik studiert, lithografieren müssen und lauter so Sachen. Das ganze typografische Wissen hab ich mir jedoch selbst anlernen müssen. Deshalb hab ich auch so großen Wert darauf gelegt, dass es in meiner Meister klasse von Fachleuten gelehrt wird. Und die Studierenden müssen es heute können, denn es gibt ja keinen Schriftsetzer mehr.

129

MD

Erst neulich habe ich zum ersten Mal ein Seminar über Bleisatz-Grundlagen absolviert. Da war ich wirklich erstaunt, als ich ein Geviert in der Hand hielt, das am Rechner komplett zum Abstraktum avanciert ist. Man spationiert ja dabei nur mehr mit den Tasten und bekommt im Umgang mit beweglichen Lettern einen ganz anderen Eindruck von Schrift als Körper. Die Auge-HandKoordination ist natürlich eine ganz andere und man begreift im wahrsten Sinne das Maßverhältnis. Dass das natürlich auf einer Tradition beruht, die über hunderte von Jahren …

TE … ja, ja, das hat Gutenberg erfunden. Das war eine Sensation! Das hat sich, bis die Digitalisierung begonnen hat, auch nicht geändert. Es hat dann Lichtsatz und alles Mögliche gegeben, das ist schon klar. Das waren Fortschritte in der Produktionsweise für uns Grafiker. Wenn man den Textentwurf in so einem Satzstudio am Vormittag aufgegeben hat, hat die fertigen Schriftzeilen schon am Nachmittag ein Bote gebracht. Dann hat man das auf das Sujet montiert. Der Riesenvorteil ist ja, dass ich fertige Produkte abliefere, wenn ich es am Computer mache. Wenn ich etwas präsentiere, dann schaut das schon so aus wie hier. (deutet einen Bildschirm an) Weil wir haben damals nur hingeschrieben „rot“ oder „dieses Rot mit der Nummer 415“, haben eine Farbkarte dazugelegt und der Drucker hat sich ausgekannt.

MD

Ich hab von Ihnen einmal die Aussage gehört, Sie würden heutzutage nicht mehr Grafiker sein wollen. Warum?

TE Ich höre immer wieder, dass der Markt kleiner geworden ist, dass es mehrere Leute gibt, die sich um einen Auftrag bewerben und eigentlich immer wieder ins Blaue arbeiten, weil sie in Konkurrenz stehen, nie genau wissen, ob das, was sie machen, genommen wird und sie sich dann mit einem Abstandshonorar zufriedengeben müssen. Das ist eine völlig andere Situation, als wenn du mit einem Auftraggeber befreundet bist. Da frägt man: „Was meinst du? Bist du zufrieden?“ … „Ja.“ … „Aber ich noch nicht; haben wir noch Zeit?“ Die Termine spielen ja auch eine Rolle. Wie Sie richtig gesagt haben, man müsste es wieder entschleunigen. Ich sehe, dass die jungen

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Tino Erben

Leute gestresst sind und ich kann mich nicht erinnern, wirklich Stress gehabt zu haben.

MD Das kann ich schon bestätigen. Ich verfolge meine Tätigkeit mit einer gewissen Lust und Leidenschaft – trotzdem führt ihre ständige Präsenz zu ziemlichem Stress, vor allem, wenn ich nicht mehr genau unterscheiden kann: Arbeite ich jetzt eigentlich oder bin ich gerade in der sogenannten „Freizeit“?

TE Ja, das habe ich auch so empfunden. Ich hab gesagt: Ich arbeite nie oder ich arbeite immer! Das war aber ein Genuss als Freischaffender. Natürlich hat man auch Durchhänger gehabt, wenn kein Auftrag da war, ich merk das auch heute bei den jungen Leuten. Manche haben viele Aufträge, manche gar keine; manche haben so hohe Ansprüche, dass sie nicht weiterkommen und ihre Ideen nicht realisieren können, keinen Schritt zurückgehen und stur sind. So war ich nie. Einen Schritt zurückgehen bedeutet ja, dass man einen besseren Anlauf hat und neu überdenkt. Wenn Kritik gekommen ist, habe ich sie ernst genommen und darüber nachgedacht, habe aber unter Umständen auch Änderungswünsche verweigert. Manchmal wurde dann gesagt: „Ah, Gott sei Dank hast du mich darauf aufmerksam gemacht, das ist so viel besser!“ Ideen können beim Spazierengehen oder beim Straßenbahnfahren kommen. Eigentlich eine herrliche Sache!

MD

Ab wann ist man in der Lage, auf einen Projektpartner wirklich so einen Einfluss zu haben und ab wann wird seinerseits verstanden, welche Überlegungen dahinter stehen?

(überlegt) Vieles wird nicht verstanden, was wir machen. Zum Beispiel beim U-Bahn-Leitsystem für Wien habe ich wirklich Schwierigkeiten gehabt mit den Auftraggebern. Die wussten damals nicht, dass so etwas wie ein Leitsystem überhaupt gebraucht wird. Da rannte man gegen verschlossene Türen. Da gab es kein Verständnis, man musste harte Überzeugungsarbeit leisten.

TE

133

MD

Was bedeutet das, dass sie nicht verstanden haben, dass es gebraucht wird?

TE Naja, es gab einen Architekturwettbewerb, in dem vorgeschrieben wurde, dass ein Grafiker sich parallel dazu mit einem Leitsystem beschäftigt. Das war ein mühsamer Prozess, denn das waren Leute, die im technischen Bereich sicherlich großes Knowhow hatten, aber keine Spur von einem ästhetischen Verständnis oder für Typografie. Die meinten: „Da hängen wir halt eine Tafel auf und schreiben, wir sind am Stephansplatz.“ Dass man da eine Wegführung braucht, eine Unterscheidung zwischen Standort- und Bewegungsinformation, das war ihnen egal. Wir haben mit Letraset geklebt, was ja an sich überhaupt keine lustvolle Arbeit ist. Aber man hat sich darauf konzentriert, dass man es richtig spationiert – das gibt ja auch Befriedigung. Einer meiner ersten Auftraggeber war der damalige AlbertinaDirektor Koschatzky (Walter Koschatzky, an der Albertina von 1962–1986, Anm. MD). Mit ihm habe ich mich herrlich verstanden. Der hat gewusst, dass ich das kann, hat verstanden, was ich will und hat das akzeptiert. Ich hab da ganz wilde Farbkombinationen eingeführt und dadurch zum Beispiel eine Zeichnung für eine GrafikenAusstellung total verfremdet, sodass es dann eben nicht mehr der Dürer war, sondern so ein Mittelding zwischen Dürer und Erben. Er hat es akzeptiert, weil wir natürlich auch aufgefallen sind mit diesen Plakaten. Das ginge heute so nicht mehr. Jeder geht jetzt zu einer Agentur, die ihm das ganze Paket liefert. Die verkaufen einem dann Slogans, Text und was weiß ich nicht alles.

MD

Um nochmals auf ein anderes Projekt zurückzukommen: die Geschäftsberichte der Unternehmensberatung Knight Wegenstein, die Sie in den 70er-Jahren zusammen mit Christian Reder entwickelt haben. Darüber habe ich gelesen, dass Sie bewusst polarisieren und Auftraggebern widersprechen wollten. Wie sind Sie bei der Arbeit vorgegangen?

TE Naja, das war weit entfernt von einem konventionellen Geschäftsbericht, in dem man mittels Diagramme die Firmenentwicklung zeigt. Das war schon von Christian Reder eher 134

philosophisch und widerspenstig angedacht, es sollte zum Nachdenken anregen. Der Auftraggeber, der Herr Wegenstein, hat uns da völlige Freiheit gelassen. Dem hat das gepasst. Er, der in Zürich saß, hat das „östliche Kreativität“ genannt. Christian und ich haben uns zusammengesetzt und das Thema besprochen und ich hab dann Skizzen gemacht. Die haben wir uns angesehen und haben es dann entweder zeichnerisch gelöst oder fotografisch. Das war für uns selber ein Experimentierfeld. Und manchmal haben wir eine Flasche Whisky getrunken und nachher nicht mehr gearbeitet. Wir waren ein sehr enges, gutes Duo, der Christian Reder und ich, mit echter Lust am Arbeiten!

MD

Ich bin gerade am Überlegen, das Motiv „Humor“ durch „Lust“ zu ersetzen, denn das würde gerade sehr gut passen …

TE

… ja, „Humor“ schränkt ein.

MD

Wie wird die Lust für Sie dann über die Arbeit erfahrbar?

TE Indem man sich freut, wenn einem etwas gelungen ist, indem man angefressen ist, wenn man sieht, dass es nichts geworden ist und man von vorne beginnen muss. Also eigentlich im ganzen Prozess, in der Freude und im Leiden sozusagen. Die Freude muss natürlich überwiegen und die Lust am Tun. Und die gegenseitige Inspiration – wir hatten wirklich eine Hetz dabei!

Tino Erben A conversation with Tino Erben, graphic designer, professor and head of the master class for graphic design at the University of Applied Arts Vienna from 1988 to 2001. On past experiences and present realizations

“I’ve never had anyone tell me, ‘Not like that!’”

Tino Erben

Marc Damm (MD) May I ask you to briefly introduce yourself?

Tino Erben (TE)

My name is Tino Erben. I’ve worked as a graphic designer for clients from all corners of the cultural and arts world. That all began when I had the good luck to find work at the Albertina as a very young graphic designer, fresh out of school. At the time, that institution was quite highly regarded, and it wasn’t yet doing the blockbuster exhibitions like we see under Schröder [Klaus Albrecht Schröder, director of Vienna’s Albertina since 2000—Ed.] I did catalogs and posters for them, and I also took my first steps into the domain of the older generations: Hans Fabigan, Hermann Kozel, and a few others of their vintage were in charge there, as well as Kurt Schwarz, my predecessor at the Angewandte [University of Applied Arts Vienna—Ed.]. And things developed from there. Once you have a presence, your next interesting opportunities to work always turn up more or less automatically. You get to know people who pass on your name. As far as clients go, my musical connections brought me into contact quite early on with people who’d done important things in architecture and art, such as Wilhelm Holzbauer— who was my tie to the Viennese subway system. [In 1970, Tino Erben designed the present guidance 137

system for the Viennese subways— Ed.]. Back in the 1950s, we were very interested in “Die Reihe”—that was a concert series initiated by the well-known composer Friedrich Cerha. It was there that we got our first tastes of contemporary classical music. We were wild about it; after all, what else was going on back then? Everything had been forbidden during the war and the Nazi period. And gradually, it began happening once in a while that architect soand-so and painter such-and-such would say to me: “Tino, there’s something for you over there, take a look and talk with the people.” So I had no difficulty getting jobs. Back then, you didn’t have to compete for projects like you do today. And I never worked for ad agencies—I didn’t want to advertise products. But I did, of course, do advertising for exhibitions and catalogs.

would take a design they’d done to the client, who would say: “I don’t want it that way, I want this and that changed,” and the customer rep would then take that back to the graphic designer; and on it would go, back and forth, until almost nothing was left of the designer’s original idea. I’ve never had anyone tell me, “Not like that!” I would, of course, discuss with a museum director just what the job was about, how it should be, and so on. Later on, that came to be referred to as a briefing, a re-briefing, etc. My style of communication was very personal and individual, quite enjoyable. MD You also worked as a caricaturist under the pseudonym of “TINO.” What kind of influence did that have on your further work?

TE

That was an attempt to do something different, for a change. I had a certain talent for drawing, and it interested me. It was also a vacation job, because I was in Stockholm every summer and did cartoons for Swedish newspapers—above all for Svenska Dagbladet, as well as for Dagens Nyheter. And they paid so well that working there for two months enabled me to study at university for an entire year with no financial difficulties. Then I got to know lots of people, lots of journalists.

MD How does advertising a product differ from advertising an exhibition?

TE

The difference is first of all that I’m doing something for a product that I value more than laundry detergent— that is, for the arts and culture. Furthermore, I have contact with the kinds of people I prefer. Lots of my colleagues have worked at agencies, where a customer representative

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Tino Erben

Back then, Gustav Peichl—who still does caricatures as “Ironimus”—told me that I should draw something for Die Presse. So from 1960 to 1963, I worked for Die Presse between one and two times a week. Since I wasn’t so much in agreement with their political slant, I only did foreign policy caricatures —and anyway, Peichl was unrivaled when it came to domestic issues. It was stressful work, though, which is why I gave it up after three years. I then got one job after another doing “commercial art,” as it was called back then. The term “graphic design” was coined only much later. We were creators of utilitarian artwork, although back then we tended to get upset at being “used”—or “abused,” as it were. Many of my colleagues really did get abused; they had to do everything their clients told them to. That wasn’t the case for me, so I was able to gradually make a name for myself, with people saying: “He has such-and-such a style.” At the time, people were doing a lot of drawing; typography, on the other hand, was rather neglected in Austria—ignored, really. They would make sure that the typography was legible, and that was that; there was no real culture to it.

at the posters, I wondered whether humor or irony still function like they did back in your day.

MD We decided to take “humor” as the theme for this conversation. You’ve been written about as an “ironic minimalist,” and when I surveyed your work and took a closer look

TE

TE

Well, I can’t make out much of that these days, but if you take Stefan Sagmeister, for example, he’s got it, too—and he makes fun of himself, which I think is very important. But you can also generate humor from images. During the period that I spent working for the Albertina, I created some posters that I’m still very fond of, like the one on the baroque draftsman Callot [Jacques Callot, 1592–1635—Ed.]. He drew scenes, and I took a very small detail from one and enlarged it on a onesheet poster. That’s an intervention— an ironic one, I’d say. I had to explain it to the museum director at the time, who said: “But that’s too small, Mr. Erben!” So I said to him: “We’re showing a detail as impulse. The visitors will have to decide for themselves whether they’ll accept it or not. Back then, that was a provocation! MD Does the immediacy of illustrations and drawings make irony there seem more immediate to you than in typography?

No, I can work quite ironically with typography, too—in which case it becomes a picture, and legibility may

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and index finger). It was pretty wonderful, insofar as he actually took that seriously. And he took me seriously, too, explaining things without making me look like a fool. And that was my first experience with typography. I had studied printed graphics, after all, with lithography and stuff like that. But I’d had to acquire all the necessary typographic knowledge myself. So that’s why I thought that, in my master class, it was so important that it be taught by specialists. And today, the students all have to be able to do it—typesetters, after all, are a thing of the past.

fall by the wayside. But I can also use just enlargement, reduction, and emphasis to create something that will still throw some sparks. In some cases, at least. The “SENS” poster is an example of that. MD In the book on you and your students entitled sooderauchanders [Tino Erben, 2001—Ed.], one also hears from Vilém Flusser in his text “Die Schrift [On Writing].” Flusser writes that the alphabet is receding further and further into the background, giving way to new visual codes. What’s your take on that? Do you have the impression that images are gaining a significantly greater presence than lettering?

MD Just recently, I took a seminar on basic manual typesetting for the first time. And I found it truly astounding to hold a quad in my hands, something that’s become completely abstract on the computer. There, you do your spacing with the keyboard, so learning to do it with movable type gives you a completely different impression, one of letters as bodies. The eye-hand coordination is totally different, of course, and you begin to truly understand proportions. And how it’s based on a tradition that goes back hundreds of years…

TE

No, I don’t see that. These days, graphic designers are very well trained in typography. I put great emphasis on this in my class, more or less introducing it. Back then, in the class, there wasn’t a teaching position specifically for typography. But I’d come to the realization that it was simply necessary, because back when I did my degree at the Academy, I learned absolutely nothing about it. The very first time I turned up at a printing business, the typesetter asked me, “What kind of font would you like?” And in all seriousness, I said: “A nice-looking one.” (laughs) He then asked me: “And how large?” I said: “About like this.” (measures between his thumb

TE

Yes, that was Gutenberg’s invention. It was a sensation! And until digitization set in, it didn’t change. Sure, you had filmsetting and all kinds of other things—which were advances in production methods for us graphic designers. If you handed in your text design to such a typesetting studio in 140

Tino Erben

the morning, a courier would bring you the finished lines of text by that afternoon. You then mounted that on your design. The huge advantage of doing it on the computer, of course, is that I can present the finished product—already looking like it does here. (points at a computer screen) Back then, we just wrote “red” or “this red that’s numbered 415,” attached a color card, and the printer knew what to do.

remember having felt particularly stressed myself. MD I can confirm that. I do my work with a certain enthusiasm and passion—but still, the fact that it's always there creates a lot of stress, especially when I can no longer really tell whether I’m working or it’s actually my so-called “free time.”

TE

Yes, I’ve also felt that way. I’ve said: either I don't work at all or I'm always working! But that was enjoyable as a freelancer. Sure, we also had our dry spells where there weren’t any jobs, and I see that today, too, with young people. Some have lots of work, some have none at all. Some have such high standards that they get nowhere and can’t realize their ideas; they’re stubborn and won’t back off even one step. But I was never that way. Taking a step back, after all, gives you a better running start and allows you to rethink things. So when I got criticized, I took it seriously and thought about it—even if I did occasionally end up refusing to make changes. And sometimes, I’d hear later on: “Oh, thank God you pointed that out to me, it’s so much better!” You can have ideas while taking a walk or riding the tram. Which is a great thing, really!

MD I once heard you say that, today, you’d no longer aim to become a graphic designer. Why?

TE

I keep on hearing that the market’s gotten smaller, that there are lots of people going after the same jobs and forever working on spec in order to compete, and people who never really know if what they’re doing will be accepted or if they’ll have to settle with a compensation fee for the work they did before being rejected. That’s an entirely different situation than when you’re friends with your client— when you’re able to ask: “What do you think? Are you satisfied?” … “Yes.” … “But I’m not yet; do we still have time?” Because deadlines are also important. So as you’ve correctly pointed out, we really do need to slow things back down. I see that young people are stressed, and I can’t

141

transferring Letraset lettering, which is pretty non-gratifying work in and of itself. But we concentrated on spacing it right, and that can give you a certain satisfaction. One of my first clients was thenAlbertina director Koschatzky [Walter Koschatzky, at the Albertina from 1962 to 1986—Ed.]. I got along great with him. He knew that I knew what I was doing, and he understood what I wanted and was fine with it. I introduced totally wild color combinations that I used to do things like totally transform a drawing for a graphic art exhibition so that it was no longer Dürer, but something between Dürer and Erben. He accepted that because, of course, these posters really did get noticed. But that would no longer work today. Nowadays, everyone just goes to an agency that sells them the entire package. They’ll sell you slogans, text, and who knows what else.

MD At what point are you able to really have such an influence on a partner in a project, and when do they understand where you’re coming from?

TE

(thinks for a moment) Much of what we do isn’t really understood. Like when I did the passenger guidance system for the Vienna subway, for instance. I had real difficulties with the clients. They didn’t realize back then that such a system would be needed at all. So you ran into brick walls. There was no understanding at all, and quite a bit of convincing had to be done. MD In what way didn’t they understand that they’d need something like that?

TE

Well, there was this architecture competition where they’d mentioned that a graphic designer would be working on a guidance system at the same time. That was an arduous process, because you were dealing with people who had tons of technical know-how, but zero feel for aesthetics or typography. They just said, “We’ll hang up a sign that says we’re at Stephansplatz.” They had no interest in the fact that it would also be necessary to provide route guidance, to differentiate between locations and ways to them. We ended up

MD Let’s revisit another project for a moment: the annual reports of the business consulting firm Knight Wegenstein, which you developed together with Christian Reder back in the 1970s. I’ve read that it was your intent to polarize readers and subvert your clients’ message. How did you go about doing that?

TE

Well, it really was all pretty far removed from a conventional annual report, where you use charts to 142

Tino Erben

show how a company’s been developing. Christian Reder meant it more as a philosophical statement and an act of rebellion—it was supposed to get people thinking. Our client, Mr. Wegenstein, gave us complete freedom. And he was happy. From his vantage point in Zurich, he called it “Eastern creativity.” Christian and I sat down and discussed the theme, and I continued by doing sketches. We looked at those, then, and realized them either as drawings or photographically. It was an experiment for us, too. And sometimes we drank a bottle of whisky and didn’t work afterwards. We were a very close, good two-man team, Christian Reder and I, and truly enthusiastic about our work!

to start from scratch. It’s through the overall process: in the joy and in the suffering, so to speak. The joy, of course, has to predominate, as well as your desire to actually do it. Not to mention mutual inspiration—we really did have a great time!

MD Just now, I’m thinking about replacing the motif “humor” with “enthusiasm,” because that would work very well just now…

TE

… yes, “humor” is limiting. MD How do you experience this kind of enthusiasm in your work?

TE

By being happy when something you’ve done has turned out well, and by getting angry when you see that it’s all come to naught and you have 143

Leitsystem der Wiener U-Bahn Guidance system for the Viennese subways, 1970

Tino Erben

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Jacques Callot Plakat /Poster, 1968/69

NonSENS Plakat/Poster

Tino Erben

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Section N Weihnachtsbazar/Section N Christmas Bazaar Plakat/Poster, 1980

Section N Geschenkideen/Section N gift ideas Plakat/Poster, 1983

Tino Erben

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Willy Wegenstein – Ein Management-Taschenbuch [Willy Wegenstein – A Management Paperback] Grafisches Konzept & Gestaltung/Graphic concept & design, 1979

Tino Erben

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Knight Wegenstein Rapport Annuel 1976 Gestaltung eines Geschäftsberichtes/Design for an annual report

buero bauer Erwin K. Bauer, buero bauer, Wien Alwin Köhler, Max F. Perutz Laboratories, Wien, Koordinator des PhD-Programms in den Grundlagenwissenschaften Projekt: Gestaltung von Öffentlichkeitsmedien für ein PhD-Programm der Max F. Perutz Laboratories, Wien

„Es gibt viele Faktoren, die in unserer effizienzorientierten Gesellschaft auf so einen Prozess negativ einwirken. Man kann das aber auch bewusst anders gestalten, Ruhe einbringen, sich Zeit nehmen und Raum für das Experiment schaffen.“

Marc Damm (MD)

Zu Beginn würde ich um eine kurze Vorstellungsrunde bitten.

Ich bin Alt-Österreicher, geboren in Transsilvanien. Zunächst habe ich Medizin und Musik studiert, danach Wechsel in die Grundlagenforschung, nach zwei Jahren Arbeit als Kinderarzt; über die Umwege Boston und Hongkong kam ich dann nach Heidelberg. Nun bin ich an den Max F. Perutz Laboratories Koordinator des PhD-Programms in den Grundlagenwissenschaften.

Alwin Köhler (AK)

Ich habe zuerst eine landwirtschaftliche Ausbildung absolviert. Danach gab es einen Zwischenstopp als Schaf- und Ziegenzüchter in Niederösterreich mit gleichzeitigem Beginn des Studiums der Schrift- und Buchgestaltung an der „Angewandten“ (Universität für angewandte Kunst Wien, Anm. MD). Nach dem Studium habe ich in Amsterdam bei Total Identity gearbeitet, bis ich dann nach Wien zurückkehrte, um zu unterrichten und ein Büro aufzubauen. Erwin Bauer (EB)

MD

Wie verlief die erste Kontaktaufnahme und welche Erwartungshaltung gab es jeweils?

EB Der erste Kontakt ging über E-Mail. Es ging darum, abzuklopfen: Wo steht der andere, wo kann man abgeholt werden? Es hat schon ab dem ersten Gespräch gut funktioniert, man spürte, dass ein Verständnis vorhanden war – eine gute Basis.

AK Ich habe zuerst eine Recherche über verschiedene Gestalter gemacht. Erwin Bauer konnte ich aufgrund des vielfältigen Zugangs nicht einschätzen – das hat mich interessiert. Und er hat einige tolle Projekte gemacht!

EB Bei den Erwartungen des Designers an den Auftraggeber ist es interessant zu beobachten, dass man in die Aufgabe gleich am Anfang potenzielle Möglichkeiten hineinprojiziert – durchaus auch

154

buero bauer

visionär –, sofern es ein spannendes Thema ist. Gestalter denken da meistens in größeren Schritten als Auftraggeber, was zu einer unterschiedlichen Einschätzung der Aufgabe und des Umfangs führt. Wenn jemand zu mir kommt und „etwas Experimentelles, Visionäres“ möchte, dann liegt in der Wahl der Begriffe schon das Problem. Denn ich verstehe darunter etwas völlig anderes, was zum Konflikt führen kann. „Visionär“ kann bedeuten: „neongrün statt weiß“, aber auch: „Kein Stein bleibt auf dem anderen.“ Das Problem der unterschiedlichen Wahrnehmung hatten wir aber nie, da sich Alwin aufgrund seiner künstlerischen Interessen auch sehr für Gestaltung interessiert und er nie gesagt hat: „Ich hab da was gesehen, genau so etwas will ich auch.“

MD

Also ist es wichtig, mit dem gegenseitigen Verständnis eine gemeinsame Basis zu finden?

EB Es gibt mehrere Begriffe. Der eine ist natürlich Verständnis. Ich glaube aber, noch viel wichtiger sind Respekt und gegenseitige Wertschätzung. Es sollte nie dazu kommen, dass Gestalter die Auftraggeber in eine Zwangslage bringen, indem sie sie durch Entscheidungen, die nur der Designer treffen kann, in Zugzwang bringen. Umgekehrt darf es auch von Auftraggeberseite nicht heißen: „Ich will das aber so.“ Ab diesem Punkt greifen die Räder nicht mehr ineinander und es gibt kein gemeinsames Arbeiten. Darum geht es aber, um ein Miteinander.

AK Ich würde dem zustimmen. Dieser Respekt beinhaltet auch, dass man dem anderen diese Freiheiten lässt und auch mit dem Unvorhergesehenen leben kann. Es ist wichtig, vom Produktdenken wegzugehen, um einen künstlerisch-kreativen Prozess in Gang zu setzen.

EB Das können aber – auf beiden Seiten – nur wenige, weil oft schon Vorstellungen davon bestehen, wie das Endergebnis aussehen soll. Dass man sich „auf etwas einlässt“ wird aus vielen Gründen

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immer seltener – wegen des Erfolgsdrucks am Markt, Konkurrenz innerhalb wie auch außerhalb der Institutionen, Zeitdruck. Es gibt viele Faktoren, die in unserer effizienzorientierten Gesellschaft auf so einen Prozess negativ einwirken. Man kann das aber auch bewusst anders gestalten, Ruhe einbringen, sich Zeit nehmen und Raum für das Experiment schaffen.

MD

Für dieses Gespräch habe ich den Begriff „Ablehnung“ als Leitthema gewählt. (zu AK) Was verstehst du darunter?

AK Ablehnung ist zunächst einmal ein „Nein“ zu einer Idee und zum Beginn eines Prozesses. Wir beide hatten eine sehr gute Zusammenarbeit und ich habe versucht, das ganze Institut – im Sinne eines umfassend neu gestalteten Auftritts – zu involvieren. Dabei sind wir aber auf politische Widerstände gestoßen, auf eingefahrene Denkweisen, besagtes Produktdenken, fehlende Offenheit und so weiter. Der Prozess wurde zunächst blockiert.

EB … wegen der Faktoren Zeit, Macht und persönliche Interessen, die in Summe dann Ablehnung generieren können. Ablehnung kann aber auch der Schritt zum nächsten Level sein, sie kann produktiv sein, aber nur, wenn beide Parteien bereit sind, den Dialog aufrechtzuerhalten. Es ist wichtig, zu erkennen: Wo steht jemand, wo holt man jemanden ab? Das Unwissen von Gestaltern in Bezug auf den Gesamtprozess zum Beispiel, entkoppelte Visionen, haben ein hohes Ablehnungspotenzial. Das vergisst man als Gestalter oft, weil man zu sehr mit dem eigenen Output beschäftigt ist. Es geht immer um Kommunikation!

AK Ich glaube, Ablehnung kann sachliche wie auch persönliche Gründe haben. Wenn ich bedenke, wie die Interaktion zwischen einem administrativen Direktor und Erwin verlaufen ist, dann würde ich sagen, dass hier zwei diametral entgegengesetzte Persönlichkeiten aufeinander gestoßen sind, unterschiedliche Denk- oder auch Lebensmodelle – einerseits Kontrolle, andererseits Mut zum Aufbruch und

156

buero bauer

Flexibilität. Aber es ging auch um Sachliches, denn es waren eine andere Firma und Geld involviert. Auch das Nicht-Revidieren von Entscheidungen hat eine Rolle gespielt, wenn man sagt: „Es ist entschieden, also muss ich jetzt dabei bleiben“ – der typische Concorde-Fehler. Denn die Concorde war auch zu einem Zeitpunkt gebaut worden, an dem klar war, dass das nur ein Verlustgeschäft werden konnte. Trotzdem konnte man nicht mehr zurück, weil man bereits so viel investiert hatte.

MD

Ihr arbeitet seit zwei Jahren zusammen und aus dem ursprünglichen Auftrag sind Folgeaufträge hervorgegangen. Was hat sich zwischenmenschlich verändert?

