Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2011 9783504382841

Die Gesellschaftsrechtliche Vereinigung – wissenschaftliche Vereinigung für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht (VGR) –

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Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2011
 9783504382841

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GesellschaftsrechtUche Verelnlgung (Hrsg.) Gesellschaftsrecht ln der Diskussion 2011 Jahrestagung der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung

Schriftenreihe der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung (Hrsg)

Band 17

Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2011 Jahrestagung der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung (VGR) herausgegeben von der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung mtt Beltragen von

Dr: johannes Adolff LLM. (Cambridge) Rechtsanwalt, Frankfurt am Maln

Prof. Dr: AllTed Bergmann Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof, Karlsruhe

Prof. Dr: Barbara Grunewald Universität:sprofessorin, Köln

Prof. Dr: Dr: h.c. mult. Peter Hammelhoff em. Universitätsprofessor; Altrektor der Universität Heidelberg, KPMG N:J, Frankfurt am Main

Dr: Dr: h.c. Georg Maler-Reimer LLM. (Harvard) Rechtsanwalt, Köln

Dr: Hartmut Wicke LLM. (Stellenbosch) Notar; München

2012

Verl~

Dr.OftoSchmidt Köln

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

V erlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 0221193738-01, Fax 0221/93738-943 info@otto-schmidtde www.otto-schmidtde ISBN 978-3-504-62717-1 ©2012 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere fiir Vervielfiiltigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung nach einem Entwurf von: Jan P. Lichtenford Satz: A. Quednau, Haan Druck und Verarbeitung: Be1z, Darmstadt Printed in Germany

Vorwort Die 14. Jahrestagung der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung hat am 18. November 2011 mit rund 400 Teilnehmern in Frankfurt am Main stattgefunden. Wie in jedem Jahr widmete sich die Tagung aktuellen Themen aus Gesetzgebung, Wissenschaft und Praxis des Unternehmensund Gesellschaftsrechts. Am Beginn der Tagung stand wie üblich der Bericht über die Rechtsprechung des II. Zivilsenats des BGH, der erstmals durch dessen neuen Vorsitzenden, Herrn Professor Dr. Alfred Bergmann, erstattet wurde. Die VGR ist sehr dankbar und freut sich, dass Herr Professor Bergmann sich bereit gefunden hat, die Kontinuität des Rechtsprechungsberichts fortzusetzen. In der zweiten Abteilung befasste sich Frau Prof. Dr. Barbara Grunewald mit der Liquidation von Personengesellschaften. Das geltende gesetzliche System wirkt zwar auf den ersten Blick klar und einleuchtend, wirft in der Praxis jedoch mitunter nicht unerhebliche Schwierigkeiten auf, denen sich die Referentin widmete. Anschließend setzte sich Herr Dr. Johannes Adolff mit der Haftung des GmbH-Gesellschafters bei der wirtschaftlichen Neugründung auseinander. Ausgehend vom Haftungsmodell des BGH für die Gründung der GmbH (Unterbilanzhaftung und Verlustdeckungshaftung) und seiner Übertragung auf den Fall der wirtschaftlichen Neugründung entwickelte der Referent ein eigenständiges Haftungsmodell, wobei er den gegenwärtigen Stand der Rechtsentwicklung einer kritischen Würdigung unterzog. In der vierten Abteilung berichtete Herr Dr. Dr. h.c. Georg MaierReimer über den Debt Equity Swap, also die Umwandlung von Fremdkapital in Eigenkapital. Dieses Instrument wird zumeist zur finanziellen Sanierung in Not geratener Unternehmen eingesetzt, wobei das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) insofern für die Phase der Insolvenz Erleichterungen gebracht hat. Doch auch außerhalb der Insolvenz stellen sich erhebliche, überwiegend gesellschaftsrechtlich geprägte Probleme. Die fünfte Abteilung befasste sich mit Praxisfragen der GmbH-Gesellschafterliste, die durch das MoMiG einen erheblichen Bedeutungswandel erfahren hat und neben der Satzung zu einem der wichtigsten Dokumente der Gesellschaft avanciert ist. Herr Dr. Hartmut Wicke ging in seinem Vortrag unter anderem auf Inhalt und Legitimationswirkung der Gesellschafterliste, den gutgläubigen Erwerb von Geschäftsanteilen sowie auf verfahrensrechtliche Fragstellungen ein. In der sechsten und abschließenden Ab-

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Vorwort

teilung nahm Herr Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Peter Hommelhoff die unionsrechtlichen Entwicklungen zur Corporate Governance in den Blick. Anlass dazu gab vor allem das Mitte 2011 vorgelegte Grünbuch „Europäischer Corporate Governance-Rahmen“, das der Referent im Hinblick auf wesentliche Regelungsbereiche kritisch durchmusterte und das er zum Anlass nahm, die VGR-Mitglieder aufzurufen, sich an den Debatten um die europäischen Gesetzgebungsprojekte zum Unternehmensund Gesellschaftsrecht zu beteiligen. Vorstand und Beirat der VGR danken allen, die zum Gelingen der 14. Jahrestagung beigetragen haben, insbesondere den Referenten, den Diskussionsleitern und -teilnehmern und den Verfassern der Diskussionsberichte. Vorbereitung und Organisation der Tagung lagen im VGR-Sekretariat wie immer in den bewährten Händen von Frau Heike Wieland. Düsseldorf, im Februar 2012 Für Vorstand und Beirat der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung Gerd Krieger

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Inhalt* Seite

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Prof. Dr. Alfred Bergmann, Karlsruhe Die aktuelle gesellschaftsrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. II. III. IV.

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Personengesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . GmbH-Recht/Limited . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aktienrecht/Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Dr. Max Foerster, München Bericht über die Diskussion des Referats Bergmann . . . . . . . . . . . . .

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Prof. Dr. Barbara Grunewald, Köln Liquidation von Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Das geltende System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Dr. Christoph Andreas Weber, München Bericht über die Diskussion des Referats Grunewald . . . . . . . . . . . .

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Dr. Johannes Adolff, Frankfurt am Main Die Haftung des Gesellschafters der eingetragenen GmbH bei der wirtschaftlichen Neugründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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A. Haftungsmodell des BGH für die rechtliche Gründung . . . . . . . I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Unterbilanzhaftung (Vorbelastungshaftung) . . . . . . . . . . . . . III. Verlustdeckungshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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* Ausführliche Inhaltsverzeichnisse jeweils zu Beginn der Beiträge.

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Inhalt

B. Übertragung des Haftungsmodells auf die wirtschaftliche Neugründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Tatbestandsseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsfolgenseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Haftung auch des Anteilserwerbers? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Meinungsstand im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Präzise Erfassung des Tatbestands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Entfallen der Legitimationswirkung der Eintragung . . . . . . III. Berechtigte Verkehrserwartung als maßgeblicher Bezugspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Keine Enttäuschung berechtigter Verkehrserwartungen bei Vermögenskontinuität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Keine wirtschaftliche Neugründung bei Vermögenskontinuität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Unterschiede in den Rechtsfolgen – rechtliche vs. wirtschaftliche Neugründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Vorschlag zur Rechtsfolgenseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Randfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Semantische Klarstellung zur „Differenzhaftung“ . . . . . . . X. Auswirkung auf die Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Zusammenfassung in neun Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Dr. Lucina Berger, Frankfurt am Main Bericht über die Diskussion des Referats Adolff . . . . . . . . . . . . . . . .

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Dr. Dr. h.c. Georg Maier-Reimer, Köln Debt Equity Swap . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. II. III. IV. V.

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Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regelungen des ESUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitalerhöhung außerhalb des Insolvenzrechts . . . . . . . . . . . . Weitere Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassende Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

Dr. Axel Wenzel, Köln Bericht über die Diskussion des Referats Maier-Reimer . . . . . . . . . .

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Dr. Hartmut Wicke, München Praxisfragen der GmbH-Gesellschafterliste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. II. III. IV. V.

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ziele der Neuregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Legitimationswirkung der Gesellschafterliste . . . . . . . . . . . . . . Gutgläubiger Erwerb von Geschäftsanteilen . . . . . . . . . . . . . . . . Einreichungspflicht bei Veränderungen: Lückenlose Nachvollziehbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Inhalt der Gesellschafterliste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Verfahrensfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Schluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Sebastian Herrler, Würzburg Bericht über die Diskussion des Referats Wicke . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Peter Hommelhoff, Heidelberg/Frankfurt am Main Corporate Governance – Entwicklungen im Unionsrecht . . . . . . . .

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I. Unternehmerische Leitmaximen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Aktionäre mit Gestaltungs- und Überwachungsfunktion? . . . IV. Akteure auf der Aktionärsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Der Abschlussprüfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Differenzierungen und Ausweitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Comply or explain innerhalb der Regelungshierarchie . . . . . . . VIII. Generelle Befunde aus deutscher Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Velina Ziegler, Heidelberg Bericht über die Diskussion des Referats Hommelhoff . . . . . . . . . . .

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Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Die aktuelle gesellschaftsrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Prof. Dr. Alfred Bergmann Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof, Karlsruhe I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 II. Personengesellschaftsrecht . . . . 1. Urteil vom 11.1.2011 – II ZR 187/09 (Auskunftspflicht in der TreugeberInnengesellschaft) . . . . . . . . . . 2. Urteil vom 25.1.2011 – II ZR 122/09 (Sanieren oder Ausscheiden II) . . . . . . . . . . . . 3. Urteile vom 8.2.2011 – II ZR 243/09 und II ZR 263/09 sowie vom 19.7.2011 – II ZR 300/08 (Quotale Haftung) . . .

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III. GmbH-Recht/Limited . . . . . . . . 7 1. Beschlüsse vom 11.4.2011 – II ZB 9/10 und vom 19.4.2011 – II ZB 25/10 (Sacheinlageverbot bei der UG (haftungsbeschränkt) . . . . . . . . . . . . . . . 8 2. Urteil vom 12.7.2011 – II ZR 28/10 (Internationale Zuständigkeit für Beschlussanfechtungsklage gegen eine Limited) . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

3. Beschlüsse vom 1.3.2011 – II ZB 6/10 und vom 20.9.2011 – II ZB 17/10 (Gesellschafterliste) . . . . . . 10 4. Urteil vom 12.7.2011 – II ZR 71/11 (Wirtschaftliche Neugründung) . . . . . . . . . . . 12 IV. Aktienrecht/Kapitalmarktrecht 1. Urteil vom 31.5.2011 – II ZR 141/09 – Dritter Börsengang (Übernahme des Prospekthaftungsrisikos und Verbot der Einlagenrückgewähr) . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Urteil vom 20.9.2011 – II ZR 234/09 (Eigene Aktien als Sacheinlage; Organhaftung bei Einholung von Rechtsrat) . . . . . . . . . . . . . . . 3. Urteil vom 19.7.2011 – II ZR 246/09 (Zurechnung von Stimmrechten beim „acting in concert“) . . . . . . 4. Beschluss vom 22.11.2011 – II ZB 7/09 (EuGH-Vorlage zur Insiderinformation bei gestreckten Sachverhalten)

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I. Einleitung Ich freue mich sehr, dass mir die Gesellschaftsrechtliche Vereinigung heute die Gelegenheit gibt, zu Ihnen über die aktuelle gesellschaftsrechtliche Rechtsprechung des BGH zu sprechen. Das der Tagungsankündigung entnommene Vortragsthema ist allerdings ein klein wenig

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Bergmann – Die aktuelle gesellschaftsrechtliche Rechtsprechung des BGH

ungenau. Jedenfalls werde ich es nicht wörtlich nehmen, sondern nur zu Entscheidungen des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vortragen und nicht zu Entscheidungen anderer Senate, etwa des Anwaltssenats. Und ich kann Ihnen auch keinen vollständigen Überblick über die aktuelle Rechtsprechung meines Senats anbieten. Im Zeitraum seit der letzten Jahrestagung im November 2010 sind etwa 120 Entscheidungen des Senats veröffentlicht worden. Angesichts der Fülle der Entscheidungen auf der einen und der Kürze der mir zur Verfügung stehenden Zeit auf der anderen Seite habe ich jeweils nur einige wenige Entscheidungen aus dem Personengesellschaftsrecht, dem GmbH-Recht und dem Aktienrecht für mein heutiges Referat ausgewählt.

II. Personengesellschaftsrecht Im Personengesellschaftsrecht liegt der Schwerpunkt der Senatsrechtsprechung, vor allem auch in der Menge, bei Verfahren, die Fondsgesellschaften, insbesondere Immobilienfonds, zum Gegenstand haben. Wir teilen uns die Aufgabe, Rechtsfragen der Beteiligung an Fondsgesellschaften zu klären, mit dem III. Zivilsenat und insbesondere mit dem XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs und wir werden damit auch in den kommenden Jahren noch ausreichend zu tun haben. In diesem Jahr haben wir unter anderem über den Anspruch auf Mitteilung von Namen und Anschriften der Mittreugeber in einer Publikums-TreuhandKG, über die Pflicht zur Kapitalerhöhung im Krisenfall im Anschluss an die Entscheidung „Sanieren oder Ausscheiden“ sowie über die sog. quotale Haftung entschieden.

1. Urteil vom 11.1.2011 – II ZR 187/09 (Auskunftspflicht in der Treugeber-Innengesellschaft) Anfang dieses Jahres haben wir mit Urteil vom 11.1.20111 ausgesprochen, dass das Recht der Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, Auskunft über die Namen und Anschriften ihrer Mitgesellschafter zu verlangen, auch Anlegern zusteht, die sich über eine Treuhandkomman_______________

1 II ZR 187/09, ZIP 2011, 322 m. Anm. Altmeppen; Henze, WuB II J § 705 BGB 1.11; Markwardt, BB 2011, 643; Paul, GWR 2011, 225; Priester, ZIP 2011, 697; Salger, jurisPR-BKR 7/2011 Anm. 5; K. Schmidt, NZG 2011, 361; Voigt, NZG 2011, 256; Wertenbruch, EWiR 2011, 183; Wolfer, GWR 2011, 77; Wollenhaupt, BB 2011, 466.

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Bergmann – Die aktuelle gesellschaftsrechtliche Rechtsprechung des BGH

ditistin an einer Publikums-Kommanditgesellschaft beteiligt haben, wenn die Anleger im konkreten Fall im Innenverhältnis eine Innengesellschaft bürgerlichen Rechts bilden. Bereits im September 2009 hatte der Senat in einem Hinweisbeschluss nach § 552a ZPO u. a. mit der Begründung, das Recht, seinen Vertragspartner zu kennen, sei in jedem Vertragsverhältnis selbstverständlich, ein solches Auskunftsrecht bezüglich der Namen und Anschriften der Mitgesellschafter einer Publikumsgesellschaft in Form einer BGB-Gesellschaft bejaht.2 Daran haben wir in der Entscheidung vom Januar dieses Jahres angeknüpft. Wir sind durch Auslegung der in diesem Fall abgeschlossenen Vereinbarungen zu dem Ergebnis gelangt, dass die Treugeber im Innenverhältnis eine Innengesellschaft bürgerlichen Rechts bilden. Diese Auslegung beruht maßgeblich darauf, dass der Versammlung der Anleger in dem Treuhandund Verwaltungsvertrag bestimmte Rechte eingeräumt sind, die über die Rechte hinausgehen, die dem einzelnen Anleger unmittelbar gegenüber der Treuhänderin zustehen, und die sich auch von den Rechten der Gesellschafterversammlung der Gesellschafter der Fonds-Kommanditgesellschaft unterscheiden. In der Wahrnehmung dieser selbstständigen Rechte der Anlegerversammlung haben wir den gemeinsam verfolgten Zweck der Anleger-Innengesellschaft gesehen. Ein schützenswertes Geheimhaltungsinteresse der Mittreugeber ist unserer Ansicht nach bei der hier gegebenen Fallgestaltung auch unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten nicht gegeben. Der Senat hat daher das landgerichtliche Urteil wieder hergestellt, das der Klage stattgegeben hatte. Die unterlegene Treuhänderin sowie einzelne Mitgesellschafter streben eine Überprüfung dieser Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht an. Ihr Antrag, im Wege der einstweiligen Anordnung die Vollstreckung aus dem landgerichtlichen Urteil auszusetzen, hatte keinen Erfolg.3 Über die Verfassungsbeschwerde ist noch nicht entschieden.

2. Urteil vom 25.1.2011 – II ZR 122/09 (Sanieren oder Ausscheiden II) Zwei Wochen später hat der Senat eine Abgrenzung zu den in der Entscheidung BGHZ 183, 1 – Sanieren oder Ausscheiden – ausgesprochenen Grundsätzen vorgenommen. In dem Gesellschaftsvertrag der Beklagten

_______________

2 Beschl. v. 21.9.2009 – II ZR 264/08, ZIP 2010, 27. 3 BVerfG, Beschl. v. 3.2.2011 – 1 BvQ 1/11.

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in der mit Urteil vom 25.1.20114 entschiedenen Sache, einem geschlossenen Immobilienfonds in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, ist geregelt, dass eine Kapitalerhöhung auch im Krisenfall nur einstimmig beschlossen werden kann und bei Nichterreichen der Einstimmigkeit die zustimmenden Gesellschafter berechtigt sind, ihre Einlagen zu erhöhen, während die nicht zustimmenden Gesellschafter eine Verringerung ihres Beteiligungsverhältnisses hinzunehmen haben. Nachdem der Fonds in eine finanzielle Schieflage geraten war, beschloss die Gesellschafterversammlung zur Durchführung eines zuvor eingeholten Sanierungskonzepts mit der im Gesellschaftsvertrag für Satzungsänderungen vorgesehenen Stimmenmehrheit, jedoch ohne Zustimmung des Klägers, dass Gesellschafter, die keinen ihrer bisherigen Beteiligungshöhe entsprechenden Anteil an dem nach dem Sanierungskonzept erforderlichen Neukapital zeichneten, aus der Gesellschaft ausscheiden sollten. Die Parteien stritten mit Klage und Widerklage darüber, ob das Gesellschaftsverhältnis durch diesen Beschluss aufgelöst sei oder fortbestehe und ob ein negatives Auseinandersetzungsguthaben zu zahlen sei. Die Revision der bereits in den Instanzen unterlegenen beklagten Gesellschaft hatte keinen Erfolg. Bekanntlich ist der Entzug der Gesellschafterstellung durch zwangsweises Ausscheiden nur mit Zustimmung des betroffenen Gesellschafters möglich.5 Eine solche lag nicht vor, weder antizipiert im Gesellschaftsvertrag noch nachträglich durch Zustimmung zu dem Kapitalerhöhungs- und Ausschließungsbeschluss. In der Entscheidung „Sanieren oder Ausscheiden“ hat der Senat allerdings eine Zustimmungspflicht des nicht sanierungswilligen Gesellschafters bejaht. Sie ist bei der dortigen Fallgestaltung aus der gesellschafterlichen Treuepflicht hergeleitet worden.6 In der Entscheidung vom 25.1. dieses Jahres haben wir hervorgehoben, dass Grundlage der gesellschafterlichen Treuepflicht der jeweilige Gesellschaftsvertrag ist, der damit auch deren Inhalt, Umfang und Grenzen bestimmt. Auf dieser Grundlage besteht wegen der eingangs angeführten Regelung im Gesellschaftsvertrag, die bei einer Kapitalerhöhung im Krisenfall kein Ausscheiden der sanierungsunwilligen Gesellschafter, sondern deren Verbleiben in _______________

4 II ZR 122/09, ZIP 2011, 768; Binkowski, EWiR 2011, 417; Reiff/Röck, LMK 2011, 318015; St. Schneider, NZG 2011, 575; Ulrich, GmbHR 2011, 533; Zimmermann, WuB II J § 735 BGB 1.11. 5 Vgl. BGH, Urt. v. 19.10.2009 – II ZR 240/08, BGHZ 183, 1 Rz. 16 – Sanieren oder Ausscheiden, m. w. N. 6 BGH (Fn. 5), Rz. 17 ff.

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der Gesellschaft mit der Folge einer Verringerung ihres Beteiligungsverhältnisses vorsieht, nach Auffassung des Senats keine Treuepflicht zur Zustimmung zu dem beanstandeten Kapitalerhöhungs- und Ausschließungsbeschluss. Wegen der genannten Regelung im Gesellschaftsvertrag musste jeder Gesellschafter bei seinem Eintritt in die Gesellschaft damit rechnen, dass zusätzlicher Kapitalbedarf nur von einem Teil der Gesellschafter aufgebracht würde, während sich andere Gesellschafter für den Verbleib in der Gesellschaft unter Verwässerung ihrer Anteile entschieden. Bei dieser Sachlage rechtfertigt der Gesichtspunkt der gesellschafterlichen Treuepflicht nach Ansicht des Senats keinen ändernden Eingriff in die sachlich nicht unvertretbare gesellschaftsvertragliche Regelung, und zwar selbst dann nicht, wenn eine andere als die im Gesellschaftsvertrag vereinbarte Rechtsfolge möglicherweise als angemessener erachtet wird.

3. Urteile vom 8.2.2011 – II ZR 243/09 und II ZR 263/09 sowie vom 19.7.2011 – II ZR 300/08 (Quotale Haftung) Bereits mehrfach hat der Senat in diesem Jahr über die sog. quotale Haftung der Gesellschafter einer BGB-Gesellschaft entschieden, beginnend mit zwei Urteilen vom 8. Februar,7 denen weitere im Juli8 und September9 dieses Jahres gefolgt sind. Es sind noch weitere Verfahren anhängig, in denen in den zugrunde liegenden Verträgen eine quotale Haftung vereinbart wurde. Ob wir auch diese Verfahren entscheiden werden oder ob sie, soweit eine der Parteien eine Bank ist, von dem in diesen Fällen an sich in erster Linie zuständigen XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs übernommen werden, ist noch offen. Am 15.11.2011 haben wir in zwei Verfahren10 verhandelt und entschieden, in denen es um die Frage ging, welche Auswirkungen eine im Gesellschaftsvertrag vereinbarte quotale Haftung den Gesellschaftsgläubigern gegenüber für die Nachschusspflicht nach § 735 Satz 1 und 2 BGB bei der Liquidation nach Auflösung der Gesellschaft hat. Dazu kann ich, da bisher nur der jeweilige Tenor verkündet worden ist, die Urteilsgründe aber noch nicht vorliegen, geschweige denn den Parteien bekannt sind, an dieser Stelle nur so viel sagen, dass die jeweiligen Anleger, die von dem Liquidator auf Nachschusszahlungen nach § 735 Satz 1 und 2 BGB in Anspruch ge_______________

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II ZR 243/09, ZIP 2011, 984 sowie II ZR 263/09, ZIP 2011, 909. Urt. v. 19.7.2011 – II ZR 300/08, ZIP 2011, 1657. Urt. v. 27.9.2011 – II ZR 221/09, WM 2011, 2223. II ZR 266/09 und II ZR 272/09.

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nommen worden sind, sich dagegen im Ergebnis ohne Erfolg gewehrt haben. Und schließlich wird nunmehr in mehreren Verfahren von Anlegern geltend gemacht, sie seien durch eine unrichtige Darstellung der Rechtsfolgen der quotalen Haftung im Fondsprospekt zum Beitritt veranlasst worden. Derartige Verfahren stehen jedoch noch nicht in nächster Zeit zur Entscheidung an. Die Senatsentscheidungen zur quotalen Außenhaftung werden intensiv und durchaus kontrovers diskutiert.11 Das war aufgrund der unterschiedlichen Interessenlage nicht anders zu erwarten und ich hege auch nicht die Hoffnung, dass es mir heute hier gelingen könnte, an diesem doch sehr festgefügten Meinungsstand etwas grundlegend ändern zu können. Ich werde mich daher im Rahmen dieses Überblicks darauf beschränken, die Auffassung des Senats zur quotalen Haftung noch einmal in ihren Grundzügen kurz zusammenzufassen. Ihr Ausgangspunkt ist die aus der neueren Rechtsprechung zur Rechtsfähigkeit der Außengesellschaft bürgerlichen Rechts folgende grundsätzlich unbeschränkte Haftung der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft gegenüber Gesellschaftsgläubigern analog § 128 HGB. Diese gesetzliche Haftung kann grundsätzlich nur durch Vereinbarung mit den jeweiligen Gesellschaftsgläubigern beschränkt werden. Haftungsbeschränkungen im Gesellschaftsvertrag wirken Gesellschaftsgläubigern gegenüber nicht unmittelbar. Sie müssen entweder durch die für die Gesellschaft Handelnden in den jeweiligen Vereinbarungen mit den Gesellschaftsgläubigern umgesetzt werden oder können im Einzelfall aus Gründen des Vertrauensschutzes diesen gegenüber Wirkung erlangen. Ist vertraglich mit dem Gesellschaftsgläubiger eine Haftungsbeschränkung vereinbart, z. B. eine nur quotale Haftung des jeweiligen Gesellschafters, so ist durch Auslegung der betreffenden Vereinbarung der Umfang dieser Haftungsbeschränkung zu ermitteln. Bei den in diesem Jahr entschiedenen Fällen stand die Frage im Vordergrund, wie sich Tilgungen aus dem Gesellschaftsvermögen auf den anteiligen Haftungsbetrag der Gesellschafter auswirken. Verringert sich der nach dem Stand der Gesellschaftsschuld zum Zeitpunkt ihrer Begründung berechnete Haftungsbetrag erst dann, wenn die Forderung des Gläubigers unter diesen Betrag sinkt, oder verringert er sich anteilig durch jede Tilgung? Für die Annahme einer so weitgehenden Verringe_______________

11 Vgl. nur Cranshaw, jurisPR-HaGesR 9/2011 Anm. 1; Lutz, GWR 2011, 249; Kunkel, BB 2011, 2387; Priester, DStR 2011, 1278; K. Schmidt, NJW 2011, 2001; Staake, LMK 2011, 318841.

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rung der Gesellschafterhaftung wie im letzteren Sinne reicht es nach der Auffassung des Senats nicht aus, dass vertraglich mit dem Gesellschaftsgläubiger überhaupt eine nur quotale Haftung des jeweiligen Gesellschafters vereinbart ist. Es bedarf vielmehr darüber hinausgehender hinreichender Anhaltspunkte in den vertraglichen Regelungen, dass eine solche Haftungsbeschränkung dem Willen der vertragsschließenden Parteien entspricht. Einen solchen Willen hat der Senat in den bislang entschiedenen Fällen den jeweiligen Verträgen nicht entnehmen können. Mit Blick auf § 128 HGB geht er davon aus, dass es einer eindeutigen Vereinbarung bedarf, wenn die kreditgebende Bank über die ursprünglich vereinbarten Haftungsbeträge hinaus in weiterem Umfang das Insolvenzrisiko der Gesellschafter tragen soll. Diese Grundsätze gelten auch für sog. „Altfälle“, d. h. für Gesellschafter, die vor Änderung der Rechtsprechung zur Haftungsverfassung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts beigetreten sind.12 Der Grundsatz des Vertrauensschutzes steht dem nach Auffassung des Senats in den entschiedenen Fällen nicht entgegen. Auch diese Ansicht steht allerdings zur Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht. In dem Verfahren II ZR 300/08 ist schon vor der mündlichen Revisionsverhandlung Verfassungsbeschwerde eingelegt worden.

III. GmbH-Recht/Limited Zum Recht der GmbH, zu dem ich jetzt übergehen möchte, habe ich die April-Entscheidungen des Senats zur Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)13 sowie die Beschlüsse vom März14 und September15 zur Gesellschafterliste ausgewählt. Außerdem möchte ich einen kurzen Blick auf das Urteil vom 12. Juli16 dieses Jahres zur internationalen Zuständigkeit für die Beschlussanfechtungsklage gegen eine Limited mit Sitz im Vereinigten Königreich werfen. Und die wirtschaftliche Neugründung darf ja heutzutage wohl in keinem aktuellen Überblick zur GmbH fehlen. Dazu will ich aber angesichts des Vortrags von Herrn Adolff an dieser Stelle nur einen kleinen Beitrag beisteuern. _______________

12 Urt. v 19.7.2011 – II ZR 300/08, ZIP 2011, 1657 Rz. 39 f. 13 Beschl. v. 11.4.2011 – II ZB 9/10, ZIP 2011, 1054; Beschl. v. 19.4.2011 – II ZB 25/10, ZIP 2011, 955. 14 Beschl. v. 1.3.2011 – II ZB 6/10, ZIP 2011, 765. 15 Beschl. v. 20.9.2011 – II ZB 17/10, ZIP 2011, 2141. 16 II ZR 28/10, ZIP 2011, 1837.

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1. Beschlüsse vom 11.4.2011 – II ZB 9/10 und vom 19.4.2011 – II ZB 25/10 (Sacheinlageverbot bei der UG (haftungsbeschränkt)) Zur Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) hat der Senat mit Beschluss vom 11.4.201117 ausgesprochen, dass die Neugründung einer solchen durch Abspaltung gegen das Sacheinlagenverbot nach § 5a Abs. 2 Satz 2 GmbHG verstößt. Es war über die Neugründung einer UG durch Abspaltung vom Vermögen einer GmbH zu entscheiden, und zwar war die UG von der GmbH zur Eintragung unter Vorlage eines Spaltungsplans, eines Sachgründungsberichts, einer Werthaltigkeitsbescheinigung und weiterer Unterlagen angemeldet worden. Nach dem Spaltungsplan sollte auf die durch die Spaltung entstehende UG aus der Kasse der GmbH ein Betrag in Höhe von 1 Euro übertragen werden. Der Eintragungsantrag ist von den Vorinstanzen wegen Verstoßes gegen § 5a Abs. 2 Satz 2 GmbHG zurückgewiesen worden. Die zugelassene Rechtsbeschwerde hatte keinen Erfolg. Ich versage mir hier eine Bemerkung zu dem uns zur Entscheidung unterbreiteten Sachverhalt. Wir sind jedenfalls aufgrund der Verweisung in § 135 Abs. 2 Satz 1 UmwG auf die Gründungsvorschriften des neuen Rechtsträgers zur Anwendung des § 5a Abs. 2 Satz 2 GmbHG gelangt. Abspaltung und Übertragung zur Neugründung sind nach der Konzeption des Umwandlungsgesetzes zwingend als Sachgründung im Sinne von § 5 Abs. 4 GmbHG zu behandeln. Diese Senatsentscheidung ist, wenn ich recht sehe, bislang nicht auf Kritik gestoßen. Eher wird die Frage aufgeworfen, was sie für andere Umwandlungsfälle bedeutet. Dazu kann ich – und das ist allerdings nur meine unmaßgebliche persönliche Meinung – so viel sagen, dass wenig dafür spricht, das für die Verschmelzung zur Neugründung einer UG anders zu beurteilen. Formwechsel und Vermögensübertragung können wir in diesem Zusammenhang wohl außer Betracht lassen. Bei der Verschmelzung und der Spaltung zur Aufnahme in eine UG kommt es, ohne dass ich dies an dieser Stelle vertiefen möchte, wohl darauf an, ob die Umwandlung ohne Kapitalerhöhung bei der aufnehmenden UG durchgeführt werden kann oder nicht. Kommt es zu einer Kapitalerhöhung könnte die Senatsent_______________

17 II ZB 9/10, ZIP 2011, 1054; Berninger, GmbHR 2011, 953; Bremer, GmbHR 2011, 703; Friedel, jurisPR-HaGesR 9/2011 Anm. 4; Priester, EWiR 2011, 419; Wachter, NJW 2011, 2620.

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scheidung vom 19.4.201118 maßgeblich werden, in der ausgesprochen worden ist, dass das Sacheinlagenverbot nach § 5a Abs. 2 Satz 2 GmbHG für eine den Betrag des Mindestkapitals nach § 5 Abs. 1 GmbHG erreichende oder übersteigende Erhöhung des Stammkapitals einer Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) nicht gilt. Das Registergericht hatte sich in dieser Sache geweigert, bei einer UG mit einem Stammkapital von 500 Euro eine Sachkapitalerhöhung in Höhe von 24.500 Euro einzutragen, und zwar nicht, weil es begründete Zweifel an der Werthaltigkeit dieser Sacheinlage hatte. Es war vielmehr der von vielen anderen geteilten Auffassung, eine Sacheinlage sei unzulässig, solange die Gesellschaft nicht über ein eingetragenes Stammkapital von 25.000 Euro verfüge. Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde hatte Erfolg. Nach Ansicht des Senats zwingen weder der Wortlaut von § 5a Abs. 2 Satz 2 und Abs. 5 GmbHG noch die Gesetzmaterialien zu einer solchen strengen Auslegung. Sie ist auch nach dem Sinn und Zweck von § 5a Abs. 2 und 5 GmbHG nicht geboten. Das Gesetz ist, wie insbesondere auch die Regelung in Absatz 3 zeigt, darauf ausgerichtet, dass die UG im weiteren Verlauf in die normale GmbH übergehen soll. Dieser Übergang sollte nicht unnötig erschwert werden. Diese zuvor heftig umstrittene Streitfrage ist damit entschieden. Mehrfach ist allerdings Bedauern darüber geäußert worden, dass wir nicht obiter dictum auch die Frage beantwortet haben, wie es bei der entsprechenden Barkapitalerhöhung mit dem Volleinzahlungsgebot nach § 5a Abs. 2 Satz 1 GmbHG aussieht. Beim Volleinzahlungsgebot ist die Problemlage allerdings wegen des Verweises in § 56a GmbH nur auf § 7 Abs. 2 Satz 1 GmbHG und nicht auch auf Satz 2 nicht völlig vergleichbar. Wir haben daher zur Problematik des Volleinzahlungsgebots bei einer Barkapitalerhöhung auf 25.000 Euro bewusst nichts gesagt. Ich vermag daher auch nicht zu sehen, dass sich aus den Gründen unserer Entscheidung vom 19.4.2011 zwingend etwas für die Lösung dieser Problematik ergibt. Insbesondere kann ich nicht sehen, dass diese Rechtsprechung dazu führe, dass man nunmehr bei einer Stammkapitalerhöhung auf 25.000 Euro und Zahlung eines Viertels des erhöhten Kapitals im Ergebnis bei günstigster Rechnung bereits mit einem Betrag von 6.251 Euro über den Umweg der UG zu einer normalen GmbH gelangen könne.19 _______________

18 II ZB 25/10, ZIP 2011, 955; Döser, LMK 2011, 319863; Gasteyer, NZG 2011, 693; Miras, DStR 2011, 1379. 19 So aber Wachter, NJW 2011, 2620, 2623.

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2. Urteil vom 12.7.2011 – II ZR 28/10 (Internationale Zuständigkeit für Beschlussanfechtungsklage gegen eine Limited) Wenn man den Berichten aus der Praxis Glauben schenken darf, dann scheint sich die UG inzwischen in einem vielleicht nicht von allen erwarteten Ausmaß durchgesetzt zu haben. In gleichem Maße soll die Limited an Bedeutung verloren haben. Diese Entwicklung veranlasst mich, Sie an dieser Stelle kurz auf die Entscheidung des Senats vom 12.7.201120 hinzuweisen. In dieser Sache war über eine gegen eine Limited erhobene Beschlussanfechtungsklage zu entscheiden. Die beklagte Limited war 2007 mit Hauptsitz in Birmingham im Vereinigten Königreich gegründet worden. Ihre Tätigkeit besteht darin, Komplementärin einer Kommanditgesellschaft zu sein, die in Maintal/Deutschland ein Sportstudio betreibt. Der Kläger hat als Gesellschafter der Beklagten Beschlüsse der Gesellschafterversammlung angefochten. Das Oberlandesgericht Frankfurt als Berufungsgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen, weil deutsche Gerichte international nicht zuständig seien. Die dagegen gerichtete zugelassene Revision hatte keinen Erfolg. Maßgeblich ist hier Art. 22 Nr. 2 EuGVVO. Danach sind ausschließlich zuständig die Gerichte des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet die Gesellschaft ihren Sitz hat. Unter Anwendung der Gründungstheorie des Gerichtshofs der Europäischen Union sind wir zu dem Ergebnis gelangt, dass es auf den Satzungssitz der Gesellschaft ankommt und der lag im Vereinigten Königreich. Vermutlich ist diese Entscheidung nicht geeignet, die Limited wieder attraktiver zu machen.

3. Beschlüsse vom 1.3.2011 – II ZB 6/10 und vom 20.9.2011 – II ZB 17/10 (Gesellschafterliste) Zu den beiden Entscheidungen vom 1.3. und vom 20.9.2011 zur Gesellschafterliste möchte ich mich, was die materiell-rechtlichen Fragen angeht, angesichts des noch folgenden Referats von Herrn Wicke im Augenblick auf die Wiedergabe der maßgeblichen Leitsätze beschränken. Zur Umnummerierung abgetretener Geschäftsanteile hat der Senat in der Entscheidung vom 1.3.201121 entschieden, dass diese dann zulässig ist, _______________

20 Urt. v. 12.7.2011 – II ZR 28/10, ZIP 2011, 1837; Kieninger, BB 2011, 2831; Mankowski, EWiR 2011, 707; Müller, NJW 2011, 3375; Schinkels, LMK 2011, 324717; Werner, GmbHR 2011, 1097. 21 II ZB 6/10, ZIP 2011, 765; Heidinger, GmbHR 2011, 475; Herrler, NZG 2011, 536; Löwe, BB 2011, 2836; Wachter, EWiR 2011, 279.

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wenn jeder Geschäftsanteil durch die Angabe der bisherigen Nummerierung zweifelsfrei zu identifizieren bleibt. Die Entscheidung vom 20.9.201122 besagt, dass ein aufschiebend bedingt abgetretener Geschäftsanteil nicht nach § 161 Abs. 3 BGB in Verbindung mit § 16 Abs. 3 GmbHG vor Bedingungseintritt von einem Zweiterwerber gutgläubig erworben werden kann. Aus diesem Grund kann der Registerrichter eine Gesellschafterliste zurückweisen, in der in der Veränderungsspalte der Vermerk „aufschiebend bedingt abgetreten“ enthalten ist, weil diese Liste entgegen § 40 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 GmbHG keine Veränderungen in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung ausweist, sondern solche nur ankündigt. Ich möchte diesen beiden Entscheidungen sowie eine weitere Entscheidung in einer Registersache aber zum Anlass für eine verfahrensrechtliche Bemerkung nehmen. Durch diese Registersachen sind wir mit der Frage konfrontiert worden, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang das Registergericht überhaupt die Pflicht oder das Recht hat, eine bei ihm eingereichte Anmeldung zu überprüfen, etwa die Gesellschafterliste in den beiden genannten Sachen oder die Anmeldung der Niederlegung des Geschäftsführeramtes, die Gegenstand des Beschlusses vom 21.6.201123 war. In dem Beschluss zur Umnummerierung konnte diese Frage noch dahingestellt bleiben, weil die Liste zu Unrecht beanstandet worden war. In der zuletzt ergangenen Entscheidung zum aufschiebend bedingten Erwerb haben wir angenommen, dass das Registergericht die eingereichte Liste jedenfalls prüfen und zurückweisen darf, wenn sie den Anforderungen des § 40 Abs. 1 Satz 1 GmbHG nicht entspricht, obwohl das Registergericht insoweit nur Verwahrstelle ist. Wir haben in diesen Zusammenhang den Grundsatz der Registerklarheit angeführt. Deutlicher ist im Beschluss vom 21.6.2011 ausgesprochen, dass eine Pflicht zur Amtsermittlung nur besteht, wenn entweder formale Mindestanforderungen für eine Eintragung nicht erfüllt sind oder begründete Zweifel an der Wirksamkeit der angemeldeten Erklärungen oder der Richtigkeit der mitgeteilten Tatsachen bestehen. Ich räume gerne ein, dass das angesichts der noch nicht sehr großen Erfahrung des Senats mit solchen Registersachen möglicherweise noch nicht das letzte Wort sein muss. _______________

22 II ZB 17/10, ZIP 2011, 2141; Bayer, GmbHR 2011, 1254; Herrler, NZG 2011, 1321; Löwe, BB 2011, 2836. 23 II ZB 15/10, ZIP 2011, 1562; Huth, GmbHR 2011, 927.

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4. Urteil vom 12.7.2011 – II ZR 71/11 (Wirtschaftliche Neugründung) Zum Abschluss des GmbH-rechtlichen Abschnitts darf ich noch auf eine Entscheidung aus dem Sommer dieses Jahres hinweisen, in der wir uns auch zu der gegenwärtig heftig diskutierten Senatsrechtsprechung zur wirtschaftlichen Neugründung geäußert haben. In der Entscheidung vom 12.7.201124 ging es um die Gründung einer sog. Vorratsgesellschaft, bei der vor ihrer erstmaligen Eintragung in das Handelsregister bereits Änderungen vorgenommen worden waren, und zwar waren Name, Sitz und Unternehmensgegenstand geändert sowie Gesellschafter und Geschäftsführer ausgewechselt worden. Die Gesellschaft wurde dann in ihrer ursprünglichen Form eingetragen, die Eintragung der Änderungen unterblieb dagegen, weil der Kostenvorschuss nicht gezahlt und die für den geänderten Unternehmensgegenstand erforderliche Genehmigung25 nach dem Güterkraftverkehrsgesetz nicht beigebracht wurde. Die Klägerin verlangte von dem beklagten Geschäftsführer nach § 11 Abs. 2 GmbHG Zahlung von Leistungen, die sie nach Eintritt der Vertragsänderungen und Eintragung der GmbH an diese erbracht hatte. Die Vorinstanz, das Landgericht Stendal, hat einen Fall der wirtschaftlichen Neugründung angenommen und der Klage stattgegeben. Die Handelndenhaftung des Geschäftsführers analog § 11 Abs. 2 GmbHG ende erst mit Eintragung der die Neugründung begleitenden Änderungen im Handelsregister, die hier nicht erfolgt sei. Der Bundesgerichtshof hat auf die zugelassene Revision, mit der das Landgericht Stendal eine Neuorientierung der Senatsrechtsprechung zur wirtschaftlichen Neugründung erreichen wollte, die Klage abgewiesen. Da die vorgenommenen Änderungen schon vor der Eintragung der Vorratsgesellschaft erfolgt waren, lag schon aus diesem Grund eine wirtschaftliche Neugründung nicht vor. Um die Zulassungsfrage nicht ganz unbeantwortet zu lassen, haben wir gleichwohl dargelegt, dass auch die Voraussetzungen einer Haftung nach der ständigen Senatsrechtsprechung zur wirtschaftlichen Neugründung nicht gegeben waren, weil die Neugründung dem Registergericht vor Geschäftsaufnahme angezeigt worden sei und alle Gesellschafter mit dem Beginn der Geschäftstätigkeit einverstanden gewesen seien. Eine Überprüfung der Senatsrechtsprechung zur Offen_______________

24 II ZR 71/11, ZIP 2011, 1761; Bayer, GmbHR 2011, 1034; Hüffer, NZG 2011, 1257; Wachter, BB 2011, 2444. 25 § 8 Abs. 1 Nr. 6 GmbHG a. F.

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legungspflicht war deshalb im konkreten Fall nicht geboten. Man wird der Entscheidung vom 12.7.2011 daher allenfalls entnehmen können, dass wir jedenfalls zu diesem Zeitpunkt keinen Anlass gesehen haben, diese Rechtsprechung als solche ganz aufzugeben. Damit ist nichts darüber gesagt, ob und welche Korrekturen an der strengen Rechtsfolge bei Nichtoffenlegung der wirtschaftlichen Neugründung angebracht sind. Dazu werden wir uns aber voraussichtlich in den beiden Verfahren äußern müssen, die vom Kammergericht und vom Oberlandesgericht München zu uns gelangt sind. In diesen Verfahren wird allerdings in diesem Jahr keine Entscheidung mehr ergehen. Die Sache II ZR 13/10, die das Urteil des Kammergerichts vom 7.12.200926 betrifft und in der nach den tatrichterlichen Feststellungen das Stammkapital bei der Neuaufnahme der geschäftlichen Tätigkeit vollständig vorhanden gewesen sein soll, befindet sich noch im Verfahren der Prozesskostenhilfe, die der klagende Insolvenzverwalter als Revisionsführer beantragt hat. In der Sache II ZR 56/10, betreffend das Urteil des Oberlandesgerichts München vom 11.3.201027 zur Haftung des Erwerbers eines Geschäftsanteils unter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Neugründung, ist inzwischen Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 6.3.2012 bestimmt worden.

IV. Aktienrecht/Kapitalmarktrecht Ich komme jetzt zum letzten Teil meines Referats über die aktuelle Senatsrechtsprechung und hoffe, dass noch genügend Zeit verbleibt, um wenigstens vier der vielen interessanten Entscheidungen zum Aktienund Kapitalmarktrecht des Berichtszeitraums anzusprechen, und zwar das Telekom-Urteil zur Einlagenrückgewähr durch Übernahme des Prospekthaftungsrisikos, die noch sehr neue Entscheidung zur unzulässigen Sachkapitalerhöhung durch Einlage eigener Aktien vom 20.9., das Urteil vom 19.7. zur Zurechnung von Stimmrechten beim „acting in concert“ und abschließend die EuGH-Vorlage zur Insiderinformation.

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26 ZIP 2010, 582. 27 ZIP 2010, 579.

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1. Urteil vom 31.5.2011 – II ZR 141/09 – Dritter Börsengang (Übernahme des Prospekthaftungsrisikos und Verbot der Einlagenrückgewähr) Das Urteil vom 31.5. dieses Jahres28 befasst sich mit dem dritten Börsengang der Telekom im Jahr 2000, bei dem u. a. in den USA Aktien plaziert wurden. Zu diesem Zeitpunkt war der Bund zu 43,18 %, die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) war zu 21,6 % an der Telekom beteiligt. Im Rahmen dieses Börsengangs wurden 200 Millionen von der KfW gehaltene Aktien an Privatanleger verkauft. Es kam dann zu Prospekthaftungsklagen solcher Anleger und schließlich zu einem Vergleich mit dem Ergebnis, dass die Telekom an Sammelkläger in den USA einen Vergleichsbetrag in Höhe von 120 Mio. US-Dollar zahlte. Die Telekom verlangt von Bund und KfW als ihren Aktionären nach §§ 57, 62 AktG Ersatz dieses Vergleichsbetrags sowie der im Zusammenhang damit entstandenen Rechtsverfolgungskosten, weil sie das Prospekthaftungsrisiko übernommen habe. Der Senat hat, kurz zusammengefasst, entschieden, dass die Übernahme des Prospekthaftungsrisikos durch die Gesellschaft bei der Platzierung von Altaktien an der Börse als eine Einlagenrückgewähr entgegen § 57 Abs. 1 Satz 1 AktG an den Altaktionär zu beurteilen ist, wenn dieser die Gesellschaft nicht von der Prospekthaftung freistellt. Die daraus folgende Pflicht zur Rückgewähr (§ 62 Abs. 1 AktG) begründet einen Anspruch der Aktiengesellschaft gegen den Altaktionär auf Freistellung. Kommt der Aktionär dieser Freistellungsverpflichtung nicht nach, hat er der Gesellschaft die Aufwendungen zu ersetzen, die dieser durch die Abwehr des Anspruchs der Anleger entstanden sind. Die Ausführungen zur Freistellungsverpflichtung im Urteil sind allgemeiner Natur und daher auch denjenigen zu empfehlen, die sich nicht täglich mit der Platzierung von Aktien befassen.

2. Urteil vom 20.9.2011 – II ZR 234/09 (Eigene Aktien als Sacheinlage; Organhaftung bei Einholung von Rechtsrat) In der Sache II ZR 234/09, in der wir am 20.9.201129 entschieden haben, war die Zulässigkeit einer sehr komplizierten Sachkapitalerhöhung zu _______________

28 II ZR 141/09, ZIP 2011, 1306 – Dritter Börsengang; Fleischer/Thaten, NZG 2011, 1081; Hoffmann-Theinert/Dembski, EWiR 2011, 517; Leuschner, NJW 2011, 3275; Maaß/Troidl, BB 2011, 2563; Matyschok, BB 2011, 2065; Podewils, DStR 2011, 1531; Wackerbarth, LMK 2011, 321437; Wink, AG 2011, 569; Ziemons, GWR 2011, 404. 29 ZIP 2011, 2097.

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beurteilen. Ich verschone Sie hier mit der Darstellung der Einzelheiten dieses Vorgangs. Jedenfalls spielte dabei der Erwerb eigener Aktien eine Rolle und die Organe der Aktiengesellschaft waren durchaus darauf hingewiesen worden, dass dies wegen § 71 AktG unzulässig sein könne. Man verfiel dann auf den Gedanken, dem gesetzlichen Hindernis durch eine Konstruktion mit Wertpapierleihe und Verzicht auf die Darlehensrückzahlungsforderung auszuweichen. Nachdem über das Vermögen der Aktiengesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, gelangte der Insolvenzverwalter zu der Auffassung, dass dieser Umweg misslungen sei. Er nahm die Beklagten zu 1 und 2 als Mitglieder des Vorstands und den Beklagten zu 3 als Mitglied des Aufsichtsrats auf Zahlung eines Teilbetrags von 10 Mio. Euro aus dem Ausgabebetrag für die mit der Kapitalerhöhung geschaffenen Aktien in Anspruch. Das Berufungsgericht, das Oberlandesgericht Hamburg, hat wie auch der Bundesgerichtshof die Art und Weise der Kapitalerhöhung nicht gebilligt und eine Ersatzpflicht der Beklagten angenommen. Nach § 93 Abs. 3 Nr. 4 AktG sind Vorstandsmitglieder zum Ersatz verpflichtet, wenn Aktien vor Leistung des Ausgabebetrags ausgegeben werden. Die Ersatzpflicht tritt auch ein, wenn die Bareinlagepflicht wegen Unwirksamkeit einer Sacheinlagevereinbarung entsteht. Für Aufsichtsratsmitglieder gilt aufgrund der Verweisung in § 116 Satz 1 AktG dasselbe. Das Oberlandesgericht Hamburg hatte die Klage gleichwohl abgewiesen, weil es nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung das Vorliegen eines erstattungsfähigen Schadens verneint hatte. Dem sind wir nicht gefolgt. Auch hierzu darf ich Sie wegen der näheren Einzelheiten auf die Entscheidungsgründe und die sicherlich demnächst erscheinenden Urteilsanmerkungen verweisen. Bei der hier zu beurteilenden Sachkapitalerhöhung handelt es sich aufgrund ihrer besonderen Ausgestaltung um einen Einzelfall, der so vermutlich kaum wieder vorkommen wird. Von allgemeinerem Interesse sind dagegen die in der Entscheidung vom 20.9.2011 enthaltenen Aussagen zum Verschulden der in Anspruch genommenen Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder. Die Aktiengesellschaft hatte bei der Durchführung der Kapitalerhöhung die Dienste der Anwaltskanzlei, der der Beklagte zu 3 angehört, in Anspruch genommen, wobei Umfang und Inhalt einer damit verbundenen rechtlichen Beratung nach den bislang getroffenen tatrichterlichen Feststellungen nicht vollständig geklärt waren. Es geht hier darum, ob das Verschulden der auf Schadensersatz in Anspruch genommenen Organmitglieder wegen eines Rechtsirrtums zu verneinen ist. Wie Sie wissen, stellt die Rechtsprechung an das Vorliegen eines unverschuldeten Rechtsirrtums

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strenge Anforderungen. Das gilt auch für die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft. Wir haben insoweit klargestellt, dass den strengen Anforderungen an die den Organen obliegende Prüfung der Rechtslage und die Beachtung von Gesetz und Rechtsprechung eine schlichte Anfrage bei einer von dem organschaftlichen Vertreter für fachkundig gehaltenen Person nicht genügt. Erforderlich ist vielmehr, dass sich das Vertretungsorgan, das selbst nicht über die erforderliche Sachkunde verfügt, unter umfassender Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft und Offenlegung der erforderlichen Unterlagen von einem unabhängigen, für die zu klärende Frage fachlich qualifizierten Berufsträger beraten lässt und die erteilte Rechtsauskunft einer sorgfältigen Plausibilitätskontrolle unterzieht. Das bedeutet, dass in unserem Fall eine mündliche Beratung nicht genügte, weil er weder einfach gelagert noch besonders eilbedürftig war und eine solche Auskunft auch die notwendige Plausibilitätsprüfung nicht erlaubte. Bei dem Beklagten zu 3 als Rechtsanwalt sind die Anforderungen an einen unverschuldeten Rechtsirrtum nach Ansicht des Senats noch strenger. Er kann sich als Rechtsanwalt angesichts der unserer Ansicht nach eindeutigen Rechtslage grundsätzlich nicht auf einen unverschuldeten Rechtsirrtum berufen. Dass er in der Organfunktion als Aufsichtsrat, nicht in seinem Beruf als Rechtsanwalt tätig war, führt nicht dazu, dass nur ein durchschnittlicher, für alle Aufsichtsratsmitglieder geltender Sorgfaltsmaßstab auf ihn anzulegen ist. Das Aufsichtsratsmitglied, das über beruflich erworbene Spezialkenntnisse verfügt und nicht selten wegen dieser speziellen Kenntnisse in den Aufsichtsrat gewählt wird, ist gegenüber der Gesellschaft verpflichtet, diese einzusetzen und unterliegt demzufolge, soweit sein Spezialgebiet betroffen ist, einem erhöhten Sorgfaltsmaßstab.

3. Urteil vom 19.7.2011 – II ZR 246/09 (Zurechnung von Stimmrechten beim „acting in concert“) Die Entscheidung vom 19.7.201130 befasst sich mit den Mitteilungspflichten nach dem Wertpapierhandelsgesetz bei Stimmabsprachen. Ausgangspunkt war die Rechtsfolge des § 28 WpHG, wonach ein Rechtsverlust eintritt, wenn Mitteilungspflichten nach § 21 WpHG verletzt werden, insbesondere kann dies zum Verlust der Klagebefugnis des Aktionärs führen. Ob Mitteilungspflichten bestehen, hängt davon ab, dass _______________

30 II ZR 246/09, ZIP 2011, 1862; Schürnbrand, NZG 2011, 1213; Winkler, BB 2011, 2576.

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bestimmte, im Gesetz festgelegte Stimmrechtsanteile gegeben sind. Die in § 21 WpHG genannten Anteilsschwellen können auch dadurch erreicht werden, dass gemäß § 22 WpHG Stimmrechte Dritter zugerechnet werden. Nach § 22 Abs. 2 WpHG werden dem Meldepflichtigen Stimmrechte solcher Dritter zugerechnet, mit denen er sein Verhalten abgestimmt hat. In dem von uns entschiedenen Fall hielt der Kläger Aktien treuhänderisch für einen Treugeber. Der Treugeber hatte sich mit anderen Aktionären abgestimmt und eine entsprechende Mitteilung an die BaFin gemacht. Das Oberlandesgericht München nahm gleichwohl an, der Kläger sei nicht klagebefugt, weil er als Treuhänder gleichfalls mitteilungspflichtig und dieser Pflicht nicht nachgekommen sei. Der Senat hat demgegenüber eine Zurechnung im Rahmen eines fremdnützigen Verwaltungstreuhandverhältnisses verneint, wenn nur der Treugeber sein Verhalten mit dem Dritten abgestimmt hat. Für eine Meldepflicht auch des Treuhänders besteht in diesem Fall auch nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes kein Bedürfnis. Mit der Zurechnung bei dem Treugeber und dessen Mitteilung nach § 21 Abs. 1 WpHG sind die übrigen Aktionäre hinreichend informiert. Im Übrigen war der Treuhänder an dem „acting in concert“ im Streitfall nicht beteiligt und ihm daher eine Einflussnahme auf die daran beteiligten anderen Aktionäre nicht möglich.

4. Beschluss vom 22.11.2011 – II ZB 7/09 (EuGH-Vorlage zur Insiderinformation bei gestreckten Sachverhalten) Mit dem Vorlagebeschluss vom 22.11.201031 nähere ich mich nun dem Ende meines Berichts. Der Sachverhalt dieser Sache, die ja zuvor schon einmal beim Senat war, ist Ihnen vielleicht noch in Erinnerung. Es geht um das vorzeitige Ausscheiden von Prof. Schrempp als Vorstandsvorsitzender von DaimlerChrysler im Jahre 2005. Dieses Geschehen zog sich von den ersten, dann auch Dritten gegenüber geäußerten Gedanken Schrempps an einen vorzeitigen Rückzug bis zur tatsächlichen Umsetzung über einen längeren Zeitraum hin. Bei einem solchen zeitlich gestreckten Vorgang kann nicht nur das endgültige Ergebnis, sondern können auch einzelne Zwischenschritte kursrelevante Informationen sein. Da die maßgeblichen Vorschriften des Wertpapierhandelsgesetzes _______________

31 II ZB 7/09, ZIP 2011, 72; Klöhn, NZG 2011, 166; Kollmorgen/Steinhardt, BB 2011, 527; Maier-Reimer/Seulen, EWiR 2011, 65; Möllers/Faber, LMK 2011, 314275; Widder, GWR 2011, 1.

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auf europäischen Richtlinien beruhen, hat der Senat die Fragen, die ihm bei der erneuten Befassung mit dieser Sache unklar erschienen und die er durch Auslegung des europäischen Rechts nicht zweifelsfrei klären konnte, dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung vorgelegt. Und zwar haben wir danach gefragt, ob bei einem solchen zeitlich gestreckten Vorgang auch Zwischenschritte, die bereits existieren oder eingetreten sind und die mit der Verwirklichung des künftigen Ereignisses verknüpft sind, präzise Informationen im Sinne von Art. 1 Abs. 1 der Richtlinien 2003/6/EG und 2003/124/EG sein können und welchen Grad an Wahrscheinlichkeit hinreichende Wahrscheinlichkeit im Sinne der Richtlinie 2003/124/EG verlangt. Die Sache ist beim Gerichtshof unter dem Aktenzeichen C-19/11 anhängig. Eine mündliche Verhandlung hat meines Wissens noch nicht stattgefunden, Schlussanträge sind für 2011 keine mehr angekündigt. Es sind allerdings im Rahmen der schriftlichen Anhörung teils sehr umfangreiche Stellungnahmen der Kommission und verschiedener Mitgliedsstaaten abgegeben worden. Im Ergebnis lautet die fast einhellige Antwort auf die Frage 1, dass auch Zwischenschritte Insiderinformation im Sinne der Richtlinien sein können. Zum Maßstab der Wahrscheinlichkeit sind dagegen sehr unterschiedliche Auffassungen geäußert worden, wobei allerdings die Tendenz überwiegt, die Anforderungen eher niedrig anzusetzen. Damit möchte ich, meine sehr verehrten Damen und Herren, meinen Rechtsprechungsbericht beenden. Der ein oder andere wird jetzt beklagen, dass ich doch nicht mehr gesagt habe, als er ohnehin schon durch die Lektüre unserer Entscheidungen erfahren hat. Wer die Kundgabe von Insiderinformationen erwartet hat, wird also enttäuscht sein. Ich darf meine Zurückhaltung aber auch damit erklären, dass der Entscheidungsprozess im Senat ein zeitlich gestreckter Vorgang ist. Wie auch immer der Gerichtshof der Europäischen Union unsere Vorlagefragen in der DaimlerChrysler-Sache beantworten wird, werden wir uns jedenfalls auch in Zukunft daran halten, dass wir erst das Endergebnis des senatsinternen Entscheidungsvorgangs bekanntgeben werden, obwohl, wie ich einräume, für Sie auch Zwischenschritte relevant sein mögen. An einer Ad-hoc-Mitteilung sehe ich mich gleichwohl gehindert, weil die VGR zwar eine große und angesehene Vereinigung ist, aber eben doch nicht die Öffentlichkeit darstellt, an die ich etwaige Zwischenerkenntnisse, wenn ich sie denn überhaupt hätte, fairerweise richten müsste. Ich darf Sie dafür um Verständnis bitten und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und Geduld.

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Bericht über die Diskussion des Referats Bergmann Dr. Max Foerster, LL.M. eur. Rechtsanwalt, Akademischer Rat a.Z., Universität München Die Diskussion im Anschluss an das Referat von Bergmann leitete Altmeppen als Diskussionsleiter ein, indem er den Rechtsprechungsreport des Vorsitzenden des II. Zivilsenats auch für das 14. Jahr der VGR-Tagung als deren Highlight pries. In der kontroversen Diskussion lag der Schwerpunkt auf dem Urteil zum dritten Börsengang der Deutschen Telekom (unten III. 1.), nachdem zuvor insbesondere die Auskunftspflichten in der Treugeber-Innengesellschaft (unter I. 1.) sowie Fragen der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) (unter II. 1. und 2.) behandelt worden waren.

I. Personengesellschaftsrecht 1. Zum Personengesellschaftsrecht wandte sich Timmann der vom II. Zivilsenat festgestellten Auskunftspflicht in der Treugeber-Innengesellschaft zu (Urteil vom 11. Januar 2011 – II ZR 187/09). Es seien nicht alle Anleger mit der Entscheidung des Senats zur Publizität glücklich. Auch hätte die Entscheidung zur Folge, dass nun in nächster Zeit mit Prospekthaftungsfällen zu rechnen sei, da Anleger bei Projekten, die sich schlecht entwickelt haben, im Hinblick auf die von ihnen nicht erwartete Publizität Rückabwicklung verlangen dürften. Zum anderen sei die Treugeber-Innengesellschaft in der Form, über die der BGH zu entscheiden hatte, nach einer empirischen Auswertung seiner Praxis die Ausnahme. Weitaus häufiger seien vielmehr Konstruktionen, in denen dem Treugeber vom Treuhänder eine einfache Vollmacht erteilt sei oder aber eine Regelung getroffen sei, nach der die Treugeber die Rechte haben, als ob sie unmittelbar an der Gesellschaft beteiligt wären. In diesen Konstellationen lasse sich ein Auskunftsanspruch über eine Innengesellschaft und § 716 Abs. 1 BGB nicht begründen und es sei unklar, wie einem ggf. erhobenen Auskunftsverlangen zu begegnen sei. Ferner stelle sich für ihn die Frage, warum der Senat keinen Versuch unternommen habe, das Bedürfnis der Anleger nach Auskunft als Nebenpflicht aus dem Treuhandverhältnis abzuleiten. Durch die Inpflichtnahme des Treuhänders für relevante Bedürfnisse der Anleger nach Orga-

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nisation könne Geheimhaltungsinteressen und Publizitätsverlangen Rechnung getragen werden. Zur Frage, wie zu verfahren sei, wenn es an einer Treugeber-Innengesellschaft fehle, verwies Bergmann auf zwischenzeitlich zu dieser Konstellation ergangene Entscheidungen des OLG München (Urteile vom 18. Mai 2011 – 7 U 4847/10, 7 U 190/11 und 7 U 237/11), die dem Senat möglicherweise Gelegenheit geben werden, die Frage zu entscheiden. Ausgangspunkt der im Referat besprochenen Entscheidung des Senats sei der Hinweisbeschluss des Senats aus 2009 (Beschluss vom 21. September 2009 – II ZR 264/08) gewesen, wie zu verfahren ist, wenn eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts existiert. Es sei allerdings erforderlich, jeweils auf die spezielle Konstruktion abzustellen. Es gebe auch Konstruktionen, in denen die Anleger unmittelbar Kommanditisten seien. Wenn jeweils ein Treuhandverhältnis nur zu einzelnen Anlegern allerdings nebeneinander und mit gleichgerichtetem Ziel bestehe, seien die einzelnen Auswirkungen der Relativität fraglich. Altmeppen ergänzte hierzu, dass das OLG Hamburg, das als Vorinstanz eine Auskunftspflicht des Treuhänders abgelehnt hatte (Urteil vom 26. Juni 2009 – 11 U 75/09), im Tatbestand nicht erwähnt habe, welche Pflichten die Treugeber untereinander vereinbart hatten, woraus sich die Auskunftspflicht im diskutierten Fall und damit die Richtigkeit des Revisionsurteils ergeben habe. Allerdings habe der II. Zivilsenat die Auskunftspflicht in seiner Entscheidung auf die „Mitgliedschaft in der Innengesellschaft“ gestützt, während es eine „Mitgliedschaft“ nur in der Außengesellschaft (Gesamthandsgesellschaft) gebe. Oftmals wollten die Treugeber auch keine rechtliche Verbindung miteinander haben, und dann scheide eine Innengesellschaft mit Auskunftsansprüchen über die Identität der Treugeber im Ansatz aus, wie er bereits publiziert habe (NZG 2010, 1321, 1326; ZIP 2011, 326, 327 f.). 2. Zur quotalen Haftung, dem dritten von Bergmann zum Personengesellschaftsrecht besprochenen Themenkreis (Urteile vom 8. Februar 2011 – II ZR 243/09 und II ZR 263/09 sowie vom 19. Juli 2011 – II ZR 300/08), wies Karsten Schmidt darauf hin, dass die vom II. Zivilsenat vorgenommene Auslegung zu § 128 HGB analog vertretbar sei, wie er auch in seinem Beitrag in der NJW (NJW 2011, 2001) bereits ausgeführt habe. Im Falle der Beschränkung der Haftung der Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts für eine vertragliche Verbindlichkeit der Gesellschaft in dem Vertrag zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter könne im Einzelfall ermittelt werden, in welchem Umfang

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Tilgungen aus dem Gesellschaftsvermögen oder Erlöse aus dessen Verwertung nicht nur die Schuld der Gesellschaft, sondern anteilig den Haftungsbetrag jedes einzelnen Gesellschafters mindern. Jedoch müsse man sich bewusst sein, dass die quotale Haftung mit fortschreitender Abzahlung der Gesellschaftsschulden in eine Gesamtschuld hineinwachse. In Wahrheit sei die Annahme des II. Zivilsenats eine gedeckelte Gesamtschuld, die sich als Quotenhaftung ausgebe. Bedenken äußerte Karsten Schmidt allerdings im Hinblick auf die mit der Entscheidung verbundene Rückwirkung. Die der Entscheidung zugrunde liegenden Verträge seien nämlich geschlossen worden, als die Haftung der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts analog § 128 HGB noch nicht anerkannt gewesen sei. Vielmehr hätte die vom Senat angenommene Haftung der Gesellschafter zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses vertraglich begründet werden müssen. Zu versuchen, seinem Einwand der Rückwirkung dadurch zu entgehen, dass den in Anspruch genommenen Gesellschaftern in entsprechender Höhe Ansprüche gegen deren damalige Berater zugebilligt werden, halte er für problematisch. Denn es sei keineswegs ausgemacht, dass die Berater die Rechtsprechungsänderung hin zur Haftung analog § 128 HGB hätten vorhersehen müssen. Bergmann erwiderte darauf, dass sich der Senat der Rückwirkungsproblematik durchaus bewusst gewesen sei und den möglichen Einfluss des Vertrauensgrundsatzes geprüft, aber verworfen habe. Allerdings sei es gleichwohl erforderlich, sich entsprechend der Senatsrechtsprechung jeden Fall einzeln anzusehen. Je nach Inhalt der konkret geschlossenen Vereinbarung sei auch ein entgegengesetzter Ausgang denkbar. Bergmann wies auch erneut darauf hin, dass für weitere, ähnlich gelagerte Fälle aufgrund der Beteiligung von Banken eventuell der XI. Zivilsenat zuständig sei und abzuwarten sei, wie sich dieser Senat positioniere. Gleichwohl gelte allerdings, dass eine Auslegung der Verträge auch unter Heranziehung der Doppelverpflichtungslehre in den entschiedenen Fällen wohl nicht zu einem abweichenden Ergebnis geführt hätte. Bergmann räumte allerdings ein, dass die Rechtsprechung des Senats zur Rückwirkung durchaus streng sei, und auch er die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu der gegen die Entscheidung II ZR 300/08 anhängigen Verfassungsbeschwerde gespannt erwarte.

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II. GmbH-Recht/Limited 1. Zum Sacheinlagenverbot bei der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) in der Konkretisierung durch den Beschluss II ZB 9/10 vom 11. April 2011 warf Hollweg den Gesichtspunkt auf, dass dieses für Umwandlungsmaßnahmen im Konzern große praktische Probleme mit sich bringe, wenn sich ein Konzern einmal entschieden habe, die UG (haftungsbeschränkt) im Konzern zu verwenden. Dies sei zum einen der Fall, wenn das Sacheinlagenverbot bei der UG (haftungsbeschränkt) auch Umwandlungen zur Neugründung erfasse. Zum anderen sei dies der Fall, wenn eine Kapitalerhöhung erforderlich sei und diese die Stammkapitalziffer von Euro 25.000 nicht erreiche. Darauf erwiderte Bergmann, mit den üblichen Vorbehalten bezüglich Rechtsrat, dass wohl im Regelfall eine Kapitalerhöhung mittels Sacheinlage unterhalb des Erreichens eines Stammkapitals von Euro 25.000 auch im Konzern nicht möglich sei. Man müsse aber im Einzelfall prüfen, ob eine Sacheinlage gegeben sei. Bachmann stimmte dem II. Zivilsenat zu, dass das Sacheinlagenverbot des § 5a Abs. 2 Satz 2 GmbHG grundsätzlich rigide durchgesetzt werden müsse. Eine Ausnahme vom Sacheinlagenverbot forderte er allerdings für die Abspaltung von Geld im Falle der Spaltung zur Neugründung im Wege einer teleologischen Reduktion des Umwandlungsgesetzes. Dafür zog er eine Parallele zur Verschmelzung durch Neugründung, bei der gemäß § 58 Abs. 2 UmwG auf den Sachgründungsbericht verzichtet werde. Insofern müsse bei der Spaltung zur Neugründung § 138 UmwG, der einen Sachbericht bei der Spaltung zur Neugründung immer erfordere, dann restriktiv ausgelegt werden, wenn das abgespaltene Vermögen ausschließlich aus Geld bestehe. Bergmann antwortete hierauf, dass auch die geschilderte Konstellation wohl dem Grunde nach eine Sachgründung sei. Bachmanns Ausführungen führten allerdings über die Fallkonstellation, die dem Senat zur Entscheidung unterbreitet war, hinaus und der Senat habe diese oder ähnliche Parallelkonstellationen bisher mangels konkreten Bedarfs nicht aufgearbeitet; er könne sich allerdings Modifikationen des Sacheinlagenverbots, wie von Bachmann geschildert, in Einzelfällen vorstellen. 2. Hinsichtlich des Beschlusses vom 19. April 2011 – II ZB 25/10 zum Geltungsbereich des Sacheinlagenverbots stimmte Witt dem Senat zu, dass, ausgehend von Sinn und Zweck des § 5a GmbHG sowie unter Berücksichtigung des Sacheinlagenverbots in § 5a Abs. 2 Satz 2 GmbHG, dieses nicht gelte, wenn zunächst eine UG (haftungsbeschränkt) gegrün-

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det werde und deren Stammkapital sodann durch eine Kapitalerhöhung das Mindeststammkapital von Euro 25.000 zumindest erreiche (§ 5a Abs. 5 GmbHG). Darüber hinausgehend warf Witt auf dieser Grundlage die Frage auf, ob die Entscheidung des II. Zivilsenats für die Frage des Volleinzahlungsgebotes in § 5a Abs. 2 Satz 1 GmbHG bereits insofern präjudiziell sei, dass nicht nur § 5a Abs. 2 Satz 2 GmbHG, sondern auch § 5a Abs. 2 Satz 1 GmbHG bei Stammkapitalerhöhungen, die die Mindeststammkapitalziffer erreichen, nicht gelte. Dies hätte zur Folge, dass gemäß §§ 56a, 57 GmbHG in Verbindung mit § 7 Abs. 2 Satz 1 GmbHG die Bareinzahlung eines Viertels des auf mindestens Euro 25.000 erhöhten Nennbetrags ausreichen würde, da §§ 56a, 57 GmbHG nicht auf § 7 Abs. 2 Satz 2 GmbHG verweisen würden. Einige Oberlandesgerichte hätten sich nach dem Beschluss des Senats für die geschilderte Unanwendbarkeit von § 7 Abs. 2 Satz 2 GmbHG entschieden. Sowohl für die vom II. Zivilsenat entschiedene wie auch für die von ihm angesprochene Konstellation müsse der Vergleichsmaßstab für das, was bei der UG (haftungsbeschränkt) erlaubt sei und was nicht, aber primär der Vorgang einer normalen GmbH-Gründung und nicht so sehr das Recht der Kapitalerhöhung sein. Bergmann stimmte dem im Grundsatz zu. Die Gründung einer UG (haftungsbeschränkt) dürfe nicht besser und nicht schlechter gestellt werden als eine gewöhnliche GmbH-Gründung. In der Folge sei wohl kaum anzunehmen, dass der Gesetzgeber gewollt habe, dass durch den Umweg über die UG (haftungsbeschränkt) gemäß § 57 GmbHG eine Handelsregistereintragung ohne Beachtung von § 7 Abs. 2 Satz 2 GmbHG ermöglicht werden solle, wenn nicht die Hälfte des Mindeststammkapitals nach § 5 Abs. 1 GmbHG aufgebracht sei. 3. Die vom II. Zivilsenat im Urteil vom 12. Juli 2011 – II ZR 28/10 angenommene internationale Zuständigkeit der Gerichte des Gründungsstaates für Beschlussanfechtungsklagen gegen eine Limited nach § 22 Nr. 2 EuGVVO sah Hollweg als Todesurteil für die Verwendung der Limited in Deutschland an und warf die Frage nach der Disponibilität der EuGVVO, Gerichtstandsvereinbarungen, Schiedsgerichtsvereinbarungen sowie der Vereinbarung deutscher Gerichte als Schiedsgerichte auf. Bergmann verwies insoweit auf § 22 Nr. 2 EuGVVO als ausschließlichen Gerichtsstand im Falle der Zuständigkeit staatlicher Gerichte. An dem zwingenden Recht könne auch eine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung der Zuständigkeit deutscher Gerichte, wie sie im vom Senat entschiedenen Fall vorgelegen habe, nichts ändern.

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4. Nolting erkundigte sich zum Urteil zur wirtschaftlichen Neugründung (II ZR 71/11 vom 12. Juli 2011) nach der Auffassung des Senats zu den Rechtsfolgen einer unterlassenen Offenlegung bei wirtschaftlicher Neugründung. Wichtig sei hier, wann die Unterbilanzhaftung und die Handelndenhaftung endeten; dies sei seiner Auffassung nach bereits mit der tatsächlichen Geschäftsaufnahme und nicht erst mit deren Offenlegung der Fall, da der Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung auch sonst keine rechte Funktion zukomme. Hierzu hielt Bergmann fest, dass nach der Rechtsprechung des II. Zivilsenats eine Offenlegungspflicht bei wirtschaftlicher Neugründung bestehe, mit deren Erfüllung die Handelndenhaftung entfalle. Bewusst nicht obiter geäußert habe sich der Senat zu der zuletzt intensiv diskutierten Frage, ob und gegebenenfalls wann die Handelndenhaftung trotz Verstoßes gegen die Offenlegungspflicht entfallen könne.

III. Aktienrecht/Kapitalmarktrecht 1. In der Diskussion zum letzten Teil des Referats von Bergmann stand das Urteil zum dritten Börsengang der Deutschen Telekom (Urteil vom 31. Mai 2011 – II ZR 141/09) im Blickpunkt. Maier-Reimer kritisierte unter Hinweis darauf, dass er nicht interessefrei spreche, da er die Beklagten in den ersten beiden Instanzen vertreten habe, dass das Urteil unter dem Obersatz stehe, dass denjenigen das Risiko eines Geschäfts treffe, der den Vorteil aus der Eingehung des Risikos ziehe. Dieser Obersatz sei indes nicht normiert. Vielmehr ersetze mit dieser Herangehensweise die wirtschaftliche Betrachtung, die bisher lediglich im Rahmen der Wertung herangezogen worden sei, die Norm, aus der sich eine Haftung der Beklagten ergeben könnte. Zwar lasse sich die Aussage zum Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr nach § 57 Abs. 1 Satz 1 AktG möglicherweise auch ohne diesen von ihm kritisierten Obersatz in der vom Senat gewählten Form treffen, wenn man von den Besonderheiten des Sachverhalts absehe. Der Rechtssatz sei allerdings zwingende Voraussetzung für die vom Senat angenommene Rechtsfolge. Denn der Altaktionär habe das, was er durch Freistellung leisten soll, nur erlangt, wenn man davon ausgehe, dass das Prospekthaftungsrisiko das Risiko des Altaktionärs sei. Ferner kritisierte Maier-Reimer, dass im Urteil ein Verschulden des Vorstands der Klägerin bei der Prospektgestaltung als irrelevant eingestuft worden sei. Denn der Vorwurf im Verfahren gegen die Telekom in den USA sei die schuldhaft fehlerhafte Gestaltung des Prospekts beim

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dritten Börsengang gewesen. Zwar komme es grundsätzlich für die Einlagenrückgewähr auf ein Verschulden nicht an. Im Falle der Einlagenrückgewähr durch schlichte Auszahlung handle der Vorstand regelmäßig vorsätzlich. Wenn die Gesellschaft eine Leistung für eine unangemessene Gegenleistung erbringe, hänge die Annahme einer Einlagenrückgewähr nach allgemeiner Meinung nicht von einem Verschulden des Vorstands ab. Hier stelle sich die Frage aber gerade umgekehrt, denn die Einlagenrückgewähr soll in der Übernahme eines Risikos gelegen haben. Risiko sei eine Gefahr, die derjenige, der es trägt, nicht beherrsche. Mit der Einstandspflicht für schuldhaft fehlerhaft gestaltete Prospektinhalte realisiere sich daher nicht das Risiko, in dessen Übernahme das Urteil die Einlagenrückgewähr sieht. Der Kritik schloss sich Seibt an. Das Urteil könne entgegen dem II. Zivilsenat nicht auf § 57 Abs. 1 Satz 3 AktG als einen allgemeinen Grundsatz der bilanziellen Betrachtungsweise gestützt werden. Mit diesem Grundsatz rechtfertige der Senat indes seine Aussage, dass nur bilanzierbare Vorteile, die von Aktionären an die Gesellschaft fließen, als gleichwertige Gegenleistung anerkannt seien. Als Beispiel habe der Senat hier die Freistellungsvereinbarung genannt. Dem sei zum einen entgegenzuhalten, dass ein Freistellungsanspruch mangels finanzieller Bezifferbarkeit zunächst nicht bilanzierungsfähig sei. Zum anderen ergebe sich bei der Herangehensweise des Senats, für die im Rahmen von § 57 AktG zu berücksichtigende Gegenleistung auf eine bilanzielle Betrachtungsweise abzustellen, ein Wertungswiderspruch zu § 311 AktG. Dort seien bei der Bemessung von Nachteilen der abhängigen Gesellschaft auch Vorteile allgemeiner Art als Gegenleistung zu berücksichtigen, ohne dass eine konkrete Bezifferbarkeit verlangt werde. Daraus ergebe sich die Handlungsanweisung für die Gestaltungspraxis, nach Möglichkeit eine Gestaltung der Veranlassung durch die faktische Konzernmutter gemäß § 311 AktG zu wählen. Auch Drygala positionierte sich kritisch gegenüber der im TelekomUrteil vom Senat vorgenommenen primären und sekundären Zuweisung des Prospekthaftungsrisikos. Weiter wies Drygala darauf hin, dass der dem Urteil zugrunde liegende Sachverhalt als durchaus problematisch einzustufen sei. Der Sachverhalt sei sehr speziell, da ohne Kapitalerhöhung nur Aktien aus dem Bestand des Altaktionärs veräußert worden seien. Insoweit handele es sich um die Ausnahme von der Regel. Es stelle sich angesichts der Entscheidung allerdings die Frage, wie dieser Ausnahmefall von den unterschiedlichen, weitaus häufigeren Konstella-

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tionen abzugrenzen sei, bei denen zumindest auch eine Kapitalerhöhung vorgenommen werde. Unklar sei hier zunächst die Abgrenzung zur Konstellation, in der die Gesellschaft primär aus eigenem Antrieb eine Kapitalerhöhung anstrebe und sich ein Altaktionär der Gelegenheit lediglich anschließe. Ferner sei die Konstellation von der entschiedenen Konstellation abzugrenzen, in der der Platzierung ein abgestimmtes Verhalten zwischen Gesellschaft und Altaktionär zugrunde liege. Diese Konstellationen führten letztlich in das Recht der Geschäftführung ohne Auftrag; die Übernahme der Prospekthaftung sei ein Geschäft der Gesellschaft, weil diese in eigenem Interesse handele, zugleich aber ein für die Gesellschaft auch-fremdes Geschäft des Altaktionärs, da zugleich dessen Interessen verfolgt würden. Einzelne Abgrenzungsfragen seien hier schwierige Folgeprobleme, die die Entscheidung des Senats offengelassen habe. Hügel stellte vor dem Hintergrund des Telekom-Urteils die grundsätzliche Frage nach dem Verhältnis von Prospekthaftung und Einlagenrückgewähr in Deutschland zur Diskussion, wenn auch die dem Urteil zugrunde liegende Konstellation angesichts der ausschließlichen Platzierung von Aktien der Altaktionäre eine besondere sei. Der OGH habe sich in dem kürzlich entschiedenen Fall einer großen österreichischen Immobilienaktiengesellschaft in der in Österreich vor Erlass der Entscheidung streitig diskutierten Frage für einen Vorrang der Prospekthaftung gegenüber dem Verbot der Einlagenrückgewähr entschieden. Der aufgrund eines fehlerhaften Prospekts geschädigte Aktionär stünde der Aktiengesellschaft nach dem OGH insoweit gegenüber wie ein sonstiger Dritter, der durch die Gesellschaft geschädigt worden sei (OGH vom 30. März 2011 – 7 Ob 77/10i, GesRZ 2011, 251). Die Problematik des Vorrangs der Prospekthaftung werde durch die hohe Zahl der Kläger und die Höhe des Klagevolumens verdeutlicht. In Extremfällen könnten Prospekthaftungsansprüche zu einer „Teilliquidation“ der AG führen, und dies zu Lasten der Gläubiger und jener Aktionäre gehen, die keine Klage erheben. Dazu wies Wieneke noch darauf hin, dass etwa in Fällen einer Zulassung neuer Aktien aus einer Sachkapitalerhöhung auch zu berücksichtigen sei, dass die Prospektpflicht bei der Börsenzulassung von Aktien eine gesetzliche Pflicht nach BörsG und BörsZulV sei. Es stelle sich daher die Frage, ob die Übernahme der Prospekthaftung auch in solchen Fällen wirklich als eine Leistung an einen Aktionär angesehen werden könne, handele es sich doch bei der Prospektpflicht und damit der Pros-

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pekterstellung um die Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht der Gesellschaft für die Zulassung. Wollte man die Vorteile aus der Prospekterstellung ausschließlich dem Inferenten zuweisen, käme es bei üblichen Regelungen, wonach die Gesellschaft die Kosten der Zulassung zu tragen hat, zu kaum lösbaren Fragen der Kapitalaufbringung. Bergmann trat der an der Senatsentscheidung geäußerten Kritik entgegen. Sinn und Zweck des Verbots der Einlagenrückgewähr in §§ 57, 62 AktG erforderten nach Einschätzung des II. Zivilsenats eine weite Auslegung der Normen, wofür auf die wirtschaftliche Betrachtungsweise zurückzugreifen sei. Auch habe der Senat bei der Entscheidung, ob der Gesellschaft eine gleichwertige Gegenleistung durch den Altaktionär zugeflossen sei, nicht eine streng bilanzielle Betrachtungsweise im Sinne der Bilanzierungsvorschriften zugrunde gelegt. Um dies deutlich zu machen, habe der Senat im Urteil in Randnummer 25 bilanziell auch in Anführungszeichen gesetzt. Mit seiner Vorgabe wolle der Senat verhindern, dass als Gegenleistung für die Übernahme des Prospekthaftungsrisikos durch die Gesellschaft nicht fassbare, schwammige Vorteile, wie bspw. eine bessere Präsenz an Börsen, berücksichtigt würden. Als Gegenleistung könnten nur feste, messbare Vorteile für die Gesellschaft anerkannt werden; eine Begrenzung auf nach den Bilanzierungsvorschriften bilanzierungsfähige Vorteile sei damit indes nicht verbunden. Für gemischte Emissionen sei der Senat der Auffassung, dass diese nach dem Urteil des Senats praktisch handhabbar seien und der Senat der Beratungspraxis keine unnötigen Steine in den Weg gelegt habe. Das Verhältnis der Prospekthaftung zum Verbot der Einlagenrückgewähr sei jeweils im Einzelfall zu bewerten. Bei der heute vorgestellten Entscheidung habe diese Frage in der Beratung des Senats keine Rolle gespielt. 2. Anschließend nahm Junker die Frage der Organhaftung bei Einholung von Rechtsrat aus dem zweiten Leitsatz des zweiten von Bergmann zum Aktienrecht besprochenen Urteils (II ZR 234/09 vom 20. September 2011) auf. Der Leitsatz, dass der organschaftliche Vertreter einer Gesellschaft, der nicht über die erforderliche Sachkunde verfüge, den strengen Anforderungen an eine ihm obliegende Prüfung der Rechtslage und an die Beachtung von Gesetz und Rechtsprechung nur genügen könne, wenn er sich unter umfassender Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft und Offenlegung der erforderlichen Unterlagen von einem unabhängigen, für die zu klärende Frage fachlich qualifizierten Berufsträger beraten lasse und den erteilten Rechtsrat einer sorgfältigen Plausibilitätskontrolle unterziehe, werfe die Frage auf, ob bei organschaft-

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lichen Vertretern ein unverschuldeter Rechtsirrtum nur möglich sei, wenn der fachlich qualifizierte Berufsträger, der zur Beratung hinzuzuziehen sei, ein externer Rechtsberater sei, oder ob auch Rechtsrat durch die Rechtsabteilung des Unternehmens der organschaftlichen Vertreter diese exkulpieren könne. Ferner vermisste Junker in der Entscheidung Ausführungen zur berufsrechtlichen Stellung des Syndikusanwaltes. Auch Hollweg sprach das „unabhängig“ im zweiten Leitsatz der diskutierten Entscheidung an. Dessen Bedeutung müsse weiter konkretisiert werden, da die Einordnung der Rechtsabteilung als unabhängig oder abhängig im Sinne des Leitsatzes gerade für Rechtsabteilungen von eminenter Relevanz sei. Bergmann erläuterte zum Urteil, dass der Senat nur über externe Beratung entschieden habe. Im entschiedenen Fall sei eine solche zu der Frage, ob das, was die Organe geplant hatten, zulässig sei, erforderlich gewesen. Die aufgeworfene Frage, ob interne Beratung ausreichend sei, sei eine andere Frage und vom Senat bisher nicht entschieden; sie beantworte sich nach seiner Einschätzung nach den normalen Regeln für die Inanspruchnahme von Hilfspersonen der Gesellschaft durch das Organ. Die Rechtsabteilungen von Unternehmen sehe er durchaus in diesem Sinne als Gehilfinnen der Organe. Auf ein Nachhaken von Altmeppen, ob Vorstände ihrer Pflicht, sich beraten zu lassen, somit genügten, wenn sie sich von der qualifizierten Rechtsabteilung des Unternehmens haben beraten lassen oder aber nicht, beschied Bergmann die Diskussion damit, der Senat habe die Frage noch nicht entschieden, ob und ggf. in welcher Form Beratung durch die interne Rechtsabteilung den Anforderungen an die vom Senat geforderte Beratung genüge. Die Aussagen des Senats in demselben Urteil zu einer mündlichen Beratung der Organe nahm Altmeppen auf. Für ihn stelle sich die Frage, wann die Organe ihre Pflicht erfüllt hätten, Rechtsrat einzuholen. Insbesondere gelte es zu präzisieren, wie eine schriftliche Stellungnahme ausgestaltet sein müsse, damit sie den Anforderungen des II. Zivilsenats genüge. Es gelte auch zu klären, in welcher Form und auf der Grundlage welcher Qualifikation wann ein schriftliches Kurzgutachten eingeholt werden müsse, damit den Organen eine hinreichende Plausibiliätskontrolle möglich sei. Bergmann stellte in seiner Antwort klar, dass der Senat eine mündliche Beratung nicht prinzipiell als unzureichend verworfen habe. Vielmehr sei insoweit der jeweilige Einzelfall maßgeblich. Im hier zugrunde liegenden Fall habe jedenfalls eine mündliche Stellungnahme nicht ausgereicht, da die zugrunde liegende Konstellation

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insgesamt durchaus kompliziert sei und in diesem Falle zudem eine besondere Eilbedürftigkeit nicht gegeben gewesen sei. Wenn eine solche Eilbedürftigkeit in einem Einzelfall zu bejahen sei, könne möglicherweise auch bei komplizierten Konstellationen eine mündliche Beratung ausreichend sein.

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Liquidation von Personengesellschaften Prof. Dr. Barbara Grunewald Universität zu Köln I. Das geltende System . . . . . . . . 1. Die BGB-Gesellschaft . . . . . a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . b) Die Durchsetzungssperre und ihre Ausnahmen . . . . 2. Die OHG . . . . . . . . . . . . . . . .

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II. Komplikationen . . . . . . . . . . . . 1. Anspruch auf Nachschuss . a) Die Befugnisse des Liquidators . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Möglichkeiten der Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . .

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2. Rückgriff des in Anspruch genommenen Gesellschafters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abrechnung unter den Gesellschaftern . . . . . . . . . . 4. Verzögerungen bei der Aufstellung der Schlussbilanz . 5. Auswahl der Liquidatoren in der Publikumsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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III. Zusammenfassung . . . . . . . . . 43 36

I. Das geltende System 1. Die BGB-Gesellschaft a) Überblick Wie die Liquidation einer BGB-Gesellschaft zu erfolgen hat, regelt das Gesetz in §§ 730–735 BGB. Gemäß § 730 Abs. 2 Satz 2 BGB steht von der Auflösung der Gesellschaft an die Geschäftsführungsbefugnis den Gesellschaftern gemeinsam zu. Gemäß § 714 BGB hat dies zur Folge, dass nunmehr auch die organschaftliche Vertretungsmacht den Gesellschaftern nur noch gemeinsam zukommt. Die Gesellschafter haben als Liquidatoren die schwebenden Geschäfte zu beenden und die zur Erhaltung und Verwaltung des Gesellschaftsvermögens bis zur Abwicklung erforderlichen Maßnahmen zu treffen (§ 730 Abs. 2 Satz 1 BGB). Gegenstände, die ein Gesellschafter der Gesellschaft zur Benutzung überlassen hat, sind zurück zu geben (§ 732 Satz 1 BGB). Sodann sind die Schulden der Gesellschaft zu begleichen (§ 733 Abs. 1 Satz 1 BGB). Für noch nicht fällige oder streitige Schulden sind Rücklagen zu bilden (§ 733 Abs. 1 Satz 2 BGB). Um dies zu erreichen und die Einlagen zurückzuzahlen, ist das Gesellschaftsvermögen zu Geld zu machen (§ 733 Abs. 3 BGB). Ein eventueller Überschuss wird gemäß den Gewinnantei-

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len an die Gesellschafter verteilt (§ 734 BGB). Ergibt sich ein Fehlbetrag, ist dieser gemäß den Verlustanteilen unter den Gesellschaftern aufzuteilen (§ 735 BGB).

b) Die Durchsetzungssperre und ihre Ausnahmen Um wechselseitige Zahlungen während der Abwicklung der Gesellschaft zu vermeiden, hat die Rechtsprechung den Grundsatz entwickelt, dass alle Ansprüche der Gesellschafter gegen die Gesellschaft und ihre Mitgesellschafter nicht mehr selbstständig durchgesetzt werden können1. Diese sogenannte Durchsetzungssperre gilt auch für die Ansprüche der Gesellschaft gegenüber ihren Gesellschaftern2. Von dieser Durchsetzungssperre werden Ausnahmen gemacht. Sofern feststeht, dass ein Gesellschafter nach der Schlussabrechnung auf jeden Fall einen bestimmten Mindestbetrag erhalten wird, kann er diesen direkt verlangen3. Umgekehrt kann, wenn feststeht, dass ein Gesellschafter für einen Verlustbeitrag auf jeden Fall aufkommen muss, dieser Betrag auch schon vor der Schlussabrechnung verlangt werden4. Weitere Ausnahmen betreffen Fälle, in denen es um die Herausgabe von Dingen geht, die nicht versilbert werden und daher auch nicht in die Schlussabrechnung eingehen können5, oder auch bei sogenannten Drittgläubigerforderungen6. Gleiches gilt, wenn ein Gesellschafter sich den wesentlichen Teil des Gesellschaftsvermögens nutzbar gemacht hat7 _______________

1 Hillmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl. 2008, § 149 Rz. 21; Freud, MDR 2011, 577; Wertenbruch in Westermann, Handbuch Personengesellschaften, Stand März 2011, Rz. I 1754; Westermann in Erman, BGB, 13. Aufl. 2011, § 730 Rz. 11; Ulmer/Schäfer in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 730 Rz. 49. 2 BGH, ZIP 2011, 1359, 1360 (Ausscheiden eines Gesellschafters); Karsten Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 155 Rz. 20, a. A. BGH, NZG 2003, 215. 3 BGHZ 37, 299, 305; BGH, WM 1974, 749, 751; BGH, NJW 1980, 1628; BGH, NJW 1995, 2843, 2844; BGH, NJW 1998, 376; BGH, WM 1981, 487; BGH, ZIP 1993, 919, 926; Ulmer/Schäfer in MünchKomm. BGB (Fn. 1), § 730 Rz. 34; Westermann in Erman (Fn. 1), § 730 Rz. 12. 4 BGH, NJW-RR 1991, 549. 5 BGH, BB 1972, 417: Geschäftsunterlagen. 6 BGH, ZIP 2006, 994, 996; BGH, NZG 2008, 68, 69; OLG München, NZG 2000, 645; von Ditfurt in Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 6. Aufl. 2011, § 730 Rz. 6; Wertenbruch (Fn. 1), Rz. I 1779; Westermann in Erman (Fn. 1), § 730 Rz. 12. 7 BGH, NJW 1980, 1628; BGH, ZIP 1995, 1085.

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oder wenn sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergibt, dass Ansprüche unabhängig von der Durchsetzungssperre geltend gemacht werden können8. Nach herrschender Meinung ist eine direkte Inanspruchnahme eines Mitgesellschafters auch möglich, wenn die Gesellschaft kein Vermögen9 oder keine Verbindlichkeiten10 mehr hat. Dies hängt mit der Vorstellung zusammen, dass die Geltendmachung von Einlageforderungen und Nachschüssen gegen die Gesellschafter sowie der Ausgleich der Gesellschafter untereinander nicht mehr Aufgabe der Liquidatoren ist und daher in den geschilderten Zeitpunkten von den Liquidatoren auch nichts mehr zu veranlassen ist. Darauf wird später zurückgekommen11.

2. Die OHG Die Liquidation einer OHG folgt demselben Grundmuster. Die Liquidatoren sind, falls nichts anderes beschlossen wird, die Gesellschafter (§ 146 Abs. 1 HGB). Für Publikumsgesellschaften ging die bislang herrschende Meinung davon aus, dass die bisherigen Leitungsorgane die Liquidatoren sind12. Für die Nachtragsliquidation wird eine Parallele zum Aktienrecht (§ 273 AktG) gezogen13. Auf Antrag eines Beteiligten (§ 146 Abs. 2 Satz 2 HGB) kann bei Vorliegen eines wichtigen Grundes die Ernennung der Liquidatoren durch das Gericht erfolgen (§ 146 Abs. 2 Satz 1 HGB). In Bezug auf den Umfang der Vertretungsmacht der Liquidatoren wird teilweise gesagt, dass diese über den Abwicklungszweck hinaus gehe14. _______________

8 9 10 11 12

BGH, ZIP 2011, 1360, 1361; BGH, NJW-RR 2003, 1392; BGH, NJW 1998, 376. BGH, ZIP 2006, 232. BGH, NZG 2009, 778. Siehe unten II. 1. Karsten Schmidt in MünchKomm. HGB (Fn. 2), § 146 Rz. 13; Wertenbruch (Fn. 1), Rz. I 1712a, I 1770 für die BGB-Gesellschaft; Insoweit a. A. Schäfer, DStR 1997, 164, 169; zum Standpunkt des BGH II. 5. 13 BGH, NJW 2003, 2676; Karsten Schmidt in MünchKomm. HGB (Fn. 2), § 146 Rz. 14; Wertenbruch (Fn. 1), Rz. I 1712a; zurückhaltender BGH, ZIP 2011, 1865, 1868. 14 So Karsten Schmidt in MünchKomm. HGB (Fn. 2), § 149 Rz. 52; Karsten Schmidt, ZHR 158 (1989), 270, 291; Wertenbruch (Fn. 1), Rz. I 1726a; ablehnend Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl. 2010, § 149 Rz. 7; für die BGBGesellschaft auch Wertenbruch (Fn. 1), Rz. I 1777a; insoweit a. A. Ulmer/ Schäfer in MünchKomm. BGB (Fn. 1), § 730 Rz. 43; Westermann in Erman (Fn. 1), § 730 Rz. 8.

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Gemäß § 154 HGB haben die Liquidatoren eine Liquidationseröffnungsund eine Schlussbilanz zu erstellen. Auf diese Weise wird der Ablauf der Liquidation im Sinne von § 259 BGB dokumentiert15. Der bereits erwähnte Anspruch auf Auszahlung eines bestimmten Betrages schon vor Erstellung der Schlussbilanz, falls schon während des Liquidationsverfahrens feststeht, dass ein Gesellschafter auf jeden Fall einen Überschuss erhalten wird, ist in § 155 Abs. 2 HGB ausdrücklich geregelt16. Der Ausgleich unter den Gesellschaftern ist nach herrschender Meinung nicht mehr Aufgabe der Liquidatoren17.

II. Komplikationen Das geschilderte System erscheint jedenfalls auf den ersten Blick klar und einleuchtend. In der Praxis ergeben sich jedoch, wie ein Blick auf die einschlägige Judikatur zeigt, mitunter nicht unerhebliche Schwierigkeiten.

1. Anspruch auf Nachschuss Probleme entstehen beispielsweise dann, wenn das Gesellschaftsvermögen nicht zur Befriedigung der Gläubiger ausreicht und diese daher schon während der Liquidation die Gesellschafter persönlich in Anspruch nehmen. Beispiel18: In einer Publikums-OHG wird eine Liquidationseröffnungsbilanz erstellt, aus der sich ein anteiliger Verlust des beklagten Gesellschafters in Höhe von 55.000 Euro ergibt. Der Liquidator verlangt Einzahlung dieser Summe. Der Beklagte verteidigt sich damit, dass der Liquidator hierfür nicht zuständig sei, dass es an der Schlussabrechnung fehle und dass noch unklar sei, ob er während des Liquidationsverfahrens als Gesellschafter von den Gläubigern direkt in Anspruch genommen werde. _______________

15 Hillmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn (Fn. 1), § 154 Rz. 17; Kamanabrou in Oetker, HGB, 2. Aufl. 2011, § 154 Rz. 4; Karsten Schmidt in MünchKomm. HGB (Fn. 2), § 154 Rz. 29. 16 Karsten Schmidt, ZHR 158 (1989), 270, 293. 17 BGH, NJW 2009, 2205, 2206; BGH, NJW 1984, 435; Kamanabrou in Oetker (Fn. 15), § 149 Rz. 7; Karsten Schmidt in MünchKomm. HGB (Fn. 2), § 149 Rz. 22. 18 Nachgebildet BGH, ZIP 2012, 2299, es ging im Fall des BGH allerdings um eine mittelbare Beteiligung.

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Löst man diesen Fall im Sinne der herrschenden Meinung wird die Klage in der Tat keinen Erfolg haben. Denn allgemein wird davon ausgegangen, dass der Liquidator ausstehende Einlagen nur einfordern kann, soweit diese zur Befriedigung der Gläubiger erforderlich sind19, und Nachschüsse – um die es in dem Beispielsfall geht – gar nicht verlangt werden können20. Diese Ansprüche sollen nur den Gesellschaftern untereinander zustehen. Auch besagt die Durchsetzungssperre, dass Einzelansprüche in der Liquidation nicht mehr isoliert geltend gemacht werden können mit der Folge, dass in dem Beispielsfall die Sperre greifen müsste. Aber ist das richtig?

a) Die Befugnisse des Liquidators Nach § 155 Abs. 3 HGB haben die Liquidatoren bei Streit unter den Gesellschaftern über die Verteilung des Gesellschaftsvermögens die Verteilung bis zur Entscheidung des Streites auszusetzen. Die wohl noch herrschende Meinung folgert daraus wie geschildert, dass die Liquidatoren weder berechtigt noch verpflichtet sind, von den Gesellschaftern Nachschüsse in das Gesellschaftsvermögen zu verlangen. Für die BGBGesellschaft wird dann genauso entschieden21. Demgegenüber wird auch vertreten, dass die Liquidatoren auch Nachschüsse zur Befriedigung der Gläubiger verlangen können22. Das überzeugt. Denn da die Gesellschafter zur Zahlung der Nachschüsse an die Gesellschaft verpflichtet sind, kann der Anspruch der Gesellschaft auch von den Liquidatoren geltend gemacht werden. Schließlich verpflichtet _______________

19 BGH, ZIP 1980, 192; BGH, NJW 1978, 2154; Hillmann in Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn (Fn. 1), § 149 Rz. 11; Hopt in Baumbach/Hopt (Fn. 14), § 149 Rz. 2. 20 BGH, NJW 1984, 435; Hillmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn (Fn. 1), § 149 Rz. 15; Koller in Koller/Roth/Morck, HGB, 7. Aufl. 2011, § 155 Rz. 4; Kamanabrou in Oetker (Fn. 15), § 149 Rz. 11. 21 BGH, ZIP 2006, 232. 22 KG, NZG 2010, 1102; Habersack in Großkomm. HGB, 5. Aufl. 2009, § 149 Rz. 31; Klöhn in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 2011, § 149 HGB Rz. 12; Karsten Schmidt in MünchKomm. HGB (Fn. 2), § 149 Rz. 31; Timm/ Schöne in Bamberger/Roth, BGB, 2. Aufl. 2007, § 735 Rz. 5; Wertenbruch (Fn. 1), Rz. I 1735a; offen gelassen in BGH, ZIP 2012, 2299, 2303 und OLG München, BeckRS 2009, 20731; auch Ulmer/Schäfer in MünchKomm. BGB (Fn. 1), § 735 Rz. 5 f. mit Ausnahme für den Fall, dass der Anspruch nur benötigt wird zum Ausgleich unter den Gesellschaftern.

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§ 149 Satz 1 HGB die Liquidatoren ausdrücklich, die Forderungen der Gesellschaft einzuziehen, und zu diesen Forderungen zählen eben auch die Ansprüche auf Nachschuss23. Für die Durchsetzung von Einlageforderungen gilt nichts anderes. Hier entspricht es allgemeiner Meinung, dass die Liquidatoren die Einlageforderungen durchsetzen können, wenn dies zur Befriedigung der Gläubiger erforderlich ist.24 Hinzu treten Praktikabilitätserwägungen. Ein geordnetes Liquidationsverfahren setzt voraus, dass Nachschüsse, soweit zur Befriedigung der Gläubiger erforderlich, vom Liquidator eingezogen werden können. Auf diese Weise kann zumindest teilweise verhindert werden, dass die Gläubiger beliebige Gesellschafter in Anspruch nehmen und infolgedessen eine völlig unübersichtliche Situation entsteht. Dieses Argument ist für Publikumsgesellschaften ersichtlich von besonderer Bedeutung und hat daher in der Praxis dazu geführt, dass man im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung jedenfalls für diese Gesellschaftsform zu der Annahme gelangt ist, die Gesellschafter hätten den Liquidator stillschweigend ermächtigt, diese Ansprüche geltend zu machen25. Natürlich besteht dieser Anspruch nur, wenn absehbar ist, dass der Nachschuss zur Befriedigung der Gläubiger benötigt wird. Das ist zugleich der Grund, warum die Durchsetzungssperre nicht greift. Denn wie dargestellt, kann ein Gesellschafter, wenn feststeht, dass er auf jeden Fall zahlen muss, auch schon vor Erstellung der Schlussabrechnung in Anspruch genommen werden. Daher wäre in dem geschilderten Beispielsfall die Klage begründet26.

b) Möglichkeiten der Gesellschafter Diese Ansprüche der Gesellschaft auf Einlageleistung und Nachschüsse können im Wege der actio pro socio von den Gesellschaftern durchgesetzt werden. Auf diese Weise können sie in effektiver Weise darauf drängen, dass die Forderung gegen den Mitgesellschafter realisiert wird. _______________

23 Wertenbruch (Fn. 1), Rz. I 1701 f. 24 BGH, NJW 1980, 1522, 1523; BGH, NJW 1978, 2154; Hopt in Baumbach/ Hopt (Fn. 14), § 149 Rz. 3; Kamanabrou in Oetker (Fn. 15), § 149 Rz. 7; Ulmer/ Schäfer in MünchKomm. BGB (Fn. 1), § 730 Rz. 30. 25 OLG München, BeckRS 2009, 20731; ähnlich BGH, ZIP 2012, 2299, 2303. 26 So im Ergebnis auch BGH, ZIP 2012, 2299.

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2. Rückgriff des in Anspruch genommenen Gesellschafters Auch wenn man, wie wir vertreten, den Liquidatoren die Befugnis einräumt, Nachschüsse zur Befriedigung der Gläubiger einzuziehen, stellt das natürlich nicht sicher, dass die Gläubiger nicht bereits zuvor einen Gesellschafter in Anspruch nehmen. Dieser wird dann versuchen, bei den Mitgesellschaftern Rückgriff zu nehmen. In einem Fall des OLG Koblenz27 waren der Kläger und der Ehemann der Beklagten Gesellschafter einer BGB-Gesellschaft. Diese nahm ein Darlehen auf, für das sich die Beklagte verbürgte. Die Gesellschaft wurde aufgelöst, der Kläger bediente das Darlehen nunmehr allein und nahm die Beklagte aus der Bürgschaft in Anspruch. Das OLG Koblenz hat die Klage abgewiesen. Zwar sei durch die Zahlung des Klägers als Gesamtschuldner gemäß § 426 Abs. 2 Satz 1 BGB die Forderung der Bank auf ihn übergegangen und das habe gemäß §§ 412 Abs. 1, 401 BGB im Grundsatz auch zur Folge, dass die hierfür bestellte Sicherheit, eben die Bürgschaft, nun ihm zustehe. Allerdings könne die Bürgin nur insoweit in Anspruch genommen werden, wie der Schuldner der verbürgten Forderung zur Zahlung verpflichtet sei. Dies sei aber wegen der geschilderten Durchsetzungssperre nicht der Fall. Auch später könne die Klage keinen Erfolg haben. Denn für den dann gegebenen Anspruch auf Ausgleich der Gesellschafter untereinander habe sich die Beklagte nicht verbürgt. Dieses Urteil trifft den Kläger zweifelsohne hart. Denn die Erstellung der Schlussbilanz kann dauern und die Bürgschaft hilft ihm – glaubt man dem OLG Koblenz – auch später nicht. Dogmatisch ist das Urteil nicht unproblematisch. Gezahlt hatte der Kläger auf die Schuld der Gesellschaft, für die auch die Sicherheit bestellt worden war. Gesellschafter und Gesellschaft sind zwar keine Gesamtschuldner, da die Gesellschaft vorrangig haftet.28 Da der Gesellschafter einem Bürgen vergleichbar akzessorisch für die Gesellschaftsschuld haftet und von der Gesellschaft vollen Ersatz verlangen kann, liegt eine analoge Anwendung von § 774 Abs. 1 BGB allerdings nicht fern. Der BGH29 hat allerdings jedenfalls für nicht akzessorische Sicherheiten entschieden, dass ein Gesell_______________

27 NJW-RR 1988, 1250. 28 BGH, ZIP 2011, 1657, 1663; BGH, ZIP 2007, 2314; BGH, ZIP 2002, 394; Habersack, AcP 198 (1998), 152, 166; Faust in FS Karsten Schmidt, 2009, S. 357, 359. 29 ZIP 2011, 1657, 1663.

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schafter, der auf eine Gesellschaftsschuld zahlt, keinen Zug um Zug zu erfüllenden Anspruch auf Übertragung von Sicherheiten hat. Eine Analogie zu § 774 Abs. 1 Satz 1 BGB wird unter Hinweis auf den unstreitig gegebenen Erstattungsanspruch nach § 110 HGB abgelehnt. Es fehle – so das Urteil – an einer planwidrigen Regelungslücke. Diese Argumentation ist angreifbar. Denn schließlich regelt § 110 HGB die Frage, ob Forderungen und Sicherheiten übergehen, gerade nicht. Doch dürfte die Sache damit wohl auch für akzessorische Sicherheiten für die Praxis entschieden sein. Denn wenn § 774 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht analog gilt, fehlt es an der Basis für einen solchen Übergang. Auch ist es wenig sinnvoll, zwischen akzessorischen und nicht akzessorischen Sicherheiten zu unterscheiden. Die Interessen der Gesellschafter hängen von dieser mehr konstruktiven Frage nicht ab. Folgt man dem BGH, so hat das zur Folge, dass die Forderung des Gläubigers und folglich auch Sicherheiten, die für den Anspruch des Dritten gegen die Gesellschaft gestellt worden sind, nicht auf den leistenden Gesellschafter übergehen. Sieht man das anders, und geht davon aus, dass die Forderung des Gläubigers gegen die Gesellschaft auf den leistenden Gesellschafter übergeht, so könnte man die Durchsetzung der übergegangenen Forderung als Geltendmachung einer Drittforderung ansehen, die von der Durchsetzungssperre im Prinzip nicht betroffen ist. Doch entspricht es der herrschenden Meinung, dass auch bei der Durchsetzung einer übergegangenen Drittforderung die Beschränkungen aus dem Gesellschaftsverhältnis zu beachten sind30, wozu eben auch die Durchsetzungssperre zählt. Das muss letztlich auch so sein, da die „Hauptposten“ der Schlussrechnung (neben umstrittenen Entnahmen) normalerweise solche Inanspruchnahmen sind, bei denen eben stets ein solcher Forderungsübergang möglich ist. Ist schon vorher klar, dass ein Gesellschafter auf jeden Fall etwas erhalten wird, kann er diese Summe wie geschildert ja schon zuvor verlangen. Dies bedeutet weiterhin, dass der ursprünglich gesicherte Anspruch durch Einstellen in die Schlussrechnung zum Rechnungsposten wird und daher nicht mehr selbstständig geltend gemacht werden kann. Man könnte allerdings daran denken, § 356 HGB analog anzuwenden. Danach würde die Sicherheit im Ergebnis den Saldo absichern, sofern die Höhe der Schuld die verbürgte Forderung nicht übersteigt. Das würde _______________

30 Faust (Fn. 28), S. 357, 359 bei Fn. 10.

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gemäß § 355 HGB voraussetzen, dass die Ansprüche nicht selbstständig geltend gemacht werden können, in Abständen zu verrechnen sind und der Überschuss anerkannt werden soll. Zwar beruht dies bei der Schlussabrechnung der Gesellschafter nicht auf einer entsprechenden Abrede sondern mehr oder weniger auf dem Gesetz. Auch sind die Gesellschafter nicht notwendig Kaufleute (§ 355 Abs. 1 HGB setzt voraus, dass mindestens ein Beteiligter Kaufmann ist). Doch ob die Sicherheit letztlich den Anspruch aus der Schlussabrechnung sichert, kann letztlich offen bleiben. Denn für die Praxis ist mit dem geschilderten Urteil des BGH wohl alles entschieden. Da Sicherheiten nach Ansicht des BGH nicht übergehen, entfällt damit auch die Frage, was sie sichern könnten. Die Gesellschafter haben außerdem, wenn einer von ihnen gezahlt hat, wechselseitig Ausgleichsansprüche nach § 426 BGB. Doch gilt auch in Bezug auf diesen Anspruch die Durchsetzungssperre31. Es handelt sich zwar nicht um einen Anspruch, der in die Schlussabrechnung eingestellt werden könnte, da er ja nicht Forderungen der Gesellschaft gegen den Gesellschafter oder umgekehrt betrifft. Da aber der gegen die Gesellschaft gerichtete Aufwendungsersatzanspruch in die Abrechnung eingeht, und dieser gegenüber dem Rückgriffsanspruch der Gesellschafter untereinander vorrangig geltend zu machen ist, macht es Sinn, auch die Ausgleichsansprüche der Gesellschafter untereinander als von der Durchsetzungssperre betroffen anzusehen.

3. Abrechnung unter den Gesellschaftern Die Liquidatoren legen den Gesellschaftern die Schlussabrechnung vor. Wird diese von den Gesellschaftern beschlossen32, werden entsprechende Zahlungsansprüche fällig. Der Gesellschafter, der die Abrechnung akzeptiert, kann nach herrschender Meinung gegen seine Mitgesellschafter auf Zahlung klagen. Der andere Gesellschafter kann die von ihm bestrittenen Einzelposten in Abzug bringen. Das Gericht muss nun die Berechtigung jedes einzelnen Postens prüfen.

_______________

31 BGH, NJW 2005, 2618, 2620; BGH, NZG 2003, 215; allgemein zum Anspruch der Gesellschafter untereinander ebenso Wertenbruch (Fn. 1), Rz. I 1779a; Westermann in Erman (Fn. 1), § 730 Rz. 11; Ulmer/Schäfer in MünchKomm. BGB (Fn. 1), § 730 Rz. 52. 32 Beispiel: OLG München, Beck RS 2009, 20731.

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Jedenfalls für Publikumsgesellschaften ist diese Vorgehensweise ersichtlich unzweckmäßig. Es ist einfach nicht praktikabel, die Gesellschafter auf Ansprüche untereinander zu verweisen. Eine ordnungsgemäße Abwicklung setzt voraus, dass die Ansprüche der Gesellschafter mit positivem Kapitalkonto gegenüber der Gesellschaft, vertreten durch die Liquidatoren, geltend gemacht werden33. Allenfalls für Zwei-PersonenGesellschaften wird man wohl eine Ausnahme machen können, da dann der Umweg über Ansprüche gegenüber der Gesellschaft wenig sinnvoll erscheint34. Das schließt dann aber auch mit ein, dass die Liquidatoren Einlagen und Nachschüsse von den Gesellschaftern auch zum Ausgleich der Kapitalkonten der Gesellschafter verlangen können35. Das ist schon deshalb richtig, weil der Anspruch auf Nachschuss und Einlage wie geschildert der Gesellschaft zusteht und zwar ganz unabhängig davon, ob der Betrag zur Gläubigerbefriedigung oder zum Ausgleich der Gesellschafter untereinander benötigt wird. Wenn diese Abwicklungsform einmal unzweckmäßig sein sollte, steht es den Gesellschaftern frei, eine andere Form der Abwicklung (etwa direkter Ausgleich unter den Gesellschaftern) zu wählen. Wer die Abrechnung nicht akzeptiert, muss gegen den Beschluss, der die Abrechnung billigt, vorgehen. Eine Klage gegen einen Mitgesellschafter sollte auch dann ohne vorherige Beschlussmängelklage nicht zulässig sein, wenn es lediglich um den Verteilungsschlüssel in Bezug auf das Abfindungsguthaben geht. Zwar ließe sich dann sagen, es sei lediglich das Schuldverhältnis der Gesellschafter untereinander betroffen und daher sei die Feststellungsklage der richtige Rechtsbehelf36. Da es aber oftmals nicht allein um den Verteilungsschlüssel geht, erscheint es nicht zweckmäßig, insofern zwei Prozesse mit verschiedenen Beklagten zu führen. Zudem lässt sich mit gleicher Überzeugungskraft sagen, dass es um die Beteiligungshöhe und damit um das Verhältnis des Gesellschafters zur Gesellschaft geht. Gesellschafter, die die vorgeschlagene Verteilung für falsch halten, müssen also, sofern die Schlussbilanz durch Beschluss festgestellt worden _______________

33 Wertenbruch (Fn. 1), Rz. I 1785, I 1735a. 34 Wertenbruch (Fn. 1), Rz. I 1785a. 35 Habersack (Fn. 22), § 149 Rz. 24, 32; Klöhn in Henssler/Strohn (Fn. 22), § 149 Rz. 12; Karsten Schmidt in MünchKomm. HGB (Fn. 2), § 149 Rz. 29; a. A. Kamanabrou in Oetker (Fn. 15), § 149 Rz. 11; Koller in Koller/Roth/Morck (Fn. 20), § 149 Rz. 2; a. A. für geschuldete Einlagen Hopt in Baumbach/Hopt (Fn. 14), § 149 Rz. 2. 36 So Wertenbruch (Fn. 1), Rz. I 1756.

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ist, gegen diesen Beschluss vorgehen. In den anderen Fällen reicht eine Mitteilung an die Liquidatoren. Diese zahlen dann bis zur Klärung der Frage unter den Gesellschaftern gemäß § 155 Abs. 3 HGB nicht aus, es sei denn, es steht nahezu fest, dass der Angriff gegen ihren Verteilungsplan rein schikanös ist37.

4. Verzögerungen bei der Aufstellung der Schlussbilanz Die Liquidatoren haben die Schlussbilanz zu erstellen. Was aber tun wenn sie das verzögern? Klar ist, dass sich die Liquidatoren dann gegenüber der Gesellschaft als ihrem Vertragspartner schadensersatzpflichtig machen38. Auch wird man dem Vertrag zwischen Gesellschaft und Liquidator Schutzwirkung zu Gunsten der Gesellschafter zuerkennen39, da sich eventuelle Pflichtverletzungen des Schuldners (Liquidators) für den Liquidator erkennbar auf die Gesellschafter genauso wie auf die Gesellschaft auswirken. Für den Vertrag zwischen GmbH und Geschäftsführer entscheidet die herrschende Meinung zwar anders40. Aber die gerade auf die Gesellschaft bezogene Pflichtenstellung eines Geschäftsführers unterscheidet sich nicht unerheblich von der Rechtsstellung des Liquidators, da die Abwicklungsgesellschaft kaum noch eigene Perspektiven und Interessen hat. Die Parallele zu § 60 InsO (Haftung des Insolvenzverwalters gegenüber allen Beteiligten) liegt dann doch näher. Sofern kein besonderes Vertragsverhältnis zwischen Liquidator und Gesellschaft besteht, ergeben sich vergleichbare Pflichten unmittelbar aus dem Gesellschaftsverhältnis, sofern die Liquidatoren wie vom Gesetz vorgesehen Gesellschafter sind. Dann können die Mitgesellschafter den Anspruch der Gesellschaft im Wege der actio pro socio durchsetzen. Ob die actio pro socio auch greift, wenn der Liquidator kein Gesellschafter ist, ist noch offen, sollte aber schon deshalb bejaht werden, weil unterschiedliche Haftungsrisiken für Fremd- und Gesellschafterliquidatoren _______________

37 Wertenbruch (Fn. 1), Rz. I 1756. 38 Habersack (Fn. 22), § 149 Rz. 6; Kamanabrou in Oetker (Fn. 15), § 154 Rz. 7. 39 Habersack (Fn. 22), § 149 Rz. 6; auch Kamanabrou in Oetker (Fn. 15), § 154 Rz. 7; Westermann in Erman (Fn. 1), § 730 Rz. 15 bejahen einen Schadensersatzanspruch, allerdings ohne eine Anspruchsgrundlage zu nennen. 40 Paefgen in Ulmer, GmbHG, 2006, § 43 Rz. 176; Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 43 Rz. 64; einschränkend Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl. 2009, § 43 Rz. 47.

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nicht überzeugen würden41. Auch hat jeder Gesellschafter einen gegen die Gesellschaft gerichteten Anspruch auf Durchführung der Liquidation42. Im Übrigen sind die Gesellschafter aus dem Gesellschaftsverhältnis verpflichtet, an der Liquidation mitzuwirken und diese zu unterstützen43, also etwa Auskünfte zu geben. Dagegen wird man kaum annehmen können, dass jeder Gesellschafter eine Liquidationsbilanz auch selbst aufstellen könne44. Dies würde zu einem völligen Durcheinander führen, zumal es Bewertungsspielräume gibt und daher die einzig richtige Schlussbilanz nicht ermittelt werden kann. Daher ist im Interesse aller daran festzuhalten, dass die Liquidatoren die Schlussbilanz aufzustellen haben.

5. Auswahl der Liquidatoren in der Publikumsgesellschaft Wie geschildert geht die herrschende Meinung davon aus, dass in der Publikumsgesellschaft die Vertretungsorgane auch die Liquidatoren sind. Dem liegt die zutreffende Beobachtung zu Grunde, dass die Grundregel von § 714 BGB, nach der alle Gesellschafter Liquidatoren sind, auf die Publikumsgesellschaft nicht passt. Zumindest für OHG und KG wäre aber eine Anwendung von § 146 Abs. 2 HGB (Bestellen der Liquidatoren durch das Gericht bei Vorliegen eines wichtigen Grundes) sachgerechter. Da es Sinn der Norm ist, die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft auch in der Liquidation zu gewährleisten45, passt die Bestimmung unmittelbar46. Zugleich wird auf diese Weise sicher_______________

41 Siehe zu dem ähnlich liegenden Fall der actio pro socio gerichtet gegen Fremdgeschäftsführer, Grunewald, Die Gesellschafterklage in der Personengesellschaft und der GmbH, 1990, S. 89; Verse in FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 1325, 1334; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, S. 462. 42 In der Zwei-Personen-Gesellschaft richtet sich der Anspruch genau wie der Zahlungsanspruch direkt gegen den Gesellschafter, da der Umweg über die Gesellschaft erneut nicht sinnvoll wäre, siehe den Fall BGH, ZIP 2011, 1145. 43 OLG Köln, NZG 2009, 552, 553; Timm/Schöne in Bamberger/Roth (Fn. 22), § 730 Rz. 18; Westermann in Erman (Fn. 1), § 730 Rz. 6; siehe auch Karsten Schmidt, ZHR 153 (1989), 276, 285; nach BGH, NJW 1968, 2005 kann eine Verzögerung sogar dazu führen, dass die Durchsetzungssperre nicht mehr greift. 44 So OLG Hamm, NZG 2002, 419, 420; Habersack (Fn. 22), § 155 Rz. 14; Hillmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn (Fn. 1), § 155 Rz. 12; Karsten Schmidt in MünchKomm. HGB (Fn. 2), § 155 Rz. 45. 45 Karsten Schmidt in MünchKomm. HGB (Fn. 2), § 146 Rz. 27. 46 In diese Richtung auch BGH, ZIP 2011, 1865, 1867.

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gestellt, dass eventuell unfähige Manager nicht weiter agieren. Das entspricht dem Schutzzweck der Norm, nach der unabhängig von vorherigen Vertretungsverhältnissen und Geschäftsführungsbefugnissen in der Liquidation alle zuständig sein sollen. Es geht eben gerade auch darum, Gesellschafter zu kontrollieren, die eventuell sogar für die Herbeiführung der Liquidation verantwortlich sind.

III. Zusammenfassung 1. Die Liquidatoren sind berechtigt und verpflichtet, ausstehende Einlagen der Gesellschafter und eventuell geschuldete Nachschüsse zu verlangen. Dies gilt auch, wenn die Beträge nicht zur Befriedigung der Gläubiger, sondern zum Ausgleich der Ansprüche der Gesellschafter untereinander benötigt werden. 2. Der Anspruch der Gesellschaft auf Einlage und Nachschuss kann im Weg der actio pro socio durchgesetzt werden. 3. Nach Inanspruchnahme eines Gesellschafters durch Gläubiger der Gesellschaft kann der Gesellschafter von der Gesellschaft und seinen Mitgesellschaftern Ausgleich verlangen. Beide Ansprüche gehen in die Schlussabrechnung ein und unterliegen der Durchsetzungssperre. 4. Der Anspruch aus der Schlussabrechnung richtet sich regelmäßig gegen die Gesellschaft. 5. In Publikumsgesellschaften kann in Analogie zu § 146 Abs. 2 HGB eine Bestellung des Liquidators/der Liquidatoren durch das Gericht erfolgen.

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Bericht über die Diskussion des Referats Grunewald Dr. Christoph Andreas Weber Akademischer Rat a.Z., Universität München Im Zentrum der von Westermann geleiteten Diskussion stand der Rückgriff des von einem Gesellschaftsgläubiger in Anspruch genommenen Gesellschafters. Erörtert wurde insbesondere die Möglichkeit eines Übergangs der für die Gesellschaftsschuld bestellten Sicherheiten auf den zahlenden Gesellschafter. Dabei wurde die insoweit großzügige Tendenz der Referentin überwiegend begrüßt. Darüber hinaus sprachen die Diskussionsteilnehmer eine Reihe weiterer Fragestellungen an.

I. Was zunächst die Anspruchsgrundlage für den Rückgriff des zahlenden Gesellschafters bei der Gesellschaft angeht, so wandte sich Sieker gegen eine analoge Heranziehung des § 110 HGB. Sie befürwortete stattdessen die Anwendung der §§ 713, 670 BGB. Grunewald merkte an, dass sich der Rückgriffsanspruch aus diesen Vorschriften ebenso herleiten ließe wie aus der von der h. M. favorisierten Analogie zu § 110 HGB. Ein sachlicher Unterschied bestehe insoweit nicht. Liebscher warf darüber hinaus die Frage auf, ob nicht § 426 Abs. 1 BGB die richtige Anspruchsgrundlage sei. Hierauf entgegnete die Referentin, dass zwar zwischen den Gesellschaftern ein Gesamtschuldverhältnis bestehe, nicht aber zwischen Gesellschafter und Gesellschaft, sondern dass die Gesellschafterhaftung insoweit vielmehr akzessorischer Natur sei. Daher gehe auch eine für die Schuld der Gesellschaft gestellte Sicherheit nicht gemäß §§ 426 Abs. 2, 412, 401 BGB auf den zahlenden Gesamtschuldner über. Dieser erwerbe vielmehr nur die Forderung gegen seinen Mitgesellschafter.

II. Karsten Schmidt stimmte der Referentin überwiegend zu, äußerte sich aber doch skeptisch im Hinblick auf ihre Überlegung, auch den Anspruch des zahlenden Gesellschafters gegen seine Mitgesellschafter aus § 426 Abs. 1 BGB im Liquidationsstadium der Durchsetzungssperre zu unterwerfen. Der Gesellschafter müsse die Gläubiger der Gesellschaft

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sofort befriedigen, weshalb es bedenklich sei, ihn wegen seines Ausgleichsanspruchs auf die Schlussrechnung zu verweisen. Grunewald entgegnete, sie habe diese Skepsis anfangs geteilt, halte das Eingreifen der Durchsetzungssperre aber im Ergebnis dennoch für sachgerecht. Der Anspruch gegen die Mitgesellschafter aus § 426 Abs. 1 BGB könne nur subsidiär zum Regressanspruch analog § 110 HGB gegen die Gesellschaft geltend gemacht werden. Wenn Letzterer im Liquidationsstadium gesperrt sei, könne für den subsidiären Anspruch aus § 426 Abs. 1 BGB kaum anders entschieden werden. Die Ausgleichsforderung des zahlenden Gesellschafters lasse sich zudem unschwer in die Auseinandersetzungsrechnung einstellen, weshalb die Anwendung der Durchsetzungssperre auch der Sache nach Sinn ergebe.

III. Diskutiert wurde zudem die These Grunewalds, dass der auf die Gesellschaftsschuld leistende Gesellschafter in analoger Anwendung des § 774 BGB die Forderung gegen die Gesellschaft erwerbe und mit ihr auch die Rechte aus einer dafür vereinbarten Bürgschaft. Nolting äußerte sich zustimmend und verwies darauf, dass der BGH kürzlich einen vergleichbaren Fall zum GmbH-Recht in diesem Sinne entschieden habe.1 Der Sachverhalt habe sich zwar insoweit vom Beispielsfall der Referentin unterschieden, als der Gesellschafter die Gesellschaftsschuld nicht getilgt, sondern kaufweise erworben habe. Darin liege jedoch bei wertender Betrachtung kein entscheidender Unterschied. Grunewald stimmte dem zu und ergänzte, dass der BGH zwar im Hinblick auf den Rückgriff des in Anspruch genommenen Gesellschafters einer Personengesellschaft anders entschieden habe. Der Entscheidung habe aber eine nicht akzessorische Sicherheit zugrunde gelegen. Es bleibe zu hoffen, dass wenigstens bei akzessorischen Sicherungsrechten anders entschieden werde, zumal der Sicherungszweck jeweils auch auf den Schutz des Gesellschafters gerichtet sei. All dies seien aber letztlich Wertungsfragen. Dem stimmte Bergmann zu; er äußerte sich aber skeptisch, ob wirklich ein Wille des Sicherungsgebers zur Begünstigung der mithaftenden Gesellschafter angenommen werden könne. Ergänzend gab Karsten Schmidt zu bedenken, dass erwogen werden könne, dem Bürgen eine Einrede zuzubilligen, sofern er sich lediglich für die Gesell_______________

1 Gemeint ist nach Einschätzung des Verfassers das Urteil vom 5.4.2011 – II ZR 279/08, NZG 2011, 745.

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Weber – Bericht über die Diskussion des Referats Fastrich

schaftsschuld und nicht für die akzessorische Schuld des jeweiligen Gesellschafters habe verbürgen wollen. In diesem Fall müsse der von Grunewald genannte Beispielsfall im Ergebnis doch im Sinne des BGH entschieden werden.

IV. Harry Schmidt sprach die Rechtsstellung der Liquidatoren an. Er äußerte Zweifel an ihrer Berechtigung, Nachschüsse von den Gesellschaftern einzufordern. Zudem hob er hervor, dass bei der Liquidation genau zwischen Drittgläubigerforderungen und Ansprüchen aus dem Gesellschaftsverhältnis unterschieden werden müsse. Grunewald antwortete, dass dieser Unterscheidung in der Tat großes Gewicht zukomme, weil die im Liquidationsstadium geltende Durchsetzungssperre nicht eingreife, soweit der Gesellschafter der Gesellschaft als Drittgläubiger gegenübertrete. Allerdings sei es vorzugswürdig, den Liquidatoren auch die Einforderung von Nachschüssen zu ermöglichen, weil sie damit in die Lage versetzt würden, die Gesellschaftsgläubiger zu befriedigen und einen Ausgleich unter den Gesellschaftern durchzuführen.

V. Darüber hinaus waren verschiedene Einzelaspekte Gegenstand der Diskussion. So fragte etwa Sieker, ob das Verfahren der Auseinandersetzung nach Ansicht Grunewalds auch bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts im Liquidationsstadium eine Bilanzierung erforderlich mache. Die Referentin verneinte dies. Auf die weitere Frage Siekers, weshalb ein Vertrag zwischen Gesellschaft und Liquidator Schutzwirkung zugunsten der Gesellschafter entfalten solle, antwortete Grunewald, dass dies erforderlich sei, weil der Schaden – z. B. bei Verzögerung der Liquidation – typischerweise nicht die Gesellschaft, sondern den Gesellschafter treffe. Letzterem sei deshalb nur eingeschränkt geholfen, wenn man ihm gestatte, die Ansprüche der Gesellschaft im Wege der actio pro socio zu verfolgen. Dem stimmte Westermann vorbehaltlos zu.

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Die Haftung des Gesellschafters der eingetragenen GmbH bei der wirtschaftlichen Neugründung Dr. Johannes Adolff Rechtsanwalt, Frankfurt am Main A. Haftungsmodell des BGH für die rechtliche Gründung . . . . . 50

III. Haftung auch des Anteilserwerbers? . . . . . . . . . . . . . . . . . 71

I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . 50

IV. Meinungsstand im Schrifttum 72

II. Unterbilanzhaftung (Vorbelastungshaftung) . . . . . . 51 1. Unterbilanzhaftung und Unversehrtheitsgrundsatz . . 52 2. Zäsurwirkung der Eintragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

C. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . 75

III. Verlustdeckungshaftung . . . . . 54

III. Berechtigte Verkehrserwartung als maßgeblicher Bezugspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78

B. Übertragung des Haftungsmodells auf die wirtschaftliche Neugründung . . . . . . . . . . 57 I. Tatbestandsseite . . . . . . . . . . . . 1. Fallgruppe der Vorratsgesellschaften . . . . . . . . . . . . 2. Fallgruppe der Altmäntel . . 3. Zusätzliche Fallgruppe der Mutationsfälle? . . . . . . . . . . . 4. Einordnung der Fallgruppen II. Rechtsfolgenseite . . . . . . . . . . . 1. Offenlegung . . . . . . . . . . . . . . 2. Geschäftsführer-Erklärung . 3. Präventive Registerprüfung 4. Analoge Gründerhaftung . . . a) Analoge Unterbilanzhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . b) Analoge Verlustdeckungshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . c) Haftung auch bei voller Kapitaldeckung im Anmeldungszeitpunkt . . . . . 5. Handelndenhaftung . . . . . . .