EB

Es läuft jetzt noch optimaler und braucht weniger Worte. Wenn man den Gestaltungsprozess nicht als formalen, sondern als grundlegenderen Prozess begreift, der in Personal-, finanzielle und unternehmenspolitische Fragen eingreift, dann wird das für viele zu heiß, weil es grundlegende Veränderungen mit sich bringen kann. Denn der Gestalter wurde ja ursprünglich nur bestellt, um die Oberfläche zu gestalten. Das ist wahrscheinlich einer der Hauptgründe für Ablehnung, wenn gesagt wird: „Wir wollten doch nur einen Designer, der liefert, keinen Unternehmensberater!“

MD

Wann überzeugt eigentlich ein Entwurf?

AK Ich weiß nicht, ob sich das so rationalisieren lässt. Mich haben diese Poster-Entwürfe überzeugt, weil sie doppelbödig waren, weil sie nicht auf den ersten Blick gefällig waren, Sehgewohnheiten hinterfragt und Irritationen hervorgerufen haben. Ich war nicht von Anfang an begeistert und habe mich später gefragt, warum. Es war deshalb, weil ich die inszenierten Irritationen, die Zersplitterung der Schriftzüge, erst verstehen musste, um zu erkennen, dass sich dahinter neue Details verbargen. Mich hat das überraschende Moment überzeugt.

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EB Das beschreibt sehr schön die „produktive Störung“ als Gestaltungsprinzip. Ein Popsong, der einem vom ersten Ton an gefällt, den man immer und immer wieder im Radio hört, den hat man im Ohr aber bald ist er flach und leer. Anders ein Song, den man fünfmal hört und bei dem man sich sagt: „Irgendwas hat das Ding!“ Und man entdeckt immer wieder neue Ebenen und findet ihn nach einem Jahr immer noch großartig, weil man seine Qualität entdeckt hat. Das ist etwas, das auch gute Kommunikation ausmacht: Es braucht die produktive Störung, die den Betrachter – und in unserem Fall auch den Auftraggeber – involviert, weil sie wie eine visuelle Nuss wirkt, die man zuerst knacken muss. Dazu braucht es allerdings auch die Bereitschaft.

AK Was mir bei euren Arbeiten aufgefallen ist: Sie sind perfekt durchkomponiert, es ist ein Konzept dahinter. Das sind die zwei Ebenen, die für mich durchwegs sichtbar sind. Da kann ich sogar Dinge schätzen, die mir eigentlich nicht gefallen, einfach aufgrund ihrer Komposition und der handwerklichen Qualität. 158

buero bauer

EB (zeigt zwei Plakatentwürfe für die Max F. Perutz Laboratories für die Bereiche Post-Doc und PhD) Ich glaube, dass das Ergebnis auch

überzeugt, gerade weil es ein gemeinsamer Prozess war und weil es das Ergebnis eines Dialogs ist. Bei einem anderen Projekt bekamen wir, anstatt dass man über Verbesserungen diskutiert hätte, ein von uns erstelltes PDF kommentiert zurück mit Gestaltungsvorschlägen wie: „Die Schrift wollen wir kleiner.“ So generiert man Ablehnung bei uns! Man geht ja fälschlicherweise davon aus, dass Ablehnung eigentlich nur beim Auftraggeber auftritt, wenn eben der Designer nicht das Richtige liefert oder es nicht richtig vermittelt. Ein wichtiger Teil unseres Jobs, oft einer der wichtigsten, ist ja auch, dem Auftraggeber ein Projekt so näher zu bringen, dass er es versteht und mit einsteigen kann. AK Das ist ein wichtiger Punkt: Viele Auftraggeber verstehen nicht, dass Kreativität auch verletzlich ist. Wenn Ablehnung so funktioniert, dass jemand sagt: „Nein, dieses Produkt im Supermarkt will ich nicht!“, dann ist das eine Grenzüberschreitung, die auch den Designer verletzt und Abwehr hervorruft.

EB Dann wird es auch wieder persönlich. Es geht um den Ton, um die Art und Weise, wie man etwas sagt. Ein Auftraggeber, der sich nicht am Prozess beteiligt – das kann nicht funktionieren, weil er das dann selbst gar nicht nach außen tragen kann. Es fehlt die Identifikation mit dem Ganzen, das dann am Ende seinen Zweck nicht erfüllt. Sinn und Zweck ist ja auch eine Veränderung der Identität, des Blicks auf das eigene Unternehmen. Das alles ist viel wichtiger als die reine Form, denn die ist nur Transportmittel.

MD

Auch im Gespräch mit anderen ergibt sich, dass, sobald eine Basis da ist, etwas beim Gegenüber ankommt, die eigentliche Gestaltung in den Hintergrund tritt.

EB Ja, die formale Gestaltung, aber nicht die Gestaltung eines Gesamtprozesses eines Unternehmens, nicht die eines Mediums oder eines Produkts! Denn das alles gehört dazu. Wir haben Fragen 159

gestellt wie: Wie funktioniert das Unternehmen bis jetzt? Wie ist es aufgestellt? Welchen Ruf hat es? So kann man aus den gesammelten Fakten auch die Kommunikation bewerten und daraus ableiten, was man verbessern will. In dem nicht-integralen Blick, im verkürzten Blick, darin liegt die Gefahr. AK Eine wichtige Frage ist auch der Zeitfaktor, also: ob sich der Auftraggeber auch traut, eine Entschleunigung vorzunehmen. Das habe ich letztens auf dem Markt erfahren, als ich ein MangalicaSchwein kaufen wollte und der Verkäufer sämtliche Details zum Futter und so weiter, erklärt hat, während hinter mir eine Schlange von Leuten gewartet hat. Das war Entschleunigung und letztlich wurde hier zugelassen, dass man über Qualität redet. Das ist eine Grundvoraussetzung, denn wenn ich einen Designer einlade und erzähle ihm nur was von Termindruck, sind das meiner Meinung nach schlechte Voraussetzungen für ein gutes Ergebnis.

EB Meistens werden aber nicht Kreativität, Entschleunigung und Intelligenz, sondern eine unkomplizierte und vor allem rasche Designlösung erwartet, die vom Auftraggeber wenig Zeitaufwand verlangt. Wenn man in einem sehr knappen Zeitraum dann auch noch kreativ sein soll, ist das eine falsche Erwartungshaltung. Das kann zwar auch Spaß machen, wenn es aber zur Gewohnheit wird und sich einschleift, dann sind wir wieder beim Punkt der Ablehnung.

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buero bauer Erwin K. Bauer, buero bauer, Vienna Alwin Köhler, Max F. Perutz Laboratories, Vienna, coordinator of the PhD program in the basic sciences Project: Design for PR material for a PhD program by the Max F. Perutz Laboratories, Vienna

“There are lots of factors in our efficiency-oriented society that impact negatively on such a process. But you can also make a conscious decision to have this be different, to be calm, take time, and leave space for experimentation.”

buero bauer

stood, where we could pick each other up. And as it turned out, things clicked right from the first conversation; there was a sense that a mutual understanding was present —a good basis.

Marc Damm (MD) How about you introduce yourselves to start off.

Alwin Köhler (AK)

I was born in Transylvania to a family of Austrian heritage. I first studied medicine and music, but eventually switched to basic research after having worked for two years as a pediatrician; my career took me first to Boston and Hong Kong, then to Heidelberg. And now I work as coordinator of the PhD program in the basic sciences at the Max F. Perutz Laboratories.

AK

I’d begun by doing research on various designers. I wasn’t really able to size up Erwin Bauer that well because of the diversity of his approaches —which I found interesting. And he had done several fantastic projects! EB

In terms of a designer’s expectations of a client, it’s interesting that, when the topic is a fascinating one, you project various possibilities onto the job—including visionary ones— right from the very beginning. But designers usually think in bigger steps than their clients, which leads to differing assumptions about the task at hand and its magnitude. So when someone comes to me and wants “something experimental, visionary,” then our first problem is their choice of words. Because I might take it to mean something completely different, which can lead to conflicts. “Visionary” can mean “neon-green instead of white,” or it can mean “turning the world upside down.” But we never had such difficulties with differing perceptions, since Alwin’s interested in art and takes an intense interest in design.

Erwin Bauer (EB)

My initial training was in agriculture. Then I had a stint as a sheep and goat breeder in Lower Austria while at the same time beginning my studies in typography and book design at the “Angewandte” [University of Applied Arts Vienna. – Ed.]. After finishing my studies, I went to work for Total Identity in Amsterdam and then returned to Vienna to teach and to open my own studio. MD How did you first come into contact with each other, and what were the expectations on each side?

EB

Our initial contact was by E-mail, and at first, it was about getting a feel for where our respective counterparts 163

So he never said: “I saw this thing out there, and I want something exactly like it.”

are often preconceived notions of how the end result should look. It’s getting rarer and rarer for people to “take a chance”—due to pressure to succeed on the market, due to competition within and outside institutions, and due to time constraints. There are lots of factors in our efficiency-oriented society that impact negatively on such a process. But you can also make a conscious decision to have this be different, to be calm, take time, and leave space for experimentation.

MD So it’s important to arrive at a common basis rooted in mutual understanding?

EB

There are several components here. The first is understanding, of course. But I think respect and mutual esteem are even more important, far more. It should never get to the point where a designer puts his client in the position of being forced into all kinds of things made necessary by decisions that only the designer can make. And on the other hand, the client can’t just say: “But I want it this way.” Because that’s the point where the sprockets’ teeth no longer interlock, where collaboration as such ceases. And working together is what it’s all about.

MD A question for Alwin Köhler: What does “rejection” mean to you?

AK

Rejection is first of all a “no” to an idea and to the beginning of a process. We both had a great experience working together, and I tried to involve the entire institute so that it would be a truly complete makeover. But we ran into political opposition, deep-seated ways of thinking, the aforementioned product orientation, a lack of openness, and so on. So the process was blocked at first.

AK

I’d agree with that. But it’s a kind of respect that also means allowing your counterpart their freedom and being willing to live with the unpredictable. It’s important to get away from product-oriented thinking so that an artistic and creative process can begin.

EB

… due to time constraints, power struggles, and personal agendas, the sum of which can generate rejection. Rejection can also take you to the next level, though; it can be productive, but only if both sides are willing to

EB

But this is an ability that few people have, on either side, because there 164

buero bauer

continue their dialog. It’s important to recognize where someone stands and where you can pick them up. If, say, a designer is ignorant of the overall process and his visions are decoupled from it, then those visions are likely candidates for rejection. Designers are often so busy with their own output that they forget this. It’s always about communication!

MD You’ve been working together for two years, now, with the original job having led to follow-up projects. How has your relationship with each other developed?

EB

Things have come to run far more smoothly and require less communication. If you understand design to be not a formal process but one that’s more fundamental, that influences personnel-related, financial, and overall company policy issues, then it becomes too hot a topic for many people because it could also bring about fundamental change —with the designer having originally just been asked to design the outer surface. And that’s probably one of the most common reasons for rejection—when people say: “We just wanted a designer who delivers, not a business consultant!”

AK

I think rejection can occur for substantive reasons, but also for personal reasons. For instance: remembering how one exchange went between Erwin and an administrative director, I’d say it was a collision of two diametrically opposed personalities, two different models of thought and of life—one that emphasized control, and one that emphasized the courage to strike out in new directions and to be flexible. The concrete issue at hand was substantive, with another organization and money involved. But there was also a fundamental unwillingness to revisit previously made decisions, as in: “It’s been decided, and that’s that.”—your typical Concorde mistake. The Concorde, you see, went into production at a point in time where it was already clear that it would likely be a moneylosing proposition. Prior investment in the project had been so great that there was no turning back.

MD When is a design convincing?

AK

I don’t know if that can be rationally pinpointed. These poster designs won me over because they were so ambivalent, because they weren’t pleasing at first glance; they called our normal way of looking at things into question and were somehow irritating. So I wasn’t enthusiastic from the first moment on, and I asked

165

myself why. The answer was that I first had to comprehend the irritating phenomena built into them, the fragmentation of the lettering, and I realized that doing so served to uncover new details. It was that surprising quality that convinced me.

EB

(showing two poster designs for the Max F. Perutz Laboratories’ post-doc and PhD programs) I think another reason the results here are convincing is precisely because it was a mutual process and because they’re the result of dialog. In another project, by way of contrast, we got back a commented version of the PDF document we’d put together —and instead of providing a basis for the discussion of improvements, it contained arbitrary statements like: “We want the lettering smaller.” Now that’s a way to earn our rejection! One wrongly assumes that rejection is only a client-side thing, and only because the designer delivered something unsuitable or communicated it wrong. Though an important part of our job—often the most important part—is to communicate a project to the client such that he understands it and can become productively involved.

EB

That’s a great description of “productive disturbance” as a design principle. A pop number that you like from the very first note, that you hear on the radio again and again … it lingers in your ears but soon sounds flat and empty. It’s different with a song where you hear it five times and say: “There’s something to this!” Again and again, you discover new levels—and a year later you still think it’s great, because you’ve discovered its quality. That’s also true of good communication: you need productive disturbance that involves the audience—which, in our case, includes the client—because it acts like a visual nut that first has to be cracked. Which, in turn, requires a certain openness from the audience.

AK

That’s an important point: many clients don’t understand that creativity is a fragile thing. And when rejection manifests itself as someone saying, “No, I don’t want this supermarket product!” then it’s a transgression that injures the designer, too, which elicts a defensive reaction.

AK

One thing I’ve noticed about your output: it’s perfectly composed from start to finish, and there’s a concept behind it. I see these two aspects everywhere. And that fact even enables me to value things that I don’t actually like, by virtue of the way they’re composed and the quality in which they’re done.

EB

That’s another point where things get personal. It’s about the tone 166

buero bauer

of voice, the way something’s said. Things don’t work when the client’s not involved in the process and thus unable to communicate it to the outside. He can’t identify with the effort, which therefore can’t serve its purpose. The point, after all, is also a change of identity, a change in one’s view of one’s own company. Which is much more important than form as such, which is really just the vehicle.

this at the market, recently, when I wanted to buy a Mangalica pig. The seller explained to me all the details about feed, etc., with a line of people waiting behind me the whole time. That was deceleration, and it let us have a conversation about issues of quality. To me that’s fundamental, because inviting a designer in and talking to him just about time constraints seems like an inauspicious point from which to aim for a good outcome.

MD In my other conversations, too, it’s been said that as soon as there’s a basis where you connect with your counterpart, the actual design becomes secondary.

EB

Usually, though, what’s expected is not creativity, deceleration, and intelligence, but just a simple and above all quick design solution that requires the client to invest only little time. And if you’re also expected to be creative within such a brief period, it’s the wrong expectation. Although working that way can sometimes be fun, if it becomes the norm and turns into a routine, then we’re back to the point about rejection.

EB

Right—the formal design, but not the design of the overall process of a company, not that of a medium or a product! Because all that’s part of it. We asked questions like: How has your organization functioned up to now? What kind of a situation is it in? What kind of reputation does it have? Doing this lets you gather facts that allow you to evaluate the organization’s communication and figure out what could use some improvement. It’s in taking a non-integrated or unduly abbreviated view that the danger lies. AK

Another important variable is time, as in: Is the client willing to allow some deceleration? I experienced 167

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martha stutteregger typografie Martha Stutteregger, martha stutteregger typografie, Wien im Gespräch mit Jasper Sharp, freier Kurator und Kunsthistoriker, Wien Projekt: Buchgestaltung für die Publikation Österreich und die Biennale Venedig 1895–2013 (Hrsg.: Jasper Sharp; Verlag für moderne Kunst, Nürnberg 2013)

„Ich glaube, Inhalt und Umfang vermitteln sich durch ein Buch sehr viel schneller. Man sieht, wo es anfängt und wo es zu Ende ist […].“

Marc Damm (MD)

Ich möchte mit euch über die Beziehung und die Kommunikation zwischen Auftraggeber und GestalterIn sprechen, zwei Positionen, die ihr in diesem Projekt, der Publikation Österreich und die Biennale Venedig 1895–2013, jeweils vertreten habt. Aus diesem Anlass habe ich, zusammen mit Martha, in einer Vorbesprechung ein Motiv überlegt und sie hat sich für den Begriff „Form“ entschieden. Bevor wir darauf zu sprechen kommen, würde ich euch beide bitten, euch und eure Tätigkeit kurz vorzustellen.

Martha Stutteregger (MS) Ich bin Grafikdesignerin und habe meinen Schwerpunkt im Bereich der Buchgestaltung. Meine Kunden kommen großteils aus den Bereichen Kulturproduktion, Architektur und Bildung. Neben Büchern sind aber auch zahlreiche Erscheinungsbilder entstanden, wie zu Beispiel jenes des mumok (Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien, Anm. MD), des MACBA (Museu d’Art Contemporani de Barcelona, Anm. MD) oder der documenta 12.

Ich bin freiberuflicher Kurator und Kunsthistoriker aus London. Ich war sechs Jahre in Venedig in der Peggy Guggenheim Collection, dann kurz in New York, um mein Doktorat zu beginnen und seit 2006 bin ich in Österreich. Hier war ich Kurator für tba21 (Thyssen-Bornemisza Art Contemporary, Anm. MD) bis ich mich selbstständig gemacht habe. Zurzeit arbeite ich an Projekten für das Kunsthistorische Museum in Wien. Jasper Sharp (JS)

MD

Was sind deine Forschungsschwerpunkte?

JS Eigentlich moderne Kunst, zeitgenössische Kunst. 1920 bis 1960 ist mein Schwerpunkt, in letzter Zeit arbeite ich aber auch mehr mit lebenden Künstlern, was natürlich eine ganz andere Arbeit ist. Eine Mischung aus beidem verschafft mir den Kontext für die Projekte, an denen ich heute arbeite.

MD

Wie kam es zu dem Buchprojekt Österreich und die Biennale Venedig 1895–2013?

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martha stutteregger typografie

JS Als Kommissar für den österreichischen Pavillon bei der Biennale 2013 habe ich beschlossen, eine Publikation über die Geschichte aller österreichischen Teilnehmer und Beiträge von 1895 bis heute zusammenzustellen. Ich wollte herausfinden, wie man dieses Gebäude bespielt hat und was die Leute darin gemacht haben und es ist erstaunlich, dass es dazu bisher noch kein Archiv gab. Nicht einmal das Ministerium hatte Dokumentationen oder Fotos!

MD

Welche Umstände haben euch zusammengeführt? Wie habt ihr euch kennengelernt?

JS Ich kannte die Arbeiten von Martha schon viele Jahre und es waren gerade ihre früheren Projekte, die bei mir den Eindruck hinterlassen haben, dass sie für dieses Projekt die Richtige sein könnte. Ich habe gesehen, dass die Organisation von irrsinnig viel Material eine ihrer Stärken ist, ebenso eine Klarheit, die dafür sorgt, dass es auch ästhetisch aussieht, diese Kombination von Verständnis, Organisation und Aufmachung. Wir haben uns dann mit dem Projekt persönlich kennengelernt.

MS Ich habe das Projekt für unser Gespräch vorgeschlagen, weil ich hier schon in einer Phase einbezogen war, in der der Inhalt noch nicht komplett durchstrukturiert war und in der Gestaltung noch viel definiert werden konnte, wo also Recherche und Gestaltung ineinandergreifen konnten.

JS … was für einen Grafikdesigner schwierig sein muss, wenn alles so offen ist. Auf der anderen Seite konnte Martha eigene Vorschläge einbringen und das war ein großer Vorteil für die Publikation. Aber es ist schwierig, wenn man dann vor diesem endlosen Material steht, in zwanzigtausend verschiedene Richtungen gehen könnte und eine Variante bestimmen muss. Aber bei uns war alles sehr gut organisiert – man arbeitet schließlich mit den Besten und Professionellsten! Die letzte Strecke des Projekts war schwierig, nicht nur wegen des Budgets, sondern auch von der Zeiteinteilung 179

her: Wir hatten ja gleichzeitig auch die Ausstellungseröffnung vor uns. Eine solche Publikation sollte eigentlich keinen Termin haben, aber wir wollten sie kurz vor der Biennale hier in Wien präsentieren, also nicht in Venedig selbst, denn dort war der Fokus auf die Ausstellung gerichtet. Normalerweise macht man nur die Ausstellung mit ihrer eigenen Publikation. Und fünfzig Prozent der Arbeit für die Biennale hatten wir mit diesem Buch! Man hätte bezüglich des Umfangs auch mehr machen können, aber es gab zeitliche und menschliche Grenzen.

MD

Angesichts dessen, wie umfangreich das Buch geworden ist, wundert es mich, dass es eigentlich noch mehr hätte umfassen können.

JS Wir haben sicher weniger als die Hälfte dessen gefunden, was an Unterlagen existiert. Korrespondenzen und Fotos dazu sind überall auf der Welt zu finden.

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martha stutteregger typografie

MS Da das Biennale-Archiv als Projekt online weitergeführt und aktualisiert werden sollte, war es mir wichtig, in der gedruckten Publikation den Objektcharakter des Buches hervorzuheben: Das Ergebnis ist ein Hardcover, das eine Prägung hat, in dem ein architektonisches Merkmal des Pavillons aufgriffen wird; die Rillen in der Fassade tauchen als Prägung am Cover auf. Die unterschiedlich großen Seitenformate im Kern gliedern das Buch auch physisch, nicht nur grafisch.

JS Ja, die Verbindung von Buch und physischer Struktur des Pavillons ist sehr stark. Es war ein Vorschlag von Martha, die Fassade abstrakt auf dem Cover zu verwenden, entsprechend die Farbentscheidung für diesen Elfenbein-Ton.

MS Auf dieses Motiv haben wir uns sehr schnell geeinigt. Zum Schluss gab es nur noch die Entscheidung zwischen Materialien, die sich nur mehr durch Nuancen unterschieden haben.

MD

Wie sehr fallen bei der Gestaltung formale und inhaltliche Entscheidungen ineinander? Man hätte ja auch sagen können, man wählt für das Cover ein Foto oder eine andere Form der Abbildung?

JS

Ein Foto war eigentlich keine Option, denn es gibt ohnehin an die fünfhundert Fotos im Buch! Es ist faszinierend, wie sich die drei immer gleichen Säle des Pavillons auf den Fotos im Buch verändern; wie ein Chamäleon, das die Farbe oder die Aufmachung verändert. Das waren schwierige Editorial-Entscheidungen, welche Bilder hineinkommen sollen. Wir haben nur knapp zehn Prozent vom Gefundenen auch gedruckt! Man kriegt ja tausende Fotos, alle sind in unterschiedlicher Qualität und es war eine sehr große Arbeit für die Grafik, die Farben zu korrigieren und so weiter. Ein Großteil des Buches ist ja schwarz-weiß und dann kommt am Ende ein dünnerer Abschnitt in Farbe. Die Bildentscheidungen, die wir gemeinsam getroffen haben, erzeugen einen Rhythmus, der fast musikalisch ist, wenn man so durch die Jahre geht. Es ging auch um Lesbarkeit. Ich wollte etwas, dass in verschiedenen Händen 181

funktioniert. Nicht nur ein dickes Referenzbuch, auch kein Coffee Table Book, also etwas, das man gleich wieder weglegt, sondern genau das Gegenteil davon. Und ich bin sehr zufrieden mit dem, was wir geschaffen haben! MS Es hat letztlich großen Spaß gemacht, mit sehr heterogenem Material zu arbeiten. Es ergibt sich ein Zeitschnitt, wenn sich die Medien im Laufe der Jahre verändern. Am Anfang gibt es noch viele Telegramme und Briefe ...

JS ... und später wird es problematisch, weil die Pavillons dann auch Film- oder Videoarbeiten zeigen. Das kann man im Buch nicht wie Bildhauerei- und Malereiausstellungen präsentieren. Aber das ist kein spezifisches Problem dieser Publikation.

MD

Ich möchte kurz auf das Motiv „Form“ zurückkommen: Dem Buch ist ein langer Prozess des Auswählens und Ordnens vorausgegangen. Was war die Ausgangsform? Es war, soweit ich weiß, auch ein Web-Archiv für die nicht verwendeten Materialien angedacht.

JS Das war meine Idee, nachdem ich die restlichen neunzig Prozent auch irgendwo präsentieren wollte und das Archiv auch mit neuem Material aus den kommenden Jahren weiter ausbauen. Das hat uns ein bisschen den Druck genommen, ins Buch alles hineinbringen zu müssen.

MS Die Aufgabe, ein komplettes Archiv abzubilden, kann und soll ein Buch auch nicht erfüllen.

JS Das ist dann unlesbar! Das wäre dann ein Katalog und das wollten wir nicht. Österreich hat als zehntes Land so ein Buch herausgebracht und wir haben uns die anderen Publikationen sehr gut angeschaut, um zu sehen, was wir eben nicht wollen. Zum Beispiel ist die britische Ausgabe zwar sehr schön gestaltet, aber es ist inhaltlich sehr oberflächlich gehalten – gut, sie haben das vor 182

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zwanzig Jahren gemacht; oder die deutsche Version, die meiner Meinung nach schwierig zu lesen ist; und die Schweiz, die gerade erst im Sommer auch eine sehr schön gemachte Publikation herausgebracht hat, die allerdings zwei Bände hat. Wir haben das richtig gemacht, zuerst mit dem Material anzufangen und uns nicht von vornherein auf eine Form festzulegen. Gott sei Dank haben wir auch einen Verlag gefunden, der das als ein wichtiges Projekt angesehen hat und nicht nur als eins, an dem sich gut verdienen lässt. Es ist, glaube ich, zwar ausverkauft, aber ich kann nicht glauben, dass die sehr viel Geld damit gemacht haben. Allein die Produktionskosten! Niemand mit einem Businessplan würde so was machen! Aber es ist eben eine ganz andere Art von Publikation, eine, die notwendig ist. Das ist kein Luxusprojekt.

MD (zu MS)

Als Buchgestalterin hast du sicher einen ganz eigenen Bezug zu diesem Medium. Wie gehst du hierbei als Gestalterin vor?

MS Ich glaube, ich arbeite sehr technisch und aus dem Material heraus, versuche, es zu strukturieren und gehe dabei von der kleinsten Einheit, den scheinbar unwichtigsten Details aus: Fußnote, Kolumnentitel, Pagina; ich beginne sicher nicht beim Cover! Das Cover hat sich am Schluss fast wie von selbst ergeben, denn uns war immer klar, dass der Pavillon in der Gestaltung spürbar sein soll.

MD

Wir haben zuvor kurz das angedachte Web-Archiv angesprochen. Was kann das Medium Buch, das der Bildschirm nicht kann?

MS Ich glaube, Inhalt und Umfang vermitteln sich durch ein Buch sehr viel schneller. Man sieht, wo es anfängt und wo es zu Ende ist, dazwischen gibt es eine chronologische Ordnung, man orientiert sich sehr schnell.

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JS Es ist auch die Haptik! Jeden Samstag zahle ich fast vier Euro für eine englische Zeitung, weil ich die Zeitungsblätter in meinen Händen halten möchte. Für das Geld könnte ich sie einen ganzen Monat online lesen. Aber wenn man Informationen aus einer Datenbank bekommt, hat man keine Ahnung, ob man jetzt zehn Prozent gesehen hat oder alles. Das Buch kann man auslesen und alles vergleichen.

MS Aber natürlich haben Online-Archive einen gänzlich anderen Charakter. Sie bleiben offen, während Bücher den Stand der Dinge zu einem bestimmten Zeitpunkt wiedergeben. Da bildet sich der Blick auf das Material mit ab.

JS Ein Aspekt in der Arbeit von Martha, den ich sehr schätze, ist diese sehr demokratische Herangehensweise. Es gibt keinen Teil, der wichtiger ist als die anderen, ob es nun darum geht, wie man mit zwei Sprachen umgeht oder wie man Farbe einbringt. Manche würden mit dem Cover beginnen, weil das den „Look“ des Buches ausmacht.

MS Das ist ein Charakteristikum in der Buchgestaltung. Man arbeitet eng mit dem Redaktionsteam an einem gemeinsamen Produkt und erst einmal leitet einen der Inhalt. Das sind andere Entstehungsprozesse und Prioritäten als in der Zusammenarbeit mit dem Marketing oder in der Erarbeitung einer CI. Man hat eine grössere Nähe zum Material.

MD

Wie hält man sich gegenseitig innerhalb des Prozesses auf dem Laufenden? Wie kann man unter Termindruck arbeiten und gleichzeitig Konflikte vermeiden?

Es gibt bei solchen Projekten meist mehrere Phasen, in denen die Beteiligten unter Termindruck stehen. Gerade für Biennalen formiert sich der ganze Apparat ja in relativ kurzer Zeit. MS

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JS Es gab immer – das ist für mich sehr wichtig – viel Respekt für das, was wir machen und auch für jeden einzelnen.

MS

Du bist dann der Dirigent, der alles steuern muss...

JS Ja, der Cheerleader! (lacht) Ich muss auch nochmal unseren Verlag loben, die waren ganz hands-off, was für dieses Projekt sehr wichtig war. Die haben sich natürlich dafür interessiert, wer das Design macht, aber sie haben weder nach den Kosten gefragt noch sich sonst irgendwie eingemischt. Es gab auch keine Gestaltungsvorgaben vom Ministerium, denen wir folgen mussten. Wir hatten absolut freie Bühne, konnten alles entscheiden, von der Schrift übers Papier bis zum Erscheinungsdatum. Das war mir sehr angenehm, keinen „Big Brother“ zu haben – was sehr ungewöhnlich ist, denn eigentlich sitzt immer jemand über dir, der letztlich entscheidet. Und bei solchen Projekten muss man dann auch ein bisschen verrückt sein. Und das habe ich auch schnell bei Martha identifiziert, dass sie da sehr ambitioniert ist, wenn man bedenkt ... you need to have an inkling of how it’s to be a killer, how it’s going to cost us nerves and time, and how we’re not going to see our families as much as we’d like for the next month, but also how it’s an extraordinary opportunity to do something!

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martha stutteregger typografie Martha Stutteregger, martha stutteregger typografie, Vienna Jasper Sharp, freelance curator and art historian, Vienna Project: Book design for the publication Österreich und die Biennale Venedig 1895–2013/ Austria and the Venice Biennale, 1895–2013 (Ed.: Jasper Sharp; Verlag für moderne Kunst, Nuremberg 2013)

“I believe that content and scope can be communicated much faster by a book; you see where it starts and where it ends […].”

martha stutteregger typografie

Marc Damm (MD) I’d like to talk with you about working relationships and communication between clients and designers, the standpoints from which you two, respectively, worked on the book Austria and the Venice Biennale, 1895–2013. In our talk beforehand, Martha and I thought about a motif for our conversation, and she decided on the term “form.” But before we discuss that, I’d like to ask each of you to introduce yourself and what you do.

MD What are your research emphases?

JS

Modern art, really, but also contemporary art. My focus runs from 1920 to 1960, but I’ve recently begun doing more work with artists active today, which is of course completely different. A mixture of the two provides me with the context for the projects I currently do.

Martha Stutteregger (MS)

I’m a graphic designer, specialized in the field of book design. My clients are largely from the fields of cultural production, architecture, and education. In addition to books, I’ve also done lots of image work, like for the mumok [Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Vienna—Ed.], the MACBA [Museu d’Art Contemporanei de Barcelona—Ed.], and documenta 12.

MD How did the book project Austria and the Venice Biennale, 1895–2013 come about?

JS

As commissioner for the Austrian pavilion at the 2013 Biennale, I’d decided to put together a publication on the history of all the Austrian participants and contributions from 1895 to the present. I wanted to find out how the pavilion building was used and what people did there, because surprisingly, nobody had put together an archive on that up to then. Even the responsible ministry didn’t have any documentation or photos!

Jasper Sharp (JS)

I’m a freelance curator and art historian from London. I spent six years in Venice with the Peggy Guggenheim Collection followed by a brief stint in New York to start on my doctorate, and I’ve been here in Austria since 2006. I first worked here as a curator for tba21 [ThyssenBornemisza Art Contemporary—Ed.], after which I went freelance. At the moment, I’m working on projects for the Kunsthistorisches Museum in Vienna.

MD What were the factors that brought you together? How did you become acquainted?

187

well organized—after all, ours was a team of the best and most professional! The project’s home stretch was difficult, both budgetarily and in terms of time management, plus we had the exhibition opening before us at the same time. Such a publication really shouldn’t have a due date, but we wanted to present it in Vienna shortly before the Biennale—rather than in Venice itself, because there, the focus was on the exhibition. Normally, you do just the exhibition along with its own publication. But with the Biennale, fifty percent of the work was just for this book! We could’ve done more in terms of its size, but there were both time constraints and human limits.

JS

I’d known Martha’s work for many years, and it was in particular her earlier projects that gave me the impression that she might be able to understand me and my work. I saw that one of her strengths is the organization of an insane amount of material, along with the clarity with which she ensures that it also looks aesthetically pleasing—this combination of understanding, organization, and appearance. It was with the project we’re discussing here that we got to know each other personally. MS

I suggested this project for our conversation because I got involved during a phase in which the content wasn’t yet fully structured, meaning that a lot of the design could still be defined, which in turn meant that research work and design work could interlock.

MD In light of how big the book ended up being, it amazes me to hear you say that it could’ve covered even more.

JS

JS

I’m certain that we found less than half of the documents that actually exist. After all, relevant correspondence and photos can be found all over the world.

…which has got to be difficult for a graphic designer, if everything’s still so open. On the other hand, Martha made several suggestions that worked to the publication’s great advantage. It’s generally tough when you’re confronted with endless material, with twenty thousand different directions you could go in and one variant that you eventually have to decide on. In our case, though, everything was very

MS

Since the Biennale archive is to be continued and updated online, it was important to me to emphasize the object-character of the book as a printed publication: the result is a hardcover embossed with a design 188

martha stutteregger typografie

that takes up an architectural characteristic of the pavilion, namely the ripples on the façade. And the different-sized page formats in the text block serve to structure the book physically in addition to graphically.

We ended up printing barely ten percent of what we found! You get thousands of photos, you know, all of them in differing quality, and it was a huge amount of graphic design work to correct the colors and so on. The lion’s share of the book is in black-and-white, after all, and then you have a smaller part in color at the end. The photo-related decisions we made together create a rhythm that seems almost musical as you move up through the years. But it was also about readability; I wanted something that would work in many different hands. Not just a thick reference work, nor a coffee table book that’s immediately set aside—exactly the opposite of that. And I’m very satisfied with what we ended up creating!

JS

Yes, the link between the book and the physical structure of the pavilion is very present. It was a suggestion of Martha’s to use the façade in an abstract way on the cover, along with an appropriate ivory hue. MS

We were pretty quick to settle on this motif. So ultimately, all that was left to be decided on were on the materials, which only differed in nuances.

MS

MD To what extent do formal and contentrelated decisions converge as the design progresses? After all, you could’ve just selected a photo or another form of illustration for the cover.

In the end, we had great fun working with extremely heterogeneous material. And what resulted is a crosssection of time, with media that change as the years go by. In the beginning, you still see a lot of telegrams and letters…

JS

Using a photo wasn’t really an option for us, since we'd already put around five hundred of them inside. And it’s fascinating to see just how much those same three rooms in the pavilion change as you go through the photos in the book; they’re like a chameleon that changes its color or appearance. It was difficult to make the editorial decisions on what photos to use.

JS

... and later on, it gets problematic, because the pavilions begin showing film and video works. And you can’t present those in the book quite like you can sculpting and painting exhibitions. But that problem’s not specific to this publication.

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from a premature decision in favor of any particular form. And thank God that we also found a publisher who viewed it as an important project rather than just in terms of whether they’d make money on it. It has actually sold out, I believe, but that’s not to say that it made them all that much money. I mean, even just the production costs! Nobody working according to their business plan would do something like that! But this is a completely different kind of publication, one that’s necessary. It’s not a luxury project.

MD Let’s backtrack for a moment to the idea of “form.” Your book is the result of a long process of selection and ordering. What was its initial form? As far as I know, you thought of setting up a Web archive for the material you hadn’t used.

JS

That was my idea, since I wanted to present the other 90% and keep adding to it with the new material that comes along in future years. And it helped remove the pressure of feeling like we had to put absolutely everything in the book.

MD (to MS) As a book designer, I’m sure that you have a very individual way of relating to the medium. How do you proceed here in your role as designer?

MS

Besides which, the job of presenting a complete archive isn’t something that can or should be done by a book. JS

MS

That would be unreadable. It would be a catalog, then, and we didn’t want that. Austria was the tenth country to have such a book published, so we first studied the other publications very well in order to figure out what we didn’t want. While the British publication, for example, is very nicely designed, its contents are very superficial—but alright, they did it 20 years ago. I find the German publication difficult to read, while the beautifully done Swiss publication, which they released just last summer, takes up two volumes. So we did the right thing, in any case, by starting with the material itself and refraining

I think that I work very technically and in accordance with the material, attempting to structure it by starting from the smallest unit, the seemingly least important details: footnotes, column titles, pagination; I definitely don’t begin with the cover! In the end, the cover took shape almost on its own, because we’d always wanted the pavilion itself to be somehow palpable in the book’s design. MD We’ve already mentioned the Web archive that’s been thought of. But what can the book medium do that the screen can’t?

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MS

MS

I believe that content and scope can be communicated much faster by a book; you see where it starts and where it ends, between which there’s a chronological ordering, so you get oriented very fast.

That’s pretty typical of book design, though. You work together closely with the editorial team to produce a product, and the first thing that guides you is content. The decisionmaking processes and priorities are different from when you collaborate with marketing or work on a CI, because you’re closer to the actual material.

JS

It’s also about look and feel! Every Saturday, I pay almost four Euros for an English newspaper because I like holding its pages in my hands. For that money, I could read the same paper online for an entire month. But when your information comes from a database, you have no idea whether you’ve just seen ten percent or everything. With a book, you can read through the whole thing and compare it all.

MD How do you keep each other informed of progress as you go? And how can you work under time pressure and still avoid conflicts?

MS

In projects like this one, there are usually several phases where the participants are on deadline. And for biennial exhibitions in particular, the entire team comes together in a relatively short period of time.

MS

Online archives are a totally different animal, of course. They remain open while books reproduce how things were at a certain point in time. So you also see that particular perspective on the material.

JS

There was always a lot of respect for what we were doing, and also for every individual—which I find very important.

JS

You know, one aspect of how Martha works that I value very highly is her democratic approach. No part of a job is more important than the rest, regardless of whether it’s about dealing with two languages or how to integrate color. Some would start with the cover because that determines the book’s “look.”

MS

And you were the conductor, the one who held it all together. JS

Well, the cheerleader. (laughing) Praise is also due to the folks at our publisher, here—they were totally 191

hands-off, something that was very important for this publication. Sure, they were interested to know who was doing the design, but they neither asked about costs nor meddled in any other way. Nor were we subject to any design guidelines imposed by the ministry. So we had absolute freedom: we could decide everything ourselves, from the font to the paper to the release date. It was very pleasant for me, not having a “big brother”—which is quite unusual, because it’s virtually always the case that there’s someone above you making the final decisions. Also such projects require you to be a bit crazy. And I identified that special kind of craziness pretty fast in Martha, the fact that she’s very ambitious in that sense that you need to have an inkling of how it’s going to be a killer, how it’s going to cost us nerves and time, and how we’re not going to see our families as much as we’d like for the next month, but also of how it’s a great opportunity to do something extraordinary!

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Österreich und die Biennale Venedig 1895–2013 / Austria and the Venice Biennale 1895–2013 Buchgestaltung / Book design

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Drahtzieher Barbara Wais, Drahtzieher Design & Kommunikation, Wien Gertraud Leimüller, Geschäftsführerin winnovation Innovationsforschung und -beratung, Wien Projekt: Konzeption und Gestaltung von Querspur – Das Zukunftsmagazin des ÖAMTC

„Ein Zeichen einer guten Zusammenarbeit ist, dass man einfach weiß, wann der Ton falsch ist.“

Marc Damm (MD)

In einer ersten Vorbesprechung hat Barbara Wais das Projekt Querspur – Das Zukunftsmagazin des ÖAMTC vorgeschlagen, in dem Sie, Frau Leimüller, zwischen ihr und dem Kunden ÖAMTC (Österreichischer Automobil-, Motorrad- und Touring Club, Anm. MD) vermittelt haben. Querspur ist ein Magazin, das sich auf die Vermittlung innovativer Konzepte im Mobilitäts- bereich konzentriert. Auf der Suche nach einem interessanten Themenmotiv für unser Gespräch ist mir auf dem Cover einer Ausgabe der Begriff „Regeln“ aufgefallen – ein interessantes Motiv, um daran in unserem Gespräch anzuknüpfen. Darf ich zuerst um eine kurze Vorstellung bitten?

Gertraud Leimüller (GL) Mein Name ist Gertraud Leimüller, ich bin Gründerin und Geschäftsführerin von winnovation, einer Open-Innovation-Forschungs- und Beratungsfirma mit neun Mitarbeitern. Wir sind Experten für Innovation und für das Involvieren von Organisationen in die Zusammenarbeit mit externen Partnern. Das Projekt, über das wir heute sprechen, ist für uns ungewöhnlich, da wir kein Corporate Publishing in unserem Portfolio haben. Es ist uns eher zugeflogen, als der ÖAMTC mit dieser Magazinidee an uns herangetreten ist und durch meine Vergangenheit als Journalistin war auch diese Kompetenz vorhanden.

Mein Name ist Barbara Wais, ich betreibe das Grafikbüro Drahtzieher, bin seit fünfzehn Jahren Grafikdesignerin und meine Tätigkeit hat sich in den letzten Jahren immer mehr in Richtung Editorial Design, also Buch-, Magazin- und Katalogdesign verlagert. Nachdem wir uns ein Büro teilen – eine Nutzungskooperation –, hat es sich glücklich ergeben, dass wir auch in diesem Projekt kooperieren.

Barbara Wais (BW)

GL Und daraus hat sich mittlerweile schon so manche Projektzusammenarbeit ergeben – was gar nicht geplant war.

BW Nein, aber wie so oft im Leben ergeben sich die besten Dinge einfach so! (lacht) Es war schön zu sehen, wie gut wir miteinander arbeiten können und es ist natürlich wunderbar für einen Grafikdesigner, wenn der Kunde mit Projekten kommt, 202

Drahtzieher

die noch dazu neuartige Themen behandeln. Man kann sich überlegen: „Wie will ich die Zukunft gestalten?“, oder, im Hinblick auf den Auftraggeber: „Wie viel verträgt der Kunde an Neuem?“ Das Wichtigste beim Grafikdesign ist, immer neue Herausforderungen zu bekommen. Es wäre das Schlimmste für mich, eine Zeitung zu machen oder in der Werbung zu arbeiten, wo du so eingeschränkt bist von Regeln, die du nicht selber bestimmt hast. Das Schöne bei Querspur ist ja, dass ich da eine Position habe, die es eigentlich in der Art gar nicht gibt, es ist mehr als nur Artdirection. Nachdem es kein seitenstarkes Magazin ist, organisiere ich auch redaktionell viel mit. Dabei finde ich es umso wichtiger, dass es zwischen uns so ein Grundvertrauen gibt.

MD

Was waren die Aufgaben bei diesem Projekt, was sollte entwickelt werden?

GL Der ÖAMTC, der größte Verein in Österreich, hat eine neue Stabsstelle zum Thema Innovation geschaffen, was für eine Non-Profit-Organisation ungewöhnlich ist. Es ist also durchaus pionierhaft. Die haben gesagt: „Wir brauchen ein Vehikel, mit dem wir in dieser riesigen Organisation transportieren, dass wir uns intensiv mit der Zukunft beschäftigen.“ Vom Autofahrerclub zum „Mobilitätsclub“ – das ist mental ein Riesenschritt und dafür braucht es ein anspruchsvolles Printmedium, das neue Themen in Organisationen, Unternehmen und unter Meinungsbildner zum Beispiel in den Ministerien bringt.

BW Ich war von Beginn an betraut, da mitzubestimmen: Was ist das Format? Wie nennen wir es? Wie ist es aufgebaut? Wie zeigt man Fotos? ...

GL Das gesamte Gestalterische ist von Barbara gekommen. Und die Kernbotschaft, die wir transportieren wollen, spielt damit zusammen.

203

MD (zu BW)

Ist es so, dass du auch Kontakt zu dem übergeordneten Auftraggeber hast? Waren auch die letztendlichen Entscheidungsträger involviert? Oder wird hier nur zwischen euch beiden kommuniziert?

BW Also der Kick-off ist natürlich von Gertraud gekommen, aber es hat dann Besprechungen, Sitzungen, Präsentationen in den Abteilungen des ÖAMTC gegeben. Und das sind richtig aufgeschlossene Leute, freundlich, motiviert – das kennt man auch anders. Die haben eine wahnsinnige Lust, das zu machen.

GL Ich muss dazu was zeichnen! (scribbelt auf ihrem Notizblock drei Kreise in einer Reihe, die mit Linien verbunden sind) Also formal ist die

Struktur so: ÖAMTC, Stabstelle Innovation – ich/winnovation – Barbara/Drahtzieher. Sub-Auftragnehmer von mir ist Barbara, aber real ist es so, dass wir gemeinsam an einem Tisch sitzen und sie Teil dieses Redaktionsteams ist.

BW Das war auch für mich überraschend, denn als Grafikdesigner bist du oft der Letzte in der Informationskette. Du musst zwar alle Informationen bekommen und auf den Punkt bringen aber auf dem Weg dahin geht auch viel verloren. Gertraud und ich arbeiten enger zusammen als ich mit dem ÖAMTC, aber ab einem gewissen Punkt sitzen wir alle wieder an einem Tisch. Es gibt

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Drahtzieher

natürlich Situationen, da muss man den ÖAMTC auch bremsen, weil sie eben so eine Lust haben, auch zu gestalten. Und da muss man dann einfach offen diskutieren und sagen: „So, bis zu diesem Punkt!“ GL Mehr wäre auch einfach so viel Aufwand in Relation zum Budget. Es zeichnet Barbara auch aus, dass sie – was im CreativeIndustries-Bereich nicht selbstverständlich ist – so viel Empathie hat, also versteht, wo Irritationen vorhanden sind und wo man als Gestalter auch reagieren muss, anstatt nur die eigenen Ideen durchdrücken zu wollen.

BW Ich gehe davon aus, dass der Kunde im Grunde weiß, was er will und was er mir erzählt. Natürlich gibt es grafisch innovativere Blätter, aber die Frage ist immer auch: Was will der Kunde? Was trägt er? Wie weit ist er bereit zu gehen? Bei der nächsten Ausgabe – wir sind jetzt bei der fünften – werde ich ein bisschen Feinschliff vornehmen. Nach zwei, drei Jahren ist es wieder an der Zeit, der Sache neuen Schwung zu verleihen. Das wird dann ein bisschen straighter, moderner. Da bin ich sicher, dass sie das ohne Probleme mittragen werden! Wenn man ein Vertrauen aufgebaut hat, geht vieles.

MD

Ich fand das Motiv „Regeln“ passend im Hinblick auf den ÖAMTC. Er meint ja im Mobilitätsbereich in erster Linie Verkehrsregeln. In der Auftragssituation steht der Begriff für mögliche Vorgaben und Konventionen. Was ist Ihre erste Reaktion auf den Begriff?

GL Eine Regel ist sicher: „Geht nicht gibt’s nicht!“, selbst wenn es schwierig ist. Es gab Situationen mit unserem Auftraggeber, in denen wir budgetär nicht mehr hingekommen sind angesichts dessen, was er hineinpacken wollte. Es ist eine wichtige Regel, dass dann nicht einer abblockt, denn dann beginnt die Sache zu bröckeln. Es muss immer kommuniziert werden!

205

BW Wir sind im Team alle Frauen, die Karrieren und ein Selbstbewusstsein haben und die Regeln stellen wir uns ja selber auf. Ich habe schon während des Studiums in Wien und Amsterdam gelernt, dass ich nicht alles so ernst nehmen soll. Und da hatten sie Recht: Es ist gut, die Regeln zu kennen, denn dann kann man sie auch brechen. Wenn das Budget gesprengt wird, dann gibt’s halt zwei Seiten weniger, ein Foto weniger. Ich hoffe aber nicht, dass es so weit kommen muss!

GL Eine ausgesprochene Regel ist auch, dass wir nach einem Subsidiaritätsprinzip gehen: Wir beide stimmen uns ab, bevor wir gleich zu den Übergeordneten laufen. Das ist essenziell in einer Zusammenarbeit und bestimmt das Vertrauensverhältnis. Unklare Kommunikationsverhältnisse, wo man sich ärgert, dass der eine schon mit dem anderen geredet hat, obwohl man selber noch nichts weiß, sind unkooperativ.

MD Regeln können ja unter anderem auch Einschränkung bedeuten, beispiels- weise, wenn du die Zielgruppe einschränkst, auf die eine Sache abzielt. Andererseits können Regeln aus der Notwendigkeit heraus aufgestellt werden, also zum Beispiel in der Wahl der Mittel, wenn es um die Umsetzung geht. (zu BW) In der Vorbesprechung hattest du bereits anklingen lassen, dass die Fotos für das Magazin oft sehr schnell und unter flexiblen Voraus setzungen entstehen. Wie flexibel bist du in der Gestaltung?

BW Die Regel ist, zu versuchen, das Beste für den Artikel zu bekommen – was sich nicht einfach gestaltet, wenn das Budget begrenzt ist. Dann muss man auch mal selber eine Fotosession machen. Wenn ich es gut argumentieren kann, kann ich auch ein Foto unterbringen, das sich absetzt. Es passte aber eigentlich bisher immer und ich habe schon das Gefühl, wir könnten es noch ein bisschen weiter pushen.

MD (zu GL)

Hier geht es wohl auch um den Aspekt „Werte“. Könnte man Werte mit Regeln vergleichen? Kann man sogar sagen, dass Werte eher Innovation begünstigen und Regeln eher – im negativen Sinne – ausschließen? 206

Drahtzieher

GL Ich brauche unbedingt eine Werthaltung. Wenn ich zum Beispiel die Haltung habe: „Nur ich hab recht“, dann werden wir gemeinsam nichts Neues schaffen. Es dürfen auch mal Sachen schief gehen, aber dann schauen wir gemeinsam, wie wir das lösen können im Sinne einer Fehlertoleranz. Das sind die Dinge, die Innovationsfähigkeit überhaupt begründen, auch die Lust zu experimentieren! Wenn mal etwas nicht so gut ankommt, dann machen wir es das nächste Mal nicht mehr. Aber es ist auch nicht so, dass es heißt: „Diesen Bereich greifen wir nie wieder an“, wenn ein Thema zu heiß ist und unser Auftraggeber Schwierigkeiten mit den Funktionären hatte.

Ja, das meine ich eben, dass man das schon noch pushen kann. Es ist ja Sinn und Zweck des Magazins, dass bereits jetzt Themen aufgebracht werden, die in fünf Jahren vielleicht selbstverständlich sind. In der aktuellen Ausgabe geht es viel um Apps und alltägliche Hilfen, in fünf Jahren wird das alles kein Thema mehr sein. Basierend auf diesem gegenseitigen Grundvertrauen können wir auch Themen bringen, die eben zu heiß sind – das heißt nicht, dass sie bei der übernächsten Ausgabe nicht voll up to date sind!

BW

MD (zu BW)

Zum Thema Innovation: Was für eine Qualität steht bei dir hinter einem Druckprodukt? Ich frag das deshalb, weil natürlich ein Magazin, das sich mit Zukunftsthemen beschäftigt und dabei gedruckt erscheint, nicht mehr zwingend diesen Anspruch auf dauerhafte Aktualität erfüllt, wie es Inhalte im Web suggerieren.

Also ich liebe Papier, ich liebe Bücher! Webdesign beispielsweise liegt mir nicht. Ich liebe es, etwas in der Hand halten zu können. Es ist auch intimer als wenn ich hier (zeigt auf ihr Smartphone) ein Magazin lese oder am Computer, denn da tun’s vielleicht hunderte Leute gleichzeitig und ich weiß nicht: Wird da gerade mein Handy ausspioniert? Es ist alles unsicher. Mit dem hier bin ich ganz für mich, kann es auch wieder zumachen, ich rieche das Papier ... BW

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GL Ein Zukunftsmagazin in gedruckter Form ist natürlich schon auch ein Statement. Es gibt die Onlineversion, aber primär ist es auf Papier. Philosophisch interpretiert: Wir glauben zwar im Moment, dass in Zukunft Inhalte rein virtuell übermittelt werden, aber es wird immer ein Zusammenspiel von online und offline sein; die verschiedenen Medien ergänzen einander. Gerade weil wir uns mit der Zukunft beschäftigen, glauben wir auch an das Haptische und Handwerkliche.

BW Es ist vor allem auch einfach archivierbar. Das kennt jeder: Man macht Fotos mit der Digitalkamera und legt sie am Computer ab – um sie nie wieder anzuschauen. Gerade muss ich daran denken, dass ich neulich für ein Cover ein Foto verwendet habe, das ich während meiner letzten Reise in Lissabon aufgenommen hatte. Beim durchscrollen der Bilder kam mir der Gedanke: „Wahnsinn, die sollte ich mir öfter anschauen.“ Die alten Fotoalben holt man schon viel eher wieder raus. Das Buch hat eine Zukunft! Wenn es einmal im Bücherregal steht, steht es in fünfzig Jahren auch noch dort!

MD

Ein Druckprodukt hat auch eine gewisse Abgeschlossenheit. Im Web habe ich manches Mal das Gefühl, eine Sache oft nicht mehr richtig erfassen zu können, weil es ständig weitergeht und man auf unzählige Links, die auch noch relevant sein könnten, immer mehr Möglichkeiten, stößt. Eure Entscheidung für Papier, für Haptik und so weiter, regelt ja gleichzeitig auch, was man weglassen muss, oder?

GL Die Entscheidung bringt auch mit sich, dass es für uns dazwischen immer wieder Regenerationsphasen gibt. Wenn wir ständig weiter erzählen würden, wir das Magazin also beispielsweise monatlich rausgeben würden, wäre es auch schwieriger.

BW Stimmt, das ist wichtig! Das Magazin kommt zweimal im Jahr heraus. Und das Schlimmste wäre für mich, wie gesagt, ein wöchentliches Ding zu machen, weil du dann keine Zeit mehr hast, zu überlegen. Du frägst dann nicht mehr, ob das jetzt ein Foto

208

Drahtzieher

ist, das die Geschichte wirklich gut illustriert und kaufst ein Foto ein – Stichwort Stockfoto –, das irgendwelche grinsenden Leute zeigt. Und so hast du eben die Zeit, zu reflektieren, für das nächste Mal die Schwachpunkte zu entdecken oder auch das Gelungene.

MD (zu BW)

Wie wichtig sind für dich tradierte Gestaltungsregeln, zum Beispiel Typografie betreffend?

BW Sehr wichtig, aber wie gesagt, man kann die Regeln auch brechen. Ich bin aber immer noch der Meinung: Wenn ich einen Text lesen will, dann möchte ich ihn gern angenehm lesen und es gibt Regeln, um einen Text lesbarer zu machen. Etwas anderes ist es, wenn der Text ein bestimmtes Sprachbild erfordert – zum Beispiel ein Gedicht –, aber das ist bei Querspur ja nicht so.

MD

Wann würdest du Regeln brechen?

BW Wenn ich das Gefühl habe, das braucht es und der Kunde das mitträgt, dann kann ich Änderungen einbauen. Aber ich muss auch Rücksicht nehmen. Ich finde es problematisch, wenn Leute einfach loslegen ohne zu wissen, dass sie Regeln brechen. Dann geht auch das Spielerische verloren, der Genuss. Regeln brechen kann ja auch ein Genuss sein …

MD

Stichwort Regelmäßigkeit: Ihr habt ja schon mehrere Projekte gemeinsam gemacht. Welches Verständnis bekommt man voneinander?

GL Also ich hab am Anfang geglaubt, Grafikdesigner sind per se weniger zu Kompromissen bereit oder weniger empathisch. Das ist bei Barbara nicht so. Manches Mal braucht es aber Zeit, bis man zusammenfindet und eine Idee beiden gefällt. Und ich höre auch ständig, dass Unternehmer sagen: „Wir haben da jemanden 209

engagiert, aber das Corporate Design hat immer anders ausgeschaut als es uns gefällt, und letztlich haben wir es dann selber gemacht.“ Viele haben noch nicht den Grafiker gefunden, mit dem sie wirklich können. BW Ich muss aber auch sagen, dass das Problem oft die Kunden selber sind, weil sie sich nicht auf diese Suche einlassen.

GL ... oder im Laufe des Prozesses entdecken, was sie nicht brauchen und das ist für einen Grafikdesigner dann extrem frustrierend – obwohl es auch etwas bringt, weil sie dann Sachen ausschließen können.

Ja, bei mir war es so, dass der Prozess auch die Perspektive verändert. Ich wusste ja anfangs nicht so wirklich, was du machst. Wir kannten uns jedoch bereits durch das gemeinsame Büro. Wenn du sagst: „Ich bin eine Beraterfirma“, dann kann das vieles bedeuten. Aber je mehr ich erfahre und je mehr wir zusammenarbeiten, umso deutlicher wird für mich, wie kreativ auch deine Tätigkeit eigentlich ist. Die Gespräche mit dir sind immer lehrreich und spannend. Ich weiß aber immer noch nicht ganz, was du eigentlich genau machst! (lacht)

BW (zu GL)

MD Wenn man an einem Projekt arbeitet, kann dieses Geheimnis – nicht zu wissen, was genau der andere macht – aber auch etwas Reizvolles haben. Es braucht ja auch ein wenig Distanz, mit der man ausdrückt: „Du hast deine Profession, ich hab meine Profession.“ Wie vermeidet man, dass man sich in die Prozesse des anderen zu sehr einmischt? Oder ist das sogar erwünscht?