58 58 59 63 65 67 67 67 68 68 68 69

70 70

I. Präzise Erfassung des Tatbestands . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 II. Entfallen der Legitimationswirkung der Eintragung . . . . . 76

IV. Keine Enttäuschung berechtigter Verkehrserwartungen bei Vermögenskontinuität . . . 80 V. Keine wirtschaftliche Neugründung bei Vermögenskontinuität . . . . . . . . . . . . . . . . 81 VI. Unterschiede in den Rechtsfolgen – rechtliche vs. wirtschaftliche Neugründung . . . . 1. Erkennbarkeit des Haftungsrisikos . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Dauer des Risikozeitraums a) Scheitern der Eintragung b) Vornahme der Eintragung

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VII. Vorschlag zur Rechtsfolgenseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 VIII. Randfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 1. Handelsregisterbeteiligung ist im Sachverhalt strukturell nicht angelegt . . . . . . . . 90

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Adolff – Wirtschaftliche Neugründung 2. Erforderliche Handelsregisterbeteiligung findet nicht (ordnungsgemäß) statt . . . . . 91 IX. Semantische Klarstellung zur „Differenzhaftung“ . . . . . . . . . . 92

X. Auswirkung auf die Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorratsgesellschaften . . . . . 2. Altmantelfälle . . . . . . . . . . . 3. Mutationsfälle . . . . . . . . . . .

95 95 96 97

D. Zusammenfassung in neun Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99

A. Haftungsmodell des BGH für die rechtliche Gründung I. Grundlagen Nach der Rechtsprechung des BGH besteht ein „allgemeiner Grundsatz des bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts, dass derjenige, der als Einzelperson oder in Gemeinschaft mit anderen Geschäfte betreibt, für die daraus entstehenden Verpflichtungen mit seinem gesamten Vermögen haftet, solange sich aus dem Gesetz nichts anderes ergibt.“1

Für die GmbH2 bedeute dies, dass „für das Privileg der fehlenden persönlichen Gesellschafterhaftung […] bei Wahl der Rechtsform der GmbH […] der im Gesetz vorgesehene „Preis“ in Form der Pflichten zur Aufbringung und Erhaltung eines Mindestkapitals und der Registerpublizität zu zahlen“ ist.3

Wer es als Gesellschafter versäumt, diesen Preis zu zahlen, verharrt im Zustand des nicht-privilegierten Wirtschaftens mit persönlicher Haftung. In diesem Zustand nimmt er – bis an die Grenze der eigenen Insolvenz – den Gesellschaftsgläubigern ihr Bonitätsrisiko ab.4 Der einzige Weg, diesem Zustand zu entkommen und sich das Privileg des § 13 Abs. 2 GmbHG zu verdienen, besteht darin, dass sich der Ge_______________

1 BGHZ 142, 315, 319. 2 Für die AG gelten die hier erörterten Grundsätze entsprechend, vgl. schon BGHZ 117, 323, 325 (Zulässigkeit der AG-Vorratsgesellschaft) sowie aus jüngerer Zeit etwa Habersack, AG 2010, 441 ff. m. w. N.; im Interesse der semantischen Vereinfachung wird im Folgenden allein von der GmbH gesprochen. 3 BGHZ 142, 315, 322. 4 Zu diesem gedanklichen Ausgangspunkt des BGH (und seiner Bewertung aus der Sicht der ökonomischen Analyse) sehr instruktiv Mülbert, Der Konzern 2004, 151, 156.

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Adolff – Wirtschaftlichen Neugründung

sellschafter von einem Teil seines Vermögens, der Stammeinlage, auf Dauer trennt und ihn in das Gesellschaftsvermögen überführt.5 Ein zentrales Element des hierfür von der Rechtsordnung zur Verfügung gestellten Verfahrens ist die präventive Registerkontrolle: Sämtliche Geschäftsführer haben mit Blick auf die Kapitalausstattung die Geschäftsführer-Erklärungen nach §§ 8 Abs. 2, 7 Abs. 2, 3 GmbHG abzugeben. Falschangaben sind strafbewehrt und führen zur Haftung nach § 9a GmbHG. Nach Maßgabe des § 9c GmbHG unterliegen diese Angaben der registerrichterlichen Kontrolle. Ist der Registerrichter von der hinreichenden Kapitalausstattung nicht überzeugt, dann verweigert er die Eintragung. Die „Eintrittskarte“ in die privilegierte Welt des unternehmerischen Handelns mit Haftungsbeschränkung kann in diesem Fall nicht gelöst werden, weil, um beim Bild des BGH zu bleiben, der „Preis“ hierfür nicht stimmt. Auf diesem dogmatischen Fundament ruht das höchstrichterliche, „zugegeben strenge“6 Haftungsmodell für gescheiterte GmbH-Gründer mit seinen zwei Komponenten, der Unterbilanzhaftung (Vorbelastungshaftung) und der Verlustdeckungshaftung.7 Dieses Haftungsmodell soll zunächst mit Blick auf die ursprüngliche Gründung der Gesellschaft in Erinnerung gerufen werden (dieser Abschnitt A). In Ermangelung eines eleganteren Ausdrucks spreche ich insofern von der „rechtlichen“ Gründung. Auf dieser Grundlage kann sich die Untersuchung der Übertragung des Haftungsmodells auf die wirtschaftliche Neugründung zuwenden. Für sie wird der gegenwärtig erreichte Stand der Rechtsentwicklung zunächst referiert (Abschnitt B) und sodann einer kritischen Würdigung unterzogen (Abschnitt C). Den Schluss bildet eine Zusammenfassung in neun Thesen (Abschnitt D).

II. Unterbilanzhaftung (Vorbelastungshaftung) Der gedankliche Ausgangspunkt für das höchstrichterliche Modell der „einheitlichen Gründerhaftung“8 ist die Überwindung der Lehre vom Vorbelastungsverbot gewesen.9 Demnach gehen die Verbindlichkeiten der Vor-GmbH zwar mit der Eintragung ohne weiteres auf die GmbH _______________

5 6 7 8 9

Goette, DStR 2004, 461. Goette, DStR 2004, 461, 462; ähnlich Bachmann, NZG 2011, 441 ff. Weitgehend geklärt, wenn auch bei offenen Einzelfragen, seit BGHZ 134, 333. BGHZ 134, 333, Leitsatz a). BGHZ 80, 129, 137.

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über. Diejenigen Gesellschafter, welche der Geschäftsaufnahme vor Eintragung zugestimmt haben, tragen aber die Verantwortung, dass das Nettovermögen der Gesellschaft im Zeitpunkt der Eintragung10 noch die Stammkapitalziffer deckt. Ist dies nicht der Fall, so entsteht ein Anspruch der GmbH gegen diese Gesellschafter (Innenhaftung11) in Höhe der Differenz zwischen dem tatsächlich bei Eintragung vorhandenen Nettovermögen und der statuarischen Stammkapitalziffer12 (Unterbilanz). Das Nettovermögen bestimmt sich dabei nach Maßgabe einer Vorbelastungsbilanz im Sinne einer Zwischenbilanz nach handelsrechtlichen Grundsätzen. Sie ist zum Stichtag der Eintragung aufzustellen, bei Vorliegen einer Fortführungsprognose mit going concern-Bilanzansätzen, ohne diese zu Liquidationswerten.13

1. Unterbilanzhaftung und Unversehrtheitsgrundsatz Nach dem Gesagten trifft die Unterbilanzhaftung die Gründer auch dann, wenn das der Stammkapitalziffer entsprechende Nettovermögen zwar im Zeitpunkt der Anmeldung vorhanden gewesen ist, bis zur Eintragung aber unter diese Schwellen absinkt. Nach dem Unversehrtheitsgrundsatz der Rechtsprechung muss die Gesellschaft nämlich auch noch im Zeitpunkt der Eintragung, in dem sie im Sinne des § 11 Abs. 1 GmbHG „als solche“ ins Leben tritt,14 voll kapitalisiert sein. _______________

10 Nicht lediglich im Zeitpunkt der Anmeldung, in welcher die Geschäftsführer ihre Erklärungen nach §§ 8 Abs. 2, 7 Abs. 2, 3 GmbHG abgeben, vgl. nur BGHZ 80, 129, 141, und sogleich unter Ziffer A.II.1. 11 Zu den Ausnahmen, die hier nicht weiter zu erörtern sind, vgl. nur: Hueck/ Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 11 Rz. 27; Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, § 11 Rz. 18. 12 Nicht etwa dem Betrag des gesetzlichen Mindestkapitals, vgl. BGHZ 155, 318, 326; Merkt in MünchKomm. GmbHG, 1. Aufl. 2010, § 11 Rz. 156; Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, § 11 Rz. 33. 13 Luttermann in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2003, § 242 Rz. 20 ff. 14 BGHZ 80, 129, 136: „Auch ist nicht daran vorbeizukommen, dass es der Kerngedanke des Kapitalgesellschaftsrechts ist, die juristische Person nur mit einem garantierten Mindestkapital als der unerlässlichen Betriebsgrundlage und Haftungsgrundlage ins Leben treten zu lassen; darauf, dass die GmbH wenigstens im Augenblick ihrer Eintragung, in dem sie ‚als solche‘ entsteht (§ 11 Abs. 1 GmbHG), über diesen öffentlich verlautbarten Haftungsfonds verfügt, soll sich der Rechtsverkehr verlassen dürften.“; Kritisch zum Unversehrtheitsgrundsatz (mit umfassenden Nachweisen) Kersting, ZHR 175 (2011), 644 ff.

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Adolff – Wirtschaftlichen Neugründung

Für den vorsichtigen Gründer bedeutet dies, dass er die Geschäfte nicht schon aufnehmen kann, wenn zwar beurkundet und angemeldet ist, aber noch nicht eingetragen. Stattdessen muss er die Eintragung abwarten, um sicherzugehen, dass nicht das Nettovermögen vorher (durch operative Verluste) unter die Stammkapitalziffer absinkt. Ist er dagegen risikofreudig und gestattet die Geschäftsaufnahme der Vor-GmbH, so füllt erforderlichenfalls der Anspruch der Gesellschaft aus der Unterbilanzhaftung deren Aktivvermögen so weit auf, dass ihr Nettovermögen die Stammkapitalziffer doch (und gerade) noch erreicht. Infolgedessen tritt die Gesellschaft, Solvenz der Gesellschafter unterstellt, doch (und gerade) noch unversehrt ins Leben. Ruinöse Gefahren für die gescheiterten GmbH-Gründer lauern dabei vor allem „unterhalb der Nulllinie“: Ist das Nettovermögen im Zeitpunkt der Eintragung negativ, so übersteigt der Betrag des Haftungsanspruchs der GmbH denjenigen der Stammkapitalziffer. Die gescheiterten GmbHGründer müssen das Gesellschaftsvermögen in einem solchen Fall „bis zur Nulllinie“, und von dort noch „bis zur Stammkapitallinie“ auffüllen.

2. Zäsurwirkung der Eintragung Im Haftungsmodell des BGH hat die Eintragung somit Zäsurwirkung:15 sie bedingt die höhenmäßige Fixierung des Haftungsanspruchs. Verluste bis zur Eintragung gehen (soweit sie zur Unterbilanz führen) zu Lasten der Gründer. Verluste danach gehen jedoch zu Lasten der Gesellschaftsgläubiger: Nachdem die „Kapitalisierungslücke“ der Gesellschaft im Zeitpunkt der Eintragung durch den Aktivgegenstand des Unterbilanzhaftungs-Anspruchs geschlossen worden – und die Gesellschaft somit unversehrt ins Leben getreten – ist, stehen die Gesellschaftsgläubiger für die Zukunft nicht anders wie im Normalfall der Eintragung mit ohnehin ausreichendem Nettovermögen: ein weiteres Absinken des Nettovermögens im Zeitablauf nach der Eintragung verschafft ihnen keinen zusätzlichen Anspruch. Nach der Zäsur der Eintragung kann sich die Unterbilanzhaftung betragsmäßig nicht mehr erhöhen. Hierin zeigt sich, dass es sich bei dem Anspruch aus Unterbilanzhaftung seiner Natur nach nicht um einen Schadensersatzanspruch handelt, sondern um eine Ausmünzung der persönlichen Haftung derjenigen, die damit einverstanden gewesen sind, dass mit dem Geschäftsbetrieb be_______________

15 Sehr instruktiv hierzu Heinze, GmbHR 2011, 962, 963.

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Adolff – Wirtschaftliche Neugründung

gonnen wurde, bevor der Preis für das Privileg der Haftungsbeschränkung vollständig und ordnungsgemäß entrichtet worden war. Der Logik der Zäsurwirkung der Eintragung entspricht es zudem, dass, so jedenfalls die BGH-Rechtsprechung, der Anspruch aus Unterbilanzhaftung weder untergeht noch betragsmäßig reduziert wird, wenn die Gesellschaft nach der Eintragung erfolgreich wirtschaftet und die Vermögenslücke der Unterbilanz durch thesaurierte Gewinne wieder geschlossen wird.16 Somit bedeutet Zäsurwirkung im Haftungsmodell der Rechtsprechung betragsmäßige Fixierung in beide Richtungen: Die Anspruchshöhe kann nicht mehr steigen (auch wenn das Nettovermögen danach weiter absinkt), aber auch nicht mehr fallen (selbst wenn das Nettovermögen danach wieder zunimmt), vgl. Abbildung 1 (S. 55).

III. Verlustdeckungshaftung Kommt es nicht zur Eintragung, so fehlt es an dieser Zäsurwirkung ebenso wie am Soliditätssignal der im Handelsregister eingetragenen Stammkapitalziffer. Der Haftungsanspruch bleibt seiner Höhe nach im Zeitablauf veränderlich, und zwar in Abhängigkeit von der weiteren Entwicklung des Nettovermögens. In der Terminologie des BGH: Solange es zu keiner Eintragung kommt, greift – als zweite Ausmünzung einer einheitlichen Gründerhaftung – statt der Unterbilanzhaftung die Verlustdeckungshaftung.17 Diejenigen Gesellschafter, die das Verharren des Unternehmensträgers in der „Welt des persönlich betriebenen Gewerbes“ zugelassen haben, haften der Gesellschaft gegenüber unbeschränkt mit ihrem eigenen Vermögen. Kommt es zur Insolvenz, so haben sie das Vermögen der Gesellschaft bis zur „Nulllinie“ aufzufüllen, in der Sache also: für die vollständige Befriedigung sämtlicher Insolvenzgläubiger zu sorgen, vgl. Abbildung 2 (S. 56).

_______________

16 BGHZ 165, 391, 399 ff. 17 BGHZ 134, 333.

54

Nov

Dez

Jan Zeitablauf

o Aufnahme der Geschäftstätigkeit

und dabei Vermögensverzehr und somit oAbsinken des Nettovermögens unter die Stammkapitalziffer vor der Eintragung Stamm-

Nettovermögensentwicklung

kapitaiLinie

Eingetragene GmbH (ohne Unterbrechung der Unternehmenstätigkeit): o Keine weitere Ausweitung des Haftungsrisikos für die Gründer, o sondern nachhaltige Fixierung der Unterbilanzhaftung auf dem

Niveau vom Tag der Eintragung der Gesellschaft.

, ..................................... "'

. /

/

Beseitigung der Unterbilanz ~ beseitigt nicht die Unterbilanzhaftung ~

.

NullLinie

Unterbilanzhaftung

Abbildung l : Unterbilanzhaftung: Zäsurwirkung der Eintragung

Insolvenz

Adolff – Wirtschaftlichen Neugründung

Vorgesellschaft

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56

Jahr 3

Jahr 4

Zeitablauf

Aber:

•Aufnahme der Geschäflstäligkeit und dabei • Vermögensverzehr und somit •Absinken des Nettovermögens unter die Stammkapitalziffer und osodann unter Null, was dazu führt, dass Insolvenz eintritt.

StammkapitalLinie NullLinie

Nettovermögensentwicklung

... .·· .. ..

. •••••••••••••••••r•

Abbildung 2: Verlustdeckungshaftung ohne Eintragung (und somit ohne Zäsurwirkung)

Adolff – Wirtschaftliche Neugründung

Vorgesellschaft:

Adolff – Wirtschaftlichen Neugründung

Bei der rechtlichen Gründung reagiert das Richterrecht mit dieser gegenüber den Gründern ausgesprochen harten Rechtsfolge auf deren Wagemut im Umgang mit den gesetzlichen Vorgaben: Weil die Gründer die hierfür vom Gesetzgeber nicht ausgelegte Vor-GmbH sehenden Auges als Trägerin eines operativen Unternehmens benutzen, bevor der Rechtsverkehr das Soliditätssignal der Eintragung empfangen konnte, verdienen sie es auch nicht, in der Haftungsfrage wesentlich anders als OHG-Gesellschafter oder Komplementäre einer KG behandelt zu werden.18 Es gibt für sie „kein Vertun“ was das Ausmaß ihrer Haftungsrisiken angeht. Hier liegt, wie noch zu zeigen sein wird, ein deutlicher Unterschied zu den meisten Sachverhalten der wirtschaftlichen Neugründung.

B. Übertragung des Haftungsmodells auf die wirtschaftliche Neugründung Seit nunmehr fast einem Jahrzehnt überträgt der BGH dieses Haftungsmodell im Wege einer Analogie19 auf die wirtschaftliche Neugründung. Wegweisend waren zwei Leitentscheidungen in den Jahren 200220 und 2003.21 Beide ergingen im registerrechtlichen Verfahren, ausgelöst durch die Verweigerung der Eintragung von Seiten des Registergerichts. Bei den in ihnen enthaltenen Aussagen zum Haftungsmodell handelt es sich somit um obiter dicta. Diese werden ergänzt durch die den Tatbe_______________

18 Freilich handelt es sich – anders als bei diesen Personengesellschaftern – zunächst noch um eine Innenhaftung, vgl. BGHZ 134, 333, 339 f. Dies soll nach der Rechtsprechung des BGH aber nur gelten, wenn bei Scheitern des Eintragungsverfahrens die Geschäftstätigkeit sofort beendet und die Vorgesellschaft abgewickelt wird. Werden stattdessen die Geschäfte nach diesem Zeitpunkt fortgeführt, greift die „gesamtschuldnerische Außenhaftung, wie sie für das personengesellschaftliche Haftungssystem prägend ist“, BGHZ 152, 290, 291 f. Dasselbe gilt von alters her, wenn nie die Absicht bestand, die Eintragung der GmbH herbeizuführen, vgl. nur BGHZ 22, 240 und BGHZ 51, 30, 32. 19 So BGHZ 153, 158, 161, obiter dictum. Ausdrücklich von einer Analogie in Bezug auf das Haftungsmodell sprechen in der Literatur beispielsweise Ulmer in Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, 2005, § 3 Rz. 142 und Bachmann, NZG 2011, 441, 448 m. w. N. 20 BGHZ 153, 158 (zur Vorratsgesellschaft). 21 BGHZ 155, 318 (zum Altmantel).

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Adolff – Wirtschaftliche Neugründung

stand weiter präzisierenden Entscheidungen des BGH von 201022 und 2011.23

I. Tatbestandsseite 1. Fallgruppe der Vorratsgesellschaften Die erste Leitentscheidung aus dem Jahre 2002 hatte eine Vorratsgesellschaft zum Gegenstand.24 Die Gesellschaft war als „D. Fünfundzwanzigste Verwaltungsgesellschaft m.b.H.“ gegründet worden. Ihr Unternehmensgegenstand war zunächst die Verwaltung eigenen Vermögens. Sie wurde sodann veräußert und unter der Ägide der neuen Gesellschafter in der üblichen Weise „scharf geschaltet“, d. h. es wurden neue Geschäftsführer bestellt, der Unternehmensgegenstand geändert (Partyservice), die Firma angepasst – und all dies wurde, weniger als drei Monate nach der Gründung, zum Handelsregister angemeldet. In der Anmeldung fand sich allerdings kein Hinweis auf eine wirtschaftliche Neugründung und keine Geschäftsführer-Erklärungen der in § 8 Abs. 2 GmbHG geforderten Art. Hierauf bestand jedoch das Registergericht selbst dann noch, als ihm Kontoauszüge vorgelegt worden waren, aus denen sich ein der Stammkapitalziffer (abzüglich Gründungskosten) entsprechendes Guthaben ergab. _______________

22 BGH, NJW 2010, 1459 („Sprachschulfall“). 23 BGH, BB 2011, 2443 (im Schwerpunkt zur Handelndenhaftung nach § 11 Abs. 2 GmbHG). 24 Über deren Zulässigkeit hatte der BGH schon ein Jahrzehnt zuvor befunden, BGHZ 117, 323 (1992), bemerkenswerterweise zu einer AG-Vorratsgesellschaft, vgl. schon Fn. 2. Von der seit dieser Entscheidung zulässigen offenen Vorratsgründung (Unternehmensgegenstand zunächst und richtig: „Verwaltung eigenen Vermögens“) ist die hier nicht interessierende verdeckte Vorratsgründung zu unterscheiden (unternehmerischer Unternehmensgegenstand in der Satzung schon im Zeitpunkt der Gründung, obwohl in diesem Zeitpunkt keine Absicht besteht, diesen unternehmerischen Unternehmensgegenstand durch die Aufnahme des ihm entsprechenden Geschäftsbetriebs mit Leben zu erfüllen). Diese Fallgruppe der verdeckten Vorratsgründung, die nach der ganz h. M. zur Nichtigkeit der Satzung führt (vgl. nur BGHZ 153, 158, 161), ist für die vorliegende Untersuchung nicht von Interesse. Soweit ersichtlich, wird nicht vorgeschlagen, das Richterrecht zur verdeckten Vorratsgründung als Analogiebasis für die Haftung der GmbH-Gesellschafter bei der wirtschaftlichen Neugründung heranzuziehen. Semantisch in diese Richtung allerdings Bayer in FS Goette, 2011, S. 15, 18 und 24 ff., der für die „Mutationsfälle“ (siehe unten Abschnitt B.I.3.) den Begriff der „nachträglichen verdeckten Vorratsgründung“ ins Spiel bringt (a. a. O., S. 18 und 24 f.).

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Adolff – Wirtschaftlichen Neugründung

Der BGH gab dem Registerrichter Recht. Er ordnete diesen StandardSachverhalt als wirtschaftliche Neugründung ein. Zum Analogiegrund ist die Entscheidung erstaunlich zurückhaltend. Den deutlichsten Fingerzeig gibt Goette in seinem Aufsatz von 2004: „Was der Senat meint, wird m. E. treffender dadurch ausgedrückt, dass mit der Verwendung der Vorratsgesellschaft für einen operativen Zweck erst der Gründungsakt zum Abschluss gebracht wird.“25

In der Entwicklung der Rechtsprechung war die Einordnung der Vorratsgesellschafts-Fälle bei den wirtschaftlichen Neugründungen keineswegs von vorneherein angelegt. Vielmehr wurde noch in der Entscheidung des BGH von 1992 hervorgehoben: „Im Vergleich dazu [gemeint ist die Altmantelverwendung] erscheint die Gründung und spätere Verwendung einer zunächst inaktiven Vorratsgesellschaft eher weniger gefährlich, da ihre bei der Gründung durch das Registergericht kontrollierte Kapitalausstattung zum Zeitpunkt der wirtschaftlichen Neugründung durch Aufnahme ihres Geschäftsbetriebs regelmäßig noch unversehrt, vermindert allenfalls um die Gründungskosten und geringfügige Steuern, vorhanden sein wird.“26

Bestimmend für die 2002/2003 vollzogene Hinwendung zu einem strengen Haftungssystem dürfte die Zielsetzung gewesen sein, mit einer harten Sanktion dafür zu sorgen, dass die präventive Registerkontrolle nicht leer läuft.27 Abbildung 3 (S. 60) fasst diesen Befund graphisch zusammen.

2. Fallgruppe der Altmäntel Der zweiten Grundsatzentscheidung, die 2003 mit nur einem Jahr Abstand nachfolgte, lag eine besonders plastische Ausprägung des „Urfalls“ der Altmantelverwendung zugrunde: Der Konkursverwalter der Firmengruppe eines Bauunternehmens versilberte im Jahre 2000 eine bisher als Unterstützungskasse der Gruppe dienende GmbH durch deren Veräußerung an einen „Neugründer“. Dieser firmierte die Gesellschaft in „Z. Metallbau GmbH“ um und nahm in dieser Branche mit _______________

25 Goette, DStR 2004, 461, 462. 26 BGHZ 117, 323, 333 (1992); bekräftigt (im Wortlaut fast gleich) BGHZ 155, 318, 323 (2003). 27 BGHZ 155, 318, 325 (2003) „[…] Effektivität des unverzichtbaren registergerichtlichen Präventionsschutzes“; hier setzt auch Bachmann, NZG 2011, 441, 444 f. einen Schwerpunkt.

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60

Jahr 4

Ja hr 3

Unternehmenslose Zeit der eingetragenen GmbH

• mit Nettovermögen, das im Zeitpunkt der Anmeldung die Stammkapitalziffer deckt, und

(typischerweise ohne Absinken des Nettovermögens unter die Stammkapitalziffer)

• bis zur Eintragung dieses Niveau hält.

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I

Nettovermögensentwicklung

I

Linie

Null· Linie

Abbildung 3: Analoge Gründerhaftung in einem Vorratsgesellschaftsfall

I

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Adolff – Wirtschaftliche Neugründung

Vorgesellschaft

Adolff – Wirtschaftlichen Neugründung

ihr als Unternehmensträgerin einen werbenden Geschäftsbetrieb auf. Für ein Nominalkapital von DM 50.000 bezahlte der Erwerber DM 5.000. Im Vergleich zu einer Neugründung hatte er damit DM 45.000 gespart. Sein Unternehmensträger schleppte eine Vergangenheit mit sich herum, die bis ins Jahr 1972 zurückreichte. Jedenfalls für einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren war die Gesellschaft vollständig inaktiv gewesen. Der geringe Kaufpreis von DM 5.000 legt den Schluss nahe, dass (so gut wie) kein Vermögen mehr vorhanden gewesen ist. Die Gesellschaft war im Zeitpunkt des „Wieder-Scharfschaltens“ nicht nur unternehmens-, sondern höchstwahrscheinlich auch vermögenslos. Während ein schutzwürdiges Interesse am Einsatz von Vorratsgesellschaften vom BGH weithin anerkannt wird, begegnen nicht nur die Rechtsprechung, sondern auch die ganz h. L. derartigen Altmantelverwendungen mit ausgeprägtem Misstrauen.28 Dies erscheint durchaus berechtigt, tritt doch die vielzitierte Gefahr des in einer „leeren Hülle“ verborgenen großen „schwarzen Schuldenlochs“29 strukturell allein in dieser Fallgruppe auf, nicht aber bei der Verwendung von Vorratsgesellschaften. Nachdem die in der Vergangenheit bestehenden Spielräume zur steuerlichen Optimierung nicht mehr gegeben sind,30 fragt man sich in einem Fall wie dem soeben beschriebenen BGH-Sachverhalt in der Tat, welches von Rechts wegen schützenswerte Interesse ein Unternehmensgründer daran haben kann, statt einer Eigengründung oder einer Vorratsgesellschaft zu einem solchen „abgehangenen und ausgemergelten“ Mantel mit jahrzehntelanger Unternehmensgeschichte und wahrscheinlich schwer einschätzbaren stillen Lasten zu greifen, wenn es ihm nicht um die Reduktion seiner Gründerkosten geht. Auch insofern sollte man allerdings der Versuchung widerstehen, alle Fälle wertungsmäßig über einen Kamm zu scheren. Innerhalb von Unternehmensgruppen, in denen typischerweise die Geschichte der einzelnen Gesellschaften genauestens bekannt sind, kann, worauf Ulmer zu recht hinweist,31 die Mehrfachverwendung eines Unternehmensträgers genauso unbedenklich sein wie die Verwendung einer Vorratsgesellschaft. _______________

28 BGH, NZG 2003, 972; Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 3 Rz. 11 ff. 29 Goette, DStR 2010, 765, vgl. auch Habersack, AG 2010, 845, 846. 30 Ausführlich dazu Emmerich in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2006, § 3 Rz. 24; Kaeser, DStR 2005, 349 ff. sowie zu § 8c KStG Schmiel, BB 2010, 151 ff. 31 Ulmer in Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, 2005, § 3 Rz. 133.

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Ein weiteres Merkmal, welches diese Fallgruppe von den Vorratsgesellschaften unterscheidet, ist die Schwierigkeit bei der Abgrenzung zur bloßen Unternehmensumstrukturierung: Da es hier ein Unternehmen gegeben hat und da, weitgehend unstrittig, eine (auch radikale) Veränderung des Unternehmensgegenstands ohne zeitliche Unterbrechung der Unternehmenstätigkeit nicht zur wirtschaftlichen Neugründung führt, bedarf es einer nicht ganz einfachen Grenzziehung zwischen den Fällen, in denen ein hinreichendes Element der Unternehmenskontinuität vorhanden ist und den Fällen, in denen dieses fehlt und folglich das Gründungsverfahren zur Gewährleistung der präventiven Registerkontrolle ein weiteres Mal durchlaufen werden muss. Bildlich lässt sich davon sprechen, dass man den Faden der Unternehmenskontinuität beobachtet, während er immer dünner wird und sich dabei fragen muss, wann er aus der Sicht des Richterrechts abreißt (oder gerade noch hält). In der Entscheidung von 2003 bedient sich der BGH für die Abgrenzung der folgenden, in wesentlichen Teilen von Priester32 und Ulmer33 vorgezeichneten Formel: „Für die Abgrenzung der Mantelverwendung von der Umorganisation oder Sanierung einer (noch) aktiven GmbH ist entscheidend, ob die Gesellschaft noch ein aktives Unternehmen betrieb, an das die Fortführung des Geschäftsbetriebes – sei es auch unter wesentlicher Umgestaltung, Einschränkung oder Erweiterung seines Tätigkeitsgebietes – in irgendeiner wirtschaftlich noch gewichtbaren Weise anknüpft, oder ob es sich tatsächlich um einen leer gewordenen Gesellschaftsmantel ohne Geschäftsbetrieb handelt, der seinen – neuen oder alten – Gesellschaftern nur dazu dient, unter Vermeidung der rechtlichen Neugründung einer die beschränkte Haftung gewährleistenden Kapitalgesellschaft eine gänzlich neue Geschäftstätigkeit – ggf. wieder – aufzunehmen“.34

Liegt demnach eine leere Hülle vor, so stellt die – dann erneute – Geschäftsaufnahme eine wirtschaftliche Neugründung dar. Dabei kommt der Offenlegung eine im Vergleich zur Verwendung einer Vorratsgesellschaft ungleich größere Bedeutung zu. Denn hier gibt es zahlreiche Fallkonstellationen, in denen die Verwirklichung des Tatbestands der wirtschaftlichen Neugründung – also insbesondere die Unternehmenslosigkeit im Zeitpunkt der Anmeldung – aus den dem Handelsregister

_______________

32 Priester, DB 1983, 2291, 2297 f. 33 Ulmer, BB 1983, 1123 ff. 34 BGHZ 155, 318, 324.

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übermittelten Informationen nicht erkennbar ist.35 Unterbleibt die Offenlegung in diesem Zeitpunkt – und wird sie vor Eintritt der Insolvenz auch nicht nachgeholt, so folgt aus der Logik der Analogie des BGH auch für diese Fallgruppe das unbegrenzte Einstehen der Gesellschafter gegenüber den Insolvenzgläubigern in Form der analogen Verlustdeckungshaftung, vgl. Abbildung 4 (S. 64).

3. Zusätzliche Fallgruppe der Mutationsfälle? In seiner letzten großen Entscheidung zur wirtschaftlichen Neugründung hatte der BGH im Jahre 2010 die Gelegenheit, seine Rechtsprechung zu dieser Abgrenzungsfrage zu präzisieren.36 Hier ging es um einen Sachverhalt, der sich in keine der beiden bisher erörterten Fallgruppen zwanglos einordnen lässt: Die GmbH war nicht als Vorratsgesellschaft, sondern bereits mit einem unternehmerischen Gegenstand gegründet worden, nämlich der „Betreuung von Studenten und Schülern, die Ausbildung sowie das Betreiben von Schulen.“ Sie hatte insofern eine gewisse operative Tätigkeit aufgenommen, als sie erste Beraterverträge bereits wenige Tage nach der Gründung abschloss. Danach geriet der Prozess der Aufnahme einer Geschäftstätigkeit jedoch ins Stocken. Sechs Monate nach der Eintragung erwarb sie eine Sprachschule im Wege eines Asset Deal. In diesem Zeitpunkt nahm sie ihre Geschäftstätigkeit in einer Weise auf, die gegenüber dem ursprünglich ins Auge gefassten Unternehmensgegenstand deutlich bescheidener und fokussierter ausfiel, von diesem aber durchaus noch umfasst war. Der BGH kam zu dem Ergebnis, dass es sich bei der Aufnahme der Geschäftstätigkeit bei diesem Geschehensablauf nicht um eine wirtschaftliche Neugründung handelte, da zu keinem Zeitpunkt ein leerer Geschäftsmantel im Sinne der oben zitierten „Priester/Ulmer-Formel“ vorlag. Eine derartige leere Hülse liege nämlich dann nicht vor, wenn „die Gesellschaft nach Gründung und Eintragung konkrete Aktivitäten zur Planung und Vorbereitung der Aufnahme ihrer nach außen gerichteten Geschäftstätigkeit im Rahmen des statuarischen Unternehmensgegenstandes entfaltet“.37 _______________

35 Es sind sogar Fälle denkbar, in denen überhaupt keine Anmeldung erfolgt, weil der „alte“ Unternehmensgegenstand auch für die „neue“ Tätigkeit passt, die einfach nur für einen längeren Zeitraum vollständig lahm gelegen hat. Hierher gehört das Schuhfabrik-Beispiel von Goette, DStR 2004, 461, 465, dazu ausführlich unten Abschnitt C.VIII.1. 36 BGH, NJW 2010, 1459. 37 A. a. O., Leitsatz (2.).

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Jahr 3

Eingetragene GmbH

Eingetragene GmbH

• mit Nettovermögen, das im Zeitpunkt der Anmeldung die Stammkapitalziffer deckt, und

• mit unternehmerischer Tätigkeit, die

• mit erneuter unternehmerischer Tätigkeit, die

• jedoch scheitert oder aufgegeben wird,

•aber nicht dazu führt, dass das Nettovermögen wieder über die Stammkapitalziffer ansteigt

• wobei das Nettovermögen unter die Stammkapitalziffer sinkt.

Nettovermögensentwicklung

NullLinie

Analoge Verlustdeckungshaftung

Abbildung 4: Verlustdeckungshaftung bei einem Altman telfall ohn e Offenlegung

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Vorgesellschaft

• bis zur Eintragung dieses Niveau hält.

StammkapitalLinie

Jahr 4

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Goette stimmt zu, dass hier weder eine Vorratsgesellschaft verwendet wurde (denn der Unternehmensgegenstand war ja von Anfang an der „richtige“) noch ein Altmantel. Er sieht aber konzeptuell Raum für eine dritte, mittlere Fallgruppe, in der das Unternehmen durch den bloßen Umstand einer – wenn auch vorübergehenden – Inaktivität des Privilegs der Haftungsbeschränkung verlustig geht und gleichsam in den nichtprivilegierten Stand der de facto Personengesellschaft (trotz Eintragung!) abrutscht: „In Wahrheit dürfte der Kl. etwas anderes gemeint haben, wenn er den Topos von der „wirtschaftlichen Neugründung“ für sein Klagebegehren ins Feld geführt hat: Wegen des nach seiner Ansicht zu langen Zeitabschnitts zwischen der Gründung und der Eintragung der Schuldnerin und der tatsächlichen Aufnahme der Geschäfte scheint er angenommen zu haben, die mit dem Ziel des Betriebs einer Sprachschule eingetragene Gesellschaft sei zu einer Vorratsgesellschaft mutiert, die dann im Zeitpunkt der tatsächlichen Geschäftsaufnahme mit einem Unternehmen ausgestattet und damit „wirtschaftlich neu gegründet“ worden sei. Grundsätzlich kann man sich eine solche Mutation mit den entsprechenden Folgen vorstellen, so dass denn auf die neue Organisation die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Regeln – Anmeldung bzw. Offenlegung und Geschäftsführererklärung nach § 8 GmbHG bzw. bei einer Geschäftsaufnahme ohne diese Handlungen: Die Regeln der Unterbilanzhaftung – anwendbar sind.“38

4. Einordnung der Fallgruppen Trägt man die Fallgruppen in ein Koordinatenkreuz ein, dessen X-Achse für den Zeitpunkt der Anmeldung abbildet, inwieweit ein Unternehmen vorhanden ist, und dessen Y-Achse für denselben Zeitpunkt die Vermögensausstattung abbildet, so ergibt sich das in Abbildung 5 (S. 66) wiedergegebene Schema:

_______________

38 Goette, DStR 2010, 763, 765, Hervorhebung hinzugefügt. Der von Bayer in FS Goette, S. 15, 18 und 23 f. in diesem Zusammenhang gebrauchte Begriff der „nachträglichen verdeckten Vorratsgründung“ erscheint etwas überpointiert, insbesondere weil von einem Auseinanderfallen der tatsächlich gewollten und der in der Satzung niedergelegten Unternehmenstätigkeit keine Rede sein kann, sondern die Abweichung zwischen den gewollten und den tatsächlich umgesetzten Zielsetzungen sich in der Verfehlung des ursprünglichen Zeitplans (in der Form von Stockungen) erschöpft.

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66 Für BGH derzeit alles im Anwendungsbereich einer einheitlichen Analogie zur Gründerhaftung

StammkapitalLinie

"klassischer" Altmantel (kein Unternehmen, kein Vermögen, Gefahr des "schwarzen Schuldenlochs").

"klassische" Vorratsgesellschaft (kein Unternehmen, aber ausreichend Vermögen).

"Mutationsfälle" (Unternehmen- ursprünglich mit Vermögen- in statu nascendi, aber mit Stockungen).

Abbildung 5: Typologie der Fallgruppen

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Unternehmen

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II. Rechtsfolgenseite Aus der Verwirklichung des Tatbestands einer wirtschaftlichen Neugründung folgt nach dem heute erreichten Stand der höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass auf der Rechtsfolgenseite vier Elemente der Gründungsvorschriften entsprechend angewendet werden. Hinzu kommt eine weitere, allein für die wirtschaftliche Neugründung bedeutsame Anforderung, sodass man von insgesamt fünf Komponenten der Analogie „wirtschaftliche Neugründung“ sprechen kann:

1. Offenlegung Die wirtschaftliche Neugründung muss – dies ist die neu hinzukommende Komponente – dem Registergericht gegenüber durch einen ausdrücklichen Hinweis in der Anmeldung39 offengelegt werden. Diese Komponente der Analogie findet im Recht der regulären Gründung deswegen keine Entsprechung, weil sich bei dieser unmittelbar aus dem Gesetz ergibt, dass es sich um einen Vorgang handelt, für welchen die Geschäftsführer-Erklärung nach §§ 8 Abs. 2, 7 Abs. 2, 3 GmbHG vorliegen muss und den Gegenstand der präventiven Registerkontrolle bildet.40

2. Geschäftsführer-Erklärung Die Geschäftsführer müssen analog §§ 8 Abs. 2, 7 Abs. 2, 3 GmbHG in der Anmeldung eine Erklärung abgeben, deren Kernbotschaft es ist, dass _______________

39 Es handelt sich hierbei um die Anmeldung der Satzungsänderung, des Geschäftsführerwechsels bzw. der Sitzverlegung, die mit der wirtschaftlichen Neugründung typischerweise einhergehen. Es sind auch Fälle denkbar, in denen es zu keiner solchen Anmeldung kommt, dazu eingehend unter Abschnitt C.VIII. 40 Das Erfordernis der Offenlegung hat der BGH erst in der zweiten Leitentscheidung BGHZ 155, 318 (zum Altmantelfall) eingeführt. Das verwundert nicht, da es in den Vorratsgesellschaftsfällen mit guten Gründen als entbehrlich angesehen werden konnte. Denn in aller Regel steht die Erkennbarkeit der (erstmaligen) Ausstattung der Gesellschaft mit einem Unternehmen für den Registerrichter außer Zweifel, weil die „Umschaffung“ einer eigenes Vermögen verwaltenden „25. Verwaltungsgesellschaft“ zu einer werbenden Gesellschaft mit neuem Unternehmensgegenstand und neuer Firma aus der Handelsregisteranmeldung offensichtlich ist. Gleichwohl wird der Hinweis, dass es sich um eine wirtschaftliche Neugründung handelt, für alle Fallgruppen der wirtschaftlichen Neugründung, d. h. auch für die Fallgruppe der Vorratsgesellschaften, vom BGH gefordert, vgl. nur BGHZ 155, 318, 325.

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das Nettovermögen im Zeitpunkt der Erklärung die statuarische Stammkapitalziffer (minus Gründungskosten) erreicht.41 Für die Richtigkeit dieser Erklärung haften die Geschäftsführer analog § 9a GmbHG; die Strafbewährung scheidet mit Rücksicht auf das strafrechtliche Analogieverbot aus.42

3. Präventive Registerprüfung Die genannte Geschäftsführer-Erklärung bildet die Grundlage für die präventive richterliche Kontrolle durch das Registergericht, welche derselben Logik wie bei der rechtlichen Gründung folgt: Fehlt die Geschäftsführer-Erklärung, so lehnt der Registerrichter die Eintragung ab. Liegt sie vor, so trägt er ein, es sei denn er hat Zweifel, denen er – etwa durch das Einfordern weiterer Nachweise – nachgehen wird.

4. Analoge Gründerhaftung Zu dieser formalen Ebene der Analogie kommt nach der Rechtsprechung des BGH auf der materiellen Ebene die analoge Anwendung der einheitlichen Gründerhaftung in ihren beiden Ausprägungen der Unterbilanzhaftung (Vorbelastungshaftung) und Verlustdeckungshaftung hinzu:43

a) Analoge Unterbilanzhaftung Stichtag für die analoge Unterbilanzhaftung ist dabei der Tag der Offenlegung. Diese wird im Grundsatz für den Tag der Anmeldung gefordert.44 Sie kann aber auch nachgeholt werden, solange die Gesellschaft noch nicht in die Insolvenz gefallen ist. Ergibt eine Vorbelastungsbilanz zum Stichtag der Offenlegung, dass das Nettovermögen der Gesellschaft die Stammkapitalziffer (minus Gründungskosten) erreicht oder überschreitet, dann ist für die Unterbilanz_______________

41 Zu den erforderlichen Formulierungen im Text der Handelsregisteranmeldung im Einzelnen vgl. ausdrücklich BGHZ 153, 158 (2002), Leitsatz (c); BGHZ 155, 318, 321 f. (2003); jüngst sehr präzise OLG Nürnberg, Urt. v. 18.4.2011 – 12 W 631/11, GmbHR 2011, 582 f. 42 Haas in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 82 Rz. 10; Krolop, ZIP 2011, 305, 310. 43 In BGHZ 153, 158 (2002) nur angedeutet, voll ausgebildet dann in BGHZ 155, 318, 326 f. (2003) mit ausdrücklich auch für die Vorratsgesellschaft angeordneter Wirkung. 44 BGHZ 155, 318, 327 (2003).

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haftung kein Raum. Besteht eine Lücke, so wird der Haftungsanspruch zu diesem Stichtag auf den Betrag der Lücke (Unterbilanz) fixiert. Selbst wenn das Nettovermögen danach weiter absinkt, erhöht sich der Haftungsanspruch gleichwohl nicht. Zäsurwirkung – im Sinne der höhenmäßigen Fixierung – hat somit nicht die Eintragung. Die Analogie weicht insofern von ihrem Vorbild der rechtlichen Gründung ab: Obwohl es im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Neugründung so gut wie immer eine Eintragung gibt (der Unternehmensgegenstandsänderung, Geschäftsführerbestellung, Firmenänderung, der Ausgliederung nach dem UmwG usw.), wird dieser für die Haftung der „wirtschaftlichen Neugründer“ keinerlei Bedeutung beigemessen. Zäsurwirkung hat vielmehr allein die Offenlegung. Dies gilt sowohl für den Regelfall der Offenlegung im Zeitpunkt der Anmeldung als auch für den Ausnahmefall der (vor der Insolvenz) nachgeholten Offenlegung. Kommt es bis zur Insolvenz dagegen nicht zur Offenlegung, so tritt nach dieser Logik auch niemals die Zäsurwirkung ein.

b) Analoge Verlustdeckungshaftung Nach dem heute erreichten Stand der Rechtsprechung liegt es aus diesem Grund nahe, dass neben der Unterbilanzhaftung auch die Verlustdeckungshaftung analog zur Anwendung kommt.45 Dies würde bedeuten: Fehlen bei der Anmeldung (der Unternehmensgegenstandsänderung etc.) Offenlegung und Geschäftsführer-Erklärung nach §§ 8 Abs. 2, 7 Abs. 2, 3 GmbHG, so werden die Gesellschafter der GmbH – trotz ihrer Eintragung in das Handelsregister – wie die Gesellschafter einer Vorgesellschaft behandelt, zu deren Eintragung es niemals kommt. Tritt die Insolvenz ein, ohne dass es zuvor zur Nachholung der Offenlegung gekommen ist, so haften die Gründer im Ergebnis für sämtliche (Netto-) Verbindlichkeiten der Gesellschaft unbegrenzt persönlich.

_______________

45 Aus der Rechtsprechung der Instanzgerichte jüngst OLG München, NZG 2010, 544, 545 m. w. N.; wohl auch OLG Köln, ZIP 2008, 973. Aus der Literatur vgl. nur: Hüffer, NJW 2011, 1772, 1773, 1775; Bachmann, NZG 2011, 441 m. w. N. Der BGH hat in den beiden Leitenscheidungen von 2002 und 2003 keine Aussage zur Verlustdeckungshaftung getroffen (ebenso Goette, DStR 2004, 461). Auch die BGH-Entscheidungen von 2010 und 2011 betreffen nicht diese Facette der Rechtsfolgenseite.

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c) Haftung auch bei voller Kapitaldeckung im Anmeldungszeitpunkt Nach verbreiteter Ansicht soll die Gründerhaftung bei der wirtschaftlichen Neugründung (in beiden Spielarten, Unterbilanzhaftung und Verlustdeckungshaftung) auch dann greifen, wenn das Stammkapital der GmbH im Zeitpunkt der Anmeldung durch ihr Nettovermögen gedeckt gewesen ist, die Offenlegung in diesem Zeitpunkt aber unterblieb.46 Dem ist das Kammergericht in seiner viel beachteten Entscheidung von 2009 entgegen getreten.47 Dieser Entscheidung lag der Sachverhalt der „Scharfschaltung“ einer Vorratsgesellschaft zugrunde, in dem die Gesellschafter nachweisen konnten, dass bei der Anmeldung und Geschäftsaufnahme das statuarische Kapital voll durch das Gesellschaftsvermögen gedeckt gewesen ist. Das Kammergericht verneinte für diesen Fall die Haftung mit der Begründung, es bestehe „unter dem Gesichtspunkt des Gläubigerschutzes überhaupt kein Anlass, die Beklagte [GmbH-Gesellschafterin] wegen Umgehung des Gründungsrechts haften zu lassen. Eine Verurteilung der Beklagten würde vielmehr dazu führen, dass die Gläubiger auf Grund einer registerrechtlichen Versäumnis der Beklagten besser stünden, als sie stünden, wenn die zu ihrem Schutz vom BGH statuierten Meldepflichten gewahrt worden wären.“48

5. Handelndenhaftung Abgerundet wird die Gründerhaftung bei der wirtschaftlichen Neugründung durch eine analoge Anwendung des § 11 Abs. 2 GmbHG.49 Nach der Rechtsprechung des II. Zivilsenats des BGH greift die Handelndenhaftung im Kontext der wirtschaftlichen Neugründung einer Manteloder Vorratsgesellschaft allerdings nur insoweit ein, als der Geschäfts_______________

46 OLG Jena, MittBayNot 2005, 60, 61 und ZIP 2007, 124, 125; Hüffer, NJW 2011, 1772, 1777; Bachmann, NZG 2011, 441 ff.; Bayer in FS Goette, 2011, S. 15. 47 KG, NZG 2010, 387; offen gelassen von OLG München, NZG 2010, 544, 545, welches ausführt, dass „Bedenken gegen eine „unabsehbare Haftung“ nach Ansicht des Senats insbesondere dadurch Rechnung getragen werden könnte, dass es den Gesellschaftern und Geschäftsführern ermöglicht wird, sich durch den Nachweis haftungsbefreiend zu entlasten, dass im Zeitpunkt der Revitalisierung der „GmbH-Hülse“ das statuarische Stammkapital durch Gesellschaftsvermögen gedeckt war“. 48 KG, NZG 2010, 387, 388, re. Sp. 49 Dagegen: K. Schmidt, ZIP 2010, 857, 863, 865.

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führer vor dem Zeitpunkt der Offenlegung und ohne Zustimmung aller Gesellschafter Geschäfte vornimmt.50 Damit hat der BGH einer Auffassung51 eine Absage erteilt, die die Geschäftsführerhaftung erst im Zeitpunkt der Eintragung enden lassen will, und nicht bereits mit der Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung.

III. Haftung auch des Anteilserwerbers? Die skizzierten Haftungsgrundlagen gelten nach Teilen der Instanzgerichte auch für den Erwerber eines GmbH-Anteils.52 Nach dieser Auffassung hat der Erwerber, wenn er einen Gesellschaftsanteil eines wirtschaftlich neu gegründeten Unternehmens erwirbt, in gleicher Weise für etwaige Fehlbeträge im Zeitpunkt der Offenlegung aufzukommen, wie wenn er selbst am Neustart der Gesellschaft partizipiert hätte. Zur Begründung wird insbesondere angeführt, dass die Haftung für offene Einlagen nach § 16 Abs. 2 GmbHG, auf dessen entsprechende Anwendung die Unterbilanzhaftung des GmbH-Anteilserwerbers gestützt wird, dem Geschäftsanteil selbst anhafte und nicht, wie etwa eine Schadensersatzpflicht, dem Verursacherprinzip folge.53 Die Gegenmeinung54 verneint die Unterbilanzhaftung des Erwerbers. Nach dieser handelt es sich bei dem wirtschaftlichen Neustart um eine zurechenbare Veranlassung der Geschäftstätigkeit und damit um eine Verursacherhaftung. Diese entspreche strukturell eher den Schadensersatzansprüchen aus § 9a GmbHG, welche unstreitig nicht auf den Erwerber übergehen. Dieser Gegenmeinung ist selbst dann beizupflichten, wenn man im Übrigen auf dem Boden des BGH-Haftungsmodells verharrt. Die Gründerhaftung bei der wirtschaftlichen Neugründung kann somit nur die an dieser beteiligten Gesellschafter treffen, nicht ihre SekundärmarktNachfolger. Sie „klebt“ nicht am Anteil wie die rückständigen Einlagenverpflichtungen. Vielmehr ist sie eine Sanktion eines Verhaltens: Auch wenn es sich bei der Gründerhaftung nicht um einen Schadenersatz_______________

50 BGH, BB 2011, 2443. Hierzu Hüffer, NZG 2011, 1257; Tröger, WuB II C. § 11 GmbHG 1.11, S. 732, 734; Wachter, BB 2011, 2444 f. 51 So insbesondere die Vorinstanz (LG Stendal). Vgl. dazu die Entscheidungsgründe des Revisionsurteils, BGH, ZIP 2011, 1761 f. 52 OLG München, NZG 2010, 544 (2. LS), 546. 53 So aber Krolop, ZIP 2011, 305, 311. 54 OLG Schleswig, ZIP 2007, 822, 823; Krolop, ZIP 2011, 305, 311.

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anspruch handelt,55 so liegt ihr doch der Gedanke einer Verursachungsverantwortlichkeit im Sinne der verhaltensabhängigen Zurechnung zugrunde, wie schon der gedankliche Ausgangspunkt in BGHZ 142, 315, 319 belegt: Nur wer es versäumt hat, den „Eintrittspreis“ ordnungsgemäß zu entrichten, kann aus der Gründerhaftung in Anspruch genommen werden, sei es bei der rechtlichen Gründung56 oder bei (der Analogie) der wirtschaftlichen Neugründung.57

IV. Meinungsstand im Schrifttum Die Entwicklung der Rechtsprechung von BGHZ 117, 323 (Anerkennung der Vorratsgesellschaft) zu den beiden Leitentscheidungen zum Haftungsmodell von 2002 (zur Vorratsgesellschaft und 2003 (zum Altmantel) beruht auf Vorarbeiten im Schrifttum.58 Diese ebneten den Weg _______________

55 Siehe oben Abschnitt A.II.2. 56 Dazu oben Abschnitt A.I. am Anfang. 57 Zudem dürfte spätestens an dieser Stelle – der Ausweitung der Analogie mit der Folge der Haftung des Sekundärmarkt-Erwerbers des GmbH-Anteils an der eingetragenen GmbH – der Punkt erreicht sein, an dem die nationale richterliche Rechtsfortbildung mit dem europarechtlichen Gebot der gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung nicht mehr vereinbar ist: Nach demselben gedanklichen Ansatz, welcher dem EuGH-Urteil Idryma Typou (Urt. v. 21.10.2010 – C-81/09, NZG 2011, 183 mit Anm. Möslein, NZG 2011, 174) zugrunde liegt, setzt m. E. die primärrechtliche Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit dem nationalen Zivilrecht insofern Schranken, als die Gerichte eines Mitgliedstaats europaweit übertrag- und handelbare Gesellschaftsanteile nicht mit dem „Überraschungseffekt“ eines vom Verhalten des Erwerbers unabhängigen, im Recht der meisten Mitgliedstaaten unbekannten Durchgriffs auf das Privatvermögen des Erwerbers ausstatten dürfen – der noch dazu seinen Grund in der Missachtung einer Formalie bei der Gründung hat. Derartige nationale, durch richterrechtlichen Haftungsdurchgriff bedingte Beschränkungen der Funktionsfähigkeit des europäischen Marktes für Unternehmensbeteiligungen an Kapitalgesellschaften sind, dies scheint mir ganz offensichtlich, nicht unbegrenzt mit den genannten Grundfreiheiten vereinbar. Insbesondere für die „Kammergerichts-Fälle“ (= bei der Gründung war die erforderliche Kapitaldeckung vorhanden, es fehlte lediglich am Formalakt der Offenlegung) ergibt sich hieraus m. E. die Europarechtswidrigkeit jedenfalls der Haftung des Anteilserwerbers, wie sie das OLG München in Erwägung zieht. Dies hat auch dann zu gelten, wenn es (i) sich um eine GmbH mit überschaubarem Gesellschafterkreis (und damit auch im kommerziellen Sinne nicht um eine Publikumsgesellschaft) und (ii) um eine Mehrheits- und nicht lediglich um eine Minderheitsbeteiligung handelt, die am Sekundärmarkt erworben wird. 58 Ulmer, BB 1983, 1123 ff.; Priester, DB 1983, 2291 ff.

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für die Loslösung vom zuvor dominierenden Denken in Verbotsstrukturen mit Nichtigkeitssanktion (Verstoß von Vorratsgesellschaft und Altmantelverwendung gegen § 134 BGB59) und die Hinwendung zur Gestattung bei Einhaltung eines bestimmten Verfahrens.60 Diese erste Stufe der Rechtsentwicklung hat nahezu einhellige Zustimmung erfahren.61 Die beiden Leitentscheidungen von 2002 und 2003 fanden eine gemischte Aufnahme. Eine starke Mindermeinung62 äußerte „teils mit beachtlichen Gründen“63 fundamentale Kritik, in deren Zentrum der Gedanke der Unverhältnismäßigkeit der harten Rechtsfolge (insbesondere der unbegrenzten „Endloshaftung“ bei bis zur Insolvenz unterlassener Offenlegung) als Sanktion eines letztlich eine Formsache betreffenden Regelverstoßes der GmbH-Geschäftsführer bzw. der Gründer steht.64 Die herrschende Meinung nahm die beiden Entscheidungen dagegen im Grundsatz positiv auf,65 wenn auch mit unterschiedlich weit reichenden Optimierungsvorschlägen im Detail. Zahlreiche dieser Optimierungsvorschläge kreisen schon in dieser „ersten Welle“ der Rezeption im Schrifttum um den Gedanken, dass – regelmäßig oder zumindest in bestimmten Fallgruppen – die Endloshaftung einer Einschränkung bedarf, wenn das Nettovermögen der Gesellschaft im Zeitpunkt der Anmeldung (der Änderung des Unternehmensgegenstands etc.) die Stammkapitalziffer voll deckt.66 _______________

59 Vgl. nur OLG Hamburg, DB 1983, 1140. 60 BGHZ 117, 323, 333 (1992). 61 Nachweise bei Ulmer in Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, 2005, § 3 Rz. 134 ff. 62 K. Schmidt, NJW 2004, 1345; Heidenhain, NZG 2003, 1051; Kallmeyer, GmbHR 2003, 322 f.; Meilicke, BB 2003, 857. Zusammenfassung bei K. Schmidt in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2006, § 11 Rz. 23, 58, 75, 99, 125; weitere Nachweise auch bei K. Schmidt, ZIP 2010, 857, 859. Mit dem „Gegenkonzept“ der materiellen Unterkapitalisierung Altmeppen, DB 2003, 2050. 63 KG, NZG 2010, 387, 388. 64 In diese Richtung auch Ulmer in Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, 2005, § 3 Rz. 166, 169 (für bestimmte Fallgruppen von Mantel-GmbHs mit eigenem Vermögen). 65 Umfassende Nachweise bei Emmerich in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2006, § 3 Rz. 26. 66 Wicke, NZG 2005, 409, 411 f.; Ulmer in Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, 2005, § 3 Rz. 164 (für die Fälle der Reaktivierung einer „zwar vorübergehend inaktiven, jedoch noch über eigenes Vermögen verfügenden GmbH“); beide mit Beweislast des aus der Haftungsanalogie in Anspruch genommenen Gesellschafters.

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In jüngerer Zeit kam es – vor allem durch die Entscheidungen des Kammergerichts von 2009,67 des OLG München von 201068 und des BGH von 201069 (sowie durch einen prominenten Streitfall bei einer großen börsennotierten Aktiengesellschaft) zu einer „zweiten Welle“ der intensiven literarischen Auseinandersetzung. Neben der vor allem von Karsten Schmidt bekräftigten Fundamentalkritik,70 stehen sich dabei in der Hauptsache zwei deutlich polarisierte Lager gegenüber: Habersack71 tritt, an das Gedankengut von Ulmer72 anknüpfend, dafür ein, die Gründerhaftung auf den Differenzbetrag zu begrenzen, um den das Nettovermögen am Tag der Anmeldung (der mit der Geschäftsaufnahme typischerweise einhergehenden Unternehmensgegenstandsänderung etc.) hinter der Stammkapitalziffer zurückbleibt. In der Sache tritt Habersack somit für eine Unterbilanzhaftung bezogen auf den Tag der Anmeldung ein.73 Diese greift nach Habersack auch dann, wenn die Offenlegung unterbleibt.74 Für den Fall, dass im Zeitpunkt der Anmeldung das Nettovermögen die Stammkapitalziffer deckt, kommt er damit zu demselben Ergebnis wie das Kammergericht, nämlich dass für eine Gründerhaftung kein Raum ist. Hiergegen wenden sich insbesondere Hüffer,75 Bachmann76 und Bayer77. Mit unterschiedlicher Nuancierung wird von ihnen im Kern vorgetragen, eine Differenzhaftung nach dem Vorschlag Habersacks passe nicht in das Haftungsmodell der einheitlichen Gründerhaftung nach dem Haftungsmodell des BGH.78 Dieses beruhe eben nicht auf dem Gedanken der Differenzhaftung, sondern auf dem eingangs vorgetragenen Grundgedanken des Regelfalls der unbegrenzten persönlichen Haftung, aus der sich die Gründer nur befreien könnten, wenn sie den hierfür erforder_______________

67 KG, NZG 2010, 387, siehe hierzu schon oben Abschnitt B.II.4.c. 68 OLG München, NZG 2010, 544, siehe hierzu schon oben Abschnitt B.III. 69 BGH, NJW 2010, 1459 (Sprachschulfall), siehe hierzu schon oben Abschnitt B.I.3. 70 K. Schmidt, ZIP 2010, 857. 71 Habersack, AG 2010, 845. 72 Ulmer in Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, 2005, § 3 Rz. 166, 169. 73 Habersack, AG 2010, 845, 850, re. Sp., eingehend dazu auch unten Abschnitt C.IX. 74 A. a. O, 849 f. 75 Hüffer, NJW 2011, 1772. 76 Bachmann, NZG 2011, 441. 77 Bayer in FS Goette, 2011, S. 15. 78 Hüffer, NJW 2011, 1772, 1776 ff.; Bachmann, NZG 2011, 441, 442 ff.; Bayer in FS Goette, 2011, S. 15, 20 ff.

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lichen Preis in genau derjenigen Weise entrichteten, wie sie das Gesetz für die rechtliche Gründung vorsieht.79 Übertragen auf die wirtschaftliche Neugründung folge aus diesem Gedanken, dass eine Sanktionierung der unterlassenen Offenlegung durch die zeitliche und betragsmäßig unbegrenzte Verlustdeckungshaftung der „wirtschaftlichen Neugründer“ gerade nicht unverhältnismäßig sei, sondern systemkonform und teleologisch gerechtfertigt. Hingewiesen wird in diesem Zusammenhang insbesondere auf die zentrale Bedeutung der präventiven Registerkontrolle (in den Fällen der wirtschaftlichen Neugründung), welche ohne Offenlegung häufig nicht möglich sei und daher durch eine wirksame Sanktionierung eines Offenlegungsversäumnisses sichergestellt werden müsse.80

C. Stellungnahme I. Präzise Erfassung des Tatbestands Die tatbestandlichen Voraussetzungen der wirtschaftlichen Neugründung sind nach der Rechtsprechung für alle oben beschriebenen Fallgruppen die gleichen. Sie sind deutlich enger gefasst als die „bildhafte Umschreibung“81 der (Re)aktivierung einer „leeren GmbH-Hülle“ ohne Vermögen und ohne Unternehmen allein zum Zwecke der Umgehung der Gründungsvorschriften und der Vermeidung des damit verbundenen finanziellen und administrativen Aufwands. Sie umfassen lediglich zwei Elemente: –

Fehlende Offenlegung: Die Offenlegung der Neugründung (verbunden mit den Geschäftsführer-Erklärungen analog §§ 8 Abs. 2, 7 Abs. 2, 3 GmbHG) muss im hierfür maßgeblichen Zeitpunkt unterblieben sein. In dem Normalfall, dass sich die Neugründung mit Eintragungen im Handelsregister verbindet (Satzungsänderung, Geschäftsführerbestellung, Sitzverlegung), ist dieser Zeitpunkt die Anmeldung zum Handelsregister. In dem Randfall82, dass die Geschäftsaufnahme sich ohne Eintragung im Handelsregister vollziehen kann, ist es die Geschäftsaufnahme selbst.

_______________

79 Besonders deutlich Hüffer, NJW 2011, 1772, 1777. 80 Besonders deutlich Bachmann, NZG 2011, 441, 444 f. 81 So der treffende Ausdruck von Hüffer, NJW 2011, 1772, 1774; vgl. auch Goette, DStR 2004, 461, 462 f. 82 Eingehend zu den Randfällen unten Abschnitt C.VIII.

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Unternehmenslosigkeit: Im Zeitpunkt der Anmeldung (bzw. im Randfall: Geschäftsaufnahme) muss die Gesellschaft unternehmenslos gewesen sein. Für Vorratsgesellschaften, die ohne Unternehmen zur „Verwaltung eigenen Vermögens“ gegründet wurden, ist dieses Tatbestandsmerkmal denklogisch immer gegeben. Bei Alt-Mänteln ergeben sich die oben erörterten Abgrenzungsschwierigkeiten, in deren Zentrum die Frage steht, ob trotz einer geschäftlich „ruhigen Zeit“83 von einem verknüpfenden Band zwischen neuer und alter Unternehmenstätigkeit gesprochen werden kann. Bei den neu entdeckten „Mutationsfällen“84 richtet sich eine ähnliche Frage auf das verknüpfende Band zwischen den bei der Gründung vorhandenen – und im satzungsmäßigen Unternehmensgegenstand zum Ausdruck gebrachten – unternehmerischen Konzepten und der später, ggf. mit Verzögerungen, tatsächlich aufgenommenen geschäftlichen Tätigkeit.

Kein Tatbestandsmerkmal ist dagegen die Vermögenslosigkeit der Gesellschaft. Sie ist im Gegenteil – jedenfalls nach der wohl herrschenden Lesart85 der Rechtsprechung des BGH – vollständig irrelevant. Für die Vorratsgesellschaften folgt hieraus ein Automatismus: Wird die Offenlegung unterlassen, greift die Gründerhaftung. Für die restlichen Fallgruppen folgt hieraus eine „better-safe-than-sorry“-Maxime: Wer bei der Anbahnung einer unternehmerischen Tätigkeit das Abgrenzungsproblem anders eingeschätzt hat als später sein Richter, tappt in die Falle der Gründerhaftung, falls er nicht vorsichtshalber eine wirtschaftliche Neugründung offenlegt und für die Abgabe der Erklärungen analog §§ 8 Abs. 2, 7 Abs. 2, 3 GmbHG sorgt.