GL Wir haben, glaube ich, beide so viel zu tun, dass wir gar nicht diesen Impuls haben. Wir sind da eher pragmatisch und wollen für so Kinkerlitzchen nicht zu viel Zeit einsetzen. Es geht darum, möglichst schnell zu einer guten Lösung zu kommen, die dem Auftrag entspricht. Aber vorzuschreiben, wie Barbara jetzt genau arbeiten muss? – Nein, dazu hab ich zu viel zu tun! 210

Drahtzieher

BW Einmischung kann aber schon auch gut sein, denn wenn etwas gerade nicht passt, sollte man das auch mitteilen. Man muss es dann eben charmant formulieren. Ein Zeichen einer guten Zusammenarbeit ist, dass man einfach weiß, wann der Ton falsch ist. Ich kann aber nicht sagen, dass da bis jetzt irgendwas unangenehm war. Das passiert mir eher, wenn ich z. B. in Projekten mit anderen Grafikern arbeite, die dann manchmal glauben, konkurrieren zu müssen.

GL Ich glaube, es geht um Respekt und Vertrauen. Ich hab Respekt vor dem, was Barbara kann und tut und wahrscheinlich ist es umgekehrt genau so, zumindest empfinde ich das so. Sie weiß schon, was sie tut.

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Drahtzieher Barbara Wais, Drahtzieher Design & Kommunikation, Vienna Gertraud Leimüller, general manager of winnovation Innovationsforschung und -beratung, Vienna Project: Conception and design of the magazine Querspur – Das Zukunftsmagazin des ÖAMTC

“One hallmark of good collaboration is having a good, instinctive sense of when the tone is wrong.”

Drahtzieher

shifting more and more towards editorial design, which is to say books, magazines, and catalogs. Since we share a coworking space, it was great to have the opportunity to do this project together.

Marc Damm (MD) In an preliminary talk, Barbara Wais proposed that we talk about the project Querspur – Das Zukunftsmagazin des ÖAMTC, in which you, Mrs. Leimüller, played the go-between between her and the client ÖAMTC [Austrian Automobile, Motorcycle, and Touring Club—Ed.]. Querspur is a magazine that concentrates on innovative concepts in the transportation field. Thinking about what might be an interesting thematic motif for our conversation, I noticed the term “rules” on the cover of one of your magazine’s issues— perhaps a good notion for us to pick up on. But might I first ask you to briefly introduce yourselves?

GL

And it’s ended up leading to collaboration on other projects, too—which is something we hadn’t originally planned. BW

No, but as it so often happens in life, the best things come along just like that! (laughs) It was great to see how well we’re able to work with each other, and it’s just wonderful for a graphic designer when a client approaches you with projects on new themes. You might think: “How do I want to shape the future?” Or: “How much ‘new’ can the client stand?” In graphic design, it’s extremely important to keep taking on new challenges. The worst thing for me would be doing a newspaper or advertising work, where you’re so limited by rules that you haven't made yourself. What’s nice about Querspur is that I’m in a pretty unique position; it’s really more than just art direction. And since it’s not a particularly thick magazine, I also do a lot of organizing content-wise—making it all the more important that we share a fundamental kind of trust.

Gertraud Leimüller (GL)

My name is Gertraud Leimüller, and I’m founder and manager of winnovation, an open innovation research and consulting firm with nine employees. We provide expertise on innovation and on the involvement of organizations in collaboration with external partners. The project we’re talking about today is unusual for us, since corporate publishing isn’t actually part of our portfolio. It’s something that just kind of fell into our laps: the ÖAMTC contacted us about this magazine idea, and thanks to my past work as a journalist, we actually did have the knowledge needed to participate. Barbara Wais (BW)

My name is Barbara Wais, I run the graphic design studio Drahtzieher, I’ve been a graphic designer for 15 years, and my work has recently been 213

MD What range of tasks did this project involve? What had to be developed?

communication basically take place between the two of you, here?

BW

GL

It all got kicked off by Gertraud, of course, but then we had talks, meetings, and presentations at various departments of the ÖAMTC. And everyone was really openminded—friendly, motivated. We all know situations where that’s different, but these folks were really excited about doing it.

The ÖAMTC, Austria’s largest registered association, created a new specialist team on innovation, which is unusual for a nonprofit. Quite pioneering, really. They said, “We need a medium that we can use all across our giant organization to demonstrate how we’re dealing intensively with the future.” From auto club to “mobility club”—it’s a giant step, mentally, and things like that require sophisticated print media that can take new themes at organizations and companies or among opinion leaders and help them advance to places like government ministries, for example.

GL

I need to draw something, here. (scribbles three circles in a row, connected by lines, on her notepad) Formally, the structure’s like this: the ÖAMTC’s specialist team on innovation – me/winnovation – Barbara/Drahtzieher. So Barbara is my subcontractor, but we actually sit together at the same table, and she’s part of this editorial team.

BW

Right from the start, they involved me in decisions like: What format would it be? What would we call it? How would it be structured? How to present photos?

BW

That was a surprise for me, too, because as a graphic designer, you’re often the last one in the information chain. You have to receive all the information and encapsulate it just so, but plenty gets lost along the way. Gertraud and I work more closely with each other than with the ÖAMTC, but there’s a point where we all end up at the same table. There are, of course, situations where we have to restrain the ÖAMTC a bit, because they’ve

GL

Barbara produced the entire design, which interacts with the medium’s core message in every possible way. MD (to BW) Do you also maintain your own contact with the end client? Were the ultimate decision-makers involved? Or does the

214

Drahtzieher

also got a strong creative bent. So you’ve got to discuss things openly and say: “Fine, up to this point!”

And in terms of your jobs, “rules” could stand for guidelines, conventions. What do you think?

GL

GL

Doing more would be an inordinate amount of work, in light of the budget. Another of Barbara’s virtues is her degree of empathy, which doesn’t go without saying in the creative industries. What I mean is that she can sense irritation or confusion and know when designers have to react to it, rather than just imposing their own ideas.

One rule is definitely: “Nothing’s impossible!”—even if it’s difficult. We’ve had situations with our clients where there simply wasn’t the budget to do everything they wanted to include. But an important rule is for nobody to start stonewalling, because that’s where things start to crumble. You always have to communicate! BW

BW

All of us on the team are women with careers and self-confidence, and we make our own rules. During my student days in Vienna and in Amsterdam, I was taught not to take everything so seriously. And that proved right: It’s good to know the rules, because then you can break them. And if something breaks the budget, then maybe we’ll have two pages less, or one photo less. But I hope it doesn’t come to that!

I assume that the clients already more or less know what they want and what they’re telling me. Sure, there are publications that are more innovative, graphically, but the question’s also: What do clients want? What will they stand behind? How far are they prepared to go? On the next issue—it’ll be the fifth—I’ll be doing some fine-tuning. After two, three years, it needs another little boost. So it’s going to be a bit straighter, a bit more modern. And I’m sure that they’ll go along with that, no problem! When you’ve established trust, lots of things become possible.

GL

Another explicit rule is that we work according to a kind of subsidiarity: we two first coordinate ourselves before approaching the people we report to. That’s an essential part of working together, and it’s crucial to the trust we share. Unclear communication—where you get annoyed because one person has already

MD It seems to me that the motif of “rules” goes well with the ÖAMTC; in terms of mobility, rules of the road come to mind.

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talked to the other while leaving you in the dark—is uncooperative.

things like this that underlie innovative ability and the joy of experimentation. If something generates a negative response, then we’ll drop it the next time around. But it’s not like, “We’ll never touch that again” if a topic’s too hot and our clients get in trouble with their functionaries.

MD Rules can also entail limitation, like when you limit a project’s target audience. And rules can also arise from necessity, like when choosing just how you’re going to realize something. (to BW) In our preliminary talk, you said something about the photos for the magazine often being done very fast and in a flexible way. How flexible are you in your design work?

BW

Right, that’s what I mean: you really can push the envelope. The whole point of this magazine is to introduce things that may end up being old hat just five years out. In the current issue, there’s a lot about apps and things that are useful in everyday life; in five years, all that may be a nonissue. And based on the mutual trust we have, we can also tackle themes that really are too hot—which isn’t to say that everybody and their brother won’t perhaps be talking about them two issues down the road!

BW

The rule is to try and do what’s best for the article, which is tough when you’re on a tight budget. So you sometimes have to do a photo shoot yourself. If I can justify it, I can also use a photo that doesn’t really fit the mold. So far, everything’s really been ok, and I do feel that we could even push the envelope a bit farther. MD (to GL) It seems like we’re also talking about values, here. Are values comparable to rules? Would you go so far as to say that values tend to encourage innovation while rules tend to exclude it in a negative sense?

MD (to BW) Speaking of innovation: What’s the fundamental underlying quality of your print products? I’m asking because a printbased magazine that tackles futurerelated themes doesn’t necessarily fulfill the kind of claim to perpetual currency that Web content can appear to make.

GL

I absolutely do need values to go by. If my attitude is just, “I’m the only one who’s right,” then we won’t create anything new together. We can blunder, of course, but then we figure out together how to resolve things; there’s a tolerance for error. And it’s

BW

Well, I love paper, and I love books! And Web design is not my thing. I love being able to hold something in my hands. It’s also more intimate than reading a magazine here (she 216

Drahtzieher

points to her smartphone) or on the computer, because a hundred people might be doing so at the same time, and I also wonder: “Is my phone being spied on right now?” All these uncertainties. With this thing here, I’m entirely unto myself; I can close it, I can smell the paper…

on the shelf, it’ll still be there in fifty years! MD Print products also have a certain completeness to them. On the Web, I sometimes have the feeling that I can no longer really get an idea of anything because it all just goes on and on, with more and more possibilities in the form of countless links that might also be relevant. So your decision in favor of paper, tangibility, and so on also entails rules about what to leave out, doesn’t it?

GL

And a future-oriented magazine in printed form is also a statement unto itself. There is an online version, but it’s primarily a paper medium. A philosophical interpretation would be: at the moment, we believe that the future will see content conveyed in a purely virtual fashion, but there will still always be some kind of interplay between online and offline; the different media complement one another. Hence, precisely because we’re dealing with the future, we also believe in crafting tangible things.

GL

Yes it does, along with the fact that we also always have phases of regeneration in between. If we were to just keep on producing, like if the magazine were published monthly, things would be tougher. BW

True, that’s important! The magazine comes out twice a year. And picking up on what Gertraud said, the worst thing for me would be to do something weekly, because then you have zero time left to think. You’d no longer ask yourself whether a particular photo illustrates the story truly well, but rather just buy a photo— some stock photo—of random people smiling. The way we do it, though, you have time to reflect on things before the next issue, to discover both the weak points and what worked well.

BW

Most importantly, it’s easy to archive. We all know how we take digital photos, transfer them to our computers, and never look at them again. Just now, it occurred to me how I recently did a cover using a photo I’d taken on my last trip to Lisbon. As I scrolled through my pictures, I thought to myself: “Geez, I should look through these more often.” One’s much more prone to taking out the old paper-based photo albums. So books do have a future! Once one’s 217

MD (to BW) How much store do you set in traditional design rules, like those about typography?

GL

Well, I started out believing that graphic designers generally weren’t all that compromising and/or empathetic. But Barbara’s different, even if it sometimes does take a while before we’re both happy with an idea. And I’m constantly hearing businesspeople say, “We had someone on board for that, but their corporate design always looked different from what we wanted, so we just did it ourselves in the end.” Many people haven’t yet found a graphic designer with whom they’re truly compatible.

BW

They’re very important, though as I said, you can break those rules, too. But I do still think that when I read a text, I really want it to be pleasant to read, and there are rules to help you make a text more readable. It’s different if a certain text—a poem, for example—requires a certain look, but that’s not the case with Querspur. MD When do you break rules?

BW

But it should also be said that the problem is sometimes the clients themselves, because they’re not interested in searching.

BW

When I have the feeling that it’s necessary and that the client will go along, I can incorporate in some changes. But I also have to be considerate. I think it’s problematic when people go and break the rules without knowing it. Because then you lose that element of playfulness, of enjoyment. After all, rulebreaking can be fun…

GL

... or because somewhere along the line, they discover what they don’t need; for a graphic designer, that can be extremely frustrating—even if eliminating options can also be helpful. BW (to GL)

Yes, and in my case, the process also shifted my perspective. At first, I wasn’t really clear on what you do. We knew each other from sharing an office together, but when someone says “I’m a consultant,” that can mean all kinds of things. So the more I learn and the more we work together, the clearer it becomes to me just

MD Speaking of consistency, regularity, or the lack thereof: You’ve now done several projects together, so what kind of understanding do you have of each other?

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how creative your work is, too. Talking with you is always informative and interesting. Even if my understanding of exactly what you do is still kind of incomplete! (laughs)

happen to me in cases like when I work on a project together with other graphic designers who get the idea that they have to compete. GL I think it’s about respect and trust. I

MD But when you work on a project with someone else, that mystery—not really knowing exactly what the other person does—can also have a certain charm. And a bit of distance is necessary, too, distance as in: “You’ve got your profession, and I’ve got mine.” How do you each avoid interfering too much in the other’s processes? Or do you actually want that?

respect Barbara’s capabilities, and it’s probably exactly the same the other way around—at least, that’s what it feels like. She knows what she’s doing.

GL

I think that we both have so much to do that neither of us really has this impulse. We’re fairly pragmatic and don’t want to spend much time fooling around with extraneous stuff. The point is to arrive at a good solution for the job at hand as fast as possible. But me laying down requirements for exactly how Barbara should go about doing things? – No way, I’ve got too much to do! BW

Interference can be good, though, because if something doesn’t work, that needs to be said. You just have to formulate it in a charming way. One hallmark of good collaboration is having a good, instinctive sense of when the tone is wrong. But I can’t say that we’ve had any unpleasantness so far. That’s more likely to 219

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Querspur – Das Zukunftsmagazin des ÖAMTC Ausgabe 04/2013, Schwerpunktthema „Regeln“/Issue 04/2013 on the topic of “rules”

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Querspur Das Zukunftsmagazin des ÖAMTC

Mnemotechnik Als Mnemotechnik wird eine Technik bezeichnet, um sich vor allem komplexere Inhalte mithilfe von Eselsbrücken zu merken. Die abstrakten Zahlen, Wortfolgen oder Listen, die es sich zu merken gilt, werden mit Reimen, Grafiken oder Merksätzen verbunden. So unterstützt zum Beispiel der Satz „Mein Vater erklärt mir jeden Sonntag unseren Nachthimmel“ beim Einprägen der Planetenreihenfolge nach der Sonne: Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus, Neptun.

Erik Spiekermann Erik

Spiekermann Querspur Das Zukunftsmagazin des ÖAMTC Ausgabe 06/2014

Das Leben ist immer in Beta.

Das Leben ist immer in Beta.

Erik Spiekermann Das Leben Neues LerNeN

Design und Business müssen sich in der Praxis eines Designbüros ergänzen. Leider stehen diese beiden Disziplinen oft im Widerspruch. GestalterInnen wollen nicht hören, dass ihre Arbeit den Zwängen des Geldes unterliegt, dass Termine vom Auftraggeber anstatt von der Tageslaune bestimmt werden und dass dieser über Geschmack nicht streiten will. Und die Kaufleute wollen nicht einsehen, dass Ideen nicht umsonst im kostenlosen Pitch zu haben sind, dass GestalterInnen immer etwas weiter denken als gewünscht und dass der/die KonsumentIn an sich nicht dumm ist. Im Laufe des Designerlebens lernen wir, in diesem grundsätzlichen Konflikt keinen Widerspruch zu sehen, sondern eine Ergänzung. Wer sich darauf einlässt, GestalterIn zu werden, muss wissen, dass er/sie immer im Auftrag handelt und geschäftsmäßige Gepflogenheiten anerkennt. Aber er/sie sollte auch darauf bestehen, dass der Wunsch des Auftraggebers nicht Gesetz ist, sondern eben nur ein Wunsch. Es ist nicht unsere Aufgabe, das zu machen, was der Auftraggeber will, sondern herauszufinden, was er wirklich braucht. Einige Jahrzehnte Erfahrung in Designbüros – auch einmal mit fast 200 MitarbeiterInnen, heute auch schon wieder 60 allein im Berliner Büro – haben mich gelehrt, dass es einfacher ist, diese Philosophie mit KollegInnen umzusetzen, die selber auch schon ihre Lehren gezogen haben. In unserem Büro arbeiten deshalb nur Gestalter und Gestalterinnen, die wissen, wann man welchem Auftraggeber widersprechen muss und wann es Zeit ist, ohne Widerworte Ergebnisse zu zeigen. Nicht, dass alle altersmild und vorauseilend kompromissbereit wären. Aber wir wissen auch, dass in jedem Designbüro der Welt die meisten Aufträge nach ihrem Abschluss im Archiv verschwinden und nicht bei Wettbewerben eingereicht werden. Das bedeutet nicht, dass wir nicht danach strebten, auch zu zeigen, was wir können. Es heißt lediglich, dass jedes Studio zuerst die Kosten erarbeiten muss, dann den Nutzen für den Auftraggeber vermehren und erst dann danach versuchen sollte, die Grenzen unseres Berufes zu erkunden und vielleicht sogar die Anerkennung unserer KollegInnen und KonkurrentInnen zu gewinnen. Eitelkeit ist durch230

Erik Spiekermann

Das Leben ist immer in Beta.

aus ein Motiv beim Griff nach den gestalterischen Grenzen, und die pragmatische Einschätzung der Möglichkeiten im Rahmen eines bezahlten Projektes darf nicht dem Wunsch entgegen stehen, es immer etwas besser zu machen als beim letzten Mal. Aber am Ende sollten wir uns eingestehen, dass wir Verantwortung tragen nicht nur für uns selbst, sondern auch für unsere Auftraggeber und für deren Kunden und Nutzer. Wenn ich mit jüngeren KollegInnen darüber rede, dass wir uns bei Edenspiekermann seit einigen Jahren konsequent weigern, kreative Leistung kostenlos abzugeben, sagen sie immer: „Na, du kannst dir das ja leisten.“ Leider stimmt das nicht, denn auch wenn ich in Fachkreisen bekannt bin, interessiert das die Auftraggeber selten, denn sie sind ja nicht vom Fach. Was gute von schlechten Auftraggebern abhebt, ist die Tatsache, dass sie eine Haltung haben und auch bei ihren Gesprächspartnern eine Haltung schätzen. Wer unser wertvollstes Gut, nämlich die kreative Leistung, vorab und kostenlos haben will, sieht uns als austauschbaren Lieferanten und wird sich im Laufe der Arbeit nicht als Partner auf Augenhöhe erweisen. Zwar meinen gerade die öffentlichen Auftraggeber, sie müssten einen Pitch machen, weil sie ja die Arbeit ausschreiben müssen. Aber das hat nichts damit zu tun, vorab und kostenlos bereits Leistungen abzufordern. Eine reine Kostenschätzung geben wir gerne ab, auch wenn wir wissen, dass unterschiedliche Anbieter sehr unterschiedliche Vorstellungen haben davon, wie sie ihre Leistungen beschreiben, kalkulieren und berechnen. Der Auftraggeber vergleicht also immer Äpfel mit Birnen und weiß nie, was genau er bekommen wird. Das aber gehört zum Risiko beim Umgang mit kreativen Leistungen. Tagessätze alleine sagen nur etwas aus über die Einschätzung, die ein Büro von sich selbst hat und über die Kostenstruktur. Manche schaffen an einem Tag, wozu andere drei Tage brauchen und das kann sich eben in einem höheren Satz niederschlagen. Um bei einem Pitch überhaupt eingeladen zu werden, muss man erst mal irgendwo und irgendjemandem bekannt sein. Wie wird 231

man das? Wie kommt man an seinen ersten Auftrag? Wie fängt man überhaupt an? Leider habe ich kein Patentrezept. Zwar habe ich schon mehr Designunternehmen gegründet und wieder aufgelöst als viele KollegInnen, aber ein Rezept hatte ich selbst zuletzt nicht. Planen kann ich nicht, sondern ich verlasse mich stets auf mein Gefühl. Dass mich das mitunter getrogen hat, beweist mein Ausscheiden bei MetaDesign nach 22 Jahren. Die Stimmung war zuletzt so schlecht, dass meine ehemaligen KollegInnen (von denen keine/r mehr außer mir seit der Gründung 1979 dabei war) beim Umzug in das neue MetaHaus zwei Planschränke mit allen meinen Belegexemplaren aus der vordigitalen Zeit einfach auf den Müll warfen. Ich war zur Persona non grata geworden, weil ich unterschätzt hatte, wie sehr Eitelkeit und kleinkarierte Missgunst über die Vernunft siegen können. Mein Rat nach dieser Erfahrung ist allerdings nicht, sich gegen solches Verhalten mit Verträgen abzusichern, sondern sich die zukünftigen PartnerInnen genau anzusehen, sie nach ihrer Motivation, ihren Neigungen und ihren Plänen zu fragen. Und wenn es zu Konflikten kommt, muss man diese offen austragen und nicht hoffen, dass schon alles gut wird, wenn man es nur lange genug ignoriert. Ein gemeinsames Büro gründen ist durchaus vergleichbar mit einer privaten Partnerschaft. Wie sich Ehepaare, die sich recht jung kennenlernen, fast zwangsläufig in unterschiedliche Richtungen entwickeln, weil das zum Erwachsenwerden gehört, ist es bei vielen GeschäftspartnerInnen auch so, dass nach einiger Zeit klar wird, wie weit Vorstellung und Wirklichkeit auseinander liegen. Das mag einfach am normativen Zwang des Faktischen liegen, an den Umständen also, die unsere Tage stärker bestimmen, als wir es wahrhaben wollen. Wer weiß schon gleich nach dem Diplom, wie man mit Auftraggebern redet, wie man Angebote schreibt, die Buchhaltung macht, das ganze langweilige Tagesgeschäft? Oft stellt sich dann heraus, dass der/die eine gerne Angebote schreibt und auch bessere, während 232

Erik Spiekermann

Das Leben ist immer in Beta.

der/die andere schneller zu Ideen kommt. Wenn aber beide (oder mehrere) angetreten waren, tolle Gestaltung zu machen, dann gibt es bald böses Blut, weil die Aufgaben so ungleich verteilt sind. Es ist also sicher nützlich, sich gleich zu Anfang klar zu machen, dass es diese Arbeiten gibt und dass sie jemand machen muss. Eine/n gute/n SteuerberaterIn oder FinanzberaterIn sollte man haben und für die Buchhaltung findet sich bestimmt jemand, der einem das abnimmt und Ordnung in das chaotische Designerleben bringt. Es lohnt sich, dafür zu zahlen, denn wir sollten unsere Zeit mit Gestalten zubringen, zumal die Tagessätze dafür selbst bei AnfängerInnen höher sind als die von BuchhalterInnen und Putzpersonal. Eine wichtige Lehre ist auch die, dass eingenommenes Geld noch kein Gewinn ist. Eine einfache Liste mit den monatlichen Kosten und nötigen Investitionen kann jede/r anlegen, der/die lesen und schreiben kann. Es nützt nichts, am Anfang mit geklauter Software (Fonts gehören auch dazu) zu arbeiten und sich damit das Leben schwer zu machen. Irgendwann gilt es, professionell zu werden und mit realistischen Kosten zu rechnen, spätestens, wenn der/die erste MitarbeiterIn bezahlt werden muss. Dann kann man sich auch nicht mehr in die Tasche lügen und zwölf Stunden arbeiten, aber nur acht davon berechnen. Die Kalkulation unserer Arbeit besteht immer aus drei Faktoren: wie lange brauchen wir dafür, wie viel kann oder will der Auftraggeber bezahlen und – vor allem – was ist es wert. Es ist dumm, eine tolle Idee für 50 Euro zu verkaufen, nur weil sie uns innerhalb von fünf Minuten unter der Dusche eingefallen ist. Je mehr Übung wir haben, desto schneller kommen wir auf die Lösung, die aber immer ihren richtigen Preis hat, der sich in ihrem Wert für den Auftraggeber darstellt. Mit der Zeit bekommt man ein Gefühl dafür, was die eigene Arbeit wert ist, wer das bezahlen will und wie man den Arbeitsablauf einigermaßen zuverlässig einschätzen kann. Leider gibt es für Erfahrung keinen Ersatz. Erfahrung vermeidet Fehler, aber ohne Fehler gibt es keine Erfahrung. 233

Im Gegenteil, manche Fehler machen wir sogar mehr als einmal, ich zumindest. Als ich nach MetaDesign im Mai 2002 wieder an die Arbeit ging, weil ich keine reichen Eltern habe und nichts auf der hohen Kante, wollten wir mit unserem United Designers Network eigentlich klein bleiben, nur leckere, überschaubare Aufträge annehmen und abends früh nach Hause gehen. Dann jedoch kam ein alter Freund ins Haus, der ein großes Projekt für Bosch mitbrachte und danach ein ehemaliger Kollege, der den Auftritt der Bahn neu haben wollte. Mit ein paar Tagen Bedenkzeit hätte ich vielleicht die beiden großen Jobs abgelehnt, aber mich überfiel die Panik, die ich seit Jahren kannte: Was, wenn dies das letzte tolle Projekt ist, das man mir anbietet? Was, wenn mich jetzt jüngere KollegInnen unterbieten? Was, wenn ich weg bin vom Fenster, wenn ich einmal zu oft nein sage? Dazu kam die Tatsache, dass wir natürlich etwas bewegen wollen. Es war schon verlockend, den Auftritt von weltweit bekannten Marken zu gestalten, zumal die Auftraggeber vom Fach waren und über ordentliche Budgets verfügten. Aber statt länger über die Konsequenzen nachzudenken, rief ich ein paar KollegInnen an und bat sie mitzumachen, denn es gab viel zu tun. Kurze Zeit später war das Büro schon wieder zu klein. Bald darauf passte der Name nicht mehr, weil wir uns als mittelgroßes Büro auch selbst als Marke verkaufen mussten anstatt als loser Zusammenschluss von ein paar netten DesignerInnen. Mit solch einem ungeordneten Haufen wollten die EinkäuferInnen in großen Unternehmen kein Geschäft machen, also musste eine juristische Körperschaft her, richtiges Projektmanagement, ordentliche Strukturen. Jahrelang haben wir dann gekämpft mit den Schmerzen des Wachstums: die Arbeit muss Geld abwerfen, aber wir dürfen keine SklavInnen der Kostenstruktur werden. Wie können erwachsene GestalterInnen miteinander arbeiten, ohne vor lauter Hierarchien den Spaß am kreativ nötigen Chaos zu verlieren? Wie können wir die MitarbeiterInnen inspirieren, wie auf der Höhe der Zeit bleiben? Wie werden Auftraggeber auf uns aufmerksam? Was können wir richtig gut und wie unterscheiden wir uns 234

Erik Spiekermann

Das Leben ist immer in Beta.

von anderen Büros? Und vor allem: wohin geht die Richtung? Wofür werden wir in Zukunft bezahlt, was müssen wir lernen? Was macht uns Spaß? Nach zehn Jahren und drei Umzügen hatten wir eine piekfeine Struktur mit klar ausgearbeiteten Verantwortlichkeiten, jede Menge Workshops, zur Seinsfindung wie auch zu praktischen Fragen, und ganz viele Meetings. Dann stellte sich heraus, dass neue agile Arbeitsmethoden die alten Strukturen in Frage stellten. Wenn man in wöchentlichen Sprints ständig mit den Auftraggebern im Dialog ist und Projekte macht, die auf der Höhe einer Zeit sein müssen, in der alles immer wieder neu definiert wird, dann muss man zugeben, dass nichts mehr länger als ein paar Tage feststeht. Kaum können wir etwas richtig gut, gehört es schon wieder zu altem Wissen. Ständig lernen wir neu und ständig müssen wir uns dafür neu aufstellen. Hierarchien alter Art und feste Jobbeschreibungen gibt es nicht mehr. Wer heute in einem Projekt eine/r von einem halben Dutzend MitarbeiterInnen ist, kann morgen ein eigenes Team führen. Jeder kann etwas besonders gut. Wir müssen miteinander herausfinden, was das ist, damit niemand überfordert ist und erst recht nicht unterfordert. Lernen müssen alle, immer. Voneinander, miteinander. Wir dürfen Chaos nicht als Bedrohung sehen, sondern als kreative Chance und Ordnung nicht als festgefügtes System, sondern als Angebot zur Übersicht. Also fangen wir wieder einmal von vorne an. Das Leben ist immer in Beta.

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Erik Spiekermann In the practice of a design studio, design and business should complement each other. But unfortunately, these two disciplines are frequently at odds. Designers would rather not hear that their output is subject to monetary constraints, that due dates depend on the client rather than on one’s momentary mood, and that the client has no desire to debate matters of taste. And businesspeople would rather not acknowledge that they can’t get ideas for nothing as part of free pitches, that designers always think a bit further than requested, and that consumers are not a priori stupid. Over the course of our lives as designers, we learn to perceive this fundamental conflict not as contradictory but as complementary. Those who decide to take the plunge and become designers need to know that they’ll always be working to order and thus obligated to honor the conventions of the business world. But they should also insist that the client’s desires be not law, but simply desires. For our job is not to do what clients want, but rather to find out what they actually need. Decades of experience in design studios—one of them with nearly 200 employees, and currently at one numbering 60 at its Berlin location alone—have taught me that it’s easier to implement this philosophy together with colleagues who’ve already arrived at it through their own long experience. So in our office, we only employ designers who know when one needs to contradict just which clients as well as when it’s time to produce results without raising objections. They haven’t gone soft with age, nor are they overly quick to compromise. But we all know that in every design studio in the world, most of the completed jobs disappear into the archives and never get submitted to competitions. It doesn’t mean that we don’t ever try to show what we can do. But it does imply that every studio has first to cover its costs, next to increase utility for its clients, and only then to push the limits of our profession—perhaps even garnering the recognition and approval of colleagues and competitors. Vanity is indeed a motive behind exploring new design frontiers, and one’s pragmatic evaluation of the possibilities inherent in a paid project shouldn’t kill one’s desire to keep doing things a bit better. But in the end, we need to remember that we’re responsible not only to ourselves, but also to our clients and to their customers and users. 236

Life is always in Beta. Erik Spiekermann

Life is always in Beta.

When I mention to younger colleagues that recent years have seen us at Edenspiekermann consistently refuse to deliver creative output free of charge, they always say: “Well, you can afford to do so.” Unfortunately, that’s not the case, because clients only rarely care that I’m known in our field—after all, they’re not from our field. What does distinguish good clients from bad ones, though, is the fact that good ones have a particular stance and appreciate it when their counterparts do as well. Those who want our most valuable asset—our creative efforts—ahead of time and free of charge view us as an expendable provider, and they will not behave as partners on an equal footing over the course of the job. Publically funded clients are the ones who most often want a pitch, since they’re obligated to solicit bids on jobs. But that still has nothing to do with demanding that work be done ahead of time and free of charge. We’re happy to provide mere estimates of costs, even if we know that different providers have widely differing approaches to itemizing, costing, and budgeting their services. So a client will always be comparing apples with oranges, never knowing exactly what he’ll get. But that’s all part of the risk of dealing with creative services. Daily rates alone say something only about what a studio thinks of itself and about its cost structure. Some manage in a day what others require three days to do, and that may result in a higher rate. In order to get invited to give a pitch in the first place, you first have to be known to somebody, somewhere. So how do you accomplish that? How do you land your first job? Where do you even start? I don’t have a silver bullet for that, unfortunately. I’ve opened and closed more design businesses than many of my colleagues, but even in recent situations, there’s been no recipe that I could’ve followed. I can’t plan, so I rely on my gut instincts. Which can be deceptive sometimes, as proven by my departure from MetaDesign after 22 years. The mood there was so bad at the end that my former colleagues (among whom none of the individuals who had co-founded it with me back in 1979 were left) took the two flat file cabinets containing all of my archived works from the pre-digital age and threw them in the trash when they moved into the new MetaHaus. I had 237

become a persona non grata because I’d underestimated the extent to which vanity and petty grudges can triumph over rationality. But I wouldn’t, in light of this experience, advise protecting oneself against such behavior with contracts; what’s better is to look closely at future partners and ask them about their motivations, their inclinations, and their plans. And when conflicts do arise, one needs to work through them openly rather than hoping that everything will be ok if they’re just ignored long enough. Founding a studio together can be compared to an intimate partnership. And in the same way that couples who get together fairly young almost inevitably develop in differing directions (since that’s just part of growing up), many business partners end up realizing after a while just how far apart ideals and reality actually are. That may just be due to how real life forces your hand—that is to say, due to those things that determine our days more strongly than we’d really like to admit. Who among us knows how to do all that boring day-to-day work like talking to clients, writing estimates, and bookkeeping straight out of school? As time goes by, it often becomes clear that one person likes writing estimates and does it better, too, while others are quicker to arrive at new ideas. But if both (or several) have set out to do great design work, then bad blood may soon arise due to the unequal distribution of responsibilities. So it certainly is useful to be clear right from the start about how there’s busywork that somebody just has to do. One needs to have a good tax preparer or financial advisor, and for bookkeeping chores, you can certainly find someone to help bring order to a designer’s chaotic life. It pays to pay for that, because we should spend our time designing —especially since the daily rates for designers, even for beginners, are higher than those of bookkeepers and cleaning personnel. Another important lesson is that proceeds do not equal profit. A simple list of monthly expenses and necessary investments can be drawn up by anyone who can read and write. And it’s pointless to begin your career with pirated software (this includes fonts), which just makes your life more difficult. At some point, you have to get professional and start figuring in realistic costs—at the very latest when it comes time 238

Life is always in Beta.

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to start paying your first employee. Because then, you can no longer kid yourself by working twelve hours while only billing eight. In our line of work, budgeting always consists of three factors: how much time it will take, how much the client can or is willing to pay, and—above all—what it’s worth. It’s stupid to sell a great idea for € 50 just because we conceived it in the space of five minutes while standing in the shower. The more experienced we are, the faster we come up with solutions—but these should always be priced appropriately, based on what they’re worth to the client. After a while, you get a feel for what your own work is worth, for who is willing to pay for it, and for how you can size up just how much and what kind of work it will take with a reasonable degree of accuracy. Unfortunately, there’s no replacement for experience. Such experience helps you avoid mistakes—but without making mistakes, you don’t gather any experience. On the contrary: we even end up making some mistakes more than once. I do, at least. After my departure from MetaDesign, I started working again in May of 2002 on account of the fact that I had neither wealthy parents nor significant savings. With our United Designers Network, we really wanted to stay small—accepting only tasty, manageable jobs and going home early. But then an old friend came to us with a large project for Bosch, and he was followed by a former colleague who wanted a new visual identity for the railway operator Deutsche Bahn. Had there been a couple days to think it over, I might have refused both of these big jobs, but I was beset by the panic that I’ve known for years now: What if this is the last great project I get offered? What if I get undercut this time by younger colleagues? And what if I fall of the map because I’ve said no too often? That was joined by the fact that we did, of course, want to make waves. It really was tempting to do brand designs for world-famous companies, especially since our contacts there were from our field and had respectable budgets at their disposal. And since there was so much to do, I called up a few colleagues and asked them to get involved rather than taking any more time to think about the consequences. 239

So it wasn’t long before our office was once again too small. And it soon came to pass that our name was likewise no longer suitable, since—as a medium-sized outfit—we also had to sell ourselves as a brand rather than as a loose collective consisting of a few nice designers. The procurers at large companies weren’t interested in doing business with such a chaotic bunch, so we had to form a legal entity, institute true project management, and set up orderly structures. And in the years that ensued, we battled growing pains and dilemmas like: work has to bring in cash, but we can’t allow ourselves to be enslaved by the cost structure. And we were faced with questions like: How can grown-up designers work together without the fun of (creatively essential) chaos getting lost amidst hierarchies? How can we inspire employees, how can we stay on the cutting edge? How do we get noticed by potential clients? What can we do really well, and what distinguishes us from other studios? And above all: Where are we going? What jobs will pay our bills in the future, and what do we have to learn? What’s fun for us? Ten years and three moves later, we had a fine-tuned structure with responsibilities clearly worked out, all kinds of workshops on everything from practical matters to developing one’s own positions, and tons of meetings. And then we realized that new, agile working methods were making our old structures seem questionable. When you’re sprinting on a weekly basis, constantly in dialog with your clients and doing projects that have to be state of the art with everything constantly defined anew, then you end up realizing that nothing stays the way it is longer than a couple of days. Hardly have we learned to do something really well than it’s already obsolete knowledge. We’re continually learning new things that require us to constantly position ourselves anew. Old-style hierarchies and permanent job descriptions no longer exist. A person who’s one of half a dozen participants in a project today might be leading his or her own team tomorrow. Everyone has something they can do particularly well, and we have to find out just what that is so that nobody gets overwhelmed or lacks a challenge. Learning has to be done by everyone, always. From one another, with one another. And we can’t allow 240

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ourselves to view chaos as a threat, but rather as a creative opportunity—with order being not a set-in-stone system, but a way of making things more manageable. So we take it once again from the top. Life is always in beta.

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kerndesign Anita Kern, kerndesign, Wien Patrick Werkner, Leiter Kunstsammlung und Archiv der Universität für angewandte Kunst Wien Projekt: Ausstellung Grafikdesign von der Wiener Moderne bis heute – Von Kolo Moser bis Stefan Sagmeister mit Katalogpublikation

„Es wird immer wieder gefragt: Kann man Grafikdesign überhaupt ausstellen? […] Hierbei denke ich einfach daran, dass wir es gemacht haben und es wunderbar funktioniert hat.“

Marc Damm (MD)

Für den Anfang würde ich vorschlagen, dass Sie beide sich und ihre Tätigkeit kurz vorstellen.

Patrick Werkner (PW) Mein Name ist Patrick Werkner, ich bin Leiter der Sammlung an der Universität für angewandte Kunst Wien. Die Aufgabe dieses Instituts ist es, die Geschichte der „Angewandten“ zu dokumentieren, zu erforschen, zu publizieren und auch weiter in der Sammlung zu betreuen. Dazu zählen Ankäufe von heutigen Absolventen und Studierenden, bestenfalls auch Schenkungen von Professoren und Professorinnen und natürlich Forschung über das, was sich in den letzten 150 Jahren in der „Angewandten“ geschichtlich getan hat. Meine zweite, gleich große Aufgabe ist der Unterricht in der Abteilung für Kunstgeschichte. Als Kunsthistoriker habe ich dort jedes Semester ein Seminar und eine Vorlesung sowie Diplomarbeiten und Dissertationen zu betreuen.

Mein Name ist Anita Kern, ich bin Grafikdesignerin und Kulturwissenschaftlerin, genauer gesagt Grafikdesign-Forscherin. In dieser Funktion, die ja sehr selten in Kombination gefragt ist, sitze ich auch hier: als Auftragnehmerin für eine Spezialaufgabe, nämlich die eben beschriebene Sammlung der Universität für angewandte Kunst auf das Vorhandensein von Grafikdesignobjekten zu untersuchen und daraus – gemeinsam mit Bernadette Reinhold – eine Ausstellung und einen Katalog zu gestalten. Im Rahmen dieses Auftrags wird auch eine Buchreihe konzipiert, in der die Sammlung der Öffentlichkeit präsentiert wird.

Anita Kern (AK)

MD

Sie beide haben sich bei diesem Auftrag kennengelernt oder kannten Sie sich bereits zuvor?

PW Wir kannten uns bereits einige Zeit vorher, ich glaube aus der Zeit deiner Dissertation bei Professor Manfred Wagner, nicht?

AK

Genau, du warst der zweite Betreuer meiner Dissertation. 246

kerndesign

PW Aus meiner Sicht war es ein glücklicher Zufall, dass ich der Zweitbetreuer war und ich dich und dein Interesse an österreichischem Grafikdesign kennengelernt habe. Ich war 2004 als neuer Leiter der Sammlung eingesetzt worden und habe eine Publikationsreihe geplant – da braucht man natürlich jemanden für die grafische Aufbereitung. Und da du gleichzeitig Absolventin der Erben-Klasse (Tino Erben, Professor der Klasse für Grafikdesign von 1988–2001, Anm. MD) bist und dich wissenschaftlich mit der Sache beschäftigt hast, war das sozusagen eine ideale Kombination, die du mitgebracht hast.

MD

Anita, wie war es für dich, in diesem Projekt sowohl als GrafikdesignForscherin als auch als Grafikerin involviert zu sein?

AK Aus meiner Sicht war diese Konstellation ebenfalls ein seltener Glücksfall, eben durch die wissenschaftliche Arbeit hier im Haus und die Grafikdesignausbildung die Möglichkeit zu erhalten, in Form eines realen Auftrags meine Forschungsarbeit nach der Dissertation weiterzuführen. Denn viele Dissertationen landen entweder in der Schublade oder verstauben in der Nationalbibliothek. Ich hatte die Chance, genau an dem Punkt meiner Dissertation weiterzumachen, als jemand, der zu diesem Zeitpunkt noch keine großen Referenzen als Wissenschaftler vorzuweisen hatte.

PW Ich stelle mir das ja nicht ganz einfach vor, beides zu vereinen, einerseits den wissenschaftlichen Zugang und andererseits die Gestaltung. Das sind ja doch zwei Rollen, oder?

AK Das ist richtig, es sind zwei verschiedene Rollen, die sich dann in der Umsetzung aber interessant amalgamieren. Man ist dann gleichzeitig Redaktion und Grafiker und es verschwimmen natürlich dadurch auch die Abgabetermine: Man schreibt bis kurz vor Druckunterlagenschluss und so weiter. Das sind Dinge, die zwar eher suboptimal sind, sich aber so ergaben und im Rückblick auch recht fruchtbar waren, da wir bis zuletzt am Inhalt feilen konnten und Dinge ergänzt haben. 247

MD

Siehst du dich in deiner Arbeit als Grafikerin in einem besonderen Vorteil, weil du sozusagen um die Wurzeln, die Geschichte, Bescheid weißt?

AK Vielleicht schon. Etwa beim Büchermachen ist die Kenntnis der Vorfahren zum Beispiel aus den 50er-Jahren, der Schweizer Typografie, anwendbar. Dieses Wissen als Fundament zu haben ist schon ein Vorteil, allerdings kann man diese Dinge auch als NichtHistoriker kennen, etwa die Rastersysteme nach Müller-Brockmann und so weiter.

MD

Ich habe versucht, jedes Gespräch zwischen Auftraggeber und Gestalter unter ein Motiv zu stellen. Hier finde ich interessant, dass neben Ihren Rollen als Gestalter und Auftraggeber Sie beide als Historiker involviert waren und sind. Dazu kam mir der Aspekt „Zeitraum“ als Motiv in den Sinn. Zeitraum im Sinne der Sammlung als Archiv von Artefakten aus verschiedenen Epochen, die Ausstellung als Zeit-Raum und nicht zuletzt Zeitraum als abstrakte Determinante in einem Auftrag. Wie viel Zeit braucht gute Gestaltung?

PW Also was meine eigene Arbeit betrifft, würde ich sagen: Ein gutes Projekt braucht idealerweise zwei bis drei Jahre Zeit, von der Konzeption über das Recherchieren bis zur Umsetzung. Das ist die Erfahrung, die ich mit zwei großen Ausstellungen hatte, zum einen mit der Kinetismus-Ausstellung im Wiener Belvedere, für die Anita auch den Katalog gestaltet hat und zum anderen mit der Kokoschka-Ausstellung, zu der auch der zweite Band der Sammlungsreihe entstanden ist. Die haben beide etwa zwei Jahre Vorbereitungszeit bis zum Moment der Eröffnung der Ausstellung und der Präsentation des Buches in Anspruch genommen. Natürlich gibt es Vorlaufzeiten – wenn man zum Beispiel mitrechnet, was bereits vorher durch die Inventarisierung von Beständen passiert ist.

MD

Was bedeutet Ihrer Meinung nach der Begriff Zeitraum in der Beziehung zwischen Auftraggeber und Gestalter?

AK

Alles! (lacht) 248

kerndesign

PW

Stress! (lacht)

AK Genauso wie Patrick sagt: Wenn die idealen Voraussetzungen vorhanden sind, also wirklich die Zeit, die man braucht, um qualitative Arbeit zu erledigen, dann ist das völlig unbelastet. Wenn allerdings die Zeit nicht da ist, merkt man, dass man Abstriche machen muss. Und bei Forschungsarbeiten beträgt die Zeit, die man braucht, noch ungefähr zehnmal länger. Wenn du sagst, optimal wären drei Jahre, also zwei Jahre Forschung und ein Jahr Produktion, dann bleiben am Schluss drei Monate für eine Katalogproduktion, in der man das Thema sinnvoll abhandeln kann. Ursprünglich hätte die Schau Grafikdesign von der Wiener Moderne bis heute ja bereits eineinhalb Jahre vorher stattfinden sollen. Wir hätten auch nicht mehr so viel Zeit gebraucht – allerdings fehlte dann ein passender Termin im Heiligenkreuzerhof (Ausstellungszentrum der Universität für angewandte Kunst, Anm. MD). So haben wir auf den nächsten freien Termin gewartet, was nochmals zusätzlich Luft gebracht hat – worüber ich froh bin, denn dadurch ist es so toll geworden.

PW Beim zweiten Projekt über Oskar Kokoschka ist es ein ähnlicher Zufall gewesen, nämlich dass sich die Möglichkeit ergeben hat, im Leopold Museum auszustellen. Hier wurde ein zuvor festgesetzter Termin nach hinten verschoben. Bei dem allerjüngsten Projekt, einem Band betreffend die Kostüm- und Modesammlung an der „Angewandten“, haben wir von Beginn an drei Jahre einkalkuliert.

AK Dieses Denken ist allerdings der Idealfall für einen Auftragnehmer auf Grafikdesign-Seite, also diese Herangehensweise, die im Haus herrscht und die du pflegst. Da wird eben nicht verlangt, dass man innerhalb vier Wochen einen Katalog macht, wie das in einigen Ausstellungshäusern der Fall ist. Da nimmt man sich sicher genug Zeit für die Forschung und das letzte Rädchen im Getriebe ist eigentlich die Druckerei; aber der Grafikdesigner ist das vorletzte, dort wird dann der ganze Druck aufgebaut.

MD

Im wahrsten Sinne!

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Genau! (lacht) Wir leiden in unserer Branche ja alle unter diesen engen Timings, wobei das in der Werbung noch viel extremer ist. Da gehört es zum Geschäft, dass dich jemand um zehn Uhr abends anruft und sagt, dass am Morgen ein Inserat geschaltet werden muss. Das geht wirklich gegen alle Regeln des menschlichen Daseins. Das war auch der Grund, warum ich mich, nachdem ich die Werbebranche kennengelernt hatte, in Richtung Grafikdesign aufgemacht habe. Es war anfangs schon eine Idealvorstellung, reich und berühmt mit der Werbung zu werden …

AK

PW Jetzt bist du eben reich und berühmt durch Grafikdesign geworden! (lacht) Aber du sprichst ein Stichwort an, das ich für wichtig erachte, weil zuvor alles eher positiv und rosig geschildert wurde: Diese Nische der „Angewandten“ unterliegt natürlich auch sehr strengen Vorgaben, gerade bei der Budgetierung. Auch mir gegenüber werden sehr konkrete Budgetvorgaben ausgesprochen. Zum Glück war Anita auch bereit, sich damit zu arrangieren, was seitens der „Angewandten“ als Budget möglich war und sie das angenommen hat, auch wenn man in der freien Wildbahn vielleicht mehr verdienen würde.

AK Da gibt es diese wunderbare Infografik des niederländischen Gestalters Hans Wolbers, die ein Dreieck zeigt mit den drei Anforderungen „gut – schnell – billig“, also das, was der Kunde vom Grafiker verlangen würde. Man kann sich aber immer nur zwei davon auswählen: Wenn das Design gut sein und es schnell gehen soll, kann es nicht billig sein. Soll es schnell gehen und billig sein, so wird es nicht gut.

MD

Wie wirkt sich Zeit also auf das Honorar aus? Sagt man dann wirklich am Schluss: Es gibt weniger, man investiert weniger?

PW

Nein, das kann man so nicht sagen. Ich bin ja nicht derjenige, der über das Budget entscheiden kann, ich muss es beim Rektor beantragen. Insgesamt muss man der „Angewandten“ zugutehalten,

250

kerndesign

dass die nötigen Mittel für Publikationen eigentlich immer da sind und unser Rektor sie auch gezielt einsetzt. Publikationen sind das Um und Auf der Öffentlichkeitsarbeit.

MD

Bezogen auf das konkrete Projekt, die Ausstellung Grafikdesign von der Wiener Moderne bis heute – Von Kolo Moser bis Stefan Sagemeister, habe ich mir die Frage gestellt, wie sich Grafikdesign im Ausstellungskontext verhält. Mutiert dabei das Gebrauchsobjekt nicht zum Schauobjekt?

PW Ich sehe nicht, warum man Grafikdesign nicht genauso wie Fotografien oder andere Medien ausstellen sollte. Schwierig wird es sicher, je weiter man in die Gegenwart kommt. Als wir die Grafikdesign-Ausstellung im Heiligenkreuzerhof gemacht haben, hatten wir ein ideales Konzept von historischen Kapiteln, die wir in eine Relation mit diesen schwierigen aber sehr schönen Räumen bringen wollten. Wir haben hierbei versucht, jeden Raum thematisch zuzuordnen und dadurch ein flexibles Konzept entwickelt. Der Steinsaal sieht anders aus als der Prälatensaal oder der kleine Raum, der zur Kapelle weist. Wir mussten jeden Raum anders annehmen, um ihn lösen zu können. Es war auch die Frage: Wie gehe ich mit dieser schwierigen Raumabfolge in einem barocken Verwaltungsgebäude um – der ehemaligen Dienstwohnung des Abtes –, um darin eine Ausstellung zeigen zu können? Also angenommen, man hätte einen White Cube gehabt – da wäre etwas völlig anderes dabei herausgekommen.

AK Es war in dem Fall eine Spezialkonstellation, diese barocken Räume mit einem so ephemeren Thema wie Gebrauchsgrafik zu füllen. Es wird immer wieder gefragt: Kann man Grafikdesign überhaupt ausstellen? Kann man ein Plakat überhaupt in einen Rahmen tun? Hierbei denke ich einfach daran, dass wir es gemacht haben und es wunderbar funktioniert hat. Es handelt sich ja nicht mehr um einen Gebrauchsgegenstand, der auf der Straße plakatiert ist, sondern um ein historisches Objekt!

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PW Ich möchte dazu noch etwas ergänzen, was ich aus einer früheren Ausstellung – sie hieß Die Sammlungen der Angewandten – Neuerwerbungen und Aktivitäten – gelernt hatte und bei der Grafikdesign-Ausstellung dann umgesetzt habe. Da haben wir sehr viel Zeit darauf verwendet, für jeden Raum und zu jedem Thema eine Texttafel zu konzipieren, auch, weil es keinen Katalog zur Ausstellung gab. Wie die Besucher reagiert haben: Die haben die Texttafel kurz angesehen, aber gelesen hat sie so gut wie gar niemand. Das war für mich eine ganz wichtige Erfahrung: Die Leute lesen nicht! Also drei Zeilen sind das Maximum. Man schaut die Objekte und Bilder an aber man liest nicht, und schon gar nicht, wenn sechs Räume aufeinander folgen, wie im Heiligenkreuzerhof.

AK Da kommt mir eine unserer wenigen Meinungsverschiedenheiten und Streitpunkte in den Sinn. Ich habe nämlich für einen Einleitungstext plädiert und du eben dagegen.

PW Ja, ich war eben noch unter diesem Eindruck der Enttäuschung und Frustration, die wir damals hatten.

AK Weil das Thema Grafikdesign noch so unbekannt und ungreifbar ist, dachte ich, dass wir einen ganz wesentlichen, wenn auch nicht langen, Einleitungstext schreiben müssen. Hier sind wir nicht übereingekommen und dann habe ich gesagt: Gut, lassen wir es bleiben. In den einzelnen Räumen hatten wir sehr kurze, kompakte Texte, die man, wie ich finde, einfach gebraucht hat. Sicher gibt es Leute, die nicht lesen. Ich zum Beispiel bin einer der Leser, weil ich wissen möchte, worum es geht, noch bevor ich die Bilder ansehe. Ich finde, es geht wahnsinnig viel verloren, wenn man darauf verzichtet.

PW Vielleicht muss man einen Trick finden, mit dem die Leute gewissermaßen zum Lesen verführt werden. Vielleicht war auch unsere Gestaltung bei unserer ersten Ausstellung zu akademisch …

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AK … oder der Text war zu schlecht gesetzt. Ich glaube, das Wichtigste ist, dass er angenehm zu lesen ist. Dafür ist fachliches, typografisches Können vonnöten. Wenn ein Text zu eng oder zu klein gesetzt ist, liest ihn kein Mensch.

MD

Also der Zeitraum fürs Lesen – um wieder einen Bogen zur Thematik zu spannen.

PW Das ist natürlich ein riesiges Thema. Es werden ja Bücher nicht mehr so gelesen, wie meine Generation es gelernt hat: vom Anfang bis zum Ende. Meine Erfahrung mit den Studenten ist es, dass diese Art, Bücher zu verwenden, mittlerweile exotisch ist. Ein Buch wird aufgeschlagen, wenn man irgendetwas sucht oder ein Zitat braucht oder auch auf irgendeine Abbildung verweisen will. Jedoch das, was ein Buch bringt, nämlich eine Synthese, die ich nur verstehe, wenn ich es von vorne bis hinten lese – das wird nicht praktiziert. Ich möchte damit nicht sagen, dass die jüngere Generation keine Synthesen vornimmt, aber sie hat andere Methoden dafür.

AK Im Konzept der ganzen Sammlungs-Buchreihe ist es so gelöst, dass man einen Band nicht von vorne bis hinten durchlesen muss, um zu verstehen, worum es geht. Dazu reicht vielleicht die Einleitung aus. Auch, wenn man in der Mitte einsteigt, bekommt man durch die Bildtexte eine vollständige Geschichte zu einem Bild.

MD

Was sind die Unterschiede zwischen Ausstellung und Buch?

PW Die drei Bücher, die Anita Kern bis jetzt für die Sammlung gemacht hat, funktionieren alle drei vollkommen selbstständig und unabhängig von Ausstellungen. Natürlich kann man die Ausstellung und das Buch gemeinsam konsumieren, aber es ist weder die Ausstellung auf das Buch hin konzipiert, noch umgekehrt. Das Buch ist eine geschlossene, komplexe Einheit für sich. 253

MD

Wenn man in der Vergangenheit wühlt, hat man dann eigentlich ein konkretes Bestreben, für zukünftige Generationen Inhalte aufzubereiten, oder zählt hierbei eher die Gegenwart?

AK Jedes Thema und jeder Band repräsentiert jeweils eine Geschichte für sich, eine Kulturgeschichte. Das sind „Gefäße“, die eigentlich einen Schatz bewahren und die man, auch wenn es merkwürdig klingt, völlig eigenständig als Lehrbuch verwenden kann. Obwohl es „nur“ um die Bestände einer Sammlung geht, ist daran die ganze Geschichte festzumachen, kann man auf einem ziemlich hohen Niveau die gesamte Grafikdesign-Geschichte nachvollziehen und ich bin mir sicher: Das wird sich bei dem Band zur Mode genauso verhalten.

PW … wobei wir damit natürlich auch so etwas wie einen Kanon erstellen – gerade weil es noch wenige Publikationen über österreichisches Grafikdesign gibt.

AK Stimmt, da gebe ich dir recht. So ein Unternehmen ist immer auch selbstreferenziell, also Geschichtsschreibung, die man sozusagen selbst unternimmt …

PW Ich würde meinen, das soll uns recht sein; aber wir sollten es auch kritisch sehen.

254

kerndesign Anita Kern, kerndesign, Vienna Patrick Werkner, head of the collection and archive at the University of Applied Arts Vienna Project: Grafikdesign von der Wiener Moderne bis heute – Von Kolo Moser bis Stefan Sagmeister [Graphic Design from Viennese Modernism to Today – From Kolo Moser to Stefan Sagmeister], exhibition and catalog publication

“But the question comes up again and again: Can graphic design be exhibited to begin with? […] I need only remember how we did just that, and it worked wonderfully.”

kerndesign

at the University of Applied Arts, described a moment ago, to find graphic design objects and, in collaboration with Bernadette Reinhold, to use these as the basis for an exhibition and a catalog. This assignment also includes conception of a book series that will eventually present the entire collection to the public.

Marc Damm (MD) To start out, I’d suggest that you both briefly introduce yourselves and what you do.

Patrick Werkner (PW)

My name is Patrick Werkner, and I’m head of the collection and archive at the University of Applied Arts Vienna. My institute’s job is to document, research, and publish on the history of the University of Applied Arts, as well as to supervise its further collecting activities. This includes purchasing works from recent graduates and current students, ideally also acquiring some gifts by professors, and of course doing research on the history that’s been made over the university’s 150 years of existence. My second and equally large responsibility is teaching at the Department of Art History. As an art historian, my job there consists of holding a seminar and a lecture every semester as well as advising students on their diploma theses and dissertations.