II. Entfallen der Legitimationswirkung der Eintragung Eine Faust- und Merkformel für den Tatbestand – wie man sie den derzeitigen Examenskandidaten zu Repetitionszwecken an die Hand geben könnte – lautet somit in lakonischer Kürze wie folgt: _______________

83 Vgl. dazu die Einlassung des Beklagten im Fall OLG München, NZG 2010, 544, 545. 84 Siehe oben Abschnitt B.I.3. 85 Ausdrücklich Bayer in FS Goette, 2011, S. 15, 23; Hüffer, NJW 2011, 1772, 1777; Bachmann, NZG 2011, 441, 447; Lieder, NZG 2010, 410, 412; auch Priester, ZHR 168 (2004), 248, 256 (als Analyse der BGH-Rechtsprechung, nicht unbedingt als eigene Ansicht).

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Adolff – Wirtschaftlichen Neugründung „Unternehmenslosigkeit ohne Offenlegung ist gleich Endloshaftung.“

Dies ist ein befremdlicher Befund, wenn man sich vor Augen hält, dass es in allen soeben unter Abschnitt B.I. dargelegten Fallgruppen in der Vergangenheit (vor den ggf. als wirtschaftliche Neugründung einzuordnenden Ereignissen) eine rechtliche Gründung mit voller Legitimationswirkung gegeben hat. Im Einzelnen: In keiner der genannten Fallgruppen geht es darum, die Ordnungsgemäßheit der vorangegangenen rechtlichen Gründung in Zweifel zu ziehen. Denn gleichgültig, ob es sich um eine offene Vorratsgründung handelt, eine „ganz normale“ Gründung mit Beginn der Geschäftstätigkeit (als Vorstufe zu einem späteren Altmantel-Fall) oder um das frühe Stadium des noch nicht ins Stocken geratenen Gründungsvorgangs in einem „Mutationsfall“, steht doch eines fest: Am Tag – und der Woche und dem Monat – nach der Eintragung (rechtliche Gründung) existierte jeweils eine GmbH, die in den vollen Genuss des Haftungsprivilegs des § 13 Abs. 2 GmbHG gekommen ist. Das fehlerfreie Durchlaufen des Vorgangs der rechtlichen Gründung entfaltet seine Legitimationswirkung – um nochmals auf die eingangs gebrauchte Metapher zurück zu kommen: Löst für den Gesellschafter eine Eintrittskarte in die privilegierte Welt der Haftungsbeschränkung – jedenfalls für den Zeitraum unmittelbar nach der Eintragung der Gesellschaft unabhängig von der Aufnahme einer unternehmerischen Tätigkeit. Fällt beispielsweise eine ihr eigenes Vermögen verwaltende GmbH nach ihrer Eintragung in die Insolvenz, weil ein Kursrutsch der (in der Hoffnung auf eine mündelsichere Anlageform) von ihr angeschafften und auf der Aktivseite verbuchten Staatsanleihen zur Überschuldung führt, so wird sich der Insolvenzverwalter schwertun, an § 13 Abs. 2 GmbHG vorbei auf das persönliche Vermögen der Gesellschafter zuzugreifen. Goettes oben bereits zitierte Aussage, dass „mit der Verwendung der Vorratsgesellschaft für einen operativen Zweck erst der Gründungsakt zum Abschluss gebracht wird“,86 beschreibt sehr plastisch die den Entscheidungen von 2002 und 2003 zugrunde liegende Denkrichtung des II. Zivilsenats. Diese wiederum verstellt jedoch etwas den Blick auf diese zunächst zweifelsohne eintretende Legitimationswirkung der Eintragung der Gesellschaft. _______________

86 Goette, DStR 2004, 461, 462.

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Will man diesen einfachen Befund bei der Begründung der Analogie nicht gänzlich ausblenden, so ergibt sich auch zwanglos die richtige Formulierung der Frage nach einer ausreichenden Analogiebasis. Das Vorliegen einer planmäßigen Regelungslücke einmal unterstellt,87 ist dann nämlich bei der Untersuchung der wertungsmäßigen Vergleichbarkeit zu prüfen, ob die Gefährdungslage für die Gläubiger bei der wirtschaftlichen Neugründung – im Vergleich zum Stadium der Vorgesellschaft bei der rechtlichen Gründung – hinreichend stark ausgeprägt ist, um den Gesellschaftern das bereits erworbene Haftungsprivileg ex post wieder zu entziehen. Weniger technisch und griffiger formuliert: Eine hinreichende Analogiebasis besteht nur, wenn gezeigt werden kann, aus welchem Grund die bereits eingetretene Legitimierungswirkung der ordnungsgemäß vollendeten rechtlichen Gründung nachträglich wieder entfallen soll.

III. Berechtigte Verkehrserwartung als maßgeblicher Bezugspunkt Die Ausdehnung der Gründerhaftung auf die wirtschaftliche Neugründung in der Rechtsprechung des BGH fußt im Kern auf dem Umgehungsgedanken.88 Der für diesen maßgebliche Bezugspunkt ist die (aufgrund der Registerlage) berechtigte Verkehrserwartung: Das Gesetz sieht für den Zeitraum nach der Eintragung der GmbH eine „wiederholte“ Gründerhaftung nicht vor. Eine Umgehung der Gründungsvorschriften aufgrund eines Verhaltens in diesem Zeitraum ist nur denkbar, wenn – in wertungsmäßig vergleichbarer Weise wie bei der rechtlichen Gründung – Erwartungen enttäuscht werden, die der Rechtsverkehr berechtigterweise an die GmbH haben kann. Ob derartige Erwartungen berechtigt sind, ist dabei normativ, nicht empirisch zu bestimmen, d. h. der Richter trennt die schutzwürdigen von den nicht schutzwürdigen Verkehrserwartungen aufgrund seiner Auslegung der Gesetze, nicht der Beobachtung der Praxis. Eine Reihe von gedanklichen Ausgangspunkten erscheinen für diese Auslegungsarbeit von besonderer Bedeutung: _______________

87 Dazu Bachmann, NZG 2011, 441, 448. 88 BGHZ 117, 323, 333; BGHZ 155, 318, 322 f.; vgl. dazu etwa Heidinger, ZGR 2005, 101, 116; Priester, ZHR 168 (2004), 248, 261; Heidenhain, NZG 2003, 1051.

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Doppelte Analogie: Das Haftungsmodell der „einheitlichen Gründerhaftung“ ist bereits in seiner Anwendung auf die rechtliche Gründung eine Schöpfung der richterlichen Rechtsfortbildung. Wendet man es auf die wirtschaftliche Neugründung an, so zieht man gleichsam die „Analogie zur Analogie“. Vermögen als Substrat der Verkehrserwartungen: Das Signal der Eintragung bei der rechtlichen Gründung berechtigt den Verkehr zu der Erwartung, dass die Gesellschaft im Zeitpunkt ihrer Eintragung mit einem unversehrten Nettovermögen „ins Leben tritt“, welches ihrer Stammkapitalziffer entspricht. Es rechtfertigt weiterhin die Erwartung, dass in der Folgezeit dieses Nettovermögen nicht infolge von Entnahmen unter die Stammkapitalziffer fällt. Aus beidem zusammen ergibt sich die „Soliditätsbotschaft“ des aus dem Handelsregister ersichtlichen statuarischen Stammkapitals.89 Das Signal der Eintragung rechtfertigt aber bereits nicht mehr die Erwartung, dass es nicht infolge „normaler“ operativer Verluste zu einem Eigenkapitalverzehr kommt. Schon gar nicht darf darauf vertraut werden, dass ab der Eintragung (durchgängig) ein Unternehmen betrieben wird. Vielmehr ist unbestritten, dass eine GmbH nicht nur die Verwaltung eigenen Vermögens betreiben kann, sondern auch für Zwecke des Sports, der Geselligkeit oder karitativer Tätigkeiten als Rechtsträger herangezogen werden darf.90 Hieraus ergibt sich: Im gesamten Recht der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung ist Substrat der (im Lichte der jeweiligen Registerlage) schützenswerten Verkehrserwartungen die Vermögensverfassung der GmbH. Das gesamte normativ anerkennenswerte Vertrauen des Rechtsverkehrs richtet sich im hier interessierenden Kontext somit überhaupt nur auf die Vermögensausstattung. Auf die Frage der Ausstattung der Gesellschaft mit einem Unternehmen bzw. die Kontinuität in ihrer Unternehmenstätigkeit kann es somit nur ankommen, soweit es um die Bestimmung des für eine Vertrauensinvestition maßgeblichen Zeitpunkts geht.

_______________

89 An dieser Kernbotschaft des aus dem Handelsregister ersichtlichen Stammkapitals hat sich auch durch Einführung der Unternehmergesellschaft (§ 5a GmbHG) nichts Grundlegendes geändert; vgl. aber ausführlich zu den Auswirkungen des MoMiG auf die Kapitalaufbringungsgrundsätze Schall, NZG 2011, 656 ff., Schall, ZGR 2009, 126 ff. 90 Emmerich in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2006, § 1 Rz. 4 ff.; Fleischer in MünchKomm. GmbHG, 2010, § 1 Rz. 17 ff.; Michalski, GmbHG, 2. Aufl. 2010, § 1 Rz. 5 jeweils m. w. N.

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Interessenausgleich unter Privatrechtssubjekten: Auch wenn es sich bei Ansprüchen aus der Gründerhaftung nicht um Schadenersatzansprüche handelt,91 so handelt es sich doch um Haftungsansprüche, deren Hauptzweck nicht die Verhaltenssteuerung zum Wohle der Allgemeinheit, sondern der wirtschaftliche Interessenausgleich unter Privatrechtssubjekten ist. Konkreter gesprochen geht es um den Ausgleich zwischen den Interessen der Gesellschaftsgläubiger an einem eigenständigen, im Notfall für ihren Zugriff zur Verfügung stehenden Haftungsfonds der Gesellschaft und den Interessen der Gesellschafter, nach dem Durchlaufen des Gründungsprozesses nachhaltig in den Genuss des Haftungsprivilegs des § 13 Abs. 2 GmbHG zu kommen. Es geht nicht um die Ermöglichung einer per se als wünschenswert empfundenen Wiederholung der präventiven Registerkontrolle92 oder die möglichst effektive Sanktionierung formaler Nachlässigkeiten in diesem Zusammenhang.

Um – mit diesen gedanklichen Ausgangspunkten im Sinn – die Analogiebasis begründen zu können, muss die Frage beantwortet werden, aus welchem Grund die Interessen der Gläubiger vor denjenigen der Gründer in einem Maße Vorrang haben, dass es gerechtfertigt ist, der Umgehung von Gründungsvorschriften im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung gerade durch die Anwendung des Haftungsmodells der rechtlichen Gründung einen Riegel vorzuschieben. Gelingt dies, dann ist die Analogiebasis stark genug für die Rechtsfigur der wirtschaftlichen Neugründung in der oben skizzierten Dimensionierung. Gelingt dies nicht, so ist die Analogiebasis zu schwach – und der Verweis auf die Erforderlichkeit harter Sanktionen zur Disziplinierung der am Registerverfahren Beteiligten vermag auch keine Abhilfe mehr zu schaffen.

IV. Keine Enttäuschung berechtigter Verkehrserwartungen bei Vermögenskontinuität Vor diesem Hintergrund führt die Auslegungsarbeit zur Begründung der Analogiebasis für die wirtschaftliche Neugründung m. E. zu dem Ergebnis, dass der Tatbestand der wirtschaftlichen Neugründung nach dem Konzept der Rechtsprechung infolge des alleinigen Abstellens auf die Unternehmenslosigkeit – oder positiv gewendet: auf die Unternehmenskontinuität – zu weit geraten ist: Da sich die berechtigten Verkehrs_______________

91 Siehe oben Abschnitt A.II.2. 92 In diese Richtung aber Bachmann, NZG 2011, 441, 444 f.

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erwartungen bei der eingetragenen GmbH, wie dargelegt, nur auf die Vermögensdeckung – nicht auf die Ausstattung mit einem Unternehmen – richten können, kann die Unternehmenslosigkeit jedenfalls solange nicht zur Erforderlichkeit einer Wiederholung des Gründungsverfahrens führen, wie die ursprüngliche Vermögensausstattung erhalten geblieben ist. Anders gewendet: Eine eingetragene Gesellschaft, deren Nettovermögen das Stammkapital deckt, kann keine berechtigten Verkehrserwartungen enttäuschen. Mit Blick auf eine solche Gesellschaft bestehen keine berechtigen Verkehrserwartungen, die darauf abzielen, dass es zu keiner (Wieder-)Aufnahme einer unternehmerischen Tätigkeit ohne nochmals durchlaufenes Gründungsverfahren mit präventiver Registerkontrolle kommt. Vielmehr kann eine eingetragene, voll kapitalisierte GmbH, die zunächst (berechtigterweise und im Genuss des Haftungsprivilegs des § 13 Abs. 2 GmbHG) nicht Trägerin eines Unternehmens gewesen ist, sich im Einklang mit den berechtigten Verkehrserwartungen mit einem Unternehmen ausstatten, jedenfalls solange ihr Nettovermögen ihr Stammkapital (im Zeitpunkt der Anmeldung bzw. Geschäftsaufnahme) deckt. Solange in diesem Sinne Vermögenskontinuität besteht, kann die Legitimationswirkung der Eintragung (rechtliche Gründung) bei der Anmeldung bzw. Geschäftsaufnahme (wirtschaftliche Gründung) nicht verloren gegangen sein.

V. Keine wirtschaftliche Neugründung bei Vermögenskontinuität Der Webfehler der Analogie – so meine erste Kernthese – besteht somit darin, dass die Vermögensausstattung der Gesellschaft im Tatbestand der wirtschaftlichen Neugründung überhaupt keine Rolle spielt. Dadurch ist die Analogie zu weit geraten, es fehlt in Teilen an der Analogiebasis. Dieses Defizit lässt sich beseitigen – und die Analogiebasis erweist sich wieder als hinreichend tragfähig – wenn man den Vermögensaspekt im Haftungstatbestand mitberücksichtigt. Geschieht dies, so kann es nach dem soeben Gesagten zu keiner Umgehung, und damit zu keiner analogen Gründerhaftung in Fällen kommen, in denen im Zeitpunkt der Anmeldung (der Satzungsänderung usw.) die Gesellschaft voll kapitalisiert ist, ihr Nettovermögen also die Stammkapitalziffer deckt.

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Auf diesem Wege gelangt man zum selben praktischen Ergebnis wie das Kammergericht in seiner Entscheidung aus dem Jahr 2009.93 Die hier vorgetragene These geht allerdings noch etwas weiter als das Kammergericht: Deckt das Nettovermögen im Zeitpunkt der Anmeldung nachweislich die Stammkapitalziffer – und liegt in diesem Sinne Vermögenskontinuität vor – liegen nach der hier vertretenen Auffassung schon die Tatbestandsvoraussetzungen für die Anwendung der Rechtsfigur der wirtschaftlichen Neugründung nicht vor. Es handelt sich also nicht lediglich um eine Modifikation auf der Rechtsfolgenseite dieser Rechtsfigur. Besteht Vermögenskontinuität – wofür im Haftungsprozess der Gesellschafter die Beweislast94 trägt – so entfällt nicht allein die Gründerhaftung, sondern bereits die Pflicht zur Offenlegung gegenüber dem Handelsregister und zur Abgabe von Erklärungen nach §§ 8 Abs. 2, 7 Abs. 2, 3 GmbHG. Für die Gründerberatung in der Praxis würde dies bedeuten: Wer sich als Gesellschafter einer GmbH sicher sein kann, dass deren Nettovermögen die Stammkapitalziffer deckt, ist demnach berechtigt, zuzulassen, dass diese eine unternehmerische Tätigkeit aufnimmt – und zwar selbst dann, wenn es vorher keine solche Tätigkeit der Gesellschaft gegeben hat oder diese unterbrochen gewesen ist. Wer sich der Vermögenskontinuität nicht sicher sein kann, der muss sich fragen, ob zumindest Unternehmenskontinuität bestand. Dann (und nur dann) kommen die oben referierten Grundsätze der Rechtsprechung zur Anwendung, um festzustellen, ob das „verknüpfende Band“ der Unternehmenskontinuität gerade noch hält oder bereits abgerissen ist. Aus Letzterem erwächst sodann die Pflicht zur Offenlegung und Erklärung nach §§ 8 Abs. 2, 7 Abs. 2, 3 GmbHG. Eine Verletzung dieser Pflicht wird sanktioniert durch die analoge Anwendung der Unterbilanzhaftung und der Verlustdeckungshaftung, allerdings mit den zugleich zu erörternden Modifikationen.95 Insgesamt reicht es somit zur Aufrechterhaltung der Legitimationswirkung der ursprünglichen Eintragung im Zeitablauf aus, wenn entweder Unternehmenskontinuität oder Vermögenskontinuität bestand, wie in Abbildung 6 (S. 83) schematisch visualisiert. _______________

93 KG, NZG 2010, 387; offen gelassen von OLG München, NZG 2010, 544, 545; eingehend oben Abschnitt B.II.4.c. 94 So schon der Vorschlag von Ulmer in Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, 2005, § 3 Rz. 166 a. E. (für bestimmte Fallgruppen von Mantel-GmbHs mit eigenem Vermögen). 95 Siehe unten Abschnitt C.VI. bis C.VIII.

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Jahr 1

Jahr 2

Jahr 3

Jahr 4

(ohne Offenlegung)

Eingetragene GmbH:

Eingetragene GmbH:

Fortwirkung der Legitimationswirkung der Eintragung bei Unternehmenskontinuität oder Vermögenskontinuität

Geschäftsaufnahme führt nicht zur wirtschaftlichen Neugründung, d.h. (i) keine Offenlegung {ii) keine § SII-Versicherung {iii) keine präventive Registerprüfun g {iv) keine analoge Gründerhaftu ng (v) keine analoge Handelndenhaftung

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Abbildung 6: Legitimationswirkung der Eintragung aufgrund Unternehmenskontinuität oder Vermögenskontinuität

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Vorgesellschaft

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VI. Unterschiede in den Rechtsfolgen – rechtliche vs. wirtschaftliche Neugründung Es verbleibt die Frage, welche Rechtsfolge die Gründerhaftung nach sich zieht, wenn das Haftungsmodell der Gründerhaftung auch nach der hier vertretenen Auffassung bei der wirtschaftlichen Neugründung eingreift, weil (i) den auf Haftung in Anspruch genommen Gesellschaftern der Nachweis misslingt, dass im Zeitpunkt der Anmeldung ausreichendes Nettovermögen vorhanden gewesen ist und (ii) auch die Unternehmenskontinuität verneint werden muss. An dieser Stelle der Analyse ist m. E. der nach der Rechtsprechung für die rechtliche Gründung und die wirtschaftliche Neugründung unterschiedliche Zäsurzeitpunkt (im Sinne des Zeitpunkts, zu dem sich die höhenmäßig schwankende Verlustdeckungshaftung zur höhenmäßig fixierten Unterbilanzhaftung „kristallisiert“96) etwas schärfer in den Blick zu nehmen. Dabei fällt zweierlei besonders deutlich auf:

1. Erkennbarkeit des Haftungsrisikos Bei der rechtlichen Gründung trifft das Risiko der Verlustdeckungshaftung (nur) denjenigen, der sehenden Auges eine bloße Vor-GmbH mit einem aktiven Geschäftsbetrieb ausstattet, also trotz des Unversehrtheitsgrundsatzes „loslegt, bevor er überhaupt eine GmbH eingetragen bekommen hat“. Dabei ist der Tatbestand, welcher zur Haftung führt, vollkommen konturenscharf. Bei der wirtschaftlichen Neugründung lässt sich diese Konturenschärfe dagegen nur für die Verwendung einer Vorratsgesellschaft feststellen. In allen anderen Fallgruppen bestehen, wie bereits dargelegt, unbestrittene Abgrenzungsschwierigkeiten.97

2. Dauer des Risikozeitraums Die genannten Abgrenzungsschwierigkeiten sind m. E. aber nicht der wertungsmäßig am stärksten ins Gewicht fallende Unterschied. Dieser besteht vielmehr darin, dass bei der rechtlichen Gründung der Zeitraum, in dem die Gründer dem Risiko der Verlustdeckungshaftung ausgesetzt sind, „so oder so“ seine natürliche Begrenztheit hat, während es _______________

96 Siehe oben Abschnitt A.II.2. 97 Siehe oben Abschnitt B.I.2.

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daran bei der wirtschaftlichen Neugründung typischerweise fehlt. Denn bei der rechtlichen Gründung läuft in dem Zeitraum, in dem sich die Gründer risikofreudig verhalten und die Vor-GmbH mit einem Unternehmen ausgestattet haben, noch immer das Eintragungsverfahren für die GmbH. Hieraus ergibt sich zwangsläufig eine zeitliche Beschränkung des Risikohorizonts. Dies gilt beim Scheitern der Eintragung ebenso wie in dem Fall, dass die Eintragung schlussendlich vorgenommen wird:

a) Scheitern der Eintragung Scheitert bei der rechtlichen Gründung die Eintragung, so werden die Geschäfte der Vor-Gesellschaft typischerweise eingestellt und es wird das Anhäufen immer neuer Schulden auf diese Weise vermieden. Mit dem Scheitern der Eintragung kommt es somit zu einer höhenmäßigen Fixierung des Haftungsbetrags, wenn auch als Kulminationspunkt eines ausgesprochen ungeordneten Prozesses.98

b) Vornahme der Eintragung Erfolgt (und sei es nach Verzögerungen) bei der rechtlichen Gründung die Eintragung, so schlägt die Verlustdeckungshaftung in die Unterbilanzhaftung um. Die Eintragung hat, wie gesehen, Zäsurwirkung. Aus dem der Höhe nach schwankenden, potentiell unbegrenzten Anspruch aus Verlustdeckungshaftung wird der höhenmäßig fixierte, im weiteren Zeitablauf unveränderliche Anspruch aus Unterbilanzhaftung. Der Eintragung der Gesellschaft bei der rechtlichen Gründung entspricht im Verfahrensablauf der wirtschaftlichen Neugründung die Eintragung der Satzungsänderung etc., welche das „Scharfschalten“ der Gesellschaft im Handelsregister dokumentiert. Dieser, wenn man so will, „Neugründungseintragung“, fehlt aber gerade die genannte Zäsurwirkung. Dies hat, nach der gegenwärtigen Rechtsprechung des BGH, seinen Grund in der Zuweisung der Zäsurwirkung allein zur Offenlegung. _______________

98 Gründer, die selbst an diesem Punkt noch weiter wirtschaften, verhalten sich so leichtfertig, dass sie nicht mehr aus der Verlustdeckungshaftung durch die Gesellschaft (Innenhaftung), sondern wie ein Personengesellschafter von den Gesellschaftsgläubigern in Anspruch genommen werden können (Außenhaftung), siehe schon oben Fn. 18.

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In dem (nicht haftungsträchtigen) Regelfall, dass die Offenlegung mit der Anmeldung erfolgt, folgt hieraus eine Vorverlegung des maßgeblichen Zäsurzeitpunkts: Die zusätzliche Verkomplizierung der Verhältnisse durch den Unversehrtheitsgrundsatz gibt es bei der wirtschaftlichen Neugründung dann nicht. In diesem Regelfall ist es nämlich infolge der Vorverlegung des Zäsurzeitpunkts nicht erforderlich, dass die Kapitaldeckung auch noch im Zeitpunkt der Eintragung (der Satzungsänderung etc.) gewährleistet ist – und die GmbH in diesem Sinne erneut unversehrt „ins Leben treten“ kann. Mit dieser Modifikation der Analogie gegenüber der Gesellschafterhaftung bei der rechtlichen Gründung ermöglicht es der BGH der Gesellschaft, mit der Geschäftstätigkeit sofort nach der Anmeldung zu beginnen, ohne allein hierdurch das Haftungsrisiko für die Gesellschafter weiter zu erhöhen (wie es bei der rechtlichen Gründung der Fall ist, wenn zwischen Anmeldung und Eintragung das Nettovermögen weiter absinkt).99 Der BGH wollte die Gesellschafter an dieser Stelle der Analogie ganz offensichtlich gegenüber der rechtlichen Gründung privilegieren. Damit hat er vor allem den Vorratsgesellschaften die Eignung für ihre Zwecke erhalten – denn müsste man auch bei diesen die Eintragung (der Unternehmensgegenstandsänderung etc.) abwarten, bevor risikofrei mit dem Geschäft begonnen werden kann, so wäre ja gegenüber dem Risikoprofil bei der rechtlichen Gründung nicht viel gewonnen. In dem (allein haftungsträchtigen) kritischen Fall, dass die Offenlegung bei der Anmeldung unterbleibt, erweist sich diese Privilegierung aber als Danaergeschenk: Der Tag der Eintragung (der Unternehmensgegenstandsänderung etc.) bringt in diesem kritischen Fall gerade nicht die Zäsur.100 Vielmehr verbleibt es über diese „Neugründungseintragung“ hinaus bei der Verlustdeckungshaftung, deren Höhe in Abhängigkeit von der Entwicklung die ganze Zeit schwankt, bis sie, am absoluten Tiefpunkt der Insolvenz, schlussendlich praktisch relevant wird. In der Fallvariante, die am ehesten der Lebenserfahrung entspricht – dass nämlich die bei der Anmeldung nun einmal versäumte Offenlegung auch _______________

99 Vgl. Goette, DStR 2004, 461, 464. Wird ohne Offenlegung (und somit auch ohne die Geschäftsführer-Erklärung nach §§ 8 Abs. 2, 7 Abs. 2, 3 GmbHG) angemeldet, diese aber nachgeholt, so ist der Tag der nachgeholten Geschäftsführer-Erklärung der „Kristallisationstag“ und damit der Stichtag für die Vorbelastungsbilanz. 100 Sieht man einmal von dem theoretischen Zufallsbefund ab, dass gerade der Tag der „Neugründungseintragung“ für die Nachholung der Offenlegung gewählt wird.

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danach unterbleibt – erstreckt sich die unbegrenzte persönliche Verlustdeckungshaftung der Gesellschafter somit auf den Zeitraum von der „Neugründungseintragung“ bis zur (Jahre oder Jahrzehnte) später eintretenden Insolvenz. Die Verlagerung des „Zäsurzeitpunkts“ von der Eintragung zur Offenlegung hat also den – möglicherweise unbeabsichtigten, aber gravierenden – Nebeneffekt, das Tor zur unbegrenzten persönliche Endloshaftung bei der wirtschaftlichen Neugründung weit aufzustoßen – viel weiter als es bei der rechtlichen Gründung der Fall ist: Ein Gesellschafter, der einmal das Offenlegungserfordernis der Rechtsprechung verkannt hat, kann sich jahrelang als Gesellschafter einer eingetragenen GmbH durch § 13 Abs. 2 GmbHG sicher abgeschirmt gefühlt haben, um dann in der Insolvenz gleichwohl feststellen zu müssen, dass er für die vollständige Befriedigung aller Insolvenzgläubiger persönlich einzustehen hat. Dieser Aspekt hat bei der rechtlichen Gründung keinerlei Entsprechung. Insofern scheint es auch keineswegs übertrieben, von einer Haftungsfalle zu sprechen.101

VII. Vorschlag zur Rechtsfolgenseite M. E. sollte sich in der Frage des Zäsurzeitpunkts die Analogie enger an ihrem Vorbild orientieren. Zwischen rechtlicher Gründung und wirtschaftlicher Neugründung sollte auch insofern mit der Parallelität in der Struktur der Rechtsfigur ernst gemacht werden. Im Einzelnen: Bei der rechtlichen Gründung gewährleistet der Anspruch aus Unterbilanzhaftung – in seiner Eigenschaft als Bestandteil des Aktivvermögens der Gesellschaft – dass diese „unversehrt ins Leben tritt“, wenn man die Solvenz der Gesellschafter einmal unterstellt.102 Verluste bis zur Eintragung gehen, wie dargelegt, nach dieser Logik zu Lasten der Gründer, die so risikofreudig gewesen sind, schon im Stadium der VorGmbH die Geschäfte aufzunehmen. Verluste nach diesem Zeitpunkt gehen auch im Fall der Unterbilanzhaftung der Gründer zu Lasten der Gesellschaftsgläubiger. _______________

101 Im Sinne einer solchen Haftungsfalle etwa Altmeppen, DB 2003, 2050, 2052; Priester, ZHR 168 (2004), 248, 262; hiergegen (keine Haftungsfalle, da Rechtsprechung des BGH inzwischen gefestigt und in der Praxis sattsam bekannt) Bachmann, NZG 2011, 441, 446. 102 Siehe oben Abschnitt A.II.1.

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Bei der wirtschaftlichen Neugründung muss die Eintragung m. E. dieselbe Zäsurwirkung haben, selbst wenn es in diesem Zeitpunkt (immer noch) nicht zu einer erforderlichen Offenlegung gekommen ist: Grundgedanke der Rechtsfigur der wirtschaftlichen Neugründung ist, dass es Situationen gibt, in denen den Gesellschaftern einer eingetragenen GmbH abverlangt werden soll, nochmals das Verfahren zu durchlaufen, welches das Gesetz für die rechtliche Gründung vorsieht. Der Kulminationspunkt dieses gesetzlichen Verfahrens ist die Eintragung im Sinne des unversehrten „Ins-Leben-Tretens“ der Gesellschaft. Für den Zeitraum nach diesem Kulminationspunkt gilt das Privileg des § 13 Abs. 2 GmbHG selbst in dem Fall, dass die Unversehrtheit nur durch das Eingreifen der Unterbilanzhaftung gewährleistet werden konnte. Über diese Reichweite der Gründerhaftung bei der rechtlichen Gründung kann ihre analoge Anwendung auf Fälle der „wirtschaftlichen Neugründung“ schwerlich hinausgehen. Was insofern im ursprünglichen „rechtlichen“ Gründungsverfahren gegolten hat, muss erst recht gelten, wenn nach der Rechtsfigur der wirtschaftlichen Neugründung von den Gesellschaftern der inzwischen eingetragenen GmbH verlangt wird, dass es erneut durchlaufen wird. Das erneut durchlaufene Verfahren findet somit seinen Kulminationspunkt darin, dass die Gesellschaft am Ende dieses Verfahrens erneut unversehrt ins Leben tritt. Dies ist nur zu erreichen, wenn man der Eintragung bei der rechtlichen Gründung und der wirtschaftlichen Neugründung in derselben Weise Zäsurwirkung zugesteht. Daraus ergibt sich sodann das folgende Bild (Abbildung 7, S. 89). Rechtsfolge der versäumten Offenlegung bei der wirtschaftlichen Neugründung ist folglich die Unterbilanzhaftung bezogen auf den Zeitpunkt der Eintragung der Unternehmensgegenstandsänderung etc. Eine Unterbilanz geht in der Höhe zu Lasten der „Neu-Gründer“, in der sie in diesem Zeitpunkt besteht. Soweit sie sich danach vertieft, geht die im Zeitablauf nach der Eintragung (und bis zur Insolvenz) hinzu kommende Unterbilanz zu Lasten der Gesellschaftsgläubiger – wie dies auch bei der rechtlichen Gründung der Fall wäre.

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Stamm-

kap~talL1me

I

Nettovermögensentwicklung

·

1 -

'•

Wirtschaftliche Neugründung: analoge Unterbilanzhaftung

I

NullLinie

Rechtliche Gründung: Unterbilanzhaftung

Abbildung 7: Parallele Zäsurzeitpunkte: Unterbilanzhaftung jeweils bei Eintragung

.

I /· .c:.~=====+ ; /

Adolff – Wirtschaftlichen Neugründung

Unternehmenslose Zeit der eingetragenen GmbH

Vorgesellschaft

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Adolff – Wirtschaftliche Neugründung

VIII. Randfälle Einer Verfeinerung bedarf dieser Vorschlag zur Rechtsfolgenseite für zwei Randfälle:

1. Handelsregisterbeteiligung ist im Sachverhalt strukturell nicht angelegt Es sind Fälle der wirtschaftlichen Neugründung denkbar, in denen es strukturell zu keiner Anmeldung beim Handelsregister und somit auch zu keiner Eintragung kommt. –

Schlichte Unterbrechung der Unternehmenskontinuität: Hierher gehört zunächst der (in der Praxis kaum relevante) Fall, dass eine GmbH in ihrer Unternehmenstätigkeit schlicht eine Pause einlegt, um sie sodann unverändert wieder aufzunehmen: Eine SchuhfabrikGmbH verliert zwischenzeitlich ihren Absatzmarkt, Jahre später erholt sich dieser, und sie nimmt ihre Geschäfte daraufhin als Schuhfabrik wieder auf.103 In einem solchen Fall kommt es nach den hier vertretenen Thesen zunächst darauf an, ob im Zeitpunkt der Wiederaufnahme der Geschäftstätigkeit die Stammkapitalziffer vom Nettovermögen gedeckt gewesen ist. Soweit sich dies nachweisen lässt, ist für die analoge Anwendung der Gründerhaftung auf die GmbH-Gesellschafter im Zeitpunkt der Wiederbelebung des Geschäfts kein Raum. Ist dies nicht der Fall, so greift die Analogie ein, in diesem Sonderfall als Unterbilanzhaftung bezogen auf den Zeitpunkt der Aufnahme der Geschäftstätigkeit. Dieser Zeitpunkt der Geschäftsaufnahme tritt also – für den Sonderfall der wirtschaftlichen Neugründung ohne Registerbeteiligung – funktional an die Stelle der Eintragung. Für derartige (schulbuchmäßig zugespitzte) Sachverhalte fällt die Begründung der Analogie ohnehin besonders schwer: Die Anforderung des Richterrechts, hier nochmals die Schritte des Verfahrens für die rechtliche Gründung zu durchlaufen, birgt das größte Überraschungspotential für einen (aus Laiensicht berechtigterweise) arglosen GmbH-Gesellschafter: Für diesen ist es in besonderem Maße „kontraintuitiv“,104 dass ihn die zeitlich unbegrenzte, volle Haftung auf Befriedigung sämtlicher Insolvenzgläubiger treffen soll, allein weil die Gesellschaft ihr gleichbleibendes Ge-

_______________

103 Beispiel von Goette, DStR 2004, 461, 465, siehe dazu schon oben Abschnitt B.I.2. 104 Wicke, NZG 2005, 409, 411; Wicke, MittBayNot 2011, 23, 29.

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Adolff – Wirtschaftlichen Neugründung



schäft nicht ununterbrochen getätigt hat. Zumindest die Zäsurwirkung für denjenigen Zeitpunkt, für den aus dem Verhalten des Gesellschafters der Vorwurf gegen ihn abgeleitet wird (Geschäftsaufnahme), ist ihm daher zuzugestehen. Es muss für diesen Sonderfall genügen, wenn seine auf diesen Zeitpunkt bezogene Unterbilanzhaftung dafür sorgt, dass die Gesellschaft voll kapitalisiert ins Leben tritt. Mutationsfälle: Hierher gehören auch die neuerdings intensiv diskutierten Mutationsfälle.105 Für sie ist ja gerade kennzeichnend, dass der ursprünglich eingetragene Unternehmensgegenstand die schlussendlich ausgeübte Geschäftstätigkeit (gerade noch) deckt. Auch hier sind somit Unterfälle denkbar, in denen der Tatbestand der wirtschaftlichen Neugründung verwirklicht wird, ohne dass es zu einer Handelsregisterbeteiligung kommt.106 Dann gilt das soeben Gesagte: Bei Vermögenskontinuität greift die gesamte Rechtsfigur der wirtschaftlichen Neugründung nicht ein, ebenso wenig bei Unternehmenskontinuität (wie in dem vom BGH 2010 entschiedenen „Schulhausfall“107). Fehlt es sowohl an Vermögenskontinuität als auch an Unternehmenskontinuität, so befindet man sich wieder in der Fallgruppe „schlichte Unterbrechung der Unternehmenskontinuität“. Nach dem soeben Gesagten kommt es dann zur Unterbilanzhaftung bezogen auf den Zeitpunkt der (ggf. erneuten) Aufnahme der Geschäftstätigkeit.

2. Erforderliche Handelsregisterbeteiligung findet nicht (ordnungsgemäß) statt Hiervon zu unterscheiden ist eine andere Fallgruppe, in der das Handelsregister beteiligt werden muss, das Handelsregisterverfahren aber von den „Neugründern“ bzw. von den Geschäftsführern unrichtigerweise unterlassen oder unvollkommen betrieben wird. Beispiel: Die bereits als _______________

105 Siehe oben Abschnitt B.I.3. 106 Bei anderen Unterfällen gibt es dagegen sehr wohl eine Handelsregistereintragung, auf die für die Zäsurwirkung abgestellt werden kann. Man denke sich etwa für den „Schulhausfall“ (BGH, NJW 2010, 1459), dass der Erwerb der Sprachschule nicht im Wege eines Asset Deals, sondern im Wege einer umwandlungsrechtlichen Verschmelzung, Spaltung oder Ausgliederung erfolgt wäre. In einem solchen Fall wäre es nach der hier vorgetragenen Auffassung geboten gewesen, auf die Eintragung dieser Maßnahme als den maßgeblichen Zäsurzeitpunkt abzustellen. 107 BGH, NJW 2010, 1459.

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Adolff – Wirtschaftliche Neugründung

Anschauungsobjekt bemühte Schuhfabrik-GmbH nimmt nach einem längeren Zeitraum die Geschäftstätigkeit wieder auf, diesmal aber als Inkassobüro. Dies erfordert (zumindest) eine Anpassung des Unternehmensgegenstands in der Satzung. Diese (i) unterbleibt jedoch und wird somit auch nicht angemeldet oder (ii) wird zwar beurkundet und angemeldet, aber niemals eingetragen, weil die für die neue, bereits mit der Anmeldung begonnene Geschäftstätigkeit erforderliche und vom Registerrichter als Eintragungsvoraussetzung eingeforderte staatliche Genehmigung nicht beigebracht wird. Diese (praktisch ebenfalls nicht übertrieben relevante) Fallgruppe ist nach den hier vertretenen Thesen das einzige verbleibende Anwendungsfeld für die analoge Verlustdeckungshaftung bei der wirtschaftlichen Neugründung: Wer als Gesellschafter in einer solchen Lage (keine Vermögenskontinuität, keine Unternehmenskontinuität, eigene Verantwortung für das Ausbleiben einer erforderlichen Eintragung) die Risikofreude an den Tag legt, gleichwohl die Geschäftstätigkeit aufzunehmen, setzt sich der Endloshaftung (bis hin zur Insolvenz) aus, wenn es tatsächlich zum selbstverschuldeten Ausbleiben der Eintragung kommt.

IX. Semantische Klarstellung zur „Differenzhaftung“ Die zweite hier vertretene, soeben vorgetragene Kernthese – zumindest im Regelfall Unterbilanzhaftung bezogen auf den Tag der Eintragung als Rechtsfolge einer wirtschaftlichen Neugründung – ist artverwandt, aber nicht deckungsgleich, mit der von Habersack vertretenen These zur Rechtsfolgenseite.108 In „Fortentwicklung“109 des Kammergerichts kommt Habersack zu dem Ergebnis, dass „die Haftung der Gesellschafter im Falle der unterbliebenen Offenlegung … generell auf die Differenz zwischen dem Betrag der des Grund- und Stammkapitals und dem Wert des Gesellschaftsvermögens im Zeitpunkt der Anmeldung der die wirtschaftliche Neugründung kennzeichnenden Satzungsänderungen zu begrenzen ist und damit bei vollständiger Deckung des Grund- und Stammkapitals gänzlich entfällt“.110

Trotz seiner argumentativen Bezugnahme auf § 19 Abs. 4 GmbHG fordert Habersack in der Sache, die Grundsätze der Unterbilanzhaftung anzuwenden, und zwar bezogen auf den Zeitpunkt der Anmeldung. Von _______________

108 Habersack, AG 2010, 845 ff., siehe schon oben Abschnitt B.IV. 109 A. a. O., S. 849. 110 A. a. O., S. 850, re. Sp.

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Adolff – Wirtschaftlichen Neugründung

der „Differenzhaftung“ nach § 9 Abs. 2 GmbHG und nach § 19 Abs. 4 GmbHG entlehnt er dabei den maßgeblichen Zeitpunkt, aber nicht den strukturellen Ansatz für die Identifizierung des maßgeblichen Differenzbetrags: Bei der „Differenzhaftung“ nach § 9 Abs. 2 GmbHG und nach § 19 Abs. 4 GmbHG geht es bekanntlich um den Unterschiedsbetrag zwischen dem Wert eines Sacheinlagegegenstands und Nennbetrag des übernommenen Geschäftsanteils bzw. dem angerechneten Wert der verdeckten Sacheinlage und der Höhe der Einlageverpflichtung, wie die Tabelle in Abbildung 8 (S. 94) verdeutlichen mag. Alle vier Haftungsinstitute zielen letztlich auf den Ausgleich einer Differenz. Diese wird aber bei den beiden erstgenannten Instituten anders berechnet als bei den beiden Letztgenannten. Dieser strukturelle Unterschied zwischen Verlustdeckungshaftung/ Unterbilanzhaftung (mit dem Bezugspunkt des gesamten Nettovermögens der Gesellschaft) einerseits und den „Differenzhaftungsfällen“ der §§ 9 Abs. 2, 19 Abs. 4 GmbHG (mit dem Nennbetrag des übernommenen Geschäftsanteils als Bezugspunkt) andererseits wird deutlich, wenn man die Fälle in den Blick nimmt, bei denen die „Differenzhaftung“ nicht bei der Gründung, sondern bei der Kapitalerhöhung zur Anwendung kommt: Hier ist es möglich, dass die Kapitalerhöhung eingetragen wird, obwohl im Zeitpunkt der Eintragung das Nettovermögen der Gesellschaft insgesamt die Stammkapitalziffer nicht deckt (weil zwar für die neu ausgegebenen Anteile „hinreichend wertvolle“ Sacheinlagegegenstände in das Gesellschaftsvermögen gelangt sind, aber eine zuvor schon vorhandene Unterbilanz dadurch nicht ausgeglichen werden kann).111 Letztlich ist es eine Frage der semantischen Konvention, welche der vier Haftungsinstitute man als „Differenzhaftung“ bezeichnen will und welche nicht. Für die Zwecke dieser Abhandlung folge ich der wohl herrschenden Konvention, nur die Haftung nach §§ 9 Abs. 2, 19 Abs. 4 GmbHG so zu bezeichnen, nicht aber die Haftung aus Verlustdeckungshaftung/Unterbilanzhaftung. So gelange ich zu der am Anfang dieses _______________

111 Die Kritik insbesondere von Hüffer, NJW 2011, 1772, 1777 und Bachmann, NZG 2011, 441, 443 f. an den Thesen von Habersack geht m. E. aus diesem Grund insofern ins Leere, als sie eben diese strukturellen Unterschiede zwischen Verlustdeckungshaftung/Unterbilanzhaftung einerseits und den „Differenzhaftungsfällen“ der §§ 9 Abs. 2, 19 Abs. 4 GmbHG andererseits herausstreicht und hieraus ableitet, dass eine reine „Differenzhaftung“ für die wirtschaftliche Neugründung nicht passe.

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Haftungsart

Gläubiger I Schuldner

Haftungsspektrum besteht

Verlustdeckun shaftun

Vor-GmbH gegen Gesellschafter (der zust1mmt

,,.Jf.IJL-Giim 1. (negativem) Nettovermögen der GmbH nach Vorbelastungsbilanz bei Insolvenz (nach Jahr und Tag) und

GmbH gegen Gesellschafter (der zust1mmt

"Differenzhaftung", d.i. in der Sache eine lediglich hinsichtlich des maßgeblichen Zeitpunkts modifizierte Unterbilanzhaftung Differenzhaftung nach § 9 II GmbHG

1 (negat1vem) Nettovermagen der GmbH nach Vorbelastungsbilanz bei ~und

(aus heutiger Sicht semantisch verwirrend nennt BGHZ 80,129, 140, 142 dies eine "Differenzhaftun ") Habersack-Vorschlag:

P•*lML-t:im

2 statuanscher Stammka 1talz1ffer GmbH gegen Gesellschafter (der zustimmt)

a zwischen 1. (negativem) Nettovermögen der GmbH nach Vorbelastungsbilanz bei Anmeldunq und 2. statuarischer Stammkapitalziffer

GmbH gegen Gesellschafter

a zwischen 1. Wert der Sacheinalge bei Anmeldunq und 2. Nennbetrag des übernommenen Geschäftsanteils

"MoMiG-Differenzhaftung" bei verdeckter Sacheinlagenach § 19 IV GmbHG

I GmbH gegen Gesellschafter

a zwischen 1. angerechnetem Wert der verdeckten Sacheinlage bei Anmeldunq (oder spätere Überlassung des Sacheinlagegegenstands) und 2. Einlageverpflichtung (=Nennbetrag des übernommenen Geschäftsanteils)

Abbildung 8: Gründerhaftung vs. Differenzhaftung nach§§ 9 II, 19 IV GmbHG

Adolff – Wirtschaftliche Neugründung

Unterbilanzhaftung (Vorbelastungshaftung)

Adolff – Wirtschaftlichen Neugründung

Abschnitts getroffenen Feststellung, dass Habersack der „Differenzhaftung“ den maßgeblichen Zeitpunkt entlehnt, aber nicht den strukturellen Ansatz für die Identifizierung des maßgeblichen Differenzbetrags. Bei Verwendung dieser Semantik braucht man indessen gar nicht mit dem Begriffsgegensatz „Differenzhaftung“ nach Habersack vs. „reine“ Analogie zu Verlustdeckungshaftung/Unterbilanzhaftung zu arbeiten. Vielmehr ist Gegenstand der gesamten Diskussion allein die Frage nach dem maßgeblichen Zeitpunkt für die Unterbilanzhaftung – oder, etwas technischer gesprochen: nach dem maßgeblichen Zäsurzeitpunkt, in dem der Haftungsanspruch aus der einheitlichen Gründerhaftung betragsmäßig fixiert wird, sodass die Verlustdeckungshaftung in die Unterbilanzhaftung umschlägt und ein weiteres, künftiges Absinken des Nettovermögens nicht mehr zu Lasten der „wirtschaftlichen Neugründer“, sondern zu Lasten der Gesellschaftsgläubiger geht. Nach Habersack ist dies die Anmeldung, und zwar auch wenn die Offenlegung unterbleibt. Nach Hüffer und Bachmann ist dies die Offenlegung, d. h. bei unterbliebener Offenlegung: nie.112 Nach der hier vertretenen Ansicht ist zweistufig zu prüfen: Deckte das Nettovermögen im Zeitpunkt der Anmeldung die Stammkapitalziffer, liegt schon tatbestandlich kein Fall der wirtschaftlichen Neugründung vor; in einem solchen Fall gibt es nichts offenzulegen, das Handelsregister braucht nicht bemüht zu werden. War dies nicht der Fall, dann ist der maßgebliche Zäsurzeitpunkt die Eintragung, und zwar selbst dann, wenn die Offenlegung unterbleibt. Bezogen auf diesen Zeitpunkt kommt es zur Unterbilanzhaftung. Durch den Anspruch aus der Unterbilanzhaftung reicher, tritt die Gesellschaft erneut voll kapitalisiert ins Leben; ein weiteres Absinken des Nettovermögens geht, wie nach der These von Habersack, nicht mehr zu Lasten der „wirtschaftlichen Neugründer“, sondern zu Lasten der Gesellschaftsgläubiger.

X. Auswirkung auf die Fallgruppen 1. Vorratsgesellschaften Für die Fälle der Vorratsgesellschaften bedeutet die Anwendung der hier vertretenen Thesen, dass die Rechtsfigur der wirtschaftlichen Neugründung in aller Regel auf sie keine Anwendung mehr finden wird. Denn _______________

112 Hüffer, NJW 2011, 1772 f.; Bachmann, NZG 2011, 441, 443 ff.

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für diese Gesellschaften ist es ja gerade kennzeichnend, dass ihr Vermögen während der Phase ihrer „shelf existence“ als eigenes Vermögen passiv verwaltenden Gesellschaften unangetastet bleibt. Dies führt zu Vermögenskontinuität im hier definierten Sinne – und diese wiederum dazu, dass eine Anwendung der Rechtsfigur der wirtschaftlichen Neugründung in toto nicht in Betracht kommt. Hierher gehört der Fall des Kammergerichts von 2009,113 der nach den hier vertretenen Thesen somit richtig entschieden worden ist. Nur in dem Sonderfall, dass es vor dem „Scharfschalten“ der Vorratsgesellschaft doch zu einem Absinken des Nettovermögens unter die Stammkapitalziffer kommt, greift die Rechtsfigur der wirtschaftlichen Neugründung in dieser Fallgruppe überhaupt ein. Wird dann die Offenlegung bei der Anmeldung pflichtwidrig unterlassen, führt dies zur Rechtsfolge der analogen Unterbilanzhaftung bezogen auf den Zeitpunkt der Eintragung.

2. Altmantelfälle Bei den Altmantelfällen ist der Anwendungsbereich zu verorten, welcher bei Anwendung der hier vertretenen Thesen in der Praxis für die Rechtsfigur der wirtschaftlichen Neugründung in der Hauptsache verbleiben würde. Denn für diese Fallgruppen ist die Vermögenslosigkeit bei gleichzeitiger Unternehmenslosigkeit ja gerade kennzeichnend. Werden in dieser Lage die Schritte des Gründungsverfahrens nicht erneut ordnungsgemäß – d. h. mit Offenlegung und Erklärungen nach §§ 8 Abs. 2, 7 Abs. 2, 3 GmbHG – durchlaufen, so greift die Sanktion der Unterbilanzhaftung bezogen auf den Zeitpunkt der Eintragung. Gab es bei Eintragung tatsächlich ein „schwarzes Schuldenloch“, so kann sich diese auf einen sehr hohen Betrag belaufen. Fehlten bei Eintragung nur ein paar tausend Euro zur Deckung der Stammkapitalziffer, so beschränkt sich die Haftungshöhe auf diese. Von den erörterten Randfällen114 abgesehen, kommt es aber auch in dieser Fallgruppe nicht zur Endlosbelastung der Gesellschafter mit dem Risiko einer kontinuierlichen Ausweitung der Haftungshöhe bei einem weiteren Absinken des Nettovermögens nach der Eintragung.

_______________

113 Siehe oben Abschnitt B.II.4.c. 114 Siehe oben Abschnitt C.VIII.

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Adolff – Wirtschaftlichen Neugründung

3. Mutationsfälle Auch für die Mutationsfälle dürfte es typisch sein, dass im Zeitablauf das Nettovermögen (zumindest geringfügig) unter die Stammkapitalziffer absinkt und somit Vermögenskontinuität im Zeitpunkt der schlussendlichen Geschäftsaufnahme nicht mehr (vollständig) gegeben ist. Von einem „schwarzen Schuldenloch“ wird aber typischerweise nicht die Rede sein können. Dazu passt nach den hier vertretenen Thesen die Rechtsfolge, dass die (zumindest geringfügige) Unterbilanz im Zeitpunkt der schlussendlichen Geschäftsaufnahme von den Gesellschaftern, die mit dieser einverstanden gewesen sind, in Erfüllung ihrer Zahlungsverpflichtung aus der Unterbilanzhaftung nachzuzahlen sind – es damit aber auch sein Bewenden haben muss. Die (fallgruppentypisch geringfügige) Unterbilanz im Zeitpunkt der Geschäftsaufnahme führt in dieser Fallgruppe nicht dazu, dass die Gründer die Forderungen sämtlicher Gesellschaftsgläubiger glatt zu stellen haben, wenn das Nettovermögen nach der Eintragung weiter absinkt und die Gesellschaft deswegen – möglicherweise erst nach „Jahr und Tag“ – in die Insolvenz geht. Insgesamt ergibt sich aus den hier vertretenen Thesen eine klare Fokussierung der Rechtsfigur der wirtschaftlichen Neugründung auf diejenigen Fälle, in denen sowohl die Vermögensausstattung als auch die Unternehmenstätigkeit der (eingetragenen!) Gesellschaft dasjenige Maß unterschreiten, von dem der Rechtsverkehr aufgrund des Soliditätssignals der Handelsregistereintragung ausgehen durfte. Greift man die graphische Logik von Abbildung 5 (S. 66) nochmals auf, so ergibt sich hieraus das folgende Bild (Abbildung 9, S. 98).

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98

Vermögenskontinuität

"klassischer" Altmantel (kein Unternehmen, kein Vermögen, Gefahr des "schwarzen Schuldenlochs").

"klassische" Vorratsgesellschaft (kein Unternehmen, aber ausreichend Vermögen).

"Mutationsfälle" (Unternehmen - mit ursprünglich ausreichendem Vermögen - in statu nascendi, aber mit Stockungen).

Abbildung 9: Auswirkung auf die Fallgruppen (mit den jüngsten Entscheidungen)

Adolff – Wirtschaftliche Neugründung

Unternehmenskontinuität

Adolff – Wirtschaftlichen Neugründung

D. Zusammenfassung in neun Thesen 1. Nach dem gegenwärtigen BGH-Modell bestehen nur zwei Voraussetzungen für die Analogie zur Gründerhaftung, nämlich (i) Unterlassung der Offenlegung und (ii) fehlende Unternehmenskontinuität. Für einen signifikanten Teil der Fallgruppen bedeutet dies, dass allein die (nachhaltige) Unterlassung der Offenlegung – ohne das Hinzutreten weiterer Tatbestandsmerkmale – zur betragsmäßig unbegrenzten Endloshaftung führt. 2. Dafür ist die Analogiebasis zu schwach: a) Die Gründerhaftung bei der rechtlichen Gründung ist ihrerseits ein Institut der richterlichen Rechtsfortbildung, es handelt sich also um eine „Analogie zur Analogie“. b) Die Analogie mit der Rechtsfolge der Endloshaftung der Gesellschafter einer eingetragenen GmbH in ihrer Eigenschaft als „wirtschaftliche Neugründer“ lässt sich nicht allein mit ihrer Anreizwirkung rechtfertigen: Es mag hochgradig wünschenswert sein, starke Anreize für die Ermöglichung einer wiederholten präventiven Registerkontrolle zu setzen. Hauptzweck zivilrechtlicher Haftungsnormen ist aber nicht die ordnungspolitisch erwünschte Verhaltenssteuerung, sondern der Interessenausgleich zwischen Privatrechtssubjekten. c) Kern der Analogiebasis ist der Umgehungsgedanke. Sein dogmatischer Bezugspunkt ist die berechtigte Verkehrserwartung an die Kapitalausstattung einer GmbH. 3. Die in diesem Zusammenhang maßgeblichen Verkehrserwartungen sind normativ, nicht empirisch zu bestimmen. Welche Verkehrserwartungen schützenswert und „berechtigt“ sind, entscheiden Richter aufgrund ihrer Auslegung der Gesetze. 4. Hieraus ergibt sich das folgende Bild: a) Das Signal der Eintragung (bei der rechtlichen Gründung) berechtigt zu der Erwartung, dass (i) das Vermögen der Gesellschaft im Zeitpunkt der Eintragung die Stammkapitalziffer deckte, und (ii) das Stammkapital in der Folge nur durch Verluste, nicht aber durch Entnahmen, angegriffen werden kann. b) Das Signal der Eintragung berechtigt aber nicht zu der Erwartung, dass ein Unternehmen betrieben wird. Vielmehr ist unbestritten, dass die „Allzweckwaffe“ GmbH nicht Trägerin eines Unterneh-

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Adolff – Wirtschaftliche Neugründung

5.

6.

7.

8.

9.

mens zu sein braucht, also insbesondere passive „Verwaltung eigenen Vermögens“ zulässig ist, und zwar auch über einen ausgedehnten Zeitraum hinweg. c) Das gesamte normativ anerkennenswerte Vertrauen richtet sich somit auf die Vermögensstattung. Auf die Frage der unternehmerischen Tätigkeit kommt es nur bei der Bestimmung des für die Vertrauensinvestition maßgeblichen Zeitpunkts an. Wird das Vermögen so weit intakt erhalten, dass es das Stammkapital deckt, so gibt es auch keine berechtigte Verkehrserwartung, dass es zu keiner Geschäftsaufnahme ohne erneut durchlaufenes formales Gründungsverfahren mit präventiver Registerkontrolle kommt. Vielmehr kann eine GmbH, die zunächst nicht Trägerin eines Unternehmens war, dies im Einklang mit den berechtigten Verkehrserwartungen ohne weiteres werden, solange ihr Vermögen das Stammkapital (noch) deckt. Solange und soweit sich die GmbH innerhalb der durch die berechtigten Verkehrserwartungen gesetzten Grenzen bewegt, entfaltet die Eintragung legitimierende Wirkung, welche den Gesellschaftern das Privileg des § 13 Abs. 2 GmbHG verschafft. Erst wenn diese legitimierende Wirkung endet, sinkt die GmbH in einen der Vorgesellschaft vergleichbaren Zustand des „un-privilegierten Wirtschaftens“ hinab, aus dem sie nur durch eine Wiederholung des formalen Gründungsvorgangs befreit werden kann. Als zentrale Weichenstellung für die Bestimmung der Grenzen der Analogie zur Gründerhaftung erweist sich somit die Frage, unter welchen Umständen die Eintragung im Zeitablauf ihre legitimierende Wirkung wieder verliert. Dies ist auch dann, wenn der zuweilen dünne „Faden der Unternehmenskontinuität“ abreißt, nicht der Fall, solange Vermögenskontinuität gegeben ist. Vermögenskontinuität in diesem Sinne liegt vor, wenn im Zeitpunkt der Anmeldung das Nettovermögen der Gesellschaft deren Stammkapitalziffer deckt. Hierfür trägt der aus der Analogie in Anspruch genommene GmbH-Gesellschafter die Beweislast. Gelingt ihm dieser Nachweis nicht, so trifft ihn die Unterbilanzhaftung bezogen auf den Zeitpunkt der Eintragung. Mit dem Anspruch aus dieser Unterbilanzhaftung ausgestattet tritt die Gesellschaft bei der Eintragung erneut unbelastet „ins Leben“. Ab der Eintragung gilt sodann erneut das Privileg des § 13 Abs. 2 GmbHG. Ein

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Adolff – Wirtschaftlichen Neugründung

weiteres Absinken des Nettovermögens nach diesem Zeitpunkt geht somit nicht mehr zu Lasten der GmbH-Gesellschafter in ihrer Eigenschaft als „wirtschaftliche Neugründer“, sondern zu Lasten der Gesellschaftsgläubiger. Lässt man die unter Abschnitt C.VIII. erörterten Randfälle einmal außen vor, so ergibt sich aus diesen Thesen das folgende, einfache Prüfschema (Abbildung 10, S. 102).

101

102

Offenlegung im Zeitpunkt der Anmeldung der Satzungsänderung etc.?

I

ja

~

Vermögensdeckung im Zeitpunkt der Anmeldung der Satzungsänderung etc.?

I

ja

~

5 Unterbilanzhaftung bezogen auf den Zeitpunkt der Eintragung der Satzunasänderuna etc.

I

Abbildung 10: Prüfungsschem a nach den hier vertretenen Th esen

Folge:

~

Gesellschaft tritt voll kapitalisiert "ins Leben"

Adolff – Wirtschaftliche Neugründung

B

Kein Raum für Gründerhaftung

Bericht über die Diskussion des Referats Adolff Dr. Lucina Berger, LL.M. (Yale) Rechtsanwältin, Frankfurt am Main Die von Krieger geleitete lebhafte Aussprache im Anschluss an das Referat von Adolff machte deutlich, dass die Rechtsprechung des BGH zur wirtschaftlichen Neugründung in Forschung und Praxis auf ein sehr geteiltes Echo stößt. Während Adolffs Thesen insbesondere von K. Schmidt und Altmeppen bekräftigt und sogar als noch nicht weitgehend genug beurteilt wurden, verteidigten insbesondere Bachmann und Liebscher die vom BGH entwickelte Rechtsfigur der wirtschaftlichen Neugründung.

I. Eröffnet wurde die Diskussion durch K. Schmidt, der anmerkte, dass er die vom BGH entwickelte Rechtsfigur der wirtschaftlichen Neugründung für grundlegend verfehlt halte. Wie er bereits in seinen frühen Publikationen vertreten habe, fehle es der Rechtsfigur der wirtschaftlichen Neugründung – wie nun auch der Vortrag Adolffs verdeutlicht habe – an jeglicher juristischer Methodik. Insbesondere in Anbetracht der jüngeren Diskussion gelte es daher nunmehr, die gesamte Rechtsfigur der wirtschaftlichen Neugründung zu demontieren. Das Gesellschaftsrecht befasse sich richtigerweise nur mit dem Rechtsträger, mit Bar- und Sachgründung, Kapitalsicherung und Gläubigerschutz, aber nicht mit der Problematik der wirtschaftlichen Neugründung. Die Fallstricke und die unendlichen Abgrenzungsschwierigkeiten seien nichts als der Preis für eine fehlerhafte Rechtsfigur. Anstelle der richterrechtlich ausgeprägten Grundsätze zur wirtschaftlichen Neugründung solle das geltende Gesetzesrecht genutzt werden. Auch für den Mantelfall in der von Adolff verwendeten Terminologie sehe das Insolvenzrecht hinreichende Schutzinstrumentarien vor. Adolff stimmte den Ausführungen von K. Schmidt grundsätzlich zu. Allerdings müsse aus seiner Sicht zumindest die Fallgruppe der unternehmenslosen und vermögenslosen Gesellschaft nach wie vor unter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Neugründung behandelt werden. Adolff regte an zu prüfen, ob sich aus der in den anderen Ländern

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Berger – Bericht über die Diskussion des Referats Adolff

der Europäischen Union deutlich strengeren Richtlinienumsetzung eine Lösung für sogenannte Altmantelfälle herleiten lasse.

II. Liebscher gab zu bedenken, dass der historische Ausgangspunkt für die Sicherung der Gläubigerinteressen im Verbot der Vorratsgründung bzw. der Mantelverwendung liege. Das von Adolff vertretene Modell werde gerade in den typischen Fällen einer wirtschaftlichen Neugründung ad absurdum geführt, da in diesen Fällen die Gesellschaft nach der wirtschaftlichen Neugründung gerade nicht „voll kapitalisiert“ und entsprechende Ansprüche regelmäßig nicht werthaltig seien, da es an dem erforderlichen Gesellschaftskapital fehle. Vor diesem Hintergrund könne die von Adolff vertretene Methodik gerade keine Antwort für die kritischen Fallkonstellationen finden. Adolff entgegnete, dass der von Liebscher in Bezug genommene Zeitraum bereits die zweite Stufe der Gesellschaftsgründung darstelle. Auf der ersten Stufe seien die Geschäftsführer allen formalen Pflichten vollumfänglich nachgekommen. Eine nochmalige Anwendung aller Nachgründungsvorschriften im Wege der (doppelten) Analogie sei in diesem Fall daher nicht geboten. Nolting wies darauf hin, dass Satzungsänderung und wirtschaftliche Neugründung nichts miteinander zu tun hätten; es gebe Satzungsänderungen ohne wirtschaftliche Neugründung und wirtschaftliche Neugründungen ohne Satzungsänderung. Formal sei die (Vorrats-)Gesellschaft bereits ordnungsgemäß gegründet und die dafür erforderliche Versicherung abgegeben worden. Lediglich die tatsächliche Geschäftsaufnahme folge zeitlich nach. Richtiger Zeitpunkt für die Zäsur sei daher – wolle man die Figur der „wirtschaftlichen Neugründung“ überhaupt aufrechterhalten – derjenige der tatsächlichen Aufnahme der Tätigkeit. Wenn der Bundesgerichtshof die Zäsur erst bei der weitgehend funktionslosen Versicherung nach § 8 Abs. 2 GmbHG setzen wolle, schaffe er damit im Ergebnis die Grundlage für eine überzogene endlose Haftung in den Fällen, in denen etwa die Versicherung vergessen wurde. Nolting schlug vor, als maßgeblichen Zeitpunkt an die Aufnahme der Geschäftstätigkeit anzuknüpfen. Adolff räumte ein, dass der genaue zeitliche Anknüpfungspunkt im Detail einer genaueren Prüfung bedürfe. Gleichzeitig betonte er aber, dass die Satzungsänderung regelmäßig der naheliegendste und am deut-

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Berger – Bericht über die Diskussion des Referats Adolff

lichsten nach außen manifestierte Zeitpunkt sei. Er stimmte Nolting darin zu, dass jedoch in den Fällen, in denen eine Satzungsänderung unterbleibe, an die Aufnahme der Geschäftstätigkeit angeknüpft werden müsse. Seibt stimmte den Thesen von Adolff grundsätzlich zu. Er teilt allerdings auch die Bedenken von Nolting, dass der Anknüpfungszeitpunkt der Satzungsänderung durch denjenigen der Aufnahme der Geschäftstätigkeit ersetzt werden müsse. Für die von Adolff als „Mutationsfall“ bezeichnete Fallkonstellation und den in diesem Zusammenhang erläuterten „Einlageeinwand“ wies Seibt darauf hin, dass in diesem Fall die Vorbereitung der Gesellschaft typischerweise eingeleitet, die Gesellschaft bereits vor dem echten Geschäftsbeginn Kosten ausgelöst habe (z. B. Jahresabschluss) und das Kapital demnach aufgefüllt worden sein kann. In Mutationsfällen werde das Kapital somit gerade in der Regel als Folge einer solchen Einlage im Zeitpunkt der Geschäftsaufnahme vorhanden sein; ein „Einlageeinwand“ sei daher abzulehnen. Adolff stimmte dieser Kritik zu und bemerkte, dass er insoweit seine These überarbeite.

III. Bachmann widersprach den Thesen von Adolff. Nach seiner Ansicht erfordere ein effektiver Gläubigerschutz ein strenges Haftungsregime. In den Fällen der wirtschaftlichen Neugründung sei der Gründungsvorgang noch nicht abgeschlossen, weshalb die Regeln zur Sicherung der Kapitalaufbringung volle Geltung beanspruchten. Entweder das GmbHRecht löse sich von den Grundsätzen der Kapitalaufbringung bei juristischen Personen oder die Ausstattungsregeln seien bei der Neugründung zu beachten. Einen Kompromiss zwischen beiden Lösungen gebe es nicht und für eine Aufweichung der strengen Kapitalschutzregeln sei der Gesetzgeber zuständig. Altmeppen dagegen brachte zum Ausdruck, dass die Rechtsfigur der wirtschaftlichen Neugründung in der von der Rechtsprechung entwickelten Ausgestaltung nicht aufrechterhalten werden könne. Zentrale Gesichtspunkte der von Adolff dargestellten und von K. Schmidt zu Beginn der Diskussion bekräftigten Ergebnisse habe er bereits 2003 herausgearbeitet und vor den aus der Rechtsprechung resultierenden erheblichen Haftungsrisiken gewarnt.