MD Was this job how you got to know each other, or were you already acquainted?

PW

We’d known each other for a while beforehand—I think since you did your dissertation with Prof. Manfred Wagner, right? AK

Right, and you were the second advisor on my dissertation. PW

For me, the opportunity to advise you and get to know you and your interest in Austrian graphic design was quite fortuitous. I’d joined the collection in 2004 as its new head, and was planning a series of publications for which someone, of course, would have to do the graphic design. And since you were at the same time an alumna of the Erben class [Tino Erben, professor of the graphic design class from 1988 to 2001—Ed.] —which is to say: equipped to deal

Anita Kern (AK)

My name is Anita Kern, and I’m both a graphic designer and a cultural scholar—or a graphic design researcher, to be precise. It’s in this second capacity, which is quite rarely required in combination with the first, that I’m sitting here: as the contractor for a special assignment, that of going through the collection 257

with the topic in a scholarly fashion —you brought an ideal combination to the table.

blur—which means that you’re still writing just before the deadline for the print files, and so on. Those are things that are a bit less than ideal, but that’s the way things happened. And in hindsight, it was even fairly productive, since we were able to work on fleshing out the content right down to the last minute.

MD Anita, how was it for you to be involved n this project both as a graphic design researcher and as a graphic designer?

AK

From my point of view, too, this constellation was a rare stroke of good fortune, because doing research work at the university and my previous graphic design training gave me the ability to pick up where my dissertation left off in the form of an actual job. Lots of dissertations, after all, end up either landing in a drawer somewhere or gathering dust at the national library. But I got the chance to continue along the same lines without yet having any further major references to show for myself.

MD Do you feel you’re at a special advantage in your work as a graphic designer because of your level of knowledge about graphic design’s roots, about its history?

AK

Perhaps I am. Especially when I do books, my knowledge of the processes used, say, in the 1950s, and of Swiss graphic design, and so on —all that can be applied. Having a foundation like that certainly is an advantage, though a lot of it is things you’d also know something about as a non-historian, like MüllerBrockmann’s grid systems, etc..

PW

I imagine it’s not so easy to bring together both aspects, the scholarly approach and designing the end product itself. They’re two very different roles, aren’t they?

MD I've attempted to assign each one of these conversations between client and designer a certain theme. Here, I think it’s interesting that, apart from being a client and a designer, you’ve also both been and continue to be involved in the field as historians. And that thought led me to an aspect that we might call “time-space”: in the sense of the collection’s being an archive of artifacts from various eras, or of the exhibition as a period of time in a space, and—last but not least—of a time

AK

That’s right, they are two distinct roles, but they do combine interestingly. Because then you’re the editor and graphic designer at the same time, and the due dates also tend to

258

kerndesign

But when the time just isn’t there, you realize that you have to cut corners. And for research, the time period you need to allocate is about ten times more than for the rest. So when you say that three years would be optimal, two years for research and one for writing, then what you eventually end up with is three months at the end for a catalog production in which you try to put it all together in a way that makes sense. The exhibition Grafikdesign von der Wiener Moderne bis heute had originally been intended to take place one and a half years earlier. And we really wouldn’t have needed much more time—but then we couldn’t get suitable dates at the Heiligenkreuzerhof [exhibition center of the University of Applied Arts Vienna—Ed.]. So we had to wait for the next open slot, which once again gave us additional time—which I’m happy about, because that’s why it ultimately turned out so great.

period as an abstract determinant in an assignment. How much time does good design require?

PW

As far as my own work goes, I’d say that a good project ideally requires two to three years from conception to research to execution. That was my takeaway from doing two large exhibitions: the one on Kineticism at the Vienna Belvedere, for which Anita also did the catalog, and the one on Kokoschka, which was the theme of the second volume of the book series about the collection. Each of them took two years’ preparation before the exhibition opened and the respective book was presented. And of course, there’s the time taken up by other preliminary steps—like compiling collection inventories. MD What do you think “time-space” means in the relationship between client and designer?

PW

In the second project, on Oskar Kokoschka, there was a similar coincidence: we were given the opportunity to exhibit at the Leopold Museum. And for that exhibition, we ended up having to postpone the opening a bit. So for our latest project, a volume on the university’s costume and fashion collection, we figured on three years right from the beginning.

AK

Everything! (laughing) PW

Stress! (laughing) AK

It’s just like Patrick says: If conditions are ideal, meaning you really have the time you need in order to do quality work, then it’s no problem at all. 259

AK

PW

But this kind of thinking is really the ideal case for a contractor on the graphic design side; and it’s the general approach that prevails at the university and that you, too, uphold. Nobody there asks you to put a catalog together within four weeks, like they do at some exhibiting venues. And that means you can take enough time for research, with the last cog in the machine really being the printer; though the graphic designer is still next-to-last, which is where all the pressure comes to bear.

So now you’ve become rich and famous as a graphic designer instead! (laughing) But you address something I find important, because up to now, everything’s been described in rather rosy terms—and this niche that the university occupies is also subject to a very strict framework, of course, particularly in terms of its budget. And I, too, have to work under very concrete individual budget constraints. But luckily, Anita was also willing to accept what was financially doable for the university, even if she might have earned more out there in the wild.

MD That’s too true!

AK AK

There’s this wonderful graphic image—can’t remember who created it—that reads: “fast, cheap, good!”— which is what one would ideally like to demand of a graphic designer. It has to go fast and be cheap, but good nonetheless. Which is impossible!

Right! (laughing) We all suffer under this kind of tight timing, in our industry—though in the advertising world, it’s even more extreme. It’s de rigueur there for someone to call at ten in the evening and tell you that an ad has to run tomorrow. Which really goes against all the rules of human existence. That was also the reason why, after getting to know the advertising industry a bit, I ended up deciding to go for graphic design. Early on, though, I really had nurtured this idealized vision of becoming rich and famous as an advertiser…

MD So how do time and money affect each other? Does one really say at the end: I’m getting less, so I’ll invest less time?

PW

No, I can’t say that’s the case. Because I’m not in a position to determine our budget—I have to apply

260

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to the rector for it. Generally, though, you have to give the university credit for the fact that there are always funds available for publications, and that our rector employs them in a well-targeted manner. Publications are the bread and butter of public relations work.

spaces in a baroque administrative building—the former official residence of the abbot—when exhibiting there? If we’d had a white cube, the final result would’ve been totally different. AK

Injecting such an ephemeral theme as commercial graphics into those baroque rooms was certainly a special case. But the question comes up again and again: Can graphic design be exhibited to begin with? Is it really possible to put a poster in a frame? I need only remember how we did just that, and it worked wonderfully. And at any rate, these are no longer utilitarian objects hung out on the street, but historical objects!

MD Thinking of the concrete project, the exhibition Grafikdesign von der Wiener Moderne bis heute – Von Kolo Moser bis Stefan Sagmeister: I wondered how graphic design behaves in the context of an exhibition. Doesn’t the utilitarian object mutate into a display object, there?

PW

I don’t see why one shouldn’t exhibit graphic design just like photographs or works in other media. Even if it does get more difficult the further toward the present you come. When we did the graphic design exhibition at Heiligenkreuzerhof, our ideal concept was one of historical chapters that we intended to relate to those difficult but very beautiful rooms. We’d wanted to assign each room a theme, which led to the development of a flexible concept. And the Steinsaal looks different from the Prälatensaal or from the little room that leads to the chapel. So we had to deal with each room in a different way in order to find a solution for it. But it was also the question: How do I handle this difficult sequence of

PW

I’d like to mention something here that I’d learned from an earlier exhibition—Die Sammlungen der Angewandten – Neuerwerbungen und Aktivitäten [The Art Collection at the Angewandte: New Acquisitions and Activities]—and that I then took into consideration for the graphic design presentation. Back then, we’d put a lot of time into conceiving a text panel for every room and every topic, especially because the exhibition wasn’t accompanied by a catalog. And the visitors reacted like this: they all gave the text panels a brief glance, but almost nobody read them. Which, for me, was an eye-opener:

261

people don’t read! So three lines are the maximum. Folks look at the objects and pictures, but they won’t read the texts—especially not if they have to get through six rooms, like they do at the Heiligenkreuzerhof.

AK

…or the text layout could’ve been better. I think the most important thing is for it to be pleasant to read. And for that, you need to employ expert typographic skill. If a text is too cramped or too small, nobody will read it.

AK

That reminds me of one of our few disagreements: I was for an introductory text, and you were against it.

MD So here we have the time-space for reading—to get back to our theme.

PW

Right, I was still thinking of the disappointment and frustration we’d felt before.

PW

It’s a huge theme, of course. After all, books no longer get read like my generation learned to read them, which was from beginning to end. My experience with students has shown me that this way of using books is now rather exotic. Today, you open up a book because you’re looking for something or need a quotation or want to refer to some illustration. But what a book provides, which is a synthesis that I only understand if I read it from front to back—that’s not taken advantage of. This isn't to say that the younger generation doesn’t engage in synthesis—they just do it differently.

AK

Because graphic design is still so unknown and ungraspable as an exhibition theme, I thought we should write a truly weighty—if not long— introductory text. We didn’t reach an agreement here, and I finally said: ok, let’s do without. So we ended up putting very short, compact texts in the individual rooms—texts which, I think, people really did need. Sure, there are people who don’t read. But I’m an example of a reader, because I want to know what it’s about before I look at the pictures. I think you lose an awful lot by doing without text.

AK

The entire book series on the collection is conceived so that you don’t have to read through a volume from front to back in order to get the gist of it. For that, just the introduction

PW

Maybe the thing would be to figure out a trick to somehow lure people into reading. Perhaps the design for our first exhibition was too academic… 262

kerndesign

might be enough. And if you jump right into the middle, the captions will still give you the complete story on each image.

enable you to make out the entire story—so the first one, for example, really does help you understand the whole of graphic design history on a rather high level, and I’m sure that this will also be the case with the volume on fashion.

MD What are the differences between exhibition and book?

PW

… although we’re also, of course, making something of a statement here—precisely because there are still so few publications on Austrian graphic design.

PW

The three books that Anita has done for the collection so far all function independently of one another and of the exhibitions. You can consume the exhibition and the book together, of course, but neither the exhibition nor the respective book has been conceived according to its counterpart. The books are self-contained, complex units.

AK

True, you’re right. And it’s always self-referential, which is to say that it’s historiography that you kind of take upon yourself to do... PW

I’d say that we should feel fine about that, though we should also view it critically.

MD When you go rummaging around in the past, do you feel a concrete desire to present content from there to future generations, or does the present still weigh more heavily?

AK

Every topic and every volume represents a story unto itself, a cultural history. They’re “vessels” that really do contain a treasure, and one can use each of them entirely on its own as an instructional book— strange as that may sound. Though each of them “only” deals with the holdings of “one” collection, they still

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Grafikdesign von der Wiener Moderne bis heute – von Kolo Moser bis Stefan Sagmeister Graphic Design from Viennese Modernism to Today – From Kolo Moser to Stefan Sagmeister Konzeption & Buchgestaltung /Conception & book design, 2010

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Grafikdesign von der Wiener Moderne bis heute – von Kolo Moser bis Stefan Sagmeister Graphic Design from Viennese Modernism to Today – From Kolo Moser to Stefan Sagmeister Ausstellung/Exhibition, Heiligenkreuzerhof Wien/Vienna, 2010

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Oskar Kokoschka – Ein Künstlerleben in Lichtbildern / An Artist's Life in Photographs Buchgestaltung / Book design, 2014

Sagmeister & Walsh Gespräch mit Stefan Sagmeister, Sagmeister & Walsh, New York Über die Dynamik unkonventioneller Ideen, den Wert von Leitsätzen und Herzensprojekte 

„Anfangs ist mir das noch sehr selbstbezogen vorgekommen.“

Marc Damm (MD)

Ich habe mich gefragt: Worüber kann ich mit Stefan Sagmeister in Bezug auf Grafikdesign noch sprechen, worüber er sich nicht bereits geäußert hat? Es geht mir hier eher darum, dich über deine Auftragssituationen zu befragen, die Projekte, die du verfolgst.

Stefan Sagmeister (SS)

MD

Ja, okay.

Du bist Absolvent der Hochschule für angewandte Kunst, damals noch unter Kurt Schwarz (1916–2010, österr. Grafikdesigner, von 1954–1987 Leiter der Klasse für Gebrauchs-, Illustrations- und Photographik, Anm. MD). Was hast du damals von deiner Ausbildung erwartet? Was waren die brauchbaren Erfahrungen, auf die du auch später noch aufbauen konntest?

(überlegt, bestellt einen Latte Macchiato) Was ich dort gelernt habe, kam von den anderen Studenten. Das Beste an der Klasse war der gute Ruf der Schule, der sich noch lang gehalten und der relativ gute Studenten angezogen hat. Ich und drei andere Studenten, wir sind gut miteinander ausgekommen und hatten dann durch einen Schauspieler, der einen Stand auf meine Schwester hatte, die Möglichkeit bekommen, uns beim Schauspielhaus vorzustellen, das damals hoch angesehen war. Dafür wurde noch wahnsinnig viel plakatiert und da waren immer die besten Grafiker angestellt. Dass sie das dann an vier Studenten übergeben haben, war schon etwas Besonderes und da waren wir richtig gefordert. Wir mussten alle zwei Monate ein Plakat abliefern, das dann auch wirklich in ganz Wien gehangen ist! Das hatte wiederum den Vorteil, dass wir die Professoren fordern mussten, weil wir uns bei Drucktechnik oder Typografie nicht ausgekannt haben. Da haben sich dann zum ersten Mal die Professoren als hilfreich entpuppt. Wir waren im Stress: „Das Plakat! Das Plakat! Das muss in Druck und wir haben die richtige Type nicht!“ Plötzlich hat sich herausgestellt, dass sich Schwarz da, wo es um Typografie ging, wirklich gut auskannte. Auch für die Praxis waren ohne Zweifel die Schauspielhaus-Plakate das Brauchbarste. Wegen ihnen habe ich das Fulbright-Stipendium bekommen. Was ich erst im Nachhinein erfahren habe: Die

SS

274

Sagmeister & Walsh

Fulbright-Komission, das waren alles Theatergeher! Die kannten die Plakate und konnten kaum glauben, dass das von einem Studenten gemacht wurde. Die Plakate haben mir auch erspart, jemals irgendwo Junior Designer zu sein, denn immer, wenn ich mich vorgestellt hab, waren die bereits gedruckt und die haben alle gedacht, ich wäre schon vier Jahre im Beruf. Ich hab mich nicht bemüht, diese falsche Annahme zu widerlegen! (lacht)

MD

Siehst du Grafikdesign eigentlich als Dienstleistung?

(überlegt) Der für mich vielleicht größte Vorteil am Grafikdesign ist, dass der Beruf so weit gefasst werden kann. Du kannst dich heute Grafikdesigner nennen und irgendwo bei der OMV (Österreichische Mineralölverwaltung, Anm. MD) sitzen und für eine bestimmte Abteilung eine Nebenwebsite gestalten – dann bist du ein braver Dienstleister. Du kannst aber auch Akademiker sein und dich damit beschäftigen, wie hoch die Kapitälchen bei norwegischen Typografen sind und wie sich das in den letzten zwanzig Jahren entwickelt hat. (lacht) Oder du machst freie Arbeiten, die dann komplett zweckfrei sind oder du bist jemand, der Unterhaltung macht, Musikvideos und so weiter. Es gibt so wunderbar viele Dinge, die unter den gleichen Beruf fallen! Das ermöglicht es jemandem wie mir, der das schon dreißig Jahre macht, im Beruf zu bleiben, ohne dass es langweilig wird. SS

MD

Wenn ich an dein Projekt Things I have learned in my life so far denke, da gibt es die zwei Pole: Einerseits hat es seinen Ausgangspunkt in Aufträgen, andererseits ist es verwoben mit sehr persönlichen Eindrücken aus deinen Tagebüchern. Wie kam das zustande?

SS Du, ursprünglich hab ich darüber im ersten Sabbatical nachgedacht, also im ersten kundenfreien Jahr (alle sieben Jahre

nimmt Stefan Sagmeister eine einjährige Auszeit vom Studiobetrieb, um sich eigenen, oft künstlerischen, Projekten zu widmen, Anm. MD).

275

Ganz am Anfang hab ich mir gedacht, dass ich eigentlich viel lieber Filme machen würde und mir vorgestellt, dass es aber zehn Jahre dauern wird, bis ich mir erhoffen kann, im Filmbereich etwas zu machen, das mir gefällt. Vielleicht wär es also doch gescheiter, dachte ich mir dann, bei der Sprache zu bleiben, die ich schon kenne, dem Grafikdesign. Auch wenn wir schon viele Plattencover gemacht hatten – im Prinzip hatte ich noch nichts gesagt außer Promotion und Werbung. Das war so ein wichtiger Gedanke im kundenfreien Jahr: „Schau doch einmal, ob es nicht möglich ist, etwas anderes zu sagen als diese beiden Dinge mit der Sprache, die du kennst.“ Die Idee, dass Grafikdesign eine Sprache ist, das kam von Tibor Kalman (amerikanischer Grafikdesigner ungarischer Abstammung, 1949–1999, Anm. MD). Das war so mein hero. Also eine Sprache in der Kombination von Schrift und Bild – das hab ich in diesem Jahr einfach mal im Raum stehen lassen. Als wir wieder anfingen, gab es zeitgleich zwei Kunden, die gesagt haben: „Macht irgendwas!“ Der erste hat gesagt: „Wir haben sechs Doppelseiten in einem Magazin!“, und der zweite gleich danach: „Wir haben billboards in Frankreich!“ Wir sollten irgendwas machen, egal was! Was Pornografisches hätten sie vielleicht nicht veröffentlicht, aber ich hätte wirklich ein Foto von unserem Tisch hier machen können – in Frankreich hätten sie das gedruckt! Und da bin ich gestrauchelt, weil ich nicht wusste, was ich machen sollte, weil ich machen konnte, was ich wollte. Und dann habe ich wieder über das kundenfreie Jahr nachgedacht und das Tagebuch gelesen und da habe ich diese Liste gefunden, genau unter dem Titel „Dinge die ich bisher im Leben gelernt hab“. Und da hab ich mir gedacht: Diese Sätze sind für mich wahr – denn ich versuche im Tagebuch nicht zu lügen. Dann haben wir einen von ihnen genommen, im Magazin abgebildet über sechs Doppelseiten und einen anderen auf fünf billboards. Anfangs ist mir das noch sehr selbstbezogen vorgekommen. Ich war dann wirklich überrascht, dass wir von beiden Kunden wirklich saugutes Feedback erhalten haben. Wir bekamen Briefe, in denen stand: „Kannst du mir die Drucke schicken? Ich würde mir das gern aufs Klo hängen.“ Die Arbeiten sind dann auch in der Grafikwelt sehr gut angekommen, in den Magazinen, auch in Zeitungen. Das ist so weit gegangen, dass mir, nachdem wir in Korea eine Ausstellung hatten, eine Frau eine Mail geschickt hat, ein Mönch, irgendwo in den Bergen von Korea, habe meine Sprüche zitiert! Das hatte also 276

Sagmeister & Walsh

Widerhall, ich glaube auch deshalb, weil die Sprüche in Kontexten publiziert worden sind, in denen normalerweise Werbung zu finden ist. Ich habe auch darauf geschaut, dass ja kein Logo drauf ist, weil ein Spruch auf einer Plakatwand bekommt eine ganz andere Bedeutung, sobald eine Nike-„Wurst“ darunter ist. Das wird komplett verwandelt, oder? Und so hab ich mir gedacht, dass es lässig wäre, wenn wir mehr davon machen könnten. Ich hab dann aktiv versucht, unsere bestehenden Kunden dazu zu überreden, uns die Sprüche machen zu lassen. Das hat erstaunlich gut funktioniert. Ich hätte davor ja nie die Frechheit besessen, einem Kunden mit einem Auftrag zu sagen: „Okay, die Lösung dafür ist: Wie machen einen Spruch aus meinem Tagebuch!“ (lacht) Das hat sich dann verselbstständigt und es sind Kunden wegen der Sprüche zu uns gekommen.

MD

Ich habe bei vielen deiner Projekte das Gefühl, dass du darin selbst stark als Auftraggeber involviert bist, wenn du beispielsweise mit Marian Bantjes oder Martin Woodtli zusammenarbeitest, die eigentlich auch dein Feld beackern. Wenn Marian Bantjes einen Spruch aus deinem Tagebuch mit Typografie aus Zucker gestaltet, ist das schon ein Eingriff in deine persönlichen Texte. Was bedeutet das für dich? Lässt du diesen Freiraum oder wie entscheidest du mit?

SS Ich versuche mich so zu verhalten, wie sich unsere besten Kunden verhalten haben. Zum einen eine klare, sehr kurze Vorgabe zu machen und mich dann aber rauszuhalten. Weil mein Eindruck war, dass aus diesem Kundenverhalten unsere besten Arbeiten entstanden sind. Ein idealer Kunde von uns ist beispielsweise David Byrne. Das David-Byrne-Briefing passt meistens in einen kurzen Satz, der nicht mehr als sieben oder acht Wörter hat. Dann lässt er uns in Ruhe, und dann reagiert er wieder. Und so versuch ichs auch. Darin war ich am Anfang ganz schwach und bin jetzt viel, viel besser. In der letzten Zeit habe ich zum Beispiel Musik in Auftrag gegeben …

MD

Was meinst du mit „schwach“?

277

SS

Ich habe zu wenig Parameter gesetzt. Ich glaube, es ist wichtig, dass sich ein Auftraggeber wirklich überlegt, was er will und auch recherchiert. Es gibt die Verlockung, sich nichts zu überlegen und darauf zu hoffen, dass das Richtige automatisch rauskommt. Deswegen gibt es ja auch diese unsägliche Idee des „Pitchen“. Die Qualität, die daraus hervorgeht, ist aber meistens niedriger als bei einem direkten Auftrag. Der Auftraggeber denkt sich: „Wenn ich fünf Leute frage oder zwanzig, dann kommt zufällig das Richtige, das seh ich dann schon.“ Die Realität ist aber anders. Erstens ist es wahnsinnig aufwendig, die fünf oder zwanzig zu briefen. Am Schluss ist es dann meistens so, dass keiner der Richtige ist, aber einer passt ganz gut, dem gibt mans dann. Man hat aber in der Zwischenzeit drei oder vier Aspekte gesehen, die auch ganz gut waren. Dann zwingt man den, diese Aspekte auch noch mit reinzunehmen. Der, der das dann machen muss, hat einen Anfraß, weil er die ganzen anderen Sachen reinnehmen muss und am Schluss bekommst du irgendeine Frankensteinlösung! Jetzt sind wir ein bisschen vom Thema abgekommen …

MD

Nein, das passt. Mich würde interessieren: Wenn Leute mit Projekten auf dich zukommen, glaubst du, dass sie in erster Linie die Qualität der Arbeit interessiert oder dass es „made by Sagmeister“ ist?

SS

Das gibt es beides und das bekommt man gleich am Anfang mit. Wir haben gerade eine Anfrage bekommen, wo sie gesagt haben, dass sie zwar ganz wenig Budget haben, es aber ganz gut für unseren Bekanntheitsgrad wäre. (lacht)

MD

Wodurch hält man eigentlich gegenseitige Kritikfähigkeit in der Kommunikation mit dem Kunden aufrecht? Man bekommt ja auch Kritik für das, was man liefert; es ist doch nicht nur immer alles toll. Wie sehr wächst du auch selbst noch an dem Auftrag an sich?

Wir werden von den Auftraggebern genauso kritisiert wie alle anderen. Es ist nicht so, dass alles durchgeht, nur weil ich SS

278

Sagmeister & Walsh

es sage. Wir sind da am Kämpfen, wie immer. Woran wir gerade arbeiten: das Jüdische Museum in New York. Da weiß die Direktorin, wer wir sind und hat uns den Auftrag gegeben. Aber es gibt ein ganzes board, das mitentscheiden möchte. Da hocken zwanzig Leute, alle unglaublich mächtig, Leute, die Banken leiten und so weiter. Die haben keine Ahnung, wer ich bin. Die sehen das und sagen: „Das möcht ich aber lieber so haben!“, und da kämpfst du dich durch wie alle anderen. Das Überzeugen, dass etwas in eine bestimmte Richtung gemacht werden sollte, hört nie auf. Ich oder wir haben auch nicht immer Recht! Gerade beim Jüdischen Museum gab es eine große Änderung vonseiten des Kunden, von der ich jetzt sage, dass sie gut war. Die neue Version ist eindeutig besser. Und beim gleichen Kunden gibt es Änderungen, mit denen ich nicht so glücklich bin. Wie immer müssen wir uns entscheiden: Welche Kämpfe kämpfen wir? Wichtig ist uns zum Beispiel auch, dass wir von der Person gebrieft werden, die die Entscheidung trifft. Wenn uns ein Marketingdirektor brieft, aber am Schluss entscheidet der CEO (Chief Executive Officer, das geschäftsführende Vorstandsmitglied, Anm. MD), dann nehmen wir den Job nicht an. Wenn der Entscheidungsträger nicht involviert ist, dann kann nur etwas Mittelmäßiges entstehen. Die Person, die das Projekt nur betreut, wird immer Angst haben vor dem Neuen, weil sie nicht weiß, wie der Chef reagieren wird. Man braucht einen Entscheidungsträger dabei.

MD

Du hältst dein Studio relativ klein. Wonach selektierst du die Projekte?

Du, bei uns gibt es ganz klare, einfache Regeln. Als Erstes fragen wir: Hat das Ding ein Recht, in der Welt zu sein? – egal, ob ein Projekt, ein Produkt, ein Museum, ein Service. Zweitens: Würden wir es verwenden? Sind wir dem Ding nahe? Wenn ja, macht das schon mal vieles einfacher und man muss nicht lügen. Drittens: Ist der Kunde ein Mensch, mit dem man Zeit verbringen möchte oder ist es ein Arschloch? Viertens: Gibt es einen adäquaten Zeitrahmen? Das Fünfte ist: Gibt es ein adäquates Budget? Diese fünf Dinge. Wenn alle fünf ungefähr stimmen, dann machen wir es. Wenn nicht, dann nicht! 279

MD

Wenn man auf eure Website kommt, blickt man direkt in euren Studioraum. Wie sehen alltägliche Arbeitsprozesse aus? Wie funktioniert der Austausch mit Kunden? Wie präsentiert ihr?

SS

Wir zeigen immer eine Richtung, wir zeigen nie drei oder fünf oder zehn Möglichkeiten, sondern eine. Falls die nicht passt, ist eine zweite Richtung gratis mit dabei. In den zwanzig Jahren hat es nie eine dritte gebraucht. Das hat also immer funktioniert. In den wenigen Fällen, wo es eine zweite gebraucht hat, wurde intensiv 280

Sagmeister & Walsh

und detailliert besprochen, was an der ersten alles „falsch“ war. Wir sind gut im Zuhören – so haben wir es beim zweiten Mal immer hinbekommen. Der Vorteil für den Kunden bei nur einem Vorschlag ist: Er ist zu einem Experten gegangen – das sind wir – und bekommt eine Empfehlung. Ich geh ja auch nicht zum Doktor und sag: „Mir tut am Rücken was weh“, und der Doktor sagt: „Das könnten zwanzig verschiedene Dinge sein, suchen Sie sich eins aus!“ (lacht) Intern ist es natürlich so, dass uns zwanzig Sachen einfallen, aber wenn wir die bis zur Präsentation ausführen, dann wird alles mittelmäßig. Jessy (Jessica Walsh *1986, Grafikdesignerin, Partnerin bei Sagmeister & Walsh, Anm. MD) und ich können an einem Nachmittag fünfzig Logos machen. Das ist kein Problem – sofern die alle nicht gut sein müssen. Ein einziges gutes zu machen ist dagegen schwer.

MD

Weil du es bereits angesprochen hast: Ich war etwas überrascht, als das Studio plötzlich „Sagmeister & Walsh“ hieß. Wie kam der Entschluss zur Fusion und was bedeutet es für dich, da plötzlich zwei Namen stehen zu haben?

Das war eigentlich eine relativ einfache Sache. Jessy hatte zwei Jahre bei uns gearbeitet und ich wusste, dass jemand, der wirklich gut und ambitioniert ist, in einer so kleinen Firma nicht viel länger als zwei, drei Jahre bleiben wird. Ich kann mich ja an mich selber erinnern – hätte ich auch nicht gemacht. Wenn du bei einer großen Firma bist, wirst du halt Artdirector, Creative Director oder etwas in der Art. Dann hab ich mich gefragt: Möchte ich so einen Wechsel? Als ich Jessy dann gefragt habe, hatte sie bereits daran gedacht, weiterzuziehen. Anstatt also wieder jemanden Neues zu suchen, dachte ich, ich probiere das einmal anders. Da gab es erst ein langes backward and forward, aber wir haben das dann vorerst auf drei Jahre ausgehandelt. Bisher geht das gut. Drei Jahre – das ist ja nicht auf Lebenszeit – mit dem Ziel, dass es für beide Vorteile hat. Und bisher hatte es die auch, glaube ich. Ich bin freier, kann mich auch streckenweise dem Film widmen (Stefan Sagmeister SS

arbeitet an der Dokumentation The Happy Film, in der er Techniken zur Steigerung des Glücks erforscht, Anm. MD), und für Jessy hat es bestimmt

auch Vorteile gehabt. 281

MD

Welche Haltung hat Jessica Walsh ins Studio eingebracht?