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Berger – Bericht über die Diskussion des Referats Adolff

Liebscher wies sodann ergänzend darauf hin, dass nicht nur die von Adolff beispielhaft angeführten „kleinen“ Fälle mindestkapitalisierter Gesellschaften mit beschränkter Haftung denkbar seien, sondern dass es vielmehr auch solche Fälle gebe, die von Anfang an mit einem erheblichen Stammkapital wirtschaftlich neugegründete Gesellschaften beträfen. Gerade für diese Fälle sei es konsequent, die von der Rechtsprechung ausgearbeiteten Grundsätze anzuwenden. Adolff bestätigte, dass auch er gerade für die von Liebscher genannten Sonderfälle ebenfalls nach wie vor die Anwendung der Rechtsfigur der wirtschaftlichen Neugründung für geboten halte. Nach seiner Ansicht müsse sich die Differenzhaftung aber statt auf den Stichtag der Aufdeckung auf denjenigen der Satzungsänderung beziehen.

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Debt Equity Swap Dr. Dr. h.c. Georg Maier-Reimer, LL.M. (Harvard) Rechtsanwalt, Köln I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . 107 II. Regelungen des ESUG . . . . . . 1. Beteiligung der Anteilseigner . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. EU-Rechtskonformität . . . 3. Materielle Anforderungen an den Plan . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtssicherheit für die Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . 5. Kein Zwang für Gläubiger

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III. Kapitalerhöhung außerhalb des Insolvenzrechts . . . . . . . . 118 1. Gegenstand, Methode und Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . 119

2. Bewertung . . . . . . . . . . . . . 3. Vollwertigkeit . . . . . . . . . . 4. Grundlage der Bewertung . 5. Interessenschutz . . . . . . . . 6. Sonderfall: verdeckte Sacheinlage . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . 8. Differenzhaftung/Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Sonderfälle . . . . . . . . . . . . .

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IV. Weitere Aspekte . . . . . . . . . . 137 1. Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . 137 2. Bilanzierung . . . . . . . . . . . . 139 V. Zusammenfassende Thesen . 140

I. Einführung Als Debt Equity Swap bezeichnet man die Umwandlung von Fremdkapital in Eigenkapital. Dies ist ein probates und namentlich im angelsächsischen Ausland bewährtes Mittel zur finanziellen Sanierung in Not geratener Unternehmen. Nach geltendem deutschen Recht der Kapitalgesellschaften – und nur von solchen soll im Folgenden die Rede sein – führt der Debt Equity Swap zu erheblichen, hauptsächlich gesellschaftsrechtlichen Problemen. Durch das „Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen“, kurz ESUG, sollen diese Probleme deutlich entschärft werden.1 Das hilft allerdings immer nur in der _______________

1 Das Gesetz wurde vom Bundestag in seiner Sitzung vom 27.10.2011 in zweiter und dritter Lesung verabschiedet (BT Drs. 17/5712, 17/7511). Nachdem der Bundesrat in seiner Sitzung vom 25.11.2011, entgegen den Empfehlungen seiner Ausschüsse (BR Drs. 679/1/11), beschlossen hat, den Vermittlungsausschuss zu diesem Einspruchsgesetz nicht anzurufen (BR Drs. 679/11), wurde es am 13.12.2011 im Bundesgesetzblatt (BGBl. 2011, Teil 1 Nr. 64, S. 2582) verkündet. Die Änderungen der Insolvenzordnung treten am 1.3.2012 in Kraft.

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Insolvenz, konkret in der Insolvenz mit einem Insolvenzplan. Für eine prophylaktische Sanierung im Vorfeld und zur Vermeidung einer Insolvenz bringt das ESUG unmittelbar keine Änderung. Hier verbleibt die Problemlage unverändert. Ein Debt Equity Swap ist möglich für eine einzelne Gläubigerforderung. Die Bezeichnung hat sich aber mehr für eine umfassende Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital eingebürgert, die im Rahmen einer Sanierung2 oder auch einer Planinsolvenz, wenn nicht alle Gläubiger, so doch alle Gläubiger bestimmter Gruppen einbezieht. Bei der Umwandlung der Forderung eines einzelnen Gläubigers geht es oft um die Forderung eines Gesellschafters oder auch um die Forderung des Alleingesellschafters. Fragen, die sich aus dem Nachrang von Gesellschafterforderungen in der Insolvenz ergeben, bleiben im Folgenden zunächst außer Betracht.3 Es wird also – zunächst – immer nur von Forderungen die Rede sein, deren Gläubiger Kleingesellschafter oder gar nicht Gesellschafter ist. Ob die Forderung ursprünglich in der Person dieses Gläubigers entstanden ist oder ob dieser sie, wie etwa ein Hedge Fonds, als distressed debt mit mehr oder weniger hohem Preisabschlag zum Zweck eines Debt Equity Swap erworben hat, soll im Folgenden ebenfalls keine Rolle spielen. Die Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital könnte gedanklich dadurch erfolgen, dass ein Gläubiger einen Teil seiner Forderungen im Tausch gegen bestehende Anteile an bisherige Gesellschafter abtritt.4 Auch diesen Fall behandele ich nicht. Vielmehr geht es im Folgenden nur um den typischen Fall des „Tauschs“ einer Forderung gegen dadurch entstehendes neues Nennkapital, also der Einbringung der Forderung im Rahmen einer Kapitalerhöhung. _______________

Im Folgenden wird die Insolvenzordnung bereits in der Fassung zitiert, die sich aus dem ESUG ergeben wird – allerdings, bei den geänderten oder neuen Vorschriften mit dem Zusatz „-E“. 2 Zu den Vorteilen einer außergerichtlichen Sanierung siehe nur Eidenmüller/ Engert, ZIP 2009, 541. 3 Zur Frage der Einlagefähigkeit eigenkapitalersetzender Forderungen nach früherem Recht Pentz in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 27 Rz. 29, Ulmer in Ulmer, GmbHG, 2005, § 5 Rz. 58; Priester in FS Döllerer, 1988, S. 475, 483 ff. 4 Nach dem Wortsinn trifft die Bezeichnung Debt Equity Swap nur diesen Fall, weil ein Tausch voraussetzt, dass die Tauschobjekte bestehen und nicht erst durch das Geschäft entstehen; zur Terminologie siehe Baums in FS Canaris, 2007, S. 3, 6 f.

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Eine solche Kapitalerhöhung verbindet sich namentlich in Sanierungsfällen in aller Regel mit einer gleichzeitig beschlossenen, funktionell vorangehenden Kapitalherabsetzung. Für die Kapitalerhöhung bedarf es des Ausschlusses des Bezugsrechts der bisherigen Gesellschafter. Bei den erforderlichen Beschlüssen stellt sich die Frage nach einer Treuepflicht der Gesellschafter, die Sanierung durch entsprechende Stimmabgabe zu ermöglichen. Auch die Frage nach einer solchen Treuepflicht kann ich im Folgenden nicht näher erörtern.5 Außer Betracht bleibt ferner der Aspekt, dass die Forderungsumwandlung zu einer Beteiligungsschwelle des bisherigen Gläubigers führen kann, die bei börsennotierten Gesellschaften eine Pflicht zu einem Übernahmeangebot auslösen würde.6 Nicht behandeln werde ich auch die Frage, ob eine solche Verpflichtung wegen Stimmrechtszurechnungen aufgrund von Abstimmungsvereinbarungen zum Debt Equity Swap7 bereits im Vorfeld der eigentlichen Kapitalmaßnahme eintreten kann und ab wann es ggf. einer Befreiung durch die BaFin bedarf.8 Schließlich befasse ich mich nicht damit, ob Gläubiger, die einen Teil ihrer Forderungen im Zuge einer Sanierung in Eigenkapital umwandeln, hinsichtlich der ihnen verbleibenden Forderungen zuverlässig durch das sog. Sanierungsprivileg9 vor einem Nachrang geschützt sind. Im Schwerpunkt wird es deshalb im Folgenden um die Kapitalmaßnahmen, d. h. konkret die Kapitalerhöhung im Zusammenhang mit einem Debt Equity Swap gehen. Das ist kein neues Thema. Die Verabschiedung des ESUG sollte aber Anlass sein, auch außerhalb des Insolvenzrechts alte Antworten zu überdenken. Das versuche ich im Folgenden auf die Gefahr hin, damit bei vielen von Ihnen auf Widerspruch zu stoßen. Die mit dem Thema verbundenen Fragen sind im Aktienrecht und im GmbH-Recht weitgehend dieselben. Soweit es nicht spezifisch um die _______________

5 Dazu BGHZ 129, 136, 142 ff. – Girmes – zur Treuepflicht, ggf. einer Kapitalherabsetzung zuzustimmen; J. Vetter in MünchKomm. GmbHG, 2011, vor § 58 Rz. 68 ff.; Reuter/Buschmann, ZIP 2008, 1003, 1010. Zur Überwindung der Blockade durch Gesellschafter in der Insolvenz siehe §§ 222 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4, 225a, 244 Abs. 3, 245 Abs. 3, 253 InsO-E; nach dem bisher geltenden Recht Bitter, ZGR 2010, 147, 189 ff. 6 Sofern die BaFin keine Ausnahme gemäß § 37 WpÜG bewilligt. 7 Siehe § 30 WpÜG. 8 Dazu Eidenmüller/Engert, ZIP 2009, 541, 552; Schmidt/Schlitt, Der Konzern 2009, 279, 285 f. 9 § 39 Abs. 4 Satz 2 InsO.

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Besonderheiten des GmbH-Rechts geht, verwende ich im Folgenden durchgehend die aktienrechtliche Terminologie.

II. Regelungen des ESUG Ich beginne mit einer kurzen Darstellung der mit dem ESUG neu getroffenen Regelungen. Außerhalb der Insolvenz erfordert ein Debt Equity Swap – ich darf das hier voraussetzen – einen Beschluss zur Kapitalerhöhung gegen Sacheinlage, oft zunächst auch eine Kapitalherabsetzung, den Ausschluss des Bezugsrechts und eine Bewertung der umzuwandelnden Forderungen, da die neuen Anteile nicht unter pari ausgegeben werden dürfen. Die sich daraus ergebenden Probleme werden durch das ESUG für den Fall der Planinsolvenz deutlich entschärft. Allerdings scheint sich eine gewisse Skepsis hinsichtlich dessen auszubreiten, was das ESUG für den Debt Equity Swap bewirken kann und wird. Diese Skepsis beruht nach meiner Einschätzung darauf, dass die insolvenzrechtlichen Möglichkeiten des Debt Equity Swap zu sehr durch die Brille des allgemeinen Gesellschaftsrechts gesehen werden. Im Einzelnen:

1. Beteiligung der Anteilseigner Schon nach bisherigem Recht konnte der Insolvenzplan die Umwandlung von Forderungen in Mitgliedschaftsrechte vorsehen.10 Dazu bedurfte es aber der Beschlussfassung der Mitglieder nach den allgemeinen Vorschriften.11 Der Insolvenzplan kann nach dem ESUG sämtliche für einen Debt Equity Swap erforderlichen gesellschaftsrechtlichen Regelungen selbst treffen, insbesondere auch eine Kapitalherabsetzung, eine Kapitalerhöhung, den Ausschluss von Bezugsrechten und die Festsetzung von Sacheinlagen.12 Für den zustimmenden Beschluss der Anteilseigner genügt die einfache Mehrheit der Beteiligungen, für die bei der Abstimmung über den Plan das Stimmrecht ausgeübt wird.13 Selbst wenn diese Mehrheit nicht erreicht wird, kann der Plan gegen die Anteilseigner oder deren Mehrheit bindend werden. Die Anteilseigner bilden neben den verschiedenen Gruppen von Gläubigern14 eine eigene _______________

10 § 230 Abs. 2 InsO. 11 Zur Kritik hieran und den sich daraus ergebenden Obstruktionsmöglichkeiten von Anteilseignern siehe etwa Eidenmüller/Engert, ZIP 2009, 541, 542 f. 12 § 225a Abs. 2 und 3 InsO-E. 13 § 244 Abs. 1 Nr. 2 InsO-E i. V. m. § 244 Abs. 3 InsO-E. 14 § 222 Abs. 1 InsO.

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Gruppe von Beteiligten.15 Der Plan ist angenommen, wenn in jeder Gruppe die Mehrheit dem Plan zustimmt; bei Gläubigern ist die Mehrheit sowohl nach Köpfen als auch nach Forderungsbeträgen erforderlich, bei den Anteilseignern nur nach Beteiligungen.16 Auch wenn diese Mehrheit in einer Gruppe, z. B. derjenigen der Anteilseigner oder einzelner Anteilseigner-Gruppen, nicht erreicht wird, gilt deren Zustimmung als erteilt, wenn –



sie, also die Anteilseigner, nicht schlechter gestellt werden, als sie ohne den Plan stünden, und an dem wirtschaftlichen Wert, der sich insgesamt aus dem Plan ergibt, angemessen beteiligt werden und die Mehrheit der abstimmenden Gruppen dem Plan jeweils mit der dafür erforderlichen Mehrheit zustimmt.17

Auf diese Weise kann also auch eine Kapitalherabsetzung und eine Kapitalerhöhung gegen Sacheinlagen beschlossen und bei dieser das Bezugsrecht der Altgesellschafter ausgeschlossen werden,18 selbst, wenn nicht einmal die einfache Mehrheit der an der Beschlussfassung teilnehmenden Anteilseigner dem zustimmt. Die gesellschaftsrechtlich erforderlichen Beschlüsse und Willenserklärungen gelten als mit dem Plan in der gebotenen Form abgegeben;19 der Insolvenzverwalter kann die erforderlichen Registeranmeldungen vornehmen.20

2. EU-Rechtskonformität Bei Aktiengesellschaften ist zu prüfen, ob diese Regelung mit der zweiten gesellschaftsrechtlichen Richtlinie (der sog. Kapitalrichtlinie)21 vereinbar ist. Für eine Kapitalherabsetzung ist dies unbedenklich: Art. 30 der Richtlinie lässt eine Kapitalherabsetzung durch gerichtliche Entscheidung zu.22 Für die Kapitalerhöhung ist gemäß Art. 25 der Richtlinie vorbehaltlich eines genehmigten Kapitals zwingend ein Hauptversammlungsbeschluss erforderlich. Eine Ausnahme ist nicht vorgesehen. Allerdings gilt dieses Erfordernis nach der Rechtsprechung des EuGH nicht für Abwicklungsverfahren „die die Gesellschaft zum Schutz der _______________

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§ 222 Abs. 1 Nr. 4 InsO-E. § 244 Abs. 3 InsO-E. § 245 Abs. 1 InsO-E i. V. m. § 245 Abs. 2 und 3 InsO-E. § 225a Abs. 2 Satz 3 InsO-E. §§ 225a, 254a Abs. 2 Satz 1 InsO-E. § 254a Abs. 2 Satz 3 InsO-E. Richtlinie des Rates vom 13.12.1976 (77/91/EWG), AblEG 1977 L 26/1. Eidenmüller/Engert, ZIP 2009, 541, 547 f.

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Rechte des Gläubiger einer Zwangsverwaltungsregelung unterstellen.“23 Der EuGH grenzt solche Fälle ab von „einer einfachen Sanierungsreglung, (in welcher) … den zuständigen Organen nur vorübergehend ihre Verwaltungsbefugnisse und -zuständigkeiten entzogen“ waren.24 Das Insolvenzplanverfahren greift nicht – wie die Behörde in dem vom EuGH entschiedenen Fall – prophylaktisch ein. Vielmehr setzt es einen bereits eingetretenen Totalverlust der Aktionäre voraus; es erhält die Gesellschaft allein im Interesse der Gläubiger. Die danach wieder zuständige Hauptversammlung entspricht nach ihrer Zusammensetzung nicht der früheren. Die Gesellschaft besteht deshalb nicht, wie es für die zwingende Anwendung von Art. 25 der Richtlinie vorausgesetzt wird,25 „mit ihren eigenen Strukturen fort“. Im Insolvenzplanverfahren dient die Erhaltung des Unternehmens nicht dessen Eigentümer oder Anteilseignern, sondern der Befriedigung der Gläubiger.26 Den Anteilseignern sind ihre Kompetenzen nicht nur vorübergehend entzogen. Deshalb sprechen die besseren Gründe trotz der begrifflichen Identität der Hauptversammlung dafür, die Planinsolvenz als einen Fall der vom EuGH anerkannten Ausnahme zu behandeln.27 Das Planverfahren in der Gestaltung nach dem ESUG sollte diesen Anforderungen genügen.28 Der Bezugsrechtsausschluss bedarf nach der Richtlinie – wiederum ohne Ausnahme – eines Beschlusses mit einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln oder der einfachen Mehrheit einer Versammlung, in der mindestens die Hälfte des gezeichneten Kapitals vertreten ist.29 Das Bezugsrecht gilt nach der Richtlinie jedoch nur für Bareinlagen.30 Wenn allerdings europarechtlich die Forderungsumwandlung nicht als Sacheinlage gilt,31 würde dies das Problem nicht lösen. Es müsste dann auf die Einschränkung zurückgegriffen werden, die bereits für die sonstige Zuständigkeit der Hauptversammlung für die Kapitalerhöhung in Anspruch _______________

23 EuGH, ZIP 1996, 1543 Rz. 57 (Pafitis). 24 EuGH (Fn. 23), Rz. 57, 59. 25 EuGH, RS C-19/90 und C-20/90 (Karella und Karellas) – Slg. 1991, I-2691 Rz. 30; siehe auch EuGH, RS C-381/89 (Syndemos Melon) – Slg. 1992, I-2111 Rz. 27. 26 § 1 Satz 1 InsO. 27 Ebenso Eidenmüller/Engert, ZIP 2009, 541, 548. 28 Eidenmüller/Engert, ZIP 2009, 541, 548. 29 Richtlinie 77/91/EWG Art. 29 i. V. m. 40. 30 Richtlinie 77/91/EWG Art. 29. 31 Siehe die Ausführungen des Generalanwalts Tesauro, ZIP 1992, 1036, 1041 sowie Frey in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2001, § 194 Rz. 11; Cahn/Simon/ Theiselmann, CFL 2010, 238, 250.

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genommen wurde. Wenn die Aktionäre ihrer Rechte enthoben werden, gilt dies auch für den Bezugsrechtsausschluss.

3. Materielle Anforderungen an den Plan Der Insolvenzplan bedarf der Bestätigung durch das Insolvenzgericht.32 Zu dessen Prüfungsprogramm gehört nicht die Vollwertigkeit der umzuwandelnden Forderungen. Nach der Regierungsbegründung sollen zwar Gutachten zur Werthaltigkeit der umzuwandelnden Forderungen eingeholt werden, deren Wert regelmäßig deutlich unter dem Nennwert liegen werde.33 Im Gesetz findet diese Auffassung jedoch keinen Niederschlag. Und auch die Regierungsbegründung erklärt nicht, welchen Wert die Forderungen erreichen müssen, insbesondere sagt sie nicht, dass der Wert der Forderungen mindestens dem Nennwert oder dem anteiligen Betrag des Grundkapitals der bei der Wandlung ausgegebenen Anteile entsprechen müsse. Dies festzustellen, gehört auch nicht zum normierten Prüfungsprogramm des Insolvenzgerichts. Zwar können in dem Plan gemäß § 225a Abs. 3 InsO-E nur gesellschaftsrechtlich zulässige Maßnahmen getroffen werden. Das bedeutet jedoch nicht zwingend, dass aufgrund des Plans für die umgewandelten Forderungen Anteile höchstens mit dem Nennwert der Quotenerwartung der gewandelten Forderungen ausgegeben werden dürften. Eine angemessene „Bewertung“ der gewandelten Forderungen ist schon gedanklich nicht möglich. Zwar ist es möglich, eine Befriedigungsquote für den Fall der Abwicklung zu ermitteln oder jedenfalls zu schätzen. Wenn die gewandelten Forderungen mit diesem Wert angesetzt würden, würden jedoch deren Gläubiger gerade um den Vorteil des Plans gebracht. Mindestens wenn ein Teil des bisherigen Grundkapitals bestehen bleibt, würden die Gläubiger nicht sachgerecht behandelt. Wird allerdings das Kapital als Teil des Plans auf Null herabgesetzt, so spielt es für das Maß der Beteiligung der Gläubiger, deren Forderungen gewandelt werden, an dem fortbestehenden Unternehmen keine Rolle, auf welche Nennwerte sich die für die Forderungen ausgegebenen Anteile belaufen.34 Wollte man in diesem Fall zur Vermeidung des symboli_______________

32 § 248 Abs. 1 InsO. 33 BT Drs. 17/5712, S. 31 f. zu Nr. 17. 34 Dabei kann vorausgesetzt werden, dass die für die Wiederauffüllung des Mindestbetrages erforderlichen Barmittel (§§ 228 Abs. 1 AktG, 58a Abs. 4 Satz 1 GmbHG) notfalls von den wandelnden Gläubigern aufgebracht werden.

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schen Werts eines hohen Grundkapitals in der Folge der Umwandlung „wertloser“ Forderungen das Kapital auf einen marginalen Betrag über dem Mindestbetrag begrenzen, so liefe dies der Interessenlage und dem Sinn des Insolvenzplans zuwider. Dem Sinn des Insolvenzplans und dem Interesse anderer gegenwärtiger sowie künftiger Gläubiger entspricht es, das Kapital möglichst hoch festzusetzen und damit die Hürde möglichst hoch zu legen, die vor der Ausschüttung von Dividenden überwunden werden muss. Aufgrund der Annahme, die bei der Wandlung auszugebenden Anteile dürften den (wohl nach der zu erwartenden Quote bestimmten) Wert der Forderungen nicht übersteigen, wird denn auch schon vor (fast) nennkapitallosen Gesellschaften gewarnt.35 Umgekehrt ist, auch wenn der Nennbetrag der für die gewandelten Forderungen ausgegebenen Anteile nicht durch den „Wert“ der gewandelten Forderungen gedeckt zu sein braucht, nicht zu befürchten, dass exorbitant hohe Nennkapitalbeträge festgelegt werden. Das verhindert schon das Interesse der wandelnden Gläubiger an künftigen Dividenden. Dass die Deckung des Nennbetrages der ausgegebenen Anteile durch den Quotenwert der Forderung nicht zum Prüfungsprogramm des Insolvenzgerichts gehört, ergibt sich auch aus den beschränkten Rechtsbehelfen. Die Bestätigung des Plans ist auf Antrag zu versagen, wenn der Antragsteller durch den Plan voraussichtlich schlechter gestellt wird, als er ohne einen Plan stünde.36 Gegen die Bestätigung des Plans gibt es nur den Rechtsbehelf der sofortigen Beschwerde und diese ist nur zulässig, wenn glaubhaft gemacht wird, dass der Beschwerdeführer „durch den Plan wesentlich schlechter gestellt wird, als er ohne einen Plan stünde, und dieser Nachteil nicht ausgeglichen wird“.37 Darauf, dass der Wert der umgewandelten Forderungen nicht dem Nennwert der dafür ausgegebenen Anteile entspreche, kann die Beschwerde nicht gestützt werden. Beschwerdeberechtigt sind nur aktuelle Gläubiger, der Schuldner und dessen Anteilseigner.38 Künftige Gläubiger scheiden von vornherein aus. Eine Benachteiligung von Alt-Gläubigern durch einen Debt Equity Swap ist nur in dem Sinn denkbar, dass einzelne Gläubiger oder Gläubigergruppen schlechter behandelt werden als andere, sie also etwa von dem Umtausch ausgeschlossen sind oder daran mit einem anderen _______________

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Hölzle, NZI 2001, 124, 129. § 251 Abs. 1 Nr. 2 InsO-E. § 253 Abs. 2 Nr. 3 i. V. m. § 251 Abs. 2 und 3 InsO-E. § 253 Abs. 1 InsO-E.

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Umtauschverhältnis beteiligt werden als andere. Unter der Prämisse, dass die Gesellschaft überschuldet war, kommt auch eine Benachteiligung der Anteilseigner nicht in Betracht. Dennoch ist der Wert – auch als voraussichtliche Befriedigungsquote im Fall der Abwicklung – nicht bedeutungslos. Er kann Bedeutung für die relative Bewertung zu den Positionen anderer haben. Wenn etwa absonderungsberechtigte Gläubiger an dem Plan teilnehmen39 und auch ihre Forderungen gewandelt werden, ist ihre Benachteiligung durch eine relative Überbewertung anderer gewandelter Forderungen möglich. Das ist jedenfalls dafür relevant, ob eine Gläubigergruppe durch die Mehrheit aller Gruppen überstimmt werden kann.40 Die allgemeinen Grundsätze der Kapitalaufbringung gelten deshalb für die Forderungsumwandlung in der Insolvenz nicht. Dies erklärt sich daraus, dass in der Insolvenz die Anteile der Gesellschafter wertlos sind und der Insolvenzverwalter wie die Gläubiger im Interesse der künftigen Dividendenfähigkeit davon absehen werden, ein unangemessen hohes Kapital festzulegen. Der – im Regelfall einer Insolvenz anzunehmenden – Wertlosigkeit der Anteile trägt das ESUG mit einer Abfindungsregelung Rechnung: Anteilseigner, die wegen der für sie zwangsweisen Aufnahme von Gläubigern als Gesellschafter aus der Gesellschaft austreten, werden mit dem Betrag abgefunden, den sie bei der Abwicklung der Gesellschaft erhalten hätten.41 Das wird in der Regel ein Betrag von Null sein. Die Kapitalerhöhung bedarf noch der Eintragung in das Handelsregister. Die Anmeldung kann durch den Insolvenzverwalter erfolgen.42 Das Registergericht ist m. E. an den Plan gebunden und kann die Eintragung nicht wegen Unterwertigkeit der Forderungen ablehnen. Nach der Regierungsbegründung kommt dem Registergericht nur eine eingeschränkte Prüfungskompetenz zu, da die Wirksamkeit des Plans bereits durch das Insolvenzgericht geprüft wird.43 Die Fragestellung verändert sich freilich grundlegend, wenn nach dem Insolvenzplan Anteilseigner bereit sind, durch Zufuhr frischer Mittel einen Beitrag zur Sanierung zu leisten. Ausgeschlossen erscheint dies _______________

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Siehe §§ 223, 222 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 InsO. § 245 InsO. § 225a Abs. 2 InsO-E. § 254a Abs. 2 Satz 3 InsO-E. BT Drs. 17/5712, S. 37 (zu Nr. 39).

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nicht, wenn etwa vor der Insolvenz Sanierungsverhandlungen geführt wurden, in denen die Gläubiger einen neuen Beitrag der Gesellschafter und diese einen erheblichen Verzicht der Gläubiger verlangten. Scheitern diese Verhandlungen mit der Folge der Insolvenz des Unternehmens, so kann über den Insolvenzplan – mit Zustimmung der Beteiligten – das gewünschte Ziel doch noch erreicht werden. In diesem Fall sind die gewandelten Forderungen im Verhältnis zu den neuen Einlagen der Gesellschafter zu bewerten. Dann stellt sich die Bewertungsfrage anders. Aber auch dann kann nicht angenommen werden, die Forderungen dürften nur mit der für den Fall der Abwicklung zu erwartenden Insolvenzquote bewertet werden – denn der Plan soll auch den Gläubigern einen Vorteil bringen. Die InsO regelt diesen Fall nicht.

4. Rechtssicherheit für die Gläubiger Die Beschränkung der Rechtsbehelfe gegen die Bestätigung des Plans führen auch nicht zu einer Haftungsfalle für die Gläubiger, deren Forderungen umgewandelt werden. Denn für diese besteht kein Risiko einer Differenzhaftung. Dieses wird durch das ESUG ausgeschlossen. Ansprüche des Schuldners wegen einer Überbewertung der Forderungen sind nach Bestätigung des Plans ausdrücklich ausgeschlossen.44 Entgegen manchen Befürchtungen45 besteht auch keine Gefahr einer Insolvenzanfechtung für den Debt Equity Swap. Zum Ausschluss einer Anfechtung bedarf es nicht des Sanierungsprivilegs gemäß § 39 Abs. 4 Satz 2 InsO; auf diese Vorschrift kommt es nur für die nicht gewandelten Forderungen des Gläubigers an, der durch die Wandlung eines Teils seiner Forderungen zum Gesellschaftergläubiger geworden ist.46 Der Debt Equity Swap kann nicht zu einer Gläubigerbenachteiligung47 führen und ist deshalb per se nicht anfechtungsgefährdet.

5. Kein Zwang für Gläubiger Während den Anteilsinhabern also eine Kapitalherabsetzung und die Aufnahme bisher Unbeteiligter als Gesellschafter aufgezwungen werden kann, gilt dies nicht für die Gläubiger. Diesen kann die Beteiligung _______________

44 § 254 Abs. 4 InsO-E. 45 Bauer/Dimmling, NZI 2011, 517, 519; siehe auch Ekkenga, ZGR 2009, 581, 588 – dazu auch unten Fn. 66. 46 Hierauf verweist die Regierungsbegründung BT Drs. 17/5712, S. 32 zu Nr. 17. 47 § 129 InsO.

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nicht gegen ihren Willen aufgezwungen werden. Das war schon nach der bisher geltenden Fassung der Insolvenzordnung so48 und wird in der Neuregelung durch das ESUG ausdrücklich bestätigt.49 Deshalb bedarf es für die gesellschaftsrechtliche Durchführung der Umwandlung keiner besonderen Vorschriften. Die Gläubiger müssen vielmehr die Aktien auf das erhöhte Kapital nach den allgemeinen Vorschriften zeichnen und ihre Forderungen abtreten oder erlassen.50 Der Plan muss also auch regeln, was für Gläubiger gilt, die sich einer Umwandlung ihrer Forderungen verweigern. Die herrschende Lehre hält das Erfordernis der Zustimmung der einzelnen Gläubiger wegen des Grundrechts der negativen Vereinigungsfreiheit für verfassungsrechtlich geboten.51 Die Begründung zum ESUG äußert sich nicht zu den Gründen, weshalb die Zustimmung erforderlich ist, erklärt aber ausdrücklich, die Möglichkeit eines Mehrheitsbeschlusses nach § 5 Abs. 3 Nr. 5 des Schuldverschreibungsgesetzes bleibe unberührt.52 Wenn für Schuldverschreibungen ein verfassungsrechtliches Problem nicht besteht, kann es auch im Übrigen nicht bestehen. Ohne einen Zwang auf die Gläubiger, sich an der Forderungsumwandlung zu beteiligen, ist der Plan in diesem Punkt ein stumpfes Schwert. Formal würde ein Gläubiger zwar nicht in die Beteiligung gezwungen, wenn er für den Fall der Verweigerung seiner Zustimmung seiner Rechte verlustig ginge. Wäre dies die Folge, so bestünde jedoch ein wirtschaftlicher Zwang, der dann ebenfalls mindestens problematisch wäre. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts lässt sich ein solcher Zwang durch einen Insolvenzplan aber m. E. durchaus rechtfertigen,53 jedenfalls dann, wenn die Beteiligung frei veräußerlich ist, die Umwandlung nicht zu dem Risiko einer Differenzhaftung führt, wie dies nach dem ESUG gewährleistet ist, und auch nicht zu einer Ausfallhaftung für Mitgesellschafter führt. Eine solche Haftung besteht in der AG nicht, wohl aber in der GmbH, sodass hier Differenzierungen _______________

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§ 230 Abs. 2 InsO. § 225a Abs. 2 Satz 2 InsO-E. Regierungsbegründung BT Drs. 17/5712, S. 31 zu Nr. 17. Eidenmüller in MünchKomm. InsO, 2. Aufl. 2008, § 230 Rz. 46. BT Drs. 17/5712, S. 31. Ebenso Eidenmüller/Engert, ZIP 2009, 541, 547, die aber de lege ferenda vorsichtshalber ein Wahlrecht für die Gläubiger vorschlagen, schuldrechtlich gestaltete Genussrechte statt Anteile zu erwerben; siehe auch Maier-Reimer in FS Goette, 2011, S. 299, 301 f.

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denkbar sind. Auch dieses Risiko einer Ausfallhaftung braucht aber einem Zwangsumtausch nicht zwingend entgegenzustehen, wenn die Beteiligung keinen Veräußerungsbeschränkungen unterliegt und die Veräußerung faktisch möglich ist. Das entspricht dann spiegelbildlich dem § 29 UmwG. Das Angebot einer Barabfindung ist in § 29 des UmwG nur für den Fall vorgeschrieben, dass der übernehmende Rechtsträger eine andere Rechtsform hat als der Übertragende oder die Beteiligungen daran Veräußerungsbeschränkungen unterliegen. Liegen diese Voraussetzungen des Anspruchs auf Barabfindung nicht vor, so wird der Gesellschafter des übertragenden Rechtsträgers in die neue Beteiligung gezwungen. Die Verfassungskonformität dieser Regelung wird offenbar nicht bezweifelt. Für die negative Vereinigungsfreiheit kann es aber nicht darauf ankommen, ob der Einzelne vorher schon an einer anderen Gesellschaft, wenn auch derselben Rechtsform, beteiligt war. Denn die – positive wie negative – Vereinigungsfreiheit, ist nicht auf die Wahl der Rechtsform der Vereinigung beschränkt, welcher der Einzelne beitritt oder fernbleibt, sondern es ist die Freiheit, einer konkreten Vereinigung beizutreten oder nicht beizutreten. Das Verschmelzungsrecht setzt daher sachimmanente Grenzen der negativen Vereinigungsfreiheit voraus. Solche müssen auch für den Debt Equity Swap aufgrund eines Insolvenzplans gelten.

III. Kapitalerhöhung außerhalb des Insolvenzrechts Nach diesem Exkurs in das Insolvenzrecht kehre ich in die bodenständige Materie der VGR, ins Gesellschaftsrecht, zurück und wende mich dem Debt Equity Swap außerhalb eines Insolvenzverfahrens zu. Wenn es das Ergebnis einer Kapitalerhöhung ist und sein soll, dass die Gesellschaft von einer Verpflichtung gegenüber dem Inferenten befreit wird, ist dies nach der in Deutschland herrschenden Meinung die Einbringung eben dieser Forderung als Sacheinlage.54 Deshalb muss den Anforderungen an eine Sacheinlage genügt werden. Wird der Vorgang als Bareinlage dargestellt, d. h. wird eine Bareinlage beschlossen und sodann Geld eingezahlt, während gleichzeitig, vorher oder nachher die Gesellschaft eine Leistung zur Tilgung einer Schuld gegenüber dem Inferenten erbringt, ist dies nach kaum mehr bestrittener Auffassung eine verdeck_______________

54 Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 27 Rz. 28; Hueck/Fastrich in Baumbach/ Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 19 Rz. 32, 35 ff. jeweils m. w. N.

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te Sacheinlage.55 Deren zivilrechtliche Folgen wurden bekanntlich für die GmbH durch das MoMiG und für die AG durch das ARUG etwas entschärft.56 Ob die Qualifikation der direkten oder verdeckten Einbringung einer Geldforderung gegen die Gesellschaft als Sacheinlage europarechtskonform ist, ist immer noch nicht entschieden. Der Generalanwalt Tesauro hat dies 1992 bekanntlich in einer Sache verneint, in der der EuGH eine Sachentscheidung ablehnte.57

1. Gegenstand, Methode und Wirkung In der Diskussion um den Debt Equity Swap wird nicht immer deutlich genug zwischen dem Gegenstand der Sacheinlage, ihrer Wirkung, ihrer Methode und ihrer Bewertung unterschieden. a) Zunächst zum Gegenstand. Gegenstand der Sacheinlage ist die gegen die Gesellschaft gerichtete Forderung.58 Zum Teil wird auch formuliert, Gegenstand der Sacheinlage sei die Befreiung der Gesellschaft von ihrer Schuld.59 Damit würde die Sacheinlage nicht den Anforderungen des § 27 Abs. 2 AktG genügen, wonach Sacheinlagen nur „Vermögensgegenstände sein (können), deren wirtschaftlicher Wert feststellbar ist“. Diese Anforderungen gelten nach allg. Meinung auch im GmbH-Recht.60 „Vermögensgegenstand“ kann nur etwas Existentes sein, also etwas, das schon vor der Sacheinlage besteht. Die Schuldbefreiung kann demnach nicht Gegenstand der Sacheinlage sein. Das mag übertrieben pedantisch scheinen. Die Klarstellung ist jedoch zur Erörterung einiger Auffassungen bzgl. der Bewertung der Sacheinlage erforderlich. Ich komme darauf zurück. _______________

55 Ulmer (Fn. 3), § 5 Rz. 164 ff.; Pentz (Fn. 3), § 27 Rz. 84 ff.; Winter/Westermann in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2006, § 5 Rz. 76. 56 § 27 Abs. 3 AktG i. d. F. des ARUG und § 19 Abs. 4 GmbHG i. d. F. des MoMiG. 57 Tesauro, ZIP 1992, 1036, 1041; der EuGH – Rs C-83/91, Slg. 1992 I-4871, 4919 ff., Rz. 25 ff. hat die Frage nicht entschieden. 58 Ulmer (Fn. 3), § 5 Rz. 56; BGHZ 15, 52, 60; siehe auch §§ 194 Abs. 3, 205 Abs. 4 AktG, die die Einlagefähigkeit von Geldforderungen gegen die Gesellschaft voraussetzen. 59 Ulmer (Fn. 3), § 5 Rz. 70; siehe auch BGHZ 113, 335, 343 wonach die Gesellschaft durch die verdeckte Sacheinlage einer Forderung Befreiung von einer Schuld erhält. 60 Hueck/Fastrich (Fn. 54), § 5 Rz. 23 m. w. N.; Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, § 5 Rz. 14.

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In der Literatur wird freilich auch gesagt, Gegenstand der Sacheinlage könne auch die Befreiung der Gesellschaft von der Schuld gegenüber einem Dritten sein, etwa durch befreiende Schuldübernahme.61 Die dafür angeführten Entscheidungen stützen diese Auffassung nicht. Denn es geht in ihnen darum, ob eine Bareinlage wirksam dadurch erbracht werden kann, dass im Einvernehmen mit der Geschäftsführung der Barbetrag unmittelbar an den Dritten, etwa auf ein debitorisch geführtes Bankkonto geleistet und dadurch eine Schuldbefreiung erreicht wird.62 Es ist auch Vorsicht bei der Annahme geboten, die Befreiung der Gesellschaft von der Schuld gegenüber einem Dritten sei sacheinlagefähig. Aufgrund der üblichen Abgrenzung zwischen Bareinlagen und Sacheinlagen nach der Einlagefähigkeit63 hätte dies die Konsequenz, dass beispielsweise in der vorabgesprochenen Einzahlung von Barmitteln auf ein debitorisch geführtes Bankkonto der Gesellschaft eine verdeckte Sacheinlage läge, weil nämlich die Befreiung von der Schuld gegenüber der Bank sacheinlagefähig gewesen wäre. Diese Annahme ginge weit über das bisher Anerkannte hinaus. Wenn also einmal die Befreiung von einer Schuld durch Schuldübernahme eingebracht werden soll, sollte anders vorgegangen werden: Der Inferent sollte entweder die Einlage der Forderung durch deren Gläubiger versprechen oder die Forderung erwerben und selbst einbringen; in beiden Fällen kann er als Gegenleistung gegenüber dem Dritten eine inhaltsgleiche Schuld übernehmen. b) Als Methode für die Erbringung der Einlage kommen drei Wege in Betracht, von denen üblicherweise nur die beiden ersten genannt werden, nämlich die Abtretung mit der Folge des Erlöschens der Forderung durch Konfusion oder der Erlassvertrag.64 Die dritte Möglichkeit besteht darin, dass der Inferent nominell die Verpflichtung zur Zahlung eines Barbetrages übernimmt und entsprechend ausdrücklicher Festsetzung in dem Kapitalerhöhungsbeschluss und im _______________

61 Winter/Westermann (Fn. 55), § 5 Rz. 51; Märtens in MünchKomm. GmbHG, 2010, § 5 Rz. 135; Lutter in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, § 56 Rz. 9; Pentz (Fn. 3), § 27 Rz. 30; Arnold in KölnKomm. AktG, 3. Aufl. 2011, § 27 Rz. 60. 62 BGH, NJW 1986, 989; BGHZ 119, 177; BGH, ZIP 2011, 1101. 63 Siehe nur BGHZ 180, 38 Rz. 8 (Qivive), dazu Bayer/Lieder, NZG 2010, 86, 87 f. 64 Ulmer (Fn. 3), § 5 Rz. 56.

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Zeichnungsschein diese Leistung durch dann zulässige65 Aufrechnung erbringt. Welcher Weg gewählt wird, macht für die weitere rechtliche Behandlung der Sacheinlage keinen Unterschied.66 c) Die Wirkung der Sacheinlage einer Forderung gegen die Gesellschaft besteht in der Befreiung der Gesellschaft von eben dieser Schuld.

2. Bewertung Das Hauptproblem bei der Forderungsumwandlung in Eigenkapital liegt in der Bewertung der Forderung. Oft liest man, die umzuwandelnde Forderung müsse liquide, fällig und vollwertig sein. Dies wird zum Teil sogar als Voraussetzung der Einlagefähigkeit bezeichnet.67 Mit wenigen Ausnahmen68 folgt darauf aber die Klarstellung, dass dies keine Voraussetzungen der Einlagefähigkeit, sondern nur Voraussetzungen dafür sind, dass die Forderung mit dem vollen Nennwert bewertet wird.69 Zur Begründung dieser Erfordernisse der Liquidität, Fälligkeit und Vollwertigkeit der Forderung beruft man sich auf zahlreiche höchstrichterliche Entscheidungen. Diese betreffen jedoch überwiegend einen ganz anderen Fall, nämlich die Frage, ob – außerhalb der Fälle einer verdeckten Sacheinlage – der Inferent einvernehmlich mit der Gesellschaft eine geschuldete Bareinlage durch Verrechnung mit einer Forderung gegen die Gesellschaft erbringen kann oder ob die Befreiung von der Bareinlagepflicht durch Zahlung an einen Drittgläubiger der Gesellschaft erreicht werden kann.70 Vollwertigkeit nennt eine Entscheidung als Er_______________

65 Lutter (Fn. 61), § 56 Rz. 12. 66 Siehe aber Ekkenga, ZGR 2009, 581, 588, der im Fall der Aufrechnung eine Anfechtbarkeit gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO für möglich hält und dann die beiden anderen Abwicklungsarten gleichbehandeln will. Der Gedanke beruht offenbar auf der verbreiteten Annahme, auch die ordnungsgemäß festgesetzte Sacheinlage sei eine Leistung an Erfüllungs statt für die „eigentlich“ geschuldete Bareinlage und mit der Differenzhaftung lebe die „primäre Bareinlagepflicht“ wieder auf (Lutter in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1989, § 183 Rz. 8; Hueck/Fastrich (Fn. 54), § 9 Rz. 5 m. w. N.) – obwohl es diese nie gab. 67 Ulmer (Fn. 3), § 5 Rz. 57; Priester, DB 2010, 1445 mit einem „funktionellen“ Verständnis der Vollwertigkeit (a. a. O. S. 1447 f.). 68 Priester in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2010, § 56 Rz. 13, der die Sacheinlagefähigkeit der Forderung für den Fall der Überschuldung verneint; siehe auch Priester, DB 2010, 1445, 1448. 69 Z. B. Schmidt/Schlitt, Der Konzern 2009, 279, 282; Märtens in MünchKomm. GmbHG, 2010, § 19 Rz. 96; Heidinger/Benz in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. 2010, § 27 Rz. 23. 70 BGHZ 90, 370, 373; BGHZ 113, 335, 343; BGHZ 125, 141, 145.

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fordernis für die Heilung einer verdeckten Sacheinlage durch Einbringung der ursprünglichen Forderung.71 Aber sehen wir uns die drei Kriterien im Einzelnen an: a) Die Forderung muss liquide, d. h. nach üblichem Verständnis unstreitig oder mit liquiden Beweismitteln beweisbar sein. Wenn die Forderung aufgrund entsprechender Festsetzungen im Kapitalerhöhungsbeschluss als Sacheinlage eingebracht werden soll, wird es daran regelmäßig nicht fehlen. b) Das Kriterium der Fälligkeit betrifft im Falle der offenen Sacheinlage ersichtlich nur die Bewertung. Ist die Forderung zwar noch nicht fällig, aber marktgerecht verzinslich, so ist das kein Grund zur Abwertung.72 Die eigentliche Frage betrifft die Vollwertigkeit.

3. Vollwertigkeit Nach der herrschenden Lehre – die sich wiederum auf zahlreiche höchstrichterliche Entscheidungen stützen zu können glaubt – ist Voraussetzung der Vollwertigkeit, dass die Gesellschaft in der Lage ist, diese und alle anderen fälligen Verbindlichkeiten vollständig zu tilgen. Die dazu angeführten Entscheidungen betreffen überwiegend Fälle einer geschuldeten Bareinlage und nicht der Sacheinlage.73 a) Zu der Bewertung der eingebrachten Forderung gegen eine notleidende Gesellschaft werden im Wesentlichen vier Auffassungen vertreten: – Die wohl herrschende Auffassung geht dahin, dass die Forderung mit einem der Schuldendeckungsquote entsprechenden Prozentsatz ihres Nennwerts anzusetzen sei.74 Stille Reserven können _______________

71 BGHZ 113, 335, 341 f. 72 Wohl nur scheinbar anders Ulmer (Fn. 3), § 5 Rz. 57, der Abzinsung mangels Fälligkeit für erforderlich hält, ohne dies ausdrücklich auf den Fall unverzinslicher oder niedrig verzinslicher Forderungen zu beschränken. 73 BGHZ 15, 52, 59, 60; BGHZ 42, 89, 93; BGHZ 90, 370, 373; BGHZ 119, 177; BGHZ 125, 141, 143; BGHZ 132, 141, 147, 155; BGHZ 152, 37, 42; BGHZ 153, 107; BGHZ 166, 8; BGHZ 179, 285; BGH, ZIP 2011, 1101; auf diese unterschiedliche Ausgangslage verweist auch Priester, DB 2010, 1445, 1448 Fn. 40. 74 Lieder in MünchKomm. GmbHG, 2011, § 56 Rz. 19 m. w. N.

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dabei berücksichtigt werden.75 Das ist jedenfalls in der gegebenen Darstellung die Bewertung aus der Sicht des Gläubigers. Allerdings wird sich dasselbe Ergebnis auch aus der Sicht der Gesellschaft begründen lassen: im Modell würde sie oder ihr Insolvenzverwalter auf jede Forderung nur diese Quote zahlen, weil sie nicht mehr zahlen kann.76 – Eine andere Auffassung begründet das Erfordernis eines Wertabschlags mit dem Wert, zu dem die Forderung verkäuflich wäre.77 Mit dieser – allein aus der Perspektive des Gläubigers begründeten – Auffassung ließe sich eine Bewertung noch unterhalb der prospektiven Befriedigungsquote begründen. – Einen anderen Ansatz wählt vor allem Priester. Er nimmt eine schon anderweitig verwendete Formulierung auf: Die Forderungsumwandlung führe zur Freisetzung bisher durch Schulden „neutralisierten“ Aktivvermögens.78 Daraus leitet er ab, dass die Forderungsumwandlung keinen berücksichtigungsfähigen Wert habe, solange und soweit sie nicht zu einer Überdeckung der Schulden führe, also die Schulden so weit abbaue, dass das – unveränderte – Aktivvermögen die verbleibenden Schulden übersteigt.79 Diese Sicht träfe zu, wenn Gegenstand der Sacheinlage die Freisetzung von Aktivvermögen wäre. Denn solange das gesamte Aktivvermögen immer noch durch gleich hohe oder höhere Schulden „neutralisiert“ ist, würde diese Annahme wohl die Konsequenz

_______________

75 BGHZ 125, 141, 146 zur Resttilgung einer Bareinlagepflicht; Lieder (Fn. 74), § 56 Rz. 19; a. M. Ekkenga, ZGR 2009, 581, 600 aufgrund des Erfordernisses der Freisetzung „bilanziellen Aktivvermögens“; hiergegen, bei gleichem Ausgangspunkt, Priester, DB 2010, 1445, 1448. 76 Freilich muss sie den vollen Nennbetrag passivieren, worauf Cahn/Simon/ Theiselmann, CFL 2010, 238, 243 hinweisen. Das heißt aber nicht, dass sie den Nennbetrag oder auch nur die Quote zahlen dürfte, sie muss vielmehr Insolvenzantrag stellen. 77 Röhricht in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1996, § 27 Rz. 81; Pentz (Fn. 3), § 27 Rz. 29: Marktwert; siehe auch Lutter (Fn. 66), § 183 Rz. 30. 78 Priester. DB 2010, 1445, 1447 ff. im Anschluss an Ekkenga, ZGR 2009, 591, 594, 598. Die Sicht der „Neutralisierung“ von Aktivvermögen durch Verbindlichkeiten geht offenbar zurück auf Lutter, Sicherung der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung in den Aktien- und GmbH-Rechten der EWG, 1964, S. 234; zitiert nach Priester a. a. O. 79 Priester, DB 2010, 1445, 1448; dagegen Cahn/Simon/Theiselmann, DB 2010, 1629.

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haben, dass gar nichts eingebracht worden sei. So ist es aber ganz offensichtlich nicht. – Die vierte Auffassung betrachtet die Frage schließlich allein aus der Sicht des Zahlungspflichtigen. Die Minderung der Zahlungspflichten bedeute notwendig einen Wert in Höhe der Verpflichtung, von der die Gesellschaft befreit wurde.80 b) Zunächst ist zu klären, aus wessen Perspektive der Wert zu beurteilen ist: aus der Perspektive der Gesellschaft oder aus der Perspektive des Inferenten, ob der Wert also danach zu beurteilen ist, was die Einbringung den Inferenten kostet, oder danach, was sie der Gesellschaft bringt. aa) Der Sinn der Vorschriften zur Kapitalaufbringung und ihrer Kontrolle liegt darin sicherzustellen, dass die Gesellschaft eine bestimmte Mindestausstattung, einen Haftungsfonds hat. Maßgeblich kann demnach allein der Wert für die Gesellschaft sein. Der Wert ist also aus ihrer Perspektive oder ggf. der Perspektive ihrer sonstigen Gläubiger zu beurteilen.81 Hieran würde gewiss niemand für den Fall zweifeln, dass der Gegenstand der Sacheinlage für den Inferenten einen deutlich höheren Wert hat als für die Gesellschaft. Bei der Einbringung von Forderungen kann es nun allerdings umgekehrt sein, insbesondere, wenn die Gesellschaft überschuldet ist oder auch nur illiquide und deshalb nicht in der Lage ist, ihre fälligen Schulden bei Fälligkeit zu begleichen. Daraus ergibt sich für den Gläubiger ein Minderwert der Forderung. Dieser kann nach dem Vorgesagten aber nicht maßgeblich sein.82 Demgemäß ist auch eine für die Forderung bestellte Drittsicherheit, welche für den Gläubiger die Vollwertigkeit bewirken kann aber für den Wert aus Sicht der Gesellschaft keinen Unterschied macht, unbeachtlich.83 bb) Allerdings liest man mitunter, das „Privileg der Haftungsbeschränkung“ müsse von den Gesellschaftern dadurch erworben _______________

80 Karollus, ZIP 1994, 489, 495; ausf. Cahn/Simon/Theiselmann, CFL 2010, 238, 242 ff. 81 Karollus, ZIP 1994, 589, 595. Insoweit übereinstimmend Pentz (Fn. 3), § 27 Rz. 37; Röhricht (Fn. 77), § 27 Rz. 89 für Anlagevermögen; siehe auch die Bemerkung von Ulmer, GmbHR 1993, 189, 192, dass es für die Gläubiger der Gesellschaft keinen Unterschied mache, wie belastend die Einlage für den Inferenten war. 82 A. M. ausdrücklich Lutter (Fn. 66), § 183 Rz. 30. 83 Ekkenga, ZGR 2009, 581, 600 f.

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oder verdient werden, dass sie das vorgesehene Kapital aufbringen. Sie müssten dadurch ihre Zuversicht in das Geschäftsmodell und ihre Bereitschaft der Risikoübernahme unter Beweis stellen.84 Diese Argumentation stammt primär aus der Diskussion um die Einführung eines Mindestkapitals, wo sie den Aspekt der „Seriositätsschwelle“ konkretisiert.85 Es wäre wenig sinnvoll aus dieser Grundsatzüberlegung die Folgerung zu ziehen, es gehe nicht um die Zuführung von Vermögen bei der Gesellschaft, sondern darum, dass der Gesellschafter etwas opfern müsse, weshalb die Sacheinlage aus der Perspektive des Inferenten zu bewerten sei. Es bleibt deshalb dabei, dass maßgeblich für die Bewertung die Perspektive der Gesellschaft sein muss. cc) Wird der Wert der Forderung aus der Sicht der Gesellschaft beurteilt, so ist der Gegenstand der Bewertung freilich nicht identisch mit dem Gegenstand der Einbringung. Für die Gesellschaft geht es um den Wert, den die Schuldbefreiung für sie hat, also die Wirkung der Einlage der Forderung. c) Die Bewertung aus dieser Perspektive behandle ich nun im Folgenden anhand des bewusst provokant gewählten Modells, dass die Forderungsumwandlung eine vorher bestehende Zahlungsunfähigkeit und eine etwaige Überschuldung beseitigt und deshalb als Folge der Forderungsumwandlung das Aktivvermögen der Gesellschaft ihre verbleibenden Schulden deckt, sie also nicht mehr überschuldet und auch nicht mehr zahlungsunfähig ist. Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, so würde eine allgemeine Forderungsumwandlung nicht stattfinden. Außerdem wäre die Unternehmensleitung verpflichtet, Insolvenzantrag zu stellen. In diesem Modellfall sind die umgewandelten Forderungen aus der Sicht ihrer Gläubiger nicht vollwertig. Zu prüfen ist aber nach dem Vorgesagten, welchen Wert die Forderungsumwandlung für die Gesellschaft hat. aa) Dieser Wert ergibt sich im Wesentlichen aus der Beantwortung einer weiteren Vorfrage, der Frage nämlich, auf welchen Zeitpunkt die Bewertung zu erfolgen hat, ob also die Lage unmittel_______________

84 Priester, DB 2010, 1445, 1446; siehe auch BGH, NJW 1992, 3167, 3172 ff.; dagegen Karollus, ZIP 1994, 589, 597; siehe auch Cahn/Simon/Theiselmann, CFL 2010, 238, 247. 85 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 18 II 4a, S. 523; Hommelhoff, WM 1997, 2101, 2107; Lutter, AG 1998, 375; Ballerstedt, ZHR 135 (1971), 583, 584 ff.; Schall, ZGR 2009, 126, 131 ff.; Drygala, ZGR 2006, 587, 595 ff.

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bar vor oder unmittelbar nach der Forderungsumwandlung maßgeblich ist. Dabei geht es nicht darum, ob der Wert auf den Zeitpunkt der Zeichnung oder der Anmeldung oder der Eintragung der Kapitalerhöhung zu ermitteln ist, sondern um die Frage nach einem gleichsam funktionalen Zeitpunkt, nämlich darum, ob die durch die Kapitalerhöhung, also die Forderungsumwandlung entstandene Lage zu berücksichtigen ist oder ob bei der Bewertung der mit der Forderungsumwandlung bezweckte und erreichte Erfolg außer Betracht zu bleiben hat. Auf den funktionalen Zeitpunkt der Bewertung kommt es in dieser Weise nur bei der Forderungsumwandlung, einschließlich der Fälle einer verdeckten Sacheinlage, an, denn nur in solchen Fällen führt die Einbringung unmittelbar zu einer Änderung der für die Bewertung maßgeblichen Daten. Diese Frage wird, soweit ich sehe, in Literatur und Rechtsprechung kaum behandelt.86 Eine Ausnahme bildet der zweite Leitsatz der Cash Pool II Entscheidung des BGH.87 In dem zugrunde liegenden Fall waren die als Bareinlage geschuldeten Beträge in einen Cash Pool eingezahlt worden. Der BGH wertete dies in Höhe des Negativsaldos der ihr Kapital erhöhenden Gesellschaft im Cash Pool als verdeckte Sacheinlage. Diese war aufgrund der Rechtslage seit dem MoMiG mit ihrem Wert auf die geschuldete Bareinlage anzurechnen. Dazu sagt der BGH im zweiten Leitsatz, die Verpflichtung des Inferenten zur nochmaligen Zahlung hänge davon ab, „ob und in welcher Höhe die Gesellschaft durch die Einlagezahlung von einer Forderung des Inferenten befreit wird, die sie – ohne diese Einlagezahlung – aus ihrem Vermögen erfüllen könnte“.88 Der Effekt der verdeckten Sacheinlage soll also bei der Bewertung des Einlagegegenstands außer Betracht bleiben. In den Entscheidungsgründen findet sich zu diesem Teil des Leitsatzes kein Wort. Ob sie wegen des mit der Zeichnung einer Bareinlage erweckten Eindrucks aus Gründen des Vertrauensschutzes für den Fall der verdeckten Sacheinlage zutrifft, kann hier noch dahinstehen; ich komme darauf zurück. _______________

86 Siehe aber Eidenmüller/Engert, ZIP 2009, 541, 543: der Wert sei ggf. auf der Grundlage der im Insolvenzplan vorgesehenen Fortführung der Gesellschaft zu bestimmen. 87 BGHZ 182, 103. 88 BGHZ 182, 103, Hervorhebung nur hier.

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bb) Für den Fall der offenen Sacheinlage halte ich diese Sicht nicht für sachgerecht. Das ergibt folgende Überlegung: Wenn durch die Umwandlung eines Teils der Forderungen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung überwunden werden, sind die verbleibenden gegen die Gesellschaft gerichteten Forderungen vollwertig. Die Befreiung von weiteren Schulden hätte deshalb für die anderen Gläubiger – und damit auch für die Gesellschaft – einen Wert in Höhe des Nennbetrags dieser Schulden. Würden die umgewandelten Forderungen nur mit einem Teil ihres Nennbetrags bewertet, so würden sie im Verhältnis zu den verbliebenen Forderungen diskriminiert. Ein sachlicher Grund für diese Diskriminierung besteht nicht. Außerdem: Wenn durch die Forderungsumwandlung die Gesellschaft wieder lebensfähig gemacht und deshalb die Wertvernichtung durch die Insolvenz verhindert wird, liegt darin ein zusätzlicher Wert. cc) Ist für die Bewertung die Sicht der Gesellschaft maßgeblich, so kommt es nicht darauf an, von wem sie die Einlage erhält. Wenn Gegenstand der Einlage fällige Forderungen sind und die Gesellschaft danach weder zahlungsunfähig noch überschuldet ist, kommt deshalb ein weiteres hinzu: Auch zugeführtes Bargeld von dritter Seite hätte ein verantwortlicher Geschäftsführung nur dazu verwenden dürfen, fällige Forderungen zu tilgen. Die Wirkung der Forderungsumwandlung für die Gesellschaft ist daher nicht anders als im Falle der Zufuhr entsprechender Barmittel von dritter Seite. dd) Eine weitere Kontrollüberlegung bestätigt das gefundene Ergebnis: Würde aus irgendwelchen Gründen die Forderungsumwandlung später hinfällig, so ergäbe sich daraus gegenüber der bis dahin bestehenden Lage für die Gesellschaft offensichtlich eine Belastung und damit ein Nachteil in Höhe des Nennbetrags der wieder auflebenden Forderung. Die Befreiung von dieser Forderung muss denselben Wert haben. Für die Bewertung der Forderung ist daher die durch die Umwandlung entstandene Lage maßgeblich. d) Den sich aus dieser Bewertung aus der Sicht der Gesellschaft und unter Berücksichtigung der Wirkungen der Forderungsumwandlung ergebenden Konsequenzen der „Vollwertigkeit“ der Forderung wird entgegengehalten, das ausgewiesene Kapital müsse doch „einmal“

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eingebracht worden sein.89 Dieser Einwand geht zunächst einmal von der Perspektive des Inferenten und nicht von derjenigen der Gesellschaft aus. Denn er unterstellt, dass weniger eingebracht worden sei als durch die Kapitalerhöhung ausgewiesen. Das ist, wie dargelegt, möglicherweise aus der Perspektive des wandelnden Gläubigers richtig, nicht aber aus der Perspektive der Gesellschaft. Aber unabhängig davon hilft es einem Gläubiger – und um dessen Schutz geht es bei dieser Argumentation – nichts, wenn einmal ein Kapitalbetrag eingebracht worden ist. Für ihn ist allein maßgeblich, was noch vorhanden ist. Maßgebend, auch unter Kapitalaufbringungsgrundsätzen, ist nur, dass sich einmal eine Verbesserung der Vermögenslage um den Erhöhungsbetrag ergeben hat.90 Das ist nach der maßgeblichen Perspektive der Gesellschaft in Höhe der Schuldbefreiung der Fall. e) Die Beurteilung müsste anders ausfallen, wenn Voraussetzung der Eintragung einer Kapitalerhöhung wäre, dass die Gesellschaft im Zeitpunkt der Eintragung der Kapitalerhöhung ein Reinvermögen mindestens in Höhe des Erhöhungsbetrages hat. Diese Auffassung ist in der Tat einmal vertreten worden,91 hat sich aber nicht durchgesetzt.92 Die Auffassung von Priester zur Bewertung von freigesetztem Aktivvermögen würde für den Fall der Forderungsumwandlung auf dasselbe hinaus laufen. Dieser Auffassung ist auch für die Forderungsumwandlung nicht zu folgen.93 Es gibt keinen Grund, für diese strengere Anforderungen zu stellen als sonst. Erforderlich und ausreichend ist daher, dass durch die Kapitalerhöhung, und zwar mindestens bis zu deren Anmeldung, eine Vermögensmehrung in Höhe des Nominalbetrags der Erhöhung eingetreten ist. Diesen Grundsatz hat der BGH im Zusammenhang mit der Frage entwickelt, ob für die Erfüllung einer Bareinlagepflicht Voraussetzung ist, dass die eingezahlten Mittel noch vorhanden sind, oder ob es genügt, dass sie wertmäßig noch vorhanden sind. Bekanntlich hat er im letzteren Sinne entschieden und dabei ausdrücklich klargestellt, dass eine zwischenzeitlich eingetretene Minderung durch andere Verluste _______________

89 Priester, DB 2010, 1445, 1446. 90 Näher Maier-Reimer (Fn. 53), 309 f. 91 Ulmer, GmbHR 1993, 189, 195 im Anschluss an Ihrig, Die endgültige freie Verfügung über die Einlage von Kapitalgesellschaften, 1991, S. 298 f., 303 ff. 92 BGHZ 150, 197, 199. 93 A. M. Ekkenga, ZGR 2009, 581, 598 mangels Freisetzung genügenden Aktivvermögens.

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außer Betracht zu bleiben hat.94 Wenn die Wertzuführung erst mit der Eintragung eintritt – beispielsweise wenn die Einbringung der Forderung durch diese Eintragung aufschiebend bedingt ist – genügt dies auch. Es tritt dann aus den vorgenannten Gründen eine Vermögensmehrung in Höhe des Verzichtsbetrages ein. f) Maßstab des Werts ist Geld. Die Sacheinlage muss also mindestens denselben Wert für die Gesellschaft haben wie ein Geldbetrag in gleicher Höhe. Auch diese Überlegung führt zu keinem anderen Ergebnis. aa) Ein Geldbetrag in Höhe der umgewandelten Forderung könnte von der Gesellschaft – will sie fortbestehen – auch nur zur Tilgung ihrer fälligen Verbindlichkeiten verwendet werden. Hinter der Annahme, die umgewandelte Forderung habe vielleicht einen geringeren Wert als ein Geldbetrag in gleicher Höhe, steht offenbar die Einschätzung, mit entsprechenden Barmitteln könnte die Gesellschaft entscheiden, welche Schulden sie tilgt. Wenn aber – wie hier unterstellt – die Gesellschaft zahlungsfähig ist, also alle fälligen Schulden getilgt sind oder aus noch vorhandenen liquiden Mitteln getilgt werden können, ist dies nicht die Frage. Wenn angenommen wird, die Forderungsumwandlung habe für die Gesellschaft einen geringeren Wert als Bargeld, weil der Gläubiger durch sie zum Gesellschafter wurde und er deshalb hinsichtlich seiner Gläubigerposition etwas nachsichtiger mit der Gesellschaft umgehen werde als reine Gläubiger, so trifft dies jedenfalls für Gläubiger, die erst durch die Umwandlung zu Gesellschaftern werden, für die Zeit vor der Kapitalerhöhung nicht zu. Für Gläubiger, die auch schon vorher Gesellschafter waren, widerspricht dieser Gedanke dem Anliegen des alten Kapitalersatzrechts. Dieses ging davon aus, das verantwortliche Verhalten eines Gesellschaftergläubigers bestehe darin, seine Forderderungen auch und gerade in der Krise der Gesellschaft einzutreiben, wenn er nicht bereit sei, weiteres Eigenkapital zuzuführen. Auch wenn das alte Kapitalersatzrecht durch das MoMiG – vor allem aus Gründen der Praktikabilität – aufgehoben ist, wird sich an der Bewertung des Verhaltens eines Gesellschaftergläubigers doch nichts geändert haben. Allerdings ist seit dem MoMiG die Motivationslage in gewissem Sinne umgekehrt: der Gesellschafter, der seine Forderung bei ersten Krisen_______________

94 BGHZ 119, 177, 186 ff.; dazu Ulmer, GmbHR 1993, 189.

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zeichen beitreibt und die Gesellschaft dadurch in die Insolvenz treibt, erhält eine anfechtbare Tilgungsleistung. bb) Wenn ein höherer Forderungsbetrag, als zur Beseitigung der Überschuldung erforderlich ist, umgewandelt wird, so lassen sich die Auswirkungen auf die Schuldendeckungsquote am besten an einem Beispiel darstellen.95 Unterstellt, die Gesellschaft habe Verbindlichkeiten von 100 und ein Aktivvermögen von 80. Wenn dann Barmittel von 40 hinzugefügt werden, bestehen zwei Möglichkeiten: – Entweder werden die Barmittel insgesamt zur Tilgung der Schulden verwendet. Es verbleiben dann die ursprünglichen 80 sonstiger Aktiva und Verbindlichkeiten von 60, also eine Schuldendeckungsquote von 1,33. Das entspricht exakt der Lage, die sich ergibt, wenn die Schulden von 40 in Eigenkapital umgewandelt werden. Verwendet die Gesellschaft dagegen die Barmittel von 40 für neue Investitionen, so hat sie Aktiva von 120 und Verbindlichkeiten von 100, was einer Schuldendeckungsquote von 1,2 entspricht. – Verwendet die Gesellschaft von den neuen Barmitteln in Höhe von 40 einen Teil von 20 zur Schuldentilgung und die übrigen 20 für neue Investitionen, so hat sie ein Aktivvermögen von 100 und Schulden von 80, was einer Schuldendeckungsquote von 1,25 entspricht – gegenüber der Schuldendeckungsquote von 1,33 bei Forderungsumwandlungen von 40. Die Beispiele zeigen, dass die Forderungsumwandlung, die eine Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung beseitigt, den Vergleich mit der Zuführung von Barmitteln nicht zu scheuen braucht. g) Forderungen von Gesellschaftern sind nach der Ersetzung des Eigenkapitalersatzrechts durch ein allgemeines insolvenzrechtliches Anfechtungsrecht für den vorliegenden Zusammenhang nicht anders _______________

95 Zu dem Vergleich der Auswirkungen der Bareinlage und der Forderungsumwandlung auf die Schuldendeckungsquote siehe auch Cahn/Simon/Theiselmann, DB 2010, 1629, 1630 f. mit Beispielen, in denen die Forderungsumwandlung zur Beseitigung der Überschuldung nicht ausreicht. In solchen Fällen wird die Schuldendeckungsquote durch die Forderungsumwandlung weniger verbessert als durch eine entsprechende Aktivenzufuhr. Das liegt daran, dass bei einer Verhältnisrechnung die Veränderung einer Größe die Relation stärker verändert, wenn sie die kleinere Größe betrifft, als eine absolut gleiche Veränderung der größeren Größe; siehe Maier-Reimer (Fn. 53), 309.

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zu bewerten als Forderungen Dritter. Dagegen sind Forderungen, die einem vereinbarten Nachrang unterliegen, unter Berücksichtigung dieses Nachrangs zu bewerten.96 Zur Befriedigung nachrangiger Forderungen ist die Gesellschaft nicht bedingungslos verpflichtet, weshalb ihr die Befreiung von solchen Verpflichtungen nicht notwendig einen Vorteil in Höhe von deren Nennwert bringt.

4. Grundlage der Bewertung Grundlage für die Bewertung sollte ein Überschuldungsstatus sein.97 Ergibt ein prospektiver Überschuldungsstatus für die Situation unmittelbar nach der Forderungsumwandlung, dass weder Zahlungsunfähigkeit noch Überschuldung besteht, so ist die Forderung aus den vorgenannten Gründen als vollwertig anzusehen. Stille Reserven sind daher zu berücksichtigen.98

5. Interessenschutz Es bleibt zu prüfen, ob die Bewertung in dieser Weise gegen sonstige Grundsätze des Kapitalaufbringungsrechts verstößt. Die Kapitalaufbringungsvorschriften sollen auch die Erwartung oder das Vertrauen künftiger Gläubiger oder Investoren, dass bestimmte Mittel zugeführt worden seien, schützen.99 Zum Teil wird sogar angenommen, geschützt sei nicht nur das Vertrauen in die Mittelszuführung selbst, sondern auch in die daraus abgeleitete Schlussfolgerung, der Inferent müsse die Gesellschaft für investitionswürdig halten.100 Ob das Letztere richtig ist, mag hier dahinstehen. Die Erwartung künftiger Gläubiger oder Investoren kann durch die Bewertung nach den hier vorgeschlagenen Maßstäben nicht _______________

96 Anders offenbar Ekkenga, ZGR 2009, 581, 591 f. aufgrund der bilanziellen Betrachtung mit Hinweis auf die volle Passivierungspflicht. 97 Insoweit übereinstimmend Priester, DB 2010, 1445, 1448: bilanzielle Betrachtung aber unter Berücksichtigung seriös ermittelter stiller Reserven einschl. Firmenwert. 98 Insoweit übereinstimmend Priester, DB 2010, 1445, 1448; siehe auch BGHZ 125, 141, 146; a. M. Ekkenga, ZGR 2009, 581, 600 mit der Begründung, dass stille Reserven normalerweise nicht aufgelöst werden dürfen. 99 Ulmer (Fn. 3), § 5 Rz. 9; Gummert, MünchHdb. Bd. 3, GmbH, 3. Aufl. 2009, § 50, Rz. 6; Hermanns in Michalski, GmbHG, 2. Aufl. 2010, § 56a Rz. 22. Priester, DB 1976, 1801, 1804. 100 BGH, NJW 1992, 3167, 3172 ff.; dazu Maier-Reimer, AnwBl. 2005, 452 f.; siehe auch Karollus, ZIP 1994, 589, 597 sowie Cahn/Simon/Theiselmann, CFL 2010, 238, 247.

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enttäuscht werden. Die Grundlagen werden festgelegt und liegen offen zu Tage. Das Resultat der Kapitalerhöhung wird – wie üblich stichtagsbezogen – durch die letzte oder die nächste Bilanz dargestellt. An der Aktivseite ändert sich durch den Vorgang nichts. Auf der Passivseite sind die Verbindlichkeiten eliminiert worden. Anderes ist nicht zugesagt worden und kann nicht erwartet werden.101 Künftige Investoren oder Gläubiger können durch die Forderungsumwandlung und ihre Bewertung nach diesen Grundsätzen deshalb nicht irregeführt oder sonst gefährdet werden. Eine Gefährdung oder Benachteiligung der Alt-Gläubiger kommt ohnehin nicht in Betracht. Für sie ist jede Minderung von Schulden ohne korrespondierenden Vermögensabfluss ausschließlich vorteilhaft. Auch die Alt-Gesellschafter können dadurch nicht beeinträchtigt werden. Wenn nämlich die eingebrachten Forderungen nicht vollwertig sind, folgt daraus zwangsläufig, dass die Beteiligungen keinen Wert mehr haben.102 Deshalb kann auch ein Beschluss zur Kapitalerhöhung unter Ausschluss des Bezugsrechts nicht nach § 255 Abs. 2 AktG mit der Begründung angefochten werden, wegen der Minderwertigkeit der gewandelten Forderungen würden die neuen Aktien zu einem unangemessen niedrigen Ausgabebetrag ausgegeben.103 Wenn dennoch ein Unbehagen bestehen sollte, die Umwandlung „minderwertiger“ Forderungen zum Nennwert in Nennkapital zuzulassen, so ist dieses Unbehagen einem Prinzip und nicht irgendwelchen Interessen geschuldet. Das Prinzip sollte aber so formuliert und begrenzt sein, dass es nicht verabsolutiert wird, und damit Gestaltungen verhindert, die im Interesse aller durch das Prinzip geschützten Interessen liegen ohne auch nur denkbare Interessen zu beeinträchtigen. Die Überprüfung der Prämisse, nämlich der Beseitigung von Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit, gehört ins Insolvenzrecht, nicht in das Recht der Kapitalaufbringung. _______________

101 Siehe auch oben (unter 3.d)). 102 So Eidenmüller/Engert, ZIP 2009, 541, 544 für eine „insolvenzrechtliche Verteilungsregel“. Warum sich bei der von ihnen ebenfalls vorgestellten, aber (im Gegensatz zu Priester, DB 2010, 1445, 1450) verworfenen „gesellschaftsrechtlichen Verteilungsregel“ etwas anderes ergeben soll, ist nicht verständlich: Wenn für die Gläubiger ein quantifiziertes Ausfallrisiko besteht, hat das Eigenkapital keinen Wert mehr – jedenfalls dann nicht, wenn wie in dem von Eidenmüller/Engert gebildeten Beispiel die Forderungen vor Abschlag wegen eines Ausfallsrisikos den vollen angenommenen Unternehmenswert erschöpfen. 103 Ausführlich hierzu Löbbe in Liber amicorum Martin Winter, 2011, S. 423 ff.

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6. Sonderfall: verdeckte Sacheinlage Als Nagelprobe der hier angestellten Überlegungen kann der Fall gelten, dass Forderungen verdeckt eingebracht werden. Seit dem MoMiG und dem ARUG ist auch die verdeckte Sacheinlage mit ihrem Wert anzurechnen.104 Ergäbe sich aus der Bewertung nach der Perspektive aus der Sicht der Gesellschaft unter Berücksichtigung der Wirkung der Kapitalerhöhung eine Bewertung der verdeckt eingebrachten Forderung in Höhe des Nennbetrages, so könnte dies möglicherweise als argumentum ad absurdum gegen die hier vertretene Auffassung sprechen. Denn im Fall der verdeckten Einlage einer Forderung ist die Öffentlichkeit über den Vorgang nicht durch die Angaben zur Kapitalerhöhung voll unterrichtet. Dieser Fall liegt grundsätzlich außerhalb des Themas Debt Equity Swap. Dennoch, zur Erwiderung auf das argumentum ad absurdum, kurz: Zwar gilt auch für diesen Fall die Bewertung aus der Perspektive der Gesellschaft. Entscheidend ist aber der „funktionale“ Zeitpunkt der Bewertung. Angerechnet wird der maßgebende Wert des Vermögensgegenstandes (nicht der Wert der Wirkung seiner Einbringung) „im Zeitpunkt der Anmeldung … oder im Zeitpunkt seiner Überlassung an die Gesellschaft, falls diese später erfolgt“.105 Dieser Zeitpunkt liegt – auch im Fall der „Überlassung“ nach der Anmeldung – mindestens eine „logische Sekunde“ vor der Wirkung dieser Überlassung. Deshalb ist die Wirkung der (verdeckten) Überlassung bei der Ermittlung des Werts für Zwecke der Anrechnung nicht zu berücksichtigen. Diese Sicht entspricht im Ergebnis dem Leitsatz 2 der Cash Pool II Entscheidung des BGH.106 Von dem Fall der verdeckten Einlage der Forderung zu unterscheiden ist der Fall, dass die Forderung aus einer verdeckten Einlage eines Sachwerts entstanden ist.107 Dieser Fall hat mit dem Thema Debt Equity Swap nichts mehr gemein.

7. Verfahren Die Durchführung des Debt Equity Swap über ein genehmigtes Kapital kommt in Betracht, wenn die Genehmigung auch die Ermächtigung zum Bezugsrechtsausschuss enthält und eine gleichzeitige Kapitalherabsetzung nicht erforderlich ist. Anderenfalls bedarf es einer ordent_______________

104 105 106 107

§ 19 Abs. 4 Satz 3 GmbHG, § 27 Abs. 3 Satz 3 AktG. § 19 Abs. 4 Satz 3 GmbHG, § 27 Abs. 3 Satz 3 AktG. BGHZ 182, 103. Diesen Fall behandeln Cahn/Simon/Theiselmann, CFL 2010, 238, 248.

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lichen Kapitalerhöhung durch Beschluss der Gesellschafterversammlung. Damit besteht namentlich in Publikumsgesellschaften die Gefahr der Obstruktion durch opponierende Gesellschafter.108 Des Ausschlusses des Bezugsrechts bedarf es, weil die bisherigen Gesellschafter in der Regel nicht oder nicht im Verhältnis ihrer Beteiligungen Inhaber der umzuwandelnden Forderungen sind. Im Falle einer Forderungsumwandlung als Teil einer Sanierung rechtfertigt dieser Zweck den Bezugsrechtsausschluss.109 Wenn allerdings im Zusammenhang mit der Sanierung das Kapital bei gleichzeitiger Kapitalerhöhung zunächst einmal auf einen Betrag, der unter dem Mindestbetrag liegt, im Extremfall also auf Null herabgesetzt werden muss,110 bedarf es einer Barkapitalerhöhung bis zur Erreichung des Mindestbetrages.111 Dieses Erfordernis kann in zweifacher Form erfüllt werden: a) Es wird gleichzeitig eine Barkapitalerhöhung bis zur Erreichung des Mindestbetrages beschlossen und durchgeführt. Zur Zeichnung der neuen Anteile werden nur die forderungsumwandelnden Gläubiger im Verhältnis der von ihnen zu wandelnden Forderungen zugelassen. Die neuen Anteile für diese Kapitalerhöhung werden zum geringsten Ausgabebetrag ausgegeben. Auch für diese Barkapitalerhöhung wird das Bezugsrecht ausgeschlossen. Die Rechtfertigung liegt darin, dass nur auf diesem Wege die Forderungsumwandlung zu erreichen ist. b) Statt der Gestaltung über eine zusätzliche (gedanklich vorgeschaltete) Barkapitalerhöhung können die neuen Anteile insgesamt für eine Mischeinlage ausgegeben werden, die zum Teil aus Barmitteln (in _______________

108 Dazu ausführlich Löbbe (Fn. 103), S. 423 ff. 109 Ist nicht auszuschließen, dass Altgesellschafter bereit sind, die erforderlichen Mittel, auch zur Tilgung der Gläubigerforderungen, einzuzahlen, kann sich die Kombination einer Kapitalerhöhung gegen Bareinlage mit einer solchen gegen die Sacheinlage der Forderungen empfehlen, wobei die Sacheinlage nur insoweit durchgeführt wird, als die Barerhöhung nicht gezeichnet wird; Hüffer (Fn. 54), § 186 Rz. 35; Löbbe (Fn. 103), S. 423, 444 ff. Die vorgeschaltete Barerhöhung erbringt in dem Umfang, wie sie mangels Zeichnung nicht durchgeführt werden kann, den Beweis für die Erforderlichkeit des Bezugsrechtsausschlusses. Instruktiv ist der Fall KG, ZIP 2010, 1849. 110 Zu dieser Möglichkeit BGHZ 119, 305, 319 f. (Klöckner) und BGHZ 142, 167, 169 (Hilgers). 111 §§ 228 Abs. 1 AktG, 58a Abs. 4 Satz 1 GmbHG.

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der für die Erreichung des Mindestbetrages erforderlichen Höhe) und im Übrigen aus den einzubringenden Forderungen besteht. Hierbei empfiehlt sich allerdings die vorherige Abstimmung mit dem Handelsregister, dass diese Art der Durchführung den Anforderungen der §§ 228 Abs. 1 AktG, 58a Abs. 4 GmbHG genügt.112 Der Festlegung eines Ausgabebetrages bedarf es nach der heute wohl h. M. nicht.113 Die Festlegung der Sacheinlage, hier also der umzuwandelnden Forderungen, nimmt die Stelle des bei Bareinlagen erforderlichen Ausgabebetrages ein. Der Identifizierung der Gläubiger, deren Forderungen umzuwandeln sind, bedarf es nicht. Es genügt die Kennzeichnung der Art der Forderungen und des Umtauschverhältnisses. Die Abwicklung kann dann über einen Geschäftsbesorger erfolgen, der die Forderungen einbringt.114 Es genügt, diesen in dem Kapitalerhöhungsbeschluss und dem Zeichnungsschein als den Inferenten zu bezeichnen.

8. Differenzhaftung/Anfechtung Für die Gläubiger, die ihre Forderungen wandeln, verbleibt das Risiko einer Differenzhaftung.115 Das Risiko besteht jedenfalls in zweifacher Hinsicht: a) Wenn die Sanierung scheitert, ist nicht auszuschließen, dass ein Insolvenzverwalter erfolgreich geltend machen kann, die Voraussetzung der Forderungsumwandlung zu den Bewertungsgrundsätzen, wie sie hier ausgeführt sind, habe nicht vorgelegen, weil durch die Umwandlung die Überschuldung oder die Zahlungsunfähigkeit tatsächlich nicht habe beseitigt werden können. b) Nicht auszuschließen ist auch, dass auf die Klage eines Insolvenzverwalters hin das zuständige Gericht der hier vertretenen Auffassung zur Bewertung der eingebrachten Forderung nicht folgt und sich daraus selbst bei Annahme einer ursprünglichen Beseitigung von Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit eine Unterwertigkeit der Sacheinlage ergibt. _______________

112 Dies entspricht der h. M., Hüffer (Fn. 54), § 228 Rz. 3 m. w. N.; warnend Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 58a Rz. 34. 113 Hüffer (Fn. 54), § 183 Rz. 9 m. w. N. 114 Hüffer (Fn. 54), § 183 Rz. 9 zu der Abwicklung im Rahmen eines Übernahmeangebots. 115 §§ 9, 56 Abs. 2 GmbHG; zur AG: Hüffer (Fn. 54), § 183 Rz. 21 m. w. N.

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c) Zum Teil wird sogar die Frage nach einem Anfechtungsrisiko thematisiert.116 Eine Verkürzung der Haftungsmasse und damit eine Gläubigerbenachteiligung117 könnte jedoch nur angenommen werden, wenn der Vorgang künstlich aufgeteilt würde derart, dass zunächst eine Einlageforderung auf etwas anderes als die eingebrachte Forderung bestünde und diese dann durch Aufrechnung118 oder Abtretung einer minderwertigen Forderung zum Erlöschen gebracht würde. Diese Hypothese entspricht nicht dem realen Vorgang.

9. Sonderfälle Für einzelne Fälle gelten Sonderregeln: a) Werden Wandelschuldverschreibungen gewandelt, so liegt darin gemäß § 194 Abs. 1 Satz 2 AktG keine Sacheinlage. Das ist in den Bestimmungen über das bedingte Kapital vorgesehen und gilt wohl nur für den Fall des bedingten Kapitals. Die Ansicht, diese Bestimmung sei verallgemeinerungsfähig,119 hat sich nicht durchgesetzt. Die h. M. sieht die Erklärung für diese Regelung darin, dass bei der Ausgabe der Schuldverschreibungen Bargeld geleistet wurde, das nun nachträglich mit der Wandlung umgewidmet wird.120 Diese Begründung kann nicht überzeugen. Denn dieselbe Lage – ursprüngliche Zahlung von Geld – trifft in der gleichen Weise auf viele Fälle umzuwandelnder Forderungen zu. Ein Unterschied bestünde allenfalls darin, dass sich der Zeichner einer Wandelschuldverschreibung von vornherein die spätere Umwidmung vorbehält. Wäre dies der maßgebende Grund, so wäre die Rechtsprechung zur Voreinzahlung auf eine Kapitalerhöhung121 nicht richtig. Ginge es darum, ob ursprünglich Geld oder ein anderer Gegenstand geleistet wurde, müsste bei der Bewertung von Forderungen, die als Sacheinlage eingebracht werden, auch nicht auf die Fähigkeit der Gesellschaft abgestellt werden, die Forderung zu befriedigen, sondern vielmehr auf den ursprünglichen Entstehungsgrund und die der Gesellschaft bei der Begründung der Forderung erbrachte Leistung. _______________

116 117 118 119 120 121

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Ekkenga, ZGR 2009, 581, 588; dazu bereits oben II.4. sowie Fn. 65. § 129 InsO. § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO. Karollus, ZIP 1994, 589, 591 ff. Lutter (Fn. 66), § 194 Rz. 3; auch Frey (Fn. 31), § 194 Rz. 22 ff. Dazu siehe nur Hüffer (Fn. 54), § 188 Rz. 7 f.

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Die Bestimmung, dass die Hingabe von Wandelschuldverschreibungen, keine Sacheinlage ist, gilt auch für sog. Pflichtwandler nach bisherigem Recht. Das sind Wandelschuldverschreibungen, die auf Anforderung des Emittenten unter bestimmten Voraussetzungen zu wandeln sind. Dabei handelt es sich nicht um eine besondere Kategorie von Wandlungsmöglichkeiten, sondern um vertragliche Ausgestaltungen der Wandelschuldverschreibungen, in denen die Gläubiger verpflichtet werden, auf entsprechende Erklärung des Emittenten zu wandeln, und die Erfüllung dieser Verpflichtung durch entsprechende Vollmachtsregelungen abgesichert sind. b) Nach dem neuen Schuldverschreibungsgesetz können die Gläubiger einer Anleiheemission mehrheitlich beschließen, ihre Forderungen in Anteile des Schuldners umzuwandeln.122 Der Beschluss hat die Umwandlung nicht unmittelbar zur Folge, sondern bindet nur die Gläubiger. Die gesellschaftsrechtlichen Voraussetzungen für die Umwandlung sind auf der Seite des Schuldners zu schaffen. Die Bestimmung, wonach die Hingabe von Schuldverschreibungen im Umtausch gegen Bezugsaktien nicht als Sacheinlage gilt, sollte analog angewandt werden. Deren übliche, wenn auch nicht überzeugende, Begründung trifft genauso auf den Fall der Hingabe von Schuldverschreibungen zu, die nicht von vornherein als Wandelschuldverschreibungen ausgegeben waren. Denn das Schuldverschreibungsgesetz gilt nur für Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen123 und solche können faktisch nicht anders als gegen Barzahlung ausgegeben werden. Folgt man der hier vertretenen Analogie nicht, so gilt auch die nach dem Schuldverschreibungsgesetz beschlossene Umwandlung als Sacheinlage, die nach den allgemeinen Grundsätzen bewertet werden müsste.

IV. Weitere Aspekte 1. Steuerrecht124 Die Forderungsumwandlung führt steuerrechtlich bei der Gesellschaft zu einem steuerpflichtigen Ertrag in Höhe der Differenz zwischen dem _______________

122 § 5 Abs. 3 Nr. 5 SchVG; dazu ausführlich Maier-Reimer (Fn. 53), 307. 123 § 1 Abs. 1 SchVG. 124 Ausführlich zu steuerrechtlichen Aspekten des Debt Equity Swap Scheunemann/Hoffmann, DB 2009, 983; Schmidt/Schlitt, Der Konzern 2009, 279, 287 ff.

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Nennbetrag der Verbindlichkeit und dem nach steuerlichen Grundsätzen anzusetzenden Wert der Forderung.125 Dieser Wert wird steuerrechtlich aus der Sicht des Gläubigers, d. h. danach bemessen, mit welcher Befriedigungsquote der Gläubiger hätte rechnen können.126 Diese steuerrechtliche Diskriminierung der Sanierung wird durch das ESUG nicht bereinigt. Die steuerliche Sicht wird zum Teil als zutreffende Behandlung des Sachverhaltes gewertet, die insoweit der „zutreffenden“ gesellschaftsrechtlichen Betrachtung entspreche.127 Das lässt sich auch andersherum sehen: Bei der Gesellschaft entsteht ein Ertrag – und gerade den leugnet die herrschende Meinung, welche die Forderung für minderwertig hält. Der Ertrag stammt aber nicht aus dem Vermögen des Gläubigers, wenn aus dessen Perspektive die Forderung minderwertig war. Ob es sachgerecht ist, dass aus diesem Grund der „Ertrag“ besteuert wird, mag hier dahinstehen. Maßgebend für die gesellschaftsrechtliche Beurteilung ist die Vermögensmehrung, die der Ertragsbesteuerung dieses Zuwachses gerade zugrunde liegt. Die steuerliche Sicht führt also wieder auf die Frage zurück, ob für das Kapitalaufbringungsrecht die Vermögensmehrung bei der Gesellschaft (einschließlich des steuerlich anzunehmenden Ertrags) maßgeblich ist oder der aus der Sicht des Inferenten zu bewertende Aufwand. Stellt man auf die Sicht der Gesellschaft ab, so müsste allerdings auch gefragt werden, ob die Besteuerung des „Ertragsanteils“ zu einer Minderung der Vermögensmehrung führt. Allerdings wird in der Regel diesem Ertrag ein entsprechender Verlustvortrag gegenüberstehen. Es bliebe dann die Frage, ob die Vermögensmehrung insoweit durch die steuerliche Belastung gemindert ist, als wegen der Grundsätze der Mindestbesteuerung entweder ein Zins_______________

125 Mückl, FR 2009, 497, 500 m. w. N.; Drouven, DB 2009, 1895, 1896; Drukarczyk/Schöntag in Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2010, § 3 Rz. 89. 126 Siehe BFH, BStBl. II 2001, 747 m. w. N., dem zufolge eine signifikante Überschuldung und die hiermit verbundene Konkursgefahr eines Betriebs den Anscheinsbeweis für eine Wertminderung der Gläubigeransprüche begründen und damit Auswirkungen auf den (grundsätzlich maßgeblichen) gemeinen Wert einer Forderung haben. Zur Maßgeblichkeit des gemeinen Werts Mückl, FR 2009, 497, 500 m. w. N. und Drouven, DB 2009, 1895, 1896. Für den Verzicht einer verdeckt eingelegten Forderung, die gemäß BFH, BStBl. II 1998, 307 mit dem Teilwert anzusetzen ist, gilt im Ergebnis nichts anderes, da sich nach st. Rspr. gemeiner Wert und Teilwert bei Kapitalforderungen entsprechen, siehe BFH, BStBl. II 2001, 747 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen. 127 Priester, DB 2010, 1445, 1448 f.

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nachteil (erst spätere Berücksichtigung der Verlustvorträge) entsteht oder der Verlustvortrag mangels entsprechender Gewinne in künftigen Jahren nicht nutzbar ist, oder ob umgekehrt der Verbrauch eines Verlustvortrags den Wert für die Gesellschaft mindert. Das führt indessen über den Rahmen der heutigen Veranstaltung hinaus.

2. Bilanzierung Wenn das Nennkapital – insbesondere zur Wahrung einer angemessenen Beteiligung der Altgesellschafter – um einen Betrag erhöht wird, der niedriger ist als der Nennbetrag der umgewandelten Forderungen, bleibt die Frage, wie die Differenz zu verbuchen ist. Sofern nicht – etwa im Zusammenhang mit einer Kapitalherabsetzung – Wertberichtigungen auf der Aktivseite erfolgen, entsteht in Höhe der Differenz weiteres Eigenkapital, das ggf. mit ausgewiesenen Verlusten zu verrechnen ist. In der Literatur wird kontrovers behandelt, wie diese Eigenkapitalposition zu behandeln ist.128 Meines Erachtens gibt es dafür nur eine Antwort: Dieser Mehrbetrag ist als sog. Agio-Rücklage gemäß § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB zu verbuchen und unterliegt damit in der Aktiengesellschaft dem vollen Kapitalerhaltungsschutz, vorbehaltlich einer Verlustverrechnung.129 Dafür kommt es nicht darauf an, dass ein entsprechend hoher Ausgabebetrag festgesetzt wurde. Denn nach der eindeutigen Formulierung des HGB kommt es nur darauf an, ob ein über dem Nennbetrag oder rechnerischen Wert hinausgehender Betrag bei der Ausgabe von Anteilen „erzielt“ wird. Das ist unbestreitbar der Fall, auch wenn kein Agio festgesetzt wird.130 Der Vorschlag, die Forderung zum Teil als Sacheinlage einzubringen und sie im Übrigen aufgrund schuldrechtlicher Vereinbarung und außerhalb des gesellschaftsrechtlichen Regimes „schlicht“ einzulegen, mit der Folge, dass es sich insoweit um _______________

128 Priester, DB 2010, 1445, 1448; v. Dryander/Niggemann in Hölters, AktG, 2011, § 183 Rz. 19; Ekkenga, ZGR 2009, 581, 614 ff.; zur bilanziellen Behandlung von Sacheinlagen Kropff in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 272 HGB Rz. 74 ff.; Clemens in Beck’sches IFRS-Handbuch, 3. Aufl. 2009, § 12, Rz. 55 mit Verweis auf die Behandlung nach IFRS und HGB. 129 A. M. Priester, DB 2010, 1445, 1448 nach dem der „nicht werthaltige Teil“ wie im Steuerrecht auch handelsrechtlich erfolgswirksam zu verbuchen ist. 130 A. M. Ekkenga, ZGR 2009, 581, 615 f., der meint, das gelte nur in Höhe des festgesetzten Ausgabebetrages und ein steuerpflichtiger Ertrag (siehe oben im Text unter IV.1.) „entstehe (auch? nur?) im Falle eines „verdeckten Aufgelds durch Unterbewertung der Sacheinlage“.

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„andere Zuzahlungen“ i. S. v. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB handele,131 kann in den hier erörterten Fällen nicht zu einer anderen Behandlung führen. Er setzt nämlich voraus, dass der in der Kapitalerhöhungsdokumentation festgelegte Teil der Forderung für die Kapitalerhöhung genügt. Kann dessen Werthaltigkeit im Sinne der vorstehenden Ausführungen nur unter der Voraussetzung angenommen werden, dass der übrige Teil der Forderung, wenn auch auf anderem Wege gleichzeitig eingebracht wird, so gehört auch dieser zwingend zu der gesellschaftsrechtlich begründeten Einlagepflicht. Anders wäre es, wenn ausdrücklich ein Teil der Forderung als Sacheinlage und der andere Teil als sonstige Zuzahlung eingebracht worden wäre,132 und die Einbringung des als Sacheinlage eingebrachten Teils zur Beseitigung von Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung genügt hätte. Anders ist es auch, wenn zunächst auf einen Teil der Forderung als sonstige Zuzahlung verzichtet und sodann der verbleibende Teil als Sacheinlage eingebracht wird.

V. Zusammenfassende Thesen 1. In der Planinsolvenz ist Werthaltigkeit einer Forderung nicht Voraussetzung ihrer Umwandlung in Beteiligungen. 2. Wird durch einen Debt Equity Swap außerhalb der Insolvenz Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft zuverlässig beseitigt, können die gewandelten Forderungen mit ihrem Nennwert bewertet werden. Die Bewertung erfolgt aufgrund der durch die Umwandlung entstehenden Lage. 3. Die Nennwertanrechnung unter diesen Voraussetzungen gefährdet weder schutzwürdige Interessen von Altgläubigern oder Altgesellschaftern, noch künftige Gläubiger. 4. Die Nennwertanrechnung gilt nicht für den Debt Equity Swap durch verdeckte Sacheinlage.

_______________

131 Ekkenga, ZGR 2009, 581, 592. 132 Adler/Düring/Schmaltz, 6. Aufl. 1997, § 272 HGB Rz. 90.

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Bericht über die Diskussion des Referats Maier-Reimer Dr. Axel Wenzel, LL.M. (Norwich) Rechtsanwalt, Köln Im Anschluss an das Referat von Maier-Reimer folgte eine kontroverse Diskussion, die von Karsten Schmidt geleitet wurde. Karsten Schmidt hob die Schwierigkeit und die vielen Implikationen, die mit diesem Gebiet verbunden sind, hervor und schlug vor, zum Zwecke der Diskussion die Reihenfolge des Referats umzukehren und zunächst den Debt Equity Swap nach Kapitalgesellschaftsrecht, also die freie Sanierung außerhalb der Insolvenzordnung, und sodann den Debt Equity Swap nach ESUG zu behandeln. Zur Einleitung der Diskussion fasste Karsten Schmidt nach seinem Verständnis die Kernthese des Referats zusammen: Es gehe darum, trotz finanzieller Schieflage der Gesellschaft eine Gläubigerforderung zum Nennwert einzubringen, nicht aber darum, durch Erlass etwa eines Drittels den verbleibenden Wert werthaltig zu machen und dann einzubringen.

I. Debt Equity Swap nach Kapitalgesellschaftsrecht Priester stimmte mit Maier-Reimer überein, dass weder Gesellschafter noch Altgläubiger durch einen zum Nennwert durchgeführten Debt Equity Swap benachteiligt würden. Er widersprach jedoch bezüglich zukünftiger Gläubiger. An dem Deckungserfordernis müsse daher festgehalten werden. Nach seiner Ansicht habe Maier-Reimer den Grundsatz der Kapitalaufbringung nicht hinreichend berücksichtigt. Danach sei der Gesellschaft werthaltiges Vermögen zuzuführen. Von Dritten könne nicht erwartet werden, die im Handelsregister eingetragene Kapitalziffer vor dem Hintergrund eines offengelegten Debt Equity Swaps zu bewerten. Wollte man die Einbringung nicht werthaltiger Forderungen zulassen, so würde man im Ergebnis lediglich Hoffnungen einbringen. Drygala widersprach der These von Maier-Reimer, dass die Kapitalaufbringung den Haftungsfonds der Gesellschaft sicherstellen solle und daher maßgebend für die Bewertung der Sacheinlage nicht sei, was sie

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Wenzel – Bericht über die Diskussion des Referats Maier-Reimer

den Inferenten kostet, sondern was sie der Gesellschaft bringt, also die Perspektive der Gesellschaft. Das satzungsmäßige Kapital ist nach Drygala der vom Gesetz verlangte Eigenbeitrag, der finanzielle Geisterfahrten verhindern soll. Der Gesellschafter solle sich am Risiko beteiligen, da sonst eine erhebliche Gefahr von Misswirtschaft bestehe. Dem widerspreche die Einbringung von nicht werthaltigen Forderungen. Bei diesem Modell könnten die umwandelnden Gläubiger nur gewinnen, der Schaden liege bei den Neugläubigern. Zwar würden dadurch sicherlich Sanierungen erleichtert, jedoch ginge es nicht darum, eine Gesellschaft über einen kurzen Zeitraum zu retten, sondern nachhaltig, auch betriebswirtschaftlich zu sanieren. Maier-Reimer entgegnete, dem Verständnis des Kapitalaufbringungsgrundsatzes von Priester und Drygala liege zugrunde, dass die Kapitalaufbringung den Gesellschafter etwas kosten müsse. Dies decke sich jedoch nicht mit der Perspektive der Gesellschaft, denn diese habe durch die Einbringung, auch einer nicht vollwertigen Forderung, etwas erhalten. Im Übrigen sei für die zukünftigen Geschäftspartner der Gesellschaft völlig belanglos, was irgendwann einmal als Stammkapital eingetragen wurde. Was zähle, sei, was im Zeitpunkt der Vertragsbegründung noch da ist. Von dieser Perspektive müsse man natürlich dann abrücken, wenn man es für maßgeblich halte, dass der Gesellschafter mit der Erbringung der Einlage Vertrauen in die Zukunft der Gesellschaft ausdrücke. Raeschke-Kessler verglich den Debt Equity Swap mit der harten Patronatserklärung. Letztere beseitige nach jüngerer Rechtsprechung des BGH eine Überschuldung. Er äußerte die Frage, warum der Debt Equity Swap eine andere Wirkung haben solle als eine harte Patronatserklärung. Maier-Reimer stimmte dem im Ergebnis zu, sah jedoch den Unterschied zur harten Patronatserklärung darin, dass diese von einem Gesellschafter stamme, der Debt Equity Swap hingegen erst zur Gesellschafterstellung des Inferenten führen könne. Maier-Reimer führte weiter aus, dass die von Karsten Schmidt eingangs erwähnte Überlegung, ein Drittel der Forderung zu erlassen und die Restsumme einzulegen, im Ergebnis das Gleiche sei, wie die gesamte Forderung zu zwei Drittel des Nennwerts in die Gesellschaft einzulegen. Die Unterschiede mögen in der bilanziellen und steuerlichen Behandlung liegen. Hügel bildete den Fall einer Gesellschaft mit einem Stammkapital von 100, einer Kasse von 100 und einer Verbindlichkeit gegenüber einem

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Gesellschafter in Höhe von 200, also einer Überschuldung in Höhe von 100. Würde die Gesellschafterforderung zum Nennwert eingebracht, so verfüge die Gesellschaft über ein Stammkapital von 300 und einer Kasse in Höhe von 100. Die Einbringung führe also zu dem Ergebnis, dass eine Gesellschaft mit wenig bzw. gar keinem Vermögen über eine enorme Stammkapitalziffer verfüge. Maier-Reimer erwiderte, dass auch in diesem Extrembeispiel der Debt Equity Swap offengelegt ist und gleichwohl einen Wert für die Gesellschaft habe. Anders hätte man dies freilich behandeln müssen, wenn noch das alte Eigenkapitalersatzrecht Geltung hätte.

II. Der Debt Equity Swap nach dem ESUG Karsten Schmidt stellte heraus, dass das ESUG durch Stärkung der Eigenverwaltung und des Insolvenzplans sowie einer Annäherung an das Verfahren unter Chapter 11 US Bankruptcy Code Sanierungen erleichtern möchte. Neu sei vor allem, dass Gesellschafter nun mit am Insolvenzplan teilnehmen und so die Möglichkeit der Schnürung eines Gesamtpaketes besteht. Karsten Schmidt bat daraufhin um Meinungen zu der These von MaierReimer, dass es auf die Bewertung einer im Rahmen des Insolvenzplans einzubringenden Forderung überhaupt nicht ankomme. Er eröffnete selbst die Diskussion und widersprach der These von Maier-Reimer. In der Insolvenz sei die Situation noch viel dramatischer als bei der Sanierung außerhalb der Insolvenz. Eine Beteiligung von Gläubigern zum Nennwert werde auf Unverständnis der bisherigen Gesellschafter stoßen. Zwar gebe es auch die Ansicht, dass die Beteiligung der Gesellschafter in der Insolvenz keinen Wert habe, aber auch dies sei eine Extremauffassung. Maier-Reimer stimmte dem insoweit zu, als eine Bewertung in Fällen wichtig sei, in denen das Stammkapital nach einer Kapitalherabsetzung auf Null durch eine Bareinlage aufgefüllt werden muss. Im Übrigen sei der Insolvenzverwalter schlecht beraten, wenn nach seinem Plan alle Gläubiger ihre Forderung zum Nennwert in die Gesellschaft einbrächten, da dies zur Dividendenunfähigkeit der Gesellschaft führen würde. Drygala wies auf die Regelungstechnik des Gesetzes hin. So sei in § 254 Abs. 4 Satz 2 InsO-E eine Differenzhaftung ausdrücklich ausgeschlossen. Dies setze aber voraus, dass der Gesetzgeber das Risiko der Differenzhaftung gesehen hat. Nach dem von Maier-Reimer vorgeschlagenen

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Wenzel – Bericht über die Diskussion des Referats Maier-Reimer

Modell gäbe es ein solches Risiko jedoch nicht. Außerdem sei nach der Prämisse von Maier-Reimer Voraussetzung für die Einbringung der Forderung zum Nennwert, dass nach Durchführung der Einbringung die Gesellschaft nicht mehr zahlungsunfähig und überschuldet ist. Drygala warf die Frage auf, wer dies prüfe. Maier-Reimer erwiderte, dass man § 254 Abs. 4 InsO-E durchaus anders hätte formulieren können. Im Übrigen sei der Gesetzgeber nicht für die Dogmatik zuständig. Aus der Formulierung könne er jedenfalls nicht schließen, dass Vollwertigkeit vorausgesetzt werde. Altmeppen führte aus, der Debt Equity Swap solle dem Gläubiger – ohne nennenswerte Blockierstellung der Anteilseigner, die der Gesetzgeber gerade beseitigen wolle – die Chance einräumen, die Gesellschaft mit dem Restwert seiner Forderung zu übernehmen und zu sanieren (nach einem Kapitalschnitt). Die Auffassung von Maier-Reimer führe dazu, dass nicht vorhandenes Vermögen bzw. Schulden in nicht vorhandenes Eigenkapital umgewandelt würden. Der Debt Equity Swap mache daher nur unter dem Aspekt eines Kapitalschnitts Sinn. Maier-Reimer hob noch einmal hervor, der Insolvenzplan müsse so gestaltet werden, dass die Gesellschaft auch lebensfähig sei. Auch wenn die Gläubigerforderungen nicht vollwertig seien, seien sie doch nicht völlig wertlos. Deshalb müssten die Gläubiger für ihre Aufgabe durch Umwandlung etwas erhalten, nämlich die Aussicht, am zukünftigen Erfolg des Unternehmens teilzuhaben. Dabei werde sich die Gefahr, dass ein Eigenkapital in schwindelerregender Höhe aufgebaut würde, durch das Interesse an der Dividendenfähigkeit der Gesellschaft selbst regulieren. Ginge man dabei dann davon aus, dass auch Altgesellschafter noch in irgendeiner Art und Weise beteiligt werden müssten, da trotz Insolvenz ihre Beteiligung noch irgendeinen Wert habe, so führe dies zu den behandelten Problemen.

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Praxisfragen der GmbH-Gesellschafterliste Dr. Hartmut Wicke, LL.M. (Stellenbosch) Notar, München I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . 145

3. Ausschlussgründe . . . . . . . 156

II. Ziele der Neuregelung . . . . . . 146

V. Einreichungspflicht bei Veränderungen: Lückenlose Nachvollziehbarkeit . . . . . . . 157

III. Legitimationswirkung der Gesellschafterliste . . . . . . . . . 1. Unwiderlegliche Vermutung der Gesellschafterstellung . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Eintritt der Legitimationswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vorverlagerung der Legitimationswirkung gemäß § 16 Abs. 1 Satz 2 GmbHG IV. Gutgläubiger Erwerb von Geschäftsanteilen . . . . . . . . . . 1. Bezugsgegenstand des gutgläubigen Erwerbs . . . . . . . 2. Kein gutgläubiger Erwerb bei Verfügungsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . a) BGH, Beschluss v. 20.9.2011 – II ZB 17/10 . b) Weitgehende richterliche Selbstbeschränkung c) Konsequenzen für die Beratungs- und Gestaltungspraxis . . . . . . . . . . . d) Verfügungsbeschränkungen im Sinne des § 892 Abs. 1 Satz 2 BGB

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VI. Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . 1. Geschäftsführer . . . . . . . . . 2. Notar . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Alleiniger Verantwortungsbereich . . . . . . . . . . b) Voraussetzungen . . . . . . c) Insbesondere: Mittelbare Mitwirkung . . . . . . . . . . d) Auslandsbeurkundung . aa) LG Frankfurt und OLG Düsseldorf . . . bb) Kritik . . . . . . . . . . . .

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VII. Inhalt der Gesellschafterliste 166 1. Nummerierung der Geschäftsanteile . . . . . . . . . . . 166 2. Registerklarheit und Spielraum in der Ausgestaltung 167 VIII.Verfahrensfragen . . . . . . . . . . 168 1. Prüfung durch das Registergericht . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 2. Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 IX. Schluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169

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I. Einleitung Die Gesellschafterliste der GmbH hat durch das MoMiG einen erheblichen Bedeutungswandel erfahren und ist neben der Satzung zum wichtigsten Dokument der Gesellschaft avanciert: Sie wurde aufgewer-

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tet zu einem Rechtsscheinträger, der einerseits als maßgebliche Legitimationsgrundlage für die Entstehung von Rechtsbeziehungen zwischen GmbH und Gesellschafter dient (§ 16 Abs. 1 GmbHG) und andererseits die Grundlage für einen erstmals zulässigen gutgläubigen Erwerb von GmbH-Geschäftsanteilen schafft (§ 16 Abs. 3 GmbHG). Während juristisch im Grundsatz die Geschäftsführer „nach Wirksamwerden jeder Veränderung in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung eine von ihnen unterschriebene Liste der Gesellschafter zum Handelsregister einzureichen“ haben (§ 40 Abs. 1 GmbHG), liegt die Zuständigkeit im praktischen Regelfall beim Notar1, wenn er an einer entsprechenden Änderung mitgewirkt hat (§ 40 Abs. 2 GmbHG), wie dies insbesondere bei der Beurkundung von Anteilsabtretungen der Fall ist. Im Folgenden sollen einige zentrale Fragen der Gesellschafterliste in den Blick genommen werden, die sich in der Beratungspraxis regelmäßig stellen und teilweise auch Gegenstand von gerichtlichen Entscheidungen waren.

II. Ziele der Neuregelung Die Neukonzeption der Gesellschafterliste dient nach dem Willen des Gesetzgebers der Missbrauchsbekämpfung als einem zentralen Ziel des MoMiG und verfolgt darüber hinaus das allgemeine Anliegen, Transparenz über die Anteilseignerstrukturen der GmbH zu schaffen und Geldwäsche zu verhindern.2 Durch die Ermöglichung des gutgläubigen Erwerbs sollen aufwendige Due-Diligence-Prüfungen verhindert und Erleichterungen für die Transaktionspraxis geschaffen werden.3 Die Gesellschafterliste bezweckt damit den Schutz der Interessen –

der GmbH selbst, die in dem (Rechte und Pflichten begründenden) Rechtsverhältnis zu ihren Gesellschaftern Rechtsklarheit über deren Personen haben muss,

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1 Vgl. auch Omlor/Spies, MittBayNot 2011, 353, 359: normatives Regel-Ausnahme-Verhältnis von § 40 Abs. 1 und 2 GmbHG zugunsten der Notarzuständigkeit. 2 Regierungsbegründung, nach Goette, Einführung in das neue GmbH-Recht, 2008, S. 233 f. 3 Regierungsbegründung, nach Goette, Einführung in das neue GmbH-Recht, 2008, S. 236.

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von Gläubigern in der Verfolgung des Ziels, sich Ansprüche der GmbH gegen die Gesellschafter pfänden und überweisen zu lassen, ferner des Registergerichts, das sich bei der formellen Prüfung von Gesellschafterbeschlüssen über die Personen der Anteilsinhaber vergewissern muss, des eingetragenen Gesellschafters zur Wahrung seiner Gesellschafterrechte und schließlich der Erwerber von Geschäftsanteilen, die Informationen über die Berechtigung eines Veräußerers benötigen.4

III. Legitimationswirkung der Gesellschafterliste 1. Unwiderlegliche Vermutung der Gesellschafterstellung Nach § 16 Abs. 1 GmbHG gilt im Fall einer Veränderung in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung als Inhaber eines Geschäftsanteils im Verhältnis zur GmbH nur, wer als solcher in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste eingetragen ist. Die Vorschrift bedeutet jedoch nicht, dass die Eintragung für den Erwerb von Anteilen erforderlich wäre.5 Die Eintragung in der Gesellschafterliste begründet eine unwiderlegliche Vermutung der materiellen Berechtigung des Gesellschafters gegenüber der GmbH.6 Der Eingetragene gilt daher regelmäßig, selbst wenn er nicht der materiell Berechtigte ist, und zwar nur er, der GmbH gegenüber als Gesellschafter. Erfasst werden von der Vermutung des § 16 Abs. 1 GmbHG alle mitgliedschaftlichen Rechte und Pflichten.7 Dies gilt namentlich für das Teilnahmerecht an Gesellschafterversammlungen, das Stimmrecht oder das Auskunftsrecht, aber auch für Vermögensrechte, wie das Bezugsrecht und den Gewinnanspruch, umgekehrt aber auch etwa für die Verpflichtung zur Leistung der Einlage und die Pflichten der Gesellschafter bei Füh_______________

4 Wicke, GmbHG, 2. Aufl. 2011, § 40 Rz. 1; Heckschen/Heidinger, Die GmbH in der Gestaltungs- und Beratungspraxis, 2. Aufl. 2009, § 13 Rz. 256; D. Mayer, ZIP 2009, 1037, 1038. 5 Wicke, GmbHG, § 16 Rz. 2. 6 Bayer in Liber amicorum Martin Winter, 2011, S. 9, 21; Omlor/Spies, MittBayNot 2011, 353, 355; Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 16 Rz. 5; Wicke, GmbHG, § 16 Rz. 3. 7 Seibt in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2010, § 16 Nachtrag MoMiG Rz. 34.

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rungslosigkeit der GmbH.8 Soweit sich im Einzelfall aus der Gesellschafterstellung mitgliedschaftliche Rechte und Pflichten nicht nur gegenüber der GmbH, sondern auch gegenüber Mitgesellschaftern ergeben, ist § 16 Abs. 1 GmbHG auch im Verhältnis der Gesellschafter untereinander anwendbar.9

2. Eintritt der Legitimationswirkung Die Legitimationswirkung tritt regelmäßig ein, sobald die jeweilige Gesellschafterliste in den für das entspr. Registerblatt bestimmten Registerordner (§ 9 Abs. 1 HRV) aufgenommen ist, also beim Handelsregister elektronisch eingesehen werden kann. Für die Praxis folgt hieraus die nachdrückliche Empfehlung, vor jeder Gesellschafterversammlung oder sonstigen für das Mitgliedschaftsverhältnis relevanten Maßnahme die aktuelle Gesellschafterliste im elektronischen Handelsregister abzurufen. Bis zur Aufnahme der Gesellschafterliste im Handelsregister hat die GmbH weiterhin die noch eingetragenen Personen als Gesellschafter zu behandeln, diese insbesondere zur Gesellschafterversammlung zu laden und eine Dividende an sie auszuzahlen. Dies gilt im Grundsatz auch, wenn die GmbH Kenntnis von der Unrichtigkeit der Liste hatte; sind allerdings die Voraussetzungen für die Einreichung der neuen Liste bereits erfüllt, ist die GmbH gehalten, keine vollendeten Tatsachen zu schaffen, mit der Folge möglicher Anfechtungs- oder Schadensersatzkonsequenzen bei Nichtbeachtung.10 Die Entkoppelung der Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 GmbHG von der materiellen Rechtslage darf angesichts der klaren gesetzgeberischen Wertung im Übrigen nur in engen Ausnahmekonstellationen aufgehoben werden, wie etwa in Fällen einer bewussten Manipulation bei der Erstellung der Liste.11 Bei vor dem 1.11.2008 eingereichten Altlisten ist nach einem zutreffenden Beschluss des LG München I für die Legitimationswirkung nicht die Angabe in der Gesellschafterliste gemäß § 16 Abs. 1 GmbHG maßgeblich, sondern entsprechend der früheren Rechtslage die seinerzeit erfolgte _______________

8 Siehe Horstkotte, ZInsO 2009, 209, 214 f.; vgl. i. e. Wicke, GmbHG, § 16 Rz. 3. 9 Löbbe in Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, Ergänzungsband MoMiG, 2010, § 16 Rz. 108; Verse in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 2011, § 16 GmbHG Rz. 11; Beispiel: § 24, satzungsmäßige Rechte und Pflichten. 10 Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, § 16 Rz. 33; vgl. auch Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 16 Rz. 5. 11 Omlor/Spies, MittBayNot 2011, 353, 355; Bayer in Liber amicorum Martin Winter, 2011, S. 9, 27; Wicke, GmbHG, § 16 Rz. 4, 9.

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Anzeige bei der Gesellschaft bzw. die materielle Rechtslage.12 Die im Schrifttum vertretene Gegenauffassung ist abzulehnen, da sie zu einem Eingriff in ordnungsgemäß begründete Legitimationsverhältnisse führt. Bis zu einer höchstrichterlichen Klärung der Frage dürfte es allerdings ratsam sein, vor einer Beschlussfassung eine aktualisierte Gesellschafterliste einzureichen.13 In einem entsprechenden Altfall sind die Geschäftsführer hierzu (auch ohne Vorliegen einer Veränderung i. S. des § 40 GmbHG) berechtigt14; die Einreichung kann nach zutreffender Auffassung auch anlässlich der Beschlussfassung erfolgen, sofern die Liste anschließend gemäß § 16 Abs. 1 Satz 2 GmbHG unverzüglich in das Handelsregister aufgenommen wird.15

3. Vorverlagerung der Legitimationswirkung gemäß § 16 Abs. 1 Satz 2 GmbHG In der Praxis ist es nicht unüblich, dass im unmittelbaren Anschluss an eine Anteilsübertragung bereits durch den neuen Gesellschafter Beschlussfassungen, etwa zur Satzungsänderung oder zur Bestellung von Geschäftsführern, erfolgen sollen. Diesem Bedürfnis trägt die Sonderregelung in § 16 Abs. 1 Satz 2 GmbHG Rechnung. Demnach sind derartige Rechtshandlungen zwar zunächst schwebend unwirksam. Sie werden aber wirksam, wenn die Liste unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Verzögern (§ 121 BGB), nach Vornahme der Rechtshandlung in das Handelsregister aufgenommen wird. Bei einem Zeitraum von vier Wochen sollte im Regelfall nicht von einer schuldhaften Verzögerung ausgegangen werden.16 Verzögerungen, die vom Erwerber nicht verschuldet sind, verhindern die Wirkung des § 16 Abs. 1 Satz 2 GmbHG nicht. Dies dürfte nicht nur dann gelten, wenn die Ursache der Verzögerung im Bereich des Handelsregisters liegt17, sondern auch bei einem

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12 LG München I, NZG 2010, 394; Wicke, NotBZ 2009, 12; a. A. aber DNotIReport 2008, 185. 13 Siehe auch Wicke, GmbHG, § 16 Rz. 2; Schiemzik, NWB Steuer- und Wirtschaftsrecht 28/2011, S. 2481, 2488. 14 Vgl. auch Ebbing in Michalski, GmbHG, 2. Aufl. 2010, § 16 Rz. 20 f. 15 D. Mayer, ZIP 2009, 1037, 1041; Wicke, GmbHG, § 16 Rz. 11a; siehe ferner unten III. 3. 16 Zutreffend Seibt in Scholz, GmbHG, § 16 Rz. 47; a. A. Bayer in Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rz. 37. 17 H. M.; a. A. Gasteyer/Goldschmidt, ZIP 2008, 1906, 1909.

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schuldhaften Zögern des Geschäftsführers oder Notars.18 Nicht erfasst von § 16 Abs. 1 Satz 2 GmbHG sind hingegen Rechtshandlungen der Gesellschaft gegenüber dem Erwerber, wie etwa die Auszahlung der Dividende.19 Unter Berücksichtigung des Zwecks von § 16 Abs. 1 Satz 2 GmbHG wird man den durch die neuen Gesellschafter bestellten Geschäftsführer nach dieser Vorschrift für legitimiert ansehen können, die Anmeldung etwa beschlossener Maßnahmen (einschließlich seiner eigenen Bestellung) zum Handelsregister vor Zugang der Liste beim Registergericht zu unterschreiben und auch sonstige rechtserhebliche Willenserklärungen, einschließlich einseitiger Rechtsgeschäfte, mit Wirkung für und gegen die Gesellschaft abzugeben. Erfolgt die Aufnahme hingegen nicht unverzüglich, so sind die Rechtshandlungen nach Vorstellung des Gesetzgebers endgültig unwirksam.20 Problematisch an dieser Sichtweise ist, dass ein neuer Gesellschafter Statusmaßnahmen wie die Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern beschließen kann, die auch nicht kurzzeitig in der Schwebe bleiben sollten.21 Vor diesem Hintergrund wird im Schrifttum für eine Wirksamkeit der Rechtshandlungen des Geschäftsführers nach den Grundsätzen zur fehlerhaften Organstellung plädiert.22 Die Vorschrift des § 16 Abs. 1 Satz 2 GmbHG gilt auch beim erbrechtlichen Erwerb.23 Da § 16 Abs. 1 Satz 2 GmbHG keine unmittelbar voraus gehende Rechtsänderung verlangt, sondern nur zur Voraussetzung hat, dass „unverzüglich nach Vornahme der Rechtshandlung“, die Aufnahme der neuen Liste erfolgt, genügt es darüber hinaus, wenn eine neue Liste zum Handelsregister anlässlich einer Beschlussfassung eingereicht wird.24 In der Praxis ist es mittlerweile üblich, dass Beschlüsse vor Aufnahme der neuen Liste im Handelsregister noch durch den Veräußerer oder mit dessen Zustimmung bzw. aufgrund von diesem erteilter Vollmacht gefasst werden.25 _______________

18 Zirngibl in Bunnemann/Zirngibl, Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung in der Praxis, 2. Aufl. 2011, § 4 Rz. 25; Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 16 Rz. 21; a. A. Seibt in Scholz, GmbHG, § 16 Rz. 47. 19 Löbbe in Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, Ergänzungsband MoMiG, 2010, § 16 Rz. 87; Verse in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 16 GmbHG Rz. 24. 20 BT-Drs. 16/6140, S. 38. 21 Bohrer, DStR 2007, 1002; kritisch auch Greitemann/Bergjan in FS Pöllath, 2008, S. 274. 22 Seibt in Scholz, GmbHG, § 16 Rz. 49. 23 Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl. 2009, § 16 Rz. 19. 24 Mayer, ZIP 2009, 1037, 1041. 25 Wicke, NotBZ 2009, 1, 12.

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IV. Gutgläubiger Erwerb von Geschäftsanteilen 1. Bezugsgegenstand des gutgläubigen Erwerbs § 16 Abs. 3 GmbHG ermöglicht erstmals den gutgläubigen Erwerb von Geschäftsanteilen oder Rechten daran.26 Träger des Rechtsscheins ist die gemäß § 40 GmbHG zum Handelsregister einzureichende Gesellschafterliste als gutachtliches Zeugnis des Geschäftsführers oder Notars über die Beteiligungsverhältnisse. Gutgläubig erworben werden können nach § 16 Abs. 3 GmbHG zunächst Geschäftsanteile. Ein gutgläubiger Erwerb von nicht existenten Geschäftsanteilen scheidet hingegen aus.27 Noch genauer Klärung bedarf, inwieweit der gutgläubige Erwerb von „nicht so bestehenden Geschäftsanteilen“ erfolgen kann, insbesondere entsprechend einer in der Gesellschafterliste fehlerhaft eingetragenen Stückelung.28 Nicht möglich ist nach Maßgabe von § 16 Abs. 3 GmbHG ein gutgläubiger-lastenfreier Erwerb des Geschäftsanteils.29 Dementsprechend werden Belastungen nicht in die Gesellschafterliste aufgenommen.30 Besteht daher an einem Geschäftsanteil etwa ein Pfandrecht oder Nießbrauchsrecht, kann der Anteil nicht lastenfrei, also ohne das Pfandrecht oder Nießbrauchsrecht erworben werden. Umgekehrt ist es aber möglich, von einem in der Liste als Gesellschafter fehlerhaft legitimierten Nichtberechtigten ein Recht an dem Geschäftsanteil gutgläubig zu erwerben.31

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26 Siehe i. e. Wicke, GmbHG, § 16 Rz. 13 ff. 27 Regierungsbegründung, nach Goette, Einführung in das neue GmbH-Recht, 2008, S. 238; OLG München, ZIP 2011, 612, 614. 28 Siehe zum Meinungsstand Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rz. 59; Wicke, GmbHG, § 16 Rz. 15; vgl. ferner Kanzleiter in FS Günther H. Roth, 2011, S. 355, 360. 29 BGH, DStR 2011, 2206, 2208; Wicke, GmbHG, § 16 Rz. 16; Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG, § 16 Rz. 55; a. A. Reymann, WM 2008, 2095; siehe ferner Heidinger in MünchKomm. GmbHG, 2010, § 16 Rz. 270 ff. 30 BGH, DStR 2011, 2206, 2208; OLG München, DNotZ 2009, 869, 871; OLG München, ZIP 2011, 612, 614; Wicke, GmbHG, § 40 Rz. 10 m. w. N.; a. A. LG Aachen, NZG 2009, 1157; Heckschen/Heidinger, Die GmbH in der Gestaltungs- und Beratungspraxis, 2. Aufl. 2009, § 13 Rz. 288. 31 Brandes in Bork/Schäfer, GmbHG, 2010, § 16 Rz. 40; Wicke, GmbHG, § 16 Rz. 17.

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2. Kein gutgläubiger Erwerb bei Verfügungsbeschränkungen a) BGH, Beschluss v. 20.9.2011 – II ZB 17/10 Die Gesellschafterliste begründet nach der Rechtsprechung keinen Vertrauenstatbestand dafür, dass der Gesellschafter in seiner Verfügungsmacht über den Geschäftsanteil nicht beschränkt ist. So ist nach einem Beschluss des BGH vom 20.9.2011 im Fall einer aufschiebend bedingten Anteilsabtretung der Erwerber gegenüber weiteren Verfügungen des Veräußerers vor Bedingungseintritt gemäß § 161 Abs. 1 BGB geschützt.32 Die Problematik ist für die Praxis von erheblicher Bedeutung, da etwa bei Unternehmenskäufen Geschäftsanteile zum Schutz des Verkäufers regelmäßig nur unter der aufschiebenden Bedingung der Kaufpreiszahlung an den Käufer abgetreten werden. Ein weiterer wichtiger Anwendungsfall sind Treuhandverträge, bei denen die treuhänderisch gehaltenen Geschäftsanteile nicht selten aufschiebend bedingt auf die Beendigung des Treuhandverhältnisses vom Treuhänder an den Treugeber abgetreten werden. Entgegen der h. M. in der Literatur schließt sich der BGH der Auffassung des OLG Hamburg und des OLG München an, wonach ein Zweiterwerber den Geschäftsanteil nicht gemäß § 16 Abs. 3 GmbHG i. V. m. § 161 Abs. 3 BGB in der Weise gutgläubig erwerben kann, dass er diesen auch nach Bedingungseintritt behält.33 Erledigt haben sich damit gleichzeitig die unterschiedlichen, durch die Praxis nicht ohne Kreativität entwickelten Ansätze, wie der Ersterwerber vor weiteren Veräußerungen vor Bedingungseintritt geschützt werden könne. Gegenstand der Entscheidung war das sog. Zwei-Listen-Modell, bei welchem der Notar schon vor Bedingungseintritt eine erste Gesellschafterliste mit einem Vermerk eingereicht hatte, dass der betreffende Anteil „aufschiebend bedingt abgetreten“ sei.34 Das Registergericht war nach Ansicht des BGH in diesem Fall berechtigt, die Gesellschafterliste zurückzuweisen, die entgegen § 40 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 GmbHG keine Veränderungen in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung ausweise, sondern solche lediglich ankündige. Im Einklang mit der h. M. geht der BGH – insoweit zutreffend – davon aus, dass das Registergericht die Gesellschafterliste daraufhin über_______________

32 Siehe BGH, DStR 2011, 2206. 33 Siehe zum Meinungsstand Wicke, DB 2011, 1038 f. 34 Siehe dazu Herrler, ZIP 2011, 615; König/Bormann, ZIP 2009, 1913, Reymann, NJW 2010, 306; Wicke, DNotZ 2009, 871, 874; Wicke, DB 2011, 1037, 1039.

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prüfen darf, ob sie den Anforderungen des § 40 Abs. 1 Satz 1 GmbHG entspricht.35 Als Folge der Entscheidung wird man es auch als unzulässig anzusehen haben, entsprechend der sog. Widerspruchslösung im Fall einer aufschiebend bedingten Abtretung der Gesellschafterliste einen Widerspruch nach § 16 Abs. 3 Satz 4 GmbHG zuzuordnen.36 Der BGH greift das Argument auf, dass das gesetzgeberische Ziel, die bei der Abtretung gebotenen Prüfungen zu vereinfachen und die damit verbundenen Kosten zu senken, bei Zugrundelegung seiner Auffassung verfehlt würde, hält diesen Einwand aber nicht für durchgreifend, da bestehende Grenzen der Legitimationswirkung trotz intensiver Diskussion im Gesetzgebungsverfahren bewusst in Kauf genommen worden seien.

b) Weitgehende richterliche Selbstbeschränkung Aus den Gesetzgebungsmaterialien ist allerdings nicht erkennbar, dass sich der Gesetzgeber gerade mit der konkreten Problematik des gutgläubigen Zweiterwerbs eines bereits zuvor aufschiebend bedingt abgetretenen GmbH-Geschäftsanteils näher gedanklich auseinander gesetzt hätte.37 Wenngleich die Thematik während des Gesetzgebungsverfahrens bereits aufgekommen war38, scheint sich die Aufmerksamkeit des Gesetzgebers in der Schlussphase vor Inkrafttreten des MoMiG auf andere Fragestellungen konzentriert zu haben. Eine Fortentwicklung des geltenden Rechts im Sinne einer Anwendung des § 161 Abs. 3 BGB war somit nicht ausgeschlossen.39 Der Beschluss stellt sich vor diesem Hintergrund als ein auffälliger Akt richterlicher Selbstbeschränkung des _______________

35 Vgl. Wicke, GmbHG, § 40 Rz. 6a m. w. N. Siehe auch unten IX. 1. 36 Siehe dazu etwa Löbbe in Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, Ergänzungsband MoMiG, 2010, § 16 Rz. 185; Wicke, NotBZ 2009, 1, 15 f.; ferner LG Köln, ZIP 2009, 1915; gegen die Zulässigkeit bereits OLG München, NZG 2011, 473; OLG München, NZG 2010, 1079. 37 Siehe zur Kritik an der Entscheidung auch Wicke, DStR 2011, 2356; Herrler, NZG 2011, 1321; Bayer, GmbHR 2011, 1254. 38 Vgl. Vossius, DB 2007, 2299, 2301. 39 Die Gesetzesmaterialien lassen sich angesichts der folgenden Formulierung aus dem Regierungsentwurf sogar in dem Sinne lesen, dass bei Verfügungsbeschränkungen generell ein gutgläubiger Erwerb nicht ausgeschlossen sein sollte: „Die Neuregelung sieht den Grundsatz vor, dass der gute Glaube an die Verfügungsberechtigung auf der Basis der Eintragung in der im Handelsregister aufgenommenen Liste geschützt ist“, vgl. Goette, Einführung in das neue GmbH-Recht, 2008, S. 237; siehe dazu bereits Wicke, DNotZ 2009, 871, 872.