SS

Ich denke, Jessica vertritt eine ähnliche Richtung wie ich, deshalb haben wir auch so gut zusammengearbeitet. Sie ist an ähnlichen Dingen interessiert, wie … (überlegt) das Menschliche im Design, das nicht unbedingt Maschinengemachte, sowohl inhaltlich als auch formal und stilistisch. Nur ist sie eine 26-jährige Frau und da stehst du natürlich als 51-jähriger Mann irgendwo anders. Von dem her ist das zweigleisig – wir sind verschiedene Menschen aber der Zug geht in eine Richtung.

MD

Welche Erwartungen hast du an deine persönliche Zukunft?

SS

Den Film fertig zu machen! (lacht) Darüber hinaus … (überlegt) gibt es Dinge, von denen ich weiß, dass ich sie in Zukunft gerne ausprobieren möchte, nur rede ich jetzt noch nicht so gerne darüber. Nicht aus Geheimhaltungsgründen, sondern eher, weil ich an mir selbst mitbekommen habe, dass dann, wenn ich lang genug über Dinge rede, die ich noch nicht gemacht habe, ich das Bestreben verlier, sie zu machen. Weil ich sie beim Reden schon durchlebe und damit die Motivation verliere.

MD

Lieber Stefan, herzlichen Dank für das Gespräch!

282

Sagmeister & Walsh A conversation with Stefan Sagmeister, Sagmeister & Walsh, New York On the dynamics of unconventional ideas, the value of guiding principles, and labours of love

“In the beginning, I thought it was very self-centered.”

Sagmeister & Walsh

turn over such a job to four students was something really special and represented a major challenge for us. We had to deliver a new poster every two months, and those posters really did go up all over Vienna! The great thing about it was that it forced us to ask our professors for help, since we didn’t yet know much about printing techniques and typography. And that was the first time that our professors actually turned out to be helpful. We were under pressure: “The poster! It’s got to go into print, and we don’t have the right typeface!” And suddenly it turned out that Schwarz really knew his stuff when it came to typography. And the Schauspielhaus posters also ended up being the most useful things career-wise. They were what got me my Fulbright grant. Only after the fact did I learn that the folks from the Fulbright Commission were all theatergoers! They knew those posters and could hardly believe they’d been done by a student. The posters also saved me from ever having to work for someone as a junior designer, because I’d introduce myself and there they were, already printed up, and everyone thought I’d already spent four years working in the field. I made no effort to rectify that misconception! (laughs)

Marc Damm (MD) I’ve asked myself just what aspect of graphic design can I talk about with Stefan Sagmeister that he hasn’t already weighed in on at some point. But what most interests me in this case, at any rate, is to ask you about the current jobs you’re doing and projects you’re pursuing.

Stefan Sagmeister (SS)

Sure, ok. MD You’re a graduate of the Academy of Applied Arts who studied under Kurt Schwarz [1916–2010, Austrian graphic designer, head of the class for Commercial, Illustrated and Photographic Graphic Design, Ed.] What did you expect from your training back then? And what useful experiences did you gather that you were able to build upon later on?

SS

(thinks, orders latte macchiato) What I learned there came from my fellow students. The best thing about our class was the school’s good reputation, which attracted relatively good students and endured for a long time. There were three other students with whom I got along really well—and it happened that this actor who had a crush on my sister gave us the chance to introduce ourselves at the Schauspielhaus, which was a highly regarded theater at the time. Posters were still a huge thing back then, and they always hired the best graphic designers to do them. So the fact that they decided to

MD Do you view graphic design as a service?

285

break from his studio work every seven years in order to pursue (frequently artistic) projects of his own—Ed.]. At the very beginning, I thought that I’d really much rather make movies, but I figured it would take ten years before I could hope to do anything in film that I’d actually be happy with. So perhaps it would be smarter after all, I thought then, to stick with the language I already knew: graphic design. Even if we had already done lots of record jackets, I really hadn’t yet made a statement outside of promotion and advertising. It was such an important thought, during that client-free year: “Try and see if it wouldn’t be possible to make a statement on something other than the two things in the language that you know.” The idea that graphic design is a language came from Tibor Kalman [1949–1999, Hungarian-born American graphic designer—Ed.] He was something like my hero. He held that it’s a language formed by the combination of lettering and pictures—and that was an idea that I kind of left hanging in the air that year. When we went back to work, we had two clients who came to us at the same time and basically asked us to go and do whatever. The first one said: “We’ve got six magazine spreads,” and the second one said right afterward: “We’ve got billboards in France!” And we were supposed to just do something, it didn’t matter what! Now maybe they

SS

(thinking for a moment) Perhaps the greatest thing about graphic design for me is just how broadly the profession can be defined. These days, you can call yourself a graphic designer and be sitting in some office at the OMV [Austria’s former national oil company—Ed.], creating a sub-site for a certain department—that’s being a textbook service provider. But you can also be an academic and investigate how tall the small caps are in the Norwegian typesetting tradition and how that has developed over the past twenty years. (laughing) Or you do projects of your own that serve no practical end, or you do entertainment, like music videos and so on. There’s such a wonderful variety of stuff to be found in one and the same profession! And that enables someone like me, who’s already been at it for thirty years, to keep on working without getting bored. MD When I think of your project Things I have learned in my life so far, I see two poles: it’s rooted in jobs done for customers, but it’s also interwoven with deeply personal impressions from your diaries. How did that come about?

SS

Well, you know, I’d originally spent some time thinking during a sabbatical—it was my first year with no clients [Sagmeister takes a one-year

286

Sagmeister & Walsh

add a Nike “swoosh” or whatever, a saying on a billboard takes on a completely different meaning. Completely transformed, you know? Anyway, that got me to thinking that it would be cool to do more of those statements. So I then tried to actively persuade our existing clients to let us. And it worked astoundingly well. Before, I’d never been brash enough to tell a client who’d come to me with a job: “Ok, the solution is: we’ll do a statement from my diary!” (laughing) And afterwards, the whole thing ended up taking on a life of its own, and we actually had new clients coming to us because of precisely that.

wouldn’t have published something pornographic, but I really could’ve just taken a picture of our table here—in France, they would’ve printed that! So anyway, I was kind of grasping at straws, not knowing what to do because I could do whatever I wanted. And then I thought back to that sabbatical and read my diary, and I found this list beneath the heading “Things I have learned in my life so far.” And I thought to myself: these sentences are true for me— after all, I try not to lie in my diary. So we took one of them and had it printed in the magazine to cover six double pages, and we did another one divided among five billboards. In the beginning, I thought it was very self-centered. And I was truly surprised when both clients’ feedback was really great. We got letters that read: “Can you send me the prints? I’d like to hang them up in my bathroom.” And the works also drew a great response from the graphic design world, from magazines, from newspapers; it even went so far that a woman wrote me a letter following an exhibition we’d had in Korea to tell me that some monk out in the mountains there had quoted my statements! So that generated an echo, and I think one of the reasons was that the statements were published in a context that’s normally reserved for advertising. And I’d seen to it that there was no logo anywhere, because the moment you

MD With a number of your projects, I have the feeling that you’re strongly involved as a client in your own right, like when you work together with people such as Marian Bantjes and Martin Woodtli, who really do occupy the same space as you do. When Marian Bantjes designs a statement from your diary with lettering made of sugar, it’s already an intervention in your personal texts. What does that mean to you? Do you allow them this kind of freedom, or how do you participate in the decision-making?

SS

I try to behave like our best clients do. That means stating clear and very concise requirements, for one thing, and then being very hands-off. It’s been my impression that we’ve done our best work in response to that kind of client behavior. One ideal client

287

of ours is David Byrne. The typical David Byrne briefing fits within one short sentence of no more than seven or eight words. After which he leaves us alone, and later on he’ll react to what we end up doing. So that’s how I try to be, too. I was pretty bad at it in the beginning, but I do much, much better now. And recently, I’ve even commissioned music…

So you force your chosen one to integrate those aspects, as well. Which leaves your designer frustrated, being forced to integrate totally different things, and the final outcome turns out to be some Frankenstein’s monster of a solution. But we’ve gotten away from your topic… MD That’s totally okay. I’d be interested to know: When people come to you with projects, do you think they’re mainly interested in the quality of your work, or do they want the cachet of “made by Sagmeister?”

MD What do you mean by “bad?”

SS

I was setting too few parameters. I think it’s important for clients to really think about and research just what they want. There’s a certain temptation to think about nothing and hope that the result will automatically turn out right. That’s why we’ve got this obscene concept of pitching. The quality it results in is usually lower than that of directly commissioned work. Clients think to themselves: “If I ask five people or even twenty, the right thing will just come along by chance—I’ll know it when I see it.” But in reality, it’s different. First of all, briefing those five-to-twenty people takes a lot of time and effort. And then it usually ends up being the case that none of them is the right one, but one is kind-of-suitable, so that’s who it ends up being. But by then, you’ve seen three or four other aspects that also would’ve worked.

SS Either can be the case, and you do catch on to things like that right away. We just got an inquiry, in fact, where they said they had a very low budget, but that it would be good for our own name recognition. (laughs) MD When you communicate with clients, how do you ensure that it stays possible for each side to be frank with the other? After all, they might want to criticize what you deliver; it’s not always the case that everything’s just great. And to what extent do you grow personally through the job?

SS

We get criticized by our clients just like everyone else does. It’s just not so that everything gets approved because it comes from me. It’s a battle we always have to fight. Like

288

Sagmeister & Walsh

in our current project, for the Jewish Museum in New York. The director there knows who we are, and she gave us the job. But there’s a whole board there that wants to decide things along with her. That board includes twenty people, all of them unbelievably powerful—bank heads and such. And they have no idea who I am. So they see us and say: “But I’d rather have it this way!”—and then you have to fight your way through it just like everyone else. Convincing people that something has to be done in a certain way is a battle that never ends. And I’m not—we’re not— always right! At the Jewish Museum, specifically, the client requested a huge change that I now do think was good. The new version is definitely better. But the same client also wants changes that I’m not so happy with. So as always, we have to pick our battles. Another thing that’s important to us is that we be briefed by the person who makes the decisions. If it’s a marketing director who briefs us, but it’s the CEO who makes the final decision, then we don’t take on the job. Because when the decisionmaker isn’t involved, the result can only turn out so-so. Someone who merely supervises the project will be afraid of anything new because they don’t know how their boss will react. So you need to have a decision-maker on board.

MD You’ve kept your studio relatively small. How do you select your projects?

SS

Hey, our rules are totally clear and simple. The first thing we ask is: Does the thing it's about have a right to exist on this Earth?—no matter whether it’s a project, a product, a museum, or a service. Second: Would we use it? Are we close to this thing? If so, it makes things a lot easier, and there’s no need to lie. Third: Is the client a person we want to spend time with, or is he or she an asshole? Fourth: Is the timeframe adequate? And fifth: Is the budget sufficient? It’s these five things. And if all five of them more or less work, then we do it. If not, then we don’t! MD Visitors who arrive at your website see a view of your studio. But how does your everyday work shape up? How does the exchange with clients work? And how do you present things?

SS

We only ever present one basic thrust—never three options, or five, or ten, just one. If it’s not suitable, we’ll figure out a second option at no extra charge. And in the twenty years we’ve been doing this, there’s never been a need for a third option. So that’s always worked. In the

289

few cases where people asked for a second option, we had detailed, intense discussions about just what was “wrong” with the first one. And being good listeners, we’ve always gotten it right the second time. With a single proposal, the client has this advantage: he or she’s going to an expert—that’s us—and getting a recommendation. After all, I don't go to the doctor and say: “I have back pain,” to which he replies: “Could be 20 different things—choose one!” (laughs) We absolutely do think of 20 different things at the studio, of course, but working up all of them for presentation would make for pretty mediocre results. Jessy [Jessica Walsh, *1986, graphic designer, partner at Sagmeister & Walsh—Ed.] and I can do fifty logos in a single afternoon. That’s no problem—unless they all need to be good. Doing a single good one, on the other hand, that’s tough.

for much longer. I can remember how it was for me—I wouldn’t have, either. If you’re with a large outfit, on the other hand, you can become art director, creative director, something like that. And with this in mind, I asked myself: Do I want that kind of change? And when I went and asked Jessy, she said she actually had begun thinking about moving on. So instead of looking for someone new all over again, I thought I’d try something different. And after a long back and forth, we eventually settled on a three-year deal. And it’s gone well so far. Three years—which isn’t a lifetime, after all—with the idea that it should do both of us good. And so far it has, I think. I’m freer, I can spend time now and again working on my film [Sagmeister is working on a documentary, entitled The Happy Film, which explores techniques that enable people to be happier—Ed.], and it’s certainly been advantageous for Jessy, as well.

MD Because you mentioned it: I was surprised when the studio got renamed “Sagmeister & Walsh.” How did that decision come about, and what does it mean for you to suddenly be working under two names?

MD What kind of attitude did Jessica Walsh bring with her to the studio?

SS

I think Jessica’s orientation is similar to my own, which is why we’ve worked together so well. She’s interested in some of the same things I am, like … (thinking) the human aspect of design, things not neces-

SS

That was really pretty simple. Jessy had been working with us for two years, and I knew that someone who’s really good and ambitious doesn’t stay with such a small firm 290

Sagmeister & Walsh

sarily machine-made—substantively, formally, and stylistically. Now she’s a 26-year-old woman, and if you’re a 51-year-old man, you’re in a somewhat different place, of course. So it’s kind of like two parallel lanes—we’re different people, but we’re moving in the same direction. MD What expectations do you have for your personal future?

SS

To finish the movie! (laughing) Beyond that … (thinking) there are things that I know I’d like to try out in the future, but I’m not so fond of taking about those. Not because they’re secret, but because I know that if I talk too long about things I haven’t yet done, I lose the urge to do them. Because then, I’ve already experienced them somehow by talking about them, and that kills my motivation. MD Stefan, my sincerest thanks for this conversation!

291

The Jewish Museum, New York Erscheinungsbild / Visual identity

Sagmeister & Walsh

293

Talking Heads: Once in a Lifetime CD Packaging, 2003 Illustration: Vladimir Dubossarsky, Alexander Vinogradov

David Byrne: Feelings CD Packaging, 1997

Things I have learned in my life so far 15 Einzelbüchlein im Schuber/15 booklets in a slipcase, 2008

Sagmeister & Walsh

297

Having guts always works out for me Gestaltung von sechs Doppelseiten für das österreichische Magazin .copy. Six newly commissioned double-page spreads for the Austrian Magazine .copy.

Sagmeister & Walsh

300

studio VIE Christian Schlager, Anouk Rehorek, studio VIE, Wien Marlene Agreiter, Camille Boyer, AFA – Austrian Fashion Association, Wien Projekt: Gestaltung des visuellen Erscheinungsbildes von AFA – Austrian Fashion Association

„Unser Ansatz geht davon aus, dass jedes Unternehmen Ecken und Kanten hat, Reibungsflächen. Unserer Meinung nach muss eine Corporate Identity diese Aspekte wiederspiegeln.“

Marc Damm (MD)

Vier Personen gemeinsam an einen Tisch zu bekommen ist nicht ganz einfach – umso mehr freue ich mich, dass ihr Zeit gefunden habt. Zu Beginn würde ich darum bitten, dass ihr euch und eure Tätigkeiten kurz vorstellt.

Marlene Agreiter (MA) Austrian Fashion Association – AFA – ist ein Verein, der sich die Förderung österreichischen Modedesigns zur Aufgabe gemacht hat. Wir haben uns 2013 mit dem klaren Auftrag gegründet, Unit F (Unit F büro für mode, Förderplattform für zeitgenössisches österreichisches Modedesign, Anm. MD) als Nachfolger für die Modeförderung in Österreich abzulösen. Camille Boyer und ich arbeiten allerdings schon längere Zeit in freien Projekten zusammen, sind nun aber mit Austrian Fashion Association vom Status der Projektarbeit in den eines jahressubventionierten Vereins übergegangen. Als AFA bemühen wir uns, österreichische Modedesigner durch eine breite Palette an Unterstützungsmaßnahmen, finanziellen Direktförderungen aber auch durch den Aufbau nachhaltiger Strukturen zu unterstützen und für einen internationalen Markteintritt vorzubereiten.

Christian Schlager (CS) studio VIE ist eine Agentur für Branding und Design, die von Anouk Rehorek, Eva Oberdorfer und mir gegründet wurde. Der Untertitel Branding and Design by Instinct beschreibt dabei unseren Zugang. Unserer Ansicht nach ist Gestaltung nicht nur auf logisch-rationalen Prozessen begründet, sondern hat als wesentliche Spielgefährten die Intuition und die Emotion. So verknüpfen wir spontane, assoziative Ideen mit Wissen und Erfahrung, sodass in einem offenen Dialog mit dem Kunden authentische – das denke ich zumindest – Designkonzepte entstehen. Unser Tätigkeitsfeld beinhaltet zurzeit verstärkt Editorial Design, insgesamt aber sämtliche Gebiete des Grafikdesign, also die klassischen Disziplinen Branding und Plakatgestaltung, Webdesign und das Agieren im Raum – etwa mit Ausstellungsgestaltungen und dem Entwickeln von Leitsystemen. Ein wichtiger Aspekt unseres Arbeitens ist, dass wir unser Kernteam relativ klein halten und bei Bedarf durch externe Spezialisten aus einem großen Netzwerk ergänzen.

302

studio VIE

MD

Wie kam denn die Auftragssituation zwischen studio VIE und AFA zustande? Wie habt ihr euch kennengelernt?

MA

Unser Vorgänger Unit F hat einen sehr starken visuellen Auftritt vorgelegt, dem wir etwas entgegenhalten wollten und so begann die Suche nach einem geeigneten Kooperationspartner. Als Nachwuchsförderer war es uns wichtig, mit einem jungen Büro zusammenzuarbeiten …

Camille Boyer (CB)

… nicht zuletzt, weil das Projekt eine interessante und spannende Position im eigenen Portfolio darstellen kann. MA

Wir hatten uns unter anderem bei der Universität für angewandte Kunst über mögliche Kooperationspartner erkundigt. Dort sind wir über Empfehlung auf Arbeiten von Christian Schlager gestoßen, der dort erst vor Kurzem sein Grafikdesignstudium abgeschlossen hat. Über ihn sind wir dann auf studio VIE aufmerksam geworden und fanden, dass ihr Zugang zu Design und Branding gut zu uns passen könnte. Zu diesem Zeitpunkt haben wir unterschiedliche Angebote eingeholt. Da uns nur ein knappes Budget zur Verfügung stand, sind diesem Schritt lange Verhandlungen gefolgt. Auch mit studio VIE fand ein längeres Gespräch statt, in dem ein Kompromiss gefunden wurde, der für beide Seiten annehmbar war. 303

Anouk Rehorek (AR)

Da uns das Projekt von Anfang an interessiert hat, waren wir zu diesem Entgegenkommen gerne bereit. In anderen Konstellationen haben wir schon für Unit F bei einigen Projekten mitgearbeitet und natürlich gespannt verfolgt, wer die österreichische Modeförderung übernehmen wird. Als uns dann die Ausschreibung über die Gestaltung eines visuellen Erscheinungsbildes erreicht hat, wussten wir, dass wir diesen Job haben wollen und als wir uns dann an einen Tisch gesetzt haben, war schnell klar, dass das Interesse auf Gegenseitigkeit beruht. Da konnte auch das Finanzielle schnell geklärt werden.

MD (zu MA und CB)

MA

Wie ist das Projekt gestartet?

Wir hatten ein sehr umfangreiches Briefing formuliert.

CS

Darin war unter anderem die Entwicklung des Logos sowie der gängigen Corporate-Identity-Drucksorten – wie Visitenkarten etc. – und der Website enthalten. Das Briefing war gut formuliert und es war klar ersichtlich, worum es ging. AR

Nach unserem Gespräch war dann auch schnell entschieden, dass ihr eine Corporate Identity braucht, mit der ihr selbst gut arbeiten könnt. Sprich, es brauchte ein System mit Elementen, die von euch eingesetzt werden können, ohne dass wir als Grafikagentur ständig hinzugezogen werden müssen. MA

Ja, bei uns werden jede Woche Konzepte versendet, die natürlich der neuen Corporate Identity entsprechen sollen. Durch Guidelines sollten wir die Möglichkeit bekommen, solche Dinge unabhängig durchführen zu können, im Sinne eines effizienten Arbeitsflusses. CB

Als wir den Auftrag vergeben haben, waren wir selbst noch in der Strukturierungsphase für die Austrian Fashion Association. 304

studio VIE

Die Erarbeitung der Struktur fiel mit dem grafischen Prozess von studio VIE zusammen. Deshalb war es auch wichtig, studio VIE bereits in der Anfangsphase zu involvieren. In den Gesprächen sind Fragen aufgetaucht, die für die Entwicklung von AFA wichtig waren: Wer sind wir jetzt eigentlich? Wie positionieren wir uns? Was wollen wir ausstrahlen? Wodurch unterscheiden wir uns von anderen Institutionen? … MA

CB

… Wie kann das Institutionelle betont werden? …

MA

… ohne jedoch bieder zu wirken! Es ist ein merkwürdiges Gefühl, etwas aufzubauen, von dem man noch nicht weiß, wie es aussehen soll. Und plötzlich hat man jemanden gefunden, der dem Ganzen ein Gesicht verleiht. (lacht) Wenn ich an den ersten Präsentationstermin denke, das war schon sehr aufregend. Man hat das Gefühl, einen wichtigen Schritt zu setzen – der erste Entwurf! Plötzlich wird alles klarer und greifbarer.

MD (zu AR und CS)

Was waren eure Erwartungen zu Beginn des Auftrags?

CS

Wir hatten natürlich große Erwartungen an das Projekt, auch an unsere Arbeit. Der Modebereich hat für jeden von uns schon seit Jahren eine wichtige Bedeutung. In ihm treffen auf relativ kleinem Raum extrem kreative Köpfe verschiedener Disziplinen aufeinander – Modeschaffende, Fotografen, Stylisten und Redakteure. Zweifellos ist das ein Traumkunde für uns!

MD

Wie sah eure Herangehensweise aus?

305

CS

Zu Beginn eines Projektes arbeitet meist jedes Teammitglied für sich, um möglichst unvoreingenommen verschiedene Ideen auf den Tisch zu bekommen. In einer Besprechung wird dann eruiert, ob und welche Ideen miteinander fusionieren – ohne das große Ganze aus den Augen zu verlieren. Bei diesem Projekt war es spannend zu sehen, dass unsere individuellen Entwürfe extrem ähnlich waren. Wir hatten sogar die selbe Schrift – die Relative von Stephen Gill für Colophon Foundry – verwendet! (lacht) Das hat uns dann bestätigt. Wenn mehrere Designer in dieselbe Richtung denken, kann das nicht ganz falsch sein.

AR

Wir müssen spüren, ob etwas stimmig ist. Das ist ein wichtiger Aspekt unserer Arbeitsweise. Bis jetzt hat das auch immer gut funktioniert. Wichtig ist aber auch, dass der Kunde sich in der Kommunikation mit uns nicht zurückhält, dass auch ihr bewusst Dinge auf den Tisch bringen könnt, die für euch noch nicht stimmig sind, um nochmals gemeinsam zu reflektieren. Denn bleibt es lediglich beim Bauchgefühl, ist nicht garantiert, dass mit dem Corporate Design wirklich gearbeitet werden kann. Für uns ist es essenziell, dass sich die Kunden wirklich damit auseinandersetzen und wir erfahren, wie ihre Arbeitsweise aussieht, in welcher Form Dinge benötigt werden und wie sie in der Anwendung funktionieren müssen. 306

studio VIE

CB

Dieser Austausch in der Gestaltungsphase war für uns sehr wichtig, um sicher zu gehen, dass das Design auch funktional ist. Gerade in Bezug auf das Logo gab es längere Gespräche. Die horizontalen Linien, die vertikalen Linien und der Kreis haben visuell zwar überzeugt, mussten aber auch inhaltlich interpretiert und verstanden werden. MA

Genau. Die Logik des Corporate Designs war für uns von Anfang an eingängig, lediglich beim Logo gab es Unsicherheiten. Vom ersten Entwurf über die Adaptionen bis zum Feinschliff war das ein intensiver Prozess mit gemeinsamen Treffen und drei Präsentationsterminen. Letztendlich haben wir gemeinsam entschieden, dass wir den anfänglichen Ansatz, bei dem der Kreis jeweils einen anderen Bereich hervorhebt und markiert, nicht weiterverfolgen werden, den Kreis als Element aber beibehalten … AR

CS

... dem die Funktion des Filterns, Hervorhebens und Auszeichnens geblieben ist. Dass das eingekreiste „A“ eine Referenz zu den internationalen Länderkennzeichen darstellt, ist ein treffender Nebeneffekt. Aber generell war es so, dass viele Feinheiten im gemeinsamen Prozess entstanden sind. Im Grunde haben wir nicht für euch, sondern mit euch gearbeitet. MA

Für mich war das auch eine neue Erfahrung der Zusammenarbeit. studio VIE hat einen Entwurf präsentiert, auf dem wir gemeinsam aufbauen konnten. Bisher war ich es gewohnt, mehrere Entwürfe präsentiert zu bekommen und in den Entscheidungsprozess einzubeziehen. Gleichzeitig hinterlässt das aber oft den Eindruck der Beliebigkeit – und zum Schluss weiß man nicht mehr genau, welche Kriterien zur Designentwicklung geführt haben.

CB

In unserer Ausschreibung haben wir angeführt, dass mehrere Entwürfe gezeigt werden sollen. Hier hat Studio VIE uns beeindruckt, indem sie uns entgegneten, dass sie nur einen Entwurf zeigen werden, 307

von dem sie aber überzeugt sind, dass er den richtigen Lösungsansatz beinhaltet. AR

Im Endeffekt erzählt eine Corporate Identity die Geschichte einer Firma, die auch intuitiv verstanden werden muss. Es kann dazu nicht fünf verschiedene Erzählungen geben.

MD

An dieser Stelle würde ich gerne mein Gesprächsmotiv einbringen: „Stil“. Der Begriff lässt hier interessante Deutungsmöglichkeiten zu. Einerseits bezogen auf den Bereich Mode, in dem Marlene und Camille tätig sind, andererseits auch auf den Bereich Branding und visuelle Identität, dem Ausgangspunkt unseres Gesprächs. Seht ihr eine Verknüpfung zwischen Stil und visueller Identität?

CB

Ich denke dabei zum Beispiel an den Aspekt Farbe. Im Konzept von studio VIE war Farbe kein Hauptelement, sondern eine Sache, die wandelbar sein konnte, ein bisschen so wie in der Mode: Nur weil jemand eine gewisse Handschrift aufweist, heißt das deshalb nicht, dass jede Kollektion ident aussehen muss. Anderen Aspekten wie dem Raster, den Linien, den Feldern und der Typografie hat studio VIE eine höhere Priorität eingeräumt. CS

Ich persönlich halte den Aspekt Farbe, wenn es um Branding geht, für ein sehr heikles Thema. Oft hört man, wie Argumentationen über die Bedeutung von Farben in einen konfusen, sehr pathetischen Diskurs ausarten: dass beispielsweise die Farbe Grün neben der Hoffnung auch das Durchsetzungsvermögen, die Frische und die Beharrlichkeit, aber gleichzeitig auch die Entspanntheit der jeweiligen Firma oder Marke symbolisiere und so weiter. Die jetzigen AFAFarben haben wir schlussendlich durch das Resultat einer GoogleImages-Suche abgeleitet, für die wir die Suchergebnisse der drei Begriffe „Austria“, „Fashion“ und „Association“ ausgewertet haben. Beim „Stil“ muss ich an meine Studienzeit denken, in der ich es als zwiespältig empfunden habe, wenn man meine Arbeiten als „typisch Schlager“ deklarierte. Einerseits war es positiv – ich hatte anscheinend schon einen Stil entwickelt –, andererseits schwang 308

studio VIE

in der Formulierung auch eine gewisse Beliebigkeit mit, als würde sozusagen alles gleich aussehen. Das ist vermutlich der Aspekt, der mich an der Stilfrage stört. (überlegt) „Stil“ und „Style“ – gibt es da einen Unterschied? „Stil“ würde ich eher auf Haltung beziehen, etwas Tiefergehendes, vermutlich auch Intellektuelleres, während „Style“ vielleicht eher eine Art Hülle beschreibt, also oberflächlich bleibt. MA

Als Auftraggeber war uns klar, dass es verschiedene ästhetische Ansätze beziehungsweise Styles gibt. In der Modewelt herrscht ein gewisser Style vor. Das erkennt man bereits, wenn man sich heute fünf Modemagazine ansieht. Diesen gängigen Style wollten wir aber nicht aufgreifen und auch nicht an Gestaltungselemente andocken. Bei dem Entwurf von studio VIE hatte ich nicht den Eindruck eines Zeitstempels. Ich hatte das Gefühl, dass er eigenständig war.