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II. Zivilsenats des BGH dar, der seinerseits in der Vergangenheit nicht gerade zurückhaltend war, wenn es darum ging, als sachgerecht empfundene Rechtsfortbildungen durchaus auch einmal virtuos zu betreiben.40 Im vorliegenden Fall bleibt damit aber eine erhebliche Chance zu einer wesentlichen Praxisverbesserung ungenutzt. Seit dem MoMiG hat sich die Zuverlässigkeit der Gesellschafterlisten, die vormals nur ein Stiefmütterchendasein geführt hatten, und sehr häufig fehlerhaft waren, deutlich erhöht. Das Hauptziel der Neukonzeption der Gesellschafterliste, die Transparenz der Anteilsverhältnisse im Interesse der Missbrauchsbekämpfung zu erhöhen, wurde in sehr kurzer Zeit ohne nennenswerten bürokratischen Aufwand erreicht. In der konkreten Frage der aufschiebend bedingten Anteilsabtretungen hatten sich mit dem Zwei-Listen-Modell und der Widerspruchslösung bereits vielfach erprobte Praxislösungen heraus gebildet, die eine sichere Handhabung der Problematik versprachen, vom BGH aber im Ergebnis verworfen wurden. Sehenden Auges nimmt der BGH sogar den offen zu Tage tretenden Wertungswiderspruch hin, dass das Anwartschaftsrecht des Ersterwerbers eines GmbH-Geschäftsanteils nunmehr stärker geschützt ist als sein Vollrecht.

c) Konsequenzen für die Beratungs- und Gestaltungspraxis Als Folge der Entscheidung wird im Rahmen von Due-Diligence-Prüfungen künftig besonderes Augenmerk auf in der Vergangenheit liegende aufschiebend bedingte Abtretungen zu richten sein. Gemessen an dem oben referierten gesetzgeberischen Ziel, die Notwendigkeit zur Überprüfung auf etwaige Abtretungen zumindest über längere Zeiträume betrachtet einzuschränken, werden nicht in erster Linie frühere Unternehmenskäufe Probleme bereiten, die typischerweise spätestens innerhalb einiger Monate vollzogen werden, als vielmehr Treuhandverhältnisse, die nicht selten bereits im Gründungsstadium abgeschlossen werden und u. U. über Jahrzehnte aufrecht erhalten werden, ohne dass sie auf der Ebene der betreffenden GmbH aktenkundig werden müssen. Entsprechende Garantiekataloge in Erwerbsverträgen sollten daher regelmäßig die Frage von aufschiebend bedingten Abtretungen und namentlich das Bestehen von Treuhandverhältnissen ausdrücklich thematisie_______________

40 Vgl. etwa BGH, NJW 2001, 1056 zur Anerkennung der (Teil-)Rechtsfähigkeit der Außengesellschaft bürgerlichen Rechts; kritisch dazu Krüger, NZG 2010, 801.

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ren, soweit dies bislang nicht üblich war. Für die Praxis wird damit letztlich sogar die seltsam anmutende Frage aufgeworfen, ob nicht in einer einschlägigen Erwerbskonstellation einmal eine begleitende aufschiebend bedingte Sicherungsabtretung der erworbenen Anteile (z. B. an eine Konzerngesellschaft) in Betracht zu ziehen ist, um für den (wenn auch unwahrscheinlichen) Fall einer späteren ungerechtfertigten Löschung des Erwerbers aus der Liste einen Anteilsverlust aufgrund gutgläubigen Erwerbs sicher ausschließen zu können.

d) Verfügungsbeschränkungen im Sinne des § 892 Abs. 1 Satz 2 BGB Über den Fall einer zuvor erfolgten aufschiebend bedingten Abtretung hinaus geht der BGH allgemein davon aus, dass der gute Glaube an die Übertragbarkeit von Geschäftsanteilen nicht geschützt ist. Im Einklang mit der bislang wohl einheitlichen Auffassung in der Literatur41 wird dies konkret für die Vinkulierung von Geschäftsanteilen nach § 15 Abs. 5 GmbHG angenommen, die aber aus der öffentlich zugänglichen Satzung für jedermann erkennbar sind und deren Beachtung auch für den wirksamen Erwerb vom Berechtigten zwingend ist. In diesem Zusammenhang betont der BGH die Unterschiede zum öffentlichen Glauben des Grundbuchs, der sich nach § 892 Abs. 1 Satz 2 BGB ausdrücklich auf aus dem Grundbuch nicht ersichtliche Verfügungsbeschränkungen erstreckt. Soweit über diese Vorschrift im Grundstücksbereich ein gutgläubiger Erwerb eröffnet wäre, dürfte dies unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung in Bezug auf GmbH-Geschäftsanteile generell zu verneinen sein.42 Demgemäß käme etwa im Fall der Veräußerung eines der Testamentsvollstreckung unterliegenden Anteils durch den Erben oder bei einer Übertragung einer GmbH-Beteiligung durch den Insolvenzschuldner ein gutgläubiger Erwerb gemäß § 2211 Abs. 2

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41 Vgl. Wicke, GmbHG, § 16 Rz. 20; Verse in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 16 Rz. 63; Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rz. 62; Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG, § 16 Rz. 57; Reichert/Weller in Goette/Habersack, Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, 2009, S. 104; siehe aber auch Kanzleiter in FS Günther H. Roth, 2011, S. 355, 359. 42 Siehe dazu Kohler in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 892 Rz. 60; Gursky in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2008, § 892 Rz. 240.

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Wicke – Praxisfragen der GmbH-Gesellschafterliste

BGB bzw. § 81 Abs. 1 Satz 2 InsO entgegen dahin gehenden Überlegungen im Schrifttum nicht in Betracht.43

3. Ausschlussgründe Der gutgläubige Erwerb von Geschäftsanteilen hat ferner zur Voraussetzung, dass nicht einer der in § 16 Abs. 3 Satz 2 und 3 GmbHG genannten Ausschlussgründe vorliegt. Demnach scheidet der gutgläubige Erwerb aus, – – –

wenn die Liste weniger als drei Jahre unrichtig ist und die Unrichtigkeit dem Berechtigten nicht zuzurechnen ist, wenn dem Erwerber die mangelnde Berechtigung bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, wenn der Gesellschafterliste hinsichtlich des Geschäftsanteils ein Widerspruch zugeordnet ist.

Die Zuordnung des Widerspuchs erfolgt aufgrund einer Bewilligung desjenigen, gegen dessen Berechtigung sich der Widerspruch richtet, oder aufgrund einer einstweiligen Verfügung (§ 16 Abs. 3 Satz 4 GmbHG). Der Erlass einer einstweiligen Verfügung hat zur Voraussetzung, dass der Anspruch auf Einreichung einer korrigierten Liste glaubhaft gemacht wird, wohingegen die Glaubhaftmachung einer Gefährdung des Rechts nicht verlangt werden kann (§ 16 Abs. 3 Satz 5 GmbHG).44 Nach einer Entscheidung des Kammergerichts kann der Berechtigte regelmäßig selbst über den Zeitpunkt seines Antrags auf Widerspruchszuordnung entscheiden, eine Widerlegung der Dringlichkeitsvermutung kommt jedenfalls vor Ablauf der Drei-Jahresfrist des § 16 Abs. 3 Satz 2 GmbHG nicht in Betracht.45

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43 Siehe dazu Ebbing in Michalski, GmbHG, 2. Aufl. 2010, § 16 Rz. 250; Wicke, GmbHG, § 16 Rz. 20b; Wicke, DStR 2011, 2356, 2358; Zinger/Urich-Erber, NZG 2011, 286, 288 f.; kritisch bereits Paefgen in Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, Ergänzungsband MoMiG, 2010, § 40 Rz. 27; die Eintragungsfähigkeit eines Testamentsvollstreckervermerks in die Gesellschafterliste ablehnend nunmehr auch OLG München, GmbHR 2012, 39. 44 Regierungsbegründung, nach Goette, Einführung in das neue GmbH-Recht, 2008, S. 238. 45 KG, ZIP 2010, 2047; Omlor, EWiR 2010, 669.

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Wicke – Praxisfragen der GmbH-Gesellschafterliste

V. Einreichungspflicht bei Veränderungen: Lückenlose Nachvollziehbarkeit Eine neue Gesellschafterliste ist nach Wirksamwerden jeder Veränderung in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligungen einzureichen. Dies gilt nicht nur bei Veränderungen des Gesellschafterkreises durch Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolge, sondern auch bei Namensänderungen, bei Umfirmierungen oder bei einem Wohnortwechsel bzw. Sitzverlegung.46 Anhand der eingereichten Listen müssen die Entwicklung des Gesellschafterbestandes und Veränderungen im Umfang der Beteiligung lückenlos nachvollziehbar sein.47 Demgemäß dürfen mehrere Veränderungen nur dann in einer Liste zusammengefasst werden, wenn sie gleichzeitig erfolgt sind und dadurch nicht der Einblick in die Entstehung der Anteilsverhältnisse versperrt wird.48 Andernfalls muss für jede Veränderung eine geänderte Liste eingereicht werden. Fehlende Listen (auch inhaltlich bereits überholte) müssen nachgereicht werden.49 Erfolgen die Veränderungen in engem zeitlichen Abstand nacheinander, sind, wie das LG München I festgestellt hat, die jeweiligen Listen ggf. mit einer Uhrzeit zu versehen, bzw. sollten bei der Einreichung zum Handelsregister eindeutige Anweisungen gegeben werden, in welcher Reihenfolge die Listen in das Handelsregister aufzunehmen sind.50 In Ausnahmefällen kann es sich zur Vermeidung von Verwirrungen empfehlen, zusammenfassende Listen einzureichen.51 Im Fall einer Änderung der Beteiligung wird darüber hinaus ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen den beteiligten Gesellschaftern und der GmbH begründet, das einen Rechtsanspruch der Gesellschafter gegen die GmbH auf Einreichung einer geänderten Gesellschafterliste zum Handelsregister vermittelt, der auch gerichtlich, ggf. im Wege einer einstweiligen Verfügung, durchgesetzt werden kann. Der Anspruch besteht nach der zutreffenden Auffassung des OLG München aber nur

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46 Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 40 Rz. 6; Uwe H. Schneider in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2010, Nachtrag MoMiG, § 40 Rz. 6 f. 47 Siehe zum Folgenden auch Wicke, GmbHG, § 40 Rz. 4; vgl. ferner Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 40 Rz. 5; Wachter in Bork/Schäfer, GmbHG, 2010, § 40 Rz. 2. 48 Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 40 Rz. 9; DNotI-Report 2011, 25. 49 Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG, § 40 Rz. 8. 50 LG München I, BeckRS 2010, 2390. 51 Hasselmann, NZG 2009, 450.

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Wicke – Praxisfragen der GmbH-Gesellschafterliste

gegenüber der GmbH und nicht gegenüber dem Geschäftsführer.52 Da die Gesellschafterliste nach dem Gesagten auch der Transparenz der Beteiligungsverhältnisse im Interesse des Rechtsverkehrs dient, ist die Anzeige einer Anteilsveränderung (im Unterschied zu § 16 Abs. 1 GmbHG a. F.) nicht der Disposition der Gesellschafter überlassen, vielmehr sind diese nach hier vertretener Auffassung zur Mitteilung gegenüber der GmbH verpflichtet, damit unverzüglich gemäß § 40 GmbHG eine aktualisierte Gesellschafterliste zum Handelsregister eingereicht werden kann.53

VI. Zuständigkeit 1. Geschäftsführer Die Einreichungspflicht trifft die Geschäftsführer bei allen Veränderungen, soweit nicht ein Notar hieran mitgewirkt hat (§ 40 GmbHG). Die Geschäftsführer werden daher tätig im Fall der Erbfolge, bei einem Wechsel im Gesellschafterkreis einer beteiligten GbR oder in der Zusammensetzung einer Erbengemeinschaft, bei privatschriftlichen Beschlüssen zur Zusammenlegung, Teilung oder Einziehung von Geschäftsanteilen, ferner im Fall der Kaduzierung gemäß § 21 Abs. 2 GmbHG oder bei einer öffentlichen Versteigerung gemäß § 23 GmbHG. Entsprechendes gilt für Veränderungen in den persönlichen Daten der Gesellschafter (Änderungen des Namens/der Firma, des (Wohn-)Sitzes, Formwechsel beim Gesellschafter der GmbH) ohne Wechsel des Rechtsträgers oder des Umfangs der Beteiligung.54 Die Einreichungspflicht kann durch das Registergericht mit Zwangsgeld durchgesetzt werden.55 _______________

52 Regierungsbegründung, nach Goette, Einführung in das neue GmbH-Recht, 2008, S. 235; OLG München, BeckRS, 2010, 20434; Wicke, GmbHG, § 40 Rz. 8; insoweit a. A. Hasselmann, NZG 2009, 489; vgl. ferner § 40 Abs. 3 GmbHG. 53 Wicke, GmbHG, § 16 Rz. 1; Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rz. 18, 33; Löbbe in Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, Ergänzungsband MoMiG, 2010, § 16 Rz. 8; Verse in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 16 GmbHG Rz. 37; Uwe H. Schneider in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2010, Nachtrag MoMiG, § 40 Rz. 20; abweichend Zirngibl in Bunnemann/Zirngibl, Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung in der Praxis, 2. Aufl. 2011, § 4 Rz. 33; siehe ferner Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 40 Rz. 15. 54 Heidinger in MünchKomm. GmbHG, 2011, § 40 Rz. 42; zur Möglichkeit einer Einreichung durch den Notar in diesem Fall siehe aber auch Wicke, GmbHG, § 40 Rz. 9. 55 § 14 HGB, §§ 388 ff. FamFG.

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Die partielle Zuständigkeit des Geschäftsführers zur Erstellung der Gesellschafterliste wird von der ganz h. M. in der Literatur kritisiert, da die Kompetenzaufspaltung schwierige Abgrenzungsfragen aufwirft und dem Geschäftsführer regelmäßig die notwendige fachliche Expertise sowie die erforderliche persönliche Unabhängigkeit fehlt, etwa bei Konflikten zwischen Mehrheit und Minderheit.56 Paradigmatisch ist der Fall der Zwei-Personen-GmbH, bei welcher im Fall eines Zerwürfnisses in der Praxis nicht selten ein Wettlauf zwischen beiden Gesellschafter-Geschäftsführern stattfindet, wer zuerst den Anteil des anderen gemäß § 34 GmbHG aus wichtigem Grund einzieht, um den vormaligen Compagnion sodann nach Einreichung einer neuen Gesellschafterliste als Geschäftsführer abberufen zu können.

2. Notar a) Alleiniger Verantwortungsbereich Der Notar hat „anstelle“ der Geschäftsführer die Liste zu unterschreiben und diese zusammen mit einer Notarbescheinigung zum Handelsregister einzureichen, wenn er an einem Rechtsakt mitgewirkt hat, der zu einer Veränderung in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung geführt hat. Der Zweck der Notarzuständigkeit liegt zum einen in der Vereinfachung der Verfahrensabläufe, zum anderen in der Erhöhung der Richtigkeitsgewähr.57 Die vom Notar einzureichende Liste muss gemäß § 40 Abs. 2 Satz 2 GmbHG mit einer Bescheinigung versehen sein. Darin hat der Notar (entsprechend § 54 Abs. 1 Satz 2 GmbHG) zu erklären, dass die geänderten Eintragungen den Veränderungen entsprechen, an denen er mitgewirkt hat, und die übrigen Eintragungen mit dem Inhalt der zuletzt im Handelsregister aufgenommenen Liste übereinstimmen.58 Wenn die Bescheinigung mit der Liste dergestalt verbunden ist, dass sie dieser unmittelbar nachfolgt, genügt eine Unterschrift des Notars unter Gesellschafterliste und Be_______________

56 Vgl. nur Paefgen in Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, Ergänzungsband MoMiG, 2010, § 40 Rz. 6; Bednarz, BB 2008, 1854, 1859; Bayer in Liber amicorum Martin Winter, 2011, S. 9, 13; Omlor/Spies, MittBayNot 2011, 353, 359. 57 OLG Jena, MittBayNot 2010, 490, 491; OLG München, DNotZ 2011, 63 f.; Paefgen in Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, Ergänzungsband MoMiG, 2010, § 40 Rz. 72; Omlor/Spies, MittBayNot 2011, 353, 359. 58 Formulierungsvorschlag bei Wicke, NotBZ 2009, 1, 14.

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scheinigung.59 Die Erstellung und die Einreichung der Liste liegen im Fall des § 40 Abs. 2 GmbHG allein im Verantwortungsbereich des Notars, die Verpflichtung der Geschäftsführer zur Erstellung und Einreichung einer Liste, die diese Veränderung umsetzt, entfällt.60 Bei Zweifeln hinsichtlich der Zuständigkeit ist es nach einer Entscheidung des OLG Hamm zulässig und im Hinblick auf die Rechtswirkungen des § 16 GmbHG u. U. auch empfehlenswert, die Liste vom Geschäftsführer und Notar unterzeichnen zu lassen, letzteren mit Bescheinigung gemäß § 40 Abs. 2 Satz 2 GmbHG.61 Ob die Erfüllung der Verpflichtung aus § 40 Abs. 2 GmbHG dem Notar gegenüber durch Zwangsgeld nach § 14 HGB durchgesetzt werden kann, erscheint zweifelhaft.62 Bemerkt der Notar nachträglich die Unrichtigkeit einer eingereichten Liste, hat er diese nach Anhörung der Beteiligten durch Einreichung einer neuen Liste zu korrigieren.63

b) Voraussetzungen Die Einreichungspflicht wird durch eine Mitwirkung des Notars an der entsprechenden Veränderung in amtlicher Eigenschaft begründet. Die Voraussetzung ist erfüllt bei der Beurkundung von Geschäftsanteilsabtretungen, von Kapitalerhöhungen64 und Kapitalherabsetzungen sowie regelmäßig bei Gesamtrechtsnachfolgen nach dem UmwG. Die Einreichungspflicht ist darüber hinaus im Fall der Mitwirkung an sonstigen Gesellschafterbeschlüssen gegeben, die eigentlich nicht beurkundungspflichtig sind, wie z. B. bei der Zusammenlegung oder Teilung von Geschäftsanteilen.65 Keine Einreichungspflicht besteht regelmäßig bei der bloßen Beglaubigung der Unterschrift unter einem entsprechenden Dokument, da den Notar insoweit nur eine eingeschränkte Prüfungs_______________

59 60 61 62 63

LG Dresden, ZIP 2009, 1765; OLG München, NZG 2009, 798. OLG München, NZG 2009, 797, 798. Vgl. OLG Hamm, GmbHR 2010, 430 m. Anm. Herrler zur Gestaltung. Zu Recht ablehnend OLG München, NZG 2009, 797; Ries, GWR 2011, 54. Wicke, GmbHG, § 40 Rz. 15; Preuß, ZGR 2008, 681; Paefgen in Ulmer/ Habersack/Winter, GmbHG, Ergänzungsband MoMiG, 2010, § 40 Rz. 78 m. w. N.; im Fall einer Verweigerung ist die Beschwerde nach § 15 Abs. 2 BNotO eröffnet. 64 OLG München, DB 2010, 1983. 65 OLG Hamm, DB 2010, 495; Heidinger in MünchKomm. GmbHG, 2011, § 40 Rz. 135; Wicke, GmbHG, § 40 Rz. 13; Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 40 Rz. 24.

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pflicht trifft (vgl. § 40 BeurkG).66 Anders ist zu entscheiden, wenn der Notar selbst den beteiligungsrelevanten privatschriftlichen Gesellschafterbeschluss entworfen und sodann die Unterschriften darunter beglaubigt hat.67 Eine Zuständigkeit des Notars gemäß § 40 Abs. 2 GmbHG kann sich ferner ergeben, wenn zur Wirksamkeit einer Veränderung die Eintragung im Handelsregister erforderlich ist und die Handelsregisteranmeldung durch ihn beglaubigt wurde.68 Bei der Ausnutzung eines genehmigten Kapitals im Sinne des § 55a GmbHG trifft daher den Notar nach hier vertretener Auffassung die Pflicht zur Einreichung der aktualisierten Gesellschafterliste dann, wenn er die Unterschrift unter der Anmeldung zur Durchführung der Kapitalerhöhung beglaubigt hat und mit deren Einreichung beauftragt wurde, selbst wenn er den Entwurf der Anmeldung nicht selbst erstellt hat.69 Entsprechendes dürfte auch im Fall einer normalen Kapitalerhöhung anzunehmen sein, es sei denn, der den Beschluss beurkundende Notar wurde ausdrücklich mit der Einreichung beauftragt.70 Die Gesellschafterliste kann im Interesse der Verfahrensbeschleunigung nach zutreffender Auffassung zusammen mit den Anmeldeunterlagen der Kapitalerhöhung eingereicht werden71, jedenfalls bei einem Hinweis, dass die Liste erst nach Eintragung der Kapitalerhöhung in den elektronischen Registerordner aufgenommen werden darf.72 Der Notar ist daher entsprechend einer Entscheidung des _______________

66 OLG Hamm, DB 2010, 496. 67 Vgl. Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 40 Rz. 52; Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG, § 40 Rz. 15. 68 Paefgen in Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, Ergänzungsband MoMiG, 2010, § 40 Rz. 73 f.; a. A. Terlau in Michalski, GmbHG, § 40 Rz. 25. 69 Siehe in diesem Sinne Stellungnahme der Bundesregierung zum ARUG, vgl. Wicke, Einführung in das Recht der Hauptversammlung, das Recht der Sacheinlagen und das Freigabeverfahren nach dem ARUG, 2009, S. 504 f.; siehe auch Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG, § 40 Rz. 15; abweichend Heidinger in MünchKomm. GmbHG, 2011, § 40 Rz. 140. 70 Wicke, GmbHG, § 40 Rz. 13; in diesem Sinne auch für umwandlungsrechtliche Maßnahmen, allerdings ohne Möglichkeit eines abweichenden Vollzugsauftrags Paefgen in Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, Ergänzungsband MoMiG, 2010, § 40 Rz. 74; a. A. Terlau in Michalski, GmbHG, § 40 Rz. 25, der auf die Beurkundung des letzten für die Wirksamkeit maßgeblichen beurkundungsbedürftigen Akt und nicht auf die nachfolgende Beglaubigung der Handelsregisteranmeldung abstellt; siehe ferner Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 40 Rz. 54. 71 So auch Krafka/Willer/Kühn, Registerrecht, 8. Aufl. 2010, Rz. 1051a, 1103; a. A. etwa Heidinger in MünchKomm. GmbHG, 2011, § 40 Rz. 176. 72 Wicke, NotBZ 2009, 1, 13.

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OLG Jena nicht gehindert, die aktualisierte Liste bereits vor Wirksamwerden der Veränderungen zu erstellen und mit der erforderlichen Notarbescheinigung zu versehen.73 Im Fall einer Verschmelzung oder Spaltung zur Aufnahme einer GmbH trifft den Notar die Verpflichtung zur Einreichung einer berichtigten Liste, der Gesetzgeber hat dies durch Aufhebung von § 52 Abs. 2 UmwG a. F. durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Umwandlungsgesetzes klar gestellt.74

c) Insbesondere: Mittelbare Mitwirkung Nicht abschließend geklärt ist, ob eine Einreichungspflicht bei einer mittelbaren Mitwirkung des Notars an beteiligungsrelevanten Vorgängen besteht. Beispiel: Der Notar beurkundet Verschmelzungsvertrag und Verschmelzungsbeschlüsse hinsichtlich der Verschmelzung der X GmbH auf die Y GmbH. Zum Aktivvermögen der X GmbH gehört eine Beteiligung an der A GmbH. Das OLG Hamm hat im Interesse der Verfahrensvereinfachung eine Pflicht zur Erstellung der Gesellschafterliste durch den Notar angenommen, wenn dieser über die internen Vorgänge der GmbH entsprechend informiert ist.75 In der Literatur wird darüber hinausgehend vielfach eine generelle Notarzuständigkeit bei mittelbarer Mitwirkung angenommen.76 Wenngleich diese Auffassung nicht unproblematisch erscheint, empfiehlt es sich vorsorglich, im Verschmelzungsvertrag einen Merkposten zu GmbH-Beteiligungen des übertragenden Rechtsträgers aufzunehmen.77 Darüber hinaus dürfte es möglich sein, durch einen entsprechenden Vollzugsauftrag in der Urkunde eine Zuständigkeit des Notars zu begründen.78

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73 OLG Jena, ZIP 2010, 1795. 74 Siehe BT-Drs. 17/3122, S. 11. 75 Vgl. OLG Hamm, DB 2010, 495 = NotBZ 2010, 150 m. krit. Anm. Heckschen; einschränkend nunmehr aber OLG Hamm, GmbHR 2012, 38 bei Beurkundung der Firmenänderung eines Gesellschafters; a. A. Terlau in Michalski, GmbHG, § 40 Rz. 26; Berninger, DStR 2010, 1292; Ries, NZG 2010, 135, der aber wegen § 126 Abs. 1 Nr. 9 UmwG eine Einreichungspflicht bei Beurkundung einer entsprechenden Spaltung annimmt; siehe auch Schulte, GmbHR 2010, 1128, 1131. 76 Vgl. Herrler/Blath, ZIP 2010, 129 m. w. N.; Lücke/Simon in Saenger/Inhester, GmbHG, 2011, § 40 Rz. 23. 77 Mayer, DNotZ 2008, 408. 78 Wicke, NotBZ 2009, 1, 14.

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d) Auslandsbeurkundung aa) LG Frankfurt und OLG Düsseldorf Umstritten ist, ob bzw. inwieweit ein ausländischer Notar eine bescheinigte Liste gemäß § 40 Abs. 2 GmbHG erstellen kann. Das LG Frankfurt hat in einem obiter dictum die Zulässigkeit der Auslandsbeurkundung und die entsprechende Einreichung einer Liste mit der Begründung verneint, dass ein ausländischer Notar wegen Fehlens von Amtsbefugnissen in Deutschland der durch § 40 Abs. 2 GmbHG aufgestellten Verpflichtung nicht nachkommen könne.79 Demgegenüber kann nach Auffassung des OLG Düsseldorf ein in Basel residierender Schweizer Notar bei einer von ihm wirksam beurkundeten Abtretung von Geschäftsanteilen eine diese Änderung berücksichtigende Gesellschafterliste beim Handelsregister einreichen.80 Die Aufwertung der Gesellschafterliste führe nicht zur Unzulässigkeit der Auslandsbeurkundung, die Regelung zur Zuständigkeit für die Einreichung der Liste sei von der eigentlichen Beurkundung streng zu trennen. Die in § 40 Abs. 2 GmbHG dem mitwirkenden Notar auferlegte Verpflichtung zur Einreichung einer aktualisierten Liste sei im Wesentlichen aus pragmatischen Gründen begründet worden, um das Verfahren zu vereinfachen. Gegen eine besondere – nur durch die Einschaltung eines deutschen Notars zu gewährleistende – Richtigkeitskontrolle spreche neben der Zuständigkeit des regelmäßig gesellschaftsrechtlich nicht geschulten Geschäftsführers in den Fällen des § 40 Abs. 1 GmbHG, dass den Notar nur eine begrenzte Prüfungspflicht trifft. Soweit in der Gesetzesbegründung von einer zu schließenden Lücke bei der Auslandsbeurkundung die Rede ist, möge das nunmehr bestehende erhebliche Eigeninteresse der Gesellschafter an einer Aktualisierung ein probates Mittel zu deren Schließung sein.81 Die Einschränkung der Zulässigkeit der Auslandsbeurkundung würde dem Ziel des MoMiG zuwider laufen, die Attraktivität der GmbH gegenüber vergleichbaren Gesellschaftsformen zu steigern.82 _______________

79 LG Frankfurt, NJW 2010, 683 m. Anm. Pilger; siehe auch Bayer, DNotZ 2009, 887; Kindler, BB 2010, 74. 80 OLG Düsseldorf, ZIP 2011, 564. Dem Vernehmen nach liegt dem Beschluss ein von Schweizer Notaren und deutschen Rechtsanwälten konstruierter Sachverhalt zugrunde, um die Entscheidung zu provozieren, vgl. http://www. juve.de/nachrichten/namenundnachrichten/2011/03/deutsch-schweizer-koope ration-anwalte-provozieren-olg-entscheidung. 81 Hasselmann, ZIP 2010, 2486, 2487. 82 So auch Peters, DB 2010, 97, 100; Mankowski, NZG 2010, 201, 205; siehe hingegen Preuß, RNotZ 2009, 529.

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bb) Kritik Die Auffassung des OLG Düsseldorf überzeugt nicht.83 Die Aufwertung der Gesellschafterliste durch Neufassung der §§ 16 und 40 GmbHG dient zum einen der Modernisierung, wie sich insbesondere in der Ermöglichung eines gutgläubigen Erwerbs zeigt, zum anderen aber im besonderen der Missbrauchsbekämpfung als dem zweiten zentralen Ziel des MoMiG. So heißt es in der Regierungsbegründung: „Die vorgeschlagene Änderung entspricht neben dem konkreten Ziel der Missbrauchsbekämpfung auch dem allgemeinen Anliegen, Transparenz über die Anteilseignerstrukturen der GmbH zu schaffen und Geldwäsche zu verhindern.“84 Es ist weitgehend unstreitig, dass einen ausländischen Notar die Verpflichtung zur Einreichung einer Liste nicht trifft, da diese öffentlich-rechtlicher Natur ist.85 Das gesetzgeberische Ziel, eine stets aktuelle und lückenlose Auskunft über den Gesellschafterbestand zu gewährleisten, könnten die Gesellschafter auf Grundlage der Auffassung des OLG Düsseldorf durch einen Gang nach Basel ohne weiteres unterlaufen.86 Damit aber würde das zentrale Anliegen des MoMiG, im Fall der Führungslosigkeit einer GmbH die Gesellschafter in Anspruch zu nehmen, konterkariert.87 Dass dies keinesfalls im Sinne des Gesetzgebers ist, zeigt das vom OLG Düsseldorf aufgegriffene Zitat: „Es bestehen jedoch weiterhin Lücken, z. B. bei der Auslandsbeurkundung, die nunmehr geschlossen werden.“88 Ungeachtet der partiellen Zuständigkeit der Geschäftsführer ging der Gesetzgeber davon aus, dass dem Anspruch der Gesellschafter auf Einreichung einer aktualisierten Liste regelmäßig durch die notarielle Mitwirkung Rechnung getragen wird.89 Die gesetzliche Verpflichtung des Notars gemäß § 40 Abs. 2 GmbHG soll zudem eine gesteigerte inhaltliche Zuverlässigkeit der Gesellschaf_______________

83 Siehe auch Süß, DNotZ 2011, 414. 84 Regierungsbegründung, nach Goette, Einführung in das neue GmbH-Recht, 2008, S. 233; siehe oben II. 85 Löbbe in Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, Ergänzungsband MoMiG, 2010, § 16 Rz. 8; Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG, § 40 Rz. 14; Saenger/ Scheuch, BB 2008, 65, 67; Peters, DB 2010, 97, 99. 86 Löbbe in Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, Ergänzungsband MoMiG, 2010, § 16 Rz. 8; ferner Bayer, DNotZ 2009, 887, 891. 87 Siehe auch Wedemann, EuZW 2010, 534, 537. 88 Regierungsbegründung, nach Goette, Einführung in das neue GmbH-Recht, 2008, S. 234; siehe auch Braun DNotZ 2009, 585, 592; Najdecki, NWB 2009, 3199, 3203; Bohrer, MittBayNot 2010, 17, 18; Böttcher, ZNotP 2010, 6, 9. 89 Regierungsbegründung, nach Goette, Einführung in das neue GmbH-Recht, 2008, S. 234; Preuß, RNotZ 2009, 529, 533.

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terliste bewirken.90 In der Literatur wird entgegen der Auffassung des OLG Düsseldorf überwiegend auch die Berechtigung eines ausländischen Notars verneint, eine aktualisierte Liste auf der Grundlage von § 40 Abs. 2 GmbHG zum Handelsregister einreichen zu können.91 Für diese Ansicht lässt sich ein Umkehrschluss aus der Vorschrift des § 8 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 GmbHG geltend machen, die im Unterschied zu § 40 Abs. 2 GmbHG ausdrücklich den ausländischen Notar einbezieht.92 Es erscheint andererseits aber auch nicht unproblematisch, mit Teilen des Schrifttums in Fällen der Auslandsbeurkundung eine Auffangzuständigkeit des Geschäftsführers nach § 40 Abs. 1 GmbHG anzunehmen, da die Einreichung einer aktualisierten Liste im Fall des § 40 Abs. 2 GmbHG nach der Gesetzeskonzeption ausschließlich im Verantwortungsbereich des Notars liegt und eine alternative Zuständigkeit des Geschäftsführers gerade nicht vorgesehen ist.93 Die Neukonzeption der Gesellschafterliste und die damit einhergehende Erweiterung des Pflichtenkreises des Notars rückt die Auslandsbeurkundung letztlich in ein neues Licht und stellt deren Zulässigkeit insgesamt in Frage.94 Im Hinblick auf die bestehenden Meinungsunterschiede wird bis zu einer

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90 Regierungsbegründung, nach Goette, Einführung in das neue GmbH-Recht, 2008, S. 284: „Die nach § 40 Abs. 2 S. 2 vorgesehene Bescheinigung des Notars … erhöht zusammen mit seiner vorangehenden Mitwirkung an der Veränderung die Richtigkeitsgewähr.“ Siehe auch König/Götte/Bormann, NZG 2009, 881, 885. 91 Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 40 Rz. 69; Terlau in Michalski, GmbHG, § 40 Rz. 27; Heidinger in MünchKomm GmbHG, 2011, § 40 Rz. 225; Olk, NZG 2011, 381, 383; Ries, GWR 2011, 54; a. A. etwa Uwe H. Schneider, GmbHR 2009, 393, 396; Reichert/Weller in Goette/Habersack, Das MoMiG in Wisschenschaft und Praxis, 2009, Rz. 3.59. 92 Wachter in Bork/Schäfer, GmbHG, 2010, § 40 Rz. 33. 93 Vgl. OLG München, NZG 2009, 797, 798; Böttcher, ZNotP 2009, 6, 9. 94 Nicht weiter verfolgt werden kann an dieser Stelle die Problematik, inwieweit das Beurkundungsverfahren in der Schweiz der inländischen Beurkundung gleichwertig ist, was insbesondere angesichts der Einführung der Schriftform für die Abtretung von Stammanteilen an einer Schweizer GmbH aufgrund der Reform des Schweizer Obligationenrecht zunehmend bezweifelt wird, siehe Bayer, DNotZ 2009, 887, 890. Eine allgemeine Aussage, dass Beurkundungen in der Schweiz und in allen Ländern mit sog. lateinischem Notariat (romanischer Rechtskreis) das Gleichwertigkeitserfordernis erfüllen, lässt sich jedenfalls nicht treffen, vgl. Reichert/Weller in MünchKomm. GmbHG, 2010, § 15 Rz. 151.

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klärenden Entscheidung durch den BGH jedenfalls allgemein zur Vorsicht gegenüber Beurkundungen in der Schweiz geraten.95

VII. Inhalt der Gesellschafterliste 1. Nummerierung der Geschäftsanteile Der Inhalt der Gesellschafterliste ist gemäß §§ 8 Abs. 1 Nr. 3, 40 Abs. 1 Satz 1 GmbHG zwingend vorgegeben.96 Seit der GmbH-Reform durch das MoMiG sind die laufenden Nummern der von einem jeden Gesellschafter übernommenen Geschäftsanteile anzugeben. Die lfd. Nummerierung der Geschäftsanteile ist eine wesentliche Hilfe bei deren Identifizierung, die Einigungsmängel bei Übertragungstatbeständen (insbesondere im Fall von gleich gestalteten Anteilen) vermeiden kann97, eine vormals nicht unbekannte (und bei Aktiengesellschaften nicht selten auftretende) Problematik, die sich angesichts der hohen Zuverlässigkeit der Listenangaben nach neuem Recht für die GmbH weitest gehend erledigt haben dürfte. Wie die Vergabe der Nummern zu erfolgen hat, ist weder im GmbHG, noch in der HRV geregelt. Zu Rechtsunsicherheit hatte zwischenzeitlich die Frage Anlass gegeben, inwieweit die einmal vergebene Nummerierung der Geschäftsanteile beibehalten werden muss. Der BGH hat hierzu kürzlich entschieden, dass die Umnummerierung von abgetretenen Geschäftsanteilen zulässig ist, solange die Transparenz der Beteiligungsverhältnisse nicht leidet und jeder Geschäftsanteil durch die Angabe der bisherigen Nummerierung zweifelsfrei zu identifizieren bleibt.98 Um die Herkunft von Geschäftsanteilen erkennbar zu machen, haben sich in der Praxis Veränderungsspalten eingebürgert.99 Nach einer Teilung oder Zusammenlegung werden für die neu entstehenden Anteile regelmäßig die nächst frei werdenden _______________

95 Siehe auch Pfisterer in Sänger/Inhester, GmbHG, § 15 Rz. 70; Olk, NZG 2011, 381, 383; Mankowski, NZG 2010, 201, 207. 96 Siehe zum Folgenden Wicke, GmbHG, § 40 Rz. 5. 97 Ausführlich dazu Wicke, MittBayNot 2010, 283; siehe auch BGH, NZG 2010, 908. 98 BGH, BeckRS 2011, 7400; vgl. dazu Herrler, NZG 2011, 536; siehe ferner LG Stendal, NZG 2010, 393; anders, sofern sich die Nennbeträge der Geschäftsanteile nicht ändern, die Vorinstanz, OLG Bamberg, ZIP 2010, 1394; für Unzulässigkeit der Neunummerierung für Gesellschafter, deren Geschäftsanteile sich nicht ändern siehe LG Augsburg, NZG 2009, 1032. 99 Zur Zulässigkeit siehe OLG Jena, NZG 2010, 591; ferner inzident BGH, BeckRS 2011, 7400; Lücke/Simon in Saenger/Inhester, GmbHG, § 40 Rz. 6; Melchior, NotBZ 2010, 213, 215.

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Wicke – Praxisfragen der GmbH-Gesellschafterliste

Nummern vergeben oder Abschnittsnummern (1.1, 1.2, …) verwendet.100 Soweit der Begriff der „laufenden Nummern“ erfüllt bleibt, bestehen nach dem Gesetz in dieser Hinsicht keine zwingenden Vorgaben. Aus Gründen der Übersichtlichkeit und Zweckmäßigkeit empfiehlt es sich aber, eine einmal vergebene Nummerierung der Geschäftsanteile beizubehalten, sofern sich die Nennbeträge nicht (durch Teilung oder Zusammenlegung) ändern.101

2. Registerklarheit und Spielraum in der Ausgestaltung Es steht nicht im Belieben der Beteiligten, den Inhalt abweichend von den gesetzlichen Vorgaben um weitere, ihnen sinnvoll erscheinende Bestandteile zu ergänzen. Dem steht der Grundsatz der Registerklarheit entgegen.102 Aus diesem Grund werden Belastungen von Geschäftsanteilen (Verpfändung, Pfändung, Nießbrauchsbestellung) nach richtiger Ansicht nicht in die Gesellschafterliste eingetragen.103 Entsprechendes gilt für schuldrechtliche Bindungen oder die Person eines Treugebers bzw. Unterbeteiligten.104 Nach der Rechtsprechung ist es auch nicht zulässig, einen Vermerk über die aufschiebend bedingte Abtretung von Geschäftsanteilen105 oder einen Testamentsvollstreckervermerk in die Liste aufzunehmen.106 Davon wird der Fall unterschieden, dass eine in die Gesellschafterliste aufzunehmende Veränderung im Sinne von § 40 Abs. 1 GmbHG (bereits) eingetreten ist, das Gesetz aber keine zwingende Vorgabe macht, wie diese Veränderung in der Gesellschafterliste darzustellen ist.107 Deshalb kann beispielsweise die Umnummerierung abgetretener Geschäftsanteile unter Kennzeichnung ihrer Herkunft durch Durchstreichen der bisherigen laufenden Nummern und durch Veränderungsnachweise unter den neuen laufenden Nummern nicht bean_______________

100 Vgl. BGH, BeckRS 2011, 7400; OLG Jena, ZIP 2010, 831, 832; Wicke, MittBayNot, 2010, 283, 284; DNotI-Report 2010, 147, 148 f. 101 BGH, BeckRS 2011, 7400; Wicke, MittBayNot, 2010, 283, 284. 102 BGH, DStR 2011, 2206. 103 Siehe oben IV. 1. Zur Notwendigkeit einer Anzeige entsprechend § 407 BGB als Voraussetzung für die Geltendmachung von Rechten siehe aber Wicke, GmbHG, § 16 Rz. 10; entsprechend für den Übergang der Verwaltungsrechte auf einen Testamtentsvollstrecker oder Insolvenzverwalter Herrler, NZG 2011, 1321, 1323. 104 Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 40 Rz. 9. 105 Siehe oben IV. 2. 106 Vgl. OLG München, GmbHR 2012, 39. 107 BGH, DStR 2011, 2206.

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Wicke – Praxisfragen der GmbH-Gesellschafterliste

standet werden, wenn dadurch eine hinreichend klare Zuordnung der Geschäftsanteile gewährleistet ist.108 Letztlich dürfte daher ein begrenzter Spielraum in der genauen Ausgestaltung der Gesellschafterliste anzuerkennen sein. So sollte es etwa möglich sein, bei Geschäftsanteilen mit unterschiedlichen Rechten oder Pflichten, diese im Interesse der Klarheit mit einer in der Satzung verwendeten Gattungsangabe zu bezeichnen („Vorzugsgeschäftsanteile A“).109 Zulässig ist nach dem Gesagten die Aufnahme einer Veränderungsspalte oder auch der Uhrzeit des Wirksamwerdens der Veränderung.

VIII. Verfahrensfragen 1. Prüfung durch das Registergericht Während nach der Gesetzesbegründung das Registergericht die Listen lediglich entgegen nimmt und keine inhaltliche Prüfungspflicht hat110, gehen Rechtsprechung und die h. M. in der Literatur davon aus, dass das Registergericht die Einhaltung der für eine Gesellschafterliste geltenden formalen Anforderungen gemäß § 40 GmbHG zu überwachen hat und darüber hinaus offenkundige materielle Mängeln beanstanden kann.111 Gegen eine die Aufnahme der Gesellschafterliste verweigernde Verfügung des Registergerichts ist die Beschwerde gemäß §§ 59, 61 FamFG eröffnet. Nach Auffassung des BGH hat der Notar bei Ablehnung der Aufnahme einer gemäß § 40 Abs. 2 GmbHG eingereichten Liste ein eigenes Beschwerderecht.112

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108 BGH, GWR 2011, 210; siehe oben VIII. 2. 109 Wicke, GmbHG, § 40 Rz. 5a. 110 Regierungsbegründung, nach Goette, Einführung in das neue GmbH-Recht, 2008, S. 282. 111 OLG München, DNotZ 2009, 869, 870; OLG München, NZG 2009, 797 f.; OLG Jena, BeckRS 2010, 07734; OLG Frankfurt, GmbHR 2011, 201 bei sicherer Kenntnis von der inhaltlichen Unrichtigkeit; ebenso OLG Frankfurt, GmbHR 2011, 826; siehe auch BGH, DStR 2011, 2206: Anforderungen des § 40 Abs. 1 Satz 1 zu überprüfen; einschränkend aber u. a. DNotI-Report 2009, 190 m. w. N. zum Streitstand; offen lassend BGH, BeckRS 2011, 7400; für ein generelles materielles Prüfungsrecht bei Geschäftsführerlisten im Sinne des § 40 Abs. 1 GmbHG mit guten Gründen Omlor/Spies, MittBayNot 2011, 357. 112 BGH, BeckRS 2011, 7400; a. A. OLG Köln, FGPrax 2010, 202.

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2. Kosten Die Entgegennahme der Liste der Gesellschafter durch das Registergericht begründet gemäß § 1 HRegGebV Anlage Teil 5 Nr. 5002 eine Gebühr von 30,00 Euro. Dies gilt nach einer Entscheidung des OLG München auch, wenn an Stelle des Geschäftsführers ein Notar die Liste der Gesellschafter beim Registergericht einreicht.113 Fertigt der Notar den Entwurf einer Gesellschafterliste, entsteht nach überwiegender Auffassung eine 5/10 Betreuungsgebühr gemäß § 147 Abs. 2 KostO aus einem nach § 30 Abs. 1 KostO zu bestimmenden Geschäftswert in Höhe von etwa 10 % bis 20 % des Stammkapitals.114 Das Anbringen des Wirksamkeitsvermerks und damit der Bescheinigung i. S. des § 40 Abs. 2 Satz 2 GmbHG löst nach Ansicht des OLG Stuttgart und des OLG Celle keine Gebühr aus.115 Die zutreffende Gegenauffassung geht angesichts der zusätzlichen Prüfungspflichten hinsichtlich der Wirksamkeit von einer Bescheinigung gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 1 KostO aus.116

IX. Schluss Die teilweise privat geführte und beim Handelsregister hinterlegte Gesellschafterliste mit den in § 16 GmbHG vorgesehenen Rechtswirkungen ist ein Novum im deutschen Recht. Aufgrund des geringen Regelungsaufwands sind einzelne offen gebliebene Rechtsfragen noch durch die Rechtsprechung zu klären. Ungeachtet dessen ist bereits jetzt erkennbar, dass ein zentrales Ziel der Neuregelung, die Schaffung transparenter Beteiligungsverhältnisse, schon nach sehr kurzer Zeit in nachhaltiger Form erreicht worden ist. Die Zuverlässigkeit der Listenangaben hat sich deutlich erhöht, die Möglichkeiten der Online-Abfrage zur Ermittlung der Beteiligungsverhältnisse werden weitläufig genutzt. Die

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113 OLG München, NZG 2011, 1231. 114 Streifzug durch die Kostenordnung, 8. Aufl. 2010, Rz. 959; Kölmel in Bunnemann/Zirngibl, Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung in der Praxis, 2. Aufl. 2011, § 9 Rz. 185; a. A. Link, RNotZ 2009, 193, 214; siehe ferner OLG Frankfurt, ZIP 2010, 2446. 115 OLG Stuttgart, MittBayNot 2009, 487 m. krit. Anm. Sikora; OLG Celle, NZG 2010, 959; OLG Brandenburg, BeckRS 2010, 29834. 116 Streifzug durch die Kostenordnung, 8. Aufl. 2010, Rz. 961; Kölmel in Bunnemann/Zirngibl, Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung in der Praxis, 2. Aufl. 2011, § 9 Rz. 187; Link, RNotZ 2009, 193, 214.

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Gesellschafterliste entwickelt sich in der Unternehmenspraxis daher zu einem sehr erfolgreichen Kapital der GmbH-Reform.117

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117 Vgl. auch Wachter, GmbHR 2010, R 113; ferner Kanzleiter in FS Günther H. Roth, 2011, S. 355, 359, 365, wonach §§ 16 Abs. 3, 40 Abs. 1, 2 GmbHG – nicht anders als § 892 BGB – ihre wesentliche Bedeutung nicht in erster Linie als Grundlage des gutgläubigen Erwerbs von Geschäftsanteilen, sondern in der generalpräventiven Wirkung haben, dass fehlerhafte Listen soweit wie möglich ausgeschlossen werden.

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Bericht über die Diskussion des Referats Wicke Sebastian Herrler Notar a. D., Geschäftsführer des Deutschen Notarinstituts, Würzburg Zu Beginn der von Prof. Dr. Hans-Joachim Priester geleiteten Diskussion wies Dr. Thomas Liebscher darauf hin, dass in § 40 Abs. 1 und 2 GmbHG eine primäre Geschäftsführerzuständigkeit und lediglich eine subsidiäre Notarzuständigkeit für die Listenerstellung zum Ausdruck komme. Dies werde durch die Haftungsandrohung in § 40 Abs. 3 GmbHG bekräftigt, welche lediglich den Geschäftsführer betreffe. Im Übrigen sei die haftungsrechtliche Inanspruchnahme des Notars für eine fehlerhafte Listenerstellung – wie allgemein die Geltendmachung eines Amtshaftungsanspruchs – an hohe Anforderungen geknüpft. Anschließend warf er die Frage auf, wer für die Korrektur einer fehlerhaften, vom Notar erstellten und eingereichten Gesellschafterliste zuständig sei. Seines Erachtens folge aus dem Überprüfungsrecht des Geschäftsführers ein korrespondierendes Recht zur Listenkorrektur. Roman Bärwaldt unterstrich die These von der primären Geschäftsführerzuständigkeit für die Listenerstellung. § 40 Abs. 2 GmbHG finde im Übrigen nur dann Anwendung, wenn ein deutscher Notar an der Veränderung in der Person der Gesellschafter oder des Umfangs der Beteiligung mitgewirkt habe. Im Falle der Auslandsbeurkundung sei hingegen der Geschäftsführer für die Listenerstellung zuständig. Hieran anknüpfend wies er darauf hin, dass seit Inkrafttreten des MoMiG die Diskussion über die (Un-)Zulässigkeit der Auslandsbeurkundung unter Verweis auf die notarielle Zuständigkeit für die Listenerstellung in § 40 Abs. 2 GmbHG wieder eröffnet wurde. Seines Erachtens haben sich die rechtlich relevanten Rahmenbedingungen insoweit aber nicht geändert, wie das OLG Düsseldorf kürzlich (anders als das LG Frankfurt a. M. im Jahr 2009) festgestellt habe. Dr. Hartmut Wicke entgegnete, das Regel-Ausnahme-Verhältnis betreffend die Zuständigkeit für die Listenerstellung in § 40 Abs. 1 und Abs. 2 GmbHG sei normativ zu sehen. Aufgrund der regelmäßigen Mitwirkung eines Notars an einer relevanten Veränderung i. S. von § 40 Abs. 1 Satz 1 GmbHG stelle daher die Listenerstellung und -einreichung durch diesen den Regelfall dar. Die Korrekturzuständigkeit für eine fehlerhaft

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Herrler – Bericht über die Diskussion des Referats Wicke

erstellte „Notarliste“ sei derzeit noch nicht abschließend geklärt. Gegen eine umfassende Korrekturzuständigkeit des Geschäftsführers spreche jedoch, dass auf diese Weise die vom Gesetzgeber intendierte Zuweisung der Listenerstellungskompetenz in § 40 Abs. 2 GmbHG an den Notar und die damit bezweckte gesteigerte Richtigkeitsgewähr unterlaufen werden könne. Im Übrigen habe er keine Zweifel, dass der die Liste erstellende Notar einen etwaigen Fehler umgehend korrigieren werde. Was die propagierte Geschäftsführer-Zuständigkeit im Falle der Auslandsbeurkundung einer GmbH-Geschäftsanteilsabtretung anbelangt, betonte Dr. Wicke nochmals die mit dem MoMiG erstrebte lückenlose Transparenz der Anteilsverhältnisse sowie die damit einhergehende Missbrauchsbekämpfung, insbesondere die Verhinderung bzw. Erschwerung von Geldwäsche. Aus diesem Grund sei die Listenerstellung durch den deutschen Notar der Zuständigkeit des Geschäftsführers vorzuziehen. Während Ersteren aufgrund seiner Amtspflichten eine (haftungsund disziplinarrechtlich sanktionierte) Einreichungspflicht treffe und entgegenstehende Wünsche bzw. Weisungen der Beteiligten ohne jede Relevanz seien, drohe aufgrund der fehlenden wirtschaftlichen wie rechtlichen Unabhängigkeit des Geschäftsführers die intendierte unverzügliche Verlautbarung von Anteilsveränderungen in der Gesellschafterliste beeinträchtigt zu werden. Bezugnehmend auf die geäußerte Kritik an der restriktiven Linie des II. Zivilsenats des BGH betreffend den zulässigen Listeninhalt und – hiermit korrespondierend – die Reichweite des gutgläubigen Erwerbs gem. § 16 Abs. 3 GmbHG wies Prof. Dr. Dirk Verse darauf hin, dass jedenfalls ein gutgläubiger lastenfreier Erwerb nicht möglich sei und das neu eingeführte Konzept des gutgläubigen Erwerbs von GmbH-Anteilen folglich ohnehin erhebliche Lücken enthielte. Die Kritik sei daher seines Erachtens weniger an den II. Zivilsenat als an den Gesetzgeber zu richten, der nicht zuletzt wegen der Geheimhaltungsinteressen der Gesellschaft bzw. der Gesellschafter bewusst auf die Verlautbarung von Belastungen in der Gesellschafterliste und in der Folge auch auf einen gutgläubigen Erwerb insoweit verzichtet hatte. Bereits im Vorfeld des Inkrafttretens des MoMiG war vielfach darauf hingewiesen worden, dass das Konzept des § 16 Abs. 3 GmbHG nur bei Ermöglichung eines umfassenden gutgläubigen Erwerbs sinnvoll sei. Dr. Wicke entgegnete, dass die Reichweite des gutgläubigen Erwerbs aufgrund der bewusst in Kauf genommenene Lücken nicht zwangsläufig auf das absolute Minimum zu beschränken sei. Seines Erachtens prä-

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Herrler – Bericht über die Diskussion des Referats Wicke

judiziere ein fehlender gutgläubiger lastenfreier Erwerb nicht notwendig, dass ein gutgläubiger Zwischenerwerb bei vorangegangener aufschiebend bedingter Abtretung gem. § 161 Abs. 3 BGB i. V. m. § 16 Abs. 3 GmbHG ebenso zu verneinen sei. Vielmehr habe der Bundesgerichtshof die Chance einer sinnvollen Rechtsfortbildung ungenutzt gelassen, zumal praxistaugliche Schutzinstrumente in Gestalt der Widerspruchslösung und des bereits häufig praktizierten sog. Zwei-Listen-Modells zur Verfügung stünden. Prof. Dr. Priester pflichtete Herrn Dr. Wicke bei und betonte gleichfalls die Eignung des Zwei-Listen-Modells zum Schutz des Ersterwerbers vor einem Rechtsverlust. Unter Bezugnahme auf die Ausführungen von Dr. Liebscher wies Dr. Matthias Kleiser abschließend darauf hin, dass der die Liste erstellende Notar für Fehler nach § 19 BNotO ohne höhenmäßige Begrenzung verantwortlich sei. Aufgrund des zwingenden Versicherungsschutzes stelle sich diese Rückgriffsmöglichkeit potentiell Geschädigter in der Praxis durchaus als wirkungsvoll dar. Auch für den Fall, dass der die Liste gem. § 40 Abs. 2 GmbHG erstellende Notar sich weigert, eine gebotene Korrektur vorzunehmen, stehe ein geeignetes Instrumentarium in Gestalt der Beschwerde nach § 15 Abs. 2 BNotO zur Verfügung, eine Anweisung des Landgerichts an den Notar zu erwirken und auf diese Weise zeitnah die Aufnahme der korrigierten Liste zu erreichen, so dass weder Bedarf noch rechtliche Grundlage für eine umfassende Korrekturzuständigkeit des Geschäftsführers bestehe.

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Corporate Governance – Entwicklungen im Unionsrecht Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Peter Hommelhoff Heidelberg/Frankfurt am Main I. Unternehmerische Leitmaximen . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 II. Der Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . 1. Risiken: Überwachung oder Mitentscheidung? . . . 2. Aufgaben-adäquate Zusammensetzung . . . . . . . . . 3. Regelungsimpulse des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . 4. Aufsichtsratsvorsitzender und Fremdevaluation . . . . . III. Aktionäre mit Gestaltungsund Überwachungsfunktion? 1. Die Kommissions-Vorstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Enumerative Einzelzuständigkeiten nach deutschem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zur Ausrichtung auf Nachhaltigkeit . . . . . . . . . . . . . . . 4. Aktionärsüberwachung und -dialog . . . . . . . . . . . . . .

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IV. Akteure auf der Aktionärsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 1. Proxy advisor . . . . . . . . . . 186 2. Vermögensverwalter . . . . 188 V. Der Abschlussprüfer . . . . . . 188 1. Die EU-Reformvorhaben und ihre Governance-Relevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 2. Prüfung und Beratung . . . 189 VI. Differenzierungen und Ausweitungen . . . . . . . . . . . . . . . 190 1. Erleichterungen für die kleine Börsengesellschaft? 190 2. Erstreckung auf börsenferne Unternehmen? . . . . 190 VII. Comply or explain innerhalb der Regelungshierarchie . . . 1. Zur gesteigerten Relevanz der Codices . . . . . . . . . . . . 2. Aufsichtsbehörden . . . . . . 3. Wirkungen der Codices . . 4. Perspektiven und Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . .

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VIII. Generelle Befunde aus deutscher Sicht . . . . . . . . . . . 195

Auf der europäischen Ebene ist das Unternehmens- und Gesellschaftsrecht seit geraumer Zeit in heftiger Bewegung. Mit ihren Grünbüchern zur Corporate Governance in den Finanzinstitutionen1, zur Abschluss_______________

1 Grünbuch „Corporate Governance in Finanzinstituten und Vergütungspolitik“, KOM(2010) 284 endg. vom 2.6.2010, abrufbar unter http://ec.europa.eu/

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Hommelhoff – Corporate Governance – Entwicklungen im Unionsrecht

prüfung2 und zum Corporate Governance-Rahmen in Börsengesellschaften3 hat die EU-Kommission in großer Breite die Gesetzgebungsprozesse eröffnet und die interessierten Kreise zur Befassung mit ihren Vorstellungen und Vorschlägen eingeladen4. Dabei lässt sich die Kommission von unterschiedlichen Motiven leiten: Während sie mit der Gesetzesinitiative zu den Finanzinstitutionen auf die Finanzmarktkrise zu reagieren suchte, bleibt das Ziel des Vorhabens, den Governance-Rahmen für sämtliche Börsengesellschaften europaweit zu regeln, bemerkenswert undeutlich. Es geht der Kommission darum, das Vertrauen der Bürger in den Binnenmarkt aufzubauen, und weiters darum, einen Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft zu leisten5. _______________

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internal_market/company/modern/corporate_governance_in_financial_institu tions_de.htm; dazu ausführlich Wittig, WM 2010, 2337 ff. Grünbuch „Weiteres Vorgehen im Bereich der Abschlussprüfung: Lehren aus der Krise“, KOM(2010) 561 endg. vom 13.10.2010, abrufbar unter http://ec. europa.eu/internal_market/auditing/reform/index_de.htm; siehe hierzu Eisenhardt/Wader, DStR 2010, 2532 ff.; Kämpfer/Kayser/Schmidt, DB 2010, 2457 ff.; Köhler/Ruhnke/Schmidt, DB 2011, 773 ff. Mittlerweile liegen zwei Rechtsakts-Entwürfe der Kommission zur Abschlussprüfung vor: die Richtlinie zur Änderung der Richtlinie 2006/43/EG [2011/0389 (COD)] sowie die Verordnung über spezifische Anforderungen an die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse [2011/0359 (COD)]. Grünbuch „Europäischer Corporate Governance-Rahmen“, KOM(2011) 164 endg. vom 5.4.2011, abrufbar unter http://ec.europa.eu/internal_market/com pany/modern/corporate-governance-framework_de.htm; deutsche Stellungnahmen zum Rahmen-Grünbuch an die Kommission, sämtlich‘ auch abrufbar unter http://ec.europa.eu/internal_market/consultations/2011/corporate-gover nance-framework/index_en.htm: u. a. Bundesrat, BR-Drucks. 189/11 vom 8.7.2011; Bundesregierung; Bundestag, BT-Drucks. 17/6506 vom 6.7.2011; Deutsches Aktieninstitut; Deutscher Industrie- und Handelskammertag; Handelsrechtsausschuss des Deutschen Anwaltvereins (im Folgenden Handelsrechtsausschuss des DAV), NZG 2011, 936 ff.; House of Finance, GoetheUniversität Frankfurt; Institut für Gesellschaftsrecht der Universität zu Köln (im Folgenden IfG Köln), NZG 2011, 975 ff.; Institut der Wirtschaftsprüfer; KPMG; Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex (im Folgenden Kodex-Kommission); Wirtschaftsprüferkammer; aus dem deutschen Schrifttum: Bachmann, WM 2011, 1301 ff.; Hennrichs, GmbHR 2011, R 257 f.; Hopt, EuZW 2011, 609 f.; Jung, BB 2011, 1987 ff.; Lutter, KPMG Audit Committee Quartely II/2011, 10 ff.; Peltzer, NZG 2011, 961 ff.; Wollmert/Oser/Orth, DB 2011, 1432 ff. Eine Zusammenfassung der der Kommission zugegangenen Stellungnahmen ist abrufbar unter http://ec.europa.eu/internal_market/company/modern/ corporate-governance-framework_de.htm. Rahmen-Grünbuch (Fn. 3), S. 2.

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Hommelhoff – Corporate Governance – Entwicklungen im Unionsrecht

Aus deutscher Sicht geschaut, dürfen jedoch diese wenig spezifischen Ziele nicht verdunkeln, welche fundamentalen Herausforderungen gerade für das deutsche Aktien- und sonstige Gesellschaftsrecht in den Vorstellungen und Vorschlägen der Kommission angelegt sind. Mit dem Ziel, dies herauszustellen, sollen aus dem Grünbuch zum Corporate Governance-Rahmen, aber auch aus dem zur Abschlussprüfung einige, also beileibe nicht alle Regelungsbereiche6 durchgemustert und gewürdigt werden, um auf diesem Wege den in der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung aggregierten Sachverstand zu ermuntern, sich mit Nachdruck in die Debatten um die europäischen Gesetzgebungsprojekte zum Gesellschafts- und Unternehmensrecht einzuschalten.

I. Unternehmerische Leitmaximen Schon im einleitenden Vorspann zum Rahmen-Grünbuch bekräftigt die EU-Kommission die zentrale Bedeutung für die europäischen Unternehmen, die ihrer Verantwortung sowohl gegenüber ihren Beschäftigten als auch gegenüber ihren Anteilseignern und gegenüber der Gesellschaft insgesamt zukomme7. Allerdings will die Kommission die soziale Verantwortung von Unternehmen separat in einer anderen Rahmeninitiative behandeln. Das ist konzeptionell verfehlt: Aus der Verantwortung der Unternehmen, ihrer Beschreibung, Ausrichtung und Eingrenzung folgen, wie aus der Diskussion um das Unternehmensinteresse in § 76 AktG bekannt8, die Handlungsmaximen für die Unternehmensleitung. Und wenn die Kommission Corporate Governance richtig als System von Unternehmensführung und Kontrolle bestimmt, ergänzt um definierte Beziehungen des Unternehmens zu seinen Aktionären und sonstigen Akteuren9, dann lässt sich Corporate Governance ohne Verantwortungs-basierte Handlungsmaximen rechtlich weder konzipieren, noch _______________

6 Umfassende Reaktionen u. a. von Bachmann, WM 2011, 1301 ff.; Handelsrechtsausschuss des DAV, NZG 2011, 937 ff.; IfG Köln, NZG 2011, 975 ff.; Peltzer, NZG 2011, 961 ff.; Wollmert/Oser/Orth, DB 2011, 1432 ff. 7 Rahmen-Grünbuch (Fn. 3), S. 2. 8 Zur Diskussion um die im Rahmen der Unternehmensleitung nach § 76 Abs. 1 AktG zu berücksichtigenden Interessen und den daraus abgeleiteten Leitlinien für den Vorstand siehe Fleischer in Spindler/Stilz, AktG, Bd. 1, 2. Aufl. 2010, § 76 Rz. 21 ff.; Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 76 Rz. 12 ff.; Seibt in K. Schmidt/Lutter, AktG, Bd. I, 2. Aufl. 2010, § 76 Rz. 12 ff.; Spindler in MünchKomm. AktG, Bd. 2, 3. Aufl. 2008, § 76 Rz. 64 ff. 9 Rahmen-Grünbuch (Fn. 3), S. 2 f.; vgl. in diesem Zusammenhang auch Bühler, Regulierung im Bereich der Corporate Governance, 2009, S. 131 ff.

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Hommelhoff – Corporate Governance – Entwicklungen im Unionsrecht

strukturieren. Andernfalls steht zu befürchten, Corporate Governance, zumindest die in Börsengesellschaften, wäre nach dem Regelungsplan der Kommission einseitig und allein auf die Aktionärsinteressen ausgerichtet, auf den shareholder value10. Konsequent muss daher in die Diskussion um den „Europäischen Corporate Governance-Rahmen“ auch die Verantwortung der Unternehmen als integraler Bestandteil mit einbezogen werden. Dazu besteht schon nach der Formulierung der Kommission aller Anlass. Denn verantwortlich sind die Unternehmen nach der Überzeugung aller EU-Mitgliedstaaten (für Deutschland sei bloß an das Verfassungsgerichtsurteil zur Unternehmensmitbestimmung erinnert)11 in erster Linie den Anteilseignern12 und nicht etwa, wie die Reihung im Grünbuch glauben macht13, den Beschäftigten des Unternehmens. Für sie freilich sollte der europäische Gesetzgeber schon im Corporate Governance-Rahmen verbindlich für alle Mitgliedstaaten und Unternehmen die Gleichbehandlung sämtlicher Arbeitnehmer unabhängig davon vorgeben, in welchem Mitgliedstaat das Unternehmen sie beschäftigt14. Das ließe die Mitbestimmung in den Mitgliedstaaten der Union als solche unberührt. Dagegen bedarf die Verantwortung der Unternehmen gegenüber der Gesellschaft, die Corporate Social Responsibility15, noch weiterer intensiver Erörterungen, bevor sie wie auch immer rechtspolitisch fixiert werden kann. Das ist vor dem Abschluss der Arbeiten am jetzt zur Diskussion gestellten Corporate Governance-Rahmen nicht zu leisten und kann getrost mit der bereits in Aussicht gestellten Kommissionsinitiative danach16 verbunden werden. Allerdings wird man vor dem Hintergrund jener gigantischen Finanzmittel, die das Gemeinwesen im Gefol_______________

10 Zur aktuellen Debatte um seinen Stellenwert siehe Fleischer in Spindler/ Stilz (Fn. 8), § 76 Rz. 29 ff.; Mülbert in FS Röhricht, 2005, S. 421 ff.; Ulmer, AcP 202 (2002), 143, 155 ff. 11 BVerfGE 50, 290 ff. mit Besprechung u. a. von Papier, ZGR 1979, 444 ff. 12 Rechtsvergleichendes bei Hopt, ZHR 175 (2011), 444, 476 ff. 13 Rahmen-Grünbuch (Fn. 3), S. 2. 14 Hierzu zuletzt Hellwig/Behme, AG 2011, 740, 742 ff. m. w. N. 15 Siehe dazu Bassen/Senkl, Der Aufsichtsrat 2010, 162; Fleischer in Spindler/ Stilz (Fn. 8), § 76 Rz. 42; Förster, RIW 2008, 833 ff.; Mülbert, AG 2009, 766 ff.; zu den ökonomischen Aspekten der sozialen Verantwortung von Unternehmen siehe Schreyögg, AG 2009, 758 ff.; zu den bilanz- und steuerrechtlichen Aspekten Hüttemann, AG 2009, 774 ff.; zu denen im Strafrecht Ransiek, AG 2009, 782 ff. 16 Rahmen-Grünbuch (Fn. 3), S. 2.

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Hommelhoff – Corporate Governance – Entwicklungen im Unionsrecht

ge der Finanzmarktkrise nicht bloß den Banken, sondern ebenfalls Unternehmen der Realwirtschaft zur Verfügung gestellt hat17, noch einmal über den Standpunkt der Regierungsfraktionen im Bundestag sprechen müssen, eine gesetzliche Verpflichtung zur Corporate Social Responsibility widerstreite dem Grundgedanken des frei verantwortlichen gesellschaftlichen Engagements18.