MD (zu MA und CB)

Wie, denkt ihr, nimmt Stil auf den Inhalt einer Sache Bezug? – weil zuvor der Begriff „Stil“ eher der Haltung und „Style“ eher der Hülle zugeordnet wurde. Bewertet man nach der Oberfläche oder versucht man infolgedessen auch, den Inhalt zu verstehen?

MA

Wir haben uns etwa zwanzig Portfolios angesehen und dabei ist uns aufgefallen, wie klar sich manche Stile beurteilen lassen. Unsere Urteile fundierten auf einer Stildebatte. Und entweder passt es oder eben nicht. CB

Als wir die Website von studio VIE besucht haben, ist uns dieses humorvolle Moment aufgefallen – was uns sehr gut gefallen hat! –, das nicht den Anschein erweckte, superschick und superseriös zu sein. MA

Nämlich dieser hintergründige, skurrile und dennoch charmante Wiener Humor, der auch immer eine Prise Kritik und Ironie in sich trägt. Wenn ich auf die österreichische Modeszene blicke, erkenne ich, dass dort immer jene Positionen erfolgreich 309

wurden, die diese Eigenart reflektiert haben, Fragen aufgeworfen und einen Spiegel vorgehalten haben. Im Ansatz von studio VIE haben wir das auch erkannt. Dieser Twist, den das Ergebnis dadurch erhalten hat, wäre mit einem Designer aus New York vermutlich nicht zustande gekommen. Das ist auch ganz wichtig bei unserer Arbeit. Oft ist ja das Gefällige vorherrschend, ein kritischer Blick ist nur selten spürbar. Es gibt Designs, die sich an jedermann richten wollen, die sauber und gut gemacht sind, aber weder Ecken noch Kanten aufweisen. Unser Ansatz geht davon aus, dass jedes Unternehmen Ecken und Kanten hat, Reibungsflächen. Unserer Meinung nach muss eine Corporate Identity diese Aspekte wiederspiegeln. AR

MD (zu AR und CS)

Habt ihr einen persönlichen Stil?

CS

Ich glaube schon, dass man bei uns von einem Stil sprechen kann, auch wenn dieser nicht bewusst von uns forciert wird. Wichtig ist, dass ein Stil authentisch ist und bleibt. In der Mode wie im Grafikdesign werden Stile aber tausendfach in unterschiedlicher Qualität kopiert.

MD (zu MA und CB)

Dies ist das erste Gespräch, in dem zwei Projektpartner beziehungsweise Auftraggeber mit Gestaltern sprechen. Dabei kam mir der Begriff „Führungsstil“ in den Sinn, weil ihr beide ja auch die Austrian Fashion Association als Team leitet. Wie finden beispielsweise Entscheidungsprozesse statt?

MA

Camille und ich sind zwei gleichberechtigte Entscheidungsträger. Einen Führungsstil in dem Sinne gibt es deshalb nicht. Das hat manchmal zur Folge, dass diverse Prozesse vielleicht nicht mit derselben Effizienz abgewickelt werden können, als wenn ein hierarchisches Moment vorherrschen würde. Wir haben zwei verschiedene Meinungen, die aber oftmals gar nicht so verschieden 310

studio VIE

sind. Auch in der Zusammenarbeit mit studio VIE sind Camilles und meine Ansichten teilweise auseinandergegangen, was es manchmal schwer machte, als ein Auftraggeber aufzutreten. Grundsätzlich geht es bei uns aber weder um eine Führungsebene noch um Führungsstil. CB

Für jene Personen, die uns als AFA aufsuchen, sehen wir uns als Begleiter, als Unterstützer und Berater. Wir sitzen nicht in der Ecke und befehlen uns gegenseitig oder anderen, was getan werden soll. Wir sind in einem permanenten, offenen und aktiven Diskussionsmodus. Das ist unser Stil, würde ich sagen. MA

Wir sehen uns nicht primär als Kuratoren. Auch, wenn wir eine gewisse Linie vertreten, heißt das nicht, dass wir entscheiden, was zurzeit in der österreichischen Mode in Mode ist. Das entscheiden Jurys, Konsumenten, Journalisten. Von unserem Selbstverständnis her sind wir mehr auf der Serviceseite.

MD (zu AR und CS)

Bei studio VIE sind drei Personen im Kernteam involviert. Ich stelle mir vor, dass das manchmal nicht so einfach ist …

CS

Auch bei unserer Art der Zusammenarbeit ist es schwierig, von Führungsstil zu sprechen. Im Endeffekt bleibt jeder unserer Persönlichkeiten der Freiraum, unsere Projekte individuell angepasst durchzuführen. Ich finde da den Begriff „Schwimmstil“ treffender. Alle haben ihren eigenen Schwimmstil, mit dem sie ans Ziel kommen; ob nun beim Kraulen, Brust- oder Schmetterlingsschwimmen. Dabei ergänzen sich unsere Schwimmstile sehr gut und zusammen – in der Staffel – sind wir dann durchaus noch besser und schneller.

311

studio VIE Christian Schlager, Anouk Rehorek, studio VIE, Vienna Marlene Agreiter, Camille Boyer, AFA – Austrian Fashion Association, Vienna Project: Creation of a visual identity for the AFA – Austrian Fashion Association

“Our approach, on the other hand, assumes that every company has salient features and some rough edges—which, we think, corporate identity should reflect.”

studio VIE

emotion as its principal playmates. So we link spontaneous, associative ideas with knowledge and experience in order to arrive at what are (to my mind, at least) authentic design concepts, in an open dialog with the customer. Though editorial design tends to dominate our current activities, we do work in all areas of graphic design—i.e., the classic disciplines of branding and poster design, Web design, and space-related things like exhibition design and the development of guidance systems. An important aspect of the way we work is that we keep our core team relatively small and, when needed, involve external specialists chosen from a large network.

Marc Damm (MD) Getting four people together at the same table isn’t easy, so I’m really glad you could find the time. To begin, I’d like to ask you to introduce yourselves and what you do.

Marlene Agreiter (MA)

The Austrian Fashion Association – AFA is an organization that aims to advance Austrian fashion design. We founded it in 2013 with the clear mission of succeeding Unit F [Unit F büro für mode; a platform for the promotion of contemporary Austrian fashion design—Ed.] in its function as a supporter of the local fashion industry. Prior to that, Camille Boyer and I had worked together on various independent projects, but with the Austrian Fashion Association, we’ve now gone from project work to being an association with an annual public subsidy. As the AFA, we work to support Austrian fashion designers, preparing them to enter the international market with a broad range of measures including direct financial subsidies and the creation of sustainable structures.

MD How did the contractor-client relationship arise between studio VIE and AFA? How did you get to know each other?

MA

Our predecessor Unit F had maintained a very strong visual presence, and since we wanted to at least equal that, we started looking for a suitable partner. As an organization set up to support young designers, we wanted to work with a young studio…

Christian Schlager (CS)

studio VIE is an agency for branding and design that was founded by Anouk Rehorek, Eva Oberdorfer and myself. The subtitle Branding and Design by Instinct describes our approach. In our view, design is based on neither logical nor rational processes; instead, it has intuition and

Camille Boyer (CB)

…not least because this project could turn into an interesting part of that studio’s own portfolio. 313

MD (to MA and CB) So how did the project begin?

MA

One of the things we did was to ask at the University of Applied Arts about possible partners. And among the things they pointed us to were projects by Christian Schlager, a recent graphic design graduate. It was through him that we hit upon studio VIE, and we thought their approach to design and branding might be a good fit. At that point, we solicited various bids. And since the available budget was quite tight, what came next were long negotiations. These included a long talk with studio VIE, and it produced a compromise that was acceptable to both sides.

MA

We started by formulating quite an extensive briefing. CS

It covered things like the development of the logo along with the usual branded printed matter—business cards and such—and the website. The briefing was well formulated, and it was clear to us what it was about. AR

Following our conversation, it was also quickly decided that you needed a corporate identity that you could work well with on your own. In other words, the thing was to create a system with elements that you could deploy as needed without our constant involvement as graphic designers.

Anouk Rehorek (AR)

Since we’d been interested in their project right from the beginning, we were happy to meet them in the middle. We’d already participated in a few projects for Unit F as part of other constellations, so we were naturally interested to see who’d be next to assume the role of supporting Austria’s fashion industry. When we saw the call for tenders to design a visual identity, we knew we wanted the job, and when we sat down at the table with them, it was clear pretty soon that the interest was mutual. And that made it easy to hash out the financial details.

MA

Right—we send out concepts every week, and they need to conform to the new corporate identity, of course. So to keep the workflow efficient, we needed guidelines to help us do things like that independently. CB

When we awarded the job, we were still busy setting up the AFA’s own

314

studio VIE

structure. So our work on this structure went hand-in-hand with the graphic design process at studio VIE.

CS

We did expect a lot of the project, of course, as well as of our own work. And fashion had long been an important area for each one of us. It’s a fairly small world where extremely creative minds from lots of different disciplines—fashion designers, photographers, stylists, and journalists—all come together. So needless to say, AFA is our dream client!

MA

Which is why it was important to involve studio VIE right from the beginning. In our talks, they brought up questions that proved to be important for the AFA’s development, like: Who are we, really? How do we position ourselves? What kind of aura do we want to put out? What distinguishes us from other institutions? …

MD How did your approach look?

CS

CB

Early on in a project, we’ll typically have all the team members work on their own to put different ideas on the table with as little outside interference as possible. We then have a discussion to see which ideas, if any, might work well together—without losing sight of the big picture. In this project, it was interesting how our independently done original designs turned out to be extremely similar. We even used the same font— “Relative” by Stephen Gill for Colophon Foundry! (laughing) And that had us convinced. When several designers all have similar ideas independent of one another, then it can’t be all wrong.

… And how can our institutional character be emphasized? … MA

…without seeming stuffy! It feels weird, putting something together where you’re not yet sure how you want it to look. And then, we suddenly had someone there to give the whole thing a face. (laughing) Thinking back to our first presentation date, it really was pretty exciting. You feel like you’re taking an important step—the initial concept! And all at once, everything’s suddenly clearer and easier to grasp. MD (to AR and CS) What were your expectations at the beginning of the job?

AR

Getting an instinctive feeling of whether something works is an

315

important aspect of how we proceed. And so far, it’s always worked well. But it’s also important that you, as our customer, be uninhibited when you communicate with us and point out things that don’t yet work for you, so that we can revisit and reflect on them together. Because if we rely purely on our gut feeling for your corporate design, there’s no guarantee that you’ll actually be able to work with it. For us, it’s crucial that the clients really get involved and show us how they work, what form they need things to be in, and how those things have to function in use.

AR

We ultimately decided together that we’d drop our initial approach with the circle singling out a different area each time, but that we’d still keep the circle as an element... CS

... that still serves to filter, emphasize and mark things. And the fact that the encircled “A” is a bit reminiscent of the oval country stickers you see on vehicles and elsewhere is a nice side-effect. Generally, a lot of fine details got worked out as part of the mutual process. So we were working less for you than with you.

CB

This kind of exchange during the design phase was important for making sure that the design would actually work. And we ended up talking about the logo, especially. The horizontal lines, the vertical lines, and the circle were visually convincing, but their content also had to be accessible to interpretation and understanding.

MA

It was a new kind of collaborative experience for me, too. studio VIE presented a design that we could build upon together. Up to then, I’d been used to being shown multiple designs that I’d refer to in the decision-making process. Which often ends up feeling a bit arbitrary, and in the end, you’re no longer really sure just what criteria went into the design’s development.

MA

Exactly. The corporate design’s logic made sense to us from the beginning; the only thing we were a bit unsure about was the logo. It was an intense process, getting from the initial design to the fine-tuning, with meetings and three presentation dates.

CB

In our call for tenders, we’d requested that several designs to be shown. And studio VIE made an impression on us by responding that they’d only be showing one design—one where they were convinced that it would be the right route to an eventual solution. 316

studio VIE

for freshness, for tenacity, and at the same time for the relaxed character of the company or brand in question, and so on. We ultimately arrived at the present AFA colors by looking at Google image search results for the terms “Austria,” “Fashion,” and “Association.” Your mention of “style” makes me think of my student days and how I felt that it was a double-edged sword when people would call this or that thing I’d done “classic Schlager.” On the one hand, it was positive— evidently, I’d already developed a personal style—but on the other hand, the formulation seemed to suggest a certain arbitrariness, as if everything looked the same. And that’s probably what bothers me about the whole issue of style. (thinking) “Stil” and “style,” is there a difference? I’d associate the word Stil [German for “style”—Trans.] with an attitude, something that runs deeper, probably also something intellectual, whereas the word “style” [common used in German as an Anglicism—Trans.] perhaps describes something that’s limited to the outer surface, something superficial.

AR

The bottom line is that a corporate identity tells a company’s story and needs to be something you can understand intuitively. There can't be five different stories serving that purpose equally well. MD Here’s where I’d like to inject my motif for this conversation: “style.” The term can be interpreted in a variety of interesting ways. In the fashion context, in which Marlene and Camille work, or in terms of branding and visual identity, which is where we began our conversation. Do you feel that there’s a link between style and visual identity?

CB

One thing I think of here is the aspect of color. Color wasn’t a central element in studio VIE’s concept; it was more mutable, a bit like fashion design is: after all, the fact that a designer’s handwriting is unique doesn’t entail that all their collections will look identical. studio VIE’s emphasis was more on the grid, the lines, the fields, and the typography. CS

Personally, I think that color is a very tricky topic where branding is concerned. You often witness arguments on the significance of colors that degenerate into a confused and pathos-laden discourse—like how green, while symbolizing hope, also stands for the ability to get one’s way,

MA

It was clear to us, as the client, that there are different aesthetic approaches and/or styles. In the fashion world, you have a certain style that’s prevalent, recognizable simply by opening up five current fashion 317

magazines. But neither this typical style nor any particular design elements were things we wanted to play on. studio VIE’s design didn’t seem stylistically time-stamped, which gave me the feeling that it was independent.

that those who’ve achieved success there have likewise reflected this characteristic, raising questions and turning a mirror on things just like studio VIE does. So the twist they gave to the end result was one we probably wouldn’t have gotten from a New York-based design outfit.

MD (to MA and CB) Since you just attributed the term “Stil” more to attitude and “style” more to the outer shell: In what way to you think that Stil refers to a thing’s content? Do people generally evaluate a design according to its outward appearance, or do they also go on to grasp its substance?

AR

That’s also very important to our work. Arbitrariness and randomness are frequently so dominant; you seldom sense a critical angle. You see designs that want to address everybody, clean and well-made but with no unique salient features. Our approach, on the other hand, assumes that every company has salient features and some rough edges—which, we think, corporate identity should reflect.

MA

We looked at 20 graphic design portfolios and found it striking just how clearly we were able to judge certain styles. We debated about them in that light, and really, they either worked or they didn’t.

MD (to AR and CS) Do you have a personal style?

CB

And when we visited studio VIE’s website, we noticed this humorous quality—which we liked a whole, whole lot, and which didn’t give the impression of being super-chic or super-serious.

CS

I do think it’s possible to speak of a style in our case, even if it isn’t one we consciously cultivate. The important thing is that it’s authentic and stays that way. After all, in both fashion and graphic design, styles get copied thousands of times—in variable quality.

MA

It was this subtle, absurd-butcharming Viennese humor that also contains a persistent pinch of criticism and irony. And when I survey the Austrian fashion scene, I see

MD (to MA and CB) This is the first talk where I’m having two

318

studio VIE

Austrian fashion. That gets decided by juries, consumers, and journalists. We view ourselves more as service providers.

project partners and / or clients talk with two designers, so another term also occurred to me, here: “leadership style.” Since you two lead the Austrian Fashion Association as a team, how do decisions end up getting made?

MD (to AR and CS) At studio VIE, you have three people on your core team. I imagine that’s not always the easiest situation…

MA

Camille and I are two decision-makers with equal rights—which means there’s no leadership style as such. That can sometimes result in things not running quite as efficiently as they do in hierarchical environments. But while we do have two different opinions, they frequently don’t differ all that much. In working together with studio VIE, Camille’s and my views would occasionally diverge, which sometimes made it difficult to act as one client. But fundamentally, an executive level or a leadership style isn’t really what we’re about.

CS

In our case, as well, it would be difficult to speak of a leadership style in terms of how we work together. Ultimately, each of our personalities does have the latitude necessary to conduct our projects in individually suitable ways. So I think the term “freestyle” would fit better. In freestyle swimming events, people use different strokes to reach the finish line—crawl, breast stroke, butterfly, etc. And the individual strokes that we prefer go together very well— meaning that, as a relay team, we really are better and faster.

CB

For those who approach us as the AFA, we try to be companions, supporters and advisors. We don’t sit in a corner and tell each other or anyone else what needs to be done. We’re in a permanent, open, and active discussion mode. That, I’d say, is our style. MA

We don’t view ourselves primarily as curators. Even if we do stand for a certain thrust, it doesn’t mean that we decide what’s the next big thing in

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Austrian Fashion Awards 2015 Plakat / Poster

studio VIE

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Gestaltung der Basisdruckmedien im Rahmen des Erscheinungsbildes für AFA – Austrian Fashion Association Stationary design as part of the visual identity of the AFA – Austrian Fashion Association

studio VIE

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Mark Baigent at AFA-Offspace Plakat/Poster

Ute Ploier & Rani Bageria at AFA-Offspace Plakat/Poster

studio VIE

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Ute Ploier & Eva Blut at AFA-Offspace Plakat/Poster

Austrian Fashion Auction 2014 Plakat/Poster

studio VIE

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MOTO DJALI at AFA-Offspace  Plakat/Poster

Bildnachweise Picture Credits

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Bildnachweise

Der Herausgeber dankt allen RechteinhaberInnen für die freundliche Reproduktionsgenehmigung jener Werke, die nach Urheberrecht geschützt sind. /The editor thanks all copyright owners for their kind permission to reproduce those works that are thus protected.

TOLEDO i DERTSCHEI 45–52 © Werner Prokop (trafo.k) ks_visuell 101–108 © section.a – art.design.consulting Ausnahme/Exception: 102 © ks_visuell Bureau F 73–80 © Bureau F Ausnahme/Exception: 76, 77 © Christoph Eichberger martha stutteregger typografie 193–200 © Hannes Böck buero bauer 169–176 © buero bauer kerndesign 256, 270, 271 © Faksimile digital, Wien 267–269, 272 © Rudolph Schmidt 266 © Marc Damm Tino Erben 145, 147, 148 © Privatarchiv Tino Erben 146, 149 © Abteilung Sammlung und Archiv der Universität für angewandte Kunst Wien 150–152 © Marc Damm Drahtzieher 221–228 © Drahtzieher/Barbara Wais Sagmeister & Walsh 293–300 © Sagmeister & Walsh studio VIE 323–328 © studio VIE Fotoabbildungen der Gespräche /pictures of the conversations: Marc Damm Illustration: Maarja Jullinen

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Personenregister Index of Persons Index of Persons

D: Deutsch/German, E: Englisch/English

Personenregister

Agreiter, Marlene D: 301 ff. / E: 312 ff. Korn, Werner D: 115 / E: 121 Arntz, Gerd D: 110 / E: 116 Koschatzky, Walter D: 132 / E: 142 Aschenbrenner, Barbara D: 81 ff. / E: 92 ff. Kozel, Hermann D: 126 / E: 137 Bantjes, Marian D: 277 / E: 287 Krieger, Stephanie D: 82 / E: 93 Bauer, Erwin K. D: 13 ff., 153 ff. / E: 20 ff., 162 ff. Leimüller, Gertraud D: 201 ff. / E: 212 ff. Bonk, Ecke D: 115 / E: 121 Moser, Koloman D: 245 / E: 256 Boyer, Camille D: 301 ff. / E: 312 ff. Müller-Brockmann, Josef D: 248 / E: 258 Brody, Neville D: 115 / E: 120 Neurath, Otto D: 110 f. / E: 116 ff. Buñuel, Luis D: 110 f. / E: 116 ff. Oberdorfer, Eva D: 302 / E: 313 Byrne, David D: 277 / E: 287 Oberhuber, Oswald D: 113 / E: 119 Callot, Jacques D: 128 / E: 139 Peichl, Gustav D: 127 f. / E: 138 ff. Cerha, Friedrich D: 126 / E: 138 Perrault, Dominique D: 115 / E: 120 Chipperfield, David D: 115 / E: 120 Prazak, Renate D: 25 ff. / E: 36 ff. Damm, Marc D: 6 f. / E: 7 Rashid, Hani D: 115 / E: 120 Dertschei, Eva D: 25 ff., 115 / E :115 Reder, Christian D: 109 ff., 133 / E: 116 ff., 142 ff. Eichinger, Gregor D: 115 / E: 121 Rehorek, Anouk D: 301 ff. / E: 312 ff. Sagmeister, Stefan D: 115, 128, 245, 273 ff. Eliasson, Olafur D: 115 / E: 120 E: 120, 139, 257, 284 ff. Erben, Tino D: 35, 111, 113 ff., 125 ff., 247 E: 43, 117, 119 ff., 136 ff., 257 Schlager, Christian D: 301 ff. / E: 312 ff. Fabigan, Hans D: 126 / E: 137 Schröder, Klaus Albrecht D: 126 / E: 137 Feltus, Fabienne D: 53 ff. / E: 64 ff. Schwarz, Kurt D: 126, 274 / E: 137, 285 Ferkl, Richard D: 115 / E: 121 Sharp, Jasper D: 177 ff. / E: 186 ff. Flusser, Vilém D: 129 / E: 140 Spiekermann, Erik D: 229 ff. / E: 236 ff. Fuhrer, Stefan D: 115 / E: 121 Sternfeld, Nora D: 27 / E: 38 Gutenberg, Johannes D: 130 / E: 140 Stutteregger, Martha D: 177 ff. / E: 186 ff. Hickmann, Fons D: 111 f. / E: 117 ff. Sztatecsny, Maximilian D: 81 ff. / E: 92 ff. Höllwart, Renate D: 27 / E: 38 Thorsen, Kjetil D: 115 / E: 120 Holzbauer, Wilhelm D: 126 / E: 137 Toledo, Carlos D: 25 ff., 115 / E: 36 ff., 121 Jacko, Simon D: 53 ff. / E: 64 ff. Van Duyne, Tina D: 115 / E: 121 Kalman, Tibor D: 276 / E: 286 Wagner, Manfred D: 246 / E: 257 Kapoor, Anish D: 115 / E: 120 Wais, Barbara D: 201 ff. / E: 212 ff. Kartak, Oliver D: 8 ff. / E: 10 Walsh, Jessica D: 281 f. / E: 290 Kern, Anita D: 245 ff. / E: 256 ff. Wegenstein, Willy O. D: 113, 133 / E: 118, 142 Köhler, Alwin D: 153 ff. / E: 162 ff. Werkner, Patrick D: 245 ff. / E: 257 ff. Kokoschka, Oskar D: 249 / E: 259 Woodtli, Martin D: 277 / E: 287 330

Danksagung Acknowledgments Acknowledgments

Danksagung

Mein ganz besonderer Dank gilt all jenen Personen, die dieses Buch, und damit auch mich, in Wort und Tat unterstützt haben. Bevor ich diese jedoch namentlich erwähne, will ich mich ganz herzlich bei der Universität für angewandte Kunst Wien und ihrem Rektor Gerald Bast sowie der Edition Angewandte unter der Leitung von Anja Seipenbusch-Hufschmied für das Vetrauen im Prozess und die vielfache Unterstützung bei der Umsetzung bedanken. Diese Publikation resultiert aus meiner Diplomarbeit, die im Sommer 2014 an der Universität für angewandte Kunst Wien entstanden ist. Hier waren mir meine BetreuerInnen: Christoph Abbrederis, Sabine Dreher, Oliver Kartak und Katharina Uschan eine wertvolle Unterstützung. Ihnen gilt mein Dank ebenso, wie den MitarbeiterInnen der Klasse für Grafik Design: Monika Wenger, Maria Calligaris, Mitra Kazerani, Elisabeth Kopf, Erwin K. Bauer, Kari Bauer, Wolfgang Haspinger und Michael Karner. Für die Geduld und die vielen Stunden der Muße und Einkehr gilt mein aufrichtiger Dank meiner Familie und meinen Freunden. My special thanks are due to all those individuals who supported this book and thus me in word and deed. But before mentioning them individually, I would like to express my sincere thanks to the University of Applied Arts Vienna and Edition Angewandte for their trust and manifold support. This publication is the result of my diploma project, which came together during the summer of 2014 at the University of Applied Arts Vienna. My advisors there, Christoph Abbrederis, Sabine Dreher, Oliver Kartak, and Katharina Uschan, provided me with valuable support. I am grateful to them as well as to the graphic design class staff members Monika Wenger, Maria Calligaris, Mitra Kazerani, Elisabeth Kopf, Erwin K. Bauer, Kari Bauer, Wolfgang Haspinger, and Michael Karner. And heartfelt thanks go out to my family and my friends for their patience, for countless quiet and contemplative hours, and for virtually infinite support.

Dieses Buch wäre ohne die Mithilfe nachfolgender Personen nicht möglich gewesen This book would not have been possible without help from the following individuals: Ein besonderer Dank allen GesprächspartnerInnen und Beitragenden:/ Special thanks to all coversation partners and contributers: Marlene Agreiter, Barbara Aschenbrenner, Erwin K. Bauer, Camille Boyer, Eva Dertschei, Tino Erben, Fabienne Feltus, Simon Jacko, Maarja Jullinen, Oliver Kartak, Anita Kern, Alwin Köhler, Gertraud Leimüller, Renate Prazak, Christian Reder, Anouk Rehorek, Stefan Sagmeister, Christian Schlager,  Jasper Sharp, Erik Spiekermann, Martha Stutteregger, Maximilian Sztatecsny, Carlos Toledo,  Barbara Wais, Patrick Werkner Vielen Dank für Rat, Unterstützung und Motivation: /Many thanks for advice, support and motivation: Enrico Bravi, Remo Caminada, Hannelore & Hermann Damm, Bruno & Horst Grabensberger, Andrea Frankl, Stefan Fuhrer, Angela Fössl, Hannes Hanisch, Roman Hauser, Michael Huber, Anita Kern, Juliane Krüger, Larissa Leverenz, Vilma Pflaum, Tanja Poeltl, Christopher Roth, Tina Thiel, Manuel Warosz, Wolfgang Wirth, Flora Zimmeter

Für Freunde und Familie, KollegInnen, KritikerInnen und BegleiterInnen

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Impressum Imprint

Impressum

Imprint

Gestaltet im Auftrag von … Gespräche über Grafikdesign Designed in Commission of … Conversations on Graphic Design

Herausgeber/Editor : Marc Damm Transkription/transcription: Marc Damm, Tanja Poeltl Interviewbearbeitung/Interview editing: Tina Thiel Lektorat/Copy editing: Tina Thiel, Juliane Krüger Englische Übersetzung/Translation from German into English: Christopher Roth Gestaltung/Graphic Design: Marc Damm, damm/bureau für kontext und gestaltung, Vienna, Austria Illustration: Maarja Jullinen Druck/Printing: Holzhausen Druck GmbH, Wolkersdorf, Austria Papier/Paper: Caribic grey, MultiArt Gloss, MultiArt Silk Schrift/Typeface: F Grotesk, GZA Seminegra Library of Congress Cataloging-in-Publication data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliographic information published by the German National Library The German National Library lists this publication in the Deutsche Nationalbibliografie; detailed bibliographic data is available on the Internet at http://dnb.dnb.de. This work is subject to copyright. All rights are reserved, whether the whole or part of the material is concerned, specifically the rights of translation, reprinting, re-use of illustrations, recitation, broadcasting, reproduction on microfilms or in other ways, and storage in databases. For any kind of use, permission of the copyright owner must be obtained. This publication is also available as an e-book (ISBN PDF 978-3-0356-0607-2; ISBN EPUB 978-3-0356-0610-2). © 2016 Birkhäuser Verlag GmbH, Basel P.O. Box 44, 4009 Basel, Switzerland Part of Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Printed on acid-free paper produced from chlorine-free pulp. TCF ∞ Printed in Austria ISSN 1866-248X ISBN 978-3-0356-0608-9 9 8 7 6 5 4 3 2 1 www.birkhauser.com

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