II. Der Aufsichtsrat Nun zum Kern des Corporate Governance-Rahmens, zur Kontrolle der Unternehmensleitung und ihrer näheren Ausgestaltung, für das dualistische System19 vornehmlich in Deutschland und Österreich also zum Aufsichtsrat und seiner weiteren Professionalisierung20.

1. Risiken: Überwachung oder Mitentscheidung? Dessen Überwachungsaufgabe will das Rahmen-Grünbuch mit der Vorgabe konkretisieren, die Risikomanagementprozesse im Unternehmen müssten mit Sicherheit angemessen beaufsichtigt werden21. Das ist nicht neu und war schon in der Abschlussprüferrichtlinie22 auf den Prüfungs_______________

17 Zur Förderung der Realwirtschaft siehe etwa den Handelsblatt-Artikel „Mittelstand kann weiter auf Kredite bauen“ vom 17.2.2009, abrufbar unter http://www.handelsblatt.com/unternehmen/mittelstand/mittelstand-kannweiter-auf-kredite-bauen/3113612.html; ferner Wohltmann, Der Landkreis 2009, 124 ff. 18 Stellungnahme des Bundestags zum Rahmen-Grünbuch (Fn. 3), S. 4. 19 Zum dualistischen in Abgrenzung gegenüber dem monistischen System siehe Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 2011, Rz. 376 ff.; Schiessl, ZHR 167 (2003), 235 ff.; rechtsvergleichend Hopt, ZHR 175 (2011), 444, 466 ff., der auch auf die Konvergenzen zwischen den Modellen eingeht, sowie Möslein, Grenzen unternehmerischer Leitungsmacht im marktoffenen Verband, 2007, S. 51 ff. m. w. N. 20 Zur Professionalisierung des Aufsichtsrats näher Bachmann, WM 2011, 1301, 1303; Ehren/Gros, Der Konzern 2011, 277 ff.; von Rosen/Leven, Kreditwesen 2010, 735 ff.; Lutter, DB 2009, 775 ff.; Theisen, Der Aufsichtsrat 2010, 81; Weber-Rey, AG 2009, R 353 ff.; kritisch zu den aktuellen Professionalisierungs-Bestrebungen der Kommission Peltzer, NZG 2011, 961 ff. 21 Rahmen-Grünbuch (Fn. 3), S. 11 f. 22 Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 17.5.2006 über Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/ EWG des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 84/253/EWG des Rates, ABl. 2006 L 157/87.

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ausschuss zugeschnitten bestimmt worden; ins deutsche Aktienrecht transferiert hat diese Vorgabe (konzeptionell verfehlt)23 ihren Niederschlag in § 107 Abs. 3 AktG gefunden. Dennoch darf dieser Regelungsimpuls im Rahmen-Grünbuch nicht vernachlässigt werden; formuliert die Kommission hierzu doch weiters24: Jegliche Risikopolitik müsse vom Verwaltungsrat für die gesamte Organisation festgelegt werden; denn er trage die Hauptverantwortung für die Definition des Risikoprofils einer bestimmten Organisation im Sinne der jeweils verfolgten Strategie sowie die Hauptverantwortung für eine angemessene Überwachung. – In dieser Sentenz wird nicht bloß der Verwaltungsrat verfehlt mit dem Aufsichtsrat gleich gestellt; vielmehr und darüber hinaus offenbart sie, wie gefährlich in der EU-Kommission das dualistische Verwaltungssystem und seine kennzeichnenden Grundzüge verkannt werden und nicht durchgehend und stets präsent sind: Selbstverständlich trägt der Vorstand die primäre und unmittelbare Hauptverantwortung auch für das Strategie-basierte Risikoprofil des Unternehmens, für dessen „Risikoappetit“25 und für das Management der im Unternehmen anstehenden Risiken durch Organisation und Verfahren. Das folgt schon aus der gesetzlichen Leitungspflicht des Vorstands26. Zwar ist ebenfalls der Aufsichtsrat mit den Unternehmensrisiken befasst: zum ersten jahresperiodisch im Zusammenhang mit dem Vorstandsbericht zur beabsichtigten Geschäftspolitik und anderen grundsätzlichen Fragen der Unternehmensplanung (§ 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AktG)27, zum zweiten bei den zustimmungsbedürftigen Geschäften und Maßnahmen (§ 111 Abs. 4 Satz 2 AktG) und zum dritten schließlich bei der Überwachung des Risikomanagementsystems und seiner Wirksamkeit (§ 107 Abs. 3 Satz 2 AktG)28. Aber aus diesen Befassungen _______________

23 24 25 26

Siehe Hommelhoff/Mattheus, BB 2007, 2787, 2789. Rahmen-Grünbuch (Fn. 3), S. 12. Siehe Frage 11 des Rahmen-Grünbuchs (Fn. 3), S. 11. Zur Leitungspflicht des Vorstands bereits Hommelhoff, Die Konzernleitungspflicht, 1982, S. 44; siehe ferner Fleischer, ZIP 2003, 1, 2; Seibt in K. Schmidt/ Lutter (Fn. 8), § 76 Rz. 8 f.; Seibt in FS K. Schmidt, 2009, S. 1463, 1466 ff. 27 Der Aufsichtsrat muss sein Informationsrecht nach § 90 AktG nutzen, um die Unternehmensrisiken einschätzen und das Risikomanagementsystem überprüfen zu können (zur Überwachungsfunktion siehe Fn. 28): Kort, ZGR 2010, 440, 467; Preußner, NZG 2008, 574, 576. 28 Zur Überwachung des Risikomanagements durch den Aufsichtsrat Drygala in K. Schmidt/Lutter (Fn. 8), § 107 Rz. 71 ff.; Kort, ZGR 2010, 440, 449, 460 ff., 467; Mattheus in Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Hdb. Corporate Governance, 2. Aufl. 2009, S. 563, 572 f.

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kann und darf keine Mitverantwortung des Aufsichtsrats in der Art hergeleitet werden, dass er für das Risikoprofil des Unternehmens und für dessen Risikomanagement neben den Vorstand tritt und sich die Verantwortung mit diesem teilt. Die Mitverantwortung des Aufsichtsrats ist und bleibt eine nachgeordnete. Insbesondere kann er dem Vorstand kein Risikoprofil gestaltend vorgeben; auch insoweit liegt die Initiative29 unverändert bei diesem. Dem Aufsichtsrat bleibt lediglich, einer Vorstandsinitiative ggf. seine Zustimmung zu versagen oder sie in seine Mitverantwortung zu übernehmen.

2. Aufgaben-adäquate Zusammensetzung Weithin konform zum dualistischen System sind hingegen alle Impulse, mit denen das Rahmen-Grünbuch darauf abzielt, den Aufsichtsrat und seine Überwachungstätigkeit weiter zu professionalisieren. Das gilt für die Aufgaben-adäquate Zusammensetzung des Überwachungsorgans ebenso wie für die Anforderungsprofile, denen die Organmitglieder entsprechen sollten30. Zum Profil zählen der Beruf der Aufsichtsratsmitglieder ebenso wie die in international tätigen Börsengesellschaften regelmäßig erforderlichen Auslandserfahrungen sowie das zeitliche Engagement der Ratsmitglieder. Allerdings provozieren die GrünbuchAusführungen zur Diversität Widerspruch: Der internationalen Diversität kann ein Unternehmen nicht allein durch die Berufung von NichtStaatsangehörigen gerecht werden31, sondern ebenfalls, wenn nicht in vielen Einzelfällen sogar deutlich besser, durch Staatsangehörige mit langjähriger und reicher Auslandserfahrung. Und zur geschlechterspezifischen Diversität: ganz unabhängig von der Notwendigkeit, Frauen über alle Karrierestufen hinweg bis in die Aufsichtsräte hinein nachdrücklich zu fördern, hat dies nichts mit Corporate Governance zu tun. Die Untersuchungen, die nach der Behauptung der DAV-Frauen den Zusammenhang belegen zwischen dem Prozentsatz von Frauen im

_______________

29 Speziell zum Initiativrecht des Vorstands Bachmann, WM 2011, 1301, 1309; IfG Köln, NZG 2011, 975, 979; Peltzer, NZG 2011, 961, 965; Spindler in MünchKomm. AktG (Fn. 8), § 76 Rz. 17; siehe auch die Stellungnahme der Kodex-Kommission zum Rahmen-Grünbuch (Fn. 3), S. 2 f., 8; vertiefend zu den risikobezogenen Vorstandspflichten Baums, ZHR 175 (2011), 160, 194 ff. 30 Rahmen-Grünbuch (Fn. 3), S. 6 ff. 31 So aber Rahmen-Grünbuch (Fn. 3), S. 7.

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Verwaltungsrat und der Qualität seiner Arbeit32, halten bloß auf: Unabhängig hiervon verdienen gute Frauen ebenso nachdrückliche Förderung wie bisher immer schon gute Männer. Das werden die Gesetzgeber anderweit umfassend sicherstellen müssen – bloß im Kontext des Governance-Rahmens hat Frauenförderung nichts zu suchen.

3. Regelungsimpulse des Gesetzgebers Nun aber schnell zurück in das ruhigere Gewässer der AufsichtsratsProfessionalisierung und hier zur Frage: sollte es Aufgabe der Gesetzgeber, des europäischen oder der mitgliedstaatlichen sein, mit Vorgaben zur Zusammensetzung und Profilierung des Aufsichtsrats und seiner Mitglieder für gesteigerte Professionalisierung zu sorgen? Oder stehen dem nicht die mannigfaltigen Strukturen sogar der Börsengesellschaften entgegen, die Vielfalt ihrer Branchen, Produkte und Märkte? Zur Beantwortung dieser Frage kann das deutsche Recht aufschlussreiches Material beisteuern: Zum Anforderungsprofil für Aufsichtsratsmitglieder und ansatzweise auch zur Aufgaben-adäquaten Zusammensetzung des Überwachungsorgans hat schon vor einem Vierteljahrhundert der Bundesgerichtshof in seinem „Hertie-Urteil“33 noch heute Gültiges und Wesentliches gesagt. Dennoch haben seine richterlichen Grundsätze in der Unternehmenspraxis kaum Beachtung gefunden; Resonanz ebensowenig die Pflichtenkataloge, die in der Wissenschaft aus Gesetz und Rechtsprechung herausdestilliert worden sind34. Die abstrakten Generalklauseln im Aktiengesetz entfalteten selbst in Verbindung mit dem Deutschen Corporate Governance Kodex (5.4.1) weder für die Aufgabenadäquate Besetzung des Aufsichtsrats noch für die Profilierung seiner Mitglieder nennenswerte Steuerungsimpulse. Erst die gigantischen Fehlleistungen mancher Bankenaufsichtsräte, vor allem jedoch vieler Verwaltungsräte in öffentlichen Banken, die im Gefolge der Finanzmarkt_______________

32 Antworten des Geschäftsführenden Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft Anwältinnen im DAV zu den Fragen 4 bis 6 des Rahmen-Grünbuchs, S. 18 ff. der unter http://ec.europa.eu/internal_market/consultations/2011/corporategovernance-framework/index_en.htm abrufbaren Stellungnahme des Handelsrechtsausschusses des DAV zum Rahmen-Grünbuch. 33 BGHZ 85, 293 ff. mit Rezension Hommelhoff, ZGR 1983, 551 ff. 34 Zu den Aufgaben des Aufsichtsrats, seiner Organisation und Zusammensetzung siehe vor allem Lutter, DB 2009, 775 ff.; Lutter in Hommelhoff/Hopt/ v. Werder (Fn. 28), S. 321 ff.; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 5. Aufl. 2008, Rz. 885 ff.

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krise zutage traten35, führten zu einem radikalen, wenn auch verspäteten Umschwung. Was folgt hieraus für die Rolle der Gesetzgeber? Sie müssen selbst aktiv werden, haben durch zwingende und eindeutige Vorgaben in der Unternehmenspraxis sicherzustellen, dass die Aufsichtsräte Aufgaben-adäquat zusammengesetzt sind und ihre Mitglieder über die jeweils notwendigen Profile verfügen. Versteckte Andeutungen wie die in § 124 Abs. 3 Satz 1 AktG genügen ebensowenig wie Regelungsfreiheit für die Unternehmen. Allerdings sollten sich die Gesetzgeber auf verpflichtende Zielvorgaben beschränken und nicht etwa organisatorische Details in der Art regeln, wie es erschreckend in § 25a KWG und in § 64a VAG geschehen ist. Vielmehr sollten die gesetzlichen Zielvorgaben zur konkreten Materialisierung den Unternehmen überantwortet werden – gegebenenfalls angeleitet und abgestützt durch Empfehlungen in Corporate Governance Codices unter dem comply or explain-Regime.

4. Aufsichtsratsvorsitzender und Fremdevaluation Nach diesem Regelungsmuster verbindlicher Zielvorgaben im Gesetz und ihrer Materialisierung durch die Unternehmen sollten die Gesetzgeber schließlich auch den Aufsichtsratsvorsitzenden und die obligatorische Fremdevaluation des Aufsichtsrats behandeln. Position und Zuständigkeiten für die Aufsichtsratsvorsitzenden sämtlicher Börsengesellschaften im Gesetz fixieren zu wollen36, ist ein wenig sinnvolles Unterfangen; die bloße Vorgabe seiner Existenz genügt. In gleicher Weise sollte es ausreichen, die regelmäßige Fremdevaluation des Aufsichtsrats37 anzuordnen. Ob das alle fünf Jahre geschehen muss, sollte man, vermittelt über eine Kodex-Empfehlung, letztendlich den Unternehmen überlassen.

III. Aktionäre mit Gestaltungs- und Überwachungsfunktion? Indes – dem Aufsichtsrat allein traut die EU-Kommission, angestachelt durch den Larosière-Bericht38, eine effektive Überwachung der Unter_______________

35 Siehe hierzu Lutter, ZIP 2009, 197 ff. m. w. N. 36 Rahmen-Grünbuch (Fn. 3), S. 5: Position und Zuständigkeiten des Verwaltungsratsvorsitzenden genauer zu definieren, könnte nützlich sein. 37 Rahmen-Grünbuch (Fn. 3), S. 9 f. 38 Der Bericht ist abrufbar unter http://ec.europa.eu/internal_market/finances/ committees/index_de.htm.

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nehmensleitung nicht zu und will deshalb institutionelle und andere langfristig denkende Anleger wie Pensionsfonds, Lebensversicherer und staatliche Investitionsfonds zu größerem Engagement im Beteiligungsunternehmen veranlassen39. Dabei versteht die Kommission unter Engagement die aktive Überwachung des Unternehmens, einen Dialog mit dem Verwaltungsrat, im dualistischen System also mit Vorstand und Aufsichtsrat, und die Ausübung der Aktionärsrechte, um die Governance des Unternehmens im Interesse der Schaffung langfristiger Werte zu verbessern40. Wie lässt sich ein so verstandenes Aktionärs-Engagement in das dualistische Verwaltungssystem des deutschen Aktienrechts einbauen?

1. Die Kommissions-Vorstellung Im Zentrum der Aktionärskontrolle nach deutschem Recht stehen die jahresperiodische Rechnungslegung des Vorstands (§§ 175 f. AktG) und der Bericht des Aufsichtsrats an die Aktionäre § 172 Abs. 1 AktG), deren Erläuterung in der Hauptversammlung (§ 176 Abs. 1 Satz 2 AktG), abgesichert durch das Auskunftsrecht der Aktionäre (§ 131 AktG) sowie die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat (§ 120 AktG), alles verschärfend verstärkt durch das Anfechtungsrecht (§§ 243 ff. AktG). In der Praxis deutscher Börsengesellschaften wird dieses Kontrollinstrumentarium bekanntlich engagiert genutzt41 und hat sich, vor allem über eine reiche Rechtsprechung42, zu einer mächtigen Säule der Corporate Governance in Deutschland entwickelt. Aber damit will sich die EUKommission nicht begnügen; ihr geht es darum, über die Ausübung von Aktionärsrechten die Governance des Unternehmens im Interesse der Schaffung langfristiger Werte zu verbessern. Bei Lichte besehen bedeutet das: Die Aktionäre (oder zumindest die Paketaktionäre, die blockholder unter ihnen) sollen auf die Unternehmensleitung proaktiv gestaltenden Einfluss nehmen, also diese nicht bloß reaktiv in ihrem Wirken würdigen. _______________

39 Rahmen-Grünbuch (Fn. 3), S. 13 mit Fn. 46. 40 Rahmen-Grünbuch (Fn. 3), S. 13. 41 Zur Reform des Beschlussmängelrechts siehe Habersack/Stilz, ZGR 2010, 710 ff.; K. Schmidt, AG 2009, 248 ff.; speziell zum Freigabeverfahren Zöllner in FS Westermann, 2008, S. 1631 ff. 42 Zur Anfechtung wegen Informationsmängeln: BGHZ 36, 121, 139 f.; BGHZ 149, 158, 164 f.; BGH, ZIP 2004, 2428, 2429 ff.; und jüngst wegen unzutreffender Entsprechenserklärung: BGHZ 180, 9, 19 ff. (Kirch/Deutsche Bank); BGHZ 182, 272, 280 ff.

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2. Enumerative Einzelzuständigkeiten nach deutschem Recht Ein solcher Rollenbeschrieb widerspricht der Position der Aktionäre, wie sie in Reaktion auf die verbreitete Unternehmenspraxis am Ende der Weimarer Republik seit bald einem dreiviertel Jahrhundert im deutschen Aktiengesetz festgeschrieben ist43, fundamental. Zur gestaltenden Einflussnahme sind die Aktionäre ausschließlich dort berufen, wo das Aktien- und das Umwandlungsgesetz ihre Entscheidungszuständigkeit begründet hat (arg. § 119 Abs. 1 AktG). Die deutsche Hauptversammlung hat keine Kompetenzkompetenz. In Geschäftsführungsfragen können die Aktionäre allein dann entscheiden, wenn der zu eigenverantwortlicher Leitung verpflichtete Vorstand dies von ihnen verlangt (§ 119 Abs. 2 AktG). An diesem Grundkonzept haben auch die Holzmüller/ Gelatine-Urteile des Bundesgerichtshofs44 nichts strukturell verändert.

3. Zur Ausrichtung auf Nachhaltigkeit Somit lassen sich aktiv gestaltende blockholder nicht in die überkommene Verfassung der deutschen Börsengesellschaften einbauen und auch nicht in ihre Aktionärs-bezogene Corporate Governance. Zu deren Nachhaltigkeits-bezogenem Umbau besteht auch kein Anlass. Für die Verwaltungen der Börsengesellschaften genügt die normative Zielvorgabe, im Unternehmen langfristige Werte zu schaffen und den Unternehmenswert nachhaltig zu steigern. Im deutschen Aktienrecht stellt sich deshalb allenfalls die Frage, ob das Postulat nachhaltiger Unternehmensentwicklung in Börsengesellschaften aus dem Vergütungsrecht für Vorstände (§ 87 Abs. 1 Satz 2 AktG)45 in ihre generelle Aufgabenstellung, also in § 76 Abs. 1 AktG so überführt werden sollte, wie dies der Deut-

_______________

43 Dazu näher Hommelhoff (Fn. 26), S. 87 ff., s. auch Möslein, Leitungsmacht (Fn. 19), S. 20 f. 44 BGHZ 83, 122 ff. (Holzmüller); BGHZ 159, 30 ff. (Gelatine I); BGH, ZIP 2004, 1001 ff. (Gelatine II); dazu Goette, DStR 2004, 927 f.; Habersack, AG 2005, 137 ff.; Liebscher, ZGR 2005, 1 ff. 45 Zur Verhaltens-steuernden Funktion dieser Vergütungsvorgabe Fleischer, NZG 2009, 801, 802 f.; s. auch Marsch-Barner, ZHR 175 (2011), 737; nur eine Negativ-Steuerungswirkung im Sinne der Vermeidung eines Anreizes zu Pflichtwidrigkeit bejahend Mertens, AG 2011, 57, 58 f.; insgesamt zweifelnd Bauer/Arnold, AG 2009, 717, 721.

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sche Corporate Governance Kodex (4.1.1)46 bereits getan hat: Unternehmensleitung mit dem Ziel nachhaltiger Wertschöpfung.

4. Aktionärsüberwachung und -dialog Vergleichbar sperrig zur Unternehmensverfassung der deutschen Aktiengesellschaft steht die Vorstellung der EU-Kommission, die blockholder sollten das Unternehmen und seine Leitung aktiv überwachen. Wie soll sich das im dualistischen System mit der Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats zusammenreimen: zwei untereinander unabgestimmt konkurrierende Überwachungsorgane47? Mit diesen Zweifeln muss es schon aus Zeitgründen sein Bewenden haben. Und ein privilegierter Dialog der blockholder mit Vorstand und Aufsichtsrat, wie er der Kommission vorschwebt, ist allein unter penibler Befolgung des Gebots informationeller Gleichbehandlung aller Aktionäre tolerabel. Die Empfehlung der Kodex-Kommission (6.3.)48 muss daher zu einem normierten Rechtssatz avancieren: Sämtliche neuen Tatsachen, die Finanzanalysten und vergleichbaren Adressaten49 mitgeteilt worden sind, müssen unverzüglich allen Aktionären zur Verfügung gestellt werden.

IV. Akteure auf der Aktionärsebene Wenn so die Aktionäre und ihr Einflusspotential Funktionselemente der Corporate Governance in Börsengesellschaften sind, dann müssen in deren Regelungsrahmen auch jene Akteure mit einbezogen werden, die das Aktionärsverhalten, insbesondere die Stimmabgabe der blockholder wesentlich beeinflussen, die proxy advisors, die Stimmberater:

1. Proxy advisor Nach den Erhebungen der EU-Kommission beraten sie die blockholder, wie sie zu den Tagesordnungspunkten in der Hauptversammlung der jeweiligen Beteiligungsunternehmen abstimmen sollten, und zu deren _______________

46 Zum Nachhaltigkeitspostulat in 4.1.1 DCGK und seiner Parallele zu § 87 Abs. 1 Satz 2 AktG näher Ringleb in Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Kommentar zum Deutschen Corporate Governance Kodex, 4. Aufl. 2010, Rz. 608 ff. 47 Dazu schon Hommelhoff in Liber amicorum Martin Winter, 2011, S. 255 ff. 48 Ausführlich zum Aussagegehalt des 6.3 DCGK v. Werder in Ringleb/Kremer/ Lutter/v. Werder (Fn. 46), Rz. 1219 ff. 49 Unter dem Aspekt der Information sind dazu ebenfalls die Paketaktionäre zu zählen.

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Corporate Governance-Rating50. Nicht selten werden diese Stimmberater sogleich mit der Stimmrechtsvertretung beauftragt – sämtlich‘ Dienste, die blockholder deshalb gern in Anspruch nehmen, weil die eigene Verwaltung ihres hoch diversifizierten Aktienportfolios viel zu aufwendig und kostenträchtig wäre51. In der Unternehmenspraxis kommt dem Wirken dieser proxy advisors deshalb so große Bedeutung zu, weil die blockholder, namentlich bei Beteiligungen im Ausland, deren Empfehlungen ohne weiteres zu folgen pflegen52. Mit diesem Wirken sieht die EU-Kommission (jenseits des Monopols, über das die wenigen proxy advisors verfügen) drei Probleme verbunden: zum ersten die mangelhafte Durchschaubarkeit, von welchen Methoden sich die Berater bei ihren Empfehlungen leiten lassen. Zum zweiten die fehlende Berücksichtigung nationaler Besonderheiten in Recht und Rechtsprechung, aber auch in den Corporate Governance-Praktiken, denen die Beteiligungsunternehmen unterworfen sind; das ist vor allem für die dualistisch strukturierten Börsengesellschaften in Deutschland und Österreich bedeutsam. Und zum dritten schließlich sind die Interessenkonflikte problematisch, die entstehen können, wenn ein proxy advisor neben der Stimmrechtsberatung zugleich das Beteiligungsunternehmen bei dessen Corporate Governance berät oder bei der Stimmrechtsberatung den Vorschlägen seiner Kunden folgt. Diese Probleme sind so gewichtig, dass sich die Gesetzgeber selbst regelnd einschalten müssen und ihre Lösung weder den proxy advisors zur Eigenregelung anvertrauen können, noch den gegenüber den advisors Durchsetzungs-schwachen Kodexgebern53. Für die Gesetzgeber könnte sich dabei eine Aufgabenteilung anbieten: Während der europäische Methodentransparenz und ein Verbot Interessen-widerstreitender Beratung und sonstigen Verhaltens vorgeben könnte, wäre parallel dazu Raum für die mitgliedstaatlichen Gesetzgeber, gegebenenfalls die Eigenheiten ihres Rechts und ihrer Corporate Governance-Kultur normativ abzusichern. _______________

50 Rahmen-Grünbuch (Fn. 3), S. 17; grundlegend zur Rolle der proxy advisors Fleischer, AG 2012, 2 ff.; Klöhn/Schwarz, ZIP 2012, 149 ff. 51 So schon Fleischer, ZGR 2011, 155, 170; Fleischer/Strothotte, AG 2011, 221, 225 f. 52 Rahmen-Grünbuch (Fn. 3), S. 17. 53 Ihre Empfehlungen berücksichtigen die proxy advisor nach den Feststellungen der Kommission (Rahmen-Grünbuch (Fn. 3), S. 17) gerade nicht.

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2. Vermögensverwalter Dagegen gehört, abweichend von den Vorstellungen der EU-Kommission54, das Verhältnis zwischen den institutionellen Investoren und ihren Vermögensverwaltern nicht in den Regelungsrahmen der Corporate Governance. Denn mit der rechtlich geordneten Balance zwischen Unternehmensleitung und Kontrolle in den Beteiligungsunternehmen hat es allenfalls höchst mittelbar zu tun, ob die treuhänderischen Verpflichtungen der Vermögensverwalter transparent sind oder ob diese verfehlt zu kurzfristiger Gewinnmaximierung angehalten werden. Die nachhaltige Wertschöpfung muss, wie schon dargelegt55, den Unternehmensleitungen verbindlich vorgegeben werden. Daran können dann auch die Vermögensverwalter nichts ändern; den Regulierungsrahmen für den Markt müssen sie hinnehmen.

V. Der Abschlussprüfer Akteur im System der Corporate Governance ist aber auch der Abschlussprüfer – und zwar in seinen beiden Grundfunktionen als externer Mitgarant der Publizität und als interner Kooperationspartner des Aufsichtsrats. Deshalb müssen zusätzlich zum Rahmen-Grünbuch jene Impulse mit einbezogen werden, die die EU-Kommission zur Reform der Abschlussprüfung vorantreibt.

1. Die EU-Reformvorhaben und ihre Governance-Relevanz Governance-relevant sind die Kommissionsvorschläge zum joint audit, also zur gemeinsamen Abschlussprüfung durch einen der „big four“ zusammen mit einer kleineren oder mittleren Prüfungsgesellschaft, zur Zwangsauswechslung der Prüfungsgesellschaft nach längstens acht Jahren sowie zum Verbot gleichzeitiger Prüfung und Beratung. Mit Blick auf die externe Publizität und damit auf die externe Corporate Governance steht die Frage der Prüfungsqualität im Vordergrund und somit die Frage, ob die Kapitalanleger sich bei ihren Anlageentscheidungen auf die Rechnungslegung der Unternehmen verlassen können. Oder anders formuliert: Werden die Abstimmungsprobleme beim joint audit tatsächlich die Verlässlichkeit der Rechnungslegung beeinträchtigen _______________

54 Rahmen-Grünbuch (Fn. 3), S. 14 ff. 55 Oben III. 3.

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und wird Vergleichbares bei der Zwangsrotation wegen der Notwendigkeit zu befürchten sein, dass sich der neue Abschlussprüfer erst langfristig in die Besonderheiten des zu prüfenden Unternehmens einarbeiten muss? Hierzu sollten vor allem auch die Akteure in den geprüften Unternehmen und auf den Kapitalmärkten gefragt werden, also die Mitglieder von Prüfungsausschüssen in den Überwachungsorganen etwa sowie die Banken, blockholder und proxy advisor. Ohne deren Voten droht die rechtspolitische Debatte zu stark ideologisiert abzulaufen.

2. Prüfung und Beratung Joint audit und Zwangsrotation sind zugleich für die interne Corporate Governance bedeutsam, vor allem aber das vorgeschlagene Verbot simultaner Prüfung und Beratung. In Deutschland dies deshalb, weil der Abschlussprüfer seit nunmehr 80 Jahren nach dem kontinuierlichen Willen der Gesetzgeber der geborene Berater des Aufsichtsrats ist. Dessen Schwächen wollte die Notverordnung 1931 abhelfen. Zentrales Hilfsmittel ist der Prüfungsbericht des Abschlussprüfers (§ 321 HGB); ihn hat der Gesetzgeber unlängst für geprüfte Börsengesellschaften um den Sonderbericht zur Prüfung des Risikofrüherkennungssystems und zu möglichen Verbesserungsmaßnahmen ergänzt (§ 321 Abs. 4 HGB). Dieser Sonderbericht wird in der Praxis der Aufsichtsräte wegen deren Überwachung unter anderem des gesamten Risikomanagementsystems (arg. § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG) zumeist entsprechend erweitert. Vor diesem Hintergrund steht zu befürchten, dass die Trennung von Prüfung und Beratung die Unterstützungsfunktion des Abschlussprüfers gefährlich abschwächen und mithin den Ausgleich zwischen Unternehmensleitung und Überwachung im dualistischen System zentral treffen könnte. Gerade die Überwachung der Kontrollsysteme und -prozesse ist eng mit Organisation und IT verknüpft; starke Impulse auf die Systeme kann aber auch das Steuerwesen entfalten. Wenn man auf diesen Gebieten künftig scharf zwischen Prüfung und Beratung trennen will, stellt sich die Frage, ob der Abschlussprüfer den klaren Blick und die Sensibilität behalten wird, um die Besonderheiten des zu prüfenden Unternehmens und seiner Einrichtungen präzise zu erfassen. Darüber hinaus wird man sich ganz generell im Rahmen des europäischen Gesetzgebungsprozesses mit dem Zweifel befassen müssen, ob ein von der Beratung ausgeschlossener Abschlussprüfer dann noch fähig sein wird, zur Lage des Unternehmens, zu seinem Fortbestand und zu seiner künftigen Entwicklung, wie sie der Vorstand beurteilt, so aus eigener Überzeu-

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gung Stellung zu nehmen (§ 321 Abs. 1 Satz 2 HGB), dass dem Aufsichtsrat für seine Überwachungsaufgabe effektiv geholfen wird. Auch hierfür bedarf es noch des intensiven Gesprächs mit Angehörigen von Prüfungsausschüssen, insbesondere in Börsengesellschaften.

VI. Differenzierungen und Ausweitungen Noch vor ihren Einzelvorschlägen stellt die EU-Kommission zwei grundsätzliche Erwägungen zur Diskussion: die Differenzierung unter den Börsengesellschaften sowie die Erstreckung des Governance-Rahmens über die Börsengesellschaften hinaus.

1. Erleichterungen für die kleine Börsengesellschaft? Interessant erwägt die EU-Kommission unterschiedliche Corporate Governance-Regeln je nach der Größe und Struktur der Börsengesellschaft – etwa Erleichterungen für kleine und mittlere Unternehmen oder für kleine Börsengesellschaften, in denen der Mehrheitsaktionär zugleich geschäftsleitend tätig ist56. Diese Erwägung geht auf französische und britische Anregungen zurück. Deshalb sollten die dort rechtspraktisch mit den Erleichterungen gesammelten Erfahrungen zunächst breiter aufgeschlossen und zur Diskussion gestellt werden. Denn aus dem Blickwinkel des außenstehenden Kapitalanlegers scheint es ohne Belang, ob er in eine kleine oder große Börsengesellschaft investiert. Im Moment liegen daher Governance-Differenzierungen nach unterschiedlichen Marktsegmenten57 näher als nach Größe oder Struktur der Börsengesellschaft.

2. Erstreckung auf börsenferne Unternehmen? Noch größerer Reserve begegnet der Gedanke, die Corporate Governance von der europäischen Ebene her auf nichtbörsennotierte Unternehmen zu erstrecken. Gewiss – in Deutschland haben sogar Familienunternehmen sich auf einen spezifischen Corporate Governance Kodex verstän-

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56 Rahmen-Grünbuch, (Fn. 3), S. 4. 57 Hierzu für das deutsche Recht Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, 5. Aufl. 2011, Rz. 109 ff.; Seiffert in Kümpel/Wittig (Hrsg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rz. 4.1 ff., 4.51 ff.

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digt58. Das aber ändert nichts an ihrem Charakter als Privatunternehmen und damit als Unternehmen, für deren rechtliche Organisation deren Gesellschafter in Ausübung ihrer Gestaltungsfreiheit die primäre Verantwortung tragen. Diese Eigenverantwortung sollte ihnen kein Gesetzgeber und auch kein Regelsetzer abnehmen – auch nicht durch die Vorgabe auf sie zugeschnittener Corporate Governance Codices. Hilfestellung des Gesetzgebers brauchen diese Privatunternehmen wohl kaum; wer von ihnen die Rechtsform einer Aktiengesellschaft wählt, sollte auch seine Berater bezahlen können. Das gilt gleichermaßen für große Privatunternehmen fern der Börse. Sie sind zwar von öffentlichem Interesse; daher müssen sie wegen ihrer Bedeutung für die Gemeinschaft schon seit 1968 in Deutschland nach dem Publizitätsgesetz öffentlich Rechnung legen59. Daraus kann aber nicht der viel weitergehende Schluss gezogen werden, es sei nun an der Zeit, sich von Staats wegen um die Corporate Governance der großen Privatunternehmen zu kümmern. Relevante Schwächen in ihren Governance-Strukturen, die das Eingreifen der Gesetzgeber erfordern würden, sind soweit ersichtlich, nirgendwo zu Tage getreten. Tiefgreifend reformbedürftig sind in manchen EU-Mitgliedstaaten vielmehr die Rahmenbedingungen für die wirtschaftliche Betätigung und die staatliche Infrastruktur.

VII. Comply or explain innerhalb der Regelungshierarchie Das Prinzip „comply or explain“ hat im deutschen Recht bekanntlich seinen Niederschlag in der Entsprechenserklärung des § 161 AktG60 _______________

58 Der Kodex sowie eine Kommentierung einzelner Kodex-Bestimmungen durch die Kodex-Geber sind abrufbar unter http://www.kodex-fuer-familienunter nehmen.de; siehe auch May/Koeberle-Schmid, DB 2011, 485 ff.; KoeberleSchmid/Schween/May, BB 2011, 2499 ff. – Einen Corporate GovernanceKodex für die GmbH hat jüngst Konnertz-Häußler, GmbHR 2012, 68 ff. vorgeschlagen. 59 Zur Rechnungslegungspflicht großer Privatunternehmen nach dem Publizitätsgesetz allgemein siehe Rittner, Wirtschaftsrecht, 2. Aufl. 1987, § 8, Rz. 44 ff.; speziell zum Konzernabschluss der Personenhandelsgesellschaft Schellhorn, DB 2008, 1700 ff. 60 Hierzu zuletzt Lutter in Liber amicorum Martin Winter, 2011, S. 447 ff.; speziell zu Sinn und Zweck von Kodex und Erklärung Lutter, Kölner Komm. AktG, 3. Aufl., Band 3–3. Teillieferung, 2012, § 161 Rz. 19; vgl. auch Bühler, Regulierung (Fn. 9), S. 27.

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und in der Erklärung zur Unternehmensführung des § 289a HGB61 gefunden. Die EU-Kommission schlägt im Rahmen-Grünbuch die Erweiterung des „explain“ vor sowie vor allem die öffentliche Überwachung, ob die Börsengesellschaften ihre Abweichungen von den Kodex-Empfehlungen ausreichend informativ und verständlich erläutern62. Diese Kommissions-Vorstöße bieten allen Anlass, noch einmal sehr grundsätzlich über die Codices und die Entsprechenserklärung nachzudenken: Welche Position haben sie in der Regelhierarchie vom europäischen und mitgliedstaatlichen Gesellschaftsrecht bis hin zu den Eigenregelungen der Unternehmen, und welche Funktion kommt den Codices innerhalb der Hierarchie zu?

1. Zur gesteigerten Relevanz der Codices Zur Erläuterung in der Entsprechenserklärung erwägt das RahmenGrünbuch, die Börsengesellschaften anzuhalten, nicht bloß die Nichtanwendung von Kodex-Empfehlungen zu begründen, sondern sie weitergehend nach schwedischem Vorbild zu verpflichten, die statt der Empfehlung gewählte Alternativlösung genau zu beschreiben und zu erläutern63. Dazu ist kritisch anzumerken: Für die Börsengesellschaften wäre diese erweiterte Erläuterungspflicht ein zusätzliches Momentum, nicht von den Kodex-Empfehlungen abzuweichen64. Der quasi-normative Charakter der Empfehlungen65 würde sich noch weiter verfestigen.

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61 Merkt in Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl. 2010, § 289a Rz. 1 ff.; Schmiel/ Jansen in Heidel/Schall, HGB, 2011, § 289a Rz. 1 ff.; näher Bachmann, ZIP 2010, 1517 ff.; Böcking/Eibelshäuser, Der Konzern 2009, 563 ff.; Kocher, DStR 2010, 1034. 62 Rahmen-Grünbuch (Fn. 3), S. 21 f. 63 Rahmen-Grünbuch (Fn. 3), S. 21 f. 64 Zum rechtspraktischen Sog, die Kodex-Empfehlungen tatsächlich zu befolgen, Hoffmann-Becking, ZIP 2011, 1173, 1174; Hüffer (Fn. 8), § 161 Rz. 3; Peltzer, NZG 2011, 961, 963; Müller, Vorsitzender der deutschen KodexKommission, empfiehlt den Unternehmen dagegen, eine „Abweichungskultur“ zu entwickeln (die auf der zehnten Deutscher Corporate Governance Kodex-Konferenz im Mai 2011 gehaltene Rede ist abrufbar unter http:// www.corporate-governance-code.de/ger/download/konferenz_2011/2011_06_ 30_Mueller_ DCGK_Hauptrede.pdf). 65 Siehe Harbarth, KPMG Audit Committee Quartely II/2011, 24 f.; vgl. auch Bachmann, WM 2011, 1301, 1308.

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2. Aufsichtsbehörden Daneben stellt die EU-Kommission den Gedanken zur Diskussion, die Entsprechenserklärung in ihrem materiellen Aussagegehalt von den Wertpapieraufsichtsbehörden oder den Börsen überprüfen zu lassen66. Wäre das nicht eine Alternative zu den lästigen Anfechtungsklagen67 wegen unzutreffender oder bloß unzureichender Entsprechenserklärung in Deutschland? Doch wohl nicht ernstlich. Auch wenn man nicht das Reichsaktienamt68 als rechtspolitischen Wiedergänger an die Wand malen will, so muss doch der tief besorgte Zweifel bleiben, ob über eine solch’ öffentliche Aufsicht nicht das Tor aufgestoßen wird zur organisatorischen Kontrolle aller Börsengesellschaften nach dem Muster und in eben jener Intensität, wie sie die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht über die Finanzunternehmen ausüben soll und rechtspraktisch zunehmend engmaschiger tatsächlich ausübt69. Gegenüber den Börsengesellschaften der Realwirtschaft ist eine solche Behördenaufsicht nicht notwendig; schon auf der europäischen Ebene sollte man den Anfängen wehren.

3. Wirkungen der Codices Diese Kommissions-Vorstöße verdeutlichen es erneut: Die Kodex-Empfehlungen sind zunehmend stärker dahin angelegt, wie dispositives Gesetzesrecht zu wirken70; gegenüber diesem jedoch mit einem gewich_______________

66 Rahmen-Grünbuch (Fn. 3), S. 22. 67 Zu dem Problem der „räuberischen Aktionäre“ bereits Lutter, JZ 2000, 837 ff.; siehe auch Helm/Manthey, NZG 2010, 415 ff.; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 5. Aufl. 2010, § 16 Rz. 168 ff.; J. Vetter, AG 2008, 177 ff. – Neueste Rechtstatsachen bei Baums/Drinhausen/Keinath, ZIP 2011, 2329. 68 Richter, Die Sicherung der aktienrechtlichen Publizität durch ein Aktienamt, 1975, S. 245 ff. 69 Siehe nur die detaillierten Vorgaben der BaFin zum Risikomanagement in Banken und Versicherungsunternehmen: „Rundschreiben 11/2010 (BA) – Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk)“, abrufbar unter www.bafin.de (Unternehmen > Banken & Finanzdienstleister > Risikomanagement); dazu Weber-Rey/Baltzer in Hopt/Wohlmannstetter (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance von Banken, 2011, S. 431 ff. 70 Hüffer (Fn. 8), § 161 Rz. 3 (für die Kodex-Empfehlungen: „Geltungsanspruch mit Ausstiegsklausel“); Spindler, NZG 2011, 1007, 1008 (für den Kodex im Zusammenspiel mit § 161 AktG: „hybride Regulierung zwischen Selbstregulierung und zwingendem Recht“); Ulmer, ZHR 166 (2002), 150, 160 f. (für die Kodex-Empfehlungen: „mittelbare, unter dem Vorbehalt des „Opt-Out“ stehende Befolgungspflicht“).

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tigen Nachteil: Zulässige Abweichungen vom Gesetz brauchen die Börsengesellschaften weder zu erläutern, noch zu begründen. Konsequent können sie deshalb auch nicht mit Anfechtungsklagen überzogen werden. Die innergesellschaftliche Kompetenzverteilung, hier Hauptversammlung und dort Unternehmensverwaltung, schlägt demgegenüber nicht sonderlich zu Buch. Wegen der Nähe, in die Kodex-Empfehlungen zu dispositivem Gesetzesrecht gerückt sind, sorgen sich Abgeordnete des Bundestages mit Recht um die Rechtsgrundlage der KodexKommission und ihrer Arbeit71.

4. Perspektiven und Konsequenzen Im Zusammenhang mit den Erwägungen und Vorschlägen im RahmenGrünbuch besteht im Moment doch einiger Anlass, den GovernanceRegelungsrahmen mitsamt seinen verschiedenen Regelungsebenen in seiner Gesamtheit in den Blick zu nehmen. Hierzu im Moment nur knappe Andeutungen: Für die Regelungszuständigkeit der Gesetzgeber, des der Union oder der der Mitgliedstaaten, ist in manchen Stellungnahmen zum Grünbuch zu recht das Subsidiaritätsprinzip ins Feld geführt worden72. Ihm kommt für die Corporate Governance der Börsengesellschaften gerade aus deutscher Sicht besonderes Gewicht zu: Auf der Ebene des Unionsrechts wird das System der dualistischen Unternehmensverwaltung nicht mit der erforderlichen Sorgfalt und Präzision aufgegriffen und nicht mit dem gebotenen Respekt behandelt. Im Grünbuch gelten ihm allenfalls wenige Randbemerkungen zur Absicherung73. Grosso modo Vergleichbares gilt für die Corporate Governance in Privatunternehmen. Die Konsequenz: dort, wo ein Gesetzgeber Fragen der Corporate Governance regeln sollte, sind zunächst und vor allem die der Mitgliedstaaten aufgerufen; der _______________

71 So etwa Harbarth, KPMG Audit Committee Quartely II/2011, 24 f.; die verfassungsrechtliche Legitimation des Kodex ist auch Thema eines Beschlusses des Bundesfachausschusses Wirtschafts-, Haushalts- und Finanzpolitik der CDU zur Weiterentwicklung des Kodex: die Pressemitteilung vom 17.10.2011 sowie der Beschluss sind abrufbar unter http://www.cdu.de/archiv/2370_ 33643.htm. 72 Stellungnahme des Bundestags, (Fn. 3), S. 4; Handelsrechtsausschuss des DAV, NZG 2011, 936, 937. 73 Siehe etwa Rahmen-Grünbuch (Fn. 3), S. 12 zur risikopolitischen Mitbeteiligung des Verwaltungsrats (oben II. 1.): „Einige Aspekte können sich jedoch aufgrund der vorhandenen Rechtsrahmen unterscheiden, wie z. B. aufgrund der dualistischen oder monistischen Verwaltungsstruktur“.

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der Union darf allenfalls weite Rahmenvorgaben zur unverzichtbaren Angleichung statuieren. Folgerichtig scheidet ebenfalls ein einheitlicher Governance-Kodex auf der europäischen Ebene aus. Aber auch zum nationalen Governance-Kodex in Deutschland sollten die europäischen Impulse und die Notwendigkeit, ihn rechtlich neu zu fundamentieren74, veranlassen, über seine Fortschreibung und deren mögliche Auswirkungen sehr grundsätzlich zu reflektieren. Wenn die Kodex-Empfehlungen ähnlich disponiblem Gesetzesrecht wirken, könnte erwogen werden, manche Regelungsmaterie in ihren Details aus dem Aktiengesetz in den Kodex zu verlagern und im Gesetz insoweit nur noch die wesentlichen Kernaussagen zu belassen75. Das könnte die Organisationsverfassung der deutschen Aktiengesellschaften flexibilisieren, den Grundsatz der Satzungsstrenge (§ 23 Abs. 5 AktG)76 in seiner übertriebenen Schärfe abmildern und die deutsche Rechtsform im europäischen Wettbewerb der Gesellschaftsformen77 ertüchtigen.

VIII. Generelle Befunde aus deutscher Sicht Deshalb zum Schluss: Gerade Deutschland hat vielfältigen Anlass, sich aufmerksam und sorgfältig mit den EU-Reformvorhaben zur Corporate Governance zu befassen. Denn es geht mitnichten bloß um das Sonderrecht für Börsengesellschaften78. Fundamental ist vielmehr das dualistische System des deutschen Aktienrechts herausgefordert. Sein Grundkonzept einer Corporate Governance, weitblickend vor mehr als 125 Jahren in der Aktienrechtsreform 1884 normiert79, und seitdem von den deutschen Gesetzgebern Schritt für Schritt gerade für den Aufsichtsrat modernisiert, um die Machtbalance zwischen den Gesellschaftsorganen _______________

74 Oben bei Fn. 71. 75 Man denke etwa an die normative Festlegung der Sitzungsfrequenz in § 110 Abs. 3 AktG. 76 Zu ihm Röhricht in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1996, § 23 Rz. 167 ff.; Seibt in K. Schmidt/Lutter (Fn. 8), § 23 Rz. 53 ff.; Pentz in MünchKomm. AktG, Bd. 1, 3. Aufl. 2008, § 23 Rz. 148 ff. 77 Zum Wettbewerb der Rechtsformen bzw. Rechtsordnungen Leible/Hoffmann, EuZW 2003, 677, 682; Teichmann, Binnenmarktkonformes Gesellschaftsrecht, 2006, S. 330 ff., 366 f. 78 Zu dieser Diskussion auf dem 67. Deutschen Juristentag 2008 in Erfurt siehe Bayer in Bayer (Hrsg.), Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht in den Beratungen des Deutschen Juristentages, 2010, S. 693 ff. 79 Hommelhoff in Hommelhoff/Schubert, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1984, S. 53, 91 ff.

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immer wieder auszutarieren80, steht nun in Europa auf dem Spiel. Und dort scheinen überdies die spezifische Unterstützungsfunktion des Abschlussprüfers gegenüber dem Aufsichtsrat sowie die Eigenverantwortlichkeit der börsenfernen Privatunternehmen und ihre kennzeichnende Gestaltungsfreiheit in Zweifel zu geraten. Daher sind die Gesellschaftsrechtler in der ganzen Breite ihrer Professionen, wie sie in der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung vom Unternehmensjuristen über seine Berater bis hin zu den Wissenschaftlern vertreten sind, aufgerufen, sich an der Fortschreibung des Unternehmens- und Gesellschaftsrechts in Europa zu beteiligen. Der nächste Reformimpuls der EU-Kommission steht schon ins Haus: Das Grünbuch zum Gesellschaftsrecht wird demnächst publiziert werden81.

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80 Zur Historie des Aufsichtsrats-Rechts Lutter in Bayer/Habersack (Hrsg.), Aktienrecht im Wandel, Bd. II, 2007, S. 389 ff.; siehe auch Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, passim. 81 Zum „Fahrplan“ siehe unten den Diskussionsbericht, S. 197.

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Bericht über die Diskussion des Referats Hommelhoff Velina Ziegler Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Universität Heidelberg Hellwig, der die Diskussion leitete, griff das Thema des Referats auf, indem er auf den schillernden Begriff der Corporate Governance aufmerksam machte, für den es keine einheitliche Definition gebe: Es handele sich um eine „Tüte mit gemischtem Inhalt“; festgelegt werde der Inhalt von der Kommission. Indes – anders als bei der Abschlussprüfung habe sich die Kommission zu vielen im Rahmen-Grünbuch angesprochenen Fragen noch keine eigene Meinung gebildet und das Grünbuch daher bewusst offen formuliert, um eine EU-weite Diskussion anzustoßen. Hommelhoff stimmte Hellwig zu, wies jedoch auch darauf hin, dass die Kommission im Rahmen-Grünbuch durchaus Richtungen andeute, die es frühzeitig zu würdigen und auf ihre Vereinbarkeit mit dem deutschen System zu überprüfen gelte.

I. Lutter eröffnete die Diskussion mit der Aufgaben-adäquaten Zusammensetzung des Aufsichtsrats: Auf der EU-Ebene habe man sich diesem Bereich bereits verdienstvoll angenommen – mit der Abschlussprüferrichtlinie1, die Sachverstand auf den Gebieten Rechnungslegung und Abschlussprüfung einfordere. Auch der Vorschlag im Rahmen-Grünbuch, den Aufsichtsrat selbst zur Formulierung der Personalkriterien, an denen er seine Wahlvorschläge ausrichte, anzuhalten, sei zu begrüßen. Hommelhoff ergänzte zustimmend: Der Aufsichtsrat könne über die Vorgaben der Abschlussprüferrichtlinie hinaus am besten beurteilen, welchen Strauß unterschiedlicher Qualitäten er benötige; eine Generalvorgabe des Gesetzgebers sei insoweit ausreichend, aber auch erforderlich, um den Aufsichtsrat zu aktivieren.

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1 Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 17. Mai 2006 über Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/ EWG des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 84/253/EWG des Rates, ABl. 2006 L 157/87.

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Ziegler – Bericht über die Diskussion des Referats Hommelhoff

II. Den ersten Schwerpunkt der Diskussion bildete die Ausrichtung der Unternehmen auf Nachhaltigkeit; konkret: der Vorschlag der Kommission, institutionelle Anleger für Zwecke der Corporate Governance in Dienst zu nehmen, indem sie dazu angehalten werden, aktiv gestaltend auf die Unternehmensleitung Einfluss zu nehmen und diese zu überwachen. Lutter betonte, dass der Kommissions-Vorschlag mit der Überwachungsfunktion des Aufsichtsrats im dualistischen System schlechthin unvereinbar sei; etwas anderes gelte allenfalls für Banken. Hommelhoff führte dazu erläuternd aus: Der Ansatz, institutioneller Anleger zu aktivieren, sei aus dem Stewardship Code entlehnt; er sei mithin für das monistische board-System entwickelt worden, das zwar die Differenzierung zwischen executive und non executive directors, nicht aber die institutionelle Trennung von Leitung und Überwachung kenne. Dies zeige, welche Spannungen ein für das monistische System konzipierter Ansatz in das dualistische System hineintragen könne. Damit rückte der von Hommelhoff alternativ vorgeschlagene Weg zur Implementierung des Nachhaltigkeitspostulats in den Mittelpunkt: die Aufnahme des Ziels nachhaltiger Unternehmensentwicklung in § 76 Abs. 1 AktG, wie in Ziffer 4.1.1 des Deutschen Corporate Governance Kodex geschehen. Lutter befürwortete diese Lösung und stellte zugleich klar: Zwar seien die in Ziffer 4.1.1 des Deutschen Corporate Governance Kodex aufgeführten Einzelinteressen für die Ausrichtung auf Nachhaltigkeit von Bedeutung; gleichwohl müsse dem Ziel nachhaltiger Wertschöpfung ausdrücklich der Vorrang vor den Einzelinteressen eingeräumt werden. Semler, der ebenfalls mit einer Konkretisierung des § 76 Abs. 1 AktG sympathisierte, warf die Frage auf, wie der Vorstand – eine Änderung des § 76 Abs. 1 AktG unterstellt – seine Bemühungen um Nachhaltigkeit darlegen könne, um eine Bewertung zu ermöglichen. Auf keinen Fall – so Semler – dürften hiermit bloße Formalitäten in großer Zahl verbunden sein; denn sie würden den Vorstand übermäßig belasten und ihn von seiner Hauptaufgabe abhalten, das Unternehmen erfolgreich zu führen. „Principiis obsta“ – so fasste Semler seinen Appell zusammen und verwies zur Veranschaulichung auf § 261a AktG. Hier habe der Gesetzgeber eine Mitteilungspflicht des nach § 260 AktG angerufenen Gerichts gegenüber der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht statuiert, ohne zu regeln, was diese mit den Informationen anfangen solle. In Bezug auf § 261a AktG wies Hommel-

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hoff auf den Funktionszusammenhang mit dem Enforcement der Rechnungslegung hin. Zur Beantwortung der Frage, wie sich die Umsetzung eines Nachhaltigkeitspostulats in § 76 Abs. 1 AktG beschreiben und messen ließe, seien – so Hommelhoff und Semler – Wirtschaftsprüfer zum Gespräch mit den Gesellschaftsrechtlern einzuladen.

III. Semler führte die Diskussion fort, indem er auf zwei weitere Aspekte der Corporate Governance aufmerksam machte. Erstens wies er darauf hin, dass in der Unternehmenswirklichkeit zumeist ein starkes Ungleichgewicht zwischen den Organen und den einzelnen Organmitgliedern bestehe; Letztere trauten sich oft nicht, ihre Meinung auszusprechen, was einer guten Unternehmensführung abträglich sei. Hommelhoff bekräftigte, dass der Gesetzgeber einer solchen Entwicklung durch die Verpflichtung zu kritisch-konstruktivem Hinterfragen entgegenwirken müsse. Zweitens sprach Semler die Berücksichtigung von Arbeitnehmerinteressen an: Eine auf die EU beschränkte Herangehensweise nütze nichts, da die Arbeitnehmer außerhalb der EU ebenfalls in den Blick genommen werden müssten. Hommelhoff entgegnete, eine EU-weite Lösung könne förderlich sein, um anschließend eine Lösung auf der völkerrechtlichen Ebene herbeizuführen.

IV. Äußerst kontrovers diskutiert wurde der im Grünbuch zur Abschlussprüfung veröffentlichte Vorschlag der Kommission, die Trennung von Prüfung und Beratung zwingend vorzuschreiben. Hellwig merkte an, dass dahin gehende Überlegungen bereits im Aktionsplan 20032 enthalten waren und sich insoweit ein allgemeiner Trend abzuzeichnen scheine. Die Würdigung dieses Trends bildete den zweiten Schwerpunkt der Diskussion. Doralt befürwortete die Trennung von Prüfung und Beratung, was auch der aktuellen Entwicklung in den USA entspreche. Es sei erforderlich, die Abschlussprüfer aus ihrer möglicherweise selbst verschuldeten Unmündigkeit zu entlassen. In der Unternehmenspraxis bestimme der Vor_______________

2 Aktionsplan Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate Governance in der Europäischen Union, KOM(2003) 284 endg.

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stand zusammen mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden und gegebenenfalls nach Billigung des Großaktionärs einen Abschlussprüfer; werde der Prüfer unangenehm, drohe ihm der „Rausschmiss“. Um dieser Situation entgegenzuwirken, sprach sich Doralt für ein Bündel von gesetzgeberischen Maßnahmen aus: darunter die Anordnung einer Rotation der Prüfer; die Festlegung einer Funktionsperiode, innerhalb derer eine Abberufung des Prüfers nur aus wichtigem Grund – etwa durch das Handelsregister – erfolgen können solle; das Verbot gleichzeitiger Prüfung und Beratung und – damit zusammenhängend – die Reduzierung des Preiskampfes, der daraus resultiere, dass die Honorare für die Prüfung zurückgingen und durch wenig transparente Beratungshonorare ersetzt würden. Auch Hügel hielt die Trennung von Prüfung und Beratung für erforderlich, um die Unabhängigkeit der Prüfung sicherzustellen. Die von Hommelhoff geäußerten Bedenken, der Abschlussprüfer müsse im Falle eines Beratungsverbots ein Unternehmen prüfen, das er nicht hinreichend kenne, überzeugten Hügel nicht: In großen Unternehmen seien unterschiedliche Abteilungen für Beratung und Prüfung zuständig, sodass schon jetzt nicht von einer umfassenden Kenntnis des Prüfers gesprochen werden könne. Hommelhoff griff die Beiträge von Doralt und Hügel auf, indem er dafür plädierte, die von der Änderung Betroffenen – insbesondere die Vorsitzenden der Prüfungsausschüsse – in die Diskussion einzubinden. Erneut betonte er die Notwendigkeit, aus anderen Rechtsordnungen entlehnte Vorschläge sorgfältig am eigenen System zu spiegeln. In Deutschland unterstütze der Abschlussprüfer den Aufsichtsrat – insbesondere mittels des unlängst für geprüfte Börsengesellschaften erweiterten Prüfungsberichts – bei der Überwachung der Unternehmensleitung; das aber könne der Abschlussprüfer nur leisten, wenn er mit den Besonderheiten des Unternehmens vertraut sei. Über eine Entflechtung der Aufgaben von Abschlussprüfer und Aufsichtsrat könne man diskutieren; dem gehe indes notwendig die Erkenntnis voraus, dass sich die Vorschläge der Kommission an einigen Stellen erheblich mit dem deutschen System rieben. „Die Weichen werden neu gestellt und wir merken es nicht“ – mit dieser Warnung und der Bitte an das Plenum, sich aktiv in die Diskussion einzumischen, um die Entwicklungen in der EU mitzugestalten, beendete Hommelhoff seine Erwiderung.

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V. Hellwig unterstrich die Schlussworte Hommelhoffs, indem er anmerkte, dass unter den von der Kommission wenige Tage zuvor veröffentlichten Stellungnahmen zum Rahmen-Grünbuch mehr als doppelt so viele Beiträge aus dem Vereinigten Königreich als aus Deutschland stammten.3 Abschließend berichtete Hellwig von dem neuen Zeitplan der Kommission, den er am Tag der VGR-Tagung telefonisch in Erfahrung bringen konnte. Danach plane die Kommission, zum Thema „Future of European Company Law“ statt des angekündigten Grünbuchs eine öffentliche Diskussion zu starten. Im Anschluss an die Konsultation – voraussichtlich in der zweiten Hälfte 2012 – wolle sie entscheiden, wie es mit dem Europäischen Gesellschaftsrecht und speziell dem CorporateGovernance-Rahmen weitergehen solle. EU-Kommissar Barnier wolle beide Themen zusammen beraten, was – so Hellwig – angesichts der eingangs angesprochenen Schwierigkeiten, den Corporate-Governancerelevanten Fragenkreis einzugrenzen, sinnvoll erscheine; ob dieser Ansatz auch in eine gemeinsame Initiative ausmünde, bleibe indes unklar. Konkrete Ergebnisse würden frühestens im Juni 2013 erwartet. Das Thema „gender balance“ wolle die Kommission ausklammern und in speziellen Gremien behandeln. Hellwig fügte hinzu, dass die Kommission hier anscheinend zu derselben Erkenntnis gekommen sei wie Hommelhoff: Frauenförderung sei wichtig, habe aber nichts mit Corporate Governance zu tun.

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3 Die einzelnen Stellungnahmen zum Rahmen-Grünbuch sowie deren Zusammenfassung sind abrufbar unter http://ec.europa.eu/internal_market/company/ modern/corporate-governance-framework_de.htm.

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Stichwortverzeichnis Abschlussprüfung – Abschlussprüfer 188 ff. – und Beratung 189 f., 200 – Grünbuch 175 f., 199 f. – Joint Audit 188 – Prüfungsbericht 189, 200 – Prüfungsqualität 188 – Zwangsrotation 189, 200 Acting in Concert – Stimmrechtszurechnung 16 f. Aktie – eigene Aktien 14 ff. Aktiengesellschaft – kleine Börsengesellschaft 190 – nicht börsennotierte Gesellschaft 190 f. Aktienrecht 13 ff., 24 ff. Aktionäre – Corporate Governance 183 ff., 197 ff. – Engagement 183 ff. – Nachhaltigkeit 185, 198 f. – Verbot der Einlagenrückgewähr 14, 24 ff. Aufsichtsrat – Aufgaben 179 ff. – Fremdevaluation 183 – Gesetzgebung 182 f. – Haftung 14 ff., 27 ff. – Sachkunde 14 ff. – Zusammensetzung 181 f., 197 BGB-Gesellschaft – Kapitalerhöhung 3 ff. – quotale Haftung 5 ff., 20 f. – Treuepflicht 3 ff. BGH s. Entscheidungen des BGH Börsengang – Telekom 14, 24 ff. Corporate Governance 175 ff. – Aktionäre 183 ff. – Aufsichtsrat 179 ff.

– Comply or Explain 191 ff. – Grünbuch 175 ff. – Handlungsmaximen 177 ff. – Shareholder Value 178 – Subsidiaritätsprinzip 194 Corporate Social Responsibility 178 f. Debt Equity Swap 107 ff., 141 ff. Deutscher Corporate Governance Kodex (DCGK) – Aufsichtsbehörde 192 – Entsprechenserklärung 191 ff. Differenzhaftung 135 f., 143 Eigenkapital – Debt Equity Swap 107 ff. ESUG 107 ff., 143 f. – Planinsolvenz 110 ff. Entscheidungen des BGH – Beschlussanfechtungsklage gegen Limited 10, 23 f. – Gesellschafterliste 10 f. – Insiderinformation 16 f. – quotale Haftung 5 ff., 20 f. – Sacheinlageverbot bei UG 8 f., 22 f. – Sachkapitalerhöhung 14 ff. – Sanieren oder Ausscheiden II 3 ff. – Stimmrechtszurechnung 16 f. – Telekom (Dritter Börsengang) 14, 24 ff. – Treugeber-Innengesellschaft 2 f., 19 f. – wirtschaftliche Neugründung 12 f., 24 EuGH – Insiderinformation 16 f. Europäisches Gesellschaftsrecht 201 Finanzmarktkrise 176 Forderung – Bewertung 121 f., 131 – Vollwertigkeit 113, 122 ff., 141, 144

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Stichwortverzeichnis Fremdkapital – Debt Equity Swap 107 ff. Geschäftsanteil – gutgläubiger Erwerb 151 ff., 172 f. – Nummerierung 166 f. Geschäftsführer – Gesellschafterliste 158 f. Gesellschafterliste 10 f., 145 ff., 171 ff. – Inhalt 166 ff. – Legitimationswirkung 147 ff. – Registerklarheit 167 f. – Veränderungen 157 f. – Verfahrensrecht 168 f. – Zuständigkeit 158 ff., 171 f. GmbH – Geschäftsanteil s. dort – Geschäftsführer s. dort – Gesellschafter s. GmbH-Gesellschafter – Gesellschafterliste s. dort – Gründung s. GmbH-Gründung – wirtschaftliche Neugründung s. Neugründung, wirtschaftliche GmbH-Gesellschafter – Haftung 49 ff. GmbH-Gründung 50 ff. – Unterbilanzhaftung (Vorbelastungshaftung) 51 ff. – Verlustdeckungshaftung 54 ff. GmbH-Recht 7 ff., 22 ff. Insiderinformation – gestreckter Sachverhalt 17 f. Insolvenz – ESUG 107 ff. – Planinsolvenz 110 ff. Insolvenzgericht – Prüfungsprogramm 113 Institutionelle Investoren – Corporate Governance 183 ff., 198 f. – Stewardship Code 198 Kapitalerhöhung 108 ff., 118 ff. – Sachkapitalerhöhung 14 ff.

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Kapitalmarktrecht 13 ff., 24 ff. Larosière-Bericht 183 Limited – Beschlussanfechtungsklage, Zuständigkeit 10, 23 f. Liquidation 31 ff., 45 ff. – Durchsetzungssperre 32 f., 45 f., 47 – Gesellschafter 36, 37 ff., 39 ff., 45 ff. – Liquidator 35 f., 42 f., 47 – Nachschuss 34 ff. – OHG 33 f. – Schlussbilanz 41 f. Mitteilungspflichten – Stimmrechtszurechnung 16 f. MoMiG – Gesellschafterliste 145 ff. Neugründung, wirtschaftliche 12 f., 24, 49 ff., 103 ff. – Differenzhaftung 92 ff. – Gründerhaftung, analoge 68 ff. – Handelndenhaftung 70 f. – Rechtsfolgenseite 67 ff., 84 ff. – Tatbestandsseite 58 ff., 75 ff. Notar – Auslandsbeurkundung 163 ff., 171 – Gesellschafterliste 159 ff. OHG – Liquidation 33 f. Personengesellschaftsrecht 2 ff., 19 ff. – Gesellschafter 36, 37 ff., 39 ff., 45 ff. – Liquidation 31 ff., 45 ff. Prospekthaftung – Übernahme Prospekthaftungsrisiko 14, 24 ff. Rechtsrat, Einholung 14 ff., 27 ff. Sacheinlage – Bewertung 125 f., 133, 141 – eigene Aktien 14 ff.

Stichwortverzeichnis – Erbringung 120 f. – Gegenstand 119 f. – Verbot 8 f., 22 f. – verdeckte 133 SchVG 117, 136 f. Stimmrecht – Stimmrechtsberater 186 f. – Zurechnung 16 f. Treugeber-Innengesellschaft – Auskunftspflicht 2 f., 19 f. Überschuldung – Schuldendeckungsquote 130

Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) – Sacheinlage 8 f., 22 f. Vereinigungsfreiheit – negative 117 Vermögensverwalter 188 Vorstand – Haftung 14 ff., 27 ff. – Sachkunde 14 ff. Wandelschuldverschreibung 136 wirtschaftliche Neugründung s. Neugründung, wirtschaftliche

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